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Full text of "Handbuch der Forstwissenschaft ..."

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arnollr  airftoretum  iiirarg 


THE   GIFT   OF 

FRANCIS    SKINNER 

OF  DEDHAM 
IN   MEMORY  OF 

FRANCIS   SKINNER 

(H.  C.  1862) 


Received    (A/^AjO\.  /  ?  ^^  . 


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Verlag  dep  h.  Laupp'schen  Euchhandlung 

in  Tübm^en 


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ß- 


torey's 
ßandbudi  der  Forsti9issenschaft 


Zweite  perbesserte  und  vermehrte  Auflage 

in  Perbindung  mit 

Profeffor  Dr.  B.  B  a  h  I  e  r  in  ÜOblngen  -  Serlditsrat  Profeffor  Dr.  K.  D  t  cfc  e  I  in  Cfioriottenburg- 
Berlin  -  6.  Ritter  uon  Dombrowski  in  Wien  -^  Proteffor  Dr.  HI.  Endres  in  Hlflndien  -« 
Profeffor  Dr.  6.  Fromme  in  Giemen  -  Oberforitrat  Dr.  ß.  von  Fflrit,  Direlttor  der  foritlidien 
ßodiidiule  in  Hfdiaffenburg  -  Bofrat  Profeffor  H.  Ritter  uon  6uttenbergin  Wien  -'  Profeffor 
Dr.  ß.  ßausrath  in  Karlsruhe  -  Profeffor  Dr.  fi.  Ktein  dafelbft  ••  Regierungsrat  Profeffor 
6.  fi  a  u  b  C  cfc  in  Wien  -«  f  Profeffor  Dr.  C.  p  o  n  ti  o  r  e  y  in  CQbingen  -«  Gefi.  Regierungsrat  Profeffor 
Dr.  H.  flletzger  in  fllanden  -*  Gefi.  Oberforftrat  Dr.  fll.  fleumeffter,  Direktor  der  Porft- 
aliademie  in  Cliarandt  -*  Profeffor  Dr.  €.  R  a  m  a  n  n  in  fnoncfien  -  ßofrat  Profeffor  Dr.  Fr.  S  di  w  a  cfc- 
li  d  f  e  r  in  Wien  -  Forftmeifter  Profeffor  Dr.  H.  S  di  w  a  p  p  a  di  in  £berswalde  ••  Forftrat  Profeffor 

F.  W  a  n  g  in  Wien  -  Profeffor  Dr.  R.  W  e  b  e  r  in  fliandien 

herausgegeben  pon 

Profeffor  Dr.  ßermann  Stoefzer, 

6eh.  OberfQrstrd  und  Direktor  der  Grossh.  sddisisdien  Forstlehranstatt  Slsenadi. 


ün  vier  Bfinden« 

Erster  Band^ 

Die  Aufgaben  der  ForftwirtFdiaft  und  Forftlidie  Produktionslehre  I.  CeiL 


Cflblngen  1903. 

Perlag  der  B.  Ixaupp'fdien  Buchhandlung. 


OUi,  r  t . 


Die 


Hufgaben  der  f orifii9irtschaff 


und 


ForKÜiche  Produktionslehre  i. 


ün  Perbindung  mit 


b.  Klein,  f  ü.  von  boreyi  £.  Ramann,  R«  Weber 


herausgegeben 


pon 


ßermann  Stoetzen 


Cflbingen   1903. 

Periag  der  B.  b au  pp 'sehen  Buchhandlung. 


' 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Druck  von  H.  Laupp  Jr  In  T&bingen. 


Vorwort  zur  ersten  Auflage  (1888). 


Indem  man  sich  zur  Herausgabe  unseres  Handbuchs  entschlossen  hat,  wollte  man 
—  inmitten  der  überaus  reichen  Spezialliteratur,  welche  auf  den  Gebieten  fast  aller 
forstlichen  Disziplinen  erstanden  ist  —  in  systematischer  Anordnung  eine  kurze,  ge- 
drängte, den  heutigen  Stand  unseres  Wissens  knapp  zusammenfassende  Darstellung  der 
ganzen  Forstwissenschaft  geben,  um  damit  gewissermassen  einen  Buhepunkt  zu  schaffen, 
an  dem  man  sich  sammeln  und  von  dem  aus  man  eine  orientierende  Umschau  halten 
könnte,  bevor  man  zu  fernerer  Arbeit  weiterschreitet.  Viele  Stimmen  haben  inzwischen 
die  Berechtigung  eines  solchen  Unternehmens  anerkannt;  denn  sehr  Viele  schon  und 
insbesondere  viele  Männer  der  forstlichen  Praxis  haben  es  schmerzlich  empfunden,  dass 
infolge  der  regen  Tätigkeit,  die  überall  in  der  forstlichen  Wirtschaft  und  Wissenschaft 
mit  teilweise  fieberhafter  Hast  entfaltet  wird,  dem  einzelnen,  der  sich  mitten  in  dieses 
Treiben  hineingestellt  sieht,  aller  Ueberblick  verloren  zu  gehen  droht.  Diesem  Miss- 
stande vor  allem  möchte  das  Handbuch  zu  seinem  Teil  abhelfen,  indem  es  in  kritischer 
Sichtung  das  Wesentliche  dessen  bietet,  was  bisher  geleistet  worden  ist.  Ausführliche 
Literaturangaben  wollen  überall  die  Möglichkeit  eingehenderer  Studien  vermitteln. 

Zugleich  soll,  so  hofft  man,  das  Buch  auch  der  studierenden  Jugend  willkommen 
sein.  Ohne  alle  Spezialwerke  entbehrlich  zu  machen,  dürfte  es  doch  gerade  wegen  seines 
verhältnismässig  geringen  Umfanges  ein  brauchbarer  Leitfaden  beim  Studium  sein; 
manche  der  darin  behandelten  Gegenstände  sind  überdies  in  neuerer  Zeit  nicht  in  be- 
sonderer Bearbeitung  durchgebildet  worden. 

Endlich  dürften  auch  Landwirte,  vorab  Grossgrundbesitzer,  welche  eigene  Wal- 
dungen bewirtschaften,  sowie  Verwaltungsbeamte,  welche  am  Gedeihen  des  Waldes  In- 
teresse nehmen,  in  dem  Handbuch  eine  willkommene  Gabe  erblicken,  zumal  dasselbe 
neben  dem  fachlichen  auch  den  allgemein  volkswirtschaftlichen  Standpunkt  und  die 
Beziehungen  der  Forstwirtschaft  zur  Landwirtschaft  an  geeigneter  Stelle  besonders 
betont. 

Die  systematische  Anordnung  schien  dem  Zwecke  am  förderlichsten.  Die  den 
einzelnen  Teilen  vorgedruckten  Inhalts-Uebersichten  geben  über  den  Plan  des  ganzen 
Werkes  Aufschluss.  Ein  ausführliches  alphabetisches  Sachregister,  welches  der  ersten 
Abteilung  des  ersten  Bandes  beigegeben  ist,  ermöglicht  rasches  Nachschlagen  über  ein- 
zelne Gegenstände. 

Dass  ein  derartiges  Werk  nicht  von  einem  einzelnen  verfasst  werden  konnte, 
liegt  auf  der  Hand.  Vielmehr  bedurfte  es  vieler  Kräfte,  deren  jede  in  dem  ihr  zuge- 
wiesenen Gebiet  ein  spezielles  Arbeitsfeld  erblickt.  Schon  die  Namen  der  Mitarbeiter 
werden  den  Lesern  eine  Gewähr  dafür  sein,  dass  ihnen  in  dem  Werke  ein  gut  Stück 
ernster  Arbeit  geboten  wird.  Ueberdies  sei  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  Männer 
verschiedenster  wissenschaftlicher  Kichtung  an  dem  Unternehmen  mitgewirkt  haben. 
Musste  darunter  auch  vielleicht  die  Einheitlichkeit  der  Auffassung  da  und  dort  etwas 
not  leiden,  so  hat  man  andererseits  den  Gewinn,  kein  Werk  im  Sinne  einer  einseitigen, 


VI  Vorwort. 

ansschliessenden  ParteiriclitTing  geschaffen  zu  haben,  obwohl  die  einzelnen  Abhandlungen 
begreiflicherweise  voll  und  ganz  den  wissenschaftlichen  Standpunkt  ihrer  Verfasser  wi- 
derspiegeln. 

Auch  in  anderer  Hinsicht  mnss  dem  Bache  der  Charakter  eines  Sammelwerkes 
anhaften,  sofern  es  bei  einem  solchen  immer  unmöglich  ist,  überall  vollkommene  Gleich- 
mässigkeit  der  Durchführung  zu  wahren.  Man  ist  sich  dessen  wohl  bewusst,  dass  ein- 
zelne Arbeiten  umfassender  geworden  sind,  als  es  von  vornherein  gewünscht  war.  Doch 
hoffen  wir,  vielleicht  gerade  mit  deigenigen  Abhandlungen,  welche  den  sonst  knappen 
Rahmen  des  Ganzen  zu  überschreiten  scheinen,  bei  Vielen  eine  besonders  freundliche 
Aufnahme  zu  finden. 

Möchte  das  Handbuch,  indem  es  seinen  Weg  macht,  den  Nutzen  stiften,  den  sich 
alle  Beteiligten  von  demselben  erhoffen. 


Vorwort  zur  zweiten  Auflage. 

Nachdem  der  Herausgeber  der  ersten  Auflage,  Professor  Dr.  vonLorey,  bereits 
die  Einleitung  für  die  Herausgabe  der  zweiten  Auflage  getroffen  hatte,  wurde  derselbe 
durch  einen  jähen  und  plötzlichen  Tod  am  27.  Dezember  1901  abgerufen.  Einer  hand- 
schriftlich von  ihm  hinterlassenen  Notiz  zufolge,  in  welcher  er  den  Unterzeichneten  als 
seinen  Nachfolger  in  der  Bedaktion  bestimmt  hatte,  übernahm  dieser  die  weitere  Füh- 
rung der  Bedaktionsgeschäfte,  sowie  die  zum  grossen  Teil  bereits  eingegangenen 
Manuskripte  der  Herren  Mitarbeiter.  Es  erwuchs  ihm  zunächst  die  Aufgabe,  das 
Material  einer  Durchsicht  zu  unterziehen  und  diejenigen  Vereinbarungen  herbeizuführen, 
welche  wegen  teil  weiser  Kürzung,  sowie  zum  Zweck  von  Aenderungen  behufs  Erzie- 
lung möglichster  Gleichmässigkeit  in  der  Behandlung  des  Stoffes,  insbesondere  auch 
zur  tunlichsten  Vermeidung  von  Wiederholungen  und  von  Kollisionen  in  den  Grenz- 
gebieten einzelner  Disziplinen,  erforderlich  erschienen. 

Demnächst  war  die  Verteilung  des  Stoffes  in  die  einzelnen  Bände,  deren  wegen 
der  eingetretenen  beträchtlichen  Vermehrung  des  Materials  vier  gebildet  werden  mussten, 
zu  bewirken,  sowie  die  Ueberwachung  der  Drucklegung  vorzunehmen. 

Die  an  sich  erwünschte  Aufnahme  einer  „Forstzoologie"  war  leider  nicht  mehr 
möglich;  die  Verlagsbuchhandlung  hat  sich  jedoch  entschlossen,  eine  solche  —  gewisser- 
massen  als  Nachtrag  zum  Handbuch  der  Forstwissenschaft  —  besonders  herauszugeben, 
zu  welchem  Zweck  bereits  ein  namhafter  Spezialist  auf  diesem  Gebiete  gewonnen  wor- 
den ist.    Das  Erscheinen  wird  etwa  in  Jahresfrist  zu  erwarten  sein. 

Allen  Mitarbeitern  sei  auch  an  dieser  Stelle  für  das  bewiesene  freundliche  Ent- 
gegenkommen und  die,  im  Interesse  des  Werkes  betätigte  liebenswürdige  Unterstützung 
des  Herausgebers  der  verbindlichste  Dank  ausgedrückt. 

Möge  das  mit  vereinten  Kräften  geschaffene  Werk  sich  einer  nicht  minder  freund- 
lichen Aufnahme  wie  die  erste  Auflage  erfreuen ! 

Eisenach,  Ende  Juli  1903. 

H.  Stoetzer. 


vn 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 

*  

L  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft.    Allgemeine  Erörterungen  über 

die  Ziele  und  Mittel  der  forstlichen  Produktion. 

Von 

R.  Weber. 

Seite 

Vorbemerkung 1 

Geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  und  ihre  historischen  Ursachen  2 

Gegenwärtige  Bewaldungsverhältnisse 14 

Natürliche  Ursachen  15.  Waldfläche  der  europäischen  Staaten  16.  Verteilung 
der  Wälder  nach  Höhenregionen  20. 

Bedeutung  der  Wälder  für  das  öffentliche  Wohl  und  die  staatswirtschaftlichen 

Gesichtspunkte  der  Forstwirtschaft 20 

Einflnss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur  24.  Einwirkung  auf  den 
Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  und  auf  den  Kreislauf  des  Wassers  43.  Bedeutung 
des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  und  der 
Schneedecke,  sowie  für  die  Abschwächung  der  Winde  61. 

Die  Forstwirtschaft  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkt  ....  71 

Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft  71.  Jährliche  Produkt 
tion  an  organischer  Suhstanz  77.  Brennstoffproduktion  82.  Nutzholz  83.  Ver- 
teilung der  Holz-  und  Betriebsarten  in  Deutschland  84.  Abnutzungsgrösse  der 
deutschen  Staatsforste  86.  Umtrieb  89.  Nachhaltigkeit  89.  Raubbau  89.  — 
Die  menschliche  Arbeit  als  Produktionsfaktor  in  der  Forstwirtschaft  91.  Ar- 
beitsaufwendungen  93.  Wirtschaftlichkeit  93.  Ausgaben,  Produktionskosten  94. 
Handels-  und  Transporttätigkeit,  Veredelung  des  Rohproduktes  95.  —  Die  Pro- 
duktionskapitalien der  Forstwirtschaft  und  ihre  Rentabilität  97.  Bodenrente 
100.  Allgemeine  Eigenschaften  des  Holzkapitals  100.  Reinerträge  mehrerer 
deutscher  Staaten  102. 


II.  Forstliche  Standortslehre. 


Von 


E.  Ramann.  "^ 

Eiinleitnng  ..............        103 

Allgemeines  über  den  Boden  104. 

I.  Bodenbildung.    Vei^witterung 105 

Der  Zerfall  der  Gesteine  105  (Einwirkung  der  Temperatur.  Wirkung  des 
gefrierenden  Wassers).  Die  lösende  Wirkung  des  Wassers  106.  Die  Zer- 
setzung der  Gesteine  107.     Organische  Stoffe  und  deren  Einwirkung  109. 


VIII  Inhalt  des  ersten  Bandes. 

Seit« 

Die  Absätze  ans  verwitternden  G^teinen  110.  Die  Absätze  organischer 
StoflFe  113. 

II.  Die  Absorptionserscheinnngen  im  Boden 114 

in.  Der  Transport  der  Verwittemngsprodukte 119 

Der  trockene  Abtrag  119.  Abtrag  dnrch  Wasser  120.  Abtrag  dnrch  Luft- 
bewegnng  123. 

lY.  Die  wichtigsten  Mineralarten  und  Gesteine 124 

Die  wichtigsten  Mineralarten  124.  (Kieselsäure  und  Silikate,  Feldspate, 
Glimmergrappe,  Hornblende  und  Angitgruppe,  Leucit  nnd  andere  Silikate, 
Kaolin  und  Tonmineralien,  Karbonate). 

V.  Die  bodenbildenden  (Gesteine  und  ihr  Verhalten 134 

Massige  Gesteine 134 

Saure  Gesteine  135  (Granit,  Felsitporphyr).     Gesteine  mit  mittlerem  Kie- 
selsäuregehalt 135  (Syenit,   Trachyt,   Phonolith).     Basische  Gesteine  136 
(Diorit,  Diabas,  Melaphyr,  Basalt). 
Urschiefer  und  metamorphische  Gesteine     .         .         .  .  137 

Gabbro,  Gneis,  Granulit,  Glimmerschiefer,  Urtonschiefer. 

Tonschiefer  und  Tone 138 

Kalk-  und  Dolomitgesteine .         .         139 

Beine  Kalke  139  (Elreide,  Muschelkalk,  Jura).  Kalkgesteine  mit  reich- 
licheren tonigen  Beimischungen  139.  Dolomitische  Kalke  und  Dolomite 
140.     Mergel  140. 

Konglomerate,  Sandsteine  und  Sande 140 

Diluvium  und  Alluvium  .         .         .  .         142 

Diluvium  142  (Glaziale  Bildungen.  Nordisches  Diluvium.  Unteres,  oberes 
Diluvium.  Diluviale  Flussablagerungen.  Diluvialbildungen  der  Gebirge. 
Löss).     Alluvium  145  (Marsch-  und  Aueboden.     Heidesand). 

VI.  Organismen  und  organische  Beste  des  Bodens 146 

Säugetiere  146.  Niedere  Tiere  146.  Niedere  Pflanzen  147.  Verwesung 
147.  Fäulnis  150.  Die  Produkte  der  Verwesung  und  Fäulnis,  Humus- 
bildung 150.  Auf  dem  Trocknen  gebildete  humose  Stoffe  und  deren  Ab- 
lagerungen 152.  Unter  Wasser  gebildete  humose  Ablagerungen  (Schlamm, 
Moor,  Torf)  154.     Grundzüge  der  Moorkultur  156. 

VII.  Eigenschaften  der  Böden 159 

Die  chemische  und  mineralogische  Zusammensetzung  der  Böden  .         .         159 

Chemische  Bodenanalyse  159. 

Physikalische  Eigenschaften  der  Böden.  Bodenphysik  .  .  .  .  161 
Mechanische  Bodenanalyse  161.  Der  Bau  (Struktur)  des  Bodens  162.  Die 
Ursachen  der  Elrümelung  der  Böden  163.  Die  Lagerung  gewachsener 
Böden  165.  Volum  gewicht  (Spezifisches  Gewicht)  der  Böden  und  Boden- 
bestandteile 165.  Kohäreszenz  und  Adhäsion  der  Böden  166.  Volum- 
änderung der  Böden  166.  Schichtung  und  Mächtigkeit  des  Bodens  166. 
Die  Farbe  des  Bodens  167.  Boden  und  Wasser  168.  Kapillarleitung  des 
Wassers  im  Boden  170.  Die  Durchlässigkeit  des  Bodens  171.  Die  Ver- 
dunstung des  Wassers  im  Boden  172.  Die  Feuchtigkeits Verhältnisse  ge- 
wachsener Böden  173.  Sickerwasser  und  Grundwasser  174.  Das  Ver- 
halten des  Bodens  zur  Wärme  174.  Kondensationserscheinungen  im  Boden 
176.  Durchlüftung  des  Bodens  176.  Die  Bedeutung  der  physikalischen 
und  chemischen  Eigenschaften  der  Böden  176. 

VIII.  Die  Lage  des  Bodens 177 

IX.  Hauptbodenarten 178 

X.  Bodendecke 180 

XI.  Pflanze  und  Boden  183 

Die  physikalischen  Faktoren  des  Pflanzenwuchses  (Licht  und  Wärme)  183. 
Die  chemischen  Bedingungen  des  Pflanzen wuchses  184  (Sauerstoff,  Kohlen- 


lohalt  des  ersten  Bandes. 


Bäore,  Stickstoif,  Wasser).  Wasserbedarf  der  Pflanzen  186.  (Wasserge- 
gehalt des  Bodens.  Wasserverteilnng,  Wasseraufnahme  der  Pflanzen,  die 
gelösten  Bestandteile  des  Wassers,  die  verschiedenen  Fenchtigkeitsgrade 
des  Bodens).  Die  Hineralstoffe  im  Pflanzenkörper  190.  Menge  der  auf- 
genommenen Mineralstoffe  193.  Gesetz  des  Minimums  193.  Waldbäume 
und  Mineralstoffe  193.  Verhältnis  zwischen  Holzkörper,  Rindenkörper  und 
den  Blattorganen  der  Waldbäume  194.  Bodenflora  195.  Düngung  im 
forstlichen  Betriebe  197. 


IX 

Seite 


*     III.  Forstbotanik. 


Von 


L.  Klein. 


^ 


Benutzte  Literatur 

1.  Allgemeiner  Teil 

I.  Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe  (Aeussere  Morphologie  und  Organographie 

1.  Einleitung 

2.  Die  Wurzel 

3.  Der  Spross 

4.  Die  Blüten,  Früchte  und  Samen 

n.  Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes  (Innere  Morphologie) 

1.  Die  Zelle  als  Gewebeelement 

2.  Das  Urmeristem,   die  Entwickelung  der  Gewebesysteme  und  ihre  Anord- 
nung im  jungen  Trieb  und  in  der  jungen  Wurzel 

3.  Der  Bau  der  Laubblätter,  Coniferennadeln  und  Knospenschuppen 

4.  Die  Tätigkeit  des  Cambiums  als  Verdickungsring 

5.  Die  Rinde 

6.  Das  Holz 

7.  Die  Jahresringbildung  .... 

8.  Die  Verkernung 

ni.  Die  Arbeitsleistungen  des  Baumes  (Physiologie) 

1.  Die  Atmung 

2.  Die  Aufnahme  des  Wassers,   der  Aschenbestandteile  und  des  Stickstoffs 

3.  Die  Leitung  und  Abgabe  des  Wassers  (Der  Transpirationsstrom) 

4.  Die  Aneignung  des  Kohlenstoffs  (Die  Assimilation) 

5.  Stoffwandlungen  und  Stoffwanderungen 

6.  Das  Wachstum 

7.  Die  Reizbewegungen     .... 
IV.  Die  allgemeinen  Bedingungen  des  Baumlebens 

V.  Die  Banmgestalt  und  ihre  Ursachen 

2.  Die  einzelnen  Holzarten         .... 

A.  Die  Nadelhölzer 

1.  Fam.  Pinaceae:  Tribus  Abietineae 

Picea:  1.  Sektion  Eupicea:  246.     Picea  excelsa  246.     P 

P.  nigra  254.     P.  rubra  254.     P.  pungens  254.     P.  Engelmanni  254 
P.  Breweriana  255.     P.  orientalis  255.     P.  Morinda  255.    P.  Schrenki- 
ana  255.     P.  polita  255.     P.  Alcockiana  256.     P.  Glehni  256. 

2.  Sektion  Omorica:  P.  omorica  256.    P.  hondoensis  257.     P.  aja- 
nensis  257.    P.  sitchensis  257. 
Abi  es.     I.  Reihe.  A.  pectinata  259.  A.  Nordmanniana  264.  A.  cephalonica 

264.  A.  Pinsapo  264.     A.  numidica  264.    A.  cilicica  265.    A.  Webbiana 

265.  A.  Pindrau  265.     A.  amabilis  265.     A.  grandis  265.    A.  magnifica 

266.  A.  concolor  266.  A.  nobilis  266.  A.  bracteata  266.  A.  arizonica  267. 
n.  Reihe.     A.  subalpina  267.     A.  Fraseri   267.     A.   balsamea   267. 


alba  253 


199 

201 

201 
201 
202 
208 
212 
214 
214 

216 
219 
221 
223 
226 
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230 
231 
231 
232 
234 
235 
237 
238 
239 
241 
243 

244 

244 
245 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


A.  sibirica  267.  A.  Veitchii  268.     A.  sacchalinensis  268.     A.  firma  268. 

A.  nmbilicata  268.     A.  homolepis  268.     A.  Mariesii  269. 

Tsnga  canadenfiis,  Hertensiana,  Sieboldi,  diversifolia       .         .         .         . 
Pseudotsuga  Douglasii  270.     P.  glauca  271.     P.  macrocarpa  271.  P. 

japonica  272. 
Larix  europaea  272.    L.  sibirica  274.     L.  leptolepis  274.     L.  curilensis 

275.     L.  dahurica  275.     L.  americana  275.     L.   occidentalis  275.     L. 

Lyaim  275.     L.  Griffithii  276. 
Pseudolarix  Kaempferi  276.  —  Cedrus  Deodara,  Libani  u.  atlantica 
Pinns.    1.  Sektion  Pin ast er  277.     a.  Zweinadelige  Kiefern:  P.  sil- 

vestris  278.     P.  montana  282.     P.  Laricio  285.     P.   leucodernüs  286. 

P.  Pinaster  287.     P.  halepensis  287.     P.  Brutia  288.    P.  contorta  288. 

P.  Banksiana  288.     P.  densiflora  289.     P.  Thunbergii  289. 

b.  dr einadlige  Kiefern:  P.  rigida  289.    P.  ponderosa  290.     P.  Jeffreyi 
2.  Sektion  Strobus  291.   P.  Strobus  291.   P.  excelsa  293.     P.  peuce 

293.     P.  cembra  293.     P.  Koraiensis  295.     P.  parviflora  295. 

2.  Tribus  Taxodieae 

Sciadopitys  verticillata  295.  —  Cryptomeria  japonica  295.  —  Se- 

quoia  gigantea  296.  —  Taxodium  distichum  296. 

3.  Tribus  Gupressineae 

Libocedrus  decurrens  297.   —   Thuja  gigantea  298.     Th.  Standishii 

298.     Th.  occidentalis  298.     Th.  orientalis  299.    —  Chamaecyparis 
Lawsoniana  299.     Gh.  obtusa  300.     Gh.   pisifera  300.     Gh.  nutkaSnsls 
301.     Gh.  sphaeroidea  301.  —  Gupressns  sempervirens  301. 
Juniperus  302.     A.  Aechte  W. :  J.  communis  302.     J.  nana  302.  J 
oxycedrus  302.  J.  macrocarpa  303.  —  B.  Sadebäume:  J.  Sabina  303 
J.  phoenicea  303.     J.  viiginiana  303. 

Fam.  Taxaceae.     Taxus  baccata 

B.  Die  Laubhölzer 

1.  Kätzchenträger 

A.  Nussfrüchtige  Kätzchenträger.   Fam.  Fagaceae  305.  Fagus 
silvatica  306.  —  Quercus  pedunculata  310.     Q.  sessiliflora  313.     Q 
pubescens  314.     Q.  hungarica  314.     Q.   cerris  315.     Q.   Hex  315.     Q 
Suber  316.     Q.  Pseudosuber  316.     Q.  coccifera  316.     Q.  rubra  316.  Q 
coccinea  317.     Q.  palustris  317.  —  Gastanea  sativa  317.    G.  ame- 
ricana 318. 

Fam.  Betulaceae  319.     1.  Tribus  Goryleae  319.   Garpinus  Betu- 
lus  319.     G.  dninensis  320.   —   Ostrya  vulgaris  320.   —   Gorylus 
avellana  321.     G.  Golurna  321.     G.  tubulosa  321. 
2.  Tribus  Betuleae  322.     Betula  Yerrucosa  322.    B.  pubescens  324. 

B.  humilis  324.  B.  nana  324.  B.  lenta  325.  —  Alnus  glutinosa  325. 
A.  incana  326.     A.  viridis  327. 

B.  Steinfrtichtige  Kätzchenträger.  Fam.  Juglandaceae  328. 
Juglans  regia  328.  J.  nigra  328.  J.  cinerea  329.  J.  Sieboldiana 
329.  —  Pterocaryarhoifolia  329.  —  Garya  (Hicoria)  alba  330.  G. 
amara,  porcina,  tomentosa  u.  sulcata  331.  —  Fam.  Myricaceae: 
Myrica  Gale  331. 

G.  Kapselfrüchtige  Kätzchenträger.  Fam.  Salicaceae;  Salix 
331.  A.  Bruch  weiden:  S.  alba  332.  S.  fragilis  333.  S.  pentandra 
333.  —  B.  Mandelweiden:  S.  amygdalina  333.  —  G.  Schimmel- 
weiden: S.  daphnoides  334.  S.  acutifolia  334.  —  D.  Purpurwei- 
den: S.  purpurea  334.  —  E.  Korbweiden:  S.  viininalis  355.  —  F. 
Grauweiden:  S.  incana  335.  —  G.  Saalweiden:  S.  caprea  335. 
—  S.  cinerea  336.  S.  aurita  336.  S.  grandifolia  336.  S.  silesiaca 
336.  —  H.  Schwarzweiden:  S.  nigricans  336.  —  Weidenba- 
starde (S.  rubra)  337. 

Populus  337.  A.Aspen:  P.  tremula  337.  P.  alba  338.  P.  canes- 
cens  339.  —  B.  Schwarzpappeln:  P.  nigra  339.  P.  pyramidalis 
340.     P.  monilifera  340.     P.   angulata   341.     P.   serotina   341.  — 


Seite 


269 


276 


290 


295 


296 


304 
305 
305 


Inhalt  des  ersten  Bandes.  XI 

Seite 

C.  Balsampappeln:  P.  candicans  341.  P.  laorifolia  341.  P.  balsa- 
mifera  341. 
2.  Kätzchenlose  Lanbhölzer 341 

Farn.  Ulmaceae:  Ulmns  campestris  341.  U.  montana  343.  U.  e£fasa 
343.  U.  americana  344.  —  Celtis  aastralis  344.  G.  occidentalis 
34Ö.  —  Zelkowa  Keaki  34d. 

Fam.  Loranthaceae:  Viscum  album  345.   —   Loranthns  enropaeus         346 

Farn.  Magnoliaceae:  Magnolia  hypoleuca  346.  —  Liriodendron 
taUpifera  346. 

Fam.  Trochodendraceae:  Gercidiphyllum  japonicom  347. 

Fam.  Ranuncalaceae:  Glematis  vitalba  347. 

Fam.  Berberidaceae:  Berberis  vulgaris  347. 

Fam.  Saxifragaceae:  (Ribesioideae)  Kibes  Grossularia  347. 
B.  petraenm  347.     R.  alpinom  348. 

Fam.  Platanaceae:  Platanns  orientalis  348.    P.  occidentalis  348. 

Fam.  Rosaceae  (U.F.  Pomoideae):  Grataegus  monogyna  349.  G. 
ozyacantha  349.  G.  pentagyna  350.  G.  nigra  350.  —  Mespilus  ger- 
manica 350.  —  Gotoneaster  ynlgaris  350.  G.  tomentosa  350.  — 
Pirns  Mains  350.  P.  communis  351.  —  Sorbus  aucuparia  351. 
S.  domestica  352.  S.  torminalis  352.  S.  Aria  353.  S.  Mugeoti  353. 
S.  scandica  353.  S.  chamaemespilus  353.  S.  latifolia  353.  S.  hybrida 
354.  —  Amelanchier  vulgaris  354.  (U.F.  Prunoideae):  Amyg- 
dalus nana  354.  —  Prunus  spinosa  354.  P.  avium  355.  P.  Gera- 
sus 355.  P.  chamaecerasus  355.  P.  Padus  355.  P.  Mahaleb  356.  P. 
serotina  356. 

Fam.  Leguminosae:  Robinia  Pseudacacia  357.  —  Go lutea  arbo- 
rescens  358.  —  Gytisus  labumum  358.  G.  alpinus  359.  G.  Weldenii 
359.  G.  nigricans  359.  —  Sarothamnus  vulgaris  359.  —  Spar- 
tium  junceum  359.  —  ülex  europaeus  360.  —  Gladrastis  amuren- 
sis  360.  —  Gleditschia  triacanthos  360.  —  Ailantus  glandu- 
losa  360.  —  Phellodendron  amurense  361. 

Fam.  Buxaceae:  Buxus  sempervirens  361.  —  Fam.  Empetraceae: 
Empetrum  nigrum  361. 

Fam.  Anacardiaceae:  Pistacia  Lentiscus  362.  P.  Therebinthus  362. 
—  Rh  US  Gotinus  362. 

Fam.  Aquifoliaceae:  Hex  aquifolium  362.  —  Fam.  Staphylo a- 
ceae:  Staphylea  pinnata  362. 

Fam.  Gelastraceae:  Evonymus  europaea  363.  E.  latifolia  363. 
E.  verrucosa  363. 

Fam.  Aceraceae:  Acer  Pseudoplatanus  364.  A.  tataricum  365.  A. 
platanoides  365.  A.  campestre  366.  A.  monspessulanum  366.  A.  obtu- 
satum  366.    A.  saccharinum  367.  A.    dasycarpum  367.    A.  negundo  368. 

Fam.  Hippocastaneaceae:  Aesculus  hippocastanum  368.  Ae. 
camea  369.  —  Pavia  369. 

Fam.  Rhamnaceae:  Paliurus  aculeatns  369.  —  Rhamnus  cathar- 
tica  369.  Rh.  carniolica  370.  Rh.  alpina  370.  Rh.  pumila  370.  Rh. 
Alaternus  370.     Rh.  Frangula  370.     Rh.  rupestris  371. 

Fam.  Tiliaceae:  Tilia  parvifolia  371.  T.  grandifolia  372.  T.  to- 
mentosa 373. 

Fam.  Tamaricaceae:  Myriacaria  germanica  373. 

Fam.  Elaeagnaceae:  Hippophaä  rhamnoides  373. 

Fam.  Araliaceae:  Hedera  helix  373. 

Fam.  Gornaceae:  Gornns  mas  374.     G.  sangninea  374. 

Fam.  Ericaceae:  Arbutus  ünedo  375.  —  Erica  arborea  375.  — 
G a  1 1  n n  a  vulgaris  375.  —  Vaccinium  Myrtillus  375. 

Fam.  Oleaceae:  Fraxinus  excelsior  375.  F.  americana  377.  F. 
pubescens  377.  F.  Omus  377.  —  Ligustrum  vulgare  378.  — 
Phillyrea  latifolia  378.  —  Olea  europaea  378. 

Fam.  Apocynaceae:  Nerium  Oleander  378. 


XII 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


BeiU 


Farn.  Yerbenaceae:  Vitez  Agnus  Castus  379. 

Farn.  Bignoniaceae:  Gatalpa  speciosa  379. 

Farn.  Gaprifoliaceae:  Lonicera  Periclymennm  379.  L.  caprifolinm 
379.  L.  xylostenm  380.  L.  nigra  380.  L.  alpigena  380.  L.  coeni- 
lea  380.  —  Viburnum  Opulus  380.  V.  Lantana  380.  V.  Tinns  381. 
—  Sambncns  nigra  381.     S.  racemosa  381. 

3.  Biologie  und  Morphologie  der  banmschädigenden  Pilze 

I.  Allgemeiner  Teil 

II.  Die  einzelnen  Pilzarten 

1.  Niedere  Pilze  (Phycomycetes)  Phytophthora  omnlvora 

2.  Schlauchpilze  (Ascomycetes) 

Taphrina  (incl.  Exoascus)  387.  —  Podosphaera  389.  —  Uncinnla  389.  — 
Phyllactinia  389.  —  Apiosporinm  389. 

Pyrenomycetes  390.  Nectria  390.  —  Trichosphaeria  390.  —  Her- 
potrichia  391.  —  Rosellinia  391.  —  Sphaerella  391.  —  Aglaospora  392. 

—  Ceratostoma  392.   —  Hypodermataceae:    392.     Hypoderma  392. 

—  Lophodermium  392.  —  Hypodermella  394.  —  Discomycetes:  394. 
Rhizina  394.  —  Rhytisma  394.  —  Cryptomyces  395.  —  Scleroderriß  395. 

—  Sclerotinia  395.  —  Botrytis  395.  —  Dasyscypha  (Peziza)  395.  —  Ce- 
nangium  396.  —  Fungi  imperfecti:  396.  Phoma  396.  —  Septoria 
397.  —  Brunchorstia  397.  —  Gloeosporium  397.  —  Pestalozzia  397.  — 
Septogloeum  397.  —  Fusoma  397.  —  Allescheria  (Hartigiella)  397.  — 
Fusicladium  398.  —  Cercospora  398. 

3.  Basidiomycetes. 

a.  Rostpilze  (Uredineae):  398.  Melampsora  400.  Melampsoridium 
401.  —  Melampsorella  402.  —  Pacciniastrum  402.  —  Calyptospora  402. 

—  Thecopsora  403.  —  Coleosporium  403.  —  Ochropsora  404.  —  Cronar- 
tium  404.  —  Chysomyxa  405.  —  Puccinia  405.  —  Gymnosporangium  405. 

b.  Hymenomycetes  406.  Exobasidium  406.  —  Trametes  406.  —  Fo- 
mes  407.  — -  Polyporus  408.  —  Poria  409.  —  Hydnum  409.  —  Stereum 
410.  —  Agaricns  410. 


381 

381 
386 
386 
387 


398 


rV.  Waldbau. 


Von 


T.  Lorey/ 

Einleitung:  Begriff,  Zwecke  und  Ziele,  Hilfsfächer,  Einteilung 
Erster  Abschnitt:  Das  Bestandesmaterial 


Aufzählung  der  Holzarten 

Waldbauliche  Bedeutung  derselben           ..... 
I.  Standortsansprüche 

A.  Boden,  insbes.  physikalische  Eigenschaften  desselben  416:  Feuchtigkeit 
417.     Gründigkeit  417.     Bindigkeit  418. 

B.  Die  Lage  und  die  klimatischen  Bedingungen  418 :  Exposition  418.  Ab- 
dachung 419.  Meereshöhe  und  geograph.  Lage  419.  Oberflächengestal- 
tung 419. 

II.  Die  Entwickelung  des  einzelnen  Baumes 

Keimung  420.     Wurzelsystem  420.   Höhenentwickelung  421.   Verhalten 

gegen  Beschädigungen  421.     Fruktiflkation  422. 
ni.  Das  Verhalten  der  Holzarten  im  Bestand 

A.  Einfluss  der  Holzarten  auf  den  Boden 

B.  Verhalten  der  Holzarten  untereinander.     Gemischte  Bestände 
Allgemeines  426.  Allgemeine  Regeln  für  die  Anlage  gemischter  Bestände 
429.     Spezielle  Regeln  431  (Schattenhölzer  unter  einander  431.    Schat- 
ten- und  Lichthölzer  432.     Lichthölzer  untereinander  433. 


413 

415 

415 
415 
415 


419 


423 
423 
426 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


XIII 


C.  Holzartenwechsel 

IV.  Wirtschaftliche  Bedeutung  der  Holzarten 

Massen-*  und  Wertserzeugung  434.     Arbeitsgelegenheit,  Verhalten  gegen 
den  Standort,   Wirtschaftseinrichtung,    Nebennutzungen,    Widerstands- 
fähigkeit 437.     Besondere  örtliche  Anforderungen  438. 
Zusatz:  Einführung  ausländischer  Holzarten  438. 

Zweiter  Abschnitt:  Die  Bestandesbegründnng 

1.  Kapitel :  Allgemeine  Gesichtspunkte. 

I.  Arten  der  Begründung  und  ihre  wirtschaftl.  Bedeutung    .... 

A.  Arten 

B.  Wahl  der  Art  der  Bestandesbegründung. 

Natürliche  oder  künstliche  Begründung?  441.     Künstliche  Bestandesbe- 
gründung insbes.,  Saat  oder  Pflanzung?  443. 
G.  Historisches  445. 

IL  Reihenfolge  der  Kulturen  

in.  Rücksichten  auf  den  Boden  und  die  Bestandeserziehung  .... 

IV.  Beziehungen  zum  Forstschutz  und  zur  Forstbenutzung     .... 

V.  Rücksichten  der  Forsteinrichtung 

2.  Kapitel:  Natürliche  Bestandesbegründung. 

A.  Durch  Samen     ........... 

I.  Kahlschlag  mit  Randbesamung. 

n.  Mutterbäume  auf  der  Kulturfläche: 

Allgemeines  449.  Verjüngung  im  Schirmschlagbetrieb  452  (Vorbereitungs- 
schlag 453,  Samenschlag  455,  Auslichtungsschlag  456).  Der  Femelschlag- 
betrieb  456  (Verjüngung  im  Femelbetrieb  458). 

B.  Durch  Ausschlag 

I.  Niederwald. 

n.  Kopfholz-  und  Schneitelholzbetrieb. 

3.  Kapitel:  Künstliche  Bestandesbegründung 

1.  Teil:  Herstellung  eines  kulturfähigen  Waldbodens. 

1.  Behandlung  von  Sümpfen 
n.  Flugsand 

III.  Raseneisenstein  und  Ortstein 

IV.  Torfmoore 
V.  Unfruchtbarer  Humus 

2.  Teil:  Saat. 

I.  Saatmethode   ............ 

A.  Verschiedene  Arten  der  Saat. 

B.  Wirtschaftliche  Bedeutung. 

U.  Saatmaterial  ............ 

A.  Beschaffung  der  Samen  468  (Selbstsammeln,  Naturalabgabe,  Tausch, 
Kauf). 

B.  Aeussere  Beschaffenheit  des  S.  469. 

C.  Prüfung  des  S.  469  (Keimprozente,  Keimproben,  Keimapparate,  Dauer 
der  Keimkraft). 

III.  Das  Keimbett 

Vorbemerkungen. 

A.  Entfernung  eines  hinderlichen  Bodenüberzugs  472. 

B.  Bodenlockerung:  Vollsaat  472.    Stellenweise  Saat  473  (Riefen,  Platten). 

C.  Herbeischaffen  von  Kulturerde  474. 

IV.  Vollzug  der  Saat 

A.  Saatzeit.  B.  Samenmenge.  G.  Beförderung  der  Keimung.  D.  Die  ein- 
zelnen Saatmethoden  476  (Vollsaat,  Stellenweise  Saat).  £.  Unterbringen 
und  Bedecken  des  Samens.     F.  Pflege  der  Saatkulturen  477. 

3.  Teil:  Pflanzung. 

I.  Pflanzmethode         ........... 

A.  Arten  der  Pflanzung. 

B.  Wirtschaftliche  Bedeutung. 


Seite 

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478 


XIV  Inhalt  des  ersten  Bandes. 

Seite 

n.  Pflanzmaterial 480 

A.  Erforderliche  Eigenschaften. 

B.  Arten  der  Pflanzenbeschaffüng  480.  Kauf  und  Tausch,  Entnahme  aus 
Schlägen,  besondere  Anzucht  (in  Freilagen,  unter  Schutzbeständen,  in 
Forstgärten). 

C.  Forstgartenbetrieb  insbes.  481 :  Arten  der  Forstgärten,  Wahl  des  Platzes 
(Lage,  Boden,  Grösse,  Gestalt),  Bodenbearbeitung,  Umfriedigung,  Ein- 
teilung, innere  Einrichtung,  Aussaat  im  Garten  (Art,  Samenmenge,  Zeit, 
Vollzug),  Schutz  und  Pflege  der  Saatbeete,  Pflanzbeete,  Verschulen  (Alter, 
Zeit,  Dauer  des  Verbleibs  im  Pflanzbeet,  Ausheben,  Beschneiden,  An- 
schlämmen, Pflanzenentfemung,  Verband,  Ausfahrung,  Hilfsmittel),  Schutz 
und  Pflege  der  Pflanzbeete,  Kosten. 

D.  Besonderheiten  einzelner  Holzarten  488:  Laubhölzer,  Nadelhölzer. 

E.  Ausheben,  Beschneiden,  Transport,  Aufbewahren  der  Pflanzen  488. 

III.  Herrichtung  der  Kulturfläche 489 

IV.  Vollzug  der  Pflanzung 490 

A.  Pflanzzeit  490:  Herrichten  der  Pflanzstelle,  Pflanzgeschäft. 

B.  Herstellung  geregelter  Pflanzverbände  491. 

C.  Pflanzenmenge  491 :  Berechnung  für  geregelte  Verbände. 

D.  Die  Pflanzverfahren  492:  Ballenpflanzen,  Ballenlose  Pflanzen  (Loch- 
pflanzung, Spaltpflanzung,  Obenaufpflanzung),  Setzreiser  und  Setzstangen. 

V.  Schutz  und  Pflege  der  Pflanzkulturen  494 

4.  Kapitel:  Bestandesbegrflndung  bei  den  einzelnen  Holzarten  494 

I.  Laubhölzer  494. 
n.  Nadelhölzer  500. 
in.  Gemischte  Bestände  506. 

Dritter  Abschnitt:  Die  Bestandeserziehnng 507 

Vorbemerkungen. 

1.  Kapitel:  Die  Reinigungshiebe  (Ausläuterungen) 508 

I.  Aushieb  von  Verwüchsen  508. 

IL  Ausjätungen  510. 

2.  Kapitel:  Die  Durchforstungen 512 

I.  Begriff  512. 

II.  Zweck  513. 

in.  Grundsätze  bei  der  Ausführung  517. 

A.  Beginn  517.  B.  Stärke  des  Eingriffs  und  Wiederholung  518.  G.  Be- 
sondere Arten  523  (Freie  Durchforstung,  die  dänische  Durchforstung  in 
Buchen,  die  Hochdurchforstung,  die  Kulissendurchforstung,  Borggreve^s 
Plenterdur  chforstung) . 

IV.  Durchführung  im  Walde  527. 

Veranschlagung,  Holzauszeichnung,  Hiebsführung. 

3.  Kapitel:  Die  Auf  astungen  528 

I.  Zweck  528. 

IL  Erfolg  530. 

A.  Art  der  Ausführung  530  (Ort  der  Abtrennung,  Instrumente,  Ausführung, 
Behandlung  der  Wundfläche).  B.  Zeit  531.  G.  Ausdehnung  531.  D. 
Kosten  532. 

4.  Kapitel:  Auszugshauungen 532 

5.  Kapitel:  Unterbau  und  Lichtungsbetrieb 532 

I.  Unterbau  insbes.  533. 

A.  Allgemeine  Gesichtspunkte  533.     B.  Bedingende  Momente  534  (Die  zu 
unterbauende  Holzart,  Aufgabe  des  Unterstandes,  der  Boden,  die  einzu- 
bringende Holzart,  Zeit,  Ausführung).     G.  Besondere  Fälle   des  Unter- 
baues 636. 
n.  Lichtungsbetrieb  insbes.  536. 

A.  Allgemeine  Gesichtspunkte  536.  B.  Bedingende  Momente  537  (der  Be- 
stand, Wirtschaftszweck,  Beginn,  Mass  der  Lichtung,  wiederholte  Lich- 
tung,  Unterbau).     G.  Spezielle  Fälle  540   (der   zweialterige  Hochwald 


Inhalt  des  ersten  Bandes.  XV 

Seite 

Bnrckhardts,  der  modifizierte  Bnchenhochwald  y.  Seebachs,  die  Homburg*- 
sehe  Nutzholz  Wirtschaft,  Wageners  Lichtwuchsbetrieb).    D.  Effekt  542. 

Vierter  Abschnitt:  Die  Betriebsarten 542 

Vorbemerkungen. 

1.  Kapitel:  Üebersicht  und  allgemeine  Würdigung  der  Grundformen  543 
I.  üebersicht  543. 

A.  Hochwald  543  (Plenter-  oder  Femelbetrieb,  Femclschlagbetrieb,  Schirm- 
schlagbetrieb, Kahlschlagbetrieb).    B.  Ausschlagswaldungen  546  (Nieder- 
wald oder  Stockschlag,  Kopfholz,  Schnei telholz).     G.  Mittelwald  546. 
n.  Würdigung  547. 

Vorbemerkungen.  A.  Hochwald  547  (Plenterbetr.,  Femelschlagbetr.,  Schirm- 
schlagbetr.,  Kahlschlagbetr.).  B.  Ausschlagswald  551  (Niederwald,  Kopf- 
holz, Schneitelholz).     0.  Mittelwald  551. 

2.  Kapitel:   Modifikationen  der  Grundformen,  Zwischenformen,  besondere  Fälle         552 

A.  Hochwald  553  (Femelartiger  Hochwaldbetr.,  Ueberhaltbetr.,  zweibiebiger 
Hochwald,  Unterbau-  und  Lichtwuchsbetrieb,  Waldfeldbau.  B.  Nieder- 
wald und  Mittelwald  556. 

3.  Kapitel:  Betriebsumwandlungen 556 

I.  Allgemeines  556. 

n.  Umwandlungen  innerhalb  des  Hochwalds  557. 
ni.  Aufgeben  des  Hochwaldbetriebs  558. 
IV.  Niederwald  und  Mittel wald  in  Hochwald  überzuführen  559. 

4.  Kapitel:  Die  Betriebsarten  und  die  einzelnen  Holzarten     ....         560 
I.  Laubhölzer  560. 

n.  Nadelhölzer  563. 


Anhang. 
Zur  Pflege  der  WaldesäschOnheit. 

Von 
H.  Stoetser. 

Einleitung  ..............        566 

1.  Wesen  der  Waldesschönheit 567 

Aesthetische  Bedeutung  des  Waldes.  Ethische  Bedeutung  desselben.  Wirkung 
der  einzelnen  Holzarten.  Wirkung  der  verschiedenen  Betriebsarten  (Hoch- 
wskld,  Mittelwald,  Femel-  oder  Plenterwald,  Femelschlagform). 

2.  Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönheit 574 

Allgemeine  Vorbemerkungen.  Forsteinrichtung  und  Forsteinteilung.  Wahl 
der  Holz-  und  Betriebsarten.  Betrieb  der  Verjüngungshauungen.  Zwischen- 
hauungen.  Kulturen.  Behandlung  des  forstlichen  Nebengrundes.  Die  Wege 
im  Walde.    Sonstige  Massnahmen. 

SachreglBter 589 


XVI 


Yerzeichnis  der  Abkiirzangen. 


A.  F.  u.  J.  Z. 

C.  f.  d.  g.  F. 
F.  Bl. 


F.  Cbl. 

J.  d.  preuss.  F.  u.  J. 

J.  d.  schles.  V. 
Krit.  Bl. 

Leb.  Bild. 
M.  f.  F.  u.  J. 

N.  J. 

Oest.  F. 
Oe.  V. 

Prakt.  F.  f.  die  Schw. 

Schw.  Z. 

Snppl.  d.  A.  F.  u.  J. 

Suppl.  z.  Thar.  J. 
Thar.  f.  J. 
V.  deutsch.  F. 
Z.  f.  F.  u.  J. 


=  Allgemeine  Forst-  und  Jagd  -  Zeitung.  Frankfurt  a.  M. ,  J.  D. 
Sauerländer. 

=  Centralblatt  für  das  gesamte  Forstwesen.     Wien,  Frick. 

=  Forstliche  Blätter  (von  Grunert  und  Leo,  bezw.  Orunert  und 
Borggreve).  Leipzig,  Gressner  und  Schramm,  später  Berlin, 
Parey,  eingegangen. 

=  Forstwissenschaftliches  Centralblatt  (von  y.  Fürst,  verf.  von 
Baur,  früher  Monatsschrift  f.  F.  u.  J.).     Berlin,  Parey. 

=  Jahrbuch  der  preussischen  Forst-  und  Jagdgesetzgebung  und 
Verwaltung.     Berlin,  Springer. 

=  Jahrbuch  des  schlesischen  Forst  Vereins.     Breslau,  Morgenstern. 

=:  Kritische  Blätter  (von  Pfeil  und  Nördlinger).  Leipzig,  Baum- 
gärtner, eingegangen. 

:=  Hess,  „Lebensbilder  hervorragender  Forstmänner.^  Berlin,  Parey. 

=  Monatsschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen.  Stuttgart.  Schweizer- 
bart. 

=  Neue  Jahrbücher  der  Forstkunde  von  v.  Wedekind.  Frank- 
furt a.  M.,  J.  D.  Sauerländer. 

=  Oesterreichische  Forstzeitung  (von  Hempel).    Wien,  Hitschmann. 

z=z  Oesterreichische  Vierteljahrsschrift  (früher  Monatschrift  für  Forst- 
wesen).    Wien,  Verlag  des  österr.  Reichsforstvereins. 

=  Der  praktische  Forstwirt  für  die  Schweiz  (von  Riniker).  Daves, 
Richter. 

=  Schweizer  Zeitschrift  für  das  Forstwesen.  Zürich,  Orell,  Füssli 
u.  Co. 

=  Supplemente  zur  Allgemeinen  Forst-  und  Jagd-Zeitung.  Frank- 
furt a.  M.,  J.  D.  Sauerländer. 

=  Supplemente  zum  Tharander  forstl.  Jahrbuch.   Dresden,  Schönfeld. 

=  Tharander  forstliches  Jahrbuch.     Dresden,  Schönfeld. 

=  Bericht  über  die  Versammlung  deutscher  Forstmänner. 

=  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  (begründet  von  Danckel- 
mann).     Berlin,  Springer. 


I. 

Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Allgemeine  Erörterungen  über  die  Ziele  und  Biüttel  der  forstlichen 

Produktion. 

Von 

Rudolf  Weber. 


Yorbemerkung. 

Als  einleitender  Teil  eines  Handbuches  der  Forstwissenschaft  stellt  sich  diese 
Abhandlung  die  Aufgabe,  die  Forstwissenschaft  unter  zwei  Gesichtspunkten  zu  betrachten, 
wovon  der  erste  von  den  Interessen  der  Gesamtheit  —  des  Staates  — 
ausgeht  und  die  mannigfachen  Beziehungen,  in  welche  der  Wald  zu  denselben  tritt, 
umfasst,  während  der  zweite  individualistischer  Natur  ist  und  das  Subjekt; 
in  dessen  Interesse  eine  Forstwirtschaft  geführt  wird,  als  ausschlaggebend  in  den  Vor- 
dergrund stellt.  Diese  Trennung  in  eine  Staats  wirtschaftliche  und  eine  pri- 
vatwirtschaftliche Aufgabe  ist  deshalb  als  grundlegend  vor  allen  einzelnen 
Disziplinen  zu  behandeln,  weil  die  wirtschaftlichen  Maximen  über  die  Wälderbehand- 
lung sowohl  in  der  Verwaltung  als  auch  in  der  Gesetzgebung  hievon  wesentlich  be- 
einflusst  sind,  weil  ferner  in  mehreren  Gebieten  der  Forstwissenschaft  scharf  zwischen 
dem  „Schutzwalde"  und  dem  „ Wirtschafts walde"  unterschieden  werden  muss,  wenn 
man  zu  widerspruchsfreien  Resultaten  und  praktisch  anwendbaren  Eegeln  gelangen  will. 

Um  zunächst  den  Gegenstand  selbst,  den  Wald  wie  er  jetzt  ist,  näher  zu 
präzisieren,  die  Art,  wie  er  seine  gegenwärtige  Verteilung,  Grösse,  Eigentumszugehörig- 
keit erlangt  hat,  zu  schildern,  habe  ich  in  einer  kurzen  historischen  Einleitung  die 
wesentlichen  Momente  aus  diesem  Gestaltungsprozess,  welcher  ja  noch  fortdauert,  her- 
vorgehoben und  diesen  Abschnitt  mit  einer  möglichst  nach  dem  neuesten  Stande  er- 
gänzten Flächenstatistik  abgeschlossen^). 

In  der  Betrachtung  über  die  staatswirtschaftliche  Bedeutung  der 
Wälder  habe  ich  mich  bemüht,  den  möglichst  exakten  Nachweis  für  die  behaupteten 
Erscheinungen  und  Wirkungen  zu  liefern,  da  es  unmöglich  genügen  kann,  bloss  Berichte 
und  Erzählungen  über  die  verderblichen  Wirkungen  der  Waldzerstörungen  aufzuhäufen, 
sondern  in  unserem  Zeitalter  mit  Recht  gefordert  wird,  die  Sonde  wissenschaftlicher 
Untersuchungen  an  alle  diese  Behauptungen  anzulegen.  Das  Rüstzeug  zu  solchen  kri- 
tischen Untersuchungen  ist  aber  die  Naturwissenschaft,  welche  ich  demnach  gerade  in 

1)  Die  Volkszählung  vom  Dezember  1900,  femer  die  forststatistischen  Erhebungen  dieses 
Jahres  waren  leider  zur  Zeit  der  Drucklegung  der  II.  Auflage  dieses  Werks  noch  nicht  publiziert. 

Handbuch  d.  Foratw.     2.  Aufl.    I.  1 


2  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

diesem  Abschnitte  mehr  in  Anwendung  bringen  mosste,  als  es  sonst  in  Staatswirtschaft* 
liehen  Abhandlungen  herkömmlich  ist.  Namentlich  war  es  durch  den  Zweck  geboten, 
die  meteorologischen  Beobachtungenr  über  die  Beziehungen  des  Waldes  zu  den  einzelnen 
klimatischen  Faktoren  anzuführen,  welche  die  verschiedenen  Versuchsanstalten  mit  an- 
erkennenswertem Eifer  durchgeführt  haben,  allein  dieses  wertvolle  Material  ist  z.  Z. 
nur  zum  Teil  so  durchgearbeitet,  dass  allgemeine  Schlussfolgernngen  daraus  gezogen 
werden  könnten.  Eine  Bearbeitung  dieses  Gegenstandes  rausste  daher  notwendig  statt- 
finden, wollte  ich  anders  nicht  auf  dieses  ganze  Beobachtungsmaterial  verzichten. 

In  dem  zweiten  Abschnitt  über  das  privat  wirtschaftliche  Interesse  bei 
der  Forstwirtschaft  habe  ich  diesen  Produktionszweig  nach  seinen  wirtschaftlichen 
Faktoren:  Natur,  Arbeit  und  Kapital  betrachtet  und  mich  dabei  bestrebt,  die  allge- 
meinen Gesetze  möglichst  hervorzuheben,  welche  den  Gang  dieser  Werterzeugung  be- 
herrschen. Selbstverständlich  fanden  hiebei  zahlreiche  Berührungspunkte  mit  den  ein- 
zelnen Disziplinen,  namentlich  mit  Statik  und  Waldwertrechnung,  dann  Forstpolitik 
statt,  deren  Grenzlinien  ich  nach  Möglichkeit  einzuhalten  bestrebt  war. 

Indem  dieses  Heft  als  erstes  in  der  Reihe  der  zum  „Handbuche*'  vereinigten  in 
die  Oeflfentlichkeit  tritt,  trägt  es  daher  gewissermassen  das  Motto  der  sämtlichen  forst- 
lichen Disziplinen :  „Naturwissenschaft  und  Wirtschaftswissenschaft". 

Die  geographische  Verteiliing  der  Wälder  in  Enropa  und  ihre  historischen 

Ursachen. 

§  1.  Wie  die  Bedürfnisse  der  Menschen  mannigfach  von  der  physikalischen  Be- 
schaffenheit der  von  ihnen  bewohnten  Länder  bedingt  und  beeinflusst  waren,  so  spielt 
auch  in  der  Art  der  Befriedigung  dieser  Bedürfnisse  die  umgebende  Natur  eine  hervor- 
ragende Rolle,  indem  sie  der  menschlichen  Arbeit  den  Angriffspunkt  und  die  Richtung 
giebt.  So  war  es  tiir  das  Gedeihen  der  menschlichen  Kultur  gewiss  von  Vorteil,  dass 
in  den  grossen  Länderstrecken,  welche  die  arktische  Zone  der  nördlichen  Hemisphäre 
einfassen,  sich  ein  breiter  Gürtel  mächtiger  Waldgebiete  *-')  durch  alle  drei  Kontinente 
hinzieht,  deren  jahrhundertelang  aufgespeicherte  Schätze  von  Brennstoff  und  Baumaterial 
den  Ansiedlern  es  ermöglichte,  den  Kampf  mit  den  Unbilden  eines  winterlichen  Klimas 
aufzunehmen.  Ohne  Zweifel  haben  die  Wälder  die  Lebensweise,  Sitten  und  Gewohn- 
heiten der  ersten  Bewohner  dieser  Gegenden  in  bezug  auf  Konstruktion  der  Wohnungen 
und  Geräte,  Art  der  Feuerung  und  Speisenzurichtung  mannigfach  beeinflusst,  wie  ja 
bekanntlich  die  Steppe,  Prairie  und  die  Wüste  ihrerseits  den  Lebensgewohnheiten  der 
Menschen  ihr  unverkennbares  Gepräge  erteilen.  Seit  jenen  ersten  Ansiedelungen,  wie 
sie  uns  jetzt  die  prähistorischen  Forschungen  kennen  lehren,  hat  aber  der  Wald  durch 
alle  Stadien  der  Kulturentwicklung  nicht  aufgehört,  eine  nachhaltig  fliessende  Quelle 
unentbehrlicher  Güter  zu  sein,  welch'  letztere  zwar  lange  Zeit  nur  im  Wege  der  blossen 

2)  Der  Norden  des  europäischen  Russlands  nebst  Finland  und  der  skandinavischen 
Halbinsel,  ferner  ein  grosser  Teil  Deutschlands  war  bei  Beginn  unserer  Zeitrechnung  ver- 
mutlich eine  ähnliche  kompakte  Waldmasse,  wie  dies  noch  jetzt  die  sibirischen  Taiga s  und 
Urmans  in  den  Stromgebieten  des  Ob,  Jenisei,  Olonek,  der  Lena  und  Jana  sind,  die  zusam- 
men eine  Längenausdehnung  (von  0  nach  W)  von  ca.  3000  englischen  Meilen  bei  einer  Breite 
(von  N  nach  S)  von  1000  bis  1700  Meilen  besitzen.  Analog  zeigt  der  nordamerikaniscbe 
Kontinent  in  den  kanadischen  Provinzen  Quebec  und  Ontario  bis  zur  Hudsonsbai  ein  Wald- 
gebiet, dessen  Länge  (in  0-W  Richtung)  1700  englische  Meilen  und  dessen  Breite  in  S-N 
1000  Meilen  betragen  soll.  Aber  auch  von  der  pazifischen  Küste  her  erstreckt  sich  in  den 
nördlichen  Territorien  von  Washington,  Alaska  zusammen  mit  britisch  Columbia  ein  grosser 
Waldgürtel,  dessen  Flächengrösse  man  noch  höher  veranschlagt,  als  jenen  der  vorgenannten 
westlichen  Wälderzone. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  2.      3 

Besitzergreiftmg  und  unbekümmert  um  etwaige  Erschöpfung  benutzt  wurden,  aber  be- 
züglich ihres  Gebrauchsweites  zu  allen  Zeiten  unter  die  dringendsten  Bedürfnisse,  unter 
die  Notdurft  gerechnet  wurden. 

