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arnollr airftoretum iiirarg
THE GIFT OF
FRANCIS SKINNER
OF DEDHAM
IN MEMORY OF
FRANCIS SKINNER
(H. C. 1862)
Received (A/^AjO\. / ? ^^ .
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Verlag dep h. Laupp'schen Euchhandlung
in Tübm^en
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torey's
ßandbudi der Forsti9issenschaft
Zweite perbesserte und vermehrte Auflage
in Perbindung mit
Profeffor Dr. B. B a h I e r in ÜOblngen - Serlditsrat Profeffor Dr. K. D t cfc e I in Cfioriottenburg-
Berlin - 6. Ritter uon Dombrowski in Wien -^ Proteffor Dr. HI. Endres in Hlflndien -«
Profeffor Dr. 6. Fromme in Giemen - Oberforitrat Dr. ß. von Fflrit, Direlttor der foritlidien
ßodiidiule in Hfdiaffenburg - Bofrat Profeffor H. Ritter uon 6uttenbergin Wien -' Profeffor
Dr. ß. ßausrath in Karlsruhe - Profeffor Dr. fi. Ktein dafelbft •• Regierungsrat Profeffor
6. fi a u b C cfc in Wien -« f Profeffor Dr. C. p o n ti o r e y in CQbingen -« Gefi. Regierungsrat Profeffor
Dr. H. flletzger in fllanden -* Gefi. Oberforftrat Dr. fll. fleumeffter, Direktor der Porft-
aliademie in Cliarandt -* Profeffor Dr. €. R a m a n n in fnoncfien - ßofrat Profeffor Dr. Fr. S di w a cfc-
li d f e r in Wien - Forftmeifter Profeffor Dr. H. S di w a p p a di in £berswalde •• Forftrat Profeffor
F. W a n g in Wien - Profeffor Dr. R. W e b e r in fliandien
herausgegeben pon
Profeffor Dr. ßermann Stoefzer,
6eh. OberfQrstrd und Direktor der Grossh. sddisisdien Forstlehranstatt Slsenadi.
ün vier Bfinden«
Erster Band^
Die Aufgaben der ForftwirtFdiaft und Forftlidie Produktionslehre I. CeiL
Cflblngen 1903.
Perlag der B. Ixaupp'fdien Buchhandlung.
OUi, r t .
Die
Hufgaben der f orifii9irtschaff
und
ForKÜiche Produktionslehre i.
ün Perbindung mit
b. Klein, f ü. von boreyi £. Ramann, R« Weber
herausgegeben
pon
ßermann Stoetzen
Cflbingen 1903.
Periag der B. b au pp 'sehen Buchhandlung.
'
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von H. Laupp Jr In T&bingen.
Vorwort zur ersten Auflage (1888).
Indem man sich zur Herausgabe unseres Handbuchs entschlossen hat, wollte man
— inmitten der überaus reichen Spezialliteratur, welche auf den Gebieten fast aller
forstlichen Disziplinen erstanden ist — in systematischer Anordnung eine kurze, ge-
drängte, den heutigen Stand unseres Wissens knapp zusammenfassende Darstellung der
ganzen Forstwissenschaft geben, um damit gewissermassen einen Buhepunkt zu schaffen,
an dem man sich sammeln und von dem aus man eine orientierende Umschau halten
könnte, bevor man zu fernerer Arbeit weiterschreitet. Viele Stimmen haben inzwischen
die Berechtigung eines solchen Unternehmens anerkannt; denn sehr Viele schon und
insbesondere viele Männer der forstlichen Praxis haben es schmerzlich empfunden, dass
infolge der regen Tätigkeit, die überall in der forstlichen Wirtschaft und Wissenschaft
mit teilweise fieberhafter Hast entfaltet wird, dem einzelnen, der sich mitten in dieses
Treiben hineingestellt sieht, aller Ueberblick verloren zu gehen droht. Diesem Miss-
stande vor allem möchte das Handbuch zu seinem Teil abhelfen, indem es in kritischer
Sichtung das Wesentliche dessen bietet, was bisher geleistet worden ist. Ausführliche
Literaturangaben wollen überall die Möglichkeit eingehenderer Studien vermitteln.
Zugleich soll, so hofft man, das Buch auch der studierenden Jugend willkommen
sein. Ohne alle Spezialwerke entbehrlich zu machen, dürfte es doch gerade wegen seines
verhältnismässig geringen Umfanges ein brauchbarer Leitfaden beim Studium sein;
manche der darin behandelten Gegenstände sind überdies in neuerer Zeit nicht in be-
sonderer Bearbeitung durchgebildet worden.
Endlich dürften auch Landwirte, vorab Grossgrundbesitzer, welche eigene Wal-
dungen bewirtschaften, sowie Verwaltungsbeamte, welche am Gedeihen des Waldes In-
teresse nehmen, in dem Handbuch eine willkommene Gabe erblicken, zumal dasselbe
neben dem fachlichen auch den allgemein volkswirtschaftlichen Standpunkt und die
Beziehungen der Forstwirtschaft zur Landwirtschaft an geeigneter Stelle besonders
betont.
Die systematische Anordnung schien dem Zwecke am förderlichsten. Die den
einzelnen Teilen vorgedruckten Inhalts-Uebersichten geben über den Plan des ganzen
Werkes Aufschluss. Ein ausführliches alphabetisches Sachregister, welches der ersten
Abteilung des ersten Bandes beigegeben ist, ermöglicht rasches Nachschlagen über ein-
zelne Gegenstände.
Dass ein derartiges Werk nicht von einem einzelnen verfasst werden konnte,
liegt auf der Hand. Vielmehr bedurfte es vieler Kräfte, deren jede in dem ihr zuge-
wiesenen Gebiet ein spezielles Arbeitsfeld erblickt. Schon die Namen der Mitarbeiter
werden den Lesern eine Gewähr dafür sein, dass ihnen in dem Werke ein gut Stück
ernster Arbeit geboten wird. Ueberdies sei darauf aufmerksam gemacht, dass Männer
verschiedenster wissenschaftlicher Kichtung an dem Unternehmen mitgewirkt haben.
Musste darunter auch vielleicht die Einheitlichkeit der Auffassung da und dort etwas
not leiden, so hat man andererseits den Gewinn, kein Werk im Sinne einer einseitigen,
VI Vorwort.
ansschliessenden ParteiriclitTing geschaffen zu haben, obwohl die einzelnen Abhandlungen
begreiflicherweise voll und ganz den wissenschaftlichen Standpunkt ihrer Verfasser wi-
derspiegeln.
Auch in anderer Hinsicht mnss dem Bache der Charakter eines Sammelwerkes
anhaften, sofern es bei einem solchen immer unmöglich ist, überall vollkommene Gleich-
mässigkeit der Durchführung zu wahren. Man ist sich dessen wohl bewusst, dass ein-
zelne Arbeiten umfassender geworden sind, als es von vornherein gewünscht war. Doch
hoffen wir, vielleicht gerade mit deigenigen Abhandlungen, welche den sonst knappen
Rahmen des Ganzen zu überschreiten scheinen, bei Vielen eine besonders freundliche
Aufnahme zu finden.
Möchte das Handbuch, indem es seinen Weg macht, den Nutzen stiften, den sich
alle Beteiligten von demselben erhoffen.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Nachdem der Herausgeber der ersten Auflage, Professor Dr. vonLorey, bereits
die Einleitung für die Herausgabe der zweiten Auflage getroffen hatte, wurde derselbe
durch einen jähen und plötzlichen Tod am 27. Dezember 1901 abgerufen. Einer hand-
schriftlich von ihm hinterlassenen Notiz zufolge, in welcher er den Unterzeichneten als
seinen Nachfolger in der Bedaktion bestimmt hatte, übernahm dieser die weitere Füh-
rung der Bedaktionsgeschäfte, sowie die zum grossen Teil bereits eingegangenen
Manuskripte der Herren Mitarbeiter. Es erwuchs ihm zunächst die Aufgabe, das
Material einer Durchsicht zu unterziehen und diejenigen Vereinbarungen herbeizuführen,
welche wegen teil weiser Kürzung, sowie zum Zweck von Aenderungen behufs Erzie-
lung möglichster Gleichmässigkeit in der Behandlung des Stoffes, insbesondere auch
zur tunlichsten Vermeidung von Wiederholungen und von Kollisionen in den Grenz-
gebieten einzelner Disziplinen, erforderlich erschienen.
Demnächst war die Verteilung des Stoffes in die einzelnen Bände, deren wegen
der eingetretenen beträchtlichen Vermehrung des Materials vier gebildet werden mussten,
zu bewirken, sowie die Ueberwachung der Drucklegung vorzunehmen.
Die an sich erwünschte Aufnahme einer „Forstzoologie" war leider nicht mehr
möglich; die Verlagsbuchhandlung hat sich jedoch entschlossen, eine solche — gewisser-
massen als Nachtrag zum Handbuch der Forstwissenschaft — besonders herauszugeben,
zu welchem Zweck bereits ein namhafter Spezialist auf diesem Gebiete gewonnen wor-
den ist. Das Erscheinen wird etwa in Jahresfrist zu erwarten sein.
Allen Mitarbeitern sei auch an dieser Stelle für das bewiesene freundliche Ent-
gegenkommen und die, im Interesse des Werkes betätigte liebenswürdige Unterstützung
des Herausgebers der verbindlichste Dank ausgedrückt.
Möge das mit vereinten Kräften geschaffene Werk sich einer nicht minder freund-
lichen Aufnahme wie die erste Auflage erfreuen !
Eisenach, Ende Juli 1903.
H. Stoetzer.
vn
Inhalt des ersten Bandes.
*
L Die Aufgaben der Forstwirtschaft. Allgemeine Erörterungen über
die Ziele und Mittel der forstlichen Produktion.
Von
R. Weber.
Seite
Vorbemerkung 1
Geographische Verteilung der Wälder in Europa und ihre historischen Ursachen 2
Gegenwärtige Bewaldungsverhältnisse 14
Natürliche Ursachen 15. Waldfläche der europäischen Staaten 16. Verteilung
der Wälder nach Höhenregionen 20.
Bedeutung der Wälder für das öffentliche Wohl und die staatswirtschaftlichen
Gesichtspunkte der Forstwirtschaft 20
Einflnss des Waldes auf Luft- und Bodentemperatur 24. Einwirkung auf den
Feuchtigkeitsgrad der Luft und auf den Kreislauf des Wassers 43. Bedeutung
des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens und der
Schneedecke, sowie für die Abschwächung der Winde 61.
Die Forstwirtschaft vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt .... 71
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft 71. Jährliche Produkt
tion an organischer Suhstanz 77. Brennstoffproduktion 82. Nutzholz 83. Ver-
teilung der Holz- und Betriebsarten in Deutschland 84. Abnutzungsgrösse der
deutschen Staatsforste 86. Umtrieb 89. Nachhaltigkeit 89. Raubbau 89. —
Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor in der Forstwirtschaft 91. Ar-
beitsaufwendungen 93. Wirtschaftlichkeit 93. Ausgaben, Produktionskosten 94.
Handels- und Transporttätigkeit, Veredelung des Rohproduktes 95. — Die Pro-
duktionskapitalien der Forstwirtschaft und ihre Rentabilität 97. Bodenrente
100. Allgemeine Eigenschaften des Holzkapitals 100. Reinerträge mehrerer
deutscher Staaten 102.
II. Forstliche Standortslehre.
Von
E. Ramann. "^
Eiinleitnng .............. 103
Allgemeines über den Boden 104.
I. Bodenbildung. Vei^witterung 105
Der Zerfall der Gesteine 105 (Einwirkung der Temperatur. Wirkung des
gefrierenden Wassers). Die lösende Wirkung des Wassers 106. Die Zer-
setzung der Gesteine 107. Organische Stoffe und deren Einwirkung 109.
VIII Inhalt des ersten Bandes.
Seit«
Die Absätze ans verwitternden G^teinen 110. Die Absätze organischer
StoflFe 113.
II. Die Absorptionserscheinnngen im Boden 114
in. Der Transport der Verwittemngsprodukte 119
Der trockene Abtrag 119. Abtrag dnrch Wasser 120. Abtrag dnrch Luft-
bewegnng 123.
lY. Die wichtigsten Mineralarten und Gesteine 124
Die wichtigsten Mineralarten 124. (Kieselsäure und Silikate, Feldspate,
Glimmergrappe, Hornblende und Angitgruppe, Leucit nnd andere Silikate,
Kaolin und Tonmineralien, Karbonate).
V. Die bodenbildenden (Gesteine und ihr Verhalten 134
Massige Gesteine 134
Saure Gesteine 135 (Granit, Felsitporphyr). Gesteine mit mittlerem Kie-
selsäuregehalt 135 (Syenit, Trachyt, Phonolith). Basische Gesteine 136
(Diorit, Diabas, Melaphyr, Basalt).
Urschiefer und metamorphische Gesteine . . . . 137
Gabbro, Gneis, Granulit, Glimmerschiefer, Urtonschiefer.
Tonschiefer und Tone 138
Kalk- und Dolomitgesteine . . 139
Beine Kalke 139 (Elreide, Muschelkalk, Jura). Kalkgesteine mit reich-
licheren tonigen Beimischungen 139. Dolomitische Kalke und Dolomite
140. Mergel 140.
Konglomerate, Sandsteine und Sande 140
Diluvium und Alluvium . . . . 142
Diluvium 142 (Glaziale Bildungen. Nordisches Diluvium. Unteres, oberes
Diluvium. Diluviale Flussablagerungen. Diluvialbildungen der Gebirge.
Löss). Alluvium 145 (Marsch- und Aueboden. Heidesand).
VI. Organismen und organische Beste des Bodens 146
Säugetiere 146. Niedere Tiere 146. Niedere Pflanzen 147. Verwesung
147. Fäulnis 150. Die Produkte der Verwesung und Fäulnis, Humus-
bildung 150. Auf dem Trocknen gebildete humose Stoffe und deren Ab-
lagerungen 152. Unter Wasser gebildete humose Ablagerungen (Schlamm,
Moor, Torf) 154. Grundzüge der Moorkultur 156.
VII. Eigenschaften der Böden 159
Die chemische und mineralogische Zusammensetzung der Böden . . 159
Chemische Bodenanalyse 159.
Physikalische Eigenschaften der Böden. Bodenphysik . . . . 161
Mechanische Bodenanalyse 161. Der Bau (Struktur) des Bodens 162. Die
Ursachen der Elrümelung der Böden 163. Die Lagerung gewachsener
Böden 165. Volum gewicht (Spezifisches Gewicht) der Böden und Boden-
bestandteile 165. Kohäreszenz und Adhäsion der Böden 166. Volum-
änderung der Böden 166. Schichtung und Mächtigkeit des Bodens 166.
Die Farbe des Bodens 167. Boden und Wasser 168. Kapillarleitung des
Wassers im Boden 170. Die Durchlässigkeit des Bodens 171. Die Ver-
dunstung des Wassers im Boden 172. Die Feuchtigkeits Verhältnisse ge-
wachsener Böden 173. Sickerwasser und Grundwasser 174. Das Ver-
halten des Bodens zur Wärme 174. Kondensationserscheinungen im Boden
176. Durchlüftung des Bodens 176. Die Bedeutung der physikalischen
und chemischen Eigenschaften der Böden 176.
VIII. Die Lage des Bodens 177
IX. Hauptbodenarten 178
X. Bodendecke 180
XI. Pflanze und Boden 183
Die physikalischen Faktoren des Pflanzenwuchses (Licht und Wärme) 183.
Die chemischen Bedingungen des Pflanzen wuchses 184 (Sauerstoff, Kohlen-
lohalt des ersten Bandes.
Bäore, Stickstoif, Wasser). Wasserbedarf der Pflanzen 186. (Wasserge-
gehalt des Bodens. Wasserverteilnng, Wasseraufnahme der Pflanzen, die
gelösten Bestandteile des Wassers, die verschiedenen Fenchtigkeitsgrade
des Bodens). Die Hineralstoffe im Pflanzenkörper 190. Menge der auf-
genommenen Mineralstoffe 193. Gesetz des Minimums 193. Waldbäume
und Mineralstoffe 193. Verhältnis zwischen Holzkörper, Rindenkörper und
den Blattorganen der Waldbäume 194. Bodenflora 195. Düngung im
forstlichen Betriebe 197.
IX
Seite
* III. Forstbotanik.
Von
L. Klein.
^
Benutzte Literatur
1. Allgemeiner Teil
I. Die Glieder des Baumes als Organe (Aeussere Morphologie und Organographie
1. Einleitung
2. Die Wurzel
3. Der Spross
4. Die Blüten, Früchte und Samen
n. Der anatomische Bau der Organe des Baumes (Innere Morphologie)
1. Die Zelle als Gewebeelement
2. Das Urmeristem, die Entwickelung der Gewebesysteme und ihre Anord-
nung im jungen Trieb und in der jungen Wurzel
3. Der Bau der Laubblätter, Coniferennadeln und Knospenschuppen
4. Die Tätigkeit des Cambiums als Verdickungsring
5. Die Rinde
6. Das Holz
7. Die Jahresringbildung ....
8. Die Verkernung
ni. Die Arbeitsleistungen des Baumes (Physiologie)
1. Die Atmung
2. Die Aufnahme des Wassers, der Aschenbestandteile und des Stickstoffs
3. Die Leitung und Abgabe des Wassers (Der Transpirationsstrom)
4. Die Aneignung des Kohlenstoffs (Die Assimilation)
5. Stoffwandlungen und Stoffwanderungen
6. Das Wachstum
7. Die Reizbewegungen ....
IV. Die allgemeinen Bedingungen des Baumlebens
V. Die Banmgestalt und ihre Ursachen
2. Die einzelnen Holzarten ....
A. Die Nadelhölzer
1. Fam. Pinaceae: Tribus Abietineae
Picea: 1. Sektion Eupicea: 246. Picea excelsa 246. P
P. nigra 254. P. rubra 254. P. pungens 254. P. Engelmanni 254
P. Breweriana 255. P. orientalis 255. P. Morinda 255. P. Schrenki-
ana 255. P. polita 255. P. Alcockiana 256. P. Glehni 256.
2. Sektion Omorica: P. omorica 256. P. hondoensis 257. P. aja-
nensis 257. P. sitchensis 257.
Abi es. I. Reihe. A. pectinata 259. A. Nordmanniana 264. A. cephalonica
264. A. Pinsapo 264. A. numidica 264. A. cilicica 265. A. Webbiana
265. A. Pindrau 265. A. amabilis 265. A. grandis 265. A. magnifica
266. A. concolor 266. A. nobilis 266. A. bracteata 266. A. arizonica 267.
n. Reihe. A. subalpina 267. A. Fraseri 267. A. balsamea 267.
alba 253
199
201
201
201
202
208
212
214
214
216
219
221
223
226
228
230
231
231
232
234
235
237
238
239
241
243
244
244
245
Inhalt des ersten Bandes.
A. sibirica 267. A. Veitchii 268. A. sacchalinensis 268. A. firma 268.
A. nmbilicata 268. A. homolepis 268. A. Mariesii 269.
Tsnga canadenfiis, Hertensiana, Sieboldi, diversifolia . . . .
Pseudotsuga Douglasii 270. P. glauca 271. P. macrocarpa 271. P.
japonica 272.
Larix europaea 272. L. sibirica 274. L. leptolepis 274. L. curilensis
275. L. dahurica 275. L. americana 275. L. occidentalis 275. L.
Lyaim 275. L. Griffithii 276.
Pseudolarix Kaempferi 276. — Cedrus Deodara, Libani u. atlantica
Pinns. 1. Sektion Pin ast er 277. a. Zweinadelige Kiefern: P. sil-
vestris 278. P. montana 282. P. Laricio 285. P. leucodernüs 286.
P. Pinaster 287. P. halepensis 287. P. Brutia 288. P. contorta 288.
P. Banksiana 288. P. densiflora 289. P. Thunbergii 289.
b. dr einadlige Kiefern: P. rigida 289. P. ponderosa 290. P. Jeffreyi
2. Sektion Strobus 291. P. Strobus 291. P. excelsa 293. P. peuce
293. P. cembra 293. P. Koraiensis 295. P. parviflora 295.
2. Tribus Taxodieae
Sciadopitys verticillata 295. — Cryptomeria japonica 295. — Se-
quoia gigantea 296. — Taxodium distichum 296.
3. Tribus Gupressineae
Libocedrus decurrens 297. — Thuja gigantea 298. Th. Standishii
298. Th. occidentalis 298. Th. orientalis 299. — Chamaecyparis
Lawsoniana 299. Gh. obtusa 300. Gh. pisifera 300. Gh. nutkaSnsls
301. Gh. sphaeroidea 301. — Gupressns sempervirens 301.
Juniperus 302. A. Aechte W. : J. communis 302. J. nana 302. J
oxycedrus 302. J. macrocarpa 303. — B. Sadebäume: J. Sabina 303
J. phoenicea 303. J. viiginiana 303.
Fam. Taxaceae. Taxus baccata
B. Die Laubhölzer
1. Kätzchenträger
A. Nussfrüchtige Kätzchenträger. Fam. Fagaceae 305. Fagus
silvatica 306. — Quercus pedunculata 310. Q. sessiliflora 313. Q
pubescens 314. Q. hungarica 314. Q. cerris 315. Q. Hex 315. Q
Suber 316. Q. Pseudosuber 316. Q. coccifera 316. Q. rubra 316. Q
coccinea 317. Q. palustris 317. — Gastanea sativa 317. G. ame-
ricana 318.
Fam. Betulaceae 319. 1. Tribus Goryleae 319. Garpinus Betu-
lus 319. G. dninensis 320. — Ostrya vulgaris 320. — Gorylus
avellana 321. G. Golurna 321. G. tubulosa 321.
2. Tribus Betuleae 322. Betula Yerrucosa 322. B. pubescens 324.
B. humilis 324. B. nana 324. B. lenta 325. — Alnus glutinosa 325.
A. incana 326. A. viridis 327.
B. Steinfrtichtige Kätzchenträger. Fam. Juglandaceae 328.
Juglans regia 328. J. nigra 328. J. cinerea 329. J. Sieboldiana
329. — Pterocaryarhoifolia 329. — Garya (Hicoria) alba 330. G.
amara, porcina, tomentosa u. sulcata 331. — Fam. Myricaceae:
Myrica Gale 331.
G. Kapselfrüchtige Kätzchenträger. Fam. Salicaceae; Salix
331. A. Bruch weiden: S. alba 332. S. fragilis 333. S. pentandra
333. — B. Mandelweiden: S. amygdalina 333. — G. Schimmel-
weiden: S. daphnoides 334. S. acutifolia 334. — D. Purpurwei-
den: S. purpurea 334. — E. Korbweiden: S. viininalis 355. — F.
Grauweiden: S. incana 335. — G. Saalweiden: S. caprea 335.
— S. cinerea 336. S. aurita 336. S. grandifolia 336. S. silesiaca
336. — H. Schwarzweiden: S. nigricans 336. — Weidenba-
starde (S. rubra) 337.
Populus 337. A.Aspen: P. tremula 337. P. alba 338. P. canes-
cens 339. — B. Schwarzpappeln: P. nigra 339. P. pyramidalis
340. P. monilifera 340. P. angulata 341. P. serotina 341. —
Seite
269
276
290
295
296
304
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305
Inhalt des ersten Bandes. XI
Seite
C. Balsampappeln: P. candicans 341. P. laorifolia 341. P. balsa-
mifera 341.
2. Kätzchenlose Lanbhölzer 341
Farn. Ulmaceae: Ulmns campestris 341. U. montana 343. U. e£fasa
343. U. americana 344. — Celtis aastralis 344. G. occidentalis
34Ö. — Zelkowa Keaki 34d.
Fam. Loranthaceae: Viscum album 345. — Loranthns enropaeus 346
Farn. Magnoliaceae: Magnolia hypoleuca 346. — Liriodendron
taUpifera 346.
Fam. Trochodendraceae: Gercidiphyllum japonicom 347.
Fam. Ranuncalaceae: Glematis vitalba 347.
Fam. Berberidaceae: Berberis vulgaris 347.
Fam. Saxifragaceae: (Ribesioideae) Kibes Grossularia 347.
B. petraenm 347. R. alpinom 348.
Fam. Platanaceae: Platanns orientalis 348. P. occidentalis 348.
Fam. Rosaceae (U.F. Pomoideae): Grataegus monogyna 349. G.
ozyacantha 349. G. pentagyna 350. G. nigra 350. — Mespilus ger-
manica 350. — Gotoneaster ynlgaris 350. G. tomentosa 350. —
Pirns Mains 350. P. communis 351. — Sorbus aucuparia 351.
S. domestica 352. S. torminalis 352. S. Aria 353. S. Mugeoti 353.
S. scandica 353. S. chamaemespilus 353. S. latifolia 353. S. hybrida
354. — Amelanchier vulgaris 354. (U.F. Prunoideae): Amyg-
dalus nana 354. — Prunus spinosa 354. P. avium 355. P. Gera-
sus 355. P. chamaecerasus 355. P. Padus 355. P. Mahaleb 356. P.
serotina 356.
Fam. Leguminosae: Robinia Pseudacacia 357. — Go lutea arbo-
rescens 358. — Gytisus labumum 358. G. alpinus 359. G. Weldenii
359. G. nigricans 359. — Sarothamnus vulgaris 359. — Spar-
tium junceum 359. — ülex europaeus 360. — Gladrastis amuren-
sis 360. — Gleditschia triacanthos 360. — Ailantus glandu-
losa 360. — Phellodendron amurense 361.
Fam. Buxaceae: Buxus sempervirens 361. — Fam. Empetraceae:
Empetrum nigrum 361.
Fam. Anacardiaceae: Pistacia Lentiscus 362. P. Therebinthus 362.
— Rh US Gotinus 362.
Fam. Aquifoliaceae: Hex aquifolium 362. — Fam. Staphylo a-
ceae: Staphylea pinnata 362.
Fam. Gelastraceae: Evonymus europaea 363. E. latifolia 363.
E. verrucosa 363.
Fam. Aceraceae: Acer Pseudoplatanus 364. A. tataricum 365. A.
platanoides 365. A. campestre 366. A. monspessulanum 366. A. obtu-
satum 366. A. saccharinum 367. A. dasycarpum 367. A. negundo 368.
Fam. Hippocastaneaceae: Aesculus hippocastanum 368. Ae.
camea 369. — Pavia 369.
Fam. Rhamnaceae: Paliurus aculeatns 369. — Rhamnus cathar-
tica 369. Rh. carniolica 370. Rh. alpina 370. Rh. pumila 370. Rh.
Alaternus 370. Rh. Frangula 370. Rh. rupestris 371.
Fam. Tiliaceae: Tilia parvifolia 371. T. grandifolia 372. T. to-
mentosa 373.
Fam. Tamaricaceae: Myriacaria germanica 373.
Fam. Elaeagnaceae: Hippophaä rhamnoides 373.
Fam. Araliaceae: Hedera helix 373.
Fam. Gornaceae: Gornns mas 374. G. sangninea 374.
Fam. Ericaceae: Arbutus ünedo 375. — Erica arborea 375. —
G a 1 1 n n a vulgaris 375. — Vaccinium Myrtillus 375.
Fam. Oleaceae: Fraxinus excelsior 375. F. americana 377. F.
pubescens 377. F. Omus 377. — Ligustrum vulgare 378. —
Phillyrea latifolia 378. — Olea europaea 378.
Fam. Apocynaceae: Nerium Oleander 378.
XII
Inhalt des ersten Bandes.
BeiU
Farn. Yerbenaceae: Vitez Agnus Castus 379.
Farn. Bignoniaceae: Gatalpa speciosa 379.
Farn. Gaprifoliaceae: Lonicera Periclymennm 379. L. caprifolinm
379. L. xylostenm 380. L. nigra 380. L. alpigena 380. L. coeni-
lea 380. — Viburnum Opulus 380. V. Lantana 380. V. Tinns 381.
— Sambncns nigra 381. S. racemosa 381.
3. Biologie und Morphologie der banmschädigenden Pilze
I. Allgemeiner Teil
II. Die einzelnen Pilzarten
1. Niedere Pilze (Phycomycetes) Phytophthora omnlvora
2. Schlauchpilze (Ascomycetes)
Taphrina (incl. Exoascus) 387. — Podosphaera 389. — Uncinnla 389. —
Phyllactinia 389. — Apiosporinm 389.
Pyrenomycetes 390. Nectria 390. — Trichosphaeria 390. — Her-
potrichia 391. — Rosellinia 391. — Sphaerella 391. — Aglaospora 392.
— Ceratostoma 392. — Hypodermataceae: 392. Hypoderma 392.
— Lophodermium 392. — Hypodermella 394. — Discomycetes: 394.
Rhizina 394. — Rhytisma 394. — Cryptomyces 395. — Scleroderriß 395.
— Sclerotinia 395. — Botrytis 395. — Dasyscypha (Peziza) 395. — Ce-
nangium 396. — Fungi imperfecti: 396. Phoma 396. — Septoria
397. — Brunchorstia 397. — Gloeosporium 397. — Pestalozzia 397. —
Septogloeum 397. — Fusoma 397. — Allescheria (Hartigiella) 397. —
Fusicladium 398. — Cercospora 398.
3. Basidiomycetes.
a. Rostpilze (Uredineae): 398. Melampsora 400. Melampsoridium
401. — Melampsorella 402. — Pacciniastrum 402. — Calyptospora 402.
— Thecopsora 403. — Coleosporium 403. — Ochropsora 404. — Cronar-
tium 404. — Chysomyxa 405. — Puccinia 405. — Gymnosporangium 405.
b. Hymenomycetes 406. Exobasidium 406. — Trametes 406. — Fo-
mes 407. — - Polyporus 408. — Poria 409. — Hydnum 409. — Stereum
410. — Agaricns 410.
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381
386
386
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398
rV. Waldbau.
Von
T. Lorey/
Einleitung: Begriff, Zwecke und Ziele, Hilfsfächer, Einteilung
Erster Abschnitt: Das Bestandesmaterial
Aufzählung der Holzarten
Waldbauliche Bedeutung derselben .....
I. Standortsansprüche
A. Boden, insbes. physikalische Eigenschaften desselben 416: Feuchtigkeit
417. Gründigkeit 417. Bindigkeit 418.
B. Die Lage und die klimatischen Bedingungen 418 : Exposition 418. Ab-
dachung 419. Meereshöhe und geograph. Lage 419. Oberflächengestal-
tung 419.
II. Die Entwickelung des einzelnen Baumes
Keimung 420. Wurzelsystem 420. Höhenentwickelung 421. Verhalten
gegen Beschädigungen 421. Fruktiflkation 422.
ni. Das Verhalten der Holzarten im Bestand
A. Einfluss der Holzarten auf den Boden
B. Verhalten der Holzarten untereinander. Gemischte Bestände
Allgemeines 426. Allgemeine Regeln für die Anlage gemischter Bestände
429. Spezielle Regeln 431 (Schattenhölzer unter einander 431. Schat-
ten- und Lichthölzer 432. Lichthölzer untereinander 433.
413
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419
423
423
426
Inhalt des ersten Bandes.
XIII
C. Holzartenwechsel
IV. Wirtschaftliche Bedeutung der Holzarten
Massen-* und Wertserzeugung 434. Arbeitsgelegenheit, Verhalten gegen
den Standort, Wirtschaftseinrichtung, Nebennutzungen, Widerstands-
fähigkeit 437. Besondere örtliche Anforderungen 438.
Zusatz: Einführung ausländischer Holzarten 438.
Zweiter Abschnitt: Die Bestandesbegründnng
1. Kapitel : Allgemeine Gesichtspunkte.
I. Arten der Begründung und ihre wirtschaftl. Bedeutung ....
A. Arten
B. Wahl der Art der Bestandesbegründung.
Natürliche oder künstliche Begründung? 441. Künstliche Bestandesbe-
gründung insbes., Saat oder Pflanzung? 443.
G. Historisches 445.
IL Reihenfolge der Kulturen
in. Rücksichten auf den Boden und die Bestandeserziehung ....
IV. Beziehungen zum Forstschutz und zur Forstbenutzung ....
V. Rücksichten der Forsteinrichtung
2. Kapitel: Natürliche Bestandesbegründung.
A. Durch Samen ...........
I. Kahlschlag mit Randbesamung.
n. Mutterbäume auf der Kulturfläche:
Allgemeines 449. Verjüngung im Schirmschlagbetrieb 452 (Vorbereitungs-
schlag 453, Samenschlag 455, Auslichtungsschlag 456). Der Femelschlag-
betrieb 456 (Verjüngung im Femelbetrieb 458).
B. Durch Ausschlag
I. Niederwald.
n. Kopfholz- und Schneitelholzbetrieb.
3. Kapitel: Künstliche Bestandesbegründung
1. Teil: Herstellung eines kulturfähigen Waldbodens.
1. Behandlung von Sümpfen
n. Flugsand
III. Raseneisenstein und Ortstein
IV. Torfmoore
V. Unfruchtbarer Humus
2. Teil: Saat.
I. Saatmethode ............
A. Verschiedene Arten der Saat.
B. Wirtschaftliche Bedeutung.
U. Saatmaterial ............
A. Beschaffung der Samen 468 (Selbstsammeln, Naturalabgabe, Tausch,
Kauf).
B. Aeussere Beschaffenheit des S. 469.
C. Prüfung des S. 469 (Keimprozente, Keimproben, Keimapparate, Dauer
der Keimkraft).
III. Das Keimbett
Vorbemerkungen.
A. Entfernung eines hinderlichen Bodenüberzugs 472.
B. Bodenlockerung: Vollsaat 472. Stellenweise Saat 473 (Riefen, Platten).
C. Herbeischaffen von Kulturerde 474.
IV. Vollzug der Saat
A. Saatzeit. B. Samenmenge. G. Beförderung der Keimung. D. Die ein-
zelnen Saatmethoden 476 (Vollsaat, Stellenweise Saat). £. Unterbringen
und Bedecken des Samens. F. Pflege der Saatkulturen 477.
3. Teil: Pflanzung.
I. Pflanzmethode ...........
A. Arten der Pflanzung.
B. Wirtschaftliche Bedeutung.
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474
478
XIV Inhalt des ersten Bandes.
Seite
n. Pflanzmaterial 480
A. Erforderliche Eigenschaften.
B. Arten der Pflanzenbeschaffüng 480. Kauf und Tausch, Entnahme aus
Schlägen, besondere Anzucht (in Freilagen, unter Schutzbeständen, in
Forstgärten).
C. Forstgartenbetrieb insbes. 481 : Arten der Forstgärten, Wahl des Platzes
(Lage, Boden, Grösse, Gestalt), Bodenbearbeitung, Umfriedigung, Ein-
teilung, innere Einrichtung, Aussaat im Garten (Art, Samenmenge, Zeit,
Vollzug), Schutz und Pflege der Saatbeete, Pflanzbeete, Verschulen (Alter,
Zeit, Dauer des Verbleibs im Pflanzbeet, Ausheben, Beschneiden, An-
schlämmen, Pflanzenentfemung, Verband, Ausfahrung, Hilfsmittel), Schutz
und Pflege der Pflanzbeete, Kosten.
D. Besonderheiten einzelner Holzarten 488: Laubhölzer, Nadelhölzer.
E. Ausheben, Beschneiden, Transport, Aufbewahren der Pflanzen 488.
III. Herrichtung der Kulturfläche 489
IV. Vollzug der Pflanzung 490
A. Pflanzzeit 490: Herrichten der Pflanzstelle, Pflanzgeschäft.
B. Herstellung geregelter Pflanzverbände 491.
C. Pflanzenmenge 491 : Berechnung für geregelte Verbände.
D. Die Pflanzverfahren 492: Ballenpflanzen, Ballenlose Pflanzen (Loch-
pflanzung, Spaltpflanzung, Obenaufpflanzung), Setzreiser und Setzstangen.
V. Schutz und Pflege der Pflanzkulturen 494
4. Kapitel: Bestandesbegrflndung bei den einzelnen Holzarten 494
I. Laubhölzer 494.
n. Nadelhölzer 500.
in. Gemischte Bestände 506.
Dritter Abschnitt: Die Bestandeserziehnng 507
Vorbemerkungen.
1. Kapitel: Die Reinigungshiebe (Ausläuterungen) 508
I. Aushieb von Verwüchsen 508.
IL Ausjätungen 510.
2. Kapitel: Die Durchforstungen 512
I. Begriff 512.
II. Zweck 513.
in. Grundsätze bei der Ausführung 517.
A. Beginn 517. B. Stärke des Eingriffs und Wiederholung 518. G. Be-
sondere Arten 523 (Freie Durchforstung, die dänische Durchforstung in
Buchen, die Hochdurchforstung, die Kulissendurchforstung, Borggreve^s
Plenterdur chforstung) .
IV. Durchführung im Walde 527.
Veranschlagung, Holzauszeichnung, Hiebsführung.
3. Kapitel: Die Auf astungen 528
I. Zweck 528.
IL Erfolg 530.
A. Art der Ausführung 530 (Ort der Abtrennung, Instrumente, Ausführung,
Behandlung der Wundfläche). B. Zeit 531. G. Ausdehnung 531. D.
Kosten 532.
4. Kapitel: Auszugshauungen 532
5. Kapitel: Unterbau und Lichtungsbetrieb 532
I. Unterbau insbes. 533.
A. Allgemeine Gesichtspunkte 533. B. Bedingende Momente 534 (Die zu
unterbauende Holzart, Aufgabe des Unterstandes, der Boden, die einzu-
bringende Holzart, Zeit, Ausführung). G. Besondere Fälle des Unter-
baues 636.
n. Lichtungsbetrieb insbes. 536.
A. Allgemeine Gesichtspunkte 536. B. Bedingende Momente 537 (der Be-
stand, Wirtschaftszweck, Beginn, Mass der Lichtung, wiederholte Lich-
tung, Unterbau). G. Spezielle Fälle 540 (der zweialterige Hochwald
Inhalt des ersten Bandes. XV
Seite
Bnrckhardts, der modifizierte Bnchenhochwald y. Seebachs, die Homburg*-
sehe Nutzholz Wirtschaft, Wageners Lichtwuchsbetrieb). D. Effekt 542.
Vierter Abschnitt: Die Betriebsarten 542
Vorbemerkungen.
1. Kapitel: Üebersicht und allgemeine Würdigung der Grundformen 543
I. üebersicht 543.
A. Hochwald 543 (Plenter- oder Femelbetrieb, Femclschlagbetrieb, Schirm-
schlagbetrieb, Kahlschlagbetrieb). B. Ausschlagswaldungen 546 (Nieder-
wald oder Stockschlag, Kopfholz, Schnei telholz). G. Mittelwald 546.
n. Würdigung 547.
Vorbemerkungen. A. Hochwald 547 (Plenterbetr., Femelschlagbetr., Schirm-
schlagbetr., Kahlschlagbetr.). B. Ausschlagswald 551 (Niederwald, Kopf-
holz, Schneitelholz). 0. Mittelwald 551.
2. Kapitel: Modifikationen der Grundformen, Zwischenformen, besondere Fälle 552
A. Hochwald 553 (Femelartiger Hochwaldbetr., Ueberhaltbetr., zweibiebiger
Hochwald, Unterbau- und Lichtwuchsbetrieb, Waldfeldbau. B. Nieder-
wald und Mittelwald 556.
3. Kapitel: Betriebsumwandlungen 556
I. Allgemeines 556.
n. Umwandlungen innerhalb des Hochwalds 557.
ni. Aufgeben des Hochwaldbetriebs 558.
IV. Niederwald und Mittel wald in Hochwald überzuführen 559.
4. Kapitel: Die Betriebsarten und die einzelnen Holzarten .... 560
I. Laubhölzer 560.
n. Nadelhölzer 563.
Anhang.
Zur Pflege der WaldesäschOnheit.
Von
H. Stoetser.
Einleitung .............. 566
1. Wesen der Waldesschönheit 567
Aesthetische Bedeutung des Waldes. Ethische Bedeutung desselben. Wirkung
der einzelnen Holzarten. Wirkung der verschiedenen Betriebsarten (Hoch-
wskld, Mittelwald, Femel- oder Plenterwald, Femelschlagform).
2. Massregeln zur Pflege der Waldesschönheit 574
Allgemeine Vorbemerkungen. Forsteinrichtung und Forsteinteilung. Wahl
der Holz- und Betriebsarten. Betrieb der Verjüngungshauungen. Zwischen-
hauungen. Kulturen. Behandlung des forstlichen Nebengrundes. Die Wege
im Walde. Sonstige Massnahmen.
SachreglBter 589
XVI
Yerzeichnis der Abkiirzangen.
A. F. u. J. Z.
C. f. d. g. F.
F. Bl.
F. Cbl.
J. d. preuss. F. u. J.
J. d. schles. V.
Krit. Bl.
Leb. Bild.
M. f. F. u. J.
N. J.
Oest. F.
Oe. V.
Prakt. F. f. die Schw.
Schw. Z.
Snppl. d. A. F. u. J.
Suppl. z. Thar. J.
Thar. f. J.
V. deutsch. F.
Z. f. F. u. J.
= Allgemeine Forst- und Jagd - Zeitung. Frankfurt a. M. , J. D.
Sauerländer.
= Centralblatt für das gesamte Forstwesen. Wien, Frick.
= Forstliche Blätter (von Grunert und Leo, bezw. Orunert und
Borggreve). Leipzig, Gressner und Schramm, später Berlin,
Parey, eingegangen.
= Forstwissenschaftliches Centralblatt (von y. Fürst, verf. von
Baur, früher Monatsschrift f. F. u. J.). Berlin, Parey.
= Jahrbuch der preussischen Forst- und Jagdgesetzgebung und
Verwaltung. Berlin, Springer.
= Jahrbuch des schlesischen Forst Vereins. Breslau, Morgenstern.
=: Kritische Blätter (von Pfeil und Nördlinger). Leipzig, Baum-
gärtner, eingegangen.
:= Hess, „Lebensbilder hervorragender Forstmänner.^ Berlin, Parey.
= Monatsschrift für Forst- und Jagdwesen. Stuttgart. Schweizer-
bart.
= Neue Jahrbücher der Forstkunde von v. Wedekind. Frank-
furt a. M., J. D. Sauerländer.
= Oesterreichische Forstzeitung (von Hempel). Wien, Hitschmann.
z=z Oesterreichische Vierteljahrsschrift (früher Monatschrift für Forst-
wesen). Wien, Verlag des österr. Reichsforstvereins.
= Der praktische Forstwirt für die Schweiz (von Riniker). Daves,
Richter.
= Schweizer Zeitschrift für das Forstwesen. Zürich, Orell, Füssli
u. Co.
= Supplemente zur Allgemeinen Forst- und Jagd-Zeitung. Frank-
furt a. M., J. D. Sauerländer.
= Supplemente zum Tharander forstl. Jahrbuch. Dresden, Schönfeld.
= Tharander forstliches Jahrbuch. Dresden, Schönfeld.
= Bericht über die Versammlung deutscher Forstmänner.
= Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen (begründet von Danckel-
mann). Berlin, Springer.
I.
Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Allgemeine Erörterungen über die Ziele und Biüttel der forstlichen
Produktion.
Von
Rudolf Weber.
Yorbemerkung.
Als einleitender Teil eines Handbuches der Forstwissenschaft stellt sich diese
Abhandlung die Aufgabe, die Forstwissenschaft unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten,
wovon der erste von den Interessen der Gesamtheit — des Staates —
ausgeht und die mannigfachen Beziehungen, in welche der Wald zu denselben tritt,
umfasst, während der zweite individualistischer Natur ist und das Subjekt;
in dessen Interesse eine Forstwirtschaft geführt wird, als ausschlaggebend in den Vor-
dergrund stellt. Diese Trennung in eine Staats wirtschaftliche und eine pri-
vatwirtschaftliche Aufgabe ist deshalb als grundlegend vor allen einzelnen
Disziplinen zu behandeln, weil die wirtschaftlichen Maximen über die Wälderbehand-
lung sowohl in der Verwaltung als auch in der Gesetzgebung hievon wesentlich be-
einflusst sind, weil ferner in mehreren Gebieten der Forstwissenschaft scharf zwischen
dem „Schutzwalde" und dem „ Wirtschafts walde" unterschieden werden muss, wenn
man zu widerspruchsfreien Resultaten und praktisch anwendbaren Eegeln gelangen will.
Um zunächst den Gegenstand selbst, den Wald wie er jetzt ist, näher zu
präzisieren, die Art, wie er seine gegenwärtige Verteilung, Grösse, Eigentumszugehörig-
keit erlangt hat, zu schildern, habe ich in einer kurzen historischen Einleitung die
wesentlichen Momente aus diesem Gestaltungsprozess, welcher ja noch fortdauert, her-
vorgehoben und diesen Abschnitt mit einer möglichst nach dem neuesten Stande er-
gänzten Flächenstatistik abgeschlossen^).
In der Betrachtung über die staatswirtschaftliche Bedeutung der
Wälder habe ich mich bemüht, den möglichst exakten Nachweis für die behaupteten
Erscheinungen und Wirkungen zu liefern, da es unmöglich genügen kann, bloss Berichte
und Erzählungen über die verderblichen Wirkungen der Waldzerstörungen aufzuhäufen,
sondern in unserem Zeitalter mit Recht gefordert wird, die Sonde wissenschaftlicher
Untersuchungen an alle diese Behauptungen anzulegen. Das Rüstzeug zu solchen kri-
tischen Untersuchungen ist aber die Naturwissenschaft, welche ich demnach gerade in
1) Die Volkszählung vom Dezember 1900, femer die forststatistischen Erhebungen dieses
Jahres waren leider zur Zeit der Drucklegung der II. Auflage dieses Werks noch nicht publiziert.
Handbuch d. Foratw. 2. Aufl. I. 1
2 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
diesem Abschnitte mehr in Anwendung bringen mosste, als es sonst in Staatswirtschaft*
liehen Abhandlungen herkömmlich ist. Namentlich war es durch den Zweck geboten,
die meteorologischen Beobachtungenr über die Beziehungen des Waldes zu den einzelnen
klimatischen Faktoren anzuführen, welche die verschiedenen Versuchsanstalten mit an-
erkennenswertem Eifer durchgeführt haben, allein dieses wertvolle Material ist z. Z.
nur zum Teil so durchgearbeitet, dass allgemeine Schlussfolgernngen daraus gezogen
werden könnten. Eine Bearbeitung dieses Gegenstandes rausste daher notwendig statt-
finden, wollte ich anders nicht auf dieses ganze Beobachtungsmaterial verzichten.
In dem zweiten Abschnitt über das privat wirtschaftliche Interesse bei
der Forstwirtschaft habe ich diesen Produktionszweig nach seinen wirtschaftlichen
Faktoren: Natur, Arbeit und Kapital betrachtet und mich dabei bestrebt, die allge-
meinen Gesetze möglichst hervorzuheben, welche den Gang dieser Werterzeugung be-
herrschen. Selbstverständlich fanden hiebei zahlreiche Berührungspunkte mit den ein-
zelnen Disziplinen, namentlich mit Statik und Waldwertrechnung, dann Forstpolitik
statt, deren Grenzlinien ich nach Möglichkeit einzuhalten bestrebt war.
Indem dieses Heft als erstes in der Reihe der zum „Handbuche*' vereinigten in
die Oeflfentlichkeit tritt, trägt es daher gewissermassen das Motto der sämtlichen forst-
lichen Disziplinen : „Naturwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft".
Die geographische Verteiliing der Wälder in Enropa und ihre historischen
Ursachen.
§ 1. Wie die Bedürfnisse der Menschen mannigfach von der physikalischen Be-
schaffenheit der von ihnen bewohnten Länder bedingt und beeinflusst waren, so spielt
auch in der Art der Befriedigung dieser Bedürfnisse die umgebende Natur eine hervor-
ragende Rolle, indem sie der menschlichen Arbeit den Angriffspunkt und die Richtung
giebt. So war es tiir das Gedeihen der menschlichen Kultur gewiss von Vorteil, dass
in den grossen Länderstrecken, welche die arktische Zone der nördlichen Hemisphäre
einfassen, sich ein breiter Gürtel mächtiger Waldgebiete *-') durch alle drei Kontinente
hinzieht, deren jahrhundertelang aufgespeicherte Schätze von Brennstoff und Baumaterial
den Ansiedlern es ermöglichte, den Kampf mit den Unbilden eines winterlichen Klimas
aufzunehmen. Ohne Zweifel haben die Wälder die Lebensweise, Sitten und Gewohn-
heiten der ersten Bewohner dieser Gegenden in bezug auf Konstruktion der Wohnungen
und Geräte, Art der Feuerung und Speisenzurichtung mannigfach beeinflusst, wie ja
bekanntlich die Steppe, Prairie und die Wüste ihrerseits den Lebensgewohnheiten der
Menschen ihr unverkennbares Gepräge erteilen. Seit jenen ersten Ansiedelungen, wie
sie uns jetzt die prähistorischen Forschungen kennen lehren, hat aber der Wald durch
alle Stadien der Kulturentwicklung nicht aufgehört, eine nachhaltig fliessende Quelle
unentbehrlicher Güter zu sein, welch' letztere zwar lange Zeit nur im Wege der blossen
2) Der Norden des europäischen Russlands nebst Finland und der skandinavischen
Halbinsel, ferner ein grosser Teil Deutschlands war bei Beginn unserer Zeitrechnung ver-
mutlich eine ähnliche kompakte Waldmasse, wie dies noch jetzt die sibirischen Taiga s und
Urmans in den Stromgebieten des Ob, Jenisei, Olonek, der Lena und Jana sind, die zusam-
men eine Längenausdehnung (von 0 nach W) von ca. 3000 englischen Meilen bei einer Breite
(von N nach S) von 1000 bis 1700 Meilen besitzen. Analog zeigt der nordamerikaniscbe
Kontinent in den kanadischen Provinzen Quebec und Ontario bis zur Hudsonsbai ein Wald-
gebiet, dessen Länge (in 0-W Richtung) 1700 englische Meilen und dessen Breite in S-N
1000 Meilen betragen soll. Aber auch von der pazifischen Küste her erstreckt sich in den
nördlichen Territorien von Washington, Alaska zusammen mit britisch Columbia ein grosser
Waldgürtel, dessen Flächengrösse man noch höher veranschlagt, als jenen der vorgenannten
westlichen Wälderzone.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 2. 3
Besitzergreiftmg und unbekümmert um etwaige Erschöpfung benutzt wurden, aber be-
züglich ihres Gebrauchsweites zu allen Zeiten unter die dringendsten Bedürfnisse, unter
die Notdurft gerechnet wurden.
Freilich traten bei der Besiedlung der Länder unseres Himmelsstriches die un-
durchdringlichen Waldmassen auch in feindliche Kollision mit den Interessen der Acker-
bau und Viehzucht treibenden Bewohner — galt es doch, die fruchtbaren Flächen einer
die Arbeit lohnenden, intensiveren Kultur zu gewinnen und mit zäher Anstrengung
neue, künstliche Vegetationsformen, Felder, Wiesen und Grärten an die Stelle der aus
der Hand der Natur hervorgegangenen Wälder zu setzen. Die Ausbreitung mensch-
licher Kultur beginnt daher in den waldreichen Gebieten mit Vernichtung der Waldungen,
weil jeder Ansiedler bestrebt sein muss, sich rasch genug in den Besitz von so viel
urbarer Fläche zu setzen, um mit dem Ertrage seinen Viehstand überwintern zu können.
Wie heutzutage der „Lumberman" in Kanada oder der Kolonist in Australien verfährt,
so haben zweifellos ehedem auch die Ansiedler, denen Deutschland seine Kultur ver-
dankt, Feuer an die Holzbestände gelegt, weil die Arbeit der Axt das Zerstörungswerk
zu langsam vollbracht hätte. In der Tat enthält auch die lex Saxonum eine Bestim-
mung über die Haftpflicht für Schaden, wenn ein angezündeter Baumstamm beim Fallen
einen Menschen trifft, und die Ortsnamen erzählen uns noch durch ihre Zusammen-
setzungen mit den Endungen auf -brand, -schwand, -schwende, -reut, -rtiti, -gereut und
-hag von der Brandkultur, welcher in alten Zeiten der Wald weichen musste. Aus
den uns erhaltenen Urkunden der Karolinger Zeit kann man ersehen, dass schon seit
dem Ende der Völkerwanderung allmählich immer ausgedehntere Rodungen in den einst
von den römischen Historikern und Geographen als unermesslich geschilderten Wald-
gebieten Deutschlands stattgefunden haben, und von Karl dem Grossen ist bekannt,
dass er die friedliche Unterwerfung der mit Waffen eroberten Länder durch x^usbreitung
der Kultur besonders eifrig erstrebte. Nachweisbar dauerte diese Waldausstockung im
grossen Massstabe noch fort bis gegen das Ende des XIV. Jahrhunderts, während
welcher Zeit die Mehrzahl der Dörfer, Herrschaften und Klöster sowie der Städte Deutsch-
lands gegründet und ein reiches Kulturleben über die Gegenden ausgebreitet wurde,
die vorher unwegsame Wildnisse waren. Aber selbst bis zum XIV. Jahrhundert gab
es noch keine festen, ausgeschiedenen Grenzen zwischen Wald und Feld ; nach Belieben
brannte man an passenden Stellen den Wald nieder, oft nur um einiger Ernten willen,
während die Flächen brach liegen blieben oder wieder mit Wald anflogen — sog.
Anssenfelder. Im allgemeinen begünstigten die Landesherren, geistlichen und weltlichen
Fürsten die Rodung und Anlage von Neubrüchen in ihren Gebieten, weil die Zahl ihrer
Untertanen und der Wert ihrer Dienstleistungen und Reichmsse wuchs, ja ein sog.
Neubruchzehent sowie die Rodlehen brachten sogar eine ergiebige linanzielle Einnahme-
quelle aus den sonst ertraglosen Waldungen. Auch die älteste Form der Dorfgemein-
den, die Markgenossenschaften, waren bis im Anfange des XIII. Jahrhunderts freigebig in
der Gestattung von sog. „Einfängen", d. h. Rodungen zu landwirtschaftlicher Benützung
in ihren Markwaldungen, solange der üeberfluss an Wald scheinbar unerschöpflich war.
§ 2. Während so die Zerstörung und Verdrängung des Waldes als eines Kultur-
hindernisses die notwendige Voraussetzung für den Beginn und die Entwicklung einer
höheren Kulturstufe bildete, zeigte sich andrerseits doch bald, dass auch für Erhaltung
der notwendigen Holzvorräte etwas geschehen müsse. Frühzeitig trat dies in den alten
Kulturländern der ehemals zum Römerreich gehörigen Gebiete hervor : Schon Karl der
Grosse befahl in dem Capitulare de villis seinen Beamten, welche die kaiserlichen Güter
verwalteten, dass sie da, wo Wälder sein müssen, niemand erlauben dürften, dieselben
zu überhauen und zu verderben. Vielfach trug auch die Jagdlust der Könige und später
1*
4 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
der Landesfürsten zu strenger Abschliessung ihrer Wildbanne nnd Bannforste ge^en
das Eindringen der Waldausstockung bei. Jedenfalls verdanken viele der noch jetzt
vorhandenen geschlossenen Waldkomplexe ihre Erhaltung der Inforestation oder Bann-
legung, wie uns viele Urkunden aus dem X. und XI. Jahrhundert beweisen, wenn auch
der Beweggrund zu dieser Abgrenzung anfangs hauptsächlich in der Sicherung des
Jagdrechtes lag. Erst im XIU. Jahrhundert finden wir in Deutschland die ersten Ver-
suche einer Verwehrung der Rodungen aus Rücksichten für die W^alderhaltung und
zwar in den Markgenossenschaften im Rheingau und der Wetterau, woran sich dann
später die zahlreichen Rodungsverbote anschlössen, die in den „W^eistümern'^ enthalten
sind. Bemerkenswert ist namentlich ein Rodungsverbot, das durch die Rücksicht auf
Erhaltung der zum Salinenbetrieb Salzburgs notwendigen Wälder motiviert ist und das
1237 von dem dortigen Erzbischofe erlassen wurde, während dagegen in anderen G^e-
bieten der bayerischen Alpen noch zwei Jahrhunderte lang jeder Ansiedler das Recht
zur Anlage von Neubrüchen und Alpenängern ausüben konnte. In den Markgenossen-
schaften jedoch bildete sich immer fester die Ausscheidung von Privateigentum und
Almend aus und immer zahlreicher findet man Verhandlungen über das Verbot der
Bildung neuer Einfänge und über Erhaltung der Grrenzen der Markwaldungen gegen
das Ackerland. In den dichter bevölkerten Ländergebieten Deutschlands war daher
die Urbarmachung der zur landwirtschaftlichen Benutzung geeigneten Flächen in der
Hauptsache bis zum XIV. Jahrhundert vollzogen, neue Gründungen von Dörfern und
Kolonien fanden nachher nur noch im Böhmerwalde und bayerischen Walde, sowie in-
mitten anderer grosser W^aldgebirge vereinzelt statt, so dass das Verhältnis zwischen
Wald und Feld in Deutschland seit einem halben Jahrtausend nicht mehr sehr erheb-
lichen Veränderungen unterlegen ist.
Die Ursache dieser Stabilität in dem Flächenverhältnisse lag teils in dem Ueber-
gang von der extensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsweise mit vorherrschen-
der Waldweide und Brache zu intensiverem Betriebe, teils aber auch in der schärferen
Abwehr aller Angriffe auf den Wald durch die Ausbildung der Forsthoheit der Landes-
herm. Die Theoiie, dass die oberste Aufsicht über alle Forst- und Jagdangelegenheiten
und die Macht, darüber zu gebieten und zu verbieten, ein Attribut des territorialen
Herrscherrechtes — ein Regal — sei, bewirkte den Erlass zahlreicher Wald- und Forst-
ordnungen seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts. Neben vielen anderen wirtschaft-
lichen und administrativen Bestimmungen enthalten aber fast alle diese landesherrlichen
Erlasse in erster Linie das Verbot, Neugereute ohne Erlaubnis der Behörden anzulegen ;
die „neuen Einfänge und Brände^ wurden allenthalben abgeschafft, so in der bayer.
F.O. von 1568, hohenloheschen (1551), der württembergischen (1552), der weimarschen
(1646), der hessischen (1602), mecklenburgischen, mannsfeldschen, salzburgischen, käm-
tischen und anderen. In vielen dieser Verordnungen wird bereits der Befürchtung
künftigen Holzmangels Ausdruck gegeben, und es werden Massregeln zur pfleglichen
Waldbehandlung und ökonomischen Nutzung der Holzvorräte angeordnet und zwar
nicht bloss für die landesherrlichen Forste, sondern auch für die Gemeinde-, Kloster-
und Gutswaldungen des betreffenden Territoriums. Wenn man diese zahlreichen, ge-
schichtlich interessanten Waldordnungen der deutschen Landesherren durchliest, so
bekommt man den Eindruck, dass schon im sechzehnten Jahrhundert die
Frage der W^alderhaltung an vielen Orten eine brennende war,
man glaubte aber, von obrigkeitswegen genug gethan zu haben, wenn man Repressiv-
massregeln gegen die weitere Ausdehnung der Ausstockungen ergriff und wohlgemeinte
Ratschläge für Hebung der Wälderbehandlung erliess, deren Ausfühmng jedoch an der
mangelhaften Kenntnis über die Grundsätze der Holzzucht meistens scheitern musste.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 3. 5
Die Periode des dreissigjährigen Krieges machte alle diese Sorgen in Deutsch-
land gegenstandslos, da infolge der ungeheuren Verluste an der Bevölkerungszahl, dann
des Darniederliegens des Feldbaues und der Zerstörung der Dörfer leider viele Fluren
sich von selbst mit Gesträuch und Wald bedeckten und ganze Gegenden wieder verwil-
derten. Aus diesem Grunde fehlen auch alle genaueren Anhaltspunkte für eine ziffermässige
Angabe der Bewaldungsverhältnisse in Deutschland während des XVII. Jahrhunderts und
da in der zweiten Hälfte des letzteren die Initiative der Wirtschaftspolitik von Frankreich
ausging, dessen Beispiel bei den deutschen Höfen fast allgemein Nachahmung fand, so ist
68 nötig, einen Blick auf die Entwicklung der Waldschutzfrage in diesem Lande zu werfen.
§ 3. Durch die frühzeitige Zentralisierung der königlichen Gewalt wurde auch
die Ausbildung einer zentralisierten Forsthoheit in Frankreich gegenüber der territo-
rialen Zersplitterung in Deutschland wesentlich erleichtert. So konnte schon unter
Karl IX. im Jahre 1573 eine Forstordnung für das ganze Reich erlassen werden, wel-
cher unter Heinrich IV. 1597 eine erneuerte und nach den Grundsätzen des berühmten,
der Landwirtschaft und der Freiheit des Eigentums so günstigen Ministers Herzogs
von Sully umgearbeitete ordonnance folgte. Es scheint aber, dass diese Forstordnungen
nicht die nötige Exekutive fanden und daher wirkungslos blieben, obwohl sie bei den
Grundbesitzern wegen ihres milden Charakters beliebt waren. Erst unter Ludwig XIV.
Regierung wurde durch Colbert jene bekannte ordonnance sur le fait des forets vom
Jahre 1669 erlassen, welche 120 Jahre lang die Richtschnur für die französische Forst-
politik bildete und die zum Teil bis auf die Gegenwart noch fortwirkt. Mit schwung-
vollen Worten preist dieser Erlass die Erhaltung der Forste — „dieses geheiligten
Stackes unseres Erbteiles" — als eine würdige Regentensorge, da sie nicht bloss dem
Staate in hohem Masse zur Zierde gereichen, sondern auch ein kostbarer und bequemer
Schatz für ausserordentliche Notfälle seien, dessen Wachstum unmerklich und ohne
Nachteil für die Untertanen von Natur aus erfolge. —
Für Hebung der Forstkultur, namentlich Ansaat sowie Bepflanzung der Blossen
und Oedgründe in den Staatswaldungen, den Gemeindewäldern und jenen der öffent-
lichen Institutionen wurden ausführliche Vorschriften erlassen und eine Organisation
für den Forstdienst, die chanibres des eaux et forets, eingerichtet, sowie Bestimmungen
über Bestreitung der Kosten entworfen. Von einschneidender Wirkung in die Freiheit
des Privateigentums waren die Verbote der Waldrodungen ohne Erlaubnis der Forst-
ämter, femer die Reservierung aller in den Privatwäldem vorkommenden Eichstämme,
welche zu Schiffbauholz tauglich waren, für die königliche Marine und der Zwang, eine
bestimmte Anzahl solcher Stämme in den Schlägen überzuhalten (droit de martelage).
Ausserdem wurden die Privaten bezüglich ihrer Waldkulturen und Waldbenutzung
amtlich überwacht und der Holzhandel fast ängstlich kontrolliert. Wenn sich nun auch
nicht leugnen lässt, dass infolge dieser mit grosser Strenge durchgeführten Ordon-
nance die frühere, weithin eingerissene Unordnung in der nationalen Waldwirtschaft
Frankreichs einer pfleglicheren Behandlung der Wälder Platz gemacht hat, so muss
anderseits doch zugegeben werden, dass die Grundtendenz des Colbertisraus, das System
der einseitigen Begünstigung von Handel und Manufaktur auf Kosten der Bodenpro-
duktion einen prinzipiell feindseligen Charakter gegen die Waldwirtschaft hatte. Die Re-
gierung wollte in erster Linie eine günstige Handelsbilanz erzielen, da ja die Gewinnung
und Erhaltung vo"n Edelmetallen die oberste Maxime der Staatsraison war; um aber
Berg- und Hüttenwerke, Schmelzöfen, Glashütten und andere Fabriken im Lande be-
treiben zu können, brauchte man vor allem Holz — ein Produkt, dessen der Schiffbau
für die Handelsflotte und die Marine nicht minder bedürftig war. Aber dieses Holz
musste möglichst billig sein und für den Staatsbedarf sogar im Expropriationswege
6 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
von den Privaten beziehbar Kein, daher laf? die Erschwerung des Rohproduktenhandels,
das Verbot der Ausfuhr ausser Landes, die martelage, sowie der Aufforstnngszwang
ganz in dem Prinzipe des Merkantilsystemes. Liess nun schon diese wirtschaftliche
Unfreiheit, die Unterdrückung jeder Konkurrenz und die künstliche Niederhaltung der
Holzpreise kein gesundes Streben unter den Privatwaldbesitzem aufkommen, so sorgte
gleichzeitig eine chikanöse und sportelsüchtige Anwendung des Regulativs dafür, dass
die Waldeigentümer zur Verzweiflung getrieben wurden. Trotz dieser Nachteile des
damals herrschenden Systems der Staatswirtschaft und trotz der mit dem Aemterkaufe
verbundenen Schäden sind doch aus diesem Zeitalter verschiedene Leistungen im Gebiete
der Forstwirtschaft zu nennen, vor allem die Bestrebungen um Wiederbewaldung der
Dünen, insbesondere der „Landes** bei Bordeaux, die schon im zweiten Dezennium des
XVni. Jahrhunderts begonnen wurde und bei denen sich später namentlich B r 6m on-
tier hervorragende Verdienste erworben hat. Ebenso wurden in Frankreich schon
frühzeitig Versuche von Verbesserungen der waldbaulichen Technik, der Hiebsführung
und der Durchforstungsprinzipien unternommen — , ja die heutzutage so viel besprochene
6claircie par le haut wird schon auf den bis 1567 wirkenden Chef der Forstverwaltung
unter Karl IX. de Rostang zurückgeführt.
Am wenigsten günstig erwies sich das Merkantil-System Colberts und seiner
Nachfolger für die Besitzer der Privatwaldungen, teils wegen der ungünstigen Be-
steuerung des Waldeigenthums, teils wegen dessen wirtschaftlicher Gebundenheit und
Abhängigkeit von den Regulativen. Wie Mirabeau d. Ae. ausführlich schildert^), be-
schleunigten die Gutsbesitzer selbst den Ruin ihrer Wälder, nur um von der gefürch-
teten Forstpolizei-Gerichtsbarkeit (der table de marbre) loszukommen. Massenhaft
liefen die Gesuche um Erlaubnis zum Abtriebe der Waldungen ein und die Rodung
— diese Vorläuferin der Auswanderung — erschien den Bauern noch als letzte Quelle
zur Hebung ihres Wohlstandes.
Schon im Jahre 1721 konnte daher der berühmte Naturforscher R^aumur in
der academie royale *) konstatieren, dass trotz der strengen Forst^esetze eine unverkenn-
bare Gefahr für den Staat aus dem Rückgang der forstlichen Produktion entstehe.
„Allgemeine Beunruhigung, sagt R^aumur, herrscht über die Vernichtung der
Wälder des Königreichs und leider ist diese Unruhe nur allzu begründet. Nicht allein in
den grossen Städten führt man Klage darüber, dass alle Holzsortimente immer seltener
werden, sondern dieselben Klagen kommen auch aus denjenigen Landesteilen, wo das Holz
sonst sehr häufig vorkam. Ueberall, wo Eisenhämmer, Hochöfen, Glashütten etc. bestehen,
befürchtet man, dass diese an dem Mangel des zu ihrem Unterhalt nötigen Holzes zu
Grande gehen müssen. Man hat vielleicht den Verbrauch übermässig ausgedehnt, sei es
in bezug auf Zimmer- und Werkholz, sei es hinsichtlich des Brennholzes ; wir bauen, möb-
lieren und heizen mehr Zimmer, als unsere Voreltern gethan, die Zahl der Essen, Hoch-
öfen und Glasschmelzen hat sich vervielfacht — aber es wäre eine falsche Auffassung des
Staatsinteresses, wollte man die Zahl dieser Werke vermindern, um den Wald zu erhalten.
Was aber das öffentliche Interesse dringend erfordert, das ist, dass nicht zugleich die
Holzmassen sich vermindern, während der Verbrauch sich steigert . . Es ist äusserst
wünschenswert, dass jene Bodenflächen, die Wald geblieben sind, auch unseren Bedarf
decken, dass sie stets vollständig bestockt seien und dass namentlich eine Verminderang
ihrer Produktion verhindert werde. Dann würden die uns verbliebenen Wälder uns hin-
reichend mit Produkten versorgen."
In dem weiteren Verlauf dieser höchst interessanten „ Reflexions " untersuchte R6-
3) Victor Riquetti, marquis de Mirabeau „Philosophie rurale ou Economic g6n6rale
et politique de Tagriculture. " Amsterdam 1764.
4) Histoire de l'Academie Royale de France, Ann^e 1721. S. 284. Reflexions sur
r^tat des bois du royaume et sur les pröcautions, qu*on pourrait prendre pour en empficher
le döp^rissement et les mettre en valeur par R^aumur.
Die geographische Verteilung der W&lder in Europa ii. ihre historischen Ursachen. § 4. 7
anmnr die Nachteile der durch die Ordonnance von 1669 vorgeschriebenen üeberhälter
(baliveaux de martelage), lehrt die Ermittlung des jährlichen Zuwachses auf einem Morgen
(arpent) Mittel- und Niederwald und gelangt zu der Forderung einer ümtriebszeit. inner-
halb welcher das Maximum des Zuwachses erreicht werden könne. In waldbaulicher Hin-
sicht betont er namentlich die notwendige Ergänzung der nicht mehr ausschlagenden Stöcke
durch Eichelsaaten, eventuell unter Anwendung des Hackwaldbetriebes — ein Abschnitt,
der gerade dadurch besonderes Interesse bietet, weil die Oberforstbehörde in einem Schrei-
ben an R^aumur behauptet hatte, die Stöcke der Eichen seien unsterblich und könnten
immerfort ausschlagen. Am Schlüsse seiner Abhandlung richtet R 6 a u m u r noch die
lebhafte Aufforderung zu Kulturversuchen mit ausländischen Holzarten an die Akademie.^
Achtzehn Jahre später beschäftigte sich dieselbe illustre Korporation mit der
Wald-Erhaltongsfrage, über welche kein Geringerer als Büffon referierte **). Er beginnt
folgendermassen :
„Das Holz, einst so allgemein, reicht gegenwärtig kaum zu dem allerunentbehr-
lichsten Bedarf aus und wir sind für die Zukunft von einem vollständigen Mangel daran
bedroht, denn es wäre fast gleichbedeutend mit dem Staatsuntergang, wenn wir genötigt
wären, Zuflucht bei unseren Nachbarn zu suchen und von ihnen mit grossen Unkosten
das zu beziehen, was wir mit einiger Sorgfalt und einiger Oekonomie uns selbst ver-
schaifen können^). Allein dazu muss man die Zeit rasch ergreifen und lieber von heute
ab mit den Massregeln beginnen. Denn wenn wir untätig und zugleich gierig im Ver-
brauch noch länger fortfahren, in unverantwortlicher Weise gleichgiltig gegen die Nach-
welt zu bleiben, wenn wir nicht unsere Forstpolizei umgestalten, so ist zu befürchten,
dass die Forste, diese wertvollste Domaine unserer Könige, zu wüstem Land werden, dass
die Schiffsbauhölzer, auf denen unsere Stärke zur See beruht, eines Tages verschwunden
sind ohne jegliche Hoffnung einer möglichen Wiederherstellung. Selbst Jene, welchen die
Erhaltung der Wälder anvertraut ist, beklagen deren Untergang, aber es genügt nicht,
ein empfundenes Uebel zu beklagen, sondern man muss das Heilmittel suchen und jeder
gute Bürger muss an die Oeffentlichkeit treten mit seinen in dieser Hinsicht gemachten
Erfahrungen und üeber legungen." An anderer Stelle fährt Büffon fort: «Wie viel Oed-
land giebt es nicht im Königreiche, unter dem Namen Landes, Bruy^res (Haiden) und Ge-
meindeländereien, welche absolut ertraglos sind? Enthält nicht die Bretagne, das Poitou,
die Guyenne, Bourgogne, Champagne und mehrere andere Provinzen nur allzuviel unnützes
Land? Der grösste Teil dieser Ländereien war ehemals von Natur aus Wald, wie ich
selbst an vielen Stellen dieser wüsten Bezirke bemerkt habe, denn man findet noch die
alten verfaulten Stocke vielfach daselbst. Vermutlich hat man diese Wälder allmählich
so heruntergebracht, wie dies noch in den Gemeindeländereien der Bretagne zu sehen ist
und erst im Verlaufe der Zeit hat man sie so vollständig vernichtet.''
Büffon hat in seinen eigenen Waldungen erhebliche und für jene Zeit beachtens-
werte Versuche mit verschiedenen Methoden der Saat und Pflanzung von Eichen auf
schwerem Lehmboden und auf Sandboden gemacht. Diese Kulturversuche wurden streng syste-
matisch auf genau eingeteilten Flächen gemacht und stützen sich auf Untersuchungen der Tief-
gründigkeit und Feuchtigkeit des Bodens. Gleichzeitig enthält diese Arbeit Vorschläge über
Nachzucht der Eichenstarkhölzer in Horsten, statt im Einzelstande als Oberständer (bali-
veaux) ferner eine Theorie über die Wahl der Ümtriebszeit des grössten Massenertrages.
Wenn schon die Initiative R^aumur's undBüffons zweifellos einen mächtigen
Anstoss zu Fortschritten auf dem Gebiete des Waldbaues in den gebildeten Kreisen der
Gutsbesitzer gab, so gilt dies noch ungleich mehr von den eifrigen und lange fortge-
setzten wissenschaftlichen Arbeiten, welche Duhamel du Monceau über weite Ge-
biete der Forstwissenschaft veröffentlichte, so dass er unter die ersten Begründer dieser Dis-
ziplin zu rechnen ist. Dagegen hat einen mehr kritischen Standpunkt in der Beurteilung
der staatswirtschaftlichen Verhältnisse der Bodenproduktion im allgemeinen und der Wald-
wirtschaft im besonderen Marquis de Mirabeau (der Aeltere) eingenommen.
5) Histoire de l'Academie Royale de France, Annße 1739. S. 140. Mtooire sur la
conservation et le retablissement des for^ts par M. de Büffon.
6) Heute tibersteigt der Wert der Holzeinfuhr Frankreichs jenen der Ausfuhr um jähr-
lich weit über 100 Mill. Frcs.
8 T. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Mit beissenderer Satire beleuchtete dieser die schädlichen Einwirkungen der über-
triebenen polizeilichen Beglementierung der Waldwirtschaft durch das Merkantilsystem
indem er vom physiokratischen Standpunkte aus und in Konsequenz der Ideen Q u e s-
n a y s die unbeschränkte Freiheit der Privatwaldwirtschaft verlangte, was ihm freilich
eine lettre de cachet für die Bastille eintrug. Von da an verkettete sich die Wahl
zwischen Waldschutz oder Freigebung der Bodenwirtschaft immer mehr mit den übrigen
politischen Fragen dieser Periode, wie man auch aus Stevarts „Recherches des
principes de T^conomie politique^) von 1789 ersieht und ein politischer Akt — das De-
kret der Nationalversammlung vom 27. Dezember 1790 — entschied die Abschaffung
des regime for6stier über sämtliche Gutswaldungen. —
§ 4. Wenn auch die territoriale Vielgestaltigkeit Deutschlands die forstlichen Zu-
stände mannigfaltig modifizierte, so bewirkte doch die damals herrschende Doktrin in
der Staatswirtschaft und die an vielen Höfen betriebene Nacheiferung der merkanti-
listischen Politik, dass viele der im Vorstehenden bezeichneten Uebelstände auch hier
zu Tage traten. Hierunter sind besonders die in vielen Forstordnungen®) ausgespro-
chenen Verbote des Holzhandels nach dem Auslande und der Flösserei zu zählen, nicht
minder drückten die überall eingeführten polizeilichen Taxen den Preis der Forstpro-
dukte, vor allem aber tragen die den Bergwerks- Verwaltungen in Tirol und Steier-
mark eingeräumten Befugnisse zur Expropriation der in ihrem Bezugsgebiete liegenden
Privatwälder den Stempel des Merkantil-Systems. Auf denselben Ursprung weist die
in Anhalt-Dessau vorkommende Bestimmung hin, dass alle Eichenstämme in den Privat-
wäldem landesherrliches Eigentum seien ^), während im Siegener Land der Fürst vonNas-
sau-Oranien eine vollständige Absperrung seines Gebietes mittelst der sog. Landhecke und
Verhinderung der Ausfuhr aller Rohstoffe durchführte. Aehnliche Wirkungen des Absolu-
tismus waren die Verschärfungen der Rodungs verböte für alle „Gutswaldungen, Hölzer
und Büsche^ wie sie in zahlreichen Holzordnungen ausgesprochen sind, die aber doch das
Gute hatten, manche Abschwendung und Verwüstung von jungen Hölzern zu verhindern.
Dass der Colbertismus aber auch in Deutschland keinen besonders günstigen Ein-
fluss auf die Waldwirtschaft übte, zeigen uns die Schilderungen des ersten forstlichen
Schriftstellers dieses Landes Hans Carl von Ca rlowitz^°), welcher an mehreren Stel-
len seines Werkes von den viel tausend Acker grossen Blossen und Stockräumden in
den Wäldern als Folgen des enormen ^'erbrauches der Bergwerke und Hütten spricht.
Insbesondere in Cap. IV. § 20 sagt er:
„Diejenigen so nur wenig Notiz von dem Zustand und Beschaffenheit der Gehölze
haben, müssen bekennen, dass binnen wenig Jahren in Europa mehr Holz abgetrieben
worden ist, als in etlichen Säculis erwachsen, daher der Schluss leicht zu machen, was
es für ein Ende gewinnen möchte. "... Die Bäume sind ausgerottet . die Wälder , die doch
sonsten ein Land recht glücklich machen, hinweg ; das Gebirge und Hügel von Holz entblösst. "
Auch die übertriebene Rodungslust der bäuerlichen Bevölkerung scheint im Beginne
des XVIU. Jahrhunderts in Deutschland in ähnlicher Weise wie oben von Frankreich
7) Paris chez Didot 1789.
8) Württemb. F.O. Die Untertanen und Schirmverwandten dtlrfen nur so viel zur
Verflössung hauen, als ihnen von den Amtleuten imd Förstern angewiesen wird; sie dürfen
nur an inländische Flösser verkaufen. Tannene Flösse dürfen nicht ins Ausland gehen, ehe
sie im Inlande ausgeboten sind, Kohlen überhaupt gar nicht.
Die Hohenlohe'sche F.O. verbietet, erkauftes Holz oder solches aus eigenen Waldungen
ins Ausland zu führen bei Strafe von 10 fl. per Wagen. Aehnlich die Weimarische und
markgräfl. Brandenburg'sche F.O.
9) W. Riehl „Land und Leute" 1861. Stuttgart, Cotta. S, 59.
10) Hans Carl von Carlowitz „Sylvicultura oeconomica" oder Anweisung zur wil-
den Baumzucht. Leipzig 1713. J. F. Braun.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 5. 6. 9
gesagt wurde, geherrscht zu haben, denn Carlowitz schreibt im Kap. V. § 43 :
„Es ist fast ein Universal- Aifekt und gemeine Seuche, dass jedermann lieber Feld
und Wiesen als Holz besitzen will und also dahin incliniret, wie dieses zu vertilgen und
teils gänzlich auszurotten, gleich als wenn es ein Unkraut und zur Führung einer Haus-
wirtschaft gar nicht nötig wäre.^
Es ist bezeichnend, dass die im Anschluss an diese Klagen über Waldverwüstung ge-
machten positiven Verbesserungsvorschläge in der Holzzucht nicht von einem der zahl-
reichen Oberjägermeister, sondern von dem für die Zukunft der Montanindustrie be-
sorgten Oberberghauptmanne v. Carlowitz ausgingen, — analog wie in Frankreich
H^aumur und Büf fon die Grandmaitres des forets belehren mussten, wie man
säen und pflanzen müsse, da die Eichenstöcke nicht, wie jene wähnten, unsterblich
seien. Die durch diese Vorgänge eklatant bewiesene Notwendigkeit, dass vor allem
ein gewissenhaftes Studium der Natur des Waldes und ihrer Gesetze, dass eine Aus-
bildung der technischen Methoden des Forstbetriebes not tue, führte unter dem Drucke
der drohenden Holznot zu einer erfreulichen Entwicklung der forstwissenschaftlichen
Disziplinen während des XVIH. Jahrhunderts. Die Regierungen erkannten, dass mit
Forstordnungen und prohibitiven Strafgesetz-Paragraphen allein sich noch keine Ver-
besserung der Waldwirtschaft erzielen lasse. Hand in Hand mit der Ausbildung der
theoretischen Grundlagen gingen daher in der zweiten Hälfte des XVin. Jahrhunderts
die Bestrebungen, die Kenntnisse und technische Qualifikation der Beamten zu heben
und an die Stelle der holzgerechten Jäger „Forstwirte** zu setzen.
§ 5. Die gewaltige Katastrophe, welche im Jahre 1789 zunächst den französischen
Staat und in weiterer Folge die meisten europäischen Staaten bis auf die Grundfesten
erschütterte, blieb auch nicht ohne tiefeingreifende Wirkungen auf die Wälder. Da
schon jede Erschütterung der staatlichen Autorität und des Rechtszustandes gewöhn-
lich zu Eingriffen in das schutzlos gewordene Waldeigentum führt, so wurde durch die
weitverbreitete Erbitterung über die drückenden Bestimmungen der Ordonnance von
1669 der Kampf gegen den Wald in Frankreich mit einem wahren Fanatismus geführt.
Wie im kleinen die Bauern und Proletarier aus den Staats- und Gutswaldungen um
die Wette raubten, was für sie en-eichbar war, so hausten im grossen Massstabe die
Spekulanten und Käufer der konfiszierten und veräusserten Güter in den ehemals der
Kirche und dem Adel gehörigen Forsten. Man schätzt die allein in den vier Jahren
1789 — 93 niedergehauenen Wälder auf 33 314 Quadrat-Kilometer d. h. SVs Millionen ha.
Dazu kam, dass infolge der Aufhebung des regime foretier durch das Dekret vom 27.
Dezember 1790 auch die Besitzer der kleinen Privatwälder die neue Freiheit meistens
im Sinne einer masslosen Devastation ihrer Holzungen anwandten, wozu freilich auch
die Not und die hohen Kriegssteuern ihren Teil beitrugen. Schon innerhalb kurzer
Zeit bildete sich allgemein die Ueberzeugung, dass diese Verwüstungen mit dem Ruin
des Landes endigen müssten, und bereits unter dem Konsulat wurden unterm 29 Ger-
minal an XI ein Verbot weiterer Rodungen erlassen und eine regelmässige Forstver-
waltung für die National- und Kommunal- Waldungen wieder eingeführt.
§ 6. Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die. staatswirtschaftlichen Maximen
bezüglich der Forstwirtschaft übte Adam Smith^^) und seine Anhänger aus. Wenn
auch sein System hinsichtlich der Bedeutung von Arbeit und Kapital gänzlich von dem
der Physiokratie abweicht, so blieb doch vieles von den physiokratischen Forderungen
in bezug auf die Bodenwirtschaften bestehen. Hieher gehört namentlich die
Forderung der unbedingten Freiheit in der Benutzung und jene der Beseitigung aller
rechtlichen Schranken, welche diese hemmen, dann die Aufteilung des gemeinschaft-
11) Adam Smith „Untersuchungen über den Nationalreichtum " U. Bd.
10 T. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
liehen Eigentumes (Almenden und Gemeindewälder) endlich des Verkaufs der Staats-
forsten an Private. Diese in der Abhandlung über Forstpolitik des Handbuches ein-
gehender behandelten Forderungen griffen deshalb tiefer in die eigentliche Praxis and
in den Waldstand ein, weil die A. Smith 'sehen Theorien ungleich zahlreichere und
einflussreichere Verfechter in den Regierungen und Volksvertretungen fanden, als seiner-
zeit die physiokratischen. Namentlich hat die These, dass der Staat zum Betrieb irgend
welcher Produktionswirtschaft ganz ungeeignet sei, dass vielmehr der Individualismuß
und der im Erwerbstrieb der Privaten liegende Sporn allein den höchsten Nutzeffekt
der Bodenwirtschaft gewährleiste, zu umfangreichen Verkäufen von Staatswaldung-en
geführt. Freilieh fand diese Theorie in dieser Hinsicht eine aktive Förderung in dem
Geldbedürfnis aller öffentlichen Kassen und der Erschöpfung des Staatskredites, wäh-
rend der napoleonischen Kriegsjahre. So segensreich daher im allgemeinen viele der
Konsequenzen des Freihandels-Systems waren, ebenso wenig förderte es die Waldwirt-
schaft, weil es hierüber fundamentale Irrtümer verbreitete. In Deutschland waren
hauptsächlich der Kanzler Hardenberg für Preussen, Minister Montgelas für
Bayern die Träger dieser Reformideen, während theoretisch Gg. Sartorius**) in
Göttingen, Jacob") in Halle, Krug^*J in Berlin, Murhard^^) in Göttingen und
Hazzi*^) in München hiefür tätig waren. In der Tat gelang es, für den Verkauf
der Staatwaldungen an Private, sowohl in Preussen als in Bayern Stimmung zu machen
und dass dies nicht in grösserem Umfange stattfand, lag nur in der Schwierigkeit, die
erforderlichen zahlungsfähigen Käufer zu finden, welche sich schon beim Verkaufe der
säkularisierten Kirchengüter herausgestellt hatte. Da auch G. L. H artig, der da-
mals an die Spitze der preussischen Forstverwaltung getreten war, kräftig interve-
nierte, so wurde die Veräusserung der Staatsforsten in Preussen nur auf Teile der
in den Regierungsbezirken Aachen und Koblenz gelegenen beschränkt, wovon 1818 — 1820
für nahezu ö Millionen Mark verkauft wurden. In Bayern kamen damals ca. 4350 ha
für 855000 Mark zum Verkaufe.
Weit beträchtlicher hingegen waren die Staatswaldverkäufe in Frankreich,
wo M. MusteH^ schon seit 1784 dieselben befürwortet hatte. Trotzdem daselbst
schon während der Revolution so grosse Flächen konfiszierter Güter und Domainen
zum Verkauf gelangt waren, wurden
infolge des Gesetzes vom 23. Sept. 1814 wieder 41958 ha
„ 25. März 1817 „ 121957 „
„ „ „ „ 25. März 1831 „ 116 780 „
und seitdem bis 1870 71 951 ,
also von 1814—1870 in Summa 352 646 ha = 34,82 %
der jetzigen Staatswaldfläche und 4,19 ^/o der Gesamtwaldfläche für den Betrag von
ca. 306 Va Millionen Frcs. veräussert ^^).
Oesterreichs^^) Staatsforstbesitz erfuhr in dem Zeiträume von 1800 — 1870
12)^S a r 1 0 r i u s „Abhandlung über die Elemente des Nationalreichtums" . Göttingen 1808.
13) Jacob „Staatsfinanzwirtschaft". Halle 1821.
14).Krug „Betrachtungen über den Nationalreichtum des preuss. Staates". Berlin 1805.
15) Murhard „Ideen über wichtige Gegenstände der Nationalökonomie und Staats-
wirtschaft". Göttingen 1808.
16) Hazzi „Die echten Ansichten der Waldungen und Forsten". München 1808.
17)£Mustel „Trait^ theorßtique et pratique de la v6g6tation. Paris 1784.
18) Nach dem Annuaire des Eaux et For6ts berechnet; seit 1870 finden keine Ver-
käufe mehr statt.
19) S. K. Schindler „Die Forste der in Verwaltung des k. k. Ackerbau-Ministeriums
stehenden Staats- und Fondsgüter". Wien 1885. Hof- und Staatsdruckerei.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 7. 11
dnrch Verkäufe eine Verminderung um 833 731 ha =: 131,52 ®/o der jetzigen Staats-
vvaldMche und 9,73 ®/o der Gesamtwaldfläche mit einem Verkaufswerte von 54 V*
Millionen Gulden. Geographisch verteilten sich diese Verkäufe am stärksten auf Ga-
lizien, dann Böhmen, Steiermark, die Bukowina und Oberösterreich.
Hiezu kamen aber innerhalb desselben Zeitabschnittes 300371 ha Keligions- und
Stiftungsfondsgüter, welche um 83 V4 Millionen Gulden verkauft wurden. Das rasche
Dahinschwinden der in Staatshänden befindlichen und unter seiner unmittelbaren Auf-
sicht stehenden österr. Domanial- und Fondsgüter, worunter weitaus die meisten Flächen
Wälder waren, ergiebt sich schlagend aus folgender Zahlenreihe:
Im Jahre 1800 1835 1850 1860 1865 1870 1875 1880 1884
betrugen dieselben 13,l«/o ll,2«/o 7,1^0 6,870 6,57o 5,4^0 4,5o/o 4,5^0 4,5«/o
der gesamten Landesfläche Oesterreichs.
§ 7. Nicht minder wie in den Staatswaldungen, traten auch in vielen Gemeinde-
und Körperschaftswäldem die Einwirkungen der Manchester-Doktrin hervor. Die irrige
Anschauung, als ob auch die Waldwirtschaft im geteilten Privatbesitze mehr und besser
produziere als im gemeinschaftlichen Besitze, welche eigentlich ein einziger verglei-
chender Blick auf den Zustand der Privat- und Gemeindewälder hätte beseitigen können,
trieb in manchen Staaten dazu, ausgedehnte Korporationswälder gleich den Almenden
aufzuteilen. Die hiedurch entstandenen kleinen und schmalen Streifen, in welche diese
Waldungen zerfielen und die regellose Gemenglage aller Altersstufen führten meistens
zum Ruin derselben und hatten als Endresultat ertraglose . Oedflächen. Ziffermässige
Daten lassen sich jedoch hlefür nicht geben, weil dieser Prozess sich meistens in den
ersten beiden Dezennien des Jahrhunderts abwickelte, zum Teil aber noch heute
fortdauert.
Dagegen ist es interessant, einen Blick auf die im normalen Laufe der ruhigen
Entwicklung und unter Aufsicht des Staates sich vollziehenden Bewegungen im Wald-
stande zu werfen. Selbstverständlich können statistische Aufnahmen hierüber nur ge-
macht werden, wo eine gesetzliche Anzeigepflicht oder eine amtliche Genehmigung der
Rodungen zu Recht besteht:
In Frankreich wurden gerodet'**)
von Gemeinde- und Körper-
von Privat-
schaftawaldungen
waldungen
73 360 ha
Innerhalb d. Jahrzehent 1830 1839
118166 ha
II ti
1840--1849
0
88 796 „
« »
1850 1859
40 958 ,
153 048 ,
* 7»
1860 1869
4188 ,
110895 ,
1> T*
1870—1879
995 .
31335 ,
1t 1*
1880 1889
515 .
11687 ,
» n
1890—1898
»
7038 ,
Sa.
476 150 ha
d. h. 5Vs Prozent der Gesamt- Waldfläche des Landes
Jahresmittel 6 802 „
In Frankreich namentlich fielen weitaus die meisten Rodungen von Privatwäldern
in die beiden Dezennien 1850 — 70 und die jahrgangweise Flächenaufzählung zeigt noch
viel deutlicher einen Kulminationspunkt in den beiden Jahren 1855 mit 22 740 ha und
1856 mit 20740 ha gegenüber einem Jahresmittel von nur 8454 ha. Gerade diese
Jahrgänge waren aber in ganz Mitteleuropa bemerkenswert durch hohen Preisstand
des Walzens, Roggens und der Kartoffeln, so dass begreiflicherweise die Tendenz zum
üebergang der momentan lohnenderen landwirtschaftlichen Benutzung der Flächen viel
verbreiteter war, als im darauffolgenden Dezennium.
20) Nach dem Annuaire des Eaux et Forßts 1885 S. 62 und 1901 S. 287 berechnet.
12
T. Weber. Dir Aufgaben der Forstwirtschaft.
in den
Regierungs-
bezirken
Schwaben
Oberbayem
Niederbayern
Oberpfalz
Obertranken
Mittel franken
Unterfranken
Pfalz
Summa
In Bayern wurden gerodet
von Privaten
in den Jahren
18^*/?» 18"786
18"/91
18"/
97
von Gemeinden und Genossen-
schaften
in den Jahren
18'V
79
Hektar
18«V
8ft
579
311
220
124
"70
" 13
12 ,
2075
1159
961
841
117
62
21
2058
2214
1813
1333
3
22
5
333
242
195
233
46
18
61
164
474
356
157
23
20
50
173
163
168
200
37
52
36
48
50
22
27
112
139
62
356
150
63
80
73
21
140
5786
4763
3798
2995 I 481 i 347
18W/91 ' 18»V"
80
15
48
114
57
79
396
387
50 539 ha - 2,0P/o der Waldfläche
In Bayern wurden neue Waldanlagen gemacht
in den
Regierungs-
bezirken
von Privaten
in den Jahren
18^Y
79
I887,
86
18»%!
18«V97
Hektar
von Gemeinden und Genossen-
schaften
18'V79
in den Jahren
18«785
Schwaben
Oberbayern
Niederbayem
Oberpfalz
Oberfranken
Mittel franken
Unterfranken
Pfalz
283
409
" 250
411
470
318
285
400
415
192
28
133
53
230
14
473
390
675
345
37
655
615
508
810
201
1006
1107
865
809
68
113
66
97
158
143
341
309
293
315
8
86
133
2
26
77
60
37
294
Summa
3217
3314
3141
3493 I 1133 I 715
18»%i
18«V97
91"
202
6
106
33
25
17
76
117
111
138
48
104
198
158
150
664
916
34 343 ha
§ 8. Wirft man einen Blick auf die übrigen Länder Europas, so lässt sich zwar
geschichtlich und statistisch die allmähliche Verdrängung des Waldes nicht überall
gleich deutlich nachweisen, aber das Endresultat dieses Prozesses kann aus den An-
gaben über die Flächen- und Anbaustatistik mit einem ziemlichen Grade von Sicherheit
angegeben werden. Hiebei ist es durchaus erklärlich, dass in jenen Ländern, deren
Kulturentwicklung um ein Jahrtausend oder mehr über jene Deutschlands zurückreicht,
die dem Fortbestande der Wälder schädlichen Einflüsse sich mehr summiert haben. So
hat namentlich in den Mittelmeerländern derselbe Kampf gegen den Wald im
Namen der Kultur, der sich bei uns vom achten bis vierzehnten Jahrhundert abspielte,
schon im Zeitalter Homers stattgefunden.
Gerade aus diesem Zeitalter erhalten wir aber interessante Aufschlüsse über die
Wirkung der mythologischen und religiösen Vorstellungen des griechischen Altertums auf
die Erhaltung der Wälder, worüber der griechische Generalforstinspektor Dr. N. C h 1 o r o s
in Baurs Monatsheften Jahrgang 1885 Heft 1 Nachricht gegeben hat. Homer bezeichnet
die Gebirgswaldungen als „Wohnsitze der Götter {tsfiivrj dd^avdzwv)^ in welchen niemals
die Sterblichen die Bäume mit dem Eisen (Axt) fällen , sondern wo die schönen Stämme
vor Alter zu Boden fallen, wenn die Zeit ihres Todes gekommen ist."
In der Ebene und namentlich in der Nähe der Städte waren Haine (aXarj) den Göt-
tern geweiht, von welchen sowohl Pausanias als Straho und andere Schriftst<?ller eine be-
trächtliche Anzahl auiführen. Nicht minder hat aber auch die Lehre von den Baum- und
Waldnymphen (dgvaösq, dsvöglriösz, Ailwvidöeqj Nanaiai), welche aus den Bäumen, oder
gleichzeitig mit diesen entstehen und vergehen sollten, die deutlich ausgesprochene Ten-
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 8. 13
denz, Schonung für die Baum Vegetation gegen frevelhafte Zerstörung durch Menschenhand
zu erzielen. Dabei ist besonders interessant, den geheimnisvollen Zusammenhangt zwischen
den Wald- und Quellnymphen zu betrachten, wie ihn Homer im Hymnus an Ceres durch
die Worte andeutet: „Die Nymphen freuen sich, wenn der Regen die Eichen J wachsen
lässt, sie weinen aber, wenn die Eichen keine Blätter mehr haben*' — entstehen ja doch
nach Homers Ansicht (Odyss. X. 350) die Nymphen aus den Quellen und heiligen Hainen.
So deutet also der Mythus den Zusammenhang von Wald und Quellen durch Personifika-
tion der letzteren als Nymphen an. In ähnlichem Sinne ist auch die Sage von Erlch-
thonius zu deuten, der (nach Ovid Metam. VIII. 738 — 878) im Haine der Ceres eine hei-
lige Eiche fällt, worauf alle Dryaden die Ceres um Bestrafung des Frevlers bitten. Letz-
tere sendet daraufhin eine Bergnymphe nach dem eisigen Kaukasus, um von dort die
Hungersnot zu holen, welche sofort im Leibe des Erichthonios Platz nimmt, bis er an
unersättlichem Hunger zu Grunde geht. Stellt dieser Mythus nicht unverkennbar den Zu-
sammenhang der Entwaldungen mit dem Verschwinden der Landwirtschaft und der dar-
auffolgenden Hungersnot in den Gebirgen Griechenlands dar? Die Vermutung, dass diese
altgriechischen Mythen in der That eine Schonung der Wälder gegen Devastation mittelst
religiöser Vorstellungen bezwecken wollten, gewinnt um so mehr an Wahrscheinlichkeit,
als auch die jetzigen Bewohner Akarnaniens noch im XIX. Jahrhundert eine religiöse
Weihe der Schutz Waldungen {xovpla) dadurch vornahmen, dass von dem Geistlichen vor
versammelter Gemeinde ein Stück geweihtes Brot {vtpwfjia =i Hostie) in ein Bohrloch des
grössten Stammes verschlossen wurde, wodurch der Wald als „gebannt" anerkannt war.
Vielleicht schliesst sich aber auch dieser Gebrauch der christlichen Kirche an die theokra-
tischen Einrichtungen der mosaischen Gesetzgebung an, denn im Deuteronomium XX. 5. 19
heisst es, dass Gott verboten habe, fruchttragende Bäume abzuhauen, mit denselben gleich-
sam Krieg zu führen, da doch das Holz auf dem Felde nicht ein Mensch ist, der sich
wehren kann.
Schon im IV. Jahrhundert vor Chr. war in Attika der Wald auf die Gebirge
zurückgedrängt und Aristoteles hebt in seiner Politik bereits hervor, dass ein gesicher-
ter Bezug von Holz aus der Nähe zu den Existenzbedingungen einer Stadt gehöre,
weshalb diese Wälder zu erhalten seien. Analog finden wir in Kom den Schutz des
Waldes gegen unberechtigte Eingriffe Dritter bereits in den Zwölf tafel-Gesetzen aus-
gesprochen^^), während Cicero 2^) es als eine besonders schimpfliche und das öffentliche
Interesse gefährdende Handlung hinstellt, wenn sich Jemand an grossen „Waldab-
schlachtungen" betheiligt.
„Von der Obrigkeit" sagt er, „muss alles geschehen, um die Vermehrung des Hol-
zes zu begünstigen und dagegen alles aus dem Wege geräumt werden, was daran hindert. "
Dass im römischen Reiche die Gutsbesitzer teilweise schon regelmässige Holzzucht
trieben, ersieht man aus den landwirtschaftlichen Schriftstellem Cato und Columella,
von denen ersterer eine genaue Anleitung für Anlage von Eichelsaatkämpen giebt. In
Italien bestanden aber auch schon in sehr früher Zeit des Mittelalters Prohibitiv-Ge-
setze, welche einen Schutz der Gebirgs Waldungen bezweckten •^) ; so ist namentlich ein
Gesetz der Republik Florenz bemerkenswert, das die Waldausrodung in den Hochlagen
der Apenninen und zwar 1 Meile vom Gipfel abwärts verbietet. Als Folge dieser
Bannlegung war der Scheitel des Apennin noch bis zur Mitte des XVIII. Jahrhunderts
mit Wald bedeckt, während nach Aufhebung dieses alten Gesetzes durch Grossherzog
Leopold I. von Toskana die Entwaldung der florentinischen Apenninen reissende
Fortschritte machte.
Auch die Republik Venedig wirtschaftete lange Zeit konservativ in ihren Forsten^*),
21) Plinius „Historia natural." lib. 17. c. 1. „ut qui injuria cecidisset arbores ali-
enas, lueret in singulas siclos aeris".
22) Oratio 2. Philipp.
23) Näheres hierüber von de Gori im ersten Artikel der „forstl. Rundschau Italiens
von Maffei.
24) S. A. di B er enger „Dell' assoluta influenza delle foreste sulla temperatura^ .
14 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
bis seit dem Anfang des XVII. Jahrhunderts die Waldbenützung daselbst einen zer-
störenden Charakter annahm, wo auch die Genueser hauptsächlich für Schiffbauzwecke
den Apennin rücksichtslos ausbeuteten und die Gipfel ihrer benachbarten Berge in Stein-
wüsten verwandelten.
Ausser den grossen historischen Ereignissen haben in Italien, noch mehr aber in
Griechenland und Eleinasien kleine, wenig beachtete Ursachen an der auffallenden
Wälderzerstörung mitgearbeitet. Hiezu gehört namentlich die allgemein verbreitete,
dem Holzwuchs so überaus schädliche Ziegenweide und die wahrhaft fanatische Zer-
störungswut der Hirten, welche durch das Abbrennen der Bäume und Sträucher eine
rasch vorübergehende Grasvegetation erzielen wollen.
Eine ganz ähnliche Ursache der Entwaldung liegt in Spanien in den umher-
ziehenden Merinoherden, welche teils durch unmittelbare Zerstörung jeden Holzwuchses,
teils durch Verhinderung der Verjüngung die Gebirge an vielen Orten so entblösst
haben, dass nur Heide, Lavendel und Rosmarin darauf fortkommen.
Von England erzählen zwar die Historiker, dass zur Zeit der normannischen Er-
oberung 69 Forste gezählt worden seien und Wilhelm der Eroberer habe sogar 30 Dör-
fer zerstören lassen, bloss um seine Wildbahn zu vergrössem, aber die Vernichtung der
Wälder fand fast nirgends so rasch und ausgedehnt statt als in Grossbritannien. Schon
unter Jakob I. (1603 — 25) wurde die Umwandlung von W^ald in Feld durch ein Prä-
miensystem begünstigt, noch mehr aber bewirkte die Agrarpolitik Cromwells und die
Aufhebung des forest courts sowie der Charta de foresta das Verschwinden der Wälder,
an deren Stelle aber nicht immer der Ackerbau, sondern oft die ertraglose Heide trat.
In Schottland wurden schon im XIV. Jahrhundert in den Kämpfen mit Rob. Wal-
lace und Rob. Brouce die Waldungen in grossem Massstabe verwüstet — soll doch
Jean von Lancaster 24000 Mann zum Niederhauen der Wälder verwendet haben! —
wie auch Monk 1654 den Wald von Aberfoyle vernichten liess. Aber gleichwohl da-
tieren die umfangreichsten Devastierungen der schottischen Berge aus den beiden letz-
ten Jahrhunderten, während Irland seinen Wälderschmuck, der ihm den Namen green
Erin verschafft hatte, seit dem Anfang des XVII. Jahrhunderts allmählich einbüsste.
Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um die Zahlen, welche uns die gegenwär-
tige Verteilung der Bewaldung in verschiedenen europäischen Ländern bietet, anschau-
lich zu machen, denn jede dieser Ziffern erzählt uns von jahrhundertelangen Kämpfen
um die Existenz des Waldes, in welchen bald die erhaltenden, bald die zerstörenden
Kräfte die Oberhand gewannen. Denn was RiehP^) von Deutschland schreibt, gilt
oder galt früher auch für ^e übrigen europäischen Länder:
„Bei jeder entscheidenden Volksbewegung wird sogleich dem Walde der Prozess ge-
macht. Ein grosser Teil der Bauern lebt in steter geheimer Fehde mit den Herren des
Waldes und ihren Gerechtsamen; zündet ein Revolutionsfunke, dann entbrennt bei diesen
Leuten vor allem „der Krieg um den Wald" . . . Siegt dann die Staatsgewalt wieder
über die empörten Massen, so hat sie allemale nichts Eiligeres zn tun, als den Prozess,
welchen man dem Wald gemacht, wieder aufzuheben, die Schutzbriefe des Waldes, welche
man zerrissen, wieder in Kxaft zu setzen.''
§ 9. Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Bewaldungsverhältnisse der euro-
päischen Staaten ist zu bedenken, dass schon wegen der natürlichen Waldgrenzen, wie
sie durch die klimatischen Anforderungen der verschiedenen Baumarten in horizontaler
und vertikaler Richtung gezogen sind, manche Gebiete unfUhig sind, überhaupt Wälder
zu tragen. Die menschliche Tätigkeit, wie wir sie im vorstehenden kennen gelernt
haben, hat daher nur modifizierend in die von der Natur selbst gezogenen Grenzen
25) W. Riehl „Land und Leute \ I. Feld und Wald.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 9. 15
eingegriffen, so dass wir die jetzige Verteilung der Wälder als das Eesultat beider
Einflüsse : der naturgesetzlichen Existenzbedingungen und der Einwirkung des Menschen
aufzufassen haben.
Die natürlichenUrsachen, welche die geographische Verbreitung der Baum-
arten bedingen, sind aber teils klimatischer Art, teils hängen sie mit der Bodenbe-
schaffenheit zusammen. Nur ein solches Klima kann überhaupt noch ein Baumleben
aufkommen lassen, bei welchem die Länge der Vegetationszeit und die Wärmeintensität
des Sommers zur Ausbildung eines Holzkörpers aus den Assimilationsprodukten hin-
reichend sind. Für unsere genügsamsten Holzarten ist das Minimum ihrer An-
sprüche eine dreimonatliche Dauer der Vegetationsperiode und eine Mitteltemperatur
des Sommers von 12— 14® C, während andererseits die Minima der winterlichen Tem-
peratur für viele Holzarten eine Grenze der Verbreitung ziehen. Die Polargrenze
vieler Holzarten schliesst daher weite Gebiete von Skandinavien und Russland aus,
indem z. B.
die Kiefer in Skandinavien bis zum 68 — 70.® n. B., in Russland bis 64.®
die Fichte . . r, . 67-71.® „ „ , „ „ 54.®
die Buche „ „ , „ 60.® „ „ „ „ „ 50-52. ®
die Eiche (q.pedunc.)« „ „ „ 63.® « ^ « « „ 63.®
die Weisstanne in Deutschland „ » 49—52.® „ » „ „ „ 50.®
ihre Verbreitungsgrenze erreichen 2®).
In analoger Weise äussert in den Gebirgen die vertikale Erhebung über dem Ni-
veau des Meeres wegen der damit verbundenen Temperaturabnahme einen wichtigen
Einflnss auf die Verteilung der Baumarten nach „Regionen" und veranlasst deutlich
ausgeprägte Baumgrenzen für die einzelnen Holzarten. So geht z. B. die Buche
in der Ostschweiz nicht über 1494 m,
in den bayerischen Alpen „ „ 1460 „
im schweizerischen Jura „ „ 1200 „
im bayrisch-böhmischen Grenzgebirge „ „ 1260 „
im Schwarzwald „ „ 1235 „
in den Karpathen „ „ 1283 „
während die Fichtengrenze in den bayr. Kalkalpen bei 1860 m, im Böhmerwalde bei
1460 m, jene der Lärche in den bayr. Alpen bei 1890 m, jene der Zirbelkiefer bei
1925 m liegt und der Baumwuchs daselbst mit der Legfölire bei 2140 m überhaupt ganz
aufhört. Alles gebirgige Terrain, das über diese Regionen hinausragt, ist daher von
Natur aus von der Bewaldung ausgeschlossen, so dass notwendigerweise die Länder
der Zentralalpen beträchtliche Flächen ertraglosen Gebietes aufweisen und dadurch
kleinere Prozentzahlen der Waldflächen zeigen müssen als die Länder der Ebene und
der Mittelgebirge.
Nach Süden hin bestimmt aber hauptsächlich die Menge und Regelmässigkeit der
atmosphärischen Niederschläge die Grenze des Verbreitungsgebietes einer Baumart. Die
regenlosen Perioden während der Vegetationszeit dürfen nicht länger sein, als dass der
Boden seinen für die Baumwurzeln erforderlichen Feuchtigkeitsgrad zu bewahren ver-
mag, wird z. B. die Grenze überschritten, wo weniger als 6 — 8 Regentage durchschnitt-
lich in einem der Sommermonate vorkommen, so bereitet die Sommerdürre der Aus-
breitung der Waldvegetation eine natürliche Schranke und es treten dann die Steppen
Südrusslands und die Pusten Ungarns als herrschend auf. Dagegen gestattet innerhalb
26) Näheres hierüber in A. Grisebach „Die Vegetation der Erde". Leipzig 1884.
W. Engelmann.
16
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
der klimatischen Grenzen des Waldgebietes häufig auf beträchtlichen Strecken die un-
günstige Beschaffenheit des Bodens den Calluna- und Erica-Arten günstigere Entwick-
lungsbedingungen als der Baumvegetation, weshalb wir in den sandigen Niederuni^en
wie auf den moorigen Torf böden der Ebenen und Hochlagen ausgedehnte Heiden, Filze
und Hochmoore verbreitet finden, deren Flächen häufig als ertraglose Oedungen aus-
geschieden werden müssen ^7).
§ 10. Nach den neuesten und verlässigsten Angaben beträgt die gesamte
Waldfläche ohne Ausscheidung nach Besitzverhältnissen in den europäischen Staaten
folgende Hektarzahl, welche in Prozenten der ganzen Landesflächen ausgedrückt die
sog. Bewaldungsziffer ergiebt:
D u -a^ Auf den Kopf der
BewalduDgsziffer Einwohnerschaft
Staaten und Landesteile Ges. Waldflilche von der . -i^. • ^g^j^j
Landesfläche üäche»*) von
ha ^'o ha
Deutsches Reich '») 13956 827 25,8 0,27
näml. Kgr. Preussen .... 8 192 505 23,5 0,26
„ Bayern 2 508088 33,1 0,43
„ Württemberg . . 599 853 30,8 0,29
, Sachsen .... 387729 26,0 0,10
Grosshzgt. Baden .... 566 159 37,5 0,33
Elsass-Lothringen . . . 442 998 30,5 0,27
Grosshzgt. Hessen . . . 240 706 31,3 0,28
„ Mecklenb.-Schwerin 233 681 17,8 0,39
Strelitz . 61010 20,8 0,60
, Sachsen- Weimar . 92 567 25,6 0,27
„ Oldenburg . . . 67 852 10,6 0,18
Braunschweig 108 648 29,9 0,25
Sachsen-Meiningen . . . 103 497 41,9 0,44
, Altenburg . . . 36106 27,3 0,20
, Coburg-Gotha . . 58 739 30,0 0,27
Anhalt 57 015 24,9 0,19
Waldeck 42 992 38,4 0,74
Schwarzbg.-Sondershausen 26 354 30,6 0,34
Rudolstadt . . 41 626 44,1 0,41
Pe^ag/ä. L 11414 36,1 0,17
^^^^ \ j. L 31 132 37,7 0,24
Schaumburg-Lippe ... 7102 20,9 0,17
Lippe 32 978 27,2 0,24
Lübeck 4008 13,4 0,05
Hamburg 1716 4,2 0,00
Bremen 352 1,4 0,00
Oesterreich. A Cisleithanien »<>) 9 709 620 32,3 0,41
näml. Oberösterreich .... 407 758 34,0 0,52
Niederösterreich .... 681495 34,2 0,26
Salzburg 231889 32,4 1,33
Tirol mit Vorarlberg . . 1108 576 37,7 1,19
Steiei-mark 1073 937 48,0 0,84
Kilrnten 456 871 44,2 1,27
Krain 442 309 44,4 0,89
Küstenland 230 779 29,3 0,33
Dalmatien 382 643 29,7 0,73
Böhmen 1507 325 29,0 0,26
Mähren 609 993 27,4 0,27
Schlesien 174 110 33,8 0,29
Galizien 1954068 25,7 0,30
Bukowina 447 867 43,1 0,69
27) Hierüber Näheres in Borggreve „Haide und Wald«. Berlin 1875.
28) S. „Beiträge zur Forststatistik des Deutschen Reiches" bearbeitet vom Kaiserl.
Statist. Amt. Berlin 1894. Puttkammer u. Mühlbrecht.
29) Nach dem Statistischen Jahrbuche des k. k. Ackerbau-Ministeriums für 1895 und
der Volkszählung von 1890.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 11. 17
§ 11. Die nachstehenden statistischen Zahlen schildern das Tenitorimn, welches
der Forstwirtschaft der Gregenwart zur Verfügung steht; es folgt hierans, dass die
einzelnen Länder in sehr ungleichem Masse mit Wald versehen sind, indem begreif-
licherweise Gebirgsländer grössere WaJdflächen enthalten als das Tiefland, schwach
bevölkerte Gebiete mehr als dicht bevölkerte, neu besiedelte mehr als die seit Jahr-
tausenden der Kultur erschlossenen. Im allgemeinen finden wir den Wald mehr und
mehr auf die zu keiner anderen Kultur tauglichen Böden zurückgedrängt und im Durch-
schnitte ganzer Länder gehören (wie in einem späteren § nachgewiesen wird) die Wald-
flächen meistens der HI., IV. und V. Standortsklasse an. Es dürfte deshalb von In-
teresse sein, einen Blick auf die Wälderverteilung nach Höhenregionen zu werfen, wie
Von der
gesamten Waldtiäche sind im Besitze
der Stiftungen
des Staates
und der
Krone
und sonstiger
Fonds
(Religions- u.
der
Gemeinden
der Genos-
senschaften
der
Privaten
Kirchen)
folgende Prozente
32,9
13
15,6
2,8
47,5
30,9
1,0
12,6
2,7
52,9
34,8
1,7
12,6
1,8
49,1
32,4
2,3
29,5
1,3
34,5
43,6
2,1
5,6
0,2
48,5
18,2
2.4
45,0
0.4
33,4
34,2
0,6
44,8
29,2
0,3
36,9
0,9
33,3
46,4
5,3
9,4
38,9
68,9
0,3
30,8
46,7
1,5
16,3
5,0
30,5
34,9
1,0
10,5
—
53,6
73,3
0,2
1,5
15,3
9,7
41,4
0,7
22,6
9,0
26,3
47,9
1,6
2,3
1,4
46,8
64,7
0,5
11,3
6,0
17,5
74,8
0,4
2,2
0,1
22,5
62,9
0,6
22,5
1,6
12,4
64,0
0,9
11,3
10,7
13,1
47,0
1,0
10,8
3,6
37,6
37,7
3,1
59,2
53,3
1,2
2,4
43,1
91,8
—
1,3
—
6,9
53,5
0,4
9,3
1,1
35,7
71,6
12,1
0,2
16,1
65,4
4,4
30,2
15,7
8,7
— —
75,6
6,5
7,1
14,9
0,2
71,3
13,8
12,1
0,9
73,2
4,1
6,1
4,8
85,0
57,9»«)
0,5
4.3
—
37,3
10,2
1,0
53,6
35,2
5,3
7,9
3,9
1,4
82,4
3,1
6,0
3,7
87,1
2,5
1,0
9,3
87,2
5,6
1,7
37,0
55,7
0,8
1,9
59,0
38,3
0,4
4,7
12,2
82,7
8,8
8,4
82,8
—
25,7
4,4
69,9
10,3
4,0
5,5
80,2
0,3
50,8
13,5
35,4
30) Darunter 5*^/o kgl. bayerische Staatsforste.
Handb. d. Foretw. 2. Aufl. I.
2
18
I. Weber, Die Aofjfaben der Forstwirtschaft.
Bewaldungsziffer
Staaten und Landes teile Ges. Waldfläche von der
Landesfläche
B. Ungrarn'") Transleithanien) . 9074121 ha 27,9«/o
näml. das eigentliche Ungarn . 7 543679 , 26,7 ,
Croatien und Slavonien 1530 442 , 36,0 ,
Sa. Öesterreich^OngärnT " .' TS 783~74r , ~ "30,Ö9~
Schweiz««) ...... 781984 , 19,29,
dagegen von der produktiven Bodenfläche 27,21 , )
Frankreich im Jahr 1881 '»*) 8397131 , 15,89 ,
Von den einzelnen Departements") haben 2 über 40^0
, , . , ,8 zwischen 80— 40%
„ , , „ ,17 zwischen 20— 30«/o
„ „ , „ ,42 zwischen 10— 20^0
1, V V „ «18 zwischen 2 — lO^o
Italien") 5 760 720 ha 22,0Vo
Spanien««) 8 687 715 , 16,9,
Portugal«*) 471830 , 5,1,
Griechenland ") u. ««) 820 000 . 15,8 ,
Türkei •») 8 300 923 , 22,2 .
(hierin sind noch inbegriffen die Waldflächen von Bulgarien
mit 3 041 126 ha SO^/o der Landesfläche *•). sowie jene
von Bosnien und der Herzogowina)
Rumänien*») 2 774 048 ha 23,0^0
Serbien*») 2 090 592 , 48,0 ,
Grossbritannien*«). . . . 1261872 , 4,1,
Belgien*«) 202 997 , 6,9 ,
Niederlande*») 224 384 , 7,0 ,
Dänemark*«) 185 744 , 3,4 ,
Schweden*«) 17 358172 , 84,1.
Norwegen *«) südlich des
Polarkreises) 7 762 100 , 31,5 „
Europ. Russland **) ohne
Finnland) 181228 000 , 36,0 ,
Grossfürstent. Finland*^) . 20 782 880 „ 56,0 „
Europas Waldfläche . . . 299 730 956 ha ' 31^57o
Auf den Kopf der
Einwohnerschaft
trifft eine W^ald-
fläche von
0,52 ,
0,415 p
0,28 .
0.23 .
0,20 ha
0,52 .
0,10 ,
0,49 ,
1,43 .
0,51
1,35
0,03
0,04
0,05
0,10
3,82
4,31
1.87
10,52
1,01 ha
31) Nach K. Schindler „Die Forste der in Verwaltung des Ackerbau-Ministeriums
stehenden Staats- und Fondsgüter. Wien 1885. (Nach den definitiven Resultaten der neuen
Grundsteuerregulierung. )
32) Nach A. Bedö „Die wirtschaftliche und kommerzielle Beschreibung der Wälder
des ungarischen Staates. Budapest 1885. Herausgeg. vom k. ung. Ministerium für Acker-
bau etc.
33) Nach den amtl. Angaben der Forstverwaltung bei der Züricher Landesausstellung
1883. S. Spezial-Katalog derselben. Die Bewaldungsziifer der einzelnen Kantone ist: Zürich
28,57 >, Bern 21,19 ^o, Luzern 20.17 »/o, üri 9,79^0, Schwyz 18,85 >, Unterwaiden ob.
23,88 ^'/o, Nidw. 23.88 7o, Glarus 18,03 >, Zug 13,79 «/o, Freiburg 16,94 >, Solothurn
36,340/0, Basel-Land 34,38%, Schaffhausen 38,17^/0, Appenzell A. R. 18.37 <>/o, St. Gallen
17,37 o/o, Graubünden 13,50 »/o, Aargau 30.19^/0, Thurgau 21.38 ^o, Tessin 19.78 «/o. Waadt
26,52 >, Wallis 12,07^0, Neuenburg 24,10 >, Genf 10,25 >.
34) Nach dem Annuaire des Eaux et For6ts. 1901.
35) Nach der Statistique Forestiöre. Paris 1878. Imp. nationale
36) Nach Leo „ Forststatistik "^ dagegen giebt Prof. Marchet Italiens Forstfläche auf
5 025 983 ha = 16,02 7o an.
37) Prof. Marchet giebt Griechenlands Forstfläche auf 945 487 ha = 18,00/o an.
38) Nach Dr. N. Chloros „Waldverhältnisse Griechenlands". München 1884.
39) Nach der „Statistique foresti^re". Paris, dagegen giebt Prof. Marchet die Forst-
fläche der Türkei auf 5 417 418 ha = 14,0 > an.
40) Nach F. X. Kestercanek „Die forstl. Verhältnisse Bulgariens". Oesterr. Forstz.
1884. S. 140, sowie von Demselben „Die forstl. Verhältnisse Serbiens". Oesterr. Forst. 1883.
S. 42.
41) Nach „Noticcs sur les forOts du Royaume de Roumanic". Bukarest 1900.
Die geographische Verteilung der Wälder in Europa u. ihre historischen Ursachen. § 11. 19
Von der gesamten Waldfläche sind im Besitze
der Stiftungen
des Staates und sonstiger
und der Fonds
B. Ungarn (Transleithanien)
nämlich eigentl. Ungarn
Croatien und Slavonien .
Irone
(Religions- und
Kirchen)
folgende Prozente
rciucijii
16,0
6,6
18,5
15,3
7,4
20,1
19,1
2,4
10,4
der der Genos- der
Gemeinden senschaften Privaten
17,7
12,9
41,4
41,3
44,3
26,6
4,19«) (Schweiz)
11,16
0,35
4,63
84,21
66,45
22,50
10,70 (Frankreich)
2 über 407o Staatswald, 12 über 507o Gemeindewald
14 zwischen 20— 30% „ 16 zwischen 20— 507o
18 , 10—20% . 13 , 10—20%
41 , 1—10% , 35 , 0— 107o
12 gar keinen „ 11 „ gar keinen
3,8 (Italien) 43,0
82,2") (Spanien)
(Ueber Portugal fehlen diese Angaben.)
80,0*«) (Griechenland)
41,7 (Rumänien) 4,6
/Ueber diese Länder waren genauere Angaben bezügl. der
\ßesitz-Kategorien nicht zu erhalten.
19,9 (Schweden) "
12,52 (Rorwegen«) ' 2,66
29,36
66,45
53,8
17,8
20,0
53,7
80,1
84,8
60,3 (europ. Russland) 29,7
71,1 (G rossherzogt. Finnland) 18,9
sie statistisch in mehreren Staaten verzeichnet und in der Tabelle auf S. 20 zusammen-
gestellt ist.
Hiernach gehören dem Hochgebirge mit über 600 m absoluter Höhe in Oester-
reich 81,5"/o der ganzen Staatswaldfläche (incl. Fondsforste), in Ungarn 57,3^0, in
Frankreich 35,26»/o der Staatsforste und 24,33®/o der Privatwälder, während dem Mit-
telgebirge in Oesterreich 15,5^0, in Ungarn 28,07oj ^^ Frankreich 47,55^0 der
Staatsforste und 31,06<^/o der Privatwälder zufallen.
Im deutschen Reiche ist die Verteilung des Waldes (nach Bernhardt)
beiläufig folgende:
dem süddeutschen Gebirgslande und den Alpen gehören an 30^0
dem mitteldeutschen Berg- und Hügellande „ « 28®/o
dem nordostdeutschen Binnenflachlande „ „ 10®/o
42) Nach dem Bericht des holländischen Ministeriums für Volkswirtschaft. Handel und
Industrie von 1883.
43) Nach Dr. 0. Er och „Le royaume de Norv^gien. Christiania 1876.
44) Nach den Beiträgen zur Statistik der Forsten des europ. Russlands von K. Henke. 1888.
45) Nach Konsul Lamezan im XXIV. Jahrg. d. Ztsch. des k. preuss. statistischen Bu-
reaus 1884.
46) Den absolut grössten Staatswaldbesitz hat der Kanton Bern mit 11 715 ha = 8,11 7«.
den relativ grössten Schaffhausen mit 1876 ha =: 16,70 7« der ganzen Waldfläche. Gar keinen
Staatswald haben die Kantone Uri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus, Zug. Basel. Tessin, Grau-
bünden, Wallis, Genf.
47) Nach den früheren Veröifentlichungen des span. Ministeriums beträgt die Staats-
waldfläche 7 105 372 ha (Oesterr. F.Z. 1886. S. (58). Jedoch scheinen hierunter alle unter
staatlicher Aufsicht stehenden Fondsforste mit begriffen zu sein.
48) Nach Dr. N. Chloros beträgt die griechische Staatswaldfläche 656 000 ha.
49) Nach dem amtl. Berichte der norwegischen Forstverwaltung pro 1875.
9 *
20
I. Weber. Die Aafgaben der Forstwirtschaft.
Uebersicht über die Verteilung der Wälder nach Höhenregionen.
Regionen von einer
Meereshöhe
1—
300
400-
500-
600-
700-
800-
900-
1000-
1200-
1400-
1600—
1800-
2000-
über
300 m
00 ,
500 ,
600 .
700 ,
800 ,
900 ,
1000,
1200,
1400,
1600,
1800.
2000.
2200,
2200.
In Oesterrcich ••)
Staatfl-
forste
Fonds-
forste
Zu-
sammen
In Württembergs
Staatsforsten
Laubholz iNadeiholz
2,8 7o
14.0 .
23.1 .
1
Ml/
3,4 «/o 3,0 «/«
19.2
31,7
41,3
15,5
25,6
41,6
18,3
4,4
14,3
6«/o
15 ,
22 ,
21 ,
23,
12 ,
1 ,
7>
25 ,
18 ,
11 ,
6 .
1 ,
In Frankreich
Staatsforste | Pri-
u. Stiftungs-i vat-
waldungen i "wälder
17,19
34,41
13,14
6,01
44,61
19,32
11,74
7,20
7,00
11,78
6,21
3.31
7,80
1,64
3,90
0,31
2,00
0,07
1,62
0,01
0,61
^"~'
0,11
0,01
100,00
I 100,0 ] 100,0 I 100,0 I 100 ! 100 I 100,00
dem norddeutschen Berg und Binnenfl achlande gehören an 15®/o
dem norddeutschen Tieflande „ „ 17*^/o
Schon hieraus lässt sich ersehen , dass die Zurückdrängung der Waldflächen auf jene
Standorte, wo keine intensivere Bodenbenutzung als die Waldwirtschaft möglich ist,
im Grossen und Ganzen sich bereits vollzogen hat und dass nur die starke Nachfrage
nach Holz bei mangelndem anderweitigem Ersätze in ausgedehnten Tieflagen und land-
wirtschaftlichen Distrikten die stellenweise Erhaltung der Bewaldung ermöglicht hat.
üebrigens ist das Problem der zweckmässigsten und rationellsten Verteilung der ver-
schiedenen Kulturarten und Formen der Bodenbenutzung noch keineswegs abgeschlossen,
sondern es vollzieht sich, wie die Ziffern für Rodungen und Wiederaufforstungen zeigen,
im freien wirtschaftlichen Verkehr ebenso wie unter der staatlichen Kontrolle eine un-
ausgesetzte Bewegung in den Verschiebungen der Grenzen der einzelnen Kulturarten.
Die wirkenden Ursachen hievon liegen teils in der Bodenerschöpfung und unzureichen-
den Düngung bei sinkenden Getreidepreisen, hohen Löhnen und steigendem Holzpreise,
welche zusammen die Wiederaufforstungen begünstigen, teils in der Bevölkerungszu-
nahme, steigenden Preisen landwirtschaftlicher Produkte, Ausdehnung der Viehweide,
welche zusammen zu Rodungen und zum üebergang zu arbeitsintensiveren Betrieben
anreizen. Die fortwährenden Preisänderungen lassen daher dem rechnenden Landwirt
bald das eine bald das andere rentabler erscheinen, wenn es sich um Flächen handelt,
deren Benutzungsart zweifelhaft ist.
Die Bedentung der Wälder für das öffentliche Wohl und die staatswirt-
schaftlichen Gesichtspunkte der Forstwirtschaft.
Rauch „Regeneration de la nature vegßtale'^. Paris 1818. Moreau de Jonnös
„Memoires sur le deboisement ' des forßts". Bruxelles 1825. Ins Deuteche übersetzt von
Widenmann. Zwierlein, C. A. „Vom grossen Einfluss der Waldungen auf Kultur und
50) Oesterreich ist hier als Cisleithanien gemeint ; hingegen ist in den zur Krone Ungarn
gehörigen Ländern die Wälderverteilung folgende:
Dem Hochgebirge (über 600 m Seeböhe) gehören 57,37© der Waldflächen
„ Mittelgebirge (200—600 m „ ) , 28,0 > .
der Ebene und der Hügellande
U,77o
an.
Die Bedeutung der Wälder für das öffentliche Wohl eU\ § 12. 21
Beglückung der Staaten". Würzburg 1807. Stahel. v. SchtfUes. G. F Chr. „Der neue
Sylvan**. Vorlesungen über den Einfluss der Wälder auf die Nationalökonomie etc. Ilmenau
1882. Voigt. Hundeshagen, J. Chr. „lieber den Einfluss der Wälder auf das Klima und
die Länder". Beiträge zur gesamten Forstwissenschaft III 1. S. 92. v. P a n n e w i t z unter
gleichem Titel in den Verhandlungen des schles. Forstvereins 1859. Lange .Welchen Ein-
fluss hat das Ausroden der Waldungen auf das Klima und auf die Vegetation einer Gegend''.
Altenburg 1837. v. Baum er. «Betrachtungen über die Abnahme der Waldungen, die Ur-
sachen und Folgen derselben und die Mittel, denselben Einhalt zu tun"*. Nördlingen 1846.
Krutzsch. H., „lieber den Einfluss der Waldungen auf die Regen Verhältnisse in der ge-
mässigten Zone". Tharander Jahrbuch 1855, S. 123. Rossmässler. A. ^Der Wald*".
1861. Leipzig und Heidelberg. Winter. Becquerel, A. C. ^ Memoire sur les forfits et
leur influence climaterique". Paris 18B6. Becquerel, Edm. „Memoire sur la temperature
de Tair sous bois et hors des bois". Comptes rend. 1869, Nr. 12. Beck, 0. .Die Wald-
schatzfrage in Preussen**. Berlin 1860. Nördlinger, H. Dr. ^Der Einfluss des Waldes
auf die Temperatur''. Krit. Bl. 1862. Mayr, Gg. .Einfluss der Wälder auf Klima und
Bodenbeschaffenheit". Krit. Bl. 1863. Bd. 46, S. 41. Floren o, H., ^Sull' importanza del
mantenimento dei boschi et sul vero regimento della loro amministrazione''. Gatania 1862.
Rentzsch, H, Dr. „Der Wald im Haushalte der Natur und der Volkswirtschaft''. Leipzig
1862. Smoler, M. Dr. «Der Wald in seinen Beziehungen zur Meteorologie und Hygiene".
Smol. Vereinsschrift 1863. (Jomont, M. ,De l'influence des for^ts sur le climat, le sol et
les eaujc*^. Paris 1866. Contzen, H. Dr. „Einfluss des Waldes auf Klima, Kultur etc."
Leipzig 1868. Derselbe , Forstliche Zeitfragen". Leipzig 1870. Ney, E. ^Die natür-
liche Bestimmung des Waldes und die Streunutzung **. Dürkheim 1869. v. Baur. F. Dr.
.Der Wald und seine Bodendecke". 1869. Monographie. Rivoli j.Der Einfluss der Wälder
auf die Temperatur der untersten Luftschichten'*. Posen 1869. Landolt ,Der W^ald im
Haushalt der Natur und der Menschen". Zürich 1870. S c h 1 e i d e n „Für Baum und Wald*.
Leipzig 1870. v. Löffelholz-Colberg, F. Frhi*. „Die Bedeutung und Wichtigkeit
des Waldes etc." Leipzig 1872. H. Schmidt. Ebermayer, E. Dr. „Die physikalischen
Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden". Aschaffenburg 1873. Lorenz J. Ritter
von Liburnau, Dr. „Wald, Klima und Wasser". München 1 873. P u r k y n e , E. Dr.
,Ueber die Wald- und Wasserfrage". Oesterr. Monatsschr. 1876, S. 136. P. Demontzey
„Trait6 pratique du reboisement et du gazonnement des montagnes". Paris 1882. In deut-
scher Bearbeitung von Dr. A. Frhr. v. Seckendrff. Nördlinger, Theod. Dr. ,.Der Ein-
fluss des Waldes auf die Luft- und Bodenwärme". Berlin 1885. E. Ney „Der Wald und
die Quellen" Tübingen 1894. F. Pietzcker. H. E. Hamberg ,,De Tinfluence des foröts sur
le climat de SuMe" Stockhdlm 1896. Dr. Paul Schreiber, „Die Einwirkung des Waldes
auf Klima und Witterung". Dresden 1899. Schönfelds Verlag. J. Schubert „Der jähr-
liche Gang der Luft- und Bodentemperatur im Freien und in Waldungen'* etc. Berlin 1900.
Jul. Springer. Ebermayer „Die Einwirkung des Waldes auf die Sickerwassermengen".
München 1900. F. Wang „Grundriss der Wildbach- Verbauung" Leipzig 1901.
§ 12. In dem einleitenden Teile wurde gezeigt, wie mannigfach die ganze Kul-
tnrentwicklung der Völker die Existenz des Waldes beeinflusste und wie namentlich
die verschiedenen staatsrechtlichen Auffassungen der Aufgaben, welche die Regierungs-
gewalt in Bezug auf die Waldwirtschaft zu erfüllen hat, eine grosse praktische Be-
deutung für die Entwicklung wie andererseits für die Verhinderung einer guten Forst-
wirtschaft hatten. Fasst man den Staat als den höchsten, faktisch herrschenden Ein-
heitswiilen des Volkes auf, so gehört zu seinen wesentlichsten Aufgaben die Herstellung
der moralischen und materiellen Existenzbedingungen seiner Angehörigen. Wenn also
auf irgend einem Gebiete die Existenzbedingungen der Gesamtheit in Frage kommen,
so rechtfertigt dies ein autoritatives Eingreifen der Staatsgewalt in öffentlichem In-
teresse, um die Hindernisse für die menschliche Kulturentwicklung zu beseitigen oder
erforderlichenfalles unmittelbar fördernde Veranstaltungen zur Erreichung des gemein-
schaftlichen öffentlichen Zweckes zu treffen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn
die Kraft des Einzelnen unzureichend ist und eine Znsammenfassung vieler Kräfte zur
Erreichung des gemeinsamen Zieles notwendig ist, oder wenn die zeitliche Nachhaltig-
keit bei Unternehmungen, welche die Dauer eines Menschenlebens übertreffen, eine Haupt-
22 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft,
bedingung für das Gelingen des Unternehmens bilden, wie dies in der Forstwirtschaft
geschieht. Die Entfaltung einer staatlichen Tätigkeit in dieser Richtung empfiehlt
sich um so mehr, wenn der Erfolg derselben möglichst vielen, aber dem einzelnen nnr
in unmessbarem Grade zu gute kommt (Ad. Wagner). Aber auch da, wo der einzelne
in Yerkennung der Gefahr, welche seine Handlungen inr das Öffentliche Interesse nach
sich ziehen, sei es in gutem Glauben sei es aus bösem Willen, das letztere schädigt,
ist das Eingreifen der staatlichen Obrigkeit in dessen Interessensphäre gerechtferti^.
In diesem Sinne hat die Frage der Erhaltung der Wälder, wie uns die Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte fast aller Staaten zeigt, seit den ältesten Zeiten die Gesetz-
geber und die Exekutive der Staatsverwaltungen beschäftigt. Man erkannte schon
frühzeitig, dass mit der Vernichtung der Wälder eines Landes Veränderungen in dem
physischen Zustande desselben eintreten, die sehr oft verhängnisvoll für die Gesamtheit
der Bewohner verlaufen, und schon Plato (Critias) berichtet über das „Erkranken
des Landes*^ in Folge der Entwaldungen, lieber die verschiedenen Bestrebungen des
Altertums, den menschlichen Egoismus durch religiöse Weihe sowie durch Gesetzgebung
von der masslosen Wälderzerstörung abzuhalten, haben wir schon im § 8 gesprochen.
Nicht minder zeigen die tausende von landesherrlichen Erlassen, Gesetzen und Foi-st-
ordnungen, dass im Mittelalter bis in die Neuzeit die Staatsgewalt sich jederzeit im
öffentlichen Interesse um die Erhaltung und Verbesserung des Zustandes der Wälder
eifrig gekümmert hat. Freilich war hiebei der leitende Beweggrund in der Regel bloss
die Sorge für nachhaltige Bereithaltung des für die Gesamtheit der Einwohner unent-
behrlichen Brenn- und Baumaterials, aber in den Gebirgsgegenden sowie auf Sandboden
und den Dünen wird schon frühzeitig dem Walde ein über seine Grenzen
hinausreichender Einfluss auf die Beschaffenheit des Landes
zugeschrieben, wozu namentlich die Erfahrungen in Italien beitrugen. Die älteste
schriftliche Aufzeichnung über dieses Thema verdankt man dem Spanier Fernando
Colon (f 1540), welcher in einer Lebensbeschreibung des Admirals Almirante (Kap. 58)
eine aus den Schiffsjournalen desselben geschöpfte Betrachtung über die Klima te ein-
flicht; es heisst hier"):
„Der Admiral schrieb dem Umfange und der Dichtigkeit der Wälder, welche die
Rücken der Berge bedeckten, die vielen erfrischenden, die Luft abkühlenden Regengüsse
zu , denen er ausgesetzt war , so lange er längs der Küste von Jamaica hinsegelte . und
bemerkt hiebei, dass vormals auf Madeira, den canarischen und azorischen Inseln die Wasser-
menge ebenso gross war , aber dass seit jener Zeit , wo man die Bäume abgehauen hat.
welche Schatten verbreiteten, die Regen daselbst seltener geworden sind."
Diese Aeusserung ist die erste der zahlreichen, später aus tropischen Ländern zu uns
gelangten Klagen über den verderblichen Einfluss der Waldausstockungen auf die kli-
matischen Verhältnisse, welche wir hier schon des Raumes halber nicht alle anführen
können.
Aber auch in Europa sammelte man frühzeitig Erfahrungen über die schlimmen
Wirkungen der ausgedehnten Abholzungen ; so bemerkt z. B. der kurf. sächsische Advokat
K. G. Rössig**) über Kurfürsts August I. von Sachsen (f 1586) Wirtschaftspolitik:
„Nicht weniger sah er übrigens ein, wie nachteilig oft die Ausrottung der Wälder,
sobald sie unüberlegt geschieht, für ganze Gegenden werden kann ; nicht etwa bloss durch
Uolzmangel , sondern auch , indem sie über grosse Landstriche Unfruchtbarkeit verbreiten
kann. Wie oft schützt ein Wald die Nahrung einer Gegend! Er deckt ihre Aecker vor
den verheerenden Nordwinden, befruchtet oft den Rücken eines Berges durch seinen Schutz
51) S. Alex. V. Humboldt „Kosmos" n. Bd. S. 322.
52) Versuch einer pragmatischen (beschichte der Oekonomie-, Polizei- und Cameral-
wissenschaften. Leipzig 1782.
Die Bedeutung der Wälder für das öffentliche Wohl etc. § 12. 23
und das abfallende Laub und Holz, der sonst ein ganz unfruchtbarer Sandhügel sein
würde und dessen Kultur nun, da der Wald vertilgt ist, unmöglich wird. So schreibt man
in einigen Gegenden Italiens die Unfruchtbarkeit nicht ohne Grund der Ausrottung der
Wälder auf den nahen Gebirgen zu. da man weiss, dass dieselben, da die Wälder noch
standen, Früchte brachten und als fruchtbare Länder bekannt waren''.
Einen besonderen Aufschwung erhielt die Wertschätzung des Waldes durch die
wissenschaftlich exakten Untersuchungen des berühmten Naturforschers Buffon, wel-
cher wie schon in § 3 ervv'ähnt, mehrere Probleme der praktischen Forstwirtschaft zu
lösen bemüht war und gelegentlich seiner Eeisen auch Beobachtungen über die Wir-
kungen der ausgedehnten Waldde vastationen machte, deren Ergebnis er in die Worte
zusammenfasste : „Je länger ein Land bewohnt wird, desto wald- und wasserärmer ist
es.* Auch Choiseul-Gouffier stellte gelegentlich seiner Reisen in Griechenland
Beobachtungen über die mit dem Verschwinden der Wälder zusammenhängende Ab-
nahme des Quellenreichtums in diesem Lande an, während andere Eeisende dieselbe
Erscheinung der Abnahme des fliessenden Wassers in Syrien und Kleinasien wahrnah-
men, z. B. Marchand.
Eine praktische Bedeutung erhielten alle diese vereinzelten Beobachtungen aber
erst, nachdem die in grossartigem Massstabe betriebenen Waldrodungen im Verlaufe
der französischen Revolution die allgemeine Aufmerksamkeit auf die hiedurch hervor-
gerufenen Schädigungen der öffentlichen Wohlfahrt gelenkt hatten — Schäden, deren
Abwendung gegenwärtig mit dem Aufgebote von Millionen Frcs. jährlich und mit Auf-
wand alles Scharfsinnes der Forst- und Wasserbau-Ingenieure kaum zu bewältigen ist.
Zahlreiche Berichte der Administrationen und gemeinnütziger Gesellschaften erzählen
von den bald nach den grossen Waldausstockungen eingetretenen Schädigungen der
öffentlichen Wohlfahrt. Schon 1792 schreibt die Administration des Basses-Alpes :
„Die Ausrodungen mehren sich rasch, von Dique bis Entrevaux sind die Gehänge
der Gebirge von den schönsten Wäldern entblösst worden ; die kleinsten Bäche werden nun
zu Strömen und mehrere Gemeinden haben durch das Austreten der Flüsse ihre Ernten, ihre
Herden und Häuser verloren.''
Im Jahre 1803 äussert sich die Agrikulturgesellschaft in Mareeille:
,Die Winter sind strenger, die Sommer trockener und heisser, die wohlthätigen Früh-
lings- und Herbstregen bleiben aus : der Üveaune-Fluss , welcher von 0 nach W fliesst,
reisst beim geringsten Gewitter das (Jelände mit sich fort und überschwemmt die reichsten
Wiesen , aber neun Monate im Jahre liegt sein Bett trocken infolge des Versiegens der
Quellen ; unregelmässige , zerstörende Gewitter treten jetzt alljährlich ein und der Regen
mangelt zu jeder Jahreszeit."
Namentlich schon unter dem Konsulat traten die unheilvollen Wirkungen dieser
Devastationen zu Tage und wurden von T hu au in der National- Versammlung lebhaft
geschildert (29. öerminal an XI). Seit jener Zeit datiert hauptsächlich die litterarische
Bewegung zum Schutze des bedrohten Waldes und zur Erörterung seiner Funktionen
im Haushalt« der Natur, deren wichtigste Bücher wir im Eingang aufgezählt haben,
ohne jedoch die Gesamtzahl dieser Litteraturgattung damit zu erschöpfen. Die wei-
teste Verbreitung fand unter diesen das Werk von Moreau de Jonn6s, welches in
Belgien preisgekrönt wurde, jedoch durch die vielfach übertreibende Darstellung und
den Mangel an exaktem Beweismaterial auch gleichzeitig zur Diskreditierung dieser
Bestrebungen beitrug. Erst dem wissenschaftlichen Ernst, der den Untersuchungen
Alex. V. Humboldts, Boussingaults, Becquerels zu Grunde lag, gelang
es, die Frage über die Bedeutung des Waldes von diesen Uebertreibungen zu befreien,
während in der jüngsten Zeit Prof. Krutzsch, Forstrat Nördlinger und vor
allem Prof. Dr. Ebermayer, Bitter v. L i b u r n a u und Dr. Müttrich jene Spe-
zialisierung und direkte Versuchsanstellung auf scharf abgegrenzten Gebieten zur An-
24 T. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Wendung brachten, wie sie der Gang der induktiven Forschung erfordert^).
Anstatt also die zahlreichen ans Reisebeschreibungen oder Chroniken geschöpften
Einzelberichte über vorgekommene Fälle von Temperaturveränderungen, vom Vertrock-
nen ganzer Landstriche, vom Versiegen der Quellen, Fehlen der Regenniederschläge und
des Taues hier zu wiederholen, verweise ich jeden sich dafür interessierenden Leser
auf das oben zitierte Sammelwerk von Frhm. v. Löffelholz-Colberg, wo mit
grösstem Fleiss ein 290 Seiten füllendes Material dieser Art aus allen Ländern zusam-
mengestellt und mit Quellenangabe nachgewiesen ist und wo sich ein erdrückendes Be-
weismaterial für das Vorhandensein eines dringenden öffentlichen Interesses an der
Waldschutzfrage deponiert ündet. In den letzten beiden Dezennien des XIX. Jahr-
hunderts haben sich verschiedene Stimmen erhoben, welche die kritische Betrachtung
der Walderhaltungsfrage oft bis zur vollständigen Verneinung aller sog. „W^ohlfahrts-
wirkungen des Waldes" trieben. Dieser Standpunkt ist zum Teil auch in der Abhand-
lung über Forstpolitik dieses Werkes von Professor Dr. Lehr vertreten worden und
iindet namentlich bei den Bewohnern der Ebenen und des Tieflandes Beifall. Dem
gegenüber hat sich aber in den Gebirgsländem die Ueberzeugung ungeschwächt erhalten,
dass dem Walde ein über seine Grenzen hinausreichender Einfluss auf gewisse klima-
tische Faktoren zuzuschreiben sei, und das Studium dieser Frage gewinnt in neuester
Zeit, wie die Berichte wissenschaftlicher Beobachter aus Eussland, aus britisch Indien
und aus Nordamerika beweisen, wieder an Interesse. Ich glaube es daher dem Leser-
kreise dieses Handbuches schuldig zu sein, in Vertretung dieses letzteren Gesichtspunktes,
die in vielen Einzelberichten zerstreuten Ergebnisse der exakten Naturforschung über
die einzelnen Seiten, welche bei der Wirkung des Waldes zu unterscheiden sind, über-
sichtlich zu ordnen und so den Gesamteffekt in seine einzelnen Komponenten zu zer-
legen. Ich betrachte daher im Nachstehenden getrennt 1) den Einfluss des Waldes
auf die Luft- und Bodentemperatur, 2) dessen Einwirkung auf die Feuchtigkeit der
Luft und des Bodens, sowie auf den Kreislauf des Wassers, 3) dessen Bedeutung als
mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens und der Schneedecke und die
Abschwächung der Winde.
1. Einfluss des Waldes auf Luft- und Bodentemperatur.
§. 13. So lange man die Frage über den klimatischen Einfluss der Wälder ohne
direkte thermometrische Messungen lediglich nach dem oberflächlichen Augenschein er-
örterte, kamen die widersprechendsten Urteile darüber zu Tage. So verlangte im Jahre
1805 der bayerische Landesdirektionsrat Hazzi, dass die Staatsforsten verkauft und
überhaupt möglichst viel Wald gerodet werden solle, damit das rauhe Klima Ober-
bayems, welches durch Schneedruck, Reife und Hagelschauer die Waldanwohner be-
lästige, gemildert werde. Andere glaubten, dass der Weinbau in Deutschland erst,
nachdem ausgedehnte Waldrodungen das Klima geändert hätten, möglich geworden sei,
während im diametralen Gegensatze hiezu wieder die Behauptung aufgestellt wurde,
dass Waldrodungen die Ursache des Eingehens vieler Weinberge gewesen seien ^*). Da
die grosse Menge überhaupt in der Erklärung von Naturerscheinungen und im Auf-
suchen ihrer Ursachen leichtgläubig und naiv ist, so müssen alle die zahlreichen Be-
hauptungen dieser Art mit kritischem Blicke betrachtet werden. Um so mehr ver-
dienen die exakten wissenschaftlichen Forschungen Anerkennung, welche jetzt in vielen
53) S. hierüber: Ebermayer „Die geschichtliche Entwicklung der forstl. meteoro-
logischen Stationen und ihre zukünftigen Aufgaben. In Ganghofer Das forstl. Versuchswesen.
II. Band 1. Heft. Augsburg 1882.
54) Fischer „Geschichte des Handels" 1793.
Einfliiss doß Waldes auf Luft- und Bodentemperatur. § 18, 25
Ijändem angestellt werden nnd deren Ergebnisse im folgenden in ihren Hanptzügen
dargestellt werden sollen.
Das Klima, d. h. der durchschnittliche Gang der Luftwärme und Feuchtigkeit
einer bestimmten Gegend, wird in erster Linie durch die erwärmende Wirkung der
Sonnenstrahlen bedingt und hängt daher von der zweifachen Bewegung der Erdkugel,
von der geographischen Lage des betreffenden Ortes, der Verteilung von Land und
Wasser, sowie von der Erhebung über die Meeresoberfläche ab. Die Vegetationsdecke
und namentlich der Wald vermögen an den so gegebenen klimatischen Verhältnissen
nur innerhalb gewisser Grenzen Veränderungen hervorzubringen
— Modifikationen, welche indessen beachtenswert werden, wenn es sich um ein grosses
Areal handelt, das mit dieser Vegetationsform bedeckt ist. Dabei muss vor allem be-
achtet werden, dass der Ausdruck „Wald" eine gewisse Mannigfaltigkeit verschiedener
Holzarten und Bestockungsformen umfasst und dass die Wirkungen sich im Laub- und
Nadelwald, im Hochwald- oder Niederwald, im geschlossenen oder lückigen Bestand
nicht immer gleich bleiben werden; die im folgenden mitgeteilten Beobachtungsergeb-
nisse beziehen sich nur auf ganz geschlossene Waldbestände. Schon Alex. v. Hum-
bold^^) rechnete unter die kälteerzeugenden und die mittlere Jahrestemperatur ver-
ändernden Ursachen den Wald, wo er in grosser Ausdehnung vorhanden ist und zwar
wegen der Verhinderung der Insolation des Bodens (Schattenkühle), dann wegen der
grossen Verdunstung der lebensthätigen Blätter, endlich wegen der nächtlichen Strah-
lung, die durch die grosse Oberflächenausdehnung der Blätter begünstigt wird. Es ist
nämlich zu bedenken, dass die atmosphärische Luft ihre Wärme nur zu einem kleinen
Teil durch unmittelbare Absorption der Sonnenstrahlen empfängt, den weitaus grösseren
erhält sie vielmehr durch Rückstrahlung und durch Leitung von dem nicht diathermanen
Boden zugeführt. Das Kronendach des Waldes hindert aber diese Erwärmung des
Bodens in hohem Grade, so dass der Waldluft vom Boden aus wenig Wärme zugeführt
werden kann und dieselbe daher im Durchschnitt während des Tages kälter sein muss.
Auch die Wärmeausstrahlung findet im Blätterdache des Waldes in ganz ähnlicher
Weise statt, wie wir dies bei Wiesen nach nächtlichem Tau oder Reif beobachten kön-
nen, nur sinkt im Walde die erkaltete Luft durch die Zweige herab, weil sie spezifisch
schwerer wird; doch unterscheidet sich in dieser letzteren Hinsicht der Wald nicht
wesentlich von irgend einer anderen Vegetationsform. Anderseits verhindert das Kro-
nendach die nächtliche Strahlung aus dem Waldboden, so dass die Luftschichte zwischen
beiden des Nachts meistens eine höhere Temperatur hat, als die des freien Landes ist.
Wenn auch die geschilderten Vorgänge sich zunächst nur im Walde selbst abspielen,
so ist doch eine gewisse Einwirkung auf die Umgebung durch Zirkulationströmungen
möglich, so dass ein grösserer Wald in analoger W^eise wie z. B. ein See bis auf ge-
wisse Entfernungen hin klimatische Modifikationen hervorbringen oder ein sog. „Lokal-
klima* bilden kann, welches gewisse charakteristische Eigentümlichkeiten zeigt. In
dieser Hinsicht hat A. Woeikof^') in Petersburg interessante Vergleiche zwischen
der mittleren Juli temperatur vieler auf gleichen Breitegraden gelegener Stationen
angestellt, nachdem die Zahlen der Celsius-Grade auf gleiche Meereshöhe (200 m) redu-
ziert worden waren: Er fand:
beim 38^ nördl. Breite
Lissabon 21, 4«, Campomajor 24,6», Palermo 24,7«, Athen 26,20, Smyrna 26,6»,
Lenkoran 23,7«, Krasnowodsk 27,8. Hier fällt besonders auf, dass der waldreiche Westen
55) Kosmos 1. Bd. S. 344.
56) Petermanns geogr. Mitteilungen 31. Band 1885. Heft III. S. 81.
26 I. Weber. Die Auf>(aben der Forstwirtsrhaft.
vom Kaspissee kühlere Temperaturen aufweist als die um 4^ heissere Ostküste jn der Stein-
wüste von Krasnowodsk.
bei 43» n. Br.
Oporto 19,8«, Rom 24.()^ Ragusa 28.ß^ Poti 21,6^ Kutais 22,8^ Tiflis 26,0^
Orte am Amu Darja 26,8®. Hieraus schliesst W. , dass die dichten Wälder Mingreliens
(Poti) die Temperatur erniedrigen, während in dem waldarmen Tiflis und am Amu Darja
eine um 4° höhere Hitze herrscht ; einen analogen Verlauf zeigt folgende Reihe von Juli-
mitteln :
bei 46» n. Br.
La Rochelle 19,3^ Mailand 22,7^ Triest 22,6«, Agram 21,7». Szegedin 22,0«, Arad
22,8», Orawicza (Ungarn) 19,7», Pojana Ruska 19,9®, Odessa 21,8», Cherson 22.5», Astra-
chan 24,2», Orte am Syr Darja 24,5». Hier fällt namentlich die niedere Temperatur des
waldreichen Kroatien und Siebenbürgen auf.
b e i 47 » n. Br.
Brest 16,8», Versailles 18.6», Karlsruhe 19,2», Wien 19,9». Debreczin 21,5». Ro-
senau 20.5». Bistritz (Siebenbürgen) 20,0», Czernowitz 20,5», Ekatcrinoslaw 22.9», Lugan
(Steppe) 22,5», Irgis (Kirgisensteppe) 24,2».
Die Temperatur steigt hier vom atlantischen Ozean bis zu den Pussten Ungarns
konstant, aber im Osten Ungarns, in dem waldigen Siebenbürgen und der Bukowina, steht
sie erheblich tiefer als in den russischen Steppen,
bei 50^ n. Br.
Guernsey 15,3», Brüssel 17,0». Würzburg 20», Promenhof (Böhmen) 18.0», Prag 20»,
Hochwald (mähr. Plateau) 17,6», Troppau 20». Orte in den Karpathen 17,9», Leraberg 18.6».
Kiew 19,0», Charkow 20,2», Ssemipalatinsk 22,6». Auch hier steigt vom Ozean bis zum
Mainthal die Wärme rasch, dann bewirken aber die grossen Wälder an der bayr. -böhmischen
Grenze eine Temperaturemiedrigung, die sich nochmals in den Karpathen wiederholt ; auch
Kiew ist nahe an Wäldern und Sümpfen, dagegen Charkow an der Steppengrenze.
bei 52» n. Br.
Valentia (Irland) 14,2», Leipzig 17,0», Warschau 18,2», Tschernigow 18,4», Orel
und Kursk 19,8», Poljänki (bei Saratow) 18,7», Orenburg 20.6», Akmollins (Kirgisen-
st^ppe) 21,1®.
Vom Meere an rasche Temperaturzunahme gegen Mitteldeutschland, gegen den mitt-
leren Dnieper aber und im waldigen Quellengebict der Ssura eine relative Abnahme, hin-
gegen holie Temperaturen im Tschernosiem-Gebiete und in der Steppe.
Eine ähnliche vergleichende Zusammenstellung von auf gleiche Meereshöhe redu-
ziei-ten Sommertemperaturen, wie sie gleichzeitig in dem waldreichen Bosnien und der
grösstenteils aus nacktem Felsgestein bestehenden Herzegowina beobachtet wurden,
lässt erkennen, dass das Waldland um 2,5 — 4,5» kühlere Sommer aufweist als die kah-
len, an den „Karst** erinnernden Gebirge der Herzegowina.
Auch in Indien lässt sich eine ganz analoge Erscheinung konstatieren, indem die
grossen Waldkomplexe von Assam, Sylhet und Cachar, trotzdem sie weit vom Meere
entfernt sind, in den Monaten April bis Juni um 4» bis 6» C. niedrigere Mitteltempe-
raturen haben, als die unbewaldeten Gegenden gleicher Lage; insbesondere fehlt da-
selbst die heisse Zeit, welche in dem übrigen Indien in die Monate April — Juni fällt,
and es steigt die Temperatur in diesen Waldgebieten konstant vom Januar bis Juli
fort. Vor allem aber differieren in den genannten Gebieten die Maximaltemperataren
in auffälliger Weise von jenen des übrigen Indiens, während nämlich diese letzteren
40» — 45» C. betragen, sind sie in Assam kaum höher als im südlichen Russland, d. h.
36» C. durchschnittlich. Auf eine direkte briefliche Anfrage bei dem Beobachter H.
Blanford, welcher die meteorologischen Observationen in Assam gemacht hatte,
erhielt W o e i k o f die Antwort, dass die dichten Wälder, welche Ober-Assam bedecken,
als Ursache dieser auffallenden Mässigang der Temperatur-Extreme anzusehen seien.
§ 14. In dem Widerstreite der Meinungen über die Einwirkungen der Wälder
auf das Klima, welcher bloss auf Grand allgemeiner meteorologischer Aufzeichnangen
Einfluss des Waldes auf Luft- und Bodent<?mperatnr. § 14. 27
geführt wurde, stellte sich das Bedürfnis nach direkt zu diesem Zwecke angestellten
vergleichenden Beobachtungen heraus. Die ältesten meteorologischen Untersuchungen
im Walde sollen von P i c t e t und Maurice in der Nähe von Genf zwischen 1796
und 1800 angestellt worden sein, worauf in Deutschland solche des bekannten Meteo-
rologen K a e m t z 1831 — 34 folgten. Die französische Forstverwaltung suchte 1859 — 60
namentlich die Eegenmengen und die Regenverteilung im Walde an einigen Stationen
zu ermitteln. Nachdem dann 1858 in Frankreich Becquerel Beobachtungen über
den Einfluss der Wälder auf Temperatur und Niederschläge gemacht hatte, wurden zu
Anfang der 60ger Jahre von Forstrat H. Nördlinger und in Sachsen von Professor
Krutzsch meteorologische Beobachtungen in der Nähe grösserer Wälder angestellt,
indem an 9 Forsthäusem Stationen zu allgemein meteorologischen Zwecken errichtet
wurden. Eine wesentliche Erweiterung ihrer Aufgaben erfuhren aber die forstlich-
meteorologischen Stationen durch Prof. Dr. E. Ebermayer, welcher das System
der Parallelbeobachtungen im Innern eines geschlossenen Waldbestandes und im Freien
auf einer sonst gleich gelegenen Fläche seit 1867 auf 7 Stationen zur Durchführung
brachte. Ihm schloss sich bald das im Kanton Bern von Fankhauser auf 3 Sta-
tionen eingerichtete Beobachtungssystem an, wie auch in Böhmen und Italien diese
Doppelstationen frühzeitig Nachfolge fanden (in Promenhof und Vallombrosa). Die
interessanten Resultate, welche Ebermayer in seinem Werke über „die physikali-
schen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden" mitteilte, veranlassten eine all-
gemeinere Durchführung dieser Beobachtungsmethode, indem in Preussen 10 solcher
Stationen, in Elsass-Lothringen 3, in den thüringen'schen Staaten 2, in Braunschweig
und Württemberg je 1 seit 1874 nach und nach entstanden. Diese Stationen haben
naxjh 22jähriger Beobachtungs-Dauer ihre Aufschreibungen abgeschlossen, nachdem durch
diese Ergebnisse hinreichendes Material für die Beantwortung der Frage über die Un-
terschiede zwischen Waldluft und Luft des freien Landes geliefert worden ist. Beob-
achtungen von solchem Umfange werden voraussichtlich niemals mehr hierüber ange-
stellt werden.
Seit 1876 wurden in Schweden forstlich-meteorologische Beobachtungen organi-
siert, während in Oesterreich seit 1884 das System der Radialstationen eingerichtet
ward. Auch die meteorologischen Beobachtungen in Ostindien haben seit 1893 eine
Ausdehnung auf Stationen in den Waldgebieten von Beluchistan, Aimere und an der
Forstschule in Dehra (Nordwest-Provinzen) erfahren.
Die Instruktion, nach welcher die deutschen Beobachtungen gemacht werden, sowie
die Beschreibung der Stationen ist als Beilage zum Jahrbuch der Preussischen Forstver-
waltung VII. Bd. 1875 gedruckt erschienen, auf welche daher hier verwiesen wird.
Ich habe für die vorliegende Arbeit die allmonatlich von H. Professor Dr. Müttrich
publizierten Beobachtungsergebnisse '^^) , welche als Beilage der Zeitschrift für Forst-
und Jagdwesen erscheinen, theilweise bearbeitet und namentlich zunächst folgende
Differenzen der täglichen Mitteltemperatureu zwischen Freiem und Wald in den Ta-
bellen auf Seite 28 nach Jahreszeiten und Jahresmitteln berechnet*^®). Hiemach waren
im Gesamtdurchschnitte die Unterschiede zwischen der Luft im Walde und dem Frei-
57) Dr. A. Müttrich „Beobachtungsergebmsse der von den forstlichen Versuchs-
anstalten des Königreichs Preussen, Herzogtum Braunschweig, der thüringischen Staaten, der
Reichslande und dem Landesdirektorium der Provinz Hannover eingerichteten forstl. meteo-
rologischen Stationen". Berlin. J. Springer. Ferner in demselben Verlag die „Jahresberichte
über die Beobachtungsergebnisse der forstl. meteorol. Stationen".
58) Die Tagesmittel sind von 1875 — 81 incl. aus den beiden täglichen Beobachtungen
8 Uhr morgens und 2 Uhr nachmittags berechnet, seit 1882 — 85 aber aus den Angaben der
Thermometrographen gezogen.
28
T. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
lande folgende:
Im Jahresmittel war die Waldluft kälter ( — ) oder wärmer (+) als die
Luft im Freien am folgende Grade Celsius.
Kurze Beschreibung der Beobachtungsstationen
Station
Fritzen» OstpreusH.
Kurwien, Oatj)reu86.
CarlHberff, Schlesien
Ebers walde, Mark B.
Schmiedefeld, Thüring.
Friedrichsrode, dto.
Sonnenberg, Harz
Marienthal, Braunschw.
Lintzel, Hannover
Hadersleben, Schleswig
Schoo, Ostfriesland
a>
so
a>
CO
m
Holzbestand
30 45— 65j. Fichten
124 8Ü-150J. Kiefern
690 45-65J. Fichten
42 45— 65j. Kiefern
680 60— 80j. Fichten
353 65— 95j. Buchen
774 ;45-65j. Fichten
143 60— 8Öj. Buchen
95 I Lüneburger Heide
34 70— 90j. Buchen
3 20— 40j. Kiefern
Lahnhof, Rhein. Schief. -Geb. 602 70— 90i. Buchen
HoUerath, Eifel | 612 45-65j. Fichten
Hagenau, Unt-Elsass , 145 55 — 85j. Kiefern
Neumath, Lothringen l 340 45 — 65j. Buchen
Melkerei, Unt-Elsass ' 930 60— lOOj. Buchen
Mittlere Differenzen
1875—85 ' 1886—90 I 1891—95
bei
1,5 m
bei
bei
in deri
Baum- , t,„ i^cuui-, 1 c ^
1 I 1,0 m 1 < 1,0 m
kröne * kröne *
in der
I Baum-
— 0,20j —
+ 0,201 —
+ 0,11;-
-0,14|-
+ 0,071-
— 0,26' —
+ 0,17!-
-0,08 —
— 0,43
— 0,08
— 0,39
— 0,14
— 0,40
— 0,64
— 0,23
— 0,25
+ 0,14
— 0,36- 0,11 1 -
-0,12-0,12'-
-0,161—0,22 —
— 0,21 - 0,28 -
— 0,91 - 0,97i —
-0,39;— 0,12 -
-0,96|— 0,36i-
0,5
0,2
0,6
0,5
0,2
0,4
0,1
0,2
0,1
0,1
0,1
0,4
— 0,2
-0,4
0,0
-0,1
0,0
in der
Baum-
krone
— 0,5
+ 0,1
-0,1
-0,4
0,7 — 0,6 '
1,1 —0,71
0,3 — 0,3
1,0-0,8'
— 0,6
0,0
— 0,6
— 0,5 1 — 0,8
— o,i| 0,0
— 0,3,-0.1
— 0,3; —0,2
— 0,4i —
— 0,2 , — 0,2
— 0,5 , -
— 0,2 i 0,0
— 0,6 ' — 0,5
— 0,8 ; — 0,9
— 1,3 ' - 0,6
— 0,6 , — 0,4
— 0,6 , — 0,5
Im Vergleiche hiezu ergaben die Beobachtungen in Bayern, Württem-
berg, der Schweiz und Frankreich
(In Bayern)*»)
Duschlberg, oayr. Wald
Seeshaupt, Oberbayem
Kohrbrunn, Spessart
Johanneskreuz, Pfalz
Ebrach, Steigerwald
Altenfurth bei Nürnberg
(Württemberg)««)
St. Johann bei Urach
(Schweiz)")
brückwald bei Interlacken
Löhrwald bei Bern
Fahywald bei Pruntrut
(Frankreich)**)
Hayer-Wald b. Bellefontaine
Halatter-Wald bei Fleurines
Ermenonvillerwald b. Thiers
901
595
476
476
381
325
760
800
500
450
40j. Picht, u. Tann.
40jähr. Fichten
60jähr. Buchen mit
einig. 200j. Eichen
60 jähr. Buchen
50jähr. Buchen
36jähr. Kiefern
50jähr. Fichten
50jähr. Lärchen
40jähr. Fichten
50-60J. Buchen
240 65j. Buch. U.Eichen
120 30ulhr. Eichen und
Hainbuchen
100 ;25jähr. Kiefeni
-1,37
— 1,44
— 0,22
— 0,95
— 1,06
— 0,80
— 0,90
— 0,91
— 1,05
— 0,76
-0,4
— 0,5
-1,0
— 0,76
— 0,11
+ 0,07
-0,75;
— 0,56
— 0,13'
— 0,50'
Gesamt-Durchschnitt — 0,58|— 0,23
59) Dr. E. Ebermayer „Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft
und Boden". Aschaffenburg 1873.
60) Dr. Theod. Nördlinger „Der Einfluss des Waldes auf Luft- und Bodenwännc".
Berlin 1885.
61) In der „schweizerischen Zeitschrift für das Forstwesen" nach Monatsmitteln ver-
öffentlicht. Eine übersichtliche Zusammenstellung der IBjährigen Beobachtungsreihe hat Dr.
E. Wollny im V. Band seiner , Forschungen aus dem Gebiete der Agrikultur-Physik"
S. 316 — 381 veröffentlicht, aus welcher ich die Differenzen berechnete.
62) Mathieu Meteorologie comparee agricole et foresti^re 1878, dann Fautrat
, Observations meteorologiques. "
Einfluss des Waldes auf Luft- und Bodentemperatur. § 15. 29
§ 15. Vorstehende Zusammenstellung giebt die Uebersicht über die Jahresmittel
aller forstlich-meteorologischen Beobachtungsstationen, welche für das preussische Be-
obachtungsnetz aus 11, seit 1886 aus je 5 zu Lustren vereinigten Jahrgängen gezogen
sind, tlir die bayerischen und württembergischen Stationen nur aus einem Jahre, für
die schweizerischen aus 12 und die französischen aus 1 — 8 Jahren berechnet wurden.
In diesem grossen Durchschnitte zeigt sich, dass die Luft im Walde fast durchgehends
kälter ist als im freien Lande und zwar im aUgemeinen Mittel um etwa V2® C., jedoch
ist der Unterschied in dem gebirgigen Terrain im allgemeinen grösser, in den grossen
Ebenen kleiner als dieses Mittel, ja in der Lüneburger Haide war die Differenz sogar
eine positive, vermutlich wegen des Schutzes gegen den Wind. Die Holzarten zeigen
nicht durchaus einen gleichen Einfluss, indem zwar die Kiefernbestände mehrfach nur
geringere Differenzen aufweisen als Buchen- und Fichtenwälder, jedoch in einzelnen
Fällen diese wieder übertreffen. Es scheint also hieraus hervorzugehen, dass es weni-
ger die Art der Bestockung ist, welche diese Verschiedenheiten in der Einwirkung des
Waldes auf die Mittel-Temperatur bedingt, als vielmehr die Exposition und die Lage
gegen die Haupt-Windrichtung. Vergleicht man hingegen die Lufttemperatur im Kro-
nenraume des Waldes mit jener im Freien, so ist die Differenz eine viel kleinere und
zwar durchschnittlich um die Hälfte geringere; an mehreren Stationen ist dieselbe so-
gar positiv ; ein charakteristisches Verhalten der Holzarten ist auch hier nicht zu kon-
statieren, sondern es spielt offenbar die W^indrichtung eine grosse KoUe hiebei.
Man kann also sagen , dass im geschlossenen Walde die mittlere
Jahrestemperatur der Luft im allgemeinen etwas kühler ist, als
im Freien, dass aber diese Differenz nur selten bei einem mehr-
jährigen Durchschnitte 1^ C. übertrifft. Es muss aber hier bemerkt
werden, dass die Art der Instrumenten- Aufstellung von erheblichem Einfluss auf die
Beobachtungs-Ergebnisse ist. Die sog. „forstliche Hütte** liefert etwas abweichende
Temperatur- Angaben wie die sog. „englische Hütte", z. B. war im Jahresmittel für
1897—98 die Waldluft kälter als jene im Freien
für Eberswalde in ersterer um 0,67® C, in letzterer um 0,52® C (Mittel aus 8 h u. 2 h)
^ Friedrichsrode „ „ „ 0,90» „ „ „ „ 0,46® „
, Sonnenberg ^ „ „ 0,90® . „ „ , 0,66® „ ^).
Da aber jede Art der Aufstellung ihre specifischen Vor- und Nachteile hat, so be-
nützen wir für die nachfolgenden Erörterungen die Beobachtungen, welche 22 Jahre
lang an allen deutschen forstl.-meteorologischen Stationen ausgeführt wurden. Ebenso
sind die gebrauchten Instrumente selbst von Einfluss auf die Resultate. Das z. Z. be-
vorzugte Aspirations-Psychrometer liefert andere Temperatur- Angaben als die gewöhn-
lichen Quecksilber-Thermometer und es fallen bei ersterem die Differenzen zwischen
Freilnft und Waldluft geringer aus als bei letzterem.
§ 16. Wichtiger als das Jahresmittel ist die Ermittlung der Unterschiede in den
verschiedenen Jahreszeiten, da hier die Wirkungen des Waldes ziffermässig schärfer
hervortreten und sich die positiven und negativen Grössen nicht so kompensieren. Um
diese Frage zu beantworten, habe ich die Beobachtungsergebnisse der Stationen des
preussischen Netzes nach Jahreszeiten berechnet und die Differenzen in den Tabellen
auf Seite 30 u. 31 zusammengestellt, ebenso sind die schweizerischen Beobachtungen in
gleichem Sinne bearbeitet auf Seite 31 aufgeführt. Als Hauptresultate ergeben sich
aus allen Beobachtungen folgende Zahlen:
63) Näheres hierüber s. J. Schubert „Vergleichende Temperatur- und Feuchtig-
keitsbestlmmnngen'' in den Abhandlungen des K. Preuss. meteorolog. Instituts. Berlin 1901.
Asher & Co.
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I. Weber, Die Aufgabt»!! der Forstwirtsrhaft.
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Einfluss des Waldes auf Luft- und Bodentemperatur, § 16.
31
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Prenssisches
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+ 0,26
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— 0,42
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-1,76
+ 0,11
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0,74
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0,87
- 1,03
1,20
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0,70
1,70
-0,50
0,82
1.20
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1,00
+ 0.01
— 0,19
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— 0,05
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— 0,51
— 0,37
— 0,30
0,48
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0,70
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Baumkrone und im Freien in C^
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— 1,00
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0,22-1,16
0,27,-0,46
0,20'
+ 0,30
— 0,01
— 0,08 — 0,59
0,00
0,00
-0,26
0,29
0,47
Schweizer Beobachtungea: Im Jahreszeitenmittel war das Tagesmittel der Luft-
temperatur im Walde in 3 m Höhe höher (+-) oder niedriger (— ) als die Luft-
temperatur im Freien (gemessen in 3 m Höhe) um folgende Grade Celsius.
Temperaturunterschied in 3 m Höhe
Temperaturunterschied in 3 m Höhe
Jahrgänge
Station
Station
Station
Station
Station
Station
Interlacken
Bern
Prnntrnt
Interlacken
Bern
Prnntrnt
(Brückwald)
(Löhrwald)
(Fahywald)
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(Biückwald)
(Löhrwald)
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— 1,46
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-0,20
Demnach ist zwar im Verlaufe des ganzen Jahres die Waldluft durchschnittlich
von niedrigerer Temperatur als jene des freien Landes, aber dieser erkältende
Einfluss tritt am stärksten im Hochsommer hervor, wie überhaupt
32
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
die Temperatur-Differenz zwischen Freiem und Wald nahezu proportional mit der Luft-
wärme steigt ; demnach ist diese Differenz im Winter äusserst gering: und
hält im Frühjahr und Herbst beiläufig die Mitte zwischen beiden
ein. Offenbar ist also die Verhinderung der direkten Insolation des Bodens während der
langen Tagesdauer im Sommer in Verbindung mit der starken Verdunstung mittelst
der Transpirationsvorgänge von mächtigerem Einfluss auf die Lufttemperatur, als die
Abhaltung des Windes und die etwaige Abschwächung der nächtlichen Strahlung. Um
den Gang der Temperatur-Differenz zwischen Freiem und Wald von Monat zu
Monat darzustellen , dazu reicht der uns hier zur Verfügung stehende Baum nicht
aus, weshalb wir nur die Jahreszeiten-Mittel berechnet haben. Es möge hier nnr auf
die von Professor Dr. J. Schubert l. c. berechneten 2jährigen Mittelwerte der Be-
obachtungen in Eberswalde (Kief.), Sonnenberg (Ficht.) und Friedrichsrode (Buchen)
hingewiesen werden, welche von den verschiedenen Fehlerquellen möglichst befreit sind.
Demnach war die Waldluft kälter oder wärmer (-f) als die Luft der Freistation.
Holzart
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Juli
Aug.
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Wenn daher der Wald auf grossen Flächen vernichtet wird, so tritt die Wir-
kung dieser Veränderung hauptsächlich in einer Steigerung der Sommerhitze zu Tage,
indem nun die ausgleichenden Zirkulationsströmungen zwischen der kühleren, spez.
schwereren Waldluft und der heisseren, aufsteigenden Luft des freien Feldes hinweg-
fallen. Auch im Frühjahr und Herbst wird zwar eine derartige Ausgleichung noch
stattfinden, indessen in geringerem Grade, während im Winter ein merkbarer Einfluss
auf die mittlere Tagestemperatur vom Walde nicht zu erwarten ist. üebrigens ist
wohl zu beachten, dass die Resultate dieser Doppelstationen und ihrer Parallelbeob-
achtungen immerhin noch durch die meistens nur geringe Entfernung der Freistation
von der Waldgrenze abgeschwächt werden, da sie teilweise, je nach der Windrichtung
selbst wieder unter dem Einflüsse des Lokalklimas des Waldes stehen. Es zeigt sich
dies u. A. bei den Stationen Hagenau, Melkerei und einigen bayerischen, welche bei
Entfernungen von 700 — 1800 m schon beträchtlich höhere Differenzen der beiden ver-
glichenen Temperaturen aufweisen. Man hat deshalb in Oesterreich begonnen, das
System der sog. „Radialstationen" für das forstlich-meteorologische Netz in Anwendung
zu bringen, wobei von einem grösseren Waldkomplex ausgehend in bestimmt abgestuften
Entfernungen nach verschiedenen Richtungen Stationen mit ähnlichen Parallelbeobach-
tungen wie die obigen angelegt werden.
In dem Kronenraume des Waldes, wo die Insolation unter Tages und
die Abkühlung durch Strahlung bei Nacht sich viel stärker geltend macht als in der
Nähe des Bodens, ist die Differenz der Tagesmittel während des ganzen Jahres eine
geringere als die soeben besprochene. Im Winter beträgt sie meistens durchschnittlich
wenig über oder unter 0®, im Sommer beiläufig die Hälfte der im obigen besprochenen.
Von grossem Interesse ist es ausserdem, den Einfluss des Waldes auf den
täglichen Gang der Lufttemperatur zu kennen , da sich hieraus die für
die Mittel der Tagestemperatur gefundenen Gesetze am besten erklären. (Siehe die
nachfolgende Tabelle.)
Noch genauer tritt der Einfluss des Waldes auf den täglichen Gang der Luft-
temperatur aus einer Beobachtungsreihe der Station Eberswalde hervor, wo im Jahre
1879 vom 15.— 30. Juni 2stündige Beobachtungen durch Geh. Rat Prof. Müttrich
Einflnss des Waldes auf Luft- und Bodentemperatur. § 17.
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Handbuch d. Foratw. 2. Aufl. I.
34 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
vei*anlasst wurden. Auch diese Beobachtungen zeigten, dass nachts die Waldlaft wär-
mer (-f), vom Sonnenaufgang an aber kälter ( — ) ist als die Luft des freien Landes
und zwar im Mittel um folgende Grade Celsius:
Mittemacht Nachts Morgens Mittags Nachmittags Abends Nachts
12h 2h 4h 6h 8h 10h 12h 2h 4h 6h 8h 10h
+ ++- -_^- +
0,42 0,44 0,51 0,48 0,61 0,82 0,89 0,94 0,85 1,25 0,15 0,43
Als Gesamtmittel der TagesdifTerenz ergiebt sich, dass die Waldluft um 0,34^ C kälter war.
Da hier die Verminderung der Insolation und jene der Strahlung sich nicht
gegenseitig kompensiert haben, so tritt die Rolle, welche das Eronendach des W^aldes
gegenüber diesen Faktoren spielt, hier viel deutlicher hervor. Während der Nacht
überwiegt der Schutz gegen die Abkühlung der untersten Luftschichten durch Strahlnng,
zugleich kommt dann die Abgabe von W^ärme mittelst Leitung von den tagsüber er-
wärmten Bäumen zur Geltung, so dass bei Nacht die Waldluft meistens wärmer ist,
als jene des Feldes — ein Unterschied, der im Sommer am grössten, im Winter nnd
Frühling am kleinsten ist. Nach Sonnenaufgang beginnt schon die beschattende Wir-
kung der Blätter und Zweige die Temperatur zu ermässigen, was sich bis zum Eintritt
des Maximums noch steigert, um dann gegen Abend wieder schwächer zu werden. Im
Sommer treten diese Erscheinungen begreiflicherweise am deutlichsten hervor, während
sie im Winter sich innerhalb enger Grenzen bewegen.
Zahlenmässig äussert sich dies in der geringeren Amplitude der täg-
lichen Temperaturschwankung, welche die Waldluft gegenüber jener der
Luft des freien Landes aufweist. Aus den von Dr. Müttrich in der Zeitschrift für
Forst- und Jagdwesen 1890 S. 385 u. ff. mitgeteilten vieljährigen Beobachtungsreihen
hat Prof. Dr. P. Schreiber**) folgende Differenzen in Graden Celsius berechnet,
um welche die monatlichen Mittel der Schwingungsweiten der täglichen Periode im
Walde hinter jener im Freien zurückbleiben.
im Frühling im Sommer im Herbst
Kiefernwald —1,57 —2,77 —2,03
Fichtenwald —2,87 —3,70 —2,63
Buchenwald —1,13 —4,27 —2,20
Die ausführlichen Details über diese Einwirkung des Waldes auf die periodischen Ver-
änderungen der Lufttemperatur sind in der citierten umfangreichen Arbeit von Prof.
Dr. Müttrich gegeben.
§ 17. Nachdem sich schon bei diesen Betrachtungen gezeigt hat, dass es vor-
züglich die täglichen Maximal- und Minimaltemperaturen sind, auf welche der Wald
modifizierend einwirkt, so liegt der Schluss nahe, dass die absoluten Extreme
der Lufttemperatur während des Jahres ganz besonders diesen Einfluss zum
ziffermässigen Ausdruck bringen müssen. Auch in praktischer Hinsicht handelt es sich,
wenn von einem klimatischen Einfluss der W^älder die Sprache ist, in der Regel nur
um die Abstumpfung der Temperatur-Extreme, welche für die Vegetation ebenso schäd-
lich sind, wie für die menschliche Gesundheit. Gerade die hohe Sommerwärme und
tiefen Temperaturen der Winter sind der baumlosen Ebene und dem Karstgebirge be-
sonders charakteristisch, sie begründen das kulturfeindliche Klima der Steppe und ver-
hindern im Verein mit dem Mangel an Feuchtigkeit die Verbreitung nnd das Gedeihen
aller Nutzpflanzen.
im Winter
im
Jahresmittel
— 1,07
— 1,86
1,90
2,77
— 0,87
2,12
64) Dr. P. Schreiber „Die Einwirkung des Waldes auf Klima und Witterung'
Dresden 1899. Schönfelds Verlag.
Einflnss des Waldes aaf Luft- und Bodentemperatnr. § 17.
35
Um einen Einblick in die quantitative Wirkung, welche der Wald auf die Ab-
mindenmg der Extreme ausübt, zu erhalten, habe ich die 21jährigen Beobachtungen
des prenssischen Netzes in bezng auf die Unterschiede zwischen den höchsten Sommer-
temperatnren der Wald- und Feldluft, sowie auf die Differenzen der tiefsten Winter-
temperaturen (im Januar) berechnet und in der Tabelle auf Seite 36 u. 37 zusammen-
gestellt. Als Gesamtresultat ergiebt sich hieraus nachstehender Unterschied zwischen
Wald- und Feldluft in Celsius-Graden.
In bezug auf die
höchste Julitemperatur
niedrigste Januartemperatur
beträgt
im
Gesamt-
höchste
niedrigste
im
Gesamt -
höchste
niedrigste
Durch-
schnitte
Differenz
Durch-
schnitte
Differenz
bei dem preussischen
Beobachtungsnetz
a. bei 1,5 m über / 1875 85
— 3,26
— 6,50
-0,5
--1,50
-2,70
0,00
dem Boden 1 1886—95
— 3,46
— 6,10
-0,9
+ 1,62
-5,30
0,10
b. in der Baum- / 1875 85
2,23
— 4,90
+ 0,2
+ 1,80
-3,10
0,30
kröne \ 1886-95
— 2,85
— 5,40
0,5
- - 1,40
h4.00
0,10
bei dem bayerischen
Beobachtungsnetz
a. in Brusthöhe
— 4,23
-5,30
3,00
+ 0,78
+ 2,10
0,50
bei den württembergi-
schen Beobachtungen
a. bei 1,5 m über dem Boden
—
— 4,70
+ 1,60
b. in der Baumkrone
—
3,10
—
—
—
Hiemach beträgt selbst im Durchschnitte vieljähriger, zahlreicher Beobachtungen
die Abstumpfung der höchsten Julitemperatur SV*® — 4^/4® C, also so viel wie oben von
Woeikof als Unterschied der Julitemperatur zwischen den waldlosen und bewaldeten
Ländern Indiens angegeben wurde. Ueberhaupt zeigt sich auch hier wieder, dass der
Temperatur-Unterschied zwischen Feld und Wald mit wachsender Temperatur zunimmt,
was von Geh. Rat Müttrich und Prof. Schubert ausfuhrlicher nachgewiesen
wurde. Das Alter der Holzbestände macht sich gleichfalls in diesen Differenzen gel-
tend, indem die Mittelhölzer und die geschlossenen Stangenhölzer kräftiger beschirmen
als junge Kulturen (Lintzel) oder sehr alte Bestände (Kurwien). Dass ausserdem auch
die geographische Lage einen Einfluss auf diese mässigende Wirkung des Waldes aus-
übt, zeigt die Vergleichung der einzelnen Stationen: In der Lüneburger Haide, sowie
in Westfriesland (Schoo) in Eberswalde, sowie in Ostpreussen (Kurwien und Fritzen)
fand nur eine unbedeutende Abschwächung der höchsten Julihitze statt, deren Ursache
nicht sicher angegeben werden kann. In Carlsberg (Schlesien) scheint das nach Nor-
den vorliegende Massiv des Heuscheuergebirges die Freistation vor stärkerer Abkühlung
za schützen, während umgekehrt lokale Einflüsse in Friedrichsrode ungewöhnlich hohe
Differenzen der Maxima hervorbringen, wie überhaupt die Stationen im Binnenlande
eine konstante und starke Einwirkung des Waldes auf die Temperatur zeigen. Wahr-
scheinlich hat die herrschende Windrichtung einen grossen Einfluss auf diese Verhält-
nisse und es hat daher der Versuch R i v o 1 i s , die Abweichungen mit der thermischen
Windrose in Zusammenhang zu bringen eine beachtenswerte Berechtigung. Auf diese
Weise würden sich namentlich die Abschwächungen der Winterkälte, wie sie die fol-
gende Tabelle zeigt, besser erklären lassen; z. Z. kann man daraus nur entnehmen,
dass die Waldluft in 1,5 m Höhe die Schwankungen der winterlichen Extreme nicht
mitmacht, sondern um 1,5**— 3,00° wärmer bleibt und zwar in dem Kronenraum noch
mehr als in Brusthöhe.
In wiefern aber die Holzarten und die Bestandsbeschaffenheit die Extreme der
3*
36
I. Weber, Die Aufgaben der Foretwirtechaft.
Beobachtungs-Ergebnisse der Stationen des preussischen Beobachtangsnetzes und
die höchsten und niedrigsten Lufttemperataren
Jahr
und
Monat
Fritzen
Kurwien
Carisberg
Ebers-
walde
Schmiede-
feld
Friedricha-
rode
Sonnen-
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1879
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1884
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1885
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—
2,7
3,6
Einfloss des Waldes auf Luft- und Boden temperatur. § 17.
37
der thfiriDgischen, braunschweigischen und elsass-lothringischen Stationen fiber
im Freien und im Walde.
Lintzel
Hadersleben
Schoo
Lahnhof
Hoilerath
H agenau
Neumath
Melkerei
bei
1,5 m
bei
1,5 m
Baum-
krone
bei
1,5 m
Baum-
1 kröne
bei
1,5 m
Baum-
krone
bei
1,5 m
Baum-
krone
bei § §
1,5m § 2
bei
1,5 m
Baum-
krone
bei
1,5 m
Baum-
1 kröne
Wald nnd Freiem^ d. h. am heissesten Julitage war die Waldlnft kälter
Freien um G*'.
^^
^.^
_^^
_^
.^^
5,5
5,0
4,2
^^
3,8
1.8
2,2
3,2
■
1,5
1,5
3,8
1,3
3,5
2,7
2,4
2,2
—
6,2
4,6
2,0
0,5
3,6
2,8
3,7
3,5
6,1
2,6
5,0
3,9
1,6
2,3
—
3,3
2,6
1,2
0,3
4,2
3,4
3,6
2,2
6,2
1,8
5,8
3,8
6,3
6,2
—
3,5
0,5
2,2
1,0
4,5
3,9
4,4
3,7
6,0
0,4i 5,2
3,1
4,8
4,7
—
5,1
1,4
1,6
1,0
3,6
2,9
4,4
3,7
6,4
1,9! 7,8
6,1
3,0
2,2
8,5
1,4
1,6
1,1
2,6
2,2
2.9
1,7
5,9
1,7
3,8
1.7
5,3
5,7
--0,9
-0,3
4,1
2,8
2,6
1,0
1,9
1,3
3,3
3,1
6,8
0,1
5,5
3,5
4,3
4,2
3,1
1,0
0,8
0,2
3,7
3,0
5,4
4,9
6,0
3,1
4,9
3,2
5,8
5,7
1,2
5,1
2,8
0,7
0,0
4,0
3,0
3,2
3,3
5,4
1,3
2,7
1,2
5,2
4,7
1,8
4,6
3,2
0,3
+1.0
4,6
4,5
4,4
3,5
5,9
3,4
4,1
2,6
5,0
5,1
0,5
4,8
2,8
1,6
0,6
3,6
3,0
3,8
3,3
5,7
1,8
4.7
8,1
4,2
4,2
+0,4
2,4
1,3
1,2
+0,1
3,8
2,8
■ 5,8
4,9
2,1
5,3
3,1
2,0
5,1
4,3
0,3
3,6
1,9
1.7
0,6
4,8
3,4
5,7
5,3
6,7
3,1
2,4
1.6
5,1
4,8
0,6
2,7
0,3
2,8
1,6
4,2
3,0
8,4
3,3
5,5
1,4
3,4
2,1
5.1
4,6
0,1
2,9
1,7
1.0
0,2
3,4
2,3
4,1
3,4
6,0
2,0
2,1
1,6
5,1
4,6
0,9
3,6
2,1
0,9
0,3
3,6
2,2
4.9
4,4
6,6
0,4
3,8
2,8
6,2
5,2
1.5
4,9
2,7
1,6
1,0
4,6
3,1
2,8
2,6
5,6
3,0
2.4
1,4
2,6
8,1
1.7
4,1
3,0
1.0
+0,4
4,9
3,9
6,6
5,9
5,7
1,3
3,3
2,6
5,0
4,0
1.7
4,5
1,2
2,7
6,1
5,5^
2,6
—
4,5
1.5
4,2
1.0
4,1
6,6
8,0
5,0
—
4,4
1.0
3,2
2,0
4,7
4,0
8,4
3,7
—
3,4
0,9
3,6
1,«
1,4
0,5
4.2
3,0
1
6,0
4,3
6,0
2,4
3,2
2,0
4,7
4,4
zwischen Wald nnd Freiem, d. h. am kältesten Jannartage war
wärmer nm C^
2,0
4,0
—
—
8,5
2,5
0,8
0,8
1,0
2,2
2,7
0,1
1,4
0,4
0,3
3,0
2,6
0,9
0,3 0,0
0,2
3,1
5,1
—
—0,5
2,2
1,1
0,2
2,0
1,5
5,0
4,6
1,2
2,6
-1,8
-1,3
3,0
4,9
-1.3
-0,6
1,1
0,4
2,9
2,5
2,5
2,6
2,7
2,8
0,1.
0,0
-1.6
0,7
—
0,3
0,4
2,3
1,6
4,2
3,8
1,7
1.5
2,1
0,8
-0,7
0,0
-2,1
0,4
1,9
2,5
1,7
2,2
4,8
8,8
2,7
2,1
4,4
5,4
0,2
1,2
0,1
0,8
0,2
0,7
1.9
0,8
0,7
0,2
0,1
2,0
0,6
0,7
-0,1
0,7
0,9
1,3
1,4
0,2
0,1
1,1
0,2
0,1 2,0
0,9
1.7
0,9
0,6
-1,5
-0,1
0,1
0,8
0,6
0,0
-0,1
0,6
1,2
1,2
—0,4
02
0,1
-0,2
3,2
1,5
0,2
-0,4
1,5
1.5
0,1
0,5
2,7
0,6
0,2
-1,6
-1,3
1,9
1,3
0,4
-1,7
0,9
-1,2
1.4
1,1
0,1
0,4
1,6
1,1
0.7
1,8
1,4
2,4
1.9
1,7
1,1
0,0
0,3
1,0
1,9
0,6
1,2
0,5
0,3
1,4
—0,8
-1,2
1,4
—1.4
—0,8
0,1
0,0
0,2
0,4
0,3
0,2
1,0
0,3
1,5
0,1
1.9
0,5
1,1
1,4
3,4
0,8
0,5
0,7
1,0
1,8
1,6
0,4
1.2
1.3
0,2
0,7
0,8
1,3
0,5
2,0
1.0
0,8
—0,2
0,4
0,4
—0.2
0,2
-0,1
0,2
1.7
0,9
2,5
0,9
0,7
1,8
-1,8
2,0
■0,1
2,5
1,1
2,0
-0,2
1,3
0,4
0,1
0.7
-1.2
04
1.3
0,6
3,4
1.4
0,0
0,8
1,5
2,4
0,0
1.0
1,2
2,5
-0,2
3,0
1,7
-0,2
0,4
1,4
2,3
0,8
1.8
1,4
1,9
0,2
0,4
0,5
0,6
0,8
0,5
1,3
0,8
0,3
0,3
0,6
0,2
-0,4
-0,5
0,0
0,9
0,1
0,5
0,5
0,7
3,4
2,6
-1,6
—0,9
-1,1
0,4
-0,5
0,9
0,6
2,0
3,0
0,1
—
0,2
0,7
-1,0
—
-1,3
1,3
—
2,0
0,2
1,8
1,3
0,0
■0,4
0,6
■1,4
1.6
1.2
0,4
0.7
0,2
0,1
0,2
0,6
38
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
üial,25«C
Lnftwärme ijn Walde beeinflussen, ergiebt sich, wenn man das Mittel für Buchen,
Fichten und Kiefern ans dieser Tabelle (S. 36 und 37) zieht,
es ist dann die höchste Jnlitemperatnr die kälteste Jannartemperatnr
im Mittel 1876— «5 1886—95 im Mittel 1875—85 1886—95
in den Bnchenbeständen kälter nm 4,65^^ um 4,37<> C wärmer am 1,18<^
„ ^ Fichtenbeständen „ , 2,56« „ 3,38« „ „ „ 2,38«
^ „ Kiefembeständen „ „ 2,30« „ 2,85« „ „ „ 1,18«
als die Lnft im Freien in gleicher Höhe am gleichen Tage.
Demnach übt der geschlossene Buchenwald im Hochsommer
einen beträchtlich grösseren Einflnss anfdie Herabmindernng
der Extreme der Lufttemperatur ans, als der Fichten- und Kie-
fernwald; dagegen ist seine Einwirkung nach dem Blattabfall
fast gen au nur jenem des Kiefernwaldes gleich und nur halb so
stark als jener des Fichtenwaldes.
Einen analogen Einfluss der wichtigsten bestandbildenden Holzarten auf die täg-
lichen Maxima und Minima der Lufttemperatur haben die 14— 15jäh-
rigen Beobachtungen an den Doppelstationen des preussischen Beobachtungsnetzes ge-
zeigt, worüber ausführliche Berechnungen und graphische Darstellungen von Geh. Rat
Prof. Dr. Müttrich vorliegen«'^). Aus diesen möge nur der kurze Auszug hier folgen:
Unterschiede der mittleren Haiimal-Temperaturen zwischen Feld- und Waldstation.
(14 und 15jährig6 Mittel), d. h. in Celsius -Graden war es im Walde kälter am:
Jan.
Febr.
März
1,65^
0,87
0,43
April
Mai
Juni
JuU
Aug. Sept
Okt
Nov.
Dezb.
in Ficlitenbeständen
, Kiefembeständen
, Buchenbeständen
0,55
0,59
1,.38"
0,75
0,58
[2,12"
0,97
0,22
"2,14"
1,36
1,45
^2,46
1,86
3,18
[ 2,78
2,09
3,46
2;77"
2,21
3,09
'2,63
2,14
2,60
r^63'
1,39
1,37
f 1.04'1
0,68
0,55
[(^,7T
0,45
0,48
Unterschiede der mittleren Minimal-Temperatnren zwischen Wald- and Feldstation.
In Celsius-Graden war es im Walde wärmer um:
in Fichtenbeständen
, Kiefembeständen
. Buchenbeständen
1,05
0,96
0,95
0,84
1,06
1,24 1,33
1,49
1,28
0,49
0,41
0,50
0,48
0,51
0,60 0,72
0,76
0,86
0,36
0,26
0,29
0,35
0,72
0,94 0,98
1,12
1,17
0,79
0,62
0,75
0,69
0,48
0,29
0,81
0,4«
0,30
§ 18. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung, namentlich für die Feuchtig-
keitsverhältnisse ist femer die Einwirkung, welche der geschlossene Wald auf die
Bodentemperatur ausübt. Da aber der Boden selbst sich in seinen verschiede-
nen Schichten sehr langsam unter dem Einfluss der Sonne erwärmt, so kann nur eine
beständige Beobachtung der Erdwärme in verschiedenen Tiefen hierüber Aufschluss
geben. Da sich die Anführung des ausserordentlich grossen Zahlenmateriales des preus-
sischen Beobachtungsnetzes hier durch die Eücksicht auf den Kaum verbietet, so mögen
nur die Differenzen der Jahresmittel, dann die bayerischen, württembergischen und
schweizerischen Beobachtungen hier Platz finden (s. Tabelle Seite 39).
Aus diesen Beobachtungsresultaten lassen sich folgende allgemeine Schlüsse in
bezug auf die Einwirkung, welche geschlossene Holzbestände auf den Gang der Tem-
peratur des Bodens ausüben, ableiten:
Die jährlichen Mitteltemperaturen in den verschiedenen Bodenschichten sind
an einem und demselben Orte nahezu gleich mit Ausnahme der Oberfläche, dagegen ist
die mittlere Jahrestemperatur des Waldbodens in allen Bodenschichten niedriger
65) Nach Prof. Dr. Müttrich in Danckelmanns „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen*
1890. Septemberheft.
Einfiiiss des Waldes auf Luft- and Bodentemperatnr. § 18.
39
Die Temperatur des Waldbodens war um folgende Grade (Cels.) niedriger oder
höher (+) als jene des Bodens im Freien.
Stationen
Differenzen der Bodentemperatur-Mittel im Freien
und Wald
An der
Ober-
fläche
in 0,15 m
Tiefe
in 0,3 m
Tiefe
in 0,6 m
Tiefe
in 0,9 m
Tiefe
in 1,2 m
Tiefe
A. Yieljährige Beobachtunfi^en an den forstl. meteorolog. Stationen
Preussens, Braunschweigs und Elsass^).
In der mittleren Jahrestemperatur nach 9 bis 15jährigen Mittelzahlen.
Fritzen . .
Kurwien
Garlsberg I
dto. II
Eberswalde
Schmiedefeld
Friedrichsrode
Sonnenberg
Marienthal .
Lintzel . .
Hadersleben
Schoo . .
Lahnhof . .
HoUerath
Hagenau
Neumath
Melkerei
1,3
1,0
1,2
1,3
1,2
1,5
1,1
0,8
1,0
1,0
1,1
0,8
1,1
1,7
1,6
2,3
1,3
1,4
1,5
1,4
1,5
1,2
0,5
0,6
0,6
1,8
1,3
1,0
0,9
1,0
1,3
0,9
0,6
0,8
0,9
1,9
1,6
1,1
1,2
1,3
1,3
1,3
0,9
1,1
1,0
0,8
0,5
0,3
0,4
0,3
0,5
0,4
0,4
0,5
0,6
0,7
0,5
0,7
0,8
0,8
1,2
0,7
0,9
1,0
1,1
0,7
1,1
1,3
1,4
1,2
1,8
0,9
0,6
1,0
1,2
2,1
1,5
1,1
1,2
1,1
2,4
1.2
1,3
1,5
1,4
hl
1,1
1,6
1,4
0,7
0,9
1,0
1,3
0,9
0,3
0,6
0,8
1,2
1,2
1,4
1,2
1,5
Gesamtdurchschnitt A
I 1,42
1,02
0,90
1,05
1,04
B. Bayerische Beobachtungen, Gesamt durchschnitt pro 1868/69.
im Frühjahre
im Sommer
im Herbst .
im Winter .
2,54
3,91
1,26
0,26
2,02
4,16
1,30
+ 0,18
2,00
4,36
1,58
+ 0,10
1,71
4,03
1,82
0,05
1,07
1,48
3,96
1,98
0,18
im Jahresmittel
1,99
1,82
1,96
1,90
1,90
C. Württembergische Beobachtungen (1883/84) zu Si Johann , Fichtenwald.
im Frühjahre
im Sommer
im Herbst .
im Winter .
2,0
3,1
0,8
0,0
1,4
1,6
1,4
1,1
3,8
3,5
3,6
3,3
1,1
1,8
1,8
2,0
+ 0,3
0,4
0,2
0,2
im Jahresmittel
1,5
— I 1,4 I 1,8 I 1,7
D. Schweizer Beobachtungen.
In der mittleren Jahrestemperatur (nach 12jährigem Durchschnitte 1869-
Interlacken (50jähr. Lärchen)
Bern (40jähr. Fichten . . .
Pruntrut(50— eOjähr. Buchen)
2,34
2,15
2,40
1,41
2,53
1,50
0,77
0,69
2,77
3,04
1,39
1,51
In den einzelnen Jahreszeiten (nach 12j ährigem Durchschnitte).
I. Im Frühling (März, April, Mai).
Interlacken
Bern . .
Pruntrut .
2,93
3,23
2,46
1,55
3,58
1,27
IL Im Sommer (Juni, Juli, August).
Interlacken
Bern . .
Pruntrut .
4,53
3,80
5,13
3,04
4,87
3,25
0,41
3,59
1,06
2,05
5,46
2,96
0,33
3,53
1,01
2,01
5,85
3,43
1,6
1880).
0,94
2,84
1,54
0,40
2,96
1,04
1,92
5,52
3,99
66) Nach dem Jahresberichte über die Beobachtungs-Ergebnisse der forstl. meteorolo-
gischen Stationen 1897.
40
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Die Temperatur des Waldbodens war um folgende Grade (Cels.) niedriger oder
höher (+) als jene des Bodens im Freien.
Stationen
Differenzen der Bodentemperator-Mittel im Freien
und Wald
flÄ 1 Tiefe
in 0,8 m
Tiefe
in 0,6 m
Tiefe
in 0,9 m
Tiefe
in 1,2 m
Tiefe
III. Im Herbst (September, Oktober, November).
Tnterlacken
Bern . .
Pruntnit
1,87
—
1,47
1,21
1,08
1,50
1,97
2,28
2,78
1,88
1,39
1,47
1,71
1,46
2,87
1,87
IV. ImWinter (Dezember und Januar, Februar des folgenden Jahres).
Interlacken
Bern . .
Pnintrut .
0,00
0,06
0,13
+ 0,44
+ 0,27
0,06
+ 0,57
+ 0'28
0,08
+ 0,63
0,00
+ 0,10
+ 0,03
+ 0.01
0,30
als jene im Freien. Die grössten Differenzen gegenüber dem Freien zeigen die Böden
in geschlossenen Fichtenbeständen, während die Differenzen in Buchenbeständen nur
1,5® C, im Lärchenbestande nor 0,7® C. und am geringsten in den Kiefembeständen
sind. Was das Verhalten in den einzelnen Jahreszeiten betrifft, so nimmt im Fnih-
jahre die Bodentemperator von oben nach nnten im allgemeinen ab, der Waldboden ist
dann dm-chgehends kälter als derjdhige des freien Landes, während im Sommer diese
Differenz ihr Maximum erreicht nnd am grössten im geschlossenen Fichtenbestande und
im Bnchenwalde, etwas geringer im Kiefern- and Lärchenbestande ist. Nach den viel-
jährigen Beobachtungen des prenssischen Netzes sind die höchsten Monatsmittel
der sommerlichen Bodentemperatur im Walde um folgende Grade Celsius
niedriger als die entsprechende Bodenwärme im Freien:
1,5
0,3 0,6
0,9
1,2 m
3,15
3,05
3,17
2,93
2,73
3,32
3,02
3,10
2,80
2,53
2,96
2,32
2,78
2,70
2,52
bei einer Tiefe von 0 m
(Oberfläche)
in den Buchenbeständen 4,58
„ „ Fichtenbeständen 3,90
„ „ Kiefembeständen 3,94
Im Sommer übt daher der Wald, wie in bezug auf die Luft, so auch einen bedeaten-
den Einfluss auf die Ermässigung der Bodentemperatur aus. Im Herbst nimmt dagegen
die Wärme im Boden von der Oberfläche nach der Tiefe zu, aber die Differenzen zwi-
schen Waldboden und Ackerland werden geringer. Im Winter findet ebenfalls eine
Zunahme der Bodenwärme mit der Tiefe statt, jedoch hat der Waldboden nahezu die
gleiche Temperatur, wie jener des freien Landes oder er ist um ca. einen halben Grad
wärmer als letzterer. Hieraus folgt also, dass der Kronenschirm des Waldes in dieser
Jahreszeit nur sehr wenig Einwirkung auf die Bodentemperatur ausübt, analog wie
dies oben hinsichtlich der Luftwärme nachgewiesen wurde. Der Einfluss der Belaubung
macht sich demnach besonders im Frühjahre, Sommer und Herbst bemerkbar, nament-
lich verhindern die immergrünen Nadelhölzer (Fichten) gegenüber den im Frühjahre
noch kahlen Lärchen und Buchen eine direkte Insolation des Bodens, so dass bis tief
in den Sommer hinein der Boden des Fichtenwaldes auffallend kalt ist. Eingehende
Untersuchungen über diesen Gegenstand enthalten Ebermayer „Phys. Einwirkungen
des ^Waldes 6tc.", dann J. Schubert „Der jährl. Gang der Luft- und Bodentempe-
ratur etc." Berlin 1900, femer M. W. Harrington „Forest and soll temperatures".
Americ. Meteorol. Joum. 1890/91. Bemerkenswert sind namentlich auch die Beobach-
tungen über Maximal-Temperatui'en an der Bodenoberfläche in den mssischen Steppen,
Einfluss des Waldes auf Laft- und Bodentemperatur. § 19. 41
wo J. Klingen*^ 60 — 66® C. nachgewiesen hat; eine solche Erhitznng des Bodens
muBS auch bedeutende Rückwirkungen auf die Lufttemperatur zur Folge haben.
Von allgemeiner Bedeutung werden diese Resultate dann, wenn man sich ver-
gegenwärtigt, dass in den meisten Gegenden Deutschlands ^/4 bis V» der ganzen Bo-
denoberfläche, im ganzen nahezu 14 Millionen ha in dieser Weise durch ihre Tempe-
ratur-Verschiedenheiten modifizierend auf die sommerlichen Extreme der durch die In-
solation hervorgebrachten Wärme einwirken. Namentlich in den Hoch- und Mittel-
gebirgen, wo die Felsen und das nackte Gestein bei Entwaldungen der Sonneneinwir-
knng ohne Schutz preisgegeben sind, oder bei wasserarmen Sandböden des Tieflandes
wird daher eine um 4Va — 5^ C. höhere Mitteltemperatur des Bodens auf das Lokalklima
einen bemerkbaren Einfluss ausüben. Dass aber der unterschied zwischen den höch-
sten Bodentemperaturen des Waldes und Feldes bis auf 6^ ja selbst 7,8^ G. steigen
kann, haben die Beobachtungen in^ Württemberg bewiesen^). Wie sehr der Wald den
anfsteigenden Luftstrom an heissen Tagen ermässigt, davon berichten alle Luftschiffer,
welche gezwungen sind, den Ballon wegen Abkühlung durch Auswerfen von Ballast zu
erleichtem, sobald sie über grössere Waldflächen passieren.
In bezug auf die Gesamtwirkung aller dieser einzelnen Faktoren hat Pro-
fessor Dr. Paul Schreiber in seinem Buche „Die Einwirkung des Waldes auf Klima
und Witterung'' den interessanten Versuch gemacht, aus den 30jährigen Beobachtungs-
reihen über Lufttemperatur des sächsischen meteorologischen Netzes die Grundformeln
für den Einfluss der Meereshöhe, Exposition, geographischen Länge und Breite, sowie
endlich der Bewaldungsziffer kleiner Rechtecke von 10 qkm Flächengrösse rechnerisch
abzuleiten. Er fand, dass bei geringer Bewaldung die tatsächlich beobachteten mitt-
leren Lufttemperaturen etwas höher, bei starker Bewaldung niedriger sind als die be-
rechneten Mittelwerte, wie sie nach der Grundformel für den Einfluss der Höhenlage
sich ergeben. Genauer ausgedrückt war diese Abweichung vom berechneten Mittel
folgende :
Bei einer Bewaldung von lO^/o 20^/0 35o/o öö^/o 75^0
war die Abweichung +0,08<» +0,08<^ +0,02<^ —0,10® —0,20® C, so dass sich im
grossen Durchschnitte für jedes Prozent einer stärkeren Bewaldung eine Temperatur-
emiedrigung von 0,004® C. ergeben würde. Das ist (in ziemlicher Uebereinstimmung
mit den Ergebnissen der forstlichen Doppelstationen) eine niedrige Ziffer; allein es ist
zu bedenken, dass es sich hier um Mittelwerte handelt, in denen das entgegengesetzte
Verhalten des Waldes unter Tages gegen die Insolation und während der Nacht gegen
die Strahlung sich bis zu einem gewissen Grade wie Plus und Minus gegenseitig auf-
gehoben hat. Nicht in den Jahres-Mitteltemperaturen, sondern in der Abschwächung
der Temperatur-Extreme nach beiden Richtungen hin macht sich die klimatische Ein-
wirkung des Waldes in charakteristischer Weise geltend.
§ 19. Eine wesentliche Verstärkung erhalten die im bisherigen betrachteten
Faktoren durch die Mitwirkung, welche die Temperaturverschiedenheit des Holzbestan-
des auf die durchstreichenden Luftschichten ausübt. Eine Luftströmung, welche die
Erdoberfläche berührt, wird durch den 20 — 30 Meter hohen Raum zwischen den Baum-
kronen und dem Boden des Waldes durchziehend mit den Stämmen, Zweigen, Blatt-
organen in häufige Berührungen kommen und deshalb von deren Temperatur um so
mehr beeinflusst, je grösser der Unterschied zwischen beiden ist. Man hat deshalb in
den forstlich-meteorologischen Beobachtungsnetzen auch die Temperatur der Bäume
67) St. Petersburger Meteorolog. Zeitschrift 1893.
68) Dr. Th. Nördlinger „Einfluss des Waldes« S. 71.
42
I. Weber. Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
gemessen und gefanden, dass dieselbe während der Vegetationszeit stets kälter ist als
die umgebende Lnft, dagegen im Winter zuweilen etwas wärmer sein kann als letztere.
Nach den von Prof. Dr. Ebermayer veröfTentlichten Resultaten waren im Gesamt-
durchschnitt des Jahres 1868/69 die Bäume um folgende Grade C. kälter als die Luft
im Frühjahr im Sommer im Herbst im Winter im Jahresmittel
auf Brusthöhe 1,26^ 1,75<» 0,66» 1,21^ 1,23«
in der Baumkrone 0,82» 1,17« 0,37« 0,40« 0,69«
Einen genaueren Einblick giebt die 12jährige Beobachtungsreihe der schweizerischen
Stationen, ' deren Differenzen ich berechnet und nachfolgend zusammengestellt habe.
Die Baumtemperatar in Brusthöhe war um folgende Grade (C«) kälter (--) oder
wärmer (+) als die Lnfttemperatnr in 3 m Höhe ausserhalb des Waides.
Schweizer Beobachtungen.
- — —
Station
Station
Station
Station
Station
Station
Jahr
Interlacken
Bern
Pruntrut
Interlacken
Bern
Pruntrut
1
(Lärche)
(Fichte)
(Buche)
(Lärche)
(Fichte)
(Buche)
Im
Frühling
(März, April,
Mai)
Im Sommer (Juni, Juli, August)
1869
— 1,94
2,40
— 1,31
-2,97
-3,56
— 3,28
1870
— 2,37
3,45
— 1,46
— 2,86
-3,94
— 3,15
1871
— 2,25
— 3,68
— 1,60
3,04
— 4,39
— 3,06
1872
2,07
-3,47
1,56
— 8,13
-3,86
2,82
1873
1,75
3,21
1,20
— 3,64
-4,39
— 3,70
1874
— 2,30
— 3,55
— 1,85
— 3,86
-4,29
— 3,72
1875
2,98
— 3,97
2,33
— 3,54
— 4,06
— 3,15
1876
-1,70
— 3,16
— 1,54
— 4,02
-3,98
— 8,37
1877
— 1,89
-3,29
-1,30
— 3,67
— 4,33
— 3,29
1878
— 2,20
— 3,19
-1,56
— 2,92
-3,76
— 3,27
1879
-1,71
— 3,21
-M7
— 2,77
— 4,04
— 2,75
1880
2,17
-3,91
— 1,33
— 3,64
-4,11
-2,75
12jähr.
Mittel
— 2,11
3,37
— 1,52
3,34
-4,06
-3,18
Im Hei
bat (Septem
ber, Oktober,
November)
Im Winter (Dezember, Januar, Februar)
1869
— 1,08
— 2,27
— 1,73
-0,05
— 0,97
+ 0,75
1870
-1,05
— 2,18
— 1,63
— 0,46
-0,38
+ 1,06
1871
— 0,82
— 1,85
1,07
0,63
- 0,02
+ 1,16
1872 i
— 1,26
2,72
— 1,68
-0,33
1,30
— 0,70
1873
— 0,88
-1,68
1,62
0,44
— 0,89
0,86
1874
— 0,99
-2,87
1,92
— 0,13
— 0,91
0,13
1875
— 0,72
2,26
-1,60
— 0,29
— 1,12
0,08
1876
— 1,18
— 2,53
-1,84
0,34
— 1,30
— 1,31
1877
0,74
- 2,55
— 1,62
— 0,46
— 1,27
1,23
1878
— 1,12
-2,16
— 1,54
— 0,37
1,07
-1,14
1879
0,63
-1,90
- 0,87
— 0,20
-1,69
-0,40
1880
1,12
— 2,06
-0,97
— 0,69
— 1,27
— 0,62
12iahr.
Mittel
— 0,96
-2,25
— 1,51
— 0,36
-0,95
0,29
Auch diese Beobachtungen beweisen, dass im Sommer die grösste Abweichung
der Baamtemperatnr von der Lnftwärme stattfindet und zwar im Mittel um 3 — 4^ C,
also erheblich mehr als nach den Beobachtungen in Bayern. Insbesondere bei der
Buche und Lärche tritt der Einfluss der Belaubung im Sommer deutlich hervor, indem
sich die Differenz gegenüber dem Frühling und Herbst fast verdoppelt, während die
Fichte schon im Frühjahr kalt ist. Im Jahresmittel beträgt der unterschied im Durch-
schnitte :
bei der Lärche (Interlacken)
„ „ Fichte (Bern) . .
„ „ Buche (Pruntrut)
1,69« C.
2,66« .
1,62« „
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 20. 43
während Prof. Dr. Ebermayer folgende Unterschiede fand:
bei der Weisstanne (Dnschlberg) . . 1,12® C.
„ „ Fichte (Seeshaupt) .... 0,67® „
„ „ Eiche (Rohrbrunn) .... Ißl^ „
„ « Buche , . . . . 1,40« „
„ „ „ (Johanneskreuz) . . 1,20® „
„ „ „ (Ebrach) 0,45® „
„ „ Kiefer (Altenfurth) .... 2,07® „
In bezug auf den täglichen Gang der Baumtemperatur haben die obigen
Untersuchungen gezeigt, dass im allgemeinen die Bäume unter tags kälter, bei Nacht
aber nur unwesentlich kälter, häufig aber wärmer sind, als die umgebende Luft, wobei
die unteren Stammteile meistens infolge des aufsteigenden Saftes sich der Temperatur
des Bodens nähern, die oberen Partien aber mehr jener der Luft. Je dicker die Stämme
sind, desto weiter bleibt ihre Wärme hinter den Extremen der Lufttemperatur zurück.
2. Einwirkung der W&lder auf den Feuehtigkeitsgrad der Luft und auf den
Kreislauf des Wassers«
§ 20. Die atmosphärische Luft enthält überall und stets eine ihrer Grösse nach
sehr veränderliche Menge von Wasser in Gasform aufgelost. Da Wassergas ein ko6r-
zibles Gas ist, so gUt für dasselbe das Mario tte'sche Gesetz nur so lange, als das
Maximum seiner Dichtigkeit nicht erreicht ist, und es kann deshalb bei einer bestimmten
Temperatur in einem bestimmten Räume nur ein gewisses Maximum Wassergas ent-
halten sein, welches nicht überschritten werden kann, ohne dass der Ueberschuss zu
tropfbar flüssigem Wasser kondensiert wird. Die Physiker haben auf experimentellem
Wege für jeden Temperaturgrad die grösste mögliche Spannkraft und Dichte des Was-
serdampfes bestimmt und da Luft und Wasserdampf gegenseitig keinen Druck auf ein-
ander ausüben, so gelten diese Angaben auch für den in der Atmosphäre enthaltenen
Wasserdampf. Man weiss also, dass z. B. bei einer Temperatur von 0^ der in der
Luft in maximo enthaltene Wasserdampf einen Druck von 4,53 mm auf die Quecksilber-
säule des Barometers ausübt und dass dann in 1 cbm Luft 5,4 Gramm Wasser ent-
halten sind, ebenso entspricht jedem Temperaturgrade eine gewisse Maximaltension und
Dichtigkeit des Wassergehaltes, welche man als „Sättigungspunkt^ bezeichnet.
Da aber nicht jede Luft mit Wasserdunst gesättigt ist, sondern mit zunehmender Wärme
sich von diesem Punkte wieder entfernt, also scheinbar trockener wird, so unterscheidet
man 1) den absoluten Feuchtigkeitsgehalt, welcher die wirklich z. Z.
vorhandene Menge Wassergases und zwar durch ihre Tension auf die Quecksilbersäule
in Millimetern ausdrückt (den sog. „Dunstdruck") und 2) die relative Feuchtig-
keit oder das Prozentverhältnis, in welchem der thatsächlich vorhandene zu dem nach
Temperatur und Druck möglichen, maximalen Wasserdampfgehalt der Luft (letz-
terer = 100) steht. Diese Unterscheidung muss in den nachfolgenden Erörterungen
streng festgehalten werden, da nur auf diese Weise ein Einblick in die Wirkung des
Waldes auf die Feuchtigkeitsverhältnisse gewonnen werden kann.
Aehnlich wie dies schon bei der Besprechung der Temperaturverhältnisse betont
wurde, so hängen auch die Luftfeuchtigkeit und die damit im Zusammenhange stehen-
den atmosphärischen Niederschläge von grossen Vorgängen, die das solare Klima be-
dingen, in erster Linie ab. Namentlich ist es die Verteilung der Wärme und des Luft-
druckes über dem atlantischen Ozean, welche die Stärke und Richtung der dunstbe-
ladenen Luftströmungen bestimmen und so dem Linem unseres Kontinentes in mehr
oder weniger regelmässiger Periodizität stets neue atmosphärische Feuchtigkeit zuführen.
44 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Obgleich aber diese Vorgänge hauptsächlich von dem scheinbaren Stand der Sonne ab-
hängig sind, so verlaufen sie doch durchaus nicht mit jener Regelmässigkeit, die man
bei dem mathematisch genau bekannten Gang desselben erwarten sollte, vielmehr lehrt
uns jeder Tag, dass Unbeständigkeit und Unregelmässigkeit den Verlauf der Witte-
rungserscheinungen charakterisieren. Gerade in bezug auf den Gang der Luftfeuchtig-
keit machen sich die klimatischen Modifikatoren der Terraingestaltung, der Verteilung
von Wasser und Land so wie der Bodenbedeckung besonders bemerkbar und es kann
sich also im folgenden nur darum handeln, die modifizierende Einwirkung des mit Wald
bedeckten Landes auf die Kondensation und die Wiederverdunstung des meteorischen
Wassers näher zu betrachten.
Wie in § 14 gezeigt wurde, ist die Luft im Walde während des Sommers im
Tagesmittel um durchschnittlich 1 — 2^ 0. kühler als im Freien, während diese Differenz
der Maximaltemperatur in Buchenbeständen mehr als 4Vs^ 0. ausmacht, ausserdem be-
steht zwischen der Mitteltemperatur des Bodens und des Holzkörpers der Bäume gegen-
über der mittleren Lufttemperatur eine Differenz, welche im allgemeinen mit der Hohe
der Sommerwärme wächst. Hieraus folgt also, dass eine Luftströmung, welche durch
einen geschlossenen Wald streicht, ihrem Sättigungspunkte näher gebracht d. h. relativ
feuchter wird. War aber diese Luft bereits zuvor schon gesättigt, so scheidet sich
bei dieser Abkühlung tropfbar flüssiges Wasser aus, so enthält z. B. eine gesättigte
Luft von 15** C. pro kg 10,9 Gramm Wasserdampf, wenn sie aber um 4P C. abgekühlt
wird, nur noch 8,3 gr und es Mrurden 2,6 gr oder 24®/o des gesamten Feuchtigkeits-
gehaltes kondensiert — ja schon bei einer Temperaturemiedrigung von 15® auf 14** C.
beträgt die Kondensation 0,7 gr von 1 kg Luft oder 67o. Die Waldbestände wirken
daher während der Vegetationszeit als Kondensatoren auf die Luftfeuchtigkeit, indem
sie gesättigten Luftströmungen Wasser entziehen und ihren absoluten Feuchtigkeits-
gehalt (Dunstdruck) herabmindern, den relativen dagegen erhöhen, wozu noch die Ver-
mehrung der Luftfeuchtigkeit durch die Transspiration der Blätter und Nadeln hin-
zutritt. Diese Erhöhung der relativen Feuchtigkeit findet überhaupt bezüglich aller
vom Sättigungspunkt noch entfernten Luftströmungen im W^alde statt, weshalb unserem
Gefühle die Waldluft in der Regel feuchter erscheint, wie auch die Hygrometer im
Walde fast stets einen höheren Prozentsatz der Sättigung anzeigen als auf freiem
Felde. Im Winterhalbjahre dagegen, wo die Temperaturdifferenzen sehr geringe sind,
kann auch die kondensierende Wirkung des Holzbestandes nicht gross sein und sich
nur bei raschem Temperaturwechsel bemerkbar machen. Um die Einwirkung der Wald-
bestockung auf die Luftfeuchtigkeit zu zeigen, führe ich hier die Resultate der Parallel-
ßeobachtungen von 16 forstlich-meteorologischen Stationen an, wie ich sie aus den
Publikationen Prof. Dr. Müttrichs für das 5jährige Mittel 1886 — 90 berechnet habe:
(S. die Tabelle S. 45).
Diese Resultate lassen erkennen, dass hinsichtlich der relativen Feuchtigkeit
die Waldluft gegenüber jener des freien Landes im Jahresmittel um mindestens 3 und
höchstens 10 Prozent feuchter ist, jedoch verteilt sich dieser Unterschied sehr ungleich
über die einzelnen Jahreszeiten. In den Fichtenbeständen ist schon in den Frühjahrs-
monaten (März bis Mai) die Waldluft um durchschnittlich 3—9^0 feuchter, während
in den Buchenbeständen erst nach dem Laubausbruche eine wesentliche Differenz ein-
tritt, welche aber dann 8 — 13^/o betragen kann, die sich aber gegen den Herbst hin
wieder stark vermindert. Kiefern- und Lärchenbestände lassen keine so grossen Unter-
schiede in der Luftfeuchtigkeit aufkommen und auch im Kronenraume der Bestände ist
dieser Unterschied geringer, als in Brusthöhe. Erheblich grösser als bei den Tages-
mitteln erscheint der Unterschied in der relativen Feuchtigkeit der Waldluft von jener
Einwirkung der Wälder auf den Peuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 20.
45
Die Waldluft in 1,5 m Höhe zeigte im 5jährigen Mittel eine grössere (+) oder
kleinere ( — ) Feuchtigkeit als die Luft im Freien.
Relative Feuchtigkeits-DifF.
Dunstdrucks-Bifferenz
Stationen
und
Beatandesart
.1
o
B
B
o
B
■4^
OB
•s
W
:
im Winter
im Jahres-
mittel
im Frühjahr
u
o
QQ
B
w
.1
B
im Jahres-
mittel
Prozente
Millimeter
I. In den Buchen-
1
-
1
beständen
Friedrichsrode
— 2,5
+ 7,0
+ 2,0
— 0,5
+ 1.0
0,40
— 0,35
— 0,15
0,00
-0,20
Marienthal
--2,0
--9,0
+ 6,0
--0,5
-4,5
+ 0,05
0,00
- - 0,20
0,00
--0,10
Haderaleben
-t-0,2
+ 7.0
--3,8
-1.1
+ 8,0
0,00
+ 0,03
- - 0,07
--0,05
- - 0,05
+ 0,05
Lahnhof
-1,3
"7,5
--5,0
--0,5
--3,0
-0,08
-0,15
- - 0,06
— 0,05
Neumath
0,0
-7,0
--3,8
+ 0,4
--3,0
0,00
+ 0,21
+ 0,03
0,00
+ 0,10
Melkerei
+ 5,2-
4-10,0
--7,0
--6,0
--6,5
+ 0,05
— 0,16
-f-0,05
+ 0,02
0,00
Mittel für Buchen
-f 1,0 -f-7,9 +4,6 +1,9
+ 3,50|— 0.06
— 0,07
4.0,04!+ 0,02
0,00
II. In den Fichten-
beständen
Fritzen
+ 3,2
+ 7,5
+ 4,5
+ 0,4
+ 4.0
— 0,19
0,28 0,05!
— 0,04
— 0,05
Carlsberg
-f2,0
--4,0
--7,5
-0,7
-r2,5
-0,02
-0,20
+ 0,02
0,00
0,15
Schmiedefeld
-4,0
+ 5,5
--3,5
-1,0
-4,0
— 0,42
— 0,09 + 0,32
0,00
0,05
Sonnenberg
--6,5
--6,5
+ 6,0
--4,5
+ 6,0
0,00
-0,05
+ 0,05 + 0,05
0,00
HoUerath
-1,5
--3,5
--2,4
+ 0,4
+ 2,0
0,30
-0,68
— 0,12 0,00
— 0,30
Mittel fOr Pichten
+ 3,4
+ 5,4 +4,8 +1,4+3,70
0,18
— 0,26 + 0,04
0,00 — 0,11
III. In den Kiefern-
beständen
Kurwien
+ 4,2
+ 5,0
+ 3,4
+ 2,2
+ 3,5
+ 0,19
+ 0,35
-0,03
+ 0,09
+ 0,20
Eberswalde
+ 5,0
--8,0
--6,0
+ 3,5
— 6.0
--0,17
+ 0,37
+ 0,25
--0,12
- - 0,04
- - 0,20
Schoo
+ 3,0
--6,0
+ 5,5
-2,7
--4,5
--0,10
+ 0,13
- - 0,07
+ 0,30
Hagenau
--5,5
—13,7
+ 7,5
-1,7
-7,5
— 0,30
-0,32
— 0,24
--0,04
-0,15
Lintzel, Gulturfläche
+ 1.5
+ 5,5
+ 2,8
+ 0,9
+ 2,5
+ 0,35
+ 0,80
+ 0,42
+ 0,07
+ 0,35
Mittel für Kiefern | + 3,8 + 7,6 + 5,1 + 2,2 -f 4,80
+ 0,10'+ 0,27 + 0,10 + 0,06 + 0,18
Im Vergleiche hiezu ergaben die 12jähriffen Beobachtungen*®) in der Schweiz als
Differenzen
in einem Lärchen-
bestande
in Fichten
in Buchen
+ 2,83 + 7,85 + 5,45
--9,59+11,04+10,79
— 2,26
+ 8,53 + 4,18
+ 0,34
+ 8,40
— 0,70
+ 4,12
4-9,96
+ 3,56
Da diese Beobachtungen mit Haar-
hjgrometem angestellt wurden, so
ist derDunstdruck nicht gemessen.
J^ö^egen lieferten die bayerischen Beobachtungen vom Jahre 1868/69 folgende
Differenzen (auf Brusthöhe)
<o rRohrbrunnn
'S <Johanne8kreuz
pg (Ebrach
Ja I Duschelberg
•^ (Seeshaupt
Kiefer, Altenfurth
+ 2,13
+ 8,49
+ 4,24
+ 7,45
+ 8,32
+ 3,61
+12,11
+13,61
+ 7,24
+10,71
+10,77
+ 1,23
+ 5,13
--2.21
2,21
— 2,95
— 1,81
+ 4,32
— 5,58
--6,53
4,50
8,79
8,51
+ 3,14
+ 0,12
+ 0,18
-0,05
— 0,06
1-0,13
+ 0,07
+ 0,27
--0,19
-0,30
+ 0,23
— 0,09
— 0,37
+ 0,18
-1-0,05
— 0,06
+ 0,27
-[-0,09
0,00
+ 0,12 + 0,17
--0,09 + 0,12
" — 0,09
0,07
+ 0,04
+ 0,21
+ 0,12
+ 0,12
+ 0,09
-0,08
+ 9,04 + 7,95
-|- 9,25 -|- 5,72
+ 3,47 + 4,23
im Freien, so bald man nur die Nachmittagsbeobachtnngen (2 ühr) in
Rechnnng zieht, weil diese dem Maximum näher liegen. Gerade in dieser Abschwächnng
der Extreme liegt aber die praktische Bedeutung der Wirkung des Waldes. Im viel-
69) Die Schweizer Beobachtungen sind nach Jahrgängen in der I. Auflage
d. B. abgedruckt.
46 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft
jährigen Dorchschnitt des prenssischen Beobachtnngsnetzes ergaben sich für diesen Zeit*
pnnkt folgende Differenzen zwischen Wald- und Freiluft:
Unterschiede der relativen Feuchtigkeit in den Sommermonaten, Herbstmonaten
Stationen mit Buchenbestand 9,C^/o 6,6^0
„ y, Fichtenbestand 6,2 „ 6,6 „
„ 9 Kiefembestand 8,8 „ 7,0 „
Demnach zeigen diese Beobachtungen übereinstimmend, dass in der Vegetations-
zeit der Wald eine beachtenswerte Einwirkung auf den Trockenheitsgrad der Luft er-
kennen lässt. Da man im allgemeinen eine Luft, welche zu weniger als 65®/o mit
Wasserdunst gesättigt ist, als .sehr trocken* bezeichnet, eine solche von 56— 70®/o
„massig trocken", von 71 — 85^0 aber „massig feucht", von 86 — lOO^/o „sehr feucht*',
so ist leicht einzusehen, dass eine massig trockene Luft bei ihrem Eintritt in den Wald
in kurzem schon massig feucht sein wird, oder dass die sehr trockene wenigstens ge-
mässigt wird ; die sehr feuchte hingegen kann leicht ihren Sättigungspunkt durch Ver-
mischung mit der Waldluft überschreiten und zu Kondensationen veranlasst werden.
Was dagegen den absoluten Feuchtigkeitsgrad betrifft, so lassen die sämt-
lichen Beobachtungsergebnisse erkennen, dass eine konstante Zunahme des Dunstdruckes
im Wald gegenüber vom Freien durchaus nicht stattfindet, sondern dass dieser fast
ebenso oft kleiner ist, als im Freien ; die Differenzen betragen bei den Parallelbeobach-
tungen in den naheliegenden Doppelstationen immer nur Bruchteile eines Millimeters
Quecksilberdruck und sind bis zu einem gewissen Grade abhängig von den Temperatur-
differenzen der Luft. Es ist indessen wohl zu beachten, dass diese letzteren tatsäch-
lich viel grösser sind, als die ihnen korrespondierende Verminderung des Dunstdruckes
im Walde, denn einer Temperaturemiedrigung von 10® C. auf 9® entspricht bei gesät-
tigter Luft schon eine Verminderung der Tension um 0,59 mm, während in der That
obige Durchschnittszahlen in den Sommermonaten nur Werte von — 0,04 bis -|- 0,16 mm
erreichen, obgleich die Temperatur im Tagesmittel des Sommers 1885 um 0,73® und
im Maximum um 2,5 — 4,6® kälter war. Offenbar waren daher die Luftschichten im
Freien weit vom Sättigungspunkt entfernt und es erhöhte die Verdunstung der Blätter
und Nadeln gleichzeitig den absoluten Feuchtigkeitsgrad, so dass die Tension grösser
wird, als sie nach dem Verhältnisse der Temperatur sein sollte. Hiermit stehen im
Einklänge die Ergebnisse der B e r e c h n u n g e n von Jahresmitteln desDunst-
druckes im Vergleiche zu den wirklich beobachteten Grössen der Ten-
sion, wie sie Prof. Dr. P. Schreiber 1. c. für Sachsen angiebt. Letztere zeigen
nämlich für waldreichere Gegenden einen durchschnittlich etwas höheren Dunstdruck,
für waldarme einen niedrigeren, als der betreffenden Seehöhe entsprechen würde, z. B.
bei einem Bewaldungsprozent von 2®/o 10®/o 20®/o 65®/o 82®/o
eine Dunstdruck- Abweichung ) „^ ^^ ^.,. ^«rv^ .^« , ^^
, , 1, X vr , >von _ 0,2 —0,1 bis -—0,2 0,0 +0,3 +0,3 mm
gegen das berechnete Normale ^ ' ' ' ' ' ' • .
Da aber die Moleküle aller Gase das Bestreben haben, sich geradlinig von ein-
ander zu entfernen, so muss notwendigerweise eine lebhafte Diffusion der Wassergas-
teilchen in der Atmosphäre stattfinden, welche grosse graduelle örtliche Verschieden-
heiten nicht zustande kommen lässt. Ausserdem trägt die Luftbewegung durch Zir-
kulationsströmungen und Winde zur Ausgleichung der Luttschichten im Walde und
seiner Umgebung bei, wie sich ja dem blossen Auge durch die breiten Nebelstreifen zu
erkennen giebt, die bei feuchtem Wetter sich aus dem Walde verbreiten. Dieser Vor-
gang ist namentlich bezüglich der Taubildung von Wichtigkeit, wenn die Ausstrahlung
des Bodens und der Gewächse nachts die umgebende Luft unter ihren Sättigungspunkt
abkühlt; die feuchte Waldluft wird bei ihrer Verbreitung auf die benachbarten Felder
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 21. 47
dann viel ausgiebiger Tau ausscheiden als z. B. die Steppenluft oder jene über ausge-
dehnten Feldfluren und es ist jedem Forstmanne bekannt, wie intensiv die Taunieder-
schläge auf den Schlägen und Waldwiesen sind gegenüber denjenigen des freien Landes.
Im Innern der Bestände ist freilich die Taubildung durch die Verhinderung der nächt-
lichen Strahlung unter dem Schirm der Baumkrone sehr behindert, besonders in Buchen-
stangenhölzem, wo Tau nur in seltenen Fällen beobachtet wird, dafür scheiden aber
die angrenzenden Felder um so reichlicher Tau aus der relativ feuchteren Luft, die
ihnen aus dem Walde zuströmt, ab. Diese Beobachtung konnte man in dem bekannt-
lich so trockenen Jahrgange 1893 an den Kleefeldern in der Nähe von Waldungen
häufig machen.
§ 21. Hier schliesst sich von selbst die Frage an: wie verhält sich der
Wald in bezug auf die atmosphärischen Niederschläge?
Unter den Naturforschem hatte Saussure d. Ae. zuerst auf die EoUe, welche
der Wald in der Modifikation der atmosphärischen Niederschläge spielt, aufmerksam
gemacht, er schrieb namentlich den in den Schweizer Alpen vorgekommenen Entwal-
dungen einen grossen Einfluss auf die Verminderung der Regenmengen und des Wasser-
standes im Genfer See, dann im Neufchateler , Brienzer und Murten-See zu. Auch
Alex, von Humboldt hat an verschiedenen Stellen seiner Werke auf den Zusam-
menhang zwischen der Entwaldung der tropischen Länder und der Verminderung der
Gewässer hingewiesen, so z. B. auf den See von Aragua, dessen Sinken und späteres
Steigen mit den Perioden der Abholzung und der Wiederbewaldung zeitlich zusammen-
fiel. Femer sammelte Boussingault eine Eeihe von Einzel-Beobachtungen, aus
welchen er den allgemeinen Schluss zog, dass das Abtreiben grosser Wälder die Regen-
menge vermindere und die Verdunstung der gefallenen Niederschläge beschleunige.
Die ältesten Parallelbeobachtungen über diese Frage wurden im Jahre 1826 und
1827 in Tübingen und Bebenhausen angestellt, wobei letztere, in waldreicher Gegend
liegende Station 22 Prozent mehr Regensumme ergab als Tübingen; da indessen die
Einwirkung der Höhenlage mit ihrem beträchtlichen Einflüsse auf die Niederschlags-
mengen nicht eliminiert war, so liess sich diese Tatsache nicht als stichhaltiger Beweis
für die Einwirkung des Waldes anführen, üeberhaupt ist zu beachten, dass in der
Litteratur über diese Frage häufig eine Vermengung des Einflusses, den die Seehöhe
der Gebirgslagen auf die Zunahme der Regenmengen zweifellos ausübt, mit dem so
schwierig messbaren Einflüsse der Waldbestockung stattgefunden hat. So nennt D o v e,
der bekannte Meteorologe, den Harz den „Hauptkondensator für Norddeutschland*'.
Anch in den übrigen deutschen Gebirgen ist es sehr schwierig, auszuscheiden, wie viel
Anteil die Zunahme der absoluten Höhe und wie viel die mit der Höhenlage steigende
Bewaldungsziffer an der Mehmng der Niederschlagsmengen hat (vergl. die Verteilung
der Wälder nach Höhenregionen auf S. 20). Wenn daher neuerdings Formeln aufge-
stellt werden, die eine Berechnung der Jahressummen der Niederschläge als eine Funk-
tion der Seehöhen bezwecken, so ist wenigstens in Deutschland meistens schon implicite
die Wirkung der Bewaldung hierin enthalten und man kann nicht mit Sicherheit nach-
träglich noch einen gesonderten Einfluss der Bewaldungsziffer rechnerisch feststellen.
Dem gegenüber suchte Prof. Dr. Hofmann in Giessen aus seinen Beobachtungen
den Nachweis zu liefern, dass Entwaldungen keinen Einfluss auf die Regenmenge aus-
üben'®). Es folgten dann in Frankreich die Beobachtungen von Becquerel über
den Einfluss der Wälder auf Niederschlag, in Deutschland von E. Ebermayer, wel-
cher mit selbst konstmierten sinnreichen Verdunstungsmessern (Evaporationsapparaten)
70) AUg. Forst- u. Jagdz. 1861. S. 134.
48
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
den Kreis der Beobachtungen erheblich erweiterte. Ausser den 12jährigen schweizerischen
Beobachtungen im Kanton Bern, dann jenen im Kanton Zürich (Adlisberg und Haiden-
haus) fanden 1867 — 77 zu Nancy solche durch M a t h i e u und in der Domaine Halatte
solche durch F a u t r a t und Sartiaux statt, während durch E. Purkyne in Böh-
men ein ausgedehntes ombrometrisches Beobachtungsnetz eingerichtet wurde. Nimmt
man hiezu noch die in den deutschen Staaten seit 1875 begonnenen 22jährigen Unter-
suchungen über Regenfall und Verdunstung, sowie jene in Italien (Vallombrosa) und
Oesterreich (Mariabrunn), so ergiebt sich ein ausserordentlich grosses Beobachtungs-
material, das aber nur teilweise publiziert ist ilnd dessen Bewältigung über den Rah-
men dieser Schrift hinausgeht. Ich führe daher zunächst die Zusammenstellungen an,
welche ich aus den Veröffentlichungen der Monatssummen für Niederschläge und Ver-
dunstung des Prof. Dr. Müttrich berechnet habe.
Jahressammen der atmosphärischen Niederschläge und der Yerdunstangsgrösse
auf den forstl-meteorolog. Stationen.
Stationen
See-
höhe
m
Holzart und Alter
Niederschlagsmenge
in mm Höhe
u
0)
.1
a
8ö
00
• f-l
a
Vi
>
a
<v
M
O
U
TS
OB
0)
u
Verdunstung p
Fahr in mm H^
ro
öhe
'S
fl
o
0)
^
U U (D
.§
Ol «'S
C*
A. PreuBsischesNetz. Mittel aus 10 Jahrgängen 1876—85.
Fritzen
Kurwien
Carls berg
Eberswalde
Schmiedefeld
Fried richsrode
Sonnenberg
Marienthal
Lintzel
Hadersleben
Schoo
Lahnhof
HoUerath
Hagenau
Neumath
Melkerei
30
124
690
42
680
353
774
143
95
34
3
602
612
145
340
930
46-56jähr. Fichten
80— 140j. Kiefern
55— 66j. Fichten
45— 56j. Kiefern
60-80J. Fichten
65— 85j. Buchen
45-56J. Fichten
60— 70j. Buchen
Lüneburger Haide
70-80J. Buchen
20— 30j. Kiefern
70— 8O1. Buchen
45-561. Fichten
55— 76j. Kiefern
55— 76j. Buchen
60— 90j. Buchen
649,7
447,6
202,2
69«/o
623,8
495,2
128,6
79»/o
987,6
935,0
52,8
9570
556,8
424,9
131,4
76^0
1275,2
962,1
313,1
75«/o
672,8
525,4
147,4
78^0
1408,9
1207,0
201,9
86»/o
570,6
405,2
165,3
71%
591,7
558,1
33,8
94%
764,4
602,4
162,0
79^0
721,0
477,7
343,8
667o
1122,3
809,8
312,6
72Vo
972,1
623,7
348,4
64%
802,6
586,2
216,8
7370
820,8
667,0
153,2
8P/0
I77e5,l
1325,6
449,6
75Vo
261,8
277,2
268,8
414,2
381,8
212,6
385,6
417,1
268,6
398,6
272,1
254,6
366,4
491,7
333,0
125,0
129,6
95,9
187,4
139,6
113,2
150,5
377,6
121,0
134,1
124,6
133,6
151,9
156,1
148,7
47,7%
46,7Vo
35,6%
45,2<»/o
36,6%
53,2%
39,0%
90,87o
45,o7o
33,67o
45,7%
52,0%
41,3%
31,6%
44,6%
B. Bayer ischesNetz. Mittel aus 10 Jahrgängen 1868—79 und 1882—91.
Altenfurt
Ebrach
Rohrbrunn
Johanneskreuz
Seeshaupt
Hirschhorn
Duschlberg
Falleck
325
381
477
477
595
777
902
1132
36— 46j. Kiefern
50— 60j. Fichten
60— 70j. Buchen
60— 70j. Buchen
40— 50j. Fichten
65— 75j. Fichten
40-50J. Fichten
120— 130j. Fichten
689,1
463,8
225,8
67,2^0
435,7
194,0
678,2
524,2
154,0
77,2%
511,6
232,9
1039,7
893,6
146,.
85,6%
561,8
227,9 1
898,7
720,8
177,9
80,1%
471,9
236,6
1241,2
947,2
294,0
76,s7o
547,2
214,6
1358,0
1005,7
352,8
73,4^0
388,6
162,7
1210,2
966,2
244,0
79,8«/o
340,4
173,7
2144,8
909,9
1234,4
1
42,4%
!
1
55,6%
54,4%
59,4%
49,87o
60,8%
58,i»/o
48,9%
C. Schweizer Netz. Mittel aus 12 Jahrgängen 1869 —80.
Interlacken
Bern
Pruntrut
Will man
meteorologischen
Hier wurden keine
Verdunstungs - Mes-
sungen angestellt.
diese Niederschlagshöhen der Freistationen mit jenen der allgemein
vStationen vergleichen, so ist zunächst zu bedenken, dass die Meeres-
800 50-62J. Lärchen
500 40-52J. Fichten
450 50— 72j. Buchen
1579,1
1341,6
237,6
85%
1380,9
1067,6
313,3
77%
1927,8
1733,8
193,6
9070
Einwirkimg der Wälder auf den Peuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 21. 49
höhe der Beobachtnngsorte einen durch eine Gleichung darBtellbaren Einflnss auf die
Regenmenge ausübt, weil das Emporsteigen der Luftmassen aus Gegenden mit höherem
Barometerstand in die dünneren Luftschichten der hoch gelegenen Orte eine Volum-
vergrösserung und infolge dessen eine Bindung von Wärme mit sich bringt. Die rela-
tive Feuchtigkeit muss daher mit der Erhebung eines Luftstromes steigen und Konden-
sationsvorgänge werden deshalb leichter und ausgiebiger stattfinden : ferner ist in hoch
gelegenen Orten die nächtliche Abkühlung durch Strahlung beträchtlicher als im dunst-
reichen Tief lande. Aus diesen Gründen nimmt daher in der Regel die Regenhöhe mit
der Meereshöhe zu, wenn auch keine einfache Proportionalität zwischen beiden statt-
findet und obgleich bei Regenmessungen an einem und demselben Orte die höher z. B.
auf Türmen aufgestellten Regenmesser kleinere Niederschlagsmengen zeigen als die
tiefer in der Nähe des Bodens befindlichen. Ordnet man daher die Niederschlagsmengen
der Freistationen nach Meereshöhen, so findet man gleichfalls diese Zunahme mit dem
Wachsen derselben deutlich ausgedrückt.
Um einen Vergleich mit den bisher schon bekannten Tatsachen zu ermöglichen,
fasse ich obige Resultate nach Höhenregionen von 100 m Vertikalabstand zusammen
and stelle ihnen die für gleiche Regionen berechneten Mittelwerte aus 192 Stationen
gegenüber, wie sie Dr. van Bebber angiebt^^):
Höhenregionen m 1—100 100—200 300—400 600—700 700-800 900-1000 m
Mittel aus obigen: mm 656^ "eeöji 746,ß 1089,8 1408,o 1775;7min
nach Dr. van Bebber 648,« 582,6 696,» 915,a 981,s 963,6 ,
Differenz mm -f 8,o + 82,6 + 50,8 + 174,o + 427,6 + 811,5 ,
Daraus folgt, dass die Resultate der forstlichen Stationen (im Freien) in der nord-
deutschen Ebene nur unbedeutend von dem aus grossen Durchschnitten abgeleiteten
Mittel für das Tiefland abweichen, nämlich 8 mm *= l,25®/o; allein schon in der
massigen Höhe von 100 — 200 m macht sich die Erhöhung der Regen-
menge bemerkbar (= 14,2», steigt dann bei 600—700 m auf 19,0^0,
bei 700—800 m auf 43,7> und bei 900—1000 m sogar auf 84,2> der zum
Vergleiche dienenden Durchschnittszahlen!
Wenn auch diese Beobachtungsweise nur annähernde Ergebnisse liefern kann, so
scheint mir doch der Einfluss, welchen der Gebirgswald auf die Kondensation der at-
mosphärischen Niederschläge ausübt, hieraus mit ziemlicher Deutlichkeit hervorzugehen.
Die Notwendigkeit weiterer, umfassenderer Vergleichungen namentlich mittelst der neu-
geschaffenen ombrometiischen Netze ist zuzugeben ; denn nur durch Heranziehung zahl-
reicher, womöglich gleichzeitiger Beobachtungen nach der statistischen Methode und
nach dem Gesetze der grossen Zahlen, vielleicht auch durch direkte komparative Mes-
sungen in waldlosen und reich bewaldeten Gegenden von sonst gleicher Lage, lässt
sich diese wichtige und z. Z. noch von einzelnen widersprochene Frage definitiv lösen,
was jetzt nicht möglich ist. Versuche nach dieser Richtung hin sind schon auf klei-
neren Gebieten gemacht worden. So hat Professor Dr. L a n d o 1 1 ^^) die Niederschlags-
mengen auf den Regenstationen des Kantons Zürich und seiner Umgebung im 12jäh-
rigen Mittel 1877— 88 nach Höhenregionen ausgeschieden und auch die Einwirkung der
Jahreszeiten auf die Regenmengen ermittelt. Er fand eine Zunahme der Niederschlags-
höhe um ca. 250 mm auf je 100 m Seehöhe Steigung, neben der sich auch der Einfluss
des See's deutlich bemerkbar machte. Das Verhältnis zwischen Winter- und Sommer-
halbjahr war im Durchschnitt 13:7, nahm aber mit der Seehöhe zu bis zu 65 : 35. Die
71) Dr. J. van Bebber „Die Regenverh<nisse Deutschlands*'. München 1877.
Th. Ackermann S. 31.
72) Schweizerische Zeitschrift f. d. Forstwesen 1890. 1. Heft.
Handb. d. Forttw. 2. Aufl. I. 4
50 I. Weber, Die Aiif^alx»!» der Forstwii-fsrhaft.
VergleichuDg zwischen den verschiedenen Bewaldungrsziffern der nach Regenhöhen an-
g:eordneten Gebieten ersieht sich ans folgender Zusainmenstellnng :
Regenhöhe pro Jahr Bewaldungsziffer Regenhöhe pro Jahr Rewaldungsziffer
800—900 mm 35> 1200- -13(H) mm 27>
900—1000 „ 30, 13(X)— 1400 , 28.
1000—1100 , 28 ^ 14(K)— 1500 . 31 ,
lUX)— 1200 „ 31 . über 1500 ^ 48 ,
Somit entspricht zwar dem höchsten r>ewaldungsprozent auch die grösste Regenhohe
im Jahre, aber die übrigen Zahlen zeigen doch keine konstante Gesetzmässigkeit, ver-
mutlich weil die in dem Gebiete enthaltenen Seeflächen des Züricher- und Zuger- Sees,
des Greifensees und Pfäffikersees sowie die fliesseuden Gewässer mannigfach ihren kli-
matischen Einfluss äussern, dann auch wegen der ziemlich gleichartigen Bewaldung des
Kantons.
Auf ein umfangreiches Material gestützt unternahm Professor Dr. Paul Schrei-
ber (1. c.) die Bearbeitung dieser meteorologisch-statistischen Frage für das Königreich
Sachsen, indem er mittelst Ausgleichungsrechnung die vieljährigen Beobachtungserjareb-
nisse an den RegenmessstÄtionen zur Ableitung der Konstanten für die Gleichungen
benützte, welche die Abhängigkeit der Regenmenge pro Jahr von der Seehöhe des
Ortes darstellen. Hieraus lassen sich die einer jeden Meereshöhe entsprechenden nor-
malen Regenhöhen berechnen, w^omit dann die konkreten, beobachteten verglichen wur-
den. Indem wir auf diese interessante Arbeit selbst verweisen, heben wir nur einige
der wichtigsten Schlussfolgerungen hervor.
„Der ganze nördliche Streifen Sachsens ist im Verhältnis zu seiner Meereshöhe zu
trocken , doch ist es auffallend , dass hier einige der Forststationen grössere Regenhöhen
aufweisen. Ebenso ist der mittlere Streifen, westlich von Dresden, relativ arm an Regen,
während dagegen das schluchtenreiche Terrain der sächsischen Schweiz (östlich von Dresden»
auf die Regenmenge vermehrend einwirkt, falls nicht die Gewitterzüge von Böhmen her
durch das Elbethal oder durch die Lücke zwischen Erzgebirge und den Lausitzer Bergen
nach diesen Gegenden gelangen. Die südlichsten Stationen zeigen ein verschiedenes Ver-
halten. Mit dem Ansteigen nach dem Gebirgskamme. wo die Gegend mehr den Charakter
von Hochebenen hat , tritt eine Verminderung der Regenmengen ein. — Aus sämtlichen
Berechnungen zieht Schreiber den Schluss. dass ein vollständig mit Wald bedecktes
Terrain ungefähr ebensoviel Niederschlag erhalten würde, als etwa 200 m höher liegende
kahle Flächen." Hiezu ist nur zu bemerken, dass eine senkrechte Erhebung um 200 m
schon beträchtliche Aenderungen in klimatischer Beziehung zur Folge hat und in allen Ge-
birgen als erheblich angesehen wird.
§ 22. Die Parallelbeobachtungen der forstlich-meteorologischen Stationen können
schon ihrer relativ geringen Anzahl wegen nicht so viel zur Lösung der Frage der
Einwirkung des Waldes auf das Entstehen und die Quantität Regenmenge beitragen,
als man wohl ursprünglich erhoffte, weil dieses Problem vorzugsweise nach der statisti-
schen Methode zu lösen ist. Dagegen liefern dieselben ein w'ertvoUes experimentelles
Material für die Erkenntnis der Rolle, die der Wald gegenüber den zu
Stande gekommenen Niederschlägen spielt. Zunächst gestatten uns die
Parallelbeobachtungen , das Verhältnis zwischen dem gefallenen und
dem durch die Zweige und Blätter des Kronenraumes aufgefan-
genen Quantum der atmosphärischen Niederschläge zu ermitteln.
Nach den oben mitgeteilten Jahressummen des preussischen Deobachtungsnetzes
ist im zehnjährigen Mittel von den gesamten Niederschlägen an Regen und Schnee
zu Boden gelangt auf den Bäumen
verdunstet
in den Buchenbeständen durchschnittlich 76^0 24^/o
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 22. 51
zu Boden gelangt auf den Bäumen
verdunstet
in den Fichtenbeständen durchschnittlich 78^/o 22®/o
„ ^ Kiefernbeständen „ 73 „ 27 „
Nach Prof. Dr. Ebermayers Mitteilungen der bayerischen Beobachtungser-
^ebnisse :
in den Buchenbeständen durchschnittlich 78^0 22^0
„ ^ Fichtenbeständen „ 73 „ 27 „
„ dem Kiefembestande » 66 „ 34 ^
Mithin im Durchsch. aller Beobachtungen 77^0 23^/o
Nach den Messungen auf den Stationen der Schweiz im Kanton Bern im 12jäh-
rig^en Mittel
in dem Lärchenbestande Sö^/o lo^/o
„ ^ Fichtenbestande 77 „ 23 ^
„ „ Buchenbestande 90 „ 10 „
Bemerkenswert sind femer die im Kanton Zürich von Professor Dr. Bühler
angestellten Untersuchungen über den Einfluss des Alters der Bestände auf die Menge
der zu Boden gelangten Niederschläge, nach diesem kamen in 2 — 3jährigem Jahres-
Dnrchschnitte bei dichtem Kronenschlusse zu Boden:
in Buchenbeständen von 20jähr. öOjähr. 60jähr. 90jähr. Alter
im Jahresdurchschnitte 98^0 73^0 77^/o 83®/o
auf den Bäumen zurückgehalten 2 „ 27 „ 23 „ 17 „
also ist in dem jugendlichen Alter nur sehr wenig, in Mittelhölzern dagegen am meisten
auf den Zweigen verblieben.
Im Wienerwalde wurden 1894 und 95 von Dr. Hoppe an 4 Stationen ausge-
dehnte Regen-Messungen in Beständen verschiedenen Alters und verschiedener Be-
st<)ckung ausgeführt, welche zeigten, dass namentlich die Stärke der Eegen fälle
von Einfluss auf die Menge des von den Baumkronen zurückgehaltenen Wassers ist;
intensive Regen dringen besser zu Boden, während leichte Sprühregen bis zu 70®/o auf
den Bäumen haften und dem Boden entgehen. Im Durchschnitt hielten daselbst die
80— 90jährigen Buchenbestände 20— 227o, die Kiefern 24^/0, die Fichten 41% der Nie-
derschläge zurück.
Es empfangt demnach der Waldboden nur ca. drei Viertel aller Niederschläge
des Jahres, fast V* davon bleibt an den Blattorganen und Zweigen hängen, im allge-
meinen halten, wie die vorstehenden Beobachtungen zeigen, die immergriinen Nadel-
hölzer mehr Niederschläge ab als die winterkahlen Laubhölzer, dicht geschlossene Be-
stände mehr als gelichtete, Kiefern mehr als Fichten von gleichem Alter. Von diesem
zuriickgehaltenen Wasser verdunstet nur ein bestimmter Teil, der andere fliesst all-
mäblich dem Stamme entlang in den Boden. Die Menge dieses an den Baumstämmen
abfliessenden Wassers wurde sowohl an den bayerischen Stationen Hirschhorn und
Johanniskreuz, als auch an der österreichischen Versuchsanstalt Mariabrunn '^^) gemessen ;
der Betrag ist nur klein, z. B. in Hirschhorn im 10jährigen Mittel 5 mm bei einer
durchschnittlichen Niederschlagshöhe von 1348 mm im Freien, also 0,37^0 der gefallenen
Regenmenge, auch in Mariabrunn liefen an einem Fichtenstamme nur l,3®/o, dagegen
an einer Eiche 5,77o, an einem Ahorn 5,97o und an einer Buche sogar 12,8% der Nie-
derschläge entlang dem Stamme zu Boden. Aehnliche Beobachtungen wurden in Frank-
reich an den Stationen Cinq-Tranch6es und Bellefontaine angestellt, wo gleichfalls die
73) Mitteilungen aus dem forstl. Versuchswesen Oesterrelclis. XXI. Heft. Wien 189(5.
4*
52 I. Weber. Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
ablaufenden Mengen gemessen worden sind^*). Insbesondere zeigten die Untersnchnngen
in Oesterreich von Dr. Hoppe, dass Holzarten mit aufwärts gerichteten Aesten mehr
Wasser am Stamme ableiten als solche mit horizontal auslaufenden oder gar mit hän-
genden Aesten. Jedenfalls bricht sich also schon auf diesem Wege die mechanische
Gewalt der Platzregen in dem Kronenraume des W^aldes, was für die Erhaltung des
Bodens gegen Auswaschung und Abschwemmung wichtig ist. Die zerstäubenden und
verdunstenden Wasserteilchen aber tragen zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit bei und
wirken ähnlich, wie die künstlichen Zerstäubungsapparate, die der Grärtner in Cxewächs-
häusern anwendet.
Diese grosse Flächenausbreitung, welche in der Verästelung der Zweige und der
Blattspreitenentwicklung sich ausspricht und mittelst deren die Bäume in den Stand
gesetzt sind, mit grossen Luftmengen in innige Berührung zu kommen, äussert sicher-
lich aber auch ihren Einfluss auf die Luftstauung und Sammlung der zur Kondensation
gelangenden Teile der Luftfeuchtigkeit. Man braucht deshalb nicht zu der Annahme
zu greifen, als ob der Wald die meteorischen Vorgänge in den Höhen der Atmosphäre
selbst wesentlich modifiziere, um es dennoch begreiflich zu finden, dass dieses mächtige
Hemmnis für den Wind zur Erhaltung der Feuchtigkeit beitrage. In diesem Sinne
führe ich eine vergleichende Messung der französischen Stationen Cinq-Tranch6es und
Amance im 7jährigen Mittel an : welche beide bei Nancy in 380 m Seehöhe auf Oolith-
Plateaus liegen, von denen aber die erstere auf einer Wiese inmitten grosser Wälder,
die andere in fast waldloser Gegend sich befindet. Der Regenmesser der Freistation
ergab im Durchschnitte eine Regenhöhe in Millimetern
für Frühjahr Sommer Herbst Winter Jahresmittel
in Cinq Tranch^es 159 187 193 212 751 mm
in Amance 149 165 157 177 648 „
auf der Waldwiese mehr 10 22 36 35 103 mm
Offenbar liegt der Grund dieser Erhöhung der Regenmenge um fast 16 Prozente vor-
züglich in der Verzögerung der Bewegung der zur Kondensation gelangenden Luft-
schichten, was schon daraus folgt, dass im Herbst und Winter, wo die Regenwolken
sehr tief ziehen, diese Wirkung grösser war als im Frühjahr und Sommer.
Hier ist auch der gleichfalls in Frankreich auf der 5000 ha grossen Forst-Do-
maine Halatte von Fautrat und Sartiaux ausgeführten Regenmessungen zu gedenken,
welche über dem Kronenraume eines Laubholzniederwaldes (7 m darüber) und
eines Kiefernwaldes (3 m darüber) die Regenmesser beobachteten und im Durchschnitte
der 4 Jahre 1874 — 77 folgende Regenhöhen fanden:
über den Gipfeln im Freien Differenz
bei Laubholz 655,0 631,0 24,0 mm
bei Nadelholz 667,0 610,2 56,8 „
Es zeigte sich somit durchgehends eine wenn auch nicht sehr bedeutende Vermehrung
der Niederschlagsmenge über den Kronen des Waldes gegenüber dem freien Lande.
Als einen, wenn auch nicht ganz einwandfreien Nachweis des Einflusses, welchen
der auf einer Haidefläche begründete, allmählich heranwachsende Wald auf die Regen-
menge ausübt, kann man die Regenmessnngen der Station Lintzel in der Lüneburger
Haide anfühi-en: die Niederschlagshöhen betrugen in Prozenten des Mittels seit 1882
bis 1888 jährlich 81,8 86,3 95,2 99,8 100,6 103,7 103,9 Prozente; sie zeigen also eine
konstante Zunahme, worüber Dr. Müttrich in der Zeitschrift f. F. n. J. 1892 Ja-
74) Näheres hierüber siehe v. Seckendorff -Die forstl. Verhältnisse Frankreichs'
Leipzig 1879.
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 22. 08
nnarheft ausführlich berichtete. Eine ähnliche Beobachtung aus britisch Indien führt
Dr. V ö 1 k e r ^'^) nach den Beobachtungen von R. H. E 1 1 i 0 1 an. Die grossen staat-
lichen und privaten Waldanlagen bei Ootacamund haben die Zahl der Tage mit lokalen
Regenniederschlägen in den Monaten März bis Mai von dem 5jährigen Mittel 1870 — 74
bis zu jenem von 1886 — 90 erheblich vermehrt und zwar durchschnittlich von 24 auf
29 Tage, die Zahl der Regentage innerhalb des ganzen Jahres, excl. der Monsunperiode
stieg von 75 auf 83 durchschnittlich. Dr. J. Nisbet führte 1895 in der „Calcutta
Review" eine Reihe weiterer analoger Tatsachen an, auf die hier nur verwiesen wer-
den kann.
Fasst man die verschiedenen besprochenen einzelnen Punkte zusammen, so ergiebt
sich, dass eine Reihe von physikalischen Faktoren dahin wirken, dass der geschlossene
Wald vermöge seiner kühleren Temperatur, seiner feuchteren Luft und seiner Fähigkeit,
die Bewegung der Luft abzuschwächen, ein vorzüglicher Kondensator für den Wasserdunst
der atmosphärischen Luft ist. Diese Eigenschaft tritt in höheren Lagen und im Gebirge
schärfer hervor als im Tieflande und in der Nähe der Seeküste, wo andere Einflüsse diese
Wirkung mehr verdecken. Ob aber unter allen Umständen eine direkte Vermehrung
der Niederschlagsmengen durch den Wald erfolgen müsse, oder ob nicht die herrschen-
den Windrichtungen sowie die Terrainausformung auch Ausnahmen von der Regel,
dass Orte in der Nähe grosser Waldungen grössere Regenhöhen als
ferner gelegene unter sonst gleichen Verhältnissen aufweisen, be-
gründen können, müssen erst weitere Untersuchungen lehren.
Als eine direkte Bestätigung dieser aus den meteorologischen Beobachtungen ab-
geleiteten Regel durch die praktische Erfahrung möchte die Wirkung der Steppenauf-
forstungen in Südrussland zu betrachten sein. Der Direktor des kais. russ. Forstintsituts zu
St. Petersburg Herr von Kern teilte mir in dieser Hinsicht gütigst mit, dass im Gouv. Ecka-
terinoslaw Kreis Mariupol seit dem Jahre 1843—83 beiläufig 2000 ha Forstkulturen in der
offenen Lage der hohenSteppe, also in ganz exponierter Lage gemacht wurden, welche
nun schon bis 60jährige Bestände ergaben. Die Einwohner des Dorfes Blagodatnoe und
der Nachbardörfer, welche an den neubegründeten Wald „Weliko Anadol" anstossen,
behaupten, dass seitdem der Wald herangewachsen ist, sich die SommeiTegen in be-
merkenswerter Weise vermehrt haben; die dort früher so gefürchtete Sommerdün*e
schade den Weizenfeldern viel weniger als ehedem und die Erträge sind infolge dessen
durchschnittlich gestiegen. Eine weitere günstige Folge dieser Aufforstungen besteht
in dem Schutz, welchen diese Ortschaften gegen die winterlichen Schneestürme (Buran)
durch den Wald erfahren, deren Gewalt sehr augenfällig abgeschwächt wurde.
Seit 1890 wurden diese Aufforstungen in Weliko Anadol zu einem gewissen Ab-
schlüsse gebracht und darin behufs genauer wissenschaftlicher Konstatierung der klima-
tischen Wirkungen des Waldes zwei dauernde meteorologische Beobachtungsstationen
angelegt, wovon sich eine in der offenen Steppe, die andere in den Kulturen befindet^®).
Im Mittel der Jahrgänge 1893 — 97 war die jährliche Niederschlagshöhe im Freien
454,3 mm, im neubegründeten Walde 562,9 mm, also hier um 23,9Vo mehr, trotzdem die
Feldstation ein wenig höher liegt als jene im Walde. Ausserdem wurden zeitweise
mit 8 Regenstationen nach Art der Radialstationen Beobachtungen angestellt. Die
Abhängigkeit der Regenhöhe von der Bewaldung tritt am schärfsten bei starken Nie-
derschlägen (Platzregen) hervor, ist aber auch in der trockenen Zeit erkennbar, z. B.
75) Dr. Völker im „Report on the Improvement of Indian Agriculture". 1893.
Seite 30.
7(>) Hierüber enthält einen ausführlichen Bericht von G. Wyssetzky in einer Üeber-
setzung von Oberforstmeister Guse die Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen 1899. S. 661.
54
I. Weher. Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
war im Sommerhalbjahr 1895 die Niederschlagsmenj^e in der offenen Steppe 212 mm,
in der Waldstation 246,7 mm, also hier um 16,4«/o grösser.
Damit stimmen auch die Untersuchungen von J. Klingen (1. c.) überein, wel-
cher 1894 und 95 in Chrinowskoi (Gouv. Woronesch) die in der Steppe gefallenen
Niederschläge mit jenen eines benachbarten Waldes verglich ; seine Ergebnisse waren
folgende :
Der atmoaphär
summe
1895
mm
359,4
503,5
526,0
. Niederschläge
in den Jahren
Jahres
1894
Sa. der Vegetationszeit
1894 1895
in der Steppe
im Kiefernwald
im Eichenwald
mm
354,2
506,6
541,3
mm
304,9
380,6
353,2
mm
193,»
255,4
262,0
Mehl* in Kiefern
oder prozentisch um
„ in Eichen
oder prozentisch um
152,4
+ 43Vo
187,,
+ 53^/o
144,1
+ 40«/o
166,6
4-46«/o
75,7
+ 25V«
48,3
+ 16^/«
62,8
+ 32«/o
68,8
+ 367o
Die Beobachtungsstationen lagen hier allerdings um 20— 3() Kilometer von ein-
ander entfernt, was die Vergleichbarkeit beeinträchtigt. Seit 1893 sind in Russland
Versuche und Beobachtungen über das Klima der Steppen in grösserem Umfange zur
Ausführung gelangt. Professor Dokutschaiew ist mit 8 Gehilfen, 1 Meteorologen
und 1 Ingenieur auf 5 Jahre zur Erforschung der einschlägigen Fragen entsandt wor-
den, so dass wichtige Resultate zu erwarten sind.
Eine ähnliche Erfahrung berichtete in der Versammlung des nordwestdeutschen
Forstvereins zu Uelzen im August 1885 Hr. Provinzialforstmeister Quaedt-Faslem, dass
nemlich die Wälder auf den Zug der Gewitter wirken und Niederschläge herbeiführen.
§ 23. Aber auch in anderer W^eise greift der Wald in den Kreislauf des Wassers
ein, indem das in Form von Niederschlägen zu Boden gelangte Quantum
vor rascher Verdunstung bewahrt und hiedurch örtlich erhalten wird.
Schon die niedrigere Temperatur und die grosse relative Feuchtigkeit der Waldluft
bilden ein Hindernis für eine starke Verdunstung, noch mehr aber bewirkt dies der
Abschluss der direkten Insolation und des Windes. Man hat daher nach Prof. Eber-
uiayers Vorgang die direkte Bestimmung der Verdunstungsgrössen als einen wesent-
lichen Punkt in das Programm der forstlichen Beobachtungsstationen aufgenommen
und ich führte in der Tabelle auf S. 48 die von mir aus den Publikationen des H. Pro-
fessor Dr. Müttrich berechneten Jahressummen der Verdunstungsgrösse (in mm Höhe)
an. Diese Beobachtungen zeigen, dass im geschlossenen Walde die Verdunstung sehr
beträchtlich vermindert wird indem im Durchschnitte gegenüber der m 100 gesetzten
Einheit der Verdunstungsgrösse im Freien
im W^alde verdunsten dem Boden erhalten bleiben
in den Buchenbeständen 40,4 ®/o 59,6^0
Fichtenbeständen 45,3 »/o 54,7 «/^
Kiefembeständen 41,8 7o 58,2 ^/o
Y>
einer Kulturfläche
90,3 7o
9,70/0
Diese Herabminderung der Verdunstung des Bodenwassers durch die Streudecke
ist ausser den durch die 1868 und 69ger Versuchsreihen an den forstl. -meteorologischen
Stationen Bayerns gewonnenen Ergebnissen noch durch Prof. Dr. WoUny in den
Jahren 1882 und 83 nachgewiesen worden.
Aus diesem Gesichtspunkte ist es interessant, dieBilanzderNiederschlags-
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 23.
oo
höhe mit der Verdunstungshöhe aus obigen Resultaten zu ziehen, welche nach
Höhenregionen angeordnet folgendes Ergebnis liefert:
Stationen
Absolute
Höhe
rn
Der Ueberschuss der Nie-
derschläge über die Ver-
dunstung beträgt in
Millimetern Höhe
Von der Niederschlags-
menge verdunsteten
prozentisch
im Freien
im Walde
im Freien
im Walde
Schoo
Fritzen
Hadersleben ....
Eberswalde
Lintzel
3
30
34
42
95
322,5
387,6
495,8
142,1
174,6
343,6
322,6
481,4
237,5
180,6
55«/o
40,
35,
73,
70,
28>
28,
20,
44,
67,
Mittel für die Region .
0—100 1 305,s
313,1 1 55 ,
37,
Kurwien
Marienthal
Hagenau
124
143
145
346,1
184,9
436,1
365,7
254,7
434,8
44,
68,
46,
26,
37,
26.
Mittel für die Region .
100-200
322,4
351,6 1 53 .
30,
Neumath
Friedrich srode ....
340
353
328,5
291,0
510,9
385,8
60,
57,
23,
26,
Mittel für die Region . |300-400 | 309,9
448,3 1 58 ,
25.
Lahnhof
HoUerath
Schmiedefeld ....
Karlsberg
602
612
680
690
850,2
717,5
1468,2 ")
718,8
685,2
490,2
1114,3 77)
839,1
24,
26.
13,
27,
15,
21,
7.
10,
Mittel für die Region .
600-700
774
930
938,7
782,2 1 22 „
1093,8 15 „
1176,8 19,
13.
Sonnenberg
Melkerei
1196,4
1442,1
9.
11,
Mithin ist der Ueberschuss der Niederschläge mit zunehmender Höhe des Beob-
achtungsortes immer grösser, wenn auch nicht proportional der letzteren. Im Walde
bleiben in den tieferen Lagen durchschnittlich grössere Mengen übrig als im Freien
und prozentisch betrachtet drückt der Gebirgswald die Verdunstung
auf das Minimum von 9 — 13% des Niederschlages herab, so dass
87 — 91*/o demBoden erhalten bleiben. Diese Bilanz zwischen Niederschlägen
und der Verdunstung einer freien Wasserfläche entspricht selbstverständlich nicht
den tatsächlichen Vorgängen im Walde, wo die Transspiration der Blattorgane an
Stelle der letzteren tritt. Die vielfach grössere Oberfläche der Blätter und Nadeln
befähigt diese, mit einer viel grösseren Ijuftmenge in Berühining zu treten und in letz-
tere Wasserdunst auszuhauchen. Wie uns die Pflanzenphysiologie ausführlicher lehrt,
ist aber diese Transspirationsgrösse nach Pflanzenart, Alter der Gewächse, Art der
Belaubung und nach den klimatischen Verhältnissen sehr verschieden. Man muss sich
daher an die Stelle der obigen experimentell ermittelten Verdunstungshöhen einer freien
Wasserfläche, welche nur schematisch ein Bild des Wasserverlustes liefern kann, die
in grossen Grenzen schwankenden Grössen der Transspiration der Waldbäume denken.
Diese steht mit den Wachstumsvorgängen im engen Zusammenhange als wesentliche
Ursache der Saftbewegung und ist daher eine unentbehrliche Lebensbedingung der
Bäume, insbesondere ihres Zuwachses, dessen Grösse zum Teil durch die verfügbare
Wassermenge bestimmt wird. Es ist daher für die Lebensökonomie der Bäume wichtig»
dass das zur Transspiration nötige Quantum Wasser von den Wurzeln ununterbrochen
zugeführt werden könne, ja der wirtschaftliche Erfolg — der Ertrag — wird inner-
halb gewisser Grenzen von diesem wechselnden Bestandteile des Bodens bedingt. Der
77) Nur aus einem Jahrgang 1882 berechnet.
56 I. Webt' r, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Forstwirt ist daher daran interessiert, dass die Verdunstung des Bodenwassers zu mög-
lichst grossen Anteilen in Form der Transspiration vor sich gehe, während jeder ander-
weitige Verdunstungsverlust, z. B. durch Freilage, Einwirkung des Windes auf den
Boden, Mangel einer Streudecke u. s. w. als unwirtschaftlich betrachtet werden mnss.
Die Transspirationsgrösse übertrifft bei dicht belaubten Bäumen, besonders bei den
Laubholzarten die in obiger Tabelle angeführten Verdunstungsgrössen in der Regel um
ein Mehrfaches, wie die Untersuchungen HöhneTs gezeigt haben. Angenommen ein
Bestand verdunste z. B. 3 mal so viel, als die freie Wasserfläche, so würde in der
I. Region 0 — 100 m eine Menge von durchschnittlich 3 X 37 = lll'/o der gefallenen
Regenmenge benötigt sein, also könnte diese nicht ausreichen zur Deckung der Trans-
spiration, in der 11. Region 100 — 200 m wäre 3 X 30 i=: 90*>/o der Niederschlagsmenge,
in der IH. Region 300—400 m 3 X 25 := 75^/o
., ., Region V 600—700 m 3 x ^^ = 39% > derselben notwendig für die Trans-
„ „ „IV 700—900 m 3 X 10 = 30o/o S spiration.
Während demnach unter obiger Annahme der Waldboden der I. Region ein Detizit von
ll®/o haben würde, die das Gedeihen der betreffenden Holzart in Frage stellen müsste,
käme in der Region II 10%, III 25%, V 617o, VI 70«/o der Niederschläge des Jahres
zur Erübrigung, so dass der Boden in den höheren Lagen frisch bis nass würde. Es
ergiebt sich aus obiger Tabelle, dass mit zunehmender Meereshöhe zwar die Nieder-
schlagsmengen steigen, während dagegen die Verdunstung eher eine abnehmende Ten-
denz zeigt, welche sich notwendig auch auf die Transspiration überträgt. Man kann
daher die Frage, ob der Wald die Bodenfeuchtigkeit vermehre, nicht
a priori und für alle Verhältnisse beantworten, sondern es kommt auf den klimatischen
Charakter der Gegend, auf die Meereshöhe, die Exposition nach der Himmelsrichtung
und auf die Holzart sowie die Bestandesbeschaffenheit an, ob die Niederschlagsmenge
oder die Transspirationsgrösse überwiegt. Im Tieflande mit wännerem Klima wirkt
der geschlossene Wald meistens austrocknend auf den Boden, während nach dem Ab-
triebe häufig Versumpfung eintritt.
§ 24. Wenn demnach schon in den Hochlagen an und für sich dem Boden mehr
meteorisches Wasser zugeführt wird, als es im Tieflande der Fall ist, so verstärkt eine
Bewaldung der Gebirge diese Wirkung noch, und es ist deshalb schon von jeher der
Gebirgswald als Erhalter der Feuchtigkeit und der Quellen betrachtet
worden (der „Tau vom Hermon" befruchtet die Landschaft). Es ist daher von Inter-
esse, sich die Rolle klarer zu machen, die dem Walde bei der Erhaltung des Boden-
wassers und der Speisung der Quellen zukommt. Obige Zahlenreihe zeigt ganz deut-
lich, wie beträchtlich die Menge des nach Abzug der Verdunstung übrig bleibenden
meteorischen Wassers in den Gebirgslagen ist und wie der Wald, trotzdem ca. ^/i der
Niederschläge durch Zweige und Blätter aufgefangen und dadurch der unmittelbaren
Messung entgangen sind, dennoch von diesen verbleibenden Dreivierteln fast ebensoviel
und teilweise mehr Wasser dem Boden zuführt als dem freien Lande zukommt. Wenn
man dagegen einwenden wollte, dass ja hievon erst noch der ganze Transspirations-
verlust subtrahiert werden müsse, den man aber nicht kennt, so ist hierauf zu erwidern,
dass derselbe Wald ja auch im Tieflande seine Transspiration deckt, welche jedenfalls
infolge der höheren Temperatur und der längeren Vegetationszeit noch grössere Mas-
sen Wasser erfordert, dass folglich mindestens der Ueberschuss über diese hinaus dem
Boden und seinem Untergrunde zufliessen muss. Angenommen also, der Fichtenbestand
in Fritzen oder der Buchenbestand in Hadersleben verbrauche gerade seinen Ueberschuss
zur Deckung seiner Transspiration, so braucht der Fichtenwald in Sonnenberg höchstens
ebenfalls soviel, erübrigt also 1093,8—322,5 = 771,3 mm; ebenso verblieben in dem
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 24. 57
Buchenwald auf den Hochlagen der Vogesen (Melkerei) 1176,8 — 481,4 =: 695,4 mm.
Abgerundet bleiben also 700 mm Eegenhöhe im Gebirgswalde unverwendet von der
Verdunstung und Transspiration übrig, d. h. pro ha 7000 cbm, welche in die Tiefen
des Bodens eindringen. In der Praxis rechnen aber die Ingenieure von 1 ha Sammel-
gebiet einer Quelle im Mittel 1500 — 4000 cbm Zufluss pro Jahr, d. h. 3 — 8 Liter pro
Minute, nach starkem Kegnen aber 10—20 Liter pro Minute, was 5000 — 10000 cbm
pro Jahr und ha entspräche. Da aber solche allgemeine Erwägungen auf deduktivem
Wege zur exakten Lösung so wichtiger Fragen nicht ausreichen, so wurden schon in
den Jahren 1884 — 86 von Prof. Dr. Ebermayer vergleichende Wasserbestimmungen in
den Fichtenwäldern des k. Forstamts Brück bei München vorgenommen, die im Jahres-
mittel folgende Resultate ergaben : der Boden des kahlen Feldes war in aUen Schichten
von der Oberfläche bis auf 0,8 m Tiefe fast gleichmässig durchfeuchtet, in einem be-
nachbarten Fichtenjungwuchs war dies ebenfalls annähernd der Fall, dagegen nahm in
dem 60jährigen Fichtenbestande der Feuchtigkeitsgehalt von der Oberfläche nach den
tieferen Schichten der Wurzelregion ab ; alle bestockten Flächen waren im Durchschnitte
wasserärmer als das kahle Feld. In dem haubaren Bestände von 120 Jahren näherte
sich der Feuchtigkeitsgehalt wieder mehr jenem der kahlen Fläche, vermutlich weil
weniger Regen an den Zweigen hängen geblieben war. In einer Tiefe von 15 — 80 cm
war der Waldboden durchgehends trockener, als jener der kahlen Fläche und zwar am
meisten unter dem 60jährigen, dicht geschlossenen Bestände. Aus dem schon oben Ge-
sagten lassen sich auch die Aufsehen erregenden Versuchsergebnisse erklären, welche
einige russische Forscher, nämlich Bl isnin ^^) in den trockenen und heissen Steppen
des Gouvernement Cherson, dann Ismailsky'^) und Professor Ototzkiy®^) im Ge-
biete der Schwarzerde (Tschernosem) gefunden haben. Ersterer stellte 1891 in drei
Versuchsreihen fest, dass in den Laubwäldern nur die obersten Bodenschichten feuchter,
die tieferen Schichten dagegen trockener sind, als die entsprechenden Schichten des
umgebenden freien Landes. Ismailsky fand in 6jährigen Beobachtungen, dass der Bo-
den der Schwarzerde gleichfalls seinen grössten Feuchtigkeitsgehalt im Winter in der
oberen Schichte von 0 — 70 cm Tiefe habe, im Frühjahr in der Schichte zwischen 70
bis 140 cm und im Sommer, wo dort die meisten Niedei'schläge fallen, in der Tiefe
von 140 — 210 cm. Die gesamten Wasservorräte nehmen im Jahresmittel von oben
nach unten ab, ebenso wie die Schwankungen in der Menge der Bodenfeuchtigkeit. Die
Untersuchungen von Prof. Ototzky 1893 — 1897 bezogen sich auf den Stand des
Grundwassers in der Steppe und in den angrenzenden Wäldern
des südlichen Russlands, der mittelst Bohrlöcher gemessen wurde, welche durch Nivel-
lements verbunden waren. Diese Versuche ergaben in verschiedenartigen Fällen inso-
feme Uebereinstimmung, dass der Boden der Wälder einen geringeren Wasservorrat
und tieferen Grundwasserspiegel zeigte als das benachbarte Freiland, wobei Differenzen
von ca. 10 m senkrechten Abstandes vorkamen. Die Untersuchungen im nördlichen
Russland ergaben aber nur kleine Verschiedenheiten zwischen den verglichenen Grund-
wasserständen im Walde und im freien Lande.
Es würde zu weit führen, alle im letzten Dezennium von Prof. Ebermayer®*) in
München, E. Hoppe®*) im Wiener Walde, von Prof. Ramann ®^) in den IQefembeständen
78) Bulletin meteorolog. 1892 Nr. 7.
79) V. Wiesner „Russische Forschungen auf dem Gebiete der Waaserfrage* in
Wollnys „Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik" 18. Band. 1895.
80) Otozkij „Einfluss der Wälder auf das Grundwasser". Zeitschrift für Gewässer-
kunde 1898 S. 214 u. 278, dann 1899 S. 160.
81) Ällg. Forst- u. Jagd-Zeitung 1889. 1. Heft.
' 82) Zentralblatt f. d. gesamte Forstwesen 1895. 3. Heft.
58 I. Weber, Die Aufjijaben der Forstwirtschaft.
der Mark Brandenbnri^ anfrestellten Untersnchnngen über den Wassergehalt des Bodens
aufzuführen, erwähnt sei nur, dass sie alle den starken austrocknenden Einfluss der
Banmwurzeln im Zusammenhange mit der Ti-ansspiration der Blattorgane nachgewiesen
haben, während sie zugleich zeigten, dass zwischen den einzelnen Holzarten und den
verschiedenen Graden des Bestandesschlusses grosse Verschiedenheiten in dieser Hinsicht
bestehen. Dicht geschlossene Mittelhölzer von stark verdunstenden Holzarten vermögen
daher in regenarmen Gegenden wegen des doppelten Verlustes durch Zurückhalten der
Niederschläge in den Zweigen und durch starke Transspiration einen Boden trockener
zu machen, als er in unbestocktem Zustande wäre. Dagegen wird in Gebirgswaldnngren,
wo die Regenhöhe erheblich grösser, dagegen die Temperatur niedriger ist, durch die
Verzögerung im oberflächlichen Ablaufe des Wassers, durch die Abminderung der Ver-
dunstungs- und der Transspirationsgrösse die Bilanz meistens zu Gunsten des Wald-
bodens ausfallen. In der Tat sehen wir auch in allen Gebirgen die Gehänge durch-
flössen von zahlreichen Wasseradern, die sich gerade in den Waldungen durch Nach-
haltigkeit und konstantes Fliessen auszeichnen. Es sind meistens nicht eigentliche
Quellen, denen die Gebirgsbäche ihren Ursprung verdanken, sondeni vorwiegend kleine
offene Rinnsale, die ihren Wassergehalt von versumpften, mit schwamm artigen I*olstem
von Rohhumus, Polytrichum und Sphagnum bedeckten Filzen und Blossen im Walde
erhalten und die lokalen Benennungen als „Gräben, Seigen, Dellen, Kauten, Runsen
und Wildbäche, ravins" führen. In durchlässigem Gesteine, auf Kalk- und Dolomitfels,
Sandsteinfels und Geröllböden, ferner bei einfallenden Schichtrichtungen etc. versinken
die gefallenen Niederschläge rasch in die Tiefen und kommen erst beim Auftreflfen auf
nndurchlassende Schichten zur Ansammlung und zum Abfliessen nach den eigentlichen
Quellen. Es kommt aber auch hier wesentlich darauf an, wie das Sammelgebiet der
Quelle beschaffen ist, ob das Eindringen des Regen wassers durch Waldbestockung er-
leichtert und ob der oberflächliche Abfluss, sowie die Verdunstung verhindert werde.
Von grossem Einflüsse ist in dieser Hinsicht noch die Wirkung der Streudecke
des Waldbodens — mag diese nun aus abgefallenem dürren Laub oder aus einem Moos-
polster, wie in den älteren Nadelholzbeständen gebildet werden, so hindert sie stets in
hohem Grade die Verdunstung des Bodenwassers, verstärkt also die im obigen schon
entwickelte Wirkung des Kronenschlusses im Walde. Ueber diese Frage hat Prof. Dr.
Ebermayer mittelst seiner mit Bodenproben gefüllten Evaporationsapparate eingehende
Untersuchungen angestellt und als Hauptresultate gefunden^*), dass im öjährigeu Mittel
sämtlicher Beobachtungen in dem Bestandesschlusse allein 47 Prozente von der im
Freien verdunsteten Wassermenge in die Luft übergehen, während 53"/o dem Boden
erhalten bleiben, dass aber die Wirkung der Streudecke in einer Herabminderung der
Verdunstung auf 22®/o besteht, d. h. von zwei gleich massig mit Wasser durchfeuchteten
Böden verliert der des freien Landes durchschnittlich 4V2 mal so viel durch Verdunstung
als der durch einen Holzbestand und einer Streudecke geschützte Waldboden. Der
bekannte Erbauer der Schwarzwaldbabn Oberbaurat Rob. Gerwig stellte schon früher
solche Versuche über die Absorptionsfähigkeit des Mooses und der Streudecke des Wal-
des an und zog hieraus den Schluss, dass eine geographische Quadratmeile Wald darin
1 — IVa Millionen cbm Wasser zurückzuhalten veimöge, was in manchen Fällen eine
Verzögerung des Wasserablaufes um 15 Stunden bewirken kann. Rechnet man hiezu
die Erleichterung, welche dem Einsickern des Tagwassers in die tieferen Bodenschichten
durch die röhrenförmigen Kanäle der verfaulten Wurzelstränge gewährt wird, so ver-
83) Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen 1897. 12. Heft.
84) Ebermayer „Gesamte Lehre der Waldstreu" S. 183.
Einwirkung der Wälder auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft etc. § 25. 59
steht man die Bedeutung, welche dem Walde als Erhalter der Quellen zugeschrieben
wird. Im Hochgebirge kommt hiezu noch die Verzögerung des Schneeabganges durch
den Wald ; man findet oft an geschützten Nordseiten den Schnee noch bis in den Hoch-
sommer hinein, zumal wenn er durch Laubverwehungen gedeckt ist.
Hieraus folgt, dass solche Waldungen, welche das hochgelegene Sammelgebiet
einer Quelle bestocken, dem letzteren viel grössere Menge tropfbar flüssigen Wassers
erhalten und durch Einsickei*n zuführen, während umgekehrt umfangreiche Entholzungen
auf solchen Terrains infolge der ungewöhnlichen Steigerung der Verdunstung Mangel
an Wasser zur Folge haben werden. In der Tat hat man auch schon vielfach Beob-
achtungen über diesen Zusammenhang gemacht, w^orüber der deutschen Forstversamm-
lung in Eisenach verachiedene Mitteilungen zugingen und was insbesondere durch Mar-
chand und Choiseul-Gouff ier , Gautieri etc. bezüglich Italiens und Griechenlands kon-
statiert wurde, üeberhaupt ist dieser Gegenstand in einer ungemein zahlreichen Lit-
teratur besprochen worden, so dass es unmöglich ist, in den Rahmen dieser Abhandlung
nur einen Ueberblick über die vielen Reiseberichte aus Syrien, Palästina, die amtlichen
Gutachten und Petitionen, welche namentlich die französische Forstlitteratur aufweist
zn geben *'^). Ebenso verweisen wir auf die ausführliche Abhandlung von Oberforst-
meister Ney „Der Wald und die Quellen" Tübingen 1894 F. Pietzcker. Nur ein Zitat
aus einer Denkschrift von J. A. Blanqui (1843) über die Alpen der Provence möge
hier eine Stelle finden:
^Man kann sich in unseren gemässigten Gegenden keinen Begriff von diesen bren-
nenden Bergschluchten machen, wo es nicht einmal einen Busch giebt, um einen Vogel zu
schützen ; wo der Reisende nur da und dort einen ausgetrockneten Lawendelstengel an-
trifft ; wo alle Quellen versiegt sind ; wo ein düsteres, kaum vom Gesumme der Insekten
unterbrochenes Schweigen herrscht. Auf einmal, wenn ein Gewitter losbricht, wälzen sich
in diesen geborstenen Becken von der Höhe der Berge Wassermassen herab , welche ver-
wüsten, ohne zu befeuchten, überschwemmen ohne zu erfrischen, und den Boden durch ihre
vorübergehende Erscheinung noch öder machen, als er durch ihr Ausbleiben war.
Endlich zieht sich der Mensch zuletzt aus diesen schauerlichen Einöden zurück, und
ich habe in diesem Jahre nicht ein einziges lebendes Wesen in Ortschaften angetroffen,
wo ich vor dreissig Jahren Gastfreundschaft genossen zu haben mich recht gut erinnere. ^
§ 25. Infolge der geschilderten Vorgänge findet man in der Regel in gut be-
waldeten Gebirgen, namentlich in den deutschen Mittelgebirgen sowie am Nordabhange
der Alpen eine konstante Speisung der Bäche und Flüsse, deren Wasserstand sich
innerhalb gewisser durch die Jahreszeit bedingter Schwankungen aber ohne exzessive
und schädliche Extreme bewegt. Im Gegensatze hiezu stehen die entwaldeten Südab-
hänge der Alpen in Tirol, namentlich die westlichen der Provence sowie die Apenninen,
wo das Regime der Gewässer sich durch ungewöhnliche Extreme der Trockenheit und
der Ueberflutungen auszeichnet. Besonders beachtenswerte Mitteilungen hierüber haben
unter anderen G. Wex^^) „Ueber die Wasserabnahme in den Quellen, Flüssen etc.",
dann der Schweizer Ingenieur Rob. Lauterburg®') gegeben. Nach diesem hat die Adda
in dem Zeitraum von 1834 — 62 etwa 28®/o ihrer Wasserkraft bei Niederwasser haupt-
sachlich infolge der W^aldverwüstungen im Kanton Tessin eingebüsst. Hingegen wie-
derholen sich die Hochwasser jetzt durchschnittlich alle 20 Monate, während sie früher,
solange die Tal wände noch bewaldet waren, in Perioden von je 54 Monaten wieder-
85) Ich verweise deshalb auf Jacquemart „Bibliographie foresti^re fran^aise". Paris
1852. Bureau des Annales foresti^res.
86) Wex „lieber die Wasserabnahme in den Quellen, Flüssen und Strömen bei gleich-
zeitiger Steigerung der Hochwasser. 1873.
87) Rob. Lauterburg „üeber den Einfluss der Wälder auf Quellen- und Strom-
verhältnisse der Schweiz". Bern 1878. K. Wyss.
60 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft-
kehi*ten. Laaterbargs Untersuchangen an anderen Flüssen zeigen, dass wilde Gewässer,
welche ans bewaldetem Terrain entspringen, in ihrem Wasserstande Schwankangen von
höchstens 1 : 100 aufweisen, während die aus unbewaldeten Gebirgen stammenden solche
von 1 : 450 zeigen. — Allerdings mag schon die Exposition der Gebirge, die Richtung
ihres Zuges quer gegen die feuchten Windströmungen sowie die relative höhere Feuch-
tigkeit der aus dem Südw^esten kommenden Luftströmungen in diesen Gegenden von
voioiherein eine Disposition zu abnormen Niederschlagsmengen veranlassen, allein die
Tatsache bleibt bestehen, dass der Mensch in unverantwortlichem Leichtsinne den ein-
zigen von Natur gegebenen Schutz, den Wald vernichtet hat. Es waren namentlich
die grossen Ueberschwemmungen der Rhone im abgelaufenen Jahrhundert, welche die all-
gemeine Aufmerksamkeit nicht bloss in Frankreich, sondern in Europa auf diese Frage
der Walderhaltung im Interesse der Regulierung des Wasserstandes gelenkt haben.
Eine ganze Litteratur ist hierüber entstanden und besonders im Beginne der sechziger
Jahre und unter dem zw eiten Kaiserreiche hat man sich auch von selten der Reg^ierung
lebhaft mit der Wiederbewaldungsfrage (die im nächsten Abschnitte betrachtet werden
soll) beschäftigt. Auf experimentellem Weg suchten Jeandel, Cont^gril und Bellaut^)
die Wirkungsweise des Waldes auf Erhaltung und Bindung der wässerigen Nieder-
schläge darzutun, während die Praktiker auf eine wirksame Bekämpfung der Gefahren
durch Schutzbauten und durch Aufforstungen sannen. Auch in der Schweiz haben wie-
derholte Ueberschwemmungen des Rheines und seiner seitlichen Zuflüsse Veranlassung
gegeben, die Wirkungen des Waldes auf eine geregelte Ableitung der Gewässer näher
ins Auge zu fassen: hier war es vor allem die Aufgabe, durch Belehrung eine allge-
meinere und klarere Erkenntnis der Gefahr, welche aus der Misswirtschaft im Walde
entspringt, in möglichst weite Kreise zu bringen — eine Aufgabe, welche Landolt und
Coaz sowie überhaupt die Forstverwaltung der Schweiz mit rühmlicher Energie und
Ausdauer erfüllt haben.
In Preussen wurde 1892 eine aus 32 Mitgliedern bestehende kgl. Kommission zur
Untersuchung der Wasserverhältnisse in den der Ueberschwemmung besonders ausge-
setzten Flussgebieten einberufen. Die von ihr ausgearbeitete Denkschrift enthält be-
züglich des Waldeinflusses den Satz:
^Dass die Zurückhaltung des Tagwassers durch den Wald bei ausserordentlichen
Regengüssen bald eine Grenze findet, ist durch die Untersuchungen der Hochfluten in Nie-
derschlesien vom August 1888 und in den Beskiden (Juni 1894), die ihren Ursprung in
Gebieten mit dichtem und vortrefflichem Waldbestande nahmen, bestätigt worden. Ander-
seits lehrt aber die Erfahrung an diesen und zahlreichen anderen Stellen unserer norddeut-
schen Stromgebiete , dass die Ersetzung des Gebirgswaldes durch W^eide- oder Ackerland
das rasche Zusammenfliessen der Niederschläge in hohem Grade begünstigt und die Ab-
schwenmiung des Bodens an starkgeneigten Berghängen grossenteils oder vollständig
herbeiführt. Die günstige Einwirkung der Gebirgswaldungen auf eine Verzögerung der
Schneeschmelze wird beim jähen Eintritte der Friihjahrserwärmung allerdings beeinträch-
tigt, trägt aber doch wesentlich dazu bei, dass z. B. die schlesischen Gebirgsfltisse von
übermässigen Schmelzwasserfluten im allgemeinen verschont bleiben.''
Ohne in das ausserordentlich ausgedehnte Detail der Wasserstanderhaltungsfrage
hier näher einzugehen®^), möge nur noch die Frage berührt werden, ob die statistischen
88) Etudes experimentales sur les inondations 1862. Bericht an die Akad. der Wis-
senschaften 144. S. 8.
89) Ich verweise nur auf A. Gümbel „Die Hochwasser des Rheines und seiner Ne-
benflüsse" Allg. F. u. J. 1882 und Koch „Das schnelle Anschwellen der Gebirgswasser".
Trier 1883. Stephanus. Honsell „Die Hochwasser-Katastrophen im Rhein im November
und Dezember 1882". Berlin. F r a u c n h o 1 z „Denkschrift betreif, die bessere Ausnützung
des Wassers" etc. München. Th. Ackermann.
Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens etc. § 26. 61
Nachweisungen der Pegelbeobachtungen an den Flüssen ein beweiskräftiges Material
für diese Veränderungen geben. Es wurde nämlich die Einwendung gemacht, dass
einzelne Flüsse ihren mittleren Wasserstand gar nicht, andere im Sinne einer Erhöhung,
andere in dem einer Senkung verändert haben, obgleich in ihrem Oberlauf Entwaldungen
vorgekommen sind. Allein bei den umfangreichen Flusskorrektionen, Durchstichen, Ver-
tiefungen der Rinnsale sowie Anlagen von Stauwerken u. s. w. giebt der Pegelstand
allein noch keinen Massstab für die beförderte Wassermenge ab, sondern es müssten
zu diesem Zwecke Geschwindigkeitsmessungen in Verbindung mit Profilaufnahmen statt-
finden, weil durch die genannten Korrektionen sich die Geschwindigkeiten sowie die
Querprofilflächen wesentlich verändert haben.
Jedenfalls lehrt die tägliche Erfahrung unwidersprechlich , dass ein Wald mit
dichter Bodendecke die atmosphärischen Niederschläge in seinen obersten humusreichen
Schichten zurückhält, deren Abfluss verzögert und gleichzeitig die allzugrosse Durch-
lässigkeit vieler Geröll- und Sandsteinböden durch seinen Humnsreichtum paralysieit ;
durch diese Verhinderung des raschen Verschwindens und Ablaufens der gefallenen
Niederschlagsmengen wirkt der Wald ausgleichend auf die Extreme des Wasserstandes,
indem er eine zeitliche Verteilung des Abflusses zur Folge hat.
Unter den zahlreichen hierauf bezüglichen Denkschriften über die Wirkungen
der Entwaldungen auf das Regime der Gewässer möge hier nur auf eine im Vorjahre
von den rheinisch-westfälischen Industriellen an die Provinzial-Regierung gerichtete
Eingabe hingewiesen werden, darin heisst es:
„Auch die Wasser konsumierende Industrie hat unter den Missständen der zuneh-
menden Entwaldung zu leiden, da hiemit der konstante Wasserzufluss abnimmt und bei
trockener Jahreszeit die Wasserläufe so wenig Wasser führen, dass die Bedürfnisse der
Industrie nicht befriedigt werden** etc.
In richtiger Erkenntnis der grossen praktischen Wichtigkeit dieser Frage hat
daher die zweite Versammlung des Vereins deutscher Versuchsanstalten zu Braunschweig
1896 den Beschluss gefasst, dass in Zukunft die Hauptaufgabe der forstl.-meteorologi-
schen Forschungen im Studium des Einflusses, den der Wald auf den Quellenreichtum
(Sickerwassermengen) ausübt, sowie auch der Bedeutung des Waldes für üeberschwem-
mung und für die Verhütung von Wildbachbildung zu bestehen habe. Seitdem wird
in dieser Richtung in beständiger Fühlung mit den hydrotechnischen Behörden rüstig
weitergearbeitet, so dass bald eingehendere wissenschaftliche Ergebnisse zu hoffen sind.
3. Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des
Bodens und der Schneedecke sowie fflir die Abschwächung der Winde.
§ 26. In innigem Zusammenhange mit dem soeben über die Regulierung der
Gewässer Gesagten, steht die Bindung des durch Verwitterung der Ge-
steine sich bildenden Bodens durch den Wald, nur sind es hier
nicht die meteorologischen Faktoren der Temperatur und Feuchtigkeit, sondern in der
Hauptsache rein mechanische Ursachen, auf denen seine Wirkung beruht. Nachdem
bereits nachgewiesen wurde, welch grosse Niederschlagsmengen in den Hochlagen der
Gebirge zu Boden gelangen — in den Zentralalpen 1600 — 2000 mm pro Jahr — ja
100 bis 130 mm an einem Tage — ist es leicht erklärlich, dass diese Flüssigkeits-
mengen eine grosse lebendige Kraft erreichen, wenn sie ohne ein Hindernis zu finden
auf kahlem Felsgestein wie auf einem Dache abstürzen. Bei einem Fallraum von oft
Hunderten ja Tausenden von Metern kommen die über offenen Boden abfliessenden Ge-
wässer mit ausserordentlicher Geschwindigkeit und Kraft zu Tal und greifen hiebei
den lockeren Boden oder das durch Verwitterung aufgelockerte Gestein an, indem sie
62 I. Wober, Die Anfjrabon der Forstwirtschaft.
«ich mit Detritus und Geröll um so mehr beladen, je leichter das Gestein nach seiner
geofcnostischen Beschaffenheit der Verwitterung und Abschlämmung unterlieg-t. Wie
Oberforstmeister Ney®^) auf Grund der hydrostatischen Formeln ausführlicher nachgre-
wiesen hat, wachsen die Endgeschwindigkeiten der an Hängen gleicher NeigTing^ ab-
fliessenden Wassermassen wie die dritten Wurzeln aus den zurückgelegten Wegelängen
in der Richtung des stärksten Gefälles, ferner bei Hängen von verschiedenem Neigungs-
winkel wie die dritten Wurzeln aus den Tangenten dieses Winkels. Je länger daher
die Hängen sich ausdehnen und je steiler sie sind , um so grössere Geschwindig'keiten
eiTeichen die abfliessenden Wassermengen nach dieser Berechnung, um so stärker wird
folglich die Sohle der Wasserrinnen im Terrain angegriffen, weil sich die Stosski-aft^
wie die sechsten Potenzen der Geschwindigkeiten verhalten.
Direkte Messungen der oberflächlich abfliessenden Wassermengen bei Regenwetter,
welche auf bewaldetem und nicht bewaldetem Terrain der Vogesen angestellt wurden,
ergaben das Verhältnis der üeberschwemmungsgefahr wie 1 : 2 (Comptes rendues Band
51. S. 1011). Vorzüglich die schieferigen Bildungen der verschiedenen geologischen
Formationen, die mergel- und lehmhaltigen Schichten, namentlich aber die ehemaligen
Gletscherbildungen (Morainenschutt) unterliegen dieser Auswaschung sehr stark- So-
lange der geschlossene, gut konservierte Wald diese Gehänge überzieht, hält er mittelst
seines dichten Wurzelnetzes das lose Erdreich und die venvitternden Gesteinsmassen
fest zusammen und breitet über dem Ganzen ein di(^htes Polster von Moos und Nadeln
aus, deren hygroskopische Eigenschaften die Aufsaugung grosser W^assermengen ge-
stattet; denn 1 cbm Moos vermag 280 Liter Wasser zurückzuhalten. Da ausserdem
das Kronendach des Waldes 24^0 der Niederschläge wenigstens für einige Zeit aufhält
und deren Abfluss verzögert, so ist die Folge eine durch tausend kleine Hindernisse
verursachte Abschwäcliung der Geschwindigkeit und mechanischen Gewalt des abflies-
senden Regen- und Schneewassers. Es verteilt sich daher dieselbe Wassennenge im
Walde in eine grosse Zahl kleiner Wasseradern, welche, wenn sie nebenan auf kahlem
Terrain fiele, sich schnell zu reissenden Wildwassem vereinigen würde. Die Wurzeln,
Stöcke und Stämme bilden wiederum ebensoviele Stützen für die Streu und den Boden,
so dass auch bei starken Regengüssen nur ein allmähliches Ansteigen der Gewässer
und der Abfluss reinen Wassers erfolgt. Sind aber durch kahlen Abtrieb der Stämme
grössere Flächen der Gehänge blossgelegt, so fällt der Zusammenhalt der Verwitterungs-
produkte, der Feinerde und Gesteinstrümmer hinweg, es fehlt auch jedes Hindernis für
die Abschwächung der Geschwindigkeit des Wassers und so folgt der seines Zusammen-
hangs beraubte Boden, aufgewühlt und zu einem lavaähnlichen Brei aufgelöst als
„Muhr" den zu Tal stürzenden Wassermassen. In allen entwaldeten Gebirgsländern
sind daher die Wildbäche eine ständige Gefahr für die ganze Gegend. Wildbäche sind
nämlich nicht, wie man aus dem Namen schliessen könnte, Gewässer von bestimmtem
Laufe, sondeni es sind trockene Rinnen, zuweilen Schluchten von kurzem aber steilem
Verlaufe, welche nur zeitweise bei grösseren Regengüssen oder beim Schneeabgang
Wasser führen; diese periodischen Güsse wühlen aber in den Sammelbecken das Erd-
reich und das lose Gestein auf und führen es mit grosser Vehemenz talwärts, wobei
häufig Unten^^aschungen ganzer Gehänge (Abplaickungen) stattfinden und Erdstürze
veranlasst werden. Diese Massen von Geschiebe und Gerolle lagern sich dann nach
einem längeren oder kürzeren Laufe in dem sog. „Abflusskanale" am Ausgang der
Rinnen in den flachen Tälern ab, wo sich infolge der A'erlangsamung der Geschwindig-
keit alle schwereren Bestandteile des Detritus in Form sog. „Schuttkegel*' anhäufen.
90) Wochenblatt „Aus dem Walde« 1898 Nr. 23 u. 24.
Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens etc. § 26. 63
Wie erheblich die hier in Betracht kommenden Geröllmassen sind, ergiebt sich aus
einer Berechnung von Demontzey, wornach bei einem einzigen Muhrgang 169000 cbm
feste Masse mit 65000 cbm Wasser zu Tal kamen. Ausser den eigentlichen Wild-
bächen durchfurchen aber zahlreiche kleinere Kisse und „Runsen" das kahle Gebirgs-
terrain, welche häutig die Anfänge oder die obersten Verzweigungen der Wildbäche
bilden, so dass,der Anblick einer von zahlreichen Wildbächen durchwühlten Gebirgs-
landschaft ein grauenhaftes Bild der Verödung darbietet. Abgesehen von der voll-
ständigen Unfruchtbarkeit der Gehänge selbst besteht der Schaden dieser durch die
tbrtschreitenden Entwaldungen immer grössere Dimensionen annehmenden Alpenplage
in der üeberschüttung der fruchtbaren, oft hochkultivierten Talgründe mit ihren Dör-
fern und Gehöften, in der Zerstörung der Gebäude und Brücken und in der ständigen
üeberschwemmungsgefahr, welche aus der Verstopfung und Versandung der regelmäs-
sigen Flussbette resultiert. Höchst malerisch schildert Blanqui den Anblick der in
Tätigkeit getretenen Wildbäche f olgendermassen :
„Keine menschliche Zunge vermöchte ein recht anschauliches Bild von ihren Ver-
wüstungen im Augenblicke jener plötzlichen Anschwellungen zu geben. Da sind keine
überfliessenden Bäche mehr, sondern wahre Seen, die in Wasserfällen dahinrollen und Stein-
massen vor sich hertreiben, welche durch die Fluten dahingejagt werden. Zuweilen kommen
solche Kieselsteinmauern allein heran ohne Begleitung eines sichtbaren Wasserfalles, dann
ist ihr Getöse stärker als Donner gekr ach. Ein heftiger Wind zieht ihnen voran und ver-
kündet ihr Nahen, sodann sieht man schlammige Wassermengen und nach Verlauf einiger
Stunden ist alles in die düstere Stille zurückgekehrt, die über diesen Orten schwebt."
Gegentiber dieser ständigen Gefahr, welche namentlich in den Alpen der Provence
seit den grossartigen Entwaldungen infolge der Revolution von 1789 gewaltige Dimen-
sionen angenommen hatte, ergriff zuerst der Staat und in dessen Auftrag die franz()-
sische Foret Verwaltung umfassende Massregeln, w^elche das Uebel durch das entgegen-
gesetzte Mittel seiner Ursache die Wiederbe Waldung der Gebirge bekämpften,
womit sich jedoch zugleich alle Hilfsmittel der Hydrotechnik vereinigten, um eine Be-
ruhigung und Unschädlichmachung der Wildbäche herbeizuführen. Als eine theoretische
Vorarbeit ist die Studie von SurelP^) über die Wildbäche der Hochalpen von Bedeu-
tung gewesen, da hierin mit grossem Nachdruck die Entwaldung als die Hauptursache
der Wildbach-Beschädigungen, dagegen die Wiederbewaldung als ein zuverlässiges
Mittel zur Beseitigung dieser Gefahren klar gestellt wurde. Zunächst wurde durch
die Gesetze vom 28. Juli 1860 und vom 8. Juni 1864 die Verbesserung des Laufes der
Gewässer durch Wiederbewaldung und die Wiederherstellung der Produktivität des
Bodens sowie die Verbauung der Wildbäche als ein Gegenstand der öffentlichen Wohl-
fahrt erklärt und in die Hände der Regierung gelegt. Zur Ausfühnmg geben diese
Gesetze zwei Wege an, nämlich 1) den fakultativen der staatlichen Unterstützung von
Aufforstungs- Arbeiten, welche Gemeinden freiwillig unternehmen, dann 2) die zwangs-
weise Wiederbewaldung mittelst zeitweiser Expropriation, wobei den Eigentümern die
Möglichkeit gelassen ist, die aufgeforsteten Flächen durch Rückersatz der Kosten oder
Ablassnng der halben Fläche an den Staat wieder zurück zu erwerben.
Die Ausführung der in diesen Gesetzen vorgesehenen Arbeiten fand seitens der
französischen Forstverwaltung in grossartigem Massstabe statt, wobei ausser den eigent-
lichen Aufforstungen namentlich sehr bedeutende Wildbachverbauungen und Uferver-
sicherungen zur Ausführung kamen, deren technisches Detail von seinem geistigen Ur-
heber, dem hochverdienten Oberforstmeister P. Demontzey in seinem interessanten
Werke „Traitö pratique du reboisement et du gazonnement des montagnes" ^^) aus-
91) Sure 11 „Etüde sur les torrents des Hautes Alpes". 1842.
92) Paris bei J. Rothschild erschienen und von Prof. Dr. A. v. Seckendorff übersetzt
64 I. Weber. Dir Aufgaben der Forstwirtschaft.
führlich geschildert worden ist. Es ist hier nicht der Platz, die Technik der Wieder-
bewaldung zu beleuchten, dagegen mögen einige Angaben über den Umfang und über
die Wirkungen hier ihre Stelle finden: Vom Jahre 1861 bis Ende 1877 war eine Fläche
von 94532 ha Gebirgsland aufgeforstet worden bezw. neu berast, diese Arbeiten samt
den Talsperren, Wasser- und Uferbauten erforderten ca. 14V4 Millionen Frcs. Die
günstigen Erfolge, welche diese Arbeiten in der tatsächlichen Bändigung der Wild-
bäche fanden, ermutigten zu weiterer Ausdehnung derselben, so dass schon im Jahre
1878 der Minister für Handel und Ackerbau einen Plan entwickeln konnte, womach
innerhalb der nächsten 60 — 80 Jahre weitere 768000 ha Gebirgsödungen in 21 Depar-
tements der Alpen, Pyrenäen und Cevennen mit einem mutmasslichen Aufwand von
150 Millionen Frcs. allmählich wieder bewaldet bezw. wieder berast werden sollten,
ungerechnet 72 Millionen Frcs. für Grunderwerbungen. Bis Ende 1885 sollen an 600
Wildbächen ca. 100000 ha mit beiläufig 150 Millionen Frcs. Kosten bereit« fertig ge-
stellt worden sein, welche während verschiedener Hochwasser Gelegenheit hatten, sich
bestens zu bewähren.
Der Stand am Ende des XIX. Jahrhunderts war folgender: Da sich die Expro-
priation von Grund und Boden im Verlaufe der Zeit als zu drakonisch erwiesen hatte,
80 wurde unter dem 4. April 1882 ein neues Gesetz erlassen, welches gleichfalls die
Beruhigung der bestehenden W^ildbäche und die Verhinderung der Entstehung neuer
zum Ziele hat. Der für diesen Zweck der Staatsverwaltung zur Verfügung gestellte
Kredit beträgt rund 62V2 Millionen Frcs., wovon 24^2 Millionen auf Grunderwerbung,
38 Millionen auf Verbauungen und Aufforstungen treffen. Die Ergebnisse der bisherigen
Arbeiten waren die Beruhigung einer Anzahl von Wildbächen und ausserdem die Auf-
forstungen von ca. 170000 ha, von welchen anf Staatswaldungen 98500 ha, auf Ge-
meindewälder 41500, auf Privatwaldungen 28900 ha entfallen. Speziell die beiden
letztgenannten Kategorien (Gemeinde- und Privatwälder) wendeten für ihre Verbau-
ungs- und Aufforstungsarbeiten 9^/* Millionen Frcs. auf, zu welchen der Staat 49 Pro-
zent, die Departements 17 Prozent beisteuerten.
Auf Grund der günstigen Erfahrungen über den Erfolg der bisherigen Arbeiten
hat man in Frankreich einen weitaussehenden Plan für die künftige Verbauung von
ca. 3000 Wildbächen der Alpen, Pyrenäen, Cevennen, Ardennen und des Central-Pla-
teaus aufgestellt, nach welchem ca. 200 Millionen Francs erforderlich sein werden,
hiervon allein 70Millionen Frcs. für Aufforstungsarbeiten. Die Cen-
tennar- Ausstellung in Paris hat eine glänzende Repräsentation der grossartigen Ar-
beiten von Wildbachverbauungen durch die französische Forstverwaltung geliefert und
gezeigt, dass diese in mustergiltiger Weise auf diesem Gebiete kultureller Bestrebungen
vorangeht.
Auch in Oesterreich wendet man nach den grossen Ueberflutungen in Tirol und
Kärnten im Jahre 1882, welche ebenfalls die verheerenden Wirkungen vieler Wild-
bäche gezeigt hatten, den Wildbachverbauungen und Wiederaufforstungen gesteigerte
Aufmerksamkeit zu. Nach einem vom k. k. Oberforstrat Salz er im österreichischen
Forstkongress gehaltenen Referat zählt man in Tirol südlich vom Brenner 522 Wild-
bäche, welche einer rationellen Verbauung bedürfen, nämlich 171 im Pustertal, 91 im
Eisack- und Etschgebiete, 106 im Bezirk Trient und 154 in anderen Teilen Südtirols,
wobei ganz Nordtirol und die Gegend von Meran gar nicht mitgerechnet sind.
In Kärnten zählt man 183 grössere und kleinere Wildbäche, darunter die grössten
und gefährlichsten im MöUtale^^). Gegenwärtig sind in vielen dieser Gegenden Arbeiten
und in Wien 1880 von Gerold S. verlegt.
93) Im oberen Drautale ist der Möderitschgraben der bedeutendste Wildbach unter
Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens etc. § 27. 65
im Gange und in Tirol schätzt man die Zahl der im Bau begriffenen Wildbäche auf
100, in Salzburg 30. Ausserdem zählt man in Oberösterreich, in Steiermark, Dalma-
tien und in den Kai^pathenländern Wildbäche von nicht unbedeutender Zahl. Nähere
Details hierüber enthält das Werk von Prof. Dr. A. von Seckendorf „Zur Geschichte
der Wildbachverbauung in Oesterreich". Wien 1886. Auch in Italien werden dringende
Aufforderungen an die Regierung gerichtet, die Wiederbewaldung des Apennin und der
Südabhänge der Alpen in Angriff zu nehmen, da der Po jährlich dreimal mehr Land
abreissen soll, als dies im vorigen Jahrhundert der Fall war®*). Im Dezember 1882
wurde infolge dessen ein Gesetzentwurf der Kammer der Deputierten vorgelegt, wor-
nach im ganzen allmählich 3876 qkm Oedflächen aufgeforstet werden sollten, die Kosten
waren pro qkm (= 100 ha) mit 8400 M. einmaligen Auslagen und 993 M. für ständige
Unterhaltung taxiert, so dass für Italiens Wiederbewaldung über 32^/2 Millionen M. in
Ansatz zu bringen sein dürften.
§ 27. Aus diesen grossen Anstrengungen, welche die Staaten Europas machen
müssen, um die enormen Nachteile der planlosen Entwaldung von der gefährdeten Ein-
wohnerschaft ganzer Provinzen abzuwenden, aus diesem Kostenaufwande von hundeiten
von Millionen ergiebt sich die Notwendigkeit, den Gebirgswald da, wo er noch vor-
handen ist, als ein wichtiges öffentliches Gut zu behüten, ihn als eine Art von Nutz-
kapital wie z. B. Strombauten und andere Sicherheitsvorrichtungen zu betrachten, dessen
Funktionen im Haushalt der Nationen höher veranschlagt werden müssen, als die Rente,
welche er seinem jeweiligen Besitzer durch seinen Holzertrag liefert.
In richtiger Erkenntnis dieser Bedeutung der Wälder als Schutzwehren gegen
eine Reihe von Elementarereignissen, durch welche in Gebirgsgegenden die menschliche
Kultur bedroht ist, haben daher schon im Mittelalter Bannlegungen solcher Wälder in
den Hochlagen der Alpen, an steilen Lehnen und in dem zu Abrntschungen neigenden
Terrain stattgefunden. In der Schweiz und Tirol waren es die Gemeinden selbst, welche
die Bannlegung solcher die Gegend schützenden Wälder besorgten, ja selbst gegen-
wärtig dringen in den bayerischen und salzburger Alpen ^^) die Gemeinden im Petitions-
wege auf den Erlass von Gesetzen, welche einen besseren Schutz der Gebirgswaldungen
bezwecken. In anderen Gegenden geschah dies im Wege der landesherrlichen Forst-
ordnungen und in der Gegenwart sind es die verfassungsmässig zustande gekommenen
Gesetze, welche in einzelnen Ländern z. B. in Bayern die Eigenschaften derjenigen
Waldungen präzisieren, die als Schutzwaldungen eine Ausnahme von der Regel der
freien Bewirtschaftung des Eigentums bilden. In der Regel untersagen die Gesetze
bei Strafe den kahlen Abtrieb in Schutzwaldungen (z. B. in Bayern und Württemberg),
während in Oesterreich das kaiserl. Patent vom 3. Dezember 1852 bestimmt:
vier anderen. Durch Berechnungen aus den aufgenommenen Nivellements wurde festgestellt,
dass dieser eine Wildbach in den Jahren 1882 u. 1883 ca. 58 000 cbm Schutt zu Tal be-
fördert habe — eine Katastrophe, welche vorwiegend durch einen Kahlhieb auf einer trichter-
förmigen Mulde im Gehänge verursacht wurde. Das geologische Substrat ist daselbst Glacial-
schutt, welcher ausserordentlich leicht abschlämmbar ist, sobald das Regenwasser direkten
Zutritt zum Boden hat ; wird daher durch unvorsichtige Abschwendung des Waldes und Ent-
fernung des W^urzelgeflechtes samt der Streu der Mineralboden blossgelegt, so bilden sich
bei jedem stärkeren Regengusse tiefe Rinnsale und Unterspülungen der Seitenwände. Der
Möderitschgraben hat eine Länge von 450 m bei einem durchschnittlichen Gefälle von 40®/«
und verläuft fast durchaus zwischen abrutschendem Terrain.
Im kärntnerischen MöUtale ist der Klaus-Kofel der gefürchtetste Wildbach, welcher
früher bei dem geringsten Anlasse eine zerstörende Tätigkeit entfaltete.
94) K. Eheberg „Agrarische Zuständeltaliens". Leipzig 1886. Dunker u. Humblot.
95) Im Jahre 1897 reichten 9 Landgemeinden beim Salzburger Landtage eine solche
Petition ein, auch dem bayerischen Landtage lagen schon solche Gesuche vor.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 5
66 I. Weber, Dio Aufgaben der Forstwirtschaft.
§ 6. „Auf Boden, der bei gänzlicher Freilogung in breiten Flächen leicht fliegend
wird und in schroffer, sehr hoher Lage sollen die Wälder lediglich in schmalen Streifen
oder mittelst allmählicher Durchforstung abgeholzt werden. Die Hochwälder des oberen
Randes der Waldvegetation dürfen jedoch nur im Plenterbetriebe bewirtschaftet werden."
§ 7. „An den Ufern grösserer Gewä.ssir, . . . dann an (Jebirgsabhängen . wo Ab-
rutschungen zu befürchten sind, darf die Holzzucht nur mit Rücksicht auf Hintanhhaltung
von Bodengefährdung betrieben werden.'*
In Preussen bezeichnet das Gesetz vom 6. Juli 1875 die Fälle, unter welchen ein
Wald auf Antrag der Interessenten durch das (xericht als Schutzwald erklärt werden
kann. Das russische Waldschongesetz vom 4. April 1888 betrachtet als Schutzwälder
im engeren Sinne jene Wälder, welche zur Bindung der Dünen und Sandschollen, zum
Schutze landwirtschaftlich benutzter Grundstücke und bewohnter Ortschaften, zum
Schutze der Ufer gegen Abspülung, Unterwaschung und Eisbeschädigung, desgleichen
der Berge gegen Abschwemmungen notwendig sind.
In der Schweiz bezeichnen die Ausführungsbestimmungen zu Art. 24 der Bandes-
verfassung V. J. 1874 die Eigenschaften der Schutzwaldungen folgendermassen :
„Es sind Wälder, welche vermöge ihrer bedeutenden Höhenlage oder durch ihre Lage
an steilen (lebirgshängen, auf Anhöhen, Graten, Rücken und Vorsprüngen, oder in Qiiellen-
gebieten, Engpässen, an Rufen, Bach- und Flussufern oder wegen zu geringer Waldlläclie
einer Gegend zum Schutze gegen schädliche klimatische Einflüsse, Windschaden, Lawinen,
Stein- und Eisschläge, Erdabrutschungen, Untt^rwaschungen, Verrüfungen und Ueberschwem-
mungen dienen.**
Hinsichtlich des Details dieses Gegenstands wird auf das Gebiet der Forstpolitik
verwiesen.
§ 28. Ausser den im vorstehenden bezeichneten Gefahren der Bodenabschweni-
niung, der Ueberflutung oder des unregelraässigen Regimes der Gewässer, sind aber
noch eine Reihe von Rücksichten zu nennen, nach welchen der Wald für das öffent-
liche Wohl in Betracht zu kommen hat. In den Hochgebirgen sind es namentlich die
Lawinen, gegen welche bewohnte Orte oder frequente Strassen durch einen permanen-
ten Gürtel von hohem Holz geschützt werden müssen. Hier ist es also vorzüglich der
mechanische Wiederstand der Stämme und Aeste, welcher die Entstehung der Zusam-
menballung oder des gleichzeitigen Hinabgleitens ausgedehnter Schneefelder bei ein-
tretendem Tauwetter verhindern soll. In Anbetracht der Gefahr rechtfertigt sich auch
hier der gesetzliche Eingriff in die Freiheit des Privateigentumes, welcher in dem Ver-
bot des kahlen Abtriebes ausgedrückt ist.
Aehnliche Gefahren können der Gesamtheit, wie dies schon in dem österreichischen
Gesetze hervorgehoben ist, an den Flüssen durch Uferabrisse zugehen, sobald die Wäl-
der, welche mit ihren Wurzeln das Erdreich zusammenhielten, gefällt werden. Man
findet deshalb an vielen Flüssen das Ufer mit Busch Waldungen innerhalb des Ueber-
schvvemmungsgebietes bestockt, die zugleich bei Ueberschwemmung und Eisgang das
angrenzende Gelände vor Zerstörung schützen. Der Schutz solcher Uferwälder ist be-
sonders in Frankreich durch alte Gesetze gesichert.
In den Sandebenen des Tieflandes und an der Meeresküste verhindert der Wald
die Bildung von Flugsand, teils durch die Erhaltung von Humus und Feuchtigkeit, teils
durch den mechanischen Halt seiner Wurzeln, teils durch Abschwächung der Kraft der
Sturmwinde. Ueberall wo daher ausgedehntere Sandländereien vorkommen, steht ein
öffentliches Interesse an der Erhaltung der sie bedeckenden Wälder auf dem Spiele
und die Gesetzgebung der Kultur-Staaten stellt solche Waldungen unter Kontrolle so
in Preussen (in § 2a des obigen Gesetzes), in Bayern, während in Ungarn nach dem
Gesetz von 1878 in denjenigen Wäldern, durch deren Entfernung die Verbreitung des
Flugsandes gefördert würde, die Rodung, das Stock- und Wurzelgraben, die Weide
Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens etc. § 29. 67
und Streunutzung verboten ist. Von welcher Ausdehnung solche Ländereien sind, er-
gebt sich aus den statistischen Angaben ^^), welche für Preussen 37 448 ha, worunter
28635 ha als fiir die Nachbarschaft gefährliche Sandschellen beziffern, für Frankreich
aber 78006 ha ausmachten.
Uebrigens beschränken sich die Staaten gerade in Hinsicht auf die Sandflächen
und Dünen keineswegs bloss auf Repressivmassregeln mittelst Prohibitivgesetzen, son-
dern es wird in den Kulturländern als eine wichtige Aufgabe der Forstverwaltungen
aufgefasst, durch Aufforstungen der Sandschollen und Dünen, die Weiten^erbreitung
über das anstossende Kulturland zu verhindern — eine Gefahr, der im Reggsbezirk
Bromberg allein in den letzten 20 Jahren ca. 6000 ha unterlegen sind.
Der Schauplatz der ausgedehntesten Dünenaufforstungen war Frankreich, wo sei-
tens des Ministeriums der öffentlichten Arbeiten 45 238 ha Dünen wieder bewaldet wur-
den, während die Forstverwaltung seit 1862 gegen 14700 ha Dünen aufforstete, die
Privaten dagegen 16 939 ha kultivierten. So kommt es, dass die Landes, ehemals ein
unfruchtbarer Dünenlandstrich, der sich von der Mündung der Garonne bis zu jener
des Adour in einer Länge von 240 km erstreckt, gegenwärtig das waldreichste Depar-
tement Frankreichs geworden sind. Die Erfolge dieser Aufforstungen waren über-
raschend günstige, indem sowohl das Klima günstiger als auch infolge des Austrocknens
der sumpfigen Strecken mit Ortstein-Untergrund der Boden assaniert wurde, so dass
sich die Gesundheitsverhältnisse der Einwohner ganz erheblich besserten.
§ 29. Aber selbst da, wo keine unmittelbaren Gefährdungen der Nachbarschaft
zu befürchten sind , ist die Erhaltung des Waldes auf allen absoluten
Waldböden eine höchst notwendige Massregel und im Interesse der Gesamtheit
dringend zu wünschen. Schon in der Einleitung haben wir die Grenzen betrachtet,
bis zu welchen hinsichtlich der geographischen Breite sowie der vertikalen Erhebung
der Wald noch gedeihen kann. Zwischen der Baumgrenze und dem landwirtschaftlichen
benutzbaren Terrain liegt aber eine breite Region bezw. Zone, wo der Wald die alleinige
Vegetationsform ist, die noch Produkte liefern kann, ebenso zieht die Steilheit des
Terrains, die zu grosse Durchlässigkeit des Bodens etc. auch ausserhalb der Gebirge
gewisse Grenzen, die der landwirtschaftliche Betrieb nicht zu überschreiten vermag
und wo eine Düngung und Bearbeitung nicht rentiert, oder wo die Schafweide sich
nicht lohnt. Wird auf solchen Flächen der Wald vernichtet, so sind ertraglose Oed-
ilächen das Resultat — Flächen, die für die menschlichen Bedürfnisse oft gar keinen
Ertrag liefern und nur aus Bergheiden, Steppen, Pusten oder Sandflächen bestehen.
Das Bestreben, solche Oedländereien aufzuforsten, ist schon sehr alt, denn wir finden
diesbezügliche Anordnungen 1579 in der Hohenlohe'schen Forstordnung, 1756 in der
schlesischen Forstordnung und bei Noe Meurer, ferner im Oldenburgischen. Wie Fisch-
bach erzählt, haben aber die Hofbesitzer die gute Absicht der letzteren Regierung da-
durch vereitelt, dass sie zwar den gelieferten Kiefemsamen pflichtmässig aussäten,
nachdem sie ihn aber zuvor in siedendem Wasser abgetötet hatten.
Für 0 esterreich z.B. giebt der neue Kataster diese Oedf lachen, welche
z. Z. unproduktiv sind, jedoch zur Holzzucht geeignet wären, auf
über 4900 qkm, d. h. nahezu ^2 Million Hektar an, darunter allein in Dalmatien
264400 ha. D er eigen tliche K ar st des sog. „Küstenlandes** umfasst die poli-
tischen Bezirke von Sesana und z. Teil von Görz und Gradiska, er bildet eine ca. 40
Kilometer lange und 15 — 20 km breite Terrasse von nur 200 — 400 m Seehöhe, durch-
brochen von einzelnen steilen Talschluchten und von zahlreichen kesseiförmigen Mulden
96) Hagen-Donner „Die forstl. Verhältnisse Preussens". IL Bd. S. 30.
5*
68 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
(„Dolinen"). Er besteht grösstenteils aus Kreide-Bildungen, welche nach der Entwal-
dung leicht austrocknen und ihrer Humusdecke verlustig werden. Aehnliche Bodenver-
hältnisse wiederholen sich aber vielfach in der Halbinsel Istrien, im Gebiete von Triest.
Die Flächengrösse der Weiden, Wälder und unproduktiven Gründe im Aufforstungs-
gebiete von Triest, Görz-Gradiska und Istrien zusammen beträgt 276 882 ha. Bis Ende
1899 wurden von der Aufforstungskommission für den Karst an Gesamtkost-en 828200
Kronen verausgabt, wovon speziell auf Forstkulturen ca. 420 (KX) Kronen treffen, wo-
mit die Anpflanzung von 60 Millionen Pflanzen und die Ansaat mit 4570 kg Samen
geleistet wurde. — Ausführlichere Angaben über „die Karstbewaldung im Österreich-
illyrischen Küstenlande** nach dem Stande von 1899 hat der k. k. Forstrat J. Pncich
in Triest in einer unter diesem Titel daselbst erschienenen Monographie dargestellt, in
welcher auch die Verdienste der in diesen Aufforstungen thätigen Forstwirte (Salzer,
Herm. von Guttenberg, Rossipal etc.) gewürdigt sind. Amtlich angeordnet wurde in
OesteiTeich in den Jahren 1878 — 80 die Aufforstung von
140,7 qkm in den Alpenländem
25.4 „ im Küstenland und Dalmatien
60.5 „ in den Sudetenländem
82.6 „ in den Karpathenländern.
In den Ländern Cisleithaniens wurden allein in den 4 Jahren 1891 — 95 amtlich
die Aufforstungen von 51376 ha Schlägen und Oedflächen angeordnet, ferner forst-
polizeiliche Vorkehrungen gegen Waldverwüstung auf 406030 ha getroffen.
Für Ungarn giebt B e d ö ®^) die unproduktiven Flächen auf 396 qkm an, wo-
von 285 qkm auf das eigentliche Ungarn, 111 qkm auf Kroatien und Hlavonien entfallen.
In Frankreich*-^^) sind allein in den Staatsforsten: in den Gemeindewäldem :
Oedflächen, die einen Ertrag abwerfen 147 qkm 58 qkm
„ die einer Aufforstung fähig sind 409 „ 533 „
n yi Ti n iiicht fähig sind 753 „ 434 „
im ganzen 13(39 qkm 1025 qkm
also ohne Einrechnung der Privatgründe 2334 qkm Oedland.
Die Gegend von Toulouse weist allein 542 qkm, Comka 136 qkm Oedflächen
auf, während man für ganz Frankreich diese Flächen auf 26500 qkm schätzt, freilich
inkl. der Hochgebirge und der Kommunikationswege, also = 4,9^/o der Landesfläche.
Viel höhere Prozentanteile des unproduktiven Geländes weist Grossbritannien inkl. Ir-
land auf, wo ll,l^/o der Landesfläche, Griechenland, wo 15,2®/o Oedland sein soll, wäh-
rend hingegen im Deutschen Reiche nur 2,7°/o darunter zu rechnen sind, was
offenbar nur der daselbst seit Jahrhunderten konsequent durchgeführten Pflege der
Wälder zuzuschreiben. Immerhin besitzt aber doch Preussen über 3 Millionen ha Wei-
den, Hutungen, Oed- und Unland, wovon mehr als eine halbe Million ha aufforstungs-
fähig ist. Dauernden Schaden von schwer zu berechnender Höhe hat Italien durch die
ausgedehnten Entwaldungen erfahren, welche in dem langen Verlaufe seiner geschicht-
lichen Entwicklung vorgekommen sind; durch Blosslegung des humosen Bodens wurde
dieser an vielen Stellen der Gebirge ausgedörrt, vom Winde verweht oder von Regen-
güssen hinabgespült, so dass kahle, trockene Felspartien und mit Geröll überschüttete
Talgründe die Folge waren, wodurch die Ertragsfähigkeit vieler Gebiete empfindlich
beschädigt, ja oft vernichtet wurde.
97) Bedö Beschreibung der Wälder des ungarischen Staates. Budapest 1885. III. Bd.
Seite 13.
98) Nach der Statistique foresti^re. Paris 1878. Impr. nationale.
Bedeutaiig des Waldes als mechanisches Hindernis für die Befestigung des Bodens etc. § 29. 69
Mit Recht ist daher in den letzten Dezennien ein förmlicher Wetteifer der ein-
zelnen Staaten entbrannt, diese ungeheuren ertraglosen Flächen der menschlichen Be-
dürfnisbefriedigung dienstbar zu machen, in Preussen sind, nachdem schon 1854 — 61
durch die Aufforstungsarbeiten im Eifel gebiete ca. 8000 ha grosse Flächen in Bestand
gebracht worden waren, durch das Gesetz von 1871 jährlich über 1 Million Mark in
das Ordinarium des Forstbudgets behufs Ankauf und Aufforstung von Oedgrundstücken
eingesetzt worden, seit 1895 sogar 2 Millionen M., wodurch namentlich in den Heiden
und Mooren an der Ems, Weser, in der Lüneburger Heide, sowie in Holstein alljähr-
lich bedeutendes zur Hebung der Landeskultur geschieht. Die preussische Staatsforst-
verwaltung hat 1867 bis 1892 für Aufforstungszwecke angekauft 134633 ha um nahezu
22^/2 Millionen Mark, ausserdem aber beträchtliche Aufforstungsprämien an Private ge-
währt und in einem Jahre (1893) an die Waldbesitzer ca. 32 Millionen Pflanzen abge-
geben. Diese Bestrebungen des Staates werden ausserdem unterstützt durch die Pro-
vinzialverwaltungen, Kommunen und juristischen Korporationen sowie die Grossgrund-
besitzer. So hat z. B. die Klosterkammer in Hannover in den letzten 30 Jahren ihr
Forstgebiet um fast 6000 ha, die Provinz Hannover das ihre in 8 Jahren um ca. 8000 ha
vergrössert. Der umfangreichen Aufforstungsarbeiten Frankreichs wurde schon oben
gedacht und es ist nur noch auf Russland hinzuweisen, wo die Steppenaufforstung in
den südlichen Gouvernements mit solcher Energie fortgesetzt wird, dass seit 1843 im
ganzen ca. 15000 ha Steppenland auf Staatskosten, 7000 ha auf Kosten der Gemeinden
und Privaten bewaldet worden sind, deren günstige Entwicklung zu fortwährend neuen
Anstrengungen anreizt.
Gerade in neuester Zeit sind aus Russland höchst interessante Tatsachen berichtet
worden^®), welche zeigen, dass daselbst der Wassererhaltung durch Bewaldung eine
grosse Aufmerksamkeit und auch beträchtliche Mittel zugewendet werden. Aus Anlass
des bekannten Notstandes durch die Missernten im Jahre 1891, welcher sich auf 24
Gouvernements erstreckte, wurden kommissarische Beratungen über die auszuführenden
Notstands-Arbeiten gepflogen und dabei unter anderem der Regierung empfohlen, als
im allgemeinen Landesinteresse liegend zur Ausführung zu bringen: 1. Befestigung der
steilen Böschungen und Talränder durch lebende Hecken in Verbindung mit Aufforstung
der Plateauränder und Gipfel. 2. Anlage von Hecken und Gebüschen in der offenen
Steppe zum Aufhalten des Schnees und zur besseren landwirtschaftlichen Ausnutzung
des Frühjahrs-Regenwassers. 3. Schaffung von W^asserreservoirs in den natürlichen
Becken durch Eindämmung des Regen- und Schneewassers (Talsperren); Bepflanzung
der Reservoirs mit Bäumen und Bewaldung der Flussufer. 4. Aufforstung aller Sand-
schollen und des absoluten Waldbodens. 5. Anlage von Auff'orstungs- Versuchsflächen
und meteorologischen Observatorien in den Steppen des Wolga-, Don- und Dnieper-
Gebietes.
Ausführlichere Daten über „das europäische Oedland, seine Bedeutung und Kul-
tur" enthält eine bei Sauerländer in Frankfurt unter diesem Titel erschienene Mono-
graphie von Dr. Rieh. Grieb, auf welche hiemit verwiesen wird. Es sind aber nicht
bloss die vollständig zu Oedland gewordenen Flächen, die im Interesse des öffentlichen
Wohles der Aufforstung zugeführt werden sollten, sondern die staatliche Fürsorge wen-
det sich neuerdings in vielen Ländern auch der besseren Bewirtschaftung und pfleg-
licheren Behandlung der kleineren Privatwälder zu. Nach der Anbau-Statistik sind in
Preussen ca. 750000 ha Privatwaldungen, die Parzellen von weniger als 10 ha bilden
und die vielfach als verwüstet zu bezeichnen sind ; in Bayern sind es 578 584 ha Par-
99) Lesnoi diclo. 1893.
70 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Zellen unter 10 ha, welche als Bestandteile von ca. V« Million Banerngüter gezählt
werden, während 419905 ha Privatwaldungen zwischen 10 bis 100 ha Flächeni^össe
besitzen. Es wird daher die zweckmässige Art der Bewirtschaftung, besonders der
Wiederverjiigung dieser Kategorie von Wäldern als ein zu erstrebendes Ziel der Ver-
waltungsthätigkeit zu gelten haben, das sowohl durch Belehrung und Unterricht, als
durch Lieferung von Pflanzen aus den staatlichen Pflanzgärten, endlich durch Bildung
von Waldgenossenschaften sowie durch Beihilfe mit Rat und Tat seitens der staatUchen
Forstbehörden erreicht werden kann.
Es ist erfreulich, dass in unserer gewohnheitsmässig „egoistisch" gescholtenen
Zeit fast alle Staaten sich grosse Opfer für das Wohl einer fernen Zukunft auferlegen,
dass eine Reihe von Forsttechnikem ihre ganze Energie an die Lebensaufgabe setzen,
die Wohltaten des Waldes der Gesamtheit zu Gute kommen zu lassen und die wirt-
schaftlichen Sünden der vergangenen Generationen wieder nach Möglichkeit gut zu
machen.
§ 30. Die Abhandlung über die Bedeutung der Wälder für das öffentliche Wohl
würde unvollständig sein, wenn die so vielfach behauptete sanitäre Wirkung
derselben unerwähnt bliebe. In der Tat haben sowohl in Europa als namentlich in
tropischen Ländern verschiedene eklatante Fälle gezeigt, dass Gegenden, welche früher
ein gesundes Klima hatten, nach der Zerstörung der Wälder von Fieberluft erfüllt
wurden, so namentlich in Südkarolina und Ostindien. Umgekehrt haben mannigfache
Erfahrungen gezeigt, dass schädliche endemische Sumpflieber durch Anpflanzung von
Bäumen und Wäldern zum Verschwinden gebracht wurden, wie z. B. in den toskani-
schen Maremmen oder in den viel besprochenen Eucalyptus-Kulturen beim Kloster Tre
fontane in der Campagna di Roma. Ein ähnliches Beispiel teilte mir Herr von Kern,
Direktor des St. Petersburger Forstinstituts, mit, welches die Wirkung der im vorigen
§ erwähnten Steppenaufforstungen betrifft. Die deutschen Kolonisten am Milchflusse
(Molotschnaja) versichern nämlich, dass seit den Aufforstungen längs des Flussufers die
vorher in dieser Gegend stets vorgekommenen eigentümlichen Fiebererscheinungen in
auffälliger Weise selten geworden sind. In Deutschland soll nach Schulzen ^^) die Be-
merkung wiederholt gemacht worden sein, dass die Weidenheeger eine sanitäre Ein-
wirkung auf die Verminderung der Fieberfälle einer Gegend ausgeübt hätten. Durch
die Forschungen Robert Koch's und Anderer über die Uebertragung der Malaria durch
Stechmücken ist der Zusammenhang zwischen Versumpfung und Fieberzunahme leichter
verständlich geworden, da die Larven der Mücken sich unter dem Wasser von stehen-
den Tümpeln entwickeln. Im heissen Klima wirkt aber der Wald, wie schon oben
auseinandergesetzt wurde, durch sein Wurzelnetz im Verein mit der Transspiration
austrocknend auf den Boden, also entsumpfend, wodurch den culex- Arten ihre Entwick-
lungs-Bedingungen entzogen werden. Diese Frage ist namentlich im Hinblick auf die
Eucalyptus-Kulturen von Professor Perona^®^) eingehender beleuchtet worden, der es
allerdings als nicht bewiesen ansieht, dass die Ursache in einer Entwässerung des ver-
sumpften Untergrundes durch Vermittlung der Baumwurzeln und Verdunstung der
Blätter sondern mehr in der besseren Durchlüftung des Bodens und der Kanalisierung
gesucht werden müsse. Daneben wurde auch von manchen die Behauptung aufgestellt,
dass der durch tausendfältige Verzweigungen in einander greifende Kronenschirm des
Waldes nach Art eines sog. Luftfilters auf die Reinigung der Luft von Sporen der
Spaltpilze und Bakterien wirke. Prof. Dr. Ebermayer suchte auf experimentellem Wege
100) Schulzen „Die Korbweidenkultur" . Berlin 1884.