Freilich  traten  bei  der  Besiedlung  der  Länder  unseres  Himmelsstriches  die  un- 
durchdringlichen Waldmassen  auch  in  feindliche  Kollision  mit  den  Interessen  der  Acker- 
bau und  Viehzucht  treibenden  Bewohner  —  galt  es  doch,  die  fruchtbaren  Flächen  einer 
die  Arbeit  lohnenden,  intensiveren  Kultur  zu  gewinnen  und  mit  zäher  Anstrengung 
neue,  künstliche  Vegetationsformen,  Felder,  Wiesen  und  Grärten  an  die  Stelle  der  aus 
der  Hand  der  Natur  hervorgegangenen  Wälder  zu  setzen.  Die  Ausbreitung  mensch- 
licher Kultur  beginnt  daher  in  den  waldreichen  Gebieten  mit  Vernichtung  der  Waldungen, 
weil  jeder  Ansiedler  bestrebt  sein  muss,  sich  rasch  genug  in  den  Besitz  von  so  viel 
urbarer  Fläche  zu  setzen,  um  mit  dem  Ertrage  seinen  Viehstand  überwintern  zu  können. 
Wie  heutzutage  der  „Lumberman"  in  Kanada  oder  der  Kolonist  in  Australien  verfährt, 
so  haben  zweifellos  ehedem  auch  die  Ansiedler,  denen  Deutschland  seine  Kultur  ver- 
dankt, Feuer  an  die  Holzbestände  gelegt,  weil  die  Arbeit  der  Axt  das  Zerstörungswerk 
zu  langsam  vollbracht  hätte.  In  der  Tat  enthält  auch  die  lex  Saxonum  eine  Bestim- 
mung über  die  Haftpflicht  für  Schaden,  wenn  ein  angezündeter  Baumstamm  beim  Fallen 
einen  Menschen  trifft,  und  die  Ortsnamen  erzählen  uns  noch  durch  ihre  Zusammen- 
setzungen mit  den  Endungen  auf  -brand,  -schwand,  -schwende,  -reut,  -rtiti,  -gereut  und 
-hag  von  der  Brandkultur,  welcher  in  alten  Zeiten  der  Wald  weichen  musste.  Aus 
den  uns  erhaltenen  Urkunden  der  Karolinger  Zeit  kann  man  ersehen,  dass  schon  seit 
dem  Ende  der  Völkerwanderung  allmählich  immer  ausgedehntere  Rodungen  in  den  einst 
von  den  römischen  Historikern  und  Geographen  als  unermesslich  geschilderten  Wald- 
gebieten Deutschlands  stattgefunden  haben,  und  von  Karl  dem  Grossen  ist  bekannt, 
dass  er  die  friedliche  Unterwerfung  der  mit  Waffen  eroberten  Länder  durch  x^usbreitung 
der  Kultur  besonders  eifrig  erstrebte.  Nachweisbar  dauerte  diese  Waldausstockung  im 
grossen  Massstabe  noch  fort  bis  gegen  das  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts,  während 
welcher  Zeit  die  Mehrzahl  der  Dörfer,  Herrschaften  und  Klöster  sowie  der  Städte  Deutsch- 
lands gegründet  und  ein  reiches  Kulturleben  über  die  Gegenden  ausgebreitet  wurde, 
die  vorher  unwegsame  Wildnisse  waren.  Aber  selbst  bis  zum  XIV.  Jahrhundert  gab 
es  noch  keine  festen,  ausgeschiedenen  Grenzen  zwischen  Wald  und  Feld ;  nach  Belieben 
brannte  man  an  passenden  Stellen  den  Wald  nieder,  oft  nur  um  einiger  Ernten  willen, 
während  die  Flächen  brach  liegen  blieben  oder  wieder  mit  Wald  anflogen  —  sog. 
Anssenfelder.  Im  allgemeinen  begünstigten  die  Landesherren,  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten  die  Rodung  und  Anlage  von  Neubrüchen  in  ihren  Gebieten,  weil  die  Zahl  ihrer 
Untertanen  und  der  Wert  ihrer  Dienstleistungen  und  Reichmsse  wuchs,  ja  ein  sog. 
Neubruchzehent  sowie  die  Rodlehen  brachten  sogar  eine  ergiebige  linanzielle  Einnahme- 
quelle aus  den  sonst  ertraglosen  Waldungen.  Auch  die  älteste  Form  der  Dorfgemein- 
den, die  Markgenossenschaften,  waren  bis  im  Anfange  des  XIII.  Jahrhunderts  freigebig  in 
der  Gestattung  von  sog.  „Einfängen",  d.  h.  Rodungen  zu  landwirtschaftlicher  Benützung 
in  ihren  Markwaldungen,  solange  der  üeberfluss  an  Wald  scheinbar  unerschöpflich  war. 

§  2.  Während  so  die  Zerstörung  und  Verdrängung  des  Waldes  als  eines  Kultur- 
hindernisses die  notwendige  Voraussetzung  für  den  Beginn  und  die  Entwicklung  einer 
höheren  Kulturstufe  bildete,  zeigte  sich  andrerseits  doch  bald,  dass  auch  für  Erhaltung 
der  notwendigen  Holzvorräte  etwas  geschehen  müsse.  Frühzeitig  trat  dies  in  den  alten 
Kulturländern  der  ehemals  zum  Römerreich  gehörigen  Gebiete  hervor :  Schon  Karl  der 
Grosse  befahl  in  dem  Capitulare  de  villis  seinen  Beamten,  welche  die  kaiserlichen  Güter 
verwalteten,  dass  sie  da,  wo  Wälder  sein  müssen,  niemand  erlauben  dürften,  dieselben 
zu  überhauen  und  zu  verderben.     Vielfach  trug  auch  die  Jagdlust  der  Könige  und  später 

1* 


4  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

der  Landesfürsten  zu  strenger  Abschliessung  ihrer  Wildbanne  nnd  Bannforste  ge^en 
das  Eindringen  der  Waldausstockung  bei.    Jedenfalls  verdanken  viele  der  noch  jetzt 
vorhandenen  geschlossenen  Waldkomplexe  ihre  Erhaltung  der  Inforestation  oder  Bann- 
legung,  wie  uns  viele  Urkunden  aus  dem  X.  und  XI.  Jahrhundert  beweisen,  wenn  auch 
der  Beweggrund  zu  dieser  Abgrenzung  anfangs   hauptsächlich  in  der  Sicherung  des 
Jagdrechtes  lag.     Erst  im  XIU.  Jahrhundert  finden  wir  in  Deutschland  die  ersten  Ver- 
suche einer  Verwehrung  der  Rodungen  aus  Rücksichten  für  die  W^alderhaltung  und 
zwar  in  den  Markgenossenschaften  im  Rheingau  und  der  Wetterau,  woran  sich  dann 
später  die  zahlreichen  Rodungsverbote  anschlössen,  die  in  den  „W^eistümern'^  enthalten 
sind.    Bemerkenswert  ist  namentlich  ein  Rodungsverbot,   das  durch  die  Rücksicht  auf 
Erhaltung  der  zum  Salinenbetrieb  Salzburgs  notwendigen  Wälder  motiviert  ist  und  das 
1237  von  dem  dortigen  Erzbischofe  erlassen  wurde,  während  dagegen  in  anderen  G^e- 
bieten  der  bayerischen  Alpen  noch  zwei  Jahrhunderte  lang  jeder  Ansiedler  das  Recht 
zur  Anlage  von  Neubrüchen  und  Alpenängern  ausüben  konnte.    In  den  Markgenossen- 
schaften jedoch  bildete  sich  immer  fester   die  Ausscheidung  von  Privateigentum  und 
Almend  aus  und  immer  zahlreicher  findet  man  Verhandlungen  über  das  Verbot  der 
Bildung  neuer  Einfänge  und  über  Erhaltung  der  Grrenzen  der  Markwaldungen  gegen 
das  Ackerland.     In  den  dichter  bevölkerten  Ländergebieten  Deutschlands  war  daher 
die  Urbarmachung  der  zur  landwirtschaftlichen  Benutzung  geeigneten  Flächen  in  der 
Hauptsache  bis  zum  XIV.  Jahrhundert  vollzogen,   neue  Gründungen  von  Dörfern  und 
Kolonien  fanden  nachher  nur  noch  im  Böhmerwalde  und  bayerischen  Walde,  sowie  in- 
mitten anderer  grosser  W^aldgebirge  vereinzelt  statt,  so  dass  das  Verhältnis  zwischen 
Wald  und  Feld  in  Deutschland  seit  einem  halben  Jahrtausend  nicht  mehr  sehr  erheb- 
lichen Veränderungen  unterlegen  ist. 

Die  Ursache  dieser  Stabilität  in  dem  Flächenverhältnisse  lag  teils  in  dem  Ueber- 
gang  von  der  extensiven  landwirtschaftlichen  Bewirtschaftungsweise  mit  vorherrschen- 
der Waldweide  und  Brache  zu  intensiverem  Betriebe,  teils  aber  auch  in  der  schärferen 
Abwehr  aller  Angriffe  auf  den  Wald  durch  die  Ausbildung  der  Forsthoheit  der  Landes- 
herm.  Die  Theoiie,  dass  die  oberste  Aufsicht  über  alle  Forst-  und  Jagdangelegenheiten 
und  die  Macht,  darüber  zu  gebieten  und  zu  verbieten,  ein  Attribut  des  territorialen 
Herrscherrechtes  —  ein  Regal  —  sei,  bewirkte  den  Erlass  zahlreicher  Wald-  und  Forst- 
ordnungen  seit  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts.  Neben  vielen  anderen  wirtschaft- 
lichen und  administrativen  Bestimmungen  enthalten  aber  fast  alle  diese  landesherrlichen 
Erlasse  in  erster  Linie  das  Verbot,  Neugereute  ohne  Erlaubnis  der  Behörden  anzulegen ; 
die  „neuen  Einfänge  und  Brände^  wurden  allenthalben  abgeschafft,  so  in  der  bayer. 
F.O.  von  1568,  hohenloheschen  (1551),  der  württembergischen  (1552),  der  weimarschen 
(1646),  der  hessischen  (1602),  mecklenburgischen,  mannsfeldschen,  salzburgischen,  käm- 
tischen und  anderen.  In  vielen  dieser  Verordnungen  wird  bereits  der  Befürchtung 
künftigen  Holzmangels  Ausdruck  gegeben,  und  es  werden  Massregeln  zur  pfleglichen 
Waldbehandlung  und  ökonomischen  Nutzung  der  Holzvorräte  angeordnet  und  zwar 
nicht  bloss  für  die  landesherrlichen  Forste,  sondern  auch  für  die  Gemeinde-,  Kloster- 
und  Gutswaldungen  des  betreffenden  Territoriums.  Wenn  man  diese  zahlreichen,  ge- 
schichtlich interessanten  Waldordnungen  der  deutschen  Landesherren  durchliest,  so 
bekommt  man  den  Eindruck,  dass  schon  im  sechzehnten  Jahrhundert  die 
Frage  der  W^alderhaltung  an  vielen  Orten  eine  brennende  war, 
man  glaubte  aber,  von  obrigkeitswegen  genug  gethan  zu  haben,  wenn  man  Repressiv- 
massregeln gegen  die  weitere  Ausdehnung  der  Ausstockungen  ergriff  und  wohlgemeinte 
Ratschläge  für  Hebung  der  Wälderbehandlung  erliess,  deren  Ausfühmng  jedoch  an  der 
mangelhaften  Kenntnis  über  die  Grundsätze  der  Holzzucht  meistens  scheitern  musste. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  3.      5 

Die  Periode  des  dreissigjährigen  Krieges  machte  alle  diese  Sorgen  in  Deutsch- 
land gegenstandslos,  da  infolge  der  ungeheuren  Verluste  an  der  Bevölkerungszahl,  dann 
des  Darniederliegens  des  Feldbaues  und  der  Zerstörung  der  Dörfer  leider  viele  Fluren 
sich  von  selbst  mit  Gesträuch  und  Wald  bedeckten  und  ganze  Gegenden  wieder  verwil- 
derten. Aus  diesem  Grunde  fehlen  auch  alle  genaueren  Anhaltspunkte  für  eine  ziffermässige 
Angabe  der  Bewaldungsverhältnisse  in  Deutschland  während  des  XVII.  Jahrhunderts  und 
da  in  der  zweiten  Hälfte  des  letzteren  die  Initiative  der  Wirtschaftspolitik  von  Frankreich 
ausging,  dessen  Beispiel  bei  den  deutschen  Höfen  fast  allgemein  Nachahmung  fand,  so  ist 
68  nötig,  einen  Blick  auf  die  Entwicklung  der  Waldschutzfrage  in  diesem  Lande  zu  werfen. 

§  3.  Durch  die  frühzeitige  Zentralisierung  der  königlichen  Gewalt  wurde  auch 
die  Ausbildung  einer  zentralisierten  Forsthoheit  in  Frankreich  gegenüber  der  territo- 
rialen Zersplitterung  in  Deutschland  wesentlich  erleichtert.  So  konnte  schon  unter 
Karl  IX.  im  Jahre  1573  eine  Forstordnung  für  das  ganze  Reich  erlassen  werden,  wel- 
cher unter  Heinrich  IV.  1597  eine  erneuerte  und  nach  den  Grundsätzen  des  berühmten, 
der  Landwirtschaft  und  der  Freiheit  des  Eigentums  so  günstigen  Ministers  Herzogs 
von  Sully  umgearbeitete  ordonnance  folgte.  Es  scheint  aber,  dass  diese  Forstordnungen 
nicht  die  nötige  Exekutive  fanden  und  daher  wirkungslos  blieben,  obwohl  sie  bei  den 
Grundbesitzern  wegen  ihres  milden  Charakters  beliebt  waren.  Erst  unter  Ludwig  XIV. 
Regierung  wurde  durch  Colbert  jene  bekannte  ordonnance  sur  le  fait  des  forets  vom 
Jahre  1669  erlassen,  welche  120  Jahre  lang  die  Richtschnur  für  die  französische  Forst- 
politik bildete  und  die  zum  Teil  bis  auf  die  Gegenwart  noch  fortwirkt.  Mit  schwung- 
vollen Worten  preist  dieser  Erlass  die  Erhaltung  der  Forste  —  „dieses  geheiligten 
Stackes  unseres  Erbteiles"  —  als  eine  würdige  Regentensorge,  da  sie  nicht  bloss  dem 
Staate  in  hohem  Masse  zur  Zierde  gereichen,  sondern  auch  ein  kostbarer  und  bequemer 
Schatz  für  ausserordentliche  Notfälle  seien,  dessen  Wachstum  unmerklich  und  ohne 
Nachteil  für  die  Untertanen  von  Natur  aus  erfolge.  — 

Für  Hebung  der  Forstkultur,  namentlich  Ansaat  sowie  Bepflanzung  der  Blossen 
und  Oedgründe  in  den  Staatswaldungen,  den  Gemeindewäldern  und  jenen  der  öffent- 
lichen Institutionen  wurden  ausführliche  Vorschriften  erlassen  und  eine  Organisation 
für  den  Forstdienst,  die  chanibres  des  eaux  et  forets,  eingerichtet,  sowie  Bestimmungen 
über  Bestreitung  der  Kosten  entworfen.  Von  einschneidender  Wirkung  in  die  Freiheit 
des  Privateigentums  waren  die  Verbote  der  Waldrodungen  ohne  Erlaubnis  der  Forst- 
ämter, femer  die  Reservierung  aller  in  den  Privatwäldem  vorkommenden  Eichstämme, 
welche  zu  Schiffbauholz  tauglich  waren,  für  die  königliche  Marine  und  der  Zwang,  eine 
bestimmte  Anzahl  solcher  Stämme  in  den  Schlägen  überzuhalten  (droit  de  martelage). 
Ausserdem  wurden  die  Privaten  bezüglich  ihrer  Waldkulturen  und  Waldbenutzung 
amtlich  überwacht  und  der  Holzhandel  fast  ängstlich  kontrolliert.  Wenn  sich  nun  auch 
nicht  leugnen  lässt,  dass  infolge  dieser  mit  grosser  Strenge  durchgeführten  Ordon- 
nance die  frühere,  weithin  eingerissene  Unordnung  in  der  nationalen  Waldwirtschaft 
Frankreichs  einer  pfleglicheren  Behandlung  der  Wälder  Platz  gemacht  hat,  so  muss 
anderseits  doch  zugegeben  werden,  dass  die  Grundtendenz  des  Colbertisraus,  das  System 
der  einseitigen  Begünstigung  von  Handel  und  Manufaktur  auf  Kosten  der  Bodenpro- 
duktion einen  prinzipiell  feindseligen  Charakter  gegen  die  Waldwirtschaft  hatte.  Die  Re- 
gierung wollte  in  erster  Linie  eine  günstige  Handelsbilanz  erzielen,  da  ja  die  Gewinnung 
und  Erhaltung  vo"n  Edelmetallen  die  oberste  Maxime  der  Staatsraison  war;  um  aber 
Berg-  und  Hüttenwerke,  Schmelzöfen,  Glashütten  und  andere  Fabriken  im  Lande  be- 
treiben zu  können,  brauchte  man  vor  allem  Holz  —  ein  Produkt,  dessen  der  Schiffbau 
für  die  Handelsflotte  und  die  Marine  nicht  minder  bedürftig  war.  Aber  dieses  Holz 
musste  möglichst  billig  sein  und  für  den  Staatsbedarf  sogar  im  Expropriationswege 


6  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

von  den  Privaten  beziehbar  Kein,  daher  laf?  die  Erschwerung  des  Rohproduktenhandels, 
das  Verbot  der  Ausfuhr  ausser  Landes,  die  martelage,  sowie  der  Aufforstnngszwang 
ganz  in  dem  Prinzipe  des  Merkantilsystemes.  Liess  nun  schon  diese  wirtschaftliche 
Unfreiheit,  die  Unterdrückung  jeder  Konkurrenz  und  die  künstliche  Niederhaltung  der 
Holzpreise  kein  gesundes  Streben  unter  den  Privatwaldbesitzem  aufkommen,  so  sorgte 
gleichzeitig  eine  chikanöse  und  sportelsüchtige  Anwendung  des  Regulativs  dafür,  dass 
die  Waldeigentümer  zur  Verzweiflung  getrieben  wurden.  Trotz  dieser  Nachteile  des 
damals  herrschenden  Systems  der  Staatswirtschaft  und  trotz  der  mit  dem  Aemterkaufe 
verbundenen  Schäden  sind  doch  aus  diesem  Zeitalter  verschiedene  Leistungen  im  Gebiete 
der  Forstwirtschaft  zu  nennen,  vor  allem  die  Bestrebungen  um  Wiederbewaldung  der 
Dünen,  insbesondere  der  „Landes**  bei  Bordeaux,  die  schon  im  zweiten  Dezennium  des 
XVni.  Jahrhunderts  begonnen  wurde  und  bei  denen  sich  später  namentlich  B r 6m  on- 
tier  hervorragende  Verdienste  erworben  hat.  Ebenso  wurden  in  Frankreich  schon 
frühzeitig  Versuche  von  Verbesserungen  der  waldbaulichen  Technik,  der  Hiebsführung 
und  der  Durchforstungsprinzipien  unternommen  — ,  ja  die  heutzutage  so  viel  besprochene 
6claircie  par  le  haut  wird  schon  auf  den  bis  1567  wirkenden  Chef  der  Forstverwaltung 
unter  Karl  IX.  de  Rostang  zurückgeführt. 

Am  wenigsten  günstig  erwies  sich  das  Merkantil-System  Colberts  und  seiner 
Nachfolger  für  die  Besitzer  der  Privatwaldungen,  teils  wegen  der  ungünstigen  Be- 
steuerung des  Waldeigenthums,  teils  wegen  dessen  wirtschaftlicher  Gebundenheit  und 
Abhängigkeit  von  den  Regulativen.  Wie  Mirabeau  d.  Ae.  ausführlich  schildert^),  be- 
schleunigten die  Gutsbesitzer  selbst  den  Ruin  ihrer  Wälder,  nur  um  von  der  gefürch- 
teten Forstpolizei-Gerichtsbarkeit  (der  table  de  marbre)  loszukommen.  Massenhaft 
liefen  die  Gesuche  um  Erlaubnis  zum  Abtriebe  der  Waldungen  ein  und  die  Rodung 
—  diese  Vorläuferin  der  Auswanderung  —  erschien  den  Bauern  noch  als  letzte  Quelle 
zur  Hebung  ihres  Wohlstandes. 

Schon  im  Jahre  1721  konnte  daher  der  berühmte  Naturforscher  R^aumur  in 
der  academie  royale  *)  konstatieren,  dass  trotz  der  strengen  Forst^esetze  eine  unverkenn- 
bare Gefahr  für  den  Staat  aus  dem  Rückgang  der  forstlichen  Produktion  entstehe. 

„Allgemeine  Beunruhigung,  sagt  R^aumur,  herrscht  über  die  Vernichtung  der 
Wälder  des  Königreichs  und  leider  ist  diese  Unruhe  nur  allzu  begründet.  Nicht  allein  in 
den  grossen  Städten  führt  man  Klage  darüber,  dass  alle  Holzsortimente  immer  seltener 
werden,  sondern  dieselben  Klagen  kommen  auch  aus  denjenigen  Landesteilen,  wo  das  Holz 
sonst  sehr  häufig  vorkam.  Ueberall,  wo  Eisenhämmer,  Hochöfen,  Glashütten  etc.  bestehen, 
befürchtet  man,  dass  diese  an  dem  Mangel  des  zu  ihrem  Unterhalt  nötigen  Holzes  zu 
Grande  gehen  müssen.  Man  hat  vielleicht  den  Verbrauch  übermässig  ausgedehnt,  sei  es 
in  bezug  auf  Zimmer-  und  Werkholz,  sei  es  hinsichtlich  des  Brennholzes ;  wir  bauen,  möb- 
lieren und  heizen  mehr  Zimmer,  als  unsere  Voreltern  gethan,  die  Zahl  der  Essen,  Hoch- 
öfen und  Glasschmelzen  hat  sich  vervielfacht  —  aber  es  wäre  eine  falsche  Auffassung  des 
Staatsinteresses,  wollte  man  die  Zahl  dieser  Werke  vermindern,  um  den  Wald  zu  erhalten. 
Was  aber  das  öffentliche  Interesse  dringend  erfordert,  das  ist,  dass  nicht  zugleich  die 
Holzmassen  sich  vermindern,  während  der  Verbrauch  sich  steigert  .  .  Es  ist  äusserst 
wünschenswert,  dass  jene  Bodenflächen,  die  Wald  geblieben  sind,  auch  unseren  Bedarf 
decken,  dass  sie  stets  vollständig  bestockt  seien  und  dass  namentlich  eine  Verminderang 
ihrer  Produktion  verhindert  werde.  Dann  würden  die  uns  verbliebenen  Wälder  uns  hin- 
reichend mit  Produkten  versorgen." 

In  dem  weiteren  Verlauf  dieser  höchst  interessanten  „  Reflexions "  untersuchte  R6- 

3)  Victor  Riquetti,  marquis  de  Mirabeau  „Philosophie  rurale  ou  Economic  g6n6rale 
et  politique  de  Tagriculture. "     Amsterdam  1764. 

4)  Histoire  de  l'Academie  Royale  de  France,  Ann^e  1721.  S.  284.  Reflexions  sur 
r^tat  des  bois  du  royaume  et  sur  les  pröcautions,  qu*on  pourrait  prendre  pour  en  empficher 
le  döp^rissement  et  les  mettre  en  valeur  par  R^aumur. 


Die  geographische  Verteilung  der  W&lder  in  Europa  ii.  ihre  historischen  Ursachen.  §  4.      7 

anmnr  die  Nachteile  der  durch  die  Ordonnance  von  1669  vorgeschriebenen  üeberhälter 
(baliveaux  de  martelage),  lehrt  die  Ermittlung  des  jährlichen  Zuwachses  auf  einem  Morgen 
(arpent)  Mittel-  und  Niederwald  und  gelangt  zu  der  Forderung  einer  ümtriebszeit.  inner- 
halb welcher  das  Maximum  des  Zuwachses  erreicht  werden  könne.  In  waldbaulicher  Hin- 
sicht betont  er  namentlich  die  notwendige  Ergänzung  der  nicht  mehr  ausschlagenden  Stöcke 
durch  Eichelsaaten,  eventuell  unter  Anwendung  des  Hackwaldbetriebes  —  ein  Abschnitt, 
der  gerade  dadurch  besonderes  Interesse  bietet,  weil  die  Oberforstbehörde  in  einem  Schrei- 
ben an  R^aumur  behauptet  hatte,  die  Stöcke  der  Eichen  seien  unsterblich  und  könnten 
immerfort  ausschlagen.  Am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  richtet  R  6  a  u  m  u  r  noch  die 
lebhafte  Aufforderung  zu  Kulturversuchen  mit  ausländischen  Holzarten  an  die  Akademie.^ 

Achtzehn  Jahre  später  beschäftigte  sich  dieselbe  illustre  Korporation  mit  der 

Wald-Erhaltongsfrage,  über  welche  kein  Geringerer  als  Büffon  referierte  **).  Er  beginnt 

folgendermassen : 

„Das  Holz,  einst  so  allgemein,  reicht  gegenwärtig  kaum  zu  dem  allerunentbehr- 
lichsten  Bedarf  aus  und  wir  sind  für  die  Zukunft  von  einem  vollständigen  Mangel  daran 
bedroht,  denn  es  wäre  fast  gleichbedeutend  mit  dem  Staatsuntergang,  wenn  wir  genötigt 
wären,  Zuflucht  bei  unseren  Nachbarn  zu  suchen  und  von  ihnen  mit  grossen  Unkosten 
das  zu  beziehen,  was  wir  mit  einiger  Sorgfalt  und  einiger  Oekonomie  uns  selbst  ver- 
schaifen  können^).  Allein  dazu  muss  man  die  Zeit  rasch  ergreifen  und  lieber  von  heute 
ab  mit  den  Massregeln  beginnen.  Denn  wenn  wir  untätig  und  zugleich  gierig  im  Ver- 
brauch noch  länger  fortfahren,  in  unverantwortlicher  Weise  gleichgiltig  gegen  die  Nach- 
welt zu  bleiben,  wenn  wir  nicht  unsere  Forstpolizei  umgestalten,  so  ist  zu  befürchten, 
dass  die  Forste,  diese  wertvollste  Domaine  unserer  Könige,  zu  wüstem  Land  werden,  dass 
die  Schiffsbauhölzer,  auf  denen  unsere  Stärke  zur  See  beruht,  eines  Tages  verschwunden 
sind  ohne  jegliche  Hoffnung  einer  möglichen  Wiederherstellung.  Selbst  Jene,  welchen  die 
Erhaltung  der  Wälder  anvertraut  ist,  beklagen  deren  Untergang,  aber  es  genügt  nicht, 
ein  empfundenes  Uebel  zu  beklagen,  sondern  man  muss  das  Heilmittel  suchen  und  jeder 
gute  Bürger  muss  an  die  Oeffentlichkeit  treten  mit  seinen  in  dieser  Hinsicht  gemachten 
Erfahrungen  und  üeber legungen."  An  anderer  Stelle  fährt  Büffon  fort:  «Wie  viel  Oed- 
land  giebt  es  nicht  im  Königreiche,  unter  dem  Namen  Landes,  Bruy^res  (Haiden)  und  Ge- 
meindeländereien, welche  absolut  ertraglos  sind?  Enthält  nicht  die  Bretagne,  das  Poitou, 
die  Guyenne,  Bourgogne,  Champagne  und  mehrere  andere  Provinzen  nur  allzuviel  unnützes 
Land?  Der  grösste  Teil  dieser  Ländereien  war  ehemals  von  Natur  aus  Wald,  wie  ich 
selbst  an  vielen  Stellen  dieser  wüsten  Bezirke  bemerkt  habe,  denn  man  findet  noch  die 
alten  verfaulten  Stocke  vielfach  daselbst.  Vermutlich  hat  man  diese  Wälder  allmählich 
so  heruntergebracht,  wie  dies  noch  in  den  Gemeindeländereien  der  Bretagne  zu  sehen  ist 
und  erst  im  Verlaufe  der  Zeit  hat  man  sie  so  vollständig  vernichtet.'' 

Büffon  hat  in  seinen  eigenen  Waldungen  erhebliche  und  für  jene  Zeit  beachtens- 
werte Versuche  mit  verschiedenen  Methoden  der  Saat  und  Pflanzung  von  Eichen  auf 
schwerem  Lehmboden  und  auf  Sandboden  gemacht.  Diese  Kulturversuche  wurden  streng  syste- 
matisch auf  genau  eingeteilten  Flächen  gemacht  und  stützen  sich  auf  Untersuchungen  der  Tief- 
gründigkeit und  Feuchtigkeit  des  Bodens.  Gleichzeitig  enthält  diese  Arbeit  Vorschläge  über 
Nachzucht  der  Eichenstarkhölzer  in  Horsten,  statt  im  Einzelstande  als  Oberständer  (bali- 
veaux) ferner  eine  Theorie   über  die  Wahl  der  Ümtriebszeit   des  grössten  Massenertrages. 

Wenn  schon  die  Initiative  R^aumur's  undBüffons  zweifellos  einen  mächtigen 
Anstoss  zu  Fortschritten  auf  dem  Gebiete  des  Waldbaues  in  den  gebildeten  Kreisen  der 
Gutsbesitzer  gab,  so  gilt  dies  noch  ungleich  mehr  von  den  eifrigen  und  lange  fortge- 
setzten wissenschaftlichen  Arbeiten,  welche  Duhamel  du  Monceau  über  weite  Ge- 
biete der  Forstwissenschaft  veröffentlichte,  so  dass  er  unter  die  ersten  Begründer  dieser  Dis- 
ziplin zu  rechnen  ist.  Dagegen  hat  einen  mehr  kritischen  Standpunkt  in  der  Beurteilung 
der  staatswirtschaftlichen  Verhältnisse  der  Bodenproduktion  im  allgemeinen  und  der  Wald- 
wirtschaft im  besonderen  Marquis  de  Mirabeau  (der  Aeltere)  eingenommen. 

5)  Histoire  de  l'Academie  Royale  de  France,  Annße  1739.     S.  140.     Mtooire  sur  la 
conservation  et  le  retablissement  des  for^ts  par  M.  de  Büffon. 

6)  Heute  tibersteigt  der  Wert  der  Holzeinfuhr  Frankreichs  jenen  der  Ausfuhr  um  jähr- 
lich weit  über  100  Mill.  Frcs. 


8  T.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Mit  beissenderer  Satire  beleuchtete  dieser  die  schädlichen  Einwirkungen  der  über- 
triebenen polizeilichen  Beglementierung  der  Waldwirtschaft  durch  das  Merkantilsystem 
indem  er  vom  physiokratischen  Standpunkte  aus  und  in  Konsequenz  der  Ideen  Q  u  e  s- 
n  a  y  s  die  unbeschränkte  Freiheit  der  Privatwaldwirtschaft  verlangte,  was  ihm  freilich 
eine  lettre  de  cachet  für  die  Bastille  eintrug.  Von  da  an  verkettete  sich  die  Wahl 
zwischen  Waldschutz  oder  Freigebung  der  Bodenwirtschaft  immer  mehr  mit  den  übrigen 
politischen  Fragen  dieser  Periode,  wie  man  auch  aus  Stevarts  „Recherches  des 
principes  de  T^conomie  politique^)  von  1789  ersieht  und  ein  politischer  Akt  —  das  De- 
kret der  Nationalversammlung  vom  27.  Dezember  1790  —  entschied  die  Abschaffung 
des  regime  for6stier  über  sämtliche  Gutswaldungen.  — 

§  4.  Wenn  auch  die  territoriale  Vielgestaltigkeit  Deutschlands  die  forstlichen  Zu- 
stände mannigfaltig  modifizierte,  so  bewirkte  doch  die  damals  herrschende  Doktrin  in 
der  Staatswirtschaft  und  die  an  vielen  Höfen  betriebene  Nacheiferung  der  merkanti- 
listischen  Politik,  dass  viele  der  im  Vorstehenden  bezeichneten  Uebelstände  auch  hier 
zu  Tage  traten.  Hierunter  sind  besonders  die  in  vielen  Forstordnungen®)  ausgespro- 
chenen Verbote  des  Holzhandels  nach  dem  Auslande  und  der  Flösserei  zu  zählen,  nicht 
minder  drückten  die  überall  eingeführten  polizeilichen  Taxen  den  Preis  der  Forstpro- 
dukte, vor  allem  aber  tragen  die  den  Bergwerks- Verwaltungen  in  Tirol  und  Steier- 
mark eingeräumten  Befugnisse  zur  Expropriation  der  in  ihrem  Bezugsgebiete  liegenden 
Privatwälder  den  Stempel  des  Merkantil-Systems.  Auf  denselben  Ursprung  weist  die 
in  Anhalt-Dessau  vorkommende  Bestimmung  hin,  dass  alle  Eichenstämme  in  den  Privat- 
wäldem  landesherrliches  Eigentum  seien  ^),  während  im  Siegener  Land  der  Fürst  vonNas- 
sau-Oranien  eine  vollständige  Absperrung  seines  Gebietes  mittelst  der  sog.  Landhecke  und 
Verhinderung  der  Ausfuhr  aller  Rohstoffe  durchführte.  Aehnliche  Wirkungen  des  Absolu- 
tismus waren  die  Verschärfungen  der  Rodungs verböte  für  alle  „Gutswaldungen,  Hölzer 
und  Büsche^  wie  sie  in  zahlreichen  Holzordnungen  ausgesprochen  sind,  die  aber  doch  das 
Gute  hatten,  manche  Abschwendung  und  Verwüstung  von  jungen  Hölzern  zu  verhindern. 

Dass  der  Colbertismus  aber  auch  in  Deutschland  keinen  besonders  günstigen  Ein- 
fluss  auf  die  Waldwirtschaft  übte,  zeigen  uns  die  Schilderungen  des  ersten  forstlichen 
Schriftstellers  dieses  Landes  Hans  Carl  von  Ca  rlowitz^°),  welcher  an  mehreren  Stel- 
len seines  Werkes  von  den  viel  tausend  Acker  grossen  Blossen  und  Stockräumden  in 
den  Wäldern  als  Folgen  des  enormen  ^'erbrauches  der  Bergwerke  und  Hütten  spricht. 
Insbesondere  in  Cap.  IV.  §  20  sagt  er: 

„Diejenigen  so  nur  wenig  Notiz  von  dem  Zustand  und  Beschaffenheit  der  Gehölze 
haben,  müssen  bekennen,  dass  binnen  wenig  Jahren  in  Europa  mehr  Holz  abgetrieben 
worden  ist,  als  in  etlichen  Säculis  erwachsen,  daher  der  Schluss  leicht  zu  machen,  was 
es  für  ein  Ende  gewinnen  möchte. "...  Die  Bäume  sind  ausgerottet .  die  Wälder ,  die  doch 
sonsten  ein  Land  recht  glücklich  machen,  hinweg ;  das  Gebirge  und  Hügel  von  Holz  entblösst. " 

Auch  die   übertriebene  Rodungslust  der  bäuerlichen  Bevölkerung  scheint  im  Beginne 

des  XVIU.  Jahrhunderts  in  Deutschland  in  ähnlicher  Weise  wie  oben  von  Frankreich 


7)  Paris  chez  Didot  1789. 

8)  Württemb.  F.O.  Die  Untertanen  und  Schirmverwandten  dtlrfen  nur  so  viel  zur 
Verflössung  hauen,  als  ihnen  von  den  Amtleuten  imd  Förstern  angewiesen  wird;  sie  dürfen 
nur  an  inländische  Flösser  verkaufen.  Tannene  Flösse  dürfen  nicht  ins  Ausland  gehen,  ehe 
sie  im  Inlande  ausgeboten  sind,  Kohlen  überhaupt  gar  nicht. 

Die  Hohenlohe'sche  F.O.  verbietet,  erkauftes  Holz  oder  solches  aus  eigenen  Waldungen 
ins  Ausland  zu  führen  bei  Strafe  von  10  fl.  per  Wagen.  Aehnlich  die  Weimarische  und 
markgräfl.  Brandenburg'sche  F.O. 

9)  W.  Riehl  „Land  und  Leute"   1861.     Stuttgart,  Cotta.     S,  59. 

10)  Hans  Carl  von  Carlowitz  „Sylvicultura  oeconomica"  oder  Anweisung  zur  wil- 
den Baumzucht.     Leipzig  1713.     J.  F.  Braun. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  5.  6.    9 

gesagt  wurde,  geherrscht  zu  haben,  denn  Carlowitz  schreibt  im  Kap.  V.  §  43 : 

„Es  ist  fast  ein  Universal- Aifekt  und  gemeine  Seuche,  dass  jedermann  lieber  Feld 
und  Wiesen  als  Holz  besitzen  will  und  also  dahin  incliniret,  wie  dieses  zu  vertilgen  und 
teils  gänzlich  auszurotten,  gleich  als  wenn  es  ein  Unkraut  und  zur  Führung  einer  Haus- 
wirtschaft gar  nicht  nötig  wäre.^ 

Es  ist  bezeichnend,  dass  die  im  Anschluss  an  diese  Klagen  über  Waldverwüstung  ge- 
machten positiven  Verbesserungsvorschläge  in  der  Holzzucht  nicht  von  einem  der  zahl- 
reichen Oberjägermeister,  sondern  von  dem  für  die  Zukunft  der  Montanindustrie  be- 
sorgten Oberberghauptmanne  v.  Carlowitz  ausgingen,  —  analog  wie  in  Frankreich 
H^aumur  und  Büf  fon  die  Grandmaitres  des  forets  belehren  mussten,  wie  man 
säen  und  pflanzen  müsse,  da  die  Eichenstöcke  nicht,  wie  jene  wähnten,  unsterblich 
seien.  Die  durch  diese  Vorgänge  eklatant  bewiesene  Notwendigkeit,  dass  vor  allem 
ein  gewissenhaftes  Studium  der  Natur  des  Waldes  und  ihrer  Gesetze,  dass  eine  Aus- 
bildung der  technischen  Methoden  des  Forstbetriebes  not  tue,  führte  unter  dem  Drucke 
der  drohenden  Holznot  zu  einer  erfreulichen  Entwicklung  der  forstwissenschaftlichen 
Disziplinen  während  des  XVIH.  Jahrhunderts.  Die  Regierungen  erkannten,  dass  mit 
Forstordnungen  und  prohibitiven  Strafgesetz-Paragraphen  allein  sich  noch  keine  Ver- 
besserung der  Waldwirtschaft  erzielen  lasse.  Hand  in  Hand  mit  der  Ausbildung  der 
theoretischen  Grundlagen  gingen  daher  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVin.  Jahrhunderts 
die  Bestrebungen,  die  Kenntnisse  und  technische  Qualifikation  der  Beamten  zu  heben 
und  an  die  Stelle  der  holzgerechten  Jäger  „Forstwirte**  zu  setzen. 

§  5.  Die  gewaltige  Katastrophe,  welche  im  Jahre  1789  zunächst  den  französischen 
Staat  und  in  weiterer  Folge  die  meisten  europäischen  Staaten  bis  auf  die  Grundfesten 
erschütterte,  blieb  auch  nicht  ohne  tiefeingreifende  Wirkungen  auf  die  Wälder.  Da 
schon  jede  Erschütterung  der  staatlichen  Autorität  und  des  Rechtszustandes  gewöhn- 
lich zu  Eingriffen  in  das  schutzlos  gewordene  Waldeigentum  führt,  so  wurde  durch  die 
weitverbreitete  Erbitterung  über  die  drückenden  Bestimmungen  der  Ordonnance  von 
1669  der  Kampf  gegen  den  Wald  in  Frankreich  mit  einem  wahren  Fanatismus  geführt. 
Wie  im  kleinen  die  Bauern  und  Proletarier  aus  den  Staats-  und  Gutswaldungen  um 
die  Wette  raubten,  was  für  sie  en-eichbar  war,  so  hausten  im  grossen  Massstabe  die 
Spekulanten  und  Käufer  der  konfiszierten  und  veräusserten  Güter  in  den  ehemals  der 
Kirche  und  dem  Adel  gehörigen  Forsten.  Man  schätzt  die  allein  in  den  vier  Jahren 
1789 — 93  niedergehauenen  Wälder  auf  33  314  Quadrat-Kilometer  d.  h.  SVs  Millionen  ha. 
Dazu  kam,  dass  infolge  der  Aufhebung  des  regime  foretier  durch  das  Dekret  vom  27. 
Dezember  1790  auch  die  Besitzer  der  kleinen  Privatwälder  die  neue  Freiheit  meistens 
im  Sinne  einer  masslosen  Devastation  ihrer  Holzungen  anwandten,  wozu  freilich  auch 
die  Not  und  die  hohen  Kriegssteuern  ihren  Teil  beitrugen.  Schon  innerhalb  kurzer 
Zeit  bildete  sich  allgemein  die  Ueberzeugung,  dass  diese  Verwüstungen  mit  dem  Ruin 
des  Landes  endigen  müssten,  und  bereits  unter  dem  Konsulat  wurden  unterm  29  Ger- 
minal  an  XI  ein  Verbot  weiterer  Rodungen  erlassen  und  eine  regelmässige  Forstver- 
waltung für  die  National-  und  Kommunal- Waldungen  wieder  eingeführt. 

§  6.  Einen  nicht  unwesentlichen  Einfluss  auf  die.  staatswirtschaftlichen  Maximen 
bezüglich  der  Forstwirtschaft  übte  Adam  Smith^^)  und  seine  Anhänger  aus.  Wenn 
auch  sein  System  hinsichtlich  der  Bedeutung  von  Arbeit  und  Kapital  gänzlich  von  dem 
der  Physiokratie  abweicht,  so  blieb  doch  vieles  von  den  physiokratischen  Forderungen 
in  bezug  auf  die  Bodenwirtschaften  bestehen.  Hieher  gehört  namentlich  die 
Forderung  der  unbedingten  Freiheit  in  der  Benutzung  und  jene  der  Beseitigung  aller 
rechtlichen  Schranken,  welche  diese  hemmen,  dann  die  Aufteilung  des  gemeinschaft- 


11)  Adam  Smith  „Untersuchungen  über  den  Nationalreichtum "  U.  Bd. 


10  T.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

liehen  Eigentumes  (Almenden  und  Gemeindewälder)  endlich  des  Verkaufs  der  Staats- 
forsten an  Private.    Diese  in  der  Abhandlung  über  Forstpolitik  des  Handbuches   ein- 
gehender behandelten  Forderungen  griffen  deshalb  tiefer  in  die  eigentliche  Praxis  and 
in  den  Waldstand  ein,  weil  die  A.  Smith  'sehen  Theorien  ungleich  zahlreichere  und 
einflussreichere  Verfechter  in  den  Regierungen  und  Volksvertretungen  fanden,  als  seiner- 
zeit die  physiokratischen.  Namentlich  hat  die  These,  dass  der  Staat  zum  Betrieb  irgend 
welcher  Produktionswirtschaft  ganz  ungeeignet  sei,   dass  vielmehr  der  Individualismuß 
und  der  im  Erwerbstrieb  der  Privaten  liegende  Sporn  allein  den  höchsten  Nutzeffekt 
der  Bodenwirtschaft  gewährleiste,  zu  umfangreichen  Verkäufen  von  Staatswaldung-en 
geführt.    Freilieh  fand  diese  Theorie  in  dieser  Hinsicht  eine  aktive  Förderung  in  dem 
Geldbedürfnis  aller  öffentlichen  Kassen  und  der  Erschöpfung  des  Staatskredites,  wäh- 
rend der  napoleonischen  Kriegsjahre.    So  segensreich  daher  im   allgemeinen  viele  der 
Konsequenzen  des  Freihandels-Systems  waren,  ebenso  wenig  förderte  es  die  Waldwirt- 
schaft,  weil  es  hierüber  fundamentale  Irrtümer  verbreitete.     In  Deutschland  waren 
hauptsächlich  der  Kanzler  Hardenberg  für  Preussen,  Minister  Montgelas  für 
Bayern  die  Träger  dieser  Reformideen,  während  theoretisch  Gg.  Sartorius**)   in 
Göttingen,  Jacob")  in  Halle,  Krug^*J  in  Berlin,  Murhard^^)  in  Göttingen  und 
Hazzi*^)  in  München  hiefür  tätig  waren.    In  der  Tat  gelang  es,   für  den  Verkauf 
der  Staatwaldungen  an  Private,  sowohl  in  Preussen  als  in  Bayern  Stimmung  zu  machen 
und  dass  dies  nicht  in  grösserem  Umfange  stattfand,  lag  nur  in  der  Schwierigkeit,  die 
erforderlichen  zahlungsfähigen  Käufer  zu  finden,  welche  sich  schon  beim  Verkaufe  der 
säkularisierten  Kirchengüter  herausgestellt  hatte.    Da  auch  G.  L.  H artig,  der  da- 
mals  an  die  Spitze  der  preussischen  Forstverwaltung  getreten  war,  kräftig  interve- 
nierte, so  wurde  die  Veräusserung  der  Staatsforsten  in  Preussen  nur  auf  Teile  der 
in  den  Regierungsbezirken  Aachen  und  Koblenz  gelegenen  beschränkt,  wovon  1818 — 1820 
für  nahezu  ö  Millionen  Mark  verkauft  wurden.  In  Bayern  kamen  damals  ca.  4350  ha 
für  855000  Mark  zum  Verkaufe. 

Weit  beträchtlicher  hingegen  waren  die  Staatswaldverkäufe  in  Frankreich, 
wo  M.  MusteH^  schon  seit  1784  dieselben  befürwortet  hatte.  Trotzdem  daselbst 
schon  während  der  Revolution  so  grosse  Flächen  konfiszierter  Güter  und  Domainen 
zum  Verkauf  gelangt  waren,  wurden 

infolge  des  Gesetzes  vom  23.  Sept.  1814  wieder    41958  ha 

„     25.  März  1817       „        121957    „ 

„         „         „  „     25.  März  1831       „        116  780   „ 

und  seitdem  bis  1870 71 951  , 


also  von  1814—1870 in  Summa  352  646  ha  =  34,82  % 

der  jetzigen  Staatswaldfläche  und  4,19  ^/o   der  Gesamtwaldfläche  für  den  Betrag  von 
ca.  306  Va  Millionen  Frcs.  veräussert  ^^). 

Oesterreichs^^)  Staatsforstbesitz   erfuhr  in  dem  Zeiträume  von  1800 — 1870 

12)^S  a  r  1 0  r  i  u  s  „Abhandlung  über  die  Elemente  des  Nationalreichtums" .  Göttingen  1808. 

13)  Jacob  „Staatsfinanzwirtschaft".     Halle  1821. 

14).Krug  „Betrachtungen  über  den  Nationalreichtum  des  preuss.  Staates".  Berlin  1805. 

15)  Murhard    „Ideen  über  wichtige  Gegenstände  der   Nationalökonomie  und  Staats- 
wirtschaft".    Göttingen  1808. 

16)  Hazzi  „Die  echten  Ansichten  der  Waldungen  und  Forsten".     München  1808. 
17)£Mustel  „Trait^  theorßtique  et  pratique  de  la  v6g6tation.     Paris  1784. 

18)  Nach  dem  Annuaire  des  Eaux    et  For6ts  berechnet;   seit  1870  finden  keine  Ver- 
käufe mehr  statt. 

19)  S.  K.  Schindler  „Die  Forste  der  in  Verwaltung  des  k.  k.  Ackerbau-Ministeriums 
stehenden  Staats-  und  Fondsgüter".     Wien  1885.     Hof-  und  Staatsdruckerei. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  7.    11 

dnrch  Verkäufe  eine  Verminderung  um  833  731  ha  =:  131,52  ®/o  der  jetzigen  Staats- 
vvaldMche  und  9,73  ®/o  der  Gesamtwaldfläche  mit  einem  Verkaufswerte  von  54  V* 
Millionen  Gulden.  Geographisch  verteilten  sich  diese  Verkäufe  am  stärksten  auf  Ga- 
lizien,  dann  Böhmen,  Steiermark,  die  Bukowina  und  Oberösterreich. 

Hiezu  kamen  aber  innerhalb  desselben  Zeitabschnittes  300371  ha  Keligions-  und 
Stiftungsfondsgüter,  welche  um  83 V4  Millionen  Gulden  verkauft  wurden.  Das  rasche 
Dahinschwinden  der  in  Staatshänden  befindlichen  und  unter  seiner  unmittelbaren  Auf- 
sicht stehenden  österr.  Domanial-  und  Fondsgüter,  worunter  weitaus  die  meisten  Flächen 
Wälder  waren,  ergiebt  sich  schlagend  aus  folgender  Zahlenreihe: 

Im  Jahre  1800      1835      1850      1860     1865      1870      1875    1880    1884 

betrugen  dieselben    13,l«/o   ll,2«/o    7,1^0     6,870    6,57o    5,4^0     4,5o/o  4,5^0    4,5«/o 
der  gesamten  Landesfläche  Oesterreichs. 

§  7.  Nicht  minder  wie  in  den  Staatswaldungen,  traten  auch  in  vielen  Gemeinde- 
und  Körperschaftswäldem  die  Einwirkungen  der  Manchester-Doktrin  hervor.  Die  irrige 
Anschauung,  als  ob  auch  die  Waldwirtschaft  im  geteilten  Privatbesitze  mehr  und  besser 
produziere  als  im  gemeinschaftlichen  Besitze,  welche  eigentlich  ein  einziger  verglei- 
chender Blick  auf  den  Zustand  der  Privat-  und  Gemeindewälder  hätte  beseitigen  können, 
trieb  in  manchen  Staaten  dazu,  ausgedehnte  Korporationswälder  gleich  den  Almenden 
aufzuteilen.  Die  hiedurch  entstandenen  kleinen  und  schmalen  Streifen,  in  welche  diese 
Waldungen  zerfielen  und  die  regellose  Gemenglage  aller  Altersstufen  führten  meistens 
zum  Ruin  derselben  und  hatten  als  Endresultat  ertraglose .  Oedflächen.  Ziffermässige 
Daten  lassen  sich  jedoch  hlefür  nicht  geben,  weil  dieser  Prozess  sich  meistens  in  den 
ersten  beiden  Dezennien  des  Jahrhunderts  abwickelte,  zum  Teil  aber  noch  heute 
fortdauert. 

Dagegen  ist  es  interessant,  einen  Blick  auf  die  im  normalen  Laufe  der  ruhigen 
Entwicklung  und  unter  Aufsicht  des  Staates  sich  vollziehenden  Bewegungen  im  Wald- 
stande zu  werfen.  Selbstverständlich  können  statistische  Aufnahmen  hierüber  nur  ge- 
macht werden,  wo  eine  gesetzliche  Anzeigepflicht  oder  eine  amtliche  Genehmigung  der 
Rodungen  zu  Recht  besteht: 

In  Frankreich  wurden  gerodet'**) 


von  Gemeinde-  und  Körper- 

von  Privat- 

schaftawaldungen 

waldungen 
73  360  ha 

Innerhalb  d.  Jahrzehent  1830     1839 

118166  ha 

II                        ti 

1840--1849 

0 

88  796    „ 

«                        » 

1850     1859 

40  958    , 

153  048    , 

*                                                       7» 

1860     1869 

4188    , 

110895    , 

1>                                                         T* 

1870—1879 

995   . 

31335    , 

1t                                                          1* 

1880    1889 

515    . 

11687    , 

»                                    n 

1890—1898 

» 

7038    , 

Sa. 

476 150  ha 

d.  h.  5Vs  Prozent  der  Gesamt- Waldfläche  des  Landes 

Jahresmittel  6  802    „ 

In  Frankreich  namentlich  fielen  weitaus  die  meisten  Rodungen  von  Privatwäldern 

in  die  beiden  Dezennien  1850 — 70  und  die  jahrgangweise  Flächenaufzählung  zeigt  noch 

viel  deutlicher  einen  Kulminationspunkt  in  den  beiden  Jahren  1855  mit  22  740  ha  und 

1856  mit  20740  ha  gegenüber  einem  Jahresmittel  von  nur  8454  ha.    Gerade  diese 

Jahrgänge  waren  aber  in  ganz  Mitteleuropa  bemerkenswert  durch  hohen  Preisstand 

des  Walzens,  Roggens  und  der  Kartoffeln,  so  dass  begreiflicherweise  die  Tendenz  zum 

üebergang  der  momentan  lohnenderen  landwirtschaftlichen  Benutzung  der  Flächen  viel 

verbreiteter  war,  als  im  darauffolgenden  Dezennium. 


20)  Nach  dem  Annuaire  des  Eaux  et  Forßts  1885  S.  62  und  1901  S.  287  berechnet. 


12 


T.  Weber.  Dir  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


in  den 
Regierungs- 
bezirken 


Schwaben 

Oberbayem 

Niederbayern 

Oberpfalz 

Obertranken 

Mittel  franken 

Unterfranken 

Pfalz 


Summa 


In  Bayern  wurden  gerodet 


von  Privaten 


in  den  Jahren 


18^*/?»      18"786 


18"/91 


18"/ 


97 


von  Gemeinden  und  Genossen- 
schaften 


in  den  Jahren 


18'V 


79 


Hektar 


18«V 


8ft 


579 

311 

220 

124 

"70 

"  13 

12   , 

2075 

1159 

961 

841 

117 

62 

21 

2058 

2214 

1813 

1333 

3 

22 

5 

333 

242 

195 

233 

46 

18 

61 

164 

474 

356 

157 

23 

20 

50 

173 

163 

168 

200 

37 

52 

36 

48 

50 

22 

27 

112 

139 

62 

356 

150 

63 

80 

73 

21 

140 

5786 


4763 


3798 


2995    I      481     i    347 


18W/91  '    18»V" 


80 
15 

48 

114 
57 
79 

396 


387 


50  539  ha  -     2,0P/o  der  Waldfläche 


In  Bayern  wurden  neue  Waldanlagen  gemacht 


in  den 
Regierungs- 
bezirken 


von  Privaten 


in  den  Jahren 


18^Y 


79 


I887, 


86 


18»%! 


18«V97 

Hektar 


von  Gemeinden  und  Genossen- 
schaften 


18'V79 


in  den  Jahren 


18«785 


Schwaben 

Oberbayern 

Niederbayem 

Oberpfalz 

Oberfranken 

Mittel  franken 

Unterfranken 

Pfalz 


283 

409 

"  250 

411 

470 

318 

285 

400 

415 

192 

28 

133 

53 

230 

14 

473 

390 

675 

345 

37 

655 

615 

508 

810 

201 

1006 

1107 

865 

809 

68 

113 

66 

97 

158 

143 

341 

309 

293 

315 

8 

86 

133 

2 

26 

77 

60 

37 

294 


Summa 


3217 


3314 


3141 


3493    I     1133    I     715 


18»%i 

18«V97 

91" 

202 

6 

106 

33 

25 

17 

76 

117 

111 

138 

48 

104 

198 

158 

150 

664 

916 

34  343  ha 
§  8.  Wirft  man  einen  Blick  auf  die  übrigen  Länder  Europas,  so  lässt  sich  zwar 
geschichtlich  und  statistisch  die  allmähliche  Verdrängung  des  Waldes  nicht  überall 
gleich  deutlich  nachweisen,  aber  das  Endresultat  dieses  Prozesses  kann  aus  den  An- 
gaben über  die  Flächen-  und  Anbaustatistik  mit  einem  ziemlichen  Grade  von  Sicherheit 
angegeben  werden.  Hiebei  ist  es  durchaus  erklärlich,  dass  in  jenen  Ländern,  deren 
Kulturentwicklung  um  ein  Jahrtausend  oder  mehr  über  jene  Deutschlands  zurückreicht, 
die  dem  Fortbestande  der  Wälder  schädlichen  Einflüsse  sich  mehr  summiert  haben.  So 
hat  namentlich  in  den  Mittelmeerländern  derselbe  Kampf  gegen  den  Wald  im 
Namen  der  Kultur,  der  sich  bei  uns  vom  achten  bis  vierzehnten  Jahrhundert  abspielte, 
schon  im  Zeitalter  Homers  stattgefunden. 

Gerade  aus  diesem  Zeitalter  erhalten  wir  aber  interessante  Aufschlüsse  über  die 
Wirkung  der  mythologischen  und  religiösen  Vorstellungen  des  griechischen  Altertums  auf 
die  Erhaltung  der  Wälder,  worüber  der  griechische  Generalforstinspektor  Dr.  N.  C  h  1  o  r  o  s 
in  Baurs  Monatsheften  Jahrgang  1885  Heft  1  Nachricht  gegeben  hat.  Homer  bezeichnet 
die  Gebirgswaldungen  als  „Wohnsitze  der  Götter  {tsfiivrj  dd^avdzwv)^  in  welchen  niemals 
die  Sterblichen  die  Bäume  mit  dem  Eisen  (Axt)  fällen ,  sondern  wo  die  schönen  Stämme 
vor  Alter  zu  Boden  fallen,  wenn  die  Zeit  ihres  Todes  gekommen  ist." 

In  der  Ebene  und  namentlich  in  der  Nähe  der  Städte  waren  Haine  (aXarj)  den  Göt- 
tern geweiht,  von  welchen  sowohl  Pausanias  als  Straho  und  andere  Schriftst<?ller  eine  be- 
trächtliche Anzahl  auiführen.  Nicht  minder  hat  aber  auch  die  Lehre  von  den  Baum-  und 
Waldnymphen  (dgvaösq,  dsvöglriösz,  Ailwvidöeqj  Nanaiai),  welche  aus  den  Bäumen,  oder 
gleichzeitig  mit  diesen  entstehen  und  vergehen  sollten,    die  deutlich  ausgesprochene  Ten- 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  8.    13 

denz,  Schonung  für  die  Baum  Vegetation  gegen  frevelhafte  Zerstörung  durch  Menschenhand 
zu  erzielen.  Dabei  ist  besonders  interessant,  den  geheimnisvollen  Zusammenhangt  zwischen 
den  Wald-  und  Quellnymphen  zu  betrachten,  wie  ihn  Homer  im  Hymnus  an  Ceres  durch 
die  Worte  andeutet:  „Die  Nymphen  freuen  sich,  wenn  der  Regen  die  Eichen J wachsen 
lässt,  sie  weinen  aber,  wenn  die  Eichen  keine  Blätter  mehr  haben*'  —  entstehen  ja  doch 
nach  Homers  Ansicht  (Odyss.  X.  350)  die  Nymphen  aus  den  Quellen  und  heiligen  Hainen. 
So  deutet  also  der  Mythus  den  Zusammenhang  von  Wald  und  Quellen  durch  Personifika- 
tion der  letzteren  als  Nymphen  an.  In  ähnlichem  Sinne  ist  auch  die  Sage  von  Erlch- 
thonius  zu  deuten,  der  (nach  Ovid  Metam.  VIII.  738 — 878)  im  Haine  der  Ceres  eine  hei- 
lige Eiche  fällt,  worauf  alle  Dryaden  die  Ceres  um  Bestrafung  des  Frevlers  bitten.  Letz- 
tere sendet  daraufhin  eine  Bergnymphe  nach  dem  eisigen  Kaukasus,  um  von  dort  die 
Hungersnot  zu  holen,  welche  sofort  im  Leibe  des  Erichthonios  Platz  nimmt,  bis  er  an 
unersättlichem  Hunger  zu  Grunde  geht.  Stellt  dieser  Mythus  nicht  unverkennbar  den  Zu- 
sammenhang der  Entwaldungen  mit  dem  Verschwinden  der  Landwirtschaft  und  der  dar- 
auffolgenden Hungersnot  in  den  Gebirgen  Griechenlands  dar?  Die  Vermutung,  dass  diese 
altgriechischen  Mythen  in  der  That  eine  Schonung  der  Wälder  gegen  Devastation  mittelst 
religiöser  Vorstellungen  bezwecken  wollten,  gewinnt  um  so  mehr  an  Wahrscheinlichkeit, 
als  auch  die  jetzigen  Bewohner  Akarnaniens  noch  im  XIX.  Jahrhundert  eine  religiöse 
Weihe  der  Schutz  Waldungen  {xovpla)  dadurch  vornahmen,  dass  von  dem  Geistlichen  vor 
versammelter  Gemeinde  ein  Stück  geweihtes  Brot  {vtpwfjia  =i  Hostie)  in  ein  Bohrloch  des 
grössten  Stammes  verschlossen  wurde,  wodurch  der  Wald  als  „gebannt"  anerkannt  war. 
Vielleicht  schliesst  sich  aber  auch  dieser  Gebrauch  der  christlichen  Kirche  an  die  theokra- 
tischen  Einrichtungen  der  mosaischen  Gesetzgebung  an,  denn  im  Deuteronomium  XX.  5.  19 
heisst  es,  dass  Gott  verboten  habe,  fruchttragende  Bäume  abzuhauen,  mit  denselben  gleich- 
sam Krieg  zu  führen,  da  doch  das  Holz  auf  dem  Felde  nicht  ein  Mensch  ist,  der  sich 
wehren  kann. 

Schon  im  IV.  Jahrhundert  vor  Chr.  war  in  Attika  der  Wald  auf  die  Gebirge 
zurückgedrängt  und  Aristoteles  hebt  in  seiner  Politik  bereits  hervor,  dass  ein  gesicher- 
ter Bezug  von  Holz  aus  der  Nähe  zu  den  Existenzbedingungen  einer  Stadt  gehöre, 
weshalb  diese  Wälder  zu  erhalten  seien.  Analog  finden  wir  in  Kom  den  Schutz  des 
Waldes  gegen  unberechtigte  Eingriffe  Dritter  bereits  in  den  Zwölf tafel-Gesetzen  aus- 
gesprochen^^), während  Cicero  2^)  es  als  eine  besonders  schimpfliche  und  das  öffentliche 
Interesse  gefährdende  Handlung  hinstellt,  wenn  sich  Jemand  an  grossen  „Waldab- 
schlachtungen"  betheiligt. 

„Von  der  Obrigkeit"  sagt  er,   „muss  alles  geschehen,  um  die  Vermehrung  des  Hol- 
zes zu  begünstigen  und  dagegen  alles  aus  dem  Wege  geräumt  werden,  was  daran  hindert. " 

Dass  im  römischen  Reiche  die  Gutsbesitzer  teilweise  schon  regelmässige  Holzzucht 
trieben,  ersieht  man  aus  den  landwirtschaftlichen  Schriftstellem  Cato  und  Columella, 
von  denen  ersterer  eine  genaue  Anleitung  für  Anlage  von  Eichelsaatkämpen  giebt.  In 
Italien  bestanden  aber  auch  schon  in  sehr  früher  Zeit  des  Mittelalters  Prohibitiv-Ge- 
setze,  welche  einen  Schutz  der  Gebirgs Waldungen  bezweckten  •^) ;  so  ist  namentlich  ein 
Gesetz  der  Republik  Florenz  bemerkenswert,  das  die  Waldausrodung  in  den  Hochlagen 
der  Apenninen  und  zwar  1  Meile  vom  Gipfel  abwärts  verbietet.  Als  Folge  dieser 
Bannlegung  war  der  Scheitel  des  Apennin  noch  bis  zur  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts 
mit  Wald  bedeckt,  während  nach  Aufhebung  dieses  alten  Gesetzes  durch  Grossherzog 
Leopold  I.  von  Toskana  die  Entwaldung  der  florentinischen  Apenninen  reissende 
Fortschritte  machte. 

Auch  die  Republik  Venedig  wirtschaftete  lange  Zeit  konservativ  in  ihren  Forsten^*), 

21)  Plinius  „Historia  natural."  lib.  17.  c.  1.   „ut  qui  injuria  cecidisset  arbores  ali- 
enas,  lueret  in  singulas  siclos  aeris". 

22)  Oratio  2.  Philipp. 

23)  Näheres  hierüber  von  de  Gori  im  ersten  Artikel  der  „forstl.  Rundschau  Italiens 
von  Maffei. 

24)  S.  A.  di  B  er  enger  „Dell'  assoluta  influenza  delle  foreste  sulla  temperatura^ . 


14  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

bis  seit  dem  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  die  Waldbenützung  daselbst  einen  zer- 
störenden Charakter  annahm,  wo  auch  die  Genueser  hauptsächlich  für  Schiffbauzwecke 
den  Apennin  rücksichtslos  ausbeuteten  und  die  Gipfel  ihrer  benachbarten  Berge  in  Stein- 
wüsten verwandelten. 

Ausser  den  grossen  historischen  Ereignissen  haben  in  Italien,  noch  mehr  aber  in 
Griechenland  und  Eleinasien  kleine,  wenig  beachtete  Ursachen  an  der  auffallenden 
Wälderzerstörung  mitgearbeitet.  Hiezu  gehört  namentlich  die  allgemein  verbreitete, 
dem  Holzwuchs  so  überaus  schädliche  Ziegenweide  und  die  wahrhaft  fanatische  Zer- 
störungswut der  Hirten,  welche  durch  das  Abbrennen  der  Bäume  und  Sträucher  eine 
rasch  vorübergehende  Grasvegetation  erzielen  wollen. 

Eine  ganz  ähnliche  Ursache  der  Entwaldung  liegt  in  Spanien  in  den  umher- 
ziehenden Merinoherden,  welche  teils  durch  unmittelbare  Zerstörung  jeden  Holzwuchses, 
teils  durch  Verhinderung  der  Verjüngung  die  Gebirge  an  vielen  Orten  so  entblösst 
haben,  dass  nur  Heide,  Lavendel  und  Rosmarin  darauf  fortkommen. 

Von  England  erzählen  zwar  die  Historiker,  dass  zur  Zeit  der  normannischen  Er- 
oberung 69  Forste  gezählt  worden  seien  und  Wilhelm  der  Eroberer  habe  sogar  30  Dör- 
fer zerstören  lassen,  bloss  um  seine  Wildbahn  zu  vergrössem,  aber  die  Vernichtung  der 
Wälder  fand  fast  nirgends  so  rasch  und  ausgedehnt  statt  als  in  Grossbritannien.  Schon 
unter  Jakob  I.  (1603 — 25)  wurde  die  Umwandlung  von  W^ald  in  Feld  durch  ein  Prä- 
miensystem begünstigt,  noch  mehr  aber  bewirkte  die  Agrarpolitik  Cromwells  und  die 
Aufhebung  des  forest  courts  sowie  der  Charta  de  foresta  das  Verschwinden  der  Wälder, 
an  deren  Stelle  aber  nicht  immer  der  Ackerbau,  sondern  oft  die  ertraglose  Heide  trat. 
In  Schottland  wurden  schon  im  XIV.  Jahrhundert  in  den  Kämpfen  mit  Rob.  Wal- 
lace  und  Rob.  Brouce  die  Waldungen  in  grossem  Massstabe  verwüstet  —  soll  doch 
Jean  von  Lancaster  24000  Mann  zum  Niederhauen  der  Wälder  verwendet  haben!  — 
wie  auch  Monk  1654  den  Wald  von  Aberfoyle  vernichten  liess.  Aber  gleichwohl  da- 
tieren die  umfangreichsten  Devastierungen  der  schottischen  Berge  aus  den  beiden  letz- 
ten Jahrhunderten,  während  Irland  seinen  Wälderschmuck,  der  ihm  den  Namen  green 
Erin  verschafft  hatte,  seit  dem  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  allmählich  einbüsste. 
Diese  kurzen  Andeutungen  mögen  genügen,  um  die  Zahlen,  welche  uns  die  gegenwär- 
tige Verteilung  der  Bewaldung  in  verschiedenen  europäischen  Ländern  bietet,  anschau- 
lich zu  machen,  denn  jede  dieser  Ziffern  erzählt  uns  von  jahrhundertelangen  Kämpfen 
um  die  Existenz  des  Waldes,  in  welchen  bald  die  erhaltenden,  bald  die  zerstörenden 
Kräfte  die  Oberhand  gewannen.  Denn  was  RiehP^)  von  Deutschland  schreibt,  gilt 
oder  galt  früher  auch  für  ^e  übrigen  europäischen  Länder: 

„Bei  jeder  entscheidenden  Volksbewegung  wird  sogleich  dem  Walde  der  Prozess  ge- 
macht. Ein  grosser  Teil  der  Bauern  lebt  in  steter  geheimer  Fehde  mit  den  Herren  des 
Waldes  und  ihren  Gerechtsamen;  zündet  ein  Revolutionsfunke,  dann  entbrennt  bei  diesen 
Leuten  vor  allem  „der  Krieg  um  den  Wald"  .  .  .  Siegt  dann  die  Staatsgewalt  wieder 
über  die  empörten  Massen,  so  hat  sie  allemale  nichts  Eiligeres  zn  tun,  als  den  Prozess, 
welchen  man  dem  Wald  gemacht,  wieder  aufzuheben,  die  Schutzbriefe  des  Waldes,  welche 
man  zerrissen,  wieder  in  Kxaft  zu  setzen.'' 

§  9.  Bei  der  Betrachtung  der  gegenwärtigen  Bewaldungsverhältnisse  der  euro- 
päischen Staaten  ist  zu  bedenken,  dass  schon  wegen  der  natürlichen  Waldgrenzen,  wie 
sie  durch  die  klimatischen  Anforderungen  der  verschiedenen  Baumarten  in  horizontaler 
und  vertikaler  Richtung  gezogen  sind,  manche  Gebiete  unfUhig  sind,  überhaupt  Wälder 
zu  tragen.  Die  menschliche  Tätigkeit,  wie  wir  sie  im  vorstehenden  kennen  gelernt 
haben,  hat  daher  nur  modifizierend  in  die  von  der  Natur  selbst   gezogenen  Grenzen 


25)  W.  Riehl  „Land  und  Leute \     I.  Feld  und  Wald. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  9.    15 

eingegriffen,  so  dass  wir  die  jetzige  Verteilung  der  Wälder  als  das  Eesultat  beider 
Einflüsse :  der  naturgesetzlichen  Existenzbedingungen  und  der  Einwirkung  des  Menschen 
aufzufassen  haben. 

Die  natürlichenUrsachen,  welche  die  geographische  Verbreitung  der  Baum- 
arten bedingen,  sind  aber  teils  klimatischer  Art,  teils  hängen  sie  mit  der  Bodenbe- 
schaffenheit zusammen.  Nur  ein  solches  Klima  kann  überhaupt  noch  ein  Baumleben 
aufkommen  lassen,  bei  welchem  die  Länge  der  Vegetationszeit  und  die  Wärmeintensität 
des  Sommers  zur  Ausbildung  eines  Holzkörpers  aus  den  Assimilationsprodukten  hin- 
reichend sind.  Für  unsere  genügsamsten  Holzarten  ist  das  Minimum  ihrer  An- 
sprüche eine  dreimonatliche  Dauer  der  Vegetationsperiode  und  eine  Mitteltemperatur 
des  Sommers  von  12— 14®  C,  während  andererseits  die  Minima  der  winterlichen  Tem- 
peratur für  viele  Holzarten  eine  Grenze  der  Verbreitung  ziehen.  Die  Polargrenze 
vieler  Holzarten  schliesst  daher  weite  Gebiete  von  Skandinavien  und  Russland  aus, 
indem  z.  B. 

die  Kiefer  in  Skandinavien  bis  zum  68 — 70.®  n.  B.,  in  Russland  bis  64.® 

die  Fichte  .  .  r,       .    67-71.®  „    „      ,         „  „     54.® 

die  Buche  „  „  ,       „     60.®  „    „      „         „  „     50-52.  ® 

die  Eiche  (q.pedunc.)«  „  „       „    63.®         «    ^     «        «  „    63.® 

die  Weisstanne  in  Deutschland  „       »    49—52.®  „    »      „         „  „    50.® 

ihre  Verbreitungsgrenze  erreichen  2®). 

In  analoger  Weise  äussert  in  den  Gebirgen  die  vertikale  Erhebung  über  dem  Ni- 
veau des  Meeres  wegen  der  damit  verbundenen  Temperaturabnahme  einen  wichtigen 
Einflnss  auf  die  Verteilung  der  Baumarten  nach  „Regionen"  und  veranlasst  deutlich 
ausgeprägte  Baumgrenzen  für  die  einzelnen  Holzarten.    So  geht  z.  B.  die  Buche 

in  der  Ostschweiz  nicht  über  1494  m, 

in  den  bayerischen  Alpen  „         „     1460   „ 

im  schweizerischen  Jura  „         „     1200  „ 

im  bayrisch-böhmischen  Grenzgebirge       „         „     1260   „ 

im  Schwarzwald  „         „     1235   „ 

in  den  Karpathen  „         „     1283   „ 

während  die  Fichtengrenze  in  den  bayr.  Kalkalpen  bei  1860  m,  im  Böhmerwalde  bei 

1460  m,  jene  der  Lärche  in  den  bayr.  Alpen  bei  1890  m,  jene   der  Zirbelkiefer  bei 

1925  m  liegt  und  der  Baumwuchs  daselbst  mit  der  Legfölire  bei  2140  m  überhaupt  ganz 

aufhört.    Alles  gebirgige  Terrain,  das  über  diese  Regionen  hinausragt,  ist  daher  von 

Natur  aus  von  der  Bewaldung  ausgeschlossen,   so  dass  notwendigerweise  die  Länder 

der   Zentralalpen  beträchtliche  Flächen  ertraglosen   Gebietes  aufweisen  und  dadurch 

kleinere  Prozentzahlen  der  Waldflächen  zeigen  müssen  als  die  Länder  der  Ebene  und 

der  Mittelgebirge. 

Nach  Süden  hin  bestimmt  aber  hauptsächlich  die  Menge  und  Regelmässigkeit  der 
atmosphärischen  Niederschläge  die  Grenze  des  Verbreitungsgebietes  einer  Baumart.  Die 
regenlosen  Perioden  während  der  Vegetationszeit  dürfen  nicht  länger  sein,  als  dass  der 
Boden  seinen  für  die  Baumwurzeln  erforderlichen  Feuchtigkeitsgrad  zu  bewahren  ver- 
mag, wird  z.  B.  die  Grenze  überschritten,  wo  weniger  als  6 — 8  Regentage  durchschnitt- 
lich in  einem  der  Sommermonate  vorkommen,  so  bereitet  die  Sommerdürre  der  Aus- 
breitung der  Waldvegetation  eine  natürliche  Schranke  und  es  treten  dann  die  Steppen 
Südrusslands  und  die  Pusten  Ungarns  als  herrschend  auf.    Dagegen  gestattet  innerhalb 


26)  Näheres  hierüber  in  A.  Grisebach  „Die  Vegetation  der  Erde".     Leipzig  1884. 
W.  Engelmann. 


16 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


der  klimatischen  Grenzen  des  Waldgebietes  häufig  auf  beträchtlichen  Strecken  die  un- 
günstige Beschaffenheit  des  Bodens  den  Calluna-  und  Erica-Arten  günstigere  Entwick- 
lungsbedingungen als  der  Baumvegetation,  weshalb  wir  in  den  sandigen  Niederuni^en 
wie  auf  den  moorigen  Torf  böden  der  Ebenen  und  Hochlagen  ausgedehnte  Heiden,  Filze 
und  Hochmoore  verbreitet  finden,  deren  Flächen  häufig  als  ertraglose  Oedungen  aus- 
geschieden werden  müssen  ^7). 

§  10.  Nach  den  neuesten  und  verlässigsten  Angaben  beträgt  die  gesamte 
Waldfläche  ohne  Ausscheidung  nach  Besitzverhältnissen  in  den  europäischen  Staaten 
folgende  Hektarzahl,  welche  in  Prozenten  der  ganzen  Landesflächen  ausgedrückt  die 
sog.  Bewaldungsziffer  ergiebt: 

D       u  -a^       Auf  den  Kopf  der 

BewalduDgsziffer       Einwohnerschaft 

Staaten  und  Landesteile          Ges.  Waldflilche  von  der              .  -i^.     •       ^g^j^j 

Landesfläche  üäche»*)  von 

ha  ^'o                              ha 

Deutsches  Reich '»)  13956  827  25,8  0,27 

näml.  Kgr.  Preussen     ....  8 192  505  23,5  0,26 

„      Bayern 2  508088  33,1  0,43 

„      Württemberg      .    .  599  853  30,8  0,29 

,      Sachsen      ....  387729  26,0  0,10 

Grosshzgt.  Baden  ....  566 159  37,5  0,33 

Elsass-Lothringen      .     .    .  442  998  30,5  0,27 

Grosshzgt.  Hessen      .    .     .  240  706  31,3  0,28 

„     Mecklenb.-Schwerin  233  681  17,8  0,39 

Strelitz   .  61010  20,8  0,60 

,     Sachsen- Weimar     .  92  567  25,6  0,27 

„     Oldenburg      .    .    .  67  852  10,6  0,18 

Braunschweig 108  648  29,9  0,25 

Sachsen-Meiningen     .    .    .  103  497  41,9  0,44 

,       Altenburg     .     .     .  36106  27,3  0,20 

,       Coburg-Gotha   .     .  58  739  30,0  0,27 

Anhalt 57  015  24,9  0,19 

Waldeck 42  992  38,4  0,74 

Schwarzbg.-Sondershausen  26  354  30,6  0,34 

Rudolstadt  .     .  41 626  44,1  0,41 

Pe^ag/ä.  L 11414  36,1  0,17 

^^^^  \  j.  L 31  132  37,7  0,24 

Schaumburg-Lippe     ...  7102  20,9  0,17 

Lippe 32  978  27,2  0,24 

Lübeck 4008  13,4  0,05 

Hamburg 1716  4,2  0,00 

Bremen 352  1,4  0,00 

Oesterreich.  A  Cisleithanien  »<>)  9  709  620  32,3  0,41 

näml.  Oberösterreich    ....  407  758  34,0  0,52 

Niederösterreich    ....  681495  34,2  0,26 

Salzburg 231889  32,4  1,33 

Tirol  mit  Vorarlberg     .    .  1108  576  37,7  1,19 

Steiei-mark 1073  937  48,0  0,84 

Kilrnten 456  871  44,2  1,27 

Krain 442  309  44,4  0,89 

Küstenland 230  779  29,3  0,33 

Dalmatien 382  643  29,7  0,73 

Böhmen 1507  325  29,0  0,26 

Mähren 609  993  27,4  0,27 

Schlesien 174 110  33,8  0,29 

Galizien 1954068  25,7  0,30 

Bukowina           447  867  43,1  0,69 

27)  Hierüber  Näheres  in  Borggreve  „Haide  und  Wald«.     Berlin  1875. 

28)  S.   „Beiträge   zur  Forststatistik   des  Deutschen  Reiches"    bearbeitet   vom  Kaiserl. 
Statist.  Amt.     Berlin  1894.     Puttkammer  u.  Mühlbrecht. 

29)  Nach  dem  Statistischen  Jahrbuche  des  k.  k.  Ackerbau-Ministeriums  für  1895  und 
der  Volkszählung  von  1890. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  11.  17 

§  11.  Die  nachstehenden  statistischen  Zahlen  schildern  das  Tenitorimn,  welches 
der  Forstwirtschaft  der  Gregenwart  zur  Verfügung  steht;  es  folgt  hierans,  dass  die 
einzelnen  Länder  in  sehr  ungleichem  Masse  mit  Wald  versehen  sind,  indem  begreif- 
licherweise Gebirgsländer  grössere  WaJdflächen  enthalten  als  das  Tiefland,  schwach 
bevölkerte  Gebiete  mehr  als  dicht  bevölkerte,  neu  besiedelte  mehr  als  die  seit  Jahr- 
tausenden der  Kultur  erschlossenen.  Im  allgemeinen  finden  wir  den  Wald  mehr  und 
mehr  auf  die  zu  keiner  anderen  Kultur  tauglichen  Böden  zurückgedrängt  und  im  Durch- 
schnitte ganzer  Länder  gehören  (wie  in  einem  späteren  §  nachgewiesen  wird)  die  Wald- 
flächen meistens  der  HI.,  IV.  und  V.  Standortsklasse  an.  Es  dürfte  deshalb  von  In- 
teresse sein,  einen  Blick  auf  die  Wälderverteilung  nach  Höhenregionen  zu  werfen,  wie 


Von  der 

gesamten  Waldtiäche  sind  im  Besitze 

der  Stiftungen 

des  Staates 

und  der 

Krone 

und  sonstiger 

Fonds 
(Religions-  u. 

der 
Gemeinden 

der  Genos- 
senschaften 

der 
Privaten 

Kirchen) 

folgende  Prozente 

32,9 

13 

15,6 

2,8 

47,5 

30,9 

1,0 

12,6 

2,7 

52,9 

34,8 

1,7 

12,6 

1,8 

49,1 

32,4 

2,3 

29,5 

1,3 

34,5 

43,6 

2,1 

5,6 

0,2 

48,5 

18,2 

2.4 

45,0 

0.4 

33,4 

34,2 

0,6 

44,8 

29,2 

0,3 

36,9 

0,9 

33,3 

46,4 

5,3 

9,4 



38,9 

68,9 

0,3 

30,8 

46,7 

1,5 

16,3 

5,0 

30,5 

34,9 

1,0 

10,5 

— 

53,6 

73,3 

0,2 

1,5 

15,3 

9,7 

41,4 

0,7 

22,6 

9,0 

26,3 

47,9 

1,6 

2,3 

1,4 

46,8 

64,7 

0,5 

11,3 

6,0 

17,5 

74,8 

0,4 

2,2 

0,1 

22,5 

62,9 

0,6 

22,5 

1,6 

12,4 

64,0 

0,9 

11,3 

10,7 

13,1 

47,0 

1,0 

10,8 

3,6 

37,6 

37,7 

3,1 

59,2 

53,3 

1,2 

2,4 

43,1 

91,8 

— 

1,3 

— 

6,9 

53,5 

0,4 

9,3 

1,1 

35,7 

71,6 

12,1 

0,2 

16,1 

65,4 

4,4 

30,2 

15,7 

8,7 

— — 

75,6 

6,5 

7,1 

14,9 

0,2 

71,3 

13,8 

12,1 

0,9 

73,2 

4,1 

6,1 

4,8 

85,0 

57,9»«) 

0,5 

4.3 

— 

37,3 

10,2 

1,0 

53,6 



35,2 

5,3 

7,9 

3,9 

1,4 

82,4 

3,1 

6,0 

3,7 

87,1 

2,5 

1,0 

9,3 

87,2 

5,6 

1,7 

37,0 

55,7 

0,8 

1,9 

59,0 

38,3 

0,4 

4,7 

12,2 

82,7 

8,8 

8,4 

82,8 

— 

25,7 

4,4 

69,9 

10,3 

4,0 

5,5 

80,2 

0,3 

50,8 

13,5 

35,4 

30)  Darunter  5*^/o  kgl.  bayerische  Staatsforste. 

Handb.  d.  Foretw.    2.  Aufl.     I. 


2 


18 


I.    Weber,  Die  Aofjfaben  der  Forstwirtschaft. 


Bewaldungsziffer 
Staaten  und  Landes  teile  Ges.  Waldfläche  von  der 

Landesfläche 

B.  Ungrarn'")  Transleithanien)     .     9074121  ha  27,9«/o 

näml.  das  eigentliche  Ungarn       .     7  543679    ,  26,7  , 

Croatien  und  Slavonien  1530  442    ,  36,0  , 

Sa.  Öesterreich^OngärnT  " .'  TS  783~74r  ,  ~ "30,Ö9~ 

Schweiz««)     ......       781984    ,  19,29, 

dagegen  von  der  produktiven  Bodenfläche  27,21  , ) 

Frankreich  im  Jahr  1881 '»*)    8397131    ,  15,89  , 

Von  den  einzelnen  Departements")    haben  2  über  40^0 

,     ,  .  ,  ,8  zwischen  80— 40% 

„     ,  ,  „  ,17  zwischen  20— 30«/o 

„     „  ,  „  ,42  zwischen  10— 20^0 

1,     V  V  „  «18  zwischen    2 — lO^o 

Italien") 5  760  720  ha  22,0Vo 

Spanien««) 8  687  715    ,  16,9, 

Portugal«*) 471830    ,  5,1, 

Griechenland ")  u.  ««)  820  000    .  15,8  , 

Türkei  •») 8  300  923    ,  22,2  . 

(hierin  sind  noch  inbegriffen  die  Waldflächen  von  Bulgarien 
mit  3  041  126  ha  SO^/o  der  Landesfläche  *•).  sowie  jene 
von  Bosnien  und  der  Herzogowina) 

Rumänien*») 2  774  048  ha  23,0^0 

Serbien*») 2  090  592    ,  48,0  , 

Grossbritannien*«).     .     .    .      1261872    ,  4,1, 

Belgien*«) 202  997    ,  6,9  , 

Niederlande*») 224  384    ,  7,0  , 

Dänemark*«) 185  744    ,  3,4  , 

Schweden*«) 17  358172    ,  84,1. 

Norwegen  *«)     südlich     des 

Polarkreises) 7  762 100    ,  31,5  „ 

Europ.    Russland  **)     ohne 

Finnland) 181228  000    ,  36,0  , 

Grossfürstent.  Finland*^)    .    20  782  880    „ 56,0  „ 

Europas  Waldfläche  .    .    .  299  730  956  ha    '  31^57o 


Auf  den  Kopf  der 

Einwohnerschaft 

trifft  eine   W^ald- 

fläche  von 

0,52  , 


0,415  p 

0,28  . 

0.23  . 


0,20  ha 

0,52  . 

0,10  , 

0,49  , 

1,43  . 


0,51 
1,35 
0,03 
0,04 
0,05 
0,10 
3,82 

4,31 

1.87 
10,52 


1,01  ha 


31)  Nach  K.  Schindler  „Die  Forste  der  in  Verwaltung  des  Ackerbau-Ministeriums 
stehenden  Staats-  und  Fondsgüter.  Wien  1885.  (Nach  den  definitiven  Resultaten  der  neuen 
Grundsteuerregulierung. ) 

32)  Nach  A.  Bedö  „Die  wirtschaftliche  und  kommerzielle  Beschreibung  der  Wälder 
des  ungarischen  Staates.  Budapest  1885.  Herausgeg.  vom  k.  ung.  Ministerium  für  Acker- 
bau etc. 

33)  Nach  den  amtl.  Angaben  der  Forstverwaltung  bei  der  Züricher  Landesausstellung 

1883.  S.  Spezial-Katalog  derselben.  Die  Bewaldungsziifer  der  einzelnen  Kantone  ist:  Zürich 
28,57 >,  Bern  21,19 ^o,  Luzern  20.17 »/o,  üri  9,79^0,  Schwyz  18,85 >,  Unterwaiden  ob. 
23,88  ^'/o,  Nidw.  23.88  7o,  Glarus  18,03  >,  Zug  13,79  «/o,  Freiburg  16,94  >,  Solothurn 
36,340/0,  Basel-Land  34,38%,  Schaffhausen  38,17^/0,  Appenzell  A.  R.  18.37  <>/o,  St.  Gallen 
17,37  o/o,  Graubünden  13,50  »/o,  Aargau  30.19^/0,  Thurgau  21.38  ^o,  Tessin  19.78  «/o.  Waadt 
26,52  >,  Wallis  12,07^0,  Neuenburg  24,10  >,  Genf  10,25  >. 

34)  Nach  dem  Annuaire  des  Eaux  et  For6ts.  1901. 

35)  Nach  der  Statistique  Forestiöre.     Paris  1878.    Imp.  nationale 

36)  Nach  Leo  „ Forststatistik "^  dagegen  giebt  Prof.  Marchet  Italiens  Forstfläche  auf 
5  025  983  ha  =  16,02  7o  an. 

37)  Prof.  Marchet  giebt  Griechenlands  Forstfläche  auf  945  487  ha  =  18,00/o  an. 

38)  Nach  Dr.  N.  Chloros  „Waldverhältnisse  Griechenlands".     München  1884. 

39)  Nach  der  „Statistique  foresti^re".  Paris,  dagegen  giebt  Prof.  Marchet  die  Forst- 
fläche der  Türkei  auf  5  417  418  ha  =  14,0 >  an. 

40)  Nach  F.  X.  Kestercanek  „Die  forstl.  Verhältnisse  Bulgariens".    Oesterr.  Forstz. 

1884.  S.  140,  sowie  von  Demselben  „Die  forstl.  Verhältnisse  Serbiens".  Oesterr.  Forst.  1883. 
S.  42. 

41)  Nach  „Noticcs  sur  les  forOts  du  Royaume  de  Roumanic".     Bukarest  1900. 


Die  geographische  Verteilung  der  Wälder  in  Europa  u.  ihre  historischen  Ursachen.  §  11.    19 


Von  der  gesamten  Waldfläche  sind  im  Besitze 

der  Stiftungen 
des  Staates    und  sonstiger 
und  der  Fonds 


B.  Ungarn  (Transleithanien) 
nämlich  eigentl.  Ungarn 
Croatien  und  Slavonien  . 


Irone 

(Religions-  und 
Kirchen) 
folgende  Prozente 

rciucijii 

16,0 

6,6 

18,5 

15,3 

7,4 

20,1 

19,1 

2,4 

10,4 

der  der  Genos-        der 

Gemeinden    senschaften    Privaten 


17,7 

12,9 
41,4 


41,3 

44,3 
26,6 


4,19«)  (Schweiz) 


11,16 


0,35 


4,63 


84,21 


66,45 


22,50 


10,70  (Frankreich) 

2  über  407o  Staatswald,  12  über  507o  Gemeindewald 

14  zwischen  20— 30%  „  16  zwischen  20— 507o 

18        ,  10—20%  .  13        ,  10—20% 

41        ,  1—10%  ,  35        ,  0— 107o 

12  gar  keinen  „  11         „        gar  keinen 

3,8        (Italien)  43,0 

82,2")    (Spanien) 

(Ueber  Portugal  fehlen  diese  Angaben.) 
80,0*«)    (Griechenland) 
41,7        (Rumänien)  4,6 

/Ueber  diese  Länder  waren  genauere  Angaben  bezügl.  der 
\ßesitz-Kategorien  nicht  zu  erhalten. 

19,9        (Schweden)  " 

12,52        (Rorwegen«)       '  2,66 


29,36 
66,45 


53,8 

17,8 

20,0 
53,7 


80,1 
84,8 


60,3        (europ.  Russland)  29,7 

71,1        (G rossherzogt.  Finnland)  18,9 

sie  statistisch  in  mehreren  Staaten  verzeichnet  und  in  der  Tabelle  auf  S.  20  zusammen- 
gestellt ist. 

Hiernach  gehören  dem  Hochgebirge  mit  über  600  m  absoluter  Höhe  in  Oester- 
reich  81,5"/o  der  ganzen  Staatswaldfläche  (incl.  Fondsforste),  in  Ungarn  57,3^0,  in 
Frankreich  35,26»/o  der  Staatsforste  und  24,33®/o  der  Privatwälder,  während  dem  Mit- 
telgebirge in  Oesterreich  15,5^0,  in  Ungarn  28,07oj  ^^  Frankreich  47,55^0  der 
Staatsforste  und  31,06<^/o  der  Privatwälder  zufallen. 

Im  deutschen  Reiche  ist  die  Verteilung  des  Waldes  (nach  Bernhardt) 
beiläufig  folgende: 

dem  süddeutschen  Gebirgslande  und  den  Alpen  gehören  an  30^0 
dem  mitteldeutschen  Berg-  und  Hügellande  „  «    28®/o 

dem  nordostdeutschen  Binnenflachlande  „  „    10®/o 


42)  Nach  dem  Bericht  des  holländischen  Ministeriums  für  Volkswirtschaft.  Handel  und 
Industrie  von  1883. 

43)  Nach  Dr.  0.  Er  och  „Le  royaume  de  Norv^gien.     Christiania  1876. 

44)  Nach  den  Beiträgen  zur  Statistik  der  Forsten  des  europ.  Russlands  von  K.  Henke.  1888. 

45)  Nach  Konsul  Lamezan  im  XXIV.  Jahrg.  d.  Ztsch.  des  k.  preuss.  statistischen  Bu- 
reaus 1884. 

46)  Den  absolut  grössten  Staatswaldbesitz  hat  der  Kanton  Bern  mit  11  715  ha  =  8,11 7«. 
den  relativ  grössten  Schaffhausen  mit  1876  ha  =:  16,70  7«  der  ganzen  Waldfläche.  Gar  keinen 
Staatswald  haben  die  Kantone  Uri,  Schwyz,  Unterwaiden,  Glarus,  Zug.  Basel.  Tessin,  Grau- 
bünden,  Wallis,  Genf. 

47)  Nach  den  früheren  Veröifentlichungen  des  span.  Ministeriums  beträgt  die  Staats- 
waldfläche 7  105  372  ha  (Oesterr.  F.Z.  1886.  S.  (58).  Jedoch  scheinen  hierunter  alle  unter 
staatlicher  Aufsicht  stehenden  Fondsforste  mit  begriffen  zu  sein. 

48)  Nach  Dr.  N.  Chloros  beträgt  die  griechische  Staatswaldfläche  656  000  ha. 

49)  Nach  dem  amtl.  Berichte  der  norwegischen  Forstverwaltung  pro  1875. 

9  * 


20 


I.  Weber.  Die  Aafgaben  der  Forstwirtschaft. 


Uebersicht  über  die  Verteilung  der  Wälder  nach  Höhenregionen. 


Regionen  von  einer 
Meereshöhe 


1— 

300 

400- 

500- 

600- 

700- 

800- 

900- 

1000- 

1200- 

1400- 

1600— 

1800- 

2000- 

über 


300  m 
00  , 
500  , 
600  . 
700  , 
800  , 
900  , 
1000, 
1200, 
1400, 
1600, 
1800. 
2000. 
2200, 
2200. 


In  Oesterrcich  ••) 


Staatfl- 
forste 


Fonds- 
forste 


Zu- 
sammen 


In  Württembergs 
Staatsforsten 


Laubholz  iNadeiholz 


2,8  7o 

14.0  . 

23.1  . 


1 

Ml/ 


3,4  «/o         3,0  «/« 


19.2 


31,7 


41,3 


15,5 


25,6 


41,6 


18,3 


4,4 


14,3 


6«/o 

15  , 
22  , 

21  , 
23, 

12  , 
1  , 


7> 

25  , 
18  , 
11  , 

6  . 

1  , 


In  Frankreich 


Staatsforste  |     Pri- 
u.    Stiftungs-i     vat- 
waldungen   i  "wälder 


17,19 
34,41 

13,14 
6,01 


44,61 

19,32 

11,74 

7,20 


7,00 

11,78 

6,21 

3.31 

7,80 

1,64 

3,90 

0,31 

2,00 

0,07 

1,62 

0,01 

0,61 

^"~' 

0,11 

0,01 

100,00 


I     100,0    ]      100,0    I      100,0    I      100      !      100      I       100,00 
dem  norddeutschen  Berg  und  Binnenfl  achlande  gehören  an    15®/o 
dem  norddeutschen  Tieflande  „         „    17*^/o 

Schon  hieraus  lässt  sich  ersehen ,  dass  die  Zurückdrängung  der  Waldflächen  auf  jene 
Standorte,   wo  keine  intensivere  Bodenbenutzung  als  die  Waldwirtschaft  möglich  ist, 
im  Grossen  und  Ganzen  sich  bereits  vollzogen  hat  und  dass  nur  die  starke  Nachfrage 
nach  Holz  bei  mangelndem  anderweitigem  Ersätze  in  ausgedehnten  Tieflagen  und  land- 
wirtschaftlichen Distrikten  die  stellenweise  Erhaltung  der  Bewaldung  ermöglicht  hat. 
üebrigens  ist  das  Problem  der  zweckmässigsten  und  rationellsten  Verteilung  der  ver- 
schiedenen Kulturarten  und  Formen  der  Bodenbenutzung  noch  keineswegs  abgeschlossen, 
sondern  es  vollzieht  sich,  wie  die  Ziffern  für  Rodungen  und  Wiederaufforstungen  zeigen, 
im  freien  wirtschaftlichen  Verkehr  ebenso  wie  unter  der  staatlichen  Kontrolle  eine  un- 
ausgesetzte Bewegung  in  den  Verschiebungen  der  Grenzen  der  einzelnen  Kulturarten. 
Die  wirkenden  Ursachen  hievon  liegen  teils  in  der  Bodenerschöpfung  und  unzureichen- 
den Düngung  bei  sinkenden  Getreidepreisen,  hohen  Löhnen  und  steigendem  Holzpreise, 
welche  zusammen  die  Wiederaufforstungen  begünstigen,  teils  in  der  Bevölkerungszu- 
nahme, steigenden  Preisen  landwirtschaftlicher  Produkte,  Ausdehnung  der  Viehweide, 
welche  zusammen  zu  Rodungen  und  zum  üebergang  zu   arbeitsintensiveren  Betrieben 
anreizen.    Die  fortwährenden  Preisänderungen  lassen  daher  dem  rechnenden  Landwirt 
bald  das  eine  bald  das  andere  rentabler  erscheinen,  wenn  es  sich  um  Flächen  handelt, 
deren  Benutzungsart  zweifelhaft  ist. 

Die  Bedentung  der  Wälder  für  das  öffentliche  Wohl  und  die  staatswirt- 
schaftlichen Gesichtspunkte  der  Forstwirtschaft. 

Rauch  „Regeneration  de  la  nature  vegßtale'^.  Paris  1818.  Moreau  de  Jonnös 
„Memoires  sur  le  deboisement '  des  forßts".  Bruxelles  1825.  Ins  Deuteche  übersetzt  von 
Widenmann.     Zwierlein,  C.  A.    „Vom  grossen  Einfluss   der  Waldungen   auf  Kultur   und 

50)  Oesterreich  ist  hier  als  Cisleithanien  gemeint ;  hingegen  ist  in  den  zur  Krone  Ungarn 
gehörigen  Ländern  die  Wälderverteilung  folgende: 

Dem  Hochgebirge  (über  600  m  Seeböhe)  gehören  57,37©  der  Waldflächen 
„     Mittelgebirge  (200—600  m      „      )        ,        28,0  >    . 


der  Ebene  und  der  Hügellande 


U,77o 


an. 


Die  Bedeutung  der  Wälder  für  das  öffentliche  Wohl  eU\     §  12.  21 

Beglückung  der  Staaten".  Würzburg  1807.  Stahel.  v.  SchtfUes.  G.  F  Chr.  „Der  neue 
Sylvan**.  Vorlesungen  über  den  Einfluss  der  Wälder  auf  die  Nationalökonomie  etc.  Ilmenau 
1882.  Voigt.  Hundeshagen,  J.  Chr.  „lieber  den  Einfluss  der  Wälder  auf  das  Klima  und 
die  Länder".  Beiträge  zur  gesamten  Forstwissenschaft  III  1.  S.  92.  v.  P  a  n  n  e  w  i  t  z  unter 
gleichem  Titel  in  den  Verhandlungen  des  schles.  Forstvereins  1859.  Lange  .Welchen  Ein- 
fluss hat  das  Ausroden  der  Waldungen  auf  das  Klima  und  auf  die  Vegetation  einer  Gegend''. 
Altenburg  1837.  v.  Baum  er.  «Betrachtungen  über  die  Abnahme  der  Waldungen,  die  Ur- 
sachen und  Folgen  derselben  und  die  Mittel,  denselben  Einhalt  zu  tun"*.  Nördlingen  1846. 
Krutzsch.  H.,  „lieber  den  Einfluss  der  Waldungen  auf  die  Regen  Verhältnisse  in  der  ge- 
mässigten Zone".    Tharander  Jahrbuch  1855,    S.  123.    Rossmässler.    A.    ^Der  Wald*". 

1861.  Leipzig  und  Heidelberg.  Winter.  Becquerel,  A.  C.  ^ Memoire  sur  les  forfits  et 
leur  influence  climaterique".  Paris  18B6.  Becquerel,  Edm.  „Memoire  sur  la  temperature 
de  Tair  sous  bois  et  hors  des  bois".  Comptes  rend.  1869,  Nr.  12.  Beck,  0.  .Die  Wald- 
schatzfrage in  Preussen**.  Berlin  1860.  Nördlinger,  H.  Dr.  ^Der  Einfluss  des  Waldes 
auf  die  Temperatur''.  Krit.  Bl.  1862.  Mayr,  Gg.  .Einfluss  der  Wälder  auf  Klima  und 
Bodenbeschaffenheit".  Krit.  Bl.  1863.  Bd.  46,  S.  41.  Floren  o,  H.,  ^Sull'  importanza  del 
mantenimento  dei  boschi  et  sul  vero  regimento  della  loro  amministrazione''.  Gatania  1862. 
Rentzsch,  H,  Dr.  „Der  Wald  im  Haushalte  der  Natur  und  der  Volkswirtschaft''.    Leipzig 

1862.  Smoler,  M.  Dr.  «Der  Wald  in  seinen  Beziehungen  zur  Meteorologie  und  Hygiene". 
Smol.  Vereinsschrift  1863.  (Jomont,  M.  ,De  l'influence  des  for^ts  sur  le  climat,  le  sol  et 
les  eaujc*^.  Paris  1866.  Contzen,  H.  Dr.  „Einfluss  des  Waldes  auf  Klima,  Kultur  etc." 
Leipzig  1868.  Derselbe  , Forstliche  Zeitfragen".  Leipzig  1870.  Ney,  E.  ^Die  natür- 
liche Bestimmung  des  Waldes  und  die  Streunutzung **.  Dürkheim  1869.  v.  Baur.  F.  Dr. 
.Der  Wald  und  seine  Bodendecke".  1869.  Monographie.  Rivoli  j.Der  Einfluss  der  Wälder 
auf  die  Temperatur  der  untersten  Luftschichten'*.  Posen  1869.  Landolt  ,Der  W^ald  im 
Haushalt  der  Natur  und  der  Menschen".  Zürich  1870.  S  c  h  1  e  i  d  e  n  „Für  Baum  und  Wald*. 
Leipzig  1870.  v.  Löffelholz-Colberg,  F.  Frhi*.  „Die  Bedeutung  und  Wichtigkeit 
des  Waldes  etc."  Leipzig  1872.  H.  Schmidt.  Ebermayer,  E.  Dr.  „Die  physikalischen 
Einwirkungen  des  Waldes  auf  Luft  und  Boden".  Aschaffenburg  1873.  Lorenz  J.  Ritter 
von  Liburnau,  Dr.  „Wald,  Klima  und  Wasser".  München  1 873.  P  u  r  k  y  n  e ,  E.  Dr. 
,Ueber  die  Wald-  und  Wasserfrage".  Oesterr.  Monatsschr.  1876,  S.  136.  P.  Demontzey 
„Trait6  pratique  du  reboisement  et  du  gazonnement  des  montagnes".  Paris  1882.  In  deut- 
scher Bearbeitung  von  Dr.  A.  Frhr.  v.  Seckendrff.  Nördlinger,  Theod.  Dr.  ,.Der  Ein- 
fluss des  Waldes  auf  die  Luft-  und  Bodenwärme".  Berlin  1885.  E.  Ney  „Der  Wald  und 
die  Quellen"  Tübingen  1894.  F.  Pietzcker.  H.  E.  Hamberg  ,,De  Tinfluence  des  foröts  sur 
le  climat  de  SuMe"  Stockhdlm  1896.  Dr.  Paul  Schreiber,  „Die  Einwirkung  des  Waldes 
auf  Klima  und  Witterung".  Dresden  1899.  Schönfelds  Verlag.  J.  Schubert  „Der  jähr- 
liche Gang  der  Luft-  und  Bodentemperatur  im  Freien  und  in  Waldungen'*  etc.  Berlin  1900. 
Jul.  Springer.  Ebermayer  „Die  Einwirkung  des  Waldes  auf  die  Sickerwassermengen". 
München  1900.     F.  Wang  „Grundriss  der  Wildbach- Verbauung"   Leipzig  1901. 

§  12.  In  dem  einleitenden  Teile  wurde  gezeigt,  wie  mannigfach  die  ganze  Kul- 
tnrentwicklung  der  Völker  die  Existenz  des  Waldes  beeinflusste  und  wie  namentlich 
die  verschiedenen  staatsrechtlichen  Auffassungen  der  Aufgaben,  welche  die  Regierungs- 
gewalt  in  Bezug  auf  die  Waldwirtschaft  zu  erfüllen  hat,  eine  grosse  praktische  Be- 
deutung für  die  Entwicklung  wie  andererseits  für  die  Verhinderung  einer  guten  Forst- 
wirtschaft hatten.  Fasst  man  den  Staat  als  den  höchsten,  faktisch  herrschenden  Ein- 
heitswiilen  des  Volkes  auf,  so  gehört  zu  seinen  wesentlichsten  Aufgaben  die  Herstellung 
der  moralischen  und  materiellen  Existenzbedingungen  seiner  Angehörigen.  Wenn  also 
auf  irgend  einem  Gebiete  die  Existenzbedingungen  der  Gesamtheit  in  Frage  kommen, 
so  rechtfertigt  dies  ein  autoritatives  Eingreifen  der  Staatsgewalt  in  öffentlichem  In- 
teresse, um  die  Hindernisse  für  die  menschliche  Kulturentwicklung  zu  beseitigen  oder 
erforderlichenfalles  unmittelbar  fördernde  Veranstaltungen  zur  Erreichung  des  gemein- 
schaftlichen öffentlichen  Zweckes  zu  treffen.  Dies  ist  namentlich  dann  der  Fall,  wenn 
die  Kraft  des  Einzelnen  unzureichend  ist  und  eine  Znsammenfassung  vieler  Kräfte  zur 
Erreichung  des  gemeinsamen  Zieles  notwendig  ist,  oder  wenn  die  zeitliche  Nachhaltig- 
keit bei  Unternehmungen,  welche  die  Dauer  eines  Menschenlebens  übertreffen,  eine  Haupt- 


22  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft, 

bedingung  für  das  Gelingen  des  Unternehmens  bilden,  wie  dies  in  der  Forstwirtschaft 
geschieht.    Die  Entfaltung  einer  staatlichen  Tätigkeit  in  dieser   Richtung    empfiehlt 
sich  um  so  mehr,  wenn  der  Erfolg  derselben  möglichst  vielen,  aber  dem  einzelnen  nnr 
in  unmessbarem  Grade  zu  gute  kommt  (Ad.  Wagner).    Aber  auch  da,  wo  der  einzelne 
in  Yerkennung  der  Gefahr,  welche  seine  Handlungen  inr  das  Öffentliche  Interesse  nach 
sich  ziehen,  sei  es  in  gutem  Glauben  sei  es  aus  bösem  Willen,  das  letztere  schädigt, 
ist  das  Eingreifen  der  staatlichen  Obrigkeit  in  dessen  Interessensphäre  gerechtferti^. 
In  diesem  Sinne  hat  die  Frage  der  Erhaltung  der  Wälder,  wie  uns  die  Rechts- 
und Wirtschaftsgeschichte  fast  aller  Staaten  zeigt,  seit  den  ältesten  Zeiten  die  Gesetz- 
geber und   die  Exekutive  der  Staatsverwaltungen  beschäftigt.    Man   erkannte   schon 
frühzeitig,  dass  mit  der  Vernichtung  der  Wälder  eines  Landes  Veränderungen  in  dem 
physischen  Zustande  desselben  eintreten,  die  sehr  oft  verhängnisvoll  für  die  Gesamtheit 
der  Bewohner  verlaufen,   und  schon  Plato  (Critias)  berichtet  über  das  „Erkranken 
des  Landes*^  in  Folge  der  Entwaldungen,    lieber  die  verschiedenen  Bestrebungen  des 
Altertums,  den  menschlichen  Egoismus  durch  religiöse  Weihe  sowie  durch  Gesetzgebung 
von  der  masslosen  Wälderzerstörung  abzuhalten,  haben  wir  schon  im  §  8  gesprochen. 
Nicht  minder  zeigen  die  tausende  von  landesherrlichen  Erlassen,   Gesetzen  und  Foi-st- 
ordnungen,   dass  im  Mittelalter  bis  in  die  Neuzeit  die  Staatsgewalt  sich  jederzeit  im 
öffentlichen  Interesse  um  die  Erhaltung  und  Verbesserung  des  Zustandes  der  Wälder 
eifrig  gekümmert  hat.     Freilich  war  hiebei  der  leitende  Beweggrund  in  der  Regel  bloss 
die  Sorge  für  nachhaltige  Bereithaltung  des  für  die  Gesamtheit  der  Einwohner  unent- 
behrlichen Brenn-  und  Baumaterials,  aber  in  den  Gebirgsgegenden  sowie  auf  Sandboden 
und  den  Dünen  wird  schon  frühzeitig  dem  Walde  ein  über  seine  Grenzen 
hinausreichender  Einfluss  auf  die  Beschaffenheit  des  Landes 
zugeschrieben,    wozu   namentlich    die  Erfahrungen   in   Italien   beitrugen.    Die  älteste 
schriftliche  Aufzeichnung  über  dieses  Thema  verdankt  man   dem  Spanier  Fernando 
Colon  (f  1540),  welcher  in  einer  Lebensbeschreibung  des  Admirals  Almirante  (Kap.  58) 
eine  aus  den  Schiffsjournalen  desselben  geschöpfte  Betrachtung  über  die  Klima te  ein- 
flicht; es  heisst  hier"): 

„Der  Admiral  schrieb  dem  Umfange  und  der  Dichtigkeit  der  Wälder,  welche  die 
Rücken  der  Berge  bedeckten,  die  vielen  erfrischenden,  die  Luft  abkühlenden  Regengüsse 
zu ,  denen  er  ausgesetzt  war ,  so  lange  er  längs  der  Küste  von  Jamaica  hinsegelte .  und 
bemerkt  hiebei,  dass  vormals  auf  Madeira,  den  canarischen  und  azorischen  Inseln  die  Wasser- 
menge ebenso  gross  war ,  aber  dass  seit  jener  Zeit ,  wo  man  die  Bäume  abgehauen  hat. 
welche  Schatten  verbreiteten,  die  Regen  daselbst  seltener  geworden  sind." 

Diese  Aeusserung  ist  die  erste  der  zahlreichen,  später  aus  tropischen  Ländern  zu  uns 
gelangten  Klagen  über  den  verderblichen  Einfluss  der  Waldausstockungen  auf  die  kli- 
matischen Verhältnisse,  welche  wir  hier  schon  des  Raumes  halber  nicht  alle  anführen 
können. 

Aber  auch  in  Europa  sammelte  man  frühzeitig  Erfahrungen  über  die  schlimmen 

Wirkungen  der  ausgedehnten  Abholzungen ;  so  bemerkt  z.  B.  der  kurf.  sächsische  Advokat 

K.  G.  Rössig**)  über  Kurfürsts  August  I.  von  Sachsen  (f  1586)  Wirtschaftspolitik: 

„Nicht  weniger  sah  er  übrigens  ein,  wie  nachteilig  oft  die  Ausrottung  der  Wälder, 
sobald  sie  unüberlegt  geschieht,  für  ganze  Gegenden  werden  kann ;  nicht  etwa  bloss  durch 
Uolzmangel ,  sondern  auch ,  indem  sie  über  grosse  Landstriche  Unfruchtbarkeit  verbreiten 
kann.  Wie  oft  schützt  ein  Wald  die  Nahrung  einer  Gegend!  Er  deckt  ihre  Aecker  vor 
den  verheerenden  Nordwinden,  befruchtet  oft  den  Rücken  eines  Berges  durch  seinen  Schutz 


51)  S.  Alex.  V.  Humboldt  „Kosmos"  n.  Bd.  S.  322. 

52)  Versuch   einer   pragmatischen  (beschichte    der  Oekonomie-,   Polizei-  und  Cameral- 
wissenschaften.    Leipzig  1782. 


Die  Bedeutung  der  Wälder  für  das  öffentliche  Wohl  etc.     §  12.  23 

und  das  abfallende  Laub  und  Holz,  der  sonst  ein  ganz  unfruchtbarer  Sandhügel  sein 
würde  und  dessen  Kultur  nun,  da  der  Wald  vertilgt  ist,  unmöglich  wird.  So  schreibt  man 
in  einigen  Gegenden  Italiens  die  Unfruchtbarkeit  nicht  ohne  Grund  der  Ausrottung  der 
Wälder  auf  den  nahen  Gebirgen  zu.  da  man  weiss,  dass  dieselben,  da  die  Wälder  noch 
standen,  Früchte  brachten  und  als  fruchtbare  Länder  bekannt  waren''. 

Einen  besonderen  Aufschwung  erhielt  die  Wertschätzung  des  Waldes  durch  die 
wissenschaftlich  exakten  Untersuchungen  des  berühmten  Naturforschers  Buffon,  wel- 
cher wie  schon  in  §  3  ervv'ähnt,  mehrere  Probleme  der  praktischen  Forstwirtschaft  zu 
lösen  bemüht  war  und  gelegentlich  seiner  Eeisen  auch  Beobachtungen  über  die  Wir- 
kungen der  ausgedehnten  Waldde vastationen  machte,  deren  Ergebnis  er  in  die  Worte 
zusammenfasste :  „Je  länger  ein  Land  bewohnt  wird,  desto  wald-  und  wasserärmer  ist 
es.*  Auch  Choiseul-Gouffier  stellte  gelegentlich  seiner  Reisen  in  Griechenland 
Beobachtungen  über  die  mit  dem  Verschwinden  der  Wälder  zusammenhängende  Ab- 
nahme des  Quellenreichtums  in  diesem  Lande  an,  während  andere  Eeisende  dieselbe 
Erscheinung  der  Abnahme  des  fliessenden  Wassers  in  Syrien  und  Kleinasien  wahrnah- 
men, z.  B.  Marchand. 

Eine  praktische  Bedeutung  erhielten  alle  diese  vereinzelten  Beobachtungen  aber 
erst,  nachdem  die  in  grossartigem  Massstabe  betriebenen  Waldrodungen  im  Verlaufe 
der  französischen  Revolution  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  die  hiedurch  hervor- 
gerufenen Schädigungen  der  öffentlichen  Wohlfahrt  gelenkt  hatten  —  Schäden,  deren 
Abwendung  gegenwärtig  mit  dem  Aufgebote  von  Millionen  Frcs.  jährlich  und  mit  Auf- 
wand alles  Scharfsinnes  der  Forst-  und  Wasserbau-Ingenieure  kaum  zu  bewältigen  ist. 
Zahlreiche  Berichte  der  Administrationen  und  gemeinnütziger  Gesellschaften  erzählen 
von  den  bald  nach  den  grossen  Waldausstockungen  eingetretenen  Schädigungen  der 
öffentlichen  Wohlfahrt.    Schon  1792  schreibt  die  Administration  des  Basses-Alpes : 

„Die  Ausrodungen  mehren  sich  rasch,  von  Dique  bis  Entrevaux  sind  die  Gehänge 
der  Gebirge  von  den  schönsten  Wäldern  entblösst  worden ;  die  kleinsten  Bäche  werden  nun 
zu  Strömen  und  mehrere  Gemeinden  haben  durch  das  Austreten  der  Flüsse  ihre  Ernten,  ihre 
Herden  und  Häuser  verloren.'' 

Im  Jahre  1803  äussert  sich  die  Agrikulturgesellschaft  in  Mareeille: 

,Die  Winter  sind  strenger,  die  Sommer  trockener  und  heisser,  die  wohlthätigen  Früh- 
lings- und  Herbstregen  bleiben  aus :  der  Üveaune-Fluss ,  welcher  von  0  nach  W  fliesst, 
reisst  beim  geringsten  Gewitter  das  (Jelände  mit  sich  fort  und  überschwemmt  die  reichsten 
Wiesen ,  aber  neun  Monate  im  Jahre  liegt  sein  Bett  trocken  infolge  des  Versiegens  der 
Quellen ;  unregelmässige ,  zerstörende  Gewitter  treten  jetzt  alljährlich  ein  und  der  Regen 
mangelt  zu  jeder  Jahreszeit." 

Namentlich  schon  unter  dem  Konsulat  traten  die  unheilvollen  Wirkungen  dieser 
Devastationen  zu  Tage  und  wurden  von  T  hu  au  in  der  National- Versammlung  lebhaft 
geschildert  (29.  öerminal  an  XI).  Seit  jener  Zeit  datiert  hauptsächlich  die  litterarische 
Bewegung  zum  Schutze  des  bedrohten  Waldes  und  zur  Erörterung  seiner  Funktionen 
im  Haushalt«  der  Natur,  deren  wichtigste  Bücher  wir  im  Eingang  aufgezählt  haben, 
ohne  jedoch  die  Gesamtzahl  dieser  Litteraturgattung  damit  zu  erschöpfen.  Die  wei- 
teste Verbreitung  fand  unter  diesen  das  Werk  von  Moreau  de  Jonn6s,  welches  in 
Belgien  preisgekrönt  wurde,  jedoch  durch  die  vielfach  übertreibende  Darstellung  und 
den  Mangel  an  exaktem  Beweismaterial  auch  gleichzeitig  zur  Diskreditierung  dieser 
Bestrebungen  beitrug.  Erst  dem  wissenschaftlichen  Ernst,  der  den  Untersuchungen 
Alex.  V.  Humboldts,  Boussingaults,  Becquerels  zu  Grunde  lag,  gelang 
es,  die  Frage  über  die  Bedeutung  des  Waldes  von  diesen  Uebertreibungen  zu  befreien, 
während  in  der  jüngsten  Zeit  Prof.  Krutzsch,  Forstrat  Nördlinger  und  vor 
allem  Prof.  Dr.  Ebermayer,  Bitter  v.  L  i  b  u  r  n  a  u  und  Dr.  Müttrich  jene  Spe- 
zialisierung und  direkte  Versuchsanstellung  auf  scharf  abgegrenzten  Gebieten  zur  An- 


24  T.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Wendung  brachten,  wie  sie  der  Gang  der  induktiven  Forschung  erfordert^). 

Anstatt  also  die  zahlreichen  ans  Reisebeschreibungen  oder  Chroniken  geschöpften 
Einzelberichte  über  vorgekommene  Fälle  von  Temperaturveränderungen,  vom  Vertrock- 
nen ganzer  Landstriche,  vom  Versiegen  der  Quellen,  Fehlen  der  Regenniederschläge  und 
des  Taues  hier  zu  wiederholen,  verweise  ich  jeden  sich  dafür  interessierenden  Leser 
auf  das  oben  zitierte  Sammelwerk  von  Frhm.  v.  Löffelholz-Colberg,  wo  mit 
grösstem  Fleiss  ein  290  Seiten  füllendes  Material  dieser  Art  aus  allen  Ländern  zusam- 
mengestellt und  mit  Quellenangabe  nachgewiesen  ist  und  wo  sich  ein  erdrückendes  Be- 
weismaterial für  das  Vorhandensein   eines   dringenden  öffentlichen  Interesses  an    der 
Waldschutzfrage  deponiert  ündet.    In  den  letzten  beiden  Dezennien  des  XIX.  Jahr- 
hunderts haben  sich  verschiedene  Stimmen  erhoben,   welche  die  kritische  Betrachtung 
der  Walderhaltungsfrage  oft  bis  zur  vollständigen  Verneinung  aller  sog.  „W^ohlfahrts- 
wirkungen  des  Waldes"  trieben.    Dieser  Standpunkt  ist  zum  Teil  auch  in  der  Abhand- 
lung über  Forstpolitik  dieses  Werkes  von  Professor  Dr.  Lehr  vertreten  worden  und 
iindet  namentlich  bei  den  Bewohnern  der  Ebenen  und  des  Tieflandes  Beifall.    Dem 
gegenüber  hat  sich  aber  in  den  Gebirgsländem  die  Ueberzeugung  ungeschwächt  erhalten, 
dass  dem  Walde  ein  über  seine  Grenzen  hinausreichender  Einfluss   auf  gewisse  klima- 
tische Faktoren  zuzuschreiben  sei,  und  das  Studium  dieser  Frage  gewinnt  in  neuester 
Zeit,  wie  die  Berichte  wissenschaftlicher  Beobachter  aus  Eussland,  aus  britisch  Indien 
und  aus  Nordamerika  beweisen,  wieder  an  Interesse.    Ich  glaube  es  daher  dem  Leser- 
kreise dieses  Handbuches  schuldig  zu  sein,  in  Vertretung  dieses  letzteren  Gesichtspunktes, 
die  in  vielen  Einzelberichten  zerstreuten  Ergebnisse  der  exakten  Naturforschung  über 
die  einzelnen  Seiten,  welche  bei  der  Wirkung  des  Waldes  zu  unterscheiden  sind,  über- 
sichtlich zu  ordnen  und  so  den  Gesamteffekt  in  seine  einzelnen  Komponenten  zu  zer- 
legen.   Ich  betrachte  daher  im  Nachstehenden  getrennt  1)  den  Einfluss  des  Waldes 
auf  die  Luft-   und  Bodentemperatur,  2)  dessen  Einwirkung  auf  die  Feuchtigkeit  der 
Luft  und  des  Bodens,   sowie  auf  den  Kreislauf  des  Wassers,  3)  dessen  Bedeutung  als 
mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  und  der  Schneedecke  und  die 
Abschwächung  der  Winde. 

1.  Einfluss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur. 

§.  13.  So  lange  man  die  Frage  über  den  klimatischen  Einfluss  der  Wälder  ohne 
direkte  thermometrische  Messungen  lediglich  nach  dem  oberflächlichen  Augenschein  er- 
örterte, kamen  die  widersprechendsten  Urteile  darüber  zu  Tage.  So  verlangte  im  Jahre 
1805  der  bayerische  Landesdirektionsrat  Hazzi,  dass  die  Staatsforsten  verkauft  und 
überhaupt  möglichst  viel  Wald  gerodet  werden  solle,  damit  das  rauhe  Klima  Ober- 
bayems,  welches  durch  Schneedruck,  Reife  und  Hagelschauer  die  Waldanwohner  be- 
lästige, gemildert  werde.  Andere  glaubten,  dass  der  Weinbau  in  Deutschland  erst, 
nachdem  ausgedehnte  Waldrodungen  das  Klima  geändert  hätten,  möglich  geworden  sei, 
während  im  diametralen  Gegensatze  hiezu  wieder  die  Behauptung  aufgestellt  wurde, 
dass  Waldrodungen  die  Ursache  des  Eingehens  vieler  Weinberge  gewesen  seien  ^*).  Da 
die  grosse  Menge  überhaupt  in  der  Erklärung  von  Naturerscheinungen  und  im  Auf- 
suchen ihrer  Ursachen  leichtgläubig  und  naiv  ist,  so  müssen  alle  die  zahlreichen  Be- 
hauptungen dieser  Art  mit  kritischem  Blicke  betrachtet  werden.  Um  so  mehr  ver- 
dienen die  exakten  wissenschaftlichen  Forschungen  Anerkennung,  welche  jetzt  in  vielen 

53)  S.  hierüber:  Ebermayer  „Die  geschichtliche  Entwicklung  der  forstl.  meteoro- 
logischen Stationen  und  ihre  zukünftigen  Aufgaben.  In  Ganghofer  Das  forstl.  Versuchswesen. 
II.  Band  1.  Heft.    Augsburg  1882. 