101) Allgem. Forst- u. Jagdztg. Januarheft 1885.
Die Forstwirtschaft vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkte aus betrachtet. § 31. 71
dieser Frage näher zu treten, indem er ausgedehnte Untei'suchungen des Ozongehaltes
der Luft auf den Stationen des bayerischen Netzes anstellte, die allerdings einen auf-
fallend hohen Ozongehalt bei allen Waldstationen gegenüber jenem der Städte ergaben.
Anch seine Messungen des Kohlensäuregehaltes ^^^) , sowie des Sauerstoffgehaltes der
Waldluft sind hieher zu rechnen, da sie für die Frage der sanitären Bedeutung des
\Valdes wertvolles positives Material ergeben, auf das hier aber nur hingewiesen wer-
den kann.
Endlich erwähne ich noch das sozialpolitische Element, das in dem Gegensatze
des freien Waldes gegen die Gebundenheit alles übrigen Eigentums liegt und das Prof.
W. H. V. Riehl als einen so mächtigen Faktor in der Entwicklung des Gefühlslebens
des deutschen Volkes gefeiert hat. Die ethische und ästhetische Wirkung des Waldes
auf das Volksleben, auf Geschmack und Kunstsinn ist niemals mit beredteren Worten
gepriesen worden, als in seinem „Land und Leute" ; jeder, der diese von edler Begei-
sterung getragenen Worte liest, fühlt den hohen Wert dieser Betrachtungsweise, wenn
sie auch ökonomisch zu den Imponderabilien gehört.
Die Foi*stwirtschaft vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkte ans betrachtet.
1. Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtsehaft.
Litter aturnachweis über Forstwissenschaft im allgemeinen. Moser ^Grundsätze der
Forstökonomie'^. Frankfurt u. Leipziji^ 1757. — Walt her „Handbuch der Forstwissen-
schaft*. Ansbach 1787. — Jeitter , Versuch eines Handbuches der Forstwissenschaft".
Tübingen 1789. — Nau. B. S. „Anleitung zur deutschen Forstwissenschaft". Mainz 1790.
— Späth J. L. „Handbuch der Forstwissenschaft". Nürnberg 1801.-- Medicus L.W.
j, Forsthandbuch oder Anleitung zur deutschen Forstwissenschaft". Tübingen 1802. — von
Seutter „Vollständiges Handbuch der Forstwissenschaft". Ulm 1808. — Klein J. J.
„Forsthandbuch" . Frankfurt 1 826. — Hundeshagen , Encyklopädie der Forstwissen-
schaft". Tübingen 1821. — Pfeil „Grundsätze der Forstwirtschaft". Züllichau 1822.—
Widemann „System der Forstwissenschaft". Tübingen 1824. — Hart ig G. L. „Die
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wissenschaft". Lüneburg 1841. - Liebich Chr. „Compendium der Forstwissenschaft".
Wien 18.54. — Stahl G. „Handbuch der Fortswissenschaft". Berlin 1858. — Fisch-
bach C. , Lehrbuch der Forstwissenschaft". Stutt^^art, II. Aufl. 1868. — Bernhardt
> Waldwirtschaft und Waldschutz. Berlin 1869. — Hess R. „Grundriss zu Vorlesungen über
Encyklopädie der Forstwissenschaft. Giessen 1873. — Döhl „Waldungen und Waldwirt-
wirtschaft". Elberfeld 1876. — Roth C. „Wald und Waldbenutzung". München 1880.—
Fürst. Forst- und Jagdlexikon". Berlin 1888. — v. D o m b r o w s k i „Encyklopädie d.
F.- u. J.-Wissenschaft." Wien 1888.
§ 31. Die Forstwirtschaft ist eine Bodenwirtschaft, wie die Landwirtschaft, der
Gartenbau, der Obst- und Weinbau, d. h. sie sucht wie diese mittelst ökonomischer
Benützung der im Pflanzenleben tätigen Naturkräfte und der zur Pflanzenemährung
erforderlichen Stoffe des Bodens „organische Substanz" für den Gebrauch der
menschlichen Gesellschaft zu produzieren. Diese Produktion ist aber, wie uns die Physik
lehrt, im Grunde genommen nichts anderes als Umwandlung der lebendigen Kraft des
Sonnenlichtes in „potentielle Energie", indem diejenigen Teile des Sonnenspektrums,
welche unserem Auge als besonders hell erscheinen, in den chlorophyllhaltigen Pflanzen-
zellen eine chemische Arbeit verrichten. Die Pflanze ist also das Mittel, um einen Teil
der lebendigen Kraft der Aetherwellen des Sonnenlichtes zur Ueberwindung der chemi-
102) Dr. E. E b 6 r m a y e r „Die Beschaffenheit der Waldluft" . Stuttgart 1885. F. Enke.
Derselbe: „Hygienische Bedeutung der Waldluft und des Waldbodens". Allg. F. u. J.-Ztg.
1890. S. 377.
72 I, Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
sehen Anziehan^skraft zu benützen, welche zwischen den beiden Bestandteilen des
Kohlensäuregases der Atmosphäre herrscht und nm Stoffe zu kombinieren, in
welchen diese Spannkraft fixiert ist. Chemisch betrachtet wird dabei
Kohlenstoff ans dieser Verbindung mit Sanerstoff losgel()st und in andere sanerstoff-
ärmere organische Verbindungen eingeführt, welche sich bei dem Assimilaüonsprozess
in der Pfianzenzelle bilden und die wägbare verbrennliche Substanz des Pflanzenkörpers
bei diesem Vegetationsvorgang vermehren. Die charakteristischen Vorgänge bei dem
Assimilations- Vorgange in der chlorophyllführenden Pflanze sind daher : die Absorption
von Kohlensäuregas (Kohlendioxyd) aus der Atmosphäre, dessen Zerlegung in Kohlen-
stoff und Sauerstoff unter Einwirkung derjenigen Aetherwellen des Sonnenlichtes, welche
zwischen 0,00039 bis 0,00068 mm Wellenlänge besitzen. Aushauchung des freien Sauer-
stoffgases und Bildung organischer Verbindungen aus dem assimilierten Kohlenstoffe.
Welcher Art diese ersten Produkte des Assimilationsprozesses sind, lässt sich bis jetzt
nur hypothetisch behaupten; nach der Liebig'schen Theorie würde durch fortgesetzte
Desoxydations Vorgänge und Wasseraufnahme aus der Kohlensäure zunächst Oxalsäure
und Ameisensäure, dann Weinsäure, Aepfelsäure und Zitronensäure entstehen, während
Professor von Baeyer annimmt, dass auf einem direkten Wege die Desoxydation von
wässeriger Kohlensäurelösung zu Ameisensäure-Aldehyd und weiter durch Verdichtung
zu Glykose wahrscheinlicher sei — eine Hypothese, welche durch die jüngst gelungene
Darstellung einer Zuckerart aus dem Ameisensäure-Aldehyd eine bedeutende Stütze er-
halten hat.
Wie dem auch sei, so haben diese Stoffe für die Praxis der Pflanzenzucht nur
die Bedeutung von Durchgangsgliedem einer Reihe von weit;eren physiologischen Um-
setzungen der einmal gebildeten organischen Materie, als deren Endglieder eine nach
Pflanzenarten wechselnde Menge von Cellulose, Lignose, Stärkemehl, Zucker, Harze,
Eiweissstoffe und Gummi und verschiedene andere Stoffe im Pflanzenkörper aufgespei-
chert werden.
Die Forstwirtschaft unterscheidet sich in dieser Hinsicht nun wesentlich dadurch
von dem Ackerbau und den übrigen landwirtschaftlichen Betrieben, dass ihre Nutz-
pflanzen nicht jährlich Ernten liefern und dass sie in erster Linie Cellulose
und deren Umwandlungsprodukte erzeugen will, während letztere vorzüg-
lich Stärkemehl und Protei'nstoffe , zuweilen auch Zuckerarten zu produzieren strebt.
Nur bei gewissen forstlichen Betrieben legt man auf Gerbstoff- oder Harzge-
winnung ein grösseres Gewicht als auf die Holzerzeugung.
§ 32. Wie in diesen Zielen der Produktion so unterscheidet sich auch bezüglich
der dazu führenden Wege die Forstwirtschaft in charakteristischer Weise von den
landwirtschaftlichen Betrieben. Erfahrungsgemäss verläuft nämlich der oben geschil-
derte Assimilationsprozess nur bei Gegenwart einer Anzahl unorganischer Stoffe,
die in Form von Salzen in der assimilierenden Pflanzenzelle vorhanden sein müssen
und in wässeriger Lösung durch die Wurzeln aus dem Boden aufgenommen werden.
Da diese Salze des Kaliums, Natriums, Calciums, Magnesiums, Eisens, des Phosphors,
Schwefels und Siliciums sich nach der Verbrennung der Pflanzensubstanz als Asche
vorfinden, so nennt man sie zusammen die Aschenbestandteile und bezeichnet
sie in jener löslichen Form, wie sie im Boden vorkommen, als mineralische Pflanzen-
nährstoffe. Während nun der Getreidebau, der Anbau von Futter- und Handelsge-
wächsen beträchtliche Mengen der besonders beachtenswerten Nährstoffe Phosphorsäure
und Kalium zu ihrer jährlichen Produktion erfordern, ist dies bei den Waldbäumen in
viel minderem Masse der Fall, weil zur Holzerzeugung diese Stoffe erfahrungsgemäss
nicht in solchen Mengen notwendig sind, als zur Bildung von Stärkmehl und Eiweiss-
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 32.
73
Stoffen. Dazu kommt noch, dass die Waldbäume die im Boden gewöhnlich spärlicher
enthaltene Phosphorsäure sowie das Kalium so zu sagen höchst sparsam verwenden,
indem sie diese Stoffe aus den absterbenden Blättern im Herbst in den Stamm zurück-
ziehen und im nächsten Jahre wiederholt zu den Assimilationsvorgängen ven^^en-
den, wie sie dieselben auch im Holzkörper aus den bereits fertig gebildeten inneren
Partien entfernen und den im Wachsen begriffenen peripherischen Teilen des Splintes
nnd Kambiums zufuhren. Infolge dessen bedarf ein Kartoffelfeld zu einer mittleren
Ernte pro ha an Phosphorsäure 3 mal mehr als 1 ha Buchenwald, 5 mal mehr als 1 ha
Fichtenwald und 9 mal mehr als 1 ha Kiefernwald zur jährlichen Produktion, während
der jährliche Kalibedarf des Kartoffelfeldes von jenem des Buchen-, Fichten- und Kie-
tembestandes das 9fache, 13fache und 17fache ist.
Einen ziffermässigen Ausdruck für die Mengen der einzelnen Aschenbestandteile,
welche die Forstwirtschaft dem Boden durch ihre Ernten entzieht, haben zahlreiche
Analysen geliefert, welche in den Laboratorien der forstlichen Versuchsanstalten und
Akademien (darunter ca. die Hälfte vom Referenten selbst) ausgeführt worden sind.
Demnach entzieht man dem Waldboden durch die Produktion von 1 Festmeter Holz
nachstehende Mengen dieser Stoffe:
Ein Festmeter Holz enthält Gramm:
Holzart und Alter
I. Im Derbholze
Buche 50jäbrig . . .
j. 90 , ...
» 220 , ...
Trauben-Eiche 50jähr.
, 345 ,
Birke 50j ährig . . .
Weisstanne 90jährig ,
144 ,
150 ,
Fichte lOOjährig . .
120 , . . .
, 150 « . . .
Lärche 45jährig . .
Kiefer
II. Im Reishoize
Buche 220jähriff . .
Trauben-Eiche 345jähr.
Birke 50j ährig . . .
Weisstanne 90jährig .
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Schwef
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2709
3850
4038
5401
2116
1792
1885
1728
2449
1629
1691
2317
1359
1100
5875
11347
3795
10952
7613
10973
7323
4676
671
1053
781
701
565
318
608
692
391
230
274
343
318
166
1737
1683
798
1945
1725
1432
1392
793
39
79
64
149
152
13
10
61
13
22
25
10
44
6
135
206
42
80
164
135
114
104
1175
1518
2165
3950
1175
591
236
525
1742
750
879
1733
657
683
2194
7826
1075
1211
2249
2146
2374
2150
280
441
550
159
57
254
159
247
103
117
223
80
197
115
815
570
498
848
1228
672
997
554
48
75
37
35
24
21
43
21
20
44
41
22
41
8
81
102
69
564
497
222
258
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62
157
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171
20
11
202
45
42
43
296
141
10
634
111
43
102
61
118
55
285
56
27
47
78
44
69
43
—
112
19
5
69
15
103
427
103
647
196
424
603
55
3542
1072
722
265
639
457
1046
956
379
157
581
185
16
626
91
187
387
217
106
58
148
41
19
7
95
80
17
61
33
280
117
231
968
389
3905
1265
286
Ein Raummeter Waldstreu enthält durchschnittl. Gramm:
Buchenlaubstreu
Fi chtennadelstreu
Weisstann enstreu
Kiefemnadelstreu
Moos streu . .
Farnkräuter trocken .
Haidekraut . .
4321
230
1 46
1910
282
119
243
84
6066
216
75
2716
311
125
28
286
94
5072
352
71
3250
338
145
101
375
125
1480
153
65
600
153
50
80
117
54
2602
640
119
460
211
153
69
401
139
m .
3515
1252
142
431
243
57
266
287
122
• •
1102
142
72
237 !
103
45
57
74
45
1407
2215
315
208
410
715
827
74
I. Weber. Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Holzart und Alter
es
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I ^ «
I 0^
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9
I '®
Ein Hektar Wald bedarf zur Holzproduktion alljährlich Graiuni:
Buchenhochwald .
dto. auf Basaltboden
Weiastanne, Tonschie-
fer .....
dto. auf Granit . .
Fichte, Tonschiefer .
Kiefer auf Basalt . .
dto. auf Sandboden
der Mark . .
33600
45710
34340
7400
7160
9260
60
1450
210
16100
22250
4120
4100
5750
2810
700
270
1140
500
11420
2200
4280
2530
400
330
1300
16930
29040
13440
5680
4080
2090
510
870
170
5080
10240
7680
2540
1980
1440
560
710
120
280
4180
70
1170
1630
1120
760
6^0
220
1
14860
2850
7250
1720
— .
870
860
' 2100
3740
1550
45«)
5(J40
580
Durch Streunutzung wird dem Waldboden pro Hektar jährlich entzogen
Kilogramm
In Buchenbeständen
, Fichtenbeständen
- Kiefernbeständen
185,54
9,87
1,09
81,92
12,22
5.1!
10,46
3,63
135,92
4,82
1,68
60,04
6,96
8,42
6,41
2,10
46,52
4,84
2,04
18,87
4,80
4,07
3,68
1,69
60,36
49,60
6,:>3
Diese Mengen des jährlichen Bedarfes an Aschenbestandteilen drücken das Mass
der Ansprüche, welche die Forstgewächse an die Bodenfruchtbarkeit stellen, wenigstens
nach dieser einen Hinsicht aus. In bezug auf das gegenseitige Verhältnis dieser An-
sprüche zeigen die Zahlenreihen für Stammholz , dass wenn der K a 1 i g e h a 1 1 von
1 Festmeter Kiefernholz als Einheit gesetzt wird,
die Buche 4 — 6V2 mal mehr
„ Eiche 3V4— 4
„ Tanne 2V2— 37*2 ,
j, Lärche 2 « -,
., Birke 2 « .,
; Fichte IV2-2
enthält. Ebenso übertrifft in bezug auf den Phosphorsäuregehalt jede der
Holzarten das Kiefernholz, nämlich
die Buche 27* — 3 mal
., Eiche 3 .,
„ Tanne IV2— 1^/4 .,
^ Lärche IV» „
„ Birke 2
„ Fichte nur unbedeutend.
In der abfallenden Streu der Buche ist zwar pro Raummeter weniger an
diesen beiden Stoffen enthalten, allein in dem Anfall pro ha verhält sich die Phosphor-
säuremenge des Kiefernbestandes zu jener der Fichte und Kiefer nahezu wie 1:2:3.
Demnach drücken diese Ergebnisse in exakter Weise dasselbe aus, was die tägliche
Erfahrung der Praxis über die Verschiedenheit der Anforderungen unserer Waldbäume
an die Bodengüte lehrt. Wenn man aber vollends diese Zahlen mit den korrespon-
dierenden der landwiitschaftlichen Produkte ^°^) vergleicht, so ergiebt sich mit mathe-
mathischer Schärfe der grosse Unterschied zwischen den anspruchsloseren forstlichen
Gewächsen und den landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Daraus folgt mit Notwendigkeit :
1) dass die Waldbäume mit gleichen Kali- und Phosphorsäuremengen eine viel
103) Dr. E. Wolff „Aschenanalysen von land- und forstwirtschaftlichen Produkten'
I. Teil 1871. II. Teil 1880. Berlin, P. Parey.
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 33. 75
grössere Jahresproduktion an organischer Substanz bewirken, als die Gewächse des
landwirtschaftlichen Betriebes ;
2) dass femer eine Bodenerschöpfung durch den forstlichen Betrieb nicht so leicht
zu befürchten steht, sofeme der Streuabfall dem Waldboden verbleibt;
3) dajss ein jährlicher oder periodischer Ersatz mittelst Düngung im Forsthaus-
halt nicht notwendig ist, ausgenommen bei Erziehung von jungen Pflanzen im Saat-
und Pflanzbeete, wegen des grossen Kali- und Phosphorsäurereichtumes dieser jungen,
noch zarten Pflanzenteile und wegen der geringen Verbreitung der Wurzelstränge im
Boden.
4) dass ein Forstbetrieb noch auf Böden stattfinden kann, welche aus Mangel an
genügendem mineralischen Nährstoffkapitale für landwirtschaftliche Zwecke unbenutzbar
sind oder die durch Eaubbau in ihrer Fruchtbarkeit zu sehr geschwächt wurden, um
noch landwirtschaftliche Ernten hervorzubringen.
5) Dass die Bäume durch ihre tief gehenden Wurzeln Nährstoffe vom Untergrunde
emporheben und durch das fallende Laub den obersten Bodenschichten zuführen, diese
also bereichem,
6) dass die Baumarten vor allem viel Kalk und Magnesia zu ihrem Wachstum
bedürfen und zwar oft mehr als landwirtschaftliche Nutzpflanzen.
§ 33. Ein ähnliches Verhältnis, wie soeben bezüglich des Kali- und Phosphor-
säurebedarfes gezeigt wurde, waltet auch in bezug auf den Stickstoffbedarf der forst-
lichen Betriebe gegenüber den landwirtschaftlichen. Die Untersuchungen zahlreicher^®*)
Agrikulturchemiker haben gezeigt, dass den Pflanzen die Fähigkeit abgehe, den freien
Stickstoff der Atmosphäre zum Aufbau ihrer stickstoffhaltigen Bestandteile zu verwen-
den, sondern sie sind mit ihrem Bedarf hieran auf die Verbindungen des Ammoniaks,
die salpetersauren und salpetrigsauren Salze im Boden und im Regenwasser angewiesen.
Der Boden enthält aber in seinem natürlichen Zustande nur relativ geringe Mengen
von Ammoniaksalzen und Nitraten, die sich in der Regel erst durch die vorausgehende
Vegetation ansammelten und aus den natürlichen Stickstoffquellen der Atmosphäre z. B.
elektrische Entladungen, Verdunstungsvorgänge etc. herstammen. Aus mehrjährigen
Beobachtungen der Regenmengen und Bestimmungen der Mengen des darin in Form
von Ammoniak und Nitraten enthaltenen Stickstoffs an verschiedenen Stationen ergab
sich, dass alljährlich im grossen Durchschnitte IIV* bis 12^/4 kg pro ha gebundener Stick-
stoff durch die atmosphärischen Niederschläge zu Boden gelangen. Der Boden selbst
enthält namentlich in den angeschwemmten Tonböden gewisse Quantitäten gebundenen
Stickstoffes, die aber durch eine Reihe von Ernten meist bald erschöpft werden, denn
der Landwirt entzieht nach den Versuchen von J. H. Gilbert und Lawes pro Jahr und
Hektar
in einer Weizenernte durchschnittlich 23 kg geb. Stickstoff
„ „ Gerstenemte „ 20 „ „ „
„ ., Hülsenfrüchtenemte „ 35 „ ,, „
„ „ Heu- und Kleeernte ., 37 „ „ n
nach Graf zur Lippe- Weissenfeid aber
in einer Weizenerate 62,4 kg
104) Ausser den Versuchen von Boussingault , J. v. Liebig, Gilbert und Lawes sind
namentlich jene von Barral, Bobierre, Bineau, Nessler, Knop und Wolff. Fresenius, Gräger,
Hünefeld, Kamp, de Porre, Ville sowie die gleichzeitig im Jahre 1866 — 67 an sämtlichen
preussischen Versuchsanstalten vorgenommenen Untersuchungen zu nennen. In forstl. Beziehung
Bind die Untersuchungen von Krutzsch, Chevandier, Fliehe, Grandeau und J. v. Schröder be-
sonders wichtig. Ueber die Beteiligung der Mycorhizen s. den botanischen Abschnitt.
76 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
in einer Kartoffelernte 60,9 kg
« ^ Roggenemte 51,8 „
„ „ Rotklee 95,8 „
also viel mehr, als der Boden durch die atmosphärischen Niederschläge jährlich wieder
zugeführt erhält. Hieraus erklärt sich die Notwendigkeit der Stickstoffdtingung, d. h.
der Zufuhr von Ammoniaksalzen oder von Nitraten, von denen jede für einzelne Ge-
wächse ihre spezifischen Vorzüge vor der anderen besitzt; für die meisten landwirt-
schaftlichen Nutzpflanzen ist aber die Zufuhr animalischer Abfälle gemengt mit Streu-
materialien die günstigste Form des Rückersatzes.
Es ist nun angesichts dieser Erfahrungen der Landwirtschaft von hohem Inter-
esse, einen Einblick in die Lebensökonomie des Waldes bezüglich der Stickstoffausfuhr
und Zufuhr zu erhalten. Nach Dr. J. v. Schröder ist der Jahresbedarf an Stickstoff
von 1 ha Wald in Kilogramm:
Buchenhochwald, Fichten, Tannen, Birken, Kiefern
zum Holzzuwachs 10,34 13,20 13,26 7,22 —
zur Streuerzeugung 44,35 31,92 — — 28,94
Su^ä 54,69 45,12 — '~^ =
Hieraus ergiebt sich die wichtige Schlussfolgerung, dass die forstliche
Produktion sehr hohe Ansprüche an den Stickstoff gehalt (resp.
den Ammoniak- und Nitratgehalt des Bodens stellt, sobald man
die Streu dem Boden entzieht; die alljährliche Holz- und Streuerzeugung
kommt bezüglich ihres Stickstoffbedarfes den landwirtschaftlichen Durchschnittsemten
nahe und tibertrifft sie sogar teilweise, so dass ein fortgesetzter Streuentzug nebst
Holznutzung den Boden in verhältnismässig kurzer Zeit ebenso erschöpfen muss, wie
dies beim Ackerbau längst anerkannt ist. Hingegen zeigen vorstehende Zahlen, dass
bei einer Belassuung der Streu im Walde die Holzproduktion allein nicht
imstande ist, eine stetige Verminderung und Erschöpfung des Stickstoffvorrates im
Boden herbeizuführen, weil die Durchschnittsmenge von 10 — 13 kg pro Jahr und ha
durch den mittleren Jahresbetrag des in den atmosphärischen Niederschlägen enthal-
tenen gebundenen Stickstoffes wieder ersetzt wird. Die natürlichen Stickstoff-
quellen der Atm 0 Sphäre halten daher demBedarfe derblossen
Holzerzeugung das Gleichgewicht und der von Streunutzung verschonte
Wald bedarf keines künstlichen Ersatzes in Form von Ammoniaksalzen und Nitraten.
Diese Tatsache ist in wirtschaftlicher Hinsicht deshalb sehr bedeutungsvoll, weil infolge
dieser Anspruchslosigkeit der Waldbäume noch alle jene Flächen dauernd der Produk-
tion für menschliche Bedürfnisse dienen können, welche infolge ihrer Lage oder ihrer
Entfernung von den Wohnstätten für die künstliche Düngerzufuhr nicht erreichbar
sind, z. B. die Gebirge. Ferner ist es dadurch möglich, auch durch eine extensive
Wirtschaftsform, d. h. unter Aufwand von wenig menschlicher Arbeitskraft noch zu
produzieren, da die langen Zeiträume zwischen Bestandesbegründung und Holzemte den
Aufwand von grossen Produktionskosten im Hinblick auf die langwährenden Zinsen-
verluste verbieten.
Eine hervonagende Bedeutung hat ferner für die Ernährung der Bäume der
Wassergehalt des Bodens, weil dieselben wegen ihrer grossen Blattflächensumme ausser-
ordentlich grosse Verdunstungsflächen besitzen. Da jedoch dieser Gegenstand in den
§§ 21 und 22 näher abgehandelt ist, so verweise ich hierauf.
§ 34. So einfach die Chemie im Verein mit der dynamischen Wärmetheorie uns
den Vorgang der Verbrennung erklärt und uns dadurch in den Stand setzt, den Vor-
gang bei der Bildung brennbarer organischer Materie sowie das Pflanzenwachstum vom
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 34. 77
chemisch-physikalischen Standpunkte aus zu verstehen, ebenso schwierig war diese Er-
klärung vor der Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der Kraft. In der ältesten
forstlichen Litteratur finden wir deshalb gerade über diesen Punkt die abenteuerlichsten
Vorstellungen, welche die philosophischen Ideen ihrer Zeiten wiederspiegeln. So sagt
z. B. Hanns von Carlowitz (Sylvic. oec. S. 22) im Jahre 1713:
„Wie denn sonderlich mirakulös zu sein scheint, dass in dem blossen und unansehn-
lichen Erdreich so ein wunderwürdiger ernährender Lebensgeist und Archäus häufig zu
finden, so die meisten Geschöpfe erhält. Gewiss die darin enthaltene Nahrungskraft ist
so unendlich als unbegreiflich bevorab die Wärme oder das elementarische Feuer" etc.
Auch die Phlogiston-Theorie, sowie der Streit über die antiphlogistische Theorie
Lavoisiers findet sich in einzelnen Andeutungen der Forstlitteratur — ein Beweis, dass
schon viel über die Ursache der Brennbarkeit des Holzes und die Quelle dieser Wärme
nachgesonnen wurde.
Wie oben S. 72 gezeigt wurde, haben wir die brennbare Substanz des Holzes
als aufgespeicherte „potentielle Energie" oder „chemische Differenz*^, als verkörpertes
Resultat der chemischen Arbeitsleistung des Sonnenlichtes aufzufassen. Es fragt sich
nun : wie gross ist die jährliche Produktion der Wälder an sol-
cher organischer Substanz? Die Untersuchungen über den Holzertrag der
Wälder, welche von zahlreichen Forstmännern und Vertretern der forstlichen Theorie
in bezug auf verschiedene Holzarten und Standortsverhältnisse ausgeführt worden sind,
geben ziffermässige Anhaltspunkte über die räumlich gemessene, in kubischen Einheiten
ausgedrückte Holzmasse, welche in Holzbeständen von verschiedenen Altersstufen pro
Flächeneinheit enthalten ist. Berechnet man hieraus unter Zugrundelegung der für die
speziellen Fälle ermittelten Zahlen des spezifischen Gewichtes bezogen auf den wasser-
freien Zustand (d. h. bei 105" C. getrocknet) die Masse der Trockensubstanz, welche
jährlich zugewachsen ist, so erhält man aus den vorher beträchtlich divergierenden
Zahlen eine bemerkensw-erte Uebereinstimmung zwischen den einzelnen Holzarten bei
sonst gleichen klimatischen und Bodenverhältnissen. Man kann diese auffallende Tat-
sache, auf welche zuerst durch J. v. Liebig in seiner Agrikulturchemie ^®^) , dann von
Dr. Theod. Hartig^"«) und Prof. Dr. E. Ebermayer i«') hingewiesen wurde, präziser in
folgender Weise ausdrücken:
„Die verschiedenen b estandbildenden Holzarten liefern auf
den für sie geeigneten Standorten unter sonst gleichen Verhält-
nissen durchschnittlich jährlich nahezu gleiche Gewichtsmengen
Trockensubstanz; die grossen Verschiedenheiten im Ertrage
nach Kubikmetern der Masse auf gleichen Standorten zwischen
105) Just. V. Liebig berechnet in seinem Werke: „Die Chemie in ihrer Anwendung
auf Agrikultur'' etc. V. Auflage, S. 14 u. 15 pro ha Wald 5300 kg Trockensubstanz-Er-
zeugung.
106) Dr. Theod. H a r t i g stellte in seinem „System und Anleitung zum Studium der
Forstwirtschaftslehre ", Leipzig 1858 S. 228, Berechnungen über die Produktion von Brenn-
werten durch die verschiedenen Holzarten an und fand pro ha berechnet im Hochwalde eine
jährliche Erzeugung von
bei Rotbuchenbeständen 153 Buchenscheitholzwerte
„ Birken „ 133 „
„ Eichen ^ 133
., Erlen „ 98 „
„ Pichten „ 200 „
„ Weisstannen „ 180 „
„ Kiefern „ 129
107) Dr. E. Ebermayer „Die gesamte Lehre der Walds treu". Berlin 1876. S. 68.
78 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
den einzelnen Holzarten rühren hauptsächlich von den Unter-
schieden der spezifischen Gewichte her."
Obgleich Prof. Ebermayer schon im Jahre 1875 aus 77 einzeln genau aufgenom-
menen Streuversuchsflächen berechnet hatte, dass im jährlichen Holzzuwachs der Buchen-
bestände 3163 kg, der Fichtenbestäude 3435 kg, der Kiefembestände 3233 kg Trocken-
substanz enthalten sei, so hat doch der Lehrsatz, dass „dem Gewichte nach in Wald-
beständen verschiedener Holzarten im grossen Durchschnitte jährlich die gleichen Mengen
organischer Substanz produziert werden'*, bis jetzt nicht diejenige allgemeine Würdigung
gefunden, die einem so wichtigen, grundlegenden Gesetze der Forstwissenschaft zukom-
men sollte. Ich sehe mich deshalb veranlasst, die in letzterer Zeit erschienenen zahl-
reichen Ertragstafeln nach dieser Hinsicht zu prüfen, indem ich die von Prof. Dr. Rob.
Hartig mitgeteilten Zahlen über die spezifischen Trockengewichte resp. den Gehalt von
je 1 Festmeter verschiedener Holzarten an Trockensubstanz sowie meine eigenen dies-
bezüglichen Erhebungen in Rechnung stelle, wobei ich aber ausdrücklich bemerke, dass
es sehr wünschenswert wäre, bei allen Ertragsermittlungen zugleich die Angaben der
spezifischen Gewichte an Probestämmen beizufügen, um die produzierte Masse der Tro-
ckensubstanz direkt auf experimentellem Wege zu ermitteln. Die nachstehenden Be-
rechnungen mögen daher nur vorläufig an die Stelle solcher unmittelbarer Erhebungen
treten und den Weg andeuten, wie die einzelnen Ermittlungen sich zu einem Gesamt-
bild von überraschender Uebereinstimmung zusammenfügen.
Vor allem muss bei der Uebertragung von Zahlen der spezifischen Gewichte auf
Ertragstafeln der Grundsatz festgehalten werden, dass die an einzelnen Baumteilen
(z. B. Kern, Splint, Gipfel-, Astholz etc.) gefundenen Grössen nur proportional zu dem
Anteil, welchen diese von der Gesamtmasse des Baumes ausmachen, in Rechnung kom-
men dürfen. Man kann also nicht die an einem beliebigen Stück Holz von einer be-
stimmten Holzart ermittelten spezifischen Gewichte zur Rechnung benützen, sondern
muss stets das Mittel für den ganzen Stamm aus zahlreichen Einzelerhebungen sorg-
fältig berechnen. Ferner muss dieses Resultat stets auf den wasserfreien Zustand um-
gerechnet werden, indem man die Zahl der in einem Volumen frischen Holzes enthal-
tenen Trockensubstanz, wie sie durch Wägung nach mehrstündigem Austrocknen bei
105® C. gefunden wird, durch das Frischvolumen teilt. In dieser Weise hat Prof. Dr.
Robert Hartig 1885 eine grosse Anzahl Nadelholzbäume untersucht, während ich für
die Trauben-Eiche und Rot-Buche ähnliche Erhebungen, wenn auch in geringerer Zahl
angestellt hatte; für die Birke hat Prof. Dr. Jul. von Schröder analoge Erhebungen
publiziert. Da die Ertragstafeln der verschiedenen Autoren aus einer grossen Anzahl
Einzelaufnahmen in sehr verschiedenen Lagen und Standörtlichkeiten konstruiert sind,
so muss auch das Gehalt von 1 Festmeter an Trockensubstanz aus einer grösseren Zahl
von Bäumen von verschiedenen Wachstumsverhältnissen und Ursprungsorten ermittelt
werden. Ich lege deshalb der Rechnung folgende Gewichtszahlen zu Grunde.
In 1 Kubikmeter frischen Holzes ist organische Substanz enthalten im Mittel
aller Bestimmungen und im Durchschnitte der ganzen Stämme : Kiefer nach Rob. Har-
tig 424 kg, Fichte nach demselben 415 kg, Weisstanne nach demselben 375 kg, Trau-
beneiche nach R. Weber 635 kg, Rotbuche nach R. Weber 610 kg, Birke nach J. v.
Schröder 533 kg.
Da die meisten dieser Zahlen an haubaren Stämmen erhoben worden sind, so
können sie auf die jugendlichen Bestände nicht übertragen werden, weshalb in den
folgenden Tabellen nur die Bestandes- Altersstufen von 60 — 120 Jahren der Berechnung
unterstellt wurden. Hiebei wurde eine Trennung der Ertragstafeln nach den Zwecken,
die bei deren Aufstellung befolgt wurden, vorgenommen, indem jene Tafeln, welche zur
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 35. 79
Ertragsschätzung ganzer Bestandsabteilungen von mittlerem Bestockungsgrade ^®^) dienen
sollen und die in der Forsteinrichtung zu unmittelbar praktischen Zwecken Verwendung
finden, gesondert von denjenigen betrachtet wurden, welche die wissenschaftliche Er-
foi-schung des Zuwachsganges der einzelnen Holzarten mittelst kleiner aber vollkommen
normal bestockter Probeflächen erstreben. Erstere sind in der Tabelle A, letztere in
der Tabelle B zusammengestellt, beide sind unter sich nur mit einer gewissen Reserve
vergleichbar, namentlich unter Beachtung der durch Schneedruck, Insektenschaden,
Windwui-f etc. etc. verursachten Abnormitäten im Schluss und der Stammzahl.
Unter den zahlreichen Ertragstafeln musste natürlich eine Auswahl getroffen
werden und es enthalten die nachfolgenden Berechnungen nur jene von Dr. H. Burck-
hardt (in den „Hülfstafeln für Foi-sttaxatoren" Hannover 1873), von Dr. Theod. Har-
tig ^^) , von Dr. Robert Hartig ^^% von Prof. Dr. F. von Baur i^^) , von Prof. Schu-
berg"2), von Gerwig"'), von Prof. Dr. Kunze ^^*), von Prof. Dr. T. Lorey"^) und
Prof. Weise"«).
In der ersten Auflage dieses Handbuches ist die Berechnung der Masse an jähr-
lich erzeugter Trockensubstanz im einzelnen durchgeführt; hier mögen der Raumer-
sparnis wegen nur die Endziffern der Ergebnisse übersichtlich zusammengestellt werden.
(S. die Tabelle auf S. 80.)
Die Standoitsklassen , nach welchen die Ergebnisse der Probeflächenaufnahmen
angeordnet sind, bedeuten bei den einzelnen Autoren nicht immer identische Begriffe,
sondern sind als grosse Durchschnitte der Verschiedenheiten in den Ertragsverhältnissen
einzelner Länder aufzufassen; bei den neueren Ertragstafeln bildet in der Regel die
mittlere Bestandeshöhe den Massstab für die Standortsgüte, die Klassen umfassen dann
oft sehr verschiedene geognostische Gebiete und Terrainverschiedenheiten.
(S. Tabelle Seite 80).
Diese Zahlenreihen zeigen, dass man in der forstlichenPra-
xis folgende Bonitierung vorzunehmen pflegt, wobei im grossen
Durchschnitte
I. Stand Ortsklasse die Bestände von 3000 — 4000 kg jäh rl. Massenzunahme pro ha
II. „ rf n 7t ^öOÜ DÜÜÜ „ ^ „ «5?
m. „ „ , „ 2000-2500 „ „
IV. „ „ „ „ 1500-2000 „ „
^V\ y, „ „ unter 1500 r, v v » «
108) Nach Roh. Hartigs „Rentabilität der Fichtennutz- und Buchenbrennholzwirt-
schaft", Stuttgart 1868, Cotta, S. 57, ist die Differenz der konkreten Bestände gegen die
vollbestockten normalen Probeflächen bei 60 Jahren ==: 6,5^/o, bei 70 Jahren :=. l^b^lo, bei
80 Jahren == 8,5^/0, bei 90 Jahren = 9,5^0, bei 100 Jahren = ll,07o, bei 110 Jahren
= 13,0^0 des Normalertrags.
109) Dr. Theod. Hartig „System und Anleitung zum Studium der Forstwirtschafts-
lehre«. Leipzig 1858. S. 198.
110) Dr. Rob. Hartig „Vergleichende Untersuchungen über Wachstumsgang und
Ertrag" etc. Stuttgart 1865, Cotta.
111) Dr. F. V. Baur „Die Rotbuche in bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form".
Berlin 1881, P. Parey. Desselben „Die Fichte in bezug auf Ertrag, Zuwachs und B'orm".
Berlin 1877, J. Springer.
112) Schuberg „Das Gesetz der Stammzahl und die Aufstellung von Ertragstafeln ".
Forstwirtschaftl. Centralblatt 1880. S. 290.
113) Gerwig „Die Weisstanne" .
114) Kunze „Beiträge zur Kenntnis des Ertrages der Fichte" etc. Suppl. z. Tha-
randter Jahrb. 1878.
115) Dr.Th. Lorey „Ertragstafeln für die Weisstanne". Frankf. a/M. 1884, Sauerländer.
116) Weise „Ertragstafeln für die „Kiefer". Berlin 1880.
80 I. Weber, Die Aufj<aben der Forstwirtschaft.
A. Bestände von mittlerem Bestockungsverhältnisse (Tab. A) zeigen eine:
Durchschnittliche Gewichtszunahme der Trockensubstanz
Gesamt-
1) auf bester Stand Ortsklasse: Eichen Rotbuchen Fichten Kiefern Birken Durch-
schnitt
Kilogramm pro Hektar
im Kulminationspunkte 3175 3219 3159 2538 3291 —
im Mittel von 60—120 Jahren . . 3097 3118 3041 2356 (3102) 2943
2) auf zweiter Standortski as so:
im Kulminationspunkte 2822 2772 2763 2085 2665 —
im Mittel von 60—120 Jahren . . 2740 2701 2642 1892 (2495) 2494
3) auf dritter Standortsklasse:
im Kulminationspunkte 2413 2463 2314 1611 1620 —
im Mittel von 60 ~ 120 Jahren . . . 2344 2333 2223 (1499) — 2100
4) auf vierter Standortsklasse:
im Kulminationspunkte 2145 2104 1915 1208 — —
im Mittel von 60-120 Jahren . . 2065 1990 (1839) (1123) — 1779
5) auf fünfter Standortsklasse:
im Kultminationspunkte 1814 1743 1464 807 — —
im Mittel von 60-120 Jahren . . 1752 1616 1365 (777) — 1378
B. Vollkommen normal bestockte Probeflächen, am dominierenden Bestände allein:
Gesamt-
1) auf bester Standortsklasse: Rotbuchen Weisstannen Fichten Kiefern Durch-
schnitt
im Mittel von 60—120 Jahren . . . 3948 3993 4988 3145
3909 3588 4098 2866
3689 3875
4356 4596
Durchschnitt der Einzelangaben . . . 3975 3790 4389 3004"" 3789
2) auf zweiter Standorstsklaapo:
im Mittel von 60-120 Jahren .... 3439 3055 3242 2256
3634 2702_ 3776 ____
Durchschnitt der Einzelangaben . . . 3537 2778 3509 2256 3020'
3)auf dritter Standortsklassc:
im Mittel von 60—120 Jahren .... 2861 2348 2442 1745
2790 2013 3056 —
2826 2186 2749 1745 2377
4) auf vierter Standortsklasse:
im Mittel von 60-120 Jahren . . . . 2417 — 1680 1525
2135 — ^2324
2276 — 2002 1525 1934
aller Holzarten zusammenfasst, ohne dass man sich jedoch dieser Tatsache
klar bewusst ist, sondern indem man sich an einzelne Faktoren der Massenermittlang
z. B. der Höhe, der Stammgrundfläche oder anch an Merkmale der Bodenbeschaffenheit
z. B. die Tiefgründigkeit, den Feinerdegehalt, Feuchtigkeitsgrad, Humusreichtum hält.
Dass die Kiefembestände in obigen Zusammenstellungen ein Zurückbleiben des Massen-
ertrages hinter den anderen Holzarten zeigen, möchte überraschen, da wir ja gewohnt
sind, die Kiefer als eine raschwüchsige Holzart zu bezeichnen ; indessen ist zu beachten,
dass diese Holzart sich schon frühzeitig licht stellt, eine relativ geringe Stammzahl
pro ha aufweist und dass die Kiefernböden überhaupt in der Regel
schlechtere Standorte sind, als die gleich benannten Standorts-
klassen für Buchen, Weisstannen und Fichten.
Alle diese Erörterungen beziehen sich nur auf den Zuwachs am dominierenden
Bestände, weil dieser allein unter den verschiedenen Ertragstafeln vergleichbar ist. In
welcher Weise die Vorerträge an Zwischennutzungen die Massenzunahme
an Trockensubstanz beeinflussen, zeigen einzelne der Tabellen; hiernach steigert sich
unter Einrechnung der Durchforstungsergebnisse der Massenertrag der I. Standorts-
klasse um 33 — 38Vo des Gesamtertrages und beträgt 5000 — 7000 kg pro Jahr und
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 34. 81
Hektar. Die grösste Masse solcher Vorerträge zeigen die Kiefernbe-
stände, wo dieselben fast 40^0 ausmachen und den Gesamtertrag in be-
merkenswerter Weise steigern.
Es erübrigt nun noch zu der oberirdischen Holzmasse den Zuwachs an Stock-
und Wurzelholz hinzuzufügen, um die Gesamtmenge der Holzproduktion zu erfahren.
Die Erfahrungstafeln beziehen sich gewöhnlich nur auf die oberirdische Masse des Be-
standes, doch ist konstatiert, dass die Stockholzmasse bei Buchen mindestens 20^/o, in
langschaftigen haubaren Beständen 25^0, in kurzschaftigen sogar 33^0 derselben aus-
macht, während bei Kiefern 20— 267o , bei Fichten 25— 34<^/o der oberirdischen Masse
anfällt. Im Durchschnitte werden daher pro Jahr und ha ca. 600 kg Trocken-
substanz in Form von Stockholz produziert , was in Anbetracht der Kurz-
schaftigkeit der Bestände auf schlechteren Bodenklassen auch für diese zutreffen dürfte.
Ausser der Holzproduktion ündet aber noch eine sehr bedeutende Erzeugung von orga-
nischer Substanz in Gestalt der jährlich abfallenden Blätter und der Nadeln der Koni-
feren , welche 3 — 7 Jahre ausdauern , im Walde statt. Dr. Ebermayer hat die
Grösse dieser Produktion auf Grund einer grossen Versuchsreihe, die von der bayeri-
schen Forstverwaltung durchgeführt wurde, bestimmt und als Endergebnis einen Jahres-
ertrag an Trockensubstanz pro ha von folgenden Gewichtsmengen gefunden:
Streuergebnis in Buchenbeständen in Fichtenbeständen in Kiefembeständen
3331 kg 3007 kg 3186 kg
Die Gesamtmenge der in Beständen erster Standortsklasse jährlich pro ha er-
zeugten Masse organischer Trocken-Substanz muss daher auf rund 9 — 10 Tonnen
(ä 1000 kg) veranschlagt werden, worin 100 — 250 kg Asche sind. Im Vergleich zu
den durch die landwirtschaftlichen Betriebe pro Jahr und ha erzeugten Mengen von
organischer Substanz, welche schon J. v. Liebig auf:
5000 kg Heu
3600 „ Runkelrüben
veranschlagt, kommt daher dem Walde immerhin eine etwas höhere Massenproduktion
an Trockensubstanz zu.
§ 34. Nachdem gezeigt worden ist, dass die bisher aufgestellten Ertragstafeln
in Verbindung mit den experimentell gefundenen spezifischen Trockengewichten für
gleiche Standortsgüten annähernd gleiche Gewichtsmengen organischer Substanz als
jährlichen Durchschnittszuwachs angeben, mögen hier die Konsequenzen aus dieser Tat-
sache gezogen werden. Zunächst folgt hieraus, dass die verschiedenen bestandbildenden
Holzarten in ihrem Kronenraume gleich viel Lichtstrahlen von physiologischer Wirk-
samkeit mittelst ihres Chlorophylls absorbieren und zu Assimilationsvorgängen, d. h.
zur Zerlegung von annähernd gleichen Koblensäuremengen verwenden, sobald die Be-
dingung einer ununterbrochenen, hinreichenden Wasserzufuhr durch die Wurzeln und
aasreichender Lieferung der mineralischen und stickstoffhaltigen Nährstoffe- aus dem
Boden erfüllt ist, sobald femer die mittlere Sonnenwärme und Vegetationsdauer nicht
erhebliche Abweichungen zeigen. Da nun durch zahlreiche Elementaranalysen eine be-
merkenswerte Uebereinstimmung in der chemischen Zusammensetzung der Trockensubstanz
der verschiedenen Holzarten konstatiert worden ist, indem dieselbe durchschnittlich aus
m^lo Kohlenstoff
6 „ Wasserstoff
42 „ Sauerstoff
1 „ Stickstoff
1 „ Aschenbestandteilen
besteht, so folgt hieraus, dass die jährliche Produktion annähernd gleicher Mengen von
Handbncb d. Forstw. 2. Aufl. I. 6
82 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Kohlenstoff und Wasserstoff, d. h. von brennbarer Substanz bei den verschiedenen Holz-
arten stattfinden müsse. In den 40(X) kg jährlich pro ha erzeugter Holzmasse wären
daher ca. 2000 kg Kohlenstoff mit einer theoretischen Verbrennungswärme von 7170
X 2000 = 14340000 Kalorien, d. h. einer Wärmemenge, welche 143,4 cbm Wasser
von 0 auf 100° C. erwärmen könnte. In diesem Sinne berechnet sich der Vorrat
an Kohlenstoff in den 100jährigen Holzbeständen in Tonnen (äl(XX)kg)
pro Hektar aus den verschiedenen Ertragstafeln folgendermassen :
I. Standortäklasse IL HL
Eichen nach Burckhardt 157 t 139 t 121 t
Buchen . , 159 , 136 , 116
dto. (im Elm) nach Theod. Hartig .... 193
dto. (Wesergebirge) nach Robert Hartig . . 189
dto. (Spessart) derselbe 179
dto. (Württemberg) nach F. v. Baur . . . 219 , 184 , 144 ,
dto. (Baden) nach Schuberg — , 171 , 142 ,
Weisstannen nach Gerwig 202 , 157 , —
dto. nach Lorey 199 ^ 149 , 114 ,
Fichten nach Burckhardt 154 , 132 „ 115 ,
dto. (Harz) nach Kob. Hartig 234 , — —
dto. , derselbe 196 „ — —
dto. (Württemberg) nach F. v. Baur ... 187 , 159 , 121 ,
dto. (Sachsen) nach Kunze 214 , . 178 „ 142 ,
Kiefern nach Burckhardt 115 , 91 „ 67 ,
dto. (Pommern) nach R. Hartig 156 „ — —
dto. nach Weise __ 1^^ » ^^} y 88 ,
Mittel aus obigen "180 t " "l46 t 'Tl7 t
Die theoretische Heizkraft der l(X)jährigen Bestände auf erster Standortsklasse würde
daher pro ha durchschnittlich einer Erhitzung von 12906 t Wasser um 100® C. gleich-
kommen, d. h. um eine Wasserschichte, welche 1 Hektar in der Hohe
von 129 cm bedeckte vom Eispunkt zum Siedepunkt zu erwärmen.
Diese Erzeugung von Heizwert ist nach obigem für die verschiedenen Holzarten im
grossen Durchschnitte dieselbe.
§ 35. Die Brennstoffproduktion war ursprünglich und lange Zeit hin-
durch weitaus die wichtigste Aufgabe der Waldwirtschaft, erforderte doch schon unser
Klima eine künstliche Wärmequelle, um überhaupt für Menschen bewohnbar zu sein.
Auch die ersten Anfänge einer Verarbeitung der Erze, sowie Entwicklung der verschie-
denen Industriezweige bedurften der Macht des Feuers und suchten daher mit Vorliebe
die grossen W^aldgebiete in ähnlicher Weise auf, wie dies gegenwärtig mit den Kohlen-
feldern der Fall ist. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts lieferte in Deutschland
der Wald . fast ausschliesslich das Brennmaterial , dessen nachhaltige Lieferung und
zweckmässige örtliche Disponierung damals eine wichtige Aufgabe der Forstverwaltung
war. Bei den noch ziemlich primitiven und verschwenderischen Feuerungs- Anlagen war
der Bedarf ein grosser und die Einführung holzersparender Einrichtungen war deshalb
ein von den Obrigkeiten allerorts verfolgtes Ziel, obgleich es den rein fiskalischen
Zwecken eigentlich zuwiderlief. Noch Hundeshagen berechnete den jährlichen Holz-
bedarf pro Kopf der Bevölkerung auf 1 cbm und mit Einrechnung der Gewerbehölzer
auf 1,70 cbm. Hiebei rechnete man für die Landbevölkerung wegen der Viehhaltung
erheblich mehr, z. B. nach Ranke 3 — 3V2 Ster pro Kopf, auf die Stadtbevölkerung
weniger. Noch in jüngster Zeit wurde der Holzbedarf pro Einwohner in der Schweiz
auf 1,27 cbm, in Frankreich auf 1,44 cbm, in Italien auf 1,25 cbm angegeben.
Einen ausserordentlichen Umschlag in dieser Richtung der Produktion brachte
aber der enorme Aufschwung der Ausbeutung der Steinkohlenlager sowie der übrigen
fossilen Brennstoffe hervor. Hier ist es die chemische Energie, die zu jenen fernen
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 36. 83
Zeiten der Sonne entstammte, als das Lepidodendron und die Calamiten in den vor-
weltlichen Wäldern grünten, von welchen die Gegenwart Gebrauch macht. Bloss in
den deutschen Stein- und Braunkohlenzechen stieg die Ausbeute in folgender Reihe:
Jahr 1860 1866 1872 1878 1884
Jahres-Förderung 12,3 28,2 42,3 48,2 72,1 Millionen t h 1000 kg
Verbrauch pro Kopf — 730 1129 1114 — kg pro Einwohner,
während die jährliche Förderung innerhalb 1860 bis 1880 sich
in Grossbritannien von 85,4 Mill. t auf 149,3 Mill. t,
in Frankreich „ 8,3 „ „ „ 19,4 „ „
in Belgien „ 9,6 „ „ „ 16,9 „ „
in Oesterreich „ 3,5 „ „ „ 16,0 „ „
in obigen 5 Staaten „ 119,1 „ „ „ 260,8 „ „ gesteigert hat.
Bloss die deutsche Förderung surrogiert daher annähernd
durch 57 Mill. t Steinkohlen ca. 238 Mill. Festmeter Brennholz
« 15 „ « Braunkohlen ^ 53 „
„ 72 „ „ Ausbeute pro 1884 „ 291 „ „ „
oder wenn man den Durchschnittszuwachs in Deutschland := 3,76 cbm pro ha ansetzt,
so entsprechen diese Surrogate dem Zuwachs von 77Va Millionen ha, also eine Fläche,
die über 5^/2mal grösser wäre als alle Wälder des deutschen Reiches zusammengenom-
men. Diese Ausbeute fossiler Brennstoffe muss für längere Zeiträume als dauernd an-
genommen werden, obgleich die Geologen eine Erschöpfung der scheinbar unermesslichen
Schätze in Aussicht stellen. Demnach muss sich auch die Forstwirtschaft dieser ausser-
ordentlichen Surrogierung der Brennstoffe akkommodieren und selbstverständlich auf
die reine Brennholzwirtschaft Verzicht leisten. Es ist aber interessant, zu untersuchen,
welche Quantitäten Brennholz in grossen Konsumtionszentren trotz aller Konkurrenz
der Mineralkohlen noch verbraucht werden:
Im Jahre 1880 wurde in folgenden Städten verbraucht:
also pro Kopf der Bevölkerung
rm Brennholz hl Holzkohlen
0,45 2,75
0,58 —
0,69 0,05
in Strassburgi««) 69637 73414 0,66 0,70
Mithin ist in den grossen Städten des Kontinentes immerhin ein durchschnittlicher
Konsum von V» bis ^/a Raummeter Brennholz pro Kopf der Bevöl-
kerung anzunehmen, wozu noch in Frankreich ein durch die Gewohnheit der
Bevölkerung in Küche und Haus, auch vielleicht die kleine Metallindustrie bedingter
starker Konsum an Holzkohle kommt, der in Deutschland sehr klein ist.
§ 36. Gleichzeitig, während die Steinkohlen-Konkurrenz die Brennstoffe des Wal-
des nahezu überflüssig zu machen schien, trat aber auch z. Teil in Wechselwirkung
mit diesen plötzlich entdeckten Kraftvorräten eine noch nie dagewesene Steigerung der
industriellen und Handelstätigkeit ins Leben. Diese mächtige Entwicklung der Arbeits-
stätten, der Schienenwege, der Telegraphen und das rasche Anwachsen der Städte er-
forderte wiederum eine ganz ungewöhnliche Menge Nutzhölzer der verschiedensten
Art für Bauzwecke, für Grubenzimmerung, Eisenbahnschwellen, Telegraphenstangen, Fass-
Brennholz
Holzkohlen
Ster
Hektoliter
in
Paris "7)
896465
5 455 750
in
Berlin "»)
558095
in
Wien"«)
439600
34350
117) Annuaire des Eaux et Forsts 1885.
118) Hagen-Donner .Die Forstl. Verhältnisse Preussens". Berlin 1883. Bd. II. S. 20.
119) Oesterr. Forstztg. 1884. No. 25.
120) Verwaltungs-Rechnung der Stadt Strassburg 1879/80.
6*
1850
26«/o
1860
27,
1870
30,
1880
29 „
1885
39 „
1890
47,
1895
51,
1900
84 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
und Kistenholz, so dass dem Absatz der Forstprodukte an Stelle der verloren gegangenen
sich viele neue Konsumtionsgebiete eröffneten. Dies wirkte nicht bloss auf die Benatzung
der vorhandenen alten Vorräte, sondern machte sich auch in der Anzucht der neaen
Bestände nach manchen Hinsichten geltend. — Nutzholzzucht war die notwendige Sig-
natur aller forstlichen Bestrebungen geworden und wer die geschichtliche Entwicklang
der forstlichen Produktion richtig verstehen lernen will, muss immer gleichzeitig die
Fortschritte der fossilen Brennstoff-Surrogate vor Augen haben. In welcher Weise sich
diese Tendenz des Uebergangs von der Brennholzerzeugung zur Nutzholzwirtschaft in
den deutschen Staaten vollzog, lehrt nachstehende Uebersicht über die prozentische
Nutzholzausbeute der Staatsforste in den einzelnen Dezennien:
Jahr in Preussen Kgr. Sachsen Bayern Württembg. Baden
35»/o 16<>/o 26^/0 240/0
47 „ 19 „ 32, 28,
61 „ 32, 40, 34,
7o „ 33 „ 39 , 35 ,
80, 43, 47, 32 „
80, 46, 54, 42,
79, 48, 53, 44,
82, 50, 57,5 „ 48,
In den Staatsforsten Frankreichs war im Jahr 1876 das Nutzholzprozent = 31®/o,
in den Gemeindewäldern = 20^0. Nur die übermässige Einfuhr von Nutzhölzern aus
benachbarten Ländern : Russland, Skandinavien, Oesterreich verursacht noch periodisch
einen Rückgang der Nutzholzausbeut«. üebrigens wechselt der Bedarf an Nutzholz
selbst wieder qualitativ nach Zeit und Ort, wie uns die Verdrängung der Holzschwellen
durch den „eisernen Oberbau" , der hölzernen Brücken und Dachstühle durch eiserne,
der Holzschiffe durch Stahl u. s. w. lehrt, während umgekehrt neue Verwendungsarten
in ungeahntem Umfange auftauchen, wie die Holzstoff- und Cellulose-Industrie, die
schon gegenwärtig im deutschen Reiche 1 235 500 Raummeter Holz, das hauptsächlich
als Brennholz fassoniert ist, konsumiert, wie ich im AUg. Anzeiger f. Forstprod. Ver-
kehr 1885 Nr. 33 nachgewiesen habe. In ähnlicher Weise gehen unter dem Einflass
der Technik fortwährende, oft gar nicht auffällige Veränderungen in den Konsumver-
hältnissen des Rohstoffes vor sich, wie z. B. das Aspenholz für schwedische Zündhölzer,
das Erlenholz zu Cigarrenkisten, die Buche zu gebogenen Möbeln, zu Parquetten und
Packfässern erst in neuerer Zeit Verwendung gefunden hat. Weitaus der grösste Teil
des Nutzholzes findet allerdings seine Verwendung in der Bau- und Möbelindustrie, so
dass die Sägewerke immerhin als die wichtigsten Verarbeiter des Rohstoffes anzusehen
sind. Alle diese Verhältnisse, die für den praktischen Betrieb und für die Rentabilität
höchst wichtig sind, können hier nur flüchtig angedeutet werden, da ihre gründliche
Erörterung in das Gebiet der Statik und Forstbenutzung gehört. Unter dem Einflüsse
aller der genannten naturgesetzlichen und wirtschaftlichen Faktoren hat sich gegen-
wärtig folgende Verteilung der Holz- und Betriebsarten in den Wal-
dungen Deutschlands herausgebildet ^2^): Die Laubhölzer nehmen 34,5^0 der gesamten
Forstfläche ein, die Nadelhölzer dagegen 65,5^0 derselben; die einzelnen Betriebsarten
umfassen folgende Prozentanteile derselben: Eichenhochwald 3,5^0, Buchenhochwald
14,7^0, Birken-, Erlen-, Aspenhochwald 3,3^0, Eichenschäl wald 3,1^0, Weidenheeger
0,370, sonstiger Stockausschlag ohne Oberholz 3,1%, Mittelwald 6,5»/o, Kiefern 42,6%,
121) „Beiträge zur Forststatistik des Deutschen Reiches" bearbeitet vom kais. Statist.
Amte. Berlin 1884.
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 37. 85
Fichten und Weisstannen 22,6%, Lärchen 0,37o.
§ 37. Bekanntlich wird die von den Waldbäumen durch Assimilation erzeugte
organische Substanz durch Umbildung in Holzfaser in ausdauernder Form abgelagert
und zwar geschieht dies, entsprechend dem Bau der dikotylen Gewächse, durch Ver-
längerung der Axen und durch alljährliche Anlage eines neuen Holzringes vom Kam-
bial ringe aus. Auf einem Stammquerschnitte erscheinen daher die Schichten der jedes
Jahr gebildeten Holzzellen samt den Gefässen konzentrisch angeordnet und von Mark-
strahlen radial durchsetzt, so dass der Aufbau des Holzkörpers meistens eine grosse
Eegelmässigkeit zeigt und die Anwendung der stereometrischen Berechnung zur Be-
stimmung der Zuwachsg rossen gestattet. W^ährend demnach die agrikultur-
chemische Betrachtungsweise die Massen der Vorräte und des Zuwachses nach dem
Gewichte der Trockensubstanz ausdrückt, rechnet die forstliche Praxis und der Holz-
handel nur nach kubischen Massen. Für Stämme und deren Abschnitte ist die Rech-
nungseinheit der Kubikmeter für die solide Holzmasse, wie sie sich auf Grund der ste-
reometrischen Foimel (meist als Paraboloid) aus den gemessenen Dimensionen berechnet
(„Festuieter"), für geschichtetes Holz dagegen bildet der Raummeter, d. h. der mit losen
Holzstücken ausgefüllte Raum eines cbm das einheitliche Mass, doch wird bei Summie-
rung letzteres auf den Festgehalt reduziert.
W^ie schon erwähnt (S. 79) haben vielfache wissenschaftliche Untersuchungen über
die Zuwachs-Grossen, welche von verschiedenen Holzarten unter verschiedenen äusseren
Bedingungen hervorgebracht werden, stattgefunden, welche sämtlich den Ertrag pro
Flächeneinheit (ha) in kubischem Mass (cbm) angeben und den Wachstumsgang der
einzelnen Holzarten bei verschiedenen Betriebsarten ausgeschieden nach Hauptnutzung
(oder Abtriebsertrag) und nach Zwischennutzung (oder Vorerträgen) darstellen. Zur
genaueren Feststellung der Zuwachsgesetze gehört aber auch die Angabe der Stamm-
zahlen, der Stammgrundflächensumme und der Dimensionen der mittleren Modellstämme
in verschiedenen Lebensaltern der Bestände. Die detaillierte Betrachtung dieses Gegen-
standes fällt in das Gebiet der Holzmesskunde, weshalb hier die Mitteilung der Ertrags-
tafeln selbst und der daraus abgeleiteten Zuwachsgesetze unterbleiben muss.
Die auf experimentellem Wege durch unmittelbare Messung zahlreicher Bestände
gefundenen Zahlen der Ertragstafeln geben den Zuwachs der normal beschaffenen, voll-
kommen gleichartig bestockten und ganz geschlossenen Bestände an. Die wirklichen
Wälder sind aber in der Regel sowohl hinsichtlich der Holzartenmischung, als auch
der sonstigen Bestockungsart von einer normalen Beschaffenheit mehr oder weniger
entfernt. Es ist daher von Interesse, die durchschnittlichen Materialerträge der Forst-
wirtschaft grösserer Gebiete kennen zu lernen, weil diese aus den wirklichen Betriebs-
ergebnissen vieler Jahre und zahlreicher Verwaltungen statistisch hergeleitet sind, also
die nachhaltigen Erträge des konkreten Waldes deutlicher erkennen lassen, wie die
Ertragstafeln. In nachstehender Tabelle (S. 86) sind diese statistischen Daten aus
verschiedenen Ländern zusammengestellt.
Aus diesen Ertragsziffern ergiebt sich, dass im Laufe dieses Jahrhunderts die
Staatswaldungen der grösseren deutschen Staaten eine sehr bemerkbare Steigerung des
Materialertrages aufweisen, was sowohl auf einer sorgfältigeren Kultur aller Blossen
und Gedungen als auch auf vermehrtem Nadelholzanbau und Wahl ertragsreicherer
Umtriebszeiten beruht. Die Schwankungen in den Erträgen ergeben sich meistens durch
Sturmschäden und andere Katastrophen, während in Preussen seit 1866 durch den Zu-
tritt der neuen Provinzen eine nachhaltige Besserung der Ertragsverbältnisse erfolgte.
In welchem Grade die Holzarten den Ertrag beeinflussen, zeigt die württembergische
Statistik, wo pro Jahr und ha gerechnet:
86
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
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Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 37. 87
1882 1883
Derbholz inkl. Keisig Derbholz inkl. Reisig
die Laubholzgebiete 2,85 fm 4,26 fm 3,07 fm 4,74 fm
die Nadelholzgebiete 5,24 „ 5,99 „ 5,41 „ 6,23 „
abgeworfen haben.
Bezüglich der übrigen Länder möge noch beigefügt werden, dass in der Seh weiz^*^)
die Staatswaldungen durchschnittlich 4,75 Festmeter pro ha
die Gemeinde- und Genossenschaftswaldungen „ 3,57 „ „ „
die Privatwälder „ 3,37 „ „ „ ertragen.
Hiebei sind die Maximader Erträge in den Staatsforsten 6,7 „ „ „ (St. Gallen)
„ Minima „ „ „ „ „ 2,0 „ „ „ (Unterwaiden).
In Oesterreich sind die Erträge nach dem statistischen Jahrbuche des k. k.
Ackerbau-Ministeriums vom Jahre 1895 ^^^) für die Waldungen aller Besitzeskategorien
ein jährlicher Gesamt-Holzertrag pro Hektar und Jahr in Festmetern folgende:
Niederösterreich 3,13 cbm Tirol 1,99 cbm
Oberösterreich 3,56 „ Böhmen 2,39 „
Salzburg 2,55 „ Mähren 3,12 „
Steiermark 3,22 „ Schlesien 3,56 „
Kärnten 3,29 „ Gaüzien 3,60 „
Krain 2,00 „ Bukowina 2,84 „
Küstenland 1,72 „ Dalmatien 1,15 „
Die bezüglichen Angaben für Ungar n^^**) ergaben als katasterraässige Durch-
schnittserträge für die sämtlichen Wälder:
Betriebsarten: Hoch- Mittel- Nieder- Durchschnitt
wald cbm pro ha
für Eichen (Q. pedunc. und sessilifl.) 3,04 2,99 2,55 2,80
^ Zerreichen (Q. Cerris) 3,02 2,48 2,74
„ Rotbuchen mit Hainbuchenmischnng 2,78 2,92 2,61 2,71
^ Birken 2,45 3,68 3,49 3,35
, Roterlen 2,57 3,64 3,85 3,68
, Eschen, Ulmen und Ahorn 3,40 2,74 2,97
^ Fichten 4,24 . 4,24
„ Weisstannen 4,25 . 4,25
„ Kiefern (Pin. silv.) mit Schwarzkiefern (P. laricio) 3,58 3,58
„ Lärchen 3,61 . 3,61
Im Mittel des ganzen Landes 3,07
Hiebei sind 0,38<>/o der Gesamtflächen I. Standortsgüte, 8,21^0 gehören der ü., 38,99^0
der IIL, 39,10^0 der IV., ll,47«/o der V. und 1,85^0 der VI. Standortsgüte an.
In Frankreich war nach den Erhebungen vom Jahre 1876 der Jahresertrag
an Holz pro ha Holzboden:
127) Nach V.Berg „Mitteilungen über die forstl. Verhältnisse in Elsass-Lothringen".
Strassburg 1883. S. 163.
128) Nach dem Spezial-Katalog der Ausstellung für Forstwirtschaft in der schweizeri-
schen Landesausstellung 1883.
129) Statist. Jahrbuch des k. k. Ackerbau-Ministeriums für 1895. Hof- und Staats-
druckerei. S. 58.
130) Nach Bedö „Die wirtschaftliche und commerzielle Beschreibung der Wälder
üngains". Budapest 1885. I. Bd. S. 277.
88 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
in den Staatsforsten in den Kommunaltorsten
durchschnittlich 3,515 Festmeter 2,854 Festmeter
und zwar ertrugen
über 5 cbm
pro ha 7,8o/o der Staatswaldfläche,
8,2^0 der Kommunal waldfläche
zwischen 4 — 5 „
r, , 22,6, „
n
22,4,, „
i>
. 3^ ,
„ T) 34,8 „ „
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weniger als 1 „
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7)
Buchen
Fichten
Kiefern
IV
V
IV
III IV
IV V
III
II-III
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II
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IV V
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lU I\
100,0 1(K),0
Im allgemeinen zeigen obige Materialerträge, dass die durchschnittliche Stand-
ortsgüte der einzelnen Länder folgenden Bonitäten der Burckhardt'schen Normal ertrags-
tafeln annähernd entspricht, wenn man den Haubarkeits-Durchschnittsertrag bei lOO
Jahren als Massstab benützt:
Preussische Staatsforete
bayerische „
W'ürttembergische „
badische und sächsische ^
elsass-lothringische „
Mähren und Kärnten, Gesamtwald
Ober- u. Niederösterreich, Schlesien „
Böhmen, Salzburg und Steiermark „
Tirol und Krain „
Galizien und Bukowina „
Frankreich, Staatsforste
„ Kommunalforste
§ 38. Die Rohstoff-Erzeugung in der Forstwirtschaft ist, wie bereits gezeigt,
als eine allmähliche Aufspeicherung derjenigen organischen Stoffe aufzufassen, welche
den alljährlich sich summierenden chemischen Arbeitsleistungen des Sonnenlichtes ihren
Ursprung verdanken. Die im vorstehenden berechneten Wärme- und Kraftvorräte, welche
in einem 100jährigen Holzbestande enthalten sind und die durch dessen Verbrennung frei-
gemacht w^erden können, sind die Summen derjenigen Anteile von 100 Sommerwämien,
welche das Chlorophyll der Blätter in jeder Vegetationsperiode zu chemischer Energie zu
fixieren vermochte. Diese Summierung von Kraft aus zeltlich weit auseinander liegen-
den Perioden, die oft das durchschnittliche Menschenalter um ein mehrfaches übertreffen,
ist charakteristisch für den Produktionsgang in der Waldwirtschaft und unterscheidet
sie namentlich scharf von der Landwirtschaft, die meistens alljährlich die Produkte der
abgelaufenen Vegetationsperiode erntet. Aus diesem Grunde spielt die Zeit eine so
wichtige Rolle in der Erörterung der Ziele der Forstwirtschaft und in der Bemessung:
ihrer Ergebnisse. In dem ungestörten Wirken der Natur im Urwalde ist die Lebens-
dauer der Bäume begrenzt durch die elementaren Gewalten der Stürme, welche die
überalten, oft schon von Fäulnis oder von Insekten angegriffenen Stämme niederwerten
und so einer jungen aus Samen nachwachsenden Generation von Bäumen Platz machen.
Im wirtschaftlich behandelten Walde aber ist die Bestimmung der Hiebsreife der Bäume
oder ganzer Bestände wesentlich durch Erwägungen wirtschaftlicher Natur geleitet.
Der Gebrauchswert, den die einzelnen Holzarten bei verschiedenen Alt«i*sstufen für die
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse haben, sowie die Rücksichten auf billige, zweck-
mässige Verjüngung, endlich der Wunsch nach möglichst baldigem Fruchtgenuss und
Die natürlichen Produktionsfaktoren der Forstwirtschaft. § 38. 89
sonstige oft nur lokale Kücksichten (bei Servituten, Weide u. s. w.) bilden die Ursachen,
weshalb man planmässig die gleichartigen Bestandsformen in einem Walde ein bestimm-
tes Durchschnittsalter erreichen lässt. Das Zeitintervall von der Bestandesbegründung
bis zum mittleren Abtriebsalter heisst die Um trieb sze it. Kommen in einer Wal-
dung verschiedene Holzarten räumlich von einander getrennt oder verschiedene Betriebs-
arten vor, so veranlasst dies häufig die Einführung zweier oder mehrerer verschiedener
Umtrlebszeiten neben einander, von denen jede einen gewissen Flächenteil, eine gewisse
Anzahl Bestände umfasst und man nennt einen solchen Verband von Beständen mit
einerlei Umtriebszeit eine Betriebsklasse. Je nach der Waldgrösse und nach den
wirtschaftlichen Interessen der Besitzer erfolgen nun die Holzemten entweder nur g e-
legentlich bei eintretendem Bedarf, bei dringender Hiebsreife und sonstigen Ver-
anlassungen , oder es werden planmässig alljährlich Nutzungen aus den ältesten
Beständen entnommen; den ersteren Nutzungsgang heisst man aussetzenden Be-
trieb, den zweiten aber Nachhaltsbetrieb.
Für den Forstbetrieb im grossen Massstabe, wie ihn der Grossgrundbesitz, der
Gemeinde- und Staatswaldbesitz repräsentiert, ist die auf das Prinzip der Nachhaltig-
keit gegründete Forstwirtschaft eine gewisse Notwendigkeit, von der man sich prinzi-
piell nicht ungestraft entfernen darf, die aber in bezug auf die strenge Durchführung
der Gleichheit der jährlichen Nutzungsgrössen gewisser Modifikationen fähig ist. Man
versteht in diesem Sinne unter Nachhaltigkeit das wirtschaftliche Postulat, dass
eine gewisse Fläche dauernd der Holzproduktion dienen soll, indem alle Flächenteile
nach der Holzernte wieder mit Holzpflanzen bestockt werden, und dass der Nutzungs-
gang so eingerichtet werde, damit die alljährlich im ganzen Walde sich erzeugende
Zuwachsmasse in Form eines gleich grossen Quantums haubaren Holzes vom normalen
Alter der Umtriebszeit zur Nutzung komme. Die Nachhaltigkeit verlangt also die Her-
stellung des Gleichgewichtes zwischen Erzeugung und Nutzung, also die Stabilität des
einer jeden Umtriebszeit entsprechenden stehenden Holzvorratsquantums im normal be-
schaffenen Walde.
Das Gegenteil einer nachhaltigen Wirtschaft heisst man Raubbau und versteht
darunter eine solche Waldbehandlung, welche das Gleichgewicht zwischen Zuwachs und
Nutzung stört, indem entweder die Holzernten über das Mass des nachhaltigen Ertrages
dauernd gesteigert werden und dadurch den stehenden Vorrat aufzehren oder indem
die Wiederverjüngung der Schlagflächen unterlassen oder geschädigt wird, oft auch in-
dem die Produktivität des Bodens durch Entfernung der Streu oder des Humus dauernd
sinkt. Da die bereits vorhandenen Holzbestände ein Produkt vieljähriger Vegetations-
perioden der Vergangenheit sind, so erfordert die Erziehung haubarer Bestände von
Umtrlebszeiten, die 6 — 8 Dezennien übertreffen, eine konsequent durch 2 — 3 Generationen
von Waldbesitzern durchgeführte Sparsamkeit und Enthaltsamkeit, weil auch die noch
nicht ganz hiebreifen Bestände einen Gebrauchswert haben und von dem Besitzer nur
mit einer gewissen Uneigennützigkeit und moralischen Aufopferung seinem Besitznach-
folger intakt übergeben werden können. Diese Selbstverleugnung oder konservative
Tendenz wird bei den kleinen Waldbesitzern zwar oft durch die Ortssitte und eine
Hervorkehrung des eigenen behäbigen Wohlstandes in einem ansehnlichen Holzvorrat
begünstigt, häufiger aber zwingen wirtschaftliche Notlage, momentaner Geldbedarf,
Missernten und andere Kalamitäten die Besitzer zum Gegenteil, zur Antizipierung künf-
tiger Holznutzungen und zum Verlassen der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, womit
gewöhnlich der Ruin dieser Wälder eingeleitet ist.
Die Nachhaltigkeit der Waldbenutzung ist als Prinzip für die Staatsforsten in
der Regel durch die Staatsgi'undgesetze und Verfassungen sanktioniert, für Gemeinde-
90 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
und Körperschafts-, Institaten- und sonstige Fondsforste meistens ebenfalls mit Gesetzes-
kraft verfügt and beruht bei Fideikommissen und Nutzniessem auf privatrechtlichen
Bestimmungen. Praktisch durchführbar ist aber eine auf Nachhaltigkeit gegründete
Wirtschaft nur auf Grund sorgfältiger Ertragsermittlungen und einer planmässigen
Ordnung des ganzen Nutzungs- und Verjüngungsbetriebes, weshalb die Aufstellung von
Wirtschaftsplänen und deren konsequente allmähliche Durchführung die erste
Voraussetzung einer rationellen und geordneten Wälderbewirtschaftung bildet.
Wenn man seinen Blick über die Grenzen der Staats- und der unter staatlicher Auf-
sicht stehenden Waldungen hinaus auf die zahlreichen Privatwälder richtet, wenn man
ferner die Konsum Verhältnisse des In- und Auslandes ins Auge fasst, so erhebt sich
von selbst die Frage, wie verhält sich die Gesamtproduktion an Holz
zu dem Gesamtverbrauche innerhalb eines grösseren Ländergebietes. Diese
Frage hat schon im XVIII. Jahrhundert, wie im Eingange erwähnt, die Geister be-
schäftigt und fand ihren Ausdruck in der damals allgemein verbreiteten Befürchtung
eines kommenden Holzmangels. In neuester Zeit ist diese Frage wieder angeregt wor-
den durch ein Referat des Forstinspektors M61ard beim internationalen Forstkongress
zu Paris 1900 über „die Nutzholzproduktion der Welt". Derselbe stellte auf Grund
der Zollstatistik die Ein- und Ausfuhrmengen an Nutzholz, welche die einzelnen Länder
im Jahre 1898 und zum Teil 1894 — 98 verzeichneten, zusammen und suchte so eine
Bilanz des Importes und Exportes, zugleich aber auch ein Bild des internationalen
Holzhandels in dieser Branche zu entwerfen. So betrachtet teilen sich die einzelnen
Länder in zwei Gruppen: 1. die vorwiegend Nutzholz verbrauchenden und 2. die über-
wiegend solches ausführenden Länder. Zu der ersteren Gruppe gehören England mit
ca. 12 Millionen Festmeter Nutzholz-Deüzit pro Jahr, Deutschland mit 7,4 Millionen cbm,
Belgien mit ca. 1,5 Millionen cbm, Frankreich mit 2V3 Millionen cbm, Italien mit 0,7
Mill. cbm, woran sich noch Spanien, Portugal, Holland, Dänemark, Schweiz, Griechen-
land, Serbien, Bulgarien und von aussereuropäischen Ländern die Kapkolonie, Argen-
tinien, China und Japan anreihen, deren Mehr-Einfuhr sich nur annähernd berechnen
lässt. Insgesamt haben diese Länder einen Mehrbedarf an Nutzholz im Werte von
943,9 Millionen Mark pro Jahr. Die Gruppe der überwiegend Nutzholz exportierenden
Länder setzt sich zusammen aus Oesterreich-lTngarn mit einem Ueberschusse der Aus-
fuhr von ca. 5,3 Millionen cbm Nutzholz, Schweden mit ca. 6,4 Millionen cbm, Kuss-
land mit 7,3 Millionen cbm, Finnland mit 3,3 Millionen cbm, Norwegen mit ca. 1,5 Mil-
lionen cbm, wozu noch Canada, die Ver. Staaten von N.-Amerika, britisch Indien und
Rumänien hinzutreten, deren Export sich nicht nach cbm schätzen lässt; dem Werte
nach ist insgesamt der Ausfuhr-Üeberschuss dieser Länder auf 728,3 Millionen Mark
geschätzt. — Das Bedenkliche ist einerseits die starke Progression, in welcher die
grossen Industriegebiete ihre Einfuhr steigern (z. B. England von 3,8 Millionen cbm
im Jahre 1860 auf 10,2 Millionen cbm im Jahre 1890 und 12,5 Mill. cbm im Jahre
1898), anderseits die Abnahme oder wenigstens das Beharren der Ausfuhr in den meisten
Ländeni der zweiten Gruppe.
Diese Frage hat mittlerweile verschiedene Gegenäusserungen hervorgerufen, welche
sich teils auf den pessimistischen Standpunkt M61ard^s stellen, teils aber eine optimisti-
schere Perspektive eröffnen, insofeme, als die Produktions- Verhältnisse grosser Gebiete
z. B. Russlands noch einer erheblichen Steigerung bezw. Erschliessung fähig sind und
sich durch die Statistik jetzt nur unvollkommen darstellen lassen, so dass die Frage,
ob die Weltwirtschaft gegenwärtig im Zustande eines reinen
Raubbaues an Nutzholz befinde, noch als eine oifene zu betrachten ist, da
sie erst durch eine genauere Produktionsstatistik beantwortet werden kann.
Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor in der Forstwirtschaft. § 39. 91
2. Die mensehllche Arbelt als Produktionsfaktor In der Forstwirtschaft.
§ 39. Die Naturkräfte, welche sich am Assimilations- und Wachstumsprozesse
der Pflanzen beteiligen, bewirken für sich allein noch keine Produktion in wirtschaft-
lichem Sinne, vielmehr geschieht dies erst durch den Aufwand menschlicher
Arbeitskraft, welche auf die Befriedigung menschlicher Be-
dürfnisse gerichtet ist. Aber der Grad dieses Arbeitsaufwandes ist in den
vei*schiedenen Betriebsarten der Forstwirtschaft ein sehr verschiedener, je nachdem sie
sich mehr der rohen Form primitiver Okkupation nähern oder den arbeitsintensiveren
landwirtschaftlichen Betrieben nachgebildet sind, wie z. B. der Schälwaldbetrieb, die
Weidenheeger-, die Waldfeldbau-Wirtschaft. Im allgemeinen ist es ein schon seit langer
Zeit anerkannter Grundsatz, dass der Waldbau zu den extensiveren Formen der Boden-
bewirtschaftung gehöre ^^^), d. h. dass er vermöge seines langsamen Produktionsganges
nicht den Aufwand von viel Arbeit verlohne, aber auch ohne Düngung, Bodenbearbei-
tung und alljährlichen Aufwand an Saatgut etc. Erträge abwerfe.
Während in den extensivsten Formen der Exploitation grosser Waldgebiete, wie
sie z. B. in Canada betrieben wird, nur die Arbeitsaufwendungen für Zugutemachung
und Transport der Hölzer in Betracht kommen, findet in der auf Nachhaltigkeit der
Nutzung, d. h. Wiedererzeugung von Beständen an der Stelle der abgeholzten, basierten
geregelten Forstwirtschaft eine Reihe von hierauf gerichteten Arbeitsteilen von Kultur-
tätigkeit, Bestandespflege und Wegebau Anwendung, und in Kulturländern mit einiger-
inassen dichter Bevölkerung wird man in der Regel ausserdem die technisch höher
stehenden Arbeitsleistungen für Schutz und für die Betriebsführung nebst sämtlichen
Administrations-Geschäften entwickelt finden. Um eine beiläufige Vorstellung von dem
Arbeitsquantum zu geben, welches im grösseren Forsthaushalte erfordert wird, führe
ich nachstehende Angaben verschiedener Schriftsteller an:
Nach Hundeshagen^^^) kommen durchschn. auf je 1 qkm (= 100 ha) Hochwald 235 Arbeitstage
„ Frhr.v.Berg^^^jimTharanderRev. „ „ „ „ 567 „
„ demselben im Kupferhütter Reviere „ „ „ „ 925 „
, Bernhardt"*) bei Hochwaldbetrieb „ „ „ „ ^625 „
^ 49 Fuhrlohnt.
., demselben bei Haubergswirtschaft „ „ „ „ 1390 Arbeitstage
Andere Erfahiiingssätze ^*^) liegen aus der Tuchler Heide von 75 516 ha Grösse
vor; daselbst sind ständig beschäftigt 141 Schutzbedienstete, Aufseher und Wald Wärter,
ca. 1100 Waldarbeiter, 110 Fuhrleute, 35 Arbeiterinnen, in Sa. 1386 Personen ständig.
Nebenerwerb beziehen 805 Taglöhner, 260 Holzfuhrleute, 2300 Sammler von Raff- und
131) Interessant und, wie mir scheint, wenig bekannt ist ein hierauf bezüglicher merk-
würdiger Ausspruch des bekannten Naturforschers M. de BuflFon in seinem Memoire sur la
cnlture des for6ts (Eist, de l'Acad. Roy. annöe 1742) S. 238, worin er nach Schilderung
der Misserfolge, die er mit dem Aufwand von viel Bodenbearbeitung in seinen Eichenkulturen
hatte, wörtlich also fortfährt:
„Je Tai dit et je le r^p^te, on ne peut trop cultiver la terre lorsqu'elle nous rend
tous les ans le fruit de nos traveaux ; mais lorsqu'il faut attendre vingt-cinq ou trente ans
pour jouir, lorsqu'il faut faire une d^pense consid6rable pour arriver ä cette jouissance, on
a raison d'examiner, on a peut-6tre raison de se d^goüter. Le fonds ne vaut que par le
revenu, et quelle difförence d'un revenu annuel k un revenu 6loign6, mtoe incertain!"
Ist hier nicht der Grundgedanke der Reinertragstheorie klar ausgesprochen?
132) Hundeshagen „Encyklopädie der Forstwissenschaft". Tübingen 1835.
133) V. Berg „Staatsforstwirtschaftslehre". Leipzig 1850.
134) Bernhardt „Waldwirtschaft und Waldschutz". Berlin 1869.
135) „Der Wald und die Arbeiter". (Nordd. Allg. Ztg. März 1884).
92 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Leseholz, Beeren und Pilzen, 360 Sammler von Gras und 620 von Kiefernzapfen. Da-
gegen beschäftigt die Oberförsterei Köpenik bei Berlin mit ca. 8000 ha Wald 520 stän-
dige und nicht ständige Waldarbeiter, sowie 2260 Sammler von T^eseholz, Streu und
Zapfen. In der Forstinspektion Schleusingen, 22 845 ha gross, finden 45 Schutzbedien-
stete, 481 Waldarbeiter, 164 Holzfuhrleute ihre Haupterwerbsquelle, während 722 Tage-
löhner, 171 Fuhrwerke einen Nebenerwerb erhalten, wie dies ausserdem bei 7200 Samm-
lern von allerlei Nebennutzungen der Fall ist. Insgesamt beteiligen sich also 8783
Personen an Arbeitsleistungen im Walde, wobei allerdings ein grosser Teil nur im
gewonnenen Produkte selbst seine Entlohnung findet.
Alle diese Beispiele beziehen sich nur auf Staatsforste; im kleinen Privatbesitze
gestaltet sich das Verhältnis insofern wesentlich anders, als die bezahlte Lohnarbeit
daselbst sehr oft ganz wegfällt, indem der Besitzer mit seinen Familienangehörigen
alle Geschäfte selbst verrichtet und die geemteten Produkte in seiner eigenen Haus-
wirtschaft konsumiert. Eine solche Waldwirtschaft im kleinsten Massstabe bietet dann
das Bild der reinen Naturalwirtschaft, während sich in der Gemeindewirtschaft die
mannigfaltigsten Uebergangsformen von dieser durch Losholzgenuss und Fronarbeit
aller Empfangsberechtigten charakterisierten Wirtschaft zur Geldwirtschaft mit freiem
Verkauf der Produkte und Lohnarbeit vorfinden — erstere herrscht mehr in den rein
bäuerlichen Gemeinden, letztere in Fabrikorten. Ihrer Qualität nach ist die Arbeit im
Forstbetriebe grösstenteils eine schwere, die grosse körperliche Rüstigkeit vom Arbeiter
verlangt, um während der rauhen Jahreszeit die beschwerliche und zuweilen gefahrvolle
Fällung und Bringung bewerkstelligen zu können; hiebei ist besonders zu beachten,
dass die Witterung der Kontinuität der Arbeit hinderlich ist und viele Tage im Jahr
die Arbeit stocken muss. Auch die weiten Wege von den Ortschaften zur Arbeitsstelle
im Walde veranlassen viel Verlust an Zeit und Kraft. Hiezu kommt, dass die Wald-
arbeit nicht in gleichem Verhältnisse bezüglich der Löhne gestiegen ist wie die meisten
übrigen Kategorien der Arbeit, indem, wie Fribolin für Württemberg nachwies, inner-
halb der Zeit von 1847—73 der Lohn gewöhnlicher Tagelöhner um lOö^o, jener der
Waldarbeiter im Taglohn nur um 63^0, bei Akkordarbeit aber nur um 43^0 stieg.
Analog war das Verhältnis in Westfalen, wo z. B. in Arnswalde seit 1822 — 71 der
Lohn der Holzspalter um 100*^/o, der Maurer um 75^0, hingegen der Waldarbeiter nur
um 337o zugenommen hat.
Ausser den schweren Fällungsarbeiten finden noch eine Reihe leichterer Beschäf-
tigungen bei Kulturen u. dgl. statt, wo Frauen- und Kinderarbeit zulässig ist, um an
Kosten zu sparen und um der ärmeren Klasse in den W^alddörfern Gelegenheit zum
Verdienst zu geben.
Wegen der grösstenteils mit Gefahren verknüpften Holzföllung und Bringung ist
es sehr ratsam, durch umfassende Versicherungsanstalten die Mittel parat zu stellen,
um bei voraussichtlich eintretenden Unfällen nach Möglichkeit Hilfe gewähren zu können,
weshalb schon seit alter Zeit Kranken- und Unterstützungskassen im grossen Forst-
betriebe üblich sind, während die reichsgesetzliche Regelung der Invaliditäts-Unter-
stützung einen gleich humanitären Zweck erstrebt.
§ 40. Auch in der Staatsforstwirtschaft sind in Form der Servituten
und Vergünstigungen noch viele Reste der Naturalwirtschaft bestehen geblieben, ins-
besondere in den Alpen und einzelnen grossen Wald gebieten, d. h. wenn man nicht das
Rechtsverhältnis als solches, sondern den wirtschaftlichen Vorgang bei der Nutzungs-
teilung ins Auge fasst. In den nicht mit Berechtigungen belasteten Waldungen da-
gegen geben mit Ausnahme der Leseholznutzungen u. dgl. die Lohnabrechnungen ge-
naue Aufschlüsse über die Höhe der für die verschiedenen Arbeitsteile gemachten A u f-
7? 5J
Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor in der Forstwirtschaft. § 40. 93
Wendungen an Arbeit. Sammarisch kann man dieselben nach Dr. Danckelmann ^^^)
im Anfange der 1880er Jahre für Holzhauerlöhne, Kulturarbeiten und Wegebau an-
nehmen :
in Preussen = 5,2 M. pro ha und Jahr,
„ Sachsen = 6,5 „ „ „ „ „
„ Elsass-Lothringen =zz 9,1 „ „ „
„ Württemberg z= 12,6 „ „ „
„ Baden — 13,2 „ „ „
Indessen ist ein Vergleich dieser Zahlen unter sich nur mit grosser Vorsicht möglich,
weil in allen gebirgigen Gegenden die Holzbringungs- und Triftkosten, welche eigent-
lich nur eine Vorauslage für den Käufer sind, zweckmässiger in Eegie der Forstver-
waltung als auf Wag' und Gefahr des Käufers gemacht werden und sich in höheren
Preisen wieder lohnen. Die Ausgaben pro ha steigen deshalb mit der Intensität der
Wirtschaft, welche wiederum von der Bevölkerungsdichtigkeit, Entwicklung der In-
dustrie und Höhe der Holzpreise wesentlich bedingt wird, wie dies z. B. die Angaben
aus Preussen für das Jahr 1880/81 beweisen, wonach von den Gesamtausgaben für den
Forstbetrieb und die Forstverwaltung auf das Hektar ertragsfilhiger Fläche entfielen:
in Ostpreussen M. 8,33, Westpreussen 8,37, Brandenburg 8,47, Pommern 9,65, Posen
7,37, Schlesien 11,60, Sachsen 12,66, Schleswig-Holstein 14,80, Hannover 18,72, West-
falen 15,30, Hessen-Nassau 14,88, Kheinprovinz 16,45. (S. Tabelle S. 94).
Um die Höhe der Ausgaben in der forstlichen Produktion zwischen verschiedenen
Staaten zu vergleichen, wendet man häufig neben der Angabe pro ha auch jene in
Prozenten der Brutto-Einnahme an; in diesem Sinne waren die Ausgaben:
(Tabelle siehe Seite 95.)
Hieraus ergiebt sich also, dass die Schutz- und Verwaltungskosten beiläufig 7?
bis Vßj jßiie für den Betrieb ^/4 bis Vs der Eoheinnahme absorbieren, übrigens sind die
Zahlen nicht immer direkt vergleichbar, weil in einzelnen Staaten noch die Kosten für
Forstrechtsablösungen, forstlichen Unterricht und sonstige Sparten unter den Forstaus-
gaben figurieren.
In den Forstbudgets der Staaten werden diese verschiedenen Kosten, denen noch
zahlreiche Arbeitsteile von geringerer Bedeutung, z. B. Kosten des Verkaufes, der Gelder-
hebung, der Trift, Holzhöfe, Insekten- Vertilgung etc. beizuzählen sind, der Einfachheit
halber jährlich in Eechnung gestellt und mit den Einnahmen in Bilanz gebracht. In
wirtschaftlichem Sinne freilich sind ein Teil dieser Kosten als Kapitalanlagen zu be-
trachten, welche nur mit ihren Zinsen event. auch mit einer Amortisationsquote an der
Produktion Teil nehmen. Bei Vergleichung der Kosten zwischen verschiedenen Ländern
sowie bei Verzinsungs- und Rentabilitätsberechnungen müssen deshalb Wegeanlagen
und sonstige Meliorationen, Errichtung von Dienstgebäuden sowie Forstrechtsablösungen
und dergl. lediglich mit ihrer laufenden Verzinsung den Brutto-E innahmen gegenüber
gestellt werden, so dass die budgetmässigen Zahlen dazu nicht unmittelbar benutzbar sind.
Hinsichtlich der forstlichen Produktionskosten gilt selbstverständlich wie in allen
übrigen Zweigen der Produktion das Postulat der Wirtschaftlichkeit,
d. h. der weisen Zuratehaltung aller Aufwendungen von Arbeit und Vermögensteilen,
um den Zweck mit den möglichst geringen Opfern an diesen zu erreichen. Diese nied-
rigste Grenze des wirtschaftlich zulässigen Produktionsaufwandes ist aber bei den ver-
schiedenen Intensitätsgraden der Wirtschaft und den einzelnen Betriebssystemen eine
sehr ungleiche, wie oben schon dargetan wurde. Es ist daher eine der wesentlichsten
136) Dr. Danckelmann „Die Deutschen Nutzholzzölle". Berlin 1883, Springer.
94
I. Weber, Die Aufgaben der Porst Wirtschaft.
Ausscheidung der Ausgaben nach den hauptsächlichsten Verwendungen.
C*i._ A /• i
Auf 1 ha ertragsfähiger Fläche entfielen an Ausgaben Mark
ötaatsforsten
Gesamte
1 Gewinnungs- und Waidwege-
Transportkosten «•„u.,».!^^«*.*« ' ^^^ ^öd
von Holz u. anderen Kulturkosten ^e^nter-
in den Provinzen
Jahrgang Verwaltungs-
und Ländern
und
Schutzkosten
Forstprodukten
haitun g
Ostpreussen . .
1880/81"
" 3,75
J,«7
1,03 , 0,42
Westpreussen
«
3,74
1,62
1,01 ' 0,42
Brandenburg . .
n
3,78
2,62
0,97 ' 0,43
Pommern . . .
n
4.11
2,59
1,23 0,49
Posen ....
n
3,99
1,78
0,94
0,09
Schlesien . . .
*
5,08
3,29
1,10
0,78
Sachsen ....
j»
5,35
3,90
1,24
0,75
Schleswig-Holstein
»
6,10
3,54
2,20
0,41
Hannover . . .
9
6,12
4,35
2,93 0,69
Westfalen . . .
»
6,22
3,53
1,75
1,52
Hessen-Nassau .
j»
7,02
3,80
1,92
0,43
Rheinprovinz . .
1»
1)
6,80
4,83
4,81
1,91
2,00
Preussische Monarchie
2,98
1,41 i 0,59
Bayern ....
1860
3,59
.3,31"
0,63 ' 0,50
» ....
1865
4,21
3,70
0,67 ' 0,73
» ....
1870
4,19
3,90
0,63 0,57
n ....
1875
5,77
5.06
0,89 0,94
n ....
1879
6,38
3,71
1,07 1,14
Württijmberg . .
1871/73
9,2
"2,6 ■
2,6
n
1874/76
10,0
2,5
3,1
»
1877/78
8,7
3,67
9,2
4,25
2,2
1,06
3,3
Königr. Sachsen .
1850/59
0,6
!• T
1 860/69
4,40
5,41
1,01
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2,14
7,80
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0,87
^ ....
1881
2,19
7,45
1,44
0,72
71 ....
1882
2,19
7,79
1,42
0,77
11 ....
1883
2,18
8,31
1,48
1,15
El sass- Lothringen
1872/82
7,43
5,98
1,84
0,76
Aufgaben des Wirtschafters, die Grenzlinie aufzusuchen, bis zu welcher einem vermehr-
ten Arbeitsaufwand noch eine Einnahme-Erhöhung entspricht, was sowohl örtlich als
zeitlich sehr verschieden ist. Solche Erwägungen und Berechnungen leiten den Ver-
walter in einer Menge von Fragen, die im Betriebe täglich an ihn herantreten, z. B.
ob die Aufarbeitung durch den Käufer oder die Eigengewinnung in einem bestimmten
Fall nützlicher, ob Stockholzgewinnung noch lohnend sei, ob Reisig in aufgearbeitetem
oder losem Zustand zum Verkauf kommen soll, wann die Durchforstungen zu beginnen
haben, welche "Wegebauten luxuriös oder dringlich, welche Kulturmethoden rentabel
seien, ob künstliche oder natürliche Verjüngung den Vorzug verdienen u. s. w. So oft
andere Holzpreise, andere Transportentfernungen, andere Löhne supponiert werden, wird
das Resultat dieser wirtschaftlichen Kalkulationen ein anderes sein, weshalb das eigene
Denken des wirtschaftenden Personales nie durch Generalregeln oder durch eine schab-
ionisierende Forsteinrichtung ersetzbar ist. Selbstverständlich ist aber die wirtschaft-
liche Sparsamkeit nicht zu verwechseln mit der absoluten, welche um jeden Preis
die Produktionskosten vermeidet und lieber die Mark Gewinn opfert, um den Pfennig
Barauslage zu retten.
§ 41. Die soeben betrachteten Arbeitsleistungen im forstlichen Betriebe machen
nach einer annähernden Schätzung Dr. Danckelmanns ca. 83 Millionen Mark für das
deutsche Reich aus. Es ist aber wohl zu beachten, dass damit nur jene Arbeiten ge-
Die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor in der Forstwirtschaft. § 41.
95
Die Ausgaben in
den Staatsforsten
i in Prozenten der Brutto-Einnahmeu.
Preussen
Bayern
Sachsen
Württbg.
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meint sind, welche bis zum üebergang des Produktes in die Hände des Käufers erfolgen.
An sie schliesst sich, insbesondere bei den Nutzhölzern, erst eine umfassende Verede-
lungsarbeit an, welche den Eohstoff so formt, wie er in den Konsum gelangt. Zunächst
ist schon das Transportgewerbe in ganz hervorragender Weise an der öi*tllchen
Verteilung der Forstprodukte und der Wertbildung durch räumliche Uebertragung be-
teiligt. Es giebt wenige Waren, bei denen die Transportkosten einen ähnlichen Pro-
96 I.Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
zentsatz am Wert loco Eonsamtionsort ausmachen wie bei dem Holz, das bei schwie-
riger Transportierbarkeit einen verhältnismässig niedrigen Preis hat. Bekanntlich hat
V. Thünen diesen Einflnss der Transportkosten auf die Preisbildung und Rentabilität
der Forstwirtschaft eingehend erörtert und auf Grund seiner Berechnungen der letzteren
die Zone zunächst der Gartenwirtschaft in seinem isolierten Staate zugewiesen. Wie
bedeutend die Quantität der Transportleistungen für die Forstwirtschaft aber ist, er-
giebt sich z. B. daraus, dass das bayer. Staatsbahnnetz durchschnittlich jährlich ca.
IVs Millionen cbm Holz nach den grossen Konsumtionszentren befördert, was ca. 48**/o
des Jahresertrags der bayer. Staatsforste bedeutet. Aber der Transport per Axe wird
bei weitem übertroflfen durch die gewaltigen Massen Holz, welche zu W'asser verfrachtet
werden, indem z. B. auf der Weichsel im Durchschnitte der 10 Jahre 1873/82 über
555000 Tonnen (ä 1000 kg) oder ca. 925000 cbm jährlich die Grenze bei Schmalen-
ingken passierten, während zur See in manchen Jahren 6 — 7 Millionen Stück Bretter
in Lübeck einliefen. Hieraus kann man sich ein Bild von der weitverzweigten Han-
dels- und Transporttätigkeit machen, welche sich an den Vertrieb dieses
wichtigen Rohstoffs knüpft. Noch ungleich beträchtlicher aber ist der Arbeitsaufwand
für die industrielle Veredelung zu Halb- und Ganzfabrikaten, der
das Erzeugnis der W^älder auf mechanischem und chemischem Wege so umgestaltet,
wie es für die Bedürfnisse der menschlichen Kultur am geeignetsten ist. Die holzver-
arbeitenden Gewerbe und Industriezweige beschäftigen nach der Zählung von 1875 in
ihren Hauptbetrieben 583300 Personen oder 9 Prozent sämtlicher Gewerbetreibenden
überhaupt, hiervon trafen
auf die Tischlerei 230510 Erwerbstätige
auf das Zimraennannsgewerbe 122554 „
auf Wagner und Stellmacher 47 501 „
auf das Böttchergewerbe 58542 „
auf Sägmühle- u. Imprägnieranstalten 34246 „
auf die Korbflechtindustrie 30611 „
Der Arbeitsverdienst dieser Bevölkerungsklasse wird auf beiläufig 463 Mill. M. pro Jahr
berechnet, wobei aber die Holzstoff- und Cellulose-Industrie sowie der Schiffbau und die
Zündholzindustrie noch nicht inbegriffen sind. Hieraus folgt also, dass weite Kreise
der industriellen und gewerblichen Einwohner aufs lebhafteste an einer sorgfältigen
Kultur und nachhaltigen Instandhaltung der Wälder interessiert sind als an der Quelle
für die Rohmaterialien, in welchen sie ihre Arbeitskraft fixieren und verwerten können.
Umgekehrt ist aber das Interesse der Waldbesitzer nicht minder auf die Mitwirkung
der holzverarbeitenden Industrie hingewiesen, denn nur durch diese Umformung und
Zurichtung werden die Produkte der Wälder geeignet, den Weltmarkt aufzusuchen und
die engen Schranken des lokalen Absatzes zu überschreiten. Dazu kommt, dass in
einem dicht mit industriellen Etablissements versehenen Lande die Vermeidung weiter
Wege und nutzlosen Transports von wertlosem Material (Rinde, Gipfelholz etc. etc.)
an den Kosten der Verfrachtung wesentliche Ersparnisse zulässig sind, die dann durch
Erhöhung der Waldpreise den Waldbesitzern zu Gute kommen und den Kapitalwert
der Wälder infolge der Gunst der Lage steigern. Ich habe in dieser Beziehung darauf
hingewiesen ^^^), dass man für Deutschland gegenwärtig folgende Steigening des budget-
mässigen Reinertrages der Forsten ganzer Provinzen bei Zunahme der Intensität der
Holzindustrie um 1000 Arbeiter beobachten kann:
in den vorwiegend aus Buchen bestehenden Waldungen um 0,37 M.
137) „Forstwissensch. Centralblatt" 1884. S. 85.
Die Produkt ionskapitalien der Forstwirtschaft und ihre Rentabilität. § 42. 97
in den vorwiegend aus Fichten bestehenden Waldungen um 1,46 M.
„ „ Kiefern oder Mischungen von Laub- und Nadelholz „ 1,04 „
Auch in Frankreich ^3^) kann man eine Einwirkung des Zustandes der Holzver-
arbeitung auf die Waldrente wohl erkennen, indem z. B. in den Nadelholz forsten
der höchste Bruttoertrag pro ha mit 216,28 Frcs. im Bezirke Besan^on (einem wich-
tigen Holzhandelsplatz) erzielt wurde, es folgen dann die Forstbezirke (conservations)
Lons le Saulnier mit 172,02, Nancy mit 158,93, Moulins 123,63, Magon 118,40, Epinal
116,90 Frcs., während hingegen die wenig industriereichen Gebiete nur sehr niedrige
Erträge pro ha aufweisen, wie Carcassonne 29,40, Gap 27,85, Aurillac 16,33 und Ajac-
cio 6,42 Frcs.
3. Die Produktionskapitalien der Forstwirtschaft und ihre Rentabilität.
Da dieses Wissensgebiet sich als „forstliche Statik" zur selbständigen Disziplin
entwickelt und programmgemäss in diesem Handbuche als solche speziell behandelt
werden soll, so kann hier nur der Vollständigkeit und Abrundung halber summarisch
auf die dritte der Güterquellen hingewiesen werden, aus welchen die Wertbildung in
der Forstwirtschaft erfolgt.
§ 42. Die Kapitalformen, deren sich die forstliche Produktion bedient, sind aus-
ser dem in Besitz übergegangenen Boden, der hiedurch Kapitaleigenschaft erlangt hat,
im wesentlichen folgende:
1) Der Holzvorrat.
2) Alle fixen Kapitalien, welche zum Forstbetriebe gehören wie Dienstgebäude,
Holzhöfe, Triftanstalten, sowie das gesamte Weg- und sonstige Transportnetz.
3) Die Werkzeuge und Geräte für den Kultur-, Wegbau- und Triftbetrieb, alle
sonstigen Mobilien und das in den Inventaren aufgezählte Material an beweglichen Ein-
richtungsstücken.
4) Die in Kapitalform gedachten Geldmittel, welche für den Lebensunterhalt der
oben näher betrachteten Arbeitskräfte sowie für die Gehalte der Schutzbediensteten
und technischen Angestellten erforderlich sind. In diesem Sinne spricht man daher
von einem Kulturkostenkapitale, einem Verwaltungskapitale.
5) Die gleichfalls zum Kapitale erhobenen Auslagen für Steuern, Kreis-Distrikts-
Gemeinde-Ümlagen, also alle auf Grund und Boden haftenden öffentlich-rechtlichen Ver-
pflichtungen.
Vergleicht man ganz allgemein die Forstwirtschaft in bezug auf ihren Kapital-
aufwand mit anderen Produktionszweigen, z. B. der Landwirtschaft, so ergiebt sich,
dass sie hinsichtlich der unter 2 bis 5 genannten Kapitalformen relativ viel weniger
bedarf, weil die Arbeitsaufwendung eine geringere ist und für Magazinierung und Zu-
bereitung der Emteprodukte in der Regel keine besonderen Gebäulichkeiten erforderlich
sind. Noch mehr tritt dies bei einem Vergleich mit industriellen Unternehmungen aller
Art hervor, bei denen ja gerade der Konto fiir Gebäude, Werkzeuge und Maschinen,
sowie derjenige für Arbeitslöhne die Hauptrolle spielt. Das unterscheidende und cha-
rakteristische Produktionskapital der Forstwirtschaft ist hingegen das Holzkapital.
Man versteht darunter jene Grösse des stehenden Holzbestandes, welche vorerst nur
zur Ansammlung von Holzmasse durch den Zuwachs dient und erst beim Erreichen
eines bestimmten Baumalters planmässig genutzt werden soll. Da nämlich jeder ein-
zelne Baum als eine Aufspeicherung von vieljährigen Assimilationsprodukten anzusehen
ist, die in Form von ausdauerndem Zellgewebe in konzentrischen Schichten längs der
138) Statistique forestiöre. Paris 1878. S. 362.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I.
98 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Stammaxe und ihren fortwachsenden Verlängerungen angelegt wurden, so folgt hieraus
für eine Holzproduktion überhaupt die Notwendigkeit des Vorhandenseins zahlreicher
Baumindividuen, an welchen eine solche Erzeugung und Ablagerung von Holzfasern
sich alljährlich wiederholen kann, bis sie für menschliche Zwecke gebrauchsfähig wer-
den. Die jährliche Zunahme der Masse eines Baumes heisst sein Zuwachs, derselbe
erscheint beim Einzelbaum als eine schmale Holzschichte, die zwischen dem Cambium
und dem Holzkörper auf der ganzen Oberfläche des letzteren gebildet wurde und auf
dem Querschnitt als Jahrring erscheint. Bei ganzen Holzbeständen geht nun neben
dieser Massenzunahme der Einzelstämme eine unausgesetzte Verminderung der Stamm-
zahl einher, indem die schwächeren Individuen durch die kräftigeren, dominierenden
überwachsen werden und an Lichtmangel zu Grunde gehen, so dass in den jugendlichen
Altersstufen eine unausgesetzte, starke Ausscheidung der zurückgebliebenen Stämme
durch die wuchskräftigeren stattfindet — ein Verdrängungsprozess , welcher erst im
höheren Alter, nachdem der Höhenwuchs in der Hauptsache vollendet ist, nachlässt,
aber nie ganz aufhört. Alles Holzmaterial, was auf diese Weise ausgeschieden wurde,
heisst „Zwischennutzung^ im Gegensatz zu der in Form des dominierenden Be-
standes bei dem Abtrieb des ganzen Bestandes vorfindlichen „Hauptnut zun g^,
welche die eigentliche Holzemte darstellt.
Wenn man nun das Verhältnis zwischen einem stehenden Holzbestande und seinem
Jahreszuwachse als das zwischen Kapital und Zins auffasst, so ist damit der Begriff
„HolzkapitaP wenigstens für den sog. aussetzenden Betrieb gegeben, wobei man ent-
weder bloss die Massen beider in Rechnung zieht und prozentisch ausdrückt (Massen-
zuwachsprozent) oder beide in ihrem Geldwerte veranschlagt und die Wertszunahme
pro Jahr in Prozenten vom Werte des Holzkapitales ausrechnet (Wertszuwachsprozent).
Wie diese Erhebungen technisch gemacht werden müssen und auf welche Art die Werts-
ermittlung geschieht, kann hier nicht näher auseinandergesetzt werden, da dies Sache
der Holzmesskunde und der Statik ist.
Das Verhältnis zwischen Zuwachs und Vorrat hängt sowohl von dem Gang des
Zuwachses selbst ab, der in den verschiedenen Lebensaltem sich nicht gleich bleibt,
sondern in der Jugend rasch ansteigt, dann einen Kulminationspunkt erreicht, von wo
an er wieder sinkt, als auch von der Summierung der Zuwachsgrössen im Vorrate
selbst. Es ist begreiflich, dass in den ersten Jahren einem minimalen Vorrate selbst
bei geringer Massenvermehrung eine hohe prozentische Verzinsung entspricht, während
umgekehrt in älteren Beständen schon eine bedeutende Zuwachsgrösse hinzukommen
muss, um eine Verzinsung zu liefern, wie sie bei Leihkapitalien landesüblich ist. Im
allgemeinen kann man für die Durchschnittsgrösse des Zuwachses z (jedoch nicht für
den jährlichen „laufenden Zuwachs") den Zinsfuss p ohne weitere Rechnung durch den
100
Ausdruck p := — finden , weil der Bestandesvorrat uz ist , welchem z als Jahreszins
gegenübersteht. Bei u = 80 Jahren ist daher der Zinsfuss l,25®/o, bei 100 Jahren
= l,00®/o , was sowohl für die durchschnittliche Massen- , wie für die Wertsmehrung
giltig ist.
In einer auf das Postulat der Nachhaltigkeit gegründeten
Waldwirtschaft nimmt das Holzvorratkapital eine bestimmte Form an, die von der so-
eben betrachteten dadurch abweicht, dass die zur Aufspeicherung der Zuwachsgrössen
bestimmten stehenden Vorräte hinsichtlich ihres Bestandesalters eine regelmässige Ab-
stufung in Gestalt einer arithmetischen Reihe von u — 1 bis 0 Jahren zeigen müssen,
wenn anders die Forderung erfüllt w^erden soll, dass alljährlich gleiche Mengen Holzes
von normalem Alter der gewünschten Altersstufe u zur Fällung kommen sollen. Diese
Die Prodnktionskapitalien der Forstwirtschaft und ihre Rentabilität. § 43. 99
Notwendigkeit folgt unmittelbar aas dem, was oben über die Art der Zuwachsansamm-
Inng gesagt wurde, und es ist nur zu untersuchen, zu welchem Zinsfusse sich diese in
regelmässiger Altersabstufung auf gleichen Flächengrössen verteilten Bestände, welche
man in ihrer Gesamtheit den Normalvorrat nennt, durch den alljährlich zum Abtrieb
kommenden Vorrat des ältesten Gliedes dieser Reihe verzinsen. Rechnet man auch
hier wieder nur mit Durchschnittsgrössen und mit Uebergehung der Unterschiede, welche
den Jahreszeiten durch das zeitliche Auseinanderfallen der Vegetations- und der Fäl-
Inngszeit mit sich bringen, so kann man den Normalvorrat als Summe einer arithme-
tischen Reihe von u Gliedern, deren erstes = 0, deren letztes uz ist, berechnen und
erhält somit .j-. Diesem Kapitale steht dann der Vorrat des ältesten Schlages uz
uuz
als Ertrag gegenüber, so dass sich das Prozent der Nutzung aus der Proportion -^ :
200
uz = 100 : p also auf p =: — berechnet. Das Nutzungsprozent der Betriebsklasse
bei dem jährlichen Betriebe ist also doppelt so hoch, als das durchschnittliche Zuwachs-
prozent des Einzelbestandes im aussetzenden Betriebe. In beiden Fällen zeigen aber
die Formeln, wie das Prozent in umgekehrtem Verhältnisse zur Länge der Umtriebs-
zeit steht und für verschiedene Umtriebszeiten im allgemeinen nach einer Reziproken-
reihe abnimmt, in welcher die Jahre der Umtriebszeit die Nenner bilden. Da nun der
Zuwachsgang fast aller anbaufähigen Holzarten ein verhältnismässig langsamer ist, so
liegt zwischen Aussaat und Ernte ein im Verhältnis zur menschlichen Lebensdauer
langer Zeitraum — viel grösser als in den meisten übrigen Produktionszweigen. Dies
veranlasst eine langjährige Inanspruchnahme der Bodenrente durch die Forstproduktion,
sowie einen langen Verzicht auf die Zinsen der Kulturkosten und des Wertes, der im
Holzvorrat steckt, während die jährlichen Auslagen für Schutz, Verwaltung, für Steuern
und Lasten samt ihren Zinsen zu hohen Beträgen anlaufen.
§ 43. Eine Holzproduktion, die also lediglich Massen von gleichem Wert er-
zeugen würde, wie z. B. die Brennholzwirtschaft, müsste daher notwendigerweise mit
sehr niedrigen Umtrieben wirtschaften, wenn sie aus ihren stehenden Vorräten noch
eine landesübliche Verzinsung herauswirtschaften wollte. Anders gestaltet sich jedoch
die Frage, wenn mit dem höheren Alter der Bäume auch ihr Gebrauchswert pro Massen-
einheit steigt; meistens sind die stärkeren Stammformen wegen ihres grösseren Kern-
holzgehaltes, wegen der grösseren Bretterbreiten, die sie liefern, sowie wegen der gün-
stigeren Schaftform für Bauhölzer gesuchter, als die ohnehin massenhaft von den Pri-
vatwaldbesitzem zu Markt gebrachte sog. „schwache Ware". Dies gilt namentlich für
alle dem Export unterliegenden Nutzhölzer, welche nur dann hohe Transportspesen
vertragen, wenn sie einen hohen Gebrauchswert haben und in dem Importlande nicht
zu haben sind. Solche besondere Qualitäten von Hölzern haben, sofern sie nicht in zu
grossen Massen zum Angebot kommen, einen gewissen Seltenheitswert und übertreffen
im Preise pro cbm oft weitaus die schwächeren Sortimente jüngerer Bestände. Nach
dem Vorgange Königs in Eisenach nannte Pressler diese Erhöhung des Einheitspreises
den „Qualitätszuwachs der Bestände" und machte damit auf den wichtigen
Einfluss aufmerksam, den diese Erscheinung in wirtschaftlicher Hinsicht insbesondere
bezüglich der Wahl der Betriebsart und Umtriebszeit ausübt. Ein dritter, von ihm
„Teuerungszuwachs" genannter Faktor, welcher in der relativen Werterhöhung des
Holzes als eines Naturproduktes gegenüber der Mehrzahl der übrigen Güter, namentlich
des Zahlungsmittels, bestehen soll, ist bei der nachfolgenden Betrachtung ausgeschlossen.
Da nach dem obigen der Qualitätszawachs nur die älteren Bestände berührt und
7*
100 I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
insbesondere in dem letzten Grliede voll zum Ausdruck kommt, so ist es natürlich, dass
er günstig auf die Verzinsung sowohl bei aussetzendem, \^ae beim Nachhaltsbetrieb influiert.
Wissenschaftlich findet die Untersuchung der Rentabilität der Forstwirtschaft auf
verschiedene Weise statt (s. Statik). Entweder berechnet man, welche Bodenrente
pro ha Waldboden sich unter Zugrundelegung einer oder verschiedener zu vergleichen-
der Umtriebszeiten und eines angenommenen Wirtschaftszinsfusses ergiebt, wobei man
sich auf den Standpunkt eines Unternehmers stellt, der sowohl die Ausgaben für Kul-
turen, für Verwaltung und Steuern, als alle zu verschiedenen Zeiten einlaufenden Ein-
nahmen des Einzelbestandes finanzrechnerisch auf ihren Kapital wert reduziert und ab-
gleicht. Oder es wird für einen Holzbestand berechnet, zu welchem Zinsfuss (sog.
„W eiser Prozent") er in seinem Jahresertrag noch fortproduziere, wenn man den
ßodenwert als etwas gegebenes in Rechnung stellt und ihn samt den übrigen Kapita-
lien, welche in der Produktion eines Jahresertrages tätig sind, der Grösse dieses letz-
teren gegenüberstellt. Andere Autoren ^*^) haben die Ermittlung der Waldrente,
in welcher die Boden- und Holzbestandsrente nicht getrennt zum Ausdruck gelangt,
zur Rentabilitätsberechnung vorgeschlagen. Der Zweck aller dieser Berechnungen ist,
die vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus vorteilhafteste Betriebsart und Uro-
triebszeit zu ermitteln, nach welchen ein gegebener Wald bewirtschaftet werden soll.
§ 44. Ohne in das Detail dieser verschiedenen Berechnungen näher einzugehen,
mögen hier noch einige allgemeine Eigenschaften des Holzkapitals
Erwähnung finden. Seiner Natur nach ist es zwar ein Produktionsmittel, jedoch
nicht in dem Sinne, wie die fixen Kapitalien der übrigen Wirtschaften, da sich auch
die jüngeren Bestände, falls es dem Besitzer gefallen sollte, verwerten und in umlaufen-
des Kapital verwandeln lassen. Indessen ist zu beachten, dass diese Verwertbarkeit
bei grossen Waldflächen sehr bald auf eine Grenze stösst, indem der Markt allzugrosse
Mengen nicht konsumieren kann und bei Ueberführung des letzteren leicht ein Preis-
sturz erfolgt. Wenn dalier auch die Gleichstellung von Holz Vorräten mit Geldkapitalien
bei Rechnungen prinzipiell zulässig ist, so ist doch bei der praktischen Betätigung
solcher „Versilbeningen" der Vorräte, sobald es sich um erhebliche Beträge handelt,
grosse Vorsicht nötig, um eine Ueberproduktion zu vermeiden.
Hinsichtlich seiner Grösse nimmt das Holzkapital proportional der Dauer der
Umtriebszeit zu, sobald eine nachhaltige Wirtschaft mit jährlich gleichen Erträgen
Wirtschaftsziel ist. Als Produktionskapital ist dann der sog. Normal verrat zu be-
uuz
trachten, welcher, wie aus der Formel nV = - ^ sich ergiebt , gleich dem halben Zu-
wachs ist, der innerhalb der Umtriebszeit auf der ganzen Waldfläche erfolgt. Für
Hochwaldungen mit längeren Umtrieben erreicht daher dieses Kapital sehr beträchtliche
Werte, und es müssen solche Betriebsarten daher als sehr kapitalintensive bezeichnet
werden, weil der Wert des stockenden Vorrates jenen der landwirtschaftlichen Pro-
duktionskapitalien meistens erheblich übersteigt. Allerdings bilden andererseits diese
aufgespeicherten Vorräte wieder eine Art von Sparkasse, auf die man in Notfällen
zurückgreifen kann, zumal in Zeiten, wo der blosse Grund und Boden oder der hypo-
thekarische Kredit stark entwertet sind, wie z. B. in Kriegsjahren. So mancher Gross-
grundbesitzer, ja sogar mancher Staat hat sich im Anfang des XIX. Jahrhunderts nur
durch Heranziehung dieser Werte vor dem finanziellen Ruin durch die enormen Kriegs-
kontributionen gerettet. Andererseits ist aus diesem Grunde auch eine gewisse vSpar-
139) Hofrat von Helferich in Schönbergs Handbuch der politischen Oekonomie,
II. Aufl. XX. „Die Forstwirtschaft".
Die Produktionskapitalien der Forstwirtschaft und ihre Rentabilität. § 45. 101
fähigkeit und eine vor den kleinen Krisen des Geschäftslebens gesicherte Existenz not-
wendig, um überhaupt eine Waldwirtschaft, die über eine sog. Heckenwirtschaft hin-
ausgeht, treiben zu können. Der kleine Waldbesitzer wird durch Erbteilungen, Guts-
ubergaben, durch Hagelschlag oder sonstige Kalamitäten so häutig in Versuchung kom-
men, sich durch den Wald schadlos zu halten, dass er selten zur Ansammlung eines
Vorrates gelangt, wie er dem 60jährigen Turnus entspricht.
Bezüglich der Sicherheit dieserKapitalanlage ist zu bemerken, dass
zwar vielerlei Gefahren den Wald bedrohen, teils von Menschen, teils von Tieren, teils
von den Elementarereignissen ausgehend, allein diese \verden doch vielfach stark über-
schätzt. Abgesehen davon, dass doch die Schläge und Jungwüchse, welche noch geringe
Materialvorräte haben, hauptsächlich vom Insekten- und Wildschaden bedroht sind, ist
die Gefahr durch Feuer, obgleich sie am meisten zerstörend auftritt, doch verhältnis-
mässig selten. Nach der prenssischen Statistik sind innerhalb 15 Jahren in sämtlichen
Staatsforsten durch 405 Brände 7113 ha Wald beschädigt worden, dies macht jährlich
auf 1 Mill. ha umgerechnet 191 ha, so dass also in einem geordneten Forsthaushalt
mit guter Aufsicht dieser Schaden nur unbedeutend ist.
Für die Holzproduktion ist ferner eine gewisse Arrondierung und Kon-
solidierung der Holzvorräte notwendig , damit eine der hauptsächlichsten
Gefahren für das Holzkapital, der Sturmwind, mit Aussicht auf Erfolg bekämpft wer-
den kann. Nichts ist in dieser Hinsicht verderblicher als die sog. „Gemenglage** der
Waldparzellen, in welcher jede planmässige Aneinanderreihung der Gehaue, jede Siche-
rung durch Waldmäntel und reguläre Hiebsfolge durch den Egoismus der einzelnen
Besitzer vereitelt wird. Es ist deshalb ein Erfahrungssatz, dass die Waldwirtschaft
nur in geschlossener, komplexer Lage ihren höchsten Ertrag liefert, dass hingegen
Parzellierung und Zerstückelung nach mehrfachen Hinsichten schädlich sind.
§ 45. Nachdem oben gezeigt worden ist, in welcher Weise wissenschaftlich der
Erfolg der forstlichen Produktionskapitalien bemessen und für die Zwecke der Werts-
berechnung oder der W^ahl des Umtriebs verwendet wird, möge hier noch der im Haus-
halt der Staaten und Korporationen üblichen Berechnungsart des tinanziellen Ertrages
der Forsten gedacht werden. In der Regel wird dabei nämlich nur der effektiven Ein-
nahmen und der Barauslagen Erwähnung getan, während sowohl das Bodenkapital
als das Vorratskapital ge Wissermassen als „versteckter Produktionsaufwand** ganz ausser
der bndgetmässigen Berechnung bleibt. Demnach enthält also der Nettoertrag, wie
ihn die Forstrechnungen ausweisen, immer noch die Bodenrente und die Zinsen des
Holzkapitales mit inbgriffen, und auch die Abrechnung der übrigen Kosten erfolgt ledig-
lich durch die jährliche Bilanzierung der Barauslagen. Trotz dieser wissenschaftlichen
Ungenanigkeit, welche aber praktisch nicht zu beseitigen ist, bieten diese bndgetmässigen
Abrechnungen ein grosses Interesse, indem sie die absolute Grösse der kassamäs-
sigen Einnahmen den baren Auslagen gegenüberstellen und einen Ausdruck für die Ge-
samtheit der auf Preisbildung und Materialertrag Einfluss übenden Faktoren liefern.
Hiedurch erhält man wirtschaftliche Resultate, die oft erheblich von jenen ab-
weichen, welche bloss im Hinblick auf die Verzinsung der Produktivkapitalien abgeleitet
werden. So giebt z. B. hinsichtlich der Erträge der einzelnen Betriebsarten die Sta-
tistik Frankreichs folgende Roherträge an (pro 1876) : (S. die Tabelle auf S. 102).
Demnach würde sich der Nadelholz- und der Laubholz-Hochwald in bezug auf
Bruttorente entschieden dem Nieder- und Mittel waldbetriebe überlegen erweisen. Um
den Einfluss der weiten geographischen Entfernungen zu eliminieren, kann man auch
die Erträge der Betriebsarten nur eines einzigen Bezirkes ins Auge fassen, so hat z. B.
im Oberforstmeister-Bezirke Nancy der Bruttoertrag pro ha betragen Frcs. :
102
I. Weber, Die Aufgaben der Forstwirtschaft.
Betriebsarten:
o
Q.
Höchster Brutto .
ertrag S
Niedrigster , ^g
Gesamtmittel „ ^
Nieder-
wald
27,26
0,29
7,18
Mittel
wald
83,59
2,38
34,15
In Ueber-
führung
begriflFen
64,15
7,92
34,77
Laubholz-
hochwald
95,20
10,43
41,91
Nadel-
hölzer
216,28
4,18
65,20
Laub- und Mittel lur
Nadelholz die Forst-
gemischt fläche
149,32
2,82
37.41
214,23
1,89
39,40
im Niederwalde 13,45, im Mittelwalde 35,97, im Laubholzhochwald 40,34, im
reinen Nadelholz 158,93, in den Mischungen von Laub- und Nadelholz 73,53.
Ueber die Reinerträge pro ha mehrerer deutscher Staaten giebt nachfol-
gende Tabelle eine auf 45 Jahre zurückreichende Uebei'sicht (nach Danckelmann ^Die
deutschen Nutzholzzölle '^ und nach den neuesten offiziellen Angaben), aus welcher die
Bewegungen der budgetmässigen Nettoerträge der Staatsforst^n zu ersehen sind.
Staaten
Zeitiilume, für welche der jährliche Durchschnitt berechnet ist
CO i
^H
a/^
^H
CO
lO
CO
CO
r-
t>
1
1
1
1
o
CO
<M
CO
Ol
io
iC
CO
CO
t>
00
00
00
00
00
T-«
1-H
F-«
r-*
v-4
00
00
CO
00
00
00
Oi
00
00
CO
00
Bndgetmässi^er Reinertrag pro ha Staatswald in Mark
Preussen . .
Bayern . . .
Württemberg
Baden . . .
Sachsen Kgr. .
Elßass-Lotnringen
4,82
10,19
12,59
13,48
18,03
6,37
14,47
26,70
25.23
23,56
9,13
19,23
33,37
29,20
29,34
8,49
19,63
26,40
31,32
33,25
11,74
13,17
41,60
38,04
51,01
28,76
9.00
13.80
25,19
24,16
35,00
20,45
10,22
14,24
26,62
25,87
43,21
18,86
12,18
16,82
30,64
29,19
45,50
20,92
12,65
20,37
30,61
34,48
41,88
24,47
In den ungarischen Staatsforsten war der budgetmässige Reinertrag pro ha in
Mark umgerechnet folgender:
im Jahr 1881 1882 1883 1884
im eigentlichen Ungarn . . 2,14 2,08 2,23 1,96
in Kroatien und Slavonien . 3,03 3,27 3,71 4,72
im Gesamtmittel .... 2,32 2,35 2,53 2,53
Schliesslich möge zur Illustration der Wichtigkeit einer guten Staatsforstrente
auf die Budgets der europäischen Staaten ein Blick geworfen werden, wobei allerdings
die übrigen Staatsdomänen mitgerechnet sind. Im Budget pro 1882 betrugen die Ein-
nahmen aus Domänen und Forsten als Summe der Einzelstaaten:
im deutschen Reiche 218319313 M. in Frankreich 44398600 M.
in Oesterreich-Ungarn 35873125 „ „ Spanien 8080000 „
19810227 , „ England 12277 525 „
94441080 „
Dieselben sind bis 1902 nicht unbeträchtlich gestiegen; leider waren die bezüg-
lichen Zahlen nicht zu ermitteln.
Italien
Russland
103
^
II.
Forstliche Standortslehre.
Von
£. Ramann.
Literatur. Schübler, Grandsätze der Agrikulturchemie 1838. M u 1 d e r,
Chemie der Ackerkrame. Berlin 1863. Fallou, Pedologie. Dresden 1862. Hey er, Forst-
liche Bodenkunde und Klimatologie. Erlangen 1856. Senft, Gesteins- und Bodenkunde.
Berlin 1877. Detmer, Die naturwissenschaftlichen Grandlagen der allg. landwirtschaft-
lichen Bodenkunde. Leipzig und Heidelberg 1876. Adolf Mayer, Lehrbuch der Agri-
kultur chemie. 5. Aufl. 1901. Heidelberg. Grebe, Gebirgskunde, Bodenkunde und Klima-
lehre. 4. Aufl. 1886. Berlin. Ramann, Forstl. Bodenkunde und Standortslehre. Berlin.
Ausser diesen eine grössere Anzahl gelegentlich angeführter Werke, namentlich
ist jedoch die nenere Literatur niedergelegt in Zeitschriften; von diesen sind (ausser
den forstlichen) wichtig:
Forschungen der Agrikulturphysik, herausgegeb. durch E. WoUny. Hei-
delberg (eingegangen). (Abgek. : Forschg. d. Agrikulturphysik). Die landwirtschaft-
lichen Versuchs-Stationen, herausgeg. v. F. N o b b e. Berlin (Abgek. : Vers.-
Stat.). Jahresbericht der Agrikulturchemie. Berlin. Zcntralblatt für
Agrikulturchemie. Berlin. Landwirtschaftl. Jahrbücher. Berlin.
Die beiden letzteren Zeitschriften geben eine üebersicht über die gesamten landwirt-
schaftlichen Arbeiten, vernachlässigen jedoch sehr häufig die forstlichen, die in der Regel nur
sehr ungenügend mitgeteilt oder ganz übergangen werden.
Einleitung.
§1. Begriffe. Der Boden (Ackerkrume, Ackerboden der Landwirte) ist
die oberste Verwitterungsschicht der festen Erdrinde, unter-
mischt mit den Eesten der Pflanzen und Tiere, welche auf und
in derselben leben.
Die Bodenkunde (Pedologie) ist die Lehre von den Eigenschaf-
ten, der Entstehung und Umbildung des Bodens.
Die Standortslehre umfasst ausser der Bodenkunde noch die
Abhängigkeit der Vegetation von klimatischen Verhältnissen,
sowie von der Lage und die Wechselbeziehungen zwischen Boden
und Pflanze; die forstliche Standortslehre berücksichtigt da-
bei wesentlich die Entwickelung der Waldbäume.
Die Standortslehre baut sich auf einer ganzen Eeihe von einzelnen Hilfswissen-
schaften auf. In erster Linie sind hierbei gewisse Teile der Chemie, Physik und
Pflanzenphysiologie notwendig, wozu noch Meteorologie und einzelne Abschnitte der
Geologie und Mineralogie hinzutreten. Die Mannigfaltigkeit der Grundlagen bewirkt,
104 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
dass der Begriff der Standortslehre vielfach nicht genüf^end abgegrenzt werden kann,
und je nach der Bedeutung, welche man den einzelnen Disziplinen einräumt, wird eine
ganz verschiedenartige Behandlung hervorgehen. So giebt es Werke, welche die Stand-
ortslehre vom meteorologischen, bodenkundlichen oder pflanzenphysiologischen Stand-
punkt aus behandeln. In dem folgenden ist zunächst das Hauptgewicht auf die Boden-
kunde gelegt.
§2. Allgemeines über den Boden. Für das Verständnis vieler Vor-
gänge im Boden ist es nützlich, den Boden zunächst als etwas Gegebenes aufzufassen
und erst später die Bildungsweise desselben zu verfolgen. Es gilt dies für alle die-
jenigen Eigenschaften, die in erster Linie eine Folge der physikalischen Verteilung und
Lagerung der Bodenbestandteile sind, wenn auch natürlich die chemische Zusammen-
setzung nicht ganz ausser acht gelassen werden darf.
Der Boden ist nie einheitlich zusammengesetzt. Wohl jede pflanzentragende
Bodenart lässt sich durch geeignete Hilfsmittel in drei Gruppen von Bestandteilen zer-
legen: in
1) Sand,
2) abschlämmbare Teile,
3) humose Stoffe (Humus).
Vielfach treten hierzu noch gröbere Gemengteile, die als Kies, Steine, Pflanzen-
wurzeln (unzersetzt) unterschieden werden.
Unter Sand versteht man alle Bestandteile eines Bodens, die sich beim Ver-
teilen desselben in Wasser rasch absetzen und die Grösse eines Mohnkemes bis zu der
eines Hanfkornes haben. Die chemische oder mineralogische Zusammensetzung dieser
Körper wird erst in zweiter Reihe berücksichtigt, indem man z. B. von Quarzsand,
Kalksand spricht. Der verbreitetste Bestandteil des Sandes ist der Quarz, wenn der-
selbe auch nur selten die Sande ganz allein zusammensetzt, welche zumeist sparsamer
oder häufiger Körner von andern Mineralien oder Gesteinen einschliessen. Dahin ge-
hören z. B. die „Spatsande** des nordischen Diluvium, die eine wechselnde Menge von
Feldspatkömem , die Glimmersande des Tertiär, die Glimmerblättchen enthalten, in
ihrer Hauptmenge jedoch aus Quarzsand bestehen. Dagegen setzen sich die Kalk- und
Dolomitsande, sowie der vulkanische Sand überwiegend aus Bruchstücken der betreffen-
den Gesteine zusammen.
Abschlämm bare Teile sind Bestandteile des Bodens , welche sich lange
im Wasser schwebend erhalten; daher durch Verteilen des Bodens im Wasser und
durch Abschlämmen von dem Sande getrennt werden können. Die abschlärambaren
Teile sind die Träger vieler der wichtigsten chemischen und physikalischen Eigenschaften
eines Bodens.
Die abschlämmbaren Teile des Bodens bezeichnet man meist als „Rohthon". Aus-
ser Kaolin (wasserhaltiges Thonerdesilikat) enthält der Rohthon andere wasserhaltige
Silikate, sowie fein zerriebene Gesteinsmassen, fein verteilten kohlensauren Kalk, Ei-
senoxyd und Eisenoxydhydrat. Für die Bodenkunde ist es dringend notwendig, die
verschiedene Zusammensetzung der abschlämmbaren Teile zu berücksichtigen. Es
giebt z. B. eine in Heidegebieten nicht seltene Bodenschicht, den Heidelehm, der ganz
überwiegend aus feinst zerriebenem Quarzmehl besteht, zum grössten Teil abschlämm-
bar ist und doch nur einen ganz geringen Gehalt an Thon besitzt.
Unter dem Namen Humus werden alle Bodenbestandteile zusammengefasst, die
aus der Verwesung oder Vermoderung der Tier- und Pflanzenreste hervorgehen. Auch
der „Humus" stellt keinen einheitlichen Körper dar, sondern bezeichnet organische Stoffe
in den verschiedensten Stadien der Umwandlung. Alle sind dunkel, braun bis schwarz ge-
Die Bodenbildung. § 3. 105
färbt und sind sich in ihren Eigenschaften mehr oder weniger ähnlich. Die humosen Stoffe
bilden die Hauptmasse der „Humusböden** (Torf, Moorboden), finden sich in den übrigen
Bodenarten in wechselnder Menge und beeinflussen das Verhalten derselben sehr wesentlich.
Die drei angegebenen Stoffgruppen finden sich in allen für das Pflanzenwachstum
günstigen Bodenarten. Eine geeignete Mischung derselben ist wünschenswert; ein
üeberwiegen einzelner hat einen Rückgang des Bodenwertes zur Folge; reine, un-
fruchtbare Sande, zähe für die Pflanzenwurzel fast undurchdringliche Thonböden und
endlich die Hochmoore mit ihrer ärmlichen Flora stellen die Grenzwerte dar.
L Bodenbildung.
Verwitterung.
Der Boden geht aus mechanischem Zerfall und chemischer Zersetzung fester Ge-
steine hervor. Beide Vorgänge bezeichnet man als „Verwitterung".
§3. l)Der Zerfall der Gesteine (physikalische Verwitterung) wird
namentlich durch Temperaturwechsel und durch Sprengwirkungen des gefrierenden
Wassers verursacht.
a. Einwirkung der Temperatur. Alle Körper dehnen sich bei höherer
Temperatur aus und ziehen sich bei niederer Temperatur zusammen. Sind Felsen oder
auch Gesteinsbruchstücke in ihren einzelnen Teilen sehr verschiedenen Wärmegraden
ausgesetzt, so kann die in den einzelnen Schichten herrschende Spannung so sehr ge-
steigert werden, dass ein Zerspringen herbeigeführt wird. In den wärmeren Gegenden,
namentlich in solchen, welche grosse Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht
aufzuweisen haben, wie in den wasserarmen Wüstengebieten, macht sich diese Erschei-
nung sehr merkbar. So beobachtete man in Oberägypten, bez. den benachbarten Wüsten,
nicht selten, dass die dort verbreiteten Feuersteine mit klingendem Ton zerspringen.
In jenen Gegenden wirkt der rasche Wechsel zwischen Wärme und Kälte zweifellos
bei der Zertrümmerung der Felsmassen bedeutend mit. Anders in den gemässigten
Klimaten, wo nur frei hervorragende und steil abstürzende Felsmassen, die am Tage
der Sonne ausgesetzt sind, beeinflusst werden. Je mehr man sich den Polen nähert,
um so gleichmässiger gestalten sich für längere Zeitabschnitte die Temperaturverhält-
nisse und um so geringer die Wirkung des Wechsels derselben.
Ein anderer Vorgang ist dagegen nicht ohne Bedeutung. Es ist das verschieden-
ai-tige Ausdehnungs vermögen der Mineralien bei Temperaturveränderungen. Sind die
Mineralien im krystallisierten Zustande vorhanden, wie dies in Gesteinen meist der
Fall, so tritt diese Wirkung nach verschiedenen Richtungen, welche den krystallogra-
phischen Axen entsprechen, in wechselnder Grösse auf. Als Regel gilt hierbei, dass
gleichwertige Axen die gleiche, ungleichwertige Axen verschiedene Ausdehnungskoeffi-
zienten haben. Dementsprechend ist die Volumveränderung durch wechselnde Tempe-
ratur bei den regulären Körpern nach allen Richtungen gleichmässig ; bei quadratischen
und hexagonal krystallisierenden nach zwei, bei allen andern nach drei Richtungen
verschieden. Sind die Grössenunterschiede bei den in der Natur vorkommenden Schwan-
kungen des Wärmegrades auch gering, so lockern sie doch den festen Zusammenhang
der Gesteine. Wahrscheinlich ist es hierauf zurückzuführen, dass die Verwitterung um
so energischer vorschreitet, je grobkörniger die einzelnen Mineralien im Gestein aus-
gebildet sind. Bei grösseren Krystallen wird sich naturgemäss die Volumänderung
stärker bemerkbar machen, als bei feinkörnigen Gesteinen. Es gut dies auch von sol-
chen, welche einheitlich zusammengesetzt sind, da regulär krystallisierende Mineralien
nur wenig an der Zusammensetzung der verbreiteten Gesteine Teil nehmen.
106 11. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Eine gewichtige Bolle bei der Zertrümmerung der Mineralbestandteile spielen
wahrscheinlich noch die mikroskopischen Einschlüsse, namentlich die Gas- and Flüssig-
keitseinschlüsse, sowie die Struktur der Gesteine. Unregelmässige Umgrenzungen, Ein-
und Durchwachsungen der einzelnen Krystalle sind bei kömigen Gesteinen die Begel,
bei anderen häufig. Bei wechselnden Temperaturen und dem grossen Ansdehnnngs-
koefüzient der Gase (7I7), sowie bei den Volumveränderungen, welche die eingeschlosse-
nen Flüssigkeiten, die grossenteils dem Wasser angehören, beim Gefrieren erleiden,
kann man die zersprengende Wirkung derselben sicher als bedeutungsvoll betrachten.
Es ist vielleicht hierauf mit zurückzuführen, dass die Flüssigkeitseinschlüsse in schwer
spaltbaren und wenig angreifbaren Mineralien, wie z. B. Quarz allgemein verbreitet
sind, während sie in andern, wie den Feldspaten, zu den grössten Seltenheiten ge-
hören und meist durch Gasporen ersetzt sind.
Grössere fremde Einschlüsse, sowie die Einstülpungen der Gesteinsmasse, die in
ausgeschiedene Krystalle hineinragen, werden namentlich durch die Volumverändernngen
wirksam sein, welche bei der Verwitterung eintreten.
b. Wirkung des gefrierenden Wassers. Die Volumzunahme des Wassers
bei seinem Uebergang in den festen Aggregatzustand ist beträchtlich und beträgt
ziemlich genau V" (spez. Gew. des Wassers bei -f 4® =: 1 ; bei 0® = 0,99988 ; spez.
Gew. des Eises bei 0^ = 0,91674); also Volumzunahme lz= 1.102).
Die Sprengwirkung des gefrierenden Wassers wird durch die Porosität der Ge-
steine gesteigert. Auch die festesten Gebirgsarten sind von einem Netz feinster Spalten
und Hohlräume durchzogen, welche dem Wasser den Eintritt gestatten. Besonders
auffällig wird die Wirkung, w^enn in grösseren Spalten sich tropfbarflüssiges Wasser
angesammelt hat, oder abgestorbene Wurzeln sich voll Wasser saugen; das gebildete
Eis wirkt dann nach Art eines Keils und kann mächtige Blöcke absprengen. Senft
teilt hiervon Beispiele mit (Senft, Forstliche Bodenkunde S. 143). Gesteine, deren
Zersetzung schon weiter vorgeschritten ist, sind ganz von Wasseradern durchzogen,
beim Gefrieren treiben diese die einzelnen Bruchstücke auseinander und nach dem Auf-
tauen kann das ganze, vorher noch feste Gesteinsstück in Gruss zerfallen. Vorzügliche
Beispiele für die Wirkung des Frostes geben z. B. poröse Ziegelsteine, die im feuchten
Zustande längere Zeit dem Frost ausgesetzt waren.
§ 4. 2) Die lösende Wirkung des Wassers. Sowenig es Gesteine giebt,
die für Wasser gänzlich undurchdringlich sind, ebensowenig giebt es völlig unlösliche
Stoffe. Die Verbindungen, in denen der Chemiker bei der Analyse die Stoffe abscheidet
und zur Wägung bringt, bezeichnet man oft als unlöslich, tatsächlich sind sie nur sehr
schwer löslich.
Auch die scheinbar ganz unangreifbaren Stoffe, wie Quarz, finden sich nicht selten
mit zerfressener Oberfläche und geben so den Beweis, dass ein Lösungsmittel einge-
wirkt hat. Auch die Tatsache, dass Mineralien in den Formen anderer Mineralarten
vorkommen (Pseudomorphosen), aus denen sie hervorgegangen sind, zeigt, dass
kein fester Stoff völlig unangreifbar oder unveränderlich ist. Vielfach haben in solchen
Fällen allerdings verdünnte Salzlösungen eingewirkt, wie ja völlig reines Wasser in
der Erdkruste überhaupt nicht anzutreffen ist, aber auch schon die lösende Kraft des
Wassers genügt, namentlich im kohlensäurehaltigen Zustande, bedeutsame Veränderungen
hervorzubringen.
Als leicht löslich ist namentlich der Gips anzuführen, w^elcher sich in etwa 400
Tl. Wasser auflöst. Ferner sind in kohlensäurehaltigem Wasser die Karbonate des Kalkes,
der Magnesia und des Eisenoxydules auflöslich. Die Menge, welche aufgenommen wird,
hängt ab von dem Koblensäuregehalt des Wassers, von der Zeitdauer der Einwirkung
Die Bodenbildung. § 5. 107
und von der Beschaffenheit der Gesteinsoberfläche. Die mehr oder weniger feine Ver-
teilung und die Oberflächenbeschaffenheit ist von grosser Bedeutung. Je ebener,
glätter und gleichmässiger die Obei*fläche eines Gesteines ist, um so schwieriger ver-
mag das Wasser einzudringen und um so rascher läuft es ab, ohne Stoffe aufnehmen
zu können. Die Technik macht Gebrauch von dieser Erfahrung, indem sie Denkmäler,
Säulen und dergl. poliert. Nicht nur das Aussehen wird dadurch günstiger, son-
dern auch die Haltbarkeit wird bedeutend erhöht. Wie sehr der Angriff der Atmo-
sphärilien durch die Beschaffenheit der Oberfläche beeinflusst wird, zeigt ein Versuch
von Pfaff, der eine geschliffene Platte von Solenhof er Schiefer der Einwirkung des
Kegens aussetzte. Nach zwei Jahren betrug der Gewichtsverlust für 2500 Quadrat-
millimeter nur 0.18 gr. ; nach drei Jahren schon 0.55 gr. Die Oberfläche war ganz
rauh geworden.
In grossartigster Weise zeigt sich die grössere Widerstandsfähigkeit polierter
Felsen in den Gebieten, welche früher von Gletschern bedeckt waren. Im skandina-
vischen Norden, in den Alpen und an anderen Orten finden sich sog. Rundhöcker,
durch Eis gerundete Hügel, die noch jetzt, nach Jahrtausenden, durch die Verwitterung
fast unangegriffen, ihre durch Eis geglättete Oberfläche erhalten haben.
Durch die lösende Wirkung des Wassers können ganze Schichten weggeführt
werden. Erfahrungsmässig sind jedoch einzelne Teile eines Gesteines, auch bei gleicher
chemischer Zusammensetzung, schwieriger löslich, sie ragen als Ecken und Adern
hervor. Im Hochgebirge ist oft infolge jener verschiedenartigen Löslichkeit die
Oberfläche von Kalkgesteinen von hervorragenden Rippen und Kanten bedeckt : Schrat-
ten oder Karrenfelder. (Vergl. Heim, Die Verwitterung im Gebirge, Basel 1879.)
Auf ungleiche Löslichkeit im kleinsten Massstabe ist wohl auch die Bildung von Kalk-
nnd Dolomitsand bei den reineren Kalksteinen und Dolomiten zurückzuführen.
Sind löslichen Gesteinen andere Bestandteile beigemischt, so bleiben diese zurück ;
es können so z. B. schwere Thonböden aus Kalkgesteinen hervorgehen.
§ 5. 3) Die Zersetzung der Gesteine (chemische Verwitterung;
Verwitterung im engeren Sinne). Zersetzung der Gesteine mit Umwandlung ihres che-
mischen Bestandes werden in der Natur durch den Sauerstoff der Luft, ferner durch
Wasser, welches Kohlensäure und organische, als Humussäuren bezeichnete Verbindungen
gelöst enthält, verursacht. Man bezeichnet diesen Vorgang als einfache Verwit-
terung. Bei diesem Vorgange werden Salze gebildet, welche ebenfalls chemische
Umsetzungen veranlassen und deren Wirkungen man als komplizierte Verwit-
terung bezeichnet.
Die Vorgänge der komplizierten Verwitterung sind im wesentlichen übereinstim-
mend mit den Wirkungen der „Absorption" der Böden.
Alle Verwitterungsprozesse verlaufen rascher bei höherer Tempeiutur. Man kann
in grossem Durchschnitt annehmen, dass bei einer Erhöhung der Temperatur um lO*'
die Geschwindigkeit chemischer Umsetzungen in Lösungen verdoppelt wird.
In der Natur zeigen die arktischen Klimate nur sehr wenig chemische Verände-
rungen der Gesteine, während in den Tropen ausserordentlich mächtige Verwitterungs-
schichten vorhanden sind.
Der Sauerstoff ist bei den Verwitterungserscheinungen der Gesteine durch
die Oxydation des Eisenoxyduls und des Schwefeleisens beteiligt. Weitaus die meisten
Elemente finden sich in völlig oxydiertem Zustande, vermögen daher nicht mehr Sauer-
stoff aufzunehmen. In den Hornblenden, Augiten und vielen anderen Mineralien sind
dagegen Oxydulverbindungen des Eisens reichlich vorhanden, und ist die Ueberführung
derselben in die Oxyde ein wesentlicher Teil der Verwitterung.
SiO,
65.24
A1.0.
18.15
CaO
1.28
K,0
14.96
108 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Bedeutsamer ist die Einwirkung des Sauerstoffs bei der Humusbildnng. Je
nach Gegenwart oder Abwesenheit des Sauerstoffs verläuft die Zersetzung der organi-
schen Abfälle verschieden. Zumal die Bildung der Humussäuren wird durch Mangel
an Sauerstoff gefördert.
Das Wasser im reinen Zustande ilbt eine ganze Reihe chemischer Zersetzung-en
aus. Namentlich ist die Einwirkung auf Alkalisilikate hervorzuheben.
Nichts ist geeigneter, den Unterschied zwischen löslichen und angreifbaren
Mineral Substanzen zu erklären, als die Einwirkung des Wassers auf ein lösliches Ge-
stein, etwa auf Gips, und die auf ein zersetzbares, wie z. B. Feldspat.
R. Müller (Tschermak, Mineral. Mitteil. 1877. S. 31) behandelte reinen Kali-
feldspat (Adular) während sieben Wochen mit Wasser. Die Zusammensetzung des
Feldspates (angewendet 10.07 gr) sowie die gelöste Menge und die prozentische Lfos-
lichkeit der einzelnen Stoffe mag hier folgen.
gelöste Menge prozentische Löslichkeit
0.0102 0.0156
0.0025 0.0137
Spur —
0.0204 0.137
Es war also 0.328^0 des angewendeten Feldspates in lösliche Form übergeführt,
jedoch zehnmal mehr Kali als Kieselsäure aufgenommen worden. Es hatte sich ein
Alkalisilikat gebildet, welches etwas Thonerde in Lösung erhielt.
Noch energischer wirkt Wasser auf Natriumsilikate ein, während die Kieselsäure-
verbindungen der alkalischen Erden (Ca, Mg) und des Eisens nur unter gleichzeitiger
Mitwirkung von Kohlensäure stärker zersetzt werden.
Aus diesem Beispiele geht bevor, dass auch das chemisch reine Wasser, welches
man gewohnt ist als einen „indifferenten" Körper zu betrachten, ganz bedeutende che-
mische Wirkungen auszuüben vermag.
Kohlensäure oder richtiger kohlensäurehaltiges Wasser wirkt
zersetzend auf Silikate ein; zumal Mineralarten, welche alkalische Erden und Eisen-
oxydul enthalten, werden leicht angegriffen. Hierbei werden lösliche kohlensaure und
kieselsaure Salze gebildet, während ein Teil des ursprünglichen Minerals als wasser-
haltige Silikate zurückbleibt.
Löslich sind Alkalisilikate, Karbonate des Kalkes, der Magnesia und des Eisen-
oxyduls sowie wasserhaltige Kieselsäure. Unlöslich sind wasserhaltige Silikate der
Thonerde und des Eisenoxydes. Vorhandener Kalk wird in der Regel in Karbonat
übergeführt; zum Teil geschieht dies auch bei der Magnesia, obgleich vielfach auch
Magnesiasilikate entstehen.
Wasserhaltige Kalksilikate werden durch kohlensäurehaltiges Wasser leicht zer-
setzt, entsprechende Magnesiasilikate nur wenig angegriffen ; sie sind daher häufig vor-
kommende Minerale (Chlorit, Talk u. and.).
Der Vorgang der Silikat- Verwitterung ist zu bezeichnen als: Zerlegung der
Mineralarten durch in Wasser gelöste Kohlensäure (und Humus-
säur e n) unter Wasseraufnahme in einen löslichen und einen unlöslichen
Teil. Der erstere wird meist weggeführt, der letztere bleibt zurück.
Die hauptsächlichsten Produkte der Verwitterung sind wasserhaltige kieselsaure
Verbindungen der Thonerde, des Eisenoxyds und der Magnesia als Rückstand; freie
Kieselsäure, kieselsaure und kohlensaure Salze der Alkalien, kohlensaure Salze des Kal-
kes, der Magnesia und des Eisenoxyduls als lösliche Verbindungen.
Bei Gegenwart von Sauerstoff, also bei Luftzutritt, kann kohlensaures Eisenoxydul
Die Bodenbildung. § 6. 109
nur zeitweise auftreten, es wird sich rasch in Eisenoxyd bez. dessen Verbindungen am-
wandeln. Der Rückstand der Zersetzung von Silikaten an der Erdoberfläche bilden
die mannigfaltigen Thone von wechselnder, meist gelber, brauner oder roter Färbung.
Es ist natürlich nicht notwendig, dass die Wegfuhrung der bei der Verwitterung
gebildeten löslichen Stoffe sofort geschieht; häufig bedarf es dazu grösserer Wasser-
mengen, als zur Verfügung stehen, und erfolgt dann zunächst eine Ausscheidung der
neugebildeten Stoffe, die gelegentlich in den krystallisierten Zustand übergehen und
dann oft dauernd der Einwirkung des Wassers standhalten. Dahin gehört die Ab-
scheidnng der Kieselsäure als Quarz, der als sekundäre Bildung sehr oft im Dünnschliff
beobachtet werden kann, während Krystalle von Kalkspat früher oder später doch
zur Lösung kommen. Die letzteren linden sich namentlich in Gesteinen, die reich an
Kalkfeldspaten (bez. Labrador) und an Augit sind. So kann man z. B. vielfach schwach
zersetzten dichten Diabas von dichten dioritischen Gesteinen durch den Gehalt an Kalk-
spat unterscheiden (bez. durch das Aufbrausen bei Aufgiessen von Salzsäure).
So einfach sich die Vorgänge der einfachen Verwitterung auch in ihrem Endzu-
stand darstellen, so mannigfach sind die Zwischenprodukte. Zurzeit kann man nur
angeben, dass von diesen wahrscheinlich eine grosse Zahl gebildet wird, wenn auch
eine Trennung derselben noch nicht möglich ist. Diese Körper werden nun noch aus-
serordentlich verschiedenartig durch die Vorgänge der komplizierten Verwitterung, also
durch die Einwirkung der entstandenen Salze aufeinander und auf die Bestandteile des
Rückstandes beeinflusst. Nur wenige der wichtigsten bisher erkannten Umsetzungen
können hier berührt werden. (Vergl. Bischof, Lehrb. d. ehem. Geolog. 1. S. 43).
Bei der Verwitterung entstehen namentlich kieselsaure und kohlensaure Alkalien,
Karbonate des Kalk, der Magnesia und des Eisenoxyduls. Ausserdem führen fast alle
Bodenarten geringe oder reichlichere Mengen von löslichem schwefelsaurem Kalk.
a) Kieselsaure Alkalien zersetzten die Sulfate und Chloride der alkalischen Erden.
b) Kalisilikat wird durch Eisenoxyd und Thonerde die Kieselsäure entzogen und
Alkali freigemacht. Das freie Alkali kann Thon lösen und so zu dessen Wegführung
Veranlassung geben, obwohl sonst die Thonerde der am schwierigsten bewegliche Be-
standteil des Bodens ist.
c) Kohlensaure Alkalien zersetzen Kalksilikat, nicht aber Magnesiumsilikat.
d) Gelöster kohlensaurer Kalk CaHj(COj), nnd Kalisilikat liefern unter Freiwer-
den der Kieselsäure Karbonate von Kalk und Kali.
§ 6. 4) Organische Stoffe und deren Einwirkung. Ausser den an-
organischen Stoffen üben auch die sich zersetzenden organischen Reste eine bedeutsame
Tätigkeit, welche die Verwitterung stark befördert. Namentlich sind es die freien
„Humussänren^ sowie die leicht löslichen humussauren Alkalien, welche angreifend auf
die Gesteine einwirken. Kaum ein Teil der Bodenkunde hat so wenig Förderung ge-
fanden als dieser Punkt. Das darüber Bekannte lässt sich in dem folgenden zusam-
menfassen.
Die wichtigste lösliche organische Säure des Bodens ist die Quell säure (Cren-
sänre; deren Salze = Crenate), welche mit allen im Boden vorkommenden Metallen,
ausser Thonerde bez. Eisenoxyd, lösliche Verbindungen bildet.
Femer sind die dunkel gefärbten, chemisch noch nicht definierbaren „Humus-
säuren'' wirksame Bodenbestandteile, die mit Alkalien lösliche Verbindungen geben,
während die Salze der alkalischen Erden unlöslich zu sein scheinen.
Im Boden können ferner noch zahlreiche andere organische Säuren vorkommen
(Essigsäure, Ameisensäure, Buttersäure, Milchsäure u. s. w.). Die meisten der löslichen Säu-
ren scheinen durch die Lebenstätigkeit niederer Organismen (Bakterien) gebildet zu werden.
110 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Viele organische Stoffe des Bodens verbinden sich leicht mit Sauerstoff; sie wir-
ken reduzierend und vermögen Eisenoxyd in Oxydul überzuführen, dessen Verbindungen
gelöst und ausgewaschen werden.
Das Hauptprodukt der Verwitterung durch Humussäuren ist Kaolin (Kaolinit;
wasserhaltiges Thonerdesilikat). Durch Einwirkung der Humussäuren entstandene Bo-
denarten zeichnen sich daher durch helle, weissliche Färbung aus (Unterschied von den
durch Kohlensäure verwitterten Böden).
Die Verwitterung durch Humussäuren ist weit verbreitet und überwiegt in den
kühlen und regenreichen Gebieten die durch Kohlensäure.
Als Regel kann femer gelten, dass bei Gegenwart von reichlichen Mengen der
alkalischen Erden, namentlich des Kalkes, überwiegend unlösliche Verbindungen gebildet
werden und die Einwirkung der humosen Stoffe gering ist.
In Bodenarten, die wenig Kalk, dagegen viel Kali oder Natron enthalten, bilden
sich dagegen lösliche humussaure Alkalien, oder in armen Bodenarten finden sich
freie lösliche Humussäuren. Die Bodengewässer in Heidegebieten zeigen oft bis in
grosse Tiefe saure Reaktion. Diese humosen Lösungen wirken stark lösend und an-
greifend auf die Mineralstoffe des Bodens. Senft, der diese Punkte noch am aus-
führlichsten berührt, schreibt namentlich dem humussauren Ammoniak eine starke lö-
sende Wirkung zu (Senft, Gesteins- u. Bodenkunde 2. Aufl. S. 331); er fand, dass
die Silikate der Alkalien und der Magnesia, die Sulfate des Kalkes und des Strontiums,
die Phosphate von Kalk und Eisen, durch jenes Salz in Lösung tibergeführt werden.
Tatsächlich finden sich die obersten Schichten solcher Erdarten, namentlich der
Sande, die wenig alkalische Erden enthalten, oft bis in erhebliche Tiefe ausgebleicht
und durch Auswaschung an Mineralstoffen erschöpft.
§ 7. 5) Die Absätze aus verwitternden Gesteinen. Unmittelbar an
die Wirkungen der Verwitterung müssen die Absätze angeschlossen werden, die sich
so vielfach in Gesteinen, wie auch in Bodenschichten finden. Man muss dabei nach
dem Vorkommen die durch chemische Reaktionen bewirkten Ausfällungen
und die Konkretionen unterscheiden. Beide Formen gehen vielfach ineinander
über, unterscheiden sich aber namentlich durch ihre Ablagerungsweise.
Unter Aus fäll ungen sind hier alle Bildungen verstanden, welche aus gelösten
Stoffen hervorgehen, die durch irgend eine chemische, zuweilen auch wohl physikalische
Ursache oder Reaktion in unlöslichen Zustand übergeführt werden. Die Abscheidnng
kann daher an verschiedenen Stellen erfolgen, wird sich aber zumeist schichtenartig
über grössere oder kleinere Flächen erstrecken, je nach dem Vorhandensein der wirk-
samen Substanzen.
Die Konkretion^) dagegen setzt ebenfalls eine Ausscheidung aus gelösten
Stoffen voraus (nur selten wird eine mechanische Verschwemmung Konkretionen bilden
können), verlangt aber gleichzeitig ein inniges Zusammenlagern der gleichaitigen Teile.
Es treten also bei der Bildung der Konkretionen Kohäsionskräfte in Wirkung, welche
immer Gleiches zu Gleichem hinzufügen und so ein allmähliches Wachsen der Abschei-
dung von innen nach aussen herbeiführen. Dementsprechend ist die Fonn der Konkre-
tion in der Regel eine mehr oder weniger linsenförmige oder der Kugelgestalt genäherte
(Lösspuppen, Markasitknollen u. dergl.).
1) Die Geologie unterscheidet noch Sekretionen, deren Bildungsweise von den Kon-
kretionen dadurch abweicht, dass die Abscheidung von aussen nach innen fortschreitet (Achat>
mandeln gegenüber den Lösskindchen). Die Vorgänge der Abscheidung sind jedoch völlig
gleich und können hier zusammengefasst werden.
Die Bodenbildnng. § 7. 111
AuslUllnngen können in Konkretionen übergehen, indem die ausgefällten Körper
in innige Berührung gelangen und Kohäsionskräfte eine Zusammenlagerung herbeiführen.
Die meisten Lager von Raseneisenstein sind wohl durch Ausfällnng von Eisenoxydul-
salzen bei deren Oxydation gebildet. Die abgeschiedenen Massen lagern sich jedoch
zusammen und werden in eine feste , steinartige Masse tibergeführt. Die Raseneisen-
erze gehören so, trotz ihrer Entstehung, wohl zweifellos zu den Konkretionen, wofür
auch die weitverbreitete kugelige Gestalt derselben spricht.
Im allgemeinen sind im Boden grössere, durch Ausfällung, ohne Konkretionsbil-
dung, entstandene Massen selten. Wahrscheinlich sind denselben die im Moorboden
weit verbreitet vorkommenden kohlensauren Kalke , die Moormergel oder Alm
genannten Bildungen zuzuzählen; ausserdem (nach der Meinung des Verfassers) der
Ortstein.
Das Auftreten von Konkretionen in den oberen Erdschichten, namentlich im Bo-
den , ist vielfach übersehen worden. Es ist ein Verdienst von E m e i s (waldbauliche
Forschungen. Berlin 1875 und viele spätere Arbeiten in der allg. Forst- u. Jagdztg. ;
Zeitschr. f. Heidekultur) hierauf nachdrücklich hingewiesen und so die Bodenkunde
wesentlich gefördert zu haben.
Im folgenden werden die wichtigsten Absätze nach ihrer chemischen Beschaffen-
heit kurz besprochen werden und wird die Entstehung soweit tunlich berührt werden.
Als allgemeine Regel gilt, dass Stoife, welche sich (meist unter Mitwirkung ^chemischer
Reaktionen) aus einer Lösung abgeschieden haben, nicht auch als solche in derselben
löslich zu sein brauchen.
Karbonate. Zu den verbreitetsten und wichtigsten Absätzen gehören die der
Karbonate des Kalkes und der Magnesia, weniger des Eisenoxyduls.
Kohlensaures Calcium, am häufigsten als Kalkspat, seltener als
Aragonit, findet sich vielfach auf Gängen und in Hohlräumen der Gesteine. Ab-
scheidungen, in denen oft beide Formen der Karbonates vorkommen, sind Tropfsteine,
Kalksinter und Kalktuffe.
Die Tropfsteine bilden sich in Höhlen der Kalkgesteine. Die langsame Ver-
dunstung des Wassers veranlasst die Abscheidang des gelösten Kalkes.
Kalksinter, scheidet sich überwiegend aus dem gelösten Kalke heisser Quellen
aus und wird oft in Form zusammengelagerter gerundeter Körner gebildet, Rogen-
oder Erbse nst ein, oolithischer Kalk. Namentlich die Sinterbildungen der Karls-
bader Quellen sind bekannt (Sprudelstein). Bodenkundlich treten die Kalksinter zurück.
Dieselben enthalten zumeist noch andere Karbonate (Fe, Mg, Mn) sowie Oxyde von
Eisen und Silikate beigemischt.
Kalktuffe sind von grösserer Wichtigkeit. Sie bilden sich unter Mitwirkung
von Pflanzen, die den kalkhaltigen Gewässern Kohlensäure entziehen und so den Kalk
zum Absetzen bringen. Die Kalktuffe erscheinen als ein unter einander verkittetes In-
kmstat von Halmen, Blättern und Moosen. Diese Tuffe bilden sich noch fortwährend
und bedecken oft erhebliche Flächen.
Als »Kalksammler" sind von Wichtigkeit die verschiedenen Arten von Ohara, die
oft bis zur Hälfte der Trockensubstanz aus Kalkkarbonat bestehen. Ferner einzelne
Moosarten, die infolge des lebhaften Spitzenwachstums oft in den unteren Lagen schon
dicht von Kalktuff umgeben sind, während sie an der Oberfläche weiter grünen. Wässer
mit relativ geringem Kalkgehalt (oft nur 0,03^/o) vermögen unter Mithilfe der Pflanzen
Kalktnff zu bilden.
Moormergel, Alm, sind feinerdige, weisse oder grau gefärbte Abscheidungen
von kohlensaurem Kalk, die sich in Mooren und Torflagern bilden. Der Moormergel
112 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
tritt vielfach nur nestei-weise auf, findet sich jedoch auch in ansgedehnteren Schichten.
Im feuchten Znstande breiig, trocknet er entweder zu weissen kreideartigen Massen.
oder zu einem feinkörnigen, weissen Sande (so der „Alm'^, der nach Sendtner die Orund-
lage der meisten bayerischen Moore bildet. Vegetat.-Verh. Südbayerns 1854. S. 123),
seltener zu sehr leichten, fast verfilzt erscheinenden zusammenhängenden Schichten.
Die Entstehung des Moormergels ist noch dunkel. Viel für sich hat die Annahme,
dass sich organische lösliche Kalksalze bilden, die später oxydiert werden und feinpnl-
verigen kohlensauren Kalk abscheiden.
Lösspuppen, Lösskindchen, Mergelknauern nennt man im Löss und
im Diluvialmergel, sowie in kalkhaltigen Thonen vorkommende Konkretionen von koh-
lensaurem Kalk, von dem sie 60—80^0 enthalten. Dieselben sind gerundet oder als
flache Scheiben ausgebildet und erscheinen durch Verwachsen mehrerer kugeligen Bil-
dungen oft in eigenartigen Formen.
Osteokolla. Kalkinkrustate von Wurzeln, die sich namentlich im trockenen,
meist flüchtigen Sande bilden und dem Forstmann nicht selten entgegentreten. Es
ist beobachtet worden, dass in Dünensanden abgestorbene Wurzeln völlig mit Kalk
inkrustiert waren, so dass das feinste W^urzelgeflecht erhalten blieb. (G. Kose, Zeitschr.
geol. Ges.).
Sulfate. Gips wird vielfach durch Verdunstung des Lösungswassers ausge-
schieden. Künstlich führt man dies in Gradierwerken herbei, wo Gips die Hauptmasse
der Dornsteine bildet.
Kieselsäure und Silikate. Kieselsäure gehört (als Quarz) auf Gängen und
in Gesteinshohlräumen (Chalcedon) zu den verbreitetsten Absätzen.
An der Erdoberfläche wird Abscheidung amorpher Kieselsäure, namentlich durch
die Diatomeen, Algenarten mit kieselsäurehaltiger Umhüllung veranlasst, wel-
che den Polierschiefer, Tripel bilden. Aus heissen kieselsäurehaltigen Quellen
scheidet sich der Kieselsinter durch Verdampfen des W^assers, sowie unter Mitwir-
kung niederer Organismen aus (nicht bei der Abkühlung).
Silikate gehören ebenfalls, namentlich im wasserhaltigen Zustande als Z e o-
1 i t h e , zu den verbreitetsten Absätzen. Auch in Kalkgesteinen, Thonschiefern u. dergl.
hat man Zeolithe gefunden ; Vorkommen, die insofern von Wichtigkeit sind, als sie der
Anschauung, dass der Erdboden Zeolithe enthält, eine Stütze gewähren.
Oxyde und Oxydhydrate. Ausser den hierher gehörigen Mineralien von
vorwiegend wissenschaftlichem Interesse sind namentlich die Raseneisen- und Ockerbil-
dungen zu nennen, sowie die Verkittungsmittel der eisenschüssigen Sandsteine.
Ocker, Eisenocker sind pulverige Abscheidungen von Eisenoxydhydrat, dem
noch Kalkkarbonat, Thon und andere Silikate beigemischt sind. Die Ockerbildung er-
folgt aus eisenhaltigen Quellen durch Oxydation des gelösten kohlensauren Eisenoxyduls,
und scheint entweder nur in bewegten Wässeni oder solchen mit flachem Wasserspiegel
einzutreten.
Raseneisenstein besteht vorwiegend aus Eisenoxydhydrat mit beigemischtem
Sande, Thon, organischen Stoffen, die alle in sehr wechselnden Mengen auftreten.
Raseneisenstein bildet sich namentlich in Torflagern und Mooren, sowie auf dem Grunde
der Seen. (Vergl. Senft, Humus-, Marsch- und Limonitbildungen. Leipzig 1862;
Stapf, Zeitschr. geol. Ges. Bd. 18. S. 110 u. 167. 1866). In vielen Fällen sind bei
der Abscheidung niedere Organismen, die Eisenbakterien (Crenotrix u. a.) beteiligt.
Der Raseneisenstein findet sich vielfach in kleineren gerundeten Konkretionen
von geringem oder ohne jeden Zusammenhang, dann bodenkundlich von geringerer Be-
deutung, oder in mächtigen, festen Bänken. Die letztere Form verhält sich den Pflanzen
Die Bodenbildung. § 8. 113
gegenüber wie eine feste Felsschicht. Nur Durchbrechung derselben und Ableitung
des zn reichlich vorhandenen Wassers kann eine Kultur solcher Flächen ermöglichen.
§8. 6) Die Absätze organischer Stoffe. Zu diesen gehört in erster
Linie der Ortstein.
Ortstein, Branderde, Fuchserde ist ein durch huniose Stoflfe verkitteter
Sand, der sich in grosser Ausdehnung in armen Sandböden findet. Die Verbreitungs-
gebiete des Ortsteins sind namentlich die Küstenländer der Nord- und Ostsee, sowie
weite Flächen des nordischen Flachlandes. Der Ortstein enthält 2 — lO^o organischer
Stoffe, welche den Sand verkitten. Erfahrungsmässig sind Bildungen mit 8 — 10 und
mehr Prozent organischer Stoffe weich, leicht zerreiblich und für die Wurzeln durch-
dringbar ; sie werden Branderde genannt. Der festere Ortstein kommt in zwei
Abarten vor, einmal braun bis schwarz, mit mittlerem Gehalte an organischen Stoffen,
steinartig; an die Luft gebracht zerfäUt er in ein bis zwei Jahren zu einem braunen,
später weissen Sande. Anderseits findet sich Oitstein hellbraun gefärbt von grös-
serer Mächtigkeit, geringerem Gehalte an organischer Substanz (oft nur 1 — 2®/o) und
schwieriger Verwitterbarkeit. Von der vorigen Form des Ortsteins unterscheidet er
sich namentlich noch durch die grössere Zähigkeit; die einzelnen Körner sind wie in
einander verfilzt.
Das Vorkommen des Ortsteins ist ein ganz charakteristisches. Unterhalb der
humosen Bodenbedeckung findet sich ein schwach humoser (selten mehr als 2^0 humose
Stoffe), grau gefärbter Sand, nach seiner Farbe Grau- oder Bleisand genannt,
der durch Auswaschung fast völlig an löslichen Stoffen erschöpft und dessen Silikate
verwittert sind. Er enthält oft noch nicht ^/lo^o löslicher Mineralstoffe.
In scharfer Linie vom Bleisand getrennt lagert der Ortstein oberhalb einer gelb
gefUrbten, an Mineralstoffen relativ reichen Sandschicht, der Verwitterungszone
des Sandbodens. Der gewöhnliche Ortstein ist von den unterliegenden Sandschichten
meist nicht scharf aber erkennbar getrennt, während die zähere Form ganz allmählich
in diese übergeht.
Der Ortstein ist die an löslichen Mineralstoffen reichste Schicht des Bodens.
Eisen enthält derselbe meist in massiger Menge, etwas reichlicher Thonerde.
Die Entstehung des Ortsteins erfolgt durch Zufuhr von organischen Stoffen aus
der Oberfläche, welche auf der an Mineralstoffen reicheren Verwitterungsschicht sich
absetzen. Ob diese Abscheidung ein chemischer oder ein physikalischer Vorgang ist,
darüber bestehen noch verschiedene Ansichten. Der Verfasser (Ramann, Jahrbuch d.
geol. Land. v. Preuss. 1885 und Zeitschr. f. Forst- und Jagdw. 1884, dort auch die
ältere Litteratur) glaubt, dass die Ortsteinbildung dadurch bedingt wird, dass die
humosen Stoffe in reinem Wasser löslich sind, in salzhaltigem dagegen abgeschieden
werden. Die Regenwässer vermögen in den obersten Bodenschichten humose Körper
zu lösen, fuhren diese in die Tiefe und Ausfällung derselben erfolgt, sowie sie mit
Bodenschichten in Berührung kommen, die an löslichen Mineralstoffen reich sind. Diese
Erklärung lehnt sich eng an Arbeiten von Emeis (Waldbaul. Forschungen. Berlin 1875)
an. Sie wird bestätigt durch die völlig amorphe, strukturlose Beschaffenheit der Humus-
stoffe, welche die Sande verkitten. P. E. Müller sieht dagegen im Ortstein überwiegend
eine chemische Fällung (Naturl. Humusformen. Berlin).
Die Ortsteinbildung schreitet noch fortwährend weiter. Alle annen Sande, die
der Auswaschung durch Regen u. s. w. ausgesetzt sind, können Veranlassung zur Ab-
scheidung geben. Kleinere Durchbrechungen der Ortsteinschicht werden durch Neu-
bildungen wieder geschlossen, wobei tiefe Einsenkungen des Ortsteins in den unter-
liegenden Boden, sogenannte Töpfe, gebildet werden.
Hundbneh d. Forstw. 2. Aufl. I. 8
114 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Für die Waldkultur ist der Ortstein von hervorragender Bedeutung. Die Auf-
forstung der Heidefläcben beansprucht grosse Aufwendungen an Geld und Arbeitskraft,
es ist daher auf die Neubildung des Ortsteins Rücksicht zu nehmen. Die Löcherkultnr
ist zu verwerfen, Streifenkultur in trockenen Lagen, Rabattenkultur in feuchten La-
gen sind zu empfehlen. Die Streifen müssen eine genügende Breite haben (nicht
unter ein Meter), um den Bäumen dauernd die tieferen Erdschichten aufzuschliessen.
Waldbestand wirkt der Ortsteinbildung erfahrungsmässig entgegen, während Vernich-
tung des Waldes dieselbe befördert. Es ist dies durch den jährlichen Streuabfall zu
erklären, welcher der Bodenoberfläche fortwährend Mineralstofife zuführt, die von den
W^urzeln grossenteils tieferen Bodenschichten entzogen sind. Der Auswaschung wird
so entgegen gewirkt.
In neuerer Zeit hat man, wie es scheint mit Glück versucht, gegen Ortstein and
Oitsteinbildung durch Düngung und geeignete Bodenpflege anzukämpfen (van Scherm-
beek, Nord westdeutscher Forstverein 1895 und 1896).
Andere durch die reduzierenden Einwirkungen der organischen Steife mit bedingte
Ablagerungen sind:
Vivianit, phosphorsaures Eisenoxydul, ursprünglich weiss, nimmt, der Luft
ausgesetzt, rasch eine blaue Farbe an. In Torfboden und namentlich in Verbindung
mit Raseneisensteinen verbreitet.
Eisenkies (Schwefelkies). Die löslich gewordenen Eisenoxydulsalze werden
durch den bei der Fäulnis der Eiweissstoffe frei werdenden Schwefel und Schwefelwas-
serstoff in Schwefeleisen übergeführt, welches sich in der Natur erfahrungsgemäss als
zweifach Schwefeleisen FeS^ abscheidet. Eisenkies oxydiert sich bei Gegenwart von
Luft und Wasser leicht, es kann sich daher nur unter selteneren Bedingungen in Boden-
schichten bilden und findet sich namentlich im Untergrunde von Moor- und Torf böden.
n. Die Absorptionserscheinungen im Boden.
Literatur. Die umfangreiche Literatur, soweit sie auf Arbeiten über Boden Be-
zug hat, in A. Mayer, Lehrb. d. Agrikulturchemie. 3. Aufl. Heidelberg 1886, fast voll-
ständig angegeben; die Lit. über die komplizierte Verwitterung findet sich in Roth, Che-
mische Geologie. Berlin 1879.
§ 9. 1) Allgemeines. Unter den Vorgängen im Boden haben die Absorptions-
erscheinungen bei ihrem Bekanntwerden das grösste Aufsehen erregt und die mannig-
fachste Bearbeitung erfahren. Ueber keinen anderen Gegenstand der Bodenkunde sind
jedoch so viel irrige Anschauungen verbreitet und kaum einer hat zu so viel Besprech-
ungen Veranlassung gegeben, als dies gerade bei den Absorptionserscheinungen der
Fall war.
Die Ehre der ersten Entdeckung derselben gebührt dem Engländer Way, ob-
wohl einzelne hierher gehörige Tatsachen schon vorher bekannt waren; das Verdienst
Liebig's ist es aber gewesen, die Tragweite der Tatsachen erkannt und denselben
die weiteste Verbreitung gegeben zu haben.
Der speziellen Behandlung der Absorptionserscheinungen müssen einige theoretische
Betrachtungen vorausgeschickt werden.
Der Zustand der gelösten Stoffe ist in neuerer Zeit eingehend untersucht worden.
Es hat sich dabei herausgestellt, dass in wässeriger Lösung zwei grosse Gruppen von
Körpern zu unterscheiden sind, solche, welche durch den elektrischen Strom leiten and
durch ihn zerlegt werden (Elektrolyten) und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.
Die ersteren sind für die Bodenkunde am wichtigsten. Zur Erklärung ihres Ver-
Die Absorptionserscheinnngen im Boden. § 9. 115
haltens nimmt man an, dass Wasser zerlegend (dissoziierend) auf die Elektrolyten ein-
wirkt, so dass in der Lösung nicht nur Moleküle des gelösten Stoffes enthalten sind,
sondern ein grösserer oder geringerer Teil derselben in „Jonen" zerlegt ist, z. B.
Chlomatrium in wässeriger Lösung nur zum Teil als NaCl vorhanden , zum anderen
in „Chlorjonen* und „Natriumjonen" zerspalten ist. Die Jonen sind elektrisch geladen
und die Voraussetzung für den Bestand der Lösung ist, dass gleichviel elektrisch
negative und elektrisch positive Jonen vorhanden sind. Sind in einer Lösung ver-
schiedene Salze enthalten, so wird sich zwischen diesen Gleichgewicht herstellen.
Der Gleichgewichtszustand wird durch jede Aufnahme eines neuen Stoffes, sowie
durch Wechsel im Wassergehalte beeinflusst.
Etwas anders verläuft der Prozess, wenn ein Bestandteil unlöslich ausgeschieden
wird. Ist z. B. neben Chlorbaryum schwefelsaures Natrium vorhanden, so wird schwe-
felsaures Baryum ausgefällt und Chornatrium bleibt in Lösung,
BaCl, 4- Na,SO* = BaSO, -|- 2NaCl.
Diese Umsetzungsformel giebt jedoch nur den Endzustand, nicht alle zwischenliegenden
Vorgänge an. Bei der ersten Mischung der gegebenen Salze wird alles entstandene
schwefelsaure Baryum durch Ausfällung der Einwirkung der Stoffe entzogen und der
Gleichgewichtszustand in der Flüssigkeit gestört. Es wird dadurch eine neue
Menge des unlöslichen Salzes gebildet und so fort, bis jede Spur von Schwefel-
sänre an Baryum gebunden, unlöslich ausgeschieden und dadurch der chemischen Ein-
wirkung entzogen ist. Hierzu ist aber eine gewisse Zeit notwendig, die
für das angezogene Beispiel zwar sehr gering ist, aber unter Umständen längere Dauer
erfordern kann.
Auf solchen Vorgängen beruht die Tatsache, dass in der Regel aus einer Lö-
sung vom Boden mehr absorbiert wird, wenn die Einwirkung
lange, als wenn sie nur ganz kurze Zeit andauert. Natürlich ist dies
nur bis zu einem gewissen Grade richtig: hat sich einmal der Gleichgewichtszustand
zwischen Boden und Flüssigkeit herausgestellt , so hört jede fernere Einwirkung auf.
Im Boden sind zahlreiche Salze vorhanden, welche nicht nur unter sich Umsetz-
ungen erfahren, sondern auch auf die schwerer angreifbaren Bestandteile der festen
Bodenpartikel einwirken. Endlich machen sich auch noch Absorptionswirkungen, die
von der Oberfläche des Bodens ausgehen, geltend. Alles dies macht es verständlich,
dass zahlreiche Umsetzungen eintreten, welche die Zusammensetzung der Bodenflüssig-
keit beeinflussen.
Von grösster Bedeutung für die Absorptionserscheinungen, ja in ihrem ganzen
Verlauf überwiegend davon beeinflusst , ist ferner das Gesetz der chemischen
Massenwirkung.
Auch zur Erläuterung dieses Gesetzes mag ein Beispiel dienen. Lässt man bei
höherer Temperatur Wasserstoff auf Eisenoxydoxydul einwirken, so bildet sich metal-
lisches Eisen und Wasser
Fe30^+8H=z3Fe + 4H,0.
Bedingung ist jedoch für die Beendigung der Reaktion ein sehr grosser Ueber-
schuss vonW^asserstoff; wollte man nur die Inder Gleichung angegebene Menge
Wasserstoff anwenden, so würde nur ein kleiner Teil des Oxydes reduziert werden.
Ganz anders verläuft der Prozess, wenn man bei derselben erhöhten Temperatur
Wasserdampf auf Eisen einwirken lässt. Dann bildet sich Wasserstoffgas und Eisen-
oxydoxydul
3Fe + 4H 0 = Fe,0, + 8H.
Die Umsetzung erfordert einen grossen Ueberschuss von Wassergas.
8*
116 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Körper können also die gerade entgegengesetzte Reaktion bewirken, je nach der
Menge, in welcher der einzelne vorhanden ist. Das Gesetz ist nach den Entdeckern
derselben das Gnldberg-Waage'sche Gesetz der chemischen Massenwirkung genannt
worden (Journ. f. prakt. Chem,).
Solche Massen Wirkungen linden nun im Boden tbi*twährend statt. Je nach Flfis-
sigkeitsmenge und Mineralstoffen erfolgt ein fortwährender Ausgleich. Die Bodenfläs-
sigkeit ist daher in ihrer Zusammensetzung dauernd in Veränderung begriffen, da Ver-
dunstung und Zufuhr von Wasser mit einander wechseln.
Unter den bezüglichen Arbeiten ist keine so geeignet, die Vorgänge der Absorp-
tionswirkungen und ihre Abhängigkeit von der Massenwirkung so vorzüglich zu zeigen,
wie die von Lemberg (Zeitschr. geol. Ges. 1876. p. 313).
Lemberg arbeitete mit wasserhaltigen Silikaten; eins derselben hatte folgende
Zusammensetzung :
Silikat 1. Kieselsäure .... 46.64^/0
Thonerde .... 29.38 „
Kali 22.75 „
Natron 1 .83 „
Nachdem es drei Wochen hindurch mit kohlensäurehaltigem Wasser behandelt
worden, ergab sich die folgende Zusammensetzung (ohne Berücksichtigung des chemisch
gebundenen Wassers):
Kieselsäure .... 54.01"/o
Thonerde .... 39.65 „
Kali 5.34,
Das Wasser war also im stände gewesen, den weitaus grössten Teil des Kali
zu lösen. Führte man dem so entstandenen Salz wieder Kali zu, indem man es mit
Kalilauge behandelte, so ergab sich ein Produkt von folgender Zusammensetzung:
Kieselsäure .... 46.60<^/o
Thonerde .... 35.67 „
Kali 17.73 „
Das ausgeschiedene Kali wurde also wieder aufgenommen, wenn es in genügen-
der Menge gegenwärtig war. Eine erneute Behandlung mit Wasser würde es wieder
in Lösung geführt haben; oder mit anderen Worten : die Zusammensetzung des Silikates
war von der Masse des wirkenden Kaliums und des Wassers abhängig.
Liess man auf das ursprüngliche Silikat (Silikat 1) Chlorammonium einwirken,
so verdrängte das im Ueberschuss vorhandene Ammoniak das Kali fast vollständig und
es ergab sich eine Verbindung von folgender Zusammensetzung:
Kieselsäure .... 56.17®/o
Thonerde .... 34.59 „
Kali 0.89 „
Ammoniak (NHg) . . 8.37 „
In gleicher Weise würde man das Kali oder das Ammon durch einen Ueberschuss
von Natron verdrängen können. Die Beispiele sollen nur zeigen, in welcher Weise die
Umsetzungen verlaufen. Hiernach wird es möglich sein, sich von den zahllosen Prozessen,
die im Boden neben einander hergehen, ein Bild zu machen.
Auch die Tatsache, dass aus konzentrierteren Lösungen mehr Stoffe
absorbiert werden als aus verdünnten, erklärt sich leicht, da die Massen Wirkung*
des Wassers in den ersteren zurücktritt. Die Absorption steigt dabei nicht im gleichen
Masse mit der Konzentration. Es stellt sich immer ein Gleichgewicht zwischen den
wirkenden Stoffen her (also zwischen Boden, Wasser und Salzgehalt), welches in jedem
Die Absorptionserscheinungen im Boden. § 10. 117
Falle eine verschiedenartige Absorption vermitteln wird, je nach der Menge und Wir-
knng'sweise der einzelnen Körper. Auf die gleiche Ursache ist es wohl auch zurück-
zuführen, dass dieselbe Menge Erde bei gleicher Stärke der Lösung aus einem grös-
seren Volum Flüssigkeit mehr absorbiert als aus einem kleineren.
Die bedeutsamste Wirkung der Absorption des Bodens ist darin zu suchen, dass
durch diese Vorgänge die Zusammensetzung der Bodenflüssigkeit so beeinflusst wird, dass
bei Gegenwart von viel Wasser neue Stoffe in Lösung gehen, die Pflanzen w^urzel
also nicht Mangel leidet, und anderseits bei Abnahme der Flüssigkeitsmenge
dnrch gesteigerte Absorption einer schädlichen Konzentration entgegen
gewirkt wird.
§10. 2) Einige spezielle Beziehungen. Für die verschiedenen Bo-
denarten gelten hauptsächlich folgende Regeln.
Die einzelnen basischen Körper haben eine verschieden starke chemische Wirk-
samkeit. Je nach derselben und je nachdem sie namentlich geneigt sind, lösliche Salze
zn bilden, wird die Einwirkung verschieden sein.
Am energischsten wird das Kalium aufgenommen, dem sich das Ammon sehr
ähnlich verhält; während das Natrium nur schwach absorbiert wird.
Von den alkaliöchen Erden wird Magnesium und Calcium sehr wenig fest-
gehalten.
Von den Säuren werden Schwefelsäure, Salpetersäure und die Chlor-
verbindungen, als solche, die leicht lösliche oder nicht schwer lösliche Salze
bilden, nicht absorbiert, während die Phosphorsäure energisch aufgenommen wird;
eine Folge der Unlöslichkeit der meisten phosphorsauren Salze (die des Eisen, Thon-
erde, Kalk, Magnesia).
Alle diese Angaben sind insofern nur relativ richtig, da ja gleichzeitig die v o r-
handeneMenge der einzelnen Stoffe einwirkt. Wie früher gezeigt wurde, vermögen
auch solche Metalle, wie Natrium, die einer relativ geringen Absorption unterliegen,
andere zu verdrängen, wenn sie nur in genügender Masse vorhanden sind. Hierauf
gründet sich die Wirkung der sogenannten „indirekten Dünger" und auch z. T.
solcher Dünger, die aus Pflanzennahrung bestehen, dabei aber löslich sind.
Als indirekter Dünger kann z. B. das Kochsalz angeführt werden. W'eder Chlor
noch Natrium sind als wesentliche Nährstoffe zu betrachten. Trotzdem wirkt Kochsalz
anregend auf die Vegetation. Durch den Ueberschuss von Natrium werden Kalium
und andere Körper leichter löslich und für die Pflanzen in eine rascher aufnehmbare
Form übergeführt.
Gips und Mergel sowie Chilisalpeter gehören ebenfalls zum Teil hierher. Obgleich
dieselben wesentliche Nährstoffe enthalten, wirken sie doch gleichzeitig als „indirekte
Dünger*, indem sie durch Massen Wirkung die übrigen Stoffe löslich machen. Natürlich
geschieht dies auf Kosten des vorhandenen Bodenkapitals.
Nach den in der Natur vorkommenden Verhältnissen wird
sich die Absorptionswirkung (namentlich in Waldboden) so stel-
len, dass in der Regel Phosphorsäure, Kali und Ammoniak fest-
gehalten werden, während andere Säuren, sowie Natron, Kalk
und auch Magnesia weggeführt werden.
Die Absorptionswirkung wird in erster Linie durch die im Boden vorhandenen
wasserhaltigen Silikate, also zeolitische Körper bewirkt. Für diese kann
als Gesetz aufgestellt werden, dass die Absorption durch chemischen Aus-
tausch geschieht; d. h. an Stelle des absorbierten Stoffes geht eine dem Aequi-
valentverhältnisse entsprechende Menge eines anderen Elementes in Lösung.
118 IL Ra mann. Forstliche Standortslehre.
In der Natur wird dies zumeist in der Weise geschehen, dass Natrium und Cal-
cium verdrängt werden. Bringt man Chlorkalium mit Boden in Berührung, so wird
ein Teil des Kaliums absorbiert und eine entsprechende Menge von Chlomatrium und
Chlorcalcium gebildet und in Lösung übergeführt.
Von Eisenoxyd und Thonerde lindet sich nur das erstere im freien Zustande
in grösserer Menge. Es kann für manche Fälle von Bedeutung werden. So wird z. B.
kieselsaures Kalium vollständig von Eisenoxyd aufgenommen, indem sich ein Doppel-
silikat von Eisenoxyd und Kali bildet. Ausserdem bindet das Eisen noch die Phosphor-
säure sehr stark. Die freie Thonerde kann ganz ähnliche Wirkungen ausüben, ist je-
doch nur selten mehr als in Spuren im Boden vorhanden. Die Bedeutung der Thon-
erde liegt in ihrer Neigung, mit anderen Elementen Doppelsilikate zu bilden, die dann
den Umsetzungen leicht zugängig sind.
Die humosen Stoffe haben nur geringe Absorptionswirkungen. Nach den
vorliegenden Untersuchungen (vergl. namentlich König, I>andwirtsch. Jahrbücher
1882. S. 1) werden nur Kali und Ammoniak im ungebundenen Zust-ande festgehalten.
Beide bewirken eine Quellung der humosen Stoffe. Ob dabei eine chemische Wirkung
eintritt, ist zweifelhaft, vielleicht liegt ein Fall einer physikalischen Absorption vor.
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch die humosen Stoffe unter geeigneten Um-
ständen unlösliche Verbindungen zu bilden vermögen. Manche Tatsachen sprechen
wenigstens dafür, soweit es sich zunächst um Kalk und Magnesia, vielleicht auch um
Eisenoxyd und Thonerde handelt. Bei der gegenwärtigen ungenügenden Kenntnis der
Humuskörper ist es jedoch schwierig, ein Uiteil zu fällen.
Zu bemerken ist noch, dass die andern seltener vorkommenden Elemente sich in
bezug auf Absorptionswirkungen ganz ähnlich verhalten, wie die besprochenen. Der
Boden besitzt durchaus kein Wahlvermögen, wie man dies wohl früher
glaubte, sondern viele Metalle, die als Pflanzengifte wirken (Blei, Kupfer u. and.) wer-
den ebenfalls energisch festgehalten.
§ 11. 3) Die Auswaschung der Böden. Die Wirkung des Wassers
ergiebt sich aus dem vorhergehenden. Das Wasser wirkt der Absorption entgegen.
Wenn auch nur mit schwacher chemischer Energie begabt, macht es sich doch dadurch
bemerkbar, dass es der am reichlichsten vorhandene Körper ist. Je reicher ein Boden
an absorbierten Stoffen, um so stärker ist die lösende Kraft des Wassers.
Gleichzeitig erklärt die Massen Wirkung des Wassers auch die Tatsache, dass dem
Boden durch längere Zeit fortgesetztes Auswaschen der grösste Teil der absorbierten
Stoffe wieder entzogen werden kann.
In der Natur kommt das Regen- und Schneewasser nahezu im reinen Zustande
mit dem Boden in Berührung. Die geringen Mengen von Kohlensäure, welche es ent^-
hält, steigern seine lösende Wirkung. Das W^asser wird sich daher möglichst rasch
mit Salzen beladen und so eine allmähliche Auswaschung des Bodens herbeiführen.
Der reichliche Gehalt der Quell wässer an Salzen, namentlich an Kalksalzen, zeigt diese
lösende und auswaschende Wirkung des Wassers hinreichend. Jeder Boden, dem
nicht durch Verw^itterung, Streuabfall oder Düngung neue Mi-
neralstoffe zugeführt werden, muss daher allmählich an allen
den Stoffen verarmen, welche in Wasser auflöslich sind.
Die Auswaschung trifft dabei nicht alle Bodenschichten gleichmässig , sondern
schreitet allmählich von der Oberfläche nach der Tiefe fort. Das W'asser löst Salze
in den obersten Lagen und trifft die tiefer liegenden als nahezu gesättigte Lösung ; es
vermag dann nur noch wenig Salze aufzunehmen. Hierauf ist es zurückzuführen, dass
in armen, namentlich sandigen Bodenarten fast völlig ausgewaschene Schichten in
Der Transport der Verwitterungsprodukte. § 12. 119
scliarfer Linie von den darunter lagernden reicheren sich absetzen.
Die Bedeutung der Auswaschung im Boden hat man lange Zeit unterschätzt.
Man glaubte in den Absorptionswirkungen einen sicheren Schutz dagegen zu haben.
Tatsächlich sind die Verhältnisse jedoch ganz andere. Die lösende Wirkung des Was-
sers und die Wegfuhr der Salze kann nicht nur die Bodenarten stark verarmen lassen,
sondern sie prägt ganzen Zonen ihren Bodencharakter auf.
Vielfacher Eückgang der Waldungen auf armen Sandböden lasst sich nur als
Verarmung durch Auswaschung erklären. Die Untersuchung berechter Sandböden zeigt,
dass durch Auswaschung viel mehr Nährstoffe weggeführt werden, als durch Streu-
entnahme.
Am stärksten wirksam sind mit Humussäuren beladene Gewässer, welche den
Boden oft bis in erhebliche Tiefen an löslichen Stoffen erschöpfen.
Durch Wegfuhr der löslichen Salze wird die physikalische Struktur der Böden
geändert, vorhandene Krümelstruktur zerstört und werden die Bodenkörner dicht zu-
sainmengelagert.
Auswaschung der Böden erfolgt um so stärker und tiefgehender, je höher die
Komgrösse ist, also in Sandböden mehr als in Lehmböden. In sehr feinkörnigen Bo-
denarten wird die Auswaschung überhaupt gering, ist aber in niederschlagreichen Ge-
bieten immer nachweisbar.
Der Auswaschung unterliegen zunächst die leichtlöslichen Salze, Chloride und
Karbonate der Alkalien, Sulfate der Magnesia; dann folgt Calciumsulfat (Gips) und
kohlensaurer Kalk. Durch humussaure Wässer werden auch die Eisenverbindungen
weggeführt.
m. Der Transport der Verwitterungsprodukte.
Die aus der Verwitterung der Gesteine hervorgehenden Produkte verbleiben nur
zum kleinsten Teil dauernd auf dem Orte ihrer Entstehung, während die Hauptmassen
durch ihre eigene Schwere, namentlich aber durch die mechanische Tätigkeit des flies-
senden Wassers und des Windes fortgeführt werden und an anderen Stellen zur Ab-
lagerung kommen.
Nur in ebener oder schwach geneigter Lage können sich mächtigere Schich-
ten der ursprünglichen Verwitterungsreste halten ; ferner geschieht dies, wenn die Ver-
witterung rasch fortschreitet und namentlich, wenn einzelne Teile des Gesteins noch
einen festeren Zusammenhang zeigen, während die Hauptmasse bereits zersetzt ist.
So sind die Basalt wacken z.T. aus der Verwitterung der Basalte hervorgegangene
feinerdige Massen, die noch Krystalle von Hornblende und Augit, sowie unzersetzte
Basaltreste einschliessen.
Die Umlagerung vorhandener Verwitterungsprodukte erfolgt durch ihre eigene
Schwere, indem die ihres Zusammenhanges beraubten Gesteinsbruchstücke an Ge-
hängen hinabgleiten (t r o c k e n e r Abtrag), durch Wasser in flüssiger oder
fester Form (Gletscher) und endlich , wenn auch in beschränkterem Masse,
durch die Tätigkeit des Windes (Dünen, Flugsandbildungen).
§12. 1) Der trockene Abtrag (Heim, Verwitterung im Gebirge. Basel
1879. V. Liburnau, Grund und Boden. Wien 1883) findet dem vorausgeschickten
entsprechend im Gebirge oder an stärker geneigten Hängen statt. Natürlich wirkt
auch hierbei Regenwasser mit und beschleunigt die Abfuhr der Bruchstücke, aber doch
nicht in dem Masse, dass darüber der Charakter der Ablagerung verloren ginge.
Im Gebirge bildet der trockene Abtrag die Schuttkegel und Schutthalden,
denen man als dritte Form noch den Gehängeschutt anreihen kann.
120 II. R am an n. Forstliche Standortslehre.
Schuttkep:el bilden sich, wenn die Gesteinsbruchstticke ans einer Schlacht
(Riese) in das Tal hinabgleiten; sie häufen sich zu kegelförmigen Massen an, welcbe
sich an die Bergwand anlehnen. Schutthalden entstehen dagegen, wenn der Ab-
trag gleichmässig an einem Gehänge stattiindet. Als Gehängeschutt bezeichnet
man Anhäufungen, die nicht bis ins Tal hinabgeführt, sondern durch Unebenheiten der
Bergwand (Klippen, Querrinnen u. s. w.) festgehalten werden.
Alle diese Ablagerungen haben einen bestimmten, nach Grösse der Bmchstucke
und der Beschaffenheit derselben verschiedenen Neigungswinkel. In der Regel beträgt
derselbe 20—30®. Hierdurch unterscheiden sie sich von den Massen, welche durch
Wildbäche zusammengeschwemmt werden, die meist einen kleineren (in der Regel 3 — 10^)
Neigungswinkel haben.
Zu den Erscheinungen des trockenen Abtrages sind noch die Bergstürze,
Abrutschungen zu rechnen. Diese entstehen durch Abbruch zu steiler Felsen,
sowie wenn einzelne, namentlich thonreiche, Schichten bei starker Wasserzufuhr ihren
inneren Zusammenhang verlieren und ein Herabgleiten der darüber lagernden Gesteins-
raasse ermöglichen.
Bergstürze kommen überwiegend im Hochgebirge vor, namentlich in den Alpen
sind sie gefürchtet (kleinere vStürze werden dort als trockene Stein- oder Erdmnhren
bezeichnet), aber auch im Flachlande sind an Talgehängen Abrutschmassen nichts Sel-
tenes. Die Aufnahmen der preussischen geologischen Landesanstalt im Flachlande haben
daher einen besonderen Farbenthon für Abrutsch- und Abschlämmmassen.
§ 13. 2) Der Abtrag durch W a s s e r *-*) ist weitaus der bedeutendste in
der Natur auf den Transport der Verwitterungsreste einwirkende Faktor. Zur Jetzt-
zeit überwiegt die Wirkung des flüssigen Wassers, während in der Diluvialzeit für die
gemässigten Klimate die Wirkung der Gletscher derselben ebenbürtig, wenn nicht über-
legen war.
Das flüssige Wasser wirkt namentlich nach drei Richtungen ein, die als
Erosion, Geschiebeabfuhr und Geschiebeablagerung bezeichnet wer-
den können, wenngleich alle drei Erscheinungen nebeneinander hergehen und meistens
gleichzeitig zur Wirkung gelangen. Erosion findet dann statt, wenn die Strömung"
stark genug ist, um Teile der umgebenden Gesteine abzubrechen und mit hinwegzu-
führen. Je nach der Beschaffenheit der Schichten, ob diese aus festem, hartem Gestein
oder aus leicht beweglichen Ablagerungen bestehen, wird die Wirkung der Erosion sehr
verschieden stark ausfallen. Zu beachten ist auch die abschleifende Wirkung der am
Grunde der Flüsse befindlichen Gerolle, die bei ihrer Fortbewegung das Flussbett ver-
tiefen bez. verbreitern müssen.
Die Geschiebeabfuhr und Ablagerung ist ebenfalls von der leben-
digen Kraft des fliessenden Wassers abhängig, w^elche wiederum je nach der Neigung
der Ebene und der vorhandenen Wassermasse sehr verschieden stark sein kann.
In den dgs ganze Jahr hindurch fliessenden Gewässern können grössere Geschiebe
wälzend fortbewegt werden, solche von mittlerer Grösse werden am Grunde fort ge-
schoben, wobei die einzelnen Stücke gleichzeitig im Kreise gedreht werden und
durch gegenseitige Abreibung die für Flussgerölle charakteristischen flach-rundlichen
Formen annehmen. Durch die Reibung erfolgt gleichzeitig eine Abnahme der ein-
zelnen Stücke an Masse, so dass sich im Oberlauf der Bäche und Flüsse grössere, im
2) Eine vorzügliche und eingehende Darstellung der betr. Verhältnisse bietet Lorenz
V. Liburnau, Grund und Boden. Wien 1883. Nähere Litcraturangaben in: Hand-
buch d. Ingenieur Wissenschaften, 3. Bd. Wasserbau, in 3 Abtlg. Leipzig.
W a n g , Gesetze der Bewegung des Wassers. Wien 1899.
Der Transport der Verwittern ngsproduktc. § 13, 121
Mittellauf kleinere Geschiebe finden , während in einem Unterlauf mit wenig Grefiille
nur noch die feinst verteilten Schlick- und Thonteilchen fortbewegt werden. Dieser
Vorgang wird als „Einzeltransport" bezeichnet.
Für Gesteinsbruchstücke kleiner Grösse, die als S a n d bezeichnet w^erden, ist die
Entstehung wahrscheinlich direkt aus dem Zerfall der Gesteine anzunehmen. Durch
Beibnng grösserer Bruchstücke wird zumeist Thon und nur wenig Sand gebildet. Femer
macht es die scharfeckige Beschaffenheit vieler Sandkörner sehr wahrscheinlich, dass
eine Reibung nicht oder nur in sehr geringem Masse bei dem Transport eifolgt ist.
Die Abfuhr der Geschiebe aller Grössen ist also abhängig von der lebendigen
Kraft des Wassers, jede Abnahme derselben wird einzelne Teile der Geschiebe zur Ab-
lagerang bringen. Die Verhältnisse, welche hierbei hauptsächlich wirken, sind folgende:
a) Das Geföll vermindert sich für die ganze Wassermasse. Es findet dies nament-
lich statt, wenn ein Gebirgsfluss in die Ebene, ein Bach aus einem engen Seitental in
ein breiteres Haupttal eintritt oder sich Gewässer in einen See ergiessen. Es bilden
sich dann meist sanft geneigte und oft fächerartig ausgebreitete Schuttkegel.
b) Das Gerinne eines fliessenden Wassers breitet sich an einer Seite bedeutend
aus. Die Reibung des Wassers am Grunde ist dann so erheblich, dass auf den flache-
ren Stellen Ablagerung von Geschieben erfolgt.
c) In Krümmungen der Flüsse ist die Geschwindigkeit des Wassers an der Seite
des Cfers, wo dieses konvex vorspringt, kleiner als an der entgegengesetzten Seite.
Es erfolgt eine Ablagerung von Sinkstoffen. Bei einem im Serpentinen fliessenden Ge-
wässer finden sich so Anlandungen abwechselnd auf der rechten und linken Seite desselben.
d) Dnrch Rückstau, der durch plötzliche Verengung der Flussbetten oder durch
vorliegende grössere feste Gegenstände veranlasst sein kann.
e) Durch Auftreten mehrerer Stromrichtungen (Scharung), die bei ihrem Zu-
sammentreffen Ablagerungen hervorbringen können, sowie an den Mündungen von Ne-
benflüssen in die Hauptflüsse. Namentlich bilden sich dann quer vor der Mündung
Ablagerungen (Barren).
f) Bei Mündung eines Flusses in ein stehendes Gewässer, bez. in die Meere. Flüsse,
welche noch grössere Geschiebe führen, bilden Barren, während solche, die nur fein
verteilte Sinkstoffe enthalten, diese nur an ihren Mündungen zur Ablagerung bringen,
wenn die Bewegung der Meere eine geringe ist (Deltabildung). Ist die Ebbe und
Flutbewegung (die Tiden oder Gezeiten) jedoch stark, so wird der Flussschlamm in das
Meer hinausgeführt und kommt erst nach einiger Zeit an ruhigeren Stellen zur Abla-
gerung. Die Marschen der W^eser, Elbe sind so entstanden.
g) Bei Hochwasser ist die lebendige Kraft des Wassers gesteigert und die Ge-
schiebeabfuhr vergrössert. Fällt das Wasser, so vennag es die gröberen Massen nicht
mehr fortzuführen, diese lagern sich ab und überdecken oft in grosser Mächtigkeit
fruchtbare Bodenflächen. Den strömenden Wässern setzen solche Geschiebebänke Wider-
stand entgegen und veranlassen dadurch vielfach lokale Stromrichtungen, welche den
Boden zerreissen und fortführen. Hierin ist es begriindet, dass erfahrungsmässig die
schwersten Beschädigungen erst beim Ablauf der Hochwässer eintreten.
Die Ausdehnung der durch Ablagerung aus fliessenden oder in stehenden Gewäs-
sern entstandenen Bodenschichten ist sehr bedeutend. Weitaus der grösste Teil der
alluvialen und diluvialen Bildungen gehört denselben an. Noch bedeutender werden
diese Ablagerungen und bilden die Hauptmasse der Erdoberfläche, wenn jene hinzuge-
rechnet werden, die ursprünglich ebenfalls aus Sinkstoffen hervorgegangen, aber später
zu festen Gesteinen verkittet sind, wie Sandsteine, Thonschiefer u. a.
Abweichend vom normalen Geschiebetransport, welche zur Sonderung der bewegten
122 11. Ra mann, Forstliche St«ndort8lehre.
Teile nach Grösse und Schwere führt, daher auch als „Materialausscheidun^^
bezeichnet wird, gestaltet sich der Massentransport, den die Wildbäche in
charakteristischer Ausbildung zeigen.
Tn der trocknen Jahreszeit führen die Wildbftche nur wenig Wasser oder trocknen
völlig aus. Bei starker Wasserabfuhr (Gewitter, Schneeschmelze) schwellen solche Bäche
oft plötzlich an und führen ungeheure Schuttmassen aus den höheren Berglagen in die
Täler, wo sie sich in der Regel an der Mündung der Nebentäler im Haupttal ablagern.
Solche „M u h r g ä n g e" enthalten oft relativ wenig Wasser, bilden ein breiartiges
Gemisch von Erdteilen und sind infolge des hohen spezifischen Gewichtes der Gesamt-
masse sehr tragfähig, vermögen daher grosse Steine zu bewegen. Einmal in Bewegung
gesetzt eilen die Steine, als reicher an lebendiger Kraft, den kleineren Gemengteilen
voran und werden zuweilen weiter geführt als jene.
Die Ablagerungen der Muhren sind Gemische aller Komgrössen. Sehr häutig
ergiessen sie sich in das Bett der Talflüsse, stauen diese auf und führen zu Ueber-
schwemmungen, oft auch zu dauernden Versumpfungen. Man kann drei Hauptformen
der Ablagerung unterscheiden.
a) Mit eckigen und schieferigen Bruchstücken. Sie lagern sich
wenig dicht zusammen, lassen Wasser leicht durchsickern und werden relativ leicht
weiter geführt.
b) MitgerundetenGeschieben; sie lagern sich dichter zusammen, lassen
Wasser schwieriger hindurch und sind weniger transportfähig.
c) Ueberwiegend feinkörniges, namentlich lehmiges Material; ein-
mal abgelagert fast undurchlässig für Wasser, setzt es dem Weitertransport zunächst
grossen Widerstand entgegen und bildet, wenn in Bewegung, mächtige Schlammmassen.
Die Tätigkeit des Meeres ist eine mehr zerstörende als aufbauende,
üeberall greifen die Meereswogen die Küsten an, allerdings sehr verschieden nach der
Stärke der Wellenbewegung und der Widerstandsfähigkeit der Gesteine. Anderseits
ist die Anschwemmung von festen Teilen an manchen Küsten (z. B. der Ostsee) nicht
unbedeutend und giebt zur Bildung von Sandmassen Veranlassung, die vom Winde
zusammengetrieben als Dünen die Küsten vielfach umsäumen.
Die Tätigkeit des Eises bei dem Abtrag der festen Bestandteile ist
namentlich durch den Geschiebetransport der Gletscher bedingt, ganz zurück tritt
die Wirkung der Eisschollen, obgleich auch diese grosse Blöcke und feinere
Bruchstücke von Gesteinen tragen, bei der Zertrümmerung der geschlossenen Eisdecke
wegführen und an anderen Punkten zur Ablagerung bringen können.
Die Bildung von Gletschern findet z. Z. im Gebirge an einzelnen Stellen, den
Firnmulden statt, in denen grössere Schneemassen sich ansammeln. Der Schnee schmilzt
in den wärmeren Jahreszeiten oder bei Sonnbestrahlung teilweise und wird so in eine
feinkörnige Masse , den Firn, umgewandelt. Durch Zusammenbacken der einzelnen
Firnkörner geht dieser in das zusammenhängende Gletschereis über. Das Eis
hat die Eigenschaft, nicht vollständig spröde zu sein, sondern ähnlich einer pechartigen
Masse unter dem Einfluss der eigenen Schwere langsam zu fliessen. Die Gletscher
bilden so Eisströme von verschiedener Mächtigkeit, die dauernd aus den höher gelegenen
Gebieten, in denen die Abschmelzung hinter der Zufuhr von Schnee zurückbleibt, ge-
speist werden. Die Bewegung der einzelnen Eisteile im Gletscher ist dabei eine sehr
komplizierte.
Von den die Gletscher umgebenden Hängen fallen Bruchstücke des Gesteines
herab und werden durch die Bewegung des Gletschers talabwärts geführt. Es bilden
sich an beiden Rändern des Gletschers Streifen von grossen und kleinen Geschieben,
Der Transport der Verwitterungsprodukte. § 14. 123
die Moränen (Seitenmoränen). Am vorderen Rande des Gletschers, an dem die Ab-
schmelznng erfolgt, hänfen sich die zugeführten Gerolle zusammen und bilden die End-
moräne. Ein Teil der Gesteinsbruch stücke wird dabei völlig vom Eis umschlossen
und durch Reibung an einander und am Eis, sowie an den festen Gesteinswänden all-
mählich in einen feinen Schlamm zerrieben, der sich namentlich unterhalb der Gletscher
regellos untermischt mit feineren oder gröberen Geschieben als Grundmoräne an-
sammelt.
Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse in den Polarländern. Die Eisan-
sammlung ist dort eine so grosse, dass mächtige Flächen vollkommen von einer zu-
sammenhängenden Eismasse , dem „Inlandeis** tiberdeckt sind. Solches Inlandeis
hat keine Oberflächen-Moränen, sondern nur eine Grundmoräne.
In der Diluvialzeit war die Ausdehnung der Gletscher eine ausserordentlich grosse.
In den Alpen tiberdeckten sie den ganzen Kern des Gebirges und drangen weit in die
vorliegenden Hochebenen und in den Tälern vor.
Noch grossartiger war die diluviale Ausbreitung eines gewaltigen Inlandeises,
welches von dem skandinavischen Norden ausging und sich tiber ganz Norddeutschland
und einen grossen Teil des nördlichen und mittleren Russlandes erstreckte. Alle Dilu-
vialbildungen des nordischen Flachlandes sind Ablagerungen, deren Transport durch
Eis erfolgte und in den Diluvialmergeln ist noch die Grundmoräne des Inlandeises er-
halten. (Vergl. Penck, Vergletscherung der deutschen Alpen. Leipzig b. Engelmann.
Die übrige Literatur ist sehr zerstreut, namentlich jedoch in der Zeitschr. der deut-
schen geologischen Gesellschaft und den Veröffentlichungen der geologischen Landes-
anstalt von Preussen, sowie von Schweden enthalten.)
§ 14. 3) Abtrag durch die Luftbewegung (Wind). Die Wegfnhning
und Zufuhr von festen Bestandteilen durch W^indbewegung beschränkt sich naturgemäss
auf Bodenbestandteile geringer Korngrössen. Ii\ den gemässigten Klimaten macht sie
sich namentlicli bei dem Aufbau und dem Wandern der Dtinen sowie in den Flug-
sandgebieten bemerkbar.
Ausserdem kommen hier die Ablagerungen der vulkanischen Sande und
Aschen, sowie des L ö s s und der Schwarzerde in Frage.
In frtiheren Zeitperioden ist in unseren Gebieten zweifellos Windtransport und
Dünenbildung viel grossartiger gewesen als zur Jetztzeit. Zahllose Dünenreihen durch-
ziehen das nordische Flachland.
Dunen, die unbewachsen sind, unterliegen noch dauernder Umgestaltung. Sie
bilden Htigelreihen sehr gleichkömiger Sande, die senkrecht zur herrschenden Wind-
richtung stehen. Der Zusammenhalt der einzelnen Kömer ist sehr lose, der Wind
reisst mit Leichtigkeit einen Teil der Kömer ab, ftihrt diese über die Dünenköpfe hin-
weg und bringt sie auf der entgegengesetzten Seite der Düne zur Ablagerung. Hier-
durch erfolgt ein fortwährendes Weiterrücken der Düne, sie wandert. Das jährliche
Weiterrücken der Dünen ist sehr verschieden und schwankt zwischen 1 — 6 m. Die
Bildung der Wanderdünen ist auf die Wüsten und das Seeufer beschränkt, an dem fort-
während Sandmassen ausgeworfen werden und so immer neues Material zugeführt wird.
Die Bindung der Dünen ist von grosser wirtschaftlicher Wichtigkeit und bietet
viele Schwierigkeiten. Namentlich sind dabei einzelne Pflanzenarten, welche eine Ueber-
wehung mit Sand gut ertragen, ja sie sogar zum dauemden Gedeihen erfordern, von
Wichtigkeit. Darunter in erster Linie Elymus arenarius und Ammophila oder Arundo
arenaria.
(Eingehende Angaben über Dünen finden sich in Berendt, Geologie des kuri-
schen Haffes ; S o k o 1 o w , Dünen ; Gerhardt, Dünenbau.)
124 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
IV. Die wichtigsten Hineralarten und Gesteine.
I. Die wichtigsten Mineralarten.
Zirkel-Naumann, Elemente der Mineralogie. Leipzig. Roth, Chemische Geo-
logie. Berlin 1879.
§ 15. 1) A 1 1 g e m e i n e s. An der Zasammensetznng des Bodens beteiligen
sich in erheblichem Masse nur wenige Verbindungen. Der überwiegende Teil derselben
besteht aus Sauerstoffsalzen, seltener und im Boden in kleinen Mengen finden sich
Schwefelverbindungen (FeS,) und Chloride (NaCl; KCl); etwas reichlicher Oxyde (Fe,0,;
MnO,).
Die Salze bestehen zumeist aus Silikaten, häufig in Verbindung mit Wasser, so-
dann aus Karbonaten (CaCO, ; MgCOj) und Sulfaten (CaSO^ ; Gips), nur sparsam kom-
men Phosphate (Apatit) vor, gewinnen aber bei ihrer Bedeutung für das Pflanzenleben
hohe Wichtigkeit.
Die Analysen führen die Bestandteile des Bodens zumeist als Oxyde und als Säure-
anhydride auf. Wenn dies auch nicht mehr den theoretischen Anschauungen der heu-
tigen Chemie entspricht, bietet diese Methode doch so viele praktische Vorteile, lässt
die Zusammensetzung eines Körpers so scharf hervortreten und ist so allgemein ein-
gebürgert, dass kein Grund vorliegt, davon abzugehen.
Die wichtigsten im Boden vorkommenden derartigen Bestandteile sind:
Kieselsäure (SiOj); Kohlensäure (COg); Schwefelsäure (SO,).
Phosphorsäure (P^Oj).
Wasser (HjO).
Kali (K,0); Natron (Na^O)
Kalk (CaO); Magnesia (MgO); Eisenoxydul (FeO); Manganoxydul (MnO).
Eisenoxyd (FcaO,); Thonerde (AljOs); Mangandioxyd (MnO,)^).
Entsprechend dieser geringen Anzahl von Elementen sind es auch nur eine mas-
sige Anzahl von Mineralarten, welche die Gesteine zusammensetzen und durch Verwit-
terung den Boden bilden.
In erster Linie stehen hier die Silikate, in zweiter die Karbonate, während die
Sulfate nur auf verhältnismässig kleine Räume beschränkt sind.
Das Wasser, beziehentlich der Wasserstoff, ist in zwei Formen
in den Gesteinen vertreten. In den meisten Fällen findet es sich molekular mit den
Stoffen verbunden ; so sind \iele Verwitterungsprodukte, wie die wasserhaltigen Silikate,
Verbindungen eines Salzes mit Wasser. Durch einfaches Erhitzen geht dieses letztere
in der Regel bald verloren (z. B. Gips CaSO* -f-2H20 giebt beim Glühen CaSO^ und 2
Mol. HjO).
Ganz anders ist das Verhältnis solcher Körper, in denen der Wasserstoff an dem
inneren Aufbau des Moleküls teilnimmt und die in der Regel den Wasserstoff erst bei
höherer Temperatur und dauerndem Glühen (z. B. Glimmer, Turmalin) verlieren. Hänfig
bietet es grosse Schwierigkeiten, die Art der Bindung festzustellen, für viele Fälle ist
die Frage überhaupt noch eine offene, sie ist aber für die theoretische Erkenntnis von
Wichtigkeit.
Um die Gruppe der Silikate leichter ordnen zu können, benutzt man Bezeich-
nungen, die ebenfalls der früher üblichen Anschauungsweise über die Zusammensetzung
der chemischen Verbindungen entsprechen und ihrer Uebersichtlichkeit wegen auch jetat
3) Die Manganverbindungen werden in den Analysen zumeist als MUgO^, als Mangan-
oxyduloxyd eingestollt ; da sie zumeist nur in kleinen Mengen vorkommen, so ist der dadurch
hervorgebrachte Fehler nur gering.
Die wichtigsten Mineralarten. § 16. 125
noch beibehalten werden. Denkt man sich z. B. ein Magnesiumsilikat Mg^SiO^ (den
Olivin) nach alter Weise in Magnesia and Kieselsäureanbydrid zerlegt, so erhält man
Mg,Si04=Mg,0, + SiO,.
Das Verhältnis des an das Metall gebnndenen Sanerstoffes zn dem an das Siliciam ge-
bundenen Sauerstoff ist also wie 1:1; eine solche Verbindung bezeichnet man daher
als Singulosilikat.
Von anderen kieselsauren Salzen finden sich noch häufig B i s i 1 i k a t e , nach
der allgemeinen Formel Rj,SiOj zusammengesetzt*) (RjO + SiO,; Sauerstoffverhältnis
= 1:2) und Zweidrittel-Silikate nach der allgemeinen Formel RgSiGj zu-
sammengesetzt (also R^Oa -|- SiO, ; Sauerstoffverhältnis =3:2, daher | Silikate). Als
Doppelsilikate werden endlich Verbindungen bezeichnet , die mehrere ungleich-
wertige Elemente enthalten, namentlich solche, die neben Thonerde oder Eisenoxyd
noch Alkalien oder alkalische Erden als Bestandteile führen. Die wichtigsten und ver-
breitetsten Mineralien sind derartige Doppelsilikate.
Einzelne Mineralarten, wie Hornblende und Augit, sind in ihren reinsten Formen
völlig frei von Thonerde oder Eisenoxyd, während die gewöhnlich vorkommenden Arten
reichliche Mengen derselben enthalten.
Die für die Bodenkunde wichtigen Mineralien sind Kieselsäure und ihre Salze,
Karbonate, Sulfate, während Halogenverbindungen und Phosphate zurücktreten.
§16. 2) Kieselsäure und Silikate. Quarz und Opal. Die Kiesel-
säure findet sich verbreitet in zwei Formen. Einmal krystallisiert als Quarz (Tridy-
roit, eine andere Form der Kieselsäure, hexagonal, spez. G. 2.312 ist seltener) und
amorph als Opal.
Der Quarz findet sich in grösseren oft verschieden gefärbten Krystallen, die eine
ganze Anzahl von Abarten bedingen und im dichten Zustande als Chalcedon, Feuer-
stein, Hornstein, Jaspis, Quarzit. Der Quarz ist krystallisierte Kiesel-
sänre, SiO, ; die unreineren Abarten enthalten wechselnde Mengen von Eisenoxyd, Thon-
erde u. dergl. beigemischt.
Verwitterung. Der Quarz verwittert sehr schwer, da er durch Wasser und
Kohlensäure keine Umänderungen ei^ährt und in diesen Stoffen sogut wie unlöslich ist ;
trotzdem kommen zerfressene Quarze vor, deren Ursprung man von der Einwirkung
von Lösungsmitteln herleitet. Die Quarze zerfallen in der Natur zumeist nur durch
mechanische Einwirkung in kleinere scharfeckige Bruchstücke. Die vielfach vorhan-
denen Einschlüsse von Flüssigkeit, Gesteinsbruchstücken, Hineinragungen von Teilen
der Grundmasse der Gesteine begünstigen das Zerfallen erheblich. Die Bruchstücke
bleiben dann in eckigem scharfkantigem Zustande erhalten oder werden bei mechani-
scher Fortbewegung durch Reibung aneinander gerundet.
Die Verwitterung der Quarzite, Chalcedone etc. ist vom Gehalt der beigemischten
anderen Substanzen abhängig und dadurch sehr verschieden. Feuersteine überziehen
sich zunächst mit einer weissen Kruste, die ärmer an Kieselsäure, dagegen etwas reicher
an Wasser, Thonerde und Alkalien ist.
Für Salzlösungen ist der Quarz nicht unangreifbar. Man kennt Pseudomorphosen
nach Quarz von Kalkspat, Roteisen, Speckstein, Chlorit.
Bildung. Quarz ist wiederholt künstlich dargestellt worden. Er bildet ein
Hauptgemengteil sehr vieler Gesteine, in denen er, wie in vielen Porphyren, nur aus
feurigem Fluss abgeschieden sein kann ; vielfach ist jedoch die Entstehung aus Lösungen
zweifellos, so in Erzgängen, Chalcedonkugeln , im Innern von Versteinerungen. Die
4) R = einem einwertigen Metall.
126 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
dichten Formen sind wohl alle anf Abscheidnngen aus Lösungen zurückzuführen. Bd
der Verwitterung bilden sich vielfach Lösungen von Kieselsäure und kieselsauren Alka-
lien, aus denen sowohl amorpher Opal als auch die krystallisierten Formen, namentlich
Chalcedon, hervorgehen. Der letztere scheidet sich namentlich in den Hohlräumen vul-
kanischer Gesteine ab, die oft lagenweise verschieden gefärbten Chalcedon enthalten.
In der Mitte von Chalcedonmandeln findet sich nicht selten krystallisierter Quarz, dessen
Entstehung auf die langsamere Zufuhr und Verdunstung von kieselsäurehaltigem Wasser
zurückzuführen ist. In der ersten Zeit, wo die Bildung rascher voranging, entstand
der versteckt krystallinische Chalcedon, später die grösseren Kry stalle von Quarz.
Die Bildung von Quarz in den obersten Erdschichten, namentlich im Boden, ist
behauptet, aber noch nicht genügend nachgewiesen worden. Theoretisch sind derartige
Abscheidungen als durchaus möglich zu erklären, wenn auch die möglicherweise ent-
stehende Quarzmenge zu gering ist, um eine grössere Bedeutung für die Bodenkunde
beanspruchen zu können. (Vgl. auch Emeis, Waldbauliche Forschungen. Berlin.)
Opal, die amorphe wasserhaltige Form der Kieselsäure ist weniger verbreitet,
sie findet sich namentlich in den Hohlräumen vulkanischer Gesteine. Ob der Boden
amorphe Kieselsäure enthält, ist fraglich. Zurzeit giebt es kein chemisches Hilfsmittel,
um dies feststellen zu können. Das Vorkommen der amorphen Kieselsäure im Boden
würde zweifellos für die Absorptionswirkungen und chemischen Umsetzungen von grosser
Bedeutung sein.
Sil ikate :
0 1 i V i n ist ein mehr oder weniger eisenhaltiges Magnesiumsilikat (Mg (Fe) SiO^ :
FeO = 7—290/0; MgO— 4370; SiO, 30— 43o/o). Es findet sich in glasglänzenden, meist
flaschengrünen Krystallen und Körnern in den kieselsäureärmeren Eruptiv-Gesteinen,
namentlich im Basalt.
Die Verwitterung folgt im Olivin zuerst den zahlreichen Sprüngen und
Haarspalten und besteht zumeist in einer Aufnahme von Wasser und Oxydation des
vorhandenen Eisenoxyduls, die grünliche Färbung geht dabei in eine gelbliche bis brann-
rote über. Wie die Untersuchung im Dünnschliffe ergiebt, ist der Olivin eines der am
leichtesten angreifbaren Mineralien. Zumeist geht ans dem Olivin ein wasserhaltiges
Magnesiumsilikat, der Serpentin, hervor.
Bildung. Olivin findet sich als primärer Gemengteil eruptiver Gesteine. Durch
Zusammenschmelzen der Bestandteile des Olivins mit einem Flussmittel gelingt es leicht,
Olivinkrystalle zu erzeugen.
Serpentin meist aus Olivin durch Verwitterung hervorgegangenes, sekundäres
Mineral. Wasserhaltiges Magnesiumsilikat (43— 44>SiO,; 43.8 MgO; 13<>/o H,0). Der
Serpentin ist nur schwierig einer weiteren Verwitterung zugängig, indem Kieselsäure
abgeschieden und Hydrate der Magnesia, sowie Magnesit (MgCOj) gebildet wird.
Talk und Speckstein sind stets sekundäre, wasserhaltige Magnesiasilikate
(H,Mg8(SiO,)4; 62«/o SiO^ ; 33% MgO; 5> H,0). Talk findet sich namentlich als
Bestandteil krystallinischer Schiefer (Talkschiefer). Speckstein ist nur die versteckt-
krystallinische Abänderung des Talkes.
Talk verwittert kaum, er zeriUllt nur mechanisch. Die Entstehung des Talkes
findet namentlich bei der Verwitterung der Hornblenden und Augite statt, doch können
noch viele andere Mineralien zur Bildung Anlass geben.
§ 17. 3) F e 1 d s p a t e. Unter den gesteinbildenden Mineralien stehen die Feld-
spate in erster Reihe. Dieselben sind nach ihrer Krystallform in monokline (Ortho-
klase) und trikline (P 1 a g i 0 k 1 a s e) zu trennen. Die ersteren sind namentlich
Doppelsilikate der Thonerde und des Kaliums, während in den letzteren Natrium und
Die wichtigsten Mineralarten. § 17. 127
Kalk vorherrsclit.
Orthoklas (Kalifeldspat) und Sanidin (K,0 = 16,9«/o; A1,0, = 18,5ö/o;
SiOj = 64,6®/o); in der Regel ist etwas Eisen, Kalk und Natron vorhanden; Bestand-
teil vieler Gesteine, namentlich Granit, Gneis, Felsitporphyr, Trachyt, Syenit u. a.
Orthoklas findet sich in Gesteinen eruptiver Entstehung, auf Gesteinsgängen u. s. w.
Er ist daher ebensowohl ein Produkt wässeriger Absätze, wie er aus schnielzflüssigen
Massen entstehen kann. Künstlich sind Feldspate auf dem letzteren Wege herge-
stellt worden.
Verwitterung. Bei der Bedeutung des Orthoklas für die Bodenbildung ist
die Verwitterung desselben vielfach untersucht worden. Orthoklas ist unlöslich, wird
dagegen schon bei gewöhnlicher Temperatur durch Wasser, namentlich kohlensäure-
haltiges Wasser unter Bildung von Alkalisilikat zersetzt; der Orthoklas verliert bei
der Verwitterung seinen Glanz, er wird matt und sehr häutig rötlich oder bräunlich
durch ausgeschiedenes Eisenoxyd gefärbt. Ais Endprodukt der einfachen Verwitterung
ist die Bildung von Kaolin, wasserhaltigem Thonerdesilikat AlgO,, 2SiOa4-2H20,
zu betrachten. Dieser Prozess lässt sich schematisch durch folgende Formel darstellen
(Roth, ehem. Geol. 1. p. 142):
106 TeUe Orthoklas = 16.88 K,0 ^ 18.49 A1,0, = 64.63 SiO,
verlieren i^_"r — — 43.05 „ +6.47H>0
es bilden sich 46.45 Tl. Kaolin = — — 18.49 — 21.58 +6.47H3O
Durch die Umbildung in Kaolin wird also die Hälfte der Orthoklassubstanz weg-
geführt. Das entstehende Alkalisilikat giebt zu ferneren Zersetzungen im Boden Ver-
anlassung. Es ist jedoch hervorzuheben, dass bei der Verwitterung des Orthoklases
Zeolithe nur selten entstehen und daher in den an Orthoklas reichen Gesteinen meist
fehlen.
Anders verläuft die Verwitterung des Orthoklas, wenn nicht reines oder kohlen-
sänrehaltiges Wasser allein, sondern gleichzeitig verdünnte Salzlösungen einwirken. Der
Orthoklas wandelt sich dann unter Ausscheidung von Kieselsäure und Alkalien, unter
Aufnahme von Eisenoxydul in feinschuppigen Kali gl immer, durch Zuführung von
Eisen und Kalk in Epidot um. Im Dünnschliffe ist es nicht selten möglich, die drei
Hanptbildungen, Kaolin, Glimmer und Epidot, neben einander in demselben Krystall zu
beobachten. Dort lässt sich auch feststellen, dass die Verwitterung zumeist den Spal-
tnngsflächen folgt. Während einzelne Teile des Krystalles noch klar und unverändert
sind, sind andere schon vollkommen zersetzt.
Von den Feldspaten gilt der Orthoklas als der am schwierigsten angreifbare;
obwohl nicht gerade selten die Plagioklase in Gesteinen noch frisch erscheinen, wäh-
rend die Zersetzung der Orthoklase weit vorgeschritten ist.
Plagioklase werden alle triklin krystallisierenden Feldspate genannt. Die-
selben enthalten namentlich Kalk und Natron, obgleich man auch einen verbreiteten
triklinen Kalifeldspat, den M i k r 0 k 1 i n , kennt. Dieser tritt häutiger als Gesteins-
gemengteil auf, ist mit dem Orthoklas gleichartig zusammengesetzt und scheint derselben
Verwitterung wie dieser zu unterliegen.
Die zweite an Natron und Kalk reiche Plagioklasreihe wird als innige Ver-
wachsung zweier selbständig nur selten auftretender Mineralien betrachtet. Albit
(Natronfeldspat) (Na,Alj,SieOjg und Anorthit (Kalkfeldspat) CaAli
SijOg. Von den zahlreichen Mischungen dieser beiden Mineralien, die sich durch
eine Verwachsung zahlreicher oft äusserst feiner Krystalllamellen auszeichnen (daher
Zwillingsstreifung auf einzelnen [den basischen] Spaltflächen) hat man zwei
vielfach vorkommende Abarten mit besonderen Namen belegt. Einmal den Natron-
128 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
k alkfe Id sp at oder Oligoklas und anderseits den Kalknatronfeldspat
oder Labrador.
Die Zusammensetzung der letzteren liegt in der Mitte zwischen der beider Grnnd-
substanzen; im Labrador wiegt der Kalk, im Oligoklas das Natron vor. (Auch Kali
fehlt selten gänzlich.)
Albit 11.82 NaO — 19.56 Al,0, — 68.62 SiO,
Anorthit 20.10 CaO — 36.82 Al^O, — 43.08 SiO^.
Die Verwitterung der Plagioklase verlauft ähnlich wie bei dem Orthoklas,
nur dass bei jenen an Stelle des Kali das Natron und der Kalk weggeführt werden
und sich vielfach als kohlensaurer Kalk oder als Zeolithe abscheiden. Mit Ausnahme
des Anorthit bilden auch die Plagioklase in der Regel Kaolin, können aber auch zur
Entstehung von Glimmer und Epidot Veranlassung geben. Im allgemeinen verwittern
die Plagioklase leichter als die Orthoklase.
§ 18. 4) Die Glimmergruppe. Neben den Feldspaten nehmen die Glim-
mer einen hervorragenden Platz unter den gesteinbildenden Mineralien ein. Man hat
in neuerer Zeit die Glimmer, namentlich nach ihrem optischen Verhalten, in eine grös-
sere Zahl von Arten zerlegt; für die Bodenkunde genügt es, an der alt^n Trennung
in Kaliglimmer und Magnesiaglimmer festzuhalten ; ersterer meist hell, oft
silberweiss, letzterer dunkel gefärbt. Alle Glimmer zeichnen sich durch leichte Spalt-
barkeit aus.
Kaliglimmer, ausgezeichnet spaltbar und dadurch in die dünnsten elastischen
Blättchen zerlegbar. Chemisch ein sehr wechselnd Zusammengesetzes Mineral SiOa =
46_50®/o; Al803=:2o— 35>; K^O =:: 8—10^/0; mit einem meist kleinen Gehalte an
Eisen, namentlich Eisenoxyd (0.5 — ö^o), sowie Fluor und Wasser (1 — 4®/o). Der Kali-
glimmer ist ein Bestandteil der Granite, Gneise, vieler Glimmerschiefer u. s. w.
Verwitterung. Kaliglimmer wird durch die Verwitterung nur sehr schwer
angegriffen. Er bildet durch mechanische Einwirkungen meist fein verteilte kleine
Schuppen und Blättchen, die sich dem Boden beimischen und sich sehr lange unver-
ändert erhalten (z. B. in den tertiäi'en Glimmersanden).
Magnesiaglimmer, meist dunkel gefärbt, schwarz, grün oder grau, auch
braun, in der Regel nicht so ausgezeichnet spaltbar wie der Kaliglimmer, von dem er
sich durch seinen hohen Gehalt an Magnesia (10 — SO^o) und an Eisenoxydul unter-
scheidet, neben denen er jedoch stets reichlich Kali (5 — lO^o) enthält.
Verwitterung. Der Magnesiaglimmer verwittert viel leichter als der
Kaliglimmer. Häutig sind die dunkeln Lamellen von einem hellgefärbten Rande um-
geben, der durch Wegführung des Eisens und der Alkalien entstanden ist. Oft setzt
sich auch Eisenoxyd zwischen den Glimmerblättchen ab und färbt diese rötlich. Der
Boden, welcher sich aus Gesteinen bildet, die reich an Magnesiaglimmer sind, ist ein
eisenreicher Thonboden und durch seine günstigeren Eigenschaften und seine Frucht-
barkeit von dem aus Kaliglimmer entstandenen unterschieden. Vielfach werden die
Basen in Karbonate umgewandelt ; anderseits treten Umbildungen der Magnesiaglimmer
in Talk und Serpentin auf.
§ 19. 5) Hornblende und Augitgruppe. Diese Gruppe umfasst eine
Anzahl von Mineralien, die rhombisch und monoklin, seltener triklin krystallisieren.
Alle sind ähnlich zusammengesetzt und zeigen auch in bezug auf die vorkommenden
Krystallformen bestimmte Beziehungen.
Für die Bodenkunde sind nur Hornblende und A u g i t von Bedeutung. Beide
sind im reinsten Zustande ein Magnesiumbisilikat MgSiO,, in welchem das Magnesium
zum Teil durch Kalcium oder Eisen ersetzt ist. Die verbreitetsten Abarten enthalten
Die wichtigsten Mineralarten. § 20. 129
jedoch noch reichliche Mengen von Thonerde. Je nach dem Vorkommen derselben ist
der Verlauf der Verwitterung ein verschiedener.
Die Hornblende (Amphibol) zeichnet sich durch gute Spaltbarkeit und
glänzende Spaltungsflächen aus. Der Kieselsäuregehalt schwankt von 39 — 49®/o ; Thon-
erde von 8 — 15^0; ausserdem finden sich Alkalien (oft bis 37o Naj^O), sowie 10 — 12^0
Kalkerde.
Die Hornblende findet sich in vielen Gesteinen als wesentlicher Gemengteil, so
im Syenit, Diorit, Hornblendeschiefer etc.
Die Verwitterung verläuft verschieden je nach dem Gehalt an Thonerde.
Die selteneren thonerdefreien Formen werden in Talk, Serpentin und Chlorit umge-
wandelt. Die thonerdehaltigen verlieren zunächst Ca, Mg und Alkalien, nehmen da-
gegen Wasser auf und ergeben als Rückstand einen eisenreichen Thon, der vielfach
noch ausgeschiedene Karbonate enthält. Ausserdem hat man bei der Hornblende noch
Umbildung in eine feinfaserige Masse, Asbest, some in Glimmer, Epidot und Chlorit
beobachtet.
Augit (Pyroxen) unterscheidet sich in Bruchstücken von der Hornblende
durch die geringe Spaltbarkeit. Der Augit schliesst sich in seiner Zusammensetzung
der Hornblende an, ist aber fast völlig frei von Alkalien; der Gehalt an Thonerde
übersteigt selten 4 — 6*^/o ; Kalkerde ist reichlicher als bei den Horn-
blenden vorhanden (20— 23<^/o).
Der geringere Thonerdegehalt bewirkt der Hornblende gegenüber einen etwas
abweichenden Verlauf der Verwitterung. Zumeist geht aus der Zersetzung der Augite
eine zerreibliche, grüne Masse, Grünerde, hervor, von wechselnder Zusammensetzung,
aber immer reich an Kieselsäure, während Magnesia und Kalk abgenommen haben und
in vielen Fällen als Karbonate dem Gestein beigemengt sind. Bei noch weiter fort-
schreitender Verwitterung wird ein eisenreicher Thon, ganz ähnlich wie bei der Horn-
blende, gebildet. *
§ 20. Leucit und andere Silikate. Leucit, ein Bestandteil einzelner
basaltischen Gesteine, ist ein Doppelsilikat von Thonerde und Kali KsAl8(Si08)4. Bei
der Verwitterung wird eine weisse, thonige Masse, wahrscheinlich Kaolin, gebildet.
Nephelin ist verbreiteter als Leucit und als Bestandteil basaltischer Gesteine
und des Phonolith von grösserer Bedeutung. Nephelin ist ein Doppelsilikat von Kali
(wenig), Natron und Thonerde Ro(Alj)3SiyOj,g (R^ meist gleich 1 K und 5 Na). Bei
der Verwitterung nimmt der Nephelin Wasser auf und bildet Zeolithe.
Epidot, ein wasserhaltiges kalkreiches Thonerde-Eisenoxyd- Silikat von grün-
lichen Färbungen, entsteht sehr häutig als sekundäres Produkt bei der Einwirkung
kalk- und eisenreicher Gewässer auf Feldspate und andere thonerdehaltige Silikate.
Epidot ist oft die Ursache der gelblich grünen Färbung von Gesteinen, namentlich von
Felsitgesteinen, deren Grundmasse überwiegend in Epidot umgewandelt werden kann.
Granat umfasst eine Gruppe von Mineralien, die in der äusseren Krystallform
übereinstimmen und als Gemische isomorpher Verbindungen zu betrachten sind. Die
Granatmineralien sind nach der Formel R^igR^^Si Ojg zusammengesetzt; R^i=:Ca,
Mg, Fe, Mn; R^'^^==Alj,03, Fe^O,. Die Verwitterung und Umbildung der Granaten
ist der Zusammensetzung entsprechend sehr mannigfach und auch vielfach Gegenstand
der Untersuchung gewesen, jedoch von geringem bodenkundlichem Interesse.
Turmalin (Schörl), von sehr mannigfacher Zusammensetzung (R^SiOg ; R^
= H, K, Na, Li; R^^=:Mg, Fe, Mn, Ca; RvinzAl^Og ; also isomorphe Mischungen von
Zweidrittelsilikaten ein-, zwei- und mehrwertiger Elemente). Für die Bodenkunde hat
nur die schwarze Abänderung des Tunnalins , der Schörl, eine geringe Bedeutung.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 9
130 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Bei der Verwitterung wird er zumeist in Ealiglimmer umgewandelt, seltener in Chlorit
oder Talk.
Chlorit umfasst eine Anzahl grün gefärbter, weit verbreiteter Minei-alien, die
in Härte und Spaltbarkeit zwischen Talk und Glimmer stehen und wasserhaltige Sili-
kate von Magnesia, Eisen und Thonerde sind (25— 32> SiO^ ; 19—23 Al^O, ; 15—29
FeO; 13 — 25 MgO; 9 — 12 U^O). Die Chlorite sind immer als sekundäre Mineralien
zu betrachten und die mit am häufigsten auftretenden Umbildnngsprodukte der verwit-
ternden Gesteine. Als Chloritschiefer bilden sie selbständig beträchtliche Gebirgsmassen.
Als Produkt der Verwitterung unterliegt der Chlorit nur schwierig weiteren Umbil-
dungen; erfolgen diese, so wird meistens Kieselsäure als Quarz oder Chalcedon abge-
schieden, das Eisen in Eisenoxydulhydrat umgewandelt und die Magnesia in Karbonat
übergeführt.
Z e 0 1 i t h e umfassen eine zahlreiche Reihe von Mineralien, die alle wasserhaltig
sind und beim Erhitzen das Wasser unter Aufschäumen verlieren. Es sind Doppel-
silikate von Kali, Natron, Kalk und Thonerde. (Die wenigen Thonerdefreien , sowie
die Baryum enthaltenden Arten sind hier ohne Bedeutung.)
Die Zeolithe bilden sich zahlreich bei der Verwitterung Natron und Kalk halten-
der Mineralien und linden sich namentlich in den Klüften und Hohlräumen vulkanischer
Gesteine, aber auch auf Erzgängen u. dergl. abgeschieden.
Viele Zeolithe verlieren leicht Wasser und zerfallen dann in ein feines Pulver;
durch fortschreitende Verwitterung gehen aus denselben kaolinartige Erden hervor.
Die Zeolithe wandeln sich bei Einwirkung gelöster Salze leicht um (indem sie andere
Zeolithmineralien bilden) und sind so eins der beweglichsten und wichtigsten Elemente
des Ackerbodens, da sich viele Absorptionserscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf
die Gegenwart zeolithischer Körper im Boden zurückführen lassen.
Von der grossen Zahl der bekannten Zeolithe können hier nur einzelne Beispiele
aufgeführt werden:
Mesotyp (Natrolith) Na^AljSigOjo +2HjjO; der verbreitetste Zeolith ; gleich-
zeitig einer der am wenigsten Zersetzungen unterworfenen. In basaltischen und pho-
nolithischen Gesteinen.
Harmotom H2(BaKj.)Alj,SiöO,5 + 4H80 auf Erzgängen; im Basalt.
A n a l c i m NaaAl2Si4 0, g + 2H2O in plutonischen Gesteinen.
S k 0 1 e c i t CaAl.Si.0, 0 + SHaO.
Phillipsit Ca(K„ Na,)Al,Si,0,, + ,H,0.
Die Zeolithe finden sich häufig neben einander in denselben Gesteinen, deren Zer-
setzungsprodukte sie sind.
§21. Kaolin und Thonmineralien. Die Verwitterung der meisten
thonerdehaltigen Mineralien ergiebt wasserhaltige kieselsaure Thonerde, als deren reinst«
Form man den Kaolin betrachten kann.
Kaolin ist versteckt krystallinisch, nicht amorph, wie man bei der hohen
Plastizität vermuten sollte. Bei sehr starker Vergrösserung erkennt man, dass der
Kaolin aus sehr feinen, meist sechsseitigen Lamellen besteht. Chemisch ist der Kaolin
nach den besten vorliegenden Analysen als Hj^AlgHi^Os -j- HgO aufzufassen (46,40®/o
SiO, ; 39,68 Al.O, ; 13,92 H,0). Die ältere Formel Al^SigO, + 2H,0 ist wohl weniger
richtig, da ein Teil des Wassers erst bei stärkerem Glühen entweicht. Der Kaolin ist
vor dem Lötrohre unschmelzbar ; Salz- und Salpetersäure greifen ihn nicht an, Schwe-
felsäure zersetzt ihn. Von Kalilauge wird er aufgenommen.
Viele Versuche haben zu der Meinung geführt, dass der Kaolin etwas quellbar
sei, also Wasser in sich aufzunehmen vermag, obgleich seine ünlöslichkeit und die
Die wichtigsten Mineralarten. § 22. 131
krystaUinische Beschaffenheit dagegen sprechen.
Der Kaolin ist selten völlig rein, sondern noch mit Eesten der ursprünglichen
Mineralien, mit Quarzkörnem u. s. w. untermischt.
Viel mannigfaltiger sind die „Thonarten" zusammengesetzt; die Kenntnis der
in denselben vorhandenen chemischen Verbindungen ist jedoch noch eine sehr lücken-
haft«. Die feine Verteilung der Thone und die Schwierigkeit, die einzelnen Verbin-
dungen zu trennen, bedingt dies; die Gesamtanalyse der verschiedenen Thone ergiebt,
da sie Mischungen sind, die allerverschiedensten Resultate. Für die Bodenkunde kom-
men neben den Thonen, welche dem Kaolin nahe stehen, namentlich noch die eisen-
reichen T honarten in Betracht.
§ 22. Karbonate. Neben den Silikaten sind die wichtigsten und nächst
jenen in grösster Ausdehnung vorkommenden Mineralarten die kohlensauren Salze des
Calciums, Magnesiums und des Eisens.
Kohlensaurer Kalk findet sich in drei Formen, als Kalkspat, Arago-
nit und Kreide. Alle brausen mit Säuren Übergossen lebhaft auf.
Kalkspat, hexagonal - rhomboedrisch krystallisiertes Calciumkarbonat CaCOg
(56**/o CaO ; 44^0 CO,) ; findet sich in zahlreichen Krj^stallformen weit verbreitet (Gängen,
als Kalkstein und Marmor u. s. w.).
Aragonit, rhombisches Calciumkarbonat, weniger verbreitet als der Kalkspat.
Kreide, feinerdig, bildet ganze Gesteinsmassen.
Der kohlensaure Kalk wird bei der Verwitterung calciumhaltiger Gesteine häufig
gebildet, findet sich daher auch vielfach in Gesteinen wie in verwittertem Basalt, Dia-
bas etc. Der kohlensaure Kalk wird durch kohlensäurehaltige Gewässer als saurer
kohlensaurer Kalk gelöst, ohne einen Rückstand zu hinterlassen, er ist daher einer
Verwitterung im einfachen Sinne nicht zugängig. Grössere Kalk-
gesteine zerfallen jedoch in Stücke, da erfahrungsmässig einzelne Teile leichter angreif-
bar sind, und bilden zuletzt einen feinkörnigen Sand, den Kalksand. Als Rückstand
von der Verwitterung der Kalksteine können daher nur die Beimengungen derselben
zurückbleiben, die meist aus thonigen Stoffen bestehen, untermischt mit noch nicht ge-
lösten Kalksteinresten. Dagegen ist der kohlensaure Kalk, zumal die verbreitetste
Form, der Kalkspat, die Ursache vielfacher Umwandlungen und Abscheidungen gelöster
Mineralstoffe. Namentlich Metalle vermag er zu fällen, indem die meist leichter lös-
lichen Kalksalze weggeführt werden, während die Metallsalze oder deren Oxyde sich
abscheiden. Es sind so Pseudomorphosen von Eisenoxyd (Roteisen und Brauneisen)
und Mangansuperoxyd nach Kalkspat vielfach bekannt.
Dolomit. Kohlensaure Kalk-Magnesia CaCO, -|- MgCOg ist mit Kalkspat iso-
morph, in Krystallen meist als Grundrhomboeder.
Dolomit unterscheidet sich chemisch von Kalkspat durch geringere Angreifbarkeit ;
mit Säuren braust er nur gepulvert oder beim Erwärmen auf. Er unterliegt wie der
Kalkspat nur einer Lösung, keiner eigentlichen Verwitterung.
Vielfach finden sich dolomitische Kalksteine, vorwiegend kohlensaurer Kalk mit
beigemischter kohlensaurer Magnesia. Bei Einwirkung kohlensäurehaltiger Wasser wird
zunächst die im Ueberschuss vorhandene Verbindung weggeführt und Dolomit bleibt
zurück, der dann ebenfalls angegriffen und oft in ein feinsandiges Pulver von kleinen
Rhombo^dern, die sogenannte „Dolomitasche" übergeführt wird.
Eisenspat, kohlensaures Eisenoxydul (62,07>FeO; 37,93 COJ, ist ebenfalls
ein häufiges Produkt der Verwitterung von eisenhaltigen Gesteinen. Wie die vor-
besprochenen Mineralien ist es in kohlensäurehaltigem W^asser löslich, oxydiert sich
jedoch sehr leicht unter Abgabe der gebundenen Kohlensäure zu Eisenoxyd oder unter
9*
132 II. R a mann, Forstliche Standortslehre.
Wasseraufnahme zu Eisenoxydbydrat. Pseadomorphosen von Rot- und Brauneisen nach
Eisenspat sind daher häufig.
Sulfate. Von schwefelsauren Verbindungen tritt nur der schwefelsaure Kalk
als Anhydrit und im wasserhaltigen Zustande als Gips gesteinbildend auf.
Anhydrit CaSO, (41,2 CaO ; 58,8 SO,), in krystallinischen, graulich oder bläu-
lich gefärbten Massen, seltener in rhombischen Krystallen, geht unter Wasseraufnahme
über in
Gips CaSO, +2H,0 (32^ CaO; 46,5 SO, ; 21 H,0). Der Gips ist das ver-
breitetste schwefelsaure Salz und in kleinen Mengen in den meisten Bodenarten ent-
halten. Er löst sich in etwa 400 Tln. Wasser, verwittert daher im strengen Sinne
nicht, sondern wird in Lösung weggeführt und krystallisiert beim Verdunsten des Was-
sers vielfach wieder aus, so namentlich in Höhlungen; auch in Thonlagern finden sich
sekundär gebildete Gipskrystalle häufig vor.
Schwerspat (Baryt) (65,7 BaO ; 34,3 SO,) findet sich namentlich in Gangen,
oft in schönen rhombischen Krystallen. Schwerspat ist eins der unlöslichsten Minera-
lien und ohne wesentliche bodenkundliche Bedeutung.
Phosphate. Von den phosphorsauren Salzen ist nur der phosphorsaure Kalk
im krystallisierten Zustande als Apatit, krystallinisch als Phosphorit bezeichnet,
verbreitet und bodenkundlich von grosser Wichtigkeit.
Apatit krystallisiert hexagonal und besteht überwiegend aus phosphorsaurem
Kalk (41 — 42^0 Py^s)- I^er Apatit findet sich in fast allen Gesteinen in Form kleiner
Säulen und Nadeln. Er gehört in Quarzen, Hornblende, Auglt, Feldspaten zu den am
häufigsten vorkommenden Einschlüssen, ist aber prozentisch zumeist nur in sehr geringen
Mengen vorhanden. Der Apatit ist der Träger der Phosphorsäure im Boden.
In kohlensäurehaltigem Wasser ist Apatit schwach löslich; grössere Krystalle wer-
den durch die Verwitterung undurchsichtig, sie scheinen dabei oftmals zum Teil in Kar-
bonat umgewandelt zu werden, obgleich Analysen zersetzter Apatite kaum vorliegen.
Chloride und Fluoride. Von diesen kommen wesentlich nur die leicht lös-
lichen Salze der Alkalien Steinsalz und Sylvin und ausserdem der Flussspat
in Frage.
Steinsalz, Chlornatrium, NaCl (39,3 Na ; 60,7 Cl), in mächtigen Lagern und
in Lösung in vielen Quellen, Salzquellen, Soolen, und im Meerwasser vorkom-
mend. Das Steinsalz ist leicht löslich und wird dadurch leicht aus den Gesteinen und
Bodenarten ausgelaugt. Tritt es im Boden in massiger Menge auf, so findet sich auf
diesem wie auch am Seestrande meist eine eigenartige Flora.
Sylvin, Chlorkalium (52,35 K; 47,65 Cl), in beträchtlichen Ablagerungen in
Stassfurt und in Kaluss in Galizien. Wichtiges Kalisalz für Düngerzwecke.
Flussspat, Fluorcalcium, CaF^ (51,3 Ca; 48,7 F), verbreitet auf Gängen und
Klüften. Der Flussspat findet sich häufig in Gesteinen und entsteht wohl zumeist bei
der Verwitterung fluorhaltiger Mineralien, namentlich der Glimmer. Flussspat ist nicht
völlig unlöslich in W^asser, durch den Angriff desselben zeigen die Krystalle nicht selten
rauhe Flächen.
Oxyde und Oxydhydrate.
Roteisen, Eisenoxj^d, Fe^Og (70°/o Fe; 30®/o 0), als Roteisenstein in mäch-
tigen Lagern und Gängen und auch in kleinen Mengen in fast allen Bodenarten ver-
breitet, deren rote Farbe das Eisenoxyd bedingt.
Das Eisenoxyd geht durch Aufnahme von Wasser in Hydrat über; Pseudomor-
phosen von Brauneisen nach Roteisen sind nicht gerade selten. Auch im Boden kann
man diese 'Umwandlung gelegentlich beobachten. Bei der Verwitterung und genügender
Die wichtigsten Mineralarten. § 22. 133
Gegenwart von Sauerstoff wird Eisenoxyd sehr vielfach in Form kleiner Körner oder
Blättchen abgeschieden und bewirkt oft die rötliche Färbung schwach verwitterter Gesteine.
Unter dem Einfluss organischer Substanzen wird Eisenoxyd oder dessen Hydrat
zu Oxydul reduziert und als kohlensaures Eisenoxydul gelöst. Das Eisen gehört so zu
den bew^eglichsten Bestandteilen des Bodens und kann bei Luftabschluss leicht umgelagert
werden.
Eisenoxydhydrate. Durch Wasseraufnahme bildet sich aus Eisenoxyd
oder sehr häutig auch direkt bei der Verwitterung der Mineralien Eisenoxydhydrat.
Oft kann man beide Verbindungen in Dünnschliffen neben einander beobachten. Die
entstehenden Hydrate des Eisenoxyds haben wechselnden Wassergehalt. Dem in Gän-
gen und Lagern, wie auch im Boden, dessen braune Färbung dadurch veranlasst wird,
weit verbreiteten.
Brauneisenstein giebt man die Formel Fe2(0H)g ; ein anderes oft vorkom-
mendes Mineral ist der Göthit oder Nadeleisenerz Fe2H304.
Für die Umwandlung gilt das für das Eisenoxyd gesagte. Unter Umständen ver-
mögen jedoch die Hydrate ihr Wasser abzugeben und in Eisenoxyd überzugehen.
Magneteisen (Eisenoxyduloxyd), Fe^O^ (72,47o Fe; 27,6> 0), ist in Form
kleinster Krvstalle in sehr vielen Gesteinen verbreitet und oft das Produkt der Zer-
Setzung eisenreicher Mineralien. Bei der Verwitterung nimmt das Magneteisen Sauer-
stoff auf und geht in Eisenoxyd über ; seltener ist eine Umwandlung zu Brauneisen.
Dem Magneteisen steht in der Art des Vorkommens in den Gesteinen das Titan-
eisen ausserordentlich nahe, unterscheidet sich jedoch von jenem durch seine Unlös-
lichkeit in Säuren, sowie dass Titansäure in Form einer gelblichweissen Masse (L e u-
koxen) bei der Verwitterung übrig bleibt.
Braunstein, Pyrolusit (Mangansuperoxyd MnOa) stellt das verbreitetste
Mineral des Mangans dar. Es findet sich in Gängen und in kleinen Mengen vielfach
in Gesteinsklüften, deren Flächen es in baumförmigen Zeichnungen überzieht (sog.
Dendriten).
Schwefeleisen, FeSj, findet sich in der Natur in zwei Ausbildungsformen,
einmal regulär krystallisiert als Schwefelkies, sodann rhombisch als M a r k a s i t
(Strahlkies). Der Schwefelkies ist verbreiteter als der letztere, obgleich auch dieser
nicht selten vorkommt und namentlich in den Ablagerungen der Tertiär- und Kreide-
formation sich findet.
Schwefelkies ist ferner in Form kleinerer oder grösserer Krystalle in vielen Ge-
steinen vorhanden; er findet sich auch, wenngleich im ganzen selten, in Schichten von
Moor- und Torflagern. Die Verwitterung erfolgt durch Aufnahme von Sauerstoff und
Wasser :
FeS, + 7 0 + H,0 = FeSO^ + H,SO,
d. h. es geht aus der Verwitterung Eisenvitriol und freie Schwefelsäure
hervor. Je nach den im Boden vorhandenen Mineralbestandteilen ist die fernere Um-
setzung verschieden.
Der Eisenvitriol oxydiert sich bei Gegenwart von Sauerstoff zu schwefelsaurem
Eisenoxyd (3FeS0^ =Fea(S04)3 -f FCgOg) unter Bildung basischer Salze von wechseln-
der Zusammensetzung. Ist kohlensaurer Kalk vorhanden, so bildet sich Gips und das
entstehende kohlensaure Eisenoxydul geht unter Kohlensäureverlust und Sauerstoffauf-
nahme in Eisenoxyd, bezw. Eisenoxydhydrat über; es sind so Pseudomoi'phosen von
Braunoisen nach Schwefelkies häufig. Auch die im Diluvium verbreiteten Eisennieren
gehen aus der Oxydation von Markasit hervor. Das entstehende Brauneisen verkittet
den umliegenden Sand.
134 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Die freie Schwefelsäure bewirkt femer verschiedene Umbildungen. Sind nicht
genügend Basen vorhanden, um die Säure zu binden, wie dies namentlich in Moorboden
vorkommt, in dem sich zuweilen Schwefelkies fein verteilt vorfindet, so wirkt die freie
Säure als Pflanzengift und vernichtet jede Vegetation. Solche schwefelkieshaltige Moor-
schichten sind durch Wasserbedeckung von der Einwirkung der Luft abgeschlossen;
werden dieselben bei Meliorationen oder sonstigem Bodenbearbeiten an die Oberfläche
gebracht, so kann zuweilen der Boden auf Jahre hinaus verdorben und für Pflanzen-
kultur ungeeignet werden.
Auch bei Gegenwart genügender Mineralstoflfe ist die Einwirkung nicht immer
ohne Bedeutung. Am günstigsten gestalten sich die Verhältnisse, wenn genug Kalk
vorhanden ist, um die freie Säure zu binden. Zufuhr von Kalk und Mergel ist auch
wohl das einzige anwendbare Gegenmittel.
V. Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten.
Litteratur. Sprengel, Bodenkunde. — F a 1 1 o u , Pedologie. S e n f t , Boden-
und Gesteinskunde. Grebe, Gebirgskunde, Bodenkunde und Klimalehre. 4. Aufl. 188(i-
Berlin. Abhandig. d. geolog. Landesanstalt von Preussen etc. (soweit sich
diese auf das Flachland beziehen) ; ferner eine erhebliche Anzahl vereinzelter Angaben. Die
für forstliche Zwecke brauchbarste Zusammenstellung bietet Grebe, dem auch hier im
wesentlichsten gefolgt ist.
§ 23. 1. Allgemeines. Die aus der Gesteinsverwitterung hervorgehenden
Bodenarten sind je nach der Zusammensetzung, Korngrösse u. s. w. verschiedenartig.
Es ist jedoch möglich, für die Hauptgesteinsarten und deren Verwitterungsböden Kenn-
zeichen und ein allgemeines Verhalten anzugeben, welches der überwiegenden Anzahl
gemeinsam ist. Einzelne Ausnahmen kommen vielfach vor, sind jedoch eben Ausnah-
men von der Regel und vermögen diese selbst nicht zu beeinflussen.
Eine Trennung in „Verwitterungsböden" und „Schwemmlandsböden" ist nicht
festgehalten, da die letzteren nur die erste Phase der Verwitterung, das Zerfallen in
kleine Bruchstücke nicht durchzumachen haben, sonst aber keine abweichende Zersetzung
erleiden. Bei der Wichtigkeit und Verbreitung der Diluvial- und Alluvialbildungen
sind diese anhangsweise besonders besprochen.
Einteilung der Gesteine. Unter Gestein ist hier jedes Aggregat von
Mineralkörpem verstanden, welches in so grosser Menge vorkommt, dass es einen nen-
nenswerten Anteil an der Zusammensetzung der festen Erdoberfläche nimmt. Dement-
sprechend werden auch die losen Anhäufungen wie Sande, Gerolle unter diesem Begriff
mitverstanden, ebenso die Kohlen- und humosen Stoffe, vorausgesetzt, dass sie gebirgs-
oder bodenbildend auftreten.
Die Gesteine sind in Abteilungen zusammengefasst , welche sich auf Zusammen-
setzung und Ausbildungsweise gründen. Es sind dies die folgenden:
a) massige Gesteine;
b) Urschiefer oder metamorphische Gesteine;
c) Thonschiefer und Thone;
d) Kalk- und Dolomitgesteine (Mergel u. s. w.);
e) Konglomerate, Sandsteine und Sande;
f) hu m ose Bildungen:
a) Die massigen Gesteine sind überwiegend eruptive Bildungen un^ zeich-
nen sich durch einen massigen Aufbau und Fehlen jeder Schichtung aus. Absonderung
in Säulen und Platten sind nicht selten. Die massigen Gesteine teilt man für boden-
Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten. § 25. 135
knndliche Zyfecke am günstigsten nach dem Kieselsäuregehalt ein, da dieser für die
Umbildnng, oft auch für die Zersetzbarkeit bezeichnend ist. Man unterscheidet so:
sanre Gesteine mit mehr als 657o SiOj : Granit, Quarzporphyr ;
Gesteine mit mittlerem SiOa Gehalt mit 55 — 65^/oSi02: Syenit, Tra-
chyt, Phonolith;
basische Gesteine mit 40 — 54^0 SiOj : Diorit, Diabas, Melaphyr, Basalt.
§24. 2. Sanre Gesteine:
Granit: Rein krystallinisch-körniges Gemenge von Quarz, Orthoklas, Plagioklas
und Glimmer. In der Regel herrschen die Feldspate, namentlich der Orthoklas, vor.
Der Granit findet sich meist in mächtigen Stöcken und Lagern, seltener in Gängen.
Die Verwitterung ist je nach der Korngrösse verschieden, je grobkörniger um
so leichter tritt die Zersetzung ein. Die Verwitterung folgt zumeist grösseren Spalten
und lässt Granitblöcke in woUsackähnlichen Gestalten auf der Oberfläche zurück. Der
Granit zerfällt in kleine Steinbrocken und bildet so einen für den Granit charakteristi-
schen Gmss, dessen Feldspatbestandteile allmählich in einen thonigen, alkalireichen,
jedoch meist kalkarmen Boden übergehen. Der Boden selbst ist kräftig, ziemlich tief-
gründig und sagt, in höheren Lagen der Fichte und Tanne, in den tieferen der Buche
und andern Laubholzarten zu. Wie auf allen kalkarmen Böden zersetzen sich die
Hnniussubstanzen auf Granitboden nur langsam, und neigt er daher in höheren Lagen
zur Versumpfung und Torfbildung, ist auch in tieferen Lagen der Ansamung nicht
günstig. Feinkörnige Granite verwittern meist sehr schwierig und bilden einen flach-
gründigen, kiesigen Boden.
Felsitporphyr. In einer dichten, felsitischen Grundmasse sind Krystalle
von Quarz und Feldspat ausgeschieden. Der Felsitporphyr kann sehr verschiedene
Farben haben; meist rötlich oder braun, seltener grünlich. Je nach der Zusammen-
setzung der Grundmasse, die in den meisten Fällen krystallinisch ist, venvittert der
Felsitporphyr langsamer oder schneller.
Die dichten festen Porphyre verwittern sehr schwer, zerfallen in scharfkantige,
schiefwürfelige Trümmer und bilden endlich einen erdarmen, sehr steinreichen, tho-
nigen Boden, der zu den ungünstigsten Waldböden gehört, die vorkommen. In der
Ebene lagern sich die Bruchstücke meist dicht zusammen und verhindern das Eindringen
der Wurzeln, während sie an den Abhängen lose aufeinander lagern und so den Boden
trocken und hitzig machen.
Die leichter verwitterbaren Porphyrformen (sogenannte Feldstein- und Thonstein-
porphyr) sind weniger ungünstig, manche sogar für Fichte und Buche sehr geeignet;
obgleich die Mehrzahl dem Forstmann grosse Schwierigkeiten bereitet und namentlich
{^egen eine Blosslegung des Bodens sehr empfindlich ist.
An den Felsitporphyr schliesst sich eng der Quarztrachyt oder Andesit
an, der jedoch nur in kleinen Partien in Deutschland vorkommt.
§ 25. 3. Gesteine mit mittlerem Kieselsäuregehalt. Syenit.
Körnig-krystallinisches Gemenge von Orthoklas und Hornblende, nur selten tritt Glim-
mer hinzu. Der Syenit schliesst sich in seinen Formen eng an die des Granites an,
ist jedoch viel weniger verbreitet.
Bei der Verwitterung zerfällt der Syenit meist ziemlich rasch in einen feinen
Gmss, der allmählich in einen eisenreichen Lehmboden von massiger Mächtigkeit über-
geht. Der Syenitboden ist infolge des Homblendegehaltes und des Fehlens von Quarz
viel reicher an Pflanzennährstoffen als der Verwitterungsboden des Granites; er trägt
entsprechend auch einen besseren und namentlich an Laubhölzern reicheren Waldbe-
stand als dieser.
136 IL Ra mann, Forstliche Standortslehre.
T r a c h y t ist ein meist porphyrisch ausgebildetes, wesentlich aas Sanidin (gla-
sigem Orthoklas) und Oligoklas bestehendes Gestein, in dem sich noch häafig Horn-
blende, Angit oder Grlimmer findet.
Die Verwitterung greift in der Regel den Oligoklas zuerst an und wird durch
reichliche porphyrische Ausscheidungen begünstigt. Der Ver^dtteningsboden ist hell
weisslich oder gelbbraun gefärbt und erzeugt in der Regel nur einen flachgriindigen,
ziemlich trockenen und unfruchtbaren Boden; seltener sind Trachytformen, die leicht
verwittern und dann einen fruchtbaren tiefgründigen Buden bilden.
Fhonolith (Klingstein) ist ein dichtes, dnnkelgrünliches oder braunes Gestein^
welches sich aus Sanidin, Nephelin und Einsprenglingen von Augit, Hornblende, Mag-
neteisen zusammensetzt. Der Fhonolith zeigt grosse Neigung zur plattenförmigen Ab-
sonderung.
Die Verwitterung lässt den Fhonolith in ein Haufwerk von Bruchstücken zer-
fallen, die meist scharfkantig und der plattenförmigen Absonderung entsprechend, etwas
schieferig erscheinen. Die Bruchstücke überziehen sich zuerst mit einer weisslichen,
äusserlich dem Kaolin ähnlichen Verwitterungskruste, die wie der daraus hervorgehende
Boden mit Wasser schlammig, und nach dem Austrocknen krümelig wird. Der Phono-
lithboden ist in feuchten Lagen ein vorzüglicher Waldboden, neigt jedoch zur Ver-
sumpfung.
Basische Gesteine:
D i 0 r i t ist ein körniges, krystallinisches Gemenge von Plagioklas (meist Oligo-
klas, seltener Labrador) und Hornblende. Diorit findet sich sowohl in rein körniger, als
auch in porphyrischer oder dichter Ausbildung, zumeist als Gänge oder Stöcke, seltener
als Lager.
Der Diorit verwittert nur langsam, in seinen dichten Abarten wohl am schwie-
rigsten von allen krystallinischen Gesteinen und bildet einen an Steinen überreichen, erd-
armen Boden.
Diabas, ein grob- bis feinkörniges , grünes oder grüngraues sehr festes und
zähes Gestein, welches von Augit und Plagioklas (namentlich Labrador) gebildet wird.
Der Diabas tritt in Gängen und Lagern auf.
Die Verwitterung ergreift meist zunächst den Augit, der oft vollständig in Chlo-
rit umgewandelt wird. Kohlensaurer Kalk findet sich fast immer im verwitterten Dia-
base, in dessen Hohlräumen sich häutig Krystalle von Kalkspat abscheiden (sog. Kalk-
diabas). Diabas zerfällt viel leichter als Diorit, wenn auch die dichten Abarten oft
lange widerstehen und sich Verwitterungsschichten in rötlich-gelben Lagen ablösen.
Der Verwitterungsboden ist dunkel gefärbt, eisenreich und namentlich infolge des
hohen Phosphorsäure- wie des Kalkgehaltes ein ausserordentlich fruchtbarer und für
Laubholzarten vorzüglich geeigneter. Nadelhölzern sowie auch der Eiche sagt er da-
gegen weniger zu. Der Diabasboden ist sehr empfänglich für Besamung, jedoch einem
starken Gras- und Himbeerwuchse ausgesetzt. „Diabasboden sagt den Buchen und den
Kraft fordernden Holzarten, z. B. den Ahornen, vorzüglich zu und das abgesonderte
Vorkommen der ersteren auf einzelnen Höhepunkten bewaldeter Gebirge ist oft ein
fernes Kennzeichen des Vorhandenseins dieser Felsart." (Grebe l. c. p. 88.)
M e 1 a p h y r sind dichte, sehr häutig mandelsteinartige Gemenge von Plagioklas.
Augit, Olivin und Magneteisen. Die Melaphyre treten in Kuppen und Gängen, nament-
lich aber in mächtigen Lagern auf.
Bei der Verwitterung wird die Oberfläche erdig, anfangs grünlich, später ocker-
braun, wie dies an Klüften und Spalten des Gesteines zu beobachten ist und allmählich
geht, trotz der schweren Zersetzbarkeit, ein meist dunkelgrau-gelber, eisenreicher Thon-
Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten. § 27. 137
boden hervor, der sich dem Verwitterungsboden des Basaltes sehr ähnlich verhält.
Basalt, ein scheinbar dichtes, bläulich- oder grauschwarzes Gestein, welches
aus einem Gemenge von Plagioklas (namentlich Oligoklas) oder Nephelin und Augit,
Ma^neteisen und sehr vielfach Olivin besteht. Körnige Ausbildungen der Basaltgesteine
werden als D o 1 e r i t bezeichnet.
Die Verwitterung der Basalte ist verschieden; einzelne Abarten zerfallen in grös-
sere oder kleinere Blöcke, deren Oberfläche hell oder rostbraun gefärbt ist ; die Bruch-
stücke zersetzen sich nur langsam, runden sich allmählich und sind an steilen Gehängen
dann wenig fruchtbar. Andere Basalte verwittern leichter und dringt die Verwit-
ternng namentlich in die Tiefe vor, so dass die ganze Masse in Basalt wacke
umgewandelt erscheint. Der Verwitterungsboden des Basaltes ist dunkel, braun oder
grau gefärbt, meist reichlich mit Steinen durchmischt, dabei auch bei nur massiger
Mächtigkeit ausgezeichnet fruchtbar und namentlich für Laubhölzer geeignet (am wenig-
sten Eiche und Birke, sowie Nadelhölzer).
§ 27. 5. ürschiefer und metamorphische Gesteine. Diese Ge-
steinsgruppe, welche in grosser Verbreitung die Erdoberfläche bedeckt, besteht aus kry-
stallinischen Gesteinen, die mit wenigen Ausnahmen (Gabbro) eine mehr oder weniger
deutliche Schichtung aufzuweisen haben. Bodenkundlich ist dies von höchster Bedeu-
tung, da je nach Neigung, Dicke und gleichmässiger Ausbildung der einzelnen Schichten
der entstehende Boden sich der Pflanzenwelt gegenüber ganz verschieden verhalten wird.
Namentlich die Neigung der Schichten fällt ins Gewicht. Ein Schiefer, dessen Schich-
ten senkrecht stehen, wird dem Wasser leichten Abfluss in die Tiefe gestatten, also
leicht an Trockenheit leiden; ein solcher mit Schichten in ebener Lage dagegen dem
Wasser nur schwierig ein Versickern gestatten und dadurch eher an Nässe und Ver-
sauerung leiden.
Die hierher gehörigen Gesteine wechseln in ihrer Zusammensetzung in viel höhe-
rem Masse, zeigen viel mehr Uebergänge ineinander, als dies bei den massigen Ge-
steinen der Fall ist. Es ist daher auch viel schwieriger, allgemeine Gesichtspunkte
für das Verhalten der einzelnen Gesteine zu erlangen, als es bei den vorherbesprochenen
der Fall war.
Gabbro, ein massig ausgebildetes Gestein, welches sich aus Plagioklas (Labra-
dor) und Diallag (ein dem Augit sehr nahestehendes, jedoch leicht spaltbares Mineral)
zusammensetzt; ausserdem vielfach Olivin enthält.
Der Gabbro findet sich nur an einzelnen Stellen bodenbildend und die Verwitte-
rung erzeugt einen sehr fruchtbaren, reichen Boden.
G n e i s s ist ein flaseriges bis schieferiges Gemenge von Orthoklas (oft auch Oligo-
klas vorhanden), Quarz und Glimmer. Gneiss ist also mit Granit gleich zusammenge-
setzt und nur durch die Lagerungsweise der Bestandteile verschieden.
Abarten des Gneisses entstehen, wenn der Glimmer ganz oder teilweise durch
andere Mineralien ersetzt ist , dahin gehören : Hornblendegneiss, in dem an
Stelle des Glimmers Hornblende und Protogingneiss, in welchem neben dunkel-
grünem noch ein gelbgrüner, sehr weicher, talkartiger Glimmer auftritt.
Der Gneiss findet sich in mächtigen Lagern und Schichten, bedingt jedoch meist
gerundete, weniger schroffe Bergformen als der Granit. Die Verwitterung ist eine ver-
schiedene, je nach der Zusammensetzung und Schichtenlage des Gesteins. Je reicher
an Feldspat und dunklem, eisenreichem Magnesiaglimmer, und je ärmer an Quarz und
Kaliglimraer, um so rascher geht die Verwitterung voran. Der Gneiss zerfällt dabei,
namentlich nach frostreichen Wintern, in ein Haufwerk kleinerer, meist plattiger Stücke,
die allmählich in einen Gruss und endlich in einen gelb- bis rotbraunen, mit Quarz-
138 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
körnem und andern Mineralresten gemengten Boden übergehen. Je aufgerichteter die
Schichten des Gneisses sind, um so rascher verwittert er.
Der Gneissboden ist meist nicht ungünstig für den Wald, namentlich wächst auf
demselben die Fichte, ebenso die Buche.
G r a n u 1 i t , ein schieferiges Gemenge von Quarz und Feldspat, mit kleinen roten
Granaten. Granulit verwittert schwer und hinterlässt zuweilen einen nur mit Quarz-
körnem gemischten Kaolin.
Glimmerschiefer ist ein rein schieferiges Gemenge von Quarz und Glimmer
(namentlich auf dem Querbruch tritt der Quarzgehalt hervor). Je nach der Glimmer-
art unterscheidet man Kaliglimmerschiefer und Magnesiaglimmerschie-
fer, die sich bodenkundlich sehr abweichend verhalten.
Die Verwitterung dringt zunächst auf Spalten des Gesteines ein, zumal wenn die
Schichten mehr oder weniger aufgerichtet sind; das Gestein kann so noch änsserllch
frisch erscheinen, während die Spalten von dem Verwitterungsprodukte, einer eisen-
reichen gelb- bis rotbraunen, mit Quarz und Glimmer gemischten lockeren Masse er-
füllt sind.
Der Verwitterungsboden der Kaliglimmerschiefer ist gelb bis bräunlich, flach-
gründig und infolge der überwiegenden Glimmerteile auffällig bindungslos; er bildet
einen geringwertigen Boden, der oft kaum der Fichte genügt.
Der Boden des Magnesiaglimmerschiefers ist meist reicher an Thonbestandteilen,
dunkelbraun und vermag auch anspruchsvolleren Holzarten ein freudiges Gedeihen zu
ermöglichen. Beiden Schieferarten gemeinsam ist die ungünstige Einwirkung der zahl-
reichen, meist wagerecht liegenden grösseren Bruchstücke, welche dem Eindringen der
Wurzeln Schwierigkeit bereiten.
Urthonschiefer (PhyUit) sind schieferige Gesteine von meist dunklen
grauer, brauner oder grünlicher Farbe. Die Spaltungsflächen besitzen seidenartigen
Glanz. Der Urthonschiefer besteht aus mikroskopisch kleinen Quarz-, Feldspat-, Chlo-
rit- und Glimmerteilen. Die einzelnen Bestandteile sind sehr verschieden reichlich ver-
treten, so dass z. B. der Kieselsäuregehalt zwischen 45 und 75^/o schwankt. Abarten
sind die F 1 e c k - und Knotenschiefer, ferner dieSericitschiefer, in denen
an Stelle des gewöhnlichen Glimmers eine talkartige, weiche Abart, der Sericit,
vorhanden ist.
Die Verwitterung ist entsprechend der wechselnden Zusammensetzung eine sehr
verschiedenartige. Der quarzreiche, meist dickschieferige Urthonschiefer verwittert
schwer und bildet steinige, flachgründige Bodenarten und selbst völlige Gerölllagen. In
den Mulden, sowie den frischen Ost- und Nordhängen gedeiht die Fichte, während die
trockneren Lagen nur eine ärmliche Vegetation hervorbringen. Trotzdem hat sich diese
Form des Urthonschiefers zum Teil für Niederwald (Eichen-Schäl Waldungen des Rheines)
bewährt.
Die weniger quarzreichen Urthonschiefer zerfallen in einen milden, mit vielen
kleinen Schieferstückchen durchsetzten Boden, der Fichte, Tanne und Buche erträgt.
Bodenbearbeitung und Auflockerung wirkt meistens ungünstig, da die vielen Bruch-
stücke des Schiefers sich nur schwer wieder zusammenlagern.
Die Verwitterung bedingt ein starkes, mechanisches Zerfallen des Urthonschiefers,
die mehr oder weniger starke Neigung der Schichten ist daher von Bedeutung; bei
ebener Lage tritt leicht Versumpfung ein.
§28. 6. ThonschieferundThone.
Aus den Ablagerungen der bei der Verwitterung entstandenen Thonpartikel ent-
stehen die Thone, die sich dichter zusammenlagern und schiefrige Gesteine bilden
Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten. § 29. 139
können, die man je nach der Härte alsSchieferthon (die weicheren, ziemlich weichen,
aber deutlich schiefrigen Gesteinsarten) und Thon schiefer (härter, meist ausgezeich-
net schiefrig, dunkel, oft schwarz gefärbt) bezeichnet. Die mikroskopische Untersuchung
hat gelehrt, dass im Schieferthon spärliche, im Thonschiefer reichlichere krystallinische
Bestandteile vorhanden sind.
Die Thonschiefer und Schieferthone zerfallen in eine rote thonige
Masse von lockerem, nicht bündigem Zusammenhalt ; Lockerung wirkt in diesem
Znstande ungünstig. Erst allmählich verliert sich die bröckliche Beschaffenheit und
entsteht ein kräftiger, thoniger Boden, vorzüglich für Fichte, Tanne und Buche.
Als Letten wird eine kaum schieferige Abart des Schieferthons bezeichnet, der
in eckige Stücke oder in Scheibchen und Blättchen zerfällt und in einen sehr schweren,
fruchtbaren, thonigen Boden übergeht, und den anspruchsvolleren Laubhölzem, nament-
lich jedoch Buche und Esche, geeigneten Standort gewährt, indessen leicht zu viel
Wasser festhält. (Letten ist am verbreitetsten in der Keuperformation.)
Thon bildet die unveränderten Zusammenlagerungen der Thonsubstanz, er wird
meistens technisch ausgenutzt. Für forstliche Zwecke ist der Thon ungünstig, da er
bei seiner Undurchlässigkeit, Kälte und Schwere das Eindringen der Wurzeln erschwert
und der Versumpfung in hohem Grade ausgesetzt ist (vergl. auch „Alluvium").
Lehm reiht sich den Thonböden an. Er besteht aus einer Mischung von Thon
und Sand; ist durch Eisenoxydhydrat gelbbraun gefärbt und je nach dem Thongehält
von verschiedenen Eigenschaften (vergl. „Diluvium").
§29. 7. Kalk- und Dolomitgesteine.
Ealkgesteine ünden sich in allen Formationen und treten in den verschiedensten
Abarten auf. Da der kohlensaure Kalk bei der Yerwitterung gelöst wird, so sind die
entstehenden Bodenarten zumeist von dem Gehalt und der Zusammensetzung der dem
Kalkgesteine beigemischten fremden Bestandteile abhängig und entsprechend von sehr
verschiedenartiger Bodengüte. Bei keinem Gestein wechselt die Fruchtbarkeit der
Yerwitterungsböden so sehr als bei den Kalkgesteinen. Man kann diese unterschei-
den in:
a) reine Kalke, die Felsarten umfassen, die fast nur aus kohlensaurem Kalke
bestehen ; aus denselben hervorgehende Bodenarten sind erdarm, mit Steinen durchsetzt,
meist trocken und hitzig und gehören daher zu den armen und ärmsten Waldböden.
Einzelne wichtige hierher gehörige Gesteinsarten sind:
Kreide, die durch die weiche und zerreibliche Beschaffenheit leicht zerfällt, je-
doch, es gilt das namentlich von der weissen Kreide, sehr wenig fruchtbare Böden liefert ;
krystallinischeKalke, die nach den Formationen, welchen sie angehören,
manche Eigentümlichkeiten besitzen. So ist der Kalk der paläozoischen For-
mationen (Grauwakenkalk), wie er in Deutschland auftritt, meist dicht, stark zer-
klüftet und liefert einen flachgründigen, steinigen Boden;
der Muschelkalk (Friedrichshallerkalk), geschichtet, von graulicher Farbe und
sehr dichtem Gefüge. Bei der Verwitterung liefert er ebenfalls einen steinigen, erd-
armen Boden. In der Juraformation Süddeutschlands linden sich vielfach hell
gefärbte (weisse) Kalkablagerungen, die sehr schwer zerfallen und auch dann nur ganz
arme, an Steinen überreiche Böden bilden.
b) Kalkgesteine mit reichlicheren, thonigen Beimischungen
bilden die Hauptmasse der Kalkgesteine in jüngeren Formationen. Die Verwitterung
bewirkt eine Wegführung des kohlensauren Kalkes, Oxydation des als kohlensaures
Oxydul vorhandenen Eisens, während die thonigen Teile die Hauptmasse des Bodens bilden.
Die Verwitterungsböden derartiger Kalkgesteine sind daher sehr thonreich und
140 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
haben alle Vorteile und Nachteile eines schweren Thonbodens. Der Kalkgehalt, ausser
in Form beigemischter Steine, ist meist sehr gering. Die tiefer liegenden Kalkschichten
sorgen für eine genügende Entwässerung. Derartige Bodenarten sind bei genügendem
Kronenschlass ausserordentlich fruchtbar und tragen namentlich Laubhölzer in vorzug-
lichstem Wüchse. Dagegen sind solche Böden sehr empfindlich gegen Austrocknung,
welche ein zähes Zusammenlagem der Thonteile bewirkt und dann einer Anfeuchtung
und Trennung der Bodenbestandteile die grössten Schwierigkeiten entgegensetzt. (Völ-
lig trockene Kalkböden kann man mehrere Stunden mit Wasser kochen, ehe alle Thon-
paitikel gleichmässig verteilt sind, im kalten Wasser können solche Böden stundenlang
gelegen haben, ohne dass sich das Wasser beim Umrühren durch Thonteilchen trübt).
Entwaldete, an den frischeren Abhängen meist mit Gras dicht bewachsene Kalkberge
bieten der Wiederbewaldung oft die allergrössten Schwierigkeiten. Es beruht dies
wesentlich auf der veränderten physikalischen Beschaffenheit des Bodens und der da-
durch bedingten Wasserarmut in den trockenen Jahreszeiten. Kiefer, namentlich Schwarz-
kiefer, haben sich bewährt, einzelne Laubhölzer, Akazie, Weisserle bieten gute Aus-
sichten.
c) Dolomitische Kalke und Dolomite zeigen in ihrer Verwitterung
von den reineren Kalkgesteinen insofern eine bedeutsame Abweichung, als zuerst der
kohlensaure Kalk ausgelangt wird und der Dolomit häufig in Form von sandigen Kör-
nern zurückbleibt. Die dolomitischen Kalke bilden so einen mit Dolomitsand
gemischten Thonboden von meist gelblicher Farbe, der vielfach dem Lehm (Thon mit
Quarzsand) sehr ähnlich ist und eine grosse Fruchtbarkeit besitzt. Die reinen Do-
lomite verwittern dagegen noch schwieriger als Kalkgesteine und ragen meist als
Blöcke und Felsmassen unbewa<;hsen hervor, während in den tieferen Lagen sich ein
erdarmer, mit Steinen durchmengter, geringwertiger Boden ablagert.
d) Mergel sind gleichmässige und innige Mischungen von kohlensaurem Kalk
und Thon, denen oft noch Sand oder Gesteinsmehl beigemischt ist. Je nach dem Vor-
herrschen des einen oder andern Gemengteiles kann man unterscheiden (vergl. Senft,
Gestein- und Bodenkunde, S. 315):
Thonmergel 15— 2O0/0 Kalk, bO—lb^/o Thon, höchstens 25^0 sandige Bestand-
teile ; in den Formationen des bunten Sandsteines und Keupers verbreitet. Die Färbung
ist meist rot ; der Zusammenhalt gering, da die Gesteine, aus denen er hervorgeht, zu-
nächst in kleine Brocken und Blättchen zerfallen; einmal völlig zersetzt, bildet sich
jedoch ein Boden von vorzüglicher Fruchtbarkeit.
Lehmmergel 15— 20<>/o Kalk , 20— 50<>/o Thon , 25—50^0 Sand. Gelbbraun
bis braun gefärbt; geht aus der Verwitterung von Sandsteinen hervor, welche sehr
reich an kalkig-thonigen Bindemitteln sind; ebenfalls hierher gehört der Diluvial-
mergel (siehe Diluvium).
Kalkmergel 50— Tö^/o Kalk, 20— 50<^/o Thon, höchstens 5»/o Sand ; meist hell-
bräunlich gefärbt; dieser Boden zeichnet sich im trockenen Zustande durch auffällige
Bindungslosigkeit aus, wird jedoch nach Durchfeuchtung und rasch folgender Trocknung
oft hart und fest.
§30. 8. Konglomerate, Sandsteine und Sande.
Konglomerate sind Gesteine , die aus gerundeten , grösseren Stücken eines
Minerals oder Gesteines bestehen, welche durch ein Bindemittel verkittet sind. (Brec-
cien setzen sich in gleicher Weise aus eckigen, scharfkantigen Bruchstücken zusam-
men ; für die Bodenkunde ist der für die Geologie wichtige Unterschied ohne Bedeutung.)
Je nach der Verschiedenartigkeit der Bruchstücke, des dieselben verkittenden
Bindemittels, dessen Menge und Festigkeit, sind die Konglomerate von sehr wechselnder
Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten. § 30. 141
Beschaffenheit. Hier können nnr die beiden wichtigsten Konglomerate (die Grranwacke
bei den Sandsteinen), das Rotliegende und die Nagelflue, behandelt werden.
Das Konglomerat des Rotliegenden besteht aus wallnuss- bis kopf-
gros8en (reschieben von Quarz, Homstein, Kieselschiefer, Granit, Gneiss, Felsitporphyr,
Glimmer- und Thonschiefer , die durch ein eisenreiches sandiges Bindemittel verkittet
sind and dadurch eine rote Farbe erhalten.
Der Yerwitterungsboden ist meist flachgründig, steinreich und nicht selten sogar
ein unfruchtbarer Grandboden. Auf höheren Stellen ist er von sehr geringem Werte
und vermag nur massige Kiefern zu ertragen. Namentlich leiden die Pflanzen unter
Wassermangel.
Die Nagelflue, im alpinen Tertiär weit verbreitet, besteht überwiegend aus
Rollstücken von Kalksteinen, weniger von Sandsteinen und krystallinischen Felsarten,
die durch ein massig thonreiches, kalkiges Bindemittel verkittet sind.
Grand schliesst sich hier an, da er gleich den Konglomeraten aus Geschieben
besteht, nur dass ein verkittendes Bindemittel fehlt. Je nach der Zusammensetzung
ißt der Verwitterungsboden der Grande verschieden, leidet in der Regel aber an Trocken-
heit und vermag dann nur massige Kiefern zu tragen. In den Niederungen der Flüsse,
wo in massiger Tiefe Grundwasser ansteht und eine genügende Verwitterung der oberen
Lagen eingetreten ist, geht dagegen aus den Granden (Flussgrand, Flussschotter) ein
besserer Boden hervor, der zumeist landwirtschaftlichen Zwecken dient.
Sandsteine sind Gesteine, die aus der Verkittung kleiner, nicht über erbsen-
grosser Gesteins- oder Mineralbruchstücke bestehen. Letztere gehören überwiegend dem
Quarze an, können aber auch aus den verschiedenartigsten Bestandteilen sich zusammen-
setzen. Man bezeichnet die Sandsteine vielfach nach ihrem geologischen Alter (Bunt-
sandstein-, Keuper-, Quadersandstein u. s. w.) ; nach der Zusammensetzung der Bruch-
stücke unterscheidet man:
Grauwacke, Bruchstücke von Quarz, Thonschiefer, Kieselschiefer, Feldspat-
kömem durch ein kieseliges oder kieselig-thoniges Bindemittel verkittet und oft durch
Kohlenbestandteile hell- bis dunkelgrau gefärbt. Geht bei Wachsen der Steingrösse in
Grauwackenkonglomerat über. Der Verwitterungsboden der Grauwacke ist
je nach der Zusammensetzung und dem Bindemittel verschieden. Die quarzreichen Ab-
arten mit kieseligem Bindemittel erzeugen einen flachgründigen, erdarmen Boden, der
nur dürftige Bewaldung trägt (Kiefer und Birke, bei grösserer Tiefgründigkeit Eiche).
Die Grauwacken mit mehr thonigem Bindemittel, meist auch die Konglomerate, geben
einen tiefgründigeren, steinfreieren Boden, der Fichte, Tanne und Buche trägt.
Ar kose, besteht aus Quarz und Feldspat, enthält zuweilen auch Glimmer.
Manche Buntsandsteine, sowie solche der Kohlenformation gehören hierher.
Grünsandstein, neben Quarz noch Kömer von Glaukonit, meist kalkig-
thoniges Bindemittel. (Kreideformation.)
Glimmersandstein, Quarz und Glimmer; meist etwas schiefrig ausgebildet.
Wichtiger als die Zusammensetzung der Kömer ist für die Sandsteine die Menge
und Natur des Bindemittels; hiemach unterscheidet man:
thonigen Sandstein mit einem durch Eisen rot oder gelbbraun gefärbten
thonigen Bindemittel, welches meist reichlich vorhanden ist. (Viele Buntsandsteine,
namentlich der oberen und mittleren Abteilung, gehören hierher.) Diese Sandsteine
zerfallen leicht und geben einen lehmigen oder sandigen, tiefgründigen Boden von gün-
stiger Beschaffenheit;
mergeligen Sandstein mit kalkig-thonigem Bindemittel; vorwiegend hell
geftrbt. Diese Sandsteine zerfallen leicht in einen tiefgründigen Sandboden von guter
142 II. Ramann, Foirstliche Standortslehre.
Beschaffenheit ;
kalkige Sandsteine mit tiberwiegend kalkigem Bindemittel;
kieseligen Sandstein mit kieseligem Bindemittel (unterer bunter Sand-
stein; die Hauptmasse des Quadersandsteins). Bei der Verwitterung, welcher die an
Zement armen Abarten nur sehr schwierig unterliegen, bilden sich lockere, trockene
und unfruchtbare Sandböden, die überwiegend von der Kiefer besetzt sind;
eisenhaltige Sandsteine mit einem aus Eisenoxyd oder noch hantig aas
Eisenoxydhydrat bestehenden Bindemittel.
Quarzit schliesst sich genetisch häufig an die Sandsteine an; er ist ein dich-
tes bis kömiges Quarzgestein ohne oder mit spärlichem kieseligem Bindemittel. Nach
seiner Zusammensetzung ist er der Verwitterung nur sehr schwer zugängig und ragt
oft völlig vegetationslos hervor. Die kömigen Formen geben einen fiachgriindigen
Sandboden. Nur in sehr seltenen Fällen sind so viel fremde Bestandteile (Thon und
eisenschüssige Thone) vorhanden, dass bei der Verwitterung ein erträglicher Boden
entstehen kann.
Sande. Die Sande stehen zu den Sandsteinen in demselben Verhältnis, wie die
Grande zu den Konglomeraten. Die Sande unterliegen, soweit sie aus Silikatverbindnngen
bestehen, in gleicher Weise der Verwitterung, wie Bestandteile der Sandsteine. (Dilu-
vialsande siehe später.) Anzuführen sind die namentlich der Tertiärformation ange-
hörigen Abarten:
Glimmersand, meist sehr feinkörnig, mit Glimmerblättchen durclisetzt. Boden-
arten mittlerer Güte.
Tertiäre Quarzsande, aus Milchquarz mit Kieselschieferbruchstücken ge-
mischt. Sehr arme unfruchtbare Bodenarten.
Zu den Sanden gehören auch die vulkanischen Sande und Aschen.
Bei den Eruptionen der Vulkane werden grosse Massen fein verteilter Mineralteile
ausgeworfen. Je nach dem Feinheitsgrade unterscheidet man vulkanische Aschen und
Sande. Die ersteren lagem sich zusammen und bilden dichte, weiche Massen, die vul-
kanischen Tuffe. Die aus denselben hervorgehenden Böden sind meist von mitt-
lerer oder hoher Güte. Die vulkanischen Sande dagegen erlangen nur sehr langsam
einen geringen Zusammenhang und bilden trockene, unfruchtbare Bodenarten, die zu-
weilen kaum eine dürftige Vegetation zu tragen vermögen.
§ 31. 9. D i 1 u V i u m und Alluvium. Bei der grossen Ausdehnung der Dilu-
vial- und Alluvialschichten und deren bodenkundlicher Wichtigkeit ist eine gesonderte
Besprechung derselben geboten.
Das Diluvium ist in Ablagerungen, deren Material durch Eis bewegt worden
ist und in solche, welche durch fliessendes Wasser abgesetzt sind, zu trennen. Beide
Formen unterscheiden sich wesentlich, w^enngleich natürlich bei der ersteren auch flies-
sende Gewässer stark mitgewirkt haben. Als eine in ihrer Entstehung zweifelhafte
Bildung ist der Löss anzuführen.
Glaziale Bildungen finden sich sowohl in den Tälern und am Fusse der
Hochgebirge, als auch in grösster Ausdehnung in dem nordeuropäischen Tieflande.
Das nordische Diluvium bedeckt überwiegend einen grossen Teil Nord-
Russlands, Norddeutschland, Holland und Skandinavien. Man unterscheidet es in zwei
bez. drei Abteilungen, die als Unterdiluvium, Oberdiluvium und Ablage-
rungen diluvialer Flussbetten bezeichnet werden. Der Zusammenhang der
letzteren mit den Diluvialbildungen ist erst später erkannt, früher bezeichnete man die
Bildungen als alt- alluviale.
Das untere Diluvium besteht wesentlich aus Ablagerungen von Sanden,
Die bodenbildenden Gesteine und ibr Verhalten. § 31. 143
Thon und Dilnvialmergel.
D 11 u V i a 1 1 h 0 n , ein geschichteter meist fetter Thon mit zahlreichen Schnüren
eines sehr feinkörnigen Sandes. Vorwiegend zu technischen Zwecken ausgebeutet und
an den Abhängen tiefer Täler hervortretend, ist ohne bodenkundliche Wichtigkeit.
Diluvialmergel ist ein meist schwach bläulich gefärbtes Gemenge von Sand,
Thön und kohlensaurem Kalk, in denen Steine regellos eingeschlossen sind. Die ein-
zelnen Gemengteile wechseln in ihrer Masse beträchtlich. Der Diluvialmergel ist ziem-
lich häufig sehr fest und zähe. Bei der Verwitterung wird zunächst der kohlensaure
Kalk ausgelaugt, während gleichzeitig vorhandenes Eisenoxj^dul in Oxydhydrat über-
geführt wird. Die bläuliche Färbung geht dadurch in gelbbraun über und der Mergel
seiner ganzen Masse nach in Lehm. Bei weiterer Einwirkung der Atmosphärilien
werden Thonbestandteile auf mechanischem, vielleicht auch auf chemischem Wege weg-
greführt und es bleibt zuletzt ein lehmiger bez. schwach lehmiger Sand übrig.
Mergelsand ist ein äusserst feinkörniger Sand, der reichlich zerriebene Mine-
ralteile, sowie kohlensauren Kalk beigemischt enthält. Bei der Verwitterung geht aus
dem Mergelsand ein milder, tiefgründiger, lehmiger Boden her\^or, der namentlich der
Eiche und Kiefer im hohen Masse zusagt.
Diluvialsand, ein fein- bis grobkörniger Sand, der überwiegend aus etwas
gelblich gefärbten Quarzkörnem besteht, daneben aber noch mehr oder weniger reich-
lich Kömer von Feldspat (daher auch Spatsand) und Hornblende enthält. Im un-
verwitterten Zustande, sowie in grösserer Tiefe enthält der Diluvialsand immer kohlen-
sauren Kalk (häutig Bryozoenreste aus den zerstörten Kreideschichten stammend) bei-
gemischt. Nicht selten finden sich im Diluvialsande einzelne beigemengte Steine, sowie
schwache oder stärkere Schichten von Grand. Bei der Verwitterung wird zunächst
der Kalk ausgelaugt, dann verwittern die Silikate und färben hierbei den Sand schwach
gelbbraun. Allmählich überwiegt die Auswaschung durch die Atmosphärilien und gleich-
zeitig erfolgen Einlagerungen humoser Stoffe. Es sind so in allen diluvialen Sauden
drei Zonen zu unterscheiden : zu oberst ein humoserSand, in dem die Verwitterung
fast beendet und der zum Teil seiner Mineralstoffe (ausschliesslich Kieselsäure) beraubt
ist. In scharfer Linie von ersterem geschieden, ein gelblicher Verwitterungs-
sand, reich an löslichen, von mittlerem Gehalt an unlöslichen Mineralstoffen, der nach
unten allmählich in den als Grundgestein zu betrachtenden gewöhnlichen Sand übergeht.
Der Diluvialsand findet sich in grosser Ausdehnung und bildet die mittleren
Klassen des norddeutschen Waldbodens. Die Kiefer findet hier ihren günstigsten Stand-
ort, während Eiche, Buche und Hainbuche noch fortkommen; die beiden letzteren zu-
meist als Unterholz unter der Kiefer.
Das obere Diluvium wird namentlich durch den oberen Diluvial mergel und
den aus der Verwitterung desselben hervorgehenden Sand, den oberen Diluvialsand, gebildet.
Der obere Diluvialmergel schliesst sich in seiner Struktur und Zusam-
mensetzung eng an den unteren Mergel an; unterscheidet sich jedoch durch die meist
geringere Mächtigkeit, eine hellere gelbliche Farbe und die Art des Vorkommens. Er
schmiegt sich der Oberfläche an und folgt allen Krümmungen derselben.
Die Diluvialmergel bedecken einen grossen Teil der diluvialen Hochfläche und
tragen namentlich Eiche, Buche und Kiefer; für die letztere als alleinigen Bestand
sind die Diluvialmergel jedoch weniger günstig.
Oberer Diluvialsand (Decksand, Geschiebedecksand) geht aus der Ver-
witterung schwacher Schichten des oberen Diluvialmergels hervor und bildet einen sehr
schwach lehmigen, meist sehr steinreichen Sand. In den tieferen Bodenlagen finden
sich nicht selten Streifen von Lehm oder auch noch zusammenhängende Lehmplatten vor.
144 IL Ramann, Forstliche Standortslehre.
Der obere Diluvialsand ist meist ein ärmerer Boden und trägt fast ausschli^slich
mittelmässige Kiefern.
Diluviale Flussablagerungen (früher Alt- Alluvium) finden sich im nor-
dischen Diluvium in grosser Ausdehnung und werden als Talsand und Talgeschiebesand
unterschieden.
Tals and, ein steinfreier, sehr gleichmässig mittelkörniger Sand mit hnmosen
Beimengungen in den oberen Schichten ; eine Folge der weit fortgeschrittenen Verwit-
terung und Auslaugung. Der Talsand ist eben gelagert. Forstlich bildet er einen
grossen Teil der mittleren Kiefemböden (meist HI. Kl.), vielfach mit reichlichem Wach-
holderunt erwuchs ; steht in massiger Tiefe (häufig in etwa 2 m) Grundwasser an, so
trägt der Talsand auch noch Laubhölzer.
Talgeschiebesand hat im ganzen die Bestandteile des Diluvialsandes, nur
dass durch Wasserfluten alle feineren und namentlich die thonigen Teile ausgewaschen
sind. Dementsprechend besteht der Talgeschiebesand vorwiegend aus Quarzsand mit
reichlichen Steinbeimengungen. Der Wert eines solchen Bodens ist ein geringer und
gehören die Kiefemböden der IV. und V. Kl. überwiegend diesen Ablagerungen an.
(Litt, namentlich in den Abhandlungen der preussischen geologischen Landesanstalt,
sowie in der Zeitschr. der deutsch, geol. Gesellschaft.)
Diluvialbildungen der Gebirge finden sich in den Tälern und Vor-
ebenen vieler der höheren Gebirge Europas, am ausgedehntesten jedoch in den Alpen.
Grosse Teile der bayerischen Hochebene sind z. B. von alpinen Gletschergebilden bedeckt.
Die Hauptmasse dieser Ablagerungen besteht aus Schotterablagerungen, in denen
gröberes und feineres Material wechselt und so eine diskordante Schichtung erzeugt.
An vielen Stellen ist auch die Grundmoräne der ehemaligen Gletscher erhalten und
entspricht in ihrer Ausbildung dem nordischen Geschiebemergel. Im oberbayerischen
Gebiete kann man eine untere Schicht von Gerollen, die sich überwiegend aus Kalken,
weniger aus krystallinischen Geschieben zusammensetzt und durch ein kalkiges Binde-
mittel verkittet ist (diluviale Nagelflue) unterscheiden, die von Geröll- und Sandschich-
ten überlagert wird. Durch Verwitterung ist daraus ein lehmiger Boden entstanden.
(Vergl. Penck, Vergletscherung der deutschen Alpen 1882. Leipzig.)
Diluviale Ablagerungen fliessender Gewässer begreifen hier
naturgemäss solche Bildungen, die wesentlich ohne Mithilfe von Gletschern entstanden
sind. Es sind oft mächtige Schichten von Flussschotter und Sauden. Ausgezeichnete
Beispiele sind die ungarischen Ebenen (die kleine ung. Ebene überwiegend reich an
grösseren Geschieben von Pressburg bis Gran; die grosse ung. Ebene „Alföld- oder
Donau-Theissebene", vorwiegend aus Sand und thonhaltigen Sauden gebildet, von Pest
bis nach Siebenbürgen).
Zu den Diluvialbildungen kann man endlich noch die Flussterrassen rechnen,
welche als Ablagerungen der früher in höheren Lagen fliessenden Gewässer aufzufassen
sind und ebenfalls aus Granden und Sauden sich aufbauen.
L ö s s ist ein sehr feinkörniger Sand, aus Quarz, Kalk und zemebenem Gesteins-
mehl bestehend. Der Löss ist von heller, gelblicher oder bräunlicher Farbe, gänzlich
ungeschichtet und enthält häufig Reste von Landschnecken. Durch Erosion bilden sich
sehr steile Abstürze, da der Zusammenhalt des Löss im feuchten Zustande genügt, um
der Masse einen massigen Halt zu gewähren und anderseits die Wässer die feinen Sand-
teile leicht wegführen.
Der Löss findet sich in unseren Gebieten meist in massiger Ausdehnung an Fluss-
gehängen (Rhein) ; in sehr mächtiger Ausdehnung dagegen in den chinesischen Ebenen.
Die Mehrzahl der Geologen betrachtet den „Gehängelöss" als Ablagerungen der Flüsse,
Die bodenbildenden Gesteine und ihr Verhalten. § 31. 145
deren feinste sandige Bildung er darstellt ; für das ausgedehnte chinesische Vorkommen
ist dagegen eine Ablagerung durch Wind wahrscheinlich gemacht. (Ceber Löss siehe
namentlich die Ber. d. deutsch, geol. Gesellschaft.)
Eine dem Löss nahestehende jedoch stark humose Bildung ist die „Schwarz-
erde^ (Tschemosem) , die in den Ebenen Süd- und namentlich Mittelrusslands grosse
Flächen bedeckt und den reichsten Ackerboden bildet.
Alluvium. Das Alluvium wird von den humosen Bodenarten (Torf,
Moor u. s. w.), Ablagerungen des Wassers (Flussschotter, Flusssand, Auethon,
Meeres- und Flussschlick) und von denen des Windes (Dünen, Flugsand, vielleicht
Heidesand) gebildet.
Flussschotter sind recente Ablagerungen im Gebiete der Flüsse und schlies-
sen sich daher eng an die gleichartigen Diluvialbildungen an, von denen sie sich durch
den meist weniger tief anstehenden Grundwasserspiegel unterscheiden.
Flusssand sind gleichmässig mittelkürnige Sande mit reichlich beigemischten
humosen Stoffen (5 — 15*^/o Humus). Die Flusssande sind namentlich im nordischen Flach-
lande verbreitet. Durch das flach anstehende Grundwasser (meist in 1 m Tiefe) gehören
die Flusssande in der Regel zu den günstigeren Alluvialböden.
Marsch- und Aueboden; der erstere lagert sich an den Meeresküsten ab.
Durch die einmündenden Ströme werden die feinsten schlämmbaren Gesteinsreste in das
Meer gefuhrt und gelangen an den flacheren Küstenstreifen, untermischt mit organischen
und anorganischen (namentlich kalkhaltigen) Organismenresten zur Ablagerung. Der
Marschboden ist ein fetter, dunkel gefärbter Boden von höchster Fruchtbarkeit. Er
wird nur zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt. Um dem Meere neue Flächen ab-
zogewinnen, befördert man die Ablagerung des Schlick durch Zäune u. dergl. (Polder,
einpoldem). Ist die Ablagerung soweit fortgeschritten, dass die Flächen von der ge-
wöhnlichen Flut nicht mehr bedeckt werden, so siedeln sich zunächst Salicomia her-
bacea (Queller) und Salsola kali (Salzkraut) an, denen erst später andere Salzpflanzen,
namentlich Aster tripolium und endlich Gräser folgen.
Die Aueböden, auch wohl als Flussmarschen bezeichnet , bilden sich durch
den Absatz der Schlickmassen des Flusswassers bei Ueberschwemmungen. Auch hier
kommt ein thonreicher, mit humosen Stoffen innig gemischter Boden zur Ablagerung,
der von hoher Fruchtbarkeit ist, durch die wiederkehrenden Ueberschwemmungen und
reichen Feuchtigkeitsgehalt jedoch nur einer Anzahl von Baumarten zusagt. So fehlen
Buche, Ahorn und Nadelhölzer fast völlig, während Esche, Erle und Pappel, an den
trockeneren Stellen Eichen einen vorzüglichen Standort linden.
Aueböden, die von Flüssen abgelagert werden, die aus Gebirgen von Kalk und
Silikatgesteinen ihren Ursprung nehmen, sind fruchtbarer und reicher als solche aus
Sandgebieten; so sind nach Grebe die Aueniederungen der Saale viel günstiger als
die der Elbe.
Heidesand ist eine namentlich auf den Höhenrücken des nordischen Flach-
landes verbreitete Ablagerung von steinfreien, feinkörnigen, jedoch nur selten fast mehl-
artigen Sauden, die ganz übenviegend aus Quarz gebildet werden und dementsprechend
sehr unfruchtbar sind. Der Heidesand füllt überwiegend die flachen Vertiefungen und
Mulden jener Höhenzüge; er ist im hohen Grade der Auswaschung durch Regen- und
Schneewasser ausgesetzt und zumeist von Ortstein unterlagert. Im Heidesande linden
sich oft äusserst feinkörnige, fast thonartige Ablagerungen von weisser Farbe, Heide-
lehm (weisser Ortstein nach Eraeis). Diese Bildung täuscht nicht selten, indem sie
einen besseren Boden, wohl auch Mergel veimuten lässt, trotzdem aber ganz überwiegend
aas Quarzmehl besteht.
Handbuch d. Fontw. 2. Aufl. I. 10
146 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
VI. Organismeii und organische Reste des Bodens.
Die Eigenschaften and Zusammensetzang der Böden wird durch die Tätigkeit
lebender Organismen stark beeinflusst. Ausser der vorhandenen Pflanzendecke sind
namentlich die chlorophyllfreien Lebewesen bedeutsam: Spaltpilze (Bakterien), Faden-
pilze und die im und auf dem Boden lebende Tierwelt. Allen gemeinsam ist, dass sie
nicht organische Substanz produzieren, sondern für ihren Lebensprozess auf deren Zer-
setzung angewiesen sind. Grössere Tiere wirken ferner durch grabende und wühlende
Tätigkeit im Boden und durch ihre Ausscheidungen.
§ 32. 1. S ä u g e t i e r e. Eine Anzahl Tiere durchwühlen den Boden nach Nah-
rung (Schweine, Maulwürfe), lockern oder festigen den Boden durch den Tritt ihrer
Hufe (Wiederkäuer, Pferde) oder graben sich Löcher und Höhlen zur Wohnung (Ham-
ster, Ziesel, Mäuse u. s. w.).
Für den Wald ist die Tätigkeit der Schweine am wichtigsten, welche durch Um-
brechen u. s. w. den Boden lockern und ihn physikalisch verbessern. Rindvieh, Schafe,
Wild zerstören durch ihre Tritte geschlossene Humusschichten ; Mäuse legen ihre Gänge
gern an der Grenze zwischen Rohhumus und Mineralboden an und befördern hierdurch
Zersetzung dichtgelagerter Humusschichten. Bedeutsam ist die Umlagerung des Bodens
durch Maulwürfe. Im Steppengebiet sind die höhlenbewohnenden Tiere, zumal Ziesel
u. and. wichtig für Bodenumlagerung.
§33. 2. Niedere Tiere. Die im Boden lebenden niederen Tiere scheinen
die hauptsächliche Veranlassung der Mischung der Humusstoffe mit den Mineralteilen
zu sein. Ferner tragen sie durch Zernagen der Abfallstoffe und durch ihre Fäkalien
zur Humusbildung wesentlich bei ; ihre wühlende und grabende Tätigkeit ist ein wich-
tiger Faktor zur Bildung günstiger physikalischer Bodeneigenschaften.
Alle niederen erdlebenden Tiere wirken gleichmässig nach diesen Richtungen,
dahin gehören Insektenlarven, Tausendiüssler, Schnecken, Crustazeen, Würmer u. s. w.
Die umfassendste Arbeit leisten die Regenwürmer, die auch am eingehendsten studiert
sind (Darwin, P. E. Müller, Hensen, Wollny u. and.).
Die Regenwürmer sind Omnivoren. Sie verschlingen mit ihrer Nahrung Erde
und feinkörnige Mineralbestandteile und scheiden diese in ihren Fäkalien wieder aus,
welche sie in Form von gewundenen, kugeligen Häufchen am Eingang ihrer Röhren
absetzen. Nach Darwin besteht die humose Bodenschicht überwiegend aus mehr oder
weniger zerfallenem Kot der Regenwürmer ; auf Wiesen und in feuchten Lagen ist dies
auch tatsächlich der Fall. Müller legt, und wie die Versuche Wollny's beweisen, mit
Recht mehi- Gewicht auf die wühlende und grabende Tätigkeit jener Tiere. Im Wald-
boden fördern die Regenwürmer die Krümelung der Böden ; sie treten in sehr w^echseln-
den Mengen auf; finden sich in Lehmböden oft reichlich; in Sandböden sind sie in der
Regel sparsam vorhanden oder fehlen auf trockneren Stellen ganz.
Bei Bedeckung des Bodens mit dicht gelagertem Rohhumus fehlen die Regen-
würmer. Es scheint, dass sie ebensowohl eine günstige Struktur des Bodens fordern,
wie bedürfen Die Annahme, dass im Boden vorhandene Humussäuren (auch Quellsäure)
den Regenwürmern schädlich seien, hat sich nicht bestätigt ; dagegen sind sie äusserst
empfindlich gegen Austrocknen, wie sie sich überhaupt in ihrer Organisation den was-
serlebenden Tieren nähern. Dicht gelagerte und im Sommer austrocknende Humus-
schichten (Rohhumus) meiden die Regenwürmer, wie sie auch im Walde auf graswüch-
sigen Böden nur auf feuchten Stellen vorkommen. In trockenen Wäldern flüchten die
W^ürmer unter etwa vorhandene Gebüsche der Laubhölzer, wo sie oft in sehr grosser
Zahl anzutreffen sind. Müller sclireibt der „Uebererdung- der Pflanzen im Walde,
Organismen und organische Keste des Bodens. § 34. 147
namentlich im Bachenwalde infolge der Tätigkeit der Würmer eine gewisse Bedeu-
tung zu.
§ 34. 3. Niedere Pflanzen. Fadenpilze und Bakterien sind im Boden in
sehr grosser Zahl vorhanden. Das relative Verhältnis beider ist zumeist von der Re-
aktion des Bodens abhängig. In neutralen oder schwach alkalisch reagierenden Böden
überwiegen Bakterien; in sauer reagierenden die Fadenpilze. Unter Bedingungen,
welche beiden Reihen günstig sind, finden sie sich oft in staunenswerten Mengen vor.
Gute locker gelagerte Waldböden sind sehr reich an Bakterien; wie es scheint,
ist zwischen Lehm- und Sandböden kein wesentlicher Unterschied vorhanden. Moor-
böden scheinen überwiegend andere Bakterien-Arten zu beherbergen als Mineralböden.
Die oberste lebende Schicht der Hochmoore ist ebenfalls reich an niederen Organismen.
Von Fadenpilzen linden sich dort überwiegend Schimmelpilze. Die niederen Organismen
sind die hauptsächlichen Träger der Verwesung, d. h. der Zersetzung organischer Ab-
fallstoffe in einfache Verbindungen. Die Hauptarbeit scheint hierbei den Bakterien zu-
zufallen, während die Schimmelpilze die Bildner der dunkel gefärbten humosen Stoffe
zu sein scheinen (Hoppe-Seyler, Kostytschew).
Besondere Wichtigkeit erlangen einzelne Arten von Bakterien durch Produkte
ihrer Lebenstätigkeit; so wird Harnstoff in Ammoniak umgewandelt, das Ammoniak
durch das Salpetersäure-Bakterium (Nitrosomanos) in Salpetersäure übergeführt; Sal-
petersäure wieder zu salpetriger Säure und zu freiem Stickstoff reduziert. Andere
Bakterien scheiden Eisenverbindungen aus ihren Lösungen ab (Crenotrix) ; oder reduzieren
Schwefelverbindungen (Beggiatoa).
§ 35. 4. Verwesung. Die Zersetzung der organischen Abfallreste, also der
abgestorbenen Teile der Tiere und Pflanzen ist verschieden, je nachdem atmosphärischer
Sauerstoff mitwirkt oder nicht. Im ersteren Falle treten Oxydationsprozesse auf, die
man als V e r w e s u n g , im letzteren Reduktionsprozesse die man als F ä u 1 n i s bezeichnet.
Bei der Verwesung werden die organischen Stoffe in sehr
einfache Verbindungen übergeführt; als Endprodukte tretenauf:
Kohlensäure, W^ asser, Ammoniak, bez. Salpetersäure und selbst
freier Stickstoff; Aschenbestandteile. Die Verwesung führt also zu
einer völligen Zerstörung der organischen Substanz.
Durch Erhitzen auf höhere Temperatur, Zusatz von antiseptischen, die niederen
Organismen tötenden Mitteln wird die Verwesung fast völlig aufgehoben. Da anderseits
bekannt ist, dass niedere Organismen befähigt sind, ihren Lebensprozess auch mit sehr
einfach gebauten organischen Verbindungen zu unterhalten und wohl kein Produkt des
Stoffwechsels, welches noch der Umbildung in die oben genannten einfachen Verbin-
dungen lahig ist, nicht auch von einzelnen niederen Organismen verarbeitet werden
kann, so ist der Schluss gerechtfertigt : Verwesung ist die Zerstörung orga-
nischer Stoffe und deren Ueberführung in einfache Verbindungen
durch die Lebenstätigkeit der Organismen.
Alle chlorephyllfreien Lebewesen, von der Bakterie bis zum Menschen, zerlegen
organische Stoffe zur Erhaltung des Lebensprozesses und führen sie hierdurch in ein-
facher zusammengesetzte Verbindungen, z. T. direkt in Kohlensäure und Wasser (At-
mung) über. Die Zahl der in dieser Richtung tätigen Organismen ist von der vor-
handenen Nahrung abhängig. Es stellt sich hierdurch ein gewisses Gleichgewicht
zwischen Bildung von organischer Substanz durch diePflanzen und
Zerstörung durch chlorophyllose Organismen heraus.
Ist die Verwesung wesentlich auf den Lebensprozess niederer Pflanzen zurück-
zuführen, so muss sie auch den allgemeinen Bedingungen des Pflanzenlebens unterliegen
10*
148 II. Ramann. Forstliche Standortslehre.
und wie dieses von günstigen und ungünstigen äusseren Verhältnissen beeinflusst wer-
den. Notwendig sind:
a) genügende mittlere Feuchtigkeit;
b) genügende Höhe der Temperatur;
c) Zutritt von atmosphärischem Sauerstoff;
dj Gegenwart von Stickstoffverbindungen und Nährsalzen;
e) Abwesenheit schädlich wirkender Stoffe.
a) Feuchtigkeit. Gegenwart von Wasser ist für die Verwesung notwendig ;
bei mittlerem, je von der Natur der Substanz und der Bodenart abhängigen Wasser-
gehalt schreitet die Zersetzung am raschesten voran ; Uebermass von Wasser setzt sie
infolge verminderten Zutritts von Sauerstoff herab.
In lufttrockenen organischen Stoffen wie Laub, Nadeln, Boden ist die Verwesung
nahezu oder völlig aufgehoben. In stark gelichteten Wäldern, auf vorspringenden
Kuppen, an Waldrändern trocknet die Oberfläche der Böden stark aus. Pflanzliche
Reste verwesen in der warmen Jahreszeit nicht infolge Mangel an W^asser, während
der kalten Jahreszeit nicht infolge niederer Temperatur. Gleichzeitig ist auch das Tier-
leben im Boden unter solchen Umständen herabgesetzt, es tritt dann leicht Bildung von
wenig zersetztem, faserigem Humus (Rohhumus) auf.
b) Temperatur. Unter dem Gefrierpunkte ist die Verwesung nahezu aufge-
hoben; bei 0^ sehr gering, steigt sie, soweit Beobachtungen vorliegen, zunächst rasch,
dann laugsamer mit der Temperatur, um endlich bei hohen Graden wieder abzunehmen.
Bei den auf der Erde vorkommenden Temperaturgraden wird diese obere Grenze über-
haupt nicht oder nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen erreicht (an der freien
Bodenoberfläche in Steppen und Wüsten). Es gilt daher die Regel; In der Natur
steigt bei sonst günstigen Verhältnissen die Schnelligkeit der
Verwesung mit der Temperatur.
Im grossartigsten Massstabe zeigt dies die Erdoberfläche ; in den kalten Klimaten
ist die Verwesung gering, steigt allmählich in den gemässigten und wird in warmen
Klimaten sehr gross. Humusablagerungen sind entsprechend in kalten Gebieten allge-
mein verbreitet, in den kühleren gemässigten Zonen noch reichlich vorhanden, fehlen
aber in den wärmeren und warmen Zonen fast völlig.
Neben den Einwirkungen der Niederschläge sind es zumeist die Vorgänge der
Verwesung und der Humusbildung, welche die Böden verschiedener Klimate charakte-
risieren.
Niedere Temperatur bei reichlichen Niederschlägen führt häufig zur Rohhumus-
bildung im Walde, die ihre grösste Bedeutung in Europa im Norden, den Küstenge-
bieten der Nord- und Ostsee, sowie auf den höheren Lagen der Mittel- und Hochgebirge
erlangen. Bereits in den milderen Lagen Mitteleuropas haben sie kaum noch Einfluss
und fehlen in Südeuropa völlig.
c) S a u e r s 1 0 f f. Da die Verwesung ein Oxydationsvorgang ist, so bedarf sie
des Zutritts des atmosphärischen Sauerstoffs. Im allgemeinen genügte aber schon ein
massiger Gehalt (8 — lO^/o der Luft), um einen raschen Verlauf herbeizuführen, der sich
bei Gegenwart grösserer Mengen nur unwesentlich steigert.
Allgemeine Bedeutung gewinnt Abwesenheit des Sauerstoffs nur bei Ueberschuss
an Wasser und unter Wasser ; die Beschränkung der Moore auf kühlere Gebiete zeigt
aber, dass auch hier zunächst die Temperatur entscheidet und Mangel an Sauerstoff
erst sekundär in Wirkung tritt.
d) Nährsalze. Die niederen Organismen bedürfen für ihrer Lebensprozess des
Stickstoffs und bestimmter Mineralstoffe in gleicher oder doch ähnlicher Weise wie die
Organismen und organische Reste des Bodens. § 35. 149
höheren Pflanzen. Die Geschwindigkeit der Verwesung ist daher in nährstoff-, nament-
lich stickstoffreichen Abfallstoffen gesteigert gegenüber nährstoffarmen Produkten. So
verwesen grüne Pflanzenteile, die meisten tierischen Reste u. dergl. schneller als Holz
oder ähnliche Stoffe.
Auch der Gehalt der Bodenarten an löslichen Mineralstoffen macht sich geltend ;
auf armen Böden ist die Verw^esung in der Regel stark herabgesetzt, es wirken hier
jedoch noch andere Faktoren ein.
Von den anorganischen Stoffen ist namentlich der Kalk von Bedeutung. Aetz-
kalk wirkt eher ermässigend auf die Zersetzung ein, seine Bedeutung als Zusatz zu
Komposterden beruht mehr auf seiner chemischen Wirkung, indem wasserhaltige Sili-
kate gebildet und so der Boden verbessert wird. Kohlensaurer Kalk steigert die Zer-
setzung, zumal in Böden, welche saure Reaktion zeigen. Nach Versuchen von W o 1 1 n y
(a. a. 0. S. 268) verwesen die Verbindungen der Humusstoffe mit Kalk (humussaurer
Kalk) mehr als doppelt so rasch als die reinen Humussäuren. Die Bezeichnung der
Kalkböden als „zehrende", d. h. solche, welche die organischen Stoffe zur raschen Zer-
setzung bringen, findet hierdurch eine einfache Erklärung.
Die Verwesung verläuft bei den verschiedenen organischen Stoffen sehr verschie-
den rasch, die der wichtigeren Stoffe etwa in folgender absteigenden Reihe : Knochen-
mehl, Fischguano, Geflügelkot, Getreidestroh, Stallmist, Gründünger, Waldstreu, Torf.
Die Verwesung der Körper geht nicht gleichmässig voran. In der ersten Zeit
erfolgt dieselbe viel rascher, bis die leichter zersetzbaren Stoffe zerstört sind, als später.
Für einige Waldstreusorten mögen hier einige Zahlen folgen.
Bei gleicher Menge der verwesenden Stoffe entwickelten sich Volume Kohlensäure :
Eichenblätter Buchenhlätter Fichtennadeln K
1. Tag 15.913 13.214 15.238
2. , 13.398 10.305 13.140
3. „ 6.817 6.652 9.074
4. „ 5.832 5.494 8.132
5. „ 4.469 3.969 6.946
6. „ 4.114 3.386 5.996
fernnadeln
Sägemehl
Torf
13.924
8.111
5.504
12.688
7.138
4.571
10.165
4.527
3.046
8.632
4.377
2.221
7.718
4.048
1.731
6.491
3.502
1.238
Mittel 8.424 7.170 9.421 9.936 5.284 3.052
Eine Entfettung der organischen Stoffe bewirkt keine Steigerung der Verwesung,
wohl aber wirken die im Boden, namentlich im Torf und auf geringem Sandboden ent-
haltenen Harze, die sog. „Erdharze", in hohem Grade ungünstig ein. Torf von
denselben befreit (er enthält bis 5^0 davon) zersetzt sich doppelt so rasch als im ur-
sprünglichen Zustande. Auf die Gegenwart, bez. die Bildung harzartiger Körper ist
vielleicht auch das ungünstige Verhalten des sogenannten „toten oder kohligen" Humus
in dem Sandboden armer Kiefernreviere und der Heiden zurückzuführen.
Mit der Zersetzung der kohlenstoffhaltigen Pflanzenreste verläuft in allen Punkten
wesentlich gleichartig die der stickstoffhaltigen Bestandteile des Bodens und die Ueber-
fnhrung derselben in Ammoniak. Auch hier ist die Angreifbarkeit der vorhandenen
Verbindungen zu berücksichtigen. Während einzelne derselben, namentlich Eiweiss-
stoffe, rasch umgewandelt werden, widerstehen andere hartnäckig jedem Angriff. So
ist es möglich, dass der Humus stickstoffreicher als die ursprüngliche Pflanzensubstanz
ist; Torf enthält oft über 2^/o gebundenen Stickstoff, und ist trotzdem bei landwirt-
schaftlichem Betriebe dankbar für eine Stickstoffdüngung, eine Folge der geringen Zer-
setzbarkeit jener Körper.
e) Schädliche Stoffe, d. h. solche Verbindungen, Avelche den Lebensprozess
der niederen Organismen ungünstig beeinflussen, können unter Umständen die Verwesung
15() Tl. Ramaiin, Forstliche Standortslohre.
sehr herabsetzen oder selbst völlig aufheben.
In der Natur kommen wesentlich nur die Humussäuren in Frage. Beobachtungen
im Walde lehren, dass die relative Anzahl der Bakterien und Fadenpilzen durch
die Bodensäuren stark beeinflusst wird. Die grosse Anzahl der Bakterienarten bevor-
zugt neutrale oder schwach alkalische Nährböden; in sauer reagierenden gedeihen je-
doch die Fadenpilze noch ganz gut.
Manche Bakterien bilden allerdings Säuren, so z. B. Essigsäure, Buttersäure,
Milchsäure; es ist sogar wahrscheinlich, dass auch die Bodensäuren überwiegend Pro-
dukte von Bakterien sind; aber dies kann die allgemeine Kegel nicht nmstossen, dass
auf sauren Böden Fadenpilze, auf neutralen oder alkalischen die Spaltpilze vorherrschen.
Hierdurch wird die Humusbildung stark beeinflusst, und es ist nicht zufällig, dass sauer
reagierende Bodenarten auch zugleich zur Bildung von Rohhumus neigen.
§ 36. 5. Fäulnis. Die Zersetzung der organischen Stoffe bei
Mangel oder Ausschluss von Sauerstoff bezeichnet man als Fäul-
nis. Bei derFäulnis wirdWasser und Kohlensäure ausgeschieden,
während ein noch oxydierbarer Rest der organischen Substanz
zurückbleibt. Es können dies sowohl Gase (Wasserstoff, Sumpfgas) , als auch
flüssige oder feste organische Verbindungen sein ; in der Regel sind es dunkel gefärbte
mehr oder weniger humose Stoffe.
Die Fäulnis kann unter Mitwirkung niederer Organismen,
wie bei Abwesenheit derselben vor sich gehen.
Es sind eine ganze Anzahl Bakterienarten bekannt, die zu ihrem Lebensprozess
des atmosphärischen Sauerstoffs nicht bedürfen, ja sogar denselben nicht zu ertragen
vermögen (anaerobe Bakterien) ; wohl noch zahlreicher sind die Arten, welche nur sehr
wenig Sauerstoff verlangen oder doch bei sehr vermindertem Zutritt noch gedeihen
können. Diese Organismen verarbeiten den gebundenen Sauerstoff der organischen
Substanz.
Typische Beispiele für Fäulnis durch Organismen sind die Entwicklung von Was-
serstoff und Sumpfgas (Methan CHJ in stehenden Gewässern, wie überhaupt die grosse
Anzahl der als „Gährung" bezeichneten Vorgänge.
Der Fäulnis unterliegen besonders stickstoflfreiche Abfallstoffe, sie tritt femer in
allen Gewässern, welche grosse Mengen organischer Stoffe enthalten, zumal in den
Mooren und Sümpfen auf.
Die Untersuchung der Torfsubstanzen, welche in tieferen Lagen keine Organismen
führen, oder deren Vorkommen auf kleine Stellen (Wasseradern) beschränkt ist, zeigt
jedoch, dass neben den Umsetzungen, welche durch Organismen bewirkt werden, an-
dere verlaufen, die man mit vollem Recht den Fäulnisprozessen parallel stellen kann.
Die organische Substanz reichert sich fortgesetzt an Kohlenstoff an, während Wasser-
stoff und Sauerstoff austreten. Am richtigsten fasst man diesen Vorgang, wenigstens
in der Hauptsache, als Abspaltung von Wasser auf, wenn auch daneben noch
andere Prozesse (Bildung von Kohlensäure, Sumpfgas u. dergl.) verlaufen.
§ 37. 6. Die Produkte der Verwesung und Fäulnis. Humusbil-
dung. Die Verwesung führt zur vollständigen Zerstörung der organischen Substanz;
dieser Prozess verläuft langsam und es entstehen eine grosse Anzahl wenig bekannter
Zwischenprodukte von brauner bis schwarzer Farbe, welche man als „Humusstoffe*^
bezeichnet.
Die Rückstände der Fäulnis der Pflanzenreste sind ähnlich und werden den Humus-
stoffen zugerechnet.
Humusstoffe können aus den verschiedensten Stoffgruppen entstehen ; ihre Bildung
Organismen und organische Reste des Bodens. § 37. 151
ist nachgewiesen aus Kohlehydraten, Eiweiss, Gerbstoff u. s. w. , aus denen man sie
künstlich herstellen kann.
Die chemische Unterscheidung der einzelnen Humusstoffe ist noch sehr wenig
fortgeschritten, da sie der Untersuchung aussergewöhnliche Schwierigkeiten bieten. Das
wichtigste bisher bekannte lässt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen:
1) Es giebt stickstoffhaltige und stickstofffreie Humusstoffe. Ihr Gehalt an Stick-
stoff ist z. T. von der Substanz, aus der sie entstanden, beeinflusst. Humusstoffe ver-
binden sich leicht mit Ammoniak, der teilweise in das Molekül eintritt.
2) Die in der Natur vorkommenden Humusstoffe lassen sich in zwei Gruppen
einteilen, wobei eine Unterscheidung in braune (Ulmin Verbindungen) und schwarze (Hu-
minverbindungen) nicht fest zu halten ist.
a) Humussäuren (Huminsäuren) , dunkel gefärbte , in Alkalien und kohlen-
sauren Alkalien lösliche, durch stärkere Säuren wieder ausfüllbare Stoffe vom Charakter
schwacher Säuren. Mit den Alkalien bilden sie lösliche, mit alkalischen Erden (Kalk)
und den andern Elementen unlösliche Verbindungen (die sog. humussauren Salze).
b) Humin. Dunkel gefärbt, unlöslich, gehen bei längerer Behandlung mit Al-
kalien unter Aufquellen in Humussäuren über.
Alle Humuskörper sind amorph und quellbar, schliessen sich also
den Colloidsubstanzen in ihrem Verhalten an.
In reinem Wasser (nicht in salzhaltigem) sind die Humussäuren etwas löslich
nnd eiteilen dem Wasser eine bräunliche Färbung. Alle an Alkali reichen Wässer (aus
Graniten, Gneissen, Schiefergesteinen etc.), sowie aus Mooren austretende sind schwach
bis deutlich bi'aun gefärbt, alle kalkreichen Gewässer sind ungefärbt.
Ausserdem finden sich im Boden noch andere, vielfach auch den Humussäuren
zugerechnete, aber von ihnen wesentlich abweichende Säuren, deren wichtigste die
Qnellsäure ist, deren Salze mit Ausnahme der Thonerde Verbindung löslich sind.
Die Quelhsäure scheint die Hauptmenge der in den Böden vorhandenen freien Säuren
auszumachen, die für Verwitterung wie Auswaschung, sowie für das Pflanzenleben eine
sehr grosse Bedeutung haben, namentlich auch Kalk lösen und wegführen. Die AbtUlle
des Waldes scheinen besonders reich an Säuren zu sein, oder diese doch unter dem
Schutze des Waldes gern zu entstehen.
Pflanzliche Reste, welche man der allmählich fortschreitenden Vei-wesung über-
lässt, werden brüchig, sind dunkel gefärbt, aber die Struktur bleibt erhalten. Die
Verteilung, welche der Humus des Bodens zeigt und seine Misch-
ung mit Mineralteilen, ist wahrscheinlich eine Folge der Tätig-
keit des Tierlebens.
Was als Humus bezeichnet wird, ist demnach kein einheitlicher Körper, sondern
ein Gemisch sehr zahlreicher Verbindungen. Ein mehr oder minder grosser Teil besteht
aus wenig oder nicht zersetzten Pflanzenstoffen und zeigt noch organisierte Struktur.
Ein anderer Teil ist als Humin vorhanden, der Rest besteht aus freien oder gebundenen
Säuren.
Bei der Bestimmung des Humus muss man diese Zusammensetzung berücksichtigen.
Man kann unterscheiden a) die in verdünnten Alkalien (Ammoniak) direkt löslichen
Stoffe (Humussäuren); b) die nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure in Alkalien
löslichen Stoffe ; (beide bezeichnet man nach Grandeau als matiere noir) und c) die bei
dieser Behandlung zurückbleibende wenig zersetzte Pflanzen Substanz.
Träger der wichtigsten chemischen und physikalischen Wirkungen des Humus
im Boden sind die unter a und b genannten.
Für alle Böden ist ein Gehalt an freien Säuren unerwünscht, oft schädlich. Ueber
152 IL Ra mann, Forstliche Standortslehre.
ihre Gegenwart unterrichtet man sich durch die Reaktion des Bodens (mit Lakmns-
papier). Eine gute Probe ist von Schütze angegeben. Man schüttelt den Boden in
einem Probierrohre mit verdünnter Ammoniak ilüssigkeit. Alle an Humussänren reichen
Bodenarten und jene, in denen die Humusstoffe nicht gebunden sind, geben dunkel ge-
färbte Lösungen. Je nach Menge der angreifbaren Humnsstoffe erhält man hellgelblicli
bis braunschwarz gefärbte Flüssigkeiten.
Die Abfälle mancher Pflanzen bilden reichliche Mengen von Humossäuren, nament-
lich gilt das von Heide und den Beerkräutern, von den Waldbäumen sind Buche und
Fichte der Bildung jener Stoffe günstig; weniger Eiche und Kiefer.
Nach Gegenwart oder Fehlen der fluraussäuren unterscheidet man sauren oder
milden Humus; spricht auch wohl von „kohligem" Humus armer Sauerböden:
ferner je nach den Pflanzen, aus denen die Hauptmenge gebildet wurde, von Heide-
humus, Buchenhumus u. s. w.
§ 38. 7. Auf dem Trocknen gebildete humose Stoffe und deren
Ablagerungen. Die Humnsbildung ist nach den vorhergehenden Paragraphen die
Folge des Einflusses von biologischen und chemischen Prozessen. Die ersteren werden
vom Klima im höchsten Grade, weniger stark von örtlichen Verhältnissen beeinflusst.
Es ist daher verständlich, dass beide für die Schnelligkeit der Zersetzung und die Art
der Humusablagerung grosse Bedeutung haben. So ist z. B. die Bildung der Schwarz-
erden an arides Klima gebunden, bedeutsame Rohhumusbildungen erfolgen nur in Ge-
genden mit kühler Temperatur und reichlichen Niederschlägen.
Eine Form der Ablagerung des Humus kann daher für einzelne Gegenden von
grundlegender Bedeutung sein, welche in andern kaum oder gar nicht ins Gewicht fallt
(z. B. Rohhumus für Nordeuropa und Gebirge vom höchsten Einfluss, ist in den wärmeren
Lagen Mitteleuropas schon ohne Bedeutung und fehlt in den wärmeren Gebieten).
In den für uns wesentlichen Gebieten lassen sich die humosen Bildungen einteilen:
a) Mullboden. liockere, gekrümelte Bodenarten von wech-
selndem, meist massigem Humusgehalt. Ausgezeichnet durch rasche,
glei ch mäss i ge Zersetzung der organischen Abfäl le und reiches
Tierleben. Im Walde lagert die Streuschicht locker, d. h. die
einzelnen Bestandteile nicht unter einander verbunden, auf dem
Mineralboden. Die tieferen Bodenschichten setzen nicht scharf
von einander ab und gehen scheinbar vielfach in einander über.
Die Mullböden sind die Form der guten, „gesunden" Böden, die Abfallreste der
W- älder zersetzen sich in 1 — 2 Jahren. Natürliche Verjüngung geht leicht und gut vor sich.
b) Rohhumus. Die Humusschicht ist dicht und fest zusammen-
gelagert und oft von dichter, wenig zersetzter Streuschicht über-
deckt. Die Grenze zwischen humoser Schicht und Mineralboden ist
zumeist scharf; die tieferen Bodenschichten schneiden deutlich von
einander ab. In der Regel wird die Humusschicht von hell gefärbtem
„ausgebleichtem" (eisenfreieni) Boden unterlagert.
Diese Form zeigt ungünstige Beeinflussung des Bodens an ; sie entsteht, wenn die
Bedingungen der Zersetzung der organischen Abfall Stoffe verlangsamt werden und ist
fast stets mit dem Auftreten von Humussäuren verbunden.
Natürliche Verjüngung in W'äldem mit dieser Humusform bereitet Schwierigkeiten
oder ist überhaupt nicht mehr oder nur in langen Zeiträumen zu erwarten. Anspruchs-
vollere Baumarten, namentlich Laubhölzer versagen.
Die Mullböden sind Gebiete der Bakterienflora und eines
reichen Tierlebens; in Rohhumusböden überwiegen die Faden-
Organismen und organische Reste des Bodens. § 88. 153
pilze; die Tierwelt ist wenig vertreten; Regenwürmer fehlen.
Rohhnmns kann durch alle Bedingungen, welche die Verwesung herabsetzen, ge-
bildet werden, also durch Trocknis, Uebermass an Wasser, niedere Temperatur; an
Nährstoffen arme Böden unterliegen der Rohhumusbildung viel eher als reichere.
Zwischen Mull- und Rohhumusböden giebt &s zahlreiche Uebergänge. Es lassen
sich unterscheiden
a) die Bestandteile der Streudecke sind unter einander durch Pilzmycel verspon-
nen. In Laubholzwäldern lassen sich oft grosse Stücke der Bodendecke abreissen.