54)  Fischer  „Geschichte  des  Handels"   1793. 


Einfliiss  doß  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur.     §  18,  25 

Ijändem  angestellt  werden  nnd  deren  Ergebnisse  im  folgenden  in  ihren  Hanptzügen 
dargestellt  werden  sollen. 

Das  Klima,  d.  h.  der  durchschnittliche  Gang  der  Luftwärme  und  Feuchtigkeit 
einer  bestimmten  Gegend,  wird  in  erster  Linie  durch  die  erwärmende  Wirkung  der 
Sonnenstrahlen  bedingt  und  hängt  daher  von  der  zweifachen  Bewegung  der  Erdkugel, 
von  der  geographischen  Lage  des  betreffenden  Ortes,  der  Verteilung  von  Land  und 
Wasser,  sowie  von  der  Erhebung  über  die  Meeresoberfläche  ab.  Die  Vegetationsdecke 
und  namentlich  der  Wald  vermögen  an  den  so  gegebenen  klimatischen  Verhältnissen 
nur  innerhalb  gewisser  Grenzen  Veränderungen  hervorzubringen 
—  Modifikationen,  welche  indessen  beachtenswert  werden,  wenn  es  sich  um  ein  grosses 
Areal  handelt,  das  mit  dieser  Vegetationsform  bedeckt  ist.  Dabei  muss  vor  allem  be- 
achtet werden,  dass  der  Ausdruck  „Wald"  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit  verschiedener 
Holzarten  und  Bestockungsformen  umfasst  und  dass  die  Wirkungen  sich  im  Laub-  und 
Nadelwald,  im  Hochwald-  oder  Niederwald,  im  geschlossenen  oder  lückigen  Bestand 
nicht  immer  gleich  bleiben  werden;  die  im  folgenden  mitgeteilten  Beobachtungsergeb- 
nisse beziehen  sich  nur  auf  ganz  geschlossene  Waldbestände.  Schon  Alex.  v.  Hum- 
bold^^)  rechnete  unter  die  kälteerzeugenden  und  die  mittlere  Jahrestemperatur  ver- 
ändernden Ursachen  den  Wald,  wo  er  in  grosser  Ausdehnung  vorhanden  ist  und  zwar 
wegen  der  Verhinderung  der  Insolation  des  Bodens  (Schattenkühle),  dann  wegen  der 
grossen  Verdunstung  der  lebensthätigen  Blätter,  endlich  wegen  der  nächtlichen  Strah- 
lung, die  durch  die  grosse  Oberflächenausdehnung  der  Blätter  begünstigt  wird.  Es  ist 
nämlich  zu  bedenken,  dass  die  atmosphärische  Luft  ihre  Wärme  nur  zu  einem  kleinen 
Teil  durch  unmittelbare  Absorption  der  Sonnenstrahlen  empfängt,  den  weitaus  grösseren 
erhält  sie  vielmehr  durch  Rückstrahlung  und  durch  Leitung  von  dem  nicht  diathermanen 
Boden  zugeführt.  Das  Kronendach  des  Waldes  hindert  aber  diese  Erwärmung  des 
Bodens  in  hohem  Grade,  so  dass  der  Waldluft  vom  Boden  aus  wenig  Wärme  zugeführt 
werden  kann  und  dieselbe  daher  im  Durchschnitt  während  des  Tages  kälter  sein  muss. 
Auch  die  Wärmeausstrahlung  findet  im  Blätterdache  des  Waldes  in  ganz  ähnlicher 
Weise  statt,  wie  wir  dies  bei  Wiesen  nach  nächtlichem  Tau  oder  Reif  beobachten  kön- 
nen, nur  sinkt  im  Walde  die  erkaltete  Luft  durch  die  Zweige  herab,  weil  sie  spezifisch 
schwerer  wird;  doch  unterscheidet  sich  in  dieser  letzteren  Hinsicht  der  Wald  nicht 
wesentlich  von  irgend  einer  anderen  Vegetationsform.  Anderseits  verhindert  das  Kro- 
nendach die  nächtliche  Strahlung  aus  dem  Waldboden,  so  dass  die  Luftschichte  zwischen 
beiden  des  Nachts  meistens  eine  höhere  Temperatur  hat,  als  die  des  freien  Landes  ist. 
Wenn  auch  die  geschilderten  Vorgänge  sich  zunächst  nur  im  Walde  selbst  abspielen, 
so  ist  doch  eine  gewisse  Einwirkung  auf  die  Umgebung  durch  Zirkulationströmungen 
möglich,  so  dass  ein  grösserer  Wald  in  analoger  W^eise  wie  z.  B.  ein  See  bis  auf  ge- 
wisse Entfernungen  hin  klimatische  Modifikationen  hervorbringen  oder  ein  sog.  „Lokal- 
klima* bilden  kann,  welches  gewisse  charakteristische  Eigentümlichkeiten  zeigt.  In 
dieser  Hinsicht  hat  A.  Woeikof^')  in  Petersburg  interessante  Vergleiche  zwischen 
der  mittleren  Juli  temperatur  vieler  auf  gleichen  Breitegraden  gelegener  Stationen 
angestellt,  nachdem  die  Zahlen  der  Celsius-Grade  auf  gleiche  Meereshöhe  (200  m)  redu- 
ziert worden  waren:  Er  fand: 
beim  38^  nördl.  Breite 

Lissabon  21, 4«,    Campomajor  24,6»,    Palermo  24,7«,    Athen    26,20,    Smyrna   26,6», 
Lenkoran  23,7«,  Krasnowodsk  27,8.    Hier  fällt  besonders  auf,  dass  der  waldreiche  Westen 


55)  Kosmos  1.  Bd.  S.  344. 

56)  Petermanns  geogr.  Mitteilungen  31.  Band  1885.  Heft  III.  S.  81. 


26  I.    Weber.  Die  Auf>(aben  der  Forstwirtsrhaft. 

vom  Kaspissee  kühlere  Temperaturen  aufweist  als  die  um  4^  heissere  Ostküste  jn  der  Stein- 
wüste von  Krasnowodsk. 
bei  43»  n.  Br. 

Oporto  19,8«,  Rom  24.()^  Ragusa  28.ß^  Poti  21,6^  Kutais  22,8^  Tiflis  26,0^ 
Orte  am  Amu  Darja  26,8®.  Hieraus  schliesst  W. ,  dass  die  dichten  Wälder  Mingreliens 
(Poti)  die  Temperatur  erniedrigen,  während  in  dem  waldarmen  Tiflis  und  am  Amu  Darja 
eine  um  4°  höhere  Hitze  herrscht ;  einen  analogen  Verlauf  zeigt  folgende  Reihe  von  Juli- 
mitteln : 
bei  46»  n.  Br. 

La  Rochelle  19,3^  Mailand  22,7^  Triest  22,6«,  Agram  21,7».  Szegedin  22,0«,  Arad 
22,8»,  Orawicza  (Ungarn)  19,7»,  Pojana  Ruska  19,9®,  Odessa  21,8»,  Cherson  22.5»,  Astra- 
chan 24,2»,  Orte  am  Syr  Darja  24,5».    Hier  fällt  namentlich  die  niedere  Temperatur  des 
waldreichen  Kroatien  und  Siebenbürgen  auf. 
b  e  i  47  »  n.  Br. 

Brest  16,8»,  Versailles  18.6»,  Karlsruhe  19,2»,  Wien  19,9».  Debreczin  21,5».  Ro- 
senau  20.5».  Bistritz  (Siebenbürgen)  20,0»,  Czernowitz  20,5»,  Ekatcrinoslaw  22.9»,  Lugan 
(Steppe)  22,5»,  Irgis  (Kirgisensteppe)  24,2». 

Die  Temperatur   steigt  hier   vom   atlantischen  Ozean  bis   zu   den  Pussten  Ungarns 
konstant,  aber  im  Osten  Ungarns,  in  dem  waldigen  Siebenbürgen  und  der  Bukowina,  steht 
sie  erheblich  tiefer  als  in  den  russischen  Steppen, 
bei  50^  n.  Br. 

Guernsey  15,3»,  Brüssel  17,0».  Würzburg  20»,  Promenhof  (Böhmen)  18.0»,  Prag  20», 
Hochwald  (mähr.  Plateau)  17,6»,  Troppau  20».  Orte  in  den  Karpathen  17,9»,  Leraberg  18.6». 
Kiew  19,0»,  Charkow  20,2»,  Ssemipalatinsk  22,6».  Auch  hier  steigt  vom  Ozean  bis  zum 
Mainthal  die  Wärme  rasch,  dann  bewirken  aber  die  grossen  Wälder  an  der  bayr. -böhmischen 
Grenze  eine  Temperaturemiedrigung,  die  sich  nochmals  in  den  Karpathen  wiederholt ;  auch 
Kiew  ist  nahe  an  Wäldern  und  Sümpfen,  dagegen  Charkow  an  der  Steppengrenze. 

bei  52»  n.  Br. 

Valentia  (Irland)  14,2»,  Leipzig  17,0»,  Warschau  18,2»,  Tschernigow  18,4»,  Orel 
und  Kursk  19,8»,  Poljänki  (bei  Saratow)  18,7»,  Orenburg  20.6»,  Akmollins  (Kirgisen- 
st^ppe)  21,1®. 

Vom  Meere  an  rasche  Temperaturzunahme  gegen  Mitteldeutschland,  gegen  den  mitt- 
leren Dnieper  aber  und  im  waldigen  Quellengebict  der  Ssura  eine  relative  Abnahme,  hin- 
gegen holie  Temperaturen  im  Tschernosiem-Gebiete  und  in  der  Steppe. 

Eine  ähnliche  vergleichende  Zusammenstellung  von  auf  gleiche  Meereshöhe  redu- 
ziei-ten  Sommertemperaturen,  wie  sie  gleichzeitig  in  dem  waldreichen  Bosnien  und  der 
grösstenteils  aus  nacktem  Felsgestein  bestehenden  Herzegowina  beobachtet  wurden, 
lässt  erkennen,  dass  das  Waldland  um  2,5 — 4,5»  kühlere  Sommer  aufweist  als  die  kah- 
len, an  den  „Karst**  erinnernden  Gebirge  der  Herzegowina. 

Auch  in  Indien  lässt  sich  eine  ganz  analoge  Erscheinung  konstatieren,  indem  die 
grossen  Waldkomplexe  von  Assam,  Sylhet  und  Cachar,  trotzdem  sie  weit  vom  Meere 
entfernt  sind,  in  den  Monaten  April  bis  Juni  um  4»  bis  6»  C.  niedrigere  Mitteltempe- 
raturen haben,  als  die  unbewaldeten  Gegenden  gleicher  Lage;  insbesondere  fehlt  da- 
selbst die  heisse  Zeit,  welche  in  dem  übrigen  Indien  in  die  Monate  April — Juni  fällt, 
and  es  steigt  die  Temperatur  in  diesen  Waldgebieten  konstant  vom  Januar  bis  Juli 
fort.  Vor  allem  aber  differieren  in  den  genannten  Gebieten  die  Maximaltemperataren 
in  auffälliger  Weise  von  jenen  des  übrigen  Indiens,  während  nämlich  diese  letzteren 
40» — 45»  C.  betragen,  sind  sie  in  Assam  kaum  höher  als  im  südlichen  Russland,  d.  h. 
36»  C.  durchschnittlich.  Auf  eine  direkte  briefliche  Anfrage  bei  dem  Beobachter  H. 
Blanford,  welcher  die  meteorologischen  Observationen  in  Assam  gemacht  hatte, 
erhielt  W  o  e  i  k  o  f  die  Antwort,  dass  die  dichten  Wälder,  welche  Ober-Assam  bedecken, 
als  Ursache  dieser  auffallenden  Mässigang  der  Temperatur-Extreme  anzusehen  seien. 

§  14.  In  dem  Widerstreite  der  Meinungen  über  die  Einwirkungen  der  Wälder 
auf  das  Klima,   welcher  bloss  auf  Grand  allgemeiner  meteorologischer  Aufzeichnangen 


Einfluss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodent<?mperatnr.     §  14.  27 

geführt  wurde,  stellte  sich  das  Bedürfnis  nach  direkt  zu  diesem  Zwecke  angestellten 
vergleichenden  Beobachtungen  heraus.  Die  ältesten  meteorologischen  Untersuchungen 
im  Walde  sollen  von  P i c t e t  und  Maurice  in  der  Nähe  von  Genf  zwischen  1796 
und  1800  angestellt  worden  sein,  worauf  in  Deutschland  solche  des  bekannten  Meteo- 
rologen K  a  e  m  t  z  1831 — 34  folgten.  Die  französische  Forstverwaltung  suchte  1859 — 60 
namentlich  die  Eegenmengen  und  die  Regenverteilung  im  Walde  an  einigen  Stationen 
zu  ermitteln.  Nachdem  dann  1858  in  Frankreich  Becquerel  Beobachtungen  über 
den  Einfluss  der  Wälder  auf  Temperatur  und  Niederschläge  gemacht  hatte,  wurden  zu 
Anfang  der  60ger  Jahre  von  Forstrat  H.  Nördlinger  und  in  Sachsen  von  Professor 
Krutzsch  meteorologische  Beobachtungen  in  der  Nähe  grösserer  Wälder  angestellt, 
indem  an  9  Forsthäusem  Stationen  zu  allgemein  meteorologischen  Zwecken  errichtet 
wurden.  Eine  wesentliche  Erweiterung  ihrer  Aufgaben  erfuhren  aber  die  forstlich- 
meteorologischen  Stationen  durch  Prof.  Dr.  E.  Ebermayer,  welcher  das  System 
der  Parallelbeobachtungen  im  Innern  eines  geschlossenen  Waldbestandes  und  im  Freien 
auf  einer  sonst  gleich  gelegenen  Fläche  seit  1867  auf  7  Stationen  zur  Durchführung 
brachte.  Ihm  schloss  sich  bald  das  im  Kanton  Bern  von  Fankhauser  auf  3  Sta- 
tionen eingerichtete  Beobachtungssystem  an,  wie  auch  in  Böhmen  und  Italien  diese 
Doppelstationen  frühzeitig  Nachfolge  fanden  (in  Promenhof  und  Vallombrosa).  Die 
interessanten  Resultate,  welche  Ebermayer  in  seinem  Werke  über  „die  physikali- 
schen Einwirkungen  des  Waldes  auf  Luft  und  Boden"  mitteilte,  veranlassten  eine  all- 
gemeinere Durchführung  dieser  Beobachtungsmethode,  indem  in  Preussen  10  solcher 
Stationen,  in  Elsass-Lothringen  3,  in  den  thüringen'schen  Staaten  2,  in  Braunschweig 
und  Württemberg  je  1  seit  1874  nach  und  nach  entstanden.  Diese  Stationen  haben 
naxjh  22jähriger  Beobachtungs-Dauer  ihre  Aufschreibungen  abgeschlossen,  nachdem  durch 
diese  Ergebnisse  hinreichendes  Material  für  die  Beantwortung  der  Frage  über  die  Un- 
terschiede zwischen  Waldluft  und  Luft  des  freien  Landes  geliefert  worden  ist.  Beob- 
achtungen von  solchem  Umfange  werden  voraussichtlich  niemals  mehr  hierüber  ange- 
stellt werden. 

Seit  1876  wurden  in  Schweden  forstlich-meteorologische  Beobachtungen  organi- 
siert, während  in  Oesterreich  seit  1884  das  System  der  Radialstationen  eingerichtet 
ward.  Auch  die  meteorologischen  Beobachtungen  in  Ostindien  haben  seit  1893  eine 
Ausdehnung  auf  Stationen  in  den  Waldgebieten  von  Beluchistan,  Aimere  und  an  der 
Forstschule  in  Dehra  (Nordwest-Provinzen)  erfahren. 

Die  Instruktion,  nach  welcher  die  deutschen  Beobachtungen  gemacht  werden,  sowie 
die  Beschreibung  der  Stationen  ist  als  Beilage  zum  Jahrbuch  der  Preussischen  Forstver- 
waltung VII.  Bd.  1875  gedruckt  erschienen,  auf  welche  daher  hier  verwiesen  wird. 
Ich  habe  für  die  vorliegende  Arbeit  die  allmonatlich  von  H.  Professor  Dr.  Müttrich 
publizierten  Beobachtungsergebnisse '^^) ,  welche  als  Beilage  der  Zeitschrift  für  Forst- 
und  Jagdwesen  erscheinen,  theilweise  bearbeitet  und  namentlich  zunächst  folgende 
Differenzen  der  täglichen  Mitteltemperatureu  zwischen  Freiem  und  Wald  in  den  Ta- 
bellen auf  Seite  28  nach  Jahreszeiten  und  Jahresmitteln  berechnet*^®).  Hiemach  waren 
im  Gesamtdurchschnitte  die  Unterschiede  zwischen  der  Luft  im  Walde  und  dem  Frei- 

57)  Dr.  A.  Müttrich  „Beobachtungsergebmsse  der  von  den  forstlichen  Versuchs- 
anstalten des  Königreichs  Preussen,  Herzogtum  Braunschweig,  der  thüringischen  Staaten,  der 
Reichslande  und  dem  Landesdirektorium  der  Provinz  Hannover  eingerichteten  forstl.  meteo- 
rologischen Stationen".  Berlin.  J.  Springer.  Ferner  in  demselben  Verlag  die  „Jahresberichte 
über  die  Beobachtungsergebnisse  der  forstl.  meteorol.  Stationen". 

58)  Die  Tagesmittel  sind  von  1875 — 81  incl.  aus  den  beiden  täglichen  Beobachtungen 
8  Uhr  morgens  und  2  Uhr  nachmittags  berechnet,  seit  1882 — 85  aber  aus  den  Angaben  der 
Thermometrographen  gezogen. 


28 


T.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


lande  folgende: 

Im  Jahresmittel  war  die  Waldluft  kälter  ( — )  oder  wärmer  (+)  als  die 

Luft  im  Freien  am  folgende  Grade  Celsius. 


Kurze  Beschreibung  der  Beobachtungsstationen 


Station 


Fritzen»  OstpreusH. 
Kurwien,  Oatj)reu86. 
CarlHberff,  Schlesien 
Ebers walde,  Mark  B. 
Schmiedefeld,  Thüring. 
Friedrichsrode,  dto. 
Sonnenberg,  Harz 
Marienthal,  Braunschw. 
Lintzel,  Hannover 
Hadersleben,  Schleswig 
Schoo,  Ostfriesland 


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CO 


m 


Holzbestand 


30  45— 65j.  Fichten 
124  8Ü-150J.  Kiefern 
690  45-65J.  Fichten 

42  45— 65j.  Kiefern 
680  60— 80j.  Fichten 
353  65— 95j.  Buchen 
774  ;45-65j.  Fichten 
143  60— 8Öj.  Buchen 

95  I  Lüneburger  Heide 

34  70— 90j.  Buchen 
3  20— 40j.  Kiefern 


Lahnhof,  Rhein.  Schief. -Geb.  602  70— 90i.  Buchen 
HoUerath,  Eifel  |  612  45-65j.  Fichten 

Hagenau,  Unt-Elsass  ,  145  55 — 85j.  Kiefern 

Neumath,  Lothringen  l  340  45 — 65j.  Buchen 

Melkerei,  Unt-Elsass  '  930  60— lOOj.  Buchen 


Mittlere  Differenzen 
1875—85    '     1886—90    I      1891—95 


bei 
1,5  m 


bei 


bei 


in  deri 

Baum-  ,  t,„  i^cuui-,  1  c  ^ 
1  I  1,0  m    1  <  1,0  m 

kröne      *  kröne     * 


in  der 
I  Baum- 


—  0,20j  — 
+  0,201  — 

+  0,11;- 

-0,14|- 

+  0,071- 

—  0,26'  — 
+  0,17!- 
-0,08  — 


—  0,43 

—  0,08 

—  0,39 

—  0,14 

—  0,40 

—  0,64 

—  0,23 

—  0,25 
+  0,14 

—  0,36- 0,11 1 - 
-0,12-0,12'- 
-0,161—0,22  — 

—  0,21  -  0,28  - 

—  0,91  -  0,97i  — 
-0,39;— 0,12  - 
-0,96|— 0,36i- 


0,5 
0,2 
0,6 
0,5 
0,2 
0,4 
0,1 
0,2 

0,1 
0,1 
0,1 
0,4 


—  0,2 


-0,4 

0,0 

-0,1 


0,0 


in  der 
Baum- 
krone 


—  0,5 


+  0,1 
-0,1 
-0,4 
0,7  —  0,6  ' 
1,1  —0,71 
0,3  —  0,3 
1,0-0,8' 


—  0,6 
0,0 

—  0,6 

—  0,5  1  —  0,8 

— o,i|     0,0 

—  0,3,-0.1 

—  0,3;  —0,2 

—  0,4i     — 

—  0,2  ,  —  0,2 

—  0,5  ,     - 

—  0,2  i      0,0 

—  0,6  '  —  0,5 

—  0,8  ;  —  0,9 

—  1,3  '  -  0,6 

—  0,6  ,  —  0,4 

—  0,6  ,  —  0,5 


Im  Vergleiche  hiezu  ergaben  die  Beobachtungen  in  Bayern,  Württem- 
berg, der  Schweiz  und  Frankreich 
(In  Bayern)*») 


Duschlberg,  oayr.  Wald 
Seeshaupt,  Oberbayem 
Kohrbrunn,  Spessart 

Johanneskreuz,  Pfalz 
Ebrach,  Steigerwald 
Altenfurth  bei  Nürnberg 
(Württemberg)««) 
St.  Johann  bei  Urach 
(Schweiz)") 
brückwald  bei  Interlacken 
Löhrwald  bei  Bern 
Fahywald  bei  Pruntrut 
(Frankreich)**) 
Hayer-Wald  b.  Bellefontaine 
Halatter-Wald  bei  Fleurines 

Ermenonvillerwald  b.  Thiers 


901 
595 
476 

476 

381 
325 

760 

800 
500 
450 


40j.  Picht,  u.  Tann. 
40jähr.  Fichten 
60jähr.  Buchen  mit 
einig.  200j.  Eichen 
60 jähr.  Buchen 
50jähr.  Buchen 
36jähr.  Kiefern 

50jähr.  Fichten 

50jähr.  Lärchen 
40jähr.  Fichten 
50-60J.  Buchen 


240  65j. Buch. U.Eichen 
120  30ulhr.  Eichen  und 

Hainbuchen 
100  ;25jähr.  Kiefeni 


-1,37 

—  1,44 

—  0,22 

—  0,95 

—  1,06 

—  0,80 

—  0,90 

—  0,91 

—  1,05 

—  0,76 

-0,4 

—  0,5 

-1,0 


—  0,76 

—  0,11 

+  0,07 

-0,75; 

—  0,56 

—  0,13' 

—  0,50' 


Gesamt-Durchschnitt    —  0,58|—  0,23 


59)  Dr.  E.  Ebermayer  „Die  physikalischen  Einwirkungen  des  Waldes  auf  Luft 
und  Boden".    Aschaffenburg  1873. 

60)  Dr.  Theod.  Nördlinger  „Der  Einfluss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodenwännc". 
Berlin  1885. 

61)  In  der  „schweizerischen  Zeitschrift  für  das  Forstwesen"  nach  Monatsmitteln  ver- 
öffentlicht. Eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  IBjährigen  Beobachtungsreihe  hat  Dr. 
E.  Wollny  im  V.  Band  seiner  , Forschungen  aus  dem  Gebiete  der  Agrikultur-Physik" 
S.  316 — 381  veröffentlicht,  aus  welcher  ich  die  Differenzen  berechnete. 

62)  Mathieu  Meteorologie  comparee  agricole  et  foresti^re  1878,  dann  Fautrat 
,  Observations  meteorologiques. " 


Einfluss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur.     §  15.  29 

§  15.  Vorstehende  Zusammenstellung  giebt  die  Uebersicht  über  die  Jahresmittel 
aller  forstlich-meteorologischen  Beobachtungsstationen,  welche  für  das  preussische  Be- 
obachtungsnetz aus  11,  seit  1886  aus  je  5  zu  Lustren  vereinigten  Jahrgängen  gezogen 
sind,  tlir  die  bayerischen  und  württembergischen  Stationen  nur  aus  einem  Jahre,  für 
die  schweizerischen  aus  12  und  die  französischen  aus  1 — 8  Jahren  berechnet  wurden. 
In  diesem  grossen  Durchschnitte  zeigt  sich,  dass  die  Luft  im  Walde  fast  durchgehends 
kälter  ist  als  im  freien  Lande  und  zwar  im  aUgemeinen  Mittel  um  etwa  V2®  C.,  jedoch 
ist  der  Unterschied  in  dem  gebirgigen  Terrain  im  allgemeinen  grösser,  in  den  grossen 
Ebenen  kleiner  als  dieses  Mittel,  ja  in  der  Lüneburger  Haide  war  die  Differenz  sogar 
eine  positive,  vermutlich  wegen  des  Schutzes  gegen  den  Wind.  Die  Holzarten  zeigen 
nicht  durchaus  einen  gleichen  Einfluss,  indem  zwar  die  Kiefernbestände  mehrfach  nur 
geringere  Differenzen  aufweisen  als  Buchen-  und  Fichtenwälder,  jedoch  in  einzelnen 
Fällen  diese  wieder  übertreffen.  Es  scheint  also  hieraus  hervorzugehen,  dass  es  weni- 
ger die  Art  der  Bestockung  ist,  welche  diese  Verschiedenheiten  in  der  Einwirkung  des 
Waldes  auf  die  Mittel-Temperatur  bedingt,  als  vielmehr  die  Exposition  und  die  Lage 
gegen  die  Haupt-Windrichtung.  Vergleicht  man  hingegen  die  Lufttemperatur  im  Kro- 
nenraume  des  Waldes  mit  jener  im  Freien,  so  ist  die  Differenz  eine  viel  kleinere  und 
zwar  durchschnittlich  um  die  Hälfte  geringere;  an  mehreren  Stationen  ist  dieselbe  so- 
gar positiv ;  ein  charakteristisches  Verhalten  der  Holzarten  ist  auch  hier  nicht  zu  kon- 
statieren, sondern  es  spielt  offenbar  die  W^indrichtung  eine  grosse  KoUe  hiebei. 

Man  kann  also  sagen ,  dass  im  geschlossenen  Walde  die  mittlere 
Jahrestemperatur  der  Luft  im  allgemeinen  etwas  kühler  ist,  als 
im  Freien,  dass  aber  diese  Differenz  nur  selten  bei  einem  mehr- 
jährigen Durchschnitte  1^  C.  übertrifft.  Es  muss  aber  hier  bemerkt 
werden,  dass  die  Art  der  Instrumenten- Aufstellung  von  erheblichem  Einfluss  auf  die 
Beobachtungs-Ergebnisse  ist.  Die  sog.  „forstliche  Hütte**  liefert  etwas  abweichende 
Temperatur- Angaben  wie  die  sog.  „englische  Hütte",  z.  B.  war  im  Jahresmittel  für 
1897—98  die  Waldluft  kälter  als  jene  im  Freien 

für  Eberswalde      in  ersterer  um  0,67®  C,  in  letzterer  um  0,52®  C  (Mittel  aus  8  h  u.  2  h) 
^    Friedrichsrode  „         „  „    0,90»  „    „         „  „   0,46®  „ 

,    Sonnenberg       ^        „         „    0,90®  .    „         „  ,    0,66®  „  ^). 

Da  aber  jede  Art  der  Aufstellung  ihre  specifischen  Vor-  und  Nachteile  hat,  so  be- 
nützen wir  für  die  nachfolgenden  Erörterungen  die  Beobachtungen,  welche  22  Jahre 
lang  an  allen  deutschen  forstl.-meteorologischen  Stationen  ausgeführt  wurden.  Ebenso 
sind  die  gebrauchten  Instrumente  selbst  von  Einfluss  auf  die  Resultate.  Das  z.  Z.  be- 
vorzugte Aspirations-Psychrometer  liefert  andere  Temperatur- Angaben  als  die  gewöhn- 
lichen Quecksilber-Thermometer  und  es  fallen  bei  ersterem  die  Differenzen  zwischen 
Freilnft  und  Waldluft  geringer  aus  als  bei  letzterem. 

§  16.  Wichtiger  als  das  Jahresmittel  ist  die  Ermittlung  der  Unterschiede  in  den 
verschiedenen  Jahreszeiten,  da  hier  die  Wirkungen  des  Waldes  ziffermässig  schärfer 
hervortreten  und  sich  die  positiven  und  negativen  Grössen  nicht  so  kompensieren.  Um 
diese  Frage  zu  beantworten,  habe  ich  die  Beobachtungsergebnisse  der  Stationen  des 
preussischen  Netzes  nach  Jahreszeiten  berechnet  und  die  Differenzen  in  den  Tabellen 
auf  Seite  30  u.  31  zusammengestellt,  ebenso  sind  die  schweizerischen  Beobachtungen  in 
gleichem  Sinne  bearbeitet  auf  Seite  31  aufgeführt.  Als  Hauptresultate  ergeben  sich 
aus  allen  Beobachtungen  folgende  Zahlen: 

63)  Näheres  hierüber  s.  J.  Schubert  „Vergleichende  Temperatur-  und  Feuchtig- 
keitsbestlmmnngen''  in  den  Abhandlungen  des  K.  Preuss.  meteorolog.  Instituts.  Berlin  1901. 
Asher  &  Co. 


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I.    Weber,  Die  Aufgabt»!!  der  Forstwirtsrhaft. 


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Einfluss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur,     §  16. 


31 


im 

Frühjahre 

im  Sommer 

im  Herbst 

im  Winter 

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obaxjhtun  gsnetze 

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niedrigste 

DiiFerenz  zwischen 

Wald  Inf ttemperatur  in  1,5  m  Höhe  und  Luft  im  Freien  ir 

i  C« 

Preussisches 
BayerischeH 
Schweizerisches 
Französisches 
W  ürttembergisch. 


Prenssisches 

Bayeriüchea 

Württemhergisch, 


—  0,23 
-1,27 


—  0.88 

—  2,06 


-  0,74  — 1,02 

-  0,43  —  0,90 

-  0.80 


+  0,26 
4-0,06 

—  0,42 

—  0,20 


0,76 

-1,76 

+  0,11 

0,35 

2,04  —  2,92 

1,01 

0,74 

1,51 

-1,64 

1,34 

0,87 

-  1,03 

1,20 

-0,90 

0,70 

1,70 

-0,50 

0,82 
1.20 
0,92 
1,00 


+  0.01 

—  0,19 
-0,82 

—  0,30 


—  0,05 

—  0,47 

—  0,51 

—  0,37 

—  0,30 


0,48 
1,33 
1,03 
0,70 


+  0,28 
+  0,60 
--0,20 
-0,20 


Differenz  zwischen  Waldluft  in  der 
-  0,06'  -  i;i5|+^0,2^ 


Baumkrone  und  im  Freien  in  C^ 


—  0,42  -  0,89'+  0,15 
-0,50 


0,40  -  1,20+  0,36 


—  1,07 

—  1,00 


2,231-0,25 


0,22-1,16 
0,27,-0,46 
0,20' 


+  0,30 
—  0,01 


—  0,08  —  0,59 


0,00 
0,00 


-0,26 


0,29 
0,47 


Schweizer  Beobachtungea:  Im  Jahreszeitenmittel  war  das  Tagesmittel  der  Luft- 
temperatur im  Walde  in  3  m  Höhe  höher  (+-)  oder  niedriger  (— )  als  die  Luft- 
temperatur im  Freien  (gemessen  in  3  m  Höhe)  um  folgende  Grade  Celsius. 


Temperaturunterschied  in  3  m  Höhe 

Temperaturunterschied  in  3  m  Höhe 

Jahrgänge 

Station 

Station 

Station 

Station 

Station 

Station 

Interlacken 

Bern 

Prnntrnt 

Interlacken 

Bern 

Prnntrnt 

(Brückwald) 

(Löhrwald) 

(Fahywald) 
April,  Mai) 

(Biückwald) 

(Löhrwald) 

(Fahywald) 

Im  Frühl 

inge  (März, 

Im  Sommer  (Juni,  Juli,  August) 

1869 

0,73      ,           1,02 

0,56 

1,28      '           1,27 

1,52 

1870 

0,47      ;           0,67 

-0,34 

—  0,87             —  0,90 

—  1,35 

1871 

_  0,76            —  0,66 

-0,32 

- 1,49             — 1,21 

—  1,40 

1872 

0,55                 0,73 

0,49 

— 1,36            -  0,42 

1,45 

1873 

—  0,61 

—  0,89 

0,42 

—  1,74            —  1,74 

1,63 

1874 

—  0,94 

-1,25 

—  0,52 

1,33 

—  1,46 

-1,61 

1875 

-0,96 

—  1,16 

-0,57 

-1,83 

-1,59 

-1,84 

1876 

—  0,80 

1,09 

-0,29 

-1,91 

1,16 

1,49 

1877 

-0,79 

1,09 

-  0,42 

1,73 

-1,71 

—  1,76 

1878 

—  0,96 

-1,21 

-0,62 

—  1,76 

-1,50 

-1,90 

1879 

—  0,81 

1,05 

—  0,30 

—  1,91 

—  1,56 

-1,57 

1880 

—  0,90 

—  1,23 

—  0,18 

1,94 

—  1,55 

—  1,22 

Mittel 

0,77      '           1,02 

-0,42 

— 1,64            - 1,34 

1 

-1,66 

Im  Herbst  (Septembei 
November) 

•,  Oktober, 

Im  Winter  (Dezember  i 

und  Januar, 

Februar  des  folgende! 

1  Jahres) 

1869 

—  0,81      1      - 1,09 

-0,99 

+  0,05      ,       - 1,39 

+  0,10 

1870 

0,50                0,39 

-0,81 

-0,27 

—  1,24 

—  0,03 

1871 

_  0,88            —  0,23 

—  0,69 

—  0,10 

— 1,63 

—  0,03 

1872 

-0,72 

—  0,76 

—  0,84 

—  0,02 

— 1,28 

0,49 

1873 

-0,93 

—  0,93 

-  0,92 

—  0,68 

0,98 

0,17 

1874 

1,06 

-1,28 

0,63 

—  0,35 

—  0,89 

—  0,12 

1875 

—  1,06 

0,93 

—  1,23 

—  0,34 

-1,04 

0,00 

1876 

—  1,04 

—  0,96 

—  0,90 

0,28 

—  0,52 

0,28 

1877 

-1,09 

-0,94 

-0,84 

—  0,43 

-0,36 

—  0,79 

1878 

—  1,08 

-0,86 

—  0,88 

0,37 

-1,05 

0,19 

1879 

0,97      '           0,76 

-1,03 

—  0,33 

—  2,12 

0.00 

1880 

—  0,97            —  0,79 

0,53 

0,41 

0,06 

—  0,35 

0,92 

'      —  0,82 

—  0,86 

—  0,29 

1,03 

-0,20 

Demnach  ist  zwar  im  Verlaufe  des  ganzen  Jahres  die  Waldluft  durchschnittlich 
von  niedrigerer  Temperatur  als  jene  des  freien  Landes,  aber  dieser  erkältende 
Einfluss  tritt  am  stärksten  im  Hochsommer  hervor,   wie  überhaupt 


32 


I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


die  Temperatur-Differenz  zwischen  Freiem  und  Wald  nahezu  proportional  mit  der  Luft- 
wärme steigt ;  demnach  ist  diese  Differenz  im  Winter  äusserst  gering:  und 
hält  im  Frühjahr  und  Herbst  beiläufig  die  Mitte  zwischen  beiden 
ein.  Offenbar  ist  also  die  Verhinderung  der  direkten  Insolation  des  Bodens  während  der 
langen  Tagesdauer  im  Sommer  in  Verbindung  mit  der  starken  Verdunstung  mittelst 
der  Transpirationsvorgänge  von  mächtigerem  Einfluss  auf  die  Lufttemperatur,  als  die 
Abhaltung  des  Windes  und  die  etwaige  Abschwächung  der  nächtlichen  Strahlung.  Um 
den  Gang  der  Temperatur-Differenz  zwischen  Freiem  und  Wald  von  Monat  zu 
Monat  darzustellen ,  dazu  reicht  der  uns  hier  zur  Verfügung  stehende  Baum  nicht 
aus,  weshalb  wir  nur  die  Jahreszeiten-Mittel  berechnet  haben.  Es  möge  hier  nnr  auf 
die  von  Professor  Dr.  J.  Schubert  l.  c.  berechneten  2jährigen  Mittelwerte  der  Be- 
obachtungen in  Eberswalde  (Kief.),  Sonnenberg  (Ficht.)  und  Friedrichsrode  (Buchen) 
hingewiesen  werden,  welche  von  den  verschiedenen  Fehlerquellen  möglichst  befreit  sind. 
Demnach  war  die  Waldluft  kälter  oder  wärmer  (-f)  als  die  Luft  der  Freistation. 


Holzart 

Jan. 

Febr.     März 

1  April 

1         ' 

'  Mai  1  Juni 

1         1 

Juli 

Aug. 

1 

Sept. 

0,1 
0,2 
0,3 

Okt. 

0,0 
0,0 
0,0 

Nov. 

Dezbr. 

Kiefern 
Fichten 
Buchen 

- 

ho7r 

-0,3 
-0,1 

0,0 

+  0,1 

0,0 

0,0 

0,1 

+  0,1 

0,0 

0,3 

+  0,1 

0,1  :  0,2 

0,2  1    0,2 
0,1  1    0,4 

0.2 
0,3 
0,5 

0,2 
0,2 
0,4 

0,0 

+  0,1 

0,0 

^ 

ho.i 

-0,2 
-0,2 

Wenn  daher  der  Wald  auf  grossen  Flächen  vernichtet  wird,  so  tritt  die  Wir- 
kung dieser  Veränderung  hauptsächlich  in  einer  Steigerung  der  Sommerhitze  zu  Tage, 
indem  nun  die  ausgleichenden  Zirkulationsströmungen  zwischen  der  kühleren,  spez. 
schwereren  Waldluft  und  der  heisseren,  aufsteigenden  Luft  des  freien  Feldes  hinweg- 
fallen. Auch  im  Frühjahr  und  Herbst  wird  zwar  eine  derartige  Ausgleichung  noch 
stattfinden,  indessen  in  geringerem  Grade,  während  im  Winter  ein  merkbarer  Einfluss 
auf  die  mittlere  Tagestemperatur  vom  Walde  nicht  zu  erwarten  ist.  üebrigens  ist 
wohl  zu  beachten,  dass  die  Resultate  dieser  Doppelstationen  und  ihrer  Parallelbeob- 
achtungen immerhin  noch  durch  die  meistens  nur  geringe  Entfernung  der  Freistation 
von  der  Waldgrenze  abgeschwächt  werden,  da  sie  teilweise,  je  nach  der  Windrichtung 
selbst  wieder  unter  dem  Einflüsse  des  Lokalklimas  des  Waldes  stehen.  Es  zeigt  sich 
dies  u.  A.  bei  den  Stationen  Hagenau,  Melkerei  und  einigen  bayerischen,  welche  bei 
Entfernungen  von  700 — 1800  m  schon  beträchtlich  höhere  Differenzen  der  beiden  ver- 
glichenen Temperaturen  aufweisen.  Man  hat  deshalb  in  Oesterreich  begonnen,  das 
System  der  sog.  „Radialstationen"  für  das  forstlich-meteorologische  Netz  in  Anwendung 
zu  bringen,  wobei  von  einem  grösseren  Waldkomplex  ausgehend  in  bestimmt  abgestuften 
Entfernungen  nach  verschiedenen  Richtungen  Stationen  mit  ähnlichen  Parallelbeobach- 
tungen wie  die  obigen  angelegt  werden. 

In  dem  Kronenraume  des  Waldes,  wo  die  Insolation  unter  Tages  und 
die  Abkühlung  durch  Strahlung  bei  Nacht  sich  viel  stärker  geltend  macht  als  in  der 
Nähe  des  Bodens,  ist  die  Differenz  der  Tagesmittel  während  des  ganzen  Jahres  eine 
geringere  als  die  soeben  besprochene.  Im  Winter  beträgt  sie  meistens  durchschnittlich 
wenig  über  oder  unter  0®,  im  Sommer  beiläufig  die  Hälfte  der  im  obigen  besprochenen. 

Von  grossem  Interesse  ist  es  ausserdem,  den  Einfluss  des  Waldes  auf  den 
täglichen  Gang  der  Lufttemperatur  zu  kennen ,  da  sich  hieraus  die  für 
die  Mittel  der  Tagestemperatur  gefundenen  Gesetze  am  besten  erklären.  (Siehe  die 
nachfolgende  Tabelle.) 

Noch  genauer  tritt  der  Einfluss  des  Waldes  auf  den  täglichen  Gang  der  Luft- 
temperatur aus  einer  Beobachtungsreihe  der  Station  Eberswalde  hervor,  wo  im  Jahre 
1879  vom  15.— 30.  Juni  2stündige  Beobachtungen  durch  Geh.  Rat  Prof.  Müttrich 


Einflnss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Bodentemperatur.     §  17. 


33 


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Handbuch  d.  Foratw.     2.  Aufl.     I. 


34  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

vei*anlasst  wurden.  Auch  diese  Beobachtungen  zeigten,  dass  nachts  die  Waldlaft  wär- 
mer (-f),  vom  Sonnenaufgang  an  aber  kälter  ( — )  ist  als  die  Luft  des  freien  Landes 
und  zwar  im  Mittel  um  folgende  Grade  Celsius: 

Mittemacht        Nachts  Morgens  Mittags     Nachmittags        Abends       Nachts 

12h  2h        4h     6h    8h    10h        12h  2h        4h      6h    8h       10h 

+  ++- -_^-         + 

0,42  0,44  0,51    0,48   0,61  0,82        0,89  0,94      0,85     1,25    0,15     0,43 

Als  Gesamtmittel  der  TagesdifTerenz  ergiebt  sich,  dass  die  Waldluft  um  0,34^  C  kälter  war. 

Da  hier  die  Verminderung  der  Insolation  und  jene  der  Strahlung  sich  nicht 
gegenseitig  kompensiert  haben,  so  tritt  die  Rolle,  welche  das  Eronendach  des  W^aldes 
gegenüber  diesen  Faktoren  spielt,  hier  viel  deutlicher  hervor.  Während  der  Nacht 
überwiegt  der  Schutz  gegen  die  Abkühlung  der  untersten  Luftschichten  durch  Strahlnng, 
zugleich  kommt  dann  die  Abgabe  von  W^ärme  mittelst  Leitung  von  den  tagsüber  er- 
wärmten Bäumen  zur  Geltung,  so  dass  bei  Nacht  die  Waldluft  meistens  wärmer  ist, 
als  jene  des  Feldes  —  ein  Unterschied,  der  im  Sommer  am  grössten,  im  Winter  nnd 
Frühling  am  kleinsten  ist.  Nach  Sonnenaufgang  beginnt  schon  die  beschattende  Wir- 
kung der  Blätter  und  Zweige  die  Temperatur  zu  ermässigen,  was  sich  bis  zum  Eintritt 
des  Maximums  noch  steigert,  um  dann  gegen  Abend  wieder  schwächer  zu  werden.  Im 
Sommer  treten  diese  Erscheinungen  begreiflicherweise  am  deutlichsten  hervor,  während 
sie  im  Winter  sich  innerhalb  enger  Grenzen  bewegen. 

Zahlenmässig  äussert  sich  dies  in  der  geringeren  Amplitude  der  täg- 
lichen Temperaturschwankung,  welche  die  Waldluft  gegenüber  jener  der 
Luft  des  freien  Landes  aufweist.  Aus  den  von  Dr.  Müttrich  in  der  Zeitschrift  für 
Forst-  und  Jagdwesen  1890  S.  385  u.  ff.  mitgeteilten  vieljährigen  Beobachtungsreihen 
hat  Prof.  Dr.  P.  Schreiber**)  folgende  Differenzen  in  Graden  Celsius  berechnet, 
um  welche  die  monatlichen  Mittel  der  Schwingungsweiten  der  täglichen  Periode  im 
Walde  hinter  jener  im  Freien  zurückbleiben. 

im  Frühling      im  Sommer      im  Herbst 
Kiefernwald  —1,57  —2,77  —2,03 

Fichtenwald  —2,87  —3,70  —2,63 

Buchenwald  —1,13  —4,27  —2,20 

Die  ausführlichen  Details  über  diese  Einwirkung  des  Waldes  auf  die  periodischen  Ver- 
änderungen der  Lufttemperatur  sind  in  der  citierten  umfangreichen  Arbeit  von  Prof. 
Dr.  Müttrich  gegeben. 

§  17.  Nachdem  sich  schon  bei  diesen  Betrachtungen  gezeigt  hat,  dass  es  vor- 
züglich die  täglichen  Maximal-  und  Minimaltemperaturen  sind,  auf  welche  der  Wald 
modifizierend  einwirkt,  so  liegt  der  Schluss  nahe,  dass  die  absoluten  Extreme 
der  Lufttemperatur  während  des  Jahres  ganz  besonders  diesen  Einfluss  zum 
ziffermässigen  Ausdruck  bringen  müssen.  Auch  in  praktischer  Hinsicht  handelt  es  sich, 
wenn  von  einem  klimatischen  Einfluss  der  W^älder  die  Sprache  ist,  in  der  Regel  nur 
um  die  Abstumpfung  der  Temperatur-Extreme,  welche  für  die  Vegetation  ebenso  schäd- 
lich sind,  wie  für  die  menschliche  Gesundheit.  Gerade  die  hohe  Sommerwärme  und 
tiefen  Temperaturen  der  Winter  sind  der  baumlosen  Ebene  und  dem  Karstgebirge  be- 
sonders charakteristisch,  sie  begründen  das  kulturfeindliche  Klima  der  Steppe  und  ver- 
hindern im  Verein  mit  dem  Mangel  an  Feuchtigkeit  die  Verbreitung  nnd  das  Gedeihen 
aller  Nutzpflanzen. 


im  Winter 

im 

Jahresmittel 

—  1,07 

—  1,86 

1,90 

2,77 

—  0,87 

2,12 

64)  Dr.  P.  Schreiber   „Die  Einwirkung  des  Waldes   auf  Klima  und  Witterung' 
Dresden  1899.    Schönfelds  Verlag. 


Einflnss  des  Waldes  aaf  Luft-  und  Bodentemperatnr.     §  17. 


35 


Um  einen  Einblick  in  die  quantitative  Wirkung,  welche  der  Wald  auf  die  Ab- 
mindenmg  der  Extreme  ausübt,  zu  erhalten,  habe  ich  die  21jährigen  Beobachtungen 
des  prenssischen  Netzes  in  bezng  auf  die  Unterschiede  zwischen  den  höchsten  Sommer- 
temperatnren  der  Wald-  und  Feldluft,  sowie  auf  die  Differenzen  der  tiefsten  Winter- 
temperaturen (im  Januar)  berechnet  und  in  der  Tabelle  auf  Seite  36  u.  37  zusammen- 
gestellt. Als  Gesamtresultat  ergiebt  sich  hieraus  nachstehender  Unterschied  zwischen 
Wald-  und  Feldluft  in  Celsius-Graden. 


In  bezug  auf  die 

höchste  Julitemperatur 

niedrigste  Januartemperatur 

beträgt 

im 
Gesamt- 

höchste 

niedrigste 

im 
Gesamt - 

höchste 

niedrigste 

Durch- 
schnitte 

Differenz 

Durch- 
schnitte 

Differenz 

bei  dem  preussischen 

Beobachtungsnetz 

a.  bei  1,5  m  über  /  1875    85 

—  3,26 

—  6,50 

-0,5 

--1,50 

-2,70 

0,00 

dem  Boden    1  1886—95 

—  3,46 

—  6,10 

-0,9 

+  1,62 

-5,30 

0,10 

b.  in   der  Baum-  /  1875    85 

2,23 

—  4,90 

+  0,2 

+  1,80 

-3,10 

0,30 

kröne         \  1886-95 

—  2,85 

—  5,40 

0,5 

-  - 1,40 

h4.00 

0,10 

bei  dem  bayerischen 

Beobachtungsnetz 

a.  in  Brusthöhe 

—  4,23 

-5,30 

3,00 

+  0,78 

+  2,10 

0,50 

bei  den  württembergi- 

schen Beobachtungen 

a.  bei  1,5  m  über  dem  Boden 

— 

—  4,70 

+  1,60 

b.  in  der  Baumkrone 

— 

3,10 

— 

— 

— 

Hiemach  beträgt  selbst  im  Durchschnitte  vieljähriger,  zahlreicher  Beobachtungen 
die  Abstumpfung  der  höchsten  Julitemperatur  SV*® — 4^/4®  C,  also  so  viel  wie  oben  von 
Woeikof  als  Unterschied  der  Julitemperatur  zwischen  den  waldlosen  und  bewaldeten 
Ländern  Indiens  angegeben  wurde.  Ueberhaupt  zeigt  sich  auch  hier  wieder,  dass  der 
Temperatur-Unterschied  zwischen  Feld  und  Wald  mit  wachsender  Temperatur  zunimmt, 
was  von  Geh.  Rat  Müttrich  und  Prof.  Schubert  ausfuhrlicher  nachgewiesen 
wurde.  Das  Alter  der  Holzbestände  macht  sich  gleichfalls  in  diesen  Differenzen  gel- 
tend, indem  die  Mittelhölzer  und  die  geschlossenen  Stangenhölzer  kräftiger  beschirmen 
als  junge  Kulturen  (Lintzel)  oder  sehr  alte  Bestände  (Kurwien).  Dass  ausserdem  auch 
die  geographische  Lage  einen  Einfluss  auf  diese  mässigende  Wirkung  des  Waldes  aus- 
übt, zeigt  die  Vergleichung  der  einzelnen  Stationen:  In  der  Lüneburger  Haide,  sowie 
in  Westfriesland  (Schoo)  in  Eberswalde,  sowie  in  Ostpreussen  (Kurwien  und  Fritzen) 
fand  nur  eine  unbedeutende  Abschwächung  der  höchsten  Julihitze  statt,  deren  Ursache 
nicht  sicher  angegeben  werden  kann.  In  Carlsberg  (Schlesien)  scheint  das  nach  Nor- 
den vorliegende  Massiv  des  Heuscheuergebirges  die  Freistation  vor  stärkerer  Abkühlung 
za  schützen,  während  umgekehrt  lokale  Einflüsse  in  Friedrichsrode  ungewöhnlich  hohe 
Differenzen  der  Maxima  hervorbringen,  wie  überhaupt  die  Stationen  im  Binnenlande 
eine  konstante  und  starke  Einwirkung  des  Waldes  auf  die  Temperatur  zeigen.  Wahr- 
scheinlich hat  die  herrschende  Windrichtung  einen  grossen  Einfluss  auf  diese  Verhält- 
nisse und  es  hat  daher  der  Versuch  R  i  v  o  1  i  s ,  die  Abweichungen  mit  der  thermischen 
Windrose  in  Zusammenhang  zu  bringen  eine  beachtenswerte  Berechtigung.  Auf  diese 
Weise  würden  sich  namentlich  die  Abschwächungen  der  Winterkälte,  wie  sie  die  fol- 
gende Tabelle  zeigt,  besser  erklären  lassen;  z.  Z.  kann  man  daraus  nur  entnehmen, 
dass  die  Waldluft  in  1,5  m  Höhe  die  Schwankungen  der  winterlichen  Extreme  nicht 
mitmacht,  sondern  um  1,5**— 3,00°  wärmer  bleibt  und  zwar  in  dem  Kronenraum  noch 
mehr  als  in  Brusthöhe. 

In  wiefern  aber  die  Holzarten  und  die  Bestandsbeschaffenheit  die  Extreme  der 

3* 


36 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Foretwirtechaft. 


Beobachtungs-Ergebnisse  der  Stationen  des  preussischen  Beobachtangsnetzes  und 

die  höchsten  und  niedrigsten  Lufttemperataren 


Jahr 

und 

Monat 

Fritzen 

Kurwien 

Carisberg 

Ebers- 
walde 

Schmiede- 
feld 

Friedricha- 
rode 

Sonnen- 
berg 

Marien- 
thal 

bei  |g§ 

bei     Ba 

bei     i  a 

bei 

äs 

bei 

äs 

bei 

äs 

bei 

5  a 

bei 

Sg 

1  r         Ö  O 

l,om  05  u 

pq-^ 

1,5m   a^ 

1   r           S)  0 

1,5  m   cs  M 

1  aq-^ 

1,5m 

ö  p 

1,5  m 

Ö  0  1,  t 

-JJ!l,5m 

P  0     -  t  '   1    3  0 

3 Ja  |i'5™iäjs 

1,5  m'a  ji 

Unterschied  der  absolaten  Maxima  der  Lufltemperatnr  im  Juli  zwischen 

Juli 

als  jene  im 

1875 

—     — . 

-        0,6     0,4 

— 

i^ 

8.1 

6,9 

•^_ 

__ 

___ 

1876 

2,6 

2,1    0,8 

-+-2,0  -  -0,5'- 

-0,8 

1,9 

— 



6,5 

5,1 

— 

— 





1877 

2,7  '  2,4  i  14 

- -3,2 -f  0,2;- 

4-0,3 

0,8 

1.2 

— 

— 

8,8 

7,3 

2.0 

1,1 

— 

1878 

5,4  1  5,0  1  1,2 

-f4*6'     1,0,     0,0 

1,9 

2,0 

— 



6,6 

5,0 

3,5 

2,2 

4,9 

3,9 

1879 

3,3  1  3,1  1  1,6 

--0,5!     0,7     0,1 

2,1 

1.3 

5,9     4,3 

3,3 

1,8 

4,9 

4,1 

1880 

3,8  !  3,5  '  1,5 

1,1      1,4-1-1,0 

1,9 

1,2 



4,1     2,6 

2,0 

1,4 

4.7 

2,9 

1881 

2,3    2,1     1,8 

1.7.     1,4;     0,1 

1,6 

1,2 

— 

""" 

5,0  1  3,9 

1,7 

1,3 

8,2 

1.6 

1882 

3,2    3,0     1,8 

1,8     3,3|     1,8 

1,0 

1.2 

1,7 

1,2 

7,8 

5,6 

1.1 

0,2 

3,2 

2,5 

1883 

2,0 

1,8    2,0 

0,5     l,4|+0,2 

2,8 

2,4 

2,4 

1,7 

8,5 

6,9 

2,0 

1,0 

5.1 

4,2 

1884 

4,3 

3,5    2,5 

2,4     3,51     1,6 

2,7 

1,5 

1,6 

1,0 

4,6 

1,6 

1,6 

0,4 

5,4 

3,5 

1885 

3,4 

2,5 

2,5 

2,0,     4,0     0,7 

i 

3,4 

2,8 

2,6 

1,7 

5,9 

5,2 

1,8 

1,1 

5,3 

3,8 

Mittel 
1876-85 

3,3 

2,9 

1,7 

+0,2 

1 

1.5 

0,2 

2,0 

1.« 

2,1 

1,4 

6,6 

4.9 

2,1 

1,2 

4,6 

3,3 

1886 

3,1 

2,6 

2,5 

4,7 



3,5 

2.5 

2,0 

1,8 

11,3 

8,3 

3.2 

2,1 

5,0 

3,8 

1887 

2,8 

2,0 

2,5 

4.0 

— 

3,6 

2.4 

3,0 

2,8 

7,5 

6,0 

4,2 

3,7 

5,6 

3,0 

1888 

2,9 

1,9 

2,0 

5.1 

2,6 

2,1 

4,1 

3,4 

5,3 

4,3 

2,8 

3,6 

3,0 

1889 

2,5 

1,7 

1,3 



2,8 



1,6 

1.5 

2,4 

2,5 

5.7 

5,3 

1,9 



3,8 

2,8 

1890 

2,1 

0,8 

0,6 



2,5 

3,0 

2,1 

4,3 

3,2 

6,8 

5,3 

1,7 

3,0 

2,6 

1891 

4,4 

3,7 

1,0 

4,6 



3,4 

1,7 

1,4 

0,8 

6,6 

5,2 

4,0 

3,4 

3,8 

1892 

3,7 

3,0 

0,1 

5,0 



3,3 

2,9 

1,3 

1.5 

4,3 

3,2 

2,5 

5,2 

5,9 

1893 

5,1 

— 

0,5 



2,5 

2,9 

1,7 

3,8 

2,1 

— 

5,7 

1894 

2,7 

— 

0,9 

3,6 

2,1 

1,8 

— 

4.5 



2,2 

3,2 

— _ 

1895 

1,8 

0,5 

5,2 

2,4 

0.2 

5,3 



1,3 

5,0 

Mittel 

1886-95 

3,1 

2,2 

1,2 



4,0 



2,8 

2,2 

2,2 

2,3 

«.1 

6,4 

2,6 



4,4 

8,6 

Jan. 

U 

ntera 

ichied 

l  der  absoluten  Mini 

ma  der  Lufttemperatur  im  Januar 

die  Waldlnft 

1876 

1,2 

1,5 

0,5 

0,1 

2,8 

3,6 

0,7  - 

4,0 

3,0 

^.^ 

1877 

1,2 

1.0 

-0,8 

0,5 

4,7 

4,6 

-0,4-0,8 

— 

-1,0 

-1,0 

-_ 

1878 

0,8 

0,7 

2,4 

4,8 

1,4 

2,5 

0,2 

0,6 

— 

-0.1 

0,9 

4,9 

5,3 

1879 

0,3 

1,0 

3.4 

3,8 

3,3 

3,7 

2.1 

1.9 

— 

1,5 

1,6 

3,7 

3,5 

2,9 

4,5 

1880 

2,2 

2,4 

2,9 

1,7 

2,5 

2,4 

1,8 

1,8 

— 

4,0 

4,0 

2,7 

2.5 

3,6 

4,2 

1881 

2,9 

2,2 

2,4 

3,7 

3,1 

3,7  ,     2,0 

1,7 

— 

3,8 

4,4 

6,0 

5,9 

5,1 

5,0 

1882 

0,8 

1,2 

2,5 

2,2 

2,3 

2,6  ,     2,2 

2.5 

2,9 

3,2 

0,5 

1,2 

3,4 

3,3 

0,8 

1,3 

1883 

1.9 

2,1 

1.5 

1,1 

2,5 

1,8 

1,0 

0,0 

1.5 

1,7 

-0,3 

—0,8 

1,2 

0,9 

0,5 

1,3 

1884 

0,8 

1,1 

2,4 

3,0 

3,1 

2,4 

0,8 

1,1 

2.5 

3,2 

1.6 

1,9 

1,2 

1,4 

0,5 

0.3 

1885 

3,7 

4,0 

0,6 

1,0 

1,5 

1,6 

1,4 

0,9 

1,2 

1,3       3,3 

2,9 

2,4 

2,3 

2,1 

4,1 

Mittel 
1B76--85 

1,6 

1,7 

1,8 

2,2 

2,7 

2,9 

1,2 

1,1 

2,0 

2,3 

1,7 

1,8 

3,2 

8,1 

2,2 

3,0 

1886 

1,3 

1,5 

1,3 

2,5 

1,6 

2,1 

1,6  1,6 

4,5 

4,6 

4,7 

3,3 

7,2 

5,7 

4,1 

5,6 

1887 

1,5 

1,5 

1,9 

5,4 

1.3 

0,7 

3,9 

3,5 

4,4 

4.0 

4,0 

2,9 

3,3 

2,7 

1888 

0,2 

0,6 

2,5 

— 

3,2 

1.5 

0,2 

5,3 

5,5 

1,9 

3,0 

6,9 

5,6 

4,8 

4,7 

1889 

1,9 

1,5 

2,0 

0,5 

1,9 

1,4 

3,3 

3,4 

1,4 

1,0 

6.3 

— 

0,7 

1,0 

1890 

0,2 

0,3 

2,3 

1,6 

■1,1 

1,1 

2,8 

2,8 

1.6 

2,5 

2,9 

4,0 

4,1 

1891 

-0,1 

-0,2 

— 

0,6 

0,7 

0,6 

4,8 

4,9 

4,6 

5.7 

4,7 

— 

5.2 

4,9 

1892 

0,8 

-0,6 

1,5 

^^^" 

2,1 

1.9 

1,2 

3,3 

3,3 

2,0 

3,8 

6,2 

— 

2,1 

2.2 

1893 

3,1 

2,9 

— 

2,1 

1,8 

— 

5,3 

3,8 

6,0 

0,5 

1894 

1,2 



2,3 

1,5 

— 

0,3 

0,0 

■■ 

-0,4 

0,0 

— 

-0,2 



1895 

-0,9 

2,7 

— 

5,2 

— 

0,9 

3,2 

— 

3.7 

8,8 

— 

1,5 

Mittel 
1880—95 

0,9 

0,5 

2,2 

'^~ 

2,4 

1,3 

1,0 

3,6 

4.0 

2,8 

3,8 

5,3 

— 

2,7 

3,6 

Einfloss  des  Waldes  auf  Luft-  und  Boden temperatur.    §  17. 


37 


der  thfiriDgischen,  braunschweigischen  und  elsass-lothringischen  Stationen  fiber 
im  Freien  und  im  Walde. 


Lintzel 

Hadersleben 

Schoo 

Lahnhof 

Hoilerath 

H  agenau 

Neumath 

Melkerei 

bei 
1,5  m 

bei 
1,5  m 

Baum- 
krone 

bei 
1,5  m 

Baum- 
1  kröne 

bei 
1,5  m 

Baum- 
krone 

bei 
1,5  m 

Baum- 
krone 

bei      §  § 
1,5m    §  2 

bei 
1,5  m 

Baum- 
krone 

bei 
1,5  m 

Baum- 
1  kröne 

Wald  nnd  Freiem^  d.  h.  am  heissesten  Julitage  war  die  Waldlnft  kälter 
Freien  um  G*'. 


^^ 

^.^ 

_^^ 

_^ 

.^^ 

5,5 

5,0 

4,2 

^^ 

3,8 

1.8 

2,2 

3,2 





■ 



1,5 

1,5 

3,8 

1,3 

3,5 

2,7 

2,4 

2,2 

— 

6,2 

4,6 

2,0 

0,5 

3,6 

2,8 

3,7 

3,5 

6,1 

2,6 

5,0 

3,9 

1,6 

2,3 

— 

3,3 

2,6 

1,2 

0,3 

4,2 

3,4 

3,6 

2,2 

6,2 

1,8 

5,8 

3,8 

6,3 

6,2 

— 

3,5 

0,5 

2,2 

1,0 

4,5 

3,9 

4,4 

3,7 

6,0 

0,4i    5,2 

3,1 

4,8 

4,7 

— 

5,1 

1,4 

1,6 

1,0 

3,6 

2,9 

4,4 

3,7 

6,4 

1,9!    7,8 

6,1 

3,0 

2,2 

8,5 

1,4 

1,6 

1,1 

2,6 

2,2 

2.9 

1,7 

5,9 

1,7 

3,8 

1.7 

5,3 

5,7 

--0,9 
-0,3 

4,1 

2,8 

2,6 

1,0 

1,9 

1,3 

3,3 

3,1 

6,8 

0,1 

5,5 

3,5 

4,3 

4,2 

3,1 

1,0 

0,8 

0,2 

3,7 

3,0 

5,4 

4,9 

6,0 

3,1 

4,9 

3,2 

5,8 

5,7 

1,2 

5,1 

2,8 

0,7 

0,0 

4,0 

3,0 

3,2 

3,3 

5,4 

1,3 

2,7 

1,2 

5,2 

4,7 

1,8 

4,6 

3,2 

0,3 

+1.0 

4,6 

4,5 

4,4 

3,5 

5,9 

3,4 

4,1 

2,6 

5,0 

5,1 

0,5 

4,8 

2,8 

1,6 

0,6 

3,6 

3,0 

3,8 

3,3 

5,7 

1,8 

4.7 

8,1 

4,2 

4,2 

+0,4 

2,4 

1,3 

1,2 

+0,1 

3,8 

2,8 

■  5,8 

4,9 

2,1 

5,3 

3,1 

2,0 

5,1 

4,3 

0,3 

3,6 

1,9 

1.7 

0,6 

4,8 

3,4 

5,7 

5,3 

6,7 

3,1 

2,4 

1.6 

5,1 

4,8 

0,6 

2,7 

0,3 

2,8 

1,6 

4,2 

3,0 

8,4 

3,3 

5,5 

1,4 

3,4 

2,1 

5.1 

4,6 

0,1 

2,9 

1,7 

1.0 

0,2 

3,4 

2,3 

4,1 

3,4 

6,0 

2,0 

2,1 

1,6 

5,1 

4,6 

0,9 

3,6 

2,1 

0,9 

0,3 

3,6 

2,2 

4.9 

4,4 

6,6 

0,4 

3,8 

2,8 

6,2 

5,2 

1.5 

4,9 

2,7 

1,6 

1,0 

4,6 

3,1 

2,8 

2,6 

5,6 

3,0 

2.4 

1,4 

2,6 

8,1 

1.7 

4,1 

3,0 

1.0 

+0,4 

4,9 

3,9 

6,6 

5,9 

5,7 

1,3 

3,3 

2,6 

5,0 

4,0 

1.7 

4,5 



1,2 

2,7 

6,1 



5,5^ 

2,6 

— 

4,5 



1.5 

4,2 

1.0 

4,1 



6,6 

8,0 



5,0 

— 

4,4 

1.0 

3,2 



2,0 

4,7 



4,0 

8,4 



3,7 

— 

3,4 



0,9 

3,6 

1,« 

1,4 

0,5 

4.2 

3,0 

1 

6,0 

4,3 

6,0 

2,4 

3,2 

2,0 

4,7 

4,4 

zwischen  Wald  nnd  Freiem,  d.  h.  am  kältesten  Jannartage  war 
wärmer  nm  C^ 


2,0 

4,0 

— 



— 

8,5 

2,5 

0,8 

0,8 

1,0 

2,2 

2,7 

0,1 

1,4 

0,4 

0,3 





3,0 

2,6 

0,9 

0,3     0,0 

0,2 

3,1 

5,1 

— 

—0,5 

2,2 

1,1 

0,2 

2,0 

1,5 

5,0 

4,6 

1,2 

2,6 

-1,8 

-1,3 

3,0 

4,9 

-1.3 

-0,6 

1,1 

0,4 

2,9 

2,5 

2,5 

2,6 

2,7 

2,8 

0,1. 

0,0 

-1.6 

0,7 

— 

0,3 

0,4 

2,3 

1,6 

4,2 

3,8 

1,7 

1.5 

2,1 

0,8 

-0,7 

0,0 

-2,1 

0,4 

1,9 

2,5 

1,7 

2,2 

4,8 

8,8 

2,7 

2,1 

4,4 

5,4 

0,2 

1,2 

0,1 

0,8 

0,2 

0,7 

1.9 

0,8 

0,7 

0,2 

0,1 

2,0 

0,6 

0,7 

-0,1 

0,7 

0,9 

1,3 

1,4 

0,2 

0,1 

1,1 

0,2 

0,1     2,0 

0,9 

1.7 

0,9 

0,6 

-1,5 

-0,1 

0,1 

0,8 

0,6 

0,0 

-0,1 

0,6 

1,2 

1,2 

—0,4 

02 

0,1 

-0,2 

3,2 

1,5 

0,2 

-0,4 

1,5 

1.5 

0,1 

0,5 

2,7 

0,6 

0,2 

-1,6 

-1,3 

1,9 

1,3 

0,4 

-1,7 

0,9 

-1,2 

1.4 

1,1 

0,1 

0,4 

1,6 

1,1 

0.7 

1,8 

1,4 

2,4 

1.9 

1,7 

1,1 

0,0 

0,3 

1,0 

1,9 

0,6 

1,2 

0,5 

0,3 

1,4 

—0,8 

-1,2 

1,4 

—1.4 

—0,8 

0,1 


0,0 
0,2 
0,4 
0,3 
0,2 
1,0 
0,3 
1,5 
0,1 
1.9 

0,5 


1,1 
1,4 
3,4 
0,8 
0,5 
0,7 
1,0 


1,8 


1,6 
0,4 
1.2 
1.3 
0,2 
0,7 
0,8 
1,3 
0,5 
2,0 

1.0 


0,8 
—0,2 

0,4 

0,4 
—0.2 

0,2 
-0,1 


0,2 


1.7 
0,9 
2,5 
0,9 
0,7 
1,8 
-1,8 
2,0 
■0,1 
2,5 

1,1 


2,0 
-0,2 
1,3 
0,4 
0,1 
0.7 
-1.2 


04 


1.3 
0,6 
3,4 
1.4 
0,0 
0,8 
1,5 
2,4 
0,0 
1.0 

1,2 


2,5 
-0,2 
3,0 
1,7 
-0,2 
0,4 
1,4 


2,3 

0,8 

1.8 

1,4 

1,9 

0,2 

0,4 

0,5 

0,6 

0,8 

0,5 

1,3 

0,8 

0,3 

0,3 

0,6 

0,2 

-0,4 

-0,5 

0,0 

0,9 

0,1 

0,5 

0,5 

0,7 

3,4 

2,6 

-1,6 

—0,9 

-1,1 

0,4 

-0,5 

0,9 

0,6 

2,0 

3,0 

0,1 

— 

0,2 

0,7 

-1,0 

— 

-1,3 

1,3 

— 

2,0 

0,2 

1,8 
1,3 
0,0 
■0,4 
0,6 
■1,4 
1.6 


1.2 


0,4 


0.7 


0,2 


0,1 


0,2 


0,6 


38 


I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


üial,25«C 


Lnftwärme  ijn  Walde  beeinflussen,   ergiebt  sich,  wenn  man  das  Mittel  für  Buchen, 
Fichten  und  Kiefern  ans  dieser  Tabelle  (S.  36  und  37)  zieht, 

es  ist  dann  die  höchste  Jnlitemperatnr  die  kälteste  Jannartemperatnr 

im  Mittel  1876— «5      1886—95        im  Mittel  1875—85     1886—95 
in  den  Bnchenbeständen  kälter  nm  4,65^^      um  4,37<>  C         wärmer  am  1,18<^ 
„    ^   Fichtenbeständen     „       ,   2,56«       „   3,38«  „  „        „   2,38« 

^    „    Kiefembeständen      „       „   2,30«        „   2,85«  „  „        „    1,18« 

als  die  Lnft  im  Freien  in  gleicher  Höhe  am  gleichen  Tage. 

Demnach  übt  der  geschlossene  Buchenwald  im  Hochsommer 
einen  beträchtlich  grösseren  Einflnss  anfdie  Herabmindernng 
der  Extreme  der  Lufttemperatur  ans,  als  der  Fichten-  und  Kie- 
fernwald; dagegen  ist  seine  Einwirkung  nach  dem  Blattabfall 
fast  gen  au  nur  jenem  des  Kiefernwaldes  gleich  und  nur  halb  so 
stark  als  jener  des  Fichtenwaldes. 

Einen  analogen  Einfluss  der  wichtigsten  bestandbildenden  Holzarten  auf  die  täg- 
lichen Maxima  und  Minima  der  Lufttemperatur  haben  die  14— 15jäh- 
rigen  Beobachtungen  an  den  Doppelstationen  des  preussischen  Beobachtungsnetzes  ge- 
zeigt, worüber  ausführliche  Berechnungen  und  graphische  Darstellungen  von  Geh.  Rat 
Prof.  Dr.  Müttrich  vorliegen«'^).  Aus  diesen  möge  nur  der  kurze  Auszug  hier  folgen: 

Unterschiede  der  mittleren  Haiimal-Temperaturen  zwischen  Feld-  und  Waldstation. 

(14  und  15jährig6  Mittel),  d.  h.  in  Celsius -Graden  war  es  im  Walde  kälter  am: 


Jan. 

Febr. 

März 

1,65^ 

0,87 

0,43 

April 

Mai 

Juni 

JuU 

Aug.  Sept 

Okt 

Nov. 

Dezb. 

in  Ficlitenbeständen 
,  Kiefembeständen 
,  Buchenbeständen 

0,55 
0,59 

1,.38" 

0,75 

0,58 

[2,12" 
0,97 
0,22 

"2,14" 
1,36 
1,45 

^2,46 
1,86 
3,18 

[  2,78 
2,09 
3,46 

2;77" 

2,21 

3,09 

'2,63 
2,14 
2,60 

r^63' 
1,39 
1,37 

f  1.04'1 
0,68 
0,55 

[(^,7T 
0,45 

0,48 

Unterschiede  der  mittleren  Minimal-Temperatnren  zwischen  Wald-  and  Feldstation. 


In  Celsius-Graden  war  es  im  Walde  wärmer  um: 


in  Fichtenbeständen 
,  Kiefembeständen 
.  Buchenbeständen 


1,05 

0,96 

0,95 

0,84 

1,06 

1,24     1,33 

1,49 

1,28 

0,49 

0,41 

0,50 

0,48 

0,51 

0,60    0,72 

0,76 

0,86 

0,36 

0,26 

0,29 

0,35 

0,72 

0,94    0,98 

1,12 

1,17 

0,79 
0,62 
0,75 


0,69 

0,48 
0,29 


0,81 
0,4« 
0,30 


§  18.  Von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung,  namentlich  für  die  Feuchtig- 
keitsverhältnisse ist  femer  die  Einwirkung,  welche  der  geschlossene  Wald  auf  die 
Bodentemperatur  ausübt.  Da  aber  der  Boden  selbst  sich  in  seinen  verschiede- 
nen Schichten  sehr  langsam  unter  dem  Einfluss  der  Sonne  erwärmt,  so  kann  nur  eine 
beständige  Beobachtung  der  Erdwärme  in  verschiedenen  Tiefen  hierüber  Aufschluss 
geben.  Da  sich  die  Anführung  des  ausserordentlich  grossen  Zahlenmateriales  des  preus- 
sischen Beobachtungsnetzes  hier  durch  die  Eücksicht  auf  den  Kaum  verbietet,  so  mögen 
nur  die  Differenzen  der  Jahresmittel,  dann  die  bayerischen,  württembergischen  und 
schweizerischen  Beobachtungen  hier  Platz  finden  (s.  Tabelle  Seite  39). 

Aus  diesen  Beobachtungsresultaten  lassen  sich  folgende  allgemeine  Schlüsse  in 
bezug  auf  die  Einwirkung,  welche  geschlossene  Holzbestände  auf  den  Gang  der  Tem- 
peratur des  Bodens  ausüben,  ableiten: 

Die  jährlichen  Mitteltemperaturen  in  den  verschiedenen  Bodenschichten  sind 
an  einem  und  demselben  Orte  nahezu  gleich  mit  Ausnahme  der  Oberfläche,  dagegen  ist 
die  mittlere  Jahrestemperatur  des  Waldbodens  in  allen  Bodenschichten  niedriger 


65)  Nach  Prof.  Dr.  Müttrich  in  Danckelmanns  „Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen* 
1890.    Septemberheft. 


Einfiiiss  des  Waldes  auf  Luft-  and  Bodentemperatnr.     §  18. 


39 


Die  Temperatur  des  Waldbodens  war   um  folgende  Grade  (Cels.)  niedriger  oder 

höher  (+)  als  jene  des  Bodens  im  Freien. 


Stationen 


Differenzen  der  Bodentemperatur-Mittel  im  Freien 

und  Wald 


An  der 
Ober- 
fläche 


in  0,15  m 
Tiefe 


in  0,3  m 
Tiefe 


in  0,6  m 
Tiefe 


in  0,9  m 
Tiefe 


in  1,2  m 
Tiefe 


A.    Yieljährige  Beobachtunfi^en  an  den  forstl.  meteorolog.  Stationen 

Preussens,  Braunschweigs  und  Elsass^). 
In  der  mittleren  Jahrestemperatur  nach  9  bis  15jährigen  Mittelzahlen. 


Fritzen    .    . 
Kurwien 
Garlsberg  I 
dto.     II 
Eberswalde 
Schmiedefeld 
Friedrichsrode 
Sonnenberg 
Marienthal  . 
Lintzel    .    . 
Hadersleben 
Schoo      .     . 
Lahnhof  .     . 
HoUerath 
Hagenau 
Neumath 
Melkerei 


1,3 

1,0 

1,2 

1,3 

1,2 

1,5 

1,1 

0,8 

1,0 

1,0 

1,1 

0,8 

1,1 

1,7 

1,6 

2,3 

1,3 

1,4 

1,5 

1,4 

1,5 

1,2 

0,5 

0,6 

0,6 

1,8 

1,3 

1,0 

0,9 

1,0 

1,3 

0,9 

0,6 

0,8 

0,9 

1,9 

1,6 

1,1 

1,2 

1,3 

1,3 

1,3 

0,9 

1,1 

1,0 

0,8 

0,5 

0,3 

0,4 

0,3 

0,5 

0,4 

0,4 

0,5 

0,6 

0,7 

0,5 

0,7 

0,8 

0,8 

1,2 

0,7 

0,9 

1,0 

1,1 

0,7 

1,1 

1,3 

1,4 

1,2 

1,8 

0,9 

0,6 

1,0 

1,2 

2,1 

1,5 

1,1 

1,2 

1,1 

2,4 

1.2 

1,3 

1,5 

1,4 

hl 
1,1 

1,6 
1,4 
0,7 
0,9 
1,0 
1,3 
0,9 
0,3 
0,6 
0,8 
1,2 
1,2 
1,4 
1,2 
1,5 


Gesamtdurchschnitt  A 


I       1,42 


1,02 


0,90 


1,05 


1,04 


B.   Bayerische  Beobachtungen,   Gesamt  durchschnitt  pro  1868/69. 


im  Frühjahre 
im  Sommer 
im  Herbst    . 
im  Winter  . 


2,54 
3,91 
1,26 
0,26 


2,02 

4,16 

1,30 

+  0,18 


2,00 

4,36 

1,58 

+  0,10 


1,71 
4,03 
1,82 
0,05 


1,07 


1,48 
3,96 

1,98 
0,18 


im  Jahresmittel 


1,99 


1,82 


1,96 


1,90 


1,90 


C.    Württembergische  Beobachtungen  (1883/84)  zu  Si  Johann ,   Fichtenwald. 


im  Frühjahre 
im  Sommer 
im  Herbst    . 
im  Winter  . 


2,0 
3,1 

0,8 
0,0 


1,4 

1,6 

1,4 

1,1 

3,8 

3,5 

3,6 

3,3 

1,1 

1,8 

1,8 

2,0 

+  0,3 

0,4 

0,2 

0,2 

im  Jahresmittel 


1,5 


—      I       1,4      I       1,8      I       1,7 
D.   Schweizer  Beobachtungen. 
In  der  mittleren  Jahrestemperatur  (nach  12jährigem  Durchschnitte  1869- 


Interlacken  (50jähr.  Lärchen) 
Bern  (40jähr.  Fichten  .  .  . 
Pruntrut(50— eOjähr.  Buchen) 


2,34 
2,15 
2,40 


1,41 
2,53 
1,50 


0,77 

0,69 

2,77 

3,04 

1,39 

1,51 

In  den  einzelnen  Jahreszeiten  (nach  12j ährigem  Durchschnitte). 
I.   Im  Frühling  (März,  April,  Mai). 


Interlacken 
Bern    .    . 
Pruntrut . 


2,93 
3,23 
2,46 


1,55 
3,58 
1,27 


IL  Im  Sommer  (Juni,  Juli,  August). 


Interlacken 
Bern   .    . 

Pruntrut . 


4,53 
3,80 
5,13 


3,04 
4,87 
3,25 


0,41 
3,59 
1,06 

2,05 
5,46 
2,96 


0,33 
3,53 
1,01 

2,01 

5,85 
3,43 


1,6 

1880). 

0,94 

2,84 
1,54 


0,40 
2,96 
1,04 

1,92 
5,52 
3,99 


66)  Nach  dem  Jahresberichte  über  die  Beobachtungs-Ergebnisse  der  forstl.  meteorolo- 
gischen Stationen  1897. 


40 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


Die  Temperatur  des  Waldbodens  war  um  folgende  Grade  (Cels.)  niedriger  oder 

höher  (+)  als  jene  des  Bodens  im  Freien. 


Stationen 


Differenzen  der  Bodentemperator-Mittel  im  Freien 

und  Wald 


flÄ    1     Tiefe 


in  0,8  m 
Tiefe 


in  0,6  m 
Tiefe 


in  0,9  m 
Tiefe 


in  1,2  m 
Tiefe 


III.   Im  Herbst  (September,  Oktober,  November). 


Tnterlacken 
Bern    .     . 
Pruntnit 


1,87 

— 

1,47 

1,21 

1,08 

1,50 

1,97 

2,28 

2,78 

1,88 

1,39 

1,47 

1,71 

1,46 

2,87 
1,87 


IV.    ImWinter  (Dezember  und  Januar,  Februar  des  folgenden  Jahres). 


Interlacken 
Bern    .     . 
Pnintrut . 


0,00 
0,06 
0,13 


+  0,44 

+  0,27 

0,06 


+  0,57 

+  0'28 

0,08 


+  0,63 

0,00 

+  0,10 


+  0,03 

+  0.01 

0,30 


als  jene  im  Freien.  Die  grössten  Differenzen  gegenüber  dem  Freien  zeigen  die  Böden 
in  geschlossenen  Fichtenbeständen,  während  die  Differenzen  in  Buchenbeständen  nur 
1,5®  C,  im  Lärchenbestande  nor  0,7®  C.  und  am  geringsten  in  den  Kiefembeständen 
sind.  Was  das  Verhalten  in  den  einzelnen  Jahreszeiten  betrifft,  so  nimmt  im  Fnih- 
jahre  die  Bodentemperator  von  oben  nach  nnten  im  allgemeinen  ab,  der  Waldboden  ist 
dann  dm-chgehends  kälter  als  derjdhige  des  freien  Landes,  während  im  Sommer  diese 
Differenz  ihr  Maximum  erreicht  nnd  am  grössten  im  geschlossenen  Fichtenbestande  und 
im  Bnchenwalde,  etwas  geringer  im  Kiefern-  and  Lärchenbestande  ist.  Nach  den  viel- 
jährigen Beobachtungen  des  prenssischen  Netzes  sind  die  höchsten  Monatsmittel 
der  sommerlichen  Bodentemperatur  im  Walde  um  folgende  Grade  Celsius 
niedriger  als  die  entsprechende  Bodenwärme  im  Freien: 


1,5 


0,3  0,6 


0,9 


1,2  m 


3,15 

3,05 

3,17 

2,93 

2,73 

3,32 

3,02 

3,10 

2,80 

2,53 

2,96 

2,32 

2,78 

2,70 

2,52 

bei  einer  Tiefe  von        0  m 

(Oberfläche) 
in  den  Buchenbeständen     4,58 

„     „     Fichtenbeständen    3,90 

„  „  Kiefembeständen  3,94 
Im  Sommer  übt  daher  der  Wald,  wie  in  bezug  auf  die  Luft,  so  auch  einen  bedeaten- 
den  Einfluss  auf  die  Ermässigung  der  Bodentemperatur  aus.  Im  Herbst  nimmt  dagegen 
die  Wärme  im  Boden  von  der  Oberfläche  nach  der  Tiefe  zu,  aber  die  Differenzen  zwi- 
schen Waldboden  und  Ackerland  werden  geringer.  Im  Winter  findet  ebenfalls  eine 
Zunahme  der  Bodenwärme  mit  der  Tiefe  statt,  jedoch  hat  der  Waldboden  nahezu  die 
gleiche  Temperatur,  wie  jener  des  freien  Landes  oder  er  ist  um  ca.  einen  halben  Grad 
wärmer  als  letzterer.  Hieraus  folgt  also,  dass  der  Kronenschirm  des  Waldes  in  dieser 
Jahreszeit  nur  sehr  wenig  Einwirkung  auf  die  Bodentemperatur  ausübt,  analog  wie 
dies  oben  hinsichtlich  der  Luftwärme  nachgewiesen  wurde.  Der  Einfluss  der  Belaubung 
macht  sich  demnach  besonders  im  Frühjahre,  Sommer  und  Herbst  bemerkbar,  nament- 
lich verhindern  die  immergrünen  Nadelhölzer  (Fichten)  gegenüber  den  im  Frühjahre 
noch  kahlen  Lärchen  und  Buchen  eine  direkte  Insolation  des  Bodens,  so  dass  bis  tief 
in  den  Sommer  hinein  der  Boden  des  Fichtenwaldes  auffallend  kalt  ist.  Eingehende 
Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  enthalten  Ebermayer  „Phys.  Einwirkungen 
des  ^Waldes  6tc.",  dann  J.  Schubert  „Der  jährl.  Gang  der  Luft-  und  Bodentempe- 
ratur etc."  Berlin  1900,  femer  M.  W.  Harrington  „Forest  and  soll  temperatures". 
Americ.  Meteorol.  Joum.  1890/91.  Bemerkenswert  sind  namentlich  auch  die  Beobach- 
tungen über  Maximal-Temperatui'en  an  der  Bodenoberfläche  in  den  mssischen  Steppen, 


Einfluss  des  Waldes  auf  Laft-  und  Bodentemperatur.     §  19.  41 

wo  J.  Klingen*^  60 — 66®  C.  nachgewiesen  hat;   eine  solche  Erhitznng  des  Bodens 
muBS  auch  bedeutende  Rückwirkungen  auf  die  Lufttemperatur  zur  Folge  haben. 

Von  allgemeiner  Bedeutung  werden  diese  Resultate  dann,  wenn  man  sich  ver- 
gegenwärtigt, dass  in  den  meisten  Gegenden  Deutschlands  ^/4  bis  V»  der  ganzen  Bo- 
denoberfläche, im  ganzen  nahezu  14  Millionen  ha  in  dieser  Weise  durch  ihre  Tempe- 
ratur-Verschiedenheiten modifizierend  auf  die  sommerlichen  Extreme  der  durch  die  In- 
solation hervorgebrachten  Wärme  einwirken.  Namentlich  in  den  Hoch-  und  Mittel- 
gebirgen, wo  die  Felsen  und  das  nackte  Gestein  bei  Entwaldungen  der  Sonneneinwir- 
knng  ohne  Schutz  preisgegeben  sind,  oder  bei  wasserarmen  Sandböden  des  Tieflandes 
wird  daher  eine  um  4Va — 5^  C.  höhere  Mitteltemperatur  des  Bodens  auf  das  Lokalklima 
einen  bemerkbaren  Einfluss  ausüben.  Dass  aber  der  unterschied  zwischen  den  höch- 
sten Bodentemperaturen  des  Waldes  und  Feldes  bis  auf  6^  ja  selbst  7,8^  G.  steigen 
kann,  haben  die  Beobachtungen  in^ Württemberg  bewiesen^).  Wie  sehr  der  Wald  den 
anfsteigenden  Luftstrom  an  heissen  Tagen  ermässigt,  davon  berichten  alle  Luftschiffer, 
welche  gezwungen  sind,  den  Ballon  wegen  Abkühlung  durch  Auswerfen  von  Ballast  zu 
erleichtem,  sobald  sie  über  grössere  Waldflächen  passieren. 

In  bezug  auf  die  Gesamtwirkung  aller  dieser  einzelnen  Faktoren  hat  Pro- 
fessor Dr.  Paul  Schreiber  in  seinem  Buche  „Die  Einwirkung  des  Waldes  auf  Klima 
und  Witterung''  den  interessanten  Versuch  gemacht,  aus  den  30jährigen  Beobachtungs- 
reihen über  Lufttemperatur  des  sächsischen  meteorologischen  Netzes  die  Grundformeln 
für  den  Einfluss  der  Meereshöhe,  Exposition,  geographischen  Länge  und  Breite,  sowie 
endlich  der  Bewaldungsziffer  kleiner  Rechtecke  von  10  qkm  Flächengrösse  rechnerisch 
abzuleiten.  Er  fand,  dass  bei  geringer  Bewaldung  die  tatsächlich  beobachteten  mitt- 
leren Lufttemperaturen  etwas  höher,  bei  starker  Bewaldung  niedriger  sind  als  die  be- 
rechneten Mittelwerte,  wie  sie  nach  der  Grundformel  für  den  Einfluss  der  Höhenlage 
sich  ergeben.  Genauer  ausgedrückt  war  diese  Abweichung  vom  berechneten  Mittel 
folgende : 

Bei  einer  Bewaldung  von  lO^/o  20^/0  35o/o  öö^/o  75^0 
war  die  Abweichung  +0,08<»  +0,08<^  +0,02<^  —0,10®  —0,20®  C,  so  dass  sich  im 
grossen  Durchschnitte  für  jedes  Prozent  einer  stärkeren  Bewaldung  eine  Temperatur- 
emiedrigung  von  0,004®  C.  ergeben  würde.  Das  ist  (in  ziemlicher  Uebereinstimmung 
mit  den  Ergebnissen  der  forstlichen  Doppelstationen)  eine  niedrige  Ziffer;  allein  es  ist 
zu  bedenken,  dass  es  sich  hier  um  Mittelwerte  handelt,  in  denen  das  entgegengesetzte 
Verhalten  des  Waldes  unter  Tages  gegen  die  Insolation  und  während  der  Nacht  gegen 
die  Strahlung  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  wie  Plus  und  Minus  gegenseitig  auf- 
gehoben hat.  Nicht  in  den  Jahres-Mitteltemperaturen,  sondern  in  der  Abschwächung 
der  Temperatur-Extreme  nach  beiden  Richtungen  hin  macht  sich  die  klimatische  Ein- 
wirkung des  Waldes  in  charakteristischer  Weise  geltend. 

§  19.  Eine  wesentliche  Verstärkung  erhalten  die  im  bisherigen  betrachteten 
Faktoren  durch  die  Mitwirkung,  welche  die  Temperaturverschiedenheit  des  Holzbestan- 
des auf  die  durchstreichenden  Luftschichten  ausübt.  Eine  Luftströmung,  welche  die 
Erdoberfläche  berührt,  wird  durch  den  20 — 30  Meter  hohen  Raum  zwischen  den  Baum- 
kronen und  dem  Boden  des  Waldes  durchziehend  mit  den  Stämmen,  Zweigen,  Blatt- 
organen in  häufige  Berührungen  kommen  und  deshalb  von  deren  Temperatur  um  so 
mehr  beeinflusst,  je  grösser  der  Unterschied  zwischen  beiden  ist.  Man  hat  deshalb  in 
den   forstlich-meteorologischen  Beobachtungsnetzen   auch   die  Temperatur  der  Bäume 


67)  St.  Petersburger  Meteorolog.  Zeitschrift  1893. 

68)  Dr.  Th.  Nördlinger  „Einfluss  des  Waldes«  S.  71. 


42 


I.  Weber.  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


gemessen  und  gefanden,  dass  dieselbe  während  der  Vegetationszeit  stets  kälter  ist  als 
die  umgebende  Lnft,  dagegen  im  Winter  zuweilen  etwas  wärmer  sein  kann  als  letztere. 
Nach  den  von  Prof.  Dr.  Ebermayer  veröfTentlichten  Resultaten  waren  im  Gesamt- 
durchschnitt des  Jahres  1868/69  die  Bäume  um  folgende  Grade  C.  kälter  als  die  Luft 

im  Frühjahr    im  Sommer    im  Herbst    im  Winter    im  Jahresmittel 
auf  Brusthöhe  1,26^  1,75<»  0,66»  1,21^  1,23« 

in  der  Baumkrone        0,82»  1,17«  0,37«  0,40«  0,69« 

Einen  genaueren  Einblick  giebt  die  12jährige  Beobachtungsreihe  der  schweizerischen 
Stationen, '  deren  Differenzen  ich  berechnet  und  nachfolgend  zusammengestellt  habe. 

Die  Baumtemperatar  in  Brusthöhe  war  um  folgende  Grade  (C«)  kälter  (--)  oder 
wärmer  (+)  als  die  Lnfttemperatnr  in  3  m  Höhe  ausserhalb  des  Waides. 

Schweizer  Beobachtungen. 


- — — 

Station 

Station 

Station 

Station 

Station 

Station 

Jahr 

Interlacken 

Bern 

Pruntrut 

Interlacken 

Bern 

Pruntrut 

1 

(Lärche) 

(Fichte) 

(Buche) 

(Lärche) 

(Fichte) 

(Buche) 

Im 

Frühling 

(März,  April, 

Mai) 

Im  Sommer  (Juni,  Juli,  August) 

1869 

—  1,94 

2,40 

—  1,31 

-2,97 

-3,56 

—  3,28 

1870 

—  2,37 

3,45 

—  1,46 

—  2,86 

-3,94 

—  3,15 

1871 

—  2,25 

—  3,68 

—  1,60 

3,04 

—  4,39 

—  3,06 

1872 

2,07 

-3,47 

1,56 

—  8,13 

-3,86 

2,82 

1873 

1,75 

3,21 

1,20 

—  3,64 

-4,39 

—  3,70 

1874 

—  2,30 

—  3,55 

—  1,85 

—  3,86 

-4,29 

—  3,72 

1875 

2,98 

—  3,97 

2,33 

—  3,54 

—  4,06 

—  3,15 

1876 

-1,70 

—  3,16 

—  1,54 

—  4,02 

-3,98 

—  8,37 

1877 

—  1,89 

-3,29 

-1,30 

—  3,67 

—  4,33 

—  3,29 

1878 

—  2,20 

—  3,19 

-1,56 

—  2,92 

-3,76 

—  3,27 

1879 

-1,71 

—  3,21 

-M7 

—  2,77 

—  4,04 

—  2,75 

1880 

2,17 

-3,91 

—  1,33 

—  3,64 

-4,11 

-2,75 

12jähr. 
Mittel 

—  2,11 

3,37 

—  1,52 

3,34 

-4,06 

-3,18 

Im  Hei 

bat  (Septem 

ber,  Oktober, 

November) 

Im  Winter  (Dezember,  Januar,  Februar) 

1869 

—  1,08 

—  2,27 

—  1,73 

-0,05 

—  0,97 

+  0,75 

1870 

-1,05 

—  2,18 

—  1,63 

—  0,46 

-0,38 

+  1,06 

1871 

—  0,82 

—  1,85 

1,07 

0,63 

-  0,02 

+  1,16 

1872      i 

— 1,26 

2,72 

—  1,68 

-0,33 

1,30 

—  0,70 

1873 

—  0,88 

-1,68 

1,62 

0,44 

—  0,89 

0,86 

1874 

—  0,99 

-2,87 

1,92 

—  0,13 

—  0,91 

0,13 

1875 

—  0,72 

2,26 

-1,60 

—  0,29 

—  1,12 

0,08 

1876 

—  1,18 

—  2,53 

-1,84 

0,34 

—  1,30 

—  1,31 

1877 

0,74 

-  2,55 

—  1,62 

—  0,46 

—  1,27 

1,23 

1878 

—  1,12 

-2,16 

—  1,54 

—  0,37 

1,07 

-1,14 

1879 

0,63 

-1,90 

-  0,87 

—  0,20 

-1,69 

-0,40 

1880 

1,12 

—  2,06 

-0,97 

—  0,69 

—  1,27 

—  0,62 

12iahr. 
Mittel 

—  0,96 

-2,25 

—  1,51 

—  0,36 

-0,95 

0,29 

Auch  diese  Beobachtungen  beweisen,  dass  im  Sommer  die  grösste  Abweichung 
der  Baamtemperatnr  von  der  Lnftwärme  stattfindet  und  zwar  im  Mittel  um  3 — 4^  C, 
also  erheblich  mehr  als  nach  den  Beobachtungen  in  Bayern.  Insbesondere  bei  der 
Buche  und  Lärche  tritt  der  Einfluss  der  Belaubung  im  Sommer  deutlich  hervor,  indem 
sich  die  Differenz  gegenüber  dem  Frühling  und  Herbst  fast  verdoppelt,  während  die 
Fichte  schon  im  Frühjahr  kalt  ist.  Im  Jahresmittel  beträgt  der  unterschied  im  Durch- 
schnitte : 


bei  der  Lärche  (Interlacken) 
„  „  Fichte  (Bern)  .  . 
„      „    Buche  (Pruntrut) 


1,69«  C. 
2,66«  . 
1,62«    „ 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  20.  43 

während  Prof.  Dr.  Ebermayer  folgende  Unterschiede  fand: 
bei  der  Weisstanne  (Dnschlberg)  .    .    1,12®  C. 

„     „    Fichte  (Seeshaupt)  ....    0,67®   „ 

„     „    Eiche  (Rohrbrunn)  ....    Ißl^   „ 

„     «    Buche  ,  .    .    .    .    1,40«   „ 

„     „        „     (Johanneskreuz)      .    .    1,20®   „ 

„     „        „      (Ebrach) 0,45®   „ 

„  „  Kiefer  (Altenfurth)  ....  2,07®  „ 
In  bezug  auf  den  täglichen  Gang  der  Baumtemperatur  haben  die  obigen 
Untersuchungen  gezeigt,  dass  im  allgemeinen  die  Bäume  unter  tags  kälter,  bei  Nacht 
aber  nur  unwesentlich  kälter,  häufig  aber  wärmer  sind,  als  die  umgebende  Luft,  wobei 
die  unteren  Stammteile  meistens  infolge  des  aufsteigenden  Saftes  sich  der  Temperatur 
des  Bodens  nähern,  die  oberen  Partien  aber  mehr  jener  der  Luft.  Je  dicker  die  Stämme 
sind,  desto  weiter  bleibt  ihre  Wärme  hinter  den  Extremen  der  Lufttemperatur  zurück. 

2.  Einwirkung  der  W&lder  auf  den  Feuehtigkeitsgrad  der  Luft  und  auf  den 

Kreislauf  des  Wassers« 

§  20.  Die  atmosphärische  Luft  enthält  überall  und  stets  eine  ihrer  Grösse  nach 
sehr  veränderliche  Menge  von  Wasser  in  Gasform  aufgelost.  Da  Wassergas  ein  ko6r- 
zibles  Gas  ist,  so  gUt  für  dasselbe  das  Mario tte'sche  Gesetz  nur  so  lange,  als  das 
Maximum  seiner  Dichtigkeit  nicht  erreicht  ist,  und  es  kann  deshalb  bei  einer  bestimmten 
Temperatur  in  einem  bestimmten  Räume  nur  ein  gewisses  Maximum  Wassergas  ent- 
halten sein,  welches  nicht  überschritten  werden  kann,  ohne  dass  der  Ueberschuss  zu 
tropfbar  flüssigem  Wasser  kondensiert  wird.  Die  Physiker  haben  auf  experimentellem 
Wege  für  jeden  Temperaturgrad  die  grösste  mögliche  Spannkraft  und  Dichte  des  Was- 
serdampfes bestimmt  und  da  Luft  und  Wasserdampf  gegenseitig  keinen  Druck  auf  ein- 
ander ausüben,  so  gelten  diese  Angaben  auch  für  den  in  der  Atmosphäre  enthaltenen 
Wasserdampf.  Man  weiss  also,  dass  z.  B.  bei  einer  Temperatur  von  0^  der  in  der 
Luft  in  maximo  enthaltene  Wasserdampf  einen  Druck  von  4,53  mm  auf  die  Quecksilber- 
säule des  Barometers  ausübt  und  dass  dann  in  1  cbm  Luft  5,4  Gramm  Wasser  ent- 
halten sind,  ebenso  entspricht  jedem  Temperaturgrade  eine  gewisse  Maximaltension  und 
Dichtigkeit  des  Wassergehaltes,  welche  man  als  „Sättigungspunkt^  bezeichnet. 
Da  aber  nicht  jede  Luft  mit  Wasserdunst  gesättigt  ist,  sondern  mit  zunehmender  Wärme 
sich  von  diesem  Punkte  wieder  entfernt,  also  scheinbar  trockener  wird,  so  unterscheidet 
man  1)  den  absoluten  Feuchtigkeitsgehalt,  welcher  die  wirklich  z.  Z. 
vorhandene  Menge  Wassergases  und  zwar  durch  ihre  Tension  auf  die  Quecksilbersäule 
in  Millimetern  ausdrückt  (den  sog.  „Dunstdruck")  und  2)  die  relative  Feuchtig- 
keit oder  das  Prozentverhältnis,  in  welchem  der  thatsächlich  vorhandene  zu  dem  nach 
Temperatur  und  Druck  möglichen,  maximalen  Wasserdampfgehalt  der  Luft  (letz- 
terer =  100)  steht.  Diese  Unterscheidung  muss  in  den  nachfolgenden  Erörterungen 
streng  festgehalten  werden,  da  nur  auf  diese  Weise  ein  Einblick  in  die  Wirkung  des 
Waldes  auf  die  Feuchtigkeitsverhältnisse  gewonnen  werden  kann. 

Aehnlich  wie  dies  schon  bei  der  Besprechung  der  Temperaturverhältnisse  betont 
wurde,  so  hängen  auch  die  Luftfeuchtigkeit  und  die  damit  im  Zusammenhange  stehen- 
den atmosphärischen  Niederschläge  von  grossen  Vorgängen,  die  das  solare  Klima  be- 
dingen, in  erster  Linie  ab.  Namentlich  ist  es  die  Verteilung  der  Wärme  und  des  Luft- 
druckes über  dem  atlantischen  Ozean,  welche  die  Stärke  und  Richtung  der  dunstbe- 
ladenen  Luftströmungen  bestimmen  und  so  dem  Linem  unseres  Kontinentes  in  mehr 
oder  weniger  regelmässiger  Periodizität  stets  neue  atmosphärische  Feuchtigkeit  zuführen. 


44  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Obgleich  aber  diese  Vorgänge  hauptsächlich  von  dem  scheinbaren  Stand  der  Sonne  ab- 
hängig sind,  so  verlaufen  sie  doch  durchaus  nicht  mit  jener  Regelmässigkeit,  die  man 
bei  dem  mathematisch  genau  bekannten  Gang  desselben  erwarten  sollte,  vielmehr  lehrt 
uns  jeder  Tag,  dass  Unbeständigkeit  und  Unregelmässigkeit  den  Verlauf  der  Witte- 
rungserscheinungen charakterisieren.  Gerade  in  bezug  auf  den  Gang  der  Luftfeuchtig- 
keit machen  sich  die  klimatischen  Modifikatoren  der  Terraingestaltung,  der  Verteilung 
von  Wasser  und  Land  so  wie  der  Bodenbedeckung  besonders  bemerkbar  und  es  kann 
sich  also  im  folgenden  nur  darum  handeln,  die  modifizierende  Einwirkung  des  mit  Wald 
bedeckten  Landes  auf  die  Kondensation  und  die  Wiederverdunstung  des  meteorischen 
Wassers  näher  zu  betrachten. 

Wie  in  §  14  gezeigt  wurde,  ist  die  Luft  im  Walde  während  des  Sommers  im 
Tagesmittel  um  durchschnittlich  1 — 2^  0.  kühler  als  im  Freien,  während  diese  Differenz 
der  Maximaltemperatur  in  Buchenbeständen  mehr  als  4Vs^  0.  ausmacht,  ausserdem  be- 
steht zwischen  der  Mitteltemperatur  des  Bodens  und  des  Holzkörpers  der  Bäume  gegen- 
über der  mittleren  Lufttemperatur  eine  Differenz,  welche  im  allgemeinen  mit  der  Hohe 
der  Sommerwärme  wächst.  Hieraus  folgt  also,  dass  eine  Luftströmung,  welche  durch 
einen  geschlossenen  Wald  streicht,  ihrem  Sättigungspunkte  näher  gebracht  d.  h.  relativ 
feuchter  wird.  War  aber  diese  Luft  bereits  zuvor  schon  gesättigt,  so  scheidet  sich 
bei  dieser  Abkühlung  tropfbar  flüssiges  Wasser  aus,  so  enthält  z.  B.  eine  gesättigte 
Luft  von  15**  C.  pro  kg  10,9  Gramm  Wasserdampf,  wenn  sie  aber  um  4P  C.  abgekühlt 
wird,  nur  noch  8,3  gr  und  es  Mrurden  2,6  gr  oder  24®/o  des  gesamten  Feuchtigkeits- 
gehaltes kondensiert  —  ja  schon  bei  einer  Temperaturemiedrigung  von  15®  auf  14**  C. 
beträgt  die  Kondensation  0,7  gr  von  1  kg  Luft  oder  67o.  Die  Waldbestände  wirken 
daher  während  der  Vegetationszeit  als  Kondensatoren  auf  die  Luftfeuchtigkeit,  indem 
sie  gesättigten  Luftströmungen  Wasser  entziehen  und  ihren  absoluten  Feuchtigkeits- 
gehalt (Dunstdruck)  herabmindern,  den  relativen  dagegen  erhöhen,  wozu  noch  die  Ver- 
mehrung der  Luftfeuchtigkeit  durch  die  Transspiration  der  Blätter  und  Nadeln  hin- 
zutritt. Diese  Erhöhung  der  relativen  Feuchtigkeit  findet  überhaupt  bezüglich  aller 
vom  Sättigungspunkt  noch  entfernten  Luftströmungen  im  W^alde  statt,  weshalb  unserem 
Gefühle  die  Waldluft  in  der  Regel  feuchter  erscheint,  wie  auch  die  Hygrometer  im 
Walde  fast  stets  einen  höheren  Prozentsatz  der  Sättigung  anzeigen  als  auf  freiem 
Felde.  Im  Winterhalbjahre  dagegen,  wo  die  Temperaturdifferenzen  sehr  geringe  sind, 
kann  auch  die  kondensierende  Wirkung  des  Holzbestandes  nicht  gross  sein  und  sich 
nur  bei  raschem  Temperaturwechsel  bemerkbar  machen.  Um  die  Einwirkung  der  Wald- 
bestockung  auf  die  Luftfeuchtigkeit  zu  zeigen,  führe  ich  hier  die  Resultate  der  Parallel- 
ßeobachtungen  von  16  forstlich-meteorologischen  Stationen  an,  wie  ich  sie  aus  den 
Publikationen  Prof.  Dr.  Müttrichs  für  das  5jährige  Mittel  1886 — 90  berechnet  habe: 
(S.  die  Tabelle  S.  45). 

Diese  Resultate  lassen  erkennen,  dass  hinsichtlich  der  relativen  Feuchtigkeit 
die  Waldluft  gegenüber  jener  des  freien  Landes  im  Jahresmittel  um  mindestens  3  und 
höchstens  10  Prozent  feuchter  ist,  jedoch  verteilt  sich  dieser  Unterschied  sehr  ungleich 
über  die  einzelnen  Jahreszeiten.  In  den  Fichtenbeständen  ist  schon  in  den  Frühjahrs- 
monaten  (März  bis  Mai)  die  Waldluft  um  durchschnittlich  3—9^0  feuchter,  während 
in  den  Buchenbeständen  erst  nach  dem  Laubausbruche  eine  wesentliche  Differenz  ein- 
tritt, welche  aber  dann  8 — 13^/o  betragen  kann,  die  sich  aber  gegen  den  Herbst  hin 
wieder  stark  vermindert.  Kiefern-  und  Lärchenbestände  lassen  keine  so  grossen  Unter- 
schiede in  der  Luftfeuchtigkeit  aufkommen  und  auch  im  Kronenraume  der  Bestände  ist 
dieser  Unterschied  geringer,  als  in  Brusthöhe.  Erheblich  grösser  als  bei  den  Tages- 
mitteln erscheint  der  Unterschied  in  der  relativen  Feuchtigkeit  der  Waldluft  von  jener 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Peuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  20. 


45 


Die  Waldluft  in  1,5  m  Höhe  zeigte  im  5jährigen  Mittel  eine  grössere  (+)  oder 

kleinere  ( — )  Feuchtigkeit  als  die  Luft  im  Freien. 


Relative  Feuchtigkeits-DifF. 

Dunstdrucks-Bifferenz 

Stationen 

und 

Beatandesart 

.1 

o 

B 
B 

o 
B 

■4^ 

OB 

•s 

W 

: 

im  Winter 

im  Jahres- 
mittel 

im  Frühjahr 

u 
o 

QQ 
B 

w 
.1 

B 

im  Jahres- 
mittel 

Prozente 

Millimeter 

I.    In  den  Buchen- 

1 

- 

1 

beständen 

Friedrichsrode 

—  2,5 

+  7,0 

+  2,0 

—  0,5 

+  1.0 

0,40 

—  0,35 

—  0,15 

0,00 

-0,20 

Marienthal 

--2,0 

--9,0 

+  6,0 

--0,5 

-4,5 

+  0,05 

0,00 

-  -  0,20 

0,00 

--0,10 

Haderaleben 

-t-0,2 

+  7.0 

--3,8 

-1.1 

+  8,0 

0,00 

+  0,03 

-  -  0,07 

--0,05 
-  -  0,05 

+  0,05 

Lahnhof 

-1,3 

"7,5 

--5,0 

--0,5 

--3,0 

-0,08 

-0,15 

-  -  0,06 

—  0,05 

Neumath 

0,0 

-7,0 

--3,8 

+  0,4 

--3,0 

0,00 

+  0,21 

+  0,03 

0,00 

+  0,10 

Melkerei 

+  5,2- 

4-10,0 

--7,0 

--6,0 

--6,5 

+  0,05 

—  0,16 

-f-0,05 

+  0,02 

0,00 

Mittel  für  Buchen 

-f  1,0  -f-7,9  +4,6  +1,9 

+  3,50|—  0.06 

—  0,07 

4.0,04!+ 0,02 

0,00 

II.    In   den  Fichten- 

beständen 

Fritzen 

+  3,2 

+  7,5 

+  4,5 

+  0,4 

+  4.0 

—  0,19 

0,28      0,05! 

—  0,04 

—  0,05 

Carlsberg 

-f2,0 

--4,0 

--7,5 

-0,7 

-r2,5 

-0,02 

-0,20 

+  0,02 

0,00 

0,15 

Schmiedefeld 

-4,0 

+  5,5 

--3,5 

-1,0 

-4,0 

—  0,42 

—  0,09  +  0,32 

0,00 

0,05 

Sonnenberg 

--6,5 

--6,5 

+  6,0 

--4,5 

+  6,0 

0,00 

-0,05 

+  0,05  +  0,05 

0,00 

HoUerath 

-1,5 

--3,5 

--2,4 

+  0,4 

+  2,0 

0,30 

-0,68 

—  0,12      0,00 

—  0,30 

Mittel  fOr  Pichten 

+  3,4 

+  5,4  +4,8   +1,4+3,70 

0,18 

—  0,26  +  0,04 

0,00  —  0,11 

III.  In  den  Kiefern- 

beständen 

Kurwien 

+  4,2 

+  5,0 

+  3,4 

+  2,2 

+  3,5 

+  0,19 

+  0,35 

-0,03 

+  0,09 

+  0,20 

Eberswalde 

+  5,0 

--8,0 

--6,0 

+  3,5 

—  6.0 

--0,17 

+  0,37 

+  0,25 
--0,12 

-  -  0,04 

-  -  0,20 

Schoo 

+  3,0 

--6,0 

+  5,5 

-2,7 

--4,5 

--0,10 

+  0,13 

-  -  0,07 

+  0,30 

Hagenau 

--5,5 

—13,7 

+  7,5 

-1,7 

-7,5 

—  0,30 

-0,32 

—  0,24 

--0,04 

-0,15 

Lintzel,  Gulturfläche 

+  1.5 

+  5,5 

+  2,8 

+  0,9 

+  2,5 

+  0,35 

+  0,80 

+  0,42 

+  0,07 

+  0,35 

Mittel  für  Kiefern    |  +  3,8   +  7,6   +  5,1    +  2,2  -f  4,80 

+  0,10'+  0,27  +  0,10  +  0,06  +  0,18 

Im  Vergleiche  hiezu  ergaben  die  12jähriffen  Beobachtungen*®)  in  der  Schweiz  als 

Differenzen 


in  einem  Lärchen- 

bestande 
in  Fichten 
in  Buchen 


+  2,83  +  7,85  +  5,45 
--9,59+11,04+10,79 


—  2,26 


+  8,53  +  4,18 


+  0,34 
+  8,40 
—  0,70 


+  4,12 
4-9,96 
+  3,56 


Da  diese  Beobachtungen  mit  Haar- 
hjgrometem  angestellt  wurden,  so 
ist  derDunstdruck  nicht  gemessen. 


J^ö^egen  lieferten  die  bayerischen  Beobachtungen  vom  Jahre  1868/69  folgende 

Differenzen  (auf  Brusthöhe) 


<o  rRohrbrunnn 
'S  <Johanne8kreuz 
pg  (Ebrach 

Ja  I  Duschelberg 
•^  (Seeshaupt 


Kiefer,  Altenfurth 


+  2,13 
+  8,49 
+  4,24 

+  7,45 
+  8,32 

+  3,61 


+12,11 
+13,61 

+  7,24 

+10,71 

+10,77 

+  1,23 


+  5,13 

--2.21 
2,21 


—  2,95 
— 1,81 
+  4,32 


—  5,58 
--6,53 
4,50 

8,79 
8,51 

+  3,14 


+  0,12 

+  0,18 
-0,05 


—  0,06 
1-0,13 

+  0,07 


+  0,27 
--0,19 
-0,30 

+  0,23 

—  0,09 

—  0,37 


+  0,18 
-1-0,05 
—  0,06 


+  0,27 
-[-0,09 

0,00 


+  0,12  +  0,17 
--0,09  +  0,12 
"  —  0,09 


0,07 
+  0,04 


+  0,21 
+  0,12 


+  0,12 

+  0,09 

-0,08 


+  9,04  +  7,95 
-|-  9,25  -|-  5,72 

+  3,47  +  4,23 

im  Freien,  so  bald  man  nur  die  Nachmittagsbeobachtnngen  (2  ühr)  in 
Rechnnng  zieht,  weil  diese  dem  Maximum  näher  liegen.  Gerade  in  dieser  Abschwächnng 
der  Extreme  liegt  aber  die  praktische  Bedeutung  der  Wirkung  des  Waldes.    Im  viel- 


69)  Die  Schweizer  Beobachtungen  sind  nach  Jahrgängen  in  der  I.  Auflage 
d.  B.  abgedruckt. 


46  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft 

jährigen  Dorchschnitt  des  prenssischen  Beobachtnngsnetzes  ergaben  sich  für  diesen  Zeit* 
pnnkt  folgende  Differenzen  zwischen  Wald-  und  Freiluft: 
Unterschiede  der  relativen  Feuchtigkeit  in  den  Sommermonaten,  Herbstmonaten 

Stationen  mit  Buchenbestand  9,C^/o  6,6^0 

„         y,    Fichtenbestand  6,2  „  6,6  „ 

„         9    Kiefembestand  8,8  „  7,0  „ 

Demnach  zeigen  diese  Beobachtungen  übereinstimmend,  dass  in  der  Vegetations- 
zeit  der  Wald  eine  beachtenswerte  Einwirkung  auf  den  Trockenheitsgrad  der  Luft  er- 
kennen lässt.    Da  man  im  allgemeinen  eine  Luft,   welche   zu  weniger  als  65®/o  mit 
Wasserdunst  gesättigt  ist,   als  .sehr  trocken*  bezeichnet,   eine  solche  von  56— 70®/o 
„massig  trocken",  von  71 — 85^0  aber  „massig  feucht",  von  86 — lOO^/o  „sehr  feucht*', 
so  ist  leicht  einzusehen,  dass  eine  massig  trockene  Luft  bei  ihrem  Eintritt  in  den  Wald 
in  kurzem  schon  massig  feucht  sein  wird,  oder  dass  die  sehr  trockene  wenigstens  ge- 
mässigt wird ;  die  sehr  feuchte  hingegen  kann  leicht  ihren  Sättigungspunkt  durch  Ver- 
mischung mit  der  Waldluft  überschreiten  und  zu  Kondensationen  veranlasst  werden. 
Was  dagegen  den  absoluten  Feuchtigkeitsgrad  betrifft,  so  lassen  die  sämt- 
lichen Beobachtungsergebnisse  erkennen,  dass  eine  konstante  Zunahme  des  Dunstdruckes 
im  Wald  gegenüber  vom  Freien  durchaus  nicht  stattfindet,   sondern  dass  dieser  fast 
ebenso  oft  kleiner  ist,  als  im  Freien ;  die  Differenzen  betragen  bei  den  Parallelbeobach- 
tungen in  den  naheliegenden  Doppelstationen  immer  nur  Bruchteile  eines  Millimeters 
Quecksilberdruck  und  sind  bis  zu  einem  gewissen  Grade  abhängig  von  den  Temperatur- 
differenzen der  Luft.    Es  ist  indessen  wohl  zu  beachten,  dass  diese  letzteren  tatsäch- 
lich viel  grösser  sind,  als  die  ihnen  korrespondierende  Verminderung  des  Dunstdruckes 
im  Walde,  denn  einer  Temperaturemiedrigung  von  10®  C.  auf  9®  entspricht  bei  gesät- 
tigter Luft  schon  eine  Verminderung  der  Tension  um  0,59  mm,  während  in  der  That 
obige  Durchschnittszahlen  in  den  Sommermonaten  nur  Werte  von  —  0,04  bis  -|-  0,16  mm 
erreichen,   obgleich  die  Temperatur  im  Tagesmittel  des  Sommers  1885  um  0,73®  und 
im  Maximum  um  2,5 — 4,6®  kälter  war.    Offenbar  waren  daher  die  Luftschichten  im 
Freien  weit  vom  Sättigungspunkt  entfernt  und  es  erhöhte  die  Verdunstung  der  Blätter 
und  Nadeln  gleichzeitig  den  absoluten  Feuchtigkeitsgrad,  so  dass  die  Tension  grösser 
wird,  als  sie  nach  dem  Verhältnisse  der  Temperatur  sein  sollte.    Hiermit  stehen  im 
Einklänge  die  Ergebnisse  der  B  e  r  e  c  h  n  u  n  g  e  n  von  Jahresmitteln  desDunst- 
druckes  im  Vergleiche  zu  den  wirklich  beobachteten  Grössen  der  Ten- 
sion, wie  sie  Prof.  Dr.  P.  Schreiber  1.  c.  für  Sachsen  angiebt.    Letztere  zeigen 
nämlich  für  waldreichere  Gegenden  einen  durchschnittlich  etwas  höheren  Dunstdruck, 
für  waldarme  einen  niedrigeren,  als  der  betreffenden  Seehöhe  entsprechen  würde,  z.  B. 
bei  einem  Bewaldungsprozent  von  2®/o  10®/o  20®/o        65®/o        82®/o 

eine  Dunstdruck- Abweichung  )  „^         ^^       ^.,.       ^«rv^  .^«      ,  ^^ 

,     ,        1,    X    vr        ,    >von    _  0,2  —0,1  bis -—0,2   0,0        +0,3    +0,3  mm 
gegen  das  berechnete  Normale  ^  '  '  '       '  '    '       •  . 

Da  aber  die  Moleküle  aller  Gase  das  Bestreben  haben,  sich  geradlinig  von  ein- 
ander zu  entfernen,  so  muss  notwendigerweise  eine  lebhafte  Diffusion  der  Wassergas- 
teilchen in  der  Atmosphäre  stattfinden,  welche  grosse  graduelle  örtliche  Verschieden- 
heiten nicht  zustande  kommen  lässt.  Ausserdem  trägt  die  Luftbewegung  durch  Zir- 
kulationsströmungen und  Winde  zur  Ausgleichung  der  Luttschichten  im  Walde  und 
seiner  Umgebung  bei,  wie  sich  ja  dem  blossen  Auge  durch  die  breiten  Nebelstreifen  zu 
erkennen  giebt,  die  bei  feuchtem  Wetter  sich  aus  dem  Walde  verbreiten.  Dieser  Vor- 
gang ist  namentlich  bezüglich  der  Taubildung  von  Wichtigkeit,  wenn  die  Ausstrahlung 
des  Bodens  und  der  Gewächse  nachts  die  umgebende  Luft  unter  ihren  Sättigungspunkt 
abkühlt;  die  feuchte  Waldluft  wird  bei  ihrer  Verbreitung  auf  die  benachbarten  Felder 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  21.  47 

dann  viel  ausgiebiger  Tau  ausscheiden  als  z.  B.  die  Steppenluft  oder  jene  über  ausge- 
dehnten Feldfluren  und  es  ist  jedem  Forstmanne  bekannt,  wie  intensiv  die  Taunieder- 
schläge auf  den  Schlägen  und  Waldwiesen  sind  gegenüber  denjenigen  des  freien  Landes. 
Im  Innern  der  Bestände  ist  freilich  die  Taubildung  durch  die  Verhinderung  der  nächt- 
lichen Strahlung  unter  dem  Schirm  der  Baumkrone  sehr  behindert,  besonders  in  Buchen- 
stangenhölzem,  wo  Tau  nur  in  seltenen  Fällen  beobachtet  wird,  dafür  scheiden  aber 
die  angrenzenden  Felder  um  so  reichlicher  Tau  aus  der  relativ  feuchteren  Luft,  die 
ihnen  aus  dem  Walde  zuströmt,  ab.  Diese  Beobachtung  konnte  man  in  dem  bekannt- 
lich so  trockenen  Jahrgange  1893  an  den  Kleefeldern  in  der  Nähe  von  Waldungen 
häufig  machen. 

§  21.  Hier  schliesst  sich  von  selbst  die  Frage  an:  wie  verhält  sich  der 
Wald  in  bezug  auf  die  atmosphärischen  Niederschläge? 

Unter  den  Naturforschem  hatte  Saussure  d.  Ae.  zuerst  auf  die  EoUe,  welche 
der  Wald  in  der  Modifikation  der  atmosphärischen  Niederschläge  spielt,  aufmerksam 
gemacht,  er  schrieb  namentlich  den  in  den  Schweizer  Alpen  vorgekommenen  Entwal- 
dungen einen  grossen  Einfluss  auf  die  Verminderung  der  Regenmengen  und  des  Wasser- 
standes im  Genfer  See,  dann  im  Neufchateler ,  Brienzer  und  Murten-See  zu.  Auch 
Alex,  von  Humboldt  hat  an  verschiedenen  Stellen  seiner  Werke  auf  den  Zusam- 
menhang zwischen  der  Entwaldung  der  tropischen  Länder  und  der  Verminderung  der 
Gewässer  hingewiesen,  so  z.  B.  auf  den  See  von  Aragua,  dessen  Sinken  und  späteres 
Steigen  mit  den  Perioden  der  Abholzung  und  der  Wiederbewaldung  zeitlich  zusammen- 
fiel. Femer  sammelte  Boussingault  eine  Eeihe  von  Einzel-Beobachtungen,  aus 
welchen  er  den  allgemeinen  Schluss  zog,  dass  das  Abtreiben  grosser  Wälder  die  Regen- 
menge vermindere  und  die  Verdunstung  der  gefallenen  Niederschläge  beschleunige. 