Kegenwürmer sind sparsam vorhanden oder fehlen bereits.
b) Unter der zusammengesponnenen Streudecke findet sich eine Schicht dicht
gelagerter humoser, aber stark zersetzter, erdartiger Masse.
c) Die unter der Streudecke lagernde humose Schicht ist faserig, trocknet im
Sommer stark aus
d) Die humose Schicht wird mächtiger, torfartig, die Abfallreste des Waldes sind
noch nach ihren pflanzlichen Bestandteilen zu erkennen.
Je nach den hauptsächlich zur Bildung des Rohhumus beitragenden Pflanzen ist
die Beschaffenheit des Rohhumus etwas verschieden; so bildet Buche dunkelbraune,
meist faserige, oft mit stärker veränderten Teilen durchsetzte Massen. Die Heide in
mächtigen Schichten blauschwarze, speckige Ablagerungen. Der Rohhumus der Heidel-
beere steht dem der Buche nahe ; Preisseibeere liefert heller gefärbte, braune oder graue
Ablagerungen.
Rohhumus bildet sich unter verschiedenen Beständen und Bodendecken mehr oder
weniger leicht. Man kann folgende absteigende Reihen angeben : Buche, Fichte, Eiche,
Kiefer und Heide, Preisseibeere, Heidelbeere, Farnkraut, Moose (namentlich die Polster
bildenden Arten).
Mit Ablagerung von Rohhumus gehen Veränderungen des Bodens Hand in Hand.
Die lockere, krümelige Beschaffenheit verschwindet; die oberen Bodenlagen werden an
löslichen Bestandteilen erschöpft und hierdurch treten die in jedem Boden vorhandenen
Schichten schärfer und erkennbarer hervor. Ein wichtiger Faktor der Bodenbildung,
reiches Tierleben, wird gemindert oder vernichtet.
Die Wurzelausbildung der Bäume ist im Mullboden und im Rohhumusboden ver-
schieden; im ersteren dringen die Wurzeln in die Tiefe, im letzteren bleiben sie an
der Oberfläche und durchziehen die humosen Ablagerungen dicht mit feinen Faserwur-
zeln. Die Beerkräuter bilden zumeist ein dichtes Wurzelgeflecht an der Grenze zwi-
schen Mineralboden und auflagerndem Humus.
Auf die Entwicklung des Bestandes wirken stärkere Rohhumusschichten wenig
günstig ein, namentlich sind Laubhölzer, ist vor anderen die Buche dagegen empfind-
lich. Nadelhölzer werden weniger beeinflusst und entwickeln in ihrer Jugendzeit die
Wurzeln mit Vorliebe im Rohhumus, sind jedoch der Trocknis stark ausgesetzt. Mit
Mineralboden gemischt oder auch bei dauerndem mittlerem Feuchtigkeitsgehalt ist die
Entwicklung der jüngeren Pflanzen in Rohhumusböden gut, z. T. sogar sehr gut.
Diese Einwirkungen sind noch nicht genügend geklärt. Tatsache ist, dass auf
Böden mit Rohhumusbedeckung natürliche Verjüngung fast stets, künstliche ohne Bo-
denbearbeitung in der Regel versagt. Ferner ist es nicht möglich, bei starken Roh-
humnsschichten Laubhölzer in trockneren Lagen aufzubringen („Buchenmüdigkeit" der
Böden gehört hierher). Auf Buchenrohhumus gedeiht dagegen die Fichte vortrefflich,
nicht aber auf Heidehumus, in dem die Kiefer, wenn auch oft nur kümmerlich, noch
wachsen kann.
Sind Rohhumusschichten im Walde vorhanden, so kann deren Entwicklung und
154 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Umbildung verschieden sein. Tritt allmähliche. langsam fortschreitende IJchtnn^ des
Bestandes ein, so kann Rückbildung in Mullböden unter dem Einfluss günstigerer Ver-
hältnisse stattfinden. Bei Kahlschlag siedeln sich zumeist Gräser an, die mit sehr zahl-
reichen, feinfaserigen Wurzeln (Angergräser, Festucaarten und namentlich Aira fiexaosa]
den Rohhumus durchziehen und zu seiner Zersetzung beitragen. Sind die Schichten
sehr mächtig, so kann es zur Bildung von Heiden und namentlich zur Versumpfung,
d. h. zur Hochmoorbildung kommen. (Die Moore der höheren Gebirgslagen und des
Nordens sind vielfach auf diesem Wege entstanden.)
Hilfsmittel gegen Rohhumusbildung sind sorgsame Erhaltung einer mittelstarken
Beschattung des Bodens; Schutz gegen aushagernde Winde, Eintrieb von Schweinen,
überhaupt Beförderung des Tierlebens im Walde und namentlich Erhaltung gemischter
Bestände.
Die Ablagerung stärkerer Rohhumusschichte ist klimatisch bedingt, ebenso die
Umbildung in Hochmoor, welche auf einen Teil von Grossbritannien, die Küsten der
Nordsee, Skandinavien und Nordostrussland beschränkt ist und nur selten und bei ^anz
ungünstigen Bodenverhältnissen (z. B. Lausitz) weiter nach Süden geht; femer sind
es die Hochlagen der Mittelgebirge (z. B. Brocken, Erzgebirge, Böhmer W^ald, Vogesen
und Schwarzwald u. s. w.) und die höheren Lagen der Hochgebirge, welche so ent-
standene Hochmoore zeigen. In Kalkgebirgen scheinen sie völlig zu fehlen und tritt
dort die Ablagerung eines lockeren, erdartigen, sehr fruchtbaren Humus (Alpenhumus
nach Ebermayer) ein. Die Hochmoorbildung verläuft in der Weise, dass, oft beeinflussi
durch benachbarte tiefer liegende Moorflächen, die Rohhumusablagerungen erhebliche
Dicke gewinnen, der Boden vemässt und sich Sphagnen ansiedeln, welche immer üp-
piger sich entwickeln und die Bäume zum Absterben bringen. Nach mir bekannten
Beispielen ist eine Schicht von 30 — 40 cm lockerer Sphagnumvegetation notwendig, um
die Bäume zu töten. In der Regel folgt der in den Gebieten meist herrschenden Fichte
eine Kiefernvegetation, ehe die Vernichtung des Waldes eintritt. Im Nordwesten Deutsch-
lands und an anderen Orten kann zunächst die Heide herrschend werden und zur
Hochmoorbildung hinüberleiten ; es ist dies aber auch in diesen Gegenden eher ein Aus-
nahmevorgang.
Die Bodenflora der Mull- und Rohhumusböden ist eine wohl cha-
rakterisierte. Im Mullboden unter Wald linden sich namentlich Rhizompflanzen (nach
P. E. Müller), die edleren Kräuter des Waldes ; im ganzen einzelständig vorkommende,
zahlreiche Arten. Auf Rohhurausböden treten die einzelnen Arten meist gesellig auf,
wenigstens bei hinreichender Belichtung. Im Norden ist Trientalis europaea sehr
verbreitet, in den mittleren Gebieten Melampyrum pratense L. Beerkräuter, Heide,
Majanthemum bifolium, Aira flexuosa; im Hochgebirge Rhododendorn, dann zahlreiche
Moose.
§39. 8. Unter W' asser gebildete humose Ablagerungen. Die
unter Wasser gebildeten humosen Ablagerungen lassen sich in drei Gruppen bringen:
Schlamm, Moor und Torf.
Schlamm bildet sich in fliessenden oder stehenden sauerstoflfreichen Gewässern
mit schwimmender Vegetation, sowie bei Ueberschwemmungen der Flusse.
Je nach der grösseren oder geringeren Menge beigemischter anorganischer Stoffe bildet
der Schlamm zahlreiche Abarten. Charakteristisch für ihn ist die Mischung anorgani-
scher Teile mit pflanzlichen und tierischen Resten. Für die Ablagerungen der stehenden
Gewässer hat man die schwedische Bezeichnung „Gyttje" eingeführt.
In stehenden Gewässern mit schwimmender Flora (Potamogetonarten, Algen, Moose,
Seerosen u. s. w.) findet sich reiches Tierleben, welches für seine Nahrung zunächst
Organismen und organische Reste des Bodens. § 39. 155
anf die AVasserpflanzen angewiesen ist. Die Ausscheidungen der Tiere werden von
Bakterien weiter verarbeitet und in feinfaserige, graue Massen umgewandelt, diesen
mischen sich die Reste der absterbenden Organismen (Crustazeenpanzer , Diatomeen-
schalen u. 8. w.), sowie zugeführtes anorganisches Material und chemische Abscheidungen
(kohlensaurer Kalk, Eisenoxyd) bei. Es entstehen so grau bis braun gelUrbte, sehr
voluminöse Ablagerungen, die an der Luft zu festen oft fast holzartigen Stücken ein-
trocknen, oder beim Ueberwiegen des Kalkes „Seekreide" bilden können. Es entsteht
so der Seeschlamm oder Teichschlamm „Gyttje". Der Gehalt an organischen, humosen
Stoifen ist nicht hoch (15— SO^/o).
Bei üeberschwemmungen der Flüsse wird viel anorganisches Material zugeführt,
zugleich aber entwickelt sich ein reiches Pflanzen- (Algen-) und Tierleben auf den über-
schwemmten Flächen und dieses ist wohl die Hauptursache, dass die Flusstrtibe in
lockerer, flockiger Form zur Ablagerung kommt (Flussschlamm, Flussschlick).
Der Gehalt dieser Bildung an organischen Stoffen ist ungemein wechselnd, unter Um-
standen sehr gering.
Moor. In stehenden Gewässern und an Flussrändern siedeln sich, zumal wenn
die Wassertiefe nicht zu gross ist. Pflanzen an, welche mit ihren Wurzeln unter Was-
ser bleiben, ihre vegetativen Teile aber über den Wasserspiegel erheben (Schilf, Scir-
pusarten, Thypha, Sparganium, Butomus und viele andere). Diese Vegetation bildet
reichliche Mengen organischer Substanz, viel mehr als die schwimmenden Pflanzen ; sie
lässt aber noch durch den lichten Stand ihrer Stengel Raum genug für Wassertiere,
die in den Horsten jener Pflanzen Schutz und hohe Wassertemperatur finden. Das
Tierleben ist ungemein reich, die pflanzlichen Reste werden nach allen Richtungen
durchnagt und zerfressen und es bilden sich Ablagerungen organischer Massen, welche
mit unbewaffnetem Auge gleichartig erscheinen und pflanzliche Struktur nicht mehr
erkennen lassen : Moor oder Moorboden.
Torf. Am Rand wenig tiefer Gewässer oder wenn Moorablagerungen allmäh-
lich bis in massigen Abstand (Va — IV2 m) von der Oberfläche gelangt sind, wird eine
Vegetation herrschend, welche in dichtem geschlossenem Bestände wächst;
es sind ganz überwiegend Cyperaceen, namentlich Carex und Scirpusarten. Vielfach
findet sich noch Schilf, Moose u. dergl. Zwischen den einzelnen Pflanzen bleibt wenig
oder kein Raum zur Entwicklung des Tierlebens. Die absterbenden Reste werden wenig
zernagt und bilden humose Ablagerungen mit deutlich erkennbarer Pflanzenstruktur:
Torf.
Erreicht allmählich die Torfablagerung die Oberfläche ^es Wassers, so können
sich anspruchsvollere Wiesengräser einfinden ; die ursprüngliche W^asserfläche ist in eine
Moor wiese umgewandelt.
So entstandene Moore bezeichnet man als Flachmoore, Grünlandsmoore,
Wiesenmoore. Sie bilden sich in miner alstoffreichem, nament-
lich kalkhaltigem Wasser.
Zeitweise überschwemmte Moore behalten dauernd den Charakter der Flachmoore;
andere können, zumal durch regelmässige Entnahme des Heus und noch mehr durch
langsam fortschreitende Auslaugung der oberen Bodenschichten durch Schnee und Regen-
wässer an Nährstoffen verarmen, sie bilden sog. „saure" Wiesen, auf denen Cypera-
ceen und Moose die Hauptflora sind. Allmählich siedeln sich Pflanzen an, welche im
Kampfe mit den anderen Arten nur dort ihr Gedeihen finden, wo sie infolge ihrer An-
spruchslosigkeit von jenen nicht bedrängt werden oder durch besondere Organisation
auf saurem, nährstoffarmem Boden gedeihen können; dahin gehören namentlich Woll-
gräser, Molinia coernlea, Torfmoose. Aus dem Flacbmoor ist einsog. „Uebergangs-
156 II. Ramann. Forstliche Standortslehre.
m 0 0 r" entstanden , welches man als Flach moor mit beginnender Hoch-
moorbildang bezeichnen kann.
Sind diese Pflanzen erst einmal aufgetreten, so ergreifen sie immer weitere
Strecken, überziehen allmählich die ganze Fläche und bilden eine herrschende sehr
charakteristische Vegetation; aus dem Flachmoor ist ein Hochmoor entstanden.
Die Bezeichnung Flachmoor hängt damit zusammen, dass ihr Vorkommen dem frühe-
ren Wasserspiegel entspricht und sie in der Regel in der Mitte oder doch an den tiefsten
Stellen am feuchtesten sind. Die Pflanzen der Hochmoore nehmen Wasser in grossen
Mengen auf, sind z. T., dies gilt namentlich von den Moosen, besonders den Sphagneen
eines fast unbegrenzten Spitzenwachstums fähig. In der Mitte der Moorfläche tinden
sie zumeist die günstigsten Bedingungen ihres Gedeihens und bilden dort allmählich
eine Erhöhung, daher der Name Hochmoor.
Die Vegetation der Hochmoore ist eine sehr charakteristische; ausser den zahl-
reichen Formen der Sphagneen finden sich noch Eriophorum vaginatum, Scirpus caespi-
tosus, Calluna vulgaris, welche torfbildend auftreten ; daneben andere Arten, wie Andro-
meda polifolia, Vaccinium oxycoccos, Drosera u. s. w.
Das Wasser der Hochmoore hat saure Reaktion und ist immer an gelösten Salzen
sehr arm, namentlich arm an Kalk Verbindungen.
Zwischen den humosen Ablagerungen des trockenen Bodens und den unter Wasser
gebildeten bestehen Beziehungen, die sich in analogen Reihen zum Ausdruck bringen
lassen :
Auf dem Trocknen unter Walser
a) Lockere, mehr oder weniger gekrümmelte Schlammablage-
Schichten von Gemischen organischer und anorgani- Mullböden rungen, Gyttje und
scher Bestandteile. In der Bildung von Bakterien Flussschlamm
und Tieren stark beeinflusst:
b) Erdartige bis faserige, nur selten erkenn-
bare Pflanzenreste enthaltende humose Ablagerungen
a) mit massigem Einfluss des Tierlebens Rohhumus
b) mit starkem Einfluss des Tierlebens Moor
c) Humose Massen mit erkennbaren pflanz- Manche Rohhumus- Torf der
liehen Resten, bei geringer Einwirkung des Tierlebens formen (Trockentorf Grünlandsmoore
gebildet. nach Müller)
übergehend in
lockere, faserige Massen wenig zersetzter Reste
bestimmter Pflanzenarten (Moose, Wollgras, Heide) Hochmoortorf Hochmoortorf.
§40. 9. Zusat^. Grundzüge der Moorkultur. Die grosse Ausdeh-
nung der Moorflächen (Preussen 5,27o, Bayern 0,9^0, Oldenburg 18,67o der Bodenfläche),
welche z. T. nur sehr geringe Erträge geben, hat in neuerer Zeit zur Ausarbeitung
von Methoden der Melioration geführt, welche die „Moorkultur" zu einem der ertrag-
reichsten und aussichtsvollsten Fortschritte der Landwirtschaft machen.
Die nächste Frage für Besserung der Moore ist eine angemessene Haltung des
Wasserstandes. Alle Hochmoore haben im Naturzustand hohen Wasserstand; es ist
dies eine Voraussetzung ihrer Entstehung und Erhaltung. Für viele Flachmoore gilt
das gleiche ; zahlreiche andere haben jedoch in der kalten Jahreszeit Ueberfluss, in der
warmen Jahreszeit Mangel an Wasser, wenigstens in den oberen Bodenschichten. Hier-
durch wird die Pflanzendecke stark beeinflusst und namentlich die letztgenannten Moore
zeichnen sich im Winter durch Nässe, im Sommer durch Trocknis aus, so dass ihre
Erträge sehr gering sind. Auf solchen Flächen schädigt die W^interfeuchtigkeit die
wertvolleren Wiesenpflanzen, während die Trocknis im Sommer das Wachstum echter
Moorpflanzen verhindert. Oft genügt dann eine Regulierung des Wasserstandes und
Organismen nnd organische Reste des Bodens. § 39. 157
massige Düngang, ertraglose Flächen in gute Wiesen umzuwandeln.
Die Entwässerung der Moore erfolgt in der Regel durch offene Gräben,
seltener durch Drainage. Gräben vermindern die nutzbare Fläche erheblich (um 8 bis
10**/o im Durchschnitt), erschweren die Arbeit, sind jedoch billig, durchlüften den
Boden gut und geben ohne weiteres eine Uebersicht des Wasserstandes.
Die Entfernung der Gräben muss nach der Tiefe und Beschaffenheit des Moores
in Tiefe und Abstand wechseln. Je lockerer, faseriger der Boden ist und je mehr er
noch den Charakter organisierter Plianzensubstanz trägt, um so höher ist die Wasser-
kapazität und um so näher müssen die Entwässerungsgräben gezogen werden. Je zer-
setzter, erdartiger der Moorboden ist, um so weiter von einander können die Gräben
liefen. In Grünlandsmooren wird man selten unter einen Abstand der Gräben von
20 m herabzugehen brauchen, wird in der Regel mit 25 m auskommen und kann bei
kleineren, weniger tiefen Mooren, in denen die Gräben in den Mineralboden einschnei-
den, auf 30 m und mehr gehen. Im Hochmoor ist stärkere Entwässerung notwendig.
Abstand der Gräben von 15—20 m wird in der Regel genügen, unter Umständen muss
jedoch auf geringere Entfernung herabgegangen werden.
Die Tiefe der Gräben ist von der Beschaffenheit des Moorbodens, von der Kultur-
methode und von der beabsichtigten Nutzung abhängig. Zugleich ist zu berücksich-
tigen, dass die Moorschichten nach Entwässerung zusammensinken, sich sacken,
und dies um so mehr, je tiefer und je lockerer das Moor ist.
Benutzung als Wiese erlaubt geringere Entwässerung als der Anbau von Feld-
früchten (in der Regel soll der Wasserstand nicht erheblich unter V2 m betragen);
Sanddeckkultur verlangt stärkere Entwässerung (1 — 1^/2 m).
Drainage bietet Schwierigkeiten bei geringem Gefälle der Vorflut ; die Röhren
müssen fest gelegt (Kiesschichten, Thon- und Rasenplaggen, auch Bretter als Unter-
lage) werden, da sie beim sacken des Moores leicht aus der ursprünglichen Lage kom-
men. Die Röhren sind ziemlich weit zu wählen und tunlichst unter Wasser ausmünden
zu lassen, um Verstopfen durch ausgeschiedene Eisenverbindungen zu vermeiden.
Bei allen Entwässerungen sollen die Hauptgräben in der Richtung des stärksten
Gefälles liegen und nach Möglichkeit die tiefsten Stellen des Moores durchschneiden.
Die Nebengräben münden senkrecht auf die Hauptgräben. Bei den meisten Mooren
kann man die Gräben senkrecht einschneiden und braucht sie nicht oder nur massig
abzuböschen.
Untersuchung der Moorsubstanz. Ist die Möglichkeit der Entwäs-
serung der Moorfläche ein Urteil gewonnen, so ist es notwendig, die Untersuchung des
Moorbodens auszuführen ; zu berücksichtigen sind : Pflanzendecke, chemische Zusammen-
setzung und physikalische Eigenschaften.
Pflanzendecke. Bei Hochmoor fällt die Bestimmung der Pflanzendecke
wenig ins Gewicht ; der Bestand ist meist sehr einheitlich. Bei Flachmooren hat man
um so mehr Rücksicht darauf zu nehmen. Zumeist herrschen Cyperazeen vor, vielfach
finden sich Moosarten; dazwischen aber fehlen vielfach kleine kümmerliche Pflanzen
besserer Gräser und Wiesenkräuter, selbst Klee nicht. Sind die letzteren Arten reich-
lich vertreten, so bedarf es für Wiesenkultur nur der Entwässerung und Düngung,
sowie einer schwachen Einsaat besserer Gräser und Leguminosen. Gründliches Eggen
ist ein wesentliches Hilfsmittel, rasche Entwicklung der Grasnarbe zu fördern und na-
mentlich Moose zu zerstören. Vielfach gehen so behandelte Moore in ihrem Ertrage
zunächst zurück. Die alte Vegetation der sauren Gräser findet nicht mehr die Be-
dingungen ihres Gedeihens; die besseren Wiesenpflanzen sind noch nicht genügend
erstarkt; in der Regel wird erst im dritten Jahre der volle Ertrag erreicht.
158 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Die chemische und physikalische Untersuchung ist die einzige
Methode, um einen sicheren Einblick in die Zusammensetzung und die Eigenschaften
des Moores zu erhalten.
Der Gehalt an Pflanzennäh rstofTen schwankt in Flachmooren sehr erheblich; sie
sind reicher an Mineralstoffen, an Kalk und an Stickstoff als die Hochmoore; in der
Kegel arm an Phosphorsäure, immer arm an Kali. Im Durchschnitt vieler Analysen
giebt Fleischer an:
Kali Kalk Phosphorsäure Mineralstoffe Stickstoff
Hochmoor 0,03«/o 0,25«/o 0,050/o 2,0«/o 0,8^0
Flachmoor 0,10ö/o 4,00«/o 0,25^0 10,0»/o 2,5^0
Die physikalische Beschaffenheit des Moorbodens ist um so günstiger, je erdarti-
ger, zersetzter der Boden ist. Zu berücksichtigen ist die Lockerheit der Lagerang;
hierdurch ist in den oberen den Pflanzen zugänglichen Schichten nur eine relativ ge-
ringe Stoffmenge vorhanden.
Die Sanddeckkultur (Moordammkultur, Rimpau'sche Moorkultur) beruht
darauf, dass man die Oberfläche der Moore mit einer Schicht Sand überfuhrt. Am
günstigsten wirken grobkörnige Sande ; man wird aber zumeist an das vorhandene Ma-
terial gebunden sein und kann bei genügender Entwässerung selbst schwach lehmige
Sande verwenden.
Die Sanddecke bietet den Pflanzen einen festen Standort, schützt gegen Frost-
gefahr und Ausfrieren; anter ihr erreicht der Boden rascher höhere Wännegrade und
behält gleichmässige hohe Feuchtigkeit. Diese Kulturmethode verlangt daher stärkere
Entwässerung (1 — IV2 m) und gut zersetztes Moor.
Für die Sanddecke genügt bei Wiesenanlagen 6 — 8 cm Mächtigkeit, für Acker-
früchte 12 — 14 cm. Beim Ackern ist darauf zu achten, dass nicht Moorsubstanz aus
dem Untergrunde beigemischt wird, da die Wirkung der Sanddecke um so besser ist,
je mehr die physikalische Beschaffenheit von der des Untergrundes abweicht.
Bei Benutzung des Sandes aus dem Untergrund des Moores ist darauf Rücksicht
zu nehmen, dass nicht selten Ausscheidungen von Eisenkies (FeS,) vorkommen, der an
der Luft in Eisensulfat und freie Schwefelsäure ven^ittert. Man schützt sich gegen
diese Gefahr am besten, wenn man Sand aus benachbarten Höhen entnimmt; ist dies
nicht angänglich, so entnehme man an möglichst vielen Stellen Sandproben, bringe sie
in Blumentöpfe und säe rasch wachsende Pflanzen (Hafer, Kresse) an und beobachte
deren Entwicklung ; ist Eisenkies vorhanden, so werden die Blätter der Pflanzen gelb-
fleckig.
An Düngung bedürfen die Grünlandsmoore Zufuhr von Kali und Phosphorsäare ;
sie sind daher typische Böden für reine Mineraldüngung, die man im Herbst oder zeitig
im Frühjahr ausführt. Kainit, 40^/o Kalisalz und Thomasschlacke sind die wichtigsten
Düngemittel. Als durchschnittliche Düngung gilt 8 Doppelzentner Kainit und 4 Dop-
pelzentner Thomasschlacke für den Hektar.
Ansaat der Moor wiesen beschleunigt die Entwicklung guter Wiesen-
pflanzen und ist daher empfehlenswert. Man säe aber nur wertvolle Arten in Mischnng
an, namentlich (die Zahlen je für 1 Hektar; bei vorhandenen guten Arten weniger)
Thimothee (24 kg), italienisches Reygras (4 kg), Wiesenschwengel (2 kg), schwedischer
Klee (10 kg), Weissklee (8 kg), Sumpfs chotenklee (2 kg).
Die Kultur der Hochmoore ist von grosser Bedeutung infolge der vor-
handenen grossen, meist ertraglosen Flächen. Hierfür kommt in Frage:
Brandkultur, eine sehr alte Methode, die auf der Ausnutzung der obersten,
überwiegend aus Heideresten bestehenden Bodenschicht (Schollerde, Bunkerde) beruht,
Organismen nnd organische Reste des Bodens. § 41. 159
die im Laufe von einigen Jahren (5 — 8) abgebrannt wird und das Moor auf lange Zeit
ertraglos znrücklässt. Die Brandkultur ist reiner Raubbau.
Die finnische Methode. Brandkultur unter Aufbringen massiger Thon-
und Lehmmengen. Ohne Düngung lässt die Wirksamkeit nach einigen Jahren nach.
Gute Methode zui* Vorbereitung der Moore.
Die Bremer Methode. Aufbringen von Seeschlick mit und ohne Brand-
kultur. Düngung. Ist an die Möglichkeit des Bezuges des Seeschlicks gebunden.
Die holländische Veenkultur beruht auf der Benutzung städtischer
Düngestoffe (Fäkaldünger und Strassenabfall). Es findet zumeist die Ausnutzung der
tieferen Moorschichten als Brenntorf statt und der Abraum wird dann zurückgeworfen
(Leegmoore). Mischen mit Sand und reichliche Düngung haben ausgezeichnete Erfolge
gegeben. Die holländische Veenkultur ist an schiffbare Kanäle, Städte in nicht zu
grossem Abstand gebunden.
Melioration durch Entwässern und Mineraldüngung ist das
einzige auf entlegeneren Mooren anwendbare Verfahren. Es müssen reichliche Mengen
aller wichtigen Pflanzennährstoffe gegeben werden. Kalk (meist Mergel), Kali (als 40®/o
Kalisalz mit sehr gutem Erfolg), Phosphorsäure (als Thomasmehl oder gepulverte,
kohlensauren Kalk enthaltende Rohphosphate), Stickstoff (als Ammoniaksalz oder besser
Chilisalpeter).
Holzanbau auf Mooren. Gelegentlich, aber immerhin selten finden sich
alte Bestände auf Moorboden, auch auf Hochmoorboden. Trotzdem ist vom Waldanbau
abzuraten; am günstigsten ist Niederwald (namentlich Hasel). Hochwald gedeiht in
der Regel nur, wenn die Wurzeln den Mineralboden erreichen können. Zahlreiche Ver-
suche haben meist üppiges Wachstum in den jüngeren Jahren, Stocken im höheren
Alter ergeben. Auf Hochmoor würde schwache Düngung und namentlich dauernde
Ueberwachung der Abzugsgräben die Voraussetzung guter Erfolge sein.
YIL Eigenschaften der Böden.
1. Die ehemlsehe und mineralogrisehe Zusammensetzung der Böden.
§ 41. Alle Böden mit Ausnahme der Moorböden enthalten in ihrer Hauptmasse Mine-
ralbestandteile, zumeist wiegen Quarz und Silikate vor, von anderen Stoffen ist die Menge
des kohlensauren Kalkes von Bedeutung. Der Humus beeinflusst die physikalischen
Bodeneigenschaften, wirkt aber als Humussäure auch vielfach chemisch ein.
Zur Untersuchung der Bestandteile bedient man sich der mineralogischen und der
chemischen Analyse.
Vorhandene Steine werden nach ihrer petrographischen Zugehörigkeit bestimmt,
die Sandkörner tunlichst unterschieden. Gehalt an noch erkennbaren Mineral teilen
(Feldspat, Hornblende u. s. w.) ist zu berücksichtigen. Je nach dem Gehalt an noch
verwitterbaren Mineralien hat man nachschaffende (Silikate aller Art) und nicht-
uachschaffende (überwiegend verwitterte Bestandteile, Quarz) Böden unterschieden.
Die Kenntnis des ürsprungsgesteins und dessen geologischer Zugehörigkeit ist
wichtig, da oft Ablagerungen derselben Zone in weiter Erstreckung einheitlichen Cha-
rakter zeigen.
Die chemische Bodenanalyse kann gegenwärtig nur im beschränkten
Massstabe den Gehalt an aufnehmbaren Bestandteilen im Boden feststellen ; sie hat je-
doch für Waldböden bei den langen Umtriebszeiten und dem Fehlen der Düngung
160 II. Ramann, Porstliche Standortslehre.
grössere Wichtigkeit als für Ackerböden, bei denen es zunächst auf die im Laufe eines
oder einiger Jahre aufnehmbaren Bestandteile ankommt.
Die gebräuchlichen Methoden, Ausziehen des Bodens mit Säuren verschiedener
Konzentration (zumeist heisse 10®/o Salzsäure, bez. bei Moorböden die Untersuchung
des Aschenrückstandes), geben für Moorböden fast stets, bei Sandböden in den meisten
Fällen einen Massstab des Ertrages; bei schwereren Bodenarten tritt der chemische
Gehalt an Bedeutung hinter die physikalischen Bodeneigenschaften zurück.
Die Analyse der Waldböden erstreckt sich am richtigsten auf alle unter 1 mm
grosse Bestandteile. In unseren Böden entspricht bei gleicher geognostischer
Abstammung in der Regel der Gehalt an Nährstoifen den an feinkörnigen unter
0,1 mm grossen Bestandteilen.
Die Probenahme führt man in der Weise aus, dass zunächst die Oberfläche
des Bodens von allen Pflanzen und zufälligen Auflagerungen gereinigt und dann ein
genügend tiefes Loch gegraben wird. Bei Verwitterungsböden muss dies möglichst bis
zum festen anstehenden Grundgestein (von dem ebenfalls Proben zu entnehmen sind)
geschehen; bei angeschwemmten Böden bis zum Grundwasser, oder wenn dies nicht
erreicht werden kann, bis 1,5 oder 2 m Tiefe. In Schwemmlandsböden sollte man nicht
versäumen, mit Hilfe eines Handbohrers vom Boden des Loches aus den Untergrund
noch auf weitere ein bis zwei Meter zu untersuchen. Die Seitenfläche des Einschlags
wird gerade abgestochen und mit dem Grabscheid gleichmässige vertikale Abstiche ge-
macht. Der Boden wird dann auf einem Tuche gemischt und von Wurzelresten befreit.
Grössere Steine werden ausgelesen, ihre Menge annähernd festgestellt und die
Art des Gesteins bestimmt.
Der Gehalt an humosen Stoffen wird genau nur durch Verbrennungsanalyse ge-
funden. Kohlenstoff wird dabei in Kohlensäure, Wasserstoff in Wasser übergeführt,
aufgefangen und gewogen. Die früher gebräuchlichen Methoden, die organische Sub-
stanz mit oxydierenden Mitteln (meist Chrorasäure) zu behandeln, ergeben ungenaue
Resultate. Aus der gefundenen Kohlensäure berechnet man den Humus unt«r der An-
nahme, dass er durchschnittlich 64®/o Kohlenstoff enthält.
Bei reinen Sandböden ist der Glühverlust dem Humusgehalte gleich; es genügt
dessen Bestimmung. In thonhaltigen Böden ist dies aber unzulässig, da diese reichlich
chemisch gebundenes Wasser enthalten, welches beim Erhitzen entweicht.
Die Bestimmung des Stickstoffs erfolgte durch Verbrennen mit Natronkalk, wo-
bei Ammoniak gebildet wird. Gegenwärtig ist die rascher ausführbare und genauere
Methode von Kjeldal (bei der hoch konzentrierte Schwefelsäure unter Erhitzen einwirkt
und den Stickstoff unter Zerstörung aller organischen Substanz in Ammoniak überführt),
wohl allgemein angenommen.
Auf Gegenwart von kohlensaurem Kalk prüft man durch Uebergiessen mit ver-
dünnter Salzsäure, wobei die Kohlensäure unter Aufbrausen entweicht.
Von Wichtigkeit ist femer der Gehalt an wasserhaltigen, durch Salzsäure zer-
setzbaren Silikaten und die Bestimmung der hierbei frei werdenden, in kohlensauren
Alkalien löslichen Kieselsäure. Diese „aufschliessbaren Silikate" sind die Träger der
Absorption des Bodens.
In der Regel werden die gefundenen Gehalte der verschiedenen Stoffe so ange-
geben, dass Stickstoff (N) und Humus als solche, die Säuren und Basen als Anhydride
(nach der alten chemischen Auffassung, Kali als Kj,0, Kalk als CaO, Magnesia als
MgO, Eisen als Oxyd FCgOg und als Oxydul FeO, Schwefelsäure als SO,, Phosphor-
säure als PgOj.) aufgezählt werden.
Für landwirtschaftliche und auch forstliche Zwecke bietet ferner eine jetzt viel-
Eigenschaften der Böden. § 42.
161
2) Sulphate:
3) Karbonate:
fach in Anwendung gekommene Darstellungsweise, welche von Knop angegeben worden
ist, grosse Vorteile und lässt Armut oder Reichtum an wichtigen Stoffen scharf her-
vortreten.
Knop führt die Bestandteile des Bodens in folgender Reihe auf:
l) Glühverlnste: l^^""'' ^'^^'^''^ ^^**"'''*^'')-
^ ( Humus.
Gips.
i kohlensaurer Kalk.
^ kohlensaure Magnesia.
Quarz und Kieselsäure.
Sesquioxyde (Eisenoxyd, Thonerde).
Monoxyde (Kali, Natron ; Kalk und Magnesia, soweit an Kiesel-
säure gebunden).
^ aufgeschlossene Silikatbasen. (Basen der vorhandenen Zeolithe.)
Im folgenden sind ein paar von Knop ausgeführte Analysen in den beiden Dar-
stellungsformen neben einander gestellt. Die Analysen beziehen sich auf Feinerden
eines Verwitterungsbodens von rotem Gneiss (Knop, Ackererde und Kulturpflanzen
S. 48 u. 50; Leipzig 1883).
3. 1.
79.08 1) Wasser 1.33
14.33 Humus 2.33
2.33 2) Sulfate —
0.42 3) Karbonate —
4) Silikate:
Kieselsäure =
Thonerde =
Eisenoxyd =i
Kalk =
Magnesia i=:
Kali =
Natron =:
Wasser =
Piamus =
Aufgeschlossene
Silikatbasen =
1.
77.25
15.28
1.12
0.05
0.004
4.85
1.25
1.33
2.33
2.
79.00
12.97
2.34
0.38
O.Ol
3.06
2.22
1.88
10.00
3.90 6.90
Quarz u. Kieselsäure 77.25
Sesquioxyde 16.40
CaO — 0.05
Monoxyde MgO = 0.004
K,0 =: 4.85
Na,0 = 1.25
7.50 5) Aufgeschlossene Silikatbasen 3.90
O.Ol
2.94
0.94
1.85 4) Silikate
10.07
2.
3.
1.88
1.85
10.00
10.07
79.00
79.08
15.31
16.66
0.38
0.42
O.Ol
O.Ol
3.06
2.94
2.22
0.94
6.90
7.50
2. Physikalisehe Eigensehaften der Böden. Bodenphysik.
§42. a) Mechanische Bodenanalyse. Die Kenntnis der physikalischen
Eigenschaften der Böden ist namentlich von S c h ü b 1 e r und E. W o 1 1 n y gefördert
worden.
Es hat sich ergeben, dass viele der wichtigsten Bodeneigentiimlichkeiten sich auf
einige wenige Grundlagen zurückführen lassen, auf Korngrösse und Lagerung der Bo-
denteile. Die chemische Zusammensetzung gibt aber vielfach einen Anhalt für die
physikalischen Eigenschaften und beeinflusst einzelne derselben, namentlich die Krüme-
lung vorzugsweise. Es ist daher ungerechtfertigt, Bodenchemie und Bodenphysik in
eine Art Gegensatz zu bringen, sie stehen gleichwertig neben einander;
wenn auch nicht verkannt werden darf, dass die physikalischen Eigenschaften der Bö-
den nicht oder nur schwierig von Menschenhand beeinflusst werden können und daher
die dauernde Grundlage des Bodens bilden.
Die mechanische Bodenanalyse (Schljlmmanalyse) beschäftigt
sich mit der Bestimmung der Korngrössen des Bodens.
Bei Ausführung werden die gröberen Gemengteile durch Siebe, event. unter Be-
nützung von Wasserspülung abgetrennt.
Alle über 1 mm grossen Bestandteile bezeichnet man als Bodenskelett und
unterscheidet femer grössere Steine und grobe organische Reste (Wurzelstücke).
Alle unter 1 mm grossen Bodenteile werden als Feinerde zusammengefasst. Durch Siebe
Handbuch d. Foratw. 2. Aufl. I. 11
162 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
kann man sie noch weiter trennen. Die feinsten Bestandteile (abschlämmbare Teile)
zerlegt man weiter dorch die Schlämmanalyse. Zur Vornahme derselben sind
sehr zahlreiche Apparate konstruiert worden. Alle lassen sich in zwei Gruppen ein-
teilen, in solche, welche sich gründen
auf den Auftrieb fliessenden Wassers (Nobel, Schöne, Osbom u. and.),
auf den Fall der Körner im Wasser (Schübler, Kühn, Schlössing).
Früher wurde fast ausschliesslich nach Methoden der ersten Abteilung gearbeitet.
Grössere Verbreitung fand der Nöbelsche Apparat ; jetzt wird zumeist der nach Schöne
in einer seiner mannigfaltigen Abänderungen benutzt. Alle diese Apparate leiden unter
dem Fehler, dass der aufsteigende Wasserstrom seitliche Strömungen hervorruft, welche
zur Flockung der Thonteile führen und so Fehler in die Bestimmung bringen. Es sind
verschiedene Methoden angegeben worden, um dies zu vermeiden. Am wichtigsten ist,
dass der untere konische Teil des Apparates möglichst kurz, der obere cylindrische
lang genommen wird.
Der Schönische Apparat besteht aus einem langen cylindrischen, unten konischen
Tiichter, auf dem sich ein doppelt durchbohrter Stöpsel befindet, der in der einen OefF-
nung eine graduierte Glasröhre, im zweiten ein Ausflussrohr trägt. Je nach der Stärke
des von unten eintretenden W^asserstroms werden Kömer verschiedener Grösse fort-
geführt. Es ist leicht ersichtlich, dass man den Boden hierdurch in eine beliebige Zahl
verschiedener Korngrössen zerlegen kann.
Von Apparaten der zweiten Gruppe kommen die nach Kühn und
Schlüssing immer mehr in Anwendung. Für weitaus die meisten Untersuchungen ge-
nügen sie vollständig und ermöglichen ein rasches Arbeiten.
Nach Kühn wird je 50 gr des gründlich durch Kochen zerkleinerten Bodens in
ein 40 cm hohes und 10 cm weites cylindrisches Glasgefäss gebracht, tüchtig umge-
rührt und zuerst nach 10, dann nach je 5 Minuten die über dem Bodensatz stehende
Flüssigkeit abgehebert und die Operation wiederholt, bis die Fiüssigkeitssäule klar ge-
worden ist. Hierbei werden alle Bodenteile unter 0,1 mm Durchmesser abgeschlämmt.
Die Methode von Schlössing trennt die allerfeinsten Bestandteile ab. Hierzu
wird der Boden (5 — 10 gr) mit dem Finger sehr fein zerrieben, mit wenig verdünnter
Salzsäure und dann mit Ammoniak oder Kalihydrat behandelt und die trübe Flüssig-
keit nach je 12 — 24 Stunden abgehebert.
Beim Abschlämmen erhält man nicht Kömer genau gleicher Grösse, sondern solche,
welche gleich rasch im Wasser niederfallen. Die Geschwindigkeit des Falles wird durch
spezifisches Gewicht und Gestalt beeinflusst, man spricht daher von Bodenbestandteilen
gleichen hydraulischen Wertes. Unterhalb einer gewissen Korngrösse , etwa
0.002 mm ist der Fall sehr verlangsamt oder die Bestandteile bleiben im reinen Was-
ser dauernd schweben. Man kann Thonwässer jahrzehntelang aufbewahren , ohne
dass sie zum Absetzen kommen. Die Ursache dieses Verhaltens bemht auf eigentüm-
lichen Eigenschaften des reinen Wassers. Fügt man jedoch Salzlösungen hinzu, so
erfolgt rasch Bildung von Flocken und Absetzen des Thones (vgl. Krümelung des Bodens).
Der Gehalt an diesen feinsten Bestandteilen im Boden ist für dessen Eigenschaften
ausserordentlich wichtig.
§ 43. b) Der Bau (Struktur) des Bodens. Die mechanische Analyse
behandelte die Zerlegung des Bodens in einzelne Korngrössen. In welcher Weise sich
jedoch diese zusammenlagem , ist noch ein Gegenstand der besonderen Betrachtung.
Vielfach sind Versuche ausgeführt, um auf theoretischem (mathematischem) Wege die
möglichen Arten der Zusammenlagerung festzustellen. Es ist so möglich geworden,
gewisse Grenzwei*te kennen zu lernen, innerhalb welcher die AnfüUung eines Raum-
Eigenschaften der Böden. § 44. 163
teiles Boden durch feste Bestandteile möglich ist, Spekulationen, die Bedeutung für die
Bodenkunde haben, da viele der wichtigsten physikalischen Eigenschaften der Boden-
arten durch die Art und Weise der Lagerung bedingt oder wenigstens im hohen Grade
beeinflusst werden.
Bei solchen Betrachtungen geht man zunächst von der denkbar einfachsten An-
nahme aus, dass alle Bodenbestandteile kugelförmig und von gleicher Grösse sind.
Man unterscheidet dann eine lockerste und eine dichteste Lagerung
der Teile.
a) Die lockerste Lagerung ist vorhanden, wenn man sich die Bodenkügel-
chen senkrecht auf einander gestellt denkt. Es sind dann 52,36^0 des Raumes von
fester Substanz erfüllt, während die lufterfüllten Räume, als Porenvolumen bezeich-
net, 47,64*^/0 ausmachen.
ß) Die dichteste Lagerung tritt ein, wenn die Teile je in den Zwischen-
räumen der tiefer liegenden Kugeln ruhen. Das Poren volumen werde dann 25,95^/o
de« Gesamtvolumens betragen.
In den Fällen a und ß ist die RaumerftiUung durch Substanzen von der Grösse
der einzelnen Kugeln unabhängig.
y) Sind Bodenteile verschiedener Grösse vorhanden, so können sich
kleinere Partikel in die Zwischenräume der grösseren einlagern und hierdurch das
Porenvolumen herabdrücken.
ö) Einzelkorn- und Krümelstruktur. Die bisherigen Betrachtungen
nehmen an, dass die Bodenteilchen frei neben einander lagern. Es
ist dies ein Zustand, den man als Einzelkornstruktur bezeichnet hat.
Li fast allen in der Natur vorhandenen Bodenarten zeigt sich jedoch, dass diese
Voraussetzung nicht oder wenigstens nicht voll erfüllt ist. In der Regel lagern
sich Bodenteilchen zusammen und bilden Aggregate: Krümel;
es kann das nur an einzelnen Stellen geschehen oder den Boden ganz oder doch in
seiner überwiegenden Masse betreffen; von solchen Bodenarten sagt man, sie haben
Krümelstruktur.
Ist Krümelung vorhanden, so werden zugleich die physikalischen Bodeneigen-
schaften, zumal Wasserführung, Erwärmbarkeit, Durchlüftung beeinflussst, das Eindringen
der Wurzeln erleichtert, und durch alle diese Wirkungen wird die Entwicklung der
Pflanzen in so hohem Grade günstig beeinflusst, dass derselbe Boden in Einzelkorn- und -
in Krümelstruktur verschiedenen Ertragklassen angehören kann. Alle fruchtbaren
Wald- und Feldböden zeigen Krümelstruktur.
§ 44. c) Die Ursachen der Krümelung der Böden sind sehr ver-
schiedener Art, die wichtigsten sind : Gegenwart löslicher Salze, namentlich Kalksalze,
Tätigkeit der Tierwelt, Durchwurzelung der Böden, physikalische Vorgänge und me-
chanische Bearbeitung der Böden.
Die Grösse der Bodenteile wirkt bei der Krümelung mit, Sandböden zeigen sie
am ausgesprochensten, wenn humose Stoffe beigemischt sind. Die sich zersetzenden
Pflanzenreste lagern Sandkörner zwischen sich ein und bilden so Krümel von lockerem
Zusammenhalt. Am günstigsten verhalten sich Bodenarten, die aus Sand, Humus und
abschlämmbaren Teilen gemischt sind. Thonböden krümeln sich nur schwierig und ihre
Kriimel zerfallen leicht. Saure reagierende Humusböden sind in der Regel dicht ge-
lagert, während neutrale und nährstoffreiche Humusböden meist gut gekrümelt sind.
Wirkung löslicher Salze. Von löslichen Salzen freie Thonteile bleiben
m reinem Wasser lange auf geschlämmt ; man kann Flaschen mit solchem „Thon-
wasser" jahrelang aufbewahren, ohne dass Absetzen der Mineralstoffe erfolgt. Unter
11*
164 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
dem Mikroskop erkennt man, dass die Bodenteile in schwingender, zitternder Bewegung,
sogenannter „Molekularbewegang'^ oder „pedetischer Bewegung* sind.
Zusatz von Nichtleitern der Elektrizität \\irkt nicht ein; dagegen veranlassen alle
Elektrolj'ten Aufhören der Molekularbewegung und Absatz der suspendierten festen
Teile, die niederfallen, sich zu „Flocken" zusammenlagern, und dadurch Krümel bilden.
Die verschiedenen Salze wirken sehr verschieden stark ein, und jedes Salz bleibt
unterhalb einer gewissen Konzentration unwirksam. (Die Stärke der Salzlösungen muss
einen „Schwellenwert" übersteigen.) Kaustische, kohlensaure und phosphorsaure Alka-
lien sind von geringer Einwirkung; Kalk und Magnesiasalze wirken am kräftigsten
ein ; namentlich scheint kohlensaurer Kalk wirksam zu sein, auch der Kohlensäure (wie
allen Mineralsäuren) kommt starke flockende Wirkung zu. Fester Thon mit V/o Aetz-
kalk versetzt wird zerreiblich und locker gelagert.
Die Gegenwart löslicher Salze ist daher wirksam bei der Krümelung der Boden,
für die Erhaltung der Krümel sind lösliche Salze die wichtigste
Bedingung. Gut gedüngte Böden erreichen daher die „Gahre" viel leichter und
erhalten sie dauernder als Böden im schlechten Düngerzustand.
Einwirkung der Tierwelt. Alle im Boden lebenden wühlenden und
grabenden Tiere fördern die Krümelung (Seite 146). Besondere Bedeutung misst man
den Regenwürmem zu, welche mit ihrer Nahrung viel Erde verschlingen und sie in
gekrümeltem Zustande in ihren Exkrementen absetzen. An Orten, wo viele Regen-
würmer vorkommen (Wiesen, feuchte Niederungen), besteht oft ein sehr grosser Teil
des Bodens aus Exkrementen der Regenwürmer.
Einwirkung der Pflanzenwurzeln fördert die Lockerung des Bodens
und die Krümelbildung. Beim Absterben erleiden die Pflanzen wurzeln während der
Verwesung zahlreiche Volumveränderungen, welche der Krümelung günstig sind.
Physikalische Wirkungen in den Böden machen sich bei Volumänder-
ungen infolge wechselnden Wassergehaltes geltend; am wirksamsten ist der Frost; beim
Gefrieren werden infolge der Volum vergrösserung die Bodenteile auseinander gedrängt
und hierdurch bei grobkörnigen Böden, wenigstens bei armen Sandböden leicht eine Zer-
störung der Krümel herbeigeführt, bei Thonböden jedoch deren Bildung wesentlich ge-
fördert, wobei vielleicht ungleichmässige Verteilung des Wassers im Boden oder noch
mehr die Anordnung der Eiskrystalle nach bestimmten Richtungen wirksam werden.
Bodenbearbeitung steigert die Krümelung der Böden.
Zerstörung der Bodenkrümel. Die Bodenkrümel werden nur durch
schwache Kräfte zusammengehalten und zerfallen unter ungünstigen Verhältnissen. Als
besonders wirksam sind dabei aufzuführen:
Wirkung des Regens. Der Regen zerstört infolge der lebendigen Kraft
der fallenden Tropfen die Bodenkrümel. Auf Flächen, welche nicht während des ganzen
Jahres gegen diese Einwirkung geschützt sind, wie dies im landwirtschaftlichen Be-
triebe die Regel ist, vermindert sich im Laufe der Vegetationszeit die Krümelung. Im
Walde macht sich die schädigende Wirkung des fallenden W^assers überall geltend, wo der
Boden blossgelegt wird ; daher sind alle Böden, auf denen übertriebene Streuentnahme
erfolgt, dicht gelagert. Im Laubwalde, zumal unter Buchen, sind die Stellen des Bo-
dens, welche durch von den Aesten abtropfenden Regen („Traufe") getroffen werden,
immer verdichtet.
Auslaugen der löslichen Salze vermindert die Krümelung unter Um-
ständen sehr stark. Alle Bodenarten unter sauer reagierenden Humusschichten (Roh-
humus) sind dicht gelagert; auch auf streuberechten Böden macht sich diese Wirkung
stark geltend. Schlecht gedüngte Ackerböden büssen auch bei regelmässiger Bearbeitung
Eigenschaften der Böden. § 46. 165
ihre Erümelnng mehr oder weniger ein. Versuchsfelder, auf denen man jahrzehntelang
ohne Düngung Getreide gebaut hat, zeigten diese physikalische Verschlechterung des
Bodens, trotz reichlicher Bodenbearbeitung sehr deutlich.
Bodenbearbeitung kann die Krümelung der Böden sehr stark gefährden,
wenn sie zur ungünstigen Zeit, namentlich bei zu hohem Wassergehalt unternommen
wird ; wenn schwere Regen auf die frisch gepflügte Fläche niedergehen („Dichtschläm-
men" oder „Verschlammen*' des Bodens); oder wenn die Bodenbearbeitung den oberen
gekrümelten Boden mit zu viel dicht gelagertem Untergrund mischt. Namentlich im
Walde ist die letzte Wirkung zu fürchten. Bei schweren Bodenarten kann oft grosser
Schaden verursacht werden, wenn die Regel nicht beachtet wird, mit der Bodenbear-
beitung nicht erheblich tiefer zu gehen als die gekrümelte Schicht reicht.
§ 45. d) Die Lagerung „gewachsener" Böden. Bezeichnet man die
dnrch Menschenhand nicht veränderten und bearbeiteten Böden als „gewachsene" Boden-
arten, so ist die Kenntnis ihrer Lagerung zumal für den Forstmann wichtig. Bei der Unter-
suchung entnimmt man ein bestimmtes Volumen Boden, bestimmt die Menge des Wassers,
der organischen Bestandteile, der Mineralteile, das spezifische Gewicht des Bodens und
hat so alle Daten, um daraus das Volumen der festen Bestandteile festzustellen. Um
einen sicheren Ausgangspunkt zu erhalten, berechnet man zunächst alles auf trocknem
Boden, muss aber auch den durchschnittlichen Gehalt an Wasser berücksichtigen, wenn
man nicht zu irrtümlichen Schlüssen gelangen will.
Dichteste Lagerung der Böden findet man nur unter Wasserbedeckung, wo zumal
Sandböden sehr dicht geschlämmt sind. Alle Waldböden zeigen nahe Beziehungen
zwischen Ertrag und Lockerheit der Lagerung, jedoch ist die Zahl der Bestimmungen
noch zu gering, um allgemeine Regeln ableiten zu können.
Li guten Böden ist die oberste Schicht am lockersten und die Dichtigkeit der
Lagerung nimmt nach der Tiefe zu. Liegt die lockerste Schicht nicht an der Ober-
fläche, sondern in massiger Tiefe, so kann man immer ungünstige Beeinflussungen an-
nehmen.
Märkische Sandböden ergeben für die Oberflächenschicht bis 11 cm folgende Be-
ziehungen :
sehr dicht gelagerte Böden unter 50®/o Porenvolumen
dicht gelagerte „ 50 — 55 „
locker gelagerte „ 55 — 60 „
sehr locker gelagerte „ über 60 „
Die sehr dicht gelagerten Böden entsprechen der IV. und V. Ertragsklasse für
Kiefer, die dicht gelagerten der III. Ertragklasse, die lockeren und sehr lockeren der
IL und I. Ertragklasse. Von ausserordentlichem Einfluss zeigte sich die Bodendecke.
Lehmböden erreichten dieselbe Lockerung wie manche Sandböden, waren aber
nie so dicht gelagert wie die ungünstigeren Sandböden.
§ 46. e) Volumgewicht (spezifisches Gewicht) der Böden und
Bodenbestandteile. Das Volumgewicht der Bodenbestandteile
hat nur geringe Bedeutung; seine Kenntnis ist aber zur Berechnung einzelner physi-
kalischer Eigenschaften notwendig. Im allgemeinen bewegen sich die Zahlen für die
wichtigsten Mineralarten zwischen 2,5 und 3 (Quarz 2,6, Feldspat 2,5 — 2,8, kohlen-
saurer Kalk 2,7, Thon 2,5) ; höheres spezifisches Gewicht haben Hornblende (2,9 — 3,4),
Auglt (3,2 — 3,5) und die Eisen Verbindungen, niederes die Humussubstanzen (1,4 — 1,5).
Grösseres Interesse hat das Volumgewicht der Böden, also das Gewicht
eines Bodens verglichen mit einem gleich grossen Gewicht Wasser. Man bedarf dieser
Grosse zur Berechnung der Wassermengen, Nährstoffmengen u. s. w., welche den Pflanzen
166 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
zur Verfügung stehen, da die Pflanzen mit ihren Wurzeln auf ein bestimmtes Volumen
Boden angewiesen sind. In trocknen Br>den ist das Volumgewicht für Quarz am höch-
sten, für Humus am geringsten ; die Thonsubstanzen stehen zwischen beiden. In feuch-
tem Boden sind die Werte einander mehr genähert.
Die Bezeichnung „leichter" und „schwerer" Boden beziehen sich auf die Schwie-
rigkeit der Bearbeitung, bez. die Widerstände, welche der Boden dem Eindringen der
Werkzeuge entgegensetzt und hsben mit dem absoluten Gewichte nichts zu tun, da
beispielsweise ein Volumen Sandboden höheres Gewicht hat als ein gleich grosses Vo-
lumen des „schwersten" Thonbodens.
§ 47. f) Eohäreszenz und Adhäsion der Böden. Als Eohäres-
zenz (Bündigkeit) des Bodens bezeichnet man die Kraft, mit welcher die einzelnen
Teilchen an einander haften. Ein Mass derselben ist der Widerstand, welchen sie einer
Trennung, sei es durch Zug (relative Festigkeit) oder Druck (absolute Festigkeit) oder
dem Eindringen eines keilförmigen Körpers (Trennungswiderstand) entgegensetzt.
Thon hat die höchste, Humus die geringste Bündigkeit, Quarz und Kalk stehen
zwischen beiden. In Gemischen steigt die Kohäreszenz mit höherem Gehalt an Thon,
tUllt mit höherem Gehalt an Humus. Wasser wirkt bei Thon entsprechend seiner Masse
vermindernd, während Humus, und Quarz bei mittlerem Gehalte den stärksten Zusam-
menhang zeigen. Gekrümelte Bodenarten zeigen weniger Kohäreszenz als dicht gelagerte.
Die Adhäsion (Klebrigkeit) macht sich bei Bearbeitung des Bodens mit eiser-
nen und hölzernen Werkzeugen bemerkbar. Thon vennehrt, Sand und Humus ver-
mindert die Klebrigkeit; bei Thonboden erreicht sie die grösste Höhe bei etwa 8(y*/o,
bei Humus und Sand steigt sie bis zur vollen W^asserkapazität.
Kohäreszenz und Adhäsion stehen in naher Beziehung zu einander; sie treten
namentlich bei Bearbeitung des Bodens hervor, welche bei mittlerem Wassergehalt am
vorteilhaftesten auszuführen ist; zumal gilt dies für schwere Bodenarten, die bei wenig
Wasser in schweren Schollen umbrechen, bei viel Wasser leicht zur Verschlammung führen.
§ 48. g) Volumänderungen der Böden bei wechselnden Wassergehalten
(Temperaturunterschiede machen sich kaum bemerkbar) sind bei grobkörnigen Böden
kaum messbar, erreichen aber bei sehr feinkörnigen und namentlich bei humosen Böden
hohe W^erte. Bei den Mineralböden steht im allgemeinen die Volumänderung im um-
gekehrten Verhältnis zur Korngrösse, bei humosen Bodenarten wird ausserdem die ge-
latinöse Beschaffenheit vieler Humusstoffe wirksam, und bewirkt unter Umständen ein
Schwinden austrocknender Torfstücke auf Vö — ^Z* des ursprünglichen Volumens. Die
Volumänderungen sind ein wirksames Mittel, die Krümelung der Böden zu fordern,
zumal wenn sie mit Spaltenbildung verbunden sind.
Spaltenbildung. Das Austrocknen der Böden erfolgt bei frei liegenden
Böden nur durch Oberflächenverdunstung ; hierbei mindert sich das Volumen der obersten
Bodenschicht erheblich und es bilden sich Spalten, die je nach dem Mass des
Schwindens und der Bindigkeit der Böden in verschiedenem Abstände auftreten. Spal-
tenbildung kann durch Zerreissen von Wurzeln auf die Pflanzen schädigend wirken
und steigert das Austrocknen des Bodens erheblich. Etwas abweichend gestalten sich
die Verhältnisse im bestandenen Boden; die Pflanzen steigern durch ihren W^asserver-
brauch die Verdunstung erheblich, erschöpfen dabei aber namentlich tiefere Boden-
schichten, so dass die Volumänderungen weniger an der Oberfläche sichtbar werden;
es bilden sich dabei zahlreiche kleinere Spalten.
§ 49. h) Schichtung und Mächtigkeit des Bodens üben auf den
Pflanzenwuchs den grössten Einfluss aus. Es kommt wohl kaum vor, dass der Boden
in seiner ganzen den W^urzeln zugänglichen Tiefe einheitlich zusammengesetzt ist;
Eigenschaften der Böden. § 50. 167
selbst bei mächtigen Sandschichten zeigen die obersten Lagen im Hamasgehalt and
Dichtigkeit Abweichungen. Je mehr die einzelnen Bodenschichten von einander ab-
weichen, am so stärker beeinflassen sie die physikalischen Eigenschaften der überlagern-
den. Die Kenntnis des „Bodenprofiles'' ist daher von grosser Bedeutung. Man
unterrichtet sich hierüber durch besondere Einschläge, Beobachtung offener Durchschnitte
(an Wegrändern, Gräben u. s. w.) und durch Bohrungen mittelst Handbohrer, sog. Erd-
bohrer und Bohrstöcke.
Der Waldboden zeigt fast überall drei unterscheidbare Schichten ; zu oberst eine
mehr oder weniger humose und gekrümelte Schicht, hierunter eine meist dunkler ge-
färbte gelbe bis braune (rote) Schicht und darunter den noch wenig veränderten ur-
sprünglichen Mineralboden. Je nach Gesteinsart und örtliche Verhältnisse lassen sich
oft abweichende Schichten feststellen, jedoch ist die angegebene Dreiteilung in den
gemässigten Gebieten von Mitteleuropa herrschend. Einheitliche Bezeichnungen für diese
Bodenschichten sind nicht im Gebrauch ; in der Regel wird die oberste Lage als Wald-
erde, Oberboden, Obergrund, Muttererde und werden die tieferen Schich-
ten als Untergrund bezeichnet.
Landwirtschaftlich genutzte Böden zeigen deutliche Unterschiede zwischen der
regelmässig bearbeiteten und gedüngten Schicht „Vegetationsschicht" (Ober-
grnnd, Ackerkrume) und dem Unter gründe.
Die Mächtigkeit des Bodens, d. h. die Tiefe der für Pflanzen wurzeln durch-
dringbaren Schicht, ist von grosser Bedeutung ; von ihr ist namentlich die den Pflanzen
zur Verfügung stehende Wassermeuge abhängig. Wenn möglich, soll daher das Boden-
profil bis zur nächsten für die Pflanzenwurzel undurchdringbaren Schicht reichen. In
Gebieten mit anstehenden Gesteinen ist zumeist anstehender Fels die untere Grenze;
im Flachlande, Tälern sind es zumeist Schichten von Thon, Kies, Schotter, oft auch
Grundwasser, was ebenfalls als Grenzschicht anzusehen ist. In manchen Fällen, zumal
in Sandböden ist eine Grenzschicht nicht zu erreichen, man stellt dann die Mächtigkeit
bis zu 2 m Tiefe (die Grenze handlicher Bohrapparate) fest.
Man unterscheidet die Böden als:
sehr flachgründig, bis 15 cm Tiefe
flachgründig 15—30 „
mittelgründig 30—60 „ „
tiefgründig 60—100 „
sehr tiefgründig über 100 „ „
§ 50. i) Die Farbe des Bodens. Die grosse Anzahl der mineralischen
Gemengteile des Bodens sind farblos; die Farbe des Bodens wird zumeist durch Bei-
mengungen farbiger Bestandteile verursacht. Als solche kommen fast ausschliesslich
organische Stoffe und Eisenverbindungen vor. Je nach der Zusammensetzung des Bo-
dens, zumal je nach der Komgrösse bedarf es wechselnder Mengen der färbenden Be-
standteile, um denselben Farbenton hervorzubringen. Im nassen Zustande erscheinen
die Böden dunkler, oft auch leuchtender gefärbt.
Beimengung humoser Stoffe verursachen die grauen bis schwarzen, Eisen-
verbindungen die gelb bis braunen und roten Färbungen der Böden. Die roten Fär-
bungen sind auf Gehalt an Eisenoxyd, oft in coUoidaler Form, zurückzuführen; sie
herrschen namentlich in wärmeren Erdteilen vor, fehlen aber auch gemässigten Zonen
nicht. Gelbe bis braune Färbungen werden wahrscheinlich durch Eisenoxydsilikate,
seltener durch Gehalt an Eisenhydroxyd hervorgerufen ; es sind die herrschenden Boden-
färbungen in Mitteleuropa. Sind Eisenverbindungen und humose Stoife gleichzeitig in
Erbenden Mengen in den Böden vorhanden, so ergeben sich unreine, „schmutzige'' Farben.
168 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Die Farbe des Bodens hat nur geringe Bedeutung für die Erwärmbarkeit : sonst
ist sie als Hilfsmittel wichtig, Veränderungen des Bodens zu verfolgen und Einblick
in chemische Umsetzungen zu erlangen.
§ 51. k) Boden und Wasser. Die im Boden vorkommenden Stoffe sind
sämtlich benetzbar; an der Oberfläche der Bodenteile wird daher Wasser durch Ad-
häsion festgehalten. Die Entfernung der Bodenteile von einander ist gering, so da&s
kapillar wirkende Hohlräume zwischen den einzelnen Partikeln vorhanden sind, welche
Wasser festhalten können. Einzelne Bodenbestandteile, humose und thonige Stoffe, im
weiteren Sinne auch die Bodenkrümel, vermögen Wasser in ihre Substanz einzulagern
(sog. Imbibitionswasser) und aufzuquellen ; zumal Moorböden verdanken ihren
hohen Wassergehalt dieser Eigentümlichkeit.
Die Adhäsion wirkt entsprechend der Oberfläche ; die Oberfläche w ächst sehr
stark mit Abnahme der Xorngrösse. Nimmt man mit Soyka an, dass die festgehaltenen
Wasserschichten 0,005 mm Dicke besitzen, so würde Boden bei lockerster Lagerung
festhalten
bei 1,0 mm Komgi'össe 0,008 Liter Wasser
» 0,01 „ „ 0,117 „
. 0,01 „ „ 1,757 „
Ist die Annahme einer Wasserschicht von 0,005 mm Dicke auch sehr hoch, so
ergibt sich doch, auch wenn man die Zahl stark kleiuert, eine grössere Wasser-
menge als dem Porenvolumen entspricht, d. h. der Boden muss beim
Anfeuchten starke Volumvermehrung erleiden, wie dies für Thonböden und hu-
mose Böden bekannt ist. Die Menge des durch Adhäsion festgehaltenen Wassers ge-
nügt bereits, um dies Verhalten zu erklären.
Kapillarwirkungen. Neben dem Wasser, welches durch Adhäsion fest-
gehalten wird, findet sich in jedem Boden solches, welches in kapillaren Hohlräumen
zurückbleibt. Indem die einzelnen Bodenbestandteile sich zusammenlagem , bilden sie
ein mehr oder weniger zusammenhängendes Netz von Haarröhren. Die chemische Zu-
sammensetzung der Bodenarten beeinflusst die Kapillarität nicht, da die Höhe, zu wel-
cher eine Wassersäule kapillar gehoben werden kann, nur vom Querschnitt der Oeffnung
abhängig ist.
Die Zahl der im Boden befindlichen Kapillarräume ist natürlich von der Kom-
grösse in erster Reihe abhängig (vergl. auch Kondensationswirkungen d. B.); grob-
körnige Bodenbestandteile wie Kies und grober Sand enthalten nur an ihren Berüh-
rungsstellen einige wenige kapillar wirkende Punkte; zu der durch Adhäsion festge-
haltenen Flüssigkeitsmenge tritt nur noch wenig hinzu. Anders bei feinkörnigen Bo-
denarten, die sich dicht zusammenlagern und eine grosse Zahl von kapillar wirkenden
Hohlräumen besitzen. Man unterscheidet daher in den Bodenarten die im Poren volum
enthaltenen Hohlräume als kapillar wirkende und als nicht kapillar wirkende.
Wasserkapazität. Jeder Boden ist befähigt, Wasser in seinen Poren auf-
zunehmen und längere oder kürzere Zeit festzuhalten ; dieses Speicherungsvermögen für
Wasser bezeichnet man als Wasserkapazität, und drückt sie am besten in Vo-
lumprozenten des Bodens aus. Vielfach wird man sich allerdings mit Angabe in Ge-
wichtsprozenten begnügen müssen, aber es ist immer erwünscht, den Wassergehalt eines
Volumen Bodens zu bestimmen. Für Sandböden ist der Unterschied zwischen beiden
Arten der Darstellung unerheblich, wird aber bedeutend bei Thon- und namentlich bei
Humusböden.
Man unterscheidet die grösste oder volle und die kleinste oder ab-
solute Wasserkapazität.
Eigenschaften der Böden. § 51. 169
Die kleinste oder absolute Wasserkapazität ist ein Mass
der Wass ermenge, welche von einem Boden dauernd festgehalten
wird, die also nicht in die Tiefe abfliessen kann und den Pflanzen in regenlosen Zeiten
znr Verfügung steht. Es ist vielleicht die bedentsamste physikalische Eigenschaft der
Boden überhaupt.
Die grösste oder volle Wasserkapazität ist ein Mass der Wasser-
menge, welche bei völliger Tränkung der Erdsäule aufgenommen werden kann. Die
prrosste Wasserkapazität fällt vielfach mit dem Porenvolumen zusammen und würde
ohne Voluroänderungen für alle feinkörnigen Bodenarten damit übereinstimmen. Die
g^össtc Wasserkapazität tritt daher nur in Zeiten ausgiebiger Niederschläge und in der
Nähe des Grundwassers in Wirksamkeit. Im letzteren Falle wird mehr Was-
ser festgehalten als im grösseren Abstände von der W^asseroberfläche.
Die Grösse der Wasserkapazität beeinflussen:
a) Die Korngrösse. Der Einfluss der Komgrösse macht sich am stärksten
bei jenen Bestandteilen geltend, die nicht porös sind. Für Quarzkörner fand Wollny:
bei 1—2 mm Korngrösse 3,66 Vol. ®/o
„ 0,25-0,50 „ , 4,38 , „
„ 0,11-0,17 „ „ 6,03 , „
., 0,01—0,07 „ „ 35,50 „ ^
Einfache Zerkleinerung hatte also eine zehnfache Vergrösserung der Wasserka-
pazität herbeigeführt.
ß) Einfluss der Krümelung macht sich durch wesentliche Herab-
setzung der Wasserkapazität bemerkbar ; gut bearbeitete Böden , ebenso
lockere Waldböden enthalten daher im Frühlinge und andern Zeiten hoher Bodenfeuch-
tigkeit erheblich weniger Wasser als dichtgelagerte Bodenarten. Ein Verhältnis,
welches sich im Verlauf der Vegetationszeit durch den Gang der Verdunstung umkehrt.
Die Grösse der Krümel ist von geringem Einfluss auf die Wasserkapazität; so
fand Wollny die Wasserkapazität von Lehmboden- Krümel von 0,5 — 9 mm D. zu 31,05
bis 32,62 Vol. ^/o; für denselben Boden in pulverförmigem Zustande aber zu 42,91 Vol. 7o.
y) DerEinfluss der lockeren oder dichten Lagerung der Boden-
bestandteile muss sich auch auf die Wasserkapazität geltend machen. Im stark ge-
lockerten Böden sind eine grössere Anzahl von Hohlräumen nicht kapillar; sie ver-
mögen also Wasser nicht festzuhalten. Durch stärkeres Zusammenpressen, also dich-
tere Lagerung der Bodenteile wird dann die Wasserkapazität gesteigert werden.
Natürlich gilt dies nur bis zu einem gewissen Grade; wird dieser überschritten, so
wird die Grösse der Hohlräume beeinträchtigt und damit die Menge des aufnehmbaren
Wassers beschränkt. Jede Bodenart hat demnach ein Optimum der Wasserkapazität,
jedes dichtere Zusammenlagern oder jede fernere Lockerung >^ärd dieselbe herabsetzen.
Einige Versuche von Wollny zeigen dies; er fand eine W. K. für:
huraosen Kalksand (locker) 48,12 Vol. ®/o
„ ^ (mitteldicht) 50,68 „ „
., (sehr dicht) 44,36 „ .,
Die grössere Anzahl der regelmässig bearbeiteten Kulturböden beflndet sich im
Znstand einer sehr lockeren Lagerung, durch Zusammenpressen wird die Wasserkapa-
zität gesteigert. Die Praxis macht hiervon Gebrauch, indem durch Walzen etc. die
oberste Bodenschicht gedichtet wird.
S) Steine im Boden setzen infolge der Verringerung der kapillar wirkenden
Hohlräume die Wasserkapazität herab; nach den vorliegenden Versuchen jedoch im
minderen Masse, als der Volumerfüllung der Steine entspricht.
170 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
e) Znr Bestimmung der Wasserkapazität hat man verschiedene Me-
thoden angegeben ; die beste derselben von Wollny. Man füllt eine 10 cm weite Glasrohre
von 1 m Länge, deren oberstes Dezimeter abnehmbar ist, unter Aufstampfen mit Erde,
sättigt den Boden durch Aufgiessen mit Wasser und bestimmt nach 50 Standen die
Wasserkapazität im obersten Dezimeter Erde. Alle angewandten Methoden sind brauch-
bar, um Vergleiche zwischen zwei oder mehreren Böden zu ermöglichen, als absolute
Masse können die erhaltenen Zahlen nicht betrachtet werden. Sichere Resultate wird
man nur erlangen, wenn man gewachsenen Boden mit Wasser sättigt, gegen Ober-
flächenverdunstung schützt und den Wassergehalt eines Volumen Boden nach 2 — 3 Tagen
bestimmt. Vorteilhafter untersucht man den Boden vor Beginn der Frühjahrsvegetation
(März, April), nachdem 3 — 5 Tage stärkere Niederschläge nicht eingetreten sind.
§ 52. l) Kapillarleitung des Wassers im Boden. Alle Bodenteil-
chen sind hier als benetzbar angenommen, wie dies im wesentlichen auch den Tatsachen
entspricht, es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in manchen Böden nicht unerhebliche
Mengen harziger und wachsartiger, vielleicht auch den Fetten zuzurechnende Stoffe
vorkommen. Namentlich nährstoifarme Sande sowie Torfböden scheinen daran nicht
arm zu sein. In wieweit die Benutzbarkeit des Bodens durch diese Bestandteile be-
einflusst wird, lässt sich zur Zeit nicht angeben, wohl aber bestehen Beziehungen zum
Wassergehalt des Bodens. Bei trocknen Böden tritt die Oberflächenspannung des Was-
sers in Wirksamkeit, während bei feuchten Böden nur die durch Reibung verursachten
Widerstünde dem Eindringen des Wassers entgegenstehen. Zumal in humosen und sehr
feinkörnigen Böden tritt diese Wirkung der Austrocknung hervor. Chausseestaub ist
nach starken Grewitterregen oft nur ganz oberflächlich durchfeuchtet, und auf begange-
nen Wegen findet man nach Regen auf humosen Sauden oft kleine Wasserlachen, wäh-
rend der unterliegende Boden staubtrocken ist. Eindringen von Wasser, wie kapillare
Wasserleitung im Boden, ist daher in hohem Masse von der bereits vorhandenen Feuch-
tigkeit abhängig und wird im Durchschnitt um so schneller erfolgen, je reicher der
Boden bereits an Wasser ist. Die vorliegenden Untersuchungen über kapillare Leitung
des Wassers berücksichtigen mit wenigen Ausnahmen diese Verhältnisse nicht und be-
ziehen sich auf trockene Böden.
Die Steighöhe einer Flüssigkeit in Kapillarröhren ist dem halben Durchmesser
derselben umgekehrt proportional; dementsprechend wird die Flüssigkeit um so höher
gehoben, je kleiner die Zwischenräume, bez. je feiner die Bodenbestandteile sind, üeber
eine gewisse Korngrösse hinaus werden die Hohlräume immer grösser und verlieren aUmäh-
lich die Fähigkeit, Wasser kapillar zu heben. Im Boden tritt dies bei einer Korn-
grösse von etwa 2 — 3 mm ein. In einem Grrandboden findet kapillare Wasserleitung
überhaupt nicht statt.
Die Geschwindigkeit der Bewegung ist von der Reibung abhängig, welche die
Wasserteile in den Hohlräumen erfahren und die natürlich mit abnehmenden Korn-
grössen stark zunimmt. Die Schnelligkeit der Leitung müsste daher in grobkörnigem
Material am grössten sein ; einige Versuche deuten aber darauf hin, dass mittlere Kom-
grössen (0,05 — 1,0 mm D.) am raschesten leiten. In Thon- und Humusböden ist da-
gegen die Verlangsamung so gross, dass die theoretisch sehr grossen Steighöhen (bis
100 m und mehr berechnet) praktisch ohne Bedeutung sind.
Steine im Boden setzen durch Unterbrechung der Kapillarräume die Leitung
herab, aber weniger als dem Verhältnis ihrer Menge entspricht.
Von Wichtigkeit in bezug auf kapillare Leitungen ist der Einfluss der Schich-
tung. Als Regel gilt, dass feinkörnige und dicht gelagerte Schichten den grobkörnigen
und locker gelagerten Wasser zu entziehen vermögen; ferner, dass der üebertritt aus
Eigenschaften der Böden. § 53. 171
einer Schicht in eine andere um so mehr erschwert ist, je abweichender deren Kom-
grössen sind.
Gekrümelte Böden leiten das Wasser langsamer als pulverige, eine Folge der
vielfachen Unterbrechung der kapillar wirksamen Hohlräume. Man macht Grebrauch
von diesem Verhalten beim Walzen des Bodens, wodurch nicht nur die Wasserkapazität
gesteigert, sondern auch der kapillare üebertritt des Wassers gefördert wird. Ander-
seits beruht das raschere Austrocknen dicht gelagerter Bodenarten auf der grösseren
Leichtigkeit der Leitung des Wassers aus den tieferen Schichten an die Oberfläche.
Kapillares Ansteigen des Wassers im Boden ähnlich wie dies in Haarröhrchen
geschieht, erfolgt nur bei höherem Wassergehalt und hört auf, wenn dieser auf 40— 50**/o
der höchsten W^asserkapazität sinkt. In sehr vielen, vielleicht den meisten Boden-
arten und während der Vegetationszeit ist dies der Fall. In solchen Böden bewegt
sich dann das Wasser nur entlang der Oberfläche der Bodenteile; natürlich verläuft
dieser Vorgang sehr langsam und sinkt immer mehr, mit abnehmendem Wassergehalt,
da die Anziehung der festen Bodenpartikel mit Abnahme der Dicke der Wasserschichten
steigt.
Die Bedeutung der kapillaren Wasserhebung in der Natur ist vielfach überschätzt
worden. Am stärksten tritt sie in Wirkung in der Nähe des Grundwassers, vermag
aber z. B. in Sandböden den Wassergehalt nur auf 40 — 50 cm Höhe wesentlich zu
steigern. Viel wichtiger für Ausgleich der Feuchtigkeit im Boden ist die langsame
Bewegung des Wassers an der Oberfläche der Bodenkömer und sind Tauniederschläge
im Boden.
§ 53. m) Die Durchlässigkeit des Bodens. Die Kapillarwirkungen
regeln das Eindringen und den Durchtritt des Wassers im Boden. Bei den bisherigen
Betrachtungen wirkte die Kapillarität dem Gresetz der Schwere entgegen. Beim Ein-
dringen des Wassers im Boden, also der Bewegung von oben nach unten wirken da-
gegen beide Kräfte nach derselben Hichtung. Die sich hieraus ergebenden Regeln sind
leicht verständlich. Das Eindringen des Wassers wird durch höhere Komgrösse, Krü-
melung, Lockerung des Bodens verstärkt, durch dichte Lagerung und geringe Kom-
grösse vermindert.
Der Durchtritt des Wassers wird im gleichen Sinne beeinflusst, während Grande,
Sande, gekrümelte Bodenarten leicht durchlässig sind, vermindert sich dies mit Abnahme
der Komgrösse und Grehalt an colloidalen Bestandteilen stark, so dass Thon- und Hu-
musböden für die Praxis als undurchlässig zu bezeichnen sind.
Finden sich in einem Boden Schichten verschiedener Zusammensetzung, so richtet
sich der Grad der Durchlässigkeit nach der Schicht, welche dem Durchtritt des Was-
sers den grössten Widerstand bietet. Thonlagen, Streifen eisenschüssiger Sande, Ort-
stein u. dergl. beeinflussen hiemach die Wasserverhältnisse eines Bodens ausserordent-
lich und auch dann, wenn diese Lagen nur dünn sind. Anderseits kann man, zumal
nach Niederschlägen, grobkörnige, kiesige Bodenschichten reich an Wasser finden (Was-
seradern), da der Bewegung des Wassers hier die geringsten Widerstände geboten sind.
Im gewachsenen Boden wird das Eindringen des Wassers sowie dessen Durchtritt
noch durch verschiedene andere Faktoren beeinflusst. Richtungen geringen Widerstan-
des in festen Böden ergeben sich durch die Höhlungen und Röhren der erdbewohnenden
Tiere, sowie durch die Wege abgestorbener und verrotteter Wurzeln. Namentlich
Regenwürmer drainieren schwere Bodenarten oft mehrere Meter tief und ihre zahlreichen
Gänge lassen Wasser rasch in den Boden eindringen.
Die in unseren Gebieten wichtigsten Bodenarten, Lehm- und Sandböden verhalten
sich endlich wesentlich verschieden infolge ihrer Struktur. Sandböden werden vom
172 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Wasser in ihrer ganzen Masse gleichmässig darchsnnken ; Lehmböden sind dagegen fast
stets porös, von feinen Röhren durchsetzt, in die das Wasser eindringt; von dort
aus sättigen sich die benachbarten Bodenteile kapillar.
§ 54. n) DieVerdnnstnng des Wassers im Boden. Die Yerdanstang
des Wassers im Boden ist zunächst von meteorologischen Verhältnissen abhängig. Nar
mentlich machen sich Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung geltend ; in hohen
Lagen tritt hierzu noch die gesteigerte Verdunstung infolge niederen Luftdruckes.
Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind die überall wirkenden Faktoren
der Verdunstung. Der beste Massstab der Verdunstung bietet das „Sättigungs-
defizit", d. h. die Menge Wasser, welche die Luft noch aufzunehmen vermag, aus-
gedrückt in mm Quecksilberdruck. Leider vernachlässigen die meteorologischen Ver-
öffentlichungen diesen Faktor fast gänzlich und so ist man bei den Untersuchungen
über Verdunstung angewiesen auf den viel weniger durchsichtigen Ausdruck der „rela-
tiven Feuchtigkeit**, d. h. der Wassermenge, welche in der Luft vorhanden ist
ausgedrückt in Prozenten der aufnehmbaren Feuchtigkeit.
Je nach dem Verhältnis von Niederschlag, Luftfeuchtigkeit und Temperatur zur
Verdunstung ist das Klima eines Gebietes a) feucht oder humid, wenn die Nieder-
schläge die Verdunstung überwiegen und das Sättigungsdeiizit gering ist; trocken
oder arid, wenn die Verdunstung die Niederschläge überwiegt und das Sättigungs-
defizit hoch ist. Die Summe der Niederschläge tritt gegenüber diesen Faktoren zurück.
(Das Klima kann in borealen Grebieten bei geringen Niederschlägen feucht, in tropischen
bei hohen Niederschlägen trocken sein).
Die herrschenden Winde sind von hohem Einfluss für die Verdunstung,
welche bei sonst gleichen Verhältnissen mit der Geschwindigkeit und Dauer der Luftbe-
wegung steigt.
Die Verdunstung des Wassers im Boden erfolgt überwiegend von der
Oberfläche aus, welche ihre Feuchtigkeit an die Atmosphäre abgibt; solange reichlich
Wasser im Boden vorhanden, tritt kapillare Leitung von unten nach oben ein. Sinkt
der Gehalt an Wasser unter etwa 50®/o der höchsten Wasserkapazität, so tritt an
Stelle der kapillaren Wirkungen die Wanderung des Wassers entlang der Oberfläche
der Bodenteilchen, die nur langsam erfolgen kann und zumeist von der Verdunstung
überholt wird. Die Oberfläche des Bodens kann so stark austrocknen und wirkt nun
als schützende Decke für die unterliegenden Schichten, welche weniger erwärmt werden
und namentlich der Wirkung des Windes entzogen sind. Hierdurch wird die Verdun-
stung stark herabgesetzt und dies natürlich um so mehr, je mächtiger die abgetrocknete
Schicht wird, oder was dasselbe sagen will, je tiefer die verdunstende Fläche liegt.
Unterbricht man den kapillaren Zusammenhang zwischen den Bodenschichten durch
oberflächliche Bodenbearbeitung (Behacken u. dergl.), so trocknet die bearbeitete Erde
völlig aus und schützt dann die tieferliegenden Schichten vor Verdunstung. Ober-
flächliche Bodenbearbeitung ist daher eines der besten Hilfs-
mittel zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit.
Aus diesem Verhalten werden folgende Sätze leicht verständlich.
ß) Die Verdunstung steigt mit der Oberfläche. Böden in rauher Furche; Ans-
formung in Dämmen, Hügeln u. dergl. steigert die Verdunstung.
ß) Böden mit hohem Wassergehalt und starker Kapillarleitung verlieren durch
Verdunstung mehr Wasser als Böden mit wenig Wasser und geringer Leitung. Böden
gleicher Art und Wassergehalt erreichen dabei in annähernd gleicher Zeit den lufttrock-
nen Zustand.
y) Dicht gelagerte Böden verdunsten stärker als locker gelagerte.
Eigenschaften der Böden. § 55. 173
<f) Krümelung setzt die Verdunstung stark herab. Hierauf be-
ruht es, dass gekrümelte Böden in trocknen Zeiten mehr Wasser enthalten als dicht
gelagerte, obgleich deren Wasserkapazität höher ist. Im Frühlinge findet man in den
letzteren daher fast stets mehr Wasser als in den ersteren, während sich dies Verhält-
nis in Zeiten der Trocknis umkehrt.
() Böden der verschiedensten Art in völlig wassergesättigtem Zustande haben
annähernd gleiche Oberfläche und damit annähernd gleiche Verdunstung. Bei geringe-
rem aber immer noch beträchtlichem Wassergehalt gilt die Regel, dass die feuchteren
Böden auch mehr Wasser verlieren. Böden in dauernder Berührung mit Grundwasser
verdunsten im Laufe der Zeit grosse Wassermengen.
5) Die Verdunstung völlig mit Wasser gesättigter Böden ist höher als die einer
Wasserfläche, es wird dies durch die rauhe und damit grössere Bodenoberfläche verur-
sacht. Namentlich Moorböden, zumal wasserreiche Hochmoore erleiden sehr grosse Was-
serverluste.
17) Der Wassergehalt der Böden wird stark durch orographische Verhältnisse und
durch Bedeckung (siehe Bodendecke) beeinflusst.
Zusatz. Tauniederschläge im Boden sind bisher wenig untersucht
worden, scheinen jedoch für die Verteilung des Wassers im Boden grosse Bedeutung
zu haben. Soweit Untersuchungen bekannt sind, ist die Bodenluft in unseren Gebieten
fast stets mit Wasserdampf gesättigt. Im Laufe der Nacht kühlen sich die oberen
Bodenschichten ab und sind kälter als die tieferen. Aufsteigende Luft muss daher
Wasser an die oberen Bodenschichten abgeben.
§ 55. 0) Die Feuchtigkeits Verhältnisse gewachsener Böden
bedürfen noch vielfacher Untersuchungen. Als Regeln dürfen gelten:
a) Während der kalten Jahreszeit sättigen sich die Böden infolge verminderter
Verdunstung mit Wasser und enthalten im Frühjahr, vor Beginn der Vegetationszeit,
durchschnittlich soviel Feuchtigkeit , als ihrer kleinsten Wasserkapazität
entspricht (W interfeuchtigkeit). Im Laufe der Vegetationszeit vermindert sich
der Gehalt an Wasser durch direkte Verdunstung und durch den Verbrauch der Pflanzen.
Je nach der Bodenart gestalten sich nun die Verhältnisse in unseren Gebieten verschieden.
Sandböden haben im grossen Durchschnitt eine Wasserkapazität von 4 — 5 Volum-
prozenten ; der Gehalt sinkt in Zeiten starker Trocknis auf 1 — 2^0 Wasser in den von
Wurzeln durchzogenen oberen Bodenschichten. Die durchschnittlichen Niederschläge
vermögen daher in Sandböden immer wieder den Boden mit Wasser zu sättigen; bei
ausgiebigen Niederschlägen sickert sogar noch Wasser in die Tiefe ab. Sandböden
sind daher relativ starken Schwankungen im Feuchtigkeitsgehalt ausgesetzt. Die Win-
terfeuchtigkeit ist für sie von geringer Bedeutung.
Schwerere Bodenarten, als deren Typus ein mittlerer Lehmboden dienen kann,
haben etwa im Mittel eine Wasserkapazität von 15 — 20 Volumprozent und im Früh-
ling einen entsprechenden Wassergehalt. Im Laufe der Vegetationszeit sinkt dieser
Grehalt je nach den Gebieten oft auf 6 — 7 Vol. Prozent.
Niederschläge von etwa 30 mm werden daher ausreichen, eine Schicht von 1 m
Mächtigkeit bei Sandböden völlig wieder mit Wasser zu sättigen, dagegen in Lehm-
böden nur die obersten 2 — 3 Dezimeter mit Wasser versorgen können. Die Vegetation
auf schweren Böden ist daher für ihren Wasserbedarf zum grossen Teil auf die in der
kalten Jahreszeit aufgespeicherten Vorräte angewiesen. Die Winterfeuchtig-
keit ist daher für alle schwereren Böden von hoher Wichtigkeit.
Im allgemeinen vermindert sich der Wassergehalt der Böden im Laufe der Vege-
tationszeit stark und erreicht im September, bez. der ersten Hälfte des Oktober ein
174 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
Minimum ; von dort an steigt der Wassergehalt und entspricht in der Eegel im Dezem-
ber oder Januar bereits der geringsten Wasserkapazität.
Man unterschätzt leicht die Menge des im Boden aufgespeicherten Wassers. Eine
Schicht von 2 — 4 m Lehmboden oder von 5 — 8 m Sandboden enthält soviel Feuchtig-
keit, als den jährlichen Niederschlägen entspricht.
§56. p) Sickerwasser und Grundwasser. Der von den Böden nicht
festgehaltene Teil der Niederschläge folgt den Gesetzen der Schwere und sickert in
die Tiefe ab bis zu einer undurchlässigen Schicht. Die Tiefe, welche die Wasser hier-
bei erreichen, ist je nach den örtlichen Verhältnissen verschieden.
Die Menge der Sickerwässer ist zunächst von der Höhe der Niederschläge, dann
von Jahreszeit, Bodenbedeckung und Bodenart abhängig. In der Regel liefern mit
Pflanzen bestandene Böden während der Vegetationszeit keine Sickerwässer ; Ausnahmen
hiervon machen nur Sandböden während nasser Perioden. Die Hauptmenge der Wässer
fliessen im Winter und bei gefrorenem Boden im ersten Frühjahr ab.
Grundwasser entsteht dadurch, dass die Sickerwässer sich auf undurchläs-
sigen Schichten im Untergründe ansammeln. Sie unterliegen dort in gleicher Weise
wie die oberflächlichen Gewässer den hydrostatischen Gesetzen, nur dass ihre Bewegung
der Reibung der Bodenteile entsprechend verlangsamt ist. Das Grundwasser kann so
unterirdische Bäche, Ströme, Seen u. s. w. bilden.
Die Grundwässer unterliegen jährlichen und in längeren Perioden verlaufenden
Schwankungen. Im Laufe des Jahres erreichen die Grundwasser ihren höchsten Stand
im Frühlinge und vermindern sich im Laufe der Vegetationszeit allmählich.
Auf längere Perioden der Grundwasserschwankungen, die etwa 30 Jahre umfassen,
hat Brückner aufmerksam gemacht.
§ 57. q) Das Verhalten des Bodens zur Wärme.
a) Quellen der Wärme. Die Wärme des Bodens entspringt fast ausschliess-
lich der Sonnenbestrahlung. Die Eigenwärme der Erde (die Temperatur steigt beim
Eindringen in die Erde um rund 1® auf 30 m) übt nur verschwindenden Einfluss, eben-
so die bei Verwitterung der Gesteine frei werdende Wärme. Durch Verwesung orga-
nischer Stoffe kann merkbare Steigerung der Temperatur eintreten ; dieser Vorgang ist
jedoch von Anhäufung von Pflanzenresten abhängig, wird daher nur lokal wirksam
und verläuft überwiegend in der wannen Jahreszeit. Messungen der Temperatur auf
stark gedüngten Feldern zeigten Temperaturzunahme von Mai bis Juli um etwa einen
halben Grad. Die Gärtnerei macht bei Anlage der Mist- oder Treibbeete von der bei
starker Verwesung frei werdenden Wärme Gebrauch.
ß) Die Erwärmung des Bodens wird ausser durch die allgemeinen klimatischen
und orographischen Faktoren beeinflusst durch
1. die chemische Zusammensetzung und die Wärmekapazität
verschiedener Körper.
Als Einheit der Messung dient die Wärmemenge, welche erforderlich ist, die
Temperatur von 1 Vol. Wasser um 1^ C. zu erhöhen und die gleich 1 gesetzt wird.
Da das Wasser von allen bekannten Körpern die höchste Wärmekapazität hat,
so drückt man die andern Stoffe durch einen Dezimalbruch aus. (Hat demnach ein
Körper die Wärmekapazität 0,5, so wird die Hälfte der für Wasser notwendigen Wärme-
zufuhr genügen, um die gleiche Menge um 1® zu erhöhen).
Die Wärmekapazität der wichtigsten Bodenstoffe ist für
(Wasser = 1) Quarzsand 0,196
Humus = 0,477 Kalksand 0,214
Kaolin 0,233
Eigenschaften der Böden. § 57. 175
Den hauptsächlichsten Einfluss auf die Erwärmbarkeit der Böden übt der Was-
sergehalt, demnächst der an organischen Stoffen aus; wasserreiche Bodenarten bezeich-
net man deshalb als „kalte'', wasserarme als „warme'' Böden. Richtig ist dies für
die Zeit des Frühjahres, während im Herbst die wasserreichen Thon- und Moorböden
dorchschnittlich wärmer sind als Mineralböden.
Man kann die Wärmekapazität auf Gewicht und Volumen beziehen; berechnet
man auf Volumen, so gleichen sich die Unterschiede der trockenen Böden erheblich aus,
lassen jedoch den beherrschenden Einfluss des Wassergehaltes noch mehr hervortreten.
2. Einfluss der Farbe der Böden macht sich darin geltend, dass dunkel
geerbte Böden mehr Wärme absorbieren als hellfarbige; der Absorption steht gestei-
gerte Ausstrahlung gegenüber, ohne dass jedoch die Temperatur der geftlrbten Böden
unter die der hellen herabsinkt. Für Waldböden, die fast stets eine Bodendecke haben,
ist der Einfluss der Färbung sehr gering; beim Weinbau, in der G-ärtnerei sucht man
gelegentlich durch Bedecken mit dunkelfarbigen Stoffen (Thonschiefer, Russ) die Tem-
peratur des Bodens zu steigern.
3. Die Wärmeleitung. Die Leitung der Wärme im Erdboden wird beein-
flusst durch Zusammensetzung, Komgrösse, Lagerungsweise und zumeist durch den
Wassergehalt.
Der Boden ist aufzufassen als Aggregat verschiedener Körper, die durch schlecht
leitende Luftschichten mehr oder weniger von einander isoliert sind. Je grösser die
Bodenkömer sind und je dichter gelagert, um so günstiger für die Wärmeleitung. Steine
im Boden steigern die Wärmeleitung erheblich, grobkörnige Böden leiten gut, feinkör-
nige, zumal humose langsam. Den stärksten Einfluss übt der Wassergehalt. Indem
die Luft durch das etwa 30 mal besser leitende Wasser verdrängt wird, tritt die spe-
zifische Leitföhigkeit der Körper mehr hervor, die bei den Mineralteilen des Bodens
nicht erheblich verschieden ist und nur bei den humosen Stoffen sehr klein zu sein scheint.
Für die Wärmeverhältnisse des „gewachsenen" Bodens ist die Wärmeleitung
wichtig, daneben machen jedoch auch die Wärmekapazität, die Bindung der Wärme
durch Verdunsten von Wasser und der Einfluss der Bodendecke sich geltend.
y) Bodentemperaturen. Schwankungen der Bodentemperatur nehmen von
der Oberfläche ihren Ausgang. Von hier aus erfolgt der Ausgleich gegen die tieferen
Schichten. Da dieser nur allmählich erfolgen kann, ist die Zeit, in welcher die höchste
bez. niederste Temperatur eintreten kann, nach der Tiefe verlangsamt ; die Verzögerung
ist für verschiedene Bodenarten von wechselnder Grösse und namentlich bei sehr was-
serreichen Böden bedeutend.
Tägliche Schwankungen. Während der kühleren Jahreszeit und bei
fehlender Sonnenbestrahlung geht die Temperatur der obersten Bodenschicht meist der
Lufttemperatur parallel, erreicht bei intensiver Bestrahlung aber oft bedeutende Höhe.
(Auch in gemässigten Klimaten sind an Sommertagen Temperaturen von 40 — 50® beobachtet.)
Die höchste Tagestemperatur tritt in der Kegel einige Zeit nach dem höchsten
Sonnenstande, die niederste bei oder kurz vor Sonnenaufgang ein.
Die täglichen Schwankungen sind an der Oberfläche am grössten, nehmen nach
der Tiefe des Bodens ab und sind in unseren Breiten in der Regel bei 1 m Tiefe unmerklich.
Jährliche Schwankungen machen sich in unserem Klimat bis zu 20 — 30 m
Tiefe geltend; sie erstrecken sich um so weiter, je grösser die Temperaturunterschiede
zwischen den Jahreszeiten sind. Dieselben Gründe, welche Verzögerung der Maximal-
und Minimaltemperaturen vereinfachen, wirken auch auf die Jahresschwankungen. Im
Sommer sind die oberen Bodenschichten wärmer, im Winter kälter als die tieferen.
Der Wechsel tritt in unseren Gebieten in der Regel im September und im Mai ein
176 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
(Umkehr der Temperatur des Bodens).
§58. r) Kondensationserscheinnngen im Boden. Alle Körper
verdichten Gase an ihrer Oberfläche. Im Durchschnitt werden die leicht verflüssigharen
Gase (Wasserdampf, Kohlensäure) stärker verdichtet als schwer verflüssigbare (Sauer-
stoff, Stickstoff). Die Menge der absorbierten Gase wächst mit der Oberfläche der
Bodenteile, dies gilt vom Wasserdampf; femer ist sie abhängig von chemischen Wh*-
kungen, Temperatur und dem Teildruck der einzelnen Gase, d. h. dem Druck, welchen
sie ausüben würden, wenn sie allein, ohne Mischung mit anderen Gasen, vorhanden
sein würden. Von den Bodenbestandteilen sind bei der Kondensation am wirksamsten
humose Stoffe und Eisenoxyd.
Wasserdampf wird stark verdichtet. Die Menge des hierbei aufgenommenen
Wassers ist für das Pflanzenleben ohne direkte Bedeutung, da die Wurzeln dem Boden
dieses Wasser nicht entziehen können. Die Menge schwankt in weiten Grenzen, ist
für Sandboden am geringsten, für Humusböden am höchsten.
Von dem verdichteten Wasserdarapf, der die Bodenteile nur in der Dicke einer
Molekülschicht überzieht, sind Tauniederschläge wesentlich verschieden, die über-
all eintreten werden, wenn der Sättigungspunkt der Luft an Wasserdampf erreicht und
die Temperatur der obersten Bodenschicht unter der durchschnittlichen Lufttemperatur
liegt. Es scheint, dass diese Vorgänge für Umlagerung des Wassers im Boden Be-
deutung haben und in armen (regenarmen) Gebieten einen Teil des Wasserbedarfs der
Vegetation decken.
Kohlensäure, zumal feuchte Kohlensäure wird reichlich im Boden verdichtets
Eisenoxyde nehmen daran viel auf und können bei der Verwitterung als Ueberträger
der Kohlensäure wirken.
Ammoniakgas und kohlensaures Ammon werden stark absorbiert.
Sauerstoff und Stickstoff werden massig stark verdichtet ; Stickstoff
wird namentlich von Eisenoxyden aufgenommen.
Die absorbierten Gase werden bei Benetzen mit Wasser nur teilweise verdrängt.
Bei zeitweiser üeberstauung mit Wasser kann daher der Boden den Wurzeln die zur
Atmung notwendige Menge Sauerstoff liefern.
Bei der Absorption der Gase wird durch deren Verdichtung Wärme frei. Man
hat in neuerer Zeit die Wärmetönung als Mass für die Bodenoberfläche benutzt.
§ 59. s) Durchlüftung des Bodens. Die Durchlüftbarkeit des Bodens
erweist sich als eine der wichtigsten Eigenschaften des Bodens; sie ist aber schwer
rein zu studieren, da mit ihr zugleich verschiedene andere Faktoren beeinflusst werden.
Die Bodenluft, d. h. die Luft, welche sich zwischen den einzelnen Boden-
teilen befindet, unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung von der atmosphärischen
Luft durch fast stets vorhandene Sättigung mit Wasserdampf und Eeichtum an Koh-
lensäure (im Durchschnitt etwa 0,3^0), oft auch durch Mindergehalt an Sauerstoff.
Nach der Tiefe steigt der Kohlensäuregehalt. Die schädigende Wirkung stagnierender
Bodenluft auf Pflanzenwurzeln ist wahrscheinlich der Giftwirkung der Kohlensäure zu-
zuschreiben, die schon bei einem Gehalt von einigen Prozenten hervortritt, weniger
direkten Mangel an Sauerstoff, der nur in humosen Bodenarten zu beobachten ist.
Zwischen Bodenluft und atmosphärischer Luft findet fortgesetzter Austausch statt.
Wirksam sind dabei die Difl'usion der Gase, Temperaturschwankungen, wechselnder
Luftdruck, Eindringen der Niederschläge und die mechanische Einwirkung überstreicliender
Winde, die auf die Bodenluft saugend wirken.
§ 60. 3. Schluss. Die Bedeutung der physikalischen und che-
mischen Eigenschaften der Böden hat man häufig gegen einander abgewogen.
Die Lage des Bodens. § 61. 177
Als Eegel mass gelten, dass beide von einander abhängig sind
und sich gegenseitig beeinflussen. Je nach Bodenart nnd äusseren Ver-
hältnissen werden bald die einen, bald die andern die Bodeneigenschaften beherrschen.
In Moorböden und Sandböden wird die Ertragfähigkeit überwiegend durch den Gehalt
an Nährstoffen, also die chemischen Eigenschaften beherrscht, während in Lehmböden
beide gleiche Bedeutung haben, in den schweren Böden die physikalischen den Vorrang
erlangen.
Durch Eingriffe der Menschen können jedoch die chemischen Eigenschaften, soweit
sie dem Nährstoff bedarf der Pflanzen dienen, relativ leicht und meist mit ökonomischem
Erfolg (wenigstens beim Feldbau) verbessert werden, während die physikalischen Eigen-
tümlichkeiten entweder gar nicht oder nur mit un verhältnismässigen Unkosten verändeil
werden können; sie erscheinen so als die bleibenden Eigenschaften, sind dem Eingriff
der Menschen schwer zugänglich und beherrschen dadurch zunächst den Bodenwert.
YIII. Die Lage des Bodens.
§ 61. E X p 0 s i t i 0 n ist die Lage einer Fläche gegen die Himmelsrichtung. Man
unterscheidet sie nach den acht Hauptrichtungen und spricht von Exposition gegen
Norden, Nordosten, Osten u. s. w., oder von nördlicher, nordöstlicher, östlicher u. s. w.
Exposition.
Inklination ist die Neigung einer Fläche gegen die Erdoberfläche und wird
darch den Winkel gemessen, welcher von beiden gebildet wird. In der Praxis begnügt
man sich mit folgenden Bezeichnungen im forstlichen Betriebe, die etwas von den in der
Landwirtschaft gebräuchlichen Ausdrücken abweichen:
forstl. landwirtschaftl.
0 — 5*^ eben und fast eben flach oder lehnig
5 — 10^ sanft oder schwach geneigt abhängig
10 — 20^ lehn abschüssig
20—30® steil steil
30—45® sehr steil oder schroffer Abhang sehr steil
aber 45® Felsabsturz schroff.
Exposition wie Inklination sind wichtig für den Grad der Sonnbestrahlung, Ein-
fluss der herrschenden Winde, der Envärmung und des Feuchtigkeitsgehaltes des Bodens.
Zur Zeit des höchsten Sonnenstandes ist der Unterschied in der Intensität der
Bestrahlung zwischen Süd- und Nordhängen gering, wird jedoch in der kalten Jahres-
zeit sehr bedeutend. Südhänge erwärmen sich daher im Frühjahr zeitiger als Nord-
hänge, leiden aber auch leicht durch Spätfröste und durch Austrocknen des Bodens.
In Hochlagen sind Hänge mit südlichen Expositionen in der Regel günstiger, in den
mittleren oder Tieflagen ungünstiger als Hänge mit nördlicher Exposition.
In bezug auf Einfluss der Winde sind für den Wald Gefährdung durch Stürme
und die austrocknende Wirkung der während der Vegetationszeit vorherr-
schenden Winde besonders wichtig. Die erstere beeinflusst die Schlagstellung, die letz-
tere veranlasst Aushagerung des Bodens und führt leicht zur Bildung von Rohhumus.
Der Einfluss der Exposition tritt am schärfsten hervor in den Küstengebieten
(eine Folge der vom Meer herstreichenden Winde) und im Gebirge. Die Unterschiede
im Ertrage und Bestände zwischen südlichen und nördlichen Lagen sind dann sehr gross.
Exposition in südöstlicher und südwestlicher Lage erhalten theoretisch die gleiche
Summe der Sonnenbestrahlung. Wenn sich zwischen beiden Unterschiede ergeben und
namentlich die Südwestseiten ungünstig beeinflusst werden, so beruht es darauf, dass
die letzteren die Bestrahlung am Nachmittage, bei höherer Temperatur der Luft em-
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 12
178 11. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
pfangen und sie zugleich der Einwirkung der herrschenden Westwinde ausgesetzt sind.
Von Ortslagen unterscheidet man im forstlichen Betriebe namentlich noch:
Ueberragende Hochlage. Einzelne Berge überragen benachbarte Gebiete.
Geschützte Hoch lage. Gebirgslagen, die durch benachbartes höheres Ge-
lände geschützt sind.
Tieflage und verschlossene Tieflage, die letztere in schmalen, zu-
mal nach Norden geöffneten Tälern und geschlossenen Einsenkungen.
Frostlagen sind Tieflagen, in denen die Luftbewegung gehemmt ist und die
durch Ausstrahlung abgekühlter tieferer Luftschichten nicht abfliessen können. Be-
sitzen sie geringen Umfang, so spricht man von Frostlöchern.
IX. Hauptbodenarten.
§ 62. So mannigfaltig die Böden sind, so lassen sie sich doch in Gruppen einordnen,
welche sich durch gemeinsame Eigenschaften auszeichnen. Es gilt dies wenigstens fiü"
die Böden bestimmter klimatischer Gebiete. Bisher sind namentlich die Böden der
kühleren gemässigten Zonen untersucht worden.
1. Steinböden setzen sich in der Hauptmasse aus wenig zersetzten Bruch-
stücken von Gesteinen zusammen. Soweit überhaupt mit Vegetation bedeckt, sind es
ausschliesslich Waldböden. Man unterscheidet:
a) Grosssteinige Waldböden. Zusammengehäufte Steinblöcke. Die Wur-
zeln der Bäume können nur in die Zwischenräume der Steine eindringen, auf Granit
Porphyren u. s. w.
b) G r u s s b ö d e n. Aus Gesteinsgruss , d. h. zerfallenen eckigen Bruchstücken
der anstehenden Gebirgsart. zusammengesetzt; erdarm und trocken, bieten sie zumeist
mineralisch schon etwas günstigere Verhältnisse als die grobsteinigen Ablagerungen.
c) G r a n d b ö d e n. Ablagerungen von Granden, d. h. durch Bewegung in Wasser
gerundeter Geschiebemassen. In tieferen Ijagen bei flach anstehendem Grundwasser
oft nicht ungünstig.
2. Sandbodenarten; Böden, welche ihren Charakter durch Vorherrschen
von Sandkörnern erhalten. Nach der Korngrösse unterscheidet man feinkörnigen,
mittelkörnigen, grobkörnigen Sandboden. Die Hauptmenge der ge-
wöhnlichen Sandböden wird von Quarzkörnern gebildet.
Sandböden sind meist tiefgründig, oft locker gelagert ; sie haben geringe
Wasserkapazität, die Tiefe, in welcher Grundwasser ansteht, beeinflusst die Vegetation
sehr stark ; im übrigen wird unter gleichen Verhältnissen die Produktion auf Sandböden
vom Gehalt an mineralischen Nährstoffen beherrscht.
Sandböden erwärmen sich leicht, die Vegetation erwacht deshalb früh, leidet aber
auch vielfach unter Spätfrösten.
Freistellung führt leicht zur Aushagerung des Bodens (Verwesen des Humus und
Zerstörung der Krümelstniktur). Die an Mineralstoffen armen Böden leiden vielfach
unter Bildung von Rohhumus.
Die Eigenschaften der Sandböden werden stark und im günstigen Sinne durch
Beimischung massiger Mengen von Humus oder Thon beeinflusst. Man unterscheidet:
a) Hu m ose Sandböden, zumal in Wasserkapazität und Krümelung viel
günstiger als die reinen Sande. Je nach der Menge des vorhandenen Humus unter-
scheidet man schwach humose, humusreiche Sandböden. Schon recht geringe Mengen
an Humus (1 — 2^0) verändern den Charakter des Bodens ; bei Gehalten über 10% nähern
sich die Böden bereits in ihren Eigenschaften den Humusböden (Moorböden).
b) Lehmige Sande. Mischungen von Sand mit abschlämmbaren Bestandteilen.
Hanptbodenarten. § 62. 179
Ist der Gehalt an Thon sehr gering, so spricht man von „anlehmigem" Sande; bei
2 — 5*^/o Thon ändert sich schon der Boden sehr wesentlich, er wird bindig, die Wasser-
kapazität steigt; häufig steht der Vorrat an Pflanzennährstoffen in enger Beziehung
zur Menge der abschlämmbaren Bestandteile.
3. Lehmböden; Mischnngen von Sand mit Thon. Man unterscheidet san-
dige Lehmböden. Beim Zerdrücken der Böden treten die Sandkörner deutlich in
Erscheinung.
Lehmböden. Der Sandgehalt wird erst beim Abschlämmen bemerkbar; der
Boden ist von mittlerer Bindigkeit.
Schwere Lehmböden. Reich von abschlämmbaren Bestandteilen, von star-
kem Znsammenhang und Bindigkeit.
Natürlich sind alle Zwischenglieder vom „anlehmigen" Sande bis zum „schweren"
Lehmboden in der Natur vorhanden, der wieder zu den Thonböden hinüberleitet; der-
artige Böden richtig anzusprechen lernt man nur durch häutiges Beobachten in der Natur.
Die Lehmböden sind im Durchschnitt die günstigsten Böden, landwirtschaftlich
zumeist von mittlerem Ertrage sind sie sehr „sichere" Böden, die auch bei wechselnden
Witterungsverhältnissen durchschnittliche Ernten liefern. Im Walde sind im Flach-
lande die Lehmböden gern von Laubhölzem besetzt, im höheren Gebirge meist mit
Fichte bestanden.
Die Wasserkapazität der Lehmböden ist von mittlerer Höhe ; der Grad der Krü-
melnng und die Mächtigkeit der gekrümelten Schicht sind häufig von durchschlagender
Bedeutung für den Bodenwert.
Die Zersetzung der organischen Abfallreste erfolgt in mittlerer Geschwindigkeit.
Rohhumusbildungen finden sich fast nur in sehr feuchten und kalten Lagen.
4. Thonböden. Bodenarten, deren Eigenschaften durch üeberwiegen der ab-
schlämmbaren Best<andteile, auch wohl durch den Gehalt an „colloidalen" Thonsubstanzen
beherrscht werden.
Die Wasserkapazität ist sehr hoch, die Erwärmbarkeit gering; Thonböden sind
daher „kalte" und, da sie der Bearbeitung grosse Schwierigkeiten machen, „schwere"
Böden.
Krümelung tritt langsam ein und wird leicht zerstört, erhöht aber den Boden-
wert sehr stark. Beim Austrocknen schwindet das Bodenvolumen beträchtlich und es
entstehen oft tiefe den Boden durchsetzende Spalten.
Die Zersetzung der organischen Abfallreste erfolgt ziemlich langsam.
Dicht gelagerte Thonböden gehören oft zu den ganz geringwertigen Böden (z. B.
tertiäre Thone); landwirtschaftlich genutzte und durch Bearbeitung und Humusbei-
mischnng verbesserte Böden geben oft sehr hohe Erträge, sind aber von der Witterung
abhängig (unsicher).
5. Kalkböden. Bodenarten , die aus der Verwitterung von Kalkgesteinen
hervorgehen. Da hierbei der kohlensaure Kalk gelöst und weggeführt wird, so sind
die entstehenden Böden verschieden nach den Beimengungen, welche das ursprüngliche
Gestein enthielt und schwanken daher in Zusammensetzung und Bodenwert in weiten
Grenzen. Die grosse Zahl der „Kalkböden" trägt den Charakter „schwerer Thon-
böden", welche durch das spaltenreiche Grundgestein stark entwässert werden. Die
Zersetzung der Waldabfälle geht auf Kalkböden leicht von statten, bei gutem Humus-
znstand sind solche Böden fruchtbar und tragen namentlich wertvolle Laubhölzer
(Buche, Ahorn, Esche, Sorbusarten). Die natürliche Verjüngung geht bei angemessener
Vorsicht leicht von statten.
Unvorsichtige Entwaldung führt zur Vertrocknung und völliger Unfruchtbarkeit.
12*
180 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
X. Die Bodendecke.
§63. Arten der Bodendecke. Als Bodendecke ist jede auflagernde und
von ihm abweichende Bedeckung des Bodens zu verstehen. Die Bodendecke kann an-
organisch (Schnee, Sand, Steine u. s. w.) oder organisch, leblos (Stroh, Waldstreu
u. s. w.) sein, oder aus lebenden Pflanzen bestehen.
Mit Ausnahme von anorganischen Bodendecken abweichender physikalischer Beschaf-
fenheit schwächt jede Bodendecke die Extreme der Temperatur ab;
bedeckte Böden sind im Sommer kühler, im Winter wärmer als unbedeckte; sie sind
während der Sonnbestrahlung ebenfalls kühler, in der Nacht wärmer als unbedeckte.
Der Wassergehalt ist in bedeckten Böden bei leblosen Bodendecken höher,
bei Pflanzendecken, welche ihre Wurzeln in den Boden einsenken, mindestens in den
tieferen Schichten wesentlich niedriger als in unbedeckten Böden.
Schnee. Schnee wirkt als eine Lage feinkörnigen Materials , deren einzelne
Teile durch schlechtleitende Luftschichten von einander getrennt sind. Die unterlagem-
den Schichten werden so gegen extreme Abkühlung geschützt.
Im Walde erfolgt das Abtauen des Schnees in der Regel wesentlich langsamer^
als im freien Felde. Hiermit geht langsamere Absickerung Hand in Hand. Die Summe
des in den Boden eindringenden Wassers wird erhöht, oberflächliches Abfliessen ver-
mindert. Es ist dies eine der wichtigsten Wirkungen des Waldes in bezug auf die
Wasserführung der Quellen und Flüsse.
unbedeckter Boden bei F'rosttemperaturen (Barfrost) setzt die Pflanzen dem
Ausfrieren aus, welches zumal auf wasserreichen Böden (Moor, Thonböden) auftritt.
Steine. Auflagernde Steine erwärmen den unterliegenden Boden infolge rasche-
rer Wärmeleitung und setzen die Verdunstung herab.
Von physikalisch abweichendenBodenschichten ist namentlich
die Wirkung oberflächlicher Bodenbearbeitung, die verdunstungmindemd wirkt, und die
Verdichtung des Bodens durch Walzen anzuführen; engere Lagerung der Bodenteile
steigert die Wasserkapazität.
Sanddecken kommen namentlich bei den Moorkulturen zur Wirkung, wo sie
den Pflanzen einen festen Standort bieten, sie gegen Ausfrieren schützen, die Verdun-
stung mindern und die Temperatur des unterlagernden Bodens steigern.
Lebende Pflanzendecken. Mit Pflanzen bedeckte Böden haben geringere
Durchschnittstemperatur als brache Böden, während zugleich die Extreme abgeschwächt
sind. Die stärkste Wirkung tritt zur Zeit der höchsten Jahrestemperatur ein, und ist
in den Mittagstunden am höchsten.
Es gilt dies auch für die Waldböden, welche im Jahresdurchschnitt erheblich
kühler als Freilandböden sind, trotzdem ihre Temperatur im Winter um 1 — Vji^
höher ist.
Die Einwirkung einer lebenden Pflanzendecke auf dieStruktur desBodens
ist der Erhaltung der Krümelung sehr günstig. Versuche bei Feldböden, die Wollnj
ausführte, ergaben übereinstimmend Abnahme des Porenvolumen im Verlaufe einer Ve-
getationszeit, aber in bedeckten Böden in viel geringerem Masse als in brachen Böden.
Im Walde ist eine der wichtigsten und bedeutsamsten Wirkungen des Bestandesschlusses
und der Streudecke die Erhaltung günstiger Bodenstrukturen.
Der Einfluss der Bodendecke auf den Wassergehalt der Böden setzt sich
aus verschiedenen Faktoren zusammen.
Die Summe des zugeführten Wassers ist geringer als auf freien Böden, da die
Bodendecken, zumal lebende Pflanzen , eine wechselnde Menge der Niederschläge auf-
Die Bodendecke. § 64. 181
fangen und direkt verdunsten lassen. Die Feldfrüchte wirken je nach Entwicklung und
Stand verschieden stark ein; im Durchschnitt kann man annehmen, dass der Boden
60 — 80^/o der Niederschläge während der Vegetationszeit erhält. Im Walde wird etwa
*/4 des Wassers von den Baumkronen aufgefangen ; ein nicht unerheblicher Teil (etwa
lO^/o) läuft jedoch an den Stämmen ab oder wird beim Abtropfen von den Aesten
(Traufe) einzelnen Stellen des Bodens zugeführt.
Die Oberflächenverdunstung der Böden ist bei Pflanzenbedeckung in-
folge verminderter Erwärmung und geringerer Luftbewegung geringer, als auf Freiland-
boden. Hierdurch ist es veranlasst, dass die Oberfläche bedeckter Böden feuchter
ist als die bracher Böden. Es hat dies lange zur Meinung geführt, dass letztere über-
haupt wasserärmer seien.
Infolge des Wasserverbrauchs lebender Pflanzen werden jedoch die tieferen von
Wurzeln durchzogenen Bodenschichten stark an Feuchtigkeit erschöpft. Mit lebenden
Pflanzen bedeckte Böden, soweit man von Moosdecken absieht für die andere Kegeln
gelten, sind daher immer wasserärmer als brache Böden.
Die Waldstreu. Unter dem Schirme der Waldbäume erhält sich in unseren
Gebieten eine Bodendecke, die man als Streuschicht, Waldstreu bezeichnet.
Die Streuschicht setzt sich aus den Abfällen des Waldes und aus den unter den
Bäumen wachsenden Pflanzen zusammen.
Man unterscheidet:
Laubstreu (Buche, sparsamer Weissbuche, Eiche, Birke und andere Bäume
und Laubsträucher). Die Streudecke setzt sich zumal im Buchenwalde fast völlig aus
Besten des Bestandes zusammen. Die Hauptmasse wird von abgefallenen Blättern ge-
bildet, denen sich Ast- und Rindenstücke, Fruchtkapseln u. dergl. beimischen.
Nadelstreu. Die Streu der Nadelwälder, im dichten Bestandsschluss aus Na-
deln, Borkeschuppen und Astresten gebildet.
Moosstreu. Die Bodendecke wird überwiegend aus Moosen gebildet, zwischen
denen die Abfallreste des Waldes eingelagert sind.
Heide und Beerkräuter. Die niedere , zumeist aus Heide, Heidelbeere,
Preisseibeere bestehende Bodendecke mit der fast immer unterlagernden Schicht von
Rohhnmus.
Als Streudecken kommen femer die G r ä s e r und Farnkraut, speziell Adler-
faiTi in Frage.
Die Waldstreu hat ausser für den Wald noch für landwirtschaftliche Nutzung
Bedeutung. Für letztere ist namentlich ihre Fähigkeit, Flüssigkeiten festzuhalten, von
grossem Werte. Auf Volum berechnet bleibt trockene Waldstreu hierin nicht wesent-
lich hinter Roggenstroh zurück, auf Gewicht bezogen hat nur die reine Nadelstreu ge-
ringere Wasserkapazität ; die der Moosstreu übertrifi't Roggenstroh wohl in allen Fällen
erheblich.
Für die Landwirtschaft, namentlich die kleinen Betriebe liefert Waldstreu nicht
nur Ersatz für mangelndes Stroh, sondern führt dem Boden auch Pflanzennährstofl'e
zu. Fast stets geht jedoch mit umfangreicher Benutzung von Waldstreu schlechte Pflege
und wenig rationelle Ausnutzung des Düngers Hand in Hand. Ablösung der Streurechte hat
daher meist zur Hebung des landwirtschaftlichen Betriebes geführt, da die alten Metho-
den nicht mehr durchführbar blieben.
§ 64. Die Bedeutung und Wirkung der Streudecke im Walde.
Auf guten Waldböden erfolgt die Zersetzung der Streuabfälle in 1 — 2 Jahren ; längere
Dauer lässt immer auf weniger günstige Verhältnisse schliessen. Im allgemeinen zeigt
sich auf guten Böden kein wesentlicher Unterschied in der Zeit der Zersetzung zwischen
182 II. Ramann, Forstliche Standortsichre.
Laub- und Nadelstreu; bei ungünstigen bleibt die letztere länger erhalten.
Nach dem Streuabfall werden die löslichen Mineralteile rasch ausgewaschen. Alle
Bestandteile unterliegen dieser Auslaugung. Ein Rest der Mineralstoffe bleibt fester
gebunden zuiück und wird erst bei fortschreitender Zersetzung löslich. Die Zerstörung
der organischen Substanz schreitet vielfach rascher fort, als die Auswaschung, so dass
ältere Streu oft mineralstoffreicher als frisch gefallene ist.
Der gi'össte Teil der organischen Substanz unterliegt der völligen Zerstörung,
der Verwesung ; ein kleinerer Teil wird dem Boden als Humus beigemischt, dessen Ge-
genwart alle jene Vorteile herbeifuhrt, welche humushaltige Böden den humusarmen
gegenüber haben. Im normalen Waldboden ist daher die Waldstreu die Quelle des
Humus. Anders gestalten sich die Verhältnisse , wenn Rohhumusschichten vorhanden
sind. Steigerung dieser Schichten ist ohne Wert, vielfach schädlich für den Wald.
Durch die abfallenden Blattorgane werden dem Boden die Mineralstoffe wieder
zugeführt, welche von den Bäumen aufgenommen wurden und die im Nadelwalde in
mehreren Jahren, im Laubwalde alljährlich dem Bestände zur Verfügung stehen müssen.
Durch Streuentnahme wird eine starke Ausfuhr an leicht löslichen und für die Wurzeln
aufuehmbare Nährstoffe geübt und namentlich der obersten Bodenschicht eine der
Hauptbedingungen der Erhaltung der Krümelung, die Gegenwart löslicher Salze, ent-
zogen. Zumal in Laubwäldern, deren Bedarf viel höher ist, als der der Nadelwälder,
kann Mangel an Nährstoffen ins Gewicht fallen.
Durch regelmässige Streuentnahme wird der unterlagernde Boden stark beein-
flusst, sowohl in bezug auf chemische, wie auf physikalische Eigenschaften.
Alle regelmässig berechten Böden zeigen nach längerer oder kürzerer Zeitdauer
ausgesprochene Verdichtung des Oberbodens. Das „tennenartige** Hartwerden des Bo-
dens gilt mit Recht als eine der schädlichsten Einwirkungen und ist bei reicheren
Bodenarten wohl überhaupt als die ungünstigste Veränderung anzusehen. Boden der
Laubwälder zeigt diesen Vorgang in viel schärferer Weise als der der Nadelwälder.
Schwere Bodenarten werden stärker beeinflusst als leichtere. Die oberflächliche Boden-
verhärtung ist eine Folge der Wirkung der fallenden Regen, zum Teil wohl auch der
Ausfuhr löslicher Salze ; sie tritt bei Laubwäldern, zumal wenn die Streuentnahme dem
Laubfalle folgt, viel stärker hervor als in Nadelwäldern.
Die bisherigen Untersuchungen haben die früher herrschende Annahme, dass be-
rechte Flächen wasserärmer seien als geschonte, nicht bestätigt. Die Oberfläche be-
rechter Böden ist stärkeren Schwankungen im W^assergehalt ausgesetzt als gedeckter
Boden; in mittlerer Tiefe sind wechselnde Verhältnisse, die aber im Durchschnitt nicht
zu Ungunsten der berechten Böden ausfallen, in grösserer Tiefe sind die berechten
Böden meist reicher an Feuchtigkeit. Dieses Verhalten lässt sich zumeist durch die
Aenderungen der physikalischen Verhältnisse des Bodens erklären; bisher liegt jedoch
noch keine Beobachtung vor, welche darauf hinweist, dass verschiedene Wasserführung
einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragfähigkeit der berechten Waldböden ausübt.
Alle Untersuchungen haben bisher übereinstimmend ergeben, dass sich durch che-
mische Analyse bei Lehmboden, oder sonstigen schweren Bodenarten Abnahme an Nähr-
stoffen nicht nachweisen lässt ; die Differenzen sind zu klein, um bemerkbar zu werden.
Anders gestaltet sich dies bei Sandböden. Hier zeigen die Analysen übereinstimmend
starke Abnahme an löslichen Mineralstoffen, und zwar in einer solchen Höhe, dass die
mit der Streu ausgeführten Mengen zur Erklärung nicht ausreichen und man gesteigerte
Auswaschung des Bodens annehmen muss.
Die Zulässigkeit der Streuentnahme wird daher je nach den Verhältnissen ganz
verschieden beurteilt werden müssen. Sind im Walde starke Rohhumusschichten vor-
Pflanze und Boden. § 65. 183
handen, so wird deren Abgabe, zumal in Streifen, wenig Bedenken entgegenstehen.
Als Regeln für Strenabgabe kann man im Interesse des Waldes folgende aafstellen:
1. Jede jährlich wiederkehrende Streuentnahme wird zur Verarmung an löslichen
Nährstoffen und zur physikalischen Verschlechterung des Bodens führen.
2. Laubhölzer unterliegen der Einwirkung der Streuentnahme viel mehr als Na-
delhölzer.
3. Die Streuentnahme in Laubwäldern ist kurz vor der Zeit des Laubabfalles am
wenigsten schädlich.
4. Streifenweise Streuentnahme ist am wenigsten schädlich für den Wald.
5. Bestände mit Rohhumusdecken werden weniger darch Streuentnahme beeinflusst,
als günstige Waldböden.
6. Flachgründige, sehr arme und schwere Böden sind tunlichst von der Streuent-
nahme auszuschliessen ; dasselbe gilt für exponierte Lagen, West- und Südhänge, Wald-
ränder.
XI. Pflanze und Boden.
Die Entwicklung der Pflanzen ist an bestimmte Bedingungen gebunden. Diese
sind teils physikalischer und meteorologischer Natur, teils beruhen sie auf der Ein-
wirkung bestimmter Stoffe, die im Pflanzenkörper aufgenommen werden und für die
Umbildungen der Stoffe im Pflanzenkörper unbedingt notwendig sind; man kann sie
kurzweg als die chemischen Bedingungen des Pflanzenwachstums bezeichnen. Hier
kommen nur die chlorophyllführenden Pflanzen in Betracht ; die vielfach abweichenden
Verhältnisse der chlorophylllosen können unberücksichtigt bleiben. Eine Anzahl der
wichtigsten, namentlich der meteorologischen Punkte sind schon von Weber im ersten
Abschnitt dieses Buches behandelt worden.
§65. 1. Die physikalischen Faktoren des Pflanzenwuchses
sind Licht und Wärme.
Licht wird von allen Chlorophyllpflanzen verlangt, da nur unter dessen Mit-
wirkung die Pflanze befähigt ist, Kohlensäure und Wasser zu zerlegen und in orga-
nische Verbindungen umzuwandeln. Ausserdem übt das Licht noch bestimmte mecha-
nische Wirkungen auf die Pflanze aus, indem es die Streckung der einzelnen Organe
mässigt und auf eine stärkere Ausbildung der äusseren Pflanzenschichten hinzuwirken
scheint.
Ohne Licht erfolgt in der Pflanze keine Assimilisation. Kohlensäure und Wasser
sind zwei sehr stabile Verbindungen, die Zerlegung derselben, namentlich bei niederer
Temperatur, ist schwierig. Es bedarf daher einer äusseren Kraftwirkung, um diese
herbeizuführen. Diese Kraft liefert das Sonnenlicht. Soweit die bisherigen Arbeiten
reichen, geht aber neben der Assimilisation auch eine teilweise Zersetzung der organi-
schen Stoffe Hand in Hand, nur dass die erstere Wirkung überwiegt. Wird die Licht-
stärke sehr gross, wie im direkten Sonnenlicht, so kann die zersetzende Wirkung
sich so sehr steigern, dass die Assimilisation sinkt. Alle Untersuchungen haben er-
geben, dass eine mittlere Helligkeit für alle Pflanzen, selbst die der Tropengebiete am
günstigsten einwirkt.
Unter Einwirkung wechselnder Beleuchtungsgi*ade bilden sich die Blattorgane
sehr verschieden aus. Die Lichtblätter der Buche z. B. sind dick, haben Palissaden-
parenchym, die Schattenblätter sind dünn, oft nur Vs der Stärke normaler Blätter
mit abweichend gebautem, sog. Flaschenparenchym. Auch bei den Nadelhölzern finden
sich analoge Unterschiede im Bau der Blattorgane. Es kann kaum einem Zweifel
unterliegen, dass schwach belichtete und in der Assimilation gehemmte Blätter nicht
184 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
genügend znr Ernährung der Aeste, an denen sie sich befinden, beitragen können, was
endlich zu deren Absterben führt. Der Unterschied in der Astentwicklung einer frei-
ständig und im Schluss erwachsenen Fichte zeigt diese Verhältnisse.
Viel zweifelhafter ist es jedoch, ob das Verhalten der Baumarten und der Lich-
tungszuwachs zunächst auf Lichtwirkungen zurückzuführen ist. Die Beobachtung, da£s
sich einzelne Baumarten im Alter licht stellen, während andere einen geschlossenen
Bestand bilden, hat die Unterscheidung in Licht- und Schattenhölzer herbei-
geführt. Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, dass bei der Beurteilung dieser
Verhältnisse zu einseitig vorgegangen worden ist und dass bei der räumigen Stellung
der Bäume viel mehr die Deckung des Bedarfes an Wasser und an Mineralstoffen so-
wie artliche Eigenschaften die Ursache sind als die Wirkung des Lichtes. Würde das
letztere der Fall sein, da die zugeführte Lichtmenge im wesentlichen für alle Gebiete
unserer Gegend die gleiche ist (Abweichungen davon bieten nur die Hänge, die je nach
ihrer Neigung und Exposition mehr oder weniger Licht empfangen, als der Ebene ent-
sprechen würde), so müssten auch die Lichtholzpflanzen sich überall gleichmässig ränmig
stellen. Tatsächlich findet sich aber auf den besseren Böden ein viel engerer Bestand
und scheint dies darauf hinzuweisen, dass die Ernährungsverhältnisse massgebend sind.
Ganz ähnliche Verhältnisse bietet der sogenannte „Lichtungszuwachs'.
Allerdings ist es hier im hohen Masse wahrscheinlich, dass in jüngeren, namentlich
sehr dichten und gedrängt erwachsenen Beständen die bei einer Durchforstung ein-
tretende stärkere Zuführung von Licht eine erhebliche Bedeutung hat. Die Haupt-
wirkung muss man jedoch den geänderten Emährungsverhältnissen zuschreiben.
Durch die plötzliche Lichtstellung, die stärkere Erwärmung des Bodens u. s. w.
wird eine rasche und gesteigerte Zersetzung der aufgehäuften organischen Reste her-
beigeführt und dadurch den BSumen eine grosse Menge leicht aufnehmbarer Nährmittel
geboten. Auch der Wasserverbrauch ist für die geminderte Anzahl der Stämme geringer
und sind so alle Bedingungen einer besseren Ernährung der noch vorhandenen Stämme
geboten.
Bemerkenswert ist noch, dass im Schatten erwachsene Nadelhölzer, deren Nadeln
geringer Lichtwirkung angepasst sind, gegen plötzliche Freistellung empfindlicher als
Laubhölzer sind.
§ 66. 2. Die chemischen Bedingungen des Pflanzenwuchses.
Zur Produktion der organischen Substanz notwendige Stoffe sind:
a) Sauerstoff. Alle lebenden Organismen atmen und verbrauchen hierbei
Sauerstoff, den die atmosphärische Luft in reichlicher Menge zur Verfügung stellt.
Mangel an Sauerstoff kann nur bei längerer Ueberstauung unter Wasser und in Humus-
böden hervortreten.
b) Kohlensäure ist ein wichtiges und unentbehrliches Nährmittel der Chloro-
phyllpflanzen, deren Assimilation auf der Zersetzung der Kohlensäure beruht.
Der Gehalt an Kohlensäure in der atmosphärischen Luft ist gering und viel-
fach schwankend. Er beträgt durchschnittlich 3 Tausendteile der Atmosphäre. Ein-
gehende Untersuchungen von Ebermayer (Die Beschaffenheit der Waldluft und die
Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Wald Vegetation. Stuttgart 1885)
haben gezeigt, dass der Kohlensäuregehalt der Waldluft von dem der übrigen atmo-
sphärischen Luft nicht wesentlich abweicht. Dieses Resultat ist mit allen bisher be-
kannten Verhältnissen in innigster Uebereinstimmung.
Zu bemerken ist, dass die Blattorgane erheblich mehr Kohlensäure zu verarbeiten
vennögen, als in der Atmosphäre dargeboten wird. Man hat als Optimum des Kohlen-
säuregehaltes unter dem gewöhnlich herrschenden Luftdruck etwa lO^o gefunden. Viel
Pflanze und Boden. § 66. 185
fräber macht sich jedoch eine Giftwirknng geltend, so dass Pflanzen bereits bei ein
paar Prozent Kohlensäure der Luft zu leiden beginnen. Wahrscheinlich ist die un-
günstige Wirkung schlecht durchlüfteter Böden auf hohen Gehalt an Kohlensäure
zurückzuführen.
c) Stickstoff. Nach den bisherigen Untersuchungen kann man nur den Le-
guminosen, ferner der Erle und dem Sanddom die Fähigkeit zuschreiben, elementarem
Stickstoff unter Mitwirkung niederer Organismen nutzbar zu machen; für die übrigen
Pflanzen, insbesondere unsere Waldbäume, ist dies zweifelhaft oder direkt zu verneinen ;
sie sind zu ihrer Entwicklung auf gebundenen Stickstoff angewiesen.
Dem Boden wird durch atmosphärische Niederschläge eine kleine Menge von
Stickstoffverbindungen zugeführt ; im Durchschnitt etwa 4—5 kg für Jahr und Hektar.
Hiervon ist der grössere Teil als Ammoniak, der kleinere als Salpetersäure und sal-
petrige Säure vorhanden.
Bei der Zersetzung organischer Stoffe wird Stickstoff in aufnehmbare Verbindungen
(Anunon und Salpetersäure) übergeführt.
Die Frage der Herkunft des gebundenen Stickstoffs im Boden ist noch immer
nicht voll geklärt, obgleich kaum ein Gegenstand der Agrikulturchemie gegenwärtig
so vielfach bearbeitet wird. Festgestellt ist, dass eine Anzahl Bakterien Stickstoff
assimilieren und dass unter ihrer Mitwirkung die Leguminosen, in deren Wurzeln sich
Bakterienkolonien bilden und dadurch Anschwellungen (Wurzelknöllchen) veranlassen,
Stickstoff zu binden vermögen.
Für unsere Waldbäume ist die Frage der Stickstoffemährung noch offen, v. Schrö-
der sah in der Streu den Stickstoffdünger des Waldes. In einer vortrefflichen Unter-
suchung zeigte er, dass die jährliche Zufuhr aus der Atmosphäre ausreicht, die Mengen
gebundenen Stickstoffs zu liefern, welche zur Holzerzeugung gebraucht werden, dass
bei Ausfuhr der Streu dagegen ein Mangel an diesem Stoff eintreten müsse. Analysen
streuberechter Böden ergaben jedoch keinen erheblichen Unterschied zwischen geschon-
ten und berechten Böden und zeigten, dass den Waldböden noch eine andere Stickstoff-
quelle zur Verfügung stehen muss.
Schlechtwüchsige Baumpflanzen, namentlich Nadelhölzer sind wie alle Pflanzen
unter gleichen Umständen für Salpeterdüngung dankbar ; anderseits hat man im Pflanz-
kämpen mit humosen Böden keine Steigerung der Produktion durch Stickstoffdüngung
erhalten.
Von den Pflanzen wird Stickstoff in Form von Salpetersäure leicht aufgenommen,
weniger gut als Ammoniak. Die Böden der Wälder und saurer Wiesen zeigen nur
Spuren von Salpetersäure, oder sind ganz frei davon. Wenn man auch annehmen kann,
dass die Bäume sofort jede gebildete Salpetersäure aufnehmen, so ist doch immerhin
das Fehlen dieses Stoffes im Boden ein Beweis, dass er nur in ganz geringer Menge
entsteht.
Ob die Pilzverwachsungen der Wurzeln unserer meisten Waldbäume, die Myko-
rhizen, für die Stickstoffernährung Bedeutung besitzen, ist ebenfalls noch zweifelhaft.
Die Ueberführung des bei der Verwesung gebildeten Ammoniaks in Salpetersäure
erfolgt unter Mitwirkung einer besonderen Bakterienart, die reichlichen Luftzutritt for-
dert und in den oberen Bodenschichten am reichlichsten vorkommt. Die Salpetersäure-
Bakterien fehlen auch den Waldböden nicht völlig, sind jedoch nur in geringer Zahl
vorhanden.
d) Wasser. Die Bedeutung des Wassers für die Vegetation ist eine doppelte,
zunächst als direktes Nährmittel der Pflanze." Bei der Zersetzung der
Kohlensäure und der Bildung der organischen Substanz werden erhebliche Mengen von
186 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Wasser verbraucht. Die gebräuchliche Zersetzungsformel stellt ja dies auch dar
nC02 + nH20 = nCHaO + n02.
Die Bedeutung als Nährmittel des Wassers und die dabei beanspruchten Mengen
treten aber ganz zurück gegen die Wassermassen, welche als Lösungsmittel der
anorganischen Stoffe, sowie zur Erzeugung der Gewerbespan-
nungen von dem Pflanzenkörper aufgenommen und zumeist durch die Spaltöffnungen
wieder ausgeschieden und verdunstet werden.
§ 67. 3. Der Wasserbedarf der Pflanzen ist sehr verschieden und
nicht nur für die Arten, sondern selbst für die einzelnen Pflanzen je nach den äusseren
Umständen wechselnd. Hierzu kommt noch, dass die ausgeatmete Wassermenge nament-
lich von dem zur Verfügung stehenden Wasserquantum abhängig ist und mit diesem
steigt und fällt. Bei feuchter Luft und reichlicher Wasserzufuhr sind viele Pflanzen
befähigt, aus ihren Blattorgauen mit Hilfe besonders gestalteter, grosser Spaltöffnungen
Wasser in flüssiger Form auszuscheiden. Bei Trockenheit dagegen schliessen sich alle
Spaltöffnungen zum Teil und setzen so die Verdunstung herab.
Es ist daher für die Pflanzen ein Minimum des Wasserbedarfs vor-
handen, welches gerade ausreicht, die Lebensfnnktionen zu erhalten. Diesem steht ein
Maximum des Wasserverbrauchs gegenüber , welches eintritt , wenn die
Pflanze zu allen Zeiten ihrer Entwicklung einen Ueberschuss von Wasser zur Ver-
fügung hat.
Die ersten Versuche, den Wasserverbrauch der Gewächse festzustellen (Literatur
in Forschg. d. Agrikulturphysik, 4. Bd. S. 85) litten alle an erheblichen Fehlem. Es
wurde durch diese das absurde Resultat erhalten, dass die Wasserverdunstung der
Pflanzen die alljährlich zugeführte, oder wenigstens während der Vegetationszeit zu-
geführte Regenmenge erheblich übersteige. Da diese Angaben im klaren Widerspruch
mit den in der Natur zu beobachtenden Tatsachen standen, so wurden die wunder-
lichsten Theorien aufgestellt, um einen Ausweg aus diesem Irrgarten zu finden.
Erst in später Zeit ist festgestellt, dass die Wasserverdunstung der Pflanzen
hinter dem jährlichen Niederschlage zurückbleibt; es gilt dies auch bei Getreide und
Kleearten, die von den untersuchten Pflanzen am meisten Wasser verbrauchen.
Die Wasserverdunstung der Waldbäume ist bisher nur durch von Hönel be-
arbeitet (Mitteil, aus d. forstl. Versuchs wes. Oesterreichs Bd. II. Heft I, Heft IH;
Forschg. der Agrikulturphysik Bd. 2. S. 398 u. Bd. 4. S. 435). Die Beobachtungen
zeigen nun mit der grössten Deutlichkeit, dass der Wasserverbrauch selbst stark ver-
dunstender Bäume erheblich hinter den durchschnittlichen sommerlichen Niederschlägen
zurückbleibt.
V. Hönel berechnet die verbrauchte Wassermenge auf 1 gr Trockengewicht der
vorhandenen Blattsubstanz. In den Jahren 1879, 80 und 81 wurden die Beobachtungen
durchgeführt. Im folgenden ist die Tabelle von H ö n e 1 s , welche die durchschnitt-
liche Wasser Verdunstung in Kilogramm Wasser für 100 gr lufttrockene Blätter angibt,
mitgeteilt: (Siehe die Tabelle auf Seite 187).
Die Untersuchungen betreffen einen mittleren Wassergehalt des Bodens. Eine
völlige Uebereinstimmung der einzelnen Zahlen ist natürlich nicht zu verlangen, da die
Sommermonate jener drei Versuchsjahre unter sich sehr verschieden in bezug auf Nie-
derschlagsmengen u. s. w. waren. Ganz besonders tritt aber der gewaltige Unterschied
in der Wasserverdunstung zwischen den Laub- und Nadelbäumen hervor. Man darf
getrost behaupten, dass die ersteren durchschnittlich zehnmal mehr Wasser verbrauchen
als die letzteren.
Da die Angaben auf Trockengewicht der Blattorgane bezogen sind und dies sich
Pflanze und Boden. § 67.
187
1878
Wasser
kl
1
1879
Wasser
kl
1880
Wasser
kl
Birke ....
67,987
Esche ....
98,305
Esche ....
101,850
Esche . .
56,689
Buche ....
85,950
Birke ....
91,800
Hainbuche
56,251
Birke ....
84,513
Buche ....
91,380
Buche . .
47,246
Hainbuche . .
75,901
Hainbuche . .
87,170
Spitzahorn
46,287
Feldulme . . .
75,500
Ulme ....
82,280
Bergahom
43,577
Eiche ....
66,221
Bergahorn . .
70,380
Ulme . . .
40,731
Bergahorn . .
61,830
Eiche ....
, 69,150
Eiche . . .
28,345
Zerreiche . . .
61,422
Spitzahorn . .
61,180
Zerreiche . .
25,333
Spitzahorn . .
51,722
Zerreiche . . .
49,220
Pichte . . .
: 5,847
Fichte ....
20,636
Fichte ....
14,020
Weissföhre
5,802
Weissföhre . .
10,372
Weissföhre . .
12,105
Tanne . . .
4,402
Schwarzföhre
9,992
Tanne ....
9,380
Schwarzföhre
3,207
Tanne ....
7,754
Schwarzföhre
7,005
Lärche . . .
114,868
Elsebeere . . .
Espe ....
Erle ....
Linde ....
126,200
95,970
93,300
88,340
Lärche . . .
125,600
Gesamtmittel
64,930
Gesamtmittel
69,880
Mittel fllr Laub-
Mittel für Laub-
1
hölzer . . .
78,900
hölzer . . .
82,520
Mittel der Nadel-
Mittel der Nadel-
1
hölzer . . .
13,488
hölzer . . .
11,307
bei der Kiefer im Verhältnis zum Baumkörper ganz bedeutend geringer stellt als bei
Fichte und Tanne, so wird der Unterschied ein noch viel grösserer und tritt auch
hierin die Genügsamkeit der Kiefer hervor.
Als besonders auffällig muss bezeichnet werden und es ist dies wahrscheinlich
auf die Beschaffenheit der Spaltöffnungen zurückzuführen, dass der Transpirationsunter-
schied für Laubhölzer in der Sonne und im Schatten sehr gering, für die Nadelhölzer
sehr gross ist. Einige Beispiele sollen dies zeigen.
Buche in der Sonne
„ im Schatten
Hainbuche (Sonne) .
„ (Schatten)
Bergahom (Sonne)
„ (Schatten)
Tanne (Sonne) . .
„ (Schatten)
Weissföhre (Sonne)
„ (Schatten)
Schwarzföhre (Sonne)
„ (Schatten)
76,180 kl für 100 gr Blätter (trocken)
107,800 „ , , , ,
98,900 „
61,690 „
76,190 „
13,910 ,
4,850 ,
19,190 „
5,020 „
8,760 ,
^7
«
77
W
77
77
0,250 „„,,., „ „
„Es kann nunmehr keinem Zweifel unterliegen, dass Esche und Birke, auf das
Laubtrockengewicht bezogen, am stärksten transpirierten, sich an diese Buche und Haine
schliessen, hierauf die Ulmen und endlich Ahorn und Eichen kommen. Was die Koni-
feren anbelangt, so gilt für sie die Ordnung : Fichte, Weissföhre, Tanne, Schwarzföhre
zweifellos" (v. Hönel 1. c). Für die übrigen Baumarten werden noch zahlreichere
Beobachtungen notwendig sein, um ihre Stellung sicher festzulegen.
V. Hönel macht auch den Versuch, für grössere Waldflächen den Wasserver-
188 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
brauch annähernd festzustellen ; er weist selbst darauf hin, dass derartige Zahlen nur
ganz grobe Schätzungen ergeben. Trotzdem haben sie einen bedeutenden Wert, da es
nur auf solchem Wege möglich ist, ein Bild von den natürlichen Verhältnissen zu er-
langen. So ist der Wasserverbrauch berechnet für
eine 115j. Buche (4—600 Stämme auf d. Hektar) verbraucht etwa 50 kl den Tag
und 3500000—5400000 kl für Vegetationszeit und Hektar;
eine 50— 60j. Buche (1300 Stämme pro Hektar) verbraucht etwa 10 kl den Tag
und 2300000 pro Hektar und Vegetationszeit;
eine 35j. Stangenbuche (4000 Stämme pro Hektar) verbraucht etwa 1 kl den Tag
und 700000 kl pro Hektar und Vegetationszeit,
Es geht hieraus hervor, dass die durchschnittlichen sommerlichen Niederschläge
ausreichen, den Wasserbedarf des Waldes zu decken, wenn diese, sehr niedrig ange-
nommen, auch nur 30 cm Regenhöhe betragen.
In Zeiten lang anhaltender Dürre tritt es wohl ein, dass der Wassergehalt des
Bodens zu gering wird; die Blätter sterben dann frühzeitig ab, sie werden „sommer-
dürr".
Der Wassergehalt des Bodens wechselt im Laufe des Jahres. Natür-
lich ist hier von solchen Fällen abzusehen, in denen in massiger Tiefe das Grundwasser
ansteht. In der Regel sammelt sich während des Winters eine nicht unerhebliche Menge
von Wasser im Boden an und wird dort kapillar festgehalten. Es ist das die Win-
terfeuchtigkeit, welche in der forstlichen Literatur eine ausserordentliche Rolle
spielt, obgleich wirkliche Wägungen des vorhandenen Wassergehaltes in den verschie-
denen Jahreszeiten nur in ganz verschwindender Zahl ausgeführt worden sind. Das
folgende hierauf Bezügliche kann daher nur mit Vorbehalt gelten, da die hierbei wesent-
lich in Betracht kommenden Untersuchungen des Verfassers sich nur auf Sandboden
beziehen und in Lehm- und Thonböden wohl andere Verhältnisse auftreten können.
(Vergl. Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1883, Nov. und Dez.-Heft und Forschung d.
Agrikulturphysik Bd. 8. S. 67.)
Man darf annehmen, dass die angesammelte Winterfeuchtigkeit und namentlich
der reichliche Wassergehalt der obersten Bodenschichten das Keimen der Samen in
hohem Grade befördert und den jungen Wurzeln die notwendige Feuchtigkeit bietet.
Allein schon zum Ende des Maimonats ist der Wassergehalt in der Regel erheblicli
gesunken, um ganz allmählich bis zum Herbste abzunehmen. Der Herbst ist die Zeit
der grössten Trockenheit für den Waldboden. Welche Flächen bei sonst gleicher Be-
schaffenheit jedoch die geringsten Wassermengen enthalten, ist abhängig von den Be-
stands Verhältnissen. Eine je grössere Zahl von Bäumen und je mehr Laub-
bäume, um so grösser ist der Wasserverbrauch. Gleichzeitig macht sich aber noch
dieBodenbedeckung im höchstenMasse bemerkbar; namentlich Gras-
wuchs verbraucht enorme Wassermengen und kann die Wasserbilanz gänzlich zu Un-
gunsten eines lichten Bestandes verschieben.
Betrachtet man die Wasser Verteilung, so ist auf nicht völlig kahlem
Boden die oberste unter der Streudecke liegende Erdschicht die an Wasser reichste.
Es ist dies eine Folge des Humusgehaltes und der dadurch gesteigerten Wasserkapazität.
Namentlich auf diese Tatsache gründet sich die generell ganz unhaltbare Annahme,
dass der Boden unter Waldbestand wasserreicher sei als auf unbestandenen Flächen.
Unterhalb der humosen Bodenschicht folgt sodann der wasserärmste Teil des Bo-
dens, um in einer Tiefe von 0,75 — 1,50 m wieder zu steigen und dann bis in erhebliche
Tiefen nicht wesentlich zu schwanken. Natürlich gilt dies von tiefgründigen gleich-
artig zusammengesetzten Bodenarten, zunächst von Sandboden. So gibt Grebe(Zeit-
Pflanze und Boden. § 67. 189
sehr. f. Forst- und Jagdwesen 1885 p. 387) für Sand der Tuchler Heide an:
Bodentiefe cm 5 10 40 80 120 200 250 300
Wassergehalt > 4,1 3,8 3,7 3,66 4,35 4,61 4,61 4,60
Zahlen, welche mit den Beobachtungen des Verfassers in der Eberswalder Gegend
^osse üebereinstimmung zeigen.
Es würde eine sehr lohnende und ohne Schwierigkeiten ausführbare Aufgabe für
die Herren der forstlichen Praxis sein, ebenfalls derartige Bestimmungen auszuführen
und so die Kenntnis der Wasserverhältnisse wesentlich zu fördern.
DieWasseraufnahme der Pflanzen erfolgt durch die Wurzeln. In der Regel
wird die Tiefe, bis zu welcher einzelne Wurzeln eindringen können, sehr unterschätzt.
Es ist im hohen Grade wahrscheinlich, dass die tiefgehenden Wurzeln in erster Linie
zur Wasseraufnahme verwendet werden, während die in den höheren Bodenschichten
befindlichen Wurzeln den Hauptbedarf an Mineralstoffen zu decken haben. Zumeist
sind die ersteren nur schwach, kaum bis flngerstark und entgehen so sehr leicht der
Beobachtung, zumal Seitenwurzeln erst in wasserreichen Bodenschichten oder bei Be-
rührung des Grundwasserspiegels gebildet werden. Für die Ernährung der Bäume
haben diese Wurzeln wahrscheinlich eine sehr hohe Bedeutung.
Vielfach liegen Beobachtungen vor, dass Bäume wipfeldürr wurden und endlich
abstarben, wenn eine Senkung des Grundwasserspiegels erfolgte. Beispiele, in denen
diese Wirkung noch auf weite Entfemongen sich bemerkbar max^hten, sind die Letz-
linger Heide; die Umgebung des Warthebruches ; das Absterben der älteren Bäume im
botanischen Garten zu Berlin nach Erbauung des Schiffahrtskanals. Alle diese Fälle
stimmen darin überein, dass ein allmähliches Eingehen der Bäume erfolgte. Im Ber-
liner botanischen Garten zeigte sich sofort ein starkes Fallen des Zuwachses, bis end-
lich die Bäume abstarben.
Alle diese Erscheinungen sind sicher auf die Senkung des Grundwassers zurück-
zuführen und sehr walirscheinlich in der plötzlichen Funktionsänderung der Wurzeln
zu suchen, welche bis dahin in das Wasser tauchten. Viele Untersuchungen (vgl.
Sachs, landwirtschaftl. Versuchsstationen 1860. Bd. 2. S. 13) beweisen, dass manche
Pflanzen ebensowohl beföhigt sind, im Wasser, wie in Erde zu wachsen, wenn nur die
genügenden Mineralstoffe zugängig sind, dass dagegen das Wurzelsystem der in einem
Medium erzogenen Pflanze sich nur schwierig oder gar nicht einer veränderten Ernäh-
rung anpassen kann. Es ist so verständlich, dass Bäume, deren Wurzeln das Grund-
wasser erreichten, nach einer Senkung desselben allmählich zum Absterben kommen.
Anderseits ist es in der Regel höchst wahrscheinlich, dass jüngere neu angeschonte
Bestände den gleichen Grad der Vollkommenheit wie die abgestorbenen erreichen kön-
nen, da nur ausnahmsweise ein wesentliches Herabgehen der Bodengüte mit dem Sinken
des Grundwassers verbunden ist.
Die gelösten Bestandteile des Wassers üben auf die Vegetation
einen hervorragenden Einfluss. Harte Wässer, also solche, welche reichlich Kalksalze
(die des Magnesiums treten zurück) gelöst enthalten, sind für die Pflanzen, namentlich
die Baumarten, deren Bedarf an Kalk ein hoher ist, sehr günstig. Auch die Fluss-
wässer, sowie die Bäche, welche aus alkalireichen Gebirgen entspringen und daher
ärmer an Kalkverbindungen sind (weiche Wasser) üben eine günstige Wirkung.
Ganz unfruchtbar sind dagegen die aus Torf und Hochmooren hervortretenden Gewässer.
Diese werden fast völlig der Mineralstoffe durch die Moosvegetation der Moore beraubt,
sättigen sich mit löslichen, sauer reagierenden Humusstoffen und wirken dadurch un-
günstig auf die Pflanzenwelt ein. Hier scheinen zwei Tatsachen, die Armut an gelösten
Stoffen und die ungünstigen Eigenschaften der gelösten Hamuskörper zusammenzuwirken,
190 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
um der Vegetation nachteilig oder doch nicht vorteilhaft zu sein.
Welche grossen Mengen von gelösten Nährstoffen durch eine regelmässige Be-
wässerung selbst mit weichem Wasser zugeführt werden, haben die Untersuchungen
von Lauf er über den Babelsberg (Jahrbuch geol. Landesanstalt in Preussen 1880
p. 429j bewiesen.
Laufer bestimmte die Menge der Mineralstoife , welche in Babelsberg alljährlich
durch Bewässerung dem Boden zugeführt wird, für das Hektar zu
15,5 kg Salpeters. Ammon,
65 „ kohlens. Ammon,
58 „ schwefeis. Kalium,
75 „ kohlens. Kalk.
Es sind dies gewaltige Mineralstoffmassen, die ausreichen würden, jeder Vege-
tation von den betreffenden Stoffen genug zu bieten. Hinzugefügt muss noch werden,
dass die Hauptmasse des Babelsberges aus einem unteren Diluvialsand solcher Beschaf-
fenheit besteht, dass er durchaus geeignet ist, auch ohne Zufuhr von Stoffen, Eichen wie
Buchen eine kräftige Entwicklung zu gestatten.
Es ist dies ein Beweis, dass allerdings auch recht arme Bodenarten eine hoch-
entwickelte Waldvegetation tragen können, wenn ihnen genügend Wasser und damit
gleichzeitig gelöste Nährstoffe zugeführt werden. Würde es möglich sein, grosse Flä-
chen mit völlig reinem, destilliertem Wasser jahrelang zu überrieseln, so würde mit
grosser Wahrscheinlichkeit nur zu bald der Rückgang der Bestände lehren, dass e^ das
Wasser allein nicht tut.
Die verschiedenen Feu chtigkeitsgrade eines Bodens bezeichnet man als:
n a s 8 , wenn alle Poren mit Wasser gefüllt sind und beim Herausheben des Bo-
dens Wasser direkt abfliesst. Auf nassem Boden steht in den feuchteren Jahreszeiten
meistens anhaltend Wasser und auch in der trockeneren Zeit ist in V^ bis 1 m Tiefe
zumeist der Wasserspiegel zu erreichen;
feucht, der Boden gibt beim Zusammenpressen zwischen den Händen noch
tropfenweise Wasser ab;
frisch, mit mittlerem Wassergehalt; durch Pressen fliesst kein Wasser aus,
die einzelnen Bodenteile zeigen jedoch einen massigen Zusammenhang infolge der vor-
handenen Feuchtigkeit (z. B. frischer Sand gegenüber trockenem Sande);
trocken, überwiegend für Sandboden gebraucht, bezeichnet trocken einen an
Wasser armen Boden, dessen einzelne Teile keinen Zusammenhang mehr erkennen lassen ;
dürr, ohne merkbares flüssiges Wasser.
Zur Bestimmung der verschiedenen Feuchtigkeitsgrade ist eine längere Kenntnis
eines Bodens, Berücksichtigung des Bestandes u. s. w. erforderlich, da nach anhalten-
dem Regen, im Winter u. s. w. natürlich auch trockene und selbst dürre Böden ganz
erhebliche Feuchtigkeitsmengen enthalten können.
§ 68. 4. Die Mineralstoffe im Pflanzenkörper. Jede Pflanze be-
darf zu ihrer Entwicklung eine bestimmte Anzahl von elementaren Bestandteilen. Es
hat sich herausgestellt, dass Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Phos-
phor und Schwefel unbedingt notwendig sind, während dies für Chlor noch zweifel-
haft ist. Stoffe, die sich noch ausserdem in jeder Pflanze flnden, häufig sogar den
grössten Teil der Asche ausmachen, sind Natrium und Kieselsäure, weniger verbreitet
oder doch zumeist nur in geringer Menge vorhanden ist das Mangan, während Thon-
erde bisher nur in einigen wenigen Pflanzen reichlicher aufgefunden worden ist. Ausser-
dem können noch die verschiedenartigsten Elemente und Verbindungen aufgenommen
werden, auch jene, welche als direkte Gifte auf den Pflanzenkörper wirken. Die Funk-
Pflanze und Boden. § 68. 191
tion der einzelnen Stoffe in ihrer Bedeutung für den Aufbau der Pflanzen ist nur zum
Teil festgestellt worden.
E e i n a s c h e. Es ist üblich, die Resultate der Analysen von Aschen auf „Rein-
asche" zu berechnen. Bei der Verbrennung der organischen Substanz werden die an
organische Säuren gebundenen Metalle in kohlensaure Yerbindungen umgewandelt.
Gleichzeitig finden sich wohl immer kleine Mengen von Kohle, auch wohl von Sand
u. dgl. der Asche beigemischt. Die Kohlensäure, Kohle, Sand u. s. w. machen nun oft
einen erheblichen Teil der Asche aus, sind dabei in wechselnder Menge vorhanden und
erschweren so die Yergleichbarkeit der Analysen. Es ist daher gebräuchlich, den Ge-
halt einer Asche zu berechnen, welche von jenen Bestandteilen frei sein würde. Die
Zahlen der Reinasche geben den prozentischen Anteil, welchen die einzelnen Elemente
an der Zusammensetzung nehmen. Den absoluten Gehalt an den einzelnen Stoffen findet
man, wenn die Trockensubstanz mit in Rechnung gezogen wird. Die agrikulturchemi-
schen Arbeiten geben daher in der Regel zwei Tabellen, einmal die Zusammensetzung
der Reinasche, zweitens den Gehalt von tausend Teilen Trockensubstanz an einzelnen
Stoffen.
Die verschiedenen Nährstoffe können sich nicht unter einander vertreten. Es
scheint jedoch für die verschiedenen Pflanzen ein bestimmtes allgemeines Mineralstoff-
bedürfnis zu bestehen, welches durch verschiedene Verbindungen gedeckt werden kann.
Die Nährstoffaufnahme erfolgt durch Osmose. Da die osmotischen Kräfte nur
wirksam werden können, wenn in den Pflanzenzellen fortgesetzt Umbildungen erfolgen
und diese wieder bei den Pflanzenarten und bei derselben Pflanze im Laufe ihrer Ve-
getationszeit verschieden ist, so werden aus derselben Lösung sehr wechselnde Mengen
aufgenommen. Man hat dies Verhalten als das quantitative Wahlvermögen
der Pflanzen bezeichnet.
Die Asche embryonaler Pflanzen enthält viel Stickstoff, Kali, Phosphorsäure und
Schwefel; massige Mengen Magnesia; Kalk und andere Mineralstoffe sind nur sparsam
vorhanden.
Kalium; scheint bei der Bildung des Stärkemehls, bezw. der Kohlehydrate eine
Rolle zu spielen. Durch Natrium oder ein anderes Alkalimetall kann es nicht ersetzt
werden. Kalium ist in den jüngeren Pflanzenteilen, die noch in der Entwicklung be-
griffen sind, angehäuft. In den Bäumen ist es relativ reichlicher im Holzkörper vor-
handen. Einzelne Pflanzen nehmen viel Kali auf, so unter den Feldfrüchten Kartoffel
und Rüben, unter den Waldbäumen die Tanne.
Natrium in den Pflanzen der Salzböden reichlich angehäuft und findet sich in
allen Aschen. Als notwendiger Nährstoff kann Natrium nicht betrachtet werden, wenn-
gleich es in manchen Fällen als nützlich für die Pflanze gelten kann.
Calcium ist für die Chlorophyllpflanzen ein unentbehrlicher Nährstoff, nicht
aber für die Pilze. Hieraus geht hervor, dass es für die Lebensvorgänge nicht dieselbe
Bedeutung hat wie z. B. Kalium oder Phosphorsäure. Grosse Mengen des Calciums
werden von den organischen Säuren, mit welchen es vielfach unlösliche Salze bildet,
festgelegt und dadurch für die weitere Entwicklung des Pflanzenkörpers unbrauchbar.
Namentlich die Oxalsäure bez. der oxalsaure Kalk findet sich in Kry stallen in fast
allen Pflanzen und ist namentlich im Rindenkörper der Bäume reichlich abgelagert.
Das Calcium gehört überhaupt überwiegend dem Rindenkörper an und ist prozentisch
sehr viel reicher in demselben vertreten, als im Holze.
Von allen anorganischen Nährstoffen beanspruchen die Waldbäume vom Kalk
weitaus am meisten. Kein anderer Stoff macht auch sein Fehlen oder seine Gegenwart
im Boden auf den Holzwuchs und für die ganze Flora so bemerkbar, wie der Kalk. Eine
192 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
ganze Anzahl von Pflanzen werden mit Recht als „Kalkpflanzen*' bezeichnet, da ihr
zahlreiches Vorkommen auf Kalkreichtnm des Bodens deutet. Anderseits gilt auch hier
der Satz, dass jene Pflanzen auch in anderen als Kalkböden gedeihen können; aber
das natürliche Vorkommen beschränkt sich im wesentlichen auf diese.
Das Magnesium scheint bei der Eiweissbildung im Pflanzenkörper beteiligt
zu sein. Es wird in nur massigen Mengen aufgenommen , selbst auf den magnesium-
reichen Dolomitböden macht es nur einen massigen Teil der Pflanzenasche aus.
Im Baumkörper verhält es sich dem Kalium ähnlich und ist prozentisch im Holz-
körper weit reicher veitreten, als in den Rinden, sammelt sich dagegen reichlich in
den Blattorganen an.
Eisen bedürfen die Pflanzen nur in geringen Mengen; es ist zur Bildung des
Chlorophylls notwendig. Pflanzen ohne Eisen erzogen, bilden gelblich gefärbte, sogen,
„bleichsüchtige" Blätter. Alle Pflanzen bedürfen des Eisens, auch die Pilze. Es muss
demnach neben der genannten noch eine weitere Funktion im Pflanzenkörper haben,
welche man noch nicht kennt.
Mangan findet sich in der Asche der meisten Waldbäume, wenn auch in der
Regel nicht besonders reichlich. Vom Verf. wurde nur einmal, in einer Esche, keine
nachweisbare Spur von Mangan in der Asche gefunden. Bemerkenswert ist dieses Ele-
ment dadurch, dass es sich gelegentlich in den Baumaschen in grossen Massen anhäufen
kann ; es wurde von v. Schröder in einer Tanne bis zu ^/s der Reinasche aufge-
funden (Pflanzenphysiolog. u. forstchem. Forschungen. Dresden 1878).
Aluminium bez. Thonerde gehört trotz der weiten Verbreitung derselben
im Boden zu den sparsamsten und seltensten Bestandteilen der Pflanzenaschen. Nor
in den Lycopodiaceen und in der wilden Akazie wurde bisher ein reichlicherer Grehalt
an Thonerde aufgefunden.
Phosphor, und zwar als Phosphorsäure, ist einer der wichtigsten und
ein unentbehrlicher Pflanzennährstoff. Die Phosphorsäure begleitet die Eiweissstoffe
überall und scheint bei der Bildung derselben eine Hauptrolle zu spielen. Dem ent-
sprechend findet sich die Phosphorsäure überwiegend in den Vegetationszentren, nament-
lich den Blattorganen in reichlichster Menge vor.
Schwefel wird von den höheren Pflanzen nur als Schwefelsäure bez. als Salz
derselben aufgenommen. Schwefel ist einer der elementaren Bestandteile der Eiweiss-
körper.
Chlor findet sich neben Natrium in den „Salzpflanzen" reichlich, fehlt aber auch
sonst in keiner Pflanze. Einzelne Beobachtungen weisen darauf hin, dass durch die
Gegenwart von Chlorverbindungen der Transport der im Pflanzenkörper gebildeten
Stoffe begünstigt wird, obgleich es als ein unentbehrlicher Nährstoff nicht betrachtet
werden kann.
Kieselsäure wird ebenfalls von allen Pflanzenarten aufgenommen und vor-
wiegend in der Rinde zur Ablagerung gebracht. Namentlich die äussersten Rinden-
schichten sind reich an diesem Stoff und oft wie mit einem Kieselpanzer überzogen.
Obgleich die Kieselsäure kein eigentlicher Nährstoff ist, trägt sie doch zur Festigung
der äusseren Rindenschicht bei und wirkt so mechanisch günstig.
In vielen Bäumen findet sich die überwiegende Menge der Kieselsäure in den
Blättern, namentlich den älteren Blättern angesammelt, und ist die v. Schröder'sche
Auffassung, dass der Baum beim Blattabfall einen Teil der unnötigen Kieselsäure aus
seinem Körper wieder abscheide, wohl gerechtfertigt. So enthielten die Blätter einer
Hainbuche, die noch nicht drei Prozent des gesaraten Trockengewichtes ausmachten,
fast 60^/o der im Baumkörper enthaltenen Kieselsäure.
Pflanze nnd Boden. § 68. 193
Neben den behandelten Mineralstoffen sind noch zahlreiche andere Elemente, zu-
meist allerdings in äusserst geringen Mengen, in den Pflanzen aufgefunden worden.
Einzelne Baum- bez. Pflanzenarten nehmen von bestimmten Bestandteilen — nament-
lich gilt dies für Kali, Kalk, vielleicht auch Magnesia — regelmässig reichlichere
Mengen auf als andere auf demselben Boden erwachsene (vgl. die lehrreiche Unter-
suchung von Councler, Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1866, p. 417 über
Tanne, Fichte und Lärche) ; aber ein eigentliches Wahlvermögen, durch
welches die Pflanze die schädlichen und unschädlichen Mineralstoffe zu trennen vermag,
gibt es nicht. Alle diffundierbaren Bestandteile des Bodens werden aufgenommen, wenn
auch die verschiedenen Pflanzenarten dies nur in wechselndem Grade vermögen.
Die Menge der aufgenommenen Mineralstoffe ist von dem Reichtum
des Bodens, dessen Wassergehalt u. s. w. abhängig, so dass der Aschengehalt einer
Pflanzenart sehr verschieden sein kann. Eine Kiefer, auf Basaltboden erwachsen, nimmt
ganz andere Mengen von festen Bestandteilen auf, als eine solche auf armem Sand-
boden erwachsene. Es unterliegt nun keinem Zweifel, dass eine reichlichere Zufuhr
von Nährstoffen die Produktion steigert, aber doch nur bis zu einem gewissen Grade;
ist dieser erreicht, so lagern sich die Mineralstoffe im Pflanzenkörper ab, ohne für
physiologische Zwecke verwandt zu werden: die Pflanze treibt dann Luxuskonsum.
Diese Tatsache selbst ist sicher festgestellt worden ; namentlich die enorme Anhäufung
von Mineralstoffen in den in Wasserkultur erzogenen Pflanzen beweist sie. Anderseits
ist es ausserordentlich schwer und zur Zeit noch fast unmöglich, die geringste zur nor-
malen Entwicklung unbedingt notwendige Menge eines Nährstoffes festzustellen.
Gesetz des Minimums. Die für das Pflanzenleben notwendigen Beding-
ungen sind also Licht, Wärme, Kohlensäure, Wasser, aufnehmbare Stickstoffverbindungen
und die ganze Zahl der notwendigen Mineralstoff'e. Das Fehlen oder eine ungenügende
Menge irgend einer dieser Faktoren wird die Entwicklung der Pflanze völlig hemmen
oder doch erheblich herabsetzen, mögen auch alle andern Verhältnisse noch so günstig
sein. Die Entwicklung der Pflanze wird reguliert durch den Einfluss desjenigen, für
die Pflanzenproduktion notwendigen Faktors, der in geringster Menge, im Minimum,
vorhanden ist. Die Agrikulturcheraie bezeichnet dies als Gesetz des Minimum
und spricht letzteres in der Regel so aus : »Der im Minimum vorhandene
Faktor der Pflanzenernährung ist massgebend für die gesamte
Grösse der Produktion."
L i t. L i e b i g , Agrikulturchemie 1862. IL Bd. S. 133. Mayer, Agrikultur-
chemie I. p. 293.
Waldbäume und Mineralstoffe: Für die Verteilung der Mineralstoffe
im Baumkörper gelten folgende Sätze:
a) Der Aschengehalt ist in jugendlichen Organen grösser als in älteren ; er steigt
daher in der Regel mit Abnahme des Durchmessers der Sortimente.
b) Die Rinde ist stets aschenreicher als das zugehörige Holz.
c) Die Blattorgane sind (mit wenigen Ausnahmen) die an Mineralstoffen reichsten
Teile des Baumkörpers.
d) Beim allmählichen Absterben einzelner Baumt^ile findet eine Rückwanderung
der wichtigsten Nährstoffe in den Baurakörper statt. Es gilt dies von der Bildung
von Borke, vom Absterben von Aesten und im höheren Masse vom normalen Abfall
der Blattorgane. Kali, Phosphorsäure, Magnesia und Stickstoff wandern aus ; für Kalk
und Kieselsäure hat eine nennenswerte Rückwanderung nicht nachgewiesen werden können.
e) Die Blattorgane werden allmählich während der Vegetationszeit reicher an
Gesamtasche, namentlich an Kalk und an Kieselsäure.
Handbuch d. Foratw. 2. Aufl. I. 13
194 II. Ra mann, Forstliche Standortslehre.
§ 69. 5. Verhältnis zwischen Holzkörper, Rindenkörper und
den Blattorganen der Waldbäume. (Vgl. Forst- und Jagdzeitung 1883,
1. Heft.) Die alljährlich erzeugte organische Substanz wird nur soweit vom Baume
dauernd festgelegt, als sie im Holz und Rindenkörper zur Ablagerung gelangt. Eine
sehr erhebliche, oft sogar die überwiegende Menge der durch Assimilation gebildeten
StoflFe, geht beim Abfall der Blattorgane dem Baume wieder verloren oder wird durch
den Prozess, welchen man als Atmung der Pflanze bezeichnet, zersetzt. Tatsächlich
entspricht also der jährliche Zuwachs lange nicht der gebildeten organischen Substanz.
Ebensowenig gilt dies für die von der Wurzel aufgenommenen Stoffe, die nament-
lich aus W^asser und den Mineralstoffen bestehen. Betrachtet man nar die letzteren,
so werden sie zum Teil im Baumkörper abgelagert und zum Teil bei dem Abfall der
Blattorgane dem Boden wieder zugeführt. Tritt auch hierdurch für den letzteren kein
Verlust ein, so geht doch dem Baume die geleistete Wurzelarbeit verloren. Um ein
Bild von den betreffenden Verhältnissen zu gewinnen, ist es daher notwendig, die ein-
zelnen Teile eines Baumes gesondert zu betrachten.
Das Holz ist der aschenärmste Teil des Baumkörpers, von unseren Baumarten
enthält das Holz durchschnittlich etwa 0,3 — 0,4®/o Mineralstoffe ; nur wenige Arten wie
Kiefer, Birke, Weymouthskiefer bleiben unter dieser Zahl, noch wenigere wie die wilde
Akazie übersteigen diesen Betrag.
Die Rinde ist sehr wechselnd zusammengesetzt, ihr Mineralstoffgehalt schwankt
bei den verschiedenen Baumarten ausserordentlich ; und ebenso schwankt der prozen-
tische Anteil der Rinde an der Gesamtmasse des Baumes, also das Rindenprozent.
In bezug auf den Gehalt an Aschenbestandteilen der Rinde muss man die Baumarten
in Borke bildende und glattrindige einteilen. Die Borke ist stets aschenärmer als die
entsprechende lebenstätige Rinde. Bei borkebildeuden Bäumen wird daher der Gehalt des
Rindenkörpers an Mineralstoffen mit zunehmendem Alter abnehmen und in der Regel
überhaupt geringer sein, als bei glattschal igen Bäumen. Bei diesen erfolgt fortgesetzt
eine weitere Ablagerung von Mineralstoffen, der Gehalt daran wird also mit dem höhe-
ren Alter steigen. (Zu der ersten Klasse gehören z. B. Birke, Kiefer, zu der letzteren
Buche und Hainbuche.)
Man kann dabei die Baumarten, soweit bisher zu übersehen, in bezug auf ihren
Rindenkörper in drei Gruppen bringen, in solche:
a) die sich mit einer Kork- bez. Borkeschicht umgeben; also wesentlich nur Zel-
lulose ablagern,
b) die Kalksalze, namentlich Oxalsäuren Kalk in der Rinde ablagern, Weissbuche,
Esche u. s. w.
c) die Kieselsäure in der Rinde ablagern: Lärche, Rüster.
Natürlich finden sich zwischen diesen Gruppen die mannigfachsten üebergänge.
Die Blattorgane wechseln in ihrem Mineralstoffgehalt fast noch mehr als
die Rinden der Bäume ; und ebenso gross sind die Unterschiede in der Menge der Blatt-
masse für den einzelnen Stamm , also das Blätterprozent. Das letztere gibt
einen Massstab für die Verteilung der jährlich gebildeten organischen Substanz zwi-
schen Baum- und Blattkörper. Soweit die vorliegenden Untersuchungen reichen, wer-
den von den sämtlichen Nadelhölzern (die Lärche ausgenommen), dagegen nur von sehr
wenigen Laubhölzern (Erle, Akazie) weniger als die Hälfte, jedoch mehr als ein Viert«!
für die Blattorgane in Anspruch genommen. Alle übrigen Baumarten verwenden mehr
als die Hälfte, in einzelnen Fällen (Esche) sogar ^/e auf die Blätter, während der klei-
nere Teil als Zuwachs dem Stamme zufällt.
Noch viel ungünstiger gestaltet sich das Verhältnis für die Mineralstoffe; von
Pflanze und Boden. § 70. 195
diesen werden unter allen Umständen viel mehr in den Blattorganen, als im Stamm
abgelagert. Wie gross der Unterschied werden kann, beweist die Untersuchung einer
vierzigjährigen Esche von Henry (Grandeau, Annal. d. stat. agronomig. de l'Est), in
welcher nur ein Hundertteil der Phosphorsäure, ^/sa des Kalks und nur ^/ao der Ge-
samtreinasche alljährlich dem Stammkörper zugeführt wurde, während der Rest in den
Blättern enthalten war.
Aus den vorliegenden Untersuchungen lässt sich mit Sicherheit der Satz ableiten:
Dass die alljährlich aufgenommenen Mineralstoff mengen
in erster Reihe durch die Menge und den Gehalt der Blattorgane
bedingt werden.
Anspruch, Bedarf und Entzug. Bisher ist nur von der Verteilung der
Mineralstoffe im Baanikörper die Rede gewesen, es fragt sich, in wie weit man berech-
tigt ist anzunehmen, dass die Entwicklung der Bäume von einem gewissen im Boden
vorhandenen Mass an Nährstoffen abhängig ist. In der Regel wird, und die Erfahrung
bestätigt es, eine Baumart, welche viel Aschenbestandteile zu ihrer Entwicklung be-
darf, auch einen reichen Boden beanspruchen. Anderseits darf die verschiedenartige
Fähigkeit der Bauraarten, ihren Bedarf zu decken, nicht unterschätzt werden. Eine
Akazie (Robinie) kann die bedeutende Menge von anorganischen Bestandteilen, welche
sie verlangt, noch auf recht armem Boden befriedigen; sie ist wie die meisten Papilio-
naceen (man denke an die Lupine) im stände, mit ihrer bedeutenden Wurzelentwicklung
den Gehalt des Bodens auszunutzen, wird ihn natürlich aber entsprechend rasch er-
schöpfen. Das Verlangen einer Baumait nach einer geringeren oder höheren Bodengüte
ist daher von dem Verf. -als Anspruch bezeichnet worden. Als genügsam wurden
die Baumarten bezeichnet, welche nur wenig Mineralstöffe aufnehmen und diese auch
einem armen Boden zu entziehen wissen. Der Anspruch bringt also das Verhältnis
zwischen Pflanze und Boden zur Anschauung.
Der Bedarf bezieht sich dagegen auf einen Baum oder Bestand als Individuum
und bezeichnet die grössere oder geringere Mineralstoffmenge, welche zur normalen
Entv^äcklung von Stamm- und Blattkörper verlangt wird.
Der Entzug endlich stellt die Einwirkung des Menschen auf Wald und Boden
dar; er bezeichnet die Menge von nutzbaren Mineralstoffen, welche bei der Nutzung
der Produkte aus dem Walde ausgeführt wird und so demselben dauernd verloren geht.
Die Grösse des Entzuges ist daher von der Ausfuhr an Holz, Streu, Gras u. s. w. ab-
hängig.
Die meisten forstlich-chemischen Arbeiten behandeln die Frage des Entzuges der
Mineralstoffe, zumeist für ein Jahr und Hektar berechnet. Es ist dabei notwendig, die
Produktion der Flächeneinheit, sowie den Gehalt der gewonnenen Produkte zu kennen.
Genauere Angaben über die Nährstoffmengen, welche zur Entwicklung der Bäume all-
jährlich aufgenommen werden, sind nur für die Nadelhölzer vorhanden. Es ergibt sich,
dass der Bedarf der Baumarten mit dem Alter erheblich wechselt und zu sehr ver-
schiedenen Zeiten ein Maximum erreicht. Auf besseren Bodenklassen geschieht dies für
die Kiefer schon im zwanzigsten Jahre oder noch früher ; bei der Fichte etwa im dreis-
sigsten, bei der Buche im 40. — 60. Jahre. Durchschnittlich tritt das Maximum des
Bedarfes auf geringen Bodenklassen später, als auf den besseren ein.
§ 70. B 0 d e n f 1 0 r a. Zahlreiche Arbeiten der Botaniker haben es wahrschein-
lich gemacht, dass die verschiedenen Pflanzenarten auf fast allen Bodenarten wachsen
können. Abweichende Erfahrungen machte man bei reichlichem Gehalt der Böden an
löslichen Salzen (namentlich Kochsalz, auch bei Kainitdüngung) und wenn auch erheb-
lich sparsamer bei Gegenwart von Kalkverbindungen.
13*
196 II. Ramann, Forstliche Standortslehre.
Diesen Laboratorinmsversuchen steht nun die Beobachtung im Felde gegenüber,
welche uns zeigt, dass manche Pflanzen beztimmte Bodenarten bevorzugen, so dass sie
nur auf diesen verbreitet auftreten. Die „Bodenflora** gilt mit Recht als ein einfaches
und sicheres Hilfsmittel zur Bestimmung des Bodenwertes und der Standoiisgüte. Fest-
zuhalten ist hierbei jedoch immer, dass der Gesamtcharakter der Flora zu berücksich-
tigen ist, nicht ein vereinzeltes Auftreten irgend einer bestimmten Art.
Verbreitetes Vorkommen von Pflanzenaiten ist ausser von klimatischen Faktoren
zumeist abhängig von der Konkurrenz anderer Arten. Hieraus wird es verständlich,
dass Arten, welche auf nährstoffarmen Böden gedeihen, selten den Wettbewerb
anspruchsvoller und schnellwüchsiger Species auf besseren Böden stand halten können,
während sie anderseits diesen Arten unter anderen Umständen überlegen sind.
Die Pflanzen Verteilung auf der Erdoberfläche ist überhaupt von sehr vielen Be-
dingungen abhängig ; die biologischen sind darunter sehr stark beteiligt, ohne zugleich
so leicht erkennbar zu sein, als z. B. die Bodeneigenschaften.
Es ist daher ungemein schwierig, anzugeben, welche Ursache man als entscheidend
annehmen muss, dass bestimmte Arten sich vorwiegend auf einem oder anderem Boden
flnden.
Als charakteristische Gewächse kann man folgende aufführen.
1. In locker gelagertem Waldboden (Mullboden), zumal des Buchen-
waldes (aber auch unter Fichten u. s. w.), flnden sich Rhizompflanzen , die entweder
schwachem Lichtbedarf angepasst sind oder ihre Entwicklung bereits vor Entwicklung
der Blätter im Frühjahre abschliessen. Hierhin gehören : Asperula odorata, Convallaria
majalis, Asarum europaeum, Melica uniflora und nutans, Oxalis acctosella, Anemonen u. s. w.
Reichlichere Anhäufung von lockerem Waldhumus bevorzugen: Impatiens noli-
tangere, Mercurialis perennis, Paris quadrifolia, Circaeaarten, auch Daphne Mezereum.
Bei Auslichtung des Buchenwaldes verbreiten sich Luzula pilosa und albida, Mi-
lium effusum, Festuca gigantea ; diese Arten bilden neben den zuerst genannten die
„Begrünung*' der Buchenböden, als Zeichen, dass auch die Buchel ein geeignetes Keim-
bett findet.
2. Pflanzen des Rohhumus sind Trientalis europaea, Melampyrum sviva-
ticum, Heidel- und Preiselbeere, auf lichteren Stellen Aira flexuosa, Nardus stricta, die
Heide; sämtlich Pflanzen nährstoffarmer Böden.
3. Schlagpflanzen. Nach Abtrieb der Bestände bedecken einzelne Arten
oft den grössten Teil der Schlagfläche. Es sind meist Species mit leicht beweglichen
Samen, namentlich sind zu nennen : Senecioarten (vemalis u. and.), Epilobium angusti-
folium, Stachys sylvatica, Aspidiumarten, Erdbeere, Himbeere; im Gebirge noch Digi-
talis purpurea, Atropa Belladonna; auf Kalkböden sind Grasarten herrschend: Dactylis
glomerata, Koeleria cristata, später Festuca und Carexarten; auf Sandböden: Aira
flexuosa, Agrostisarten, auch der Adlerfarn.
4. Pflanzen saurer Wiesen. Es herrschen hart- und breitblätterige Cy-
peraceen und Gräser vor, zumal Carex und Scirpusarten , nimmt der Gehalt an Nähr-
stoffen im Boden ab, so flnden sich einzelne auch auf Hochmooren vorkommende Pflan-
zen ein, namentlich Wollgräser (Eriophorum angustifolium und polystachium, sparsamer
vaginatum, Molinia coerulea, Pedicularis palustris).
5. Pflanzen der Hochmoore. Die Hochmoore sind die nährstoffärmsten
und am stärksten den physikalischen Aenderungen ausgesetzten Standorte, sie zeigen
eine charakteristische Flora: Torfmoose (Sphagnumarten), Andromeda polifolia, Drosei*»,
Scirpus caespitosus, Vaccinium Oxycoccus, Eriophorum vaginatum, Erica tetralix (im
Nordwesten); Calluna vulgaris (wohl die Art, welche die grössten Schwankungen im
Pflanze und Boden. § 71. 197
Wassergehalt und Nähi-stoffgehalt des Bodens erträgt, überwiegend jedoch eine Pflanze
sauer reagierender, nährstoffarmer Böden ist).
6. Auf Heiden finden sich ausser den meisten genannten Pflanzen der Hoch-
moore noch Empetrum nigrum, Genistaarten, Ledum palustre (auch auf Rohhumus),
Myrica gale, Arctostaphylos üva ursi (auf den Heiden mischen sich die Pflanzen der
Hochmoore mit denen der nährstoffarmen Sandböden).
7. Sandpflanzen. Arten, welche mit mehr oder weniger ausgeprägten
Schutzvorrichtungen gegen Trocknis versehen sind.
Auf bewegtem, flüchtigen Sande: Ammophila arenaria, Eiymus arenarius, Carex
und Triticumarten.
Auf Sandboden : Aira canescens, Plantago arenaria, Gnaphaliuraarten, namentlich
G. arvense; Helichrysum arenarium, Trifolium arvense; Haftmoose (Polytrichum juni-
perinum u. and.), Flechten (zumal Cladonia und Stereocaulonarten).
8. Kalkpflanzen. Böden mit reichlicherem Gehalt an kohlensaurem Kalk
beherbergen eine sehr charakteristische Flora; von den bei uns einheimischen sind zu
nennen; Carex humilis, Melica ciliata, Sesleria coerulea; Orchideen, Aster Amellus,
Bupleurumarten, Umbelliferen, Papilionazeen. Viele Pflanzen der deutschen Kalkböden
finden sich oft herrschend auf den östlicheren Steppen, so Melica ciliata, Stipaarten,
Adonis vemalis u. a. Es muss dahingestellt bleiben, ob die Ursache im Kalkgehalt
des Bodens oder in der Aehnlichkeit der physikalischen Lebensbedingungen begründet
ist. Wahrscheinlich wirken beide Ursachen ein.
Yon Bäumen sind die Sorbusarten (mit Ausnahme der Vogelbeere), Cotoneaster
vulgaris, Prunus Mahaleb, Vibumun Lantana, sowie die Buche entweder Kalkpflanzen
oder bevorzugen doch kalkreichere Bodenarten.
Kalkmeidend sind von den Bäumen Castanea vesca und Pinus maritima ;
von anderen Pflanzen: Lupinus Intens, Medicago minima, Rumex acetosella, fast alle
Heide- und Sandpflanzen, besonders die Sphagneen.
9. Salzpflanzen. Charakteristische Pflanzenarten finden sich in salzreichen
Böden, sowohl am Meeresstrande als auch im Binnenlande treten dieselben oder ver-
wandte Arten auf. Weit verbreitet sind: Salicornia herbacea, Glaux maritima, Samo-
lus Valerandi, Aster Tripoliura, Artemisia maritima.
Während früher die chemische Zusammensetzung des Bodens für die Pflanzen-
verbreitung ziemlich allgemein als massgebend angenommen wurde, trat später eine
Richtung auf, w^elche mehr die physikalischen Eigenschaften des Bodens hervorhob.
Gegenwärtig macht sich für diese Frage unter den Botanikern mehr eine Betonung
der klimatischen Faktoren geltend. Es ist festzuhalten, dass jede dieserEinwir-
kungen Bedeutung hat, sowie dass zwischen den herrschenden Pflanzenforma-
tionen und den Bodenarten gegenseitige Beeinflussungen bestehen. Jede einseitige Be-
trachtung wird zu falschen Schlüssen führen. Man tut daher gut, sich ebensosehr vor
Ueberschätzung, wie vor Bestreitung der Wichtigkeit der chemischen Zusammensetzung
des Bodens zu hüten und daran festzuhalten, dass mindestens innerhalb kleinerer pflan-
zengeographischer Verbreitungsgebiete enge Beziehungen zwischen Bodenart und Pflan-
zendecke bestehen.
§ 71. Anhang. Düngung im forstlichen Betriebe. In neuester
Zeit ist die Frage der Düngung im forstlichen Betriebe vielfach behandelt worden.
Namentlich die ärmsten Sandbodenarten stellen der Tätigkeit des Forstmannes grosse
Schwierigkeiten entgegen und führen immer wieder zu Versuchen, die billigen Mine-
raldünger zu verwenden, um besseren Wuchs zu erzielen. Die Versuche sind noch
nicht soweit gediehen, um ein Urteil zu ermöglichen. Am aussichtsreichsten scheint
198 IL Ramann, Forstliche Standortslehre.
noch die Düngung für bessere, aber herabgekommene Bodenarten zu sein. Hier kann
durch Düngung die Entwicklung der Pflanzen gefördert und können so die Gefahren
des Jugendstadiums abgekürzt werden.
Günstiger gestalten sich die Düngung der Saatkämpe, für ständige Kämpe ist
eine regelmässige Nährstoffzufuhr notwendig. Ausser den im Walde zur Verfugnng
stehenden Hilfsmitteln und etwa Benutzung der Rasenasche haben die Mineraldünger
bei richtiger Anwendung gute Erfolge gezeitigt. Gründüngung ist bisher bei schweren
Bodenarten und auf Heideböden vorteilhaft gewesen.
Als Regel muss dabei gelten, dass namentlich für Nadelhölzer zu starke Düngung
zu vermeiden ist. Viele Misserfolge sind auf zu reichliche Zufuhr von Salzen, nament-
lich von Kalisalzen zurück zu führen. Es scheinen die dem Kainit beigemischten Chlor-
verbindungen zu sein, welche ungünstig einwirken, und ist deshalb Kompostieren und
Anwendung von Komposterde vorzuziehen.
Als Düngestoffe kommen in Betracht:
Kalisalze. Am verbreitetsten wird Kainit angewendet, wenn auch die jetzt
im Handel befindlichen übei'wiegend aus Chlorkalium bestehenden „vierzigprozentigen
Kalisalze" vorzuziehen sind.
Phosphorsäure. In allen humosen Böden findet Thomasschlacke gute Ver-
wendung, auf schwereren Bodenarten empfiehlt sich mehr Superphosphat. In bezug
auf Phosphorsäurezufuhr braucht man nicht ängstlich zu sein. Schädliche Wirkungen
wird man kaum befürchten müssen.
Stickstoff. In früheren Versuchen hat sich Zufuhr von Stickstoffverbindungen
als nutzlos erwiesen und scheint es auch bei humosen Bodenarten zu sein. Inzwischen
mehren sich die Beispiele, dass zumal auf schweren, humusarmen Böden Chilisalpeter
vorzügliche Wirkung zeigt. Es empfiehlt sich daher, durch Versuch festzustellen, ob
Zufuhr dieses teuersten Nährstoffes lohnend ist oder nicht. Bester Stickstoffdünger ist
der Chilisalpeter, jedoch können Ammoniaksalze und organische Dünger geeignete Ver-
wendung finden.
Kalk kann auf schweren Böden die physikalische Beschaffenheit des Bodens
wesentlich verbessern und wird unter solchen Umständen ein wertvoller Düngstoff seui.
Man verwendet zerfallenen oder gemahlenen Aetzkalk, der direkt über den Boden ge-
streut wird. Als Zusatz zu Komposthaufen fördert Kalkzugabe die Zersetzung der
Abfallreste, es kann aber auch vorteilhaft kohlensaurer Kalk A'erw^endung finden.
Zur direkten Verwendung, also ohne vorausgehende Kompostieiung, und am rich-
tigsten kurz vor der Saat, bei schlechtem Stande der Kulturen auch als Kopfdüngung
sind anzuwenden: Chilisalpeter und Superphosphat.
Direkt in den Boden zu bringen sind: Guano, Blutmehl, Ammoniaksalze, Phos-
phorsäurepräcipitat, auch Thomasmehl und 40®/o Kalisalz.
Zur Kompostierung eignen sich alle Pflanzenabfälle, saure Humusstoffe und alle
schwer löslichen Düngestoffe, auch kann Thomasphosphat mit dazu verwendet werden.
Als Regel hat man festzuhalten, dass dem Boden nur zugeführt wird, was er
wirklich bedarf; in den meisten Fällen wird bei humosen Böden Stickstoffdüngung, bei
schwereren Böden Kalizufuhr unnötig sein. Wenig Wert haben die vielfach gegebenen
Düngerrezepte, man verwende die in guten Handlungen käuflichen Stoffe und lasse sich
die in ihnen enthaltenen Düngerbestandteile garantieren.
199
%
III.
Forstbotanik.
Von
Lndwig Klein.
Benutzte Literatur : P. Ascherson und P. Graebner, Synopsis der mittel-
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Berlin 1888. 238 p. 8° mit 10 Abbildungen. — R. Hartig, Die anatomischen
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200 III. Klein, Forstbotanik.
den Hölzer. 4. Aufl. München 1898. 42 p. 8® mit 21 Abbildungen. - R. Hartip:.
Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten (8. Aufl. d. L. d. Baumkrankh.). Berlin 1900. 324 p. 8®
mit 280 Abbildungen und einer Farbendrucktafel. — R. H artig, Holzuntersuchungen.
Altes und Neues. Berlin 1901. 99 p. 8^ mit 52 Abbildgn. — G. Hempel und K. Wilhelm,
DieBäume und Strän eher des Waldes in botanischer und forstlicher
Beziehung, Wien und Olmütz 1889 -98. 3 Teile 200, 148 u. 140 p. gr. 4^^ mit 118. 106
u. 118 Textiiguren u. 11, 25 u. 24 Farbendrucktafeln. -- R. Hess, Eigenschaften
und forstliches Verhalten der wichtigeren in Deutschland ein-
heimischen und eingeführten Holzarten. 2. Aufl. Berlin 1895. 238 p. 8^ —
A. Kerner von Marilaun, Pflanzenleben. 2. Aufl. Leipzig und Wienl89Hu. 98. 7H6u. 768.
p. 8® mit 448 Textabbildungen, 40 Farbendruck-, 24 Holzschnitttafeln u. 1 Karte. — M.
Kienitz, Ueber Formen und Abarten heimischer Waldbäume. Berlin 1879. 50 p. 8° mit
4 Tafeln. — K. Koch, Dendrologie, Bäume, Sträucher und Halbsträucher, welche in Mittel-
und Nordeuropa im Freien kultiviert werden. Erlangen 1869- -73. 3 Bde. 735. 665 u. 424
p. 8^ — K. Koch, Vorlesungen über Dendrologie. Stuttgart 1875. 408 p. 8<*. - E. Köhne.
Deutsche Dendrologie. Kurze Beschreibung der in Deutschland im Freien
aushaltenden Nadel- und Laubholzgewächse. Stuttgart 1893. 602 p. 8° mit 100
Abbildungen und ca. 1000 Einzelfiguren. — A. Mayer, Lehrbuch der Agrikulturchemie.
I.Teil. Die Ernährung der grünen Gewächse. 5. Aufl. Heidelberg 1901. 442 p. 8® mit 35 Abb.
u. 1 Taf. — H. Mayr, Die Waldungen von Nordamerika. München 1890. 448 p. 8<^
mit 24 Abb., 10 Tafeln und 2 Karten. — H. Mayr, Monographie der Abietineen
des japanischen Reichs. München 1890. 104 p. 4® mit 7 col. Tafeln, — H. Mayr,
Aus den Waldungen Japans. Beiträge zur Beurteilung der Anbaufähigkeit etc. der
jap. Holzarten im deutschen Walde u. s. w. München 1891. 59 p. 8^ — E. Mielck, Die
Riesen der Pflanzenwelt. Leipzig und Heidelberg 1863. 128. p. gr. 8® mit 6 lith. Tafeln.
— J. Möller, Anatomie der Baumrinden. Berlin 1882. 447 p. 8® mit 146 Holz-
schnitten. — N. J. C. Mü 1 1 e r , Atlas der Holzstruktur, dargestellt in Mikrophotographien. Halle
1888. 21Tafelnfol.u. erläuternder Text 110 p. 8® mit 63 Holzschnitten. — H. Nördlinger,
Die technischen Eigenschaften der Hölzer. Stuttgart 1860. 550 p. 8^ — H. Nördlinger,
Deutsche Forstbotanik. Stuttgart 1874 u. 76. 2 Bde. 372 u. 490 p. S^ mit mehreren 100 Holz-
schnitten. — F. Pax. Allgemeine Morphologie der Pflanzen. Stuttgart 1890. 404 p. 8® mit
126 Abbildungen. — W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. Leipzig 1897. I. Stoff-
wechsel. 620 p. S^ mit 70 Holzschn. II. Kraftwechsel. I. Hälfte 1901. 353 p. 8® mit 31
Holzschn. Schluss steht noch aus. Prantl's Lehrbuch der Botanik. 11. Aufl., bear-
beitet von F. Pax. Leipzig 1900. 455 p. 8® mit 414 Holzschn. — J. Sachs, Vorlesungen
über Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. Leipzig 1887. 884 p. 8° mit 391 Holzschn. — A. F. W.
Schimper, Pflanzenphysiologie auf physiologischer Grundlage. Jena 1898.
876 p. H^ mit 502 Textabbildungen, 5 Lichtdrucktafeln und 4 Karten. — F. C. Schübeier,
Die Pflanzenwelt Norwegens. Christiania 1873 — 75. 468 p. 4® mit 77 Holzschnitten und
15 Karten. -- F. Schwarz, Forstliche Botanik. Berlin 1892. 513 p. 8^ mit 456 Textab-
bildungen und 2 Lichtdrucktafeln. — F. Schwarz, Dicken Wachstum und Holz-
qualität von Pinus silvestris. Berlin 1899, 371 p. 8° mit 9 Tafeln und 5 Textfiguren.
— H. Solereder, Systematische Anatomie der Dicotyledoren. Stuttgart 1899. 984 p. 8"
mit 189 Abbildungen. — E. Strasburger, Ueber den Bau und die Verrich-
tungen der Leitungsbahnen in den Pflanzen. Jena 1891. 1000 p. 8® mit 5 lith.
Tafeln und 17 Textabbildungen. — E. Strasburg er, F. Noll, H. Schenck und
A. F. W. Schimper, Lehrbuch derBotanikfürHochschulen. 5. Aufl. Jena 1902.
563 p. H^ mit 686 Abbildungen. — K. v. Tubeuf, Samen, Früchte und Keim-
linge der in Deutschland heimischen oder eingeführten forstlichen Kul-
turpflanzen. Berlin 1891. 154 p. S^ mit 179 Abbildungen. — K. v. Tubeuf, Die
Nadelhölzer mit besonderer Berücksichtigung der in Mitteleuropa
winterharten Arten. Stuttgart 1897. 164 p. 8° mit 100 Abbildungen. — H. Vöchting,
Organbildung im Pflanzenreich. Bonn 1878. 2 Teile. 258 und 200 p. 8^* mit 6 Tafeln und
23 Holzschnitten. — E. Warming, Lehrbuch der oekologischen Pflanzengeographie, eine
Einführung in die Kenntnis der Pflanzenvereine. 2. Aufl. Berlin 1902. 442 p. 8^ — Weise.
Das Vorkommen gewisser fremdländischer Holzarten in Deutschland. Berlin 1882. 44 p. 8^
- J. Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflanzen. 4. Aufl. Wien 1898, 372 p. 8°
mit 159 Holzschnitten. — J. WMesner, Biologie der Pflanzen. 2. Aufl. Wien 1902. 340
p. 8^ mit 78 Holzschnitten u. 1 Karte. — J. Wiesner, Die Rohstofi'e des Pflanzenreiches.
1 Bd. Leipzig 1901. 795 p. 8^ mit 153 Abb. 2 Bd. im Erscheinen. — M. Willkomm,
Die Glieder des Baumes als Organe. § 1. 201
Deutschlands Laubhölzer im Winter. 3. Aufl. Dresden 1880. 60 p. 4° mit 106
Holzschnitten. — M. Willkomm, Forstliche Flora von Deutschland und Geste r-
reich. 2. Aufl. Leipzig 1887. 968 p. 8° mit 82 Holzschnitten.
Ausser diesen selbständig erschienenen Werken wurde noch eine grosse Zahl von Auf-
sätzen der botanischen und forstlichen Zeitschriftenliteratur benutzt, bezüglich der fremdlän-
dischen Holzarten unter andern namentlich : R. H a r t i g , Heber die bisherigen Ergebnisse der An-
banversuche mit ausländ. Holzarten in den bayrischen Staatswaldungen (forstl.-naturw. Zeitschr.
1892, p. 401 — 451). — Lorey, Anbauversuche mit fremdländ. Holzarten in den Staats-
waldungen Württembergs (A. F.- u. J.-Z. 1897, p. 14—19 u. 83—87). — H. Mayr, Er-
j^ebnisse fortl. Anbauversuche mit japanischen, indischen, russischen und seltenen amerikanischen
Holzarten in Bayern (forstw. Gentralbl. 1898, p. 115—131, 173—190 u. 231—251). —
Mayr, Die japanischen Holzarten in ihrer alten und neuen Heimat (Mittl. der Deutschen
dendrol. Ges. 1901, p. 46 — 55). — Schwappach, Denkschrift über die Ergebnisse der in
den Jahren 1881 — 1890 in den preuss. Staatsforsten ausgef. Anbauversuche mit fremdl. Holz-
arten (Z. f. Forst- u. Jagdw. 1891, p. 18—34, 81—102, 148—164). — Schwappach,
Ergebnisse der Anbauversuche mit japanischen und einigen neueren amerik. Holzarten in
Preussen (ct. 1896 p. 327—347). — Weise, Der deutsche Wald und die fremden Holz-
arten (Münchener forstl. Hefte 6. 1894 p. 75—87).
1. Allgemeiner Teil.
I. Die Glieder des Baumes als Organe. (Aeussere Morphologie und
Organographie.)
1. Einleitung.
§ 1. Bei unseren Waldbäumen, wie bei den Gefässpflanzen überhaupt, lassen
sich sämtliche Glieder trotz aller Manni^altigkeit und Verschiedenheit im Einzelnen
in zwei grosse Kategorien einteilen. Diese beiden Grundbegriffe heissen Wurzel
und S pro 88. Die einzelnen Wurzeln und Sprosse können wir entweder als Teile
eines Ganzen untersuchen mit Rücksicht auf ihre äussere Gestalt, ihre Stellungs-
verhältnisse und ihre Entstehungsweise (Morphologie), oder als Organe eines
lebendigen Organismus mit ganz bestimmten Aufgaben und Leistungen im
Haushalte der Pflanze (Organographie). Hier sollen beide Betrachtungsweisen
verschmolzen werden, da Gestalt und Leistung der Organe in inniger gegenseitiger
Wechselbeziehung stehen.
Die einzelnen Organe lassen sich allgemein wieder einteilen in typische,
metamorphosierte, reduzierte und rudimentäre. Den Ausgangs- und
Vergleichspunkt bilden hierbei naturgemäss die typischen oder normalen Organe.
Metamorphosiert nennen wir ein Organ, wenn es für andere Leistungen, als sie
den typischen Organen zukommen, eingerichtet ist. Es kann dabei ein metamorpho-
siertes Organ noch sämtliche Aufgaben eines typischen erfüllen, es kann aber auch
lediglich speziellen, dem typischen Organ fern liegenden Leistungen angepasst sein;
es kann in seiner Gestalt den typischen Organen noch durchweg gleichen, meist aber
zeigt es mehr oder weniger weitgehende Abweichungen von diesen und ist nicht selten
sowohl in seiner äusseren Gestalt wie in seinem inneren Bau ausserordentlich verein-
facht. In letzterem Falle muss die Pflanze aber stets noch typische Organe besitzen,
80 dass ihre Gesamtorganisation durch das Auftreten der einfacheren metamorpho-
sierten eine Bereicherung erfährt. Reduzierte oder zurückgebildete Organe finden
wir bei den Schmarotzerpflanzen, den Parasiten und Saprophyten, bei welchen durch
die von den grünen Pflanzen grundverschiedene Lebensweise eine tiefgreifende Verän-
derung und Vereinfachung der Arbeitsleistung und damit auch eine mehr oder weniger
weitgehende Vereinfachung im Bau der Organe eingetreten ist. Rudimentäre
202 III. Klein, Forstbotanik.
Organe dagegen erfüllen darchans die Aufgaben der typischen, unterscheiden sich aber
durch sehr viel einfacheren Bau und finden sich nur bei niederen Pflanzen. Die drei
ersten dieser Organgruppen sind übrigens vielfach durch Uebergänge miteinander ver-
bunden, da die Natur keine scharfen Grenzen kennt. — Unter homologen Organen
verstehen wir solche, die nach ihrer Stellung am Ganzen oder nach ihrer Entstehung
morphologisch gleichwertig sind, während sie in ihrer Gestalt, in ihrem
inneren Bau und namentlich hinsichtlich ihrer Funktion die weitgehendsten Unterschiede
aufweisen können; homolog sind zum Beispiel sämtliche Wurzeln und ebenso sämt-
liche Sprosse, die verschiedenen Blätter, die Stengel, die Früchte, die Samen. Ana-
loge Organe sind dagegen solche, welche physiologisch gleichwertig sind,
ohne den gleichen morphologischen Wert zu besitzen, wie Laubblätter und flache assi-
milierende Stengelgebilde, wie Blatt-, Stamm- und Wurzeldomen, wie die Fruchtschale
der Edelkastanie und die Samenschale der Kosskastanie, wie das Fleisch einer Stein-
frucht und die fleischige Samenschale von Gingko u. a. m.
2. Die Wurzel.
§ 2. Die typische Wurzel befestigt den Baum im Boden und dient zur
Aufnahme des Wassers und der Aschenbestandteile, die teils im Bodenwasser gelöst
sind, teils erst durch Ausscheidungen der Wurzelhaare gelöst werden. Es ist zweck-
mässig, nicht das ganze, bei einem Baume meist ungemein reich verzweigte Wnrzel-
system Wurzel zu nennen, wie es der gewöhnliche Sprachgebrauch tut, sondern jede
einzelne Faser. Demgemäss unterscheidet man Hauptwurzel und Seitenwurzeln. Die
erste Wurzel des keimenden Samens, die Keimwurzel, wird Haupt würze 1 ge-
nannt, sobald sie anfängt, sich zu verzweigen ; sie wächst bei ungestörter Entwickelung
senkrecht abwärts und heisst Pfahlwurzel, so lange sie stärker ist, als die aus
ihr entspringenden, schief abwärts, zum Teil auch horizontal wachsenden Seiten-
wurzeln 1. Grades. Die weiteren Verzweigungen dieser Seitenwurzeln durchwuchem
den Boden nach allen Richtungen, die stärkeren und längeren derselben, deren Auf-
gabe vornehmlich darin besteht, neues Terrain zu erobern, heissen Triebwurzel d,
an welchen die feinsten, oft nur pferdehaardünnen Seitenwurzeln, die kurzlebigen,
reich verzweigten Saug wurzeln sitzen.
Die Kennzeichen einer typischen Wurzel sind folgende : 1. ein radiäres
Gefässbündel (cf. § 11 letzter Absatz), das aber hier nur an den Wurzelenden,
bevor das sekundäre Dickenwachstum beginnt, deutlich als solches zu erkennen ist,
2. die Wurzelhaube, welche das Bildungsgewebe des Wurzelendes, den sog. Vege-
tationspunkt, ähnlich wie der Fingerhut die Fingerspitze, bedeckt, in ihren äusseren
Schichten verschleimend der Wurzel das Vorwärtsdringen im Erdboden erleichtert und
den Vegetationspunkt hierbei vor mechanischen Verletzungen schätzt; sie wird dabei
von Innen, vom Vegetationspunkte aus, in dem Masse erneuert, in welchem sie sich
aussen abnutzt ; 3. endogene Entstehung, d. h. eine junge Wurzel wird inrnier
im Innern des Mutterorganes angelegt und durchbricht später, senkrecht auf die Ober-
fläche der Muttervvurzel zuwachsend, die Rinde der letzteren ; infolge dessen gehen die
oberflächlichen Schichten der Mutterwurzel niemals dii-ekt in diejenigen der Tochter-
wurzel über. 4. Die Wurzeln tragen niemals Blätter, im Gegensatz zu den
wurzelähnlich lebenden, unter der Erde kriechenden Stämmen, den Rhizomen. 5. Den
W^urzeln fehlt, soweit sie vom Lichte abgeschlossen unter der Erde wachsen, das
Chlorophyll. 6. Die Epidermiszellen der jungen Wurzeln wachsen, ausser bei den
Mycorhizen, den Pilzwurzeln, zu Wurzelhaaren aus.
Die Wurzelhaare finden sich nur an den jüngsten Saugwurzeln, sind stets
Die Glieder des Baumes als Organe. § 2. 203
einzellig, bilden sich wenige Millimeter oder Zentimeter hinter der Wurzelspitze, da,
wo die Längsstreckung der jungen Wurzel beendet ist, und funktionieren meist nur
wenige Wochen, worauf sie absterben und durch neue Wurzelhaare weiter vom an
der weiter wachsenden Wurzel ersetzt werden, so dass die Wurzel immer mit neuen
noch nicht ausgenutzten Bodenpartien in Berührung kommt. Die Wurzelhaare, die
namentlich an ihren Enden mit den Bodenteilchen quasi verwachsen, sind somit die
eigentlichen, Wasser und Aschenbestandteile aufnehmenden Organe der Pflanzen ; die
älteren Wurzelpartien, die nach aussen schon durch eine Korkhaut abgeschlossen sind,
dienen lediglich zur Weiterleitung des Wassers und der Nahrungsstoife.
Nur den Pilzwurzeln oder Mycorrhizen fehlen die Wurzel-
haare. Diese eigentümlichen Bildungen, die zuerst von Frank eingehend studiert
wurden, finden sich bei den Nadelhölzern, den Fagaceen und vielen anderen Laub-
holzem, bei welchen ein mehr oder weniger beträchtlicher Teil der Saugwurzeln sich
durch auffallend dichte und kurzgliedrige (korallenartige) Verzweigung auszeichnet und
die ganze Oberfläche derartiger Wurzeln durch einen dichten, aus verflochtenen Pilz-
fäden gebildeten Ueberzug bedeckt ist, der auch den Yegetationspunkt umhüllt und mit
der Verlängerung beziehungsweise Verzweigung der Wurzel sich verlängert und ver-
zweigt. Von diesem Pilzniantel wachsen nach allen Eichtungen, gleich den Wurzel-
haaren einer normalen Wurzel, Pilzfäden oder -Stränge in den Waldboden. Je humoser
der Waldboden, desto reichlicher pflegen die Mycorrhizen aufzutreten. Man hat es hier
nicht mit einer krankhaften Erscheinung schlechthin, mit einem Parasitieren der Pilze
auf den Saugwurzeln, sondern mit einem Fall von Symbiose zu tun, bei welchem zwei
so grundverschiedene Dinge, wie Baumwurzel und Pilz, von dem gemeinsamen Haus-
halte, jedes in seiner Weise, Vorteil ziehen. Der Pilzmantel bezieht höchst wahrschein-
lich von den Rindenzellen der Wurzel Kohlehydrate und führt ihr dafür Wasser, Aschen-
bestandteile und namentlich Stickstoffverbindungen zu, er erleichtert nach StahP) der
Baamwurzel namentlich die Aneignung der Nährsalze in Konkurrenz mit den in jedem
hnmosen Waldboden sehr reichlich vorhandenen Pilzhyphen, welche den Wurzeln höhe-
rer Pflanzen hinsichtlich der Ausnutzung des Substrates überlegen sind. Stahl nimmt
an, dass die Mycorrhizabildung höchstwahrscheinlich mit der erschwerten Nährsalzge-
winnung in irgend einer Beziehung steht, so dass Pflanzen mit mächtigem Transpira-
tionsstrom der Mycorrhizabildung entraten können, während schwach transpirierende
Pflanzen unter den oben genannten Bedingungen nur mit Hilfe der Mycorrhiza ein
hinreichendes Auskommen finden. Möglicherweise gehen die Dienste der Mycorrhiza-
pilze noch weiter, so dass die mit der Baumwurzel symbiontisch verbundenen Pilze die
AuSchenbestandteile schon in Form organischer Verbindungen an die Wurzeln gelangen
lassen, da autotrophe (der Mycorrhiza entbehrende) Pflanzen in der Regel einen erheb-
lich höheren Aschengehalt aufweisen als mycotrophe Pflanzen.
Die Verzweigung der Wurzeln ist keine so streng regelmässige wie die-
jenige der beblätterten Zweige, aber, namentlich bei jungen Pflanzen, auch keine ganz
regellose. Aus der Mutterwurzel entspringen in einiger Entfernung vom Vegetations-
punkt die Seiten wurzeln in acropetaler Folge und in ebenso vielen Längsreihen, als
das Grefässbündel der Hauptwurzel Holzstrahlen aufweist und zwar stehen die Seiten-
wnrzeln immer vor den Holzteilen der Mutterwurzeln. Die Faserwurzeln verlaufen
mehr oder weniger wellenförmig gekrümmt, die Seitenwürzelchen entspringen fast stet«
auf der konvexen Seite der Krümmung und werden in ihrer Richtung durch die Mutter-
wurzel häufig derart beeinflusst, dass sie in radialer Richtung von der Wurzel fort-
1) E. S t a h 1 , Der Sinn der Mycorrhizenhildung (Jahrbuch für wiss. Bot. 1900 p. 539—668).
204 III. Klein, Forstbotanik.
wachsen. An älteren Wurzeln wird durch Wurzelverlust und Bildung von neuen Seiten-
wurzeln, namentlich an verletzten Stellen, die ursprüngliche Regelmässigkeit mehr oder
weniger verwischt.
Adventiv wurzeln heissen Wurzeln , die ihren Ursprung nicht aus älteren
Wurzeln, sondern aus anderen Organen nehmen, wie aus dem Stengel oder Blatt eines
Sprosses, aus dem Stammvegetationspunkt (Epheu) etc. Adventivwurzelbildung ist bei
Rhizomen, bei vielen kletternden und kriechenden Pflanzen Regel und ebenso tritt sie
bei unseren Waldbäumen bei der Stecklings Vermehrung in Erscheinung. Hier bilden
sich namentlich aus dem sog. C a 1 1 u s , dem jungen Ueberwallungswulste der unteren
Schnittfläche, zahlreiche Adventiv wurzeln ; ausserdem brechen solche mehr oder weniger
zahlreich aus der Rinde des Stecklings hervor. Diese Adveutivwurzeln gleichen im
Bau, in der Verzweigung und im übrigen Verhalten völlig den Haupt- und Seitenwurzeln.
Die Leichtigkeit, mit welcher sich Stecklinge bewurzeln, ist für die einzelnen Holzarten
sehr verschieden; besonders günstig verhalten sich in diaser Beziehung die Weiden,
Pappeln und die Thujaarten, für welche eine derartige Vermehrungsweise in praxi fast
allein in Frage kommt. Von unseren einheimischen Nadelhölzern bewurzeln sich Steck-
linge der Fichte leicht; doch wird diese Vermehrungs weise nur bei Gartenvarietäten
angewandt.
Der Habitus des Wurzelsystems wird in erster Linie durch das Vor-
handensein oder Fehlen einer senkrecht abwärts wachsenden Pfahlwurzel bedingt, die
schon bei den einjährigen Pflanzen mächtig entwickelt sein kann, wie bei den Eichen,
Nussbäumen, Hickoryarten u. a., aber auch erst im 2. Jahre und später erstarken kann,
wie bei der Weisstanne, der Kiefer, dem Birnbaum etc. Fehlt die Hauptwurzel, be-
ziehungsweise stirbt dieselbe frühzeitig ab, dann treten häutig einige kräftige, schief
abwärts wachsende Seitenwurzeln an ihre Stelle, die sog. Herz wurzeln, oder das
Wurzelsystem wird ganz flach und tellerförmig wie bei unserer Fichte. Die Ausbil-
dung des ganz en Wu rzelsy stems hängt in ganz ausserordentlichem
Masse von äusseren Umständen ab, namentlich von der physikalischen und
chemischen Bodenbeschaffenheit und von der Verdunstungsgrösse der Laubkrone. Die
Nebenwurzeln höherer Grade, frei vom richtenden Einfluss der Schwerkraft, wachsen
stets nach den feuchteren Bodenstellen zu, verzweigen sich in armen Bodenstellen spär-
lich, in nährsalzreichei*en, die sie zufällig treffen, sehr viel reichlicher und nutzen so
den Boden mit möglichst rationell verteiltem Materialaufwand möglichst vollkommen
aus. Das Wurzelsystem als ganzes entwickelt sich bei der gleichen Holzart in massig
frischem Boden stärker als in sehr feuchtem, in sehr nährsalzreichem (stark gedüngtem)
schwächer als im ärmeren, entsprechend der Leichtigkeit, mit welcher die Wurzeln
Wasser und Aschenbestandteile erwerben können. Im lockeren, gut durchlüfteten Bo-
den entwickelt sich das Wurzelsystem reichlicher als im schweren Thonboden ; im sum-
pfigen Moorboden, dessen tiefere Schichten Sauerstoff frei sind, kann sich nur ein flaches
Wurzelsystem entwickeln, auch bei Holzarten, die, wie die gemeine Kiefer, normaler-
weise eine tiefgehende Pfahlwurzel bilden. Ebenso befördert naturgemäss ein flach-
gründiger Boden, dessen anstehendes Gestein der Entwickelung der Pfahlwurzel vor-
zeitig ein Ziel setzt, die Ausbildung der Seitenwurzeln und Spalten und Klüfte im
Gestein werden von den Wurzeln in bewundernswerter Weise ausgenützt, wobei die
Wurzeln mit der Zeit weitgehende Deformationen erfahren können.
Die Wurzelsysteme der einzelnen Holzarten lassen nach Büsgen^)
2) M. B ü s g e n , Einiges über Gestalt und Wachstumsweise der Baumwurzeln (A.
F.- und J.-Zeitg., Augustheft 1901).
Die Glieder des Baumes als Organe. § 2. 205
feinere, zur Unterscheidung dienliche Unterschiede erkennen. So treten z. B. bei der
Kiefer im Verhältnis der Trieb- zu den Saugwurzeln an den jüngsten Verzweigungen
ganz ähnliche Unterschiede wie im Aufbau der Krone auf : Lang- und Kurz wurzeln
sind auf den ersten Blick zu unterscheiden. Die Kurzwurzeln sind Mycorrhizen, ent-
behren der Wnrzelhaare und bilden ein nur einige Millimeter langes lockeres, wieder-
holt gabelig verzweigtes Sträusschen oder ganz dichte knollige Wurzelklümpchen und
sitzen den Langwurzeln in ziemlich unregelmässiger Folge seitlich an, gelegentlich den
einen oder anderen Wurzelzweig zur Langwurzel auswachsen lassend. Bei Fichten,
Tannen und Lärchen sind die Kurzwurzeln t raub ig verzweigt und darum weniger
auffällig gestaltet, einerlei ob sie Mycorrhizen sind oder nicht, in welch letzterem Falle
sie stets reichlich Wurzelhaare tragen. Die Laubhölzer zeigen eine viel feinere
Gliederung des Wurzelsystems und in den letzten Auszweigungen ist bei vielen
ein scharfer Unterschied zwischen Lang- und Kurzwurzeln überhaupt nicht mehr vor-
handen, was namentlich für die Esche gilt. Ebenso ist auch die Gesamtlänge der
in einem Jahre erzeugten Würzelchen bei einem solchen Baume viel grösser, als bei
einem der genannten Nadelhölzer, indem sich in der Länge der Wurzelsysteme auch
der Wasserbedarf der einzelnen Holzarten ausspricht und sich nach v. Höhneis Ver-
suchen bei reichlicher Wasserversorgung die Transpiration der Laub- und Nadelhölzer
wie 6 : 1 verhält. Auf natürlichen Standorten werden freilich diese Verhältnisse durch
den sehr ungleichen Wassergehalt der einzelnen Bodenarten erheblich modifiziert und
so dürfte es verständlich sein, dass nach Nobbe die jugendliche Kiefer mit einer viel
grösseren aufnehmenden Fläche begabt ist, als die einer gleichalterigen, nach Höhnel
weit mehr Wasser verbrauchenden jungen Fichte, deren natürliche Standortsverhältnisse
im allgemeinen die Transpiration herabdrücken, während diejenigen der Kiefer sie be-
günstigen. Bei einem ungemein wasserbedürftigen Baume, wie es die Esche ist, muss
das Wurzelsystem in erster Linie auf den Erwerb grosser Wassennengen, gewisser-
massen auf extensive Bodenbenutzung, eingerichtet sein, während z. B. das Wurzel-
system der viel weniger wasserbedürftigen Buche mit seinen auffallend dünnen, aber
ungemein reich verästelten Würzelchen zwar sehr viel weniger Bodenraum, diesen aber
viel intensiver ausnutzen kann. Die Eschenwurzel bekommt mit dem von ihrem
ausgebreiteten Wurzelsystem reichlich aufgenommenen Wasser trotz der Konkurrenz
der Bodenpilze genügende Mengen von Mineralstoffen und kann darum der Mycorrhiza-
bildnng entbehren, die Buche aber besitzt dreierlei Wurzelformen: 1) auffallend lange
und fadendünne, locker verzweigte, locker oder nicht verpilzte und unregelmässig mit
kurzen Haaren besetzte Langwurzeln, die hauptsächlich zur Ausbreitung des Wurzel-
systems dienen, 2) besonders dicht mit mehreren Reihen von Seitenwürzelchen besetzte
Mycorrhizen, die in ihrer Verzweigung einem bis zum Grunde beasteten Fichtenbäum-
chen gleichen und später verloren gehen oder als Langwurzeln weiter wachsen können
und 3) kurze, dünne, behaarte oder unbehaarte Wurzelzweige mit breitem Ende, die
in der Entwickelung zurückgebliebene, später wohl grösstenteils verloren gehende Saug-
w^urzeln sind. Das reichverästelte Wurzelsystem des Spitzahorns, dessen Lang-
und Kurzwurzeln nicht scharf von einander geschieden sondern durch Uebergänge ver-
bunden sind, nimmt eine Art Mittelstellung zwischen Esche und Rotbuche ein. Der
auffallend geschlängelte Verlauf und die relative Kürze der W'urzeln höheren Grades
unterscheiden die Wurzelsysteme der Ahorne von denen der Eschen; was ihnen etwa
an weitem Ausgreifen der Esche gegenüber mangelt, wird durch eine grössere Anzahl
von Wurzelspitzen in dem gleichen Räume ausgeglichen ; ihre schwächeren Würzelchen
sind entweder normale, schlanke, behaarte Wurzelzweige oder kurze, dicke, haubenlose
Kurzwurzeln. Eiche, Weissbuche und Hasel schliessen sich der Rotbuche an, Erle und
I
206 III. Klein, ForstboUnik.
Linde dagegen lassen Aehnlichkeit mit dem Wurzelsysteni von Esche und Ahorn er-
kennen. Diese wenigen dem Büsgen'schen Aufsatze entnommenen Beispiele mögen zei-
gen, wie verschieden die feinsten Auszweigungen des Warzelsystems unserer Waldbänme
gestaltet sind.
Die Zeit derWarzelbildnng nnd desWurzelwachstnms fällt
mit derjenigen der Sprossbildung und des Sprosswachstums nicht durchweg zusammen.
Durch die oben erwähnte Untersuchung Büsgens ist auch auf diesem Gebiete einiger-
massen Klarheit in die einander wiedersprechenden Literaturangaben über die Zeit des
Wurzel Wachstums gebracht und wir wissen jetzt, dass die Angaben Willdenows (1798)
und Resa's (1877) im wesentlichen zu recht bestehen, wir wissen, dass es zwei durch
eine Ruhepause getrennte Perloden des Wurzel Wachstums gibt, eine im Frühjahr und
eine im Herbste. Was den Beginn des Wurzel Wachstums anlangt, so sind
schon im März zahlreiche Wurzeln im Wachsen begriffen, ohne dass jedoch ein direkter
Zusammenhang zwischen dem Aufbrechen der Knospen und dem Beginn der Wurzel-
entwickelung zu konstatieren ist. Da die meisten Wurzeln im Juni noch reichlich im
Wachsen begriffen sind, so kann von einer zeitlichen Trennung der oberirdischen und
unterirdischen Wachstumstätigkeit, von einer Art Arbeitsteilung, wie sie Resa annahm,
keine Rede sein, denn die Pause des Wurzelwachstums im Juli und August, die aber
keineswegs ein allgemeiner Wachstumsstillstand ist, tritt erst ein, wenn die Blattent-
faltung abgeschlossen oder so gut wie abgeschlossen ist und entspricht somit auch einer
Pause im Wachstum der Langtriebe, einem schwachen Nachklang der sommerlichen
Vegetationspause sommertrockener Klimate. Der Neubeginn der Wurzelentw-ickelung
im September und Oktober lässt sich vielleicht der Johannistriebbildung vergleichen,
der freilich in unserem Klima viel früher durch die Winterruhe ein Ende gesetzt wird,
als dem Wurzelwachstum, welches bei zahlreichen Wurzeln in dem wänneren Boden
bis in den November und Dezember fortdauert.
So lässt sich, trotz aller Verschiedenheit im einzelnen, auch bei einer und der-
selben Holzart, doch im grossen und ganzen ein Parallelismus zwischen der vegetativen
Tätigkeit der Krone und des Wurzelsystems konstatieren und man darf wohl mit Büs-
gen annehmen, dass die vorkommenden zeitlichen Differenzen beider mit den Verschie-
denheiten der Luft- und Bodentemperatur zusammenhängen und dass dem herbstlichen
Wachstum ausserdem noch die mit dem Laubfall eintretende Verminderung der Wasser-
verdunstung zu gute kommt.
Mit den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen des Baumes steht der dargelegte
Rhythmus der Wurzelentwickelung keineswegs im Widerspruch, denn Entwickelung und
Aufnahmetätigkeit der Wurzeln sind zwei ganz verschiedene Dinge, die keineswegs
zusammenzufallen brauchen, wie denn auch die Wurzeln im Hochsommer, gerade zn
der Zeit, zu welcher sie am intensivsten arbeiten müssen, einen relativen Wachstums-
stillstand zeigen. Bei der Wasseraufnahme wirken auch tote Wurzelhaare noch ener-
gisch mit, \vährend die chemische Tätigkeit der Wurzel, namentlich die Ausscheidung
der phosphorsauren, ameisensanren und Oxalsäuren Salze, welche neben der Kohlensäure
die Aufschliessung der Bodenbestandteile bewirken, natürlich nur durch lebende Wurzel-
haare vermittelt werden kann.
Das Schicksal der im Frühjahr und Herbste neu gebildeten
Wurzeln ist verschieden; einzelne werden zu Triebwurzeln, die sich dauernd ver-
längern, andere, kurz und schwach bleibend, werden zu Saugwürzelchen, bilden den
Hauptsitz der Mycorrhizabildung und gehen oft bald zu Grunde. Wie die Laubkrone
sich durch das Absterben der schwächeren Zweige „reinigt", so reinigt sich auch das
Wurzelsystem von den überzählig und überflüssig gewordenen Organen, indem behn
Die Glieder des Baumes als Organe. § 3. 207
Kampf der einzelnen Wurzeln um die Nährstoffe die schwächeren Würzelchen unter-
liegen.
Da die typische Wurzel ganz bestimmte Leistungen für die oberirdischen Sprosse
zu erfüllen hat, so besteht zwischen der Grösse des ganzen Wurzelsysteras und der
Grösse der belaubten Krone ein ganz bestimmtes Verhältnis, eine sog. Korrelation, die
abhängt von der Natur der einzelnen Holzart, von dem Wasserbedürfnis und der Ent-
wickelung der Krone, von der Luft- und Bodenfeuchtigkeit und den Standortsverhält-
nissen überhaupt. Dieses Gleichgewicht zwischen Kronen- und Wurzel-
grosse wird beim Yerpflanzen gestört, um so stärker, je älter die Pflanze ist, weil
dann ein um so grösserer Teil des gesamten Wurzelsystems und namentlich der Saug-
wurzeln im Mutterboden zurückbleibt. Bekannt ist, dass man die Laubholzbäume im
entlaubten Zustande verpflanzt; bei ihnen lässt sich die gestörte Korrelation durch
mehr oder weniger weitgehende Einkürzung der Krone verhältnismässig leicht aus-
gleichen, auch treten an die Wurzeln sofort nach dem Yerpflanzen zumeist keine grossen
Anforderungen heran, weil die meisten Laubhölzer (Ausnahme Tulpenbaum) im Zustande
der Vegetationsruhe im Herbste, oder im Frühjahr erheblich vor dem Laubausbruch
verpflanzt werden.
Anders liegen aber die Dinge bei den immergrünen Holzarten, speziell bei den
Koniferen, die am besten bei Beginn des Triebes, anfang Mai, anwachsen und bei denen
eine Einkürzung der Krone ausgeschlossen ist. Da ist es ein völlig aussichtsloses Be-
ginnen, etwa mannshohe Fichten oder Tannen aus dem Walde noch verpflanzen zu
wollen ; nur durch geeignete \'orbereitung, durch öfteres Verschulen, welches die Haupt-
masse des Wurzelsystems auf einen kleinen Kaum zusammendrängt, so dass die Wurzeln
„Ballen halten" und namentlich durch Kultur in in die Erde eingegrabenen Weiden-
korben, die etwa alle 2 Jahre erneuert werden, kann man auch grössere Koniferen
derart erziehen, dass sie jederzeit und ohne Einbusse an Schönheit bei genügender Vor-
sicht verpflanzt werden können.
§ 3. Metamorphosierte Wurzeln spielen, abgesehen von den als An-
hängsel der typischen Wurzeln schon behandelten Mycorrhizen, bei unseren Waldbäumen
keine Eolle, wenn wir nicht etwa die dickeren holzigen Wurzeln, welche, ähn-
lich wie die fleischigen Rüben, in erster Linie als Eeservestoffbehälter dienen, hierher
rechnen wollen. Durch das Medium erfahren normale Erdwurzeln eine gewisse Meta-
morphose, wenn sie, wie das bei Weiden und Erlen an steilen Bachrändern nicht selten
ist, frei ins Wasser hineinwachsen oder wenn Erdwurzeln zufällig in Drainageröhren
hineingeraten und sich dort unter den besonders günstigen Emährungsverhältnissen zu
sog. Wurzelzöpfen entwickeln. Beim Epheu wenden sich die auf der Unterseite des
kletternden Stammes hervorbrechenden, schon dicht hinter dem Vegetationspunkte an-
gelegten Adventivwurzeln zufolge ihres negativen Heliotropismus dem Substrate zu und
klammem sich an demselben mit ihren Wurzelhaaren fest, so zu Klammerwurzeln
werdend, die infolge von Trockenheit und Nahrungsmangel bald absterben, während
sie an in den Boden gesteckten Epheuzweigen oder da, wo eine solche Adventivwurzel
zufällig eine mit fruchtbarer Erde gefüllte Mauerritze trifft, sich zu ganz normalen
typischen Wurzeln entwickeln, ein Beweis dafür, dass hier eine der Anlage nach noch
typische Wurzel in jedem Einzelfall metamorphosiert wird.
Reduzierte Wurzeln finden wir bei einigen saprophytischen der grünen
Lanbblätter entbehrenden Standortspflanzen wie Neottia, der Vogelnestorchis und Mo-
notropa, der Fichtenspargel, bei den Halbschmarotzern, den Melampyrumarten, den ächten
Parasiten, wie Cuscuta, Orobanche und Lathraea und der auf den verschiedensten Bäu-
men schmarotzenden Mistel (§ 79).
208 III. Klein, Forstbotanik.
8. Der Spross.
§4. Der Spross ist ein beblätterter Stengel. Die Knospe ist
das Jugendstadinm des Sprosses. Der typische Spross ist der
Laubspros s. Der erste Spross einer Pflanze ist der Keims pro ss. Als Organ
erhebt sich der Spross über das Sabstrat, um am Lichte zu assimilieren, d. h. neue
organische Substanz zu erzeugen, welche einerseits zur Deckung der Haushaltungskosten
der Pflanze (Atmung, Dickenwachstum etc.), anderseits zur Bildung neuer Sprosse und
Wurzeln und schliesslich zur Bildung der Fortpflanzungsorgane Verwendung findet
So verschieden uns bei einem gewöhnlichen Laubspross die beiden Teile, Blatt
und Achse, entgegentreten, so ist es doch unmöglich, ganz allgemein den Begriff der
Blätter ohne Rücksicht auf die tragende Achse und umgekehi*t den der Achse ebne
Rücksicht auf die von ihr erzeugten Blätter scharf zu deflnieren, weil Blatt und Achse
eben nur Teile eines Granzen, des Sprosses sind. Achse ist nur das, was Blätter
trägt, Blatt nur, was in bestimmter Weise aus der Achse entsteht.
Als Hauptkennzeichen eines Blattes haben wii* im allgemeinen fol-
gende drei Punkte anzusehen: 1) Die Blätter entstehen exogen als Ausstülpun-
gen aus dem Teilungsgewebe des Vegetationspunktes in akropetaler Folge,
d. h. die obersten sind die jüngsten, während die Wurzeln endogen aus bereits ausge-
wachsenen Partien der Wurzel hervorgehen. 2) Die Blattanlagen zeigen anfänglich
rascheres Wachstum, als das über ihnen stehende Achsenende, sie wachsen anfänglich
auf der Unterseite rascher als auf der Oberseite, krümmen sich infolge dessen über den
Vegetationspunkt herüber und bilden mit ihm eine Knospe. Die Spitze ist derjenige
Teil des Blattes, welcher in der Regel am frühesten ausgewachsen ist und das Wachs-
tum des Blattes ist, wenigstens bei den Bäumen, stets ein begrenztes. 3) Die Blätter
besitzen fast immer eine andere Gestalt, als die tragenden Achsen.
Die Achsen besitzen in der Regel unbegrenztes Wachstum , die Ansatzstelien
der Blätter heissen Knoten, die Strecke zwischen zwei Knoten Internodium.
Sprosse mit laugen , ruthenförmigen Achsen heissen Langtriebe, solche mit ge-
stauchten Achsen K u r z t r i e b e ; am schönsten treten uns letztere bei den Kiefern
und Lärchen und bei Berberis entgegen, aber auch bei älteren Buchen, Pappeln,
Eschen u. s. w.
Die ungeheuere Mannigfaltigkeit im Habitus der einzelnen
Sprosse wird , wenn wir von Lang- und Kurztrieb absehen , wesentlich nur durch
die Grösse, Gestalt, Stellung und Zahl der Blätter bedingt, der Habitus des ganzen
Sprosssystems, derKrone, dagegen durch die Grösse, die Gestalt, die Wuchsrichtung
und die Verzweigung der einzelnen Jahrestriebe, sowie durch das Mengenverhältnis
von Lang- und Kurztrieben und das Stärkeverhältnis von Aesten und Zweigen.
§ 5. Die Knospen bilden entweder den oberen Abschluss eines Sprosses (End-
knosp ej, oder sie stehen in den AVinkeln, welche die Blätter mit den tragenden Achsen
bilden, den Blattachseln (Achsel- oder Seitenknospen). Gewöhnlich steht in
jeder Blattachsel nur eine Knospe, bei manchen Laubholzbäumen wie Rotbuche, Weiss-
buche, Linde und Birke entbehren die beiden untersten Blätter jedes Jahrestriebes der
Achselknospen, bei Gleditschia, den Loniceraarten, der als Zierbaum in milden Gegen-
den gezogenen Paulownia, der bekannten Schlingpflanze Aristolochia Sipho, stehen gar
2 — 3 Knospen in jeder Blattachsel über einander, wovon man die überzähligen als Bei-
knospen zu bezeichnen pflegt ; bei den Nadelhölzern dagegen ist die Zahl der Knospen
viel kleiner als diejenige der Blätter, weil lange nicht in jeder Blattachsel eine Knospe
steht. Endlich sind noch die A d v e n t i v k n o s p e n zu erwähnen, welche bei unseren
Die Glieder des Baumes als Organe. § 5. 209
Bäumen auf Stamm und Wurzel (sog. Wurzelbrut) beschränkt sind und mehr oder
weniger regellos aus älteren Geweben oder aus Ueberwallungswülsten entspringen. In
der Knospe sind die jungen Laubblätter in einer für die Gattung charakteristischen
Weise zusammengelegt (K n o s p e n 1 a g e) , z. B. längs der Mittelrippe gefaltet bei
Eiche, Linde und Kirsche, ausserdem noch längs den Seitenrippen 1. Grades gefaltet
bei der Buche und Erle, von den Rändern her eingerollt bei den Pappeln, zurückge-
rollt bei den Weiden etc.
Die Knospen entfalten sich entweder noch im gleichen Jahre, in welchem
sie angelegt wurden oder sie überwintern und stellen als Winterknospen die
Ueberwinterungsform des jungen Jahrestriebes dar. Bei diesen Winterknospen werden
die ältesten Blattanlagen in holzige, lederige oder trockenhäutige Knospenschup-
pen umgewandelt, deren Aufgabe in erster Linie darin besteht, die zarten, inneren
Anlagen vor dem Vertrocknen zu schützen, sowie vor mechanischen Verletzungen, wenn
der Sturm die entlaubten Baumkronen peitscht. Winterknospen, welche derartiger Knos-
penschuppen entbehren, wie diejenigen des wolligen Schneeballs, der Robinie u. a.
heissen nackte Knospen. Aus vorzeitig, noch im gleichen Jahre austreibenden Win-
terknospen gehen die Johannistriebe hervor. Die Ausbildung der Wint^rknospen
erfolgt meistens schon im Anfange der Vegetationsperiode. Entfernt man frühzeitig
die Blätter eines Sprosses, so wachsen, wie Göbel gezeigt hat, dieselben Anlagen, welche
im normalen Verlauf der Dinge zu Knospenschuppen geworden wären, zu Laubblättern
ans, ein Beweis dafür, dass die Knospenschuppen aus richtigen Laubblattanlagen durch
Metamorphose entstehen. Die Zahl der Knospenschuppen schwankt bei den einzelnen
Holzarten innerhalb sehr weiter Grenzen ; wir finden z. B. nur eine einzige (durch Ver-
wachsung von zweien entstandene) bei den Weiden, zwei bei den Erlen, einige Dutzend
bei den Eichen und Rotbuchen, ca. 100 bei der gemeinen Fichte und Kiefer und ca.
360 bei der Schwarzkiefer.
Bei der Entfaltung derKnospen strecken sich die Internodien der jugend-
lichen Achse, und, umgekehrt wie bei der Bildung der Knospen, wächst jetzt die Ober-
seite der Blattanlagen stärker als die Unterseite, so dass sich die jungen Blätter von
der Knospe abheben. Bei der Entfaltung der Winterknospen wachsen die derben Knos-
penschuppen wenigstens an ihrer Basis, bei einzelnen Holzarten wie Rosskastanie u. a.
sogar sehr beträchtlich, und fallen schliesslich ab. Hat die Winterknospe sehr zahlreiche
Knospenschuppen, wie z. B. bei der Rotbuche, den Fichten, Tannen und Kiefern, dann
bleiben die inneren Knospenschuppen, an der Basis sich ablösend, noch längere Zeit
als trockenhäutige Mützchen auf der Spitze der zusammenliegenden, in Streckung
begriffenen jungen Laubblätter, denselben namentlich gegen leichtere Spätfröste noch
einen gewissen Schutz gewährend. Aus den obersten Knospen eines Jahrestriebes gehen
gewöhnlich die längsten Triebe hervor, der Gipfeltrieb selbst pflegt am allerlängsten
zu sein; derselbe geht aber keineswegs wie bei den Nadelhölzern, Ahornen, Eschen und
L d. Regel bei den Eichen und Rotbuchen immer aus der Endknospe hervor, denn bei
den meisten unserer Laubhölzer schliesst der Jahrestrieb nicht mit einer wohl ausge-
bildeten für den Winter geschützten Endknospe ab, sondern das Triebende verkümmert,
wie dies bei den Birken, Weissbuchen, Haseln, Aspen, Weiden, Ulmen, Linden, den
Prunusart-en, nicht selten auch bei Rotbuchen und Eichen der Fall ist und die oberste
Seitenknospe setzt dann, sich genau in die Richtung des Muttersprosses stellend, den
Trieb fort. Die Grenze der einzelnen Jahrestriebe ist meist durch eine
feine Querringelung der Rinde, die Narben der abgefallenen Knospenschnppen, deutlich
gekennzeichnet. Je weiter vom Gipfel entfernt, desto kürzer pflegen die Seitentriebe
zu werden, bei den Kiefern folgen direkt auf die aus den obersten Knospen hervor-
Handbnch d. Fontw. 2. A.afl. I. 14
210 m. Klein, Forstbotanik.
gehenden Qoirläste ausschliesslich sehr kleine Knrztriebe, bei den Lanbhölzem nimmt
die Länge der Seitentriebe meist allmählich ab, jeweils linden sich aber die ausgespro-
chenen Kurztriebe stets in der unteren Partie des Jahrestriebs. Die am weitesten
von der Triebspitze entfernten Winterknospen treiben übrigens unter normalen Ver-
hältnissen im nächsten Frühjahr in der Regel überhaupt nicht aus, ohne indes zu Grunde
zu gehen; sie schlafen weiter wie im Winter und werden schlafende Augen ge-
nannt. Sie können, zum Teil wenigstens, und namentlich bei glattrindigen Bäumen,
sehr lange am Leben bleiben und treiben aus, wenn sie in günstigere Bedingungen
kommen, namentlich wenn das über ihnen stehende Sprossstück, das bisher die Bildnngs-
stoffe an sich gerissen hat, entfernt oder seiner Knospen beraubt wird. Auf dem Vor-
handensein solch schlafender Augen beruht die Bildung von Ersatztrieben nach Laub-
verlust durch Frühjahrsfrost oder Tierfrass, die Bildung von Wasserreisem und, zum
Teil wenigstens, auch das Stock- und Stamm-Ausschlagsvermögen. Bedingung für das
Leben der schlafenden Augen ist, dass sie mit dem lebenden Bildungsgewebe des Stam-
mes oder Astes, an dem sie sitzen, dem Cambium, in Zusammenhang bleiben; sie ver-
längern sich wie ein Markstrahl alljährlich um die Dicke eines Jahrringes und werden
allmählich ganz von der Rinde eingeschlossen. Lösen sie sich vom Cambium ab, so
können sie in der lebenden Rinde noch längere Zeit ein selbständiges Leben führen
und in einer noch genauerer Untersuchung bedürftigen W^eise zu den, namentlich bd
der Rotbuche häufigen, holzigen Rindenknollen oder Rindenkugeln, heranwachsen.
§6. Die ausgebildeten Blätter des typischen Laubsprosses,
und ebenso ihre Achselknospen stehen entweder zerstreut am Trieb, teils an
zwei einander gegenüberliegenden Kanten desselben je eine Längslinie bildend, zwei-
zeilige Blatt- und Knospenstellung, wie bei Rot- und Weissbuche, Ulme, Linde u. a.,
teils in spiraliger Anordnung meist von ^/s und ^/s, nicht selten auch V'? d. h. so,
dass nach je 2 Umgängen um die Achse das 5., 10. Blatt u. s. w. über dem 1., bezw.
nach je 3 Umgängen das 8., 16. u. s. w. über dem 1. steht etc., oder es stehen 2 (oder
mehrere) Knospen bezw. Blätter in gleicher Höhe des Triebs, was als quirlige An-
ordnung bezeichnet wird. Weitaus am häufigsten hierbei ist, dass die Blätter und Knospen
paarweise einander gegenüber und 2 auf einander folgende Paare gekreuzt stehen, de-
cussierte Blattstellung mit 4 Längsreihen, wie bei Ahorn, Esche, Rosskastanie u. s. w.
Die ersten Laubblätter einer Holzpflanze sind, ausser wenn die Keimung unterirdisch
stattfindet (Eiche, Kastanie) die Keimblätter, hierauf folgen bei Laub- wie Nadelhölzern
gewöhnlich die sog. Erstlingsblätter und dann erst die normalen Blätter oder Nadeln.
Die Laubblätter unserer Bäume sind meist gestielt und infolge dessen beweglich,
was zur Erhöhung ihrer Transpiration wesentlich beiträgt und ihnen eine Reihe von
mechanischen und physiologischen Vorteilen bietet, wie erhöhte W^iderstandskraft gegen
Wind, Regen und Hagel, bessere Durchleuchtung der Krone und dergl. Die Laubblätter
besitzen die Fähigkeit, sich durch Krümmungen ihrer Blattstiele in die für die Assimi-
lation günstigste Lage zu stellen und in der Krone füllen die kleineren die Lücken zwi-
schen den grösseren aus. Eine weitgehende Zerteilung der Blattfläche findet sich meist
nur bei grossen Blättern, die sonst dem Winde eine zu grosse AngrifiFsfläche bieten
würden. Die derben immergrünen Nadeln unserer Nadelhölzer stellen eine sehr
zweckmässige Anpassung an die ungünstigen Vegetationsverhältnisse des Winters dar.
Bei fast all unseren mitteleuropäischen Laubhölzern werden die Laubblätter im Herbste
abgeworfen, weil der Transpirations verlust derselben im Winter nicht gedeckt werden
kann und weil die grossen Laubflächen dieser Bäume dem Schnee und Eisanhang eine
viel zu grosse Auflagerungsfläche bieten würden und bekanntlich schon die in dieser
Hinsicht so sehr viel vorteilhafter organisierten Nadelhölzer gelegentlich schwer unter
Die Glieder des Baumes als Organe. § 6. 211
Schneebruch zn leiden haben. Nur die durch ihren Wuchs als Unterholz meist ge-
schätzte Stechpalme und der Buchsbaum sind bei uns immergrün. Erst in der Medi-
terranzone treten zahlreiche immergrüne Laubhölzer auf, deren Blätter meist von mehr
oder weniger derb lederiger Beschaffenheit sind und eine 2 — 4jährige, bei Buxus bis
öjährige Lebensdauer aufweisen.
Bei lange fortwachsenden Langtrieben nehmen die Laubblätter am Ende der Ve-
getationsperiode gegen die Spitze zu an Grösse ab. Im allgemeinen nimmt bei der
gleichen Baumart die Blattgrösse mit der Helligkeit und Luftfeuchtigkeit zu. Darum
finden wir im Innern des Kronenschattens meist kleinere Blätter. Wenn an halbschat-
tigen Standorten die Blätter meist grösser sind, als an sonnigen, so dürfte dies darauf
znrückzuftthren sein, dass relative Helligkeit und Luftfeuchtigkeit vielfach nicht Hand
in Hand gehen, sondern im Gegenteil gewöhnlich an halbschattigen Orten viel grössere
Luftfeuchtigkeit herrscht und letztere die Blattgrösse viel energischer beeinflusst als
die Helligkeit. Die auffallend grossen Dimensionen, welche die Blätter von Stockaus-
schlägen so häufig erreichen, sind dagegen auf die aussergewöhnlich günstige Wasser-
versorgnngs- und Emährungsverhältnisse vom Stocke aus zurückzuführen. Die haupt-
sächlichen Aufgaben der Laubblätter unserer sommergriinen Bäume sind möglichst aus-
giebige Assimilation und Transpiration, daneben auch Schutz der Aeste und Zweige,
sowie des Waldbodens gegen die austrocknende Wirkung der sommerlichen Sonnen-
wärme. Diesen Aufgaben vermögen sie als dünne, flächenförmige Gebilde am besten
zu entsprechen. Ihre mechanische Festigkeit erhalten sie durch die die Blattfläche in
einer für die Gattung sehr charakteristischen Weise durchziehende Nervatur, welche
zugleich die Zuführung des Wassers zu allen Teilen des Blattes und die Ableitung der
von den grünen Zellen gebildeten Assimilationsprodukte nach den Zweigen besorgt.
Je nach dem Grundplane der Nen^enanordnung unterscheidet man fingerförmige
Nervatur (auch strahlenförmige genannt) und fiederförmige; dann , nach
dem Yerlaufe der Seitennerven 1. Grades, bezw. der einzelnen Hauptstrahlen bei finger-
förmigem Grundplane : netz läufige Nervatur, wenn die Seitennerven, bevor sie den
Rand erreichen, sich in ein feines Netzwerk auflösen (z. B. wilder Birnbaum, Weide),
randläufige (z. B. Eiche , Kastanie, Rosskastanie , Hasel , Hain- und Rotbuche,
Ahorn, Platane), endlich, viel seltener, schlingenläufige (Rhamnus frangula) und
bogenläufige Nervatur (Cornus), wenn die Seitennerven, bevor sie den Rand er-
reichen, gegen die Spitze umbiegen und sich schlingenförmig an den nächst oberen
Seitennerv anlegen, bezw. wenn sie, ohne solche Schlingen zu bilden, bogenförmig gegen
die Spitze zu verlaufen. Reicht dieZerteilung des Blattrandes nicht bis
zur halben Entfernung vom Mittelnerv , so nennt man ein solches Blatt gelappt,
geht sie bis zur Hälfte, so heisst es gespalten, bis über die Hälfte : geteilt und
bis znr Mittelrippe : zerschnitten. Der Blattrand heisst gesägt, wenn die
kleinen Einschnitte spitze Zipfel und spitze Buchten haben , gezähnt bei spitzen
Zipfeln und stumpfen Buchten, gekerbt bei stumpfen Zipfeln und spitzen Buchten,
gewellt bei stumpfen Zipfeln und stumpfen Buchten. Der Gestalt nach können
die einzelnen Blätter kreisrund, oval (grösster Querdurchraesser in der Mitte), eiförmig
oder verkehrt eiförmig (grösster Durchmesser unter bezw. über der Mitte), lanzettlich
(oben und unten zugespitzt, grösster Durchmesser in der Mitte), eilanzettlich, schuppen-
törmig, lineal, lineallanzettlich, rautenförmig, nadeiförmig, spateiförmig, keilförmig, herz-
förmig (Einschnitt an der Ansatzstelle des Blattstiels), verkehrt herzförmig (wie bei
Gingko), nierenförmig, spiess- und pfeilförmig sein, schliesslich noch symmetrisch oder
unsymmetrisch, je nachdem die beiden Blatthälften rechts und links der Mittelrippe
gleich oder ungleich sind. Der Zusammensetzung nach unterscheidet man ein-
14*
212 III. Klein, Forstbotanik.
fache, gefingerte und (paarig oder unpaarig, einfach oder mehrfach) gefiederte Blätter.
An einem vollständigen Laubblatt unterscheidet man gewöhnlich Stiel und Spreite,
während eine Blattscheide, die bei krautigen Pflanzen nicht selten ist, bei Bäumen
nur ausnahmsweise vorkommt. Rechts und links von der Blattstielbasis stehen die
Neben blätter (Stipulae), die hier meist hinfälliger Natur sind und nur wenigen unse-
rer Laubholzarten (z. B. Ahorn, Esche, Kosskastanie) fehlen.
Für die Ableitung des Regen wassers finden wir mannigfache Einrich-
tungen: rinnenförmige Vertiefungen des Blattstiels und der stärkeren Nerven, wenn
das Wasser nach der Blattbasis abgeleitet wird, lang ausgezogene Blattspitzen bei
centrifugaler Ableitung, wie sie namentlich im tropischen Regenwalde in schönster Aus-
bildung auftreten (Träufel spitze) , aber einigermassen auch bei ans, z. B. bei Linden
und Pappeln vorkommen ; ferner verhindern dünne VVachsüberzüge oder grosse Beweg-
lichkeit des Laubes (Zitterpappel) ein längeres Haften der Regentropfen. Gegen den
Herbst zu verfärben sich vielfach die Laubblätter, bevor sie in einer den Blattstiel
durchsetzenden, meist erst kurz vor dem Laubfall gebildeten Trennungsschicht abbrechen
und eine für viele Holzarten höchst charakteristische Blattnarbe hinterlassen.
Durch ebensolche Trennungsschichten werden alljährlich gegen den Schluss der Vege-
tationsperiode auch lebende Zweige oder ganze Zweigsysteme als sog. .Absprünge^
abgeworfen, so mehrjährige, nadeltragende Kurztriebe bei den Kiefern, ehedem mit
Blütenständen besetzte einjährige beblätterte Zweige bei Weiden und Traubkirschen,
ein- und selbst mehrjährige, gesunde oder im Absterben begriffene Zweige bei Eiche,
Pappel, Wallnuss, Ulme, Esche und Bergahorn. Bei immergrünen Pflanzen, namentlich
bei vielen Nadelhölzern tritt im Winter unter der kombinierten Wirkung von Licht
und niederer Temperatur eine charakteristische gelbbraune, rotbraune oder braunviolette
Verfärbung besonders auf der Sonnenseite ein, die durch die Frühlingswärme wieder
rückgängig gemacht wird.
§ 7. Die metamorphosierten Sprosse, welche entweder einer Meta-
morphose der Blätter, oder einer solchen der Axe, oder auch einer solchen beider Spross-
bestandteile ihre Entstehung verdanken können, und die uns bei exotischen Gewächsen
und auch bei unseren einheimischen Kräutern und Stauden in ausserordentlicher Man-
nigfaltigkeit entgegentreten, spielen bei unseren Bäumen und Sträuchern eine ganz
untergeordnete Rolle, wenn wir von den gesondert zu betrachtenden Blüten absehen.
Am wichtigsten sind noch die Dornbildungen; dieselben können entweder Kurz-
triebe oder Verzweigungssysteme von Kurztrieben sein, deren Achsen nicht mit einer
Endknospe abschliessen, sondern an der Spitze zum scharfen stechenden Dom erhärten,
wie Schwarz- und Weissdorn, Gleditschie, wilder Birnbaum etc., oder es verdomt nur
das Ende eines sonst normalen Langtriebes (Kreuzdorn). Im Gegensatz zu diesen
„Stammdornen" stehen die „B latt dornen", die entweder, wie die dreiteiligen
Dornen der Berberislangtriebe metamorphosierte Blätter und Nebenblätter , oder wie
die beiden kräftigen Dornen an der Blattstielbasis der Robinie nur metamorphosierte
Nebenblätter sind. Mit den Dornen dürfen die Stacheln durchaus nicht verwechselt
werden, wie wir sie als Anhangsgebilde der Rinde z. B. bei Brombeeren und Rosen
finden. Dieselben sind durchaus regellos verteilt und stehen in keiner Beziehung zu
Knospen und Blättern.
4. Die Blüten, Früchte und Samen.
§ 8. Die Blüten sind begrenzte, metamorphosierte Sprosse, deren äussere Blatt-
gebilde als Kelch und Kronenblätter bezeichnet werden und deren wesentliche
Bestandteile die Staub- und Fruchtblätter sind, welche den Sporophyllen der höheren
Die Glieder des Baumes als Organe. § 8. 213
Kryptogamen, speziell denjenigen mit zweierlei Sporen homolog sind und welche die
Aufgabe haben, die eigentlichen Fortpflanznngsorgane, die männlichen Pollenkörner
und die weiblichen Samenknospen zu erzeugen, Gebilde sui generis, für welche
uns der vegetative Spross keinerlei Homologa bietet. Die Kelch- und Kronenblätter
haben in erster Linie die Aufgabe, in der Blütenknospe die wertvollen Organe zu
schützen; sind sie gross, bunt gefärbt und wohlriechend, so dienen sie auch zur An-
lockung der die Bestäubung vermittelnden Insekten; fehlen sie, so heisst die Blüte
nackt, fehlt die Krone allein, dann heisst die Blüte a p e t a 1. Sind Staub und Frucht-
blätter in der gleichen Blüte vereinigt, dann heisst die Blüte zwitterig, andern-
falls eingeschlechtig (männlich oder weiblich) ; zu letzteren gehören auch die
sclieinzwitterigen Blüten, bei welchen, wie beim Ahorn, die Staubblätter zwar
normal ausgebildet erscheinen, aber funktionslos geworden sind. Sind männliche und
weibliche Blüten auf der gleichen Pflanze vereinigt, so heisst dieselbe einhäusig
(die meisten Nadelhölzer und Kätzchenträger), bewohnen sie verschiedene Pflanzen:
zweihäusig (Weiden, Pappeln, Taxus) ; kommen endlich eingeschlechtige und Zwit-
terblüten auf derselben Pflanze vor (Ahorn, Esche) , so heisst die Pflanze polygam
oder V i e 1 e h i g. Bei den G-ymnospermen, zu denen unsere Nadelhölzer gehören, sind
die Fruchtblätter nicht zum Fruchtknoten verwachsen und tragen die Samenknospen
nackt, bei den Angiospermen dagegen finden wir stets einen durch Verwachsung von
einem oder mehreren Fruchtblättern gebildeten Fruchtknoten, in dessen Höhlung die
Samenknospen an den Verwachsungsstellen der Fruchtblätter angewachsen sind. Die
Bestäubung wird entweder durch den Wind (Nadelhölzer, Kätzchenträger) oder
durch Insekten (Weiden, Linden, Ahorn etc.) vermittelt; im ersteren Falle sind die
Blüten meist unscheinbar und der Blütenstaub wird in gewaltigen Mengen erzeugt.
Die Befruchtung geschieht dadurch, dass der generative oder Spermakem des Pol-
lens mit dem Eikem der Eizelle verschmilzt. Die dem Makrosporangium der hetero-
sporen Filicineen homologe Samenknospe besteht zur Zeit der Befruchtungsreife aus
dem von 1 oder 2 Hüllen, den Integumenten, umgebenen Knospenkern, zu welchem eine
enge Oeffnung der Integumente, die Mikropyle, führt und in welchem der der Makrospore
homologe Embryosack eingeschlossen ist. Derselbe enthält bei den Nadelhölzern das
dem weiblichen Geschlechtspflänzchen (Prothallium) homologe Endosperm und in dem-
selben zwei oder mehrere Archegonien mit je einer Eizelle, während bei den Angiosper-
men das Endosperm erst nach erfolgter Befruchtung gebildet wird und vorher im Em-
bryosack auf der der Mikropyle zugewendeten Seite die nackte Eizelle mit den beiden
Gehilfinnen, auf der abgewendeten Seite die drei behäuteten Gegenfüsslerzellen und in
der Mitte der sekundäre Embryosackkem liegen. Das Staubbeutelfach der Staubblätter
ist dem Mikrosporangium , das Pollenkom selbst der Mikrospore homolog. Die in-
nere Haut des doppelt behäuteten Pollenkornes wächst bei den Angiospermen auf der
Narbe, bei den Gymnospermen auf dem Scheitel des Samenknospenkernes zum Pollen-
schlauche aus, welcher, durch chemotropische Reize gelenkt, durch Narbe, Griffel und
dann der Fruchtknoteninnenwandung entlang, bezw. lediglich durch den Knospenkern,
bis zur Eizelle vordringt und dann den in ihm eingeschlossenen Spermakern in die Ei-
zelle tibertreten lässt, wo er mit dem Eikeme verschmilzt. Mit dieser Kemverschmel-
zung ist die Befruchtung vollzogen und dieser mikroskopische Vorgang wirkt als aus-
lösender Reiz für die Weiterentwickelung der Eizelle, der Samenknospe, der Frucht-
blätter und oft auch noch anderer Teile der Blüte, während bei ausbleibender Befruchtung
all diese Organe normaler Weise zu Grunde gehen. Streng genommen handelt es sich
übrigens wohl nicht um einen direkten Reiz zur Weiterentwickelung, sondern um die
Aufhebung eines die Weiterentwickelung hemmenden Reizes, da bei den, allerdings sehr
214 III. Klein, ForstboUnik.
seltenen Fällen von Parthenogenesis eine sonst normale Weiterentwickelnng der Ei-
zelle etc. ohne vorausgegangene Befruchtung erfolgt. Dagegen beeinflusst die bei der
Befruchtung stattfindende Verschmelzung zweier verschiedener Zellelemente qualitativ
den weiteren Entwickelungsgang, wie es besonders deutlich die Bastarde lehren. Aus
den Fruchtblättern, sofern sie zum Fruchtknoten verwachsen sind, geht die Fruchtwaud
oder das Pericarp hervor, bleiben sie dagegen frei, wie bei den Nadelhölzern, so
entwickeln sie sich zu den Frucht- oder Samenschuppen. Aus der Samenknospe ent-
wickelt sich der Samen, indem die Integumente zur Samenschale oder Testa
werden, der Embryosack sich mit Nährgewebe (Endosperm) füllt, in welches der aus
der befruchtenden Eizelle hervorgehende Embryo hereinwächst und es zum Teil oder
völlig verdrängt, gerade so, wie vorher der Knospenkem vom heranwachsenden Em-
bryosack und Endosperm verdrängt wurde. Dem gemäss unterscheiden wir Samen mit
und solche ohne Nährgewebe. Die Samen der Coniferen und der fleischigen oder der
aufspringenden Früchte, z. B. Rosskastanie, besitzen eine feste, in chemischer und me-
chanischer Hinsicht sehr widerstandsfähige Samenhaut, abgesehen von einigen Fällen,
in welchen die Keimung alsbald nach dem Abfallen erfolgt, w^ährend die in trockenen
Schliessfrüchten eingeschlossenen Samen, deren Pericarp nur langsam verwittert,
hierdurch genügend geschützt sind und nur eine schwache Samenschale ausbilden
(z. B. Edelkastanie, Eichel, Haselnuss etc.). Früchte mit fleischigem Pericarp heissen
Beeren, wenn das Pericarp lediglich aus dem Fruchtknoten hervorgegangen ist,
Apfelfrucht dagegen, wenn auch noch das Ende des Blütenstiels sich an der Bil-
dung des Fruchtfleisches beteiligt ; bleiben im letzteren Falle die aus den Fruchtblättern
hervorgegangenen Fruchtfö-cher pergamentartig, so haben wir den Kernapfel, wer-
den sie steinartig, den Steinapfel. Bei der Steinfrucht dagegen haben wir
ebenfalls eine Schliessfrucht , deren ganzes Pericarp aus dem Fruchtknoten hervorge-
gangen ist und aus zwei sehr verschieden ausgebildeten Schichten, dem äusseren „Fleisch''
und dem inneren „Stein" besteht (z. B. Kirsche).. Trockenhäutige Schliessfrüchte, deren
ganzes Pericarp holzig oder lederig ist, heissen Nüsse (Eichel, Buchel, Haselnuss etc.).
Nicht selten ist bei dieser Fruchtform ein Teil des Pericarps als dünner häutiger Flügel
ausgebildet, wie bei den Birken, Ulmen, Ahomen und Eschen, der die Verbreitung die-
ser Früchte durch den Wind sehr erleichtert. Aufspringende Trockenfrüchte
— nur solche kommen bei unseren HoLzpflanzen in Betracht — heissen ganz allgemein
Kapseln; ist der Fruchtknoten dabei nur aus einem einzigen Fruchtblatte gebildet
und springt das Pericarp nach der Fruchtreife an der Verwachsungsnalit (der Bauch-
naht) und der gegenüberliegenden Kante (der Rückennaht) auf, wie bei den Schmetter-
lingsblütlern, so heisst die Frucht eine Hülse. Die Fortpflanzungsorgane, welche von
den Sporophyllen gebildet werden, die Pollenkömer, Samen und Früchte, entbehren, im
Gegensatz zu den vegetativen Organen, des Funktionswechsels; sie behalten stets die
gleiche Form bei einer Pflanze, worauf ihre Bedeutung für die Systematik beruht.
!!• Der anatomische Bau der Orgaue des Baumes (Innere Morphologie).
1. Die Zelle als Gewebeelement.
§ 9. Die morphologische und physiologische Einheit im inneren Bau der Pflan-
zenorgane ist die Zelle. Die Bestandteile einer typischen erwachsenen Zelle sind: die
Zellhaut oder Membran, das Protoplasma mit seinen Einschlüssen, von welchen der
Zellkern der wichtigste ist, und der Saftraum oder die Vacuole. Das Protoplasma,
der „dunkle Erdteil der Biologie", bildet in der erwachsenen Zelle einen der Membran
anliegenden, den Zellsaft umschliessenden Sack, auch protoplasmatischer Wandbeleg
Der anatomische Bau der Organe des Baumes. § 9. 215
genannt, von kömig-schleimiger Beschaffenheit, der Hauptsache nach aus Eiweissver-
bindungen bestehend. Von einem Schleime im physikalischen Sinne ist aber das Pro-
toplasma dadurch wesentlich verschieden, dass in ihm Emährungs-, Stoffwechsel-, Wachs-
tams- und Teilungsvorgänge sich abspielen, kurz, dass es als Träger aller Lebenser-
scheinungen anzusehen ist. Der Zellkern, aus etwas dichterem Protoplasma be-
stehend, spielt eine wichtige Rolle bei der Membranbildung (die nur bei Gegenwart
eines Zellkernes stattfindet), bei der Teilung der Zellen und als mutmasslicher Träger
der erblichen Eigenschaften; er kommt bei den uns hier interessierenden Zellen, vom
Pollenschlauch und dem Embryosack nach der Befruchtung abgesehen, stets in der Ein-
zahl vor. Die unbefruchtete Eizelle und die beiden Synergiden entbehren der Membran.
Nach dem Vorschlag von Sachs bezeichnet man einen Zellkern mit dem von ihm be-
herrschten Protoplasma als Energide. Demgemäss unterscheidet man Zellen mit
einer, mit mehreren oder vielen und solche ohne Energiden ; letztere, auch tote Zellen,
Zellderivate etc. genannt, spielen bei den Bäumen eine wichtige Rolle, da der grösste
Teil des Holzes aus ihnen besteht.
Im allgemeinen lässt sich die Zelle als (xewebeelement lediglich
ihrer Gestalt nach auf zwei Grundformen zurückführen, die P a r e n c h y m - und
die Prosenchymzelle. Die Parenchyrazelle hat entweder nach allen Rich-
tungen des Raumes annähernd gleichen Durchmesser, sie ist „isodiametrisch" oder
sie ist in einer Richtung länger gestreckt und an den Enden gerade oder schief abge-
stutzt ; die Prosenchymzelle ist eine mehr oder weniger lang gestreckte , an
beiden Enden zugespitzte Faser.
Die Parenchymzellen haben in der Regel lebenden Inhalt. Ihre Mem-
bran kann dünnwandig sein (normale Parenchymzelle), stark verdickt (Steinzelle oder
sklerotische Zelle) oder nur an den Ecken bezw. Kanten stark verdickt (Collenchym-
zelle). Die Membranskulptur besteht in der Regel aus einfachen Tüpfeln (scharf
umgrenzte, dünne Stellen der Membran), seltener aus verzweigten Tüpfeln (manche
Steinzellen) oder anderen Verdickungsformen, wie die ins Zellinnere oder Lumen vor-
springenden Verdickungsleisten im Assimilationsparenchyra der Kiefemnadeln. Der che-
mischen Beschaffenheit nach kann die Membran der Parenchymzelle aus C e l-
lulose bestehen (Blaufärbung mit Chlorzinkjodlösung, sowie mit Jod und Schwefel-
säure), z. B. bei den Parenchymzellen der Rinde, oder sie ist verholzt (Rotfärbung
mit Phloroglucin und Salzsäure, Gelbfärbung mit schwefelsaurem Anilin und etwas
Schwefelsäure), z. B. bei den Parenchymzellen des Holzes und den Steinzellen, oder sie
ist verkorkt (widerstandsfähig gegen konzentrierte Schwefelsäure), z. B. bei den
ächten Korkzellen und bei den Oelzellen, oder sie ist v e r s c h 1 e i m t bei den Schleim-
zellen (mächtig aufquellend in Wasser). Nach dem Vorkommen, der Lage im
Pflanzenorgan , unterscheidet man im wesentlichen Bast- oderRindenparen-
chymzelle und Holzparenchymzelle. Der lebende Inhalt fehlt stets den
Korkzellen und meist den Steinzellen.
Die ausgebildeten Prosenchymzellen haben zumeist keinen lebenden Inhalt
mehr, sie führen Wasser und Luft. Die Z e 1 1 w a n d derselben ist in der Regel stark
verdickt (Sklerenchymfaser). Als Membranskulptur finden wir einfache, spal-
tenförmige, sowie behöfte Tüpfel, seltener ins Zellinnere vorspringende Ring-, Spiral-
und Netzverdickungen. In chemischer Hinsicht ist die Membran entweder ganz
oder teilweise verholzt oder sie besteht aus Cellulose, nie ist sie verschleimt oder ver-
korkt. Nach der Verteilung im Baumkörper unterscheidet man : a) i n
der Rinde: 1. Bastfasern mit meist sehr starken, fast bis zum Schwinden des
Lumens verdickten, verholzten Zellwänden, einfachen Tüpfelkanälen (meist Punkt-,
216 III. Klein, Forstbotanik.
selten Spalttüpfeln) ohne lebenden Inhalt, and 2. Cambiformzellen, auch Er-
satzfasern genannt, die, von der Gestalt abg^esehen, den typischen dünnwandigen,
lebenden Parenchymzellen sehr nahe stehen, b) im Holze: 1. Holzf asern (Libri-
form) mit stark verdickter, meist verholzter Zellwand, schiefspaltenförmigen einfachen
Tüpfeln und etwas weiterem liumen als bei den Bastfasern, in der Regel ohne lebenden
Inhalt. 2. Tracheiden mit stets verholzter, aber meist nur schwach verdickter
Membran, die keine einfachen, sondern behöfte Tüpfel besitzt, mitunter auch Spiral-,
Ring- oder Netzverdickung aufweist ; kein lebender Inhalt. 3. Ersatz fasern (Er-
satz für das oft fehlende Holzparenchym), mit dünnwandiger, verholzter Membran, ein-
fachen Punkttnpfeln und lebendem Inhalt.
Als weitere Gewebeelemente, die aber keine Einzelzellen mehr sind, sind die
Zellfusionen zu nennen. Sie gehen aus Zellreihen hervor durch gänzliche oder
teilweise Auflösung der trennenden Querwände, wobei der lebende Inhalt entweder ganz
(Gefösse) oder teilweise (Siebröhren) verschwinden (oder auch in allen wesentlichen
Teilen, bei den gegliederten Milchröhren, erhalten bleiben kann). Die Gefässe be-
sitzen meist eine dünne, verholzte Membran mit den nämlichen Verdickungsformen wie
die Tracheiden (im Holze fast stets dicht gedrilngte Hoftüpfel) ; sie führen Wasser oder
Luft. Die Siebröhren besitzen dünne Cellulosemembranen, einen dünnen protoplas-
matischen Wandbeleg ohne Zellkern und einen sehr eiweissreichen, schleimigen Inhalt
Die meist schief gestellten Querwände tragen eine oder mehrere plattenförmige dünne
und siebartig durchbohrte Stellen, die Siebplatten, durch deren offene
Poren (Siebporen) die Inhalte der einzelnen Siebröhrenglieder mit einander in Zusam-
menhang stehen.
2. Das Urmeristem, die Entwiekelung der Gewebesysteme und ihre Anordnung
im Jungen Trieb und in der Jungen Wurzel.
§ 10. Alle Bäume, wie die höheren Pflanzen überhaupt, beginnen ihr indivi-
duelles Einzelleben, wenn wir von den Fällen der ungeschlechtlichen Vermehrung durch
Ausläufer, Stecklinge, Wurzelbrut u. s. w. absehen, als eine einzelne Zelle, die be-
fruchtete Eizelle oder Keimzelle. In dem Protoplasma derselben müssen
naturgemäss alle die Kräfte schlummern, welche die Keimzelle befähigen, einen in den
Hauptzügen von vorne herein ganz genau festgelegten Entwickelungsgang zu nehmen.
Infolge dessen müssen wir die Protoplaste der Keimzellen und ihrer Abkömmlinge bei
sämtlichen Pflanzenarten und Varietäten als spezifisch verschieden betrachten. Es ist
aber kaum angängig, diese spezifische Differenz als eine rein chemische anzusehen, ob-
wohl die lebenden Protoplasmamoleküle zweifelsohne die grössten und kompliziertesten
Moleküle sind, die es gibt und hier vielleicht viel mehr Unterschiede existieren, als wir
uns derzeit bei unseren mangelhaften Kenntnissen über die Proteinstoffe träumen lassen.
Aehnlich wie aus dem gleichen Material Maschinen von sehr verschiedener Konstruktion
und von sehr verschiedenartiger Leistungsfähigkeit gebaut werden können, müssen wir
aber auch für das lebende Protoplasma eine je nach Pflanzenart verschiedene
spezifische Struktur annehmen. Aus der Keimzelle entwickelt sich bei den
Samenpflanzen durch fortgesetzte Zweiteilung der Embryo des Samens und aus diesem
bei der Keimung die junge Pflanze. Die zweigeteilte Eizelle stellt somit das Urmeri-
stem, das Teilungsgewebe auf seiner ursprünglichsten Stufe dar. Von den Zellen des
jungen Embryos besitzt ein Teil eine beschränkte Teilungsfähigkeit, sie liefern bald
das Dauergewebe der jungen Wurzeln und Sprosse, während andere, an dem Vegeta-
tionspunkt (zwischen den beiden Keimblättern) und an der Wurzel spitze gelegene un-
Der anatyomische Baa der Organe des Baumes. § 11. 217
begrenzt teilangsfähig bleiben. Sie and ihre mit gleichen Eigenschaften begabten Nach-
kommen, welche in ununterbrochener Teilungsfolge meristero atischer, noch nie in
Daaergewebe übergegangener Zellen entstanden sind und sich an allen Seitenspross-
und Wurzelvegetationspunkten finden, bilden das sog. Urmeristem. Die Zellen
desselben sind sehr klein, annähernd gleich gross und isodiametrisch. Ihre Wände sind
dünn und bestehen aus Cellnlose, der Inhalt aus ziemlich dichtem Protoplasma ohne
Vacuole, mit relativ sehr grossem Zellkern. Der Vegetationspnnkt ist der Sitz der
lebhaftesten Zellvermehrung durch Teilung der vorhandenen Zellen. In einiger Ent-
fernung vom Yegetationspunkt werden die Zellteilungen spärlicher, die Zellen fangen
an, sich in die Länge und Breite zu strecken und erreichen schliesslich unter ganz
gewaltiger Wasseraufnahme ihre definitive Grösse, indem mit Zellsaft erfüllte Hohl-
räume Im Protoplasma auftreten, die sich mehr und mehr vergrössem, nach und nach
znsammenfliessen und schliesslich einen einzigen Saftraum bilden, während das Proto-
plasma, das keine oder keine wesentliche Vermehrung erfährt, zu einem dünnen Wand-
beleg ausgedehnt wird. Die Zellhaut, welche bei diesen Vorgängen selbst fortwährend
ausgedehnt wird, wächst dabei auch stark in die Fläche. Nach Beendigung der bei
den einzelnen Zellen innerhalb weiter Grenzen schwankenden Zellstreckung beginnt die
innere Ausbildung der Zellen, die chemische Veränderung der Membran, die Schich-
tung und Verdickung, sowie die charakteristische Skulptur derselben und die Ausbildung
und Vermehrung charakteristischer Inhaltskörper wie Chlorophyllkörner etc., je nach
den Aufgaben, welche die schon mit der Streckung einsetzende Arbeitsteilung den ein-
zelnen Zellen zuweist.
§11. Die ausgebildeten Gewebearten lassen sich zu drei höheren Einheiten oder
Gewebesystemen zusammenfassen, nämlich Hautgewebesystem, Gefässbündelsystem und
Grundgewebesystem. Diese Gewebesonderung beginnt schon dicht hinter dem Vege-
tationspnnkt. Am frühesten ausgebildet ist das Hautgewebe, das aus
der änssersten Zellschicht des Urmeristems hervorgeht und als Epidermis alle Or-
gane in der Jugend, Blätter und Früchte fast stets dauernd überzieht. Die Zellen der
Epidermis teilen sich in der Regel nur durch Wände, welche senkrecht zur Oberfläche
des Organes stehen (Antiklinen) ; dann bildet die Epidermis eine einfache Zelllage,
deren Zellen in lückenlosem Gewebeverbande bleiben. Teilen sich aber die Zellen der
jungen Epidermis auch durch Wände, welche der Oberfläche des Organs parallel laufen
(Periklinen) , dann erhalten wir die mehrschichtige Epidermis. Die freie
Aussenwand der Epidermiszellen ist gewöhnlich stärker verdickt und ihre äusserste
Schicht, ausser bei den Wurzeln, verkorkt oder cutikularisiert, die sog. Cuticula,
die für Wasser ziemlich undurchlässig ist, um so mehr, je stärker sie entwickelt ist.
Die einzigen Dmxhbrechungen der Epidermis, die aber der Wurzelepidermis gleichfalls
fehlen, sind die Spaltöffnungen (Stomata), gebildet von zwei meist nierenförmig
gestalteten Epidermiszellen (den sog. Schliesszellen), die gegen einander gekrümmt
Bind und zwischen sich einen ins Innere des Organs führenden Spalt besitzen, der
durch stärkere oder schwächere Krümmung der Schliesszellen erweitert oder verengert
werden kann. Nicht selten wachsen einzelne Epidermiszellen zu Haaren aus, welche
einzellig oder mehrzellig, einfach oder verzweigt sein können und sich, namentlich bei
den schuppenartigen Bildungen, vom landläufigen Begriff der Haargestalt oft recht weit
entfernen.
Alles, was vom Hautgewebe umschlossen ist und nicht zu den Gefässbündeln ge-
hört, wird als Grundgewebe zusammengefasst. Als vorherrschende Zellform finden
wir hier dünnwandige Parenchymzellen , gelegentlich auch Collenchym- und Skleren-
chymzellen und dickwandige Sklerenchymfasern. Die ausgebildeten Parenchymzellen
218 III. Klein, Forstbotanik.
stossen hier nicht lückenlos aneinander, sondern weichen an den Ecken nnd Kanten
mehr oder weniger weit auseinander, die sog. Intercellalarräume bildend, welche
gewöhnlich Lnft führen and als ein sehr feines System von kommnnizierenden Rohren
zwischen den Parenchymzellen des Gmndgewebes verlaufen.
Das Gefässbündelsystera ist am spätesten ausgebildet, wird aber gleich-
falls schon dicht hinter dem Vegetationspunkte angelegt, indem hier während der Pe-
riode der Längsstreckung einzelne strangförmige Partien sich durch zahlreiche Längs-
teilungen ihrer Zellen auszeichnen und sich so als engzellige Stränge bald scharf von
dem grosszelligen jungen Grundgewebe abheben. Diese Stränge heissenProcambial-
stränge und sind nichts anderes als der Jugendzustand der Gefässbündel.
In den jungen Trieben der Holzgewächse sind diese Procambial-
stränge auf dem Querschnitt zahlreich, einer neben dem andern, im Kreise angeordnet.
Die von ihnen umschlossene kreisförmige oder sternförmige Grandgewebepartie ist das
Mark; aus den schmalen Streifen von Grundgewebe, welche die einzelnen Procambial-
stränge von einander trennen, gehen die primärenMarkstrahlen hervor. Gehen
die Procambialstränge in Dauergewebe über, so bleibt eine schmale mittlere Zone in
jedem , ohne in Dauergewebe überzugehen , meristematisch , das sog. Fascicular-
c a m b i u m bildend, das somit noch ein primäres Teilungsgewebe darstellt. Der aus-
serhalb des Cambiums gelegene Teil des Procambialstranges bildet sich zum primären
Sieb teil (Phloem) mit den Siebröhren, der innerhalb desselben gelegene zum pri-
mären Holzteil des Gefässbündels (Xylem) aus, mit den Gefässen and Tracheiden
als wichtigsten Gewebeelementen. Solche Gefässbündel, bei welchen Holz and Siebteil,
durch ein Cambium getrennt, auf dem gleichen Radius vor einander liegen, heissen
collaterale offene Bündel. Das zwischen den einzelnen Bündeln vorhandene
Grandgewebe teilt sich, nachdem die Zellen desselben schon ausgewachsen sind, in der
Höhe des Fascicularcambiums nachträglich von neuem durch perikline Wände und bildet
so das Interfascicular cambium, welches seiner Entstehung gemäss zu den
Folgemeristemen zu rechnen ist. Fascicular- und Interfascicularcambien zusammen
bilden auf dem Querschnitt einen Ring, körperlich gedacht einen Cylindermantel, von
Teilungsgewebe, dessen Zellen sich vornehmlich durch perikline Wände teilen und so
radiale Zellreihen bilden; viel seltener sind die antiklinen Teilungen, darch welche die
Zahl der radialen Reihen vermehrt wird. Alles, was ausserhalb des Cambiums vor
Beginn seiner Tätigkeit liegt, bildet zusammen die primäre Rinde. Die Gefässe
und Tracheiden des primärenHolzes, von denen die innersten, unmittelbar
an das Mark grenzenden die ältesten, d. h. am frühesten ausgebildeten sind, zeichnen
sich durch relativ geringen Durchmesser und durch das Vorherrschen der Ring- and
spiraligen Wandverdicknngen aus. So lange der Trieb am Leben bleibt, scheidet das
Cambium nach aussen wie nach innen alljährlich neue Zellen ab, die in den Dauerzu-
stand übergehen, und bewirkt so das nachträgliche oder sekundäre Dickenwachs-
tum. Die Gesamtheit der vom Cambium nach aussen abgeschiedenen, in den Dauer-
zustand übergegangenen Zellen bildet die sekundäre Rinde, die Gesamtheit der
nach Innen abgeschiedenen Gewebeelemente das sekundäre Holz.
In der jungen Wurzel einer Holzpflanze findet sich stets nur ein einziger
zentral gelegener Procambialstrang und demgemäss auch nur ein einziges Geföss-
bündel, dessen Holzkörper auf dem Querschnitt die Gestalt eines Sternes hat and ge-
wöhnlich kein Mark umschliesst. Die ältesten und engsten Gefässe und Tracheiden,
die Erstlingsgruppen oder Primanen, befinden sich hier an den Spitzen des Ster-
nes, die einzelnen Siebteile zwischen je zwei solchen Erstlingsgruppen, so dass Sieb-
teile und Holzteile des Bündels auf verschiedenen Radien neben einander liegen.
Der anatomische Bau der Organe des Baumes. § 12. 219
Das Cambiam yerlänft anf dem Qnerschnitt als stemfönnlges Band an die Spitzen der
Holzteile, und die Innenseite der Siebteile sich anlegend. Derartige Bündel heissen
radiäre offene Bündel; je nach der Zahl von Holzprimanengruppen, welche sie
besitzen, spricht man von diarchen, triarchen, tetrarchen etc. Bündeln. Die Wurzeln
unserer Bäume besitzen zumeist diarche bis pentarche, seltener bis oktarche Bündel.
Die meist einfache Zellschicht, welche aussen um die Siebteile herumläuft und in
welcher, jeweils vor den Holzprimanen, durch lokalisierte lebhafte Zellteilung die Seiten-
wnrzeln angelegt werden, heisst Pericambium; sie ist die äusserste Schicht des
radiären Gefässbündels oder Zentralzylinders, auf welche nach aussen das mehr oder
minder mächtig entwickelte parenchymatische Grundgewebe der primären Binde folgt,
dessen innerste Schicht Endodermis heisst. Wenn das Cambium, das sich hier
natürlich nicht aus Fascicular- und Interfascicularcambium zusammensetzen kann, in
Tätigkeit tritt, so wird das erste sekundäre Holz in die einspringenden Winkel des
primären Holzstemes abgeschieden und bald, nachdem so der Holzkörper annähernd kreis-
förmig auf dem Querschnitt geworden und der radiäre Bau in den coUateralen über-
gegangen ist, wächst die Wurzel genau so wie der oberirdische Trieb in die Dicke.
8. Der Bau der Laubblätter, Conlferennadeln und Knospenschuppen.
§ 12. Die Blätter, welche als freie Ausstülpungen des Triebvegetationspunktes gleich
hinter dem Scheitel desselben angelegt werden, entbehren eines eigenen, persistierenden
Vegetationspunktes. In der sich entfaltenden jungen Blattanlage der Laubhölzer
teilen sich die Zellen vorzugsweise durch antikline Wände und so entsteht das be-
kannte flächenförmige Gebilde, das Laubblatt mit netzartig angeordneten Procambial-
strängen. Je grösser die Wasserverdunstung des Blattes ist, desto feinmaschiger ist
die Nervatur verästelt. Die Gefässbündel sind hier stets collateral, aber nur die
stärkeren wachsen einigermassen durch Yermittelnng des Cambiums in die Dicke,
während die schwächeren meist kein Dickenwachstum mehr besitzen und die letzten
und feinsten Auszweigungen ausserordentlich in ihrem Baue vereinfacht sind. Demge-
mäss herrscht in den Gefässen und Tracheiden der Laubblätter spiralige und Ring-
verdickung vor, da jene zumeist nur primäre Holzteile besitzen. Die Gefässbündel des
Blattstiels setzen sich unmittelbar in diejenigen des Triebes fort, welch letztere darum
auch Blattspuren genannt werden. Darum sind die Gefässbündel im Blatte stets
so orientiert, dass der Holzteil der Blattoberseite, der Siebteil der Blattunterseite zu-
gewendet ist. Die Epidermis der Laubblätter ist bei unseren Bäumen fast
ausnahmslos nur eine Zelllage stark (Hex hat zwei!). Die gewöhnlichen Epider-
mis z e 1 1 e n sind hier flach tafelförmig und frei von Chlorophyllkömem ; nur die
Schliesszellen der Spaltöffnungen enthalten Chlorophyll. Die Epidermis der Blatt-
oberseite ist frei von Spaltöffnungen oder führt nur wenige, während sie in der Epi-
dermis der Blattunterseite sehr zahlreich auftreten, entsprechend der Lichtlage der
Blätter, welche bei unseren Bäumen stets die Oberseite dem einfallenden Lichte zu-
wenden und dorsiventral gebaut sind, d. h. eine anatomisch verschiedene Ober- und
Unterseite besitzen. Dies äussert sich auch in dem Bau des von der Epidermis um-
schlossenen Grundgewebes, des M e s o p h y 1 1 s. Unter der Epidermis der Blattoberseite
sind dessen Zellen senkrecht zur Blattfläche lang gestreckt; sie stehen pallisadenartig
dicht neben einander mit nur kleinen Interzellularräumen und werden Pallisaden-
z eilen genannt. Sie sind besonders reich an Chlorophyllkömem. Die Chloro-
phyllkörner, meist von linsenförmiger Gestalt, sind Organe der lebenden Zelle,
sie liegen im Protoplasma, bestehen aus protoplasmatischer Grundsubstanz, in welcher
220 ITI. Klein, Forstbotanik.
der durch Alkohol, Aether und dergl. Flüssigkeiten lösbare Chlorophyllfarbstoff einge-
lagert ist und vermehren sich nur durch Teilung. Der an die Blattunterseite an-
grenzende Teil des Mesophylls ist erheblich ärmer an Chlorophyllkörnem, seine Zellen
sind unregelmässig gestaltet und durch grosse Interzellularräume von einander ge-
trennt , wodurch dieses Gewebe , das Schwammparenchym genannt wird, einen
schwammartigen Charakter erhält. An jede Spaltöffnung schliesst sich nach innen
stets ein grösserer Intercellularraum zwischen den Schwammparenchymzellen , die sog-.
Atemhöhle an. Im Schwammparenchym verlaufen auch, oben an die Pallisaden-
schicht angrenzend, die Gefässbündel, um welche das Mesophyll eine Scheide aus dünn-
wandigen, gestreckten, lückenlos aneinander schliessenden Zellen bildet, die sog. Bün-
delscheide. — Die Epidermis mit ihrer Cuticula schützt das Mesophyll vor zu
weitgehendem Wasserverlust ; bei den immergrünen Laubblättern (Hex, Buxus u. dergl.)
ist die freie Aussen wand der Epidermis und die Cuticula besonders dick. Die Spalt-
öffnungen dienen der Regulierung der Transpiration und des Gasanstausches zwischen
Mesophyll und Aussenluft. Die P a 1 1 i s a d e n besorgen in erster Linie die Assimila-
tion, das Schwammparenchym beteiligt sich, seinem geringen Chlorophyllgehalt
entsprechend, nur in untergeordnetem Masse an der Assimilation; es dient hauptsäch-
lich als Ableitungsgewebe der von den Pallisaden erzeugten Assimilationsprodukte zu
den Gefässbündel n, als Zuleitungsgewebe des von den Gefässbündeln zugeführten Wassers
mit den Aschenbestandteilen, als Transpirationsgewebe und wahrscheinlich werden in
ihm auch die komplizierteren Pflanzenstoffe gebildet. Der Holzteil des Gefäss-
b und eis führt Wasser und Aschenbestandteile zu, der Sieb teil desselben leitet
die Assimilationsprodukte und die sonst in den Blättern gebildeten organischen Bau-
stoffe ab. Die mechanische Aufgabe der Gefässbündel wird dadurch un-
terstützt, dass der Ober- und Unterseite der stärkeren Bündel zumeist ein flacher
Strang dickwandiger Sklerenchymfasern anliegt und das hier vielfach aus der Blatt-
fläche vorspringende Grundgewebe unter der Epidermis der Ober- und namentlich unter
der der Unterseite kollenchymatisch ausgebildet ist.
§ 13. Die immergrünen Conife renn adeln besitzen einen von dem der
flachen Laubblätter sehr verschiedenen Bau. Die charakteristischen Eigentümlichkeiten
der Gewebeanordnung und Ausbildung sind hier bedingt einmal durch den weitgehen-
den Schutz gegen Wasserverlust, namentlich während des für die Wasserversorgung
der Bäume so ungünstigen Winters und z>veitens, was meistens übersehen zu w-erden
pflegt, durch das Bedürfnis eines gegen mechanische Beschädigungen möglichst wider-
standsfähigen Baues, entsprechend der exponierten Stellung der Nadeln und ihrer zu-
meist mehrjährigen Lebensdauer. Die Epidermiszellen sind in der Längsrichtung
der Nadel gestreckt und faserähnlich ausgebildet, oft fast bis zum Schwinden des Lumes
verdickt und mit dicker Cuticula versehen, so dass sie eine Art Panzer um die Nadel
bilden. Die Spaltöffnungen sind in relativ tiefe Grübchen der Epidermis ein-
gesenkt, in Längsreihen geordnet, je nach Gattung und Spezies auf verschiedenen oder
nur auf einer Seite. In diesen Grübchen und auch zwischen denselben finden häufig
körnige Wachsausscheidungen statt, wodurch die Spaltöffnungslinien als weisse Streifen
erscheinen. Das Mesophyll entbehrt gewöhnlich der Sonderung in Pallisaden und
Schwammparenchym , nur bei Abies und Taxus ist dieselbe angedeutet. Der Haupt-
masse nach besteht das Mesophyll aus sehr chlorophyllreichem Assimilations-
parenchym mit ziemlich kleinen Interzellularen. An den Kanten der Nadeln, nicht
selten auch im ganzen Umfang, sind die äussersten Schichten des Mesophylls häutig
als sehr dickwandige Fasern ausgebildet , welche die mechanische Festigkeit
der Epidermis noch verstärken. Mit Ausnahme von Taxus führen die Nadeln aller
Der anatomische Bau der Organe des Baumes. § 15. 221
Coniferen Harzgänge, welche bei den einzelnen Gattungen und selbst Arten
von ^vechselnder Zahl, Lage und Ausbildung sind und so gute spezifische Unterschei-
dungsmerkmale liefern. Die schizogenen Harzgänge sind nichts anderes als weite In-
tercellulargänge, erfüllt mit Harzbalsam, welcher von den den Harzgang begrenzenden
flachen, dünnwandigen Zellen, den Sekretionszellen ausgeschieden wird. Die
Harzgänge mit den Sekretionszellen sind gewöhnlich von einer mehr oder weniger
dickwandigen Faserscheide umgeben und grenzen bald an die Oberhaut, bald
liegen sie tief im Mesophyll. Die un verzweigten Gefässbündel, welche in der Ein-
zahl oder zu zweien die Nadel längs durchziehen, sind von farblosem Mesophyll um-
geben, in welches, je nach Spezies, mehr oder weniger zalilreiche Faserzellen einge-
streut sein können. Gegen das Assimilationsparenchym ist dieses farblose Mesophyll
durch eine dünnwandige Bündelscheide abgeschlossen. Die Gefässbündel der Coniferen-
nadeln zeigen in den auf einander iblgenden Jahren ein schwaches, äusserlich aber in
keiner Weise hervortretendes Dicken Wachstum. Je nach dem Alter des Baumes, der
Stellung am Baume, den Feuchtigkeitsverhältnissen der Luft, und dem Lichtgenuss
schwankt der anatomische Bau innerhalb gewisser Grenzen.
§ 14. Die Knospenschuppen ^), welche gewöhnlich aus dem unteren Teil
der jungen Blattanlage, dem Biattgrund oder aus den Nebenblattanlagen hervorgehen
und nur schwach ausgebildete Gefässbündel besitzen, haben den eingeschlossenen Yege-
tationspunkt mit den Blattanlagen vor Wasserverlust und vor Verletzungen zu schützen.
Demgemäss sind sie ohne Rücksicht auf ihre Dicke ausserordentlich fest gebaut. Die
freie Aussenwand ihrer Aussenseite (Unterseite) ist besonders im oberen und mittleren
nicht bedeckten Teile gewöhnlich sehr stark verdickt und cutikularlsiert und frei von
Spaltöffnungen. Die ündurchlässigkeit der Epidermis wird mitunter durch Korkge-
webe unter der Epidermis erhöht, (Aesculus) sowie durch harzartige Ausscheidungen,
welche die einzelnen Schuppen verkleben (Pinus, Abies, Aesculus etc.). Die mechanische
Festigkeit wird durch Ausbildung von CoUenchym unter der Epidermis der Aussenseite
(z. B. Comus Mas, Sorbus, Aesculus, Acer, Castanea, Corylus etc.) oder durch ver-
einzelte grosse Steinzellen wie bei Magnolia oder durch förmliche Panzer von Stein-^
Zellen oder Sklerenchymfasem verstärkt (z. B. bei Pinus, Platanus, Quercus, Carpinus,
Ulmus, Populus u. s. w.) und bei Fagus endlich besteht ausser der Basis das ganze
Mesophyll der äusseren Knospenschuppen aus dickwandigen, verholzten Fasern. Palli-
sadenparenchym fehlt den Knospenschuppen stets, Chorophyll ist selten und dann stets
auf den unteren Teil der Knospenschuppe beschränkt, dessen ZeUen nicht selten Stärke
oder fettes Oel führen. Auf Kosten dieser Baustoffe können die Knospenschuppen bei
der Knospenentfaltung an ihrer Basis noch mehr oder weniger wachsen.
4. Die Tätigkeit des Cambiums als Verdickungsring.
§ 15. Hinter dem Wurzel- oder Spross-Vegetationspunkt wächst das junge Organ
zunächst durch Aui^dehnung seiner sämtlichen Zellen in die Dicke (primäresDicken-
Wachstum), streckt sich hierauf ohne wesentliche Dickenzunahme in die Länge und
erst nach beendeter Längsstreckung beginnt das sekundäre Dicken-
wachstum durch Vermittelung des Cambiums, welch letzteres darum auch Yer-
dickungsring genannt wird. In den Triebspitzen beginnt das sekundäre Dickenwachs-
tum im ganzen Cambiumring gleichzeitig und gleichmässig; in den Wurzelspitzen da-
3) C. R. G. Schumann, Anatom. Studien über die Knospenschuppen von Coniferen
und dicot. Holzgew. Bibl. botan. Heft 15. 1889. 36 p. 5 Taf. 4^
222 m. Klein, Forstbotanik.
gegen beginnt die Gambialtätigkeit (die periklinen Zellteilungen) an der Innenseite der
Siebteile und setzt sich von hier durch das dünnwandige Parenchym bis zu der Aussen-
seite der Holzprimanen (und der Innenseite des Pericambiums) fort. Die Gestalt
derCambiumzellen ist langgestreckt prismatisch , der radiale Durchmesser ge-
wöhnlich kürzer als der tangentiale, die Enden dachartig zugeschärft.
In jeder Cambiumzellreihe ist streng genommen nur eine einzige mittlere Zelle
als dauernd teilungsfähige „Initialzelle" anzusprechen; bei jeder Teilung durch
eine perikline Wand entsteht aus derselben eine neue Initialzelle und, bald nach aussen,
bald nach innen , eine „Gewebemutterzelle". Letztere teilt sich gewöhnlich
noch einmal, worauf ihre Tochterzellen in den Dauerzustand übergehen; nur bei be-
sonders energischem Dickenwachstum teilen sich die Gewebemutterzellen mehrmals. Im
allgemeinen werden bei unseren Holzgewächsen, entsprechend der Stärke von Rinde und
Holz, sehr viel mehr Gewebemutterzellen nach innen als wie nach aussen abgeschieden.
Ursprünglich sind, der Natur des Reihencambiums entsprechend, die jungen Gewebeele-
mente in radialen Reihen angeordnet; diese Anordnung kann auch im Dauerzustande
beibehalten werden, wenn sämtliche Zellen einer Reihe annähernd gleichmässig und
ohne sprungartige Aenderungen in die Breite wachsen (besonders schön beim Coniferen-
holz) ; gewöhnlich aber bleiben einzelne Zellen eng , andere dehnen sich stärker und
einzelne, wie die Gefässe bei den Laubhölzern, erlangen zum Teil ganz gewaltige Weite,
was naturgemäss eine mehr oder weniger gründliche Verschiebung der ursprünglichen
regelmässigen Zellanordnung zur Folge hat, die aber auch durch in die Länge wach-
sende Bast- und Holzfasern gestört wird, wenn sich diese Elemente, was zumeist der
Fall, unregelmässig mit den Enden zwischen einander schieben. Schieben sich dagegen
die auswachsenden Holzfasern mit ihren spitzen, an einander hingleitenden Enden alle
in gleicher Richtung zwischen die Fasern der oberhalb und unterhalb gelegenen Reihe,
mit den oberen Enden immer nach rechts, mit den unteren immer nach links ausbie-
gend, oder umgekehrt, so entsteht Drehwuchs.
Die nach Innen in Dauergewebe übergeführten Zellen werden zu
Gefässen und Tracheiden, zu Holz- und Ersatzfasern und, nach vorausgegangenen Quer-
teilungen ihrer langgestreckten Mutterzelle, zu Holzparenchym; die nach aussen
abgeschiedenen zu Rindenparenchym, Steinzellen, Bast- und Ersatzfasem und zu Sieb-
röhren und Geleitzellen. Die Mutterzellen der Siebröhrenglieder erfahren
bei den Laubhölzern einige Längsteilungen, durch welche enge, plasmareiche Zellen
mit grossem Zellkern, die Geleitzellen, von der zur eigentlichen Siebröhre bestinunten
weiteren Zelle abgeschnitten werden. In den Gefässbündelendigungen der Lanb-
b 1 ä 1 1 e r ist das Grössenverhältnis von Siebröhre und Geleitzelle übrigens umgekehrt.
Die Nadelhölzer entbehren der Geleitzellen. Der Verdickungsring rückt bei dieser
Tätigkeit natürlich immer weiter nach aussen, wodurch die Cambiumzellen in tangen-
tialer Richtung gedehnt werden. Hat die Dehnung eine gewisse Grösse erreicht, dann
teilt sich die Initialzelle durch eine radiale Wand, so dass der Cambiumring seiner
Ausdehnung entsprechend, auch an Zellenzahl zunimmt.
Auf dem Querschnitt ist das sekundäre Holz und die sekundäre Rinde
von zahlreichen radial verlaufenden, aus einer oder mehreren Zellreihen zumeist parenchy-
matischer Natur bestehenden feinen Streifen durchzogen, den Markstrahlen, die
auf dem Radialschnitt als Bänder (Spiegel), auf dem Tangentialschnitt als spindel-
förmige Zellgruppen von sehr verschiedener Höhe erscheinen (z. B. bis 160 mm :
Erle, bis 50 mm : Stieleiche, bis 5 mm : Rotbuche, bis 1 mm : Spitzahorn, ca. ^/2 mm :
Esche, ca. ^/ö mm : Buchsbaum). Auf dem Querschnitt springen die Markstrahlen ver-
schieden weit gegen das Mark vor; nur wenige erreichen dasselbe, die im § 11 Ab-
Der anatomische Bau der Organe des Banmes. § 16. 223
satz 4, erwähnten primären Markstrahlen, welche zugleich die breitesten und
längsten sind, während die grosse Mehrzahl blind im Holze endigt: sekundäre
Markstrahlen. Die Entstehung eines Markstrahles beginnt damit,
dass eine oder mehrere seitlich neben einander liegende langgestreckte Cambiumzellen
sich mehrmals quer oder schief teilen ; in den, ebenfalls bald nach aussen , bald nach
innen abgeschiedenen Tochterzellen der Markstrahlinitialen unterbleiben weitere
Teilnngen und diese Gewebemutterzellen wachsen zu meist in radialer Richtung ge-
streckten Dauerzellen heran. Ein primärer Markstrahl entsteht dadurch, dass die
Cambiumzellen von Anfang an, ohne vorher gewöhnliche Holz- und Eindenele-
mente gebildet zu haben, nach aussen wie nach innen lauter Markstrahlzellen ab-
scheiden. In dieser Entstehungsweise stimmen die primären Markstrahlen
von Trieben und Wurzeln völlig überein ; ihre Unterschiede sind in dem primären Bau
beider Organe begründet. Die primärenMarkstrahlen derWurzeln endigen
nämlich innen an den Holzprimanen , also eigentlich auch blind im Holze, das aber
hier meist gar kein Mark besitzt. Ein sekundärer Markstrahl entsteht im Trieb
wie in der Wurzel dadurch, dass das Cambium früher oder später aufhört, nach
aussen gewöhnliche Rinden-, nach innen Holzelemente zu bilden und fortan nur Mark-
strahlzellen erzeugt.
Der Beginn der Cambialtätigkeit findet bei unseren Bäumen im all-
gemeinen in der 2. Hälfte April oder in der 1. Hälfte Mai statt und zwar bei
älteren Bäumen zunächst an den jüngsten Trieben , an basalen Zweiganschwellungen
und am Wurzelanlauf; er rückt, je nach Holzart, mit sehr verschiedener Geschwindig-
keit von den Zweigspitzen zu den älteren Teilen der Aeste und zuletzt zum Stamme
vor and unterliegt, je nach Spezialfall grossen Schwankungen (auf son-
nigem Standort viel früher als in schattigen Nordlagen, im dichten Schlüsse später als
bei lichtem Stand, an unterdrückten Bäumen später als bei herrschenden und Ueber-
hältem etc.). Selbst auf verschiedenen Seiten des gleichen Querschnitts eines Baumes
erwacht die Cambialtätigkeit nicht gleichzeitig. Das Ende der Cambialtätigkeit fällt
meist in den Hochsommer mit grossen zeitlichen Schwankungen je nach Holzart, Lage
und Stammteil. Im Gipfel erlischt die Cambialtätigkeit meist früher als im unteren
Stammteil, am längsten dauert sie bei den Wurzeln.
5. Die Rinde«).
§ 16. Die Baumrinde dient der Stoff Wanderung , namentlich der Ableitung der
Assimilate, sie dient ferner als Reservestoffbehälter und als Schutzorgan gegen die
Aussenwelt, gegen Hitze, grelle Temperaturschwankungen und zu weitgehendem Wasser-
verlnst. Entsprechend dieser Vielseitigkeit ihrer Leistungen ist die Rinde stärkerer
Triebe ein recht komplizierter Gewebekörper.
Die junge, primäre Rinde (vergl. § 11 Absatz 4) besitzt im allgemeinen fol-
genden Bau : zu äusserst die Epidermis mit derber Cuticula, von Spaltöffnungen durch-
setzt , an die Epidermis anschliessend gewöhnlich koUenchymatisches 'Parenchym mit
Chlorophyllkömem, dann dünnwandiges, reichlich Chlorophyllkörner enthaltendes Assi-
milationsparenchym, ein Ring von Gruppen englumiger, dickwandiger Bastfasern, die
aber den Cupressineen und Abietineen fehlen, und, unmittelbar an das Cambium an-
grenzend, ein paar abwechselnde tangentiale Lagen von Siebröhren (mit Geleitzellen)
4) Joseph Möller, Anatomie der Baumrinden. Berlin 1882. 447 p. 8® mit 146
Holzschnitten.
224 III. Klein, Forstbotanik.
nnd Bastparenchym. Setzt das sekundäre Dicken wachstnm ein, so befindet sich die
primäre Rinde in einer vom primären Holze grundverschiedenen Lage. Das neue se-
kundäre Holz wird anf das primäre einfach aufgelagert, während sich zwischen die
primäre Binde und das primäre Holz das sekundäre Holz und die sekundäre Rinde
einschiebt, wodurch die primäre Rinde in radialer Richtung fortwährend weiter nach
aussen geschoben und in tangentialer Richtung immer stärker gedehnt wird. Dieser
Dehnung vermag sie eine Zeitlang durch Dehnung, Wachstum und Teilung ihrer Zellen
zu folgen, am schlechtesten im allgemeinen in der Epidermis mit der verdickten und
cutikularisierten Aussenwand. Darum schafft sich die Rinde in der Kork- oder
Peridermbildung zunächst eine Verstärkung und später einen Ersatz für die den
Bedürfnissen des Abschlusses und Schutzes auf die Dauer nicht genügende Epidermis.
Verhältnismässig in seltenen Fällen treten in der Epidermis selbst (z. B. Weiden und
Pomaceen), meist in der der Epidermis unmittelbar angrenzenden Schicht, seltener in
tieferen Schichten (z. B. Pinus, Larix, Taxus, Robinia, Ribes) perikline Wände auf.
Die nach aussen abgeschiedenen Zellen gehen sämtlich in Dauergewebe über, wobei die
Zellen, ausgenommen bei den Lenticellen , lückenlos verbunden bleiben , die Mem-
bran in der Regel verkorkt und der lebende Inhalt schwindet. Dieses Dauergewebe,
welches die Funktionen der Epidermis in noch höherem Grade zu erfüllen vermag, ist
der Kork (P h e 1 1 e m), das sekundäre Teilungsgewebe , welches ihn erzeugt hat,
ist das Korkcambium oder Phellogen. Die von den Initialen dieses Kork-
cambiums nach innen abgeschiedenen und in Dauergewebe übergeführten Zellen, die
sich, abgesehen von ihrer Entstehung, von den primären grünen Rindenparenchymzellen
nicht unterscheiden, bilden das Phelloderm. Phellem , Phellogen und Phelloderm
zusammen bilden das Periderm oder den Kork im weiteren Sinne. Durch die
Bildung eines rings um die Triebe laufenden Periderms , das in den meisten
Fällen schon in der ersten Vegetationsperiode ausgebildet wird, müssen natürlich die
Spaltöffnungen ausser Funktion gesetzt werden, da sie mit der Epidermis früher oder
später vertrocknen. Als Ersatzorgane hierfür werden die Lenticellen (auch Kork-
warzen oder Rindenporen genannt) gebildet, indem jeweils unter den Spaltöffnungen
das Korkcambium eine besonders lebhafte Tätigkeit entfaltet und besonders zahlreiche
Zellen nach aussen abscheidet, deren Wandung nicht verkorkt, zwischen denen sich
überall Intercellularräume ausbilden und deren jeweils äusserste Zellen sich schliess-
lich vollkommen ablösen. Durch diese lokalisierten Zellwucherungen wird die Epidermis
mit der Spaltöffnung emporgehoben und schliesslich zerrissen und durch den Spalt tritt
dann die meist gelblich- oder rötlichbraune oder grauweisse Lenticelle frei zu tage.
Je nach Holzart kann das Periderm einen sehr verschiedenenBau,
eine sehr verschiedene Stärke und eine sehr verschiedeneDauer haben.
Nur dünnwandige Zellen finden wir bei dem mächtig entwickelten Schwammkork
der Korkulme, deren Zellen zum grössten Teile unverkorkt sind (Phelloid)
und dem mächtigen echten Kork des Feldahorns sowie dem der Robinie, dünne bezw.
mässigdicke bei den Eichen , Kastanien und Rotbuchen. Bei letzteren ist das
Oberflächenperiderm nur eine dünne Haut, die von innen ebenso rasch erneuert wird
wie sie aussen abgestossen wird und deren Korkcambium weit über ein Jahrhundert
in Tätigkeit bleiben kann. Bei der Birke haben wir regelmässig wechselnde
Lagen von dünn- unddickwandigemKorke; nur dick wandigeKork-
Zellen hat z. B. Hex, abwechselnde Lagen von dickwandigen Stein-
zellen und dünnen Zellen zeigt z. B. der Kork von Pinus, Larix, Liriodendron,
während bei Abies einzelne tangentiale Reihen zu einseitig (nur aussen) ver-
dickten Steinzellen werden. In tieferen Schichten angelegtes Periderm fank-
Der anatomische Ban der Organe des Baumes. § 16. 225
tioniert meist nur 1 oder wenige Jahre. Früher oder später stellt bei den meisten
Bäumen das Korkcambium seine Tätigkeit ein nnd dann treten sekundäre Korkcam-
bien in tieferen Stellen der primären Rinde auf, die bei unseren Bäumen nicht um den
ganzen Umfang des Organs herumlaufen, sondern sich an das primäre Periderm seiti-
lich ansetzen und uhrglasähnliche Stücke aus der primären Rinde schneiden, die natür-
lich vertrocknen müssen, wenn die sekundären Korkcambien Kork gebildet haben.
Bleiben die einzelnen, so snccessive aus der lebenden primären und später auch aus
der sekundären Rinde herausgeschnittenen, vertrockneten Stücke in grösserer Zahl in
festem Zusammenhang, so erhalten wir dicke Borkeschuppen , wie sie bei den meisten
Lichtholzarten vorkommen (Steinborke der Eiche und Kastanie, Borke der Kiefer,
Lärche, Robinie etc.); trennen sie sich frühzeitig wie beim Bergahom und besonders
wie bei der Platane, so erhalten wir flache Tafelborke u. s. w. In der Wurzel
findet die Anlage des Korkcambiums stets in der äussersten Zellschicht des Qe-
fässbündels, im Pericambinm, statt. Die Folge davon ist , dass durch das hier
gebildete Korkgewebe fast die ganze primäre Rinde zumAbsterben ge-
bracht und dann bald abgesprengt wird.
Die zweite wichtige Veränderung, welche die primäre Rinde erfährt,
ist der Zuwachs vom Cambium her, die Bildung der sekundärenRinde, welche an
älteren Stämmen und Zweigen die Hauptmasse der Rinde ausmacht und von der pri-
mären dadurch scharf unterschieden ist, dass sie auf dem Querschnitt fein radial
gestreift (von Markstrahlen durchzogen) ist. Auch die inneren Schichten der pri-
mären Rinde erfahren oft noch nachträgliche Veränderungen, namentlich verdicken
einzelne Parenchymzellen (z. B. Abies, Picea, Larix) oder Gruppen von solchen ihre
Wände sehr stark und werden zu Steinzellen, besonders häufig die zwischen den
primären Bastfasergruppen gelegenen, wie dies z. B. bei Fagaceen und Betulaceen schon
im 1. Jahre der Fall ist. Dieser Steinzellring ynrd natürlich bei fortschreiten-
dem Dickenwachstum gesprengt, da seine Zellen weder dehnungs- noch wachstumsfähig
sind, die Zwischenräume bei Betula, Fagus, einige Zeit lang auch bei Quercus alsbald
aber durch neugebildete Steinzellen wieder ausgefüllt. Bei Fagus wachsen von diesem
Steinzellringe ausserdem noch Fortsätze in die primären Markstrahlen bis in das Holz
hinein.
Die Verteilung der einzelnen Zellforraen in der sekundären Rinde
ist je nach Gattung sehr verschieden. So besitzt z. B. die Innenrinde von den Cu-
pressineen und von Taxus einen regelmässig konzentrisch geschichteten Bau, indem je-
weils eine Reihe Bastfasern mit 3 Reihen Siebröhren und Rindenparenchymzellen ab-
wechseln; Picea, Pinus, Abies, Larix etc. besitzen konzentrische Schichtung, entbehren
aber der Bastfasern; die Eichenrinde hat tangentiale Bastfasergruppen mit regellos
eingestreuten grossen Steinzellgruppen, die Rotbuche und Birke haben nur Steinzellen
und keine Bastfasern, die Ulmen und Linden nur Bastfasern und keine Steinzellen;
bei der Platane ist das Parenchym zum grössten Teile in massig verdickte Steinzellen
verwandelt. Die Gesamtheit der dickwandigen Elemente der Rinde werden auch als
Hartbast, die dünnwandigen als Weichbast bezeichnet. Die primären und stärkeren
sekundären Markstrahlen erfahren in den äusseren Partieen der sekundären Rinde
nicht selten eine fächerförmige Verbreiterung (besonders schön bei Tilia). Unter den
Parenchymzellen tritt in der primären wie in der sekundärenRinde auch hin-
sichtlich der Inhaltsstoffe eine weitgehende Arbeitsteilung ein:
soweit das Licht noch mit genügender Kraft eindringt, enthalten fast alle lebenden
Zellen Chlorophyll, viele enthalten im Zellsaft Gerbstoff, der nach dem Absterben der
Zellen das tote Plasma und die Zellwände durchdringt, aus der Luft Sauerstoff auf-
Handbnch d. Forstw. 2. Aufl. I. 15
226 IIT. Klein, Forstbotanik.
nimmt und die für tote Rindenpartien charakteristischen gelb- oder rotbraunen, bitteren
Rindenfarbstoflfe, die Phlobaphene, bildet, die wir als eine Art von Schutzstoffen
der Rinde auffassen können ; zu letzteren sind wohl auch zu rechnen die Alkaloide wie
Taxin (Taxus), die Glycoside, wie Aesculin, Fraxin, Salicin, die alle in lebenden Rin-
denzellen gebildet werden , die Milchsaftschläuche des Spitzahorns , die SchleimzeUen
der Linde u. s. w. In den abgestorbenen Parenchymzellen finden wir sehr häufig
Krystalle von oxalsaurem Kalk, teils als Einzelkrystalle, teils als Drusen ausgebildet;
erstere begleiten häuüg die Bastfaserbündel auf den tangentialen Flächen in langen
Reihen (sog. Krystallschläuche , sehr schön bei Quercus). Die Siebröhren funk-
tionieren meist nicht länger als eine Vegetationsperiode und werden dann durch den
Druck der benachbarten Gewebe fast bis zur Unkenntlichkeit zusammengedrückt. Bei
den Nadelhölzern, Taxus ausgenommen , finden wir noch reichliche Harzgänge ^),
die ebenso wie diejenigen der Nadeln schizogen, das heisst durch Auseinanderweichen
von Zellreihen zu Stande kommen, aber keine dickwandige Faserscheide wie jene be-
sitzen. Ausser einem in der primären Rinde verlaufenden System von Harzkanälen,
•das mit der Borkebildung zu Grunde geht, finden wir im sekundären Zuwachs ein
zweites System, dessen im Holz der Längsachse parallel verlaufende und nur innerhall)
desselben Jahresringes seitlich mit einander in Verbindung tretende Kanäle durch die
Markstrahlen, eingeschlossen in deren Mitte, in die sekundäre Rinde treten, ohne sich
indes mit dem ersterwähnten System zu vereinigen.
Im Sprachgebrauch des täglichen Lebens unterscheidet man gewöhnlich Aussen-,
Mittel- und Innenrinde. Die Aussenrinde entspricht dem Periderm und der Borke,
umfasst also alle abgestorbenen Gewebepartieen der Peripherie, je nach Stärke und
Alter der Rinde entwecter Periderm allein, oder Borkeschuppen mit einem mehr oder
weniger grossen Teil der abgestorbenen primären und später selbst der sekundären
Rinde zwischen den sekundären Korkbändern. Die Mittelrinde umfasst das Phello-
derm des Periderms und die innerhalb desselben noch vorhandenen Reste der primären
Rinde, später nach eingetretener Borkebildung nur noch das Phelloderm der sekun-
dären Korkcambien. Die Innenrinde fällt mit dem Begriff der lebenden sekun-
dären Rinde zusammen.
6. Das Holz.
§ 17. Vom Holze ist selbst bei dem einjährigen Trieb oder der einjährigen
Wurzel nur ein ganz unbedeutender Teil, die Holzteile der Gefässbündel vor Beginn
des Dickenwachstums, die im Trieb auch als „Markkrone" bezeichnet werden, pri-
märer Natur; weitaus die Hauptmasse, der sog. Holzkörper, ist sekundärer Zuwachs.
Das Holz dient der Leitung des Wassers mit den Aschenbestand-
teilen, im Frühjahr auch der Leitung der stickstofffreien Ee-
servestoffe, der mechanischenFestigung desBaumgerüstes und
der Speicherung der Reservestoffe. Demgemäss haben wir hier leitende,
festigende (sog. mechanische) und speichernde Gewebeelemente zu unterscheiden, die
zum Teil durch Zwischenstufen verbunden sind, indem einzelne Gewebeelemente ausser
der Hauptfunktion noch einer Nebenfunktion dienstbar gemacht sind. Die Zellmem-
branen aller Holzelemente sind (wenigstens teilweise) verholzt. Der Wasserleitung
dienen die dünnwandigen, meist behöft getüpfelten, seltener ausserdem noch mit nete-
oder spiralförmigen Wandverdickungen versehenen Gefässe oder Tracheen, und
5) Mayr, Harz der Nadelhölzer. Berlin 1894. 96 p. 2 Tafeln. 8».
Der anatomische Bau der Organe des Baumes. § 17. 227
die bis auf die geschlossenen Enden ebenso gebauten weitlumigen Tracheiden, also
ausschliesslich physiologisch tote Gewebeelemente ; dermechanischenFestigung
dienen in erster Linie die dickwandigen Holzfasern (Libriforni) mit schief
spaltenförmigen Tüpfeln, die darum auch weitaus die Hauptmasse des Holzes bei den
Laubhölzern ausmachen und von deren Menge, Dickwandigkeit und Englumigkeit vor
allem die Schwere und die Festigkeit des Holzes abhängt. Im Holz der Ooniferen,
dem echte Gefässe und Holzfasern fehlen und das fast ausschliesslich aus Fasertrachei-
den aufgebaut ist, welche auf den Radialwänden kreisförmige Hoftüpfel besitzen,
muss Wasserleitung und Festigung von den gleichen Gewebeelementen übernommen
werden; doch haben wir eine Arbeitsteilung auch hier insofern, als die in erster Linie
für die Wasserleitung bestimmten Tracheiden des Frühholzes dünnwandig und w^eit-
lumig, die in erster Linie für die Festigung bestimmten des Spätholzes dickwandig und
englumig sind. Ebenso dienen auch bei den Laubhölzern die dickwandigen Tra-
cheiden und Gefässe nebenbei der Festigung, und ebenso die Holzfasern mit kleinen
spaltenförmigen Hoftüpfeln nebenbei der Wasserleitung. Der Leitung der orga-
nischen Baustoffe und vor allem der Speicherung der stickstofiffreien Ee-
servestoffe dienen in erster Linie die Holzparenchymzellen, welche entstehen,
wenn die Gewebemutterzelle sich durch einige Querwände teilt, und die meist sehr viel
spärlicher auftretenden Ersatzfasern, deren Mutterzelle ungeteilt bleibt. Als
Reservestoffe finden wir gleich nach dem Laubfall bei allen Bäumen Stärke, die
bei den meisten Holzarten, besonders bei den Harthölzern, auch im Winter als solche
erhalten bleibt (S t ä r k e b ä u m e), während sie bei den meisten Weichhölzem in fettes
Gel umgewandelt wird (Fettbäume). Auch zwischen den typischen Holzfasern und
zwischen dem typischen Holzparenchym linden sich anatomische oder physiologische
Zwischenstufen: gefächerte oder ungefächerte derbwandige Holzfasern mit leben-
dem Inhalt, die neben der Festigung auch der Speicherung dienen, Fasern, die zur
Hälfte als Holz-, zur andern als Ersatzfaser ausgebildet sind, dickwandige Holzparen-
chymzellen und Spalttüpfel tragende Ersatzfasem, welche neben der Speicherung auch
der Festigung dienen. Zu den längs verlaufenden Elementen gehören ferner die im
Coniferenholz (ausser bei Abies und Taxus) vorkommenden, von Holzparenchym um-
gebenen, Harzkanäle. Der Leitung und Speicherung von Assimilaten dienen endlich
noch die Holzmarkstrahlen, deren Zellen zumeist radial gestreckt sind (lie-
gende Markstrahlzellen) und zum Holzparenchym gehören. Bei den dicotylen
Holzarten ist der obere und untere Rand der Markstrahlen häufig durch in der Rich-
tung der Längsachse gestreckte Zellen gebildet (stehende Markstrahlzellen),
welche durch grosse einseitig behöfte Tüpfel mit den angrenzenden Gefässen kommuni-
zieren; bei vielen Abietineen, besonders auffallend bei Pinus, ist der obere und untere
Rand des Markstrahls durch eine oder einige Reihen von radial gestreckten, mit be-
höften Tüpfeln versehenen Zellen gebildet, die auch als Tracheiden funktionieren
(tracheidale Markstrahlzellen).
Auf dem Querschnitt eines Laubholzes erkennen wir im allgemeinen
die Gefässe und Tracheiden an den zahlreichen behöften Tüpfeln ihrer Membran, die
Holzfasern an ihrer dicken, glatten Membran und dem Mangel an Stärke, die Paren-
chjnnzellen und sonstigen Speicherelemente an der ziemlich dünnen, einfach getüpfelten
Membran, dem in der Regel erheblich weiteren Lumen als bei den Holzfasern und dem
durch das Vorhandensein von Stärkekömern als lebend gekennzeichneten Inhalte.
Der Anteil der lebenden (speichernden) Elemente ist beim Laubholz im allge-
meinen viel grösser als beim Nadelholz, wo sie nur in der Begleitung der Harzgänge,
oder wo solche fehlen, zerstreut zwischen den Tracheiden in Längsreihen vorkommen
15*
228 III. Klein, Forstbotanik.
und wo die Markstrahlen, die Partien, in welchen Harzgänge verlaufen, ausgenommen,
stets einreihig sind. Der winterkahle Laubholzbaum, der alljährlich sein ganzes Laub
verliert, bedarf eben viel reichlicherer Reserv'estoffe als die immergrünen Nadelhölzer.
Das W u r z e 1 h 0 1 z ist im grossen und ganzen viel reicher an Parenchym als das
Stamm- oder Astholz und ausserdem ist es stets auch viel schwammiger
gebaut. Letztere Eigenschaft beruht darauf, dass die Durchschnittsweite der einzelnen
Gewebeelemente, die ganz grossen Grefässe mancher Laubhölzer ausgenommen, eine viel
beträchtlichere und die Wandstärke derselben meist eine geringere ist.
Was die Anordnung der verschiedenen Gruppen von Gewebe-
elementen anlangt, so muss sowohl das mechanische wie das leitende Gewebesystem
in ununterbrochenem Znsammenhange stehen; keines darf, um seinen physiologischen
Aufgaben gerecht werden zu können, in seinem Längsverlauf eine vollständige Unter-
brechung erfahren. Dieser Bedingung wird das Leitungssystem unserer Holzgewächse
dadurch gerecht, dass 1. die Gefässe und Tracheiden stets mit anderen Gefässen oder
Tracheiden der Länge nach oder seitlich zusammenhängen, 2. dadurch, dass das Holz-
parenchym sich teils seitlich, teils oben oder unten an die Markstrahlen anschliesst,
und 3. dadurch, dass Holzparenchym und Markstrahlgewebe stets mit dem Wasserlei-
tungssystem, den Gefässen und Tracheiden, zusammenhängt. Die Markstjrahlen stellen
die radialen Leitungsbahnen dar, welche durch Holzparenchymbrücken in tangentialer
und longitudinaler Eichtung in Zusammenhang stehen. Wo einzelne Holzparenchym-
zellen im mechanischen Gewebe isoliert auftreten, ist diese Isolierung nur eine schein-
bare, da das gesamte Leitparenchym eines Baumes zwar nicht in jeder Qnerschnitts-
ebene, aber doch im Räume ein zusammenhängendes System bildet. Der Anschlnss
des Holzparenchyms und des Markstrahl gewebes an das Wasserleitungssystem wird
entweder durch tangentiale Bänder von Parenchymzellen, in welchen die Gefässe ein-
gebettet sind oder denen sie anliegen, oder durch Parenchymhüllen um die Gefässe ohne
Tangentialbänder , beziehungsweise durch die mannigfachsten Kombinationen dieser
beiden Typen vermittelt. Die Markstrahlzellen kommunizieren mit den Gefässen und
Tracheiden durch besonders grosse oder durch besonders zahlreiche Tüpfel. Dieser
Zusammenhang zwischen Leitparenchym und Gewissen und Tracheiden ist zuerst von
Haberlandt physiologisch richtig gedeutet worden: „So wie im Sommer das Wasser
mit den gelösten Nährsalzen vom Parenchym der funktionierenden Wurzeln in das
leitende Röhrensystem gepresst wird und von hier aus als Transpirationsstrom in die
assimilierenden Blätter gelangt , ebenso wird im Frühjahr gelöstes plastisches
Baumaterial aus dem Holzparenchym und den Markstrahlen in das Wasserleitungs-
system gepresst, um in demselben viel rascher, als es im Leitparenchym auf rein os-
motischem Wege möglich wäre, den wachsenden Laub- und Blütensprossen zuge-
leitet zu werden. Wir haben es also hier mit einer Nebenfunktion des Wasserleitungs-
systems zu tun, welche allein die so rasche Entfaltung der Laub- und Blütenorgane
im Frühjahr ermöglicht." Durch eingehende Untersuchungen A. Fischers wurde dies
später bestätigt.
7. Die Jahresringbildung.
§ 18. Die gesamte, aus dem Cambium während einer Vegetationsperiode hervor-
gegangene Holzmasse bildet in der Regel einen „Jahresring*^, so genannt nach
der bekannten Querschnittsfigur. Mitunter kommen auch zwei, namentlich bei zwei-
maliger Belaubung in einem Sommer vor, oder der Jahresring unterbleibt infolge un-
günstiger Ernährungsverhältnisse im mittleren und unteren Stammteil unterdrückter
Bäume, oder aui untern Teil langer, schwach beblätterter Aeste. Die einzelnen Jahr-
Der anatomische Bau der Organe des Baumes. § 18. 229
ringe sind gewöhnlich deutlich gegen einander abgesetzt durch die Jahrring grenze,
welche besonders scharf bei den Nadelhölzern hervortritt. Die Cambialtätigkeit unserer
Bänme ist keine kontinuierliche, sondern eine periodische, zum Teil bedingt durch kli-
matische Verhältnisse (Winterruhe). Aber diese Winterruhe des Baumlebens und das
Wiedererwachen desselben im Frühjahr gibt uns als solches noch keine Erklärung der
ßingbildung, wir kennen auch tropische Bäume mit Jahrringen und kurzer sommer-
licher Kuhepause. Wäre das am Schlüsse der Vegetationsperiode gebildete Holz, das
S p ä t h 0 1 z (unzweckmässig auch Herbstholz genannt) dem zu Beginn derselben, dem
Frühholz (Frühlingsholz) im anatomischen Bau völlig gleich, dann entfiele jeder
Grund für die Bildung einer Jahrringgrenze. Sie fehlt auch tatsächlich bei vielen
tropischen Hölzern und ist bei manchen zerstreutporigen einheimischen im Stamm- und
Astholz oft schwer, im Wurzelholz oft gar nicht zu erkennen. Die Cambialtätigkeit
ist vor allem keine gleichmässige ; sie ist zuBeginn derVegetationsperiode
eine besonders lebhafte und bildet da vor allem Leitgewebe, während sie im Som-
mer vorzugsweise mechanisches Gewebe bildet und im August im Holze unserer Bäume
schon erlischt, nach der Rinde zu dagegen ihre Tätigkeit fortsetzt, so lange es die
Witterung gestattet. Dies beruht auf inneren Ursachen und es ist als eine fixiert«,
erbliche Eigenschaft anzusehen, dass das Frühholz bei den meisten Holzarten dünn-
wandig und weitluroig, vielfach, bei den ringporigen Hölzern, reich an besonders
weiten Gefässen ist, während das Spätholz sich im allgemeinen durch Dickwandigkeit
und Englumigkeit seiner Elemente auszeichnet und die Gefässe bei den ringporigen
Hölzern hier sehr viel kleiner und meist auch spärlicher sind. Bei den zerstreut-
porigen Hölzern sind die Gefässe meist über die ganze Ringbreite gleichmässig ver-
teilt, im Frühholz nicht oder nicht viel grösser und höchstens etwas zahlreicher. Erb-
lich ist es femer, dass jede Holzart ihren spezifischen anatomischen
Bau besitzt und meist ist in jedem einzelnen Jahrring zu erkennen, ob ein Holz ring-
porig oder zerstreutporig ist, wie die Gruppierung der Gefässe und Tracheiden, der
Holzfasern, des Holzparenchyms, die Zusammensetzung, die Breite und Höhe der Mark-
strahlen beschaffen ist u. s. w., endlich ob etwa einzelne der im vorigen Paragraphen ge-
schilderten Gewebeelemente fehlen; so fehlen den Coniferen regelmässig Gefässe und
Holzfasern, den Eichen, Kastanien und Weissbuchen : Ersatzfasem, den Ahomarten und
den HoUunderarten : die Holzfasern, zahlreichen Leguminosen, Weiden und Pappeln,
den Eschen und Platanen: die Tracheiden. Verhältnismässig selten ist es, dass das
Holz zweier Gattungen anatomisch schwer zu unterscheiden ist, während die ver-
schiedenen Arten der nämlichen Gattung einander meist in weitgehendem Masse gleichen.
Die Breite der Jahresringe hängt ausser von inneren Ursachen, wonach rasch-
wüchsige Holzarten im allgemeinen viel breitere Ringe ausbilden, als trägwüchsige,
auch von einer ganzen Reihe äusserer Faktoren ab , unter denen die Emährungsver-
hältnisse insofern eine wichtige Rolle spielen, als die Assimilationstätigkeit der Krone
ja da« Material für den Aufbau der Ringe liefert. Bekannt sind die engen Jahresringe
der Bäume von der Baumgrenze im Hochgebirge und vor allem diejenigen von der
Polargrenze sowie die breiten Ringe der auf sehr fruchtbarem und frischem Boden
erwachsenen Bäume ; bekannt ist ferner, dass der Baum im Freistand viel breitere Ringe
erzeugt, als unter sonst gleichen Standortsverhältnissen im Schlüsse, und hier der
herrschende Baum wieder breitere als der unterdrückte hervorbringt. In den einander
folgenden Jahren sind die Ringe oft von sehr verschiedener Breite beim gleichen Baum-
individuum. So hat z. B. ein Maikäfer- oder ein Samenjahr schmale Ringe zur Folge,
weil die Reservestoffe für die Bildung der neuen Blätter bezw. die Assimilationspro-
dnkte für das Wachstum der Früchte in Anspruch genommen werden; bei der Buche
230 III. Klein, ForstboUnik.
ist die Verminderonp: des Zuwachses in dem auf eine Vollmast folgenden Jahre so^ar
noch gröss^er. Lichtstellung hat eine Verbreiterung der Jahresringe zur Folge (Lich-
tungszuwachs), aber meist erst nach einigen Jahren ausser bei ganz jungen Bäu-
men, bezw. sehr gut entwickelter Krone. Von Einfluss auf die Ringbreite ist femer
die Lufttemperatur vor Beginn, während und nach Abschluss des Dickenwachstums,
ebenso die Luftfeuchtigkeit, die Bewegung der Luft, die Niederschlagsmengen vor und
während des Dickenwachstums unter Berücksichtigung der Durchlässigkeit des Bodens.
Ebenso ist für die Verteilung des Dicken Wachstums auf die einzelnen
Teile des Baumes keineswegs die Verteilung der Nahrung^istoffe massgebend und ebenso
wenig für das prozentuale Verhältnis von Früh- und Spätholz, von leitendem und me-
chanischem Gewebe. Hiefür dürfte nach den Untersuchungen Schwendenei^s, Metzgers
und Frank Schwarz die mechanische Beanspruchung der einzelnen Baumteile durch den
Wind von ausschlaggebender Bedeutung sein, ebenso wie Zug- und Druck Verhältnisse
auch auf die Ausbildung von exzentrischen Jahresringen von Einfluss sind. Ueberall
werden die Jahresringe da breiter, die mechanischen Elemente besser und reichlicher
ausgebildet, wo es die Biegungs- oder Druckfestigkeit des Stammes oder der Aeste
erfordert. Der Wind oder der mechanische Druck kann aber hier jeden-
falls nur als auslösender Reiz wirken und dass verschiedene Holzarten auf den
gleichen Reiz verschieden reagieren und das Verhältnis von Ursache und Wirkung
jedenfalls nicht so ganz einfach liegt, dürfte schon daraus erhellen, dass z. B. beim
schiefstehenden Coniferenstamm , oder beim Coniferenast, die beide exzentrisch gebaut
sind, die Druckseite (Unterseite) und besonders das Spätholz (= Druckholz, Rotholz)
sowohl nach Menge wie Wandstärke der Zellen stärker entwickelt ist (Hypotro-
phie,Hyponastie), bei den Laubhölzem dagegen die Oberseite (Ep Itrop hie,
Epinastie), ohne dass dies aber absolut durchgreifend wäre, denn sogar der näm-
liche Ring kann bald nach oben, bald nach unten, bald nach der Seite verstärkt sein.
Am Waldrand besitzen die Stämme gewöhnlich exzentrischen Bau mit der breiteren
Seite nach aussen, bei engem Stand sind die Kinge an der einander genäherten Seite
am schmälsten, an steilen Hängen zeigt die Bergseite den stärkeren Jahresring, in der
Windrichtung zeigt sich vielfach eine Exzentrizität der Jahresringe und die schmälste
Stelle auf der dem Wind-Stoss zugewendeten (Zug) Seite u. s. w. Beim Taxus und
bei der Hainbuche ist dagegen die ungleiche Breite der Jahresringe auf verschiedenen
Seiten des Querschnitts eine erbliche Eigenschaft (Spannrückigkeit). Früher
Beginn der Vegetation fördert nach Frank Schwarz bei der Kiefer das Frühholz, später
das Spätholz, das sich hier von Ende Juli an, vornehmlich im August, bildet. Bäume
mit sehr grosser Krone und breiten Ringen haben ein geringes, solche mit mittlerer
Krone ein grosses und solche mit kleiner Krone und schwachem Zuwachs das geringste
Spätholzprozent; höhere Bäume haben ein grösseres, freistehende, weniger hohe ein
geringes Spätholzprozent, was alles durch die früheren Emährungstheorien nicht be-
friedigend erklärt werden kann, dagegen zweckmässig erscheint, w^enn man sich den
Baumstamm als Träger gleichen Widerstandes konstruiert denkt, nur an der Basis
etwas verstärkt. Ganz abnorm ist das Maserholz gebaut , das seine Entstehung
meist dem Auftreten massenhafter Adventivknospen verdanken dürfte, welche die Holz-
elemente von ihrem normalen Verlauf ablenken.
8. Die Verkemung.
§ 19. Der Stammquerschnitt ist bei den meisten Bäumen nicht gleichmässig
gefärbt ; gewöhnlich unterscheiden wir eine zentrale, meist dunkler gefärbte, ausschliess-
Die Arbeitsleistangen des Baumes. § 20. 231
lieh aus abgestorbenen Elementen bestehende Partie, den Kern, von einer meist
wasserreicheren, weiss oder gelblichweiss gefärbten, reichlich lebende Zellen enthalten-
den peripheren Partie, dem Splint. Besteht, was verhältnismässig selten der Fall,
das ganze Holz aus Splint (z. B. Acer Pseudoplatanus und platanoides, Buxus semper-
virens, Betula alba und Populus tremula), so nennt man solche Bäume Splintbäume,
die anderen Kernbäume. Der Splint dient der Wasserleitung und
als Eeservestoffbehälter und zwar sind es gewöhnlich nur die äussersten,
manchmal nur der äusserste Jahresring, welcher Wasser leitet, während die älteren
Reservestoife speichern. Die Dicke des Splints ist sehr verschieden, in den Wurzeln
reicht er nach Durchmesser und Jahresringen im allgemeinen am weitesten nach innen;
im Stamm ist er dicker als bei den Aesten, zählt aber dort mehr Jahresringe ; bei der
Kiefer kann er 25, ausnahmsweise sogar bis 80 Ringe umfassen, bei der Silberpappel
sind es gewöhnlich nur 7. Die Grenze zwischen Splint und Kern folgt übrigens weder
in verschiedener Höhe des Baumes und nicht einmal auf dem gleichen Querschnitt einem
bestimmten Jahresring. Die Ausbildung des Splintes scheint sich nach derjenigen der
Krone zu richten; je grösser die Krone, desto breiter der Splint. Der echte Kern
dient lediglich der Festigung. Nicht damit zu verwechseln ist der falsche
Kern, Scheinkern oder Faulkern, wie er häutig von Wunden aus und wahrscheinlich
auch durch Pilze verursacht, mit ganz unregelmässiger Begrenzung z. B. bei der Rot-
buche auf manchen Standorten häufig ist. Das Material für die Verkernung
wird wahrscheinlich von den lebenden Parenchymzellen und von den Markstrahlen ge-
liefert, während man es früher für Umwandlungsprodukte der Membran hielt. Die
Membran der verkemenden Elemente bleibt aber erhalten; nur die Lumina derselben
sind durch Einlagerung der verschiedensten organischen Substanzen verstopft, wie Farb-
stoffe, harz- und gummiartige Körper, Gerbstoffe etc., die auch häufig in die Membran
selbst infiltrieren. Bei manchen unserer Laubholzbäume, wie Ulmus campestris, Celtis
australis, Sorbus torminalis und Fagus silvatica sind die Gefässe oft mit kohlensaurem
Kalk förmlich angefüllt. Bei der Robinie und bei der Eiche werden die Gefässe nor-
maler Weise durch T h y 1 1 e n b i 1 d u n g für die Wasserleitung unwegsam gemacht,
wenn Parenchymzellen, welche an Gefässe angrenzen, die Schliesshäute der behöften
Tüpfel jener in die Gefässlumina blasenartig hineinwölben, wo sich die eingedrungenen
Zellen teilen und mit einander verwachsen und das Gefässlumen schliesslich völlig ver-
stopfen. Je dunkler ein Kernholz gefärbt ist, desto dauerhafter pflegt es zu sein; ist
dagegen, wie bei manchen Weiden und der kanadischen Pappel das Kernholz nicht
durch SchutzstofFe imprägniert, so fällt es leicht der Zersetzung anheim und solche
Bäume werden leicht und früh hohl.
IIL Die Arbeitsleistungen des Baumes (Physiologie)^).
Auf die Arbeitsleistungen der verschiedenen Organe des Baumes musste in vor-
stehendem schon vielfach Bezug genommen werden, wenn dieselben ihrem äusseren und
inneren Bau nach wirklich als Organe charakterisiert werden sollten. Darum kann
dieser Abschnitt um so kürzer ausfallen, der nur in grossen Umrisslinien die wichtigsten
physiologischen Vorgänge schildern soll.
1. Die Atmung.
§ 20. Die Atmung muss als der allgemeinste und fundamentalste
6) Vorzügliche, knappe Abrisse dieser Wissenschaft bieten z. B. das Wiesner'sche
Lehrbuch p. 201 — 334, und das Strasburger'ßche in der Darstellung von NoU p. 130 — 254.
232 III. Klein, Forstbotanik.
Lebensprozess angesehen werden, denn alle lebenden Zellen atmen nnd zwar
jederzeit, Tag and Nacht. Die Pflanzenatmang ist wie die tierische Atmung ein Oxy-
dationsprozess , bei welchem hier der Hauptsache nach Kohlehydrate, manchmal auch
Fette, zu Kohlensäure und Wasser verbrannt werden. Die Menge der ausgeschiedenen
Kohlensäure ist der Menge des aufgenommenen Sauerstoffs gleich, die Fälle ausgenom-
men, in welchen ein Teil des aufgenommenen Sauerstoffs, z. B. bei der Keimung fett-
haltiger Samen, bei der Umwandlung der sauerstoffärmeren Fette in die sauerstoff-
reicheren Kohlehydrate in den letzteren festgelegt wird. Da die Kohlehydrate und
Fette chemische Verbindungen sind, welche von dem Luftsauerstoff unter gewöhnlichen
Umständen nicht, bezw. nur schwer angegriffen werden, kann die Atmung, die ,pbj-
siologische Oxydation'' jedenfalls kein ganz einfacher Vorgang sein. Sie ist
eben eine Lebensäusserung des lebenden Protoplasmas, in welchem sie, wenn auch meist
viel schwächer, auch bei Abschluss des freien Sauerstoffs als sog. „intramoleku-
lare Atmung" stattfindet, indem hier der erforderliche Sauerstoff aus den Molekülen
der organischen Substanzen durch aussergewöhnliche Umsetzungen herausgerissen wird,
ein Prozess, der natürlich auf die Dauer zum Zerfall des lebenden Protoplasmas fuhren
muss, aber wahrscheinlich als die unmittelbare Veranlassung zur normalen Sauerstoff-
atraung anzusehen ist. Durch das Netzwerk engerer oder weiterer luftführender Ka-
näle, das, wie wir früher gesehen, alle lebenden Zellen der Pflanzengewebe umgibt,
findet der Luftsauerstoff überall Zutritt zu den lebenden Zellen und ebenso wird in
diesen Intercellularen die bei der Atmung gebildete Kohlensäure nach aussen abgeleitet.