Die  ältesten  Parallelbeobachtungen  über  diese  Frage  wurden  im  Jahre  1826  und 
1827  in  Tübingen  und  Bebenhausen  angestellt,  wobei  letztere,  in  waldreicher  Gegend 
liegende  Station  22  Prozent  mehr  Regensumme  ergab  als  Tübingen;  da  indessen  die 
Einwirkung  der  Höhenlage  mit  ihrem  beträchtlichen  Einflüsse  auf  die  Niederschlags- 
mengen nicht  eliminiert  war,  so  liess  sich  diese  Tatsache  nicht  als  stichhaltiger  Beweis 
für  die  Einwirkung  des  Waldes  anführen,  üeberhaupt  ist  zu  beachten,  dass  in  der 
Litteratur  über  diese  Frage  häufig  eine  Vermengung  des  Einflusses,  den  die  Seehöhe 
der  Gebirgslagen  auf  die  Zunahme  der  Regenmengen  zweifellos  ausübt,  mit  dem  so 
schwierig  messbaren  Einflüsse  der  Waldbestockung  stattgefunden  hat.  So  nennt  D  o  v  e, 
der  bekannte  Meteorologe,  den  Harz  den  „Hauptkondensator  für  Norddeutschland*'. 
Anch  in  den  übrigen  deutschen  Gebirgen  ist  es  sehr  schwierig,  auszuscheiden,  wie  viel 
Anteil  die  Zunahme  der  absoluten  Höhe  und  wie  viel  die  mit  der  Höhenlage  steigende 
Bewaldungsziffer  an  der  Mehmng  der  Niederschlagsmengen  hat  (vergl.  die  Verteilung 
der  Wälder  nach  Höhenregionen  auf  S.  20).  Wenn  daher  neuerdings  Formeln  aufge- 
stellt werden,  die  eine  Berechnung  der  Jahressummen  der  Niederschläge  als  eine  Funk- 
tion der  Seehöhen  bezwecken,  so  ist  wenigstens  in  Deutschland  meistens  schon  implicite 
die  Wirkung  der  Bewaldung  hierin  enthalten  und  man  kann  nicht  mit  Sicherheit  nach- 
träglich noch  einen  gesonderten  Einfluss  der  Bewaldungsziffer  rechnerisch  feststellen. 

Dem  gegenüber  suchte  Prof.  Dr.  Hofmann  in  Giessen  aus  seinen  Beobachtungen 
den  Nachweis  zu  liefern,  dass  Entwaldungen  keinen  Einfluss  auf  die  Regenmenge  aus- 
üben'®). Es  folgten  dann  in  Frankreich  die  Beobachtungen  von  Becquerel  über 
den  Einfluss  der  Wälder  auf  Niederschlag,  in  Deutschland  von  E.  Ebermayer,  wel- 
cher mit  selbst  konstmierten  sinnreichen  Verdunstungsmessern  (Evaporationsapparaten) 


70)  AUg.  Forst-  u.  Jagdz.  1861.  S.  134. 


48 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


den  Kreis  der  Beobachtungen  erheblich  erweiterte.  Ausser  den  12jährigen  schweizerischen 
Beobachtungen  im  Kanton  Bern,  dann  jenen  im  Kanton  Zürich  (Adlisberg  und  Haiden- 
haus)  fanden  1867 — 77  zu  Nancy  solche  durch  M  a  t  h  i  e  u  und  in  der  Domaine  Halatte 
solche  durch  F a u t r a t  und  Sartiaux  statt,  während  durch  E.  Purkyne  in  Böh- 
men ein  ausgedehntes  ombrometrisches  Beobachtungsnetz  eingerichtet  wurde.  Nimmt 
man  hiezu  noch  die  in  den  deutschen  Staaten  seit  1875  begonnenen  22jährigen  Unter- 
suchungen über  Regenfall  und  Verdunstung,  sowie  jene  in  Italien  (Vallombrosa)  und 
Oesterreich  (Mariabrunn),  so  ergiebt  sich  ein  ausserordentlich  grosses  Beobachtungs- 
material, das  aber  nur  teilweise  publiziert  ist  ilnd  dessen  Bewältigung  über  den  Rah- 
men dieser  Schrift  hinausgeht.  Ich  führe  daher  zunächst  die  Zusammenstellungen  an, 
welche  ich  aus  den  Veröffentlichungen  der  Monatssummen  für  Niederschläge  und  Ver- 
dunstung des  Prof.  Dr.  Müttrich  berechnet  habe. 

Jahressammen  der  atmosphärischen  Niederschläge  und  der  Yerdunstangsgrösse 

auf  den  forstl-meteorolog.  Stationen. 


Stationen 


See- 
höhe 
m 


Holzart  und  Alter 


Niederschlagsmenge 
in  mm  Höhe 


u 


0) 

.1 


a 

8ö 


00 
•  f-l 

a 

Vi 
> 

a 

<v 

M 

O 
U 


TS 


OB 

0) 

u 


Verdunstung  p 
Fahr  in  mm  H^ 


ro 
öhe 


'S 

fl 

o 

0) 

^ 

U    U    (D 

.§ 

Ol  «'S 

C* 

A.   PreuBsischesNetz.    Mittel  aus  10  Jahrgängen  1876—85. 


Fritzen 

Kurwien 

Carls  berg 

Eberswalde 

Schmiedefeld 

Fried  richsrode 

Sonnenberg 

Marienthal 

Lintzel 

Hadersleben 

Schoo 

Lahnhof 

HoUerath 

Hagenau 

Neumath 

Melkerei 


30 
124 
690 

42 
680 
353 
774 
143 

95 

34 
3 
602 
612 
145 
340 
930 


46-56jähr.  Fichten 
80— 140j.  Kiefern 
55— 66j.  Fichten 
45— 56j.  Kiefern 
60-80J.  Fichten 
65— 85j.  Buchen 
45-56J.  Fichten 
60— 70j.  Buchen 
Lüneburger  Haide 
70-80J.  Buchen 
20— 30j.  Kiefern 
70— 8O1.  Buchen 
45-561.  Fichten 
55— 76j.  Kiefern 
55— 76j.  Buchen 
60— 90j.  Buchen 


649,7 

447,6 

202,2 

69«/o 

623,8 

495,2 

128,6 

79»/o 

987,6 

935,0 

52,8 

9570 

556,8 

424,9 

131,4 

76^0 

1275,2 

962,1 

313,1 

75«/o 

672,8 

525,4 

147,4 

78^0 

1408,9 

1207,0 

201,9 

86»/o 

570,6 

405,2 

165,3 

71% 

591,7 

558,1 

33,8 

94% 

764,4 

602,4 

162,0 

79^0 

721,0 

477,7 

343,8 

667o 

1122,3 

809,8 

312,6 

72Vo 

972,1 

623,7 

348,4 

64% 

802,6 

586,2 

216,8 

7370 

820,8 

667,0 

153,2 

8P/0 

I77e5,l 

1325,6 

449,6 

75Vo 

261,8 
277,2 
268,8 
414,2 

381,8 
212,6 
385,6 
417,1 
268,6 
398,6 
272,1 
254,6 
366,4 
491,7 
333,0 


125,0 

129,6 

95,9 

187,4 

139,6 

113,2 

150,5 
377,6 
121,0 
134,1 
124,6 
133,6 

151,9 

156,1 

148,7 


47,7% 
46,7Vo 
35,6% 
45,2<»/o 

36,6% 
53,2% 

39,0% 
90,87o 
45,o7o 
33,67o 
45,7% 
52,0% 

41,3% 
31,6% 

44,6% 


B.   Bayer  ischesNetz.    Mittel  aus  10  Jahrgängen  1868—79  und  1882—91. 


Altenfurt 

Ebrach 

Rohrbrunn 

Johanneskreuz 

Seeshaupt 

Hirschhorn 

Duschlberg 

Falleck 


325 
381 

477 
477 
595 
777 
902 
1132 


36— 46j.  Kiefern 
50— 60j.  Fichten 
60— 70j.  Buchen 
60— 70j.  Buchen 
40— 50j.  Fichten 
65— 75j.  Fichten 
40-50J.  Fichten 
120— 130j.  Fichten 


689,1 

463,8 

225,8 

67,2^0 

435,7 

194,0 

678,2 

524,2 

154,0 

77,2% 

511,6 

232,9 

1039,7 

893,6 

146,. 

85,6% 

561,8 

227,9  1 

898,7 

720,8 

177,9 

80,1% 

471,9 

236,6 

1241,2 

947,2 

294,0 

76,s7o 

547,2 

214,6 

1358,0 

1005,7 

352,8 

73,4^0 

388,6 

162,7 

1210,2 

966,2 

244,0 

79,8«/o 

340,4 

173,7 

2144,8 

909,9 

1234,4 

1 

42,4% 

! 

1 

55,6% 
54,4% 
59,4% 
49,87o 
60,8% 
58,i»/o 
48,9% 


C.    Schweizer  Netz.    Mittel  aus  12  Jahrgängen  1869  —80. 


Interlacken 

Bern 

Pruntrut 


Will  man 
meteorologischen 


Hier  wurden  keine 
Verdunstungs  -  Mes- 
sungen angestellt. 

diese  Niederschlagshöhen   der  Freistationen  mit  jenen  der  allgemein 
vStationen  vergleichen,  so  ist  zunächst  zu  bedenken,  dass  die  Meeres- 


800  50-62J.  Lärchen 
500  40-52J.  Fichten 
450    50— 72j.  Buchen 


1579,1 

1341,6 

237,6 

85% 

1380,9 

1067,6 

313,3 

77% 

1927,8 

1733,8 

193,6 

9070 

Einwirkimg  der  Wälder  auf  den  Peuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  21.  49 

höhe  der  Beobachtnngsorte  einen  durch  eine  Gleichung  darBtellbaren  Einflnss  auf  die 
Regenmenge  ausübt,  weil  das  Emporsteigen  der  Luftmassen  aus  Gegenden  mit  höherem 
Barometerstand  in  die  dünneren  Luftschichten  der  hoch  gelegenen  Orte  eine  Volum- 
vergrösserung  und  infolge  dessen  eine  Bindung  von  Wärme  mit  sich  bringt.  Die  rela- 
tive Feuchtigkeit  muss  daher  mit  der  Erhebung  eines  Luftstromes  steigen  und  Konden- 
sationsvorgänge werden  deshalb  leichter  und  ausgiebiger  stattfinden :  ferner  ist  in  hoch 
gelegenen  Orten  die  nächtliche  Abkühlung  durch  Strahlung  beträchtlicher  als  im  dunst- 
reichen Tief  lande.  Aus  diesen  Gründen  nimmt  daher  in  der  Regel  die  Regenhöhe  mit 
der  Meereshöhe  zu,  wenn  auch  keine  einfache  Proportionalität  zwischen  beiden  statt- 
findet und  obgleich  bei  Regenmessungen  an  einem  und  demselben  Orte  die  höher  z.  B. 
auf  Türmen  aufgestellten  Regenmesser  kleinere  Niederschlagsmengen  zeigen  als  die 
tiefer  in  der  Nähe  des  Bodens  befindlichen.  Ordnet  man  daher  die  Niederschlagsmengen 
der  Freistationen  nach  Meereshöhen,  so  findet  man  gleichfalls  diese  Zunahme  mit  dem 
Wachsen  derselben  deutlich  ausgedrückt. 

Um  einen  Vergleich  mit  den  bisher  schon  bekannten  Tatsachen  zu  ermöglichen, 
fasse  ich  obige  Resultate  nach  Höhenregionen  von  100  m  Vertikalabstand  zusammen 
and  stelle  ihnen  die  für  gleiche  Regionen  berechneten  Mittelwerte  aus  192  Stationen 
gegenüber,  wie  sie  Dr.  van  Bebber  angiebt^^): 
Höhenregionen  m  1—100      100—200      300—400    600—700    700-800    900-1000  m 

Mittel  aus  obigen:  mm    656^          "eeöji            746,ß            1089,8         1408,o  1775;7min 

nach  Dr.  van  Bebber      648,«  582,6  696,» 915,a  981,s  963,6    , 

Differenz  mm  -f  8,o  +  82,6  +  50,8  +  174,o  +  427,6  +  811,5  , 
Daraus  folgt,  dass  die  Resultate  der  forstlichen  Stationen  (im  Freien)  in  der  nord- 
deutschen Ebene  nur  unbedeutend  von  dem  aus  grossen  Durchschnitten  abgeleiteten 
Mittel  für  das  Tiefland  abweichen,  nämlich  8  mm  *=  l,25®/o;  allein  schon  in  der 
massigen  Höhe  von  100 — 200  m  macht  sich  die  Erhöhung  der  Regen- 
menge bemerkbar  (=  14,2»,  steigt  dann  bei  600—700  m  auf  19,0^0, 
bei  700—800  m  auf  43,7>  und  bei  900—1000  m  sogar  auf  84,2>  der  zum 
Vergleiche  dienenden  Durchschnittszahlen! 

Wenn  auch  diese  Beobachtungsweise  nur  annähernde  Ergebnisse  liefern  kann,  so 
scheint  mir  doch  der  Einfluss,  welchen  der  Gebirgswald  auf  die  Kondensation  der  at- 
mosphärischen Niederschläge  ausübt,  hieraus  mit  ziemlicher  Deutlichkeit  hervorzugehen. 
Die  Notwendigkeit  weiterer,  umfassenderer  Vergleichungen  namentlich  mittelst  der  neu- 
geschaffenen ombrometiischen  Netze  ist  zuzugeben ;  denn  nur  durch  Heranziehung  zahl- 
reicher, womöglich  gleichzeitiger  Beobachtungen  nach  der  statistischen  Methode  und 
nach  dem  Gesetze  der  grossen  Zahlen,  vielleicht  auch  durch  direkte  komparative  Mes- 
sungen in  waldlosen  und  reich  bewaldeten  Gegenden  von  sonst  gleicher  Lage,  lässt 
sich  diese  wichtige  und  z.  Z.  noch  von  einzelnen  widersprochene  Frage  definitiv  lösen, 
was  jetzt  nicht  möglich  ist.  Versuche  nach  dieser  Richtung  hin  sind  schon  auf  klei- 
neren Gebieten  gemacht  worden.  So  hat  Professor  Dr.  L  a  n  d  o  1 1  ^^)  die  Niederschlags- 
mengen auf  den  Regenstationen  des  Kantons  Zürich  und  seiner  Umgebung  im  12jäh- 
rigen  Mittel  1877— 88  nach  Höhenregionen  ausgeschieden  und  auch  die  Einwirkung  der 
Jahreszeiten  auf  die  Regenmengen  ermittelt.  Er  fand  eine  Zunahme  der  Niederschlags- 
höhe um  ca.  250  mm  auf  je  100  m  Seehöhe  Steigung,  neben  der  sich  auch  der  Einfluss 
des  See's  deutlich  bemerkbar  machte.  Das  Verhältnis  zwischen  Winter-  und  Sommer- 
halbjahr war  im  Durchschnitt  13:7,  nahm  aber  mit  der  Seehöhe  zu  bis  zu  65 :  35.    Die 


71)  Dr.   J.    van  Bebber    „Die  Regenverh&ltnisse   Deutschlands*'.    München   1877. 
Th.  Ackermann  S.  31. 

72)  Schweizerische  Zeitschrift  f.  d.  Forstwesen  1890.    1.  Heft. 

Handb.  d.  Forttw.    2.  Aufl.    I.  4 


50  I.    Weber,  Die  Aiif^alx»!»  der  Forstwii-fsrhaft. 

VergleichuDg  zwischen  den  verschiedenen  Bewaldungrsziffern  der  nach  Regenhöhen  an- 
g:eordneten  Gebieten  ersieht  sich  ans  folgender  Zusainmenstellnng : 

Regenhöhe  pro  Jahr    Bewaldungsziffer        Regenhöhe  pro  Jahr    Rewaldungsziffer 
800—900   mm  35>  1200- -13(H)  mm  27> 

900—1000    „  30,  13(X)— 1400     ,  28. 

1000—1100    ,  28  ^  14(K)— 1500     .  31  , 

lUX)— 1200   „  31  .  über     1500     ^  48 , 

Somit  entspricht  zwar  dem  höchsten  r>ewaldungsprozent  auch  die  grösste  Regenhohe 
im  Jahre,  aber  die  übrigen  Zahlen  zeigen  doch  keine  konstante  Gesetzmässigkeit,  ver- 
mutlich weil  die  in  dem  Gebiete  enthaltenen  Seeflächen  des  Züricher-  und  Zuger- Sees, 
des  Greifensees  und  Pfäffikersees  sowie  die  fliesseuden  Gewässer  mannigfach  ihren  kli- 
matischen Einfluss  äussern,  dann  auch  wegen  der  ziemlich  gleichartigen  Bewaldung  des 
Kantons. 

Auf  ein  umfangreiches  Material  gestützt  unternahm  Professor  Dr.  Paul  Schrei- 
ber (1.  c.)  die  Bearbeitung  dieser  meteorologisch-statistischen  Frage  für  das  Königreich 
Sachsen,  indem  er  mittelst  Ausgleichungsrechnung  die  vieljährigen  Beobachtungserjareb- 
nisse  an  den  RegenmessstÄtionen  zur  Ableitung  der  Konstanten  für  die  Gleichungen 
benützte,  welche  die  Abhängigkeit  der  Regenmenge  pro  Jahr  von  der  Seehöhe  des 
Ortes  darstellen.  Hieraus  lassen  sich  die  einer  jeden  Meereshöhe  entsprechenden  nor- 
malen Regenhöhen  berechnen,  w^omit  dann  die  konkreten,  beobachteten  verglichen  wur- 
den. Indem  wir  auf  diese  interessante  Arbeit  selbst  verweisen,  heben  wir  nur  einige 
der  wichtigsten  Schlussfolgerungen  hervor. 

„Der  ganze  nördliche  Streifen  Sachsens  ist  im  Verhältnis  zu  seiner  Meereshöhe  zu 
trocken ,  doch  ist  es  auffallend ,  dass  hier  einige  der  Forststationen  grössere  Regenhöhen 
aufweisen.  Ebenso  ist  der  mittlere  Streifen,  westlich  von  Dresden,  relativ  arm  an  Regen, 
während  dagegen  das  schluchtenreiche  Terrain  der  sächsischen  Schweiz  (östlich  von  Dresden» 
auf  die  Regenmenge  vermehrend  einwirkt,  falls  nicht  die  Gewitterzüge  von  Böhmen  her 
durch  das  Elbethal  oder  durch  die  Lücke  zwischen  Erzgebirge  und  den  Lausitzer  Bergen 
nach  diesen  Gegenden  gelangen.  Die  südlichsten  Stationen  zeigen  ein  verschiedenes  Ver- 
halten. Mit  dem  Ansteigen  nach  dem  Gebirgskamme.  wo  die  Gegend  mehr  den  Charakter 
von  Hochebenen  hat ,  tritt  eine  Verminderung  der  Regenmengen  ein.  —  Aus  sämtlichen 
Berechnungen  zieht  Schreiber  den  Schluss.  dass  ein  vollständig  mit  Wald  bedecktes 
Terrain  ungefähr  ebensoviel  Niederschlag  erhalten  würde,  als  etwa  200  m  höher  liegende 
kahle  Flächen."  Hiezu  ist  nur  zu  bemerken,  dass  eine  senkrechte  Erhebung  um  200  m 
schon  beträchtliche  Aenderungen  in  klimatischer  Beziehung  zur  Folge  hat  und  in  allen  Ge- 
birgen als  erheblich  angesehen  wird. 

§  22.  Die  Parallelbeobachtungen  der  forstlich-meteorologischen  Stationen  können 
schon  ihrer  relativ  geringen  Anzahl  wegen  nicht  so  viel  zur  Lösung  der  Frage  der 
Einwirkung  des  Waldes  auf  das  Entstehen  und  die  Quantität  Regenmenge  beitragen, 
als  man  wohl  ursprünglich  erhoffte,  weil  dieses  Problem  vorzugsweise  nach  der  statisti- 
schen Methode  zu  lösen  ist.  Dagegen  liefern  dieselben  ein  w'ertvoUes  experimentelles 
Material  für  die  Erkenntnis  der  Rolle,  die  der  Wald  gegenüber  den  zu 
Stande  gekommenen  Niederschlägen  spielt.  Zunächst  gestatten  uns  die 
Parallelbeobachtungen ,  das  Verhältnis  zwischen  dem  gefallenen  und 
dem  durch  die  Zweige  und  Blätter  des  Kronenraumes  aufgefan- 
genen Quantum  der  atmosphärischen  Niederschläge  zu  ermitteln. 

Nach  den  oben  mitgeteilten  Jahressummen  des  preussischen  Deobachtungsnetzes 
ist  im  zehnjährigen  Mittel  von  den  gesamten  Niederschlägen  an  Regen  und  Schnee 

zu  Boden  gelangt        auf  den  Bäumen 

verdunstet 

in  den  Buchenbeständen  durchschnittlich      76^0  24^/o 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  22.  51 

zu  Boden  gelangt        auf  den  Bäumen 

verdunstet 
in  den  Fichtenbeständen  durchschnittlich    78^/o  22®/o 

„      ^    Kiefernbeständen  „  73  „  27  „ 

Nach  Prof.  Dr.  Ebermayers  Mitteilungen  der  bayerischen  Beobachtungser- 
^ebnisse : 

in  den  Buchenbeständen  durchschnittlich      78^0  22^0 

„     ^     Fichtenbeständen  „  73  „  27  „ 

„  dem  Kiefembestande  »  66  „  34  ^ 

Mithin  im  Durchsch.  aller  Beobachtungen    77^0  23^/o 

Nach  den  Messungen  auf  den  Stationen  der  Schweiz  im  Kanton  Bern  im  12jäh- 
rig^en  Mittel 

in  dem  Lärchenbestande  Sö^/o  lo^/o 

„     ^     Fichtenbestande  77  „  23  ^ 

„     „     Buchenbestande  90  „  10  „ 

Bemerkenswert  sind  femer  die  im  Kanton  Zürich  von  Professor  Dr.  Bühler 
angestellten  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Alters  der  Bestände  auf  die  Menge 
der  zu  Boden  gelangten  Niederschläge,  nach  diesem  kamen  in  2 — 3jährigem  Jahres- 
Dnrchschnitte  bei  dichtem  Kronenschlusse  zu  Boden: 

in  Buchenbeständen  von  20jähr.     öOjähr.    60jähr.    90jähr.  Alter 

im  Jahresdurchschnitte  98^0        73^0        77^/o        83®/o 

auf  den  Bäumen  zurückgehalten      2  „         27  „         23  „  17  „ 

also  ist  in  dem  jugendlichen  Alter  nur  sehr  wenig,  in  Mittelhölzern  dagegen  am  meisten 
auf  den  Zweigen  verblieben. 

Im  Wienerwalde  wurden  1894  und  95  von  Dr.  Hoppe  an  4  Stationen  ausge- 
dehnte Regen-Messungen  in  Beständen  verschiedenen  Alters  und  verschiedener  Be- 
st<)ckung  ausgeführt,  welche  zeigten,  dass  namentlich  die  Stärke  der  Eegen fälle 
von  Einfluss  auf  die  Menge  des  von  den  Baumkronen  zurückgehaltenen  Wassers  ist; 
intensive  Regen  dringen  besser  zu  Boden,  während  leichte  Sprühregen  bis  zu  70®/o  auf 
den  Bäumen  haften  und  dem  Boden  entgehen.  Im  Durchschnitt  hielten  daselbst  die 
80— 90jährigen  Buchenbestände  20— 227o,  die  Kiefern  24^/0,  die  Fichten  41%  der  Nie- 
derschläge zurück. 

Es  empfangt  demnach  der  Waldboden  nur  ca.  drei  Viertel  aller  Niederschläge 
des  Jahres,  fast  V*  davon  bleibt  an  den  Blattorganen  und  Zweigen  hängen,  im  allge- 
meinen halten,  wie  die  vorstehenden  Beobachtungen  zeigen,  die  immergriinen  Nadel- 
hölzer mehr  Niederschläge  ab  als  die  winterkahlen  Laubhölzer,  dicht  geschlossene  Be- 
stände mehr  als  gelichtete,  Kiefern  mehr  als  Fichten  von  gleichem  Alter.  Von  diesem 
zuriickgehaltenen  Wasser  verdunstet  nur  ein  bestimmter  Teil,  der  andere  fliesst  all- 
mäblich  dem  Stamme  entlang  in  den  Boden.  Die  Menge  dieses  an  den  Baumstämmen 
abfliessenden  Wassers  wurde  sowohl  an  den  bayerischen  Stationen  Hirschhorn  und 
Johanniskreuz,  als  auch  an  der  österreichischen  Versuchsanstalt  Mariabrunn  '^^)  gemessen ; 
der  Betrag  ist  nur  klein,  z.  B.  in  Hirschhorn  im  10jährigen  Mittel  5  mm  bei  einer 
durchschnittlichen  Niederschlagshöhe  von  1348  mm  im  Freien,  also  0,37^0  der  gefallenen 
Regenmenge,  auch  in  Mariabrunn  liefen  an  einem  Fichtenstamme  nur  l,3®/o,  dagegen 
an  einer  Eiche  5,77o,  an  einem  Ahorn  5,97o  und  an  einer  Buche  sogar  12,8%  der  Nie- 
derschläge entlang  dem  Stamme  zu  Boden.  Aehnliche  Beobachtungen  wurden  in  Frank- 
reich an  den  Stationen  Cinq-Tranch6es  und  Bellefontaine  angestellt,  wo  gleichfalls  die 


73)  Mitteilungen  aus  dem  forstl.  Versuchswesen  Oesterrelclis.  XXI.  Heft.     Wien  189(5. 

4* 


52  I.    Weber.  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

ablaufenden  Mengen  gemessen  worden  sind^*).  Insbesondere  zeigten  die  Untersnchnngen 
in  Oesterreich  von  Dr.  Hoppe,  dass  Holzarten  mit  aufwärts  gerichteten  Aesten  mehr 
Wasser  am  Stamme  ableiten  als  solche  mit  horizontal  auslaufenden  oder  gar  mit  hän- 
genden Aesten.  Jedenfalls  bricht  sich  also  schon  auf  diesem  Wege  die  mechanische 
Gewalt  der  Platzregen  in  dem  Kronenraume  des  W^aldes,  was  für  die  Erhaltung  des 
Bodens  gegen  Auswaschung  und  Abschwemmung  wichtig  ist.  Die  zerstäubenden  und 
verdunstenden  Wasserteilchen  aber  tragen  zur  Erhöhung  der  Luftfeuchtigkeit  bei  und 
wirken  ähnlich,  wie  die  künstlichen  Zerstäubungsapparate,  die  der  Grärtner  in  Cxewächs- 
häusern  anwendet. 

Diese  grosse  Flächenausbreitung,  welche  in  der  Verästelung  der  Zweige  und  der 
Blattspreitenentwicklung  sich  ausspricht  und  mittelst  deren  die  Bäume  in  den  Stand 
gesetzt  sind,  mit  grossen  Luftmengen  in  innige  Berührung  zu  kommen,  äussert  sicher- 
lich aber  auch  ihren  Einfluss  auf  die  Luftstauung  und  Sammlung  der  zur  Kondensation 
gelangenden  Teile  der  Luftfeuchtigkeit.  Man  braucht  deshalb  nicht  zu  der  Annahme 
zu  greifen,  als  ob  der  Wald  die  meteorischen  Vorgänge  in  den  Höhen  der  Atmosphäre 
selbst  wesentlich  modifiziere,  um  es  dennoch  begreiflich  zu  finden,  dass  dieses  mächtige 
Hemmnis  für  den  Wind  zur  Erhaltung  der  Feuchtigkeit  beitrage.  In  diesem  Sinne 
führe  ich  eine  vergleichende  Messung  der  französischen  Stationen  Cinq-Tranch6es  und 
Amance  im  7jährigen  Mittel  an :  welche  beide  bei  Nancy  in  380  m  Seehöhe  auf  Oolith- 
Plateaus  liegen,  von  denen  aber  die  erstere  auf  einer  Wiese  inmitten  grosser  Wälder, 
die  andere  in  fast  waldloser  Gegend  sich  befindet.  Der  Regenmesser  der  Freistation 
ergab  im  Durchschnitte  eine  Regenhöhe  in  Millimetern 

für  Frühjahr        Sommer        Herbst        Winter        Jahresmittel 
in  Cinq  Tranch^es  159  187  193  212  751  mm 

in  Amance  149 165 157 177  648     „ 

auf  der  Waldwiese  mehr  10  22  36  35  103  mm 

Offenbar  liegt  der  Grund  dieser  Erhöhung  der  Regenmenge  um  fast  16  Prozente  vor- 
züglich in  der  Verzögerung  der  Bewegung  der  zur  Kondensation  gelangenden  Luft- 
schichten, was  schon  daraus  folgt,  dass  im  Herbst  und  Winter,  wo  die  Regenwolken 
sehr  tief  ziehen,  diese  Wirkung  grösser  war  als  im  Frühjahr  und  Sommer. 

Hier  ist  auch  der  gleichfalls  in  Frankreich  auf  der  5000  ha  grossen  Forst-Do- 
maine  Halatte  von  Fautrat  und  Sartiaux  ausgeführten  Regenmessungen  zu  gedenken, 
welche  über  dem  Kronenraume  eines  Laubholzniederwaldes  (7  m  darüber)  und 
eines  Kiefernwaldes  (3  m  darüber)  die  Regenmesser  beobachteten  und  im  Durchschnitte 
der  4  Jahre  1874 — 77  folgende  Regenhöhen  fanden: 

über  den  Gipfeln  im  Freien  Differenz 

bei  Laubholz  655,0  631,0  24,0  mm 

bei  Nadelholz  667,0  610,2  56,8     „ 

Es  zeigte  sich  somit  durchgehends  eine  wenn  auch  nicht  sehr  bedeutende  Vermehrung 
der  Niederschlagsmenge  über  den  Kronen  des  Waldes  gegenüber  dem  freien  Lande. 

Als  einen,  wenn  auch  nicht  ganz  einwandfreien  Nachweis  des  Einflusses,  welchen 
der  auf  einer  Haidefläche  begründete,  allmählich  heranwachsende  Wald  auf  die  Regen- 
menge ausübt,  kann  man  die  Regenmessnngen  der  Station  Lintzel  in  der  Lüneburger 
Haide  anfühi-en:  die  Niederschlagshöhen  betrugen  in  Prozenten  des  Mittels  seit  1882 
bis  1888  jährlich  81,8  86,3  95,2  99,8  100,6  103,7  103,9  Prozente;  sie  zeigen  also  eine 
konstante  Zunahme,   worüber  Dr.  Müttrich  in  der  Zeitschrift  f.  F.  n.  J.  1892  Ja- 


74)  Näheres  hierüber  siehe  v.  Seckendorff  -Die  forstl.  Verhältnisse  Frankreichs' 
Leipzig  1879. 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  22.  08 

nnarheft  ausführlich  berichtete.  Eine  ähnliche  Beobachtung  aus  britisch  Indien  führt 
Dr.  V  ö  1  k  e  r  ^'^)  nach  den  Beobachtungen  von  R.  H.  E 1 1  i  0 1  an.  Die  grossen  staat- 
lichen und  privaten  Waldanlagen  bei  Ootacamund  haben  die  Zahl  der  Tage  mit  lokalen 
Regenniederschlägen  in  den  Monaten  März  bis  Mai  von  dem  5jährigen  Mittel  1870 — 74 
bis  zu  jenem  von  1886 — 90  erheblich  vermehrt  und  zwar  durchschnittlich  von  24  auf 
29  Tage,  die  Zahl  der  Regentage  innerhalb  des  ganzen  Jahres,  excl.  der  Monsunperiode 
stieg  von  75  auf  83  durchschnittlich.  Dr.  J.  Nisbet  führte  1895  in  der  „Calcutta 
Review"  eine  Reihe  weiterer  analoger  Tatsachen  an,  auf  die  hier  nur  verwiesen  wer- 
den kann. 

Fasst  man  die  verschiedenen  besprochenen  einzelnen  Punkte  zusammen,  so  ergiebt 
sich,  dass  eine  Reihe  von  physikalischen  Faktoren  dahin  wirken,  dass  der  geschlossene 
Wald  vermöge  seiner  kühleren  Temperatur,  seiner  feuchteren  Luft  und  seiner  Fähigkeit, 
die  Bewegung  der  Luft  abzuschwächen,  ein  vorzüglicher  Kondensator  für  den  Wasserdunst 
der  atmosphärischen  Luft  ist.  Diese  Eigenschaft  tritt  in  höheren  Lagen  und  im  Gebirge 
schärfer  hervor  als  im  Tieflande  und  in  der  Nähe  der  Seeküste,  wo  andere  Einflüsse  diese 
Wirkung  mehr  verdecken.  Ob  aber  unter  allen  Umständen  eine  direkte  Vermehrung 
der  Niederschlagsmengen  durch  den  Wald  erfolgen  müsse,  oder  ob  nicht  die  herrschen- 
den Windrichtungen  sowie  die  Terrainausformung  auch  Ausnahmen  von  der  Regel, 
dass  Orte  in  der  Nähe  grosser  Waldungen  grössere  Regenhöhen  als 
ferner  gelegene  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  aufweisen,  be- 
gründen können,  müssen  erst  weitere  Untersuchungen  lehren. 

Als  eine  direkte  Bestätigung  dieser  aus  den  meteorologischen  Beobachtungen  ab- 
geleiteten Regel  durch  die  praktische  Erfahrung  möchte  die  Wirkung  der  Steppenauf- 
forstungen in  Südrussland  zu  betrachten  sein.  Der  Direktor  des  kais.  russ.  Forstintsituts  zu 
St.  Petersburg  Herr  von  Kern  teilte  mir  in  dieser  Hinsicht  gütigst  mit,  dass  im  Gouv.  Ecka- 
terinoslaw  Kreis  Mariupol  seit  dem  Jahre  1843—83  beiläufig  2000  ha  Forstkulturen  in  der 
offenen  Lage  der  hohenSteppe,  also  in  ganz  exponierter  Lage  gemacht  wurden,  welche 
nun  schon  bis  60jährige  Bestände  ergaben.  Die  Einwohner  des  Dorfes  Blagodatnoe  und 
der  Nachbardörfer,  welche  an  den  neubegründeten  Wald  „Weliko  Anadol"  anstossen, 
behaupten,  dass  seitdem  der  Wald  herangewachsen  ist,  sich  die  SommeiTegen  in  be- 
merkenswerter Weise  vermehrt  haben;  die  dort  früher  so  gefürchtete  Sommerdün*e 
schade  den  Weizenfeldern  viel  weniger  als  ehedem  und  die  Erträge  sind  infolge  dessen 
durchschnittlich  gestiegen.  Eine  weitere  günstige  Folge  dieser  Aufforstungen  besteht 
in  dem  Schutz,  welchen  diese  Ortschaften  gegen  die  winterlichen  Schneestürme  (Buran) 
durch  den  Wald  erfahren,  deren  Gewalt  sehr  augenfällig  abgeschwächt  wurde. 

Seit  1890  wurden  diese  Aufforstungen  in  Weliko  Anadol  zu  einem  gewissen  Ab- 
schlüsse gebracht  und  darin  behufs  genauer  wissenschaftlicher  Konstatierung  der  klima- 
tischen Wirkungen  des  Waldes  zwei  dauernde  meteorologische  Beobachtungsstationen 
angelegt,  wovon  sich  eine  in  der  offenen  Steppe,  die  andere  in  den  Kulturen  befindet^®). 
Im  Mittel  der  Jahrgänge  1893 — 97  war  die  jährliche  Niederschlagshöhe  im  Freien 
454,3  mm,  im  neubegründeten  Walde  562,9  mm,  also  hier  um  23,9Vo  mehr,  trotzdem  die 
Feldstation  ein  wenig  höher  liegt  als  jene  im  Walde.  Ausserdem  wurden  zeitweise 
mit  8  Regenstationen  nach  Art  der  Radialstationen  Beobachtungen  angestellt.  Die 
Abhängigkeit  der  Regenhöhe  von  der  Bewaldung  tritt  am  schärfsten  bei  starken  Nie- 
derschlägen (Platzregen)  hervor,  ist  aber  auch  in  der  trockenen  Zeit  erkennbar,  z.  B. 

75)  Dr.  Völker  im  „Report  on  the  Improvement  of  Indian  Agriculture".  1893. 
Seite  30. 

7(>)  Hierüber  enthält  einen  ausführlichen  Bericht  von  G.  Wyssetzky  in  einer  Üeber- 
setzung  von  Oberforstmeister  Guse  die  Zeitschrift  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  1899.  S.  661. 


54 


I.    Weher.  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


war  im  Sommerhalbjahr  1895  die  Niederschlagsmenj^e  in  der  offenen  Steppe  212  mm, 
in  der  Waldstation  246,7  mm,  also  hier  um  16,4«/o  grösser. 

Damit  stimmen  auch  die  Untersuchungen  von  J.  Klingen  (1.  c.)  überein,  wel- 
cher 1894  und  95  in  Chrinowskoi  (Gouv.  Woronesch)  die  in  der  Steppe  gefallenen 
Niederschläge  mit  jenen  eines  benachbarten  Waldes  verglich ;  seine  Ergebnisse  waren 
folgende : 


Der  atmoaphär 
summe 

1895 

mm 
359,4 

503,5 
526,0 

.  Niederschläge 

in  den  Jahren 

Jahres 
1894 

Sa.  der  Vegetationszeit 
1894                      1895 

in  der  Steppe 
im  Kiefernwald 
im  Eichenwald 

mm 
354,2 
506,6 
541,3 

mm 
304,9 
380,6 
353,2 

mm 
193,» 
255,4 
262,0 

Mehl*  in  Kiefern 

oder  prozentisch  um 

„      in  Eichen 
oder  prozentisch  um 

152,4 
+  43Vo 

187,, 
+  53^/o 

144,1 
+  40«/o 

166,6 
4-46«/o 

75,7 

+  25V« 

48,3 

+  16^/« 

62,8 
+  32«/o 

68,8 
+  367o 

Die  Beobachtungsstationen  lagen  hier  allerdings  um  20— 3()  Kilometer  von  ein- 
ander entfernt,  was  die  Vergleichbarkeit  beeinträchtigt.  Seit  1893  sind  in  Russland 
Versuche  und  Beobachtungen  über  das  Klima  der  Steppen  in  grösserem  Umfange  zur 
Ausführung  gelangt.  Professor  Dokutschaiew  ist  mit  8  Gehilfen,  1  Meteorologen 
und  1  Ingenieur  auf  5  Jahre  zur  Erforschung  der  einschlägigen  Fragen  entsandt  wor- 
den, so  dass  wichtige  Resultate  zu  erwarten  sind. 

Eine  ähnliche  Erfahrung  berichtete  in  der  Versammlung  des  nordwestdeutschen 
Forstvereins  zu  Uelzen  im  August  1885  Hr.  Provinzialforstmeister  Quaedt-Faslem,  dass 
nemlich  die  Wälder  auf  den  Zug  der  Gewitter  wirken  und  Niederschläge  herbeiführen. 

§  23.  Aber  auch  in  anderer  W^eise  greift  der  Wald  in  den  Kreislauf  des  Wassers 
ein,  indem  das  in  Form  von  Niederschlägen  zu  Boden  gelangte  Quantum 
vor  rascher  Verdunstung  bewahrt  und  hiedurch  örtlich  erhalten  wird. 
Schon  die  niedrigere  Temperatur  und  die  grosse  relative  Feuchtigkeit  der  Waldluft 
bilden  ein  Hindernis  für  eine  starke  Verdunstung,  noch  mehr  aber  bewirkt  dies  der 
Abschluss  der  direkten  Insolation  und  des  Windes.  Man  hat  daher  nach  Prof.  Eber- 
uiayers  Vorgang  die  direkte  Bestimmung  der  Verdunstungsgrössen  als  einen  wesent- 
lichen Punkt  in  das  Programm  der  forstlichen  Beobachtungsstationen  aufgenommen 
und  ich  führte  in  der  Tabelle  auf  S.  48  die  von  mir  aus  den  Publikationen  des  H.  Pro- 
fessor Dr.  Müttrich  berechneten  Jahressummen  der  Verdunstungsgrösse  (in  mm  Höhe) 
an.  Diese  Beobachtungen  zeigen,  dass  im  geschlossenen  Walde  die  Verdunstung  sehr 
beträchtlich  vermindert  wird  indem  im  Durchschnitte  gegenüber  der  m  100  gesetzten 
Einheit  der  Verdunstungsgrösse  im  Freien 

im  W^alde  verdunsten  dem  Boden  erhalten  bleiben 

in  den  Buchenbeständen  40,4  ®/o  59,6^0 

Fichtenbeständen  45,3  »/o  54,7  «/^ 

Kiefembeständen  41,8  7o  58,2  ^/o 


Y> 


einer  Kulturfläche 


90,3  7o 


9,70/0 


Diese  Herabminderung  der  Verdunstung  des  Bodenwassers  durch  die  Streudecke 
ist  ausser  den  durch  die  1868  und  69ger  Versuchsreihen  an  den  forstl. -meteorologischen 
Stationen  Bayerns  gewonnenen  Ergebnissen  noch  durch  Prof.  Dr.  WoUny  in  den 
Jahren  1882  und  83  nachgewiesen  worden. 

Aus  diesem  Gesichtspunkte  ist  es  interessant,  dieBilanzderNiederschlags- 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  23. 


oo 


höhe  mit  der  Verdunstungshöhe  aus  obigen  Resultaten  zu  ziehen,  welche  nach 
Höhenregionen  angeordnet  folgendes  Ergebnis  liefert: 


Stationen 

Absolute 

Höhe 

rn 

Der  Ueberschuss  der  Nie- 
derschläge über  die  Ver- 
dunstung beträgt  in 
Millimetern  Höhe 

Von  der  Niederschlags- 
menge verdunsteten 
prozentisch 

im  Freien 

im  Walde 

im  Freien 

im  Walde 

Schoo  

Fritzen 

Hadersleben      .... 

Eberswalde 

Lintzel     

3 
30 
34 
42 
95 

322,5 
387,6 
495,8 
142,1 
174,6 

343,6 
322,6 
481,4 
237,5 
180,6 

55«/o 
40, 
35, 
73, 

70, 

28> 

28, 

20, 

44, 

67, 

Mittel  für  die  Region  . 

0—100        1         305,s 

313,1       1        55 , 

37, 

Kurwien 

Marienthal 

Hagenau 

124 
143 
145 

346,1 
184,9 
436,1 

365,7 
254,7 
434,8 

44, 
68, 
46, 

26, 
37, 
26. 

Mittel  für  die  Region  . 

100-200 

322,4 

351,6       1        53 . 

30, 

Neumath 

Friedrich srode  .... 

340 
353 

328,5 
291,0 

510,9 
385,8 

60, 
57, 

23, 
26, 

Mittel  für  die  Region  .     |300-400        |        309,9 

448,3       1        58 , 

25. 

Lahnhof 

HoUerath 

Schmiedefeld    .... 
Karlsberg 

602 
612 
680 
690 

850,2 
717,5 
1468,2 ") 
718,8 

685,2 
490,2 

1114,3  77) 

839,1 

24, 
26. 
13, 
27, 

15, 
21, 

7. 
10, 

Mittel  für  die  Region  . 

600-700 

774 
930 

938,7 

782,2        1        22  „ 

1093,8                15  „ 
1176,8                19, 

13. 

Sonnenberg 

Melkerei 

1196,4 
1442,1 

9. 
11, 

Mithin  ist  der  Ueberschuss  der  Niederschläge  mit  zunehmender  Höhe  des  Beob- 
achtungsortes immer  grösser,  wenn  auch  nicht  proportional  der  letzteren.  Im  Walde 
bleiben  in  den  tieferen  Lagen  durchschnittlich  grössere  Mengen  übrig  als  im  Freien 
und  prozentisch  betrachtet  drückt  der  Gebirgswald  die  Verdunstung 
auf  das  Minimum  von  9 — 13%  des  Niederschlages  herab,  so  dass 
87 — 91*/o  demBoden  erhalten  bleiben.  Diese  Bilanz  zwischen  Niederschlägen 
und  der  Verdunstung  einer  freien  Wasserfläche  entspricht  selbstverständlich  nicht 
den  tatsächlichen  Vorgängen  im  Walde,  wo  die  Transspiration  der  Blattorgane  an 
Stelle  der  letzteren  tritt.  Die  vielfach  grössere  Oberfläche  der  Blätter  und  Nadeln 
befähigt  diese,  mit  einer  viel  grösseren  Ijuftmenge  in  Berühining  zu  treten  und  in  letz- 
tere Wasserdunst  auszuhauchen.  Wie  uns  die  Pflanzenphysiologie  ausführlicher  lehrt, 
ist  aber  diese  Transspirationsgrösse  nach  Pflanzenart,  Alter  der  Gewächse,  Art  der 
Belaubung  und  nach  den  klimatischen  Verhältnissen  sehr  verschieden.  Man  muss  sich 
daher  an  die  Stelle  der  obigen  experimentell  ermittelten  Verdunstungshöhen  einer  freien 
Wasserfläche,  welche  nur  schematisch  ein  Bild  des  Wasserverlustes  liefern  kann,  die 
in  grossen  Grenzen  schwankenden  Grössen  der  Transspiration  der  Waldbäume  denken. 
Diese  steht  mit  den  Wachstumsvorgängen  im  engen  Zusammenhange  als  wesentliche 
Ursache  der  Saftbewegung  und  ist  daher  eine  unentbehrliche  Lebensbedingung  der 
Bäume,  insbesondere  ihres  Zuwachses,  dessen  Grösse  zum  Teil  durch  die  verfügbare 
Wassermenge  bestimmt  wird.  Es  ist  daher  für  die  Lebensökonomie  der  Bäume  wichtig» 
dass  das  zur  Transspiration  nötige  Quantum  Wasser  von  den  Wurzeln  ununterbrochen 
zugeführt  werden  könne,  ja  der  wirtschaftliche  Erfolg  —  der  Ertrag  —  wird  inner- 
halb gewisser  Grenzen  von  diesem  wechselnden  Bestandteile  des  Bodens  bedingt.    Der 


77)  Nur  aus  einem  Jahrgang  1882  berechnet. 


56  I.    Webt' r,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Forstwirt  ist  daher  daran  interessiert,  dass  die  Verdunstung  des  Bodenwassers  zu  mög- 
lichst grossen  Anteilen  in  Form  der  Transspiration  vor  sich  gehe,  während  jeder  ander- 
weitige Verdunstungsverlust,  z.  B.  durch  Freilage,  Einwirkung  des  Windes  auf  den 
Boden,  Mangel  einer  Streudecke  u.  s.  w.  als  unwirtschaftlich  betrachtet  werden  mnss. 
Die  Transspirationsgrösse  übertrifft  bei  dicht  belaubten  Bäumen,  besonders  bei  den 
Laubholzarten  die  in  obiger  Tabelle  angeführten  Verdunstungsgrössen  in  der  Regel  um 
ein  Mehrfaches,  wie  die  Untersuchungen  HöhneTs  gezeigt  haben.  Angenommen  ein 
Bestand  verdunste  z.  B.  3  mal  so  viel,  als  die  freie  Wasserfläche,  so  würde  in  der 
I.  Region  0 — 100  m  eine  Menge  von  durchschnittlich  3  X  37  =  lll'/o  der  gefallenen 
Regenmenge  benötigt  sein,  also  könnte  diese  nicht  ausreichen  zur  Deckung  der  Trans- 
spiration, in  der  11.  Region  100 — 200  m  wäre  3  X  30  i=:  90*>/o  der  Niederschlagsmenge, 

in  der  IH.  Region  300—400  m  3  X  25  :=  75^/o 

.,     .,    Region  V  600—700  m  3  x  ^^  =  39%  >  derselben  notwendig  für  die  Trans- 

„  „  „IV  700—900  m  3  X  10  =  30o/o  S  spiration. 
Während  demnach  unter  obiger  Annahme  der  Waldboden  der  I.  Region  ein  Detizit  von 
ll®/o  haben  würde,  die  das  Gedeihen  der  betreffenden  Holzart  in  Frage  stellen  müsste, 
käme  in  der  Region  II  10%,  III  25%,  V  617o,  VI  70«/o  der  Niederschläge  des  Jahres 
zur  Erübrigung,  so  dass  der  Boden  in  den  höheren  Lagen  frisch  bis  nass  würde.  Es 
ergiebt  sich  aus  obiger  Tabelle,  dass  mit  zunehmender  Meereshöhe  zwar  die  Nieder- 
schlagsmengen steigen,  während  dagegen  die  Verdunstung  eher  eine  abnehmende  Ten- 
denz zeigt,  welche  sich  notwendig  auch  auf  die  Transspiration  überträgt.  Man  kann 
daher  die  Frage,  ob  der  Wald  die  Bodenfeuchtigkeit  vermehre,  nicht 
a  priori  und  für  alle  Verhältnisse  beantworten,  sondern  es  kommt  auf  den  klimatischen 
Charakter  der  Gegend,  auf  die  Meereshöhe,  die  Exposition  nach  der  Himmelsrichtung 
und  auf  die  Holzart  sowie  die  Bestandesbeschaffenheit  an,  ob  die  Niederschlagsmenge 
oder  die  Transspirationsgrösse  überwiegt.  Im  Tieflande  mit  wännerem  Klima  wirkt 
der  geschlossene  Wald  meistens  austrocknend  auf  den  Boden,  während  nach  dem  Ab- 
triebe häufig  Versumpfung  eintritt. 

§  24.  Wenn  demnach  schon  in  den  Hochlagen  an  und  für  sich  dem  Boden  mehr 
meteorisches  Wasser  zugeführt  wird,  als  es  im  Tieflande  der  Fall  ist,  so  verstärkt  eine 
Bewaldung  der  Gebirge  diese  Wirkung  noch,  und  es  ist  deshalb  schon  von  jeher  der 
Gebirgswald  als  Erhalter  der  Feuchtigkeit  und  der  Quellen  betrachtet 
worden  (der  „Tau  vom  Hermon"  befruchtet  die  Landschaft).  Es  ist  daher  von  Inter- 
esse, sich  die  Rolle  klarer  zu  machen,  die  dem  Walde  bei  der  Erhaltung  des  Boden- 
wassers und  der  Speisung  der  Quellen  zukommt.  Obige  Zahlenreihe  zeigt  ganz  deut- 
lich, wie  beträchtlich  die  Menge  des  nach  Abzug  der  Verdunstung  übrig  bleibenden 
meteorischen  Wassers  in  den  Gebirgslagen  ist  und  wie  der  Wald,  trotzdem  ca.  ^/i  der 
Niederschläge  durch  Zweige  und  Blätter  aufgefangen  und  dadurch  der  unmittelbaren 
Messung  entgangen  sind,  dennoch  von  diesen  verbleibenden  Dreivierteln  fast  ebensoviel 
und  teilweise  mehr  Wasser  dem  Boden  zuführt  als  dem  freien  Lande  zukommt.  Wenn 
man  dagegen  einwenden  wollte,  dass  ja  hievon  erst  noch  der  ganze  Transspirations- 
verlust  subtrahiert  werden  müsse,  den  man  aber  nicht  kennt,  so  ist  hierauf  zu  erwidern, 
dass  derselbe  Wald  ja  auch  im  Tieflande  seine  Transspiration  deckt,  welche  jedenfalls 
infolge  der  höheren  Temperatur  und  der  längeren  Vegetationszeit  noch  grössere  Mas- 
sen Wasser  erfordert,  dass  folglich  mindestens  der  Ueberschuss  über  diese  hinaus  dem 
Boden  und  seinem  Untergrunde  zufliessen  muss.  Angenommen  also,  der  Fichtenbestand 
in  Fritzen  oder  der  Buchenbestand  in  Hadersleben  verbrauche  gerade  seinen  Ueberschuss 
zur  Deckung  seiner  Transspiration,  so  braucht  der  Fichtenwald  in  Sonnenberg  höchstens 
ebenfalls  soviel,   erübrigt  also  1093,8—322,5  =  771,3  mm;   ebenso  verblieben  in  dem 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  24.  57 

Buchenwald  auf  den  Hochlagen  der  Vogesen  (Melkerei)  1176,8 — 481,4  =:  695,4  mm. 
Abgerundet  bleiben  also  700  mm  Eegenhöhe  im  Gebirgswalde  unverwendet  von  der 
Verdunstung  und  Transspiration  übrig,  d.  h.  pro  ha  7000  cbm,  welche  in  die  Tiefen 
des  Bodens  eindringen.  In  der  Praxis  rechnen  aber  die  Ingenieure  von  1  ha  Sammel- 
gebiet einer  Quelle  im  Mittel  1500 — 4000  cbm  Zufluss  pro  Jahr,  d.  h.  3 — 8  Liter  pro 
Minute,  nach  starkem  Kegnen  aber  10—20  Liter  pro  Minute,  was  5000 — 10000  cbm 
pro  Jahr  und  ha  entspräche.  Da  aber  solche  allgemeine  Erwägungen  auf  deduktivem 
Wege  zur  exakten  Lösung  so  wichtiger  Fragen  nicht  ausreichen,  so  wurden  schon  in 
den  Jahren  1884 — 86  von  Prof.  Dr.  Ebermayer  vergleichende  Wasserbestimmungen  in 
den  Fichtenwäldern  des  k.  Forstamts  Brück  bei  München  vorgenommen,  die  im  Jahres- 
mittel folgende  Resultate  ergaben :  der  Boden  des  kahlen  Feldes  war  in  aUen  Schichten 
von  der  Oberfläche  bis  auf  0,8  m  Tiefe  fast  gleichmässig  durchfeuchtet,  in  einem  be- 
nachbarten Fichtenjungwuchs  war  dies  ebenfalls  annähernd  der  Fall,  dagegen  nahm  in 
dem  60jährigen  Fichtenbestande  der  Feuchtigkeitsgehalt  von  der  Oberfläche  nach  den 
tieferen  Schichten  der  Wurzelregion  ab ;  alle  bestockten  Flächen  waren  im  Durchschnitte 
wasserärmer  als  das  kahle  Feld.  In  dem  haubaren  Bestände  von  120  Jahren  näherte 
sich  der  Feuchtigkeitsgehalt  wieder  mehr  jenem  der  kahlen  Fläche,  vermutlich  weil 
weniger  Regen  an  den  Zweigen  hängen  geblieben  war.  In  einer  Tiefe  von  15 — 80  cm 
war  der  Waldboden  durchgehends  trockener,  als  jener  der  kahlen  Fläche  und  zwar  am 
meisten  unter  dem  60jährigen,  dicht  geschlossenen  Bestände.  Aus  dem  schon  oben  Ge- 
sagten lassen  sich  auch  die  Aufsehen  erregenden  Versuchsergebnisse  erklären,  welche 
einige  russische  Forscher,  nämlich  Bl isnin ^^)  in  den  trockenen  und  heissen  Steppen 
des  Gouvernement  Cherson,  dann  Ismailsky'^)  und  Professor  Ototzkiy®^)  im  Ge- 
biete der  Schwarzerde  (Tschernosem)  gefunden  haben.  Ersterer  stellte  1891  in  drei 
Versuchsreihen  fest,  dass  in  den  Laubwäldern  nur  die  obersten  Bodenschichten  feuchter, 
die  tieferen  Schichten  dagegen  trockener  sind,  als  die  entsprechenden  Schichten  des 
umgebenden  freien  Landes.  Ismailsky  fand  in  6jährigen  Beobachtungen,  dass  der  Bo- 
den der  Schwarzerde  gleichfalls  seinen  grössten  Feuchtigkeitsgehalt  im  Winter  in  der 
oberen  Schichte  von  0 — 70  cm  Tiefe  habe,  im  Frühjahr  in  der  Schichte  zwischen  70 
bis  140  cm  und  im  Sommer,  wo  dort  die  meisten  Niedei'schläge  fallen,  in  der  Tiefe 
von  140 — 210  cm.  Die  gesamten  Wasservorräte  nehmen  im  Jahresmittel  von  oben 
nach  unten  ab,  ebenso  wie  die  Schwankungen  in  der  Menge  der  Bodenfeuchtigkeit.  Die 
Untersuchungen  von  Prof.  Ototzky  1893 — 1897  bezogen  sich  auf  den  Stand  des 
Grundwassers  in  der  Steppe  und  in  den  angrenzenden  Wäldern 
des  südlichen  Russlands,  der  mittelst  Bohrlöcher  gemessen  wurde,  welche  durch  Nivel- 
lements verbunden  waren.  Diese  Versuche  ergaben  in  verschiedenartigen  Fällen  inso- 
feme  Uebereinstimmung,  dass  der  Boden  der  Wälder  einen  geringeren  Wasservorrat 
und  tieferen  Grundwasserspiegel  zeigte  als  das  benachbarte  Freiland,  wobei  Differenzen 
von  ca.  10  m  senkrechten  Abstandes  vorkamen.  Die  Untersuchungen  im  nördlichen 
Russland  ergaben  aber  nur  kleine  Verschiedenheiten  zwischen  den  verglichenen  Grund- 
wasserständen im  Walde  und  im  freien  Lande. 

Es  würde  zu  weit  führen,  alle  im  letzten  Dezennium  von  Prof.  Ebermayer®*)  in 
München,  E.  Hoppe®*)  im  Wiener  Walde,  von  Prof.  Ramann ®^)  in  den  IQefembeständen 

78)  Bulletin  meteorolog.  1892  Nr.  7. 

79)  V.  Wiesner    „Russische   Forschungen   auf   dem   Gebiete   der   Waaserfrage*    in 
Wollnys  „Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Agrikulturphysik"   18.  Band.  1895. 

80)  Otozkij   „Einfluss  der  Wälder  auf  das  Grundwasser".    Zeitschrift  für  Gewässer- 
kunde 1898  S.  214  u.  278,  dann  1899  S.  160. 

81)  Ällg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  1889.    1.  Heft. 

'  82)  Zentralblatt  f.  d.  gesamte  Forstwesen  1895.  3.  Heft. 


58  I.  Weber,  Die  Aufjijaben  der  Forstwirtschaft. 

der  Mark  Brandenbnri^  anfrestellten  Untersnchnngen  über  den  Wassergehalt  des  Bodens 
aufzuführen,  erwähnt  sei  nur,  dass  sie  alle  den  starken  austrocknenden  Einfluss  der 
Banmwurzeln  im  Zusammenhange  mit  der  Ti-ansspiration  der  Blattorgane  nachgewiesen 
haben,  während  sie  zugleich  zeigten,   dass  zwischen  den  einzelnen  Holzarten  und  den 
verschiedenen  Graden  des  Bestandesschlusses  grosse  Verschiedenheiten  in  dieser  Hinsicht 
bestehen.    Dicht  geschlossene  Mittelhölzer  von  stark  verdunstenden  Holzarten  vermögen 
daher  in  regenarmen  Gegenden  wegen  des  doppelten  Verlustes  durch  Zurückhalten  der 
Niederschläge  in  den  Zweigen  und  durch  starke  Transspiration  einen  Boden  trockener 
zu  machen,  als  er  in  unbestocktem  Zustande  wäre.     Dagegen  wird  in  Gebirgswaldnngren, 
wo  die  Regenhöhe  erheblich  grösser,   dagegen  die  Temperatur  niedriger  ist,   durch  die 
Verzögerung  im  oberflächlichen  Ablaufe  des  Wassers,  durch  die  Abminderung  der  Ver- 
dunstungs-  und  der  Transspirationsgrösse   die  Bilanz  meistens  zu  Gunsten  des  Wald- 
bodens ausfallen.     In  der  Tat  sehen  wir  auch  in  allen  Gebirgen  die  Gehänge  durch- 
flössen von  zahlreichen  Wasseradern,    die  sich  gerade  in  den  Waldungen  durch  Nach- 
haltigkeit und  konstantes  Fliessen  auszeichnen.     Es   sind   meistens   nicht   eigentliche 
Quellen,  denen  die  Gebirgsbäche  ihren  Ursprung  verdanken,  sondeni  vorwiegend  kleine 
offene  Rinnsale,  die  ihren  Wassergehalt  von  versumpften,  mit  schwamm  artigen  I*olstem 
von  Rohhumus,  Polytrichum   und  Sphagnum   bedeckten  Filzen  und  Blossen  im  Walde 
erhalten  und  die  lokalen  Benennungen  als  „Gräben,  Seigen,  Dellen,   Kauten,  Runsen 
und  Wildbäche,  ravins"  führen.     In  durchlässigem  Gesteine,  auf  Kalk-  und  Dolomitfels, 
Sandsteinfels  und  Geröllböden,  ferner  bei  einfallenden  Schichtrichtungen  etc.  versinken 
die  gefallenen  Niederschläge  rasch  in  die  Tiefen  und  kommen  erst  beim  Auftreflfen  auf 
nndurchlassende  Schichten  zur  Ansammlung  und  zum  Abfliessen  nach  den  eigentlichen 
Quellen.     Es  kommt  aber  auch  hier  wesentlich  darauf  an,  wie  das  Sammelgebiet  der 
Quelle  beschaffen  ist,   ob  das  Eindringen  des  Regen wassers  durch  Waldbestockung  er- 
leichtert und  ob  der  oberflächliche  Abfluss,   sowie  die  Verdunstung  verhindert  werde. 
Von  grossem  Einflüsse  ist  in  dieser  Hinsicht  noch  die  Wirkung   der  Streudecke 
des  Waldbodens  —  mag  diese  nun  aus  abgefallenem  dürren  Laub  oder  aus  einem  Moos- 
polster, wie  in  den  älteren  Nadelholzbeständen  gebildet  werden,  so  hindert  sie  stets  in 
hohem  Grade  die  Verdunstung  des  Bodenwassers,   verstärkt  also   die  im  obigen  schon 
entwickelte  Wirkung  des  Kronenschlusses  im  Walde.     Ueber  diese  Frage  hat  Prof.  Dr. 
Ebermayer  mittelst  seiner  mit  Bodenproben  gefüllten  Evaporationsapparate  eingehende 
Untersuchungen  angestellt  und  als  Hauptresultate  gefunden^*),  dass  im  öjährigeu  Mittel 
sämtlicher  Beobachtungen   in   dem  Bestandesschlusse   allein  47  Prozente  von  der  im 
Freien  verdunsteten  Wassermenge  in  die  Luft  übergehen,   während  53"/o  dem  Boden 
erhalten  bleiben,  dass  aber  die  Wirkung  der  Streudecke  in  einer  Herabminderung  der 
Verdunstung  auf  22®/o  besteht,  d.  h.  von  zwei  gleich  massig  mit  Wasser  durchfeuchteten 
Böden  verliert  der  des  freien  Landes  durchschnittlich  4V2  mal  so  viel  durch  Verdunstung 
als  der  durch   einen  Holzbestand  und  einer  Streudecke  geschützte  Waldboden.     Der 
bekannte  Erbauer  der  Schwarzwaldbabn  Oberbaurat  Rob.  Gerwig  stellte  schon  früher 
solche  Versuche  über  die  Absorptionsfähigkeit  des  Mooses  und  der  Streudecke  des  Wal- 
des an  und  zog  hieraus  den  Schluss,  dass  eine  geographische  Quadratmeile  Wald  darin 
1 — IVa  Millionen  cbm  Wasser  zurückzuhalten  veimöge,   was  in  manchen  Fällen  eine 
Verzögerung  des  Wasserablaufes  um  15  Stunden   bewirken  kann.    Rechnet  man  hiezu 
die  Erleichterung,  welche  dem  Einsickern  des  Tagwassers  in  die  tieferen  Bodenschichten 
durch  die  röhrenförmigen  Kanäle  der  verfaulten  Wurzelstränge  gewährt  wird,  so  ver- 


83)  Zeitschrift  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  1897.  12.  Heft. 

84)  Ebermayer  „Gesamte  Lehre  der  Waldstreu"  S.  183. 


Einwirkung  der  Wälder  auf  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft  etc.     §  25.  59 

steht  man  die  Bedeutung,  welche  dem  Walde  als  Erhalter  der  Quellen  zugeschrieben 
wird.  Im  Hochgebirge  kommt  hiezu  noch  die  Verzögerung  des  Schneeabganges  durch 
den  Wald ;  man  findet  oft  an  geschützten  Nordseiten  den  Schnee  noch  bis  in  den  Hoch- 
sommer hinein,  zumal  wenn  er  durch  Laubverwehungen  gedeckt  ist. 

Hieraus  folgt,  dass  solche  Waldungen,  welche  das  hochgelegene  Sammelgebiet 
einer  Quelle  bestocken,  dem  letzteren  viel  grössere  Menge  tropfbar  flüssigen  Wassers 
erhalten  und  durch  Einsickei*n  zuführen,  während  umgekehrt  umfangreiche  Entholzungen 
auf  solchen  Terrains  infolge  der  ungewöhnlichen  Steigerung  der  Verdunstung  Mangel 
an  Wasser  zur  Folge  haben  werden.  In  der  Tat  hat  man  auch  schon  vielfach  Beob- 
achtungen über  diesen  Zusammenhang  gemacht,  w^orüber  der  deutschen  Forstversamm- 
lung in  Eisenach  verachiedene  Mitteilungen  zugingen  und  was  insbesondere  durch  Mar- 
chand und  Choiseul-Gouff ier ,  Gautieri  etc.  bezüglich  Italiens  und  Griechenlands  kon- 
statiert wurde,  üeberhaupt  ist  dieser  Gegenstand  in  einer  ungemein  zahlreichen  Lit- 
teratur  besprochen  worden,  so  dass  es  unmöglich  ist,  in  den  Rahmen  dieser  Abhandlung 
nur  einen  Ueberblick  über  die  vielen  Reiseberichte  aus  Syrien,  Palästina,  die  amtlichen 
Gutachten  und  Petitionen,  welche  namentlich  die  französische  Forstlitteratur  aufweist 
zn  geben  *'^).  Ebenso  verweisen  wir  auf  die  ausführliche  Abhandlung  von  Oberforst- 
meister  Ney  „Der  Wald  und  die  Quellen"  Tübingen  1894  F.  Pietzcker.  Nur  ein  Zitat 
aus  einer  Denkschrift  von  J.  A.  Blanqui  (1843)  über  die  Alpen  der  Provence  möge 
hier  eine  Stelle  finden: 

^Man  kann  sich  in  unseren  gemässigten  Gegenden  keinen  Begriff  von  diesen  bren- 
nenden Bergschluchten  machen,  wo  es  nicht  einmal  einen  Busch  giebt,  um  einen  Vogel  zu 
schützen ;  wo  der  Reisende  nur  da  und  dort  einen  ausgetrockneten  Lawendelstengel  an- 
trifft ;  wo  alle  Quellen  versiegt  sind ;  wo  ein  düsteres,  kaum  vom  Gesumme  der  Insekten 
unterbrochenes  Schweigen  herrscht.  Auf  einmal,  wenn  ein  Gewitter  losbricht,  wälzen  sich 
in  diesen  geborstenen  Becken  von  der  Höhe  der  Berge  Wassermassen  herab ,  welche  ver- 
wüsten, ohne  zu  befeuchten,  überschwemmen  ohne  zu  erfrischen,  und  den  Boden  durch  ihre 
vorübergehende  Erscheinung  noch  öder  machen,  als  er  durch  ihr  Ausbleiben  war. 

Endlich  zieht  sich  der  Mensch  zuletzt  aus  diesen  schauerlichen  Einöden  zurück,  und 
ich  habe  in  diesem  Jahre  nicht  ein  einziges  lebendes  Wesen  in  Ortschaften  angetroffen, 
wo  ich  vor  dreissig  Jahren  Gastfreundschaft  genossen  zu  haben  mich  recht  gut  erinnere.  ^ 

§  25.  Infolge  der  geschilderten  Vorgänge  findet  man  in  der  Regel  in  gut  be- 
waldeten Gebirgen,  namentlich  in  den  deutschen  Mittelgebirgen  sowie  am  Nordabhange 
der  Alpen  eine  konstante  Speisung  der  Bäche  und  Flüsse,  deren  Wasserstand  sich 
innerhalb  gewisser  durch  die  Jahreszeit  bedingter  Schwankungen  aber  ohne  exzessive 
und  schädliche  Extreme  bewegt.  Im  Gegensatze  hiezu  stehen  die  entwaldeten  Südab- 
hänge der  Alpen  in  Tirol,  namentlich  die  westlichen  der  Provence  sowie  die  Apenninen, 
wo  das  Regime  der  Gewässer  sich  durch  ungewöhnliche  Extreme  der  Trockenheit  und 
der  Ueberflutungen  auszeichnet.  Besonders  beachtenswerte  Mitteilungen  hierüber  haben 
unter  anderen  G.  Wex^^)  „Ueber  die  Wasserabnahme  in  den  Quellen,  Flüssen  etc.", 
dann  der  Schweizer  Ingenieur  Rob.  Lauterburg®')  gegeben.  Nach  diesem  hat  die  Adda 
in  dem  Zeitraum  von  1834 — 62  etwa  28®/o  ihrer  Wasserkraft  bei  Niederwasser  haupt- 
sachlich infolge  der  W^aldverwüstungen  im  Kanton  Tessin  eingebüsst.  Hingegen  wie- 
derholen sich  die  Hochwasser  jetzt  durchschnittlich  alle  20  Monate,  während  sie  früher, 
solange  die  Tal  wände  noch  bewaldet  waren,  in  Perioden  von  je  54  Monaten  wieder- 


85)  Ich  verweise  deshalb  auf  Jacquemart  „Bibliographie foresti^re fran^aise".   Paris 
1852.    Bureau  des  Annales  foresti^res. 

86)  Wex  „lieber  die  Wasserabnahme  in  den  Quellen,  Flüssen  und  Strömen  bei  gleich- 
zeitiger Steigerung  der  Hochwasser.    1873. 

87)  Rob.  Lauterburg  „üeber  den  Einfluss  der  Wälder  auf  Quellen-  und  Strom- 
verhältnisse der     Schweiz".   Bern  1878.   K.  Wyss. 


60  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft- 

kehi*ten.  Laaterbargs  Untersuchangen  an  anderen  Flüssen  zeigen,  dass  wilde  Gewässer, 
welche  ans  bewaldetem  Terrain  entspringen,  in  ihrem  Wasserstande  Schwankangen  von 
höchstens  1 :  100  aufweisen,  während  die  aus  unbewaldeten  Gebirgen  stammenden  solche 
von  1 :  450  zeigen.  —  Allerdings  mag  schon  die  Exposition  der  Gebirge,  die  Richtung 
ihres  Zuges  quer  gegen  die  feuchten  Windströmungen  sowie  die  relative  höhere  Feuch- 
tigkeit der  aus  dem  Südw^esten  kommenden  Luftströmungen  in  diesen  Gegenden  von 
voioiherein  eine  Disposition  zu  abnormen  Niederschlagsmengen  veranlassen,  allein  die 
Tatsache  bleibt  bestehen,  dass  der  Mensch  in  unverantwortlichem  Leichtsinne  den  ein- 
zigen von  Natur  gegebenen  Schutz,  den  Wald  vernichtet  hat.  Es  waren  namentlich 
die  grossen  Ueberschwemmungen  der  Rhone  im  abgelaufenen  Jahrhundert,  welche  die  all- 
gemeine Aufmerksamkeit  nicht  bloss  in  Frankreich,  sondern  in  Europa  auf  diese  Frage 
der  Walderhaltung  im  Interesse  der  Regulierung  des  Wasserstandes  gelenkt  haben. 
Eine  ganze  Litteratur  ist  hierüber  entstanden  und  besonders  im  Beginne  der  sechziger 
Jahre  und  unter  dem  zw  eiten  Kaiserreiche  hat  man  sich  auch  von  selten  der  Reg^ierung 
lebhaft  mit  der  Wiederbewaldungsfrage  (die  im  nächsten  Abschnitte  betrachtet  werden 
soll)  beschäftigt.  Auf  experimentellem  Weg  suchten  Jeandel,  Cont^gril  und  Bellaut^) 
die  Wirkungsweise  des  Waldes  auf  Erhaltung  und  Bindung  der  wässerigen  Nieder- 
schläge darzutun,  während  die  Praktiker  auf  eine  wirksame  Bekämpfung  der  Gefahren 
durch  Schutzbauten  und  durch  Aufforstungen  sannen.  Auch  in  der  Schweiz  haben  wie- 
derholte Ueberschwemmungen  des  Rheines  und  seiner  seitlichen  Zuflüsse  Veranlassung 
gegeben,  die  Wirkungen  des  Waldes  auf  eine  geregelte  Ableitung  der  Gewässer  näher 
ins  Auge  zu  fassen:  hier  war  es  vor  allem  die  Aufgabe,  durch  Belehrung  eine  allge- 
meinere und  klarere  Erkenntnis  der  Gefahr,  welche  aus  der  Misswirtschaft  im  Walde 
entspringt,  in  möglichst  weite  Kreise  zu  bringen  —  eine  Aufgabe,  welche  Landolt  und 
Coaz  sowie  überhaupt  die  Forstverwaltung  der  Schweiz  mit  rühmlicher  Energie  und 
Ausdauer  erfüllt  haben. 

In  Preussen  wurde  1892  eine  aus  32  Mitgliedern  bestehende  kgl.  Kommission  zur 
Untersuchung  der  Wasserverhältnisse  in  den  der  Ueberschwemmung  besonders  ausge- 
setzten Flussgebieten  einberufen.  Die  von  ihr  ausgearbeitete  Denkschrift  enthält  be- 
züglich des  Waldeinflusses  den  Satz: 

^Dass  die  Zurückhaltung  des  Tagwassers  durch  den  Wald  bei  ausserordentlichen 
Regengüssen  bald  eine  Grenze  findet,  ist  durch  die  Untersuchungen  der  Hochfluten  in  Nie- 
derschlesien vom  August  1888  und  in  den  Beskiden  (Juni  1894),  die  ihren  Ursprung  in 
Gebieten  mit  dichtem  und  vortrefflichem  Waldbestande  nahmen,  bestätigt  worden.  Ander- 
seits lehrt  aber  die  Erfahrung  an  diesen  und  zahlreichen  anderen  Stellen  unserer  norddeut- 
schen Stromgebiete ,  dass  die  Ersetzung  des  Gebirgswaldes  durch  W^eide-  oder  Ackerland 
das  rasche  Zusammenfliessen  der  Niederschläge  in  hohem  Grade  begünstigt  und  die  Ab- 
schwenmiung  des  Bodens  an  starkgeneigten  Berghängen  grossenteils  oder  vollständig 
herbeiführt.  Die  günstige  Einwirkung  der  Gebirgswaldungen  auf  eine  Verzögerung  der 
Schneeschmelze  wird  beim  jähen  Eintritte  der  Friihjahrserwärmung  allerdings  beeinträch- 
tigt, trägt  aber  doch  wesentlich  dazu  bei,  dass  z.  B.  die  schlesischen  Gebirgsfltisse  von 
übermässigen  Schmelzwasserfluten  im  allgemeinen  verschont  bleiben.'' 

Ohne  in  das  ausserordentlich  ausgedehnte  Detail  der  Wasserstanderhaltungsfrage 

hier  näher  einzugehen®^),  möge  nur  noch  die  Frage  berührt  werden,  ob  die  statistischen 


88)  Etudes  experimentales  sur  les  inondations  1862.  Bericht  an  die  Akad.  der  Wis- 
senschaften 144.  S.  8. 

89)  Ich  verweise  nur  auf  A.  Gümbel  „Die  Hochwasser  des  Rheines  und  seiner  Ne- 
benflüsse" Allg.  F.  u.  J.  1882  und  Koch  „Das  schnelle  Anschwellen  der  Gebirgswasser". 
Trier  1883.  Stephanus.  Honsell  „Die  Hochwasser-Katastrophen  im  Rhein  im  November 
und  Dezember  1882".  Berlin.  F  r  a  u  c  n  h  o  1  z  „Denkschrift  betreif,  die  bessere  Ausnützung 
des  Wassers"    etc.    München.    Th.  Ackermann. 


Bedeutung  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  etc.  §  26.   61 

Nachweisungen  der  Pegelbeobachtungen  an  den  Flüssen  ein  beweiskräftiges  Material 
für  diese  Veränderungen  geben.  Es  wurde  nämlich  die  Einwendung  gemacht,  dass 
einzelne  Flüsse  ihren  mittleren  Wasserstand  gar  nicht,  andere  im  Sinne  einer  Erhöhung, 
andere  in  dem  einer  Senkung  verändert  haben,  obgleich  in  ihrem  Oberlauf  Entwaldungen 
vorgekommen  sind.  Allein  bei  den  umfangreichen  Flusskorrektionen,  Durchstichen,  Ver- 
tiefungen der  Rinnsale  sowie  Anlagen  von  Stauwerken  u.  s.  w.  giebt  der  Pegelstand 
allein  noch  keinen  Massstab  für  die  beförderte  Wassermenge  ab,  sondern  es  müssten 
zu  diesem  Zwecke  Geschwindigkeitsmessungen  in  Verbindung  mit  Profilaufnahmen  statt- 
finden, weil  durch  die  genannten  Korrektionen  sich  die  Geschwindigkeiten  sowie  die 
Querprofilflächen  wesentlich  verändert  haben. 

Jedenfalls  lehrt  die  tägliche  Erfahrung  unwidersprechlich ,  dass  ein  Wald  mit 
dichter  Bodendecke  die  atmosphärischen  Niederschläge  in  seinen  obersten  humusreichen 
Schichten  zurückhält,  deren  Abfluss  verzögert  und  gleichzeitig  die  allzugrosse  Durch- 
lässigkeit vieler  Geröll-  und  Sandsteinböden  durch  seinen  Humnsreichtum  paralysieit ; 
durch  diese  Verhinderung  des  raschen  Verschwindens  und  Ablaufens  der  gefallenen 
Niederschlagsmengen  wirkt  der  Wald  ausgleichend  auf  die  Extreme  des  Wasserstandes, 
indem  er  eine  zeitliche  Verteilung  des  Abflusses  zur  Folge  hat. 

Unter  den  zahlreichen  hierauf  bezüglichen  Denkschriften  über  die  Wirkungen 
der  Entwaldungen  auf  das  Regime  der  Gewässer  möge  hier  nur  auf  eine  im  Vorjahre 
von  den  rheinisch-westfälischen  Industriellen  an  die  Provinzial-Regierung  gerichtete 
Eingabe  hingewiesen  werden,  darin  heisst  es: 

„Auch  die  Wasser  konsumierende  Industrie  hat  unter  den  Missständen  der  zuneh- 
menden Entwaldung  zu  leiden,  da  hiemit  der  konstante  Wasserzufluss  abnimmt  und  bei 
trockener  Jahreszeit  die  Wasserläufe  so  wenig  Wasser  führen,  dass  die  Bedürfnisse  der 
Industrie  nicht  befriedigt  werden**  etc. 

In  richtiger  Erkenntnis  der  grossen  praktischen  Wichtigkeit  dieser  Frage  hat 
daher  die  zweite  Versammlung  des  Vereins  deutscher  Versuchsanstalten  zu  Braunschweig 
1896  den  Beschluss  gefasst,  dass  in  Zukunft  die  Hauptaufgabe  der  forstl.-meteorologi- 
schen  Forschungen  im  Studium  des  Einflusses,  den  der  Wald  auf  den  Quellenreichtum 
(Sickerwassermengen)  ausübt,  sowie  auch  der  Bedeutung  des  Waldes  für  üeberschwem- 
mung  und  für  die  Verhütung  von  Wildbachbildung  zu  bestehen  habe.  Seitdem  wird 
in  dieser  Richtung  in  beständiger  Fühlung  mit  den  hydrotechnischen  Behörden  rüstig 
weitergearbeitet,  so  dass  bald  eingehendere  wissenschaftliche  Ergebnisse  zu  hoffen  sind. 

3.  Bedeutung  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des 
Bodens  und  der  Schneedecke  sowie  fflir  die  Abschwächung  der  Winde. 

§  26.  In  innigem  Zusammenhange  mit  dem  soeben  über  die  Regulierung  der 
Gewässer  Gesagten,  steht  die  Bindung  des  durch  Verwitterung  der  Ge- 
steine sich  bildenden  Bodens  durch  den  Wald,  nur  sind  es  hier 
nicht  die  meteorologischen  Faktoren  der  Temperatur  und  Feuchtigkeit,  sondern  in  der 
Hauptsache  rein  mechanische  Ursachen,  auf  denen  seine  Wirkung  beruht.  Nachdem 
bereits  nachgewiesen  wurde,  welch  grosse  Niederschlagsmengen  in  den  Hochlagen  der 
Gebirge  zu  Boden  gelangen  —  in  den  Zentralalpen  1600 — 2000  mm  pro  Jahr  —  ja 
100  bis  130  mm  an  einem  Tage  —  ist  es  leicht  erklärlich,  dass  diese  Flüssigkeits- 
mengen eine  grosse  lebendige  Kraft  erreichen,  wenn  sie  ohne  ein  Hindernis  zu  finden 
auf  kahlem  Felsgestein  wie  auf  einem  Dache  abstürzen.  Bei  einem  Fallraum  von  oft 
Hunderten  ja  Tausenden  von  Metern  kommen  die  über  offenen  Boden  abfliessenden  Ge- 
wässer mit  ausserordentlicher  Geschwindigkeit  und  Kraft  zu  Tal  und  greifen  hiebei 
den  lockeren  Boden  oder  das  durch  Verwitterung  aufgelockerte  Gestein  an,  indem  sie 


62  I.  Wober,  Die  Anfjrabon  der  Forstwirtschaft. 

«ich  mit  Detritus  und  Geröll  um  so  mehr  beladen,  je  leichter  das  Gestein  nach  seiner 
geofcnostischen  Beschaffenheit  der  Verwitterung  und  Abschlämmung  unterlieg-t.  Wie 
Oberforstmeister  Ney®^)  auf  Grund  der  hydrostatischen  Formeln  ausführlicher  nachgre- 
wiesen  hat,  wachsen  die  Endgeschwindigkeiten  der  an  Hängen  gleicher  NeigTing^  ab- 
fliessenden  Wassermassen  wie  die  dritten  Wurzeln  aus  den  zurückgelegten  Wegelängen 
in  der  Richtung  des  stärksten  Gefälles,  ferner  bei  Hängen  von  verschiedenem  Neigungs- 
winkel wie  die  dritten  Wurzeln  aus  den  Tangenten  dieses  Winkels.  Je  länger  daher 
die  Hängen  sich  ausdehnen  und  je  steiler  sie  sind ,  um  so  grössere  Geschwindig'keiten 
eiTeichen  die  abfliessenden  Wassermengen  nach  dieser  Berechnung,  um  so  stärker  wird 
folglich  die  Sohle  der  Wasserrinnen  im  Terrain  angegriffen,  weil  sich  die  Stosski-aft^ 
wie  die  sechsten  Potenzen  der  Geschwindigkeiten  verhalten. 

Direkte  Messungen  der  oberflächlich  abfliessenden  Wassermengen  bei  Regenwetter, 
welche  auf  bewaldetem  und  nicht  bewaldetem  Terrain  der  Vogesen  angestellt  wurden, 
ergaben  das  Verhältnis  der  üeberschwemmungsgefahr  wie  1 : 2  (Comptes  rendues  Band 
51.  S.  1011).  Vorzüglich  die  schieferigen  Bildungen  der  verschiedenen  geologischen 
Formationen,  die  mergel-  und  lehmhaltigen  Schichten,  namentlich  aber  die  ehemaligen 
Gletscherbildungen  (Morainenschutt)  unterliegen  dieser  Auswaschung  sehr  stark-  So- 
lange der  geschlossene,  gut  konservierte  Wald  diese  Gehänge  überzieht,  hält  er  mittelst 
seines  dichten  Wurzelnetzes  das  lose  Erdreich  und  die  venvitternden  Gesteinsmassen 
fest  zusammen  und  breitet  über  dem  Ganzen  ein  di(^htes  Polster  von  Moos  und  Nadeln 
aus,  deren  hygroskopische  Eigenschaften  die  Aufsaugung  grosser  W^assermengen  ge- 
stattet; denn  1  cbm  Moos  vermag  280  Liter  Wasser  zurückzuhalten.  Da  ausserdem 
das  Kronendach  des  Waldes  24^0  der  Niederschläge  wenigstens  für  einige  Zeit  aufhält 
und  deren  Abfluss  verzögert,  so  ist  die  Folge  eine  durch  tausend  kleine  Hindernisse 
verursachte  Abschwäcliung  der  Geschwindigkeit  und  mechanischen  Gewalt  des  abflies- 
senden Regen-  und  Schneewassers.  Es  verteilt  sich  daher  dieselbe  Wassennenge  im 
Walde  in  eine  grosse  Zahl  kleiner  Wasseradern,  welche,  wenn  sie  nebenan  auf  kahlem 
Terrain  fiele,  sich  schnell  zu  reissenden  Wildwassem  vereinigen  würde.  Die  Wurzeln, 
Stöcke  und  Stämme  bilden  wiederum  ebensoviele  Stützen  für  die  Streu  und  den  Boden, 
so  dass  auch  bei  starken  Regengüssen  nur  ein  allmähliches  Ansteigen  der  Gewässer 
und  der  Abfluss  reinen  Wassers  erfolgt.  Sind  aber  durch  kahlen  Abtrieb  der  Stämme 
grössere  Flächen  der  Gehänge  blossgelegt,  so  fällt  der  Zusammenhalt  der  Verwitterungs- 
produkte, der  Feinerde  und  Gesteinstrümmer  hinweg,  es  fehlt  auch  jedes  Hindernis  für 
die  Abschwächung  der  Geschwindigkeit  des  Wassers  und  so  folgt  der  seines  Zusammen- 
hangs beraubte  Boden,  aufgewühlt  und  zu  einem  lavaähnlichen  Brei  aufgelöst  als 
„Muhr"  den  zu  Tal  stürzenden  Wassermassen.  In  allen  entwaldeten  Gebirgsländern 
sind  daher  die  Wildbäche  eine  ständige  Gefahr  für  die  ganze  Gegend.  Wildbäche  sind 
nämlich  nicht,  wie  man  aus  dem  Namen  schliessen  könnte,  Gewässer  von  bestimmtem 
Laufe,  sondeni  es  sind  trockene  Rinnen,  zuweilen  Schluchten  von  kurzem  aber  steilem 
Verlaufe,  welche  nur  zeitweise  bei  grösseren  Regengüssen  oder  beim  Schneeabgang 
Wasser  führen;  diese  periodischen  Güsse  wühlen  aber  in  den  Sammelbecken  das  Erd- 
reich und  das  lose  Gestein  auf  und  führen  es  mit  grosser  Vehemenz  talwärts,  wobei 
häufig  Unten^^aschungen  ganzer  Gehänge  (Abplaickungen)  stattfinden  und  Erdstürze 
veranlasst  werden.  Diese  Massen  von  Geschiebe  und  Gerolle  lagern  sich  dann  nach 
einem  längeren  oder  kürzeren  Laufe  in  dem  sog.  „Abflusskanale"  am  Ausgang  der 
Rinnen  in  den  flachen  Tälern  ab,  wo  sich  infolge  der  A'erlangsamung  der  Geschwindig- 
keit alle  schwereren  Bestandteile  des  Detritus   in  Form  sog.  „Schuttkegel*'  anhäufen. 


90)  Wochenblatt  „Aus  dem  Walde«   1898  Nr.  23  u.  24. 


Bedeutung  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  etc.  §  26.   63 

Wie  erheblich  die  hier  in  Betracht  kommenden  Geröllmassen  sind,  ergiebt  sich  aus 
einer  Berechnung  von  Demontzey,  wornach  bei  einem  einzigen  Muhrgang  169000  cbm 
feste  Masse  mit  65000  cbm  Wasser  zu  Tal  kamen.  Ausser  den  eigentlichen  Wild- 
bächen durchfurchen  aber  zahlreiche  kleinere  Kisse  und  „Runsen"  das  kahle  Gebirgs- 
terrain,  welche  häutig  die  Anfänge  oder  die  obersten  Verzweigungen  der  Wildbäche 
bilden,  so  dass,der  Anblick  einer  von  zahlreichen  Wildbächen  durchwühlten  Gebirgs- 
landschaft ein  grauenhaftes  Bild  der  Verödung  darbietet.  Abgesehen  von  der  voll- 
ständigen Unfruchtbarkeit  der  Gehänge  selbst  besteht  der  Schaden  dieser  durch  die 
tbrtschreitenden  Entwaldungen  immer  grössere  Dimensionen  annehmenden  Alpenplage 
in  der  üeberschüttung  der  fruchtbaren,  oft  hochkultivierten  Talgründe  mit  ihren  Dör- 
fern und  Gehöften,  in  der  Zerstörung  der  Gebäude  und  Brücken  und  in  der  ständigen 
üeberschwemmungsgefahr,  welche  aus  der  Verstopfung  und  Versandung  der  regelmäs- 
sigen Flussbette  resultiert.  Höchst  malerisch  schildert  Blanqui  den  Anblick  der  in 
Tätigkeit  getretenen  Wildbäche  f olgendermassen : 

„Keine  menschliche  Zunge  vermöchte  ein  recht  anschauliches  Bild  von  ihren  Ver- 
wüstungen im  Augenblicke  jener  plötzlichen  Anschwellungen  zu  geben.  Da  sind  keine 
überfliessenden  Bäche  mehr,  sondern  wahre  Seen,  die  in  Wasserfällen  dahinrollen  und  Stein- 
massen vor  sich  hertreiben,  welche  durch  die  Fluten  dahingejagt  werden.  Zuweilen  kommen 
solche  Kieselsteinmauern  allein  heran  ohne  Begleitung  eines  sichtbaren  Wasserfalles,  dann 
ist  ihr  Getöse  stärker  als  Donner gekr ach.  Ein  heftiger  Wind  zieht  ihnen  voran  und  ver- 
kündet ihr  Nahen,  sodann  sieht  man  schlammige  Wassermengen  und  nach  Verlauf  einiger 
Stunden  ist  alles  in  die  düstere  Stille  zurückgekehrt,  die  über  diesen  Orten  schwebt." 

Gegentiber  dieser  ständigen  Gefahr,  welche  namentlich  in  den  Alpen  der  Provence 
seit  den  grossartigen  Entwaldungen  infolge  der  Revolution  von  1789  gewaltige  Dimen- 
sionen angenommen  hatte,  ergriff  zuerst  der  Staat  und  in  dessen  Auftrag  die  franz()- 
sische  Foret Verwaltung  umfassende  Massregeln,  w^elche  das  Uebel  durch  das  entgegen- 
gesetzte Mittel  seiner  Ursache  die  Wiederbe  Waldung  der  Gebirge  bekämpften, 
womit  sich  jedoch  zugleich  alle  Hilfsmittel  der  Hydrotechnik  vereinigten,  um  eine  Be- 
ruhigung und  Unschädlichmachung  der  Wildbäche  herbeizuführen.  Als  eine  theoretische 
Vorarbeit  ist  die  Studie  von  SurelP^)  über  die  Wildbäche  der  Hochalpen  von  Bedeu- 
tung gewesen,  da  hierin  mit  grossem  Nachdruck  die  Entwaldung  als  die  Hauptursache 
der  Wildbach-Beschädigungen,  dagegen  die  Wiederbewaldung  als  ein  zuverlässiges 
Mittel  zur  Beseitigung  dieser  Gefahren  klar  gestellt  wurde.  Zunächst  wurde  durch 
die  Gesetze  vom  28.  Juli  1860  und  vom  8.  Juni  1864  die  Verbesserung  des  Laufes  der 
Gewässer  durch  Wiederbewaldung  und  die  Wiederherstellung  der  Produktivität  des 
Bodens  sowie  die  Verbauung  der  Wildbäche  als  ein  Gegenstand  der  öffentlichen  Wohl- 
fahrt erklärt  und  in  die  Hände  der  Regierung  gelegt.  Zur  Ausfühnmg  geben  diese 
Gesetze  zwei  Wege  an,  nämlich  1)  den  fakultativen  der  staatlichen  Unterstützung  von 
Aufforstungs- Arbeiten,  welche  Gemeinden  freiwillig  unternehmen,  dann  2)  die  zwangs- 
weise Wiederbewaldung  mittelst  zeitweiser  Expropriation,  wobei  den  Eigentümern  die 
Möglichkeit  gelassen  ist,  die  aufgeforsteten  Flächen  durch  Rückersatz  der  Kosten  oder 
Ablassnng  der  halben  Fläche  an  den  Staat  wieder  zurück  zu  erwerben. 

Die  Ausführung  der  in  diesen  Gesetzen  vorgesehenen  Arbeiten  fand  seitens  der 
französischen  Forstverwaltung  in  grossartigem  Massstabe  statt,  wobei  ausser  den  eigent- 
lichen Aufforstungen  namentlich  sehr  bedeutende  Wildbachverbauungen  und  Uferver- 
sicherungen zur  Ausführung  kamen,  deren  technisches  Detail  von  seinem  geistigen  Ur- 
heber, dem  hochverdienten  Oberforstmeister  P.  Demontzey  in  seinem  interessanten 
Werke  „Traitö  pratique  du  reboisement  et  du  gazonnement  des  montagnes"  ^^)  aus- 

91)  Sure  11  „Etüde  sur  les  torrents  des  Hautes  Alpes".    1842. 

92)  Paris  bei  J.  Rothschild  erschienen  und  von  Prof.  Dr.  A.  v.  Seckendorff  übersetzt 


64  I.  Weber.  Dir  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

führlich  geschildert  worden  ist.  Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  die  Technik  der  Wieder- 
bewaldung zu  beleuchten,  dagegen  mögen  einige  Angaben  über  den  Umfang  und  über 
die  Wirkungen  hier  ihre  Stelle  finden:  Vom  Jahre  1861  bis  Ende  1877  war  eine  Fläche 
von  94532  ha  Gebirgsland  aufgeforstet  worden  bezw.  neu  berast,  diese  Arbeiten  samt 
den  Talsperren,  Wasser-  und  Uferbauten  erforderten  ca.  14V4  Millionen  Frcs.  Die 
günstigen  Erfolge,  welche  diese  Arbeiten  in  der  tatsächlichen  Bändigung  der  Wild- 
bäche fanden,  ermutigten  zu  weiterer  Ausdehnung  derselben,  so  dass  schon  im  Jahre 
1878  der  Minister  für  Handel  und  Ackerbau  einen  Plan  entwickeln  konnte,  womach 
innerhalb  der  nächsten  60 — 80  Jahre  weitere  768000  ha  Gebirgsödungen  in  21  Depar- 
tements der  Alpen,  Pyrenäen  und  Cevennen  mit  einem  mutmasslichen  Aufwand  von 
150  Millionen  Frcs.  allmählich  wieder  bewaldet  bezw.  wieder  berast  werden  sollten, 
ungerechnet  72  Millionen  Frcs.  für  Grunderwerbungen.  Bis  Ende  1885  sollen  an  600 
Wildbächen  ca.  100000  ha  mit  beiläufig  150  Millionen  Frcs.  Kosten  bereit«  fertig  ge- 
stellt worden  sein,  welche  während  verschiedener  Hochwasser  Gelegenheit  hatten,  sich 
bestens  zu  bewähren. 

Der  Stand  am  Ende  des  XIX.  Jahrhunderts  war  folgender:  Da  sich  die  Expro- 
priation von  Grund  und  Boden  im  Verlaufe  der  Zeit  als  zu  drakonisch  erwiesen  hatte, 
80  wurde  unter  dem  4.  April  1882  ein  neues  Gesetz  erlassen,  welches  gleichfalls  die 
Beruhigung  der  bestehenden  W^ildbäche  und  die  Verhinderung  der  Entstehung  neuer 
zum  Ziele  hat.  Der  für  diesen  Zweck  der  Staatsverwaltung  zur  Verfügung  gestellte 
Kredit  beträgt  rund  62V2  Millionen  Frcs.,  wovon  24^2  Millionen  auf  Grunderwerbung, 
38  Millionen  auf  Verbauungen  und  Aufforstungen  treffen.  Die  Ergebnisse  der  bisherigen 
Arbeiten  waren  die  Beruhigung  einer  Anzahl  von  Wildbächen  und  ausserdem  die  Auf- 
forstungen von  ca.  170000  ha,  von  welchen  anf  Staatswaldungen  98500  ha,  auf  Ge- 
meindewälder 41500,  auf  Privatwaldungen  28900  ha  entfallen.  Speziell  die  beiden 
letztgenannten  Kategorien  (Gemeinde-  und  Privatwälder)  wendeten  für  ihre  Verbau- 
ungs-  und  Aufforstungsarbeiten  9^/*  Millionen  Frcs.  auf,  zu  welchen  der  Staat  49  Pro- 
zent, die  Departements  17  Prozent  beisteuerten. 

Auf  Grund  der  günstigen  Erfahrungen  über  den  Erfolg  der  bisherigen  Arbeiten 
hat  man  in  Frankreich  einen  weitaussehenden  Plan  für  die  künftige  Verbauung  von 
ca.  3000  Wildbächen  der  Alpen,  Pyrenäen,  Cevennen,  Ardennen  und  des  Central-Pla- 
teaus  aufgestellt,  nach  welchem  ca.  200  Millionen  Francs  erforderlich  sein  werden, 
hiervon  allein  70Millionen  Frcs.  für  Aufforstungsarbeiten.  Die  Cen- 
tennar- Ausstellung  in  Paris  hat  eine  glänzende  Repräsentation  der  grossartigen  Ar- 
beiten von  Wildbachverbauungen  durch  die  französische  Forstverwaltung  geliefert  und 
gezeigt,  dass  diese  in  mustergiltiger  Weise  auf  diesem  Gebiete  kultureller  Bestrebungen 
vorangeht. 

Auch  in  Oesterreich  wendet  man  nach  den  grossen  Ueberflutungen  in  Tirol  und 
Kärnten  im  Jahre  1882,  welche  ebenfalls  die  verheerenden  Wirkungen  vieler  Wild- 
bäche gezeigt  hatten,  den  Wildbachverbauungen  und  Wiederaufforstungen  gesteigerte 
Aufmerksamkeit  zu.  Nach  einem  vom  k.  k.  Oberforstrat  Salz  er  im  österreichischen 
Forstkongress  gehaltenen  Referat  zählt  man  in  Tirol  südlich  vom  Brenner  522  Wild- 
bäche, welche  einer  rationellen  Verbauung  bedürfen,  nämlich  171  im  Pustertal,  91  im 
Eisack-  und  Etschgebiete,  106  im  Bezirk  Trient  und  154  in  anderen  Teilen  Südtirols, 
wobei  ganz  Nordtirol  und  die  Gegend  von  Meran  gar  nicht  mitgerechnet  sind. 

In  Kärnten  zählt  man  183  grössere  und  kleinere  Wildbäche,  darunter  die  grössten 
und  gefährlichsten  im  MöUtale^^).   Gegenwärtig  sind  in  vielen  dieser  Gegenden  Arbeiten 

und  in  Wien  1880  von  Gerold  S.  verlegt. 

93)  Im   oberen  Drautale   ist   der  Möderitschgraben  der   bedeutendste  Wildbach   unter 


Bedeutung  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  etc.  §  27.   65 

im  Gange  und  in  Tirol  schätzt  man  die  Zahl  der  im  Bau  begriffenen  Wildbäche  auf 
100,  in  Salzburg  30.  Ausserdem  zählt  man  in  Oberösterreich,  in  Steiermark,  Dalma- 
tien  und  in  den  Kai^pathenländern  Wildbäche  von  nicht  unbedeutender  Zahl.  Nähere 
Details  hierüber  enthält  das  Werk  von  Prof.  Dr.  A.  von  Seckendorf  „Zur  Geschichte 
der  Wildbachverbauung  in  Oesterreich".  Wien  1886.  Auch  in  Italien  werden  dringende 
Aufforderungen  an  die  Regierung  gerichtet,  die  Wiederbewaldung  des  Apennin  und  der 
Südabhänge  der  Alpen  in  Angriff  zu  nehmen,  da  der  Po  jährlich  dreimal  mehr  Land 
abreissen  soll,  als  dies  im  vorigen  Jahrhundert  der  Fall  war®*).  Im  Dezember  1882 
wurde  infolge  dessen  ein  Gesetzentwurf  der  Kammer  der  Deputierten  vorgelegt,  wor- 
nach  im  ganzen  allmählich  3876  qkm  Oedflächen  aufgeforstet  werden  sollten,  die  Kosten 
waren  pro  qkm  (=  100  ha)  mit  8400  M.  einmaligen  Auslagen  und  993  M.  für  ständige 
Unterhaltung  taxiert,  so  dass  für  Italiens  Wiederbewaldung  über  32^/2  Millionen  M.  in 
Ansatz  zu  bringen  sein  dürften. 

§  27.  Aus  diesen  grossen  Anstrengungen,  welche  die  Staaten  Europas  machen 
müssen,  um  die  enormen  Nachteile  der  planlosen  Entwaldung  von  der  gefährdeten  Ein- 
wohnerschaft ganzer  Provinzen  abzuwenden,  aus  diesem  Kostenaufwande  von  hundeiten 
von  Millionen  ergiebt  sich  die  Notwendigkeit,  den  Gebirgswald  da,  wo  er  noch  vor- 
handen ist,  als  ein  wichtiges  öffentliches  Gut  zu  behüten,  ihn  als  eine  Art  von  Nutz- 
kapital wie  z.  B.  Strombauten  und  andere  Sicherheitsvorrichtungen  zu  betrachten,  dessen 
Funktionen  im  Haushalt  der  Nationen  höher  veranschlagt  werden  müssen,  als  die  Rente, 
welche  er  seinem  jeweiligen  Besitzer  durch  seinen  Holzertrag  liefert. 

In  richtiger  Erkenntnis  dieser  Bedeutung  der  Wälder  als  Schutzwehren  gegen 
eine  Reihe  von  Elementarereignissen,  durch  welche  in  Gebirgsgegenden  die  menschliche 
Kultur  bedroht  ist,  haben  daher  schon  im  Mittelalter  Bannlegungen  solcher  Wälder  in 
den  Hochlagen  der  Alpen,  an  steilen  Lehnen  und  in  dem  zu  Abrntschungen  neigenden 
Terrain  stattgefunden.  In  der  Schweiz  und  Tirol  waren  es  die  Gemeinden  selbst,  welche 
die  Bannlegung  solcher  die  Gegend  schützenden  Wälder  besorgten,  ja  selbst  gegen- 
wärtig dringen  in  den  bayerischen  und  salzburger  Alpen  ^^)  die  Gemeinden  im  Petitions- 
wege auf  den  Erlass  von  Gesetzen,  welche  einen  besseren  Schutz  der  Gebirgswaldungen 
bezwecken.  In  anderen  Gegenden  geschah  dies  im  Wege  der  landesherrlichen  Forst- 
ordnungen und  in  der  Gegenwart  sind  es  die  verfassungsmässig  zustande  gekommenen 
Gesetze,  welche  in  einzelnen  Ländern  z.  B.  in  Bayern  die  Eigenschaften  derjenigen 
Waldungen  präzisieren,  die  als  Schutzwaldungen  eine  Ausnahme  von  der  Regel  der 
freien  Bewirtschaftung  des  Eigentums  bilden.  In  der  Regel  untersagen  die  Gesetze 
bei  Strafe  den  kahlen  Abtrieb  in  Schutzwaldungen  (z.  B.  in  Bayern  und  Württemberg), 
während  in  Oesterreich  das  kaiserl.  Patent  vom  3.  Dezember  1852  bestimmt: 


vier  anderen.  Durch  Berechnungen  aus  den  aufgenommenen  Nivellements  wurde  festgestellt, 
dass  dieser  eine  Wildbach  in  den  Jahren  1882  u.  1883  ca.  58  000  cbm  Schutt  zu  Tal  be- 
fördert habe  —  eine  Katastrophe,  welche  vorwiegend  durch  einen  Kahlhieb  auf  einer  trichter- 
förmigen Mulde  im  Gehänge  verursacht  wurde.  Das  geologische  Substrat  ist  daselbst  Glacial- 
schutt,  welcher  ausserordentlich  leicht  abschlämmbar  ist,  sobald  das  Regenwasser  direkten 
Zutritt  zum  Boden  hat ;  wird  daher  durch  unvorsichtige  Abschwendung  des  Waldes  und  Ent- 
fernung des  W^urzelgeflechtes  samt  der  Streu  der  Mineralboden  blossgelegt,  so  bilden  sich 
bei  jedem  stärkeren  Regengusse  tiefe  Rinnsale  und  Unterspülungen  der  Seitenwände.  Der 
Möderitschgraben  hat  eine  Länge  von  450  m  bei  einem  durchschnittlichen  Gefälle  von  40®/« 
und  verläuft  fast  durchaus  zwischen  abrutschendem  Terrain. 

Im  kärntnerischen  MöUtale  ist   der  Klaus-Kofel  der   gefürchtetste  Wildbach,    welcher 
früher  bei  dem  geringsten  Anlasse  eine  zerstörende  Tätigkeit  entfaltete. 

94)  K.  Eheberg  „Agrarische  Zuständeltaliens".    Leipzig  1886.  Dunker u.  Humblot. 

95)  Im  Jahre  1897  reichten  9  Landgemeinden   beim  Salzburger  Landtage  eine  solche 
Petition  ein,  auch  dem  bayerischen  Landtage  lagen  schon  solche  Gesuche  vor. 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  5 


66  I.  Weber,  Dio  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

§  6.  „Auf  Boden,  der  bei  gänzlicher  Freilogung  in  breiten  Flächen  leicht  fliegend 
wird  und  in  schroffer,  sehr  hoher  Lage  sollen  die  Wälder  lediglich  in  schmalen  Streifen 
oder  mittelst  allmählicher  Durchforstung  abgeholzt  werden.  Die  Hochwälder  des  oberen 
Randes  der  Waldvegetation  dürfen  jedoch  nur  im  Plenterbetriebe  bewirtschaftet  werden." 

§  7.  „An  den  Ufern  grösserer  Gewä.ssir,  .  .  .  dann  an  (Jebirgsabhängen .  wo  Ab- 
rutschungen zu  befürchten  sind,  darf  die  Holzzucht  nur  mit  Rücksicht  auf  Hintanhhaltung 
von  Bodengefährdung  betrieben  werden.'* 

In  Preussen  bezeichnet  das  Gesetz  vom  6.  Juli  1875  die  Fälle,  unter  welchen  ein 
Wald  auf  Antrag  der  Interessenten  durch  das  (xericht  als  Schutzwald  erklärt  werden 
kann.  Das  russische  Waldschongesetz  vom  4.  April  1888  betrachtet  als  Schutzwälder 
im  engeren  Sinne  jene  Wälder,  welche  zur  Bindung  der  Dünen  und  Sandschollen,  zum 
Schutze  landwirtschaftlich  benutzter  Grundstücke  und  bewohnter  Ortschaften,  zum 
Schutze  der  Ufer  gegen  Abspülung,  Unterwaschung  und  Eisbeschädigung,  desgleichen 
der  Berge  gegen  Abschwemmungen  notwendig  sind. 

In  der  Schweiz  bezeichnen  die  Ausführungsbestimmungen  zu  Art.  24  der  Bandes- 
verfassung V.  J.  1874  die  Eigenschaften  der  Schutzwaldungen  folgendermassen : 

„Es  sind  Wälder,  welche  vermöge  ihrer  bedeutenden  Höhenlage  oder  durch  ihre  Lage 
an  steilen  (lebirgshängen,  auf  Anhöhen,  Graten,  Rücken  und  Vorsprüngen,  oder  in  Qiiellen- 
gebieten,  Engpässen,  an  Rufen,  Bach-  und  Flussufern  oder  wegen  zu  geringer  Waldlläclie 
einer  Gegend  zum  Schutze  gegen  schädliche  klimatische  Einflüsse,  Windschaden,  Lawinen, 
Stein-  und  Eisschläge,  Erdabrutschungen,  Untt^rwaschungen,  Verrüfungen  und  Ueberschwem- 
mungen  dienen.** 

Hinsichtlich  des  Details  dieses  Gegenstands  wird  auf  das  Gebiet  der  Forstpolitik 
verwiesen. 

§  28.  Ausser  den  im  vorstehenden  bezeichneten  Gefahren  der  Bodenabschweni- 
niung,  der  Ueberflutung  oder  des  unregelraässigen  Regimes  der  Gewässer,  sind  aber 
noch  eine  Reihe  von  Rücksichten  zu  nennen,  nach  welchen  der  Wald  für  das  öffent- 
liche Wohl  in  Betracht  zu  kommen  hat.  In  den  Hochgebirgen  sind  es  namentlich  die 
Lawinen,  gegen  welche  bewohnte  Orte  oder  frequente  Strassen  durch  einen  permanen- 
ten Gürtel  von  hohem  Holz  geschützt  werden  müssen.  Hier  ist  es  also  vorzüglich  der 
mechanische  Wiederstand  der  Stämme  und  Aeste,  welcher  die  Entstehung  der  Zusam- 
menballung oder  des  gleichzeitigen  Hinabgleitens  ausgedehnter  Schneefelder  bei  ein- 
tretendem Tauwetter  verhindern  soll.  In  Anbetracht  der  Gefahr  rechtfertigt  sich  auch 
hier  der  gesetzliche  Eingriff  in  die  Freiheit  des  Privateigentumes,  welcher  in  dem  Ver- 
bot des  kahlen  Abtriebes  ausgedrückt  ist. 

Aehnliche  Gefahren  können  der  Gesamtheit,  wie  dies  schon  in  dem  österreichischen 
Gesetze  hervorgehoben  ist,  an  den  Flüssen  durch  Uferabrisse  zugehen,  sobald  die  Wäl- 
der, welche  mit  ihren  Wurzeln  das  Erdreich  zusammenhielten,  gefällt  werden.  Man 
findet  deshalb  an  vielen  Flüssen  das  Ufer  mit  Busch  Waldungen  innerhalb  des  Ueber- 
schvvemmungsgebietes  bestockt,  die  zugleich  bei  Ueberschwemmung  und  Eisgang  das 
angrenzende  Gelände  vor  Zerstörung  schützen.  Der  Schutz  solcher  Uferwälder  ist  be- 
sonders in  Frankreich  durch  alte  Gesetze  gesichert. 

In  den  Sandebenen  des  Tieflandes  und  an  der  Meeresküste  verhindert  der  Wald 
die  Bildung  von  Flugsand,  teils  durch  die  Erhaltung  von  Humus  und  Feuchtigkeit,  teils 
durch  den  mechanischen  Halt  seiner  Wurzeln,  teils  durch  Abschwächung  der  Kraft  der 
Sturmwinde.  Ueberall  wo  daher  ausgedehntere  Sandländereien  vorkommen,  steht  ein 
öffentliches  Interesse  an  der  Erhaltung  der  sie  bedeckenden  Wälder  auf  dem  Spiele 
und  die  Gesetzgebung  der  Kultur-Staaten  stellt  solche  Waldungen  unter  Kontrolle  so 
in  Preussen  (in  §  2a  des  obigen  Gesetzes),  in  Bayern,  während  in  Ungarn  nach  dem 
Gesetz  von  1878  in  denjenigen  Wäldern,  durch  deren  Entfernung  die  Verbreitung  des 
Flugsandes  gefördert  würde,   die  Rodung,   das  Stock-  und  Wurzelgraben,   die  Weide 


Bedeutung  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  etc.  §  29.   67 

und  Streunutzung  verboten  ist.  Von  welcher  Ausdehnung  solche  Ländereien  sind,  er- 
gebt sich  aus  den  statistischen  Angaben  ^^),  welche  für  Preussen  37  448  ha,  worunter 
28635  ha  als  fiir  die  Nachbarschaft  gefährliche  Sandschellen  beziffern,  für  Frankreich 
aber  78006  ha  ausmachten. 

Uebrigens  beschränken  sich  die  Staaten  gerade  in  Hinsicht  auf  die  Sandflächen 
und  Dünen  keineswegs  bloss  auf  Repressivmassregeln  mittelst  Prohibitivgesetzen,  son- 
dern es  wird  in  den  Kulturländern  als  eine  wichtige  Aufgabe  der  Forstverwaltungen 
aufgefasst,  durch  Aufforstungen  der  Sandschollen  und  Dünen,  die  Weiten^erbreitung 
über  das  anstossende  Kulturland  zu  verhindern  —  eine  Gefahr,  der  im  Reggsbezirk 
Bromberg  allein  in  den  letzten  20  Jahren  ca.  6000  ha  unterlegen  sind. 

Der  Schauplatz  der  ausgedehntesten  Dünenaufforstungen  war  Frankreich,  wo  sei- 
tens des  Ministeriums  der  öffentlichten  Arbeiten  45  238  ha  Dünen  wieder  bewaldet  wur- 
den, während  die  Forstverwaltung  seit  1862  gegen  14700  ha  Dünen  aufforstete,  die 
Privaten  dagegen  16  939  ha  kultivierten.  So  kommt  es,  dass  die  Landes,  ehemals  ein 
unfruchtbarer  Dünenlandstrich,  der  sich  von  der  Mündung  der  Garonne  bis  zu  jener 
des  Adour  in  einer  Länge  von  240  km  erstreckt,  gegenwärtig  das  waldreichste  Depar- 
tement Frankreichs  geworden  sind.  Die  Erfolge  dieser  Aufforstungen  waren  über- 
raschend günstige,  indem  sowohl  das  Klima  günstiger  als  auch  infolge  des  Austrocknens 
der  sumpfigen  Strecken  mit  Ortstein-Untergrund  der  Boden  assaniert  wurde,  so  dass 
sich  die  Gesundheitsverhältnisse  der  Einwohner  ganz  erheblich  besserten. 

§  29.  Aber  selbst  da,  wo  keine  unmittelbaren  Gefährdungen  der  Nachbarschaft 
zu  befürchten  sind ,  ist  die  Erhaltung  des  Waldes  auf  allen  absoluten 
Waldböden  eine  höchst  notwendige  Massregel  und  im  Interesse  der  Gesamtheit 
dringend  zu  wünschen.  Schon  in  der  Einleitung  haben  wir  die  Grenzen  betrachtet, 
bis  zu  welchen  hinsichtlich  der  geographischen  Breite  sowie  der  vertikalen  Erhebung 
der  Wald  noch  gedeihen  kann.  Zwischen  der  Baumgrenze  und  dem  landwirtschaftlichen 
benutzbaren  Terrain  liegt  aber  eine  breite  Region  bezw.  Zone,  wo  der  Wald  die  alleinige 
Vegetationsform  ist,  die  noch  Produkte  liefern  kann,  ebenso  zieht  die  Steilheit  des 
Terrains,  die  zu  grosse  Durchlässigkeit  des  Bodens  etc.  auch  ausserhalb  der  Gebirge 
gewisse  Grenzen,  die  der  landwirtschaftliche  Betrieb  nicht  zu  überschreiten  vermag 
und  wo  eine  Düngung  und  Bearbeitung  nicht  rentiert,  oder  wo  die  Schafweide  sich 
nicht  lohnt.  Wird  auf  solchen  Flächen  der  Wald  vernichtet,  so  sind  ertraglose  Oed- 
ilächen  das  Resultat  —  Flächen,  die  für  die  menschlichen  Bedürfnisse  oft  gar  keinen 
Ertrag  liefern  und  nur  aus  Bergheiden,  Steppen,  Pusten  oder  Sandflächen  bestehen. 
Das  Bestreben,  solche  Oedländereien  aufzuforsten,  ist  schon  sehr  alt,  denn  wir  finden 
diesbezügliche  Anordnungen  1579  in  der  Hohenlohe'schen  Forstordnung,  1756  in  der 
schlesischen  Forstordnung  und  bei  Noe  Meurer,  ferner  im  Oldenburgischen.  Wie  Fisch- 
bach erzählt,  haben  aber  die  Hofbesitzer  die  gute  Absicht  der  letzteren  Regierung  da- 
durch vereitelt,  dass  sie  zwar  den  gelieferten  Kiefemsamen  pflichtmässig  aussäten, 
nachdem  sie  ihn  aber  zuvor  in  siedendem  Wasser  abgetötet  hatten. 

Für  0  esterreich  z.B.  giebt  der  neue  Kataster  diese  Oedf  lachen,  welche 
z.  Z.  unproduktiv  sind,  jedoch  zur  Holzzucht  geeignet  wären,  auf 
über  4900  qkm,  d.  h.  nahezu  ^2  Million  Hektar  an,  darunter  allein  in  Dalmatien 
264400  ha.  D  er  eigen  tliche  K  ar  st  des  sog.  „Küstenlandes**  umfasst  die  poli- 
tischen Bezirke  von  Sesana  und  z.  Teil  von  Görz  und  Gradiska,  er  bildet  eine  ca.  40 
Kilometer  lange  und  15 — 20  km  breite  Terrasse  von  nur  200 — 400  m  Seehöhe,  durch- 
brochen von  einzelnen  steilen  Talschluchten  und  von  zahlreichen  kesseiförmigen  Mulden 


96)  Hagen-Donner  „Die  forstl.  Verhältnisse  Preussens".    IL  Bd.  S.  30. 

5* 


68  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

(„Dolinen").  Er  besteht  grösstenteils  aus  Kreide-Bildungen,  welche  nach  der  Entwal- 
dung leicht  austrocknen  und  ihrer  Humusdecke  verlustig  werden.  Aehnliche  Bodenver- 
hältnisse wiederholen  sich  aber  vielfach  in  der  Halbinsel  Istrien,  im  Gebiete  von  Triest. 
Die  Flächengrösse  der  Weiden,  Wälder  und  unproduktiven  Gründe  im  Aufforstungs- 
gebiete von  Triest,  Görz-Gradiska  und  Istrien  zusammen  beträgt  276  882  ha.  Bis  Ende 
1899  wurden  von  der  Aufforstungskommission  für  den  Karst  an  Gesamtkost-en  828200 
Kronen  verausgabt,  wovon  speziell  auf  Forstkulturen  ca.  420 (KX)  Kronen  treffen,  wo- 
mit die  Anpflanzung  von  60  Millionen  Pflanzen  und  die  Ansaat  mit  4570  kg  Samen 
geleistet  wurde.  —  Ausführlichere  Angaben  über  „die  Karstbewaldung  im  Österreich- 
illyrischen  Küstenlande**  nach  dem  Stande  von  1899  hat  der  k.  k.  Forstrat  J.  Pncich 
in  Triest  in  einer  unter  diesem  Titel  daselbst  erschienenen  Monographie  dargestellt,  in 
welcher  auch  die  Verdienste  der  in  diesen  Aufforstungen  thätigen  Forstwirte  (Salzer, 
Herm.  von  Guttenberg,  Rossipal  etc.)  gewürdigt  sind.  Amtlich  angeordnet  wurde  in 
OesteiTeich  in  den  Jahren  1878 — 80  die  Aufforstung  von 

140,7  qkm  in  den  Alpenländem 

25.4  „     im  Küstenland  und  Dalmatien 

60.5  „     in  den  Sudetenländem 

82.6  „    in  den  Karpathenländern. 

In  den  Ländern  Cisleithaniens  wurden  allein  in  den  4  Jahren  1891 — 95  amtlich 
die  Aufforstungen  von  51376  ha  Schlägen  und  Oedflächen  angeordnet,  ferner  forst- 
polizeiliche Vorkehrungen  gegen  Waldverwüstung  auf  406030  ha  getroffen. 

Für  Ungarn  giebt  B  e  d  ö  ®^)  die  unproduktiven  Flächen  auf  396  qkm  an,  wo- 
von 285  qkm  auf  das  eigentliche  Ungarn,  111  qkm  auf  Kroatien  und  Hlavonien  entfallen. 

In  Frankreich*-^^)  sind  allein  in  den  Staatsforsten:      in  den  Gemeindewäldem : 

Oedflächen,  die  einen  Ertrag  abwerfen  147  qkm  58  qkm 

„  die  einer  Aufforstung  fähig  sind  409     „  533     „ 

n  yi        Ti  n    iiicht  fähig  sind  753     „  434     „ 

im  ganzen  13(39  qkm  1025  qkm 

also  ohne  Einrechnung  der  Privatgründe      2334  qkm  Oedland. 

Die  Gegend  von  Toulouse  weist  allein  542  qkm,  Comka  136  qkm  Oedflächen 
auf,  während  man  für  ganz  Frankreich  diese  Flächen  auf  26500  qkm  schätzt,  freilich 
inkl.  der  Hochgebirge  und  der  Kommunikationswege,  also  =  4,9^/o  der  Landesfläche. 
Viel  höhere  Prozentanteile  des  unproduktiven  Geländes  weist  Grossbritannien  inkl.  Ir- 
land auf,  wo  ll,l^/o  der  Landesfläche,  Griechenland,  wo  15,2®/o  Oedland  sein  soll,  wäh- 
rend hingegen  im  Deutschen  Reiche  nur  2,7°/o  darunter  zu  rechnen  sind,  was 
offenbar  nur  der  daselbst  seit  Jahrhunderten  konsequent  durchgeführten  Pflege  der 
Wälder  zuzuschreiben.  Immerhin  besitzt  aber  doch  Preussen  über  3  Millionen  ha  Wei- 
den, Hutungen,  Oed-  und  Unland,  wovon  mehr  als  eine  halbe  Million  ha  aufforstungs- 
fähig ist.  Dauernden  Schaden  von  schwer  zu  berechnender  Höhe  hat  Italien  durch  die 
ausgedehnten  Entwaldungen  erfahren,  welche  in  dem  langen  Verlaufe  seiner  geschicht- 
lichen Entwicklung  vorgekommen  sind;  durch  Blosslegung  des  humosen  Bodens  wurde 
dieser  an  vielen  Stellen  der  Gebirge  ausgedörrt,  vom  Winde  verweht  oder  von  Regen- 
güssen hinabgespült,  so  dass  kahle,  trockene  Felspartien  und  mit  Geröll  überschüttete 
Talgründe  die  Folge  waren,  wodurch  die  Ertragsfähigkeit  vieler  Gebiete  empfindlich 
beschädigt,  ja  oft  vernichtet  wurde. 


97)  Bedö  Beschreibung  der  Wälder  des  ungarischen  Staates.    Budapest  1885.    III.  Bd. 
Seite  13. 

98)  Nach  der  Statistique  foresti^re.    Paris  1878.    Impr.  nationale. 