Die Intensität der Atmung ist eine sehr verschiedene. Am energischsten
atmen wachsende Pflanzenteile, besonders in der Entfaltung begriffene Knospen und
Blüten und keimende Samen, welche die Hälfte ihrer Trockensubstanz hierbei veratmen
können. Ausserdem ist die Intensität der Atmung auch von der Lufttemperatur und
dem V^assergehalt der lebenden Zellen abhängig; ruhende, sehr wasserarme Samen
atmen am trägsten. Die Atmung der grünen, ausgewachsenen Laubblätter ist bei den
verschiedenen Pflanzen sehr verschieden und schwankt im Verhältnis von 1 : 27.
Bei der Atmung wird organische Substanz zerstört, welche bei dem
Assimilationsprozess synthetisch aufgebaut wurde; indes ist der Substanzverlust im
allgemeinen ein relativ geringer , wie der Umstand zeigen möge , dass z. B. beim
Kirschlorbeer 1 Stunde Assimilation das Material für 30 Stunden Atmung liefert. Die
Atmung ist die notwendige Voraussetzung aller Lebensprozesse.
Unterbleibt die normale Atmung, z. B. im sauerstofffreien Raum, so stehen sofort alle
anderen Lebensprozesse still. Durch die Umsetzung chemischer Spannkräfte (potentielle
Energie) in lebendige Kraft (kinetische Energie) liefert die Atmung der Pflanze die
Betriebskräfte für andere Lebensäusserungen.
2. Die Aufnahme des Wassers, der Asehenbestandteile und des Stickstoffs.
§ 21. Das Wasser spielt im Pflanzenleben eine ungemein vielseitige und wich-
tige Rolle; es durchtränkt alle organisierten Substanzen, die im Gegensatz zu den
nicht organisierten quellungsfähig (inbibitionsfähig) sind, es dient zur Deckung des
Transpirationsverlustes, zur Einführung der Aschenbestandteile, als Lösungs- und Trans-
portmittel im Stoffwechsel, als direktes Nahrungsmittel zum Aufbau der organischen
Substanzen und schliesslich zum Wachstum wie zur Festigung beim Turgor, wo-
runter man die osmotische Druckkraft versteht, welche der Zellsaft, dank der in ihm
gelösten Wasser anziehenden Substanzen auf Plasmabaut und Zellmembran ausübt
Unter solchem Druck stehende Zellen nennen wir turgescent und nur im turgescenten
Die Arbeitsleistungen des Baumes. § 21. 238
Znstande sind die Zellen — von der Atmnng, die auch in welkenden Pflanzenteilen
kräftig fortgesetzt wird, abgesehen — zu energischen Lebensäusserungen befähigt.
Dnrch den Turgor allein erhalten wachsende Pflanzenteile ihre Festigkeit. Der
Gegensatz von tnrgescent ist welk.
Die Aufnahme des Wassers und der in ihm gelösten Aschenbestandteile
erfolgt, wie wir früher gesehen haben, ausschliesslich durch die jüngsten Wurzeln, deren
lebende Wurzelhaare als osmotische Apparate funktionieren und deren lebende Plasma-
haut — und zwar an innerer und äusserer Hautschicht verschieden — eine Art Wahl-
vermögen den dargebotenen Aschenbestandteilen gegenüber besitzt, indem dieselbe für
die meisten gelösten Substanzen viel weniger durchlässig ist als die Zellhaut, so dass
dieselben nicht in den gleichen Mengenverhältnissen, in welchen sie im Bodenwasser
gelöst sind, in die Wurzel eintreten. Ausserdem lösen die mit den Bodenpartikelchen
verwachsenden Wurzelhaare hier direkt noch Aschenbestandteile auf. Durch Diffusion
von Zelle zu Zelle wandert das Wasser durch die Rindenzellen der jungen Wurzeln
und wird schliesslich unter starkem osmotischem Druck in die Hohlräume der Gefässe
und Tracheiden des Holzkörpers der Wurzel eingepresst.
Aschenanalysen verschiedener Baumteile und verschiedener Baumarten, wie
sie in grosser Zahl ausgeführt worden sind, zeigen uns den Gesamtgehalt an Asche,
wie die Zusammensetzung derselben. Besonders aschereich sind die Blät-
ter und die Rinde, während das Holz aschenarm zu sein pflegt.
Auf das Trockengewicht bezogen, schwankt die Aschenmenge der Coniferen-
n ad ein zwischen 1,5 und 3,5% (1,3% Weymouthskiefer, ca. 2% Kiefer, ca. 3 — 3,5%
Tanne und Fichte) und zwischen 3,8% (Erle und Hainbuche) und 8,7% (Akazie) und
9% (Esche), die Rindenasche zwischen 0,75% (Kiefer und Birke) ca. 1,5% bei
der Fichte, 2% bei der Tanne, 3—4% bei Buche und Eiche und 8—9% bei Feldahom
und Ulme, mit grossen individuellen und ausserdem vom Alter, von Standorts Verhält-
nissen etc. abhängigen Differenzen. Die Rindenasche ist stets sehr reich an Kiesel-
säure und Kalk, welch letzterer auch in der Asche der Blätter und des Holzes sehr
reichlich vorzukommen pflegt. Der Aschengehalt des Holzes ist meist sehr
gering, 0,3 — 0,4% bei den meisten Hölzern, selten weniger, ca. 0,2% bei Kiefer und
Weymouthskiefer, oder mehr, 0,5% bei der Robinie. Die Aschenanalysen sagen aber
nicht viel aus über das Aschenbedürfnis der Holzarten, ausser wenn eine grosse Zahl
solcher vorliegt und sie sagen vor allem nicht viel über das Bedürfnis an den einzel-
nen Aschenbestandteilen. Tatsächlich sind die meisten Elemente schon in Pflanzen-
aschen gefunden worden.
Durch die Methode der sog. Wasserkultur ist von Sachs, Nobbe u. a. fest-
gestellt, dass zur vollständigen Ernährung der grünen Pflanze aus dem Boden, Kalium,
Calcium, Magnesium und Eisen sowie Stickstoff, Schwefel und Phosphor genügen, wäh-
rend alle andern in den Pflanzenaschen gefundenen Elemente entbehrt werden können.
Der Kohlenstoff der Pflanze stammt nicht aus dem Boden, wie die alte Humustheorie
annahm. Die Form, in welcher diese Grundstoffe aufgenommen werden, ist die kiesel-
saurer, kohlensaurer, schwefelsaurer, phosphorsaurer und salpetersaurer Salze. Wenn
man den oben erwähnten unentbehrlichen Elementen Silicium (in der Form von Kiesel-
säure), Chlor und Natrium als nützliche, die übrigen als entbehrliche gegenüberstellte,
so ist dies nur cum grano salis für die tatsächlichen Verhältnisse richtig, seitdem wir
den Salzhunger der Pflanze kennen und wissen, dass das Plasma seine volle osmotische
Arbeitskraft erst bei einem Aschenminimum, beim Hafer z. B. von 3%, entfaltet, wovon
aber nur rund 2% auf obige unentbehrliche Grundstoffe zu kommen brauchen, das letzte
Drittel somit anderweitig durch an und für sich bedeutungslose Aschenbestandteile gedeckt
234 III. Klein. Porstbotanik.
werden kann. Kalk ist viel weniger eigentlicher Nährstoff als indirektes Düngemittel,
das wichtige Stoffumsetznngen im Boden vermittelt nnd die beim Stoffwechsel der Pflanze
in erheblicher Menge entstehende giftige Oxalsäure bindet (die Krystalle, die wir in
den Bäumen, namentlich in der Rinde und in den Blättern linden, sind sogut wie aus-
nahmslos Krystalle von oxalsaurem Kalk). Der Stickstoff, der ca. 16% der Eiweiss-
substanzen ausmacht, ist einer der wertvollsten Bodennahrungsstoffe; er wird von den
Pflanzenwurzeln wahrscheinlich nur in Form von salpetersauren Salzen aufgenommen.
Das Material hierfür rührt, da wir keine salpetersauren Mineralien im Waldboden haben,
teils von der Zersetzung organischer Substanz her, teils wird es mit den atmosphäri-
schen Niederschlägen als Salpetersäure und Ammoniak zugeführt, teils wird der freie
Stickstoff der Atmosphäre durch die Wurzelknöllchen der Schmetterlingsblütler (Robinie)
oder durch gewisse frei lebende Bakterien (Clostridium Pasteuria num) in
organische stickstoffhaltige Substanz übergeführt. Ausschliesslich auf Bakterientätig-
keit ist auch die Ueberführung des bei der Verwesung gebildeten Ammoniaks in sal-
petrige Säure (Nitritbildner) und dieser in Salpetersäure (Nitratbildner)
zurückzuführen, während zahlreiche andere Arten dieser niedersten Lebewesen die Fäul-
nis- und Zersetzungsprozesse der abgefallenen Pflanzenteile vermitteln und so deren
Substanz wieder in eine für die Pflanze aufnehmbare Form bringen.
8. Die Leitung und Abgabe des Wassers. (Der Transpirationsstrom.)
§ 22. Den Anstoss zu der Wasserbewegung im Baumkörper, die man darum
auch Transpirationsstrom nennt, gibt zweifelsohne die Transpiration, speziell die Ver-
dunstung der Blätter, welche Platz für nachrückendes, neues Wasser schafft. Die
Transpiration geht so vor sich, dass Wasserdampf aus den Intercellularräumen des
Blattes durch die Spaltöffnungen in die trockenere Aussenluft entweicht. In die Inter-
cellularräume verdunstet dann sofort Inbibitionswasser aus den Zellwänden der an die-
selben angrenzenden Zellen. Dieser Inbibitionsverlust wird aus dem Zellinhalt gedeckt,
wodurch in der Zelle osmotische Kräfte frei werden, die alsbald den weiter nach Innen
gelegenen Zellen Wasser entreissen. Diese letzteren Zellen decken ihren Wasserverlust
aus den Tracheiden der überall im Blatt verteilten Grefässbündelendigungen , wodurch
der Transpirationsstrom im Gefasssystem in Bewegung gesetzt wird. Bei der raschen
Massenbewegung, um welche es sich hier handelt, spielt die Bewegung des Inbibitions-
wassers im Holz (Inbibitionstheorie) , die Diffusion des Wassers von Zelle zu Zelle in
den lebenden Elementen, wegen zu geringer Schnelligkeit und Ausgiebigkeit jedenfalls
nur eine untergeordnete Rolle; die Elemente der Rinde kommen überhaupt nicht in
Betracht, weil ringsum geringelte Bäume, bei welchen sich das Wasser nur im Holz-
körper bewegen kann, ungestört weiter transpirieren. Es kann heute als sicher ange-
sehen werden, dass sich der Transpirationsstrom nur in den Hohlräumen der Gefässe
und Tracheiden bewegt und hier auch nur in den äussersten Jahresringen. Der Nutzen
weiter Gefässe im Frühholze ringporiger Hölzer leuchtet dann ohne weiteres ein; es
werden so der Länge nach direkt zusammenhängende, weite Wasserbahnen geschaffen,
die das Wasser von' den aufnehmenden Wurzeln bis zu den einjährigen Zweigen und
deren Blättern auf dem kürzesten Wege leiten. Bei den Coniferen, die der Gefösse
entbehren, setzen die Schliesshäute der Hoftüpfel der Filtration des Wassers keinen
nennenswerten Widerstand entgegen. Durch den Transpirationsstrom werden vor aDem
die Aschenbestandteile nach den Verbrauchsorten, den Blättern, geschafft, wo sie, da
nur reines Wasser verdunstet, zurückbleiben und beim Aufbau der organischen Sub-
stanzen verarbeitet werden. Dies dürfte der Hauptzweck der Transpiration sein, da
Die Arbeitsleistungen des Baumes. § 23. 235
das Bodenwasser kaum mehr Aschenbestandteile enthält als reines Trinkwasser. Ueber
die Wasserbewegung und die dabei tätigen Kräfte, welche das Wasser bis in die höch-
sten Banmwipfel emporheben (Wnrzeldruck, Mitwirkung lebender Zellen durch Diffusion,
Druck und Saugnng, Imbibition, Kapillarität, Saugkraft der Transpiration und Kohäsion
des Wassers) sind eine ganze Anzahl von Theorien aufgestellt worden, doch ist die
Erscheinung bis dato noch keineswegs in völlig befriedigender Weise erklärt. Nur das
ist durch Strasburgers Untersuchungen festgestellt, dass das Wasser auch ohne jegliche
Mitwirkung lebender Zellen über 30 m. in Holzpflanzen aufsteigen kann.
Der Wassergehalt der Bäume geht mit dem Verbrauch und mit dem
Bedürfnis nicht parallel; er beträgt, je nach Art und Individuum, zwischen 30 und
ßO^/o und schwankt auch, je nach Jahreszeit, bei der gleichen Holzart und dem gleichen
Individuum innerhalb viel engerer Grenzen. Die Transpiration wird begünstigt durch
grosse Blattfläche, dünne Cuticula, zahlreiche Spaltöffnungen, ferner durch Trockenheit
und Wärme der Luft und ganz besonders durch den Wind; die starke Begünstigung
der Transpiration durch das Licht wird durch den Einfluss desselben auf die Blatt-
struktur nahezu wieder aufgehoben. Die Transpiration wird herabgesetzt durch kleine
Blattfläche, dicke Cuticula, benetzbare Oberfläche, spärliche, namentlich vertieft liegende
Spaltöffnungen, durch Kälte der Luft wie des Bodens und namentlich durch hohen
Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Der Wasserverbrauch hängt indessen nicht nur von den
die Verdunstung begünstigenden und hemmenden Faktoren, sondern auch von der Was-
serzufuhr ab, indem bei reichlicher Wasserzufuhr sehr viel reichlichere Transpiration
stattfindet als bei spärlicher, was die Regulierung des Wasserverbrauchs durch die
Schliesszellen der Spaltöffnungen, die hier allein in Frage kommen kann, in schönster
Weise illustriert. Die Transpiration der Nadelhölzer verhält sich z u d e r
der Laubhölzer etwa wie 1 : 10 bei spärlicher , wie 1 : 6 oder 7 bei reichlicher
Wasserzufuhr. Zur Bildung von 100 gr lufttrockener Blattsubstanz verbraucht nach
den eingehenden Untersuchungen von v. Höhneis ^) in runden Zahlen (als Durchschnitts-
zahl von 3 Vegetationsperioden) Lärche und Linde ca. 100, Esche 85, Birke 81, Rot-
buche 75, Hainbuche 73, Ulme 66, Bergahom 58, Stiel- und Traubeneiche 54, Spitz-
ahorn 53, Fichte 13^/2, Kiefer 9V2, Tanne 7 und Schwarzkiefer 67:^ Liter Wasser. Mit
den Erfahrungen der Praxis, den Ansprüchen der einzelnen Holzarten an Bodenfeuch-
tigkeit, stimmen diese Versuchszahlen nicht durchweg, weil hier noch die flache oder
tiefe Bewurzelung als sehr wesentliches Moment zu berücksichtigen ist und darum die
i^ehr flach wurzelnde, nur die obersten Bodenschichten ausnützende Fichte hinsichtlich
der Feuchtigkeitsansprüche vor der tiefer wurzelnden Eiche rangiert. Die absoluten
Transpirationsmengen mögen gleichfalls an einem Beispiel von Höhnel erläutert werden.
Eine grosse freistehende Birke, deren Krone ca. 30 OM. beschattete und 200000 Blätter
trug, mit einem Frischgewicht von 21,4 Kilo (= rund 11 Kilo Trockengewicht), ver-
dunstet an einem sehr heissen Tage 300 — 400 Liter, an einem Regentage vielleicht
nur 8 — 10, im Durchschnitt 60 — 70 Liter pro Tag, in der g a n z e n Vegetationsperiode
rund 9000 Liter. Ein Hektar 115jähriger Buchenhochwald verdunstet täglich 25000
bis 30000 Liter.
4. Die Aneignung des Kohlenstoffs. (Die Assimilation.)
§ 23. Der gesamte Kohlenstoif der grünen Pflanzen, der in einem Baumstamm
7) V. Höhnel, lieber die Transpiration der forstl. Holzgewächse. Aus den Mitt.
aus d. forstl. Versuchsw. Oesterreichs Bd. H. Heft 1 u. 3. 1879 u. 1880. 44 u. 24 p. 4<>;
Dere., üeber d. Wasserbedürfnis d. Wälder (Centralb. f. d. ges. Forstw. 1884. p. 387—409).
/
236 IIL Klein, Forstbotanik.
nngefähr die Hälfte des Trockengewichtes ausmacht, stammt ansschliesslich von dem
Kohlensäuregehalt der Luft ab, der relativ zwar sehr gering ist (0,033^/o), der aber
vermöge der Diffusionsgeschwindigkeit der Gase in der Umgebung der assimilierenden
Organe sofort nach Verbrauch wieder ersetzt wird. Die absolute Menge des Kohlen-
stoffs in der Atmosphäre ist eine sehr beträchtliche; man hat den Kohlensäuregehalt
derselben auf ca. 3000 Billionen Kilo berechnet, was ca. 800 Billionen Kilo Kohlen-
stoff entspricht. Die Assimilation, die Synthese von Kohlehydraten aus Kohlensäure
und Wasser, ist ein der Atmung direkt entgegengesetzter, in seinen Details noch nicht
aufgeklärter physiologischer Prozess, bei welchem das Volumen des frei werdenden
Sauerstoffs demjenigen der zerlegten Kohlensäure gleich ist. Die Spaltung der Kohlen-
säure findet nur in den grünen Zellen und nur bei Gegenwart von
Licht statt; die rotgelbe Hälfte des Spektrums ist dabei weitaus am wirksamsten.
Als erstes sichtbares Assimilationsprodukt wird Stärke in den Cklorophyllkör-
nem gebildet, der aber wohl zweifelsohne einfachere chemische Verbindungen voraus-
gehen. Die Chlorophyllkönier sind die Organe des lebenden Protoplasmas, welche ohne
merkliche Abnutzung unter Benutzung der Energie der Sonnenstrahlen diese Synthese
vermitteln. Die ansehnliche chemische Arbeit, welche hierbei geleistet wird, wird in
Form von chemischen Spannkräften in den erzeugten Kohlehydraten aufgespeichert.
Die äusseren Bedingungen der Assimilation sind : Licht, Wärme und genügende Zufahr
von Wasser und mineralischen Nährstoffen, die innem : ausgiebige Ableitung der Assi-
milate. Die gleichen Blattflächen bilden bei verschiedenen Holzarten und selbst bei
verschiedenen Individuen der gleichen Art unter gleichen Bedingungen ungleiche Mengen
von Assimilationsprodukten (spezifische Assimilationsenergie). Die Ur-
sachen der letzteren liegen teils in der Zahl und Grösse der Chlorophyllkörner in der
Zelle, teils in der reichlicheren oder spärlicheren Entwickelung des Durchlüftungssystems
(Intercellularräume), jedenfalls aber auch in der energischeren oder minder energischen
Tätigkeit der Chlorophyllkörner selbst, die wieder in engster Beziehung zu der spezi-
fischen Struktur des Protoplasmas steht.
Der Lichtgenuss des einzelnen Blattes hängt sehr von seiner Stellung gegen
das einfallende Licht, von der Stellung des Blattes in der Baumkrone und von der
Lichtstellung des ganzen Baumes ab (Freistand, Randstand oder geschlossener Stand).
Im Innem der Krone einer Buche im Buchenwald beträgt nach Wiesner®) der tatsäch-
liche Lichtgenuss eines Blattes nur V^« des gesamten Tageslichts an der Peripherie
und er kann selbst bis V^oo herabgehen. Dazu kommt noch der Lichtverlust durch
Reflexion an der Blattoberfläche. In dichtbelaubten Bäumen ist die Lichtintensität im
Innern der Krone um Mittag am geringsten, weil da die transversal-heliotropisch ge-
stellten Blätter das meiste Licht zurückhalten. Das Licht, welches ins Innere der
Krone gelangt, ist zum grössten Teile nicht durch die Blätter hindurchgegangen, son-
dern durch die Lücken zwischen denselben; nur deshalb vermögen die Blätter im In-
nern der Krone überhaupt noch zu assimilieren, weil Licht, auch wenn es nur ein ein-
ziges Blatt passiert hat, für die Assimilationsarbeit zu sehr abgeschwächt ist. Bei
derartigen Verhältnissen sind unsere Bäume auf mehr oder weniger abgeschwächtes,
namentlich auf diffuses Licht abgestimmt. Solche Bäume, welche nur bei stärkerem
Lichtgenusse gut gedeihen und sehr empfindlich gegen seitliche Beschattung (Seiten-
druck) und Beschattung von oben (Ueberschirmung) sind (Lärche, Kiefer, Birke, Aspe,
Erle, Esche), nennt man Lichtholzarten, solche, die starke Beschattung ertragen
8) W i e 8 n e r , Der Lichtwuchs der Holzgewächse (Centralb. f. d. ges. Forstw. 1897.
14 p. 8°).
Die Arbeitsleistungen des Baumes. § 24. 237
(vor allem Buche ond Tanne, einigermassen auch Fichte, Weissbuche und Linde)
Schattenholzarten. Je günstiger übrigens die Standorts- und Bodenverhältnisse
sind, desto höher ist im allgemeinen auch das Schattenerträgnis der einzelnen Holzarten
und umgekehrt. Wenn der bessere Standort bei gleichen Beleuchtungsverhältnissen
mehr Holzmasse produziert als der geringere, so hat dies nach Th. Hartig seinen Grund
darin, dass auf letzterem die Blätter mangels genügender Nährsalzzufnhr nicht mit
voller Energie arbeiten.
5. StofiTwandlungen und Stoffwanderungen.
§ 24. Die Ableitung der Assimilate aus den Blättern, wobei die Stärke, um dif-
fusionsfähig zu werden, stets in Zucker verwandelt wird, und dieser, um die Diffusion
im Gange zu erhalten, vorübergehend in den aufnehmenden Zellen wieder zu Stärke
wird (Wanderstärke), ward durch Wärme sehr begünstigt ; an sehr heissen Tagen kann
es darum gelegentlich überhaupt nicht zur normalen Stärkeanhäufung in den Blättern
kommen. In der Nacht entleeren sich die Blätter völlig von Stärke. Wahrscheinlich
werden aus den assimilierten Kohlehydraten und den aufgenommenen Nährsalzen schon
in den Blättern Eiweissverbindungen und andere organische Substanzen gebildet, die
übrigens ihrer Entstehung nach vom Lichte unabhängig, zum Teü auch in den Wurzel-
zellen, in der Binde und im Cambium gebildet werden können, wie denn von den grünen
Rindenzellen selbstverständlich auch assimiliert wird. Die Eiweisskörper müssen, um
wasserlöslich und diffusionsfähig zu werden, in Amide umgewandelt werden ; nur in den
Siebröhren können die Eiweisskörper als solche wandern. Durch die Siebteile der
Blattnerven wandern die Assimilate und Eiweisskörper in die Kinde und hier ab-
wärts bis zu den Wurzeln , um diesen und dem Cambium die nötigen organischen
Baustoffe zu liefern. Den Beweis für diese Abwärtswanderung in der Rinde liefern
Ringelungsversuche, bei welchen an geringelten Stämmchen unterhalb der Ringelungs-
st^lle, die die abwärtswandernden Assimilate nicht überschreiten können, jegliches
Dickenwachstum unterbleibt, während es oberhalb derselben, wo sie sich stauen, um
so kräftiger einsetzt. Von diesen, den Längsachsen der Organe parallelen Hauptbahnen
dieser Stoffwanderung, gehen überall an der Rinde Nebenbahnen senkrecht ab (die
Markstrahlen), welche die Baustoffe dem Cambium und dem Holze zuführen. Was für
Atmung und Wachstum nicht verbraucht wird, speichern die lebenden Zellen der Rinde,
die Markstrahlen und Holzparenchymzellen in Zweigen, Stamm und Wurzel als Re-
servestoffe für späteren Bedarf auf. Das Mark selbst ist bei unseren Holzgewächsen
gewöhnlich stärkefrei, während die lebenden Elemente von Holz und Rinde im Herbste
vollgestopft von Stärke zu sein pflegen (ausgereiftes Holz!) Aber schon im Spät-
herbst findet in der Rinde eine Auflösung der Stärke und Umwandlung in Zucker, zum
Teil auch eine Auswanderung in das Holz statt, während, wie schon früher erwähnt,
die Stärke im Holze vieler Weichhölzer vor Eintritt des Winters in fettes Oel ver-
wandelt wird. Im Frühjahr, schon ca. Anfang März, wird die Stärke wieder regene-
riert, dann in Zucker umgewandelt und gelangt als solcher mit anderen löslichen or-
ganischen Substanzen in die eigentlichen Wasserbahnen des Holzes, die Gefässe und
Tracheiden (Blutungssaft), um rasch nach den Verbrauchsorten aufwärts ge-
schafft zu werden und (im April und Mai) das Baumaterial für das Austreiben der
Knospen zu liefern. Der grösste Teil der Reservestoffe im Holze wird übrigens für
die Samenbildung aufgespeichert ; so sind bei der Eiche die lebenden Zellen des Splints
voll von Stärke, desgleichen bei der Rotbuche die 20 äussersten Jahresringe und dann,
mit abnehmendem Reservestoffgehalt, noch ca. 30 weitere Ringe. Nur die Stärke der
238 m. Klein, Forstbotanik.
beiden äussersten Ringe erfährt beim Austreiben der Triebe und Blätter eine Vermin-
derung, die aber schon im Herbste wieder ausgeglichen ist. Ein volles Samenjahr
verbraucht die ganzen im Holze der Buche aufgespeicherten Reservestoffe bis auf Spa-
ren und Hartig macht die mehr oder weniger häutige Wiederkehr der Samenjahre bei
der gleichen wie bei verschiedenen Holzarten von der Schnelligkeit abhängig, mit wel-
cher sich die Reservestoff behälter wieder füllen.
Die ziemlich allgemein verbreitete Ansicht von der herbstlichen Entlee-
rung der Blätter, der Auswanderung von Kali und Phosphorsäure , der wert-
vollsten Aschenbestandteile kurz vor dem Laubfall, ist irrig und beruhte, wie Wehmer
gezeigt hat, auf einer falschen Auslegung der Aschenanalysen. Es wurde nämlich eine
solche Auswanderung aus der Abnahme des Prozentgehaltes der Reinascfae
an Kali und Phosphorsäure im Oktober und namentlich im November herausgelesen,
während der absolute Gehalt von 1000 Blättern an Kali und Phosphorsänre, der
hier allein massgebend sein kann, unter Berücksichtigung der Auslaugung, welche das
abgestorbene Blatt schon am Baume und noch mehr nach dem Laubfall durch Regen
und Tau erfährt, keine nennenswerte Abnahme aufweist.
6. Das Wachstum.
§ 25. Die 3 Phasen des Wachstums: embryonales Wachstum (und Organbildung),
Streckung und innere Ausbildung sind, ebenso wie das sekundäre Dicken Wachstum, der
Hauptsache nach schon in früheren Paragraphen erledigt worden. Nur bezüglich der
Neubildung von Organen sei hier noch kurz auf die Adventivbildungen einge-
gangen, die namentlich aus üeberwallungswülsten (bei Stecklinge und Stockausschlag)
sowie aus verletzten und unverletzten Wurzeln (Wurzelbrut) entstehen können. Bei
solchen Neubildungen zeigt sich eine Korrelation, d. h. eine gegenseitige Beziehung
der Organe im gestaltenden Wachstum, indem vorzugsweise solche Organe gebildet
werden, w^elche verloren gegangen sind oder welche, wie die assimilierenden Sprosse,
für weitstreichende und namentlich für verletzte Wurzeln gefährdet erscheinen. Zu-
gleich zeigt sich bei der Anlage dieser neuen Organe auch eine innere Polarität
des Mutterorgans , die von Sachs, Vöchting und Göbel studiert wurde. Wir können
nämlich an jedem Steckling, an jedem Wurzelstück einen Spross- und einen Wurzelpol
unterscheiden. Bei Stecklingen entstehen stets am morphologisch oberen (vorderen)
Ende Sprosse, am unteren Wurzeln, bei Wurzeln umgekehrt am hinteren dem Mutter-
organ zugewendeten Ende Sprosse, an dem der Wurzelspitze zugewendeten aber Wur-
zeln. Verkehrt eingesteckte Stecklinge wachsen nicht oder nur schlecht an. Ebenso
sind bei Veredelungen nur ungleiche Pole zu normaler Vereinigung zu bringen. In
ähnlicher Weise existiert bezüglich radialer und tangentialer Richtung auch eine seit-
liche Polarität.
In jeder Pflanze wird erheblich mehr organische Substanz produziert, als zum
Wachstum Verwendung findet, weil bei der Atmung ein Teil derselben ja wieder zer-
stört wird. Das Wachstum ist nach Schnelligkeit, nach Dauer und nach
Wuchs richtung von inneren wie von äusseren Faktoren abhängig, unter letzteren
namentlich von genügender Wasser- und Nahrungszufuhr, von Gegenwart von Sauer-
stoff (Atmung), von Schwerkraft, Licht, Wärme, Luft- und Bodenfeuchtigkeit. Die
Dauer des Wachstums ist aus inneren Ursachen entweder begrenzt : Blätter, Blüten,
Kurztriebe oder (theoretisch) unbegrenzt: bei den meisten Langtrieben. Die Schnel-
ligkeit des Wachstums ist nach Art und Individuum verschieden (spezifische
und individuelle Wachstumsenergie.) Nach dem zeitlichen V e rlanf
Die Arbeitsleistangen des Baumes. § 26. 239
des Wachstums unterscheidet man eine grosse Wachstumsperiode, bei welcher
unter gleichen äusseren Bedingungen die Wachstumsgrösse mit kleinem Zuwachs be-
ginnt, bis zu einem Maximum anschwillt und dann allmählich bis auf 0 sinkt und eine
kleine oder tägliche Wachstumsperiode, welche unter dem Einflüsse der
sich ändernden äusseren Bedingungen auftritt.
Bei jedem Baume haben wir eine grossePeriode desLängen- und des
Dicken- (Flächen-) Wachstums zu unterscheiden. Im Wesen der grossen Pe-
riode liegt es, dass die Wachstumsenergie sich mit dem Alter eines Individuums ändert;
auch verlauft die grosse Periode im Stamm anders als in den Seitenlisten. Die Wachs-
tumsenergie ist in der Jugend bei allen Holzarten im Leittrieb grösser als in den
Seitenzweigen. Das kann dauernd so bleiben (Fichte) ; es kann später die Wachstums-
energie des Leittriebs rascher abnehmen als diejenige der Aeste, so dass beide annähernd
gleich werden, wie bei der ca. 100 — 120 Jahre alten Kiefer, deren Krone sich schirm-
förmig abwölbt, sowie bei vielen Laubhölzem ; es kann aber auch die Wachstumsenergie
der obersten Seitenzweige schliesslich grösser werden als die des Leittriebs (Storchen-
nest bei der alten Weisstanne). Ebenso existiert hier zweifellos eine Korrelation der
Organe und Störung dieser Korrelation wie z. B. Entfernung des Gipfels einer Coni-
fere ändert die Wachstumsenergie und Wuchsrichtung der obersten Aeste (Kandelaber-
baum). Bei gleichen Standorts Verhältnissen erreichen die meisten Holzarten (besonders
auifaUend die Kiefer und Buche) im Schlüsse eine beträchtlichere Höhe als im Freistand,
obwohl sie hier reichlicher assimiliert, was auf eine Beeinflussung des Höhenwuchses
durch Korrelationen und durch äussere Faktoren (Wind, Luftfeuchtigkeit) hinweist.
Die Steigerung des Flächenzuwachses steht nach Frank Schwarz bei der Kiefer mit
der Energie des Längenwachstums insofern in einem gewissen Zusammenhang, als die
rascheste Zunahme bei beiden zeitlich zusammenfällt, so dass wohl die gleichen Fak-
toren, welche das Längenwachstum beeinflussen, auch für die Steigerung des Dicken-
wachstums von Einfluss sind. Der Massenzuwachs erreicht dagegen, unterdrückte Bäume
ausgenommen, sein Maximum viel später als der Höhenwuchs.
7. Die Reizbewegungen.
§ 26. Alle Organe des Baumes hängen an ihrer Basis mit anderen Pflanzen-
organen zusammen und die Bewegungen, welche sie etwa ausführen, können darum nur
Krümmungsbewegungen sein. Die Wuchsrichtung, welche die jungen Organe einschlagen,
die Stellung, welche sie im fertigen Zustande einnehmen, ist keine zufällige, sondern
eine fast stets von äusseren Faktoren, die als Reize wirken, abhängige. Dies setzt
aber eine reizbare Struktur des Protoplasmas voraus, die wir uns gleichfalls als eine
polare vorstellen müssen. Es handelt sich hier um keine einfache Abhängigkeit von
äusseren Kräften, sondern die Reizwirkung besteht nur in der Auslösung bestimm-
ter Wachstumsvorgänge, wobei verschiedene Organe unter dem Einfluss der gleichen
Kraft ganz verschiedene Stellungen einnehmen, was man Anisotropie nennt, bei
welcher sich die gleichen Korrelationen, die wir im vorigen Paragraphen kennen lern-
ten, geltend machen. Der Ort der grössten Reizempfindlichkeit des Organs kann von
dem Orte wahrnehmbarer Reizwirkung mehr oder weniger entfernt sein, da eine Fort-
leitung des Reizes von der Empfängnisstelle stattfindet, z. B. von der Wurzelspitze
zur Krümmungsstelle.
Die Reizbewegungen bringen die Pflanzenorgane in die pas-
sendste Stellung zu ihrer Umgebung, z.B. Wurzel und Spross bei keimen-
den Samen. „Die Pflanze verwendet ihr Gefühl für den Reiz, z. B. die Schwerkraft,
240 m. Klein, Forstbotanik.
in einer Weise zum eigenen Vorteil, die nur mit der intelligenten Handlung eines
Tieres, nicht aber mit der Anziehung von Feilspähnen durch den Magneten verglicheii
werden kann** (Reinke, Theoretische Biologie). „In dem geotropischen Verhalten einer
Wurzel gibt sich nicht weniger ein zweckmässig handelnder Egoismus zu erkennen,
als in der von ihr getroffenen Auswahl der Nährstoffe aus dem Substrat.**
Die Befähigung der Pflanzenorgane zu solchen Wachstumskrümmungen wird je
nach der Natur des Reizes, von denen Licht und Schwerkraft weitaus die wichtigsten
sind, Hello- oder Geotropismus genannt. Von minder wichtiger Bedeutung sind Hydro-,
Chemo-, Aero-, Thermotropismus u. a. Stellt sich ein Organ in die Richtung des
Reizes, so wird es orthotrop und positiv oder negativ heliotropisch etc. genannt, je
nachdem es nach der Reizquelle zu, oder von derselben weg wächst; nimmt es eine
schiefe Stellung ein, so heisst es p 1 a g i o t r o p , z. B. Seitenzweige und Seiten wurzeln;
ein Spezialfall letzterer Stellung ist die transversale, z. B. bei unseren meisten
Laubblättem.
Die Zone der Streckung ist diejenige Stelle, an welcher die Reizkrümmungen am
raschesten und leichtesten ausgeführt werden; doch können sich auch ausgewachsene
Organe noch krümmen, wie Blattstiele, oder mehrjährige Zweige, deren lebendes Cam-
bium reizbar geblieben ist. Jedes Organ nimmt unter dem Einfluss des Lichtes nnd
der Schwerkraft bei ungehinderter Entwicklung diejenige Stellung ein, welche unter
den gegebenen Verhältnissen der Ruhelage seiner reizbaren Struktur entspricht. Jede
Aenderung, infolge deren der Reiz das reizbare Organ in einer anderen Richtung trift^
als seiner Ruhelage entspricht, löst eine neue Reizbewegung aus. Der Verlauf einer
solchen Bewegung ist von der Wachstumsenergie, der Reizempflndlichkeit (Alter)
des Organs und der Abweichung von der Ruhelage abhängig. Wie verwickelt die
Verhältnisse der Reizbewegung sind, geht u. a. daraus hervor, dass heliotropische
Bewegungen im dunkeln oft noch längere Zeit fortgeführt werden (heliotropische Nach-
wirkung.)
Das Licht wirkt übrigens auch noch in anderer Weise, wie Wiesner und Jost
gezeigt haben, indem es die Knospen weckt, die besser beleuchteten Zweige fördert
(Phototrophie) und so die Organe vornehmlich zur Entwickelung bringt, welche
die vorteilhafteste Lichtstellung einnehmen. Für den Baum ist darum die Phototrophie
viel wichtiger als der Heliotropismus.
Die windenden Stämme, wie Lonicera, schlingen mittelst Lateralgeo-
tropismus, der zunächst eine Flanke des sich streckenden Sprossendes reizt und diese
zu langsamerer, die gegenüberliegende Seite zu stärkerem Wachstum veranlasst; da-
durch vrird, da immer neue Partien des reizbaren Sprossendes durch diese Bewegung
in die reizbare Flankenstellung kommen, die Stütze in lockeren Windungen um-
schlungen. Später kommt dann negativer Geotropismus hinzu, der die W^indungen
aufrichtet und an die Stütze fest anpresst. Das Schlingen der Ranken (x4.mpelopsis)
und kletternden Blattstiele (Clematis) dagegen erfolgt durch Berührungs-
reiz, indem die junge Ranke , der junge Blattstiel infolge der Berührung mit einer
rauhen Stütze an der Berührungsstelle langsamer, an der gegenüberliegenden Seite
rascher wächst und so die Stütze fest umwindet. Bei der Ranke pflanzt sich der Beiz
auch nach den älteren Teilen fort und veranlasst deren spiralige Aufrollung und die
Ausbildung mechanischer, verholzter Gewebe.
Die Schlafbewegungen, wie sie z. B. die Blätter der Robinie zeigen,
sind keine Wachstumsbewegungen , sondern beruhen auf Turgoränderungen
in der oberen und unteren Hälfte der Blattstielpolster, für welche Licht und Dunkel-
heit als Reize wirken.
Die allgemeinen Bedingungen des Baumlebens. § 27. 241
IV. Die allgemeinen Bedingungen des Baumlebens.
§ 27. Grenilgende Wasserversorgung ist ausser hinreichen-
der Wärme zur Vegetationszeit und geeigneten Bodenverhält-
nissen die massgebende Bedingung für die Ermöglichung des
Banmwuchses, den wir als die vollkommenste Stufe der j)flanzlichen Organisation
ansehen. Schimper teilt nach den Einrichtungen für Wasseraufnahme und -Abgabe die
Pflanzen in drei, natürlich durch Zwischenstufen verbundene Klassen ein : 1. Xerophyten
(S^^? = trocken) , die Bewohner physiologisch trockener Standorte , d. h.
Gewächse mit erschwerter Wasserversorgung, einerlei ob dieselbe durch Trockenheit
des Bodens oder durch Kälte, hohen Salzgehalt etc. bei nassem Boden bedingt ist ;^die
Struktur solcher Pflanzen ist vornehmlich auf eine Verminderung der Wasserab-
gabe eingerichtet ; 2. Hygrophyten, die Bewohner physiologisch nasser
Standorte, welche die Gefahr des Vertrocknens ausschliessen ; bei diesen Gewächsen
finden wir Eimichtungen, welche die Wasserabgabe begünstigen und 3. Tropo-
p h y t e n {xQon^ =z Wechsel), deren Existenzbedingungen, je nach Jahreszeit, diejenigen
der Xerophyten oder die der Hygrophyten sind. Die Mehrzahl unserer Bäume, vor
allem die winterkahlen Arten, sind Tropophyten, d. h. in der Vegetationszeit Hygro-
phyten, während der winterlichen Ruhezeit im entlaubten Zustande Xerophyten, überall
abgeschlossen durch Kork und dicke Cuticula; unsere sommergrünen Bäume haben
hygrophile Laubblätter, aber xerophile Achsen und Knospenschuppen. Ein ächter Xe-
rophyt dagegen ist unsere Kiefer. Von diesen drei Klassen sind Xerophyten und Tropo-
phyten zweifellos nachträgliche Anpassungserscheinungen; darum stellen die Existenz-
bedin^ngen unserer mitteleuropäischen Wälder nur einen Spezialfall, freilich den für
uns wichtigsten, des Baumlebens dar, sind aber für ein tieferes Verständnis des letzteren
nicht ausreichend. Die Verhältnisse, unter denen die winterkahlen Laubhölzer und die
Lärche sowie die immergrünen Coniferen bei uns leben, sind keine primären mehr, denn
die Geologie lehrt uns, dass der Wechsel der Jahreszeiten und die Sonderung in kli-
matische Zonen Erscheinungen verhältnismässig jungen Datums sind, die sich erst im
Laufe des nur ca. 3^0 der „organischen Erdgeschichte'* umfassenden Tertiärs entwickelten.
In der Zeit von Kreide, Jura und Trias und noch früher existierten diese Zonenunter-
schiede nicht ; damals herrschte, nach den Versteinerungen zu schliessen (z. B. Palmen
in Grönland!), vom Aequator bis zu den Polen ein gleichmässig warmes und feuchtes
Klima. Mit der fortschreitenden Abkühlung der Erde an den Polen und der im Be-
ginn des Quartärs eingetretenen Eiszeit bildeten sich die klimatischen Zonen, mit wel-
chen die für die heutige Verteilung der Pflanzen- und Tierwelt massgebenden Wande-
rungen und Anpassungen (Winterruhe, Fixierung des Laubausbruchs, der Blütezeit etc.
für bestimmte günstige Zeitpunkte) verknüpft sind. Ursprüngliche Verhältnisse,
soweit wir heute noch von solchen sprechen können, finden wir nur noch in den Tropen
und zwar speziell im sog. tropischen Kegenwalde, wo hohe und gleichmässige
Wärme, hohe Lichtintensität, sehr reichliche (2 — 4 m pro Jahr) und gleichmässig ver-
teilte Niederschläge, grosse Luftfeuchtigkeit, die sich in der Nacht und in den Morgen-
stunden der Sättigung nähert, auf fruchtbarem Boden eine ungemeine üeppigkeit des
Baumwuchses entwickeln und das Bild hervorrufen, das man sich gewöhnlich unter
dem Namen „Urwald'' vorstellt, obwohl dieser Begriif jeden ursprünglichen, sich selbst
verjüngenden und von Eingriffen des Menschen leidlich unberührten Wald umfasst.
Der tropische Regenwald ist ein Etagenwald, der sich bei allem Streben nach dem
Licht durch möglichst weitgehende Ausnützung des Raumes auszeichnet, in dem die
Stämme und Aeste bis in die Zweigspitzen mit zahllosen grünen Epiphyten besetzt
Handbach d. Fontw. 2. Aufl. I. 16
242 III. Klein, Forstbotanik.
und oft förmlich anter denselben versteckt sind nnd alle Bäume durch ein mächtiges
Grewin' dünn- und dickstämmiger Schlingpflanzen (Lianen) zusammenhängen, in dem,
wenigstens an den lichteren Stellen, der Boden ein reiches Unterholz und zahlreiche
grossblätterige Kräuter trägt, so dass der ganze Wald vom Boden bis zum Gipfel
eine dichte Laubmasse bildet. Viele Bäume entbehren hier der festen Blütezeit etc.
und blühen und fruchten, bald reichlicher, bald spärlicher das ganze Jahr. Die Zahl
der Gattungen und Arten von Holzpflanzen ist sehr viel grösser und erstreckt sich
über zahlreiche Familien, von denen wir nur Kräuter kennen. Der Wechsel in der (je-
stalt der meist viel ärmlicher verzweigten Baumkronen, die Unterschiede in der Form
und Stärke der Stämme, in Form, in Grösse und Färbung der Blätter sind sehr viel
weitgehender und zahlreicher als bei uns. Das Profil eines solchen Waldes ist nicht
eben, sondern zackig, entsprechend einer durchschnittlichen Baumhöhe von ca. 40 — 60 m,
die Färbung der Oberfläche, von einer Bergspitze gesehen, ist nicht gleichmässig wie
bei uns, sondern bietet ein wahres Farbenmosaik. Von diesem Bilde üppigster Fülle
und kräftigsten Wuchses weichen eine ganze Anzahl von Waldformationen ab, die
einer mehr oder weniger weitgehenden Verschlechtemng der klimatischen Bedingungen
ihren Charakter verdanken, grundverschieden sowohl unter einander, wie von unseren
Wäldern: so die Farn-, die Bambusa-, die Palmenwälder der Tropen, so der sub-
tropische und temperierte Regen wald (in Südchile z. B. mit nur 2 — 7® jährlicher Wärme),
ferner der immergrüne Nadelwald ohne Winterruhe, der subtropische immergrüne Laub-
wald, ferner die durch hohenSalzgehalt des Bodens bedingten Formationen, wie
Mangroven Wälder (tropische Küsten-Sumpfwälder), tropische Strand Wälder, und die blatt-
losen Halophyten Gentralasiens , endlich die durch trocken heisses Klima be-
dingten xerophytischen Laubwaldungen (sommerkahl und regengrün : die tropi-
schen Laubwälder des Sudans mit Akazien und Baobab oder die Catingas Brasiliens
mit Fassbäumen, Säulencacteen und Dorngebüsch, die fast 6 Monate blattlos sind nnd
ihre Stämme z. T. zu mächtigen Wasserbehältern ausgebildet haben), so die blattlosen
Casuarinawälder Ostjavas und der Sundainseln oder die schattenarmen, immergrünen
Eucalyptuswälder Australiens (Grasland mit riesigen Bäumen, deren Kronen sich in
der Regel nicht berühren) u. a. m. Diese kurzen Bemerkungen mögen genügen, um
die ausserordentliche Verschiedenheit der äusseren Bedingungen, unter welchen auf
unserer Erde ein Baumwuchs möglich ist, anzudeuten und ebenso ist es bekannt, dass
das winterkahle Laubholz und das immergrüne Nadelholz innerhalb zum Teil sehr weiter
klimatischer Grenzen waldbildend gedeiht. Dabei sind freilich auseinander zu halten
die Bedingungen, welche es dem Baumwuchs gestatten, das Leben im Sommer eben
noch zu fristen, womit dem praktischen Forstmann wenig gedient ist, und die Beding-
ungen, welche möglichst günstige, d. h. ausgiebige Zuwachsverhältnisse gewähren, was
für ihn die Hauptsache ist, was von Holzart zu Holzart wechselt und ausserhalb unseres
Rahmens fällt. — Bei aller Verschiedenheit im Einzelnen sind diesen so grundverschie-
denen Klassen von Waldungen doch einzelne Momente gemeinsam^). Der Baum be-
findet sich mit seiner assimilierenden und transpirierenden Oberfläche in grösserer Ent--
fernung von den Wasservorräten des Bodens als der Strauch oder das Kraut; er ver-
mag dieselben aber mittelst seines, wo es nötig, sehr tief gehenden Wurzelsystems
in viel vollkommenerer Weise auszunutzen und braucht darum vor allem einen beständig
feuchten Untergrund, wobei es zwar nicht für die einzelne Art, aber für das Baum-
leben an sich gleichgiltig ist, ob die Bodenfeuchtigkeit vom Regen oder Schnee oder
von irdischem Gewässer herrührt, ob die Niederschläge häufig oder selten, ob sie wäh-
9) Weitere Details über Gehölzeklima vergl. S c h i m p e r , Pflanzengeographie.
Die Baumgestalt und ihre Ursachen. § 28. 243
rend der Vegetations- oder während der Ruheperiode fallen. Je höher die Temperatur,
desto höher das Wasserbedürfnis ; während in den Tropen der hydrophile Baum min-
destens 150 cm jährliche Regenmenge erfordert, begnügt er sich in kühleren tempe-
rierten Gebieten mit ca. 60 cm.
Grosse hygrophile Bäume bedürfen im belaubten Zustande einer relativen Luft-
feuchtigkeit von 80**/o, die nur wenige Stunden des Tages auf 60^0 sinken darf, wäh-
rend Xerophyten einige Zeit lang sogar 30°/o ertragen. Der Wind bedingt eine mäch-
tige Zunahme der Transpiration und trockene und darum bei Frostwetter besonders
stark austrocknende Winde sind es, wie Kihbuann gezeigt hat, die dem Baum-
wnchs in polaren Gegenden eine Grenze setzen, ganz ähnlich wie im Hochgebirge ; was
jenseits der Baumgrenze über die winterliche Schneedecke emporragt, vertrocknet.
Spezielle Schutzvorrichtungen gegen Kälte gibt es nicht ; die Widerstandsfähigkeit sehr
niederen Temperaturen gegenüber ist eine spezifische Eigenschaft des Plasmas mancher
Pflanzen. Alles, was man als solche Schutzeinrichtungen gedeutet hat, wie dicke Cu-
ticala, Korkbildungen, Knospenschuppen, ist als Schutz gegen Trockenheit aufzufassen
und die kältesten Orte der Erde Jakutsk ( — 62® C.) und Werchojansk ( — 64*^)
liegen — im sibirischen Waldgebiet ! Sie lehren uns, dass genügende Wärme und Luft-
feuchtigkeit zur Vegetationszeit ein Baumleben ermöglichen, gleichgiltig, wie tief die
Wintertemperaturen sinken. So hat das eben erwähnte Werchojansk folgende mittlere
Monatstemperaturen: Oktober — 18,1, November — 39,7, Dezember — 48,4, Januar
— 51,5, Februar —46,2, März —35,2, April —15,8, Mai —1,1 und Juni 4-9,4,
Juli -|-15,6, August -f 9»3 ^^^ September +0,4.
Dem Optimum des Gehölzeklimas entspricht der hygrophile Baum, den geringeren
Graden des Gehölzeklimas in absteigender Reihe der tropophile, der xerophile und das
Niederholz. Baumfeindlich ist in höheren Breiten ein Klima mit trockenem Winter,
in dem die Transpirationsverluste nicht gedeckt werden können.
Y; Die Baumgestalt und ihre Ursachen,
§ 28. Die sehr verschiedenen Höhen, welche die einzelnen Baumarten unter
gleichen äusseren Verhältnissen und in der gleichen Zeit erreichen, der verschiedene
Gang der grossen Wachstumsperiode von Stamm und Aesten bei der gleichen Holzart,
die Grundform und Durchschuittsgrösse der einzelnen Organe, die Verzweigungsweise
und Stärkeverhältnisse der Aeste und die Wuchsrichtung der Zweige, die Länge der
Jahrestriebe, das Verhältnis von Lang- und Kurztrieben, die Blattstellung, der mehr oder
weniger regelmässige Aufbau der Krone sind angeborene Eigenschaften und Merkmale,
die von inneren Ursachen, von der spezifischen Molekularstruktur des Protoplasmas
abhängen. Sie bedingen in ihrer Gesamtheit das, was wir als den Habitus einer
Holzart bezeichnen, der natürlich auf den verschiedenen Altersstufen unserer Bäume
mehr oder weniger verschieden ist. Als Physiognomie der Bäume ^®) habe ich
die Moditikation dieser einzelnen Eigenschaften durch äussere Kräfte bezeichnet, unter
denen Licht, Schwerkraft, Luft- und Bodenfeuchtigkeit, der Wind, Schneedruck und
mancherlei Beschädigungen durch Naturgewalten, sowie durch Eingriffe von Tieren und
von Menschenhand die Hauptrolle spielen. Vor allem ist die räumliche Stellung des
Baumes von weitgehender Bedeutung für die Wirkung der genannten äusseren Faktoren,
der freiständige Baum und der Baum im Schlüsse verhalten sich in vielen
10) L. Klein, Die Physiognomie der mitteleuropäischen Waldbäume. Karlsruhe
1899, 26 p. 10 Tafeln 8^
16*
244 III. Klein, Forstbotanik.
Punkten wesentlich verschieden. Der Baum im Freistand ist in der Regel kurzschäfti?.
abholzig und vollkronig, der im Schlüsse erwachsene dagegen langschäftig, vcUholzig
und armkronig, entsprechend den viel günstigeren Beleuchtungs- und Emährungsver-
hältnissen im Freistand und den ungünstigeren im Schlüsse, weshalb die unteren Aeste
hier viel früher und viel weiter hinauf als im Freistand aus Lichtmangel absterben
und dann von den Atmosphärilien und von Pilzen zerstört, werden; der Baum „reinig
sich" von Aesten. Auf der anderen Seite wird der Baum im Freistande von dem Winde
ganz anders in Anspruch genommen und mnss darum bei seiner hier viel grösseren
Krone auch viel grössere Stärke erhalten, da er, wie Metzger^') gezeigt hat, in allen
Teilen stets als Träger gleichen Widerstandes gegen Bruch ausgebildet wird. Je
feuchter die Luft, je günstiger der Uchtzutritt, desto weiter reicht die Krone beim
Baume im Freistand herab, je breiter und schattender die Krone, desto höher reinigt
sich der Schaft im allgemeinen auch im Freistande von Aesten unter Berücksichtigung
des Lichtbedürfnisses überhaupt (Licht- oder Schattenholz). In der Krone bleibt von
den zahlreichen Jahrestrieben, die sich jeweils im Frühjahr aus den Knospen entfalten,
nur ein sehr bescheidener Teil im Laufe der Jahre am Leben, während die Mehrzahl
aus Lichtmangel abstirbt; die so entstehende „physiologische Zweiganordnung '^ kann
die ursprüngliche morphologische später völlig verdecken. Einseitige Beleuchtung ruft
eine stärkere Kronenentwickelung auf der Lichtseite hervor (Randbäume) und wirkt
bei manchen Bäumen auch auf die Wuchsrichtung der Aeste, die sich unter dem
Einflüsse des Hinterlichtes sehr viel steiler aufrichten, als unter dem des viel inten-
siveren Vorderlichts.
Von weitgehendem Einflüsse auf die individuelle Baumphysiognomie ist femer
der Wind, insofern er teils mechanisch, teils austrocknend auf die Krone wirkt-, bald
peitschend und sog. „Fahnenwuchs'' i= einseitige Kronenentwickelung, bald seh ee-
r e n d und die ihm zugekehrte Hälfte oder , in Hochlagen, die Gipfel der Krone zer-
störend , bald drückend und den Stamm in nachgiebigem Boden schief legend.
Spätfröste in Frostlöchern und V e r b i s s durch Wild und Weidevieh (Ziegen,
Rindvieh) verändern die Gestalt der jungen Holzpflanze oft von Grund aus (Gaistannli,
Kuhbuche), indem im Frühjahr oder Winter sämtliche oder fast sämtliche Langtriebe
kurz über ihrer Basis abgefressen werden, dann an Stelle jedes Langtriebes mehrere
kurze Ersatztriebe gebildet werden und die ganze Pflanze so eine dichtbuschige halb-
kugelige oder kegelförmige Gestalt bekommt und nur ganz langsam an Grösse zunimmt
bis, nach Jahrzehnten, ein oder einige Triebe den Tieren aus dem Maule gewachsen sind und
sich fortan normal weiter entwickeln. Beeinflusst wird die individuelle Baumgestalt endlich
durch Ersatztriebe (Sekundärwipfel), wie sie namentlich bei Coniferen, teils spon-
tan, teils nach Gipfel verlust entstehen und die sog. Candelaberbäume hervorrufen, und
selbstverständlich durch grobe mechanische Verletzungen überhaupt , sei
es durch Naturgewalten wie Wind und Schneebruch, Schneedruck u. dergl. oder durch
Eingriffe des Menschen, wie Aufschneiteln, Köpfen oder auf den Stock setzen.
2. Die einzelnen Holzarten ^^).
A. Die Nadelhölzer.
§ 29. Unter den Nadelhölzern können nur 4 Gattungen Picea (Fichte), Abies
11) Metzger, Der Wind als massgeb. Faktor f. d. Wachstum der Bäume. Mün-
dener forstl. Hefte III. 1893, vergl. auch V und VI. 1894.
12) Die Anordnung und Benennung der einzelnen Familien folgt dem von Engler
verbesserten natürlichen System, wie das z. B. in Engler's Syllabus oder im Prantl-Pax'scheo
Die Nadelhölzer. § 30. 245
(Tanne), La rix (Lärche) und Pinus (Kiefer) Anspruch auf hervorragende forstliche
Bedeutung machen und von den 3 ersten derselben jeweils sogar nur eine einzige Art,
während unter den Kiefern neben der gemeinen Kiefer auch die Schwarzkiefer und
die Weymouthskiefer solche Ansprüche erheben dürfen. Demgemäss sollen in der nach-
folgenden Darstellung diese wichtigsten Nadelholzbäume besonders eingehend charak-
terisiert werden. Alle andern im deutschen Walde vorkommenden Nadelhölzer werden
entsprechend ihrer geringeren Bedeutung sich mit einer viel knapperen Charakteristik
begnügen müssen und endlich sollen die wesentlich nur in Garten- und Parkanlagen
angepflanzten ausländischen aber bei uns einigerraassen wdnterharten Fichten, Tannen
und Kiefern in allen wichtigeren, beziehungsweise durch hervorragende Schönheit aus-
gezeichneten Arten, namentlich auch, soweit sie zu forstlichen Anbauversuchen herange-
gezogen wurden — aber mit Ausschluss der zahlreichen gärtnerischen Spielarten —
hier aufgezählt und kurz beschrieben werden. Bei der Beschreibung der einzelnen
Arten ist ausser den systematisch wichtigsten Merkmalen, welche uns der Bau der
Zapfen liefert, vor allem auf solche Merkmale vegetativer Natur Wert gelegt
worden, welche uns in den Stand setzen, auch beim Fehlen der Zapfen die einzelne
Art, soweit dies möglich, mit Sicherheit und Leichtigkeit zu bestimmen. Die Länge
der Nadeln variiert übrigens bei vielen Coniferen, von Varietäten ganz abgesehen,
ausserordentlich je nach der Stellung am Baum, dem Alter des Baumes, den Stand-
ortsverhältnissen und Emährungsbedingungen und die gleiche Pflanze trägt oft, je nach
Jahrgang, Nadeln von sehr verschiedener Länge.
Mit Ausnahme von Taxus gehören alle unsere Nadelhölzer der Familie Pi-
n a c e a e an, welche durch den Besitz von Zapfen ausgezeichnet ist und bei uns
durch 3 Tribus Abietineae, Taxodieae und Cupressineae vertreten ist.
1. Tribus Abietineae.
Nadeln, Staub- und Fruchtblätter spiralig angeordnet; Fruchtblätter tief
2teilig (Frucht- und Deckschuppe) Pollen meist mit Flugblasen.
Die Fichten (Picea).
§ 30. Die Gattung ist im wesentlichen durch folgende Merkmale gekenn-
zeichnet: Die „Zapfen" stehen an der Spitze vorjähriger Zweige, zur
Blütezeit aufrecht, bald nachher hängend. Nach der Samenreife zerfallen sie nicht,
sondern bleiben noch lange Zeit an den Zweigen hängen und fallen später als Ganzes
ab. Die Fruchtblätter sind flach und fast bis zur Basis gespalten in die aussenstehende
schmale und kleine „Deckschuppe", welche bis zur Samenreife verkümmert und in die
innen stehende, scharfkantige „Fruchtschuppe", die zur Reifezeit lederig ist. Die zahl-
reichen männlichen Blüten stehen zerstreut an vorjährigen Zweigen, achsel- oder end-
ständig. Die Pollensäcke springen mit Längsspalt auf. Die Pollenkömer be-
sitzen, wie bei den Tannen und Kiefern, seitlich je eine grosse Flugblase. Die
Samenreife ist einjährig. Die Samen sind klein, geflügelt und lösen sich stets ganz
von dem Flügel ab, welcher sie löifelartig deckt. Sämtliche Triebe sind Langtriebe,
an denen die mehrjährigen Nadeln einzeln auf Blatt kissen stehen, welche aus
Lehrbuche, ausführlich in den „Natürlichen Pflanzenfamilien " dargestellt ist. Von einer
Uebersicht über das natürliche Pflanzensystem musste hier abgesehen werden, weil zu viele
grosse und wichtige Pflanzenfamilien, wie z. B. (Jräser, Liliaccen, Umbelliferen, Labiaten,
Compositen etc. etc. bei uns überhaupt nicht durch Holzpflanzen vertreten sind.
Die Einteilung der Laubhölzer in , Kätzchenträger" und ., kätzchenlose Laubhölzer"
geschah lediglich aus praktischen Rücksichten.
246 III. Klein, Forstbotanik.
dem Rindenniveau stark vorspringen und durch scharfe Furchen von einander
getrennt sind. Auf dem meist rhombischen Querschnitte zeigen die Nadeln zwei
seitliche Harzgänge (beiderseits je einen) (mitunter fehlend). Nach dem Ver-
trocknen der Zweige fallen sämtliche Nadeln ab und die ent-
nadelten Zweige erscheinen dann durch die spiralig angeord-
neten, dicht stehenden Blattkissen rauh wie eine grobe Feile.
Die einjährigen Jahrestriebe tragen in den obersten Blattachseln gehäuft kräftige
Knospen („Quirlknospen"), die im nächsten Jahre kräftige „Quirläste" liefern, und
ausserdem am Jahres trieb zerstreut in einzelnen Blattachseln schwächere Knospen
(Zwischenknospen), welche zu schwächeren Zweigen aus wachsen. — Die Fichten
sind immergrüne Waldbäume der nördlich gemässigten Zone der alten wie der neuen
Welt, ihr Stamm ist stets einheitlich, ihr Wuchs streng pyi-amidal, ihr Holz (vergl
Picea excelsa) führt stets Harzkanäle und das Kernholz ist stets ungefärbt.
1. Sektion Eupicea: Nadeln 4kantig, im Querschnitt abgenindet quadratisch
oder von oben, seltener von der Seite zusammengedrückt, auf allen Seiten Spaltöff-
nungen tragend, reife Zapfen abwärts hängend.
§31. 1. Picea excelsa Link, die Fichte oder Rottanne (franz.
Epic6a) ist nicht nur der forstlich wichtigste Nadelholz-, sondern der wichtigste deutsche
Waldbaum überhaupt. Junge Triebe kahl oder spärlich kurzhaarig, hell rotgelb— rot-
braun, Knospen kegelförmig spitz mit trockenhäutigen, harzlosen Schuppen. Blatt-
kissen aufrecht abstehend, jederseits mit einer kleinen Beule, herablaufender Teü
des Blattkissens lineal - parallelrandig. Die sehr vielgestaltigen Nadeln
i. allgem. allseits glänzend dunkelgrün, gerade oder etwas gebogen, steif, kurz stachel-
spitzig stechend, 15 — 25 mm lang, 1 mm breit, dicht spiralig bürstenförmig nach oben,
an jungen Zweigen auch allseits schief abstehend, meist seitlich zusammengedrückt, die
beiden oberen Flächen flach, die unteren mit je einer Längsrinne. Männliche
Blüten vor dem Verstäuben erdbeerfarben, nachher gelb, oft über die ganze Krone
zerstreut, weibliche karminrot, in der Regel auf den oberen Teil beschränkt
Zapfen der normalen Formen 10—16 cm lang und 3—4 cm dick, vor der Reife
hellgrün, seltener dunkelviolett. Samen 4 — 5 mm lang, inkl. des 3 mal so langen
rotgelben, glänzenden Flügels etwa 16 mm. 1 Kilo entflügelten Samens enthalt")
1200(X)— 150000, im Durchschnitt 135000 Samenkörner, ein Hektoliter 40-^8, im
Durchschnitt 44 Kilo. Von den noch mit den Flügeln versehenen Samen gehen 105000
bis 110000 auf das Kilo und 14—18, im Durchschnitt 16 Kilo auf das Hektoliter.
Bei freiem Stande und unter normalen Verhältnissen pflegt die Fichte frühestens ca.
im 30., häuflg auch erst im 50., im Bestandesschlusse hingegen gewöhnlich nicht vor
dem 60. bis 70. Lebensjahre^^) Blüten und keimfähige Samen zu erzeugen und damit
in das Alter der „Mannbarkeit" einzutreten; auf sehr magerem, dürrem, sonnigem
Boden können dagegen schon 15jährige Pflanzen Zapfen tragen, die aber meist keinen
keimfähigen Samen enthalten. Mannbare Fichten blühen in der Regel nur in jedem
3. oder 5. Jahr oder in noch längeren Pausen. Die Häufigkeit solcher „Samenjahre*
ist in erster Linie durch den Standort bedingt; im Grebirge sind die Samenjahre sel-
tener, etwa alle 7 — 8 Jahre. Der Beginn der Blütezeit fällt ungefähr mit dem Aas-
treiben der neuen Nadeln zusammen oder auch wohl etwas früher und liegt im all-
gemeinen zwischen Ende April (im Süden) und Anfang — Mitte Juni (im Norden bezw.
in hohen Lagen), am häufigsten im Mai. Der in Samenjahren überaus reichlich ge-
13) Diese, wie alle ähnlichen Angaben bei anderen Bäumen nach Hempel und Wil-
helm 1. c, die Angaben betr. periodischer Lebenserscheinungen und Alter auch nach Will-
komm. Forstl. Flora 2. Aufl.
Die Nadelhölzer. § 31. 247
bildete Blütenstaub liegt oft dicht auf Pflanzen, Steinen und Wegen und hat Veran-
lassung zu der Sage vom „Schwefelregen" gegeben. Die Zapfen, die schon im August
ausgewachsen sind, reifen im Oktober, die Samen fliegen aber erst aus, wenn die zu-
nächst noch fest zusammenschliessenden Zapfenschuppen sparrig auseinanderweichen,
was selten im Spätwinter, wenigstens bei uns in Deutschland, geschieht. Gewöhnlich
bleiben sie den Winter über geschlossen und öffnen sich erst im nächsten Frühjahr,
ein Vorgang, der durch trockene Winde begünstigt wird. Die entleerten Zapfen fallen
gewöhnlich noch im gleichen Jahre ab. Die Samen keimen, im Frühjahr gesät, 4 — 5
Wochen nach der Aussaat, die Keimkraft dauert etwa 3 — 4 (7) Jahre. Das Keim-
pflänzchen^*) trägt einen Quirl von meist 8 (5 — 10) bogig aufwärts gekrümmten Keim-
nadeln (Cotyledonen), welche 15 — 17 mm lang werden, und fein zugespitzt, dreikantig,
ohne Harzkanäle, an der oberen, dem „Knöspchen" zugewendeten Kante aufrecht säge-
zähnig sind und sich bis ins 3. Jahr erhalten. Der 1. Jahrestrieb über den Keim-
blättern wird ca. 2 — 3 cm lang und trägt um ein Drittel kürzere, im Querschnitt
stampf rhombische Nadeln mit 2 kleinen Harzgängen in den Seitenkanten, die aussen
mit Sägezühnchen besetzt sind. Nicht selten unterbleibt die Triebbildung des 1. Jahres
gänzlich und das Fflänzchen schliesst dann mit einer deutlichen Endknospe oberhalb
der Keimblätter ab. Die Nadeln vom 3. Jahr haben glatte Ränder, vom 4. (gelegent-
lich auch 3.) Jahre an beginnt die Scheinquirlbildung durch starke am Ende des Jahres-
triebs gehäufte Knospen. Am Gipfeltrieb wird die Endknospe von 3 — 7 Seitenknospen
umgeben, welche sich rings um den Zweig verteilen, aber nicht genau in gleicher Höhe
entspringen; an Seitenzweigen stehen gewöhnlich nur zwei starke Seitenknospen, eine
nach rechts, eine nach links, von der Endknospe in der Regel ungleich entfernt, ebenso
stehen hier die Zwischenknospen, so dass sich die Seitenzweige zunächst annähernd in
einer Ebene verzweigen. Die Zweige erster Ordnung stehen bei der normalen
Form wagrecht oder etwas gesenkt, die Rinde ist hellbraun, zuletzt rotbraun bis
rötlichgrau und löst sich in dünnen Schuppen ab, die Borke wird selten stärker als
1 cm. Die Stämme sind schnurgerade, säulenförmig, nach oben stark sich verjüngend,
und erreichen eine Höhe von 30 — (50) m und bis zu 2 m Durchmesser. Die spitz
P3'ramidale Krone reicht bei freiem Stand bis zum Boden und auch im Schlüsse behält
die Fichte ihre Aeste bis weit herab. Die Bewurzelung ist infolge Mangels einer
Pfahlwurzel flach, ,,tellerförmig" und der Baum infolge dessen der Gefahr des
Windwurfes ausgesetzt. Bei günstigen Standorts- und Ernährungsverhältnissen bildet
die Fichte im Stangenholzalter jeweils zahlreiche Zwischenknospen am Gipfeltrieb, die
sich nicht selten schon im ersten Sommer zu „Nachschossen" entwickeln und bis 20 cm
Länge erreichen können. Die Periode des raschesten Höhenwuchses (Durchschnitt
0,3 Meter Längenzuwachs) fällt unter normalen Verhältnissen zwischen das 40. und
100. Jahr. Je nach Standort ist der Höhenwuchs mit 70 — 120 Jahren abgeschlossen.
In Kulturwäldem überschreitet die Fichte selten ein Alter von 150 Jahren, während
sie im Urwald und vereinzelt in den Alpen mehrhundertjähriges bis 1000 (1200) jähriges
Alter erreichen kann bei sehr viel langsamerem Holzzuwachs. Die Lebensdauer der
Nadeln ist bei der Fichte, wie bei den Coniferen überhaupt sehr von den Standorts-
verhältnissen, insbesondere von der Luftfeuchtigkeit und Luftreinheit abhängig. Je
grösser und je gleichmässiger die letzteren, desto länger bleiben die Nadeln am Leben,
unter günstigen Umständen 5 — 7 Jahre.
Die Fichte verträgt das Beschneiden gut (in den Alpenländern werden die Fichten
mitunter behufs Streugewinnung aufgeschneidelt !) und liefert so vorzügliches Material
14) Diese Angaben ausserdem nach T u b e u f , Samen, Früchte und Keimlinge.
248 III. Klein, Forstbotanik.
für lebende Hecken und Zäune, die alljährlich verschnitten werden und später, sich
selbst überlassen, noch zu normalen Bäumen auswachsen können.
Das Fichtenholz ist weisslich und in seinem ungeförbten Kerne nur durch
den viel geringeren Wassergehalt vom Splintholze verschieden. Jahresringe durch das
dunklere Spät-(Herbst)holz sehr deutlich. Mikroskopisch ist es durch seine Mark-
strahlen charakterisiert, welche zum grösseren Teil einreihig, zum kleineren mehrreihig
sind; letztere zeigen im Tangentialschnitt in der Regel einen zentralen Hai-zgan^
(seltener 2), welcher, wie alle Harzgänge der Fichte, von ziemlich kleinen und vor-
wiegend dickwandigen Zellen umgeben ist. Holzparenchym kommt, ausser in der Um-
gebung der Harzgänge nicht vor, das Holz ist ausschliesslich aus Tracheiden aufgebaut,
welche wie bei den andern Nadelhölzern auf den Radialwänden behöft getüpfelt sind.
Im Radialschnitt zeigen die Markstrahlen eine Zusammensetzung aus tracheidalen Ele-
menten und Parenchymzellen derart, dass die oberen und unteren Zellreihen, mitunter
auch eine der mittleren Reihen aus Tracheiden bestehen, welche in der Gestalt den
Parenchymzellen gleichen, aber behöft getüpfelt sind und meist durch mehrere Tüpfel
mit den angrenzenden Tracheiden kommunizieren, während die meist zahlreicheren
Parenchymzellen der Markstrahlen ringsum einfache Punkttüpfel führen. Letzteren
entsprechen an den angrenzenden Tracheiden kleine Hoftüpfel mit schiefer, oft über
den Rand des Hofes hinausgreifender Spalte. Die Innenfläche der Markstrahl-Trachei-
denwand ist nicht selten fein gezähnelt. Die Harzgänge des Holzes finden sich vor-
wiegend im Herbstholze. Spiralige Wandverdickungen finden sich nur in den Tracheiden
des „Rot-" und „Zugholzes".
Das Verbreitungsgebiet der Fichte umfasst die östlichen Pyrenäen
bis zum 42.^, die Alpen- und Karpathenländer , das südliche, mittlere und östliche
Deutschland, die skandinavische Halbinsel bis zum 69.® und einen grossen Teil des
europäischen Russlands mit Finnland und Lappland. Oestlich von Kasan geht sie in
die sibirische Fichte (P. obovata Ledeb.) über. Bei keinem Waldbaum ist das Verbrei-
tungsgebiet durch Kultur so über die Grenzen des natürlichen Vorkommens hinaus er-
weitert. In Spanien, Italien und Griechenland fehlt die Fichte. Auch der grösste
Teil Frankreichs, die britischen und dänischen Inseln, Belgien und die Niederlande,
Jütland, sowie der westliche und mittlere Teil der norddeutschen Tiefebene fallen ausser-
halb ihres natürlichen Verbreitungsbezirks. Die Fichte ist die herrschende Holzart
der deutschen Alpen, der schwäbisch-bayrischen Hochebene, des bayrischen und des
Böhmer Waldes, des Erzgebirges, der Sudeten, des Fichtelgebirges, Thüringen^^aldes
und Harzes, sie nimmt starken Anteil an der Bestockung des Schwarz walds und der
Vogesen, bildet zu einem Drittel die Waldungen Ostpreussens, während sie im übrigen
norddeutschen Flachlande und im Rheingebiet ziemlich selten ist.
Die Fichte verlangt zu gutem Gedeihen luftfeuchte Lagen und wegen ihrer flachen
Bewurzelung ständig frischen Boden, an dessen Tiefgründigkeit sie keine Anspräche
stellt und ebenso ist sie hinsichtlich der Standortsgüte mit Ausnahme der noch genüg-
sameren Kiefer unser anspruchlosestes Nadelholz. Sehr bescheiden ist sie auch in ihren
Wärmeansprüchen; sie verlangt eine mittlere Julitemperatur von mindestens 10^ und
höchstens 19°. Darum findet sie im Westen und Süden ihres Verbreitungsgebietes die
zusagendsten Standortsverhältnisse im Gebirge, in welchem sie weit höher als die
Tanne und die Buche emporsteigt (Harz bis 1000 m, Riesengebirge bis 1200 m, Schwarz-
wald bis 1400 m, bayrischer Wald bis 1500 ra, nördliche Kalkalpen bis 1700 und I80()m,
Südtirol, Wallis und Engadin bis 2100 m). Sie ist ebenfalls eine ausgesprochene
Schattenholzart, wenn ihr Schattenerträgnis auch nicht ganz so gross ist, wie dasjenige
der Tanne.
Die Nadelhölzer. § 32. 249
Kein anderes Nadelholz variiert so stark wie die Fichte, lieber ihre Formen
existiert eine reiche Literatur ^^). Nach dem Zapfenbau unterscheidet Schröter a) vier
Abarten (Subspecies oder Varietäten) der Fichte, „werdende Arten, welche durch meh-
rere erbliche Merkmale von den anderen Individuen derselben Art verschieden sind, in
grösserer Zahl in zusammenhängender Verbreitung auftreten und mit den anderen Ab-
arten derselben Art durch nicht hybride Uebergänge verbunden sind", b) nach Abnor-
mitäten des Wuchses, der Rinde, der Nadeln und der Zapfen 15 Spielarten (lusus),
,die aus der Gesamtheit derjenigen Individuen bestehen, welche durch erbliche Merkmale
von den übrigen derselben Art abweichen, nur in kleiner Individuenzahl vereinzelt
und an weit getrennten Orten unter den „normalen" auftreten und meist nicht durch
Uebergänge mit denselben verbunden sind" ; sie verdanken ihre Entstehung einer
sprungweise einsetzenden Variation bei der Aussaat (Samenvariation) oder an einer
Knospe (Knospenvariation); daher ihr von der typischen Art oft so auffallend ver-
schiedenes Aussehen, ihre geringe Individuenzahl, ihr isoliertes Vorkommen und ihre
durch starke Rückkreuzung geringe Vererbbarkeit. c) Endlich werden noch 14 ver-
schiedene Wuchsfurraen aufgeführt und darunter die Gesamtheit derjenigen Individuen
verstanden, welche sich durch ein nicht erbliches Merkmal von den übrigen unterschei-
den. Dieses Merkmal verschwindet, wenn man das Individuum unter andere Beding-
ungen bringt und ebenso bei der Aussaat unter anderen Bedingungen.
a) Varietäten:
§ 32. a 1. Picea excelsa Link var. obovata Ledeb. Sibirische
Fichte. Früher allgemein für eine eigene Art gehalten, ist aber mit der gewöhn-
lichen Fichte, mit deren Verbreitungsgebiet das ihrige unmittelbar zusammenhängt,
durch allmählige Uebergänge, die man als var. fennica Regel zusammenfassen kann,
verbunden. Junge Triebe kahl oder schwach behaart. Nadeln meist stechend spitzig.
Zapfen nur 4 — 7,5 cm lang mit breit eiförmigen oder fast herzförmi-
gen Zapfenschuppen, die weich und biegsam, deren oberer, unbedeckter Teil stets ge-
wölbt und deren Vorderrand stets ganz ist. — Von Nordostskandinavien durch das
nördliche Russland und ganz Nordasien excl. Japan verbreitet, überwiegt sie an Massen-
entfaltung alle anderen Arten weitaus. Durch nahe Verwandte (P. Morinda) hat sie
den fiimalaya besiedelt und (P. polita, P. Alcockiana) Japan besetzt.
a2. Picea excelsa var. fennica Regel. Finnische Fichte.
Zapfen grösser als bei voriger, im Ural 5 — 9, in den Alpen — 13, in der Ebene — 19 cm
lang. Schuppen verkehrt eiförmig, vom mehr oder weniger abgerundet, aber stets
fein gezähnelt ; oberer unbedeckter Teil der Schuppe flach oder gewölbt. Diese Var.
kommt in zwei Subvarietäten : a) m e d i o x i m a Nylander mit grünen und ß) a 1 p e-
stris Brügger mit stark bereiften dicken Nadeln und hellgrauer Rinde vor. — In
Asien vereinzelt, in Europa häutig in Russland und Skandinavien, zerstreut in Deutsch-
land und der Schweiz.
a 3. Picea excelsa var. europaea Teplouchoff, die (typische)
europäische Fichte, umfasst das Gros der mitteleuropäischen Fichten der Ebene
und der Bergregion. Die Zapfenschuppen sind rhombisch, von der Mitte oder dem
oberen Drittel an verschmälert, am Ende abgestumpft, ausgerandet oder gezähnelt, aber
15) Die neueste und vollständigste Arbeit hierüber ist die treffliche Schrift von C.
Schröter, Ueber die Vielgestaltigkeit der Fichte (Vierteljahrsschrift der naturforschenden
Gesellschaft in Zürich, Jahrg. 43 1898, 130 p. mit 37 Abbildungen), an deren Schluss die
ganze Literatur hierüber zusammengestellt ist. Die Variation der Fichte ist hier nach
Schröter geschildert.
250 III. Klein, Forstbotanik.
nicht plötzlich in eine Spitze wellig vorgezogen. Auch hier zwei Snbvarietäten: «) ty-
pica mit dunkelgrünen, ß) coerulea mit stark bereiften Nadeln.
a 4. Picea excelsa var. acuminata Beck v. Man. Dorn flehte.
Zapfenschuppen in eine lange, ausgerandete , aufgebogene Spitze plötzlich wellig ver-
schmälert. — Häutig in Preussen, sonst selten.
b) Spielarten:
Bei der typischen Fichte stehen die Seitenäste erster Ordnung im oberen Teil
des Baumes schief nach oben, im mittleren horizontal, im unteren mehr oder wenij^er
schief abwärts, die Seitenäste zweiter Ordnung anfangs horizontal, später schief ab-
wärts, zuletzt hängen sie, meist reichlich verzweigt, senkrecht abwärts. All diese
Merkmale erfahren bei gewissen Spielarten eine auffallende Steigerung (1 — 4.)
b 1. Lusus viminalis Caspar i. Hänge flehte, am häutigsten in
Skandinavien, sonst äusserst selten. Die Aeste zweiter Ordnung zahlreich, sehr wenig
verzweigt, sehr lang (3—6 m), schlaff und gerade herabhängend wie Peitschen-
sclmüre, sehr biegsam, drehrund, dünn. Eine Zwischenform zwischen dieser und der
gewöhnlichen Fichte scheint die „Zotteltichte", auch „Schindeltanne" genannt, der Alpen
und der deutschen Mittelgebirge zu sein, die in den Alpen wie im Schwarzwalde neben
gleichalterigen normalen Fichten durch ihre schlaff herabhängenden, schwächer
verzweigten und etwas längeren Seitenzweige zweiter Ordnung auffällt, ohne aber den
Typus der echten Hängefichte zu erreichen.
b 2. Lusu s p endula J acques et H6rincq. Trauerfichte. Aeus-
serst selten. Die meist auffallend dünnen Haupt- und Nebenäste hän-
gen und liegen dem Stamm mehr oder weniger an, wodurch die meist tief herabreichende
Krone säulenförmig wird. Der hängende Zustand der Aeste reicht immer über die
halbe Höhe des Baumes hinauf. Die jüngsten Aeste können wieder horizontal ans-
gebreitet sein. Uebergangsformen mit scharf abwärts gekrümmten Aesten von nor-
maler Dicke und Verzweigung (, Beugefichten") kommen auch hier vor.
b3. Lusus erecta Schröter. Vertikalfichte. Die Aeste erster
Ordnung wenden sich vom Grunde an steil nach oben ; nur einmal in Livland gefunden.
Hierher gehören wahrscheinlich auch diejenigen Candelaberftchten , deren Hauptstamm
völlig unverletzt ist, wenigstens zum Teil.
Durch Knospenverkümmerung entstehen :
b4. Lusus virgata Caspar i. Schlangenfichte. Aeste erster Ord-
nung spärlich und meist nicht in Quirlen, gar nicht oder spärlich verzweigt. In Deutsch-
land äusserst selten, etwas häufiger in Skandinavien und in der Schweiz. Uebergänge
zur Normalform wie zur Hängefichte, Tranertichte und astlosen Fichte bekannt.
b5. Lusus monstrosa London. Astlose Fichte (monocaulis Nörd-
linger). Maximum der Knospenverkümmerung; die ganze Pfianze stellt einen völlig
astlosen Spiess dar mit verdickten Stellen an der Grenze der Jahrestriebe. Nadehi
bis 34 mm und sehr lange bleibend. Nur einige male gefunden.
Trotz ihrer für den Kampf ums Dasein sehr unvorteilhaften Organisation können
die astlosen Fichten bei geeigneter Pflege relativ beträchtliche Grösse etc. erreichen.
Das älteste bekannte Exemplar, auf Isola bella hat — bei sorgsamer Pflege — ein
Alter von ca. 60 Jahren und eine Höhe von 7 Metern erlangt, mit Jahrestrieben von
30—38 cm Länge in den letzten Jahren und einem Stammumfang von 6 cm. Die Le-
bensdauer der Nadeln beträgt bei dieser unnatürlichen Form 9 — 10 Jahre. (Briefliche
Mitteilung von Pirotta.)
Durch Knospenverniehrung entstehen die polycladen Formen :
Die Nadelhölzer. § 32. 251
b6. Lusus columnarisCarri^re. Säulenfichte. Krone schmal
cylindrisch; an den kurzen, steifen, horizontalen oder wenig abwärts gebogenen Aesten
erster Ordnung sitzen reichlich verzweigte dichte Büsche aus kurzen Trieben. Die
schmalcylindrische Form der Krone kommt also auf ganz andere Weise als bei der
Tranerfichte zustande. Wildwachsend nur aus der Schweiz in 6 Exemplaren bekannt.
Alle zeigen den columnaris-Charakter erst in höherem Alter. Die untere Partie der
Bäume ist normal.
b 7. Lusus globosa. Berg. Kugelfichte, Hexenbesen-Fichte^").
Die ganze Gipfelregion eines sonst normal gewachsenen Baumes bildet einen riesigen
„Hexenbesen", wobei entweder die Hauptachse erhalten bleibt, aber alle Seitenäste sich
in dicht gedrängte Hexenbesen umwandeln und der Gipfel einen breiten, niederen Kegel
bildet, oder die Hauptachse löst sich selbst in einen grossen länglich kugeligen Hexen-
besen auf. Hierher dürften meiner Ansicht nach auch die gewöhnlichen sehr verschie-
denai-tigen Hexenbesen der Fichte zu stellen sein, die durch Variation einer Seitenknospe
hervorgerufen werden.
b 8. Lusus nana Carriere (erweitert) Zwergfichte umfasst die
zahllosen Formen zwergiger Fichten unserer Gärten und die wenigen aus dem Freien.
Allen gemeinsam ist die Kürze der Triebe, die reiche, dicht stehende Verzweigung und
die kurzen Nadeln. Die Gesamtform zeigt alle Uebergänge vom Kriechwuchs bis zum
Kegel. Diese Formen wiederholen auf ganz spontanem Wege in ganz auffallender
Weise die Formen der Polster- und Mattenlichte von der Baumgrenze und die Verbiss-
formen.
b 9. Lusus strigosa Christ. Sparrfichte, mit ausserordentlich zahl-
reichen, nach allen Richtungen abstehenden Zweiglein, habituell der Lärche auffallend
gleichend. Nur in der Schweiz gefunden.
Durch den Bau der Rinde unterscheiden sich;
b 10. Lusus corticata Seh. Dickrindige Fichte. Lärchen-
fichte. Rinde bis 9 cm dick, längsrissig, lärchen- oder kiefernähnlich, aber mit dem
mikroskopischen Bau der Fichtenrinde. In Oesterreicb, Deutschland und Schweiz einige
male gefunden.
bll. Lusus tuberculata Schröter. Zizenfichte. Stamm wenig-
stens im unteren Teil mit kegel- oder zizenförmigen Korkwucherangen bedeckt, die bis
3 cm Höhe erreichen und aus abwechselnden Schichten von Schwammkork und Phelloid
zusammengesetzt sind. Aeusserst selten; je zweimal in Oesterreich und in der Schweiz,
einmal in Bayern gefunden.
Nach der Grösse der Nadeln unterscheiden sich:
bl2. Lusus brevifolia Gripps (wahrscheinlich identisch mit lusus nana
Carr.) Nadeln nur 2—5,5 mm lang. Niedrige Büsche von 90 cm bis 1,80 m. Schweden,
Finnland.
c 13. Lusus (oder v a r. ?) n i g r a L o u d o n. Nadelkissen dicht behaart,
Nadeln derb, dunkelgrün, bis 18 mm lang und 1,5 mm dick, im Querschnitt fast quadratisch,
mit säbelförmiger Krümmung und stumpfem Ende. Zweige auf der Oberseite bürstenförmig
benadelt. — Angeblich in Norwegen häufig, Erz- und Riesengebirge, wohl auch ander-
wärts; wahrscheinlich nur eine üppige Form der gewöhnlichen Fichte. Die „Doppel-
16) Schröter versieht diese Form mit einem Fragezeichen, weil der Hexenbesen
der Fichte möglicherweise durch einen Pilz hervorgerufen sein könnte. Eine solche Ursache
konnte hier , trotz allen Suchens bis dato noch nicht konstatiert werden und Schröter,
wie auch Verf. auf Grund zahlreicher Untersuchungen, hält diesen Hexenbesen nur für eine
Knospenvariation .
252 III. Klein, Forstbotanik.
tannen'* des Berliner Weihnachtsmarktes, die früher hierher gestellt wurden, sind nach
Tubenf ^^ nichts anderes als die Gipfel älterer Fichten !
Durch die Farbe der Nadeln sind charakterisiert :
b 14. Lusus aurea Carri^re. Goldfichte, mit teilweise goldgelben
Nadeln. Aeusserst selten.
bl5. Lusus variegataCarri^re. Buntfichte, mit weissbnnten
Nadeln, wildwachsend in Finnland und Baden gefunden.
Durch Abänderungen im Zapfenbau ist charakterisiert :
bl6. Lusus trilobaAscherson undGräbner, lappenschuppige Fichte.
Zapfenschuppen wenigstens teilweise 3 lappig. — Harz, Mähren, Schweiz.
Endlich treten bei der nordischen wie bei der gemeinen Fichte als Hemmungs-
bildungen auf 1. Krüppelzapfen, indem eine wechselnde Anzahl von Zapfen-
schuppen in ihrer oberen Hälfte mit einem scharfen Winkel nach aussen zurückgebrochen
erscheint, der Samen reift normal ; 2. „Squarros a" -Zapfen Jacobusch (möglicherweise
besondere Abart), mit sehr lang geschnäbelten, starkwelligen und sparrig abstehenden,
weizengelben, dünnhäutigen Zapfenschuppen, so dass diese Zapfen völlig denen der Sitka-
üchte gleichen ; 3. parasitäre Hemmungen an von Insektenlarven angefressenen
Zapfen, deren kleinere, dünnere und unebenere Schuppen sich nicht öffnen und deren
Samen oft hohl sind.
Als ungenügend bekannte Abänderungen betrachtet Schröter die
nach der Farbe der unreifen Zapfen unterschiedene rot- und grünzapfige Fichte,
von welchen die grünzapfige Fichte sich später im Jahre entwickelt als die rotzapfige
und viel lockerer gestellte Nadeln hat als die letztere; wahrscheinlich haben wir es
mit einer „Frühform" und einer „Spätform" zu tun, die bei den meisten Fichtenvarie-
täten zu finden sein dürften (Saisondimorphismus.)
c) Wuchsformen:
Die hierher gehörigen Formen sind entweder Correlationsformen, welche
als Reaktion auf Verstümmelung entstehen, oder sie sind als klimatische Rednk-
tions formen aufzufassen. Durch wiederholten Knospen verlust , namentlich durch
Verbeissen seitens der Ziegen, entsteht die in den Alpen überall verbreitete, aber auch
anderswo, z. B. im Schwarzwald anzutreffende, Verbissfichte, das Geistannli
oder Grotze der Aelpler, das 40 — 60 Jahre alt werden kann, ehe der Gipfel den Tieren
aus dem Maule wächst und sich dann zum normalen Baume entwickelt ; wachsen hier-
bei zwei Gipfel aus, so entsteht die Zwillingsfichte, drei und mehr, die Gar-
benfichte, deren Stämme später mehr oder weniger miteinander verwachsen. Die
Schneitelfichte ist eine künstliche Säulenform, hervorgebracht durch wiederholtes
Aufschneiteln der Fichten behufs Streugewinnung, die Candelaberfichte, in
grossen freistehenden Exemplaren vielfach auch Wettertanne (vgl. auch bei Tanne)
genannt, hat infolge des frühzeitigen Aufrichtens von Seitenästen erster und höherer
Ordnung mehrere (bis ca. 20 und mehr) Sekundär wipfel. Der fast stets längere Haupt-
wipfel kann dabei erhalten oder gebrochen sein. Verliert ein schon erstarkter Baum
sein oberes Stammende durch Schneebruch, Winddruck u. dergl., so können sich an semer
Stelle ältere Aeste als Sekundärwipfel aufrichten und bilden dann ebenfalls eine Can-
delaberfichte. Ist eine Fichte durch Wind oder Schneedruck stark geneigt oder nieder-
gelegt, aber nicht entwurzelt,* so kann eine ganze Reihe von Seitenästen sich zu Toch-
17) V. Tubeuf, Die Doppeltanne des Berliner Weihnachtsmarktes, Illustrierte Landw.
Zeitung XX. No. 21. Ref. Bot. Centralbl. 1900 Bd. 83. p. 297.
Die Nadelhölzer. § 33. 253
terbäumen entwickeln (Harfe nfl cht e). Gegen die Baumgrenze, im Norden wie im
Gebirge, wird wiederholte Mehrwipfeligkeit , mit reduziertem Höhenwuchs verbunden,
besonders an windoffenen Stellen immer häufiger und diese Krüppel formen mit
weit ausgreifenden unteren Aesten lassen sich als Strauchfichten (incl. Will-
komm^s „Schneebruchslichte"), zusammenfassen, an welche sich, bis jetzt nur im höch-
sten Norden beobachtet, die Polsterfichte, mit Stamm, ein meterhohes dichtes
Polster bildend und die stammlose , im Rasen kriechende, aus angewurzelten
ausläuferartigen Aesten bestehende Mattenfichte als Endglieder anschliessen.
Die drei zuletzt geschilderten Wuchsformen verdanken der austrocknenden Wir-
kung des Windes, d. h. dem dadurch bedingten Triebverlust und der correlativ dadurch
veranlassten Sprossvermehrung ihre Ausbildung. An der nordischen Baumgrenze wie
in Hochlagen entstehen durch Reduktion des Längenwachstums infolge
geringer Wärmewirkung und Kürze der Vegetationsdauer als einwipfelige Grenzformen
des hochstämmigen Baumwuchses die Spitzfichte mit langcylindrischer, schmaler,
locker beasteter Krone, wenn nur die Seitentriebe verkürzt werden, und die der nor-
malen Wuchsform entsprechende breitkonische Kegelfichte, wenn namentlich der
Hauptstamm stark verkürzt ist. Bei der noch baumartigen Kegelfichte ist der Stamm
sehr abholzig, bis auf den Boden herab dicht beastet, dicht und kurz benadelt.
Durch die Bodenbeschaffenheit werden in ihrem Wüchse modifiziert die
Sumpf- oder Krumm fichte (forma palustris Berg) und die Senkerfichte;
verpflanzt man dieselben in guten Boden, so verlieren sie ihren abnormen Wuchs. Die
in nassen Torfmooren Ostpreussens und Livlands vorkommende Sumpftichte ist dadurch
ausgezeichnet, dass der Gipfeltrieb umgebogen oder hinunterwachsend ist und gleich-
zeitig auch alle Aeste und Zweige sich abwärts neigen. Bei der Senkerfichte haben
die untersten Aeste Wurzel geschlagen und sich zu Tochterbäumen aufgerichtet. Hieran
kann endlich die Stelzenfichte angeschlossen werden, die auf ihren Wurzeln wie
auf Stelzen steht und in der Regel durch Anflug auf einem modernden Baumstumpfe
entsteht.
Die Beziehung der durch die Eigenschaften ihres Holzes charakteri-
sierten Hasel fichte zu den oben aufgeführten Fichtenvarietäten ist durchaus unklar.
Das Holz der Haselfichte hat fast gleichbreite schmale Jahresringe mit sehr schmaler
Spätholzschicht und rel. breiter weisser Frühholzschicht ; angeschlagen oder beim Riesen
gibt der Stamm einen hellen, singenden, lang vibrierenden Ton von sich und eignet
sich das Haselfichtenholz deshalb vorzüglich zu Resonanzböden musikalischer Instrumente.
Bei einzelnen Haselfichten verlaufen die Jahresringe wellig, mit regelmässigen Einbuch-
tungen (Zargenholz). Wahrscheinlich kommt die Haselfichte überall im höheren Gebirg
vereinzelt oder horstweise vor, namentlich unter den Zottelfichten.
Die Fichte ist der einzige europäische Vertreter der Sektion Eupicea.
Häufiger angepflanzt findet man folgende amerikanischen und asiatischen Fichten:
§ 33. 2. P i c e a a 1 b a L i n k (P. c a n a d e n s i s K ö h n e). Schimmel-
fichte, nordamerikanische Weissfichte. Knospenschuppen kahl, junge
Triebe kahl, graugrünlichweiss, an den Spitzen der Blattkissen oft schwach violett
angehaucht. Nadeln dicht, bis 20 (selten 25) mm lang, im Querschnitt quadratisch,
fast stets ohne Harzgänge, infolge starker Entwickelung der Spaltöffnungs-
reihen bläulich- graugrün , zerrieben aromatisch. (Bei besonders aromatischen Zweigen
führt ein Teil der Nadeln oft 1—2 auffallend weite Harzgänge.) Zapfen 2 — 5,5 cm
lang , unreif meist grün , reif meist hellbraun , schon im Herbste oder im Laufe des
Winters abfallend. Zapfenschuppen schwach längs gestreift, matt, mit schmalem glän-
zendem Rande. Samen incl. des doppelt bis dreifach so langen Flügels bis 9 mm
254 III. Klein, Forstbotanik.
]ang. Mannbarkeit frühzeitig, Samenproduktion reichlich. — Die Heimat der Schimmel-
fichte ist das östliche Nordamerika, wo sie ein sehr verbreiteter und wichtiger Wald-
baum ist und nach Mayr an den nördlichen Abdachungen der Rocky mountains bis zu
50 m Höhe erreichen soll. In Europa wurde sie nach Beissner i. J. 1700 eingeföhrt
und erreicht hier 10 — 15 (25) m Höhe. Lebensdauer der Nadeln bei uns i®) am Haupt-
trieb 3Va-5V2, meist 4V2, an Seitentrieben 6V2-IOV2, meist 8V2 Jahre. Der Baam
ist bei uns völlig winterhart und infolge reichlicher Anlage von Zwischenknospen viel
dichter verzweigt als unsere Fichte. Infolge dieser dichten und tiefen Beastung ist er
besonders als Randbaum frei in Wiesen liegender Waldparzellen geeignet und so, nach
Tubeuf, häutig auf der Insel Seeland verwendet, wo er ausserdem den Einfluss von
Salzwasser und Seewind gut verträgt und zur Bindung des Dünensandes sich als ge-
eignet erweist. Verbreiteter Zierbaum in Gärten und Anlagen.
3. Picea nigra Link (P. Mariana 0. Xuntze). Nordamerikanische
Schwarzfichte. Knospenschuppen sehr lang und stark behaart. Junge Triebe
kurzhaarig, gelb-rotbraun, Nadeln sehr dicht, 7 — 12 mm lang, im Querschnitt
niedergedrückt, 4kantig, dunkelgrün, durch die weisslichen Spaltöffnungsstreifen blau-
grün erscheinend, Harzgänge 2. Zapfen 2 — 3,5 cm lang, unreif dunkelviolett, reif
mattbraun, harzlos; nach dem Samenausfall meist mehrere Jahre am Baume
hängen bleibend, Zapfenschuppen deutlich längs gestreift, gezähnelt, ohne glän-
zenden Rand. Samen incl. des doppelt so langen Flügels 6 mm lang. Lebensdauer
der Nadeln bei uns am Haupttrieb 4, an Seitentrieben 4^/2 — 13^2, meist 7^2— 8V2 Jahre.
Die Heimat der Schwarzftchte ist das östliche Nordamerika, wo sie bis 25 m Höhe
erreicht. Bei uns wurde sie ca. 1700 eingeführt, ist als winterharter Parkbaum viel-
fach angepflanzt und bleibt meist ziemlich nieder.
(NB. Viele als P. nigra bezeichnete Exemplare, ebenso wie viele P. mbra, unserer
Anlagen führen diesen Namen mit Unrecht und sind nichts anderes als P. alba!)
4. Picea rubraLink. NordamerikanischeRotfichte, Hudsons-
fichte. Junge Triebe filzig, rotbraun, Nadeln sehr dicht, 10 — 15 mm mit
stechender Knorpelspitze, stumpf vierkantig, frischgrün glänzend (nicht bläulich-
grün), Harzgänge 2. Zapfen 3 — 4 cm lang, jung rötlich violett, reif rotbraun glänzend,
mit Harz Übergossen, meist erst im zweiten Jahre abfallend. Zapfenschuppen leicht
wellig längs gestreift, fein und unregelmässig gezähnelt. Samen incl. des 2^/s — 3 mal
so langen Flügels — 11 mm lang. Lebensdauer der Nadeln bei uns am Haupttrieb 4, an
Seitentrieben 4^2 — IOV2, meist 772 Jahre. — Wichtiger Waldbaum des englischen öst-
lichen Nordamerikas, wo sie 30 — 40 m hoch wird. In Europa 1755 eingeführt und
ziemlich selten, wenigstens echt, in deutschen Gärten.
5. Picea pungens. Engelmann. Junge Triebe schön gelbbraun, glatt, End-
knospen gross, dick, mit breiten, zurückgeschlagenen Schuppen. Nadeln dicht, auf
stark vortretenden Blattkissen mehr oder weniger sparrig abstehend, seitlich oder vom
Rücken zusammengedrückt vierkantig, stark, domig gespitzt und stechend, 15 — 30 mm
lang, graugrün bis bläulichweiss, Harzgänge 2. Zapfen 8 — 10 cm lang, hellbraun mit
wellig ausgerandeten Schuppen. Ihre Heimat ist das Felsengebirge Nordamerikas, wo
sie eingesprengt im Mischwald bei 2000 — 2800 m Meereshöhe vorkommt und in feuch-
ten Tälern bis 46 m Höhe erreicht. In Europa erst 1863 eingeführt, ist der rasch-
wüchsige und völlig winterharte Baum in seinen blauweissen Varietäten heute unsere
beliebteste und schönste Ziertichte in Gärten und Parks.
6. Picea Engelmann i. Engelm. Junge Triebe hell graugrünlichweiss bis
18j Diese, wie die folgenden derartigen Angaben nach den bei Eberswalde vorgenom-
menen Ermittelungen v. K. J. May, Zeitschr. f. Forst- u. Jagdw. 1894. p. 648 ff.
Die Nadelhölzer. § 33. 255
braongelblich weiss, weich undkurzbehaart, Endknospen kleiner als bei voriger,
mit fest anliegenden Schuppen. Nadeln dicht, auf stark vortretenden Blattkissen, vom
Rücken zusammengedrückt vierkantig, ziemlich weich, sehr kurz und stechend gespitzt,
14 — 20 mm lang, matt dunkelgrün bis bläulichweiss , ohne Harzgänge. Zapfen
nur 4 — 6 cm lang, braunrot mit ausgefressen gezähnelten Schuppen. — Bestandbilden-
der Gebirgswaldbaum des nordamerikanischen Felsengebirges, 1863 in Europa einge-
führt, beliebter völlig winterharter Zierbaum, viel langsamer wachsend, aber ca. 3 Wo-
chen früher austreibend als P. pungens, mit welcher sie häufig verwechselt wird.
7. Picea Breweriana Watson, erst 1884 im nördlichen Kalifornien in ca.
100 zerstreut stehenden Bäumen entdeckt, erreicht 30 — 50 m Höhe und ist durch
schlanke, oft (wie bei der Hängefichte) schlaff herabhängende lange
Zweige zweiter Ordnung ausgezeichnet als auifallendste Erscheinung unter
allen amerikanischen Fichten, die mit ihren hängenden Zweigen an eine Trauerweide
erinnert. In Europa bis jetzt nur in vereinzelten jungen Exemplaren.
8. Picea orientalisLk. etCarr. Morgenländische oder Sapin-
dusfichte besitzt von allen Fichten die kleinsten Nadeln, die dicklich, rund-
lich vierkantig, 5 — 10 mm lang und glänzend dunkelgrün sind, sehr dicht stehen und
die Zweige, zumal auf der Oberseite, dicht decken und namentlich am Haupttrieb der
Zweige angedrückt sind. Zapfen 5 — 8 cm lang. Lebensdauer der Nadeln bei uns an
den Seitentrieben 57» — 77^? meist Vj^ Jahre. Waldbaum der Gebirge Kleinasiens,
dort bis über 30 m Höhe erreichend und sehr zähes, dauerhaftes und harzreiches Holz
liefernd. 1837 in Europa eingeführt als Zierbaum in Deutschland von langsamem
Wuchs, der meist nur geringe Höhe erreicht. Nach Beissner winterhart, nach meinen
eigenen Erfahrungen aber nicht in Gegenden mit relativ lufttrockenen Wintern.
9. Picea Morinda Link. Himalay af ichte, Tränenfichte, aus-
gezeichnet durch hängende Zweige und die hervorragende Länge ihrer Nadeln, die
3 — 4, selten 5 cm lang werden, IV2 mm dick, gerade oder etwas gebogen, steif, zu-
sammengedrückt vierkantig, scharf gespitzt und freudig grün sind, Blattkissen wie bei
der gemeinen Fichte. Die mit glashellen Harztropfen besetzten Zapfen sind die gröss-
ten aller Fichtenzapfen, 12 — 15 cm lang, 3 — 4 cm dick, dunkelbraun, mit ganzrandigen
Schuppen. Samen incl. des dreimal so langen Flügels bis 20 mm lang. Im nordwest-
lichen Himalaya waldbildend oder eingesprengt, 30 — 50 m hoch. 1818 in Europa ein-
geführt, eine der dekorativsten Fichten, die aber nur in ganz milden Lagen unsere
Winter erträgt.
11. Picea Schrenkiana. Fisch, et Mey, ein hoher im Thian-Schan, im
Alataugebirge und in der dsungarisch-kirghisischen Steppe einheimischer und dort wäl-
derbildender Baum, der mit etwas weniger überhängenden Aesten und Zweigen an P.
Morinda erinnert. Nadeln 20 — 38 mm lang, weniger stechend, mehr mattgrün. Zapfen
bis 9,5 cm lang. Diese Fichte steht der P. obovata nahe, von welcher sie sich nach
Regel durch trockenhäutige, ausgebreitete Knospenschuppen, doppelt so lange Blätter,
viel grössere Zapfen und Zapfenschuppen und durch brüchiges Holz unterscheidet. 1880
in Europa eingeführt, ganz winterhart, in Gärten vielfach mit P. obovata verwechselt.
12. Picea polita Carr. (P. torano Köhne). Torano- oder Tiger-
schwanzfichte. Junge Triebe kurz, dick und glatt, hell gelbbraun. Knospen ei-
förmig, dick, glänzend kastanienbraun, nicht harzig. Nadeln 15 — 25 mm lang, seitlich
zusammengedrückt, stumpf vierkantig, sehr derb und scharf stechend, all-
seitig starr vom Zweige abstehend, auf dicken, horizontal und weit vorstehenden Blatt-
kissen. An älteren, mehr überhängenden Zweigen sind die Nadeln länger, dünner und den
Zweigen mehr angedrückt als an jungen üppigen Pflanzen. Zapfen 8 — 12 cm lang,
256 III. Klein, Forstbotonik.
3—5 cm dick, vor der Reife gelbgrün. Samen incl. des 2 — 4 mal so langen Flügels
bis 23 mm lang. — In Gebirgen im wärmsten Gürtel der Fichtenzone Japans einhei-
misch als seltener, eingesprengter, 20 — 30 m Höhe erreichender Banm mit kegelförmiger
Krone und kleinschuppiger Rinde. 1861 in Europa eingeführt, winterhart, eine eigen-
artig schöne, von allen andern Arten sofort zu unterscheidende Fichte, deren derbe,
vor der Entfaltung mächtig anschwellende Knospen am spätesten von allen Coniferen
aufbrechen.
13. Picea Alcockiana Camere ^^) =z P. bicolor Mayr. Junge Triebe (nach
Mayr) hellrot-rosafilzig, besonders in den Vertiefungen behaart, zulet/^t
rotbraun. Blattkissen unter dem abstehenden Ende birnfurmig, neben demselben jeder-
seits beulenformig angeschwollen. Nadeln anfänglich wie bei unserer Fichte, später
dem Trieb stark angedrückt, ziemlich dicht, 12 — 18 mm lang, steif, mehr oder weniger
gebogen, stechend scharf gespitzt, von oben etwas zusammengedrückt, vierseitig stnmpf-
kautig, oberseits durch die Spaltöffnungsreihen bläulichgrün, unterseits dunkelgrün:
Harzgänge 2 ; zerrieben unangenehm riechend, ähnlich wie P. alba. Weibliche
Blüten violett, Zapfen fest, reif braunrot, 8( — 12) cm lang und 4^2 breit, vor dem
Vertrocknen bläulichrot mit mennigroten Rändern der Schuppen. Samen incl. des
2 — 3 mal so langen Flügels 14—15 mm. — In den Gebirgen des mittleren Japans im
wärmsten Gürtel der Fichtenzone eingesprengt, 30 — 40 m hoch, bei uns ganz winter-
hart, in der Jugend unserer Fichte täuschend ähnlich, gehört sie mit bläulichgrüner
Färbung und kräftigem gedrungenem Wüchse zu den dekorativsten Fichten, treibt
sehr spät aus und schliesst trotzdem im Herbste rechtzeitig ihr Wachstum ab.
14. Picea Glehni Fr. Schmidt. Junge Triebe weich haarig, zuletzt
rotbraun. Blattkissen dick, ca. 2 mm übergebogen abstehend, am herablaufenden TeU
birnförmig aufgetrieben. Nadeln stumpflich, 6 — 7 mm lang, so breit wie dick, rechtwinkelig
abstehend, oberseits graugrün, unterseits grün, Harzgänge 2. Zapfen 3 — 6 cm lang, vor
der Reife blaurot mit rotem Schuppenrand, schon an ganz jungen Pflanzen erscheinend.
Samen incl. des doppelt so langen Flügels 11 mm lang. — Waldbaum mittlerer Grösse
( — 30 mj der Inseln Sachalin und Eso, bei uns vor ca. 15 Jahren eingeführt und an-
scheinend winterhart, spät austreibend, langsam wüchsig während der ersten 5 Jahre.
§34. 2. Sektion Omorica. Nadeln zweiflächig, tannenähnlich, auf
der (gegen den Zweig gekehrten) Oberseite zwei weisse Spalt-
öffnungsstreifen zeigend, unterseits glänzend dunkelgrün mit spärlichen Spalt-
öffnungen. Alle oder nur die unteren Zapfen hängend, die übrigen abstehend oder etwas
aufwärts gerichtet.
15. Picea Omorica Panßifi- Omoricafichte^»). Junge Triebe braun,
dicht behaart. Blattkissen wagrecht abstehend. Nadeln 8 — 14 mm lang, etwa doppelt
so breit wie dick, niedergedrückt vierkantig, mit kurzer Knorpelspitze, an den wa^:-
rechten Zweigen mehrreihig zweiseitig (gescheitelt). 2 kleine Harzgänge , welche in
der unteren Nadelhälfte nahe den Seitenkanten an der Hautschicht der Nadel liegen.
Beim mannbaren Baume sind die Nadeln der Stammtriebe durchschnittlich nur 1 cm
lang, aber 2 — 3 mm breit, gespitzt, diejenigen der Seitentriebe im allgemeinen länger,
19) Unter dem Namen P. Alcoquiana Veitch ist nach Beissner im Jahre 1861
durch ünzuvcrlässigkeit der Sammler eine Mischung von Samen zweier ganz verschiedener
Fichten P. Alcockiana Carr. und P. ajanensis Fisch, (bezw., nach Mayr, P. hondoensis Mayr),
verbreitet worden, weshalb sich in Anlagen und Handelsgärtnereien zumeist Exemplare
der letzteren Art unter dem Namen der ersteren finden.
20) R. v. Wettstein, Die Omorikafichte. Eine monographische Studie iSitzungsb. d.
math.-natw. Cl. d. Wiener Akademie Bd. 99. Abt. I p. 503—557 mit 5 Taf. Wien 1891.
Die Nadelhölzer. § 33. 257
bis 16 mm, stumpfer, oft ohne jede Zuspitzung mit breitem abgestutztem Rande, bis
2,5 mm breit. Zapfen 2 — 4 cm lang, eiförmig, gedrängt, teils aus End-, teils aus
Seitenknospen hervorgehend, trocken dunkelrotbraun, vor der Reife triibviolett mit
dunkelrotem Rande der Zapfenschuppen. Samen incl. des doppelt so langen Flügels
11 mm. Ein Kilo entflügelten Samens enthält nach Wilhelm ca. 350000 Körner. —
1872 wurde der darch seine schlank kegelförmige, beinahe cypressenartige Gestalt auf-
fallende, bis über 40 m Höhe erreichende Baum in Serbien entdeckt und wo er, wie in
Bulgarien, Bosnien und Montenegro (?), jetzt nur noch einzeln oder in Horsten an
schwer zugänglichen Stellen in den Gebirgswal düngen auftritt. Der Baum ist hier
früher jedenfalls in grossen Beständen vorhanden gewesen und nach der Vermutung
PanJSiC's zum Zweck der Mastbaumgewinnung von den Venetianern beinahe ausgerottet
worden. Die tief angesetzte „pfeilförmig-pyramidale" Krone wird von sehr zahlreichen,
selten über 3 cm starken und nie über 2 m langen, oft bis zur Berührung mit dem
Stamme abwärts geneigten, an der Spitze aufwärts gekrümmten Aesten gebildet. Stamm
verhältnismässig dünn, mit kaffeebrauner, grossschuppiger, leicht sich ablösender Borke,
frühe sich von den unteren Aesten reinigend. Der bei uns völlig winterharte Baum
wächst in der ersten Jugend langsam, dann aber freudig und ist, wie die folgenden
Arten dieser Sektion, ein prächtiger Zierbaum.
16. Picea hondoensis Mayr. Junge Triebe kahl, glänzend, am Jahres-
schlüsse hell gelbgrün, im zweiten Jahre hell rotbraun. Blattkissen am Gipfeltrieb
junger Pflanzen mit kurzer dreieckiger Spitze vorwärts gerichtet, mit dem Alter sich
ganz verlierend , an der Trieboberseite breit geschwollen, mit zwei Rinnen.
Nadeln 10 — 17 mm lang, meist stumpflich. Harzgänge 2, halbwegs zwischen Kanten
and Mittellinie der Unterseite. Knospen stets violett, verharzt, Zapfen locker,
etwas gekrümmt, bei uns meist 3, in Japan nach Mayr — 7 cm lang, anfangs rot, vor
der Reife gelblichgrün. Samen incl. des kaum IVa mal längeren Flügels 7—9 mm. —
Seltener Hochgebirgsbaum des zentralen Japans, bis 30 m hoch, bei uns winterhart,
aber früh austreibend; nach Mayr „ohne Wissen der meisten Pflanzenzüchter, welche
P. Alcockiana zu besitzen glauben, am häuflgsten in Deutschland kultivierte^.
17. Picea ajanensis Fischer. Der vorstehenden Art sehr ähnlich. Junge
Triebe kahl, gelbgrün, glänzend. Blattkissen länger als bei P. hondoensis, horizontal
und sehr abstehend, stets deutlich bleibend, rinnenlos, stets ungeschwollen. Na-
deln 10 — 20 mm lang, gebogen, meist stmnpf gespitzt, seltener spitzlich. Harzgänge 2,
von der Mittellinie der Blattunterseite meist weiter entfernt als von den Seitenkanten,
Knospen gelbbraun, stets unverharzt. Zapfen locker, 3 — 5 ( — 8) cm lang, gerade,
jung purpurfarben, reif hellbraun. Samen incl. des 2 — 3 mal so langen Flügels 10 mm
lang. — In Japan und Ostsibirien bestandbildender wichtiger Waldbaum. 1861 mit
Samen von P. Alcockiana eingeführt und vielfach unter letzterem Namen verbreitet
und in Gärten kultiviert, wo sie freudig gedeiht und auch schon Zapfen getragen hat.
Im Wuchs unserer Fichte ähnlich, nur zierlicher, erreicht sie in ihrer Heimat bis 60 m Höhe.
18. Piceasitchensis. TrautvetteretMeyer. Sitka flehte. Junge
Triebe meist dick und steif, gelbgrün, später braungelblichweiss, kahl. Knospen glän-
zend, hellgelb. Blattkissen stark abstehend. Nadeln sehr dünn, aber trotzdem steif,
12 — 20 mm lang, bei uns nur 1 mm breit (in der Heimat bis 2,2 mm), nadelscharf zu-
gespitzt, starr vom Zweige abstehend oder an den horizontalen Zweigen fast zweizeilig,
in der Regel ohne Harzgänge. Zapfen 5 — 8 cm lang, auffallend kleinschuppig, blass-
gelb. Samen incl. des 2 — 3 mal so langen Flügels ca. 10 mm lang. Nach Wilhelm
enthält ein Kilo entflügelten Samens ca. 700000 Körner. Lebensdauer der Nadeln bei
uns am Haupttrieb 2V2 — oVa, an Seitentrieben 37» — 6V2 Jahre. — Einer der wichtig-
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 17
258 III. Klein, Forstbotanik.
sten bestandbildenden Waldbäunie des nordwestlichen Amerikas, wo sie vom Meeres-
strande bis 2100 m ansteigt, und selbst nassen, fenchten, sandigen Boden und Flussufer
liebt und nicht selten 60 m Höhe und bis 3mDurch messer erreicht. In der Jugend
wächst sie stark in die Seitenäste, verliert diese auch in hohem Alter schwer, weshalb
reinschäftige Exemplare nur im dicht>en Schlüsse zu ünden sind. Wie alle pazitischen
Holzarten auffallend raschwüchsig, gegen Kälte viel unempfindlicher als gegen Luft-
trockenheit. In Europa 1831 eingeführt, ist sie vielfach wegen ihrer wertvollen (?) Holz-
qualität in ausgedehntem Masse forstlich angebaut. In genügend tiefgründigem, feuch-
tem Boden, besonders im tiefen nahrhaften Lehmboden gedeiht sie vorzüglich, während
sie in trockenem, magerem heissem Boden, besonders im Kalkboden krüppelt. Beliebter
(iarten- und Parkbaum. Lichtbedürftiger als die gemeine Fichte ist sie in der Jugend,
im Frühjahr und in schneearmen Wintern gegen Trockenheit empfindlich.
Die Tannen (Abies).
§ 35. Die Zapfen stehen meist nur auf den obersten Aesten, einzeln, hinter
der Spitze vorjähriger Zweige, stets aufrecht. Nach der Samenreife
zerfallen sie, indem die Zapfenschuppen sich mit den Samen von der stehen bleibenden
Zapfenspindel loslösen. Die flachen Fruchtblätter sind wie bei Picea fast bis zur Basis
in „Deckschuppe" und „Fruchtschuppe" gespalten, die Deckschuppen, im Gegensatz zu
Picea, lang zugespitzt, nahezu so lang oder länger als die Fruchtschuppe, oft nach der
Blütezeit sich stark verlängernd. Die männlichen Blüten sind wie bei Picea gebaut,
die Pollensäcke springen aber mit Querspalt auf und die mit seitlichen Flugblasen
versehenen Pollenkömer sind grösser als wie bei den Fichten. Die Samenreife ist ein-
jährig. Die Samen sind gross, verkehrt kegel- oder keilförmig, mit bleibendem
Flügel. Sämtliche Triebe sind Langtriebe, an denen die mehrjährigen Nadeln ohne
Blattkissen einzeln sitzen und nach dem Abfallen eine ungefähr kreisrunde, im
Niveau der Rinde liegende oder nur wenig hervorragende Narbe hinter-
lassen. Die linealen, am Grunde zusammengezogenen, mit kreisrunder, etwas verbrei-
terter Basis sitzenden Nadeln sind oberseits glatt, dunkelgrün, ohne Spaltöffnungen,
untersei ts mit grünem Mittel kiel und grünen Rändern und zwei mehr oder weniger
weissen Spaltöffnungs-Streifen. Der zweiflächige Querschnitt der Nadel zeigt zwei an-
nähernd kantenständige Harzgänge. Nach dem Vertrocknen der Zweige
bleiben diemeistenNadeln am Zweige haften (Fruchtblätter und Nadeln
verhalten sich bezüglich dieses Punktes also gerade entgegengesetzt wie bei der Fichte)
und die abgeschnittenen Tanuenzweige liefern deshalb ein vorzügliches Deck- und Schat-
tenmaterial. Quirlknospen und Zwischenknospen ähnlich wie bei der Fichte,
nur stehen die obersten Seiten(Quirl-)knospen stets in gleicher Höhe dicht neben der
Endknospe, am Gipfeltrieb meist 4 — 5, am Ende der Seiten zweige in der Regel nur
zwei, ebenso ist die Zahl der Zwischenknospen am Jahrestrieb meist eine viel spär-
lichere als wie bei der Fichte und die Verzweigung infolge dessen eine viel lockerere.
Die Lebensdauer der Nadeln ist im allgemeinen eine längere, und die Krone infolge dessen
sowie durch die meist zweizeilig ausgebreiteten, grösseren Nadeln ebenfalls sehr schat-
tend. — Die Tannen sind immergrüne Waldbäume der nördlichen Halbkugel und strei-
chen von der kühleren Hälfte des subtropischen Klimas (A. religiosa) durch alle Zonen
bis zur alpinen; ihr Stamm ist einheitlich und streng pyramidal bis zu be-
endetem Höhen wuchs, dann richten sich die oberen Seitenäste, den Gipfeltrieb im Län-
genwachstum überholend, mehr oder weniger auf und bilden das sog. Storchennest
(auch Adlerhorst genannt), eine für alte Tannen ausserordentlich charakteristische Er-
scheinung! Das Holz der Tannen (vergl. A. pectiuata) enthält keine Harzkanäle
Die Nadelhölzer. § 36. 259
oder höchstens ganz vereinzelte, das Kernholz ist stets ungefärbt. Die Keimkraft des
Tannensamens ist von sehr kurzer Dauer. Samen, welcher nicht von der letzten
Ernte herrührt, ist wertlos ^^). Als Einteilungsprinzip derTannen wurde
früher das ganz unzuverlässige Längenverhältnis von Frucht und Deckschuppen benutzt;
Mayr teilt die Tanne nach der Farbe der Zapfen unmittelbar vor der Reife in die
Sektionen: Momi, Zapfen grün oder gelbgrün (A. pectinata, Nordmanniana , cepha-
lonica, Pinsapo, concolor, numidica, cilicica, tirma, umbilicata, bracteata, grandis, mag-
niiica etc.), Pindrau, Zapfen blau-purpurrot (A. Webbiana, Pindrau, Veitchii, Ma-
rlesii, amabilis, nobilis, Fraseri, religiosa etc.), und Pichta, Zapfen olivengrün oder
graugrün und graublau (A. Sacchalinensis, Pichta, balsamea, subalpina) ; am natürlichsten
ist aber die Einteilung nach der Lage der Harzgänge in den Nadeln (Köhne), trotz
mancher Abweichungen, namentlich bei fruchttragenden Zweigen. Zur sicheren Bestim-
mung junger Pflanzen ist das Mikroskop unerlässlich !
§36. L Reihe. Harzgänge der Blätter nichtblühender Zweige
an der Epidermis der Unterseite. Dickwandige, farblose (mecha-
nische) Zellen wenigstens einige unterseits im Kiel, oder in den Seitenkanten, oder
oberseits unter der Epidermis, nie im Centralstrang. (Bei der von allen andern Tan-
nen durch ihre allseits abstehenden, starren tichtenähnlichen Nadeln leicht zu
unterscheidenden A. Pinsapo liegen die Harzgänge im Parenchym, gleiche Lage hat
Köhne an blühenden Zweigen von A. Nordmanniana und balsamea beobachtet;
gänzliches Fehlen der mechanischen Zellen kommt bei A. grandis vor.)
1. Abies pectinata D. C. (A. alba Miller). Weisstanne, Edel-
tanne (franz. Sapin). Junge Triebe kurz rauhhaarig, grünlich. Knospen
stumpfer und dicker als bei der Fichte, mit grünlichbraunen Schuppen, harzlos, nur
die Endknospen des Stammes und kräftiger Zweige am Grunde oft mit Harz überzogen.
Nadeln lineal, 2 — 3 cm lang und bis 3 mm breit, auf kurzen, an den Zweigen ge-
drehten, am Grunde scheibenförmig verbreiterten Stielchen, am Haupttrieb spitz,
an Seitentrieben stumpf und spitzwinkelig eingeschnitten (bei jüngeren Pflanzen), stumpf
ausgerandet oder ganz stumpf (an den oberen Zweigen älterer Bäume), an Seiten-
zweigen meist kammförmig gescheitelt, in der Wipfelregion älterer Bäume
mehr oder weniger aufwärts gekrümmt, am Haupttrieb jüngerer Bäume mehr oder
weniger allseits abstehend, bei mannbaren Bäumen allseits nach oben gekrümmt. Im
Nadelquerschnitt liegen die beiden Harzgänge bei den Nadeln der unteren und
mittleren Krone meist an der Hautschicht der Nadelunterseite, in der Wipfelregion
älterer Bäume meist im Innern des grünen Parenchyms. Am Gipfeltrieb älterer Bäume
haben die Nadeln auch auf ihrer Oberseite Spaltöffnungen. Wie bei der Fichte liegen
im Centrum des Nadelquerschnitt^s zwei Gefässbündel, von farblosem Gewebe umgeben
und so gegen das grüne Parenchym scharf abgesetzt. Die Blüten sind auf den
oberen Teil der Krone beschränkt, und zwar tragen die Blütenzweige nur männliche
oder nur weibliche Blüten; letztere stehen gewöhnlich an kräftigeren Trieben. Die
gelben, cylindrischen männlichen Blüten stehen meist zu vielen beisammen, jede
in der Achsel einer Nadel, auf der Unterseite ihrer Tragzweige. Die weiblichen
Blüten bilden gelblich grüne Zapfen von 3 — 5 cm Länge und stehen einzeln auf
der Überseite ihrer Tragzweige, dem vorderen Ende derselben genähert. Die Deck-
schuppe ist zur Blütezeit weit grösser, als die von ihr vollständig verdeckte
Fruchtschuppe, mehr oder weniger nach aussen gebogen und selbst etwas herabge-
21) Dies ist besonders beim Bezug von Samen exotischer Tannen zu bedenken, welcher
deshalb nur von durchaus zuverlässigen Firmen unter Garantie letzter Ernte be-
zogen werden sollte: andernfalls geht gewöhnlich kein einziges Korn auf!
17*
260 III. Klein, Forstbotanik.
schlagen. Nach der Befrachtung wachsen die Frachtschuppen zwischen den schmal
bleibenden Deckschuppen hervor und sind am jungen Zapfen aussen bläulichgrün, innen,
wie die Samen , teilweise schön carminrot. Der reife Zapfen ist aufgerichtet,
walzenförmig, 7,5 — 17 (selten — 30) cm lang und 3 — 5 cm dick, matt bräunlich, mit
bald grünlichem, bald rötlichem oder violettem Ton an den Schuppenrändem. Die
dürr gewordenen, zungenförmig gestreckten, oben etwas verbreiterten Deckschnppen
ragen mit aufgerichteter oder umgeschlagener Spitze zwischen den breiten Frucht-
schuppen hervor. Die dreikantigen , dunkelbraunen Samen sind bis 1 cm lang und
bis 4—5 mm breit mit keilförmigem, schief abgestutztem, doppelt bis dreifach so langem,
brüchigem, gelblich bis violettbraun gefärbtem glänzendem Flügel, dessen umgeschlage-
ner Teil fast den ganzen Samen umhüllt. Die Samenschale ist teilweise durch
Terpentinblasen höckerig aufgetrieben. Diese Blasen werden leicht zerdrückt und die
Samen büssen dann an Keimfähigkeit ein, weshalb Tannensamen nicht in Säcken, son-
dern in festen Behältern, womöglich mit Häcksel oder Schuppen gemischt, versendet
werden soll. Die Handelsware des Samens besteht grösstenteils aus Körnern, welche
noch in dem unteren Teil des über ihnen abgebrochenen Flügels stecken. 1 Kilo ent-
hält 19000—26000, im Durchschnitt 23000 derartige Samen. 24—30, im Mittel 27
Kilo gehen auf das Hektoliter.
Die Mannbarkeit tritt bei freiem Stande im 30., im Schlüsse gewöhnlich erst
mit dem 60. — 70. Lebensjahre ein. Von da an kann in milden Lagen jedes 2. Jahr
ein Samenjahr sein, in rauheren Lagen sind die Samenjahre seltener und wiederholen
sich zuweilen erst nach je 5 — 8 Jahren. Die Blütezeit fällt ziemlich mit derjenigen
der Fichte zusammen, im Süden des Gebiets Ende April, im Norden wie gegen die
obere Grenze im Gebirge Mitte bis Ende Mai bezw. erste Hälfte Juni. Die Zapfen-
reife tritt gewöhnlich Ende September ein und gleich nachher, gewöhnlich im Oktober
zerfallen die Zapfen; die kahlen Zapfenspindeln bleiben so lange am Baum, bis sie
nach einigen Jahren durch Schneedruck, Sturm u. dgl. abgebrochen werden. Die Kei-
mung der Samen erfolgt 3 — 4 Wochen nach der Aussaat, mit in der Regel 5—6
ca. 2—3 cm langen Keimblättern, die unterseits glänzend grün sind , auf der
Oberseite zwei helle Spaltöifnungsstreifen tragen. Mit diesen Keimblättern alterniert,
unmittelbar über ihnen stehend, ein Quirl von ebensovielen Primärblättern, die
nur halb so lang sind und die Spaltöffnungsreihen auf der Unterseite tragen. lieber
den Primärblättern schliesst eine kleine Gipfelknospe den 1. Jahrestrieb ab. Im 2. Jahre
bildet die Tanne einen kurzen aufrechten Trieb und endet mit einer Gipfel- und 1—2
Seitenknospen. Ln 3. Jahre treiben die ersten Seitenknospen aus, aber auch in diesem
und den nächstfolgenden Jahren ist das Wachstum des Stämmchens gering und richt-et
sich vornehmlich auf die Ausbildung eines oder mehrerer Seitenzweige, während nament-
lich das schon im 1. Jahre relativ kräftige Wurzelsystem ausgebildet wird. Bei gün-
stigen Standorts- und Beleuchtungsverhältnissen wird der erste richtige Astquirl im
4. oder 5. Jahre, im Dunkel des Bestandes aber erst im 8. — 10. Jahre gebildet. Auch
nach erfolgter Astquirlbildung bleibt der Gipfeltrieb zunächst noch kurz, um dann all-
mählich an Länge zuzunehmen. Vom ca. 14. oder 15. Jahre ab kann der jährliche
Ijängenzuwachs auf gutem Boden ca. 30 cm und mehr betragen. Ums 100. Jahr
lässt der Höhenwuchs nach und mit 180 — 200 Jahren ist er in Kulturwäldern unt«r
normalen Standortsverhältnissen abgeschlossen, worauf die Tanne wipfeldürr zu werden
pflegt. (Die Ausbildung des „Storchennests" ist ein Zeichen beendeten Höhenwuchses.)
Mit 120 Jahren hat die Tanne im Durchschnitt eine Höhe von ca. 28 m erlangt, aof
bestem Standort ca. 34 m. Im Urwald erreicht die Tanne in einzelnen Exemplaren
ein vielhundertjähriges Alter (ca. 500 J., und als mächtigster unserer Waldbäume bis
Die Nadelhölzer. § 36. 261
zu 68 m Höhe bei 3,8 m Dorchmesser ; in den Pyrenäen gab es zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts sogar noch 800jährige Bäume). Die Lebensdauer der Nadeln beträgt,
ausgenommen an rel. lufttrockenen Standorten, 8 und selbst 11 Jahre; am Leittrieb
haften dieselben gewöhnlich länger als an den Seitentrieben.
Die Verzweigung der Tanne erfolgt in ähnlicher Weise, wie bei der Fichte
und der Stamm trägt eine durch sein Alter bestimmte Anzahl von noch schärfer wie
dort hervortretenden Astquirlen, der Gipfeltrieb ist stets straff aufrecht, während der-
jenige der Fichte in der Jugend oft etwas verkrümmt erscheint. Während die Fichte
ihre schwächeren Zweige und Zweigsysteme abwärts neigt oder sogar schlaff herab-
hängen lässt, breitet die Tanne ihr gesamtes Astwerk straff und schirmförmig aus und
zeigt einen ausgesprochen etagenförmigen Bau. Auch bei freistehenden Bäumen reicht
die Krone nicht so tief herab wie bei den Fichten und ist unten nie so breit wie dort.
Im Bestandesschluss hat die Tanne wie die Fichte eine hoch angesetzte Krone und
vollholzigen Stamm, der sich meist weiter hinauf von Aesten reinigt. Durch das „Stor-
chennest** ist die alte Tanne auffallend von der alten Fichte verschieden. Ein Teil
der Achselknospen bleibt schlafend und treibt nur nach Verletzungen ans, daher die
grosse Reproduktionsfähigkeit der Tanne. Die Rinde ist, im Gegensatz zu der Fichte,
auch noch im Baumalter glatt, meist weissgrau, mit erbsengrossen beulenförmigen An-
schwellungen (Terpentinblasen). Borkebildnng tritt in der Regel nicht vor dem 40. — 50.
Jahre ein. Die Borkeschuppen sind teils eckig teils rundlich begrenzt und haben eine
weissliche glatte, nicht wie bei der Fichte schilferige Oberfläche. Die Tannenrinde ist
durchweg etwas dicker als die Fichtenrinde.
Die Bewurzelung dringt mehr in die Tiefe als diejenige der Fichte; wo es
die Bodenverhältnisse gestatten, entwickelt die Tanne eine über einen Meter lange
Pfahlwurzel und ist so sturmfester verankert. Auf flachgründigen Böden mit nahe an
der Erdoberfläche anstehendem unzerklüftetem Felsgestein entwickelt auch die Tanne
notgedrungen ein mehr tellerförmiges Wurzelsystem und wird dann vom Sturme gerade
so geworfen wie die Fichte.
Das Tannenholz ist von gleichmässig heller Färbung (mit ungeffirbtem Kern-
holze), mit dem Fichtenholz verglichen etwas mehr rötlich und weniger glänzend, wie
dort mit sehr scharfen Jahmnggrenzen. Mikroskopisch ist das Tannenholz vom Fich-
tenholz leicht durch das Fehlen der Harzgänge im Holze (nur ausnahmsweise kommt
einmal ein solcher vor) und durch die stets einreihigen Markstrahlen, die somit auf
dem Tangentialschnitt nur eine einfache Reihe bilden, leicht zu unterscheiden. Der
Radialschnitt zeigt, dass die Markstrahlzellen sämtlich gleichgestaltet sind, Parenchym-
zellen, ringsum einfach getüpfelt. Markstrahltracheiden, wie bei der Fichte, kommen
nicht vor.
Das Verbreitungsgebiet der Tanne. Während die Fichte namentlich
im nördlichen und nordöstlichen Teil Europas zu Hause ist und in den centraleuropäi-
schen Grebirgen, findet die Tanne ihre vollkommenste Ausbildung im Süden und Süd-
westen Centraleuropas entsprechend ihrem höheren Wärmebedürfnis. Ihr Verbreitungs-
gebiet geht von den westlichen Pyrenäen bis nach Kleinasien und vom Südrande des
Harzes bis nach Sicilien. Im nördlichsten Teile ihres natürlichen Verbreitungsbezirkes,
so in Thüringen, Sachsen, der Lausitz, Schlesien, wächst die Tanne auch in der Ebene,
sonst nur im Grebirge. Die grössten geschlossenen reinen oder fast reinen Tannenwälder
finden sich in den Pyrenäen, dem südöstlichen Frankreich, im Jura, in den Vogesen
und im Schwarzwalde, während sie in der nördlichen Schweiz, im bajrrischen und Böh-
merwald, in Thüringen und Sachsen nur kleinere Bestände bildet oder (Alpen und
Karpathen, Erzgebirge, Riesengebirge, Sudeten) nur horstweise oder eingesprengt, vor-
262 TU. Klein, Forstbotanik.
wieprend mit Buche und Fichte gemischt, vorkommt. In den Gebirgen Oest;erreichs,
Deutschlands und der vSchweiz bewohnt die Tanne vornehmlich die Buchenregion. Im
Schweizer Jura ( — 1500 m), in den Pyrenäen ( — 1950 m), in Südeuropa (Apenninen
— 1800 m, Sicilien — 1950 m) geht sie bis zur Grenze des Baurawuchses. Im Thüringer-
walde und Erzgebirge steigt sie bis 800 m, in den nördlichen Karpathen — 1100, im
Riesengebirge, im bayrischen Wald und in den Vogesen über 1200 m, im Schwarzwald,
der nördlichen Schweiz und südlichen Karpathen bis 1300 m; in den baj'rischen Alpen
— 1500 m, im Berner Oberland — 1600 m, während ihre untere Grenze im bayrischen
Walde bei 300 m, in Vogesen und Jura bei 500—600, der Schweiz bei 700, den fran-
zösischen Pyrenäen bei 1360 m beobachtet wurde. Wie die Fichte ist auch die Tanne
west- und nordwärts weit über die Grenzen ihres natürlichen Gebietes hinaus verbreitet
(ganz Frankreich, Belgien, norddeutsche Ebene, z. B. Oldenburg, England und das
südliche Skandinavien). In den Gebirgen Griechenlands ist die Weisstanne durch A.
cephalonica, im Kaukasus durch A. Nordmanniana ersetzt.
Bezüglich ihrer Standortsansprüche und Lebensbedingungen verhält sich
die Tanne nahezu umgekelirt wie die Fichte, sie ist einer der anspruchsvollsten
Waldbäume. Entsprechend ihrer tiefgehenden Bewurzelung verlangt sie zu freudigem
Gedeihen einen namentlich auch in den tieferen Schichten frischen Boden, während ihr
trockener wie nasser Boden nicht zusagt. Ebenso sind ihre Anforderungen an die
Feuchtigkeit der Luft hohe, wenn auch nicht so gross, wie bei der Fichte. Ihr Bedarf
an wertvollen Aschenbestandteilen ist bedeutend, da sie im Stammholze 2^/2 — 3V2 mal
mehr Kali und IV2 — 1^/* mal mehr Phosphorsäure als die anspruchslose Kiefer enthält.
Für ihr Gedeihen ist ein massiger Tongehalt des Bodens Bedingung, der bei genügen-
der Lockerheit des Bodens die erforderliche Frische erhält, ohne Rücksicht auf die
geognostische Herkunft desselben. Am besten sagt ihr ein tiefgründiger sandiger Lehm-
boden zu. In den tieferen Lagen ihres Verbreitungsgebietes bevorzugt sie die nord-
westlichen bis östlichen Abdachungen, in den höheren Gebirgslagen die südwestlichen
bis südöstlichen Hänge. — Durch ihren dichten Kronenschirm schützt sie den Boden
in unvergleichlicher Weise gegen die austrocknende Wirkung von Sonne und Wind.
In gleicher Weise wirkt der dichte Moosteppich, welcher sich vom höheren Stangen-
holzalter an unter ihr entwickelt, als Schutzdecke gegen die Austrocknung des Bodens.
Nächst der Eibe hat die Tanne das geringste Lichtbedürfnis unter allen
einheimischen Holzarten, wie sich aus ihrer reichen Zweig- und Nadelbildung, der
fächerförmigen Stellung der zweiflächig benadelten Triebe und dem daraus resultieren-
den sehr dichten Kronenschirm sowie aus ihrem dichten Bestandesschluss bei uner-
reichtem Massenreichtum ergibt. Die ausserordentliche Zählebigkeit der Tanne beweisen
auch die unter der Beschattung älterer Bäume als Vorwüchse stehenden kleinen Tannen,
die bei äusserst beschränktem Lichtgenusse bis 30 Jahre und mehr die Fähigkeit, bei
entsprechender Lichtstellung zu kräftigen Bäumen auszuwachsen, bewahren und als
Zwerge von ca. 1 m Höhe fünfzig Jahre und länger ihr Leben fristen können. Das
Wundheilungsvermögen der Tanne ist sehr beträchtlich und viel grösser als
dasjenige der Fichte.
§ 37. Die Variationsfähigkeit der Tanne ist viel geringer als diejenige
der Fichte. Folgende Spielarten, welche den bei der Fichte beschriebenen ent-
sprechen, sind wildwachsend gefunden worden, sowie a) als Varietät, A. pectinata
Var. Equi Trojani Ascherson et Sintenis auf dem Kar Dagh, dem Ida der
Alten, in Kleinasien, deren Zapfen breiter als bei der Hauptart und sehr hervorragende
Deckschuppen besitzen und deren Nadeln gespitzt, an der Spitze etwas breit, fast aus-
gerandet sind. Diese Varietät scheint eine Uebergangsform zu A. Nordmanniana und
Die Nadelhölzer. § 37. 263
A. cephalonica zu sein, b) Spielarten:
bl. Lusus pendula Carr. Hänge- oder Trauertanne mit hän-
genden, zum Teil den Stamm völlig verdeckenden Aesten, in den Vop;esen bei Gebweiler
und bei Friedeburg in Ostfriesland.
b2. Lusus virgata Casp. Schlangentanne, mit langen, wenig
zahlreichen, horizontalen, dicht benadelten, aber nur an der Spitze spärlich verzweigten
Aesten. Bisher nur je ein Baum bei Ober-Ehnheim und Bannstein im Elsass, bei Wei-
senbach in Baden, im Böhmerwald und bei Fleurier im Neuenburger Jura beobachtet.
b3. Lusus monocaulisConwentz. Astlose Tanne, ganz unver-
zweigt, ein Sjähriges 1 m hohes Exemplar 1897 in üstpreussen (Bischofsburg).
b4. Lusus fastigiata Hort (pyramidalis Carriere, columnaris Carr.), S ä u-
lentanne. Blätter nicht gescheitelt, Aeste aufrecht, angedrückt. Wuchs daher wie
bei der Pyramidenpappel. Im Departement Is^re in Frankreich und bei Liebenzell in
Württemberg.
b 5. Lusus tuberculata mihi. Warzentanne, Stamm mehr oder we-
niger dicht mit kegel- oder warzenförmigen Korkwucherungen bedeckt, die bis 10 cm
Höhe erreichen und aus abwechselnden Schichten von Phelloid und Schwammkork zu-
sammengesetzt sind. Nur zweimal gefunden, in Saybusch in Galizien und in zwei
starken Bäumen bei St. Ulrich im badischen Schwarzwald.
Der bei der Weisstanne so häutige „Hexenbesen" ist hier bekanntlich eine krank-
hafte Erscheinung, durch den Rostpilz Aecidium elatinum hervorgerufen, dessen zuge-
hörige Uredoform auf Sileneen, bes. Stellaria nemorum, lebt. Von Wuchsformen
kommen Verbisstanne gelegentlich, vor allem aber dieCandelaber- und die Wet-
tertanne, wie bei der Fichte vorwiegend in höheren Gebirgslagen vor. Ich charak-
terisiere diese letztere am besten mit den Worten Christas ^2) und zwai', da der Ausdruck
gleichmässig für Fichten wie Tannen gebraucht wird, beide an dieser Stelle: „Die
höchsten Fichten hingegen, welche frei auf der Alpentrift wachsen, haben fast stets
ein ganz anderes Aussehen; es sind Prachtgestalten von höchster Individualität: die
Wettertannen, Schermtannen, Gogants der westromanischen Alpen. Von langen, weiss-
granen Bartflechten (Usnea) behangen, die dem Baum das Aussehen einer bleichenden,
von Silberhaar umwallten Greisengestalt verleihen, stehen sie da, einzeln, in weiten,
von keinem jungen Nachwuchs vermittelten Entfernungen, aber wetterfest und ge-
drangen . . . ., sie bieten dem Vieh gegen das Unwetter und den Sonnenbrand treff-
lichen Schirm." „In den Alpen, einzeln auch im Jura, tritt die Weisstanne auch als
Wettertanne auf und bietet dann die prachtvollsten Formen. Denn wenn der Wipfel
abgestorben, so treibt erst recht der lebenskräftige Baum aus den unteren Aesten ganze
Reihen von Aesten zweiter Ordnung auf, die pfeilgerade den mächtigen wagrechten
Aesten entwachsen: ein Candelaber von wundersamem Reiz. Bis 20 solcher Astaus-
schläge habe ich in den Alpen des kleinen Melchtals an einem einzigen Wipfeldürren
Riesenbaum gezählt." Dem habe ich auf Grund eigener zahlreicher Beobachtungen im
deutschen Mittelgebirge wie in den Alpen noch hinzuzufügen, dass sich die richtigen
Wettertannen der Fichte wie der Tanne durch auffallend zahlreiche und zum Teil auf-
fallend starke Aeste erster Ordnung auszeichnen, also von Hause aus jedenfalls beson-
ders kräftig organisierte Individuen sind, die zudem durch das in ihrem Schatten
lagernde Weidevieh regelmässig und gut gedüngt werden. Mehrfache bis vielfache
Sekundärwipfelbildung kommt nach meinen Beoba(.*htungen bei Fichte wie bei Tanne
häufig vor und zwar bei abgebrochenem wie bei aushaltendem Hauptstamm. Hervor-
22) H. Christ, Das Pflanzenleben der Schweiz. Zürich 1882. p. 217 und 220.
264 III. Klein, Porstbotenik.
ragende Exemplare solcher Wetter flehten stehen z. B. auf der Zalünalp bei Brand
in Vorarlberg, am Abhang der kleinen Scheidegg gegen Grindelwald, bei Stiegle-
schwand (Adelboden)"^^), bei St. Antonien 2*); eine grössere Anzahl prachtvoller Wetter-
tannen verschiedenster Gestalt ^^) oberhalb St. Cergues (bei Nyon am Genfer See), deren
stärkstes Exemplar (ohne Seknndärwipfel) 1901 in Brusthöhe einen Stammumfang von
7,38 m hatte.
§38. 2. Abies Nordmanniana Spach. Nordmannstanne. Diese
im westlichen Kaukasus und den angrenzenden Gebirgen Kleinasiens einheimische Tanne
besitzt den Habitus einer besonders üppigen Weisstanne. Sie unterscheidet sich von
letzterer durch ihre stärkeren Nadeln, welche bis 3 cm lang werden und an den
Zweigen jüngerer Pflanzen nicht zweizeilig gekämmt sind, sondern nach oben und den
Seiten aufrecht abstehen und mit weit stärkerer Drehung an ihrer Basis die Zweig-
oberseite meist vollständig decken ; an den Zweigen älterer Bäume stehen sie unregel-
mässig zweizeilig. Kräftige Seitenzweige entwickeln gewöhnlich einen drei gliedrigen
Knospenquirl, je eine Knospe nach rechts, links und unten, und verzweigen sich auch
demgemäss. Junge freistehende Bäume zeichnen sich vor der Weisstanne durch ihre
bis zum Boden reichende und im unteren Teile auffallend dichte Krone aus. Rinde
schwarzgrau, Zapfen ( — 15 cm lang), Samen (im Durchschnitt 13500 aufs Kilo), Keim-
linge, Holz und Rinde der Weisstanne sehr ähnlich. In der Jugend sehr trägwüchsig,
erwächst sie mit 100 Jahren zu — 36 m hohen Bäumen. — Standortsansprüche
ähnlich, aber etwas geringer wie bei der Weisstanne ; Nordmannstanne verlangt immer
grosse Bodenfrische und gedeiht noch vortrefflich auf besseren Kiefemböden, sie treibt
ca. 14 Tage später aus als die Weisstanne, ist somit der Gefahr der Frühjahrsfröste
weit weniger ausgesetzt, wird aber vom Wilde wie kaum eine zweite Holzart in der
Jugend verbissen und ist gegen trockenen Ostwind in der Jugend empfindlich, nament-
lich im Freistand. Infolge ihres trägen Jugendwuchses wird sie gewöhnlich erst 6jährig
in den Wald gepflanzt. — Hervorragender Zierbaum, ca. 1848 in Europa eingeführt.
3. A bies cephalonica Link. Griechische Weisstanne. Jüngste
Triebe kahl, bräunlichgrün , Knospen mit glänzendem Harz dünn überzogen,
Nadeln glänzendgrün, 14—28 mm lang , steif, flach, lanzettförmig, ste-
chend spitz und ziemlich allseitig von den Zweigen abstehend. — Diese
in den Gebirgen Griechenlands und auf den jonischen Inseln heimische sehr dekorative
Tanne wird bis 25 m hoch, ist ähnlich wie Nordmanniana bis zum Boden beastet, treibt
aber frühe aus und kommt bei uns fast nur als Zierbaum in einigermassen geschützten
Lagen vor. Bei Triest wurde sie mit Erfolg zur Bewaldung des Karstes angepflanzt.
4. Abies Pinsapo Boissier. Spanische Weisstanne. Jüngste
Triebe kahl, gelblich. Knospen harzig. Nadeln 8 — 12 (16) mm lang, dick,
stumpflich-stechend, sehr dicht, mit aufi^allend verbreiterter, nicht gedrehter Basis, all-
seits starr vom Zweige abstehend, dunkelgrün , mit wenig in die Augen
fallenden weisslichen Spaltöflfnungslinien beiderseits. — Diese dickstämmige, sehr deko-
rative Tanne ist in den Gebirgen Malagas in Südspanien heimisch, erreicht dort ca.
25 m Höhe, kommt bei uns aber nur als Parkbaum in sehr luftfeuchten, milden und
geschützten Lagen als schnellwüchsiger, tief beas teter Baum fort.
5. Abies numidica de Lannoy. Numidische Weisstanne. Jüngste
Triebe kurz rauhaarig. Knospen harzig. Nadeln (12) 16 — 22 mm lang, — 2V2 mm
breit, an der Spitze ausgerandet, an der Zweigunterseite gescheitelt, an der Oberseite
23) Baumalbum der Schweiz.
24) Abgebildet bei Schröter, Vielgestaltigkeit der Fichte p. 100.
25) Baumalbum der Schweiz.
Die Nadelhölzer. § 38. 265
allseits abstehend (ähnlich wie bei Pinsapo); Nadelunterseite mit zwei bläulichen, aus
etwa zehn Spaltöffnungsreihen bestehenden Streifen 2*). Deckschuppen am reifen
Zapfen zwischen den Fruchtschuppen versteckt. — In den Gebirgen Algeriens mit
der Atlas-Ceder heimisch, bis 20 m Höhe erreichend, bei uns nur als ziemlich winter-
harter Zierbaum. 1862 in Europa eingeführt.
6. Abies cilicica Carriere. Cilicische Weisstanne. Jüngste
Triebe gelblich, glatt. Knospen harzig. Nadeln (15) 25 — 35 mm lang, lV3~2V2mm
breit, steif, stumpf oder gekerbt. Die bläulichen Spaltöffnungsstreifen aus etwa sieben
Spalt<)ffnungsreihen bestehend, sonst wie A. numidica. — Hochgebirgstanne Kleinasiens,
oft mit der Ubanonceder ausgedehnte Bestünde bildend, 20—30 m Höhe erreichend,
bei uns nur Zierbaum mit sehr dichtzweigiger, spitzpyramidaler Krone, wegen frühen
Austreibens durch Spätfröste gefährdet. 1853 in Europa eingeführt.
7. AbiesWebbianaLindley. Sikki ms Silbertanne. Himalaya-
t a n n e. Jüngste Triebe dicht rostbraun behaart, stärkere wenigstens in den Vertief-
ungen. Nadeln sehr dicht, durchschnittlich 4 cm lang, an der Spitze gekerbt, unter-
seits kreideweiss, auf beiden Seiten der Zweige gescheitelt, an üppigeren Trieben
fast allseitig. Zapfen 12 — 17 cm lang, 4 — 6 cm dick, schön sattblau, mit versteck-
ten Deckschuppen. Krone breit schirmförmig. — Diese, im nordwestlichen Himalaya
heimische, bis 50 m Höbe erreichende prachtvolle Tanne, 1822 in Europa eingeführt,
treibt sehr frühe aus und gedeiht deshalb nur in den mildesten Lagen, z. B. in Bozen
nach Tnbeuf.
8. Abies PindrauRoyle (gew.Pindrow geschrieben). Pindrau-
Tanne. Vielfach nur als Varietät von Webbiana betrachtet, nach Mayr aber deut-
lich durch die kahlen jungen Triebe und die längeren (—9 cm) unterseits nur unbe-
deutend helleren Nadeln, längere Zapfen und auffallend spitz zulaufende Krone deutlich
unterschieden. — Diese gleichfalls im nordwestlichen Himalaya heimische, 1837 in
Europa eingeführte prächtige Tanne ist, wenigstens in der Jugend, gegen Frühjahrs-
fröste gleichfalls sehr empfindlich.
9. Abies amabilis Forbes. Purpurtanne. Jüngste Triebe behaart.
Nadeln 23 — 28 mm lang, dicht gedrängt, an jungen Pflanzen die oberen kürzer als
die unteren, die Oberseite der Zweige ähnlich wie bei Nordmanniana deckend, an Zapfen
tragenden Zweigen so gedreht, dass die Unterseite mit den weissen Spaltöffnungsstreifen
nach oben kommt. Zapfen dunkelpurpurn, 10 — 14 cm lang und bis 7 cm dick,
meist jedoch nur 8 : 5 cm, mit versteckten Deckschuppen. — Ein prachtvoller, bis 60 m
hoher Baum vom Cascaden-Gebirge Nord-Amerikas, 1831 in Europa eingeführt, hier
vielfach mit A. magnitica verwechselt, sehr selten in grösseren Exemplaren. In luft-
feuchten, einigermassen geschützten Lagen voraussichtlich hart.
10. Abies grandis Lindley et Gordon. Grosse Küstentanne.
Jüngste Triebe gelbbraun, mit sehr feinen, kurzen Härchen zerstreut bekleidet (Köhne),
glatt (Beissner). Knospen violett, harzglänzend, Nadeln 3 — 5V2 cm lang,
lineal, gerade, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits mit blassen oder weissen Spalt-
öffnungsstreifen , auf der oberen Triebseite kürzer wie auf der unteren, auf-
fallend zweizeilig gescheitelt. Mechanische Zellen unter der Oberseite, die bei
allen vorstehenden ausländischen Arten oberseits eine lückenlose oder nur wenig
unterbrochene Schicht bilden, hier unter der Epidermis sehr vereinzelt und selbst
ganz fehlend. Zapfen mit versteckten Deckschuppen ca. 10 cm lang und 4 cm dick,
26) Dieses Merkmal lässt sich sehr leicht feststellen, wenn man eine Nadel, die Unter-
seite nach oben gewendet, bei auffallendem Lichte und ganz schwacher Vergrösserung
unter dem Mikroskop untersucht!
266 III. Klein, Forstbotanik.
vor der Reife grünlich. — Diese vorzugsweise aul* die nördliche paciüsche Küste be-
schränkte Tanne ist nach Engelmann wahrscheinlich die grösste bekannte Tanne, die
auf feuchteren Standorten in Gesellschaft von Erlen und Pappeln 60 — 92 m Höhe er-
reicht. 1831 in Europa eingeführt, ist sie seit einigen Jahren mit amabilis und nobUis
in den Kreis der prenssischen Anbauversnche einbezogen worden. Sie beansprucht eine
ziemliche Menge von Bodenfeuchtigkeit.
11. A. magnifica Murray. Shastatanne. Nadeln steif, 15 — 35 mm
lang, alle gleich gross, IV^ mm breit, beiderseits mit Spaltöffnungsstreifen, matt
bläulich (jüngere gelbgrün), auf der Zweigoberseite sichelförmig aufgekrümmt und den
Zweig dicht bedeckend, stets niedergedrücktvierkantig mit meist einfachem
Gefässbündel im Centralstrang. Zapfen sehr dickwalzig, 15 — 20 cm lang, 8 — 9 cm
dick, mit versteckten Deckschuppen, vor der Reife grünlich. — Diese im Shastagebirge
Californiens ausgedehnte Waldungen bildende, bis über 60 m Höhe erreichende, schöne
Tanne wurde 1851 in Europa eingeführt, ist hier spättreibend, in der Jugend langsam
wüchsig, aber leider nur in einigermassen geschützten Lagen hart.
12. A. concolor Lindley et Gordon. Coloradotanne, amerika-
nischeSilbertanne. (Syn. A. lasiocarpa Lindl.) Jüngste Trieb e violett-gelbgrfin.
Rinde hellgrau. Nadeln biegsam, ziemlich locker, sehr lang, 3 — 8 cm, beiderseits
gleichfarbig, matt graugrün, an Seitentrieben nach der Oberseite des Triebes gekrümmt
(im Schatten sind die Nadeln oft flacher angeordnet, ohne weissliche Streifen auf der
Oberseite). Zapfen vor der Reife grünlich, 7 — 14, durchschnittlich 7 cm lang und
4 — 5 cm dick mit versteckten Deckschuppen. — Dieser Gebirgsbaum Californiens und
Colorados, an der Grenze der gemässigt warmen und kühlen Region heimisch, verlangt
ein ziemliches Mass von Luft- und Bodenfeuchtigkeit und erreicht an den günstig-
sten Standorten seiner Heimat riesige Höhen, bis 75 m bei nur 1,8 m Durchmesser
(Mayr). 1851 in Europa eingeführt, ist diese durch ihre silbergiüne Färbung einzig
schöne Tanne wenigstens in der Jugend die raschwüchsigste unter den eingeführten
Abiesarten, völlig frosthart und ziemlich spät austreibend. Sie liebt kräftigen, milden,
frischen, selbst etwas feuchten Boden und ist nur gegen zu tiefes Einpflanzen wegen
ihrer flach streichenden Faserwurzeln etwas empfindlich.
13. Abies nobilis Lindley. Pacif ische E del tanne. Jüngste Triebe
rotbraun, dicht kurzhaarig. Nadeln sehr dicht, 11 — 33 (bis 40) mm lang, IVa mm
breit , dicklich flach, an der Spitze meist schwach ausgerandet , beiderseits durch
Spaltöffnungsstreifen matt blaugrün, oberseits meist mit Längsrinne, an der Triebober-
seite dem Zweige anliegend, nur halb so lang als die Nadeln der Unterseite, die viel-
fach nach oben gekrümmt sind; Gefässbündel des Centralstrangs einfach wie bei mag-
nifica. Der walzenförmige Zapfen in der Heimat durchschnittlich 12,5 cm lang,
5,5 cm dick, an kultivierten Exemplaren bis 25 cm lang und 8 cm dick, vor der Reife
schieferschwarz, reif durch die grossen, breiten, herabgeschlagenen Deckschuppen fast
völlig verdeckt. — Im Cascadengebirge Oregons einheimisch und dort mit amabilis
ausgedehnte Waldungen bildend, erreicht diese herrliche Tanne in günstigsten Lagen
bis 92 m Höhe. 1831 in Europa eingeführt, an guten Weisstannenstandorten winter-
hart, spät austreibend. Aus Samen ziemlich schwer aufzuziehen und empfindlich; die
veredelten Exemplare der Handelsgärtnereien zeichnen sich zumeist durch sehr un-
regelmässigen Wuchs ans.
14. Abies bracteata Don. Santa Luciatanne, von allen anderen
Tannen dadurch ausgezeichnet, dass das 2,5—4 cm lange, 1,5 mm breite Mittelstück
der Deckschuppen die ursprüngliche Nadelform beibehalten hat. Der
ca. 9 cm lange und 4,5 cm dicke Zapfen bekommt durch diese schief abstehenden Deck-
Die Nadelhölzer. § 39. 267
schuppen ein igelartiges Aussehen. Nadeln ca. 5 cm lang, 2 — SVa mm breit, ober-
seits glänzend grün, unterseits mit zwei breiten weissen Streifen, stechend spitz. —
Im Santa Luciagebirge des südlichen Calit'omiens heimisch, bis 60 m hoch, 1853 in
Europa eingefühlt, nur als Parkbaum in sehr milden und luftfeuchten Lagen zu kultivieren.
15. Abies arizonica Merriam. Arizonische Korktanne. 1896
in den Hochgebirgen Arizonajs aufgefunden, mit bläulichgrüner Benadelung und schnee-
weisser-rahmweisser, birkenähnlicher Korkrinde. 1900 in Europa eingeführt,
dürfte diese „Königin der Tannen" jedenfalls hohe Ansprüche an Luftfeuchtigkeit stellen.
§ 39. n. Reihe. Harzgänge der Blätter nicht blühender Triebe
im Parenchym. Nadeln stets oberseits glänzend dunkelgrün, mit Längsrinne,
unterseits mit 2 weissen Spaltöffnungsstreifen. Knospen stets (meist sehr stark)
mit Harz bedeckt.
A. Keine mechanischen Zellen im Zentralstrang der Blätter.
16. Abies subalpina Engelmann. Westamerikanische Balsam-
tanne. Nadeln mit bläulichem Schimmer, 15 — 28 mm lang, meist kaum über 1mm
breit, auf der Oberseite kürzer und den Zweig deckend, auf der Unterseite gescheitelt ;
weisse Streifen der Unterseite aus ca. je 5 Spaltöff nungsreih en ge-
bildet; mechanische Zellen oberseits in der Mitte zerstreut, im Kiel und in den
Kanten eine ununterbrochene Schicht bildend. Zapfen ca. 9 cm lang, 372 — 4 cm dick,
vor der Reife olivengrün mit versteckten Deckschuppen. — Zerstreut in der alpinen
Region (bis zur Baumgrenze) des nordwestlichen Amerikas, bis über 30 Meter Höhe
erreichend. Ca. 1850 in Europa eingeführt; dekorativer, harter Parkbaum.
17. AbiesFraseri Lindl ey. Frasers-Balsam-Tanne. JungeTriebe
zottig behjlfert. Nadeln dunkelgrün, 10 — 25 mm lang, etwas breiter als bei voriger ;
die weissen Streifen aus je 8 — 12 Spaltöffnungs reihen gebildet ; mecha-
nische Zellen oberseits in kaum unterbrochener Schicht, sonst wie bei voriger
(Unterschied von der sehr ähnlichen balsamea-Nadel !). Zapfen klein 3 — 5 : 2 cm, vor
der Reife blauschwarz, durch die zurückgeschlagenen Deckschuppen fast ganz verdeckt.
— Nur auf wenigen der höchsten Abhänge des AUeghaniegebirges von Carolina und
Tenessee zwischen 1600 und 20(X) Meter heimisch und dort öfter bedeutende Wälder
bildend Kurzlebiger Baum von höchstens 24 Meter Höhe, dessen Rindenbeulen eben-
falls Canadabalsam liefern. 1811 und neuerdings wieder in Europa eingeführt.
18. Abies balsamea Miller. Balsam-Tanne. Rinde glatt, schwarz-
grau, mit vielen Canadabalsam liefernden Harzbeulen. Junge T r i e b e kurz rauhhaarig.
Knospen dick mit glänzendem Harz überzogen. Nadeln 13 — 28 mm lang, lV2mm
breit, unregelmässig zweizeilig, öfters sichelförmig aufwärts gebogen, durchaus, wie die
folgende, 0 hne m echanische Zellen, gerieben ausserordentlich aromatisch;
die meisten Streifen der Unterseite aus 5 — 6 Spaltöffnungsreihen. Zapfen vor
der Reife olivengrün 6 — 10 : 2^/2 cm, mit versteckten Deckschuppen. — Der in den
Nordstaaten der Union vom atlantischen bis stillen Ozean auf Bergen wie in sumpfigen
Lagen weit verbreitete Baum erreicht gewöhnlich nur eine Höhe von 15 Meter (selten
über 25); 1697 in Europa eingeführt, harter Parkbaum.
19. Abies sibirica Ledebour. Sibirische Tanne (Syn. A. Pichta
Forbes). Knospen wie bei balsamea. Nadeln 15 — 30 mm lang, kaum über 1mm
breit, weich, gerieben aromatisch, sehr dicht stehend, an jüngeren Trieben oberseits
sich deckend, an älteren gescheitelt; weisse Streifen der Unterseite aus 3 — 4 Spalt-
öffnungsreihen bestehend. Zapfen ähnlich wie bei voriger, etwas kleiner. — Der im
nordöstlichen Russland und in Nordasien bis zum Polarkreise Wälder bildende Baum
mit schlaff abwäits hängenden Aesten hat schmale kegelförmige Krone und wird
268 III. Klein, ForstboUnik.
bis 40 Meter hoch; 1820 in Europa eingeführt, bleibt sie hier viel kleiner und träg-
wüchsiger; äusserst winterharter zierlicher Parkbaum, besonders für kühle, frische und
luftfeuchte Lagen. In der Ebene frühzeitig austreibend. Zu forstlichen Anbau ver-
suchen nur in den Alpen oberhalb der Fichten- und Tannengrenze verwendet.
20. Abies Veitchii Lindley. Veitchtanne. E i n d e bleibend hellgrao.
Junge Triebe behaart. Nadeln sehr dicht stehend, 15 — 28 mm lang, l^a bis gut 2 mm
breit, aus ein und demselben Triebe alle gleich lang, an Seitentrieben jüngere Pflanzen alle
nach vom gerichtet, an älteren die Nadeln der Zweigunterseite aufwärts gekrümmt; unter
der Blattepidermis vereinzelt mechanische Zellen; weisse Streifen der Unterseite
kreide weis s, aus ca. 10 Spaltöffnungsreihen gebildet. Zapfen entweder 5 : 2 cm,
dunkelblau mit zurückgebogenen, rötlichen Deckschuppen (F. typica), oder 6 — 6V» : 2,3 cm
mit versteckten Deckschuppen (var. Nikkoensis)- — Waldbaum zentraljapanischer Ge-
birge um 2000 M. von 30 — 40 Meter Höhe; 1879 in Europa eingeführt, neuerdings,
wie die folgenden ab 22 wieder v. Mayr in Bayern versuchsweise angebaut. Prächtige,
etwas früh treibende Schmucktanne, in Gärten vielfach mit brachyphylla verwechselt,
deren Samen früher unter dem Namen A. Veitchi verbreitet wurden.
B. Im Zentralstrang der Blätter eine grosse Gruppe mechanischer
Zellen unter, eine kleine über den beiden Gefässbündeln.
21. Abies sacchalinensis Master s. Sacchalintanne. Nadeln20
bis 40 mm lang, oben gekerbt, 1 — 2 mm breit, von der Zweigoberseite nach den Seiten
hin länger werdend, nicht feescheitelt; unter der Epidermis der Oberseite mechanische
Zellen zerstreut, in den Kanten und dem Kiel in einer schmalen Reihe. Zapfen 6
bis 10 cm lang, 2 — 3 cm breit, cylindrisch, allmählig zugespitzt, dunkel olivgrün, ent-
weder (F. typica) mit hell gelbgiünen, weit vorstehenden und wie bei A. Traseri zu-
rückgeschlagenen, oder (var. nemorensis Mayr) mit versteckten Deckschuppen. — Der
der Veitch-Tanne nahestehende Waldbaum ist auf der Insel Sacchalin, den Kurilen
und der Insel Eso in Japan heimisch, erreicht bis 40 Meter Höhe ; 1897 in Europa ein-
geführt, winterharter Parkbaum.
22. Abies firma Siebold et Zuccarini. Momitanne (syn. A. bifida).
Nadeln unterseits hellgrün, 14 — 35 mm lang, 2^/2 — 3 V* mm breit, steif, derb leder-
artig, lineal-lanzettlich, meist tief 2 spitzig, gescheitelt, von allen andereji Tannen-
arten sofort durch die zu wenigen bis vielen im Parenchym zerstreuten sehr
dickwandigen mechanischen Zellen zu unterscheiden. Zapfen bei der Reife gelb-
grün, 8 — 15 cm lang, 3\/2 — 5 cm dick, mit vorstehenden, aufrechten Deckschuppen. —
Diese grösste ( — 50 M.) und schönste Tanne Japans, auf der Hauptinsel Hondo in
der Kastanien zone heimisch, erwächst nur in dichtem Schlüsse zu geraden Bäumen,
und zeichnet sich durch besonders starke Seitenwurzeln aus; sie ist anspruchsvoller
an Wärme als die europäische Tanne, namentlich sind junge Pflanzen sehr frostem-
plindlich. 1861 in Europa eingeführt, früher austreibend als unsere Weisstanne, vom
Reh nicht verbissen, in Preussen versuchsweise angebaut, als Parkbaum nur für milde
luftfeuchte Lagen geeignet.
23. i\.bies umbilicata Mayr. Mitzumine- Tanne. Zwischen Unna
und homolepis stehend, jung von letzterer kaum zu unterscheiden. Nadeln unter-
seits nicht so kreideweiss , wie bei homolepis. Zapfen unmittelbar vor der Reife
grüngelb mit versteckten Deckschuppen, 8 — 10 : 4 cm , am oberen Ende mit nabei-
förmiger Spitze (wie bei der Atlasceder). — Seltene Tanne aus der Buchenregion Japans,
der homolepis an Höhe nicht nachstehend. 1890 in Deutschland eingeführt.
24. AbieshomolepisSieboldetZuccarini. Nikko-Tanne. (Syn.
A. brachyphylla Max.) Junge Triebe kahl, glänzend, hell ockerfarben. Nadeln
Die Nadelhölzer, § 40. 269
nnterseits reinweiss, dadarch schon im 1. Jahre von Momi unterschieden, 13 — 35 mm
lang, meist ca. 1,5, seltener 2 mm breit, meist kurz zweispitzig, auf der Zweigober-
seite tief grabenförmig gescheitelt, nach den Seiten zu stufenweise vergrössert, am
Leittrieb rechtwinkelig abstehend, einfachspitzig. Zapfen walzig, 9,5 : 3,5 cm,
unmittelbar vor der Reife dunkelblau, später verblassend, mit versteckten Deck-
schuppen. — In der Buchenregion der Hochgebirge des mittleren Japan waldbildend,
verspricht dieser sehr dekorative, bis 40 Meter Höhe erreichende Baum in Deutsch-
land überall zu wachsen , wo Eichen und Buchen vorkommen. 1870 in Europa ein-
geführt.
25. AbiesMariesii Masters. Maries- oderAomori-Tanne. Junge
Triebe chocoladebraun , dicht behaart. Nadeln 15 — 25 mm lang, 1,5 — 2 mm
breit, im oberen Drittel am breitesten, oberseits dunkelgrün glänzend, wie
lackiert, an 2- und mehrjährigen ist die weissliche Farbe der Spaltöffnungsstreifen fast
verschwunden und die Nadelunterseite grüngelb, am Leittrieb dem Triebe angedrückt.
Zapfen tonnenförmig, am oberen Ende eingedrückt, dunkelblau, sammetig schim-
mernd, mit versteckten Deckschuppen. — Kleinste Tanne ( — 25 M.) der gemässigt
kühlen Kegion von Nord-Hondo.
§ 40. Tsuga, Heralockstanne. Zweige und Gipfel triebe nickend, keine
Astquirle. Nadeln meist flach, einzeln auf Blattkissen an Langtrieben, mit nur
einem Harzgang im Kiel (unter dem Gefässbündel). Zapfen klein, hängend, als
Ganzes abfallend, Fruchtschuppen lederig, am Eande verdünnt. Deckschuppen
versteckt. Samen (wie bei Abies) mit Harzbläschen und bleibendem Flügel. — 7
Arten in Ost- und Süd-Asien und Nord- Amerika. Schattenhölzer. Holz ohne Hai^z-
kanäle, mit dunklerem Kernholz, Markstrahlen wie bei der Fichte.
1. Tsuga canadensis Carriere. Hemlockstanne. Schierlingstanne.
Ein Waldbaum frischer und nasser Lagen des kälteren Nordamerika, 20 — 30 Meter
Höhe erreichend, 1736 in Europa eingeführt, völlig winterhart. Junge Triebe dicht
zottig. Nadeln, besonders oberwärts fein gesägt, stumpf, auf der Oberseite kurz,
dem Zweige anliegend, auf der Unterseite 10—15 mm lang, gescheitelt. Zapfen
1,7 — 2,5 cm lang, Samenflügel kaum Vis mal so lang wie der Samen. — Verbreiteter
zierlicher Parkbaum, der freistehend zur Zerteilung des Haupt Stammes neigt.
2. Tsuga Mertensiana Carriöre. Westliche Schierlingstanne
Schlanker Waldbaum des westlichen Nordamerika, 30 — 70 Meter Höhe erreichend, von
canadensis durch den die Schuppen weit überragenden Stiel der männlichen Blüte
(bei c. in den Schuppen versteckt) und den Samenflügel, der doppelt so lang wie der
Same, verschieden. Belaubung üppiger aber weniger hart. 1851 in Europa eingeführt.
3. Tsuga Sieboldi Carriere. Ein bis 30 Meter Höhe erreichender Wald-
baum Japans, der aber nur bis zur Buchenregion emporsteigt und, 1851 in Europa ein-
geführt, sich nur für milde Lagen (wärmeres Eichenklima) eignet. Zweige hellgrün,
nackt, Nadeln wie bei der folgenden ganzrandig, an der Spitze meist stark ausge-
randet. Zapfen mit vorragendem Stiel.
4. Tsuga diversifolia Maximovicz. Waldbaum Japans, von der Buchen-
region an höher emporsteigend, Ende der 60. Jahre in Europa eingeführt. Frosthart
aber trägwüchsig: Triebe rotbraun und behaart. Nadeln wie bei voriger, aber
unterseits hell weiss. Zapfen mit verdecktem Stiel.
§41. Pseudotsuga. Douglastanne. Die Zapfen sind endständig
an vorjährigen Zweigen oder achselständig zwischen den obersten Blättern, zur Reife
hängend, und fallen als Ganzes ab. Die tief 3 spitzigen, schmalen, weit hervor-
ragenden Deckschuppen mit längerer Mittelspitze verdecken zur Blütezeit die
270 III. Klein, Foratbotanik.
kleinen Frachtschuppen nahezu und wachsen später nur noch unbedeutend, werden aber
steif holzig, während die Fruchtschuppen sich stark vergrössern aber wenig verdicken.
Die Pollenkörner sind ohne Flugblasen, die kleinen hartschaligen Samen ohne
Harzbläschen, mit dem Flügel verwachsen, reifen im Herbst und fliegen alsbald aus den
sperrig sich öffnenden Zapfen aus. Die, an trockenen Zweigen ziemlich fest haftenden,
flachen, tannenähnlichen, oberseits mit einer seichten Rinne versehenen Nadeln stehen,
meist gescheitelt, nur an Langtrieben, zeigen auf dem Querschnitt zwei seitliche,
den Kanten genäherte Harzgänge an der Unterseite, aber, im Gegensatz zu Abies,
nur ein einziges Gefässbündel im Zentralstrang und lösen sich, wie bei den
Tannen, mit kreisrunder oder querovaler Narbe von den Zweigen. — 3 Arten
im westlichen Nordamerika, 1 in Japan.
1. Pseudotsuga Douglasii Carriere. (P. taxifolia Britton.) Douglasia,
Douglas-Fichte, Douglastanne^^). Junge Triebe anfangs hellorange, dann
rotbraun, vom 2. Jahre ab graubraun, glatt mit sehr kurzen rauhen Härchen. Knospen
harzlos, länglich oval, sehr zugespitzt, glänzend kastanienbraun. N a d ein 2 bis
3 cm lang, 1 — 1^/2 mm breit, gerade, selten etwas gekrümmt, stumpflich oder einfach
zugespitzt, oberseits matt dunkelgrün, unterseits glänzend hellgrün. Zapfen 5 bis
11 cm lang, 2,5—3 cm dick, reif rötlich zimmtbraun, im Sommer apfelgrün, nach der
Spitze zu purpurn und an den fest angepressten Schuppenrändem rot, Deckschuppen
hellgrün. Die Samen sind entfiügelt bis 5 mm lang und 3 mm breit mit doppelt so
langem Flügel, dreieckig, scharfkantig, unten in ein stumpfes, oft gekrümmtes Spitzchen
verschmälert, oben glänzend rotbraun, unten blass und weiss punktiert; ein Kilo ent-
flügelten Samens enthält 82000—98000, im Durchschnitt 90000 Körner. —
In der Wuchsform gleicht die Douglasia mit spitzkegelförmiger Krone völlig
unserer Fichte. Das Wurzelsystem hat anfänglich eine kräftige Pfahlwurzel und
kann sich, je nach Standort nach Mayr sehr anpassungsfähig, später sehr verschieden
entwickeln: auf seichten Böden entwickelt sie ein flach streichendes Wurzelsystem,
dringt in Felsspalten und in lockere Böden mit kräftiger Pfahlwurzel ein, auf lehmigen
Sand- und sandigen Lehmböden entwickelt sie eine zentrale Partie von 2 — 3 kräftigen
Wurzeln, welche in die Tiefe gehen, während die übrigen Wurzeln seicht verlaufen,
auf bindigem Boden dringt sie nur wenig in die Tiefe (so dass selbst 10 — 15jährige
Stämme durch Schneedruck geworfen werden können).
Die Mannbarkeit tritt i. d. R. vom 30., bei frei erwachsenden Bäumen oft
schon vom 10. Jahre ab ein. Die Keimung erfolgt im Frühling nach 3 — 4 Wochen,
doch liegt der Samen mitunter teilweise bis zum 2. Frühjahr über. Das Keim-
pflänzchen hat 5 — 7 dreikantige Keimblätter und wird im 1. Jahre bis zu 10, im
2. bis zu 20cm hoch, sein Leit trieb zeigt zahlreiche, unregelmässig verteilte, kräftige
Seitenknospen, die nach etwaiger Zerstörung der Gipfelknospe sofort zu neuen Gipfel-
trieben emporwachsen können, von da an entwickelt sich die Douglasia rasch weiter
und scheint ihr Maximum zwischen dem 10. und 20. Jahre zu erreichen, in welcher
Periode meterlange Triebe sehr häufig vorkommen. In den Wald wird sie gewöhnlich
2 — 4jährig verschult gebracht und überholt auf zusagenden Standorten alle heimischen
Holzarten weit. Auf gutem Standorte kommt in der Regel in den ersten Lebensjahren
(etwa bis zum 10.) zu dem Frühjahrstrieb noch ein zweiter nicht immer genügend ver-
27) lieber die Douglasia existiert eine ungemein reiche Literatur. John Booth, Die
Douglasfichte und andere Nadelhölzer. Berlin 1877. 92 p. 8 Tf. u. 1 Kart. Mayr, Wal-
dungen Nordamerikas p. 290—308. U. v. St. Paul, Mitt. d. D. Dendrol. Ges. 1901 p. 1—8
und zahlreiche Aufsätze in den forstlichen Zeitschriften.
Die Nadelhölzer. § 41. 271
holzender Höhentrieh (Johannistrieb) hinzu, der in der Regel aus einer Seiten-
knospe am Gipfel des Haupttriebs entspringt. In seiner Heimat erreicht der Baum
schon mit 80 Jahren (unter günstigsten Verhältnissen) eine Höhe von 40 Meter bei
80 — 90 cm Durchmesser, später je nach Standort 60, 70 — 80, ja selbst 1(X) Meter
Höhe und bis zu 4 Meter Durchmesser bei vielhundertjährigem Alter. Auf schlechtem
Boden wird nur eine Höhe von 80 Meter und darunter erreicht.
Das Holz der Douglasia, das nach Mayr in seinen geringsten (leichtesten) Sorten
unserem besten Fichten- und Tannenholze gleicht, in seiner besten Beschaffenheit, d. h.
als substanzreichstes, schwerstes Holz dem einheimischen Lärchenholz nahe kommt,
zeigt einen schmalen hellen Splint ( — 3 cm) und ein Kernholz, welches sich bei der
Fällung des Baumes nur wenig durch einen hellbraunen Farbenton vom Splint abhebt,
aber rafich unter der Einwirkung von Licht und Luft bis zur Färbung des Gebirgs-
lärchenholzes nachdunkelt. Mikroskopisch untersucht zeigt es Harzgäuge wie das
Fichtenholz und ähnliche Markstrahlen wie jenes , in denen aber oft je 2 Harzgänge
verlaufen und deren innere (Parenchym-)Zellen nach Mayr vereinzelt zarte Spiralver-
dickungen aufweisen. Nahe der Jahrringgrenze linden sich in Längsreihen angeordnete
Parenchymzellen. Vor allem aber ist das Holz durch die spiraligenWand ver-
dickungen der Früh- und SpÄtholztracheiden von dem Fichten- und Lär-
chenholz unterschieden. Das dickwandige Sommerholz ist sehr reichlich entwickelt, auch
bei breiten Jahrringen. Die Rinde, anfänglich glatt und grau, oft auffallend reich
an Harzbeulen, bildet im Alter eine mächtige Borke, die bis 20 cm und darüber an
Dicke erreicht und der Hauptsache nach aus ockergelben Korkschichten besteht.
Die Douglasia ist der wichtigste Waldbaum des westlichen Nord-Amerika nörd-
lich von Kalifornien zwischen 34® und 52® n. Br. und geht westlich bis zum grossen
Ozean, östlich bis zum Felsengebirge. Entsprechend den sehr verschiedenen klimati-
schen und sonstigen Bedingungen, unter denen die Douglasia in ihrer Heimat wald-
bildend auftritt, ist sie durch die Fähigkeit, sich den verschiedensten Standortsverhält-
nissen anzupassen, ausgezeichnet. 1827 in Europa eingefühlt. Auf frischem, mildem
humosem Lehmboden gedeiht sie bei uns am besten, auch auf lehmhaltigem genügend
frischem Sandboden gedeiht sie noch gut und begnügt sich überhaupt mit Böden der
verschiedensten Art und geognostischen Herkunft mit Ausschluss des Dünensandes,
ständig vemässter Standorte, mageren Sand- und strengen Thonbodens. Zu vollkom-
menem Gedeihen setzt sie ein grösseres Mass von Luft- und Bodenfeuchtigkeit
voraus, ist aber auch in dieser Hinsicht sehr anpassungsfähig. Sie ist eine Schatten-
holzart ähnlich der Fichte; die Nadeln bleiben an günstigen Standorten ca. 8
Jahre am Leben. Jüngere Pflanzen sind, namentlich wenn der Johannistrieb nicht
ausreift, der Frostgefahr ausgesetzt, ältere in genügend luftfeuchter Lage vollkommen
winterhart. In Folge des Vorhandenseins zahlreicher schlafender Augen vermag die
Douglasia die verschiedenartigsten Beschädigungen durch ein Reproduktionsvermögen
auszuheilen, das, von der Eibe abgesehen, von keinem unserer Nadelhölzer erreicht wird.
2. Pseudotsuga glaucaMayr wurde früher meist als Varietät der ersteren
angesehen , ist im Felsengebirge von Colorado , Neumexico und Arizona einheimisch,
völlig hart gegen Herbst- und Winterfrost, ohne Johannistrieb, viel trägwüchsiger und
nur die halbe Höhe der ersteren erreichend. Auch als Nutzholz soll sie weit hinter
der KUstenart zurückstehen. Die Nadeln sind kürzer, blau — weissgrün und liegen
dem Triebe mehr an, Knospen rein kegelförmig, Zapfen kürzer (5 : 2^2 cm),
Deckschuppen desgl., vielfach gegen die Zapfenbasis sich krümmend.
3. Pseudotsuga macrocarpa Mayr. Eine seltene Holzart des südlichen
Kaliforniens mit ungefransten Knospenschuppen, sehr grossen, am Rande kahlen
272 III. Klein, Forstbotanik.
Frnchtschuppen , während die Deckschnppen nicht grösser sind, Zapfen 2 cm lang
gestielt, 13 cm lang, offen 6 cm breit. Die Markstrahlt rac beiden besitzen eben-
falls Spiralverdicknngen (Douglasii und glauca nicht) und die Aeste stehen am er-
wachsenen Baum horizontal, während sie bei der alten Donglasia hängen.
4. Pseudotsuga japonica Shirasawa. Ein 15 — 20 m erreichender Wald-
baum des zentralen Japan mit glaucaähnlichen Zapfen, die lang gestielt, dnnkelviolett
und bläulich bereift sind und deren Deckschuppen zurückgeschlagen sind.
§ 42. Die Lärchen (Larix). Die Lärchen besitzen Lang- und Kurz-
triebe. Die weichen, sommergrünen Nadeln stehen einzeln auf wenig hervon-agen-
den Blattkissen an der einjährigen Pflanze und an den einjährigen Langtrieben der
älteren Pflanzen und in dichten Büscheln auf dicken Kurztrieben, die mehrere Jahre
Nadelbnschel entwickeln. Hauptäste stehen nicht in Quirlen, sondern zerstreut.
(Näheres über die Verzweigung bei L. europaea.) Männliche und weibliche Blüten
sitzen oft auf denselben Zweigen. Die kurzgestielten gelben männlichen Blüten
gehen aus einer ganzen Kurztriebknospe vorjähriger oder älterer Zweige hervor, die
Pollensäcke springen schief der Länge nach auf. Die Pollenkörner haben keine
Flugblasen. Die am Grunde von einem Nadelbüschel umgebenen weiblichen Bluten
entwickeln sich nur aus dem oberen Teil einer Kurztriebknospe, die Deckschnppe ist
gross, die Fruchtschuppe klein. Die gestielten Zapfen reifen am Ende des ersten
Jahres. Die lederig-holzigen Zapfen sind aufwärts gekrümmt, zerfallen nicht bei der
Reife, bleiben nach dem Ausfliegen der Samen noch einige Jahre am Zweige haften
und fallen zuletzt als Ganzes ab. Die Samen sind mit dem breiten Flügel ver-
wachsen. — 9 Arten, meist der nördlich gemässigten Zone angehörend (nur mit Zapfen
sicher zu bestimmen!).
1. Larix europaea De Candolle (L. Larix). (Syn. L. de cid ua.) Ge-
meine Lärche, (franz. Mdleze). Junge Triebe ledergelb, glatt, Knospen
stumpf eiförmig, an den Kurztrieben beinahe kugelig. Nadeln hellgrün, beiderseits
mit Spaltöffnungen und 2 Harzgängen in den Kanten, an üppigen Lang trieben
— 5 cm lang und l^a mm breit, an älteren Bäumen meist nicht über 2 cm lang und
wenig über 1 mm breit, lineallanzettlich, fein zugespitzt, am Grunde wenig verschmälert,
auf der Unterseite stärker gewölbt ; an Kurztrieben durchschnittlich länger aber
schmäler, die küi*zeren Nadeln aussen, die längeren innen stehend, stumpfer, nach unten
zu stark verschmälert, grösste Breite über der Mitte, meist beiderseits gleichmässig
gewölbt. Männliche Blüten eiförmig kugelig, V2 — 1 cm lang; weibliche
Blüten 1 — 2 cm lang, mit karminroten Deckschuppen, welche die kleinen bleich-
grünen, rötlich umsäumten Fruchtschuppen völlig verdecken. Nach der Bestäubung:
vergrössern sich die Fruchtschuppen rasch und die Deckschuppen vertrocknen. Zapfen
2^2- -4 cm lang, 2 cm breit, hellbraun. Samen verhältnismässig klein, 3eckig, ca.
372 ( — 5) mm lang mit doppelt so langem, schief abgerundetem Flügel. 1 Kilo ent-
hält 120 000- -130 000, im Durchschnitt 125000 geflügelte und 160000 entflügelte Samen.
Auf den Hektoliter gehen 16—18 Kilo geflügelte, 48—52 Kilo entflügelte Samen.
Die Mannbarkeit tritt bei der Kulturlärche frühe, im freien Stande oft schon
mit 10 — 15 Jahren, im allgemeinen aber nicht vor dem 20. Jahre ein, in Gebirgslagen
oft erst mit dem 30. Jahre. Die Blütezeit fällt mit dem Nadelausbruche zusammen.
Die im Oktober-November reifenden Samen fliegen erst im folgenden Frühjahre zmn
Teil aus, zum Teil bleiben sie noch in den Zapfen. In tieferen Lagen kommt ca. alle
3 — 5 Jahre ein Samenjahr, im höheren Gebirge alle 6 — 10 Jahre. Die Keimkraft der
Samen beträgt im allgemeinen nur 20 — 30 7o, in Norddeutschland selten mehr als 10
bis 1270, in den baltischen Provinzen und ebenso von auffallend frühe mannbaren
Die Nadelhölzer. § 41. 273
Bäumen sind die Samen meist alle taub. Bei gater Aufbewahrung behalten die Samen
3 — 4 Jahre ihre Keimkraft, aber schon zweijähriger Samen keimt schwerer und später
als einjähriger. Die Keimung erfolgt 3 — 4 Wochen nach der Aussaat. Das zarte
Keimpflänzchen hat 5 — 7 bläullchgriine, dreikantige, ca. 1^2 cm lange Keimblätter. Im
ersten Jahre kann die junge Pflanze schon 10 — 15 cm und darüber ( — 60 cm !) (die
Pfahlwurzel — 27 cm lang) werden ; sie bildet einige Seitenknospen, die im 2. Jahre zu
Kurztrieben auswachsen und schliesst mit einer Gipfelknospe ab, unter welcher die
Nadeln den Winter über am Leben bleiben. Die reichlichere Entwickelung von Kurz-
trieben beginnt in der Kegel nicht vor dem S.Lebensjahre, in welchem die Pflanzen
nicht selten über 1 Meter Höhe erreichen. Mit 10 Jahren kann sie schon über 4, mit
20 Jahren schon über 8 Meter, mit 60 über 25 Meter bei entsprechender Stärke haben.
Bei 5 — 20jährigen Lärchen kommen mitunter bis meterlange Längstriebe vor,
doch wird die Lärche im 20. — 30. Jahre gewöhnlich von der ihr in der Jugend an
Höhenwuchs nachstehenden Fichte eingeholt und überwachsen. Kein anderer einheimi-
scher Waldbaum vereinigt Schnelligkeit und Ausdauer des Wachstums so wie die
Lärche, die in der Jugend mit Ausnahme von Birke und Aspe alles weit überholt. Je
nach Lage und Klima beendet die Lärche ihren Höhenwuchs nach 60 — 150 Jahren mit
20 — 30 Meter und reinigt sich, auch im Freistande, bis ziemlich hoch hinauf von Aesten.
Unter günstigen Umständen wird sie an ihren natürlichen Standorten viel älter, höher
( — 52 M.) und stärker. Bei Blitzingen 1350 M. üb. M. im Oberwallis steht eine Lärche
von 29 Meter Höhe und 7^/2 Meter Umfang in Brusthöhe (cf. Baumalbum der Schweiz),
bei Saas-Fee im Wallis (1850 M.) habe ich Lärchen gesehen, die bei ca. 20 Meter
Höhe und 3 — 4V2 Meter Umfang ein Alter von 600 — 700 Jahren erreicht hatten und
dabei bis zum innersten Jahresring gesund waren!
Die Verzweigung ist von derjenigen der Fichten, Tannen und Kiefern we-
sentlich verschieden. An den Langtrieben trägt etwa der 10. — 6. Teil der
Nadein Achselknospen, ein endständiger Knospenquirl wird nicht gebildet. Im Früh-
jahr entwickeln sich aus den Seitenknospen zunächst Kurztriebe und die älteren Kurz-
triebe bilden gleichfalls Nadelbüschel, einen Monat später wachsen einzelne dieser
jungen und alten Kurztriebe zu neuen Langtrieben aus, während die andern ihr Längen-
wachstum mit einer Endknospe abschliessen. Bei üppigen jungen Pflanzen, ganz be-
sonders auch bei L. leptolepis, entwickeln sich nach meinen Beobachtungen nicht selten
fast sämtliche Achselknospen dieser Langtriebe noch im gleichen Jahre zu Kurztrieben,
von denen einzelne sofort noch zu Langtrieben auswachsen. Das Alter einer jungen
Lärche ist somit aus der Verzweigung durchaus nicht zu ermitteln. Mitunter wachsen
auch einzelne Zapfen zu Langtrieben von kurzer Lebensdauer aus (durchwachsene Zapfen).
Die Kurzzweige entwickeln nur wenige Jahre nach einander Nadelbüschel und stellen
dann ihi* weiteres Wachstum ein, während ihre Endknospe als schlafendes Auge noch
lange Zeit am Leben bleiben kann, das reichliche Ausschlagvermögen der Lärche be-
dingend. Die Seitenäste 1. Ordnung der pyramidal-kegelförmigen Krone sind verhält-
nismässig schwach, bei freiem Stande weit ausgreifend, mit aufwärts gebogenen Enden
und abwärts hängenden, dünneren Zweigen. Das kräftige, anfangs meist mit Pfahl-
wurzel versehene Wurzelsystem besteht später hauptsächlich aus einigen tief
gehenden, reich verzweigten „Herz wurzeln", welche der Lärche einen ungleich festeren
Stand gewähren, als ihn Fichte und Tanne besitzen.
Das feste, zähe und elastische Holz hat, abweichend von der Fichte und Tanne,
einen schmalen gelben Splint und einen mehr oder weniger braunroten Kern. Das
dunklere Spät holz der Jahrringe ist nach beiden Seiten hin scharf abgesetzt.
Am wertvollsten ist das gleichmässig engringige Holz der Hochgebirgslärchen („ Stein" -
Handbuch d. Foritw. 2. Aufl. I. 18
274 III. Klein, Forstbotanik.
oder „Jochlärchen'') im Gegensatz zu den in den fruchtbaren Tälern erwachsenen
9 Graslärchen''. Im anatomischen Bau stimmt das Lärchenholz völlig mit dem
Fichtenholz überein. Die Markröhre ist sehr dünn. Durch die ganz regellos auf-
tretenden Aeste sind die Bretter des Lärchenholzes leicht von denen des Kiefernholzes
zu unterscheiden. Die anfänglich aschgraue glatte Rinde bildet frühzeitig bei ca.
10 cm Stammdurchmesser Borke, die innen dunkel braunrot ist, an älteren Bäumen bis
15 cm und darüber dick werden kann und deren einzelne Korkschichten schön karmin-
rot oder rosa gefärbt sind.
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Lärche umfasst die ganzen
Alpen, die Karpathen und das schlesisch-mährische Gesenke, wo sie in Mischung mit
Fichten und Arven oder allein in der höchsten Waldregion bis zur Krummholzzone
emporsteigt (Bayr. Alpen bis 2000 Meter , Wallis , Engadin und Tirol bis 2300 und
2400, Gesenke bis 800 Meter). Durch Kultur ist dieser Hochgebirgsbaum über ganz
Deutschland und Mitteleuropa, bis nach Schottland und Norwegen (bis zum 69^), den
baltischen Provinzen und bis ins mittlere Russland verbreitet worden.
Hinsichtlich ihrer Lebensansprüche meidet sie in ihrem natürlichen Ver-
breitungsgebiet Sturmlagen und bevorzugt geschützte Hänge, Schluchten und Täler,
liebt als ausgesprochenste Lichtholzart, — die durch ihren Schatten nicht
leicht einen anderen Baum unterdrückt, aber im Schatten eines jeden anderen Wald-
baumes leidet, — räumliche Stellung, raschen üebergang vom Winter zum Sommer,
gleichmässige Temperatur des letzteren und ausgiebige Besonnung. Ihre Bodenan-
sprüche stehen zwischen Tanne und Fichte; Tiefgründigkeit, massige Frische und
mittlere Lockerheit des Bodens und steter Luftwechsel sind wesentliche Bedingungen
ihres Gedeihens. In Kultur besitzt die Lärche eine grosse Anpassungsfähigkeit an
andere Verhältnisse.
Die Variationsfähigkeit der Lärche ist gering. An wildwachsenden
Bäumen sind beobachtet: I.Abänderungen in der Färbung der weib-
lichen Blüten, rötlichgelb oder rot bei der var. rubra in hohen Lagen Nieder-
österreichs, grünlichweiss — schneeweiss bei der var. alba in der Schweiz und in
Kämthen. 2. Von Wuchsformen wild nur die Schlangenlärche, lusus v i r g a ta
in Steiermark ^) , ausgezeichnet durch spärliche Entwickelung von Langtrieben und
fast vollständiges Fehlen der für die Lärche so charakteristischen abwärts hängenden
Zweige. 3. Von Standortsformen sind zu erwähnen Verbisslärche, Kandelaber-
lärche, Fahnen- und vor allem Säbelwuchs (die Neigung, sich unter dem Einfluss des
Windes an der Stammbasis säbelförmig zu krümmen).
2. Larix sibirica Ledebour, in Nord-Asien weit verbreitet, von der euro-
päischen Lärche verschieden durch sehr dichte und üppige Benadelung, viel längere
(3 — 5 cm lange) Nadeln, durch bleichgrüne weibliche Blüten und grössere, 3 — 4 cm
lange Zapfen, deren Schuppen auch zur Zeit der Reife noch deutlich filzig behaart
sind und bis zum Ausfliegen der Samen mit eingebogenen Rändern dicht zusammen-
schliessen. Die in ihrer Heimat ausgedehnte Waldungen von sehr stattlichen schnur-
geraden Stämmen bildende Lärche ist bei uns in der Jugend langsamwüchsig , treibt
etwas früher aus und wirft die Nadeln etwas später ab.
3. Larix leptolepis Gordon. Japanische Lärche. Hondo-Lärche.
Junge Triebe glänzend rötlichbraun. Nadeln bläulichgrün, an Kurz-
trieben durchschnittlich 3, an Langtrieben 3^/2 cm lang. Deckschuppen der weiblichen
Blüte im Verhältnis zur Fruchtschuppe gross, gelbgrün mit rotem Rande.
28) Abgebildet bei Herapel und Wilhelm l. c. I. p. 113.
Die Nadelhölzer. § 45. 275
Keife Zapfen je nach Standort 1^/2 — 3^2 cm lang, rötlich hellbraun mit sehr zarten,
am Rande etwas zurückgeschlagenen Samenschuppen , die jetzt doppelt
80 lang als die vertrockneten Deckschuppen sind. Keimpflanze mit 4 — 6 Keim-
nadeln, auf welche unmittelbai* die Längstriebnadeln ohne Stillstand in der Entwickelung
folgen. — Dieser in Zentraljapan einheimische Baum 1. Grösse ( — 30 M.) wurde 1861
in Europa eingeführt, ist vollständig winterhart und kann nach Mayr dem Klima nach
überall da kultiviert werden, wo Fichten und Tannen gedeihen, nach Boden dagegen
nur in den wärmsten Lagen Deutschlands. Forstlich vielfach versuchsw^eise angebaut.
4. Larix curilensis Mayr. Kurilenlärche. Junge Pflanze nach Mayr
von allen bisher kultivierten I-Ärchen sofort durch die tief blaurot en, bereiften,
etwas behaarten jungen Triebe und die langen (2^2 — 4^« cm, die obersten — 15 cm!),
steifen, harten, sichelförmig in der Nadelebene gekrümmten, 2 mm breiten, schön
dunkelgrünen Nadeln zu unterscheiden. Nadelbüschel flachgedrückt. Deckschuppen der
weiblichen Blüte blaurot. Zapfen 1,5 — 2,5 cm lang, 1,5 cm dick, bis zur Reife
dunkelrot bleibend. Deckschuppen so lang wie die Fruchtschuppen oder kürzer — V^
so lang. Zapfenspindel orangefarben behaart. Keimpflanze meist mit 5 schmalen,
harten, nach oben (bei leptolepis meist schwach abwärts) gekrümmten Keimnadeln,
auf welche 5 halb so lange aber doppelt so breite blaugrüne Nadeln folgen , worauf
das Wachstum für 8 — 10 Wochen mit einer glänzend braunen Knospe abschliesst. —
Dieser auf den Kurileninseln im äussersten Nordosten Japans, in gleicher Klimalage
wie vorstehende Art, einheimische seltene Baum , der bis zu 25 Meter Höhe erreicht,
wurde 1889 von Mayr in Deutschland eingeführt, ist völlig frosthart, übertrifl't bis
jetzt an Raschwüchsigkeit alles Einheimische und Fremde in geeigneter Lage (6 M.
mit 7 Jahren!) und ergrünt von allen Lärchen zuerst, ohne durch — 10*^ beschädigt
zu werden.
5. Larix dahurica Turczaninow. Dahurische Lärche, in den
Hochgebirgen des Amurgebiets in Ostasien, Dahurien und der Insel Sacchalin heimisch,
bis 20 Meter hoch, an ihrer weit gegen das Eismeer vorgeschobenen Polargrenze als
Krummholz die Grenze jeglichen Baumwuchses bildend, ist wie die folgende
Art durch arm schuppige, kleine, glänzende Zapfen ausgezeichnet, deren oberste
Schuppen weit klaffen und kaum kleiner sind. Zapfen ca. 20 schuppig, kugelig,
1,2 — 1,5 cm lang.
6. Larix americana Michaux. Oestliche amerikanische Lärche.
Ein bis 30 Meter Höhe erreichender Waldbaum des östlichen Nordamerika von Vir-
ginien bis Kanada, auch auf sumpfigem Boden gedeihend, mit nur 1,2 — 2 cm langen, fast
kugeligen, nur ca. lOschuppigen Zapfen. In Europa 1739 eingeführt.
7. Larix occidentalis Nuttall. Tamarack, westliche amerikani-
sche Lärche. Dieser wichtige, oft ausgedehnte Bestände bildende, 40 — 80 Meter
Höhe erreichende Waldbaum der Gebirge des nordwestlichen Amerika gleicht im Habitus
unserer Alpenlärche, von der er sich aber durch seine Zapfen unterscheidet, deren
Fruchtschuppen, von den ziemlich verlängerten Deckschuppen überragt, am offenen
ca. 2 — 3 cm langen Zapfen horizontal abstehen. Junge Triebe kahl, glänzend bräun-
lich. Der amerikanische Forstbotaniker Sargent vermutet, diese Lärche könne einer
der nützlichsten Bäume in Nordeuropa werden.
8. LarixLyalliiParlatore. Kleiner (selten — 1 5 M. hoher), ästiger, sparriger
Baum vom obersten Vegetationsgürtel in dem Hochgebirge Britisch-Kolumbiens und
der Nordgrenze der Vereinigten Staaten mit weisswollig behaarten Trieben
und dunkelvioletten Deckschuppen, deren lange grannenförmige Spitze auch beim reifen
ca. 4 cm langen, 2 cm dicken Zapfen die Fruchtschuppen weit überragt.
18*
276 III. Klein, Foretbotenik.
9. Larix Griffithii Hooker fil. et Thomson. Himalavalärche,
aas dem östlichen Himalaya — 18 M. hoch, mit cylindrischen, 5 — 8 cm langen,
2 cm dicken Zapfen mit senkrecht über die Fruchtschnppen zurückgeschlagenen,
znngenförmigen, gespitzten Deckschnppen und kahlen, braunroten Zweigen. Ca. 18o(>
in Europa eingeführt, selten echt, nur für milde Lagen als Parkbaum geeignet.
§ 43. Pseudolarix. Goldlärche. Einzige Art Pseudolarix
Kaempferi Lambert. Chinesische Goldlärche, von den echten Ijärchen durch die
bei der Reife wie bei Abies zerfallenden Zapfen, die inDolden auf der Spitze
von Kurztrieben sitzenden männlichen Blüten und die an zwei und mehrjährigen Kurz-
trieben pfriemlich zugespitzten Knospenschuppen unterschieden. —
Grosser, bis 40 m hoher, schöner Baum der Gebirge des nordöstlichen China mit quirl-
ständigen, fast horizontal abstehenden Aesten, dessen matt tiefgrüne, breite und lange,
weiche Nadeln sich im Herbste goldgelb färben. 1856 in Europa eingeführt, prächtiger
winterharter Ziei*baum, leider oft verkrüppelt.
§ 44. C e d r u s. C e d e r. Verzweigung und Benadelung wie bei den Lärchen,
die stechend spitzen, steifen Nadeln von mehrjähriger Lebensdauer.
Männliche Blüten am Grunde gleichfalls von einem Nadelbüschel umgeben. Zap-
fen gross, erst im zweiten oder dritten Sommer reifend und dann wie bei den
Tannen zerfallend. Samen mit grossem Flügel und Terpentinblasen in der weichen
Samenschale. — 3 Arten. Sehr dekorative, auch im Alter fast bis zum Boden herab
beastete Bäume mit breit ausladender Krone, auf die Dauer nur in sehr milden und
luftfeuchten Lagen in Deutschland gut aushaltend; prachtvolle Exemplare von gewal-
tigen Dimensionen schon am Genfer See. (Cf. Baumalbum der Schweiz.)
1. Cedrus Deodära London. Himalaya-Ceder, Deodar. Krone
pyramidal mit überhängendem Wipfel. Nadeln länger als bei den folgen-
den, bis 5 cm, aber dünner und weniger starr. Zapfen kahl, 8—12 cm lang, 6cm
dick, auf dem Scheitel nicht eingedrückt. — Im nordwestlichen Himalaya heimisch,
bis 50 m Höhe und 3 m Durchmesser erreichend. 1822 in Europa eingeführt, relativ
am härtesten.
2. Cedrus Libani London. Libanon-Ceder. Krone junger Bäume
pyramidal mit überhängendem Wipfel; im Alter breit schirmförmig, in Etagen
abgeflacht. Nadeln kurz (bis 3,5 cm) starr, meist IVa mal breiter als dick. Zapfen
6 — 10 cm lang, 4 — 7 cm dick wie bei C. atlantica ftlzig behaart und am Gipfel ein-
gedrückt. — In den Gebirgen Kleinasiens einheimisch, bis 40 m Höhe und oft enormen
Umfang erreichend, 1683 in Europa eingeführt.
3. Cedrus atlantica Manetti. Atlas-Ceder. Jung der Libanon-
ceder sehr ähnlich, aber der Wipfel stets aufrecht und die Krone bleibend
pyramidal. Zapfen 5 — 6 cm lang und 4 cm dick. — Auf den Gebirgen Nordafrikas
heimisch und waldbildend, bis 40 m hoch. 1842 in Europa eingeführt.
Die Kiefern. (Pinus), (franz. Pin.)
§ 45. Die Kiefern besitzen Lang- und Kurztriebe. Die Langtriebe tragen
nur an einjährigen (seltener auch noch an 2 — 4jährigen) Pflanzen spiralig ange-
ordnete Einzel nadeln. Die älteren Langtriebe tragen nur trockenhäutige Schup-
penblätter, in deren Achseln die nadeltragenden Kurztriebe stehen. Die Kurztriebe
beginnen stets mit Schuppenblättem , den Nadelscheiden, und tragen am Ende
ihrer äusserst kurzen und dünnen Achse ein Büschel von je nach der Species 2, 3 oder
5 halbstielrunden oder dreikantigen Nadeln von mehrjähriger Lebensdauer. Die männ-
lichen Blüten stehen an jungen Langtrieben und zwar an Stelle vonKurztrieben
Die Nadelhölzer. § 46. 277
büschelig oder traubeiiförmig gehäuft unterhalb der Endknospe des Triebes, jede einzelne
gestielte Blüte in der Achsel eines trockenhäutigen Deckblättchens. Die Pollen-
säcke springen der Länge nach auf; die Pollenkörner besitzen zwei seitliche
Fl agblasen. Die kleinen weiblichen Blüten, an der Basis von Knospenschuppen
umgeben, aus Quirlkospen entstanden, stehen am Ende junger Triebe, entweder
einzeln scheinbar endständig (neben der Endknospe subterminal, wenn nur eine Quirl-
knospe zur weiblichen Blüte wird) zu zweien gegen- oder zu mehreren quirlständig.
Die Zapfen sind zuletzt meist hängend und reifen im zweiten oder dritten
Jahre. Die Deckschuppen sind von Anfang an kleiner als die fleischigen PYucht-
schoppen. Die Fruchtschuppen schliessen bis zur Samenreife fest zusammen und
tragen an dem meist verdickten Ende eine scharf abgesetzte, an der Aussenfläche des
Zapfens sichtbare Endfläche, die Apophyse, auf der sich meist ein Höcker, der
Nabel befindet. Die Samen besitzen meist einen schmalen Flügel , der mit seiner
Basis den Samen zangenartig umfasst; seltener ist der Flügel verkümmert. Die
Verzweigung des Stammes wie der Aeste erfolgt nur durch Quirlknospen,
die zu drei oder mehreren unter der Endknospe stehen. Zwischenknospen fehlen den
Kiefern normaler Weise vollständig und die Krone der jungen Kiefer ist infolge
dessen ganz regelmässig aus Astquirlen aufgebaut, welche diese Verzweigung
wiederholen. Die Nadeln werden im allgemeinen im 3. — 6. Jahre abgeworfen und die
Benadelung der Krone ist eine viel lichtere als bei den Fichten und Tannen. Als
ausgesprochene Lichtholzarten reinigen sich die Kiefern auch bei freiem Stande weit
hinauf von Aesten, die Krone verlichtet sich gleichfalls und verliert ihren für die junge
Pflanze so charakteristischen regelmässigen Bau und die ursprünglich stets kegelförmige
Kronenform schliesslich vollständig, indem mit höherem Alter einzelne Seitenäste sich
stärker als der Gipfel entwickeln und die Verzweigung wie namentlich die Entwickelung
der einzelnen Zweige sehr ungleichmässig vor sich geht. Die alte Krone wird so immer
anregelmässiger, laubholzähnlicher oder wölbt sich mehr und mehr ab, bei der Pinie
bis zur vollkommenen Schirmform.
Die meisten Kiefern besitzen eine starke Pfahlwurzel und kräftige weit streichende
Seitenwurzeln. Das Holz ist reich an Harzkanälen, Splint und Kernholz sind gewöhn-
lich verschieden gefärbt. ^
Die Kiefern sind immergrüne Waldbäume der nördlichen gemässigten Zone bis
zur Polargrenze des Baumwuchses und überschreiten nur in den Gebirgen den Wende-
kreis. Ca. 80 Arten**), von welchen hier nur die für unsere Zwecke wichtigsten be-
handelt werden können.
1. Sektion Pinaster.
Zapfenschuppen fest, dick und holzig. Apophyse rhombisch,
durch einen queren Kiel in ein oberes und unteres Feld geteilt. Nabel in der
Mitte des Kiels. Centralstrang der Nadeln zwei neben einander liegende Gefäss-
bnndel enthaltend.
a) Zweinadelige Kiefern (Subsektion Pinea.)
Die Kurztriebe tragen normalerweise 2 (selten 3 oder nur 1) Nadel. Mit Aus-
nahme von P. Cembra und P. Peuce gehören alle europäischen Kiefern hierher.
29) Vergl. Ascherson und Graebner, Synopsis der mitteleur. Flora I, wo die sehr ver-
wickelte Systematik der centraleuropäischen Kiefern mit ihren zahlreichen Varietäten und
Bastarden in mustergiltiger Weise dargestellt ist. Bezüglich der amerikanischen und japa-
nischen , bei uns zu versuchsweisem Anbau empfohlenen Arten vergl. die vorzüglichen Werke
Mayr^s.
278 III. Klein, Forstbotanik.
§ 46. 1. Pinus silvestris Linn6. Gemeine Kiefer, Föhre, For-
che, Weissföhre ist nächst der Fichte der verbreitetste Waldbaum. Rinde der
benadelten Zweige glatt, glanzlos, graugelb (scherbengelb), der älteren Aeste und jün-
geren oberen Stammteile, etwa vom 10. Jahre ab, leuchtend rot gelb, in papier-
dünnen Streifen und Fetzen sich abschilfernd; im Alter eine dicke, innen rotbraune,
aussen graubraune Tafelborke. Knospen gross, 1 — 2 cm lang, spitz, eilänglich, meist
nicht verharzt, mit grauen oder rötlichen, meist anliegenden Schuppen. Nadeln
zweifarbig, aussen dunkelgrün , auf der flachen Seite durch Wachsausscheidung
meergrün, im allg. 4 — 6 cm lang, 2 mm breit, auf schlechtem Standort bis 2, bei be-
sonders üppiger Entwickelung bis 8 cm lang, von der Basis zur Spitze meist um einen
ganzen Umgang um ihre Längsachse gedreht. Epidermiszellen, wie
bei allen andern Arten ausser P. montana, im Querschnitt so hoch wie breit mit
punktförmigem Lumen; Harzgänge meist zahlreich, von einem Ringe auffal-
lend dickwandiger Zellen umgeben, unmittelbar an die äusserste Zellschicht
der Nadel grenzend ; zwischen beiden Gefässbündeln eine mächtige Sklerenchym-
zellgruppe. MännlicheBlüten eiförmig, kaum 1 cm lang, auf der unteren
Hälfte diesjähriger Langtriebe, die über ihnen benadelte Kurztriebe entwickeln und nach
dem Abfall der männlichen Blüten am Grunde kahl bleiben. Weibliche Blüten
gestielt, einzeln oder zu zweien unterhalb der Endknospe diesjähriger Langtriebe, rund-
lich eiförmig, bis 0,5 cm lang, mit kleineren, zarten, grünlichen Deckschuppen und
grösseren, fleischigen, mit hornartig vorstehender Spitze versehenen, grünen, rotüber-
laufenen Fruchtschuppen. Nach dem Verblühen vertrocknen die Deckschuppen, die
Zapfen krümmen sich abwärts und färben sich gelblich grau und wachsen bis zum Herbste
nur unbedeutend. Im zweiten Frühjahr wachsen sie zu grünen Zapfen heran, welche
im Oktober reifen und an ziemlich langem Stiele hängen. Reife Zapfen aus
schiefem, meist etwas verschmälertem Grunde eikegelförmig, 2,5 — 7 cm lang und 2— 3,5 cm
dick , graubraun , oft völlig glanzlos. Apophysen auf der Ijichtseite des
Zapfens meist stärker hervorragend, bis 8 mm breit, grösstenteils fast quadratisch,
zum Teil 5- und 6eckig, mit flachem oder etwas konvexem Oberfeld.
Nabel in der Mitte der Apophyse, meist ohne Stachelspitze, klein, meist hellbraun,
glänzend, nicht schwarz umrandet. Samen 3 — 5 mm , teils gelb , teils
schwarzbraun, mit dem Flügel ca. 15 mm lang. Ein Kilo geflügelten Samens enthält
115000— 1250(X), von entflügeltem 150000—180000 Samen. Von ersteren gehen 13—15
Kilo, von letzteren 40—45 Kilo aufs Hektoliter. — Bei der sog. „Zapfensucht" ent-
stehen am unteren Teil des neuen Triebes Zapfen in sehr grosser Zahl an Stelle von
männlichen Blüten.
Die Mannbarkeit tritt ohne Beeinträchtigung der Keimfähigkeit des Samens
bei freiem Stande schon mit 15 — 20 Jahren, im Schlüsse zwischen dem 30. und 50.,
auf feuchten Böden gar erst zwischen dem 70. und 80. Jahre ein. Wiederkehr reich-
licher Samenjahre durchschnittlich alle 3 Jahre. Die Blütezeit fällt im Süden in den
Mai, im Norden kann sich ihr Beginn bis Anfang Juni hinziehen. Die reifen Zapfen
springen gewöhnlich im März oder April des 3. Jahres auf, lassen die Samen ausfliegen
und bleiben dann noch bis zum Herbste hängen. Reiche Samenjahre folgen sich im
Durchschnitt alle 3 — 4 (5) Jahre. Guter Samen hat eine Keimfähigkeit von 60 — 70**/o.
Dauer der Keimkraft 3( — 4) Jahre bei starker Abnahme der Keimprozente. Die Kei-
mung erfolgt bei Frtihlingssaat je nach Witterung, Lage und Boden in (2) 3—6 Wochen.
Die Keimpflanze besitzt einen Quirl von 4 — 7 bis 2 cm langen, dreikantigen,
glattrandigen, bogig aufwärts gekrümmten Keimblättern und entwickelt im ersten Jahre
einen gewöhnlich ca. 5, unter besonders günstigen Umständen 8 — 10 cm langen Höhen-
Die Nadelhölzer. § 46. 279
trieb, welcher mit einzeln stehenden, schwertförmigen, an beiden Eändern fein säge-
zähnigen Nadeln besetzt ist, mit einer gewöhnlich unter einem dichten Nadelbüschel
versteckten Endknospe schliesst und bei kräftigen Pflänzchen auch einzelne Achselknospen
entwickelt, welche im zweiten, mitunter schon im gleichen Jahre zu 2nadeligen Kurz-
trieben, abnormer Weise auch zu Scheidetrieben auswachsen, in der Regel aber zu
kurzlebigen schlafenden Augen werden. Die Pfahlwurzel verlängert sich schon im
1. Jahre um das 3— 4fache des oberirdischen Pflänzchens, wie denn das Wurzelsystem
überhaupt sich im 1. oder 2. Jahre besonders ausbildet. Im 2. Jahre erreicht das
Pflänzchen eine Länge von ca. 13 — 16 cm. Der zweite Jahrestrieb beginnt mit einzeln
stehenden schwertförmigen Nadeln, auf die weiterhin solche mit 2nadeligen Kurztrieben
in den Achseln und schliesslich nur noch Kurztriebe in der Achsel bald abfallender
Schuppen folgen. Der zweite Jahrestrieb schliesst mit einigen Quirlknospen unter der
Endknospe ab. Im 3. Jahre beginnt die*Entwickelung von Quirlästen und werden nur
noch Kurztriebe in der Achsel von Schuppen gebildet. Auf üppigem Boden können
sich an 7 — 10jährigen etwa mannshohen Pflanzen nach Nördlinger ^*^) noch zahlreiche
Scheidetriebe entwickeln. Das weitere Wachstum der Kiefer in den ersten Jahrzehnten
ist äusserst rasch und wird von den Nadelhölzern nur noch von der Lärche und der
Wejrmouthskiefer übertroifen. Es erreicht je nach Standortsgüte zwischen dem 15. und
25. Jahre seinen Höhepunkt, hält aber dann noch lange an. Im Durchschnitt erreicht
die Kiefer unter mittleren Standortsverhältnissen in 80 Jahren ca. 20 m, bei günstigsten
Verhältnissen bis 25 m, in mehrhundertjährigem Alter unter günstigsten Bedingungen
bis zu 40 (48) m. Maximalalter ca. 600 Jahre. — Die Nadeln fallen samt den tra-
genden Kurztrieben gew^öhnlich im Herbste des 3. Jahres ab, auf trockenem Boden, in
trockener Luft wie unter dem Einfluss salzhaltiger Seewinde schon im 2., in luftfeuchten
Gebirgslagen auch wohl erst im 4. Jahre.
Die normale Verzweigung der Kiefer geht nur von den an den Enden
der Langtriebe stehenden Quirlknospen aus, die auch an Seitenzweigen in grösserer
Anzahl stehen. Die jungen Kurztriebe, welche schon in der Knospe angelegt sind,
kommen gleichzeitig mit den Langtrieben zur Entfaltung, welch le4ztere anfUnglich iv^ie
Kerzen aufrecht stehen. Die Endknospen der Kurztriebe entwickeln sich normaler
Weise nicht weiter; sie besitzen die Natur schlafender Augen und können sich nach
dem Verlust der Nadeln (durch Raupenfrass z. B.) zu bleibenden, schmächtigen, kurz
und dicht benadelten normalen Langtrieben, den sog. „Scheidetrieben" 5^) entwickeln.
Von den Quirlknospen bleibt gewöhnlich die eine oder andere kleiner und schlafend,
um sich nach starken Nadelbeschädigungen zu meist nur mit einzeln stehenden schwert-
förmigen Nadeln besetzten Langtrieben, den „Rosettentrieben" zu entwickeln.
Das Wurzelsystem der Kiefer entwickelt, wo es der Standort irgend gestattet, eine
tief in den Boden eindringende kräftige Pfahlwurzel und tief absteigende Seitenwurzeln.
Das Kiefernholz besitzt an starken Stämmen einen oft handbreiten, gelblich-
bis rötlichweissen Splint und ein im allg. ^/s des Querschnittdurchmessers umfassen-
des Kernholz, das nach dem Fällen anfänglich meist die gleiche Farbe zeigt, später
aber deutlich rotbraun wird. Die Spätholzschichten der Jahresringe treten wie
beim Lärchenholz deutlich hervor. Durch die in Jahrestriebentfemung stehenden Ast-
quirle lassen sich Kiefernbretter von Lärchenbrettern leicht unterscheiden. Das
Holz ist reich an Harzkanälen, die grösser als bei der Fichte und Lärche und meist
schon mit freiem Auge zu erkennen sind. Die Markröhre ist im Gegensatz zur
30) Nördlinger, Deutsche Forstbotanik IL p. 367.
31) Abgebildet bei Hempel und Wilhelm 1. c. I p. 122 und Ratzeburg, Waldverderbnis
I. Tafel la, Fig. 5.
280 III. Klein, Forstbotanik.
Lärche sehr stark , bis 4 mm. Das Mikroskop zeigt einreihige und mehrreihige
Markstrahlen mit einem Harzgan^ in der Mitte. Die randständigen Zellen der Mark-
strahlen zeigen wie bei Fichte und Lärche Tracheiden Charakter mit kleinen Hof-
tiipfeln, sind aber von jenen auf dem Kadialschnitt leicht durch die zackigen, kamm-
ähnlichen Wandverdickungen zu unterscheiden. Ausserdem korrespondieren die Mark-
strahl p a r e n c h y m zellen mit den angrenzenden Tracheiden durch sehr grosse,
fast die ganze Breite des Tracheidenlumens einnehmende Tüpfel.
Das geographische Verbreitungsgebiet der Kiefer ist ein ausser-
ordentlich grosses, es geht von der Sierra Nevada (37°) in Spanien, von Oberitalien
und von Siebenbürgen bis zum 70® an der Westküste Norwegens und gegen 69*^ in
Lappland, weiter östlich durch Sibirien, dort nahe an den Polarkreis heranrückend, bis
zum Amurgebiet und durch Kleinasien bis nach Persien, also weiter nach Norden und
Osten als dasjenige der Fichte. In diesem ungeheuren Gebiet bildet die Kiefer, nament^
lieh auf tiefgründigem Sandboden und insbesonders im norddeutschen Flachlande aas-
gedehnte Wälder, viel häufiger für sich allein als mit anderen Holzarten gemischt. In
den Tiefländern der Nord- und Ostsee ist sie der herrschende Waldbaum. In Mittel-
und Süddeutschland, in Oesterreich und der Schweiz, wo sich die Kiefer unter den
verschiedenartigsten Bedingungen findet, ist ihr Anteil an der Waldbildung geringer
und kommt sie vorzugsweise eingesprengt vor, bildet aber auch hier, namentlich in der
Rheinebene, auf dem Hauptsmoor bei Bamberg und in der ungarischen Marchniederung
ebenfalls ausgedehnte Waldungen. In der immergrünen Region des Mittelmeergebietes
fehlt sie meist, ebenso im ungarischen Tieflande, in den Steppen Südrusslands und auf
den dänischen Inseln. Im Gebirge steigt sie nicht so hoch wie die Fichte, im Harz
bis 350 m, im Thüringerwald bis 500 m, im Spessart und Odenwald bis 650 m, im
Jura bis 770 m, im bayrischen Wald bis 950 m, im Schwarzwalde bis 1000 m, Kar-
pathen und Vogesen bis 1200 m, in den bayr. Alpen und Apenninen bis 1600 m, Cen-
tralalpen bis 1950 m und Pyrenäen bis 2000 m.
Was die Standortsansprüche anlangt, so geht schon aus der geographi-
schen Verbreitung hervor, dass die Kiefer ein ausserordentliches Anpassungsvermögen
an klimatische Gegensätze besitzen und gegen Winterfrost wie Sommerhitze in gleichem
Masse unempflndlich sein muss. Ebenso gehört sie hinsichtlich der Bodenansprüche wie
der Ansprüche an Luftfeuchtigkeit zu den allerbescheidensten Holzarten und wird in-
folge dessen überall da angepflanzt, wo keine andere Hauptholzart mehr befriedigende
Erträge liefert. Bei Beurteilung der Standortsansprüche ist nicht zu übersehen, dass
eben viele Standorte der Kiefer nicht solche freier Wahl sind. Zu üppigem Gedeihen
bedarf sie immerhin einer massigen Bodenfrische, wenn sie auch zur Zeit grösster Dürre
vermöge ihrer tiefgehenden Bewurzelung ihren Wasserbedarf aus Bodenschichten zu
decken vermag, die kein anderer Waldbaum mehr erreicht, und vor allem genügender
Tiefgründigkeit und einer gewissen Lockerheit des Bodens ohne Rücksicht auf dessen
geognostische Zusammensetzung. Auch bezüglich der Bodenverhältnisse zeigt die Kiefer
eine ungemeine Anpassungsfähigkeit. Nur auf sehr bindigem Thonboden, sehr dürrem
Sand und sumpfigem, namentlich torfigem Boden kümmert sie, ist aber immerhin meist
die einzige Holzart, welche auf letzteren Bodenarten noch fortkommt. Als ausgespro-
chene Lichtholzart wird die Kiefer von den wichtigeren Holzarten nur durch die Birke
und Lärche hinsichtlich der Empfindlichkeit gegen Beschattung übertroffen. Je geringer
der Standort, desto grösser ist diese Empfindlichkeit. — Die Kiefer ist nicht minder
formenreich als die Fichte.
Nach Wuchs und Verzweigung etc. unterscheidet man bei uns wildwach-
send folgende Spielarten 3^):
Die Nadelhölzer. § 46. 281
a) Nach Wuchs und Verzweigung (sehr selten).
1. Lusus fastigiäta Carriere. Säulenkiefer. Aeste der schmal
pyramidalen Krone aufstrebend. Bis jetzt wild nur in Frankreich und Norwegen ge-
funden, wohl auch bei uns.
2. L. compr6ssa Carriere, von vorstehender Form nur durch sehr kurze
(1 — 2 cm lange) Nadeln unterschieden, in Graubünden.
3. L. pendula Caspari. Trauer kief er. Aeste grösstenteils oder sämt-
lich schlaff hängend, die untersten dem Boden aufliegend, sehr selten in Brandenburg
und Ostpreussen.
4. L. virgäta Caspar y. Schlangen kief er. Hauptäste aufrecht ab-
stehend, zum Teil einzeln, verlängert, nur oberwärts spärlich verzweigt. Sehr selten
bisher nur in Westpreussen und Frankreich beobachtet.
b) Nach der Beschaffenheit der Rinde (sehr selten).
5. L. annuläta Caspar y. Schuppe nkiefer. Stamm durch fast regel-
mässige Ablösung der Borkenschuppen an ihrem unteren Ende auf ^/i seines Umfangs
geiingelt. Bis jetzt nur in der Provinz Brandenburg.
c) Nach den Nadeln (sehr selten) :
6. li. parvifolia Heer. Nadeln nicht über 2,5 cm lang. Angegeben in Schle-
sien, Westpreussen, Veltlin, Mähren und Niederösterreich.
7. L. microphylla Graf Schwerin. Nadeln nur 10 — 15 mm lang. Prov.
Brandenburg.
8. L. variegäta Carriere mit zum Teil ganz oder teilweise weissen Nadeln.
Westpreussen. Oefters in Gärten gezogen.
d) Nach der Farbe der Staubbeutel:
9. L. erythranth^ra Sanio (Syn. var. rubra Bechstein, var. rubriflora Bu-
chenau), Staubbeutel rosa bis carminbraunrot , im nordwestlichen Deutschland (z. B.
Bremen), Brandenburg, Schlesien, West- und Ostpreussen, Erlangen und Baden be-
obachtet.
e) Nach der Form des Zapfens bezw. der Apophysen:
10. L. g e n u i n a Heer. Zapfen eikegelförmig. Apophysen nicht höher
hervorragend als ihre Breite beträgt ; zerfällt in die Untei-formen :
a) plana Christ. Apophyse der Lichtseite scharf quer gekielt, auch
mit einem Längskiel, eventuell unterseits oder beiderseits zwei radialen Kielen; ihre
Erhebung geringer als die halbe Breite. — So allgemein verbreitet!
ß) gfbba Christ. Apophysen der Lichtseite mit stumpfem und breitem Quer-
wulst, dessen Abdachungen konkav sind ; ihre Erhebungen zwischen V^ tind der ganzen
Breite: so seltener.
11. L. hamäta Steven (syn. reflexa Heer, Caspari, Willkomm). Zapfen bis 7 cm
lang, schmal kegelförmig. Apophysen der Lichtseite in eine an der Spitze den Nabel
tragende Pyramide erhöht, deren Länge die Breite der Apophyse tibertrifft; diese Pyra-
mide an den unteren Schuppen nach dem Grunde des Zapfens zurückgekrtimmt, an den
oberen mehr oder weniger nach dessen Spitze hin gekrümmt. — Besonders an Krüppel-
exemplaren auf zu nassem oder armem Boden.
Als klimatische Wuchs- und als Standorts formen sind bekannt:
1. Forma turfösaWörlein. Die Moorkiefer Willkomms. Eine V^ — 2 m
hohe Kriippelform mit dünner, dürftiger, kurzer Benadelung auf Hochmooren, vereinzelt
in Deutschland und Oesterreich, oft vom Habitus der Knieholzkiefer, in deren Gesell-
32) Nach der Zusammenstellung bei Ascherson und Gräbner 1. c. p. 222 ff.
282 III. Klein, Forstbotanik.
Schaft sie oft wächst, häufig und förmliche Best&nde bildend in den Mooren der mssi-
schen Ostseeprovinzen , wo sie selten über mannshoch wird , bis znm Fnss beastet ist
und sehr starre, 3 cm lange, schon im zw^eiten Jahre abfallende Nadeln besitzt. Nach
Entwässerung des Moores kann sie noch zum kräftigen Baume erwachsen.
2. Die Strandkiefer der Ostseeküsten, von Mecklenburg bis zu den russischen
Ostseeprovinzen, schon in der Jugend buschig, vom Sturm vielfach zerzaust und zer-
brochen, mit Sekundärwipfeln, Krone bei jüngeren Bäumen bis zum Boden reichend,
8tamm sehr stark werdend, aber selten über 20 m, meist krumm oder gewunden, auf
Dünen selbst vollständig niederliegend, Krone ganz unregelmässig, breit und umfangreich.
3. als K US sein bezeichnet man in Nordostdeutschland die auf ganz armem
Sandboden vorkommenden, meist durch Wind und Tierfrass beschädigten einzeln oder
in kleinen Horsten stehenden Krüppelfornien.
4. forma fruticosa Borbas, Strauchkiefer von krummholzähnlichem Wuchs
in rauhen Gebii*gslagen, so in den Julischen Alpen und im Banat.
Als richtige Varietät (oder Unterart) ist zu unterscheiden als entschiedene Mittel-
form zwischen der gemeinen Kiefer und der Bergkiefer:
P. engadinensis Heer. Knospen harzig. Kurztriebe länger
lebend als bei der Hauptart (oft 5 Jahre). Nadeln sehr dicht, sehr dick
(fast 2 mm) und starr, ziemlich lang und scharf zugespitzt, nicht über 4 cm lang, auf
der gewölbten Seite oft gelbgrün, auf der planen meergrün. Zapfen sehr variie-
rend, im allgem. eikegelförmig, 4—6 cm lang, kurz gestielt ; Apophysen glän-
zend, grünlich- bis scherbengelb, auf der Lichtseite stark konvex; Nabel gross,
stumpf, oft mit schwärzlichem Ring. — Schlanker, bis 10 m hoher, vom
Grunde aus ästiger Baum mit pyramidaler oder ausgebreiteter Krone, der stets die für
P. silvestris so charakteristische, leuchtend rotgelbe Korkhaut trägt. Nur im Ober-
engadin in Mischung mit Arven und Bergkiefern und im Ober-Inntal gefunden. Wahr-
scheinlich gehört hierher die jedenfalls sehr nahe stehende P.FrieseanaWichura,
die jenseits des Polarkreises in Lappland grosse Wälder bildet und deren Kurztriebe
8 Jahre dauern sollen. — Die im Eintischtal im Wallis und bei Tarasp in Granbünden
beobachtete Abart monticola (Schröter), nur durch 7—9 Jahre dauernde Kurztriebe
von der Hauptart verschieden, stellt jedenfalls ein Bindeglied derselben mit der Unter-
art dar.
§ 47. 2. Pinus montana Miller. Bergkiefer. Krummholz-
Kiefer. Diese sehr vielgestaltige Holzart ist von der gemeinen Kiefer durch
folgende Merkmale unterschieden : Knospen meist dick mit Harz überzogen.
Kinde der jungen Triebe glänzend, grünlich- bis violettbraun , an den Aesten dun-
kel, sich nicht in dünnen Schuppen abschilfernd. Nadeln gewöhnlich 2 — 5 cm
lang, derber, stumpfer, weniger gedreht, gleichfarbig (nur an diesjährigen Nadeln
die Innenseite mitunter heller), im Querschnitt die Ober hautzellen grösser, stets
höher wie breit (Lumen s trichf örmig); Harzgänge weniger (2-6);
Sklerenchym im Zentralstrang, besonders bei den strauchigen Formen, spärlich
oder fehlend. Kurztriebe dichter, die Nadelpaare oft säbelförmig gegen die
Langtriebe gekrümmt , von längerer Lebensdauer, im Durchschnitt 5 Jahre,
an einzelnen Zweigen selbst bis zu 10! Blüten grösser, bis 1.5 cm; männliche
mit grossem gezähntem Antherenkamm, weibliche zahlreicher (2 — 4, selbst 7),
dicht unter der Endknospe der Tragzweige an kurzen Stielchen aufrecht (auch nach
der Bestäubung, meist bis zum Herbst); Fruchtschuppen bläulichrot- vio-
lettbraun mit längerem Kiel, Deckschuppen heller, über den ßand der
Fruchtschuppen etwas vorstehend. Zapfen jung oft violett, r e i f ca. 2 bis
Die Nadelhölzer. § 47. 283
5 cm lang und bis 3 cm breit, fast oder völlig sitzend, aufwärts abste-
hend bis schief abwärts gerichtet, meist glänzend, hellgrau oder gelb-
braun, zimmt-, kastanien- bis dunkel rotbraun ; Apophysen mit mehr oder weniger
gewölbtem Oberfeld. Nabel meist gross , grau oder hellbraun , von einem
schwärzlichen Einge umgeben. — Die Zweige sind verhältnismässig dick und
namentlich an hochgelegenen Standorten auffallend zäh und biegsam. Aeste
bogenförmig emporgekrümmt, am Ende selten ein Knospenquirl, meist nur eine Seiten-
knospe neben der Endknospe , schwächere Aeste oft jahrelang un ver-
zweigt. Bewurzelung reichlich verzweigt , im Gegensatz zur gemeinen Kiefer
ohne Pfahlwurzel, flach, aber mit einzelnen Seitenwurzeln auf geeignetem Stand-
ort auch tief in die Spalten des Gebirgsgesteins eindringend. —
Eintritt der Mannbarkeit frühzeitig, oft schon im 6. bis 10. Jahre, worauf
die Bergkiefer alljährlich reichlich zu fruchten pflegt. Blütezeit durchschnittlich
im Juni (seltener Ende Mai oder Anfang Juli). Die Bergkiefer blüht im (regensatz zur
gemeinen Kiefer als Knieholz nicht selten zweihäusig. Samenreife am Ende des 2. Jahres,
Aufspringen der Zapfen im Frühling des 3., worauf sie meist noch l Jahr und länger
haften bleiben und an der Oberfläche vergrauen und verwitteni. Samen, Keimung und
Ent Wickelung der jungen Pflanze im wesentlichen wie bei der gemeinen Kiefer. Keim-
kraft 50 — 60^0, Keimdauer 2 — 4 Jahre. — Was die Wuchsform anlangt, so tritt
die Bergkiefer als aufrechter Baum, als stammloser Strauch oder als Knie-
holz auf. Die Baumform kann bis 25 m Höhe erreichen, ihre Krone ist meist tiefer
herab beastet, schmal kegelförmig oder abgewölbt; beim Knieholz, auch Latsche,
I^egföhre, Krummholz genannt, sind der Hauptstamm, wenn überhaupt vorhanden, und
die stärksten Aeste, auf geneigtem Terrain stets talabwärts niedergedrückt, bei 10
bis 16 cm Stärke 6 — 12 m lang und zuweilen wurzelschlagend, am Ende bogig 1 bis
2 m hoch sich aufrichtend ; bei der Buschform fehlt der Hauptstamm , die Aeste
breiten sich auf dem Boden bis 2 oder 3 m mehr oder weniger allseitig aus und rich-
ten sich dann bis zu ca. 3 m Höhe empor, einen dicht geschlossenen Busch bildend.
Nach Th. Hartig können die Nachkommen einer und derselben Bergkiefer verschiedene
Wuchsformen zeigen.
Wuchs sehr langsam, besonders beim Knieholz. Alter bis ca. 200 und 300 Jahre.
Das Holz gleicht demjenigen der gemeinen Kiefer , nur sind die Jahresringe meist
schmäler und meist exzentrisch, und der Kern ist meist heller rötlich-braun ; es ist mit
Ausnahme der Eibe und Zerreiche schwerer als das aller anderen einheimischen Holz-
arten, sehr hart und namentlich auf trockenem Boden ausserordentlich harzreich.
Die Rinde zeigt gewöhnlich erst bei Armsdicke der Zweige Borkenbildung; die
Borke erreicht niemals entfernt die Stärke wie bei der gemeinen Kiefer und ähnelt in
höherem Alter sehr der Fichtenborke.
Baum- und Stirauchformen sind vielfach durch den Einfluss des Standortes be-
dingte Wuchsformen und darum zur Unterscheidung von Varietäten für sich allein
nicht benutzbar.
Die Zapfenform der Bergkiefer variiert ungemein. Nach ihr hat Will-
komm '^) 3 in einander tibergehende Unterarten unterschieden, deren beide ersten
selbst wieder in eine grosse Zahl Abarten zerfallen.
A. uncinata Willkomm. Hackenkiefer. A pophy sen der Licht-
seite viel stärker als die der Schattenseite entwickelt, meist im
unteren Drittel (seltener nur an der Basis oder am ganzen Zapfen) kapuzen- bis
33) Willkomm, Forstl. Flora. 2. Aufl. p. 211—218, Ascherson u. Gräbner 1. c. p. 225—228.
284 TU. Klein, Forstbotanik.
pyramidenförmig: erhöht and nach der Basis des Zapfens zurück-
gekrümmt; Nabel daher stets exzentrisch. Keimnadeln 7. Diese Unterart zer-
fällt in die 3 Abarten rostrata, rotundata und psendopumilio und diese wieder in meh-
rere hier nicht aufgeführte Unterabarten.
I. rostrata Willkomm. Zapfen (bei unseren Formen) 2,7 — 4 (seltener 5) cm
lang, kegel-, selten eiförmig. Apophysen der Uchtseite in eine vierseitige, zu-
sammengedrückte, Zungen- oder schnabelförmige, hackigzurückgekrümmtePy-
ramide mit stark vorragendem Nabel erhöht, die so lang bis doppelt so lang
als die Breite der Apophyse ist. — So ausschliesslich in den Westalpen, mit n
in den Schweizer-, vereinzelt auch in den Ostalpen, im Jura, Schwarzwald, Böhmerwald
und Erzgebirge.
II. rotundata Willkomm. Sumpf kiefer, Moorföhre, Moorkiefer, Legföhre,
Krummholz, Knieholz, Latsche, Zündern, Teufem, als Baum in den Alpen Spirke.
Zapfen wie bei I, Apophysen der Lichtseite in eine nur schwach abwärts ge-
krümmte Pyramide erhöht, die kürzer ist als die Breite der Apophyse; oder
nur das Oberfeld der Apophyse ist kapuzenförmig zurückgekrümmt. — Mit Ausnahme
der Westalpen im ganzen Alpengebiet und den deutschen Mittelgebirgen verbreitet.
III. psendopumilio Willkomm. Zapfen : auch reif abwärts stehend,
klein, höchstens 2,5 cm lang , eiförmig. 0 b e r f e 1 d der Apophysen der
Lichtseite kapuzenförmig erhaben oder dachförmig abgeflacht, aber höher als das con-
vexe Unterfeld; Nabel gross, flach oder eingedrückt, stumpf oder stachelspitzig. —
Knieholzform, den Uebergang zu B bildend, in Oberbayern, Erzgebirge und Südböhmen.
B. pumilio Willkomm (mit zahlreichen Unter- Abarten). Knieholz, Krumm-
holz, Leg-Föhre etc. wie AH. Zapfen gleichmässig ausgebildet, bis zur
Reife aufrecht oder horizontal abstehend, erst nach dem Aufspringen abwärts geneigt^
kürzer als die Nadeln, eiförmig oder fast kugelig, 3 — 4,5 cm lang, im 1. Herbst meist
noch violettblau, reif dunkelbraun bis scherbengelb, bis zur Reife bläulich bereift;
Oberfeld der Apophysen konvex, Unterfeld konkav; Nabel eingedrückt, an der
Zapfenbasis unter der Apo phy senmitte; Keimnadeln 3 — 4. Strauch-, am
häufigsten Knieholz, selten Baumform. — In der subalpinen Region der Alpen von der
Schweiz bis Bosnien und in den deutschen Mittelgebirgen.
C. mughus Willkomm. Mugokiefer. Meist Knieholzform. Zapfen
vollkommen gleichmässig ausgebildet, abstehend oder abwärts gerichtet,
aus flachem Grunde kegel- oder eikegelf örmig , 4—5 cm lang, im 1. Herbst hellgelb-
braun, reif hell bis dunkel zimmtbraun, niemals bereift. Apophysen alle mit
sehr scharfem Querkiel, auch die unteren mit gleicher Unter- und Oberhälfte und daher
in der Mitte stehendem, gewöhnlich einen stechenden Dorn tragendem Nabel.
Oestliches Alpensystem und am Fusse desselben.
Die geographische Verbreitung der Bergkiefer geht von Oentralspa-
nien bis zum Balkangebirge und vom Thüringer Wald bis Dalmatien und bis zu den
calabrischen Abruzzen von ca. 300 m bis ca. 2700 m. Ausserhalb ihres natürlichen
Verbreitungsgebiets ist sie vielfach angepflanzt z. B. bei Bremen. Sie bewohnt sowohl
die baumlose Hochregion der Gebirge, wo sie als Schutzwald in Deutschland, Oester-
reich und der Schweiz weite Flächen mit fast undurchdringlichen Latschenfeldern über-
zieht, welche aus der Ferne wie mit dunkelgrünem Moose bekleidet aussehen, findet
sich als aufrechter waldbildender Baum auf trockenem Kalkboden in Spanien, auf ver-
schiedenartigen Verwitterungsböden stellenweise in der Schweiz, auf nassem Torfmoor-
boden im Böhmerwald und Erzgebirge, teils rein, teils mit Fichte, Lärche und Zirbel
oder der gemeinen Kiefer gemischt, und als Busch, Latsche oder niederer Baum häaüg
Die Nadelhölzer. § 48. 285
mit der Hnchbirke zusammen auf Torfmooren, zeigt somit hinsichtlich ihrer Lebens-
nnd Standortsansprüche eine Anpassungsfähigkeit wie keine andere Holzart
und eine geradezu unerreicht dastehende Bedürfnislosigkeit, namentlich hinsichtlich der
Fruchtbarkeit des Bodens und der Luftwärme, wenngleich sie hohe Grade sommerlicher
Luftwärme zu ertragen vermag. Dagegen scheint ein luftfeuchtes Klima Lebensbe-
dingung für sie zu sein. Die Latschenform insbesondere ist gegen Schneebruch völlig
widerstandsfähig und ist in den Hochlagen, wo sie gewaltige Schneemassen im Winter
und Frühjahr festhält, der beste Schutz gegen Lawinengefalir.
Zwischen der Bergkiefer und der gemeinen wie der Schwarzkiefer gibt es ver-
schiedene Ba£tarde (Ascherson u. Gr. 1. c. p. 229 ff.).
§48. 3. Pinus Laricio Poiret (P. nigra Arnold). Schwarz-
kiefer. Winterknospen gross, ca. 2 cm und mehr, spitz , meist harzig ; ihre
Schuppen (im Gegensatz zu der gemeinen Kiefer) mit nicht verw^ebten Fransen.
Nadeln gross, durchschnittlich 8 — 11 (15) cm lang, ca. 2( — 3) mm dick, wenig
oder kaum gedreht, mit gelblicher, fast stechender Spitze, beiderseits dunkelgrün;
mechanische Zellen unter der Epidermis und um die im P a r e n c h y m
gelegenen Harzgänge, dagegen im Centralstrang, in welchem beide Gefäss-
bündel einander genähert sind, fehlend oder nur als schwaches Querband
unter den Bündeln entwickelt; Lebensdauer durchschnittlich 4 — 5 Jahre. Männ-
liche Blüten weniger zahlreich, aber weit grösser als bei den vorhergehenden Arten,
1^/2 bis 2^/2 cm lang, walzig, fast sitzend, mit stattlichem Antherenkamm ; weib-
liche Blüten viel kleiner, meist nur einzeln oder zu zweien, sehr kurz gestielt, etwas
grösser als bei den vorigen, karminrot bis violett.
Die Schwarzkiefer zerfällt nach Christ in folgende Formengruppen, deren einzelne
Formen früher als selbständige Arten aufgestellt wurden:
A. pachyphylla Christ (crassifolia Willkomm). Nadeln sehr steif und starr,
1,5 — 2 mm dick.
I. Kiel der mittleren und oberen Apophysen scharf.
Pinus Laricio austriac a. Endl. (Syn. nigricans Host.)^ Seh warz-
Föhre, Schwarz-Kiefer. Einjährige Zweige graubräunlich. Zapfen im
1. Herbste haselnussgross, hell lederbraun, im 2. reif, 4—8 cm gross, selten grösser
und bis 3 cm dick, ei- bis eikegelförmig, fast sitzend, meist wagrecht abstehend, gleich-
seitig, glänzend, gelbbraun. Apophysen mit grossem, gewöhnlich dunk-
ler braunem , an den oberen Schuppen oft mit einem Spitzchen versehenen Nabel.
Die Samen sind grösser als bei der gemeinen Kiefer, durchschnittlich 6 — 7 mm lang
und bis 4 mm breit, mit grösserem ( — 2^/2 cm) Flügel. Von den geflügelten Samen
gehen 22 — 24 Kilo auf das Hektol., von den entflügelten 50 — 55 und das Kilo enthält
von letzteren 55000—60000 Körner. —
Die Mannbarkeit tritt bei der austriaca-Form bei freiem Stande mit
20 (mitunter schon 15), im Schlüsse mit dem 30. Jahre ein, dann ist durchschnittlich
jedes 2. oder 3. Jabr ein S a m e n j a h r. Die Blütezeit fällt ca. 10 — 14 Tage
später als bei der gemeinen Kiefer. Die Samenreife erfolgt im Herbst des 2. Jahres,
das Ausfliegen im Frühjahr des 3. Keimkraft 65 — 70^0. Dauer der Keimfähig-
keit 2 — 4 Jahre. Keimung nach 2 — 4 Wochen, Keimpflanze ähnlich wie bei P. silve-
stris mit 4 — 10 (meist 7) über 3 cm langen Keimnadeln. Die junge Pflanze erscheint
von Anfang an in allen Teilen derber, üppiger und wegen der durchschnittlich kleineren
Abstände zwischen den Astquirlen und der meist kürzeren Triebe gedrungener als die
gemeine Kiefer. Raschwüchsiger als die Bergkiefer , steht sie der gemeinen
Kiefer nach; unter mittleren Verhältnissen erreicht sie im 10. Jahre etwa 1^/2 m, im
286 in. Klein, Forstbotanik.
20. 4 m, im 40. 8 — 9 m, im 80. 15 — 16 m und im 100. 16 — 17 m; unter besonders
günstigen Verhältnissen erreicht sie in dieser Zeit eine Höhe von 20 — 23 m (seltener
mehr) und ^/s m Durchmesser, erreicht aber unter Umständen riesige Dimensionen nnd
vielhundertjähriges Alter, so z. B. im Wienerwald 600 Jahre bei nahezu 7 m Umfang.
Die Krone der Schwarzkiefer reicht auch im Schlüsse weiter herab als bei der gememen
Kiefer, ist beim jüngeren Baum rundlich eiförmig und wölbt sich erst in höhe-
rem Alter, auf Felsboden oft schirmartig, ab. Die Bewurzelung ist ent-
schieden flacher als bei der gemeinen Kiefer, dringt zum Teil, wo es der Boden ge-
stattet, tief in die Spalten des Felsgesteines ein, kann sich aber auf dem natürlichen
Standort, dem Kalkgebirge, vielfach nur oberflächlich entwickeln. Das durch treffliche
technische Eigenschaften ausgezeichnete, dauerhafte, harzreiche Holz kommt dem Lär-
chenholz sehr nahe, der rötlichbraune Kern ist in der Regel schmäler (nur 7» des Quer-
schnittdurchmessers); im mikroskopischen Bau stimmt es mit den vorstehenden Arten
im wesentlichen überein. Rinde im höheren Alter mit einer tiefrissigen, äusserlich
dunkel-schwarzgrauen Schuppenborke, welche sich bis in den Wipfel erstreckt
In der unteren und mittleren Region der Ost- und Südostalpen und Karpathen,
zwischen 150 und 1100, vereinzelt bis 1400 m, vorzugsweise auf Kalk, stellenweise
grosse Bestände bildend, auch ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes hie
und da waldmässig angebaut, als Zierbaum allgemein verbreitet, bis nach Norwegen.
Bei äusserst geringen Ansprüchen an Boden- und Luftfeuchtigkeit verlangt sie mehr
Wärme als die gemeine und die Bergkiefer. Für schwierige Standortsverhältnisse, wie
heisse seichtgründige Kalkböden, zur Wiederbewaldung der Steinwüsten des Karstes
ist sie wie kein anderer einheimischer Waldbaum geeignet. Wie ihre dichte Benade-
lung schon andeutet, nimmt sie hinsichtlich des Lichtbedarfs eine Mittelstellung z\^ischen
den entschiedenen Licht- und den ausgesprochenen Schattenholzarten ein. — Von allen
europäischen Harzbäumen liefert die Schwarzkiefer das meiste und terpentinreichste
Harz.
IL Kiel der mittleren und oberen Apophysen stumpf.
a. Pinus Laricio Poiretiana Endlicher (Syn. corsicana Poiret).
Einjährige Zweige hellbraun. Krone schmäler. Bei jungen Pflanzen die Nadeln
meist etwas gedreht. Hinsichtlich ihrer sonstigen Merkmale, ihrer Entwickelung und
ihrer forstlichen Eigenschaften stimmt sie mit der austriaca nahezu überein. Einhei-
misch in Spanien, Süditalien, G-riechenlaud und Korsika, wo sie besonders mächtige
Stämme bildet, 30 — 40, selbst 45 m hoch und 7 — 9 m Umfang bei einem Alter von
über 1000 Jahren. (Das Alter von 1500 — 1800 Jahren, das Doumet-Adanson für die
Riesenstämme Korsikas vermutet, dürfte doch wohl zu hoch gegriffen sein.) In den
beiden letzten Jahrzehnten forstlich vielfach versuchsweise in Deutschland angebaut,
aber im allgemeinen nur für Schleswig-Holstein geeignet gefunden.
b. Pinus Laricio Pallasiana Endlicher et Antoine. Einjähriffe
Zweige schmutzig gelb. Nadeln sehr starr, glänzend dunkelgrün. Zapfen bis über
10 cm lang. In der Krim und in Kleinasien. — Zierbaum.
B. leptophylla Christ (tenuifolia Willkomm). Nadeln weniger steif, kaum
1 mm dick.
Pinus Laricio Salzmanni Dunal (Syn, P. raonspeliensis Salzmann).
Einjährige Zweige orange oder rötlich. Zapfen nur 4 — 5 cm, Samen nur 5 mm
lang. In Südwestfrankreich und Catalonien.
Sowohl mit der gemeinen wie mit der Bergkiefer bildet die Schwarzkiefer Ba-
starde.
§49. 4. Pinus leucoderrais Antoine. Weissrindige Kiefer,
Die Nadelhölzer. § 49. 287
Panzer-Föhre, Schlangenhaut-Kiefer. Der Schwarzkiefer sehr ähnlich,
aber durch die aschgraue, durch Längs- und Querrisse in 4 — 8 cm breite und 5 — 16 cm
lange unregelmässige Felder geteilte Rinde und die nach dem Nadelfall eigentümlich
schlangenhantartig gefelderten hellgrauen Zweige verschieden, sowie durch die an den
Zweigenden pinselartig gehäuften Kurztriebe mit meist nur 5 — 6 cm langen, starreu
Nadeln, deren spärliche Harzgänge tief im Parenchym liegen und nach Köhne ohne
mechanischen Zellring sind und deren Gefässbündel durch ein x -förmiges Band dickwan-
diger Zellen geschieden und oben wie unten eingefasst werden. Unter der Oberhaut
auffallender Eeichtnm an mechanischen Zellgruppen. Der bis 20, selten bis 33 m hohe
gerade Baum zeigt stets eine stumpf kegelförmige Krone und ist in der oberen Re-
gion der Hochgebirge (1200 — 1800 m) von Dalmatien, Montenegro, Serbien und der
Herzegowina heimisch, zum Teil in ausgedehnten Beständen die Waldgrenze bildend,
erst 1864 entdeckt.
5. Pinus pinäster Solander. Sternkiefer, Strandkiefer, See-
kiefer,Igelföhre, Bordeauxkiefer. (Syn. maritima Lamarck). Junge Triebe
mattrötlichbraun ; Knospen stumpf, dickwalzig, 2,3 — 5 cm lang, harzfrei, braun mit
weissgewimperten Schuppen. N a d e 1 n 12— 20 cm lang, 2( — 3) mm breit, steif, stechend,
glänzend grün; Harzgänge im Parenchym, mechanische Zellgruppen im Central-
strang und unter der Epidermis sehr reichlich. Zapfen spitz kegelförmig, ungleich-
seitig, im allg. 10 — 19 cm lang und 5 — 8 cm dick, kurz gestielt, glänzend
gelbbraun, meist in 2 — 4gliedrigen Quirlen vom Tragzweig ab-
stehend; Apophysen scharf quergekielt, gewölbt mit scharf vorstehendem, dornig-
spitzem, an der Lichtseite oft hackig abwärtsgekrilmmtem Nabel. Samen bis 8 (10) mm
lang mit 3 — 4 mal so grossem dunkelrauchbraunem Flügel. — Die Stemkiefer ist ein
raschwüchsiger 20( — 30) m Höhe erreichender Waldbaum der Küstenländer und Inseln
des Mittelmeeres von Italien bis Spanien, im allg. an den Küsten wachsend, in Korsika
bis 1000, Granada bis 1300 m emporsteigend; ferner tritt sie in ausgedehnten Be-
ständen im westlichen Portugal, nördlichen Spanien und, angepflanzt, auf den
Heideflächen „Landes" im südwestlichen Frankreich längs des Biskayischen Meerbusens
auf. Für die Aufforstung von Dünen und Sandflächen warmer Gegenden ist dieser in
seinen Bodenansprüchen bescheidene Lichtholzbaum, der nur hinsichtlich der Locker-
keit des Bodens und der Bodenfrische, mindestens im Untergrund, höhere Ansprüche
stellt und ein grobfaseriges, schweres, sehr harzreiches Holz liefert, höchst wertvoll,
dagegen ist er frostempfindlich, wurde in Deutschland früher auch vielfach versuchs-
weise angepflanzt, hält auch 10 — 20 Jahre bei kräftigem Wachstum aus, ist aber trotz-
dem als Waldbaum bei uns wertlos, weil er in sehr strengen Wintern regelmässig er-
friert. Als Zierbaum bis zum südlichen England und der norwegischen Küste verbreitet.
6. Pinus halepensis Miller. Aleppo- oder Seestrandkiefer.
Zweige lang und dünn (2 — 3 mm) hellgrau, oft nur an den Spitzen pinselförmig
mit Kurztrieben bedeckt, da die Kurztriebe meist nur 2 Jahre dauern. Knospen
klein, ca. V^ ^^^ harzlos, an kräftigen Langtrieben häufig auch in deren mittlerem
Teile, da die Endknospe vielfach schon im gleichen Jahre einen 2., mitunter sogar
3. Trieb macht. Nadeln, (zuweilen zu 3j hell- bis graugrün, bis 9 cm lang,
an schwächeren Zweigen oft kaum 5 cm, sehr dünn, bis 1 mm ; Harzgänge unmittelbar
am Hypoderm, unter der flachen Oberseite nie mehr als 2. Zapfen an einem bis
2 cm langen bogigen Stiele hängend, länglich-kegelförmig, 8 — 10 cm lang,
4 cm dick, glänzend rotbraun oder hellgelb ; Apophyse glatt, mit deutlichem Querkiel
und deutlich abgesetztem, öfter stachelspitzigem Nabel. Samen 5 — 7 mm. — Der
Aleppo-Kiefer fehlt wegen der oben erwähnten zweimaligen Triebbildung im Jahre und
288 III. Klein, Porstbotanik.
der minder vollkommenen Qairlstellang ihrer Aeste schon in der Jugend der streng
regelmässige Aufban der übrigen Kiefern. Sie bildet ausgedehnte Bestände in der
immergrünen Region des Mittelmeeres in Europa, Asien und Afrika, ist sehr rasch-
wüchsig, erreicht mit 10 Jahren 6 — 7, mit ca. 60 Jahren 15 — 18 m Höhe, worauf der
Höhenwuchs erlischt und sich die Krone oft in der malerischsten Weise abwölbt. Wie
die Schwarzkiefer kommt dieser Lichtholzbaum, der ein vorzügliches, harzreiches Holz
liefert, noch auf den trockensten und heissesten Böden fort, best.ändig mildes Klima
(Oelbaumklima) vorausgesetzt und ist z. B. für die Bewaldung Dalmatiens upd des
österreichisch - ungarischen Küstenlandes ein unentbehrlicher Baum , der hier anch
vielfach angepflanzt ist, z. B. zur Wiederbewaldung des Karstes bei Triest.
7. Pinus Brutia Tenor e. Calabrische Kiefer. (Syn. pyrenaica
La Peyrouse (obwohl sie in Spanien fehlt) Paroliniana Webb.) Diese vielfach ver-
kannte Art ^*) steht der Aleppokiefer sehr nahe, unterscheidet sich aber von ihr durch
dicke (4 — 5 mm) gelbrötliche Zweige, 1 — 2 cm lange Knospen, 12 — 23 cm lange,
dunkler grüne Nadeln mit in der Regel mehr als 2 Harzgängen unt«r der flachen Ober-
seite und fast sitzende, horizontal oder etwas aufrecht stehende Zapfen, dereo
Apophyse strahlig- ru n z 1 i g oder -furchig ist, einen undeutlichen Querkiel
und einen grösseren, kaum deutlich von der Apophysenfläche abgesetzten, ganz
flachen, grauen oder rötlichgrauen Nabel trägt. Samen bis 9 mm. — Dieser in
den Gebirgen Kalabriens und Kleinasiens (nebst Cypern und Kreta) einheimische Baum
wurde in den letzten 2 Jahrzehnten zur Wiederbewaldung der adriatischen Küsten-
länder in gi'ossen Beständen angepflanzt und gedeiht dort vortrefflich.
Ausser den bisher geschilderten in Europa heimischen Kiefern sind noch fol-
gende Zweinadler aus Amerika und Japan zu forstlichen Anbau ver-
suchen in jüngster Zeit herangezogen worden:
8. Pinus contorta Douglas var. Murrayana Engelmann. (Syn.
P. Murrayana Balfour. als Art.) Murray- Kiefer. Dieser bestandbildende Wald-
baum der Hochgebirge des nordwestlichen Amerikas, der dort bis zu 28 (40) m Höhe
erreicht und im Habitus unserer Fichte gleicht, hat sein Optimum auf den sandig- feuchten,
kühlen Einsenkungen der Blauen Berge und gedeiht selbst auf sehr feuchten,
kühlen, unseren Hochmooren am Fuss der Alpen ähnlichen Stand-
orten. Knospenschuppen verharzt. Nadeln ca. 5 cm lang und 2 mm dick; Harz-
gänge ohne mechanische Zellen. Zapfen offen 3V2 cm lang, 3 cm dick, matt hell-
braun ; Apophysen auf der Lichtseite kegelförmig erhaben mit oft sehr starkem
Nabeldorn. Vom Heidekulturverein Schleswig-Holsteins seit einigen Jahren mit
anscheinend bestem Erfolg angebaut.
9. Pinus Banksiana Lambert. Banks-Kiefer. Diese Kiefer, welche
nach Mayr als die wertvollste forstliche Einführung aus Nord-
amerika während der letzten fünfzehn Jahre angesehen werden muss,
ist im kälteren östlichen Ameiika (vom 68^ südlich) einheimisch, wo sie den trockensten,
magersten Boden im Binnenlande einnimmt und natürlich auch nur geringe Dimensionen
10 — 15 m gegen bis 22 m auf gutem Boden erreicht. Sie bildet ein weitverzweigtes
Wurzelsj'stem und erwächst, schwer sich von Aesten reinigend, mit dem Habitus einer
Fichte. Knospen eilänglich, harzig, oft am Längstrieb zwischen 2 Quirlen (vergl.
P. halepensis). Junge Triebe grün, später braun, unbereift. Nadeln sehr dicht
gedrängt, 4 — 6 cm lang, abstehend, hellgrün ; Uefässbündel des Centralstrangs mindestens
um ihre doppelte Breite voneinander entfernt; Harzgänge meist von ziemlich dick-
34) Ascherson und Gräbner 1. c. I. p. 218.
Die Nadelhölzer. § 50. 289
wandigen Zellen umgeben. Zapfen ca. 5 cm lang, 2 cm breit, etwas gekrümmt, nach
aofwäits gerichtet, dem Tragzweig angedrückt. Samen klein, in einer löffel-
artigen Ausbuchtung des Flügels wie bei der Fichte. — Der Wert dieser
Kiefer liegt nicht im Holze, das dem der gemeinen Kiefer an Güte kaum nachstehen
dürfte, sondern in ihren waldbaulichen Eigenschaften, indem sie auf dem schlechtesten
Boden, wie Flugsand, Dünen, Oedland, welche dem Gedeihen der gemeinen Kiefer
Hindernisse bereiten, leicht und freudig heranwächst, wie zahlreiche Anbauversuche
gezeigt haben, vollständig hart gegen Frost, und so die Verbesserung völlig herabge-
kommener Böden wieder einzuleiten vermag. Schon im 1. Jahre übertrifft sie die ge-
meine Kiefer an Raschwüchsigkeit und vom 3. Jahre tritt diese Raschwüchsigkeit ganz
besonders hervor, da sie im Jahre 2 und unter günstigen Bedingungen selbst 3 Längs-
triebe nacheinander macht.
10. Pinus densiflora Siebold et Zuccarini. Japanische Rot-
kiefer, steht forstlich und botanisch der gemeinen Kiefer sehr nahe, von der sie sich
durch folgende Merkmale unterscheidet: junge Triebe grün, schwach bereift.
Knospen rotbraun, mit aufgelockerten oder zurückgerollten Schuppen.
Nadeln weicher, freudiger grün, länger, 6 — 11 cm, durchschnittlich 10 cm; Zell-
ring der Harzgänge meist dünnwandig; mechanische Zellen im Ge-
fässbündel fehlend oder spärlich. — Dieser japanische, bis 36 Meter Höhe erreichende
Waldbaum , der in seiner Heimat in zahlreichen Varietäten und Formen vorkommt,
liebt dort sonnige, trockene, kiesig-sandige Partieen im Gebirg unterhalb der Fichten-
region, hat sich bei den Anbauversuchen in Norddeutschland als zu zart erwiesen,
während er in Grafrath in Bayern vollständig winterhart ist, nur gegen Schneedruck
ist er in der Jugend etwas empfindlich.
11. Pinus Thunbergii Pariatore. Japanische Schwarzkiefer.
Knospen namentlich in der Jugend blendend weis s bis hell stahl grau, seiden-
haarig, harzlos. Junge Triebe anfänglich grün, dann hellbraun und glänzend.
Nadeln 8 — 14 cm lang , auch schon an jungen Exemplaren hart , steif und sehr
scharf stechend; Harzgänge mitten im Parenchym. Borke durchaus grau,
bis an die Spitze des Baumes. Zapfen im Durchschnitt etwas grösser als bei voriger,
5 — 6 cm lang, 3 — 4 cm dick. — Diese, der österreichischen Schwarzkiefer ähnliche
Strandkiefer Japans, die dort auch vielfach gepflanzt ist und auf gutem Boden
u. s. w. riesige Dimensionen, bis 43 Meter Höhe, erreicht, gewöhnlich aber viel kleiner
und krummschaftig bleibt, ist in ihrer Heimat nicht nur als Holzproduzentin, sondern
waldbaulich vor allem als Schutzbaum wichtig; sie nimmt, unter entsprechender
Verkrüppelung, noch mit dem schlechtesten Boden vorlieb, dient zur Befestigung der
Dünen und wird wegen ihrer Sturmfestigkeit als Windmantel zum Schutze der Felder
gegen Sand und heftige Seewinde gepflanzt. Ihr Holz ist dem von P. silv. kaum über-
legen. Wie alle Schwarzkiefern eignet sie sich zur Harznutzung. In Grafrath ist
sie völlig winterhart, leidet aber in der Jugend sehr unter Schneedruck, in Norddeutsch-
land sind die Anbauversuche fast alle in Folge von Frost und Dürre misslungen.
b) Dreinadelige Kiefern (Subsektion Taeda).
§ 50. Die Kurztriebe tragen normaler Weise 3 (ausnahmsweise 2 oder 4)
Nadeln. (Meist nordamerikanische und ostindische Arten, keine Europäer.)
12. Pinus rigida Miller. Pechkiefer. Junge Triebe anfangs rot-
später gelbbraun , glänzend , unbereift. Knospen verharzt , spitz, braun, auch an
der Mitte des Zweiges (vergl. halepensis). Nadeln lebhaft grün, meist gedreht, 6
bis 12 (18) cm lang, bis 2 mm breit; Harzgänge oft fehlend, wenn vorhanden, im
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. L 19
290 m. Klein, Forstbotanik.
Parenchym, nicht von dickwandigen Zellen umgeben. Weibliche Blüten ge-
wöhnlich in der Mitte des Zweiges, reife Zapfen ziemlich gleichseitig, zu 2 — 4 ge-
häuft beisammen, fast rechtwinkelig vom Zweige abstehend, ei- bis kegelförmig, 6 bis
10 cm lang, 4 — 6 cm dick, hell ledergelb, mit niedrig pyramidalen, scharf querge-
kielten Apophysen; Nabeldorn kurz, rückwärts gerichtet, im Herbst meist ab-
fallend. Samen schwarz, 4—5 mm lang, mit bis 2 cm langen Flügeln. — Diese in
den Nordoststaaten der Vereinigten Staaten namentlich auf dürrem und sumpfigem
Boden der atlantischen Küstenzone grosse Flächen bedeckende Kiefer, höchstens
25 Meter Höhe erreichend, meist aber viel kleiner bleibend, wurde schon 1750 m
Europa eingeführt. In ihrer Heimat in keiner Weise geschätzt, hat sie infolge eines
verhängnisvollen Irrtums , der die amerikanische Pitch pine -Pflanze für die
Lieferantin des wertvollen bei uns im Holzhandel Pitch pine genannten Holzes
hielt ^^*), vor etwa 30 und 20 Jahren in ausgedehntem Masse Eingang in die deutschen
Forste gefunden. P. rigida kommt auch bei uns auf den geringsten Bodenarten noch
fort, ist ausserordentlich widerstandsfähig gegen Frost und Hitze, gegen Schnee-
druck und durch hohes Ausschlagvermögen auch gegen Wild verbiss , dem sie sehr aus-
gesetzt ist, in den ersten Jahren oft auffällig raschwüchsig, erlahmt aber früh, neigt
sehr zu struppigem, oft legföhrenartigem W^uchs, namentlich auf besseren Böden, weil
die Johannistriebe hier zu üppig werden und nicht genügend ausreifen und hat so all-
gemein enttäuscht. Flachgründiger Boden mit Thonunterlage und nasser Moorboden
sagen ihr nicht zu. Das sehr splintreiche Holz ist geringwertig. Bei ihrer Anspruchs-
losigkeit und geringen Dauer kann sie als zweckmässiges Schutz- und Treibholz für
die gemeine Kiefer bei der Aufforstung von Oedländereien dienen.
13. Pinus ponderosa Douglas. Gelbkiefer. Junge Triebe sehr
dick, bräunlich, unbereift, mit Terpentingeruch. Knospen gross, harzig. Nadeln
12 — 25 cm lang, sehr derb, dunkelgrün jHarzgänge stets vorhanden, imParenchyni,
von dickwandigen Zellen umgeben. Zapfen ziemlich gleichseitig, ca. 10 cm lang und
5. cm dick, lebhaft braun, bis zu 6 im Quirl; Apophyse höher pyramidal als bei
der vorigen, ausser dem Querkiel mit einigen strahligen Leisten ; Nabeldorn auch
beim aufgesprungenen Zapfen abstehend stechend, kurz und stark. Samen? — 10mm
mit bis 30 mm langem Flügel. E i n d e rotbraun, sehr dick , tiefrissig. — Bestand-
bildender Waldbaum des nordwestlichen Nordamerika, wo er, vielfach mit der Douglasia
vergesellschaftet, von der Küste bis ins Felsengebirge weit verbreitet ist und an seinen
günstigsten Standorten, an den Westabhängen der Sierra Nevada in Kalifornien, mehr-
hundertjähriges Alter und riesige Dimensionen (60 — 90 Meter Höhe und bis über 4 Meter
Durchmesser) erreicht. Bis zum 5. Jahre bleibt der Höhenwuchs niedrig (im 3. Jahre
oft erst 12 cm hoch), dann hebt er sich rasch und bildet Jahrestriebe von ^/2 — 1 Meter.
Bewurzelung, Pfahlwurzel in lockerem Boden mit zahli'eichen, flachstreichenden Seiten-
wurzeln. Das Holz hat ungewöhnlich breiten Splint, braunen Kern und entspricht
etwa unserem Kiefernholz. 1826 in Europa eingeführt, prächtiger Parkbaum von
üppigem Wüchse und tiefer Beastung für nicht zu lufttrockene Lagen. In neuerer Zeit
ist dieser frostempfindliche Lichtholzbaum mit wechselndem Erfolge zu den Anbau-
versuchen herangezogen worden — für Norddeutschland meist zu zart — und neuer-
dings namentlic*h die kleinsamigere härtere Varietät scopulorum Engelmann
vom Felsengebirge, die bei uns gut zu gedeihen scheint.
14. Pinus Jeffreyi Murray. Jeffreys-Kiefer. Junge Triebe hell
35) Das Pitch pine Holz des Handels stammt von P. australis (und anderen
Arten), welche in den Südstaaten der Union wie Louisiana, Florida vorkommen und in
Deutschland absolut nicht aushalten.
Die Nadelhölzer. § 51. 291
weissblau bereift. Knospen unverharzt. Nadeln dünner als bei voriger,
schlaff, bis 23 cm lang nnd bis IV2 mm dick, weisslich- bis graugrün, kaum l'/a Jahre
dauernd; Harzgänge imParenchym, von dickwandigen Zellen umgeben. Zapfen
schief eikegelförmig , viel grösser als bei voriger, 13 — 18 cm lang, 6,5 — 10 cm dick,
hellbraun, kurz gestielt, zu 2—6 im Quirl abstehend ; Apophysen, imGegensatz
zu vorstehend erArt, mit so stark zurückgekrümmten Nabeldomen, dass sie beim
geöffneten Zapfen nicht mehr stechen. Samen 1 — IV2 cm lang mit bis 372 cm
langem Flügel , E i n d e mit grauer, dünner Borke , deren Schuppen viel kleiner sind
als bei ponderosa. — Gleichfalls ein Waldbaum des nordwestlichen Amerika (Oregon
und Kalifornien), der im Norden weniger hoch im Gebirge emporsteigt, lockeren, kiesig-
sandigen Boden mit reichlicher, nicht stagnierender Feuchtigkeit liebt und im Süden
seines Verbreitungsbezii-ks eine Durchschnitthöhe von 60 Meter erreicht. Die Pflanze
bleibt im 1. Jahre nieder und schliesst, eine Seltenheit bei einer Kiefer, mit einer
Winterknospe ab; erst vom 4., bei uns wohl auch vom 7. Jahre ab wächst sie beträchtlich.
1852 wurde diese üppige und sehr dekorative Kiefer, deren Erscheinung weniger robust
ist als die von ponderosa, in Europa eingeführt und in den letzten Jahrzehnten in den
Kreis der forstlichen Anbauversuche gezogen; sie gedeiht bei uns, schon im 1. Jahre
eine Pfahlwurzel bis zu 50 cm entwickelnd, nur auf besserem, lehmhaltigem und frischem
Boden, ist entschieden lichtbedürftig, verlangt in der Jugend mehr Seitenschutz als
ponderosa, ist späterhin fast absolut winterhart, aber sehr empfindlich gegen lange
Dürre und Trockenheit und wegen lange dauernder Vegetation auch gegen Frühfrost.
2. Sektion. Strobus.
§ 51. Apophysen der Zapfenschuppen mit randständigem, domlosem Nabel.
Knrztriebe fünfnadelig. Zentralstrang der 3 kantigen Nadeln nur ein
Gefässbündel enthaltend.
a) Weymouthskiefern (Subsektion Eustrobus).
Zapfen langwalzig (mindestens 3 mal so lang wie dick), hängend, als
Ganzes abfallend. Zapfen schuppen lichtenähnlich , dünn, gegen die Spitze zu
nur schwach verdickt, mit flacher, kielloser Apophyse. Samen klein, langgeflügelt.
15. Pinus strobus Linn6. Weymouthskiefer, Strobe. Junge Triebe
anfangs grün, später violettbraun, kahl oder dünn weisslich behaart. Knospen aus
eiförmigem Grunde fein zugespitzt, oft etwas harzig. Endknospe des Leittriebs
stets von 5 — 8 Quirlknospen umgeben. Nadeln aufwärts abstehend, ca. 10 cm lang,
dünn (V2 mm), weich, auf den planen Flächen bläulich weiss gestreift, Harzgänge
(meist nur 2) dicht unter der Hautschicht der gewölbten Fläche,, nahe den
Kanten. Männliche Blüten am unteren Ende neuer Triebe, eiförmig, bis 15 mm
lang, blassgelb; weibliche Blüten einzeln oder zu 2 — 5 neben der Endknospe,
dieselbe weit überragend, langgestielt, schlank walzenförmig, bläulich bereift. Junge
Zapfen im 1. Herbst ca. 2 cm lang, rötlichbraun, im 2. Frühjahr vergrössem sie
sich rasch, werden grün und neigen sich abwärts. Reife Zapfen sehr kurz
gestielt, zimmtbraun, 10 — 15 cm lang, etwas gekrümmt, und ca. 3 cm breit (stets
mehr als 4 mal so lang wie dick). Samen 5 — 6 mm mit bis 2 cm langem halbmond-
förmigem Flügel, der oberhalb des Kornes leicht abbricht. Ein Kilo Kornsamen ent-
hält 55 000—65 000 Körner.
Die Mannbarkeit tritt bei freistehenden Bäumen mitunter schon im 10., im
Walde durchschnittlich erst mit dem 30. — 35. (50.) Jahre ein. Samen jähre folgen
alle 2 — 3 Jahre. Blütezeit Ende Mai oder Anfang Juni. DieS amenreife er-
19*
292 m. Klein, Forstbotanik.
folgt im Herbst des 2. Jahres (meist im September), worauf die bis dahin geschlossenen
Zapfen sich vollständig sparrig öffnen und die Samen in wenigen Tagen ausfliegen.
Die Keimdauer der Samen beträgt 2 — 3 Jahre, die Keimfähigkeit gewöhn-
lich 40 — 50, ausnahmsweise — 70%. Die Keimung erfolgt in 3 — 4 Wochen nach
der Frühlingsaussaat mit 8 — 11 ca. 2V2 cm langen 3 kantigen Keimblättern. Die da-
rauf folgenden Primärnadeln sind flach und stehen einzeln. Benadelte Kurztriebe
werden erst im 2. , Astquirle in der Regel erst im 3. Jahre gebildet. Der Höhen-
wuchs ist sehr rasch, schon mit 10 Jahren 3 — 5 m, mit 20 8 — 10 m, mit 40 16 bis
18 m, mit 80 28—29 m, mit 100 32—33 m bei entsprechender Stärke und Vollholzig-
keit. Die höchsten europäischen Stroben erreichen 34 — 50 m Höhe bei 1,3 bis nahezu
2 m Durchmesser. Auf ungeeignetem, namentlich flachgründigem Boden erschöpft sich
das Wachstum frühe. Die Krone der Strobe behält bei normaler Entwickelung ihre
anfönglich schlanke Kegelform auch im Alter und reicht mit ihren horizontal stehen-
den, quirlständigen Aesten auch im Schlüsse tiefer herab als bei der gemeinen und
der Schwai'zkiefer. Bei dichtem Stande reinigt sie sich hoch hinauf von Aesten und
kann man noch an 50jährigen Bäumen die Spuren der Astquirle bis zum Stock herab
erkennen. Nach Verlust des Gipfels können bei älteren Bäumen durch Ersatzgipfel-
bildung sehr unregelmässige und malerische Kronen entstehen. Im freien Stande sind
Kandelaberbäume nicht selten. Die Lebensdauer der Nadeln beträgt 2 — 3 Jahre.
Die Bewurzelung ist ausserordentlich stark, aus einer mächtigen Pfahlwurzel und
weit ausstreichenden Seitenwurzeln zusammengesetzt. Das sehr harzreiche, aber wenig
dauerhafte, gelblichweisse Holz ist leichter als dasjenige aller unserer einheimischen
Waldbäume. Am frisch gefällten Baum sind Splint und Kern kaum zu unterscheiden,
das Austreten von Harz bezeichnet die Grenze zwischen beiden besser als die J'arbe.
Später erscheint unter dem Einfluss von Luft und Licht eine Kemfarbe wie bei der
Kiefer. Anatomis ch gleicht es, von den viel breiteren Jahresringen abgesehen,
vollständig demjenigen der Zirbel.
Die Rinde, anfangs glänzend schwärzlichgrau oder olivenbraun, verwandelt sich
erst vom 20. — 30. Jahr ab in eine längsrissige, aussen graue, innen rötlichviolette
Tafelborke, die in ihrer Struktur gleichfalls sehr der Zirbel gleicht, aber selbst bei
80jährigen Bäumen selten über 7 m am Stamm emporreicht. — Die Heimat der Strohe
ist das nordöstliche Nordamerika, von Kanada bis zu den AUeghanies und östlich bis
zum Mississippi, wo sie nach der genutzten Holzquantität zur Zeit noch der wichtigste
und wertvollste Waldbaum der ganzen Union ist. Sie wächst in ihrer Heimat, wo sie
bis ca. 400 Jahre alt wird, vorzugsweise in der Ebene, und ihr spezifischer Standort
ist dort ein frischer bis feuchter sandiger Lehmboden mit geringer Erhebung über den
Grundwasserspiegel unter klimatischen Bedingungen, denen nach Mayr in Deutschland
die Zone des Eichen- und Buchenmischwaldes , des reinen Buchen- und Buchen- und
Tannenmischwaldes entspricht. In Europa wurde sie schon 1705 eingeführt und ist
die erste exotische Nadelholzart gewesen, welche sich in Deutschland und Oesterreich-
Ungarn als Waldbaum eingebürgert und wirklich forstliche Bedeutung erlangt hat.
Sie vermag sich bei uns bei genügender Tiefgründigkeit fast allen Bodenarten zu
akkomodieren — nur heisse Kalkböden sagen ihr nicht zu — übertrifft an Schneil-
wüchsigkeit und Massenproduktion alle einheimischen Coniferen, ist vollständig sturm-
fest, frosthart und in Folge ihrer sehr elastischen Aeste und der Eigentümlichkeit ihrer
Nadeln, sich bei Schnee und Hegen zu einem dichten Strang zusammenzulegen gegen
Schneedruck und Eisanhang viel widerstandsfähiger als die Kiefer und nimmt in ihren
Lichtansprüchen ähnlich der Fichte eine mittlere Stellung ein. Dagegen ist sie em-
pfindlich gegen Hagel, in jüngerem Alter gegen Trockenhitze (Rindenbrand) und gegen
Die Nadelhölzer. § 52. 293
Wurzelpilze. Von Natur auf die Ebene angewiesen , gedeiht sie in Deutschland und
Oesterreich doch noch in mittleren Gebirgslagen von 500 — 700 m, in der Schweiz so-
gar bis 1200 m, verlangt aber immer einen reichen Feuchtigkeitsgehalt der Luft.
16. PinusexcelsaWallich. Himalaja- Weymouthskiefer, Thr ä-
nenkiefer ist ein prachtvoller Parkbaum vom Himalaja, dort 30 — 50m Höhe er-
reichend, 1823 in Europa eingeführt, versuchsweise auch im Walde in der Rheinpfalz
kultiviert, aber jedenfalls nur für milde bezw. geschützte und luftfeuchte Lagen ge-
eignet. Sie unterscheidet sich schon als junge Pflanze von der Weymouthskiefer durch
ihre bis 18 cm langen, schlaff hängenden Nadeln und übertrifft dieselbe in
allen Dimensionen und an Wuchsgeschwindigkeit. Knospen cjlindrisch, spitz-
lich. Zapfen lang (3 — 4 cm) gestielt, bis 27 cm lang. Samen 7 — 8mm, mit dem
Flügel bis 3 cm lang.
17. Pinus peuce Grisebach. Rumelische Strebe, vielfach als Unter-
art zur vorigen gestellt, ist eine Gebirgsstrobe, die in 800—2000 m Meereshöhe zwischen
dem adriatischen und schwarzen Meere heimisch ist, besonders auf dem Balkan, wird
nur bis 14 m hoch und bleibt in der Knieholzregion ein Busch. 1839 von Grisebach
entdeckt, ist sie im deutschen Klima viel härter als die vorige. Krone schmal pjra-
midal, bis zum Boden. Knospen fast kugelig mit aufgesetzter Spitze. Nadeln
steifer, nicht hängend, bis 10 cm. Zapfen kürzer gestielt, bis 13 cm lang. Samen
mit Flügel nur 15 mm. In ihrer ganzen Erscheinung ähnelt sie sehr einer jüngeren
Zirbel oder Strebe.
b) Zirbelkiefern (Subsektion Gembra.)
§ 52. Zapfen kurz, eiförmig oder walzig, aufrecht sitzend, nach der
Samenreife z e r f a 1 1 e n d. Zapfenschuppen stark verdickt, weich. Samen
gross, hartschalig, ungeflügelt, d. h. die Flügel sind bis auf eine kleine Schuppe oder
die bandförmig den Samen umfassende Zange reduziert.
18. Pinus cembraLinn6. Zirbel-Kiefer, Zirbe, Arve. Junge
Triebe im 1. Sommer rotgelbfilzig behaart, später kahl. Knospen
kugelig, lang zugespitzt, harzlos, an den Enden der Zweige meist einzeln. Nadeln
5 — 9 cm lang, ca. 15 mm breit, ziemlich steif, auf den planen Flächen bläulichweiss
gestreift, auf dem Rücken dunkelgrün; Harzgänge, den Kanten entsprechend, meist
3, im Parenchjm. Blüten ähnlich wie bei der Strebe. Junge Zapfen am Ende
des 1. Jahres wallnussgross, im 2. 5 — 8 cm lang, 3 — 5 cm breit, auf bräunlich violettem
Grunde heidelbeerblau bereift , mit weissgrauem Nabel, reif hellrötlich -zimmetbraun.
Samen 8 — 12 mm lang, bis 8 mm breit, verkehrt eiförmig, dickschalig, essbar (Zir-
belnüsse). Ein Kilo enthält 4000—5000 Nüsse.
Mannbarkeit bei kultivierten Exemplaren schon mit dem 25. Jahre und früher,
auf den hochgelegenen natürlichen Standorten meist erst mit 70 und 80 Jahren. Sa-
menjahre im Durchschnitt alle 10, unter günstigen Umständen alle 6 — 8 Jahre.
Samenreife Ende Oktober bis Mitte November. Abfall der bald nachher zerfallen-
den Zapfen mit den Samen gegen das nächste Frühjahr. Vielfach aber werden die
Samen schon im August oder September von Eichhörnchen und Zirbelhäher ausge-
fressen. Nach der Aussaat liegt Zirbelsamen gewöhnlich 1 Jahr über, ehe er keimt,
einzelne Kömer auch 2 — 3 Jahre. Keimpflänzchen mit meist 10 dunkelgrünen
über 3 cm langen Keimnadeln an dickem Stengel. Weiterentwickelung ähnlich der
Strobe, das junge Pflänzchen wächst aber sehr langsam und die Astquivlbildung
beginnt gewöhnlich erst mit dem 5. Jahre. Auf günstigen natürlichen Stand-
orten erreicht der Baum mit 10 Jahren */2 m, mit 20 1,2 m, mit 40 4 m, mit 60 7 m.
294 III. Klein, Forstbotanik.
mit 80 9—10 m, mit 100 12 m, mit 140 17 m, mit 200 20 m, womit das Höhen-
wachstum (bis 22 m) abgeschlossen ist. Der Baum kann aber noch Jahrhunderte in
die Dicke wachsen, so am Findelengletscher bei der Riifelalp nach meinen Unter-
suchungen bis zu 1000 oder 1100 Jahren, und bis 2,30 m Durchmesser erreichen! Bei
ungestörtem Wachstum zeigt die Zirbel in den ersten Jahrzehnten eine sehr regel-
mässig aufgebaute, schlank kegelförmige, tief herabreichende Krone, die auch bei alten
Bäumen gleichmässig abgewölbt, eiförmig, bis wenige Met«r über dem Boden herab-
reichen kann. Gewöhnlich aber sind alte Zirbeln von Wind, Schnee und Wetter hart
mitgenommen und zeigen die bizarrsten und malerischsten vielwipfeligen Kronen mit
vielen aufgerichteten Aesten. An Lebenszähigkeit und Reproduktionskraft kann sich
keine andere europäische Konifere mit der Zirbel messen. Die Bewnrzelung ist
trotz der später in ihrer Entwickelung mehr und mehr zurückbleibenden Pfahlwurzel
durch weit streichende, starke, im Alter oberflächlich oft blossgelegte und gebleichte
Seitenwurzeln eine durchaus sturmfeste. Die Lebensdauer derNadeln beträgt
an kräftigen Trieben 5 — 6 , an schwachen oft nur 3 Jahre, — Das ausserordentlich
dauerhafte, harzreiche, gleichmässige und leichte Holz von den natürlichen Stand-
orten ist ein sehr wertvolles Nutzholz (Holzschnitzereien) mit schmalem gelblichem
Splint und anfangs sehr hellem gelbrötlichem Kern mit sehr engen, meist sehr gleich-
massigen Jahresringen. Mikroskopisch zeichnen eich dieselben durch sehr
schmale, nach innen nicht scharf abgesetzte Spätholzzonen aus , deren Tra-
cheiden ausserdem viel schwächere Wandverdickung zeigen wie beim Spätholze unserer
Kiefern , daher die Gleichmässigkeit. Die Markstrahltracheiden sind glatt-
wandig, ohne kammf örmige Verdickungsleisten, dieMarkstrahlparenchymzel-
len korrespondieren mit den angrenzenden Holztracheiden häufig durch zwei (oder
mehr) grosse Tüpfel. Harzgänge gross und zahlreich. Die Rinde bleibt
lange hellsilbergrau, glatt und glänzend und verwandelt sich erst in höherem Alter in
eine aussen braungraue, innen rotbraune Schuppenborke, die auch an sehr alten Bäu-
men nur geringe Dicke besitzt.
In Mitteleuropa ist die Zirbel ausschliesslich Hochgebirgsbaum, in den Alpen und
Karpathen mit sehr zerstückeltem Verbreitungsgebiet meist borstweise oder vereinzelt
zwischen Fichten und Lärchen auftretend und über diesen die Baumgrenze bildend.
In Bayern wächst sie zwischen 1500 und 1800 m (Schachenalp) , in der Schweiz bis
ca. 2200 m (Wallis), 2400 m (Engadin), in der Dauphin^ und Südtirol (Stilfserjoch) bis
2500 m, in der hohen Tatra zwischen 1300 und 1600 m. Ausserhalb dieses Verbrei-
tungscentrums bildet die Zirbel, meist in bruchigen Ebenen, ausgedehnte Wälder im
nördlichen Russland und durch das ganze nördliche Sibii'ien, steigt aber dort, entspre-
chend kleiner bleibend, auch hoch im Gebirge empor. Die sibirische Zirbel, durch
höheren Wuchs (bis 40 m), grössere, mehr walzenförmige Zapfen, und grössere, dünn-
schaligere Samen ausgezeichnet, ist wahrscheinlich nur eine klimatische Varietät der
Alpenzirbel. Als Standortsansprüche wären reichliche Luft- und Bodenfeuch-
tigkeit zu nennen, bei ausserordentlicher Anspruchslosigkeit hinsichtlich der Luftwärme.
In ihrem Lichtbedürfnis nimmt sie wie die vorstehende Art eine Mittelstellung ein. An
der oberen Grenze des Verbreitungsgebietes ist sie, namentlich in höherem Alter, bei
der oft nur 2^2 Monate betragenden Vegetationszeit mehr Lichtholzbaum, während sie
als junger Baum und in tieferen, sonst günstigen Lagen ein ziemliches Schattenerträg-
nis aufweist, wie schon ihre dichte Krone und das Aufkommen von Nachwuchs unter
ihrem eigenen Kronenschatten und selbst dem von Fichten anzeigt. In der Schweiz
und in Oesterreich hat man sie in neuerer Zeit in grösserem Massstabe auf geeigneten
Standorten wieder aufgeforstet; ausserhalb ihres natürlichen Vorkommens ist sie, von
Die Nadelhölzer. § 53. 295
kleinen Anpflanzangen in Hochlagen der meisten deutschen Mittelgebirge abgesehen,
nur Parkbanm.
19. Pinns koraiensis. Siebold et Zuccarini. Eoreazirbel,
heimisch in Korea, der Mandschurei und im mittleren Japan, wo sie im Eichen- und
Rotbuchengebiet bis 40 m Höhe erreicht, zählt mit der Himalayastrobe zu den schön-
sten Kiefern. Die Nadeln sind 7 — 15 cm lang; schon die 1jährige Pflanze entwickelt
5 nadelige Knrztriebe. Harzgänge wie bei unserer Zirbel im Parenchym. Die
Zapfen sind 10 — 15 cm lang mit oberwärts stark auswärts gebogenen Apophysen, die
essbaren Samen 15 — 17 mm lang und 11 — 13 mm dick, 1846 zuerst in Europa
eingeführt, neuerdings wieder von Mayr für forstliche Anbauversuche, wächst sie anfangs
langsam, in 8 Jahren bis 1 m, ist aber zwischen Buchen und Eichen völlig frosthart.
Ihr Holz mit rötlichem Kern ist leicht und weich, ähnlich demjenigen der Strebe.
20. Pinns parviflora. Siebold et Zuccarini. Mädchenzirbel,
gleichfalls aus Japan, hat viel kürzere (2V2 — 5 cm), feinere Nadeln, deren Harz-
gänge aber an der Epidermis liegen, kleine (4 — 7 cm) Zapfen ohne abstehende Nabel-
spitze. Samen 10 : 8 mm. Einführung und Verhalten in Europa wie bei vorstehender.
2. Tribus. Taxodieae.
§ 53. Nadeln, Staubblätter und Fruchtblätter s p i r a 1 i g angeordnet , letztere
nur an der Spitze etwas geteilt. Pollenkömer ohne Flugblasen.
1. Sciadopitys verticilläta. Siebold et Zuccarini. Japani-
sche Schirmtanne ist ein Waldbaum des mittleren Japan, von pyramidalem Wüchse,
mit sehr dauerhaftem, leichtem, weissem, sehr elastischem Holze, der, in der Region der
Edelkastanie und Eiche heimisch, 20—40 m Höhe und 1 m Durchmesser erreicht, über
100 Jahre alt wird und mit seinen zu 20 — 40 in Scheinquirlen stehenden, langen, glän-
zenden „Doppelnadeln" eine ganz eigenartige, fremde Erscheinung bietet. Bei uns
wird sie naeh Mayr nur im Gebiet der Laubhölzer, soweit Eiche noch Nutzholz wird,
mit Aussicht auf Erfolg angebaut werden. Da der im Mai im Freien gesäte Samen
erst im Oktober oder November keimt und die Sämlinge dann der Gefahr des Frost-
todes in schneearmen Wintern ausgesetzt sind, schlägt Mayr Aussaat im Juli oder
August vor, um die Keimung im folgenden Frühjahr zu veranlassen. — Der Baum trägt
an Langtrieben nur Schuppenblätter, in den Achseln der obersten jedes Jahrestriebes
stehen Kurztriebe mit zwei an der Basis verwachsenen, 6 — 15 cm langen, 2V2 — 7 mm
breiten Nadeln. Zapfen stumpf, 7 — 10 cm lang, 4 — 5,5 cm dick. Samen zu 7 an
jeder Fruchtschuppe. — 1861 wurde sie in Europa eingeführt, ist in der Jugend, bis
zum 12. Jahre, bei uns beispiellos trägwüchsig (4jährige 17 cm!), dann wächst sie in
milden Gegenden gut, kann aber auch härtere Winter aushalten.
2. Cryptomeria japonica Don. Cryptomerie ist ein wertvoller
Waldbaum des nördlichen Japans, wo sie Fröste bis — 20^ aushält und 40—60 m Höhe
bei 1 — 2 m Durchmesser erreicht. Sie verlangt bei uns nach Mayr mildes Klima, hin-
reichende Boden- und namentlich grosse Luftfeuchtigkeit (z. B. Osttries-
land oder Nähe von Binnenseen u. dergl.) und sollte im allg. nur in den wärmsten
Lagen des Laubwaldes angebaut werden ; in trockenen Lagen dagegen verkümmert sie
zu elenden Krüppeln. Die forstlichen Anbau versuche haben im grössten Teile Preusseng
nicht befriedigt, die Pflanzen mit der intensivsten (rot-blauroten) Winterfärbung haben
sich dabei weitaus am frosthärtesten erwiesen; im allg. litten die Pflanzen sehr unter
Frost und Wildverbiss. — Knospen nackt. A e s t e einzeln (wie bei der Lärche).
Krone stumpf, pyramidal-eirund. Nadeln oreihig, aufwärts abstehend, am Tragzweig
etwas herablaufend, leicht einwärts gebogen, lineal-pfriemlich , stumpf 3 — 4kantig.
296 III. Klein, Forstbotanik.
Zapfen l'/a- 3 cm lanj^ und fast ebenso dick; Zapfenscbuppen mit 3( — 6) Samen.
Das weiche, leichte, sehr dauerhafte Holz mit rotem Kern ist das wichtigste Weidi-
nutzholz Japans. 1842 in Europa eingeführt.
3. Sequoia gigantea Torrey. Wellingtonie, Mammnthbanm.
Diese Riesen des Pflanzenreichs, in der Sierra Nevada des mittleren Califomiens aus-
schliesslich auf Westabhängen in 1200 — 2500 m Meereshöhe mit sehr lokaler Verbrei-
tung heimisch, erreichen dort eine Höhe bis zu 120 m, Durchmesser bis zu 16 m und
ein Alter von mehreren tausend Jahren. Erst 1850 entdeckt, 1853 in Europa einge-
führt, verlangt die Wellingtonie bei uns tiefgründigen frischen Boden mit durchlassen-
dem Untergrund, mildes Klima, hohe Luftfeuchtigkeit. — Verbreiteter Zierbaum, der
wohl nur aus Gründen der Forstästhetik, eingesprengt oder in kleinen Horsten, in ent-
sprechenden Lagen in Frage kommen kann. (Ein prächtig gedeihendes junges Wel-
lingtonienwäldchen befindet sich z. B. bei Weinheim an der Bergstrasse.) — Nadeln
allseitswendig, an nicht blühenden Trieben aufrecht, angewachsen herablaufend,
4—8 mm lang, halbstielrund, pfriemenförmig, lang gespitzt, an blühenden ange-
drückt, dachziegelartig, schuppenförmig. Zapfen 4 — 7 cm lang, 3 — 4 cm dick, mit
schildförmigen Fruchtschuppen. Wuchs dauernd schlank pyramidal. Stamm sehr
abholzig. Lebenszähigkeit und Reproduktions vermögen sehr gross.
4. Taxodium distichum Richard. Amerikanische Sunipfcy-
presse ist ein sommergrüner echter Sumpf bewohner, der im südöstlichen Nord-
amerika bis zum 43® n. Breite charakteristische Sumpfwälder bildet, aber auch im
feuchten Sande, an See- und Flussufern vorkommt und an der Nordgrenze seines
Verbreitungsbezirkes bis zu 19® Kälte auszuhalten hat. Die jungen Bäume sind au
der Basis dick flaschenförmig angeschwollen und von zahlreichen den Wurzeln ent-
springenden, zur Atmung im Sumpfe dienenden spitzen Auswüchsen (Wurzelknie) um-
geben. Im Alter bekommen die bis 45 m hohen Bäume eine breit und flach schirm-
förmige Krone. — In Europa etwa 1640 eingeführt, finden sich bei uns schon viele
Exemplare von 20 m Höhe und 1 m Durchmesser, bei einem Alter von ca. 80 bis über
100 Jahren. In der Jugend ist der raschwüchsige Baum frostempfindlich und ist daher
bei Anbauversuchen in lichte Bestände eingesprengt zu erziehen; später ist er in mil-
deren Gegenden frosthart und vielfach als Parkbaum zu trefi^en. Die zarten, schmalen,
flachen, hellgrünen 1 — 1^2 cm langen Nadeln stehen zweizeilig gescheitelt an 6 — 10 cm
langen, schlanken Kurztrieben (Fiederblättchen ähnlich) und werden als ^ Absprünge" im
Herbste mit diesen abgeworfen. Das Holz hat gelblichen Splint und braunen Kern und
ist, selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen verwendet, ausserordentlich dauerhaft.
3. Tribus. Cupressineae.
§ 54. Nadeln, Staub- und Fruchtblätter stets in 2 — 4gUederigen Quirlen ge-
stellt. Die Fruchtblätter lassen nur an der Spitze die Andeutung einer Teilung er-
kennen. Die Laubblätter mit Ausnahme von Juniperus sowie den Primärnadeln der
andern Arten sind schuppenförmig, an der Basis mit der Rinde des Tragzweiges ver-
bunden. Keimlinge normalerweise z weinadelig. Pollenkörner ohne Flugblasen. W^uchs
in der Jugend spitz pyramidal, bis zum Grunde beastet. — Die „Retinospor ap-
arten sind aus benadelten Zweigen der jungen Pflanzen durch Stecklingsvermehrung
erzogene „Jugendforme n". Das aromatische Holz der Cupressineen ist
wie dasjenige der vorstehend erwähnten Taxodieen anatomisch charakte-
risiert durch die nur aus Parenchym bestehenden Markstrahlen, durch das Vorkom-
men von Längsparenchym im Spätholz und das Fehlen der Harzgänge.
Thujopsis dolabrata. Siebold et Zuccarini. Die beilblätterige
Die Nadelhölzer. § 55. 297
H i b a ist dnrcb ihr vorzügliches, sehr dauerhaftes und elastisches, leicht bräunliches,
leichtes Holz ein höchst wichtiger Nutzholzbaum Japans, dort in der kühleren Hälfte
des Edelkastanienklimas mit Eichen heimisch und 1853 in Europa eingeführt
uBd hier verbreiteter Parkbaum. Mayr hielt sie stets unter allen japanischen Coniferen,
trotz ihrer grossen Trägwüchsigkeit, wegen ihrer waldbaulichen und technischen Eigen-
schaften für die für Deutschland wichtigste Conifere Japans. Sie erreicht in ihrer
Heimat bis 35 m Höhe, verträgt starke Beschattung, macht massige Ansprüche an die
Boden^te (begnügt sich noch mit Böden mit stark sandiger Beimischung) und verjüngt
sich leicht durch Bewurzelung der am Boden aufliegenden Zweige und durch Stecklinge.
Für Anbauversuche ist sie wie keine andere ausländische Holzart zum Unterbau von
Eichen, Lärchen und Föhren in passenden Lagen geeignet und so zugleich vor der
Schneedruckg^fahr in der Jugend möglichst geschützt. — Die Gattung ist durch
4 — ösamige Fruchtschuppen charakterisiert ; die einzige S p e c i e s ^°) durch auffallend
flache, breite und derbe, in wagrechter Ebene wiederholt verzweigte Zweige,
deren relativ grosse, kreuzweis gegenständige (vierfach dachziegelige) Schuppenblätter
der Oberseite fast ganz angewachsen und oberseits dunkelgrün sind, unterseits
mit grossem weissem Fleck (der Spaltöffnungslinien). Der Leittrieb steht
steif aufrecht.
LibocedrusdecurrensTorreyHeyderia. CalifornischeFluss-
c e d e r. Dieser sehr wertvolles Holz mit dunklem Kern liefernde Waldbaum tritt süd-
licher als die Lawsonscypresse im Küstengebirge Oregons und in der Sierra Nevada
Californiens zwischen 1500 und 2700 m in Gesellschaft der Abies concolor in grosser
Menge auf und eneicht mit „zuckerhutförmiger" Krone 56 m bei 1,35 m Durchmesser.
Von Carriere wurde sie als Thuja gigantea beschrieben und ist vielfach als solche in
Deutschland verbreitet worden. Sie ist charakterisiert durch ihre auf Ober- und
Unterseite gleichen, decussierten Schuppenblätter, von den stets
vier zusammen einen Scheinquirl bilden. Zweige flach. Leittriebe
steif aufrecht. Zapfen 2 — 3 cm lang, aus 6 Schuppen bestehend, von denen nur
die zwei mittleren fruchtbar sind, je zwei grossflügelige Samen enthalten und sich beim
Aufspringen weit bogenförmig zurückbiegen. 1854 in Europa eingeführt. In Deutsch-
land gedeiht sie nur in luftfeuchten milden Lagen gut, da sie in rauhen stark zurück-
friert; neuerdings ist sie auch in den Kreis der forstlichen Anbauversuche gezogen.
Lebensbäume (Thuja.)
§ 55. Bei der Gattung Thuja sind die Z w e i g e auffällig flach, die decussier-
ten, mit einer vorspringenden Oeldrüse besetzten Schuppenblätter nur wenig
über die Zweigoberfläche hervorragend, auf der Fläche des Zweiges flach, an den Kanten
zusammengefaltet. Leittrieb steif aufrecht. Die sehr kleinen männlichen
Blüten sind kugelig, endständig, die schuppenartigen Staubblätter tragen je 4 Pollen-
säcke. Die weiblichen Blüten bestehen aus 3 — 5 Paar decussierter Fruchtschup-
pen, von denen das meist zu einem Säulchen verwachsene oberste Paar unfruchtbar,
die mittleren stets, das unterste Paar meist fruchtbar 2 (1 — 3) Samen tragen. Zapfen-
schuppen lederartig, blattartig, mit denRändern übereinander
greifend. Samen länglich, mit zwei schmalen seitlichen Flügeln. Zapfenreife
Ijährig. Keimblätter 2. Drei, als Zierbäume viel angepflanzte, Arten dieser Gat-
tung sind zu forstlichen Anbauversuchen herangezogen worden.
36) Das forstwissensch. Centralblatt 1898 enthält eine sehr brauchbare colorierte Tafel
von H. Mayr zur Unterscheidung der forstlich wichtigen Cupressineen nach beblätterten Zweigen.
298 III. Klein, Forstbotanik.
I.Thuja gigantea Nuttal. Riesen-Lebensbaum. Pacifische
Thuja. (Syn. Th. Menziesii Dougl., Lobbii Hort., plicata Don. z. T.) vielfach mit
Libocedrus verwechselt, ausgezeichnet durch spätere Raschwüchsigkeit und Holzgüte,
ist ein Waldbaum des nordwestlichen Nordamerika , wo sie im Felsengebirge auf die
unmittelbare Nähe der Gebirgsbäche angewiesen ist, in dem boden- und luftfeuchten,
nur wenig über das Meeresniveau erhobenen Gebiet der Ebene aber zu gewaltigen Di-
mensionen in reinen Beständen (Durchschnittshöhe 50 m) erwächst und bei sehr schwach
beasteter Krone kegelförmige Stämme bildet, die an der Basis enorm breit sind (in
2 m Höhe häufig 3 m und mehr Durchmesser). In der Jugend lange Zeit Schatten
ertragend und dabei stetig, aber sehr langsam wachsend, reinigt sie sich nur sehr
schwer von den harten, langlebigen Seitenästen und bildet nur in sehr engem Druck
einen astreinen Nutzschaft. Das leichte, etwa die Schwere des Weymouthskiefemholze«
besitzende Holz hat schmalen Splint, graubraunen Kern und ist sehr dauerhaft. — Die
Seitenzweige ohne weitere Verzweigung sehr lang gestreckt
Schuppenblätter auf der Zweigoberseite dunkel-, auf der Unterseite hellgraugrün gefleckt
mit dunkelgrünem Rand (an jungen Pflanzen von japonica kaum zu unterscheiden).
Flächenblätter mit wenig deutlicher, länglicher Oeldrüse. Zapfen 11 — 15 cm,
mit 2 — 3 Paar fruchtbaren Schuppen. Samen Vs kürzer als die Fruchtschup-
pen. — 1833 in Europa eingeführt, zeigt sie bei den in grösserem Masse ausgeführten
forstlichen Anbauversuchen der beiden letzten Jahrzehnte vortreffliches Gedeihen bei
sorgsamster Berücksichtigung ihrer Standortsansprüche: ziemliches Mass von
Bodenfrische, am besten frischer bis feuchter, humoser, tiefgründiger, lehmiger Sandboden,
während sie hinsichtlich der mineralischen Nährstoffe weniger anspruchsvoll ist. In
den ersten Jahren ist die Pflanze schwach (im 1. Jahre nur 3 cm lang mit ebenso
langer, mit 1 — 2 cm langen Seitenwurzeln besetzter Pfahlwurzel ; im 2. 10 — 15 cm, im
3. energischer Höhentrieb, vom 7. sehr lebhaftes Höhenwachstum, so dass 8jährige
Pflanzen schon 3 m erreichen). Die junge Pflanze ist empfindlich gegen Frost und
Dürre, Halbschattenholzart, die nur schwache Beschirmung, aber Seitenschutz verlangt:
später wird sie frosthärter, bleibt aber empfindlich gegen Dürre.
2. Thuja Standishii Carriere (syn. japonicaMaximovicz). Ja-
panischer Lebensbaum. Dieser in den Centralgebirgen Japans einheimische
Waldbaum, durch dünne blaurote Rinde ausgezeichnet, besitzt ebenfalls ein sehr wert-
volles, schmutzigbraunes, sehr leichtes und sehr dauerhaftes Kernholz und erreicht bis
35 m Höhe , ist aber trägwüchsiger als die vorstehende Art. Schuppenblätter
dicker und breiter, Drüsenrinne oberseits kaum sichtbar. Zweige reicher verästelt
und die einzelnen Glieder kurz. Zapfen 8 mm lang, mehr rundlich, Samen so
lang wie die Fruchtschuppen. 1861 in Europa eingeführt, zu forstlichen An-
bauversuchen erst neuerdings herangezogen und nach Mayr wie Chamaecyparis obtnsa
im Walde zu verwenden.
3. ThujaoccidentalisLinn^. Gemeiner Lebensbaum, atlan-
tische Thuja. Dieser bei uns als Zierbaum und Heckenpflanze, namentlich auf
Kirchhöfen allgemein verbreitete Baum ist im östlichen Nordamerika (von Canada bis
Carolina) heimisch, in den Gebirgen auf die unmittelbare Nähe der Bäche beschränkt,
in der Ebene aber in kalten sumpfigen Lagen auf weite Strecken reine Bestände bildend
und erreicht bis 20, unter günstigen Verhältnissen 31 m Höhe bei 1,40 m Durchmesser.
Langsamwüchsig durch ihr ganzes Leben, kräftige Beschattung ertragend, produziert
sie trotz des sumpfigen Standortes ein^ sehr dauerhaftes, weiches und leichtes, im Kern
dunkelgelb gefärbtes Holz. Schuppenblätter oberseits dunkel-, unterseits hellgrün, mit
kugelig-ovaler, erhabener Oeldrüse auf den Flächenblättem. Zweige hori-
Die Nadelhölzer. § 56. 299
zontal oder nach verschiedenen Richtungen abstehend. Tn den früh und reichlich er-
scheinenden branngelben, im allg. 6 — 8 mm langen, nach der Oberseite der Zweige auf-
wärts gebogenen Zapfen nur ein paar Fruchtschuppen fruchtbar. — Schon 1566
eingeführt, vollständig frosthart. Mayr empfiehlt sie, da ihr „forstlich kaum
eine geringere Bedeutung zukommt, als der Weymouthskiefer", warm für forstliche
Anbauversuche als Schutzholzart (Vorbau) bei Aufforstung von sumpfigen Wiesen
und Oedflächen, als Unterbauholzart zum Schutze des Bodens in Lichtbeständen,
als Hauptholzart mit Erlen und Birken in sumpfigen Oertlichkeiten und als Pio-
nierholzart auf Moorböden, wo sie sich in kleineren Versuchen, selbst ohne Vor-
bereitung des Bodens, bis jetzt freudig erhält; Schutz gegen Rehe ist unerlässlich.
Die minder frostharte Thuja (Biota) orientalis, die in Süddeutschland
wie die vorige als Zierbaum vielfach kultiviert wird, unterscheidet sich durch grössere,
dickfleischige, im grünen Zustande blau bereifte Zapfen, durch strichförmige
vertiefte Oeldrüsen auf den Flächenblättem und durch die vorwiegend in senk-
rechtenEbenenverzweigten, beiderseits gleichgestalteten lebhaftgrünen Zweige
leicht von den drei vorstehenden Arten.
§ 56. Chamaecyparis. Diese Gattung unterscheidet sich von der ähnlichen
Thuja sehr augenfällig durch die je stärker, je länger abwärts hängenden
Leittriebe, die mit Ausnahme von nutkaönsis auf der Unterseite mit mi Ich weis-
se n Zeichnungen versehenen, eine längliche, flache oder eingedrückte Oeldrüse
tragenden Schuppenblätter und durch die kleinen , holzigen Zapfen mit
schildförmigen, mit den Rändern (wie bei Cupressus) aneinanderlie-
genden Zapfenschuppen.
1. Chamaecyparis Lawsoniana Murray. Lawsonscypresse,
Lawsonia. Die Heimat dieses durch ganz vorzügliche Holzbeschaffenheit und Rasch-
wiichsigkeit ausgezeichneten Waldbaumes ist das Küstengebiet des südlichen Oregons
und des nördlichen Califomiens. Das sehr beschränkte ^'erbreitungsgebiet entfernt sich
nirgends weiter als 7 geographische Meilen von der Küste und reicht im Küstengebirge
nicht höher als 500 m. In warmen Schluchten des letzteren kommen Durchschnitts-
höhen von 50 m bei 1,80 m Durchmesser vor (Maximalhöhe 61 m bei 4 m Durch-
messer). Zweigspitzen meist stark überhängend. Die in wagrechter Fläche
verzweigten Zweige zeigen unterseits eine Reihe etwas verschwom-
mener Xförmiger weisser Streifen (Spaltöifnungslinien) an den Berüh-
rungslinien der Blätter. Kantenblätter mit gerade nach vom gerichteter Spitze.
Zapfen 10 mm dick. Samen mit Harzbläschen (1 — 5) meist zu 3 unter jeder Frucht-
schuppe ; Flügel wenig schmäler als der fast kreisrunde Samen. 1 Kilo
enthält ca. 450000 Kömer. Die glänzend braunrote Rinde bleibt lange Zeit glatt.
Splint schmal. Kernholz hellgelblich, mit feinen Jahrringgrenzen, für eine Cypres-
s e n a r t auffallend schwer (0,46), da nicht nur die schmale Spätholzzone, sondern auch
das Frühjahrsholz anatomisch durch starke Zellwände ausgezeichnet ist. 1854 in Eu-
ropa eingeführt. Bei den forstlichen Anbau versuchen der letzten Jahrzehnte hat sie
sich als in grösserem Masse anbauwürdig bewährt. In den ersten beiden Jahren ist sie
auffallend geringwüchsig (im 1. Jahre ca. 3 cm, im 2. ca. 10 cm lang), im 3. Jahre
wird die Entwickelung lebhafter, mit 5 Jahren sind die Pflanzen durchschnittlich 50
bis 60 cm, mit 10 Jahren 3 — 4 m, mit 14 ca. 5 — 6 m hoch bei 10 cm Durchmesser;
auf besonders kräftigem Boden sind in 12 Jahren schon 8 m erreicht worden; sie bleibt
also hinter der Douglasia etwas zurück und wächst etwa so rasch wie die Strobe. Das
Wurzel System besteht aus einigen kräftigen Herzwurzeln mit ungemein vielen, aus-
800 III. Klein, Forstbotanik.
serst feinen Faserwurzeln; letztere vertrocknen bei weitem Transport oder beim Ver-
pflanzen leicht, doch lässt sich die Lawsonia bei vorsichtiger Behandlung auch noch in
stärkeren Exemplaren verpflanzen. Vom ca. 12. Jahre ist sie bei uns mannbar und
produziert fast alljährlich reichlich keimfähigen Samen. Alsbald nach der Samenreife,
im September oder Oktober, fallen die Samen ans und keimen bei Frühjahrsaussaat
nach 3—4 Wochen. In Deutschland trotz des in ihrer Heimat sehr viel südlicher, im
Gebiet der immergrünen Laubholzzone, liegenden Optimums vortrefflich gedeihend, ist
sie nur in den ersten 5 Jahren frostempfindlich, nachher im allgemeinen hart, macht
etwa die gleichen Bodenansprüche wie die Rotbuche, verlangt etwas Bodenfrische, Sei-
tenschutz, wenigstens einige Jahre Schirm von oben und verträgt ziemlich viel
Schatten. Trockene Standorte, Frostlagen und stark dem Winde ausgesetzte Kahl-
flächen sind ihr unzuträglich. Durch Aufrechtstellen der Seitenäste neigt sie zu mehr-
maliger Gabelung des Stammes. Ihr Eeproduktionsvermögen ist sehr beträchtlich. Als
Parkbaum pyramidenförmig und bis zum Boden beastet, ist sie dekorativer wie Thuja
occidentalis ; sie wird wie diese und wie die folgenden Arten in einer grossen Anzahl
von durch Stecklinge zu vermehrenden Wuchs- und Farbenformen in Gerten und An-
lagen kultiviert.
2. Chamaecyparis obtusa Siebold et Zuccarini. Stumpfblät-
terige Sonnencypresse, Hinoki. In Zentraljapan , weit von der Küste ent-
fernt, bildet die Hinoki zwischen 300 und 1800 m ausgedehnte, mit 200 Jahren noch
kerngesunde Waldungen und gedeiht am besten im Hochgebirge. Sie ißt forstlich die
wichtigste Conifere Japans und eiTeicht 30 — 50 m Höhe bei 1^/2 — 2 m Durchmesser.
Die Zweige mit tiberhängenden Spitzen, dicker und steifer als bei der Lawsonia,
unterseits mit einer Reihe feiner, weisser Xförmiger Streifen.
Schuppenblätter sehr dicht. Kantenblätter mit stumpfer, gegen die Zweig-
achse gewendeter Spitze ; Flächenblätter eirund - rhombisch, kleiner , ange-
drückt. Zapfen 10 mm dick. Samen mit Harzbläschen, meist zu 2 unter jeder
Schuppe; Flügel nur V» so breit wie der rundlich-elliptische Same.
Holz im Kern hellrosa, sehr dauerhaft, fein gefügt (Frühjahrs- und Spätholz gleich
hart!) in Japan das feinste, wertvollste Weichnutzholz vom Gewicht 0.37. 1862 in
Europa eingeführt, wurde sie in den letzten 15 Jahren forstlich vielfach versuchsweise
angebaut und wird von Schwappach als voraussichtlich gut gedeihend bezeichnet. Die
Entwickelung ist in den ersten 2 Jahren sehr langsam, dann ist sie ziemlich rasch-
wüchsig, 4 — 5jährige Pflanzen 50 — 70 cm, 7jährige 1,5 — 1,7 m, 15jährige 4 m (m
Grafrath). Die Keimlinge, die nach 3—4 Wochen auflaufen, sind gegen Hitze und
Frost sehr empfindlich, Beschirmung derselben ist daher unbedingt geboten, später ist
die Pflanze gegen Ueberschirmung sehr empfindlich, dagegen für Seitenschutz dankbar
und erträgt Winterkälte noch besser als die Lawsoniana, ist aber, wie alle Cypressen,
gegen Schneedruck empfindlich. Die Wurzelbildung ist vorzüglich, mit mehr
Herzwurzeln, als die folgende. Zu gutem Gedeihen braucht die Hinoki frischen, kräf-
tigen Boden. Diese in Rücksicht auf Holz quäl ität anbauwürdigste der japani-
schen Coniferen dürfte nach Mayr überall da gedeihen, wo die Eiche wächst, und die
wärmsten Lagen müssten geradezu das Optimalgebiet in Deutschland werden, wenn die
relative Luftfeuchtigkeit während der Vegetationszeit genügt, was der Fall zu sein
scheint.
3. Chamaecyparis pisifera Siebold et Zuccarini. Erbsen fr äch-
tige Sonnen-Cypresse. Sawara. Mit der vorigen Art gleichfalls als Wald-
baum in Zentraljapan verbreitet, zeigt sie ähnliche Wuchsverhältnisse, Dimensionen
und Lebensansprtiche , doch ist das rötlichgelbe, grobfaserige Holz vom Gewicht 0.37
Die Nadelhölzer. § 57. 301
viel weniger geschätzt. Von der vorigen Art, der sie in den ersten Jahren sehr ähn-
lich sieht nnd mit der sie vielfach verwechselt wird, weil die Samen beider Arten viel-
fach mit einander vermischt zu uns kamen, ist sie durch die eilanzettlichen,
scharf gespitzten, am oberen Ende vom Zweige abstehenden Flächen-
blätter und die auf der Unterseite mit 2 Beihen länglicher weisser
Flecken (aufgelöste X-Figur) versehenen Zweige, durch die kleinen, 6 mm dicken
Zapfen und die Samen mit IVamal so breitem Flügel leicht zu unterscheiden.
Das Wurzelsystem besteht nach Schwappach vom Wurzelhals ab aus reichlich
mit Fasern versehenen Seitenwurzeln, die sich im 8jährigen Alter ca. 75 cm rings um
den Stamm erstrecken, aber selbst in stark gelockertem Boden nur ca. 20 cm tief
eindringen. Das Wachstum ist in der Jugend erheblich rascher; gegen Luft und
Bodentrockenheit ist sie, namentlich im Frühjahr, sehr empfindlich, dagegen scheint
sie die winterhärteste der 3 Chamaecjrparisarten zu sein, welche die Winterkälte selbst
in den Hochlagen der Eifel anstandslos ertragen hat. 1861 in Europa eingeführt und
wie vorige forstlich versuchsweise angebaut.
4. Chamaecyparis nutkaänsis Spach. Nutka-Cypresse. In er-
heblich kühlerem Klima als die Lawsonia besonders in den Bergen von Brltisch-Ko-
lumbia und in der Ebene des südlichen Alaska in der Zone der Birken, Erlen, Fichten
und Tannen noch als Baum von 40 m Höhe vorkommend, dürfte diese wertvolle Cy-
presse nach Mayr erheblich frosthärter als die Lawsonia sein. In ihrer Heimat gUt
sie wegen ihres leichten, weichen und sehr dauerhaften Holzes als der wertvollste Wald-
baum. Ihre robusteren Zweige sind oberseits dunkelgrün , unterseits heller bis
bläalichgrün, ohne weisse Zeichnungen, der Gipfeltrieb gewöhnlich aufrecht, Schuppen-
blätter spitzig, an den Kanten wie Sägezähne abstehend, und die Samen mit ebenso
breitem Flügel fast kreisrund, ohne Harzbläschen.
5. Chamaecyparis sphaeroidea Spach (Ch. thyoides Linn6).
Kngelcypresse. Dieser Sumpfbewohner des nordöstlichen Amerika , der
dort bis 25 m Höhe erreicht, ist von den vorstehenden Arten durch seine sehr schmalen
(bis 1,3 mm breiten) graugrünen Zweige, die unterseits 2 bläuliche Längsstreifen
zeigen, durch die stark vorspringende halbkugelige Oeldrüse der
Flächenblätter, die 4 — 6 mm dicken Zapfen und die fast kreisrunden mit 2
sehr schmalen Flügeln versehenen Samen verschieden. Schon 1736 in Europa ein-
geführt, hat sie sich als vollkommen winterhart erwiesen, ist bis jetzt nur als Zier-
baum kultiviert, gedeiht aber nur auf feuchtem Boden gut und ist nach Mayr ihres
zwar leichten (0,33) aber wertvollen und sehr dauerhaften Holzes für Anbauversuche
auf Erlenbruch- und Sumpfboden zu empfehlen.
§ 57. Cupressus sempervirens Linn6. Die gemeine Cypresse, aus den
Grebirgen Persiens und Kleinasiens stammend, aber schon zur Römerzeit im Mittelmeer-
gebiet bis zu den Alpen angepflanzt, ist mit ihrem an die Pyramidenpappel erinnern-
den Wuchs heute ein Charakterbaum der Mittelmeerländer, insbesondere der Friedhofe.
Durch ihre sehr dichte Verzweigung , dunkelgraugrüne , nicht flachgedrückte
Zweige und an den schwachen Seitentrieben älterer Pflanzen fast gleichseitig
dreieckige , fest angedrückte stumpfe Schuppenblätter mit einge-
drückter ovaler Harzdrüse und die bis wallnussgrossen Zapfen ist sie leicht von vor-
stehender Gattung zu unterscheiden. Sie erreicht bis 25 (im Orient über 50 m Höhe
und über 2000 Jahre), besitzt ein vorzügliches, sehr festes, hartes, schweres und fast
unverwesliches Holz vom Gewicht 0,62, hält aber in Deutschland als Zierbaum nur in
den allermildesten Lagen (Mainau, Südtirol) aus. Bestandbildend tritt sie nur auf der
Dalmatinischen Halbinsel Sabbioncello auf, wo ein alter, über 11 Hektar grosser, durch
302 m. Klein, Forstbotanik.
eigenen Samenabfall sich verjüngender Cypressenwald stockt.
§ 58. Wachholder (Juniperus). Die Nadeln, welche oberseits einen
(bis zwei) weisse SpaltöfFnungsstreifen tragen (Unterschied von Cupressineenjngend-
formen), stehen in 2- oder 8 gliedrigen Quirlen. Die Blüten sind 2 häusig und stehen
endständig an mit Schuppenblättem besetzten Seitenzweigen, die männlichen sind
eiförmig und bestehen aus zahlreichen schildförmigen Staubblättern mit je 3 — 7 blasigen
Pollensäcken; die Fruchtschuppen der weiblichen Blüten, die nur je eine Samenanlage
tragen, werden nach der Bestäubung fleischig und verwachsen mit einander und mit
den tiefer stehenden sterilen Fruchtschuppen zu einem Beerenzapfen, der sog. Wach-
holderbeere, an dessen Scheitel die freigebliebenen Ränder der verwachsenen Frucht-
schuppen noch deutlich zu erkennen sind. Samen reife 2jährig.
A. Aechte Wachholder (Sektion Oxycedrus).
Nadeln schmal lanzettlich, am Grunde abgegliedert, in dreizähl igen, ab-
wechselnden Quirlen. Beerenzapfen nur aus 3 Fruchtschuppen gebildet, fast sitzend.
l.JuniperuscommunisLinn6. GemeinerWachholder. (Franz. Ge-
n6vrier.) Kranewit (Bayern), Machandel (Ostsee), Kaddick (Ostpreussen), Geneverboom
( Vläm). Nadeln steif, bis 4 Jahre bleibend, 4—22 (meist 10—15) mm lang, 1 (bis höch-
stens 2) mm breit, im obern Drittel allmählich in eine scharfe Stachelspitze verjüngt, gerade,
mehr oder weniger abstehend, oberseits mit breitem bläulichweissem Mittelstreif,
unterseits hellgrün, mit Längsfurche; im Querschnitt ein Gef ässbündel und
darunter ein grosser Harzgang. Beerenzapfen sehr kurzgestielt, im 1.
Herbst eiförmig, grün, im 2. nahezu kugelig, dunkelbraunviolett, hechtblau bereift, 6
bis 9 mm gross, mit 3 Samen, die 1 — 2 Jahre bis zur Keimung tiberliegen. Aeste
zerstreut oder undeutlich quirlständig, bei Bäumen weit abstehend, mit abwärts ge-
bogenen Enden. Zweige zahlreich, hängend, jung dreikantig. Die braune Rinde
verwandelt sich schon vom 2. Jahre ab in eine längsrissige, in Schuppen und Streifen
sich abschilfernde Faserborke. Das Holz ist feinfaserig , weich , zähe , sehr fest und
dauerhaft. Wuchs meist niedrig strauchartig, seltener baumartig pyramidal bis zu
10 m Höhe.
In der Tracht, wie in Grösse und Gestalt der Nadeln sehr veränderlich, hat er
zur Unterscheidung einer grossen Anzahl schwer auseinander zu haltender Formen An-
lass gegeben ^^). Das Verbreitungsgebiet des gemeinen Wachholders reicht mit sehr
ungleicher Verteilung in Europa von Portugal bis zum Kaukasus und von den Inseln
des Mittelmeers bis zum Nordkap; ausserhalb Europas kommt er im mittleren und
nördlichen Asien bis Kamtschatka, in Algerien und Nordamerika vor. Im südlichen
Teil seines europäischen Verbreitungsbezirks ist er auf die Gebirge beschränkt, in den
Alpen steigt er bis 1500 und 1600 m. Sehr genügsam in seinen Standortsansprüchen
wächst er auf allen Bodenarten vom trockenen festen Sand- bis zum sumpfigen Moor-
boden, teils im Walde namentlich an frischeren Stellen alsBodenschutzholz,
teils für sich allein grössere und kleinere Strecken bedeckend, besonders in Norddeutsch-
laud (Lüneburger Heide , Ostpreussen) , aber auch als einziges Nadelholz und einzig
immergrüne Holzart auf den sandigen Höhen zwischen Donau und Theiss mitten im
steppenreichen Gebiet des ungarischen Tieflandes.
2. Juniperus nana Willdenow. Zwergwachholder. Neuerdings
als Form zur vorhergehenden Art gerechnet , mit der er durch eine Reihe von Ueber-
gängen verbunden ist. Der Zwergwachholder bildet niederliegende, bis 30 cm
37) Cf. Ascherson und Gräbner 1. c. I. p. 243 flf.
Die Nadelhölzer. § 59. 303
hohe Sträucher mit kurzen iind dicken Zweigen, sehr gedrängt stehenden
Nadelquirlen, mit weicheren, nur 4 — 8 mm langen, meist bis 1 mm unter
der sehr kurzen Stachelspitze wenig verschmälerten, mehr oder
w^eniger gegen den Trieb aufwärts gekrümmten, anliegenden, meist
deutlich kahnförmigen Nadeln. Diese in der oberen Berg- und Hochregion der
Alpen (bis 2500 m) und Karpathen, dem Iser- und Kiesengebirge und den Sudeten ver-
breitete Form oder Art, die sehr selten auch in Ostpreussen vorkommt, ihren Haupt-
verbreitungsbezirk aber in den Polarländern hat, ist ohne forstliche Bedeutung.
3. Juniperus oxycedrus Linn6. Ceder- Wachholder (J. ruf^scens
Link.) mit sehr starren und stechenden, bis 16 mm langen Nadeln, deren bläulichweisse
Oberseite der ganzen Länge nach von einem grünen Mittelstreifen durchzogen wird
und deren fettglänzende, braunrot geförbte Beerenzapfen etwas grösser sind, ist
in der ganzen Mittelmeerzone, also auch in Istrien und Dalmatien, in der immergrünen
Buschformation sehr verbreitet und im dortigen Walde ein langsam wüchsiges, häutiges
Unterholz, das meist strauchig bleibt, ab und zu auch baumartig wird.
4. Juniperus macrocärpa Sibthorp. Grossfrüchtiger Wach-
holder, ist der vorigen Art ähnlich, hat aber mehr blaugrüne, biegsame, weniger
abstehende bis 3 cm lange Nadeln, bereifte Triebe und grosse 12 — 15 mm breite, ku-
gelige, rötlichbraun bis schwarzbraune, bereifte Beerenzapfen. Er teilt mit dem Cedern-
W^achholder Verbreitung und Vorkommen, ist aber in Istrien und Dalmatien seltener.
Beide Arten werden übrigens vielfach als Unterarten (3 dann als J. rufescens) zu einer
Art Juniperus oxycedrus vereinigt^®).
B. Sadebäume (Sektion Sabin a).
§ 59. Nadeln klein, zu 2 gegenständig oder zu 3 quirlig, nicht abgeglie-
dert, am Stengel herablaufend, zweigestaltig: an jungen (z. T. auch an älteren)
Pflanzen länglich lanzettlich, weit abstehend, an älteren Pflanzen kurzoval-drei-
eckig, schuppenartig anliegend. Beerenzapfen aus 4 — 9 Schuppen,
wie die männlichen Blüten deutlich gestielt. Pflanzen unvollkommen 2-häusig.
5. Juniperus Sabina Linn6. Gemeiner Sadebaum, Sevenbaum.
Nadeln fast alle kreuzweis gegenständig, beim Zerreiben zwischen den Fingern
sehr stark und unangenehm aromatisch riechend. Beerenzapfen
auf bis 5 mm langem, hackigrückwärts gebogenem Stiel, bis 9 mm gross,
bräunlich-schwarzblau, hechtblau bereift. — Der Sadebaum bildet am häutigsten Büsche
mit latschenartig niederliegenden, am Ende aufstrebenden Zweigen, seltener aufrechte
bis IVa m hohe Büsche, noch seltener 3 — 4 m hohe Bäume. Er ist eine Hochgebirgs-
pflanze Südeuropas, in den Alpen vielfach verbreitet und dort höchstens in lückigen
Beständen als Bodenschutzholz von forstlicher Bedeutung. In Deutschland wird er in
Bauerngärten mit Vorliebe kultiviert und ausserdem in zahlreichen Formen als Deko-
rationspflanze.
6. Juniperus phoenicea Linn6. Phönizischer Sadebaum, im Laub der
Cypresse sehr ähnlich, von dicht buschigem Wuchs mit aufstrebenden Aesten
und mit kurz gestielten oder fast sitzenden, glänzenden, rotbraunen Beer en zapf en,
deren Fleisch nicht wie bei den anderen Arten breiig, sondern auffallend faserig ist,
kommt in Gesellschaft von 3. und 4. in der immergrünen Region des Mittelmeerge-
bietes vor.
7. Juniperus virginiana Linn6. Virgin i scher Wachholder,
38) Ascherson und Gräbner I. 1. c. p. 247.
304 III. Klein, Forstbotanik.
Bleistiftceder. In der Jugend ist die Pflanze dem Sadebaam oft ausserordent-
lich ähnlich, stets aber leicht dadurch zu unterscheiden, dass ihre Zweige, kräftig
zwischen den Fingern gerieben, den für Sabina charakteristischen Geruch vermissen
lassen. Leittrieb steif aufrecht. Benadelung sehr variabel. Nadeln zum
Teil zu 3 abwechselnd quirlig, schmal, nadelförmig, abstehend, 3 — 8mm
lang, zum Teil kreuzweis gegenständig, dachziegelig und rhombisch, ange-
drückt, alle scharf gespitzt. Beerenzapfen klein, 5 mm lang, kaum 4 mm dick,
braun violett, bereift, aufrecht. — Dieser, schon 1664 in £uropa eingeführte und
hier als Parkbaum über 400 Jahre erreichende Wachholder ist im östlichen Nord-
amerika als ausserordentlich klimavage Pflanze von den kalten Küsten Neubraunschweigs
bis zur tropischen Waldzone im heissen, winterlosen Florida, von der feuchten atlan-
tischen Küste bis zur Prärie, heimisch, allerdings mit dem Optimum seiner Entwickelung
(30 m Höhe) im Süden. Ebenso wie den verschiedenartigsten klimatischen, ist er
auch den wechselndsten Bodenverhältnissen vom felsigen Gebirgs- und heissen mageren
Sandboden bis zum feuchten Sumpfboden mit einem je nach Bodengüte wechselnden
Gedeihen angepasst. Das Holz zeigt frisch gefällt einen prächtig roten Kern, der
später einen gelbbraunen Ton bekommt, ist sehr aromatisch, dauerhaft und leicht (0,33)
(Bleistiftholz). In der Jugend auch im Norden seiner Heimat raschwüchsig, lässt er
dort bald nach. Bei uns ist er, von rauhen Gebirgslagen und von Ost- und West-
preussen abgesehen, völlig winter hart und nimmt im Winter eine rotbraune bis \io-
lette Winterfärbung an. Die Keimung erfolgt im 2. Frühjahr. Die in den 2 ersten
Jahren sehr klein bleibenden Pflänzchen sind ziemlich empfindlich , vom 3. Jahre au
wachsen sie rascher und erreichen mit 7 — 8 Jahren durchschnittlich 1 m, dann ist der
Wuchs ein freudiger. In dem 5 Hektar grossen Bleistiftwald des Freih. v. Faber bei
Nürnberg auf Sand- und lehmigem Sandboden, der 1876 — 81 mit 4jährigen Ballen-
pflanzen angelegt wurde, waren 1889 die Bäumchen durchschnittlich 2^/«, die höchsten
Exemplare auf frischerem Boden 3V2 — 4 m hoch, 1902 betrug die Durchschnittshöhe
6 — 7 m. Im allgemeinen erreicht er bei uns in 75 — 100 Jahren 16 — 18 m Höhe und
scheint am besten auf frischem mildem Lehmboden zu gedeihen. Die Bewurzelung
geht massig tief. Die Mannbarkeit tritt bei uns zwischen dem 12. und 20. Jahre
ein, worauf fast alljährlich ziemlich reichliche Samenjahre folgen.
§ 60. Familie Taxaceae. Eibenartige Nadelhölzer. Keine
zapfenähnlichen weiblichen Blüten. Samen steinfruchtartig.
Diese Familie besitzt nur einen europäischen Vertreter:
Taxus baccataLinn^. Eibe. (Franz. K.) Nadeln 2zeilig gescheitelt, flach,
oft etwas gekrümmt, 2 — 3 cm lang und ca. 2 mm breit, denjenigen der Weisstanne ähn-
lich, aber stets zugespitzt, beiderseits mit vortretendem Mittelkiel, oberseits glänzend
dunkelgrün, unterseits gelblichgrün, nicht bereift ; imQuerschnitt mit einfachem
Gefässbündel, ohne Harzgänge; giftig; Lebensdauer 6—8 (10) Jahre. Knospen
sehr reichlich, besonders im oberen Teil der Zweige; viele bleiben schlafende Augen
und erklären so das ausserordentliche Ausschlag- und Reproduktionsvermögen der Eibe.
Rinde rotbraun, ähnlich wie bei der Platane sich abblätternd. Blüten 2 häusig;
männliche schon im Herbst als kleine Knospen in der Achsel Ijähriger Nadeln an-
gelegt, meist zahlreich , mit ca. 10 schildförmigen Staubblättern auf beschuppten Stiel-
chen, bleichgelb, mit 5 — 8 der Ijänge nach aufspringenden Pollensäcken. Pollen ohne
Flugblasen. Weibliche Blüten einzeln oder zu wenigen, nackte Samenknospen
auf kurzem beschupptem Stielchen , laubknospenähnlich , im Frühjahr in den Achseln
vorjähriger Triebe erscheinend. Same erbsengross, dunkelolivbraun, von einer becher-
artigen, anfangs grünen, dann korallenroten fleischigen Hülle (Arillus) umgeben. Mann-
Die Laubhölzer. § 61. 305
b a r k e i t nicht vor dem 20. Jahre. Blütezeit je nach Klima und Lage, 2. Hälfte
März bis Anfang Mai, Samen reife dto. August bis Oktober (November). Der Same liegt
bei Herbstsaat 1 — 3, bei Frühjahrsaat 3 — 4 Jahre nach WiDkomm über. Keim-
pflanzen denen der Weisstanne ähnlich, aber ohne weisse Streifen. Weitere Ent-
wiekelung sehr langsam , bis zum 6. Jahre durchschnittlich jährlich nur 2^/2 — 3 cm,
dann etwas rascher, aber viel langsamer als bei allen übrigen europäischen Nadel-
hölzern ; nur unter sehr günstigen Umständen mit 10 Jahren 2 m hoch. Die Maximal-
höhe geht selten über 10—15 m hinaus, doch kann die Stärke eine sehr beträchtliche
werden, da das Alter angeblich mehrere Jahrtausende erreichen kann. Krone lange
Zeit bis zum Fuss herabreichend. Hauptäste weit abstehend und der Edeltanne ähn-
lich , aber ohne Quirlknospen vorzugsweise zweizeilig verzweigt. Alte Stämme spann-
rückig, sehr abholzig, mit gegabeltem Stamm oder tief unten entsprungenen Tochter-
stämmen. Das wertvolle Holz hat einen sehr schmalen gelbweissen Splint und einen
rotbi'aunen Kern wie altes Mahagoniholz, ist schwer (0,76), ungemein feinjährig, sehr
elastisch , fest und hart , schwerspaltig. Im Altertum und Mittelalter wurde es viel-
fach zur Anfertigung von Bogen und Armbrüsten verwendet. Jahrringgrenzen
durch das dunkle Spätholz sehr deutlich, Markstrahlen sehr fein, nur mit der
Loupe erkennbar. Anatomisch ist es durch das Fehlen von Harzgängen — auch
in der Einde fehlen sie — und durch sehr deutliche Spiralverdickungen
sämtlicher Tracheiden ausgezeichnet. — Die Eibe ist über ganz Europa ver-
breitet und darüber hinaus bis zum Kaukasus und bis nach Persien mit sehr ungleich-
massiger Verteilung und war in früheren Jahrhunderten in Deutschland viel häufiger,
wo sie gegenwärtig sehr zerstreut, einzeln bis zahlreich, aber nie mehr bestand-
bildend auf frischem oder feuchtem, namentlich kalkhaltigem Boden in Wäldern vor-
kommt und durch ihre Fähigkeit, Schatten und engen Bestandesschluss zu ertragen,
alle europäischen Nadelhölzer weit übertrifft. Gegen Freistellung ist sie namentlich
in der Jugend sehr empfindlich und so bei ihrer Langsamwüchsigkeit eine im Kultur-
walde, namentlich bei Kahlschlagbetrieb, leider meist auf dem Aussterbeetat stehende
Holzart.
B. Die Laubhölzer.
1. Kätzchenträger.
§ 61. Ein- oder (Weiden und Pappeln) zweihäusige Bäume mit eingeschlechtigen
Blüten, die zu Kätzchen vereinigt sind. Unter Kätzchen versteht man Aehren oder
ährenförmige Blütenstände, welche, falls nur männliche Blüten vorhanden sind, nach
dem Verblühen als Ganzes abfallen und an einer fleischigen, meist schlaff
hängenden Achse dicht gedrängt unscheinbare Blüten oder dichasiale Blütenknäuel
tragen. Samen ohne Nährgewebe. Mit Ausnahme der Weiden sind alle hierher ge-
hörigen Bäume Windblütler.
A. Nass früchtige Kätzchenträger.
Buchenartige Laubhölzer (Familie Fagaceae.) Die
Blüten besitzen ein aus meist 5 oder 6 unscheinbaren, am Grunde verwachsenen
Blättern gebildetes P e r i g o n. Der Fruchtknoten ist Sfächerig (bei Castanea
6fächerig) mit je zwei Samenknospen , von denen sich aber nur ein Fach und eine
Samenknospe zur Isamigen Schliessfrucht weiter entwickelt. Die Früchte sind ein-
zeln oder zu mehreren von einer schon zur Blütezeit vorhandenen, mit Niederblättern
besetzten Achsenwucherung, der Cupula, eingeschlossen oder am Grunde umgeben.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 20
^ I
806 III. Klein, ForstboUnik.
Die Blütenstände stehen in der Achsel diesjähriger Blätter, nnd das Auf-
blühen erfolgt während oder nach der Entfaltung der Blätter. Die wechselständigen
Blätter besitzen hinfällige Nebenblätter. — Die Befrnchtang der Samen-
knospen ündet immer erst geraume Zeit nach dem Ausstäuben des Pollens statt; bei
den Eichen sind zur Blütezeit die Fruchtknoten noch nngefächert und die Samenknospen
noch nicht angelegt.
§62. Fagns silvatica Linn^., Rotbuche (franz. Hßtre), ist bei uns
die einzige Vertreterin ihrer ca. 10 Arten umfassenden Gattung und der verbreitetste be-
standbildende Laubholzbaum. Winterknospen zimmetbraun, spindelförmig, spitz,
seitlich weit abstehend, 1—3 cm lang, mit zahlreichen , an der Spitze weiss-
tilzigen Knospenschuppen. Nicht selten fehlt die Gipfelknospe und nimmt dann die
oberste Seitenknospe ihre Stelle ein. Blätter 2zeilig, auf der Zweigunterseite
einander etwas genähert, Knospen auf der Blatt Oberseite genähert, etwas aus der
Blattachsel herausgerückt. Die Jahrestriebe sind gegen einander abgegrenzt durch
die dicht stehenden Eingwülste der Knospenschuppennarben, zwischen denen winzige
„ Kleinknospen ^ vorhanden sein können. Blätter in der Knospe längs des Mittel-
nervs zusammengelegt, zwischen den Seitennerven gefaltet, am Rande, auf den
Nerven und am Stiele dicht seidenhaarig; entfaltet spitz eiförmig
oder am Grunde keilig, 4 — 10 cm lang mit V2 — IV^ cm langem Stiel, am Rande wellig
oder schwach gezahnt und gewimpert, oberseits dunkelgrün glänzend, untersei ts
heller grün, alt nur noch in den Nervenwinkeln und an der Mittelrippe flaumig. Sei-
tennerven 5 — 9. Nebenblätter schmal zungenförmig, knickfaltig, dünnhäutig,
2 — 3 cm lang, rotbraun oder rötlich . Männliche Kätzchen langgestielte ( — 5 cm),
hängende, vielblütige, kugelige, dichasiale Knäuel an der Basis der Zweige in den
untersten Blattachseln und zwischen den obersten Knospenschuppen; an schwächeren
Trieben in der Regel nur männliche Kätzchen; männliche Blüte mit glocken-
förmigem, kelchähnlichem, 4 — Tspaltigem, gelblich-rötlichem, weisszottigem Perigon und
8 — 12 lang gestielten Staubfäden mit gelben Staubbeuteln. Weibliche Kätzchen
kurzgestielte, in den oberen Blattachseln kräftiger Langtriebe straff aufrecht stehende,
2blütige Dichasien, deren in der Regel fehlende Mittelblüte ausnahmsweise als 3. Blut«
zur Entwickelung kommt; weibliche Blüten mit 6teiligen, mit dem 3kantigen
Fruchtknoten grösstenteils verwachsenem Perigon, zu zweien in die vierteilige, weich-
stachelige, seidig-zottige Cupula bis auf die vorragenden, gekrümmten, rötlichen oder
gelben Narbenarme jeder Blüte völlig eingeschlossen. Cupula zur Reifezeit verholzt,
gelbbraun, mit pfriemenförmigen, umgebogenen Weichstacheln (Niederblättem) dicht
besetzt, 4klappig aufspringend. Früchte (Buchecker, Buchein) glänzend rotbraun,
ca. V/ü cm lang, spitzeiförmig, dreikantig, an der Spitze einen pinselförmigen Rest
des Perigons tragend, mit lederiger Fruchtwand und gefalteten, ölreichen Cotyledonen.
1 Hektoliter Buchecker wiegt 40 — 50 Kilo; auf das Kilo gehen durchschnittlich
4000-45CX).
Die Mannbarkeit tritt spät ein, bei freiem Stande mit dem 40. — 50., im Be-
standesschlusse selten vor dem 60., oft erst mit dem 80. Jahre. Samenjahre
(V 0 1 1 m a s t e n) in der Ebene und im Hügelland häufiger als im Gebirg, unter gün-
stigeren Verhältnissen alle 5 — 8, unter ungünstigeren alle 9—12 Jahre; dazwischen
namentlich im Gebirge, fast nie in der Ebene, ca. alle 3 -4 Jahre reichliche Samen-
erzeugung einzelner Bäume (Sprengmastenj ; Blütezeit fast gleichzeitig mit dem
Laubausbruch, je nach Klima und Lage Ende April bis Ende Mai ; Samenreife im
September oder Oktober; Keimfähigkeit 70 — 80^0, doch sind auch 50—60%
noch als gut zu bezeichnen; Dauer der Keimkraft kurz, ca. V* Jahr. Auf-
Die Laubhölzer. § 62. 307
laufen der im Herbst gesäten oder ausgefallenen Buchein im April oder Mai des
nächsten Frühjahres, nach Frühjahrssaat in 5 — 6 Wochen, mitunter erst im nächsten
Frühjahre. Bei der Keimung hebt das kräftige hypocotyle Glied die noch im Samen
eingeschlossenen Cotyledonen bis 6 cm in die Höhe, worauf diese sich zu sehr grossen,
halbkreisförmigen, bis 4 cm breiten, oben glänzend dunkelgrünen, unten weissen, dick-
fleischigen Blättern entwickeln, die im Juli abfallen. Nach Entfaltung zweier normaler,
gegenständiger Blätter schliesst der erstjährige Trieb sein Wachstum mit einer end-
ständigen Winterknospe ab. Der Wuchs ist in den ersten 4 — 5 Jahren besonders
bei Ueberschirmung sehr langsam, ca. 8 — 11 cm pro Jahr, im 2. Jahre verlängert sich
lediglich die Hauptachse und bildet meist 5 — 7 wechselständige Blätter. Vom 5. Jahre
an steigert sich der Höhenwuchs und der Baum erreicht im Durchschnitt im 10. Jahre
3/4 m, im 20. 3 m, im 30. 6 m, im 40. 10 m, im 50. 14 m, im 60. 17 m, im 70. 19 m,
im 80. 21 m, im 100. 23 m und im 120. 25 m (unter günstigsten Verhältnissen bis 32 m,
ausnahmsweise bis 39 m) in diesem Alter. Das Maximum ihres Höhenwuchses mit ca.
60 cm jährlich liegt je nach Standortsgüte zwischen dem 30. und 55. Jahre. Mit
100 Jahren ist der Höhen wuchs meist schon unmerklich. Der Stärkeznwachs nimmt
meist vom 60. Jahre an sehr ab. Nur ausnahmsweise erreicht die Buche unter günstigsten
Verhältnissen ein Alter von 300 Jahren bei einer Höhe von 35 m und 80 cm bis 1 m
Durchmesser. Grössere Stärken, bis zu 2 m kommen fast nur bei isoliert aufgewachsenen
viel niedriger bleibenden Bäumen wie Weidbuehen und dergl. vor. Gewöhnlich wird
die Buche gegen das 160., auf armem Boden oft schon vom 120. Lebensjahre an wipfel-
dürr und kern faul.
Die Verzweigung ist sehr dicht, das Mark der Zweige im Querschnitt
dreieckig. Die zahlreichen Langtriebe hängen an der Spitze über, so lange
sie weich sind, später stehen sie straff aufrecht, von Knospe zu Knospe knickig hin-
und hergebogen. Aus den unteren Seitenknospen der Langtriebe entstehen bei älteren
Bäumen zahlreiche wenig beblätterte Kurztriebe, deren Oberfläche durch die ein-
ander genäherten Blatt- und Knospenschuppennarben höckerig und quergeringelt er-
scheint. Der gleichmässig gerundete, nie spannrückige Stamm hält bei dichtem
Schluss meist bis zum Wipfel aus und reinigt sich 15 — 18 m und höher von Aesten.
Die sehr reichästige Krone, beim freiständig erwachsenen Baume breit und tief herab-
reichend, im Bestandesschluss schmäler und hoch angesetzt, von schief aufstrebenden
Aesten getragen, ist in der Jugend kegelförmig, später besenförmig, im höheren Alter
domartig abgewölbt und durch die starke Verzweigung und die selbst im Innern alter
Bäume dichte Belaubung, sowie durch die schirmartige Anordnung der 2zeilig beblätterten
Zweigsysteme ausserordentlich dicht schattend. Die Ausschlagfähigkeit ist nicht be-
deutend. Der Stockausschlag erfolgt der Hauptsache nach aus Adventivknospen
des Ueberwallungswulstes. —
Die Bewurzelung besteht bei der jungen Pflanze aus einer kräftigen, wenig
verzweigten Pfahlwurzel, die aber schon nach 4 — 5 Jahren zu wachsen aufhört, und
deren oberer Teil zu einem knorrigen Wurzelstock wird, auf dem kräftige, seitlich
weit streichende Seitenwurzeln entspringen, die meist nur wenig in die Tiefe dringen,
auf zerklüftetem Felsboden sich abplattend oft tief in die Spalten des Gesteins ein-
dringen und die Steintrümmer fest umschlingen, auf flachgründigem Boden aber oft
auf weite Strecken ganz oberflächlich verlaufen und nicht selten mit einander ver-
wachsen.
Die stets verhältnismässig sehr dünne Rinde ist* an jüngeren Stämmen und
Zweigen dunkel olivgrün bis graubraun, glänzend und glatt, an älteren weissgrau ge-
fleckt, an alten perlmutterglänzend silbergrau, indem sich etwa vom 10. Jahre an im
20*
308 III. Klein, Forstbotanik.
abgestorbenen Periderm Krnstenflechten (Graphis scripta, Opegrapha varia, \-emicaria
biforinis und die nur hier vorkommenden Opegrapha venosa and Parmelia speciosa a. a.)
entwickeln, zuerst helle Flecke bilden, die später mehr und mehr zusammenfliessen and
an alten Bäumen ihre schwarzen, oft ähnlich wie Schriftzeichen angeordneten Fracht-
körper zu Tage treten lassen. Die an Steinzellnestem ausserordentlich reiche, bast-
faserfreie Rinde bleibt gewöhnlich zeitlebens geschlossen ; nur ausnahmsweise bildet sie
im Schluss (Steinbuche) im unteren Teile des Stammes eine längs- und querrissige
schwache Borke, während bei sehr alten, exponiert stehenden Weidbuchen eine solche
Borkebildung häutig ist. Vom Holzkörper losgel(')ste Rindenstücke zeigen auf der
Innenfläche Markstrahlleisten, scharfe rippenartige, aus Steinzellen aufgebaute
Vorsprünge, welche in die breiten Markstrahlen des Holzkörpers etwas eindringen.
Als Rindenknollen bezeichnet man erbsen- bis wallnussgrosse holzige Kugeln,
welche in der Rinde steckend mehr oder weniger nach aussen vorstehen, einer abnormen
Entwickelung schlafender Augen ihre Entstehung verdanken und bis 50 Jahre alt
werden können.
Das zerstreutporige Holz ist rötlichweiss, ohne gefärbten Kern —
der rotbraune „falsche" Kern ist eine Krankheitserscheinung! — hart, schwer (0,63—
0,88), leicht spaltbar, wenig elastisch, gedämpft leicht zu biegen, bei wechselnder Nässe
und Trockenheit von sehr geringer Dauer, unter Wasser aber sehr dauerhaft, von ganz
vorzüglicher Brennkraft. Die breiten, sehr scharf begrenzten Markstrahlen,
zwischen denen sich die Jahrringgrenze etwas ausbaucht, nehmen etwa ^/lo der Quer-
schnittsfläche ein; sie bilden auf der radialen Spaltfläche atlasglänzende „Spiegel%
auf der Oberfläche des Holzkörpers oder auf der tangentialen Spaltfläche zahlreiche,
sehr charakteristische kurze spindelförmige Streifen. Zwischen den breiten verlaufen
zahlreiche feine Markstrahlen. Bei anatomischer Betrachtung zeigen sich die
schmalen Markstrahlen im Querschnitt aus einer oder wenigen parenchymatischen Zell-
reihen, die breiten aus 20 und mehr Reihen in radialer Richtung gestreckten Fasern
aufgebaut. Die weiten Grefässe sind an den Enden meist ringförmig, die engeren meist
leiterförmig durchbrochen. Die Hauptmasse des Holzes bilden sehr dickwandige, lang:-
gestreckte, beiderseits scharf zugespitzte Holzfasern ; Holzparenchym (gekammerte Fasern)
und Tracheiden sind nur in massiger Menge entwickelt.
Die geographische Verbreitung der Buche erstreckt sich mit sehr un-
gleichmässiger Verteilung über fast ganz Europa; im Süden geht sie als Gebirgsbanm
bis nach Sizilien , fehlt aber im südlichen Griechenland und Spanien ; im Norden bis
zum nördlichen Schottland, dem südlichen Skandinavien und Ostpreussen bis Königs-
berg. Die Ostgrenze verläuft von Königsberg nach der Krim , den Kaukasusländem
und Nordpersien. Das inselartige Vorkommen der Buchenwälder ist daraus zu er-
klären, dass sie mit Ausnahme des Hagenauer Forsts im mittleren Rheinthal und dem
baltischen Bezirk von Schleswig-Holstein bis Ostpreussen überall von Hause aus Ge-
birgsbaum ist, nach Grisebach von allen Waldbäumen „der vollkommenste Ausdrock
für den Einfluss des Seeklimas in Europa". Durch Anbau ist die Buche sowohl inner-
halb ihres natürlichen Bezirks, wie über dessen Polargrenze hinaus verbreitet worden.
In Skandinavien und England steigt die Buche bis 190 m, im Harz bis 650 m, im
Thüringerwald bis 800 m, im Erz- und Riesengebirge bis 950 m, in den süddeutschen
Gebirgen, den Karpathen und Zentralalpen bis 1100 und 1200 m, in den Ostalpen bis
1300 m (vereinzelt 1460 m), im Schweizer Jura meist nur bis 900 m (während sie als
Krüppelform hier wie in den Alpen \ie\ höher geht), in den südlichen Alpen bis 1700 m,
im Apennin über 1900 m, am Aetna bis 2100 m. Nach den Standortsansprüchen
gehört die Buche zu den anspruchsvollsten Holzarten; sie verlangt zu gutem
Die Laubhölzer. § 62. 309
Gedeihen einen mineralkräftigen und humusreichen Boden, der stets massig durch-
feuchtet und etwas locker ist. Die geognostische Herkunft des Bodens ist von unter-
geordneter Bedeutung, vorausgesetzt, dass derselbe das grosse Kali-, Kalk-, Phosphor-
sänre- und Magnesiabedürfnis der Buche zu decken vermag. Anhaltende Bodennässe
wie Trockenheit sagen ihr nicht zu, weshalb sie puren Torf-, Heide- und Sandboden
meidet, aber auch den fruchtbaren Aueboden, strengen Ton- und reinen Kalkboden.
Die Ansprüche an die Luftfeuchtigkeit sind mittlere, jedenfalls geringer als bei der
Fichte, das Schattenerträgnis von allen heimischen Laubholzarten am grössten,
unter den Nadelhölzern nur von Tanne und Eibe übertroffen. Die ausgesprochene
Schattenholzart verrät die dichte Belaubung, der grosse Stammreichtum der Bestände,
die unübertroffene Fähigkeit des Baumes, dichten Bestandesschluss herzustellen und das
Gedeihen des jungen Nachwuchses unter dem Kronendach der alten Bäume. Die jungen
Triebe erfrieren leicht durch Spätfröste, weshalb die Buche Frostlagen meidet. Im
allgemeinen verlangt die Buche eine Vegetationszeit von wenigstens 5 Monaten. Mit
ihrem dichten Kxonenschluss und reichlichen Laubabfall gehört die Buche zu den boden-
bessernden Holzarten. Die Blätter, die sich vor dem Laubfall leuchtend braungelb
fä.rben, bleiben nach dem Vertrocknen an Heckenpflanzen, Stockausschlag u. dergl.
wie bei der Eiche häufig den Winter über haften.
Die Variationsfähigkeit der Buche ist gering. Nach Blattfarbe, Blatt-
bau und Wuchs unterscheidet man folgende Spielarten:
a) purpurea Alton, die Blutbuche, mit grünroten bis schwarzroten Blättern, in
Deutschland wild nur in einem alten Exemplar bei Sondershausen, beliebter Zierbaum ;
b) incisa Willdenow, mit eingeschnitten gezähnten, lang zugespitzten Blättern,
nur bei Ettlingen in Baden, wie die als asplenifolia, heterophylla, laciniata, cristatata etc.
bezeichneten, nur in Gärten vorkommenden Formen mit zerschlitztem Laube auch kul-
tiviert. Auch die sehr dekorative Hängebuche (pendula) und die Pyramidenbuche (py-
ramidata) sind nur als Gartenformen bekannt, die sich bloss durch Pfropfung vermehren
lassen ;
c) von der Spielart variegata mit weiss oder gelb geflecktem Laub wurde ein
Exemplar, „Hartig's Buche", „foliis striatis" mit goldgelb gestreiftem Laub in Hessen
wildwachsend gefunden ;
d) tortuosa Hortorum, die Schlangenbuche, mit schlangenförmig hin und her ge-
bogenen Stämmen, Aesten und Zweigen, auf dem Jurazug Süntel bei Hannover einen
ganzen Bestand bildend;
e) retroflexa Mathieu, die Kollerbuche, häufiger vorkommend, mit breitgedrückter
Krone, geringem Höhenwuchs und sehr abholzigem Stamm, die nach Willkomm „eine
wahre Kalamität werden kann" und „vielleicht eine durch parasitische Pilze bedingte
Form sein dürfte", ist ihrer Natur nach noch aufzuklären.
Als Standortsformen sind von der langschäftigen Gebirgsbuche zu
unterscheiden: die Insel- oder Küstenbuche, die auf den Inseln und in den
Küstenländern der Ostsee allein vorkommt und auch im Schlüsse eine tief angesetzte,
umfangreiche Krone und einen kürzeren aber stärkeren Stamm bildet. Einen ähnlichen
Wuchs zeigen die malerischen alten Weidbuchen des südlichen Schwarzwalds und
der rauhen Alb. Als klimatische und sonstige Reduktionsformen sind zu nennen
die knieholzartige Strauchbuche in rauher Gebirgslage Kroatiens , die derselben
oft ähnliche, übrigens sehr variable Verbissbuche hochgelegener Weidefelder, und
die windgepeitschte Buche (Fahnenwuchs) , wie sie z. B. an den Randbe-
ständen in Schleswig-Holstein, aber auch in hohen Gebirgslagen, wie am Elsässer Bel-
eben und auf dem Schauinsland im Schwarzwald vorkommt.
^
310 III. Klein, Forstbotanik.
Die Eichen (Quercus.)
§ 63. Blüten einzeln an der Kätzchenachse, Aehren bildend; männliche
Kätzchen reichblütig, schlaff hängend, den obersten, später zu Lang- oder Kurz-
trieben answachsenden Seiten knospen vorjähriger Triebe entspringend, und zwar aus
mehreren der obersten Knospenschuppen dieser Knospen, daher unterhalb der diesjäh-
rigen jungen Gipfelsprosse meist gehuschelt ; dieweiblichenKätzchen armblütig,
in der Achsel von Laubblättem diesjähriger Gipfeltriebe. Blütezeit gleich nach
dem Laubausbruch. Die Keimblätter bleiben bei der Keimung, von der Frucht-
schale umschlossen, unter der Erde. Die Zweige besitzen stets eine grössere End-
knospe und spiralig (2/5) gestellte, gegen die Spitze des Triebs gehäufte, knrzgestielte,
selten ganzrandige Blätter. Gegen 200 Arten.
1. Quercus pedunculata Ehrhart. Stieleiche, Sommereiche, Fruh-
eiche, Heideeiche etc. (franz. Chene male), unser stolzester Waldbaum. Knospen ty-
pisch dick, kantig eiförmig, ziemlich stumpf, mit zahlreichen Knospenschuppen, die zum
grössten Teil spreitelose Nebenblattpaare sind ; seitliche gerade über der dreieckigen,
3 Gruppen von Gefässbündeln tragenden Blattnarbe abstehend, oberste unter der End-
knospe quirlig. Junge Triebe oft rot überlaufen, die im Juni erscheinenden Johannis-
triebe nebst den Blättern anzüglich oft purpurrot. Blätter von schmalen, hinfal-
ligen, pfriemlichen Nebenblättchen begleitet (die den Stiel an Länge etwas übertreflfen).
an der Spitze der Triebe oft büschelig gehäuft, sehr kurzgestielt (bis
1 cm), durch die ungleich zweilappige (herzförmige), wellig gekrauste
Basis und die mehr oder weniger unsymmetrische Form in erster
Linie charakterisiert, im übrigen sehr variabel, im allgemeinen verkehrt- eiförmig,
7 — 12 cm lang, beiderseits mit 4 — 5 abgerundeten, vorwiegend ganzrandigen Lappen,
oberseits matt dunkelgrün, unterseits matt hellgrün mit 5 — 9 vortretenden blas.sge-
färbten Seitenrippenpaaren, beiderseits (bis auf spärliche, mikroskopische Härchen
der Unterseite) kahl, jung flaumig. Männliche Kätzchen' bis 4 cm lang, teils
gehuschelt aus den Seitenknospen vorjähriger Triebe, teils einzeln in den unteren Blattr
achseln diesjähriger Triebe ; männlicheBlüten mit gelbgrünem, häutigem, in 4—7
bewimperte Zipfel zerschlitztem Perigon und 4 — 12 gelben Staubfäden. Weibliche
Kätzchen aufrecht, mit Stielen von wechselnder Länge in den oberen Blattachseln dies-
jähriger Triebe, mit 2—5 kleinen, knopfförmigen , bis auf die 3 kurzen, abgerundeten
rötlichen Narben in der rötlichen Cupula eingeschlossenen weiblichen Blüten. Früchte
an einem Stiel (daher der Name Stieleiche) von 1 — 16 (meist 3 — 8) c m Län ge,
meist 1 — 3, oft 2 gegenständig, selten mehr (bis 5). Eicheln gross, meist länglich
eiförmig, anfangs grün, reif, mit Ausnahme des bereiften Scheitels, glänzend und glatt,
hellbraun bis scherbengelb, mit weisslicher Grundfläche und grünlich braunen
Längsstreifen, die beim Trockenwerden verschwinden, aber nach dem Anfeuchten meist
wieder hervortreten. Samenschale derb lederig , Cotyledonen gross , stärkereich.
Cupula napfförmig, mit glattem Eand und sehr zahlreichen, dicht dachziegelig an-
gedrückten, graubräunlichen, filzigen, dickspitzigen Schuppen. Ein Hektoliter wiegt je
nach Standort und Jahr 65—75 (90) Kilo und 1 Kilo enthält 177—325, im Mittel 250
bis 300 Eicheln. Die Mannbarkeit tritt bei Stocklohden frühzeitig, oft schon um
das 20. Jahr , bei Samenpflanzen im Freistande nicht leicht vor dem 40. , meist erst
mit dem 50 — 60., im Schlüsse kaum vor dem 80. Jahre ein. Reichliche Samenjahre
folgen dann je nach Lage und Standort alle 3 — 7 Jahre. Blütezeit im Süden Mitte
April bis Mitte Mai, im Norden Mitte Mai bis Anfang Juni. Erst Mitte oder Ende
Juli tritt die Eichel aus dem Näpfchen heraus, ist Ende September oder Anfang Oktö-
Die Laubhölzer. § 63. 311
ber reif und fällt dann bald aus dem Näpfchen aus. Die Keimfähigkeit frischer Eicheln
beträgt 60 — 70%, die Keimdauer nur V» Jahi'- Die Keimung erfolgt bei Fruhjahrssaat
nach 4 — 6 Wochen und beginnt mit der Ausbildung einer kräftigen rübenförmigen
Pfahlwurzel, die im 1. Jahre oft 20 — 30 cm lang wird, während der oberirdische Trieb,
anfangs mit sehr unvollkommenen Blättern besetzt, im 1 . Jahr gewöhnlich nur 8 — 10 cm,
und nur unt«r besonders günstigen Verhältnissen das doppelte und selbst dreifache
dieser Länge erreicht. Im 2. Jahre entstehen in der Regel erst die typisch geformten
Blätter und die Pflanze verzweigt sich stark und wird buschig. Höhenwuchs in
der Jugend rasch, im Schlüsse lange anhaltend, im Durchschnitt Vs — V^ ^j in^ allge-
meinen mit 120—200 Jahren beendet. Die Eiche bildet so bei einer 5 Jahrhunderte
und mehr umfassenden Lebensdauer 30 - 35, ausnahmsweise auch 40 m lange und 2 m
und darüber starke Stämme bei einer Gesamthöhe bis zu 50 m. Im Freistand entstehen
kürzere, aber um so dickere Schäfte mit mächtig entwickelter, schon wenige Meter
über dem Boden ansetzender Krone. Das Dickenwachstum hält an, so lange der Baum
lebt ; die Lebensdauer kann in einzelnen Fällen vielleicht bis 2000 Jahre betragen
(Chene de Montravail, bei Saintes im französischen Departement Charente inf6rieure
in Mannshöhe mit 6—7 m Durchmesser, bei einer Höhe von 20 m), 500jährige Stiel-
eichen sind in Deutschland keine Seltenheit, dagegen scheint hier keine 1000jährige
mehr zu existieren, wenngleich das Alter vieler Eichen eine lokalpatriotische Abrundung
auf diese Zahl zu erfahren pflegt. Die Verzweigung ist durch die starken, knicki-
gen und knorrigen, weit ausgreifenden, locker gestellten Aeste sehr charakteristisch
und unregelmässig. Im vorgerückten Alter entwickelt die Krone zahlreiche Kurztriebe.
Im Herbste springen nicht selten ein- bis mehrjährige Triebe mit voller grüner Be-
laubung ab („Absprünge"). Das Ausschlagvermögen aus schlafenden Augen
ist ungewöhnlich gross und anhaltend. Das Mark der Zweige bildet im Querschnitt
stets einen fünf strahligen Steni.
Die ausserordentlich sturmfeste Bewurzelung besteht in lockerem Boden bis
zum 6. oder 8. Jahre fast nur aus einer mächtigen Pfahlwurzel, die bis über 2 m in
die Tiefe dringt und nur wenige dünne Seitenwurzeln entwickelt. Später, etwa vom
30. Jahre ab, überwiegen die teils weit streichenden, teils schief in die Tiefe dringen-
den starken Seitenwurzeln, deren weitere Entwickelung den oft gewaltigen „Wurzel-
anlauf" alter Eichen bildet. In flachgründigem Boden oder bei hochstehendem stag-
nierendem Grundwasser verkümmert die Pfahlwurzel bald.
Die Rinde, an jungen Zweigen grün bis rotbraun, bildet an jüngeren Stämmen
und Aesten ein von zahlreichen, braunen Lenticellen durchsetztes, grünlich- bis weiss-
lichgraues, perlmutterglänzendes Periderm (Spiegelrinde), reisst zwischen dem 12. und
25. Jahre, auf schlechtem Standort auch früher, unregelmässig längsrissig auf und
bildet eine besonders im Freistand tiefrissige, graubraune, bleibende Borke. Die Rinde
kann bei alten Bäumen bis 10 cm Dicke erreichen und ist ausserordentlich reich an
dickwandigen Bastfasersträngen und besonders an sehr grosszelligen Steinzellnestern.
Je gerbstoffreicher die Rinde, desto später pflegt sie aufzureissen.
Das ringporige Holz hat einen schmalen gelblichweissen Splint und einen
meist gelblichbraunen Kern ; als Nutzholz ersten Ranges vereinigt es so viele treffliche
Eigenschaften, wie kein anderes einheimisches Holz, ist ausserordentlich dicht und
schwer (0,54 — 1,05), bei einer Jahrringbreite bis zu 6 oder 7 mm, um so dichter, je
breiter die Jahresringe (wie die ringporigen Hölzer überhaupt), ausser-
ordentlich fest und von allergrösster Dauer, unter Wasser unzerstörbar, hart,
grobfaserig, elastisch, gut spaltbar, in mittlerem Grade zähbiegsam und von guter, aber
etwas geringerer Brennkraft als das Buchenholz. Anatomisch zeichnet sich das
312 III. Klein, Porstbotanik.
Holz durch sehr reichliche Entwlckelnng sehr dickwandiger Holzfasern mit spärlichen
kleinbehöften Spalttüpfeln, besonders im Spätholz der Jahresringe ans, während das
Frühlingsholz auffallend weite, schon mit blossem Auge erkennbare Gefässe besitzt.
Von dem Porenkreis des Frühlingsholzes verlaufen radial nach aussen im Jahrring
zwischen den Holzfasersträngen feine, vielfach gegabelte Züge von engen Gefässen,
Tracheiden und Parenchym. Ausserdem treten bei breiten Ringen noch zahlreiche feine
konzentrische Weilenlinien von Holzparenchym hervor. Einzelne Markstrahlen
sind sehr breit und zuweilen einige Centimeter hoch, auf der radialen Spaltfläche
auffallend glänzende Spiegel bildend, während die überwiegende Mehrzahl der Mark-
strahlen sehr fein und mit blossem Auge nicht erkennbar ist.*» — Von dem ähnlichen
Holz der Edelkastanie unterscheidet sich das Eichenholz sofort durch die dort fehlen-
den breiten Markstrahlen.
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Stieleiche nmfasst fast ganz
Europa bis zum 63® in Norwegen, weiter östlich nur bis oT^a®, ferner die Kaukasus-
länder und Kleinasien. Das Maximum ihrer Verbreitung erreicht sie in den unteren
Donauländern (südliches Ungarn, Slavonien, Kroatien und Siebenbürgen), in Deutsch-
land, wo sie ihre besten früheren Standorte der Landwirtschaft überlassen musste, be-
sonders im Südwesten und in der Provinz Preussen. Als Waldbaum der Ebenen, der
Flusstäler und des Hügellandes steigt sie im Süden und Südwesten nirgends so hoch
wie die Buche: in Albanien bis 1500 m, in den Pyrenäen bis 1400 m, in Tirol bis
1000 m, in den Centralalpen bis 900 m, in den nördlichen Kalkalpen bis 80O m, im
Schwarzwald bis 600 m, im mitteldeutschen Bergland bis 500 und 450 m.
Die Standortsansprüche der Stieleiche sind verhältnismässig hohe. Sie
verlangt zu gutem Gedeihen ähnlich wie die Buche einen mineralkräftigen Boden von,
namentlich in höheren Lagen, grösserem Humusgehalt, reichlicher Frische und verhält-
nismässig beträchtlicher Tiefgründigkeit, wie ihn besonders Flussniederungen, Aneböden
und dergl. bieten. Bei genügend zerklüftetem Untergrund gedeiht sie auch auf flach-
gründigem Boden Bei Niederwaldbetrieb begnügt sie sich mit erheblich ge-
ringeren Böden. An die Luftfeuchtigkeit stellt sie keine grossen und keine bestimm-
ten Anforderungen, dagegen bedarf sie viel Luftwärme. Als ausgesprochene Licht-
holzart verlangt sie von Jugend an vollen Lichtgenuss, reinigt sich im Schlosse
früh von den unteren Aesten, besitzt geringe Fähigkeit, vollen Bestandesschluss auf
die Dauer herzustellen und bildet Bestände von viel räumlicherer Stellung als die
Buche. Je geringer übrigens der Standort, desto stärker äussert sich das Lichtbediirf-
nis der Eiche und umgekehrt. Die Rückwirkung auf den Standort ist im allgememen
eine ungünstige. Gegen Spätfröste ist die Stieleiche sehr empfindlich, und zwar mehr
als die Traubeneiche.
Die Variationsfähigkeit ist bei der Stieleiche bezüglich der Form und
Grösse der Blätter und der Gestaltung der Früchte so gross wie bei
keinem anderen europäischen Laubholz. Die Blätter variieren ausserordentlich nach
Grösse — am grössten (bis 30 cm), wie bei den meisten Laubhölzem, sind die Blätter
bei jungen Stockausschlägen — nach Zerteilung, von ganz seicht gelappten oder
ausgeschweift buchtigen bis zu fast fiederschnittigen, mit ganzrandigen, abgerundeten
bis zu wellig gezähnten und fiederspaltigen und spitzzipfligen Lappen. Selbst am glei-
chen Baum variiert die Blattgestalt nach Stellung in der Krone und nach Jahrgang.
Magerer Boden bedingt kleine, tiefer geteilte, feuchter und fruchtbarer grosse und wenig
gelappte Blätter. Das Näpfchen (die Cupula) kann flach, fast tellerfömüg , halb-
kugelig, halbeiförmig oder kreiseiförmig sein, und die Eichel entweder nur im unteren
Viertel oder weiter, bis über die Hälfte, umhüllen. Die Eichel selbst kann 1^2 bis
Die Laubhölzer. § 64. 313
5 cm lang, 1 bis über 2 cra dick, eiförmig, walzig, spindelförmig oder kugelig sein.
Als konstante, wild in Mitteleuropa gefundene Varietäten der Stieleiche sind nach
Willkomm anzusehen:
a) fastigiata De Candolle {:= pyramidalis Hortorum). Pyramideneiche, mit
aufrechten Aesten und schmal kegelförmiger, pyramiden-pappelähnlicher Krone. Wild
ein Baum in Hessen bei Babenhausen, ausserdem mehrfach in Frankreich und Spanien
gefunden ;
b) 0 p a c a Schur. Blätter dunkelgrün, glanzlos mit purpurroten Blattnerven, in
Wäldern um Hermannstadt in Siebenbürgen;
c) p i 1 0 s a Schur. Blätter auch im Alter unterseits spärlich weisshaarig, blüten-
tragender Stiel dicht behaart, zerstreut in Siebenbürgen;
d) purpurascens De Candolle (= purpurea Hortorum). Purpureiche, Blut-
eiche. Blätter dunkel purpurrot. Ein Baum im Lauchaer Holz des Herzogtums Gotha ;
e) viminalis Schur (= pendula Hortorum). Hängeeiche mit langen, dünn
herabhängenden Aesten, bei Hermannstadt;
f) apennina De Candolle. Junge Zweige grauweiss-filzig. Blätter unterseits
lange blass-filzig, erst zuletzt kahl. Auf trockenem Boden im Kastellwald bei Kolmar,
in den Apenninen, Süd- und Mittelfrankreich.
§ 64. 2. Quercus sessiliflora Smith. Die Traubeneiche, Stein-
eiche, Späteiche, Wintereiche ist der vorstehenden sehr ähnlich
und wird im praktischen Leben vielfach mit ihr verwechselt. (Linn6 fasste die beiden
Eichen unter dem Namen Q. robur zusammen und bezeichnete die Stieleiche als Q. r. «,
die Steineiche als Q. r. ß). An Yariationsfähigkeit der Blätter und Früchte steht sie
der Stieleiche kaum nach, doch ist sie von ihr typisch durch die länger gestiel-
ten (1 — 4 cm) ebenen, oberseits glänzend dunkelgrünen Blätter mit keilförmiger
Basis und die sitzenden (sehr kurzgestielten) weiblichen Blutenstände, bezw. die
einzeln oder zu 3( — 7) , wie die Beeren einer Weintraube zu Knäueln z u-
sammengedrängten, in den Blattachseln sitzenden Früchte verschieden.
Nach Th. Hartig ist die Traubeneiche, deren Narben flach und lappig erwei-
tert auf dem Fruchtknoten sitzen, auch durch die Eicheln zu unterscheiden , die
namentlich bei unvollkommener Ausbildung den charakteristischen Narbenbau gut er-
kennen lassen, unter fruchtbaren Bäumen jederzeit in hinreichender Menge zu finden
sind und so, wenn die andern sicheren Kennzeichen mangeln, einen guten Anhalt geben
können. Im übrigen sind die Knospen schlanker und spitzer, die Blätter gegen
das Ende der Triebe weniger gedrängt und infolge dessen die Belaubung gleich-
massiger. Die Lappen der Blätter sind durchschnittlich zahlreicher (5 — 7), einander
mehr genähert und regelmässiger. In der Jugend unterseits reichlich behaart, sind die
ausgewachsenen Blätter nur noch unterseits auf den stärkeren Nerven meist noch etwas
behaart. Die Eicheln, im allgemeinen etwas kleiner, lassen auch im frischen Zu-
stande keine dunkeln Längsstreifen erkennen. Blütezeit und Laubausbruch fallen
10 — 14 Tage später als bei der Stieleiche. Der Wuchs der Krone ist regelmässiger,
der Stamm geradwüchsiger, in der Krone meist nicht in gleichwertige Aeste aufge-
löst, sondern annähernd bis zum Gipfel aushaltend. Der Höhenwuchs,
der energischer und länger ausdauernd ist als bei der Stieleiche, pflegt mit 120 — 200
Jahren abgeschlossen zu sein, das Maximalalter dürfte ca. 600 — 700 Jahre, vielleicht
auch noch mehr betragen, doch erreicht die Traubeneiche nie das Alter und die Stärke
der Stieleiche und ihr Stärkezuwachs ist meist auch ein geringerer, immerhin ist
Höhen- und Stärkewuchs etwas grösser als bei der Buche. Die Rinde ist (nach Ney)
hellgrau, oft gelblich, im Alter dünn und, ähnlich der Apfelbaumrinde, schuppig
314 III. Klein, Forstbotanik.
mit flachen Rissen. Das Holz ist dem der Stieleiche sehr ähnlich, etwas weniger
hart nnd etwas weniger dauerhaft unter ungünstigen Verhältnissen, etwas leichter zu
bearbeiten, auch meist etwas engringiger gebaut. Der natürlicheVerbreitungs-
bezirk reicht etwas weniger weit nach Norden und Osten, wie derjenige der Stiel-
eiche, in den Tiefländern fehlt die Traubeneiche spontan, steigt aber als Baum der
Hochebenen, des Hügel- und Berglandes, gleichfalls Sommerhänge bevorzugend, im Ge-
birge im allgemeinen erheblich höher als die Stieleiche, aber nicht so hoch als die
Buche. In den bayrischen Kalkalpen scheint sie gänzlich zu fehlen, im bayrischen
Wald (ca. 700 m) und in der Schweiz bleibt sie etwas hinter der Stieleiche zurück.
Das Maximum ihres Vorkommens in Mitteleuropa liegt im Südosten, wo sie im Berjj-
land von Kärnthen, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien, teils für sich allein, teils mit
Stiel- und Zerreiche grosse, herrliche Wälder bildet. In Deutschland linden sich be-
deutende Traubeneichenbestände, namentlich in Mittelfranken (Spessart), in Baden und
Elsass-Lothringen. Die Standorts- und Klimaansprüche der Traubeneiche
sind etwas bescheidener als die der Stieleiche und ähnlich wie diejenigen der Rotbuche,
doch nimmt sie weniger Kali und Phosphorsäure als diese aus dem Boden ; sie gedeüit
noch auf geringeren und verhältnismässig flachgrnndigen Böden, kann mit erheblich
geringerer Bodenfrische auskommen, meidet aber nasse Auenböden und dergl., auf denen
die Stieleiche freudig gedeiht. Ihre dichtere und regelmässigere Belaubung, die auch
den Boden etwas besser schützt, der länger andauernde Bestandesschluss und die ge-
ringere Neigung ihrer Krone zu seitlicher Ausbreitung, ihre Fähigkeit, in der
Jugend Seiten- und Schirmdnick etwas besser zu ertragen, deuten ein etwas geiingeres
L i c h t b e d ü r f n i s als dasjenige der Stieleiche an.
Von den zahlreichen Formen der Traubeneiche ist die mispelblätterige
Tranbeneiche (Q. mespilifolia Wallroth), die im Harz, in Thüringen, in Skandinavien
und wohl auch anderwärts mit schmalen, vorwiegend ungeteilten, langgestielten Blät-
tern und rötlichen Zweigen, Knospen und Blattstielen vorkommt, die bemerkenswerteste.
Zwischen der typischen Stieleiche und der Traubeneiche, die auch bezüglich der
Gestalt der Blattbasis und der Blattstiellänge variieren, kommen zweifellose Uebergangs-
stnfen vor, die man vielfach als Bastarde beider betrachtet.
§65. 3. QuercuspubescensWilldenow, die flaumhaarige Eiche,
in ganz Südeuropa und im Orient heimisch, im dalmatischen Küstenlande wie in Istrien
die häufigste sommergrtine Eiche, in Südungam, Slavonien und Kroatien teils in reinem
Bestand, teils mit andern Holzarten gemischt, erheblichen Anteil an der Waldbildang
nehmend, in der Südschweiz vom Jura bis zum Tessin und auch in Graubünden ver-
breitet, reicht, ohne forstliche Bedeutung, nördlich bis nach Böhmen und vereinzelt bis
nach Thüringen (wenige Sträucher bei Jena) und dem Oberrhein. — Die meist etwas
kleineren, langgestielten, meist tief geteilten, aber ebenfalls sehr vielgestaltigen
Blätter sind unterseits bleibend weichhaarig, oberseits nach der Ent-
faltung ebenfalls grauflaumig, ausgewachsen nahezu kahl und glänzend dunkelgrün.
Knospentriebe und Näpfchen ebenfalls mehr oder w^eniger flaumig bis filzig.
Nach Stamm- und K r o n e n bildung gleicht sie vielfach der Traubeneiche, bleibt
aber kleiner (bis 20 m), oft ein niedriger, knorriger Grossstrauch. Ihr Holz ist durch
sehr dicht stehende, auffällige, breite Markstrahlen ausgezeichnet. Mit der Trau-
beneiche ist die sehr variable Art durch eine Anzahl üebergangsformen oder Bastarde
verbunden.
4. Quercus hungarica Hubeny, die ungarische Eiche ist ein Baum
Südosteuropas, mit der stideuropäischen Quercus Fametto Tenore nahe verwandt, mög-
licherweise identisch, erreicht im südlichen Ungarn, wo sie bis 600 m im Hügellande
Die Laubhölzer. § 65. 315
ansteigt, meist im Gera enge mit Trauben- und Zerreiche, im südlichen Bosnien und
Dalmatien ihre Nordgrenze. Knospen grösser, heller, am Ende der Triebe, wie die
Blätter, auifallend büschelig gehäuft. Blätter kurzgestielt, gi'oss (bis 20 cm), Ober-
seite glänzend dunkelgrün, unterseits weichfilzig, ebenfalls vielgestaltig, mit herzförmiger
Basis, sehr verschieden tiefgelappt, in jeder Hälfte mit 7 — 11 parallelrandigen,
in der Kegel abgerundeten, ungeteilten oder selbst wieder gelappten Lappen, die mit
den Rändern nicht selten stellenweise übereinandergreifen. Männliche Kätzchen
bis 12 cm lang. Eicheln denen der Traubeneiche ahnlich, aber das Näpfchen mit
filzig behaarten, stumpf pfriemlichen, denRand überragenden Schuppen. Borke
hellbräunlich, 'kleinschuppig. Das harte, sehr dichte, schwerspaltige Holz übertrifft
nach Hempel und Wilhelm an Dauerhaftigkeit sogar das Stieleichenholz. Sie erreicht
mit 100 Jahren eine durchschnittliche Höhe von 22 — 23 m.
5. Quercus cerris Linn6, die Zerreiche, ist gleichfalls eine Holzart
Südeuropas, die von Spanien bis Kleinasien verbreitet ist, ihre stattlichste Entwickelung
als Baum des Berglandes in den Ländern der ungarischen Krone findet, meist in Ge-
sellschaft der Traubeneiche, der weichhaarigen und ungarischen Eiche, seltener in reinen
Beständen. Nördlich geht sie bis Mähren, in der Schweiz kommt sie nur auf dem Ge-
neroso vor, aber am Nordrande des Jura, im Departement Doubs bildet sie noch ein-
mal reine Bestände von grosser Ausdehnung. Sie ist von allen andern sommergrünen
Eichen durch die langen, lineal-f ädlichen, bleibenden Nebenblätter,
welche über den kleinen Knospen schopfartig zusammenschliessen, sofort zu unterschei-
den. Blätter sehr verschieden gestaltet, meist spitzlappig, oberseits dunkel-
giiin, rauh, fettglänzend, unterseits graugrün, mehr oder weniger filzig. Eicheln
mit zweijähriger Fruchtreife, im ersten Jahre ganz klein, ausgewachsen bis
4 cra lang und 2cm breit, sehr fein längs gestreift, Näpfchen durch die langen^
abstehenden, meist zurückgekrümmten, linealpfriemlichen, steifen, braun-
filzigen Niederblätter sehr auffällig. Borke grau, auffallend breit und tief
längs gefurcht, mit sehr spärlichen Querrissen. Holz rötlich mit sehr zahlreichen,
breiten Markstrahlen, die aber viel schmäler als bei pubescens sind, von sehr ge-
ringer Dauer, aber vorzüglicher, dem Buchenholz kaum nachstehender Brennkraft.
Höhenwuchs bis zum 100. Jahre die Stiel- und Traubeneiche übertreffend, dann
rasch erlahmend. Lebensdauer in der Regel nicht über 200 Jahre.
Von den immergrünen Eichen erreichen 4 sämtlich dem Mittelmeergebiet
angehörige Arten in Istrien und Dalmatien ihre Nordgrenze.
6. Quercus Hex Linn6, die Immergrüneiche, auch Stecheiche ge-
nannt, geht nördlich bis Riva am Gardasee und bis nach Triest; bemerkenswerte Be-
stände bildet sie im Gebiet nur auf der dalmatinischen Insel Arbe, während sie als
Strauch einen wesentlichen Anteil der immergrünen Buschformation Istriens und Dal-
matiens nimmt. Blätter von durchschnittlich 2jähriger Lebensdauer, lederig, oben
glänzend dunkelgrün, unten filzig, spitz eiförmig bis lanzettlich, 3 — 8 cm lang, mit
ungeteiltem, gewelltem bis domspitzig gezähntem Rande. Eicheln klein, im 1. Herbste
reif, durch das vortretende Mittelstück beinahe gestielt. Näpfchen mit dicht an-
liegenden, filzigen, weichen Schuppen. — Die Immergrtineiche kann bis 20 m Höhe und
1 m Durchmesser erreichen, bleibt aber, durch Weidevieh verbissen, ^^elfach strauch-
formig oder bildet nach wiederholter Verstümmelung behufs Kopfholzgewinnung breite
abgewölbte Kronen auf kurzem Stamm. Aeltere Pflanzen zeigen kräftige Ausschläge
aus dem starken Warzelanlauf; ebenso ist das Stockausschlagvermögen bedeutend. Die
B 0 r k e ist sehr kleinschuppig, das Holz nicht ringporig, sehr schwer (1,14), elastisch,
fest und sehr dauerhaft, die Rinde sehr gerbstoffreich, so dass der Baum für die von
316 III. Klein, Forstbotanik.
ihm bewohnten südösterreichischen Länder von hohem forstlichen Werte ist.
7. Qnercas Snber Linn6, die Korkeiche, mit 2j ähriger Samen-
reif e , der Immergrüneiche ähnlichen, 2V2 — 5 cm langen, seitlich stets mit 4 — 7 kurzen
domigen Zähnen versehenen Blättern und dicker Korkrinde, findet sich in Oesterreicli
nar bei Pola in Istrien in einer bemerkenswerten Zahl älterer Bäume, die dort vom
20. — 25. Jahre mit 10jährigen Rnhepaasen auf Kork genutzt werden.
8. Quercus Pseudosuber Santi, die falsche Korkeiche mit durch-
schnittlich grösseren (5 — 7 cm), am Rande mit 6 — 9 scharf gespitzten breiten Säge-
zähnen versehenen Blättern mit 1 jähriger Lebensdauer (bis zum Laubausbruch), und
dünnerer, nicht zur Korkgewinnung geeigneter Korkrinde und die meist sperrig strauch-
förmig bleibende
9. Quercus coccifera Linn6, die Kermeseiche, mit sehr steifen,
immer dornspitzig gezähnten, an den Rändern oft wellig verbogenen kleinen Blättern
von 2 — Sjähriger Lebensdauer kommen in Oesterreich, Pseudosuber vereinzelt in Istrien,
coccifera stellenweise im südlichen Istrien und in Dalmatien vor.
§ 66. Von den amerikanischen Schwarzeichen, wegen der herbst-
lichen Rotfärbung ihres Laubes auch Scharlacheichen genannt, die wegen ihrer
Frosthärte, Raschwüchsigkeit und prachtvollen Herbstfärbung seit langem Lieblinge der
europäischen Baumzüchter geworden sind, ist nur Q. rubra zu forstlichen Anbauver-
suchen im grossen Massstabe herangezogen worden, während die beiden andern hier
aufgeführten, von kleinen Anbauversuchen abgesehen, höchst dekorative Parkbäume
sind. Diese Eichen zeichnen sich durch die stets in eine spitze Endborste aus-
laufenden Blattabschnitte aus und besitzen dunkle Borke, 2jährige Samenreife und grosse
Eicheln mit dicker, innen tilziger Schale und drei falschen Scheidewänden.
10. Quercus rubra Linn6, die Roteiche, durch das ganze Laubholz-
gebiet des atlantischen Nordamerika verbreitet und dort hervorragend an der Zusam-
mensetzung des Waldes beteiligt, geht weiter nach Norden als jede andere Eiche und
reicht in den AUeghanies bis hart an die Tannenregion heran. Ihr Holz nimmt in der
Heimat nach dem Optimum im Süden, sowie von schlechten nach reichen Böden an
Schwere zu, ist aber stets geringwertiger als das der Weisseichen. In Europa wurde
sie schon 1740 eingeführt und hat wie keine andere versuchsweise angebaute Holzart
den Beweis für ihr Gedeihen und gutes waldbauliches Verhalten geliefert. Die Blät-
ter sind nur bis zur Hälfte etwa, bei Schattenblättern oft nur bis ^,U einge-
schnitten, beiderseits mit 4 — 6 (meist 5) breiten, fast parallelrandigen, grobge-
zähnten, spitzen Lappen, 8 — 12 (20) cm lang. Die Eicheln, bis 2V2 cm lang, sind
von gedrungener Gestalt, mit bespitztem Scheitel, abgeflachter Grundfläche und schüs-
seiförmigem Näpfchen. 1 Hektoliter Eicheln wiegt durchschnittlich 60 Kilo, 1 Küo
enthält ca. 250 Stück. Das Holz vom Trockengewicht 0,74, mit schmalem Splint
und rötlichbraunem Kern, steht dem Stiel- und Traubeneichenholz an Festigkeit und
sehr an Dauerhaftigkeit nach, ist aber elastisch, leichtspaltig und ziemlich hart; die
Rinde bleibt bis zum 40. Jahre glatt, ist sehr gerbstoffreich, aber dünn. Als ent-
schiedene Lichtholzart verträgt die Roteiche wohl Beschattung von der Seite,
aber keine üeberschirmung und ist in der Jugend ausserordentlich rascti-
w ü c h s i g (als Jährling 0,5 m, mit 10 6 m und mehr, mit 20 10 — 12 m, mit 50 15
bis 23 m, worauf der Höhenwuchs rasch nachlässt (Maximum 30 m.) Die Pfahl-
wurzel der Jährlinge wird bis 40 cm lang, die weitere Entwickelung des Wurzel-
systems gleicht der unserer Eichen. Hinsichtlich der Standortsansprüche etwas
genügsamer als Stiel- und Traubeneiche, braucht sie zu freudigem Gedeihen doch einen
Die Laubhölzer. § 67. 317
frischen, hnmosen, tiefgründigen, lehmigen Boden, während ihr strenge, nasse Böden,
wie trockene Kalkböden, nicht zusagen. Gegen Winterkälte ebenso unempfindlich wie
unsere Eichen, ist sie wegen des frühzeitigen Austreibens und der langen Dauer der
Vegetation der Spät- und Frühfrostgefahr mehr ausgesetzt.
11. Quercus coccinea Wangenheim, die Scharlacheiche, in
den östlichen Vereinigten Staaten wie die vorige durch Süden und Norden verbreitet,
aber etwas mehr die feuchteren Standorte liebend, Höhe bis 30 m, ist von vorstehender
Art leicht durch die tief (über V») gebuchteten Blätter zu unterscheiden,
die 9 — 18 cm lang werden, beiderseits 3( — 4), meist wieder buchtig begrannte Lappen
tragen und deren Buchten breiter als die Lappen sind.
12. Quercus palustris Du Roi. Sumpfeiche, Nadeleiche, Spiess-
eiche, in der Jugend am schnellwüchsigsten von allen Eichen, wächst nach Mayr
im atlantischen Amerika von Massachusetts bis Tenessee auf kräftigem Boden am Fluss-
rande und den anliegenden Niederungen, aber nicht im Sumpfe. Von allen Verwandten
ist sie durch den ausgesprochen geraden Schaft unterschieden, der sich wie bei einem
Nadelholz bis in die Spitze verfolgen lässt, 30 m Höhe und mehr erreichend. Die
Blätter, 8 — 10( — 17) cm lang, sind die kleinsten von allen Roteichen, der vor-
stehenden in der Gestalt sehr ähnlich, doch stehen die 2( — 4) gegenseitigen Lappen
öfters als bei coccinea auf ungleicher Höhe.
§ 67. 1. Castanea sativa Miller. (Syn. vulgaris Lamarck,
vesca Gärtner), die Edelkastanie, franz. Chätaignier , ist die einzige
europäische Vertreterin ihrer ca. 30 Arten umfassenden Gattung, die durch Knos-
pen, Blutenstände und Früchte von Buche und Eiche scharf unterschieden ist.
Knospen klein, spitzeiförmig, mit nur 2( — 3) Schuppen, abstehend ; keine
Endknospe, die oberste Seitenknospe bildet den nächsten Jahrestrieb. Blätter
kurz gestielt, eilanzettlich, derb, spitz, 9 — 18 cm lang, am Rande grob gezähnt mit
oft sichelförmig einwärts gebogenen spitzen Zähnen und mit je 15—20, gleich der
gelblichen Mittelrippe unterseits vorspringenden Seitennerven 1. Ordnung. Blüten-
kätzchen gross, 12 — 20 cm lang, straff aufrecht, einzeln in den Blatt-
achseln, meist rein männlich, d. h. mit 7blütigen dichasialen Knäueln gelblich-
weisser männlicher Blüten dicht besetzt ; nur die aus den obersten Blattachseln der
Jahrestriebe entspringenden Kätzchen, die ebenfalls mit männlichen Blütenknäueln dicht
besetzt sind, tragen an ihrem unteren Ende einige meist 3blütige weibliche Blüten-
knäuel, die von einer vielschuppigen Cupnla bis auf die vorstehenden Perigonzipfel und
Narbenarme (meist je 6 von jeder Blüte) völlig umschlossen sind. Zur Reifezeit springt
die kugelige, bis faustgrosse Cupula, starrend von grünlichen, sparrig abstehenden,
meist verzweigten langen und dünnen Stacheln vierklappig auf und entlässt die von
den vertrockneten Perigonzipfeln und Narben gekrönten ein-
samigen Trockenfrüchte mit glänzend brauner, lederiger Fruchtwand, die „Kastanien"
die 2 — 3 cm lang und meist etwas breiter wie lang sind. Maronen nennt man die
durch besondere Grösse und Schmackhaftigkeit ausgezeichneten Früchte einzelner Kul-
turrassen (z. B. von Lyon). 1 Hektoliter Kastanien wiegt 56 — 70 Kilo, 1 Kilo enthält
180 — 300 Früchte. Die Mannbarkeit tritt bei freiem Stand um das 20. — 30. Jahr,
im Schlüsse ums 40. — 60. Jahr, bei Stocklohden oft schon mit dem 6. Jahre ein. Sie
trägt unter besonders günstigen Umständen fast alljährlich reichlich Früchte, meist ist
jedes 2. — 3. Jahr ein reichliches Samen jähr. Laubausbruch im Mai. Blüte-
zeit später, im Süden Ende Mai bis Anfang Juni, im Norden des Kastaniengebiets
oder in höherer Gebirgslage bis Mitte Juli ; Fruchtreife im Oktober, Keimfähig-
keit 55 — 60**/o, Dauer der Keimkraft ^2 Jahr. Keimung 4—6 Wochen nach
318 m. Klein, Porstbotanik.
Frühjahrsaussaat mit unterirdisch bleibenden Cotyledonen. Das erste oberirdische Blatt
ist noch ganzrandig, die folgenden typisch. Das Wachstum der jungen Pflanze ist bis
zum 8. oder 10. Jahre ein kümmerliches, dann ein sehr freudiges, so dass sie binnen
50 Jahren noch im nördlichen Mitteldeutschland 16 m Höhe bei V^ m Starke erreicht.
Gewöhnlich ist der Höhenwuchs mit 40 oder 50 Jahren erschöpft, während das Dicken-
wachstum ungemein lange andauert und der Baum unter günstigen Verhältnissen em
ungeheures, weit über 1000 Jahre betragendes Alter und ungeheure Dimensionen er-
reichen kann (bis 26 m Umfang am Aetna bei zweifellosen Einzelbäumen). Der frei-
stehende Baum löst sich schon bald über dem Boden in eine viel- und starkästige, der
Stieleiche ähnliche Krone auf, deren Belaubung aber gleichmässiger, dichter und schat-
tender ist, während im Bestandesschluss viel schlankere und höhere Bäume erwachsen,
die 20 — 25 m an Höhe erreichen können. Die Bewurzelung ist ähnlich wie bei
der Eiche, kräftig und ausgebreitet, aus einer starken, sich bald in Wurzeläste auf-
lösenden Pfahlwurzel und zahlreichen , oft weitstreichenden Seitenwurzeln , welche in
höherem Alter einen oft mächtigen W^urzelanlauf bilden. Das Ausschlag vermö-
gen der Stöcke ist ausserordentlich gross und über ein Jahrhundert andauernd, aus
dem Wurzelanlauf entwickelt sich nicht selten kräftige Wurzelbrut, und bis zum Boden
herabhängende Aeste vermögen dort Wurzeln zu schlagen. Die in grosser Zahl ge-
bildeten Stocklohden sind ungemein raschwüchsig und erreichen mit 15 Jahren 5 — 9 m,
mit 20 — 25 Jahren 10—12 m Länge. Die Rinde Ijähriger Zweige ist glänzend rot-
braun mit weisslichen Lenticellen, an mehrjährigen olivenbraun, durch Flechtenentwicke-
lung weissfleckig werdend, zwischen dem 15. und 20. Jahre tritt Borkebildung em.
Die Borke ist graubraun , netzfönnig längsrissig. Der ringporige Holzkörper
bildet, da der Splint nur wenige Jahresringe umfasst, frühzeitig einen dunkelbraunen
Kern. Vom Eichenholz ist es anatomisch durch das Fehlen der breiten Markstrahlen
und durch weniger dichtstehende weite Gefässe des Frühlingsholzes, von dem Eschen-
holz durch die im Spätholz in feinen, sich gabelig nach aussen verzweigenden Zügen
angeordneten engen Gefässe verschieden. Das Holz ist schwer (0,66) hart, leichtspaltig,
zähbiegsam, tragkräftig, gerbstoffreich und von ausserordentlicher Dauer. Das Ver-
breitungsgebiet der Edelkastanie geht durch das ganze südliche Europa von
Portugal bis Griechenland, ausserdem wächst sie in den Kaukasusländern nnd in Nord-
afrika. Nach Plinius soll sie ca. 500 Jahre vor Christus aus dem Orient nach Europa
gekommen sein, was bei dem massenhaften Auftreten derselben in Algerien und Spanien
wenig wahrscheinlich erscheint. Die Nordgrenze ihres natürlichen Verbreitungsbezirks
läuft nach Willkomm längs der Ränder des Jura durch die Schweiz, Südtirol, Kämthen
und Steiermark nach Ungarn, wo sie zum Teil grosse Wälder bildet, ist aber schon
seit der Römerzeit erheblich nach Norden erweitert, namentlich am Mittel- und Ober-
rhein (Elsass, Rheinpfalz etc.). Als Obstbaum wird sie in ganz Süddeutschland in ge-
eigneten Lagen gebaut, als Zierbaum geht sie bis zum südlichen Skandinavien. — Hin-
sichtlich der Standortsansprüche braucht die Edelkastanie zu freudigem Ge-
deihen tiefgründige, lockere, massig frische Böden; nasse Standorte wie flachgründiger
Kalkboden sagen ihr nicht zu. Zum Reifen ihrer Früchte verlangt sie als treue Be-
gleiterin der Weinrebe ein mildes, warmes Klima und eine vor Früh- und Spätfrösten
geschützte Lage. Ihr Lichtbedürfnis ist, entsprechend dem langsamen Wuchs im ersten
Jahrzehnt, der dichten Krone und der Fähigkeit, dichte stammreiche Bestände zu bilden,
ein bescheidenes; sie nähert sich hierin Schattenhölzem wie der Buche und verträgt
den Seiten- und Schirmdruck von Kiefernstangenhölzem.
2. Castanea americanaRafinesque, die am er ik ani seh e Kasta-
nie, von der unsrigen durch kleinere, langspitzige Früchte und überhängende,
Die Laubhölzer. § 68. 319
beim Austreiben nur auf den Nerven der Unterseite behaarte Blätter verschieden, im
atlantischen Amerika von Maine bis Michigan und Carolina heimisch, mit dem Optimum
auf kräftigem Gebirgsboden im Süden, alljährlich sehr reichlich fruchtend, geht nach
Mayr nach Norden soweit wie die Eiche und zeigt sich dadurch als merklich härter
unserer Kastanie gegenüber, so dass sie in Lagen, in welchen zwar noch die Eiche,
aber nicht mehr unsere Edelkastanie gedeiht, für Anbauversuche empfehlenswert erscheint.
§ 68. Birkenartige Laubhölzer (Familie Betulaceae.) Von
den Fagaceen durch das Fehlen derCupula und den zwei fächerigen Frucht-
knoten unterschieden. Blüten meist in Dichasien, diese zu Kätzchen angeordnet.
Die Deck- und Vorblätter der weiblichen Blüten verwachsen mit einander. Männ-
liche Blüten dem Deckblatt aufgewachsen, mit meist gespaltenen Staubblättern.
1. Trlbus Coryleae.
Männliche Blüten einzeln dem Deckblatt aufgewachsen , ohne Perigon,
weibliche Blüten in zweiblütigen Dichasien (die Mittelblüte fehlt !) , mit
Perigon, ihre Vorblätter samt dem Deckblatt wachsen der Frucht als Hülle an.
L Carpinus Betulus Linn6. Weissbuche, Hainbuche, Horn-
baum (franz. Charme). Knospen (in der Regel n u r Seitenknospen) länglich eiför-
mig, über der kleinen, drei Gefässbündelspuren enthaltenden Blattnarbe, dem Zweige
angedrückt, mit vielen Knospenschuppen ; an kräftigen Trieben oft noch unterständige
Beiknospen; an den Grenzen der Jahrestriebe, über den Narben der Knospenschuppen
winzige Kleinknospen. Blätter streng zweizeilig gestellt, kurz gestielt, eiförmig bis
eilanzettlich, am Grunde oft schwach herzförmig, zugespitzt, 5 — 8 cm lang, 3 — 4 cm
breit, am Rande scharf doppelt gesägt, kahl, anfangs zwischen den 10—15
Seitennervenpaaren gefaltet. Männlich eKätzchen rötlich-bleichgrün, meist sehr
zahlreich, 3 — 5 cm lang, aus grösseren abst,ehenden Knospen vorjähriger Triebe ent-
springend, schlaff hängend; männliche Blüten mit 7 — 11 tief gespaltenen Staub-
blättern. Weibliche Kätzchen lockere Aehren an den Enden diesjähri-
ger Kurztriebe bildend; weibliche Blüten paarweise in den Achseln der rel.
grossen Deckblätter, jede in einer dreizipfeligen, zottig behaarten Hülle, aus der nur
die beiden roten Narben hervorsehen. Fruchtstände ansehnlich, hängend, mit
3 — 4 cm grossendreilappigen, netzadrigen, gelbbraunen, einseitig offenen
Hüllen am Grunde der 5 — 9 mm langen, bräunlichen, zusammengedrückt eiförmigen,
von dem vertrockneten Perigon gekrönten Nüsschen. Ein Hektoliter Nüsschen wiegt
42— 50 Kilo; ein Kilo enthält 24 000— 32 000 Nüsschen. — Die Mannbarkeit tritt
zeitig ein, selbst im Schlüsse schon ums 20. Jahr, im Freistand und bei Stocklohden
noch früher. Blütezeit nach dem Laubausbruch, im Süden Ende April, im Norden
im Mai und selbst (Ostpreussen) Anfang Juni. Fruchtbarkeit sehr gross, oft
2 — 3 Jahre nach einander volle Samenjahre. Samenreife im Oktober, Abfall
der Früchte bald nach dem Laubfall, mitunter erst im nächsten Frühjahr. Keim-
fähigkeit 60 — 70%. Im Herbste ausgefallene Früchte keimen zum Teil im nächsten
Frühjahr, bei Frühlingsaussaat liegen sie bis zum nächsten Jahre über. Keimung
mit oberirdischen, verkehrt eiförmigen Cotyledonen mit pfeilförmiger Basis; folgende
Blätter typisch. Wuchs in der Jugend sehr langsam, vom 5. oder 6. Jahre zuneh-
mend und dann kurze Zeit rascher als bei der Kotbuche (mit 15 Jahren bis 6 m, nach
3 — 4 Jahrzehnten rasch sinkend, vom 50.— 60. nur noch äusserst gering, mit 80 — 90
(ausnahmsweise 120) Jahren abgeschlossen. Im allgemeinen erreicht die Weissbuche
nicht über 20 m Höhe und ca. ^/2 m Durchmesser ; meist wird sie mit 100 — 120 Jahi'en
wipfeldürr und kernfaul, selten erreicht sie 150 Jahre und mehr und eine Stärke bis
1
320 in. Klein, Porstbotanik.
über 1 m. Das Ausschlagvermögen ist, der reichen Knospenentwickelnng
entsprechend, ungemein gross und andaueiiid. Der Stamm ist auffallend spann-
rückig, d. h. im Querschnitt nicht rund, sondern aus- und einspringend, oft wie aas
schwächeren Stämmen verwachsen, mit unregelmässiger, im Freistande tief angesetzter,
besentormiger, breiter Krone. Die Bewurzelung ist nach Bodenbescbaffenheit ver-
schieden, in lockerem Boden eine mächtige rübenförmige Pfahlwurzel, gewöhnlich aber,
namentlich auf flacherem oder stark tonhaltigem Boden kräftige weitstreichende Seiten-
wurzeln und Herzwurzeln und ein knolliger Wurzelstock. Das gelblichweisse , harte,
schwere , schwerspaltige und sehr brennkräftige , zerstreutporige Holz zeigt
zwischen den breiten Markstrahlen ausgebauchte undeutliche Jahi'ringgrenzen. Die
breiten Markstrahlen sind wie bei Erle und Hasel falsche Markstrahlen,
durch Mangel an Glanz und scharfer Begrenzung von den breiten Markstrahlen der
Rotbuche verschieden, aber wie diese auf dem Kadialschnitt Spiegel bildend; anato-
misch zeigen sich die falschen Markstrahlen aus mehreren, einander sehr genäherten
schmalen Markstrahlen, zwischen welchen das Holzgewebe gefässfrei ist, zusanmien-
gesetzt. Rinde Ijähriger Zweige olivgrün, 2- und Sjähriger braunrot ; ca. vom 6. Jahre
an beginnt die Qraufärbung. Borkebildung tritt nicht oder in höherem Alter nur sehr
unvollkommen, wesentlich durch Längsrisse auf.
Der Verbreitungsbezirk der Weissbuche geht vom südwestlichen Frank-
reich bis Persien, nördlich bis zum südlichen England und durch Dänemark bis Siid-
schweden, und von da durch das südwestliche Russland bis zur Krim, südlich bis Morea
und ganz Italien. Als Baum der Ebenen und des Hügellandes steigt sie nirgends, auch
im Süden nicht, weit im Gebirge empor (Harz bis gegen 400 m, Karpathen ca. 800 m,
Alpen ca. 900 m), meist eingesprengt oder in kleinen Beständen, im allg. nur in Süd-
westdeutschland geschlossene Hochwaldbestände bildend . Ihre Standortsansprüche
sind mittlere, denen der Rotbuche ähnlich ; sie gedeiht am besten in sandigem, frischem
Lehmboden, gedeiht aber auch auf den verschiedensten Bodenarten, wie schwerem Ton-
boden, Kalkboden, tiefgründigem feuchtem Sande etc., dagegen nicht auf Torfmoorboden.
Die W ä r m e ansprüche sind massige und sie gedeiht noch in feuchtkalten Lagen, wo
die Rotbuche versagt. Ebenso ist ihr Licht bedarf ein geringer, wie die Trägwüch-
sigkeit der ersten Jugend, das dichte Laubdach, der bis zu höherem Alter gute Be-
standesschluss und ihre Fähigkeit, Schirmdruck zu ertragen, andeuten. Auf schlechtem
Standorte nimmt dagegen das Lichtbedürfnis in ziemlich erheblichem Masse zu.
Das Variationsvermögen ist unbedeutend, mehr oder weniger tief einge-
schnittene Blätter werden mitunter an dem gleichen Baum gefunden.
2. CarpinusduinensisScopoli (syn. orientalis Lamarck.), die o r i e n t a-
lische Weissbuche ist die einzige von den 12 Carpinusarten, welche ausser Be-
tulus noch im Gebiet vorkommt, von Italien bis Persien verbreitet, vertritt unsere
Weissbuche im Südosten Europas. In der adriatischen Zone Oesterreich-Üngams , in
Croatien, Slavonien, im Banat und in Siebenbürgen als Strauch oder kleiner Baum mehr
oder weniger häufig. Von der gemeinen Weissbuche, der sie in jeder Hinsicht sehr
ähnlich ist, unterscheidet sie sich durch kleinere, nur bis 5 cm lange und halb so
breite Blätter, nicht dreilappige, unsymmetrische, spitzeiförmige, am
Rande gesägte Fruchthüllen von nur 1^2 — 2 cm Länge und kleinere (bis
5 mm), schon im Sommer reifende Nüsschen.
§ 69. Ostrya vulgaris Willdenow, die Hopfenbuche ist gleich-
falls ein südeuropäischer kleiner Baum (selten bis 17 m und 100 Jahre), von den Py-
renäen bis Kleinasien, nordwärts bis zur südlichen Schweiz, Südtirol und dem südlichen
Steiermark verbreitet, wo sie mit Vorliebe an felsigen Orten wächst ; in Mitteldeutsch-
Die Laubhölzer. § 69. 321
land häufig als Zierbanm. Blätter denen der Weissbuche ähnlich, aber schlanker
zugespitzt und reicher an Seitennerven (13 — 17 und mehr!). Knospen seit-
lich abstehend. Männliche Kätzchen am Ende der Langtriebe, geschlos-
sen überwinternd, aufgeblüht 2 — 3m al so lang, wie diejenigen der Weissbuche.
Weibliche Blüten paarweise, jede von einer sackartigen Hülle umgeben,
die sich bis zu der schon im Jali erfolgenden Fruchtreife stark vergrössert und dem
ganzen Fruchtstand eine gewisse Aehnlichkeit mit demjenigen der Hopfenpflanze, der
sog. „Hopfendolde" verleiht.
1. Corylus avellana Linn^. Gemeine Hasel, Haselnuss, franz.
Coudrier, Noisetier. Knospen eiförmig oder kugelig, mit mehreren Schuppen, über
der fünf Grefässbündelspuren enthaltenden Blattnarbe etwas abstehend. Blätter
kurzgestielt, verkehrt eiförmig, rundlich, gespitzt, bis 12 cm lang, 8 cm breit, am Kande
meist scharf doppelt gesägt, nebst den Blattstielen drüsig behaart, an kräftigen Trieben
ringsum, an schwächeren zweizeilig gestellt. Junge Triebe oft auffallend drüsig
rotborstig, ohne echte Gipfelknospe. Männliche Kätzchen schon im Som-
mer vor der Blütezeit völlig entwickelt und geschlossen überwinternd, meist zu 2 — 4
an blattlosen, oft Knospen tragenden Kurztrieben am Ende vorjähriger Zweige, aufge-
blüht 3 — 5 cm lang ; männliche Blüten sehr dicht, mit je 4 tiefgeteilten Staub-
blättern. Weibliche Kätzchen in Knospen eingeschlossen, aus denen zur Blüte-
zeit nur ein Büschel karminroter Narben hervorsteht. Die Vorblätter der weiblichen
Blüte bilden an deren Grunde ein kleines, mehrzipfeliges Gebilde, das später derbreit
eirunden, braunen Haselnuss als die bekannte, grüne, am Rande in kurze breite
Zipfel zerschlitzte Hülle anwächst. Mannbarkeit mit dem 10. Jahre, bei Stock-
und Wurzellohden schon mit wenigen Jahren. Blütezeit einige Wochen vor dem
Laubausbruch , mitunter schon Anfang Februar. Samenreife und -Ausfallen im
Herbst. Samenjahre sehr häufig (auf 7 Ernten 1—2 Fehljahre). Keimung
unterirdisch, bei Frühjahrsaussaat erst im 2. Jahre. 1jährige Pflanze klein, etwa
fingerlang, mit typischen Blättern, Wuchs bis zum 6. Jahre gering, dann rasch;
Wuchsform meist strauchig (3 — 5 m), selten kleine Bäumchen (bis 7 m), bei Stocklohden
viel rascher, in 20 Jahren bis 6^/2 m. Nicht selten bilden sich schon vor dem Abtrieb
tief unten am Stamm Stocklohden, die zum Teil eine kurze Strecke unter dem Boden
hinlaufen, ehe sie sich als „natürliche Absenker ** aufrichten und bewurzeln. Lebens-
dauer als Kulturstamm 60 — 80 Jahre, im Walde noch kürzer. Ausschlagver-
mögen unverwüstlich. Bewurzelung bis zum 3. Jahre Pfahlwurzel, dann zahl-
reiche flachstreichende Seitenwurzeln, die nach Hartig zuweilen Wurzelbrut entwickeln.
Rinde glänzend rötlichgrau mit braunen Lenticellen, ohne Borke. Holz zerstreut-
porig, ziemlich weich, gut spaltbar, von geringer Dauer, rötlich wie bei Fagus, mit
kreisrunder Jahrringgrenze ; falsche breite Markstrahlen wie bei Carpinus ;
spärliche Markflecke wie bei den Erlen. Gefässe in Radialreihen, mit leiterförmig
durchbrochenen Querwänden. Das Verbreitungsgebiet der Hasel erstreckt sich
über ganz Europa mit Ausnahme des äussersten Westens und hohen Nordens, ausser-
dem über Kleinasien und Algerien. Ihre Standortsansprüche ähneln denjenigen
der Stieleiche, sie gedeiht auf den verschiedenartigsten Bodenarten, armen Sand- und
Sumpfboden ausgenommen; ziemlich lichtbedürftig, aber einige Beschattung ertragend,
wächst sie als Lückenbüsser im Niederwald, als Unterholz im Mittel wald, als Boden-
schutzholz im Eichenhochwald.
Die zahlreichen Spielarten der Hasel, vornehmlich nach Gestalt, Grösse und Fär-
bung der Nuss, aber auch nach der Gestalt der Blätter und Fruchthüllen verschieden,
haben nur gärtnerisches Interesse.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 21
322 III. Klein, Forstbotanik.
2. Corylns Co lurna Linn^, d i e B a n m h a s e 1 , vom südlichen Ungarn, wo
sie in der Bergregion ganze Waldbestände bildet, durch die Donauländer bis Klein-
asien verbreitet, aber auch in nördlichen Gegenden angepflanzt, unterscheidet sich vor
allem durch ihre sehr grossen 2 — 4 cm langen, bis unter die Mitte in viele lange
und schmale, vereinzelt grob gezähnte, hin und her gebogeneZipfel zer-
schlitzte Fruchthülle, über 10 cm lange Kätzchen und allmählich zugespitzte
Blätter, deren unterstes Seitennervenpaar nach der Abzweigung vom Mittelnerv auf
eine kurze Strecke in der herzförmigen Basis hart am Blattrande verläuft. — Sie
bildet bis 12 m hohe und V^ ™ starke gerade Stämme mit geschlossener Krone, deren
Alter 100 Jahre in der Regel nicht überschreitet.
3. Corylus tubulosa Willdenow (syn. maxim a Miller.) Lamberts-
hasel, Lambertsnuss. Wild in Istrien , im Banat und weiter östlich in den
Balkanländern, in Süd- und Mitteldeutschland vielfach angebaut. Ihre Fruchthüllen
umschliessen die ganze, bis gegen 3 cm grosse, länglich eiförmige Nu s s , sind
über dem Scheitel derselben etwas verengt und dann in zwei breite, gewöhnlich zu-
sammenneigende Lappen zerschlitzt. Grossstrauch von 7 — 10 m Höhe.
2. Tribus. Betuleae.
§70. Männliche Blüten mit Perigon, in dreiblütigen Dichasien der Deck-
schuppe aufgewachsen ; weibliche Blüten ohne Perigon, ihre Vorblätter verwach-
sen mit der Deckschuppe zu einer 3- oder 51appigen Schuppe, welche die Früchte nur
von aussen deckt und nicht mit ihnen verwächst. Zweige ohne Endknospe. Mark
3eckig.
Birke. Betula (franz. Bouleau).
Knospen sitzend, klein, mit wenigen Schuppen, stumpf bis spitzeiformig.
Männliche Kätzchen an der Spitze vorjähriger Triebe geschlossen übervnntemd
(bei den Strauchbirken aber in Knospen eingeschlossen). Männliche Blüten mit
je 2, tief 2spaltigen Staubblättern, daher auf jeder Deckschuppe scheinbar 12. Weib-
liche Kätzchen während des Winters in Knospen verborgen, im Frühjahr auf der
Spitze wenigblättriger , diesjähriger Kurztriebe. Tragblätter der drei blutigen
Dichasien deutlich dreilappig, häutig bleibend und mit den flachen, zart-
häutig geflügelten Nüsschen abfallend. Ca. 35 zum Teil schwierig zu
unterscheidende Arten.
1. Betula verrucosa Ehrhart. Gemeine Birke, Weissbirke,
Eauhbirke, Harzbirke. (Syn. B. alba L. zum Teil, pendula Roth) nicht
selten mit der folgenden Art verwechselt, mit der sie durch Zwischenformen bezw.
Bastarde verbunden ist. Bei der typischen Form sind Knospen, junge Triebe
und Blätter in der Jugend klebrig, durch zahlreiche Wachsharzdrüsen, die
später zu weisslichen Schüppchen eintrocknen. Blätter in der ersten Jugend spär-
lich behaart, später nebst den Trieben völlig kahl, dünn, rhombisch eiförmig
bis dreieckig, lang zugespitzt, am Grunde meist keilförmig oder gerade abgeschnitten,
am Rande scharf doppelt gesägt, 3^/2 — 7 cm lang, mit halb so langem Stiel. Männ-
licheKätzchen mit bräunlichen Deckschuppen, ungestielt, zu 2 — 3, hän-
gend, 4—6 cm lang. WeiblicheKätzchen zur Blütezeit schlank, aufrecht, grün,
ca. 2 cm lang ; Fruchtzäpfchen braun, langgestielt, dickwalzig, 1 Va — 3 cm lang,
meist hängend. Fruchtschuppen mit kleinem gerundetem Mittellap-
pen und grossen, breiten, fast rechtwinkelig abgespreizten Sei-
tenlappen. Nüsschen ca. 2 mm gross, verkehrt eiförmig, von den 2 borstigen
Die Laubhölzer. § 70. 323
Griffeln gekrönt, mit 2 — 3malso breiten, dünnen Flügelrändern, welche
oben meist bis über die Griffel emporragen. 1 Hektoliter Nüsschen
wiegt 8—10 Küo; 1 Kilo enthält 1600000—1900000 Nüsschen. — Eintritt der
Mannbarkeit bei freiem Stand im 10. — 15. Jahr, im Schluss im 20. — 30. Reiche
Samenjahre ca. alle 3 Jahre. Blütezeit einige Tage nach dem Laubausbrach, je
nach Klima und Lage Ende März bis Mai. Fruchtreife, der Blütezeit entsprechend,
von Juni bis August und bald nachher beginnt das Abfliegen der Nüsschen und Deck-
schuppen von der stehen bleibenden Spindel, das sich zum Teil über den ganzen Winter
hinziehen kann. Keimfähigkeit 15 — 20%. Dauer der Keimkraft V^ — 1
Jahr. Die im Juli abfliegenden Nüsschen keimen nach 2 — 3 Wochen und das junge Keim-
pflänzchen kann noch im gleichen Jahre seinen ersten Höhentrieb vollenden. Keimung
nach Frühjahrssaat, wenn überhaupt noch, nach 4 — 5 Wochen mit 2 winzigen eiförmi-
gen Cotyledonen und fast 31appigen Erstlingsblättern. Höhenwuchs bis zum 5.
oder 6. Jahre gering, ca. 30 cm, dann ausserordentlich rasch, bis zum 15. oder 20. Jahre
jährlich bis zu ^/a und selbst 1 m, hierauf abnehmend und mit dem 50.— 60. Jahre
und einer Maximalhöhe von 25 — 28 m abgeschlossen, während das Dickenwachstum bis
zum ca. 80. Jahre noch nennenswert bleibt (40—60 cm Gesamtdurchmesser). Das Alter
der Birke geht im gesunden Zustand selten über 90—100 (120) Jahre hinaus. Die
Verzweigung besteht aus schwachen, anfangs besenförmig aufgerichteten, später
mit zahlreichen dünnen Langtrieben überhängenden Aesten. Stämme schlank , im
Stangenholzalter glänzend weiss, mit einem aus abwechselnd dünn- und dickwandigen
Lagen gebildeten Periderm, das sich in dünnen Blättern abschilfert, in höherem Alter
mit einer tiefrissigen, mächtigen, schwärzlichen, an Steinzellnestern reichen, bastfaser-
freien Steinborke, die bis zur Basis der ältesten Aeste hinaufreicht. Die Bewurze-
lung besteht anfänglich aus einer reichverzweigten Pfahlwurzel von der Länge des
Stämmchens, vom 6. — 8. Jahre an aus einem knolligen Wurzelstock mit je nach
Standort mehr flach und nicht sehr weitstreichenden Seitenwurzeln, bezw. einigen schief
abwärtsdringenden Herzwurzeln. Am Wurzelstock bilden sich schon in den ersten
Jahren eigentümlicheKnospen, deren weitere Vermehrung Maserwuchs bedingt
und aus welchen der Stockausschlag der Birke vornehmlich her-
vorgeht, während die sonstige Reproduktionskraft der Birke gering ist. Die Blät-
ter der Stocklohden sind viel grösser, oft herzförmig, tiefer gesägt und selbst gelappt,
bis 10 cm lang, weichbehaart. Holz gelblich- oder rötlichweiss, ohne sichtbare Mark-
strahlen, mittelschwer (0,65) und -hart, sehr schwerspaltig, elastisch, fest und brenn-
kräftig, aber von sehr geringer Dauer. Anatomisch ist es durch Markflecke wie
bei den Erlen (besonders im Innern Holzkörper) und die zu 2 — 4 in radialen Gruppen
vereinten Gefässe charakterisiert. Das Verbreitungsgebiet der gemeinen Birke
reicht über den grössten Teil Europas vom nördlichen Spanien, dem Rhodopegebirge
der Balkanhalbinsel und von Sizilien bis zum 65^ in Schweden. Innerhalb dieses Ge-
biets tritt sie vorwiegend vereinzelt oder hörst weise auf, nur in den Ostseeprovinzen
und im mittleren Russland bildet sie teils allein, teils mit Weisserle, Aspe und Kiefer
ausgedehnte Bestände. Ausserhalb Europas ist sie in den Kaukasusländern und im
mittleren und nördlichen Asien verbreitet. Im Gebirge steigt die gemeine Birke hoch
empor, in Norwegen bis ca. ^i^) ra, im Harz und Erzgebirge und bayrischen Wald bis
gegen 1000 m, in den Alpen und der hohen Tatra bis ca. 1500 m, in den Pyrenäen
und am Aetna bis ca. 2000 m. Ihre Standortsansprüche sind bezüglich Wärme,
Feuchtigkeit und Nährkraft des Bodens bescheidene, nur reine Kalk- und saure
Moorböden werden von ihr gemieden , dagegen ist ihr Lichtbedürfnis dem der
Lärche ähnlich und am grössten von allen Laubhölzern, was sich trotz
21*
324 m. Klein, Forstbotanik.
der Trägwüchsigkeit in der ersten Jagend dnrch die ungewöhnlich lockere Krone, die
senkrecht herabhängenden Blätter, die Unfähigkeit, Schirm- und Seitendruck, selbst
der eigenen Art zu ertragen, und die sehr frühzeitige starke Verlichtung reiner Birken-
bestände, sowie ihre Vorliebe für sonnige Süd- und Ostlagen, besonders an Waldran-
dern, verrät.
2. Betula pubescens Ehrhart. Ruchbirke, Haarbirke, Bruchbirke,
nordische Weissbirke (syn. alba Linn6 zum grösseren Teil, odorata Bechstein), der ge-
meinen Birke in jeder Beziehung sehr nahestehend und typisch von ihr durch fol-
gende Kennzeichen unterschieden: Junge Triebe und Blätter ohne Wachs-
harzabsonderung, anfangs balsamisch duftend und mehr oder minder auf-
fällig behaart, später meist kahl, Blätter derber, kürzer gespitzt, Frucht-
schuppen stärker bewimpert, mit längerem, spitzem Mittellappen
und eckigen, gleichsam gestutzten, Seitenlappen. Flügel der
Frucht etwa bis IVamal so breit als die Nuss, nach oben gar nicht
oder nur bis zur Basis der Narbenarme vorragend. Wuchs sperriger,
häutig strauchartig ; Aeste weniger überhängend. Borke schwächer, nie so hoch am
Stamm emporreichend, wie bei der gemeinen Birke. Das Verbreitungsgebiet
der Rnchbirke lunfasst ganz Mittel- und Nordeuropa (bis zum Nordkap) und einen be-
deutenden Teil des nördlichen Asien. Im nördlichen Drittel ihres Gebiets ist sie allein
herrschend, bestandbildend vorzugsweise im Nordosten, in Deutschland nur noch in
Ostpreussen, weiter westlich und südlich nur noch vereinzelt oder horstweise, besonders
auf Moorboden. Südlich der Alpen und Karpathen fehlt sie. Im Grebirge steigt sie
höher empor als die gemeine Birke. Sie beansprucht durchaus einen anhaltend feuchten
Boden oder ein während der Vegetationsperiode nebel- und regenreiches Klima und
gedeiht am besten, wo beides gleichzeitig vorhanden ist (Erlenbrüche Norddeutschlands).
Hinsichtlich der Boden tiefe ist sie sehr genügsam und zeigt eine viel grössere
Neigung zu Stockausschlägen, als die gemeine Birke. Die Variationsfähigkeit
der Ruchbirke ist unter allen Baumbirken am grössten, derjenigen der Bergkiefer ver-
gleichbar ! Hält es schon schwer, Betula verrucosa und pubescens auseinander zu halten,
so ist eine scharfe Sonderung der durch viele Zwischenformen verbundenen zahllosen
Formen der Ruchbirke derzeit kaum möglich, zumal auch Boden und Klima vielfach
formbestimmend wirken.
Als forstlich unbedeutende Kleinsträucher kommen bei uns noch zwei Ver-
treter der echten „Strauchbirken" vor, ausgezeichnet durch kleine, unterseits
hellgrüne, auffallend netzaderige Blätter, aufrechte oder nur wenig über-
hängende männliche Kätzchen, aufrechte Fruchtzäpfchen und sehr
schmal geflügelte Früchte.
3. Betula humilis Schrank, die gemeine Strauchbirke (syn.
fruticosa Autorum), selten über 1 m hoch, ist bei uns auf Torfmoore am Nordrand der
Alpenkette, Galiziens, Siebenbürgens und Norddeutschlands beschränkt. Junge Triebe
mit Wachsharzabsonderung. Blätter rundlich - eiförmig , beiderseits verschmälert,
kurz gestielt. V/z — 3 cm lang, am Rande scharf gesägt. Fruchtzäpfchen 1( — l^a) cm
lang; Deckschuppen ähnlich wie bei pubescens, aber tiefer Steilig und Mittellappen
grösser.
4. Betula nana Linn6, die Zwergbirke, 30 — 60 cm hoch, in den
Torfmooren der Alpen und mitteldeutschen Gebirge, hauptsächlich aber in Nord-
europa und Nordasien heimisch, hat nahezu kreisrunde, 6 — 12 mm lange, am Band
kerbzähnige Blättchen, Triebe ohne Wachsharzaussonderung und ungeteilte
oder 3spaltige Deckschuppen mit gleich grossen runden Zipfeln.
Die Laubhölzer. § 71. 325
5. Betula lenta Linn^, die Hainbirke, anf Flnssniedernngen und an
Berghängen des östlichen Nordamerika nach Mayr Bäume von durchschnittlich 25 m
Höhe bildend, deren wertvolles Holz durch das hohe spez. Gewicht 0,76 und deutlichen
braunen Kern ausgezeichnet ist, hat kahle junge Triebe und ist durch die unserer
Weissbuche sehr ähnlichen, 5 — 7 cm langen Blätter mit zahlreichen
Seitennervenpaaren und die erst im Fmhjahr abfallenden, mit 3 gleich ge-
formten Lappen versehenen Fruchtschuppen von unsern einheimischen Birken sofort zu
unterscheiden. Seit einigen Jahrzehnten ist sie mit bestem Erfolg zu Anbauversuchen
in Deutschland herangezogen worden, ist nach Schwappach vollständig frosthart, ver-
langt zu gutem Ghedeihen einen ziemlich guten, frischen und tiefgründigen Boden, wo
sie schon im ersten Jahre eine mit reichlichen Seitenwurzeln versehene, ziemlich lange
Pfahlwurzel entwickelt. Strenger, nasser, ebenso auch armer und trockener Boden
sind ungeeignet für sie. Höhenwuchs im ersten Jahre gering, 7 — 10 cm, dann rasch
zunehmend und schon mit 8 Jahren ca. 4 m erreichend. Entschiedene Lichtholzart.
In der Jugend gegen anhaltende Dürre empfindlich.
Brie. Alnus (franz. Aulne).
§71. Knospen meist gestielt, mit 2 — 3 dickwandigen Knospenschuppen,
von denen die äussere die andern umfasst. Männliche Blüten mit je 4 Staubgefässen,
wie bei den Birken in Kätzchen. Tragblätter der zweiblütigen weiblichen Di-
chasien undeutlich fünf lappig, bis zur Reife stark verholzend, sperrig sich
öffnend und nach dem Ausfall der meist ungeflügelten Nüsschen an der Kätzchenspindel
stehen bleibend. — 14 Arten.
1. Alnus glutinosa Gärtner. Schwarzerle, Roterle, Eller.
Gestielte Knospen und junge Triebe sehr klebrig. Blätter dunkel-
grün, rundlich oder verkehrt-eiförmig, abgestumpft oder an der Spitze eingebuchtet,
am Grunde keilig, am Rande ungleich oder seichtlappig, doppelt klein-ge-
kerbt-gesägt , kahl bis auf, meist rostgelbe, Haarbüschel in den Aderwinkeln der
Unterseite, 4 — 9 cm lang. Männliche und weibliche Kätzchen (lang) g e-
stielt, schon im Sommer entwickelt, anfangs grün, im Herbste violettbraun und frei
überwinternd; die männlichen zu mehreren am Ende junger Triebe, worauf die
weiblichen nach unten folgen; männliche Kätzchen beim Auf blühen 5— 10 cm lang, mit
violett- oder rotbraunen Deckschuppen und gelben Staubbeuteln ; an den kleinen (3 — 4 mm),
eiförmigen weiblichen Kätzchen treten zur Blütezeit nur die roten Narben zwischen
den Deckschuppen hervor. Fruchtzapfen 1 — 2 cm lang, jung grün und klebrig,
reif dunkelbraun. Nüsschen flach, 2 — 4 mm lang, im Umriss rundlich bis 5eckig,
rötlichbraun, ungeflügelt oder mit schmalem, undurchsichtigem Saum. 1 Hektoliter
Niisschen wiegt 28—35 Kilo; 1 Kilo enthält ca. 600000—1000000 Früchte. — Eintritt
der Mannbarkeit nach Boden und Klima verschieden, im Freistande zwischen dem
12. und 20. Jahr, im Schluss meist nicht vor dem 40. Blütezeit je nach Klima
und Lage Ende Februar bis Anfang Mai, stets einige (2—5) Wochen vor dem Laub-
ausbruch. Samenreife im September oder Oktober ; Ausfliegen oft noch im
Herbst, meist aber erst im Februar und März des nächsten Jahres ; Keimfähigkeit
25 — 35°/o; Dauer der Keimkraft bis 3 Jahre (bei aus dem Wasser gefischtem
Samen höchstens V^ Jahr). Auflaufen bei Frühjahr ssaat nach 4 — 5 (6) Wochen
mit zwei kleinen, oberirdischen, eiförmigen Cotyledonen, auf welche sägezähnige Erst-
lingsbl^tter folgen. Das Pflänzchen erreicht schon im 1. Jahre Handlänge, wächst
dann sehr rasch, bis etwa zum 6. Jahr (bis 1 m pro Jahr), dann bis zum 20. Jahr
durchschnittlich noch ^/z — 7* ™j worauf, bei beginnender Mannbarkeit, der Höhenwuchs
326 III. Klein, Forstbotanik.
erlahmt und die Krone sich abwölbt. Gesamthöhe selten über 20 m (ausnahms-
weise bis über 33 m), Stärke selten Va m überschreitend. Alter gewöhnlich nicht
höher als 100—120 Jahre. Der Stamm reicht wie bei den Nadelhölzern gewöhnlich
bis in den Gipfel, ist sehr vollkommen geformt, und trägt meist wagrechte, weit aus-
greifende, ziemlich schwache Aeste mit lockerer Belaubung. Das Ausschlagver-
mögen ist gross und anhaltend, die Stocklohden zeigen ein sehr rasches und andauern-
des Wachstum, anfönglich bis 13 cm grosse Blätter und grosse Neigung zur Johannis-
triebbildung. Wurzelbrut wird n i e entwickelt und die Stockausschläge erst nach
Abhieb des Stammes. Die Bewurzelung ist sehr anpassungsfähig an die Standorts-
verhältnisse, in tiefgründigem lockerem Boden aus mehreren tief eindringenden Herz-
wurzeln, die sich erst im Untergrund verzweigen, in trockenem flachgründigem, wie
auch auf nassem Bruch-Boden aus kurzen Herzwurzeln und zahlreichen flach- und weit-
streichenden Seitenwurzeln. Eine allgemeine Erscheinung an Erlenwurzeln sind die
durch den Pilz Frankia alni hervorgerufenen, bis faustgrossen knolligen oder korallen-
förmig verzweigten Wurzelanschwellungen, deren biologische Verhältnisse noch nicht
völlig geklärt sind. Die Rinde im 1. Jahr grünlich-, in der Folge dunkelchocolade-
braun, im Alter eine schwarzbraune Tafelborke entwickelnd. Das zerstreutporige Holz
ohne gefärbten Kern, beim Fällen weisslich, färbt sich an der Luft alsbald tief gelb-
rot, ist wenig elastisch und tragkräftig, weich, gut spaltbar, vom spez. Ge\^acht 0,53,
sehr wenig brennkräftig, sehr vergänglich, bei stet er Berührung
mitWasser aber sehr dauerhaft; anatomisch ist es durch falsche, breite
Markstrahlen (wie Carpinus) und durch häufige Mark flecke ausgezeichnet, kleme
rötlichbraune Fleckchen, welche sich in jungen Stangen oder im Innern stärkerer Hölzer
finden und welche die später mit rundlichen Zellen nach Art der Thyllen-
bildung ausgefüllten Frassgänge gewisser in den jüngsten Holzschichten lebenden Flie-
genlarven (Tipula) darstellen.
Das Verbreitungsgebiet der Schwarzerle erstreckt sich über ganz Europa
bis zum 62^2® n. Br. in Norwegen; ausserdem kommt sie noch in Sibirien und m
Nordwestafrika vor. Als Hauptholzart der Bach- und Flussufer sowie
des Bruchbodens ist sie allenthalben auf geeigneten Standorten verbreitet , be-
standbildend namentlich in Norddeutschland und im mittleren Hussland. Im Gebirge
geht sie selbst im Süden nirgends erheblich weit in die Höhe (in Norwegen bis 300,
im Harz und Erzgebirge bis 600 m, in den bayrischen Alpen bis 800, in den Central-
alpen selten über 1000 etc.). Die Schwarzerle verträgt von all unseren Holz-
arten die meiste Bodenfeuchtigkeit, verlangt aber zu üppigem Gedeihen
Riesel-, nicht Stauwasser, in dem sie weniger gut gedeiht, und stellt hohe Ansprüche
an die Tiefgründigkeit des Bodens; auf flachgründigen , wenn auch feuchten
Standorten, wii*d sie frühzeitig wipfeldürr. Ebenso ist ihr ein höheres Mass von Luft-
feuchtigkeit förderlich. Reine Sand- oder Kalkböden sagen ihr nicht zu. Ihre Ansprüche
an die Milde des Klimas sind sehr bescheiden. Hinsichtlich ihres Lichtbedürfnisses ist
sie noch zu den Lichtholzarten zu rechnen.
2. Alnus incana Willdeno w, die Weis serle, Grauerle, ist dnrch
folgende Merkmale leicht zu unterscheiden: Knospen behaart, junge Triebe dicht
flaumig, ebenso wie die Blätter nie klebrig. Blätter in der Jugend dicht graufilzi^,
später oberseits dunkelgrün, fast kahl, unterseits graugrün und mehr oder
weniger behaart, eiförmig zugespitzt, am Rande scharf doppelt gesägt.
Weibliche Kätzchen sehr kurz gestielt, ihre Tragzweige, ebenso wie die der männ-
lichen, dicht flaumhaarig. Nüsschen etwas grösser mit dünnem, dunklem Rand, teils
hell-, teils dunkelbraun. 1 Hektoliter Nüsschen wiegt 21 — 23 Kilo. 1 Kilo enthält
Die Laubhölzer. § 71. 327
600000— 700000 Nüsschen. Keimfähigkeit ca. 257o. Die Mannbarkeit tritt früher
ein, im Freistand schon mit 15 Jahren. Die Blütezeit fällt etwa 3 Wochen früher.
Der Wuchs ist weniger stattlich, die Krone weniger gegliedert, die Aeste mehr auf-
gerichtet, der Stamm häutig krumm und etwas spannrückig. Das Ausschlagver-
mogen ist sehr bedeutend, da die Weisserle nicht nur Stockausschlag sondern auch
reichliche Wurzelbrut liefei-t. Die Bewurzelung ist flacher, mit noch weiter strei-
chenden Seitenwurzeln. Die Wachstumsgeschwindigkeit, anfänglich der Schwarz-
erle nicht nachstehend (im 1. Jahre oft schon V2 m), lässt oft schon vom 10 — 15. Jahre
nach. Die Lebensdauer in gesundem Zustande überschreitet nach Hempel
und Wilhelm selbst bei günstigen Verhältnissen kaum 40 — 50 Jahre und kann auf
schlechtem Standort auf 20—25 Jahre herabsinken. Die Rinde, anfangs hellgrau-
braun, dann glänzend silbergrau, reisst nur im höheren Alter etwas auf, bildet
aber keine eigentliche Borke. Das Holz, dem der Schwarzerle in jeder Beziehung
sehr ähnlich, aber etwas ärmer an falschen breiten Markstrahlen, hat einen viel ge-
ringeren Gebrauchswert. Das Verbreitungsgebiet umfasst das mittlere und nörd-
liche Europa bis zu 7OV2® n. Br. mit dem Maximum im Nordosten. Ausserdem er-
streckt es sich durch das mittlere und nördliche Asien bis nach Kamtschatka. Eben-
falls an Bach- und Flussufern vorkommend, aber weniger an feuchten Boden
gebunden und stau ende Nässe weit weniger vertragend, steigt sie im Gebirge
höher empor, in den Schweizer und Tiroler Alpen z. B. bis ca. 1400 und 1600 m,
die Kiesbänke der Gletscherbäche in Gesellschaft der Weiden besiedelnd. An die Tief-
gründigkeit des Bodens stellt sie geringere Ansprüche und besitzt grössere
Anpassungsfähigkeit an die Verschiedenheiten der Standorte.
Zwischen der Schwarz- und Weisserle kommen gelegentlich Bastarde vor, die
teils (A. pubescens) der Schwarz-, teils (A. ambigua) der Weisserle näher stehen.
3. Alnus viridis De Candolle, die Grünerle, Bergerle, Alpen-
erle, Laublatsche, den Birken näher stehend und vielfach als besondere Gattung
(Alnaster, Alnobetula) betrachtet, ist stets strauchförmig (1 — 2Va m), hat
sitzende spitze Knospen und die weiblichen Kätzchen brechen erst
im Frühjahr aus kurzenLaubzweiglein hervor. Blätter ähnlich wie
bei incana gestaltet, aber kleiner (SVa — 6 cm), jung klebrig, alt beiderseits meist
kahl. Männliche Kätzchen ungestielt, schon im Sommer ausgebildet,
überwinternd ; männliche Blüten mit vollständig geteilten Staub-
beuteln. Nüsschen 1,5 mm lang, mit breitem, häutigem Flügel, ähnlich
dem von Betula lenta. Blütezeit an den meist hochgelegenen Standorten von Ende Mai
bis Anfang Juli. Die Grünerle ist in der gemässigt kalten und kalten nördlichen Zone
in verschiedenen Varietäten fast rings um den Erdball verbreitet. In Mitteleuropa
findet sie sich vornehmlich in den Alpen undKarpathen, w^osiebis gegen
2000 m emporsteigt, in reinen Beständen, häufig in Gesellschaft von Knieholz oder
Alpenrosen auftritt und vielfach an steilen Hängen kleineSchutzwälder gegen
Lawinen undStein- undErdabrutschungen bildet, wozu sie durch ihren
dicht buschigen, oft latschenähnlichen Wuchs, ihre feste Verankerung im Boden, ihr
grosses Ausschlagvermögen und ihre reichliche Wurzelbrut, sowie ihre Raschwüchsig-
keit vorzüglich geeignet ist. Von den Hochgebirgen geht sie an den Ufern der Bäche
und Flüsse bis tief in die Täler hinab und auf die nördlich angrenzenden Hochebenen
und findet sich häufig auch im südlichen Schwarzwald, im Böhmerwald und im böhmisch-
mährischen Waldgebiet.
328 III. Klein, Forstbotanik.
B. SteinfrUcbtige Kätzohenträger.
§ 72. Wallnussartige Lanbhölzer. (Familie Juglandaceae).
Blätter ohne Nebenblätter, gross, unpaarig gefiedert, wechselständig.
Männliche Blüte der Deckschuppe aufgewachsen. Steinfrüchte mit unvoll-
ständig 2fächerigem Steinkern. Embryo des endospermlosen Samens mit grossen,
lappigen, ölreichen Cotyledonen, welche bei der Keimung unter der Erde bleiben.
Wallnussbaum. Juglans (franz. Noyer).
Männliche Kätzchen einzeln, hängend, weibliche (bei den 3 ersten Arten)
wenigblütig. Steinfrucht gross, ungeflügelt, mit fleischigem oder lederigem Frucht-
fleisch. Mark der Zweige quer gefächert.
1. Juglans regia Linn6. Gemeiner Wallnussbaum. In zahlreichen
Kulturrassen, welche aber keine Uebergänge zu verwandten Arten zeigen, als Obstbaum
kultiviert und nur ausnahmsweise im Walde angebaut. Blätter mit grossem
Endblättchen 20—35 cm lang, aus 5 — 13, meist 7, länglich eiförmigen, zuge-
spitzten, meist ganz randigen 6 — 10 cm langen Blättchen zusammengesetzt, oberseits
glänzend dunkelgrün, kahl, unterseits nur in den Aderwinkeln bärtig. Frucht kugelig
oder oval, von sehr verschiedener Grösse, kahl, grün, glatt; Innenschale
grubig gefurcht, holzig, scherbengelb, dünn oder massig dick, mit dünnen Schei-
dewänden. Die Mannbarkeit tritt etwa ums 20. Jahr ein; Samenjahre
alle 2 — 3 Jahre. Dauer der Keimkraft V^ Jahr. Der Höhenwuchs ist
ziemlich rasch, der Baum erreicht mit 60 — 80 Jahren 15 — 20 m Höhe, die später kaum
mehr wesentlich überschritten wird, da der Stamm sich gewöhnlich wenige Meter über
dem Boden in eine ausgebreitete, starkästige, abgewölbte Krone auflöst. Der Durch-
messer kann bei ca. 300 — 400 Jahre anhaltendem Dickenwachstum bis über 1 m er-
reichen. Das Wurzelsystem besitzt eine auch später vorherrschende kräftige
Pfahlwurzel. Das Holz vom spez. Gewicht 0,68 mit braun bis schwarzbraun ge-
wässertem Kern ist das wertvollste einheimische Nutzholz, das einzige zerstreutporige
Holz, dessen Gefässe schon mit blossem Auge zu erkennen sind ; die Markstrahlen sind
sehr fein, mit blossem Auge nicht zu erkennen. Die Rinde bildet eine tiefrissige hell-
graue Borke.
Das natürliche Verbreitungsgebiet reicht von Südosteuropa bis Zentralasien. In
Südeuropa und in den milderen Gegenden Zentraleuropas allgemein angebaut, im Süd-
osten Oesterreich-Üngarns verwildert und selbst bestandbildend, ist er eine anspruchs-
volle Holzart, die mildes Klima, geschützte Lage und tiefgründigen, nahrhaften, milden
Boden verlangt und gegen Spätfröste sehr empfindlich ist.
2. Juglans nigra Linn6. Schwarzer Wallnussbaum, im östlichen
Amerika vom südlichen Canada bis Florida und von Minnesota bis Texas besonders in
Flussniederungen und auf tiefgründigen Berghängen heimisch, auf angeschwemmtem
Boden seines Optimums, im kontinentalen Teil der südlichen Laubwaldhälfte, bei ca. vier-
hundertjährigem Alter bis 45 m Höhe und 3 m Durchmesser erreichend, ist durch
25 — 40 cm lange Blätter mit (11) 13 — 19 (23) langzugespitzten, länglich-
lanzettlichen, am Rande gesägten, bis 10 cm langen, oberseits kahlen, unterseits
zerstreut kurzhaarigen Blättchen (Endblättchen fehlt öfters) ausgezeichnet. Früchte
kugelig, kahl, rauhschalig, abgefallen schwarz, mit dicker tiefgefurchter schwarzer
Innenschale und dicken Scheidewänden. Borke kleinschuppig, später tiefrissig,
dunkelgrau. Wegen seines vorzüglichenHolzes vom spez. Gewicht 0,54 — 0,61,
das sehr schmalen Splint und dunkelbraun-violettes Kernholz besitzt, auch schönen
Die Laubhölzer. § 72. 329
Maserwnchs zeigt, dem von J. re^a nicht nachsteht, aber in allen guten Eigenschaften
dem der grauen Wallnuss überlegen ist, wurde der Baum in den letzten Jahrzehnten
forstlich vielfach in grösserem Massstabe angebaut. Im Freistand bildet er eine ähn-
liche Krone wie unser Wallnussbaum, im Schlüsse einen vollendeten astreinen Schaft.
Die N&sse keimen, feucht aufbewahrt, bezw. vorgekeimt, mit 70 — 80%, die 1jährige
Pflanze erreicht schon 30 — 80, im Durchschnitt 40 cm Länge und bildet eine Pfahl-
wurzel von ähnlicher Länge, die vom 2. Jahre ab ungemein stark und fleischig ist
und nur wenig Seitenwurzeln besitzt. Die weiteren Zuwachsverhältnisse
sind ausserordentlich günstig. Mit 40 Jahren erreicht der Baum bei uns
auf gutem Standort 15 — 20 m Höhe, in 60 — 80jährigem Alter 25 m und mehr und bis
1 m Durchmesser. Die Standortsansprüche sind hohe, ähnlich wie beim gemeinen Wall-
nussbaum, doch ist er in geeigneten Lagen viel weniger durch Spätfröste gefährdet,
während Frühfröste bei der langen Vegetationsdauer gefährlich sind; er ist eine aus-
gesprochene Lichtholzart, doch ist in den ersten Jahren massige Beschattung vorteilhaft
und Seitenschutz in der Jugend notwendig.
3. Juglans cinerea Linn^. Grauer Wallnussbaum, Butte r-
nuss, mit vorstehender Art die Standorte im östlichen Nordamerika teilend, aber
weniger weit nach Süden und Südwesten vordringend. Blätter bis 60 cm, mit
13 — 15 (21) ähnlichen, aber scharfgesägten Blättchen, die oberseits kurz-
haarig, unterseits sternhaarig sind; Endblättchen meist vorhanden. Früchte
2fächerig, pflaumenförmig, drüsig klebrig, mit rotbraunen Haaren ebenso
wie die jungen Zweige dicht besetzt ; Innenschale gleichfalls dick, spitzeiförmig,
längsrippig gefurcht, schwärzlich, Borke weisslich-aschgrau, Holz leichter (0,41). —
In seiner Entwickelung und in seinen Lebensansprüchen steht der graue Wallnussbaum
dem schwarzen sehr nahe, stellt indes etwas geringere Anforderungen an die Locker-
heit des Bodens, da seine Bewurzelung viel flacher zu sein pflegt, ist frosthärter und
darum in rauheren Lagen widerstandsfähiger, gedeiht z. B. noch sehr gut in den rus-
sischen Ostseeprovinzen, wo J. nigra nicht mehr fortkommt, erträgt mehr Schatten,
erlahmt aber viel früher in seinem Höhenwuchs (bei uns bis ca. 15 m).
4. Juglans Sieboldiana Maximovicz aus Japan, bei den Versuchen
in Grafrath und Riedenburg nach Mayr durch Kaschwüchsigkeit und Frosthärte auf-
fallend, da sie im Herbste frühzeitig ihr Wachstum einstellt und im Frühjahr spät er-
grünt, hat in langen, hängenden Trauben angeordnete Früchte, die ähnlich klebrig wie bei
voriger sind; die dicke nicht zusammengedrückte Innenschale derselben ist mit 2
dickwulstigen Kanten versehen; Blättchen (9) 11 — 15 (17), breit länglich,
kurz gespitzt, stumpf gesägt.
Pterocarya rhoifolia Siebold et Zuccarini. Flussnuss. (Syn.
sorbifolia). Männliche Kätzchen einzeln und Zweige quergeiächert wie bei Juglans.
Weibliche Kätzchen sehr vielblütig. Frucht klein, unter der Mitte von den
2 flügelartig angewachsenen Vorblättern schief becherförmig
umfasst. Blätter 30—45 cm lang mit 15—21 Blättchen, Endblättchen öfters fehlend.
Sie liebt in ihrer Heimat, dem Innern Japans, nach Mayr rezente Aubildungen, steht
oft tief im Schotter der Gewässer und liefert auf solchen Standorten, die bei uns mit
Weiden, Erlen und Pappeln bestockt sind, ein wertvolles Holz. Im Waldboden in
Riedenburg in Bayern ist sie mit 9 Jahren nahezu 4, in Lützburg 5^/2 m hoch ge-
worden, überall ganz unberührt vom Froste.
Hickorynuss. Carya^') (richtiger Hicoria.)
39) Der Gattungsname Carya wurde hier nur deshalb beibehalten, weil er allgemein
3aO III. Klein, Forstbotanik.
§ 73. Männliche Kätzchen meist zn 3 auf gemeinsamem Hanptstiel,
weibliche 3 — lOblütig. Steinfrucht gross. Aeussere Schale derselben
anfangs fleischig, später holzig, 4klappig aufspringend. Die Steinkerne
öffnen sich bei der Keimung nicht längs den Kanten, sondern zerfallen zwischen
denselben in 2 Teile. Jlil a r k der Zweige ungefächert. 8 nordamerikanische
Arten.
Die Hickoryarten nehmen am Aufbau des Laubwalds der östlichen vereinigten
Staaten vom Lorenzostrom bis Texas gleich den Eichen einen grossen Anteil, wenn sie
auch nie bestandbildend und meist nur eingesprengt vorkommen. Alle lieben tiefgrün-
digen lockeren Boden und erwachsen auf dem kräftigen Schwemmboden der Flussnie-
derungen, über dem Hochwassemiveau erhaben, zu den stattlichsten Dimensionen (bis
30 m, einzelne im Optimum [westlich vom AUeghanigebirge] bis 45 m). Das schwere
Hickoryholz gehört zu den wertvollsten Nutzhölzern der nörd-
lich-gemässigten Erdhälfte. Hickory ist ein Sammelname für das Holz der
am weitesten nördlich reichenden Arten (C. alba, porcina, sulcata, tomentosa und amara),
während dasjenige der südlichen Arten viel geringeren Gebrauchswert besitzt. Das
ringporige Holz der einzelnen Arten ist anatomisch im wesentlichen gleich
gebaut, von den Juglansarten sehr verschieden und dem Eschenholz einigermassen ähn-
lich, aber mit sehr schmaler Zone grosser Gefässe im Frühjahrsholz und mit zahl-
reichen, dem Jahresring parallelen Parenchymstreifen im Spätholz. Allen Hickorys
gemeinsam ist die späte Verkemung des Holzes, erst vom ca. 50. Jahre tritt die bräun-
liche Verfärbung ein, was aber für den Gebrauchswert der Hölzer belanglos ist. Wegen
der ganz hervorragenden technischen Eigenschaften ihres Holzes (sehr schwer, ca. 0,90
bis 0,80, hart, sehr schwerspaltig, sehr zäh, sehr elastisch, sehr fest, dauerhaft und
brennkräftig) hat man in den letzten Jahrzehnten umfassende Anbauversuche mit den
oben genannten 5 Arten gemacht, bei welchen sich alba als die beste erwiesen hat.
Alle Hickoryarten verlangen zu gutem Gedeihen kräftigen, frischen, nicht zu strengen
Boden (beste Eichenböden) und ein mildes, lange Yegetationszeit gewährendes
Klima (Eichenklima). Die Keimung erfolgt bei uns sehr spät, im Spätsommer oder
Herbst und die jungen Pflanzen reifen dann nicht aus; viele Nüsse liegen bis zum 2.
und 3. Jahre über. „Vorgekeimt" und im April ausgesät, treiben sie im Mai bis Juni
aus. Die Entwickelung der oberirdischen Pflanze ist in den ersten 5 Jahren langsam
(Gesamtleistung ca. 80 cm), während sich in dieser Zeit hauptsächlich eine kräftige
Pfahlwurzel ausbildet, die im 1. Jahre ca. 30 cm, im 2. ca. 50 cm lang wird, mit zahl-
reichen schwachen Seitenwurzeln besetzt ist und nicht so fleischig und rübenförmig wie
bei J. nigra ist. Obwohl Lichtpflanzen, bedürfen sie in der Jugend unbedingt des
Schutzes, lichten Schirm von oben und Seitenschutz, da sie, bis etwa zum 5. Jahre,
gegen Spät- und Frühfröste empfindlich sind. Ihr Ausschlagsvermögen, sowohl aus dem
Stock, wie aus den Wurzeln, ist ausserordentlich und sehr andauernd. 9jährige Pflanzen
erreichen vielfach 2 m Höhe und dann erst geht das Längenwachstum, wie auch in
ihrer Heimat, energisch voran. Die wichtigsten Unterschiede der einzelnen Arten sind
folgende :
1. Carya albaNuttal (rieh tiger Hicoria ovata Britton.) Weisse
Hickory. Blätter langgestielt, 30 — 60 cm lang, mit 5 Blättchen, deren grösste
Breite in der Mitte liegt und von denen die 3 obersten die grössten sind. Blattrand
stumpf gesägt, Zähne stets behaart. Endknospen sehr gross , länglich , mit
in der forstlichen Literatur gebraucht wird. Dippel, Laubholzkunde, Köhne, Dendrologie
und die in Amerika gültige Nomenklatur brauchen den Namen Hicoria!
Die Laubhölzer. § 75. 331
einigen abstehenden, braun behaarten Schuppen.
2. Carya amara Nuttal (richtiger Hicoria minima Britton.)
Bitternuss. Blätter 25 — 35 cm lang, mit 7 — 11 Fiederblättchen ; charakteristisch
sind die gelbgrünen, 4kantigen, vom Trieb weggekrümmten Knospen. Diese für uns
zweitwertvollste Hickoryart liebt das grösste Mass von Bodenfrische und gedeiht be-
sonders gut in der Nähe des Wassers.
3. Carya porcina Nuttal (richtiger Hicoria glabra Britton.)
Schweinsnuss-Hickory. Blätter 25—40 cm lang, mit 5 — 7 kahlen Blättchen,
die Blattzähne nach vorn gekrümmt. Knospen kurz, eiförmig, mit braunen, kahlen
Schuppen. Diese Art nimmt noch mit einem weniger guten, mehr sandigen Boden vor-
lieb, verlangt aber die meiste Wärme.
4. Carya tomentosaNuttal (richtiger Hicoria alba Britton.)
Spottnuss. Blätter 25 — 50 cm lang, mit 7 lanzettlichen, unterseits weichwollig
behaarten Blättchen. Knospen kurz und dick, filzig behaart. Diese Art erträgt
auch strengen und feuchten Lehmboden.
5. Carya sulcata Nuttal (richtiger Hicoria acuminata Dip-
pel.) Grossfrüchtige Hickory. Blätter 20 — 25 (50) cm lang, mit 7 — 9 Blätt-
chen, von denen die 3 obersten die grössten sind. Knospen ähnlich wie bei alba,
junge Triebe aber kahl. Diese Art verlangt den besten Boden und nahezu so viel
Wärme wie porcina.
§ 74. Als einziger Vertreter der Myricaceen kommt Myrica Gale
Linn6, Gagelstrauch, auch Brabanter Myrthe genannt , ein kleiner
(30 cm bis 1,25 m), gesellig wachsender, aromatisch duftender, zweihäusiger Strauch,
mit kleinen, lanzettlichen, etwas gesägten, unterseits grauflaumigen Blättern und un-
scheinbaren, in kleinen, ährig angeordneten Kätzchen stehenden Blüten, in Norddeutsch-
land von der niederrheinischen Ebene bis Ostpreussen und der Niederlausitz in Torf-
brüchen und nicht selten auch als Unterholz in Kiefernwäldern vor.
C. Kapsel fr iiohtige Katzohenträger.
§ 75. Weidenartige Laubhölzer (Familie Salicaceae.) Pflanzen
diöcisch. Kätzchen auf der Spitze seitlicher Kurztriebe. Blüten einzeln, ohne
Perigon, in den Achseln der Kätzchenschuppen. Früchte zweiklappig aufspringende
Kapseln mit meist sehr vielen, mit grundständigem, als Flugorgan dienendem Haarkranz
versehenen, sehr kleinen Samen.
Die Weiden. Salix (franz. Säule).
Kätzchenschuppen ganzrandig. Blüten mit 1 — 2 gelben, s c h u p-
penförmigen Honigdrüsen (reduzierter Discus) und gewöhnlich 2 (selten
3 oder 5) Staubgefässen. Bestäubung durch Insekten vermittelt. Laub-
blätter kurzgestielt, ungeteilt. Nebenblätter gewöhnlich klein und
hinfällig, seltener ansehnlich und stehen bleibend. Winterknospen mit nur einer
einzigen (aus zweien verwachsenen) hohlen Knospenschuppe. Langtriebe
ohne Endknospe, in der Regel die ganze Vegetationsperiode weiter wachsend und
an der Spitze im Herbste absterbend. Kätzchen stets aus den Seiten knospen
vorjähriger Triebe entspringend, entweder sitzend oder kurz gestielt, mit nur einigen
Niederblättern am Grunde und vor dem Laubausbruche blühend (frühblühende W.), oder
am Ende eines mit einigen Laubblättem besetzten Kurztriebs und mit oder gleich nach
dem Laubausbruch blühend (spätblühende W.). Wuchs meist strauchartig mit ruten-
332 III. Klein, Forstbotanik.
förmigen Langtrieben. Bewnrzelnng meist weit ausstreichend and nicht tiefgehend
und meist sehr anpassungsfähig an die Standortsverhältnisse. Stock- und Stammans-
schlag ausserordentlich reich und andauernd, eigentliche Wurzelbrut dagegen kommt
nicht vor, nur an blossgelegten Wurzeln können aus den Ueberwallungswülsten verletzter
Stellen Ausschläge entstehen. — Die Weiden bringen zwar alljährlich reichlich Samen,
derselbe ist aber zum grössten Teile taub, behält seine Keimkraft nur ganz kurze Zeit,
verträgt keine Bedeckung und die jungen Samenpflanzen wachsen in den ersten 3 Jahren
sehr langsam. Die Weiden werden darum bei Anpflanzungen ausschliesslich aus Steck-
lingen (bezw. Setzstangen) erzogen, die sich, wie bei keiner andern Baumgattung, rasch
und sicher bewurzeln. Am Grunde der Achselknospen, unter der Rinde, befinden sich
nämlich stets Wurzelanlagen, die unter normalen Verhältnissen keine Gelegenheit znr
Weiterentwickelung haben, an den Stecklingen aber znr Ausbildung gelangen und so
die leichte Bewurzelung derselben ermöglichen.
Alle Weiden sind mehr oder weniger ausgesprochene Lichtpflanzen. Man
kennt etwa 160, zum Teil ziemlich variable Arten*®) und eine fortwährend wach-
sende grosse Zahl von keimfähige Samen erzeugenden Bastarden. Experi-
mentell ist von Wichura festgestellt, dass nicht nur zwischen den verschiedenen
Stammarten, sondern auch zwischen Bastarden und Stammarten und sogar z^^ischen
zwei Bastarden nahezu unbegrenzte Bastardierung möglich ist (Doppel- und Tripel-
bastarde!). Von den zahlreichen (über 30) mitteleuropäischen Weiden sind hier nur
die Baum- und Strauchweiden und die wichtigeren Eulturweiden aufgenommen, die
Zwergweiden, denen keinerlei forstliche Bedeutung zukommt, dagegen nicht.
A. Bruchweiden. Meist Bäume. Kätzchen auf seitlichen beblätterten
Kurztiieben endständig. Kätzchenschuppen einfarbig, gelbgrün, vor der
Reife abfallend. Blätter stieldrilsig. Triebspitze walzenrund, mit 5strahligem,
stumpf 5eckigem bis rundlichem Mark.
1. SalixalbaLinn6. Weissweide, Silberweide. Blätter meist
1 — 1,5 cm breit, 6 — 10 cm lang, lanzettlich, zugespitzt, klein gesägt, mit seiden-
glänzenden, der Mittelrippe parallel anliegendenHaaren, unter-
seits weiss oder grauweiss ; Nebenblätter lanzettlich, hinfällig. Knospen stumpf,
angedrückt, rötlichgelb. Junge Triebe ebenfalls seidig behaart; vorjährige kahl,
meist olivenbraun oder scherbengelb (bei der var. vitellina, der D o 1 1 e r w e i d e,
dottergelb oder lebhaft mennigrot). Die Rindenfarbe ist, wie vielfach bei den Weiden,
sehr verschieden nach individuellen Eigentümlichkeiten und nach den Beleuchtungsver-
hältnissen, sie zeigt hier alle Uebergänge von grün bis leuchtendgelb und karminrot.
Staubgefässe 2. Kapsel fast sitzend, kahl. Stielchen derselben kaum so lang
als die kurze Drüsenschuppe. Der Wuchs der Silberweide ist ein sehr rascher; bei
ungestörter Entwickelung bildet sie Bäume mit vielästiger, feinverzweigter Krone mit
herabhängenden jüngeren Zweigen, erreicht bis 24 m Höhe, bis 1 m und darüber Durch-
messer und wird 80 — 100 Jahre alt, gewöhnlich aber schon frühzeitig kemfaul und
hohl. Die Borke älterer Bäume ist bräunlichgrau, vorwiegend längs- und tiefrissig,
nicht abblätternd. Das Holz mit lebhaft hellrotem bis dunkelbraunem Kern und
schmalem weissem Splint, ist, wie bei den meisten Weiden, leicht (ca. 0,45),
sehr weich, sehr zähbiegsam, wenig elastisch und fest und nur von beschränkter Dauer
und geringer Brennkraft; im Querschnitt ist es gleichmässig zerstreutporig, mit deut-
40) Zu einer gründlichen Kenntnis der Weiden ist ein SpezialStudium derselben er-
forderlich, da zu einer genauen Kenntnis der Art blühende männliche und weibliche Zweige,
junge Fruchtzweige, sowie normale Zweige und Wasserreiser mit jungen und mit erwach-
senen Blättern nötig sind.
Die Laabhölzer. § 75. 333
liehen Jahrringgrenzen nnd von sehr feinen, mit blossem Auge meist nicht wahrnehm-
baren Markstrahlen durchzogen.
Die Silberweide, die stattlichste aller Baumweiden, findet sich durch ganz Europa
in Anwaldungen und Ufergehölzen, im Norden wahrscheinlich nur angepflanzt. Als
Baum der feuchten Niederungen und Gebirgstäler liebt sie feuchte, zum mindesten frische,
tiefgründige, lockere Böden, verträgt aber auch ein Uebermass von Feuchtigkeit —
stauende Nässe ausgeschlossen — sehr gut und steigt im Gebirge nicht weit empor.
Angepflanzt ist sie häuflg als Kopfholz zur Gewinnung von Faschinen, die var. vi-
tellina als Flechtweide. Als Parkbaum ist sie gleichfalls sehr beliebt und als grösserer
Baum sehr malerisch.
2. Salix fragilis Linn6. Bruchweide, Enackweide. Blätter
meist 7 — 15 cm lang und bis 2^/2 cm breit, der vorigen ähnlich, aber gewöhnlich in
der unteren Hälfte am breitesten, lang zugespitzt, beiderseits glänzend grün, oder
nnterseits bläulich bereift, kahl, mit halbherzförmigen Nebenblättern.
Zweige grünlichbrann bis gelblich, mit meist dunkleren Knospen, an ihrer Basis glas-
artig spröde und leicht mit knackendem Geräusch vom Mutteraste abbrechend. Staub-
gefässe 2. Stielchen der kahlen Kapsel 3 — 5 mal so lang als die Drüsenschuppe.
— Die Bruchweide, in Mitteleuropa echt seltener als die Bastarde, welche sie mit der
vorigen und den beiden folgenden gebildet hat, bewohnt, wie die Weissweide, ganz
Europa, mit Ausnahme Skandinaviens, ist streng an die Flussläufe gebunden und macht
sonst ähnliche Standortsansprüche wie die Weissweide, der sie an Raschwüchsigkeit
etwas nachsteht. Höhe bis 10 und 15 m. Holz dem der Weissweide sehr ähnlich,
aber brüchig und von sehr geringer Zähbiegsamkeit.
3. Salix pentandra Linn^. Fünfmännige Weide, Lorbeerweide.
Blätter derb, 5 — 10cm lang, 2 — 3 cm breit und darüber, breit lanzettlich bis läng-
lich eiförmig, kurz zugespitzt, fein und dichtgesägt, ganz kahl, oberseits stark glänzend,
nnterseits matt blassgrün. Nebenblätter eiförmig, gerade, meist fehlend, an
ihrer Stelle grüne drüsige Knötchen. Blattstiele oberwärts vieldrüsig. Zweige
nnd Knospen jung, gleich den Blättern, etwas klebrig, ausgewachsen glänzend
grünlich oder rötlichbraun. Staubgefösse 5( — 10), Stielchen der kahlen Kapsel doppelt
so lang als die Drüsenschnppe. — Die Lorbeerweide ist eine nordeuropäische und
-asiatische Holzart die südlich, im allgemeinen spärlich vorkommend und vielen Ge-
genden ganz fehlend, nur bis zu den Pyrenäen, dem Südfuss der Alpen und sieben-
bürgischen Karpathen reicht, am häufigsten in Ost- und Westpreussen und den balti-
schen Provinzen an Wasserläufen, dort bis 10 m Höhe erreichend, auftritt, aber als
Strauch auch auf Torf- und Moorboden häufig ist.
B. Mandelweiden. Sträucher, selten Bäume. Kätzchen wie bei vorigen,
Kätzchenschuppen gelblichgrün, bis zur Fruchtreife bleibend, Trieb-
spitze tief gefurcht (im Querschnitt sternförmig, mit scharfeckigem Sstrahligem Mark).
4. Salix amy gdalina Linn6 (erweitert) (syn. S. triandra Linn6.)
Mandelweide. Blätter ziemlich derb, meist 5 — 8 cm lang und 1 — 2 cm breit,
lanzettlich oder länglich, in der Mitte häufig parallelrandig , erst aus dem obersten
Drittel oder Viertel zugespitzt, gesägt, oberseits glänzend dunkelgrün, nnterseits grün
oder blaugrün, kahl (oder anfangs seidenhaarig). Nebenblätter ziemlich gross,
halbnierenförmig, lange bleibend. Zweige nebst den anliegenden Knospen braun und
kahl. Staubgefässe 3. Stielchen der kahlen Kapsel 2 — 3 mal so lang als
die Drüsenschuppe. Den Flussläufen, wie die vorigen folgend, im Gebirge indes höher
emporsteigend, bewohnt die Mandelweide ganz Europa als Grossstrauch von 1 — 4 m
Höhe, gedeiht aber als Kulturweide auf den Böden verschiedenster Art, hinreichenden
334 III. Klein, Forstbotanik.
Wassergehalt vorausgesetzt, beschattet den Boden besser als die ersten 3 Arten und
übertrifft auf Torfboden in der Massenproduktion alle anderen Korbweiden
erheblich. Gegen Spätfröste ist die Mandelweide von allen Kulturweiden am empfindlichsten.
C. Schimmel weiden. Kätzchen seitlich sitzend, vor dem Laubausbruch
erscheinend ; Kätzchenschuppen in der oberen Hälfte rostfarben bis schwärzlich,
bleibend. In beiderlei Blüten, wie bei den folgenden, nur eine Drüsenschuppe.
5. Salix daphnoidesVillars. Reifweide, Schimmelweide, sei-
delbastblätterige Weide. Blätter 3 — 5 mal so lang als breit, lanzettlicb,
kurz zugespitzt, drüsig gesägt, anfangs nebst den jungen Trieben zottig, dann kahl
oben glänzend dunkelgrün, unten bläulichgrau, mit ober- und unterseits vor-
tretendem, gelbemMittelnerv. Nebenblätter halbherzförmig. 2 — 5jäh-
rige Zweige hechtblau bereift. Innere Rinde gelb. Kätzchen am früh-
zeitigsten hervorbrechend, anfangs durch die dichtbehaarten Deckschuppen glänzend
silberweiss (Palmkätzchen). Staubgefässe2. Kapsel kahl, sitzend. — Schoner,
seiir raschwüchsiger Baum mit dicken Zweigen und glatter Rinde von 4 — 20 m Höhe.
Durch Mittel- und Nordeuropa verbreitet, in Ungarn und Siebenbürgen fehlend, wächst
diese schöne W^eide am liebsten auf kalkhaltigem, sandigem Lehm an Ufern von Flüssen
und Gebirgsbächen, besonders in der rheinischen, süddeutschen, der Alpen- und südlichen
Karpathenzone , während sie in Mittel- und Norddeutschland nur vereinzelt auftritt
Auf kalkfreiem Boden sowie auf Moorboden gedeiht sie nicht. Sie ist auch ein be-
liebter Zierbaum.
6. Salix acutifolia Willdenow. Kaspische Weide (syn. pruinosa
Wendland, häufig nur als Varietät der vorigen betrachtet), durch dünne Zweige und
lanzettliche, lang zugespitzte Blätter, die nur 1 — 1^/2 cm breit und 6 — 7 mal so lang,
beiderseits kahl und grün sind und durch spitz-lanzettliche Nebenblätter, welche fast
so lang wie die Blattstiele sind, von der Reifweide verschieden. — Ansehnlicher 3—6 m
hoher Grossstrauch oder 3 — 6 m hoher Baum von anfänglich raschem Wuchs. Ans-
schlagver mögen bei jährlichem Schnitt wenig ausdauernd und nur wenige, aber
sehr lange, starke und astreine Ruten liefernd, hierin wesentlich hinter Korb- und
Mandel weide zurückstehend. Heimisch vorzugsweise im östlichen Russland und südlichen
Sibirien und in ihren Standortsansprüchen äusserst bescheiden, begnügt sich diese Weide,
die ein ganz enormes WurzelveiTOögen besitzt (bis 20 m weit ausstreichende Seiten-
wurzeln unter Umständen!) auch mit geringen Böden, insbesondere armem Sandboden,
sandigen Höhenrücken und übertrifft auf solchen Standorten alle andern Kulturweiden.
D. Purpurweiden. Staubfäden bis zur Spitze oder bis zur Hälfte verwachsen;
Staubbeutel rot, nach dem Verstäuben meist schwarz, sonst wie C.
7. Salix purpurea Linn6. Purpurweide. Blätter häufig gegen-
ständig, bis 12 mm breit, lanzettlich, im obersten Drittel am breitesten,
zugespitzt, von der Mitte bis zur Spitze scharf klein gesägt, in der untern immer ganz-
randig, oberseits dunkelgrün, matt glänzend, unterseits graugrün, erwachsen ganz kahl ;
Nebenblätter fast stets fehlend. Zweige glänzend, gelblichgrau, mit glänzend
roten Knospen. Staubgef ässe 2. Kätzchen fast sitzend, vor dem Laubausbruch blühend,
mit mehreren kleinen Laubblättchen am Grunde. Kätzchenschuppen an der
Spitze schwarzrot. — Der anfangs rasche Höhenwuchs lässt bald nach und die Purpur-
weide bildet 1 — 6 m hohe Sträucher, im besten Falle bis 10 m hohe Bäume mit schlan-
kem Stamm mit glatter grauer Rinde und besenförmiger Krone. Ihr Verbreitungs-
gebiet geht durch Süd- und Mitteleuropa bis zum südlichen Schweden, in den Niede-
rungen ist sie häufiger als im Gebirge und besonders im Kies und Sand der Flussufer
bildet sie oft ganze Bestände, besonders in Oberbayern und Oesterreich am Unterlauf der
Die Laubhölzer. § 75. 335
in die Donan mündenden Alpenflüsse. Vielfach als Flecht- und Faschinenweide, sowie
als Ziergehölz angepflanzt, gedeiht sie am besten auf humusreichen Sandböden, aber
auch sehr gut auf moorigem Boden und kommt auch noch auf trockenem Boden fort.
E. Korbweiden. Staubfäden frei. Staubbeutel nach dem Verstäuben gelb.
Innere Rinde grünlich, sonst wie vor.
8. Salix viminalis Linn^. Korbweide, Bandweide, Hanfweide.
Blätter schmal bis lineal lanzettlich, ca. 10 mal so lang, wie breit, zugespitzt, fast
ganzrandig oder seicht ausgebuchtet, am Rande etwas zurückgerollt, oberseits trüb
grün, unterseits dünn graufilzig silberglänzend. Junge Zweige, wie
die Knospen sammetartig graulilzig, zäh, dichtbeblättert. Nebenblätter lineal-
lanzettlich, bald abfallend. Kätzchen fast sitzend, dick, mit einigen kleinen
Lanbblättem am Grunde ; Kätzchenschuppen zottig behaart, in der oberen Hälfte
schwarzbraun. Staubgefässe 2, langgestielt. Kapsel sitzend, filzig, mit langem
Griffel und fadenförmigen Narben. — Die Korbweide ist eine echte Niederungsholzart,
fehlt in ganz Mitteleuropa wohl kaum einer von Wasserläufen durchzogenen Ebene,
ist in Norddeutschland besonders häuiig, in Süddeutschland namentlich im bayrischen
and niederösterreichischen Donautal verbreitet und steigt im Gebirge nur bis ca. 400 m
empor. Sie liebt tiefgründigen aufgeschwemmten Sand- oder Schlammboden und kommt
spontan nur an solchen Standorten vor, meist strauchartig, 2 — 4 m Höhe erreichend,
selten baumartig bis 10 m. In der Massenerzeugung allen andern überlegen,
ist sie die verbreitetste Kulturweide, die auch auf andern als ihren natürlichen Stand-
orten, z. B. frischen humosen Sandböden trefflich gedeiht und selbst auf armen Sand-
böden verhältnismässig grosse Erträge liefert, während ihr Torfboden nicht zusagt.
F. Graue Weiden. Staubfäden 2, zur Hälfte verwachsen. Staubbeutel gelb.
Kätzchenschuppen einfarbig (oder bei den männlichen Blüten an der Spitze der Schup-
pen rostfarbig.)
9. Salix incana Schrank. Weissgraue Weide (syn. S. Elaeagnos
Scopoli). Blätter dicht stehend, schmal lineallanzettlich, lang zugespitzt, ganzrandig
oder sehr fein gezähnt, mit mehr oder weniger ungeroUtem Rande, oberseits glänzend
dunkelgrün, unterseits dicht weissgrau, spinnewebig- filzig, glanz-
los. Nebenblätter stets fehlend. Junge Triebe filzig. Stielchen der kahlen
Kapsel doppelt so lang als die Drüsenschuppe. Kätzchen mit den Blättern erschei-
nend, meist abwärts gekrümmt, mit einigen kleinen Laubblättern am Grunde. — Die
graue Weide ist eine südeuropäische Holzart, bildet gleich der Purpurweide grosse
Sträucher oder kleine Bäume und findet sich in Mitteleuropa am Oberrhein und vor-
nehmlich längs der Donau und ihren rechtsseitigen Nebenflüssen mit parpurea bestand-
bildend, in den österreichischen Alpenländern bis 1300 m als Begleiterin der Flussläufe
emporsteigend; als Kulturweide kommt sie nicht in Betracht.
G. Saalweiden. Hohe Bäume und Sträucher mit ei- oder verkehrt eiförmi-
gen, unterseits graufilzigen Blättern. Kätzchen seitlich, anfangs sitzend, später gestielt ;
Kätzchenschuppen an der Spitze gefärbt. Kapseln langgestielt, behaart. Staubgefässe 2.
10. Salix caprea Linn6. Saalweide, Palmweide. Blätter breit
elliptisch, mit kurzer zurückgebogener Spitze, ca. 5 — 10 cm lang und 3 — 5 cm breit,
oberseits jung flaumig, später dunkelgrün, beinahe kahl, unterseits bläulich granfilzig
und sammetartig anzufühlen, mit ziemlich stark vortretender gelblicher Nervatur. N e-
benblätter halbnierenförmig, bald abfallend. Junge Zweige dick, flaumig, bald
erkahlend und im Frühjahr glänzend braunrot. Kätzchen, wie bei den fol-
genden mit 4 — 7 Schuppenblättchen am Grunde, gross, nächst daphnoides am
frühzeitigsten. — Die Saalweide ist über ganz Europa verbreitet, und in Mitteleuropa
336 m. Klein, Forstbotanik.
die häufigste Waldweide, in Jangwüchsen, an Waldrändern and auf Lichtungen, be-
sonders in der Ebene und im Hügelland, aber auch im Gebirge ziemlich hoch empor-
steigend und auf den verschiedenartigsten Bodenarten bei sehr bescheidenen Standorts-
anspriichen gedeihend. In der Jugend sehr raschwüchsig, ist sie in 20 — 25 Jahren
ausgewachsen und bildet bei ungestörter £nt Wickelung bis 7 m hohe Bäume mit besen-
förmiger, ziemlich dichtbelaubter Krone und glatter, grüngrauer, feinrissiger Rinde, die
in höherem Alter hellgraue, breit aufreissende Borke bildet. Lebensdauer ca. 60 Jahre.
Das Holz mit rötlichweissem Splint und schön hellrotem Kern, ist von allen Weiden-
hölzern am heizkräftigsten.
11. Salix cinerea Linn^. Grauweide, Aschweide (syn. acuminata
Miller), von der vorstehenden hauptsächlich durch schmälere, oberseits bleibend
kurzhaarige, mattgrüne, 5 — 8 cm lange und 2 — 3 cm breite Blätter, dicke, noch
im 2. Winter dicht sammetfilzigeZweige, halbnierenförmige, an kräftigen
Langtrieben ziemlich grosse und lange bleibende Nebenblätter unterschieden, bewohnt,
mehr auf die Ebenen beschränkt, ebenfalls fast ganz Europa, liebt feuchten bis nassen
Boden und kommt, immer strauchförmig bleibend, als 2 — 6 m hoher sperriger Gross-
strauch an Waldrändern, als Lückenbüsser im Niederwald, auf Wiesen, namentlich aber
in den Sümpfen und sumpfigen Flussufem der norddeutschen Ebene und der ungarischen
Steppe vor.
12. Salix aurita Linn6. Ohrweide, Salbeiweide, ist charakteri-
siert durch ihre kleinen, nur 2 — 4 cm langen und 1 — 2 cm breiten Blätter, die
oberseits mattgrün und durch das vertiefte Adernetz auffallend runzelig, un-
terseits etwas bläulichgrün und dünnülzig sind, mit stark ausgeprägtem
Adernetz. Nebenblätter halbherz- oder halbnierenförmig, lange bleibend,
an üppigen Langtrieben gross, blattartig gezähnt. Zweige zahlreich, dünn,
jung grauflaumig, bis zum Winter fast völlig kahl, rotbraun, etwas glänzend. — Mit
Vorliebe auf feuchtem und sumpfigem Moorboden wachsend, im Gebirge hoch empor-
steigend, ist dieser im Walde auf geeignetem Boden, namentlich in Jung>vüchsen, häu-
fige Strauch von sperrigem, 1^/2 m Höhe selten überschreitendem Wuchs über den
grössten Teil Europas verbreitet.
13. Salix grandifolia Seringe. Grossblätterige Weide (syn.
appendiculata Yillars.) Diese fast ausschliesslich in den Alpenländem heimische Strauch-
weide (bis 2V2 m Höhe), ist an ihrer oberen Grenze (bis 1900 m) die Begleiterin des
Knieholzes und der Grünerle, in der tieferen Region eine echte üferweide. Sie hat
grosse, bis 15 cm lange und bis 5 cm breite Blätter, welche in der oberen
Hälfte am breitesten sind, oberseits dunkelgrün, kahl; unterseits graugrün,
spärlich behaart, mit sehr stark vortretendem, reichmaschigem, gelb-
lichem Adernetz. Nebenblätter gross, halbherz- bis halbpfeilf örmig , fast
immer vorhanden. Kätzchen, wie bei der folgenden mit nur 2 — 3 Schuppen-
blättern am Grunde.
14. Salix silesiaca Willdeno w, die schlesische Weide, em mit-
telgrosser Strauch mit brüchigen Zweigen, vertritt in den Sudeten und Karpathen in
Wäldern und insbesondere an Bächen die grossblätterige Weide der Alpen. Ihre Blät-
ter, höchstens 9 cm lang, sind breit oder verkehrt eiförmig zugespitzt, und beider-
seits fast gleichfarbig. Nebenblätter wie bei voriger.
H. Schwarz werdendeWeiden. Blätter ziemlich breit, nach dem Trock-
nen schwarz werdend.
15. Salix nigricans Smith, Schwarzweide. Diese äusserst formen-
reiche Weide ist über ganz Europa, in der Ebene wie im Gebirg, inselartig verbreitet,
Die Laubhölzer. § 76. 337
fehlt vielen Gegenden gänzlich (z. B. nordwestliches Deutschland, Schwarzwald und
Vogesen), während sie in anderen häufig ist (Ostpreussen, nördliche Karpathenländer
und Alpen, wo sie als Begleiterin der Flüsse in die Moore des Vorlands hinabsteigt.)
Blätter breitherzförmig bis lanzettlich, wellenförmig gesägt, oberseits meist kahl,
dunkelgrün mit eingesenkterNervatur, unterseits kahl mit nicht vor-
tretender Nervatur, blaugrün mit grüner Spitze, die jüngeren neigst
den Zweigen kurz weichhaarig. Wuchs meist strauchig, 1/2 — 2 m, selten (nur gross-
blätterige Formen) baumartig. K u t e n ziemlich zahlreich, dünn, sehr lang und sehr zäh.
Von den zahllosen Weidenbastarden kommen die häufigen Mischformen
von Weiss- und Bruchweide, sowie die Bastarde von Weiss- und Mandelweide, von
Bruch- und Lorbeerweide, von Bruch- und Mandelweide, sowie die Bastarde der Sal-
weide und andere als Eulturweiden nicht in Betracht, während diejenigen der Eorb-
und Mandelweide, sowie der Korb- und Purpurweide zum Teil kultiviert werden, ins-
besondere gehört nach Hempel und Wilhelm die raschwüchsige und ausdauernde
Bastardweide Salix rubra Hudson (purpurea X viminalis) zu den Kultuinveiden ersten
Eanges, von allen W^eidenarten durch die gleichmässigsten Hüten ausgezeichnet, die
ausserdem sehr lang, aber dünner als bei der Korbweide, so schlank wie bei der Pnr-
purweide, zähbiegsam, fest, dünnrindig und leicht schälbar sind.
Die Pappeln (Populus), (franz. Peuplier).
§ 76. Kätzchenschuppen bandförmig gezähnt oder zerschlitzt. Blüte
in einem becherförmigen grünen D i s c u s ohne Honigabsonderung stehend. Wind-
blütler. Staubgefässe zahlreich (4 — 30). Blätter langgestielt, mitunter ge-
lappt. Knospen mit mehreren Knospenschuppen; Endknospe vorhanden, meist
grösser. Mark östrahlig. — Ca. 18 Arten.
A. Aspen (Sektion Leuce Duby.) Junge Triebe und Blätter be-
haart, letztere unterseits oft bleibend filzig. Kätzchen frühzeitig, mit langhaarig
gewimperten Deckschuppen der Blüten. Männliche Blüten mit 4 — 8 (15)
Staubgefässen. Narbenäste meist kurz fadenförmig. Knospen mit mindestens
6 Schuppen. Rinde ziemlich lange glatt bleibend. Langtriebe schlank , ruten-
förmig, rund.
1. Populus tremula Linn6. Zitterpappel, Aspe, Espe. Knos-
pen klein, spitz, glänzend kastanienbraun, mehr oder weniger klebrig. Blätter
jung rötlich und etwas behaart, bald kahl, oberseits dunkelgrün, unterseits hellgrau-
grün mit stark vortretendem Adernetz, zweigestaltig, an den kurzen Sei-
tentrieben kreisrund bis eirundlich, unregelmässig grob und
aasgeschweift stumpf gezähnt, ca. 3 — 7 cm lang und 3 — 8 cm breit, bei
jungen Pflanzen stets grösser als bei älteren, mit 3 — 6 cm langem, dünnem, seit-
lich zusammengedrücktem Blattstiel, an Gipfel-, Johannis- und
Wurzeltrieben rhombisch bis herzeiförmig, zugespitzt, klein gesägt, kurz gestielt,
meist bleibend filzig, an kräftigen Lohden bis 19 cm lang und 13 cm breit.
Kätzchen gross und dick, hängend, mit karminroten Staubbeuteln bezw.
Narben. — Die Aspe wird mit ca. 20 — 25 Jahren mannbar, an Stockausschlägen
noch früher und blüht je nach Klima und Lage im März oder April einige Wochen
vor dem Laubausbruch. Samenreife im Mai oder Juni; Abfall gleich nach der
Reife, sobald die Kapseln aufgesprungen sind. Samenjahre fast alljährlich. Same
sehr klein, gelblich, mit weisswolligem Haarschopf am Grunde, durch den Wind über-
allhin verbreitet. Keimfähigkeit gering. Die Keimung erfolgt in 8—10 Tagen
Handbuch d. Forstw. 3. Aufl. I. 22
338 in. Klein, Fontbotanik.
nach dem Abfall mit zwei sehr kleinen, fleischigen, herzeiförmigen Cotyledonen. Die
Samen verlieren ihre Keimfähigkeit sehr schnell. — Im 1. Jahr ist der Höhen wuchs
gering, steigt dann sehr rasch an, bis über 1 m pro Jahr betragend, erreicht mit dem
30. — 40. .Jahre seinen Gipfelpunkt und nach etwa zwei weiteren Jahrzehnten seinen
Abschluss. In dieser Zeit kann die Aspe im Südwesten Mitteleuropas 10 — 20 m hohe
und V^ ™ starke, im Nord- und Südost dagegen bis 35 m hohe und 1 m starke Stämme
bilden. Das Alter tiberschreitet bei aus Samen erwachsenen Pflanzen selten 100 Jahre,
bei den aus Wurzelbrut hervorgegangenen ist die Lebensdauer noch viel kürzer. Der
Stamm reinigt sich auch im Freistand bis hoch hinauf von Aesten. Die lichte Krone
entwickelt frühzeitig zahlreiche Kurztriebe, an welchen die ungemein beweglichen Blät-
ter gehuschelt sitzen. Die gelblichgraue R i n d e bleibt lange glatt, reisst dann in der
für alle Pappeln charakteristischen Weise mit rhombischen Pusteln auf, die sich ver-
grössern und seitlich zusammenfliessen und schliesslich eine läiigsrLssige graue Borke
bilden. Das Holz ist von allen weidenartigen Laubhölzern durch den Mangel eines
gefärbten Kernes ausgezeichnet, ist schmutzigweiss, von gleichmässiger Struktur,
langfaserig, ziemlich glänzend, leicht (ca. 0,51), sehr weich, leicht- und schönspaltig,
mittelbiegsam, wenig fest, trocken ziemlich dauerhaft, im Freien von geringer Dauer,
massig schwindend (0,57o) und von sehr geringer Brennkraft (0,58 — 0,62). Es gehört
wie das aller Pappeln zu den zerstreutporigen Weichhölzem, deren Markstrahlen mit
unbewaffnetem Auge nicht oder kaum zu erkennen sind. Die Bewurzelung ist
flach und weit ausstreichend, das Ausschlagvermögen vom Stock aus gering,
dagegen die Fähigkeit, W^ u r z e 1 b r u t zu treiben, die übrigens allen Pappeln zukommt,
hier besonders gross und andauernd. Künstliche Anpflanzung fast nur durch Wurzel-
schösslinge, weil Stecklinge fast immer versagen. — Das Verbreitungsgebiet
der Aspe, die von allen Pappeln noch am meisten den Charakter eines eigentlichen
W^aldbaumes besitzt, umfasst beinahe ganz Europa mit Ausnahme des äussersten Südens
und Nordens (bis 71®) — sie geht im allg. so weit wie die gemeine Birke — , Nord-
afrika, die Kaukasusländer, Sibirien und Japan. Ihre vollkommenste Entwickelnng
erreicht sie als Baum der Ebene im östlichen und nordöstlichen Europa (Galizien, Posen,
Ostseeländer, Russland), wo sie teils rein, teils in Mischung mit Erlen und Birken ge-
schlossene Bestände von grosser Schönheit und dichtem Schluss bildet. In den deut-
schen Mittelgebirgen, den Alpen, sowie in Süd- und Westeuropa steigt sie ziemlich
hoch im Gebirge empor. — Die Aspe ist, namentlich auf geringen Böden, eine aus-
gesprochene Licht holzart, in ihren Standortsansprüchen bescheiden und sehr
anpassungsfähig, verlangt aber zu vollkommenem Gedeihen kräftigen Wald-
boden und massig warmes, luftfeuchtes Klima ; heisse trockene Sandböden sowie schwere
Ton- und Moorböden sagen ihr nicht zu.
2. PopulusalbaLinn6. Silberpappel. Knospen spitz, dicker wie
bei voriger, wie die jungen Triebe nicht klebrig, anfangs weissfilzig, später ziem-
lich kahl und braun. Blätter an den Kurztrieben und im unteren Teil
der Langtriebe ca. 4 — 7 cm lang und 3—4 cm breit, eiförmig, unregelmässig
stumpf gezähnt, oberseits dunkelgrün, unterseits weisslich, an der Spitze der
L a n g t r i e b e bis über 10 cm lang und breit, bandförmig gelappt, unterseits
undurchsichtig weissfilzig. Narben der weiblichen Blüten gelblichgrün. S onst
ähnlich wie vorige. Die Silberpappel wird noch früher mannbar als die Aspe,
ist schon im 1. Jahre raschwüchsiger (10 — 20 (50) cm) und kann schon mit 30-40
Jahren, in welchem Alter der Höhenwuchs im wesentlichen abgeschlossen ist, bis 30 m
hohe und bis 1 m starke Bäume mit anfangs eikegelförmiger , später breiter, oft ge-
lappter, lockerästiger, dichtbelaubter Krone mit zahlreichen Kurztrieben bilden. Trotz
Die Laubhdlzer. § 76. 339
dieser Raschwüchsigkeit kann die Silberpappel 300 — 400 Jahre alt und ausseroi^dentlich
stark werden (über 4V2 m Durchmesser!). Die geschlossene Rinde ist mehr weiss-
grau, das Holz hat einen zuerst gelben, dann braunen Kern und breiten Splint, in
seinen technischen Eigenschaften dem Aspenholz ähnlich, aber etwas gröber. Bewur-
zelung ähnlich wie bei der Aspe, weit ausstreichend, aber gleichzeitig auch in die
Tiefe entwickelt. Reproduktionsvermögen und Vermehrung wie bei
der Aspe. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Silberpappel umfasst die
südliche Hälfte Europas und den Orient. In Mitteleuropa meist an die Flussläufe ge-
bunden, ist sie am häufigsten und zugleich am schönsten entwickelt auf den Auen der
Donauländer, einen hervorragenden Bestandteil der dortigen Auenwälder bildend ; auch
am Oberrhein ist sie nicht selten, sonst in Mittel- und Norddeutschland und weiter
nach Norden durch Anbau verbreitet und auf passenden Standorten bis zum 67^ in
Norwegen gedeihend. Im Gebirge steigt sie nicht weit empor. Die Standortsan-
sprüche sind grösser als bei der Aspe, ein feuchter, tiefgründiger, lockerer und
fruchtbarer Boden (Auenboden) sagt ihr am meisten zu, selbst auf bruchigem Boden
kommt sie noch fort, falls derselbe genügend Sand enthält, dagegen verkrüppelt sie
auf zu mageren oder trockenen Böden.
3. Populus canescens Smith. Graupappel, ziemlich allgemein als
ein Bastard alba X tremula betrachtet, obwohl sie immer keimfähigen Samen hervor-
bringt. Findet sich vereinzelt im natürlichen Verbreitungsgebiet der Silberpappel, be-
sonders der badischen und elsässer Rheinfläche und in den Donauländem und stellt
dieselben Ansprüche an Boden und Klima wie die Silberpappel. Die Blätter gleichen
denen der Kurztriebe der Silberpappel, tragen aber, erwachsen, nur auf der Unterseite
einen dünnen Haarülz. Mit 40 Jahren pflegt der Höhenwuchs (bis ca. 20 ra) erschöpft
zu sein und schon mit 80—100 Jahren werden die bis 50 cm Stärke erreichenden
Stämme kemfaul. Im Niederwaldbetrieb schlägt sie gut vom Stock aus und liefert
auch Wurzelbrut.
B. Schwarzpappeln (Sektion Aigeiros). Knospen gross, mit bloss zwei
grossen, zusammengerollten Schuppen , nebst den jungen Zweigen immer kahl und
klebrig. Blattstiele seitlich zusammengedrückt, Blätter kahl, u n-
terseits grün, mit durchscheinendem Ran d. Kätzchen frühzeitig, mit
kahlenDeckschuppen. MännlicheBlüten meist mehr als 15 Staubgefässe.
Narben deutlich gestielt, meist breit gelappt. Langtriebe rutenförmig, aber
dicker, knotiger, kantig.
4. Populus nigra L. Schwarzpappel. Blätter rundlich dreieckig
oder rhombisch, am Grunde fast stets keilförmig, nach oben lang zugespitzt, am Rande
knorpelig gesägt, meist 5 — 7 cm lang und 3 — 6 cm breit, an kräftigen Stock- und
Stammlohden oft 13 — 16 cm lang, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits mattgrün,
mit beiderseits scharf vortretenden gelblichen Rippen. Junge Zweige fahlgelb.
Männliche Kätzchen dickwalzig, mit roten Staubbeuteln, weibliche schlanker,
mit zwei gelben, tief ausgerandeten, aufgerichteten Narben auf jedem Fruchtknoten.
Blütezeit im März oder April. Beiaubung im April oder Mai. Samenreife
im Juni. — Die Schwarzpappel wächst rasch, aber doch etwas langsamer als die an-
deren Pappelarten und bildet auf guten Standorten in 40 — 50 Jahren geradstämmige,
20 — 25 m hohe Bäume mit umfangreicher, im Alter breit abgewölbter, lockerer Krone
mit starken, oft gerade abstehenden Aesten und sehr beweglichem Laube. Auch diese
Pappel erreicht trotz ihrer Raschwüchsigkeit ein mehrhundertjähriges Alter, 27—30 m
Höhe und über 2 m Durchmesser. Die B e w u r z e 1 u n g ist vorwiegend seicht und
weit ausgreifend, doch bildet sie häutig auch einige tief in den Boden dringende Wurzeln.
22*
340 m. Klein, Forstbotanik.
Der Stamm zeigt Neigung zur Bildung von „Maserkröpfen^, aus denen, wie aus dem
Stock, sehr reichlicher Ausschlag erfolgt, während die Neigung zur Wurzelbrutbildang
verhältnismässig gering ist. Vermehrung am besten durch Stecklinge (und Setzstangen).
Das im Kern hellbräunliche Holz ist ziemlich grob, sehr leicht (0,45) und stimmt in
seinen Eigenschaften mit dem der Silberpappel im wesentlichen überein. Die grauweisse
Rinde bildet am Stamm und den stärkeren Aesten frühzeitig eine hochhinaufreichende
dicke, tief längsrissige, bräunliche oder schwärzliche Borke. — Das Verbreitungs-
gebiet umfasst beinahe ganz Europa (bis zum 6P), doch dürfte der Baum wahrschein-
lich nur in der südlichen Hälfte einheimisch sein. In den mitteleuropäischen Gebirgen
geht sie nicht hoch empor. Meist ausserhalb des Waldes vorkommend, ist sie doch
nach der Aspe die häutigste Pappelart im Walde und ist am schönsten längs der Was-
serläufe, in der Ebene, in Ufergehölzen und Auwäldern entwickelt, oft in Gesellschaft
der Silberpappel, aber weniger wie diese an solche Standorte gebunden, da sie als
anspruchslose, der Aspe nahekommende Holzart sich jedem Boden und Klima anpasst.
5. Populus pyramidalis Rozier, die Pyramidenpappel oder
italienische Pappel, ist wahrscheinlich nur eine Varietät der Schwarzpappel, von wel-
cher sie sich durch die in sehr spitzem Winkel aufstrebenden zahlreichen Aeste und
den dadurch bedingten schlank pyramidalen Wuchs, im allgemeinen etwas kleinere,
breitere und weniger zugespitzte Blätter und den mit sehr starken, rippen- und selbst
brettartig vorspringenden Wurzelanläufen versehenen, spannrückigen, abholzigen, stets
etwas nach links gedrehten Stamm, sowie durch um 8 — 14 Tage frühere Blütezeit und
Belaubung unterscheidet. Die weiblichen, ausserordentlich viel selteneren Bäume zeigen
eine etwas breitere Krone und unter etwas grösserem Winkel ablaufende Aeste als die
männlichen. Die Pyramidenpappel ist der Schwarzpappel, mit der sie sonst in allen
wesentlichen Eigenschaften übereinstimmt, im Höhenwuchs noch etwas überlegen (bis
33 m), wird aber nicht so stark und verträgt etwas weniger Bodenfeuchtigkeit. —
Angeblich wild im Himalaya, vielleicht auch in der Krim und in It-alien, in Deutsch-
land etwa seit 1740 angepflanzt. Früher beliebter Alleebaum, wegen der Aussaugung
der angrenzenden Felder neuerdings vielfach beseitigt.
6. Populus monilifera Alton (syn. P. canadensis Moench), die
kanadische Pappel, Rosenkranzpappel, im östlichen Amerika als Be-
gleiterin der Flüsse heimisch und dort mitunter bis 50 m Höhe erreichend, ist durch
ungewöhnliche Raschwftchsigkeit ausgezeichnet und schon lange als Park- und Allee-
baum in Europa eingeführt. Sie steht der Schwarzpappel nahe, unterscheidet sich aber
von ihr durch grössere, an der Spitze häufig stark nach aussen gebogene branne
Knospen, durch grössere, in der Form sehr variierende Blätter (6 — 12 cm lang, 5 bis
10 cm breit), welche meist fast dreieckig, an der Basis gerade abgeschnitten und am
Rande zuweilen anliegend behaart sind, sowie durch die von Korkrippen etwas kanti-
gen Langtriebe und die in der Zahl 3 — 4 vorhandenen, zurückgerollten Narben. Die
Rinde bildet frühzeitig eine etwas regelmässiger längsfurchige graue Borke. Der
Stamm ist gleichmässiger und vollkommener gerundet, das Holz mit hell- oder gran-
braunem Kern ist äusserst leichtspaltig und stimmt sonst mit dem Schwarzpappelholz
überein. Sie erreicht bei uns nach Hartig in 12 Jahren auf gutem Boden 14—16 m
Höhe, in 40 Jahren bis 22 m, nach Hausrath auf Auwaldboden bei Karlsruhe in 31
Jahren gar 31 m und 54 cm Durchmesser bei sehr geradem, hoch hinauf astreinem
Stamm, gedeiht am besten auf frischem bis feuchtem, fruchtbarem Boden, kommt aber
mit entsprechend geringeren Leistungen auch auf ärmeren und trockeneren Standorten
fort. Seit 1772 in Europa eingeführt und nicht selten, namentlich in neuerer Zeit,
forstlich angebaut.
Die Laubhölzer. § 77. 341
7. PopulusangulataAiton. Kantigzweigige Pappel, ans den
mittleren und südlichen Vereinigten Staaten, mit kräftigen, durch starke Kork-
rippen kantigen Langtrieben und ähnlichen bis 13 cm langen Blättern wie vorige,
ist bei uns ab und zu als Zierbaum angepflanzt. Köhne stellt hierher die von Hartig
als Art bezeichnete
8. Populus serotina Hartig. Späte Pappel, die aber auch zur
Kosenkranzpappel gezogen wird und durch fadenförmig zerschlitzte Kätzchenschuppen
und späteren Laubausbruch als alle anderen Pappeln ausgezeichnet ist. Die Blätter
sind etwas kleiner als bei voriger, mit abgestutzter Basis. Ebenfalls sehr raschwüchsig,
bei uns früher hauptsächlich nur in Braunschweig angepflanzt, ist sie neuerdings für
forstlichen Anbau wieder empfohlen worden.
C. Balsampappeln (Sektion Tacamahaca). Knospen, junge Triebe
und Blätter sehr klebrig und kahl. Blattstiele rund, oberseits gefurcht.
Blätter bis 15 cm gross , ohne durchscheinenden Rand, unter seits
weisslich. Lang triebe kantig, stark, sehr knotig, von geringer Länge, aus den
meisten Seitenknospen bloss Kurztriebe entwickelnd, daher sperrige Krone.
Folgende 3 Arten sind bei uns als stattliche Zierbäume angepflanzt:
9. Populus candicans Alton. Ontariopappel. Blätter von der
Form des Lindenblatts, herzförmig-dreieckig oder herzeiförmig, fast so breit wie lang.
— Aus Canada und den nördlichen Staaten der Union.
10. Populus laurifolia Ledebour. Lorbeerpappel. Blätter
viel länger als breit, aus abgerundetem oder selbst seichtherzförmigem Grunde breit
eilänglich bis lanzettlich , allmählich verschmälert oder etwas zugespitzt. Junge
Langtriebe gelblichgrau, scharf gerippt oder geflügelt kantig. — Aus dem südlichen
Sibirien.
11. Populus balsamifera Linn6. Balsampappel. Blätter länger
als breit, eiförmig, zugespitzt. Junge Langtriebe glänzend braunrot, rund oder
schwach kantig. Aus dem östlichen Nordamerika.
S. Kätzohenlose Laubhölzer.
§ 77. Ulmenartige Laubhölzer (Familie Ulmaceae.) Blüten ein-
geschlechtig oder zwitterig, mit 4 — Sspaltigem, kelchartigem, glockenförmigem Perigon
und ebensoviel Staubgefässen wie Perigonzipfel , in cymösen Knäueln oder einzeln in
den Achseln von Laubblättem. Fruchtknoten einfächerig (mit dem Rudiment eines
zweiten Faches), mit einer Samenknospe. Windblütler. Holzpflanzen mit abfallenden
zungenförmigen Nebenblättern. Ca. 130 Arten.
Ulme. Ulmus (franz. Orme).
Blüten in von Knospenschuppen umgebenen Knäueln in den Achseln vorjähriger
Blätter, vornehmlich im unteren und mittleren Teil der Triebe, lange vor dem Laub-
ausbruch aufblühend. Frucht ein ringsum häutig geflügeltes Nüsschen. Blätter
vom Grund an fiedernervig, ungleich, die der Zweigspitze zuge-
kehrte Hälfte grösser, streng 2zeilig angeordnet. Endkospe fehlt; Seiten-
knospen schief über scharf vortretenden, 3 derbe Gefässbündelspuren tragenden
Blattnarben. Blütenknospen dick kugelig.
1. Ulmus campestris Spach (syn. ü. glabra Miller.) Feldulme,
Gemeine Ulme, Rotulme, Rusche. (Laub) knospen klein, spitzeiförmig,
mit dunkelbraunen Schuppen, kahl, oder kurz weisslich behaart. Junge Zweige
dünn, glänzend rostgelb bis rotbraun, glatt. Blätter lanzettlich bis
342 III. Klein, Forstbotanik.
breit herzförmig, gespitzt, mit sehr ungleichem Grunde, ca. 6 — 10 cm lang, in Form
und Grösse Behr variabel, an Kurztrieben stets kleiner wie an Langtrieben, meist länger
gestielt , ausgewachsen sehr derb, oft fast lederartig, oberseits dunkelgrün , meist
lebhaft glänzend, unterseits matt hellgrün, mit dem grössten Durchmesser in der Mitte,
meist kahl, seltener, bei Strauchformen in der Eegel, kurz rauhaarig, meist nur unter-
seits in den Nervenwinkeln gebartet, einfach bis doppelt gekerbt-gesägt. Blüten
sehr kurz gestielt; Staubgefässe meist 4 — 5, 2 — 3 mal so lang als das Perigon, mit
karminroten Staubbeuteln. Frucht meist verkehrt eiförmig, 1— 27» cm lang, Nüss-
chen rötlich, meist dem Vo rderrand des kahlrandigen Flügels ge-
nähert und bis zum Rande der Einkerbung reichend. — Die Mann-
barkeit tritt auch im Freistand nicht leicht vor dem 30. — 40. Jahre ein, reichliche
Samenjahre meist jedes 2. Jahr. Blütezeit März oder April. Samenreife
Ende Mai, oder im Juni. Keimfähigkeit gewöhnlich nur 20 — 40%, bis zum
nächsten Frühjahr haben die meisten Samen ihre Keimkraft eingebüsst und die
Keimung erfolgt dann spät oder die Samen liegen über; gleich nach der Reife gesät
keimen die Samen in 3 — 4 Wochen, mit zwei dicken fleischigen, verkehrt-eiförmigen,
am Grunde pfeilförmigen kleinen Keimblättchen (denen von Carpinus ähnlich), das erste
Laubblattpaar ist gegenständig, grob gesägt, noch nicht unsymmetrisch. Im 1. Jahr
wird das Pflänzchen 20 cm und darüber hoch. Der Jugend wuchs ist rasch, dem der
Eiche ähnlich, in den ersten 5 Jahren durchschnittlich je 30 — 50 cm. Der grösste
Höhen- und Stärkewuchs liegt zwischen dem 20. und 40. Jahre. Im 50. — 60. Jahre
ist der Höhenwuchs im wesentlichen erschöpft und die Krone wölbt sich ab. Im Schlüsse
kann der geradschaftige Baum bis 30 und 33 m Höhe und beträchtliche Stärke er-
reichen, im Freistand löst er sich 6 — 8 m und weniger über dem Boden in eine sehr
breite, reichastige, locker belaubte Krone auf, deren ältere Langtriebe auffällig 2zeilig
verzweigt und flach ausgebreitet sind. Das Alter kann mehrere Jahrhunderte betragen.
Die älteste deutsche Ulme dürfte die „Schimsheimer Effe'^ in der Rheinpfalz sein, die
in Brusthöhe 11 m 73 Umfang besitzt und deren Alter auf 450 — 600 Jahre geschätzt
wird. In der Jugend hat der Baum eine tiefgehende Pfahlwurzel, die aber nament-
lich auf Aueboden bald verschwindet, so dass vom 6. — 10. Jahre von einem starken
Wurzelstock einige kräftige „Herzwurzeln*^ in die Tiefe gehen und zahlreiche Seiten-
wurzeln flach unter der Erdoberfläche streichen. Das Ausschlagvermögen ans
dem Stock wie aus dem Stamm ist sehr bedeutend und ebenso die Neigung zur Biidang
von W u r z e 1 b r u t , durch welche sie sich in Auewaldungen vornehmlich erhält. Die
an dickwandigen Bastfaserbündeln reiche Rinde, anfänglich glatt und brännlichgrao,
reisst im Stangenholzalter auf und bildet eine, später in auffällig rechteckige Stücke
zerklüftete, an alten Bäumen vorwiegend tief längsrissige, dunkel graubraune, der Stiel-
eiche ähnliche Borke. Bei der Var. suberosa bildet die Rinde an einzelnen Zweigen
und schwächeren Aesten leistenförmige Korkflügel, die nach einigen Jahren abgestossen
werden. Das ringporige Holz besitzt einen lebhaft choco ladebraunen Kern
und gelblichen schmalen Splint und lässt auf dem Querschnitt die Markstrahlen mit
blossem Auge nicht erkennen, dagegen verlaufen im Spätholz zahlreiche feine, unter-
brochene Wellenlinien, welche aus einfachen Reihen enger Gefässe bestehen. Die
Hauptmasse des Holzes besteht aus dickwandigen Holzfasern. Das sehr wertvolle
Holz ist grobfaserig, elastisch, zähbiegsam, sehr fest, schwer (0,74), sehr zähe, sehr
schwerspaltig, ziemlich hart, von ausserordentlicher Dauer und sehr brennkräftig (0,80
bis 0,90).
Das Verbreitungs gebiet der Feldulme umfasst in Europa, wo ihr Optimnm
südlich den Alpen liegt, die milderen Gegenden bis zum südlichen Schweden und Nor-
Die Laubhölzer. § 77. 343
wegen. Sie ist ein Baum der Ebene und Flusstäler, wo sie eingesprengt, hörst weise,
oder auch als herrschende Holzart (z. B. in den Auenwäldern der Elbe) vorkommt, im
Gebirge, wenigstens in Mittel- und Süddeutschland, kaum über 400 — 500 m emporsteigend.
In bezug auf Boden undKlima gehört die Feldulme zu den anspruchsvoll-
sten aller unserer Waldbäume und verlangt zu vollkommener Entwickelung
sehr mineralkräftige, tiefgründige, lockere und frische Böden und verträgt beinahe
soviel Nässe wie die Esche; Bruchboden sagt ihr nicht zu. Ebenso gehört sie zu den
wärmebedürftigsten Holzarten, ist aber, der Schwarzerle ähnlich, ein nur in massigem
Grade lichtbedürftiger Waldbaum.
2, Ulmus montana Withering (syn. ü. campestris Linn^s Herbar.;
scabra Miller). Bergulme, Haselulme, Weissulme oder -rüster, von
der Feldulme, mit der sie vielfach verwechselt wurde, durch folgende Merk-
male zu unterscheiden : Laubknospen grösser und voller , dunkelbraun , auf
dem Rucken rostbraun behaart. Blätter ebenfalls sehr vielgestaltig, kür-
zer gestielt, grösser, 8—16 cm lang, dünn, länger zugespitzt, scharf doppelt gesägt,
die endständigen (grössten) der Zweige oft 3zipfelig, über der Mitte am breitesten,
dankler grün, oberseits nur wenig glänzend, beiderseits durch kurze, steife Behaarung
rauh. Bei jungen, namentlich in starker Beschattung erwachsenen Bäumen sind diese
Unterschiede am auffälligsten, nicht selten sind hier die Blätter am keilförmigen Grund
kaum ungleich und hier wie namentlich an Ausschlaglohden erinnern die breiten Blätter
oft an die Hasel. Blüten kurz gestielt (bis 1 mm), grösser als bei der Feldulme;
Staubgefässe, meist 5, ungefähr doppelt so lang als das Perigon, mit violetten
Staubbeuteln. Die kahlen, grösseren (bis 3 cm) Früchte sind meist oval und tragen
das grünliche Nüsschen meist in der Mitte des Flügels, den Rand
der oberen Einkerbung lange nicht erreichend. Im Entwickelungs-
g a n g gleicht die Bergulme der Feldulme, ist aber in allen Teilen derber und ki'äftiger
und erwächst gleichfalls zu ansehnlichen Bäumen mit teilweise abwärts geneigten Zwei-
gen. Korkleistenbildung an jüngeren Zweigen tritt nur sehr selten auf. Die Borke
ist mehr seicht längsrissig, der Eiche sehr ähnlich, das Holz hat einen blassbrau-
nen Kern und unterscheidet sich anatomisch dadurch vom Feldulmenholz, dass die
engen Gefässe des Spätholzes in zusammenhängenden wellenförmigen, breiteren
Linien auftreten. Seine Güte ist wesentlich geringer ; es ist lockerer und splintreicher,
weniger fest und elastisch, etyras besser spaltbar, schwer (0,69), minder brennkräftig.
— Das europäische Verbreitungsgebiet der Bergulme, die in Deutschland zwar nur
eingesprengt oder horstweise auftritt, aber weitaus die verbreitetste Ulme ist, umfasst
die nördliche Hälfte Europas, wo sie von Schottland und vom südlichen Schweden und
Norwegen, sowie vom nördlichen Russland bis zu den südlichen Alpen und Karpathen
reicht. Die Bodenansprüche sind nahezu die gleichen wie bei der Feldulme, doch geht
sie höher im Gebirge empor und begnügt sich mit geringerer Luftwärme.
3. Ulmus effusa Willdenow. Flatterulme, Effe, Iffe, Bast-
rüster. Knospen spitz, schlank, zimmetbraun, kahl, durch dunkle Berandung ihrer
Schuppen gescheckt. Junge Zweige dünn, hellbraun, meist glatt und glänzend,
an Stockausschlägen aber behaart, stets ohne Korkflügel. Blätter dünn, oberseits
kahl oder etwas rauh, unterseits gleichmässig weich behaart, hinsichtlich der Grösse
zwischen beiden vorstehenden Arten, in der Mitte am breitesten, am Grunde sehr
unsymmetrisch, lang zugespitzt, scharf doppelt gesägt, Hauptzähne nach vom gekrümmt.
Bluten lang gestielt (bis 17 mm), in flatterigen Büscheln, ca. 14
Tage früher aufblähend. Früchte an 3—4 cm langen Stielen hängend, kleiner als
bei vorigen (bis 1^2 cm), mit central gelagertem Nüsschen und deutlich ge-
344 III. Klein, Forstbotanik.
wimpertem Fitigelrand. Bewnrzelnng ziemlich tief, mit oft mächtigen
Wurzelanläufen. Der Wuchs ist etwas rascher als bei der Feldulme, sie erwächst
ebenfalls zu stattlichen Bäumen mit etwas schlankerem Stamm und breiter, lockerer,
unregelmässiger, reichästiger Krone. Der Stockausschlag ist reichlich ; die Nei-
gung zu Wurzelbrut scheint verschieden, im allgemeinen aber bedeutend zu sein.
Die Rinde bildet eine nur massig dicke, längsrissige, graubraune, fortwährend in
flachen gekrümmten Schuppen abblätternde Borke. Das Holz hat breiten Splint,
schwach lichtbraunen Kern, spez. Gewicht 0,66 und steht in seinen technischen Eigen-
schaften den beiden anderen Arten erheblich nach, bildet aber häutig sehr schöne Ma-
serungen. Je heller der Kern, desto geringwertiger pflegt das Ulmenholz überhaupt
zu sein und umgekehrt. Anatomisch ist es durch feine, aber deutliche Markstrahlen
und durch fast ununterbrochene wellenförmigeBänder von engen Ge-
fässen im Spätholz ausgezeichnet und infolge dessen lockerer. Die Flatternlme ist ein
Baum Mitteleuropas; auf den südlichen Halbinseln sowie in Grossbritannien und
der skandinavischen Halbinsel fehlt sie; fast ausschliesslich auf die Ebene beschränkt,
findet sie sich, im allgemeinen nirgends häufig, an ähnlichen Standorten wie die Feld-
ulme, ist aber in ihren Bodenansprüchen etwas bescheidener und kommt noch auf leich-
terem sandreichem Boden und auf moorigen Standorten fort.
4. Ulmus americana Linn6. Amerikanische Ulme, fast im ganzen
atlantischen Amerika verbreitet, ebenfalls sehr variabel, der Flatterulme ähnlich, mit
unterseits ebenfalls weichhaarigen, am Grunde aber weniger ungleichen, auf dem Rücken
der Randzähne oft nur einmal gezähnten Blättern, deren Seitenrippen nach Mayr vor
dem Eintritt in die Zahnspitze jeweils einen kräftigen Nerv nach der Zahnbasis ab-
geben, mit am Rand gewimperten Früchten, deren Nüsschen der Flügeleinkerbung dicht
anliegt, erreicht in ihrer Heimat auf bestem Standort bis 85 m Höhe und 1 m Stärke,
während sie auf trockenen Standorten niedrig bleibt. Bei uns vollkommen hart, selbst
in Norddeutschland und auf geeigneten Standorten die gleichen Dimensionen wie in
ihrer Heimat erreichend, wurde diese Ulme bei uns vielfach, namentlich in den 60er und
70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und besonders in Ost- und Westpreussen
forstlich angebaut. Da ihr sehr schwerspaltiges Holz nur ein spez. Gewicht von 0,65
und einen hellbraunen Kern besitzt, will man neuerdings mit Recht nichts mehr von
ihr wissen.
§ 78. Celtis australis Linn6. Gemeiner Zürgelbaum (franz.
Micocoulier). Knospen gerade über den Blattnarben. Blätter 2zeilig, 5 — 20 cm
lang, s c h i e f-eilanzettlich, lang zugespitzt, unterseits kurzhaarig, am Rande
einfach gesägt, am Grunde handnervig, indem vom keilförmigen Grunde neben der
Mittelrippe je ein kräftiger Seitennerv bis gegen die Mitte des Randes läuft. Blüten
lang und dünn gestielt, einzeln (oder zu 2 — 3) in der Achsel diesjähriger
Laubblätter. Frucht eine ca. 1 cm grosse, anfangs orangegelbe, später bra un-
violette kugelige Steinfrucht mit spärlichem, geniessbarem Fleisch. — Der
gemeine Zürgelbaum ist eine südeuropäische Holzart, welche in den südlichen
Alpenländem, in Italien, Croatien und Südungam die Nordgrenze seiner Yerbreitnng
findet, mit Ausnahme Südungarns hier meist nur vereinzelt in sonnigen Lagen auftritt
und langsam sich entwickelnd in 150—200 Jahren 15—20 m hohe Bäume mit grosser
rundlicher Krone bildet und ein vielhundertjähriges Alter erreichen kann. Sein Holz,
im Splint gelblich, im Kern grau, atlasglänzend, von der Struktur der Ulmenhölzer,
aber mit deutlichen Markstrahlen, ist ein vorzügliches Werkholz vom Gewicht 0,75 bis
0,82, das an Zähigkeit alle europäischen Holzarten übertrifft.
Die Laubhölzer. § 79. 345
Celtis occidentalis Linn^, der amerikanische Zürgelbaum,
ein in ganz Nordamerika mit dem Optimum im feuchten Flussgebiet des Mississippi
heimischer Baum mit nach Mayr ziemlich geringwertigem Holz, mit beiderseits
kahlen oder nahezu kahlen, bis 9 cm langen, variablen Blättern und ungeniessbaren
rötlichbraunen Steinfrüchten, ist bei uns frosthärter und vielfach als Zierbaum angepflanzt.
Zelkowa Eeäki Dippel (syn. Planera acuminata Planchon). Keäki, der
wertvollste Laubholzbaum Japans, dort in der Edelkastanienzone heimisch. Leittrieb
dünn , schief gestellt. Blätter spitzeiförmig , meist gleichseitig, sehr kurz
gestielt, grob stachelspitzig, gekerbt-gesägt, gleichmässig fiedernervig mit
meist 10 Nervenpaaren, an fruchtbaren Zweigen ca. 3 -6 cm, an unfruchtbaren 6 — 12 cm
lang. Blüten meist eingeschlechtig, unscheinbar, sitzend an kurzen Seitenzweigen,
die männlichen einzeln in den oberen Blattachseln, die weiblichen in 3 — ögliedrigen
Knäueln am unteren, blattlosen Teil der Triebe. Frucht eine kleine schief kugelige
Steinfrucht, den Ntisschen der Hainbuche ähnlich. — Das feinfaserige Holz dieser in
Japan sehr raschwüchsigen Lichtholzart, die sehr starke Dimensionen er-
reicht, hat einen dunkelbraunen Kern und wird in seiner Heimat höher geschätzt als
das der dortigen, unserer Zerreiche vergleichbaren Eichen. — In Deutschland
in den Kreis der forstlichen Anbauversuche gezogen, hat sich die Keäki bis jetzt be-
währt, ist auch bei uns raschwüchsig, in 8 Jahren ca. 4 m hoch, und stellt, wie zu
erwarten, ziemlich hohe Ansprüche an Bodengüte und Wärme, ähnlich der Carya alba.
Die Früchte besitzen meist grosse Keimfähigkeit, laufen nach ca. 4 Wochen auf
und die jungen Pflanzen werden im 1. Jahre 20 — 25 cm hoch. Im Freistand geht das
Bäumchen frühzeitig in die Aeste. Eine Pfahlwurzel fehlt, gleich nach dem Verschulen
bilden sich 5—6 kräftige Herzwurzeln aus. Der junge Baum verlangt volles Licht
von oben und Seitenschutz; milder kräftiger Lehm oder frischer sandiger Lehm sagt
ihm am besten zu.
§79. Viscum album Linn6. Gemeine Mistel (franz. Gui) aus der
ca. 500 meist tropische Arten umfassenden Schmarotzerfamilie der Loranthaceen.
Immergrüner, 2häusiger, sehr ästiger, rundlicher Busch mit glatter oder querrunzeliger
gelhgrüner Rinde ohne Korkbildung, mit gegenständigen, lederigen, länglichen, abgerun-
deten dunkel- oder gelblichgrnnen Blättern an den Enden der Gabeläste.
Blütezeit je nach Klima vom Februar bis April. Die weissen oder gelblichen Beeren
mit sehr klebrigem Fleische reifen im Dezember oder im nächsten Frühjahr und wer-
den durch Vögel (Misteldrossel) verbreitet. Die Keim wurzel der an der Rinde der
Nährbäume angeklebten Samen bildet zunächst auf der Rinde eine flache Haftscheibe,
aus deren Mitte dann eine kegelförmige Saugwurzel hervortritt und die Rinde bis zum
Holzkörper radial durchwächst, ohne in denselben einzudringen. Aus der
Basis dieses ersten „Senkers'^ entspringen einige flach in den jüngsten Rinden-
schichten ausserhalb des Cambiums weiterwachsende und seitlich mit den Rindenzellen fest
verwachsende Seitenwurzeln, die „Rinden wurzeln", welche sich alljährlich wenig
verlängern (bei der Kiefer im Durchschnitt 0,75, bei der Tanne 1,7 cm) und alljährlich
einen bis höchstens zwei, oft nur alle 2 Jahre einen neuen Senker bilden, so dass die
Senker in Längsreihen zu stehen kommen. Die Spitze der Senker geht in Dauergewebe
über, wenn sie an der Grenze des Holzkörpers angelangt ist und gelangt in das Holz,
indem sie vom nächsten Jahresring umwachsen wird. In der Region des jeweiligen
Cambiums dagegen bleiben die Senker wachstumsfähig und verlängern sich so alljähr-
lich, genau wie ein Markstrahl, um die Dicke eines Jahresringes und das Ende der
Senker kommt alljährlich um einen Jahresring weiter (unter günstigen Umständen bis
346 III. Klein, ForstboUnik.
40 and mehr) in das Holz hinein. Die Senker nehmen mit ihren Seitenflächen, soweit
sie im wasserleitenden Holze stecken, Wasser auf und sterben an den Enden erst ab,
wenn sie ins Kernholz kommen, wo sie radial verlaufende Löcher hinterlassen. Später
werden die Tragäste krebsartig verunstaltet, weil endlich auch die Basis der alten,
breiten, dicht beisammenstehenden Senker in Dauergewebe übergeht und so ein weiteres
Dickenwachstum der Aeste an den Ansatzstellen der Büsche verhindert. An den Rin-
den wurzeln, die von der Basis des Busches aus nach dessen Absterben auch allmählich
absterben, entspringen als echte Wurzelbrut zahlreiche Adventivknospen, welche neue
Büsche (vielfach einen ganzen Bestand) erzeugen. Das Abschneiden der Mistelbüsche
ist nur dann von Erfolg, wenn die Aeste so weit entfernt werden, als die Rindenwur-
zeln reichen. — Unter den Waldbäumen schmarotzt die in ganz Europa östlich bis
Meniel verbreitete Mistel am häufigsten auf Kiefern und Tannen, Pappeln, Linden,
Birn- und Apfelbäumen, iindet sich aber gelegentlich auch auf den meisten anderen und
ist sehr selten auf Eichen, Lärchen, Cedern und Eiben, während sie auf der Fichte fehlt.
Loranthus europaeus Linn6. Gremeine Riemenblume, auch
„Eichenmistel" genannt, mit dunkler, schwärzlicher Rinde und deutlich gestielten
sommer grünen Blättern, deren Paare auch im mittleren Teile der Gabeläste stehen,
ist ein südosteuropäischer Schmarotzer der Eiche und Edelkastanie. Ihre Saug-
wurzeln wachsen nur im jeweils jüngsten Holze ohne Senkerbildung und
rufen bis kopfgrosse knollige Verdickungen an den befallenen Aesten hervor. In Deutsch-
land ist sie vereinzelt in Sachsen gefunden worden, während sie in Oesterreich, nament-
lich in den südöstlichen Staaten, nicht selten ist.
§ 80. Aus der den Ranunculaceen nahestehenden Familie der Magno-
1 i a c e e n , ausgezeichnet durch die in der Knospe tutenförmig geschlossenen und
die jungen Blattanlagen einhüllenden Nebenblätter und durch vereinzelte Oelzellen in
Alark, Rinde und Blättern, sind folgende beide Arten bei uns versuchsweise angebaut
worden :
Magnolia hypoleuca Siebold et Zuccarini. Hönoki, Japa-
nische Magnolie. Blätter oval-eiförmig, sehr gross (15—25 cm lang), unter-
sei t s w e i s s l i c h mit 12—20 Nervenpaaren. Blüten 12—15 cm im Durchmesser,
gelblichweiss, mit scharlachroten Staubfäden, mit dem Laubausbruch aufblühend und
schon an 20jährigen Bäumen erscheinend. Die klimatischen Bedingungen dieses präch-
tigen, raschwüchsigen, japanischen Baumes entsprechen denjenigen der Stieleiche
in Deutschland. Enge, warme Täler der Mittelgebirge mit frischem, kräftigem Boden
könnten nach Mayr das Optimum dieser lichtbedürftigen Holzart bilden. Der Wert
des vortrefflichen, sehr geradfaserigen, frisch graugrünen, trocken olivengrünen Holzes
von sehr schöner Färbung und vom spez. Gewicht 0,55—0,50 liegt in seiner Elastizität;
es wird zu Gegenständen, die sich nicht werfen und nicht reissen dürfen, verarbeitet.
Im Schluss bildet der Baum einen astreinen walzigen Schaft und erreicht 30 m Höhe
und darüber. Die Samen müssen in der fleischigen Fruchthülle oder im Zapfen be-
lassen werden, wenn sie ihre Keimfähigkeit auf der Reise nach Europa nicht verlieren
sollen.
Liriodendron tulipifera Linn6. Tulpenbaum. Knospen zu-
sammengedrückt eiförmig, einem dicken Vogelschnabel ähnlich, über rundlichen Blatt-
narben an glänzend grünlichbraunen Trieben. Blätter langgestielt, bis 10 cm lang
und zuweilen noch breiter, 4lappig, an der Spitze mit stumpfwinkeligem Einschnitt ab-
gestutzt, vor dem Laubfall goldgelb. Blüten im Juni und Juli, tulpenähnlich, ca. 6 cm
Durchmesser, grünlichgelb, aussen orangefarben. — Dieser im östlichen Nordamerika
Die Laubhölzer. § 82. 347
heimische, raschwüchsige Baum erreicht in seinem Optimum, den südlichen Tälern
des Alleghaniegebirgs nach Mayr nicht selten 60 m Höhe und 4 m Durchmesser. Das
leichte (0,52 — 0,62), ziemlich grobfaserige, glänzende, weiche, ziemlich leichtspaltige und
biegsame, sehr dauerhafte Holz mit grünlichgelbem bis grünbraunem Kern ist in seiner
Heimat als Konstruktionsholz sehr geschätzt. In Europa schon 1663 eingeführt, hat
sich der Tulpenbaum in Süd- und Mitteldeutschland als vollständig hart erwiesen, ge-
deiht auch noch in Norddeutschland, ist in Parks und Anlagen vielfach angepflanzt und
schon in über 30 m hohen Exemplaren in älteren Anlagen vorhanden. Der Baum ver-
langt zu gutem Gedeihen tiefgründigen frischen Boden und darf nur in angetriebenem
Zustand (Ende April, Anfang Mai) unter besonders sorgfältiger Behandlung der Wurzel
verpflanzt werden.
§81. Cercidiphyllum j aponicum Siebold etZuccarini, Käd-
sura, Judasblattbaum aus der Familie der Trochodendraceae, auf
frischem kräftigem Boden in Flussauen, an Bachufem, im Klima der Wallnuss und der
Eichen mit Buchen in Japan Bäume von 30 m Höhe mit astlosem Schaft von 13 m
liefernd, kommt in seinen Ansprüchen der Esche am nächsten. Blätter gegen-
ständig, ca. 4— 6 cm lang, rot gestielt, untere rundlich herzförmig, obere elliptisch,
alle klein gekerbt, handnervig, beim Aufbrechen zart rosa, später oben dunkel-, unten
heUgrün mit roten Nerven, im Herbst grell scharlachrot. Die Kurztriebe entwickeln
auch am zwei- und mehrjährigen Zweige nur 1 Blatt. Blüten unscheinbar, nackt,
2häusig. Holz geradfaserig, mit hellbräunlichem oder gelblichem Kern, vom spez.
Trockengewicht 0,49, makroskopisch einem Nadelholz täuschend ähnlich, von grosser
Feinheit und Gleichmässigkeit, für Bauten sehr geschätzt. — Der raschwüchsige Baum
(bei uns in 5 Jahren 3,5 m) gedeiht bei uns anscheinend gut, besitzt ein aus vielen, kräf-
tigen Seiten- und sehr zahlreichen, äusserst feinen Faserwurzeln bestehendes Wurzel-
system, verlangt grosse Vorsicht beim Verpflanzen, neigt frühzeitig dazu, schön vom
Boden an mehrere Schäfte zu entwickeln (grosses Stockausschlagvermögen!) und bean-
sprucht frischen, kräftigen, lehmhaltigen Boden und bedeutende Sonnenwärme. Bis jetzt
bei uns, trotz frühzeitigen Austreibens, frosthart.
§ 82. Clematis vitalba Linn6, die gemeine Waldrebe aus der
Familie derRanunculaceae, klettert in der südlichen Hälfte Europas an
Bäumen und Sträuchern, mit ihren Blattstielen sich festrankend, bis zur Höhe von 5
und 6 m empor und kann durch Ueberlagern junger Holzpflanzen schädlich werden.
Berberis vulgaris Linnö, der gemeine Sauerdorn oder die
Berberitze, aus der Fami lie der Berberidaceae, bildet dicht bestockte
1— 2V2 m hohe Büsche. Die Blätter der rutenförmigen Langtriebe sind zu 3teiligen
Domen umgewandelt, in deren Achseln die laubblatttragenden Kurztriebe mit endstän-
digen gelben Blütentrauben stehen. Die Pflanze liefert zwar dichte, undurchdringliche
Hecken, ist aber hierfür nicht zu empfehlen, weil sie der Zwischenwirt des Gretreide-
rostes ist. Sie findet sich an lichten Waldrändern, in Hecken und Gebüschen zerstreut
in ganz Europa, besonders häufig aber in den Alpen.
Aus der Familie der Saxifragaceae, Unterfam. Ribesioideae, kom-
men Eibes Grossularia Linn6, die Stachelbeere, bis 1 m hohe Büsche
bildend, deren einjährige Langtriebe wie bei Berberis nur 1 — 3 teil ige Blattsta-
cheln tragen, in deren Achseln die mit rundlich 3 — ölappigen Blättern besetzten
Kurztriebe stehen, Ribes p etraeum Wulf en, die stacheil ose Felsen-
Johannisbeere mit anfangs aufrechten, später hängenden Blütentrauben und
348 III. Klein, ForstbotAnik.
Deckblättern, die 1 ä n g e r al8 die Blütenstiele sind , ebenso hoch wie vorige
werdend und namentlich Ribes alpinnm Linn^, dieAlpen-Johannisbeere,
gleichfalls stachellos, mit aufrechten Blütenständen nnd kürzeren Deckblättern, bis
2V2 m hohe Sträacher bildend, gelegentlich am Waldrand und auch als Unterholz im
Walde vor.
§ 83. Aus der nahe verwandten Familie der Platanaceae, die nur die
Gattung P 1 a t a n u s enthält, sind zwei schwer zu unterscheidende variable Arten, die
von manchen Autoren nur als Varietäten einer einzigen Art, Platanus vulgaris, ange-
sehen werden, häutig als Park- und Strassenbäume bei uns angepflanzt. Platanus
Orientalis Linn^, die orientalische Platane ans Kleinasien und P 1 a-
tanus occidentalis Linn6, die amerikanische Platane aus Nordamerika.
Knospen vom kegelförmig hohlen Blattstiel bis zum Laubfall umschlossen. Blätter
denen des Bergahorns ähnlich, meist 51appig, 12 — 25 cm lang, einzeln stehend, mit
grossen, den Zweig oberhalb der Blattbasis tutenförmig umschliessenden, bald abfallen-
den Nebenblättern und fussförmiger Blattnervatur (die Hauptnerven
der beiden Seitenlappen entspringen aus den Hauptnerven der mittleren Lappen). Blü-
ten einhäusig eingeschlechtig, an hängenden Stielen seitenständige Köpfchen bildend;
weibliche nach der Befruchtung sich vergrössemd zu ca SV» cm grossen, verholzten,
kugeligen , warzigen Fruchtständen. Der Laubausbruch findet Ende April oder
Anfang Mai statt, die Blütezeit ist im Mai oder Anfang Juni, die Samenreife im Okto-
ber. Der Same keimt 3 — 4 Wochen nach Aussaat. Die gelblich- oder grunlich-gran-
braune Rinde verwandelt sich frühzeitig in eine sehr charakteristische
Blätterborke, die sich fortwährend in grossen, dünnen Blättern abschilfert, so dass der
Platanenstamm immer gescheckt erscheint. Das zerstreutporige Holz ist rot-
lichweiss, dem Rotbuchenholz ähnlich, die sehr gleichmässig zerstreuten Gefässe mit
blossem Auge kaum zu erkennen, alle Markstrahlen sehr scharf, breit und nahe
beisammenstehend, so dass Vs — V* ^^^ Holzfläche von den Markstrahlen eingenommen
wird; als Nutzholz ist es etwas mehr als das Rotbuchenholz geschätzt, grobfaserig,
mittelschwer (0,63), ziemlich hart, äusserst schwerspaltig, sehr zäh, massig schwindend,
nur im Trockenen von einiger Dauer, von grosser Heizkraft. — Die sehr raschwüch-
sigen Bäume haben eine tiefgehende und weitstreichende kräftige Bewurzelung
und bilden bei uns stattliche 20 — 30 m hohe, geradschaftige Bäume mit mächtiger, breit
ausladender, starkästiger Krone, reinigen sich ziemlich hoch hinauf von Aesten und
können auf günstigen Standorten riesige Dimensionen und (orientalis) ein angeblich
mehrtausendjähriges Alter erreichen. Beide Platanen verlangen zu ihrem Gedeihen
einen tiefgründigen, lockeren, humusreichen, feuchten Boden und geschützte Lagen, ent-
sprechend ihrem Vorkommen an Flussufem in ihrer Heimat. Trockene Böden, insbe-
sondere Kalkböden und sehr nasse Lagen sagen ihnen nicht zu. Als ausgesprochene
Lichtholzarten, die mit weit ausgebreiteter, zwar dünner belaubter, aber grossblätteriger
Krone den Boden etwa so dicht wie die Rotbuche beschatten, sind sie trotz Rasch-
wüchsigkeit und Massenproduktion keine eigentlichen Waldbäume, da sie sich weder
zum Hochwaldbetrieb noch als Oberständer im Mittelwalde eignen; sie verdienen aber
Anpflanzung an Bestandesrändem und an Wegen.
P. orientalis hat grosse Borkeschuppen , meist tief 51appige Blätter mit
gestutzter oder herzförmiger Basis, seltener 3- oder ölappige mit keilförmiger Basis,
abstehende A e s t e und zwei oder mehr weibliche Köpfchen an gemeinsamem Stiel ;
P. occidentalis dagegen hat kleine Borkeschuppen, meist seicht 3- (seltener
etwas 5-)lappige, ziemlich klein gezähnte Blätter, die am Grunde in der Regel abge-
Die Lanbhölzer. § 84. 349
rundet, seltener abgestutzt und meist in den Blattstiel vorgezogen sind. Die weiblichen
Köpfchen stehen in der Kegel einzeln. Der Baum ist frosthärter als orientalis.
§ 84. Die grosse, ca. 2000 Arten umfassende Familie der Rosaceen hat
fast stets regelmässige, oberständige oder halboberständige (perigyne) Blüten mit meist
5 Kelch-, 5 Blumenblättern, zahlreichen Staubgefässen und einem, wenigen oder vielen
apocarpen Fruchtknoten. Blätter meist wechselständig mit Nebenblättern. Von den
4 Unterfamilien kommen hier im wesentlichen nur die Pomoideae und Prunoideae in
Betracht, während die Spiraeoideae mit der Gattung Spiraea in Südosteuropa, die Ro-
soideae mit den Rosen, Brombeeren und Himbeeren lediglich als Forstunkräuter zu er-
wähnen sind, von denen die letzteren, namentlich auf Kahlschlägen, oft verdämmend
auf den jungen Holzwuchs wirken.
1. ünterfamilie Pomoideae. Meist 2 — 5 (seltener 1) Fruchtknoten,
unter einander und mit dem sie umgebenden Achsenbecher verwachsen und daher unter-
ständig. Frucht eine vom Kelche gekrönte Apfelfrucht, deren Fächer entweder
pergamentartig dünn (Kernapfel) oder dick und hart (Steinapfel) sind. Das
zerstreutporige Holz, dessen Jahresringe in der Spätholzzone gewöhnlich dunk-
ler gefärbt sind, enthält sehr zahlreiche, gleichmässig über den Jahresring ver-
teilte, einzelnstehende, kleine Gefässe, die, ebenso wie die sehr zahlreichen, feinen Mark-
strahlen, mit blossem Auge nicht mehr zu erkennen sind.
1. Crataegus monogyna Jacquin, der eingriff elige Weissdorn
oder Hagedorn (franz. Aub6pine), hat mit blattwlnkelständigen Domen besetzte
Langtriebe und häufig in Dornen endigende Seitenzweige, ca. 3 — 7 cm lange, viel-
gestaltige, meist tief 3 — 7 spaltige oder -teilige, unterseits blaugrüne
Blätter mit, wenigstens im untern Teil, nach auswärts gebogenen Seiten-
nerven, sehr grosse, an unfruchtbaren Langtrieben bleibende, nierenförmige, zerschlitzte
oder gesägte Nebenblätter, weisse (nur bei Kulturvarietäten rosa) Blüten mit
roten Staubbeuteln und einem Griffel in aufrechten, zusammengesetzten Trugdol-
den, ca. 14 Tage später als oxyacantha aufblühend. Früchte eiförmig, scharlachrot
mit nur einem Steinkem. Die im Frühjahr gesäten Früchte liegen über. — Der
eingriffelige Weissdorn ist ein trägwüchsiger, sperriger Strauch von 1 — 3 m Höhe mit
sehr langen, wenig verästelten Wurzeln, seltener ein Baum mit spannrückigem Stamm,
der unter günstigen Umständen auf nahrhaftem, kalkreichem Boden bis 10 m Höhe und
2 m Umfang sowie ein mehrhundertjähriges Alter erreichen kann. Er findet sich in
ganz Europa (und weit darüber hinaus), mit Ausnahme des hohen Nordens nnd äus-
sersten Südens, in Mittel- und Südeuropa häufiger als oxyacantha, in Hecken, Gebüschen,
an Waldrändern und als Unterholz in Mittelwäldern der Ebene und des Hügellandes
nnd steigt im Gebirge an sonnigen Berghängen bis ca. 900 m empor. Er verträgt den
Schnitt sehr gut und schlägt sowohl aus dem Stock wie den verschnittenen Aesten und
Zweigen sehr kräftig aus und eignet sich bei seinen sonstigen Eigenschaften vorzüglich
zu lebenden Hecken. Das matt fleischrote Holz ohne gefärbten Kern zeigt häufig
zahlreiche Markflecke, ist sehr feingebaut, sehr hart, sehr schwerspaltig, stark schwin-
dend, vom spez. Gewicht 0,80 — ^0,88 und wird namentlich zu Drechslerarbeiten verwendet.
2. Crataegus oxyacantha Linn6, der gemeine Weissdorn oder
Hagedorn, ist dem ersteren in jeder Beziehung sehr ähnlich und unter-
scheidet sich durch ebenfalls sehr vielgestaltige, meist weniger tief geteilte und selbst
ungeteilte, unterseits gelblichgrüne Blätter, mit, wenigstens im unteren Teil,
nach einwärts gebogenen Seitennerven, 2- (selten 3-)grifflige
Blüten und kleinere, 2steinige Früchte. Er ist ebenso verbreitet wie der
350 m. Klein, Forstbotanik.
eingrifflige and im allgemeinen in der nördlichen Hälfte Europas häufiger, in der s&d-
lichen seltener.
Ein Bastard zwischen beiden Arten verbindet die Griffelzahl von monogyna
mit dem Blattbau von oxyacantha.
3. Crataegus pentagyna Waldstein et Kitaibel mit 5 Griffeln und
zottigen bis weisswolligen Blütenstielen und roten Früchten und 4. C. nigra Waldst.
et Kit. mit unterseits grauiilzigen, 7 — 9 lappigen Blättern und schwarzen kugeligen
Flüchten sind sndostenropäische Sträucher, welche auf ähnlichen St>andorten me die
ersteren im südlichen Ungarn etc. vorkommen.
Mespilus germanica Linn^, die gemeine Mispel (franz. . Neflier),
angeblich aus Persien stammend, wird in ganz Süd- und Mitteleuropa kultiviert und
ist mitunter auf nahrhaftem Boden in schattigen Lagen in Hecken, Gebüschen und
Waldrändern verwildert und zwar meist als mit kurzen geraden Domen besetzter
Strauch, während die Kulturpflanze unbewehrt ist. Die Blätter sind länglich-lan-
zettlich, meist ganzrandig, oberseits flaumig dunkelgrün, unterseits gi*au bis weissfilzig,
die einzeln stehenden, grossen (3 — 4 cm), von den wollig filzigen Kelchzipfeln über-
ragten Blüten weiss mit purpurroten Staubbeuteln. Steinapfel bis 3 cm gross,
niedergedrückt, kugelig, braun, mit 5 Kernen. Sie ist langsam wüchsig und liefert
ein zähes Holz.
1. Cotoneaster vulgaris Lindley, die gemeine Bergmispel,
ein höchstens 2 m hoher Strauch, an steinigen und felsigen, sonnigen bebuschten Hügeln,
sowie an ähnlichen Plätzen in Laub- und Mittelwäldern, vorzugsweise auf Kalk, durch
ganz Europa zerstreut, im Norden selten, im Süden entschiedene Gebirgspflanze, steigt
in den Alpen bis über 2000 m und hat kleine, meist nur 2 — 3 cm lange, sehr kurzge-
stielte, eiförmige, oberseits kahle, unterseits dicht grau- bis weissfilzige Blätter und
2 — 5blütige, etw^as hängende Doldentrauben mit kleinen, glockigen, rosa gefärbten
Blüten und erbsengrossen, scharlachroten Steinäpfeln.
2. Cotoneaster tomentosa Lindley, die filzige Bergmispel,
auf die Südhälfte Europas beschränkt, mit dem südlichen Süddeutschland als Nord-
grenze, bewohnt ähnliche Standorte, steigt aber im Kalksteingebirg etwas weniger
weit empor und unterscheidet sich von der ersteren durch auch oberseits flaum-
haarige, etwas grössere Blätter, vielblütige, meist aufrechte Trugdolden und
etwas stattlicheren Wuchs.
§ 85. Pirus Malus Linn6 (Syn. Maluscommunis Lamarck), der
Apfelbaum, Holzapfel, Wildapfel (franz. Pommier), vielfach nichts anderes
als ein verwilderter Apfelbaum, ist forstlich von untergeordneter Bedeutung, ein sehr
trägwüchsiger kleiner Baum mit meist nur 2 — 4 m ( — 7 m) hohem , spannrückigem
Stamm und tief angesetzter, sperriger, unregelmässiger Krone. Durch die zahlreichen,
allseitig abstehenden, in eine spitze Endknospe oder einen Dorn auslaufenden Kurz-
triebe ist er im Winter „borstig wie ein Keiler". Blätter spitz eiförmig, variabel,
gezähnt, ca. 3 — 5 cm lang, meist ca. doppelt so lang als ihr Stiel, mit wenigen
(ca. 4), unterseits vortretenden Seitenrippen, oberseits kahl, unterseits kahl bis
filzig. Blüten aussen zartrosa, innen weiss. Staubbeutel gelb. Früchte
ca. 4 cm grosse kugelige, grüne bis gelbe, oft rotbackige „Kernäpfel". An Waldrändern
oder als Unterholz ist er durch ganz Europa mit Ausnahme des hohen Nordens zer-
streut und bevorzugt einen kräftigen, kalkreichen, nicht zu feuchten Boden und lichten
Stand. Die Rinde bildet an älteren Bäumen eine hellfarbige in dünnen Schuppen
abblätternde Borke. Das rötliche Holz hat einen dunkelrotbraunen
Kern mit zahlreichen dunkeln Markflecken, ist feinfaserig, ziemlich matt, schwer (0,77),
Die Laubhölzer. § 86. 351
ziemlich hart, schwerspaltig, mittelbiegsam, schwach elastisch, ziemlich fest, sehr wenig
dauerhaft, ziemlich brennkräftig, stark schwindend. Es wird weniger geschätzt
als das Bimbaumholz.
2. Pirus communis Linn6, die Holzbirne, (franz. Poirier), ebenfalls
vielfach nur eine verwilderte Kulturbirne, spielt als Waldbaum nur eine untergeordnete
Rolle, bildet aber grössere, auch sehr langsam wüchsige Bäume (unter sehr günstigen
Verhältnissen bis 16 und 20 m Höhe und 50 cm Stärke) mit tiefrissiger, in nahezu
w^ürfelförmige kleine Stücke geteilter Borke und massig ausgebreiteter Krone, die vor-
wiegend von aufgerichteten Aesten gebildet wird, deren Langtriebe mit einer spitzen
Endknospe oder mit einem Dom abschliessen und zahlreiche domspitzige Kurztriebe
tragen. Die Blätter sind mndlich oder eiförmig, kurz zugespitzt, kleingesägt, un-
gefähr so lang als ihr Stiel, mit ziemlich zahlreichen (ca. 8) unterseits kaum vor-
tretenden Seitenrippen, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits heller, in der Jugend
wollig behaart oder fast kahl. Blüten weisse stattliche Dolden am Ende belaubter
Kurztriebe. Früchte randlich bis birnförmig, sehr herb, reich an Steinzellnestern.
Die geographische Verbreitung und die Standorte und Standortsansprüche sind die
gleichen wie beim Holzapfel, doch ist die Holzbirne etwas häufiger und erlangt im
Freistand oft eine sehr stattliche Grösse. Sie steigt in der Schweiz bis etwa 900,
in Tirol bis 1500 m empor, während der Holzapfel dort bis ca. 1000 bezw. 1350 m
beobachtet A^urde. Das Holz ist nicht ganz so feinfaserig, wie das des Holzapfels,
bräunlichrot, meist mit Markflecken, ohne gefärbten echten Kern, aber häufig
mit Faulkern, matt, schwer (0,73), hart, schwer spaltbar, mittelbiegsam, schwach
elastisch, ziemlich fest, zähe, sehr gut nach allen Eichtungen hin schneidbar, massig
schwindend (höchstens 4,5 ^o), im Trocknen ziemlich dauerhaft, heizkräftig.
§ 86. Die vielfach mit Pirus vereinigte Gattung Sorbus, Eberesche,
unterscheidet sich nur durch unbe wehrte Zweige, meist zusammengesetzte oder tief ge-
lappte Blätter, kleine Blüten in reichblütigen Blütenständen und meist 2 — 4fächerige
Früchte.
Sorbus aucuparia Linn6, gemeine Eberesche, Vogelbeerbaum
(franz. Sorbier). Knospen gross, schwarzviolett, filzig. Blätter 10—20 cm lang,
unpaarig gefiedert mit 5—8 Paar fast sitzender, schmal elliptischer, gespitzter,
scharf gesägter, glanzloser, oben dunkel-, unterseits matthellgrüner, 3 — 5 cm langer
Blättchen, in der Jugend weisswollig, ausgewachsen meist kahl. Blüten mit meist
3 Griffeln, in grossen, konvexen, reich zusammengesetzten Trugdolden. Früchte
klein, kugelig, ca. 7 — 9 mm, anfangs gelb, dann leuchtend scharlachrot, mit meist 3
Kernen, die nach einigen Wochen bei Frühlingssaat keimen. — Die Mannbarkeit der
in der Jugend raschwüchsigen, aber bald nachlassenden Bäume tritt frühzeitig, schon
mit ca. 20 Jahren ein und trägt dann der Baum fast alljährlich reichlich Früchte.
Im allgemeinen ist der Höhenwuchs der ziemlich lichtbedürftigen Holzart vom ca. 20.
Jahre ab ziemlich langsam, mit 10 — 16 m Gresamthöhe abschliessend. Die Lebens-
dauer überschreitet selten 80 Jahre. Der Stamm ist ziemlich gerade, schlank,
hoch hinauf astrein, die Krone etwas sperrig, licht beblättert, rundlich-eiförmig, die
Rinde sehr lange glatt, hellgrau, glänzend, erst im höheren Alter etwas auf-
reissend, die Bewurzelung auf tiefgründigem Boden tiefgehend und weit reichend,
auf schlechtem flach. Das Reproduktionsvermögen ist durch reichlich ent-
stehenden Stock- und Wurzelausschlag wie durch Wurzelbrutbildung sehr beträchtlich.
Das Holz hat rötlich weissen Splint und gelb braunen Kern und deutlichen Glanz
auf den Spaltflächen. Zellgänge sind auch hier häufig; es ist ferner ziemlich fein-
352 III. Klein, Forstbotanik.
faserig, mittelschwer (0,64), hart, sehr schwerspaltig, fest, massig schwindend (mn
5 — 6®/o), äusserst wenig dauerhaft, von mittelgrosser Brennkraft. — Das Verbrei-
tungsgebiet der Eberesche umfasst ganz Europa bis zum Nordkap und ganz Nord-
asien; in der nördlichen Hälfte unseres Erdteils ist sie häufiger als in der südlichen.
Sie verträgt grosse Temperaturschwankungen, gedeiht noch im rauhesten Klima bei
einer mittleren Jahrestemperatur von 0 ^, findet sich (strauchförmig) im hohen Norden,
wie in den mitteleuropäischen Grebirgen noch an der Baumgrenze und tritt überall
eingesprengt, selten bestandbildend auf; als Strassenbaum ist sie überall, wo Obstbäume
nicht mehr gedeihen, beliebt. In ihren Standortsansprüchen ist sie ausser-
ordentlich bescheiden. Wenn sie sich auch naturgemäss nur auf besserem, etwas kalk-
haltigem Boden vollkommen entwickelt, so kommt sie doch auf Böden aller Art, anch
auf den schlechtesten, selbst auf Moorböden noch fort.
Unter den Varietäten möge die aus Mähren stammende Var. dulcis Krätzl *^),
nur durch Veredelungen vermehrbar, mit grösseren, essbaren Früchten, er-
wähnt sein.
2. Sorbus domestica Linn6, die zahme Eberesche, auch Sper-
berbaum, Speierling, Schmeerbirne genannt, stimmt im Bau der unter-
seits bläulichgrünen, grösseren Blätter mit der Vogelbeere im wesentlichen über-
ein , unterscheidet sich aber durch kahle, gelblichgrtine , klebrige Knospen,
5-grifflige grössere Blüten und etwa haselnussgrosse, eingekocht geniessbare,
birnförmige, reif gelbe, rotbackige, überreif lederbraune 5samige Früchte. Die
Krone des erwachsenen Baumes ist sperriger, tief angesetzt, starkästig, die Rinde
bildet gleich der des Birnbaums eine rauhe Borke. Das im Splint rötlich-weisse
Holz enthält im tief rotbraunen Kern viele Markflecke und ist feinfaserig, etwas
glänzend, sehr schwer 0,73 — 1, im Mittel 0,88, elastisch, fest, bis 6®/o schwindend,
sehr schwerspaltig, mittelbiegsam, dauerhafter, brennkräftiger und wertvoller als
dasjenige der Vogelbeere. — Der Speierling ist eine südeuropäische
Holzart, welche in der Südschweiz, Südtirol, Krain und dem südlichen Ungarn im allg.
die Nordgrenze seiner natürlichen Verbreitung findet, darüber hinaus aber namentlich
in Süddeutschland vielfach angepflanzt und gelegentlich verwildert im Walde vorkommt
Ebenfalls trägwüchsig, verlangt aber besseren Boden und erwächst zu viel stattlicheren,
erst im 40. bis 50. Jahre mannbaren Bäumen (bis 20 m) mit Pfahlwurzel und kann
ein Alter von mehreren (5 — 6) Jahrhunderten erreichen.
3. Sorbus torminalis Crantz, der Eisbeerbaum, ist in forstlicher
Hinsicht die wichtigste Art *^). Knospen gross, kugelig eiförmig, glänzendgrnn,
kahl. Blätter langgestielt, ca. 8— 10 cm lang, breit eiförmig, tief gelappt mit
spitzen, ungleich gesägten Lappen, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits flaum-
haarig blassgrün. F r ü p h t e ca. ^/2 cm gross, anfangs rötlich gelb, reif braun mit
weissen Punkten, inwendig teigig und dann essbar. — Die Eisbeere bildet stattliche
15 (bis 20) m hohe Bäume mit kleinschuppiger, vorwiegend längsrissiger Borke und
eiförmig-rundlicher, umfangreicher, dicht belaubter Krone. Sie ist ebenfalls lang-
sam wüchsig, wird etwa mit dem 20. bis 30. Jahre mannbar, pflegt dann alljähr-
lich reichlich zu blühen und zu fruchten und kann über 100 Jahre alt werden; der
Höhenwuchs ist aber mit dem 40. bis 50. Jahre im wesentlichen abgeschlossen. Das
wertvolle, im Splint rötlichweisse, später ins bräunliche nachdunkelnde, im Kern rot-
braune Holz ist feinfaserig, sehr schwer (0,67 — 89, im Mittel 0,77), hart, mit musche-
41) Cf. Krätzl, Die süsse Eberesche, mit Farbentafel, Wien und Olmüte 1890.
42) Cf. Oberförster Frömbling in forstl. Blätter 1889 p. 303.
Die Laubhölzer. § 86. 353
liger Spaltfläche sehr schwerspaltig, sehr elastisch, mittelbiegsam, sehr fest, bis 7%
schwindend und sehr brennkräftig. Der Eisbeerbaum ist eine voi*wiegend mittel- und
südeuropäische Holzart, die sich in Centraleuropa meist einzeln eingesprengt, vorwiegend
im Bergland, bis ca. 650 m Höhe emporsteigend, von Mitteldeutschland bis zu den süd-
lichen Alpen und Karpathen in sonnigen Lagen, namentlich auf Kalkboden findet, aber
auch auf anderen mineralkräftigen Böden wächst, an Humusgehalt, Tiefgründigkeit und
Bodenfrische massige Ansprüche stellt, auf Sand- oder nassem Boden dagegen nicht
mehr gedeiht. Das Ausschlagvermögen ist bei kurzer Lebensdauer der Stöcke
aus Stock und Wurzeln massig, die Bewurzelung, anfangs zur Pfahlwurzel-
bildnng neigend, besteht später, namentlich auf flachgründigem Boden, aus stai*ken
Seitenwurzeln.
4. Sorbus Aria Crantz (syn. Aria nivea Host) der Mehlbeer-
baum, auch Mehlbeere, Mehlbirne genannt, hat grosse, grünlichbraune, kahle
Knospen, ca. 6 — 12cm lange, länglich eiförmige, ungeteilte oder am Rande etwas
eingeschnittene , doppelt gesägte , oberseits glänzend dunkelgrüne, un-
terseits grau- bis schneeweissf ilzige Blätter, ziemlich grosse Blüten mit
weissiilzigen Stielen und Kelchen und kugelige, kirschgrosse, rote, hellpunktierte, 2samige,
sehr mehlige, ungeniessbare Früchte (aus denen aber Essig und Branntwein herge-
stellt werden kann). Diese ziemlich anspruchsvolle Holzart des Berglandes
findet sich in Mitteleuropa als Unterholz, an Waldrändern und in Gebüschen Tornehm-
lich in den mitteldeutschen Gebirgen, den Alpen, Sudeten und Karpathen, bis 1600 m
ansteigend, vornehmlich auf Kalkboden und an sonnigen Standorten. Je nach Stand-
ort, Bodengüte und Höhenlage erwächst er sehr langsam, aber andauernd, zu statt-
lichen Sträuchem oder kleinen ca. 6—12 m hohen, bis 200 Jahre alten, meist krumm-
schäftigen, oft spannrückigen Bäumen und hat ziemlich tief gehende Bewurzelung und
beträchtliches Ausschlagvermögen. Sein Holz stimmt mit dem des Eisbeerbaums im
wesentlichen überein.
5. Sorbus Mugeoti S oy er- Willemet et Godron, der Alpen-
mehlbeerbaum, unterscheidet sich von vorstehender Art im wesentlichen nur durch
geniessbare Früchte und durch Blätter, deren Rand mit 8 — 10 ziemlich
kurzen, spitz gezähnten Lappen versehen ist. Hin und wieder in den
Alpen und den deutschen Mittelgebirgen.
6. Sorbus scandica Fries (Syn. S. intermedia Ehr hart), der
schwedische Mehlbeerbaum, auch Oxelbirne, Saubirne, Popenbaum genannt,
mit vorstehender Art häufig verwechselt, hat jederseits meist nui* 8 Lappen an seinen
unterseits mehi- graufilzigen Blättern. Sein Verbreitungsgebiet ist auf Skandinavien
und Finnland event. auch die Ostseeländer beschränkt; bei uns kommt er nur ange-
pflanzt vor.
7. Sorbus chamaemespilus Crantz, die Zwergmispel, ist ein
kleiner, 1 — 2 m hoher Strauch der oberen Bergregion (bis 1800 m) Mittel-
und Südeuropas; er bevorzugt ebenfalls felsigen Kalkboden, hat 4 — 8 cm lange, sehr
kurzgestielte, eiförmig längliche, scharf doppeltgesägte, oberseits glänzend dunkelgrüne,
unterseits matt blassgrüne, kahle oder etwas filzige, sehr derbe Blätter und
kleine Blüten mit schmalen, rosa gefärbten, aufgerichteten Blumenblättern
in aufrechten, armblütigen, schirmfönnigen Trugdolden und hell scharlachrote, ca. 1 cm
grosse, wohlschmeckende Früchte.
Von den Bastarden der Sorbusarten, an deren Bildung sich namentlich
der Mehlbeerbaum beteiligt, kommen häufiger vor:
8. S. Aria x torminalis = S. latifolia Persoon, der breit-
Handbach d. Forstw. 2. Aufl. I. 23
354 III. Klein, Forstbotanik.
blätterige Mehlbeerbaum oder die Sanbirn mit über 10 cm langen and 6 cm
breiten, unterseits locker weiss- oder graniilzigen Blättern mit 7 — 9 seicht ausge-
schnittenen, nach oben an Grösse abnehmenden, gesägten Lappen auf jeder Seite und
ß:elben bis roten, im teigigen Zustande geniessbaren Früchten. Meist
kleine Bäume mit apfelbaumähnlicher Kinde, zerstreut mit den Stammeltern.
9. S. Aria X aucuparia = S. hybrida W. Koch, die Bastardeber-
esche, mit 5 — 13 cm langen, länglichen, in der unteren Hälfte teils gefiederten, teils
iiederspaltig bis iied erschnittigen, in der oberen Hälfte meist eingeschnitten gelappten,
selten nur scharf gesägten, jederseits mit 10 — 12 Seitennerven versehenen, unterBeits
dünnülzigen Blättern und kleinen herben Früchten. Kommt ebenfalls nur ver-
einzelt zwischen den Stammeltern vor.
Amelanchier vulgaris Moench (Syn. A. rotundifolia C. Koch,
Mespilus Amelanchier Linn(^) die Felsen- oder Traubenbirne, ein
niedriger IV^— 2(3) m hoher Strauch mit aufgerichteten, schlanken Zweigen, findet sich
im Süd- und mitteleuropäischen Bergland, meist auf felsigem Kalkboden, bis 1800 m
in den bayrischen Alpen emporsteigend. Die Blätter sind 2 — 4 cm lang, oval, meist
stumpf, jung beiderseits rotbraunfilzig, alt kahl, scharf gesägt. Die meist schon im
April erscheinenden Blüten stehen in kurzen, achselständigen, 3 — Sblütigen Trauben,
mit weissfilzigen Stielen und schmal länglichen, ausgebreiteten, weissen
Blumenblättern. Früchte erbsengross, blauschwarz.
§ 87. 2. ünterfamilie Prunoideae. Blüten perigyn. 1 Frucht-
knoten mit 2 Samenknospen, Blütenachse an der Fruchtbildung nicht beteiligt.
Frucht eine Steinfrucht, gewöhnlich nur einen einzigen Samen enthaltend. —
Das zerstreutporige Holz der Prunoideae ist von dem der Pomoideae dadurch
unterschieden, dass die Markstrahlen mit blossem Auge scharf und deutlich er-
kennbar sind und die G e f ä s s e an der Innengrenze des Jahrringes zwar nicht er-
heblich grösser, aber meist zahlreicher sind und dadurch eine lockerere, meist heller
gefärbte Frühholzzone bedingen.
Amygdalus nana Linn6, die Zwergmandel, ist ein kleinblätteriger,
kaum meterhoher, südosteuropäischer Strauch mit schlanken Zweigen, einzeln oder
paarweise aus Seitenknospen vorjähriger Triebe entspringenden, sitzenden, pfir-
sichroten, ziemlich grossen Blüten und kleinen, seitlich zusammenge-
drückten, glatt steinigen , sammetfilzigen , lederigen Früchten. Wild in Mittel-
europa nur in Niederösterreich und Ungarn, zumeist im Flachlande und zum Teil Ge-
büsche bildend; sonst nicht selten als Zierstrauch angepflanzt.
Prunus spinosa Linn6, der Schlehdorn, auch Seh w arzdorn
oder Schlehe genannt, bildet fast in ganz Europa, vorwiegend in der Ebene und
im Hügelland, auf jedem, insbesondere auf trockenem, steinigem Boden und in sonniger
Lage an Rainen, Waldrändern und Hecken sowie als Unterholz in lichten Wäldern
mittelgrosse (1 — 2 m hohe), sehr sperrige Büsche mit bis 4 cm langen, breitlan-
zettlichen, scharf gesägten Blättern, zahlreichen, rechtwinkelig abstehenden, in einen
schai-fen Dorn endigenden Seitenzweigen und weitausstreichenden, Wurzelschösslinge
treibenden Wurzeln. Ueber den Blattnarben stehen gewöhnlich 3 Knospen neben-
einander, von welchen die mittlere häufig, die seitlichen stets Blütenknospen sind. Da
an Kurztrieben die Blütenknospen dicht gehäuft stehen, so sind die Büsche im Fruh-
jalir oft über und über mit den kurzgestielten, meist kurz vor dem Laubausbruch auf-
blühenden, kleinen, weissen Blüten bedeckt. Die schwarzblauen, bereiften Steinfrächte
Die Laubhölzer. § 87. 355
sind sehr herb und werden erst nach einem derben Frost einigermassen geniessbar.
Das schwere (0,83), feinfaserige Holz mit rötlichem Splint und braunrotem Kern ist
etwas glänzend und sehr hart. Der trägwüchsige Strauch ist mit ca. 20 Jahren voll
entwickelt und dauert bis etwa zum 40. Jahre aus.
2. Prunus avium Linn6, die Vogelkirsche oder Wildkirsche,
ist die Stammpflanze der zahlreichen kultivierten Süsskirschen. Blätter (6)
9 — 12 (15) cm lang, meist eiförmig, zugespitzt, scharf gesägt, schlaif, oberseits dunkel-
grün, unterseits blassgrün und meist spärlich flaumhaarig, am Blattstiel meist mit
2 grossen roten Drüsen. Kurz triebe quergeringelt, gewöhnlich nur mit einer end-
ständigen Knospe. Blüten gross (bis 3V2 cm), lang gestielt, in dichten doldigen
Büscheln aus den Endknospen vorjähriger Kurztriebe im April oder Mai. Früchte
meist nur 1 cm gross, schwarzrot, mit grossem rundlichem Stein und bittersüssem Fleisch.
Der Samen keimt schon im Frühling nach der Reife, wie alle Prunusarten mit dicken,
rundlichen, oberirdischen Keimblättern. Der bis ca. zum 40. Jahre raschwüchsige Baum
schliesst mit 50 — 60 Jahren sein Wachstum ab, in dieser Zeit im Bestandesschluss
16 — 20 m Höhe und bis über ^h m Stärke erreichend, wird aber selten älter als 80 — 90
Jahre. Die Mannbarkeit tritt mit ca. 20 — 25 Jahren ein. Der Stamm ist bis
zum Wipfel geradschaftig und vollholzig, die Krone unregelmässig, dichtästig, hoch-
angesetzt und locker beblättert, die Rinde in der Jugend glatt, glänzend, rötlichgrau,
sehr zähe, mit breiten rostfarbigen Lenticellen, löst später ihr Periderm ringförmig in
bandartigen Lappen, ähnlich wie die Birke, ab und bildet erst spät eine flachrissige,
dunkle Borke. Das Wurzelsystem entbehrt der Pfahlwurzel und besteht aus
ziemlich weitstreichenden, teils flach verlaufenden, teils tief in den Boden eindringenden
kräftigen Wurzelsträngen. Das im schmalen Splint rötlichweisse, im Kern hell gelb-
braune, ziemlich wertvolle Holz ist grobfaserig, glänzend, mittelschwer (0,57 — 78 im
Mittel 0,66), sehr hart, sehr schwerspaltig, mittelbiegsam, elastisch, fest, bis 67o
schwindend, im Freien wenig dauerhaft, dem Wurmfrasse sehr ausgesetzt, brennkräftig
(0,80). — Die Vogelkirsche ist mit Ausnahme des höheren Nordens und des Nordostens
über ganz Europa verbreitet, meist vereinzelt in Wäldern, besonders in Misch- und
Mittelwäldern, in Grebüschen und Waldrändern in der Ebene wie im Grebirge (Bayrische
Alpen bis 1100 m, Südtirol bis 1500 m) in warmen sonnigen Lagen, auf frischem,
fruchtbarem, besonders kalkhaltigem Boden am besten gedeihend. Sie ist eine ausge-
sprochene Lichtholzaii;, die selbst massige Beschattung nicht mehr erträgt.
3. Prunus Cerasus Linn6, die Sauerkirsche oder Weichsel, aus
Kleinasien stammend, ist gelegentlich im Walde verwildert und durch Laubblätter am
Grrunde der Blütenbüschel und durch kleinere, oberseits glänzende, unbehaarte Blätter
mit meist drüsenlosen Stielen von der Vogelkirsche zu unterscheiden.
4. Prunus chamaecerasus Jacquin (Syn. P. fruticosa Pallas)
die Zwergweichsel, bildet niedrige Büsche, namentlich auf sonnigen Kalk-
hängen und am Rande wie im Innern lichter Bergwälder. Ihr Verbreitungsge-
biet reicht von Sibirien durch Mittel- und Südrussland, den mittleren Teil Oesterreich-
Ungarns bis Thüringen und den Mittel-Rhein. Ihre Blätter sind klein (2 — 3 cm
lang), oberseits bläulich glänzend dunkelgrün, unterseits matt blassgrün, klein gekerbt
gesägt, 2gestaltig, an den Langtrieben lanzettlich, an den Kurztrieben gehuschelt,
länglich verkehrt-eiförmig, mit drüsenlosen Stielen , die Blüten langgestielt,
klein, weiss, zu 2 — 3 am Ende von Kurztrieben. Die kleinen, roten, saueren Frucht e
haben einen spitzen Steinkern.
5. Prunus Padus Linn6, die Traubenkirsche, auch Ahlkirsche
oder Faulbaum genannt, hat ca. 6 — 12 cm lange, elliptische, zugespitzte, scharf
23*
356 III. Klein, Forstbotanik.
gesägte, kahle Blätter mit gründrilsigen Stielen. Die reichblütigen, langen, hängen-
den, deckblattlosen, weissen Blütentrauben erscheinen meist schon im April am Ende
beblätterter Kurztriebe; die erbsengrossen , schwarzen, bittersüssen Früchte mit
spitzem, netzgrubigem Stein reifen meist Ende Juli. In der Jugend bis zum 20. oder
30. Jahre sehr raschwüchsig und selten länger als 60 Jahre dauernd, erwächst die
Traubenkirsche zu grossen Sträuchern mit rutenförmigen, grau- oder grünlichbraanen
Zweigen oder zu mittelgrossen, bis 13 m hohen und 60 cm starken Bäumen mit tief-
angesetzter, dichtbelaubter Krone und zum Teil hängender Beastung und oft
spannrückigen Stämmen, deren schwarzgraue Rinde erst spät eine dünne , längs-
rissige Borke bildet. Die B e w u r z e 1 u n g ist ' mehr seitwärts als tief streichend.
Das Ausschlag vermögen ist sehr gross und liefert sie nach dem Abhieb reich-
lichen, raschwüchsigen Stockausschlag und gerade steife AVurzellohden. Das frisch un-
angenehm riechende Holz von sehr beschränktem Gebrauchswert hat breiten, gelb-
weissen Splint, braungelben Kern, ist ziemlich feinfaserig, glänzend, mittelschwer, weich,
leichtspaltig, zähbiegsam, schwach elastisch, fest, wenig dauerhaft, bis 6 *^/o schwindend,
wenig brennkräftig. Das Verbreitungsgebiet der Traubenkirsche umfasst bei-
nahe ganz Europa (bis zum 70** in Norwegen!). Im allgemeinen eine Holzart der
feuchten Ebenen und Flussniederungen, steigt sie doch mit den Wasserläufen in feuchten
Talgründen hoch im Gebirge empor (in den nördlichen Kalkalpen bis 15(30 m, in Nor-
wegen bis gegen 1200 m). Sie verlangt zu gutem Gedeihen mineralkräftige Böden
von grösserem Feuchtigkeitsgehalt, ist aber nur in mittlerem Grade lichtbedürftig und
verträgt massige Beschattung.
6. Prunus Mähaleb Linn6, die Felsenkirsche, auch türkische
Weichsel oder Steinweichsel genannt, deren Stocklohden beim Trocknen den
bekannten Weichselgeruch annehmen, bewohnt die Südhälfte Europas, vornehmlich anf
kalkhaltigen Standorten des Hügellandes, im Weinklima von den Vogesen bis zum
Siebengebirge und durch die Alpenländer bis Siebenbürgen verbreitet. Sie ist eine
sehr lichtbedürftige, meist strauchig bleibende, selten zu 4 — 8 m hohen Bäumen heran-
wachsende Holzart mit reichlichem, sehr raschwüchsigem Stockausschlag nach dem Ab-
hieb. Die Blätter sind meist eiförmig zugespitzt, gekerbt-gesllgt, kahl und glänzend,
ca. 3 — 6 cm lang, an drüsenlosen Stielen. Die der Traubenkirsche ähnlichen Blüten
stehen aber in aufrechten, rundlichen Trauben; die erbsengrossen, schwarzen
Früchte schmecken sehr herbe. — Die zu „Weichselrohren" verwendeten Ausschläge
werden meist in sog. Weichsel gärten mit gärtnerischer Pflege in Bjährigem Umtrieb
gezogen.
7. Prunus serotina Ehrhart, die spätblühende Trauben-
kirsche, ist durch das ganze Laubholzgebiet Nordamerikas verbreitet, bleibt dort
nach Mayr an der nördlichen und südlichen Grenze ein kleiner Baum, erwächst aber
in den südlichen Alleghanies auf kräftigem Boden, dem Laubwald eingesprengt, zu einem
stattlichen Baume von 20 — 30 m Höhe und bis 1 m Stärke. Der Baum wächst auch
leicht auf trockenem Boden, der für landwirtschaftliche Zwecke bereits zu arm ist,
und gehört zu den schnellwüchsigsten, vorzüglichsten Hartholz-
arten Nordamerikas (mit schönem rotem Holz), ist in Europa längst einge-
führt, aber erst seit 1890 und zwar bis dato mit bestem Erfolg, in den Kreis der forst-
lichen Anbauversuche gezogen worden. Der im Herbst gesäte frische Samen keimt
im nächsten Frühjahr; bei Frühjahrsaussaat ist mindestens 3tägiges Einquellen erfor-
derlich, wenn nicht die meisten Samen überliegen sollen. Im 1. Jahre werden die
Pflanzen bei uns 20 — 30 cm, in 3 Jahren schon IVa m und in 9 Jahren 6 m hoch, so
dass sie ausser der Esche alle heimischen Holzarten übertrefl:en. In ihren Bodenan-
Die Laubhölzer. § 88. 357
Sprüchen ist P. serotina ziemlich genügsam und gedeiht selbst aufhumosem
Sandboden freudig, wenn derselbe genügend frisch ist ; sie verlangt volles Licht
und ist für Seitenschutz dankbar. Gegen Dürre, Spätfröste und Winterkälte ist sie,
von besonders üppigen Trieben abgesehen, unempfindlich; auf den Stock gesetzt, bildet
sie schon im nächsten Jahre 2 m 20 Länge erreichende Triebe. — Von unserer Trau-
benkirsche unterscheidet sie sich durch grössere, bis 10 cm lange, derbere, leder-
artige, oberseits glänzend dunkelgrüne Blätter, kürzere, aufrechte oder vorn-
übergeneigte Blüten trauben, die erst EndeMai oder Anfang Juni aufblühen und
durch den glatten Stein ihrer Früchte. Durch besondere Schnellwüchsig-
keit soll sich die Form cartilaginea, die glänzendblätterige, mit grösseren, bis
15 cm langen, lebhafter grünen und stärker glänzenden Blättern auszeichnen.
§ 88. Die Familie der Leguminosae, die zweitgrösste des Pflanzen-
reichs mit ca. 7000 Arten, in der Unterfamilie Papilionatae mit meist gefiederten
oder Steiligen Blättern, in der Regel in Trauben stehenden Schmetterlingsblüten und
2klappig aufspringenden Hülsen, besitzt in Europa wesentlich nur in der südlichen
Hälfte banmai*tige Vertreter, wahrend die forstlich für uns wichtigste Art nordameri-
kanischen Ursprunges ist (ursprüngliche Heimat die südlichen AUeghanieberge), nämlich :
Robinia Pseudacacia Linn6, die Robinie, in Deutschland allgemein
Akazie genannt, in Europa mit Ausnahme des nordöstlichen Teiles längst völlig
eingebürgert. Blätter unpaarig gefiedert, 10 — 30 cm lang, weich, mit ca. 10 — 20
kahlen, 2 — 4 cm langen, ovalen Fiederblattpaaren und zu stechenden Stipular-
dornen umgewandelten Nebenblättern, die paarweise an der Blattstiel-
basis sitzen und mehrere Jahre dauern; Blüten ansehnlich, weiss, in langen,
blattwinkelständigen, hängenden Trauben im Juni ; Hülsen breit lineal, ca. 1 — 17^ cm
breit, 5 — 9 cm lang, rotbraun mit ca. V2 cm grossen, nierenförmigen, braunen Samen,
die im Oktober oder November reifen, vom Februar an abfallen und ca. 14 Tage nach
Frühlingssaat mit 2 dicken halbeirunden Keimblättern oberirdisch keimen. Die Dauer
der Keimkraft beträgt 2—3 Jahre. Die Mannbarkeit tritt mit 20 — 25 Jahren
ein. Samen jähre alle 1 — 2 Jahre. Die Robinie ist in der Jugend ungemein rasch-
wüchsig, erreicht nicht selten schon im 1. Jahre eine Höhe von 70 cm bis 1 m, mit
10 Jahren 10 m und darüber, doch lässt der Wuchs rasch nach und ist im 30. bis 40.
Jahre im wesentlichen abgeschlossen. Sie erreicht bei uns bis 25 m Höhe und bis
80 cm Stärke und zumeist ein 100 Jahre nicht überschreitendes Alter (nur ausnahms-
weise 200 und mehr), bildet eine lockere, sperrige, unregelmässige, dünnbelaubte Krone,
neigt zum Zwieselwuchs, bildet als Samenpflanze im Schluss unter günstigen Be-
dingungen gerade, schlanke, bis zu beträchtlicher Höhe astreine Stämme, während sie
sich im Freistand in mehrere steil aufstrebende schlanke Aeste gabelt. Ausschlags-
stämme werden fast stets krummwüchsig. Die Bewurzelung ist nur anfänglich
in die Tiefe gerichtet und streicht bald mit starken Wurzelästen seitlich weit aus.
Das Ausschlag vermögen aus Stock und Wurzel ist sehr bedeutend. Die Rinde
bildet früh eine tief netzförmig aufreissende, starke, braungraue Borke. Das ring-
porige Holz besitzt einen nur wenige Jahrringe breiten gelbweissen Splint und
einen grünlich-gelbbraunen, an der Luft stark nachdunkelnden Kern. Die Markstrahlen
sind mit blossem Auge meist nicht erkennbar; die Gefässe des Spätholzes, ähnlich wie
bei Ulmus, nahe der Ringgrenze in konzentrischen Linien angeordnet; sämtliche Ge-
fässe mitAusnahme der des äussersten Jahrringes sind durch Thyllen
verstopft. Das Robinienholz ist ein vortreffliches Werkholz, sehr schwer
(0,58—0,85, im Mittel 0,77), sehr grobfaserig, glänzend, hart, sehr fest, schwer aber
358 III. Klein, Forstbotanik.
schönspalti«^, elastisch, ausserordentlich dauerhaft und brennkräftig. Die Standorts-
ansprüche der Robinie*^) sind ganz eigenartige. Sie gehört zu den anspruchs-
vollsten Holzarten hinsichtlich der Mineralstoffe, die sie dem Boden alljährlich entzieht
und zugleich zu den anspruchslosesten, weil sie auf den ärmsten und dürresten Böden
gedeihen kann, indem sie die Fähigkeit besitzt, sich die MineralstoflFe auch unter
schwierigen Umständen zu beschaffen und ausserdem als Schmetterlingsblütler an iliren
Wurzeln Wurzelknöllchen trägt, so ihren Stickstoff bedarf aus der Luft zu decken
vermag und hinsichtlich des Humusgehaltes keinerlei Ansprüche an den Boden stellt.
Bedingung ihres Gedeihens ist aber, da die Wurzeln, ähnlich wie bei den
Pappeln, weit über den Kronenraum des Baumes hinausgehen, weiter Wurzel-
raum nach der Seite oder auch nach der Tiefe, hinreichend lockerer und
gut durchlüf teter Boden ohne dichten ünkrautfilz, reichlicher Lichtgenus s,
da sie als äusserst lichtbedürftige Pflanze keinerlei Uebersclürmung verträgt und sich
im Bestand frühzeitig verlichtet, und möglichst milde, namentlich vor Frühfrösten
geschützten Lagen, weil sie zwar spät austreibt, aber erst der August den Höhen-
trieb bringt. Schwere Ton-, nasse oder gar moorige Böden eignen sich nicht für sie.
Die Ansprüche an Bodenfeuchtigkeit sind sehr gering und so eignet sich die
Robinie in wärmerem Klima (z. B. in den ungarischen Steppen in giossem Umfang
durchgeführt) vorzüglich zur Bindung des Bodens in baumlosen Sandniederungen, sowie
zur Befestigung von Dämmen, Böschungen, Schutthalden und dergl.
Colutea arborescensLinn^, der gemeine Blasenstrauch, ist
ein bis 3 m hoher Strauch Südeuropas und des Orients mit gefiederten Blättern,
ansehnlichen, goldgelben, in aufrechten Trauben stehenden Blüten, grossen, stark
aufgeblasenen, häutigen Hülsen, als Zierstrauch überall angebaut und,
namentlich auf Kalkboden in Süddeutschland, der Schweiz und den südlichen und öst-
lichen Kronländern Oesterreichs, hie und da im Bergland wild oder verwildert.
1. Cytisus laburnum Linn6, der gemeine B ohnen bäum oder
Goldregen, mit 3zähligen (kleeähnlichen), langgestielten, unterseits grau-
grünen, angedrückt-seidenhaarigen Blättern und langen, hängenden,
goldgelben B l ü t e n trauben, ist ein bis gegen 7 m Höhe erreichender Grossstrauch
mit rutenförmigen Langtrieben und hartem, glänzendem, sehr schwerspaltigem, elasti-
schem, biegsamem, wenig dauerhaftem Holz, dessen schmaler Splint gelbweLss, dessen
Kern gelbbraun oder grünbraun bis schwarzbraun ist. Diese süd- und osteuro-
päische Holzart ist in Mitteleuropa als Zierstrauch überall angepflanzt, nicht
selten auch im Walde verwildert, wild wohl in Südwestdeutschland, der südlichen und
westlichen Schweiz sowie in den südlichen und östlichen Kronländem Oesterreichs.
Ausser auf nassen Standorten gedeiht der anfangs sehr raschwüchsige, aber nur
20—30 Jahre dauernde Goldregen auf Böden verschiedenster Art, besonders auf
trockenen, sonnigen Kalkhängen, so z. B. in der Oberförsterei Grubenhagen ") im süd-
lichen Hannover, wo er bestandbildend im Niederwald, oder als Unterholz im Buchen-
mittelwald, die übrigen Unterhölzer mehr und mehr verdrängend, auftritt und sich
durch ausserordentliche Unempfindliclikeit gegen Druck und Ueberschirmung auszeichnet.
Das Stockausschlag vermögen ist sehr beträchtlich, die Stocklohden rasch-
wüchsiger als die Samenlohden (in 18 Jahren 6V2 m hoch und 5—7 cm stark). Wur-
43) Weise, Robinie und Weymouthskiefer. Mündener forstl. Hefte 12. 1897. p. 1 ff.
44) Frömbling, Der Goldregen und seine forstliche Bedeutung. Zeitschr. f. Forst-
und Jagdwesen 1886. p. 87.
Die Lanbhölzer. § 88. 359
zelbrnt fehlt. Die Wurzeln sind dünn, flach- und weitstreichend. Zur Aufforstung
verödeter Muschelkalkhänge, auf denen andere Holzarten leicht versagen, wird er
empfohlen.
2. Cytisus alpinus Miller, der Alpen-Bohnenstrauch, ist der
vorigen Art in jeder Beziehung sehr ähnlich. Er unterscheidet sich durch unter-
seits freudig grüne, nicht seidenhaarige Blätter und stets kahle,
an den Rändern nicht wulstige Hülsen. Ebenfalls häufig angepflanzt. Seine natür-
liche Verbreitung reicht nördlich aber nicht über die Gebirgswälder der Alpen und
Karpathen hinaus.
3. Cytisus Weldenii Visiani bedeckt als 1— 2 m hoher Strauch im süd-
lichen Dalmatien grosse Karstflächen und ist dort als Bodenschutzholz und als Brenn-
holzlieferant von Bedeutung. Die dunkler gelben, betäubend stark riechenden Blüten
stehen in aufrechten, vielblütigen Trauben. Die Zweige sind kantig.
4. Cytisus nigricans Linn6, der schwärzliche B ohnens-trauch,
verdankt seinen Namen dem Umstände, dass Blätter, Blüten und Hülsen beim Trocknen
schwärzlich werden. Ein kleiner, höchstens ca. 1^2 m Höhe erreichender Strauch
mit dichten, aufrechten, endständigen, reichblütigen Blütentrauben. Von Mittel-
deutschland an südwärts an steinigen, waldigen Oiten.
Die übrigen kleinstrauchigen Cytisusarten entbehren der forst-
lichen Bedeutung und flnden sich als südeuropäische Pflanzen im Gebiet zumeist nur
in den südlichsten Teilen Mitteleuropas.
Ebenso sind die mit meist einfachen Blättchen versehenen Angehörigen der Gat-
tung Genista, Ginster, von denen einzelne Arten oft in Masse auftreten, ledig-
lich forstliche Unkräuter, die durch Verdammung des jungen Holzwuchses gelegentlich
schädlich werden können.
Sarothamnus vulgaris Wimmer (syn. Spartium scoparium
Linn6, Cytisus scoparius Link) der Besenginster, auch Besen-
strauch, Hasenheide (fr. Genet), genannt, ist ein gesellig wachsender Strauch
mit 2gestaltigen, spärlichen, kleinen Blättern, die an der Basis der Triebe ge-
stielt und 3zählig, an der Spitze einfach und sitzend sind. Die sehr grossen, gold-
gelben, gestielten Blüten mit Uhrfeder artig eingerolltem Griffel
stehen einzeln oder zu zweien blattwinkelständig. Der Wuchs ist meist strauchartig,
mit aufrechten oder aufsteigenden, 1 — 2 m langen und bis 5 cm starken Stämmchen
und zahlreichen, aufrechten, ruthenförmigen, kantig gefurchten, grünen A e s t en
und Zweigen. Die Haupt w u r z e 1 dringt, namentlich im Sandboden, tief in den
Boden ein und bildet weit ausstreichende Seitenwurzeln. Als Bewohner der Ebene oder
niederer Gebirge ist der beinahe ganz Europa bewohnende, lichtbedürftige Strauch am
häuflgsten im nördlichen und westlichen Mitteleuropa in milderen Lagen. Empfindlich
gegen strenge Winterkälte wie gegen Früh- und Spätfröste, ist er doch wegen seiner
tiefgehenden Bewurzelung und wegen ungemein lange andauernder Keimkraft seiner
Samen in Kulturen ein schwer auszurottendes Unkraut. Am häutigsten ist er in den
sandigen Niederungen Norddeutschlands als einzige bestandbildende Holzart (Kehheide,
Hasenheide) und im Buntsandsteingebiet des Maines.
Spartium junceumLinn6, der Pfriemen Strauch oder spani-
sche Ginster, ist eine Holzart der Mittelmeerländer, die nördlich bis Südtirol und
dem südlichen Steiermark auf felsigen, sonnigen Hügeln ähnliche Büsche wie der Besen-
ginster bildet, sich aber durch graugrüne Farbe und stielrunde, binsenartige,
fast blattlose Zweige mit einfachen Blättchen augenfällig von dem Besenginster
360 III. Klein, Forstbotanik.
unterscheidet.
Ulex europaeus Linn^, der Stechginster oder Hecksame, im
wesentlichen eine Holzart des westlichen und südlichen Europas, kommt vom westlichen
Norddeutschland bis zur Insel Rügen auf Sandboden, zu dessen Befestigung er sich
unter geeigneten klimatischen Bedingungen wegen seines hervorragenden Stock- und
Wurzelausschlagvermögens vorzüglich eignet, vor und ist auch vielfach als Hecken-
pflanze von sehr sperrigem Wuchs, die das Beschneiden gut verträgt, angebaut. An
den von Dornen starrenden grünen Büschen sind die oberen Blätter der
Triebe in einen gefurchten pfriemlichen grünen Dorn und sämtliche kurzen
Achselsprosse zu ebensolchen einfachen oder verzweigten Domen umgewandelt. In
kaltenWintern erfriertderStechginster biszumBoden, treibt aber
dann vom Stock wieder aus.
Cladrastis amurensis Ruprecht. Amur- Gelbholz. Dieser ja-
panische Baum hat 16 — 30 cm lange, unpaarig gefiederte Blätter mit 3—6
Blattpaaren, die aus der Knospe mit prächtig silberweisser Behaarung hervorbrechen,
und grünlich weisse , in dichten aufrechten Trauben stehende Blüten mit freien
Staubfäden. Er ist von Mayr zu Anbauversuchen empfohlen und auch neuerdings in
den Kreis derselben gezogen worden , weil sein vorzügliches Holz mit sehr
schmalem gelbem Splint und rotbraunem Kern dasjenige der Robinie übertrifft und er
voraussichtlich noch in solchen Klimalagen zunl Baume erwächst, in denen die Robinie
nicht mehr emporkommt. In der Jugend etwas trag-, später raschwüchsig, ist
dieser Lichtholzbaum, der schon mit 10 Jahren Samen trägt, bis jetzt bei uns
völlig hart und stellt ungefähr die gleichen Lebensansprüche, wie Magnolia hypoleuca.
Gleditschia triacanthosLinn6, der Christusdorn, die dreidomige
Gleditschie, aus der Unterfamilie der Caesalpinioideae in der südlichen Hälfte des
atlantischen Nordamerika einheimisch, mit einfach oder doppelt gefiederten Blättern,
unscheinbaren Blüten, 25 — 35 cm langen , bis 4 cm breiten , meist gedrehten Hülsen
und 3teiligen, rotbraunen, spitzen Stammdomen an den jungen Trieben, am Stamm und
den älteren Aesten von reich verzweigten, büschelig zusammenstehe n-
deu, sperrigen, grossenDornenstarrend, ist in der südlichen Hälfte Mittel-
europas als grosser, raschwüchsiger, sehr lichtbedürftiger Zierbaum mit weitausgreifen-
der sperriger Krone verbreitet. In ihrer Heimat erreicht sie auf dem kräftigen Boden
der Flussniederungen 30 — 40 m Höhe und verlangt bei uns zu gutem Gedeihen milde,
dem Wind nicht stark ausgesetzte Lagen und tiefgründigen, fruchtbaren, lockeren
Boden. Ihr wertvolles, im Kern rosarotes Holz, im anatomischen Bau dem Robinien-
holze ähnlich, ist schwer (0,78) sehr grobfaserig, äusserst schwerspaltig , sehr dauer-
haft, biegsam und wenig elastisch. Da sie den Schnitt gut verträgt, ist sie
auf geeignetem Standort auch eine vorzügliche Heckenpflanze.
§89. Ailantus glandulosa Desfontaines, der drüsigeGötter-
b a u m aus der Familie der Simarubaceae, stammt aus China und ist bei uns
in milderen Lagen als Park- und Alleebaum vielfach seit langem angepflanzt. Die ein-
zeln stehenden, grossen (bis 80 cm), paarig gefiederten Blätter tragen am Grunde
der grossen, zugespitzten, eilanzettlichen Blättchen jederseits 1 — 3 kleine, je
eine undurchsichtige Drüse tragende Läppchen, was sie von allen
bei uns vorkommenden Gehölzen unterscheidet. Blüten klein, poly-
gam, grünlich, in endständigen grossen Rispen. Früchte zweiseitig geflügelt, bis
5 cm lang, anfangs rot, dann braun. Der allerdings kurzlebige Baum (40 — 50 Jahre) ist
Die Laubhölzer. § 89. 361
ungemein raschwüchsig (in 5 Jahren bis 5 m), stellt an die Fruchtbarkeit und
namentlich an die Feuchtigkeit des Bodens sehr geringe Ansprüche, wenn der Boden
nur hinreichend tiefgründig und locker ist, und besitzt ein ausserordentliches Aus-
schlagsvermögen aus Stock und namentlich aus den Wurzeln. In Oesterreich-Ungam
im Rebenklima ist er mit Erfolg zur Aufforstung öder Karstengründe verwendet worden.
Phellodendron amurense Ruprecht, der Mandschurische Kork-
b a n m aus der Familie der Rutaceae, ist ein japanischer Baum von sehr statt-
lichen Dimensionen, der in höherem Alter auffallend reiche Korkbildung zeigt,
deswegen von Mayr zu Anbauversuchen empfohlen und auch in den Kreis derselben
gezogen wurde. Seine gegenständigen, unterseits kahlen Blätter gleichen
denjenigen unserer Esche und riechen, zwischen den Fingern zerrieben, unangenehm.
Die 2häusigen, kleinen, grünlichgelben Blüten stehen in endständigen Doldentrauben.
Nach seinem natürlichen Vorkommen verlangt er bei uns Eichenklima und ge-
deiht auf kräftigem, frischem Boden in warmen Lagen sehr gut, die Eiche anWucl^ß-
geschwindigkeit übertreffend, ist winterhart, treibt spät aus, doch dauert die Vegeta-
tion lange in den Herbst hinein, so dass die Triebspitzen regelmässig zurück frieren.
Die erbsengrossen, schwarzen, terpentinhaltigen Steinfrüchte enthalten 5 einsamige
Steine und bleiben mehrere Jahre keimfähig. Die Keimpflanzen werden im 1. Jahre
20 — 25 cm hoch und entwickeln eine Pfahlwurzel mit vielen feinen Faserwurzeln. Die
Rinde enthält einen gelben Farbstoff. Das gelbe Holz ist von grosser Dauer.
Buxus sempervirens Linn6, der gemeine Buchsbaum (Fr. Buis)
aus der den Euphorbiaceen nahestehenden Familie der Buxaceae, ein ungemein
langsamwüchsiger Strauch oder kleiner Baum, der bis 8 m Höhe und Va m Stärke und
ein Alter von mehreren Jahrhunderten erreichen kann, hat kleine lederige, eiförmige,
gegenständige, immergrüne Blätter und kleine, gelblich weisse, schon im März oder
April erscheinende Blüten, die in achselständigen Knäueln stehen. In jedem Knäuel
steht eine weibliche Blüte mit 3 dicken Griffeln inmitten mehrerer männlichen. —
Das hochwertige, hellgelbe, ungemein gleichmässige, hornartige Holz lässt kaum die
Jahresringe erkennen und besitzt sehr enge Gefässe; es ist sehr schwer (0,99 — 1,02),
sehr feinfaserig, äusserst schwerspaltig, fest, glanzlos und dauerhaft, und bekanntlich
das wertvollste Material für Holzschnitte. — Der in unseren Gartenanlagen allent-
halben angepflanzte Buchsbaum ist eine Holzart des Mittelmeergebiets, die nördlich der
Alpen nur selten wild wachsend vorkommt, so namentlich an gebirgigen Orten im
Moseltal bei Bertrich, auf der Buchshalde bei Grenzach in Baden und auf dem schweizer
Jura bei Pieterlen *^) , wo ein ganzes Wäldchen von 325 4—8 m hohen Bäumchen
stockt. — Obwohl der Buchsbaum steinige, sonnige Hänge oft mit einem dichten Mantel
überzieht, ist er doch in hohem Masse schattenertragend.
Empetrum nigrum Linn6, die Krähen- oder Rauschbeere aus
der nahe verwandten Familie der Empetraceae, ist ein hochnordischer, kleiner,
heidekrautähnlicher, immergrüner Strauch mit am Rande zurückgerollten, nadelähn-
lichen, oft scheinbar quirlstständigen Blättchen und erbsengrossen, schwarzen
Beeren. Der gesellig wachsende Kleinstrauch ist in ganz Zentraleuropa zer-
streut , namentlich im Norden in moorigen Kiefernwäldern auf Sandböden (Empetrum-
heiden) etc., auf Hochmooren der deutschen Mittelgebirge und in den Alpen häutig.
Aus der Familie der Anacardiaceae reichen 3 im Mittelmeergebiet ein-
45) Schweizer Zeitschr. f. Forstwesen 1898. p. 151 mit Abbildung.
B62 III. Klein, Forstbotanik.
heimische Holzgewächse mit der Nordgrenze ihres Verbreitungsgebiets noch in das
südliche Zentraleuropa herein.
1. PistaciaLentiscu8Linn6, derMastixstrauch,istin ansgedehn-
tem Masse an der Zusammensetzung der immergrünen Buschformation, der Macchien,
namentlich auf steilem und steinigem Gelände in Istrien und Dalmaüen beteiligt und
bleibt hier meist strauchförmig. Die trag wüchsigen, aromatisch duftenden, kräftig be-
wurzelten und sehr reproduktionsfähigen dichten Büsche haben immergrüne, paarige
Fiederblätter mit 3—7 (meist 5) Paaren 1,5 — 3 cm langer, schmaleiförmiger, derber,
kurzbespitzter, ganzrandiger Blättchen an schmal geflügelter Mittelrippe. Die Rinde
liefert das wohlriechende Mastixharz; die Blätter dienen zum Gerben.
«
2. Pistacia Terebinthus Linn6, die Terpentin- Pistazie, geht
weiter nach Norden und findet sich noch in Südtirol und Krain ; sie neigt mehr zu baum-
artigem Wuchs. Die s o m m e r g r ti n e n Blätter sind derb , unpaarig gefiedert
mit 2 — 4 Paaren schmal bis breit-eiförmiger 4 — 8 cm langer Blättchen an unge-
flngelter Mittelrippe. Das sehr schwere (0,9-1,1) Holz mit wechselnder, zuweilen
schön kastanienbrauner Kernfärbung ist ein wertvolles Drechslerholz.
RhusCotinus Linn6 (syn. Cotinus Coggygria Scopol i), der be-
kannte Perrtickenstrauch unserer Gärten, mit beinahe kreisrunden bis rundlich
eiförmigen Blättern und endständigen grossen Blüten rispen, deren behaarte
Blütenstiele sich nach dem Verblühen der meist unfruchtbaren, abfallenden Blüten
bedeutend verlängern, Ist nordwärts bis zur südlichen Schweiz, bis Südtirol,
wo er fast in alle Niederwälder eingesprengt ist, bis in die Umgebung Wiens und bis
ins südliche Ungarn verbreitet auf sonnigen Hügeln, namentlich im Kalkgebirge. Seine
Blätter sind ein wertvolles Gerb- und Färbematerial ; auch das goldgelbe Holz (Fisett-
holz) dient zum färben.
§ 90. Hex aquifolium Linn6, der gemeine Hülsen, auch Chri-
stusdorn oder (zumeist) Stechpalme genannt, aus der Familie der
Aquifoliaceae (Fr. Houx), ist eine an mildes See- oder luftfeuchtes Gebirgsklima
gebundene, äusserst trägwüchsige Holzart Süd- und Westeuropas, die in Zentraleuropa
auf fiischem, sandigem oder kalkreichem Boden, meist als Unterholz schattiger Laub-
und Nadelholzwaldungen, in der westlichen norddeutschen Zone von Rügen bis zum
Niederrhein, in den Vogesen, im Schwarzwald, im Jura und in den Alpen (bis 1200m!)
zerstreut vorkommt, meist strauchförmig bleibt und nach dem Abhieb reichlichen Stock-
ausschlag treibt, auch das Beschneiden gut verträgt (Heckenpflanze). Die Krone ist
bei baumartigem Wuchs pyramidal mit 5 — 8 cm langen, kurzgestielten, oberseits glänzend
dunkelgrünen, unterseits mattgrünen, am Rande welligen, grobdornig gezähnten
Blättern an den unteren Zweigen, während dieselben etwa von Mannshöhe an häufig
einen glatten unbewehrten Rand haben. Nur in West- und Südeuropa bildet die Stech-
palme mehrhundertjährige, bis 15 m hohe und V2 m starke Bäume, wälirend sie bei
uns stets erheblich kleiner bleibt. Die kleinen, weissen Blüten stehen in den Blatt-
achseln gehäuft, die erbsengrossen, scharlachroten Steinfrüchte enthalt-en 4 einsamige
Steinkerne, die meist erst im 2. Jahre nach der Frühlingssaat keimen. Das gelblich
bis grünlich weisse, zerstreutporige Holz mit kleinen Gelassen und sehr feinen Mark-
strahlen und Jahresringgrenzen ist hart und schwer (0,78), sehr gleichmässig und fek-
faserig, schwerspaltig, schwindet stark und wirft sich sehr (Drechslerholz).
Staphylea pinnata Linn6, die gemeine Pimpernuss, aus der
Familie der Staphyleaceae, als Gartenzierstrauch allgemein beliebt, kommt
meist vereinzelt und sehr zerstreut auf nahrhaftem, namentlich kalkreichem Boden und
1
Die Laubhölzer. § 91. 363
lichten Standorten in Bergwäldern der rheinischen und süddeutschen Zone, sowie in
den nördlichen Vorbergen des ganzen Alpenzugs (bis ca. 600 m) und sonst mitunter
auch verwildert vor. Sie bildet stattliche, 2—5 m hohe Sträucher, die schon vor dem Ab-
hieb reichlich schlanke Ausschlaglohden bilden, und hat gegenständige, 12 — 20 cm lange,
unpaarig gefiederte Blätter mit meist nur zwei 5 — 9 cm langen, eiförmig zugespitzten
Fiederpaaren. Die weissen, glockigen Blüten bilden trugdoldig verästelte, hängende
Trauben; die ca. 4 cm grossen, dünnhäutigen, aufgeblasenen, grünen Früchte sind
Sfächerig mit meist je einem verkehrt eiförmigen, glänzend gelbbraunen, ölreichen, ess-
baren, grossen Samen, der meist erst nach Ijährigem Ueberliegen keimt. Das zerstreut-
porige, gelblichweisse Holz mit deutlichen, zahlreichen Markstrahlen und Jahresringen
ist sehr hart, schwer (0,82) und schwerspaltig (Drechslerholz).
Die Spindelbäume, Evonymus, aus der Familie der Celastraceae,
sind Sti'äucher oder kleine Bäume mit einfachen, gegenständigen Blättern und
spielen forstlich eine bescheidene Kolle als Unterholz. Die 4- oder 5zähligen Blüten
stehen in achselständigen, langgestielten Trugdolden. Die sehr charakteristischen rosen-
roten Kapselfrüchte enthalten von fleischigem rotem Samen mantel
(Arillus) umhüllte Samen.
1. Evonymuseuropaea Linn6, der gemeine Spindelbaum oder das
Pfaffenkäppchen (fr. Fusain) bildet sperrige Sträucher, seltener kleine Bäume (bis 6 m
Höhe) mit grünen, durch Korkflügel vierkantigen Zweigen, mit ca. 4 — 6 cm langen,
eilanzettlichen Blättern, 4zähligen , grünlichen Blüten, zahlreichen , u n g e-
flügelten, meist stumpf 41appigen Kapseln und weisslichen, vom orange-
roten Arillus völlig eingehüllten Samen. Das Verbreitungsgebiet dieser häu-
tigsten Art umfasst beinahe ganz Europa, wo er sich auf fruchtbarem, frischem, kalk-
reichem Boden zerstreut an Waldrändern, Hecken, Feldgehölzen, sowie in lichten
Wäldern der Ebenen, Hügel und Vorberge wildwachsend findet. Er hat wie alle
Spindelbäume ein kräftiges Ausschlagvermögen. Das Holz hart, gelbweiss (Drechslerholz).
2. Evonymus latifolius Scopoli, der breitblätterigeSpindel-
b a n m, ist ein 4 — 6 m hoher Strauch des Mittelmeer gebietes, der nördlich bis zu
den Alpenländern und dem südlichen Ungarn vorkommt, im allgemeinen aber selten
ist. Die Blätter sind bis 10 cm lang und bis 6 cm breit, die bräunlichen Blüten
meist Dzählig, die rutenförmigen, etwas zusammengedrückten Zweige ohne Kork-
flügel, die meist ölappigen Kapseln geflügelt kantig, die Samen wie
bei vorigem.
3. Evonymus verrucosus Scopoli, der warzige Spindel bäum,
ist eine osteuropäische Holzart, in allen Teilen kleiner als der gemeine S., mit stiel-
runden, dicht mit grossen Korkwarzen bedeckten, olivgrünen Z weigen,
4zähligen Blüten und schwarzen, an dünnen Fäden lang aus den Fruchtfächem
heraushängenden Samen, welche von dem hochroten Arillus nur zur Hälfte
umhüllt sind.
§ 91. Die Familie der Aceraceae enthält ausser der Gattung Dipteronia
mit 1 Art nur die ca. 100 baumartige Arten umfassende Gattung Acer, Ahorn.
Blüten eingeschlechtig oder scheinzwittrig, 5- (selten) 4zählig, in endständigen
Trauben oder Rispen, meist nur 8 Staubgefässe. Die männlichen Blüten besitzen
lange Staubfäden und einen kleinen, verkümmerten Fruchtknoten, die schein-
zwittrigen weiblichen dagegen einen wohlentwickelten Finichtknoten und
kurze, scheinbar normale, aber den Pollen nicht entleerende Staubfäden.
Fruchtknoten 2fächerig, mit je 2 Samenknospen, bei der Reife in 2 einsamige
364 III. Klein, Forstbotanik.
lan j^gef lügelte, nussartige Teilfrüchte zerfallend. Blätter gregen-
ständif?, ohne Nebenblätter, meist bandförmig gelappt, seltener ungeteilt oder ge-
üedert. Echte Cripfelknospen. Keimung mit Ausnahme von A. dasycarpom
oberirdisch.
1. Acer Pseudoplatanus Linn6, Bergahorn (fr. Erable). Knospen
ansehnlich, grün beschuppt, an den Seiten der bräunlich grauen, kahlen Zweige
abstehend. Endknospe wie bei allen Ahornarten grösser. Blätter langge-
stielt, 8 — 16 cm lang, oberseits glänzend dunkelgrün, kahl, unterseits
hell graugrün, in den Nervenwinkeln weissfilzig behaart, 51appig mit herzför-
migem Grund, die untersten Lappen viel kleiner als die 3 andern; Lappen am Grunde
etwas verschmälert, mit konvexen Umrisslinien, spitz, grob gesägt, durch
spitze Buchten getrennt. Blüten in endständigen, hängenden, aas
3blütigen Trugdolden zusammengesetzten Trauben, nach dem Laubausbrach
erscheinend. Teilfrüchte erbsengross, mit langen, grünlichen, netzaderigen, kahlen
Flügeln, deren Rückenlinien meist einen spitzen Winkel mit einander
bilden. — Die Mannbarkeit tritt bei im Schlüsse aus Samen erwachsenen Bäamen
meist nicht vor dem 40., im Freistand nicht vor dem 25. Jahre ein, bei Stockaus-
schlägen oft schon mit dem 10. Jahre , Laubausbruch im April , Blütezeit
Ende April oder Mai , Fruchtreife im September , Abfall von Oktober an.
Samen jähre in der Ebene fast alljährlich, im Gebirge alle 2 — 3 Jalire. Keim-
fähigkeit 50 — 60®/o, Dauer der Keimkraft ca. 1 Jahr. Das Auflaufen er-
folgt bei Frühjahrssaat nach 5 — 6 Wochen mit grossen, zungenförmigen, parallel-
nervigen Keimblättern. Erstlingsblätter spitz eiförmig, grob gesägt. Die
einjährige Pflanze wird 10 — 15 cm lang, der Höhenwuchs ist in der Jugend bis
zum 20. oder 30. Jahre rascher als bei der Rotbuche, lässt dann nach und ist mit 8()
bis 100 Jahren mit ca. 20 — 25 m Gesamthöhe abgeschlossen, doch dauert das Dicken-
wachstum unter günstigen Umständen noch sehr lange an und der Baum kann 2—3 m
Durchmesser und ein Alter von 400 — 500 Jahre erreichen. Im Bestandesschluss bildet
der Bergahorn sehr regelmfissige, vollholzige, hoch hinauf astreine Stämme, während er
im Freistand eine tiefangesetzte, sehr starkästige, mächtige, schattende Krone und einen
dickeren, abholzigen Stamm entwickelt. Die in der Jugend vorhandene Pfahl-
wurzel lässt bald nach und im Alter besteht das Wurzelsystem aus einigen starken,
tief in den Boden dringenden , wenig verzweigten Herz wurzeln , nur auf schlechtem
Boden kommen weitausstreichende Seitenwurzeln zur Ausbildung. Das Stockaus-
schlag vermögen liefert reichliche und raschwüchsige Ausschläge, ist aber nicht an-
dauernd. Die Rinde bleibt sehr lange glatt und grau und bildet erst spät eine hell-
bräunliche, in flachen breiten Schuppen abblätternde, sehr charakteristische Borke.
Das zerstreutporige Holz ist durchweg von schön weisser Splintfarbe , seine
engen, sehr gleichmässig verteilten Gefässe sind mit blossem Auge nicht zu erkennen,
die Jahrringgrenzen dagegen und die verschieden starken Markstrahlen sehr scharf.
Das Bergahomholz ist ein zu sehr mannigfachen Zwecken brauchbares Nutzholz; es
ist mittelschwer (0,53 — 0,79, im Mittel 0,60), ziemlich feinfaserig, atlasglänzend, fest
ziemlich elastisch, mittel-zähbiegsam, hart, schwer- aber geradspaltig, nur im Trocknen
von Dauer, dem Wurmfrass wenig ausgesetzt, massig schwindend und sehr brennkräftig.
An alten, im Freistand erwachsenen Bäumen zeigt die untere Stammpartie oft schönen,
sehr geschätzten Maserwuchs. Das natürliche Verbreitungsgebiet deckt sich unge-
fähr mit demjenigen der Weisstanne und ist, wie bei jener, durch Kultur w^eit über die
natürlichen Grenzen erweitert ; seine grösste Vollkommenheit erreicht der Baum in der
Alpenzone. Er tritt meist nur eingesprengt oder horstweise, namentlich in Bergwäldem
Die Laubhölzer. § 91. 365
oder freistehend auf Alpenmatten auf. Nach seinen Standortsansprüchen ge-
hört er, mit Ausnahme der Wärme, an die er massige Anforderungen stellt, zu den
anspruchsvollsten Holzarten und erreicht nur auf sehr fruchtbarem , tiefgründigem und
lockerem, mineralkräftigem Boden vollkommene Entwickelung. Ebenso gehört
er zu den wasserbedürftigsten Holzarten und verlangt einen stets frischen
Boden und gedeiht auch in feuchten Gebirgstälern freudig, nicht aber in stauender
Nässe, in den tieferen Lagen die luftfeuchteren Schattenseiten, in den höheren die Sonnen-
seiten bevorzugend. Sein Lichtbedürfnis, etwa zwischen Eiche und Ulme stehend,
ist, namentlich in der Jugend, auf günstigem Standort ein massiges, und reine Horste
verlichten sich verhältnismässig spiit. In höherem Alter verträgt er aber die Ueber-
schirmung sowie die Bedrängung der Krone durch Nachbarbäume schlecht.
Das \' a r i a t i 0 n 8 V e r m ö g e n des Bergahorns betrifft nur die Gestalt der
Blätter und Früchte, hinsichtlich deren beträchtliche Abweichungen vom Typus
vorkommen.
2. Acer tataricum Linn^, der tatarische Ahorn, ist eine südost-
europäische Holzart, die in den Wäldern der südöstlichen Hälfte Oesterreich-Ungams
eingesprengt wild vorkommt und hier meist nur Büsche oder kleine, bis 6 m hohe
Bäume bildet. Die kleinen, 6 — 8 cm langen und etwas schmäleren Blätter sind
beiderseits grün und am Rande ungeteilt oder doch nur seicht gelappt. Die ebenfalls
nach der Entfaltung des Laubes aufbrechenden Blüten bilden endständige, auf-
rechte, reichblntige Rispen. Die Früchte haben meist schön purpurrot gefiirbte,
aufrechte, oft gekrümmte Flügel.
3. Acer platanoides Linn6, der Spitzahorn, ist von geringerer
Bedeutung für den Wald als der Bergahorn, von welchem er sich durch folgende Merk-
male unterscheidet ; Knospen etwas armschuppiger, meist rot überlaufen, den
glänzend braunen Zweigen angedrückt. Blätter beiderseits kahl und glän-
zend grün mit buchtig und fein zugespitzt gezähnten Lappen, die durch gerundete
Buchten von einander getrennt sind. Die Stiele und Rippen jüngerer Blätter enthalten
einen weissen Milchsaft. Blüten (manchmal 2häusig) in aufrechten, reich-
blütigen Ebenstr aussen vor demLaubausbruche (selten mit demselben)
aufblühend. Die Flügel der beiden Teilfrüchte bilden mit ihren Rückenlinien einen
sehr stumpfen Winkel. Die Sanienproduktlon ist im allgemeinen noch reichlicher.
Die Mannbarkeit tritt 5 — 10 Jahre früher ein. Die Bewurzelung geht etwas
weniger tief, aber mehr in die Breite. Der Höhen- und Stärke wuchs ist,
wenigstens in Mitteleuropa, im ganzen geringer als beim Bergahorn, wenn auch an-
fanglich etwas rascher. Das Alter überschreitet selten 150 Jahre. Die Rinde bil-
det frühzeitig eine vorwiegend längsrissige, schwärzliche, nicht
abblätternde Borke. Das Holz ist dem des Bergahoms sehr ähnlich, schwer
(0,56 — 0,81, im Mittel 0,74), etwas grobfaseriger und steht jenem an Güte und Wert
etwas nach. — Das natürliche Verbreitungsgebiet des Spitzahorns
umfasst die nördliche Hälfte Europas, wo er in Schweden bis 6P, in Norwegen bis
63^ n. B. geht. Vorwiegend ein Baum der Ebene und des Hügellandes, bleibt er in
den Alpen, wo er viel seltener als der Bergahom ist, hinsichtlich der Höhenverbreitung
weit hinter demselben zurück. Im nördlichen Mitteleuropa ist er viel häuliger, nament-
lich in Auenwäldern, als im südlichen, kommt aber auch dort fast stets nur eingesprengt
vor. In seinen Standortsansprüchen ist er etwas bescheidener als der
Bergahom, namentlich hinsichtlich der Tiefgründigkeit und Frische des Bodens; er
kann aber noch auf nassem Bruchboden fortkommen und zeigt überhaupt ein etwas
grösseres Anpassungsvermögen.
366 III. Klein, Forstbotanik.
3. Acer campestr e Linn6, der Feldahorn oder Massholder,
hat kleine, ca. 5 — 7 cm lange, handförmig (3 — )51appige Blätter mit meist stum-
pfen Lappen, von denen der mittelste stets 31appig ist, während die seitlichen
ganzrandig oder gelappt sind. Blattstiele und junge Triebe wie beim Spitzahorn mit
Milchsaft. Blüten in aufrechten oder zuletzt überhängenden Ebensträussen, meist
mit, seltener nach der Entfaltung der Blätter aufblühend. Früchte etwas kleiner
als bei vorigen mit gerade abstehenden, oft einen überstumpfen Winkel bildenden röt-
lichen Flügeln. — Der Feldahom ist von den einlieimischen Arten am trägwüchsigsten,
bleibt auf schlechtem Boden vielfach strauchartig oder entwickelt bis höchstens 10 m
hohe Bäume, während er unter günstigsten Bedingungen in 50—60 Jahren 12 — 14 m
Höhe, ausnahmsweise später auch 20 m erreichen kann und, namentlich im Freistand,
erheblich über 100 Jahre alt und 60 — 70 cm stark werden kann. Bewurzelung
reich verästelt und je nach Standort mehr oder weniger tief. Rinde jung lebhaft
braun und glänzend, an ein- und mehrjährigen Zweigen, namentlich bei strauchigen
Formen, oft von echtem Kork ringsum korkfltigelig, später eine netzartig aufgerissene
(im Schlüsse eine mehr rechteckig gefelderte) hell-graubraune, korkreiche Borke bildend.
Das häufig Maserwuchs zeigende Holz ist rötlichweiss, lässt die Markstrahlen mit
blossem Auge meist nicht mehr erkennen und enthält zuweilen bräunliche Markflecke;
es ist noch etwas schwerspaltiger als das der vorigen Arten, mit denen es sonst im
wesentlichen übereinstimmt, ein geschätztes Material für Drechsler und Bildschnitzer.
— Das Verbreitungsgebiet des Feldahorns umfasst, mit sehr ungleicher Verteilung, den
grössten Teil Europas mit Ausnahme des nördlichen Skandinaviens und Russlands,
sowie Griechenlands und der Südhälfte Spaniens. Als Baum der Ebenen und des Hü-
gellandes findet er sich in Feldgehölzen und Hecken, an Waldrändeni und eingesprengt
im Mittel- und Niederwald. Auch als Heckenpflanze wird er wegen seines grossen
Ausschlagvermögens gelegentlich gezogen. In seinen Standortsansprüchen ist er hin-
sichtlich des Bodens genügsamer und anpassungsfähiger als der Berg- und Spitzahorn,
verträgt auch mehr Beschattung, obwohl er nur im vollen Lichtgenuss zum stattlichen
Baume erwächst; dagegen ist er wärmebedürftiger.
Hinsichtlich der Grösse und Zerteilung der Blätter variiert der
Feldahoni in der Natur mehr als die anderen einheimischen Art-en.
§ 92. 4. Acer m onspessulanum Linn6 (Syn. A. trilobum Mönch),
der dreilappige oder französische Ahorn, ist eine trägwüchsige, in ihrer
äusseren Erscheinung dem Feldahorn ähnliche Holzart, die mit Vorliebe sonnige,
steinige Standorte bewohnt und sich ausser im ganzen Mittelmeergebiet als Holzart
des Berglandes in den südlichen Kronländern Oesterreich-Ungams, in der südlichen und
westlichen Schweiz, in der Pfalz und im mittleren Rheingebiet und Umgegend zer-
streut vorfindet. Die kleinen, 4 — 6 cm langen, 3 lappigen und 3nervigen, unterseits
graugrünen Blätter mit meist ungeteilten bis welligen, stumpfen Lappen und
die kahlen Früchte, deren kahle, rötliche Flügel abstehen und mit den Rändern
oft übereinander greifen, unterscheiden ihn leicht vom Feldahorn.
5. Acer obtusatum Waldstein et Kitaibel, der stumpfblätte-
r i g e Ahorn, ist eine s ü d e u r o p ä i s c h e , am häufigsten auf der Balkanhalbinsel
auftretende Holzart, die bis Istrien und Dalmatien sowie dem südlichen Ungarn nord-
wärts verbreitet ist und einzeln oder horstvveise eingesprengt in Gebirgswäldern mit
frischem Kalkboden vorkommt. Der raschwüchsige, 15 — 20 m Höhe eiTeichende,
im Aussehen dem Bergahorn ähnliche Baum hat bis 10 cm lange, sehr variable, 3- bis
ölappige, oberseits kahle, unterseits oft bleibend g r a u f i 1 z i g e Blätter mit stumpfen
bis stumpf gezähnten kurzen Lappen und behaarten Stielen und schlaff hängende,
Die Laubhölzer. § 92. 367
lockeren Quasten ähnliche, vielblütige Doldentrauben. Die kahlen Früchte
haben meist rechtwinkelig divergierende Flügel. — Als Zierbaum bis zum südlichen
Norwegen angebaut.
Von den sehr zahlreichen bei uns in Grärten und Anlagen kultivierten auslän-
dischen Ahornarten sind folgende 3 Amerikaner in den Kreis der forst-
lichen Anbauversuche gezogen worden :
6. Acer saccharinura Wangenheim (nicht Linn6) der Zucker-
ahorn (vSyn. A. nigrum und A. barbatum Michaux; A. Saccharum Marshall der
neuen amerikanischen Nomenklatur), aus dessen Saft in seiner Heimat Zucker bereitet
wird, ein Baum, um den wir, nach Mayr, allen Grund haben, die Amerikaner zu be-
neiden, ist im ganzen östlichen Nordamerika von Neufoundland bis Texas und Florida
verbreitet und im nördlichen, klimatisch unseren Buchenrevieren ähnlichen Teil dieses
grossen Gebietes hervorragend an der Waldbildung beteiligt, so am Südufer des Lake
superior, wo ^/4 der dortigen grossen Waldungen aus dieser Holzart bestehen, die dort
in löO— 200 Jahren im Durchschnitt 27 m Höhe mit bis 14 m astlosem Schaft
bei 67 cm mittlerem Durchmesser erreicht haben ; auch in Deutschland haben wir alte
Stämme von 25 — 30 m, da der Baum schon 1735 als Parkbaum eingeführt wurde.
Blätter variabel, 3 — ölappig, denen des Spitzahorns ähnlich, aber nicht
milchend, mit gerundeten Buchten, unterseits meist graugrün und zerstreut
weicbhaarig, vor Eintritt des Frostes im Herbste orange-purpur-
rot. Blüten in schlaff hängenden Ebensträussen, lang gestielt, ohne Blumenkrone.
Früchte kahl, kugelig, mit ziemlich breiten, aufgerichteten Flügeln. Die hellgraue,
lange geschlossen bleibende Rinde bildet eine braune, schmalrissige Borke, die
sich im hohen Alter in lose hängenden Fetzen abschält. Das sehr wertvolle röt-
lichweisse Holz ist ziemlich schwer (0,65 — 0,75), fest, seidenglänzend und ziem-
lich feinfaserig, schwer aber glattspaltig und zeigt ziemlich häufig schöne Maser-
bildung. In seinen Standortsansprüchen steht der Zuckerahorn unserem Spitz-
ahorn nahe, er hat eine tief gehende Bewurzelung, ist in den ersten Lebensjahren
etwas trägwüchsiger und verlangt Seitenschutz; vom 5. Jahre geht er bei uns in die
Höhe und ist mit 6 Jahren schon 2 m hoch. Er ist voraussichtlich als eine wertvolle
Einführung zu betrachten.
7. Acer dasycarpum Ehr hart (=A. saccharinum Linn6 der
neueren amerikanischen Nomenklatur!) der Silberahorn, auch
weisser oder woll früchtiger Ahorn genannt, stammt aus dem gleichen
Verbreitungsgebiet wie der vorige, mit dem Optimum im üfergebiet des Ohio. Schon
in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa eingeführt, ist der schöne, rasch-
wüchsige Baum, der frischen, lockeren, kräftigen Boden verlangt, schon in der Jugend
ein äusserst kräftiges Wurzel System entwickelt und bei uns vollständig frost- und
winterhart ist, vielfach als Zier- und Alleebaum angepflanzt. Die zierlich geformten
Blätter sind bis 12cm lang, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits matt bläu-
lichweiss, tief bandförmig ölappig, die tief eingeschnitten gesägten Lappen be-
rühren sich wie zwei sich schneidende Kreisbogen. Endknospen mit den beiden
untersten, bis zur Spitze reichenden Schuppen die übrigen verdeckend, Seitenknospen
angedrückt, mehrschuppig. Blüten rötlich, im Gegensatz zu allen vorhergehenden
ohne D i s c u s , sehr kurz gestielt, ohne Blumenkrone, in dichten Büscheln lange vor
dem Laubausbruch aus Seitenknospen hervorbrechend ; Fruchtknoten dicht
filzig; Früchte zuletzt kahl, mit sehr grossen Flügeln, schon in der 1. Hälfte
Juni reifend und am besten gleich ausgesät. Keimung nach 14 Tagen bis 3 Wochen.
Einjährige Pflanzen bei uns 20 — 30 cm lang, in Amerika nach Mayr bis 70 cm.
368 III. Klein, Forstbotanik.
öOjälirlge Bänme erreichen noch in Mitteldeutschland bis 30 m Höhe. Die lange glatt
bleibende graue Rinde bildet später eine dünnschuppige Borke. Das weissliche
Holz ist mittelschwer (0,52 — 0,71), leichtspaltig, aber nicht elastisch, unsern
einheimischen Arten nachstehend. Da überdies der Baum Neigungen sperriger Kronen-
bildung aufweist und wegen seines leichten, spröden Holzes leicht vom Winde zerfetzt
wird, dürfte seine Anbauwürdigkeit im Walde eine beschränkte bleiben.
8. Acer negundo Linn6 (Syn. Negundo aceroides), der öst-
liche eschenblätterige Ahorn, ist gleichfalls ein bei uns, namentlich in Süd-
deutschland, vielfach als Park- und Strassenbaum angepflanzter Ahorn des östlichen
Nordamerika, wo er vom Lorenzostrom bis zum Mississippidelta und westlich bis zum
Felsengebirge als einer der häufigsten Waldbäume verbreitet ist, nach Mayr aber nor
im tiefen, kräftigen Boden der Flussniederungen einen nutzbaren Schaft von geringem
Gebrauchswert entwickelt. Blätter gross, unpaarig gefiedert, mit meist
2, seltener 1 oder 3 — 5 Paaren von eilanzettlichen, 5 — 10 cm langen, meist kahlen,
seltener unterseits etwas behaarten Fiederblättchen. Blüten lange vor dem Laub-
ausbruch aus seitenständigen Knospen, 2 häusig, klein, grünlich, ohne Discus
und Blumenkrone, die männlichen langgestielt, mit nur 4 — 6 sehr langen
und feinen Staubfäden, in hängenden Büscheln, die weiblichen in schlaffen, hängen-
den Trauben. Früchte klein, kahl, auffallend hell, mit durchscheinenden, spitz-
winkelig zusammenstossenden, oft einwärts gekrümmten Flügeln. Die anfangs glatt
gelbgraue Rinde bildet später eine quer- und längsrissige dicke Borke. Das Holz
ist hellgelb, von spez. Gewicht 0,55 — 0,60, hart und spröde. — Der eschenblätterige
Ahorn ist auch bei uns in der Jugend ungemein raschwüchsig, (Jährlinge bis 1 m,
3jährige bis 3 m, 9jährige bis 7 (und 9) ml), doch lässt der Höhenwuchs meist schon
vom 6. Jahre ab nach und wird dann von unseren gewöhnlichen Ahomai'ten über-
holt ; ausserdem ist der Wuchs der sehr starken Krone ein ungemein sperriger. Schon
im 1. Jahre entwickelt diese Art eine bis 50 cm lange Pfahlwurzel mit mehreren
kräftigen Seitenwurzeln; später überwiegt das Wachstum der Seitenwurzeln, die be-
reits im 3. Jahre 1^/2 m Länge erreichen können. Diese sehr frühzeitig ergrünende,
gegen Beschattung empfindliche Lichtholzart besitzt ein grosses Ausschlagvermögen,
ist namentlich auf Freilagen etwas frostempfindlich und verlangt einen frischen bis
feuchten, lockeren, etwas lehmigen Boden, gedeiht sogar auf Moorboden
noch recht gut, während er auf trockenem Boden überall versagt hat. Die
neueren Anbauversuche wurden mit der durch besondere Raschwüchsigkeit ausgezeich-
neten Form violaceum mit violett bereiften Zweigen ausgeführt. Wenn diese Form
von den Gärtnern vielfach auch als A. negundo californicum bezeichnet wird, so kann
dies nur zu unliebsamen Verwechselungen führen; der echte A. californicum
Torrey et Gray ist ein kleiner, frostempfindlicher, bei uns nicht mehr
gedeihender Baum, mit sammetfilzigen jüngeren Zweigen und Blattstielen und
unterseits weichhaarigen Blättern.
§ 93. Aus der Familie der Hippocastaneaceae ist die in den Ge-
birgen Nordgriechenlands in schattigen Waldschluchten der unteren Tannenregion, in
einer Meereshöhe von 10(K)— 1300 m heimische, als Zier- und Alleebaum allenthalben
verbreitete Aesculus hippocast anum Linnö, die gemeine Rosska-
stanie (fr. Marronier) ihrer Schönheit und ihrer als Wildfutter wertvollen, sehr
stärkereichen Samen halber meist von bescheidener forstlicher Bedeutung und an Wald-
strassen, Bestandesrändern und freien Plätzen im Walde gelegentlich angepflanzt
Knospen sehr gross, namentlich die Endknospen, klebrig, glänzend. Blätter
Die Lanbhölzer. § 94. 369
gegenständig, langgestielt, gefingert mit 5 — 7 verkehrt eiförmigen, gespitzten, am Rande
doppelt gesägten , bis 20 cm langen , sitzenden Blättchen. Blüten nach dem
Lanbausbruch in grossen, aufrechten, schlank kegelförmigen, aus Wickeln zusammenge-
setzten Trauben, zumeist rein männlich, zum kleinen Teil zwitterig oder weiblich, mit
meist 5weissen, gelb- oder rotgefleckten Blumenblättern und meist 7 niedergebogenen
Staubfäden. Frucht kapseln bis 5 cm gross, kugelig, ziemlich weichstachelig, 3 grosse
rotbraune, rundliche Samen, die „Rosskastanien'* enthaltend, die den „Früchten**
der Edelkastanie sehr ähneln und mit dicken, fleischigen Keimblättern 3—4 Wochen
nach Frühlingssaat keimen. Die junge Pflanze erreicht schon im 1. Jahre eine Höhe
vom \'2 m und bildet eine lange Pfahlwurzel, die aber später bald nachlässt, so dass
die Bewurzelung hauptsächlich flach und weit ausstreichend wird. Das massige
Ausschlagvermögen ist nicht andauernd und liefert nur Stocklohden. Der raschwüchsige
Baum, der auf gutem Standort schon mit 10 — 15 Jahren mannbar werden kann, hat
in der Regel eine tiefangesetzte, starkästige, breite Krone, die durch die Horizontal-
stellung der grossen Blätter sehr schattet, aber ähnlich der Linde und Weissbuche
auch viel Schatten verträgt. Die Höhe des Baumes kann bis 20 m, die Dicke bis über
1 m, das Alter bis ca. 200 Jahren betragen. Der kurze, starke, vollholzige Stamm
ist stets nach rechts drehwüchsig. Die schwarzgraubraune, lange geschlossen bleibende
Rinde bildet später eine in dünnen Schuppen abblätternde Borke. Das sehr gleich-
massige, massig schwindende (5°/o), leichte, gelblich weisse , weiche und leicht-
spaltige, zerstreutporige Holz hat geringe Dauer, unzureichende Festigkeit und ge-
ringen Brennwert. Zu vollkommener Entwicklung beansprucht die Rosskastanie einen
lockeren, humosen, sandigen, ziemlich tiefgründigen Boden von massiger Frische, wäh-
rend sie hinsichtlich des Klimas sehr anpassungsföhig und ziemlich anspruchslos ist
(gedeiht noch bis zum 68^^ in Norwegen).
2. Aesculus carneaWilldenow (= A. rubicundaLodd), die rote
Rosskastanie, wahrscheinlich ein Bastard zwischen der vorigen und der ameri-
kanischen Pavia rubra, hat kleinere, kurzgestielte Blättchen, die in der Mitte
am breitesten sind, rosa bis purpurrote, gelbgefleckte, beinahe 21ippig glockig
zusammenschliessende Blumenblätter, aufrechte Staubfäden (meist 8),
nicht klebrige Knospen und kleinere, meist glatte, seltener teilweise
stachelige Früchte. Häufig als Zier- und Alleebaum, etwas frostempfindlicher, ca.
14 Tage später blühend.
Die Gattung Pavia hat nicht klebrige Knospen, deutlich gestielte
Blättchen, 4 langgenagelte Blumenblätter , 7 — 8 behaarte Staubfäden und
meist stachellose, nur halb so grosse Früchte.
§ 94. Paliurus aculeatus Lamarck (syn. P. australis Gärtner),
der gemeine Stechdorn aus der Familie d e r R h a m n a c e a e , ist ein im
ganzen Mittelmeergebiet verbreiteter, bis zur Südschweiz, Südtirol, Krain und dem öster-
reichischen Küstenlande reichender, 2 — 5 m hoher, sehr sperriger Strauch, der auf steinigen
sonnigen Plätzen wächst, oft auch zu Hecken angebaut wird und im Walde seiner
scharfen Dornen halber ein höchst lästiges Forstunkraut ist. Er hat
ca. 2 — 3 cm lange, eiförmige, 2zeilig gestellte Blätter mit 3 Längsrippen ; die Nebe n-
b 1 ä 1 1 e r sind in scharfe Dornen umgewandelt, von denen der eine vorgestreckt,
der andere zurückgekrümmt ist.
1. Rhamnus cathartica Linn6, der gemeine Kreuzdorn (franz.
Nerpmn), mit 3 — 6 cm grossen, breit eilanzettlichen, feingesägten, gegenständigen
Blättern mit bogenläufigen Nerven, 2häusigen, in achselständigen Büscheln
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 24
370 III. Klein, Forstbotanik.
stehenden, kleinen, grünlichen, 4zählig:en Blüten und erbsengrossen schwarzen Stein-
früchten mit meist 4 Kernen, bildet sehr sperrige Sträucher von 2 — 3 m Höhe,
seltener kleine Bäume, die 6 — 8 m hoch und über ein Jahrhundert alt werden können.
Fast sämtliche Langtriebe endigen mit einem stechenden Dorn; nur
die knotigen Kurztriebe älterer Sträucher besitzen eine Endknospe. Das sehr dauer-
hafte, harte, schwerspaltige, im Kern schön orangerote Holz ist durch die Verteilnng
der Gefässe im Jahresring „geflammt" und eingeschätztes Drechslerholz; die Beeren
liefern Farbstofl^e. Der Stockausschlag nach dem Abhieb ist unbedeutend, dagej^en
bildet er leicht Wurzelsprosse und Absenker, durch die er sich besser als durch Samen
vermehren lässt. — Der Kreuzdorn ist eine trägwüchsige, lichtbedürftige Holzart der
Ebene und des Hügellandes, besonders auf steinigem Kalkboden an Waldrändern, als
Unterholz in lichten Wäldern, in Feldgehölzen und Hecken durch beinahe ganz Europa
mit Ausnahme des höheren Nordens verbreitet.
Rhamnus saxatilis Jacquin und Rhamnus intermedia Steudel et Hochstetter sind
südeuropäische, kleinblätterige, sperrig-domige Kleinsträucher ohne forstliche Bedeutung,
von denen der erstere mit 2 — 3 cm langen zarten Blättern noch in Süddeutschland
vorkommt, der letztere mit nur 1 — 1^/2 cm langen derben Blättern aber über die öster-
reichischen südlichen Alpenländer nicht hinausgeht. Zu den Wegdornen mit ein-
zeln stehenden Blättern und dornenlosen Zweigen und ebenfalls 2häusigen,
meist 4zähligen Blüten gehören : 2. Rhamnus carniolica Kerner, der stey-
rische Wegedorn, ein bis 3 m hoher Strauch der südöstlichen Kalkalpen, bis
Croatien und Dalmatien an felsigen Abhängen wie als Unterholz in Nadelwäldern ver-
breitet, mit weissbucheähnlichen, 5 — 10 cm langen Blättern, die 16 — 20 pa-
rallele Nervenpaare besitzen. 3. Rhamnus alpina Linn6, mit vorstehendem oft
verwechselt, mit etwas breiteren, mehr an die Weisserle erinnernden Blättern, die im
allgemeinen nur 10 - 14 Nervenpaare besitzen, hauptsächlich im felsigen Buschwald der
Westschweiz und des Jura zerstreut. 4. Rhamnus pumila Linn6, der zwer-
gige Wegedorn, ein Kriechstrauch der Kalkalpen mit meist nur 6 Nervenpaaren
und knorrigen Zweigen , sowie 5. Rhamnus Alaternus Linn6, der immer-
grüne Wegedorn, mit ca. 3 — 6 cm langen lederigen Blättern von mehr-
jähriger Dauer, der ansehnliche, zuweilen baumartige Sträucher von 2 — 5 m Höhe
im Mittelmeergebiet und auch in Istrien und Dalmatien bildet.
Zu den Faulbäumen mit nackten Knospen, 5zähligen Zwitterblüten
und bei der Keimung unterirdisch bleibenden dicken Keimblättern gehört :
6. Rhamnus Frangula Linn^, der gemeine Faulbaum oder das
Pulverholz (syn. Frangula Alnus Miller) mit braunlilzigen Knospen, 4 — 7 cm langen,
meist verkehrt eiförmigen, ganzrandigen , kurzgespitzten, fiedernervigen Blättern,
weisslichen, in kleinen blattwinkelständigen Trugdolden stehenden Blüten und
schwarzen, höchstens drei Steinkerne enthaltenden, kugeligen Steinfrüchten, bil-
det ansehnliche Büsche oder kleine 5 — 7 m hohe Bäume mit aufstrebenden ruteuformigen
Zweigen , deren violett- oder dunkelbleigraue, innen gelbe Rinde
mit sehr auffälligen weisslichen Lenticellen besetzt ist. Das Holz hat sehr
schmalen gelblichen Splint, leuchtend gelbroten Kern mit gleichmässig zerstreuten,
kleinen Gefässen, ist grobfaserig, weich, leicht spaltbar, gerbstoifreich, 0,57 — 0,61 schwer
und liefert die vorzüglichste Kohle zur Schiesspulverbereitung. — Die in der Jugend
raschwüchsige Holzart, die nach dem Abhieb reichlichen und raschwachsenden Stock-
ausschlag liefert und sich auch durch Wurzelbrut vermehrt, liebt frischen bis anhaltend
feuchten Boden, verträgt selbst noch sumpfigen und moorigen Boden und kommt als
häufiges Unterholz in Mittel- und Niederwäldern, am liebsten in Auwaldungen durch
Die Laubhölzer. § 95. 371
fast ganz Europa in der Ebene wie im Gebirge vor.
7. Ehaninus rupestris Scopoli, der Felsenfaulbaum, ist ein
Bewohner felsiger, sonniger Orte der südöstlichen Kalkalpen, Istriens und Dalmatiens
als Bodenschutzholz und unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Faulbaum durch
kleinere (3 — 3^/2 cm lange), derbere, am Rande knorpelig kerbzähnige Blätter, flaum-
haarige Zweige, hellere Rinde und niedrigen, oft knorrigen Wuchs.
§ 95. Die Familie der Tiliaceae mit ca. 270 meist tropischen Arten ist
nur durch die Gattung Tilia, Linde, vertreten. Blätter 2zeilig, mit abfal-
lenden zungenförmigen Nebenblättern. Jahrestriebe ohneGip feiknospe. 5 Kelch-,
5 Blumenblätter, zahlreiche Staubgefässe, öfächeriger Fruchtknoten mit 2 Samenanlagen
in jedem Fach. Die langgestielten trugdoldigen Blutenstände sind mit einem eigen-
tümlichen bleichgrünen Blatt, dem „Flügelblatt" verwachsen und stehen neben
einer Knospe in den Achseln von Laubblättern. Der Blütenstand ist der Achselspross,
welcher mit 2 Blättern, dem Flügelblatt und einer diesem gegenüberstehenden Knospen-
schuppe, beginnt. In der Achsel der letzteren steht die Winterknospe. Von den 10
Lindenarten sind nur 3 in Mitteleuropa einheimisch. Nervatur der Blätter
bandförmig, mit stärkerer, liederförmig verzweigter Mittelrippe und schwächeren Seiten-
nerven, welche nur nach aussen parallele Nebenrippen entsenden. Alle parallelen Ne-
benrippen sind durch bogig gekrümmte, rechtwinkelig abgehende Nerven mit einander
verbunden.
1. Tilia parvifolia Ehrhart (syn. T. cordata Miller, ulmifolia
Scopol i.) Kleinblättrige Linde, Winterlinde (franz. Tilleul). Knos-
pen etwas schief über kleinen Blattnarben, stumpf eiförmig, mit zwei glatten grünen
Schuppen. Blätter sehr vielgestaltig, langgestielt, am Grunde ungleich, breitherz-
förmig, lang zugespitzt, am Rande gesägt, ca. 4 — 7 cm lang, oberseits dunkel-
grün, kahl, unterseits (ausser bei Stockausschlägen und Schattenblättem) blllu-
lichgrün, in den Nervenwinkeln rostrot gebartet. Blütenstände
reichblütig (meist 5 — 11, mindestens aber mehr als 3), gewöhnlich län-
ger als das Tragblatt, durch Umdrehung des Flügelblattes, das meist nicht bis
zur Basis des Stieles [herabreicht, nach oben gewendet. Blumenblätter undGrif-
fel kürzer als die (ca. 30) Staubgefässe. Frucht ein einsamiges, rostbraunes,
birnförmiges Nüsschen, dessen Fruchtwand sich leicht zwischen den Fin-
gern zerdrücken lässt. — Die Mannbarkeit tritt frühzeitig ein, im Frei-
stand mit 20 — 30 Jahren, an Stocklohden oft schon mit 15—20 Jahren, und der Baum
blüht und fruchtet dann fast alljährlich reichlich. Laubausbruch je nach Klima
und Lage Anfang April bis Anfang Juni, Blütezeit Juni oder Juli. Frucht-
reife im August oder September. Keimfähigkeit 50 — 60%. Die Keimung
der im Frühjahr gesäten Früchte erfolgt gewöhnlich erst im nächsten Frühjahr ober-
irdisch mit zwei grossen, bandförmig gelappten Keimblättern. Der Höhen-
wuchs ist in den ersten Lebensjahren sehr langsam, dann, bis etwa zum 60. Jahre
rascher, aber selten mehr als 15 cm pro Jahr, hierauf wieder langsamer und mit ca. 130
bis 150 Jahren mit ca. 18 m beendet. Das Dickenwachstum kann noch mehrere Jahr-
hunderte lang andauern und ganz gewaltige Dimensionen liefern. Im Freistand
bildet die Winterlinde sehr kurze, dicke Stämme mit sehr tief angesetzter, breit ausladen-
der, viel- und starkästiger, dichtbeblätterter, sanft abgewölbter Krone, im Schlüsse
dagegen vermag sie zu einem bis 25 m hohen, vollholzigeu, astreinen Baum, mit hoch
angesetzter, kleinerer, kugelförmiger Krone zu erwachsen.
Stamm- und Kronenbildung erinnert an die Eichen, Blattstellung an Buchen und
24*
372 III. Klein, Forstbotanik.
Ulmen. Das Ansschlagvermögen nnd ebenso die Neigung zur Maserbildung
am unteren Ende des Stammes ist sebr beträchtlich. Bewurzelung kräftig , aus
mehreren in die Tiefe gehenden starken Herzwurzeln und oberflächlich oft weitstrei-
chenden Seitenwurzeln. Rinde sehr reich an zähen, dickwandigen Bastfaserbündeln,
die auf dem Querschnitt in keilförmigen Figuren angeordnet sind, an jungen
Zweigen braun, glatt, im Alter eine dunkelfarbige, längsgefurchte Tafelborke bildend.
Das zerstreutporige, rötlich- oder gelblichweisse Holz ohne gefärbten Kern,
schwindet stark (7%), ist auf den Spaltflächen schwach setdenglänzend, ziemlich grob-
faserig, aber gleichmässig gefügt, leicht (0,52), sehr weich, leicht- aber nicht
glattspaltig, elastisch, in mittlerem Grade biegsam, wenig fest und dauerhaft und nur
im Trockenen zu verwenden (Schnitzholz), wenig brennkräftig. Die Markstrahlen sind
auf dem Querschnitt mit blossem Auge noch als feine Linien sichtbar, die Jahrring-
grenzen infolge des geringen Unterschieds zwischen Frühjahrs- und Herbstholz undeut-
lich, die Gefässe sind zahlreicher als beim Ahorn und nicht wie bei Betula zu Ginippen
vereinigt. — Das A'erbreitungsgebiet der Winterlinde umfasst den g^rössten
Teil Europas und ist sie in dessen nördlicher Hälfte die einzige wildwachsende Linden-
art. An der Waldbildung ist sie im allgemeinen in untergeordnetem Masse beteiligt,
besonders in der südwestlichen Hälfte Mitteleuropas, während sie in der nordöstlichen,
in Laub- und Mischwäldern eingesprengt oder an Waldrändern häufiger vorkommt;
bestandbildend tritt sie, meist mit Eichen gemengt, seltener rein, fast nur im mittleren
Russland auf. Als Baumart des Flachlandes ist ihre Höhenverbreitung im allgemeinen
gering, bis ca. 600 m, nur in der Schweiz und in Tirol soll sie bis 1200 m empor-
steigen. In ihren Standortsansprüchen ist sie hinsichtlich ihres Wäi'me- und
Lichtbedürfnisses (Schattenholzart) sehr bescheiden und gedeiht auf den verschieden-
artigsten Böden gut , vorausgesetzt, dass dieselben tiefgründig, mineralkräftig,
frisch und locker sind; sehr trockener und leichter Boden sagt ihr nicht zu.
2. Tilia grandifolia Ehr hart (syn. T. platyphyllos Scopol i.)
Grossblätterige Linde, Sommerlinde, Baum vom Wüchse der vorher-
gehenden Art, die sie an Schönheit der Erscheinung noch übertrifft , noch weniger
Waldbaum, als Allee- und Parkbaum wie als Dorf linde aber häutiger angepflanzt.
Knospen und Zweige im allgemeinen derber, Blätter noch variabler, grösser,
ca. 4 — 10 cm lang, weicher, meist beiderseits etwas behaart, unterseits graugrün,
in den Nerven winkeln weisslich gebartet. Blütenstände arm- (meist
2 — 5) blutig, hängend, mit nicht umgewendetem, häufig bis zum Grunde des Stieles
herabreichendem Flügelblatt. Blüten etwas grösser, sonst wie bei voriger, ca. 14 Tage
früher aufblühend, wie denn die Sommerlinde sich auch um so viel früher belaubt
Früchte ebenfalls grösser, mit 5 kräftigen Längsrippen, hartschalig, nicht
zwischen den Fingern zerdrückbar. Die Entwickelung ist ähnlich wie bei der
Winterlinde, der Höhenwuchs etwas rascher, die Gesamthöhe (bis 33 m), der Starain-
umfang (bis 16 m) grösser und das Maximalalter (über 1000 Jahre) höher. Die be-
rühmten alten (tausendjährigen) Linden gehören fast alle hierher ; die älteste und stärkste
derselben in Deutschland dürfte die vom StAffelstein in Bayern sein, die aber jetzt nur
noch eine dem Absterben nahe Ruine ist.
Das Holz ist noch weniger dicht (0,49), noch weicher und etwas weniger bieg-
sam, schwindet etwas weniger (5,6%) und hat noch geringere Brennkraft (68). Das
Verbreitungsgebiet der Sommerlinde umfasst die südliche Hälfte Europas bis
zu den Kaukasusländern und bis zum Ural. Ueber das mittlere Deutschland dürft«
ihr natürliches Vorkommen nicht hinausreichen. Auch bei ihr liegt das Maximum des
Vorkommens in Russland und zwar im südlicheren, wo sie teils in reinem Bestand,
Die Laubhölzer. § 96. 373
teils mit Winterlinde und Stieleiche ausgedehnte Waldungen bildet. In den süddeut-
schen Gebirgen steigt sie etwas höher empor. Ihre Standortsansprüche sind
ähnlich, aber etwas höher wie bei der Winterlinde.
3. Tilia tomentosa Mönch (syn. T. argentea Desf., albaWaldst.
et Kit.) Ungarische Silberlinde, eine auf Südosteuropa und den Orient be-
schränkte Lindenart, welche im Hügellande Südungarns und Kroatiens an der Wald-
bildnng teilnimmt und zum Teil geschlossene Bestände bilden soll. Die Blätter sind
unterseits silberweiss sternfilzig, von der Grrösse der Sommerlinde oder
grösser (bis 15 cm) , die K n o s p e n ebenfalls ülzig. Blütenstände reichblütig,
hängend, küi'zer als die Blätter. Blüten kleiner, Blumenblätter scheinbar
1 0, indem die 5 äussersten Staubgefässe zu blumenblattartigen Staminodien umgebildet
sind, wie bei den amerikanischen Linden, ebenso Blumenblätter und
Griffel (zuletzt) länger als die sehr zahlreichen (ca. 50 und mehr)
Staubgefässe. Von der amerikanischen Silberlinde, T. alba Alton, ist sie auch
durch die schwach oder kaum gerippten Nüsschen unterschieden , während
diese bei T. alba öknotig und der Blütenstand wenigblütig ist.
Von allen 3 linden sind zahlreiche Formen, die zum grossen Teil eigene Namen
erhalten haben, nach Gestalt und Behaarung der Blätter, des Blütenstandes und der
Früchte unterschieden worden; ausserdem existiert eine Anzahl Bastarde zwischen ihnen
sowohl, wie auch (in Anlagen) mit den amerikanischen und asiatischen bei uns ange-
pflanzten Linden.
§ 96. Myricaria germanica Desvaux (syn. Tamarix germanica
L.) Deutsche Tamariske aus der Familie der Tamaricaceae, 1 — 2m
hoher Strauch, mit gelbgrünen bis purpurroten, rutenfönnigen Zweigen, hellblaugrünen,
schuppenförmigen, dem gemeinen Heidekraut ähnlich gestalteten Blättern und kleinen,
blassrosa gefärbten, in endständigen gedrungenen Aehren stehenden Blüten, bewohnt
in kleinen, dichten Beständen kiesige Ufer und Sandbänke der Alpen- und Karpathen-
flüsse, dieselben namentlich im Donau- und Rheingebiet weit in die Ebene begleitend.
Ausschlag vermögen aus übersandeten Aesten und Zweigen sehr gross.
Hippophae rhamnoides Linn^.. Gemeiner Sanddorn, Gel weide,
Seekreuzdorn, aus der Familie der Elaeagnaceae. Der auffallend sper-
rig e, 2häusige Strauch von 2V2 — 3 m, seltener kleine Baum von 5 — 7 m, mit 5—8 cm
langen, schmalen, oberseits graugrünen, unterseits silberweiss beschuppten
Blättern, scharf dornspitzigen Zweigen und zahlreichen, leuchtend orange-
gelben, erbsengrossen Schein beeren (vom fleischig gewordenen Perigon umgebenen
Nüsschen), bewohnt ganz Europa und findet sich in Mitteleuropa auf Sandboden der
Nord- und Ostseeküsten, sowie auf sandigem oder kiesigem Alluvium der Alpenflüsse,
häufig in Gesellschaft der vorigen, sowie von Salix incana. Vermöge seiner weit aus-
streichenden, reichlich Wurzelbrut liefernden Bewurzelung eignet er sich zur Bindung von
Flugsand an Flussufern und Meeresküsten, auch zur Heckenbildung. Das 0,66—0,73
schwere Holz besitzt schmalen gelblichen Splint, lebhaft braunen Kern, schönen Sei-
denglanz auf dem Längsschnitt und ist zu Drechslerarbeiten benutzbar.
Hedera helix Linn6, der gemeine Epheu aus der den Umbelliferen
nahe stehenden Familie der Araliaceae, hat an den auf dem Waldboden krie-
chenden, an Bäumen und Mauern kletternden, unfruchtbaren, jugendlichen Trieben stumpf
fünflappige, mattgrtine Blätter und zahlreiche, gleich hinter dem Vegeta-
tionspunkt des Stämmchens angelegte Kletterwurzeln auf der Schattenseite, an alten
Pflanzen oben am Stamm und in der Krone der Bäume von der Unterlage abgewendete
374 III. Klein, Forstbotanik.
fruchtbare Z\veig:e ohne Tjuftwurzeln, mit herzförmip^en oder eiraatenfdrmigen,
glänzenden Blättern. Er ist am üppigsten in Süd- und Südwestenropa ent-
wickelt, hat langsames Wachstum und erreicht ein mehrhundertjähriges Alter. Er
liebt besonders feuchte Talschluchten, Wälder mit steinigem, humosem Boden und
feuchte Luft.
§ 97. Aus der Gattung Cornus, Hartriegel, aus der Familie der Co r-
n a c e a e , kommen zwei Art^n bei uns vor :
Cornus masLinn^, der gelbe Hartriegel, auch Kornelkirsche,
H e r 1 i t z e genannt (franz. Comouiller), hat dünne graue Knospen mit einem wei-
chen Schuppenpaar , grüne, unter der Endknospe 4kantige Zweige, lang
zugespitzte, 5- -8 cm lange, breit eilanzettliche, ganzrandige, gegenständige
Blätter mit bogenläufigen Nerven, untei-seits in den Nervenwinkeln weiss ge-
härtete Blätter, kleine, gelbe, 4zählige Blüten, die lange vor dem
Laubausbruch, oft schon im März, in einfachen Dolden aus vorjährigen
kurzgestielten Seit^nknospen oder seitlichen Kurztrieben hervorbrechen. Die roten,
essbaren, ovalen, ca. 2 cm grossen Steinfrüchte mit grossem 2samigem Kern
sind hängend. Die anfangs gelbgraue Rinde bildet später eine in dünnen, verbogenen
Schuppen abstehende und abblätternde Borke. Das im Splint rötlichw^eisse , im Kern
rotbraune bis fast schwarze Holz ist ausserordentlich dicht und schwer
(0,88-1,03), sehr fest, hart, äusserst schwerspaltig und zähe und ein wertvolles
Drechslerholz. — Die Kornelkirsche bildet sehr trag wüchsige Büsche
oder kleine Bäume von ca. 3 — 8 m Höhe und kann ein Jahrhundert alt werden.
Eine Holzart Süd- und Mitteleuropas (angebaut bis Christiania) , die sich in
der Ebene und im Hügelland als Unterholz, an Waldrändern etc. auf leichtem humosem
kalkhaltigem Boden häuüg in den ungarischen Donauauen sowie in den niederöster-
reichischen Schwarzkiefembeständen findet, sonst in der rheinischen, süddeutschen und
Alpenzone sehr zerstreut und vielfach nur verwildert auftritt. Ausser als Obstbaum
und Zierstrauch wird die Kornelkirsche, die das Beschneiden gut verträgt und ein
grosses Ausschlag vermögen aus Stock undWurzel besitzt, auch nicht
selten als Heckenpflanze gezogen.
2. Cornus sanguinea Linn6, der gemeine Hartriegel oder
rote Hornstrauch hat nackte Knospen ohne Knospenschuppen, unter der End-
knospe etwas zusammengedrückt 2kantige, im Winter blutrote Zweige, etwas
breitere, kurz zugespitzte, unterseits nicht gebartete Blätter und weisse,
in reichblütigen Trugdolden am Ende junger beblätterter Triebe stehende, erst im Mai
oder Juni aufblühende Blüten, sowie erbsengrosse, blauschwarze Steinbeeren.
Das vorzügliche Holz hat keinen gefärbten Kern, ist etwas weniger schwer (0,77 bis
0,88\ aber ebenfalls sehr hart, fest und zäh und dient zu ähnlichen Zwecken. — Die
ebenfalls trag wüchsige Holzart bildet in 15 — 20 Jahren 3 — 3V2 m hohe Büsche
und wird selten älter als 30 Jahre. Ausser durch die meist erst im 2. Jahre auflaufen-
den Samen vermehrt sich der Hornstrauch durch Absenker und Wurzelbrut und besitzt
gleichfalls ein grosses Ausschlagvermögen aus dem Stock. Sein Verbreitungsgebiet
umfasst beinahe ganz Europa mit Ausnahme des südlichsten Teils und des hohen Nor-
dens und kommt diese Holzart der Ebenen und des Hügellandes, die starke und an-
haltende Beschattung verträgt und lockeren kalkhaltigen Boden bevorzugt, häufig
eingesprengt im Niederwald, an Waldrändern, als Unterholz im Mittelwald, in Feld-
hölzern, Hecken etc. vor.
§ 98. Die Familie der Ericaceae eröff'net die Reihe der H o 1 z g e-
J
Die Laubhölzer. § 99. 375
wachse mit verwachseneiiKronenblättern(Sympetalae). Die baum-
artigen Vertreter der Familie sind Gewächse des Mittelmeergebietes und erreichen
Arbutus ünedo Linn6, der Erdbeerbaum, ein Grossstrauch oder bis 5 m
hoher Baum mit 4—7 cm langen, scharf gesägten, lederartigen, glänzenden Blättern
und in kurzen, verzweigten, hängenden Trauben stehenden, kirschgrossen, scharlachroten,
dichtwarzigen (erdbeerähnlichen), essbaren Früchten und Erica arboreaLinnö,
die Baumheide, als ansehnlicher Mittel- oder Grossstrauch oder kleiner Baum mit
rutenförmigen Zweigen im Gebiete ihre Nordgrenze, ersterer in Wäldern und felsigen
Orten Istriens und Dalmatiens, letztere ausserdem auch noch in Südtirol vorkommend.
Aus dem gemaserten, rotbraunen Wurzelholz der letzteren, dem Bruyereholz, werden die
kurzen Tabakspfeifen geschnitzt. Die übrigen Heidearten und sonstigen holzigen
Vertreter dieser Familie, wie die Vaccinium arten, die Alpenrosen (Rhododen-
dron), die Bärentrauben (Arctostaphylos) und der Porst (Ledum palustre) spielen im
Walde lediglich die Rolle von forstlichen Unkräutern, die unter Umständen verdämmend
auf den jungen Holzwuchs wirken können. Die im Herbste blühende Calluna vul-
garis Salisbury, das gemeine Heidekraut oder die Besenheide, ist
weitaus die verbreitetste gesellig wachsende Heideart und unter-
scheidet sich von den echten Heiden (p]rica) durch ihre (rosagefärbten) die Blumen-
krone glockig überragenden Kelchblätter. Hie findet sich in der Ebene wie im Ge-
birge als bodenstete Pflanze am häufigsten auf armem Sand- und Moorboden, teils
mit anderen Zwergsträuchern „Heiden" bildend, teils als Unterholz in lichten Wäldern,
namentlich Kiefernwäldern, selbst auf dem ärmsten Boden noch gut gedeihend und ihm
allein noch nutzbare Erträge abringend, nicht etwa weil sie für solchen Boden be-
sondere Vorliebe hat, sondern weil sie auf besserem Boden von anderen Arten ver-
drängt oder zurückgedrängt wird. Immerhin gedeiht sie als trägwüchsige Pflanze nur
auf nährstoffarmen Böden, ihr Alter überschreitet selten 12 Jahre, ihre Vermehrung
findet hauptsächlich durch Samen und — nach Heidebrennen — durch Stock ausschlag
statt. Ihr reichliches Vorkommen zeigt stets eine weitgehende Verarmung des Bodens
an. Nur in der Seenähe wachst sie auf ganz freien Schlägen in den ersten Jahren
schneller als die Kiefer, lässt aber auf Flächen, die sie bereits beherrscht, nur schwer
andere Holzarten aufkommen, da ihr dichter Wurzelfilz Kohhumus bildet, der das
Wachstum wertvollerer Holzgewächse ausserordentlich erschwert oder gar verhindert.
Die ebenfalls langsam wüchsige Heidelbeere, VacciniumMyrtillus Linn6,
teilt mit der Heide vielfach die Standorte, verträgt aber, im Gegensatze zu jener,
auch die stärkste Beschattung, soweit es sich nur um blosse Erhaltung des Lebens
handelt, bildet unter einer fast vollen Beschirmung noch zusammenhängende Boden-
überzüge und vermehrt und erhält sich ausser durch Samen namentlich durch unter-
irdisch-kriechende, dünne Rhizome, die sog. Kriechtriebe.
§ 99. Aus der Familie der Oleaceae, der ö l b a u m a r t i g e n Laub-
hölzer mit 4zähligen Blüten, deren Staub- und Fruchtblätter auf 2 redu-
ziert sind, und gegenständigen, nebenblattlosen Blättern, kommen folgende
Arten in Betracht:
1. Fraxinus excelsiorLinn^. Gemeine Esche (fr. Frene). Knospen
schwarzbraun bis schwarz, die Endknospe viel grösser , meist mit nur 2
Knospenschuppen. Blätter gross (bis 40 cm), unpaarig gefiedert mit 4 — 6 (8) sitzen-
den, meist eilanzettlichen, zugespitzten ca. 4 — 10 cm langen, am Bande klein gesägten,
von der Spitze an Grösse zunehmenden , meist kahlen Fiederpaaren. Blüten
nackt , nur aus Staubgefässen mit herzförmigen Staubbeuteln und Frucht-
knoten mit 21appiger Narbe bestehend, dunkel purpurn oder violett, in mehr oder
376 III. Klein, Forstbotanik.
weniger dichten Büscheln oder Rispen, polygam oder 2häosig, vor dem Laabaus-
b r u c h aus Seitenknospen vorjähriger Zweige. Früchte flach zusammengedräckte,
in einen zungentormigen Flügel verlängerte, ca. 4 cm lange and 1 cm breite, hellbraune,
kahle, Isamige Nüsschen in büscheligen, hängenden Rispen. — Die Mannbar-
keit tritt bei Samenpflanzen im Freistand kaum vor dem 25, im Schluss erst mit dem
ca. 40., bei Stocklohden oft schon mit dem 20. Jahre ein. Die Blütezeit ßllt
in den April oder Mai, der Laubausbruch Ende April bis Anfang Juni; männliche
Bäume blühen viel reicher als weibliche bzw. polygame und ihre BlütenbUschel sind viel
dichter. Laubfall meist gleichzeitig nach dem ersten Frost im Oktober oder No-
vember, Samenreife von Ende Juli bis Oktober, Abfliegen der Früchte sehr
allmählich den Winter über bis ins Frühjahr hinein. Samenjahre meist alle 2 Jahre.
Die Keimung der im allgemeinen zu 60 — 70 ^/o keimfähigen und ihre Keimkraft
1 — 3 Jahre bewahrenden Samen erfolgt in der Regel erst im 2. Frühjahr mit 2, denen
des Bergahorns ähnlichen, aber fiedernervigen, schmal ei- bis zungenlormigen,
dickfleischigen Keimblättern, auf welche ein Paar einfacher, eilanzettlicher , dann ein
solches 3zähliger und hierauf erst die Fiederblattpaare folgen. Im 1. Jahre bleibt die
Pflanze klein, vom 2. an ist der Höhenwuchs rasch, im 3. oft schon mannshoch, zwi-
schen dem 20. und 40. Jahre durchschnittlich 7^ ro pro Jahr, dann nachlassend, aber
doch bis über das 100. Jahr aushaltend; bedeutendster Stärkezuwachs zwischen dem
40. und 60. Jahre. Auf gutem Boden kann die Esche 200—250 Jahre alt werden und
über 30 m Höhe und bis 1,7 m Durchmesser erreichen. Bis etwa zum 30. Jahre
entwickelt die Esche auf zusagendem Standort nur weitläufig beblätterte
Langtriebe und ähnlich der Kiefer eine sehr regelmässig verzweigte,
ausgebreiteteKrone. Später, auf schlechtem Boden auch schon vor dem 30. Jahre,
entwickeln sich zahlreiche Kurztriebe, die sich alljährlich nur durch ihre Endknospe
zu bogenförmig aufwärts gekrümmten, knotigen Kurzzweigen verlängern, so dass die
abgewölbte, lockere Krone alter Eschen nur aus solchen Kurz-
zweigen besteht, die am Ende ein Blätterbüschel tragen. ImBe-
standesschluss bildet die Esche einen bis hoch hinauf astreinen, vollholzigen,
geraden Schaft ; im Freistand neigt sie zum Gabelwuchs, wie keine
andere einheimische Holzart und zur Bildung einer tiefangesetzten, starkästigen Krone.
Das Ausschlagvermögen aus Stock und Stamm ist vorzüglich, aber bald nach-
lassend. Das Wurzelsystem besteht anfänglich aus einer Pfahlwurzel, später
aus starken, tief und weitstreichenden, reich verzweigten Seiten wurzeln. Die Rinde,
bis zum 30. oder 40. Jahre hell grünlichgrau und glatt, bildet später eine dicht aber
flachrissige, schwarzbraune Borke mit gestreckt rhombischen Feldern. Die in manchen
Gegenden sehr häufigen „Rindenrosen" Ratzeburgs sind eine krankhafte, krebsartige
Erscheinung. Das ausgesprochen ringporige Holz hat einen breiten , 27 bis (40)
Jahrringe umfassenden Splint und einen hellbraunen, der Eiche ähnelnden Kern; die
Gefässe des gegen das Spätholz scharfabgesetzten Frühjahrsholzes sind sehr weit, die
des Spätholzes eng, spärlich und gleichmässig zerstreut, die für Carya charakteristi-
schen, peripherischen Parenchymzell-Linien fehlen (Parenchym findet sich fast nur als
Belag der Gefässe, namentlich derjenigen des Spätholzes), die Markstrahlen sind kaum
zu erkennen. Das häufig Maserwuchs zeigende Eschenholz ist eines der wert-
vollsten Nutzhölzer, 0,57 — 0,94 im Mittel 0,73 schwer, ziemlich fein- und lang-
faserig, glänzend, hart, gerade aber schwerspaltig, elastisch, zähe und biegsam, sehr
tragkräftig , massig schwindend , (5 °/o) , wirft sich w^enig , im Freien von mittlerer
Dauer und mindestens so brennkräftig wie das Buchenholz.
Das Verbreitungsgebiet der Esche umfasst beinahe ganz Europa bis
Die Laubhölzer. § 99. 377
zum 63® in Norwegen (strauchförmig sogar bis zum 69°). Am häutigsten ist sie in
den Ostseeländern und in der ungarischen und slavonischen Niederung. Ihre schönste
Entwicklung zeigt sie in Auen und Niederungen meist vereinzelt oder horstweise im
Mischwald, in den Alpentälern bis ca. 1300 m emporsteigend, lliren Standortan-
spriichen nach gehört die Esche zu den anspruchvollsten Holzai-ten. Aehnlich den
Ulmen und Ahornen stellt sie die grössten Anforderungen an die Mineralkraft des
Bodens und verlangt tiefgründige, lockere, feuchte bis nasse Standorte (aber keine
stagnierende Nässe), ziemliche Luftfeuchtigkeit, aber nur massige Luft wärme. Ihr
Lichtbedürfnis ist sehr gross, demjenigen der Eiche ähnlicli; nur in der Jugend ist
ihr massige Beschattung zuträglich, namentlich auf geeignetem Standort. Gegen Spät-
fröste ist sie von allen einheimischen Holzarten am emptindlichsten ; jeder junge Trieb,
der von einem leichten Spätfrost getroffen wird, ist verloren.
2. Fraxinus americana Linn6, die Weissesche, in der Ost-
hälfte Nordamerikas an ähnlichen Standorten heimisch wie unsere Esche, in Deutsch-
land auch F. alba, cinerea, ascanica genannt und schon im 18. Jahrhundert, wesent-
lich als Allee- und Parkbaum , in Anhalt auch als Forstbaum eingeführt, stimmt
hinsichtlich ihres Wuchses und ihrer Holzgüte mit unserer
Esche überein. Ihr Vorzug besteht in etwas (ca. 14 Tage) späterem
Austreiben, wodurch sie gegen Spätfröste gesicherter erscheint, und in etwas ge-
ringeren Bodenansprüchen, namentlich verträgt sie üeberschwemmungen während der
Vegetationsperiode gut; endlich keimen die Samen, im Herbste gesät, oder im Früh-
jahr 3 Tage vor der Saat eingeweicht, ohne überzuliegen ca. 14 Tage nach Früh-
lingssaat. Aus diesen waldbaulichen Gründen wird sie neuerdings vielfach als Ersatz
für die gemeine Esche bei uns angebaut. — Die Knospen der W^eissesche sind hell
zim metbraun, die Blätter haben meist nur 2 oder 3 etwas grössere, gestielte
Fiederpaare, die am Rande ganz randig (oder schwach gesägt), oberseits auffallend
dunkelgrün und glänzend, unterseits weissgrau und ganz oder nahezu kahl sind. Die
meist 2häusigen Blüten haben stets einen Kelch und die Staubbeutel sind
lineal, kurz und stumpf bespitzt. Die hellbraunen Flügelfrüchte sind etwas
schlanker wie bei unserer Esche. Die Rinde ist an jüngeren Aesten gelblichgrau
getUrbt.
3. FraxinuspubescensLamarck (richtiger F. pennsylvanicaMar-
shall) die flaumhaarigeEsche oder Rotesche, gleichfalls im ganzen
Laubwaldgebiet des östlichen Nordamerika verbreitet und mit ersterer Bestände bildend,
wurde fniher zu den forstlichen Anbauversuchen herangezogen, weil man die in den
anhaltischen Forsten so gut gedeihende amerikanische Esche irrtümlicherweise für F.
pubescens hielt (Willkomm). Sie unterscheidet sich von jener durch braune Knospen
und dicht filzige junge Triebe, bleibend filzige Blattspindeln,
unterseits beim Entfalten dicht grautilzige, später nur noch auf den Nerven tilzige,
dazwischen locker weichhaarige Blätter und schmal elliptische, scharf und ziemlich
lang bespitzte Staubbeutel. Die Früchte sind 4 — 5 cm lang, aber nur 5 — 6 mm
breit und der Flügel umfasst nur das obere Drittel der stielrunden Nuss. — Da die
Rotesche langsam wüchsiger ist als unsere Esche und in ihrer Heimat nur 12 bis
15 m Höhe erreicht und da sie ebenso frostemptindlich ist wie jene und sie sich weder
durch waldbauliche Eigenschaften noch durch die Qualität ihres Holzes auszeichnet, so
liegt zu ihrer Einführung in unsere Wälder kein Grund vor.
4. Fraxinus Ornus Linn6, die Blumen- oder Mannaesche, ist
eine südeuropäische Holzart, die mit der Nordgrenze ihrer Verbreitung bis
378 III. Klein, Forstbotanik.
nach der Südschweiz (Tessin), Südtirol, Krain, Untersteierraark vordrin^. Sie kommt
in ihren Bodenansprüchen äusserst bescheiden, hauptsächlich auf trockenem Kalkboden
vor, ist trägwüchsij^ und bildet kleine Bäume, die gewöhnlich nicht höher als ca. 8 m
und nicht stärker als ca. 30 cm werden. Von den übrigen Eschen unterscheidet sich
die Blumenesche durch bräunlich bis silbergraue Knospen, durch rostgelbe, wollige
Behaarung der Stielchen und Mittelrippen der 3 oder 4 t'iederblattpaare und vor
allem durch ihre wohlriechenden, mit Kelch und weisser Blumen kröne
versehenen , in langen, endständigen, reichblütigen , am Grund beblätterten
Rispen stehenden Blüten. Als Zierbaum ist sie in Süd- und Mitteldeutschland
vielfach angepflanzt.
Ligustrum vulgare Linn6, die gemeine Rainweide oder der
Liguster (franz. Troene), ist ein bis 2m Höhe erreichender, dichtbuschiger Strauch
mit ca. 3 — 5 cm langen und 1 — 2 cm breiten, spitz elliptischen, ganzrandigen. dunkel-
grünen Blättern, von denen zumeist ein Teil den Winter überdauert, mit weissen,
stark aber unangenehm riechenden, kleinen Blüten, die ähnlich denen der Syringe ani
Ende beblätterter Zweige in reichblütigen Rispen stehen, mit erbsengrossen, glänzend
schwarzen, den Winter über an den Zweigen hängenden Beeren. — Als voi-wiegend
west- und südeuropäische Holzart dürfte der Liguster mit seinem natürlichen Verbrei-
tungsgebiet kaum über Süddeutschland hinausgehen, ist aber auch in Mitteldeutschland
ziemlich häutig, selten in Norddeutschland, wahrscheinlich verwildert, in Gebüschen und
Feldhölzern und lichten Waldungen anzutreffen. Er liebt nahrhaften, kalkhaltigen
Boden, bildet ein sehr schweres (0,92 — 0,95) beinhartes und schwerspaltiges Holz und
ist eine beliebte Heckenpflanze, da er den Schnitt gut verträgt und durch
Wurzelbrut, Ableger und Stecklinge leicht zu vermehren ist.
Phillyrea latifolia Linn6, die gemeine Steinlinde, eine Holz-
art des Mittelmeergebiets mit sehr variabeln, 2 — 3 cm langen, derben, immer-
grünen, eiförmigen Blättern, deren Rand ungeteilt bis sägezähnig ist, mit kleinen
weissen, in kurzen blattwinkelständigen Trauben stehenden, im März erscheinenden
Blüten und erbsengrossen, schwarzen Beeren, geht nordwärts bis Südtirol, Istrien und
Dalmatien und nimmt, gewöhnlich buschförmig bleibend, selten als Baum von 5—8 ni
und bis zu 65 cm Stärke erheblichen Anteil an der Bildung der immergrünen Busoh-
formation jener Länder. Das feinfaserige, weisse, schwere (0,92) Holz der träg-
wüchsigen, sonnige und steinige Orte bevorzugenden, mit grossem Ausschlagvermögen
begabten Steinlinde ist ein wertvolles Nutzholz, wird aber, ungenügender Formverhält-
nisse halber, in jenen holzarmen Ländern meist als Brennholz verwendet.
Olea europaea Linn6, der gemeine Oelbaum, dessen langsam wüch-
sige Kulturbäume mit ihrer graugrünen Belaubung und ihren knorrigen und zerklüfteten
Stämmen an alte Weiden erinnern, kommt in der WMlden Varietät Oleaster
De Candolle, meist als sperrigästiger Strauch mit domspitzigen Zweigen, kleinen,
perennierenden, länglich-eiförmigen Blättern und kleinen, schwarzen, kugeligen, wenig
Oel enthaltenden Früchten, an ähnlichen Orten wie vorige Art vor.
§ 100. Nerium Oleander Linn6, der gemeine Oleander, mit
lineallanzettlichen, lederigen Blättern in3gliederigen Quirlen und rosenroten
grossen Blüten, aus der Familie der Apocynaceae, als Kübelpflanze allent-
halben kultiviert, ist ein giftiger, immergrüner Strauch des Mittelmeergebiets, der in
Südspanien und Algerien an Flussufem sehr gemein ist und auch an einzelnen Orten
Südtirols und Dalmatiens noch wild vorkommt.
Die Laubhölzer. § 101. 379
Vitex Agnus Castus Linn6, der Keuschbaum aus der Familie
der V e r b e n a c e a e, ist ebenfalls im Mittelmeergebiet heimisch und bevorzug;t sonnige
Lagen und frische, nahrhafte Böden. Der sehr ausschlagfähige, bis 2 m hohe vStrauch,
selten kleine Baum von 3 — 4 m Höhe, dessen weisstilzige, 4kantige Zweige Flecht-
material liefern, kommt auch in der Strandregion Istriens und Dalmatiens vor. Durch
seine grossen, sommergrünen, gegenständigen, aus 5 — 7 oberseits dunkelgrünen,
unterseits graufilzigen 3V2 — 9 cm langen, lanzettlichen Blättchen bandförmig zu-
sammengesetzten Blätter und die in endständigen Scheinähren stehenden
kleinen, violetten Blüten, bildet er eine sehr auffallende Erscheinung.
Catalpa speciosa Warder, der prächtige Trompetenbaum oder
die westliche Catalpa, aus der exotischen Familie der Bignoniaceae,
stammt aus dem zentralen Nordamerika, dem Grenzgebiete des südlichen und des nörd-
lichen Laubwaldes, wo sie, besonders nach Südwesten hin verbreitet, auf kräftigem
Boden der Flussniederungen nach Mayr ausnahmsweise bis 45 m Höhe erreicht. Von
der bei uns als Park- und Alleebaum schon lange angepflanzten C. bignonioides
Walter, die auch in ihrer Heimat nur 15 m erreicht und im Freistand ebenfalls
eine breit ausladende, starkästige Krone bildet, unterscheidet sie sich durch Geruch-
losigkeit der bis 30 cm grossen, gegenständigen oder zu 3 im Quirl stehenden,
herzeiförmigen, meist eckig gelappten , langzugespitzten Blätter, durch
grössere (4 — 5 cm lange) Blüten, die wie dort innen weiss, gelb und violett
gefleckt sind und in grossen, aufrechten, pyramidalen Rispen stehen, endlich durch
breitere, bis 50 cm lange Schoten. — Die ungemein raschwüchsige Holz-
art liefert ein zwar leichtes (0,42), aber im Freien ganz ausserordentlich
dauerhaftes Holz — Eisenbahnschwellen von 20jähriger Dauer — mit braun-
violettem Kern und einen auf den jüngsten Jahrring beschränkten Splint. In Amerika
hält man 20 — 35 Jahre bei ziemlich engem Stande zur Nutzholzerziehung für genügend.
Wegen seiner Holzgüte und Raschwüchsigkeit ist der in seinen Bodenansprüchen ge-
nügsame Baum auch in den Kreis der neueren Anbauversuche gezogen worden, hat
sich aber wegen der häufig unvollkommenen Verholzung der jüngsten Triebe, nament-
lich in der Jugend, als sehr frostempfindlich erwiesen und verlangt jedenfalls sehr
milde und geschützte Lagen. Obwohl sehr lichtbedürftig, ist er doch in der Jugend
für Seitenschutz sehr dankbar.
§ 101. Der Familie der Caprifoliaceae mit gegenständigen Blättern,
ozähligen Blüten, deren Staubgefässe der Krone eingefügt sind, und aus 2 bis 5fächerigen
Fruchtknoten hervorgegangenen Beeren oder beerenartigen Steinfrüchten, gehört der
Rest der hier noch namhaft zu machenden Holzpflanzen ohne nennenswerte forstliche
Bedeutung an.
Die Angehörigen der Gattung Lonic6ra mit einfachen, ganzrandigen Blättern
und 21ippigen Blüten sind teils Gaisblätter, windende Sträucher mit quirl-
ständigen Blüten, wieLonicera PericlymenumLinn^, das gemeine
oder wilde Gaisblatt mit stets getrennten Blättern, welches durch
ganz Europa an Waldrändern, in Gebüschen und lichten Wäldern auf fruchtbarem
Boden stellenweise verbreitet ist, 5 — 10 m an Stangenhölzern emporklettert und durch
seine innige Umschlingung dieselben mitunter verunstaltet, oder wie L. Caprif o-
lium Linn6, das in Gärten häufig gezogene ächte Gaisblatt, auch Jelängerjelieber
genannt, eine nur in der Südhälfte Europas an ähnlichen Standorten einheimische,
weiter nach Norden aber ab und zu vei'wildert vorkommende Schlingpflanze, die bei
massenhaftem Vorkommen verdämmend auf den jungen Holzwuchs wirken kann.
380 III. Klein, Forstbotanik.
Während so die (Taisblätter als Forstunkräuter zu bezeichnen sind, spielen die
nichtschlingenden, strauchförmif?en Arten, die Heckenkirschen, eine be-
scheidene Kolle als Unterholz oder Bodenschutzholz. In ihren Blattachseln stehen
2 bis 3 beschuppte Knospen in einer Reihe übereinander und ihre Blüten
stehen p aar weis e am Ende blattwinkelständiger Stiele. 3. Lonicera xylosteum
Linn6, die gemeine Heckenkirsche, auch Beinholz, Beinweide genannt, ist
als flachwurzelnder höchstens 2 m Höhe eiTcichender Strauch mit anfangs weissen,
dann gelben , ansehnlichen Blüten von der Länge der Blütenstandstiele nnd mit
roten, am Grunde etwas verwachsenen Beeren, an Hecken, Zäunen, in Gebüschen,
als Unterholz in Mittelwäldern in ganz Europa, namentlich auf Kalk, zerstreut nnd
steigt im Gebirge bis 160() m empor. 4. Lonicera nigra Linn6, die schwarze
Heckenkirsche, durch Blütenstandstiele, die mehrfach länger sind als die röt-
lichen Blüten, und durch glänzend schwarze Beeren von voriger unterschieden,
ist als Unterholz schattiger Bergwälder im mitteleuropäischen Berglande und in den
Alpen und Karpathen zwischen 5TO und 16(X) m auf frischem bis feuchtem, humosera
Boden zerstreut. 5. Lonicera alpigena Linn6,die Alpenheckenkirsche,
mit Blütenstandstielen , die mehrmals länger sind als die roten Blüten, fast
bis zur Spitze zusammengewachsenen Fruchtknoten und glänzend
roten Doppelbeeren, kommt in den süd- und mitteleuropäischen Gebirgen in den
gleichen Höhenlagen wie L. nigra stellenweise, namentlich auf Kalk, in Laubwäldern
und Gebüschen vor. 6. Lonicera coerulea Linn6, die blaue Hecken-
kirsche, mit Blütenstandstielen, die viel kürzer sind als die gelben Blüten, mit
völlig verwachsenen Fruchtknoten und erbsengrossen, schw^arzen, blau-
bereiften Beeren und von nur 2 Knospenschuppen behüllten Knospen, ist ausser im
hohen Norden Europas, in den Alpen- und Kai-pathenländeni zwischen 800 und 20(X) m
namentlich auf steinigem Kalkboden in Wäldern und Gebüschen stellenweise verbreitet.
Viburnum Opulus Linn6, der gemeine Schneeball (franz. Viorne),
hat 2schuppige Knospen, 3( — 5) lappige, oberseits dunkelgrüne und kahle, unter-
seits flaumig bläulichgrüne, ca. 5—8 cm lange Blätter mit spitzen, grob gezähnten
Lappen und özählige, in grossen endständigen Trugdolden stehende Blüten, die
am Rande der Trugdolde geschlechtslos und viel grösser (strahlend) sind. Die
Frucht ist eine erbsengrosse , einkernige , einsamige , glänzend rote Stein-
beere. — Der gemeine Schneeball bildet ansehnliche, bis 5 m hohe und 6 — 10 cm
starke, raschwüchsige Sträucher in ca. 12 — 15 Jahren, besitzt ein grosses Stockans-
schlagvermögen und bildet aus den flach verlaufenden Wurzeln reichliche Wurzelbmt;
er ist durch ganz Europa verbreitet und bevorzugt feuchten, humosen Boden in der
Ebene und im Hügelland an Waldrändern sowie als Unterholz in Auenmittelwäldem,
wo er Ueberschirmung gut verträgt. Die zahlreichen Stock- und Stammlohden
tragen viel grössere Blätter und sind sechskantig, gerade, lang und stark. Das harte,
schwerspaltige und feinfaserige, im Splint rötlichweisse, im Kerne gelbbraune Holz
lässt die Markstrahlen und Jahiringgrenzen nicht oder kaum erkennen.
2. Viburnum Lantäna Linn6, der wollige Schneeball, unter-
scheidet sich von vorstehendem durch filzige junge Triebe und nackte Knospen,
durch eiförmige, oberseits runzelig dunkelgrüne, unterseits filzig graugrüne,
am Rand klein und scharf gesägt«, 6— -10 cm lange Blätter, durch kleine, gleich-
massig gestaltete, in dichten gewölbten Trugdolden stehende Blüten und durch an-
fangs scharlachrote, zuletzt schwarze Steinbeeren. Der 4 ra Höhe erreichende,
gleichfalls raschwüchsige und sehr ausschlagfähige Strauch kommt wild auf ähnlichen
Die Laubhölzer. § 101. 381
Standorten wie der vorige, aber nur in der Sttdhälfte Europas und vorzugsweise auf
Kalk vor.
3. Viburnum Tinus Linn6, der immergrüne Schneeball, von
den Gärtnern Laurus Tinus genannt, ist ein ansehnlicher Strauch des Mittelnieergebiets
oder kleiner Baum von 2 — 4 m Höhe mit 4 — 8 cm langen, spitz elliptischen, ganz-
randigen, oberseits glänzend dunkelgrünen Blättern, rotbraunen
4kantigen Zweigen und kleinen, weissen, in ähnlichen Trugdolden wie bei vorigem
stehenden Blüten. Bei uns, wie auch die andern Arten, beliebter Zierstrauch, kommt
er wild in der immergiiinen Buschformation Tstriens und Dalmatiens häufig vor, Kalk
und sonnige Lagen bevorzugend.
Sambucus nigra Linn6, der gemeine oder schwarze Hollunder
oder Flieder (franz. Sureau), hat bis ca. 30 cm lange, unpaarig gefiederte Blätter
mit 2 — 3 Paaren breit eilanzettlicher, langgespitzter, scharf gesägter, 3 — 12 (16) cm
langer, kurzgestielter Fiederblättchen, kleine gelbweisse, im Juni erecheinende, in
grossen, wiederholt 5strahlig geteilten, endständigen, aufrechten Ebensträussen stehende
Blüten und erbsengrosse, glänzend schwarze Beeren an roten Stielen in
hängenden Ebensträussen. Der schwarze Hollunder bewohnt fast ganz Europa,
zumeist in der Nähe menschlicher Wohnungen auftretend ; er steigt zwar in den Alpen
bis ca. 1200 m empor, ist aber im grossen und ganzen viel mehr eine Holzart der
Ebenen und des Hügellandes, die humosen, frischen bis feuchten Boden liebt, an Hecken,
Zäunen etc., aber auch als Unterholz in lichten Auwaldungen sich findet und als rasch-
wüchsige und überaus ausschlagfähige, schon vor dem Abhieb reichlich starke, mark-
reiche Stammlohden entwickelnde Holzart grosse Büsche oder 4 — 5 m hohe und 20— 30 cm
starke Bäume mit malerischer Krone und bogenförmig gekrümmten Aesten bildet.
Das zerstreutporige Holz mit deutlichen Markstrahlen ist gelblichweiss , vom spez.
Gewicht 0,53 — 0,76, ziemlich feinfaserig und leichtspaltig, hart, fest, schwer trocknend
und sich stark werfend.
2. Sambucus racemosa Linn6, der Traubenhollunder, unter-
scheidet sich von dem gemeinen durch länger zugespitzte, schmälere, schärfer gesägte,
unterseits bläulich grüne, meist auch kleinere Fiederblättchen, die meist
in der Zahl 5 vorhanden sind und besonders durch die schon im April oder Mai auf-
blähenden, in dichten eiförmigen Rispen stehenden grüngelben Blüten
und die leuchtend korallenroten Beeren. — Der Traubenhollunder stimmt
in der äusseren Erscheinung und den sonstigen Eigenschaften mit dem schwarzen
uberein, bleibt aber kleiner und zierlicher und ist mehr eine Holzart des Hügel- und
Berglandes, wo er in Mittel- und Südeuropa vorzugsweise als Unterholz in lichten
Wäldern, an Waldwegen etc., auf humosem steinigen Boden und in sonnigen Lagen
verbreitet ist. Durch den sehr reichlichen Wurzelausschlag seiner sehr weitstreichen-
den Wurzeln kann der fast stets strauchartig bleibende Traubenhollunder in jungen
Kulturen gelegentlich sehr lästig werden.
3. Biologie und Morphologie der baumschädigenden Pilze.
Literatur: A. de Bary, Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, My-
cetozoen und Bakterien. Leipzig 1884. 558 p. 8^ mit 198 Holzschn. — A. B. Frank,
Die pilzparasitären Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1896. 574 p. 8® mit 96 Abb. —
Robert Hartig, Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten (3. Aufl. des Lehrb.
der Baumkrankheiten.) Berlin 1900. 324 p. 8° mit 280 Abb. und 1 Tafel. — F. v. Ta-
vel, Morphologie der Pilze. Jena 1892. 208 p. 8° mit 90 Holzschn. — Karl Freih.
von Tubeuf, Pflanzenkrankheiten, durch kryptogame Parasiten
382 m. Klein, Forstbotanik.
verursacht. Berlin 1895. 599 p. 8® mit 306 Abb. — Engler u. Prantl, Die
natürlichen Pflanzenfamilien. I. Teil (Pilze), Abt. 1. Leipzig 1897. 513 p. 8« mit 1844
Einzelbildern und Abt. 1** 1900. 570 p. mit 1693 Einzelbildern.
I. Allgemeiner Teil.
§ 102. Während die Infektionskrankheiten des Menschen und der höheren Tiere
zum ganz überwiegenden Teil durch Bakterien hervorgerufen werden, kennen wir
bei unseren Waldbäunien bis dato keine einzige Bakterienkrankheit. Ebenso ist die
grosse Abteilung der Schlei mpilze (Mycetozoa oder Myxomycetes) , deren Ange-
hörige häufig an abgestorbenen Baumstümpfen auftreten, durchaus unföhig, lebende
Bäume zu schädigen. Sämtliche Pilze, welche die normalen Lebensfunktionen unserer
Holzpflanzen bald mehr, bald weniger stören, gehören zu den höheren Pilzen, den
Fadenpilzen, so genannt, weil der der Ernährung dienende, auf oder in dem Sub-
strat lebende, vegetative Teil, das Mycelium, aus i. d. R. verzweigten, mit Spitzen-
wachstum begabten Fäden (sog. Hyphen) besteht, die (mit Ausnahme der Phyco-
m y c e t e n) durch Querwände gegliedert sind. Seinen Ursprung nimmt das Mycel aus
der Spore, wie die Fortpflanzungszellen der Pilze ganz allgemein genannt werden.
Bei vielen Pilzen bleibt der vegetative Teil nicht auf der Stufe eines typischen Mycels
stehen , sondern er bildet kompliziertere Verbände wie Mycelhäute, Mycel-
stränge, schliesslich Pilzkörper, deren Gewebe im Gegensatz zu demjenigen der
höheren Pflanzen durch Verflechtung, immer dichtere Verzweigung und nachträg-
liche Verwachsung der ursprünglich getrennten Pilzhyphen gebildet wird. Wasser-
arme Pilzkörper, deren nährstoffreiche Hyphen besonders innig verwachsen sind und
stark verdickte Zellwände besitzen, heissen S k 1 e r o t i e n. Sie stellen vegetative
Dauerzustände dar. Das meist sehr wasseiTeiche Plasma der Pilze enthält keine
Chromatophoren, keine Stärke, dagegen häufig Fett. Die Z e 1 1 h a u t besteht nur bei
den Saprolegniaceen und Peronosporaceen aus Cellulose, bei den andern Pilzen nicht
aus „Pilzcellulose", wie man früher annahm, sondern nach den Untersuchungen von
W i n t e r s t e i n *^) besteht die stickstoffhaltige Zell wand zum grösseren oder
geringeren Teile aus Chitin, also derjenigen Substanz, aus welcher die Köi'perdecke
der Insekten etc. aufgebaut ist; daneben finden sich noch beträchtliche Mengen stick-
stoffärmerer oder stickstofffreier Substanzen, zwar keine ächte Cellulose, wohl aber
andere zellwandbildende Kohlehydrate, wie Hemicellulosen und andere leicht liydroly-
sierbare Stoffe, die zum grossen Teil noch näherer Untersuchung bedürfen.
§103. Kein Pilz assimiliert nach Art der grünen P flanzen,
alle sind Schmarotzer oder Fäulnisbewohner, welche wenigstens hinsichtlich ihres Kohlen-
stoffbedarfs auf organische Verbindungen angewiesen sind. Nach ihrer Ernäh-
rungsweise unterscheidet man obligate Saprophyten (Fäulnisbewohner), die sich
nur von abgestorbenen organischen Resten nähren , obligate Parasiten, die
wenigstens unter den von Natur gebotenen Verhältnissen nur auf oder in lebenden
Tieren oder Pflanzen leben können, (z. B. die Rostpilze); fakultative Sapro-
phyten heissen solche Parasiten, die gelegentlich saprophytisch , fakultative
Parasiten solche Saprophyten, die gelegentlich parasitisch leben. Die Pilzasche
besteht der Hauptmenge nach aus Kali (gewöhnlich die Hälfte, selten weniger als ein
Viertel) und Phosphorsäure, die nächst dem Kali den Hauptbestandteil bildet. Sonst
bedürfen die Pilze der gleichen Aschenbestandteile wie die grüne Pflanze, mit Aus-
nahme des Calciums, was hier bedeutungslos ist, da alle baumbewohnenden Pilze reich-
46) Näheres hierüber bei Lafar, Technische Mykologie p. 394 ff.
Allgemeiner Teil. § 104. 383
lieh Calcinm yoründen. Das Mycel der Schmarotzerpilze lebt entweder
epiphytisch, d. h. auf der Oberfläche der befallenen Pflanzenteile und bezieht dann
seine Nahrung durch besondere Seitenzweiglein, welche sich in die Epidermiswaudung
(z. B. Trichosphäria) oder ins Innere der Epidermiszellen (z. B. die Erysipheen oder
Meltaupilze) einbohren, oder das Mycellebt im Innern der Wirtspflanzen,
endophy tisch, und zwar intercellular, wenn es, wie bei den Uredineen, nur in
den Intercellularräumen wuchert, die angrenzenden Zellen durch besondere Haustorien
oder auf rein osmotischem Wege aussaugend, oder intracellular, wenn es ins
Innere der lebenden Zellen eindringt. Von den Spitzen der fortwachsenden Pilzliyphen
wird eine ganze Reihe von ungefonnten Fermenten , sog. Enzyme, ausgeschieden,
die ihnen die Durchbohrung der Zellwände und die Aneignung der Nahrung ermög-
lichen. So wird von den Baumpilzen eine, den verschiedenen Cellulosen und son-
stigen Membranstotfen entsprechende Reihe von C e 1 1 u 1 o s e oder P e c t i n (in den
Mittel lamellen der Zellen) spaltenden Enzymen gebildet, so wird die verholzte Mem-
bran häutig zersetzt und daraus die Cellulose frei gemacht ; aus den in Holz und Rinde
der Bäume oft in beträchtlichen Mengen vorkommenden Glykosiden (Salicin, Po-
pnlin, Amygdalin, Coniferin etc.) vermögen sie durch entsprechende Enzyme abspalt-
bare Kohlehydrate zu ihrerer Ernährung heranzuziehen, ebenso zersetzen sie vor allem
Eiweissstofl'e durch eiweisslösende. Stärke durch diastatische und Fette durch
fettspaltende Enzyme. Die Durchbohrung der Zellwand einer Wirtszelle kann in
manchen Fällen auch durch rein mechanischen Druck der vorwärts drängenden Hyphen-
spitze erfolgen, namentlich, wenn sich dieselbe durch besondere Haftorgane, sog. Ad-
pressorien, eine Art Widerlager geschaffen hat. Autöcisch heissen die Pilze,
welche ihren ganzen Entwicklungsgang auf einer Wirtspflanze durchlaufen, heterö-
c i s c h diejenigen, welche während ihi'er Entwickelung auf eine zweite, von der ersten
oft systematisch weit entfernt stehende Species übergehen.
§ 104. Die fruktifikativen Organe der Pilze bringen die Sporen
hei-vor, von denen man Endosporen (in Sporangien erzeugte), Oo- und Zygosporen
(durch Vereinigung zweier Zellen erzeugte) , Exosporen oder Conidien und
Chlamydo Sporen (auch Gemmen oder Glieder sporen genannt) unterscheidet.
Der Name Schimmelpilz bezeichnet keinen systematischen Begriff, sondern ledig-
lich eine Wuchsform: Pilze, deren Mycel entweder im Substrat oder auf dem Sub-
strat lebt, deren Fruktifikationsorgane aber stets aus demselben heraustreten, von dem-
selben fortwachsen und so an der Luft ihre Sporen produzieren. Die Conidien
werden am Ende von einfachen Fruchtträgern (besonderen H^'^phen) einzeln oder reihen-
weise abgeschnürt; zunächst sind sie einzellig, in manchen Fällen werden sie durch
spätere Zellteilungen mehrzellig. Sind die pallisadenartig dicht gedrängten Conidien-
träger in eine vom benachbarten Mycel gebildete und anfänglich geschlossene, meist
mehrschichtige Hülle eingeschlossen, so heisst ein solches Gebilde Pycnide (auch
wohl Conidienfrucht). Bildet das Mycel keine Conidienträger, sondern zerfällt es ganz
oder zum Teil in kurze, conidienähnliche Teilstücke, so erhalten wir Gliedersporen oder
0 i d i e n ; verdickt sich die Membran solcher Gliedersporen unter gleichzeitiger An-
häufung von Reservestoffen, so nehmen sie den Charakter von Dauersporen an und
werden dann gew('>hnlich Chlamydosporen oder Gemmen genannt. Besitzt ein
Pilz mehr als eine Fruktitikationsform , so heisst er pleomorph. Die Lebens-
zähigkeit der Sporen ist meist grösser als diejenige des Mycels, namentlich der
Austrocknung gegenüber. Im trockenen Zustand ist auch die Widerstandsfähigkeit
vieler Sporen gegen hohe Wärmegrade eine sehr bedeutende. Gegen Kälte sind die
meisten Sporen fast unbegrenzt widerstandsfähig, während das Mycel, namentlich das
384 III. Klein, Forstbotanik.
saftreiche, oft schon bei geringen Kältegraden erfriert, lieber das Verhalten der parasiti-
schen Mycelien ist in dieser Hinsicht wenig bekannt ; wahrscheinlich sind sie an das Klima,
in welchem ihre Wirtspflanzen leben, angepasst und viele überwintern so anst-andslos.
§ 105. Die für die Praxis ungemein wichtige Frage, ob ein baumbewohnender
Pilz auch ein Parasit ist, liegt sehr einfach für alle die Pilze, welche zu Familien oder
Gattungen gehören, die nur parasitisch lebende Vertreter aufweisen, wie z. B. die Ure-
dineen, Erysipheen, Peronosporaceen und Exoasceen ; ebenso liegt selbstverständlich ein
Parasit vor , wenn ein Pilz auf lebenden Teilen eines Baumes gefunden wird.
Sind dagegen die Pflanzenteile, auf welchen der Pilz zu Tage tritt, abgestorben, wie
bei den meisten Asco- und Hyphorayceten, dann kann der Beweis für die parasitische
Natur eines Pilzes gewöhnlich nur durch künstliche Infektion (Sporen- oder
Mycelinfektion) geliefert werden, ebenso wie dann, wenn Insekten und Pilze auf
einem abgestorbenen Pflanzenteile auftreten. Der Fehlschluss post hoc, ergo propter
hoc kann in allen zweifelhaften Fällen nur durch richtig eingeleitete und durchgeführte
Infektionsversuche vermieden werden. Bei den heteröcischen üredineen ist
künstliche Infektion unentbehrlich, um die zweite Wirtspflanze festzustellen. Die künst-
liche Infektion lehrt uns des weitern, welche Pflanzen überhaupt von einem bestimmten
Pilze befallen werden, sie lehrt uns, in welchem Alterszustand, an welchen Teilen der
Wirtspflanze und unter welchen äusseren Bedingungen die Infektion stattfindet, ob der
Sporenkeimschlauch direkt eindringen kann, ob dies durch eine Spalti)ff^nung oder direkt
durch die Membran stattfindet oder ob das Mycel durch vorausgehende saprophytische
Ernährung erst hinreichend erstarken muss, wie solches z. B. auch bei den Wund-
parasiten der Fall ist, bei denen die Keimschläuche der Sporen nicht durch die
intakte Oberfläche der Holzgewächse, sondern nur von Wundstellen aus eindringen,
entweder zunächst in die ofi'enen Hohlräume der Gefässe eintretend oder direkt die
Zellwände durchbohrend. Endlich können durch solche Versuche allein die umstände
erkannt werden, welche das Zustandekommen einer Infektion begünstigen oder hemmen
und so die Mittel zur Bekämpfung oder Verhütung der Krankheit unter Umstanden
leichter gefunden werden.
Von den beiden Infektionsarten ist die Mycelinfektion der sicherere Weg,
in der Natur aber die Sporeninfektion im allgemeinen wohl die häufigere Er-
scheinung, abgesehen von den Wurzelpilzen, bei welchen die Mycelinfektion Regel ist.
Als Verbreitungsmittel der Sporen kommt in erster Linie der Wind in Betracht, dann
Insekten, gelegentlich auch grössere Tiere.
§ 106. Wie das aggressive Verhalten der parasitischen Pilze sehr ver-
schieden ist und je nach Species bald nur eine einzige Baumari:, bald mehrere, bald
eine grosse Anzahl verschiedener Arten befallen wird, so kommen in allen möglichen
Abstufungen auch Unterschiede vor im Verhalten des nämlichen Pilzes gegen ver-
schiedene Varietäten und Individuen sowie gegen verschiedenen Gesundheits- und Alteiu-
zustand der gleichen Holzart ; Erscheinungen, die man als Prädisposition
bezeichnet. Hierher gehört auch, dass manche Schmarotzerpilze die lebenden Gewebe
der Holzpflanzen nur angreifen, wenn letztere sich im Zustande der Vegetationsmhe,
andere, wenn jene sich in voller Lebenstätigkeit befinden, ferner dass manche Pilze
nur in Keimblätter einzudringen vermögen, die Pflanze somit der Infektionsgefahr ent-
rückt ist, sobald die Keimblätter abgefallen sind, ferner, dass viele Blätter nur im
jugendlichen Zustand, d. h. so lange gefährdet sind, als sie noch nicht durch eine
derbe Cuticula geschützt sind, dass feuchtwarmes Wetter, dumpfe Lagen manche In-
fektionen ungemein begünstigen u. a. m. Demgemäss unterscheidet man individuelle,
zeitliche, örtliche und (namentlich nach vorausgegangenen Verwundungen)
Allgemeiner Teil. § 107. 385
krankhafte Prädisposition.
§ 107. Die Reaktion des lebenden Wirtes ist durch die spezifische
Natur des Wirtes wie diejenige des Parasitgn bedingt. Nur in seltenen Fällen bleibt
der Parasit auf den Ort des Angriffs und dessen nächste Umgebung beschränkt,
z. B. bei den Blatt flecken- und -Löcherpilzen, die bei ihrer meist sehr
geringen praktischen Bedeutung und grossen Artenzahl hier nicht weiter behandelt
wurden; meist verbreitet er sich über grosse Strecken, dabei einzelne Organe oder
Gewebe in erster Reihe oder ausschliesslich bevorzugend ; auch kann er weite Strecken
durchwachsen, ohne dieselben merkbar zu schädigen und erst an Orten, die von der
Infektionsstelle weit entfernt sind, die Höhe seiner Entwickelung erreichen und zur
Sporenbildung schreiten. Dem auch in diesen Beziehungen so verschiedenen aggressiven
Verhalten der Parasiten entsprechend, ist die Wirkung auf den lebenden Wirt natur-
gemäss gleichfalls eine höchst verschiedene: sie kann im wesentlichen eine zer-
störende oder eine umgestaltende oder beides zugleich bezw. nacheinander sein.
Dass durch einen fremden Organismus, der, wie ein parasitischer Pilz, aus-
schliesslich auf Kosten seines Wirtes lebt, die normalen physiologischen Funktionen
des letzteren mehr oder weniger tiefgreifend gestört werden müssen, liegt auf der
Hand; alle lebenden Zellen, aus denen der Schmarotzer Nahrung bezieht, werden ge-
schädigt; sie können dabei am Leben bleiben oder rasch oder langsam absterben. Der *
Tod der Zellen erfolgt, weil der Pilz entweder ihren lebenden Inhalt aufzehrt oder
sie durch Enzjrme tötet, die von ihm abgeschieden werden. Auf letztere Weise gehen
vielfach sogar Zellen in der Nachbarschaft des Parasiten zu Grunde, die mit den
Hyphen oder Haustorien desselben gar nicht in direkte Berührung gekommen sind.
Es können ferner ganze Gewebepartieen, bald rasch, bald langsamer, bald unter Ver-
erbung, bald ohne solche, bald nach vorausgegangener Hypertrophie (abnorme
Vergrösserung oder Vermehrung der Zellen), bald ohne solche absterben. Es können
endlich ganze Organe oder Organsysteme oder die ganzen Individuen getötet werden
und die gleiche Wirkung wird natürlich erzielt, wenn ein Parasit die Basis eines Or-
gans oder die Wurzel eines Baumes zerstört. Es kann aber auch der befallene Pflanzen-
teil am Leben bleiben und durch seine eigene Hypertrophie höher stehende Teile zu-
nächst schädigen und später töten, wie beispielsweise beim Hexenbesen der Tanne das
oberhalb der Ansatzstelle desselben befindliche Stück des Tragastes verkümmert und
zum Schlüsse abstirbt, ähnlich wie dies auch bei einem von einem Mistelbusche be-
setzten Zweige der Fall ist. In vielen Fällen bleiben die vom Pilze befallenen Ge-
webe mindestens bis zur Sporenreife des Pilzes am Leben, so z. B. bei den Rostpilzen,
oder das Mycel des Pilzes perenniert Jahre lang in perennierenden Achsen und Wurzeln
(Exoasceen, Nectria, Peziza Willkommii etc.).
Die Lebensdauer der Nadeln und Blätter, sowie anderer Organe und die-
jenige der ganzen Pflanze kann verkürzt werden (so bei Fichtennadeln, die von
Chrysomyxa Rhododendri oder Ch, abietis, bei Kiefernnadeln, die von Lophodermium
Pinastri befallen sind; nur einjährig ist die Lebensdauer der Hexenbesennadeln bei
der Weisstanne; nach wenigen Jahren oder Jahrzehnten sterben die Hexenbesen der Laub-
hölzer und der Tanne ab; vorzeitige Entlaubung kann bei sommergrünen Laub-
hülzem eintreten etc.). Es kann aber auch vorzeitige Be laubung eintreten, wenn
der Pilz die von ihm befallenen KJaospen zu vorzeitigem Austreiben reizt, wie beim
Kirschen- und Tannenhexenbesen.
Was die umgestaltende Wirkung der parasitischen Pilze auf die G e-
s t a 1 1 und den anatomischen Bau der Wirtspflanzen anlangt, so kommen hier
Verkümmerungen und Hypertrophieen von Zellen und Geweben wie von ganzen Or-
Handbach d. Forstw. 2. Aufl. I. 25
386 III. Klein, Forstbotanik.
ganen, namentlich abnorm gesteigertes, Längen-, Flächen- oder Dicken wachstam vor.
So finden wir namentlich an Blättern krankhafte Kräuselungen (Taphrina resp. Exoas-
cus), Wucherungen, die mitunter den Charakter von Neubildungen tragen, wie die von
Exobasidium hervorgerufenen Alpenrosenäpfel auf den Blättern der Alpenrosen, die
grossen blasigen Ausstülpungen von Taphrina an den Schuppen der Erlenzäpfchen nnd
andere Pilzgallen mehr ; es können Blüten und Früchte , die von Taphrina be-
fallen sind, in weitgehendem Masse deformiert werden, wie die Fruchtknoten der Pap-
peln, der Zwetschgen und die von Prunus Padus. — In anderen Fällen veranlasst der
Parasit die befallenen Organe zu abnorm starker Verzweigung mit ganz anderer Wuclis-
richtung der Zweige (Hexenbesenbildung) oder die Verzweigung fällt spärlicher
aus als an gesunden Trieben. Ferner kann die Blütenbildung unterdrückt werden, wie
bei den Hexenbesen der Prunusarten, oder die Samenreife, wie bei den von Sclerotinia
mumifizierten Früchten von Sorbus oder bei den infolge der Infektion von Aecidinm
strobilinum tauben Fichtenzapfen. — Dass derartige pathologischeGewebe sich
von den normalen durch einen mehr oder weniger abweichenden anatomischen Bau aus-
zeichnen, sei hier nur kurz erwähnt, ebenso, dass in den erkrankten Zellen vor dem
Absterben die verschiedensten Veränderungen des Zellinhaltes auftreten können, wie
namentlich Verminderung oder Verschwinden des Chlorophylls, Auftreten (gelber oder)
roter im Zellsaft gelöster Farbstoffe, Verschwinden der Stärke oder abnorme Anhäufung
derselben, Anhäufung von oxalsaurem Kalk etc. — Endlich liegt es auf der Hand, dass
der gewaltige Verbrauch an Baustoffen für alle derartigen Hypertrophien, die für die
befallene Pflanze ganz zwecklos sind und anderen wichtigen Organen natürlich vorent-
halten bezw. entzogen werden, an und für sich schon eine empfindliche Schädigung der
Wirtspflanze bedeutet.
§ 108. Die wirtschaftlich schlimmstenFeinde unserer Waldbäume
sind diejenigen Parasiten, die förmliche Epidemien hervorrufen, namentlich unter den
jugendlichen Holzpflanzen und die ganze junge Kulturen unter Umständen vollständig
vernichten können; ihnen folgen die holzzerstörenden Pilze, deren Schädlichkeit viel-
fach dadurch ungemein vergrössert wird , dass viele von ihnen rein saprophytisch zu
leben vermögen und an dem geschlagenen Holz bei zu langem Liegen und bei unge-
eigneter Aufbewahrung, im Walde wie auf dem Holzlagerplatz, noch die grössten Zer-
störungen anrichten können. Ueber die praktische Bedeutung der Gefahr,
die den einzelnen Bäumen und Waldungen von den einzelnen Parasiten droht, lässt
sich sehr wenig bestimmtes und allgemeines sagen, weil diese Gefahr nicht nur bei
verschiedenen Pilz- und Holzarten, sondern auch bei dem nämlichen Pilz und bei der
nämlichen Holzart je nach Standorts-, Ernährungs- und Entwickelungsverhältnissen
ausserordentlich wechselt, weil ein infolge waldbaulicher Fehler schlechter Stand des
Waldes oder aus irgend einem anderen Grunde kümmernde Pflanzen vielfach erst die
nötigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Parasitenangriff in grösserem Umfange
Schäften und weil wir über die Bedingungen, unter denen im Freien wirksame In-
fektionen zustande zu kommen pflegen, in den meisten Fällen — von den Rostpilzen
abgesehen — ausserordentlich wenig wissen. Endlich werden manche Pilzinfektionen
erst dann wirklich schädlich, wenn sie in Verbindung mit vorangegangenen, gleich-
zeitigen oder folgenden Insektenbeschädigungen auftreten.
II. Die einzelnen Pilzarten.
1. Niedere Pilze (Phyeomyeetes).
§ 109. Das Mycel der Phycomyceten oder Algenpilze ist, ähnlich dem Vege-
Die einzelnen Pilzarten. § 111. 387
tationskörper der Siphoneen unter den Algen, vor der Bildung der Fortpflanzungsorgane
normalerweise nicht durch Querwände gegliedert. Die Fortpflanzung ist entweder
eine geschlechtliche durch Zygo- oder Oosporen, oder eine ungeschlechtliche dui'ch Co-
nidien oder in Sporangien erzeugte Endosporen, die nicht selten beweglich sind (in
Wassertropfen) und dann Schwärmsporen genannt werden. Nur aus der durch Oospo-
renbildung ausgezeichneten, endophytisch lebenden Familie der Peronosporaceae
ist e i n Forstschädling bekannt , die Phytophthora omnivora de Bary (Syn.
Ph. Fagi Hai-tig), die in Saatbeeten von Laub- und Nadelhölzern und namentlich in
natürlichen Buchen Verjüngungen als Keimlingskrankheit epidemisch
auftritt (cf. Bd. II p. 86). Das später quer gefächerte Mycel wächst vorzugsweise
intercellular mit kleinen, knopfförmigen Haustorien; die Conidienträger durchbrechen,
oft in grosser Zahl, die Epidermis oder sie treten aus Spaltöifnungen hervor und bilden
an der Luft eine grosse, endständige, citronenförmige Conidie. Unterhalb derselben
treibt der Conidienträger gewöhnlich einen kurzen Seitenzweig, der an seinem Ende
gleichfalls eine Conidie bildet und die erste zur Seite schiebt. Die Conidien fallen ab
und keimen bei feuchtem Wetter, indem sie zum Zoosporangium werden und eine An-
zahl 2wimperiger Schwärmsporen entlassen, welche nach kurzer Schwärmzeit zur Ruhe
kommen und einen Keimschlauch treiben. Derselbe dringt, wenn die Keimung auf einem
Buchen keirablatt stattgefunden hat , in die noch nicht durch eine Cut i-
c u 1 a geschützte Epidermis desselben ein und entwickelt sich rasch zum Mycel, das bald
neue Conidienträger bildet. Die Conidien können auch direkt mit Keimschlauch aus-
keimen. Später entstehen im Innern des Blattes zahlreiche Oosporen, welche die
Danersporen des Pilzes darstellen, mit dem verfaulenden Laub in den Boden gelangen
und frühestens im nächsten Frühjahr keimen, aber auch mehrere Jahre im Boden liegen
können, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren. — Die hellgrünen Keimpflanzen der
Buche werden dunkelgrün, am Stengel treten missfarbene Flecke auf, die
AVurzeln werden schwarz, die Keimblätter und die j üngsten Laub-
blätter werden braunfleckig und verfaulen rasch bei Regenwetter. Er-
krankte Nadelholzkeimlinge fallen um.
2. Sehlauehpilze (Ascomycetes).
§ 110. Das Mycel ist von Anfang an durch Querwände gegliedert und bildet
bei den niederen Formen direkt, bei den höheren in sog. Fruchtkörpern Sporangien
von keulen- oder schlauchförmiger Gestalt, Asci genannt, in welchen nach wieder-
holter Kernteilung Endosporen (A s c o s p o r e n) in je nach der Art wechselnder, aber
(von den hier nicht in Frage kommenden Hemiasci abgesehen) stets bestimmter
Anzahl gebildet werden. Zur Sporenbildung wird in der Regel nicht das gesamte
Plasma des Ascus verbraucht. Die Sporen sind anfänglich stets einzellig, können aber
bei manchen Arten durch Querwandbildung später mehrzellig werden. Sie werden ge-
wöhnlich aus dem am Scheitel aufreissenden Ascus ausgespritzt. In den Fruchtkörpern,
die, von wenigen Fällen abgesehen, ungeschlechtlich entstehen, bilden die Asci und
die häufig zwischen denselben stehenden sterilen Hyphenenden, dieParaphysen, eine
zusammenhängende Schicht, das Hymenium, das von einer mehr oder minder starken
Hülle dicht verflochtener Pilzfäden, der Peridie, ganz oder teilweise eingeschlossen
wird. Ausserdem kommen als Fortpflanzungsorgane noch die verschiedenartigsten Co-
nidien sowie Chlamydosporen vor.
§ 111. Die Gattung Taphrina (incl. Exoascus) aus der Familie
25*
388 III. Klein, Forstbotanik.
der aasschliesBlich parasitisch lebenden Exoascaceae^^), besitzt keine Frncbt-
k ö r p e r , sondern die normalerweise 8sporigen Asci brechen in grosser Zahl und dicht
gedrängt aus der Oberfläche des vom vegetativen Mjxel bewohnten Pflanzenteils her-
vor. Das Mycel lebt teils 1 jährig direkt unter der Cuticula der be-
fallenen Blätter, teils (Exoascus z. T.) perennierend in Knospen oder
älteren Achsenteilen und entwickelt dann in der Vegetationsperiode in I^aub-
oder Fruchtblättern subcuticular ein einschichtiges Hyphengeflecht , aus dessen Zellen
je ein Ascus hervorgeht. Die xAscosporen sprossen nicht selten im Ascus hefeartig auf>.
a) Förmliche Hexenbesen werden von folgenden Arten gebildet , deren
Asci sich auf Blättern entwickeln :
1. Taphrina Cerasi Sadeb. auf Prunus cerasus, avium und Chamaecerasus.
Hexenb. z. Teil sehr gross, nie blühend. Blätter gekräuselt, durch Ascenüberzüge un-
terseits grau bereift.
2. T. I n s i t i a e J o h a n s. auf Prunus Insitia und domestica. Hexenb. kleiner.
Blätter unterseits mit grauweiss bereiften Flecken.
3. T. C a r p i n i R o s t r. auf Carpinus Betulus. Hexenb. z. Teil sehr gross,
dichtbuschig und dichtbelaubt, mit gekräuselten, unterseits grau bereiften Blättern.
4. T. turgida Sadeb. auf Betula verrucosa. Hexenb. gross, sehr dicht ver-
zweigt, mit hängenden Zweigen und etwas gekräuselten, unterseit-s grau bereiften
Blättern.
5. T. betulina Rostr. auf Betula pubescens. Hexenb. mit grau bereift-en
Ueberzügen auf der Blattunterseite.
6. T. epiphylla Sadeb. auf Alnus incana. Hexenb. sehr zahlreich auf
demselben Baum , stark verdickt , sehr schwach verzweigt, mit grauw^eissem
Ascenüberzug auf beiden Blattseiten.
b) Blosse Sprossdeformationen (Asci ebenfalls auf den Blättern)
bilden :
7. T. Tosquinetii Magn. auf Alnus glutinosa sehr häuftg; Triebe gestreckt
und verdickt, Blätter durch sehr grosse Blasen abnorm vergrössert, mit grauweissen
Ueberzügen. — 8. T. J a n u s Thomas auf Betula verrucosa ; blassrote Blattbeulen, die
beiderseits Asci tragen. — 9. T. Ulmi Johans. auf ITlmus campestris und montana;
Blattflecke und blasige Auftreibungen. — 10. T. Celtis Sad. auf Celtis australis;
Blattflecke oder schwache Auftreibungen. — 11. T. Crataegi Sadeb. auf Crataegus
oxyacantha und monogyna; Verkrümmungen und rote Flecken an den Blättern.
c) Nur blasige Auswüchse, Blatt flecken oder glatte Ascenüber-
züge (ohne Sprossdeformationen) erzeugen:
12. T. aurea Fries an Populus nigra, pyramidalis und monilifera; grosse
blasige Auftreibungen der Blätter mit goldgelben Ascusüberzügen der konkaven
Unterseite. — 13. T. Sadebeckii Johans. auf Alnus glutinosa ; runde gelbliche oder
grauweisse Blattflecke. — 14. T. c a r n e a Johans. auf Betula pubescens ; fleischrote
blasige Auftreibungen. — 15. T. coerulescens Tul. auf Q. sessiliflora, pubescens,
Cerris, rubra etc.; unregelmässige, graue oder bläuliche Blattflecke. — 16. T. poly-
s p 0 r a Johans. an Acer tartaricum und 17. T. acericola Mass. an Acer campestris
und Pseudoplatanus ; Blattflecke. — 18. T. b u 1 1 a t a Tul. auf Pirus communis ; blasige
Auftreibungen der Blätter. — 19. T. Ostryae Massal auf Ostrya carpinifolia; Blätt-
flecke. — 20. T. B e t u 1 a e Johans. auf Betula verrucosa und pubescens ; weisse bis
47) Die reiche Exoasceenliteratur ist sehr vollständig zusammengestellt bei K. Gie-
senhagen: Exoascus, Taphrina und Magnusiella (Bot. Ztg. 1901, I. Abt. p. 115 — 142.)
Die einzelnen Pilzarten. § 113. 389
gelbliche Blattflecke.
d) Den Fruchtknoten oder Teile der Frucht deformieren:
21. T. Pruni Tul. auf Prunus domestica und P. Padus. — 22. T. Rostru-
piana (Sadeb.) auf P. spinosa, die sog. Narren oder Taschen erzeugend. — 23. T.
Farlowii Sadeb. auf P. serotina ; Deformation der Blätter, Sprossspitzen und Blüten-
hüllen, Taschenbildung der Früchte. — 24. T. Alni incanae Magn. auf Alnus in-
cana, gemein in den Voralpen und Alpen, an A. glutinosa selten; die Deckschuppen
der Erlenzäpfchen wachsen zahlreich zu langen, gekrümmten, roten Blasen aus. —
25. T. Johansonii Sadeb. an Populus tremula und tremuloides ; blasige Auftreibung
und Gelbfärbung des Fruchtknotens. — 26. T. rhizophora Johans. desgl. bei Po-
pulus alba.
Sämtliche nun folgende Abteilungen der Ascomyceten besitzen sog.
jjFruchtkörper" (Carpoasci).
§ 112. Die Vertreter der Familie der Meltaupilze (Erysiphaceae)
leben ausschliesslich epiphytisch auf Blättern und jungen Zweigen und senden
Haustorien in die Epidermiszellen. Zahlreiche, aufgerichtete Fäden des Mycelüberzugs
zerfallen in eiförmige Gliedersporen (0 i d i e n) , so dass die erkrankten Pflanzenteile
wie mit Mehl bestäubt aussehen. Die allseitig geschlossene Hülle der
punktförmig kleinen, auf dem Mycel zerstreuten Fruchtkörper wächst oft zu charak-
teristischen fadenfönnigen Anhängseln aus. Die Ascosporen werden durch Ver-
witterung der Hülle frei.
Podosphaera enthält in den kugeligen Fruchtkörpern nur einen einzi-
gen, kugeligen Ascus mit 8 Sporen. Die fadenförmigen Anhängsel sind
am Ende mehrfach gabelig verzweigt. — P. oxyacanthae D. C,
hauptsächlich mit Oidiumfruktiflkation auf Blättern von Sorbus, Mespilus, Crataegus
und besonders schädlich an Apfelbäumen.
üncinula besitzt kugelige Fruchtkörper mit mehreren, 2 — 8sporigen
Schläuchen und fadenförmige , einfache oder gabelig verzweigte Anhängsel mit
eingerollten Spitzen. — 1. ü. Aceris D. C. (mit o v a 1 e n Oidien) bildet weisse
Flecke auf Ahornblättem. In Entwickelung begriffene von ihr befallene Blätter ver-
kümmern. — 2. U. T u 1 a s n e i Fuck. (mit kugeligen Oidien) bildet gleichmässigere
Ueberzüge auf den Blättern von Salix, Betula und Populus. — 3. U. Salicis D. C.
bildet teils weisse Flecke, teils derbere Ueberzüge auf den Blättern von Salix, Betula
und Populus. — 4. ü. clandestina Biv. (U. Bivonae L6v.) auf Blättern von Ulmus
montana. — 5. U. P r u n a s t r i D. C. auf Blättern von Prunus spinosa.
Phyllactinia besitzt abgeplattete Fruchtkörper mit mehreren 2( — 3)-
sporigen Schläuchen und langen, abstehenden, haarförmigen, an der Basis
kugelig angeschwollenen Anhängseln. — Ph. suffulta Beben t. (Ph.
guttata Wallr.) bildet weisse Flecken und Ueberzüge auf den Blättern von Fagus,
Quercus, Betula, Alnus, Carpinus, Corylus, Fraxinus und vielen anderen Laubhölzern.
In Rotbuchenbeständen veranlasst sie nach Hartig zuweilen frühzeitiges Vertrocknen
der Blätter.
§ 113. Die schwarzen, als „Russtau" bekannten Ueberzüge auf den Blät-
tern der verschiedensten Bäume und Sträucher werden durch das kurzgliederige, dick-
wandige Luftmycel der der Gattung Apiosporium (Synon. die bekannteren Namen
Capnodium, Fumago) gehörigen Perisporiacee A. salicinum (Pers.)
Kze u. a. Arten, namentlich auf Pappeln und Weiden gebildet. — 2. A. pinophilum
Fuck. bedeckt oft ganze Zweige der Weisstanne samt den Nadeln mit schwarzem
390 III. Klein, Forstbotanik.
Ueberzuge. — Der Russtau stellt sich gewöhnlich nach starker Vermehrung der Blatt-
läuse ein , von deren süssen Ausscheidungen , dem Honigtau, der Pilz sich rein
saprophytisch nährt ; unterhalb der schwarzen Decke bleiben die Blätter durchaus grün.
Bei sehr starkem Auftreten kann er Blätter allmählich zum Absterben bringen.
§ 114. Bei den Kernpilzen (Pyrenomycetes) kleidet das Hymenium
die Innenfläche f 1 aschenf örmi ger oder rundlicher, am Scheitel mit einer
engen Oefinung versehener Behälter, der Perithecien, aus, von deren Basis
die Asci entspringen. Die Ascusfrüchte können aus einem einzigen Perithecium be-
stehen, gewöhnlich aber sind viele in einen charakteristisch gestalteten Fruchtkörper
oder in ein flaches oder polsterförmiges Lager (Stroma) eingesenkt.
Die Gattung Nectria, aus der Familie der Hypocreaceae (mit weichen,
gefärbten, in ein Stroma vereinigten Perithecien) besitzt gelb- bis rotge-
färbte Perithecien, die sich auf einem ebenso gefärbten Stroma, gewöhnlich in
dichten Rasen, entwickeln. Die Asci enthalten 8 zweizeilige Sporen.
1. N. cinnabarina Fr. ist der gemeinste Saprophyt an abge-
storbenem Laubholz, aus dessen Rinde zahllose , kleine, ziegelrote Conidien-
polster hervorbrechen, auf denen im Herbst und Winter die dunkelroten Perithecien
erscheinen. Das Mycel kann aber, besonders bei Aesculus und Ulmus, auch parasi-
tisch von Wundstellen aus in lebende Aeste eindringen und sich im Holz-
körper, besonders in den Gefässen rasch verbreiten, so die Wasserleitungsbahnen
verstopfen und die Aeste zum Absterben bringen. Die Stärke der Holzzellen wird auf-
gezehrt und im Innern der Zellen bleibt eine grünliche Substanz zurück, wodurch der
Holzkörper schwärzlich gefärbt erscheint.
2. N. ditissima Tul. ist der Erzeuger des Laubholzkrebses,
der sich am häutigsten an der Rotbuche findet. Sie tritt nur als Parasit, in der
Regel als Wundparasit auf, nach Hartig vorzugweise von Hagelwunden aus ein-
dringend. Das Mycel lebt hauptsächlich in der Rinde und tötet dieselbe, lang-
sam weiter wachsend. Die Krebsstellen entstehen , weil der Baum die allmählich
grösser werdenden abgestorbenen Partieen alljährlich zu überwallen versucht. Die
Conidienpolster sind weiss, die Perithecien rot. Bei Rotbuchen scheint das Mycel auch
im Holze und zwar sehr schnell vorwärts wandern zu können, weil bei manchen
Bäumen oft alle Aeste und Zweige bis zur Spitze zahlreiche Krebsgeschwülste tragen,
ohne in ihrer Länge verkürzt zu sein.
3. N. Cucurbitula Fr. ist ein Wundparasit der Fichte, seltener
der Tanne, Kiefer und Lärche etc. Das Mycel verbreitet sich rasch in der Rinde,
besonders in den Siebröhren und meist zur Zeit der Vegetationsruhe und töt^t die
Rinde und an schwächeren Zweigen und Stämmen auch das Holz. In jungen Fichten-
kulturen sterben so häufig die Gipfel ab. Die Fruchtkörper entwickeln sich nur, wenn
die abgestorbene Rinde stets feucht erhalten wird. Zuerst brechen stecknadel-
kopfgrosse weisse und gelbe Conidienpolster hervor, auf denen später rote Peri-
thecien gebildet werden.
§ 115. Aus der grossen Pyrenomyceten-F a m i 1 i e der Sphaeriaceae (mit
dunkeln, festwandigen oder kohlig-brüchigen Perithecien, die dem Substrate völlig
frei aufsitzen oder von einer fädigen Unterlage umgeben, aber nie in ein eigentliches
Stroma eingesenkt sind), kennen wir eine Anzahl von Baumschädlingen.
Trichosphaeria parasitica R. Hartig befällt überall die Weisstanne
(selten Fichte und Tsuga) an luft feuchten Orten, wo man in natürlichen Ver-
jüngungen oder bei dichtem Pflanzenstand überall Zweige sieht, deren zum Teil gebräunte
Die einzelnen Pilzarten. § 115. 391
Nadeln herabhängen und nur durch ein feines Mycel festgehalten werden. Das farblose
Mycel perenniert auf der Zweigunterseite und wächst von da auf die Unter-
seite der Nadeln, dieselben gleichsam festspinnend. Von den meist erst im
folgenden Jahre getöteten alten Nadeln wächst das Mycel auf die jungen Maitriebe,
tötet die noch nicht ausgewachsenen Nadeln der Zweigbasis sofort, während die mitt-
leren und oberen auswachsen und erst später von dem langsam vordringenden Mycel
ergriffen werden. Im Frühjahr sind mitunter junge Triebe dicht übersponnen und alle
Nadeln getötet, so dass der Zweig abstirbt. Auf den anfänglich weissen, später bräun-
lichen Mycelpolstern der Blattunterseite entspringen mit blossem Auge kaum
wahrnehmbare, seh warzePerithecien mit borstenförmigabstehen-
dem Haarbüschel auf der oberen Hälfte. Die Asci enthalten 8 sofort keim-
fähige, 4zellige, hellgraue Sporen.
Herpotrichia nigra R. Hartig ist biologisch dadurch interessant, dass der
Pilz in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft bei niederer Temperatur noch unter
dem Schnee oder bei Abgang des Schnees wächst. Das russgraue Mycel
überzieht vom Schnee niedergedrückte Zweige und junge Pflanzen von Latschen und
Fichten (und Wachholder) in höheren Gebirgslagen , Zweige und Nadeln b i e r f i 1 z-
artig zusammenspinnend und tötend. Im Knieholz entstehen so grosse Fehl-
stellen, die aussehen, als ob alles durch Feuer verkohlt sei und ebenso wird in höheren
Grebirgslagen oft grosser Schaden an Fichten Saat- und Pflanzbeeten, sowie an jungen
vom Schnee umgelegten Fichtenpflanzungen verursacht. — Die schwarzbraunen
Perithecien sind ca. Vs nim gross und enthalten in 2 Reihen 8, anfangs 2zellige,
leicht keimende Sporen.
Rosellinia quercina R. Hartig , der Eichen wurzeltöter, befällt und tötet
bei feuchtwarmer Witterung die Wurzeln 1 — 3jähriger (gelegentlich auch bis lOjähriger)
Eichen, infolge dessen die oberirdischen Teile verbleichen und vertrocknen; er ist
namentlich im Nordwesten Deutschlands sehr verbreitet. Das Mycel dieses interessanten
Parasiten besitzt dieselbe Mannigfaltigkeit, wie dasjenige von Agaricus melleus. An
den kranken Wurzeln bilden sich stecknadelkopfgrosse schwarze Skle-
r 0 t i e n , besonders an der Ursprungsstelle der feineren Seitenwurzeln. Daneben ent-
stehen zwirnfadenähnliche, anfangs weisse, später bräunliche
Stränge, die „Rhizoctonien", welche äusserlich die Wurzeln umspinnen, in der
Erde weiter wachsen und die Krankheit von Wurzel «u Wurzel verbreiten; gelegent-
lich wuchert das weisse Mycel auch oberirdisch in dem grasigen Bodenüberzuge. Die
Sclerotien bilden in feuchter Luft ein dichtes weissgraues Schimmelmycel, das später
ebenfalls Rhizoctonien bildet. Alle Mycelarten dringen in die lebende Rinde ein
an Wurzelspitzen, durch die Lenticellen und besonders an der Basis der Seiten wurzeln,
wo sich zunächst Infektionsknöllchen bilden, von denen bei günstigen Witterungsver-
hältnissen Mycelfäden ins Innere der Wurzel wachsen. Die Rindenzellen werden mit
dichtem Mycel (Pseudoparenchym) erfüllt und getötet und schliesslich dringt das Mycel
biß zur Markröhre vor. Das Wurzelholz schwärzt sich zunächst und wird zuletzt
weissfaul. Bei kaltem und trockenem Wetter vermag sich die Wurzel durch W u n d-
k 0 r k zu heilen , welcher die Umgebung der Infektionsknöllchen an der Basis der
Seitenwurzeln von dem gesunden Gewebe abtrennt. Das Luftmycel bildet im Sommer
Conidien auf quirlf örmig verästelten Trägern, ausserdem entstehen stecknadelkopf-
grosse, schwarze, kugelige Perithecien entweder an der Oberfläche der
kranken Eichenwurzeln oder in deren Nähe an den Rhizoctonien auf der Boden-
oberfläche.
Sphaerella (neuerdings Mycosphaerella genannt) 1 a r i c i n a R. Hartig, der
392 III. Klein, Forstbotanik.
Nadelscbüttepilz der Lärche, ist nach H a r t i g einer der gefährlichsten
Feinde der Lärche und grossenteils die Ursache des Lärchensterbens in den tieferen
Lagen. Frühestens Ende Juni, meist erst im Juli werden die Nadeln braunfleckig,
(die von Chermes geniculatus angestochenen schon im Mai) und fallen bald ab ; in
nassen Jahren sind oft schon im August die meisten Nadeln abgeworfen. In trockenen
Jahren tritt die Krankheit nur in dumpfen Lagen auf oder da, wo die Lärche in an-
dere Nadelhölzer eingesprengt ist, zwischen deren Nadeln die inlizierten vorjährigen
Lärchennadeln zum Teil hängen geblieben sind und Ascosporen gebildet haben. Mit
Kotbuche unterbaut, oder mit derselben gemischt, gedeiht die Lärche in tieferen Lagen
am besten, weil das abfallende Buchenlaub die viel früher abgefallenen Lärchennadeln
bedeckt. — Das Mycel lebt intercellular. Die Conidienpolster durchbrechen die
Epidermis der kranken, noch am Zweige hängenden Nadeln, bilden winzige schwarze
Pünktchen mit stabförmigen Conidien, werden durch Regen abgewaschen und ver-
breiten bei feuchter Witterung die Krankheit rapide. An den abgefallenen Nadeln
entstehen im nächsten Frühjahr noch kleinere schwarze Pünktchen in
grosser Zahl, die Perithecien und vereinzelte Pycniden.
Aglaospora taleola Tul. verursacht wahrscheinlich als Wundparasit nach
R. Hartig an Zweigen und Stämmen junger Eichen, an denen noch keine Borke-
bildung aufgetreten ist, gelegentlich eine verderbliche Krebskrankheit, indem kleinere
oder grössere (bis mehrere Meter lange) Rindenstücke absterben, aufplatzen und all-
mählich überwallt werden. Das Mycel dringt auch etwas ins Holz ein, das sich ober-
flächlich bräunt. Auf der erkrankten Rinde, die später abgestossen wird, neigen die
Perithecien gruppenweise mit langen Hälsen unter dem Periderm zusammen und durch-
brechen dasselbe nur mit der Perlthecienmündung. Die A s c i haben 8 2zellige Sporen
mit fadenförmigen Anhängseln. Ausserdem werden von dem Stroma, nahe der
Perlthecienmündung, noch Izellige, sichelförmige Conidien abgeschnürt.
Das „Blauwerden" des Nadelholzes wird von Ceratostoma pili-
f e r u m veranlasst. Das braungetärbte Mycel dringt von aussen in die toten Stämme,
namentlich in abständige Kiefern und verbreitet sich sehr schnell im Splintholz, das-
selbe zersetzend, während es das Kernholz mehr meidet.
§ 116. Die Hypodermataceae oder Ritzenschorfe besitzen flache
oder längliche Fruchtkörper, die Apothecien (wie bei den Discomj'ceten)
genannt werden ; ihre häutig-ledrige schwarze Wandung ist mit den decken-
den Substratschichten verwachsen und platzt nach der Sporenreife mit
einem Längsspalt lippenartig auf. Bei feuchter Luft klappen die Ränder
auseinander, bei trockener schliessen sie die Spalte. Das geschlossene Apothecium ist
von dichtgedrängten Paraphysen erfüllt, zwischen die sich die Ssporigen Asci ein-
keilen. Die Sporen sind meist fadenförmig mit aufquellbarer Gallertmembran. Die
Apothecien entstehen erst an den schon seit einiger Zeit vom Mycel getöteten Pflanzen-
teilen. Ausserdem werden noch kleine Izellige Conidien in Pycniden gebildet.
Die Gattung Hypoderma hat keine lang fadenförmigen Sporen, dieselben
sind stets viel kürzer als die Schläuche und zur Reifezeit 2z ellig.
H. brachysporum (Rostr.) Tubeuf, der Nadelritzenschorf der
Weymouthskiefer, tötet die Nadeln und jungen Triebe und kann ganze Wald-
partieen durch völlige Entnadelung vernichten. Die Nadeln bräunen sich schon im
Sommer, die Apothecien erscheinen als feine schwarze Linien, im Winter
fallen die Nadeln ab. Die Ascosporen sind gestreckt oval.
Die Gattung Lophodermium hat langgestreckte, einzellige, fa-
Die einzelnen Pilzarten. § 116. 393
den förmige Ascosporen; die Paraphysen sind zum Teil durch Querwände ge-
gliedert und am Ende knopftonnig verdickt oder hackig gebogen.
1. L. nervisequium D. C, der Weisstannenritzensch orf, ist
überall verbreitet, wo die Tanne heimisch ist; schädlich wird er nur dann, wenn der
grösste Teil der Nadeln unter Bräunung abstirbt. Die abgestorbenen Nadeln bleiben
lange am Zweige sitzen. Die Bräunung der Nadeln erfolgt im Mai bis Juli an 2jäh-
rigen, ins dritte Jahr eintretenden Nadeln. Wenige Monate nach der Bräunung er-
scheinen die P y c n i d e n auf der Nadeloberseite als 2 wellig gekräuselte
schwarze Längswülste. Später bilden sich die Apothecien in einem
I^ängswulst auf der Mittelrippe der Unterseite, in der Regel im April
des nächsten Jahres, also am dreijährigen Trieb reifend. Die meisten der erkrankten
Nadeln fallen schon früher ab und entwickeln am Boden ihre Apothecien.
2. L. macrosporum R. Hartig, der Fichtenritzenschorf, erzeugt
die FichtennadelrÖte, die in 10 — 40jährigen Beständen sehr verschiedenai*tig, in manchen
Jahren ungemein intensiv und gefährlich auftritt. Entweder bräunen sich die
Nadeln vorjähriger Triebe im Fiiihling und bilden im Sommer (Juli) die Perithecien,
welche in den mittlerweile 2jährig gewordenen Nadeln im April und Mai des nächsten
Frühjahrs reifen (so z. B. im feuchten Klima des Erzgebirges von Hartig beobachtet),
oder die Nadeln bräunen sich erst im Herbste (Oktober) an 2jährigen Trieben, die erste
Anlage der Apothecien erfolgt im Juni des nächsten Jahres an den im dritten Jahre
stehenden Nadeln und die Sporenreife im März oder April des folgenden Jahres, wenn
die Nadeln nahezu das dritte Jahr vollendet haben. Dazu kommt noch im Herbst mit-
unter eine „Schütte'' einjähriger gebräunter Nadeln, an denen sich nur kleine
isolierte Apothecienhöcker bilden. — Die Apothecien entwickeln sich als lange,
glänzend-schwarze Wülste auf den beiden Unterseiten der 4kantigen
Nadeln. Die Sporen sind doppelt so lang, als beim Weisstannenritzenschoi*f.
3. L. abietis Rostr. bildet nach Rostrup auf der Fichten- und Tannen-
nadel keine Längswülste, sondern erst gelbe Flecke und dann grosse schwarze
Punkte, wobei sich die Nadel verfärbt. — 4. L. laricinum Duby auf Lärchennadeln
mit sehr kleinen (Vio — V^ ni^w) Apothecien, selten. — 5. L. j unip er inum Fries auf
Nadeln des gemeinen Wachholders. — 6. L. gilvum Rostr. befällt und tötet die
Nadeln von Pinus Laricio. —
7. L. Pinast ri (Schrad). Chevall., der Kief ernritzenschorf, ver-
ursacht die überall verbreitete und höchst gefährliche Nadelschütte der Kiefer,
die aber auch andere Gründe, wie Spätfrost, Auffrieren, Vertrocknen etc. haben
kann und die als spezifische Kinderkrankheit vornehmlich 1 — 4jlihrige Pflanzen unter
allen Klima- und Bodenverhältnissen befällt und tötet; ältere Pflanzen werden relativ
wenig von ihr geschädigt. Wie bei allen Ritzenschorfen hängt die Entwickelung
ungemein von der Witterung ab, da die Fortpflanzungsorgane des Pilzes nur in ab-
gestorbenen Nadeln gebildet werden und hierzu feuchtes Wetter Vorbedingung ist.
Demgemäss hemmen trockene Sommer und kalte Winter die Entwickelung und Aus-
breitung der Pilzschütte in hohem Grade, während regnerische Sommer und feucht-
warme Winter sie ebenso begünstigen. Die Infektion scheint nach den eingehenden
Untersuchungen von Tubeuf*®) an jungen Pflanzen im allg. nicht vor August statt-
zufinden, nicht im Mai an der jungen Nadel, wie man früher annahm, sondei'n erst an
der völlig ausgebildeten. Die Primärnadeln werden frühestens im September, die Kurz-
triebnadeln wahrscheinlich erst später getötet. Bei feuchtem Wetter treten schon im
48) C. V. Tubeuf, Studien über die Schüttekrankheit der Kiefer 1901. 160 p. gr.
S^ mit 7 Tfln. (Arb. a. d. biol. Abt. a. Kais. Ües.-Amt H. 1.)
394 III. Klein, Forstbotanik.
ersten Herbste die zahlreichen, kleinen, schwarzen Pycniden auf; ihnen folpen die
flachen, schwarzen Apothecien in grösserer Zahl auf der gleichen Nadel. Bei ge-
nügender Feuchtigkeit können sich die Apothecien in wenigen Wochen auf den abge-
storbenen, vom Mycel des Pilzes durchwucherten Nadeln bilden. Im Freien reifen sie
seltener an noch hängenden Nadeln, meist nach deren Abfall auf dem Boden. Die
Apothecien sind grösstenteils schon im April aufgesprungen; die Reife der einzelnen
Asci erfolgt sehr allmählich, so dass die Apothecien von April an den ganzen Sommer
über (und auch noch im Winter) Sporen auswerfen können und die Infektionsmoff-
lichkeit, soweit sie vom Pilze abhängt, jederzeit gegeben ist. Von den verschie-
denen Bekämpfungsmitteln der Schütte ist als einzig durchschlagendes die Be-
spritzung im August mit Kupfermitteln (z. B. Kupferkalkbriihe) anzusehen; wie bei
der Blattfallkrankheit des Weinstockes hält auch hier die Schutzwirkung bloss ein
Jahr an. Ausser auf der gemeinen Kiefer kommt L. P., bis dato in forstlich be-
deutungsloser Weise, auch auf P. montana, Laricio (und vielleicht andern
Zweinadlern) und P. Cembra vor.
1. Hypodermella Laricis v. Tubeuf ist ein selten und bis dato nur in den
Alpen beobachteter Parasit der Lärche, der die ganzen Nadelbüschel tötet und leicht
mit Lophodermium laricinum (s. o.) verwechselt wird. Seine Apothecien sind
noch kleiner, als bei L. 1. und glänzender schwarz; der Ascus enthält bloss vier
tränenförmige, Izellige Sporen und die Paraphysen sind einfach, am Ende nicht
verdickt oder verbogen.
2. H. sulcigena (Link) Tub. findet sich auf Nadeln von Pinus silvestris und
montana.
§ 117. Die Scheibenpilze (Disco mycetes) besitzen anfangs in der
Regel geschlossene, zur Reifezeit Scheiben- oder becherförmig offene Fruchfr-
körper, Apothecien genannt, an deren Oberfläche die Asci mit den Pai'aphysen
(das Hymenium) ausgebreitet sind. Die Hauptmasse der Fruchtkörper wird " von dem
unter dem Hymenium liegenden Hypothecium gebildet. Forstliche Parasiten
finden sich in den Familien der Rhizinaceae, Phacidiaceae und P e z i-
z az eae.
Zur Familie der Rhizinaceae, mit fleischig wachsartigem, stiellosem Fnicht-
körper, von anfang an frei liegendem, nicht vertieftem Hymenium und mit Deckel
aufspringenden Schläuchen , gehört Rhizina undulata Fr., der Wurzel-
schwamm oder die Ringseuche, der als Saprophyt im Walde besonders
auf Brandplätzen vorkommt, als Parasit die Wurzeln in- und ausländischer Nadel-
hölzer verschiedenen Alters angreift. Junge Pflanzen verlieren die Nadeln und sterben
ab ; in ihrer Umgebung erscheinen später die 1 — 5 cm grossen, flach ausgebreiteten,
sammetglänzenden, dunkelbraunen, morchelähnlichen Fruchtkörper. Das
aus den zu je 8 in einem Ascus gebildeten, hyalinen, kahnförmigen Sporen sich ent-
wickelnde Mycel wächst intercellular im Rindenparenchym und im Lumen der Sieb-
röhren. Aus den erkrankten Wurzeln treten rhizoctonienartige Stränge sowie fadiges
Mycel aus und verbreiten unterirdisch die Krankheit zentrifugal.
§ 118. Zu den Phacidiaceae, in deren mit dem Substrat verwachsenes
schwarzes Stroma die dickwandigen, in der Mitte lappig auf reissenden
Fruchtkörper eingesenkt sind, gehören:
1. Rhytisma acerinum (Pers.) der Ahorn-Runzelschorf, welcher
überall im August auf den grünen Blättern des Spitzahorns, etwas weniger
häutig auf denen des Berg- und Feldahorns tintenklecksähnliche, ca. 1—2 cm
Die einzelnen Pilzarten. § 119. 395
grosse, schwarze Flecken (flache Sklerotien) oft in grosser Zahl bildet. Die Blätter
fallen meist etwas vorzeitig ab. Auf den abgefallenen Blättern sind im folgenden
Frühjahr die Sklerotien etwas dicker und durch die wurmförmigen, etwas vor-
tretenden Apothecien gehimartig gerunzelt. Aus den bei nassem Wetter n)it Längs-
spalt aufplatzenden Apothecien werden die mit Gallerthülle versehenen fädigen
Ascosporen im Mai oder Juni mit grosser Kraft ausgeschleudert und vom Wind auf
die Bäume getragen, wo 3 Wochen nach der Infektion schon gelbe Flecken zu sehen
sind. 2. Rh. punctatum (Pers.) bildet auf den Blättern des Bergahorns aus
zahlreichen ca. 1 mm grossen schwarzen Punkten zusammengesetzte Flecken, in deren
nächster Umgebung das Blatt länger grün bleibt, so dass im Herbste die Rhytisma-
flecken in grüne Inseln des gelben Blattes eingebettet sind. 3. Rh. salicinum (Pers.)
erzeugt auf den Blättern der verschiedensten Weiden arten grosse und kleine schwarze
Flecken. 4. Rh. svmmetricum J. Müller, solche besonders stark auf den Blättern
der Purpurweide, wo auf Ober- und Unterseite Apothecien gebildet werden, die
nach Schröter schon im Herbste auf den noch lebenden Blättern reifen.
Cryptomyces maximus (Fries.) bildet auf der Rinde verschiedener
Weidenarten breite schwarze Krusten, die grosse Strecken der lebenden Zweige
bedecken, bei Regen gallertig aufquellen, beim Trocknen sich abrollen und grosse
Narben in der Rinde zurücklassen. Die ovalen Sporen dürften nach T u b e u f als-
bald junge Triebe infizieren, in welchen das Mycel offenbar überwintert. Oberhalb des
Fruchtlagers sterben die erkrankten Weidenzweige ab.
Scleroderris fuliginosa (Fries) tötet nicht nur schwache Zweige, son-
dern auch starke Aeste der verschiedensten Weiden. Auf der Rinde bilden sich
ausgedehnte schwarze Krusten, aus denen die kleinen, gestielten, schüsseiförmigen
Apothecien in grossen Massen hervorbrechen. Der Pilz tötet Rinde, Cambium und die
angrenzenden Holzpartieen, so dass befallene stärkere Zweige an den erkrankten Stellen
sich unregelmässig verdicken, bis sie getötet werden.
§ 119. Zu den Pezizaceae, mit schüssel- oder krugf örmigen,
fleischigen oder wachsartigen , oft lebhaft gefärbten Apothecien,
gehören :
1. Sclerotinia Aucupariae Ludw., mumifiziert durch Sclerotienbildung
der Früchte von Sorbus aucuparia, 2. S. Padi Wor. diejenigen von Prunus Padus,
3. S. Betulae Wor., diejenigen der Birke, deren Nüsschen an Stelle der elliptischen
eine herzförmige Gestalt bekommen, 4. S. Alni Naw., diejenigen der Erle, ähnlich
wie Heidelbeere, Preiselbeere, Moosbeere, Rauschbeere durch entsprechende Sclerotinien
mumifiziert werden. — Aus den Sclerotien entwickeln sich bei hinreichender Feuchtig-
keit im Frühjahr die gestielten Peziza-Schüssel fruchte.
Die Conidienform von Sclerotinia Fuckeliana de Bary, der ge-
meine Traubenschimmel Botrytis cinerea, der gewöhnlich saprophytisch lebt,
tötet in nassen Frühjahren und Vorsommern mitunter die Nadeln und jungen Triebe
der Weisstanne, der Fichte und der Douglastanne (Syn. B. Douglasii Tub.),
selten Lärche und Kiefer. Bei der Weisstanne können auch vorjährige Triebe
ergriffen werden.
Dasyscypha (syn. Peziza) Willkommii R. Hartig verursacht den ge-
fährlichen Lärchenkrebs. Nach Hartig verbreitet sich das Mycel der an Wund-
stellen keimenden Sporen teils intercellular, teils im Lumen der Siebröhren, die
Grewebe tötend und dringt später in das Holz vor bis zur Markröhre. Das getötete
Rindengewebe wird im Sommer durch eine breite Wundkorkschicht von der lebenden
396 TU. Klein. Forstbotanik.
Einde abgetrennt. Im Herbste kommt das Mycel, das anscheinend nur zar Zeit der
Ve^etationsruhe wächst, vom Cambium oder Holzkörper in die lebende Rinde zurück
und vergrössert alljährlich die Krebsstelle, die gewöhnlich Harzflass zeigt, und sich in
der Mitte, wo das Gewebe am längsten getötet ist, immer tiefer einsenkt und unregel-
mässiges Dicken Wachstum des Stammes oder Astes veranlasst. Stammkrebse können
in den Alpen Metergrösse und ein Alter von über 100 Jahren erreichen. Bei raschem
Wachstum unifasst der Krebs bald das ganze Stämmchen und dessen oberer Teil stirbt
ab. Auf den Krebsstellen brechen bald nach dem Tode des Rindengewebes junge, gelbe,
Stecknadelkopf grosse Fruchtkörper hervor, die aber nur in anhaltend feuchter
Luft zur Reife kommen und .sich gewöhnlich im August oder September zu den
1 — 4 mm grossen, orangeroten, weissberandeten Pezizaschüsseln entwickeln.
An abgestorbenen Teilen treten die Schüsseln auch ohne Krebsstellen auf. Luftfeuchte,
dumpfe Lagen begünstigen im Hochgebirg wie im Flach- und Hügelland die Entwicke-
lung des Pilzes.
Cenangium Abietis (Fers.) D u b y , im allgemeinen ein harmloser Sapro-
phyt, kann nach Frank Schwarz*^) gelegentlich parasitisch auftreten und selbst
grosse 5]pidemieen verursachen (1891 und 1892 in Norddeutschland). Der Pilz, der
das auch aus anderen Ursachen eintretende Triebschwinden der gemeinen
und der Schwarz-Kiefer verursacht, befällt nur Bäume von geschwächter Ijebens-
kraft und nie solche unter 5 Jahren. Die Infektion erfolgt nur während der Ruhe-
periode der Pflanzen, das Mycel wächst hauptsächlich in der Rinde und bringt im
Frühjahr namentlich die letzten Jahrestriebe mit den Endknospen zum Absterben,
nachdem vorher die von der Basis her rot gewordenen Nadeln abgefallen sind.
Später können auch ältere Teile und selbst ganze Pflanzen absterben. Nach Tubeuf
können die Triebe auch nur lokal in grösserer oder kleinerer Ausdehnung erkranken.
— Die IV2 — 2^/2(3) mm grossen, schwai*zen, pustelförraigen, fast ganz geschlossenen,
nur bei Regenwetter sich öffnenden Apothecien brechen sehr zahlreich, zu kleinen
Gruppen oder Streifen vereinigt, hauptsächlich an mehrjährigen, später auch an ein-
jährigen Trieben und hier an den Blattnarben, selten an den Nadeln selbst hervor.
Die etwas kleineren P y c n i d e n bilden entweder Izellige, stäbchenförmige, oder mehr-
zellige sichelförmige Conidien. — An den erkrankten Bäumen traten zumeist Nach-
krankheiten auf (Spanner, Nonne, Gallmücken und Käfer), die schädlicher
als die primäre Erkrankung wirkten.
§ 120. Aus der grossen Zahl derFungi imperfecti, wie man die Pilze
mit nur unvollkommen bekanntem Entwickelungsgange nennt, können hier nur einige
der wichtigeren Arten aufgeführt werden, die wegen ihrer Conidien- und Pycniden-
fmktilikation zu den Ascomyceten gerechnet werden:
1. Phoma abietina R. Hartig, verursacht die Einschnürungskrank-
heit der Tannenzweige. In Tannenwaldungen findet man häufig abgestorbene,
benadelte Zweige und Gipfel der Unterwüchse, die eine breite, ringförmige Ein-
schnürung mit abgestorbener Rinde aufweisen ; aus letzterer brechen zahlreiche, kleine,
schwarze Pycniden hervor, deren Sporen im August oder September infizieren. Im
Frühjahr sterben die einjährigen Zweige ohne Einschnürung ab; diese tritt nur bei
stärkeren Zweigen auf, die nach der bis auf das Cambium reichenden Tötung der Rinde
oberhalb und unterhalb der erkrankten Stelle noch ein oder einige Jahre in die Dicke
wachsen.
49) Frank Schwarz. Die Erkrankung der Kiefern durch Cenangium Abietis. Jena
1895. 126 p. %^. 2 Tfln., vergl. auch v. Tubeuf, Schüttekrankheit 1. c.
Die einzelnen Pilzarten. § 120. 397
2. Ph. Pithya Sacc. ruft eine ähnliche Krankheit anf den Zweigen der
Douglastanne (und der gemeinen Kiefer) hervor, 3. Ph. sordida Sacc. verur-
sacht in nassen Sommern ein Absterben junger Weissbuchentriebe, deren
Blätter noch den ganzen Sommer über hängen bleiben.
Septoria parasitica R. Hartig, der Pilz der Fichtentrieb kran k-
h e i t , töt^t häutig die Gipfel der Fichte (und Sitkaiichte) von Säm- und Pflänz-
lingen bis zu 30jährigen Stangenhölzern. Ende Mai oder Anfang Juni hängen die
jungen Triebe namentlich, wenn sie an der Basis infiziert wurden, schlaif herab und
vertrocknen bald. Im Sommer brechen an den getöteten Zweigen die kleinen schwarzen
Pycniden aus der Rinde hervor, namentlich an den Nadelpolstern und der Zweigbasis
sowie aus den Nadeln der äussersten Triebspitze. Infektion im Frühjahr tötet die
jungen Triebe nach 1 — 2 Wochen. •
Brunchorstia Pini Allescher, verursacht vielfach eine von der Kinde be-
ginnende und im Sommer bis zur Nadelbasis sich verbreitende Triebkrankheit
von Pinus Laricio. Die kleinen Pycniden entwickeln sich an der Nadelbasis,
unter den Nadelscheiden versteckt.
Gloeosporium nervisequium (Fuck.), nach Kleb ahn wahrscheinlich
zu Laestadtia (Apiospora) veneta Sacc. gehörig, ruft die bekannte Epidemie
der Platanenblätter (und gelegentlich auch der jungen Triebe) hervor, na-
mentlich in feuchten Frühjahren, der oft eine grosse Anzahl der jungen, eben ent-
falteten ßlätter zum Opfer fallen; dieselben werden von Mitte Mai an hauptsächlich
längs der Nerven braunfleckig und vertrocknen und verschrumpfen später.
PestalozziaHartigii Tuben f, die überall verbreitete Einschnürungs-
krankheit junger Holzpflanzen, befällt hauptsächlich junge Fichten und
Tannen, namentlich in Pflanzbeeten, aber auch Rotbuchen, Eschen, Ahorn und andere
l^ubhölzer. Dicht über dem Boden ist das Stämmchen mehr oder weniger
angenfallig eingeschnürt, die Blätter oder Nadeln vergilben zuerst, die Pflanze
kümmert und stirbt schliesslich ab. In der Rinde der eingeschnürten Stelle findet
sich ein zartes Stroma mit conidienabschnürenden Höhlungen. Die Conidien, in
schwarzen Zäpfchen aus der Epidermis tretend, besitzen zwei mittlere braune Zellen,
die zusammen eine tonnenförmige Figur bilden, eine lange hyaline Stielzelle und eine
kleine hyaline Endzelle mit 2 — 3 hyalinen Borsten.
Septogloeum Hartigianum Sacc. tötet nach Hartig 1jährige Zweige
des Feldahorns im Frühjahr vor dem Laubausbruch. Die strichförmigen, grau-
grünen Conidienpolster erscheinen im Frühjahr in grosser Zahl. Die Conidien infizieren
die jungen Maitriebe, die sich zunächst normal entwickeln und erst im nächsten Früh-
jahr absterben.
Fusoma Pini R. Hartig (syn. F. parasiticum Tubeuf) ruft im Mai und
Anfang Juni in Fichten- und Kiefernsaatbeeten (gelegentlich auch bei Er-
len-, Birkenkeimpflanzen etc.) eine Keimlingskrankheit hervor, die sich in ihren äusseren
Erscheinungen kaum von der durch Phytophthora erzeugten unterscheidet. Nasses
Wetter ist der Ausbreitung der Krankheit sehr förderlich, da dann das Pilzmycel aus
den erkrankten Pflanzen auch nach aussen hervorwächst und die benachbarten Pflanzen
infiziert; die getöteten Pflänzchen verfaulen dann bald unterirdisch. An dem Luftmycel
bilden sich reichlich sichelförmige, meist ßzellige Conidien, die schnell
keimen und die Krankheit verbreiten.
Allescheria (Hartigiella Syd.) Laricis R. Hartig ruft im Mai und Juni,
namentlich bei feuchter Witterung , eine verderbliche Nadelkrankheit der
Lärche, besonders in Saat- und Pflanzbeeten hervor, wobei die Nadeln
398 III. Klein, Forstbotanik.
braune Flecke bekommen oder ganz absterben. Aus den Spaltöffnungen wachsen dicht-
gedrängte kurze Conidienträger hervor, teilen sich durch Querwände in 3 — 4 Zellen
und aus jedem Segment bildet sich, wie bei den Basidien der üredineen, eine auf kurzem
Sterigma stehende, einzellige, bisquitförmige Conidie.
1. Fusicladium (zuVenturia gehörig) dendriticum (Wallr.) Fuck. ruft
an lebenden Blättern, Früchten und Zweigen der Apfelbäume (und Ebereschen),
2. F. p i r i n u m (Lib.) Fuck. an denen der Birnbäume braune Flecken mit stache-
ligem Rand („Schorf**) hervor und kann bei starkem Auftreten sehr schädlich wer-
den. — 3. F. tremulae Frank tötet die Blätter der Aspe; die Blätter fallen ab,
die Triebe vertrocknen. An den zum zweiten Mal gebildeten Trieben kann sich die
Krankheit im Sommer wiederholen.
1. Cercospora acerina R. Haitig verursacht, namentlich in regnerischen
Jahren, eine Keimlingskrankheit der Ahornpflänzchen: Die Keim- und
ersten Laubblätter sowie die Triebachsen werden schwai-zfleckig oder ganz schwarz
und verfaulen. Aus den erkrankten Teilen wachsen zahllose kurze Conidientiilger her-
vor, die auf ihrem Scheitel Büschel von langen, geschweiften, mehrzelligen Conidien
erzeugen. Das intercellulare Mycel bildet durch Anschwellen kurzer Zellreihen braune,
fädige Dauermycelien (einfachste Sclerotiumform) , welche die Krankheit ins
nächste Jahr übertragen.
2. C. microsora Sacc. erzeugt auf den Blättern der Linde kleine schwarze
Flecken und verursacht oft massenhaften, vorzeitigen Laubfall.
8. Basidiomyeetes.
Die Basidiomyceten sind durch den Besitz von Basidien charakterisiert, d. h.
Conidienträgem, welche nach Form, Grösse, Zahl der Sporen und Entstehungsort der-
selben vollkommen bestimmt sind und welche bei den höheren Formen an der Ober-
fläche oder in Hohlräumen ungeschlechtlich entstandener Fruchtkörper ein Hymenium
bilden.
§ 121. a) Die Rostpilze oder Üredineen gehören zu der unteren Stufe
der Basidiomyceten, den Protobasidiomyceten, und sind durch quer g et eil te
Basidien ausgezeichnet, die immer aus Chlamydosporen hervorgehen und keine Frucht-
körper bilden ; sie sind streng obligate Parasiten mit intercellularem
Mycel, dessen Plasma orangerote oder -gelbe Oeltröpfchen führt. Den Namen ver-
danken sie der rotgelben, rostähnlichen Farbe, die ihre Sporenlager häutig aufweisen.
Die üredineen besitzen 5 verschiedene Sporenformen : Uredo-, Teleuto- und Aeci-
diosporen (die Chlamydosporen sind), Sporidien (Basidiosporen) und Sperma-
t i e n (Conidien). Diese Sporenformen kommen keineswegs sämtlich bei jeder Species
vor; niemals aber fehlen die Teleutosporen, welche bei den meisten Arten
die Ueberwinterungsf orm des Pilzes darstellen. Die Teleutospore ist stets
einzellig und sog. zwei- und mehrzellige sind als Reihen einzelliger T. aufzufassen.
Bei der Keimung wächst aus jeder Teleutospore ein kurzer Mycelfaden, früher
Promycel genannt, hervor, der durch Querwände in 4 Zellen zerfällt und dann eine
quergeteilte Basidie vorstellt. Aus jeder der 4 Zellen der Basidie sprosst ein
Faden (Sterigma) hervor, der an seiner Spitze eine Basidiospore (früher hier
Sporidie genannt) trägt. Bei einigen Gattungen teilt sich die Teleutospore selbst durch
Querwände in 4 Zellen und ist dann der Basidie homolog. Die Basidiosporen keimen
in Wasser; ihre Keimschläuche dringen stets durch die Epidermiswandung ein. Nach
ca. 2 — 3 Wochen erscheinen meist auf der Blattoberseite die Pycniden (Spermo-
Die einzelnen Pilzarten. § 121. 399
gonien), deren Conidien (Spermatien) reduzierte Organe ohne Bedeutung zu sein
scheinen, und bald nach ihnen die stets in Fruchtkörpem, Aecidien, eingeschlosse-
nen , vom Grunde des Fruchtkörpers reihenweise abgegliederten Aecidiosporen,
meist an der Blattunterseite becherförmig aufbrechend. Die Aecidien besitzen gewöhn-
lich eine Hülle, Pseudoperidie, aus einer einfachen Schicht steriler Zellen ; fehlt
dieselbe, so heisst das Aecidium Caeoma. Bildet das Aecidium (grosse) Blasen, die
sich mit einem Kiss öffnen, so heisst es Peridermium; öffnet es sich gitter- oder
pinselartig, Röstelia. Die gleichfalls in Wasser mit e i n e m Keim schlauch keimen-
den Aecidiumsporen infizieren durch die Spaltöffnungen und bringen nach ca. 8 — 14
Tagen Uredosporen hervor, die meist gestielt sind und in Büscheln oder Streifen
beisammen stehen. Die Uredosporen keimen ebenfalls sofort in Wasser, aber mit meh-
reren Keimschläuchen, infizieren ebenfalls durch die Spaltöffnungen und bringen in
8 — 10 Tagen neue Uredofruktifikation hervor, die das Spiel wiederholt u. s. w. , so
dass wir in der üredospore die hauptsächlichste Verbreitungsform der Rostpilze
zu sehen haben und gewöhnlich eine ganze Reihe von Uredogenerationen in einer Ve-
getationsperiode auf einander folgt, bis zuletzt in den üredolagern oder auch in be-
sonderen Lagern die gewöhnlich derb- und dunkelwandigen, zumeist erst im
nächsten Frühjahr keimenden Teleutosporen als Abschluss des Entwickelungs-
kreislaufes auftreten. Die Aecidiumfrüchte wurden früher, als man den genetischen
Zusammenhang mit den Uredosporen etc. noch nicht kannte, unter den oben genannten
Namen als selbständige Gattungen beschrieben.
Hinsichtlich des Verhaltens zum Wirt unterscheiden wir, zwei Gruppen: solche,
die ihren ganzen Entwickelungsgang auf der gleichen Wirtspecies durchlaufen: autö-
cische Rostpilze, und solche, bei denen x\ecidien und Spermogonien auf der einen
Wirtspecies, Uredo- und Teleutosporen auf einer andern, meist im System weit davon
entfernten Nährpflanze vorkommen : heteröcische oder wirtwechselnde Rost-
pilze. Die Heteröcie ist in manchen Fällen fakultativ, da manche heteröci-
schen Formen auch im üredozustand überwintern können, z. B. Melampsorella Cerastii.
Endlich kennen wir bei einzelnen Arten auch ein ü b e r w i n t e r n d e s oder perennie-
rendes Mycel; die mit letzterem versehenen Art^n verursachen zum Teil starke
Deformationen des Wirtes, doch können auch einjährige Arten einigermassen deformie-
rend auftreten. Nach der Zahl der auftretenden Sporenformen bezeichnet man mit der
Vorsilbe E u - vor dem Gattungsnamen, z. B. Eupuccinia, eine Species, bei der
Aecidien, Uredo- und Teleutosporen vorkommen, H e m i -(puccinia) , wenn nur Uredo-
und Teleutosporen vorkommen. Keimt die Teleutospore erst nach Winterruhe, so haben
wir eine M i k r o -(puccinia), keimt sie sofort, eine L e p t o -(puccinia) etc. Eine ganze
Anzahl der nach Konstatierung des heteröcischen Zusammenhangs beschriebenen „ Arten '^
ist nicht einheitlich ; dieselben umfassen Formen, die morphologisch nicht oder nur sehr
wenig von einander verschieden sind, die sich aber in der Wahl ihrer Nährpflanzen
schai*f von einander unterscheiden und die man biologische Species , bezw. G e-
wohnheitsrassen genannt hat. Für das Studium der hierdurch noch viel ver-
wickeiteren Verhältnisse der Heteröcie sind kritische Infektionsversuche ein unentbehr-
liches Hilfsmittel der Forschung, die bei den Gewohnheitsrassen dadurch noch weiter
erschwert wird, dass direkt nicht unterscheidbare Teleutosporen verschiedener Arten
nicht allzu selten auf dem gleichen Individuum und selbst auf dem gleichen Blatte
vorkommen. Durch wiederholte Infektions- und Rückinfektionsversuche ist der gene-
tische Zusammenhang vieler heteröcischer bauiiibewohnender Formen im letzten Jahr-
zehnt namentlich durch die Forschungen von K 1 e b a h n ^®), dann Fischer, v. Tubeuf,
50) Kleb ahn, Kulturversuche mit heteröcischen Uredineen 1. — 10. Bericht. Zeitsch.
400 III. Klein, Forstbotanik.
Kostrup, Dietel, Hartig, Wagner, Magnus u. s. w. geklärt worden.
Die forstlich wichtigsten Kostkrankheiten sind diejenigen der Nadelhölzer: ant
der Kiefer kommen vor nnd zwar auf den Nadeln mindestens 12 zur Gattung
Coleosporium gehörige N a d e 1 blasenroste, (früher als Peridermium Pini
a c i c 0 1 a bezeichnet) , mehrere Rinden blasenroste, (früher als Peridermium
Pini corticola bezeichnet), zu einer anderen Gattung, Cronartium ge-
hörig, und der Kieferndreher, Caeoma pinitorquum, zur Gattung M e-
1 a m p s 0 r a gehörig ; auf der Weisstanne schmarotzt vor allem , Krebs und
Hexenbesen erzeugend, das zu Melampsorella gehörige Aecidium elatinum.
auf den Nadeln sonst unveränderter Pflanzen die zu Calyptospora und Pucciniastrum
gehörigen Aecidien und das zu Melampsora gehörige Caeoma abietis pectinatae, auf
Fichtennadeln linden wir die Aecidien von Chrysomyxa Rhododendri nnd Ledi,
die Teleutx)sporen von Chrysomyxa Abietis, auf Fichtenzapfen das zu Thecopsora
(Pucciniastrum) Padi gehörige Aecidium strobilinum und das seltene Aecidium conomm,
auf Juniperus verschiedene Gymnosporangiumarten, auf Lärchennadeln (Caeoma laricis)
mindestens 6 zur Gattung Melampsora gehörige Arten und 1 Melampsoridium (Aecidium
Laricis), auf W^eiden-, Birken- und Pappel blättern die orangefarbenen Uredo-
und dunkeln Teleutosporenlager zahli'eicher Melampsoraarten. —
§ 122. Die Familie der Melampsoraceae ^^), mit 1 — 4 zelligen, zu
flachen oder polsterförmigen Lagern vereinigten, ungestielten Teleuto-
sporen, die typische Promycelien (Basidien) und kleine (ca. 10 |a) kugelige
Basidiosporen bilden, enthält folgende Rostpilze der Holzgewächse:
Melampsora, mit einzelligen Tel eutospor en, die pallisadenartig dicht
gedrängt einschichtige, pechschwarze Krusten unter der Epidermis bilden und
mit frei vortretenden Basidien keimen. Die polsterförmigen Aecidien ohne Pseudo-
peridie werden Caeoma lager genannt. Die einzeln auf Stielen stehenden U r e d o-
sporen mit farbloser Membran und meist ohne deutlichen Keimporus st-ehen, mit
kopfig verdickten Paraphysen gemischt, in gelben Polstern meist auf der Blatt-
unterseite. — Die Wirtwechselverhältnisse sind bei dieser Gattung die mannigfaltigsten
und kompliziertesten. Die Nährpflanze, auf welcher die Uredo- und Teleutosporea
einwachsen sind, hat einen gewissen Einfluss auf das Verhalten des Pilzes gegen die
Caeomanähinpflanze. Der Speciesnamen der biologischen Ai*ten ist nachdem Telento-
sporenwirt zu wählen und nach K 1 e b a h n vor denselben der Name des Caeoma-
wirtes zu setzen (bezw. derjenige des wichtigsten derselben oder der Untergattung,
zu welcher die Caeomawirte gehören.)
Auf Pappelblättern sind z. Z. 7 Melampsoraarten bekannt, die wichtigste
derselben ist:
1. Melampsora pinitorqua Rostr., welche ihre Uredo- und Teleuto-
sporen auf den Blättern der Zitter- und Silberpappel, sowie denen von P.
canescens oft in ausserordentlicher Menge bildet und die auf der Kiefer als Caeoma-
wirt den in ganz Deutschland verbreiteten Kieferndreher (Caeoma pinitor-
quum) hervorruft. Die 1 — 3 cm langen, mit Längsriss aufspringenden, gelben Caeomar
polster erscheinen (ausser an den Nadeln der Keimpflanzen) an der Rinde junger Triebe,
die ihre Längsstreckung noch nicht beendet haben. 1 — 3jährige Pflanzen werden meist
getötet, an dickeren Trieben stirbt die befallene Stelle einseitig ab, durch weitere
für Pflanzenkrankh. 1892—1902. Hier ist auch die weitere Literatur ausführlich citiert
51) Systematik der Rostpilze im Allg. nach der trefflichen Bearbeitung von Dietel
in Nat. Pflanzenf. I. 1**.
Die einzelnen Pilzarten. § 122. 401
Streckung der gesunden, gegenüberliegenden Seite und durch sein eigenes Gewicht
kriimmt sich der Trieb abwärts, um sich später, im ganzen eine co förmige Figur bil-
dend, wieder aufzurichten. Das Mycel kann Jahrzehnte lang perennieren und alljähr-
lich neue Caeomapolster bilden, die bei trockenem Wetter vorzeitig verkümmern, bei
nasser Mai- und Juniwitterung aber sich sehr zahlreich entwickeln und den jungen
Trieb zum Absterben bringen. Jüngere Kulturen verkrüppeln so mitunter völlig: vom
ca. 30. Jahre an verschwindet die Krankheit von selbst. 2. M. Larici-Tremulae
Kleb, mit U. und T. auf der Zitter- und Silberpappel und 3. M. Larici-populina
Kleb., mit U. und T. auf Populus nigra, canadensis und balsamifera, bilden ihr
Caeoma als kleine, leuchtend orangegelbe Polster auf den L ä r c h e n n a d e 1 n. Der
in ganz Deutschland häufige Lärchennadelrost zerstört oft einen grossen Teil der Be-
nadelung. 4. M. M e r c u r i a 1 i - T r e m u 1 a e (^ M. R o s t r u p i i Wagner), mit
ü. und T. auf Populus tremula, alba, balsamifera (nigra, canadensis und italica) bildet
sein Caeoma auf Mercurialis, 5. M. C h e 1 i d o n ii - T r e m u 1 a e (^ M. Magn u sia n a
Wagner), mit U. und T. auf Populus tremula und alba, bildet Caeoma auf (Uielidonium,
6. M. C 0 r y d a 1 i - T r e m u 1 a e {=: M. Klebahni Bubdk), mit U. und T. auf Populus
tremula, bildet das Caeoma auf Corydalis solida und cava. 7. M. AI li i-populina
Kleb., mit ü. und T. auf Populus nigra, canadensis und balsamifera (nicht auf tre-
mula, alba und canescen.s) bildet das Caeoma auf Allium ascalonicum und wahrscheinlich
anderen Alliumarten.
Auf Weidenblättern kennt man bis jetzt nicht weniger als 14 Melampsora-
arten, die zum Teil, namentlich bei Kulturweiden, sehr schädlich werden können, weil
die befallenen Blätter schwarzfleckig werden und vor der Zeit abfallen: 8. M. Larici-
Daphnoides Kleb, mit U. u. T. auf Salix daphnoides und acutifolia {-^ pruinosa),
— 9. M. Larici-Epitea Kleb, mit U. u. T. auf Salix viminalis, aurita, cinerea,
Caprea, dasyclados, fragilis, (daphnoides und acutifolia) 10. M. Larici-Pentandr ae
Kleb., mit U. u. T. auf Salix pentandra und 11. M. Larici-Capraearum, mit U.
u. T. auf Salix Caprea bilden alle vier ihr Caeoma ebenfalls auf Lärchennadeln.
— 12. M. A 11 ii- Sali eis albae Kleb, mit U. u. T. auf Salix alba, 13. M. Allii-
Fragilis Kleb, mit U. u. T. auf Salix fragilis, pentandra und dem Bastard beider
bilden beide ihr Caeoma auf Alliumarten, — 14. M. Ualant h i- Fragilis Kleb.,
mit U. u. T. auf den gleichen Salixarten wie letztere , auf Galanthus nivalis. —
15. M. Ribesii- Viminalis Kleb, auf S. viminalis, 16. M. R i b e s i i - A u r i t a e
Kleb auf S. aurita und 17. M. Ribesii-Purpureae Kleb, auf S. purpurea bilden
ihr Caeoma auf Ribesarten. — 18. M. Evonymi-Capraearum Kleb., auf Salix
Caprea, cinerea und aurita, bilden das Caeoma auf Evonymus. — 19. M. Orchidi-
Repentis Kleb, auf Salix repens and aurita bilden das Caeoma auf Orchisarten. —
20. M. A b i e t i - C a p r a e a r u m Tub., auf Salix Caprea bildet das CaeomaAbietis
pectinatae Rees auf jungen Nadeln der Weis staune, wo mehrere hellgelbe
Längspolster auf beiden Seiten des Mittelnervs hervorbrechen. — Die a u t ö -
cische 21. M. Amygdalinae Kleb, dagegen bildet als Eumelampsora sämt-
liche Sporenformen auf Salix amygdalina und ist bis dato die einzige bekannte Cae-
omaform auf einer Weide.
Melampsoridiumbetulinum Kleb. (sjm. Melampsora betulina (Pers.) Tul.)
ist von Melampsora , mit der sie nur in den Teleutosporenlagern übereinstimmt,
durch das Fehlen der koptigen Paraphysen und den Besitz einer Pseudoperidie um die
Uredolager und die Aecidien (hierin der Gattung Cronartium sich nähernd) verschieden.
Die kleinen Uredo- und die anfangs orangeroten, später braunen Teleutosporenlager
st-ehen auf den Blättern von Betula alba, die hell rötlich-orangefarbenen Aecidien
Handbuch der Forstw. 2. Aufl. I. 26
^ I
402 III. Klein, Forstbotanik.
auf den Nadeln der LÄrche.
Melampsorella Cerastii (Pers.) Schrot. , ist von Melampsora durch die
in den Epidermis z eilen gebildeten Teleutosporen verschieden , die hier ausjsre-
dehnte bleiche Lager bilden, und besitzt, ebenso wie Melampsoridium, halbkugelig
Pseudoperidien mit halbkugeliger ScheitelöflFnung um die pusteiförmigen, orangegelben
üredosporenhäufchen , welche oft die ganze Pflanze bedecken. Die AlsineeiL, insbes.
Stellaria media, nemorum, Holostea, Cerastium triviale (und
Möhringia trinervia) stellen — wie zuerst E. Fischer nachgewiesen und dann Kle-
bahn und V. Tubeuf bestätigt haben — den lange gesuchten Zwischenwirt de,s
Aecidium elatinum Alb. et Schw. , des Erregers des Tannenkrebses und
-Hexenbesens dar, zugleich den ersten bekannten Fall des heteröcischen Zusammen-
lebens zweier perennierender Pilze, da M. Cerastii sich in vielen Gegenden
Norddeutschlands, denen die Tanne und somit das Aecidium elatinum fehlt, durch Mjcel
und Uredo erhält und verbreitet. Die Infektion der Weisstanne (und anderer
Tannenarten) erfolgt an jungen Maitrieben; an den infizierten Stellen wird das Cam-
bium zu gesteigerter Tätigkeit angeregt und es entsteht durch lokalisierte, stärkere
Holz- und Rindenentwicklung eine Zweiganschwellung, die junge Krebsbeule,
in welcher das Mycel perenniert und den Krebs alljährlich vergrössert. Ueberall da,
wo an einer Zweiganschwellung eine Knospe angelegt wird, entwickelt sich dieselbe
im nächsten Jahre zu einem Trieb mit den für die Hexenbesenzweige charakteristi-
schen Eigentümlichkeiten : allseits abstehende, sommergrüne, dickliche, hellgrüne
Nadeln , auf deren Unterseite je nach Standort und Witterung im Juni , Jnli oder
August die gelben Aecidiumbecher in zwei Reihen hervorbrechen. Die Hexenbesen ent-
wickeln sich zu reich verzweigten Büschen mit aufgerichteten dicken Zweigen. Sie
können bedeutende Grösse und ein Alter von über 20 Jahre erreichen. Selten entsteht
der Hexenbesen am Gipfeltrieb, nicht selten dagegen an einem der jungen Quirltriebe
und wächst dann allmählich bei zunehmender Verdickung des Stammes in denselben
ein und das M3xel verbreitet sich dann auch im Stamm und erzeugt hier oft Krebs-
geschwülste von ganz gewaltiger Grösse , die nach dem Absterben der Rinde Risse
bekommen und so das Eindringen von Holzparasiten (namentlich Polyporus Hartigii,
Agaricus adiposus) ermöglichen, wodurch der Stamm an der Krebsstelle weissfaul wird
und infolge dessen als Nutzholz entwertet und auch vom Sturme leicht gebrochen wird.
— Aecidium elatinum ist der gefährlichste Feind der Weisstanne, der
nur durch konsequentes Abschneiden der Hexenbesen namentlich an allen jungen
Bäumen erfolgreich zu bekämpfen ist.
Pucciniastrum Epilobii Otth. (= P. pustulatum (Pers.) Diet. (iiz P.
Abieti-Chamaenerii Kleb.) besitzt Uredolager wie Melampsorella, aber die Teleutosporen-
lager bilden schwarzbraune, grosse Krusten unter der Epidermis der Blattunterseite
von Epilobium angustifolium (und E. Dodonaei). Die Teleutosporen werden
meist durch 2 sich kreuzende, senkrecht zur Blattfläche stehende Zellwände vierzellig.
Die Aecidien, durchweg denen von Aecidium columnare gleichend, bewohnen die
Weisstannen nadeln.
Calyptospora Göppertiana Kühn, bildet seine Teleutosporen ähnlich
wie Pucciniastrum, aber i n den Epidermiszellen der Rinde von kleinen Hexenbesen der
Preisseibeere. Die schwammig verdickte Rinde der federkieldicken, über
die gesunden weit emporragenden Triebe ist anfänglich weiss oder rosa und
wird später schwarzbraun. Der Pilz perenniert in der Preisseibeere und ist überall im
Weisstannengebiet häutig, findet sich aber auch in Gegenden, denen die Tanne fehlt
Die Aecidien (Aecidium columnare) zeichnen sich durch die sehr lange.
Die einzelnen Pilzarten. § 123. 403
weisse Peiidie aus und stehen in 2 Reihen auf der Nadelunterseite der Weisstanne,
namentlich in Jungwüchsen. Die orangefarbenen Aecidiosporen sind durch
sehr lange , dünne Zwischenzellen von einander getrennt. — Aecidium pseudo-
columnare Kühn , ebenfalls auf Tannennadeln , ist von vorigem durch weisse,
grössere Aecidiosporen unterschieden; den zugehörigen Zwischenwirt kennt man noch nicht.
Thecopsora Padi Kunze et. Schm. (syn. Pucciniastrum Padi) bildet winzige
Uredopusteln vom Melampsorellatypus auf der Blattunterseite von Prunus Padus; die
Teleutosporenlager bilden wie bei Calyptospom braunrote, später schwarz-braune Krusten
i n den Epidermiszellen der Blatt ober seite. Das Aecidium (Ae. strobilinum
Alb. et. Schwein.) verursacht eine verbreitete Zapfenkrankheit der Fichte,
deren Samenanlagen dadurch zerstört werden. Vorzugsweise auf der Innenseite der
Zapfenschuppen, diesperrendabstehen, auch bei feuchter Witterung, stehen dicht
gedrängt die halbkugeligen dunkelbraunen Aecidien , deren verholzende, dicke
Pseudoperidie sich mit einem Querriss deckelartig öffnet, normalerweise erst,
wenn die Zapfen den Winter über am Boden gelegen haben.
Nur unvollkommen bekannt ist das nicht autöcische, seltene Peridermium
c o n 0 r u m Piceae Thüm. (auch Aecidium c. P. genannt) , das auf der Aussen-
seite der Fichten-Zapfenschuppen zwei unregelmässige, 4 — 6 mm grosse, Hache Aeci-
dien bildet. Die noch unbekannten Uredo- und Teleutosporen gehören wahrscheinlich
zu einer Melampsoracee.
§ 123. Die Familie der Coleosporiaceae besitzt 1( — 2)schichtige, wachs-
artige, von der Epidermis bedeckte Teleutosporenlager, deren ungestielte Teleuto-
sporen sich bald in 4 über einander stehende Zellen teilen und aus jeder ein
einfaches Sterigma mit grosser (ca. 20 |i) Basidiospore treiben.
Die Gattung Coleosporium, welche den systematischen Anschluss an die
Melampsoraceen (speziell an Melampsora), vennittelt, besitzt blasenförmige Aeci-
dien, deren Pseudoperidie sich mit einem unregelmässigen Risse öffnet (Perider-
mium); die üredosporen werden in kurzen Ketten (ähnlich wie die Aecidium-
sporen) gebildet Die Teleutosporenlager sind dunkelrot. Hierher gehören
die Nadelblasenroste der Kiefern, das alte Peridermium Pini aci-
c 0 1 a , das heute in eine ganze Reihe von biologischen Arten aufgelöst ist. Das aus
den keimenden Basidiosporen hervorgegangene Mycel bildet noch im gleichen oder erst
im folgenden Frühjahr Pycniden, wahrscheinlich je nachdem die Infektion der Nadeln
frühzeitig erfolgt oder nicht. Die Aecidien (Peridermien), die weder makroskopisch,
noch mikroskopisch bei den einzelnen Arten zu unterscheiden sind, erscheinen bei allen
im Frühjahr auf den Nadeln der gemeinen und der Bergkiefer , in denen das
Mycel bis zum normalen Abwurf der Nadeln perenniert. Derzeit kennt man bei
uns 1) Coleosporium Senecionis (Pers.) Lev. auf Senecio silvaticus und vul-
garis, dazu gehörig Peridermium oblongisporium Kleb., 2) C. subalpinum
Wagner auf Senecio alpinus, dazu P. Kriegerii Wag. besonders auf Pinus mon-
tana, 3)C. Tussilaginis (Pers.) L6v. auf Tussilago farfara , dazu P. P 1 o w-
rightii Kleb., 4) C. Petasitis de Bary auf Petasites officinalis, dazu P. Boud-
ieri E. Fisch., 5) C. Cacaliae D. G. auf Adenostyles albifrons, dazu P. Magnu-
s i a n u m E. Fisch., 6) C. I n u 1 a e (Kze.) E. Fisch, auf Inula Yaillantii und Heleniura,
dazu P. Klebahnii E. Fisch., 7)C. Sonchi arvensis (Pers.) Wint. auf Sonchus
arvensis, asper und oleraceus, dazu P. Fischeri Kleb., 8)C. Euphrasiae (Schum)
Wint. auf Alectorolophus major und minor und Euphrasia officinalis, dazu P. Stahlii
Kleb., 9) C. Melampyri (Rebt.) Kleb, auf Melampyrum pratense, dazu P. Sora-
26*
404 III. Klein, Forstbotanik.
ueri Kleb., 10) C. Carapanulae (Pers.) L6v. auf Campanalaarten amfasst, jeden-
falls mehrere Formen, deren gegenseitiges Verhalten noch der näheren Prüfung be-
darf, 8oa)C. Campanulae Trachelii Kleb., dazu P. Rostrupii E. Fisch., b) C.
Phyteumatis Wagner auf Phyteuma spicatum, dazu P. Kosmahlii Wag., c)
C. Campanulae rapunculoides Kleb., d)C. Campanulae rotnndifoliae
Kleb, und e)C. Campanulae macranthae Wagner und jedenfalls noch andere.
— 11) C. Pulsatillae (Strauss) L6v. auf Pulsatilla, dazu P. Jaapii Kleb. — für
einige weitere Coleosporiumarten auf Compositen, für C. Clematidis, C. Cerinthes Ist
die Zugehörigkeit zu den Nadelblasenrosten der Kiefern noch experimentell zu erweisen.
Ochropsora Sorbi Diet. (als einzige Species der Gattung) erzeugt auf den
Blättern der verschiedenen Sorbusarten winzige, zu unregelmässigen Gruppen
vereinigte üredolager mit einzeln auf Stielen stehenden, bräunlichen, feinstacheligen
Uredosporen und unregelmässige, bleichgelbe Krusten auf der Blattunter-
seite bildende Teleutosporenlager. Die blassen Teleutosporen sind ein zellig,
teilen sich, ehe die Blätter völlig absterben, durch Querwände in 4 Zellen, deren jede
auf einem Sterigma eine spindelförmige Basidiospore abschnürt. Der Pilz über-
wintert jedenfalls als Mycel auf einem noch unbekannten, vermutlich zu den Coniferen
gehörigen Aecidiumwirt.
§ 124. Zur Fam. der Cronartiaceae mit reihenweise abgeschnürten,
ungestielten Teleutosporen, die gleich nach der Reife mit typischem
Promycel und kleinen, kugeligen Basidiosporen keimen, gehört bei uns Cronar-
t i u m , dessen einzellige Teleutosporen in Längs- und Querrichtung zu langen,
säulenförmigen, braunen Körpern oder Ranken vereinigt sind, die frei
über die Blattfläche hervortreten, und deren uredosporen auf kurzen Stielchen in
eine Pseudoperidie eingeschlossen sind (wie bei Melampsorella). Hierher gehören die
Rindenblasenroste der Kiefern (das alte Peridermium Pini cor-
t i c 0 1 a) , deren Mycel in Holz und Rinde der Kiefern perenniert und alljährlich im
Frühjahr dichtgedrängte, unregelmässig aufreissende, mit rotem Sporenpulver geitillte,
grosse, blasenförmige Aecidien bildet. Jüngere Pflanzen werden rasch getötet, an
älteren hört an den vom Mycel ergriff'enen Stellen der Zuwachs auf, das Holz ver-
kient, während die Umgebung gesteigerten Zuwachs zeigt, so dass an älteren Aesten
und Stämmen, an denen sich die Krankheit alljährlich, namentlich in der Längsrichtung
ausbreitet, auffällige Rinnen und oft gedrehte Längs wulste von ganz unregelmässiger
und abnormer Querschnittsflgur entstehen , bis endlich nach oft Jahrzehnte langem
Kampf die über der erkrankten Stelle gelegenen Stamm- oder Astteile infolge unge-
nügender Wasserzufuhr vertrocknen. Diese Zopftrocknis, Kienzopf, Krebs,
Räude oder Brand genannte Krankheit , die an älteren Bäumen selten ältere als
25jährige Stammteile oder Aeste infiziert, verursacht in reinen Kieferwaldungen oft
sehr bedeutenden Schaden. Für die weitaus häufigste Form, das Perider-
mium Pini (W i 1 1 d.) Kleb., ist trotz zahlreicher Infektionsversuche der Uredo- und
Teleutosporenzwischenwirt noch nicht gefunden; ebenso wenig ist der Pilz auto-
cisch. Geglückt sind Infektionen mit dem kaum davon unterscheidbaren, anscheinend
nicht sehr häuflg auftretenden P. C o r n u i Rostr. und Kleb. , das als C r o n a r-
tium asclepiadeum (Willd.) auf braunen Flecken der Blätter von Cynanchum
vincetoxicum seine gelben Uredo- und später seine braunen Teleutosporen bildet: hier-
mit identisch sind das frühere C. flaccidum Alb. et. Schw. auf Paeonia oftici-
nalis und tenuifolia und wahrscheinlich auch 2. C. Nemesiae Yesterg. auf der aus
Südafrika stammenden (!) Nemesia versicolor. — 3. Cr. ribicolum Diet. auf den
verschiedenen Ribesarten strebt in heteröcischem Zusammenhang mit Peridermium
Die einzelnen Pilzarten. § 125. 405
Strobi, dem gefährlichen Rindenblasenrost der Weymouthskiefer. — Von 4. Cr.
Balsaminae Nissl. und 5. Cr. gentianeum Thüm. auf Gentiana asclepiadea sind
die Aecidien unbekannt.
Chrysomyxa hat polsterförmige, sammetartige, rote Teleutosporenlager;
die nicht immer vorhandenen U r e d o sporen stehen ebenfalls in Reihen (wie bei Coleo-
sporinm). — 1. Chr. Rododendri (D.C.) de ßary, der Alpenrosenrost, entwickelt
seine schon im Herbste angelegten Teleutosporen im Frühjahr gleich nach der Schnee-
schmelze auf vorjährigen Blättern der Alpenrosen. Die Basidiosporen infizieren
die jungen Fichtennadeln, auf welchen zuerst kleine, gelbe Pycniden und gewöhnlich
im August auf gelben Flecken die Aecidien (mit langer weisser, an der Spitze auf-
reissender Peridie) meist massenhaft hervorbrechen. Die erkrankten Nadeln fallen
bald ab. In den Alpenländem tritt die Krankheit oft sehr heftig auf. — Im nörd-
lichen Deutschland ruft 2. Chr. L e d i (Alb. et Schw.) de Bary, auf Ledum palustre,
die gleiche Erkrankung der Fichtennadeln hervor. — 3. Chr. Abietis (Wallr.)
Unger, der ebenfalls die Fichtennadeln befällt und in ganz Deutschland verbreitet ist,
ist a u t ö ci s c h ; er bildet nur Teleutosporen in orangerotgelben Längspolstem,
die im Mai reifen und alsbald die jungen Nadeln infizieren. Schon Ende Juni zeigen
die jungen Nadeln streifenweise Gelbfärbung ; die im Herbst schon angelegten Teleuto-
sporenlager überwintern. Nach dem Verstäuben der Sporen fallen die Nadeln ab, doch
ist der Nadelverlust selten so gross, wie bei Chr. Rhododendri.
§ 125. Die Familie der Pucciniaceae, mit gestielten, mit t^^ischem
Promycel keimenden Teleutosporen, enthält eine grosse Anzahl fast ausschliess-
lich auf krautigen Pflanzen teils autöcisch, teils heteröcisch lebender Arten.
Die Gattung Puccinia hat 2 übereinander stehende, (sog. 2zellige)
dunkle Teleutosporen. 1. P. graminis Pers., der Getreiderost, bildet seine
Aecidien auf verdickten Blattstellen von Berberis, 2. P. coronata Corda und
3. P. c 0 r 0 n i f e r a Kleb., beide Haferrost erzeugend, bilden ihre Aecidien auf
Khamnus, erstere auf den Blättern von Rh. Frangula, letztere auf oft deformierten
Blättern und jungen Trieben von Rh. cathartica. — Autöcisch ist 4. P. Buxi, auf
dem Buchsbaum, die nur T e 1 e u t o sporen besitzt, welche im Frühjahr reifen und
sofort keimen und infizieren. — Unvollständig bekannt ist 5. Puccinia Pruni
spinosae Pers., das auf den Blättern verschiedener Pi-unusarten nur hellgelbbraune
Uredo- und dunkelbraune Teleutosporen bildet.
Gymnosporangium bildet (auf Nadeln und) hypertrophlerten Zweigstellen
der Juniperus arten, in denen das Mycel perenniert, nur sog. 2 zellige Teleuto-
sporen mit hell- oder dunkelbrauner Membran. Die langgestielten Teleuto-
sporen — Uredo fehlt — brechen bündelweise als kleine Zäpfchen im Frühjahr in
grosser Zahl hervor und bilden, indem die G a 1 1 e r t s t i e 1 e der Sporen bei Regen-
wetter stark aufquellen , keulen- oder zungenartige, grosse Gallert-
polster. Nach der Keimung der Teleutosporen und der Bildung der Basidiosporen
verquellen und zerfliessen die Zungen. Die Pycniden und die mit stark entwickelter,
sehr derbwandiger, gitter- oder pinselartig sich öffnender Pseudoperidie
(R ö s t e 1 i a) versehenen Aecidien reifen auf den Blättern der Pomaceen im
Sommer bezw. Herbst, auf denen sie oft beträchtliche Verdickungen hervorrufen. In
Europa sind 5 Arten heimisch:
1. G. juniperinum (L.) Wint., bildet seine Teleutosporen auf den Nadeln
und an den allseitig spindelförmig anschwellenden Zweigen von Juniperus communis
nur in kleinen Polstern, mit kräftigen, oft fingerförmig verlängerten Papillen über
406 III. Klein, Forstbotanik.
jedem Keimporus der dickwandigen, 31—52 p. langen, 21— 80 n breiten Sporen. Aeci-
diura mit langzylindrischer, oft etwas gekrümmter Pseudoperidie (Röstelia cor-
nuta (Gmel.) Fr.) auf lebhaft gelben Flecken von Sorbus Aucuparia (und Amelan-
chier rotundifolia). — 2. G. tremelloides A.Br. (bisher meist mit vorstehendem
verwechselt) bildet an einseitigen Zweiganschwellungen von Juniperus communis
bis mehrere cm grosse, anfangs derbe und braune Sporenpolster, die später zu grossen
Klumpen und Lappen von gelbbrauner Farbe verquellen. Die Membran der 40 — 66 ji
langen und 22 — 31 ii breiten Sporen ist nirgends besonders verdickt. Aeci-
dien mit am Rande pinselartig zerfaserter Pseudoperidie (Röstelia
penicillata (Müll.) Fr.) auf Sorbus Aria, Chamaemespilus, Hostii und zuweilen
massenhaft auf Apfelbäumen. — 3. G. clavariae forme (Jacq.) Rees, bildet
ebenfalls an einseitigen Zweiganschwellungen von J. communis gelbe, zäpfchenformige
Teleutosporenlager, die zu lang zungenförmigen Bändern verquellen. Teleutosporen
70 — 120 |A lang, 14 — 20 i* breit. Aecidien mit grosser, sackartiger, pinselartig
tief zerschlitzter Pseudoperidie (Röstelia lacerata (Sow.) Mer.) besonders auf
Orataegusarten und Cydonia. — 4. G. Sabinae (Dicks.) Wint., bildet auf
Zweigen von auf Juniperus S a b i n a , virginiana, Oxycedrus und phönicea gallertige,
rotbraune, späier hellere, zungenförmig zusammengedrückte Teleutosporenpolster mit
36 — 50 11 langen, 22 — 26 i* breiten, glatten Sporen. Die Aecidien mit gitter-
artig sich öffnender, oben geschlossen bleibender, kegelförmiger Pseudoperidie (Rö-
stelia cancellata (Jacq.) Rebent.) auf den Blättern der Birnbäume. — 5. G.
confusum Plowr., von voriger Art wenig verschieden und sogar mit ihr gemeinsam
auf J. S a b i n a vorkommend, bildet seine Aecidien (Röstelia Mespili (D.C.),
die sich stets an der zerschlitzenden Spitze öffnen, auf Cydonia, Cra-
taegus, Mespilus germanica, weniger regelmässig auch auf Pirus communis.
§ 126. b) Die Hymenomycetes gehören zur höheren Stufe der Basidio-
myceten, den Autobasidiomycetes, mit ungeteilten Basidien, welche
an ihrem Scheitel in der Regel je 4 Sterigmen tragen, die je eine Basidiospore ab-
gliedern. Mit Ausnahme von Exobasidium, von welchem E. V a c c i n i i W o r auf
den Blättern der Preiselbeere rote oder weisse Anschwellungen, E. Rhododendri
Cram. auf denen der Alpenrosen die „Alpenrosenäpfel i*" erzeugt, bekleiden die
ausgedehnten Hymenien bestimmte, offen liegende Stellen charakteristisch gestalteter,
meist stattlicher Fruchtkörper. Conidien und Chlamydosporen kommen nur in rel.
wenigen Fällen vor. Die hier erwähnten Pilze sind fast alle holzbewohnende
Wundparasiten. An totem Holze, dasselbe zersetzend, kommt ausserdem noch
eine grosse Zahl weiterer Arten vor. — Hervorragende Bedeutung als forst-
liche Schädlinge besitzen nur Trametes Pini, Trametes radiciperda
(=zz Polyporus annosus) und Agaricus melleus.
Bei den Gattungen Trametes und Polyporus inkl. F o m e s ist die Sub-
stanz der meist konsolenförmigen, ungestielten, seitlich angewach-
senen Fruchtkörper mit dem aus verwachsenen, engen Röhren bestehenden
Hymenium fest verbunden.
Trametes Pini fr., der Kiefern b a u m schwamm, ruft die namentlich in
Kiefernbeständen Norddeutschlands ungemein verbreitete, in Süd- und Mitteldeutsch-
land mehr an Fichten auftretende, im Riesengebirge auch an Lärchen und Tannen
vorkommende Ring- oder Kernschäle hervor. Er greift als Wundparasit fast
nur ältere Bäume (mit Kernholz) an, von tieferen Astwunden, welche sich nicht durch
Harzaustritt schützen können, ausgehend. Das Mycel verbreitet sich vorzugsweise in
Die einzelnen Pilzarten. § 126. 407
der Längsrichtung im Stamm nach oben und unten, seitlich besonders im Frühholz der
gleichen Jahresringe, das Holz so in peripheren Zonen als „Ringschäle" stärker zer-
setzend. Das erkrankte Holz wird zuerst rotbraun, dann entstehen durch
stellenweise Lösung der verholzenden Substanzen aus Zellulose bestehende weisse
Flecken. Bei Fichte und Tanne dringt die Zersetzung bis zur Rinde vor, bei
Kiefer und Lärche wird sie an der Splintholzgrenze durch eine feste verharzende
vSchicht gehemmt. — Die korkig-holzigen, 8 — 16 cm breiten, oben kon-
zentrisch gefurchten braunen Fruchtkörper von Krusten- oder Kon-
solenform können bis 50 Jahre alt werden; sie kommen bei Kiefer und Lärche nur
an Aststellen, bei Fichte und Tanne auch aus der Rinde hervor.
Die (jattungen F o m e s und Polyporus unterscheiden sich dadurch von
Trametes, dass die Substanz zwischen den Röhren von der des Hutes verschieden
und nicht wie bei T. derselben gleich ist. F o m e s besitzt von Anfang an holzige,
derbe Fruchtkörper mit im Alter geschichteten Röhren, während Polyporus an-
fangs zähfleischige, erst später erhärtende, seltener käsig-flockige, zerbrechliche Frucht-
körper besitzt und die Röhren hier nie geschichtet sind.
1. Fomes (Polyporus) annosus Fries (= Trametes radiciperda
Hartig, Heterobasidion annosum Bref.), der W u r z e l s c h w a m m , ist unter
Umständen ein gefährlicher Parasit der Nadelholzbestände, der die
gefiirchtetste Art der Rotfäule und Lücken in den Nadelholzwaldungen veranlasst,
die sich zentrifugal vergrössern. Er befällt besonders Pinus silvestris und Strobus,
dann Fichte und Weisstanne in allen Altersstufen und wurde auch an anderen Nadel-
hölzern und an verschiedenen Laubhölzern gefunden. Die Erkrankung beginnt ge-
wöhnlich an den Wurzeln und steigt von da im Stamm schnell und weit empor, ausser
bei der gemeinen Kiefer, bei welcher infolge rascher Verharzung die Fäulnis nicht
über Stockhöhe emporsteigt. Das Mycel durchwächst, die lebenden Zellen tötend, das
Holz der befallenen Wurzel rasch, die Kinde langsamer, und bildet zwischen den Borke-
schuppen derselben äusserst zarte, kaum seidenpapierdünne, weisse Mycelhäute mit
kleinen Anschwellungen, da wo sie zwischen den Rindenschuppen her vor wachsen. Wo
eine kranke Wurzel im Boden eine gesunde eines Nachbarbaumes berührt, kann das
Mycel in diese hineinwachsen und sie intizieren. Die Wurzeln werden so nach und
nach getötet und damit endlich auch der Baum. Das erkrankte Holz wird nach
dem Absterben der Zellen zuerst violett, später hell bräunlichgelb, wobei ein-
zelne schwarze Flecken zurückbleiben, die sich später mit weissen Zonen
umgeben. Dabei wird das Holz immer leichter und schwammiger, bekommt zahl-
reiche Löcher und zerfasert schliesslich. Die Fruchtkörper brechen an den
Wurzeln oder am Wurzelstock zwischen den Rindenschuppen hervor als sehr kleine
in der Jugend seidenglänzende, oben gelbliche, später chocoladebraune, unten schnee-
weisse, holzige, ziemlich dünne, schalenförmige Polster, die mit ähnlichen Nachbar-
polstern verschmelzen und zu ausnahmsweise 30 — 40 cm grossen Krusten heranwachsen
können. Ausserdem bildet das Mycel an der Luft, wie B r e f e 1 d ^2) zuerst bei künst-
licher Kultur gezeigt hat, als Schimmelpilz massenhaft Conidien.
2. Fomes (Polyporus) connatus Fries, mit reihenweise dachziegelig über
einander stehenden und verwachsenden, ausgebreitet-umgebogenen, korkig-holzigen, zot-
tigen, weissen oder grauen Fruchtkörpern, lebt nach Hartig parasitär an Ahornbäumen.
3. F. (Polyp.) p i n i c 0 1 a Fr., mit dicken, anfänglich polster-, dann hufförmi-
52) Brefeld, Unters, a. d. Gesamtgebiet d. Mykologie (12 Hefte gr. 4^ mit zahlr.
Tafeln 1872 — 1895, eine Fülle von wertvollen Beobachtungen enthaltend). Bd. 8. p. 181 ff.
408 III. Klein, Forstbotanik.
gen, korkig-holzigen, ungleichen Fnichtkörpern, die anfangs gelblich, dann schwärzlich
mit zinnoberrotem Rande, innen aber weisslich sind, lebt, wahrscheinlich parasitär, an
Kiefern, Fichten, Tannen, Birken und Kirschbäumen.
4. F. (Polyp.) m a r g i n a t u s Fr. , mit ähnlichen , aber meist noch grösseren
(bis 35 cm) flachen, kahl oder grau bereiften, konzentrisch gefurchten Fruchtkörpem,
die am Rande verschiedenfarbig gezont, innen lederfarbig sind, bewohnt hauptsächlich
die Rotbuche, mitunter auch Eiche und Birke.
5. F. (Polyp.) salicinus Fr., mit zum grössten Teil umgewende-
ten, sehr harten, kahlen, zimmetbraunen , später grauen Fruchtkörpem, ist nach
T u r s k y ein gefährlicher Feind der Weide n.
6. F. (Polyp.) fomentarius (L.) Fr., der echte Feuer- oder Zun-
derschwamm, mit oft sehr grossen (über 1 m) und alten , hufeisenförmig-
polsterartigen, im Umfang halbkreisförmigen, oben konzentrisch gefurchten,
kahlen , russig-braungrauen Fruchtkörpern mit sehr harter Rinde und
schwammigem, den Zunder liefernden innerem Gewebe, lebt auch parasitisch an Rot-
buchen, seltener an Ulmen und Eichen, im Holze eine durch breite, lederartige, in
radialen Spalten verlaufende Mycellappen charakterisierte Weissfäule erzeugend.
7. F. (Polyp.) igniarius L. Fr., der falsche Feuerschwamm, ist
der gemeinste Wundparasit der meisten Laubhölzer, namentlich der Weiden
und Eichen, wo er, das Holz anfänglich tief braun, dann gelblichweiss verfärbend,
eine Weissfäule heiTorruft. Die durch und durch harten, kugelig knol-
ligen, später hut- oder konsolenförmigen , 6 — 20 (30j cm breiten Fruchtkörper
sind anfangs gelbbraun tilzig, später schwarzbraun kahl, konzentrisch
gefurcht, an den Röhrenmündungen zimmetbraun.
8. F. (Polyp.) f u 1 V u s (Scop.) Fr., mit beiderseits konvexen, knolligen, anfangs
behaarten, dann glatten, gelbbraunen, später grau und rissig werdenden,
bis 20 cm grossen Fruchtkörpem mit zimmtbraunen Röhren, ist ein Weissfaule
erzeugender , nicht seltener Wundparasit der Weissbuchen, Zitterpappeln
und namentlich der Zwetschgenbäume.
9. Polyporus Hartigii Allesch. (von Hartig früher als P. fulvus Scop. be-
zeichnet), hat u n geschichtete Röhren, ist also ein P. im engeren Sinn. Die oberseit^
rotbraunen oder aschgrauen, an den Röhrenmündungen gelbbraunen Frucht-
körper besitzen Konsolenform am Stamm und Wulstform an den Aesten. Der Pilz
ist ein AVundparasit der Fichte und Tanne, der mit Vorliebe alte, aufgerissene Krebs-
stellen der Weisstanne befällt und in deren Nähe seine Fruchtkörper bildet.
10. P. dryadeus Fr. (syn. P. pseudoigniarius Bull.) , bildet an der
Basis der Eichenstämrae bis ^'2 m hreite, zuerst fleischige, dann korkige, an der Ober-
fläche mit grubigen Vertiefungen versehene, rostfarbige, braun werdende, ein-
jährige Fruchtkörper von geringer Dauer. — Das dunkle Kernholz zeigt
gelbliche und weisse (Zersetzungs-)L ängsstreifen.
11. P. betulinus (Bull.) Fr., mit bis 15 cm breiten, meist hufeisenförmigen,
fleischigen, weissen, später korkartigen Fruchtkörpem mit dünner, abtrenn-
barer, bräunlicher Haut und kurzen Röhren, ist ein verbreiteter, Rotfäule erzeugender
Wundparasit der Birken.
12. P. hispidus (Bull.) Fr., mit einjähr igen, weichschwammigen,
halbierten, polsterförmigen, oben rostbraunen, innen gleichfarbigen, unten
gelblichen , bis 25 cm breiten Fruchtkörpem, ist ein Wundparasit von Eschen,
Ulmen, Platanen, und namentlich von Maulbeer- und Apfelbäumen.
Die einzelnen Pilzarten. § 127. 409
13. P. b 0 r e a 11 s Fr. mit einjährigen, fleischigen, wasserreichen,
polster- oder konsolenförmigen, meist zu mehreren dachziegelig verwachsenen, bis 7 cm
breiten und 5 cm dicken weissen Fruchtkörpern von unangenehmem Geruch,
ist ein verbreiteter Wundparasit der Fichte, wo er eine eigenartige Weiss-
fäule erzeugt, indem 1 — 2 mm über einander stehende, mit Mycel erfüllte, quere
Lücken im Frühholz entstehen und das ganze Holz schliesslich in Würfel- oder back-
steinähnliche Stücke zerfällt.
14. P. sulphureus (Bull.) mit einjährigen, weichfleischigen (käsearti-
gen), lebhaft schwefelgelb (oben auch rötlichgelb) gefärbten, sehr verschieden
gestalteten Fruchtkörpern, von denen oft viele zu grösseren (bis ca. 70 cm)
Massen verwachsen sind, ist ein häutiger, R o t f ä u l e verursachender Wundparasit von
L a n b - und Nadelhölzern.
15. P. squamosus (Huds.) Fr. mit einjährigen, seitlich oder exzen-
trisch gestielten, anfangs zähfleischigen, später verhärtenden, halbkreis- oder
nierenförmigen, oberseits gelblichen, braunschuppigen, oft dachziegelig
verwachsenen Fruchtkörpern ist ein häutiger, die verschiedensten Laubhölzer
befallender, Weiss faule verursachender Wundparasit.
16. P. sistotrematis Alb. et Schw. (= m o 1 1 i s R. Hartig, = »Schwel-
nitzüFr.), mit einjährigen, meist trichterförmigen, kurz-und dick-
gestielten, oft verwachsenen , bis ca. 80 cm grossen , braungelben, weich-
schwammigen (im Alter dunkelbraunen und korkigen) Fruchtkörpern, deren
weite, anfangs schwefelgelbgrüne, später braune Röhrenmündungen sich
beim Berühren tief rot verfärben, ist ein Wundparasit der gemeinen
und der Weymouthskiefer. Im erkrankten, eigenartig nach Terpentin riechenden
Holz wird im Gegensatz zu den vorstehenden Arten gerade die Zellulose zersetzt, so
dass das Holz schliesslich mürbe und zerreiblich wird.
17. Poria (Polyporus) vaporaria Pers. Lohbeet-Löcherpilz,
bildet keine Konsolen, sondern umgewendete (mit dem Hymenium nach oben ge-
richtete) , krustenförmig flach ausgebreitete und mit dem Substrat fest
verwachsene, nur ca. V^ cm dicke, völlig weisse Fruchtkörper auf der Rinde
lebender Fichten und Tannen, deren Holz er, ganz ähnlich wie vorstehende Art,
rotfaul macht. — Besonders schädlich wirkt der Pilz auch an totem Holz, das er rasch
zersetzt, ähnlich wie der sehr selten auch im Walde an lebenden Bäumen gefundene
echte Hausschwamm, Merulius lacrymans, dessen Mycel bald grau wird, während das-
jenige von P. vap. stets weiss bleibt.
18. Poria (Polyporus) laevigata (Fr.) bildet ebenfalls umgewendete,
ausgebreitete, lederartig rauhe, dünne, braune, erwachsen sich ablösende Krusten
mit hellbraun-tilzigem Rand in der Jugend. Wie Mayr^^) (auch für P. betulinus) ex-
perimentell nachgewiesen hat, ist der Pilz ein Rotfäule verursachender Wundparasit
der Birke.
§ 127. Hydnum diver sidens Fr. aus der Familie der Hydnaceae oder
Stachelschwämme mit fleischigen, bis 5 cm breiten und 3 cm dicken , g e 1 b-
weissen, verschieden gestalteten, gerandet konsolen förmigen oder k r u s t e n-
förmigen Fruchtkörpern, die oberseits mit dichten, 1 — V/i cm langen, ver-
53) Bot. Centralbl. Bd. 20. 1884. p. o3 fl^. ; der Pilz fehlt sowohl in der Rabcn-
horst-Winte r'schen Kryptogamenflora wie bei Hennings in den Nat. Pflanzenfam.
410 m. Klein, Forstbotanik.
schieden gestalteten , vom Hymenium überzogenen Stacheln dicht besetzt
sind, ist ein W e i s s f ä u 1 e erzeugender Wundparasit der Eiche und Rotbuche.
1. StereumfrustulosumFr. (syn. Thelephora PerdixR. Hartig)
aus der Familie der Thelephoraceae (mit, wie bei den folgenden Arten, untersei-
tigem und glattem Hymenium), hat kleine, bis lingernagel grosse , undeutlich ge-
randete, halbiert-hutförmige, holzige Fruchtkörper mit gewölbtem, anfangs bereiftem,
zimmetfarbenera Hymenium. Dieselben stehen meist dicht gedrängt, fast zusam-
menfliessend und bilden oftfelderig-rissige, tellerartige, braunschwarze
Krusten. Der Pilz ruft eine sehr charakteristische Zersetzung des Eichenholzes, das
sog. Rebhuhnholz hervor, indem in dem erkrankten dunkelbraunen Holz
zahlreiche, kleine, weisse, kugelförmige Partien auftreten, die später zu Hohlkngeln
werden.
2. St. hirsutum Fr. mit hirschbraunen, rauh behaarten, anfangs krusten-,
dann meist becherförmigen, lederartigen Fruchtkörpem mit scharfem, gelblichem
Rand und meist orangerotem, gezontem Hymenium, lebt auch als Wundparasit auf ver-
schiedenen Laubhölzem und verursacht die häufige und charakteristische Zersetzung
des Eichenholzes , die unter dem Namen weiss- oder gelbpfeifiges Eichenholz
(auch Fliegenholz) bekannt ist. Die von den Aesten ausgehende Erkrankung ver-
breitet sich im Stamm in peripheren, weissen Zonen, die im Querschnitt als weisse
Punktreihen (F 1 i e g e n h o 1 z), im Längsschnitt als weisse Streifen erscheinen.
§ 128. 1. Agaricus melleus Vahl (syn. Armillaria mellea [Vahl]
Qu^l.) , der Hallimasch oder H o n i g p i 1 z aus der Familie der Agaricaceae
(deren Hymenium meist strahlig-radial verlaufende Lamellen überzieht), ist
ein im Spätsommer oder Herbste gewöhnlich in dichten Rasen an toten Baumstümpfen
(nam. Rotbuche) oder in deren Nähe auftretender Hutpilz mit 4 — 16 cm breitem, honig-
gelbem oder gelbbraunem, zähfleischigem, dünnem Hut, der oberseits haarig-
zottige, braune »Schuppen, unterseits entfernte, anfangs weissliche, später fleischfarbene
oder bräunlich gefleckte, mehr oder weniger herablaufende Lamellen trägt. Der blass
fleischfarbige, schwammig-volle Stiel trägt einen gelbweissen, häutigen Ring. — Ans
den massenhaft gebildeten weissen Sporen entwickelt sich ein saprophytisch lebendes
zartes Mycel und aus demselben die wurzelähnlich einzeln im Erdboden und sehr
reichlich zwischen totem Holz und Rinde verlaufenden braunschwarzen Rhizo-
morphenstränge, die mit Spitzenwachstum begabt sind und den Pilz im Erd-
boden verbreiten. Sie können in die Wurzeln der verschiedensten gesunden Nadel-
hölzer eindringen, aber jedenfalls nur unter noch sehr der näheren Erforschung be-
dürftigen Voraussetzungen, da der Pilz im Walde einer der allergemeinsten
Saprophyten an alten Stöcken und Wurzeln ist. Nach Hartig scheint er auch
Laubhölzer, namentlich Ahorn, unter gewissen Voraussetzungen als Wundpai-asit in-
fizieren und Eichenstöcke im Niederwaldbetrieb töten zu können, ehe sie neue Ausschläge
gebildet haben. Von der Spitze der in eine Nadelholzwurzel eingedrungenen Rhizo-
morphe entspringen zahlreiche Mycelfäden, die rasch im Holze, namentlich in den Harz-
kanälen aufwärts wachsen und das angrenzende Holzparenchym töten. Unter der Rinde
lebender Wurzeln und Bäume wächst das Mycel langsamer und bildet hier derbe
weisse Häute (Pol. annosus sehr dünne !). Am Wurzelstock der erkrankten Bäume
findet starker Harzfluss statt („Harzstick en , Harzüberfülle"). Später ver-
breitet sich das Mycel auch in den leitenden Gewebeelementen und ruft eine Art
Weiss faule hervor. Wenn das Mj^cel von der infizierten Stelle aus den Stamm
Die einzelnen Pilzarten. § 128. 411
erreicht und von da aus, wie Polyp, annosus, die anderen gesunden Wurzeln ergriffen
hat, verdorren die Bäume rasch und die Holzzersetzung hört auf, ehe das Mycel das
Kernholz erreicht hat. — Von A. melleus zersetztes Holz leuchtet (phosphoresziert)
im Dunkeln, so lange das Mycel am Leben ist.
2. A. a d i p 0 s u s Fr., mit goldgelben, 6 — 8 cm (und mehr) breiten Hüten,
die von verschwindenden, sperrigen, dunklen vSchuppen konzentrisch bedeckt sind, dringt,
wie Pol. Hartigii, als Wundparasit besonders in die Krebsstellen der Weisstanne ein.
Er zersetzt das Holz rasch, das gelb oder honiggelb wird und in Jahresschichten zer-
blättert, aber auch in horizontaler und radialer Richtung von Mycelbändern durch-
setzt wird.
412
IV.
Waldbau.
Von
Tuisko Lprey').
Literatur: a) Das ganze Gebiet behandelnde Werke: Hartig, G. L., Anwei-
sung zur Holzzucht für Förster, 1. Aufl. 1791, 4. Aufl. 1817. — Cotta. H., Anweisung züto
Waldbau, 1. Aufl. 181f>, J). Aufl. (ed. H. v. Cotta) 1865. - Pfeil, Die deutsche Holz-
zucht, 18fi(). - Gwinner, H. W., Der Waldbau, 1. Aufl. 1884, 4. Aufl. (cd. Denglen
1808. — Stumpf, C, Anleitung zum Waldbau, 1. Aufl. 1850, 3. Aufl. 18B3. — Heyer,
C, Der Waldbau, 1. Aufl. 1854, 4. Aufl. (ed. R. Hess) 1893. — Burckhardt, H., Säen
und Pflanzen, 1. Aufl. 1855, 6. Aufl. (ed. A. Burckhardt) 1893. — Gay er, K., Der Wald-
bau, 1. Aufl. 1878 u. 1880, 4. Aufl. 1898. — Perona, Selvicoltura, 1880. — Fisch-
bach. Praktische Forstwirtschaft 1880. — Wagener, G., Der Waldbau und seine Fort-
bildung, 1884. — Ney. C, Die Lehre vom Waldbau, 1885. — Borggreve, B., Die
Holzzucht, 1. Aufl. 1884, 2. Aufl. 1891. — Weise, W. , Leitfaden für den Waldbau,
1. Aufl. 1888, 2. Aufl. 1894. — b) Spezialschriften, u. a. : Heyer, G., Verhalten der
Waldbäume gegen Licht und Schatten, 1852. — Hess, R., Eigenschaften und Verhalten
der Holzarten, 1. Aufl. 1883, 2. Aufl. 1895. — Beil, A., Forstwirtschaftl. Kulturwerk
zeuge, 1846. — Jäger, J. P. E. L., Das Forstkulturwesen, 1. Aufl. 1850, 2. Aufl. 1865
— V. Buttlar, R., Forstkultur- Verfahren, 1853. — v. Man teuf fei, H. E. , Hügel
Pflanzung der Laub- und Nadelhölzer. 1. Aufl. 1855, 3. Aufl. 1865. — v. Alemann, F
A., Heber Forstkulturwesen, 1. Aufl. 1851, 3. Aufl. 1884. — Urff, Ueber Forstkulturen
1885. - Fürst, H., Die Pflanzenzucht im Walde, 1882, 3. Aufl. 1897. — Homburg
Die Nutzholzwirtschaft im geregelten Hochwald-Ueberhaltbetrieb, 1878. — Brünings, Der
Anbau der Hochmoore, 1881. — Fürst, H. , Plänterwald oder schlagweiser Hochwald.
1895. — G ay er, C, Der gemischte Wald, 1886. - - Krähe, Rationelle Korbweidenkultur.
4. Aufl. 1885. — Brecher, Aus dem Auen-Mittel walde 1886. — K rafft, G., Beitrüge
zur Lehre an den Durchforstungen, Schlagstellungen und Lichtungsliieben, 1884. — Derselbe,
Beiträge zur Durchforstungs- und Lichtungsfrage, 1889. — Kautsch, Beiträge zur Frage
der Weisstannenwirtschaft, 1895. — Hamm, T., Der Ausschlagwald, 1896. — Boden, Die
Lärche, 1899. — Gerhardt, P., Handbuch des deutschen Dünenbaus, 1900. — Schwap-
pach, A., Anbauversuche mit fremdländischen Holzarten, 1901. — Booth, J., Die ans-
ländischen Holzarten, 1902.
1) Von dem leider so plötzlich verstorbenen Herrn Verfasser rührt die Neubearbeitung
der 2. Auflage seines Waldbaues bis fast zum Schluss des zweiten Abschnittes her. Nach
seinem Tode übernahm der Herausgeber selbst die Durchsicht des letzten Absatzes dieses,
sowie weiter des ganzen dritten und vierten Abschnittes (die Begründung gemisch-
ter Bestände, die Bestandeserziehung und die Betriebsarten). Mass-
gebend für ihn war lediglich die Absicht, die Herausgabe möglichst zu fördern und nicht
durch die Suche nach einem geeigneten Spezialisten auf dem Gebiet des Waldbaues erst
noch Zeit zu verlieren. H. Stoetzer.
Begriff, Zwecke und Ziele. § 1. 413
Einleitung: Begriff, Zwecke und Ziele, Hilfsfächer, Einteilung.
§ 1. Begriff, Zwecke und Ziele. Der Waldbau oder die Bestandeszucht
befasst sich mit der Begründung und Erziehung der Bestände. Alle waldbaulichen
Massnahmen bezwecken die Schaffung von solchen Holzbeständen, welche dem Wirt-
schaftszweck möglichst vollkommen entsprechen. Diesen bezeichnet der Waldbesitzer,
sein Wille ist massgebend; in der Regel wird tunlichst hoher Wert der Holzbestände
angestrebt, gegeben in der Ertragsleistung. Der Wert und damit das Ziel der Wirt-
schaft kann dabei in verschiedener Weise bestimmt werden, nämlich entweder als ab-
solut höchstmöglicher Ernteertrag auf gegebener Waldbodenfläche oder als relativ, d. h.
im Vergleich zu dem Aufwand, höchst mögliche Produktionsleistung. Welcher (jesichts-
punkt massgebend sein soll, ist von Fall zu Fall zu bestimmen. Im allgemeinen ist
die höchste Rentabilität das Ziel jeder rationellen Wirtschaft; jene zu bemessen, ist
Sache der forstlichen Statik. Da der Ertrag und somit jede Entscheidung, welche die
Statik treffen kann, in erster Linie vom Preise der Produkte abhängt, so darf im
Wirtschafts wal de unter allen Umständen nur marktfähige Ware erzogen werden.
Von anderen als wirtschaftlichen Werten wird hier abgesehen, weil die Fälle, in
welchen solche, wie z. B. Gewährung ästhetischer Genüsse (Parkanlagen etc.), erstrebt
werden, von denen waldbauliche Massnahmen abhängen, doch nur als Ausnahmen zu be-
trachten sind. Von besonderen waldbaulichen Vorkehrungen aus Rücksichten des Schutzes
(Klima, Boden etc.) wird gelegentlich die Rede sein. — Die Definierung des Waldbaus
als „Forstproduktenzuchf (C. Heyer) oder „Holzzucht" (G. L. Hartig, Pfeil, Borggreve)
ist hier ersetzt durch , Bestandeszucht". Einerseits schien es nicht angezeigt, die Aufgabe
des Waldbaus auf die Anzucht sämtlicher Nebennutzungen, insbesondere derjenigen aus-
zudehnen, welche, wie Wild, Torf, Wiesengras, landwirtschaftliche Gewächse u. s. w., nicht
Teile des Bestandes sind, während andererseits die Beschränkung auf das Holz eine zu
enge Umgrenzung darstellt, da solche Nebennutzungen, welche, wie Lohrinde, Futterlaub,
Ma5t, event. Gras auf Mähplatten u. s. w., an die betreffenden Bestände gebunden sind,
dann im Waldbau eine Stelle finden sollten, wenn sie irgendwelche besondere, die Bestan-
desbegründung oder -erziehung beeinflussende wirtschaftliche Vorkehrungen veranlassen.
In der Waldbaulehre sind alle Operationen vorzutragen, welche, je nach Lage
der konkreten Umstände, zum Ziel führen können ; dabei sind die allgemeinen Gründe,
welche für oder gegen die einzelnen Möglichkeiten sprechen, zu entwickeln. Der wald-
baulichen Praxis bleibt es dann überlassen, unter den jeweils gegebenen besonderen
Verhältnissen zur Erreichung des erstrebten Zieles unter den möglichen Wegen den-
jenigen auszuwählen, welcher in bezug auf die Faktoren : Raschheit und Sicherheit des
Erfolgs und Kostenaufwand die günstigste Kombination darbietet. Die Modifikationen
der dem Waldbau gestellten Aufgaben und der zu ihrer Lösung verfügbaren Mittel
sind äusserst mannigfaltig. Dieser Vielgestaltigkeit der Fälle gegenüber gibt es keine
unbedingt besten waldbaulichen Massregeln, sondern jede der letzteren kann unter be-
stimmt umgrenzten Voraussetzungen ihre Berechtigung haben. Was am einen Orte
bewährt ist, kann unter veränderten Bedingungen an einem andern Orte weniger gut,
ja schlecht sein und darum durch eine abweichende Behandlung ersetzt werden müssen.
Die fast unbeschränkte Vielheit der Verschiebungen, welche sich in dem Zusammen-
wirken der bei der Beurteilung der Fälle hauptsächlich entscheidenden Elemente, wie
Standort, Holzart, Absatzverhältnisse u. s. w. ergeben, schliesst die einseitige Bevor-
zugung einer bestimmten Richtung von vornherein aus. Man kann die Zahl der als
wirtschaftlich berechtigt anzuerkennenden Möglichkeiten verkleinern, darf jedoch nie-
mals so weit gehen, dass in dem derart verengerten Rahmen nicht mehr alle im Walde
wirklich vorkommenden Fälle Platz finden.
Verbietet nun auch jene Mannigfaltigkeit der Umstände die strikte Anwendung
414 IV. Lore y, Waldbau.
jeder Schablone im Waldbau, so müssen doch, wie schon oben angedeutet wurde, ge-
wisse, allgemein leitende Ziele für die forstliche Produktion aufgestellt werden. Aus-
gangspunkt für alle Erwägung ist hierbei zunächst der Standort; durch diesen ist —
wenn man von absolut besten Böden und Lagen absieht, welche kaum je in grosser
Ausdehnung dem Forstwirtschaftsbetrieb überwiesen sind — immer nur eine beschränkte
Reihe von waldbanlichen Möglichkeiten bedingt, unter welchen man zu wählen hat ; die
Entscheidung wird durch die im übrigen zu beachtenden Momente (Wert der Produkt«,
Absatzgelegenheit, Gewährung gewisser Nebennutzungen, Arbeitsgelegenheit u. s. w.)
begründet. So kann z. B. für viele Standorte als waldbaulich möglich, bezw. mit
gleicher Aussicht auf Erfolg ausführbar, die Anzucht der Buche mit eingesprengten
Eichen, Eschen, Ahomen und andererseits etwa der Fichte oder Tanne, beides unt«r
mehrfacher Modifikation bezüglich des Verfahrens im einzelnen (Art der Bestandsbe-
gründung, des Durchforstungsbetriebs u. s. w.) in Frage kommen. Die Entscheidung
liegt dann ausserhalb des Waldbaus. Der letztere zeigt, zunächst unabhängig von
anderen Rücksichten, wie man auf einer Waldbodenfläche, eventuell in verschiedener
Weise, Bestände schaffen kann. Auf Grund statischer Untersuchungen, welche alle
konkurrierenden Momente, insbesondere auch die volkswirtschaftlich zu berücksichtigen-
den, bei der Begutachtung einbeziehen müssen, erhalten dann die waldbaulichen Ope-
rationen jeweils ein örtlich und zeitlich modifiziertes Gepräge. Je nachdem der spezielle
Wirtschaftszweck ein verschiedener ist, erstehen in der Folge, durch die Kunst des
Wirtschafters, auch unter gleichen äusseren Bedingungen ganz verschiedene Bestandes-
bilder.
Dass alles, was erreicht werden soll, mit möglichst geringem Aufwand erreicht
werde, ist oberster Wirtschaftsgrandsatz. Daraus folgt, dass nicht nur die direkten
Ausgaben, natürlich immer unter der Voraussetzung eines genügenden Erfolgs, auf ein
geringstes Mass beschränkt werden müssen, sondern namentlich auch, dass an Zeit
möglichst zu sparen ist. Jede Abkürzung der Umtriebszeit ist im allgemeinen ein Ge-
winn in dem Sinne, dass alle wirtschaftlichen Massnahmen, welche uns ohne unverhält-
nismässige Kostenmehrung gestatten, die erforderliche Menge an Produkten von be-
stimmter Beschaffenheit (z. B. Nutzholzstämme einer gewissen Stärke) in kürzester
Zeit zu erziehen, vor anderen den Vorzug verdienen, um so mehr, als dadurch auch
die für das Einzeljahr des Umtriebs verfügbare Fläche entsprechend grösser ausfallt
Das Bestreben, den Produktionsaufwand im ganzen und im einzelnen tunlichst
herabzumindern, schliesst überdies auch die Forderung sorgfältigster Schonung des
Bodenkapitals ein; unsere waldbauliche Arbeit muss die Erhaltung und womöglich Meh-
rung derjenigen Eigenschaften des Bodens, von welchen dessen Leistungsfähigkeit ab-
hängt, gewährleisten. In dieser Erwägung bietet sich für die Beurteilung der einzelnen
wirtschaftlichen Operationen sowie ganzer Betriebsarten ein bisher nicht berührter,
überaus wichtiger Massstab dar: die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft ist wesentlich
davon abhängig, dass der einzelne Bestand keinenfalls mehr als die Zinsen des Boden-
kapitals, nicht aber Teile des letzteren selbst für sich beansprucht; ja man sieht sich
sehr häufig vor die Aufgabe gestellt, vor allem eine Besserung des Bodenproduktions-
vermögens durch richtig gewählte und durchgeführte waldbauliche Operationen zu be-
wirken, auch wenn dadurch unter Umständen erhebliche Ausgaben veranlasst werden.
Immerhin ist die Bodenpflege stets nur Mittel zum Zweck, und Aufwendungen in dieser
Richtung sind nur so lange zu rechtfertigen, als sie sich in dem höheren Wert der
demnächst und in der Zukunft erwachsenden Bestände belohnt machen.
§ 2. Hilfsfächer, Einteilung: Diejenigen Disziplinen, deren Kenntnis
der Waldbau voraussetzen muss, die also füglich als Hilfsfächer desselben bezeichnet
Das Bestandesmaterial. § 4. 415
«
werden können, sind Standortslehre, bezw. Bodenkunde und Klimatologie , sowie die
Forstbotanik.
Das Gesamtgebiet des Waldbaus lässt sich folgendermassen einteilen:
I. Das Bestandesniaterial ; II. die Bestandesbegründung; III. die Bestandeser-
ziehung; IV. die forstwirtschaftlichen Betriebsarten.
Erster Abschnitt.
Das Bestandesmaterial.
§ 3. In diesem Abschnitte ist im wesentlichen die Wahl der geeignetsten Holz-
art zu besprechen und damit eine wichtige Vorfrage für alle waldbauliche Tätigkeit
zu erledigen.
Die waldbaulich wichtigeren Holzarten sind:
a) Laubhölzer: Rotbuche, Fagus silvatica, — Stieleiche, Quercus pedunculata,
— Traubeneiche, Quercus sessiliflora, — Zahme Kastanie, Castanea vesca, — Hain-
buche (Weissbuche, Hagebuche, Hombaum), Carpinus betulus, — Rüster, Rusche oder
Ulme, Clmus (effusa, campestris und montana), Esche, Fraxinus excelsior, — Ahorn,
Acer (pseudoplatanus, platanoides, campestre), — Erle, Alnus (glutinosa, incana, viri-
dis), — Birke, Betula (verrucosa, pubescens), — Sorbus-Arten, z. B. die Vogelbeere,
S. aucuparia; Eisbeere, S. torminalis; Mehlbeere, S. Aria, — Linde, Tilia fparvifolia
und grandifolia), — Falsche Akazie, Robinia pseudoacaciaf — Zitterpappel (Aspe), Po-
pulus tremula und sonstige Pappeln, wie P. alba, nigra, canadensis, — Weide, Salix
(caprea, fragilis, amygdalina, acutifolia, alba, viminalis, daphnoides, purpurea) ; b) N a-
delhölzer: Weisstanne (Edeltanne), Abies pectinata, — Fichte (Rottanne), Picea
excelsa, — gemeine Kiefer (Föhre, Forle, Forche), Pinus silvestris, — Schwarzkiefer,
Pinus laricio austriaca (syn. nigricans) und Pin. laricio Poiretiana (syn. corsicana),
— Legföhre, Pinus montana, — Zürbelkiefer (Arve), Pinus cembra, — Weymouths-
kiefer, Pinus strobus, — Lärche, Larix europaea.
Zu diesen, in Deutschland überall teils heimischen, teils eingebürgerten Holzarten
sind da und dort hinzugetreten, bezw. gesellen sich neuerdings in erweitertem Umfang,
namentlich infolge planniässig eingeleiteter Versuche des Vereins deutscher forstlicher
Versuchsanstalten, eine Reihe von Exoten, vorab Nordamerikanern und Japanern, wie
z. B. Quercus rubra, Juglans- und Carya- Arten, Fraxinus americana, sowie von Nadel-
hölzern u. a. Pseudotsuga Douglassii, Picea sitchensis, Pinus banksiana, Thuja gigan-
tea, Chamaecyparis Lawsoniana u. s. w.
Waldbauliche Bedeutung der einzelnen Holzarten:
Bei deren Beurteilung kommen in Betracht: die Standortsansprüche, die Ent-
wickelung des einzelnen Baumes, das Verhalten . der Holzart im Bestand, sowie deren
wirtschaftliche Bedeutung.
I. Standortsansprüche.
§ 4. Als Wirkung des Standortes wird die Gesamtheit der durch Boden und
Lage bedingten örtlichen Einflüsse bezeichnet, unter welchen eine Holzart lebt. Die
Beziehungen im einzelnen, welche zwischen Standort und Holzart bestehen, sind im
wesentlichen in der Standortslehre (Abschnitt II des Handbuchs, Bd. I, S. 103 ff.), so-
wie zum Teil in der Forstbotanik (Abschnitt III des Handbuchs, Bd. I, S. 199 ff.) er-
örtert. Es handelt sich dabei hinsichtlich des Bodens um dessen chemische Zusammen-
setzung und dessen sog. physikalische Eigenschaften, hinsichtlich der Lage um die
Abdachung, Exposition, Meereshöhe, geographische Lage, Oberflächengestaltung und
um die Umgebung eines Waldortes.
416 IV. Lorey, Waldbau.
Vom Standpunkte des Waldbaues ans möchte in Er^änzun^ der voraufgehenden
beiden Abschnitte II und III des Handbuchs auf folgendes noch besonders hingewiesen
werden.
A. Boden, insbesondere physikalische Eigenschaften desselben.
§ 5. Als solche gelten Feuchtigkeit, Griindigkeit und Bindigkeit.
Fast alle unsere Holzarten zeigen da das beste Credeihen, wo keine jener Eigen-
schaften in einem ihrer Extreme vorhanden ist; weder Nässe, noch Trockenheit, weder
Festigkeit noch Lockerheit kann, sobald ein bestimmtes Mass überschritten wird, als
zuträglich bezeichnet werden. Hinsichtlich der Griindigkeit ist allerdings im allgemeinen
nur das eine Extrem, die Flachgründigkeit einer freudigen Entwickelung oft hinderlich,
während Tief griindigkeit nur in den seltenen Fällen einmal nachteilig werden kann,
wenn sie, — sei es, weil die atmosphärischen Niederschläge zu rasch in den Boden
einsinken, sei es, weil ein Heraufdringen des Grundwassers aus der Tiefe bis zum Wur-
zelraum nicht mehr stattfindet, — Trockenheit zur Folge hat. Eine gewisse mittlere
Beschaffenheit des Bodens ist also im grossen und ganzen die zuträglichste und bietet,
da sie fast alle Holzarten wenigstens zulässt, in waldbaulicher Beziehung dem Wirt-
schafter den weitesten Spielraum. Freilich zeigen nicht entfernt alle oder auch nur
eine Mehrheit unserer Holzarten bei der nämlichen mittleren Bodenbeschaffenheit gleich
gute Entwickelung ; ihre Ansprüche und demgemäss ihr Gedeihen sind mannigfach ab-
gestuft. Ausgeschlossen abey ist auf diesen Böden mittlerer Eigenschaften im allge-
meinen keine Holzart., und in solchem Falle wird dann die Auswahl einer bestimmten
Holzart wesentlich durch deren Verhalten im Bestand, sowie ihre wii-tschaftUche Be-
deutung bedingt, während überall, wo irgend welche Extreme der Bodenbeschalfenheit
vorliegen, diese bei der Entscheidung über die anzubauende Holzart, in erst.er Linie
ma.ssgebend werden; die Zahl der Möglichkeiten ist dann meist eine sehr beschränkte.
Es ist bekannt, dass und inwieweit der Humus geeignet ist, die physikalischen
Eigenschaften des Bodens zu modifizieren, indem er zwischen den Extremen vermittelt
insbesondere einem lockeren Boden mehr Bindigkeit, einem festen grössere Lockerheit
gewährt, durch bedeutende Wasseraufnahme und wasser haltende Kraft die Feuchtigkeit
reguliert, als schlechter Wärmeleiter ausgleichend wirkt und durch Kohlensäure-Ent-
wickelung den mineralischen Boden aufschliesst. Als absolute Bedingung für die Wald-
vegetation kann er, sofern im übrigen der Boden die nötigen mineralischen Nährstoffe,
sowie die erforderlichen physikalischen Eigenschaften besitzt, nicht angesehen werden.
Immerhin leuchtet ein, dass die waldbauliche Tätigkeit auf ununterbrochene, reichliche
Humusbildung abheben muss. Dabei handelt es sich keineswegs um die Anhäufung
grösserer Humusnicassen, sondern vor allem um einen regelmässigen normalen Fortgang
der Streuzersetzung und der Mengung der Zersetzungsstoffe mit dem mineralischen Boden.
Im einzelnen sind die Ansprüche der Holzarten an den Boden ausserordentlich
verschieden. Erwägt man überdies, dass auch für das Gedeihen einer bestimmten
Holzart nicht ein durchweg gleichbleibendes Mass der verscliiedenen Bodeneigenschaften
gefordert wird, sondern, namentlich durch verschiedene Lage bedingte Schwankungen
zulässig sind, so erhellt, dass eine Charakteristik der Holzarten nach ihren Bodenan-
sprüchen nur ganz im allgemeinen und in grossem Zuge möglich ist, auch mehr nur
in der Art, dass die Grenze angedeutet wird, unter welche bezüglich der einzelnen
Bodeneigenschaft nicht herunter-, bezw. über welche nicht hinaufgegangen werden darf,
als dass man etwa innerhalb dieser Grenzen ein bestimmtes Mass als jeweilig absolut
bestes bezeichnen könnte. Dies ist schon durch die grosse Zahl zusammenwirkender
Faktoren ausgeschlossen. Gleiches gilt demnächst von der Lage. Auch deren Einfluss
Das Bestandesmaterial. § 6. 417
macht sich in verschiedenen Beziehungen geltend ; dabei wirkt dann wiederum die Bo-
denbeschaffenheit modifizierend. Zu beachten ist, dass aus dem tatsächlichen Vorkom-
men einer Holzart nicht ohne weiteres auf deren Wohlbefinden Schlüsse gezogen werden
können. Anbaufähigkeit und Anbau Würdigkeit sind sehr zu unterscheiden; für jede
Holzart gibt es ein Optimum ihres Vorkommens, an welches sich Zonen geringerer
Leistung derselben anschliessen. Vom waldbaulichen Standpunkte aus entscheidet über-
haupt das Verhalten der Holzart im Bestand viel mehr als die Entwickelung des
Einzelbaumes. Die besten Standorte werden natürlich zunächst von den begehrlichsten
Holzarten in Beschlag genommen, so dass sich weniger anspruchsvolle vielfach mit
geringeren Böden und schlechteren Lagen begnügen müssen, obwohl auch sie gern an
dem Genuss der besseren Standorte teilnehmen würden (z. B. die gem. Kiefer).
§6. 1) Feuchtigkeit: Ausgehend von der überaus wichtigen Rolle, welche
dem Wasser in der Pflanzen-Ernährung zukommt, und von der daraus folgenden und
durch die Tatsachen allseits bestärkten Ueberzeugung, dass jede Holzart ceteris paribus
auf frischem Boden besser gedeiht, als auf trockenem, muss man sorgsame Bodenpflege
im Sinne der Wassererhaltung als eine unabweisbare Forderung hinstellen. Was in
dieser Hinsicht zu beachten und vorzukehren ist, wird späterhin berührt werden.
Für trockenen Boden taugen noch die gemeine Kiefer und die gemeine Birke,
Bet. verrucosa, die falsche Akazie und eventuell einzelne Pappeln und Weiden; einen
mindestens feuchten, wenn nicht nassen Boden verlangt z. B. die Schwarzerle, die Ruch-
birke, Bet. pubescens; auf einem solchen gedeihen viele Weiden, auch wohl noch Vogel-
beere, Krummholzkiefer; doch bedingt stagnierende Nässe fast immer eine mehr oder
minder zweifelhafte Entwickelung, während, so lange das Wasser in Bewegung ist oder
sich nur vorübergehend einfindet, auch ein üeberschuss daran vielfach kein Hindernis
guten Wachstums wird, wie die Weiden an Bach- und Flussufern und die üppige Ent-
wickelung bes. der Stieleichen, Eschen, Ulmen in zeitweise überschwemmten Aue Wal-
dungen beweisen. Selbst die Rotbuche findet sich da und dort in Inundationsgebieten
nicht selten. Fraxinus america soll sich (nach Brecher) noch besser bewähren als Frax.
excelsior; Carya alba, Akazie und Lärche haben sich nach Ueberschwemmungen gut
gehalten. Zeitpunkt, Dauer etc. der Ueberschwemmung sind dabei von Einfluss.
Weitaus die meisten unserer Holzarten meiden die Extreme und befinden sich
nur auf frischen, höchstens feuchten Böden wohl, mit der Abstufung, dass man einen
nur frischen Boden für die in der Uebersicht zu Eingang dieses Abschnittes genannten
Nadelhölzer sowie für Eiche, Buche, Ahorn, Linde, einen feuchten dagegen für Esche,
Hainbuche, Ulme, Pappeln und Weiden vorziehen wird. Von den Ausländern, mit
welchen Anbauversuche gemacht werden, scheinen die meisten mehr einen nur frischen
Boden zu lieben.
2) Gründigkeit: Flachgründige Böden sind oft, insbesondere an Hängen,
zugleich trocken, seltener, bei undurchlassendem Untergrund, in ebener Lage, zu nass
und in beiden Fällen meist von geringer Ertragsfähigkeit. Hiervon abgesehen aber
müssen sie dem Gedeihen derjenigen Holzarten hinderlich sein, welche ein tiefgehendes
Wurzelsystem haben, namentlieh dann, wenn letzteres durch eine stark ausgebildete
Pfahlwurzel charakterisiert ist, welche sich, auf einem festen, unzerklüfteten Unter-
grund aufsitzend, nicht normal entwickeln kann. Aus diesem Grunde taugen z. B.
Eiche, Esche, Ulme, Linde und auch die Tanne nicht auf einen flachgründigen Boden,
w<1hrend sich die Fichte mit ihren flachstreichenden Wurzeln daselbst noch gut zu-
rechtfindet. Auch Buche, Birke u. a. sind von einem nicht gründigen Boden keines-
wegs ganz ausgeschlossen. Immerhin sind auch für Holzarten, welche ihre Wurzeln
in der Regel nicht weit in die Tiefe senken, tiefgründige Böden wegen deren meist
Huidbuch d. Fontw. 2. Aufl. I. 27
418 IV. Lorey, Waldbau.
mehr mittleren Feuchtigkeitszastandes entschieden vorzuziehen. Ungenügendes Mass
der Gründigkeit macht sich fast immer durch geringes Höhenwachstum bemerklich.
Man vergleiche hiezu auch die Bemerkungen zu § 8, II, 2, S. 420.
3) Bindigkeit: Von dem Grade derselben ist die Entwickelung der Holzbe-
stände insofern beeinflusst, als mit ihr die Ausbildung der feinen Saugwurzeln, die
Standfestigkeit der Bäume und der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens, sowie die Durch-
lüftung des letzteren in Beziehung stehen. Die Extreme (einerseits strenger Tonboden,
bald zu nass und kalt, bald zu hart und rissig, wenn trocken, andererseits Flugsand)
sind in jedem Falle nachteilig. Zu den Holzarten, für deren normale Leistung auch
ein lockerer Boden gefordert werden muss, gehören z. B. Ulme, Esche, zahme Kastanie,
Erle, falsche Akazie, von den Nadelhölzern gemeine Kiefer, Douglasfichte ; die meisten
andern zeigen auf einem Boden von mittlerem Bindigkeitsgrad voll befriedigendes, zum
Teil sogar ihr bestes Gedeihen.
B. Die Lage und die dureh dieselbe gegebenen klimatischen Bedingungen.
§ 7. Kann im grossen und ganzen behauptet werden, dass sehr viele, ja die
meisten der deutschen Waldbäume hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit innerhalb ziem-
lich weiter Grenzen ein genügendes Wirtschaftsergebnis gewährleisten, so werden die
Verhältnisse in bezug auf die Lage vielfach kritischer; zum Teil rührt dies allerdings
daher, dass durch die Bedingungen der Lage, wie schon angedeutet wurde, die Boden-
eigenschaften mittelbar oder unmittelbar beeinflusst werden, zum grossen Teil aber auch
daher, dass gewisse, die einzelnen Holzarten in ihrer Entwickelung behindernde oder
geradezu bedrohende klimatische Einwirkungen, wie Frost, Hitze, Schneedruck, Reif,
Sturmwind u. s. w. an die Lage geknüpft sind. So kommt es, dass viele Holzarten,
weil an bestimmte Lagen gebunden, im Waldbau eine weit weniger ausgedehnte Ver-
w^endung finden, als sie ihnen zugestanden werden könnte und auch wegen ihres wirt-
schaftlichen Wertes gern eingeräumt würde, wenn nur die Bodenansprüche massgebend
wären.
Die schädigenden klimatischen Einflüsse werden im Forstschutz (Abschnitt V
des Handbuchs, 2. Band) besprochen. Hier nur einige kurze ergänzende Bemerkungen :
1. Exposition, d. h. Neigung eines Bodens gegen die Himmelsgegend. Da
durch dieselbe cet. par. der Einfluss der Sonne auf eine Waldbodenfläche bedingt ist,
so kommt die Verschiedenheit der Exposition zunächst durch entsprechende Verschie-
denheit der Erwärmungsverhältnisse zum Ausdruck. Tatsächlich macht sich aber in
mittleren Höhenlagen der Unterschied der einzelnen Expositionen besonders hinsichtlich
des Feuchtigkeitsgrades bemerklich, der, zumeist infolge der direkten, intensiveren Er-
wärmung durch die Sonne, in Süd- und Südwestlagen im allgemeinen ein geringerer
ist, als auf Nord- und Nordostseiten; die Böden in ersteren sind trockener, die Holz-
pflanzen werden überdies zu energischerer Blattverdunstung gereizt, so dass diejenigen,
welche in den genannten Beziehungen anspruchsvoll sind, von den Süd- und Südwest-
hängen fern bleiben.
Recht empfindlich ist in dieser Hinsicht z. B. die Weisstanne, welche gern die nord-
lichen und östlichen Lagen einnimmt, während das Umsetzen der Exposition nach Süd
und West oft sofort durch das Auftreten der Kiefer charakterisiert ist^).
Die Bestandes Verjüngung wird, sowohl was Wahl der Methode als auch Aus-
führung im einzelnen anlangt, durch die angedeuteten Wirkungen der Exposition oft
2) S. die bezüglichen Mitteilungen des Forstmeisters Graf von Uexküll aus dem
wtlrtt. Schwarzwaldforste Neuenbürg, Monatschrift für Forst- und Jagdwesen, Januar 1877.
Das Bestandesmaterial. § 8. 419
wesentlich beeinflnsst; dazu kommt die Bezieliung der Exposition zu Windgefahr,
Schneedrnck und Frost. In höheren Gebirgslagen muss bezüglich des Gedeihens der
Holzarten, von einer gewissen Grenze an, der meist grösseren Wärme der Süd- und
Westseiten das unmittelbar entscheidende Wort zugestanden werden, während feuchtere
Luft, bedeutendere Niederschlagsmengen u. s. w. dort den Faktor Feuchtigkeit in
seiner Beziehung zur Exposition zurücktreten lassen.
2. Abdachung, d. h. Neigung des Bodens gegen die Horizontale. Im allge-
meinen bilden, sofern ein gewisses, allerdings je nach den sonstigen Umständen (Ex-
position, physikalische Bodeneigenschaften u. s. w.) wechselndes Mass der Steilheit nicht
überschritten wird, auch bedeutendere Neigungen kein Hindernis der Holzkultur, wenn
auch Bestandesbegründung und -erziehung, sowie namentlich auch die Ernte und der
Transport der Forstprodukte in steileren Lagen oft mit erhöhten Schwierigkeiten zu
kämpfen haben. Stärker geneigte Hänge sind vielfach trockener, flachgründig, Boden-
rutschungen ausgesetzt und bedingen dadurch häufig besondere Vorkehrungen. Ande-
rerseits treten Versumpfungen mehr in ebenen Lagen auf. Die Grenzen der landwirt-
schaftlichen Bodenbenutzung und der Waldwirtschaft sind an vielen Stellen hauptsäch-
lich durch den Abdachungsgrad gezogen.
3. Meeres höhe und geographische Lage: Temperatur, Feuchtigkeit
der Luft, atmosphärische Niederschläge (Schnee, Duft etc.), Frost und Stürme sind die
Faktoren, welche hier hauptsächlich bestimmend werden.
4. Oberflächengestaltung: Dabei kommt in Betracht die Bodenausform-
ung im grossen, sowie die verschiedenartige Gestaltung der Bodenoberfläche im ein-
zelnen. In ersterer Beziehung ist besonders die Verteilung von Land und Wasser,
sowie die Gebirgsbildung von Bedeutung : Massengebirge im Gegensatz zu Kettengebirgen
mit zahlreichen Einzelzügen, Anordnung der Täler, Wechsel der Expositionen, isolierte
Bergkuppen, Hochplateaus u. s. w. sind zu beachten. Innerhalb dieser, den Gesamt-
charakter ausdrückenden Unterschiede, welche die waldbaulichen Massregeln oft ganz
direkt beeinflussen (event. z. B. bei der Wahl der Holzart), treten dann bei der Beur-
teilung von Detailfragen die teilweise sehr greifbaren Verschiedenheiten im einzelnen
in Kraft, wie insbesondere das Vorkommen von Mulden, welche meist infolge grösserer
Feuchtigkeit und Tiefgründigkeit wesentlich besseren Holzwuchs erzeugen, aber als
Tieflagen auch zu Frösten Anlass geben können, ferner von Steilhängen, flachen Rücken
u. s. w. Die meisten dieser grossen und kleinen Unterschiede in der Oberflächenge-
staltung werden auch insofern bemerkbar, als von ihnen der grössere oder geringere
Schutz eines Waldortes durch seine Umgebung abhängt. Es ist klar, wie der Verlauf
der Höhenzüge, wie einzelne Berge die Wirkung der Winde auf hinterliegendes Ge-
lände modifizieren, wie die Sturmgefahr durch die Richtung der Täler und Höhen be-
einflnsst wird, wie grössere Wasserflächen bei dem Auftreten von Frösten, Duft- und
Eisbruch mitwirken können. Zu allen solchen Umständen, die sich teils aus grösserer
Entfernung, teils aus der Nähe fühlbar machen, tritt dann der Einfluss des unmittelbar
benachbarten Geländes mit seiner Bestockung (vorliegende höhere Holzbestände oder
Kahlfläche — junge Kultur, Wiese, Feld — in ihren Beziehungen zu Winden, Rand-
verdämmung u. s. w.).
U. Die Entwickelung des einzelnen Baumes.
§ 8. Da es sich hier nicht um eine botanische Charakteristik, sondern um die
bei waldbaulichen Massnahmen besonders zu beachtenden, bezw. zu verwertenden Eigen-
heiten in der Entwickelung der einzelnen Holzarten handelt, so sind dieselben, unter
Voraussetzung normaler Verhältnisse, vorab also eines geeigneten Standortes, haupt-
sächlich nur im Hinblick auf folgende Fragen zu untersuchen:
27*
420 IV. Lore y, Waldbau.
1) Wie vollzieht sich die Keimung? Bleiben die Kotyledonen unter der Erde
oder werden sie mit heraufgenommen? — 2) Wie sieht das Wurzelsystem aus? —
3) Ist die Holzart in der Jugend rasch- oder langsamwiichsig V Welchen Verlauf nimmt
überhaupt ihre Höhenentwickelung absolut und im Vergleich zu derjenigen anderer
Holzarten? — 4) Wie verhält sich die Holzart gegen Beschädigungen aller Art? Ist
dieselbe insbesondere in ihrer Jugend gegen Frost und Hitze empfindlich? ist sie dem
Schneedruck und der Sturmgefahr besonders ausgesetzt ? — 5) Wann beginnt sie regel-
mässig zu f ruktifizieren ? in welchem Umfange darf auf Wiederkehr waldbanlich ver-
wendbarer Masten gerechnet werden?
Auf die meisten der vorstehenden Fragen geben die Abschnitte III Forstbotanik
und V Forstschutz des Handbuches Antwort, so dass man sich hier auf eine Grup-
pierung der Hauptholzarten nach vorgenannten Gesichtspunkten, sowie allenfalls auf
einige ergänzende Bemerkungen beschränken kann:
1) Keimung: Die Kotyledonen bleiben unter der Erde bei der Eiche und zah-
men Kastanie, Juglans und Carya, während die übrigen Laubhölzer, sowie die Nadel-
hölzer dieselben über die Erde mit heraufnehmen. Dies bedeutet die Verrichtung einer
bei Durchdringung der über dem Samen lagernden Bodenschicht zu leistenden mecha-
nischen Arbeit, welche um so grösser ist, je bedeutender die Flächenausbreitung der
Kotyledonen, die Höhe der Bedeckung, die Bündigkeit und das Gewicht der betr. Erd-
schichte ist. Die Bedeckung kann bei Eiche, Kastanie n. s. w. entsprechend starker
sein. Vergl. 2. Abschnitt, III. Kapitel, 2. Teil IV, E.
2) Wurzelsystem: Holzarten mit weitverzweigtem Wurzelsystem beanspru-
chen damit einen grösseren Nahrungsraum, sind aber u. U. auch auf ärmerem, trocke-
nerem Boden noch zuwachskräftig (Akkommodationsfähigkeit von Weidenarten) ; durch
Bäume mit flachstreichenden Wurzeln wird zunächst nur die obere Bodenschicht, von
solchen mit tiefgehenden Wurzeln werden entsprechend tiefer liegende Schichten behufs
Nahrungsaufnahme in Anspruch genommen; erstere können auf flachgründigem Boden,
wo letztere versagen, eher noch gedeihen. Holzarten mit tiefgehender Pfahlwurzel,
dann besonders auch solche mit melireren starken, tiefeindringenden Wurzelsträngen
sind standfester als solche mit flachstreichenden Wurzeln. Durch diese Andeutungen
sind einige Hauptmomente hinsichtlich des Einflusses der Bewurzelung charakterisiert.
Als Holzarten mit tiefgehenden Wurzeln sind zu nennen : Eiche (Qu. pedunculata
und sessiliflora), Ulme, Esche, Ahorn (besonders Acer pseudoplatanus), zahme Kastanie,
Schwarzerle, Linde, auch Weisstaune, gemeine Kiefer, Weymouthskiefer, Lärche. A'on
den genannten haben manche eine bis in höheres Alter kräftig entwickelte Pfahlwurzel,
wie z. B. Eiche, zahme Kastanie, während bei anderen, wie Erle, Lärche, früher oder
später das W^achstum der Pfahlwurzel nachlässt, dagegen mehrere schräg in den Boden
eindringende starke Seitenwurzeln das Gerüst des Wurzelsystems bilden.
Flachstreichende Wurzeln haben Birke, falsche Akazie, Pappeln und Weiden,
sowie von den Nadelhölzern die Fichte, während andere Holzarten, wie Buche, Hain-
buche, Weisserle, eine Mittelstellung einnehmen. Abgesehen von den unzweideutig aus-
geprägten Extremen ist überhaupt diese, wie jede ähnliche Abgrenzung, angesichts der
zahlreichen Uebergänge keine sichere, zumal auch bei der gleichen Holzart je nach der
Bodenbeschaffenheit oft auffällige Verschiedenheiten und vielfache Uebergänge vorkom-
men. Namentlich ist die Bildung einer ausgeprägten Pfahlwurzel nicht bei allen, eine
solche von Haus aus aufweisenden Holzarten in gleicher Weise Bedingung einer guten
Entwickelung (Eiche), sondern unter Umständen (Tanne auf weniger gründigen ßödeni
kann eine starke eigentliche Pfahlwurzel durch kräftigere Entwickelung seitlicher
Wurzeln ersetzt werden.
Das Bestandesmaterial. § 8. 421
3) Höhenentwickelung^): Für viele waldbauliche Fragen (Erzielung ge-
nügenden Bestandesschlusses und damit guter Bodendeckung, Schädigung durch Wild,
Weidvieh, Frost u. s. w.) ist namentlich die Jugendentwickelung der Holzarten ent-
scheidend. Einzelne machen schon in den ersten Lebensjahren bedeutende Längstriebe
(falsche Akazie, gemeine Kiefer), während andere (Tanne) erst nach einer Reihe von
Jahren mit einer energischeren Höhenentwickelung beginnen. Die Trennung in rasch-
und langsamwüchsige Holzarten bezieht sich zumeist auf diese Jugendzeit, und zwar
können in diesem Sinne als langsam wüchsig gelten : Buche, Hainbuche, Tanne, wogegen
man von den Laubhölzern Erle, Birke, Akazie, femer Esche, Ahorn, zahme Kastanie,
Pappeln und Weiden, von den Nadelhölzern die meisten Pinus-Arten und die Lärche
als raschwüchsig bezeichnen und endlich den Ulmen, Linden, Pirus- und Sorbus-Arten,
sowie der Fichte eine mittlere Stellung einräumen muss. Doch auch hiev linden sich
von Fall zu Fall, d. h. je nach Standort, Witterung, Behandlung u. s. w. mancherlei
Yerscbiebungen. Je nach der Bodenzusammensetzung z. B. kann sich geradezu die
Skala der Schnellwüchsigkeit der Holzarten während der ersten Jugendjahre ändern.
Ziemlich rasch in ihrer Jugendentwickelung sind meist auch die Eichen, doch vielfach
bald nachlassend. Uebrigens sind beide Eichenarten in diesem Punkte so wenig gleich-
wertig, wie in manchen anderen Beziehungen; der Traubeneiche wird ziemlich allge-
mein rascherer Wuchs und längeres Andauern kräftiger Höhenentwickelung zuerkannt.
Bei vielen der genannten Holzarten ändert sich das Verhalten auch mit zunehmendem
Alter, indem manche (namentlich im inzwischen gesi^hlossenen Bestand) der bisher lang-
sam wüchsigen (Tanne) sieh in der Folge durch rasche Höhenentwickelung auszeichnen,
andere, in der Jugend raschwüchsig, früher oder später nachlassen, besonders wenn sie
sich nicht auf einem durchaus günstigen Standorte befinden (Esche, Ahorn, Eiche u.
a. m.). Der bei den einzelnen Holzarten verschiedene Zeitpunkt dieses Nachlassens
verdient namentlich beim Zusammenordnen derselben im Mischbestande sorgfältige Be-
achtung.
Endlich ist von Bedeutung, wenn auch weniger für eigentlich waldbauliche Mass-
nahmen, als im Hinblick auf die Rentabilität des Betriebs (Haubarkeitserträge), die
absolute Höhe, welche überhaupt erreicht wird. In dieser Hinsicht stehen die Nadel-
hölzer (Tanne und Fichte bis zu 40 Meter und mehr) im allgemeinen den Laubhölzern
voran; entscheidend ist nicht sowohl die Höhe einzelner besonders gut entwickelter
Exemplare, als vielmehr die mittlere Höhe haubarer Bestände; übrigens ist die Hr)hen-
entwickelung in ganz besonderem Masse von der Standortsgüte abhängig.
4) Verhalten der Holzarten gegen Beschädigungen. Wild-,
Weidevieh-, sowie Insektenschäden kommen insofern in Betracht, als sie (wie Rüssel-
käferfrass an Kulturen, Maikäferschaden, das Auftreten gewisser Schmetterlinge u. a.)
auf die waldbaulichen Anordnungen einen bestimmenden Einfluss ausüben. Immerhin
sind unsere wirtschaftlichen EntSchliessungen häufiger und allgemeiner durch das Ver-
halten der Waldbäume gegen Frost und Hitze, gegen Schneeschaden und Sturm bedingt.
Indem hinsichtlich dieser Gefahren und die dieselben bedingenden Momente auf
den Forstschutz verwiesen wird, soll hier nur hervorgehoben werden, dass manche,
sonst, d. h. namentlich in bezug auf ihre Massen- und Wertsertrnge, sowie ihr Ver-
halten gegen den Boden u. s. w. , vielleicht weniger geschätzte Holzart durch ihre
3) lieber die Art der Ermittelung des Höhenzuwachsganges ist die Holzmesskunde von
V, Guttenberg, Handbuch 8. Band Abt. IX zu vergleichen. Daselbst finden sich über-
dies die Entwickelnngsgesetze nach dem dermaligen Stand unserer Kenntnis zusammengestellt.
-- Auf die F'rage der Bedeutung des Höhenwarhstums bei Anlegung gemischter Bestände
wird noch zurückgekommen werden.
422 IV. Lorey, Waldbau.
Unempfindlichkeit gegen Frost und Hitze für gewisse konkrete Fälle eine besondere
Bedeutung erlangen kann, indem sie empfindlichere Holzarten endweder ganz vertritt
oder denselben als wirksames Schntzholz (Mischung, Yoranbau) beigesellt wird. Bei-
spiele: Hainbuche statt der Rotbuche zum Unterbau auf feuchten Stellen, Kiefer als
Schutz- und Treibholz für Eiche, Birkenvoranbau. Ebenso können manche Holzarten
wegen besonderer Gefährdung (z. B. durch Wild) örtlich von unseren Erwägungen be-
züglich der Wahl der Holzart ausgeschlossen erscheinen.
5) Fruktifikation: Soweit Bestandesbegründung durch Pflanzung stattfindet,
ist der Waldbau mit seinen Operationen von dem Eintritt guter Samenjahre nur in
massigem Umfange abhängig: denn einmal kann man, was an Pflänzlingen nicht aus
Schlägen entnommen werden kann, sondern besondere Anzucht erheischt, aus verhält-
nismässig kleinen Mengen des betreifenden Samens erzielen, so dass auch in samen-
armen Jahren oft wenigstens dieses geringe Quantum brauchbaren Samens gewonnen
werden kann, und zum andern kann im Falle reichlicher Mast meist für mehrere Jahre
vorgesorgt werden, weil man bei der Pflanzung nicht immer gerade auf ein ganz be-
stimmtes Alter der Pflänzlinge angewiesen ist. Dagegen ist allerdings die Kultur durch
Saat in weit erheblicherem Masse, sowie die natürliche Samen-Verjüngung vollständig
an die Masten gebunden, und es ist, namentlich für das regelmässige Fortschreiten der
Wirtschaft im grösseren nachhaltigen Betriebe, oft von wesentlichem Einfluss, ob und
in welchen Zwischenräumen Mastjahre in genügender Art wiederkehren (vergl. den
Abschnitt über Bestandesbegründung).
Man kann zwar für Saaten unter Umständen auch noch einige Jahre alten Samen
verwenden, überdies den Samen, wenn nötig, aus weiter Ferne herbeischaffen, aber die^
Behelfe fehlen bei der Naturbesamung. Wenn nun letztere auch bei allen Holzarten
stattfindet, so ist der W'irtschaftsbetrieb im grossen doch meist nur bei der Tanne und
Buche, sowie vielfach bei der Fichte, da und dort auch bei der Eiche, bei Esche, Ahorn
und Forche auf dieselbe begründet. Die Benutzung natürlicher Ansamung von Eiche,
Esche, Ahorn u. s. w. wird, weil sie vielfach nicht nur als erwünschte Ergänzung der
künstlichen Kultur erscheint, sondern letztere geradezu überflüssig machen kann, neuer-
dings mit Recht vielenorts in grösserem Umfange angestrebt. In erster Linie kommen
für unsere Frage Tanne, Fichte und Buche, event. Forche und Eiche in Betracht, da
solche Holzarten wie Esche und Ahorn, dann auch Hainbuche und Birke meist sehr
regelmässig Samen tragen oder doch selten gänzlich versagen. Obwohl schon vom
ausgehenden Stangenholzalter an oft bedeutendere Masten vorkommen, und zwar auf
schlechterem Standort gewöhnlich früher als auf besserem, wird die regelmässige Wie-
derkehr derselben meist doch erst von einem späteren Entwickelungsstadium an be-
obachtet, welches demgemäss als volle Mannbarkeit bezeichnet werden kann. Erst
wenn diese eingetreten ist, lässt sich die Verjüngung mit Sicherheit leiten.
Man kann rechnen*), dass bei der Tanne etwa vom 70. — 80. Jahre an in mildem
Klima alle 3, in rauherem alle 5 — 7 Jahre eine reichliche Mast eintritt ; bei der Fichte
geschieht dies bei eben diesem Alter (mit entsprechenden, örtlich allgemein, sow4e durch
die mehr zufälligen Einflüsse der Jahreswitterung bedingten Schwankungen auf- und
abwärts) durchschnittlich alle 5 Jahre. Die gemeine Kiefer fruktifiziert früher und
oft auch reichlicher, so dass etwa vom 50. Jahre an je in 3jährigen Perioden auf eine
genügende Samenmenge zu zählen ist. Buchensamenjahre, wenn auch eigentliche Voll-
masten selten sind, doch, je nach Oertlichkeit, vom 70. — 80. Jahre an alle 5 — 10 Jahre.
4) Vergl. u. a. Hess „Die Eigenschaften und das forstliche Verhalten der wichtige-
ren . . Holzarten", woselbst in Anmerkungen die Spezi alliteratur nachgewiesen ist.
Das Bestandesmaterial. § 9. 423
Aehnlich wie die Bnche (im ganzen wohl etwas günstiger) verhalten sich die Eichen,
doch bewegt sich die Buche mehr in Extremen, während die Eichen häufiger Mittel-
ernten bringen.
Von besonderem Einfluss auf die Samenentwickelung sind die Witterungsverhält-
nisse, zumal aucii Spätfröste. Nasskalte Jahre sind oft besonders schlecht. Die Perio-
dizität der Blütejahre ist natürlich meist grösser als die der Erntejahre. Meist, aber
nicht immer, geht einem Jahr mit reichlichem Samenerträgnis ein solches mit geringe-
rem voraus oder folgt ihm.
in. Das Verhalten der Holzarten im Bestand.
Da es der Waldbau fast ausnahmslos nicht mit Einzelbäumen, sondern mit Be-
ständen, d. h. mit einer Vielheit irgendwie zusammengeordneter Individuen zu tun hat,
so ist die Würdigung der einzelnen Holzarten recht eigentlich dnrch deren Verhalten
im Bestände, beim Zusammenleben mit Individuen der gleichen Art oder anderer Arten,
bedingt. Dabei ist jenes Verhalten hauptsächlich nach zwei Richtungen hin zu begut-
achten, nämlich es fragt sich : 1) welchen Einfluss äussert die Holzart im Bestand auf
den Boden, der sie trägt? und 2) was leistet der Bestand als solcher für die Zwecke
der Wirtschaft?
A. Einfluss der Holzarten auf den Boden.
§ 9. Der Bestand, welcher dem Boden bestimmte Beträge an Nährstoffen ent-
zieht und denselben dadurch ärmer macht, soll hieför in Gestalt derjenigen Substanzen,
welche die Holzgewächse zur Streudecke und somit demnächst zur Humusbildung: bei-
tragen, also in erster Linie durch den jährlichen Blatt- und Nadelabfall, durch Blüten-
und Fruchtteile, Zweige etc. soweit möglich Ersatz leisten. Ausserdem soll durch
das Kronendach des Bestandes die Einwirkung von Sonne und Wind in solchem Masse
vom Boden fern gehalten werden, dass diesem hierdurch das gehörige Mass von Feuch-
tigkeit, sowie vor allem ein normal verlaufender stetiger Gang der Humusbildung ge-
sichert, die Streudecke bewahrt und zugleich die Entwickelung zu massenhafter Forst-
unkräuter hintangehalten werde. Diese Wirkungen sollen vom Kronendach ausgehen,
d. h. von der Gesamtheit aller Baumkronen, welche sich über einer bestimmten Fläche
befinden. Die nach Holzart und Lebensbedingungen überaus verschiedene Ausgestaltung
der einzelnen Krone ist — von der gegenseitigen Beeinflussung der Individuen und der
Wirkung wirtschaftlicher Massnahmen abgesehen — allgemein bedingt durch die der
Holzart eigene Art der Ast- und Zweigbildung, durch Grösse, Gestalt, Anordnung,
Menge, Dauer der Blätter und Nadeln. In den weitaus meisten Fällen — ausser auf
besondere kräftigen bezw. feuchten Böden, deren Erschöpfung in Absicht auf Mineral-
stoffe und Wassergehalt nicht zu fürchten ist — leistet in den vorangedeuteten Rich-
tungen nur ein gut geschlossenes Kronendach Genügendes, wobei allerdings nicht er-
forderlich ist, dass die einzelnen Kronen sich in gleicher Höhe gewissermassen zu einer
einzigen Etage zusammenfügen, sondern es können auch Einzelbäume und Gruppen
verschiedensten Alters und damit verschiedenster Höhe und Ausformung den Raum
über dem Boden derart mit Aesten und Zweigen anfüllen, dass deren Blätter und Na-
deln die Sonne und den Wind nicht oder doch nur in unschädlichem Masse zur Erde
gelangen lassen. Jedenfalls aber ist zur Herstellung jenes Schutzdaches über dem
Boden, sowie zur Rücklieferung einer hinreichenden Menge an humusbildenden Sub-
stanzen auf der Flächeneinheit eine grosse Anzahl von Holzpflanzen erforderlich, welche
genügend nahe zusammenstehen müssen, und deren Kronen in sich entsprechend dicht
sind. Namentlich in höherem Alter, wenn der einzelne Baum einen grösseren Stand-
raum einnimmt, ist nicht in erster Linie nahes Aneinanderrücken der Nachbarbäume,
424 IV. Lorey, Waldbau.
sondern vor allem auch die Beschaffenheit der Etnzelkrone für die Intensität des Boden-
schutzes bedingend. In der Jugend fällt ja zweifellos die auf gegebener Fläche vor-
findliche Zahl der Individuen am meisten ins Gewicht, aber mit fortschreitender Ent-
wickelung (zunehmender natürlicher und künstlicher Bestandesreinignng) tritt diesem
Moment der Einfiuss der einzelnen Krone mehr und mehr als gleichwertig zur Seite.
Nun verhalten sich aber unsere Holzarten in Beziehung auf die Ausbildung ihrer Kro-
nen ausserordentlich verschieden. Zwar besitzen nicht bloss diejenigen, welche sich
auch im Alter noch durch dichte Kronen auszeichnen, sondern auch viele von denen,
bei welchen dies nicht der Fall ist, in der Jugend reichliche Belaubung oder Benade-
lung; aber mit zunehmendem Alter lichten sich die Kronen mehr und mehr ans, sie
rücken überdies (infolge Absterbens der unteren Aeste) immer weiter vom Boden in
die Höhe, durch seitliche Beengung sowohl im Boden als im Kronenraume gehen viele
Individuen ein, so dass durch dies alles bald früher bald später (nach Holzart, Stand-
ortsverhältnissen u. s. w.) eine oft sehr weitgehende Unterbrechung des Kronenschlnsses
eintritt, eine Lichtstellung, die sich durch Ueberkleidung des Bodens mit Unkräutern,
durch zu rasche oder auch durch unvollkommene Humuszersetzung, Austrocknung etc.
bemerkbar macht. Da hierdurch allgemein der Waldboden in seiner Prodnktionsfäbig-
keit geschädigt würde, so muss für dauernd dichten Kronenschirm gesorgt werden.
Dies geschieht am einfachsten, indem man überhaupt nur solche Holzarten in die Be-
stände bringt, deren Kronendach sich bis ins höhere Alter gut geschlossen erhält. Falls
man aber aus irgend welchen Gründen zu solchen Holzarten greift, welche sich in
späteren Jahren licht stellen, so werden diese wenigstens entweder mit so niedrigen
Umtrieben bebandelt, dass bei der Aberntung des Bestandes die für den Bodenzustand
bedenkliche Lichtung noch nicht eingetreten ist, oder es muss, wenn man sie älter
werden lassen will, im Zeitpunkte der beginnenden Auslichtung durch besondere Mass-
nahmen für Bodenschutz gesorgt werden.
Diejenigen Hauptholzarten des deutschen Waldes, welche auch in höherem Alter
gut geschlossene Bestände zu bilden und somit dem Boden jeden gewünschten Schutz
dauernd zu gewähren vermögen , sind vorab Tanne und Buche, dann auch die
Fichte. Sie sind also vor allen andern berufen, die Hauptmasse des Waldes zu
bilden, und zwar können sie ohne Gefährdung der Bodenkraft in reinen Best<änden
auftreten, d. h. solchen, die nur aus Exemplaren der nämlichen Holzart zusammengesetzt
sind. Sie speziell werden im Verein mit einigen Nebenholzarten als schatten er-
tragende Holzarten bezeichnet, weil man die Dichtigkeit ihrer Krone, welche we-
sentlich darauf beruht, dass Blätter, bezw. Nadeln im Inneren derselben sich noch
längere Zeit hindurch lebend erhalten, als einen Beweis höheren Schattenerträgnisses
ansieht im Gegensatz zu dem bezüglichen Verhalten anderer Holzarten, deren Kronen
sich bald lichten, indem die von den äusseren Blatt-, bezw. Nadelschichten umschatteten
Organe im Kroneninnern nicht mehr lebensfähig bleiben. Diese Holzarten werden des-
halb lichtbedürftig oder kurz Lichthölzer genannt.
Tatsache ist also — und darauf gründet sich zunächst die Unterscheidung in Licht-
und Schattenhölzer — jenes völlig verschiedene Verhalten, welches sich zeigt, wenn man Be-
stände der einzelnen Holzarten während ihrer Entwickelung sich selbst überlässt. Ob und
inwieweit die lichtere Stellung wirklich als eine Folge des Lichtentzugs bezw. der Licht-
bedürftigkeit gelten muss, oder ob nicht vielmehr die Ursache in erster Linie im Boden,
in den Ernährungsverhältnissen (Wurzelkonkurrenz) zu suchen ist, muss heute noch als
offene Frage betrachtet werden. Nicht weil ihnen das Licht fehlt, wtlrde eine grössere
Anzahl von Individuen früher oder später ausscheiden, sondern weil die verfügbare Nähr-
stoflFmenge nur für eine beschränkte Anzahl von Bäumen ausreiche, so möchte man schlies-
sen ; vor allem würden dabei auch die Feuchtigkeitsverhältnisse im Boden eine Hauptrolle
Das Bestandesmaterial. § 9. 425
spielen. Man wird wohl nicht fehlgehen in der Annahme, dass die verschiedenen erwähn-
ten Faktoren an dem Ergebnis : hie mehr oder minder geschlossener, hie lichter Bestand
beteiligt sind.
Als extreme Repräsentanten der Lichthölzer können die Lerche und Birke gelten,
welche sich vor allen andern durch ihre besonders dünne Krone auszeichnen. Zwischen
den beiden genannten E.xtremen, den absoluten Schattenhölzern Tanne und Buche und den
Lichthölzern Birke und Lärche, schalten sich in mannigfacher Abstufung die übrigen
Holzarten ein. Keiner unserer Waldbüume liebt oder bedarf den S«hatten, abgesehen
von der Jugendzeit, in welcher vielen derselben Schutz gegen Frost und Hitze gewährt
werden muss, was im grossen Forstbetrieb meist nur durch das Kronendach e:nes Schutz-
bestandes geschehen kann, also mit Beschattung verknüpft ist. Alle Holzarten ent-
wickeln sich vielmehr kräftiger in der Lichtstellung. Dagegen können aber manche
die Beschattung nach Mass und Zeitdauer in weiterem Umfange ertragen, während
andere darunter bald notleiden, eine Verschiedenheit des Verhaltens, welche natürlich
waldbaulich von höchster Bedeutung ist^).
Tanne und Buche brauchen (in der Ebene und den Mittellagen wenigstens) in der
Jugend Schutz gegen Frost und Hitze und ertragen die Beschattung, die Tanne aber länger
and intensiver als die Buche. Weit weniger schutzbedürftig, zumal gegen Sonnenbestrah-
lung, ist die junge Fichte ; ihr Schattenerträgnis ist entschieden geringer als dasjenige der
Buche. Immerhin muss man die Fichte, so lange nur die zwei grossen Gruppen : Schatten-
nnd Lichthölzer gebildet werden, den Schattenhölzern zuzählen. Mit ihr konkurriert allen-
falls in bezug auf die Fähigkeit, Schatten zu ertragen, die Weymouthskiefer, von Laub-
hölzern vielleicht die Hainbuche. Alle anderen Holzarten sind als Jungwüchse sofort sehr
dankbar für vollen Lichtgenuss und erhalten sich unter dem Schatten von Oberständern
im allgemeinen nur dann einige Zeit wuchskräftig, wenn ihnen, was dabei an atmosphä-
rischen Niederschlägen (Regen, Tau etc.) abgeht, durch Bodenfrische, feuchte Luft, gute
Ernährung reichlich ersetzt wird. — Von dem Verhalten in der ersten Jugend ist das-
jenige während der weitern Entwickeln ng des Bestandes zu unterscheiden. Das kritische
Alter, in welchem sich die grössere oder geringere Fähigkeit einer Holzart, dichte und
damit reine Bestände dauernd zu bilden , deutlich ausspricht , ist gemeinhin die Zeit des
beginnenden Stangenholzes. Ausser bei Lärche und Birke tritt die Sorge um den Boden-
schutz im reinen Bestände einer Lichtholzart meist erst von jenem Zeitpunkte ab an uns
heran ; ja in Beständen mancher lichtkroniger Nadelhölzer, wie z. B. der gemeinen Kiefer,
kann man sich dieser Sorge oft noch weiterhin, bis in's mittlere, ja höhere Stangenholz-
alter entschlagen, sofern eine dichte Moosdecke den Boden überkleidet und ihm den er-
forderlichen Schutz (Feuchtigkeit etc.) gewährt. Von verschiedenen Schriftstellern sind die
Holzarten in bezug auf ihre Fähigkeit, Schatten zu ertragen, bezw. sich im geschlossenen
Bestände zu halten, klassifiziert worden ^). Die Skala, welche dieselben aufgestellt haben,
stimmt nicht in allen Einzelheiten überein; dies kann auch nicht anders sein, denn die
Beobachtungsgebietc, welchen die betreifenden Bücher entstammen, sind sehr verschieden;
immerhin treffen die Abweichungen zumeist nur die eine mittlere Stellung einnehmenden
Holzarten ; manche Verschiebung ist rein lokaler Natur, durch die Eigenart des Standorts
bedingt ^) ; überdies ist die exakte komparative Beobachtung äusserst schwierig, weil meist
viele Faktoren gleichzeitig wirksam sind. Wir möchten — mit der am meisten Schatten
ertragenden Holzart beginnend — folgende Reihe aufstellen: Tanne — Buche — Fichte
— Hainbuche, Weymouthskiefer - — Linde — Traubeneiche — Esche — Ahorn, Schwarz-
kiefer — Stieleiche, Ulme — Erle — gemeine Kiefer — Aspe, Birke, Lärche. Zu be-
achten ist, dass zu den ziemlich viel Schatten ertragenden Holzarten die Weymouthskiefer
gehört, welche dadurch und durch ihre Raschwüchsigkeit für manche Spezialfälle waldbau-
5) Zu vergl. Zweiter Abschnitt, 2. Kapitel, A, II 1, § 25.
H) Vergl. u. a. G. Hey er, Verhalten der Waldbäume gegen Licht und Schatten, 1852.
— V. Fischbach, „Forstwissenschaft", 4. Aufl. 1886 S. 5. — Kraft in Allg. F.- u.
J.-Ztg. von 1878, S. 64. — Gay er, „Waldbau«, 2. Aufl. S. 33 ff.
7) In dieser Beziehung macht z.B. G a y e r auf die erhöhten Lichtansprüche bei kur-
zer Vegetationsdauer (Gebirg, Norden), dann auf den Einfluss der örtlichen Lichtintensität,
die Wirkung häufiger Nebel u. s. w. aufmerksam.
426 IV. Lorey. Waldban.
lieber Arbeit, wie z. B. Auspflanzen Ton Scbneebmcblücken, alten Wegen n. s. w. besonders
geeignet erscheinen kann. Femer sei nochmals betont, dass die Fichte keineswegs der
Buche und noch weniger der Tanne gleichgeordnet werden darf. — Ein allgemeiner Ein-
flnss des Standorts auf die besprochenen Verhältnisse lässt sich dahin erkennen, dass, wie
schon angedeutet wurde, auf frischen und reichen Böden die Kronen dichter sind, das
Schattenerträgnis durch alle Lebensalter gesteigert erscheint, woraus gefolgert werden kann,
dass jedenfalls die Frage der Ernährung mitspielt, wie denn überhaupt die beregt-en Be-
ziehungen noch lange nicht Tollständig geklärt sind. Vgl. Handbuch Bd. I, 181 ff.
Tatsächlich kommen auch von andern Holzarten, als der Tanne, Buche and Fichte,
ausgedehnte reine Bestände vor; aber dieselben sind dann entweder Kinder der Not
oder auch besonders günstiger Verhältnisse, sehr oft auch eigenartiger wirtschaftlicher
Bedingungen. Alle diese Umstände können die grundsätzlich als Ausnahme zn betrach-
tende Bildung reiner Bestände durch Lichtholzarten gegebenenfalls geradezu als Kegel
erscheinen lassen. So findet sich insbesondere die gemeine Kiefer auf weiten Flächen
in reinen Bestanden, jedoch zumeist auf Böden, welche für andere, anspruchsvollere
Holzarten nicht mehr taugen, wo man also, um überhaupt Wald zu haben, mit der
Kiefer im reinen Bestand zufrieden sein muss. Man befindet sich in einer Zwangslage,
aus der man eben niemals herauskommen kann. So lange in solchen Beständen die
Moosdecke sich erhält (bei nicht zu hohem Umtrieb), ist die Leistung der Kiefer auch
in Rücksicht auf die Bodenkraft eine befriedigende. Die Fälle, in welchen Lichtholz-
arten, wie gerade nicht selten die gemeine Kiefer, aus wirtschaftlichen (Rentabilitäts-)
Gründen rein angebaut werden, sind für unsere Frage zunächst weniger von Interesse.
Es mögen nur noch Schwarzkiefer (Wiener Wald) , Krummholzkiefer (Hochgebirg,
Moore), Erle (nasse Partien), sodann Esche, Eiche (auf kräftigen Böden der Flus-snie-
dernngen, doch hier meist mit einem Unterholz) als Beispiele dafür aufgeführt werden,
dass unter besonderen Umständen Lichthölzer, zumal solche, w^elche eine mehr mittlere
Stellung einnehmen, in reinen Beständen vorkommen. Ueberdies ist der Eichenschäl-
wald als typische Form besonders zu erwähnen, bei welcher der niedrige Umtrieb ent-
scheidend ist. — Anbau von Schutzbeständen (aus Birke, gemeiner Kiefer), sowie An-
zucht von reinen Beständen (etwa der Eiche) in der Absicht, sie später zu unterbauen,
kommen als nicht dauernd beizubehaltende reine Bestände hier nicht weiter in Betracht.
B. Verhalten der Holzarten untereinander. Gemischte Bestände \)
§ 10. I.Allgemeines. Da, wie wir gesehen haben, nur eine ziemlich kleine
Anzahl von Holzarten geeignet ist, für sich allein, d. h. in reinem Bestände, dem Boden
den erforderlichen Schutz zu gewähren, da sich aber gerade unter den übrigen, den
Lichthölzern, eine Reihe unserer wertvollsten, für die vielseitigsten Verwendungszwecke
gesuchten Nutzhölzer befinden, auf deren An- und Nachzucht nicht verzichtet werden
kann, so müssen sich den reinen Beständen „gemischte" zugesellen, d. h. solche,
welche aus Individuen zweier oder mehrerer Holzarten zusammengesetzt sind, wobei
dann die Lichthölzer derart mit Schattenhölzem zusammengebracht werden sollen, dass
letztere die Sorge für den Bodenschutz in der Hauptsache übernehmen, während jene,
in der Minderzahl, ohne besonderen Nachteil für die Bodenkraft mitwachsen. Die Licht-
hölzer tragen ja auch ihrerseits, wenn auch in mehr oder weniger bescheidenem Masse,
zum Bodenschutz bei, so dass eine geeignete Zusammenordnung von Licht- und Schatr
tenhölzern vollkommen genügt, um die Prodnktionskraft eines Waldortes dauernd zn
sichern. Die zwei grossen Gruppen Licht- und Schattenhölzer gestatten folgende drei
Arten von Mischungen : a) Schattenhölzer untereinander, b) Schatten- mit Lichthölzern,
8) Vergl. Carl Heyer, „Beiträge zur Forstwissenschaft« IL Heft, 1847 S. 1 if.
Das Bestandesmaterial. § 10. 427
c) Lichthölzer untereinander. Ausserdem sind bezüglich der Mischungen Unterschiede
dahin zu machen, ob dieselben bleibend oder vorübergehend sind, ob die einzelnen Holz-
arten gleichzeitig oder zu verschiedener Zeit auf die Fläche kommen, ob sie gleichalt
oder ungleichalterig sind, endlich ob eine gruppen- oder horstweise Verteilung der
einzelnen Holzarten beliebt wird, oder ob ein Grundbestand mit Exemplaren einer an-
deren Holzart in einzelständiger Anordnung der letzteren durchstellt ist.
a) Beispiele vorübergehender Mischungen: 1) Anzucht von Schutz-
beständen : Birke, Lärche oder Kiefer auf Blossen behufs Nachzucht von Tanne oder Buche ;
Kiefer in üntermischung mit Eiche, um letztere durch Seitenschutz gegen Frost zu sichern ;
— 2) Mitanzucht einer Holzart, welche eine frühe Zwischennutzung abwerfen soll, z. B.
Fichte (Weihnachtsbäume!) in Pflanzkultnren zwischen ausländischen Hölzern (Douglas-
tanne. — b) Beispiele ungleichzeitiger Mischungen: 1) Voranbau eines
Schutzbestandes, nachfolgendes Einbringen der Hauptholzart ; 2) Unterbau von Lichthölzern
(Eiche) mit SchattenhÖlzem. — c) Beispiele ungleichalteriger Mischungen
sind unter a und b einbegriffen.
Die Entscheidung darüber, ob reine oder gemischte Bestände herangezogen wer-
den sollen, Ist in letzter Linie unter dem Gesichtspunkte der Kentabilität zu treffen.
Sofern eine Anzahl kaum entbehrlicher Holzarten im reinen Bestand nicht erzogen
.werden können, sind, wie bereits hervorgehoben wurde, Mischbestände eine unabweisbare
Notwendigkeit. Es könnte sich aber weiterhin die Erwägung aufdrängen, ob nicht
auch solche Holzarten, welche vermöge ihres dichten Kronenschlusses zu reinen Bestän-
den taugen, wegen besonderer Vorzüge der Mischbestände allgemein besser in Ünter-
mischung mit andern Holzarten angebaut werden würden, so dass die Begründung ge-
mischter Bestände ganz allgemein als Regel hingestellt werden müsste. Solcher Vor^
z ü g e passend gemischter Bestände werden in der Tat mehrere angeführt ®j,
und zwar wird in der Hauptsache folgendes zu ihren Gunsten geltend gemacht : a) Ge-
mischte Bestände gewähren grössern Schutz gegen gewisse Gefahren, indem die einzelnen
Mischholzarten in verschiedenem Masse (manche eventuell gar nicht) bedroht sind und
dadurch für den Bestand im ganzen eine höhere durchschnittliche Widerstandsfähigkeit
entsteht. Wenn letztere auch nicht selten nur mittelbar der Mischung, zunächst jedoch
der durch dieselbe ermöglichten kräftigeren Kronenentwicklung, besserer Gesundheit im
allgemeinen u. s. w. zu verdanken ist, so bedeutet doch in sehr vielen Fällen schon
die Verschiedenheit der Holzarten an sich eine grössere Sicherheit für den Bestand.
Beispiele: Mischung von Laubholz unter Nadelholz als Schutz gegen Feuer, Pilze und
Insekten, desgleichen gegen Schneedruck; flach- und tiefwurzelnde Holzarten bilden
unter Umständen, einen sturmsichereren Bestand als flach wurzelnde allein ; frostharte und
-empfindliche Holzarten in Mischung zum Schutz der letzteren u. s. w. — b) Gemischte
Bestände können die Holzmassen- und Wertsproduktion steigern. Allgemein Hesse sich
dieser Satz vielleicht aus den verschiedenen Bodenansprüchen der Holzarten, aus der
Verschiedenheit ihrer Wurzelbildung (flach- und tiefwurzelnde), ihrer Kronenform, so-
wie aus den besseren Bodeneigenschaften, welche Lichthölzern im Grundbestande von
Schattenhölzern zu gute kommen u. s. w., abstrahieren. Es wird aber gut sein, wenn
man sich solcher allgemeiner Folgerung gegenüber zunächst skeptisch verhält und das
Ergebnis einer grösseren Anzahl einwandfreier komparativer Untersuchungen abwartet.
Einige Erhebungen, welche denselben bestätigen, liegen zwar vor, aber nur in beschränk-
ter ZahP^), längst noch nicht genügend, um alle einschlagenden Beziehungen mit Be-
stimmtheit nachzuweisen. Andererseits haben z. B. neuere Untersuchungen, welche die
württembergische forstliche Versuchsstation in Fichten- Buchen- Mischbeständen ange-
9) Vergl. Carl Heyer daselbst S. 22 fif.
10) Carl Heyer a. a. 0. S. 35 flF.
428 IV. Lorey, Waldbau.
stellt hat, um deren Wuchsleistung iin Vergleich zu derjenigen reiner Fichten- und
reiner Buchenbestände zu erfahren, durchaus keine üeberlegenheit , sondern teilweise
sogar ein nicht unerhebliches Zurückbleiben der Mischbestände ergeben. Zur vollen
Klärung der Frage sind noch zahlreiche Aufnahmen nötig. So >\äre z. B. auch hin-
sichtlich einiger, in grösserer Ausdehnung vorkommender Nadelholzmischungen, wie
Tanne und Kiefer, Tanne und Fichte, Tanne, Fichte und Kiefer (Schwarzwald, Vogesen),
welche offenbar Gutes leisten, der zahlenmässige Vergleich ihrer Massenproduktion mit
derjenigen reiner Bestände jener Holzarten auf gleichem Standort noch durch ausge-
dehnte Untersuchungen zu führen. Nadelhölzer, wie Fichte, Kiefer, Tanne, bilden, in
Buchen eingesprengt, erfahrungsgemäss oft besonders bedeutende Dimensionen heraus.
Dass übiigens eine Mehrproduktion, wenn sie insgesamt eintritt, wohl wesentlich auf
freiere Kronenentwickelung einzelner schneller wüchsiger Bäume im Mischbestande zu-
rückzuführen sein dürfte, während eine Wachstumssteigerung in gleichalterigen, gleich-
hohen Beständen durch die Mischung allein kaum oder doch nur in beschränktem Masse
verursacht werden möchte, hat W a g e n e r ^i) hervorgehoben. — c) Gemischte Bestände
dienen zur Verminderung der Betriebsklassen. Dies geschieht einmal dadurch, dass sie
eine einheitliche Schlagordnung (normale Altersstufentblge) gestatten, wo sonst, wenn
man von jeder Holzart jährlich einen Ertrag haben möchte, ebensoviele selbst^ndio:e
Schlagordnungen nötig wären, als Holzarten vorhanden sind (bei kleiner Gesamtfläche
insbesondere ganz undurchführbar); sodann dadurch, dass innerhf^lb gewisser Grenzen
ein Ausgleich der ümtriebszeiten im Mischbestande möglich erscheint; Verschiedenheit
der Umtriebszeit wäre sonst ein zwingender Grund für Ausscheidung besonderer Be-
triebsklassen der einzelnen Holzarten. Beispiele : Kiefer für sich mit 60j ährigem, Buche,
für sich mit lOOjährigem Umtrieb zu behandeln, lassen sich unter Umständen in der
Mischung, in welcher die Kiefer an sich länger aushält und insbesondere ein besserer
Bestandesschluss als im reinen Kiefernbestand bewahrt bleibt, zu einem mittleren Um-
trieb von 80 Jahren vereinigen. Es kommt hinzu, dass manche Holzarten gar nicht
in solcher Masse auf dem Markte begehrt werden, als dass es sich lohnen würde, durch
reine Bestände den Bedarf nachhaltig decken zu wollen, während man dieselben ande-
rerseits doch im Handelsverkehr nicht ganz entbehren kann (Ahorn, Linde, Eisbeere
u. s. w.). — d) Die Mischung verschiedener Holzarten kann ein Mittel bieten zur Her-
beiführung rasch und regelmässig verlaufender Streuzersetzung, wie sie im Gegensatz
zur Anhäufung von mehr oder weniger toten Humusmassen erwünscht ist. Denn die
Art der Zersetzung (Umfang, Rasch heit derselben) ist beim Laub bezw. den Nadeln
verschiedener Holzarten eine wesentlich verschiedene, und es leuchtet 'ein, w-ie günstig
es wirken kann, wenn leicht und rasch zersetzbare Streumengen zu widerstandsfähigeren
hinzutreten. Leicht zersetzbar ist z. B. das Laub von Esche, Ahorn, Hainbuche, sind
die Nadeln von Weymouthskiefer und Douglasfichte. — e) (xemischte Bestände tragen
unzweifelhaft zur Verschönerung der Gegend bei.
Diesen Vorzügen stehen aber doch manche nicht unerhebliche Bedenken gegen-
über: a) Selbst wenn wirklich allgemein die Mischung eine M a s s e n produktionsstei-
gerung bedingen würde, müsste von derselben abgesehen werden, falls die Gesamt-
werts erzeugung des Bestands dadurch eine beschränktere würde, dass geringwertige
Holzarten (z. B. Buche) einen Teil der Stellen einnehmen, an welchen höherwertige
(Nutzhölzer, wie Fichte, Tanne etc.) stehen könnten. Es ist freilich in vielen Fällen
fraglich, ob diejenige Holzart, welche heute die vorteilhafteste ist, dauernd den Vorzug
verdienen wird , oder ob ihr eine andere nicht in Zukunft den Rang ablaufen wird.
11) Vergl. Wagener, „Waldbau" S. 141 ff.
Das Bestandesmaterial. § 11. 429
Im allgememen wird aber jedenfalls das Nutzholz dem Brennholz überlegen bleiben,
so dass es recht wohl verständlich ist, wenn man sich insbesondere gegen eine irgend
erhebliche Beimischung der Buche zu schattenertragenden Nadelhölzern (Tanne, Fichte)
ablehnend verhält. — b) Gemischte Bestände verursachen, in Absicht auf Forsteinrich-
tung, Bestandesbegründung und -erziehung, Holzernte u. s. w. manche Wirtschaftser-
schwerung. Wohl hauptsächlich aus letzterem Grunde, der, selbst wenn die Tatsache
an sich richtig ist, niemals für die Wahl des Wirtschaftsverfahrens allein entscheidend
sein darf, finden sich gemischte Bestände längst noch nicht in der für sie von einer
Mehrzahl von Forstwirten gewünschten Verbreitung. Dass reine Bestände dann, wenn
die eine Holzart örtlich unzweifelhaft die tauglichste, bezw. vorteilhafteste ist, den
Vorzug verdienen, bedarf keiner nochmaligen Hervorhebung.
In solchen gemischten Beständen, in denen zwei oder mehrere Holzarten nicht
zu annähernd gleichen Teilen vertreten sind, sondern eine Holzart entschieden über-
wiegt, bildet diese, die wohl auch als die herrschende bezeichnet wird, den sog. Grund-
bestand, während die andern Holzarten als beigesellte oder Nebenholzarten erscheinen.
Diese Unterscheidung bezieht sich zunächst nur auf Häufigkeit des Vorkommens im
Bestände. An W^ertsleistung und damit auch an Bedeutung für den Effekt der Wirt-
schaft ist die beigesellte, in der Minderheit vorhandene Holzart nicht selten der Grund-
holzart überlegen, so dass sie eigentlich zur führenden, zur Hauptholzart wird. Ins-
besondere gilt dies von den Mischungen der Rotbuche mit Nutzhölzern.
2) Allgemeine Regeln für die Anlage gemischter Bestände
§ 11. Voraussetzung ist, dass die Holzarten an sich für den betreffenden Stand-
ort passen.
a) Den Grundbestand der Mischung rauss eine schattenertragende Holzart bilden,
d. h. eine solche, welche in dem in § 9 angegebenen Sinne die Bodenkraft erhält. —
b) Werden Schattenhölzer mit einander gemischt, so müssen sie entweder gleichen
Hühenwachstumsgang haben, oder es muss die langsamer wüchsige einen Vorsprung
besitzen oder durch wirtschaftliche Massregeln (Freihieb) geschützt werden. Bei allen
Mischungen ist natürlich die relative Beteiligung der verschiedenen Holzarten von Be-
lang. Es ist z. B. sehr viel leichter, eine geringere Zahl von Exemplaren der rascher
wüchsigen Fichte im Buchengrundbestande hoch zu bringen als umgekehrt wenige Bu-
chen im Fichtengrundbestande. — c) Schattenhölzer und Lichthölzer taugen nur dann
zu einer Mischung, wenn die letzteren dauernd die ersteren überragen, was dann ge-
schieht, wenn sie entweder rascher in die Höhe gehen als die Schattenhölzer oder, im
Falle gleicher oder gar geringerer Höhenent Wickelung, einen entsprechenden Alters-
vorsprung vor diesen haben.
Zur Erläuterung der Sätze b und c sei darauf hingewiesen, dass keine einzige Holz-
art — auch die Schattenhölzer nicht — bei andauernder Ueberschirmung sich gut zu ent-
wickeln vermag. Mindestens muss der Gipfel schirmfrei sein, d. h. frei zum Luftraum
hinaufschauen, ohne dass die Aeste von Nachbarn über ihn hereinragen. Wenn auch aus-
gesprochene Schattenhölzer, wie in erster Linie die Tanne, selbst durch eine länger dauernde,
mehr oder minder intensive Beschirmung noch nicht geradezu zum Absterben gebracht
werden, so ist ihr Wuchs doch unter solchen Verhältnissen ein kümmerlicher. Dabei finden
sich naturgemäss nach Holzart, Beschaffenheit des Individuums, Alter, Standörtlichkeit,
Mass und Zeitdauer der Ueberschattung u. s. w. die mannigfaltigsten Abstufungen. Licht-
hölzer sind in dieser Hinsicht sehr viel empfindlicher. Dies liegt schon im Begriff des
Lichtholzes. Bei extremen Lichthölzern (Lärche) genügt es zur freudigen Entwickelung
keineswegs, wenn ihr Gipfel freien Himmelsraum über sich hat, sondern sie verlangen da-
zu auch, dass ihre Krone, oder doch wenigstens deren oberer Teil, seitlich nicht beengt
ist. Im allgemeinen sind die einzelnen Holzarten in dieser Hinsicht in derselben Reihen-
folge anspruchsvoller, in welcher sie im § 9 bezüglich ihres Schattenerträgnisses aufgeführt
430 IV. Lorey, Waldbau.
sind. Beides deckt sich selbstverständlich. Jedenfalls ist dieses verschiedene Verhalten
bei der Frage nach der Mischungsmöglichkeit in erster Linie zu beachten. Die Möglich-
keit der Mischung ist auch wesentlich von dem relativen Höhenwachstum der Holzarten
abhängig, d. h. davon, wie sich durchschnittlich die Höhenentwickelung einer Holzart zu
derjenigen einer anderen Holzart vollzieht. Jede Holzart hat ihre (namentlich durch den
Beginn des raschen Ansteigens , sowie durch die Lage des Wendepunktes in der Jagend
und dann des Kulminationspunktes im späteren Alter) besonders charakterisierte Höhen-
kurve; die absoluten Werte der Ordinaten ändern sich innerhalb der nämlichen Holzart
nach dem Standort, der Waldbehandlung u. s. w., während das relative Verhalten, trotz
der mit wechselnder Standortsgüte sich verschiebenden Lagerung der charakteristischen
Kurvenpunkte, namentlich des Maximums, doch ungefähr das gleiche bleibt (cfr. II. 3
dieses Abschnittes S. 421). Wird eine Holzart von einer anderen überwachsen, so wird
sie dadurch meist (Beschattung, Entzug der Niederschläge etc.) geschädigt, kann jedoch
auch, vorübergehend wenigstens, (durch Schutz gegen Frost, Hitze) in ihrer Entwickelang
gefördert werden, letzteres aber nur, wenn die überwachsende Holzart nicht zu massen-
haft beigemengt und nicht zu dichtkronig ist, weil anderenfalls die schädigenden Einflüsse
überwiegen. Üeberdies ist ein solcher Schutz meist nur in der Jugend von Belang. Na-
mentlich wenn gleichzeitige, bezw. gleichalterige Mischungen beliebt werden, ist in erster
Linie die Höhenentwickelung im jugendlichen Alter entscheidend. Eine Lichtholzart ver-
trägt, w^ie schon angeführt w^urde, dauernde üeberwachsung in keinem Falle, am aller-
wenigsten durch eine Schattenholzart, während umgekehrt der lockere Kronenschirm nicht
zu zahlreicher Lichthölzer (wie Lärche, Birke) einem Schattenholz die normale Entwicke-
lung nicht notwendig benimmt. Seitenlicht (Bestandesränder, Steilhänge) wirkt modifizierend.
d) Lichtbedürftige Holzarten sind zu dauernden Mischungen nicht zu verbinden.
Folgt aus a. Ausnahmen ergeben sich in den nämlichen Fällen, in welchen auch reine
Bestände aus Lichthölzern unbeanstandet bleiben (cfr. S.421). — e) Die Mischung kann, je
nach Umständen, eine gruppen- und horstweise oder eine Einzelmischung sein.
Man spricht von Einzelmischung, wenn Einzelexemplare verschiedener Holzarten oder
je nur ganz wenige derselben in der Zusammenordnung zum Bestand mit einander ab-
wechseln oder die Exemplare einer Holzart einzeln in dem durch eine andere Holzart ge-
bildeten Grundbestande eingesprengt sind. Treten dagegen die einzelnen Holzarten je in
einer Mehrzahl von Exemplaren zusammen , bilden also für sich Gruppen oder (bei grös-
serer Flächenausdehnung dieser Verbände) Horste, und setzen dann im wesentlichen solche
Verbände je der gleichen Holzart in Abwechselung die Bestände zusammen, so hat man
die gruppen- oder horstweise Mischung. Gruppe und Horst gehen in einander über, eine
für alle Fälle bestimmte Grösse der Fläche als Grenze für beide lässt sich nicht angeben.
Man könnte, wenigstens bei Lichthölzern, vielleicht die Gruppe im Gegensatz zum Horste
dann noch als gegeben ansehen, wenn im Alter der beginnenden natürlichen Lichtstellung
vom umgebenden Bestandesrand her noch eine für den Boden genügende Beeinflussung
(Laubabfall, Beschattung) bis zur Mitte der betr. Fläche hin stattfindet, während man
einen Horst hat, sobald die bodenschützende Wirkung des Grundbestandes sich nicht mehr
auf die ganze Fläche erstreckt.
Eine allgemein bindende Regel soll in Beziehung auf die Unterscheidung ad e nicht
aufgestellt werden. Heyers Waldbau verlangt (4. Aufl. S. 56) Einzelmischung, während
viele neuere Waldbauschriften (z. B. G a y c r) ^'^) mehr für gruppen- und horstweise Misch-
ung eintreten. Bei Beantwortung der Frage, ob man reine oder gemischte Bestände vor
sich habe, also bei der Definierung dieser beiden Bestandesarten, muss grundsätzlich daran
festgehalten werden, dass ein Mischbestand im strengen Sinne des Wortes eigentlich nur dann
vorliegen würde, wenn durchgängig in obigem Sinne Einzelmischung vorhanden wäre. Be-
stände, in welchen in der Hauptsache Einzelbäume, bezw. an deren Stelle auch wohl kleine
Gruppen der verschiedenen Holzarten in Untermischung stehen, finden sich z. B. bei Tanne
und Fichte. So oft eine Lichtholzart mit in Konkurrenz tritt, ist das Verhalten in der
Regel so, dass man einen mehr oder minder zusammenhängenden Grundbestand der Schat-
tenhölzer hat, in welchem die Lichthölzer verteilt sind, und nun kommt es darauf an, ob
diese Verteilung (künstlich oder durch die Natur) so bewirkt ist, dass die Individuen der
12) Gay er, „Waldbau*^ und dessen „Der gemischte Wald, seine Begründung und
Pflege, insbes. durch Horst- und Gruppenwirtschaft", 1886.
Das Bestandesmaterial. § 12. 431
Lichtholzart zumeist in Gruppen und Horsten zusammenstehen oder als Einzelexemplare
auftreten. Horste, ja selbst Gruppen (also kleine Horste) einer beigesellten Holzart sind,
genau genommen, nichts als reine Bestände, mithin treffen für sie a priori alle die fär
solche geltenden Sätze zu, nur dadurch modifiziert, dass von den Rändern des Horsts her
der Einfluss des umgebenden Holzes sich auf eine gewisse Erstreckung hin geltend macht.
Namentlich wäre ein grösserer Horst aus Lichthölzern zunächst ebenso bedenklich, wie ein
reiner Bestand aus solchen. Diese Erwägung führt zu Einzelmischung. Aber es ist zu
beachten, dass letztere die Bestandeserziehung erschwert, indem man die einzeln einge-
sprengten Beiholzarten nicht so leicht im Auge behalten kann , als dies bei horstweiser
Anordnung derselben möglich ist^^). Die Lichthölzer werden von den Schattenhölzern
immer mehr oder weniger bedrängt. Hat man Lichtholzgruppen und -Horste, so haben
nur die Kandstämme derselben den Kampf zu bestehen, während die Bäume in deren In-
nerem sich nur mit ihresgleichen abfinden müssen. Sofort aber ist zu erwägen, ob der
bodenschützende Einfluss des umgebenden Grundbestandes sich bis in die Mitte der betr.
Fläche erstreckt, oder ob nicht für letztere noch besondere Mittel zur Bewahrung der Bo-
denkraft (Unterbau) erforderlich werden. Die kleinere Gruppe kann derselben wohl ent-
raten; aber sobald man mit Horsten operiert, löst sich das Ganze unzweifelhaft in einen
Komplex aus einzelnen reinen Beständen auf, für welche nur an den Rändern die Beding-
ungen des Mischbestandes noch als vorhanden eingeräumt werden können. Die ganze Frage
wird eigentlich vom Standort entschieden. Man sollte — soweit sich dies mit der Ueber-
sichtlichkeit der Wirtschaft, einem Betrieb in grossem Zuge, der manchen Vorteil bietet,
verträgt — grundsätzlich auf jedem (kleinen oder grossen) Waldbodenteil diejenige Holz-
art erziehen, welche für ihn am besten passt, bezw. auf ihm am besten rentiert. Freie
Wahl hätte man hiernach also nur auf Böden , welche durchgängig gleichartig sind und
mehrere Holzarten zulassen. Hier kann man mischen oder (Schattenhölzer) rein anbauen,
man kann Einzelmischung oder horstweise Anordnung wählen, und hier würde ich die
Einzelmischung im allgemeinen vorziehen. In sehr fielen Fällen, und vorab fast stets im
Hügelland und Gebirg, also wohl auf dem grösseren Teil unserer gesamten Waldbodenfläche,
wechselt aber die Standortsgüte, oft innerhalb der einzelnen Waldabteilung (Mulden, Rü-
cken etc.), und will man auch nicht jeden einzelnen kleinen Unterschied berücksichtigen,
so muss doch eine sorgfältige Begutachtung der Bodenproduktionsfähigkeit in dem Masse
gefordert werden, dass man nicht grössere in sich nicht gleichartige Flächenteile gleichwohl
mit Gewalt als einheitliche Ganze bewirtschaftet, sondern bessere Partien den anspruchs-
volleren Holzarten (z. B. tiefgründige, frische Böden der Eiche) zuweist, diese dagegen
von geringeren Partien (steinigen, trockenen Köpfen u. s. w.) fern hält. Wie weit man
bei solcher Ausscheidung in's Detail arbeiten soll, lässt sich nicht allgemein bestimmen.
Jedenfalls aber geht dadurch die Einheitlichkeit des Bestandes innerhalb des einzelnen
Waldteiles verloren und der Gesamtbestand gestaltet sich zu einer Anzahl von Einzelbe-
ständen, die in sich gleichartig (reine Bestände, event. mit Unterbau), aber auch wieder
Mischbestände sein können. Es kann sich im einzelnen naturgemäss eine grössere oder
geringere Mannigfaltigkeit ergeben, je nachdem man der einen oder anderen der dabei
auftretenden Erwägungen (sorgsamste Ausnutzung jeder kleinen Bodenverschiedenheit, Zer-
splitterung der Wirtschaft, Schwierigkeit der Forstein richtung etc.) das grössere Gewicht
beimisst. In den meisten Fällen wird Vermeidung der Extreme im Interesse der Wirt-
schaft (wenigstens bei grossem Waldbesitz) gelegen sein.
3) Spezielle Regeln:
§ 12) a) Schattenhölzer unter einander:
1) Tanne und Fichte: Die Tanne, in der Jugend langsamer wüchsig, wird
von der Fichte überholt, kommt aber wieder nach, falls die Fichte nicht zu zahlreich.
Sehr gute Mischung^*), die bei natürlicher Verjüngung wieder erscheint, wenn durch Re-
duktion der Fichten auf eine geringere Zahl, sodann durch Dunkelhalten des Samenschlags
(so dass der Fichtenanflug zunächst wieder vergeht, während sich die Tanne hält) die
Tanne vorerst begünstigt wird (vergl. auch 3. Abschn. 1. Kap. I). — 2) Tanne und
Buche: Die grössere Nutzfähigkeit der Tanne verlangt besondere Rücksicht für diese ;
13) Durch regelmässige Verteilung etwa in Reihen oder dergl. lässt sich übrigens
manchmal, wenn auch keineswegs immer, helfen.
14) Z. B. in vielen Revieren des Schwarz waldes. Die Mischung ist daselbst meist
eine gruppen- und horstweise, wie dies durch den Gang der Verjüngung bedingt ist.
432 IV. Lorey, Waldbau.
sie soll herrschende Holzart sein und ist, namentlich auf der Buche behagendem Standort,
in der Jugend vor der Buche zu schützen. Bei der Verjüngung ist zunächst nur auf
Tanne zu wirtschaften und erst, wenn deren Nachwuchs gesichert ist, die für die junge
Buche nötige lichtere Stellung zu geben. Grössere Sicherheit der mit Buche durchstellten
Tannenbestände gegen Stürme ! — 3) Buche mit Fichte: Auch hier ist die Buche
an sich die minderwertige Holzart. Sie wird von der Fichte bald überholt und bei reich-
licher Beimischung derselben in eine mehr untergeordnete Stellung gedrängt. Will man
die Buche gleichwertig erhalten (wozu aber nicht oft ein Grund vorliegen dürfte), so muss
sie an Zahl überwiegen. Im allgemeinen wird es, auch mit Rücksicht auf den Boden etc.,
genügen, wenn die Buche in der Zusammenordnung mit Tanne oder Fichte oder mit beiden
etwa ^/4 — ^/ö der Bestandesmasse ausmacht und zwar mehr in Gestalt eines Zwischen-
und Füllholzes, weniger als herrschender Stamm. — 4) Tanne, Fichte und Buche:
Treffliche Mischung, wenn Tanne und Fichte überwiegen. (Wo die Buchenbrennholzpreise
besonders hoch stehen, oder sich für Buchennutzholzverwendung ausnahmsweise günstige
Gelegenheit bietet, kann man der Buche in der Mischung selbstredend mehr Raum gönnen.)
Bei der Verjüngung entscheidet, falls die Mischung erhalten bleiben soll, zunächst wieder
die für die Tanne geeignete dunkle Schlagstellung.
b) Schatten- und Lichthölzer:
1. Tanne als herrschende Holzart: Charakteristisch ist, dass die Tanne anfang-
lich von allen Lichthölzern überwachsen wird, denselben aber im Stangenholzalter (früher
oder später) vielfach (besonders Laubhölzern) wieder nachkommt, ja viele von ihnen er-
heblich überwächst. Gleichalterige Mischungen der Tanne mit lichtbedürftigen Laubhölzem,
wie Eiche, Esche, Ahorn finden sich in den Haupttannengebieten von Natur kaum anders
als so, dass diese Holzarten einzeln da und dort eingesprengt sind, oder so, dass die
gleichzeitig beigesellte Buche gewissermassen die Vermittelung übernimmt. Jene Mischung
planmässig herbeizufühi-en, liegt meist kein Grund vor. — Dagegen kann sich wirtschaft-
lich sehr empfehlen ^^) die Mischung der Tanne mit der Kiefer, welche insbesondere den
höheren Tannenumtrieb meist trefflich aushält und dabei besonders wertvolle Stämme her-
ausbildet. — Tanne mit Lärche insofern bedenklich, als es im geschlossenen Bestände oft
nicht gelingt, der lichtbedürftigen Lärche, welche selbst seitliche Bedrängung übelnimmt,
den erforderlichen Vorsprung dauernd zu wahren. — Tanne und Birke nur insolange zu-
lässig, als die vorwüchsige Birke die Gipfel der Tanne nicht beschädigt (event. Schneite-
lung der Birke).
2. Fichte als Grundbestand : Die Fichte verhält sich im allgemeinen ähnlich wie
die Tanne, geht nur von vornherein rascher in die Höhe und bedarf deshalb in der Jugend
nicht in dem Masse, wie die Tanne, der Unterstützung im Kampf mit anderen Holzarten.
Fichte mit Kiefer meist gut. Bei gleichzeitiger Mischung der Fichte und Kiefer muss aber,
falls man nicht demnächst einen Kiefernbestand mit Fichtenunterwuchs haben will, die
Fichte an Zahl beträchtlich vorherrschen. Je nach dem Standort ist die Gefahr für die
Fichte grösser oder geringer (auf trockenen Böden bleibt die Fichte rascher zurück). Die
von der Kiefer nicht völlig unterdrückten Fichten holen auf besseren Böden die Kiefer
später wieder ein, zumal bei erhöhtem Lichtgenuss, wie z. B. infolge Schneebruchs. Bis-
lang völlig zurückgebliebene Fichten erweisen sich dann oft noch als sehr entwickelungs-
fähig, indem sie in die entstandenen Lücken einwachsen. — Fichte mit Lärche oft fast
noch zweifelhafter wie Tanne mit Lärche, weil die Fichte der Lärche rascher nachdrängt.
Bei räumlicherer Bestandesstellung und im Genüsse reichlichen Seitenlichtes (höhere Ge-
birgslagen, steile Hänge) gelingt es der Lärche eher, ja oft sehr gut, sich zu behaupten,
insbesondere, wenn sie der Fichte reichlich beigesellt ist. — Fichte mit Birke, wie Tanne
mit Birke. — Desgleichen Fichte mit Eiche, Esche, Ahorn, Ulme etc. Will man, um in
einem Fichtengebiet genügende Mengen von Eichenholz zu erziehen, etwa Fichte und Eiche
in Mischbeständen haben, so empfiehlt sich Einbringen der Eiche in Horsten bezw. flächen-
weise Sonderung.
3. Buche als Grundbestand : Dieselbe ist für die meisten lichtkronigen Laubhölzer
die gegebene, ebenso aber auch für Kiefer und Lärche eine treffliche Mischholzart, welche
durch ihre schirmende Krone und ihren Laubabfall auf den Boden in hervorragendem Masse
günstig wirkt. Nur muss man sorgen, dass die Lichthölzer, falls sie nicht entschieden
rascher wüchsig sind als die Buche, von letzterer nicht bedrängt (seitliche Beengung der
15) Z. B. Oberförsterei Wasselnheim — Elsass.
Das Bestandesmaterial. § 13. 433
Krone ist oft schon verderblich) oder gar tiberwachsen werden. In üntermischung mit
der Buche zieht man die Halbschattenhölzer Hainbuche, Linde am besten. Sodann werden
Ahorn, Esche, Ulme, Birke, Aspe etc., vor allem aber die Eiche zweckmässig mit der
Buche zusammengebracht. Ahorn kann in der Jugend recht vordringlich werden und ist
dann, wenn die Buche nicht zu sehr zurücktreten soll, zu reduzieren; Esche und Ulme
in grosser Zahl sind (wegen des besonders wertvollen Holzes) meist nur erwünscht, der
Mischung der Buche mit Esche und Ahorn kommt Örtlich (z. B. in der schwäbischen Alb)
besondere Wichtigkeit zu; Birke und Aspe dürfen mit Rücksicht auf Bodenschutz und
Massenproduktion nicht in grösserer Menge und jedenfalls nicht in grösseren Gruppen oder
gar Horsten vorkommen. — Von hervorragender Bedeutung ist die Mischung der Buche
und Eiche, und zwar handelt es sich hier zunächst um (wenigstens annähernd) gleich-
alterige Mischung (Unterbau der Eiche ist später, 3. Abschn. 5. Kapitel besprochen). Ob
Eiche oder Buche vorwüchsig ist, lässt sich zwar nicht ganz allgemein angeben ^^), doch
ist in dieser Hinsicht der schon S. 421 berührte Unterschied zwischen Stieleiche und Trau-
beneiche zu beachten; der, ausweislich zahlreicher Beobachtungen^^), mehr Schatten und
Seitendruck ertragenden, anspruchsloseren, schnellwüchsigeren und durch bessere Schaftbil-
dung (vielleicht infolge der kräftigeren Endknospe) gekennzeichneten Traubeneiche wird
die Konkurrenz mit der Buche leichter. Immerhin wird allgemein die Eiche, auch wenn
in der Jugend vorwüchsig, von der Buche im Stangenholzalter oft eingeholt und so hart
bedrängt, dass einzeln stehende Exemplare sich im umgebenden Buchenbestande nur zu
halten vermögen, wenn ihnen durch Freihieb seitens der Wirtschaft ausgiebigste Hilfe
gewährt wird. Letztere muss schon im Gertenholzalter einsetzen und durch alle Lebens-
alter des Bestandes andauern: eine im grossen Betrieb sehr weitgehende Forderung, wel-
cher nicht ohne oft beträchtliche Kosten, jedenfalls aber nur bei grösster Aufmerksamkeit
und Ausdauer des Wirtschaftspersonals gentigt werden kann. Horstweises Einbringen der
Eiche (Horste von beträchtlicherem Umfang am meisten empfohlen) in Gestalt des Vor-
baus (am besten durch Saat), so dass die Eiche einen entsprechenden Höhenvorsprung hat,
sichert deren Heraufwachsen inmitten des später sich ringsum einstellenden Buchenauf-
schlags ; man kommt dann aber, wie schon oben S. 431 betont wurde, zu reinen Bestän-
den, welche demnächst unterbaut werden müssen^®).
c) Lichthölzer unter einander:
Besondere Fälle sind z. B. Birke, Eiche etc. eingesprengt in die Kiefernbestände
auf Sandböden, \vo man sich, um überhaupt etwas Laubholz zu erziehen, mit dieser
an sich zweifelhaften Mischung begnügen muss. Sodann: Erle mit Esche, auch Birke
(bes. Betula pubescens) etc. auf nassen Standorten u. a. m.
Bestände aus Kiefer und Eiche in der Form abwechselnder breiter Streifen aus
den beiden Holzarten sind füglich als entsprechend viele schmale reine Bestände zu
betrachten. Die Eichenstreifen, welche meist höheres Alter erreichen sollen, müssen
unterbaut werden.
C. Holzartenwechsel.
§ 13. Ist es für die Erzielung dauernd höchster Ertragsleistung notwendig, nach
Abtrieb eines Bestandes, also etwa von Umtrieb zu Umtrieb, mit der Holzart zu wech-
seln y Da die Holzarten verschiedene Ansprüche an die Mineralbestandteile des Bodens
machen, so läge der Gedanke nahe, ob nicht durch regelmässigen Holzartenwechsel in
dem Sinne, wie die Landwirtschaft einen Fruchtwechsel eintreten lässt, von einem be-
stimmten Boden dauernd die höchstmöglichen Erträge an Forstprodukten erzielt werden
16) Ed. Hey er (cfr. u. a. Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen, Novbr. 1886) führt
das tatsächlich oft raschere in die Höhe wachsen der Eiche gegenüber der Buche auf die
geringere Empfindlichkeit der Eiche gegen Frost, bezw. das bessere Ueberwinden der Frost-
schäden zurück; in frostfreier Lage (Nord-, Westhänge) sei die Buche in der Jugend vor-
wUchsig.
17) Cfr. u. a. Ney in ,Aus dem Walde*^ Nr. 49 von 1899.
18) Vergl. Gay er, „Die neue Wirtschaftsrichtung in den Staatswaldungeu des Spes-
sarts" 1884.
Handbuch d. Foritw. 2. Aufl. I. 28
434 IV. Lorey, Waldbau.
köanten. Vorausgesetzt, dass die hierbei für einen konkreten Fall etwa in Wahl kom-
menden Holzarten im übrigen wirtschaftlich gleichwertig wären, Hesse sich gegen einen
solchen Wechsel an sich nichts einwenden. Aber einmal ist diese Voraussetzung in
den weitaus meisten Fällen nicht zutreffend, und sodann ist der Wechsel der Holzart
als Regel mindestens keine Notwendigkeit, weil — bei einer den Boden sorgsam pfle-
genden Wirtschaft — durch den relativ sehr geringen und je nur in langen Zeiträumen
erfolgenden Entzug an Mineralstoifen keine so weit gehende Schwächung der Boden-
kraft stattfindet, dass bei wiederholter Anzucht der gleichen Holzart ein Nachlassen
im Ertrag oder gar völliges Versagen zu befüichten wäre. Wo freilich die nötige
Bodenpflege fehlt, wo insbesondere inicksichtslose Streunutzung, unbedachte Verlichtung
der Bestände u. s. w. das fernere Gedeihen einer irgend anspruchsvollen Holzart zweifel-
haft machen, da kann die Vermittelung einer minder begehrlichen Holzart angerufen
w^erden müssen. Derartige durch eine Notlage herbeigeführte Holzartenwechsel lassen
sich vielfach nachweisen. Ebenso tritt in vielen Fällen eine wertvollere Holzart an
Stelle einer minderwertigen (Umwandlung von Buchenorten in Nadelholz), ein Vorgang,
welcher stets gerechtfertigt ist, wxnn damit unzweifelhaft eine dauernd höhere Renta-
bilität des Waldes herbeigeführt wird. Auch Gründe des Forstschutzes (Wildschaden,
Schnee, Insekten etc.) können da und dort einen Holzartenwechsel, zumal den Ueber-
gang von reinen zu gemischten Beständen, rätlich erscheinen lassen. Solche und ähn-
liche, durch Rücksichten der Wirtschaftlichkeit und den ungestörten Verlauf des Forst-
betriebs gebotene besondere Massnahmen sind immerhin nicht geeignet, einen Holzarten-
wechsel, den übrigens auch die Natur nicht oder nur ausnahmsweise vollzieht, als Regel
zu empfehlen. Nicht unbeachtet darf bleiben, dass Mischbestände allgemein als geeig-
netes Mittel gegen einseitige Inanspruchnahme der Bodenkraft angesehen werden müssen.
Ueberdies kann die Frage erhoben werden, ob nicht auch im Walde, in analoger Weise
wie im Landwirtschaftsbetriebe, mit künstlicher Düngung nachgeholfen werden sollt«.
Tatsächlich ist man dieser Frage in neuester Zeit näher getreten, indem man die
Düngung nicht mehr auf die Saat- und Pflanzbeete der Forstgärten beschränkte, son-
dern sie auch, wenigstens versuchsweise, auf Kulturflächen des freien Waldes, in Ger-
ten- und Stangenhölzern angewendet hat. Nur planmässig eingeleitete Versuche grös-
seren Umfanges und unter verschiedenartigen Verhältnissen können uns die notwendigen
Aufschlüsse gewähren ; den forstlichen Versuchsanstalten ersteht damit ein neues weites
Arbeitsfeld.
IV. Wirtschaftliche Bedeutung der Holzarten^»).
§ 14. Zur Erreichung der in der Einleitung kurz skizzierten Ziele aller wald-
baulichen Operationen sind die einzelnen Holzarten in sehr verschiedenem Masse ge-
eignet. Ihre wirtschaftliche Bedeutung beruht hauptsächlich auf der Massen- und Werts-
erzeugung , letztere bedingt durch die Verhältnisse des Holzmarktes , ferner auf der
Arbeitsgelegenheit, welche eine Holzart bietet, auf ihrem Verhalten gegen den Boden,
auf der Art der Betriebsführung, bezw. Wirtschaftseinrichtung, soweit dieselbe durch
die Holzart beeinflusst ist, auf der Art und dem Umfang gewisser an sie geknüpfter
Nebennutzungen, auf ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Gefahren, sowie endlich auf
ihrer Tauglichkeit, bestimmten besonderen Anforderungen (Schutzwald u. dergl.) zu
genügen.
1. Massen- und Wertserzeugung: Für die auf der Massen- und Werts-
erzeugung beruhende Wertschätzung einer Holzart entscheidet in erster Linie deren
19) Zu vergleichen: Weber, „Die Aufgaben der Forstwirtschaft" (Handbuch I), ins-
bes. § 32 ff. (S. 72 ff.) „Die Forstwirtschaft vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkte aus
betrachtet''.
Das Bestandesmaterial. § 14. 435
Verbreitungsgebiet. Es gibt Holzarten, welche schon vermöge ihres ausgedehnten Vor-
kommens den Markt beherrschen und dadurch anderen, die nur in beschränktem Um-
fange an der Bestockung unserer Waldungen teilnehmen, an Bedeutung weit überlegen
sind. Besonders wertvolle Eigenschaften und dementsprechend hoher Preis werden eben
doch immer nur in Verbindung mit der Masse wirksam ; das grösste Produkt aus Masse
mal durchschnittlicher Preis der Masseneinheit ist ausschlaggebend. Von den in Deutsch-
land heimischen Holzarten sind Kiefer, Buche, Fichte die verbreitetsten. Oertlich (auf
grösseren oder kleineren Einzelgebieten) sind die Verhältnisse sehr verschieden. Hie
und da tritt die Weisstanne, auch wohl die Eiche, stark in den Vordergrund 2°).
Ganz Deutschland hat (auf rund 14 Mill. ha Wald = fast 26®/o der Gesamtfläche)
etwa 66% Nadelholz und 34% Laubholz. Hieraus erhellt die grössere Bedeutung des
Nadelholzes für die deutsche Forstwirtschaft. Erwägt man weiterhin, dass fast 43%
der Kiefer und 23% der Fichte und Tanne (Tanne gegen die Fichte erheblich zurück-
tretend) zufallen, während die sonstigen Nadelhölzer (Lärche, Arve etc.) nur mit ver-
hältnismässig kleinen Beträgen beteiligt sind ; bedenkt man ferner, dass vom Laubholz
ca. 14% dem Buchenhochwald , etwa 7% der Eiche (Hochwald und Schälw^ald), 6%
dem Mittelwald gehören, so ergibt sich, wie — zunächst lediglich der grossen Ver-
breitung und dem gemäss Massenerzeugung wegen — die Kiefer, Fichte, Buche im all-
gemeinen geradezu als führende, als Hauptholzarten, bezeichnet werden dürfen; Tanne
und Eiche schliessen sich ihnen an, die übrigen spielen in der Gesamtheit des deutschen
Waldes eine mehr untergeordnete Rolle, obwohl natürlich örtlich, je nach den beson-
deren Standorts- und sonstigen Verhältnissen, bald die eine, bald die andere derselben
mehr in den Vordergrund tritt, ja die Führung übernimmt.
Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle die örtlich grosse Verbreitung
der Schwarzkiefer, welche in Niederösterreich (bes. in den Kalkbergen des Wiener
Waldes) auf etwa 80000 ha die Bestände bildet, in diesem Kronland rund ^/s des Ge-
samtwaldes ausmachend.
Die Massenerzeugung ist absolut, die Wertsbildung stets relativ zu bemessen,
d. h. letztere ist abhängig nicht nur von der tatsächlichen Brauchbarkeit einer Holzart
für einen gegebenen Verwendungszweck, sondern von dem Marktpreis derselben, welcher
wesentlich durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bedingt ist. Alle Preis-
bestiinmungsgründe kommen dabei in Betracht, insbesondere wird die Konkurrenz der
Surrogate (Kohle, Torf etc. für Brennholz, Eisen, Steine für Bauholz) wirksam ^i). Be-
kanntlich haben sich die Bedingungen des Holzmarktes in den letzten Jahrzehnten
bedeutend verändert: Nutzholz Wirtschaft im Gegensatz zur Brennholzerzeugung ist die
Losung der waldbaulichen Produktion ^2), was gleichbedeutend ist mit der relativ hohen
Wertschätzung und dementsprechend immer weiter schreitenden Ausdehnung des Ge-
bietes der ausgesprochenen Nutzholzarten im Vergleich namentlich zur Buche, welche
als spezitische Brennholzart mehr und mehr an Terrain verliert und im raschen Ver-
lauf des Umwandlungsprozesses wohl noch viel weiter zurückgedrängt werden würde,
wenn nicht ihre trefflichen Eigenschaften, vorab in bezug auf die Bewahrung der Bo-
denkraft, die Einbusse, welche sie am Holzwert erlitten hat, wenigstens zum Teil zu
paralysieren berufen wären. Eine Holzart, welche mit der grössten Wahrscheinlichkeit
dauernd ihren Wert auf dem Holzmarkte bewahren wird, weil ihre Nutzholzqualität
unbezweifelt ist und bleiben wird, ist die Eiche; auch Esche und die sonstigen edlen
20) Cfr. u. a. die Erörterungen in Borggreve's Holzzucht S. 85 ff. Im übrigen
gibt die Statistik der einzelnen Länder die etwa gewünschte spezielle Auskunft.
21) Weber a. a. 0. § 35—38.
22) Zu vergl. Wagener in Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1877 S. 7 flf.
28*
436 IV. Lorey, Waldbau.
Laubhölzer sowie die Lärche berechtigen, wenn auch wohl schon in etwas engeren
Grenzen, zu dieser Hoffnung. Die gedeihliche Entwickelung dieser Holzarten ist aber
meist an sehr bestimmt umgrenzte Bedingungen (namentlich bezüglich des Standorts)
gebunden, so dass durch deren erweiterten Anbau und intensive Pflege wohl örtlich
(z. B. Esche und Ahorn in der schwäb. Alb) eine bemerkbare Veränderung, im allge-
meinen jedoch kaum eine besonders weitgehende Umgestaltung der Physiognomie des
Waldes herbeigeführt wird. Dagegen müssen einige Nadelhölzer, wie vorab Kiefer und
Fichte, als Holzarten bezeichnet werden, welche vermöge ihrer verhältnismässigen An-
spruchslosigkeit und der Leichtigkeit ihres Anbaues im Verein mit einer sehr hohen
Nutzfähigkeit allerdings so umfängliche Gebiete teils schon erobert haben, teils noch
in Besitz nehmen können, dass der ganze Charakter ausgedehnter Waldgebiete dadurch
verändert wird. Tatsächlich und auch ganz naturgemäss ist — obwohl auch die Tanne
an manchen Orten eine Schmälerung ihres Gebietes zu verzeichnen hat, die übrigens
durch erweiterten Anbau an anderen Orten ziemlich ausgeglichen werden dürfte —
vorzugsweise der Besitzstand der Buche gefährdet; dieselbe ist jetzt schon auf weiten
Gebieten durch die genannten Nadelhölzer ersetzt worden und wird, wo die augenblick-
lichen Preis Verhältnisse für die Beurteilung der Rentabilität in erster Linie massgebend
sind, unweigerlich auch einen noch weitern Rückgang erfahren. Doch ist es gewiss
sehr am Platz, wenn sich gewichtige Stimmen ^^) warnend erheben, um ein zu allge-
meines Verdrängen der Buche zu verhüten. Niemand bezweifelt die höhere Nutzf^hig-
keit der Nadelhölzer; sollten letztere auch schliesslich (etwa wegen fehlender Absatz-
gelegenheit zumal für schwächere Sortimente) zum Teil ins Brennholz geschnitten
werden müssen, so würde ihre in einer gegebenen Zeit pro Flächeneinheit erzeugte
grössere Masse wohl immer noch das ersetzen, was die Buche an Brennwert pro Mas-
seneinheit vor ihnen voraus hat. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Nadelhölzer
von viel grösseren und mannigfaltigeren Gefahren bedroht sind als die Buche und des-
halb nicht die gleiche Sicherheit der Ertragsleistung zu bieten vermögen wie diese,
wird ihre üeberlegenheit im grossen und ganzen zugegeben werden müssen. Immerhin
sollte man keinesfalls zu weit ausgedehnte reine Nadelholzwaldungen schaffen. Ist die
Buche auch im reinen Bestand nicht mehr allgemein existenzberechtigt, so sollte man
sich doch möglichen Veränderungen der wirtschaftlichen Lage gegenüber (eventuell
gänzlich veränderte Absatz- und Transportbedingungen etc.) den Rückweg offen halten,
indem man der Buche wenigstens die gebührende Stelle im gemischten Walde gönnt;
wird sie doch durch ihre schon mehrfach erwähnte überaus günstige Einw^irkung auf
den Boden diese Rücksichtnahme stets reichlich lohnen. Gerade die mangelnde Sicher-
heit bezüglich der Vorausbestimmung der zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse in
ihrer Gesamtheit kann uns mahnen, gemischte Bestände überhaupt und insbes. auch
solche, in denen die Buche vertreten ist, zu begünstigen 2*). Die übrigen Laubhölzer
— ausser der Buche und der w^gen besonderen Wertes ohnehin anders zu beurteilen-
den, oben schon genannten Eiche und sonstigen sog. edlen Laubhölzem — bedürfen,
23) Z. B. Gay er in seiner mehr zitierten Schrift: „Der gemischte Wald*.
24) Einen besonders prägnanten Ausdruck hat die Beurteilung des Werts der Rotbuche
in den Verhandlungen der Versammlung deutscher Forstmänner zu Stuttgart (1897) und in
den daran sich anschliessenden literarischen Debatten gefunden. Während von den Einen
die Buche im Hinblick auf ihre mangelhafte Rentabilität in reinen Beständen geradezu als
verlorene Holzart bezeichnet wurde, haben andere dieselbe mehr oder minder energisch in
Schutz genommen. Aus der umfänglichen, zur „Buchenfrage" erwachsenen Literatur seien
u. a. erwähnt die Aufsätze von Endres (Allg. Forst- u. J.-Z. 1898, S. 91), Heiss (ebendas.
1898, 250), Dr. Heck (ebendas. 1898, 257f, N (A. F.- u. J.-Z. 1898, 383), B in Prakt.
Forstwirt für die Schweiz (1898, 49), Trebeljahr (^Mündener forstl. Hefte 1898, 14. Heft).
Das Bestandesmaterial. § 14. 437
weil sie meist ihre ganz spezifische Nutzbarkeit besitzen (z. B. Birke für Geschirrhölzer,
Erle zu Cigarrenkisten, Aspe für die Zündholzfabrikation) und für den grossen Betrieb
kaum irgendwo oder wenigstens nur auf ganz beschränkten Standörtlichkeiten einmal
als mitherrschende oder gar herrschende Holzarten, sondern meist nur in untergeord-
netem Masse in Frage kommen, der besonderen Fürbitte weit weniger. Uebiigens ist
auch eine gelegentlich gesteigerte Nutzholzverwendung für die Buche keineswegs aus-
geschlossen. 2. Arbeitsgelegenheit: Hierüber enthält Handbuch I, Bd. I, § 39
bis 41 die nötigen Angaben. Ist auch für den Waldbau ein direktes Motiv bei Be-
messung seiner Massnahmen aus dem Umstände, ob eine Holz- oder Betriebsart mehr
oder weniger umfängliche Arbeitsgelegenheit bietet, in der Regel nicht abzuleiten, so
lässt sich dieses Moment doch auch wieder nicht von den übrigen wirtschaftlichen Be-
ziehungen, von den Rücksichten, welche der Gesamtbetrieb zu nehmen hat, einseitig
loslösen; auch der Waldbau sollte vor seinen Entscheidungen über den engen Kreis
seiner eigensten Interessen hinaus Umschau halten, um einerseits für seine Arbeiten
stets genügende Kräfte verfügbar zu haben und andererseits auch wieder vorhandenen
Kräften die erwünschte Betätigung zu gestatten und dieselben dadurch dem Walde zu
erhalten. Dabei kommen in erster Linie die mit der Begründung, Erziehung, Ernte
eines Holzbestandes verknüpften Arbeiten in Betracht ; daneben aber auch solche, welche
durch die Gewinnung gewisser Nebennutzungen (Waldfeldbau, Hackwald, Harznutzung
u- s. w.) bedingt sind, sowie diejenigen, welche sich schliesslich nach der vollzogenen
Ernte an das Rohprodukt anlehnen, bezw. sich bei dessen Verw^endung beteiligen. Dass
die Holz- und Betriebsarten in diesen Beziehungen sehr verschieden zu werten sind,
erhellt aus den späteren Abschnitten. 3. Verhalten der Holzarten gegen
den Standort: Die Erörterungen zu III, A S. 423 ff. geben über die einschlägigen
Beziehungen Aufschluss. Es sei an dieser Stelle nur wiederholt hervorgehoben, dass
bei aller waldbaulichen Tätigkeit die Bodenpflege auch um deswillen vorangestellt wer-
den muss, weil wir im allgemeinen kein Recht haben, etwa zu gunsten der Gegenwart
wirtschaftliche Massregeln zu ergreifen, infolge deren wir der Zukunft in Gestalt eines
geschwächten Bodens einen minder leistungsfähigen Kapitalteil hinterlassen, als wir
ihn von der Vergangenheit überkommen haben. 4. Wirtsc haftseinrichtung:
Von der absoluten Ertragsziffer (Etat) abgesehen, bei deren Bemessung natürlich auch
die grössere oder geringere Sicherheit der Ertragsleistung mit berücksichtigt wird, sind
es hauptsächlich zwei Fragen, welche den Zusammenhang der Holzart mit der Forst-
einrichtung andeuten, nämlich: 1. für welche Betriebsart (Hochwald, Niederwald, Mit-
telwald etc.) eignen sich die verschiedenen Holzarten, bezw. wie werden sie verjüngt?
und 2. werden dieselben in reinen oder in gemischten Beständen angezogen ? Dass der
Femelwald und alle demselben sich nfihernden Betriebsformen im Gegensatz zu schlag-
weiser Behandlung, und dass ebenso gemischte Bestände im Gegensatz zu reinen ^^) die
Forsteinrichtung erschweren, steht ausser allem Zweifel ; der Nachweis dafür ist übrigens
an anderer Stelle zu führen. Es wird auch nicht beanstandet werden wollen, wenn
dieser Umstand bei der Würdigung der einzelnen Holzarten mit beachtet wird. Da-
gegen wäre es verkehrt, wenn bestimmte waldbauliche oder sonstige Vorzüge einer
Betriebsform oder Holzartenmischung irgend einer starren Forsteinrichtungsregel zum
Opfer gebracht würden, da natürlich die waldbaulich höchste Leistung des Forstes stets
erste und wichtigste Forderung an die W^irtschaft sein muss. Ein passender Ausgleich
zwischen •den hie und da sich widerstreitenden Interessen wird in den meisten Fällen
unschwer gefunden w^erden Itönnen. — 5. Nebennutzungen: An ganz bestimmte
25) Vergleiche auch 1. Abschnitt III, B. 1. S. 426 dieser Abhandlung.
438 IV. Lorey, Waldbau.
Holzarten sind direkt gebunden z. B. Lohrinde, Harz, Mast, Fntterlaub u. a. m. ; durch
y ermittel ung der Betriebsart hängen mit der Holzart zusammen z. B. Produkte des
Waldfeldbaues, die landwirtschaftlichen Nutzungen im Hackwald, Gräserei in Pflanz-
kulturen u. dgl. — 6. Widerstandsfähigkeit gegen Gefahren: Die schon
mehrfach, erstmals bereits ad 1, Abschnitt II, 4, S. 421, angedeuteten Beschädigungen
können den wirtschaftlichen Wert einer sonst recht schätzbaren Holzart unter Umstän-
den, bezw. für bestimmte Oertlichkeiten so herunterdrücken, dass man auf ihre Anzucht
geradezu verzichten muss. So verbietet sich z. B. in wildreichen Forsten, wenn man
nicht besondere Schutzmassregeln (Eingattem) ergreifen will, hie und da der Anbau
der Esche, der Eiche, der Weisstanne vollständig, obwohl dieselben ohne die G^ßlhr-
dung durch Schälen oder Abäsen hohen Ertrag erwarten Hessen; in ausgesprochenen
Schneebruchlagen hat man möglichst mit der Kiefer fern zu bleiben; dem Sturm be-
sonders exponierte Orte taugen nicht für die Fichte u. s. w. Auch hier darf wieder
daran erinnert werden, wie vielfache Gelegenheit, solche Gefahren abzuschwächen, durch
geeignete Holzartenmischung gegeben ist. — 7. Besondere örtliche Anfor-
derungen: Dahin gehört z. B. eine gewisse Anpassung an die Bewirtschaftungsweise
umgebender Waldungen, sofern es sich um kleinere Enklaven handelt (z. B. ein sturm-
gefährdeter Fichtenbestand inmitten eines grösseren Schälwald gebietes); femer die
Kücksichtnahme auf Servituten, deren Befriedigung häufig eine bestimmte Holzart for-
dert; sodann eine Reihe spezieller wirtschaftlicher Aufgaben, wie die Anzucht von
Faschinenhölzern, Böschungsbefestigungen u. s. w.
Im allgemeinen kann die tatsächliche Verbreitung der Holzarten als MassstAb
derjenigen wirtschaftlichen Bedeutung dienen, welche ihnen beigelegt wird, mit der
Einschränkung natürlich, dass für die Wertschätzung seitens der Gegenwart nur die
unter unsern Augen entstehenden Jungbestände beweiskräftig sind, während alle älteren
Hölzer nur bezüglich der Anschauung jener Zeit, in welcher sie begründet sind, ein
Urteil zulassen. Entscheidend für den Betrieb im grossen ist, wie wir rekapitulierend
nochmals heiTorheben, immer nur die kleine Anzahl von Holzarten, welche ausgedehnte
Gebiete (eventuell auch in reinen Beständen) einnehmen, d. h. Kiefer, Fichte, Buche,
Tanne. Alle übrigen Holzarten, selbst die Eiche, sind, so sehr sie auch, örtlich oder
allgemein für bestimmte Verhältnisse, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, doch
in ihren Existenzbedingungen jenen herrschenden Holzarten gegenüber meist äusserst
beschränkt, so dass an eine den Umfang ihres jetzigen Gebietes weithin überschreitende
Verbreitung derselben nie zu denken ist. Um so mehr sollte man ihnen da, wo ihre
Anzucht ohne greifbare Benachteiligung anderer Interessen zulässig erscheint, einen
Platz anweisen, um dem Walde die in den verschiedensten Beziehungen so schätzens-
werte Mannigfaltigkeit zu erhalten, oder, wo sie verloren wäre, wieder zu verschaffen.
Zusatz: Die Einführung ausländischer Holzarten betref-
fendes).
§ 15. Im deutschen Walde haben sich einige Holzarten, welche aus fremden
Ländern zu uns gekommen sind, das Heimatsrecht erworben, wie beispielsweise die
Weymouthskiefer. Da und dort hat man man schon seit lange versucht, auch andere,
insbesondere amerikanische Hölzer bei uns einzubürgern, man ist aber über derartige
Versuche in Parks meist nicht hinausgekommen; nur in vereinzelten Fällen hat man
sie schon vor längerer Zeit auch in den eigentlichen Wald hinaus gebracht, und auch
dann in der Regel nur in wenigen Exemplaren, allenfalls in kleinen Gruppen. Die
26) Vergl. John Booth, Die Naturalisation ausländischer Waldbäume in Deutsch-
land. Berlin 1882. Derselbe, Die ausländischen Holzarten 1902. — Bezügliche Erörte-
rungen finden sich auch in den neuesten Jahrgängen fast aller forstlichen Zeitschriften.
Das Bestandesmaterial. § 15. 439
Tatsache nun, dass eine Anzahl fremder Hölzer, welche unseren heimischen auf dem
Nntzholzmarkte bedenkliche Konkurrenz machen, Klimaten entstammen, welche den
unsrigen ähnlich sind, regte die Erwägung an, ob nicht wenigstens einige jener Exoten
bei uns mit Vorteil eingeführt werden könnten, so dass, wenn auch erst mit Wirkung
in der Zukunft, jener Konkurrenz des Auslandes wenigstens einigermassen entgegen-
gearbeitet werden würde. Der Gredanke ist sicherlich nicht zu verwerfen; es wird ja,
schon wegen des beschränkten Areals, welches den fremden Holzarten im deutschen
Walde nur zugewiesen werden kann, an ein vollständiges Hintanhalten des Imports
von solchen nie gedacht werden können ; jedenfalls aber gehört es zu den waldbaulichen
Aufgaben des forstlichen Versuchswesens, die Bedingungen festzustellen, unter welchen
ein derartiges Unternehmen erfolgversprechend sein möchte. So hat sich denn auch
der Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten der Frage bemächtigt und seit etwa
20 Jahren solche Anbauversuche mit ausländischen Holzarten eingeleitet^^). Erste
Voraussetzung ist, dass die betreffenden Holzarten unser Klima ertragen ; entscheidend
sind dabei weniger die mittleren Jahrestemperaturen bei uns und in ihrem Heimatlande,
als vielmehr die niedrigen Wintertemperaturen (bezw. hohen Temperaturdifferenzen),
auf welche wir zeitweise rechnen müssen, sowie die Temperatur in der eigentlichen
Vegetationsperiode, und dann insbesondere auch die Feuchtigkeitsverhältnisse (Seenähe,
T^uftfeuchtigkeit, Niederschlagsmengen etc.). Da aber neben der Anbaufähigkeit
vor allem auch die Anbauwürdigk eit ausschlaggebend sein muss, welche in der
positiven Leistung ihren Ausdruck findet, so ist zu betonen, dass sich eine fremde Holz-
art auf einem bestimmten Standort in Konkurrenz mit der für denselben passenden
heimischen nur dann behaupten kann, wenn sie entweder besseres oder mehr Holz liefert,
beides unter Berücksichtigung des Faktors „Zeit**, oder wenn sie gegen gewisse Ge-
fährdungen, wie z. B. durch Frost, Hitze, Wildverbiss, Insekten, widerstandsfähiger
ist, bezw. sonst in waldbaulicher Beziehung (Schutz- und Treibholz, leichter Anbau,
bedeutende Reproduktionskraft u. dgl.) irgend welche hervorragende Eigenschaften hat.
Beachtenswert ist der Hinweis des Prof. Dr. H. Mayr-^^) in München darauf, dass es
sich am meisten empfehlen dürfte, solche Holzarten einzuführen, deren Gattungen (wie
z. B. Douglastanne, Chamaecyparis, Thuja etc.) überhaupt noch nicht im deutschen
Walde vertreten sind. Ausser den amerikanischen Holzarten hat man inzwischen auch
japanische einbezogene*^). Sorgfältiges Studium des Verhaltens der Exoten in ihren
Heimatländern muss den Anbauversuchen als Grundlage dienen, damit nicht Kultur-
arbeiten mit fremdländischen Holzarten unternommen werden, die schon in ihrer ersten
Einleitung als verfehlt erscheinen. Es seien hier u. a. nur die in verschiedenen
Schriften niedergelegten wertvollen Forschungsergebnisse des Professors Dr. Mayr zu
München hervorgehoben. Auf die Herkunft (Provenienz) des Samens ^^) wurde und wird
von manchen Seiten hervoiTagendes Gewicht gelegt, während Mayr dieselbe für gleich-
gültig hält, so lange es sich nicht um systematisch trennbare Varietäten oder Rassen
27) Arbeitsplan für Anbauversuche mit ausländischen Holzarten , sowie Arbeitsplan
für Untersnchung des forstl. Verhaltens ausländischer Holzarten vergl. Ganghofer, Das
forstliche Versuchswesen II. Bd. S. 161) und 191.
28) Vergl. Mayr, Die Heimat der Douglastanne (AUg. Forst- u. Jagd-Zeitung v.
1886 S. 61 ff.) und Derselbe, Japanische Waldverhältnisse (Allg. Forst- u. J.-Z. 1886,
S. 353 ff.).
29) Luerssen, Die Einführung japanischer Waldbäume in die deutschen Forste.
Notizen für die geplanten Anbauversuche ; Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1886 S. 121,
251, 313, 442, 646 ff. — Arbeitsplan, betr. Japan. Holzarten siehe Jahrb. d. preuss. Forst-
ete. Gesetzg. 1887, S. 19.
30) John Booth a. a. 0. S. 121 ff.
440 IV. Lorey, Waldbau.
handelt, welche mit der äusserlichen Abweichung von der typischen Form auch innere
Eigentümlichkeiten vererben.
Aus der ziemlich langen Reihe solcher Holzarten, welche zu Anbauversnchen em-
pfohlen sind, mögen hier beispielsweise von Nadelhölzern nur Pseudotsuga Douglasii,
Picea sitchensis, Pinus banksiana, Chamaecyparis Lawsoniana, Thuja gigantea, Larix
leptolepis, sowie von Laubhölzem Quercus rubra, Juglans- und Carya-Arten, Fraxinos
americana genannt werden. Nachdem die Anbauversuche nun bereits durch 2 Jahr-
zehnte im Gange sind, konnte über deren Verlauf seitens verschiedener Versuchsanstalten
schon eine Reihe von Mitteilungen erfolgen. Unter diesen sind diejenigen der preas-
sischen Hauptstation für forstliches Versuchswesen, weil sie auf der Beobachtung der
nach Holzart und Standörtlichkeit weitaus mannigfaltigsten und nach Flächenaasdeh-
nung umfänglichsten Kulturen beiTihen, die beachtenswertesten^^). Soweit sich aus den
bis jetzt vorliegenden Ergebnissen ein Schluss ziehen lässt, darf man hoffen, dass we-
nigstens eine beschränkte Anzahl der in den Kreis der Versuche einbezogenen Exoten,
in erster Linie vielleicht die oben genannten, dereinst eine wirkliche Bereicherung des
deutschen Waldes darstellen werden. Zur Gewinnung eines endgültigen Urteils gehört
freilich ein längerer Beobachtungszeitraum, zumal bei einzelnen (z. B. Larix leptolepis)
der Verdacht vorliegt, dass ihre gute Jugendentwickelung vielleicht von einem Nach-
lassen des Wachstums in höherem Alter gefolgt sein wird. — Nicht unbeachtet mag
auch der forstästhetische Wert mancher (längst nicht aller !) fremdländischer Holzarten
bleiben.
Zweiter Abschnitt.
Die Bestandesbegrfindnn^«
Der Abschnitt bespricht die Art, wie unter den verschiedensten Verhältnissen Bestände
begründet werden. Demnächst hat die „Bestandeserziehung" (dritter Abschnitt) aus den
Jungwtichsen haubare Bestände heranzubilden^^).
Erstes Kapital.
Allgemeine Gesichtspunkte.
I. Arten der Beoriindung und Ihre wirtschaftliche Bedeutung.
A. Arten.
§ 16. Man unterscheidet natürliche und künstliche Bestandsbegründung ; bei jener
ist das Material dazu auf der Fläche bereits vorhanden oder wird von der Natur auf
dieselbe gebracht, während bei dieser menschliche Tätigkeit das Kulturmaterial herbei-
schafft und die sonst erforderliche Arbeit leistet. Die natürliche Bestandsbegründung
vollzieht sich entweder durch Samen (durch Abfall desselben von Bäumen, die auf oder
neben der Fläche stehen) oder durch Ausschlag (Bildung von Wurzel-, Stock- oder
Schaftlohden)^^). Die künstliche Begründung erfolgt entweder durch Saat oder durch
31) Auch aus Württemberg (A. F-. u. J.-Ztg. 1897, S. 14 u. 83 ff.'), Bayern (Forstl.-
naturw. Zeitsclir. 1892) und neuerdings namentlich auch aus Oesterreich (Dr. Cieslar,
„LTeber Anbauversuche mit fremdländ. Holzarten* Centralbl. f. d. ges. Forstw. 1901) liegen
Nachrichten über die bisher erzielten Resultate vor.
32) Bezüglich der Grenze zwischen Begründung und Erziehung der Bestände ist die
Vorbemerkung zum dritten Abschnitt zu vergleichen.
33) Die aus den abgefallenen Samen entstandenen Jungpflanzen scheidet man nicht
selten in Aufschlag und Anflug: Aufschlag sind im allgemeinen die aus schwereren, direkt
herunterfallenden, flügellosen Samen gekeimten Pflanzen (Eiche, Buche etc.), während man
Die Bestandesbegründung. § 17. 441
Pflanzang. Bei der Saat bleibt die aus dem Samen entstehende Pflanze auf ihrer Stelle,
während die bei der Pflanzkult ur verwendeten Individuen anderswo gekeimt sind, als
da, wo sie demnächst weiter wachsen sollen.
B. Wahl der Art der Bestandesbegründung.
Zunächst ist zu entscheiden, ob natürliche oder künstliche Verjüngung eintreten
soll; danach ist innerhalb dieser beiden Hauptgruppen von Verjüngungsraethoden die
Auswahl im einzelnen zu treifen.
Die Entscheidung ist bedingt durch Standort und Holzart (cfr. erster Abschnitt),
dann insbesondere durch den Wirtschaftszweck, durch das Verhältnis von Aufwand und
Erfolg, für dessen Beurteilung sehr oft in erster Linie die Gewinnung der erforderlichen
Arbeitskräfte in's Gewicht fällt, sowie durch den Umstand, ob auf der Fläche schon Wald
vorhanden war oder nicht. In letzterem Falle kann, wenn man von der seltenen Möglich-
keit einer Randbesamung (von seitlich stehenden Bäumen her) absieht, nur künstliche Be-
standesbegründung in Betracht kommen. Das gleiche gilt, wenn die Fläche zwar bereits
mit Wald bestockt war, aber ein Holzartenwechsel beabsichtigt wird. So oft jedoch die
nämliche Holzart auf einer Fläche nachgezogen werden soll, treten allgemein die natür-
liche und künstliche Bestandesbegründung in Konkurrenz. Beide werden unter Umständen
vereint angewendet, indem künstliches Einbringen von Samen oder Pflanzen die auf natür-
lichem Wege bereits entstandenen oder noch zu erwartenden Jungwüchse vervollständigt.
1. Natürliche oder künstliche Bestandesbegründung?
§ 17. Wenn nicht bestimmte Ursachen die künstliche Begründung des neuen
Bestandes fordern, kann und soll man die natürliche Verjüngung wählen. So lange
man auf dem Wege, welchen die frei wirkende Natur einschlägt, das durch die Wirt-
schaft gesteckte Ziel genügend rasch und sicher erreichen kann, ist zunächst nicht ab-
zusehen, weshalb man jenen Weg verlassen soll. Vor allem ist die Verschiedenartig-
keit der Standortsverhältnisse bei der Wahl des Verjüngungsverfahrens sorgfältig zu
beachten. Aber selbst wenn man erwägt, dass man, wie von vielen Seiten scharf be-
tont wird, bei der natürlichen Verjüngung im allgemeinen am leichtesten für ununter-
brochene rationelle Bodenpflege sorgen kann, dass dieselbe auch die Begründung ge-
sunder gemischter Bestände erleichtere, sowie die Starkholzzucht ohne Erhöhung der
Umtriebszeit ermögliche, ergibt sich doch in vielen Fällen eine Entscheidung zu gunsten
künstlicher Bestandesbegründung und zwar hauptsächlich nach Massgabe folgender Er-
wägungen: a) die natürliche Verjüngung durch Ausschlag ist ausgeschlossen bei den
Nadelhölzern. — b) Soll die natürliche Verjüngung bei irgend welcher Holzart durch
Samen erfolgen, so muss eine je nach den Umständen grössere oder geringere, jeden-
falls genügende Anzahl von tauglichen Samenbäumen zu Gebote stehen, welche das
Material liefern. Man ist also an das Vorhandensein und das Masttragen dieser (der
Mutterbäume) gebunden; und es leuchtet ein, dass durch Ausbleiben oder Fehlschlagen
einer Mast Störungen im Verjüngungsbetrieb veranlasst werden können, Verzögerungen
in der Schaffung junger Bestände, welche unter Umständen den Gang der ganzen Wirt-
schaft beeinflussen (Abweichungen von der normalen Umtriebszeit, Ersatz eines an Hau-
barkeitsnutzungen zu liefernden Hiebsquantums durch Vorgriffe, stärkere Durchforstungen
u. s. w.). Sind auch solche Störungen im einzelnen meist nicht von Belang, so können
sie sich doch in unangenehmer Weise häufen (mehrmaliges Vernichten der Blüte durch
Frühjahrsfröste etc.), so dass die künstliche Verjüngung (in diesem Falle ein Kind der
Not) einspringen muss. Letztere kann wohl auch die notwendige Folge von Kalami-
täten wie Insektenfrass, Schneebruch, Sturm etc. werden, wenn solche den betreffenden
die aus angeflogenen (leichten, geflügelten) Samen erwachsenden als Anflug bezeichnet. Die
Trennung ist keine scharfe. Der Name „Anflug" wird vor allem für Nadelhölzer oft gebraucht.
442 IV. Lorey, Waldbau.
Waldort in einem Stadium der Entwickelnng treffen, in welchem er noch nicht Ter-
jüngnngsföhig ist, oder ihm die erforderliche Zahl geeigneter Samenbänme genommen
haben oder an unvorhergesehener Stelle so bedeutende Einschlagsmassen häufen, da^
der normale Fällungsgang unterbrochen werden muss und dadurch die planmässige Be-
nutzung eines eintretenden Samenjahres vereitelt wird. — c) Stehen, wie in der Regel,
die Mutterbäume auf der Kulturfläche selbst, so beschatten, bezw. Überschinnen sie (je
nach Art, Zahl, Verteilung in verschiedenem Masse) die jungen Keimpflanzen, und w^enn
auch letzteren dadurch während ihrer ersten Jugendentwickelung meist ein nur wohl-
tätiger, ja für manche Holzarten und in bestimmten Oertlichkeiten geradezu notwen-
diger Schutz gewährt wird, so können doch andere Holzarten (Lichthölzer) allgemein,
andere in gewissen Lagen diese Beschirmung nicht oder nur kurze Zeit hindurch ver-
tragen. Hieraus kann sich für eine Anzahl von Fällen'*) die künstliche Verjüngung
als Erfordernis ergeben.
Die Ansichten darüber, wie mit Rücksicht auf die Erfordernisse der einzelnen Holz-
arten die Grenzlinie zwischen natürlicher und künstlicher Verjüngung zu ziehen sei, gehen
auseinander'^). Dass Schattenhölzer allgemein durch Samenabfall, also natürlich verjüngt
werden können, steht (entsprechende Bestandesbeschaffenheit vorausgesetzt — Alter, Zahl
und Verteilung der Samenbäume) ausser Zweifel ; ebenso, dass diejenigen derselben, welche
in der Jugend gegen Frost und Hitze empfindlich sind (besonders Tanne, Buche) und des-
halb in der Regel eines Schutzbestandes bedürfen, meist mit dem grösseren Vorteil auch
wirklich natürlich verjüngt werden (künstliche Verjüngung auf der Kahlfläche oder event.
unter Zuhilfenahme eines durch eine andere Holzart erst beschafften Schutzbestandes ist
Ausnahme!). Andererseits sind unbedingte Lichthölzer (wie z. B. die Lärche, abgesehen
von höheren Gebirgslagen) von der natürlichen Verjüngung so gut wie ausgeschlossen,
während eine Anzahl von Holzarten die Mitte halten, bezw. je nach Lage der Umstände
bald natürlich bald künstlich verjüngt werden. Dahin gehört von Schattenhölzern die
Fichte, von Lichthölzern z. B. die gemeine Kiefer, die Eiche, die Esche. Je besser der
Boden, um so eher ist im allgemeinen die natürliche Verjüngung durch Samen möglich,
weil das geringe Schattenerträgnis der Lichthölzer in besseren Lagen durch die sonst guten
Wachstumsbedingungen teilweise paralysiert wird (z. B. reichlicher Eschen- und Eichen-
anflug auf frischen, kräftigen Böden unter oft noch sehr dichtem Schirmdach der Mutter-
bäurae). — Aehnlich erhöht grössere Luftfeuchtigkeit (in der Nähe des Meeres oder son-
stiger grosser Wasserflächen, im Gebirge etc.) die Möglichkeit natürlicher Verjüngung. —
Rauhe Lagen, steile Hänge, steinige Partien, Böden, welche starken ünkrautwuchs er-
warten lassen, fordern oft natürliche, nasse Orte meist künstliche Bestandesbegründung.
Näheres bei Behandlung der einzelnen Holzarten, siehe 4. Kap. dieses Abschn.
d) Ausser im Falle der Randbesamung bedingt der Kahlschlagbetrieb die künst-
liche Verjüngung. Doch sollte Kahlschlag wegen seiner später zu erörternden Nach-
teile nur in den wenigen Fällen, in welchen etwa die waldbaulichen Massnahmen von
einem bestimmten Prinzip der Forsteinrichtung (Schlageinteilung) abhängig gemacht
werden wollen, die Ursache der künstlichen Bestandesbegründung, vielmehr in der Regel
nur die Folge der zu derselben drängenden Gründe (entschiedenes Lichtbedurfnis der
Holzart, Waldfeldbau etc.) sein. Schirmschlag- und Femelschlagbetrieb und noch mehr
Femelbetrieb, Niederwald und Mittelwald operieren meist mit Beschaffung ihrer Jung-
wüchse auf natürlichem Wege. — e) Für die künstliche Bestandesbegründung wird
auch (insbesondere bei der Pflanzung) eine gleichmässigere Verteilung der jungen In-
dividuen auf der Fläche geltend gemacht, woraus sich dann auch eine gleichmässigere
und bei lichterem Stande raschere Entwickelnng der Einzelstämme von Jugend auf
34) Die Präzisierung derselben folgt aus dem 4. Kapitel dieses Abschnittes .Bestan-
desbegründung bei den einzelnen Holzarten".
35) Zu vergl. u. a. die Verhandlungen der Versammlung deutscher Forstmänner zu
Frankfurt a/M. 1884 über das Thema: „In welchem Stadium befindet sich dermalen die
Frage der natürlichen Verjüngung"? Versammlungsbericht bei Sauerländer, Frankfurt a/M. 1885.
Die Bestandesbegründung. § 18. 443
ergibt. Einsprengen von Mischhölzern in einen Grundbestand in regelmässiger Ver-
teilung meist künstlich. Der Erfolg der natürlichen Verjüngung ist weit mehr von
der in einem Bestände manchmal sehr wechselnden Bodenbeschaffenheit (Bodengare,
Moospolster etc.) abhängig; nach reicher Mast stehen die Jungwüchse oft allzu dicht
(Uebelstände, denen übrigens meist unschwer abgeholfen werden kann). — f) Auch der
Kostenaufwand ist in manchen Fällen (Waldfeldbau, arme Böden, seltene und nicht
ergiebige Samenjabre, umfangreiche Nachbesserungen im Falle natürlicher Verjüngung etc.)
bei künstlicher Kultur (einfaches Verfahren mit schwachen Pflänzlingen) geringer, ob-
wohl eingeräumt werden muss, dass im allgemeinen gerade im Sinne der Kostenerspar-
nis die natürliche Bestandesbegründung den Vorzug verdient. Jede Kulturausgabe be-
lastet den Bestand, mit Zins und Zinseszins bis zum Abtrieb anwachsend, so dass
möglichste Ersparnis geboten ist. Erstmaliger Aufwand und Kosten etwaiger Nach-
besserungen sind stets zu kombinieren. Immerhin muss vor allem der vollkommene
Kulturerfolg gesichert sein. —
Die Frage, ob künstliche oder natürliche Verjüngung, bedarf, wie aus vorstehen-
den Andeutungen hervorgeht, recht häufig der besonderen örtlichen Untersuchung, da
uns die Zweifelsfälle, in welchen beide Arten möglich sind, in grosser Zahl und viel-
seitiger Gestalt entgegentreten. Ausschlaggebend ist der nach jenen allgemeinen Ge-
sichtspunkten unter gleichmässiger Berücksichtigung all er konkurrierenden Momente
zu bemessende wirtschaftliche Gesamteffekt. Oertliche Erfahrung ist für die Beurteilung
höchst wertvoll, jedoch stehen unverkennbar Gewohnheit und durch sie bestärkte Vor-
urteile nicht ganz selten sachgemässen Aenderungen hindernd im Wege.
2. Künstliche Bestandesbegründung insbesondere. Wahl
zwischen Saat und Pflanzung.
§ 18. Entscheidend ist wiederum der Kulturerfolg in Verbindung mit dem durch
denselben bedingten Aufwand. Im einzelnen kommen folgende Punkte in Betracht :
a) die Sicherheit. Die Qualität des Kulturmaterials (Samen bei der Saat, Pflänz-
linge bei der Pflanzung), kann, da überhaupt nur mit gutem Material operiert werden
darf, hier nicht als Grund pro oder contra verwertet werden. Dagegen ist die Wit-
terung der ersten, auf die Ausführung der Kultur folgenden Wochen und Monate, event.
der nächsten Jahre in Beziehung zur Beschaffenheit des Bodens und der Lage für den
Erfolg bedingend. Schädlich wirken vor allem Witterungsextreme, wie andauernde
Trockenheit, Hitze, zu grosse Nässe, Fröste u. s. w. Zwar sind beide Arten, Saat-
und Pflanzkulturen, dadurch benachteiligt, aber nicht immer in gleichem Masse. Trok-
kenheit z. B. , ebenso wie Hitze, wird, obwohl alles auf die. Zeit ihres Eintritts an-
kommt, doch Pflänzlingen mit tiefgehenden Wurzeln oft weniger bedenklich als Keim-
lingen ; das gleiche gilt von Frösten, soweit es sich um das Ausfrieren handelt. Platzregen
dürften an steilen Hängen durch Abschwemmen einer Saat häutiger Schaden bringen
als einer Pflanzung. Starker Schneefall, längeres Liegenbleiben des Schnees kann einer
jungen Saat, die vollständig überdeckt wird, durch Druck und Lichtentzug eher nach-
teilig werden, als einer Pflanzung, während andrerseits für Pflanzen, die mit dem Gipfel
aus dem Schnee hervorragen, namentlich im Spätwinter, wenn die Sonne schon wieder
höher steigt und unter tags stärkere Erwärmung (Reflex vom Schnee, Temperatur-
differenz) erzeugt, eine besondere Gefahr ersteht. Im grossen und ganzen möchten,
wenn auch solche meteorische Einwirkungen sowohl nach ihrer Art als nach dem Grad
ihrer Schädlichkeit nicht anders als im Sinne eines auf örtlicher Erfahrung beruhenden
Wahrscheinlichkeitsschlusses in Rechnung gezogen werden können, Saaten doch mehr
gefährdet erscheinen als Pflanzungen. Letzteres gilt weiterhin bezüglich des Unkraut-
wuchses. — Auf nassen, sowie auf sehr trockenen oder mageren Böden ist meist die
444 IV. Lorcy, Waldbau.
Pflanzung, auf sehr steinigen die Saat vorzuziehen. — Grössere Sicherheit muss für
die Pflanzung insbesondere bei solchen Holzarten in Anspruch genommen werden, welche,
wie Kastanie, Esche, Ahorn u. s. w. besonderer Pflege bedürfen. Man zieht dieselben
zunächst in Frostgärten an. — b) Die Entwickelung der jungen Kultur:
Der bei einer gut aufgehenden Saat von vornherein meist verhältnismässig dichte Stand
der Pflanzen kann, wenn nicht Unkräuterwuchs, Tierbeschädigung (durch Wild, Mäuse etc.),
Frost u. dergl. dies verhindert, raschen Schluss der Kultur und damit baldige Bedeckung
des Bodens bewirken. Doch ist durch sehr dichten Stand die Entwickelung der Einzel-
pflanze gehemmt. Andererseits hat die Pflanzung je nach dem Alter der verwendeten
Pflänzlinge einen grösseren oder geringeren Vorsprung, welcher ihr, namentlich bei ge-
ringer Pflanzweite, raschere Bodenbedeckung sichert. Uebrigens ist dieser Vorsprung
wegen des, auch bei sorgfältigster Ausführung der Pflanzkultur, fast immer eintreten-
den zeitweiligen Stockens in der Entwickelung der Pflanzen und dadurch bedingten
Zuwachsverlustes kaum im vollen Betrag zu bemessen (am vollständigsten bei jungen
Pflänzlingen). Bei der Pflanzung ist eine normalere Entwickelung der einzelnen Indi-
viduen durch deren geringere Zahl und gleichmässige Verteilung ermöglicht. Auf die Art
und den Umfang der Zwischennutzungen (Reinigungshiebe, erste Durchforstungen etc.}
kann man durch entsprechende Wahl der Pflanzenentfemung einwirken. Gestatten
oder verlangen Saatbestände vermöge ihres dichten Schlusses oft früher als Pflanzungen
eine Holznutzung, so besteht letzten^ doch anfänglich zumeist in geringem, wenig wert-
vollem Material. — c) Kostenaljfwand: Beschaffung des Kulturmatmals und
Kosten der Kulturausführung wirken zusammen, je bei der ersten Anlage und bei et-
waigen Nachbesserungen. Es fragt sich zunächst, ob zur Saat guter Samen billig zu
haben ist oder nicht, und analog für die Pflanzung, mit welchem Aufwand die erfor-
derliche Zahl tauglicher Pflänzlinge beschafft werden kann. Begreiflich liegen die Um-
stände von Fall zu Fall oft sehr verschieden. Gute Masten begünstigen die Saat,
während hoher Samenpreis, sowie nicht genügende Samenmenge zur Pflanzung drängen,
oft durch Vermittelung der Pflänzlingszucht auf besonders bereiteten Stellen. Hat man
in natürlichen Verjüngungen oder auf Saatflächen genügendes Pflanzenmaterial kosten-
los verfügbar, so wird man dasselbe benutzen; muss dasselbe aber erst besonders an-
gezogen werden, so kommt die Art, wie dies geschieht (besondere Forstgärten, Anzucht
unter Schutzbeständen etc.), in Betracht. Bezüglich der Kulturausführung ist zu er-
wägen, ob und welche Bodenvorbereitungen nötig sind. Durch solche werden insbe-
sondere Saaten oft nicht unbeträchtlich verteuert, während nicht minder gewisse Pflanz-
verfahren (Hügelpflanzung als Beispiel) an umfängliche Vorarbeiten geknüpft sind. Die
Aussaat selbst geht meist rasch und damit ohne grosse Kosten von statten. Jedenfalls
ist eine Kultur mit älteren, stärkeren Pflanzen immer teuer sowohl hinsichtlich der
Beschaffung der letzteren als auch in Absicht auf die Ausführung der Pflanzung, w^äh-
rend sich die Pflanzung mit jungem, schwachem Material unter Wahl eines einfachen,
rasch fördernden Verfahrens, namentlich auch wegen der meist hohen Sicherheit des
Erfolgs, oft als billige Kulturmethode darstellt. Oertliche Erfahrung gibt über den
für Nachbesserungen, Kulturpflege (Bekämpfung des Unkrauts, Abhaltung schädlicher
Tiere etc.) in Aussicht zu nehmenden Kostenaufwand Aufschluss. Ueberdies ist der
üben erwähnte Altersvorsprung einer Pflanzung jeweilig mit in Rechnung zu bringen.
— d) Die für die Kultur au sführung verfügbare Zeit: Da dieselbe oft
(Gebirg, rascher Uebergang vom Winter in den Sommer, zweifelhafte Witterung) knapp
bemessen ist, so kann die Schnelligkeit des Vollzugs für die Wahl des Verfahrens mit-
bedingend werden, zumal wenn Arbeitskräfte nicht in beliebiger Zahl zu haben wären.
Etwaige Bodenvorbereitung kann oft schon vor der eigentlichen Kulturzeit vorgenommen
Die Bestandesbegründnng. § 19. 445
werden, wodurch dann in der kritischen Zeit das Knltnrgeschäft abgekürzt erscheint.
Die Saat ist im Hinblick anf den Zeitaufwand häufig, aber längst nicht immer der
Pflanzung überlegen. — e) Rücksicht auf gewisse Nebennutzungen:
Grasnutzung, event. auch Viehweide, ist — wenn überhaupt auf die durch Entzug
mineralischer Nährstoffe jedenfalls schädliche Entnahme von Futtergewächsen abgehoben
werden will — in Pflanzkulturen im allgemeinen eher ausführbar, als in unregelmässig
bestandenen Saaten. Jedoch bieten die Zwischenstreifen bei Kiefernsaaten oft ebenso
gute Gelegenheit zur Entnahme des Grases. Selbst auf dicht stehenden Nadelholz-
Vollsaaten lässt sich der Auftrieb von Schafen unter Umständen ohne besondere Schä-
digung der Kultur bewirken. — f) In gewissen besonderen Fällen des Kul-
turbetriebs, wie z. B. Anlage von Alleen, Hecken, Uferbefestigungen, Weiden-
hegem, wird nur Pflanzung gewählt. — g) Die Massregeln der Bestandeserzieh-
nng (Durchforstungsbetrieb insbesondere) werden durch die Methode der Bestandes-
begründung, wenn bei letzterer nicht extreme Verhältnisse (z. B. besonders weiter
Pflanzverband gegenüber einer engen Saat) vorliegen, meist nur im Jugendalter der
Bestände in beachtenswertem Masse beeinflusst; zwar macht sich ein etwaiger Unter-
schied (grössere oder geringere Schwierigkeit einer gleichmässigen Schlagstellung etc.)
oft auch noch in's Stangenholzalter hinein bemerkbar, verschwindet aber doch in diesem
meistens bald. — Im Durchschnitt aller zu beachtenden Faktoren ergibt sich vielleicht
beim Vergleich von Saat und Pflanzung ein kleines Plus zu gunsten der letzteren.
Aber auch hier sind die zweifelhaften Fälle neben denen, deren Entscheidung einfach
liegt, so zahlreich, dass von Aufstellung genereller Kegeln wiederum Abstand genom-
men werden muss.
C. Historisches.
§ 19. Tatsächlich ist im Hochwalde die natürliche Verjüngung vielfach durch
die künstliche Bestandesbegründung, sowohl durch die Saat als die Pflanzung, verdrängt
worden und zwar auch in Fällen, in welchen natürliche Verjüngung recht wohl möglich
wäre. Der Grund liegt hauptsächlich in der relativ hohen Sicherheit vieler Methoden
der künstlichen Verjüngung, sowie in dem Umstände, dass man im Falle der letzteren
den Vorgang der Bestandesbegründung unabhängig von dem mehr oder minder zufälli-
gen Eintreffen gewisser Vorbedingungen (wie der Mast für natürliche Besamung, Vor-
handensein eines wenigstens annähernd normalen Altholzbestandes u. s. w.) in jedem
beliebigen Zeitpunkte einleiten und durchführen kann. Dadurch wird bis zu einem ge-
wissen Grade grössere Regelmässigkeit und rebersichtliehkeit in dem ganzen Verjüng-
ungsbetriebe gewährleistet und hierdurch vielfach den Interessen auch der Forstein-
richtung am besten entsprochen. Insbesondere hat die Pflanzung bedeutend an Aus-
dehnung gewonnen.
Selbstredend ist die natürliche Verjüngung die älteste Methode der Bestandes-
begründung. Bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts flndet man ausser
in den Fällen absoluter Notwendigkeit (Blösenanbau etc.) künstlichen Holzanbau nur
wenig, hatte auch nach Lage der Umstände (Bedeutung der Jagd, niedrige Holzpreise
u. s. w.) keinen Anlass, für Kulturen besondere Aufwendungen zu machen. Mit dem
Vordringen des schlagweisen, zunächst des Femelschlag- und Schirmschlag-Betriebes
an Stelle des reinen Femelwaldes kam die künstliche Kultur, wenn auch vorerst nur
als Unterstützung der natürlichen Verjüngung, mehr und mehr in Aufnahme und er-
langte endlich im Kahlschlagbetrieb die Herrschaft, wobei zunächst wohl die oben schon
angedeutete taxatorische Rücksicht, welche in dem auf Anbahnung grösserer Uebersicht
und Ordnung in der ganzen Wirtschaft gerichteten Streben ihren Ausdruck flndet, zu
446 IV. Lorey, Waldbau.
gansten des Kahlschlagbetriebs als massgebendes Motiv vor den rein waldbanlichen
Erwägungen den Vorrang beanspruchte. Ueberhaupt hat die Forsteinrichtung nicht
selten entschiedener, als es ihr zukam, die Führung im Wirtschaftsbetriebe übernommen.
Hie und da ist man in der Wertschätzung der künstlichen Bestandesbegründnng ganz
zweifellos zu weit gegangen ; man liess sich yielenorts mehr und mehr zur bedingungs-
losen Verfolgung dieser einseitigen Richtung verleiten, so dass mancherlei wirtschaft-
liche Missstände nicht ausbleiben konnten, und es ist wohl begreiflich, wenn man in
den letzten Jahrzehnten vielfach um so entschiedener zur natürlichen Verjüngung zu-
rückgekehrt ist. Dass wir uns in der Gegenwart einer der letzteren günstigen Strö-
mung gegenüber befinden, erhellt schon aus der neueren Waldbauliteratur, z. B. den
durch manche waldbauliche Werke (insbes. G a y e r's Waldbau, Borggreve's Holz-
zucht u. a.) angeregten Debatten, sowie aus der Behandlung einschlägiger Probleme
in einer grossen Reihe von Forstversammlungen der letzten Jahrzehnte^®). Selbstver-
ständlich wird dem aufmerksamen Beobachter der Umschwung der Anschauungen auch
im W^alde vielenorts sofort erkennbar. Man hat sich davor zu hüten, dass man nicht
von einem Extrem in's andere fällt. Da übrigens die bezügliche Diskussion ebensosehr,
wenn nicht vornehmlich, dem vierten Abschnitt, der von den Betriebssystemen handelt,
angehört, so sei näheres Eingehen auf dieselbe letzterem überwiesen.
II. Reihenfolge der Kulturen.
§ 20. Passende Verteilung der einzelnen Kulturarbeiten auf die einzelnen
Jahre und die in denselben verfügbare Zeit ist erforderlich. Die Kürze der Kul-
turzeit, die Beschaffenheit des Kulturraaterials und die Rücksicht auf die Arbeits-
kräfte beschränken den Wirtschafter oft in seinen Dispositionen, und es kommt
bei den Anordnungen über die Reihenfolge der vorzunehmenden Arbeiten darauf
an, diejenigen zunächst zu bedenken, welche entweder an einen bestimmten Zeitpunkt
gebunden sind oder sich als die für den Gesamtwirtschaftsbetrieb wichtigsten er-
weisen. Im allgemeinen gilt der Grundsatz, Nachbesserungen tunlichst bald vorzu-
nehmen, da dieselben, wenn verschoben, meist nur mit grösseren Kosten und oft nur
mit geringerer Aussicht auf Erfolg ausgeführt werden können. Dasselbe gilt von der
Einsprengung von Mischhölzern in die Schläge. Im übrigen ist denjenigen Kultar-
flächen, auf welchen Bodenversclilechterung zu befürchten ist, die nächste Sorge zuzu-
wenden, während ausserdem solche Flächen baldmöglich mit einem vollkräftigen Be-
stände zu versehen sind, welche den grössten Zuwachs versprechen, deren zeitweiliges
Liegenlassen also den grössten Verlust mit sich bringen würde. Eine den örtlichen Um-
ständen entsprechende Verteilung der Arbeiten auf Herbst und Frühjahr ist besonders
wichtig. Man beachte überdies, dass manche Holzarten (Lärche u. a.) verpflanzt sein
sollten, bevor sie ihre Knospen öffnen, während mit anderen (Fichte) noch ohne beson-
deren Nachteil kultiviert werden kann, nachdem sie schon kleine Triebe gebildet haben ^').
Im allgemeinen stellt man im Frühjahr gern die Pflanzungen den Saaten voran.
III. Rücksichten auf den Boden und die Bestandeeerziehung.
§ 21. Solche sind ad B, 1, e (S. 442) und 2, b und g (S. 444 und 445) bereits
36) Vergl. Bericht über die XIII. Versammlung deutscher Forstmänner zu Frankfurt
am Main 1884 (Verlag von Sauerländer 1885), insbes. S. 48 ff. Referat von Lorey über
das Thema: „In welchem Stadium befindet sich dermalen die Frage der natürlichen Ver-
jüngung". Daselbst sind u. a. auch eine Anzahl Aeusserungen aus der neuesten Literatur,
sowie aus Versammlungs-Verhandlungen angeführt.
37) Vergl. Dr. Walther, „Wann sollen wir die Nadelhölzer verpflanzen**? Allg.
F.- u. J.-Z. Y. 1887, S. 112 ff.
Die Bestandesbegründung. § 22. 447
angedentet. Sie finden ihren Ausdruck in dem „Masse der Bestand esdichte'^,
für dessen Wahl übrigens daneben auch Kücksichten des Forstschutzes, der Forstbe-
nutzung, der Rentabilität, sowie der Betriebsart bestimmend sind. Bodenpilege und
Bestandeserziehung sind nicht zu trennen, da erstere für eine gute Bestandesentwicke-
lung die unerlässliche Bedingung ist.
Im allgemeinen ist möglichst baldiger Bestandesschluss anzustreben, insbesondere
auf trockenen, mageren, exponierten und zu Unkrautwuchs neigenden Standorten. Hier
wird man also in der Kegel dichter säen und pflanzen. Man wird insbesondere bei der
Kultur mit langsam wüchsigen Holzarten auf einen von vornherein dichteren Stand der
Pflanzen abheben. Das nämliche gut als Regel vom Hochwald im Vergleich mit be-
stimmten Formen des Niederwalds, wie z. B. Eichenschälwald, Kastanienstockschlägen,
ebenfalls mit Rücksicht auf die gewünschte Bestandesentwickelung. Vielfach sind auch
die Absatzverhältnisse massgebend. Kann man, wie häufig in der Nähe grosser Städte,
auch geringes Zwischennutzungsmaterial gut verkaufen, so wird ein engerer Stand der
Jangwüchse unter umständen lohnend, der in verkehrsarmer Waldgegend als Ver-
schwendung erscheinen müsste. Lebhafter Handel mit Bohnenstecken und insbesondere
Hopfenstangen sind Veranlassung, auf reichlichen Anfall dieser Sortimente, event. durch
dichtere Pflanzung, hinzuarbeiten. Dichter Stand in der Jugend liefert überdies ast-
freie, gerade und vollholzige Schäfte ^®), wogegen freierer Stand ein rascheres Erstarken
der Einzelindividuen zur Folge hat; hierdurch kann unter Umständen die grössere
Massen- und Wertproduktion bewirkt werden. Die Beachtung gewisser Nebennutzungen,
welche, wie z. B. Gras, bei lichterer Stellung reichlicher anfallen, spielt meist eine
untergeordnete Rolle.
IV. Beziehungen zun Forstschutz und zur Forstbenutzung.
§ 22. Unter ersteren mögen die Rücksichten auf Schneedruck in vorderster Linie
genannt werden, sofern Jungbestände vor der ersten Reinigung besonders dann hierunter
zu leiden haben, wenn sie sehr dicht geschlossen erwachsen und infolge dessen die ein-
zelnen Pflanzen nicht gehörig erstarkt sind. Im weitern Verlauf hat die Bestandes-
erziehung einzutreten (zu vergl. u. a. dritter Abschnitt Kap. 1 u. 2). Dagegen bietet
dichter Stand eine gewisse Sicherung gegen die Beschädigungen durch Wild, weil datin
(z. B. beim Abäsen und Schälen durch Rotwild) eher zu hoffen ist, dass eine zur Be-
standesbildung genügende Anzahl unbeschädigter Pflanzen übrig bleibt. Ausserdem sind
u. a. auch die Fragen der Aneinanderreihung von Kulturflächen, des zeitweisen Liegen-
lassens derselben ohne Bebauung mit Rücksicht auf Insektenschäden (Rüsselkäfer), der
Anzucht frost- und hitzeempfindlicher Holzarten unter Schutzbestand solche, durch
welche Bestandesbegründung und Forstschutz in Beziehung zu einander treten.
Die Forstbenutzung wird insbesondere beim Holzemtebetrieb berührt: Fällung,
Herausschaffen des Holzes an die Schlagränder u. s. w. An dieser Stelle sei besonders
hervorgehoben, wie wichtig es im Sinne leichten Holztransportes ist, die dafür nötigen
Wege, soweit sie noch fehlen, bereits bei Vornahme der Kulturen, wenigstens in Ge-
stalt schmaler Niveaupfade vorzusehen. Ist die Hege herangewachsen, so bereitet das
Abstecken der Wege oft grosse Schwierigkeiten, während die Arbeit, so lange man
über die junge Kultur hinwegblicken kann, eine leichte ist.
38) Nicht auch längere! Zu vergl. hierüber u. a. von Guttenberg: „Ueber den
Einfluss des Bestandesschlusses auf den Höhenwuchs und die Stammform", österr. Viertel-
jahrsschrift V. 1886, S. 103 ff.
448 IV. Lorey, Waldbau.
V. Ruoksichten der Forsteinriohtung.
§ 23. Solche kommen, wie bereits früher angedeutet wurde, einmal in Betracht
bei der Wahl zwischen künstlicher und natürlicher Verjüngung und zwar als Bezieh-
ungen, welche in der Hauptsache durch die Wahl der Betriebsart vermittelt werden;
sodann bei der Schlaganlage, also bei der Eeihenfolge, in welcher die einzelnen Be-
stände in Verjüngung zu nehmen sind. Die bezüglichen Momente sind in der Forst-
einrichtung des Näheren zu eröi*tem. In erster Linie wird dabei neben der Beschaffen-
heit der Bestände (Weiserprozent) die Sturmgefahr (Verjüngung der herrschenden
Windrichtung entgegen, Deckung durch vorliegende Bestände, event. zeitige Ijoshiebe),
dann aber auch der Holzabsatz (Verteilung desselben auf verschiedene Orte eines Reviers,
gleichmässig leichte Bedarfsbefriedigung für umwohnende Konsumenten etc.), die Be-
weglichkeit der ganzen Wirtschaft (Operieren mit einer Mehrzahl kleinerer Objekte,
zahlreiche Hiebszüge) u. s. w. massgebend.
Zweites Kapitel.
Natürliche Bestandesbegrtlndung.
Vorbemerkung. Die allgemeinen Gründe für und gegen natürliche Verjüngung sind
im ersten Kapitel dieses Abschnitts ad I, B, 1 (§ 17) angegeben worden. Die Vorfrage
lautet immer: ist die Bestandesbegrtindung auf natürlichem Wege überhaupt möglich?
Aus der Bejahung folgt dann aber noch keineswegs, dass sie auch rätlich sei. Die^ellK'
etwa durch überlanges Abwarten erzwingen zu wollen, wäre ein ebenso grosser Fehler,
wie der Verzicht auf dieselbe da, wo sie uns ohne besondere Kosten einen guten Nach-
wuchs oder gar Bestände liefern würde, welche den auf andere Weise begründeten über-
legen sind.
A. Naturliche Verjüngung durch Samen.
I. Kahlschlag mit Randbesamung.
§ 24. Die Mutterbäume, in geeigneter Zahl und Beschaifenheit , insbesondere
also im samenfähigen Alter — (Mannbarkeit; bei jeder natürlichen Samen Verjüngung
am besten weder zu früh, d. h. so lange die Bäume schwach und unregelmässig fruk-
tifizieren, noch erst sehr spät im überhaubaren Alter benutzt, wo dann die räumlichere
Stellung im Verein mit Boden Verwilderung oft ein Hindernis für normale Verjüngung
bietet) — stehen seitlich an der Verjüngungsfläclie. Man erwartet das üeberfliegen
der Samen auf dieselbe, was aber nur für leichte, besonders für beflügelte Samen (Na-
delhölzer, Ahorn, Esche, Hainbuche), mit hinreichender Sicherheit zu unterstellen ist.
Ueberdies dürfen jedesmal nur schmale Absäumungen am Rande des Samenbestandes
(in der Windrichtung, damit der Samen vom Winde der Kahlfläche zugetragen wird;
am Hang womöglich von oben nach unten) stattfinden ; meist stellt sich eine ungleich-
massige Ansamung auf der Fläche ein. Schwierigkeiten entstehen durch inzwischen
angesiedelte Unkräuter, Stockausschläge (oft recht hinderlich!) u. s. w. ; gleichwohl
ündet man diese Ai*t der Verjüngung hie und da in kleinem Umfange mit Erfolg durch-
geführt, wenn die Erfahrung ihre Zulässigkeit nachgewiesen hat oder wenn die Um-
stände den Aufwand für künstliche Kultur nicht gestatten, während man doch (etwa
aus Rücksichten der Holzbringung) von dem Kahlhieb nicht absehen möchte. Nach-
besserung mittels künstlicher Kultur ist oft erforderlich. Von grösserer Bedeutung
wird diese Art der Verjüngung nicht oft.
Als ein Spezialfall der Randbesamung sind diejenigen sog. Kulissenhiebe zu
betrachten, bei welchen zum Zweck der Verjüngung streifenweise abwechselnd 10 — 30 m
Die Bestalldesbegründung. § 25. 449
breite Kablbiebe geführt and Bestandesteile dazwischen stehen gelassen werden. Von
letzteren ausgehend soll die Besamung der Kahlstreifen stattfinden. Dass dies, wenn
Mastjahre und günstige Witterung zu rechter Zeit eintreten, sowie Unkrautwuchs, Boden-
verödung etc. nicht hinderlich wird, mit Erfolg geschehen kann, ist zuzugeben. Ebenso
sicher ist aber auch, dass die geschlossen bleibenden Bestandespartien, welche mit Rück-
sicht auf die Bewegung des Samens meist mit der Breitseite dem Winde entgegenstehen,
oft der Sturmgefahr preisgegeben und überdies in sich zunächst nicht mit den Bedingungen
einer guten Naturbesamung ausgestattet sind ; selbst wenn man, um gleichzeitig mit der von
ihnen ausgehenden Randbesamung für sie selbst zu sorgen, einen normalen Samenschlag aus
ihnen stellen wollte, wäre das Resultat ungewiss. Es wäre u. a. fraglich, ob das erzeugte
Samenquantum für die Gesamtüäche ausreichen würde. Kommt nun hinzu, dass tatsäch-
lich die Kulturerfolge mittelst der Kulissenhiebe auch bezüglich der Kahlstreifen vielfach
nicht befriedigen (Mangelhaftigkeit insbes. an den Rändern, Holzabfuhr, Insekten u. s. w.),
so bleibt ein Grund, dieselben zu empfehlen, kaum übrig, man geht vielmehr besser ent-
weder vollständig zur Freikultur oder zur Samenschlagstellung für die ganze Fläche über.
Mit anderen hat namentlich Borggreve — Holzzucht S. 126 ff. — auf Grund
der Beobachtung, dass man während der letzten 10 — 20 Jahre in den norddeutschen Kiefer-
ebenen mehrfach in grösserem Umfang dem Kulissenhieb in der Praxis der Kiefern Verjüngung
Raum gewährt habe, sehr energisch gegen denselben Front gemacht. — Zu vergleichen übri-
gens Danckelmanns Bemerkungen hierzu, Zeitschr. f. F.- u. Jagdwesen, S. 66 ff. von 1887. —
Der Kampf gegen die Kulissenschläge wird nicht sowohl in erster Linie gegen die
vorstehend geschilderten Hiebsführungen unternommen, bei welchen ausschliesslich oder
doch ganz vorwiegend durch Randbesamung die Wiederbestockung erwartet wird, sondern
allgemein gegen das Prinzip derartiger Wechselstellung von Kahlfläche und Bestandes-
streifen, also insbes. auch dann, wenn, wie in der Mehrzahl der Fälle, künstliche Kultur,
z. B. Pflanzung mit 1jährigen Kiefern auf vielen preussischen Kulissenschlägen (z. B.
Regierungsbezirk Bromberg), alsbald erfolgt. Von anderer Seite werden dieselben in Schutz
genommen , wenigstens für bestimmte Verhältnisse (cfr. z. B. L j o 1 1 w e g in der Zeit-
schrift für Forst- und Jagdwesen 1901, S. 323 ff.). Wenn nun auch die Kulissenver-
jüngung durch künstliche Kultur eigentlich an anderer Stelle besprochen werden sollte, so
möge doch die ganze Kulissenfrage hier ihre Erledigung finden. Es handelt sich zumeist
um Kulissen im Kiefernwald der norddeutschen Ebene, auf ärmeren Sandböden, oft bei
sehr geringen atmosphärischen Niederschlägen, bei grosser Ausdehnung der zu verjüngen-
den Flächen, woselbst mit grossen, weithin sich erstreckenden Kahlschlägen oft schlechte
Erfolge erzielt worden sind. Hier hat man (zumal in 1883 — 1897) vielfach, nach sorg-
fältig erwogenem Plane, 40 — 70 m breite Kulissenhiebe geführt und die Flächen bepflanzt,
da auf durchgehends natürliche Verjüngung der Schläge nicht zurückgegriffen werden wollte.
Einige Wuchsbehinderung durch Beschattung und Rückstrahlung an den Rändern sei zwar
erfolgt ; RandlichtuQg mindert diese Schädigung. Schütte, Insektenschäden, Windwurf seien
nicht gesteigert, auch Fällungsschwierigkeiten ergeben sich nicht ; vielfach seien einwand-
freie Jungwüchse entstanden.
Aus diesen Andeutungen ergeben sich ganz klar die einzelnen Einwendungen, welche
(zum Teil auch oben schon) gegen die Kulissenhiebe erhoben werden. Als allgemein an-
zuwendende Form der Verjüngung kann man sie um so weniger empfehlen, da man mit
Schmalschlägen, über welche später (unter der Rubrik „Kahlschlagbetrieb") zu sprechen
ist, in vollkommen wirksamer Weise den Nachteilen grosser Kahlhiebe vorbeugen kann.
II. Die Mutterbäume stehen auf der Verjüngungsfläche.
§ 25. 1. Allgemeines. Die Mutterbäume dienen nicht nur der Begründung
des neuen Bestandes durch ihren Samenabfall, sondern beschirmen auch den jungen
Aufschlag. Wesentlich von dem Einfluss dieser Ueberschirraung hängt es ab, ob man
von der Eigenschaft der Altholzstämme, Samen auszustreuen, überhaupt Gebrauch machen
will oder nicht. Jener Einfluss lässt sich aber folgend ermassen definieren ^^) : Er trifft
39) Zu vergl. Borggreve, „Holzzucht" S. 74 ff*. Daselbst findet sich eine sehr
vollständige Andeutung der Einzelmomente, welche zur „Gesamtwirkung der Beschirmung*
zusammentreten. Der Vielgestaltigkeit der Kombinationen gegenüber ist eine allseits er-
schöpfende Behandlung kaum denkbar. Immerhin lassen sich gewisse, stets wiederkehrende
and allgemein festzuhaltende Gesichtspunkte nicht schwer gewinnen.
Hftndbuoh d. Fontw. 2. Aufl. I. 29
450 IV. Lorey, Waldbau.
den Boden und trifft die den Boden bekleidenden Pflanzen, in specie also auch die
Holzpflanzen, auf deren Nachzucht wir abheben. Ueberdies wird das Tierleben auf der
Kultnrfläche durch das Vorhandensein eines Kronenschirms von Mutterbäumen berührt.
1. Der Boden. Im grossen und ganzen ist der Einfluss der Ueberschirmung gänsti«!:,
es sei denn in sehr nassen Lagen, deren Wasseriiberschuss beseitigt werden muss. In
Betracht kommen hauptsächlich die W^irknngen der Sonne, der atmosphärischen Nieder-
schläge, der Winde, und zwar sämtlich in Absicht auf Bodenwärme und Bodenfeuchtig-
keit (und damit im Zusammenhang auf Humuszersetzung u. s. w.). Der Kronenschirm
der Mutterbäume hält Sonnenstrahlen vom Boden ab, hindert die intensive Erwärmung,
aber auch die Austrocknung desselben. Ebenso wird durch die Baumkronen ein Teil
der atmosphärischen Niederschläge vom Boden femgehalten; der Zutritt des Windes
zum Boden ist gehemmt, wodurch dem letzteren die Feuchtigkeit besser bewahrt bleibt.
— 2. Die jungen Holzpflanzen. Zu Sonne, Niederschlag und Wind gesellen
sich als wirkende Faktoren die Wärmeausstrahlung gegen den Luftraum, der Anspruch
des Oberstandes an das Nährstoffkapital des Standorts, die Unkräuter und die Tiere.
a) Die Sonne wirkt durch Licht und Wärme. Wie sich diese beiden in die Ge-
samtleistung teilen, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Jedenfalls kommt aber in
physiologischer Beziehung dem Licht ein ganz hervorragender Anteil an der Sonnen-
arbeit zu. Im Licht, wenn auch nicht in der grellsten Beleuchtung, wachsen unsere
Holzpflanzen sämtlich besser als im Schatten oder Halbschatten, vorausgesetzt, dass
alles zu ihrer freudigen Entwickelung Nötige, also namentlich Wasser, in genügender
Menge vorhanden ist, durch welches die austrocknende Wirkung (starke Verdunstung etc.)
der zugleich mit dem Licht tätigen Sonnenwärme paralysiert wird, b) Wenn die at-
mosphärischen Niederschläge den Holzpflanzen durch den Kronenschirm zum Teil
entzogen werden, so ist zwar diese Wirkung nicht ganz allgemein als eine nachteilige
zu bezeichnen, ja sie kann in längeren Regenzeiten (z. B. auf kalten, undurchlassenden
Tonböden) als eine günstige angesehen werden. Immerhin aber muss in sehr vielen
Fällen, in welchen die Rätlichkeit einer natürlichen Verjüngung bezweifelt wird, wie
z. B. für die Kiefer auf Sandboden, die Zurückhaltung der atmosphärischen Nieder-
schläge durch die Baumkronen zu den bedenklichen Umständen der Ueberschirmung
gerechnet werden. Entscheidend ist der Wasserbedarf der nachzuziehenden Holzart
und hier wieder die Frage, ob in den kritischen Zeiten längerer Trockenheit über-
haupt nur durch einen Schirmstand oder in welchem Masse etwa durch einen solchen
besser für die Erhaltung der nötigen Feuchtigkeit gesorgt wird. Dass im allge-
meinen unter einem noch nicht sehr stark gelichteten Kronenschirm der Mutterbäume
mehr Feuchtigkeit verfügbar und damit die Gefahr durch Trockenheit geringer ist,
darf wohl als wahrscheinlich angenommen werden, c) Der WM n d wirkt auf die Holz-
pflanzen austrocknend, d) Die Wärmeausstrahlung kommt einmal in Betracht
wegen der Spätfröste (klarer Himmel, ruhige Luft), sodann wegen der Taubildung.
Die Wirkung des Kronenschirms ist ersteren gegenüber unzweifelhaft günstig (jeden-
falls eines der wichtigsten, für viele Lokalitäten das entscheidende Moment), wogegen
die Beeinträchtigung der Taubildung nachteilig ist. e) Die Beteiligung der Mutter-
bäume und andererseits der Forstunkräuter am Nährstoffkapital des Stand-
orts (Wurzel- und Luftraum) muss , sobald eine gewisse Grenze überschritten wird,
den jungen Holzpflanzen nachteilig werden. Geht man davon aus, dass der noch ge-
schlossene Altbestand alles, was an Nährstoffen verfügbar ist, für sich ausnutzt, so
gestattet erst eine Durchlichtung desselben die Entwickelung eines Jungwuchses ; doch
genügt hiefür (d. h. nur im Sinne unmittelbarer Ernährung) zunächst eine sehr massige
Schlussunterbrechung. Alsbald tritt dabei auch die Konkurrenz seitens der Forstun-
Die Bestandesbegründung. § 2ö. 451
kränter anf, welche bei jeder stärkeren Lichtnng, aaf gutem wie auf schlechtem Boden,
bedenklich werden können. Durch Bescbirmung lassen sich viele derselben — Ausnahmen :
z. B. die Heidelbeere — bekämpfen. Dass die schädigende Wirkung der Unkräuter,
ausser auf der Inanspruchnahme der Nährstoffe und insbesondere der Feuchtigkeit des
Bodens, auch auf der Beschattung (Verdammung) der Holzpflanzen durch dieselben be-
ruht, ist unzweifelhaft ; in welchem Masse das eine oder das andere der Fall ist, kann
überhaupt nicht und am wenigsten allgemein angegeben werden *'^). Je nach der Art
und Menge des Unkrautes kann dasselbe den Schutz der Holzpflanzen gegen Frost,
Austrocknung etc. übernehmen, f) Bezüglich schädlicher Tiere ist an die durch Ueber-
schirmung geminderte (event. verhütete) Gefahr durch Mäuse, Engerling, Küsselkäfer
zu erinnern. Bodenfrische unter dem Schirm von Mutterbäumen fördert, wenn die
nötige Wärme nicht fehlt, die regelmässige Streuzersetzung, die höchst wirksame Ar-
beit der Regenwürmer u. s. w.
Nach vorstehenden Andeutungen scheint es, als ob der Kronenschirm der Mutter-
bänme im grossen und ganzen, bezw. in den weitaus meisten Fällen der Entwickelung
des Jungwuchses förderlich sei, d. h. es würde hieraus die natürliche Verjüngung als
Regel zu folgern sein; immerhin kann der Freihieb durch vermehrte Niederschläge,
Taubildung, Licht und Wärme im speziellen Falle günstig wirken. Man hat also zu
erwägen, welche Momente jeweils die wichtigsten sein werden, bezw. welche derselben
in dem allein entscheidenden Gesamteffekt der Beschirmung, in welchem die vielgestal-
tigsten EinzelwLrkungen vereinigt sind, nach Lage der Umstände voraussichtlich einen
vorwiegenden Einfluss äussern werden.
Die ganze Frage ist, wie S. 442 schon angedeutet wurde, überhaupt nur hinsicht-
lich eines Teils unserer Holzarten eine kritische, sofern bei Tanne und Buche kaum
jemand ohne Not von der natürlichen Verjüngung Abstand nehmen wird, während man
manche andere Holzarten, zumal so entschieden lichtbedürftige wie die Lärche, meist
durch Pflanzung an die Orte bringen wird, wo man ihrer bedarf. Auch die Eichen,
Esche, Ahorne sind keine für die allgemeine Entscheidung — pro oder contra natür-
liche Verjüngung — massgebenden Holzarten, schon wegen des im ganzen nicht grossen
Gebietes, in welchem sie wirklich in der Wirtschaft führende Holzarten sind. Dagegen
liegt bei der Fichte die Frage kritisch. Bei ihr hat man vielfach die Möglichkeit der
natürlichen Verjüngung, und, wo man von letzterer abgeht, könnte die Angabe der
Gründe dafür gefordert werden. Die weitaus erheblichsten Zweifel aber gegenüber der
auf natürliche Verjüngung gerichteten Forderung treten uns bei der Kiefer entgegen,
deren Jungwüchse im allgemeinen keines besonderen Schutzes gegen Frost und Hitze
bedürfen und sich im vollen Lichtgenuss unzweifelhaft freudiger entwickeln als unter
einem nur einigermassen dichten Kronenschinn. — Alles Nähere über die einzelnen
Holzarten im 4. Kapitel dieses Abschnittes.
In Bezug auf die allgemeinen Gesichtspunkte sei nur wiederholt daran erinnert, dass
allein in der Durchführbarkeit einer natürlichen Verjüngung deren vollgiltige Motivierung
noch nicht liegen kann; dieselbe darf vielmehr, um gerechtfertigt zu erscheinen, keinen-
40) Was die Unkräuter an Nährstoffen verbrauchen, kommt nicht aus dem Wald,
sondern wird nur zeitweise gebunden. Die „ Wurzelkonkurrenz " spielt unzweifelhaft wesent-
lich mit, wirkt aber sicherlich nicht allein. Adlerfarn holt z. B. seine Nahrung aus einer
Tiefe, zu welcher die Wurzeln junger Holzpflanzen längst nicht hinuntergehen und bildet
für deren Gedeihen gleichwohl oft ein bedeutendes Hindernis. Ob's der Schatten an sich ist,
der schädlich wirkt ? doch vielleicht ! Unsere Pflanzenphysiologen vermögen in dieser Frage
auf Grund des jetzigen Standes ihrer Wissenschaft noch nicht zu behaupten: „so oder so
ist's, anders kann's nicht sein". Da haben wir Forstleute gewiss auch Grund zur Vorsicht
in unserem Urteil!
29*
452 IV. Lorey, Waldbau.
falls weniger leisten als die künstliche Bestandesbegrflndung , und als Massstab dient die
Gesamtwertserzeugung auf gegebener Fläche unter voller Berücksichtigung des Faktors
„Zeit", bezw, Umtriebszeit. Dies sei hauptsächlich deshalb nochmals betont, weil neuer-
dings mehrfach für längeres Warten auf natürliche Besamung (bes. im Kiefernschirmschlag)
plaidiert wird, indem für zeitweiliges Fehlschlagen derselben auf den Lichtungszuwachs
am Oberstand als einen genügenden Ersatz hingewiesen wird. Ist dieses bewusste, lange
Zuwarten gleichbedeutend mit Verlängerung der Umtriebszeit über die normale Dauer
hinaus — (ob dieselbe an sich hoch oder niedrig bemessen ist, kommt dabei nicht in Be-
tracht) — , so ist es allgemein zu verwerfen ; denn ebenso wenig, wie der Wald der Um-
triebszeit wegen da ist, darf die Ordnung und Uebersichtlichkeit und die in einer irgend-
wie, aber doch jedenfalls immer unter Berücksichtigung aller nach der Auffassung des
Wirtschafters bezw. Waldbesitzers massgebenden Faktoren, bestimmten Umtriebszeit ihren
Ausdruck findende höchste Kentabilität geopfert werden der natürlichen Verjüngung zu-
liebe. Wo letztere gar nur zweifelhaften Erfolg verspricht, darf nicht bloss die künst-
liche Verjüngung unter Schirmstand, sondern auch der Kahlschlag in vielen Fällen die
Konkurrenz ganz beruhigt aufnehmen. Die Losung: „Fort mit jedem Kahlschlag"! ist
jedenfalls als eine einseitige Auffassung waldbaulicher und gesamtwirtschaftlicher Verhält-
nisse anzusehen und beruht auf weitgehender Nichtbeachtung umfangreicher wirtschaft-
licher Erfolge, wie sie tatsächlich doch auch mit dem Kahlschlage erzielt sind !
Die natürliche Verjüngung durch einen auf der Fläche stehenden Mutterbe^stand
scheidet sich in die drei charakteristischen Formen des Schirraschlagbetriebs *^), Femel-
schlagbetriebs und Femelbetriebs.
Die Charakteristik dieser 3 Betriebsarten findet sich im IV. Abschnitte. An
dieser Stelle genügt zum Verständnis die Bemerkung, dass der Schirmschlagbe-
trieb die Verjüngung auf grösserer Fläche gleichzeitig und gleichmässig in Angriff
nimmt und womöglich (grundsätzlich wenigstens) mit Hilfe einer einzigen Mast durch-
führt, so dass ein gleichalter und gleichartiger Jungbestand ersteht ; dass dagegen der
Femelschlagbetrieb zunächst über die zu verjüngende Fläche hin zerstreute
Verjüngungszentren schafft, diese durch noch nicht angegriffene Teile des Altbestandes
getrennten Partien zuerst verjüngt und von ihnen aus allmählich unter Benutzung
einer Reihe aufeinanderfolgender Samenjjihre ringsum vorschreitet, stets neue Angriffs-
orte einschaltet, so nach und nach den ganzen Bestand aufrollt. Der Benutzung ver-
schiedener Masten entsprechend ist der Jungbestand ans ungleichalterigen Gruppen und
Horsten zusammengesetzt, die, dem Verjüngungsgange gemäss, nicht mit steilen Rän-
dern aneinanderstossen , sondern gewissermassen in einander überfliessen sollen. Im
Femelwalde endlich stehen alle Altersklassen auf der Flächeneinheit untereinander,
die Verjüngung knüpft sich jeweils an den Aushieb einzelner Stämme bezw. Gruppen
von solchen; bis alle Teile des Bestandes durch neue ersetzt sind, vergeht die ganze
Umtriebszeit, alle Samenjahre während derselben tragen dazu durch Lieferung von
Jungwüchsen bei; der neue Bestand enthält wiederum alle Altersklassen.
§ 26. 2. DieVerjüngung im Schirm schlagbetrieb. Die einzelnen
Stadien derselben lassen sich so charakterisieren, dass zunächst einige Zeit vor dem
Abtriebsalter {:= normale Umtriebszeit = Jahr der Schlagbesamung, wenn alles ganz
normal, bezw. schematisch verläuft), die üeberführung des bis dahin regelmässig durch-
forsteten Vollbestandes in den Zustand etwas stärkerer Kronendurchlichtung erfolgt
— Vorbereitungshieb, Vorhiebsschlag, Vorlichtungen ; dass dann unmittelbar zum Zweck
der Besamung ein weiterer Eingriff in die Bestandsmasse stattfindet — Samenschlag;
endlich dass nach eingetretener Besamung, je der Entwickelung des jungen Aufschlags
oder Anflugs entsprechend, die Mutterbäume (früher oder später, langsamer oder rascher)
entfernt werden — Auslichtungsschlag, Schlagabräumungen oder Nachlichtungshiebe.
41) Femelschlagbetrieb Heyers; cfr. diesen Abschnitt, 1. Kap. I, A, 2.
Die BestandesbegrOndung. § 26. 453
Man geht also von einem bestimmten Jahre aus, in welchem man die Besamung
wünscht*^). Die zum Zweck der Verjüngung auszuführenden Massnahmen umfassen
dann sowohl vor als nach diesem Zeitpunkt eine Reihe von Jahren, welche man in
ihrer Gesamtheit den „Verjüngungszeitraum" nennt. Der erste Eingriif in
den Bestand, welcher unmittelbar dazu bestimmt ist, die Verjüngung einzuleiten, be-
zeichnet den Anfangs-, der Hieb des letzten Mutterbaumes den Endpunkt jenes Zeit-
raums. Die Fällungen während desselben erstrecken sich auf haubares Holz. Der
Verjüngungszeitraum ist je nach den örtlichen Bedingungen bald länger bald kürzer.
Die geringste Dauer desselben ist durch die Häufigkeit der Mastjahre (Fruchtbarkeits-
zeitraum) in Verbindung mit der Länge der Zeit, während welcher der Jungwuchs des
Schutzes der Mutterbäume bedarf, gegeben; eine Erstreckung desselben ist insoweit
möglich, als der Nachwuchs die üeberschirmung in bestimmtem Masse, ohne Not zu
leiden, noch verträgt. Eine solche Ausdehnung des Ueberhaltens von Mutterbäumen
über das den besten Verlauf des Verjüngungsprozesses garantierende Mass hinaus findet
ihre Begründung, wo sie beliebt wird, ausserhalb des Gebietes des Waldbaues (z. B.
längerer Bezug eines Lichtungszuwachses an den Mutterbäumen, Verteilung der Fällungen,
Ausstattung der Perioden etc.). Diejenige Holzart, bei welcher sich der scharf ausge-
prägte Scbirmschlagbetrieb — in Bayern neuerdings vielfach „Dunkel schlagbetrieb"
genannt, was als glückliche Bezeichnung nicht gelten kann) — am häufigsten findet,
ist die Rotbuche.
a). Der Vorbereitungsschlag. Der Uebergang aus den Durchforstungen
in den Vorbereitungshieb, bezw. in die Vorbereitungshiebe — (denn sehr oft, ja meist
w^erden die bezüglichen Fällungen nicht auf einmal vorgenommen) — kann ein allmäh-
licher sein. Manchmal wird er geradezu durch das Mass auch der stärksten Durch-
forstungen überschreitende Lichtungshiebe vermittelt, so dass dann die scharfe Grenze
ganz fortfällt. Andererseits kommen Fälle vor, in welchen die Besamung erfolgt, ohne
dass Lichtungshiebe oder eigentlicher Vorbereitungsschlag dieselbe eingeleitet haben;
sie vollzieht sich aus dem noch geschlossenen Bestände heraus. Dann spricht man von
einer „Verjüngung aus vollem Ort". Der Zweck des Vorbereitungshiebs ist, die für
die Besamung besten Bedingungen herzustellen und zwar in Absicht auf den Boden
sowohl wie auf den Bestand. Der letztere soll so beschaffen sein, dass er im Moment
der Besamung nicht nur das für diese erforderliche Material an Mutterbäumen, sondern
auch eine solche Anzahl von Stammindividuen enthält, wie sie für den dem Boden und
demnächst dem jungen Aufschlag zu gewährenden Schutz nötig ist. Die auf Herbei-
führung dieses Bestandeszustandes abzielenden Fällungen abzuschliessen, ist später die
Aufgabe des Besamungsschlages; letzteren vorbereiten wollen die Vorhiebsschläge und
zwar, indem sie durch allmähliche vorsichtige Durch lichtung des Kronenschlusses stär-
kere Kronenentwickelung der stehenbleibenden Stämme, erhöhten Zuwachs, event. reich-
liches Fruchttragen *3) , sowie grössere Standfähigkeit derselben zu bewirken suchen.
Hierbei greift der Hieb womöglich (d. h. ohne Löcher zu schaffen) zuerst solche Holz-
42) Dass dieselbe tatsächlich nicht immer gerade in diesem Jahre eintritt, sondern
bald etwas früher, bald etwas später erfolgt, bezw. dass man nicht auf das Einzeljahr,
sondern auf einen durch örtliche Erfahrung bekannten, bald längeren bald kürzeren Zeitraum,
innerhalb dessen man durchschnittlich eine genügende Mast erwarten darf, alle auf die Ver-
jüngung abzielenden Operationen einrichtet, bedarf kaum der Erwähnung. Für die Dar-
stellung des normalen Verlaufs darf man aber anstandslos alles auf das normale Besamungs-
jahr beziehen.
43) Reichliches Fruktifizieren und Bildung eines starken Jahresringes schliessen sich
nicht immer aus; sonst müsste jedes Samenjahr sich rückwärts durch einen engen Jahres-
ring nachweisen lassen.
454 IV. Lorey, Waldbau.
arten, welche zur Besamung nichts beitragen sollen (z. B. Hainbuchen in Mischbestän-
den mit der Rotbuche , wenn man demnächst keine oder nur wenige Hainbuchen im
Jungwuchöe wünscht). Ausserdem werden schon beim Vorbereitungshieb fehlerhafte
Stämme, wie tief gegabelte, drehwüchsige, femer, soweit tunlich, überalte, schwere
Stämme entfernt, welche für eine gleichmässige Schlagstellung stets hinderlich sind und
überdies, wenn ihr Aushieb erst stattfindet, nachdem die Besamung bereits erfolgt ist,
oft durch ihren Fall, das Aufarbeiten und Anrücken schwere Beschädigungen der Jung-
wüchse herbeiführen. Die Besamung hat in der Hauptsache von den Stämmen der
kraftvollen, normalen, mittleren Klassen auszugehen. Schwaches, besonders unter- und
zwischenstitndiges Material ist, soweit es nicht etwa durch zu dichten Stand die Be-
samung beeinträchtigt, zu erhalten, weil es meist zur Schaffung eines Schirmdaches
trefflich geeignet ist und auch später noch, ohne besondere Gefährdung des Aufschlags
durch die Fällung, leicht ausgezogen werden kann. Auch im Sinne gleichmässiger Ver-
teilung der Fällungen, der Etatserfüllung, wenn die Mast fehlschlägt u. s. w., sind die
Vorbereitungshiebe äusserst schätzenswert, indem sie dann vielleicht weiter ausgedehnt
werden können und durch ihren Holzanfall zur Ertragsausgleichung dienen. Mithin
sind dieselben im allgemeinen nicht sowohl als eine „angängige oder bedingungsweise
vorteilhafte'^, sondern als eine notwendige Massregel zu betrachten, die uns insbesondere
auch die erforderliche Beweglichkeit in der Wirtschaft sichert.
Gleichzeitig wird durch diese Hauungen auch, wie oben schon angedeutet wurde,
eine Wirkung auf den Boden ausgeübt, da sich eine Unterbrechung des Kronenschlusses
stets durch Veränderungen im Zustand der Bodenoberfläche (raschere Zersetzung der
Streuschicht, Begrünung) kennzeichnet. Der Boden wird hierdurch oft erst für die
Aufnahme des Samens empfänglich. Eine genügende Bodeugare, d. h. entsprechend
weit vorgeschrittene Zersetzung der Streudecke, die Beseitigung etwa vorhandener
Rohhumusmassen ist erforderlich, wenn die Mast gut anschlagen soll. Wieweit die
Kronenschlussunterbrechung speziell zur Herbeiführung jenes Bodenzustandes gehen
muss, ist nach Lage des Falles (Art der Streudecke, Bodenschicht, Feuchtigkeit etc.)
verschieden; im ganzen sind langsame Vorbereitungshiebe zum Zweck der Bodenvor-
bereitung plötzlichen, stärkeren Eingriffen vorzuziehen. Geeignete Hiebsführung sollte in
der Regel die besondere Bodenbearbeitung unnötig machen. Eine solche ist jedoch nicht
immer ganz zu umgehen, zumal auf geringeren Standorten, und besteht dann nament-
lich im Entfernen von Moospolstern (Poly.trichum commune), welche die Samen, bezw.
die aus denselben sich entwickelnden Würzelchen nicht zum mineralischen Grund ge-
langen lassen, im Grobschollighacken (Kurzhacken) u. dergl. **), Massregeln, die oft nur
streifen- oder stellenweise erforderlich werden. Auch Schweineeintrieb kann sich unter
Umständen sehr empfehlen. Da und dort ündet auch auf besten Böden grundsätzlich
immer eine Bodenbearbeitung statt, damit in jeder denkbaren Weise eine gute Besamung
und die rasche Entwickelung der Keimpflanzen befördert wird (Buchenverjüngung in
Dänemark als Beispiel**^).
Im grossen Durchschnitt wird das Richtige getroffen sein, wenn der Vorbereitungs-
hieb ^/ö — V» dßs bis dahin kräftig durchforsteten Bestandes an Masse entnimmt. Er
erstreckt sich auf die demnächst in Samenschlag zu stellende Fläche. An den Schlag-
rändem ist der Bestand (gegen Sonne und Wind) besonders dunkel zu halten. Vor-
44) So finden sich z. B. im geschlossenen Buchenort auch nicht selten Laubschichten
von solcher Mächtigkeit, dass in ihnen zunächst zur rascheren Reduzienmg derselben eine
etwas lebhaftere Zersetzungstätigkeit wachgerufen werden muss. Eventuell muss die Laab-
schichte teilweise entfernt werden. Hie und da teilweises Unterpflügen derselben — (Vogelsberg).
45) Darauf wird bei spezieller Besprechung der Rotbuche zurückgekommen werden.
Die Bestandesbegründung. § 26. 455
sichtige Fällung ist ebenso selbstverständlich, wie etwa die Verschonung der der Ver-
jüngung entgegenzuführenden Bestände mit Streunutzung u. dgl.
Ob und inwieweit etwa von früheren Masten her bereits vorhandener Aufschlag
oder Anflug bei der allgemeinen Bestandes Verjüngung mitbenutzt werden kann und soll,
bleibt späterer Erörtemng vorbehalten.
b) Samenschlag: Wenn die Vorbereitungshiebe im Bestand noch nicht den-
jenigen Grad der Durchlichtung herbeigeführt haben, welcher für die eigentliche Be-
samung und demnächstige Beschirmung des Aufschlags während der ersten Zeit nach
der Keimung erwünscht erscheint, wird durch einen besonderen Hieb, den sog. Besa-
roungsschlag, nachgeholfen. Man könnte denselben grundsätzlich vielleicht den Vor-
bereitungshieben noch zuzählen und aus diesen unmittelbar zu den nach erfolgter Be-
samung nötig werdenden Nachlichtungen übergehen. Dadurch jedoch, dass der Besa-
mungsschlag an ein bestimmtes Jahr, dasjenige des Masteintritts, geknüpft ist, während
die Vorbereitungshiebe ohne Eücksicht auf dieses* den Bestand nur ganz allgemein für
die demnächstige Ausnutzung einer erhofTten Mast tauglich machen wollen, unterscheidet
er sich doch von denselben wesentlich. Die Vorbereitungshiebe sind, weil man nicht
sicher voraus weiss, wann sich gerade die Mast einstellen wird, in der Regel noch
nicht bis zu dem für die Besamung geeignetsten Mass der Durchlichtung vorgeschritten.
Kommt nun ein Samenjahr, so besorgt alsbald der Besamungsschlag das noch Fehlende.
Auch hierbei ist Gleichmässigkeit der Stellung anzustreben, und zwar soll der Eingriff
in den Bestand nicht stärker sein, als dass die Keimung sicher von statten geht, und
sich der Aufschlag bis zur nächsten Nachlichtung, welche in der Regel nicht vor dem
zweiten, vielleicht erst im dritten, auf die Besamung folgenden Jahre vorgenommen
werden sollte, normal entwickelt. Den Keimpflanzen ist durch ein relativ dichtes
Schirmdach zunächst die nötige Bodenfeuchtigkeit zu garantieren und jeder energische
Kampf mit vordringlichen Unkräutern möglichst zu ersparen. Ein allgemein gültiges
Mass lässt sich für die Schlagstellung nicht geben, weil dieselbe je nach Holzart, Be-
stands- und Standortsbeschafl'enheit eine verschiedene sein muss. Insbesondere kommt
es darauf an, wie weit man mit den Vorbereitungshieben schon gegangen war. Im
grossen Durchschnitt wird man eine brauchbare Stellung gefanden haben, wenn un-
mittelbar nach der Besamung noch etwa 0,6 — 0,5 des normalen Vollbestandes vorhanden
sind. Moditikationen im einzelnen sind vorbehalten. Hochangesetzte Kronen z. B.,
welche mehr Seitenlicht zulassen, erfordern weniger starkes Eingreifen als kurzschaftiges
Holz; doch stockt solches meist auf geringerem Boden, weshalb man wiederum vor-
sichtiger sein muss ; Lichthölzer fordern, sofern man es mit der natürlichen Verjüngung
bei ihnen versuchen will, immerhin eine etwas kräftigere Kronendurchbrechung als
ausgesprochene Schattenhölzer, wie z. B. die Tanne ; gegen starken ünkrautwuchs hält
man den Bestand dunkler, dichter Schluss kann ebenso für trockene und magere Böden,
an steilen Hängen zur Erhaltung der Feuchtigkeit, wie unter Umständen gegen Ueber-
handnehmen nasser Stellen (Garex brizoides in Buchenbeständen!) angezeigt sein.
Wie schon erwähnt wurde, ist der Samenschlag erst zu stellen, wenn auf das
Eintreten der Mast mit Sicherheit gezMhlt werden darf. Seine Grösse ist zumeist von
dem häufigeren oder selteneren Vorkommen guter Mastjahre, d. h. von dem Fruchtbar-
keitszeitraum (durchschnittliches Intervall zwischen zwei Mastjahren), abhängig und
jeweils so zu bemessen, dass im jährlichen Nachhaltbetriebe innerhalb der Umtriebszeit
der gesamte Wald verjüngt wird. Von dem Fruchtbarkeitszeitraum unterscheidet sich
der durch die Dauer der Ueberschirmungsbedürftigkeit des Jungwuchses bedingte Ver-
jungungszeitraum (siehe oben). Decken sich beide, so gestaltet sich der Vorgang der
Verjüngung am übersichtlichsten. Kehren die Mastjahre, wie dies meist der Fall ist.
456 IV. Lorey, Waldbau.
in Zwischenränmen wieder, die kürzer sind als der Verjünganp^szeitranm, so kann nicht
jede Mast ausgenutzt werden. Jährliches Samentragen würde die Bildung von Jahres-
schlägen gestatten ; anderenfalls wird eine entsprechende Anzahl von Jahresschlägen in
einen Periodenschlag zusammengefasst.
Die Bodenvorbereitung, von welcher schon gelegentlich der Besprechung des Vor-
bereitungßhiebes die Rede war, wird oft mit bes. Vorteil erst unmittelbar vor dem
Samenabfall vorgenommen. Die Holzhauerei im Samenschlag sollte vor der Keimung
beendet werden. Unterbringen des Samens durch die Arbeiten der Holzernte.
c) Auslichtungsschlag: In den nach der Besamung zu führenden Hieben
liegt im allgemeinen die Haupt«chwierigkeit bei der I^eitung des Verjüngungsprozesses,
weil man in jedem einzelnen Falle die Grenze zu bemessen hat, von welcher ab die
wohltätigen Wirkungen der Beschirmung durch den Nachteil überboten werden, der
durch längeres Zurückhalten der Entwickelung des Nachwuchses ersteht. Der Gefähr-
dung durch Frost, Hitze, Unkraut u» s. w. steht also das in verstärktem Lichtgenuss
(bei genügender Bodenfeuchtigkeit) unzweifelhaft freudigere Heraufwachsen des Auf-
schlags gegenüber, und, so sehr sich einerseits Vorsicht in der Richtung empfehlen kann,
dass man der sicheren Behütung vor jenen Gefahren den höheren Wert beimisst, so
kann doch durch eine zu weitgehende Aengstlichkeit, welche den Jungwuchs zu lange
unter dem Schirmdach der Mutterbäume kümmern Ijisst, ebenwohl viel geschadet werden.
Sobald die Verjüngung planmässig eingeleitet ist, wird deren bestmöglicher rascher
Vollzug in erster Linie massgebend; das Gedeihen des neuen Bestandes, nicht die
tunlichst potenzierte Wertssteigerung im alten, ist von da ab für die Wirtschafts-
führung bestimmend, wenn auch eine möglichst günstige Kombination beider Rücksichten
stets anzustreben ist. Allmähliche Gewöhnung des Jungwuchses an freiere Stellung
durch langsames Nachbauen im Mutterbestande wird sich vielenorts empfehlen, während
in anderen Fällen ein beschleunigtes Tempo der Abräumungen erwünscht, ja notwendig
sein kann (z. B. frostfreie Lagen im Gegensatz zu Frostlokalitäten, lichtbedürftige
Holzarten gegenüber Schattenhölzem u. s. w.). Die örtliche Erfahrung ist zu befragen.
Auch ist die Holzart entscheidend, sofern ganz allgemein der Aufschlag und Anflug
von Lichthölzem zu seinem Gedeihen rascherer und energischerer Freistellung bedarf
als solcher von Schattenhölzern. Es kann als Regel gelten, dass die Lichtung im Ober-
stand nicht früher als im zweiten Winter nach der Besamung beginnt („Kräftigungs-
hieb" Grebes), nachdem die jungen Pflanzen wenigstens einigerniassen erstarkt sind.
Ganz von selbst wird die vollkommene Gleichmässigkeit in der Schlagstellung bei den
Nachhieben mehr und mehr verloren gehen. Einzelne Stellen werden vielleicht schon
früher oder doch schon vollständiger besamt sein als andere, auf einzelnen wird sich
(infolge zufällig stärkeren Lichteinfalles etc.) der Aufschlag kräftiger, unter Umständen
zu förmlichen Vorwuchshorsten entwickelt haben ; dass man diesen Partien Luft macht,
um sie noch mehr zu fördern, dass durch allmähliche, von solchen früh verjüngten
Partien ausgehende Erweiterung der im Altbestande hierdurch entstehenden Lücken
nach und nach die zwischenhinein noch stehenden Oberstandspartien zusammenschrumpfen,
bis die vollständige Schlagräumung eintritt, leuchtet ein. Von diesen mehr zufällig
entstehenden Ungleichartigkeiten im Jungbestande, welche übrigens kaum je so bedeu-
tend sind, dass sie nicht dem Auge bald wieder verschwänden, unterscheiden sich we-
sentlich diejenigen, welche als Ergebnis der Verjüngung im Femelschlagbetriebe erscheinen.
§ 27. 3. Der Femelschlagbetrieb. Wie schon auf S. 452 kurz ange-
führt worden ist, will der Femelschlagbetrieb grundsätzlich keine gleichmässig über
die ganze Abteilungsfläche sich erstreckende Verjüngung herbeiführen und demgemäss
auch keinen gleichaitigen Jungbestand erzielen, sondern erhält, indem er die einzelnen
Die Bestandesbegründang. § 27. 457
Bestandespartien nacheinander behufs ihrer Verjüngung in Angriff nimmt, unter mög-
lichst weitgehender Sicherung des Bodens, in dem erwachsenden neuen Bestand Alters-
unterschiede, welche der Länge des Verjüngungszeitraumes und der Zahl und Aufein-
anderfolge der während desselben benutzten einzelnen Masten entsprechen. Der Ver-
jiingungszeitraum ist — da die Bewältigung der Aufgabe, zumal bei vorsichtiger,
feinster Wirtschaftsführung, mehr Zeit erfordert als eine Verjüngung, bei welcher durch
wenige, über die ganze Fläche sich erstreckende Hiebe alles Erforderliche erledigt wird
— demgemäss ein meist längerer, kaum je unter 30 Jahre heruntergehend.
Der Vorgang ist im allgemeinen folgender:
Man macht planmässig da und dort stärkere Eingriffe, während die zwischen-
liegenden Partien noch intakt bleiben. Diese Einzelstellen, von welchen die Verjüngung
ausgeht, sind entweder nur grössere oder kleinere Löcher, absichtlich gehauen, vielleicht
auch mehr zufällig entstanden (Tannenwirtschaft: durch Sturm, Aushieb von Krebs-
bäumen etc.), oft ohne jeglichen Oberstand, Partien, welche nicht selten bereits besamt
sind, anderenfalls von den Randbäumen her sich leicht besamen, — oder es sind Flächen-
teile, manchmal gleich anfangs von etwas grösserer Ausdehnung, auf welchen zunächst
(wie beim Vorbereitungshieb des Schirmschlags) geeignete Mutterbäume stehen bleiben,
bis die Besamung erfolgt ist, und der junge Wuchs des Schutzes nicht mehr bedarf.
Die Schutzwirkung der Mutterbäume tritt dabei insofern zurück, als der rings um den
Janghorst noch geschlossene Bestandesrand entsprechenden Seitenschutz gewährt, so
dass die Räumung meist bald erfolgen kann. Regelmässige Figui*en sind natürlich
ebenso wenig Bedingung, wie gleichmässiger Abstand der einzelnen Verjüngungszentren
von einander, wenn auch deren annähernd gleiche Verteilung über die Gesamtfläche
sowie tunlichst die Kreisform erwünscht ist. Es muss sich eben bei der Durchführung
von Fall zu Fall alles nach den örtlichen Umständen richten; eine scharf ausgeprägte
Schablone ist ausgeschlossen. Je nach der Entwickelung der Jungwüchse und dem
Eintritt neuer Samenjahre wird dann am Rande in schmäleren oder breiteren Ringen
weiter gelichtet, neue Jungwtichse erstehen in Angliederung an die im Inneren der
Verjüngungsplätze heraufwachsenden Partien, neue Angriffspunkte werden zwischen den
alten eingeschoben, und es ist klar, wie durch solches Verfahren nach und nach der
ganze Altbestand durch junge Gruppen und Horste ersetzt wird. Grössere unbesamte
Lücken entstehen also dabei nirgends, sondern nur kleine Löcher und schmale Absäu-
mungen, deren Besamung sich leicht vollzieht, bezw. grössere, durch belassene Mutter-
bäume besamte Partien. Als Vorzug einer solchen Ungleichförmigkeit im Verjüngungs-
gange wird grösserer Zuwachs, bes. infolge bedeutenderer Boden- und Luftfrische,
vollkommenste Bewahrung der Bodenkraft, auch wohl örtlich verminderter Sturmbruch
und Windwurf bezeichnet. Zweifellos sind durch diese allmählich vorschreitende Fe-
melschlag- Verjüngung örtlich schon sehr gute Erfolge zu verzeichnen, indem man
tadellose Jungbestände in grosser Ausdehnung erzielt hat. Namentlich wird in Bayern,
wo auf Gayers energische Anregung hin die Methode ins feinste ausgebildet worden
ist, seit mehreren Jahrzehnten nach derselben vielfach gearbeitet*®). Ich habe mich
von der unbedingten Rätlichkeit dieser Wirtschaft, die vorzugsweise für Tanne und
Fichte sowie bes. für Mischbestände in Betracht kommt, noch nicht überzeugen können,
möchte vielmehr meinen, dass wenigstens in vielen Fällen eine durch den ganzen Be-
stand hindurch annähernd gleichmässige und gleichzeitige Durchführung der Verjüngung
— stets die erforderliche Durchlichtung im Kronenschirm vorausgesetzt — die nämliche
46) Der Betrieb wird zum „Femelschlagbetrieb". Man vergleiche übrigens den vierten
Abschnitt (Betriebsarten), insbesondere dessen erstes Kapitel I, A, 2.
458 IV. Lorey, Waldbau.
Wertsprodaktion an den gleichmässig verteilten, sämtlich mit gehörigem Lichtangsza*
wachs arbeitenden Mutterbäuroen erzielen müsste, nnd dabei ein allen Anforderungen
entsprechender Nachwuchs erzogen werden könnte*^). Dass bei der Gruppen verjüngimg
durch die Verteilung mehr oder minder geschlossener kleiner Beständchen über die
ganze Fläche hin vielfach bedenkliche Umstände (Frostgefahr, Gefährdung durch Stürme,
Entzug der Niederschläge etc.) herbeigeführt werden können, ist mindestens nicht aus-
geschlossen; ihre unbedingten Anhänger stehen zwar auf dem Satze, dass gerade diese
Gefahren im Femelschlagverfahren weniger bedenklich würden, und weisen zur Erhär-
tung desselben auf eine Reihe von Beispielen hin, in welchen Schädigungen wie die
angedeuteten ausgeblieben sind.
Für Schirmschlagbetrieb und Femelschlagbetrieb ist noch zu erwähnen, dass bei
der Nachlichtung solchen Partien, welche zunächst unbesamt geblieben sind, durch eine
Unterbrechung im Kronendach oft am leichtesten geholfen werden kann, dass also solche
Stellen im Bestände keineswegs immer besonders dunkel zu halten sind. Vorsichtiger
Fällungsbetrieb, mit Rücksicht auf den L^nterwuchs, ist geboten. Nachbesserung durch
Saat oder Pflanzung, Einbringen von Mischhölzern, soweit es nicht mittelst Vorver-
jüngung (z. B. Eiche im Buchengrundbestand) schon erfolgt wäre, hat zugleich mit den
Auslichtungen, bezw. baldigst nach denselben stattzutinden. Stocklöcher, im Falle der
Rodung, hieten besonders geeignete Stellen zur Einpflanzung. Der Femelschlagbetrieb
kann sich, falls nur mit ganz kleinen Löchern operiert wird, offenhar dem reinen Femel-
betrieb nähern ; er kann andererseits, wenn die Verjüngungszentren je grössere Flächen
einnehmen, und die Erweiterungsringe breit sind, mehr und mehr einer Auflösung" des
Ganzen in einzelne im Schirmschlagverfahren behandelte Teile gleichkommen.
§28. 4. Die Verjüngung im Femelbetrieb: Ein im eigentlichen Fe-
melbetrieb bewirtschafteter Wald unterscheidet sich seinem Wesen nach von dem mit
langer Verjüngungsdauer femelschlagartig (d. h. nicht gleichmässig durch die ganze
Fläche hin, sondern gruppen- oder horstweise) behandelten Walde dadurch, dass in
jenem alle Altersstufen (die Abstufungen im einzelnen in kleineren Zwischenräumen)
vertreten sind, während, wie wir gesehen, im Femelschlagbetrieb zur Gruppe je nur
Stämme von solcher Altersverschiedenheit zusammengeordnet sind, welche in maximo
gleich der Verjtingungsdauer ist*^). Hieraus ergibt sich bezüglich der Verjnngung^ im
reinen Femelwald als charakteristisches Merkmal, dass der ganze Wald gleichzeitig
— doch ohne dass in jedem einzelnen Jahre die gesamte Fläche betroffen wäre ; wohl aber
kehrt der Hieb stets in kurzen Intervallen auf die Einzelfläche wieder — in wirtschaft-
licher Behandlung steht; dass bald mit mehr, bald mit weniger Regelmässigkeit kleinere
und grössere, ältere und jüngere Partien mit einander abwechseln, indem da und dort
die ältesten Stämme genutzt werden, und an ihre Stelle Jungwüchse treten, um welche
sich, nach vorgängiger Absäumung im Altholz (ringsum oder nach einer oder mehreren
Seiten) neue Jungwüchse anlegen, so dass auf diese Weise allmählich die Verjüngung
des ganzen Waldes erfolgt. Der Prozess, welcher sich beim Femelschlagbetrieb in der
einzelnen Waldabteilung je auf die Zeit der Verjüngungsdauer konzentriert, so dass
sich im Gesamtwalde die einzelnen Periodenflächen deutlich von einander abheben, voll-
47) Vergl. G a y e r , Der gemischte Wald , 1886 , sowie Schuberg, Schlaglichter
zur Streitfrage „schlagweiser Hochwald- oder Femelbetrieb" im forstw. Centralbl. von 1886
S. 129 ff. und S. 193 ff. Diese Abhandlung von Seh., welche sich auf umfängliche exakte
LTntersuchungen stützt, ist, weil bestimmte Zahlen gegeben werden, sehr interessant; auf
dieselbe wird bei Besprechung der Betriebsarten noch einzugehen sein.
48) Näheres siehe bei der Schilderung der Betriebsarten, woselbst überhaupt die Bc^
urteilung ihren Platz findet.
Die Bestandesbegründung. § 29. 459
zieht sich im reinen Femelwalde fortgesetzt in jedem Umlauf der Hanungen; einzelne
Teile der verschiedenen Periodenflächen des Femelschlagbetriebes, bald kleinere Gruppen,
bald grössere Horste, sind im Femelwalde gewissermassen untereinander geworfen, so
dass, wenn auch keineswegs in jedem kleinsten Bestandesteile, so doch innerhalb der
einzelnen Abteilung, alle Altersklassen vertreten sind, selbstverständlich nicht durchweg
in Abstufungen von Jahr zu Jahr, sondern je nach der Häufigkeit des Eintritts von
Samenjahren in mehr oder minder ungleichen, meist je mehrere Jahre umfassenden Ab-
stufungen.
B. Natürliche Verjüngung durch Ausschlag.
§29. Vorbemerkung: Dieselbe ist nur möglich bei Holzarten mit ent-
sprechender Reproduktionskraft, schliesst also vorab die Nadelhölzer aus. Die genutzten
Bestandesteile werden durch Ausschlag aus den auf der Fläche verbliebenen Baumteilen
ersetzt, und hierdurch wird der neue Bestand erzeugt. Man unterscheidet Niederwald,
Kopfholzbetrieb und Schneitelholzbetrieb. Beim Niederwald erfolgt je die Nutzung
des gesamten oberirdischen Baumteils; die Begründung des neuen Bestandes vollzieht
sich durch Stockausschläge (event. in Verbindung mit Wurzelausschlägen) aus den im
Boden verbliebenen Stöcken mit ihren Wurzeln. Der Kopfholzbetrieb nimmt
dem einzelnen Kernwuchs einen Teil seines Schaftes; an der Abhiebsstelle brechen
Zweige heiTor, welche die nächste Nutzung, die Nutzung des „nächsten Umtriebs", und
somit gewissermassen den neuen Bestand darstellen. Infolge wiederholter Nutzung
dieser Aeste entsteht am Schaftende ein Wulst oder Kopf. Beim Schneitelbe-
trieb werden dem einzelnen Stamme nur seine Zweige und Aest-e genommen , wäh-
rend der Schaft ihm in ganzer (oder annähernd ganzer) Länge belassen wird. Die
Regeneration erfolgt durch Ausschläge an den einzelnen Aststummeln bezw. Schaft-
wanden.
I. Verjüngung im Niederwald:
1. Holzarten: Ausser sonst als Bäume erwachsenden Laubhölzern werden
auch viele strauchartige, als Kleinnutzhölzer, Faschinenhölzer u. dgl. verwendbare Holz-
arten im Niederwald angezogen. Zu ersteren gehören vor allen die Eichen, dann Erlen,
zahme Kastanie, Akazie, Weiden, auch Esche, Ulme, Hainbuche u. a. , zu letzteren
z. B. Hasel, Schneeball, Hartriegel, Heckenkirsche, Schwarz- und Weissdom u. s. w.
Die meisten dieser Holzarten treiben nur Stockloden, wie Rotbuche, Hainbuche, Eiche,
Kastanie, Esche, Ahorn, Birke u. a. ; bei einigen brechen ausser solchen auch Wurzel-
loden hervor, wie bei Weisserle, Rüster, Feldahorn, Akazie, Pappel, Kirschen u. s. w.
— 2. Die Verjüngung erfordert keine besonderen waldbaulichen Massregeln , da
deren Gelingen, bezw. die Entstehung eines normalen Jungbestandes, wenn anders sich
die passende Holzart auf geeignetem Standort in einem guten Bestand vorfindet, und
keine besonderen Störungen, wie Spätfröste, Hagelschläge u. dgl. eintreten, in der
Hauptsache nur von einem rationellen Nutzungsbetrieb (glatter, tiefgeführter Hieb etc.)
abhängig ist. Eventuell Nachbesserung durch Saat oder (meist!) durch Pflanzung.
n. Kopfholz- und Schneitelholzbetrieb.
1. Holzarten: Im Kopfholzbetrieb finden sich Weiden (Flussufer), Hain-
buchen, Linden, Akazien, Platanen, im Schneitelholzbetrieb Eichen, Ulmen, Eschen
(Futterlaubzucht im Gebirg), Erle, Pappel, Birke (Gewinnung von Besenreis) u. a. —
2. Verjüngung: Dieselbe ist auch hier nur die unmittelbare Folge einer richtig
vollzogenen Nutzung.
(Alles sonstige über die Ausschlagswaldungen im 4. Abschnitt „Betriebsarten"),
460 IV. Lorey, Waldbau.
Drittes Kapitel.
Künstliehe BestandesbegrOndungr.
Erster Teil.
Herstellung eines kiilturfähigen Waldbodens. Urhamiaehnng.
Vorbemerkung.
Die natürliche Be8taudes1)egründung setzt in allen anderen Fällen , als demjenigen
der Randbesamung, voraus, dass bereits Wald auf der Fläche vorhanden war; bei ihr
kommt also die Frage, wie zunächst gewisse Böden in einen Inilturfähigen Zustand zu
bringen seien, kaum in Betracht. Dagegen sollen jetzt einige Fälle kurz berührt werden,
in welchen zunächst gewisse Hindernisse einer erfolgreichen Kultur beseitigt werden müssen;
es handelt sich also um die Aufforstung von Flächen, welche ohne spezielle Vorbereitung
einen brauchbaren Waldbestand zu tragen unfähig wären. Im Gegensatz hiezu mögen
diejenigen Operationen der Bodenbearbeitung, welche den Waldboden nicht gleichsam erst
schaffen, sondern auf die Steigerung eines bereits vorhandenen Bodenproduktionsvermögens,
bezw. auf besseres Anschlagen einer Mast, sichereres Gelingen einer Kultur, kräftigere
Entwickelung der Bestände gerichtet sind, als unmittelbare Massnahmen der Bestandes-
begründung und -erziehung betrachtet und je an betreffender Stelle (als Vorarbeiten etc.)
besprochen werden. Die in Betracht kommenden Fälle (^Oedland* im weitesten Sinne)
sind vornehmlich : Sümpfe , Flugsand , RAseneisenstein und Ortstein , Heide , Torfmoore,
Grundlegende Erörterungen in bezug auf die in den Paragraphen 30 bis inkl. 34 be-
sprochenen Arbeiten linden sich in der „Forstlichen Standortslehre'' (Handbuch, 1. Bd. II.,
§ 55 ff.), auf welche hier verwiesen werden muss *^).
§ 30. I. Behandlung von Sümpfen^°): Die Frage bildet auch einen
G-egenstand der Besprechung für den Forstschutz (vergl. Handbuch 2. Bd. V, § 99),
weshalb hier nur einige Bemerkungen mehr allgemeiner Natur eine Stelle finden
sollen. Jeder Ueberschuss an Wasser (für verschiedene Holzarten verschieden be-
messen) ist im allgemeinen dem Holzwuchs nachteilig, ja macht denselben, wenn
eine gewisse Grenze überschreitend, meist unmöglich. Sollen Orte mit Wasserüber-
schuss kultiviert werden, so ist derselbe vorher zu entfernen. Solche Orte linden sich
in der Niederung, sowie in den ebenen Lagen und Becken der Gebirge; im allge-
meinen erleichtert das Höhenland den Abzug der atmosphärischen Niederschläge durch
seine vielfach geneigte Lage (Einfluss der Schichtung, Wasseradern etc.). Alle Ent-
wässerungsarbeiten sind nur auf Grund sorgfältigster Begutachtung aller ihrer Vor-
und Nachteile einzuleiten. Erstere bestehen — abgesehen von dem indirekten Gewinn,
welcher einer Gegend aus der Vermehrung ihres Waldbestandes erwachsen kann — in
der Hauptsache in der Ermöglichung oder wenigstens Steigerung der Holzproduktion,
letztere in den aufgewendeten Kosten, sowie in der durch Wasserentzug etwa herbei-
geführten Schädigung umliegenden Geländes. Nicht dringend genug kann gefordert
werden, die gegenseitige Abwägung nicht auf das in Frage stehende Grundstück allein
zu beziehen, sondern den Einfluss der geplanten Wasserstandsveränderung auf die Um-
gebung mit zu berücksichtigen^^). Die Zuwachsverluste, welche hier eintreten können,
49) Zu vergl. überdies: Ramann, , Forstliche Bodenkunde und Standortslehre*. Ber-
lin, bei Springer, 1893, woselbst sich auch eingehende Literaturnachweise finden.
50) Vgl. Kaiser, „Beiträge zur Pflege der Bodenwirtschaft mit besonderer Rucksicht
auf die Wasserstandsfrage". Berlin bei Springer 1883. Insbes. S. 46 if. — Burckhardt,
„Säen und Pflanzen*', 5. Aufl. S. 513 ff. — „Aus dem Walde" VIII. von 1877, S. 66 ff.
— Reuss, „Ueber Entwässerung von Gebirgswaldungen". Prag 1874. — Kraft, j,Zur
Entwässerungsfrage" in „Aus dem Walde" VI. S. 112.
51) Vergl. Rettstadt, „üeber den Einfluss der Senkung von Seespiegeln auf benach-
barte Forste", in „Aus dem Walde" VU. von 1876, S. 219 ff.
Die Bestandesbegründung. § 31. 461
ergeben in Verbindung mit dem durch die Entwässerung geforderten Baraufwand so-
wie den Kosten der nachfolgenden Kultur oft eine Aufwandssumme, welche geeignet
ist, jeden noch so hohen auf der Fläche selbst zu erzielenden Holzwert zu paralysieren,
bezw. geradezu in einen finanzwirtschaftlichen Verlust umzukehren. Insbesondere hat
eine solche weitere Umschau hinsichtlich der Sumpfstellen der Gebirge einzutreten.
Jedenfalls sollte, wenn irgend möglich, das an einer Stelle freigegebene Wasser dem
Walde nicht gänzlich entzogen werden und damit für den Holzwuchs verloren gehen,
sondern zur Bewässerung trockener Partien verwendet werden, indem man es nach
solchen hinleitet, in Löchern, Gräben, kleinen Sammelweihem etc. staut und damit
seitliches Einsickern in den Boden, sowie reichlichere Verdunstung, also vermehrte
Feuchtigkeit und hierdurch besseren Pflanzenwuchs herbeiführt. In manchen Fällen ist
man offenbar mit der Entwässerung zu weit gegangen. Da und dort haben sich deren
Nachteile so bald gezeigt, dass man die bezüglichen Arbeiten unterbrochen, Gräben
wieder beseitigt hat u. s. w. Die „Wald- und Wasserfrage" — von einer solchen wird
mit Recht geradezu gesprochen — bildete namentlich im letzten Jahrzehnt häutig
den Gegenstand eingehender Eröi-terungen bei Versammlungen und in der Literatur
wobei stets in Hinsicht auf Entwässerungen zu äusserster Vorsicht gemahnt und
der Grundsatz vertreten wurde, dass das im Walde vorhandene Wasser dem Walde
tunlichst erhalten bleiben solle, demgemäss das irgendwo im Uebennass auftretende
Wasser entsprechend zu verteilen, nicht aber zu entführen sei.
Erweist sich die Entfernung des W^assers, bezw. die Kultur an einer Stelle als
rätlich, so sind zunächst die Ursachen des Wasserüberschusses festzustellen. Stets
rührt derselbe von übermässiger (die Verdunstung und den Abfluss tibersteigender)
Wasserzufuhr her. Diese ist für die Folge hintanzuhalten : Dämme gegen Ueberschwera-
mung seitens fliessender Gewässer; oberhalb der zu schützenden Fläche anzulegende
Sammelgräben zum Auffangen und demnächstiger Ableitung von Wassermengen, die an
Hängen zumal auf undurchlassender Schicht herabkommen. Oder es ist der Abfluss,
bezw. die Verdunstung zu beschleunigen, damit das gewünschte Verhältnis hergestellt
werde. Bilden undurchlassende, nicht zu mächtige Schichten (in ebener Lage oder in
Einsenkungen) das Hindernis des Wasserabzugs, so kann sich unter Umständen schon
das stellenweise Durchstossen derselben als Abhilfe empfehlen. Anderenfalls müssen
etwa vorhandene Wasserrinnen (Gräben, Bäche etc.) vermehrtes Gefäll erhalten, oder
es sind Grabensysteme neu anzulegen. Hierbei finden offene Gräben im Walde mehr
Anwendung als bedeckte (Drains hauptsächlich nur zu Entwässerung kleinerer Stellen
in Forstgärten u. s. w.). Ein genaues Nivellement ist oft erforderlich, bei grösseren
Objekten (Entwässerung ausgedehnterer Flächen) meist unentbehrlich. Sauggräben zum
unmittelbaren Herausziehen des Wassers aus dem Boden, Verbindungsgräben, Abzugs-
gräben werden bei der Durchführung in geeigneter Weise zu einem Grabensystem ver-
bunden.
In allen Fällen ist zu erwägen, ob vollständige Wegführung des Wassers (oft
infolge dessen zu weit gesteigerte Trockenheit im Sommer!) an der betr. Oertlichkeit
angezeigt ist, oder ob nicht vielmehr schon die Senkung des W^asserspiegels um einen
gewissen Betrag die gewünschte Kultur ermöglicht. In letzterem Falle wird auf die
Verbindung der Gräben mit den natürlichen Wasserabzugsiinnen (Bäche, Flüsse) ver-
zichtet; entsprechend tief eingeschnittene Stückgräben, Löcher u. s. w. können genügen,
der Wasserstand in denselben gestattet die Beurteilung des Erfolges.
§ 31. IT. Flugs an d*2): Derselbe, ein feinkörniger, bindemittelarmer, vom
52) Vergl. Wessely „Der Europäische Flugsand und seine Kultur'' 1873. — „Aus
462 IV. Lorey, Waldbau.
Winde leicht zu bewegender Sand, findet sich am Meere und im Binnenland. Das
Meer (und ähnlich einige Flusse) wirft fortwährend neue Sandmassen aus. Sonst ist
auch wohl Entwaldung des leichten Sandbodens und anhaltendes Treiben grosser Vieh-
herden nicht selten die Ui*sache der Flugsandbildung gewesen. (Event, in Moorgegen-
den übertrieben langes Brennen in Verbindung mit Viehtrieb.) Erst der gebundene
Flugsand ist zur Waldkultur geeignet. Ob die Bindung unternommen werden soll, ist
nicht nur vom forstlichen Standpunkte aus zu beurteilen, sondern erscheint meist auch
als eine Frage allgemeiner Xulturinteressen. Die zur Bindung nötigen Massregeln zer-
fallen in die Vorarbeiten und die Deckung, demnächst die Kultur.
1. Vorarbeiten: Vermessung, bezw. Bezeichnung des zu behandelnden Areals,
dabei Arrondierung, möglichst unter Anwendung geradliniger Begrenzung, ist Voraus-
setzung. Umgebung der Sandwehe mit Gräben und Wall zum Schutz gegen Weidvieh
und Fuhrwerk. Sodann Dossieren und Planieren, bestehend in sanfter, glatter Ab-
schrägung schroffer Ränder der ausgewehten Sandkehlen, Abrundung der Firste und
Köpfe der Dünen, Ebnung und sanfte Abböschung steiler, zerklüfteter Seiten. 2. Dek-
kung: Dieselbe bezweckt die Beruhigung des Sandes, entweder nur mechanisch (Be-
schwerung durch aufgelegtes totes Material, Zurückhalten des aufgewirbelten Sandes)
oder zugleich durch Anwachsen lebender Deckungsmittel, wie Rasenplaggen. Ausser
solchen kommen je nach der Oertlichkeit in Anwendung beastete Kiefernstangen, Aeste,
Hackreisig, Haidekraut, Schilf, Pfrieme, Seetang. Die Deckung beginnt stets auf der
Windseite und erfolgt bei nassem Wetter, damit der Sand möglichst lang feucht bleibe.
Flechtzäune (sog. Koupierzäune) zum Brechen des Windes und Aufhalten des bewegten
Sandes haben sich oft nur schlecht bewährt und werden nur noch selten angewendet.
3. Kultur: Durch Kiefempflanzung (Ballenpflanzen oder ballenlose Pflänzlinge mit
tiefgehenden, jedoch nicht allzulangen Wurzeln — 12 bis 18 cm). Unter Umständen
(besonders an den Meeresdünen) der Holzkultur voraufgehende Bepflanzung, bezw. Bin-
dung mit Sandrohr (Arundo arenaria), Sandhafer (Elymus arenarius), Sandsegge (Carex
arenaria) ^^).
Im Kreise Meppen sind, nach Erscheinen einer bezüglichen Polizei Verordnung und
Instruktion, von 1871 bis 1877 1121 ha Sandwehen gebunden und davon 835 ha auf-
geforstet worden; 3000 ha waren damals noch zu behandeln. Belegen des Sandes mit
Gras- oder Rasenplaggen in 15 cm breiten und 4 cm dicken Streifen; netzförmiges Aus-
legen auf die bewurzelte Seite behufs Anwachsens. (Rasen besser als Heideplaggen, welche
tiefer bewurzelt sind und nicht so leicht wachsen.) In der Regel Quadratnetze von 1 Meter
Seite. (Ausnahmsweise Moosplaggen in engeren Quadraten.) Bodenbenarbung meist schon
während der ersten Jahre. Reisig als Deckmittel schlecht bewährt. Netzförmige Dämpfung
mit Plaggen pro ha 48 — 72 Mark. — Kultur mit 3 — 4jährigen Kiefernballenpflanzen in
1 Meter Quadrat, welche tief eingesetzt werden. Pflanzung dicht an die dem Wind ab-
gekehrte Seite der Plaggen. Pflanzkosten pro ha 45 — 54 Mark, mithin im ganzen ca.
100—120 Mark.
Im Revier Streck (Oldenburg) hat sich Bindung durch totale Deckung mit Heide-
plaggen besonders bewährt. Pflanzung ballenloser Kiefern Jährlinge mit dem Keilspaten.
(Auf Flächen mit südwestlicher Exposition ist die Jährlingspflanzung oft durch zu starke
dem Walde" VIII. von 1877 S. 167 if. — NB. In Preussen allein finden sich (cfr. Jahr-
bücher der preuss. Forst- und Jagdgesetzgebung und Verwaltung von 1882, S. 162) ausser
den Meeresdünen 37 448 ha flüchtige Sandschollen , von denen 28 635 ha als gefahrlich für
angrenzende Kulturländereien bezeichnet werden.
53) Einzelheiten über Flugsandkultur z.B. in H e m p e 1 s (nachmals v. S e c k e n-
dorffs) Centralblatt von 1882, woselbst S. 7 ein Oberförster Wellebil eine Schlamm-Methode
empfiehlt, gegen welche sich (S. 249) Forstkontrolleur Böhm ausspricht. — In ders. Zeit-
schrift, 1881 S. 171 ist (von Kabine) Auspflanzung von Nadelhölzern in Erdtöpfen (aus
nicht gebrannter, guter Erde) empfohlen : Beweise für die mannigfachen Bemühungen, einen
guten Kulturerfolg zu erzwingen.
Die BestandesbegrOndung. § 32. 463
Bodenerwärmnng gefährdet.) Gesamtkosten (besonders wegen der Anfuhr der Heideplaggen)
pro ha bis zu 300 Mark.
Dass speziell der Bindung und event. Bewaldung der Düne längs der Meeresküste
im allgemeinen Kulturinteresse eine hervorragende Bedeutung zukommt, liegt auf der Hand.
Umfängliche Arbeiten haben in dieser Richtung z. B. in Südwestfrankreich, aber auch in
den deutschen Küstengebieten (z. B. Ostpreussen: kurische Nehrung u. s. w.) stattgefunden
und werden mit grosser Energie fortgesetzt. Wo nicht eine sog. Vordüne, die den ersten
Anprall des Meeres aufnehmen kann, bereits vorhanden ist, sucht man sie vielerorts zu-
nächst zu schaffen (durch Errichtung von Zäunen, an welche sich der Sand anlagert);
ist dieselbe hoch genug (10 m genügen meist), so wird sie mit Sandgräsern, allenfalls
auch Salix repens bepflanzt und dadurch gefestigt. In sehr verschiedenem Abstand (oft
erst in grösserer Entfernung) von der Vordüne zieht sich die eigentliche hohe Düne hin,
bezw. die Wanderdüne, deren Festigung eine Hauptaufgabe ist: Bedeckung mit Schilf,
Aesten u. s. w. Dazwischen Bepflanzung, zu welcher sich, bes. nach den auf der kurischen
Nehrung gemachten Erfahrungen , oft Pinus uncinata zunächst besser eignet als Pinus
silvestris. Die Pflanzstellen erhalten oft erst eine Düngung und Bindung durch eingefüllten
Meeresschlick. Frischere Partien, zumal des Vorlandes (zwischen Vor- und Wanderdüne),
werden mit Erle und Birke in Bestockung gebracht. In Frankreich erfolgt die Aufforstung
vielfach mit Pinus maritima (oft durch Saat unter Strauchdecke).
§ 32. III. Raseneisenstein und Ortstein**): Die durch dieselben ge-
bildeten Schichten beeinträchtigen den Pflanzenwuchs, indem sie das Eindringen der
Wurzeln sowie des Wassers in die Tiefe (Versumpfung) und das Aufsteigen des Grund-
wassers aus der Tiefe hindern; mangelhafte Bodendurchlüftung tritt hinzu. Beide,
Raseneisenstein und Ortstein, bilden sich, wo die Bedingungen dafür gegeben sind, fort-
während. Mittelst streckenweisen Durchbrechens jener Schichten wird die Verbindung
zwischen Oberboden und Untergrund hergestellt. Beim Raseneisenstein erfolgt das
Herausbrechen zumeist unter Anwendung von Spitzhaue und Rodhacke. Da sich mäch-
tige geschlossene Raseneisensteinbänke meist in feuchten Gebieten finden, wo eine Sen-
kung des Wasserspiegels der Kultur voraufgehen muss, da die Bearbeitung des Rasen-
eisensteins teuer, die erzogenen Bestände oft minderwertig sind, bietet die waldbauliche
Behandlung solcher Flächen häufig keinen greifbaren Vorteil. Auch beim Ortstein
rauss, wenn derselbe tief liegt (tiefer als ca. 60 cm), Handarbeit eintreten (Rigolen mit
Stosseisen, Spaten und Hacke), wobei Heraufschaifen des Steines an die Oberfläche,
Einbringen der überliegenden Bodenschicht in die Tiefe bezweckt wird. Rigolen ganzer
Flächen auf diese Weise ist meist zu teuer. Man begnügt sich in der Regel mit strei-
fenweisem Rigolen (ca. 2 Meter breite bearbeitete und etwas schmälere unbearbeitete
Streifen), welches pro ha immerhin 160 — 180 Mark erfordert. Löcherkultui* , sowie
Kultur auf schmalen Streifen sind wegen des verhältnismässig raschen Nachwachsens
des Ortsteins ungeeignet; sie erweisen sich keinenfalls als dauernd wirksame Mass-
regeln. Zu unterscheiden ist das Vorkommen des Ortsteins in trockenen von demjenigen
in nassen Lagen, für welch' letztere Rabattenkultur am empfehlenswertesten ist. Ist
der Ortstein brüchig, nicht zu mächtig und nicht zu tief liegend, so hat man ihn mit
Vorteil durch Pflugarbeit bewältigt. Auch hier meist streifenweiser Umbruch ; gewöhn-
lich zwei Pflüge, indem die von dem Vorpfluge, geöffnete Furche durch einen nachfol-
genden Untergrnndpflug tiefer durchgearbeitet wird. Kosten pro ha 40 — 80 Mark. —
Grosse ebene Flächen, besonders auch noch solche mit tiefer liegendem (bis 80 cm),
hartem Ortstein werden vielfach mit Dampfpflugkultur behandelt (event. Kipp- oder
54)rVergL~Aus dem Walde'' HI (1872) S. 41; IV. (1873) S. 49; V (1874) S. 192;
VI (1875) S. 150; VII (1876) S. 246; VIII (1877) S. 153. — vergl. überdies: Handbuch Bd. 1,
II : Standortslehre §8. — Schimmelpfennig, „Der Dampf pflüg im Dienste der Forst-
wirtschaft" in der Zeitschr. für Forst- u. Jagdwesen V. Band (1873) S. 161 ff. — Emeis,
Waldbauliche Forschungen und Betrachtungen, 1876. — Müller, Die natürlichen Humus-
formen. — Ramann, Bildung und Kultur des Ortsteins, Zeitschr. f. Forst- u. J. 1886, S. 1.
464 IV. Lorey, Waldbau.
Balancierpflüge zur Vermeidung des Urawendens). Ob sich schliesslich der Aufwand
im Holzertrage bezahlt macht, ist von Fall zu Fall Gegenstand besonderer Rechnung;
vielenorts scheint der Holzwuchs die Ausgabe zu lohnen*^).
Quaet-Faslem (Hannover) berichtet in „Aus dem Walde VUP über die Vor-
bereitung des Heidebodens zum Anbau von Nadelholz mittelst des Dampfpfluges, dass die
Resultate im allgemeinen befriedigt haben. Er teilt mit verschiedenen Pflügen ausgeführte
Parallelversuche mit, welche die Firma John Fowler u. Comp, zu Magdeburg ausgeführt
hat. Unter Anwendung eines besonders konstruierten Balancierpfluges mit einem Tiefgang
von 50 cm sind u. a. 140 ha streifenweise bearbeitet worden (2,5 m breite Streifen mit
1,6 m breiten Zwischenräumen), wobei die Kosten pro ha 80 Mark betrugen. Durch-
schnittliche Leistung pro Arbeitsstunde 0,23 ha. Heizung der zwei Dampfmaschinen pro
Stunde mit ca. 2,3 Zentner Steinkohle und 0,16 Kubikmeter Stockholz (von Birke und
Eiche) ; Wasserverbrauch derselben pro Stunde 0,5 Kubikmeter.
Das im Jahre 1893 erschienene Jubiläumswerk „Das Grossherzogtum Oldenburg und
seine wirtschaftliche Entwickelung während der letzten 40 Jahre'', gibt an, dass während
der Zeit 1879 — 1891 mit dem Fowler'schen Dampfpflug zus. 2532 ha behandelt worden
sind, was einen Aufwand von 184 307 Mk. an Pflugkosten verursacht hat. Kultur mit
6 650000 Laubholz- und 30600000 Nadelholzpflanzen, unter letzteren 25 Mill. Kiefern.
§ 33. IV. M 0 0 r e *^*) : Erstes Erfordernis ist eine genaue Bodenuntersuchung (cfr.
Forstl, Standortslehre, 1. Bd. II, § 39 ff.), einschliesslich der chemischen Untersuchung der
Moorsubstanz. Grünlandsmoore kommen für die Waldkultur wenig in Betracht, wenigstens
nicht, soweit sie bei geeigneter Behandlung gute Wiesen ergeben. Da und dort kann
sich, nach der Entwässerung und Bedeckung mit Sand, Bepflanzung mit Erle empfehlen.
Viel ungünstiger gestalten sich die Verhältnisse auf Hochmooren. Diese haben im all-
gemeinen keine Neigung, sich zu bewalden, ein Umstand, der uns mahnt, daselbst mit
forstlichen Unternehmungen vorsichtig zu sein; befriedigende Rentabilität des Holzan-
baues wird sich meist nicht ergeben, es sei denn, dass die Mächtigkeit des Torflagers
keine zu bedeutende wäre, und man deshalb bald zu dem mineralischen Grunde gelangen
könnte, mit welchem dann der Torf zu mischen ist : Rabattenanlage, indem man Gräben
bis zum mineralischen Boden aushebt und letzteren auf die zwischenliegenden Beete
bringt. Eine Entwässerung (bezw. Senken des Wassers), am besten durch offene Gra-
ben (diese mit steilen Wänden), ist unter allen Umständen erforderlich (langsames,
allmähliches Vertiefen der Gräben); das Moor setzt sich infolge dessen nieder (bis zu
2/3 seiner früheren Mächtigkeit). Bildung einer Grasnarbe deutet auf genügenden
Rückgang des Wassers. — Urbarmachung event. durch Vermittelung des Brand-
fruchtbaues.
Nach der Schilderung von Brünings ist die Sache im grossen Augustendorf er Moor
folgen der massen verlaufen: Vermessung des Moores, Entwässerung durch Gräben als Vor-
bereitung. Das Feuer soll demnächst durch Zerstören des festen Fasergewebes eine zer-
bröckelte, erdartige Masse und damit ein erstes Keimbett bilden und durch die Hitze die
Säuren neutralisieren (Bildung von Asche ist nicht die Hauptsache). Man brennt auf dem
55) Kraft: Zeitschr. f. Forst- u. J. 1891, 709 (Erfahrungen aus der Praxis). — Ortst^in-
aufforstung mit Kiefer in der preuss. Oberförsterei Nienburg (Vers, des Vereins deutscher
forstl. Versuchsanstalten. 1894, cfr. Allg. Forst- u. J.Z. 1895, 26).
56) Burckhardt, „Säen und Pflanzen", 5. Aufl. S. 523 ff. — Ders., „Wald, Moor
und Wild im Emslande" in „Aus dem Walde" VI, S. 1 ff. (insbes. S. 66 ff.). — Brünings,
„Das Augustendorfer Moor" in „Aus dem Walde" IX (1879) S. 106. — Derselbe, ,Der
forstl. und der landwirtsch. Anbau der Hochmoore mittelst Brandfruchtbaues". Berlin bei
Springer 1881. — Zu beachten insbes. auch die verschiedenen Rezensionen der letztgenannten
Schrift, z.B. forstl. Blätter von 1882 S. 51. — Nordwestdeutscher Forstverein 1891, cfr.
Zeitschr. f. Forst- u. J. 1891 , N. 631. — Moore des Erzgebirgs (Forstass. Dr. Männel in
Forstl. nat. Zeitschr. 1896, 301) — Moorkulturen in Dänemark (z. B. Oesterr. Forstzeitung
1893, 17, 22) — Verhandlungen des schles. Forstvereins 1894. — Baumann: Die Moore
und Moorkulturen in Bayern (Forstl. nat. Zeitschr. 1894, S. 89, 295).
t)ie Bestandesbegründung. § M. 465
Moore (nicht nach vorherigem Umbruch desselben), indem nur die die Oberfläche desselben
bildende Menge kleiner Hügel („Bülten") umgerissen, nebst dem Grabenauswurf ausgebreitet
und angezündet werden, wobei das Feuer nur oberflächlich angreift. Dann folgt Aussaat
von Buchweizen. Im nächsten Jalire wiederholtes Brennen, desgl. im dritten und vierten
Jahre, stets in Verbindung mit Fruchtbau; die Balten sind nun verzehrt und erst im
fünften und sechsten Jahre kratzt man behufs erneuten Brennens Teile des eigentlichen
Bodens flach auf: Wurzeigefaser, Haidehumus etc. sind nach den sechs Jahren verschwunden,
durch die sechsjährige Vegetation ist neues Leben in den toten Boden gedrungen. Ge-
brannt wird stets mit dem Winde (sonst greift das Feuer zu tief) ; an feuergefährlichen
Stellen erfolgt gegen den Wind ein Vorbrand. Im 7. Jahr erfolgt der forstliche Anbau
mit Eiche, Fichte, Kiefer, event. Lärche und Weymouthskiefer. Gesamtkosten pro ha
(Brennzeit 6 Jahre, Tagelohn 2 Mark) =z 360 Mark ; Ertrag (5 Jahre Buchweizen, 1 Jahr
Roggen) pro ha = 900 Mark. Die Auiforstung kostet pro ha 65 — 70 Mark.
Zwar haben viele Moorkulturen, die in der angedeuteten Weise ausgeführt worden
sind und anfänglich, oft durch 10 — 15 Jahre, gutes Wachstum zeigten, grosse Hoffnungen
erweckt, dann aber in ihrer Entwickelung bald nachgelassen, so dass der Erfolg nur ein
scheinbarer war, in Wirklichkeit aber ein Ersatz der aufgewendeten Kosten nicht entfernt
zu erwarten ist. Von irgend umfangreichen Moorbewaldungen wird deshalb abzusehen sein,
es sei denn, dass es sich um bereits abgctorfte Hochmoore handelt, wie solche z. B. in
den nordwestdeutschen Mooren mit Holz angebaut worden sind und gute Bestände von
Eichen, Fichten, Kiefern und Birken tragen. — Nach Prof. Dr. Tacke, Vorsteher der
Moor - Versuchsstation in Bremen, (Zeitschr. f. Forst- und Jagdw. 1900, S. 88) kommt,
zumal in Niederungsmooren, auch für forstliche Zwecke unter Umständen die Kimpau'sche
Sanddeckkultur nach vorheriger Entwässerung in Frage (siehe oben) ; im allgemeinen aber
wird auch auf den im Walde belegenen Mooren, wenn sie überhaupt benutzt werden sollen,
landwirtschaftliche Benutzung vorzuziehen sein.
„Flüchtige Moorflächen (Mull wehen) ^^) sind Moorflächen , die durch eine
übertriebene Benutzung oder fehlerhafte Behandlung ihre natürliche vegetabilische Boden-
decke verloren haben, wo der rohe Moorboden zu Tage tritt, der dann bei trockener
Witterung staubig und flüchtig, bei nasser Witterung schlammig und treibend wird**.
Unterschied von Sandwehen darin , dass sie auch bei feuchtem Wetter beweglich sind.
Entstehung besonders durch zu ausgedehntes Haide- und Plaggenhauen oder zu langes
Brennen, beides in Verbindung mit täglichem Auftrieb von Schafen in geschlossener Herde
und demnächst Auffrieren des Bodens. Gefahr für umgebendes Gelände durch Uebe rweheu
mit Mull. — Vorbedingung der Dämpfung ist das Aufhören jeder Benutzung des Bodens.
Entwässerung. Aufforsten der Mullwehen mit wenig mächtiger (bis 1 m) Moorunterlage
und zwar zunächst meist durch Anpflanzung mit Birke hinter senkrecht zur herrschenden
Windrichtung verlaufenden Wällen, zu welchen das Material durch Aushub von Gräben
beschafft wird ; diejenigen auf mächtigem Moorlager sind nach der Entwässerung zunächst
mit Kräutern (Rumex), Honiggras (Holcus) etc. anzubauen (am sichersten unter Fruchtbau
von Buchweizen mittelst Brennens).
§ 34. V. Unfruchtbarer Humus, d. i. ein Bodeniiberzug aus nicht ge-
nügend zersetzten, bezw. zersetzbaren, aus wachs- oder harzhaltigen Pflanzenresten,
welcher, rasch austrocknend und die Feuchtigkeit schlecht annehmend, den Boden ver-
scbliesst und der Entwickelung der Holzpflanzen hinderlich ist. Entfernung desselben
oder Vermischung mit dem mineralischen Untergrund ist erforderlich. Hierher gehört:
1. Rohhumus^'^) aus Blättern, Nadeln, Unkräutern etc., oft dicht gelagert und für
Wasser fast undurchlässig, nur mangelhaft zersetzt wegen fehlender Feuchtigkeit und
Wärme. Besonders auf kalkarmen Böden. Raschere Verwesung wird durch Aufschlnss,
bezw. vermehrten Zutritt der Atmosphäre bewirkt, soweit nicht noch intensivere Aus-
trocknung dadurch bedingt ist. Eventuell Entfernung desselben. Gegen die Bildung
57) Gerdes, „Die flüchtigen Moorflächen in Hannover und Oldenburg" in „Aus dem
Walde" (1879) S. 159 ff. — D. in Mündener forstl. Hefte 1892, S. VM).
58) Siehe : R a m a n n , Anzahl und Bedeutung der niederen Organismen in Wald-
und Moorböden (Zeitschi*. f. Forst- u. J. 1899, S. 575). — Weinkauff, Humus oder
Streuzersetzung (Forstwiss. Zentralbl. 1900, S. 456).
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 30
466 tV. Lorey, Waldbau.
von Rohhumos wirkt die Erhaltung des Bestandesschlusses, Begünstigang des TierlebouB
im Boden (Regenwürmer), Bodenbearbeitung, Düngung und richtige Auswahl der Holz-
arten (gemischte Bestände, siehe oben). 2. Stauberde, Rückstände von Flechten-
Wegrechen oder -hacken derselben. 3. Heide- und Heidelbeerhumus, aus
Calluna-, Erica-, Vaccinium-Arten gebildet, wachs- und gerbsäurehaltig, locker, trocken.
Ebenfalls wegzurechen oder wegznhacken. Dichte Lager unverwester Nadeln (Fichte)
verhalten sich ähnlich.
Ueber die Frage der Hcideaufiforstung wird schon seit lange Streit geführt, d. h.
insbesondere auch darüber, ob unsere ausgedehnten Heideflächen in früherer Zeit einmal
Wald getragen haben oder nicht, sowie darüber, ob die Kosten etwaiger Aufforstung sieb
in den zu erziehenden Beständen lohnen werden. Die Debatte im einzelnen zu verfolgen,
würde hier zu weit führen. Der Gedanke, die ausgedehnten Heideflächen dem Walde zu
gewinnen, liegt an sich gewiss nahe. Aber Bedenken, bes. hinsichtlich der Rentabilität,
lassen sich jedenfalls gegen die allgemeine Rätlichkeit der Aufforstung erheben, wenn die-
selben auch hie und da übertrieben sein mögen ! Die Gegner derselben gehen meist davon
aus, dass die Heidefläche (auch ohne Wald) keineswegs ertragslos ist (^Schafweide , Plag-
gen etc.). Zur Charakterisierung der verschiedenen Standpunkte sind u. a. zu vergleichen:
Emeis, „Waldbauliche Forschungen**, Berlin 1875; ferner Borggreve, „Haide und Wald-,
Berlin 1879; sodann zahlreiche Zeitschriften-Artikel, wovon viele in den forstlichen Blättern
(z. B. Daube 1881, S. 2, Quaet-Faslem 1882, S. 41 , mehrfache bezügliche Aeusserungen
von Borggreve, z. B. 1882, S. 47, von ? im Jahrgang 1892, S. 97), andere in der Allg.
Forst- und Jagdzeitung (z. B. von Emeis 1881, S. 109 — 1883, S. 42, 115 u. a.).
Tatsächlich sind schon sehr bedeutende Kosten für Auiforstungszwecke verausgabt
worden; besondere Heidekulturvereine widmen sich der betr. Aufgabe, so in Dänemark,
Schleswig, Hannover. In Hannover waren nach Angabe in Weise's Chronik bis 1882
bereits 2866 ha mit durchschnittlich 105 Mark aufgeforstet; weitere Angaben finden sich
u. a. in dem Bericht der Hannover. Provinzial Verwaltung von 1896 (Quaet-Faslem). Im
nordwestdeutschen Forstverein (1894) vertritt Jentsch die Ansicht, dass es nur unter
bestimmten Voraussetzungen angezeigt sei , die Aufforstungen weiterzuführen ; übrigens
werden aus der Lüneburger Heide entschieden gute Erfolge gemeldet (z. B. Dr. R e b e I ,
Forstwiss. Zentralbl. 1892, 36). — In Schleswig-Holstein sind (nach Hahn, Zeitschr. f.
Forst- u. J. 1893, S. 249) in 17 Jahren vom Staat über 17 Millionen, von der Pro>'inzial-
verwaltung fast 6^2 Millionen Mark für Aufforstungen verausgabt und damit jährlich
580 ha kultiviert worden (Hebung des Bewaldungsprozents auf 8,9 , d. i. fast um 16 ^/u
des früheren Standes). Dabei sind von Fall zu Fall alle verschiedenen Methoden der Bi^
arbeitung und Kultur angewendet worden. — üeber die Heide in Jütland und deren Auf-
forstung cfr. auch Dr. Metzger in Mündener forstl. Hefte XIII, 1898.
Es sei darauf hingewiesen, dass wohl die, bes. von Prof. Mayr empfohlene, genüg-
same Pinus banksiana bei den Heideaufforstungen mit Vorteil allgemein benützt werden
könnte.
An dieser Stelle möge auch der Oedlandsaufforstung in weitestem Sinne
gedacht werden '^'*). Die Sorge für tunlichste Aufforstung des in Europa allein etwa
22000 Quadratmeilen einnehmenden Oedlandes regt sich in allen zivilisierten Ländern.
Die Aufforstungsarbeiten im Karstgebiete, in West- und Ostpreussen (Kassubei), sowie
sonst in Deutschland, ferner in Vorarlberg, in der Schweiz (z. B. Schweiz. Zeitschr.
59) Unter Oedland versteht man im allgemeinen diejenigen Areale, welche zwar kultur-
fähig sind, aber z. Z. nicht oder nur okkupatorisch benützt werden. Event, werden auch
landwirtschaftlich benützte Flächen dem Oedland zugerechnet, welche einen äusserst ge-
ringen Reinertrag (0 — 1,20 M.) abwerfen. Letztere einbezogen hatte Deutschland 1893 ruud
3,7 Mill. ha Oedland, woran ca. 700000 ha aufzuforsten wären, cfr. Grieb, Das euro-
päische Oedland, seine Bedeutung und Kultur, 1898, bei Sauerländer. — Matthes, Vor-
trag bei der 28. Vers, des Thürg. Forstver. 1901, zu Coburg: Vereinsheft S. 29—46. —
Preussen hatte (cfr. Mündener Forstl. Hefte Nr. XVII) allein im Besitz der Staatsforst-
verwaltung am 1. X. 1900 noch 34073 ha Oedland, seit 1883 sind 70856 ha erworben
worden ; 61 620 ha waren hievon bis 1900 aufgeforstet. Beteiligt sind in erster Lim'e die
nord-östl. Provinzen.
Die Bestandesbegründung. § B5. 467
1893, 6), zumal im Schutzwald gebiete, in Italien, den Pyrenäen seien als Beispiele an-
geführt.. Auch die Bepflanzung von Alluvionen (Hochgebirge und Ebene: Ueberschwem-
mungsgebiet der Flüsse), je nach den Verhältnissen mit Erle, Pappel, Akazie, Birke,
auch wohl Ulme, Esche, Eiche, sei hier erwähnt ®®).
Zweiter Teil.
Saat.
Zum Gelingen der Saatkultur gehört, von Witterungseinflüssen abgesehen, vor
allem gutes Saatmaterial, ein geeignetes Keimbett und sachgemässe Ausführung.
I. Saatmethode.
§ 35. A. Verschiedene Arten der Saat: Je nachdem die Saat aus der
Hand oder unter Anwendung einer Maschine ausgefühii; wird, nennt man sie Handsaat
oder Maschinensaat. — Ausserdem werden unterschieden : 1. Vollsaat, wobei die
ganze Fläche möglichst gleichmässig mit Samen bestreut wird, und 2. stellenweise
Saat, bei welcher der Samen nur auf bestimmte Stellen derselben kommt. Hierher
gehören : a) die R i e f e n s a a t , auch Rinnen-, Rillen-, Sti^eifen-, Furchensaat genannt :
der Samen wird auf Streifen gesäet, während die dazwischenliegenden Streifen samen-
frei bleiben^*), b) die Plattensaat, auch Plätzesaat : eine Anzahl Samenkörner
kommt auf einzelne, über die Kulturfläche verteilte Plätze. Die Punktsaat, bei
welcher man mit Einzelsamen (Eichel, Kastanie etc.) operiert, die (möglichst gleich-
mässig) auf der Fläche verteilt werden, kann füglich als ein Spezialfall der Vollsaat
gelten ; man spricht jedoch von Vollsaat meist nur bei kleinen Samen, deren eine Mehr-
zahl gleichzeitig ausgestreut wird.
Uebergänge zwischen Platten- und Punktsaat. Löchersaat, wenn die Saatplätze ver-
tieft sind.
B. Wirtschaftliche Bedeutung der Saatarten. Wenn M a s c h i-
uensaat angewendet wird, tut man es, teils um die Gleichmässigkeit der Samenver-
teilnng zu fördern, teils um eine Ersparnis (besonders an Zeit) zu erzielen ; komplizier-
tere und dem gemäss teure Maschinen kommen meist nur für grosse Kulturflächen und
für regelmässig wiederkehrende umfängliche Saaten in Betracht. Handsaat ist
Regel. Maschinen (namentlich solche, deren Bewegung Spannvieh erfordert) sind über-
dies meist an bestimmte Eigenschaften der Kulturfläche (nicht zu geneigte Lage, Fehlen
von grösseren, rasch wechselnden Unebenheiten, von Stöcken, Steinen u. s. w.) gebunden.
Einfachere Säeapparate finden auch im kleinen Betriebe, zumal im Forstgarten, An-
wendung. — V 0 1 1 s a a t (breitwiirfige Saat) gibt die gleichmässigste Samenverteilung,
bedingt mithin für die einzelnen Keimpflanzen von vornherein annähernd nach allen
Seiten gleichen Standraum, wodurch deren normale Entwickelung, sowie in der Folge
gleichmässiger Schluss des Jungbestandes und damit auch gleichmässige Deckung des
Bodens angebahnt ist; sie arbeitet rasch, verlangt aber das grösste Samenquantum und,
falls vorgängige Bodenbearbeitung notwendig wilre, hierfür oft verhältnismässig hohen
Aufwand. Auch erschwert sie die Reinigung von Unkraut, die etwaige Jugendpflege
60) J. Hamm (Forstwiss. Zentralbl. 1888, 601): Aus den Waldungen des badischen
Rheinthaies.
61) In bezug auf diese Art der Saat werden wohl feinere Unterscheidungen gemacht,
indem man von Streifensaat spricht, wenn die besäeten Bänder eine gewisse Breite haben,
von Riefensaat, wenn der Same nur in schmale Linien zu liegen kommt, u. s. w. Diese
an sich ja nicht unberechtigten Unterscheidungen sollen hier nicht festgehalten , bezw. ver-
folgt werden.
30*
468 IV. Lorey, Waldbau.
der Pflanzen durch Behacken, sowie das Ausbringen der ersten Durchforstungshölzer.
Die Vorzüge und Nachteile der stellen weisen Saat folgen aus dem ^'orstehenden;
dieselbe bedarf z. B. weniger Saatgut (jedoch nicht im Verhältnis des wirklich besäeten
zum samenfrei bleibenden Teil der Fläche, weil man naturgemäss auf den Einzelstellen
dichter säet), erzeugt jedoch vielfach einen zu dichten Stand der Pflanzen und etwas
ungleichmässige, von vornherein unsymmetiische Entwickelung der Jungpflanzen (seitliche
Kronenausbreitung bei den Streifen, Eaudstämmchen der Platten). Streifensaat
eignet sich oft für Anwendung von Maschinen, erleichtert am meisten die Kulturreini-
gung und die ersten Durchforstungen, lässt aber die Zwischenstreifen je nach deren
Breite kürzere oder längere Zeit unbedeckt. Auf den Platten wird das gedrängte
Aufwachsen der Pflanzen oft besonders hinderlich; rasche Deckung der zwischen den
Platten liegenden Bodenpartien kann nur durch entsprechend nahes Aneinanderlegen
der Platten bewirkt werden. Löcher saat kommt namentlich für trockene, der Sonne
und dem Wind ausgesetzte Orte in Frage. Die Punktsaat kann (siehe oben) als
Vollsaat mit grösserem Abstand der einzelnen Samen von einander betrachtet werden.
II. Saatmaterial.
§ 36. A. Beschaffung derSamen: Dieselbe erfolgt durch Selbstsammeln,
durch Naturalabgabe, Tausch oder Kauf. Hat man die Wahl, so entscheidet die Samen-
güte im Verein mit den aufgewendeten Kosten, welch letzteren ausser dem direkten
Geldaufwand auch die Sorge und Mühe bei der Beaufsichtigung des Sammeins, beim
Einbringen und Aufbewahren der Sämereien zugezählt werden müssen.
1. Selbstsammeln ermöglicht geeignete Auswahl der Samenbäume , genaue
Beachtung des richtigen Zeitpunktes (vollständige Reife), sorgsamste Behandlung; sie
garantiert also von vornherein ein gutes und vielfach auch billigeres Material. - 2. Na-
turalabgabe, darin bestellend, dass bei Verpachtung der Samenernte der Pächter
verpflichtet ist, zunächst als Vergütung für die ihm überlassene Nutzung ein bestimmtes
Quantum des gesammelten Saatgutes zur Verwendung der Waldbesitzer abzuliefeni.
überhebt der besonderen Sorge für die Ernte, liefert ebenfalls frisches Saatgut. -
3. Tausch, nur ausnahmsweise. — 4. Kauf, namentlich, wenn grosse Mengen von
Samen nötig sind, welche eine besondere Behandlung erfordern (z. B. Samenklengbe-
trieb bei Nadelhölzern). Man wendet sich dabei im allgemeinen besser an bewährte,
grosse Firmen, als an kleine Händler, weil die grossen Klenganstalten im allgemeinen
doch am vollständigsten über alle Mittel zur Lieferung eines tadellosen Produkts ver-
fügen. Garantie eines bestimmten Keimprozentes ist auszubedingen. Ebenso ist die
Einhaltung des Lieferungstermins, event. Stellung einer Kaution, zu verlangen**-).
Was im Einzelfalle am vorteilhaftesten, bedarf besonderer Erwägung. Selbstsammeln
empfiehlt sich in vielen Fällen, z. B. bei Eichel- und Buchelmasten, sodann namentlich bt-i
solchen Samen, welche bald nach der Ernte zur Aussaat gelangen sollen (Ulme im Vor-
sommer, Tanne, Esche, Ahorn im Herbst). Kauf in der Regel (wo nicht eigene Klenjr-
anstalten des Waldbesitzers bestehen) bei Kiefer, Pichte, Lärche. Die Abhängigkeit vom
Eintreten einer Mast macht sich in erster Linie bei solchen Samen geltend, die ihre Keim-
fähigkeit bald verlieren, mithin nicht nach längerer Aufbewahrung noch benützt werden
können. — Die Samenpreise schwanken je nach dem Ausfall der Ernte bedeutend, nament-
lich bei denjenigen Holzarten, welche (wie z. B. gem. Kiefer) manchmal in längeren Zeit-
räumen nur schlechte Ernten geben, und bei denen der Bedarf an Saatgut ein grosser ist.
Für 1901 war 1 kg Kiefernsamen (ohne Flügel) mit 6,00 Mark (sonst nur 3-4 M.), 1 kg
Fichtensamen mit 1,60 M., Tanne 0.80 M., Lärche 4,80 M., Esche 0,50 M. u.s. w. notiert.
62 j Unter den grösseren leistungsfähigen Klenganstalten, bezw. Samenhandlungen sind
nicht wenige von bedeutendem Rufe (cfr. Forstbenutzung, 2. Bd. VIb). Eine Zentrale des
(man darf wohl Sagen europäischen) Sameuhandels ist Darmstadt.
Die Bestandesbegrttndung. § 36. 469
B. Aeussere Beschaffenheit des Samens: Das Saatgut soll möglichst
rein sein, d. h. frei von die Gleichmässigkeit der Aussaat störenden Beimengungen
(Hüllen z. B. der Buchein, Flügel, Schuppen der Nadelhölzer). Bei einer Samenlieferung
ist zunächst das Reinheitsprozent (der prozentische Anteil der reinen Samenkörner)
festzustellen, üebrigens Lieferung der Kastanien wegen besserer Aufbewahrung der-
selben oft in den Stachelhüllen. Behufs Erzielung kräftiger Pflanzen ist überdies, nach
dem Vorgange der Landwirtschaft, auf vollentwickelte, grosse Samen abzuheben ^^).
Inwieweit die Provenienz des Samens in Betracht zu kommen hat, ist eine Frage, die
noch verschieden beantwortet wird.
Unter Bezugnahme auf die auf S. 439 über die Samengewinnung gemachte Be-
merkung sei hier noch angeführt, dass Mayr (München) erst neuestens wieder (AUgem.
Forst- u. J.Z. 1901, S. 403 und 405) der Frage der Herkunft des Saatgutes (Provenienz)
für das klimatische Verhalten der Holzart keinerlei Bedeutung zuerkannt hat. B o r g-
g r e V e ist mehrfach gegen die von vielen Seiten behauptete Erblichkeit nach anerzogener,
bezw. durch äussere Einflüsse entstandener Eigenschaften von Individuen aufgetreten (z. B.
Forstl. Blätter 1889, S. 33: „Erblichkeit und Zuchtwahl bei Waldbäumen**) ; er verhält
sich ablehnend gegen eine Zuchtwahl in der Forstwirtschaft , wogegen Dr. C i e s 1 a r die
Berechtigung einer methodischen Zuchtwahl vertritt (1890, Wiener Kongress) und auch
Rob. Hartig, Schwappach, Hempel für deren Wichtigkeit eintreten. Erst 1900 (Zeitschr.
f. d. ges. Forstwesen, S. 145) hat v. Fischbach die Benutzung von Samen spät aus-
schlagender Exemplare zur Züchtung spätfrostharter Rassen angeregt.
C. Prüfung des Samens: In jedem Falle hat man sich alle Garantien für
guten Erfolg der Saat zu verschaffen, und dazu gehört vor allem ein möglichst guter
Samen; es ist deshalb durchaus berechtigt, wenn, bei dessen Kauf zumal, alle Mittel
der Kontrolle angewendet werden (vielleicht schon beim Zapfenkauf durch die Kleng-
anstalten). — Bestimmte Keimprozente sind zu verlangen : z. B. Eiche, Kastanie
70, Buche 60, Kiefer, Fichte (auch wohl Ahorn und Esche) 70, Tanne 50, Lärche 40«*).
— Eine genaue Prüfung des gelieferten Samens ist vorzunehmen; schon zur richtigen
Bemessung des für eine bestimmte Fläche erforderlichen Quantums ist Kenntnis des
tatsächlichen Keiinprozentes erwünscht. Die Untersuchung ist durch vorher zu verein-
barende Stellen zu vollziehen, eine solche durch gut eingerichtete Samenprüfungsan-
stalten, welche über alle erforderlichen Hilfsmittel verfügen, ist der Prüfung durch den
einzelnen Samenkäufer, dem vielleicht nur ein mangelhafter Apparat zu Gebot steht,
weitaus vorzuziehen, namentlich, wenn es sich um grössere und hohen Wert repräsen-
tierende Lieferungen handelt. Zur Orientierung in einzelnen Fällen, bei kleineren
Quantitäten ist die Prüfung durch den Empfänger keineswegs ausgeschlossen. Vom
Staat eingerichtete Kontrollanstalten, welche in amtlicher Eigenschaft die Prüfung
nach bestimmten Normen vornehmen, bestehen jetzt an vielen Orten; so z. B. in Hohen-
heim (Württemberg), Zürich (Schweiz), Eberswalde, Tharand, Mariabrunn (Oesterreich),
Barres-Vilmorin (Frankreich)«^).
63) Vergl. z.B. Nördlinger, Krit. Blätter XLI, 2, S. 101 ff. — Baur, Forst-
wiss. Centralblatt von 1880 S. 605 ff. — Wenn auch der Unterschied, welchen Pflanzen
ans verschieden grossen Samen (z. B. grossen, mittleren und kleinen Eicheln) anfänglich
zeigen, später (nach 3 — 6 Jahren) mehr und mehr verschwindet, so sind doch oft die ersten
Jahre (energischer Höhentrieb im Kampfe mit Unkräutern etc.) äusserst wichtig. — Ba-
doux (Schweiz, 1895) stellt den Einfluss der Korngrössc in bezug auf die Keimkraft dahin
fest , dass gross und mittelgross keinen erheblichen Unterschied zeigen , kleine Kömer aber
meist weniger leisten als grosse und mittelgrosse.
64) Angaben von Mittelwerten aus den in Zürich bei der Samenkontrolle gefundenen
Keimprozenten enthält Schweiz. Zeitschr. 1895. Andere Befunde weichen im einzelnen, nach
oben oder unten, etwas ab; im grossen und ganzen herrscht aber Uebereinstimmung.
65) Nachrichten über diese Anstalten, bezw. deren Untersuchungsergebnisse finden sich
470 IV. Lorey, Waldbau.
Bei grösseren Samen und zur ersten Orientierung auch bei kleineren (insbeson-
dere Nadelhölzern) genügt die Untersuchung einer Anzahl von Kömern daraufhin^ ob
der Kern die Schale ausfüllt, nach Farbe und Saftgehalt normal ist*^®). Wasserprobe
bei Eicheln : man nimmt an, dass im Wasser die guten Eicheln untersinken, die schlech-
ten obenaufschwimmen, was zwar nicht stets, aber doch im grossen ganzen zutrifft*^').
Gewissheit geben, zumal bei kleinen Samen, nur besondere Keimproben. Dieselben
beruhen darauf, dass man eine bestimmte Anzahl (50, 100, 200 Kömer) durch andauernd
gleichmässige Potenzierung der die Keimung bedingenden Faktoren Feuchtigkeit und
Wärme, bei genügendem Luftzutritt (und event. unter Abschluss oder wenigstens Däm-
pfung des Lichtes), zu rascherer Entwickelung veranlasst. Diese Beschleunigung ist
erforderlich, damit man in kürzester Frist (vor Eintritt der Kulturzeit) den gewünschten
Aufschluss erhält.
Samen mit harter, holziger Schale, wie Esche, Linde, Hainbuche, Ahorn etc., welche
im Freien, wenn im Frühjahr ausgesäet, meist ein Jahr überliegcn, sind für solche Keim-
proben ungeeignet. — Gleichmässige Temperatur ist bei den Keimproben en^'^nscht,
namentlich sollten dieselben in Räumen vorgenommen werden, welche nicht nachts (infolge
Unterbrechung der Heizung) erheblich kälter sind als am Tage. Die zu benutzenden
Apparate sind vor dem Gebrauch gründlich zu reinigen, damit Pilzbildnngen (Schimmel)
möglichst hintangehalten werden ; Tonplatten etc. werden zu dem Ende vorher ausgeglüht.
Der Beginn der Keimung, sowie die Zahl der täglich keimenden Kömer ist zu notieren;
einzelne späte Nachkömmlinge dürfen bei der Beurteilung der Samengüte unberücksichtigt
bleiben, weil solche, im Freien erst gegen den Sommer hin erscheinende und nicht mehr
zu normaler Entwickelung gelangende Pflanzen für das Gedeihen der Kultur meist wertlos
sind. Dass man sich, um sicher zu gehen, nicht mit einer einzelnen Probe begnügt, son-
dern gleichzeitig Parallelproben vornimmt, ist selbstverständlich.
Die oben angedeuteten Mittel zur Beschleunigung des Keimprozesses sind u. a.
Aussaat in Scherben, deren Erde man ständig feucht erhält und die man in einen
massig warmen Raum stellt (vScherbenprobe) ; Einlegen des Samens in dauernd feuchte
Flanelllappen (Lappenprobe) oder Filtrierpapier ; Anwendung besonderer Keimappa-
rate, wie z. B. der Hanneniann'schen Keimplatte ^) (poröse Tonplatte mit Vertiefungen
zum Einlegen der Samen, steht in Wasser bis zur Höhe des Bodens dieser Vertiefungen),
des Nobbe-schen Keimapparates ^^) (von einer Wasserrinne umgebener, muldenförmiger
Tonbehälter zum Einlegen der Samen, von einem mit Luftöffnung versehenen Tondeckel
überdeckt), der Apparate von Stainer und Grünwald'®) (poröse mit Vertiefungen ver-
sehene Tonplatten, in Wasser liegend, mit einer Glas- oder Porzellanglocke bedeckt),
des Apparates von Coldewe und Schönjahn '^) (Auslegen des Samens auf feuchtem Sand,
Bedecken mit einer Filzplatte und mit Glasdeckel), Magerstein ^^), Keimkasten von Dr.
u. a. in Schwz. Zeitschr. 1892, 112. — Dr. Cieslar, Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1899, 387.
- Nobbe, Anweisung für die Ausführung von Keimkraftprüfungen, Tharander Jahrb. 1890,
103. — Aus dem Walde, 1890, Nr. 42 (Eberswalde). — Allg. Forst- u. J.Z. 1901, S. 33
(Bestimmungen für die Anstalt zu Eberswalde).
66) Nicht jeder Same, dessen Kotyledonen durch Trockenheit etwas eingeschrumpft
sind, ist unbrauchbar. — Der Kern frischer Samen meist weisslich oder gelblich, bei der
Esche bläulich, beim Ahorn ein grünes Pflänzchen.
67) Vergl. Dr. Grundner, „Die Ausscheidung keimfähiger Eicheln mit Hilfe des
Wassers ^ Allg. F. u. J.Z. Mai 1887.
68) Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1870 S. 153.
69) Nobbe, ,,Handbuch der Samenkunde" 1876 S. 507.
70) Vgl. Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung von 1884 S. 371. Beide Apparate funktionieren gut.
71) Vergl. Zeitschrift für Forst- u. Jagdwesen, Sept. 1886 S. 481 ff.
72) Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen 1886 S. 348.
Die Bestandesbegründung. § 37. 471
Cieslar"), Pfizenmayers Keimkasten '*) (ein kleiner, blechbeschlagener, mit matter Glas-
platte bedeckter Holzkasten, in welchem auf nassem Torfmull der entsprechend kleinere,
aus Zinkblech gefertigte, sandgefüllte, am Boden siebartig durchlöcherte Keimkasten
steht. Der Apparat wird auf den warmen (nicht überhitzten) Ofen oder Herd gestellt ;
er arbeitet rasch und genügend sicher : für schnell vorzunehmende Proben zu empfehlen.)
Keimapparat von EnteF^) (Veiüefungen eines in einem Wasser enthaltenden Blech-
kasten eingesetzten Gipsblockes nehmen die Samenkörner auf) u. s. w. (Besonders
rasch keimen die Samen in den andauernd gleichmässig warmen Darr-Käumen der
Klenganstalten).
Dauer der Keimkraft: Bei der Aussaat ins Freie ist das Keimprozent wegen
der ungünstigeren Bedingungen stets geringer, als bei der Probe im Zimmer. Nicht ein-
mal im Forstgarten, geschweige denn auf den grossen Kulturflächen, erhält man auch nur
entfernt so viele Pflänzlinge, als dem Keiraprozent und der angewendeten Samenmenge
entsprechen würden (Versuche der Züricher Versuchsanstalt). Üeberdies nimmt die Keim-
kraft bei älterem Samen auch bei sorgfältigster Behandlung meist rasch ab (bei Ulme
innerhalb weniger Tage, bei Tanne bedeutender Rückgang schon im ersten Winter ; länger
als ein Jahr ist im allgemeinen nur der Same von Kiefer und Fichte noch genügend
leistungsfähig, event. bis ins 2., 3., ja 4. Jahr, dann aber auch nur unter starkem Ver-
lust an keimfähigen Kömern. Vergl. auch Forstbenutzung).
III. Das Keimbett.
§ 37. Vorbemerkungen: Da bei der Keimung Feuchtigkeit, Wärme und
Sauerstoff der Luft zusammenwirken, so muss der Samen bei der Aussaat in Verhält-
nisse gebracht werden, welche ihm die möglichst ungestörte Wirkung dieser Faktoren
darbieten. Lichtabschluss wirkt begünstigend. Anhaltende Trockenheit sowie Frost
sind dann besonders schädlich, wenn sie im Zeitpunkte der beginnenden Keimung ein-
treten. Gegen alle schädigenden Einflüsse kann, soweit sie sich in massigen Grenzen
halten, also z. B. die Trockenheit nicht zu lange andauert, der Frost nicht zu heftig
auftritt, das Umgeben des Samenkonies mit lockerer Erde Schutz gewähren. Üeber-
dies ist es für das sofortige Anwachsen des zuerst aus der Hülle hervorbrechenden
Würzelchens erforderlich, dass es baldigst mineralischen Grund erreicht.
Herstellung eines guten Keimbettes: Alle hierauf gerichteten Mass-
regeln haben ihren Grund in den vorangedeuteten Bedingungen einer raschen, sicheren
Keimung. Der Kulturkostenaufwand wird durch derartige Vorarbeiten stets mehr oder
weniger bedeutend erhöht, weshalb sorgfältigst zu erwägen ist, ob dieselben nötig sind,
bezw. die gedeihliche Entwickelung der jungen Saat so fördern, dass sich die Ausgabe
lohnt. Die billigsten Mittel, welche uns den Zweck erreichen lassen, sind zu wählen.
Dabei ist aber wohl zu beachten, dass — so sehr auch die Kulturkosten das Konto
des zu erziehenden Bestandes belasten — doch nicht am unrechten Orte gespart wer-
den darf. Anfänglich billige Kulturen werden oft durch die erforderlichen Nachbesse-
rungen zu teueren, oder die zweifelhafte Entwickelung des geschaffenen Bestandes be-
deutet einen Verlust, der den Kulturkosten zugeschlagen werden muss. Statische Er-
wjigfng ist hier besonders angebracht. Die bezüglichen Operationen bestehen (je nach
den Umständen) in der Entfernung eines zwischen dem zu Hoden fallenden Samenkorn
und Wem mineralischen Grund eingeschobenen oder die Keimpflanzen demnächst benach-
teiligenden Bodenüberzugs, in der Auflockerung des Bodens da, wo derselbe zu fest
I 73) Zentralbl. f. J. ges. Forstwesen 1890 S. 251.
74) Allg. Forste u. J.Z. 1893, S. 17.
75) Forstw. Zentralbl. 1897, S. 335.
472 IV. Lorey, Waldbau.
gelagert ist, und auch wohl ausnahiriKweise in Herbeischaffung des für die Keimung
geeigneten Bodens an Stellen, wo solcher fehlt.
A. Entfernung eines hinderlichen Bodenüberzugs: Eine lichte
Grasnarbe oder dünne Decke aus Laub, Moos, Kräutern (auch Heide, Beerkraut), unter
welchen der Boden, genügend locker, sich einigermassen frisch erhält, ist im allgemeinen
der Saatkultur forderlich. Fehlt dieser üeberzug (als Beweis eines lebendigen tätigen
Bodens), wie nicht selten auf trockenen, steilen oder sandigen Orten, so hat man öfter
mit Erfolg versucht, denselben erst zu gewinnen, indem man die Fläche einige Zeit
hindurch vollständig sich selbst überlässt. Als allgemeine Massregel ist dies jedoch
wegen der Gefahr weitergehender Aushagerung des Bodens, Zerstömng der Krümel-
.struktur desselben nicht anzuraten. Schädlich wirkt dagegen jede jenes Mass über-
schreitende Bodendecke, also insbesondere eine zusammenhängende dichte, hohe Laub-
oder Nadelschicht, zumal wenn dieselbe sich infolge ungenügender Streuzersetzung als
Rohhumus charakterisiert, ferner ein fest geschlossenes Polster von Moos und Gräseni
oder ein massiger Üeberzug von Farnkräutern, Heide, Heidelbeere, Himbeere, Brombeere,
Epilobium, Senecio, Digitalis u. s. w. Die Entfernung eines solchen Ueberzugs ist
meist nur eine teilweise, auf stellenweise Saat berechnet-e (Boden Vorbereitung für eine
Vollsaat würde zu teuer!). Die Bearbeitung erfolgt 1. bei Laub und Moos mittelst
des Rechens (event. besondere kräftig gebaute Waldrechen), auch wohl, bei besonders
mächtigen Laubschichten, mittelst Pflügens (Vogelsberg), oder bei Moos auch durch Aus-
raufen : auch Unterhacken der oberen Schicht und dadurch Mengung mit dem Mineral-
boden kommt in Frage; 2. bei Gras, Heide, sonstigen Forstun kr ante rn
durch Ausraufen (bei feuchtem Wetter, lockerem Boden ; Stehenlassen einzelner Heide-
stengel behufs Beschirmung der Keimpflanzen), durch Anwenden von Sichel, Sense,
Heppe, Beil, Scheere etc. '^'^) oder eines Riefenabschneiders ^^) ; 3. bei Sträuchern
durch Abhauen mit dem Beil oder Abschneiden mit der Durchforstungsscheere , oder
Ausstocken (Schwarzdorn), w^enn man vollständige Entfernung wünscht. Auch Ab-
brennen kann unter Umständen angewendet werden und fördert rasch ; Bedingungen
für dasselbe sind: massig trockenes Wetter, nicht starker Wind, Trockenlieit des Bo-
denüberzugs (Heide, Gras etc. im Frühjahr, im Stand; Kräuter nach vorherigem Ab-
mähen und Abwelken); alle Vorsichtsmassregeln (nackte Streifen um die Brandflä^rhe,
Aufgebot von Mannschaft etc.) sind dabei vorzukehren, damit ein üebergreifen des
Feuers ausgeschlossen ist.
B. Bodenlockerung: Dieselbe hat nicht weiter zugehen, als dass eine liir
den Kulturerfolg genügende Anzahl von Samenkörnern mit dem mineralischen Boden
in hinreichend innige Berührung kommt, um sich zunächst zu guten Keimpflanzen zu
entwickeln, und dass letzteren dann in dem gelockerten Boden vor allem die Bildung
eines normalen Wurzelsyst^ms ermöglicht ist. Bodenlockerung erhöht übrigens die
(lefahr des Ausfrierens. Die Mittel der Lockerung sind für Vollsaat und stellenweise
Saat verschieden.
1. Vollsaat: a) Umbrechen durch Schweine: in vielen Fällen voll-
kommen hinreichend, oft ohne Aufwand zu bewerkstelligen. Die Schweineherde ist in
massigem Tempo, ohne längere Zeit an einem Platz zu verweilen, über die Fläche zu
treiben : Vertilgen von Insekten, Mäusen etc., b) Kurzhacken des Bodens, c) An-
wendung einer Egge, d) Anwendung eines Pfluges.
76) Zum Teil eigens für diesen Zweck konstruierte Instrumente ; vergl. Beil, «Forstw.
Kulturwerkzeuge u. Geräte", sowie die bezüglichen Kapitel der grosseren Waldbauschriften,
z. B. Heyers Waldbau, 3. Aufl. S. 88 ff.
77) „Der Riefenabschneider" von Kehrein. Allg. F. u. J.Z. von 1878 S. 37.
Die Bestandesbegründung. § 37. 473
ad c) Ausser der gewöhnlichen Feldegge kommen in Tätigkeit : die sog. Strauchegge,
bei welcher die Enden eingelegter Reisigbündel die Bodenverwundung besorgen, für nicht
zu dicht benarbten Sandboden, auf welchem Kiefernsaat ausgeführt werden soll, oft voll-
kommen genügend; die dreieckige Egge, die Kettenegge (aus einer Anzahl einzelner mit
Zinken versehenc^r und durch kurze Kettenstücke verbundener kleiner Platten bestehend —
beweglich), wie z. B. die Waldegge von Laake (Oesterr. Forstzeitung 1889, 8), eine Ketten-
cgire mit auswechselbaren Zähnen ; neuestens die Federegge ^**) (mit beweglichen Zähnen).
Eine gut arbeitende Egge (nach Oberforstmeister Hahn, Zeitschr. f. Forst- u. J. 1892,
457) mit rückschlagenden LöflFelzinken ist die Ingermann'sche Waldegge. Stöcke, Steine,
Wurzeln etc. bieten der Arbeit der Egge Hindernisse ; gegen letztere sucht die Kettenegge
und die Federegge anzukämpfen. — ad d) Waldpflüge sind in mannigfacher (i estalt kon-
struiert worden. Es sind teils Karren- oder Räderpflüge, teils Stelz-, teils Schwingpflüge
im Gebrauch. Neben gewöhnlichen Pflügen kommen auch Untergrundpflüge (tiefere Locke-
rung) zur Benutzung. Beispiele: Der Waldpflug, sowie der Untergrundpflug von Alemann ^'^j,
der Waldpflug von Eckert^®), derjenige von Erdmann ^^), von Osterheld (zur furchenweisen
Bodenbearbeitung behufs Aufnahme der Buchelmast) ^^), von Bötzel^^).
Als ein besonderer Fall der Anwendung des Pfluges möge hier der Kiefernanbau
auf Pflugwällen (preuss. Oberförsterei Dobrilugk) erwähnt werden®*), als dessen Vorbe-
reitung durch das Ausheben vertiefter Pfliigfurchen zwischen denselben wallartige Erhe-
bungen gebildet werden ; auf letzteren wird kultiviert. Allgemein sind auf undurchlassen-
dem Boden die Pflugfurchen nicht selten zu nass.
Die volle Bodenbearbeitung ist (vom Schweineeintrieb und allenfalls von der ober-
flächlichen Verwundung eines ebenen, mit kurzem Gras überkleideten Bodens durch die
Egge abgesehen) meist zu teuer, als dass sie ohne übermässige Belastung der ^Vi^t-
schaft ausgeführt werden dürfte. Eventuell wäre, wenn man sich nicht mit stellen-
weiser Saat begnügen will, von der Saat überhaupt Abstand zu nehmen und zur Pflan-
zung überzugehen. — Spezialfall des Waldfeldbaues (vergl. VIc des Handbuchs Band 2.).
2. Stellenweise Saat. Für diese tritt vorgängige Bodenbearbeitung (we-
nigstens für Riefen- und Plattensaat) fast immer ein; die Kultur muss, da sie auf
einzelne Teile der Fläche beschränkt ist, auf diesen in ihrem Erfolg durch besondere
Sorgfalt möglichst gesichert sein. Der Aufwand für die Bodenbearbeitung ist hier
entsprechend geringer, als wenn die betreffenden Arbeiten auf der ganzen Fläche durch-
geführt würden.
a) Riefen: Die Richtung derselben ist in der Ebene meist nur bedingt
durch die Wege, auf welche die Streifen zur Erleichterung der Holzausbringnng bei
den Reinigungen und ersten Durchforstungen unter einem annähernd rechten Winkel
aufstossen sollen, sowie allenfalls durch die Windrichtung, indem es als zweckmässig
gelten kann, dass der Wind tunlichst senkrecht auf die Saatstreifen trifft, nicht aber
dieselben in ihrer Ijängserstreckung bestreicht. An Hängen führt die Rücksicht auf die
Holzausbringung zur Anlegung der Streifen oft geradezu in der Richtung des grössten
Gefälles (Einmündung in die Tal- und Hangwege), während hierdurch freilich die Ge-
fahr des Abschwemmens (der Samen, Pflänzlinge, Bodenkrume) herbeigeführt wird, und
sich aus diesem Grunde eine horizontale Lage der Riefen empfiehlt (mit Anhäufung
des Abraumes am unteren Streifenrand). Eine geeignete Vermittelung wird nicht selten
78) Vergl. über diese und einige andere Waldeggen von A 1 1 e n's Aufsatz in Danckel-
manns Zeitschrift für Forst- u. Jagdwesen 1886, S. 'Mb ff. — vergl. auch AUg. F.- u. J.-Z.
von 1879, S. 262.
79) Alemann, „Ueber Forstkulturwesen ^, 3. Aufl. S. 25 ff.
80) Allg. Forst- u. Jagdzeitung von 1869, S. 481.
81) Daselbst 1866, S. 327.
82) Forstwiss. Zentralbl. 1900, 131.
83) Holz-Verkaufsanzeiger, 1893, 12.
84) Zeitschr. f. Forst- u. J. 1888, 413.
474 IV. Loroy, Waldbau.
durch eine die Kichtunj? des p^rössten Gefälles in schiefem Winkel durchschneidende
Erstreckung der Sti-eifen gelnnden. Den vom Wasser (Platzregen, Schneeabgang etc.)
drohenden Gefährdungen kann einigennassen auch durch Unterbrechung der Streifen
(sog. Stückrinnen) begegnet werden. — Breite der Riefen hauptsUchlich abhängig
vom Unkrautwuchs auf den zwischenliegenden Streifen: die jungen Pflanzen dürfen von
der Seite her nicht tiberlagert und unterdrückt werden ; durchschnittliche Breite 25 bis
40 cm. — Abstand der Riefen von Rand zu Rand meist V* — 1^'« Meter, bei
langsamwüchsigen Holzarten und zur Erzielung eines raschen Bestandesschlusses am
geringsten. — Herstellung der Riefen: oft, zumal in sehr unebenem Terradn,
nach dem Augenmass, sonst Abstecken unter Anwendung von Pflanzschnur etc. Ent-
fernung des Bodenüberzuges. Lockern des mineralischen Grundes (mit Hacke oder
Pflug), event. Bildung eines erhöhten Aufwurfs (und demnächstige Saat auf die erhöhten
Streifen, damit die jungen Pflanzen nicht von Laub etc. überdeckt werden; besonders
an Hängen). Die Kosten betragen bei Anfertigung mit der Hacke pro ha (bei 0,3 m
Breite und IV* m Abstand der Riefen) im ganzen 30—40 Taglöhne.
b) Platten: Die Grösse und Entfernung derselben (von Mitte zu
Mitte) ist abhängig von der Entwickelung der Keimpflanzen, Art des Unkrautwuchses,
vom Eintritt des Bestandesschlusses; mittlere Grösse 0,25 DMeter und mittlere Ent-
fernung 1 — 1^/2 Meter. Die Platten erhalten meist eine quadratische Gestalt, werden
auch wohl kreisförmig oder als der Quadratform sich annähernde Rechtecke angelegt.
— ^Anfertigung: Abräumen des Bodenüberzugs, Lockern des mineralischen Grundes
(mit Hacke oder Kreisrechen ^^).
C. Herbeischaffen von Kulturerde. Für den Zweck einer Saatkultur
(z. B. zwischen die Steine in Steinräuhen etc.) : gute Walderde, Kompost, Rasenasche.
Die Massregel ist, weil teuer, möglichst zu vermeiden ; nur ausnahmsweise und für kleine
Flächen kommt sie in Betracht.
IV. Vollzug der Saat.
§ 38. A. S a a t z e i t. Abgesehen von denjenigen Holzarten, deren Samen, weil
ihre Keimkraft rasch verlierend, baldigst in den Boden gebracht werden müssen (z. B.
ülme sofort nach der Reife, Ende Mai, Anfang Juni ; Herbstsaat bei der Tanne), kann
man im Herbst und im Frühjahr säen. Die Frühjahrssaat bildet im allgemeinen die
Regel ®'^). Bei der Herbstsaat — (nach welcher im Frühjahr die Keimung zwar zeitiger
erl'olgt, so dass die jungen Pflanzen noch verhältnismässig viel von der Winterfeuchtig-
keit vorflnden und sich im ersten Sommer schon kräftig entwickeln können) — ist die
Gefahr einer Einbusse an Samen (Verderben im Boden, Frass durch Vögel, Mäuse etc.)
85) Vergl. Beil, „ Kulturwerkzeuge ^ Fig. 90—96.
86) Speziell findet sich meist die Vorschrift, man solle recht früh säen, um von der
Winterfeuchtigkeit möglichst zu profitieren. Zu beachten ist aber, dass für die Entwickelung
der Samen auch eine gewisse Wärmemenge Bedingung ist, und dass eintretende Kälteräck-
schläge die Keimung sehr ungünstig beeinflussen können. Im allgemeinen hat es keinen
Wert, vor April zu säen: vergl. auch v. Alten . ^Wie wirkt die Saatzeit . . .?" in Zeitschr.
f. Forst- und Jagdwesen 1887, 8. 10 ff". Derselbe hatte — Revier Kupferhütte, Reg.-Bez.
Hildesheim — mit Forche die besten Frfolge bei der Aussaat Mitte April : Die Frage muss
örtlich, durch mehrere Jahre hindurch und in Ausdehnung des Versuchs auf verschiedene
Holzarten untersucht werden. Insbesondere darf daran erinnert werden, dass sich für Ge-
birgslagen als beste Saatzeit nicht selten erst Mai oder Juni ergeben ; in eigentlichen Iloch-
lagen ist frühere Aussaat oft gar nicht möglich, üebrigens wird für trockene steile Hänge,
zumal fürs Gebirge, auch Schneesaat (Ausstreuen des Samens auf die Schneedecke) empfohlen :
cfr. G. Rassl in Oesterr. Forstz. 1888, 45.
Die Bestandesbe^ründung. § 38. 47ö
und diejenige einer Schädigung der früh erscheinenden Pflänzlinge durch Spätfröste
grösser. Rücksicht auf Arbeitskräfte, Kürze der verfügbaren Kulturzeit im Frühjahr,
namentlich in höheren Lagen, in welchen der Boden lange mit Schnee bedeckt ist,
ferner Unmöglichkeit der Aufbewahrung des Samens durch den Winter können gleich-
wohl zur Herbstsaat veranlassen. Bei der Entscheidung ist nicht ausser acht zu lassen,
dass nach weit hinausgezögerten Frühjahrssaaten doch die Keimlinge nicht selten, be-
vor sie einigermassen erstarkt sind, durch Trockenheit und hohe Temperaturen zu
leiden haben; ferner dass bei der Herbstsaat das Ueberliegen des Samens ins nächste
Jahr (Ahorn, Esche) bei einer Mehrzahl von Körnern fortfällt, was erwünscht sein
kann. Eine allgemeine Vorschrift lässt sich in bezug auf die Saatzeit nicht geben.
B. Erforderliche Samenmenge. Dieselbe ist abhängig von der Qualität
des Samens, dem Saatverfahren, dem gewünschten Mass der Bestandesdichte, damit in
Zusammenhang der Art der Vornutzungen, der Bodenvorbereitung.
1. Qualität des Samens. Nicht für sich, sondern nur in Verbindung mit
der geforderten Bestandesdichte ist jene entscheidend: man wünscht pro ha eine ge-
wisse Anzahl Pflanzen, kennt das Keimprozent (nicht das durch die Keimprobe ermit-
telte, sondern das tatsächliche, bezw. unter Beachtung des bekanntlich oft sehr grossen
Abgangs etc. ist massgebend), die durchschnittliche Zahl der Körner pro Raum- oder
Gewichtseinheit, so dass eine Feststellung der erforderlichen Samenmenge möglich wäre.
In einer solchen Berechnung, die immerhin zur Orientierung vorgenommen werden mag,
ist gerade der Abgang ein wichtiges, jedoch äusserst schwankendes Element, da der-
selbe nicht nur durch die Ausführung der Saat, sondern namentlich durch Witterung,
schlechten Bodenzustand, Tierfrass etc. sehr stark und in gar nicht vorauszusagender
Weise beeinflusst wird. Direkte Versuche hierüber liegen von der Schweiz. Versuchs-
anstalt vor (Mitt. der Schweiz. Zentralanstalt für Versucliswesen, Bd. I), sind aber im
Forstgarten ausgeführt, weshalb die Ergebnisse, auf die Freilandfläche übertragen,
wohl noch einer weiteren Reduktion bedürfen: 1 g Fichtensamen hat beispielsw^eise
im Durchschnitt nur 40 2jährige Pflanzen geliefert, d. h. nur von ca. 25% der Samen-
körner. — Oertliche Erfahrung gibt die Samenmenge übrigens weit zuverlässiger. —
2. Saatverfahren: Vollsaaten bedürfen mehr Samen (cfr. I, B, S. 467). — 3. M a s s
der Bestandesdichte: bei langsamwüchsigen, empflndlichen Holzarten säet man
im allgemeinen dichter, desgleichen auf geringem Standort, sowie da, wo Unkrautwuchs,
Auffrieren etc. zu fürchten ist (vgl. § 22). Zu dichte Saaten sind oft ein ebenso gros-
ser Missstand wie zu lichte; tatsächlich wird häufig zu dicht gesäet! — 4. Art der
Vornutzungen: dichte Saaten (nicht zu dicht, damit die Einzelpflanzen gehörig
erstarken können !) ermöglichen die Entnahme reichlichen Materials für Pflanzkulturen
(event. Verkauf schätzbare Vornutzung!). — 5. Bodenvorbereitung: je sorg-
iUltiger dieselbe ist, um so günstiger die Bedingungen des Keimens, um so mehr kann
also an Saatgut gespart werden.
Durchschnittliche Zahlenangaben *'^) :
a) Anzahl der Samen pro Mass-, bezw. Gewichtseinheit^*'):
Eirhe pro hl {= 80—100 kg) 18 000—25 000 Stück. — Buche pro hl (= 50 kg)
87) Zu vergleichen hier und in betreff des gesamten Kulturbctriebes die Zahlenangaben
in dem Forst- und Jagd-Kalender von J u d e i c h und Behm, inHempels Taschenka-
lender für den österr. Forstwirt und in den verschiedenen Waldbauschriften. — Alle ange-
gebenen Zahlen können nur einen ganz ungefähren Anhalt liefern und sind für den konkreten
Fall event. zu modifizieren,
88) Vergl. Baur im forstwiss. Zentralblatt von 1880, S. 841. — Hess, Encyklo-
pädie und Methodologie 1888, U, 1 (S. 61). — Hey er, Waldbau, 4. Aufl. 1893, S. 164/165.
— Handbuch, 11, Forstbenutzung.
470 IV. Lorey, Waldbau.
1 50 000— 200 (XK) Stück. — Gem. Kiefer (ungeflÜKelt) pro kg 150000 Körner. — Fichte
pro kg 150000 Körner. - Tanne pro kg 22 000 Körner. — Lärche pro kg 160000
Körner.
b) Samenmenge pro 1 ha bei Vollsaat:
Eiche 7—15 hl. - Buche 8 -R hl. - Gem. Kiefer (ohne Flügel) 6—8 kg. —
Fichte 8—10 kg. — Tanne 40 - 60 kg.
c) Bei Riefensaat kann das Quantum durchschnittlich auf etwa */2 — ^/a des-
jenigen der Vollsaat vermindert werden.
C. Beförderung der Keimung: Mehrfach ist die Frage erwogen worden,
ob man nicht durch besondere Behandlung der Samen vor der Aussaat deren Keimen
beschleunigen und dadurch vielleicht über gewisse Misslichkeiten (schlechtes, unregel-
mässiges oder verzögertes Keimen infolge langen Liegens im Boden etc.) hinan.skommen
könne. Als einfachstes Mittel erscheint das Anquellen des Samens in Wasser einige
Tage vor der Aussaat. Ich möchte aber für den Kulturbetrieb im grossen dazu nicht
raten, weil — abgesehen von der Umständlichkeit des Verfahrens und der Erschwerung
der Aussaat — der aufgelaufene Samen, wenn nach der Saat eine Periode der Trocken-
heit oder Kälte folgt, zu leicht (meist weit mehr als nicht gequollener) notleidet.
Für den Forstgarton, wo man auf kleinem Raum die Aussaat konzentriert und,
wenn nötig, jederzeit beispringen kann (Bedecken der Beete, Begiessen etc.), mag eher
einmal von jener Hilfe Gebrauch gemacht werden (z. B. bei Verwendung älteren Samens,
bei verzögerter Aussaat u. s. w.). Durch Anwendung chemischer Agentien (Chlorw^asser,
Kalkwasser, verdünnte Säuren etc.) hat man überdies versucht, die Samenhülle zu lockern
und dadurch die Keimung zu befördern : sicherstehende Resultate sind nicht zu verzeichnen.
Denn wenn z. B. auch Von hausen (Allg. F.- u. Jagd-Zeitung von 1858, S. 461 und
1860, S. 8), sowie Hess (Zentralblatt für d. ges. Forstwesen 1875, S. 462) für Nadel-
holzsamen gute Erfolge hatten, so haben andererseits gelegentlich angestellte? Proben der
Württemberg. Versuchsstation zu greifbaren Ergebnissen nicht geführt. — Ulmensamen
wird bei der Aussaat zweckmässig mit feuchtem Sand vermischt. — Für die Nüsse von
Pinus cembra wird Vorkeimen in Gruben empfohlen (Hallbauer in Allgem. Forst- u. J.-Z.
1891, 439): in eine mit Stroh belegte, mit einem den Luftzug vermittelnden Quandel
versehene Grube werden im Herbst die Nüsse, mit Sägespänen vermischt, eingebettet ; im
Mai haben dieselben ihre kleinen Keime ausgetrieben und kommen ins Saatbeet, wo die
Keimpflanzen nach 14 Tagen aufgehen. — Vorkeimen der Juglans- und Carya-Nüsse in
(iruben oder in Haufen über der Erde unter Bt^handlung mit Sand, Mist, Jauche ^*^).
D. Die einzelnen Saatmethoden. 1. Vollsaat: Dieselbe erfolgt meist
aus der Hand. Grössere kompliziertere Säemaschinen kommen für Vollsaaten beim
Forstkulturbetrieb wenig in Anwendung, denn sie sind nur auf ebenem Boden ohne
Hindernisse, wie Steine, Stöcke etc. zu gebrauchen ; ihre Anschaffung könnte nur etwa
für ausgedehnte Nadel- Waldungen (Kiefer) der Ebene in Frage kommen, doch ist auch
hier oft das jährlich zu bewältigende Objekt und damit die bei der Arbeit zu erzielende
Ersparnis zu gering im Vergleich zu den Anschaff'ungskosten. Bei der Handsaat sind
geübte Arbeiter zu verwenden (die Zahl derselben in maximo bestimmt durch die For-
derung ständiger Kontrolle seitens des Schutzbeamten). Abstecken der Saatgänge, an
Berghängen horizontal, Vorrücken von oben nach unten ; in der Ebene oft Teilung des
Samenquantums und Besäen der Fläche in zwei Richtungen (in die Länge und in die
Quere). Unterlassen der Saat bei starkem Wind. Bei Mischsaaten (z. B. Kiefer und
Fichte) Ausstreuen der verschiedenen Samenarten nicht in Untermengung, sondern nach
einander (zur Erzielung einer gleichfönnigen Mischung). — 2. Stellenweise Saat:
Gleichmässige Verteilung des Samens in den Riefen und auf den Plätzen ist zu er-
streben. Nicht immer werden die ganzen Streifen besäet, sondern ab und zu auf den-
89) Brecher, Allg. Forst- und J.-Z. 1887, 362. — G e r i c k e (Zeitschr. f. F. undJ.
1888, 509).
Die Bestandesbegründung. § 39. 477
selben erst noch besondere Furchen (Rillen, Kiefen, Rinnen) zur Aufnahme des Samens
gefertigt. Nicht zu dicht säen! Aussaat aus der Hand, oder, auf günstigem Terrain,
unter Benutzung von Säeapparaten bezw. -Maschinen zur Erhöhung der Gleichförmig-
keit des Ausstreuens und Förderung der Arbeit. Zu den einfachen Apparaten, welche
von Arbeitern getragen werden, gehören z. B. das Säehom und die Saatflinte ®^) ; zu
den (bei Kiefemsaat zu benutzenden) Maschinen — grossenteils nach Art von Schieb-
karren, event. durch Vereinigung von Druck und Zug, von Arbeitern zu bewegen — ,
z. B. die älteren von Runde, Gohrisch, Göhren, femer die Sack'sche Säemaschine, eine
zweiarmige Handdrillmaschine ^^), die Waldsäemaschine von Pollack (Oesterr. Forstztg.
1895), bei welcher das rotierende Rad eine Schüttelvon'ichtung in Bewegung setzt, u. a.,
sowie die kompliziertere und teuere (Preis 140 Mk.), aber in ihren Leistungen behufs
Bewältigung grosser Flüchen in der Ebene, gute Maschine von Drewitz^^^). Als Ma-
schine für Plattensaat ist der „PlattensJier*' von Zitny**^^) empfohlen.
E. Unterbringen und Bedecken des Samens: Die Bedeckung mit
Erde (zum Schutz gegen Frost, Austrocknen, Tierfrass etc.) ist für grössere Samen im
allgemeinen stärker als für kleine, desgl. darf sie stärker sein für solche, welche beim
Keimen die Kotyledonen unter der Erde lassen. Das Maximum soll aber selbst bei
Eicheln, Juglans- und Carya-Nüssen, Kastanien 10 cm nicht überschreiten ; Bedeckung
bei Nadelhölzern, wie Kiefer, Ficht« etc. nur etwa 3 — 10 Millimeter, event. nur ganz
leichtes Vermengen mit der Bodenkrume. Tu bezug auf die zweckmässigste Bedeckungs-
höhe sind mehrfach exakte Versuche angestellt worden, wie z. B. von einer Reihe
forstlicher Versuchsanstalten (Württemberg, Schweiz etc.); die als deren Ergebnisse
gemachten speziellen Angaben können nur als durchschnittliche betrachtet werden, weil
im einzelnen Falle eine ganze Reihe von Faktoren mitwirkt, wie Bodenart und Boden-
zustand, Bedeckungsmaterial (Komposterde, Erde mit Sägespänen oder Torfmull ge-
mischt, Rasenasche, gewöhnliche Erde) und vor allem die Witterung. Auf eiuiger-
massen bindigen Böden kann ein starker Regen ein Verschlammen , eine Verkrustung
der Oberfläche bewirken, derart, dass selbst eine ganz massige Bedeckung das Hervor-
brechen der Keimlinge aus kleinen Samen hindert, während ohne solche Schädigung
eine etwas stärkere Bedeckung vielleicht günstiger gewesen wäre. 1. Vollsaat:
Anwendung der Egge, event. auch Handarbeit (Rechen), Uebererden, Auftrieb von Vieh-
herden. — 2. Stellenweise Saat, und zwar bei Riefen : Pflug (Eichelsaat), ferner
besondere Maschinenteile (Rechen) an den Säemaschinen, Handarbeit (Hacke, Rechen);
bei Plätzesaat event. Anwendung des Kreisrechens.
§39. F. Pflege der Saatkulturen: Es handelt sich um den Schutz der
Samen und demnächst denjenigen der Keimpflanzen, sowie um die erforderlichen Saat-
Nachbesserungen. T. Schutz der Samen ist vor allem zu gewähren gegen Tiere
(siehe Forstschutz); gegen Hitze und Frost schützt das Bedecken. II. Die Keim-
90) Bande, „Saatflinte und Säehorn" in Zeitschr. für Forst- und Jagdwesen von
Danckelmann 1869 S. 449.
91) Voigt, Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1888.
92) Bernhardt in Zeitschr. für Forst- und Jagdwesen 1874 S. 285. — Roloff,
„Allg. Forst- und Jagd-Zeitung" 1876 S. 48. An letztgenannter Stelle wird berichtet, dass
die Maschine auch auf geneigtem Terrain verwendbar ist. 2 Arbeiter ziehen, 1 Arbeiter
führt dieselbe. Am besten auf mittel bindigem Boden, nicht gut auf festem oder ganz lockerem
und nicht gut bei einem an die Werkzeuge sich festhängenden Boden. Abhängigkeit auch
vom Wetter (Regen bei lockerem Sandboden oft günstig, nachteilig bei vielen Vertiefungen.
wie Stocklöchern u. s. w.) Ersparnis an Samen, nicht an Arbeit. Kosten der Aussaat
(reiner Arbeitsaufwand) pro ha 2 — 3 Mark. Sorgfältige Bodenbearbeitung ist erforderlich.
93) cfr. Hempel, „Zentralblatt für das ges. Forstwesen" von 1882 ö. 61 ff.
478 IV. Lorey, Waldbau.
pflanzen sind zu behüten vor Unkrautüberlagerang, Wild und Weidevieh, Hitze und
Frost. 1. Gegen Unkraut: Vollsaaten werden unter Umständen durch Schafauftrieb
gesichert, wobei davon ausgegangen wird, dass die Schafe die Holzpflanzeu (bes. Fichte
und Kiefer) verschonen. Ausschneiden des Unkrautes zwischen Riefen und Plätzen;
dasselbe kommt nicht selten als willkommenes Viehfutter zur Verwendung , doch ist
dessen Entnahme aus dem Walde insofern bedenklich und nicht zu empfehlen, als da-
mit eine Menge von Mineralstoifen dem Waldboden entzogen sind, die, wenn das Un-
kraut auf der Kulturfläche verrottet, demselben wieder zu gut kommen; im Winter
gewährt übrigens der auf den Flächen lagernde Abraum oft den Mäusen guten Unter-
schlupf. Unter Umständen genügt Niedertreten des Unkrautes®*), auch wohl (in den
ersten Jahren, bei langsam wachsenden Holzarten) vorsichtiges Abmähen über die Köpfe
der Holzpflanzen hinweg. Eine Sicherung gegen das Unkraut kann auch dadurch ge-
wonnen werden, dass man die zwischen den Saatstreifen und Saatplätzen liegenden
Bodenteile künstlich mit einer unschädlichen oder gar nützlichen Pflanze bestockt, welcbe
ihrerseits das schädliche Unkraut, zumal Gräser, zurückhält. Zu diesem Zweck mag
Lupinus perennis empfohlen sein, die durch die Jahr um Jahr wiederkommende Blatt-
fülle in jenem Sinne günstig wirkt und überdies als Papilionacee eine Bereicherung des
Bodens an Stickstoff herbeiführt^^). — 2. Wild und Weidvieh: Umfriedigung der
Saatfläche (Dralitzäune neuestens vielfach üblich; ein Geflecht aus verhältnismässig
schwachem Draht, auf ein Stangengitter aufgespannt, gegen das Durchkriechen des
Wildes, genügt; Kosten der Zäune — gegen Rot- und Rehwild — pro lauf. Meter
ca. 1 Mark, inkl. Holzmaterial). — 3. Hitze und Frost: Fruchtbeisaat. Ansaat
unter SehntzbestÄnden (Voranbau frost- und hitzebestä,ndiger , raschwüchsiger, licht-
kroniger Holzarten: Birke, Kiefer etc.), event. Zwischensaat- oder -pflanzung einer
Schutzholzart. Durch diese Massregeln wird natürlich zugleich das Unkraut bekämpft.
— 4. Auch Bodenlockerung kann in manchen Fällen (auch gegen Austrocknung) in
Frage kommen, ferner das Durchrupfen oder Durchschneiden zu dicht stehender Saaten.
— lll. Nachbesserungen: durch Nachsaat ; in vielen Fällen aber (zumal die
Fehlstellen oft nicht gleich im ersten Jahre mit Sicherheit erkannt werden, sowie mit
Rücksicht auf Unki*autwuchs) besser durch Pflanzung. Bezüglich der Nachbesserungen,
sei es in Saat- oder Pflanzkulturen oder in natürlichen Verjüngungen, möge vor zu
kleinlichem, ängstlichem Vorgehen gewarnt werden, wobei jede kleinste Lücke bestockt
wird, auch wenn dieselbe beim Heranwachsen des Bestandes in Zeitkürze von selbst
verschwinden würde. Die Nachbesserung bedeutet dann einen unnötigen Kostenaufwand!
Dritter Teil.
Pflanzung.
Pflanzmethode.
§40. A. Arten derselben. Unterschieden werden: 1. Pflanzung mit be-
wurzelten und mit unbewurzelten Pflänzlingen, erstere entweder natürlich bewurzelt
(Kernpflanzen aus Samen oder Wurzelloden) oder künstlich bewurzelt (Ableger), letztere
Steckreiser oder Setzstangen. — Ballenpflanzen (die W'urzeln sind von einem Erdballen
umgeben) und ballenlose Pflanzen. — Stummelpflanzen (der Schaft wird über dem Wur-
zelknoten abgeworfen) und ungestummelte Pflanzen. — 2. Einzelpflanzung oder Bttscbel-
pflanzung, je nachdem ein oder mehrere Pflänzlinge in das Pflanzloch kommen. —
94) Brombeere schlägt nach dem Abschneiden sehr kräftig wieder aus. — Abschlagen
von Farnkraatwedeln mit Stöcken.
95) Koch, Allg. Forst- und J.-Z. Januar 1902.
Die Bestandesbegründung. § 40. 479
3. Ungeregelte Pflanzung oder Pflanzung in geregeltem Verband der einzelnen Pflanz-
stellen. Als solche geregelte Verbände unterscheidet man : Rechtecksverband und Drei-
ecksverband ; a) Rechtecksverband: von den einzelnen Pflanzstellen bilden je
vier die Ecken eines Rechtecks ; sind dessen Seiten ungleich, so heisst derselbe Reihen-
verband (verschiedener Abstand der Reihen von einander und der Pflanzen in den
Reihen), sind dieselben gleich (Spezialfall des Quadrates), so heisst er Quadratverbau d.
— b) Dreiecks verband: je drei Pflanzstellen bezeichnen die Ecken eines (meist
gleichseitigen) Dreiecks.
B. Wirtschaft! i che Bedeutung. 1. Pflanzung mit bewurzelten
Pflänzlingen bildet die Regel (Setzreiser oder Setzstangen bei Pappel und Weide) ;
überdies flndet künstliche Bewurzelang beim Kulturbetrieb im grossen nur ausnahms-
weise statt. — Ballenpflanzung erscheint allgemein als zweckmässig, sofern bei
ihr die Wurzeln nicht entblösst werden. Sie ist jedoch teuer bei älteren Pflanzen mit
grossen Ballen, deren Aushebung entsprechend umständlich und zeitraubend ist. Be-
dingung ist ein den Ballen haltender (nicht lockerer) Boden; für kleine Pflanzen ist
dieser Bedingung viel leichter genügt, als für grosse, so dass die Anwendung der Bal-
lenpflanzung sich schon aus diesem Grunde in ziemlich engen Grenzen bewegt. —
S tummelpf 1 anzen (z. B. bei Eiche, Erle) treiben oft besonders kräftig aus (je-
doch häuflg mehrere gleichwertige Triebe, weshalb mehr für Niederwald; event. Weg-
schneiden der überzähligen Loden) ; besondere Vorsicht empflehlt sich bei der Stummelung
von Holzarten mit gegenständigen Knospen, wie Esche und Ahorn, weil bei diesen
naturgemäss meist die zwei obersten der belassenen Knospen gleichwertige, in der Folge
miteinander konkurrierende Triebe bilden, so dass Zwieselbildung durch den Vorgang
des Stummeins oft geradezu direkt veranlasst ist. Den Sturamelpflanzen ist übrigens
gutes Anwachsen vermöge der verhältnismässig grossen Wurzelmenge meist gesichert.
In windgefährdeten Lagen kommt den Stummelpflanzen ihre geringe Höhe und das
Fehlen einer Krone zunächst sehr zu statten. -- Im grossen und ganzen findet Pflanzung
mit bewurzelten, ballenlosen, in ihrem oberirdischen Teile unverkürzten Pflänzlingen
am meisten Anwendung. — 2. B üsc helpf 1 anzu ng ist bei einzelnen Holzarten
(Fichte) in manchen Gegenden (Harz) verbreitet. Als Vorzüge werden angegeben
rascher Bestandesschluss, Sicherheit gegen Gefahren (Wildverbiss etc.), besonders gute
Höhenentwickelung der mittleren Pflanzen des Büschels ; dagegen jedoch grosser Pflan-
zenverbrauch, dichter Stand in den Büscheln, infolgedessen oft nicht normale Aus-
bildung der einzelnen Pflanzen, Verwachsungen u. s. w. E i n z e 1 p f l a n z u n g findet
deshalb in den weitaus meisten Fällen statt, zumal auch die von manchen Seiten zu
gunsten der Büschelpflanzung behauptete grössere Widerstandsfähigkeit gegen Schnee-
schaden von anderen (cfr. Versammlung des Harzer Forstvereins 1887: Ref. Reuss-
Goslar) bestritten wird. — 3. Annähernd gleichmässige Verteilung der Pflanzen ist in
den weitaus meisten Fällen anzustreben. Dieselbe lässt sich (durch geübte Arbeiter)
oft auch ohne genau abgesteckten Verband in genügender Weise erreichen. Ausnahms-
weise, wie z. B. unter Umständen beim Unterbau, wird mehr gruppenweise Anordnung
der Pflanzen bevorzugt. — Geregelte Verbände, bei welchen jeder Pflanze ihre
bestimmte Stelle angewiesen ist, erfordern die besondere Arbeit des Aussteckens der-
selben, bedingen danach aber rasche Ausführung der Pflanzung, gestatten sichere Be-
rechnung der Pflanzenzahl, leichte Nachbesserung (sofortiges Auffinden der Fehlstellen),
Grasnutzung (?!) zwischen den Pflanzreihen, Herstellung regelmässiger Mischungen®"),
96) Geeignete Bestandesmischungen sind übrigens oft viel mehr von der speziellen
Bodenbeschaff'enheit an der einzelnen Stelle, als von der Regelmässigkeit des Verbandes ab-
hängig.
4Ö() IV. Lorey, Waldbau.
gewähren Erleichterung beim Holzausbringen, bei manchen Massregeln des Forstschut^es
u. s. w. — Terrainunebenheiten, Steine, Stöcke, Vorwüchse ete. sind oft Hindemisse
der Durchführung.
II. Das Pflanzmaterial*^).
§41. A. Erforderliche Eigenschaften: Nonnale Entwickelung des
Pflänzlings, insbes. gute Wurzelausbildung, stufiger, kräftiger Schaft, genügende Hlatt-,
bezw. Nadelnienge (nicht zu gail oder in gedrängtem Stande spindelig erwachsen!). —
IMe für eine Kultur zu wählende Stärke bezw. Höhe^^) und damit im Zusammenhang
das Alter der Pflänzlinge sind abhängig von dem speziellen Zw eck der Kultur,
von den Verhältnissen, in welche die Pflanzen dabei gebracht werden (cfr. Anm. 98),
und dem dadurch bedingten Pflanz verfahren. Im allgemeinen verdient, wo immer an-
gängig, die Verwendung junger, d. h. kleiner Pflänzlinge (gutes Anwachsen, Billigkeit
des Verfahrens in Absicht auf Pflanzenbeschaftung, Ausheben, Transport, Einsetzen)
den Vorzug: 2- bis 4jährige Pflanzen, von der diesem Alter unter mittleren Verhält-
nissen entsprechenden Höhe werden am häufigsten benutzt, in besonderen Fällen kommen
auch 1jährige (Kiefer), sowie andererseits ältere resp. stärkere und höhere Pflänz-
linge (Loden, Halbheister, Heister) in Anwendung: z. B. Tanne (langsame Jugendent-
wuckelung) überhaupt meist 5— 6jährig ; stärkere Pflanzen aller Holzarten oft bei Nach-
besserungen, Randpflanzungen, Kultur von Viehweiden, bei bedeutendem Unkrautwuchs
u. s. w.
B. Verschiedene Arten der Pflanzenbeschaffung. Es kommen
in Betracht: Kauf und Tausch, Entnahme aus Schlägen, besondere Anzucht und zwar
entweder in Freilagen oder unter Schutzbeständen oder in Forstgärten. 1. Kauf
und Tausch: nur ausnahmsweise zulässig ; im allgemeinen sollte jedes Revier (min-
destens jeder Forst) seinen Bedarf selbst decken. So lautete bis vor wenigen Jahren
die allgemeine Regel, und an derselben sollte auch heute noch tunlichst festgehalten
werden, schon des grossen Interesses wegen, das jeder Forstwirt gerade an der Anzucht
seines Pflanzenmaterials nehmen muss; die hierbei gebotene Gelegenheit zu Beobach-
tungen und Versuchen aller Art sollte nicht fortfallen; unnützes, kleinliches Experi-
mentieren hat natürlich zu unterbleiben. In neuerer Zeit haben es jedoch viele, ins-
besondere grosse Pflanzenzüchtereien (z. B. Heins-Halstenbeck in Holstein) durch wei-
testgehende Vervollkommnung ihrer Einrichtungen dahin gebracht, dass sie tadellose
Pflänzlinge in jeder beliebigen Menge zu Preisen anbieten können, welche hinter den
Kosten, mit welchen dieselben im Forstgarten des einzelnen Wirtschaftsganzen meist
nur erzogen werden können, erheblich zurückbleiben. So ist es nicht zu verwundem,
dass von der so gegebenen Möglichkeit der Bedarfsbefriedigung durch Ankauf von
Händlern mehr und mehr Grebrauch gemacht wird. Immerhin sollte das finanzielle
Moment nicht allzusehr betont werden. Auch für das Schutzpersonal bietet die Pflan-
zenzucht erweislich sehr oft besonderen Reiz und nicht zu unterschätzende Anregung.
— 2. Entnahme aus Schlägen, natürlichen Verjüngungen und Saaten , teils
97) Vergl. u. a. Fürst, „Die Pflanzenzucht im Walde" 3. Aufl. 1897, woselbst alle
Einzelheiten der Pflanzenerziehung in erschöpfender Weise abgehandelt sind. Zahlreiche
Literaturnachweise und Erfahrungszahlen etc. daselbst.
98) Mit Recht ward mehrfach (z. B. Flury-Schweiz 1895) betont, dass die Höhe der
Pflanzen in erster Linie anzugeben sei, nicht deren Alter, weil die nämliche Höhe auch bei
der gleichen Holzart unter verschiedenen Entwicklungsbedingungen bei verschiedenem Alter
erreicht werde, und doch eine bestimmte Höhe des Gipfels über dem Boden in vielen Fällen
der entscheidende Faktor sei, wie z. B. beim Kampf mit Unkraut, in Frostlagen, gegen
Wildverbiss u. s. w.
Die Bestandesbegründnng. § 41. 481
zum Zweck anmittelbarer Yerwenclnng für die Kultar, teils za vor gängiger Verschnlüng
in Pflanzbeete. Gewinnung eines billigen, oft (auf geeignetem Boden, bei nicht zu
dichtem Stand) trefflichen Materials (mit oder ohne Ballen, je nach Umständen). Sorg-
fältiges Ausheben (nicht Ausreissen und Abbrechen der Wai*zelenden) ist Bedingung.
— 3. Besondere Anzucht: a) in Freilagen, durch Saat, namentlich ab und
zu behufs Anzucht von Ballenpflanzen, auf massig bindigem Boden mit leichter Gras-
narbe. Mit Vorteil werden auch die wieder eingeebneten Stocklöcher starker Stämme
zur Pflanzenzucht mit benutzt; infolge der gründlichen Bodenlockerung sind die Er-
gebnisse hier oft besonders gute. — b) unter lichtschirmigen Schutzbe-
ständen, z. B. Buche (für Zwecke des Unterbaues, Main-Bheinebene) durch Saat
in Kiefernbeständen, am best*en stark durchforsteten Stangenorten oder angehenden Baum-
hölzern, nach oberflächlicher Zubereitung des Keimbeetes (Entfernung des Moospolsters,
leichtes Durchhacken des Bodens, event. Umgatterung gegen Wild). Massenhaftes
Material ohne grosse Kosten, aber nur für Schattenhölzer. — Hie und da Anzucht von
Pflänzlingen auf Waldfeldern unter dem Schutz von Getreide (z. B. Haferschutz- Saaten
zum Ausheben der Pflänzlinge im 3. Jahre). — c) in Forstgärten oder Kämpen
für Pflänzlinge, welche besonderer Sorgfalt bedürfen, insbesondere, wenn Verschulen
nötig wird. Wo die Gelegenheiten des Pflanzenbezugs ad 1, 2, 3 a fehlen oder nicht
benutzt werden wollen, ergibt sich die Anzucht im Forstgarten von selbst. Sie ist
tauglich für alle Holzarten, aber meist relativ teuer. Für viele Arten der Pflanzkultur
ist sie unentbehrlich, im ganzen aber doch auf das notwendige Mass zu beschränken.
C. Forstgartenbetrieb insbesonder e'®).
§ 42. 1. Arten. Die Forstgärten sind entweder nur Saatschulen (Saat-
kämpe) zur Erziehung von Pflanzen, welche unmittelbar von der Stelle, wo sie gekeimt
sind, zur Kultur verwendet werden, oder Pflanzschulen (Pflanzkämpe), in welchen
die Keimpflanzen erst noch versetzt (verschult, verstopft, umgelegt) werden, bevor sie
auf die Kulturfläche kommen. Meist sind Saat- und Pflanzbeete in einem Forstgarten
vereinigt, doch kommen auch grössere Kampanlagen vor, in welchen sich nur Yerschul-
pflanzen finden (z. B. Tannensämlinge aus Bestandessaaten, Buchen aus natürlichen
Verjüngungen). — Man unterscheidet ausserdem ständige und unständige
(sog. Wander-)Forstgärten. Erstere werden durch längere Zeit andauernd benutzt,
letztere für kürzere Zeit, nur die Pflanzen für bestimmte Kulturen liefernd. Die un-
ständigen Forstgärten werden natürlich möglichst unmittelbar bei oder auf der Kultur-
fläche angelegt, deren Pflanzenbedarf sie demnächst decken sollen. Ist die betr. Kultur
erledigt, so werden sie wieder aufgegeben, bezw. bilden dann mit einem Rest ihrer
Pflanzen Teile der Kultur. Ständige Gärten sind teurer in der ersten Anlage (sorg-
iUltigere Bearbeitung etc.), ei-fordem bei beginnender Erschöpfung künstliche Düngung,
liegen oft weiter von der Kulturstelle entfernt; sie sparen dagegen auch wieder an
erstmaligem Aufwand (Bodenvorbereitung, Umfriedigung etc.), sofern sich derselbe auf
eine längere Benutzungsperiode verteilt, sind leichter zu beaufsichtigen, gestatten wegen
der grossen Pflanzenmenge, die in ihnen im Laufe der Jahre erzogen werden soll, die
ausgiebigere Beschaffung von Apparaten, Schutzvorrichtungen, unter Umständen die
Anlage von Bewässerungs Vorrichtungen u. s. w., im ganzen also einen feineren, inten-
siveren Betrieb. Beide Arten sind, je nach Umständen, in Uebung; das entscheidende
Moment ist vielfach, zumal wenn Ballen- oder Büschelpflanzen bei der Kultur in An-
wendung kommen sollen, der Pflanzentransport; bietet sich günstige Gelegenheit, nah
99) Vergl. hierzu die umfassenden Angaben in Fürsts „Pflanzenzucht*' (cfr. Anm. 75),
sowie zahlreiche Artikel der verschiedenen forstlichen Zeitschriften.
Handbuch der ForBtw. 2. Auü. I. 31
482 IV. Lorey, Waldbau.
bei einer demnächst zu kultivierenden Fläche Wandersaat- und -pilanzbeete anzulegen,
80 wird sie benutzt, im grossen und ganzen jedoch sind wohl die ständigen Forstgärten
mehr beliebt, obwohl finanzielle Erwägungen oft für Wanderkämpe sprechen. — 2. Wahl
des Platzes. a)Lage: Ausser möglichster Nähe bei den Kulturflächen , sowie
bequemer Erreichbarkeit und Beaufsichtigung kommt die Umgebung, Abdachung, Expo-
sition in Betracht. Steilere Hänge sind im allgemeinen ausgeschlossen, etwas geneigte
Lagen dann erwünscht, wenn ausnahmsweise die Wahl eines etwas zu feuchten oder
eines zu trockenen Ortes nicht umgangen werden kann, und im ersteren Falle für
Wasserabzug gesorgt werden muss, im letzteren die Möglichkeit einer Bewässerung
ins Auge gefasst wird; Süd- und Südwestseiten (im Hügelland und Mittelgebirge) sind
wegen Hitze und Trockenheit ebenso zu vermeiden, wie ungeschützte Ostseiten (Frost-
gefahr). Schutz durch umliegende Bestände kann sehr erwünscht sein, unter Umständen
wirken solche aber auch nachteilig (event. Verdammen durch dieselben, Reflex der
Sonnenstrahlen am Trauf). Frostgefahr in tiefen Talsohlen. Nähe von Wasser er-
wünscht, soweit Wasserlieferung in trockenen Perioden in Frage kommt. Plätze im
Inneren des Waldes verdienen den Vorzug vor solchen am Rande, weil letztere vom
Felde her von den Mäusen schärfer bedroht werden, die sich im Herbst in den Wald
ziehen ; Schneebruch- und Windbruchlöcher nicht selten verwendbar , sofern sie noch
nicht stark verunkrautet sind ; überhaupt ist der Kampf mit dem Unkraut sehr zu be-
achten, und deshalb legt man Forstgärten nicht gern auf grössere Kulturflächen. —
b) Boden: Zu fordern ist genügende mineralische Kraft in Verbindung mit den nötigen
physikalischen Eigenschaften. Insbesondere soll der Boden nicht zu zäh und fest (kalter
Tonboden) sein. Böden mittlerer Beschaffenheit (sandiger Lehmboden) sind vorzuziehen^^),
im Zweifelsfalle wähle man lieber einen etwas zu lockeren als einen zu festen Boden.
Beachtung des Untergrunds, hauptsächlich in betreff des Wasserabzugs muss dringend
empfohlen werden. — c) Grösse: Da nur die Pflanzenzucht für den eigenen Bedarf
hier in Betracht kommt, so ist die Flächengrösse entsprechend der Zahl der jährlich
erforderlichen Pflänzlinge, dem Alter und der Behandlung derselben (Dauer ihres Ver-
bleibens in dem Forstgarten, verschult oder unverschult, Verschulungs verband u. s. w.)
zu bemessen ^^^). — d) Gestalt: Möglichst regelmässig in Rücksicht auf Umfriedigung
(Quadratform !) und Einteilung. Wo Seitenschutz von Wichtigkeit ist, kann ein lang-
gestrecktes Rechteck den Vorzug verdienen; ebenso in geneigten Lagen (die grössere
Seite horizontal). — 3. Bodenbearbeitung, a) Gründliche Rodung (Rajolung,
Rigolen) ist, nachdem bei der Wahl des Platzes in einem Bestände Kahlhieb erfolgt
ist (Entfernung sämtlicher Stämme, nicht Ueberhalt einzelner Exemplare etwa zum
Schutz der Pflänzlinge!), zunächst vorzunehmen, und es sind dabei alle, auch die schwä-
cheren Wurzeln, zumal von ausschlagskräftigen Laubhölzern (Aspe etc.), sorgfältig zu
entfernen. Die verhältnismässige Leichtigkeit der Bodenbearbeitung bei früherem Acker-
land darf nicht für die Wahl des Platzes massgebend sein; solches kann wohl aus-
nahmsweise in Betracht kommen, ist jedoch meist ausgebaut und verunkrautet. Auch
100) Die Meinung, als ob Pflänzlinge für magere Kulturstellen auch in Forstgärten
mit geringen Böden erzogen werden müssten, ist irrig. Eher schon sind solche für rauhe
Lagen vor Verzärtelung im Forstgarten zu bewahren. Die Forderung, die Vegetation solle
allgemein im Forstgarten sich nicht früher entwickeln, als auf den aus denselben zu ver-
sorgenden Kulturstellen, ist zu weitgehend, stimmt nicht fürs Hochgebirge. Für letzteres
ist zu beachten, dass Südseiten, falls der Boden genügend frisch ist, um so mehr den
Vorzug verdienen, je höher die Lage ist.
101) Etwa 4—5% der jährlichen Kulturfläche dürfte z. B. für den Fall einer Fichten-
wirtschaft in lOOj ährigem Umtrieb bei Verwendung durchweg 4 jähriger Pflanzen nach
2 jähriger Verschalung genügen.
Die Bestandesbegründang. § 42. 483
die mehrjährige Ueberlassnng des ausgewählten Platzes an die Landwirtschaft zum
Anbau von Hackfrüchten, wodurch allerdings gute Bodenbearbeitung bedingt würde
empfiehlt sich wegen des damit verbundenen Entzugs von Mineral Stoffen nicht.
Vornahme der Rodung im Herbst empfiehlt sich, damit der Boden im Winter vom Frost
zermürbt wird. Wäre der gewählte Ort stark verunkrautet, so rodet man schon im
Vorsommer, damit das Unkraut verwest. Durchschnittliche Tiefe der Bodenbearbeitung
30 — 40 cm. — b) Planierung, soweit nötig, insbes. Einebnen der Stocklöcher,
schliesst sich der Eodung unmittelbar an, event. Terassierung an Hängen, falls man
zur Wahl eines stärker geneigten Platzes gezwungen wäre : die einzelnen Beete sollen
horizontal liegen. Unbearbeitete Streifen zwischen denselben können die Beetpfade er-
setzen, dienen als Lagerstellen für Steine, Unkraut u. s. w. Die darauf abgelagerten
Materialien können gegen Abflutung Sicherung bieten. — c) Besserung der physi-
kalischen und chemischen Bodeneigenschaften sollte von vornherein
möglichst nicht erforderlich sein. Doch lässt sich manchmal im ganzen Revier kein
vollkommen geeigneter Platz finden. Lockerung durch tiefe Rodung, Beiführen von
Sand, Gründüngung. Letztere auch zur Bindung zu lockerer und Bereicherung armer
Böden (Lupinen !) ^®^). Am besten sind neu ausgestockte (humusreiche, unkrautfreie)
Stellen. Wasserabzugsgräben, event. Drainierung zu nasser Stellen. Im Notfall so-
fortige Düngung mit animalischen, pflanzlichen, mineralischen Düngemitteln und Menge-
düngemitteln. Für Wanderkämpe, deren Benutzung nur durch wenige Jahre währen
soll, ist, falls nicht besonders ungünstige Verhältnisse vorliegen, die Düngung entbehr-
lich, wogegen ständige Forstgärten dieselbe, wenn auch nicht vom ersten Anfang ihrer
Benutzung an, so doch sehr bald erfordern; dieselbe sollte nicht erst dann beginnen,
wenn schon eine merkliche Erschöpfung eingetreten ist. Einigermassen, aber doch nur
in sehr beschränkter Weise, könnte wohl durch Holzartenwechsel auf den Einzelbeeten
des Forstgartens, der Notwendigkeit einer Düngung entgegengewirkt werden, da die
einzelnen Holzarten den Boden nicht in gleichem Masse und gleicher Richtung in An-
spruch nehmen. Wie viel im einzelnen Falle dem. Boden durch Pflänzlingszuclit ent-
zogen worden ist, haben eine Reihe von Untersuchungen festgestellt, z. B. solche von
Schröder, Dulk, Schmitz-Dumont, Schütze, Councler u. a. m.^***). Dieselben bedürfen
noch sehr der Ergänzung.
Die wichtigsten Stoffe, welche dem Boden durch die Düngung wieder zugeführt
werden müssen, sind Stickstoff, Phosphorsäure und Kali, event. auch Kalk, welcher,
abgesehen von seiner direkt ernährenden Wirkung, auch noch eine Reihe günstiger
chemischer und physikalischer Wirkungen auf den Boden ausübt. Als tierische Dünger
kommen in Anwendung : Stallmist, Pferch, Latrine (Abtritt und Jauche), Knochenmehl,
Guano, künstlicher Guano (wie Fischmehl, Blutmehl etc.); als Pflanzendünger: Rasen-
asche, Holzasche, Torfasche, Humus (Dammerde), Gerberlohe, Gründüngung; Mineral-
dünger (naturliche und künstliche) sind u. a. : Mergel, Aetzkalk, Gips, Stassfurter Ab-
raumsalze, bes. Kainit, Chilisalpeter; als Mengedünger kommt zunächst Kompost ver-
schiedenster Art (unter Beigabe von Aetzkalk, Sägespänen, Torfmull, kräftiger Dünge-
mittel, namentlich aus der Reihe der tierischen und mineralischen Stoffe) in Verwendung.
102) Vergl. „Lupinenbau in Forsten« in „Aus dem Walde« VIH, S. 160.
103) Liter. Angaben siehe in Fürst, Pflanzenzucht, 3. Aufl. S. 35 ff. Man vergl.
ausserdem: Grundner „Die Düngung im Forstbetriebe, insbes. in Forstgärten'' (Harzer
Forstverein 1897); Ramm „Rationelle Düngung der Forstgärten'', im Bericht über die
17. Vers, des württ. Forstvereins zu Calw, 1900; ferner Matthes „Ueber künstliche
Düngung im forstl. Betriebe" (Vers. Thüringer Forstwirte zu Eisenach, 1900). Zahlreiche
Mitteilungen über Einzelversuche finden sich in den versch. forstl. Zeitschriften.
31*
484 IV. Lorey, Waldbau.
Mengedunger, event. nur ans tierischen and mineralischen Einzeldttngemitteln zusammen-
gesetzt, empfehlen sich namentlich dann am meisten und allgemein, wenn über die Art
der Bodenerschöpfung Zweifel bestehen. Stickstoff liefern u. a. Stallmist, Blutmehl,
Fischguano, Gründüngung, Chilisalpeter, schwefelsaures Ammoniak; Phosphorsäure-
Ersatz durch Superphosphate und Thomasmehl (zugleich damit auch Kalk!); Kali wird
im Kainit zugeführt, Kalk etwa als Aetzkalk. Alles Nähere in der angeführten Spe-
zialliteratur, sowie in der Forstl. Standortslehre, Handbuch Bd. 1, UI. — d) Wieder-
holte Bodenbearbeitung im Frühjahr nach Art von Gartenland. — 4. ü m-
friedigung zum Schatz gegen Menschen und Tiere (Wild und Weidvieh). Die Art
der Umfriedigung ist insbes. durch die abzuhaltenden Tiergattnngen bedingt (feste
Zäune gegen Sauen, entsprechende Höhe gegen Ueberfallen von Rotwild, dicht am
Boden gegen Hasen und Kaninchen u. s. w.). Unter Umständen transportable Hürden,
a) Tote Umzäunungen: Rollsteine (gegen Weidvieh), Mauern (zu teuer); Plan-
ken-, Pfosten-, Latten-, Spriegelzäune (in verschiedenster Modifikation); Drahtzäune
(starke Horizontaldrähte, event. an stehende Bäume befestigt ; zwischengeflochtene dünne
Vertikaldrähte). Gilt es darum, Sauen abzuhalten, so leisten Spriegelzäune (Quer-
stangen mit zwischengeflochtenem starkem Reisig) wegen ihrer Elastizität gute Dienste ;
sie sind, zumal wenn erste Durchreiserungen oder Durcbforstungen in der Nähe das
Material ergeben, auch nicht kostspielig. Im übrigen dürften sich transportable, etwa
3 — 4 Meter lange, l^a oi hohe Gatter aus Fichtengestänge mit aufgespanntem Geflecht
aus verzinktem Draht besonders empfehlen. Letzterer kann, da das entsprechend her-
gestellte Stangengatter den erforderlichen Halt verleiht, dünn sein, und das Geflecht
braucht vom Boden an nicht über 80 cm hoch zu sein, um gegen Hasen und Rehe zu
schützen. Solches Drahtgeflecht wird zu 16 — 20 Pfg. pro laufd. Meter bezogen. Zur
gleichzeitigen Sicherung gegen Kaninchen muss das Geflecht höher sein, da etwa 30 cm
desselben in den Boden eingelassen werden müssen. Sorgfältiges Aufstellen der Gatter
auf den Boden und scharfes Aneinanderschliessen derselben ist Bedingung. — b) Le-
bende Hecken: Weissdorn, Fichte. Da deren Anlage und Unterhaltung (Besehnei-
den etc.) viel Mühe und Sorgfalt erfordert und der hasendichte Abschluss des Gartens
durch eine Hecke doch Icaum auf Dauer erreicht wird, wendet man besser eine tote
Umfriedigung an. — c) G r ä b e n in Verbindung mit den Schutzmitteln ad a und b
bewirken eine noch weitergehende Sicherung, bes. gegen das Ueberfallen von Wild. —
d) Kosten nach Material, Arbeitsaufwand sehr verscliieden in Hinsicht auf erste An-
lage und Unterhaltung ^°*). — 5. Einteilung, innere Einrichtung: Beete
von angemessener Breite (bis zur Mitte bei den Arbeiten leicht zu erreichen) und Beet^
pfade wechseln miteinander ab. Dazu kommen einzelne breitere W^ege für Karren etc.
Durchschnittliche Beetbreite 1 Meter, Pfadbreite 0,3 Meter. Da durch die Beetpfade
der eigentlichen Pflanzenzucht immerhin viel Areal entzogen wird (^/4 — V» ^cr ganzen
Fläche), so empfiehlt sich bei einheitlichem Betrieb, d. h. bei der Anzucht grosser Mengen
gleichartiger Pflänzlinge das Zusammenschliessen von Beeten (ohne zwischenbelegene
104) Drahtzäune, inkl. Pfostenmaterial etc., zum Schutz gegen Hasen und Rehwild
kaum unter 0,80 — 1,00 Mk. pro lfd. Meter; bei Befestigung an lebende Bäume ca. 0,50 Mk.
Verbindung der Pfosten oben und unten durch je eine Stange gibt ein besonders festes (tc-
füge beim Durchflechten dünner Vertikaldrähte. — Bei Anwendung der oben erwähnten
Stangengatter mit aufgespanntem Drahtgeflecht kommt es bezüglich der Kosten hauptsächlich
darauf an, ob der Wald das Stangenmaterial (aus Fichtendurchforstungen) in genügender
Menge und in der Nähe des Gartens enthält bezw. liefert, cfr. Mitteilungen der Württ.
Versuchsstation, Allg. F.- und J.-Z. 1897, S. 104; ferner: Dr. Grieb daselbst S. 74 (enth.
Zusammenstellung der Kosten verschiedener Umfriedigungen).
Die Bestandesbegründang. § 42. 485
Pfade) zn grösseren Quartieren, welche dann allerdings bei den jeweiligen Arbeiten
(Verschnlen, Jäten etc.) betreten werden müssen. — 6. Die Aussaat im Forst-
garten, a) Arten der Aussaat: Vollsaat oder Riefensaat. Bei ersterer er-
halten die Pflänzlinge von vornherein allseitig gleichmässigen Entwickelungsraum (für
Wurzel und Krone), insbes. wichtig, wenn nicht verschult werden soll. Dagegen sind
die voll besäeten Beete mühsamer zu reinigen, das Ansfrieren ist bedenklicher, die
einzeln keimenden Pflänzlinge (Nadelhölzer) drucken durch eine etwas verkrustete Ober-
fläche schwerer durch. Riefensaat bildet die Regel. — b) Samenmenge: Im all-
gemeinen dieselben Erwägungen wie für die Dichte der Saat überhaupt. Nicht zu
dicht säen ! Weniger dicht, wenn gar nicht oder erst nach 2 — 3 Jahren verschult wird.
Bedingend ist überdies die Entwickelung der einzelnen Holzart in der ersten Jugend,
anfangs langsamwüchsige Holzarten können dichter stehen oder länger im Saatbeet
verbleiben (Gegensätze z. B. Tanne und Schwarzkiefer, Buche und Akazie). Kein
grosser Unterschied zwischen Voll- und Riefensaat bezüglich der Samenmenge (z. B.
bei Kiefer pro 1 ar 1 — 2 kg)*®*). — c) Zeit der Aussaat: Auch hier gelten die
allgemeinen Bestimmungsgründe. Möglichkeit ins einzelne gehender Pflege im Forst-
garten kann modifizierend wirken. Meist Frühjahrssaat. — d) Vollzug: Vollsaat
stets aus der Hand, nach vorgängiger gehöriger Herrichtung der Beete. — Riefen-
saat: Richtung der Riefen bald quer über die Beete (bequemer für gleichmässige Aus-
saat, Bedeckung, Reinigung), bald in deren Längsrichtung. Schmale Riefen (womöglich
nur 1, höchstens 2 etwas von einander entfernte Samenreihen — Doppelriefen). Ent-
fernung derselben so gering, dass die Pflanzen zu seitlicher Entwickelung gerade ge-
nügend Raum haben. Herstellung entweder mit der Hacke oder einem Rillenzieher,
oder mit Hilfe von Saatlatten, Saatbrettem, Walzen mit entsprechenden Erhöhungen,
wie z. B. der regulierbaren Saatrillenwalze von Holl (Oe. Forstz. 1898, 123), der Saat-
rillenwalze von Zinger (AUg. Forst- u. J.-Z. 1890, 412) u. s. w. Aussaat aus der
Hand oder unter Benutzung von Apparaten, wie z. B. Säehom, Saatrinne, Saatbrett etc.
Als besonders brauchbar hat sich die Esslinger'sche Säelatte mit zugehörigem Samen-
kasten (Forstw. Zentralbl. 1890, S. 535) bewährt; sie arbeitet rasch und gibt gleich-
mässige Verteilung des Samens. Empfohlen wird auch die Rillensäemaschine von Fe-
kate (Oesterr. Forstzeitung), femer Hackers Gartensaatmaschine (Oester. Forst- u. J.-Z.
1890, 47). Bedeckung des Samens in erforderlicher Höhe mittelst Rechens, Ueberwer-
fens oder Uebersiebens mit feiner Erde, Rasenasche etc. Die Höhe der Bedeckung ist
je nach der Art des Samens und des Deckmaterials verschieden. Je lockerer das
letztere ist, um so stärker kann im allgemeinen der Samen eingedeckt sein. Mass-
gebend im einzelnen sind die Bemerkungen zu § 38, E. — 7. Schutz und Pflege
der Saatbeete. Gegen Hitze und Frost sowohl als gegen Platzregen sichert Be-
decken der Beete mit Laub, Moos, Stroh (rechtzeitige Entfernung der Bedeckung beim
Keimen), Bestecken mit Zweigen (abfallende Nadeln manchmal störend), Ueberdecken
mit Schattengittem verschiedener Art. Gegen Trockenheit, wenn nötig, Begiessen
(öftere Wiederholung); auch oberflächliche Bodenlockerung ist ein Mittel gegen das
Austrocknen, denn obwohl die schwache, dabei losgelöste Oberschichte stark trocken
wird, schützt sie doch die unterliegende Bodenschicht, welche feucht bleibt; übrigens
darf solches Behäckeln nur nach einem durchdringenden Regen geschehen ; Anwendung
von senkrecht stehenden Schutzschirmen gegen Wind und Sonne. Gegen Vögel dienen
die Schutzgitter (zugleich Schattengitter), gegen Mäuse das Vergiften etc. Behandlung
105) Die Schweiz. Versuchsanstalt hat bei Fichte und Kiefer von 10 gr Samen pro
laufenden Meter das Maximum an brauchbaren Pflanzen erhalten, cfr. Mitteilungen der
Schweiz. Zentralanstalt für d. forstl. Versuchsw. I, 1.
486 IV. Lorey, Waldbau.
des Samens vor der Aussaat mit Bleimennige in der Art, dass der angefeuchtete Samen
mit trockenem Mennigepulver überstreut und dadurch mit einer Mennigehülle umgeben
wird, bietet weitgehende Sicherung gegen Vogel- und Mäusefrass. Häher, Tauben,
Eichhörnchen sind abzuschiessen. Aushängen von Nistkästen zu gunsten insektenfres-
sender Vögel. Fangen der Maulwurfsgrillen (cfr. hierüber Forstschutz, V. des Hand-
buchs). Ausjäten des Unkrautes, je nach Bedarf mehrmals jährlich. Pflege der Pflanzen
durch Andrücken vom Frost gehobener Pflänzlinge, durch Bodenlockernng, Anhäufeln
der Erde nach den Riefen zu, Durchrupfen oder Durchschneiden zu dichter Saaten,
Zwischendüngung. — 8. Pflanzbeete im Forstgarten. Verschulen. Das
Verschulen hat den Zweck, den jungen Pflänzlingen vor der Benutzung zur Kultur
durch Gewährung freieren Standraumes im gut hergerichteten Pflanzbeete zu kräftiger
Entwickelung zu verhelfen, a) Alter der Pflänzlinge: bei möglichst frühem
Verschulen (1 — 2jährige Pflanzen) hat man leichtere (billigere) Arbeit und grösseren
Erfolg, sofern die Pflanzen länger im Verschulbeete bleiben können. Sogar ganz junge
Keimlinge werden unter Umständen verschult; werden dieselben einem etwas bindigen
Boden entnommen, so kann der kleinste Heyer'sche Hohlbohrer mit Vorteil verwendet
werden. — b) Zeit der Vornahme: Herbst und Frühjahr. Die Erfahrungen im
Tübinger Versuchsgarten lassen die Herbst- und die Frühjahrspfianzung als ziemlich
gleichwertig erscheinen. Natürlich ist eine Herbstpflanzung mit der Pflanzung im nach-
folgenden (nicht im voraufgegangenen) Frühjahr zu vergleichen. Dr. Cieslar*®*) hat
sich gegen die Herbstpflanzung ausgesprochen, und Bühler (189ö) hält nach seinen Ver-
suchen das Wachstum nach Herbstpflanzung bei allen Holzarten für geringer als das-
jenige nach Frühjahrspflanzung. Geeignete Arbeitsverteilung spricht wesentlich bei der
Wahl der Pflanzzeit mit. Wenn bei einer Herbstverschulung kleine Sämlinge verwendet
würden, ist nach derselben die Gefahr des Ausfrierens besonders zu beachten; durch
Ueberschirmen, Bodenbedeckung u. s. w. wird derselben vorgebeugt; durch F'rost ge-
hobene Pflanzen sind rechtzeitig wieder anzudrücken. — c) Dauer des Verbleibs
im Pflanzbeet: meist 2 — 3 Jahre (1 Jahr ist zu wenig, der Vorteil bei so kurzer
Zeit" zu gering). — d) Sorgfältige Bodenzurichtung geht voraus. — e) Aus-
heben, Beschneiden, Anschlämmen der Pflänzlinge: Da ein Trans-
port zum Zweck des Verschulens sehr häufig nicht in Frage steht, so werden die
Pflänzlinge am besten unmittelbar aus dem Saatbeet ins Pflanzbeet gebracht. Ein-
stutzen von Schaft und Wurzel unterbleibt meist (abgesehen von beschädigten Organen).
Desgleichen das Anschlämmen. Erfordert etwa die Platzfrage (Beeträumung etc.)
früheres Ausheben, oder kommen Pflänzlinge von auswärts (z. B. Schlagpflanzen oder
durch Ankauf erworbene Saatpflanzen), so ist sorgfältiges Einschlagen an feuchtem,
schattigem Ort nötig. Sortieren der schwachen von den stärkeren Pflänzlingen je für
besondere Beete ist zur Erzielung der Gleichmässigkeit wünschenswert; andernfalls
werden (zumal bei Laubhölzern wie Ahorn und Esche) die schwächeren Pflanzen von
den vorauseilenden stärkeren in ihrer Entwickelung beeinträchtigt. — £) Pflanzen-
entfernung, Verband: Allseits genügender Kaum für die Zeit, welche die Pflanze
im Verschulbeet verbringen soll, ist Bedingung. Da diese Zeit sowie die Entwickelung
der einzelnen Holzarten verschieden ist, so kann kein einheitliches Mass angegeben
werden. Um auf gegebener Fläche eine möglichst grosse Pflanzenzahl zu erzielen,
wird man immerhin nicht weitständiger verschulen, als notwendig ist; in keinem Falle
sollten sich die verschulten Pflanzen bald wieder gegenseitig bedrängen. Meist Reihen-
106) Mitteilungen aus dem forstl. Versuchswesen Oesterreichs, Heft XIV, 1892: ,Die
Pflanzzeit in ihrem Einfluss auf die Entwickelung der Fichte und Kiefer*.
Die Bestandesbegründung. § 42. 487
verband (z. B. für 2jährige Fichten 20/12 cm, 2 Jahre im Pflanzbeet) im Interesse der
Beetpflege. Sonst wäre Qnadratverband, wegen der gleichmässigen Verbreiterung nach
allen Seiten hin, besser. — g) Aasführnng, Hilfsmittel: Pflanzang im Tag-
lohn oder Akkord, letzteres bildet die Begel. Dabei ist scharfe Kontrolle sehr ange-
zeigt, damit nur tadelloses Material verwendet wird ; zu beachten ist insbesondere, dass
die Pflanzen nicht zu tief eingesetzt werden. Pflanzschnur, sowie Apparate zum gleich-
zeitigen Stechen einer Reihe einzelner Pflanzlöcher (Zapfenbrett, Verschulungsgestell
von Eck-Gera ^*^^ treten in Tätigkeit; Eillenzieher , manchmal auch kleine Pflüge ^°^)
zum Anfertigen zusammenhängender Rinnen und event. gleichzeitiges Einlegen der
Pflänzlinge in letztere durch Vermittelung eines Verschulungsgestelles (Mutscheler i^®),
Hacker"®) v. Thygeson's Pflanzharke"*) u. a.). Beurteilung dieser Verschulungsap-
parate darf nur nach der Leistung geübter Arbeiter stattflnden. Sorgfältiges Anfüllen
und Andrücken der Erde (lockere Kulturerde) um die Wurzeln. — h) Wiederho-
lung: Zur Erziehung besonders starker Pflanzen (Tannen für Kahlschläge, Eichen-
heister etc.) manchmal zweimaliges Verschulen (meist nach 2 — 3 Jahren wiederholt).
— 9. Schutz und Pflege der Pflanzbeete. Hitze, Frost, Unkraut sind die
hauptsächlich störenden Elemente. Vergl. das oben ad 7 bezüglich der Saatbeete An-
gedeutete. — Pflege einzelner Pflanzen durch Beschneiden (Entfernung von Doppel-
gipfeln, Zweigen etc.). — 10. Kosten**^). Alle Forstgärten stellen durch Anlage
und Unterhaltung eine mehr oder minder starke Belastung des Kulturfonds dar. Die
Ausgaben sind auf das notwendige Mass zu beschränken, jede Spielerei ist zu vermei-
den. Auf zweckmässiges Ineinandergreifen der Einzelarbeiten ist namentlich Wert zu
legen. Teuer ist insbes. das Verschulen (Zeit- und Raumerfordemis !). Unter Um-
ständen Verschulen von Schlagpflanzen auf kleinen Stellen in oder bei den Schlägen
selbst. Der Versuch, grössere Mengen kräftiger Pflanzen direkt im Saatbeet zu er-
ziehen (weit säen!), verdient volle Beachtung, unkrautfreier lockerer Boden ist dazu
erforderlich. Allgemein gültige Kostensätze sind nicht zu gewinnen ; Abhängigkeit der-
selben insbes. von den ortsüblichen Tagelöhnen. Angaben z. B. in Fürst's Pflanzen-
zucht, im Forst- und Jagdkalender u. s. w.
In vorstehender Schilderung des Pflanzgartenbetriebs ist nur das Notwendigste
enthalten und auch das grossenteils nur in Andeutungen. Gerade auf dem Gebiete der
Pflanzenzucht im Forstgarten hat sich eine grosse Vielgestaltigkeit entwickelt mit
zahlreicher Modifikation der Durchführung aller einzelnen Arbeiten, je nach Oertlich-
keit, Holzart, Umfang der Anlage u. s. w. Eigene Erfahrung und Beobachtung, zumal
der exakte vergleichende Versuch führt fortwährend zu grösserer Sicherheit, zu Ver-
besserungen, Kostenersparnis, also allgemein zu gesteigertem Erfolg, namentlich auch
im Punkte der Rentabilität. Dabei sollten aber die Erfahrungen, die anderwärts ge-
macht sind, sorgfältig beachtet und in ausgiebigster Weise benutzt werden, damit nicht
Regeln, die sich unter bestimmten Verhältnissen bewährt haben, erst wieder von Neuem
und vielleicht erst nach mancherlei Misserfolgen gefunden werden müssen. Auf das
107) Allg. F. u. J.Z. 1885 S. 197.
108) z. B. Schmitt, „Anlage und Pflege der Fichtenpflanzschulen^ 1875, sowie
Fischbach in Allg. F. u. J.Z. 1869 S. 85.
109) Das. 1884 S. 7.
110) Zentralbl. f. d. ges. Forstw. 1886 S. 230. Der Hacker 'sehe Yerschulungsapparat
(cfr. Oester. F.Z. 1891, 34) arbeitet gut und ist, teuerere Maschinen ersetzend, besonders
warm zu empfehlen, wenn grosse Pflanzenmengen zu bewältigen sind.
111) Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen von Danckelmann, 1885 S. 25.
112) Vergl. Dr. Jäger, Kosten der künstlichen Bestandsgründung. Snppl. z. A. F.
u. J.Z. Xin. Bd., Heft 2, 1887.
488 IV. Lorey, Waldbau.
mehrfach erwähnte Werk von Fürst (Die Pflanzenzucht im Walde) als auf einen guten
Führer, dann auf die Resultate des Forstgartenbetriebs der schweizerischen Versuchs-
anstalt (Mitteilungen der Schweiz. Zentralanstalt I, 1, 2, 3, sowie IT, 1 u. 2), femer
auf die Mitteilungen Weise's „Erfahrungen und Beobachtungen im Forstgartenbetrieb''
(zu Karlsruhe) in Mündener Forstliehe Hefte II, S. 1, sowie auf die Mitteilungen der
vvürttembg. Versuchsstation (AUg. Forst- u. J.-Z. 1897, S. 104, woselbst auf die früheren
Mitt. hingewiesen ist) sei u. a. nochmals besonders hingewiesen.
Auch soll an dieser Stelle der Spitzemberg'schen Kulturgeräte gedacht werden,
von welchen sich nicht wenige auch beim Forstgartenbetrieb mit Vorteil verwenden
lassen "3). Dieselben dienen, wie z. B. der Wühlspaten und der Wühlrechen, zur Bo-
denlockerung, andere in grosser Zahl dem Saatgeschäft (zur Anfertigung aller Arten
von Killen, zum Decken des Samens u. s. w.), wieder andere sind als Pflanz-Geräte
konstruiert, wie z. B. die Pflanzspaltschneider, Pflanzholz mit und ohne Wühlspitze,
Pflanzenlade.
D. Besonderheiten einzelner Holzarten.
§ 43. Die bezüglich der Pflanzenbeschatfung hier folgenden Angaben deuten,
ohne entfernt erschöpfend sein zu wollen, nur einige der Fälle an, welche in der Pra-
xis häufig vorkommen. 1. Laubhölzer, a) Buche: Schlagpflanzen, Ansaat unter
Schutzbestand. 2jährig unverschult zur Kultur, bes. zum Unterbau. — b) Eiche:
Aussaat im Saatkamp, 1 — 2jährig verschult, 3 — 4jährig zur Kultur. Zur Heisterer-
ziehung nochmals verschult und ca. 6jährig verwendet. — c) Zahme Kastanie:
Juglans-Arten: Aussaat im Saatkamp, zur Kultur als 1- bis 2jährige Loden. —
d) Esche, Ahorn, Erle "*) : Aussaat im Saatkamp, 1 — 2jährig verschult, 3 — 4-
jäbrig zur Kultur (Erle, Ahorn event. als Stummelpflanzen). — Ulme: Dichte Saat
auf etwas angewalzten Beeten, schwache Erdbedeckung, dann nochmals etwas anwalzen.
— e) Akazie: Aussaat im Saatbeet (weit säen) , zur Kultur als 2jährige Lode. —
2. Nadelhölzer: a) Tanne: Schlagpflanzen, event. 2 — 3jäfarig verschult, 5jährig
zur Kultur. — b) Fichte: 1 — 2jährig verschult, Material aus Saatbeeten oder Schlä-
gen (Waldfelder), 3 — 4jährig zur Kultur. — c) Forche: Aussaat im Saatbeet, 1-, 2-,
3jährig zur Kultur (im letzteren Falle nach vorheriger Verschulung). Schlagpflanzen
nur ausnahmsweise. — d) Schwarzkiefer, Weymouthskiefer, Lärche:
Aussaat im Saatbeet, 1 — 2jährig verschult, 3 — 4jährig zur Kultur. — e) Zirbelkiefer:
Keimung in besonderen Kasten zum Schutz gegen Tierfrass, dann Verschulen (cfr.
Förster: Zentralbl. f. d. gesamte Forstwesen 1888, 65).
E. Ausheben, Beschneiden, Transport, Aufbewahren der
Pflanzen.
§ 44. Was im Forstgarten gilt, ist m. m. auch für den grossen Kulturbetrieb
zu beachten. 1. Ausheben: Die Wurzeln sollen nicht verletzt werden, deshalb Um-
stechen in derjenigen Entfernung vom Wurzelstock, welche der Entwickelung der
Pflanze entspricht, a) Ballenpflanzen: Bewahrung des Ballens in gewünschter
113) In bes. Schrift „Katalog und Preisverzeichnis der Forst- und Gartenkultur-Geräte,
Patent Spitzemberg" hat der Generalvertrieb derselben (Francke u. Co., Berlin SW., Dessaner
Strasse 6) die Geräte beschrieben und abgebildet. Man vergl. auch „Aus dem Walde" 1897,
S. 345, sowie Möller: Zeitschr. f. Forst- u. J. 1900, S. 443).
114) Erlenaussaat noch im Herbst hat sich oft bewährt: Festschlagen des Bodens,
frühzeitiges Bedecken mit Keisig im Frühjahr. Erlensaatbeete sind bei Frühjahrssaat feucht
zu halten, z. B. durch Auflegen von Moos, Begiessen n. s. w. Der Erlensamen wird am
besten breitwürfig ausgestreut, nur leicht mit Erde gemischt (nicht bedeckt). — Bei Esche
und Ahorn ist wegen der gegenständigen Knospen darauf zu achten, dass keine Doppelgipfel
entstehen: event. rechtzeitiges Entfernen des neuen Triebs.
Die Bestandesbegründong. § 45. 489
Form und Grösse. Instrumente sind ausser dem gewöhnlichen Spaten verschiedene
Hohlspaten, der Hohlbohrer von Karl Heyer "^), Kegelbohrer von Eduard Heyer"*),
Scherenbohrer von Mühlmann, Barths Pflanzschnabel "^) u. a. m. — b) Ballenlose
Pflanzen: Ausziehen sollte nur auf ganz lockerem Boden gestattet sein ; sonst Aus-
stechen und Umlegen mit dem wSpaten. — 2. Beschneiden, a) des Wurzelteils:
beschränkt sich auf glattes Wegnehmen (mit Messer, Schere, Beil) beschädigter Teile
der Seitenwurzeln und Pfahlwurzel; letztere ist zwar oft (z. B. bei Juglans-Arten !)
ein Hindernis für die Pflanzung; gleichwohl ist es mindestens fraglich, ob deren Ver-
kürzung in allen bezüglichen Fällen angeraten werden darf"®). — b) des Kronen-
teils: Bei stärkerem Wurzelverlust ist (nur bei Laubhölzern und Lärche) entsprechen-
des Einstutzen der Krone zweckmässig; letzteres auch zur Erzielung guter Kronen-
form "**) (Hochstämme). Abwerfen des ganzen Schaftes, Stummelpflanzen, z. B. bei der
Eiche, Erle u. s. w. (meist am besten hart über dem Wurzelknoten). — 3. Trans-
port: In Körben, in der Spitzemberg'schen Pflanzenlade oder auf Karren und Wagen
(für Ballenpflanzen, wenn häufigere Stösse bei der Bewegung unvermeidlich, nicht gut),
je nach der Entfernung und Pflanzenmenge. Die Pflanzen sind dabei sorgfältigst vor
Austrocknung zu behüten : Schlämmen der Wurzeln, Einschlagen in feuchtes Moos, Be-
decken mit einem Tuch etc. — 4. Aufbewahren: Kann das Einpflanzen nicht
alsbald erfolgen, so ist wiederum sorgsamste Bewahrung der Wurzeltätigkeit, sowie
Vermeidung starker Verdunstung nötig. Zu dem Ende Einschlagen der Pflanzen an
feuchtem, schattigem Ort in lockere Erde^^®).
II J. Herrichtung der Kulturfläche.
§ 45. Eine eigentliche Bearbeitung des Bodens für den unmittelbaren Kultur-
zweck, wie nicht selten vor einer Saat, findet im allgemeinen nicht statt, es sei denn,
dass eine der im 3. Kapitel, erster Teil geschilderten Urbarraachungsarbeiten ausgeführt
werden müsste. Etwaige Bodenbehandlung des Waldfeldbaubetriebs kommt an dieser
115) V. Wedekind, „Neue Jahrbücher der Forstlamde", Heft 1.
116) Tharander Jahrbuch von 1876, 23. Bd., S. 61 ff. und Allg. F. u. J.Z. von 1878
S. 39, sowie Hess: A. F. u. J.Z. 1898, 179; Tiemann: A. F. u. J.Z. 1900, 144.
117) Vergl. Cieslar: Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1891, 48.
118) Gay er (Waldbau 2. Aufl. S. 356) spricht sich für mögliche Beschränkung des
Beschneidens aus. Hauptsächlich bei stärkeren Pflanzen ist dasselbe oft nötig, bei schwächeren
zu vermeiden. Manche (z. B. v. Buttlar) wollen eine lange Pfahlwurzel lieber zu einem
Knoten schürzen! Neuestens ist von Muth (Forstw. Zentralbl. 1899, 227) eine Wurzelver-
schnittrMaschine empfohlen worden, mit welcher noch im Verschulbeete den in Reihen pein-
lich genau verschulten Pflanzen die Wurzeln entsprechend eingestutzt werden sollen. Allge-
meine Anwendung des Verfahrens nicht anzuraten.
119) Vergl. Geyer, Erziehung der Eiche zum Hochstamm.
120) Das Ausheben und Einschlagen in dünne Schichten empfiehlt sich nach Bühler
(Prakt. Forstwirt für die Schweiz, 1885, Sept. — Okt.) auch zum Zurückhalten der Vegetation
im Frühjahr, gegenüber von Kulturverzögerungen (durch die Witterung, Verwendung von
Pflanzen aus der Ebene ins Gebirg u. s. w.); Bedecken der Beete mit Reisig erwies sich
nicht als zweckentsprechend. Ferner: Bühler (Schwz. Zeitschr. 1893, 123): Nadelhölzer
haben mehr Abgang als Laubhölzer, 3- und mehrjährige Nadelhölzer sind weniger empfind-
lich als 1- und 2jährige; bei niedriger Frühjahrstemperatur kann das Einschlagen bis zu
2 Monaten ausgedehnt werden. — Ausheben im Herbst und Einschlagen über Winter ist bei
sorgfältiger Behandlung ohne Bedenken (cfr. Tübinger Versuchsgarten). Das Einschlagen
der Pflanzen in Büscheln ist zu vermeiden, vielmehr reihenweise Anordnung derselben. —
Event. Zurückhalten der Vegetation bei den für die Frühjahrskultur vorgesehenen Pflanzen
durch Lagerung (nach dem Ausheben) auf Schnee (cfr. u. a. Koze^nik, Zeitschr. f. d. ges.
Forstw. 1894, 59).
490 IV. Lorey, Waldbau.
Stelle ebenso wenig in Betracht, wie die Anfertigung der einzelnen Pflanzlöcher, welche
als eine Arbeit des Vollzugs der Pflanzung aufzufassen ist. Unebenheiten, Steine,
Felsen, Stöcke u. s. w. beeinträchtigen zwar vielfach einen regelmässigen Verband,
sind aber kein Hindernis der Pflanzkultur an sich und verbleiben zumeist an ihrer
Stelle, es sei denn, dass auf die Nutzbarmachung des Stockholzes Wert gelegt würde.
Zu üppiges Unkraut, unbrauchbare Vorwüchse, nicht gewünschte Oberständer sind zu
entfernen. Beim Uebergang von Mittelwald zum Hochwald oder allgemein bei Holz-
artenwechsel, zumal Uebergang von Laubholz zum Nadelholz, können die oft massen-
haft erscheinenden Stock- und Wurzelloden für die junge Kultur sehr lästig werden
und einen mehrjährigen harten Kampf bedingen. Vorheriges Entfernen der Stöcke und
Wurzeln kann sich deshalb empfehlen. Uebrigens ist nicht zu übersehen, dass jene
Ausschläge unter Umständen doch als Schutz- und Treibholz von Wert sein können.
— Hier mag auch auf eine „Ueberwurf-Kultur" hingewiesen werden, bei welcher auf
Pflanzplätzen von 20—30 cm im Quadrat die Erde 25 — 30 cm tief ausgehoben und von
einem Pflanzloch ins andere geworfen wird. Bei der Pflanzung kommt dann die nah-
rungsreichere Erde in die Wurzelregion der Pflanzen (cfr. sächs. u. schles. Forst-
verein 1897).
IV. Vollzug der Pflanzung.
§ 46. A. P f 1 an z z e i t : Zu unterscheiden ist die Anfertigung der Pflanzlöcher,
bezw. die Herrichtung der einzelnen Pflanzstellen und das Einsetzen der Pflanzen.
1. Die Pflanzstelle: Abstecken des Verbandes, Anfertigen der Pflanzlöcher, Bil-
dung von Hügeln, Rabatten u. s. w. wird oft mit Vorteil (Kürze der eigentlichen
Kulturzeit, geeignete Arbeitsverteilung) schon vor dem Beginn des Kulturgeschäftes
vorgenommen, nicht selten für die Frühjahrspflanzung schon im Herbst, wobei man
einerseits den Gewinn hat, dass die Pflanzlöcher im Winter auffrieren, die Hügelerde
mürbe wird, andererseits aber auch manches Pflanzloch zugeschwemmt wird, beim Be-
ginn der Arbeit im Frühjahr voll Wasser steht, Hügel zerfallen u. s. w. In den meisten
Fällen eifolgt die Herrichtung der Pflanzstelle erst unmittelbar vor der Ausführung
der Pflanzung, so dass die einzelnen Arbeiten sich in tunlichst geschickter Weise an-
einanderreihen bezw. ineinanderfügen. — 2. Das eigentliche Pflanzgeschäft
erfolgt im Herbst und im Frühjahr. Bedingend ist in erster Linie die Sicherheit des
Gelingens, abhängig von Standort, Holzart, Beschaffenheit der Pflanzen u. s. w. Im
ganzen pflanzt man nicht gern in der Saftzeit ^2^). Der Winter bietet meist äussere
Hindernisse (Frost, Schnee etc.), mithin ist der Spätherbst und der Anfang des Früh-
jahrs verfügbar. Nach der Pflanzung im Herbst wurzeln die Pflanzen während äes
Winters an, entwickeln sich dann unter sonst günstigen Bedingungen im Frühjahr
rasch und kräftig, ohne von Trockenheit und Hitze besonders zu leiden. Dagegen
sind die frischgesetzten Pflanzen während des Winters Beschädigungen durch Frost,
Wasser u. s. w. mehr ausgesetzt. Im Herbst sind Arbeitskräfte oft nicht so leicht zu
haben, auch wird das noch nicht gehörig gelagerte Unkraut der Kultur hinderlich.
Deshalb ist die Frühjahrspflanzung mehr üblich, sollte aber in der Hauptsache vor
Erschliessen der Knospen, mindestens vor energischer Triebentwickelung beendet sein.
Verschiedenes Verhalten der Holzarten (Fichte lässt sich am spätesten noch verpflanzen,
121) Vergl. übrigens Dr. Walther: Wann sollen wir unsere Nadelhölzer ver-
pflanzen? Allg. F. u. J.Z. von 1887, Aprilheft und 1890, S. 116. Daselbst wird unter
Umständen der Vorsommer als geeignete Pflanzzeit empfohlen, hauptsächlich wegen des
dann bei den gesetzten Pflanzen günstigeren Verhältnisses zwischen Wasserverbrauch und
Ersatz durch Wasseraufnahme aus dem Boden.
Die Bestandesbegründung. § 46. 491
Lanbhölzer, sowie namentlich die Lärche im allgemeinen nicht mehr, wenn die Knospen
sich öffnen). Kürze des Frühjahrs, sowie einzelne besondere Aufgaben (Rekrutierung
in jungen Laubholzbesamungen, Laubholz-Unterbauschlägen etc.) veranlassen immerhin
nicht selten zur Herbstpflanzung.
B.Herstellung geregelter Pflanzverbände: Eine Aufgabe der
praktischen Geometrie, nachdem der Verband, die Pflanzweite, event. der Reihenabstand
gegeben sind. Anwendung von Instrumenten zum Abstecken rechter Winkel (Winkel-
spiegel, Kreuzscheibe, Winkelprisma), von Messstangen und Absteckstäben in Verbin-
dung mit den entsprechend eingeteilten Pflanz- und bezw. Richtschnuren oder der Bär'-
schen Pflanzkette mit verstellbaren Markierungen (1897). Anlehnung an gegebene
Linien (Wege, Wasserläufe, Grenzen). Arbeiten aus dem Grossen ins Kleine. Nur in
ebener Lage und beim Fehlen der im § 45 erwähnten Hindernisse kann auf einen regel-
mässigen Verband abgehoben werden.
C. Pflanzenmenge: Dieselbe ist im allgemeinen bestimmt durch die im
ersten Kapitel des zweiten Abschnittes ad III, § 21 angestellten Betrachtungen. Im
einzelnen Fall können besondere Gründe für die Wahl des Verbandes massgebend wer-
den. Der mittlere Standraum der Pflanzen oder die Pflanzenzahl pro ha werden zum
unmittelbaren Ausdruck der Bestandesdichte bei Pflanzungen gewählt. Die Ansichten
über die zweckmässigste Pflanzweite gehen noch recht weit auseinander. Im allge-
meinen ist man von sehr engen Verbänden mehr und mehr abgekommen, weil dieselbe,
ganz abgesehen von dem grossen Kostenaufwand, zu bald eine nicht hinlänglich gute
Entwickelung der Einzelpflanze im Gefolge haben, während meist auch mittlere Pflanz-
entfemungen genügend raschen Schluss und damit Bodenschutz gewährleisten. Immer-
hin darf mit der Pflanzenzahl pro ha nicht zu weit, sicherlich für die Mehrzahl der
Fälle nicht unter 4 — 5000 Stück, heruntergegangen werden (vergl. u. a. die zwischen
Fürst und Kozasnik geführten Debatten, Oester. Forst- u. Jagdzeitung von 1892, bezw.
1893, 34 u. 35). Berechnung der Pflanzenzahl Z für geregelte Ver-
bände (cfr. I, A dieses Teiles, § 39): Dieselbe ist — für alle Fälle des Kulturbe-
triebs, zumal ja doch immer eine Reserve an Pflanzen vorgesehen werden muss, hin-
länglich genau — gleich Kulturfläche F dividiert durch den Standraum der Einzel-
pflanze. Letzterer ist: 1. beim Reihen verband (a = Abstand der Reihen von einander,
b = Entfernung der Pflanzen in den Reihen) = ab ; 2. beim Quadratverband (a wird
= b) = a^ ; 3. beim Dreiecksverband (Dreiecksseite =: a) = dem doppelten Inhalt
eines gleichseitigen Dreiecks von a Seitenlänge, also = a'-* sin 60® = a^ 0,866. Mit-
hin hat man für
F
1. Reihenverband Z = - -,
ab
F
2. Quadratverband Z = -g,
a
3. Dreiecksverband Z = „- ^~. = —^X 1,155.
a^. 0,866 a^
Für 1 ha = 10000 Dm ergibt sich
z. B. ad 1) für a =1 1,0 m, 1,2 m, 1,5 m
b = 0,8 m, 1,0 m, 1,0 m
z = 12 500, 8333, 6667 u. s. w.
ad 2) für a = 1,0 m, 1,2 m, 1,5 m
z = 10000, 6944, 4444 u. s. w.
ad 3) für a = 1,0 m, 1,2 m, 1,5 m
z = 11547, 8018, 5132 u. s. w.
Rechnerische Modifikationen, auch bei regelmässigen Fltichen, je nachdem man mit den
492 IV. Lorey, Waldbau.
Pflanzenreihen näher oder weniger nah an die ümfangslinien der Knltorfläcbe heranrückt,
können ausser betracht bleiben. — Im grossen Durchschnitt ist 1 OMeter Standranm noch
als ziemlich enger, 1,2 QMeter Standraum als mittlerer Verband zu bezeichnen; doch finden
sich, je nach den wechselnden Umständen, auch vielfach engere, ab und zu auch weitere
Verbände (z. B. 0,9 zu 0,7 mit ca. 16 000 Pflanzen pro ha).
§ 47. D. Verschiedene Pflanzverfahren. 1. Ballenpflanzen:
Dieselben Instrumente, welche zum Ausheben der Pflanzen benutzt werden (cfr. 11, E
dieses Teiles, § 44) dienen in der Regel auch zum Anfertigen der Pflanzlöcher, welche
in allen Fällen einen der Gestalt und Grösse des Wurzelballens möglichst entsprechen-
den Raum darstellen sollen, so dass jener, nach leichtem Druck mit der Hand, rings
an der Lochwandung fest anschliesst. Die Ballen werden mindestens bis zu ihrer oberen
Grenzfläche in den Boden eingesenkt. — 2. Ballenlose Pflanzen: Die Pflanzung
mit denselben ist entweder Lochpflanzung oder Obenaufpflanzung; bei ersterer werden
die Pflanzen in Löcher eingesetzt, bei letzterer stehen sie mit ihren Wurzeln über der
Fläche des gewachsenen Bodens; a) Lochpflanzung: Im allgemeinen das fibliche
Verfahren. Die Pflanzen sollen in der Regel nach dem Einsetzen so tief im Boden
stehen, wie vor dem Ausheben *2^) , also normal etwa bis zur Grenze von Wurzel und
Schaftteil. Sehr häuflg findet man bei den Kulturarbeiten! die Neigung, die Pflanzen
zu tief in den Boden zu bringen. Alle Wurzeln sind möglichst in ihre natürliche
Lage zu bringen und mit fruchtbarer Erde dicht zu umgeben; die geringere Erde ist
oben auf zu füllen. Auf sorgfältigsten Vollzug der Pflanzung, möglichst unter Ver-
wendung von Pflänzlingen mit unverstümmelten Wurzeln, ist streng zu halten ; scharfe
Kontrolle ist erforderlich "3). Zu den Lochpflanzungen gehören u. a. 1. die gewöhn-
liche Hackenpflanzung: Anfertigung des Pflanzloches mit Spaten und Hacke.
Pflanzung entweder an den Rand oder in die Mitte des Loches. Im ersteren Falle ist
an der einen Seite des Loches der Rand steil abgestochen, und hier lehnt man den
Pflänzling, um ihm Halt zu geben, an. Aber nur bei der Pflanzung in die Mitte des
Loches können die nach den verschiedenen Seiten auslaufenden Wurzeln ihre normale
Lage erhalten. Bei der Pflanzung stärkerer Exemplare (Halbheister, Heister) empfiehlt
sich die Benutzung desRebmann'schen Pflanzenhalters, welcher die Pflanze
an der gewünschten Stelle und in erforderlicher Höhe festhält, so dass der Arbeiter
beide Hände zum Umfüttem der Wurzeln mit Erde frei hat. — 2. Pflanzung nach
B i e r m a n s : Fertigen des Pflanzloches mit dem Spiralbohrer. Einsetzen besonders
(unter Anwendung von Rasenasche) hierfür erzogener Pflänzlinge (2— Sjährig), eben-
falls unter Verwendung von Rasenasche oder guter Kulturerde. Gut im Erfolg auf
mittelbündigem, nicht verwurzeltem und nicht steinigem Boden, aber nicht sehr rasch
arbeitend. Besondere Arbeiter, welche die Löcher fertigen, gehen hier, wie auch meist
bei der gewöhnlichen Pflanzung, mit der Hacke den Pflanzern voraus. — 3. Das
Buttlar'sche Eisen: in massig bindigem Boden zu verwenden ; das Instrument
(spitzer Eisenkeil mit gebogenem Handgriff) wird geworfen, so dass es bis zum Griff
senkrecht im Boden steckt. In das durch das Herausziehen gebildete Loch kommt ein
eigens erzogener Pflänzling (lange Wurzelstränge); durch Beistechen mit dem Eisen
wird die Erde an die Wurzeln gedrückt. Das Verfahren fördert sehr; der nämliche
Arbeiter macht das Loch und setzt die Pflanze (Führung des Eisens mit der rechten,
der Pflanze mit der linken Hand). — 4. Das Warttemberg'sche Eisen: ein
122) Ausnahme z. B. hie und da die Kiefer im Sand, welche daselbst zunächst etwas
tiefer eingesenkt wird, weil sich der lose Sand doch noch merklich setzt.
123) Vergl. u. a. Reuss (Wiener Kongress 1890 und lieber die nachteiligen Einflüsse
naturwidriger Pflanzmethoden etc.), sowie Kozeönik: Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1889, 477
und 1892, lOö.
Die Bestandesbegrlindung. § 47. 493
Stosseisen mit Stiel und Krücke. Zur Kiefempflanzong (lang hinabhängende Wurzel-
stränge) häutig benutzt; die Erfolge neuestens viel angefochten ^2*). — 5. Das Setz-
holz, derPflanzdolchu. s. w.
Die Zahl der Kulturinstrumente ist Legion, teils neue Erfindungen, teils Modifika-
tionen bekannter älterer Werkzeuge (z. B. eine Abart des Biermans'scben Spiralbohrers
mit schraubenförmig gewundener Spitze des Blattes, von Forstmeister Lang in Neuenbürg).
Üebung ist Hauptsache, gute und zugleich rasche (billige) Arbeit Erfordernis. Unter Um-
ständen weitgehende Arbeitsteilung nach den Einzelmanipulationen, wie Anfertigen der
Pflanzlöcher, Einlegen der Pflanzen, Andrücken derselben u. s. w. Rasches Ineinander-
greifen der einzelnen Arbeiten ist zu bewirken. Verwendung von Frauen beim Pflanzen
gestattet wohlfeilere und vielfach auch sorgfältigere Arbeit. Zahl der insgesamt zu ver-
wendenden Arbeitskräfte nicht grösser, als dass dieselben noch gut überwacht werden
können. Tagelohn- und Akkordarbeiten in Uebung; letztere zulässig, wenn für Verfeh-
lungen hohe Strafen angesetzt sind. Besonders ist darauf zu achten, dass nicht die
Pflänzlinge vor dem Einsetzen mit freiliegenden Wurzeln der Sonne und dem Wind aus-
gesetzt sind.
Alle bisher angeführten Instrumente fertigten ein nach den verschiedenen Seiten
ganz oder annähernd gleich weites Pflanzloch. Ihnen stehen gegenüber die Instrumente
6. zur Spaltpflanzung: Pflanzlöcher spaltfönnig, d. h. im Querschnitt ein Recht-
eck mit stark verschiedener Länge der beiden Seiten oder eine Ellipse mit sehr ver-
schiedenen Achsen darstellend, dementsprechend unsymmetrische Lagerung der Wurzeln,
welche bei allen Spaltpflanzungen zu beanstanden ist. Nur für geringe Pflänzlinge
(1— 2jährige) geeignet. Rasche Arbeit. Es werden n. a. benutzt der gewöhnliche Spa-
ten, der Solinger Spaten, das PflanzbeiP^*^) (z. B. im vorderen Odenwald), der Keil-
spaten (Main-Rheinebene), der Stichlitz (in Sachsen, cfr. Pöpel: Thar. Jahrb. 1890)
u. s. w. — b) Obenaufpflanzung: 1. Eigentliche Hügelpflanzung'^^):
Auf der Pflanzstelle wird aus Erde ein Hügel geformt, in welchen die Pflanze gesetzt
wird; dieselbe steht mit ihrem Wurzelknoten meist in der Spitze des Hügels. Wo
Windgefahr besonders zu fürchten, könnte behufs Ausbildung einer starken Stützwurzel
vielleicht mit Vorteil seitlich an den Hügel gepflanzt w^erden. Anfertigung der Hügel
oft im Herbst. Das Verfahren gut für feuchte Böden, aber nicht billig *2'). Gegen
Austrocknen kann man die Hügel durch Belegen mit Rasen sichern. Als erweiterte
Hügelpflanzung kann die Bepflanzung von Rabatten (zusammenhängende Hügel) aufge-
fasst werden. Die „Hochpflanzung und Pflugbalkenkultur", wobei im Herbst mit dem
Waldpfluge Riefen ausgeworfen und dann die umgeklappten Balken im Frühjahr be-
pflanzt werden, mag hier erwähnt sein ^2®). — 2. Die v. ManteuffeTsche Hü-
gelpflanzung*^^): Die (mit möglichst horizontal streichender Wurzel erzogenen)
Pflanzen werden auf den benarbten Boden gestellt und über ihrem Wurzelsystem ein
Erdhügel geformt, welcher demnächst mit zwei sichelförmigen Rasenplaggen (Rasenseite
nach unten) bedeckt wird. Teuer, weshalb nicht als allgemeines Kulturverfahren, son-
dern nur für Ausnahmsfälle. — 3. Pflanzung mit Setzreisern und Setz-
stangen: Letztere hauptsächlich bei Pappeln, erstere bei Weiden^*®). Glatte
124) Vergl. Muhl, „Zur Ehrenrettung des Kiefemjährlings''. Allgem. F. u. J.Ztg.,
1886. Juliheft.
125) Vergl. Allg. F. u. J.Zeitung v. 1866, S. 121.
126) Vergl. „Aus der Fichtenwirtschaft des EUwanger Forstes". Allg. F. u. J.Z. von
1880 S. 333.
127) Im Württemberg. Revier Rossfeldt kosten 1000 Hügel durchschnittl. 12 Mk., das
Einpflanzen 3 Mk., Gesamtaufwand pro ha ca. 100 — 120 IMk.
128) Paasch: Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen 1890, 351.
129) V. Manteuffel, •„ Hügelpflanzung«, 3. Aufl. 1865.
130) Vergl. § 48 betr. die Spezialfälle bei Pappel und Weide.
494 IV. Lorey, Waldbau.
Schnittfläche, Einstecken am besten in ein vorher gefertigtes Loch. Setzstangen sind
an einen Baumpfahl zu binden. — 4. Pflanzung durch Absenker: Umlegen
\'on Stockloden behufs Bewurzelung der mit dem Boden in Berührung kommenden
Stellen, danach Abtrennen vom Mutterstock. (Ausnahmsweise an manchen Steilhängen
z. B. in der Eifel, zur Ausbreitung der Bestockung angewendet.)
V. Schutz und Pflege der Pflanzkulturen.
§ 48. Beschränkt sich im allgemeinen auf die Bekämpfung des Unkrautes (ähn-
lich wie bei den Saatflächen), auf das Offenhalten etwa vorhandener Entwässerungs-
gräben, Anhäufeln der Erde um stärkere Heister, Einfriedigung gegen Wild, Sicherung
der Pflanzen auf offenen Kulturen gegen Wildverbiss, gegen Mäuse, Eichhorn (Abbeissen
der Gipfeltriebe bes. an Tanne und Nordmannstanne), worüber Nähei*esim „Forstschutz*.
Zur Sicherung gegen Wind, namentlich bei der Aufforstung von Oedland in exponierten
Höhenlagen, empflehlt sich Pflanzung in Vertiefungen hinter Dämmen.
Viertes Kapitel.
Bestandesbegrrtlndung bei den einzelnen Holzarten.
Vorbemerkung. Nur in kurzen Andeutungen sollen hier die wesentlichsten
Verjüngungsarten zusammengestellt werden, welche man in der forstlichen Praxis bei den
einzelnen Holzarten antrifft. Besondere standörtliche und wirtschaftliche Verhältnisse
stellen jeweils spezielle Aufgaben. Das Studium der nachgewiesenen Literatur in Ver-
bindung mit der Beobachtung im Walde muss die Kenntnis der Details vermitteln. Ins-
besondere ist von den eingangs aufgeführten Werken hier auf Bnrckhardts Sä«n und
Pflanzen wiederholt hinzuweisen. Uebrigens wird auch die Besprechung der Betriebsarten
(4. Abschnitt) zu einschlagenden Bemerkungen vielfach Gelegenheit geben.
I. Laubhöizer.
§ 49. 1. Rotbuche^").
Natürliche Verjüngung durch Samenabfall bildet die Eegel, doch findet sich auch
natürliche Verjüngung durch Ausschlag, sowie durch Absenker, femer künstlicher An-
bau durch Saat und Pflanzung.
A. Natürliche Verjüngung:
a) Durch Samen: Hauptsächlich im Schirmschlagbetrieb. Die in § 26 geschil-
derten Hiebsführungen (Vorbereitungshieb, Samenschlag, Nachlichtungen) haben insbe-
sondere bei der Rotbuche Platz zu greifen, und zwar kommen sie je nach Umständen
mit allen daselbst angedeuteten Modifikationen bezüglich des Tempos, in welchem vor-
gegangen wird, sowie des Grades der einzelnen Eingriffe in den Mutterbestand vor.
Wird die Verjüngung ohne länger andauernde allmähliche Vorbereitungshiebe im we-
sentlichen durch eine entsprechend stärkere Durchlichtung zwecks unmittelbarer Schlag-
besamung eingeleitet, so spricht man von der „Verjüngung aus vollem Ort*. Eventuell
Bodenverwundung bei Eintritt eines Mastjahres (Kurzhacken, Rechen, Schweineeintrieb,
Pflug, Egge), namentlich auf schlechteren Partien. Wo der Erfolg zweifelhaft, wird
am besten nicht lange zugewartet, sondern zur Auspflanzung mit Nadelholz (Fichte,
131) Vergl. Grebe, Der Buchenhochwald, 1856. — Knorr, Studien über die
Buchenwirtschaft, 1863. — Kohli, Zur Geschichte der natürlichen Verjüngung der Bache
im Hochwalde. Suppl. zur Allg. F. u. J.Z. 1873, IX. Bd. — Frömbling, Mund, forstl.
Hefte, Nr. IH. — Hahn, Zeitschr. f. F. u. Jw. 1892, 435. — Kraft, das. 628. —
Martin, Folgerungen der Bodenreinertragstheorie, Bd. 1, 1894, Die Buche. — Sell-
heim, Mündener forstl. Hefte Nr. 13. — Versammlung des bad. Forstvereins von 1895. —
Fürst. Zur Verjüngungspraxis der Rotbuche, Forstw. Zentralbl. 1898, 271. — Hils-Solling-
Verein, 1898.
Die Bestandesbegründong. § 49. 495
Forche) geschritten. Gefahr durch Frost und Hitze, sowie durch Forstunkräuter ist
in erster Linie für die Art der Nachlichtnng entscheidend ; langsameres Vorgehen bietet
hiergegen im allg. mehr Schutz als rasches Nachhauen ; die Gewinnung eines Lichtungs-
zuwachses an den Mutterbäumen kommt bei der Buche (Brennholzart) meist weniger
in Betracht. Genügend reichliche und regelmässige Masten je nach dem Standort vom
70. bis 100. Jahre ab (oft noch früher).
Galt noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die gelungene Durchführung der
natürlichen Samenverjüngung eines reinen Rotbuchenbestandes (nach den G. Ludw. Hartig-
schen Generalregeln: Vorbereitungsschlag, Samenschlag, Dunkelschlag, Auslichtungsschlag)
als vornehmste Aufgabe forstlicher Kunst, so ist die Wertschätzung solcher Leistung heute
begreiflicherweise (cfr. § 14, S. 435) nicht mehr die gleich hohe. Trotzdem spielt die
natürliche Buchenverjüngung in der waldbaulichen Tätigkeit noch eine Hauptrolle, nament-
lich in allen Fällen, in welchen die Buche als Mischholzart den Grundbestand zu bilden
hat. Dass übrigens auch der reine Buchenbestand örtlich noch sehr gewürdigt wird, be-
weisen die Erörterungen, welche die dänische Buchenwirtschaft in den letzten Jahren
erfahren hat, im Anschluss an die Schilderung derselben durch Dr. Metzger („Dänische
Reisebilder", Mundener forstl. Hefte, 1896, IX. und X. Heft). Daraufhin, sowie
nach den Verhandlungen verschiedener Forstversammlungen (z. B. Stuttgart, 1897, cfr.
S. 533 — Pommer'scher Forstverein, 1900 — Wiesbadener Versammlung, 1900) ist auch
die Verjüngung der Buche lebhaft besprochen und namentlich auch in der Richtung dis-
kutiert worden, ob die im dänischen Buchenwalde angeordneten Massregeln auf Deutsch-
land zu übertragen sein möchten. Auch die reiche Vollmast des Jahres 1888 hatte be-
reits zu vielfachen Aeusserungen über deren zweckmässigste Ausnutzung Anlass gegeben.
Die dänische Wirtschaft bedient sich grundsätzlich einer intensiven Bodenbearbei-
tung (event. Anwendung der Rollegge — cfr. Metzger, AUg. F. u. J.Z. 1900 279), so-
dann vielfach der Blockpflanzung unter schwachem Schirmstand, d. h. der Pflanzung von
Ijähr. Buchen in Reihen und zwar durch Einsetzen von Ballen bezw. Plaggen, mit je
mehreren Pflänzlingen aus engem Stand im Saatbeet entnommen. Besonders charakteristisch
ist dann eine intensive Bestandspflege, welche — unter Erhaltung des Zwischen- und
Unterstandes so lange, bis die Schaftreinigung besorgt ist — schon frühzeitig auf be-
sonders gute Ent Wickelung immer beschränkten Zahl späterer Haubarkeitsstämme abzielt
(Darüber später unter „Bestandeserziehung '^). Rasche Schlagräumung.
In der Regel kann man eine nat. Buchenverjüngung in 20 Jahren gut durchführen ;
günstige Verhältnisse gestatten die volle Schlagräumung schon nach 12 — 15 Jahren; Aus-
dehnung des Verjüngungszeitraumes auf mehr als 20 Jahre nur in Ausnahmefällen er-
forderlich.
Auch im Rotbuchen- Verjüngungsschlage findet sich, wenn auch nicht so regelmässig
wie bei der Tanne, so doch nicht selten von früheren (als dem planmässig zu benützenden)
Mastjahren her Aufschlag auf der ganzen Fläche oder als Vorwuchsgruppen und -Horste
vor, welche jedoch im Schirmschlagbetrieb im allgemeinen nicht besonders gepflegt werden.
Dies schliesst jedoch nicht aus, dass man ihn, soweit entwickelungsfähig, bei der Ver-
jüngung mitbenutzt. Sperrwüchse sind nicht zu dulden.
b) Durch Ausschlag: Im Mittelwald, soweit die Rotbuche im Unterholz des-
selben vertreten sein soll; bekanntlich gibt sie nicht andauernd reichliche Ausschläge,
so dass sie sich hier wenig eignet.
c) Durch Absenker '^3): Ausnahmsweise in besonders kritischen Lagen (steile,
sonnige Einhänge).
B. Künstlicher Anbau:
Derselbe kommt zur Verjüngung bereits vorhandener Buchenbestände ausnahms-
132) Vergl. u. a. Thal er, Allg. F. u. J.Z. 1898, 113. — Metzger, A. F. u. J.Z.
1898, 346. — Eulefeld, Aus dem Walde 1898, 4, sowie Forstw. Zentralbl. 1898, 131
und A. F. u. J.Z. 1898, 188. — Metzger, Vortrag f. d. Versammlung zu Schwerin
1899. — Speidel, A. F. u, J.Z. 1899, 261. — Graser, Forstw. Zentralbl. 1899, 121.
— Hauch, A. F. u. J.Z. 1900, 225.
133) Vergl. u. a. v. Fischbach im Forstw. Zentralblatt von 1887 S. 137 ff.
496 IV. Lorey, Waldbau.
weise dann in Frage, wenn man aus irgend welchen Gründen das Eintreten einer Mast
überhaupt nicht abwarten oder es nicht auf den Erfolg einer nächsten Mast ankommen
lassen will, nachdem bereits eine oder mehrere Besamungen fehlgeschlagen sind. Aus-
serdem bei Bestandesumwandlungen, sowie in Gestalt des Unterbaues.
a) Saat: kommt als Yollsaat, Riefensaat und Plätzesaat vor (letztere beiden
häufiger), Yoraufgehende Bodenverwundung ist auch bei der Yollsaat meist wünschens-
wert.
b) Pflanzung: meist 2— 3jährige Pflanzen (manchmal auch Jährlinge), welche
(besonders 2jährige) zweckmässig mit dem Beil oder der Hacke gepflanzt werden ; auch
wohl geringe ßallenpflanzen mit dem Hohlbohrer oder Plaggenpflanzung, wie in Däne-
mark (cfr. oben ad A, a). Keimlingspflanzung ist in Elsass in grösserem Umfange
ausgeführt worden (Yers. zu Schirmeck 1890), sogar Kotyledonenpflanzung kommt vor.
Anwendung stärkerer Pflanzen (bis Halbheister) für Nachbesserung, hie und da anch
beim Unterbau ganzer Schläge, doch stets teuer und weniger sicher, freilich an man-
chen Orten (Heidelbeerüberzug etc.) nicht zu vermeiden. Einzelpflanzung ist Regel ; auf
trockenem, flachem und steinigem Boden hie und da Büschel. Nach der Yollmast des
Jahres 1888 hat man da und dort Ballenpflanzung (mit je etwa 20 Keimpflanzen in
1 Ballen, zumal zur Nachbesserung ungenügend besamter Steilhänge angewendet '^^).
Pflanzmaterial vielfach aus Schlägen, oft Anzucht auf besonderen Beeten unter Nadel-
holzschutzbestand, sowie im Forstgarten.
2. Eichel»^):
Je mehr allgemein die Ueberzeugung platzgreift, dass umfängliche Nachzucht der
Eiche — jedoch nur auf wirklich guten Eichenböden, denen es, im Verein mit den er-
forderlichen klimatischen Bedingungen, nicht an mineralischer Kraft, entsprechender Oründig-
keit und Frische mangelt — auch im Hinblick auf Rentabilität angezeigt ist, um so leb-
hafter wird die zweckmässigste Art ihres Anbaues, bezw. ihrer Wiederverjüngung be-
sprochen, auf Versammlungen sowohl, wie in der Literatur. Die Unterscheidung von
Stiel- und Traubeneiche wird dabei mit Recht von vielen Seiten gefordert. Nach Nej
(1900) „Die Ausnützung der 1890er Eichel- und Buchelmast'' soll auf ständig mindestens
feuchten Orten die Stieleiche, auf frischen Böden der I. und II. Bonität die Stiel- und
Traubeneiche, auf allen übrigen Eichenstandorten nur die Traubeneiche Verwendung finden
(Aus d. Walde, 25). Der Anbau im reinen und im gemischten Bestände, namentlich die
Mischung der Eiche mit der Buche, werden oft gleichzeitig erörtert und können anch
kaum ganz scharf getrennt gehalten werden, da die Grenze zwischen dem reinen und ge-
mischten Bestände (cfr. § 11, e) nicht unzweideutig gegeben ist, und namentlich beim
Anbau der Eiche deren Einbringen in den Buchengrundbestand entsprechend der jeweiligen
Bodenbeschafi^enheit oft (Spessart, Pfalz) in derart grossen Horsten erfolgt, dass nicht mehr
ein gemischter Bestand, sondern eine Auflösung des Bestandes auf der Abteilungsfläche in
eine Mehrzahl einzelner reiner Bestände vorliegt.
A. Natürliche Verjüngung:
a) Durch Samen: Im Hochwald durch Benutzung des unter einzelnen Alt-
stämmen oder in Gruppen und Horsten von solchen sich ansiedelnden Nachwuchses,
sowie durch planmässige Herbeiführung einer Naturbesamung (entsprechende vorgängige
Bestandeslichtung, Bodenverwundung etc.) im reinen, sowie als Yorverjüngung im ge-
mischten Bestände etc. In guten Mastjahren stellt sich Eichenaufschlag oft in erstaun-
licher Menge ein ; es wäre verfehlt, wollte man denselben, der kostenlos geboten wird,
geeigneten Falles nicht benutzen. Zweifel können nur entstehen, wenn eine umföng-
134) Vergl. von Manteuffel, Die Eiche, deren Anzucht, Pflege und Abnutzmig,
1869. — Martin, Folgerungen der Bodenreinertragstheorie, 4. Bd. 1898, Die Eiche im
Hochwaldbetriebe.
135) Moosmayer, Aus dem Walde, 1891, 8.
Die BestandesbegrOndung. § 49. 497
/
liehe Vorbereitung der natürl. Besamnng erforderlich würde, und letztere überdies nicht
rechtzeitig erfolgte; dann hat künstliche Kultur einzutreten.
b) Durch Ausschlag: Im Niederwald und Mittelwald durch Stockloden ; femer
auch wohl durch Schaftloden an Schneitelbäumen.
B. Künstliche Bestandesgründung.
Dieselbe bildet im Hochwald immerhin die Regel, weil selbst da, wo in einem
zu verjüngenden Altbestande Eichen in der gewünschten Menge und Verteilung bereits
vorhanden sind, die Nachzucht ausschliesslich durch Samenabfall oft nicht genügend
sicher erscheint (Lichtbedürfnis der jungen Pflanzen, obwohl vielfach überschätzt*^*),
Abgang durch Mäuse, Vögel, Wild etc.). Die Saat wird an manchen Orten schon seit
längerer Zeit, neuerdings allgemeiner, vor der Pflanzung bevorzugt. Warum sollte,
wenn nur das Verzehren der Eicheln durch Tiere oder etwa Verstecken derselben im
Boden und demnächst Schädigung der Pflanzen durch Unkraut hintangehalten werden
können, die junge Pflanze nicht an dem Orte keimen, an welchem sie im Bestand
stehen soll ? Man spart die Pflanzkosten, ausser den Kosten der Pflanzenerziehung, und
vermeidet die immerhin missliche Behandlung der in der Jugend schon kräftig ent-
wickelten Pfahlwurzel.
a) Saat: als Vollsaat (Punktsaat unter Anwendung verschiedener Eichelstecker,
des Eichelhammers, der Hacke, der Pook'schen Doppelhacke etc.), sowie als Riefen-
und Plätzesaat. Dichten Saaten wird im allgemeinen der Vorzug gegeben, damit
der Neigung der Eiche, zumal der Stieleiche (und noch mehr der amerikan. Roteiche),
sich frühzeitig breit in die Aeste auszulegen, durch engen Stand der Pflanzen, sodann
auch dem Unkraut entgegengearbeitet wird. Die Saat erfolgt keineswegs immer auf
der Freifläche, vielmehr wird da und dort (cfr. z. B. Kraft, A. F.- u. J.-Z. 1891, 361.
— Hauch, A. F.- u. J.-Z. 1900, 225. — Hils-Sollingverein 1900) der Ansaat unter
lichtem Schutzbestande, zumal im Hinblick auf Frost und Unkräuter, der Vorzug ge-
geben. Als Spezialfall der Rillensaat kann die z. B. im Spessart manchmal (Rohr-
brunn) angewendete Leitersaat gelten, bei welcher auf 40 cm breiten Streifen die
Eicheln (7 — 8 Hektol. pro ha) in Querrillen eingelegt werden.
b) Pflanzung: meist mit Forstgartenpflanzen und zwar sowohl mit 2jährigen
Saatbeetpflanzen als auch (in der Regel) 3- bis mehrjährigen verschulten Pflänzlingen
(bis zum Starkheister zur Nachbesserung in Mittelwaldungen, Auspflanzung im Wild-
park etc.) ; event. Verschulung der 1 — 2jährigen Pflanzen. Meist Pflanzung mit ballen-
losen Pflänzlingen. Pfahlwurzel bei der Kultur oft hinderlich, dann event. Einstutzen
derselben (siehe § 43). Anwendung von Stummelpflanzen (abwerfen nahe über dem
Wnrzelknoten) kann sich bei der Eiche unter Umständen empfehlen : sicheres Anschla-
136) Vgl. Geppert, Erfahrungen über die Verjüngung der Eichenbestände (Zeit-
schrift für Forst- und Jagdwesen v, 1887 S. 153 ff.). Daselbst wird vom ostpreuss. Revier
Flatow berichtet, dass künstliche Bestandesgründung nach Kahlhieb nicht gelinge, während
sich die Eiche unter dichtem Birkenvorwuchs in erfreulicher Menge natürlich ansame und
lange wuchskräftig erhalte, wie dies ebenso in Kiefemstangenorten in solchem Umfange der
Fall sei, dass deren Umwandlung in Eichenbestände dadurch möglich werde. — Einschleppen
von Eicheln in Nadelholzbestände durch Nusshäher: die daraus entstehenden jungen Eichen
sind oft überaus zählebig, bilden meist zunächst ein kräftiges Wurzelsystem aus und sind
infolgedessen nach der Freistellung nicht selten vollkommen entwickelungsfahig. Vergl. auch
Dr. Ed. H e y e r , Beitrag zum reinen und gemischten Elchenniederwald und -Hochwald etc.
(Allg. F. u. J.Z. V. 1884 S. 207 u. S. 229). — Vielfach sehr gute nat. Verj. durch Samen
auf Schieferböden der Rhein- und Moselgegend. — Gelegentlich der Versammlung deutscher
Forstmänner zu Würzburg (1885) hat sich Fürst mehr gegen, Kienitz mehr für die
natürl. Verjüngung der Eiche ausgesprochen. Die für letztere erforderliche Bodengare sollte
allmählig herbeigeführt werden.
Handbuch der ForBtw. 2. Aufl. I. 32
498 IV. Lorey, Waldbau.
gen, kräftige Triebe (doch nicht selten anfänglich mehrere gleichwertig). Anzucht
guter Heister, nicht selten durch mehrfaches Verschulen, Beschneiden etc. "^). Heister-
pflanzung ist im Erfolg oft recht zweifelhaft und hat stets nur als Ausnahme zu gelten,
auch wegen der grossen Kosten der Pflanzenerziehung und des Pflanzgeschäftes, wobei
namentlich das Anfertigen entsprechend grosser Pflanzlöcher, event. Formieren von
Hügeln (auf (feuchtem Boden) sehr ins Gewicht fällt.
Pflanzung von 2jähr. Pflänzlingen in gut gelockerte Riefen fördert rasch und ist
demgemäss billig, auch genügend sicher, wird aber (siehe oben) durch Saat vielfach ersetzt.
Empfohlen wird jene Pflanzung z. B. von Mortzfeld (Zeitschr. f. F. u. J. 1896, 2)
auf seinen kleinen (ca. 10 ar grossen) Löchern im Buchengrundbestand. Das von manchen
Wirtschaftern (cfr. z. B. Reiss, A. F. u. J.Z. 1896, 309) unternommene Einbringen der
Eiche auf kahl gehauene Kulissen ist meist zu gunsten des horstweisen Anbaues oder der
Einzelmischung wieder aufgegeben worden. Verwilderung der Eichen an den Kulissen-
rändern, sowie Örtlich massenhaftes Auftreten der Maikäfer wurden dabei besonders be-
klagt. Je nach Umständen streifen weises Einbringen der Eichen auf Pflugfurchen.
c) Spezialfall des Waldfeldbaues, wobei die Eiche (mittelst Saat oder
Pflanzung) auf gerodetem Lande nach Kahlabtrieb nachgezogen wird.
In Frostlagen bedarf die Eiche vielfach des Schutzes (mindestens seitlich) durch
eine frostharte Holzart (Forche, Birke etc.), welcher durch lichten Vorbau oder Zwi-
schenbau zu gewähren ist. — Wiederholt sei betont, dass nur frische, kräftige Böden
dauernd der Eichenzucht gewidmet werden sollten; man darf die Eiche, so schätzbar
sie als Nutzholzart ist, doch einem zu geringen Standort nicht aufzwingen wollen;
sonst sind wirtschaftliche Verluste unvermeidlich!
3. Hainbuche:
Verjüngung durch Stockausschlag im Mittelwald (für diesen eine sehr schätzbare
Holzart), sowie als meist reichliche (oft infolge des meist jährlichen grossen Samener-
trägnisses zu reichliche!) Beimischung im Hochwald durch Samenanflug. Künstlicher
Anbau nur in besonderen Fällen, wie z. B. Pflanzung beim Unterbau von Eichen auf
feuchteren, kälteren Stellen, wo die Rotbuche gefährdet ist : 2 — 3jährige (Schlag- oder
Saatschul)-Pflanzen. Hainbuchen-Kopf holzstämme gelegentlich auf Viehtriften; flir
diesen Zweck Heisterpflanzung.
4. Esche:
' Auf besonders kräftigem, frischem Boden stellt sich Eschenanflug auch unter
dichtem Kronendach nicht selten in solcher Ueppigkeit ein, dass derselbe im Falle na-
türlicher Verjüngung des Bestandes sehr in Betracht kommt. Vielfach auch künstlicher
Anbau dieser Holzart: ausnahmsweise durch Saat (z. B. Plätzesaat in kleinerem Um-
fang), meist durch die infolge reichlicher Bewurzelung sehr sichere Pflanzung, zu wel-
cher gewöhnlich ballenlose, vorzugsweise verschulte Pflänzlinge (1 — 3jährig verschult.,
meist 2jähriges Belassen im Pflanzbeet), seltener Schlagpflanzen benutzt werden. Zur
Ergänzung des Oberholzes im Mittelwald, soweit daselbst nicht Stockausschläge benutzt
werden, ferner zum Einsprengen in bereits herangewachsene Buchenhegen oder auf
sehr unkrautreiche Orte oft stärkere Pflanzen (event. nochmals verschulte Heister). —
Esche als Schneitelstamm durch Heisterpflanznng.
5. Ulme:
Pflanzung mit verschieden starken Forstgartenpflanzen (je nach den Umständen
137) Vergl. Schwappach, Zur Frage der Erziehung von Eichenheistem (Zeitschr.
f. Forst- u. J.wesen 1887 S. 2 ff.). Nach den daselbst mitgeteilten Versuchen der Hanpt-
station für Versuchswesen in Preussen hat 2malige Verschulung (zwischen dem ersten und
zweiten Umsetzen nur 2 Jahre) mit möglichst wenig EingrifTen in den natürlichen Entwik-
keluugsgang die besten Ergebnisse geliefert, sowohl in Absicht auf das Pflanzmaterial als
auf die Kosten.
Die Bestandesbegründung. § 49. 499
von der 1jährigen Lode bis zum Starkheister) bildet die Regel. Sicheres Anschlagen.
Ausschläge im Mittelwald.
6. Ahorn:
Natürlicher Aufwuchs aus Samen sowie als Stockausschlag nicht selten benutz-
bar (Stehenlassen nur einer Lode auf dem Stock); sonst meist Pflanzung mit ver-
schulten 3 — 4jährigen Pflänzlingen, nach Bedarf auch älteren Pflanzen (Stumnielpflanzen
in exponieilien Lagen manchmal anzuraten!), seltener Saat (hie und da Plätze-, auch
wohl breitwürfige Saat, gleichzeitig mit Esche, in Bnchenschlägen zur Zeit der Samen-
schlagstellung oder schon einige Zeit vorher im Stadium des Yorbereitungshiebes).
7. Erle:
Natürliche Verjüngung durch Ausschlag (Niederwald), sonst meist Pflanzung mit
verschultem Material verschiedener Stärke, je nach den Umständen ; vielfach am besten
Stummelpflanzen. Pflanzzeit in Brüchern meist der Herbst; oft mittelst Kreuzstichs^^®).
Rabattierung zu empfehlen: Hügelstreifen ev. mit je 4 Pflanzen dicht nebeneinander.
8. Linde:
Im deutschen Walde, obwohl die Holzart wegen ihrer Nutzholzqualität für manche
technische Zwecke sehr beachtenswert ist, doch nicht häufig Gegenstand ausgedehnteren
Anbaues (dann aber Pflanzung sehr sicher); meist Stockausschläge.
9. Pirus-, Prunus- und S o r b u s-Arten, wo sie künstlich eingebracht werden
(Alleen etc.), durch Pflanzung. Im Inneren der Bestände meist natürlich durch Ansamung
oder Ausschlag.
10. Birke:
Meist reichlicher Anflug, sobald nur einige Samenbäume vorhanden ; auch Stock-
ansschläge. Künstlicher Anbau durch Saat (z. B. Vollsaat zur Erziehung eines Schutz-
bestandes ; Behandlung des Bodens nach der Saat mit der Strauchegge) oder durch
Pflanzung (meist Schlagpflanzen) am besten zeitig im Frühjahr.
Hier mag besonders darauf hingewiesen werden, dass die beiden Birkenarten,
Betula verrucosa und B. pubescens, in ihrem waldbaulichen Verhalten sehr verschieden
sind. B. pubescens ist dichter in der Krone, viel mehr eine Holzart feuchter Böden,
findet sich z. B. in reinen Beständen auf der Grenze der Brücher (Versuchsflächen in
Ostpreussen), mit Erträgen bis zu 300 fm im 70. Jahre.
11. Falsche Akazie:
Pflanzung mit Saatschulpflanzen ^^^).
12. Zahme Ka8tanie^*<>):
In Deutschland wegen der klimatischen Bedingungen, welche sie für ihr Gedeihen
fordert, zumal ihres Wärmebedürfnisses, nur in beschränktem Umfange (Pfalz, Elsass etc.)
als Waldbaum verbreitet ; besonders geschätzt als Holzart des Niederwalds (Gewinnung
von Rebpfählen): Stockausschläge reichlich und kräftig. Begründung neuer Bestände
meist durch Pflanzung mit 1 — 3jährigen (in der Mehrzahl der Fälle 2jährigen) Loden,
138) Zu vergl. u. a. die Verhandlungen des mecklenbg. Forstvereins und preuss. Forst-
vereins (je 1889, Zeitschr. f. F. u. J. 1889, S. 559 bezw. 469); femer „Wirtschaft in Er-
lenbrüchern«, Zeitschr. f. F. u. J. 1895, 497.
139) B u n d , Z. f. F. u. J. 1899, 199 „Aufforstung der Sandflächen und Steppen in
Ungarn". Danach soll Ungarn bereits 70000 ha reine Akazien haben, meist Niederwald in
20jähr. Umtrieb. Bodenlockerung landwirtsch. Vorbau, dann Pflanzung.
140) Vergl. Kay sing, Der Kastanienniederwald, 1884. — Aufsätze in der AUg.
F. u. J.Z. 1879 S. 206; 1883 S. 37 (Osterheld — Pfalz); 1883 S. 241 (Rebmann — Elsass).
— Engler, „Die Edelkastanie in der Zentralschweiz". — Merz, Schweiz. Forstver. 1895
und V. Sutter, Schweiz. Zeitschr. 1895. — Osterheld, A. F. u. J.Z. 1895 „Edelkastanie
im Pfälzer Wald«.
32*
500 IV. Lore y, Waldbau.
Anzucht der nötigen Pflanzen (pro ha 6000 — 8000 Stück erforderlich) in rigolten Saat-
beeten (Spitze der Frucht beim Einlegen nach unten !) : Kosten der Erziehung pro 1000
2jähriger Pflanzen ca. 12 Mark. Pflanzung im Frühjahr mit der Hacke oder einem
Klemmeisen (spatenartig abgeändertes Buttlar'sches Eisen) ; Pflanzen teils unbeschnitten,
teils (besser) nach Einstntzeu der Seitenäste oder als Stummelpflanzen. Jährliches
Reinigen und Behacken der Kultur. Bodenpflege durch Grabenziehen (^Belebungs-
graben*^). — Saat hie und da als Yollsaat (bezw. Punktsaat, wie bei der Eiche) mit
3 Hektoliter Kastanien pro ha (30000 Stück) oder Rillen- oder Plätzesaat. Gefahr
durch Wildschweine.
13. Pappel:
Für den Anbau kommt besonders die Schwarzpappel oder die kanadische Pappel
in Betracht. Letztere ist wertvoller. Die Pflanzung erfolgt durch Setzstangen, welche
aus Stockausschlägen zu gewinnen, wohl auch in der Pflanzschule zu verschulen sind.
Bei der Aspe verpflanzt man meist Wurzelbrut. Doch wird auch künstl. Samenver-
jüngung empfohlen (Paul in Deutsche Forst-Zeitg. 1899), desgleichen Erziehung von
verschulten Aspenpflänzlingen (Forstrat Hofmann in Forstl. Ztrlbl. 1902, S. 360).
14. Weide^"):
Die verschiedenen Weidenarten erfordern je besondere Behandlung. Für Korb-
weiden ist durchschnittlich am besten (nach Krähe) Pflanzung von 30 cm langen Steck-
lingen (1 — 4jähriges Holz), senkrecht in den 50 cm tief rigolten Boden und zwar in
engem Verband (50 zu 10, also bis 200000 Stück pro ha!). Bodenpflege (Behacken),
event. Düngen etc. Grabenkultur und Grubenkultur örtlich in Anwendung; ebenso
nesterweises Einpflanzen der Stecklinge. — Am meisten empfohlen Salix viminalis,
amygdalina, sowie eine Mischsorte aus S. viminalis und purpurea. Bei der Wahl ent-
scheidet zuerst der Boden, dann die Masse des Aufwuchses (sehr ertragsreich sind u. a.
Mandelweiden), sowie die Flechteigenschaften, die Widerstandsfähigkeit gegen Witte-
rungseinflüsse (am härtesten sind Purpurweiden), die Blattmenge (S. viminalis, amyg-
dalina besser als Purpurweide). Man soll nicht verschiedene Arten untereinander pflanzen.
Die als ein Hauptteil des sog. Weichholzes in den Schlägen auftretenden Weiden
(besonders S. caprea, cinerea etc.) erscheinen meist als Ausschläge und durch Samenanflug.
II. NadelhSIzer.
§ 50. 1. Weisstanne.
Wenn irgend eine Holzart, so ist die Tanne vermöge ihrer Eigenschaften zur
natürlichen Verjüngung durch Samenabfall bestimmt. Künstliche Bestandesgründung
ist — abgesehen von den (neuerdings zahlreich auftretenden) Fällen, in welchen die
Neuanlage von Tannenbeständen erfolgen soll — Ausnahme und findet meist nur da
statt, wo wirtschaftliche Missstände (Ueberalthölzer, Sturmlücken etc.) eine natürliche
Verjüngung überhaupt nicht mehr oder nicht mit der nötigen Sicherheit erhoffen lassen.
Die künstliche Bestandesgründung findet sich als Saat und als Pflanzung.
A. Natürliche Verjüngung"'^):
Dieselbe ist namentlich in den letzten 20 Jahren Gegenstand eingehender Er-
141) Vergl. Schulze, Die Kultur der Korbweide, 1874. — S c h m i d , Die Anpflan-
zung und Kultur der Korb- und Bandweiden, 1883. — Krähe, Lehrbuch der rationellen
Korbweidenkultur, 4. Aufl. 1886. — Zschimraer, Anbau der Korbweide, Thar. Jahrb.
1888, 1. Heft. — Au mann, Weidenhegerbetrieb in Flussniederungen, Zeitschr. f. F. u. J.
1894, 712. — Korbweidenkultur längs der österr. Eisenbahnen, Oesterr. Forst- u. J.-Ztg.
1894. 11. — P i c c i 0 1 i , La coltura dei salici, 1896. — D e k e r t , lieber Weidenzucht,
Mund. Forstl. Hefte 15 v. 1896. — Danckelmann, Zeitschr. f. F. u. J. 1898, S. 652.
142) Vergl. u. a. die Referate und Debatten bei der deutschen ForstTersammlung zu
Die Bestandesbegründung. § 50. 501
örterung gewesen. Sie erfolgt im Femelbetrieb und im Sebirmschlagbetrieb, bezw. im
Femelschlagbetrieb (vergl. vierter Abschnitt). In allen diesen Fällen kommt die
Zählebigkeit der Tanne, sowie ihre langsame Jugendentwickelung in Betracht. Eine
Folge ihres grossen Schattenerträgnisses ist, dass sich Besamung meist ohne besonderen
Vorbereitungshieb und Samenschlag oft schon im 70 — 80jährigen Bestandesalter reich-
lich einstellt, mindestens auf denjenigen Stellen und in deren Umgebung, welche durch
Auszug von Krebstannen, eingesprengten Mischhölzem u. s. w. etwas (wenn auch nur
massig) gelichtet sind. Werden solche Aushiebe schadhafter oder sonst unerwünschter
Bäume in gesteigertem Masse nötig, tritt vielleicht Windwurf hinzu, so entstehen Lö-
cher im Bestände, auf welchen der Jungwuchs bald in die Höhe geht; deren allmäh-
liche Erweiterung führt nach und nach zur Verjüngung des ganzen Bestandes.
Wo sich dieser die Regel bildende Vorgang nicht (gewissermassen ganz von
selbst) abspielt, hat man es in der Hand, die Verjüngung (in längerem oder kürzerem
Zeitraum) mittelst gleichförmiger Schlagstellung durch den ganzen Bestand hin (regel-
mässige Vorbereitungshiebe mit gleichmässiger, allmählicher Durchlichtung etc. — Schirm-
schlag Gayers) oder derart durchzuführen, dajss man die einzelnen Bestandespartien
nacheinander verjüngt, bezw. sich jene Löcher durch gruppen- und horstweise Eingriffe
künstlich schafft (hörst- und gruppenweise Verjüngung Gayers — vergl. auch : zweiter
Abschnitt, 2. Kap. A, II, 2 — 4, § 26 — 28, und vierter Abschnitt). Gleichmässige Schirm-
schlagstellung auf schmalen Streifen verbürgt den Erfolg event. ebenso sicher wie
Löcherhiebe und verdient unter Umständen wegen grösserer Uebersichtlichkeit im Fort-
gange der Verjüngung den Vorzug.
Hinsichtlich des Verjüngungszeitraumes wird die Erwägung massgebend, ob man
im konkreten Falle auf raschere Erstarkung des Jungwuchses oder auf längeres An-
dauern des Lichtungszuwachses an den Mutterbäumen den grösseren Wert legt. Ueber
die etwaige Benutzung des Vorwuchses siehe § 53 ; erstreckt sich die vollständige Ver-
jüngung eines Bestandes, d. h. die Ersetzung sämtlicher heute im Bestände vorhandener
Individuen durch neue, auf die ganze Umtriebszeit, so kommt man zum eigentlichen
Femelbetrieb.
Im wesentlichen ist es für die Art der nat. Tannenverjüngung zunächst entscheidend,
ob man grundsätzlich möglichst ein Mastjahr zur Erzielung des Jungbestandes benutzen
will (Schirmschlag) und demgemäss mit gleichmässiger Schirmstellung über die ganze Fläche
hin vorgeht, oder ob der allmählichen , partienweisen Verjüngung (Femelschlagbetrieb.
Gruppen- und Horst Wirtschaft, Benutzung mehrerer Samen jähre) der Vorzug gegeben wer-
den will. Martin stellt beide Methoden an Wert gleich. Genügende Samenjahre hat man
fast überall in 3- bis 5jährigen Zwischenräumen. Beides lässt sich machen ; aber tatsäch-
lich kommt man ganz von selbst bei der Tanne fast immer zu einer mehr oder minder
scharf ausgeprägten Gruppenwirtschaft, weil sich, wie oben angeführt wurde, Anflug in
der Eegel schon in Beständen einstellt, welche noch nicht planmässig zur Verjüngung
stehen und dieser Anflug sich wenigstens teilweise bis zur Zeit der planmässigen Ver-
jüngung wuchskräftig erhält, bezw. schon zu gut entwickelten Vorwüchsen ausbildet.
Wildbad 1880 (Die Referate finden sich in der AUg. Forst- u. J.Z. von 1880: Schuberg
S. 304, Probst S. 311), ferner Verhandlungen des badischen Forstvereins zu Wolfach
1884. — Magenau, „Tannenverjüngung auf dem Jura". Allg. Forst- u. J.Z. v. 1887
S. 312 fF. — Martin, Folgerungen . . . , 2. Bd. 1895, Die Weisstanne. — Wirtschafts-
regeln für Elsass-Lothringen, 1892. — Carl, Allg. F. u. J.Z. 1893, 163, 204. — Kautzsch,
Allg. F. u. J.Z. 1193, 350. — Ders., Beitrag zur Tannenfrage (1895). — Mencke, Allg.
F. u. J.Z. 1897, 287. — Baudisch, Zeitschr. f. d. ges. Forstw. 1897, 101. — Wein-
kauf f, Die Tanne auf d. Buntsandstein des Pfälzer Waldes, A. F. u. J.Z. 1897, 331, 344.
— Seh aal, Die Weisstanne in Sachsen, A. F. u. J.Z. 1898. — Kautzsch, A. F. u.
J.Z. 1898, 220. — Gretsch, Forstwirt. Zentralbl. 1898, 455.
502 IV. Lorey, Waldbau.
Dazu tritt dann die Entscheidung darüber, ob man die Verjüngung im ganzen rascher
oder langsamer durchführen und demgemäss nur kleinere oder aber grössere Altersunter-
schiede im Jungbestande haben will. Wenn auch die Bedingungen, unter denen die
Tannenwirtschaft geführt wird, örtlich keineswegs immer die nämlichen sind (z. B. in
Baden auf der Westseite, in Württemberg auf der Ostseite, d. h. im Regenschatten des
Schwarzwaldes, — Seenahe in Oldenburg), so liegt doch fast überall die Möglichkeit ver-
hältnismässig rascher Verjüngung (in 20 — 30jährigem Zeiträume) vor. Dass, wie von
vielen behauptet wird, die Eigenart der Tanne entschieden auf längere Verjttngnngsdaner
hinweise, scheint mir nicht zuzutreffen. Die vielfach verbreitete Ansicht, als ob die
Weisstanne nur einmal in ihrem Leben guten Anflug erzeuge, und solcher namentlich
über ein gewisses Alter des Bestandes hinaus nicht mehr erfolge, ist keinesweg fiberall
bestätigt.
B. Künstlicher Anbau:
Allgemein unter Schatzbestand besonders wegen der Frostemptindlichkeit und
starken Verdunstung der Tanne. Doch in Notfällen (siehe oben) auch im Freien, dann
aber fast ausschliesslich mittelst Pflanzung; genügender Erfolg hauptsächlich bei grosser
Luftfeuchtigkeit.
a) Saat:
Sie kommt gelegentlich (£lsass-Lothringen) in abständigen Orten anter dem
Schirm des gelichteten Altbestands, dann aber hauptsächlich bei Umwandlung anderer
Holzarten in Tanne und beim Unterbau in Anwendung, in Ausnutzung guter Samen-
jahre. Meist als Riefen- oder Plätzesaat; Aussaat am besten noch im Herbst. Dabei
erfolgt allgemein, ganz besonders aber bei Anlegung horizontaler Riefen an Hängen
oft mit Vorteil die Aussaat des Samens auf den am Riefenrande angehäuften Aufwurf,
damit die Keimpflanzen nicht, wenn in der vertieften Riefensohle stehend, von Wasser
zugeflösst und von Ltaub etc. überlagert werden ; überdies besonders kräftige Wurzelbil-
dung auf dem Riefenrande. Der Aufwurf beflndet sich am Hange am unteren Riefenrande.
b) Pflanzung:
Beim Unterbau meist 4 — 6jährige, einmal verschulte Pflanzen. Material für die
Verschulung liefern massenhaft die Rieten- und Plätzesaaten, sowie die natürlichen Be-
samungen ; andernfalls Anlegung besonderer Saatbeete. Wird in kontinuierlichem Zuge
die Umwandlung auf grösseren Flächen durchgeführt, so flndet man vielfach Saat und
Pflanzung (je nach dem Ausfall der Samenernte, der verfügbaren Pflanzenmenge etc.)
in verschiedentlich variierter Kombination. Dabei verdient der Alters vorsprang der
Pflanzung Beachtung. Verwendung meist ballenloser Pflänzlinge unter Benutzung der
Hacke. — Zur Pflanzung auf Kahlflächen werden (besonders wegen Unkräuterwuchs)
manchmal stärkere, zweimal verschulte Pflanzen verwendet (teuer!).
Gefährdung der Tannenkulturen durch Wildverbiss.
2. Fichte:
Bei derselben treten alle für ein Nadelholz überhaupt in Frage kommenden Kultor-
methoden in lebhafte Konkurrenz, hauptsächlich deshalb, weil bei ihr die Freilandskultnr
in den meisten Fällen ebenso möglich ist, wie die Verjüngung unter einem Oberstand.
Es handelt sich vielfach nur um „gut" und „besser" ; neben gewissen allgemeinen Grund-
sätzen sind vorzugsweise bei der Fichte örtliche Erwägungen von Fall zu Fall entschei-
dend, und es ist begreiflich, dass gerade über ihren Anbau von jeher lebhaftester Meinungs-
austausch stattgefunden hat.
Man findet natürliche und künstliche Verjüngung, letztere als Saat und Pflanzung,
beide wieder in den verschiedensten Formen. Die ursprünglich wohl allgemeine natür-
liche Verjüngung ist vielenorts fast vollständig durch Kahlschlagwirtschaft mit nach-
folgendem künstlichem Anbau verdrängt worden; neuestens kehrt man in verschiedenen
Gegenden wieder mehr zur natürlichen Verjüngung zurück. Von jeder einseitigen
generellen Befürwortung einer bestimmten Methode sollte man absehen.
Die Bestandesbegründnng. § 50. ö03
A. Natürliche Verjüngung:
Die Gründe zu gonsten derselben sind in der Hauptsache die allgemein gegen
Kahlhieb geltend gemachten, vornehmlich den Bodenzustand betreffenden ^^^). Eigent-
licher Femelbetrieb, abgesehen von höheren Grebirgslagen, selten; Schirmschlagbetrieb
oder Femelschlagbetrieb ist Begel, letzterer, wenn (cf. Grayer) die ausgesprochene Ab-
sicht vorliegt, einen ungleichförmigen Bestand nachzuziehen. Im ganzen muss die Ver-
jüngung in rascherem Tempo geführt werden wie bei der Tanne, der junge Aufwuchs
der Fichte verlangt baldigst einen bedeutenderen Lichtgenuss (Modifikationen je nach
Oertlichkeit), mithin meist stärkere Eingriffe schon in Gestalt von Vorbereitungsbieben
und demnächst auch rascheres Nachhauen. — Verjüngung durch Randbesamung, wenn
je, so am ersten bei der Fichte noch zulässig (siehe 2. Kapitel A, I dieses Abschnittes).
So sehr von vielen Seiten die natürliche Verjüngung empfohlen wird, so entschieden
darf man sich andererseits darauf berufen, dass durch künstlichen Anbau in grosser Aas-
dehnung tadellose Bestände erzielt worden sind; zumal wenn, im Gegensatz zu grossen
zusammenhängenden Kahlhieben, mit Schmalschlägen operiert wird, die nicht alljährlich,
sondern je erst nach mehrjährigen Zwischenräumen aneinandergereiht werden, bedarf es
der natürlichen Verjüngung nicht. Ob letztere in allen Fällen das Ziel billiger (event.
kostenlos) erreichen lässt, ist im Hinblick auf das oft überraschend gute Wachstum künst-
licher Kulturen mindestens fraglich. Ueberdies wird der Besamung von nicht wenigen
Wirtschaftern die wünschenswerte Sicherheit abgesprochen: die Fichte sei launisch in be-
zug auf die Besamung. — üngleichaltrige Bestände, wie sie der Femelschlagbetrieb liefert,
werden auch bei der Fichte von manchen bevorzugt ; sie sollen (cfr. z. -B. Engler) die
Vorteile von gemischten Beständen ersetzen. Um im Jungbestande grössere Alters-
differenzen zu erhalten, soll man mit den Hieben im Verjüngungsbestande zeitweilig
aussetzen.
B. Künstliche Bestandesgründung.
Die Frage, ob Saat oder Pflanzung vorzuziehen sei, wird verschieden beantwortet.
Saat soll mehr Schutz gewähren gegen Rüsselkäfer und auch gegen Wild; auch für
Loshiebe (Schmalstreifen) sei oft Saat besser, wogegen auf grossen Kahlschlägen die
Pflanzung, event. mit schmalen Saatstreifen längs des Altbestandes, vorzuziehen sei ***).
a) Saat: Als Vollsaat, Riefen- und Plätzesaat, letztere im ganzen seltener.
Spezialfall der Vollsaat z. B. im früheren württembergischen Waldfeldbau, Forst Och-
senhausen ^*'^). — Gelegentlich auch Fichten-Dammsaat ^*®): Aussaat auf erhöhte Saat-
stellen (analog der Hügelung beim Pflanzen) bei undurchlassendem, tonigem Untergrund
und starker Grasnarbe. Dämme V^ m breit, 10 — 15 cm hoch, 1,5 m Abstand von Mitte
zu Mitte.
b) Pflanzung: Als Einzel- und als Büschelpflanzung; als Loch- und als Hü-
gelpflanzung, event. auf Rabatten; mit 2 — 6jährigen Pflänzlingen (mit oder ohne Ballen),
hie und da mit noch stärkerem Material (bei Nachbesserungen); unter Anwendung der
verschiedensten Instrumente (Buttlars Eisen, Spiralbohrer, Hacke, Stossspaten etc.).
Pflanzenmaterial liefern Schläge, bezw. Saatstellen (z. B. massenhaft die Wald-
143) Neuestens ist namentlich den Fichtenpflanzungen, gegenüber der natürl. Ver-
jüngung, die Bildung zahlreicher Doppelgipfel, die ungünstigere Beastung, stärkere Rotfäule etc.
vorgeworfen worden. — Vergl. Grasmann, Beobachtung in Fichtenpflanzbeständen (Forstw.
Zentralblatt von 1886 S. 560 ff.), Grasmann, Entgegnung an Bommel (Allg. F. n. J.Z.
V. 1887 S. 130), dagegen für die Pflanzung Dr. Stoetzer, „Zur Frage der Rätlichkeit des
Fichtenanbaues durch Pflanzung" (Forstw. Zentralblatt v. 1887 S. 404). — Martin, Fol-
gerungen . . ., 5. Bd. 1899, Die Fichte. — E n g 1 e r , „Verjüngung der Rottannenbestände,
Schweiz. Zeitschr. 1899, 1. — Broillard, Revue des coux et forßts, 1897.
144) Vergl. Neumeister, Thar. Jahrb. 1889, D, 105.
145) Vergl. Allg. F. u. J.Z. von 1884 S. 341.
146) Vergl. Schulze, Fichtendammsaat. Tharand. Jahrbuch 1887 S. 92 ff.
504 IV. Lorey, Waldbau.
felder) ; meist Verschalen (1- and 2jährige Pflanzen) und danach 2jähriges Belassen im
Pflanzbeet. In windigen Freilagen, wie u. a. auf Hochflächen des Gebirgs, keine zn
starken Pflanzen (Losrütteln durch den Luftzug vor dem festen Anwurzeln), event.
Pflanzung in Löcher oder hinter kleine Schutzdämme. — Verbandweite je nach dem
V^irtschaftszweck (z. B. Einfluss des Hopfenstangenhandels) sehr verschieden; Reihen-
verband findet sich z. B. von 0,5 zu 0,9 Meter bis zum Quadratverband mit 2,0 und
mehr Meter Seite (derart weite Verbände natürlich nur ausnahmsweise).
Die Frage, ob Einzelpflanzung oder Büschelpflanzung (cfr. auch oben § 40), schien
ziemlich allseitig zu gunsten der Einzelpflanzung erledigt, als dieselbe bei Gelegenheit
der Versammlung deutscher Forstmänner zu Braunschweig 18%, den meisten Anwesen-
den unvermutet, wieder aufgeworfen, und dabei von manchen Seiten die Büschelpflanzung
warm befürwortet wurde. Als Regel kann die letztere jedenfalls nicht allgemein gelten.
Jedenfalls ist dabei der Fehler, dass zu viele Pflanzen in 1 Büschel vereinigt werden,
zu vermeiden. — Wie bei jeder Pflanzung, so ist bei der Fichte ganz besonders vor
zu tiefem Einsetzen des Pflänzlings in den Boden zu warnen. — Für Moor- und Torf-
böden wird Balleupflanzung auf Rabatten bes. empfohlen ^^^).
3. Gem. Kiefer:
Für diese galt, während man früher offenbar die natürliche Verjüngung durch
Schlagbesamung häufiger fand, in den letzten Jahrzehnten doch im allgemeinen die
künstliche Beatandesbegründung auf der Kahlfläche (durch Saat oder Pflanzung) als
Regel. Resultate dieser Art der Verjüngung vielfach vortrefflich, doch teilweise auch
recht zweifelhaft, namentlich infolge von Bodenverhagerung, sowie insbesondere von
Maikäferschaden. Darum neuestens wieder zahlreiche Stimmen für natürliche Verjüngung
durch Randbesamung (?) oder — zumeist — durch Schirmschlag ^*®).
A. Natürliche Verjüngung:
Insbesondere auf besseren Standorten zulässig. Sie vollzieht sich um so leichter,
je luftfeuchter das Klima ist (Ostpreussen, russ. Ostseeprovinzen). Verhältnismässig
rasche Nachlichtung, wenn sich Aufschlag eingestellt hat, ist mit Rücksicht auf das
Lichtbedürfnis der Kiefer, bezw. raschere Erstarkung des Jungwuchses erwünscht.
Beihilfe durch Saat oder Pflanzung auf Fehlstellen ist dem langen Warten auf voll-
ständigen Aufschlag vorzuziehen.
Der Kampf um die natürliche Verjüngung der Kiefer war bis vor kurzem ein recht
heftiger ; in den letzten Jahren ist dieser Frage gegenüber wieder mehr Ruhe eingetreten.
Man wird die natürl. Verjüngung unter für dieselbe günstigen Verhältnissen nicht aus-
schliessen, mindestens unter Umständen als willkommene Zugabe zur künstlichen Bestands-
begründung betrachten, aber das von manchen Seiten empfohlene geduldige, lange Zuwarten
— (oft reichen 20 — 25 Jahre noch nicht zur vollständigen Besamung einer Abteilungs-
fläche hin!) — kann nicht gutgeheissen werden, gegenüber zumal der Raschheit und
Sicherheit, mit der in vielen Fällen die künstliche Bestandesbegründung erfolgt. Hochan-
stehender Grundwasserspiegel, Bodenverwundung durch Waldweide, Streunutzung be-
günstigen die natürl. Besamung. Auch wird der angeflogenen jungen Kiefer grosse Ent-
147) Otte, Deutsche Forst-Zeitung 1899, 230.
148) Vergl. Borggreve. Holzzucht S. 136 ff. Daselbst wird in einer unzweifel-
haft zu sehr generalisierenden Weise die Rückkehr zur natürl. Verj. gefordert und zwar
mit einer verhältnismässig dunklen Schlagstellung; Gesamtverjüngungszeit 10 — 20 Jahre.
Bei entsprechend langem Zuwarten soll man genügenden Aufschlag erhalten. — Vergl. auch
Danckelmann, Zeitschr. f. F. u. J. 1887 S. 64 ff., sowie Pfeil, Die deutsche Holz-
zucht. — Weise, Mund. Forstl. Hefte V, 1, 1894. — Stettiner Versammlung deutscher
Forstmänner 1892. — Preuss. Forstverein, 1889. — Hoffmann, Forstl. Blätter 1889,
161. — Mayr, „Studien im nordwestl. Rnssland", A. F. u. J.Z. 1890, März bis Mai. —
Reiss, „Naturverjüngung der Kiefer", Forstw. Zentralbl. 1898, 5. — Martin, Folge-
rungen . . ., 3. Bd. 1896, Die Kiefer.
Die Bestandesbegründang. § 50. 505
wickelnngs- nnd Widerstandsfähigkeit nachgerühmt ; örtlich, znmal bei hoher Luftfeuchtig-
keit, soll sie selbst starken Schirmdnick ertragen. Auf kleinen Löcherflächen samen sie
sich besonders leicht an, auf Lücken in Stangenhölzern und angehenden Baumorten. Immer-
hin liefert sie gerade dann stets horstförmig differenzierte Bestände, die sich bei der Kiefef
wohl am wenigsten empfehlen. Dass die Maikäfergefahr durch die natürliche Verjüngung
vermindert werde, ist nicht unbestritten.
B. Künstlicher Anbau.
Sowohl die Saat als die Pflanzung hat ihre Vertreter.
a) Saat: Meist unter Verwendung entflügelten Samens, hie und da Zapfen-
saat"®). Entweder Vollsaat (nach vorheriger Entfernung stärkeren Bodenüberzugs;
bei nur kurzer Grasnarbe vorheriges Wundmachen des Bodens mit der Egge — Strauch-
egge — auch wohl Aussaat ohne dieses und nachheriges Ueberfahren mit der Egge;
hie und da nur Schafauftrieb oder, wenn der mineralische Boden nur ganz licht über-
kleidet ist, häuiig auch Unterlassen jeglicher besonderen Vor- und Nacharbeit) oder
Riefensaat (in der Ebene event. unter Anwendung einer Säemaschine ; öfters vorheriges
Fnrchenpflügen) oder endlich Plätzesaat (Anwendung des Kreisrechens). Für das nord-
östl. Heimatsgebiet der Kiefer wird der Saat, zumal auf besseren Böden, entschieden
der Vorzug gegeben, wenigstens vor der Jährlingspflanzung, weil letztere dort niemals
gnte Schneidehölzer liefere^*®).
b) Pflanzung: Mit ballenlosen Pflänzlingen und mit Ballenpflanzen (besonders
gut — rasch fördernd und wohlfeil, dabei von bestem Erfolg — u. a. der Heyer'sche
Hohlbohrer von 5— 7 cm Weite), 1- und 2jährige Pflanzen bis zum Heister aufwärts
(zn Nachbesserungen). Zur Pflanzung mit ballenlosen Pflänzlingen Anwendung ver-
schiedener Instrumente: Keilspaten, Pflanzstock u. s. w. Vorsicht mit vorherigem
starkem Anschlemmen! Neuestens lebhafte Erörterung über die Pflanzung Ijähriger
Kiefern ***) und die Anwendung der Klemmpflanzen (Wartemberg'sches Eisen). Unter
Umständen Kiefemanbau auf Pflugwällen : 60 cm breite abraumartige Erhöhungen, auf
welche gepflanzt wird^^^^ — Pflanzweite verschieden; beim Voranbau behufs Nach-
zucht einer schutzbedürftigen Holzart in weiterem Verband.
Spezialfall der Kiefer im Waldfeldbau : 1 — 2jährig gepflanzt im Rodland, Reihen
in 1,5 m Entfernung; Pflanzabstand in den Reihen 0,5 m.
4. Schwarzkiefer:
Meist Pflanzung 1 — ijährig. Schwierige Umstände bei Bewaldung steiler Kalk-
hänge.
5. Lärche:
Unter gegebenen Bedingungen, z. B. in luftfeuchten, niederschlagsreichen, sonnigen
Hochgebirgslagen, stellt sich Anflug ein, so dass sich die natürliche Verjüngung leicht
vollzieht. Doch meist künstlicher Anbau und zwar
a) Saat: behufs Einsprengung der Lärche in andere Holzarten, entweder breit-
würfig oder als Plätzesaat (z. B. 2 kg Lärchen- und 5 kg Kiefemsamen zur Erzielung
einer Mischung der Kiefer mit der Lärche im Verhältnis von etwa 5:1, da Lärchen-
samen meist wesentlich geringere Keimfähigkeit hat als die Kiefer);
b) Pflanzung: meist verschultes Material (3 — 4jährig, seltener als stärkerer
Heister und dann zweckmässig unter Einstutzen der unteren Zweige ; es kommt darauf
149) V. Ale mann, üeber Forstkulturwesen, 3. Aufl. 1884 S. 65 IT.
150) Schlickmann, Forstl. Bl. 1889, 129.
151) Vergl. Muhl, Zur Ehrenrettung des Kiefern-Jährlings. AUg. F. u. J.Z. von
1886 S. 221 ff., woselbst die neuere Literatur über die Frage nachgewiesen ist. — Danckel-
mann, Handspaltpflanzung von Kiefern- Jährlingen, Zeitschr. f. F. u. J. 1889, 1,
152) Scott-Preston, Zeitschr. f. F. u. J. 1888, 512.
506 IV. Lorey, Waldbau.
an, dass die Lärche ihrer Umgebung voraneilt). Anwendung der Hacke. Grewöhnlich
eingesprengt in andere Holzarten (Laubholz- wie Nadelholzbestände, Mittelwald), ein-
zeln oder horstweise oder in Reihen, an Wegrändern u. s. w. ; hie und da in reinem
Bestände, der dann frühzeitig unterbaut wird, doch eignet sich die Lärche dazu im
ganzen wenig
6. Weymouthskiefer ^^) :
Meist Pflanzung mit verschultem Material (3 — 4jährig); doch linden sich auch
vortrefflich gelungene natürliche Verjüngungen*^*).
7. Zirbe, Arve, Pin. cembra**^^):
Meist Pflanzkultur, auf gut bearbeitetem Boden. Pflänzlinge event. in besonderen
hochgelegenen Zirbengärten erzogen.
8. Pinus montana:
Meist Pflanzung (Oedlandaufforstung, Dünenbewaldung etc.).
Ili. 6eni8Cbt6 Bestände.
§ 51. Angaben über die leitenden Gesichtspunkte flnden sich bereits im ersten
Abschnitt, III, B, 3. Ueber die Ausführung der Kulturen ist besonders zu bemerken,
dass den langsam wüchsigen Holzarten der erforderliche Vorsprung vor ihrer Umgebung
zu gewähren ist. Dazu dient ganz besonders der Yoreinbau auf Löcher und Blossen,
durch welchen namentlich die Eiche mittelst Saat in die Buchenbestände ein-
zubringen ist. Auch hat man zu gleichem Zweck völlige Kulissenschläge angewandt^
welche jedoch nicht allenthalben den gehegten Erwartungen entsprochen haben. In
derartigen Löchern sind auch Ahorn und Eschen im ersten Stadium der Buchenver-
jüngung in die Buchenbestände einzubringen. Ebenso ist bei der Absicht einer Ein-
mischung der Weisstanne und Buche in die Fichtenbestände zu verfahren ^^.
Der Femelschlagbetrieb bietet hierzu die beste Gelegenheit. Statt der Saat kann auch
Kleinpflanzung gewählt werden.
Die Anwendung der Pflanzung stärkerer Exemplare findet ihre Stelle, wenn in
den Bnchenverjüngungen die edlen Holzarten erst nach erfolgter Ansamung der Buche
eingebracht werden sollen. In diesem Falle kann ihnen der erwünschte Vorsprung nur
durch Einpflanzung gut verschnlter kräftiger Heister gewährt werden. Ebenso pflanzt
man Kiefern und Lärchen systematisch in die Buchenverjüngungen ein. Wählt man
hierbei kräftige Pflanzen, so arbeiten sich dieselben durch den Buchenwuchs hindurch,
erlangen Schaftreinheit und geben hochwertige Nutzhölzer. Fichten pflanzt man wegen
der grösseren Schwierigkeit ihrer Schaftreinigung besser in Gruppen auf grösseren
153) Pinchot u. Graves, The white Pine (1896). — Erdmann, AUg. F. u. J.Z.
1898, 396.
154) Wappes, Forstl. naturw. Zeitschr. 1896, 205: natürl. Verjüngung der P.
strohus im Pf&lzer Wald in 440 m Meereshöhe.
155) Woditschka, Oester. F. u. J. 1900, 163. — Conz, Schweiz. Zeitschr. 1897.
156) Vergl. Gay er. Der gemischte Wald 1886. Darin sind auch hinsichtlich der
Kultur eine Menge äusserst schätzbarer Erörterungen niedergelegt. Als wesentlichstes Mittel
der Erhaltung wertvoller Bestandesmischungen betrachtet Gayer den Vorbau, bei welchem
die Mischholzart vor Aberntung des jetzt vorhandenen Bestandes eingebracht wird. Derselben
wird dadurch (neben horstweiser Isolierung, für welche bekanntlich G. im allgemeinen ein-
tritt) ein Altersvorsprung gegeben, hinreichend, um die Erhaltung der eingesprengten Holz-
art wenigstens bis zur ersten Durchführung zu sichern. Von da ab kann die Bestandespflege
einsetzen. Warum dabei auch der künstliche Voranbau der einzelnen Horste innerhalb
einer Abteilung grundsätzlich nach und nach erfolgen soll, ist nicht recht ersichtlich. Die
üngleichförmigkeit im einzelnen Bestände sollte nicht weiter gehen, als erforderlich ist, um
die vollkräftige Bntwickelung des Mischwuchses zu gewährleisten.
Die Bestandeserziehang. § 52. 507
Fehlstellen nach erfolgter Ränmung, insbesondere anf Stellen mit verwildertem Boden.
Die Herstellung der Mischnng von Kiefer und Fichte erfolgt anf Kahlschlägen
darch gleichzeitigen Anbau beider Holzarten, entweder getrennt nach den Unterschieden
des Standorts, oder in gleichmässiger Mischnng, besonders durch Saat. Doch ist zu
beachten, dass die Kiefer hierbei leicht vorwüchsig und sperrig wird, wenn sie nicht
in dichter Stellung erwächst, so dass sie in Schluss kommt. Ein Uebermass der Bei-
mischung von Fichten ist hier vom Uebel.
In allen Mischungen ist eine sorgfältige Bestandespflege von grösster Wichtigkeit.
Durch Yorkultur eines Schutzholzes, insbesondere der Birke, hat man unter
nachträglichem Anbau des Nadelholzes ebenfalls gemischte Bestände erzogen, so
z. B. in Bayern auf den ausgedehnten durch Nonnenfrass entstandenen Kahlschlägen.
Der „Vorwald'' gewährt den später emportreibenden Hauptholzarten Schutz gegen
Frost, Hitze etc.
Die Ergänzung des Oberholzes im Mittelwald, meist durch Pflanzung von
Heistern (Esche, Ahorn, Eiche) sowie von Nadelhölzern, besonders LÄrchen, kann auch
als eine Begründung gemischter Bestände angesehen werden.
Dritter Abschnitt.
Die Bestandeserziehiing.
Vorbemerkungen.
§ 52. Alle waldbaulichen Massnahmen, welche von der Bestandesbegründung an
bis zum Zeitpunkte der Hiebsreife oder allgemeiner bis zu den direkt auf Begründung
eines Neubestandes abzielenden Wirtschaftsoperationen vorgenommen werden, gehören
in das Gebiet der Bestandeserziehung. Die Bestandesbegründung ist beendet, sobald
der Boden mit derjenigen Menge entwickelungsfähiger junger Individuen bedeckt ist,
welche für das Heranwachsen eines den Wirtschaftszwecken entsprechenden neuen Be-
standes erforderlich ist; ausser der ersten Bestandesanlage gehören also zur Bestandes-
begründung auch alle Nachbesserungen, sowie die allmähliche Entnahme des bei der
natürlichen Verjüngung zunächst verbliebenen Oberstandes. Hingegen sind alle die-
jenigen Eingriffe, welche planmässig in die Substanz des neu erwachsenden Bestandes
erfolgen, als Massnahmen der Bestandeserziehung aufzufassen. Beim Femelbetrieb lässt
sich eine scharfe Scheidung beider Kategorien von Wiii;schaftsoperationen nicht leicht
durchführen.
Aufgabe aller Bestandeserziehung oder Bestandespflege ist es, die Entwickelung
der Bestände so zu leiten, dass dieselben dem Wirtschaftszweck möglichst vollkommen
entsprechen. Damit dies Ziel erreicht werde, müssen nicht nur alle Gefahren fern ge-
halten und die nachteiligen Wirkungen etwa eingetretener Beschädigungen auf ein
möglichst geringes Mass reduziert werden, sondern es muss auch der in ungefährdetem
Wachstum stehende gesunde Bestand innerhalb des durch den Wirtschaftszweck ge-
gebenen Rahmens der höchstmöglichen Leistung zugeführt werden.
Durch die Betonung des Wirtschaftszweckes ist, sofern dieser wechseln kann, die
starre Schulregel vermieden, der Wirtschaft eine gewisse Beweglichkeit gewahrt, dem
Willen des Waldbesitzers, dessen Interessen an verschiedenen Orten und unter ver-
schiedenen Umständen sehr von einander abweichende sein können, der nötige Spiel-
raum gesichert. Es kommt also vor allem darauf an, die wirtschaftlichen Ziele, welche
zu verfolgen sind, klar zu stellen. Im allgemeinen hat man dieselben in der höchsten
Rentabilität des Betriebes zu erblicken, und da in den meisten Fällen dem Nutzholz
508 IV. Lorey, Waldbau.
der höhere Wert zukommt, und unter dieser Gesamtrubrik wiederum die stärkeren
Stangen und das Stammholz in guter marktfähiger Ware (bestimmte Länge und Stärke,
Geradschaftigkeit und Astreinheit) gewöhnlich den Ausschlag geben, so kann man,
wenigstens für die meisten Hochwaldungen, unbedenklich die Anzucht möglichst vielen
und guten Langnutzholzes als Wirtschaftszweck hinstellen, zumal in neuerer Zeit die
immer weitergehende Verwendung von Surrogaten den Brennholzmarkt fast überall
so wesentlich eingeschränkt hat. Selbstredend sind in jedem einzelnen Falle die Ab-
satzverhältnisse aufs sorgfältigste zn beachten; die gewerblichen Verhältnisse bringen
es nicht selten mit sich, dass einzelne Sortimente örtlich eine erhöhte Bedeutung er-
langen, infolge deren ihrer Anzucht, sofern sich dieselben nicht beim gewöhnlichen Be-
trieb in genügender Menge nebenbei ergeben, besondere Sorge gewidmet sein mnss.
Dass bei aller Bestandserziehung im Interesse des jetzt voründlichen Bestandes, sowie
insbesondere mit Rücksicht auf die Nachhaltigkeit der Wirtschaft die Bodenpflege eine
hervorragende Rolle zu spielen hat, ist selbstverständlich, übrigens auch in den bis-
herigen Erörterungen schon mehrfach betont worden.
Einen Uebergang zwischen Bestandesbegründung und -erziehung bilden diejenigen
Massregeln, welche, unmittelbar an die Vornahme der Kultur anschliessend, die aller-
erste Entwjckelung der jungen Pflanzen fördern, bezw. schützen sollen, also z. B. Aus-
stechen von Pflanzen in (absichtlich oder unabsichtlich zu dichten Saaten ^^^), Auftreiben
von Schafherden gegen Stockausschläge und gegen Unkraut, Ausschneiden des Grases
zwischen den Saat- und Pflanzreihen, Ausraufen der Unkräuter u. s. w. Alle diese
Vornahmen dienen zwar unzweifelhaft schon der Bestandeserziehung, können aber auch
noch als zur Ausführung der Kultur selbst gehörig oder als direkte Massregeln des
Forstschutzes betrachtet werden ; sie sollen deshalb und, weil die eigentliche Bestandes-
erziehung doch in und mit dem auf der Fläche erwachsenden Material an Holz pflanzen
arbeitet, an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden.
Die Bestandeserziehung umfasst nach dieser Abgrenzung die sog. Reinigungs-
hiebe, die Durchforstungen, die Aufästungen, die Auszugshau-
ungen, den Unterbau und den Lichtungsbetrieb.
Erstes Kapitel.
Die Reinigungshiebe. (Auslftuterungen.)
§ 53. Unter denselben ist die Entnahme solcher Holzgewächse zu verstehen,
welchen bei der Bestandesbildung die Mitwirkung versagt sein soll. Es sind dies ein-
mal die Individuen derjenigen Holzarten, deren Anzucht überhaupt nicht beabsichtigt
ist, sodann von den das Objekt der waldbaulichen Tätigkeit bildenden Holzarten die-
jenigen Exemplare, welchen schon bei oder bald nach der Bestandesbegründung die
Fähigkeit abgesprochen werden muss, tüchtige Bestandesglieder zu werden. Hierher
gehört :
L Der Aushieb von Verwüchsen**^®) (Wölfe), als welche Individuen der
157) Auf den Waldfeldbauflächen des Württembergischen Forsts Ochsenhausen wird
zur Fichten-Einsaat ein so bedeutendes Samenquantum, bis 25, ja 40 kg pro ha verwendet,
dass die auf dem schon vorher durch landwirtschaftliche Benutzung gelockerten Boden meist
trefflich keimenden Pflanzen nicht alle Platz finden, sondern zum grossen Teil für ander-
weite Kulturen abgegeben werden, cfr. Der Waldfeldbaubetrieb im Forst Ochsenhausen.
Allg. F. u. J.Z. V. 1884 S. 341.
158) Zu vergleichen: Trübswetter, „Bedeutung des Vorwuchses für die Begrün-
dung und Formbildung reiner und gemischter Bestände" ; Tharander Jahrbuch 35. Bd. S. 131 ff.
(1885). — Hartwig, „Wirtschaftliche Bedeutung des sog. Vorwuchses bei Begründung und
Formbildung reiner und gemischter Waldbestände'' ; Forstw. Zentralbl. von 1882, Heft 2.
Die Bestandeserziehung. § 63. 509
demnächst den Bestand bildenden Holzart bezeichnet werden, die sich schon, bevor die
Fläche in Kultur gebracht wurde, auf derselben eingefunden hatten oder, wenn gleich-
zeitig mit den umgebenden Individuen entstanden, aus irgend einem Grunde eine die
Nachbarn schädigende besonders rasche Entwickelung zeigen. Letzteres ist z. B. nicht
selten der Fall bei Stockausschlägen, welche sich oft ungebührlich vordrängen. Es
kann dann die Frage entstehen, ob man dieselben sämtlich entfernen oder sie in be-
schränktem umfang durch Belassen einzelner Loden zur Bestandesbildung beiziehen
will. Frühzeitig vorgenommener Abhieb von Stockloden hat bei den meisten Holzarten,
wie Eiche, Ahorn u. s. w. die Neubildung von solchen und damit oft neues Bedrängen
der umstehenden Pflanzen zur Folge; es ist, falls gänzliches Entfernen beabsichtigt
wird, oft zweckmässig, wenn man, gewissermassen um die Stöcke lahm zu legen, zu-
nächst auf jedem Stock eine oder wenige Loden stehen lässt, welche in der nächsten
Zeit so sehr alle Kraft für sich in Anspruch nehmen, dass die ringsum neu entstehen-
den Ausschläge verkümmern. Dann werden die stehengelassenen Einzelloden, welche
inzwischen in ihrer isolierten Stellung nicht geschadet, sondern im Gegenteil häufig
vielleicht noch einen ganz wohltätigen Schutzbestand gebildet hatten, nachträglich weg-
genommen. Inzwischen sind die umgebenden Holzpflanzen so weit herangewachsen, dass
ihnen neu erscheinende Stockausschläge nicht mehr bedenklich werden.
In den meisten Fällen handelt es sich um solche Verwüchse, welche sich vor
der Vornahme der eigentlichen Verjüngung eingestellt haben, wie sie namentlich im
Femelschlagbetrieb von Mastjahren herrühren, deren Ergebnis mit Rücksicht auf die
Beschaffenheit des Altholzes, auf Hiebsfolge, Etatserfüllung u. s. w., also in der Haupt-
sache aus Gründen der Forsteinrichtung, zur vollständigen Bestandesverjüngung noch
nicht verwendet werden konnte. Derartige Vorwüchse bedürfen je nach ihrer Be-
schaffenheit einer verschiedenen Behandlung. Eine normale Entwickelung zeigen sie
meist nur auf lichteren Stellen des Bestandes und auch da nur, wenn sie in Gruppen
oder Horsten auftreten; einzeln vorkommende Exemplare dehnen sich meist in Aesten
und Wurzeln zu sehr seitlich aus, werden buschartig und sind nicht befähigt, sich zu
guten Nutzstämmen zu entwickeln. Der unter dem Schatten eines noch dichten
Eronenschirmes in Mastjahren entstehende Vorwuchs vergeht, insbesondere bei Buche
und Fichte, oft nach einigen Jahren wieder vollständig. Anders bei der Tanne, deren
Jungwüchse so zäh sind, dass sie sich, wenn auch kümmerlich und ohne irgend welchen
nennenswerten Zuwachs, doch lebend erhalten und sich dann, wenn durch Vorberei-
tungshiebe u. s. w. die normale Verjüngung des Bestandes eingeleitet wird, da und
dort, je nach dem verschiedenen Masse der Lichtzufnhr und der ihnen innewohnenden
Kraft, einzeln oder in Gruppen und Horsten vordrängen.
Die Entscheidung darüber, ob solche Vorwüchse zu erhalten sind oder nicht, ist
unter zwei Gesichtspunkten zu treffen. Zunächst nämlich und vor allem ist der Vor-
wuchs selbst auf seine Entwickelungsfähigkeit zu begutachten, sodann aber ist die Frage
zu erwägen, was mit den zwischen den Vorwüchsen vorfindlichen Lücken geschehen
soll, d. h. ob sich die auf diesen (durch Samenabfall auf natürlichem Wege oder durch
künstliche Kultur) entstehenden Jungwüchse zwischen den Vorwüchsen freudig hinauf-
zuarbeiten vermögen werden oder nicht. Die sich im Walde darbietenden Fälle sind
äusserst mannigfaltig; bald ist ein grösserer, bald ein kleinerer Teil der Fläche mit
Vorwuchs überdeckt; bald hat letzterer einen bedeutenden, bald nur einen geringen
Vorsprung; bald sollen die Lücken mit der gleichen, bald mit einer (vielleicht rascher
wüchsigen) Mischholzart ausgefüllt werden. Kranker, vollständig verhütteter Vorwuchs
ist, eiozeln oder in Horsten, jedenfalls zu entfernen; ebenso wird man einzelne vor-
wüchsige Exemplare, auch wenn sie an sich gut sind, häutig wegnehmen, sofern deren
510 IV. Lorey, Waldbau.
fortdauernde Pflege (durch Aufastung etc.) ausgeschlossen erscheint, und deshalb Be-
drängung der Nachbarpflanzen zu erwarten steht. Im übrigen aber soll man keines-
wegs radikal gegen jeden Vorwuchs vorgehen und der Vorliebe für gleichförmige,
gleichalterige Bestünde zu weitgehende Opfer bringen. Die Weisstannenwiitschaft be-
nutzt die Vorwiichse fast überall schon lange. Dabei ist zu unterscheiden dasjenige
Vorgehen, in welchem man den Vorwuchs, wie im Femelbetrieb, als den eigentlichen
Träger der Verjüngung betrachtet (so dass die Bezeichnung ^Vorwuchs* dann nicht
mehr passt) und wo dann von vornherein eine systematische Pflege dieser jungen An-
wüchse stattfindet, von derjenigen Wirtschaft (Schirmschlagbetrieb), in welcher sich
dieselben als eigentliche Vorwüchse charakterisieren und nur einen accessorischen Be-
standteil bilden. Hier kann man den lebenskräftigen Vor wuchs ziemlich allgemein be-
nutzen, wenn er nicht über manneshoch ist, weil dann die Hoffnung besteht, dass die
auf den freien Plätzen dazwischen sich ansiedelnden Pflanzen in genügender Weise
nachwachsen werden ; höhere Partien können dann stehen bleiben, wenn sie als grössere
Horste erscheinen, welche in sich geschlossene Beständchen darstellen und als solche
im Vergleich zu ihrer Fläche nicht zu viel Randlinie haben. Eine Egalisierung tritt
bei unregelmässigen Figuren ein; überhaupt erfordert der Schutz des zwischen hinein
entstehenden Jungwuchses gegen Bedrängung durch die Vorwüchse andauernd sorgsame
Beachtung. Soll kein reiner Tannenbestand, sondern etwa ein Mischwuchs aus Tanne
und Fichte ^^^) nachgezogen werden, so hat man beste Gelegenheit, zwischen den Tannen-
vorwüchsen die Fichte zur Pflanzung einzubringen.
Besondere Vorsicht erfordert das Aushauen der Vorwüchse dann, wenn es nicht
in frühester Jugend, sondern bei schon etwas vorgeschrittener Entwickelung des Be-
standes (Gertenholzalter) erfolgen muss. Dann hat man einerseits zu sorgen, dass da-
durch keine Lücken entstehen, andererseits dafür, dass nicht in der Folge die ringsum
erwachsenen schlanken Stämmchen, ihrer Stütze beraubt, sich umlegen. Wäre dies,
wie insbesondere in Laubholzhegen nicht selten, zu befürchten, so müsste man sich zu-
nächst auf blosses Köpfen der Vorwüchse in entsprechender Höhe beschränken.
Oberster Grundsatz bleibt immer, dass die Vorwüchse nur insoweit beizubehalten
sind, als sie einen wirklich brauchbaren, weil allen Anforderungen bezüglich normaler
Entwickelung genügenden Bestandesteil zu liefern versprechen und nicht durch später
nötig werdende erweiterte Bestandespflege (Rand Verdammung), sowie event. durch Ver-
mehrung der Frostgefahr (geringerer Luftzug) die Vorteile paralysieren, welche sie
durch höheres Alter, durch ihren Zuwachs, sowie durch die Ersparung an Kulturkosten
gewähren können. Sorgfältige Erwägung des einzelnen Falles ist geboten.
Die Entfernung der Vorwüchse kann je nach Umständen mittelst der Säge, der
Axt und des Beils, der Heppe und der Durchforstungsschere vorgenommen werden.
In letzterem Falle ist nur eine solche mit konvexer Schneide vollkommen leistungsfähig.
§ 54. IL Ausjätungen (Ausläuterungen), d. i. die Entnahme von Exem-
plaren anderer als der das Wirtschaftsobjekt bildenden Holzarten, sowie aach von
Exemplaren der letzteren bei übermässig dichtem Stand derselben im jugendlichen
Alter ^«0).
Im ersteren Falle hat man es mit spontanem Auftreten zu tun, und zwar sind
es meist raschwüchsige Laubhölzer (Baum- und Straucharten), welche sich in die jungen
159) Wie z. B. vielfach im wüttemb. Schwarzwalde; cfr. u. a. auch Fahl, »Wirt-
schaftliche Bedeutung und Behandlung des Vorwuchses". Allg. F. u. J.Z. v. 1887, S. 37
und S. 236.
160) cfr. u.a. Rebmann, „Bedeutung und Ausführung der Reinigungshiebe*'. Allg.
F. u. J.Z. von 1881 S. 401 ff.
Die Bestandeserziehung. § 54. 511
Hegen eindrängen Tjind darch Verdammen der Hanptholzarten nachteilig werden, Indem
sie vermöge ihrer oft ungemein kräftigen Entwickelung den Boden und den oberirdi-
schen Wachsraum ungebührlich in Anspruch nehmen. Yon Nadelhölzern tritt fast nur
die gemeine Kiefer ab und zu in der angedeuteten Weise auf: Anflug von Mutter-
bäumen, der dann gelegentlich durch seinen sperrigen Wuchs unbequem wird, übrigens,
weil demselben die Reproduktionskraft fehlt, durch Aushieb leicht bemeistert werden
kann. Auch Laubsträucher, wie Lonicera, Prunus spinosa, Crataegus, Rhamnus, Cornus,
Vibumum u. a. m., sind nicht für längere Dauer bedenklich; sie können zwar einer
jungen Kultur, wenn man sie nicht rechtzeitig weghaut, bei reichlichem Vorkommen
übel mitspielen, werden aber doch in einigen Jahren von dem jungen Holzbestande so
vollständig überwachsen, dass ihre Stockausschläge sich nicht mehr hindurchzuarbeiten
vermögen und von da ab, sofern sie sich überhaupt noch lebend erhalten können, die
Rolle eines unschädlichen Bodenholzes spielen.
Von diesen Strauchhölzem sind die sog. weichen Laubhölzer zu unterscheiden,
welche sich baumartig entwickeln, wie z. B. die Salweide, oder wie Birke ^^^) und
Aspe eigentliche Baumholzarten sind und sich — durch Samenabflug sowie durch Stock-
ansschlag — nicht nur leicht einfinden, sondern sich, da sie meist geringe Bodenan-
sprüche machen, zumal auch auf schlechteren Standorten, durch relativ bedeutendes
Höhenwachstum auszeichnen. Man hat es in der Hand, auch diese Holzarten durch
energischen Aushieb zurückzudrängen. Oft muss man in kurzer Zeit die Massregel
mehrmals wiederholen, um Herr zu werden. Aber auch hier ist radikales Vorgehen
gegen dieselben keineswegs immer als Regel zu empfehlen; es ist vielmehr vorab ein
wesentlicher Unterschied, ob sich dieselben in Laubholz- oder in Nadelholzhegen finden;
in letzterem sind sie im allgemeinen bedenkliche Graste. Besonders reichlich stellen
sie sich begreiflich in Nadelholzkulturen dann ein, wenn eine Umwandlung aus Mittel-
wald durchgeführt wird, wo also, weil eine voranfgehende Rodung längst nicht überall
vorgenommen werden kann, das Material für Lieferung von Stock- und Wurzelaus-
schlägen im Boden in Menge vorhanden ist. Unter diesen Umständen konkurrieren
dann mit den oben genannten Holzarten die Ausschläge von Eichen, Ahorn u. s. w.
Sobald die Kultur zum Schluss gekommen ist, darf die Gefahr meist als beseitigt an-
gesehen werden. Laubhölzer, die mit dem Nadelholz gleichzeitig in die Höhe gehen,
schaden dem letzteren, abgesehen davon, dass sie ihm den Platz versperren, besonders
durch Abpeitschen der Knospen an den Trieben; vorwachsende Laubhölzer, wie es die
vor dem ersten, bezw. zwischen diesem und dem zweiten Reinigungshieb entstandenen
Stockausschläge und Kemwüchse meistens sind, schaden überdies durch Beschattung,
sobald sie dem Nadelholz zu reichlich beigesellt sind. Immerhin gewähren dieselben
da und dort einen wohltätigen Schutz gegen Frost, und es gibt auch dem Nadelholz
gegenüber einen Ausnahmefall, in welchem das sonst meist gebotene Vorgehen gegen
derart beigemischte Laubhölzer nicht oder wenigstens nicht immer angezeigt ist, näm-
lich dann nicht, wenn es sich um vorwachsende Birken in Hegen von Fichten oder
Tannen handelt. Ist die Birke den genannten Holzarten so weit vorwüchsig oder wird
regelmässig so weit ausgeastet, dass sie deren Gipfel mit ihren Zweigen nicht mehr
befegen kann, so gewährt gerade sie einerseits dem Nadelholz einen in vielen Lagen
überaus dankenswerten Schutz gegen Frost und liefert anderseits eine unter Umständen
(wenn auch meist nur in beschränktem Umfange^ nicht unbeträchtliche Vomutzung in
Gestalt von Besenreisig '^^) ; von der Entwickelung des Nadelholzes hängt es ab, in
161) Die Birke pflegt, obwohl nicht Weichholz, ihres in diesem Punkte gleichartigen
waldbaulichen Verhaltens wegen einbezogen zu werden.
162) Nach Mitteilungen des kgl. Württembg. Revieramts Bebenhausen sind in den
512 IV. Lorey, Waldbau.
welchem Zeitpunkte man später die Birke herauszuhauen hat ; dieselbe ergibt dann gute
Wagnerhölzer. Einzelne Exemplare lässt man wohl auch einwachsen, damit sie nach
dem Abtrieb die Fläche mit dem für die Neukultur als Schutzbestand meist erwünschten
Anflug versorgen.
In Laubholzhegen ist die Beurteilung der ohne Zutun, bezw. vielleicht gegen den
Willen des Wirtschafters auftretenden Weichhölzer nicht so generell gegeben. Haupt-
sächlich sind die Hegen der Rotbuche von Weichholz, sowie in dessen CFesellschaft von
der Hainbuche meist mehr oder weniger reichlich durchsetzt. Soweit die Hainbuche
durch massenhaftes Auftreten ihrer vordringlichen Jungwüchse die empfindlichere Rot-
buche schädigt, liegt meist ein Verschulden der Wirtschaft vor, indem man nicht recht-
zeitig im Vorbereitungsschlag oder schon vorher bei den letzten Durchforstungen fnr
Aushieb der überzähligen Hainbuchen gesorgt hat; einige stehenbleibende Exemplare
derselben genügen, um die immerhin erwünschte massige Beimischung dieser Holzart
zu sichern. Die Weichhölzer fliegen — abgesehen von ihren raschwüchsigen Stockaus-
schlägen — meist auch noch von weiter her in den Hegen an; es kommt darauf an,
ob sie die Hauptholzart wirklich zu verdammen drohen, was namentlich, wenn sie in
grösseren Gruppen und Horsten auftreten, nicht selten zu fürchten ist, oder ob sie
mehr nur vereinzelt auftreten. Da sie lichtkronige Hölzer sind, so ist in letzterem
Falle ihre beschattende Wirkung meist nicht sehr von Belang, und, da sie überdies
zum Teil sehr gut nutzbare Holzarten sind, so soll man ihnen einen bescheidenen Platz
wohl gönnen, so lange und in solchem Umfang, als dieselben auf dem Holzmarkte durch
ihren Preis die ihnen gewährte Nachsicht lohnen. Auch können sie wohl einige Be-
deutung als Wildfutter haben. Schlimmsten Falles kann man ja bei Gelegenheit der
Durchforstungen noch einschreiten. Die Birken liefern bei der ersten Ausläut«rung
Bindewieden für den Holzhauereibetrieb, sowie im Sommer für die Fruchtemte.
Die ebenfalls zu den Ausläuterungen gehörende Verdünnung zu dichter Jung-
wüchse, sowohl im Nadelholz, als auch im Laubholz, erfolgt durch Ausschneiden der
Einzelindividuen, oder durch gassenaitige Durchhiebe, letzteres besonders in dichten
Nadelholzsaaten nach v. Holleben in Rudolstadt. An den Rändern dieser Gassen ent-
wickeln sich einzelne stärkere Stämmchen kräftig und übernehmen die Führung. Von
den Dnrchforstnngen unterscheiden sich diese Aushiebe ihrem Wesen nach dadurch,
dass sie ein geringwertiges Material und daher meistens keinen Reinertrag liefern,
vielmehr Zuschüsse erfordern.
Zweites Kapitel.
Die Dupchforstungen'").
§ 55. L Begriff derselben: Man versteht darunter die, sowohl zu £r-
Staatswaldungen desselben auf einer Gesamtfläche der 1 — 40jährigen Nadelholzorte von etwa
450 ha (bei sehr ungleichmässiger Verteilung der eingesprengten Birken) in den Jahren
1881 — 1885 im ganzen an Birkenreisig geerntet worden : a) Besenreisig 3874 Wellen = 77,5 fm,
Erlös = 1596,33 Mk., mithin pro 1 f m = 20,6 Mk. ; b) Brennholz-Wellen (die dickeren, zu
Besen nicht tauglichen Reiser) 5045 Stück = 100,9 fm = 790 Mk.; zusammen also durch-
schnittlich jährlicher Ertrag = 477 Mk.
163) Man vergleiche ausser den im Eingang unter Literatur genannten Waldbau-
schriften u. a. : Baur, Dr. Franz von: „Zur Geschichte der Durchforstungen*', forstw.
Zentralblatt von 1882, S. 21 flF. und S. 205 ff. — Ders. , „lieber Durchforstungen und
Durchforstungsversuche" in Ganghof ers „Versuchswesen" n. Bd. S. 209 ff. — v. Fisch-
bach, „Zur Weiterentwickelung der Lehre von den Durchforstungen''. Forstw. Zentral-
blatt V. 1884 S. 426 ff., v. 1885 S. 466 u. S. 553. — Ders., „Die wirtschaftl. Leistungen
des Voll- und Abtriebsbestandes, sowie der verschiedenen Stammklassen'' . Zentralbl. f. d. ges.
Die Bestandeserziehung. § 56. 513
ziehungs-, als auch zu Natzungszwecken stattiiudeüden planmässigen Hanangen in allem,
aus dem laufenden Umtrieb stammenden Material ^^*) eines Bestandes, welche nach Vor-
nahme der Läuterungen bis zur beginnenden Hiebsreife stattfinden, soweit sie keine
bis zum föimlichen Lichtungshieb gesteigerten Eingriffe in die Bestandesmasse darstellen.
Die Durchforstungen werden sich besonders auf das Zurückbleibende, sowie das,
für die vorteilhafte Entwickelung des Bestandes ungeeignete Material erstrecken, um auf
diese Weise durch die freiere Stellung der verbleibenden Stämme deren Massen- und
Wertsproduktion zu fördern und durch den Erlös aus dem anfallenden Material Erträge
zu gewähren. Bei ihrer Ausführung wird man immer den Wiedereintritt des Schlusses
bis zur Wiederholung voraussetzen, was bei den Lichtungshieben, die eine dauernde
Schlussunterbrechung im Gefolge haben, nicht der Fall ist. Im Sinne der Forsteinrichtung
hört, wo die Einteilung in 20jährige Perioden vorliegt, das Gebiet der Durchforstungen
im allgemeinen bei den Waldorten der ersten, die ältesten Bestände umfassenden Periode
auf. Eingriffe in die Bestände der ältesten Klassen, soweit sie nicht schon starke, mit
der Verjüngung in Verbindung stehende Lichtungen darstellen, nennt man zweckmässig
Durchhiebe und rechnet ihren Ertrag nicht mehr zur Zwischen-, sondern vielmehr zur
Hauptnutzung. Ueberdies sollen nach den meisten bezüglichen Instruktionen auch solche
Eingriffe in das Bestandesmaterial jüngerer Orte zur Hauptnutzung gerechnet werden,
welche eine fühlbare Schmälerung des Haubarkeitsertrags nach sich ziehen, oder zu be-
deutend sind, als dass infolge derselben die normale Weiterentwickelnng eines Bestandes
ohne Füllung der entstandenen Lücken durch Anbau erwartet werden könnte. Die plan-
mässigen Hiebe der letztbezeichneten Art sollen als „Lichtungshiebe" besonders be-
trachtet werden ^^^).
§ 56. II. Zweck: Die Durchforstungen ergeben sich als wirtschaftliche Mass-
regel aus der Beobachtung der Bestandesentwickelung. Letztere ist durch die einfache
Tatsache gekennzeichnet, dass im Haubarkeitsalter nur noch ein verhältnismässig kleiner
Teil derjenigen Individuen vorhanden ist, welche ursprünglich den Jungbestand gebildet
hatten ; die einzelnen Bäume haben im Verlauf ihrer Entwickelung eine solche Ausbil-
dung erlangt, dass auf gegebener Fläche nicht mehr als eine gewisse Anzahl derselben
Platz findet, während sich diese Altholzstämme in den früheren Lebensperioden in der
Gesellschaft einer mit zunehmendem Alter des Bestandes naturgemäss stets kleiner
werdenden Menge von Genossen befunden hatten, die von vornherein von der Natur
oder dem Wirtschafter meist als gleichberechtigt nebeneinandergestellt worden waren ^^°).
Forstwesen, Juli 1885. — Borggreve, „Zur Plänterdurchforstung''. Forstl. Blätter von
1887 S. 225 ff. — Landolt in d. Schweiz. Zeitschr. 1885 S. 27. — Speidel, Wald-
bauliche Forschungen in württembergischen Fichtenbeständen mit Beiträgen zur Wirtschafts-
geschichte, Zuwachs- und Durchforstungslehre 1889. — Laschke, „Oekonomik des Durch-
forstungsbetriebes'* 1901. — Ders., „Geschichtliche Entwickelung des Durchforstungsbe-
triebes'' etc. 1902. — Kozeönik, „Die Bestandespflege mittelst der Lichtung nach Stamm-
zahltafeln" 1898. — Hang, „Beitrag zu der Durchforstungsfrage« A. F. u. J.Z. 1894—1897
(versch. Abhandlungen). — Ders., „Die Stammzahlfrage und ihre Bedeutung für die Be-
standespflege" A. F. u. J.Z. 1899, S. 8. — Hausrath „Zur Geschichte der Durchforstungen"
F. Zbl. 1896 S. 536. — Mayr, „Die Erziehungshiebe (Durchforstungen) der neuen Schule"
A. F. u. J.Z. 1900 S. 153. — Schüpfer, „Die Entwickelung des Durchforstungsbetriebes
in Theorie und Praxis seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts dargestellt unter besonderer
Berücksichtigung der bayerischen Verhältnisse" 1903.
164) Die Fällung von aus dem vorigen Umtrieb überkommenen Stämmen soll als Aus-
zugshieb besonders unterschieden werden. Vergl. viertes Kapitel dieses Abschnitts.
165) cfr. Lorey, „Durchforstung oder Lichtungshieb"? Allg. F. u. J.Z. von 1881
S. 406 ff.
166) Dieser Auffassung entspricht es freilich nicht mehr, wenn Oberforstrat Dr. von
Fischbach (Zentralblatt f. d. ges. Forstwesen, Juli 1885) empfiehlt, schon im Jung-
bestande, womöglich schon bei Vornahme der Kultur, diejenigen Individuen zu bezeichnen,
welche später den Haubarkeitsbestand zu bilden haben und diesen dann, damit sie ihr
Ziel erreichen , eine besonders sorgfältige Pflege augedeihen zu lassen , alle übrigen
Haudbuch d. Foratw. 2. Aufl. I. 33
514 IV. Lorey, Waldbau.
(Letzteres gilt keineswegs nur von der Saat oder Pflanzung, sondern anch von der
natürlichen Verjüngung, durch welche ebenwohl ein Vorzug einzelnen Individuen a priori
allgemein nicht eingeräumt worden ist.) Die Zahl der Individuen war bei der Bestan-
desbegründung im allgemeinen so bemessen worden, dass (früher oder später) Bestandes-
schluss bald eintrat. Mindestens von dem Augenblicke an, da die einzelnen Individuen
bei ihrer Ausdehnung sich berühren, muss nun ein Kampf derselben um die Herrschaft
beginnen, der, je nach Holzart, Bodenbeschaifenheit u. s. w. mit verschiedener Heftig-
keit geführt wird und die bald mehr bald weniger deutlich zu Tage tretende Trennung
in einen dominierenden und einen unterdrückten Bestandesteil zur Folge hat. Meist
sehr bald werden bei diesem Prozess der natürlichen Ausscheidung zunächst einzelne
Individuen entschieden vorwüchsig, ebenso wie andererseits auch sehr bald eine Minder-
zahl unzweifelhaft derart zurückbleibt, dass an ihr normales Emporwachsen ohne das
Eintreten besonders begünstigender Umstände nicht mehr zu denken ist. Aber auch
bei der vorerst sich noch zwischen diesen Extremen haltenden Hauptmasse zeigt sich
doch sehr bald die Scheidung in mehrere Klassen, denen demnächst im Bestandesleben
eine sehr verschiedene Rolle zufällt.
Die Ausscheidung vollzieht sich im allgemeinen früher, energischer und mit schärfer
markierten Unterschieden auf guten Standorten; das gleiche gilt von Lichthölzem gegen-
über schattenertragenden, bei welchen wenigstens die zurückbleibenden Stammklassen sich
meist weniger deutlich in absolut leistungsunfähige umsetzen. Dass und wie die von vorn-
herein gewälüte Bestandesdichte hierbei von Einfluss ist, leuchtet ein.
Den schon ganz im Anfang alle Nachbarn überragenden Individuen gesellen sich
aus der Zahl der übrigen so ^iele bei, als neben denselben genügenden Entwickelungs-
räum finden. Aber sie erringen sich ihren Platz stets nur durch Kampf mit den Stäm-
men ihrer Umgebung, die zunächst das gleiche Recht beanspruchen.
Welche Bäume vorwüchsig werden, lässt sich schwer vorausbestimmen. Es gibt in
jeder Kultur stets einzelne Exemplare, die sich von vornherein durch besonders kräftigen
Habitus auszeichnen, und die Annahme liegt nahe, dass sich diese unter sonst gleichen
Umständen dauernd zu Führern im Bestand aufschwingen werden. Solche Individuen sind
entweder von Haus aus besser veranlagt ^^'^j, oder sie kommen — und dieses Moment ist
Pflanzen aber, welche zur Deckung des Bodens etc. von Anfang an notwendig sind, nur
als Füllholz zu behandeln. Leitend ist bei diesem Vorschlag die Tatsache, dass im ge-
schlossenen Bestand die stärkste Stammklasse andauernd (wie insbes. auch W a g e n e r s. Z.
nachgewiesen hat) weitaus am meisten produziert, dass man ferner an Kulturkosten sparen
müsse und nicht minder an Zeit, indem man jene für das Abtriebsalter prädestinierten In-
dividuen in allseits unbehinderter Entwicklung möglichst rasch einer den Anforderungen des
Marktes entsprechenden Stärke und Höhe zuführt. Was starke Durchforstungen, Freihau-
ungen, Lichtungsliiebe etc. sonst erst von einem späteren Stadium der Bestandesentwickelung
an erstreben, soll hier schon von der ersten Jugend an durchgeführt werden. — Der Ge-
danke ist jedenfalls beachtenswert. Der Durchführung stehen erhebliche Bedenken entgegen.
Jedenfalls müsste angesichts der vielen Fährlichkeiten, mit denen der einzelne Baum zu
kämpfen hat, von vornherein eine die Zahl der Stämme des Altholzes beträchtlich über-
steigende Menge solcher Pfleglinge vorgesehen werden. — Bei unseren Kulturen mit Exoten
verfahren wir seit Jahren vielfach in dieser Weise, um an dem teuren Pflanzmaterial zu
sparen. — Vergl. übrigens die gegenteilige Ansicht von Frey im forstw. Zentralbl. von
1886 S. 242 ff.
167) Ich möchte trotz der gegenteiligen Ausführungen Borggreve's — cfr. u. a.
dessen Holzzucht S. 171 ff. — zunächst an der Ansicht festhalten, dass doch eine den Exi-
stenzkampf der Individuen untereinander beeinflussende verschiedene Veranlagung angenommen
werden darf, und dass die tatsächlich verschiedene Entwlckelung der einzelnen Pflanzen nicht
nur auf Rechnung der in verschiedenstem Masse günstigen oder ungünstigen äusseren Um-
stände (Feuchtigkeit, Lockerkeit des Bodens, Beschädigungen mannigfachster Art etc.), unter
denen die Pflanzen wachsen, gesetzt werden darf. Selbst die allersorgfältigst, durchweg
gleichmässig (z. B. mit Hilfe von Rasenasche* u. dergl.) zubereiteten Saatbeete lassen alsbald
Die Bestandeserziehung. § 56. 515
jedenfalls das weitaus wichtigere — unter günstigeren äusseren Umständen wie die übrigen
zur Entwickelung. Aendern sich die Bedingungen ihres Daseins zu ihren Ungunsten, so
kann ein Umsetzen stattfinden, d. h. sie können in die Klasse der zurückbleibenden Stämme
verschoben werden, während umgekehrt andere voranstreben. Doch wird dies Ueberholt-
werden seltener bei den schon in der ersten Jugend entschieden vorwachsenden als bei
Exemplaren der demnächst nachschiebenden grossen Masse anfänglich noch dominierender
Stämmchen eintreten. Auch lässt das Umsetzen schon gegen das Stangenholzalter hin,
wenn es nicht durch die Wirtschaftsführung (Aushieb dominierender Exemplare usw.) be-
günstigt wird, bedeutend nach und findet, nachdem sich einmal ein kräftiger herrschender
Bestand ausgeschieden hat, bezw. durch Hilfe der Axt zum Ausscheiden gebracht worden
ist, überhaupt nur noch ganz ausnahmsweise statt ^^^). Jedenfalls ist der Ausscheidungs-
prozess, so lange der Bestand in ungestörter Entwickelung sich selbst überlassen bleibt,
ein ohne Sprünge stetig fortdauernder, bis schliesslich im höheren (das wirtschaftlich zu-
lässige Mass meist überschreitenden) Alter nur noch so viele Stämme übrig sind, als, ohne
sich wechselsweise zu beeinträchtigen, auf der Fläche Kaum haben.
Der Vorgang ist ein durchaus naturgemüsser, der sich in jedem Bestände, von
dem die wirtschaftende Hand des Menschen fem bleibt, zwar in vielfach moditizierter
Weise, im ganzen aber doch unter den gleichen charakteristischen Erscheinungen ab-
spielt: hinter den zur Herrschaft gelangenden Stämmen bleiben die anderen mehr und
mehr zurück, bis sie als völlig unterdrückte nur noch kümmerlich ihr Dasein fristen,
um endlich ganz abzusterben; inzwischen ist unter den herrschenden Individuen der
Kampf fortgesetzt worden ; das Zurückdrängen bislang dominierender Stämme in die ge-
ringeren Stammklassen erreicht innerhalb der allgemein üblichen Umtriebszeiten ein
Ende ohne Zutun der Wirtschaft überhaupt nicht. Die jeweils dominierenden, bezw.
am Kronenschluss noch teilnehmenden Stämme bilden den Hanptbestand, die
übrigen den Nebenbestand. Dass trotz dieses andauernden Kampfes massenreiche,
hochwertige Bestände erwachsen, ist zweifellos. Ebenso unzweifelhaft ist es aber, dass
— wie die Wirtschaft überhaupt sich mit der Leistung der Natur nicht begnügen kann,
sondern sich deren Wirken dienstbar machen muss, indem sie dasselbe, soweit tunlich,
in bestimmte Bahnen leitet — gerade jener Kampf um die Herrschaft im Leben des
Bestandes für zielbewusstes Eingreifen des Wirtschafters eine der am meisten Erfolg
versprechenden Gelegenheiten darbietet. Es gilt, dadurch, dass man den Streit der
Stämme abkürzt, ihm womöglich vorbeugt, einen nutzlosen Kräfteverbrauch hintanzu-
halten und eine bestimmte Qualität des Bestandes möglichst rasch zu erreichen. Dazu
dienen vornehmlich die Durchforstungen, deren Zweck es also sein muss, fortgesetzt
in angemessenen Zwischenräumen dem Bestand so viel Stämme zu entnehmen, dass
den übrigen dadurch in möglichst kurzer Frist eine normale Ausbildung ermöglicht
wird.
Die Wirtschaft hat diejenigen Stämme zu bestimmen, welche weiter wachsen sollen.
Unter welchen Umständen letzteres geschehen soll, ob die gegenseitige Spannung zwischen
den Nachbarstämmen zeitweise oder dauernd ganz aufgehoben oder nur verringert werden
an den erwachsenen Pflänzlingen oft recht merkliche Unterschiede hervortreten ; warum sollten
dieselben nicht wenigstens zum Teil auf das Samenkorn, bezw. die dem Individuum in ver-
schiedenem Masse innewohnende Kraft zurückgeführt werden dürfen? Die Analogie, im Tier-
reich liegt doch zu nahe. Dass dieser Grund nicht der wichtigste ist, dass er nicht bis ins
höhere Alter fortwirkt, sofern jene Schwächlinge von Haus aus die zuerst unterliegenden
sind, dass vielmehr, sobald der Bestandesschluss erfolgt ist- und die ersten Ausscheidungen
sich vollzogen haben, in der Hauptsache äussere Umstände die Verschiedenheit in der Ent-
wickelung der Individuen bedingen, ist einleuchtend, wird auch kaum anders angesehen.
168) Wichtig für das Prinzip der Weiserverfahren bei Aufstellung von Ertragstafeln :
es genügt vollständig, wenn etwa vom mittleren Bestandesalter an die höchsten und stärksten
Stämme auch die vorwachsenden bleiben. Zu vergl. Buhle r, Dr., Untersuchungen in einem
Fichtenbestande etc. Allg. F. u. J.Z. 1886 S. 1 ff.
33*
516 IV. Lorey, Waldbau.
soll, bezüglich bis zn welchem Grade, welche Stammklassen dem Aushieb vorzugsweise
zum Opfer fallen sollen, welche Modifikationen je nach den besonderen Umständen des ein-
zelnen Falles angebracht erscheinen, alles dies sind Spezialfragen der Ausführung. Jedenfalls
ist eine Durchforstung, welche sich — wie früher vielfach und hie und da auch jetzt noch —
nur auf die Entfernung abgestorbenen oder völlig unterdrückten Holzes erstreckt, als eine
die Entwickelung des Bestandes fördernde Massregel nicht anzusehen. Solches Mate-
rial , das von den Nachbarn bereits vollständig überwachsen ist , kann diesen nicht
mehr wesentlich schaden, wenn auch ab und zu ein solcher Stamm mit seiner Beastung
noch die seitliche Ausbreitung eines nebenstehenden hindert. Hiernach sollte eine nur auf
völlig unterdrücktes Holz gerichtete Durchforstung mindestens dann, wenn einem stärkeren
Eingriff keine Bedenken bezüglich der Bodenpiiege oder der Ausbildung der Stämme im
stehenbleibenden Bestandesteil im Wege stehen, ein überwundener Standpunkt sein. Ein zu
starker Aushieb kann unzweifelhaft die fernere Entwickelung des Bestandes schädigen ; aber
ein Gewinn für den Bestand kann durch die Durchforstung doch nur dann erzielt werden,
wenn dieselbe als vorbeugende Massregel erscheint oder mindestens den zum Fortwachsen
bestimmten Stämmen während ihres Ringens mit den Nachbarn tätige Hilfe bringt.
nicht aber dann, wenn sie stets nachliinkt, indem sie nur die bereits Unterlegenen be-
seitigt ^69)
Dass die Durchforstungen infolge der Wurzel Verwesung, wie besonders Fischbach
mit Recht betont haf ^i, auch durch Bodenlockerung und Bodendüngung, durch Koh-
lensäurebildung und damit Förderung der Verwitterung von Bedeutung werden, soll
als eine im Sinne der Bestandeserziehung günstige Wirkung hier nicht unerwähnt
bleiben.
§ 57. Ist aber auch die Durchforstung in erster Linie als eine der Bestandes-
erziehung dienende Wirtschaftsoperation zu betrachten, so ist sie doch zugleich auch
zu anderen Zwecken bestimmt, indem sie
a) eine oft sehr bedeutende Holznutzung gewährt und
b) die Bestände gegen eine Reihe von Gefahren sicher zu stellen sucht.
Zu a) Die Ergebnisse der Durchforstungen stellen Voniutzungen dar, deren rech-
nerische Behandlung (Bedeutung für die Rentabilität des Betriebs) in der Waldwert-
rechnung nachzuweisen ist. An dieser Stelle sei nur ganz im allgemeinen darauf hin-
gedeutet, dass dieselben die Erträge in ihren Prolongations werten steigen! und den
Produktionsfonds entlasten, und dass in diesem Einfluss jedenfalls unter Umständen
ein vollwertiges Motiv zu gunsten stärkerer Vornahme derselben erblickt werden darf.
Wie gross, absolut genommen, die in den Durchforstungen eingehenden Werte sind,
lässt sich, ganz abgesehen von dem nach Standort, Holzart u. s. w. abweichenden Ver-
halten der Bestände, angesichts der bei ihrer wirtschaftlichen Behandlung herrschenden
Verschiedenheit, sowie der unendlich wechselnden Absatzgelegenheiten auch nicht in
Gestalt von durchschnittlichen Beträgen mit annähernder Sicherheit angeben. Im ein-
zelnen finden sich zahlreiche Mitteilungen in unserer forstlichen Literatur i^^) , welche
169) Von dieser Auffassung ausgehend konnte man bei den vom Verein deutscher forst-
licher Versuchsanstalten eingeleiteten Durchforstungs-Versuchen die schwächste (A-)Durch-
forstung des Arbeitsplanes (Beseitigung nur der absterbenden und abgestorbenen Stämme)
füglich ganz bei seite lassen, wie dies z. B. seitens der Württembergischen Versuchsstation
tatsächlich fast überall geschehen ist.
170) Forstw. Zentralblatt von 1884 S. 426.
171) Siehe z. B. Vorertragstafeln von Danckelmann für Kiefern-, Fichten- und
Rotbuchen-Hochwald (Zeitschrift für Forst- u. Jagdwesen 1887 S. 73 ff.). Daselbst sind
angegeben als Durchschnitts-Massenertrag der sämtlichen Vornutzungen an Prozenten des
Haubarkeitsertrags für Kiefer und Fichte ca. 40 mit geringer Schwankung in den ver-
schiedenen Güteklassen, für Buche ca. 35. — Vergl. ferner Kunze, „Ueber den Einfluss
verschiedener Durchforstungsgrade auf den Wachstumsgang der Rotbuche" (Tharander Jahr-
buch 1884 S. 37 ff.). Daselbst werden die Ergebnisse eines 21 Jahre lang fortgesetzten
Versuchs mitgeteilt. — Ferner: Die Zahlenangaben in Kraft's Buch u. s. w.
Die Bestandeserziehung. § 58. 517
aber aus den angedeuteten Gründen nur mit Vorsicht von einem Fall auf einen anderen
übertragen werden dürfen. Nicht einmal hinsichtlich der anfallenden Massen lassen sich
allgemein brauchbare Angaben machen.
Um die Verschiedenheit im Werte des Darchforstungsmaterials an einzelnen Bei-
spielen zu zeigen, braucht man nur an die auch für die geringsten Sortimente in grossen
Städten gebotene Verkaufsgelegenheit gegenüber der oft absoluten Unverwendbarkeit der-
selben im Inneren grosser, wenig aufgeschlossener Waldungen oder an die Bedeutung des
Handels mit Hopfenstangen in hopfenbautreibenden Gegenden zu erinnern im Gegensatze
zu solchen Gebieten, denen diese Absatzquelle fehlt u. s. w.
Zu b) Zu den Gefahren, gegen welche die Durchforstungen einen Schutz gewäh-
ren, bezw. gewähren können, gehören u. a. Feuer, Insektenbeschädigungen, Wind,
Schnee. Wie hoch im einzelnen dieser Vorteil zu veranschlagen ist, bleibt der Beur-
teilung des j, Forstschutzes" überlassen. Dass aber überhaupt durch Entfernung abge-
storbenen und unterdrückten Holzes die Feuersgefahr verringert, sowie manchen Insekten-
beschädigungen vorgebeugt wird, liegt auf der Hand ; nicht minder, dass durch fleissigen
Aushieb der mit fruktifizierenden Hexenbesen behafteten Bäume in Tannenbeständen
der Verbreitung der Krebsbildung entgegengewirkt wird. Auch soll eine fleissige
Vornahme der Durchforstungen, sofern sie die einzelnen Stämme kräftigt, deren Wider-
standsfähigkeit gegen Sturm und Schneedruck steigern ^^2).
§ 58. III. Grundsätze bei der Ausführung der Durchforst-
ungen: Für den Durchforstungsbetrieb sind drei Fragen zu beantworten, nämlich:
1. wann soll man mit den betreifenden Aushieben beginnen? 2. wie stark soll man sie
greifen? und 3. wie oft soll man sie wiederholen? Die von Karl Heyer in dieser
Hinsicht gegebene Regel lautet : früh, massig und oft! Georg Ludwig H a r t i g
war für stete Erhaltung des Schlusses, Cotta hingegen im Interesse der Zuwachs-
förderung für eine Unterbrechung desselben.
A. Beginn der Durchforstungen: Bei der Entscheidung über den rich-
tigen Zeitpunkt desselben muss man, da die Durchforstungen in erster Linie wegen
ihrer günstigen Einwirkung auf die Entwickelung des Hauptbestandes vorzunehmen
sind , zunächst immer die für letzteren zu erwartenden Vorteile ins Auge fassen und
darf nötigenfalls selbst eine Zubusse an Arbeitsaufwand nicht scheuen, wenn sich der
Ausfall durch raschere Erstarkung des verbleibenden Bestandesteiles bezahlt macht.
Ueberhaupt sollte man die Bilanz nicht jedesmal für die einzelnen Durchforstungen
ziehen, sondern deren Erträge und Kosten für die ganze Lebensdauer des Bestandes
zusammenrechnen und erst die Summen vergleichen ^^3). Eine Vernachwertung der Er-
172) Bedeutende Schneebrüche des Winters 1885/86 und noch weit umfassendere des
Winters 1886/87 (z. B. in den Waldungen — bes. ca. 25jährigen Nadelholzhegen — des
Schönbuchs nördlich von Tübingen, worüber Allg. F. u. J.Z. 1887 S. 286 zu vergleichen)
konnten freilich an der günstigen Wirkung der Durchforstungen in dieser Richtung Zweifel
aufkommen lassen, da durchforstete und nicht durchforstete Orte in gleicher Weise verwüstet
w^orden sind. Aber es waren meist kurz vorher durchhauene Bestände, welche neben den
unberührten gelitten haben; wahrscheinlich, dass sich, wenn allgemein schon in früherem
Alter in Absicht auf die Schneegefahr eine durchgreifende Reinigung vorgenommen worden
wäre, die Beschädigungen weniger intensiv gezeigt hätten. Hinsichtlich der Schneebruchgefahr
in ihren Beziehungen zur Durchforstung ist eine sehr beachtenswerte Studie von Professor
Dr. Btihler erschienen (Forstwiss. Zentralblatt, Sept.-Oktbr. von 1886 S. 485 ff.), worin
aus mechanischen Gründen hauptsächlich die Gefährlichkeit unsymmetrisch entwickelter Kronen
(einseitige Belastung durch Schnee) betont wird, so dass sich eine dem Schneebruch entgegen
wirken sollende Durchforstung vorzugsweise die Schaffung gleichmässig ausgebildeter Kronen
zur Aufgabe machen müsste. B ü h 1 e r sieht in der Durchforstung entschieden ein Mittel
gegen Schneebruchschäden.
173) Man vergleiche Fischbach im forstw. Zentralbl. von 1885 S. 553.
518 IV. Lorey, Waldbau.
träge mit Zinseszinsen müsste hierbei stattfinden und zu der Summe noch eine Hinzu-
rechnung des Abtriebsertrages erfolgen. Unter sonst gleichen Umständen würde der-
jenige Durchforstungsbetrieb der beste sein, welcher zu einem Maximum der Gesamt-
leistung führt.
Es ist allerdings angenehm, wenn sich solche Wirtschaftsoperationen wie die Durch-
forstungen gewissermassen aus sich selbst heraus bezahlt machen, aber ein Hindernis für
frühzeitigen Beginn dürfte im Kostenpunkt nur in beschränktem Masse gefanden werden.
Dagegen kann der gänzliche Mangel an Absatz für das zu gewinnende schwache Material,
sowie das Fehlen der nötigen Arbeitskräfte da und dort der Vornahme einer Durchforstung
im Wege stehen, zumal auch schon die ersten Durchforstungen mit Sorgfalt ausgeführt
werden müssen, sodass keineswegs jeder beliebige Holzhauer dabei verwendbar erscheint.
Berücksichtigt man die Gefahren, welchen gerade die dichtgeschlossenen Jung-
wüchse ganz besonders ausgesetzt sind (Feuer, Schneedruck), so muss man im allge-
meinen einem möglichst frühzeitigen Anfang des Durchforstungsbetriebs das Wort reden.
Einen absolut geeignetsten Zeitpunkt kann man aber dafür weder ganz allgemein an-
geben, noch auch nur für einzelne Holzarten oder Standortskategorien bestimmt be-
zeichnen; das entscheidende Wort hat das Aussehen des einzelnen Bestandes zu spre-
chen; modifiziert wird aber das in ihm liegende Gebot jederzeit durch die Möglichkeit
der Ausführung, für welche die oben angedeuteten Gesichtspunkte (Arbeitskräfte, Ab-
satz etc.) massgebend werden.
Tatsächlich wird, nach Beendigung der Reinigungshiebe, mit den Durchforstnugen
im grossen Betrieb auch bei Lichtholzarten kaum vor dem 15. — 20. Lebensjahre begonnen,
während bei Schattenhölzern, Buche, Fichte und insbesondere Tanne, oft bis ins 25., 30.
Lebensjahr, ja noch länger zugewartet wird, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, dass
auch (und vielleicht in hervorragendem Masse) diese Holzarten für recht frühzeitiges Ein-
greifen sehr dankbar sind.
§59. B. Stärke des Eingriffs un d Wiederholung desselben:
Die Antworten auf die beiden bezüglichen Fragen sind insofern von einander abhängig,
als es die häufigere Wiederkehr in den nämlichen Bestand gestattet, mit dem ein-
zelnen Hieb weniger kräftig vorzugehen, ohne dass der mehrfach betonte Hauptzweck
der Durchforstungen, die Vermeidung zu gedrängten Erwuchses, vereitelt wird. Ja,
wenn man erwägt, dass zur normalen Ausbildung des Einzelbaumes immer nur ein ge-
wisses Mass an Standraum erforderlich ist, während eine weitergehende Unterbrechung
des Kronenschlusses je nach Umständen für den Boden bedenkliche Folgen haben kann,
so muss man einräumen, dass es am rationellsten wäre, die Durchforstungen zwar recht
oft, aber jedesmal nur in solchem Umfange vorzunehmen, wie es die vollkräftige Ent-
wickelung des Hauptbestandes gerade erheischt. Jedesmal, wann wieder Kronenspannung
eintritt, müsste von neuem eingegriffen werden.
Meist gestaltet sich die Praxis des Durchforstungsbetriebes so, dass man in Zwischen-
räumen von 5 — 10 Jahren, manchmal noch seltener in die Bestände wiederkehrt. Zeit-
und Arbeitsaufwand, üebersichtlichkeit der Wirtschaft, zeitweise Ruhe in den Beständen
u. s. w. sind die Gründe gegen kürzere Perioden ; man muss dann aber von einem Termin
zum andern für die Zwischenzeit durch entsprechend stärkere Eingriffe vorbeugen.
Mit jener Regel bezüglich der Wiederholung und den dieselbe begründenden Er-
wägungen ist aber keineswegs auch schon die Frage nach der zweckmässigsten Stärke
des einzelnen Aushiebs beantwortet. Da einerseits der jetzt erwachsende Bestand zu
möglichster Vollkommenheit herausgearbeitet und andererseits die Bodenkraft nach
dessen Reife ungeschmälert, womöglich erhöht an die nachfolgenden Umtriebszeiten
überliefert werden soll, so muss stets die Kombination aus diesen beiden Aufgaben ins
Auge gefasst werden, die sich übrigens in ihren Zielpunkten nicht grundsätzlich ent-
gegenstehen, sofern sorgsame Schonung des Bodens auch dem jetzt lebenden Bestände
Die Bestandeserziehnng. § 59. 519
zu gute kommt. Wohl aber sind die Mittel, mit denen hinsichtlich der beiden Zwecke
gearbeitet wird, verschieden ; denn der Bodenschutz verlangt im allgemeinen (d. h. von
den Fällen zu grosser Nässe oder auch wohl allzu mächtiger Streuschichten abgesehen)
dichten Bestandesschluss, während sich die möglichst rasche Erstarkung der Bäume
nur bei Gewährung entsprechenden Wachsraumes, also nach Aufhebung stärkerer
Kronenspannung vollziehen kann. Fraglich ist, inwieweit auf gegebener Fläche die
Zuwachsleistung einer geringeren Anzahl mehr räumlich stehender Bäume, deren jeder
dann mit vermehrter Energie arbeitet, durch die Massen- und Wertsmehrnng ^'*) einer
gi'üsseren Anzahl gedrängter stehender, im einzelnen geringerer Stämme aufgewogen
werden kann. Alle theoretische Erörterung kann sich nur um diese Frage drehen, da
man sich für dasjenige Verfahren zu entscheiden hat, welches unter voller Berücksich-
tigung des Gesamtaufwandes — Bodenkraft, Arbeit, Zeit, Holzvorratskapital — die
höchsten Werte erwirtschaftet. Hiemach also ist die Stärke des jeweiligen Eingriffes
zu bemessen.
Der Wirtschaft im Walde ist mit diesen allgemeinen Erwägungen jedoch nicht
gedient; dieselbe fordert greifbare Anhaltspunkte.
Um solche zu gewinnen, hat man mehrfach versucht, die verschiedenen in einem
Bestände vorkommenden Stammklassen genau zu definieren. Derartige Klassifizierungen
sind schon frühzeitig unternommen worden ; so oft man für die Durchforstungen gewisse
Regeln begründen wollte, musste man von einer bezüglichen Unterscheidung ausgehen.
So spricht z. B. C o 1 1 a (Waldbau, 9. Aufl. S. 91) von abgestorbenen, absterbenden, unter-
drückten, beherrschten und herrschenden Stämmen. — Die zur Klärung aller einschlagen-
den Verhältnisse von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten beabsichtigten
Durchforstungs versuche beruhen auf einem Arbeitsplane, welcher 1902 beschlossen \^qirde
und in der Zeitschr. f. F. u. J.-Wesen 1892, Heft 11 abgedruckt ist. Derselbe führt
folgende Klassen auf:
I. Herrschende Stämme, welche an dem oberen Kronenschirm teilnehmen und
zwar 1. Stämme mit normaler Kronenentwickelung und guter Stammform 2. Stämme mit
abnormer Kronenentwickelung oder schlechter Stammform a) eingeklemmte Stämme (kl),
b) schlechtgeformte Vorwüchse (v), c) sonstige Stämme mit fehlerhafter Stammausformung,
insbesondere Zwiesel (zw), d) sogenannte Peitscher (p), e) kranke Stämme (kr).
II. Beherrschte Stämme 3. zurückbleibende, 4. unterdrückte, 5. absterbende und
abgestorbene.
Die Durchforstungen entfernen die Stammklassen 5 — 2 zum Teil oder ganz, Stämme
der Kl. 1 nur ausnahmsweise, soweit dies zur Auflösung von Gruppen notwendig erscheint.
Nach Art und Grad der Durchforstungen werden unterschieden:
I. Niederdurchforstung. 1. Schwache Durchforstung (A-Grad) entfernt
nur die abgestorbenen und absterbenden Stämme, sowie die niedergebogenen Stangen.
2. Massige Durchforstung (B-Grad) entfernt die Klassen 5, 4 und einen Teil von 2.
3. Starke Durchforstung (C-Grad) entfernt alle Stämme mit Ausnahme der Klasse 1.
II. Hochdurchforstung. 1. Schwach (D-Grad) beschränkt sich auf den
Aushieb der abgestorbenen und absterbenden, niedergebogenen, sowie der schlechtgeformten
und kranken Stämme, der Zwiesel, Sperrwüchse, Peitscher, sowie derjenigen Stämme, die
zur Auflösung von Gruppen gleichwertiger Stämme entfernt werden müssen (Kl. 5, ein
grosser Teil von Kl. 2 und einzelne Stämme von Kl. 1). 2. Starke (E-Grad) erstrebt
unmittelbar die Pflege einer verschieden bemessenen Anzahl von Zukunftsstämmen und
entfernt neben der Klasse 5 und den kranken Stämmen alles, was die gute Kronenent-
wickelung der Zukunftsstämme behindert (Kl. 5 und Stämme der Kl. 1 und 2).
Eine andere Ausscheidung vollzog Kraft in seinen oben angeführten „Beiträgen
zur Lehre von den Durchforstungen", indem er nicht die Verschiedenheit des Höhenwuchses
sondern die Qualität der Krone als das durchschlagende Kriterium ansah. Hiernach er-
174) Es wird unterstellt, dass der beim Verkauf erzielte Preis als der Wert der
Ware und deren Gebrauchsfähigkeit (Qualität der erzogenen Hölzer) sich decken; wenigstens
hat die Wirtschaft für die Beurteilung ihrer Massnahmen zunächst keinen anderen brauch-
baren Massstab als den im Erlös beim Produktenverkauf erreichten tatsächlichen Geldertrag.
520 IV. Lorey, Waldban.
geben sich folgende Kategorien: 1. vorherrschende Stämme (mit ausnahmsweise kräftig ent-
wickelten Kronen); 2. herrschende (in der Regel den Hanptbestand bildende St. mit ver-
hältnismässig gnt entwickelten Kronen) ; 8. gering mitherrschende St. (Krone zwar noch
ziemlich normal geformt, aber verhältnismässig schwach entwickelt und eingeengt, oft mit
schon beginnender Degeneration — untere Grenze des herrschenden Bestandes); 4. beherrschte
Stämme (Krone mehr oder weniger verkümmert, entweder von allen Seiten oder nur von
zwei Seiten zusammengedrückt oder einseitig entwickelt), hierunter a) zwischenstündige,
b) teilweise unterständige Kronen ; 5. ganz unterständige Stämme. — Hienach kann be-
stimmt angegeben werden , welche der angeführten Klassen bei der Durchforstung der
Nutzung anheimfallen sollen.
Nach allen bisherigen Auseinandersetzungen können nur in bezug auf diejenigen
Stämme Zweifel bestehen, welche sich am Kronenschluss im Bestände noch aktiv be-
teiligen, indem sie über sich noch einen mehr oder minder grossen freien Luftraum
haben oder sich wenigstens mit ihren Aesten noch in die oberen Partien der Nach-
barkronen eindrängen, so dass letztere dadurch in ihrer seitlichen Ausbildung behindert
sind. Was an Bäumen bereits vollständig unterdrückt ist, darf — unter Nichtbeach-
tung des geringen Nährstoff Verbrauchs , welcher für den unbedeutenden Zuwachs er-
forderlich ist — als für die Bestandeserziehung gleichgültig betrachtet werden. Die
Ansichten darüber, wie weit man den Kronenschirm lockern soll, gehen sehr ausein-
ander. Wer für ganz schwaches Eingreifen eintritt und damit sich weigert, den
Kronenschluss überhaupt irgendwie zu unterbrechen, kann sich nur auf möglichst weit-
gehende Sorge für den Bodenschutz, sowie für Ausbildung glattschaftiger, astreiner,
schlanker Nutzholzstämme berufen. Die bei etwas räumlicherer Stellung der einzelnen
Stämme heranwachsenden Bestände produzieren, ausweislich aller neueren Unter-
suchungen '^^), mehr Masse und zwar diese in Gestalt nicht bloss stärkerer, sondern auch
höherer Exemplare, da der Längenwuchs durch die grössere Lichtstellung ebenfalls geför-
dert wird. Mithin bleibt als Argument für Unterlassung der letzteren zunächst nur die
grössere Formzahl und bessere Qualität der Stämme hinsichtlich deren technischen Eigen-
schaften übrig. Im allgemeinen darf man hierin einen Ersatz für die bedeutenderen Dimen-
sionen der in gleicher Zeit erwachsenen Stämme, bezw. für den Gewinn an Zeit bei
Forderung gleicher Dimensionen nicht oder doch nur in beschränktem Masse erblicken
175) Weise (Zeitschr. f. F. u. J.W. 1889 S. 129, 327) ,. Studien über den Schluss
der Bestände und seiner Einwirkung auf den Zuwachs" spricht sich für guten Schluss der
Bestände aus. D c r s. (Mündener forstl. Hefte VI S. 5) „Die Durchforstungen im Licht neuer
Veröffentlichungen" ist im ganzen für massige Durchforstungen. — Kunze (Tharander
Jahrbuch 1894 S. 1, 1895 S. 1, 1902 S. 147) „üeber den Einfluss verschiedener Durch-
forstungsgrade auf den Wachstumsgang der Waldbestände " weist an den sächsischen Probe-
flächen den günstigen Einfluss der starken Durchforstungen sowohl für Fichte, als auch be-
sonders für Kiefer nach, wogegen der Einfluss einer massigen Durchforstnng gegenüber dem
Unterlassen jeder Durchforstung nur sehr schwach ausgeprägt ist. — Schwappach (Zeitschr.
f. F. u. J.W. 1897 S. 286) „Ueber den Einfluss verschiedener Durchforstungs- und Lichtungs-
grade auf das Wachstum der Kiefernbestände" spricht sich für massige Grade der Durch-
forstungen aus. D e r s. (Zeitschr. f. F. u. J.W. 1899 S. 259, 408) „Ueber den Einfluss verschie-
dener Durchforstungs- und Lichtungsgrade auf das Wachstum der Buchenbestände*^ spricht
für ursprünglich massige, später jedoch stärkere Durchforstungen, besonders im Hauptbestand
(Hochdurchforstungen). — H ef el e (Forstw. Zentralbl. 1895 S. 121 und 241) „Untersuchungen
über die Einwirkung verschiedener Durchforstungsgrade auf den Massen- und Wertszuwachs
normaler Fichtenbestände", Ders. (Forstw. Zentralbl. 1896 S. 127) „Ueber den Einfluss
starker Durchforstungen in Fichten auf Zuwachs und Form" zeigt nach den Untersuchungen
der bayerischen forstl. Versuchsanstalt die Vorzüge der stärkeren Durchforstungsgrade von
den schwächeren. — Borgmann, „Kronenfreiheit und Lichtungsbetrieb der Fichte" etc.
(Allg. F. u. J.Z. 1897, S. 225) weist für diese Holzart die Erfolge des Kronenfreihiebs und
des Lichtungsbetriebes nach.
Die Bestandeserziehnng. § 59. 521
und muss sich überdies an das verschiedene Verhalten der Holzarten (Laub- und Nadel-
holz etc.) in dieser Beziehung erinnern ^'^*).
Vielfach hat man für verschiedene Alter des Bestandes verschiedene Durchfor-
stungs-Normen aufgestellt. Man hat den Bestand dunkel gehalten bis zur Vollendung
des Haupthöhenwachstums ^"), während man späterhin mit stärkeren Aushieben vor-
gegangen ist. Dann konnte der Bestand zunächst in jener ersten Periode seines Lebens
Stämme herausbilden, welche bis zu einer gewissen Höhe über dem Boden astrein
sind*''®) und später die erwünschten Dimensionen der Einzelstämme entwickeln. Un-
leugbar hat diese Auffassung eine gewisse Berechtigung; und doch wird sie hinfällig,
sobald nachgewiesen wird, dass durch besondere Pflege, die man einer beschränkten
Anzahl dominierender Stämme schon in jüngeren Jahren durch Gewährung grösseren
Wachsraumes angedeihen lässt, insgesamt mehr geleistet, d. h. eine rentablere Wirt-
schaft geführt wird. Dafür, dass dies der Fall sei, ist eine grössere Anzahl von Stim-
men laut geworden, welche, wie insbesondere Wagener und Riniker, betonen, dass
an der Gesamtzuwachsleistung eines Bestandes der weitaus grösste Anteil der dominie-
renden Stammklasse dauenid zufalle, und dass hiernach ein Grund zur Berücksichtigung
auch der zurückbleibenden Individuen nicht vorliege : letztere nutzen am meisten, wenn
sie den dominierenden möglichst bald allen Platz überlassen und dabei tunlichst rasch
einen Ertrag in die Kasse des Waldbesitzers liefern, es sei denn, dass sie als Füllholz
nicht entbehrt werden können, falls die Zahl der dominierenden Stämme für sich allein
den Boden nicht mehr genügend deckt.
Wägt man alles für und wider sorgfältig ab, so kommt man zu dem Schluss,
dass überall ein kräftiges Eingreifen, also die starke Durchforstung, welche
eine zeitweise Unterbrechung des Kronenschlusses nicht scheut, die Regel zu bil-
den hat, wenn für die Pflege des Abtriebsbestandes und dessen Entwickelung wirklich
etwas geleistet werden soll, während die massige (sich auf die unterdrückten Stämme
beschränkend) oder gar die schwache (nur die abgestorbenen und absterbenden be-
greifend) als Ausnahmen zu betrachten sind, für deren Berechtigung im einzelnen Falle
bestimmter Nachweis verlangt werden muss. Dies gilt, wenn nicht schon für die aller-
ersten Durchforstungen, so mindestens vom angehenden Stangenholzalter ab. Ab-
weichungen bleiben vorbehalten, und es wird niemand darüber zweifelhaft sein, dass
solche gerade in jüngeren Beständen häufig geboten sind. Wie weit übrigens die ein-
zelne Durchforstung mit der Lockerung im Kronendach gehen soll, ist, wie schon
oben angedeutet wurde, wesentlich von der Häufigkeit der Wiederholung abhängig.
Die Durchforstung soll nicht den Charakter eines Lichtungshiebes annehmen; aber es
176) Nicht zu übersehen ist u. a., dass Robert Hart ig (cfr. dessen „Holz der deut-
schen Nadelwaldbäume", 1885) gezeigt hat, dass auch bei den Nadelhölzern breite Jahres-
ringe keineswegs notwendig eine geringere Holzqualität bedingen, sondern *dass sich die Zu-
nahme der Ernährung eines Baumes allgemein auch in Verbesserung der Qualität äussert.
Durchforstungen bewirken, sofern die Massenproduktion steigt, alsbald auch eine Hebung der
Qualität.
177) Der laufend jährliche Höhenzuwachs kulminiert nach den neueren Ertragstafeln
für die Fichte durchschnittlich mit 40—50, die Buche mit 30—35, Kiefer 15—20, Tanne
50 — 70 Jahren, der durchschnittliche Höhenzuwachs bezüglich im Alter von 60 — 80, 40 — 50,
30 und 70—100 Jahren.
178) Die einzelnen Holzarten verhalten sich in dieser Hinsicht sehr verschieden. Die
unteren Zweige sollen absterben, bevor sie zu stark geworden sind, um demnächst noch ab-
gestossen zu werden ; sie sollen keine Hornäste im Holz zurücklassen. Bei Lichthölzern er-
folgt das Absterben naturgemäss rascher ; Laubhölzer stossen die starken Aeste meist leichter
und vollständiger ah als Nadelhölzer, unter welchen namentlich die Fichte sich nur bei
dichtem Schluss entsprechend schnell und vollständig reinigt.
522 IV. Lorey, Waldbau.
ist zu beachten, dass ein solcher noch lange nicht vorliegt, wenn vorübergehend die
Sonne da und dort im Bestände zum Boden dringen kann, während na<;h wenigen
Jahren schon wieder volle Kronenspannung zu erwarten steht ^^®). Mehr als zwei
Zehntel der Bestandesmasse wird man, Eronenschluss ohne Ueberfüllung, d. h. ohne
merkliche gegenseitige Beengung, vorausgesetzt, auch bei der starken Durchforstang
kaum auf einmal entfernen, hiermit aber auch meist schon einen Zustand erzielen, bei
dem sich der bleibende Bestandesteil einer normalen Entwickelung erfreut. Das richtige
Mass würde erreicht sein, wenn bis zur nächsten Durchforstung jene massige Spannung,
bei welcher die Bäume mit möglichst allseits gut gebildeten Kronen sich berühren oder
doch höchstens mit den Astspitzen ineinandergreifen, wieder hergestellt wäre. Jedem
weitergehenden gegenseitigen Beengen sollte sofort durch eine neue Durchforstung ab-
geholfen werden.
Anstatt den Aushieb nach Stammklassen zu regeln, ist mehrfach vorge-
schlagen worden, eine Festsetzung der zu beseitigenden Individuen nach der Stamm-
zahl für 1 ha, unter Berücksichtigung der Brusthöhendurchmesser vorzu-
nehmen, so von Hang und Koze^nik (Literatur in Anm. 163). Hiermit in Ein-
klang steht der schon vor langer Zeit von Oberforstrat König in seiner Forstmathe-
matik gemachte Vorschlag einer Regelung des Aushiebs nach der Abstandszahl ( *^^)
d. h. dem Verhältnis der Standraumseite zum Durchmesser. Geht man von der Stamm-
zahl für 1 ha aus, so ergibt sich auch hier ein gewisser Standraum des Einzelstammes
und somit die Standseite. Zur Bemessung des richtigen Abstandes im Verhältnis zum
Durchmesser ist aber die Kenntnis der zu erstrebenden normalen Stammgrund-
fläche für die Flächeneinheit (ha) eine notwendige Voraussetzung ! Darüber fehlen
noch positive Zahlen. Schon König sprach es aus, dass man über dem Durchforsten
selbst am besten beurteilen könne, was abkömmlich sei.
Verschiedenheiten der Ausführung ergeben sich im einzelnen in Menge. Namentlich
ist für die erste Durchforstung im Jungbestande die Art der Bestandesbegründung bezw.
die ursprüngliche Bestandesdichte massgebend und zwar nicht nur direkt wegen des da-
durch bedingten stärkeren oder minder starken Drängens und Ringens der einzelnen Stamm-
chen nebeneinander, sondern hauptsächlich mittelbar wegen der Beschaffenheit derselben.
Man muss nicht selten eine erste Durchforstung schwächer greifen, weil die einzelnen
Stämmchen so schlank erwachsen sind, dass jeder plötzliche stärkere Eingriff ein Umlegen
derselben zur Folge haben würde. Ebenso ist, wenn nicht freierer Stand von der ersten
Jugend an widerstandsfähigere Bestände erzeugt hat, die Schneedruckgefahr in dem kriti-
schen Gertenholzalter sehr zu beachten, wenn auch gerade ein dichter Kronenschirm die
Schnceauflagerung erleichtert. Es ist ein Unterschied, ob man an steilen südlichen Hängen
oder auf massig geneigten, frischen Nordhängen operiert. Im allgemeinen wird man in
schlechteren Lagen vorsichtiger zu Werk gehen müssen, hauptsächlich um die Bodenkraft
zu bewahren ; man darf aber dabei auch nicht übersehen, dass gerade schlechtere Bestände
auf Standorten mit geringer Bodentätigkeit oft für die ihnen durch wirtschaftlichen Ein-
griff gewährte Beihilfe besonders dankbar sind. Ebenso wird man zum Schutz gegen das
Eintreten des Windes in die Bestände (Windmäntel!) die Bestandesränder oft weniger
stark angreifen, als das Bestandesinnere ^®^). Selbst unterdrückte Stämme sind dann zn
179) Als Verfasser gelegentlich der 1881er Versammlung des württembergischen Forst-
vereins eine der von ihm für Zwecke der forstlichen Versuchsstation angelegten D-Flächen
(Revier Weingarten bei Ravensburg, Distrikt Postwies) vorzeigte, auf welcher in der Absicht,
grössere Gleichmässigkeit des Bestandes zu erzielen, neben unterdrücktem Material auch ein-
zelne dominierende Stämme gefällt worden waren, musste sich der ausgeführte Hieb von
manchen Seiten die Bezeichnung als Lichtungshieb gefallen lassen. Wer die Fläche bei der
späteren Aufnahme (1886) wieder gesehen hat, wird nicht zweifelhaft gewesen sein, dass er
es mit einem Lichtungshieb keineswegs zu tun hatte.
180) Andererseits kann stärkere Durchhauung des Bestandesrandes bei solchen Be-
Die Bestandeserziehnng. § 60. 523
schonen, wenn ihr Aushieb Lücken im Bestände verursachen würde, welche als Windfange
oder durch Bodenaushagerung bedenklich werden könnten. Alles in allem braucht man in
vorgeschrittenerem Bestandesalter weniger ängstlich zu sein. Dadurch, dass eine zu schwache
Durchforstung die Entwickelung des Hauptbestandes ungebührlich zurückhält, wird meist
viel grösserer Schaden angerichtet, als durch die wenigen Falle, in welchen vielleicht durch
einen zu starken Eingriff in irgend welcher Richtung einmal ein Nachteil erfolgt.
Einen besonders starken Grad der Durchforstung erheischen Weisstannenbe-
s tan de, in denen Krebstannen vorkommen, deren Aushieb als Mittel gegen die
Verbreitung der Krebskrankheit anzusehen ist ^®^). Hier sind schon vom jugendlichen Alter
ab die mit Krebs behafteten Stämme aufzusuchen und zu entfernen. Ein solches Vor-
gehen bietet zu keinen Bedenken Anlass. Im Jungbestand, in welchem der Kampf gegen
das üebel zu beginnen hat, sind die entstehenden Lücken an sich nicht bedeutend und
werden durch einwachsende Individuen bald ausgefüllt; in älteren Beständen wird durch
den Aushieb der Krebstannen, wenn dadurch Lücken entstehen, die Verjüngung eingeleitet,
bezw. da, wo man eine femelschlagartige Bewirtschaftung der Weisstanne erstrebt, diese
in der einfachsten Weise begonnen. Der Aushieb herrschender Stämme aus älteren Be-
ständen würde als Hauptnutzung anzusehen sein.
In gemischten Beständen ^®*) handelt es sich immer um die Begünstigung
der wertvollen Holzart von der minder wertvollen, durch Gewähr einer freien, die Ent-
wickelung begünstigenden Stellung behufs Steigerung des Zuwachses und der Nutzholzaus-
formung. So z. B. wird dem Freihieb der Eiche im Buchenbestande besondere Auf-
merksamkeit zu schenken sein, ebenso demjenigen von Esche, Ulme, Ahorn, Linde, Tanne,
Lärche, sofern sie Anwartschaft auf Erlangung von Nutzholzqualität haben.
In jüngeren Wüchsen ist öfters, wenn schlank aufgeschossene Exemplare zu schützen
sind, die sich noch nicht zu tragen vermögen, kein vollständiges Aushauen, sondern nur
das Einstützen der bedrängenden Stämme angezeigt.
§60. C.Besondere Arten der Durchforstung: Der Durchforst-
nngsbetrieb steht in engem Zusammenhang mit der Art des Wirtschaftsbetriebs über-
haupt. Ein, allen Rücksichten im einzelnen gerecht werdender intensiver Durchforst-
üTigsbetrieb ist am leichtesten möglich in nicht zu ausgedehnten Revieren, deren Ver-
walter die Befolgung ihrer Intentionen überall und jederzeit gehörig überwachen können,
in denen es auch weder an Absatz noch an Arbeitskräften fehlt. Die ., ökonomischen"
Verhältnisse eines Gebietes sind meist bestimmend für die Technik des Durchforstungs-
betriebes. Dieses Moment betont Laschke in seiner Schrift „Oekonomik des Durch-
forstungsbetriebes" 1901. Die verschiedenen Durchforstungsarten sind, je nach den
wirtschaftlichen Zuständen der in Betracht kommenden Gegenden, berechtigt. Mancherlei
Vorschläge zu Reformen im Durchforstungsbetrieb sind gemacht worden. Einige der-
selben seien speziell hervorgehoben:
I.Heck hat das Prinzip der „freien Durch forstung** aufgestellt^^"').
Die Durchforstung soll eine von allen starren Regeln unabhängige, freie sein. Ein
teilweises Eingreifen in den Hauptbestand unter Schonung des Nebenbestandes ist nötig,
besonders ist die Herausbildung, Begünstigung und Pflege des voraussichtliciien Hau-
barkeitsbestandes in möglichst vielen und tunlichst hochwertigen Nutzholzstämmen zu
erstreben. Dieser Durchforstungsmethode entspricht ohne Zweifel der E-Grad des neue-
sten Arbeitsplanes der forstlichen Versuchsanstalten. Offenbar gebührt Heck die
Priorität.
2. Die dänische Durchforstung in Buchen. Auf dieselbe hat in
ständen, welche für Anwendung eines Loshiebes gegen Windwurf schon zu alt sind, geradezu
angezeigt sein, um die Randstämme rascher erstarken und durch Kronen- und Wurzelausbrei-
tung widerstandsfähiger werden zu lassen.
181) Vergl. u. a. die Verhandlungen des badischen Forstvereins zu Wolfach von 1884.
182) cfr. z. B. Gay er, „Waldbau« S. 551 ff.; Ney, „Waldbau« S. 295.
183) Heck, „Freie Durchforstung". Mündener forstl. Hefte XIII, S. 18. Derselbe,
,Zur freien Durchforstung " (Allg. F. u. J.Ztg. 1902, S. 289) u. s. w.
524 IV. Lorey, Waldbau.
Deutschland Metzger aufmerksam gemacht ^^*). Derselbe bemerkt, dass der Unter-
schied zwischen den deutschen und den dänischen Durchforstungen hauptsächlich darin
bestehe , dass erstere Nutzungs-, letztere Erziehung s- Durchforstungen seien.
In Dänemark unterscheide man die Stammklassen folgendermassen :
a) Hauptstämme, welche wegen ihrer Geradschaftigkeit und gleichmässigen
Krone zu begünstigen sind und dereinst den Abtriebsbestand zu bilden haben.
b) Schädliche Nebenstämme, welche die zu erhaltenden und fortzubil-
denden Teile der Kronen der Hauptstämme schädigen und deshalb zu entfernen sind.
c) Nützliche Nebenstämme, welche die Astreinheit der Hauptstämme
fördern und deshalb zu erhalten sind.
d) Indifferente Stämme, welche weder schaden noch nützen.
Hiernach sind die Klassen a und c zu schonen, die Klasse b ist zu beseitigen,
Klasse d ist zu nutzen, soweit Absatz vorhanden ist.
Die Durchforstungen beginnen frühzeitig und gelinde; sie sollen sich in so viel
Jahren wiederholen, als das Bestandesalter Dezennien zählt. Zwischen dem 60. und
70. Lebensjahr wird alle 6 Jahre, vom 100. bis 110. Lebensjahr alle 10 Jahre durch-
forstet. — Ein solcher intensiver Betrieb mag in dem waldarmen Dänemark angezeigt
sein, ist jedoch anderwärts nicht immer durchzuführen.
3. Die Hochdurchforstung (6claircie par le haut) wurde in Frankreich
nach Massgabe der dortigen Verhältnisse, insbesondere unter dem Vorherrschen der
Eiche und der Mittelwaldbestände ausgebildet'^^). Ihr Wesen besteht in dem Eingriff
in den herrschenden Bestand unter Schonung der beherrschten Stämme. Den Gegen-
satz dazu bildet die Entfernung der unterdrückten Stämme, welche 6claircie par le bas
genannt wird. Aehnlich der 6claircie par le haut ist die Posteier Durchforstung,
durch V. Salisch auf Postel in Schlesien gehandhabt, welcher den Kronen der herrschen-
den Stämme frühzeitig durch Aushieb der zurückbleibenden Luft schaffen will. Die
unterdrückten Stämme bleiben stehen. Das Ziel ist die Heranziehung eines hochwertigen
Haubarkeitsbestandes unter Gewinnung tunlichst hoher Vorerträge bei vollständiger
Erhaltung der Bodenkraft '^6).
Auch die ästhetische Wirkung dieser Durchforstungsart wird betont, indem die
Bestände nicht so leicht „durchsichtig" werden (v. Salisch, „Forstästhetik'', 2. Aufl.
S. 188). Ebenso hat dieselbe eine Bedeutung zur Gewinnung von Schutz für das W^ild.
4. Die Kulissendurchforstung empfahl U r i c h '®^) als Lichtwuchskulis-
senhieb, d. h. kräftige Lichtungen vom 30. Jahre ab auf Kulissen zwischen dunkel
belassenen Streifen, welche den Boden gegen Aushagerung, Laubverwehung und Ver-
grasung sicherstellen sollen. Die Lichtwuchskulissen sollen senkrecht zur herrschen-
den Windrichtung laufen. Vom 70. Jahr an sollen die dunklen Zwischenstreifen eben-
falls stark angegriffen werden, so dass mit 90 Jahren der Bestand ziemlich gleichmässig
gestellt ist und zur Verjüngung kommt. Borgmann'^^) empfahl hörst- und
gruppenweise Lichtwuchsdurchforstung, ebenfalls zur Mehrung von
184) Metzger, „Dänische Reisebilder«. Mund, forstl. H. IX, S. 81. — Derselbe,
„Zur Beurteilung der dänischen Forstwirtschaft«. Allg. F. u. J.Ztg. 1898, S. 346. — Der-
selbe, Referat auf der deutschen Forstversammlung in Schwerin 1899, „Ist die in Däne-
mark gebräuchliche Art der Buchenbestandspflege bisher in Deutschland schon zur Anwendung
gelangt und unter welchen Umständen etwa würde sich ihre Einführung in deutschen Wal-
dungen bewähren" (s. Versammlungsbericht).
185) Empfohlen in Boppe „Trait^ de sylviculture".
186) Allg. F. u. J.Ztg. 1892, S. 226.
187) Ztschr. f. F. u. J.W. 1894, S. 591.
188) Das. 1895, S. 630.
Die Bestandeserziehang. § 60. 525
Masse und Wert. Er will die Lichtungshiebe seiner etwa 10 Ar grossen Lichtungs-
horste allmählich ringförmig vorschreiten und an Intensität der Kronenfreihiebe ab-
nehmen lassen. Seine Lichtungen sollen erst mit 50 Jahren beginnen.
R e u s s ^®^) empfahl Kulissendurchforstung, indem in streifen weisem
Wechsel starke, massige und schwache Dnrchforstungen ausgeführt werden sollen, um
diejenigen Gefahren starker Durchforstungen zu vermeiden, welche zu erwarten sind,
wenn dieselben über den ganzen Bestand ausgedehnt werden.
5. Borggreve's Plenterdurchforstung ^^®). Durch dieselbe wird der
früher als Ausnahme betrachtete Aushieb herrschender Stämme vom reiferen Stangen-
alter, spätestens vom ersten Beginn der Mannbarkeit ab geradezu als das normale
Vorgehen gefordert. Prinzip dabei ist, dass durch diesen Aushieb dominierender
Stämme regelmässig einer grösseren oder geringeren Anzahl beherrschter (immerhin
noch entwickelungsfähiger) Stämme Luft gemacht wird, welche sich infolgedessen dem-
nächst zu brauchbaren Nutzstämmen herausarbeiten, während sie sonst, d. h. unter
dauernder Bedrückung seitens der bisher dominierenden Exemplare lediglich die Rolle
des Füllholzes weiter gespielt und früher oder später ganz abständig geworden wären.
Allmählich wird also eine möglichst grosse Anzahl der im Bestände überhaupt vorlind-
lichen Stämme einer vollgiltigen Entwickelung entgegengeführt, bis bei genügend langer
Umtriebszeit (140 — 160 Jahre) und fortdauernder Wiederholung (alle 10 Jahre Aushieb
von 0,1 — 0,2 der Bestandesmasse, welche sich durch Zuwachssteigerung entsprechend
wieder ergänzt) das brauchbare Material aufgezehrt ist. Inzwischen hat der Bestand
das denkbar mögliche Maximum an guten Nutzholzstämmen geliefert; die jeweils aus-
geforsteten dominierenden Stämme ergaben relativ frühzeitig bedeutende Gelderträge,
mithin ist diese Art der Wirtschaft überdies eine in hohem Grade rentable. Bedingung
für die Durchführbarkeit ist die Entwickelungsföhigkeit der durch die Durchforstung
freigestellten, bisher beherrschten Stämme. Ist diese gesichert, so lässt sich im übrigen
das Verfahren zweifelsohne durchführen, und es fragt sich dann nur, ob es auch ge-
nügend gut, bezw. besser rentiert, als jede andere Art der Durchforstung.
Ich stehe nicht an, die Möglichkeit der noch leidlich guten Entwickelung einer
Mehrzahl jener Individuen zuzugeben, falls die Bedrückung seither keine zu weitgehende
war und ihnen entsprechend rechtzeitig beigesprungen wird. Immerhin bin ich nicht
geneigt, die Erholungsfähigkeit so weit und so allgemein vorauszusetzen, als Borg-
g^reve^^*). Aber hiervon abgesehen möchte ich die höhere Rentabilität der Plenter-
durchforstung vorläufig verneinen. Den herrschenden Stämmen, falls sie allseits ge-
nügenden Wachsraum erhalten, vindiziere ich eine Zuwachsleistung, welche sie befähigt,
in kürzester Zeit den Markt mit den geforderten Sortimenten zu befriedigen. Der
im 60ten Jahre als prädominierend ausgehauene Stamm kann in dieser Hinsicht doch
nicht gleiches leisten, wie der nämliche Stamm, falls er noch 20 oder 40 Jahre zuge-
wachsen wäre. Der höhere Umtrieb liefert bei der Plenterdurchforstung, da eine Mehr-
heit stärkster Stämme jeweils herausgehauen wird, doch immer wieder nur Stämme
mittlerer Dimensionen; wenn aber solche für die Befriedigung des Marktes genügen.
189) Oe. F.Ztg. 1896, S. 73.
190) Borggreve, ^Holzzucht", S. 186 ff., sowie Forstl. Blätter von 1887, S. 225 ff.
191) Es ist hier natürlich nicht der Ort, ins einzelne auf eine Diskussion der hoch-
interessanten Frage einzugehen. Nur die Notiz sei angefügt, dass auch die Wirtschaft bei
der Weisstanne im Schwarz wald und in den Vogesen, also bei der wohl unzweifelhaft zäh-
lebigsten Schattenholzart, zwischen den noch entwicklungsfähigen unterdrückten Tannen und
denen, von welchen wegen zu starker und zu lang andauernder seitheriger Bedrängung eine
Erholung und Erstarkung nicht mehr zu hoffen ist, sorgfältigst unterscheidet.
526 IV. Lorey, Waldbau.
80 ist gar nicht abzusehen, weshalb man diese Stämme nicht je auf grösseren
Einzeläächen mit niediigerem Umtrieb erziehen soll, wobei auch noch alle geringeren
Sortimente, die doch ebenfalls gute marktfähige Ware darstellen, in genügender
Menge anfallen, während die Plenterdurchforstung eigentlich grundsätzlich auf die
Nutzung der geringeren Stammklassen verzichtet, indem sie deren Individuen mög-
lichst alle noch in höhere Klassen aufrücken lassen will. Wäre dies ohne beträcht-
lichen Zeitaufwand möglich, so könnte nichts dagegen eingewendet werden. Dass
die stets dominierend gewesenen Stämme meist ungünstigere Stammformen haben,
ist an sich zwar wohl richtig, wird aber durch die stärkeren Dimensionen \ael>
fach reichlich aufgewogen (entscheidend ist die Zopfstärke bei bestimmter Länge);
ebenso ist der ungünstige Einfluss der Fruktitikation nicht in dem Masse zu fürchten,
wie es Borggreve tut. Wäre dieser Einfluss überhaupt ein regelmässig eintretender,
so müsste sich im allgemeinen, wie schon früher ausgesprochen wTirde, jedes Mast-
jahr durch einen relativ schmalen Jahresring charakterisieren. Wie mir scheint,
hat Borggreve vorzugsweise solche Bestände im Auge, in welchen eine verhältnis-
mässig kleine Anzahl von Jugend auf entschieden vorwüchsiger Individuen Luft- und
Bodeni'aum im Bestände in übermässiger Weise in Anspruch genommen hat, so dass
unter und neben ihnen keine auch nur annähernd gleichwertigen Stämme vorfind-
lich sind. Solche Bestände bilden freilich nie das Ideal der Wirtschaft. Die Zahl der
dominierenden Stämme müsste allgemein durch alle Alter des Bestandes mindestens so
gross sein, als die Stammzahl des (unter vollkommener Berührung der Kronen) gut
geschlossenen Haubarkeitsbestandes. Im Alter der erklärten Hiebsreife, d. h. dann,
wenn wir zum Abtrieb und zur Verjüngung schreiten, braucht kein freier Raum
zwischen den einzelnen Kronen mehr vorhanden zu sein. Bei normaler Entwickelung
des Bestandes wird aber jene Minimalzahl dominierender Stämme (in von Jugend an
natürlich abnehmendem Masse) weit übertroffen, indem diese, bei der Bestandespflege
vorzugsweise zu berücksichtigenden Stämme stets in solcher Zahl vorhanden sein sollen,
dass sie, ohne die bereits beherrschten und unterdrückten, vor jeder Durchforstung für
sich allein einen mindestens massig geschlossenen Bestand darstellen. Dann aber ist
eine so weitgehende Abformigkeit der herrschenden Klasse keineswegs allgemein zuzu-
geben. — Borggreve zitiert mich selbst ^^^) als einen bedingungsweisen Anhänger seiner
Plenterdurchforstung, weil ich auf einigen von der württembergischen Versuchsstation
angelegten D-Flächen, also bei unserem stärksten Durchforstungsgrade, auch dominie-
rende Stämme herausgehauen habe^^^). Solches ist freilich geschehen, aber nur mit
einzelnen Exemplaren, die besonders vordringlich waren, und nur wenn die dadurch
vom Druck befreiten Stämme „in ihrer Gesamtheit für Bestandesschluss, Massen- und
Wertsproduktion etc. demnächst mehr zu leisten versprachen, als der vorgewachsene
Stamm.'' Ich habe jenen Aushieb versuchsweise, wenn auch in der vollen Ueberzeugung
von seiner Berechtigung, vornehmen lassen in ca. 35jährigen Beständen, zunächst um
in denselben etwas zu egalisieren, bezw. um die übergrossen Ansprüche einzelner In-
dividuen zu gunsten der Gesamtheit zurückzuweisen. Die höchste Leistung des Be-
standes ist nicht durch wenige besonders starke Stämme gegeben, sondern sie ruht
in einer innerhalb des Rahmens der gegebenenUmtriebszeit heraus-
gebildeten möglichst grossen Anzahl kräftig entwickelter Stämme. In diesem Sinne
scheue ich den gelegentlichen Aushieb einzelner dominierender Stämme keineswegs, he-
192) Borggreve, Holzzucht S. 189/190.
193) Vergl. Lorey, „Durchforstung oder Lichtungshieb«? Allg. F. u. J.Z. v. 1881,
S. 406.
Die Bestandeserziehung. § 61. 527
trachte ihn aber stets nnr als Ausnahme nnd jedenfalls nicht vorzugsweise wegen der
dadurch ermöglichten Erhöhung der Umtriebszeit als willkommen; eine solche kann
doch nie an sich Wirtschaftsziel sein, sondern nur dann einen Zweck haben, wenn eine
niedrigere Umtriebszeit nicht imstande ist, den Markt mit der begehrten, gebrauchs-
fähigen Ware zu versehen. Solange eine niedrigere Umtriebszeit dies leistet, hat sie
vor der höheren stets den Vorzug und gerade in diesem Sinne sind kräftige Durch-
forstungen eindringlich zu empfehlen.
Was die „Plenterdurchforstung" neues darstellt, ist — dies muss scharf betont werden
— nur der als R e g e 1 hingestellte Grundsatz, auch gesunde, normal gebildete, vollkommen
nutzholztangliche dominierende Stämme vor der Hiebsreife des Gesamtbestandes, also
gelegentlich der Zwischennutzungen lediglich deshalb herauszuhauen, weil dadurch einigen
bisher unterdrückten Individuen die Möglichkeit gewährt wird, auch noch wenigstens Mit-
telware zu werden, während sie sonst als nur gering zuwachsende Stämme einem einzelnen,
allerdings besonders hochwertigen Stamme zugesellt blieben, bis sie bei einer Durchforstung
als minderwertiges Material gehauen werden. Die ganze Frage scheint mir einfach eine
solche der statischen Rechnung zu sein. Und gerade die höhere Rentabilität der Plenter-
durchforstung möchte ich, ohne die Anwendbarkeit der letzteren in einzelnen Fällen zu
bestreiten , allgemein zunächst nicht zugeben. Insoweit die Plenterdurchforstung solche
dominierende Stämme nutzt, welche aus irgend einem Grunde (Holzart, Stammform, Kro-
nenentwickelung u. s. w.) nicht Träger der Nutzholzerzeugung im Bestände sind, fordert
sie nichts anderes, als dasjenige, was da, wo man überhaupt richtig durchforstet hat,
schon längst in der nämlichen Weise gemacht worden ist.
Die Plenterdurchforstung ist in grösserem Massstab in dem hessischen Hinterland
des Reg.-Bz. Wiesbaden eingeführt. Eine, bei Gelegenheit der Tagung des Deutschen
Forstvereins in Wiesbaden 1900 unter Leitung Borggreve's dahin unternommene Ex-
kursion hat eine Erörterung in der Literatur hervorgerufen, deren Ergebnis nicht als
eine durchgehende Anerkennung der Richtigkeit des Prinzips anzusehen ist (Bericht
über die 1. Hauptversammlung des Deutschen Forstvereins S. 200 ff., ferner Fw. Ztbl.
1900, S. 589 Fürst, „Eine Exkursion ins Gebiet der Plenterdurchforstung« 1901,
S. 1 18, Berichtigung von Borggreve und Entgegnung von Fürst, ferner B o r g-
greve in Ztschr. f. F. u. J.W. 1901, S. 385). Es ist abschliessend zu bemerken, dass
die Borggrevesche Plenterdurchforstung keine Zwischen nutzung, sondern Haupt-
nutzung darstellt. Dieselbe hat in ungleich vvüchsigen Beständen, z. B. in Buchenbeständen,
die aus fortgewachsenem Mittelwald oder Femelwald hervorgegangen sind, ebenso in
ungleichalterigen Weisstannenbeständen, ohne Zweifel ihre volle Berechtigung und es
ist ein Verdienst Borggreves, auf die Notwendigkeit, bezw. Zweckmässigkeit einer Be-
seitigung der sog. „Prot^en^ aufmerksam gemacht zu haben. Eine Verallgemeinerung
des Prinzips und die Anwendung desselben auf gleichmässig erwachsene Bestände ist
zu beanstanden.
§ 61. IV. Durchführung im Walde.
a) Veranschlagung. Für die planmässige Durchführung eines systemati-
schen Durchforstungsbetriebes ist die Veranschlagung nach der Fläche ein wichtiges
Erfordernis, derart, dass der Wirtschafter daran gebunden ist, jährlich eine gewisse
Fläche gründlich vorzunehmen, so dass die Wiederkehr in einer, im voraus zu bestim-
menden angemessenen Umlaufszeit gesichert ist. Dazu hat die Forsteinrichtung die
nötigen Bestimmungen zu treffen.
b) Holzauszeichnung. Die sorgfältigste Leitung des Durchforstungsbetriebs
ist eine der wichtigsten Obliegenheiten des Wirtschaftsbeamten. Ist letzterer auch in
einem grösseren Reviere nicht imstande, jedes einzelne auszuforstende Exemplar in
Jungwüchsen selbst zu bezeichnen, so muss er sich doch durch entsprechend umfäng-
liche Probeauszeichnung überzeugt haben, dass seine Absichten von dem untergebenen
528 IV. Lorey, Waldbau.
Personal nach allen Seiten hin vollständig verstanden sind. Auch hat er sich dnrch
häufig wiederholten Besuch der Uauungen von dem sachgemässen Vollzug seiner Anord-
nungen zu überzeugen; Zweifelsfälle sind seiner Entscheidung vorzubehalten. Dass
sich die Ausführung in Brennholzbeständen meist sehr viel einfacher gestaltet, als in
einer Nutzholz Wirtschaft, im reinen Bestände einfacher als im gemischten, liegt auf der
Hand. Im frühesten Alter des Bestandes genügt auch eine Probedur chforstung unter
den Augen des Wirtschafters, bei geringeren Stangen erfolgt Auszeichnung mit dem
Risser, bei stärkeren und bei Stämmen mit dem Waldhammer. Die spezielle Auszeich-
nung der späteren Durchforstungen dürfte, wenn dieselben wirklich alles Wünschens-
werte leisten sollen, dem Wirtschaftsführer nicht erspart bleiben. Die richtige Schlag-
stellung ist sofort, d. h. durch einmalige Auszeichnung anzustreben ; beim Laubholz ist
die letztere womöglich vor Laubabfall vorzunehmen^^*).
c) Hiebsführung: In jüngeren Beständen kommen als Werkzeuge event. be-
sondere Durchforstungsmesser , ferner die Durchforstungsschere und die Heppe in Be-
tracht ; demnächst haben Axt und Säge einzutreten. Feinere Durchforstungen (in Jung-
wüchsen, wo nicht jedes Exemplar besonders ausgezeichnet ist) werden oft mit Vorteil
im Taglohn ausgeführt. Die Zeit der Vornahme ist in der Regel von der Ausführung
der Hauptfällungen abhängig, indem die Durchforstungen mit diesen in passender Weise
kombiniert werden müssen. Meistens führt man die Dnrchforstungen nach Beendigung
der Haupthauungen aus. Sie geben öfters neben den Ausläuterungen eine passende
Sommerarbeit für ständige Holzhauer.
Drittes Kapitel.
Die Aufastungen ^*^).
§ 62. Unter Aufastungen oder Entastungen versteht man die Wegnahme von
Aesten an stehenden Stämmen. Je nachdem diese Aeste schon abgestorben oder noch
lebend sind, unterscheidet man Trocken- und GrünJistung^^^^j.
I. Zweck: Die Aufastung kann in dreifacher Beziehung von Bedeutung werden,
nämlich 1. für die Entwickelung der aufgeasteten Stämme selbst; 2. für die Entwicke-
194) Die Regel, den Hieb erst schwach zu greifen, und dann eine Nachauszeichnuug
vorzunehmen, führt keineswegs immer zu dem gewünschten Ziel einer glcichmässigen Dorch-
lichtung des Bestandes. Ist eine solche bei dem ersten Aushieb erreicht, so werden durch
die Nacbfällung vielfach Ungleichförmigkeiten entstehen, zumal man mit dem Nachhieb in
der Regel in stärkere Stammklassen kommt. — In noch belaubtem Bestände bietet dichter
Kronenschluss manchmal eine Schwierigkeit für die richtige Beurteilung des Werts einzelner
Stämme. Immerhin aber dürfte dieselbe weniger hoch zu veranschlagen sein, als die nach
Laubabfall häufig eintretenden Zweifel bezüglich der relativen Bedeutung von Nachbarstämmen.
Es kommt hinzu, dass der Nachsommer meist die „arbeitsfreie" Zeit des Revierverwalters
ist, so dass er dann das Geschäft des Auszeichnens ohne Kollision mit anderen Arbeiten
vornehmen kann.
195) Zu vergleichen: Allgemeiner Arbeitsplan für forstliche Aestungsversuche. Aufge-
stellt von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten 1886 , abgedruckt im Jahrbuch
der preuss. Forst- und Jagdgesetzgebung und Verwaltung, 18. Bd., 4. Heft. S. 264 flf. In
demselben sind sämtliche bei der Aestung irgend in Betracht kommende allgemeine Gesichts-
punkte aufs vollständigste zusammengestellt. Zugleich ist daraus zu ersehen, nach welchen
Richtungen hin die ganze Frage der Klärung noch bedarf. — Vergl. auch Kienitz, „Heber
die Aufastung der Waldbäume", Suppl. zur AUg. F. u. J.Z. X. Bd., 2. Heft, 1877. May,
„Geschichte der Aufastungstechnik und Aufastungslehre" (F. Ztbl. 1889, 1890 u. 1891. Fer-
ner „Instruktion für Aufastungen" (im Grossh. Hessen) F. Ztbl. 1899, S. 317.
196) Gelegentlich (z. B. in dem vorgenannten Arbeitsplan) wird auch noch die sog.
Welkästung unterschieden, worunter die Wegnahme natürlich oder künstlich (durch Einstutzen
oder Ringelung) gewelkter Aeste verstanden wird.
Die Bestandeserziehnng. § 62. 529
lang des Unterwuchses ; 3. durch die dabei gewonnene Holzmasse. Bald veranlasst uns
die eine, bald die andere der genannten Absichten zur Ausführung einer Aestung; in
den meisten Fällen jedoch wird dieselbe in erster Linie behufs
a) Erziehung guter Nutzstämme vorgenommen. Dabei kommt in Be-
tracht die etwaige Wirkung der Aufastung a) auf die innere Gesundheit des Stammes,
ß) auf die inneren Strukturverhältnisse, y) auf die Wachstumsverhältnisse (Fonnent-
wickelung etc.). In jedem Falle steht der Gebrauchswert des Stammes in Frage.
Ob und inwieweit die Aestung günstig wirkt, ist noch nicht endgiltig und insbeson-
dere noch nicht durch die erforderliche Reihe exakter komparativer Versuche genügend
festgestellt. Je nach den vorliegenden Bedingungen wird der Erfolg ein sehr verschiedener
sein. Die angestrebten Vorteile sind: Erzeugung astfreier Holzlagen, verbesserte Schaft-
form, Anregung des Wachstums überhaupt und insbes. des Höhenwachstums, Erhöhung der
Widerstandsfähigkeit gegen Stürme und sonstige Witterungsübel. Es fragt sich nur, ob
diese Vorteile erreicht werden können, ohne dass gleichzeitig Nachteile eintreten, und ob
weiterhin der Erfolg derart ist, dass sich der durch die Aufastung bedingte Kostenaufwand
lohnt.
Solange es sich nur um Entnahme trockener Aeste (event. Aststummel) handelt,
wie sie sich namentlich infolge mangelnder Lichtwirkung fast immer mehr oder weniger
reichlich vorfinden, kann der Baum, entsprechend vorsichtige Ausführung vorausgesetzt,
nur Vorteil von der Aestung haben, indem dadurch eine Arbeit vollzogen wird, die er
anderenfalls entweder durch allmähliches Abstossen des toten Organs selbst vornehmen
müsste, oder deren Unterlassung bei der Unmöglichkeit des Abstossens stärkerer Aeste
insofern nachteilig wirkt, als der tote Teil einwächst, zu Fehlstellen (Hornästen) Anlass
gibt und demnächst die Nutzfähigkeit des Stammes vermindert. Allerdings ist nach
Mayr (Jahresbericht als Supplementband der Allg. F. u. J.Ztg. für 1893) die Trocken-
ästung auf schwaches Material zu beschränken, weil die von Saprophyten bewohnten
dürren Aeste die beste Prophylaxis gegen Pilzparasiten sind. Erhebliche Zweifel be-
stehen hinsichtlich der Grünästung: Die Ansichten gehen sehr auseinander; im
allgemeinen aber scheint festzustehen, dass man selbst bei Bäumen von hoher Eepro-
duktionskraft nicht über ein gewisses Mass (Zahl der zu entfernenden Aeste, Grösse
der Wundfläche) hinausgehen darf, wenn nicht die Nachteile (Minderung der Organe,
mangelhafte üeberwallung etc.) überwiegen sollen. Die Umstände, welche den Erfolg
beeinflussen, sind nach Art und Umfang noch durch Versuche festzustellen. Im ein-
zelnen sind dabei hinsichtlich der Objekte, an welchen die Aestung vollzogen wird, zu
beachten: die Holzart, die Standortsverhältnisse, die Bestandesverhältnisse im ganzen
und der aufzuastenden Stämme im besonderen. Naturgemäss stehen betreffs der Holz-
art für den hier in Rede stehenden Zweck nur Nutzholzarten in Frage und zwar
dürften in erster Linie die Eiche, sowie unsere Nadelhölzer ins Auge zu fassen sein.
Hinsichtlich des Standorts kommen alle einzelnen Faktoren desselben in Betracht,
da dieselben in ihrer Verschiedenheit wohl unzweifelhaft auch auf den Effekt der Aestung
modifizierend wirken können. Die Lage (Himmelsrichtung, Abdachung etc.) beeinflusst
das Klima und die physikalischen Eigenschaften des Bodens ; Grundgestein und Unter-
grund, Boden (besonders die Feuchtigkeitsverhältnisse) und Klima (Regenhöhe, Ver-
teilung der Niederschläge, Insolation u. s. w.) sind für die Entwickelung der Holzart
und für die Wachstumsenergie einzelner Individuen massgebend. Auch das Alter
der zu ästenden Bäume ist zu beachten, sofern man wahrscheinlich einem jungen bis
mittelalten vollkräftigen Individuum mehr zumuten kann als einem alten Stamme. Wie
sich jedoch die Wirkung aller dieser Momente bezüglich des Erfolges der Aufastung
gestaltet, ist noch aufzuklären.
b) Förderung des Unterwuchses. Hierbei kommt namentlich der Mittel-
Handbuch A. Fontw. fl. Aufl. I. 34
530 IV. Lorey, Waldbau.
wald, sowie der Hochwald mit natürlicher Verjüngung in Betracht. Im Mittelwald ist
die Bedeutung des Unterholzes meist eine sehr erhebliche, indem viele Besitzer, von
jeder einseitigen Steigerung der Oberholzproduktion absehend, auf die im Unterholz zu
gewinnende Brennholzmenge besonderen Wert legen müssen. Allzu reichliche Beschat-
tung seitens der OberstJlnder behindert die freudige Entwickelung des Unterwuchses,
so dass durch Entnahme eines Teils der Aeste an jenen, mit möglichster Berücksich-
tigung der unter a angedeuteten Gesichtspunkte, nachgeholfen werden muss. Nicht min-
der können unter Umständen die Jungwüchse des Plenterwaldes und des schlag weisen
Hochwaldbetriebes eine Lockerung des Kronenschirmes durch Entastung (Wegnahme
der unteren Aeste) fordern. Dadurch wird zugleich das spätere Ausbringen der Mutter-
bäume mit geringerer Schädigung des Unterwuchses möglich ^^^). Immerhin darf man
die nachteilige Wirkung einer nur zeitweisen stärkeren Ueberschirmung des Jungwuchses
nicht überschätzen, damit nicht für Aufastungen ohne W)t zu grosse Kosten aufgewendet
und nicht Stämme, welche noch längere Zeit stehen sollen, durch die Aestung zu gunsteu
des Unterstandes unverhältnismässig geschädigt werden.
c) Materialanfall: Die Aufastung liefert nicht nur eine je nach Umständen
mehr oder minder schätzbare Holzmasse, sondern wird vielfach auch zur Gewinnung
von Streu (Reissstreu im Gebirg) und Futterlaub (z. B. von Eschen) regelmässig vor-
genommen. Namentlich letztere beide, dem Gebiete des Nebennutzungsbetriebs zuge-
hörenden Zwecke sind oft Veranlassung einer, sonstige Rücksichten vernachlässigenden
Ausdehnung der Massregel (Schneidelbetrieb).
II. Erfolg der Aestung: Ausser den ad I a bereits angegebenen bedingen-
den Momenten sind von Einfluss die Ausführung der Entastung, die Zeit ihrer Vor-
nahme, der Umfang derselben (Anzahl und Stärke der weggenommenen Aeste), die
aufgewendeten Kosten.
A. Art der Ausführung und zwar
1. Ort der Abtrennung der Aeste: Man unterscheidet Aestung scharf
am Stamme, Aestung in geringem Abstände vom Stamme (sog. Stummeln), Einstutzen
der Aeste in grösserer Entfernung vom Stamme zum Behüte der vorläufigen Verhinde-
rung ihrer Stärkezunahme oder des allmählichen Abwelkens und späteren Nachschneidens
am Stamme.
Beim Aesten scharf am Stamm kann der Schnitt parallel zur Baumachse oder senk-
recht zur Astachse geführt werden. Im ersteren Falle ist die Wundfläche etwas grösser,
die Ueberwallung aber meist vollständiger, der Einfluss der Operation, weil der beim Schnitt
senkrecht zur Astachse meist verbleibende kleine Astteil fehlt, ein günstigerer. — Das
Belassen kurzer Stummel scheint meist zwecklos, ja wegen Einfaulens derselben schädlich,
wogegen das Belassen längerer Astreste mit einigen noch grünen Zweigen sich dann em-
pfehlen kann, wenn man starke Aeste an bald zu fällenden Stämmen nicht ganz zu ent-
fernen wagt, inzwischen jedoch die Beschattung des Unterwuchses vermindern möchte.
2. Instrumente: Ein glatter Schnitt ist bei der Grünastung zur Erzielung
möglichst rascher guter Ueberwallung unbedingt erforderlich ; alles Splittern, Einreissen
in Holz und Rinde, Loslösen der Rinde vom Holzkörper ist zu vermeiden. Nur für
schwache Aeste, welche mit einem Hieb vom Stamm getrennt w^erden können, sind
Beil oder Hoppe, event. auch ein (von unten zu führendes) Stosseisen anwendbar. Im
197) z. B. Aufastungen im Schwarzwald. Die allmähliche Entastung, hauptsächlicli
zu gunsten der Entwickelung des ünterwuchses, ist von der oft vollständigen Entastung un-
mittelbar vor der Fällung, behufs geringerer Beschädigung der Jungwüchse durch den fallenden
Stamm, zu unterscheiden. Von letzterer ist man vielfach abgekommen, weil infolge des
nunmehr ganz unvermittelten Aufschiagens der Stämme auf den Boden (Steinräuhen !) zu yiele,
insbes. Tannen-Stänmie zerbrechen.
Die Bestandeserziehong. § 62. 531
übrigen ist die Aestung mit der Säge (Hand- oder Stangensäge) vorzunehmen. Be-
sondere Aufastungssägen mit kleinen Zähnen und verstellbaren Blättern, wie z. B. die-
jenigen von Alers^^^), Nördlinger "^), sowie MüUer-Dörmer ^ooj.
3. Ausführung, Behandlung der Wundfläche: Zur Vermeidung des
Einreissens in den Stamm ist bei Entnahme aller stärkeren Aeste von unten her zu-
nächst an der Schnittstelle einzukerben; schwere Aeste werden überdies am besten
stückweise entfernt. — Die Schnittflächen werden bei Nadelhölzern, bei welchen öfters
Verschluss durch Harzaustritt erfolgt, und die kleineren auch bei Laubhölzern einer be-
sonderen Behandlung nicht unterzogen ; dagegen sollen alle grösseren Wundflächen, insbe-
sondere gegen das Eindringen von Pilzen, durch einen am einfachsten und billigsten aus
Steinkohlenteer zu beschaffenden Anstrich verschlossen werden. — Organisation der
Arbeit: Nur durchaus zuverlässigen, geübten Arbeitern darf die Aestung übertragen
werden. Bis zu einer gewissen Höhe vom Boden (ca. 6 Meter, ja mit Ansatzgestänge
bis zu ca. 10 — 12 Meter) kann die Stangensäge angewendet werden, weiter hinauf wird
die Astung durch Besteigen der Bäume vorgenommen. Zum Besteigen der Bäume sind
besondere Steigapparate erfunden worden, so von Zehnpfund der sog. Steigrahmen ^^^) ;
Verbesserungen desselben wurden vorgeschlagen von Hefele^^s) und anderen. Die
Anwendung der Alers'schen Baumgabel erfordert einen zweiten Arbeiter; ein solcher
ist auch zum Teeren der Wundstellen anzustellen.
B. Zeit der Auf astung^®^): Dieselbe soll bei Laubholz in der Zeit der
Saftruhe stattfinden ; am besten ist der Nachwinter : starker, anhaltender Frost, Hitze,
bedeutender Saftausfluss etc. würden ungünstig wirken; nach der Aestung im Nach-
winter beginnt mit eintretender Saftbewegung im Frühjahr alsbald die üeberwallung.
Bei Fichten jüngeren Alters ist beobachtet worden, dass die Sommergrünästung wegen
des mit ihr verbundenen Harzausflusses ein üeberkleben der Wunden und dadurch eine
Vorbeugung gegen das Eindringen der Pilzsporen und somit gegen die Fäulnis im
Gefolge hatte.
C. Ausdehnung der Aestung: In Frage steht die Stärke der zu ent-
nehmenden Aeste, deren Anzahl und Stellung am Stamm, im konkreten Falle beeinflusst
durch Höhe des Kronenansatzes, Kronenlänge, Kronendurchmesser, Kronendichte etc.
des zu entastenden Stammes.
Welche Grösse die einzelne Wundfläche je nach Alter, Stärke und Wtichsigkeit des
Stammes ohne Gefahr haben darf; in welchem Masse durch geringen vertikalen und seit-
lichen Abstand mehrerer Wundflächen von einander, namentlich bei stärkeren Aesten der
Ueberwallungsprozess erschwert und die Gefahr einer von denselben ausgehenden Verderbnis
erhöht wird ; welche relative Gesamtausdehnung der Wundflächen eines Stammes man nicht
ohne Nachteile, auch für die physiologischen Funktionen und die Zuwachsverhältnisse, über-
schreiten könne? sind Fragen, deren zuverlässige Beantwortung nach dem jetzigen Stand
unserer Kenntnis noch nicht möglich ist. (Weisstanne und Fichte sollen, nach Dengler,
198) Die sog. „Flügelsäge" von Forstmeister Alers in Helmstedt ist beschrieben in
Alers „lieber Aufästen der Waldbäume" etc. 2. Aufl. 1874. lieber ihre Leistung zu ver-
gleichen u. a. Hess , „Aufastung von Eichen" (Zentralbl. f. d. ges. Forstwesen 1879, S. 353).
Derselbe, Allg. F. u. J.Z. 1874, S. 37 ff. — Derselbe, „Astungen in Fichtenstangen-
hölzern" (Zentralbl. f. d. ges. Forstw. 1882, S. 452). — Zum Festhalten schwanker Aeste
behufs des Absägens hat Alers eine auf einer Stange befestigte „Baumgabel" konstruiert:
cfr. Allg. F. u. J.Z. V. 1886, S. 395.
199) cfr. Kritische Blätter, LI. Bd. a, S. 220 flf.
200) Allg. F. u. J.Ztg. 1893, S. 200.
201) Ztschr. f. d. ges. Fw. 1892, S. 465.
202) Fw. Ztbl. 1894, S. 299.
203) Vergl. K i e n i t z a. a. 0. S. 68, 72, 75, 78, 80.
34*
532 IV. Lore y, Waldbau.
bis zu 0,6 — 0,7, Kiefer und Lärche bis zu 0,8 der Baumhöhe entastet werden dürfen.
Tramnitz hält die Entnahme von 20 — 33% der grünen Krone für zulässig, fordert
aber für die Eiche, dass die Wunden [höchstens 4 cm Durchmesser !] in 3 — 4 Jahren über-
wallen.) Im allgemeinen ist Yor Beseitigung starker Aeste zu warnen, wogegen schwä-
chere Aeste an schönen Stämmen zu beseitigen sind.
D. Kosten: Die Aufastung ist als eine viel Sorgfalt erfordernde Manipulation
verhältnismässig teuer. Selbst wenn die hinsichtlich des Astungsverfahrens (Instrumente,
Arbeitsorganisation etc.) günstigen Bedingungen ausfindig gemacht sind, ist zu erwägen,
ob und inwieweit — nach Abzug des Weites der anfallenden Astmasse — der Auf-
wand durch die erwarteten Vorteile gedeckt wird. Für sicheres ziffermässiges Bemessen
fehlen bislang die nötigen Anhaltspunkte.
Angesichts der zahlreichen bedingenden Faktoren ist die Aufastungsfrage eine
überaus komplizierte, zu deren allseitiger Lösung sich Pflanzenphysiologen und Forst-
leute verbinden müssen. Vorläufig scheint bezüglich der Grünästung grosse Vorsicht
geboten zu sein, mindestens insoweit es sich um Stämme handelt, welche noch längere
Zeit wachsen sollen. Jedenfalls wird man gut tun, die Aestung vorerst nur als eine
Ausnahmsmassregel zu betrachten.
Viertes Kapitel.
Auszugshauungen.
§ 63. Dieselben entfernen solche vom vorigen ümtrieb überkommene üeberhalt-
stämme, welche nicht geeignet sind, bis zur Hiebsreife des jetzigen Bestandes auszn-
halten. Die Veranlassung liegt zumeist in den betreffenden Stämmen selbst, indem ein
grosser Teil derselben vorzeitig schadhaft wird und im Zuwachs nachlässt; zum Teil
aber fordert auch die Pflege des umgebenden Bestandes, welcher durch die meist breit-
kronigen Altholzstämme in seiner Entwickelung gehemmt wird, deren Aushieb. Es ist
zu erwägen, ob im Falle des Stehenlassens die Wertsmehrung des üeberhälters für den
Zuwachsausfall am neuen Bestände ein Aequivalent bietet. Die Fällung hat mit der
nötigen Vorsicht (vorheriges Entasten etc.) zu erfolgen, damit der Jnngbestand mög-
lichst wenig leidet.
Fünftes Kapitel.
Unterbau und Lichtungsbetrieb.
§64. Vorbemerkungen: Unter Unterbau versteht man das Einbringen
eines Unterholzes in einen vorhandenen Bestand, unter Lichtungsbetrieb einen solchen
Eingriff in einen Bestand, welcher den einzelnen Bäumen desselben eine räumlichere
Stellung schafft, als sie durch den natürlichen Auslichtungsprozess und die regelmässi-
gen Durchforstungen herbeigeführt wird. Beide, Unterbau und Lichtungsbetrieb, be-
zwecken eine Steigerung des Zuwachses, der erstere hauptsächlich durch Verbesserung
der physikalischen Bodeneigenschaften, der letztere durch Gewährung eines vergrösserten
Wachsraumes für Wurzeln und Krone. Im Vergleich zum nicht unterbauten geschlos-
senen Hochwaldbestande, welcher in bestimmter Zeit Stämme von gewissen mittleren
Dimensionen erzeugt, soll also entweder in der gleichen Zeit stärkeres und damit wert-
volleres Holz oder es soll gleich starkes (gleichwertiges) Holz in kürzerer Zeit erzielt
werden; in beiden Fällen hat man einen wirtschaftlichen Gewinn, so lange nicht die
Zuwachsmehrung nur durch einen verhältnismässig zu hohen Kostenaufwand herbeige-
führt wird. Unterbau und Lichtungsbetrieb sind an sich verschiedene Massregeln, gehen
aber insofern Hand in Hand, als vielfach eine Bestandeslichtung Bedingung für ge-
Die Bestandeserziehang. § 85. 533
deihlicben Unterban ist and umgekehrt ein über das Mass einer kräftigen Dnrchforstiing
hinausgehender stärkerer Aushieb im Bestände öfters den Unterbau als Ergänzung
fordert, wenn nicht eine Bodenverschlechterung eintreten soll.
Danckelmann nennt (cfr. Zeitschr. f. F. u. J. 1881, S. 5) Hochwald-Unterbau-
betrieb einen Hochwaldbetrieb mit anfangs gleichaltrigem Hauptbestand und mit Unterbau
von Schattenholzarten im stark durchforsteten Stangen- oder geringen Baumholzbestande.
Derselbe unterscheidet sich vom Lichtungsbetriebe dadurch, dass der Zwischenhieb bei die-
sem stark in den Hauptbestand eingreift, bei jenem dagegen in der Hauptsache nur Neben-
stand entnimmt.
I. Unterbau insbesondere^®*).
A. Allgemeine Gesichtspunkte.
§ 65. Der Unterbau ist in erster Linie eine Massregel der Bodenpflege. Man
unterscheidet den zu unterbauenden Best-and und die einzubringende Holzart. Es ist
Tatsache , dass sich in allen anfänglich^ geschlossenen Beständen früher (bei Lichthöl-
zern) oder später (bei Schattenhölzem) von selbst eine Auslichtung vollzieht, indem
allmählich eine immer grössere Anzahl von Stämmen infolge der Bedrängung durch
die Nachbarn oder aus anderen Gründen abständig wird. Die hiermit gegebene Unter-
brechung des Kronenschlusses gewährt der Sonne und dem Wind Zutritt zum Boden,
welchem dadurch seine Feuchtigkeit entzogen, dann aber auch durch beschleunigte Zer-
setzung der Streudecke geschadet wird. Die Humusbildung erfolgt nicht mehr im bis-
herigen Verlauf; die Ueberkleidung des Bodens mit spontan auftretenden Standortsge-
wächsen bietet meist kein genügendes Gegenmittel, sondern beschleunigt oft die Aus-
hagerung des Bodens, weil viele jener Gewächse (meist Lichtpflanzen) demselben Wasser
entziehen, ohne darch intensive Beschirmung und ausgiebigen Laubabfall, also durch
Vermittelung reichlicher Humusbildung für Erhaltung, bezw. Vermehrung der Boden-
tätigkeit zu sorgen.
Die Fälle, in welchen sich blattrciche, dichtgeschlossene Forstunkräuter so massen-
haft einstellen, dass die Funktionen des künstlich eingebrachten Unterholzes übernehmen
könnten, bilden nicht die Regel, zumal nicht auf mittleren Standorten, für welche der
Unterbau sehr häufig in Betracht kommt. Beste Böden (z. B. Auwaldungen) bedürfen
desselben oft nicht.
In ähnlicher Weise, wie durch die natürliche Auslichtung, wird die Unterbrechung
des Kronenschlusses durch Beschädigungen, welche von aussen an den Bestand heran-
treten (Insekten, Sturm, Schnee), sowie durch wirtschaftliche Eingriffe herbeigeführt.
Wird nun ein solcher Bestand unterbaut, so will man durch diese Massregel die Lei-
stungsfähigkeit des Bodens erhalten, wenn möglich dieselbe steigern oder, wäre sie schon
gesunken, den früheren Zustand wieder herstellen, von der Ueberzeugung ausgehend,
dass nur eine dauernd vollständige Bedeckung der Bodenoberfläche hierzu geeignet ist.
Ob der erwartete Erfolg wirklich eintritt, muss demnächst die Beschaffenheit des
unterbauten Bestandes dartun. Der überzeugende Beweis kann nur durch den kompara-
tiven Versuch erbracht werden, indem man von zwei im übrigen ganz gleichen Beständen
(bezw. Bestandesteilen) den einen unterbaut, den anderen ohne Unterbau weiter behandelt,
so dass die Verschiedenheit des schliesslichen Holzanfalls als eine Folge des ausgeführten
204) Zu vergleichen u. a. : Arbeitsplan betr. Versuche über Unterbau- und Lichtungs-
betrieb im Hochwald, aufgestellt von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten
(siehe Jahrbuch der preuss. Forst- u. Jagdgesetzgebung und Verwaltung XIX. Bd., 1. Heft,
S. 12). — Urich, „Unterbau von Lichtholzarten« (Forstw. Zentralbl. 1884, S. 472). —
Borggreve, „Lichtungshieb mit Unterbau ** (Forstl. Blätter 1883, Febr.). — Schott
von Schottenstein in d. Forstl. Blättern Mai 1883, S. 145 ff. : eine Entgegnung auf
den vorzitierten Artikel Borggreve' s. — Landolt, Schweiz. Zeitschrift 1883, S. 172.
— Käst, Der Unterbau und seine wirtschaftliche Bedeutung (Z. f. d. g. F. 1889 S. 51.
102. 150).
534 IV. Lorey, Waldbau.
oder nnterlassenen Unterbaues angesehen werden kann. Von vielen Seiten werden günstige
Erfolge des Unterbaues gemeldet; aber es darf nicht übersehen werden, dass häufig der
zu vergleichende nicht unterbaute Bestand fehlt. Nach den Untersuchungen von Käst
ist eine direkte Steigerung des Zuwachses als Folge des Unterbaus nicht nachzuweisen,
jedoch eine Mehrung der Sommcrholzbildung und eine günstige Wirkung auf den Boden.
Gruppen- und horstweiser Unterbau ist am meisten am Platze. Wenn geltend gemacht
wird 2°^), durch den Unterbau schaffe man für den Oberstand eine am Nährstoffkapital des
Bodens mitzehrende gefährliche Konkurrenz, so wäre dies nur insoweit zuzugeben, als
Teile des Unterwuchses zur Nutzung herangezogen werden. Dies ist aber in erheblicherem
Umfang meist nur dann der Fall , wenn der Oberstand bereits so stark durchlichtet ist,
dass durch ihn allein keine vollständige Auswirkung der Bodenkräfte mehr stattfindet.
Aber selbst wenn eine etwas gesteigerte Mineralstoffentnahme einträte, dürfte dieselbe
durch den günstigen Einfiuss des Unterbaues auf die physikalischen Bodeneigenschaften
reichlich paralysiert werden. Dagegen kann allerdings der sehr dichte Unterwuchs einen
Wasserentzug im Boden herbeiführen, welcher für den Oberbestand nachteilig wird. Eine
derartige bodenaustrocknende und dadurch den Zuwachs mindernde Wirkung des Fichten-
unterwuchses unter Kiefern ist durch Untersuchungen von Geh. Oberforstrat Zetzsche in
Meiningen nachgewiesen worden 2^*).
B. Bedingende Momente.
§ 66. Beim Unterbau kommt in Betracht: die zu unterbauende Holzart, die
spezielle Aufgabe des Unterwuchses, die einzubringende Holzart, der Boden, die Zeit
des Unterbaues, die Art der Ausführung.
1. Die zu unterbauende Holzart: Im allgemeinen werden nur solche
Holzarten unterbaut, welche für sich allein dem Boden nicht dauernd die nötige Be-
schirmung gewähren, also vorab Lichthölzer und zwar naturgemäss dann, wenn Ge-
winnung von Nutzholz beabsichtigt wird, zu dessen Erziehung solche Abtriebsalter
erforderlich sind, welche jenseits des Zeitpunktes der beginnenden, energischen, natür-
lichen Bestandesauslichtung liegen 2®'). Der Unterbau findet seine Stelle hiemach zu-
meist in Beständen der Eiche, Kiefer und Lärche.
2. Die spezielle Aufgabe des Unterstandes: Derselbe soll entweder
nur den Boden bedecken (reines Bodenschutzholz), oder man will von demselben neben
dem Oberstand noch eine mehr oder minder beträchtliche Nutzung beziehen. Im ersten
Fall genügt eine Unterbrechung des Kronenschlusses im Oberstand soweit, dass die
eingebaute Holzart sich gerade lebenskräftig im Schluss erhalten kann, ohne aber zu
irgend lebhafterer Entwickelung angeregt zu sein; im zweiten Falle muss man ihr
durch w^eitergehende Eingriffe in den Oberstand lebhafteres Wachstum verstatten, und
es ergeben sich dann, je nach den verschieden weitgehenden Ansprüchen, die man an
beide Bestandesteile (Oberstand und Unterwuchs) macht, zahlreiche Modifikationen in der
Durchführung, die sich aber, wenn auch nicht schon alle als eigentlicher Lichtungsbe-
trieb, so doch als Uebergänge zu demselben charakterisieren lassen.
3. Der Boden, oder allgemeiner der Standort überhaupt, wirkt einmal durch
seinen Einfiuss auf die Beschaffenheit des zu unterbauenden Bestandes, sodann in Ab-
sicht auf das Gedeihen der Unterbauholzart. Da sich auf besseren Standorten die
natürliche Ausscheidung am greifbarsten vollzieht, hier auch Beihilfe in Gestalt von
Durch forstungen oft am meisten angebracht ist, kommen solche Orte für den Un-
terbau zunächst in Betracht. Wie weit man mit demselben auch auf geringem Stand-
205) Borggreve a. a. 0.
206) Allg. F. u. J.Ztg. 1890 S. 269 Schmidt, Bodenschutzholz und Unkrautdecke
in ihren Beziehungen zu Bodenfeuchtigkeit und Bestandeszuwachs.
207) Für ausnahmsweise, z. ß. im kleinen Privatbesitz vorkommende Umtriebszeiten
von 50 bis 60 Jahren, bei welchen nur Brennholz und geringe Nutzhölzer erzeugt werden
sollen, kann der Unterbau wohl meist entbehrt werden.
Die Bestandeserziehang. § 66. 535
orte vorgehen soll, lässt sich nicht allgemein angeben, sondern muss erst durch direkten
Versuch festgestellt werden. A priori lässt sich vermuten, dass der Erfolg der Mass-
regel auf schlechten Böden sehr bald ein zweifelhafter sein wird, weil die Sicherheit
des Gedeihens der eingebrachten Holzarten und damit die Wahrscheinlichkeit einer
günstigen Einwirkung auf den Boden und Oberholzbestand bei gleichem, ja vielfach
bedeutenderem Kostenaufwand geringer wird.
4. Die einzubringende Holzart: Dieselbe muss, der Natur der Sache
nach, eine schattenertragende sein, damit sie unter dem Drucke der Oberholzkronen
mindestens soweit wuchskräftig bleibt, um die erwarteten günstigen Wirkungen auf
den Boden zu gewährleisten. Somit kämen zunächst in Betracht die Buche, Tanne und
Fichte, sodann Hainbuche, l^inde, event. auch (für besonders nasse Böden) Schwarzerle.
Entscheidend für die Wahl der einzubringenden Holzart ist vorab der Standort, da-
neben aber der Zweck des Unterbaues. Die Buche ist wohl diejenige Holzart, welche,
sofern der reine Schutzzweck in Betracht kommt, zunächst in Wahl steht, da sie durch
ihren Laubabfall am günstigsten auf den Boden wirken dürfte. Sie taugt aber nicht in
kalte, nasse Lagen ; hier wird sie meist sehr zweckmässig durch die H a i n b u c h e er-
setzt. Guten Erfolg verspricht auch die L i n d e (selbst auf minderkräftigem Boden), doch
wird man sie meist nicht eigens anbauen, wohl aber ihr, wo sie vorhanden ist, den Platz
gönnen. Die R o t e r 1 e könnte nur ausnahmsweise auf nassen Stellen angewendet werden,
wogegen die Weisserle auf trockenem Standorte , z. B. auf Kalkböden in Betracht
kommen würde. Alle diese Laubhölzer liefern, auch bei lichterer Stellung des Oberstandes,
nur Brennholz. Sobald von dem Unterstand auch Nutzholzproduktion verlangt wird, muss
man zur Tanne oder Fichte greifen. Vornehmlich dürfte sich die Tanne dazu eignen.
Dieselbe ist nicht nur sehr zählebig unter stärkerem Schirmdruck, sowie demnächst rasch-
wüchsig, sobald sie freigestellt wird, sondern bleibt mit ihrer Wurzel nicht in der Boden-
oberfläche, diese verfilzend, und verschliesst, trotz reichlicher Benadelung, den Boden doch
nicht zu sehr. Bei der Fichte liegt immer die Gefahr eines zu intensiven Abschlusses
des Bodens von Luft und Niedersclilägen (durch Wurzelgeflecht und Krone) vor. Jeden-
falls sollte die Fichte nicht zu engständig eingebracht werden. Ueberdies ist zu beachten,
dass Nadelhölzer, wie Tanne und Fichte, in den ersten Jahren nach dem Einbringen dem
Boden nichts zurückgeben, da sie ihre Nadeln während einer Reihe von 5 — 8 Jahren be-
halten. Für manche Fälle (bei stärker gelichtetem Oberstand) könnte vielleicht auch die
Weymouthskiefer als Unterbauholz in Frage kommen.
5. Die Zeit des Unterbaues: Nach der Art der für den Unterbau gestell-
ten Aufgaben ist der richtige Zeitpunkt für denselben von der Beschaffenheit des zu
unterbauenden Bestandes abhängig. Frühzeitiger Unterbau gewährt dem Boden am
meisten Schutz ; doch muss die Entwickelung der eingebrachten Holzart durch entspre-
chende (natürliche oder künstliche) Lockerung des Kronenschlusses im Oberstand sicher
gestellt sein. Dabei ist die verschiedene Wirkung eines höheren oder tieferen Kronen-
ansatzes zu beachten, d. h. in einem schon etwas älteren, bezw. höheren Bestände kann
das Schirmdach in sich ein etwas dichteres sein. Man wird im allgemeinen kaum vor
dem 30. Jahre unterbauen, andererseits aber, meist auch nicht länger als bis zum 60.
oder 70. Jahre mit der Einbringung des Unterholzes warten dürfen, wenn nicht in-
zwischen schon eine nachteilige Veränderung der Bodenbeschaffenheit hervortreten soll.
Entscheidend ist dabei natürlich auch das Abtriebsalter des Oberstandes. Der Unter-
bau kann sich nur dann empfehlen, wenn das Unterholz noch genügend Zeit hat, auf
den Boden zu wirken. Unter dieser Voraussetzung können auch noch ältere als 70-
jährige Bestände oft mit Vorteil unterbaut werden (z. B. 80 — 100jährige Eiche bei
140jährigem Umtrieb).
6. Ausführung: Wie überhaupt, so ganz besonders da, wo von dem Unter-
holz keine Nutzung erwartet wird, ist auf möglichste Reduktion der Kosten des Ver-
fahrens zu achten. Je nachdem das Kultarmaterial verfügbar ist, wählt man Saat
oder Pflanzung. Als Saatmethode findet man breitwürfiges Einbringen ebenso wie
536 IV. Lorey, Waldbau.
Riefen- nnd Plätzesaat in Anwendung. Mastjahre der Bache and Tanne sind möglichst
aaszunatzen. Wird Pflanzung vorgezogen, so bedient man sich eines einfachen Ver-
fahrens mit geringen (zweijährigen Bachen- und Hainbachen-, 3 — 5jährige Tannen-)
Pflänzlingen. Die Anzacht derselben erfolgt zweckmässig aaf Wandersaatbeeten unter
Schatzbestand 2^). Der zn anterbaaende Bestand ist vorher, falls die natürliche Aos-
lichtung einer Ergänzung bedarf, zu durchforsten, wobei namentlich die zu Nutzholz
nicht tauglichen Stämme (Zwieselbildungen, Drehwuchs etc.) herauszunehmen sind. Die
Schirmstellung ist in der Regel so zu wählen, dass nicht gleich in den ersten Jahren
nach dem Einbringen des Unterholzes eine Nachlichtung nötig wird. Jedenfalls aber
ist in allen Fällen mindestens derjenige Grad der Durchlichtung herzustellen, wie er
einer entschieden starken Durchforstung entspricht.
C. Besondere Fälle des Unterbaues.
§ 67. 1. Unterbau der Eiche: Für denselben empfiehlt sich zunächst ein
Laubholz, also in erster Linie die Buche; namentlich wenn jüngere (40 — 50jährige)
Eichenbestände unterbaut werden sollen, ist das Einbringen von Nadelholz — abge-
sehen von den schon angedeuteten besonderen Bedenken gegen die Fichte — deshalb
gefährlich, weil dasselbe, sobald es durch weiter vorschreitende Lichtung im Oberstande
zu kräftiger Entwickelang angeregt wird, oft zu rasch in die Krone der Eichen nach-
drängt und letztere, auch ohne dass vollständiges Ueberwachsen stattfände, durch seit-
liches Beengen schädigt. Behufs möglichster Vermeidung der Wasserreiserbildnng ist
beim Unterbau in Eichenbeständen stets vorsichtige, langsam gesteigerte Lichtzufuhr
geboten. Zu dem Ende darf man auch mit dem Aushieb der nutzholzuntauglichen
Eichen nicht auf einmal zu radikal vorgehen. 2. Unterbau der Kiefer: Die
vorangedeuteten Gründe gegen Fichte und Tanne treten hier zurück. Unterbau mit
Tannen ist insbesondere oft rentabel, sofern der Standort demselben kein Hindernis
bietet. Die Entwickelung der unterbauten Bestände gestaltet sich oft so, dass man
vom waldbaulichen Standpunkte aus bei der weiteren Behandlung sowohl die Kiefer
als die Tanne (event. Fichte) begünstigen und die Entscheidung gänzlich dem lokalen
Wertsverhältnis der beteiligten Holzarten überlassen kann. — Vergl. auch Danckelmann
„Kiefern-Unterbaubetrieb" (Zeitschr. f. F. u. J. 1881, S. 1), desgleichen Weinkauff,
Ueber den Unterbau der Kiefern mit Buchen im Pfälzer Wald (Fw. Zbl. 1896, S. 442).
Auch Weymouthskiefer kann als Füllholz zur Erziehung der Kiefer auf Buntsandstein
mit gewählt werden. 3. Unterbau der Lärche: Hier kommt die Buche als ein-
zubringende Holzart in Frage, doch kann meist ebenso gut ein einzubauendes Nadel-
holz, vorab die Tanne gewählt werden.
IL Lichtungsbetrieb insbesondere ^^).
A. Allgemeine Gesichtspunkte.
§ 68. Die Wirkung des Lichtes ist unter den bei der Entwickelung der Pflanzen
wirksamen Faktoren mit in erster Linie beteiligt. Vermehrter Lichtgenuss steigert den
Zuwachs, sofern die sonstigen Wachstumsbedingungen, insbesondere die Feuchügkeits-
208) In der Grossh. hess. Oberförsterei Viernheim werden z. B. massenhaft Buchen-
pflanzen in lichten Kiefernbeständen auf oberflächlich vorbereiteten Beeten erzogen. — Der
Unterbau mit stärkeren Pflanzen kann nur in sehr verlichteten Beständen zur Bewältigung
des Unkrauts in Frage kommen, ist aber wegen der hohen Kosten bedenklich. — Bereits
vorhandene Bodensträucher können je nach ihrer Art (Rhamnus, Vibumum, Lonicera etc.)
unter Umständen belassen bezw. in den Unterbau einbezogen werden (nötigenfalls nach vor-
herigem Aufdenstocksetzen), immer jedoch so, dass die einzubringende Schattenholzart nicht
notleidet, sondern herrschend wird.
209) Vergl. Burckhardt, „Licbtungsbetrieb der Buche und Eiche" in Aus dem
Walde VII, S. 88 ff.
Die Bestandeserziehnng. § 69. 537
Verhältnisse des Bodens günstig sind. Als direkte Folge des erhöhten Lichteinflnsses
anf die Baumkrone ist immer ein gesteigerter Zuwachs am einzelnen Baum zu konsta-
tieren, wenn sich derselbe öfters auih nur zunächst im grösseren Wachstum der Krone
und der Wurzeln ausdrückt"**). Diese Zuwachsvermehrung findet aber ihre Grenze;
sie kann beim Einzelbaume und entsprechend auch beim Bestände nicht über ein be-
stimmtes Mass hinausgehen, weil die überhaupt mögliche Arbeitsleistung des Baumes
eine beschränkte ist, bedingt durch die grösste Zahl dabei tätiger Organe (Wurzeln,
Blätter), die er überhaupt auszubilden vermag, bezw. bis zu einem bestimmten Zeit-
punkte ausgebildet hat ; d. h. der einzelne Baum kann nicht mehr als einen beschränkten
Standraum ausnutzen. Das mögliche Maximum der Leistung des Einzelbaumes ist zu
kombinieren mit der pro Flächeneinheit vorfindlichen Anzahl der Individuen, üeberdies
ist die durch Freistellung veränderte Zuwachsverteilung am Baume (veränderte Form,
verhältnismässig starke Verdickung des unteren Schaftteiles), sowie die durch Zuwachs-
steigerung etwa herbeigeführte Aenderung der technischen Eigenschaften (breite, enge
Jahresringe etc.) zu beachten. Diese stärkere Zunahme des unteren Schaftteiles ist
nach Metzger*") bedingt durch das grössere Andrängen des Windes bei Freistand,
welcher ein Tieferrücken des Schwerpunktes erheischt, wie solches durch Verstärkung
des Dickenwachstums im unteren Teile des Schaftes erfolgt. Ausschlaggebend für den
Wirtschaftserfolg ist schliesslich der Preis der insgesamt pro Flächeneinheit in gegebe-
ner Zeit erzielten Produkte.
Der Lichtungsbetrieb schliesst sich unmittelbar an die starke Durchforstung an.
Die Grenze zwischen beiden dürfte, wenn eine durchschnittliche Zahl angegeben werden
soll, vielleicht bei einer Entnahme von 0,2 der Masse des normal entwickelten Vollbe-
standes zu finden sein*^*); ein dieses Mass übersteigender Aushieb unterbricht den
Kronenschi uss in der Regel schon so weit, dass am stehengebliebenen Bestandesteil ein
eigentlicher Lichtungszuwachs zur Auswirkung kommt; ob aber dieser immerhin noch
geringe Eingriff genügt, um die höchste Leistung herbeizuführen, ist erst durch zahl-
reiche komparative Versuche noch weiter zu erforschen *^^).
Mit dem Namen „Lichtungsbetrieb" wird nicht gerade eine besondere Grundform
forstlicher Betriebssysteme bezeichnet, sondern man meint damit gewöhnlich nur gewisse
Formen des schlagweisen Hochwaldes, welche sich als Modifikationen des nach der Schab-
lone heraufwachsenden mehr oder minder gleichalterigen Schlussbestandes charakterisieren.
Dagegen ist der durch zahlreiche neuere Untersuchungen wiederholt nachgewiesene bedeu-
tende Lichtungszuwachs im Plenterwald nicht das Produkt eines besonderen Lichtungsbe-
triebs, sondern mit dem normal geleiteten Plenterbetrieb durch dessen grundsätzliche Ei-
gentümlichkeiten jederzeit verknüpft. Ebenso gehört der Lichtungszuwachs an üeberhäl-
tem für den zweiten ümtrieb nicht unter die Rubrik „Lichtungsbetrieb".
B. Bedingende Momente.
§ 69. Auch hier kommen, analog wie beim Unterbau, eine ganze Reihe einzelner
210) Grassmann, „Beitrag zur Lehre vom Lichtungszuwachs etc.^ (Allg. F. u.
J.Ztg. 1900 S. 45).
211) Metzger, „Studien über den Aufbau der Bäume und Bestände nach statischen
Gesetzen« (Mund, forstl. Hefte V und VI).
212) cfr. den in Anmerkung 204 erwähnten Arbeitsplan der Versuchsanstalten, wo-
selbst der geringste Lichtnngsgrad auf Aushieb von 20% der Holzmasse normiert ist; jede
geringere Entnahme würde noch als Durchforstung zu bezeichnen sein.
213) Borggreve ist der Ansicht, dass eine Verminderung der Masse um 0,2 als
Regel genüge, um vollen Lichtungszuwachs zu gewähren ; bei diesem Eingriff sei ein Unter-
bau keinenfalls nötig, weil die Kronenlockerung noch eine sehr massige sei. Üeberdies will
B. hauptsächlich den Lichtungszuwachs der späteren Lebensperioden eines Bestandes nutzbar
machen, während andere, wie z. B. Wagener davon ausgehen, dass der Lichtungszuwachs
vornehmlich bis zum etwa 80jährigen Alter Grosses leiste.
538 IV. Lorey, Waldbau.
Umstände in Betracht, nämlich: der zu lichtende Bestand, der besondere Zweck des
Lichtungshiebes, die Zeit des Bef^innes, das Mass der Lichtung, die Art und Häutig-
keit wiederholter Lichtungen, der mit der IJchtuag etwa verbundene Unterbau.
1. Der Bestand: Beim Lichtungsbetrieb handelt es sich keineswegs nur um
die Erzielung hervorragenden Nutzholzes, sondern um Zuwachssteigerung überhaupt,
so dass derselbe auch für Brennholzorte oft mit Vorteil eingeführt werden kann; nur
ist in solchen wegen der verhältnismässig geringeren Wertsmehrung der Kostenaufwand
für künstliche Einbringung eines Unterstandes selbstredend vorher noch sorglicher zu
erwägen, als bei dem mit hohem Qualitätszuwachsprozent arbeitenden Nutzholzbestande.
Bildet sich dagegen ein Unterwuchs mittelst vorzeitiger, infolge der Lichtung beschleu-
nigter natürlicher Besamung, so dass der Boden gedeckt ist, so kann auch für Brenn-
holzwirtschaften (Buche) die stärkere Durchlichtung infolge der Zuwachssteigerung bei
gleichzeitiger Abminderuug des Materialvorrat^s von hoher Bedeutung werden. Immer-
hin besteht der Hauptzweck des Lichtungsbetriebes in der Anzucht hochwertigen Nutz-
holzes, weshalb neben der Eiche namentlich wieder unsere Nadelhölzer : Forche, Lärche,
Tanne, Fichte in Betracht kommen. Nur Bestände auf besseren Standorten werden die
auf die Durchführung des Lichtungsbetriebes verwendete Mühe entsprechend lohnen.
2. Der besondere Wirtschaftszweck: Dass überhaupt nur WTichs-
fähigen Stämmen im Lichtbestand die gewünschte Zuwachssteigerung zugemutet
wird, ist selbstverständlich. Wo Nutzholz erzogen wird, sind im allgemeinen alle
Stämme von zweifelhafter Nutzholzqualität in solchem Umfange zu entfernen, dass nicht
dadurch eine augenblicklich oder für die Dauer zu weitgehende Bestandeslichtung her-
beigeführt wird. Man kann in der Folge (durch nur massige Lichtung) eine Mehrzahl
annähernd gleichgearteter mittelstarker Stämme erziehen oder durch stär-
keres Freihauen eine kleinere Zahl von Stfimmen besonders begünstigen. Ausserdem
ist darüber zu entscheiden, ob man vorzugsweise die Mittelklassen fördern oder die
Individuen der stärksten Klasse zur Ausbildung hervorragender Dimensionen bringen
möchte; femer, ob man den Zweck durch gleichmässige oder mehr gruppenweise Ver-
teilung der zu belassenden Stämme erreichen will.
Gleichmässige Verteilung wird beim eigentlichen Lichtungsbetrieb immerhin die Regel
bilden ; man muss dabei auf den Einzelstamra eingehen ; möglichst viele, allseitig normal
entwickelte Individuen sollen im Bestände vorhanden sein, für deren jeden ein bestimmter
Anteil am Boden- und Luftraum verfügbar ist. Die Anordnung in Gruppen ist gleichbe-
deutend mit dem üebergang zur Fcmelschlagform, welche hier nicht beabsichtigt wird. Ob
mehr die stärksten oder mehr die mittelstarken Stämme bei der Schlagstellung zu berück-
sichtigen sind, hängt zunächst von der Verteilung der Gesamtstammzahl auf die einzelnen
Durchmesserstufen , sowie von der räumlichen Verteilung der einzelnen Stärkeklassen im
Bestände ab. Daneben entscheidet das Wertsverhältnis der verschiedenen Sortimente.
3. Beginn: Der Arbeitsplan des Vereins deutscher forstlicher Versuchsan-
stalten setzt als Zeit für Einleitung von Versuchen über Lichtungsbetrieb das Alter
der Bestände von 30 — 70 Jahren fest. Hiermit ist alles ausgedrückt, was als allge-
meine Regel ausgesprochen werden kann: man will früh beginnen, um dem Bestände
durch einen möglichst langen Zeitraum seiner Gesamtentwicklung die Vorteile der Lich-
tung zu sichern, doch aber nicht so früh, dass nicht der Bestand vorher, mehr oder
minder geschlossen, eine gehörige Mittelhöhe erreicht und sich dabei von überflüssigen
Aesten genügend gereinigt hätte; man will und kann keinen bestimmten Zeitpunkt
angeben, in welchem die erste Durchlichtung behufs Herbeiführung des grössten Erfolgs
stattzufinden hat, sondern macht alles von der jeweiligen Beschaifenheit des Bestandes
abhängig, der doch mindestens schon als angehendes Stangenholz angesprochen werden
soll; man will übrigens mit jener Umgrenzung nicht erklären, dass jeder später als
Die Bestandeserziehung. § 69. 539
im 70. Jahre beginnende Lichtnngsbetrieb wertlos sein werde, vielmehr gilt diese Zahl
lediglich für die besonderen Zwecke der einzuleitenden Versuche, während sonst in den
meisten Fällen auch eine später erfolgende Lichtung noch guten Dienst tun wird.
Holzart, Bestandesbegründnng, bisherige Behandlung, Standort, auch in beschränktem
Masse die Absatzverhältnisse beeinflussen im konkreten Falle die Entscheidung in ähnlicher
Weise, wie dies in § 63 bezüglich des Unterbaues angedeutet worden ist. üeberdies soll
ja über die einschlägigen Fragen erst in Zukunft durch komparative Versuche endgültige
Aufklärung gewonnen werden. Im allgemeinen aber dürfte möglichst frühzeitiger Beginn
am erfolgreichsten sein.
4. Das Mass der Lichtung: Ein auch nur in den meisten Fällen absolut
vorteilhaftestes Mass kann nicht angegeben werden, sondern — abgesehen davon, dass
auch in dieser Richtung sichere Anhaltspunkte für jede allgemeinere Beurteilung noch
fehlen, — erfordern die besonderen Umstände des einzelnen Falles je eine besondere
Begutachtung. Auf mehr als 50 Prozent des Vollbestandes (bezogen auf die Stamm-
grundfläche) wird man den Aushieb kaum je ausdehnen, ja in den weitaus meisten
Fällen nicht an diese Grenze herangehen (wenigstens sicherlich nicht, wenn nur die
Entwickelung des Oberstandes ins Auge gefasst wird) ; anderenfalls erhalten die Einzel-
stämme schon einen über das Maximum ihrer Ausnutzungsfähigkeit hinausgehenden
Standraum. Jedenfalls kann ein, 20% der Masse des regelmässig durchforsteten Voll-
bestandes übersteigender Eingriff kaum je ohne gleichzeitigen Unterbau stattfinden.
Dann allerdings können Rücksichten auf die Erziehung eines wertvollen Zwischenbe-
standes — (event. freilich auch das Fehlen • einer genügenden Anzahl Nutzholz ver-
sprechender Oberholzstämme) im Einzelfalle auch einen noch weitergehenden Eingriff
begründen. Doch steht man dann vor einer waldbaulichen Aufgabe, die korrekterweise
nicht eigentlich mehr als Erzielung möglichst wertvollen Lichtungszuwachses bezeichnet
werden kann. Jedenfalls muss man bei der Herstellung stärkerer Lichtungsgrade, mit
Rücksicht auf Schaftlodenbildung (Eiche), Sturmgefahr, Duftbruch u. s. w., vorsichtig
sein, so dass dabei in der Regel die allmähliche Ueberleitung ^i^j vor plötzlichem Ueber-
gang den Vorzug verdient.
5. Wiederholte Lichtung: So oft der Charakter des erstmals eingeführ-
ten, bezw. dauernd beabsichtigten Lichtstandes durch erfolgte Kronenverbreiterung ver-
loren gegangen ist, muss eine Nachlichtung eintreten. Da eine beschleunigte Neubildung
in der Krone des gesunden, wuchskräftigen Baumes die naturgemUsse Folge der Lich-
tung ist und dadurch der Bestand seinen Lichtungsgrad alsbald zu verringern beginnt,
so könnte nur durch andauernden Aushieb von Stämmen (oder durch Entastung) ein
bestimmter durchschnittlicher Lichtungsgrad erhalten bleiben. In der Praxis ist dies
auf grösseren Flächen unausführbar; vielmehr wird, von ganz besonderen Ausnahms-
fallen feinerer Bestandespflege abgesehen, in bestimmten (5 — 10jährigen) Perioden die
Durchlichtung wiederholt, in demselben Sinne, wie auch bei den Durchforstungen meist
nur periodische Wiederkehr des Hiebs in die einzelnen Waldorte möglich ist. Sorg-
föltige Begutachtung der einzelnen Stämme bei der Auszeichnung ist hiebei dringend
anzuraten.
6. Unterbau: Derselbe bildet beim Lichtungsbetrieb immer dann die Regel,
wenn sich nicht durch natürliche Besamung (Schattenhölzer, wie Buche, Tanne, Fichte)
oder durch Stockausschlag (z. B. von Linde, Buche, Hainbuche, Eiche, selbst von Strauch-
hölzern) oder durch Vermittelung von Vögeln ein den Boden schützender Unterwuchs
einstellt. Blosses Ueberkleiden des Bodens mit Forstunkräutern etc. wird aus den in
§ 65 angegebenen Gründen nicht für genügend erachtet. Alle für den Unterbau mass-
214) Vergl. die sog. ,VorUchtung« Krafts in Burckhardts „Aus dem Walde" IX. S. 71.
540 IV. Lore y, Waldbau.
gebenden Gesichtspunkte kommen in Betracht.
C. Spezielle Fälle des Lichtangsbetriebs.
§ 70. Die in § 67 (besondere Fälle ^^s Unterbaus) gegebenen Direktiven gelten
auch hier, sofern es sich um Lichtung in Eichen-, Kiefern- und Lärchenbeständen han-
delt. Bei den Schattenhölzem Buche, Tanne und Fichte ist ein Lichtungsbetrieb ziem-
lich gleichbedeutend mit frühzeitiger Einleitung der natürlichen Verjüngung und langem
Verjüngungszeitraum. Ein künstlicher Unterbau fällt bei diesen Holzarten meist aus,
vorausgesetzt, dass man einen stärkeren Eingriff in den Bestand erst im Alter der an-
gehenden Mannbarkeit (nach Stundort, Bestandesbehandlung etc. wechselnd) unternimmt.
Bei der weiteren Behandlung ergeben sich zahlreiche Modifikationen, je nachdem man
die erstmals eingetretene Besamung alsbald zur Erziehung eines Jungbestandes benutzt
und durch allmählichen Nachhieb dem Aufschlag (durch den ganzen Ort gleich-
massig oder unter besonderer Berücksichtigung von Gruppen und Horsten) den für seine
Entwickelung nötigen Raum schafft oder einen sich einstellenden Jungwuchs unter dem
Druck eines allmählich wieder mehr oder minder dicht sich schliessenden Kronendaches
nicht aus der Holle eines blossen Bodenschutzholzes herauskommen, ja demnächst viel-
leicht wieder ganz verschwinden lässt (Buche und Fichte), um erst einem späteren
Mastjahr die Begründung eines neuen Bestandes zu übertragen.
Von zahlreichen, da und dort herausgebildeten, bezw. in der Literatur für be-
stimmte Verhältnisse empfohlenen, besonders charakterisierten Formen mögen hier nur
folgende hervorgehoben werden:
1. Der zweialterige Hochwald Burckhardts ^*^) : Eine gelegentlich
für die Buche empfohlene Bestandesform, welche dadurch bezeichnet ist, dass im Mo-
ment der Hiebsreife des Oberstandes ein Unterwuchs vom halben Umtriebsalter vor-
handen ist, wobei u = 140 — 160 Jahre. Vom Unterwuchs bleiben beim Hieb ca. 50
bis 60 Standbäume pro ha stehen, welche beim nächsten Hieb, also nach 70 — 80 Jahren
den Oberstand bilden. Verjüngung durch natürliche Besamung, selbst unter Benutzung
von Stockausschlag, sowie in Notfällen unter künstlicher Beihilfe. Charakteristisch ist
der grosse Standraum der einzelnen Oberbäume und die dadurch bedingte Entwickelung
des Unterwuchses zu einem ertragsreichen Zwischenbestand.
2. Der modifizierte Buchenhochwaldbetrieb von v. Seebach^^^):
Ein durch die Durchforstung gehörig vorbereiteter 70 — 80jähriger Buchenort wird unter
Benutzung eines Mastjahres verjüngt. Im Oberstand werden so viele Stämme beibe-
halten (ca. 300 Stämme = etwa 0,4 der Masse), dass deren Kronen nach 30 — 40 Jahren
(also im normalen Umtriebsalter von 100 — 120 Jahren) wieder voll geschlossen sind.
Der Unterwuchs wird nur als Bodenschutzholz betrachtet, das mit vorschreitender Kro-
nenannäherung des Oberstandes mehr und mehr zurückgeht. Im normalen Hiebsalter
erfolgt dann eine regelrechte natürliche Buchenhochwald-Verjüngung. Inzwischen sind
die Stämme unter dem Einflüsse der vor 30 — 40 Jahren eingetretenen Lichtung zu be-
sonders starken Hölzern erwachsen.
Angewendet zuerst von Oberforstmeister von Seebach (etwa 1835) im hannoverschen
Solling, zunächst als Notbehelf beim Mangel genügender Mengen haubaren Holzes. In-
zwischen mehrfach benutzt (z. B. versuchsweise in einigen württembergischen Revieren),
um ohne Erhöhung der Umtriebszeit stärkere Buchenhölzer zu erziehen.
3. Die Homburg'sche Nutzholzwirtschaft ^*^: Die ihrem Wesen
215) cfr. Burckhardt, „Säen und Pflanzen", 5. Aufl. S. 133. — Beling, ,Der
Stangenholzbetrieb" in den Forstl. Blättern von 1874, S. 148.
216) cfr. Pfeil, Krit. Bl. 21. Bd. 1. Heft S. 147 (1845). Kraft in „Aus dem
Walde« VIL S. 98. Burckhardt, „Säen und Pflanzen«, 5. Aufl. S. 132.
217) G. Th. Homburg, Die Nutzholzwirtschaft im geregelten Hochwald-Üeberhalt-
Die Bestandeserziehong. § 70. 541
nach eigentlich als ein Ueberhaltbetrieb zu charakterisierende Wirtschaft darf gleich-
wohl insofern hier mit aufgeführt werden, als bei ihr durch Freihauen die später den
Oberstand bildenden Nutzholzexemplare von Anfang herein auf diese Funktion vorbe-
reitet werden. In der Regel bildet die Buche den Grundbestand. Beigemischt sind ihr,
einzeln oder in Horsten, vorzugsweise die Eiche, aber auch je nach Umständen Esche,
Ulme, Ahorn, sowie Nadelhölzer verschiedenster Art. Durchschnittlich je im 70jährigen
Alter des Buchengrundbestandes erfolgt dessen natürliche Verjüngung, welche durch
(i/ö — \'4 des Vollbestandes umfassend) energische, die Pflege der demnächstigen Ober-
ständer besonders berücksichtigende Vorhiebe bezw. Lichtungshiebe, eingeleitet wird.
Gleichzeitig mit der Verjüngung der Buche werden die übrigen Holzarten — durch
Saat oder Pflanzung, durch Vorverjüngung oder unter Benutzung der Stocklöcher
u. s. w. — und zwar möglichst horstweise eingebracht, welche für den nächstfolgenden
Umtrieb (neben einer Anzahl von Buchenüberhältern) die Oberbäume werden sollen.
Ausser der Eiche werden hauptsächlich Tanne, Esche, Ahorn, Ulme, Fichte, Lärche und
Weymouthskiefer empfohlen. Li welcher Zahl diese vorhanden sein können, hängt
wesentlich auch von den Bedürfnissen des neu erwachsenden Bestandes ab, welcher,
weil die Kontinuität der Wirtschaft vermittelnd, selbst in seinen Schattenholzpaitien
nicht dauernd in starkem Schirmdruck erhalten werden darf. Die deshalb erforderlichen
Nachhiebe bringen zugleich den verbleibenden Oberständem freieren Wachsraum und
damit kräftigere Ausbildung.
4. Wagener's Lichtwuchsbetrieb®^®): Eigenartig ist der Grad der Licht-
Btellung und die Zeit des Beginnes. Wagener ging davon aus, dass, wenn auch die
Holzbestände in der Jugend, damit die Bäume sich seitlich nicht übermässig ausdehnen,
einer gewissen Beschränkung der Kronenausbreitung bedürfen, doch von dem Zeitpunkte
an, in welchem infolge von Kronenspannung die Reinigung des Bestandes beginnt (Alter
von 25—35 Jahren) eine Oeffnung des Kronenraumes dringend geboten sei, damit der
Lichtungszuwachs möglichst frühzeitig dem Bestände zu gut komme. So wird bereits
in der Jugend ein Kronenfreihieb bei denjenigen Lidividuen (einschliesslich einer An-
zahl von Reserve-Exemplaren) vorgenommen, welche später den haubaren Bestand bil-
den sollen.
Selbstredend wird dieser Vorzug nur kräftigen, nutzholztauglichen Stämmen zuer-
kannt. Unter Voraussetzung der Wiederholung in lOjährigen Perioden würde ein freier
Gürtel um die Einzelkrone von ca. 60 cm Breite genügen. Die Erziehung von mindestens
30 — 35 cm in Brusthöhe starken Stämmen in etwa 80j ährigem Umtrieb ist das Ziel der
Wirtschaft — ein Ergebnis, welches bei der gewöhnlichen Erziehung im Schlussbestand
nicht innerhalb der üblichen Umtriebszeiten erreicht werden kann; letztere aber sollen
nicht verlängert werden. Als Zeitpunkt für die Vornahme des ersten Kronenfreihiebs wird
ein solches Stadium der Bestandesentwickelung angegeben, dass durchschnittlich bis auf
eine Höhe von 10 — 12 Meter vom Boden (die für Blochholz entscheidende Länge!) die
Stämme nur noch dürre oder nicht mehr beachtenswert fortwachsende Aeste besitzen. Bis
dahin (d. h. auf Mittelboden etwa bis zum 30 — 40jährigen Alter) sei dichter Kronenschluss
zu erhalten. Von trockenen, flachgründigen, heidewüchsigen Böden soll der Betrieb fern
bleiben; etwa 500 Stämme pro Hektar bilden dann den normalen Bestand. Vom ersten
Kronenfreihieb werden deshalb mindestens Stämme in je 4 — 5 Meter Abstand (je auf ca.
betrieb 1878. — Derselbe, „Ein Beitrag zur Nutzholz Wirtschaft im geregelten Hochwald-
Ueberhaltsbetrieb« (Allg. F. u. J.Z. von 1879, S. 175 fif.). — Derselbe, „Ein weiterer
Beitrag.." (Allg. F. u. J.Z. 1881, S. 375). — Ders., „Ein weiterer Beitrag.." (Forstw.
Zentralbl v. 1884, S. 209).
218) Zu vergleichen: Wag euer, „Waldbau", insbes. S. 246 ff., femer Danckel-
mann, „Waldbauliche Theorien und Reform-Bestrebungen von Gustav Wagener" (Zeitschr.
f. Forst- u. Jagdwesen 1887, S. 340 ff.); femer G. Wagener, „Die Fortbildung des
Waldbaues", Allg. F. u. J.Z. von 1887 S. 7 ff., 145 ff., 263 ff.
542 IV. Lorey, Waldbau.
20 Quadratmeter Fläche ein Stamm) betroffen, natürlich ohne dass eine regelmässige Stel-
lung Bedingung ist; man ist bei der Auszeichnung von der zufälligen Gruppierung der
stärksten Stämme abhängig. Im Zwischenstand bleibt der Kronenschluss erhalten. Sind
die freigehauenen Stämme Lichthölzer, so ist unter ihnen baldigst ein Unterbau Torzu-
nehmen. Vorsicht beim Kronenfreihieb (umbiegen in Gertenhölzem etc.) ist geboten. —
Auf den Vorteil der raschen Erstarkung wird namentlich auch für BuchenbestÄnde hinge-
wiesen. — Das Höhen Wachstum leidet nach W a g e n e r durch die frühe Freistellung nicht;
die etwas abformigere Schaftgestalt wird durch den stärkeren unteren Schaftteil, sowie
durch besseres Holz ausgeglichen. — Wiederholte Lichtung je nach Bedarf (abhängig
hauptsächlich von den Absatzverhältnissen , insbesondere hinsichtlich der etwaigen Ausdeh-
nung der Lichtstellung auf den Zwischenbestand). Einbringen einer genügenden Nutzholz-
bestockung in das Schutzholz. — Der Lichtwuchsbetrieb ist, soweit bekannt, bis jetzt erst
auf kleinen Flächen durchgeführt. Was er leistet, ist zunächst noch durch eine grössere
Anzahl komparativer Versuche festzustellen. Die Anwendung im grossen würde jedenfalls
(bei der Auszeichnung, Hiebsführung etc.) grösste Aufmerksamkeit des Wirtschafters er-
fordern.
D. Effekt des Lichtungsbe triebs.
§ 71. Der Betrieb ist berechtigt und zu empfehlen, wenn er tatsächlich mehr
leistet, als der gewöhnliche Durch forstungsbetrieb. Bei der Vergleichung der beider-
seitigen Rentabilität sind alle Faktoren zu berücksichtigen. Den aofs Ende der Um-
triebszeit zu prolongierenden Kosten des etwaigen Unterbaues ist ausser dem Abtriebs-
ertrag das durch die Lichtung gewonnene Plus an Vornutzungen mit seinem Prolon-
gationswerte gegenüber zu stellen. In den Abtriebsertrag ist der Verkaufswert des ein-
gebrachten Unterholzes oder Zwischenbestandes einzubeziehen.
Die bis jetzt vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind zum Teil nicht genügend
methodisch erhoben, jedenfalls selbst in ihrer Gesamtheit noch nicht umfänglich genug,
um nach allen Richtungen hin Klarheit zu gewähren. Die von einzelnen Seiten zu
Ungunsten des Lichtungsbetriebs beigebrachten Beispiele sind von anderen rücksichtlich
ihrer Beweiskraft bestritten. Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen bezüglichen Mit-
teilungen 2^*) zu kritisieren. Immerhin scheint, sofern man geringe Standorte vermeidet
und einem Rückgang der Bodenkraft vorbeugt, die Mehrzahl der untersuchten Fälle
entschieden zu gunsten eines nach den dargelegten Gesichtspunkten geleiteten Betriebs
zu sprechen.
Vierter Abschnitt.
Die Betriebsarten.
§72. Vorbemerkungen: Während bis hierher die waldbaulichen Opera-
tionen in systematischer Anordnung -einzeln besprochen worden sind, muss nun noch
geprüft werden, wie sich dieselben gegenseitig ergänzen und zu der regelmässig wie-
derkehrenden, planmässigen Folge von Massnahmen zusammenordnen, welche man als
Wirtschafts-B e t r i e b bezeichnet. Für letzteren ist also die planmässige Kombinaüoii
219) Vergl. u. a. Schott von Schottensteins Artikel in den letzten Jahrgängen der
Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung (z. B. 1882 S. 408, 1883 S. 1, 1886 S. 346); desgl. von
Reiss (Allg. F. u. J.Z. 1885 S. 217); Runnebaum (Zeitschr. für F. u. J.w. 1884
S. 460); Versuche über Lichtungsbetrieb (Oesterr. Viertel jahrsschrift von 1884 S. 199);
K rafft (Allg. F. u. J.Z. 1885 S. 12); Riniker, „Der Zuwachsgang in Fichten- und
Buchenbeständen unter dem Einfluss von Lichtungshieben" (Davos 1887). Dagegen Unter-
suchungen von Dr. König (z. B. Forstl. Blätter 1886, S. 33 fif.), Borggreve, von
Varendorff, Zetzsche etc. (letzte Jahrgänge der forstl. Blätter, z. B. 1884, S. 173, 195,
234, 345). Vgl. auch Kraft, „Beiträge zur Waldwertrechnung und forstl. Statik* 1887.
Bretschneider, Praktische Erfahrungen über den Lichtungszuwachs " (Ztbl. f. d. ges.
Fw. 1888 S. 535).
Die Betriebsarten. § 73. 543
einzelner wirtschaftlicher Operationen charakteristisch, und je nach der Art dieser
Kombination hat man verschiedene Betriebsarten zu unterscheiden. Angesichts der
grossen Zahl möglicher Kombinationen (aus Holzart, Bestandesbegründung, bezw. Ver-
jüngung, Bestandespflege, Erziehung u. s. w. mit allen ihren Modifikationen) ist es be-
greiflich, dass sich tatsächlich im Walde sehr viele mehr oder weniger von einander
abweichende Betriebsarten vorfinden. Dieselben sind sämtlich durch menschlichen Ein-
griff, durch wirtschaftliche Kunst herausgebildet, während die ürwaldform naturgemäss
überall das, zwar durch Holzart, Standort etc. modifizierte, im grossen und ganzen
aber gleiche Gepräge trägt. Zum Verständnis des Wesens der Betriebsarten ist es
aber erforderlich, einzelne scharf ausgeprägte Formen als typische herauszugreifen und
an ihnen gewissermassen Schulbegriffe zu entwickeln, die dann als feststehend zu be-
trachten sind; zwischen dieselben lassen sich die übrigen in mannigfaltigster Reihe,
oft mit kaum merklichen üebergängen einschalten.
Ich möchte es als bedenklich bezeichnen, namentlich im Interesse der Anfänger im
Studium, welche erst in das vielgestaltige Gebiet des Waldbaues eingeführt werden sollen,
dass einige Lehrbücher eine verhältnismässig grosse Anzahl von Betriebsarten als selbstän-
dige Formen aufführen und beschreiben, während man einen Teil derselben recht wohl als
Uebergangsformen bezeichnen und sich demgemäss auf eine kleinere Anzahl von Grund-
formen beschränken kann. Das Verständnis wird durch jenes Vorgehen offenbar nicht ge-
fördert, sondern es ist im Gegenteil infolge dessen manche irrtümliche Auffassung ent-
standen, und manche umfängliche Diskussion wäre vielleicht vermieden worden, wenn man
sich zunächst nur an wenige, wirklich wesentliche Unterscheidungsmerkmale gehalten, diese
entsprechend scharf betont und dadurch erst aus der reichen Fülle waldbaulicher For-
men einige grosse Hauptgruppen gebildet hätte, deren weitere Zerlegung einem vorge-
schritteneren Stadium wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Erkenntnis vorzubehalten ge-
wesen wäre. Manche Schriftsteller fürchten, wie es scheint, durch eine solche Beschrän-
kung bei dem Lernenden die Meinung zu erwecken, als ob man es im Walde wirklich
nur mit einer geringen Zahl bestimmt zu charakterisierender Formen zu tun habe; man
scheute die Schablone, die ja sicherlich wenn irgendwo so namentlich in waldbaulichen
Dingen zu meiden ist. Und doch wird man zunächst mit einer kleinen Reihe von Grund-
formen auskommen können ; weitergehende Scheidungen lassen sich jederzeit leicht an-
schliessen.
Erstes Kapitel.
Uebersieht und allgemeine Würdigung der als Grundformen zu betrachtenden
Betriebsarten.
I. Uebersieht.
§ 73. A. Hochwald (Samenholzbetrieb):
Das Bestandesmaterial sind Kernwüchse, d. h. Bäume, welche sich aus Samen
entwickelt haben ; die Funktionsdauer des einzelnen Individuums ist mit dessen Abtrieb
zu Ende 22^); jedes Individuum wird nur einmal Gegenstand der Nutzung (Durch-
forstung oder Haubarkeitsnutzung 221)
Die Hochwaldbetriebsarten lassen sich zunächst unterscheiden nach der Dauer
der Verjüngung eines Bestandes in
1. Plenter- oder Femelbetrieb 222) ; Die Verjüngung erstreckt sich über
220) Fortvegetieren im Boden verbleibender Stöcke während des folgenden Umtriebs
bleibt insofern unbeachtet, als man bei der Begründung des neuen Bestandes die etwa er-
wachsenden Ausschläge nicht grundsätzlich einbezieht, wenn denselben auch da und dort aus
bestimmten Gründen (Holzartenmischung, Bodenschutz u. s. w.) eine Stelle gegönnt wird.
221) Fänden Auf astungen statt, so erfolgt der bezügliche Holzanfall nur im Interesse
der Bestandeserziehung, die Wegnahme einzelner Organe geschieht hier nicht zum Zweck
einer Reproduktion.
222) Flenter- oder Plänterbetrieb , zusammenhängend mit blenden, to blander, nicht
544 IV. Lorey, Waldbau.
die ganze Fläche anter Benutzung aller eintretenden Samenjahre, infolgedessen in
jedem Bestände, in gruppen- oder horstweiser oder einzelständiger Anordnung, alle
Altersklassen vorhanden sind, wenn auch nicht in Repräsentanten jedes einzelnen Jah-
res, so doch in solchen kleinerer (je nach Wiederkehr der Mastjahre und des Hiebs in
den nämlichen Schlag verschiedener) Perioden: eigentlicher Femelbetrieb.
Bei 120jährigem Um trieb, d. h. bei Annahme von 120 Jahren als demjenigen Alter,
welches normal die älteste Stammklasse erreichen soll, wären also beispielsweise 5, 10,
15, 20 . . — 90, 95, 100, 105, 110, 115, 120jährige Individuen vorfindlich; die Inter-
valle können grösser oder kleiner sein; sie brauchen überdies nicht gleich gross zu sein:
tatsächlich sind sie fast immer verschieden; charakteristisch ist aber immer, dass Jang-
wüchse, mittelalte Stämme, Althölzer in dem nämlichen Bestände angetroffen werden ; dem-
entsprechend ist das Kronendach da und dort unterbrochen, keinenfalls in annähernd
gleicher Höhe über dem Boden nur eine Etage bildend. Bis alle Individuen des jetzt
vorhandenen Bestandes genutzt sind, verfliesst bei normalem Verlauf der Nutzung die ganze
ümtriebszeit ; erst nach deren Verlauf ist, obwohl die Verjüngung fortwährend im Gang
ist, ein in allen seinen Teilen neuer Bestand vorhanden.
2. Hochwaldformen, bei welchen die Verjüngung immer nur die älte-
sten Abschnitte der Waldfläche umfasst und daher nur einen
Teil der ümtriebszeit beansprucht: Schlagbetriebe.
Dieselben zerfallen je nach der Art der Verjüngung in solche, welche grundsätz-
lich ungleichalterige, und solche, welche gleichalterige Bestände schaffen wollen.
a) Femelschlagbetrieb ^^^) : Die Verjüngungsdauer umfasst eine, je nach
Holzart, Standort und speziellem Wirtschaftszweck (bezw. Waldbehandlung) bald län-
gere, bald kürzere Reihe von Jahren. Wesentlich ist, dass die Verjüngung nicht unter
Benutzung eines einzigen Samenjahres gleichmässig durch die ganze Abteilung hin in
Angriff genommen und fortgeführt wird, sondern dass die bezüglichen Operationen an
verschiedenen Punkten des Bestandes eingeleitet werden, während zwischenliegende
Partien zunächst noch unberührt bleiben. Durch das allmähliche Fortschreiten der
Verjüngung wird ein ungleichalteriger Jungbestand erzielt.
Wie viel Zeit die Verjüngung des ganzen Bestandes erfordert, ist für die Methode
an sich ohne Belang, obwohl das entstehende Bestandesbild dadurch natürlich wesentlich be-
einflusst wird. Man findet lange und kurze Verjüngungszeiträume ; über die halbe üm-
triebszeit wird dabei wohl kaum hinaus gegangen, also z. B. bei 120jährigem ümtrieb ein
Tannenbestand in längstens 60 Jahren vollständig verjüngt. Der Bestand hat ein femel-
artiges Ansehen, besonders während der Verjüngungsdauer, insofern stets die der Lange
des Verjüngungszeitraumes entsprechenden Altersstufen in demselben vorhanden sind, also
in einem derart begründeten Tannenbestande 30 — 90jährige Bäume oder, so lange
die Verjüngung im Gang ist, Altholzgruppen, sowie gleichzeitig wieder Jungwtichse ange-
troifen werden. Der Unterschied vom eigentlichen Femelwald springt in die Augen; es
fehlen die Zwischenglieder der Altersreihe ; ist die Verjüngungsdauer = a Jahre, so ist bei
der ümtriebszeit z= u in jedem Stadium der Bestandesentwickelung ein Zeitraum von
u — a Jahren nicht durch Stämme vertreten.
b) Schirmschlagbetrieb: Auch hier wird die Verjüngung in einer länge-
ren oder kürzeren Reihe von Jahren vollzogen, aber die auf dieselben abzielenden Wirt-
schaftsoperationen erstrecken sich, da wenn möglich mit einem Samenjahr die Betriebs-
fläche besamt werden soll, gleichmässig über den ganzen Bestand, so dass der nor-
male Bestand stets ein durch seine ganze Erstreckung hin gleichartiger ist, und
auch, wenn anders die Besamung in kürzester Frist vollständig erfolgt, ein ganz oder an-
von planta herzuleiten. — Femelbetrieb von femella, bezw. vom Ausfemeln, d. h. Entfernen
der (vermeintlichen) Femellae beim Hanf übertragen.
223) Horst- und gruppenweise Verjüngung Gayers; vergl. dessen „Der gemischte Wald'
S. 68 fif.
Die Betriebsarten. § 73. 545
nähernd gleichalteriger . neuer Bestand heraufwächst. Diesen Betrieb nennt man in
Bayern die Dunkelschlagwirtschaft.
Während beim Femelschlagbetrieb der Verjüngungßzeitraum nicht allein von dem,
längere oder kürzere Zeit hindurch andauernden Belassen der Mutterbäume im Bestände,
sondern namentlich auch von der im Belieben des Wirtschafters liegenden rascheren oder
langsameren Ausbreitung des Yerjüngungsprozesses über alle Bestandespartien abhängig
ist, entscheidet für die Yerjüngungsdauer beim Schirmschlagbetrieb nur das Tempo, in
welchem man mit den Yorlichtungen und demnächst nach erfolgter Besamung mit Abräu-
mung der Oberständer vorgeht, bezw. vorgehen muss. Wie viel Zeit hierfür nötig wird,
ist wiederum für die Methode an sich gleichgiltig.
c) Kahlschlagbetrieb: Die Verjüngung erfolgt, nachdem der Bestand auf
der Fläche kahl abgetrieben ist, in einem Jahre. Es erwächst ein gleichalteriger,
gleichmässiger Jungbestand.
Wenn tatsächlich manchmal zwei oder mehrere Jahre bis zur Neubegründung eines
Bestandes vergehen, so tragen sekundäre Umstände, welche mit dem Wesen der Methode
in keinem Zusammenhang stehen, wie z. B. Unmöglichkeit raschen Rodens, Insektengefahr
(Rüsselkäfer) u. dergl. die Schuld. Ein einziger Hieb (Kahlabtrieb) räumt den Altholzbe-
stand hinweg ; danach kann sich die Begründung des neuen Bestandes unmittelbar anreihen.
In kürzester Frist könnte sich also der Vorgang (Fällung, Abfuhr, Saat oder Pflanzung)
im Verlauf etwa eines halben Jahres abspielen, was wirtschaftlich immerhin als ein ein-
jähriger Zeitraum (eine Zuwachsperiode) aufzufassen wäre.
Beim Kahlschlagbetrieb flnden sich (von Ueberhältem für den nächsten Umtrieb
abgesehen, welche aber zur Verjüngung in keiner ursächlichen Beziehung stehen) nie-
mals Altholz und Jungwüchse, somit auch nicht gleichzeitige Zuwachsbildung am alten
und neuen Vorrat auf der nämlichen Fläche, ein Umstand, durch welchen sich derselbe
sehr scharf vom Femelschlag- und Schirmschlagbetrieb unterscheidet, bei welchen stets
während des Verjüngungszeitraumes Teile des alten und neuen Bestandes gleichzeitig
vorhanden sind.
Alle etwa sonst im Hochwald vorkommenden Formen sind nur als Modifikationen
der vorstehend in ihren Hauptmerkmalen charakterisierten Grundformen zu betrachten,
als Uebergänge, die sich zwischen dieselben einschieben, mit engerer oder minder enger
Anlehnung nach der einen oder anderen Seite, zum Teil in Verbindung mit sekundären
Massnahmen (Unterbau n. s. w.), durch welche allerdings oft sehr eigenartige Bestandes-
bilder geschaffen werden.
So z. B. ist es nur eine Modifikation des Kahlschlagbetriebes, wenn ein vorüber-
gehender Ueberhalt zur Beschirmung der auszuführenden Kultur gegen Frost oder Sonnen-
hitze, wohl auch zur Verminderung der Stockausschläge belassen wird. Eine solche Schlag-
führung nennt man „ Schutzschlag ^, oder wohl auch „ Schirmschlag '^. Dadurch, dass an
dieser Stelle der Femelschlagbetrieb als besondere Betriebsart von dem Schirmschlagbetrieb
getrennt wird, entsteht ein gewisser (jedoch nur scheinbarer) Widerspruch zum zweiten
Abschnitt (2. Kapitel, A, II, 2), woselbst bei Schilderung der nat. Verjüngung durch Samen
nur die zwei Grundformen: Schirmschlag und Femelbetrieb unterschieden sind. Streng
genommen lassen sich in der Tat auch nur diese beiden Formen festhalten. Der Femel-
schlagbetrieb zerföllt nämlich, sobald man den Horst oder die Gruppe als wirtschaftliche
Einheit betrachtet, — was grundsätzlich gewiss zulässig ist, — in eine Anzahl von klei-
nen Schirmschlagbetrieben. Da wir jedoch gewohnt sind, — aus Zweckmässigkeitsgründen
und doch auch infolge einer gewissen Berechtigung im Sinne der Logik — die von der
Waldeinteilung geschafTenen Wirtschaftsfiguren, wie Abteilungen und Unterabteilungen etc.,
auch in Absicht auf waldbauliche Behandlung als Ganze zu betrachten, so mag hier, wo
nicht die Einzeloperation, sondern der Betrieb in Frage steht, jene Trennung durchgeführt
und der Femelschlagbetrieb als dritte Form der Samenverjüngung durch auf der Fläche
stehende Mutterbäume behandelt werden. Bestimmend wirkt dabei besonders auch der
Wunsch mit, es möchte tunlichste Einheitlichkeit der Definierung erreicht und damit das
Verständnis gefördert werden. Gay er hat in seiner Schrift „Der gemischte Wald" für
das, was von mir nun als „Femelschlagbetrieb'' charakterisiert ist, die Bezeichnung „horst-
Handbnch d. Foritw. 2. Aufl. I. 35
546 IV. Lorey, Waldbau.
und gruppenweise Verjüngung" gewählt, weil er flieh vor der Verwechselung mit dem
Femelschlagbetrieb H e y e r s (=i unserem Schirmschlagbetrieb) scheut. Ich möchte dies
nicht gerade als zwingenden Grund ansehen, die Bezeichnung Femelschlagbetrieb ganz zu
meiden, da die Sache, um welche es sich handelt, doch so scharf gekennzeichnet ist, dass
Missverständnisse m. E. kaum zu erwarten sind. — An der früheren Stelle (im zweiten
Abschnitt) war die spezielle Hervorhebung des „Femelschlagbetriebs" neben dem ^ Schirm-
schlag*' jedenfalls nicht erforderlich, da die Kritik der einzelnen waldbaulichen Mass-
nahme von der Wirtschaftsfigur unabhängig ist.
B. Ausschlags-Waldungen.
Die Nutzung erstreckt sich nur auf oberirdische Teile des Individuums; dessen
Funktion ist mit der einmaligen Nutzung nicht zu Ende, sondern dasselbe erzengt Aus-
schläge, durch welche die Neubegründung des Bestandes erfolgt.
1. Niederwald- oder Stockschlagbetrieb: Bei der Ernte wird die
gesamte oberirdische Holzmasse genutzt, so dass nichts als der Stock mit den Wurzeln
verbleibt. Stockausschläge und eventuell Wurzelbrut bilden den jungen Bestand. Ein
im jährlichen Nachhaltbetrieb befindlicher Niederwald hat eine der ümtriebszeit ent-
sprechende Anzahl von einzelnen Flächen, bezw. Beständen, in Altersabstufung von je
1 Jahr.
2. Kopfholzbetrieb: Ein Teil des Schaftes bleibt stehen, am oberen Ende
desselben entwickeln sich Ausschläge, welche der Gegenstand der folgenden Nutzung
sind. Bei öfterer Wiederholung derartiger Nutzung bilden sich am Schaftende Wülste,
wodurch dasselbe kopfartig verdickt wird.
3. Schneitelholzbetrieb: Der ganze Schaft bleibt erhalten, die Nutzung
besteht in den Aesten, an deren Abhiebsstellen Ausschläge hervortreiben; dieselben
liefern die Holzmasse für den nächsten Hieb.
C. Mittelwald (Kompositionsbetrieb).
Der Bestand besteht aus zwei Teilen, nämlich einem als Niederwald behandelten
Unterwuchs und hochstämmig erwachsenden Oberständem, welche entweder aus Lass-
reiteln des ünterstandes hervorgehen oder als Kernwüchse (meist durch Pflanzung)
eingebracht werden. Jedem ünterholzabtrieb entspricht in Gestalt der stehenbleibenden
Stangen, sowie eventuell der nach dem Unterholzhieb jeweilig eingebrachten Kempflanzen
eine besondere Oberholzklasse.
Ein im jährlichen Nachhaltbetrieb stehender normaler Mittelwald würde entsprechend
dem Unterholzumtrieb u und dem höchsten Alter U, welches das Oberholz erreichen soll
— (wobei, infolge der Art, wie das Oberholz entstanden ist, U stets ein Vielfaches von
ü
u ist und — — 1 = n die Zahl der Oberholzklassen angibt, da die Lassreitel, welche nach
einem Abtrieb des Unterholzes zum Oberholz übertreten, vor diesem Abtrieb noch dem
Unterholz angehören) — , folgendes Bild bieten:
Wir haben u Flächenteile, bezw. Schläge (im Normalwald gleichwertig in ihrer Er-
tragsleistung). Dieselben sind unmittelbar vor einem Hieb bestockt mit
a) 1-, 2-, 3- ... . ujährigem Unterholz
b) je mit den nOberholzklassen, welche z. B. für den Schlag mit ujährigem Unterbolz
2u-, 3u- . . . nu-, (n-f- l)tt = Ujährige Stämme
und für den Schlag mit 1 jährigem Unterholz
(u -|- 1)-, (2u -(- 1)-, . . . . (nu + l)jährige Stämme enthalten.
Die Zahl der Stämme in den einzelnen Oberholzklassen bildet eine abnehmende Reihe,
sofern sich die ursprünglich in beträchtlicher Menge übergehaltenen Lassreitel stetig ver-
mindern. Denn sowohl die Entwickelung der einzelnen Oberholzstämme, als die Rücksicht
auf kräftiges Erwachsen genügender Unterholzmengen fordert es, dass bei jedem Hieb des
Unterholzes nicht nur gleichzeitig die älteste Oberholzklasse genutzt, sondern auch in
die übrigen Oberholzklassen eingegriffen wird, indem man nutzholzuntaugliche Stämme ent-
fernt und einen zu dichten Stand des Oberholzes ermässigt. In welchem Betrage dabei
die Stammzahlen im einzelnen reduziert werden, ist von einer grossen Reihe so sehr wech-
Die Betriebsarten. § 75. 547
selnder Umstände (Holzart, Standort, Wirtschaftszweck, bezw. stärkere Betonung bald des
Oberholzes, bald des Unterholzes u. s. w.) abhängig, dass dafür auch nicht entfernt irgend
welche allgemeine Norm aufgestellt werden kann. Ueberhaupt zeigt der Mittel wald, be-
dingt durch Art, Menge und Verteilung des Oberholzes, wohl die vielfältigst abgeänderten
Formen.
n. Würdigung.
§74. Vorbemerkungen. Abgesehen von Schutzwaldungen und etwa be-
sonderen Zwecken des Waldbesitzers (Wildpark etc.) ist die Wertschätzung einer Be-
triebsart in erster Linie von deren Nutzeffekt abhängig ; daneben können unter bestimm-
ten lokalen Verhältnissen und entsprechend den früher bei der Kritik der einzelnen
wirtschaftlichen Operationen gelegentlich hervorgehobenen besonderen Momenten auch
noch sonstige Umstände, wie z. B. Gewährung gewisser Nebennutzungen (Streu für die
Landwirtschaft) oder von Arbeitsgelegenheit in Betracht kommen. Bei der Beurteilung
des Nutzeffekts sind alle Faktoren zu einem Gesamtergebnis zu vereinigen, jeder ein-
zelne richtig veranschlagt und gewürdigt: Rauhertrag, durch Masse und Wert pro
Masseneinheit der einzelnen Nutzungen gegeben; Produktionskapitalien vorzugsweise
als Boden und (im Nachhaltbetrieb) als Holzvorrat ; laufende oder einmalige Ausgaben
als Verwaltungskosten, Steuern, Aufwendungen für Kultur, Wegebau, Holzemte u. s. w.
Selbstredend ist die Zeit der Einnahmen und Ausgaben von Bedeutung. Für die Be-
messung der Nutzeffekte verschiedener Wirtschaftsverfahren ist im Sinne der forstlichen
Statik die Bodenrente, bezw. der Bodenerwartungswert massgebend.
Bei Beurteilung der verschiedenen Betriebsarten ist auch deren Einfluss auf den
Boden wesentlich mit massgebend, sofern die dauernde Erhaltung, bezw. Steigerung
des Produktionsfaktors „Bodenkraff^ wesentlichste Bedingung aller Nachhaltigkeit ist.
Immerhin aber ist eine einseitige, in dieser Eichtung etwa zu weit gehende Wert-
schätzung zu vermeiden. Ein richtiges Urteil wird gewonnen, wenn man, wie vorstehend
gefordert wurde, stets das Gesamtergebnis des Wirtschaftsbetriebs ins Auge fasst.
A. Hochwald:
§ 75. Im Wesen des Hochwaldbetriebs, wenn auch nicht grundsätzlich durch
dasselbe bedingt, liegt es, dass derselbe mit höherem Umtrieb behandelt wird 2**). Aus
diesem Umstände hauptsächlich ergeben sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistung
die Unterschiede gegenüber dem Ausschlagswald und dem Mittelwald. Bei letzterem
steht nur das Oberholz in höherem Umtrieb, während das Unterholz meist in kurzen
Zwischenräumen (von 6 — 20 Jahren) abgetrieben wird; bei den Ausschlagswaldungen
kommt überhaupt nur ein niederer Umtrieb (von Ijährigem bei Flechtweiden bis etwa
30|j ährigem bei Erlen) in Betracht.
Jene Unterschiede treten am klarsten zu Tage, wenn man zunächst die beiden
extremen Formen: Hochwald und Niederwald vergleicht.
Folge des höheren Umtriebs ist beim Hochwald zunächst die seltenere Sorge für
Neubegründung eines Bestandes auf der nämlichen Fläche. Dagegen muss aber der-
jenige Waldbesitzer, welcher nicht anders als in aussetzendem Betrieb wirtschaften
kann, länger auf einen Abtriebsertrag warten und empfängt nur in Gestalt der Zwischen-
und etwaigen Nebennutzungen mehr oder minder belangreiche Abschlagszahlungen. Soll
ein jährlicher Betrieb durchgeführt werden, so bedarf es in den meisten Fällen — (beim
Femelbetrieb nicht) — einer relativ (im Verhältnis zur Umtriebszeit stehend) grossen
Fläche, damit der einzelne Jahres- oder Periodenschlag noch eine für die erfolgreiche
wirtschaftliche Behandlung genügende Grösse erhält. Unzertrennlich mit dem höheren
Umtrieb verbunden ist für den Nachhaltbetrieb das grössere Holzvorratskapital, mit
224) Ausnahme z. B. die Anzucht von Weihnachtsbäumchen auf besonderen Flächen.
35*
548 IV. Lorey, Waldbau.
welchem der Hochwald arbeitet, ein Umstand, welcher an sich, d. h. immer dann, wemi
er nicht durch andere Momente paralysiert wird, eine geringere Rentabilität bedingt
Auch ist der Hochwald manchen Gefahren mehr ausgesetzt als der Niederwald; doch
ist dieser Nachteil nur teilweise auf den Unterschied im Umtrieb, grossenteils aber
auf die Verschiedenheit der Holzart, namentlich das gänzliche Fehlen der Nadelhölzer
im Niederwaldbetrieb zurückzuführen.
Auf der anderen Seite wiederum ist der Hochwald für alle Holzarten tauglich,
liefert bei entsprechend hohem Umtrieb alle verschiedenen Sortimente, ist somit geeig-
net, alle Anforderungen des Holzmarktes zu befriedigen, bietet in dem grösseren Vor-
rat eine oft willkommene Gelegenheit zur Kapitalanlage und gewährleistet, wenn richtig
geleitet, wegen der selteneren Wiederkehr der Abtriebsnutzung die vollständigere Er-
haltung der Bodenkraft. Dass der Hochwald auch die absolut höchsten Massenerträge
liefere, darf wohl angenommen werden, wenn auch keine Zahlen zur Vergleichung mit
anderen Betriebsarten, insbesondere dem Mittelwald vorliegen. Es ist von vornherein
zu vermuten, dass er in dieser Hinsicht dem letzteren, ebenso dem Niederwald über-
legen ist, da in diesen Betrieben viele Holzmassen in jüngerem Alter, in welchem der
durchschnittliche Zuwachs noch weit unter seinem Kulminationspunkt steht, abgenutzt
werden. Entgegenstehende Zahlen, welche die höheren Massenerträge des Mittelwaldes
dartnn sollen, beruhen in der Regel darauf, dass ein Ertrag desselben zu Grunde liegt,
welcher über den normalen Durchschnitt hinausgeht, wie es bei Abnutzung ungewöhn-
licher Aufspeicherungen von Oberholz leicht vorkommen kann.
Bei den einzelnen Hochwaldformen machen sich vorstehend angedeutete Vor- und
Nachteile in sehr verschiedenem Masse geltend.
1. Plenter- oder Femelbe trieb^ae):
Als Vorzüge desselben müssen geltend gemacht werden: die Möglichkeit, höhere
Abtriebsalter in nachhaltiger Wirtschaft mit jährlichen Erträgen auch auf kleiner
Fläche einzuhalten; ferner die weitestgehende Sicherung der Bodenkraft (gegeben na-
mentlich in entsprechender Bodenfrische), weil niemals Bodenstellen in grösserem Um-
fang völlig blossgelegt werden ; sodann die Gewährung eines bedeutenden Lichtungszu-
wachses schon in einem verhältnismässig frühen Stadium der Baumentwickelung. Dabei
werden die Stämme, weil schon bald mehr freiständig erwachsend, widerstandsfähiger
gegen Sturm und Schneebruch, wie denn alle einem ungleichmässigen Kronendach nach-
gerühmten Vorteile im Femelwald in besonderem Masse angetroffen werden müssen.
Für gefährdete Gebirgslagen, Schutzwaldungen etc. ist der Femelbetrieb die geeignetste,
ja oft einzig zulässige Wirtschaftsform.
Dagegen beschränkt sich die Anwendbarkeit desselben auf nur wenige Holzarten,
die eigentlichen Schattenhölzer Tanne, Buche, allenfalls Fichte; denn alle Jungwüchse
müssen mehr oder minder im Druck heraufwachsen, also die Fähigkeit haben, sich
mindestens in starkem Seitendruck längere Zeit entwickelungskräftig zu erhalten. Dem
vorerwähnten starken Lichtungszuwachs steht mithin eine (je nach den Umständen
verschiedene) Einbusse an Zuwachs in der Jugend gegenüber; die Wirtschaftsführung
hat diese möglichst zu reduzieren, kann dieselbe aber begreiflich niemals ganz ver-
meiden. — Die Fällung und Holzbringung ist erschwert — (geübte Holzhauer wissen
übrigens diesen Nachteil auf ein geringeres Mass zu beschränken, als der Unein-
geweihte meinen sollte!) — ; die Bäume werden grossenteils weniger astrein als im
225) Vergl. Fürst, „Plänterwald oder schlagweiser Hochwald^ Berlin 1885. —
Schuberg, Schlaglichter zur Streitfrage : „schlagweiser Hochwald- oder Femelbetrieb"
(Forstw. Zentralbl. v. 1886, S. 129, 194). — Vonhausen. „Der schlagweise Hochwald-
betrieb und der Femelbetrieb'' (AUg. F. u. J.Z. 1882, S. 289).'
Die teetriebsarten. § 75. 549
geschlossenen Bestand; endlich kann nicht bestritten werden, dass der ganze Betrieb,
weil ein mehr zersplitterter, mit seinen Operationen über einen grösseren Teil des
ganzen Waldes sich erstreckender, weniger übersichtlich ist, der sicheren Ertragsbe-
stimmung, der Bachfühning etc. grössere Schwierigkeiten bietet. Endlich ist nicht zu
verkennen, dass der Femelbetrieb nur auf den besseren Standorten, auf welchen die
Jungwüchse eine Beschattung durch die älteren Stammklassen ohne dauernden Nachteil
ertragen, zulässig ist.
So wenig in der geringeren üebersichtlichkeit, sowie in der durch den Betrieb etwa
geforderten grösseren Intelligenz und Arbeitsleistung der Beamten bei der Schlagauszeich-
nung, Beaufsichtigung des Fällungsbetriebs u. s. w. , ein Hindernis für die Durchführung
erblickt werden darf, so wäre es doch verfehlt, wollte man nicht in der grösseren Ein-
fachheit anderer Betriebsarten einen immerhin erwähnenswerten Vorzug derselben aner-
kennen.
2. Femelschlagbetrieb^^ej.
Dadurch, dass die gleichförmige Hiebsftihrung und Schlagstellung vermieden, viel-
mehr den einzelnen Nachbar-Horsten und Gruppen grundsätzlich verschiedenes Alter
gewährt wird, soll insbesondere bei gemischten Beständen die Erhaltung der verschie-
denen Holzarten (z. B. vorwüchsige, durch Voranbau entstandene Eichenhorste in dem
später begründeten Buchenbestand) gesichert werden. Die Altersdiflferenz der Horste
ist bedingt durch die verschiedene Wuchskraft der Holzarten. Aber auch bei reinen
Beständen soll der Betrieb vor dem Schirmschlag infolge des ungleichförmigen, aus
mehreren Etagen bestehenden Kronendaches wesentliche Vorzüge haben und zwar be-
sonders rücksichtlich der Bodenpüege, da eine zwischentretende, nachteilige Vegetation
von Gras und Kräutern nach Möglichkeit ausgeschlossen erscheint; ferner sollen die
Jungwüchse in den Löchern besser befeuchtet werden, sowie auch die Geföhrdung der-
selben bei der Holzemte eine geringere ist. Ob und in welchem Betrage der Betrieb
grössere und namentlich wertvollere Massen erzeugt als ein anderer, insbesondere als
ein richtig geleiteter Schirmschlagbetrieb, dessen Bäume frühzeitig aus dem Zustande
starker Kronenspannung befreit werden, ist noch nicht genügend untersucht.
Der Femelschlagbetrieb tritt in Konkurrenz hauptsächlich mit dem Schirmschlag-
und dem Kahlschlagbetrieb. Er ist im allgemeinen für alle Holzarten zulässig, welche
nicht so ausgesprochene Lichthölzer sind, dass sie jeden Schirmdruck oder alle Seiten-
beschattung auch in der Jugend verbieten. Die Verbindung mit Kahlabsäumungen und
künstlichem Anbau ist nicht ausgeschlossen, vielmehr öfters geboten.
3. Schirmschlagbetrieb:
Der Betrieb findet, wie wir früher gesehen haben, in der natürlichen Verjüngung
durch Samenabfall (Mutterbäume auf der FLiche) Ziel und Begründung, sofern man
nicht den reinen Plenterbetrieb wählen will oder wählen kann, was doch nur bei ganz
entschiedenen Schattenhölzem möglich ist, während für den Schirmschlag, wie bei dem
Femelschlagbetrieb, bedingungsweise auch etwa noch Kiefer und Eiche in Frage kom-
men können.
226) Hier insbes. zu vergleichen Gayers: ^Der gemischte Wald", sowie Gay er,
„üeber den Femelschlagbetrieb und seine Ausgestaltung in Bayern" 1895, ferner Bericht über
die 19. Versammlung deutscher Forstmänner in Kassel 1893, S. 17. „Die wirtschaftliche
und finanzielle Bedeutung des hörst- und gruppenweisen Femelschlagbetriebes im Hochwald",
sowie Bericht über die II. Hauptversammlung des deutschen Forstvereins in Regensburg
(1901) S. 106: „Beruht in dem Femelschlagverfahren , sowie in der Kombination desselben
mit dem Saumschlagverfahren das vorzüglichste Mittel, Mischbestände in sicherster und voll-
kommenster Weise zu erziehen?" „Wirtschaftsregeln für die Kgl. Bayerischen Forstämter
Kehlheim-Nord und Süd" herausgegeben von der Kgl. Ministerial-Forstabteilung (den Mit-
gliedern der Forstversammlung zu Regensburg gewidmet).
550 IV. Lorey, Waldbau.
Der Boden wird niemals blossgelegt, wohl aber wird dadurch, dass man den
ganzen Bestand gleichmässig dnrchlichtet (Yorbereitungshieb, Samenschlag), die Ent-
stehung einer leichten Bodenbenarbung eher ermöglicht als bei dem, mit einzelnen
kleinen, unzusammenhängenden Bestandespartien operierenden Femelschlagbetrieb. Kei-
neswegs bedeutet dies aber schon eine entschiedene Schädigung der Bodenkraft, wenn
nur bei den betreffenden Hieben stets mit der nötigen Vorsicht verfahren wird. Aller-
dings entsteht grundsätzlich ein gleichförmiger Bestand. Ein solcher an sich wäre nur
dann zu beanstanden, wenn durch ihn den Rücksichten der Bodenpflege nicht genügend
entsprochen werden könnt«. Ausdehnung des Verjüngungszeitraumes bietet auch bei
diesem Betrieb die Möglichkeit länger andauernden Lichtungszuwachses. Das Zusam-
menfassen mehrerer Jahresschläge in einen Periodenschlag gestattet die Durchfuhrung
des jährlichen Nachhaltbetriebs auf kleinerer Gesamtfläche als beim Kahlschlagbetrieb;
freilich ist der reine Femelbetrieb in dieser Hinsicht nicht zu erreichen. Dagegen ist
die Uebersichtlichkeit im Schirmschlagbetrieb grösser als im Femelwald und auch als
im Femelschlagbetrieb.
4. Kahlschlagbetrieb.
Der wesentlichste Vorzug desselben ist seine Einfachheit und Uebersichtlichkeit,
sowohl im Hinblick auf die Operationen des Waldbaues (Unabhängigkeit von der zu-
falligen Beschaffenheit des Altbestandes, dem Eintritt von Mastjahren etc.) und der
Holzernte einschl. Holzbringung (Hiebsführung zu beliebiger Jahreszeit, ohne Kücksicht
auf Jungwuchs etc.), als auf die Massnahmen der Forsteinrichtung und Wirtschaft»^
kontrolle. Voraussetzung ist aber, dass die Holzart für die Nachzucht im Freien
(künstlicher Anbau oder Besamung durch Randbäume) geeignet ist, und dass eine Ge-
fährdung der Bodenkraft nicht befürchtet werden muss. Der Betrieb ist also von vorn-
herein nicht zu wählen für Tanne und Buche, obwohl er auch für diese Holzarten
aushilfsweise da und dort einzutreten hat. Bezüglich der Bodenkraft werden dem Kahl-
schlag die grössten Vorwürfe gemacht. Unzweifelhaft ist das zeitweilige Biossiegen
des Bodens kein Gewinn (Verschlechterung insbes. der physikalischen Bodeneigenschaften,
Humusverflüchtigung etc.), es sei denn, dass der Nachteil durch die Vorteile nachfol-
gender Bodenbearbeitung (Roden im Waldfeldbau , Rabattenkultur in nassem Terrain
u. dergl.) paralysiert würde. Immerhin aber tritt im Hochwaldbetrieb jenes vollständige
Entblössen des Bodens nur in grossen Zwischenräumen (Umtriebszeit) ein und dürfte
kaum als so unbedingt verderblich erachtet werden, wie es ab und zu hingestellt wird,
wenn nur durch sofort nachfolgende tüchtige und gründliche Kultur der Boden rasch
wieder gedeckt wird: allerdings eine nicht immer leicht zu erfüllende Bedingung, zu-
mal ausser den zunächst entscheidenden Witterungseinflüssen oft auch Insekten (Mai-
käfer, Rüsselkäfer u. a. m.) auf den Kahlflächen in verderblicher Weise auftreten, sowie
Unkräuter im Uebermass sich einstellen, so dass dadurch die Entstehung eines genügend
geschlossenen Jungbestandes auf Jahre hinaus vereitelt werden kann. Gegen derartig
widrige Einflüsse muss man sich möglichst sichern, indem man zu grosse und nament-
lich von Jahr zu Jahr aneinandergereihte Kulturflächen vermeidet, die Art der Kultur
richtig wählt und für genügende Pflege derselben sorgt.
Tatsächlich sind mittelst des Kahlschlagbetriebs und nachfolgender künstlicher Kul-
tur auf weiten Strecken vortreffliche Bestände begründet worden (bes. Fichte, Kiefer,
Eiche etc.), und obwohl zweifelsohne da und dort auf grossen Flächen auch entschiedene
Misserfolge zu verzeichnen sind, so sind diese doch nicht alle als unvermeidliche Folgen
des Betriebs an sich zu charakterisieren , sondern sicherlich teilweise auf wirtschaftliche
Fehler oder auf Ungunst des Standortes zurückzuführen. Jedenfalls sind die Beweise,
welche zu gunsten des Betriebs erbracht werden können, mindestens ebenso zahlreich, als
die gegenteiligen, so dass es — zugegeben eine hie und da über Gebühr beträchtliche Aas-
Die Betriebsarten. § 77. 551
dehnang desselben — doch nicht gerechtfertigt ist, den Kahlschlag ganz allgemein zu be-
kämpfen, bezw. anch für diejenigen Fälle zu verwerfen, in welchen er anlengbar guten
Erfolg sichert. Man könnte wohl die Frage stellen, ob daselbst nicht dnrch Schirmschlag
oder Femelschlag der gleiche waldbauliche Erfolg erzielt worden wäre? Bejahendenfalls
würde dann ein zwingender Grund für den Kahlschlag nicht vorhanden gewesen sein.
Aber es blieben dann doch die anderen, zu gunsten desselben angeführten Momente in
Kraft. Und für viele Fälle ist überdies die Freilandkultur sicherer. Wer freilich über-
haupt einen gleichmässigen Bestand (auch den gleichförmigen Schirmschlag) nicht billigen
kann, muss sich gegen Kahlschlag bedingungslos abweisend verhalten, mindestens ihn nur
als Ausnahme zulassen. Aber es sind nur wenige, welche so einseitig eine bestimmte
waldbauliche Richtung vertreten möchten; vielmehr begegnen sich mit wenig Ausnahmen ^^^)
alle bedeutenderen neueren Schriftsteller auf dem Gebiete des Waldbaues in dem fortwäh-
renden Hinweis darauf, dass starres Verfolgen von Extremen zu vermeiden und jeder Be-
triebsart, je nach den örtlichen Bedingungen, ihre Stelle einzuräumen sei. Dies gilt na-
türlich, wie es jetzt anlässlich der Würdigung verschiedener Hochwaldformen ausgesprochen
ist, nicht minder von allen übrigen Betriebsarten. Für die Wahl des einen oder des an-
deren Yerjüngungsverfahrens ist der Standort von ausschlaggebender Bedeutung. Ein Ge-
neralisieren zu gunsten eines bestimmten Betriebes ist unzulässig.
B. Ausschlagswald.
§ 76. Charakteristisch ist, wie oben schon hervorgehoben wurde, der meist nied-
rige ümtrieb, also bei Neuanlagen frühzeitige erstmalige Abtriebsnutzong, häufige Wie-
derkehr der Ernte auf der nämlichen Fläche, Kahlabtrieb, d. h. jedesmal Blosslegung
des Bodens und damit Gefährdung seiner Kraft, wenn anch (in normalen Verhältnissen)
rasche Wiederdeckung desselben durch die Ausschläge. Meist wertvolle Erträge in
Verbindung mit einem verhältnismässig kleinen Produktionskapital (geringer Holzvor-
rat des niederen Umtriebs) sichern eine hohe Rentabilität. Dazu kommt die Möglich-
keit jährlicher Nachhaltwirtschaft auf kleiner Gesamtfläche. Ueberdies meist geringe
Bedrohung von aussen (durch Schnee, Sturm, Insekten etc. — höchstens durch Frost
häufiger geschädigt). Das Beschränktsein auf ausschlagsf^hige Holzarten kann als ein
Mangel angeführt werden; femer muss die Lieferung nur einer geringeren Auswahl
von schwächeren Sortimenten als ein solcher empfunden werden, obwohl andererseits
im Ausschlagswald auch manche Nutzungen anfallen, welche der Hochwald gar nicht
oder doch nicht in gleicher Güte zu bieten hat, wie z. B. die Lohrinde.
1. Niederwald.
Dieser kommt von den Ausschlags Waldungen als Betriebsart, die im Grossen an-
gewendet wird, fast allein in Betracht, und gelten für ihn alle vorstehend angeführten
Momente. Sehr niedrige Umtriebe (Anzucht von Flechtweiden) sind selbst auf ganz
gutem Standort nur bei entsprechender Bodenbearbeitung, event. Düngung dauernd
leistungsföhig ; selbst die höheren (z. B. Eichenschälwald) fordern sorgsamste Bestandes-
nnd bezw. Bodenpflege. Grösste Einfachheit und Uebersichtlichkeit (reine Schlagein-
teilung) der gesamten Wirtschaftsführung.
2. Kopf holzbetrieb.
Meist nur in Flussniederungen (Bandweiden) als besonderer Betrieb in grösserem
Umfang. Schutz gegen Wasser, Eis etc. ist dort meist das Motiv. Rücksichten der
Bodenpflege zu gunsten der Holzproduktion fallen weg.
3. Schneidelbetrieb.
Meist nur in geringem Umfang, mit Einzelbäumen, mehr ausserhalb des Waldes
nnd nicht in eigentlichen Beständen, sondern an einzelnen Stämmen.
C. Mittelwald.
§ 77. Der Betrieb ermöglicht die Anzucht sämtlicher Holzarten. Für das Unter-
227) Borggreve ist wohl am schärfsten in allgemeiner Betonung bestimmter Leh-
ren und geht insbes. mit dem Kahlschlag scharf (m. E. viel zu scharf!) ins Gericht.
552 IV. Lorey, Waldbau.
holz sind natürlich nnr Laubhölzer mit bedeutender Reproduktionskraft tauglich. Aber
als Oberholz lassen sich, obwohl manche und insbesondere dichtkronige Holzarten für
dasselbe wegen zu starker Beschattung des Unterholzes nur schlecht taugen, doch,
wenn es der Waldbesitzer wünscht, sämtliche Holzarten anbringen, üeberdies liefert
der Mittelwald alle denkbaren Sortimente. Kann er auch, in bezug auf Qualität der
Oberholzstämme, mit manchen Leistungen des Hochwaldes (astreines, geradschaftiges
Holz) nicht konkurrieren, so erzeugt er doch andererseits wieder manche Ware (z. B.
Schitfsbauhölzer) in hervorragender Güte. Besonders ertragsreich sind viele als Mittel-
wälder behandelte Forste in den Niederungen unserer Flüsse (Auewaldungen), für welche
sich diese Betriebsform trefflich eignet. Sie verdient aber auch insofern Beachtung,
als sie eine jährliche Nachhaltwirtschaft auf kleiner Fläche gestattet und dabei doch
durch den Oberholzhieb auch Nutzholz verschiedenster Art, wenn auch in beschränkter
Menge, ergibt (z. B. sehr beliebte Wirtschaftsform für den oft nicht beträchtlichen
Waldbesitz von Gemeinden). Die Gefahren, welche den Mittelwald bedrohen, sind im
ganzen ziemlich gering.
Die Wirtschaftsführung erfordert aber viel Fleiss und Umsicht, will man nicht
baldigen Rückgang der Erträge erleben ^^®). Der Kahlhieb im Unterholz bedeutet
— wenn auch wegen des Oberholzschirmdaches weniger wie im Niederwald — im-
merhin eine Gefährdung der Bodenkraft, welcher durch sorgfältige Erhaltung aus-
schlagskräftiger Holzarten tunlichst begegnet werden muss. Ebenso ist die richtige
Auswahl, Menge, Verteilung, Pflege etc. des Oberholzes von grösster Wichtigkeit; die
Rekrutierung erfolgt durch reichliches Einpflanzen von starken Pflänzlingen, namentlich
Halbheistem und Heistern (Eiche, Esche, Ulme, Nadelhölzer u. s. w.) nach jedem Ab-
trieb des Unterholzes. Besondere Schwierigkeiten entstehen im Mittelwald für die
Forsteinrichtung, soweit das Oberholz in Betracht kommt; Ertragsveranschlagungen
sind ziemlich unsicher 2^*). Die Erträge selbst sind begreiflich ausserordentlich ver-
schieden *'*3®).
Zweites Kapitel.
Modifikationen der Grundformen, Zwischen- und Uebergangsformen.
Besondere Fälle.
Wie schon in den Vorbemerkungen zum vierten Abschnitte hervorgehoben worden
ist und auch aus den Erörterungen früherer Abschnitte, namentlich denen über Be-
standeserziehung ^^^) gefolgert werden konnte, darf die Anzahl der sich zwischen den
Grund-Betriebsarten einschaltenden, dieselben modifizierenden, in schärferer Ausprägung
sich zu gewissen eigenartigen Formen ausbildenden Betriebe füglich als eine unbe-
228) Geringwertige Mittelwaldungen finden sich zahlreich, häufig infolge nicht genü-
gender Rekrutierung, sowie rücksichtsloser Ausübung der Gras- und Weidenutzung, wodurch
die etwa sich einstellenden Naturansamungen vernichtet werden.
229) Vergl. Handbuch 3. Band, S. 391.
230) Nachweise in den statistischen Veröffentlichungen verschiedener Länder. — Vergl.
z. B. auch: Vereinshefte des Elsass-Loth. Forstvereins für 1885; ferner Brecher, Aus
dem Auenmittelwalde S. 64 ff. , sowie Lauprecht, Aus dem Mühlhäuser Mittelwalde,
Suppl. zur Allg. F. u. J.Z. VIII. Bd., 1. Heft (S. 54 if.) von 1871, Hamm, Der Aus-
schlagwald 1896. Derselbe, „Leitsätze für den Mittelwaldbetrieb (F. Z.Bl. 1890 S. 392).
Ueber die statische Seite des Mittelwaldbetriebs zu vergleichen Stoetzer, Die finanzielle
Seite der Mittelwaldwirtschaft (Tharander Jahrbuch 1890 S. 75), ferner Schuberg: Zw
Betriebsstatik im Mittel walde 1898.
231) Zu vergl. insbes. das 5. Kapitel des 3. Abschnittes, § 61 ff.
Die Betriebsarten § 78. 553
schränkte betrachtet werden. Deshalb kann an dieser Stelle auch nur auf einige
Fälle noch besonders aufmerksam gemacht werden, welche, sei es durch ihr häufigeres
Auftreten, sei es durch die Art ihrer Merkmale vor anderen Beachtung verdienen
dürften.
Dabei können als Modifikationen solche Formen bezeichnet werden, bei wel-
chen die Grundform, der sie zugehÖren, noch klar erkennbar, bezw. nur in mehr neben-
sächlichen Punkten verschoben ist; alsUebergangsformen solche, welche sich zwi-
schen zwei Grundformen einschaltend, ebensowohl der einen als der anderen zugezählt
werden könnten ; als besondere Fälle endlich dürften gewisse Wirtschaften namhaft
gemacht werden, welche sich zwar aus einer bestimmten Grundform herausentwickeln
lassen und sich noch mehr oder minder an dieselbe anlehnen, aber doch durch Einfügung
irgend welcher neuer Faktoren ein entschieden abweichendes und entsprechend selbständiges
Gepräge zeigen. Scharfe Trennung nach diesen drei Rubriken ist allerdings nicht mög-
lich, vielmehr werden vielfach Zweifel darüber entstehen, ob man eine vorgefundene Wirt-
schaftsform da oder dort einreihen soll. Doch ist eine solche feinere Rubrizierung auch
ziemlich gleichgiltig.
A. Hochwald.
§78. 1. Femelartiger Hochwaldbetrieb^^*):
Diese Wirtschaftsform würde als eine Vereinigung des Femelbetriebs und Ferael-
schlagbetriebs, auch wohl dieser beiden mit dem Schirmschlagbetrieb im nämlichen Be-
stand aufgefasst werden können, indem sie sich — ganz nach dem jeweiligen Bedürf-
nis der einzelnen Bestandespartie und frei von allem schablonenmässigen Gebundensein
an ein einzelnes der in den genannten Grundbetrieben verkörperten Prinzipien — bald
in femelweiser, bald in mehr schlagweiser Behandlung der Gruppen und Horste äussert,
stets die gesicherte naturliche Verjüngung der Bestände (wo nötig mit künstlicher Bei-
hilfe in beschränktem umfang) in gleicher Weise berücksichtigend, wie die Ausformung
der Stämme zu möglichst starken, hochwertigen Sortimenten (intensive Auswirkung des
Lichtungszuwachses). Ein solcher Betrieb passt nur für entschiedene Schattenhölzer,
hauptsächlich für die Weisstanne und erscheint in seiner Durchführung zumeist als eine
Konzession an die Grundsätze des Femelbetriebs, welche jedoch dahin abgeändert wer-
den, dass nicht ein ganzer ümtrieb zur Schaffung eines neuen Bestandes an Stelle eines
jetzt vorhandenen gefordert, sondern die Verjüngung in kürzerer Zeit, jedenfalls aber
doch in langem Zeitraum (30, 40, ja 60 Jahren) bewerkstelligt wird, und dass sich je
nach umständen grössere oder kleinere gleichförmig behandelte Gruppen (wie im Fe-
melschlagbetrieb) einschieben. Ob dabei mehr durch Aushieb einzelner Stämme oder
mehr in Gestalt solch gruppen- und horstweiser Bewirtschaftung vorgegangen wird,
hängt in erster Linie von der zufälligen Beschaffenheit des Bestandes (Aushieb alles
schadhaften Holzes, besonders breitkroniger, hervorragend starker Stämme, Förderung
von Vorwuchshorsten u. s. w.) ab. Jedenfalls ist ein ungleichförmiger Bestand das
Wirtschaftsziel. Die behaupteten Vorzüge eines solchen kommen in diesem Betrieb voll
zur Geltung.
Die Abhandlung Schuberg's, auf welche in Anm. 232 verwiesen ist, bringt hin-
sichtlich der Tanne, welche bes. im badischen Schwarzwald vielfach im „femelartigen Be-
trieb'^ bewirtschaftet wird, den an zahlreichen direkten exakten Erhebungen über die Zu-
wachsleistung in diesem Betrieb im Gegensatz zum Schirmschlagbetrieb vorgeführten Nach-
weis, dass der letztere sowohl an Masse im ganzen, als auch namentlich bezüglich der
Verteilung der Einzelstämme auf die verschiedenen Nutzholzklassen erheblich hinter dem
femelartigen Betrieb zurückbleibt, welcher bei gleichem durchschnittlichem Alter einen weit
höheren Prozentsatz an Stämmen der ersten Klasse liefert, weil er keine entwickelungs-
232) Vergl. Schubergs Schlaglichter zur Streitfrage : schlagweiser Hochwald- oder
Femelbetrieb, Forstw. Zentralblatt v. 1886, S. 129 u. S. 194; siehe oben die Bemerkung
über diese höchst dankenswerte Arbeit.
554 IV. Lorey, Waldbau.
unfähigen Individuen lediglich eines gleichmässigen Bestandesschlnsses wegen belässt und
eben infolge der zeitigen Entfernung aller dieser zweifelhaften Glieder den übrigen
einen erhöhten Lichtgenuss gewährt. Immerhin könnte man fragen, ob nicht bei der Yer-
gleichung ab und zu gegen einen Grundsatz der Statik einigermassen Verstössen ist, dahin
lautend, dass man jede der gegeneinander abzuwägenden Wirtschaftsformen im Zustand
ihrer höchsten Leistungsfähigkeit betrachten soll. Dann darf aber auch der Schirmschlag
keine Kranken aufweisen und muss derart durchlichtet sein, dass auch in ihm ein genü-
gender Lichtungszuwachs zur Geltung kommt. (Ob man dann bei der Tanne, d. h. ins-
besondere durch bedingungslosen Aushieb aller Krebsbäume nicht von selbst zu einer femel-
artigen Form kommt, ist eine andere Frage.)
2. Ueberhaltbetrieb und zweihiebiger Hochwaldbetrieb ^^) :
a) Wenn von den hiebsreifen Bäumen eines Hochwaldbestandes eine gewisse An-
zahl von der Abtiiebsnutznng ausgeschlossen wird und im nachgezogenen Jungwuchse
bis in den njichsten Umtrieb hinein stehen bleibt, so entsteht die U e b e r h a 1 1 f o r m.
Zweck derselben ist die Anzucht besonders starker Stämme, wie sie der gewöhnliche
Umtrieb nicht zu erzengen vermag. Man will aber nicht für die ganze Wirtschaft
oder für einzelne ganze Bestände, um solche Starkhölzer zu gewinnen, den Umtrieb
erhöhen, sondern die übliche Umtriebszeit für die Hauptmasse der Bestände durchweg
beibehalten. Der gew^ünschte Erfolg ist nur zu erreichen, wenn die zu belassenden
Stämme (Ueberhälter, Waldrechter, Oberständer) genügend lange Zeit nach dem Ab-
trieb des Grundbestandes, möglichst während der ganzen folgenden Umtriebszeit, fort-
wachsen ; sie müsseu also an sich entsprechend wuchskräftig sein und unter Bedingungen
belassen werden, welche ihre fernere gedeihliche Ent Wickelung sichern; d. h. man darf
nur durchaus gesunde, gut geformte Stämme zum Ueberhalt bestimmen (nicht etwa
die allerstärksten) und muss für Erhaltung der Bodenkraft sorgen.
Mittelhohe Umtriebe eignen sich am meisten; man hat dann Hoffnung, dass we-
nigstens ein Teil der Oberständer den vollen zweiten Umtrieb aushält.
Der Betrieb findet sich in den verschiedenartigsten Formen, weil er sich ans
jeder beliebigen Grundform herausentwickeln kann. Immer aber sollten die Ueberhalt-
bäume möglichst allmählich an den freien Stand gewöhnt werden, wozu unter Umstän-
den schon lange Zeit vorher (20—40 Jahre) der Freihieb derselben eingeleitet werden
muss, falls nicht die Wirtschaftsform an sich schon (wie im Femelbetrieb oder femel-
artigen Betrieb) allmähliches Gewöhnen an den Freistand bedingt. Namentlich sollte
nicht mit der dem Uebergang in die Ueberhaltstellung eine, wenn auch nur vorübergehende
Minderung der Bodentätigkeit verbunden sein. Dass die Oberständer den Grundbestand
in seinem Zuwachs beeinträchtigen, ist klar ; ihre eigene Massen- und Wertssteigerung
soll aber diesen Ausfall aufwiegen. Bedenklich ist für allen Ueberhaltbetrieb die Sturm-
gefahr. Gruppenweiser Ueberhalt ist in vielen Fällen dem Einzelüberhalt vorzuziehen ;
doch bedarf es in der Ueberhaltgruppe (bezw. Horst) des Unterbaues, wo nicht natür-
licher Unterwuchs sich einstellt.
Am misslichsten sind die Bedingungen im Kahlschlagbetrieb: z. B. Ueberhalt ein-
zelner Forchen (15 — 30 Stück pro ha) nach dem Abtrieb des Bestandes.
Im Schirmschlagbetrieb (z. B. Ueberhalt wuchskräftiger Eichen, Eschen, auch ein-
zelner Buchen etc. im gemischten Laubholzhochwald) liegen die Verhältnisse insofern gün-
stiger, als während des Verjüngungszeitraumes allmähliche Freistellung bewirkt und der
Boden nicht entblösst wird. — Auch mit dem Femelschlagbetrieb würde sich ein eigent-
licher Ueberhaltbetrieb (stammweise oder vielleicht grundsätzlich mehr gruppenweise) sehr
gut verbinden lassen.
233) Vergl. Tag er, „Zum zweihiebigen Kiefernhochwaldbetrieb" (Festgabe zur Gör-
litzer Forstversammlung 1885.) — Derselbe, „Zum zweihiebigen Kiefemhoch waldbetrieb''
im Tharander Jahrb. von 1887 S. 1 ff. — Meyer, „Zur Frage des Ueberhaltbetriebs resp.
des »weihiebigen Hochwaldes" in Zeitschr. f. F. u. Jw. 1887 S. 13 ff.
Die Betriebsarten. § 78. 555
b) Der zweihiebige Hochwald darf als besonderer Fall des Ueberhalt-
betriebs bezeichnet werden, welcher dann entsteht, wenn man bei nicht zu hohem Um-
trieb durch verhältnismässig reichliches Ueberhalten von Stämmen möglichst viele In-
dividuen des ursprünglich vorhandenen Bestandes zu den gewünschten bedeutenderen
Dimensionen herausbilden will. Die Oberstünder erscheinen nicht sowohl als eine Zu-
gabe zum Grundbestand, sondern sind schliesslich der eigentlich entscheidende Bestan-
desteil. Speziell dieser Betrieb arbeitet entschieden am leichtesten mit mittelhohen
Umtrieben (70, 80, höchstens 100 Jahre) ; anderenfalls werden trotz aller Sorgfalt viele
üeberhälter vor der Zeit abständig 2»*). Gegenüber einer allgemeinen Erhöhung der
Umtriebszeit hat man den Vorteil, dass nur die wirklich guten Stämme dem hohen
Alter zugeführt werden. Von geringen Böden sollte der Betrieb femgehalten werden ^^^).
Unter Umständen ist Unterbau rätlich.
Das frühzeitige Vorbereiten auf die Ueberhaltstellung, bezw. das Loshauen der dazu
bestimmten Bäume ist stets nur mit der Beschränkung und so allmählich auszuführen, dass
dadurch keine schädliche Verlichtung des Bestandes eintritt.
Als besondere hierher gehörige Formen erscheinen auch der
Zweialterige Hochwald Burckhardt's,
der modifizierte Buchenhochwaldbetrieb von v. Seebach,
die Homburg'sche Nutzholzwirtschaft.
Dieselben sind im 5. Kapitel des 3. Abschnittes (§ 70) besprochen.
Wie sich unter bestimmten Umständen auch einmal ein „Dreifacher Hochwaldbetrieb''
(innerhalb einer Umtriebszeit Nutzung gewissermassen von drei verschiedenen Beständen
auf der nämlichen Fläche : 20jähriger Kiefemschutzbestand, 140jährige Eichen, llOjährige
Buchen) entwickeln kann, hat Wi Ihr and in der Allg. F. u. J.Z. (1879, S. 41 ff.) ge-
zeigt. Doch gehört die betr. Wirtschaft mehr nur dem Namen nach hierher; sie ist ein
Unterbaubetrieb mit besonderer Modifikation.
3. Unterbau- und Lichtwuchsbetrieb.
Beide sind nicht eigentlich besondere Betriebsarten, sondern mehr nur bestimmte
Formen der Bestandeserziehung und als solche im 3. Abschnitt (5. Kap.) abgehandelt.
Kahlschlagbetrieb, Schirmschlag- und Femelschlagform können mit Unterbau- und Licht-
wuchsbetrieb verbunden, bezw. als solche ausgebildet sein.
4. Waldfeldbau^s«).
Derselbe darf als eine besonders entwickelte Wirtschaftsform des Hochwaldes
hier genannt werden, obwohl die Besonderheit streng genommen nur in der Art der
Bestandesbegründung erblickt werden kann, bei welcher die Anzucht landwirtschaft-
licher Gewächse in verschiedenartig modifizierter Weise beteiligt ist, während die Be-
standeserziehung in nichts von demjenigen Vorgehen abweicht, welches auch ohne jene
Verbindung von Holz- und Fruchtzucht auf den betreffenden Oertlichkeiten beobachtet
werden würde. Waldbaulich wichtig ist namentlich, dass sich in einer Anzahl von
Fällen, wie durch viele, verschiedenartig gestaltete vergebliche Versuche dargetan
ist, die Begründung junger Bestände (wegen Unkrautwuchs etc.) ohne Zuhilfenahme
des landwirtschaftlichen Vor- oder Zwischenbaues als nur mit un verhältnismässigen
234) Auszugshiebe, vergl. dritter Abschnitt, 4. Kapitel (§ 63).
235) Täger a. a. 0. will auch noch auf Kiefernboden 3., ja 4. Güte mit seinem
Betrieb gute Starkhölzer erziehen ; auf Boden 2. Bonität soll mit Fichte unterbaut werden.
Entsprechende Rentabilität wird von T. nachgewiesen.
236) Vergl. Handbuch 2. Bd. VI% § 2 ff. — Sodann zu vergl. Bericht über die
XV. Versammlung deutscher Forstmänner zu Darmstadt 1886, Frankf. bei Sauerländer 1887,
S. 81—145, femer Speidel, Waldfeldbau Oberschwabens (Allg. F. u. J.Z. 1888, S. 876),
Köhler, „üeber den Waldfeldbau in Oberschwaben" das. 1898 S. 117, spricht sich gegen
denselben aus.
556 IV. Lorey, Waldbau.
Opfern erreichbar erwiesen hat. Hierin muss dann auch die Berechtigung des Betriebs
vom waldbaulichen Standpunkt ans zunächst gefunden werden. Als weitere Momente,
welche zu gunsten desselben sprechen, kommen hinzu die durch die Bodenlockemng
bewirkte Zuwachssteigerung, sowie die in vielen Fällen hohen Erträge (Pachtgeld, bezw.
Erlös aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte). Dagegen ist in dem Ent-
zug bestimmter Mengen an mineralischen Nährstoffen, wie er durch jede Kartoffel- oder
Halmfruchternte erfolgt, ein unleugbarer Nachteil zu erblicken; derselbe kann aller-
dings durch die Vorteile des Betriebs überboten werden, um so mehr, als auch dem
Feldbau gewisse Mengen von Rohhumus für die Pflanzenernährung aufgeschlossen wer-
den, die sonst unzersetzt geblieben wären. Eine besondere Würdigung erheischen über-
dies die volkswirtschaftlichen Erwägungen, zu denen der Betrieb Anlass gibt.
Das Nähere über denselben findet sich an der S. 555 (Anm. 236) bezeichneten
Stelle, auf welche hier verwiesen werden muss.
B. Niederwald und Mittelwald.
§ 79. Zwischen beiden Betriebsarten, sowie zwischen diesen und dem Hochwald
schieben sich mehrere Uebergangsformen ein, welche sich in verschiedenartiger gegen-
seitiger Annäherung aussprechen.
So kann man im Niederwald einzelne Oberständer tiberhalten und gewinnt
dadurch, namentlich wenn man einen Teil derselben noch ISnger als durch den nächst-
folgenden Umtrieb stehen lässt, sofort eine mittelwaldartige Form. Eine solche kann
für etwaige Betriebsumwandlungen (z. B. Eichenschäl wald in Eichenhochwald, bei rück-
gängigen Rindenpreisen) von hoher Bedeutung werden.
Oder man lässt im Niederwald an den Wegrändern Hochstämme stehen, bezw.
pflanzt daselbst hochstämmig zu erziehende Holzarten (Lärche etc.) an, um wenigstens
ein massiges Quantum stäikerer Nutzholzsortimente zu erhalten.
Jeder Oberstand im Niederwald schmälert den Ertrag des Schlagholzes, bezw.
der Rinde im Schälwald.
Der Mittelwald kann ein hochwaldartiges Aussehen gewinnen oder anderer-
seits mehr nach Art des Niederwaldes beschaffen sein, je nachdem man dem Oberholz
eine mehr oder minder umfängliche Beteiligung verstattet. Ist dasselbe ganz oder
nahezu geschlossen, so ist der Schritt zum Hochwald ein kurzer, während man, wenn
dasselbe mehr und mehr zurücktritt, leicht zu niederwaldartigen Formen kommt.
Die besonderen Umstände des Wirtschaftsbetriebs können Uebergänge nach der
einen oder anderen Seite hin rätlich erscheinen lassen.
Drittes Kapitel.
Betriebsumwandlungen.
I. Allgemeines.
§ 80. Veranlassung zur Betriebsumwandlung, d. h. zu dem planmässigen üeber-
gang von einer Betriebsart zur anderen, ist nicht selten gegeben. Ihre Gründe können
sehr verschieden sein. Sie liegen beispielsweise vielleicht in veränderten Interessen
des Waldbesitzers (Anlage eines Wildparks u. s. w.) oder in der durch Abstraktion
oder Erfahrung gewonnenen Ueberzeugung von der höheren Leistungsfähigkeit einer
Betriebsart gegenüber der bisher eingeführten (in bezug auf Bodenpflege, Massen- und
Wertserzeugung u. s. f.), auch wohl in der Unmöglichkeit, einen Betrieb femer beizu-
behalten (durch unabweisbare Streunutzung heruntergekommene Waldungen), vielfach
aber auch in veränderten Marktverhältnissen, d. h. in der durch einen Umschwung auf
dem Gebiete der Holzverwertung herbeigeführten veränderten relativen Wertschätzung
Die Betriebsarten. § 81. 557
der verschiedenen Forstprodukte. Mithin sind es teils persönliche, teils sachliche
Gründe, welche entscheidend werden ; letztere oft nnr örtlich, manchmal aber mehr all-
gemein, wie beispielsweise der Einflnss geringerer Absatzfähigkeit des Brennholzes,
ebenso der Lohrinde infolge auswärtiger Konkurrenz a. s. f. Ihren Zielpunkt finden
alle bezüglichen Massregeln in einer die gegenwärtige überbietende Eentabilität, unter
Beachtung entweder nur der Verhältnisse des Waldes selbst oder weiter reichender
Gesamtinteressen.
Am einschneidendsten wirken solche Umwandlungen, bei welchen eine Aenderung
der Holzart und der Betriebsart zugleich in Frage kommen, während sich diejenigen
Vorgänge verhältnismässig einfacher abspielen, welche entweder nur einen Holzarten-
wechsel oder nur eine Betriebsänderung darstellen. Je beträchtlicher zwei in einander
überzuführende Betriebsarten in ihrem Gesamtcharakter von einander abweichen, um
so schärfer treten die den Uebergang vermittelnden Operationen zu Tage. In vielen
Fällen kann nur ein allmähliches Aufgeben des bestehenden Betriebs Platz greifen;
wenigstens wird immer dann, wenn grössere Wirtschaftsobjekte in Betracht kommen,
jedes durch starke Sprünge sich äussernde Vorgehen ausgeschlossen werden müssen.
Die Gründe hiefür liegen in den Rücksichten auf den Holzmarkt, das verfügbare Kul-
turmaterial, die erforderlichen Arbeitskräfte, nachhaltige Gestaltung der Holzabnutzung
u. s. w.); hauptsächlich, sobald die Betriebsänderung grosse Differenzen in der Umtriebs-
zeit (bisherige und einzuführende) herbeigeführt und damit im Nachhaltbetrieb sehr
verschiedene Holzvorräte (bald grössere bald kleinere als bisher) gefordert werden, kann
der Uebergang meist nur langsam und unter sorgsamster Abwägung aller denselben
begleitenden Umstände bewerkstelligt werden. Immerhin möchte auch von einer allzu
weit gehenden Aengstlichkeit ebensosehr abgeraten werden, wie andererseits gewagte
Spekulationen unzulässig sind. Ohne Entwerf ung eines Wirtschaftsplanes lassen sich
Umwandlungen in grösseren Waldungen nicht mit der wünschenswerten Klarheit und
Sicherheit durchführen. Waldbau und Forsteinrichtung haben hier gemeinsam zu ope-
rieren. Bei einzelnen Beständen, kleinen Parzellen unterliegt jedoch selbst ein plötz-
licher Uebergang oft nicht dem mindesten Bedenken.
II. Umwandlungen innerhalb des Hochwaldbetriebs.
§ 81. A. Der Kahlschlagbetrieb soll verlassen werden:
1. Uebergang vom Kahlschlag zum Schirmschlagbetrieb.
Derselbe lässt sich, wenn die Holzart beizubehalten ist, in meist sehr einfacher
Weise bewerkst^elligen, indem man im haubaren oder nahe haubaren Bestand die natür-
liche Verjüngung (je nach Bedarf unter entsprechender künstlicher Beihilfe) mit ihren
verschiedenen Hiebsführungen an Stelle des Kahlhiebs treten lässt. Im einzelnen kön-
nen sich freilich mannigfaltige Modifikationen des Schemas ergeben. Zusammenfassen
mehrerer Jahresschläge zum Periodenschlag wird erforderlich. Aenderungen der Um-
triebszeit und im Gefolge davon des Normalvorrats bringt diese Ueberführung nicht
grundsätzlich mit sich. Soll die Holzart wechseln, so muss künstliche Kultur (bisweilen
durch Unterbau, z. B. Tanne unter Kiefer) eintreten.
2. Vom Kahlschlag zum Femelschlagbetrieb, femelartigen
Betrieb und Femelbetrieb.
Dieser Uebergang vollzieht sich im allgemeinen ähnlich wie der vorbesprochene.
An Stelle gleichmässiger Behandlung des ganzen Bestandes tritt der Horst oder die
Gruppe, wodurch zunächst der Femelschlagbetrieb erreicht wird. Der Weg von diesem
zum femelartigen Betrieb und schliesslich zum eigentlichen Femelbetrieb ist leicht zu
finden; doch wird man sich zumeist mit Beibehaltung einer der Uebergangsformen be-
gnügen und nicht gerade dem reinen Femelwald zusteuern.
558 IV. Lorey, Waldban.
B^ Ueberführung des Femelbetriebs in einen schlagweisen Betrieb.
Der betreffende Wirtschaftsplan muss zunächst die Bildung der Orts- und Be-
standesabteilungen, sowie die Hiebszüge vorsehen, wobei die jeweilige Beschaffenheit
der Femelbestände (meist verschiedenartige Beteiligung und räumliche Gruppierung der
Altersklassen !) zumal für die Uebergangszeit besonders zu beachten ist, damit der neue
Zustand nicht mit zu grossen Opfern erreicht wird: zuwachsärmste Teile, solche mit
dem höchsten Durchschnittsalter kommen, soweit es die Schlagfolge zulässt, in erster
Linie zur Behandlung ; inzwischen muss der Gang der Durchhiebe in den übrigen Teilen
eine Minderung der Altersunterschiede anstreben.
C. Uebergang vom Schirmschlag zum Femelschlag und umgekehrt.
1. Die üeberführung des Schirmschlags zum Femelschlag wird er-
reicht, indem man die Verjüngung nicht gleichmässig über die ganze Bestandesfläche
hin einleitet und durchführt.
2. Vom Femelschlag zum Schirmschlag gelangt man durch allmäh-
liches Verschwindenlassen der durch Altersunterschiede gekennzeichneten Gruppen und
Horste.
D. Uebergang zum Eahlschlag.
Derselbe gründet sich stets auf die Abgrenzung von Schlagflächen, deren Be-
stände kahl abgetrieben werden.
Dass fast alle diese Umwandlungen sich nicht ohne mancherlei Opfer in der
Uebergangszeit vollziehen lassen, insbesondere darin bestehend, dass vielfach Bäume
und Bestände schon vor oder erst nach ihrer Hiebsreife genutzt werden, leuchtet ein.
Es ist die Aufgabe des Wirtschafters (übrigens vornehmlich auf dem Gebiete der Forst-
einrichtung belegen), diese Verluste auf das geringste Mass zu beschränken.
in. Der Hochwaldbetrieb wird aufgegeben.
§ 82. A. Uebergang zum Niederwald:
In den weitaus meisten Fällen ist die Holzart des Hochwaldes nicht schon die-
jenige des Niederwaldes. Künstliche Bestandesbegründung nach voraufgegangener Ab-
räumung des vorhandenen Bestandes bewirkt die Üeberführung, am besten nach einer
Schlageinteilung, sofern man nicht den aussetzenden Betrieb einführen will. Soll ins-
besondere ein jährlicher Nachhaltbetrieb entstehen, so braucht man u Schläge, welche
dann successive in u Jahren umgewandelt werden. In dieser Zeit würde sich die ganze
Umwandlung nur auf kleineren Flächen, nicht in einem grösseren Waldkörper been-
digen lassen.
Ist die gewünschte Holzart schon vorhanden (Eiche, Erle), so kann unter gün-
stigen Verhältnissen die künstliche Kultur ganz entfallen, und man sich auf die Be-
nutzung der Ausschläge beschränken. Doch wird meist künstlicher Anbau wenigstens
mithelfen müssen.
Als besonders interessanter Fall kann die Üeberführung des Hochwaldes (in specie
Kiefer) in zahme Kastanie aufgeführt werden, wie er sich eben vielfach in den Vorbergen
der Pfalz vollzieht : Löcherhiebe mit nachfolgender Pflanzung gewähren dann der Kastanie
wohltätigen Seitenschatten 2^^).
B. Uebergang zum Mittelwald:
Erfolgt, soweit das Unterholz in Betracht kommt, im ganzen nach gleichen Grund-
sätzen wie ad A. Wie rasch sich die einzelnen Oberholzklassen in der erforderlichen
Art (nach Holzart, Menge, Verteilung u. s. w.) herstellen lassen, ist wiederum von der
Holzartenbeteiligung und der Betriebsform (gleichalterig oder ungleichalterig) im Hoch-
237) Vergl. die im 2. Abschn. 4. Kap. ad I, 12 (§ 49) zitierten Aufsätze von
Osterheld.
Die Betriebsarten. § 83. 559
wald abhängig. Uebergang unter Umständen dnrch allmählich zu regulierenden Be-
scidi'mungsgrad ; Belassen gesunder, entwickelungskräftiger, möglichst standfester Bäume
der geeigneten Holzarten; meist auch hier Beihilfe besonderer Kultur behufs zweck-
entsprechender Ergänzung des Oberholzes.
IV. Niederwald oder Mittelwald ist in Hochwald überzu-
führen.
§ 83. A) Niederwald:
Die Verschiedenheit der Umtriebszeit bedingt es, dass, wenn der Niederwald in
einen Hochwald-Nachhaltbetrieb übergeführt werden soll, bedeutende Holzvorratsniassen
angesammelt werden müssen, damit ein der gewählten Umtriebszeit entsprechender Vor-
rat des Hochwaldes hergestellt werde. Wird die vorhandene Holzart beibehalten, so
genügt das Aufhören mit den Nieder^'aldhauungen und das Fortwachsenlassen der
Stockausschläge, welche entsprechend zu durchforsten sind. Allerdings ist hiemit eine
Verzichtleistung des Waldbesitzers auf Erträge verbunden, die gemildert werden kann,
wenn man als Uebergangsstadium eine mittelwaldartige Form wählt, indem beim Hieb
immer eine grössere Anzahl von Lassreiteln übergehalten und so allmählich der Hoch-
wald-Vollbestand angebahnt wird.
Muss ein teilweiser oder vollständiger Holzartenwechsel eintreten, so ist künst-
licher Anbau erforderlich : Einpflanzen stärkerer Exemplare nach dem Abtrieb des Stock-
schlages, vielfach zweckmässig in Gruppen und Horsten, mit nachfolgender sorgsamer
Schlagpflege (hauptsächlich gegen das Vordrängen neuer Stockausschläge gerichtet),
wenn ein Mischbestand erzielt werden soll; — auch wohl Stockroden nach dem Ab-
trieb und vollständiger Neuanbau der Fläche, wobei man dann allerdings zu einer
Kahlflächenkultur gelangt. Die Modifikationen der Durchführung sind überaus zahlreich.
Die geringe Rentabilität des Eichenschälwaldes ist Veranlassung dazu, dass diese
Betriebsform neuerdings vielfach in Hochwald übergeführt wird**®).
B) Mittelwald239).
Soll ein solcher in- einen Hochwald-Schlagbetrieb übergeführt werden, so ist es,
je nach der Art und Beschaffenheit des Oberholzes, oft weniger die Menge, als die Ver-
teilung der verfügbaren Holzmasse, welche geändert werden muss. Jede normale Be-
triebsklasse des schlagweisen Hochwaldbetriebs zeigt weit erheblichere Altersunterschiede
ihrer Bestände, als sie im Mittelwald von Schlag zu Schlag vorhanden sind, wo sich
alle analogen Glieder (Unterwuchs, einzelne Oberholzklassen) zweier in der Schlagfolge
benachbarter Bestände je nur um 1 Jahr im Alter verschieben, so dass das Maximum
des Unterschieds zweier Bestände gleich dem Unterholzumtrieb ist. Man wird der nor-
malen Altersstufenordnung des Hochwaldes nur insoweit allmählich sich nähern, als es
bei möglichst vorteilhafter Benutzung der verfügbaren Bestände erlaubt ist, damit die
kritische Zeit der Ueberleitung keine Verluste bringt, welche den durch die ganze
Manipulation erhofften wirtschaftlichen Gewinn in Frage stellen. Vermehrung des Ober-
holzes, Zurückdrängen des Schlagholzes ist allgemein erforderlich; im Oberholz unter
Umständen, damit die Altersstufenfolge des Hochwalds angebahnt wird, flächenweise
238) Hey er, „Eichenschälwald-Umwandlungen im Odenwald" (Forstw. Zentralbl.
1902 S. 415).
239) Zu vergl. u. a. Böhme, „üeberführung des Mittelwaldes in Hochwald'' (Forstw.
Zentralbl. von 1885, S. 332 ff.), woselbst für verschiedene Mittelwaldkategorien Speziairegeln
angegeben werden. — Im sächs. Forstverein stand 1882 die Umwandlung rückgängiger Mit-
telwaldungen in Hochwald zur Debatte, ebenso auf der Deutschen Forstversammlung in Metz
1893, auf der Badischen Forstversammlung 1899, desgleichen auf der Thüringischen Forst-
versammlung, 1900. — Weitere Ldteratur : Jäger, „Vom Mittel wald zum Hochwald'' 1889.
560 IV. Lorey, Waldbau.
getrennt, Begünstigung teils der älteren, teils der mittleren und jüngeren Oberholz-
klassen; entsprechende Verteilung der Fällungen; dabei Ergänzung durch Einpflan-
zung u. s. w.
Ist zugleich ein vollständiger Holzartenwechsel beabsichtigt, so kann man mög-
licherweise mittelst Kahlhieben und folgender Kultur, je nach Umständen auch mittelst
Unterbaues nach vorheriger entsprechender Schlagstellung vorgehen. Dass der Ueber-
gang zu einem Schattenholz (z. B. Tanne) im allgemeinen nur auf letzterem Wege be-
wirkt wird, ist selbstverständlich.
Viertes Kapitel.
Die Betriebsarten und die einzelnen Holzarten.
Soweit die Massnahmen der Bestandesbegründung mit der Betriebsart im Zusam-
menhang stehen, finden sich die erforderlichen Andeutungen nebst Literaturnachweisen
im 4. Kapitel des zweiten Abschnitts.
I. Laubhölzer.
§84. 1. Rotbuche: Dieselbe ist ausgesprochene Hochwald-Holzart. Erscheint
sie auch häuflg im Mittel wald, sowie da und dort im Niederwald, so kann doch wegen
ihrer verhältnismässig geringen Reproduktionskraft keiner dieser beiden letztgenannten
Betriebe auf sie als Hauptholzart gegründet sein. Als Oberholzbaum im Mittelwald ist
die Rotbuche überdies zu dichtkronig.
Im Hochwald findet sich die Rotbuche (Umtriebszeit gewöhnlich 100 — 120 Jahre,
Haubarkeitsdurchschnittszu wachs auf mittlerem Standort 4 — 6 Fm. pro ha) meist im
Schirmschlag-, auch wohl im Femelschlagbetrieb , im reinen Bestand sowohl, als in
Mischbeständen. Reine oder annähernd reine Bestände, welche bis zu dem durch die
Konkurrenz der Steinkohle herbeigeführten Rückgang in der Wertschätzung des Brenn-
holzes vielfach V^irtschaftsziel waren, können dies heute nicht mehr sein, da, selbst
wenn sich für Buchennutzholz noch neue, umfängliche Verwendungsarten finden oder
bereits bekannte sich als ausdehnungsfähig erweisen sollten, doch tatsächlich kaum ein
besonders hohes Nutzholzprozent bei der Verwertung reiner Buchenbestände von grös-
serer Ausdehnung sich ergeben wird, weil eben jene Verwendungsarten (Eisenbahn-
schwellen, gebogene Möbel, Holzpflaster u. s. w.) doch nur einen im Vergleich zur Ge-
samtmassenerzeugung im Buchenwalde nicht sehr erheblichen Bedarf bedingen. In
Gegenden, welche von den grossen Kohlenlagern weiter entfernt sind, hat Buchenbrenn-
holz natürlich noch einen besseren Absatz. Jedenfalls bleibt der Buche unbestritten
der Vorzug eines trefflichen Einflusses auf den Boden, so dass einer irgend einseitigen
Verdrängung derselben entschieden widerraten werden muss ^, wenn auch gegen eine
wohl erwogene örtliche Einschränkung ihres Gebietes nichts eingewendet werden kann.
Sie bleibt Hauptholzart im gemischten Bestände, sei es als eigentlich bestandesbildend,
sei es als höchst schätzbares Unterholz im Unterbau- und Lichtungsbetrieb. Zum Ueber-
haltbetrieb ist die Buche wenig geeignet (breite Krone, stark beschattend. Rinden-
240) Namentlich sollte mit Umwandlung in Nadelholz, bes. Pichte eine gewisse Vor-
sicht walten, weil Ueberführung des Marktes mit geringeren Nadelholzsortimenten (Hopfen-
stangen aus den Durchforstungen etc.) zu befürchten ist. — Man vergl. auch die um^ng-
liche Literatur der letzten Zeit, so u. a. die Verhandlungen der Wildbadener Forstversamm-
lung von 1880, sowie des württemb. Forstvereins in Kirchheim u. d. Teck 1884; ferner
Aufsätze von Urich (Zeitschr. f. F. u. Jw. 1880 S. 652), Kraft (Tharand. Jahrb. 1880
S. 154), Wimmenauer (Allg. F. u. J.Z. 1880 S. 1), Schuberg (Forstw. Zentralbl.
1880 S. 21 u. S. 269), Guse (das. S. 245).
Die Betriebsarten. § 84. 561
brand etc.) ; besondere Starkhölzer können, von höheren Umtrieben abgesehen, im zwei-
hiebigen Hochwald oder im v. Seebach'schen Betrieb erzogen werden.
2. Eiche: im Hochwald, Niederwald und Mittelwald.
a) Hochwald: Wegen der überaus schätzbaren Nutzholzeigenschaften der Eiche
ist das allgemeine Streben dahin gerichtet, sie in möglichst grossen Mengen nachzu-
ziehen, was teils im reinen, teils im gemischten Bestände geschieht. Die Traubeneiche
bildet meist längere geradere Schäfte, ist aber nicht für alle Zwecke gleich geschätzt
wie die Stieleiche.
Eichenzncht im wenigstens anfänglich reinen Bestände durch ganze Abteilungen
hin erfolgt meist mittelst Kahlschlags, oft unter Anwendung des Waldfeldbaues. Da
sich die Eiche schon im angehenden Stangenholzalter meist stark zu lichten beginnt,
muss sie unterbaut werden (s. dritter Abschnitt, 5. Kap. C). ümtriebszeit 120 bis
160 Jahre, je nach der Art des HoJzabsatzes. Die Durchforstungen liefern viele treff-
liche geringere Nutzhölzer (Grubenholz etc.). Lichtungszuwachs am dominierenden
Bestand.
Im Mischbestande erscheint die Eiche in verschiedener Gestalt (vergl. erster Ab-
schnitt, ni, B, 3). Von Einzelmischung wollen viele absehen ; ausserdem erscheint der
Femelschlagbetrieb, durch Schaffung vorwüchsiger Eichenhorste, am geeignetsten, die
Erhaltung der Mischung zu sichern. *
üeberhalt in einen folgenden ümtrieb wird zur Erzielung besonders starker
Stämme gewählt; doch ist dabei mit Vorsicht zu verfahren, damit nicht plötzliche
Freistellung einen Rückgang des Wachstums bei den Oberständern (Wasserreiser, Zopf-
trocknis, zu starke Kronenausbreitung etc.) bewirkt. Gruppenweiser üeberhalt mit
Bodenschutzholz in der Gruppe verdient Beachtung.
b) Mittelwald: Derselbe wird ebenfalls zu reichlicher Eichennutzholzzucht
verwendet. Die Mittelwaldeiche liefert auf kräftigem frischem Boden (besonders in den
Auwaldungen der Flussniederungen) oft hervoiTagend wertvolle Sortimente (breite Jah-
resringe; zwar oft nicht sehr hochschaftig, aber viele figurierte Hölzer), weshalb die
Bestandespflege auch hier der Eiche besondere Sorgfalt zuwenden sollte. Die Renta-
bilität eines Mittelwaldes ist meist ganz wesentlich durch die Zahl der vorhandenen
Eichenoberständer bedingt.
c) Niederwald, insbesondere Eichenschälwald: Stieleiche und Trauben-
eiche sind für den Betrieb passend (örtlich bald die eine, bald die andere höher ge-
schätzt), doch sollten beide (wegen ungleichzeitiger Entwickelung — s. Fribolin, „der
Eichenschälwald'^, S. 35) nicht im nämlichen Schlage stehen. Umtrieb meist 15 bis
20 Jahre. Abtrieb in der Saftzeit (besondere Fälle: der Hack waldbetrieb im Oden-
wald und den Siegener Haubergen — vergl. 2. Abschn. 4. Kap. I, 2), Läuterungshieb
im ca. 8jährigen Bestand (Entfernung unerwünschter Schlaghölzer, überflüssiger Lo-
den, bes. der sog. Schleifreiser), Durchforstung einige Jahre vor dem Abtrieb behufs
kräftigerer Entwickelung der stehenbleibenden Loden und Bildung reichlicherer und
wertvollerer Rinde. Nachbesserung (Schlaglücken, Ergänzung abgestorbener Stöcke
usw.), womöglich schon bei der Durchforstung, damit die Kempflanzen einen Vor-
sprung erhalten, hauptsächlich durch Stummelpflanzen (vielfach je 3 Stück im Dreieck
gesetzt — Odenwald). — Normale Schälwalderträge ^^) auf gutem Standort beim Ab-
241) cfr. u. a. Neubrand, „Die Qerbrinde", S. 168 ff., sowie Walther, „Mit-
teilungen über Eichenschälwalderträge aus der hess. Oberförsterei Alzey. Zur Versammlung
des hess. Forstvereins in Bingen 1885. Jentsch, Der deutsche Eichenschäl wald und seine
Zukunft 1899, Sehen ck, Die Rentabilität des deutschen Eichenschälwaldes 1899. Die
Schälwaldfrage wurde auch 1898 auf der Versammlung deutscher Forstmänner in Breslau behandelt.
Handbuch d. Forstw. 2. Aufl. I. 36
562 IV. Lorey, Waldbau.
trieb pro ha etwa 80—100 Ztr. Rinde (steigt bis 130, ja 150 Ztr.) und etwa 30 fm
Schälholz nebst 10 — 15 fm Raumholz.
Bei Neubegründung eines Schälschlags durch künstlichen Anbau sind die Erträge
des ersten Umtriebs natürlich wesentlich geringere als die normalen, welch letztere
auch in den beiden folgenden Umtrieben in der Regel noch nicht ganz erreicht werden.
3. Hainbuche: als Holzart des Hochwaldes und Mittelwaldes. Im Hochwald
dem übrigen Laubholz (weniger dem Nadelholz) als Mischholz beigesellt, oft in so reich-
licher Einsprengung, dass bei dem öfteren und reichlichen Samentragen dieser Holzart
ihre Ansamung eine sehr starke wird und ihre natürliche Nachzucht ohne Schwierig-
keiten gelingt. Als Brennholz und als Nutzholz (besondere Härte) geschätzt, lässt
schon vom 60ten bis 80ten Jahre an in der Regel im Zuwachs rascher nach als an-
dere Laubhölzer (Rotbuche, Esche etc.), weshalb ihr frühzeitigerer Aushieb uro so un-
bedenklicher ist. — Im Mittelwald gutes Ausschlagsholz; auch im Oberstand (jedoch
nicht zu reichlich) zuzulassen. Besonderer Pflege bedarf die Hainbuche kaum. — Ge-
legentlich als Kopfholzbaum auf Yiehtriften.
4. Esche: im Hochwald und als Oberholz im Mittel wald, in beiden Fällen sehr
geschätzt als Nutzholz ; auch wohl Schneidelbaum (häufig im Gebirg, wie in den Alpen,
zur Futterlaubgewinnung). Nicht oder nur ausnahmsweise (auf kleinen feuchteren Par-
tien) in reinem Bestand. Gefährdung durch Wildschälen, Frost etc. — Besonders gun-
stig in Mischung mit der Buche (namentlich auf Kalkböden), mithin zumeist im Schirm-
schlagbetrieb zu behandeln.
5. Ulme: in den gleichen Betriebsformen auftretend wie die Esche (doch andere
Bodenansprüche); sehr geschätztes Mittel wald-Oberholz (Auenwaldungen).
6. Ahorn: hauptsächlich im Hochwald, in Mischung mit anderen Laubhölzem
(z. B. Buchenbestände der Kalkformationen mit oft reichlicher Ahombeimischung).
7. Erle: im Hochwald (nassere Partien, dann meist rein), sowie als Stockschlag
(25— 30jährig. Umtrieb), auch als Oberholzbaum des Mittelwaldes an passenden Stellen.
8. Linde: Hochwald und Mittelwald.
9. Prunus-, Pirus-, Sorbus-Arten: eingesprengt im Hochwaldbestand,
an Wegrändern (hier bes. Sorbus aucuparia), auch als Oberholz im Mittelwald. Gros-
senteils als gute Nutzhölzer zu begünstigen, besonders bei den Durchforstungen zu be-
rücksichtigen; doch waldbaulich ohne grosse Bedeutung, sofern die Nachfrage immerhin
eine beschränkte ist; besonders begehrt ist die Eisbeere (s. torminalis).
10. Birke: meist im Hochwald-Mischbestand, doch im Mittelwald nicht ausge-
schlossen. Als Nutzholz (Geschirrhölzer) und als Brennholz geschätzt. Frosthart, wes-
halb und wegen der leichten Belaubung oft als Schutzholz zum Vorbau benutzt. Gmp-
penweises Vorkommen führt leicht zu frühzeitiger Bestandesdurchlichtung, deshalb Be-
schränkung angezeigt; ebenso ist Vorsicht im Zusammenleben mit Nadelhölzern geboten.
Die Birke ist in den meisten Waldgebieten Deutschlands nicht eigentlich mitbestimmend
für den Betrieb, sondern nur von sekundärer Bedeutung. Besondere Bedeutung hat sie
auf ärmerem Sandboden, wo sie namentlich zur Einfassung der Wege und Schneisen
sehr am Platze ist.
11. Falsche Akazie: waldbaulich meist nur als Ausschlagsholz von Belang,
an Böschungen zur Befestigung, doch auch auf herabgekommenen Böden als eigentlicher
Bestand, z. B. in Mischung (horstweise) mit der zahmen Kastanie ^*^) u. s. w. Das
Holz wird als Grubenholz verwandt ; auch als Stickstoffsammler ist die Akazie zu em-
242) Vergl. Kay sing, Der Kastanienniederwald S. 31 ff., ferner Eberts, gDer
Akazienniederwald'' (Allg. F. u. J.Z. 1900 S. 75), m. s. auch Verhandlungen der 23. Ver-
sammlung des Elsass-Lothringischen Forstvereins.
Die Betriebsarten. § 85. 563
pfehlen, daher für Zwischenbau zur Bodenverbdsserung vorzüglich geeignet. Die Mas-
sen- and Gelderträge des Akazienniederwaldes sind sehr hoch (bis 12 im für 1 Jahr
und Hektar und Preise bis 25, selbst 80 Mark für 1 fm Natzholz).
12. Zahme Kastanie^^^): in Deutschland nur hie und da als Hochwald;
meist als Niederwald mit etwa 15jährigem Umtrieb. Empfindlich gegen Streunutzung.
Sonst auf geeignetem Standort — (mildes Klima, der Rebe entsprechend, freier luftiger
Stand, sonnig, nicht zu warm, östliche Lage der Yorberge; nördliche Hänge haben zu
wenig Sonne, westliche und südliche sind zu trocken: Kalipflanze, bes. auf graniti-
schen Böden, auch tonhaltigen Kalkböden u. a., tiefgründig und locker, nicht nass, kein
Lettenboden) — bedeutender Zuwachs (bis 14, selbst 16 fm pro Jahr und ha). Ein-
malige Durchforstung im Alter des Bestandes von 7 — 10 Jahren.
13. Pappeln: meist im Hochwald, doch für die Betriebsart nicht entscheidend.
Aspe ist infolge ihrer Verwendung zur Fabrikation der schwedischen Streichhölzer sehr
gesucht und an manchen Orten gut bezahlt, so dass ihr Anbau vielfach am Platze be-
findlich erscheint.
14. Weiden: im Kopf holzbetrieb (Flussniederungen), sowie im Niederwald (Wei-
denheger), oft mit nur Ijährigem Umtrieb (feinste Flechtruten). Sorgfältige Boden-
pflege, Sicherung gegen Unkraut. Wenn nach ca. 15 — 18 Jahren eine Anlage im Er-
trag zurückgeht, so liegt dies weniger an Bodenerschöpfung, als an der in jeder Nutz-
ung zu erblickenden andauernden Misshandlung (trotz rationellsten Schnittes) der Stöcke.
Sehr hohe Reinerträge. Frische Böden durchschnittlich am besten, keineswegs nasse.
Einzelne Weiden (z. B. Salix caspica) auch sehr gut auf trockenerem, wenn nur
einigermassen mineralisch kräftigem Sand.
15. Schlaghölzer im Mittelwald: als solche mögen insbesondere für
viele Auewaldungen Vibumum, Lonicera, Comus, Prunus, Crataegus u. a. m. neben den
bereits aufgeführten Mittelholzarten hier erwähnt sein, weil dieselben oft sehr gut ver-
wertbare Kleinnutzhölzer liefern. Abtrieb derselben oft alle 5 — 8 Jahre. Besondere
Pflege findet meist nicht statt.
IL Nadelhölzer.
Die wesentlichsten Tatsachen sind bereits in den früheren Abschnitten enthalten,
weshalb man sich hier, mehr nur rekapitulierend, auf kurze Andeutungen beschränken
kann.
§ 85. 1. Tanne. Dieselbe ist, wie alle Nadelhölzer, ein Baum des Hochwaldes.
Höchstens im Mittelwald findet sie da und dort in ganz beschränktem Masse eine Stelle
durch Pflanzung einzeln oder in Gruppen dem sonstigen Oberholze beigesellt. Im Hoch-
wald wird sie im Femelbetrieb, Femelschlag- und Schirmschlagbetrieb und den Zwischen-
formen dieser Betriebe behandelt, während sie den Kahlschlag als Betriebsform wegen
ihres Schattenbedürfnisses in der Jugend allgemein nicht zulässt. Wo Tannenkahl-
schläge gleichwohl geführt werden, sind dieselben Notbehelfe infolge von Betriebsstö-
rungen, vorübergehende Massregeln, nicht aber Wirtschaftsprinzip. Wie schon früher
hervorgehoben wurde (z. B. § 78, sowie 2. Abschn. 4. Kap. , 11, 1) , führen gewisse
Eigenartigkeiten der Tannenwirtschaft (reichliche Ansamung unter noch geschlossenem
Kronendach, Zählebigkeit, Bildung von Vorwüchsen, Aushieb von Krebstannen etc.)
naturgemäss zu ungleichartigen, mehr femel artigen Beständen im Gegensatz zum durch-
weg gleichmässig gestellten Schirmschlag. Die Umtriebszeit ist meist auf 100 — 120
Jahre festgesetzt. Haubarkeits-Durchschnittszu wachs auf mittlerem Standort 7 — 9 Fest-
meter; die durchschnittliche Höhe solcher Bestände beträgt in jenem Alter 25 — 30
243) Yergl. u. a. K a y s i n g a. a. 0.
36
564 IV. Lore y, Waldbau.
Meter; die Durchmesser sind, je nach der Art der Wirtschaftsführung, überaus wech-
selnd; immerhin werden besondere Starkhölzer, Stämme von 50 und mehr cm Mitten-
stärke, auch da, wo frühzeitig Lichtungszuwachs angestrebt wird, meist erst in längerer
Zeit (mit 140 — 160 Jahren) produziert: die femelartigen Betriebsformen bieten die
beste Gelegenheit, Stämme zu diesem Zweck länger im Bestände zu belassen; im re-
gelmässigen Schirmschlag müsste man die Umtriebszeit entsprechend erhöhen oder zu
einer ausgesprochenen Ueberhaltform übergehen. In welchem Umfange die Anzucht
dieser hervorragend starken Hölzer rätlich erscheint, ist Sache lokaler Erwägung,
unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität, deren Bemessung sich auf den Holzmarkt,
bezw. die Holzpreise stützt.
Die Tanne kommt in ausgedehnten reinen Beständen, sowie in verschiedenen, zum
Teil hervorragend wertvollen Mischungen vor, worüber im 1. Abschn. III, B, 3 das
Nötige bemerkt ist.
2. Fichte. Ebenfalls zunächst Hochwald-Holzart, jedoch im Oberholz des Mit-
telwaldes nicht ausgeschlossen. Von der Tanne hinsichtlich der für die Wahl der Be-
triebsart hauptsächlich in Frage kommenden Momente besonders durch das abweichende
Verhalten in der Jugend unterschieden: raschere Entwickelung in den ersten Jah-
ren, dabei grösseres Lichtbedürfnis und dementsprechend geringere Ausdauer im Schirm-
druck, wesentlich geringere Gefährdung durch Frost und Hitze, wodurch die Möglich-
keit des Anbaues auf der Kahlfläche bedingt ist (vergl. 2. Abschn. 4. Kap. 11, 2). Dazu
kommt noch die grössere Gefährdung durch Sturm und auch durch Schneebruch. Man
findet die Fichte in allen Hochwaldbetriebsformen, von der extremen Kahlschlagwirt-
schaft bis zum eigentlichen Femelwald. Für den in früheren Abschnitten mehrfach
berührten Kampf pro und contra Kahlschlag, bezw. Femelbetrieb, Fenielschlag oder
Schirmschlag bildet die Fichte das hauptsächlichste Objekt. Man muss einräumen, dass
der Kahlschlagbetrieb an vielen Orten und in weitestem Umfange sehr gute Erfolge
aufzuweisen hat, so dass man ihm gegenüber kaum behaupten kann, mit natür-
licher Verjüngung würde man unter den gegebenen Verhältnissen noch weiter gekom-
men sein. Andererseits wäre es eine Uebertreibung , wollte man im Kahlschlag mit
nachfolgender künstlicher Bestandesbegründung allgemein und ohne Einschränkung die
beste Fichtenwirtschaft erblicken. Die Sicherung gegen Stürme lässt sich zwar durch
eine sorgsame Hiebsführung im Kahlschlagbetrieb vielleicht am vollständigsten erreichen,
aber die Belastung der Bestände durch den Kulturaufwand, welchen der Kahlschlag
erfordert, ist, in Verbindung mit dem oft befürchteten nachteiligen Einfluss desselben
auf den Boden, genügende Veranlassung, der natürlichen Verjüngung der Fichtenbe-
stände für die geeigneten Verhältnisse ihr Recht zu wahren. Will man dieselbe an-
wenden, so sind Femelschlagbetrieb sowie Saumschlagführungen in erster Linie zu
wählen, soweit es sich überhaupt noch um einen Wirtschaftswald handelt, während für
die eigentliche Femelform die Fichte weit weniger passt als die Tanne. Gegen den
Schirmschlagbetrieb spricht die Gefahr des Windbruchs und der Bodenverwilderung.
In schutzbedürftigen Hochlagen ist der Kahlschlag oft ganz ausgeschlossen. Ueber-
haupt hängt die Entscheidung zwischen den im allgemeinen möglichen Betriebsformen
ganz wesentlich von der Oertlichkeit ab. Frische Böden sind meist der natürlichen
Besamung günstig; hat man dazu hohe Umtriebe mit natürlicher Auslichtung der Be-
stände, so stellt sich Besamung leicht ein und hält sich auf frischem Boden bei wenig
künstlicher Nachhilfe so gut, dass die nattlrliche Verjüngung ohne besondere Besamungs-
schläge gelingt. Die Nachteile, welche dem Kahlschlagbetrieb anhaften können, wer-
den durch sofortigen Anbau mittelst Pflanzung unter Anwendung besten Pflanzmaterials
auf ein Minimum reduziert. Umtriebszeit 80 — 120 Jahre, Ertragsverhältnisse ähnlich
Die Betriebsarten. § 85. 565
wie bei der Tanne; doch sind schwächere Sortimente der Fichte weit besser verwert-
bar (Hopfenstangen, Papierholz, geringe Baostämme), weshalb auch niedrigere Umtriebs-
zeiten örtlich noch sehr wohl zulässig sein können. Ueberdies beeinilnsst dieser Um-
stand nicht selten den Dnrchforstangsbetrieb. Die Bedentnng der Fichte als Misch-
holzart ist früher erörtert.
3. Gemeine Kiefer. Aach bei dieser Holzart ist die Wahl der Betriebsart
ziemlich gleichbedeutend mit der Art der Verjüngung (cfr. 2. Abschnitt, 4. Kap. II, 3).
In der Konkurrenz zwischen Kahlschlag und Schirmschlag hat im grossen Granzen der
Kahlschlag gesiegt, doch wird Rückkehr zum Schirmschlag manchenorts angebahnt,
nachdem die Erfolge des Kahlhiebs zum Teil zweifelhafte waren. Der eigentliche Fe-
melbetrieb kommt nicht in Betracht. Umtriebszeit sehr wechselnd, von 50 und 60 bis
zu 100 und 120 Jahren, vom Standort weniger beeinflusst, als vom Wirtschaftszweck,
der Absatzgelegenheit u. s. w. Höhere Umtriebe sind auf geringen Böden wegen der
frühzeitigen natürlichen Auslichtung nicht am Platze. Auf besseren Böden kann Ueber-
haltbetrieb zur Erzeugung von Starkhölzem mit und ohne Unterbau in Betracht kom-
men. Doch ist die Gefahr des Windbruchs hierbei zu beachten. Mittlere Leistung des
geschlossenen Hochwaldes 4 — 5 fm Dnrchschnittszuwachs im 80- bis 100jährigen Um-
trieb; mittlere Höhe ca. 20 — 25 Meter.
4. Schwarzkiefer der gemeinen Kiefer analog im Hinblick auf die Betriebs -
form.
5. Weymouthskiefer sowie
6. Lärche und die übrigen Nadelhölzer bieten bezüglich der Betriebs-
arten keine Besonderheiten, welche sich nicht direkt aus dem über deren Verjüngung
Gesagten ergäben.
566
Anhang.
Zur Pflege der W aldesschönheit 0.
Von
Hermann Stoetzer,
§1. Einleitung. „Die Wälder sind der Länder höchste Zierde." Mit die-
sem Satze leitete Gottlob König im Jahr 1849 einen Abschnitt seiner gehaltvollen
Schrift „Die Waldpflege** ein, welchem er die Ueberschrift „Verschönerung der Wal-
dungen** gab.
Derselben Worte bediente sich Heinrich Burckhardt, als er 1854 sein berühmtes
Werk „Säen und Pflanzen nach forstlicher Praxis** herausgab und in demselben mit-
telst eines besonderen Abschnittes die „Waldverschönerung** behandelte.
Beide Altmeister unseres Faches waren gleichmässig von der Ueberzeugung durch-
drungen, dass in Anbetracht der hohen Bedeutung der Wälder als Zierde der Länder
dieser Seite derselben bei ihrer Bewirtschaftung besondere Aufmerksamkeit zu widmen
sei, beide behandelten die W^aldverschönerung nebenher mit anderen Disziplinen unserer
Wissenschaft: der eine mit der Waldpflege, der andere mit dem Waldbau.
Inzwischen ist eine grössere selbständige, höchst wertvolle Schrift über „Forst-
ästhetik** durch Heinrich von Salisch herausgegeben worden (1. Auflage 1885,
2. Auflage 1901); es erschien ferner eine kleine Broschüre von dem bekannten, inzwi-
schen leider in den Ruhestand getretenen k. k. Sektionschef im Ackerbauministerium
zu Wien, L. Dimitz „üeber Naturschutz und Pflege des Waldschönen **, Wien 1903 als
Heft I der Sammlung: „Grüne Zeit- und Streitfragen.**
Auch die forstliche Tagesliteratur hat sich mehrfach mit diesem Gebiete beschäf-
tigt (u. a. Wilbrand: „Forstästhetik in Wissenschaft und Wirtschaft", A. F.- u. J.-Ztg.
1893, März- und Aprilheft); nicht minder ist das vorliegende Thema in Forstvereinen
behandelt worden (u. a. XIII. Versammlung des Forstvereins für das Grossherzogtum
Hessen in Darmstadt 1901, Vortrag des Obfm. Heinemann über „Die Bewirtschaftung
der Waldungen in Rücksicht auf landschaftliche Schönheit**).
Allgemein wird mit Recht die Forderung erhoben, dass der Forstmann bei Be-
wirtschaftung des Waldes der Pflege seiner Schönheit die gebührende Aufmerksamkeit
widmen möge. So erschien die Aufnahme dieses kurzen Anhanges zum „Waldbau*' des
verstorbenen Professors Dr. von Lorey in das Handbuch der Forstwissenschaft nicht
unangemessen und es dürfte gerade an dieser Stelle die Behandlung der Pfl^e der
1) Die Aufnahme dieser Abhandlung in das Handbuch der Forstwissenschaft erfolgte
auf spezielle Anregung des Inhabers der Verlagsbuchhandlung, Herrn Dr. phil. hon. c. Sie-
beck, eines warmen Freundes des Waldes und seiner Pfleger. H. St.
Wesen der Waldesschönheit. § 3. 567
Waldesschönheit an ihrem Platze sein, da bei dieser Seite forstlichen- Wirkens die wald-
baulichen Massregeln ganz besonders in Betracht kommen, bei deren Darchfühmng das
Schöne mit dem wirtschaftlich Zw^eckmässigen öfters ohne Schwierigkeiten und nam-
hafte Opfer sich verbinden lässt.
1. Wesen der Waldesschönheit.
§2. a) Der Wald in seiner Wirkung auf die Schönheit der
Gegend (ästhetische Bedeutung des Waldes). Dass die Wälder als
wesentliche Zierde einer Landschaft erscheinen, liegt in der grösseren Mannigfaltigkeit
des Bildes, welches eine Gegend darbietet, in welcher nicht nur der Anblick monotoner
Acker-, Wiesen- oder W^eide-, selbst Weinbergflächen dem Auge geboten wird, sondern
eine Abwechselung durch das Hinzutreten von Waldbildern geschaffen ist. Hat man
den Wald nicht ohne Grund den „Aristokraten der Landschaft^ genannt!
Freilich ist in dem Aussehen der Waldbilder ein grosser Unterschied, je nach
den Holzarten, welche die Bestände bilden und nach den vorkommenden Betriebsarten ;
aber man kann allgemein sagen, dass selbst bei Vorhandensein eines nach forstlichen
Begriffen wenig schönen Waldes eine Gegend doch noch erfreulicher erscheint, als es
ohne denselben der Fall sein würde. Oefters ist bei vorhandenem geringem Boden die
Bewaldung immer noch diejenige Form der Benutzung, welche am ersten eine Eente
abwirft.
Abgesehen von den Gründen, welche auf dem Gebiet der Wohlfahrtswirkungen
des Waldes liegen, wie z. B. die Rücksichten auf Abhaltung der Winde, auf Verhütung
von Abschwemmungen und Ueberschwemmungen , ist die Walderhaltung und die Auf-
forstung öder Flächen schon im Interesse der Verschönerung einer Gegend wichtig.
Dies gilt besonders für kahle Höhenzüge und Kuppen, deren oft recht monotonen Verlauf
man durch eine wenigstens teilweise Bewaldung angenehm unterbrechen wird, wodurch
sich das Bild der Landschaft wesentlich abwechselnder und freundlicher gestaltet.
Wo aber derartige Züge des Geländes bewaldet sind, soll der Forstmann nicht
nur den Wald erhalten, sondern ihn auch so bewirtschaften, dass das Bild kahler Flä-
chen grösseren ümfangs nicht in die Erscheinung tritt.
Ferner wäre darauf hinzuwirken, dass bei Separationen, die so oft zum Verschwin-
den kleiner Feldhölzer, sowie einzelner Bäume und Hecken führen, wodurch das Bild
einer Flur sich bisweilen sehr eintönig gestaltet, Pläne geringeren Bodens an die Ge-
meinden zur Aufforstung ausgewiesen würden. Welcher Beitrag dadurch zur Schaffung
von Nistplätzen für die nützlichen insektenfressenden Vögel — abgesehen von der Ver-
schönerung der Landschaft — geliefert werden würde, bedarf keiner näheren Ausführung.
§ 3. b) Der Wald in seiner Wirkung auf das Gemüt des Men-
schen (ethische Bedeutung des Waldes). Die inneren Reize des Waldes, wenn wir
uns denselben nicht als Schmuck der Landschaft, sondern als Ort der Erholung und
des Wohlbefindens seiner Besucher denken, beruhen auf einer ganzen Reihe von Er-
scheinungen, über welche sich Rechenschaft abzulegen die meisten Waldfreunde keine
Veranlassung haben. Auch hier sind die Verschiedenheiten in den Formen und den
Farbentönen, sowie in den Lichteffekten, wie sie der Wald bietet, manchmal von be-
sonders erfreulicher Wirkung. Mehr noch ist es die Stille und Ruhe, der erhabene
Friede, den ein Wald von grösserer Ausdehnung doch wenigstens noch stellenweise
— nicht überall — bietet, ferner die in den geschlossenen Beständen vorhandene Däm-
pfung der Beleuchtung, deren grelles Licht uns im Felde aufdringlich belästigt, die
schöne Kühle im Sommer, der Schutz vor dem Wind, den wir in der rauhen Jahreszeit
aufatmend empfinden, wenn wir aus dem Blachfeld, stark umweht von rauher Luft,
568 Stoetzer: Zur Pflege der Waldesschönheit.
ans nach mühseligem Wandern in den Ueberwind des Waldes durchgekämpft haben,
daza das geheimnisvolle Rauschen der Wipfel, endlich das Gefühl geringerer Trocken-
heit der Luft: kurzum, eine ganze Beihe schöner Einwirkungen vereinigt sich, um in
uns Empfindungen hervorzurufen, die beruhigend und sänftigend auf das Gemüt ein-
wirken und welche wohl jedem gebildeten, mit etwas Gefühl begabten Menschen nicht
fremd geblieben sind.
Dieser Zauber, welchen der Wald auf den Menschen ausübt, ist uralt und obenan
steht in der W^ertschätzung desselben in Hinsicht auf diese seine ethische Seite der
Deutsche, der aus dem Getriebe der Welt und ihrer Geschäfte so gerne sich hin-
ausfluchtet in die Stille und den Frieden des Waldes.
Zumal unsere Dichter haben dem Wald eine Verehrung dargebracht, welche sich
in herrlichen Blüten der Poesie äussert, in denen das geheimnisvolle Weben und der
mächtige Zauber des Waldes besungen sind. Ueberaus anmutend druckt J. V. von
Scheffel jene beruhigende Einwirkung des Waldes auf das Gemüt aus, wenn er in
einem, speziell den Zauber des Thüringer Waldgebietes verherrlichenden liede singt:
„Denn das ist deutschen Waldes Kraft,
Dass er kein Siechtum leidet.
Und alles, was gebrechenhaft,
Aus Leib und Seele scheidet.
Wer einmal diesen Jungbrunn fand,
Der schöpft aus keinem andern;
Thüringer Wald. Thüringer Land,
Nur hier mag ich noch wandern.*
Auch die Sozialpolitiker haben sich von dem Standpunkt der Ethik aus mit der
Waldfrage beschäftigt, u. a. Ernst Moritz Arndt, „Ein Wort zur Erhaltung
der Forste und der Bauern'^. „Dem deutschen Menschen — so sagt er u. a.
— müssen nirgends Bäume fehlen, mit deren Zweigen er wie mit
ebensovielen Armen seine Arme verflechten und mit welchen er
sich also lustig zu seinen Sternen hinauf nach oben schwingen
kann.* Riehl drückt sich sehr schön aus, indem er u. a. sagt : „Brauchen wir
das dürre Holz nicht mehr, dann wird dem Geschlecht das grüne,
in Saft und Trieb stehende, zur Erwärmung seines inwendigen
Menschen um so nötiger sein^).
Auch der berühmte Bildhauer S c h a d o w , der die Reize der klassischen Gefilde
von Rom und Hellas genau kannte, soll den Zauber des Waldes besonders gewürdigt
und öfters gesagt haben, er kenne nichts Herrlicheres, als den deutschen Wald.
Und ist es nicht ein Ausfluss dieser Erkenntnis der ethischen Bedeutung des
Waldes, wenn die eigenste Initiative Kaiser Wilhelms IE. den Grunewald bei Berlin
dem Volke als eine Art grossen Volks waldes oder Naturparkes öffnen und ihn lediglich
nach dem Gesichtspunkt einer solchen Bestimmung behandelt wissen will?
§4. c) Wirkung der einzelnen Holzarten. Grosse Unterschiede be-
stehen hinsichtlich der einzelnen Holzarten und Waldformen in ihrer Wirkung auf das
Gemüt des Menschen, freilich etwas beeinflusst von der Individualität und von den
Waldbildem, welche der einzelne in seiner Heimat zu sehen gewohnt ist.
Wenig erbaut ist zumeist der Bergbewohner, wenn er in der Ebene das Bild des
Kiefernwaldes auf sich einwirken lässt, der ihm leicht triste und langweilig vor-
2) y. Sali seh, Forstästhetik. 2. Aufl. S. 121.
Wesen der Waldesschönheit. § 4. 569
kommt, namentlich wenn er ihn stundenlang auf Eisenbahnfahrten rechts und links
zur Seite hat, wie es einem auf der Fahrt durch Nord- und Ostdeutschland begegnen
kann. Aber auch der Kiefernwald bietet in seinem Innern mancherlei Reize, wenn wir
Bestände alter malerischer Kiefern durchwandern, vielleicht gemischt mit einzelnen
alten Laubhölzem, oder mit jüngerem Laubholz unterbaut, abwechselnd mit offenen
Schonungen, unterbrochen durch grössere Wasser- oder Wiesenflächen, die dem Auge
eine liebliche Abwechselung gewähren, besonders wenn ab und zu ein Durchblick auf
den blauen Duft der Ferne geboten wird. So hat der Märkische Wald mancherlei
Reize, die nur der Eingeweihte kennt und die beispielsweise Theodor Fontane,
der ein Verehrer märkischer Landschaft war, mit Begeisterung geschildert hat („Wan-
derungen in der Mark Brandenburg*^).
Ganz besonders malerisch aber gestaltet sich das Bild alter, ehrwürdiger, ein-
zeln oder in räumlicher Stellung stehender Kiefern mit breit abgewölbten Kronen und
dunklem rotbraunem Schaft. Wenn unter ihnen noch die im Herbst so schön rot
blühende Heide einen üppigen Teppich bildet, so kann man wohl glauben, was Fürst
Pückler-Muskau, der Vielgereiste, ausgesprochen haben soll, nämlich dass er in-
mitten der schönsten tropischen Natur eine wahre Sehnsucht nach der Lausitzer Kiefem-
heide gehabt habe und der es für einen grossen Genuss erklärte, unter alten Kiefern
in der Heide zu liegen und ins Blaue zu sehen.
Unter den Nadelhölzern erfreuen sich nun, vom Standpunkt der Waldesschönheit
aus betrachtet, im allgemeinen eines grösseren Ansehens als Kiefern die schlanken
hochragenden Fichten und Tannen, wohl auch mit deshalb, weil sie vorwiegend
Bäume des Bergwaldes sind und hier die Reize der malerischen G^ländeformen vielfach
für die Schaffung eines schönen Eindruckes mitwirken.
Besonders erhebend ist die Wirkung alter Bestände oder einzelner Waldriesen,
namentlich alter Tannen, wie sie sich im Schwarzwald, in den Vogesen, auch wohl
im Thüringerwald finden, woselbst die stärkste Tanne die „Königstanne^ am Wurzel-
berg bei Katzhütte ist, die etwas über 2 Meter Durchmesser in Brusthöhe und 44
Meter Höhe besitzt.
In den grossen zusammenhängenden Forsten der Gebirge finden wir Fichten- und
Tannenbestände öfters in gewaltigem Waldzusammenhang, in welchem unstreitig diese
Waldform etwas Ernstes, Feierliches besitzt, besonders weil sich — entgegengesetzt zu
der sich frühzeitig lichtstellenden Kiefer — Fichten und Tannen auch in höherem Alter
mehr geschlossen halten. Etwas Dunkles, Stilles, wehmütige Seiten des Gemütes Be-
rührendes wohnt ihnen inne:
„Wildverwachsne dunkle Fichten
Leise klagt die Quelle dort,
Herz, das ist der rechte Ort
Für dein schmerzliches Verzichten. **
So singt Nikolaus Lenau in einem seiner düsteren Lieder!
Und das köstliche Gedicht Goethes, welches die geheimnisvolle Einwirkung, die
der Wald auf das Gemüt ausübt, so ergreifend zum Ausdruck bringt —
„Ueber allen Wipfeln ist Ruh'
In allen Gipfeln spürest Du
Keinen Hauch. Die Vöglein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest Du auchl*^
— diese tiefe Empfindung des Dichters entstammt, wie wir wissen, dem Eindruck, den
die grossartigen Fichten- und Tannenwaldnngen , welche der Gickelhahn bei Ilmenau
570 Stoetzer: Zur Pflege der Waldesschönheit.
*
beherrscht, auf ihn ausübten.
Von den sonstigen Nadelhölzern wäre noch die Lärche zn erwähnen, die be-
kanntlich im Winter ihre Nadeln verliert; ihr hellgrünes, frühzeitig erscheinendes neues
Kleid wirkt sehr vorteilhaft und unterbricht angenehm die dunkle Farbe des sie um-
gebenden anderen Nadelholzes, oder des noch nicht belaubten Buchenwaldes, zu dess^
empfehlenswertesten Nutzhölzern sie gehört.
Die hie und da in Deutschland noch vorkommenden Reste von Taxus beständen
sind hochinteressant als Zeugen längst entschwundenen reichlicheren Vorkommens dieser
Holzart. Man wird sie zu erhalten und nach Möglichkeit zu regenerieren suchen. Auf
die Exoten unter den Nadelhölzern soll nicht eingegangen werden. So gross das
Interesse ist, welches den weiteren mit ihnen zu machenden Versuchen innewohnt, so
ist doch vorerst kein Urteil darüber möglich, welche Wirkung sie auf die Waldes-
schönheit im grossen ausüben können.
Ein wesentlich freundlicheres Bild als der Nadelwald gewährt uns ganz ent-
schieden im allgemeinen der Laubwald, dessen Qrün ein helleres , frischeres
und dessen Mannigfaltigkeit in den Vegetationserscheinungen ohne Zweifel eine grössere
ist. Dazu kommt, dass der dichtere Schluss in den Kronen meist fehlt und dass eine
grössere Abwechselung von Licht und Schatten sich uns darbietet, als im Nadelholz,
besonders in Fichten und Tannen. Allerdings bezieht sich dies auf den grünen Laub-
wald des Sommers. Im Winter ist wiederum der beschneite Nadelwald ästhetisch ent-
schieden wirksamer als der Laubwald!
Der Vorrang im Laubholz gebührt, was die Wirkung auf Waldesschönheit
anlangt, unstreitig der Buche. In wirtschaftlicher Hinsicht steht allerdings der Bu-
chenwald sehr zurück; aber kein Forstmann, der etwas vom deutschen Gemüt in sich
hat — und dasselbe ist ja zum Glück bei den meisten derselben vorhanden — , wird
deshalb über die Buche den Stab brechen! Weiss er doch auch, dass vom Standpunkt
des Verstandes die bodenschützende und die Waldproduktion erhöhende Einwirkung der
Buche als Folge des den Boden schirmenden Schlusses der Bestände und des, einen vor-
züglichen Humus bildenden Laubabfalles hoch genug zu veranschlagen ist, um ihr den
wohlberechtigten Platz im deutschen Walde zu sichern, dies um so mehr, als sie wenig
von den Kalamitäten zu leiden hat, welche den Nadelwald so oft heimsuchen, als da
sind Wind- und Schneebruch, schädliche Forstinsekten, ja selbst die in neuerer Zeit
immer mehr in ihrer Schädlichkeit erkannten Pilze.
Etwas Hehres finden wir in der Form hochragenden älteren Buchenhochwaldes mit
den schlanken, dabei mächtigen Säulen der Stämme und dem kuppelartig abgewöibten
Blätterdach. Soll ja diese Waldform das Vorbild zu dem gotischen Styl der Kirchen-
dome gewesen sein!
Der schöne Eindruck des Buchenwaldes beruht aber nicht nur auf den Formen
desselben, sondern hauptsächlich mit auf der Färbung. Welch liebliches Kolorit bietet
das junge Maiengrün des Buchenwaldes, schon von dem Moment an, in welchem sich
einzelne grüne Siegesfahnen aus dem Braun des noch nicht belaubten Hauptteües eine^
Buchenwaldes hervorheben. Steinbuchen nennt man wohl solche, den Vortrab
bildende Einzelbäume!
Von dem hellen Frühlingsgrün bis zu dem unvergleichlichen Goldbraun und Rot-
braun des Herbstes ist die Färbung des Buchenwaldes immer schön. Ein Blick von
hervorragenden Höhen auf ein Meer von Buchenwald, welches sich zu unseren Füssen
ausbreitet, wie wir solches in den verschiedensten Gebieten von Mittel- und Süddeutscfa-
land finden, gehört mit zu den schönsten Freuden an unserer Natur, die man sich
denken kann. Nirgends lässt sich der Frühling angenehmer erwarten als im Buchen-
Wesen der Waldesschönheit. § 4. 571
gebiet, nirgends ist auch wiederum der Herbst so reich an schönen Farbenbildem des
Waldes als in diesem^).
Der Buche gegenüber steht nun die Eiche. Die ästhetische Wirkung der ein-
zelnen, freistehenden Eiche ist vielleicht noch günstiger, als die der einzelnen Buche.
Die alte Eiche mit den stark ausgeprägten knorrigen Aesten erscheint uns als ein
Sinnbild der Kraft und Stärke, wogegen die Buche mehr etwas Zartes, Liebliches
hat. Man könnte geradezu der Eiche den männlichen, der Buche den weib-
lichen Charakter beilegen.
Der Eichenwald ist im allgemeinen hinsichtlich seiner Wirkung auf das Gemüt
dem Buchenwald entschieden nachzustellen. Besser ist der Eindruck schon, wenn er
mit Buche durchstellt und die letztere unterständig ist, wobei sie mit ihrem hellen
Grün Frische und Abwechselung in das Bild bringt. Auf besonders gutem Boden findet
sich ein solches, den Boden deckendes Unterholz von allerhand Strauchholz von selbst ein.
Das Bestreben, die Eiche als Mischholz in den Buchenhochwald, zur Erhöhung
seines Geldertrages, hineinzubringen, bezüglich hier zu erhalten, spielt heute im Forst-
betrieb eine grosse Rolle. Auch vom Standpunkt der Waldesschönheit ]ässt sich nichts
dagegen einwenden, zumal die wirtschaftliche Richtigkeit einer solchen Massregel selbst
dem Laien leicht einleuchten wird.
Die A h 0 r n e spielen in ähnlicher Weise eine Rolle im Gebiete des Buchenwaldes
als Mischhölzer, daneben sind sie schöne Einzelbäume an Strassen und auf freien Plätzen
Recht günstig wirkt hier der Spitzahorn wegen seiner hellgelben, vor dem Aus-
bruch des Laubes erscheinenden Blüten, welche im Farbenbilde der Landschaft einen
vorzüglichen Effekt hervorrufen.
Besonders ist noch der Birke zu gedenken, welche ästhetisch meist günstig
wirkt und in manchen Fällen vom Standpunkt der Schönheitspflege aus Berücksichtigung
verdient, auch wenn sie forstlich-wirtschaftlich nicht immer befriedigt. Ihr heller,
silberweisser Stamm, ihre leichte luftige Belaubung im hellen Grün, die von dünnen,
leicht beweglichen Aesten getragen wird, verleihen ihr einen eigenartigen Charakter.
Auch im Winter wirkt sie günstig : man kann nichts Graziöseres an Baumschlag sehen,
als eine vom Rauhreif überzuckerte oder mit Schnee beduftete Birke.
Sie ist die genügsamste unserer Holzarten, sowohl in ihren Anforderungen an
Lage und Klima, als auch an den Boden. Sie passt vorzüglich auf dasjenige Gebiet,
welches wegen vorhandener Bodenarmut der Buche und Eiche, sowie dem Ahorn und
der Esche verschlossen ist. Insbesondere kommt sie für das Gebiet der Kiefer als
Mißchholz in Betracht, indem sie die Monotonie der reinen Kiefer vorteilhaft unterbricht.
Sie eignet sich hier namentlich als Randeinfassung, sowie als Alleebaum an die Wege,
wo sie noch dadurch günstig wirkt, dass sie infolge ihrer hellen Farbe in der Dunkel-
heit die Richtung erkennen hilft. Im Innern der Nadelholzbestände schadet sie infolge
ihrer beweglichen, vom Wind viel hin und her gepeitschten Krone öfters den Nachbar-
stämmen in einem Masse , dass ihr Aushieb zur gebieterischen Notwendigkeit wird.
Oefters leistet sie gute Dienste als erste Ansiedlerin an steilen Böschungen und kahlen
Hängen.
Dass Eschen und Roterlen auf den feuchten Böden eine Rolle spielen, dass
auf letzteren auch die baumartigen Weiden manchmal sehr vorteilhaft wirken, sei der
Vollständigkeit halber nicht unerwähnt gelassen. Auch die so schön blühende Ross-
kastanie, deren Früchte als Wildfutter so wertvoll sind, verdient eine Empfehlung für
3) Als ein hervorragendes Gebiet malerisch wirkenden Buchenwaldes ist die Gegend
von Eisenach und Wilhelmsthal zu nennen.
572 Stoetzer: Zur Pflege der WaldeBSchönheit.
die Waldränder, sowie als Alleebanm.
Als eine, für die Verschönerung einer Gegend unter gewissen Umständen recht
wichtige Holzart ist noch die Weiss er le zu erwähnen, welche zur Aufforstung öder
Kalkhänge die dankbarste Holzart ist, die man sich denken kann. Infolge ihres ge-
ringen Wasserbedürfnisses kommt sie auf sehr trockenem Standort noch leidlich fort;
das Austreiben von Wurzelbrut kommt ihrer Erholung sehr zu statten. Stirbt der
Stamm ab, so finden sich als Ersatz massenhafte Ausschläge ein. Dazn kommt der
reichliche Blattabfall, sowie die Fähigkeit, Stickstoff aus der Atmosphäre aufzunehmen,
kurzum die Weisserle leistet hier Hervorragendes und kann auch für nachträgliche Aus-
pflanzung kümmernder Nadelholzkulturen auf solchen Gebieten nur dringend empfohlen
werden*).
Von fremden Laubhölzern sind besonders die Roteichen zu erwähnen,
welche wegen ihrer dunklen Färbung im Herbst einen vorzüglichen Effekt machen.
Neben ihnen wären in gleichem Sinne die amerikanischen A hörne zu nennen.
Im übrigen empfehlen sich vorerst fortgesetzte Einbürgerungsversuche, ehe über
die Wirkung auf Waldesschönheit gesprochen werden kann.
§ 5. d) Wirkung der verschiedenen Betriebsarten. Neben den
Unterschieden in den Waldbildern, wie sie durch die Verschiedenheit der Holzarten
veranlasst werden, ist nun noch derjenigen Einflüsse zu gedenken, welche die Ver-
schiedenheit der Betriebsarten auf das Bild der Landschaft ausübt.
Unter ihnen kann man dem Hochwald, dieser kapitalintensiven Betriebsart,
welche bekanntlich bei Nadelholz die einzig mögliche ist, gewiss etwas Aristokratisches
nicht absprechen, wie er denn auch eine gewisse Wohlhabenheit des Besitzers voraus-
setzt, der in der Lage ist, auf den Eingang der Erträge warten zu können — um so
länger, je höher die Umtriebe sind.
Ihm gegenüber kann man den Niederwald den Wald des kleinen Besitzers nennen,
dessen Benutzung für diesen desto günstiger sich gestaltet, in je kürzeren Zwifichen-
räumen dieselbe wiederkehrt.
Die landschaftliche Wirkung des Niederwaldes ist im allgemeinen, namentlich
wenn er in grösserer Ausdehnung vorkommt, keine günstige. Er hat dann leicht
etwas Eintöniges und der Mangel an älteren, höheren Bäumen wirkt entschieden un-
vorteilhaft. Das beste an ihm ist die Färbung, namentlich wenn er gemischt ist. Fin-
den wir die Eiche darin vertreten, so wirkt dieselbe insofern günstig, als sie die leder-
farbig braun gewordenen Blätter bis weit in den Winter hinein, öfters bis kurz vor
dem Ausbruch des neuen Laubes, an ihren Zweigen behält.
Unschön wirken die, sich in kurzen Zwischenräumen wiederholenden Kahlschlage,
welche sich von Jahr zu Jahr fortsetzen, wie man dies im ausgedehnten Niederwald-
gebiet der Rhein-, Mosel-, Nahe- und Neckarlandschaften, sowie im Kreise Siegen findet
Auch der mit dieser Waldform in Verbindung stehende Getreidebau auf den Ab-
triebsflächen, wie er in den Hackwaldungen des Odenwaldes und auf den Haubergen
des Siegener Landes betrieben wird, trägt dazu bei, den ungünstigen Einfluss des Nie-
derwaldbetriebes auf das landschaftliche Bild einer Gegend noch zu verstärken.
Werden gar noch, wie dies in einigen westdeutschen Gebieten, allerdings nur
örtlich beschränkt, vorkommt, die Eichenstämmchen im Stehen geschält, so sieht man
bisweilen die Baumleichen wochenlang in ihrer Nacktheit stehen, was auf den dieses
Bildes ungewohnten Beschauer abstossend wirkt.
4) In ausgedehnter Weise ist die Weisserle zur Aufforstung kahler Kalkhänge in der
Umgebung von Jena zur Verwendung gelangt.
Wesen der Waldesschönbeit. § 5. 573
Zum Glück wird durch die malerischen Bergformen mancher jener Gegenden, in
denen der Niederwald in grösserer Ausdehnung vorkommt, dem an sich ungünstigen
Bilde ein Gegengewicht geboten.
Ganz am Platze ist aber der Niederwald an felsigen steilen Hängen, an denen
hohe Bäume mit der Wurzel nicht wohl in den Boden kommen können, wie z. B. an
den Wänden des Bodetals im Harz oberhalb Thale. Hier wird auch der Anblick auf
malerische Felsen durch den Niederwald am wenigsten beeinträchtigt. Ebenso wird
man mit Vorteil solche Gebiete im Niederwaldbetrieb bewirtschaften, bei denen es sich
darum handelt, eine Aussicht offen zu erhalten, ohne dass man gerade eine ganz
holzleere Fläche haben will.
Der Mittelwald, welcher über dem an sich eintönigen Unterbestand die
Kronen höherer Stämme in der verschiedensten Verteilung und mit sehr ungleichem
Laubdach zeigt, wirkt landschaftlich äusserst günstig. Niemals wird der Boden ganz
entblösst und selbst wenn Jahr für Jahr weiter geschlagen und Hauung an Hauung
angeschlossen wird, haben wir doch keine auffallende und störende Veränderung des
landschaftlichen Bildes, wie bei Niederwald.
Als ein Vorzug des Mittelwaldes in malerischer Hinsicht kann die in ihm meist
vorhandene und unschwer noch mehr zu begünstigende Mischung der verschiedensten
Holzarten bezeichnet werden.
Auf die Dauer haltbar ohne Rückgang der Bodengüte ist allerdings der Mittel-
wald nur auf gutem Standort; auf dem Gebiete trockenen Sandbodens haben sich die
Mttelwaldbetriebe in grossem Umfang nicht erhalten lassen ; sie wurden teils in Laub-
holzhochwald, teils aber auch, und zwar noch mehr, in Nadelholz umgewandelt. Dass
dazu die wirtschaftliche, finanziell zumeist weniger günstige Seite des Mittel waldes vielfach
überhaupt auffordert, sei noch beiläufig bemerkt. Um so mehr ist zu betonen, dass hierzu
vom forstästhetischen Standpunkt aus keine Veranlassung vorliegt, im Gegenteil die
Erhaltung des Mittelwaldes unter den geeigneten Voraussetzungen empfohlen zu wer-
den verdient.
Aehnlich wie Mittelwald wirkt in Hinsicht auf das landschaftliche Bild einer
Gegend der F e m e 1 - oder Plenterwald, eine Abart des Hochwaldes, welche da-
durch charakterisiert ist, dass die verschiedenen Altersstufen des Holzes nicht flächen-
weise von einander abgesondert sind, sondern in einzelnen Stämmen und Gruppen
durcheinanderstehen. Herrliche Bilder solchen Plenterwaldes bietet das Buchengebiet
auf Kalk, wo diese Holzart die besten Bedingungen ihres Gedeihens findet, so z. B.
bei Eisenach in den Waldungen des sog. Hainigs, eines dem Thüringerwalde nördlich
vorgelagerten Bergzuges. Jedoch auch die Weisstanne, weniger die Fichte, eignet sich
für diesen Betrieb, der überhaupt nur für schattenertragende Holzarten passt und dann
immer nur auf bestem Standort dauernd in befriedigendem Zustande zu erhalten ist,
wogegen auf trockenerem Boden Stockungen im Wachstum der schwächeren Individuen,
welche hier die Ueberschirmung nicht vertragen können, entstehen.
Noch eine andere Hochwaldart nimmt unser Interesse in forstästhetischer Hin-
sicht in Anspruch, die Femelschlagform, eine Betriebsart, welche grundsätzlich
in einer und derselben Forstabteilung keinen gleichalterigen Bestand, sondern weiter-
gehende Unterschiede im Alter der in grösseren Gruppen sich absondernden Bestockung
anstrebt.
Auch bei diesem Betrieb, der besonders infolge der lebhaften Empfehlungen Gayers
und des Oberforstdirektors von Huber in Bayern eine grosse Rolle spielt, ist die Man-
nigfaltigkeit in der Bestockung eine grosse, zumal hierbei der Bestandesmischung mit
grossem Erfolg eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden kann. Es leuchtet
574 Stoetzer: Zur Pflege der Waldesschönheit.
ein, dass dieser Betrieb in HinBicht auf die Schönheitspflege des Waldes alle Beachtung
verdient, wenngleich nicht zn verkennen ist, dass bei ihm ebenso wie bei dem Femel-
betrieb die Gunst des Standortes nicht fehlen darf, wenn genügende Erfolge erzielt
werden sollen.
2. Massregeln zur Pflege der Waldesschoiiheit.
§ 6. a) Allgemeine Vorbemerkungen. Man hat mit Recht gesagt,
die Bewirtschaftung des Waldes nach Schönheitsrficksichten sei eine „Forstknnsf.
Bei allen Künsten ist die Erlernung des Könnens an eine gewisse Anlage, an ein T a-
1 e n t geknüpft. Der blosse Unterricht kann nicht den Zögling zum Künstler ausbilden,
das Talent dazu muss in ihm liegen. So ist es vielleicht auch bei der Forstkunst.
Mehr als allgemeine Andeutungen können bei einer abstrakten Behandlung derselben
nicht wohl gegeben werden. Im einzelnen das Richtige zu finden ist Sache des indi-
viduellen Geschmacks. Dass der Beruf des Forstmannes es mit sich bringt, das Schön-
heitsmoment bei seinen wirtschaftlichen Massregeln zu beachten, entspricht einem höhe-
ren idealen Ziele. Ist doch aller Fortschritt in der menschlichen Kultur mit in der
Pflege des Schönen und des Edlen begründet. Indem wir den Wald so behandeln, dass
er allen Besuchern als der Dom Gottes erscheint, in welchem, wie der Dichter sagt,
sein starker Odem lebendig ein- und ausweht, erwecken und stärken wir schöne Ge-
fühle in allen empfänglichen Gemütern seiner Besucher und tragen so das unserige zur
Yolkserziehung mit bei. Diese ethische Seite der forstlichen Tätigkeit hat aber gewiss
auch ihren materiellen Hintergrund, indem wir auf diese Weise die Sympathien des
besseren Teiles der Bevölkerung erlangen und dem Walde Freunde aller Art schaffen,
deren günstige Meinung ihm wieder zu gute kommt. Es mit unseren wirtschaftlichen
Massregeln allen, oft recht kritischen Waldbesuchern recht zu machen, ist unmöglich;
aber es muss unser Bestreben sein, die Behandlung des Waldes überall so zu gestalten,
dass keine Vernachlässigung wichtiger ästhetischer Interessen uns mit Grund vor-
geworfen werden kann.
Die öffentliche Meinung äussert sich in vielfachen Kundgebungen zu gunsten des
Schutzes der landschaftlichen Natur, gleichzeitig auch der geschichtlichen Denkmäler
Deutschlands*^). Touristen vereine haben in allen Gegenden Deutschlands die Aufgabe,
den Wald und dessen Schönheiten zu erschliessen, mit auf ihre Fahne geschrieben.
Die merkwürdigen Bäume und Bestände sucht man zu erhalten, indem man vor allem
auf sie aufmerksam macht und sie in Merkbüchern verzeichnet. Den Anfang machte das
„Forstbotanische Merkbuch" für die Provinz Westpreussen, Berlin 1900, herausgegeben
von dem verdienten Professor Dr. Conwentz in Danzig. Für die anderen Provinzen
der preussischen Monarchie werden Merkbücher folgen. Dass sie von der Regierung
begünstigt werden, folgt aus einer Bemerkung der Titelseite : „Herausgegeben auf Ver-
anlassung des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten".
Auch für Thüringen befindet sich ein solches Buch in der Vorbereitung.
Dass der Staat die Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler sicher stellt,
ist Nichts neues. Der Grossherzoglich Hessischen Regierung war es vorbehalten,
durch Einfügung der „Naturdenkmäler" in das Gesetz vom 1. Oktober 1902 „Den Denk-
malschutz betreffend" auch die Erhaltung von „Bäumen und dergleichen", deren Schutz
aus geschichtlichen oder naturgeschichtlichen Rücksichten oder im Hinblick auf land-
schaftliche Schönheit oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt (Naturdenkmäler),
5) S. u. a. Der Schutz der landschaftlichen Natur und die geschichtlichen Denkmäler
Deutschlands von Ernst Rudorff. Berlin 1892, Verlag des Allgemeinen Deutschen
Vereins.
Massregeln zur Pflege der Waldesschönheit. § 7. 575
einem besonderen gesetzlichen Schatz zu unterstellen, der sich selbst auf das Verbot
von Aufschriften, Beklameschildern und dergleichen erstrecken kann^).
Diese Einwirkung des Staates kann man nur als eine wohlberechtigte anerkennen,
welche in den allgemeinen Begriff des Staatszweckes einschlägt (Förderung aller mate-
riellen und ideellen Interessen der Gesamtheit, die über die Sphäre und Macht des ein-
zelnen hinausgeht) und um so weniger zu Bedenken Anlass gibt, als eine Entschädi-
gung der Betroffenen vorgesehen ist. Mögen weitere Staatsregierungen dem gegebenen
Beispiel recht bald nachfolgen!
In Elsass-Lothringen hat das Ministerium, Abteilung für Finanzen, Ge-
werbe und Domänen an die äusseren Forstbehörden eine Verfügung bezüglich der För-
derung der Forstästhetik in den der Staatsforstverwaltung unterstellten V^aldungen
des Landes erlassen. Die im Interesse der Waldverschönerung auszuführenden Arbeiten
sollen nach dieser Bestimmung sich in zwei Bichtungen bewegen und zwar einerseits
zur Erhaltung und zur Erschliessung der vorhandenen Bau- und Naturdenkmäler dienen,
andererseits neue Eeize schaffen.
Man könnte noch als eine Aufgabe des Staates die Behandlung der Ziele und
Massregeln der Waldschönheitspflege auf den staatlichen forstlichen Ijchranstalten durch
Einrichtung besonderer Vorlesungen und Erteilung entsprechender Lehraufträge be-
zeichnen und hat dies auch mehrfach getan (z. B. von Salisch und Wilbrand.)
Der Verfasser kann von sich anführen, dass er schon Ende der 70er Jahre als
Professor der Forstwissenschaft an der Universität Giessen diesen Gegenstand an pas-
sender Stelle der „Forstverwaltungslehre^ akademisch behandelt hat, wie er dies auch
seit 13 Jahren an der Forstlehranstalt Eisenach in gleicher Weise tut. Ohne Zweifel
werden auch anderwärts an den forstlichen Bildungsstätten die in Betracht kommenden
Regeln und Lehren von den Dozenten geeigneten Ortes vorgetragen werden. Ein be-
sonderes Kolleg über Forstästhetik ein ganzes Semester lang zu lesen würde vielleicht
weder nach dem Geschmack des Dozenten, noch der Studierenden sein. Mehr als all-
gemeine Grundlinien dürfte man nicht geben. Die spezielle Behandlung aller der kleinen
Rücksichten, wie z. B. in Hinsicht auf die Stilformen der Waldhäuschen, Brücken,
Geländer, Wegweiser etc. lässt keine grossen Gesichtspunkte zur Erörterung gelangen,
wie sie ein akademischer Vortrag braucht. Die Hauptsachen können in wenigen Stun-
den behandelt werden, im übrigen kommt es auf Vorführung schöner Bilder im Walde
als Beispiele zur Nachahmung an, sowie auf die Lektüre, besonders des klassischen
Werkes des Herrn von Salisch, was jeder gebildete junge Forstmann auch ohne An-
leitung eines Lehrers versteht und gerne lesen wird.
§ 7. b) Forsteinrichtung und Forsteinteilung. Die Forstein-
richtung eines Waldes bildet die Grundlage für seinen Betrieb, indem sie die Anord-
nungen trifft, nach welchen künftig gewirtschaftet werden soll, insbesondere die Art
der Hauungen und das Mass der Abnutzung bestimmt, welch letztere sich, vor allem
wesentlich mit beeinflusst durch die Höhe der Umtriebszeit, in der Regel innerhalb der
Grenzen der Nachhaltigkeit bewegen soll. Mit der Forsteinrichtung in Verbindung
steht die Einteilung eines Waldes behufs Schaffung bleibender Wirtschaftstiguren (Orts-
abteilungen). Die Grenzen dieser Abteilungen werden durch entsprechende Aufhiebe
kenntlich gemacht. Daneben treten im modernen Wald noch bei Bildung der soge-
nannten Hiebszüge gewisse Trennungslinien mehr und mehr in die Erscheinung.
Die Erörterung der so wichtigen Umtriebsfrage ist ebenfalls Sache der
6) S. Wilbrand, „Schutz der Naturdenkmäler«, Allg. Forst- und Jagdzeitung 1903.
S. 164 ff.
576 Stoetzer: Znr Pflege der Waldesschönheit.
Forsteinrichtang. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass die Erziehung alter Hölzer
auch einer Förderung der Waldesschönheit dient. Es würde jedoch zu weit gegangen
sein, wollte man nun allgemein sagen, dass zu diesem Zweck recht hohe Umtriebe ge-
wählt werden müssten. Die Umtriebszeit ist fär den wirtschaftlichen Betrieb eines
Waldes von so grosser Bedeutung, dass bei deren Festsetzung in erster Linie die öko-
nomischen Rücksichten entscheiden müssen. Es sei nicht unbemerkt gelassen, dass beim
Grosswaldbesitz die Erziehung marktgängiger, auch in grossen Massen gut absetzbarer
Hölzer notwendig ist und dass schon mit Rücksicht darauf die Annahme ganz niedriger,
schönheitswidrig wirkender Umtriebe nicht im Sinne und Geist vernünftiger Erwägungen
liegen kann.
Unterschieden von der generellen umtriebszeit des Waldes ist die Abtriebs-
zeit der konkreten Bestände. Hier können forstästhetische Gesichtspunkte zur Gel-
tung gelangen. Insbesondere wird man in Forstabteilungen, welche sich in der Nähe
der Orte und Wohnsitze, sowie hervorragender Bauwerke, ferner an besuchten Prome-
naden, oder als Bekleidung sehenswerter Naturbildungen (wie z. B. Schluchten) linden,
die Bestände höhere Abtriebsalter erlangen lassen, als die normale Umtriebszeit besagt.
Hier rechtfertigt sich das längere Stehenlassen im Hinblick auf den imponderablen
„ Schönheitszuwachs ^, welcher dem abnehmenden Massen- und Qualitätszuwachs die Wage
halten mag. Wird doch von der forstlichen Statik, welche man gerne der Forstästhetik
als feindliche Schwester gegenüberstellt, ausdrücklich betont, wie auch die Rücksichten
auf die ethische und itsthetische Seite des Waldes mit für die Annahme niedriger , wald-
freundlicher Zinsfüsse'^ bei den forstlichen Rechnungen bestimmend sind, in welcher
Hinsicht der Verfasser auf seine eigene Schrift über Waldwertrechung und Statik, 3. Aufl.
1903, § 17, Bezug zu nehmen sich gestattet.
Solche Altholzbestände, namentlich in Verbindung mit anstossendem Freiland
(Wiesen), eignen sich auch zur Abhaltung von Festen durch Vereine aller Art, nicht
minder zu Kinderspielplätzen; selbst zur Veranstaltung von Waldgottesdienst, wie bei
Paulsbom im Grunewald und bei Sassnitz auf Rügen, sind sie nicht ungeeignet.
In Hinsicht auf die Schönheitspflege des Waldes, soweit sie durch die Forstein-
richtung mit bestimmt und bedingt wird, kommt alles auf den Geist des Forsteinrichters
an. Die Methode der Einrichtung ist nichts als äussere Form, die auf dem Papier,
nicht im Wald zur Geltung gelangt.
Was die grundlegende Einteilung des Waldes durch Netze von mehr oder weniger
geraden Linien anlangt, so ist es bekannt, welche Vorzüge hierbei einer möglichsten
Bevorzugung der geraden Linie in Hinsicht auf ihre Benutzung für geometrische Ar-
beiten innewohnen. Die regelmässige geradlinige Einteilung hat in den Forsten der
Ebene auch kein Bedenken,^ insofern hier die lange gerade Schneise nichts weniger als
unnatürlich wirkt.
Unschön flnden wir sie besonders dann, wenn sie in das Bergland übertragen wird
und hier derartige Linien über Berg und Tal hinweg in naturwidrig schnurgeradem
Verlauf sich weithin erstrecken; besonders ungünstig wirken sie in diesem Falle, wenn
sie als Wege ausgebaut sind, auf denen alsdann Steigen und Fallen in unschönem
Verlauf abwechseln und durch das entstehende „verlorene Gefälle" verkehrshindernd
wirken.
Hier ist die dem Gelände sich anschmiegende Linie offenbar vorzuziehen, was ja
auch durch die Verbindung des Wegenetzes mit der forstlichen Einteilung schon seit
über einem Menschenalter mehr und mehr betätigt wird. Dass im Berglande gerade
Linien, welche in der Richtung des stärksten Gefälles laufen, noch ergänzend hinzu-
treten, kann den ästhetischen Eindruck des Ganzen kaum stören!
Massregeln znr Pflege der WaldesschSnheit. § 8. 577
Die Perspektive, welche die gerade Schneise gewährt, wirkt bisweilen recht an-
mutend, namentlich wenn sich in der Feme etwas zeigen lässt, wie z. B. ein hervor-
ragender Baum, ein Bauwerk oder eine Wasserfläche.
Ln übrigen sind die Forsten der Ebene von langer Zeit her mit der regelmässigen
lageneinteilung versehen, die man nicht über Bord werfen kann, selbst wenn man vom
Standpunkt der Waldesschönheit aus sie verwerfen sollte. Hier hilft nur die möglichste
Verschönerung der Eänder; langes Stehenlassen von Streifen Altholz, dessen Bild durch
Unterbau — und wäre es nur Strauchholz, wie z. B. Weisserle, die auch mit trockenem
Boden vorlieb nimmt — lebhafter zu gestalten ist, unter geeigneten Yoraussetzungen
Anpflanzung eines Laubholzrandes im Nadelholz (z. B. der Birke auf geringem Boden,
die sehr vorteilhaft wirkt), Begrünung der Schneisenfläche auf besserem Boden, An-
bringung einer schönen Baumgruppe von seltenen Holzarten auf den Kreuzungen der
Gestelle, an denen sich auch öfters mit guter Wirkung ein Ruheplatz mit Bänken her-
stellen lässt, — alles dies sind einfache Massregeln, mittelst deren sich manches er-
reichen lässt. Selbst die Anpflanzung von Topinamburgruppen, nach gehöriger Boden-
düngung, gleichzeitig zur Beschaffung von Wildäsung auf geeigneten Blossen könnte
man hierher rechnen. Nicht minder würde Anbau der Lupine günstig wirken.
Was die Zerlegung des Waldes in einzelne Hiebszöge anlangt, so spielt dieselbe
im Nadelholz eine grosse Rolle und es gilt als Regel, diese Hiebszüge möglichst zu
vervielfältigen. Wirtschaftlich ist dieses Streben auch gewiss insofern gerechtfertigt,
als mittelst der erlangten Mehrzahl von Anhieben leichter als sonst jeder einzelne Be-
stand in dem Zeitpunkt seiner wirtschaftlichen Reife vom Hiebe getroffen werden kann.
Hat man ja diese Bildung vieler Hiebszüge geradezu als einen Ausfluss des Reiner-
tragsprinzips, speziell als eine Sächsische Erfindung hingestellt, was jedoch nicht zu-
trifft, obschon nicht zu leugnen ist, dass gerade in Sachsen dieses System besonders
ausgebildet ist. Gerade hier hat sich jedoch auch schon die Kehrseite der Medaille
gezeigt, nämlich die Häufung des Windbruchs bei Stürmen von der konträren Seite,
d. h. entgegengesetzt der als herrschend angenommenen Richtung. Es ist dies über-
zeugend von Oberförster Äugst in Olbemhau in einem lesenswerten Aufsatz der Allg.
Forst- u. Jagdzeitung (1900 S. 8 ff.) nachgewiesen worden und es gereichte dem Ver-
fasser zur besonderen Genugtuung, auf diesen Missstand schon vorher in seiner Schrift
„Die Forsteinrichtung'* 1898 S. 254 hingewiesen zu haben.
So wenig nun damit über eine vernünftige und nicht forcierte Zerlegung des
Waldes in eine Mehrzahl von Hiebszügen der Stab gebrochen werden soll, so sei doch
vom Standpunkt der Waldschönheitspflege darauf hingewiesen, dass da, wo man die
Zerreissung vermeiden will, in der Einführung femelschlagartiger Wirtschaftsform ein
Mittel gegeben ist, überständige Bestandesteile, an welche der Hiebsfolge gemäss der
Schlag an sich noch nicht kommt, im voraus, d. b. vor dem Gros der Abteilungsbe-
stockung, zu verjüngen. Auch dieses Mittel findet sich in der bereits angeführten Forst-
einrichtung des Verfassers (S. 257) erwähnt.
§8. c) Wahl der Holz- und Betriebsarten. Sehr häufig sind die
auf einem gegebenen Standort zulässigen und gebotenen Holzarten so fest bestimmt,
dass dem Forstmann dabei eine erhebliche Einwirkung nicht zutUUt. Dass in
Deutschland die Nadelhölzer weitaus das gr^Bste Gebiet im Besitz haben (etwa ^/s der
gesamten Waldfläche) ist bekannt. Vielfach haben sie ehemalige Laubholzflächen er-
obert, da wo die Bestückung derselben herabgekommen war und nur noch ein küm-
merliches Dasein fristete, wogegen das Nadelholz, genügsamer in seinen Anforderungen
an den Boden, noch mit Erfolg erzogen werden konnte.
Hätte man vom Standpunkt der Waldschönheitspflege aus anders handeln sollen ?
Handbuch d. Foritw. 2. Aufl. I. 37
578 Stoetzer: Zur Pflege der Waldesschönheit.
Gewiss nicht ! Ein gutes, gedeihliches, frisches Wachstum ist durchaus nötig, wenn ein
Holzbestand ein schönes Bild gewähren soll. Und die Nadelhölzer machen doch an
Stelle des ehemaligen rückgängigen Laubwaldes zumeist diesen Eindruck des freudigen
Gedeihens. Wirken sie zudem, wie dies vielfach geschieht, durch grosse Ausdehnung
in einer gewissen Massigkeit, so wird sich vom Standpunkt der Aesthetik um so weni-
ger etwas gegen sie einwenden lassen.
Wo Laubhölzer genügend gedeihen, wird man sie zu erlialten suchen. Insbeson-
dere gilt dies gegenüber der Buche, deren günstige Seiten in § 4 hervorgehoben wui-den.
Im übrigen ist Holzartenmischung, nach dem alten Satz: variatio delectat, am
Platze. Aber auch hier ist die Voraussetzung der Eignung des Standortes
nicht ausser acht zu lassen. Vielfach hat man Mischbestände begründet, welche den
an sie zu stellenden Anforderungen weder in wirtschaftlicher noch in ästhetischer Hin-
sicht genügen. Dazu ist namentlich der Versuch einer koullssenförmigen Erziehung
von Buchen in Nadelholzjungwüchsen zu rechnen, welche viel Verschwendung an Kul-
turmitteln mit wenig Erfolgen hervorgerufen hat. Dagegen macht die Einmischung
des Nadelholzes in die Buchenbestände, welche wirtschaftlich so wichtig ist, auch für
den Freund der Waidesschönheit einen guten Eindruck. Die Mischung der Kiefer mit
unterständigen Buchen, welche alle Blossen so schön begrünen, mit Fichten, welche auch
für die Wildhege eine gewisse Bedeutung haben, mit Birken, insbesondere an den Be-
standesrändem, wo sie weniger schaden und in ihrem Effekt besser hervortreten, wäre
hier zu erwähnen.
Die Einmischung von Kiefern in die Fichtenbestände wirkt hingegen öfters recht
ungünstig, da sie vielfach sperrigen W^uchs der, in ihrer Jugendentwickelung voraus-
eilenden Kiefer erzeugt, welcher weder wirtschaftlich noch ästhetisch befriedig.
Ueber die Wahl der Betriebsarten ist, nachdem ihre Wirkung in § 5 be-
sprochen worden ist, wenig mehr zu sagen. Die Statistik belehit uns, wie minimal
Mittel- und Niederwald im Verhältnis zur Gesamtwaldfläche in Deutschland, nämlich
nur mit je etwa 6 Prozent auftreten, so dass schon jetzt dem Hochwald der Löwen-
anteil in der Zusammensetzung des deutschen Waldes zufällt. Dieses Verhältnis wird
sich nach dem natürlichen Verlauf der Dinge in der Zukunft noch mehr zu gunsten
des Hochwaldes verschieben, besonders was das weitere Verschwinden des unrentablen
Niederwaldes anlangt, dessen Rente namentlich im Schäl wald mehr und mehr zurückgeht.
Im Mittelwald ist zwar die Rentabilität ebenfalls im allgemeinen nicht her-
vorragend, aber gewiss noch der Aufbesserung fähig; wo er also ästhetisch günstig
wirkt, wie z. B. längs beliebter Strassen und Wege, zur Erhaltung des landschaftlichen
Bildes an weithin sichtbaren Kuppen und Abhängen, in der Nähe von Ortschaften und
Wohnsitzen, sollte man ihn auf geeignetem Standort, der sein ferneres Gedeihen er-
warten lässt, beibehalten. Als Vermittler des Uebergangs von einem Park in den Wald
wird er besonders in Betracht zu ziehen sein.
Eine besondere Bedeutung hat der Femel- oder Plenterwald, welcher
— ähnlich dem Mittelwald — den Vorzug besitzt, dass bei seinem Betrieb das Bild
der Gegend möglichst wenig verändert wird. Dass seine gedeihliche Erhaltung an eine
ausreichende Gunst des Standortes geknüpft ist, wurde bereits früher erwähnt. Wenn
man ihn an Orten hat, deren forstliche Behandlung den Schönheitsrücksichten besonders
Rechnung tragen soll, so behalte man ihn bei. Vielfach lässt sich der Mittelwald auf die
denkbar einfachste Weise in ihn überführen, indem man nur mit den Unterholzhieben
aufzuhören und den ünterbestand in regelmässigem Turnus zu durchhauen braucht, wobei
die Regeneration auf genügend grossen oberholzfreien Flächenteilen Hand in Hand zu gehen
hat mit dem Auszug abständiger und sonst ungeeigneter Stämme und mit dem Durch-
Massregeln zur Pflege der Waldesschönheit. § 9. 579
hieb der Mittelholzklassen.
Auch der Femelwald findet seinen Platz längs der Spazierwege, in der Umgebung
von Schlössern und sonstigen Wohnplätzen. Bei Eisenach findet man ihn als Betriebs-
form in der sog. Landgrafenschlucht und an anderen Orten.
Es bedarf für seine Behandlung keiner besonderen Massregeln der Forsteinrich-
tung, insbesondere nicht bei der formellen Darstellung der zu treffenden Bestimmungen
im Forsteinrichtungswerk. Ein geschickter Forsteinrichter bringt dieselben im Rahmen
des gewöhnlichen Wirtschaftsplanes für den Hochwald und ohne Ausscheidung einer
besonderen Betriebsklasse leicht unter. Die Führung des Betriebs ist von den subjek-
tiven Ansichten des Wirtschafters bei dieser Betriebsart abhängiger als bei den meisten
anderen Waldformen. Er gestattet darin die grösste Freiheit, insbesondere hinsichtlich
der mehr oder weniger dunklen Haltung der Bestände.
Ein solcher Femelbetrieb muss auch die Wirtschaft der Waldgruppen im Park
sein, bei welchen sehr oft der grosse Fehler gemacht wird, dass man nichts schlägt
als das abständige Holz, so dass öfters ein Ueberalter in Verbindung mit Massenab-
gängigkeit eintritt, welchem durch die in regelmässigem Turnus wiederkehrenden Femel-
hauungen, verbunden mit der nötigen Regeneration, am besten vorzubeugen ist. Im
übrigen unterscheidet sich die Parkwirtschaft von dem Forstbetrieb dadurch, dass
grössere Geländeabschnitte als Rasenflächen, auf denen einzelne Gruppen und schöne
Solitärbäume zerstreut sein können, mit den eigentlichen Femelwaldpartien abwechseln,
wobei im Park noch die Anlage und Pflege der Blumen, als Schmuck der Landschaft
hinzukommt. Für derartige Anlagen ist im Wirtschaftswald kein Raum.
§ 9. d) Betrieb der Yerjüngungshauungen. Ohne Zweifel ist der
Waldesschönheit diejenige Art der Yerjüngungshauungen am günstigsten, bei welcher
am wenigsten ein gewaltsames Eingreifen in die Harmonie der Landschaftsbilder not-
wendig wird. Nach diesem Gesichtspunkt wird die Wahl der Betriebsarten zu erfolgen
haben ; durch dieselbe wird die Art der Verjüngung und der dazu erforderlichen Hiebs-
führungen im Grossen bereits bestimmt. Einer besonderen Besprechung bedarf hiernach
eigentlich nur die Art der Hauungen zur Verjüngung des Hochwaldes. Wir haben hier
als Extreme den Kahlschlagbetrieb und das Femelschlagverfahren, welches bei Betrach-
tung der Betriebsarten bereits besprochen wurde. Zwischen beiden steht der Schirm-
schlagbetrieb, welcher diegleichmässige Durchführung der natürlichen Verjüngung
zum Ziele hat.
Die Wahl des einen oder des anderen Verfahrens ist wesentlich mit durch die
Standorts- und Bestockungsverhältnisse bedingt ; in letzterer Hinsicht ist die Frage des
Schattenerträgnisses der vorhandenen Holzarten von ausschlaggebender Bedeutung. Im
grossen Forstbetrieb kommen als ausgesprochene Schattenholzarten nur Tanne und
Buche in Betracht. Bei ihnen wird langsamer Betrieb der Verjüngung mit der Ab-
sicht einer horstweisen Heranbildung von jüngeren Bestandesteilen verschiedenen Alters
zu wählen sein. Was die F i c h t e anlangt, so kommt natürliche Verjüngung für die-
selbe im grossen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Schattenseiten, die mit ihr
verbunden sind, weniger in Betracht als früher. Hohe Umtriebe im Verein mit gutem,
empfänglichem Boden lassen sie noch am ersten zu und es stellt sich ausreichende An-
samung in den lichten Altbeständen hier von selbst ein. Eine wesentliche Förderung
kann sie in solchem Falle durch Einlegung lichtender Durchhiebe, welche über das den
Durchforstungen zufallende Mass der Bestandeslockerung hinausgehen, erhalten.
Bei der K i e f e r ist die natürliche Verjüngung ebenfalls nur in untergeordnetem
Mass zulässig. Auch bei ihr empfehlen sich die erwähnten Durchhiebe, die vielfach
mit Einbau von Schattenholzarten zweckmässig zu verbinden sind.
37*
580 Stoetzer: Zar Pflege der Waldesschönheit.
Im übrigen verlangt der Wirtschaftswald für diese beiden Holzarten in der Regel
den Kahlschlagbetrieb, bei dem es nar darauf ankommt, durch geeignete Massnahmen
seiner, der Waidesschönheit sicherlich bisweilen nicht zuträglichen Wirkung möglichst
zu begegnen.
Hierzu gehört vor allem die Forderung, dass die Schläge nicht in einer, noch
dazu etwa grösseren Jahresfläche fortgesetzt aneinander gereiht werden, wodurch eine
unschöne Monotonie hervorgerufen wird.
An sich ist der Eahlschlag mitunter von recht guter Wirkung, indem durch ihn
bisweilen überraschende Ausblicke geschaffen werden.
Ein gutes Beispiel der günstigen Wirkung des am rechten Orte ausgeführten
Kahlabtriebes bietet ein im Ettersburger Forst bei Weimar geführter Schlag. Hier
war gegenüber dem Grossherzoglichen Schlosse eine grosse Bergwand gleichmässig mit
gleichalterigem Buchenwald bestanden. Der berühmte Füvst Pückler-Muskau,
dessen hervorragendes Geschick in der Landschaftsgärtnerei bekannt ist, war dem
Grossherzog gegenüber der Meinung, das Bild sei zu monoton ; hier müsse ein tüchtiger
Schlag eingelegt werden. Dies geschah auch und noch heute heisst diese Partie der
Pücklerschlag; der Boden hat sich schön berast und die Wirkung auf das Land-
schaftsbild war entschieden eine durchaus günstige. Von demselben Fürsten Pückler
wird erzählt, wie er gegenüber seiner Wohnung einen langgestreckten eintönigen Kie-
fembestand mit gleichmässiger Kontur und Farbe vor Augen gehabt habe, der ihm
höchst ermüdend erschienen sei. Sofort habe er ein ganz anderes und wesentlich
günstigeres Bild erhalten, als er mehrere Hundert Klafter Holz herausschlagen liess
und dadurch verschiedene, das Landschaftsbild mannigfaltiger gestaltende Lücken, so-
wie eine kunstgerechte Nüancierung der Farben vom nahen dunklen Wald bis zur
helleren Farbe des entfernteren schuft).
Einen viel bewunderten Effekt erzielte man bei Eisenach an der sogenannten
Weinstrasse oberhalb der Aschburg, als man eine verwachsene Aussicht, die sich durch
Köpfen der Bäume nicht mehr genügend frei halten liess, durch einen entsprechenden
Kahlhieb, dessen Fläche verrasen soll, für die Dauer öffnete.
„Ich dichte mit der Axt'*, sagte Petzold, der bekannte Muskauer Land-
schaftsgärtner, der Schöpfer vieler herrlicher Parkanlagen, als er durch einen kräftigen
Durchhieb eine höchst anmutige Femsicht erschlossen hatte und ihm eine Dame deshalb
das Kompliment machte: „Sie sind gewiss ein Dichter!'*
Abgesehen von dem Ruhenlassen des Kahlschlages bis nach wieder erfolgter Kultur,
was durch eine gewisse Vervielfältigung der Anhiebe erleichtert wird, ist es wichtig,
längs begangener Wege immer erst einen Streifen älteren Holzes stehen zu lassen, bis
die hinter demselben angelegte Kultur etwas emporgewachsen ist. Zeigt man mittelst
derselben dem Publikum das Bild einer wohl gelungenen, freudig emporwachsenden,
hoffnungsvollen Verjüngung, so wird jeder Einsichtige mit dem Kahlschlagssystem aus-
gesöhnt sein!
Die sogenannten Schutzschläge, bestehend in der Belassung vorübergehen-
den Ueberhaltes über den auszuführenden Nadelholzkulturen, haben vielfach grosse Miss-
erfolge gezeitigt; es ist dies namentlich auf den geringeren Standorten der Fall, auf
denen der Entzug atmosphärischer Niederschläge und der Mangel an Lichtgenuss höchst
nachteilig zu wirken pflegt. Günstig kann ein solcher Schirm bei Umwandlung von
Laubholz in Nadelholz vnrken, in welchem Falle eine Zurückhaltung der Stockausschläge
von Vorteil ist.
7) V. Salisch, Forstästhetik. 2. Aufl. S. 156.
Massregeln zur Pflege der Waldesschönlieit. § 10. 581
Eine besondere Betrachtung erheischt noch die Frage des dauernden Ueber-
haltes, insbesondere älterer Stämme, zum Zwecke ihres Fortwachsens in dem be-
gründeten Jungbestand. Im Nadelholz \sird derartiger üeberhalt — abgesehen von
frei erwachsenen, fest bewurzelten Tannen und Kiefern — leicht vom Wind geworfen.
Laubholzbäume ertragen den Freistand gegenüber dieser Grefahr besser; aber vielfach
findet man, dass sie gipfeldürr und eingängig, daher mit der Zeit unschön werden, so
dass ihre nachträgliche Entfernung doch noch erforderlich wird.
Ab und zu einige schön bekrönte malerische Laubholzbäume an viel begangenen
Wegen stehen zu lassen, verdient aber gewiss empfohlen zu werden. Nicht zu billigen
ist hingegen ein solcher, wirtschaftlich fast stets ungünstiger Üeberhalt in abgelegenen
Gebieten, überhaupt im Inneren der Bestände, wo er nur mit Schwierigkeiten wieder
zu entfernen ist. Hier wird er von den Waldbesuchem kaum beachtet und kann auf
den Fachmann nur ungünstig einwirken, so dass die Wirtschaft leicht eine abfällige
Beurteilung erfährt.
Alte Baumriesen hingegen, die uns aus der Vorzeit überkommen sind, sollen
wir hegen und sie erhalten, solange es angängig ist; besonders ist ihre Umfassung
mit einer Bank, nötigenfalls unter Zugänglichmachung durch einen Pfad, zweckmässig.
Auch empfiehlt sich wohl eine Namensgebung unter Anbringung einer Namenstafel,
oder eines sinnigen Spruches.
Sehr schön und beherzigenswert sagt über solche Bäume Burckhardt in seinem
Werke „Säen und Pflanzen^ : „Dem alten Eremiten aber, dem Zeugen mächtiger Natur-
kraft, an dem Jahrhunderte und ganze Grenerationen mit ihrer Geschichte vorüber-
gingen, der vielleicht unter Millionen Bäumen seinen besonderen Namen führt und,
weithin bekannt, schon manchen Sohn des Waldes unter seinem Dache sah, — ihm
gönne seine Stätte, bis der Sturm ihn bricht oder sein letztes Blatt verblichen ist.
Dann setze ihm einen jungen Stamm zum Andenken und zum Namenserben, — ein
Merkzeichen des Ortes im weiten Walde !^
§10. e)Zwischenhauungen. Die Wicbtigkeit der Bestandespflege mittelst
der Ausläuterungen und Durchforstungen ist so allgemein anerkannt, dass ihre Durch-
führung als ein hervorragender Punkt im Programm der modernen Forstwirtschaft be-
zeichnet werden muss. Ein Konflikt zwischen Verstand und Gemüt ist bei Betätigung
dieser waldpfleglichen Massregeln kaum zu befürchten. Die Ausläuterungen stehen in-
sofern auch mit im Dienst der Waldästhetik, als durch sie die Bestandesmischung,
welche meist waldverschönernd wirkt, besonders gepflegt werden soll.
Was die Durchforstungen anlangt, so dienen auch sie mit zur Pflege der
Mischhölzer ; im übrigen ist heute kein Zweifel darüber, dass bei ihrer Ausführung eine
Erhaltung des bodenschützenden Unterbestandes keineswegs mehr ausser acht gelassen
werden darf, wie solches früher bisweilen in einer, die Waldesschönheit beeinträchtigen-
den Weise geschah, indem man alles unterdrückte Bestandesmaterial beseitigte und
dadurch die Bestände ganz durchsichtig gestaltete, was ästhetisch entschieden ungünstig
wirkte. Die „Durchforstung im Herrschenden" (Hochdurchforstung), welche die Pflege
hervorragender Stämme durch Beseitigung der sie beengenden Nachbarn bezweckt, för-
dert die Entwickelung der besonders gut veranlagten Individuen des Bestandes und
gestaltet dadurch das Bild des letzteren besonders erfreulich, um so mehr, als durch
den Lichteinfall, welcher die Lockerung des Kronenschlusses bewirkt, dem lebensfähigen
Unterstand eine Förderung in seinen Daseinsbedingungen zu teil wird. Diese Art der
Durchforstung im forstästhetischen Interesse besonders gepflegt und empfohlen zu haben,
ist ein Verdienst des Herrn von Salisch auf Postel. Unter dem Namen Posteier
Durchforstung hat sie sich das Bürgerrecht im Deutschen Walde erworben.
582 Stoetzer: Zar l^ege der Waldesschönheit.
Auch der Aushieb vorgewachsener sperriger Protzen za gnnsten entwickelnngs-
fähiger, aber seither beherrschter Stämme geringeren Kalibers ist im ongleichmässig
erwachsenen Bestand, wie ihn beispielsweise fortgewachsener Mittelwald bietet, nichts
weniger als die Waldesschönheit beeinträchtigend. Die Zweckmässigkeit der Massregel
söhnt auch den einsichtigen Laien mit dem Fällen einzelner Banmriesen ans. Auch
wird dadarch oft die Verjüngung günstig eingeleitet und so die Mannigfaltigkeit des
Bildes erhöht.
Die Erhaltung des schön geschlossenen Waldmantels mit der tief herabgehenden
Beastung seiner einzelnen Glieder entspricht ebenso einer Forderung des wirtschaft-
lichen Bedürfnisses zur Abhaltung des Windes und zur Verhinderung der Bodenaus-
trocknung, als einer Rücksicht auf die Erhaltung landschaftlicher Schönheit.
§ 11. f) Kulturen. Im heutigen Wirtschaftswald spielt der Kulturbetrieb
eine grosse Rolle, besonders im Nadelholz. Die Saat als Bestandesbegründungsmethode
ist gegenüber der Pflanzung mehr und mehr zurückgetreten. Wichtig ist für die Aus-
führung der letzteren vor allem die Erziehung besten Pflanzmaterials, welches der gut
gehaltene ständige Forstgarten, dessen Bodenkraft durch angemessene Düngung erhalten
wird, am sichersten liefert. — Solche Gärten, mit vielversprechenden Pflänzlingen der
verschiedenen Holzarten in der erforderlichen Altersabstufung besetzt, mit reinlich
gehaltenen Wegen, einer soliden, der umgebenden Natur angepassten Einfriedigung,
dazu mit einer passenden, im Naturstil errichteten, vielleicht mit wildem Wein umrank-
ten Hütte zur Unterbringung der Kulturgeräte und zur Unterkunft der Arbeiter wäh-
rend der Arbeitspausen, gewähren meist im Walde einen wohltuenden Eindruck der
wirtschaftlichen Ordnung und wirken daher ästhetisch günstig. Ihre gute Instandhaltung
lässt ohne weiteres auf einen sorgsamen, umsichtigen Revierverwalter schliessen.
Die mit gutem Pflanzenmaterial ausgeführte Pflanzung bietet die sicherste Gewähr
für rasches Anwachsen und gute Entwickelung. Eine solche frohwflchsige Kultur bietet
das Bild der kraftstrotzenden Jugend, sie wirkt auf die Beschauer immer angenehm.
Nicht im mindesten störend wirkt hierbei auf den eigentlichen Schlägen die Bevorzugung
der geraden Reihen, des Bildes strammer Ordnung, welche einen erfreulichen Eindruck
machen. Dass an Berghängen die Pflanzreihen in der Richtung des stärksten Gefälles
angelegt sind, ist ästhetisch am vorteilhaftesten; unschön wirkt es, wenn sie schief
gegen die Horizontalen verlaufen.
Auch im älteren Bestand wirkt die Reihenstellung der Bäume nur günstig. Der
Beschauer weiss ja, dass er im Wirtschaftswald und nicht im Park sich befindet. Bei
Eisenach befindet sich eine Strahlenpflanzung von jetzt etwa 80jährigen Fichten, ange-
legt von Oberforstrat König, bei welcher die Pflanzreihen radienartig von einem Zentrum
aus verlaufen. Noch jeder Besucher des dortigen Forstgebietes, dem der Verfasser
dieselbe zu zeigen Gelegenheit hatte, war angenehm überrascht von dem schönen Bilde
der Symmetrie und der ansprechenden Abwechselung mit dem Naturwalde.
Anders ist es vielleicht bei der Bepflanzung von Blossen und öden Stellen, an
denen wohl eine unregelmässige Stellung sowie eine Ausführung mit ungleich hohem
Material besser wirkt, als die gerade Linie und gleichmässiges Pflanzmaterial.
Was die Belassung von Ueberhaltschirm über den Kulturen, von schmalen Alt-
holzstreifen längs derselben an. den Wegen zur Verschleierung der Abtriebsflächen an-
langt, so ist das Erforderliche schon in dem, von dem Betrieb der Verjüngungshau-
ungen handelnden Abschnitt mitgeteilt. Nicht minder ist in Hinsicht auf die Wahl der
anzubauenden Holzarten das Nötige schon erwähnt worden.
Ueber die auf freien Flächen im Walde vorzunehmenden Anpflanzungen wird im
folgenden Abschnitt noch einiges gesagt werden.
Massregeln zur Pflege der Waldesschönbeit. § 12. 583
§ 12. g) Behandlung des forstlichen Nebengrnndes. Kommen
im Walde grössere oder kleinere Flächen von Wiesen, Hutflächen, Ackerländereien,
sowie Gewässern vor, so erfordert deren Behandlung die besondere Sorgfalt des Forst-
mannes, die hier unter dem Gesichtspunkt der Schönheitspflege kurz besprochen wer-
den soll.
Ackerflächen wirken meist monoton und ungünstig, besonders zur Zeit nach
der Abemtung, die vielfach ein Bild der Unordnung hinterlässt, wie dies beispielsweise
der abgeerntete Kartoffel- oder Eübenacker zeigt. Auch die Düngung und Bestellung
bringt öfters wenig schöne Bilder. Als Wildfelder haben sie aber in dem, mit Rotwild
besetzten Jagdrevier ihre wohlberechtigte Stelle und sind hier für den Forstmann be-
sonders wertvoll, da sie mit dazu dienen, dem Wild ausreichende Aesung zu gewähren
und dadurch die Beschädigung der Holzwüchse einschränken zu helfen. Wo dieses Motiv
nicht vorliegt und sie auch nicht als Dienstland der Beamten nötig sind, sollte ihre
Umwandlung in Wald als Regel in das Auge gefasst werden.
Anders ist die ästhetische Wirkung der Wiesen, welche meist zur Erhöhung
der landschaftlichen Reize einer Gegend beitragen, namentlich in Form von Wies-
gründen, die vielleicht von einem hellen, munter rieselnden Wasserlauf durchströmt
sind. Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass solche offene Talzüge manchmal recht
unliebsam den Wind in das Innere des Waldes hineinleiten und dadurch zu Bruchbe-
Schädigungen Anlass geben. Dagegen hilft nur die sorgfältige Erhaltung der Wald-
mäntel !
Im übrigen ist oberste Bedingung des günstigen Eindruckes einer Wiesenfläche
das Vorhandensein einer guten, gleichmässigen Grasnarbe. Dies wird in erster Linie
durch gute Planierung, unter Beseitigung aller Hügel und Buckel, mit Ausfüllung vor-
handener Vertiefungen, unter Ansaat der hergestellten, gleichmässig abgedachten Flächen
mit guter Grassamenmischung, bewirkt. In zweiter Linie kommt Bewässerung in Be-
tracht, zu welchem Zweck der Aufstau eines vorhandenen Wasserlaufs zur Berieselung
der glatten Rasenfläche mittelst des anzulegenden Netzes von Bewässerungsgräben
nötig ist. Endlich ist tüchtige Düngung, insbesondere mit kalk- und phosphorhaltigen
künstlichen Düngemitteln, unter denen besonders Thomasschlacke in Betracht kommt,
nötig. Etwa vorhandene Moosschichten sind mit der Rollegge vorher zu beseitigen.
Auf diese Weise wird bald eine üppige Gras- und Kleevegetation emporspriessen,
durch welche sowohl das landschaftliche Bild sehr gewinnt, als auch der Ertrag nam-
haft gesteigert wird. Welcher Beitrag hierdurch auch für die Wildäsung zu gewinnen
ist, bedarf keiner näheren Ausführung!
Die Ränder solcher Wiesflächen sehen unschön aus, wenn sie auf längeren Strecken
schnurgerade verlaufen. Schön geschwungene Bogenlinien mit Ein- und Ausrundungen
verdienen vor der geraden Linie den Vorzug.
Sorgfältige Erhaltung vorhandener Waldmäntel ist ebenfalls wichtig. Die Man-
nigfaltigkeit in den Holzarten lässt sich im Wald, dessen Bestockung meist schon ge-
geben ist, nicht so leicht herstellen, als im Park. Die zur Abrundung der Grenzen
öfters zweckmässig noch vorzunehmenden Anpflanzungen gewähren 'hierzu geeignete
Gelegenheit.
Bei grösserer Ausdehnung von Wiesenflächen ist eine Unterbrechung des Bildes
durch Holzanpflanzung geboten. Es ist hier gruppenweiser Anbau am Platze. An den
Wasserläufen pflanzt man ab und zu eine Gruppe von Roterlen oder kanadischen Pap-
peln, auch wohl an einem grösseren Wasserspiegel baumartige Weiden (Salix alba und
fragilis). Auch die Silberpappel findet hier ihre Stelle als Einzelbaum. Auf weniger
feuchtem Boden werden Eichen, Kastanien, auch Buchen ihre Stelle finden. Nament-
584 Stoetzer: Zur Pflege der Waldesschönheit.
lieh ist hier Roteiche, sowie Blatbuche am Platze.
Den Blick mittelst einer vollständigen Dnrchqnernng des Wiesenverlaufs durch
einen Holzstreifen hemmen zn wollen — eine Operation, die man „das Stopfen*' einer
Aussicht nennt — , ist nicht zu empfehlen, es genügt das abwechselnd koulissenartige
Vorschieben genügend grosser Gruppen, in denen femel- oder mittelwaldartiger Betrieb
am Platze ist, mittelst dessen abständig werdende Bäume unauffällig beseitigt werden
können. Zn diesen sind namentlich die Pappelarten zu zählen, die sich durch rasches
Wachstum in der Jugend empfehlen, woneben aber mit Rücksicht auf den zeitigen Ein-
tritt des Absterbens von Gipfeln und Seitenästen auf Ersatz durch Anpflanzung ande-
rer Holzarten gesehen werden muss.
Bei freistehenden Bäumen auf Rasenflächen ist die obstbaumartige Behandlung
der zu pflanzenden Heister durch Rückschneiden des Gipfeltriebes mitunter kein Fehler,
so sehr diese Operation für den Waldbaum als Misshandlung bezeichnet werden muss.
Sie führt zu breit ausgeladenen Kronen, die recht malerisch wirken. Beispiele dazu
tindet man im Mariental bei Eisenach an einer langen Reihe solcher einen Promenaden-
weg einsäumenden Buchen.
Hutflächen bepflanzt man mit Heistern in weitläufiger Stellung. Sehr ge-
eignet ist die Eiche bei vorhandener genügender Bodenfrische. Auf trockenem Boden
kommt das Nadelholz und unter ihm namentlich die Lärche in Betracht, die sich
hier in dem ihr besonders zusagenden Einzelstande meist gut entwickelt. Sonstige
Nadelhölzer sind zweckmässig in ungezwungenen kleinen oder grösseren Gruppen an-
zupflanzen.
Die Waldgewässer können als Bäche, Teiche, selbst Seen vertreten sein.
Was die Bäche anlangt, so ist die Instandhaltung der Ufer durch Beseitigung von
Abbruchen, sowie durch Uferbefestigungen wichtig. Versandungen sind immer recht-
zeitig zu heben und durch Regulierung des Gefälles, unter Umständen mit Vertiefung
des Bettes zu verhindern. Recht wichtig ist die stellenweise Stauung eines Baches,
behufs Gewinnung grösserer Wasserflächen und zur Herstellung eines Reservoirs für
die wasserarme Zeit des Sommers. Auch die Schaffung künstlicher Wasserfälle kann
hier zur Belebung des Bildes in Betracht kommen.
Bei Teichen und Seen handelt es sich hauptsächlich um die Freihaltung der Ufer
von unschön erscheinenden Gewächsen, welche den Wasserspiegel bisweilen einengen.
Dazu kommt noch einige Anpflanzung von Erlen, Pappeln, Weiden und sonstigen
Sträuchem und Bäumen zur Umsäumung, in welcher Hinsicht allgemeine Regeln kaum
gegeben werden können.
§13. h) Die Wege im Walde. Bei aller Waldverschönerung bleibt einer
der wichtigsten Punkte die Zugänglichmachung desselben durch gute Wege. Mögen
einzelne Schwärmer den ganz unzugänglichen, wilden Wald als das Ideal und dessen
Entdeckung auf eigene Faust, frei von dem Gängelband der planierten Promenaden-
wege, als das schönste Ziel preisen : die Mehrzahl der Naturfreunde will den Wald auf
gangbaren Wegen besuchen und ist dem Forstmann für eine Erschliessung des Waldes
dankbar, selbst wenn darin nichts Hervorragendes an Künsten der Waldästheük,
sondern nur der unverfälschte Wirtschaftswald geboten wird, der fast stets auch seine
Schönheitsmomente bietet.
Der Forstmann wird wohl daran tun, dem einmal vorhandenen Bedürfnis des
waldschwärmerischen Publikums nicht ablehnend entgegenzutreten, sondern das Seinige
dazu beizutragen, um den Besuch in geordnete Bahnen zu lenken. Nach den Erfah-
rungen des Verfassers ist es zweckmässiger, den bezüglichen Bestrebungen der Tou-
ristenvereine entgegenzukommen, als ihnen feindlich gegenüberzustehen. Die Wert-
Massregeln znr Pflege der Waldesschönheit. § 13. 585
Schätzung der Forstwirtschaft und ihrer Tätigkeit kommt einer Verwaltung bisweilen
ungeahnt (wie z. B. bei Waldbränden) wieder zu gute. Auch zeigt die Erfahrung,
dass, wenn es an gangbaren Wegen gebricht, das Publikum leicht planlos im ganzen
Walde^ denselben beunruhigend, umherstreift, wogegen bei Vorhandensein geordneter
Wegeanlagen eine weit grössere Ruhe herrscht und die grössten Touristenströme ohne
Unordnung durch ein Gebiet hindurch gewissermassen von selbst geführt werden. Hier
gilt in der Tat das wahre Wort des schon mehrfach genannten Fürsten Pückler-
Muskau: „Wege sind stumme Führer^.
Wenn sie also im Dienste der Waldschönheitspflege stehen sollen, so müssen sie
auch so angelegt sein, dass sie an schönen Partien, die etwas Interessantes bieten,
vorbeigeführt werden und dieselben den Waldbesuchem erschliessen. Bisweilen muss
ein kleiner Nebenweg auf einen bestimmten Punkt noch extra abgezweigt werden.
Ein wichtiger Punkt bei Anlage solcher Wege ist die Vermeidung ungeschickter
und den Wanderer ermüdender Steigungen im Berglande. Ein Steigungsverhältnis von
mehr als 12% soll ein bequemer Fussweg nicht, oder doch wenigstens nur vorübergehend
bei besonderen erschwerenden Umständen aufweisen. Ferner muss selbst der billigst
zu erbauende Weg mit Sorgfalt, unter Benützung eines Nivellierinstrumentes, nicht nur
nach dem oft so trügerischen Augenmass, abgesteckt sein, so dass eine gleichmässige
Verteilung des Gefälles herauskommt. Letztere soU die Regel bilden; alles verlorene
Gefälle ist zu vermeiden, Ruhestrecken mit Gefälleermässigung sind nur dann am Platze,
wenn sie nicht mit ungewöhnlicher Steigerung des Gefälles an anderen Stellen erkauft
werden müssen und wenn es sich darum handelt, längs eines besonders schönen Land-
schaftsbildes den Wanderer länger verweilen zu lassen.
Die schönen Biegungen, welche im Gebirge sehr oft an den Wegeanlagen erfreuen,
indem sie die Mannigfaltigkeit der Aussichten hervorrufen, ergeben sich meist von selbst
aus der Form des Geländes. Man kommt aus einer Einbiegung ohne weiteres wieder
an einen Rücken mit der entgegengesetzten Ausbiegung und erhält sofort ein ande-
res Bild.
Man hat diesen Wechsel der Aussichten auf den in der Nähe von Eisenach be-
findlichen Waldwegen besonders angenehm empfunden und daraus gefolgert, man könne
hier lernen, wie die Wege mit Rücksicht auf die Vorbeiführung an schönen Aussichten
anzulegen seien.
Dieses Kompliment müssen die Eisenacher Wegebauer, zu denen sich auch der
Verfasser rechnet, bescheiden ablehnen. Hier in dem überaus wechselnden Gelände mit
den tief eingeschnittenen Schluchten und Mulden sowie den koiTespondierenden heraus-
tretenden Rücken und Köpfen macht sich die Gewinnung von Aussichten verschiedener
Art ganz von selbst, woraus hervorgeht, dass an der Schönheit der Wegezüge auch
die Mannigfaltigkeit und der Wechsel der Bergformen, der wieder durch die Natur des
Grundgesteines bedingt ist, einen grossen Anteil hat.
Am einfachsten ist bei Gewinnung einer Höhenpartie die WegefÜhrung so zu
legen, dass man in einer Richtung bleibt und manchmal schraubenförmig um einen
Bergkopf oder Bergkegel herum die Linie aufsucht. Anders ist es, wenn die gegebene
Höhe mit einer solchen einfachen Linie nur bei Ueberschreitung des höchstzulässigen
Gefälles erreicht werden kann. In diesem Falle bleibt nur die Anlage von Wider-
gängen (Serpentinen) übrig — ein Fall, welcher bei naheliegenden Eigentumsgrenzen
öfters vorkommt, oder auch in schluchtenartigem Gelände, welches ebenfalls nur eine
schmale Basis für den anzulegenden Weg darbietet.
In solchen Fällen hilft man sich wohl auch so, dass man dem Weg eine un-
erlaubte Steigung gibt, oder bei Fusswegen durch Herstellung von Treppen die Er-
586 StoetEer: Zar Pflege der Waldcsschönheit.
klimmnng der Höhe ermöglicht. Beides sollte tunlichst vermieden werden, besonders
aber das erstere. Hier sind Serpentinen das beste Anskunftsmittel. Sie sind anch bei
geschickter Anlage nichts weniger als das ästhetische Grefühl verletzend, son-
dern in dieser Yoranssetznng oft ganz elegant und schon wegen ihrer Yorteilbaftigkeit
durchaus nicht etwa hässlich wirkend. Beispiele sind bei Eisenach mehrfach zu finden.
Hauptsache ist nur, dass man nicht in die Widergänge ein starkes Gefälle bringt, wie
man dies manchmal sieht, anstatt gerade umgekehrt dasselbe zu ermässigen und weiter,
dass die unschönen Geländeeinschnitte und Dämme möglichst bald mit Rasen oder
Strauchwuchs (z. B. Hollunder) oder durch Anpflanzung von dicht wachsenden Holz-
arten (Fichte) gedeckt werden.
Die angelegten Wege geben nun Veranlassung, ab und zu an besonders interes-
santen Punkten, schönen Ausblicken in die Feme, oder auf sehenswerte Waldbilder,
eine einfache Holzbank zu errichten. Ihr Vorhandensein ladet den Wanderer von selbst
zum Halten und zur Betrachtung dessen ein, was dem Auge hier geboten wird.
In der Nähe solcher Wege muss auf Ordnung und Sauberkeit besonders gesehen
werden. Die weggeworfenen Frühstückspapiere lasse die Forstverwaltung immer wie-
der sammeln und verbrennen. Alle Verbote gegen diese Unsitte des Wegwerfens helfen
nichts !
In der Nähe von Wegen befindliche Quellen soll man fassen; passend angelegte
Natur Wegweiser, am besten grosse Steinblöcke mit eingemeiselten In-
schriften, sollen an den Kreuzungspunkten den Weg zeigen. Die an die Bäume ange-
nagelten, anstatt an Säulen befestigten hölzernen Wegweiser sind nichts weniger als
schön, wenn auch immer noch schöner als die Farbenklexe der Touristenvereine.
Die Wasserläufe mit Naturbrücken aus Holz zu überschreiten, birgt die Gefahr
der kurzen Dauer derselben in sich; ebenso ist die Anlage von Geländern aus natür-
lich gekrümmten Aststücken recht stilvoll, aber wegen der geringen Haltbarkeit nicht
zu empfehlen. Steinerne Brücken mit Mauereinfassung statt der Geländer sind dauer-
haft und bei entsprechender Auswahl, sowie Behandlung des Materiales leicht der Um-
gebung anzupassen.
Dass die Unterhaltung der Wege eine sorgfältige und ständige sein muss, bedarf
kaum der besonderen Erwähnung, nur auf die gute Erhaltung der Fussbänke
an den Waldfahrwegen, insbesondere an die von Zeit zu Zeit vorzunehmende Er-
höhung derselben, welche mit dem Aufbringen der Steindecke auf der Fahrbahn Hand
in Hand gehen müsste, aber so oft vernachlässigt wird, sei zum Schluss noch aufmerk-
sam gemacht.
§14. i) Sonstige Massnahmen. Vor allem sei hier der öfters im Wald
vorkommenden Bauwerke von Häusern, Denkmälern, Ruinen gedacht, deren gute
Erhaltung und sinnige Schmückung ihrer Umgebung durch Anlagen, wie sie dem Cha-
rakter des Waldes entsprechen, nicht ohne Bedeutung ist.
Für kleine Hausbauten im Wald (Jagdhütten, Unterkunftshäuschen) ist der Block-
hausbau besonders angemessen. Einen Fachwerkbau sollte man wenigstens immer mit
Holzschindeln oder grauen Zementziegeln bekleiden und decken.
Einen wesentlichen Reiz gewähren öfters im Wald Durchblicke auf entfernte
hervorragende Bauwerke, z. B. Schlösser, Elrchen. Derartige, bisweilen durch Abtrieb
weniger Stämme zu gewinnende, unter Umständen jedoch nur mittelst Ofifenhaltung
genügend langer Schneisen zu erlangende Bilder wirken meist überraschend günstig,
sofern der zu zeigende Punkt mit seiner Umgebung malerisch genug ist. Bei Eisenach
finden sich mehrere derartige Durchblicke auf die altberühmte stolze Wartburg; besonders
überraschend ist derjenige von der Höhensonne.
Massregeln zur Pflege der Waldesschönheit. § 14. 587
Das Tierleben im Walde gehört mit zur ästhetisch vollkommenen Ansgestal-
tnng desselben. Im schönen Wald verlangt man auch Vogelgesang und freut sich ganz
besonders, ab und zu ein jagdbares Tier über den Weg huschen, oder gar auf einer
Lichtung vertraut äsen zu sehen.
Was die Hegung der Vögel anlangt, so bietet schon die Erhaltung alter
Bäume den Höhlenbrütern manchen Schlupfwinkel, ebenso schafft man durch die Scho-
nung des Unterwuchses vielfach Gelegenheit zur Herberge für die Nestbrüter. Aber
die Anbringung besonderer Nistkästen für die erstere Kategorie sollte man daneben
nicht vernachlässigen. Eine sorgfältige Vertilgung des kleinen Raubzeuges, namentlich
mittelst Aufstellung von Eastenfallen an geeigneten Orten, müsste zu Hilfe kommen.
Selbst das, oft fälschlich für harmlos gehaltene Eichhörnchen verdient als Nesträuber
keine Schonung.
Was endlich die Wildhege anlangt, so werden manche, der Schönheitspflege
des Waldes dienende Massregeln, insbesondere die gute Behandlung der Waldwiesen,
die Erhaltung des den Boden schirmenden Unterbestandes, die Pflege und Anzucht
fruchttragender Bäume, wozu besonders die Kastanie zu rechnen ist, auch ihre günstige
Wirkung auf den Wildstand nicht verfehlen. Dass ein übermässiger Hochwildstand
bei der vorhandenen Untugend des Schälens der Stangenhölzer auch Bilder in den Be-
ständen hervorrufen kann, die nicht nur vom wirtschaftlichen, sondern auch vom ästhe-
tischen Standpunkt aus nicht mehr schön zu flnden sind, ist jedem Wirtschafter in
Hoch Wildrevieren bekannt. Aber doch wäre es, auch vom waldästhetischen Standpunkt
aus, zu beklagen, wenn der edle Hirsch deshalb dem Wald fehlen sollte. Hier die
Vermittelung zu suchen, kann nicht mehr Gegenstand unserer Betrachtungen sein.
589
Sachregister zum I. Band.
Die Z&hlen bezeichnen die Seiten. Wird ein Gegenstand auch in einem der andern Bände behandelt, so ist in
Klammer auf die betr. Stelle verwiesen.
Abies 258 ff.
Abies alba 250.
Abiea amabilis 265.
Abies arizonica 267.
Abies balsamea 267.
Abies bifida 268.
Abies bmchyphylla 268.
Abies bracteata 266.
Abies cepbalonica 264.
Abies cincica 265.
Abies concolor 266.
Abies fastigiata 263.
Abies firma 268.
Abies Fraseri 267.
Abies grandis 265.
Abies homoiepis 268.
Abies lasiocarpa 266.
Abies magnifica 266.
Abies mariesii 269.
Abies nobilis 266.
Abies Nordmanniana 264.
Abies pectinata 259 ff.
Abies pendula, lus. 259.
Abies picbta 267.
Abies pinsapo 264.
Abies sacchalinensis 268.
Abies sibirica 267.
Abies umbilicata 268.
Abies Veitchii 268.
Abies Webbiana 265.
Abietineae 245.
Ableitung der Assimilate 237.
Ableitung des Regenwassers
vom Blatt 212.
Abschlämmbare Teile 104.
Absorption, Bedingungen für
die Pflanze 117.
Absorption desBodens 114. 11 5.
Absprünge 212. 296 (II 19).
Abtrag durch Eis 122.
Abtrag durch Wasser 120.
Abtrag durch Wind 123.
Abtrag, trockener 119.
Acer, Aceraceae 363 ff.
Acer califomicum 368.
Acer campestre 366.
Acer dasycarpon 367.
Acer monspessulanum 366.
Acer negundo 368.
Acer negundo californicam
368.
Acer nigrum 367.
Acer obtusatum 366.
Acer platanoides 365.
Acer pseudoplatanus 364.
Acer saccharinum L. 367.
Acer tataricum 365.
Acer trilobum 366.
Achselknospen 208.
Ackerboden 103.
Ackerkrume 103.
Adventivknospen 208.
Adventivwurzeln 204.
Aecidium, Aecidiospore 399.
Aecidium berberidis 405.
Aecidium columnare 402.
Aecidium, Peridermium cono-
rum 403.
Aecidium elatinum 402 (II 88).
Aecidium strobilinum 403.
Aesculus 368.
Aesculus camea 369.
Aesculus hippocastanum 368.
Aesculus rubicunda 369.
Aesthetische Bedeutung des
Waldes 567.
Agaricus 410.
Agaricus melleus 410 (II 86).
Aglaospora 392.
Ahlkirsche 355.
Ahorn 363.
Ahorn, dreilappiger 366.
Ahorn, eschenblätteriger 368.
Ahorn, französischer 366.
Ahorn, stumpfblätteriger 866.
Ahorn, weisser 367.
Ahorn, wollfrüchtiger 367.
Ahorn, Bestandesbegründung
499.
Ahorn, Betriebsart 562.
Ailantus 360.
Ailantus glandulosa 360.
Akazie 357.
Akazie, Bestandesbegründung
499.
Akazie, Betriebsart 562.
Aleppokiefer 287.
Alluvium 145.
Alm 111.
Alnus 325 ff.
Alnus ambigua 327.
Alnus glutinosa 325.
Alnus incana 326.
Alnus pubescens 327.
Alnus viridis 327.
Alpenerle 327.
A]penmehlbeerbaum 353.
Alpenrosen 375.
Alpenrosenrost 405.
Amelanchier 354.
Amelanchier rotundifolia 354.
Amelanchier vulgaris 354.
Amphibol 129.
Amur-Gelbholz 360.
Amygdalus 354.
Amygdalus nana 354.
Anhydrit 132.
Anorthit 127.
Antiklinen 217.
Apatit 132.
Apfelbaum 350.
Apophyse 277.
Apothecium 392. 394.
Aragonit 111. 131.
Arbeit im Forstbetriebe 91.
92. 93 (IV 341 ff.).
Arbutus 375.
Arbutus unedo 375.
Arctostaphylos 375.
Ar kose 141.
Arve, bot. 293.
Arve , Bestandesbegründung
506.
Aschenbestandteile und Be-
darf der Bäume daran 73.
74.
Aschengehalt 233.
Ascomyceten 387.
Aspe 337.
Assimilation 235 ff.
Assimilation der Pflanze 183.
Astholz 228. 229.
Atemhöhle 220.
Atlasceder 276.
Atmung 231. 232.
Atmung, intramolekulare 232.
Aueboden 145.
Aufastungen 528.
Aufnahme des Wassers etc.
233.
Augen, schlafende 210.
Augit 129.
Ausgaben in der Forstwirt-
590
Sachregister zum I. Band.
Schaft 94. 95.
Ausiätungen 510.
Ausländieche Holzarten, Ein-
führung derselben 438.
Ausläuterungen 510.
Auslichtungsschlag 456.
Ausschlag- Verjüngung 459.
Ausschlags Waldungen 546.
Austreiben der Knospen 237.
Auswaschung der Böden 118.
Auszugshauungen 53*2.
Autobasidiomycetes 406.
Bärentraube 875.
Bakterien im Boden 147.
Ballenpflanzung 492.
Balsampappel 841.
Balsamtanne, Fräsers 267.
Bandweide 835.
Basalt 137.
Basal twacke 187.
Basidiomycetes 398.
Bastardeberesche 854.
Bastfasern 215.
Bastrüster 843.
Baumgestalt 243.
Baumffrenze 248.
Baumhasel 822.
Baumheide 375.
Baumleben, allg. Bedingungen
des 241.
Baumregionen 15.
Bedarf der Bäume an Mine-
ralstoff 195.
Beerenzapfen 302.
Befruchtung d. Pflanzen 213.
Beinholz, Beinweide 380.
Berberis 347.
Berberis vulgaris 347.
Berberitze 847.
Bergahom 364.
Bergerle 327.
Bergkiefer 282 ff.
Bergkiefer, Bestandesbegrün-
dung 506.
Bergmispel 850.
Bergulme 343.
Berührungsreize 240.
Besenginster 359.
Besenheide 375.
Besenstrauch 359.
Bestandesbegründung, künst-
liche 460.
Bestandesbegründung, natür-
liche 448.
Bestandesei-ziehung 507.
Bestandesmaterial 415.
Bestandeszucht 413.
Betriebsarten 542.
Betriebsumwandlungen 556.
Betulaceae 819.
Betula alba 822. 824. '
Betula fruticosa 824.
Betula humilis 324.
Betula lenta 325.
Betula nana 324.
Betula odorata 324.
Betula pendula 322.
Betula pubescens 324.
Betula verrucosa 822.
Beugeiichte 250.
Biota Orientalis 299.
Birke 822 ff.
Birke , Bestandesbegründung
499
Birke, Betriebsart 562.
Birkenrost, siehe Melampso-
ridium 401.
Birnbaum, wilder 351.
Bittemuss 881.
Blasenstrauch 358.
Blattfleckenkrankheiten 385.
Blattgestalt 211.
Blattgrösse 211.
Blatt-(Nadel-)Ki8sen 245.
Blattlöcherpilze 385.
Blattnarbe 212.
Blattnervatur 211.
Blattspuren 219.
Blattstellung 210.
Blauwerden des Nadelholzes
392
Bleisand 113.
Bleistiftceder 304.
Blüten 213.
Blumenesche 375.
Blutbuche 309.
Bluteiche 813.
Blutungssaft 237.
Boden, Bau desselben 162.
Boden (Begriff) 103.
Bodenbildung 105.
Boden, Bindigkeit 166.
Bodendecke 180.
Boden-Durchlässigkeit 171.
Boden-Durchlüftung 176.
Bodenflora 195.
Bodengahre 164.
Bodenkunde 103.
Bodenlockerung 472.
Bodenskelett 161.
Boden, Struktur dess. 162.
Bodenverarmung 118.
Bohnenstrauch, schwärzlicher
859.
Bordeauxkiefer 287.
Borke 225.
Botrytis 895.
Brand (der Kiefer) 404.
Branderde 118
Brandkultur der Moore 159.
Brauneisen 138.
Braunstein 133.
Breitblätteriger Mehlbeer-
baum 854.
Breitblätteriger Spindelbaum
363.
Breite der Jahresringe 229.
Brennholzverbrauch in den
Städten u. auf d. Lande 83.
Bruchbirke 324.
Bruchweide 338.
Bruyöre-Holz (Erica arborea)
875.
Buchenhochwaldbetrieb,modi-
fizierter 540.
Buchen - Keimlingskrankheit
887 (II 86).
Buchenmüdigkeit 158.
Buchsbaum 861.
Bündel, radiäres 219.
Bündelscheide 220.
Buffon: Memoire sur la con-
servation des formte 7.
Buntfichte 252.
Buttenmss 829.
Buttlar'sches Eisen 492.
Buxus 861.
BuxuB sempervirens 361.
Caeoma 399.
Gaeoma abietis pectinatae
401.
Gaeoma pinitorqua 400.
calabrische Kiefer 288.
Galluna 875.
Galluna vulgaris 875.
Gallus 204.
Galyptospora 402.
Galypto8poraGöppertiana402.
Gambia! tätigkeit, Beginn der
228.
Gambiformzellen 216.
Gambium 218. 222.
Gapitulare de villis 3.
Gaprifoliceae 879.
v. Garlowitz 8 (IV 548. 558).
GarpinuB 819.
Garpinus betulus 319.
GarpinuB orientalis 320
Garya 829 ff.
Garya alba 880.
Garya amara 831.
Garya porcina 881.
Garya sulcata 881.
Garya tomentosa 831.
Gastanea 817.
Gastanea americana 318.
Gastanea sativa 817.
Gastanea vesca 817.
Gastanea vulgaris 817.
Gatalpa 879.
Gatalpa bignonioides 879.
Gatalpa speciosa 879.
Geder- Wachholder 808.
Gedrus 276.
Gedrus atlantica 276.
Gedrus Libani 276.
Geltis 844.
Geltis anstralis 344.
Geltis occidentalis 345.
Genangium 896.
Genangium abietis 896.
Geratostoma piliferum 392.
Gercidiphyllum 847.
Gercidiphyllum japonicum 347.
Ghamaecyparis 299.
Ghamaecyparis Lawsoniana
299.
Ghamaecyparis nutkaensis 801.
Ghamaecyparis piaifera 300.
I
Ghamaecyparis sphaeroidea
801.
Ghamaecyparis tbyoides 301.
Chemische Beschaffenheit der
Zellhaut 215.
Chlamydosporen 383. 387.
Chlor in der Pflanze 192.
Chlorit 130.
Chlorophyllköruer 219. 286.
Christusdom 360, 362.
Chrysomyjca 405.
Chrysomyxa abietis405 (II 86).
Cladrastis 860.
Cladrastis amurensis 360.
Clematis 347.
Clematis vitalba 347.
Coleosporium , Coleosporia-
ceae 403.
Coleosporium Melampyri 403.
Coleosporium phyteumati8404.
Collaterale Gefässbündel 218.
Collenchymzellen 215.
Coloradotanne 266.
Colutea 358.
Colutea arborescens 358.
Conidien 383. 387.
Coniferennadel, Bau der 220.
Comus 374.
Comus mas 374.
Comus sanguinea 374.
Coryleae 319.
Corylus 321.
Corylus avellana 321.
Corylus colurnus 322.
Corylus maxima 322.
Corylus tubulosa 322.
Cotoneaster 350.
Cotoneaster tomentosa 350.
Cotoneaster vulgaris 350.
Crataegus 349.
Crataegus monogyna 349.
Crataegus nigra 350.
Crataegus oxyacantha 349.
Crataegiis pentagyna 350.
Cronartium 404.
Cryptomeria 295.
Cryptomeria japonica 295.
Cryptomyces 395.
Cryptomyces maximus 395.
Cupressineae 296.
Cupressus 301.
Cupressus sempervirens 301.
Cupula 305.
Cuticula 217.
Cytisus 358.
Cytisus alpinus 359.
Cytisus laburnum 358.
Cytisus scoparius 359.
Dasyscypha 395.
Deltabildung 121.
Diabas 136.
Dickenwachstum, sekundäres
218. 221.
Diluvium 142.
Diorit 136.
Discomycetes 394.
Sachregister zum I. Band.
Dolerit 137.
Dolomit 131. 140.
Dolomitsand, Bildung 107.
Doppelsilikate 125.
Doppeltanne 251.
Dombildungen 212.
Dornfichte 250.
Dotterweide 332.
Douglastanne, -Fichte 269 ff.
Drehwuchs 222.
Dreilappiger Ahorn 366.
Danen 122.
DQnger, indirekte 117.
Düngunff 197.
Duhamel du Monceau 7 (IV
573. 591).
Dunkelschlagwirtschaft 545.
Durchblicke 586.
Durchforstungen 512.
Durchforstung, dänische 523.
Durchforstung, freie 523.
Durchforstung, Posteier 524.
Durchforstungsversuche , Ar-
beitsplan 519.
Eberesche, gemeine 351.
Eberesche, zahme 352.
Eclaircie par le haut 524.
Edelkastanie 317.
Edeltanne 259.
Effe 343.
Eibe 304.
Eiche , Bestandesbegründung
496.
Eiche, Betriebsart 561.
Eiche, immergrüne 315.
Eichen, die 310 ff.
Eichenmistel 346 (II 68).
Eichenwurzeltöter 391 (II 87).
Eigenschaften des Holz kapi-
tales 100. 101.
Einfänge 3.
Einschnürungskrankheit jun-
ger Holzpflanzen 397.
Einschnürungskrankheit der
Tannenzweige 396.
Eisen in der Pflanze 192.
Eisenkies 114.
Eisenocker 112.
Eisenspat 181.
Eller 325.
Eisbeerbaum 352.
Empetrum 861.
Empetrum nigrum 361.
Endodermis 219.
Entleemng der Blätter, herbst-
liche 238.
Enzyme (d. Pilze) 383.
Epheu, gemeiner 378.
Epicea 246.
Epidermis 217.
Epidermis, Aufgabe der 220.
Epidermis der Coniferennadel
220.
Epidermis derLaubblätter 219.
Epidot 129.
Epitrophie 280.
591
Erdbeerbaum 375.
Erica 375.
Erica arborea 375.
Erle , Bestandesbegründung
499.
Erle, Betriebsart 562.
Erlen, die 325 ff.
Erosion 120.
Ersatzfasern 216. 227.
Erstlingsblätter 210.
Erysiphaceae 389.
Esche, flaumhaarige 377.
Esche, gemeine 375.
Esche y Bestandesbegründung
498.
Esche, Betriebsart 562.
Eschenblätteriger Ahom 368.
Espe 337.
Etagenwald 241.
Ethische Bedeutung des Wal-
des 567.
Eupicea 246.
Evonymus 863.
Evonymus europaea 368.
Evonymus latifolius 363.
Evonymus verrucosus 363.
Excentrische Jahresringe 230.
Exoascus, Exoascaceae 887.
Exobasidium 406.
Exposition 177.
Fadenpilze 382.
Fäubiis, Produkt der 150.
Fagus 306.
Fagus silvatica 308.
Fagus silv. pendula lus. 809.
Fagus silv. purpurea lus. 309.
Fagus silv. pyramidalis lus. 809.
Fagus silv. toi-tuosa lus. 809.
Fahnenwuchs 244.
Falsche Markstrahlen 320.
Faserscheide 221.
Faulbaum 355.
Faulbaum, gemeiner 370.
Faulkern 231. 308.
Feldahorn 366.
Feldspate, Verw. 127.
Feldulme 341.
Felsenbirne 854.
Felsenfaulbaum 371.
Felsen- Johannisbeere 347.
Felsenkirsche 356.
Felsitporphyr 135.
Femelbetrieb 458. 548 (II 512).
Femelschlagbetrieb 456. 544
(IV 546).
Festigkeit durch Turgor 232.
Fettbäume 227.
Feuerschwamm 408.
Fichte 246 ff.
Fichte, astlose 250.
Fichte, Bestandesbegründung
502.
Fichte, Betriebsart 564.
Fichte, rotzapfige 253.
Fichte, sibirische 249.
Fichte, Spielarten der 250 ff.
592
Sachregister zum I. Band.
Fichte, Varietäten der 249 ff.
Fichte , Wuchsformen der
252 ff.
Ficht enritzenschorf 398.
Fichtentriebkrankheit 397.
Fisettholz 362.
Fl ächenzu wachs 239.
Flatteru]me 341.
Fleckßchiefer 138.
Flieder 381.
Fliegenholz 410.
Flugsand 123.
Flugsandkultur 461
Flussceder. califomische 297.
Flussnuss 329.
Flussschlamm 155.
Flussspat 132.
Föhre 278.
Fomes 406. 407.
Forche 278.
Forstästhetik 566.
Forstgärten 481.
Forstgartenbetrieb 48 1 .
ForstSch-meteorologi sehest a-
tionen 27. 28.
Forstordnungen 4 (IV 358. 542).
Forst - und Landwirtschaft,
Vergleich ihrer Ansprüche
an den Boden 75. 76.
Fossile Brennstoffe 83.
Französischer Ahoi*n 366.
Fraxinus 375.
Fraxinus alba 377.
Fraxinus americana 377.
Fraxinus ascanica 377.
Fraxinus cinerea 377.
Fraxinus excelsior 375.
Fraxinus omus 377.
Fraxinus pensylvanica 377.
Fraxinus pubescens 377.
Fremdländische Holzarten 438
(IV 566).
Frostlage 178.
Frostlöcher 178 (II 70).
Fruchtarten 214.
Früheiche 310.
Frühholz (Frühlingsholz) 229.
230.
Fruktifikation 422.
Fuchserde 113.
Fumago 389.
Fungi imperfecti 396.
Fusicladium 398.
Fusicladium dentriticum 398.
Fusoma 397.
Fusoma parasiticum 397.
Gabbro 137.
Gagelstrauch 331.
Gaisblatt, wildes u. echtes 379.
GefUsse 216. 226.
Getassbündel 218.
Gelbkiefer 290.
Gelbpfeifiges Eichenholz 410.
Gelderträge der Staatsforste
102.
Geleitzellen 222.
Gemischte Bestände 426. 506.
Gemmen 383.
Genista 359.
Geographische Verteilung der
Wälder 2.
Geotropismus 240.
Geschiebe 120.
Gestalt des Baumes 243 ff.
Gesteine, Einteilung 134.
Gesteine, metamorphische 187.
Getreiderost 405.
Gewebemutterzellen 222.
Gewebesysteme , Zusammen-
hang der verschied. 228.
Ginster 359.
Gips 106. 112. 132.
Gleditschia 360.
Gleditschia triacanthos 360.
Gliedersporen 383.
Glimmer 128.
Glimmersandstein 141.
Glimmerschiefer 138.
Gloeosporium 397.
Gneiss 137.
Götterbaum 360.
Goldregen 358.
Granat 129.
Grand 141.
Granit 135.
Granulit 138.
Graslärchen 274.
Grauerle 326.
Graupappel 339.
Grausand 113.
Grauwacke 141.
Grauweide 336.
Grünerle 327.
Grünlandmoore 155. ^
Grünsandstein 141.
Grundgewebe 217.
Grundwasser, Einwirkung auf
Bestand 189.
Grundwasser 179.
Gymnosporangium 405.
Gymnosporangium confusum
406.
Haarbirke 824.
Habitus der Holzart 243.
Hackenkiefer 283.
Hängebuche 309.
Hängeeiche 313.
Hängefichte 250.
Hängetanne 263.
Hagedom 349.
Hainbirke 325.
Hainbuche 319.
Hainbuche, Bestandesbegrün-
dung 498.
Hainbuche, Betriebsart 562.
Hallimasch 410 (II 86).
Hanfweide 335.
Harfenfichte 253.
Hartbast 225.
Hartigsbuche 309.
Hartriegel, gelber, desgl. ge-
meiner 874.
I Harzbirke 822.
- Harzgänge 221. 226.
I Harz8ticken,HarzÜberfÜlle der
Nadelhölzer 410.
Hasel, HaselnuBs 321.
Haselfichte 253.
Haselulme 848.
Hasenheide 859.
Hanptbestand 515.
Hauptbodenarten 178.
Hausschwamm 409 (II 205).
Hautgewebe 217.
Heckenkirsche , gemeine,
schwarze, blaue 380.
Hecksame 360.
Hedera 873.
Hedera helix 373.
Heideaufforstung 466.
Heideeiche 310.
Heidekraut 374.
Heidelbeere 875.
Heidelehm 145.
Heiden, Flora ders. 197.
Heidesand 145.
Heliotropismus 240.
Hemlockstanne 269.
Herbstholz 229.
Herbstliche Entleerung der
Blätter 238.
Herlitze 374.
Herpotrichia 891.
Herpotrichia nigra 891.
Herzwurzeln 204.
Heterobasidion 407.
heteröcische Pilze 883 899.
Hexenbesen 386 (II 88).
Hexenbesen der Laubhölzer,
siehe Taphrina 388.
Hexenbesen der Tanne 402.
Hexenbesenfichte 251.
Hickorynuss, Hicoria 829 ff.
Hicoria glabra 381.
Hicoria ovata 330.
Himalayaceder 276.
Himalayafichte 255.
Himalayalärche 276.
Himalayatanne 265.
Himalaya - Weymouthskiefer
293.
Hippophag 373.
Hipi)opha€ rhamnoides 373.
Hocndurchforstung 519.
Hochmoor 156.
Hochmoore, Flora ders. 196.
Höhenentwickelung 421.
Hollunder, schwarzer 881.
Holz, anat Bau 227—281.
Holz, Aufgabe dess. 226. 284.
Holz, primäres 218.
Holzapfel 350.
Holzarten, ausländische, Ein-
führung derselben 488 (IV
566).
Holzarten, fremdländische 438
(IV 566).
Holzarten, deren Einfluss auf
den Boden 423.
Sachregister zum I. Band.
593
Holzarten, wald bauliche Be-
deutung 415.
Holzarten, deren wirtschaft-
liche Bedeutung 434.
Holzartenwechsel 433.
Holzbirne 351.
Holz ertrag pro Jahr und ha
in Staataforsten und im Ge-
samtwalde 85. 86. 87. 88.
Holzfasern 216. 227 (II 287).
Hoizparenchymzellen 227.
Holzteil des Gefässbündels 218.
220.
Homburg'sche Nutzholzwirt-
schaft 540.
homologe Organe 202.
Hondolärche 274.
Honigpüz 410 (LI 86).
Honigtau 390.
Hopfenbuche 320.
Hombaum 319.
Hornblende 128. 129.
Hornstrauch, roter 374.
Hügelpflanzung 493.
Hülsen 362.
Humus 104. 152.
Humusboden 105.
Humussäuren 109. 151.
Hjdnum 409.
Hygrophysen 241.
Hymenium 387.
Hymenomycetes 406.
Hypertrophie 385.
Hyphe 382.
Hypocreaceae 390.
Hypodermataceae,Hypoderma
392.
Hypodermabrachysporum 392.
Hypodermella 394.
Hyponastie 230.
Hypothecium 394.
Hypotrophie 230.
Jahresringe, excentrische 230.
Jahrestriel), Abschlnss des 209.
Jahrestriebe, Grenze der ein-
zelnen 209.
Jahrringbildung 228—230.
Japanische Lärche 274.
Jelängerjelieber 379.
Iffe 343.
Hex 362.
Hex aquifolium 362.
Imbibition 232.
Immergrüne Eiche 315.
Immergrüner Schneebali 381.
Immergrüner Wegedorn 370.
Infektion, künstliche 384.
Inklination 177.
Inlandeis 123.
Innenrinde 226.
Inselbuche 309.
Intercellularräume 218. 232.
Johannistrieb 209.
Italienische Pappel 340.
Judasblattbaum 347.
Juglans 328 ff.
Handbaoh d. Fontw. 2. Aufl. I,
Juglans cinerea 329.
Juglans nigra 328.
Juglans regia 328.
Juniperus 302 ff.
Juniperus communis I 302.
Juniperus macrocarpa 303.
Juniperus nana 302.
Juniperus oxycedrus 303.
Juniperus phoenicea 303.
Juniperus sabina 303.
Juniperus virginiana 303.
Kätzchen, Eätzchenträger305.
Eätzchenlose LaubhOlzer 341 ff.
Eätzchenträger, nussfrüchtige
305.
Kätzchenträger, steinfrüchtige
328.
EahlschlagmitRandbesamung
448.
Eahlschlagbetrieb 545.
Kalium in der Pflanze 191.
Kalk 139.
Kalk, kohlensaurer 111.
Kalk, oolitischer 111.
Kalkboden 179.
Kalkmergel 140.
Kalkpflanzen 197.
Kalksammler 111.
Kalksand, Bildung 107.
Kalksinter 111.
Kalkspat 111. 131.
Kalktuff 111.
Kaolin 110. 130.
Karbonate 111.
Karstaufforstung 68.
Kastanie , Bestandesbegrün-
dung 499.
Kastanie, Betriebsart 563.
Keaki 345.
Ke^elfichte 253.
Keimapparate 470.
Keimbett 471.
Keimproben 470.
Keimprozente 469.
Keimung 420.
Keimzelle 216.
Kermeseiche 316.
Kembäume 231.
Kernpilze 390.
Kemschäle (der Kiefer) 406.
Keuschbaum 379.
Kiefer, Bestandesbegründung
504.
Kiefer, Betriebsart 565.
Kiefer, calabrische 288.
Kiefern, die 276 ff.
Kiefembaumschwamm 406 (II
88).
Kiefemdreher 400.
! Kiefernritzenschorf 393 (II 85.
' 86).
Kienzopf (der Kiefer) 404.
Kieselsäure in der Pflanze 192.
Kieselsinter 112.
Kleinknospen 306.
Klingstein 136.
Knackweide 333.
Knieholz 283. 284.
Knospe 208.
Knospe, Entfaltungen der 209.
Knospenlage der Laubblätter
209.
Knospenschuppen, anat. Bau
ders. 221.
Knospenschuppen , Zahl und
Aufgabe ders. 209.
Knospenyariation 249.
Knotenschiefer 138.
Kohäreszenz des Bodens 166.
Kohlenstoff, Aneignung dess.
235 ff.
KohlenstofFvorrat in den Holz-
beständen 82.
Kondensation im Boden 176.
Konglomerate 140.
Konkretionen 110.
Kopfholzbetrieb 459. 546.
Korbweide 335.
Koreazirbel 295.
Korkbaum , mandschurischer
361.
Korkbildung 224.
Korkcambium 224. 225.
Korkeiche 316.
Korktanne, arizonische 267.
Korkwarzen 224.
Komelkirsche 374.
Korrelationen des Wachstums
238.
Kreide 131.
Krähenbeere 361.
Kranewit 302.
Krebs (der Kiefer) 404.
Krebs (der Lärche) 395.
Krebs (der Laubholzbäume),
s. Nectria 390.
Krebs der Tanne 402.
Kreuzdorn 369.
Krümelstruktur der Böden 163.
Krummfichte 253.
Krummholzkiefer 282. 283.284.
Krystalle 105.
Küstenbuche 309.
Küstentanne, grosse 265.
Kugelcypresse 301.
Kugelfichte 251.
KuUssendurchforstung 524.
Kurztriebe 208.
Kurz wurzeln 205.
Kusseln 282.
Labrador 128.
Lärche, Bestandesbegründung
505.
Lärche, Betriebsart 565.
Lärche,, gemeine 272.
Lärche, .lapanische 274.
Lärchen fichte 251.
Lärchenkrebs 395 (H 88).
Lamberthasel , Lambertnuss
322.
Landschaftliche Natur, Schutz
derselben 574.
38
694
Sachregister zum I. Band.
LandwirtBchaftl. Vorbau 555
(II 258).
LaDgwurzeln 205.
Larix 272 ff.
Larix americana 275.
Larix dahurica 275.
Larix decidua 272.
Larix Deodora 276.
Larix europaea 272.
Larix europ. alba var. 274.
Larix Griffithii 276.
Larix kurilenais 275.
Larix leptolepis 274.
Larix occidentalis 275.
Larix sibirica 274.
Lehm 139. 143.
Lehmboden 179.
Lehmmergel 140.
Lenticellen 224.
Letten 139.
Leucit 129.
Lianen 242.
Libocedrus 297.
Libocedrus decurrens 297.
Libriform 216. 227.
Lichtgenuss des Blattes 236.
Lichthölzer 433.
Lichtholzart 236. 244.
Lichtungsbetrieb 536.
Lieh tun gszn wachs 184.
LiegendeMarkstrahlzellen227.
Liguster, Ligustrum 378.
Ligustrum vulgare 378.
Linde 371.
Linde, Bestandesbegründung
499.
Linde, Betriebsart 562.
Linde, grossblätterige 872.
Linde, kleinblätterige 371.
Liriodendron tulipifera 846.
Lochpflanzung 492.
LÖSS 144.
Lösskindchen 112.
Lösspuppen 112.
Lonicera 379.
Lonicera alpi^ena 380.
Lonicera caprifolium 379.
Lonicera cerulea 380.
Lonicera nigra 380.
Lonicera periclymenum 379.
Lonicera xylosteum 380.
Lophodermium 392.
Lophodermium abietis 393.
Lophodermium macrosporum
393.
Lophodermium nervisequium
393.
Lophodermium pinastri 393
(II 85. 86.)
Loranthus 346.
Loranthus europaeus 346.
Lorbeerpappel 341.
Lorbeerweide 338.
Macchien 362.
Machandel 302.
Magnesium in der Pflanze 192.
Magneteisen 133.
Magnolia 346.
Magnolia hjrpoieuca 346.
Malus communis 350.
Mammuthbaum 296.
Mandelweide 338.
Mangan in der Pflanze 192.
Mannaesche 377.
Mannbarkeit 246.
Mark 218. 237.
Markasit 133.
Markflecke 321. 326.
Markkrone 226.
Marksirahlen 218. 228. 225.
227. 237.
Markstrahlen, falsche 320.
Markstrahlleisten 308.
Markstrahlzellen, liegende227.
Marschboden 145.
Marschen 121.
Maserholz 280.
Massenzuwachs 289 (III 316).
Massholder 366.
Mastixstrauch 862.
Mehlbeere, Mehlbime 858.
Mehlbeere, schwedische 353.
Meltaupilze 389.
Melampsora 400.
Melampsora Magnusiana 401.
Melampsora Rostrupii 401.
Melampsorella 402.
Melampsoridium 401.
Melaphyr 136.
Mergel 140.
Mergelknauern 112.
Merkantil System und Forst-
wirtschaft 5. 8.
Merulius 409.
Merulius lacrimans 409.
Mesophyll 219. 220.
Mesotyp 180.
Mespilus 350.
Mespilus germanicus 350.
metamorphosierte Organe 201.
Mikroklin 127.
Mineralarten, wichtige 124.
Minimums, Gesetz des 198.
Mirabeau 7.
Mispel 350.
Mistel 345 (II 68).
Mittelwald 546 (IV 546).
Modifiziei*ter Buchenhoch-
waldbetrieb 540.
Moor, Moorboden 155.
Moorföhre 284.
Moormergel 111.
Moore, Entwässerung 157.
Moore, Pflanzendecke 157.
Moordammkultur 158.
Moorkiefer 281. 284.
Moorkultur 156. 464.
Moorkultur, Reinpausche 158.
Moränen 123.
Mull 152.
Mullboden, Flora dess. 1154.
196.
Muschelkalk 139.
Mycel, epiphystischee 888.
Mycelinfektion 884.
Mycelium 382.
Mycorhiza 208.
Mycosphaerella 891.
Myrica 381.
Myrica Gale 878.
Myricaria germanica 878.
Myrtillus, Vaccinium 375.
Nadelblasenroste (der Kiefer)
408.
Nadeleiche 817.
Nadelhölzer, 244 ff.
Nadelhölzer, Transpiration der
235.
Nadelkissen 245.
Nadeln, anat. Bau der 219.
Nadeln, Länge der 245.
Nadeln, winterliche Verfär-
bung der 212.
Nadelritzenschorf der Wey-
mouthskiefer 392.
Nadelschatte der Kiefer .^93.
NadelschQttepilz d. Lärche 392.
Nährstoffe, Herkunft der 288.
Nagelfluh 141.
Natrium in der Pflanze 191.
Naturdenkmäler 574.
Nebenbestand 515.
Nectria cinnabarina 390.
Nectria cucurbitula 390.
Nectria ditissima 890.
Negundo aceroides 868.
Nephelin 129.
Niederdurchforstung 519.
Niederschläge und Verdunst-
ungsgrösse , Bilanz beider
54. 55. 56.
Niederschlagsmenge im Freien
und im Walde 48. 51. 52. 53.
Niederwaldbetrieb 546.
Nitratbildner, Nitritbildner
284.
Nussfrüchtige Kätzchentrager
305.
Nutzholz- Ausbeute in Staats-
forsten 84.
Nutzholz - Ein- und Ausfuhr
der einzelnen Länder 90.
Obenaufpflanzung 493.
Ocker 112.
Oedlandsaufforstung 466.
Oedland und dessen Auffor-
stung 67. 68. 69.
Oelbaum 878.
Oelweide 373.
Ohrweide 336.
Oidium 883. 389.
Olea 378.
Oleaceae 375.
Oleander 878.
Oleaster 878.
Oligoklas 128.
Olivin 126.
Sachregister znm I. Band.
595
Opal 125. 126.
Ordonnance Colberts 5.
Organe, homologe 202.
Organe , metamorphosierte
201.
Orme 841.
Orthoklas 127.
Ortstein 111. 113.
Ortsteinkultur 463.
Osteokolla 112.
Ostrya 320.
Ostrya vulgaris 320.
Oxalsaurer Kalk 234.
Oxelbime 353.
Pacifische Tanne 266.
Paliurus 369.
Paliurus australis 369.
Pallisadenzellen 219.
Palmweide 335.
Panzerföhre 287.
Pappel 337.
Pappel, italienische 340.
Pappel, kanadische 340.
Pappel, Bestandesbegründung
500.
Pappeln, Betriebsart 563.
Paraphysen 387.
Parasiten 387 (II 24).
Parenchymzelle 215.
Parenchymzellen , Arbeitstei-
lung der 225.
Pavia 869.
Pechkiefer 389.
Pericambium 219. 225.
Periderm 224.
Peridermium 399.
Peridermium Jaapii 404
Peridermium Krigerii 403.
Peridermium Magnusianum
403.
Peridermium oblongisporum
404.
Peridermium Pini acicola 400.
403.
Peridermium Pini corticola
400. 404.
Peridermium Pini 404.
Peridermium Rostrupii 404.
Peridermium Strobi 404.
Periklinen 217.
Perithecium 390.
Peronosporaceae 887.
Perückenstrauch 362.
Pestalozzia 897.
Pestalozzia Hartigii 397.
Pezizaceae, Peziza 895.
Peziza, Dasyscypha Willkom-
mii 395 (II 88).
Pfaffenkäppchen 868.
Pfahlwurzel 202.
Pflanze und Boden 188.
Pflanze, Wirkung des Lichtes
183.
Pflanzenbeschaffnng 480.
Pflanzendecke, lebende 180.
Pflanzenhalter,Rebmann'scher
492.
Pflanzenmenge 491.
Pflanzmaterial 480.
Pflanzmethoden 478.
Pflanzschulen 481.
Pflanzung 478.
Pflanzverbände, geregelte 491.
Pflanzzeit 490.
Pfriemenstrauch 859.
Phacidiaceae 894.
Phellem 224.
Phellodendron 361.
Phellodendron amurense 361.
Phelloderm 224.
Phellogen 224.
Phelloid 224.
Phillyrea 378.
Phillyrea latifolia 878.
Phlobaphene 226.
Phloem 218.
Phoma 396.
Phonolith 136.
Phosphorsäure in der Pflanze
192.
Phototrophie 240.
Phycomyceten 386.
Phyllactinia 389.
Phyllactinia suflulta 889.
Phyllit 138.
Physikratie und Forstwirt-
schaft 8. 9.
Physiognomie der Bäume 248.
Physiologische Oxydation 232.
Phytophthora omnivora (Fagi)
387 (n 86).
Picea 245 ff.
Picea acuminata var. 250.
Picea ajanensis 257.
Picea alba 258.
Picea Alcockiana 256.
Picea alpestris var. 249.
Picea aurea lus. 252.
Picea bicolor 256.
Picea Breweriana 255.
Picea canadensis 253.
Picea corticata Ins. 254
Picea erecta 250.
Picea excelsa 246.
Picea hondo^nsis 257.
Picea mariana 254.
Picea morinda 255.
Picea nigra 254.
Picea obovata 249.
Picea omorica 256.
Picea Orientalis 255.
Picea pendula lus. 250.
Picea polita 255.
Picea pungens 254.
Picea rubra 254.
Picea Schrenkiana 255.
Picea torano 255.
Pilze, heteröcische 388. 399.
Pilze, wirtschaftlich schlimm-
ste 886.
Pilzgallen 886.
Pilzwurzeln 208.
PimpemusB 862.
Pinus 276 ff.
Pinus Laricio austriaca 285.
Pinus Banksiana 288.
Pinus Brutia 288.
Pinus cembra 293.
Pinus contorta 288.
Pinus Laricio crassifolia var.
285.
Pinus densiflora 289.
Pinus excelsa 293.
Pinus halepensis 287.
Pinus Jeffreyi 290.
Pinus koraiensis 295.
Pinus Laricio 285 ff
Pinus leucodennis 286.
Pinus maritima 287.
Pinus montana 282 ff.
Pinus monticola 282.
Pinus mughus montana var.
284.
Pinus Murray an a 288.
Pinus nigra 285.
Pinus nigricans 285
Pinus Laricio Pallasiana var.
286.
Pinus peuce 298.
Pinus pinaster 287.
Pinus Laricio Poiretiana var.
286.
Pinus ponderosa 290.
Pinus pumilio montana var.
284.
Pinus pyrenaica 288.
Pinus rigida 289.
Pinus rostrata montana var.
284.
Pinus silvestris 278 ff.
Pinus silv. annulata lus. 281.
Pinus silv. compressa lus. 281.
Pinus silv. fastigiata lus. 281.
Pinus silv. pendula lus. 281.
Pinus silv. rubra, rubiflora
lus. 281.
Pinus strobus 291.
Pinus Thumbergii 289.
Pinus uncinata mont. var. 283.
Pirus 350.
Pirusarten, Bestandesbegrün-
dung 499.
Pirus communis 850.
Pirus malus 850.
Pistacia 862.
Plagioklas 127.
Planera 845.
Planera acuminata 845.
Platane, Platanus 348.
Platane, amerikanische 348.
Platanen Blätterkrankheit397.
Platanus occidentalis 848.
Platanus orientalis 848.
Plenterbetrieb 548.
Plenterdurchforstung 525.
Podosphaera 889.
Poirier 851.
Polargrenzen der Holzartenl5.
Polstertichte 258.
596
Sachregister zam I. Band.
PolyporuB 406. 407 (II 87).
Polyporus annosas 407.
Polyporus borealis 409.
Polyporus, Fomes connatus
407.
Polyporus dryadeus 408.
Polyporus Hartieii 408.
Polyporus hispidus 408.
Polyporus pinicola 407.
Polyporus squamosus 409.
Polyporus sulphureus 409.
Polyporus , Poria vaporaria
409.
Popenbaum 353,
Populus 337.
PopuluB alba 338.
Populus angulata 341.
Populus balsamifera 341.
Populus canadensis 340.
Populus candicans 341.
Populus canescens 339.
Populus laurifolia 341.
Populus monilifera 340.
Populus nigra 339.
Populus pyramidalis, Pyrami-
denpappel 340.
Populus serotina 341.
PopuluB tremula 337.
Poria 409.
Porphyr 135.
Porst 375.
Prädisposition (für PiUan-
griffe) 384.
Primäres Holz, Rinde, Mark-
Btrahl 218. 223. 225.
Procambialstränge 218.
Produktion an organischer
Substanz im Walde 77. 78.
79. 80. 81.
Produktionskapitalien der
Forstwirtschaft 97. 98, deren
Verzinsung im Ertrage 99.
Promycel 398.
Prosench^mzellen 215.
Protobasidiomycetes 398.
Protoplasma 214.
Provenienz des Saatgutes 469.
Prunus 354.
PrunusaHen , Bestandesbe-
gründun^ 499.
Prunus avium 355.
Prunus, Betriebsart 562.
Prunus ceratus 355.
Prunus chamaecerasus 355.
Prunus fruticosa 355.
Prunus Mahaleb 356.
Prunus Padus 355.
Prunus serotina 356.
Prunus spinosa 354.
Pseudolarix 276.
Pseudolarix Eaempferi 276.
Pseudoperidie 399.
Pseudotsuga 269 ff.
Pseudotsuga Douglasii 270.
Pseudotsuga glauca 271.
Pseudotsuga japonica 272.
Pseudotsuga macrocarpa 271.
Pseudotsuga taxifolia 270.
Pseudomorphosen 106.
Pterocarya 329.
Pterocarya rhoifolia 329.
Puccinia 405.
Puccinia graminis 405.
Pucciniastrum 402.
Pflckler Muskau, Fttrst 569.
Pulverholz 370.
Purpureiche 313.
Purp.urtanne 265.
Purpurweide 334.
Pyramidenbuche 309.
Pyramideneiche 313.
Pyrenomycetes 390.
Pyroxen 129.
Pyrolusit 133.
Quarz 125.
Quarzit 142.
Quellsäure 109. 151.
Quercus 310 ff.
Quercus cerris 135.
Quercus coccifera 316.
Quercus coccinea 317.
Quercus hungarica 314.
Quercus ilex 315.
Quercus pedunculata 310.
Quercus pedunculata fastigia-
ta lus. 313.
Quercus pedunc. opaca var.
313.
Quercus pedunc. pseudula lus.
313.
Quercus pseudosuber 316.
Quercus pubescens 314.
Quercus robur 313.
Quercus rubra 316.
Quercus sessiliflora 313.
Quirlknospen 246.
Radiäres Bündel 219.
Rainweide 378.
Ranken 240.
Raseneisenstein 112.
Raubbau 89.
Rauhbirke 322.
Rauschbeere 361.
R^aumur : reflexions sur Tetat
des bois 6.
Rebhuhnholz 410.
reduzierte Organe 201.
Regal 4 (IV 855).
Regenmenge, jährliche 243.
Regenwald, tropischer 241.
Regenwürmer 146.
Rehheide 359.
Reifweide 334.
Reinasche 191.
Reinigungshiebe 508.
Reservestofte 227. 228. 231.237.
Retinospora 296.
Rhamnus 369.
Rhamnus alpina 370.
Rhamnus cathartica 369.
Rhamnus frangula 370.
Rhamnus intermedia 370.
Rhamnus pumila 370.
Rhamnus saxatilis 370.
Rhizina 394.
Rhizoctonien 391.
Rhizomorphenstränge 410.
Rhododendron 375.
Rhus 362.
Rhus cotinus 362.
Rhytisma 394.
Ribes 347.
Ribes alpinum 348.
Ribes groBSuIaria 347.
Ribes petraeum 347.
Riefensaat 473.
Riemenblume 346 (II 68).
Rinde 223 (II 294).
Rinde, Aufgabe der 223.
Rinde, primäre 218. 223.
Rinde, Schutzstoffe der 226.
Rinde, secundäre 218. 225.
Rindenblasenrose (der Wey-
mouthskiefer) 404.
Rindenblasenroste (der Kiefer)
404.
Rindenknollen 210. 308.
Rindenporen 224.
Rindenrosen (der Eschen) 376.
Rindenwurzeln(der Mistel) 345.
Ringbreite 230.
Ringelungsversuche 237.
Ringporiges Holz 229.
Ringschäle (der Kiefer) 406.
Ringseuche 394.
Ritzenschorfe 392.
Robinia 357.
Robinia Pseudoacacia 357.
Rodungsverbote 4 (IV 373. 395.
527. 542).
Rogenstein 111.
Rohhumus 152.
Rohhumus, Bodenflora des 154.
196.
Rohton 104.
Rosellinia 391.
Rosellinia quercina 391 (II 87).
Rosskastanie 368.
Rosskastanie, rote 369.
Rostpilze 398.
Rotbuche 306. 560.
Rotbuche , Bestandesbegrün-
dunff 494.
Roteiche 316.
Roteisen 132.
Roterle 325.
Rote Rosskastanie 369.
Rotesche 377.
Rotfichte, amerikanische 254.
Rotholz 230.
Rotkiefer, japanische 289.
Rotliegendes 141.
Rottanne 246.
Rotulme 341.
Rotzapfige Fichte 253.
Ruchbirke 324.
Runzelschorf 394.
Rusche 341.
Sachregister znm I. Band.
597
Rnsstau 389.
Saalweide 385.
Saatmethoden 467.
Saatzeit 474.
Sadebaum 303.
Säbelwachs, iier Lärche 274.
Säulenfichte 251.
Säulenkiefer 281.
Saisondimorphismus 252.
Salbeiweide 336.
V. Salisch 566.
Salix 331 ff.
Salix acuminata 336.
Salix acutifolia 334.
Salix alba 332.
Salix amygdalina 333.
Salix appendiculata 336.
Salix aurita 336.
Salix caprea 335.
Salix cinerea 336.
Salix daphnoides 384.
Salix elaeagnoB 385.
Salix fragilis 333.
Salix grandifolia 836.
Salix incana 335.
Salix nigricans 336.
Salix pentandra 833.
Salix pruinosa 334.
Salix purpurea 334.
Salix rubra 367.
Salix triandra 333.
Salix viminalis 835.
Salix vitellina alba var. 332.
Salpetersäure im Waldboden
185.
Salzhunger 233.
Salzpflanzen 197.
Sambucus 381.
Sambucus nigra 881.
Sambucus racemosa 381.
Samen 214.
Samenbeschaffung 468.
Samenbildung, Samenjahr 237.
238. 246.
Samenschlag 455.
Samenprüfung 469.
Samenqualität 467.
Samenvariation 249.
Sand 104.
Sand, Entstehung 121.
Sandboden 178.
Sanddom 278.
Sanddfinen und deren Auf-
forstung 67.
Sandpflanzen 197.
Sandstein 141.
Sanidin 127.
Sanitäre Bedeutung des Wal-
des 70. 71.
Saprophyten 382.
Sarothamnus 359.
Sanbirne 353. 354.
Sauerdom 347.
Sauerkirsche 355.
Saugwurzeln 202.
Saure Wiesen, Flora ders. 196.
Sawara 800.
Scharlacheiche 817«
Schattenhölzer 481.
Scheibenpilze 894.
Scheidetriebe (der Kiefer) 279.
Scheinkern 231.
Schermtanne 268.
Schieferton 189.
Schierlinffstanne 269.
Schimmelfichte 253.
Schimmelpilz 383.
Schimmelweide 334.
Schirmschlagbetrieb 452. 544.
Schirmtanne, japanische 295.
Schlämmanalyse 161. 162.
Schlafbewegungen der Blätter
240.
Schlafende Augen 210.
Schlagpflanzen 196.
Schlamm 154.
Schlangenbuche 809.
Schlangenfichte 250.
Schlangenkiefer 281.
Schlangentanne 263.
Schlauchpilze 887.
Schlehdorn, Schlehe 354.
Schliesszellen 217. 219.
Schlingpflanzen 240.
Schneeball, p^emeiner 380.
Schneeball, immergrüner 881.
Schneeball, wolliger 380.
Schneidelholzbetrieb 459. 546.
Schörl 129.
Schorf 898.
Schreiber's Untersuchungen41.
46. 50.
Schuppenkiefer 281.
Schutthalde 119. 120(111571).
Schuttkegel 119. 120.
Schutzschlag 545.
Schutzstoft'e der Uinde 226.
Schutzwaldungen 65. 66 (IV
322. 887).
Schwärmsporen 887.
Schwammparenchym 220.
Schwarzdom 354.
Schwarzeichen, amerikanische
316.
Schwarzerde 145.
Schwarzerle 325.
Schwarzfichte, amerikanische
254.
Schwarzkiefer 285.
Schwarzkiefer , Bestandesbe-
ffründung 505.
Schwarzkiefer, Betriebsart565.
Schwai*zkiefer, japanische 289.
Schwarzpappel 839.
Schwarzweiae 386.
Schwedische Mehlbeere 853.
Schwefeleisen 133.
Schwefel in der Pflanze 192.
Schwefelkies 114. 138.
Schwefelregen 247.
Schwerspat 132.
Sciadopitys verticillata 295.
Sclerotinia 859.
Seekiefer 287.
Seekreuzdorn 373.
Sekretionen 110.
Sekretionszellen 221.
Sekundäres Dickenwachstum
218. 221.
Seitendruck 236.
Seitenknospen 208.
Seitenwurzeln 202. 203.
Senkerfichte 243.
Senkerwurzeln 345.
Septoria 397.
Septoria parasitica 897.
Seq^uoia gigantea 296.
Sericitschiefer 138.
Serpentin 126.
Sevenbaum 803.
Sibirische Fichte 249.
Sibirische Tanne 267.
Sickerwasser 174.
Siebröhren 216. 226.
Siebteil 218. 220. 287.
Silberahorn 367.
Silberlinde 878.
Silberpappel 338.
Silbertanne, amerikani8che266.
Silberweide 382.
Silikate 124.
Sitkafichte 257.
Sklerotium 882.
Smith, Adam, und die Forst-
wirtschaft 9. 10.
Sommercypressen 800.
Sommereiche 810.
Sonunerlinde 372.
Sorbus 851 fl*.
Sorbusarten , Bestandesbe-
gründung 499.
Sorbus aria 853.
Sorbus aucuparia 851.
Sorbus aucuparia dulcis var.
352.
Sorbus chamaemespilus 858.
Sorbus domestica 352.
Sorbus hybrida 354.
Sorbus intermedia 358.
Sorbus latifolia 853.
Sorbus scandica 858.
Sorbus torminalis 352.
Späteiche 318.
Spätholz 229. 230.
Spaltöfiiiungen 217.
Spaltpflanzung 493.
Spanische Weisstanne 264.
Spannrückigkeit 280. 320.
Spartium 859.
Speckstein 126.
Speierling 852.
Sperberbaum 352.
Spermatium, Spermogonium
398.
; Sphaerella 891.
Sphaeriaceae 390.
Spiegelrinde 311.
Spiesseiche 817.
Spindelbaum 863.
Spirke 284.
598
Sachregister zum I. Band.
Spitzahorn 365.
Spitzenberg'sche Kultargeräte
488.
Spitzfichte 253.
Splintbäume 231.
Sporen (d. Pilze) 383.
Sporeninfektion 384.
Sporidie 398.
Spottnuss 331.
SproBB 208.
Stacheln 212.
Stärke 236. 237.
Stärkebäume 227.
Stamm dornen 212.
Standortslehre 103.
Staphylea 362.
Staphylea pinnata 362.
Stechdom, gemeiner 369.
Stecheiche 315.
Stechginster 360.
Stechpalme 362.
Steinbuche 308.
Steineiche 313.
Steinfrüchtige Kätzchenträger
328.
Steinlärchen 273.
Steinlinde 378.
Steinsalz 132.
Steinweichsel 356.
Steinzellring der Binde 225.
Stelzenfichte 253.
Steppenaufibrstungen und de-
ren Wirkung 53. 54. 69.
Stereum 410.
Stereum hursutum 410.
Sterigma 398.
Stemkiefer 287.
Stickstoff als Pflanzennahrung
185.
Stieleiche 310.
StockauBschlag 238.
Stoffwanderungen, Stoffwand-
lungen 237.
Stemata 217.
Strandkiefer 287.
Strauchbirke 324.
Strauchbuche 309.
Strauchfichten 253.
Strauchkiefer 282.
Streuentnahme, Wirkung der
182.
Stroma 390.
Stumpfblätteriger Ahorn 366.
Sümpfe, deren Behandlung460.
Sulfate 112.
Sumpfcypresse 296.
Sumpf eiche 317.
Sumpffichte 253.
Sumpf kiefer 284.
Syenit 135.
Sympetalae 375.
Talk 126.
Tamariske, deutsche 373.
Tamarix germanica 373.
Tanne bot. 257 ff.
Tanne, pacifi^che 266.
Tanne, sibirische 267.
Tanne, Betriebsart 563.
Taphrina 387.
Taphrina aurea 888.
Taxodium 296.
Taxodium districhum 296.
Taxus 304.
Taxus baccata 804.
Teleutospore 898.
Temperatur der Bäume 42. 43.
Temperaturunterschiede zwi-
schen Wald- und Freiluft
im Jahreszeiten-Mittel 30.31.
Temperaturunterschiede zwi-
schen Wald- u. Preiluft im
Tageszeiten-Mittel 33. 34.
Temperaturunterschiede zwi-
schen Wald- und Freiluft
im absoluten Maximum und
Minimum des Jahres 35 — 37.
Temperaturunterschiede zwi-
schen Wald- und Freiluft
im mittleren Maximum und
Minimum 38.
Temperaturunterschiede des
Waldbodens gegen den Bo-
den im Freien 39. 40.
Terpentin-Pistazie 362.
Teufern 284.
Thelephora 410.
Thelephora perdix 410.
Ton 131.
Tonboden 179.
Tonmergel 140.
Tonschiefer 139.
Thuja 297 ff.
Thuja p^gantea 298.
Thuja japonica 298.
Thuja Lobbii 298.
Thuja Menziesii 298.
Thuja occidentalis 298.
Thuja (Biota) orientalis 299.
Thujopsis dolabrata 296.
Thyllenbildung 231.
Tieflage 178.
Tilia 371.
Tilia alba 373.
Tilia argentea 373.
Tilia cordata 371.
Tilia grandiflora 371.
Tilia platyphyllos 372.
Tilia tomentesa 373.
Tilia ulmifolia 371.
Titaneisen 133.
Torf 155.
Tracheen 226. 227.
Tracheidale Markstrahlzellen
227.
Tracheiden 216. 227.
Trachyt 136.
Tränenfichte 255.
Tränenkiefer 293.
Trametes 406. 407.
Trametes pini 406 (IT 88).
Trametes radiciperda 407 (II
87).
Transpirationsstrom 234. 235.
Transport von Forstprodukten
96 (III 446).
Traubenbirne 354.
Traubeneiche 313.
Traubenhollunder 381.
Traubenkirsche 355.
Traubenschimmel 395.
Trauerfichte 250.
Trauerkiefer ^1.
Trauertanne 263.
Trichosphaeria 390.
Trichosphaeria parasitica 390.
Triebscn winden (der Kiefer)
396.
TriebwuEzeln 202.
Trockenheit, Schutz gegen 243.
Trompetenbaum 379.
Tropfstein Hl.
Tropophyten 241.
Tschemosem 145.
Tsuga canadensis 269.
Tsuga Mertensiana 269.
Tsuga Sieboldi 269.
türkische Weichsel 356.
Tulpenbaum 346.
Turgor 232. 233. 240.
Turmalin 129.
Ueberhaltbetrieb 554.
ülex 360.
Ulex europaeus 360.
Ulmaceae, Ulmus 341.
Ulme, Bestandesbegründung
498.
Ulme, Betriebsart 562.
Ulmus americana 344.
Ulmus campestris Linne 343.
Ulmus effusa 343.
Ulmus glabra 341.
Ulmus montana 343.
Ulmus scabra 343.
Ulmus camp, suberosa var. 342.
Umtriebszeit im Nachhaltsbe-
triebe 89 (III 327).
Uncinula 389.
Unterbau 582.
Uredineen 398.
Uredospore 399.
Urmeristem 214.
Urtonschiefer 138,
Urwald 241.
Vaccinium 375.
Vegetationspunkt 216. 217.
Venturia 398.
Verarbeitung der Forstpro-
dukte 96. 97.
Verdickungsring 221.
Verkemung 231.
Verpflanzen 207.
Vertikalfichte 250.
Verwesung im Boden 147.
Verwesung , Produkte ders.
150.
Verwitterung 105.
Verwitterungsprodukte 119.
Verwitterungszone 118.
Sachregister zum I. Band.
699
Viburnum 880. 381.
Viburnam lantana 380.
Viburnum opulus 380.
Viscum 345.
Vis cum album 345.
Vitex 379.
Vivianit 114.
Vogelbeerbaum 351.
Vogelkirsche 355.
Vollsaat 476.
Vorbau, landwirtschaftl. 555
(11 258).
Vorbereitungschlag 453.
Wachholder 302 ff.
Wachstum 238.
Wachstumsenergie 239.
Wachstum in physiologischem
Sinne 72.
Wälder, Einwirkung ders. auf
das lokale Klima 22—24.
Wälder, Einwirkung ders. auf
Luft- und Bodentemperatur
24-41.
Wälder. Einwirkung ders. auf
den Feuchtigkeitsgrad der
Luft 43-^46.
Wälder, Einwirkung ders. auf
die Regenmenge 47—50.
Wärmekapazität 179.
Wagener's Lichtwuchsbetrieb
541.
Wahlvermögen der Pflanzel91.
Wald, sanitär eBedeutung dess.
70. 71.
Wald als Speiser des fliessen-
den Wassers, Wasserstands-
regelung 59. 60. 61. 62. 63.
Wald und die Erhaltung der
Quellen 58. 59.
Wald und Sickerwassermenge
56. 57. 58.
Waldausstockungen 3.
Waldbau 412.
Walderde 167.
Waldfeldbau 555 (II 252 ff.).
Waldflächen der europäischen
Länder 16. 17. 18. 19 (IV
316).
Waldformationen 242.
Waldluft, Kohlensäure ders.
184.
Waldrebe 347.
Waldrodungen in Frankreich
11.
Waldrodungen in Bayern 12.
WaldschOnheitspflege 566.
Waldschutz durch religiöse
Vorstellungen 12. 13.
Waldschutz durch Gesetze im
Altertum 13.
Waldschutz durch Gesetze im
Mittelalter 13.
Waldstreu 181 (II 266).
Waldstreu alsStickstoffdünger
185.
Waldverkäufe infolge derMan-
chester-Doctrin 10. 11.
Wald-Verteilung nach Höhen-
regionen 20.
Walaverwüstung in den Jah-
ren 1789—93.
Waldzerstörungen in Spanien
14.
Waldzerstörungen in England
14. f
Wallnussbaum 328.
Wallnussbaum, grauer 329.
Wallnussbaum, schwarzer 328.
Wasser, Aufnahme dess. 233
(II 121).
Wasser, Einwirkung auf Ver-
witterung 106.
Wasser, Nänrmittel der Pflanze
185.
Wasser, Verteilung im Boden
188.
Wasserbedarf der Pflanzen 186.
Wasserbewegung im Holz 234.
Wassergehalt der Bäume 234
(11 290).
Wassergehalt des Bodens 173.
Wasserkapazität der Böden
168. 169.
Wasserkultur 233.
Wasserleitung 226. 228. 231.
234.
Wegedome 370.
Wegedom, immergrüner 370.
Weichbast 225.
Weichsel 355.
Weide, Bestandesbegründung
500.
Weide, kaspische 334.
Weide, weissgraue 335.
Weiden, die (bot.) 331 ff'
Weiden, Betriebsart 568.
Weidenbastarde 337.
Weidenroste siehe Melamp-
sora 401.
Weissbirke 322.
Weissbirke, nordische 324.
Weissbuche 319.
Weissdom 349.
weisser Ahorn 367.
Weisserle 326.
Weissesche 877.
Weissfichte, amerikanische
253.
Weissföhre 278 ff.
Weissgraue Weide 335.
Weisspfeifiges Eichenholz 410.
Weissrindige Kiefer 286.
Weisstanne 259 ff.
Weisstanne, griechische 264.
Weisstanne, spanische 264.
Weisstanne, Bestandesbegrün-
dung 500.
Weisstannenritzenschorf 393.
Weissulme 343.
Weissweide 332.
Wellingtonie 296.
Weymouthskiefer 291 ff".
Weymouthskiefer, Bestandes-
begründung 506.
Weymouthskiefer, Betriebsart
565.
Wiesen, saure, Flora ders. 196.
Wiesenmoore 155.
Wildbäche und deren Beruhi-
gung durch Aufforstung 63.
64. 65 (HI 540).
Wildbach - Verbauungen in
Frankreich 64.
Wildbach - Verbauungen in
Oesterreich 65.
Winddruck, Einfl. dess. auf die
Jahrringbreite 230.
Winde, austrocknende 243.
Wintereiche 313.
Winterknospen 209.
Winterlinde 371.
Wirkungen der Parasiten auf
d. Wirt 385.
Wirtschaftlich schlimmste
Pilze 386.
Woeikofs Untersuchungen 25.
26.
Wundparasiten 384. 406.
Wurzel, anat. Bau der 218. 219.
Wurzel, metamorphosierte 207.
Wurzel, reduzierte 207.
Wurzel, typische 202.
Wurzel, V erzweigung der 203.
Wurzelbrut 209. 238.
Wurzelhaare 202. 233.
Wurzelhaube 202.
Wurzelholz 228. 229.
Wurzelknie 296.
Wurzelknöllchen 234.
Wurzelschwamm 394 (II 87).
Wurzelsystem 420.
Wurzelsystem , Habitus des
204. 205.
Wurzelwachstum, Zeit des 206.
Wurzelzöpfe 207.
Xerophyten 241.
Xylem 218.
Zapfensucht (der Kiefer) 279.
Zargenholz 253.
Zelkowa 345.
Zelle 214 ff.
Zellfusionen 216.
Zellhaut (der Pilze) 382.
Zellkem 215.
Zellstreckung 217.
Zeolithe 130.
Zerfall der Gesteine 105.
Zerreiche 315.
Zersetzung der Gesteine 107.
Zerstreutporiges Holz 229.
Zirbe, Zirbelkiefer 293.
Zitterpappel 337.
Zonen, klimatische 241.
Zopftrocknis (der Kiefer) 404.
Zuckerahorn 367.
Zürgelbaum 344.
Zunderschwamm 408.
Zusammenhang d, versch. Ge-
600
Sachregister zum I. Band.
webesjBteme 228.
Zuwachs Verminderung 229.
Zweialteriger Hochwald 540.
Zweiganordnung, physiologi-
sche 244.
Zwergbirke 824.
Zwergfichte 251.
Zwergmandel 354.
Zwergmispel 853.
Zwergwacnholder 302.
Zwillingsfichte 252.
Zwischenknospen 246.
f
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