Bedeutaiig  des  Waldes  als  mechanisches  Hindernis  für  die  Befestigung  des  Bodens  etc.  §  29.    69 

Mit  Recht  ist  daher  in  den  letzten  Dezennien  ein  förmlicher  Wetteifer  der  ein- 
zelnen Staaten  entbrannt,  diese  ungeheuren  ertraglosen  Flächen  der  menschlichen  Be- 
dürfnisbefriedigung dienstbar  zu  machen,  in  Preussen  sind,  nachdem  schon  1854 — 61 
durch  die  Aufforstungsarbeiten  im  Eifel  gebiete  ca.  8000  ha  grosse  Flächen  in  Bestand 
gebracht  worden  waren,  durch  das  Gesetz  von  1871  jährlich  über  1  Million  Mark  in 
das  Ordinarium  des  Forstbudgets  behufs  Ankauf  und  Aufforstung  von  Oedgrundstücken 
eingesetzt  worden,  seit  1895  sogar  2  Millionen  M.,  wodurch  namentlich  in  den  Heiden 
und  Mooren  an  der  Ems,  Weser,  in  der  Lüneburger  Heide,  sowie  in  Holstein  alljähr- 
lich bedeutendes  zur  Hebung  der  Landeskultur  geschieht.  Die  preussische  Staatsforst- 
verwaltung hat  1867  bis  1892  für  Aufforstungszwecke  angekauft  134633  ha  um  nahezu 
22^/2  Millionen  Mark,  ausserdem  aber  beträchtliche  Aufforstungsprämien  an  Private  ge- 
währt und  in  einem  Jahre  (1893)  an  die  Waldbesitzer  ca.  32  Millionen  Pflanzen  abge- 
geben. Diese  Bestrebungen  des  Staates  werden  ausserdem  unterstützt  durch  die  Pro- 
vinzialverwaltungen,  Kommunen  und  juristischen  Korporationen  sowie  die  Grossgrund- 
besitzer. So  hat  z.  B.  die  Klosterkammer  in  Hannover  in  den  letzten  30  Jahren  ihr 
Forstgebiet  um  fast  6000  ha,  die  Provinz  Hannover  das  ihre  in  8  Jahren  um  ca.  8000  ha 
vergrössert.  Der  umfangreichen  Aufforstungsarbeiten  Frankreichs  wurde  schon  oben 
gedacht  und  es  ist  nur  noch  auf  Russland  hinzuweisen,  wo  die  Steppenaufforstung  in 
den  südlichen  Gouvernements  mit  solcher  Energie  fortgesetzt  wird,  dass  seit  1843  im 
ganzen  ca.  15000  ha  Steppenland  auf  Staatskosten,  7000  ha  auf  Kosten  der  Gemeinden 
und  Privaten  bewaldet  worden  sind,  deren  günstige  Entwicklung  zu  fortwährend  neuen 
Anstrengungen  anreizt. 

Gerade  in  neuester  Zeit  sind  aus  Russland  höchst  interessante  Tatsachen  berichtet 
worden^®),  welche  zeigen,  dass  daselbst  der  Wassererhaltung  durch  Bewaldung  eine 
grosse  Aufmerksamkeit  und  auch  beträchtliche  Mittel  zugewendet  werden.  Aus  Anlass 
des  bekannten  Notstandes  durch  die  Missernten  im  Jahre  1891,  welcher  sich  auf  24 
Gouvernements  erstreckte,  wurden  kommissarische  Beratungen  über  die  auszuführenden 
Notstands-Arbeiten  gepflogen  und  dabei  unter  anderem  der  Regierung  empfohlen,  als 
im  allgemeinen  Landesinteresse  liegend  zur  Ausführung  zu  bringen:  1.  Befestigung  der 
steilen  Böschungen  und  Talränder  durch  lebende  Hecken  in  Verbindung  mit  Aufforstung 
der  Plateauränder  und  Gipfel.  2.  Anlage  von  Hecken  und  Gebüschen  in  der  offenen 
Steppe  zum  Aufhalten  des  Schnees  und  zur  besseren  landwirtschaftlichen  Ausnutzung 
des  Frühjahrs-Regenwassers.  3.  Schaffung  von  W^asserreservoirs  in  den  natürlichen 
Becken  durch  Eindämmung  des  Regen-  und  Schneewassers  (Talsperren);  Bepflanzung 
der  Reservoirs  mit  Bäumen  und  Bewaldung  der  Flussufer.  4.  Aufforstung  aller  Sand- 
schollen und  des  absoluten  Waldbodens.  5.  Anlage  von  Auff'orstungs- Versuchsflächen 
und  meteorologischen  Observatorien  in  den  Steppen  des  Wolga-,  Don-  und  Dnieper- 
Gebietes. 

Ausführlichere  Daten  über  „das  europäische  Oedland,  seine  Bedeutung  und  Kul- 
tur" enthält  eine  bei  Sauerländer  in  Frankfurt  unter  diesem  Titel  erschienene  Mono- 
graphie von  Dr.  Rieh.  Grieb,  auf  welche  hiemit  verwiesen  wird.  Es  sind  aber  nicht 
bloss  die  vollständig  zu  Oedland  gewordenen  Flächen,  die  im  Interesse  des  öffentlichen 
Wohles  der  Aufforstung  zugeführt  werden  sollten,  sondern  die  staatliche  Fürsorge  wen- 
det sich  neuerdings  in  vielen  Ländern  auch  der  besseren  Bewirtschaftung  und  pfleg- 
licheren Behandlung  der  kleineren  Privatwälder  zu.  Nach  der  Anbau-Statistik  sind  in 
Preussen  ca.  750000  ha  Privatwaldungen,  die  Parzellen  von  weniger  als  10  ha  bilden 
und  die  vielfach  als  verwüstet  zu  bezeichnen  sind ;  in  Bayern  sind  es  578  584  ha  Par- 


99)  Lesnoi  diclo.  1893. 


70  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Zellen  unter  10  ha,  welche  als  Bestandteile  von  ca.  V«  Million  Banerngüter  gezählt 
werden,  während  419905  ha  Privatwaldungen  zwischen  10  bis  100  ha  Flächeni^össe 
besitzen.  Es  wird  daher  die  zweckmässige  Art  der  Bewirtschaftung,  besonders  der 
Wiederverjiigung  dieser  Kategorie  von  Wäldern  als  ein  zu  erstrebendes  Ziel  der  Ver- 
waltungsthätigkeit  zu  gelten  haben,  das  sowohl  durch  Belehrung  und  Unterricht,  als 
durch  Lieferung  von  Pflanzen  aus  den  staatlichen  Pflanzgärten,  endlich  durch  Bildung 
von  Waldgenossenschaften  sowie  durch  Beihilfe  mit  Rat  und  Tat  seitens  der  staatUchen 
Forstbehörden  erreicht  werden  kann. 

Es  ist  erfreulich,  dass  in  unserer  gewohnheitsmässig  „egoistisch"  gescholtenen 
Zeit  fast  alle  Staaten  sich  grosse  Opfer  für  das  Wohl  einer  fernen  Zukunft  auferlegen, 
dass  eine  Reihe  von  Forsttechnikem  ihre  ganze  Energie  an  die  Lebensaufgabe  setzen, 
die  Wohltaten  des  Waldes  der  Gesamtheit  zu  Gute  kommen  zu  lassen  und  die  wirt- 
schaftlichen Sünden  der  vergangenen  Generationen  wieder  nach  Möglichkeit  gut  zu 
machen. 

§  30.  Die  Abhandlung  über  die  Bedeutung  der  Wälder  für  das  öffentliche  Wohl 
würde  unvollständig  sein,  wenn  die  so  vielfach  behauptete  sanitäre  Wirkung 
derselben  unerwähnt  bliebe.  In  der  Tat  haben  sowohl  in  Europa  als  namentlich  in 
tropischen  Ländern  verschiedene  eklatante  Fälle  gezeigt,  dass  Gegenden,  welche  früher 
ein  gesundes  Klima  hatten,  nach  der  Zerstörung  der  Wälder  von  Fieberluft  erfüllt 
wurden,  so  namentlich  in  Südkarolina  und  Ostindien.  Umgekehrt  haben  mannigfache 
Erfahrungen  gezeigt,  dass  schädliche  endemische  Sumpflieber  durch  Anpflanzung  von 
Bäumen  und  Wäldern  zum  Verschwinden  gebracht  wurden,  wie  z.  B.  in  den  toskani- 
schen  Maremmen  oder  in  den  viel  besprochenen  Eucalyptus-Kulturen  beim  Kloster  Tre 
fontane  in  der  Campagna  di  Roma.  Ein  ähnliches  Beispiel  teilte  mir  Herr  von  Kern, 
Direktor  des  St.  Petersburger  Forstinstituts,  mit,  welches  die  Wirkung  der  im  vorigen 
§  erwähnten  Steppenaufforstungen  betrifft.  Die  deutschen  Kolonisten  am  Milchflusse 
(Molotschnaja)  versichern  nämlich,  dass  seit  den  Aufforstungen  längs  des  Flussufers  die 
vorher  in  dieser  Gegend  stets  vorgekommenen  eigentümlichen  Fiebererscheinungen  in 
auffälliger  Weise  selten  geworden  sind.  In  Deutschland  soll  nach  Schulzen  ^^)  die  Be- 
merkung wiederholt  gemacht  worden  sein,  dass  die  Weidenheeger  eine  sanitäre  Ein- 
wirkung auf  die  Verminderung  der  Fieberfälle  einer  Gegend  ausgeübt  hätten.  Durch 
die  Forschungen  Robert  Koch's  und  Anderer  über  die  Uebertragung  der  Malaria  durch 
Stechmücken  ist  der  Zusammenhang  zwischen  Versumpfung  und  Fieberzunahme  leichter 
verständlich  geworden,  da  die  Larven  der  Mücken  sich  unter  dem  Wasser  von  stehen- 
den Tümpeln  entwickeln.  Im  heissen  Klima  wirkt  aber  der  Wald,  wie  schon  oben 
auseinandergesetzt  wurde,  durch  sein  Wurzelnetz  im  Verein  mit  der  Transspiration 
austrocknend  auf  den  Boden,  also  entsumpfend,  wodurch  den  culex- Arten  ihre  Entwick- 
lungs-Bedingungen entzogen  werden.  Diese  Frage  ist  namentlich  im  Hinblick  auf  die 
Eucalyptus-Kulturen  von  Professor  Perona^®^)  eingehender  beleuchtet  worden,  der  es 
allerdings  als  nicht  bewiesen  ansieht,  dass  die  Ursache  in  einer  Entwässerung  des  ver- 
sumpften Untergrundes  durch  Vermittlung  der  Baumwurzeln  und  Verdunstung  der 
Blätter  sondern  mehr  in  der  besseren  Durchlüftung  des  Bodens  und  der  Kanalisierung 
gesucht  werden  müsse.  Daneben  wurde  auch  von  manchen  die  Behauptung  aufgestellt, 
dass  der  durch  tausendfältige  Verzweigungen  in  einander  greifende  Kronenschirm  des 
Waldes  nach  Art  eines  sog.  Luftfilters  auf  die  Reinigung  der  Luft  von  Sporen  der 
Spaltpilze  und  Bakterien  wirke.    Prof.  Dr.  Ebermayer  suchte  auf  experimentellem  Wege 


100)  Schulzen  „Die  Korbweidenkultur" .    Berlin  1884. 

101)  Allgem.  Forst-  u.  Jagdztg.    Januarheft  1885. 


Die  Forstwirtschaft  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkte  aus  betrachtet.     §  31.    71 

dieser  Frage  näher  zu  treten,  indem  er  ausgedehnte  Untei'suchungen  des  Ozongehaltes 
der  Luft  auf  den  Stationen  des  bayerischen  Netzes  anstellte,  die  allerdings  einen  auf- 
fallend hohen  Ozongehalt  bei  allen  Waldstationen  gegenüber  jenem  der  Städte  ergaben. 
Anch  seine  Messungen  des  Kohlensäuregehaltes  ^^^) ,  sowie  des  Sauerstoffgehaltes  der 
Waldluft  sind  hieher  zu  rechnen,  da  sie  für  die  Frage  der  sanitären  Bedeutung  des 
\Valdes  wertvolles  positives  Material  ergeben,  auf  das  hier  aber  nur  hingewiesen  wer- 
den kann. 

Endlich  erwähne  ich  noch  das  sozialpolitische  Element,  das  in  dem  Gegensatze 
des  freien  Waldes  gegen  die  Gebundenheit  alles  übrigen  Eigentums  liegt  und  das  Prof. 
W.  H.  V.  Riehl  als  einen  so  mächtigen  Faktor  in  der  Entwicklung  des  Gefühlslebens 
des  deutschen  Volkes  gefeiert  hat.  Die  ethische  und  ästhetische  Wirkung  des  Waldes 
auf  das  Volksleben,  auf  Geschmack  und  Kunstsinn  ist  niemals  mit  beredteren  Worten 
gepriesen  worden,  als  in  seinem  „Land  und  Leute" ;  jeder,  der  diese  von  edler  Begei- 
sterung getragenen  Worte  liest,  fühlt  den  hohen  Wert  dieser  Betrachtungsweise,  wenn 
sie  auch  ökonomisch  zu  den  Imponderabilien  gehört. 

Die  Foi*stwirtschaft  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkte  ans  betrachtet. 

1.  Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtsehaft. 

Litter aturnachweis  über  Forstwissenschaft  im  allgemeinen.  Moser  ^Grundsätze  der 
Forstökonomie'^.  Frankfurt  u.  Leipziji^  1757.  —  Walt  her  „Handbuch  der  Forstwissen- 
schaft*. Ansbach  1787.  —  Jeitter  , Versuch  eines  Handbuches  der  Forstwissenschaft". 
Tübingen  1789.  —  Nau.  B.  S.  „Anleitung  zur  deutschen  Forstwissenschaft".  Mainz  1790. 
—  Späth  J.  L.  „Handbuch  der  Forstwissenschaft".  Nürnberg  1801.--  Medicus  L.W. 
j, Forsthandbuch  oder  Anleitung  zur  deutschen  Forstwissenschaft".  Tübingen  1802.  —  von 
Seutter  „Vollständiges  Handbuch  der  Forstwissenschaft".  Ulm  1808.  —  Klein  J.  J. 
„Forsthandbuch" .  Frankfurt  1 826.  —  Hundeshagen  , Encyklopädie  der  Forstwissen- 
schaft". Tübingen  1821.  —  Pfeil  „Grundsätze  der  Forstwirtschaft".  Züllichau  1822.— 
Widemann  „System  der  Forstwissenschaft".  Tübingen  1824.  —  Hart  ig  G.  L.  „Die 
Forstwissenschaft  in  ihrem  ganzen  Umfang".  Berlin,  II.  Aufl.  1881.  —  Cotta  H.  „Grund- 
riss  der  Forstwissenschaft".  Dresden  1832.  —  Schultz  e  J.  C.  L.  „Lehrbuch  der  Forst- 
wissenschaft". Lüneburg  1841.  -  Liebich  Chr.  „Compendium  der  Forstwissenschaft". 
Wien  18.54.  —  Stahl  G.  „Handbuch  der  Fortswissenschaft".  Berlin  1858.  —  Fisch- 
bach C.  , Lehrbuch  der  Forstwissenschaft".  Stutt^^art,  II.  Aufl.  1868.  —  Bernhardt 
> Waldwirtschaft  und  Waldschutz.  Berlin  1869.  —  Hess  R.  „Grundriss  zu  Vorlesungen  über 
Encyklopädie  der  Forstwissenschaft.  Giessen  1873.  —  Döhl  „Waldungen  und  Waldwirt- 
wirtschaft". Elberfeld  1876.  —  Roth  C.  „Wald  und  Waldbenutzung".  München  1880.— 
Fürst.  Forst-  und  Jagdlexikon".  Berlin  1888.  —  v.  D  o  m b  r  o  w  s  k  i  „Encyklopädie  d. 
F.-  u.  J.-Wissenschaft."     Wien  1888. 

§  31.  Die  Forstwirtschaft  ist  eine  Bodenwirtschaft,  wie  die  Landwirtschaft,  der 
Gartenbau,  der  Obst-  und  Weinbau,  d.  h.  sie  sucht  wie  diese  mittelst  ökonomischer 
Benützung  der  im  Pflanzenleben  tätigen  Naturkräfte  und  der  zur  Pflanzenemährung 
erforderlichen  Stoffe  des  Bodens  „organische  Substanz"  für  den  Gebrauch  der 
menschlichen  Gesellschaft  zu  produzieren.  Diese  Produktion  ist  aber,  wie  uns  die  Physik 
lehrt,  im  Grunde  genommen  nichts  anderes  als  Umwandlung  der  lebendigen  Kraft  des 
Sonnenlichtes  in  „potentielle  Energie",  indem  diejenigen  Teile  des  Sonnenspektrums, 
welche  unserem  Auge  als  besonders  hell  erscheinen,  in  den  chlorophyllhaltigen  Pflanzen- 
zellen eine  chemische  Arbeit  verrichten.  Die  Pflanze  ist  also  das  Mittel,  um  einen  Teil 
der  lebendigen  Kraft  der  Aetherwellen  des  Sonnenlichtes  zur  Ueberwindung  der  chemi- 


102)  Dr.  E.  E  b  6  r  m  a  y  e  r  „Die  Beschaffenheit  der  Waldluft" .  Stuttgart  1885.  F.  Enke. 
Derselbe:  „Hygienische  Bedeutung  der  Waldluft  und  des  Waldbodens".  Allg.  F.  u.  J.-Ztg. 
1890.    S.  377. 


72  I,    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

sehen  Anziehan^skraft  zu  benützen,  welche  zwischen  den  beiden  Bestandteilen  des 
Kohlensäuregases  der  Atmosphäre  herrscht  und  nm  Stoffe  zu  kombinieren,  in 
welchen  diese  Spannkraft  fixiert  ist.  Chemisch  betrachtet  wird  dabei 
Kohlenstoff  ans  dieser  Verbindung  mit  Sanerstoff  losgel()st  und  in  andere  sanerstoff- 
ärmere  organische  Verbindungen  eingeführt,  welche  sich  bei  dem  Assimilaüonsprozess 
in  der  Pfianzenzelle  bilden  und  die  wägbare  verbrennliche  Substanz  des  Pflanzenkörpers 
bei  diesem  Vegetationsvorgang  vermehren.  Die  charakteristischen  Vorgänge  bei  dem 
Assimilations- Vorgange  in  der  chlorophyllführenden  Pflanze  sind  daher :  die  Absorption 
von  Kohlensäuregas  (Kohlendioxyd)  aus  der  Atmosphäre,  dessen  Zerlegung  in  Kohlen- 
stoff und  Sauerstoff  unter  Einwirkung  derjenigen  Aetherwellen  des  Sonnenlichtes,  welche 
zwischen  0,00039  bis  0,00068  mm  Wellenlänge  besitzen.  Aushauchung  des  freien  Sauer- 
stoffgases und  Bildung  organischer  Verbindungen  aus  dem  assimilierten  Kohlenstoffe. 
Welcher  Art  diese  ersten  Produkte  des  Assimilationsprozesses  sind,  lässt  sich  bis  jetzt 
nur  hypothetisch  behaupten;  nach  der  Liebig'schen  Theorie  würde  durch  fortgesetzte 
Desoxydations Vorgänge  und  Wasseraufnahme  aus  der  Kohlensäure  zunächst  Oxalsäure 
und  Ameisensäure,  dann  Weinsäure,  Aepfelsäure  und  Zitronensäure  entstehen,  während 
Professor  von  Baeyer  annimmt,  dass  auf  einem  direkten  Wege  die  Desoxydation  von 
wässeriger  Kohlensäurelösung  zu  Ameisensäure-Aldehyd  und  weiter  durch  Verdichtung 
zu  Glykose  wahrscheinlicher  sei  —  eine  Hypothese,  welche  durch  die  jüngst  gelungene 
Darstellung  einer  Zuckerart  aus  dem  Ameisensäure-Aldehyd  eine  bedeutende  Stütze  er- 
halten hat. 

Wie  dem  auch  sei,  so  haben  diese  Stoffe  für  die  Praxis  der  Pflanzenzucht  nur 
die  Bedeutung  von  Durchgangsgliedem  einer  Reihe  von  weit;eren  physiologischen  Um- 
setzungen der  einmal  gebildeten  organischen  Materie,  als  deren  Endglieder  eine  nach 
Pflanzenarten  wechselnde  Menge  von  Cellulose,  Lignose,  Stärkemehl,  Zucker,  Harze, 
Eiweissstoffe  und  Gummi  und  verschiedene  andere  Stoffe  im  Pflanzenkörper  aufgespei- 
chert werden. 

Die  Forstwirtschaft  unterscheidet  sich  in  dieser  Hinsicht  nun  wesentlich  dadurch 
von  dem  Ackerbau  und  den  übrigen  landwirtschaftlichen  Betrieben,  dass  ihre  Nutz- 
pflanzen nicht  jährlich  Ernten  liefern  und  dass  sie  in  erster  Linie  Cellulose 
und  deren  Umwandlungsprodukte  erzeugen  will,  während  letztere  vorzüg- 
lich Stärkemehl  und  Protei'nstoffe ,  zuweilen  auch  Zuckerarten  zu  produzieren  strebt. 
Nur  bei  gewissen  forstlichen  Betrieben  legt  man  auf  Gerbstoff-  oder  Harzge- 
winnung ein  grösseres  Gewicht  als  auf  die  Holzerzeugung. 

§  32.  Wie  in  diesen  Zielen  der  Produktion  so  unterscheidet  sich  auch  bezüglich 
der  dazu  führenden  Wege  die  Forstwirtschaft  in  charakteristischer  Weise  von  den 
landwirtschaftlichen  Betrieben.  Erfahrungsgemäss  verläuft  nämlich  der  oben  geschil- 
derte Assimilationsprozess  nur  bei  Gegenwart  einer  Anzahl  unorganischer  Stoffe, 
die  in  Form  von  Salzen  in  der  assimilierenden  Pflanzenzelle  vorhanden  sein  müssen 
und  in  wässeriger  Lösung  durch  die  Wurzeln  aus  dem  Boden  aufgenommen  werden. 
Da  diese  Salze  des  Kaliums,  Natriums,  Calciums,  Magnesiums,  Eisens,  des  Phosphors, 
Schwefels  und  Siliciums  sich  nach  der  Verbrennung  der  Pflanzensubstanz  als  Asche 
vorfinden,  so  nennt  man  sie  zusammen  die  Aschenbestandteile  und  bezeichnet 
sie  in  jener  löslichen  Form,  wie  sie  im  Boden  vorkommen,  als  mineralische  Pflanzen- 
nährstoffe. Während  nun  der  Getreidebau,  der  Anbau  von  Futter-  und  Handelsge- 
wächsen beträchtliche  Mengen  der  besonders  beachtenswerten  Nährstoffe  Phosphorsäure 
und  Kalium  zu  ihrer  jährlichen  Produktion  erfordern,  ist  dies  bei  den  Waldbäumen  in 
viel  minderem  Masse  der  Fall,  weil  zur  Holzerzeugung  diese  Stoffe  erfahrungsgemäss 
nicht  in  solchen  Mengen  notwendig  sind,  als  zur  Bildung  von  Stärkmehl  und  Eiweiss- 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  32. 


73 


Stoffen.  Dazu  kommt  noch,  dass  die  Waldbäume  die  im  Boden  gewöhnlich  spärlicher 
enthaltene  Phosphorsäure  sowie  das  Kalium  so  zu  sagen  höchst  sparsam  verwenden, 
indem  sie  diese  Stoffe  aus  den  absterbenden  Blättern  im  Herbst  in  den  Stamm  zurück- 
ziehen und  im  nächsten  Jahre  wiederholt  zu  den  Assimilationsvorgängen  ven^^en- 
den,  wie  sie  dieselben  auch  im  Holzkörper  aus  den  bereits  fertig  gebildeten  inneren 
Partien  entfernen  und  den  im  Wachsen  begriffenen  peripherischen  Teilen  des  Splintes 
nnd  Kambiums  zufuhren.  Infolge  dessen  bedarf  ein  Kartoffelfeld  zu  einer  mittleren 
Ernte  pro  ha  an  Phosphorsäure  3  mal  mehr  als  1  ha  Buchenwald,  5  mal  mehr  als  1  ha 
Fichtenwald  und  9  mal  mehr  als  1  ha  Kiefernwald  zur  jährlichen  Produktion,  während 
der  jährliche  Kalibedarf  des  Kartoffelfeldes  von  jenem  des  Buchen-,  Fichten-  und  Kie- 
tembestandes  das  9fache,  13fache  und  17fache  ist. 

Einen  ziffermässigen  Ausdruck  für  die  Mengen  der  einzelnen  Aschenbestandteile, 
welche  die  Forstwirtschaft  dem  Boden  durch  ihre  Ernten  entzieht,  haben  zahlreiche 
Analysen  geliefert,  welche  in  den  Laboratorien  der  forstlichen  Versuchsanstalten  und 
Akademien  (darunter  ca.  die  Hälfte  vom  Referenten  selbst)  ausgeführt  worden  sind. 
Demnach  entzieht  man  dem  Waldboden  durch  die  Produktion  von  1  Festmeter  Holz 
nachstehende  Mengen  dieser  Stoffe: 

Ein  Festmeter  Holz  enthält  Gramm: 


Holzart  und  Alter 


I.  Im  Derbholze 
Buche  50jäbrig .    .    . 

j.        90     ,       ... 

»      220    ,       ... 

Trauben-Eiche  50jähr. 

,     345     , 
Birke  50j ährig  .     .     . 
Weisstanne  90jährig  , 
144     , 
150     , 
Fichte  lOOjährig    .     . 
120     ,     .    .     . 
,        150    «     .     .     . 
Lärche  45jährig     .     . 
Kiefer 

II.  Im  Reishoize 
Buche  220jähriff    .     . 
Trauben-Eiche  345jähr. 
Birke  50j  ährig  .     .     . 
Weisstanne  90jährig  . 

144 
Ficht«  lOOjährig"  .*    '. 
,       120     ,     .     .    . 
Kiefer 


0) 
^P3 


a 

c3 

1 

o  .. 

1 

'S  .. 

Kali 

2 

GD 

o 
a 

CO 

Manga 
oxydoxy 

Schwef 
säure 

2709 
3850 
4038 
5401 
2116 
1792 
1885 
1728 
2449 
1629 
1691 
2317 
1359 
1100 

5875 
11347 

3795 
10952 

7613 
10973 

7323 

4676 


671 
1053 
781 
701 
565 
318 
608 
692 
391 
230 
274 
343 
318 
166 

1737 
1683 

798 
1945 
1725 
1432 
1392 

793 


39 

79 

64 

149 

152 

13 

10 

61 

13 

22 

25 

10 

44 

6 

135 
206 
42 
80 
164 
135 
114 
104 


1175 

1518 

2165 

3950 

1175 

591 

236 

525 

1742 

750 

879 

1733 

657 

683 

2194 
7826 
1075 
1211 
2249 
2146 
2374 
2150 


280 
441 
550 
159 

57 
254 
159 
247 
103 
117 
223 

80 
197 
115 

815 
570 
498 
848 
1228 
672 
997 
554 


48 
75 
37 
35 
24 
21 
43 
21 
20 
44 
41 
22 
41 
8 

81 
102 

69 
564 
497 
222 
258 

53 


CO 

'S 
<x> 


32 

200 

61 

62 

157 

78 

33 

171 

20 

11 

202 

45 

42 

43 

296 

141 

10 

634 

111 

43 

102 

61 

118 

55 

285 

56 

27 

47 

78 

44 

69 

43 

— 

112 

19 

5 

69 

15 

103 

427 

103 

647 

196 

424 

603 

55 

3542 

1072 

722 

265 

639 

457 

1046 

956 

379 

157 

581 

185 

16 

626 

91 

187 

387 

217 

106 

58 

148 

41 

19 

7 

95 

80 

17 

61 

33 

280 
117 
231 
968 
389 
3905 
1265 
286 


Ein  Raummeter  Waldstreu  enthält  durchschnittl.  Gramm: 


Buchenlaubstreu 
Fi  chtennadelstreu 
Weisstann  enstreu 
Kiefemnadelstreu 
Moos  streu      .     . 
Farnkräuter  trocken  . 
Haidekraut    .    . 


4321 

230 

1   46 

1910 

282 

119 

243 

84 

6066 

216 

75 

2716 

311 

125 

28 

286 

94 

5072 

352 

71 

3250 

338 

145 

101 

375 

125 

1480 

153 

65 

600 

153 

50 

80 

117 

54 

2602 

640 

119 

460 

211 

153 

69 

401 

139 

m  . 

3515 

1252 

142 

431 

243 

57 

266 

287 

122 

•    • 

1102 

142 

72 

237  ! 

103 

45 

57 

74 

45 

1407 
2215 
315 
208 
410 
715 
827 


74 


I.  Weber.  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


Holzart  und  Alter 


es 


o 

es 


IS 


es 


Ca 


o 


O 


I  ^  « 

I  0^ 


<3J 

o 


9 

I   '® 


Ein  Hektar  Wald  bedarf  zur  Holzproduktion  alljährlich  Graiuni: 


Buchenhochwald    . 

dto.  auf  Basaltboden 
Weiastanne,   Tonschie- 
fer   ..... 
dto.  auf  Granit  .     . 
Fichte,  Tonschiefer    . 
Kiefer  auf  Basalt  .    . 
dto.  auf  Sandboden 
der  Mark     .    . 


33600 
45710 
34340 

7400 
7160 
9260 

60 

1450 

210 

16100 

22250 

4120 

4100 
5750 
2810 

700 

270 

1140 

500 
11420 

2200 
4280 
2530 

400 

330 

1300 

16930 
29040 
13440 

5680 
4080 
2090 

510 
870 
170 

5080 

10240 

7680 

2540 
1980 
1440 

560 
710 
120 

280 

4180 

70 

1170 
1630 
1120 

760 

6^0 

220 

1 

14860 

2850 

7250 

1720 

— . 

870 

860 

'  2100 
3740 
1550 

45«) 

5(J40 

580 


Durch  Streunutzung  wird  dem  Waldboden  pro  Hektar  jährlich  entzogen 

Kilogramm 


In  Buchenbeständen 
,  Fichtenbeständen 
-    Kiefernbeständen 


185,54 

9,87 

1,09 

81,92 

12,22 

5.1! 

10,46 

3,63 

135,92 

4,82 

1,68 

60,04 

6,96 

8,42 

6,41 

2,10 

46,52 

4,84 

2,04 

18,87 

4,80 

4,07 

3,68 

1,69 

60,36 

49,60 

6,:>3 

Diese  Mengen  des  jährlichen  Bedarfes  an  Aschenbestandteilen  drücken  das  Mass 
der  Ansprüche,  welche  die  Forstgewächse  an  die  Bodenfruchtbarkeit  stellen,  wenigstens 
nach  dieser  einen  Hinsicht  aus.  In  bezug  auf  das  gegenseitige  Verhältnis  dieser  An- 
sprüche zeigen  die  Zahlenreihen  für  Stammholz ,  dass  wenn  der  K  a  1  i  g  e  h  a  1 1  von 
1  Festmeter  Kiefernholz  als  Einheit  gesetzt  wird, 

die  Buche   4    — 6V2  mal  mehr 
„   Eiche    3V4— 4 
„   Tanne  2V2— 37*2     , 
j,   Lärche  2  «         -, 

.,   Birke    2  «         ., 

;   Fichte  IV2-2 
enthält.     Ebenso  übertrifft  in  bezug  auf  den  Phosphorsäuregehalt  jede  der 
Holzarten  das  Kiefernholz,  nämlich 

die  Buche   27* — 3      mal 
.,    Eiche    3  ., 

„    Tanne  IV2— 1^/4     ., 
^    Lärche  IV»  „ 

„    Birke   2 

„  Fichte  nur  unbedeutend. 
In  der  abfallenden  Streu  der  Buche  ist  zwar  pro  Raummeter  weniger  an 
diesen  beiden  Stoffen  enthalten,  allein  in  dem  Anfall  pro  ha  verhält  sich  die  Phosphor- 
säuremenge des  Kiefernbestandes  zu  jener  der  Fichte  und  Kiefer  nahezu  wie  1:2:3. 
Demnach  drücken  diese  Ergebnisse  in  exakter  Weise  dasselbe  aus,  was  die  tägliche 
Erfahrung  der  Praxis  über  die  Verschiedenheit  der  Anforderungen  unserer  Waldbäume 
an  die  Bodengüte  lehrt.  Wenn  man  aber  vollends  diese  Zahlen  mit  den  korrespon- 
dierenden der  landwiitschaftlichen  Produkte  ^°^)  vergleicht,  so  ergiebt  sich  mit  mathe- 
mathischer  Schärfe  der  grosse  Unterschied  zwischen  den  anspruchsloseren  forstlichen 
Gewächsen  und  den  landwirtschaftlichen  Nutzpflanzen.  Daraus  folgt  mit  Notwendigkeit : 
1)  dass  die  Waldbäume  mit  gleichen  Kali-  und  Phosphorsäuremengen  eine  viel 


103)  Dr.  E.  Wolff  „Aschenanalysen  von  land-  und  forstwirtschaftlichen  Produkten' 
I.  Teil  1871.    II.  Teil  1880.    Berlin,  P.  Parey. 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  33.  75 

grössere  Jahresproduktion  an  organischer  Substanz  bewirken,   als   die  Gewächse  des 
landwirtschaftlichen  Betriebes ; 

2)  dass  femer  eine  Bodenerschöpfung  durch  den  forstlichen  Betrieb  nicht  so  leicht 
zu  befürchten  steht,  sofeme  der  Streuabfall  dem  Waldboden  verbleibt; 

3)  dajss  ein  jährlicher  oder  periodischer  Ersatz  mittelst  Düngung  im  Forsthaus- 
halt nicht  notwendig  ist,  ausgenommen  bei  Erziehung  von  jungen  Pflanzen  im  Saat- 
und  Pflanzbeete,  wegen  des  grossen  Kali-  und  Phosphorsäurereichtumes  dieser  jungen, 
noch  zarten  Pflanzenteile  und  wegen  der  geringen  Verbreitung  der  Wurzelstränge  im 
Boden. 

4)  dass  ein  Forstbetrieb  noch  auf  Böden  stattfinden  kann,  welche  aus  Mangel  an 
genügendem  mineralischen  Nährstoffkapitale  für  landwirtschaftliche  Zwecke  unbenutzbar 
sind  oder  die  durch  Eaubbau  in  ihrer  Fruchtbarkeit  zu  sehr  geschwächt  wurden,  um 
noch  landwirtschaftliche  Ernten  hervorzubringen. 

5)  Dass  die  Bäume  durch  ihre  tief  gehenden  Wurzeln  Nährstoffe  vom  Untergrunde 
emporheben  und  durch  das  fallende  Laub  den  obersten  Bodenschichten  zuführen,  diese 
also  bereichem, 

6)  dass  die  Baumarten  vor  allem  viel  Kalk  und  Magnesia  zu  ihrem  Wachstum 
bedürfen  und  zwar  oft  mehr  als  landwirtschaftliche  Nutzpflanzen. 

§  33.  Ein  ähnliches  Verhältnis,  wie  soeben  bezüglich  des  Kali-  und  Phosphor- 
säurebedarfes gezeigt  wurde,  waltet  auch  in  bezug  auf  den  Stickstoffbedarf  der  forst- 
lichen Betriebe  gegenüber  den  landwirtschaftlichen.  Die  Untersuchungen  zahlreicher^®*) 
Agrikulturchemiker  haben  gezeigt,  dass  den  Pflanzen  die  Fähigkeit  abgehe,  den  freien 
Stickstoff  der  Atmosphäre  zum  Aufbau  ihrer  stickstoffhaltigen  Bestandteile  zu  verwen- 
den, sondern  sie  sind  mit  ihrem  Bedarf  hieran  auf  die  Verbindungen  des  Ammoniaks, 
die  salpetersauren  und  salpetrigsauren  Salze  im  Boden  und  im  Regenwasser  angewiesen. 
Der  Boden  enthält  aber  in  seinem  natürlichen  Zustande  nur  relativ  geringe  Mengen 
von  Ammoniaksalzen  und  Nitraten,  die  sich  in  der  Regel  erst  durch  die  vorausgehende 
Vegetation  ansammelten  und  aus  den  natürlichen  Stickstoffquellen  der  Atmosphäre  z.  B. 
elektrische  Entladungen,  Verdunstungsvorgänge  etc.  herstammen.  Aus  mehrjährigen 
Beobachtungen  der  Regenmengen  und  Bestimmungen  der  Mengen  des  darin  in  Form 
von  Ammoniak  und  Nitraten  enthaltenen  Stickstoffs  an  verschiedenen  Stationen  ergab 
sich,  dass  alljährlich  im  grossen  Durchschnitte  IIV*  bis  12^/4  kg  pro  ha  gebundener  Stick- 
stoff durch  die  atmosphärischen  Niederschläge  zu  Boden  gelangen.  Der  Boden  selbst 
enthält  namentlich  in  den  angeschwemmten  Tonböden  gewisse  Quantitäten  gebundenen 
Stickstoffes,  die  aber  durch  eine  Reihe  von  Ernten  meist  bald  erschöpft  werden,  denn 
der  Landwirt  entzieht  nach  den  Versuchen  von  J.  H.  Gilbert  und  Lawes  pro  Jahr  und 
Hektar 

in  einer  Weizenernte  durchschnittlich  23  kg  geb.  Stickstoff 

„      „      Gerstenemte  „  20    „      „  „ 

„      .,      Hülsenfrüchtenemte  „  35    „      ,,  „ 

„      „      Heu-  und  Kleeernte  .,  37    „      „  n 

nach  Graf  zur  Lippe- Weissenfeid  aber 

in  einer  Weizenerate      62,4  kg 


104)  Ausser  den  Versuchen  von  Boussingault ,  J.  v.  Liebig,  Gilbert  und  Lawes  sind 
namentlich  jene  von  Barral,  Bobierre,  Bineau,  Nessler,  Knop  und  Wolff.  Fresenius,  Gräger, 
Hünefeld,  Kamp,  de  Porre,  Ville  sowie  die  gleichzeitig  im  Jahre  1866 — 67  an  sämtlichen 
preussischen  Versuchsanstalten  vorgenommenen  Untersuchungen  zu  nennen.  In  forstl.  Beziehung 
Bind  die  Untersuchungen  von  Krutzsch,  Chevandier,  Fliehe,  Grandeau  und  J.  v.  Schröder  be- 
sonders wichtig.     Ueber  die  Beteiligung  der  Mycorhizen  s.  den  botanischen  Abschnitt. 


76  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

in  einer  Kartoffelernte    60,9  kg 
«      ^      Roggenemte      51,8    „ 
„      „      Rotklee  95,8    „ 

also  viel  mehr,  als  der  Boden  durch  die  atmosphärischen  Niederschläge  jährlich  wieder 
zugeführt  erhält.  Hieraus  erklärt  sich  die  Notwendigkeit  der  Stickstoffdtingung,  d.  h. 
der  Zufuhr  von  Ammoniaksalzen  oder  von  Nitraten,  von  denen  jede  für  einzelne  Ge- 
wächse ihre  spezifischen  Vorzüge  vor  der  anderen  besitzt;  für  die  meisten  landwirt- 
schaftlichen Nutzpflanzen  ist  aber  die  Zufuhr  animalischer  Abfälle  gemengt  mit  Streu- 
materialien die  günstigste  Form  des  Rückersatzes. 

Es  ist  nun  angesichts  dieser  Erfahrungen  der  Landwirtschaft  von  hohem  Inter- 
esse, einen  Einblick  in  die  Lebensökonomie  des  Waldes  bezüglich  der  Stickstoffausfuhr 
und  Zufuhr  zu  erhalten.  Nach  Dr.  J.  v.  Schröder  ist  der  Jahresbedarf  an  Stickstoff 
von  1  ha  Wald  in  Kilogramm: 

Buchenhochwald,    Fichten,    Tannen,    Birken,    Kiefern 
zum  Holzzuwachs  10,34  13,20        13,26  7,22  — 

zur  Streuerzeugung 44,35 31,92  — —         28,94 

Su^ä  54,69  45,12  —  '~^  = 

Hieraus  ergiebt  sich  die  wichtige  Schlussfolgerung,  dass  die  forstliche 
Produktion  sehr  hohe  Ansprüche  an  den  Stickstoff gehalt  (resp. 
den  Ammoniak-  und  Nitratgehalt  des  Bodens  stellt,  sobald  man 
die  Streu  dem  Boden  entzieht;  die  alljährliche  Holz-  und  Streuerzeugung 
kommt  bezüglich  ihres  Stickstoffbedarfes  den  landwirtschaftlichen  Durchschnittsemten 
nahe  und  tibertrifft  sie  sogar  teilweise,  so  dass  ein  fortgesetzter  Streuentzug  nebst 
Holznutzung  den  Boden  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  ebenso  erschöpfen  muss,  wie 
dies  beim  Ackerbau  längst  anerkannt  ist.  Hingegen  zeigen  vorstehende  Zahlen,  dass 
bei  einer  Belassuung  der  Streu  im  Walde  die  Holzproduktion  allein  nicht 
imstande  ist,  eine  stetige  Verminderung  und  Erschöpfung  des  Stickstoffvorrates  im 
Boden  herbeizuführen,  weil  die  Durchschnittsmenge  von  10 — 13  kg  pro  Jahr  und  ha 
durch  den  mittleren  Jahresbetrag  des  in  den  atmosphärischen  Niederschlägen  enthal- 
tenen gebundenen  Stickstoffes  wieder  ersetzt  wird.  Die  natürlichen  Stickstoff- 
quellen der  Atm  0  Sphäre  halten  daher  demBedarfe  derblossen 
Holzerzeugung  das  Gleichgewicht  und  der  von  Streunutzung  verschonte 
Wald  bedarf  keines  künstlichen  Ersatzes  in  Form  von  Ammoniaksalzen  und  Nitraten. 
Diese  Tatsache  ist  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  deshalb  sehr  bedeutungsvoll,  weil  infolge 
dieser  Anspruchslosigkeit  der  Waldbäume  noch  alle  jene  Flächen  dauernd  der  Produk- 
tion für  menschliche  Bedürfnisse  dienen  können,  welche  infolge  ihrer  Lage  oder  ihrer 
Entfernung  von  den  Wohnstätten  für  die  künstliche  Düngerzufuhr  nicht  erreichbar 
sind,  z.  B.  die  Gebirge.  Ferner  ist  es  dadurch  möglich,  auch  durch  eine  extensive 
Wirtschaftsform,  d.  h.  unter  Aufwand  von  wenig  menschlicher  Arbeitskraft  noch  zu 
produzieren,  da  die  langen  Zeiträume  zwischen  Bestandesbegründung  und  Holzemte  den 
Aufwand  von  grossen  Produktionskosten  im  Hinblick  auf  die  langwährenden  Zinsen- 
verluste verbieten. 

Eine  hervonagende  Bedeutung  hat  ferner  für  die  Ernährung  der  Bäume  der 
Wassergehalt  des  Bodens,  weil  dieselben  wegen  ihrer  grossen  Blattflächensumme  ausser- 
ordentlich grosse  Verdunstungsflächen  besitzen.  Da  jedoch  dieser  Gegenstand  in  den 
§§  21  und  22  näher  abgehandelt  ist,  so  verweise  ich  hierauf. 

§  34.  So  einfach  die  Chemie  im  Verein  mit  der  dynamischen  Wärmetheorie  uns 
den  Vorgang  der  Verbrennung  erklärt  und  uns  dadurch  in  den  Stand  setzt,  den  Vor- 
gang bei  der  Bildung  brennbarer  organischer  Materie  sowie  das  Pflanzenwachstum  vom 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  34.  77 

chemisch-physikalischen  Standpunkte  aus  zu  verstehen,  ebenso  schwierig  war  diese  Er- 
klärung vor  der  Entdeckung  des  Prinzips  der  Erhaltung  der  Kraft.  In  der  ältesten 
forstlichen  Litteratur  finden  wir  deshalb  gerade  über  diesen  Punkt  die  abenteuerlichsten 
Vorstellungen,  welche  die  philosophischen  Ideen  ihrer  Zeiten  wiederspiegeln.  So  sagt 
z.  B.  Hanns  von  Carlowitz  (Sylvic.  oec.  S.  22)  im  Jahre  1713: 

„Wie  denn  sonderlich  mirakulös  zu  sein  scheint,  dass  in  dem  blossen  und  unansehn- 
lichen Erdreich  so  ein  wunderwürdiger  ernährender  Lebensgeist  und  Archäus  häufig  zu 
finden,  so  die  meisten  Geschöpfe  erhält.  Gewiss  die  darin  enthaltene  Nahrungskraft  ist 
so  unendlich  als  unbegreiflich  bevorab  die  Wärme  oder  das  elementarische  Feuer"  etc. 

Auch  die  Phlogiston-Theorie,  sowie  der  Streit  über  die  antiphlogistische  Theorie 
Lavoisiers  findet  sich  in  einzelnen  Andeutungen  der  Forstlitteratur  —  ein  Beweis,  dass 
schon  viel  über  die  Ursache  der  Brennbarkeit  des  Holzes  und  die  Quelle  dieser  Wärme 
nachgesonnen  wurde. 

Wie  oben  S.  72  gezeigt  wurde,  haben  wir  die  brennbare  Substanz  des  Holzes 
als  aufgespeicherte  „potentielle  Energie"  oder  „chemische  Differenz*^,  als  verkörpertes 
Resultat  der  chemischen  Arbeitsleistung  des  Sonnenlichtes  aufzufassen.  Es  fragt  sich 
nun :  wie  gross  ist  die  jährliche  Produktion  der  Wälder  an  sol- 
cher organischer  Substanz?  Die  Untersuchungen  über  den  Holzertrag  der 
Wälder,  welche  von  zahlreichen  Forstmännern  und  Vertretern  der  forstlichen  Theorie 
in  bezug  auf  verschiedene  Holzarten  und  Standortsverhältnisse  ausgeführt  worden  sind, 
geben  ziffermässige  Anhaltspunkte  über  die  räumlich  gemessene,  in  kubischen  Einheiten 
ausgedrückte  Holzmasse,  welche  in  Holzbeständen  von  verschiedenen  Altersstufen  pro 
Flächeneinheit  enthalten  ist.  Berechnet  man  hieraus  unter  Zugrundelegung  der  für  die 
speziellen  Fälle  ermittelten  Zahlen  des  spezifischen  Gewichtes  bezogen  auf  den  wasser- 
freien Zustand  (d.  h.  bei  105"  C.  getrocknet)  die  Masse  der  Trockensubstanz,  welche 
jährlich  zugewachsen  ist,  so  erhält  man  aus  den  vorher  beträchtlich  divergierenden 
Zahlen  eine  bemerkensw-erte  Uebereinstimmung  zwischen  den  einzelnen  Holzarten  bei 
sonst  gleichen  klimatischen  und  Bodenverhältnissen.  Man  kann  diese  auffallende  Tat- 
sache, auf  welche  zuerst  durch  J.  v.  Liebig  in  seiner  Agrikulturchemie  ^®^) ,  dann  von 
Dr.  Theod.  Hartig^"«)  und  Prof.  Dr.  E.  Ebermayer i«')  hingewiesen  wurde,  präziser  in 
folgender  Weise  ausdrücken: 

„Die  verschiedenen  b  estandbildenden  Holzarten  liefern  auf 
den  für  sie  geeigneten  Standorten  unter  sonst  gleichen  Verhält- 
nissen durchschnittlich  jährlich  nahezu  gleiche  Gewichtsmengen 
Trockensubstanz;  die  grossen  Verschiedenheiten  im  Ertrage 
nach  Kubikmetern  der  Masse  auf  gleichen  Standorten  zwischen 


105)  Just.  V.  Liebig  berechnet  in  seinem  Werke:  „Die  Chemie  in  ihrer  Anwendung 
auf  Agrikultur''  etc.  V.  Auflage,  S.  14  u.  15  pro  ha  Wald  5300  kg  Trockensubstanz-Er- 
zeugung. 

106)  Dr.  Theod.  H  a  r  t  i  g  stellte  in  seinem  „System  und  Anleitung  zum  Studium  der 
Forstwirtschaftslehre ",  Leipzig  1858  S.  228,  Berechnungen  über  die  Produktion  von  Brenn- 
werten durch  die  verschiedenen  Holzarten  an  und  fand  pro  ha  berechnet  im  Hochwalde  eine 
jährliche  Erzeugung  von 

bei  Rotbuchenbeständen         153  Buchenscheitholzwerte 
„    Birken  „  133  „ 

„    Eichen  ^  133 

.,    Erlen  „  98  „ 

„    Pichten  „  200  „ 

„    Weisstannen  „  180  „ 

„    Kiefern  „  129 

107)  Dr.  E.  Ebermayer  „Die  gesamte  Lehre  der  Walds  treu".     Berlin  1876.  S.  68. 


78  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

den  einzelnen  Holzarten  rühren  hauptsächlich  von  den  Unter- 
schieden der  spezifischen  Gewichte  her." 

Obgleich  Prof.  Ebermayer  schon  im  Jahre  1875  aus  77  einzeln  genau  aufgenom- 
menen Streuversuchsflächen  berechnet  hatte,  dass  im  jährlichen  Holzzuwachs  der  Buchen- 
bestände  3163  kg,  der  Fichtenbestäude  3435  kg,  der  Kiefembestände  3233  kg  Trocken- 
substanz enthalten  sei,  so  hat  doch  der  Lehrsatz,  dass  „dem  Gewichte  nach  in  Wald- 
beständen verschiedener  Holzarten  im  grossen  Durchschnitte  jährlich  die  gleichen  Mengen 
organischer  Substanz  produziert  werden'*,  bis  jetzt  nicht  diejenige  allgemeine  Würdigung 
gefunden,  die  einem  so  wichtigen,  grundlegenden  Gesetze  der  Forstwissenschaft  zukom- 
men sollte.  Ich  sehe  mich  deshalb  veranlasst,  die  in  letzterer  Zeit  erschienenen  zahl- 
reichen Ertragstafeln  nach  dieser  Hinsicht  zu  prüfen,  indem  ich  die  von  Prof.  Dr.  Rob. 
Hartig  mitgeteilten  Zahlen  über  die  spezifischen  Trockengewichte  resp.  den  Gehalt  von 
je  1  Festmeter  verschiedener  Holzarten  an  Trockensubstanz  sowie  meine  eigenen  dies- 
bezüglichen Erhebungen  in  Rechnung  stelle,  wobei  ich  aber  ausdrücklich  bemerke,  dass 
es  sehr  wünschenswert  wäre,  bei  allen  Ertragsermittlungen  zugleich  die  Angaben  der 
spezifischen  Gewichte  an  Probestämmen  beizufügen,  um  die  produzierte  Masse  der  Tro- 
ckensubstanz direkt  auf  experimentellem  Wege  zu  ermitteln.  Die  nachstehenden  Be- 
rechnungen mögen  daher  nur  vorläufig  an  die  Stelle  solcher  unmittelbarer  Erhebungen 
treten  und  den  Weg  andeuten,  wie  die  einzelnen  Ermittlungen  sich  zu  einem  Gesamt- 
bild von  überraschender  Uebereinstimmung  zusammenfügen. 

Vor  allem  muss  bei  der  Uebertragung  von  Zahlen  der  spezifischen  Gewichte  auf 
Ertragstafeln  der  Grundsatz  festgehalten  werden,  dass  die  an  einzelnen  Baumteilen 
(z.  B.  Kern,  Splint,  Gipfel-,  Astholz  etc.)  gefundenen  Grössen  nur  proportional  zu  dem 
Anteil,  welchen  diese  von  der  Gesamtmasse  des  Baumes  ausmachen,  in  Rechnung  kom- 
men dürfen.  Man  kann  also  nicht  die  an  einem  beliebigen  Stück  Holz  von  einer  be- 
stimmten Holzart  ermittelten  spezifischen  Gewichte  zur  Rechnung  benützen,  sondern 
muss  stets  das  Mittel  für  den  ganzen  Stamm  aus  zahlreichen  Einzelerhebungen  sorg- 
fältig berechnen.  Ferner  muss  dieses  Resultat  stets  auf  den  wasserfreien  Zustand  um- 
gerechnet werden,  indem  man  die  Zahl  der  in  einem  Volumen  frischen  Holzes  enthal- 
tenen Trockensubstanz,  wie  sie  durch  Wägung  nach  mehrstündigem  Austrocknen  bei 
105®  C.  gefunden  wird,  durch  das  Frischvolumen  teilt.  In  dieser  Weise  hat  Prof.  Dr. 
Robert  Hartig  1885  eine  grosse  Anzahl  Nadelholzbäume  untersucht,  während  ich  für 
die  Trauben-Eiche  und  Rot-Buche  ähnliche  Erhebungen,  wenn  auch  in  geringerer  Zahl 
angestellt  hatte;  für  die  Birke  hat  Prof.  Dr.  Jul.  von  Schröder  analoge  Erhebungen 
publiziert.  Da  die  Ertragstafeln  der  verschiedenen  Autoren  aus  einer  grossen  Anzahl 
Einzelaufnahmen  in  sehr  verschiedenen  Lagen  und  Standörtlichkeiten  konstruiert  sind, 
so  muss  auch  das  Gehalt  von  1  Festmeter  an  Trockensubstanz  aus  einer  grösseren  Zahl 
von  Bäumen  von  verschiedenen  Wachstumsverhältnissen  und  Ursprungsorten  ermittelt 
werden.     Ich  lege  deshalb  der  Rechnung  folgende  Gewichtszahlen  zu  Grunde. 

In  1  Kubikmeter  frischen  Holzes  ist  organische  Substanz  enthalten  im  Mittel 
aller  Bestimmungen  und  im  Durchschnitte  der  ganzen  Stämme :  Kiefer  nach  Rob.  Har- 
tig 424  kg,  Fichte  nach  demselben  415  kg,  Weisstanne  nach  demselben  375  kg,  Trau- 
beneiche nach  R.  Weber  635  kg,  Rotbuche  nach  R.  Weber  610  kg,  Birke  nach  J.  v. 
Schröder  533  kg. 

Da  die  meisten  dieser  Zahlen  an  haubaren  Stämmen  erhoben  worden  sind,  so 
können  sie  auf  die  jugendlichen  Bestände  nicht  übertragen  werden,  weshalb  in  den 
folgenden  Tabellen  nur  die  Bestandes- Altersstufen  von  60 — 120  Jahren  der  Berechnung 
unterstellt  wurden.  Hiebei  wurde  eine  Trennung  der  Ertragstafeln  nach  den  Zwecken, 
die  bei  deren  Aufstellung  befolgt  wurden,  vorgenommen,  indem  jene  Tafeln,  welche  zur 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  35.  79 

Ertragsschätzung  ganzer  Bestandsabteilungen  von  mittlerem  Bestockungsgrade  ^®^)  dienen 
sollen  und  die  in  der  Forsteinrichtung  zu  unmittelbar  praktischen  Zwecken  Verwendung 
finden,  gesondert  von  denjenigen  betrachtet  wurden,  welche  die  wissenschaftliche  Er- 
foi-schung  des  Zuwachsganges  der  einzelnen  Holzarten  mittelst  kleiner  aber  vollkommen 
normal  bestockter  Probeflächen  erstreben.  Erstere  sind  in  der  Tabelle  A,  letztere  in 
der  Tabelle  B  zusammengestellt,  beide  sind  unter  sich  nur  mit  einer  gewissen  Reserve 
vergleichbar,  namentlich  unter  Beachtung  der  durch  Schneedruck,  Insektenschaden, 
Windwui-f  etc.  etc.  verursachten  Abnormitäten  im  Schluss  und  der  Stammzahl. 

Unter  den  zahlreichen  Ertragstafeln  musste  natürlich  eine  Auswahl  getroffen 
werden  und  es  enthalten  die  nachfolgenden  Berechnungen  nur  jene  von  Dr.  H.  Burck- 
hardt  (in  den  „Hülfstafeln  für  Foi-sttaxatoren"  Hannover  1873),  von  Dr.  Theod.  Har- 
tig  ^^) ,  von  Dr.  Robert  Hartig  ^^%  von  Prof.  Dr.  F.  von  Baur  i^^) ,  von  Prof.  Schu- 
berg"2),  von  Gerwig"'),  von  Prof.  Dr.  Kunze  ^^*),  von  Prof.  Dr.  T.  Lorey"^)  und 
Prof.  Weise"«). 

In  der  ersten  Auflage  dieses  Handbuches  ist  die  Berechnung  der  Masse  an  jähr- 
lich erzeugter  Trockensubstanz  im  einzelnen  durchgeführt;  hier  mögen  der  Raumer- 
sparnis wegen  nur  die  Endziffern  der  Ergebnisse  übersichtlich  zusammengestellt  werden. 
(S.  die  Tabelle  auf  S.  80.) 

Die  Standoitsklassen ,  nach  welchen  die  Ergebnisse  der  Probeflächenaufnahmen 
angeordnet  sind,  bedeuten  bei  den  einzelnen  Autoren  nicht  immer  identische  Begriffe, 
sondern  sind  als  grosse  Durchschnitte  der  Verschiedenheiten  in  den  Ertragsverhältnissen 
einzelner  Länder  aufzufassen;  bei  den  neueren  Ertragstafeln  bildet  in  der  Regel  die 
mittlere  Bestandeshöhe  den  Massstab  für  die  Standortsgüte,  die  Klassen  umfassen  dann 
oft  sehr  verschiedene  geognostische  Gebiete  und  Terrainverschiedenheiten. 

(S.  Tabelle  Seite  80). 

Diese  Zahlenreihen  zeigen,  dass  man  in  der  forstlichenPra- 
xis  folgende  Bonitierung  vorzunehmen  pflegt,  wobei  im  grossen 
Durchschnitte 
I.  Stand  Ortsklasse  die  Bestände  von  3000 — 4000  kg  jäh  rl.  Massenzunahme  pro  ha 

II.  „  rf  n  7t    ^öOÜ      DÜÜÜ    „  ^  „  «5? 

m.                „  „  ,  „  2000-2500  „         „ 

IV.                „  „  „  „  1500-2000  „         „ 

^V\ y,  „  „     unter      1500         r,         v  v  »     « 

108)  Nach  Roh.  Hartigs  „Rentabilität  der  Fichtennutz-  und  Buchenbrennholzwirt- 
schaft", Stuttgart  1868,  Cotta,  S.  57,  ist  die  Differenz  der  konkreten  Bestände  gegen  die 
vollbestockten  normalen  Probeflächen  bei  60  Jahren  ==:  6,5^/o,  bei  70  Jahren  :=.  l^b^lo,  bei 
80  Jahren  ==  8,5^/0,  bei  90  Jahren  =  9,5^0,  bei  100  Jahren  =  ll,07o,  bei  110  Jahren 
=  13,0^0  des  Normalertrags. 

109)  Dr.  Theod.  Hartig  „System  und  Anleitung  zum  Studium  der  Forstwirtschafts- 
lehre«.    Leipzig  1858.  S.  198. 

110)  Dr.  Rob.  Hartig  „Vergleichende  Untersuchungen  über  Wachstumsgang  und 
Ertrag"  etc.     Stuttgart  1865,  Cotta. 

111)  Dr.  F.  V.  Baur  „Die  Rotbuche  in  bezug  auf  Ertrag,  Zuwachs  und  Form". 
Berlin  1881,  P.  Parey.  Desselben  „Die  Fichte  in  bezug  auf  Ertrag,  Zuwachs  und  B'orm". 
Berlin  1877,  J.  Springer. 

112)  Schuberg  „Das  Gesetz  der  Stammzahl  und  die  Aufstellung  von  Ertragstafeln ". 
Forstwirtschaftl.  Centralblatt  1880.  S.  290. 

113)  Gerwig  „Die  Weisstanne" . 

114)  Kunze  „Beiträge  zur  Kenntnis  des  Ertrages  der  Fichte"  etc.  Suppl.  z.  Tha- 
randter  Jahrb.  1878. 

115)  Dr.Th.  Lorey  „Ertragstafeln  für  die  Weisstanne".  Frankf.  a/M.  1884,  Sauerländer. 

116)  Weise  „Ertragstafeln  für  die  „Kiefer".     Berlin  1880. 


80  I.  Weber,  Die  Aufj<aben  der  Forstwirtschaft. 

A.   Bestände  von  mittlerem  Bestockungsverhältnisse  (Tab.  A)  zeigen  eine: 

Durchschnittliche  Gewichtszunahme  der  Trockensubstanz 

Gesamt- 

1)  auf  bester  Stand  Ortsklasse:    Eichen  Rotbuchen  Fichten  Kiefern  Birken      Durch- 

schnitt 
Kilogramm  pro  Hektar 

im  Kulminationspunkte 3175        3219  3159        2538       3291  — 

im  Mittel  von  60—120  Jahren      .     .    3097        3118  3041        2356      (3102)         2943 

2)  auf  zweiter  Standortski as so: 

im  Kulminationspunkte 2822        2772  2763        2085       2665  — 

im  Mittel  von  60—120  Jahren      .     .    2740        2701  2642        1892      (2495)        2494 

3)  auf  dritter  Standortsklasse: 

im  Kulminationspunkte 2413        2463  2314        1611       1620  — 

im  Mittel  von  60  ~  120  Jahren .    .    .    2344        2333  2223      (1499)       —  2100 

4)  auf  vierter  Standortsklasse: 

im  Kulminationspunkte 2145        2104  1915        1208        —  — 

im  Mittel  von  60-120  Jahren      .    .    2065        1990         (1839)     (1123)       —  1779 

5)  auf  fünfter  Standortsklasse: 

im  Kultminationspunkte 1814        1743  1464        807         —  — 

im  Mittel  von  60-120  Jahren      .    .     1752        1616  1365      (777)         —  1378 

B.  Vollkommen  normal  bestockte  Probeflächen,  am  dominierenden  Bestände  allein: 

Gesamt- 

1)  auf  bester  Standortsklasse:  Rotbuchen  Weisstannen  Fichten  Kiefern  Durch- 

schnitt 
im  Mittel  von  60—120  Jahren      .    .     .  3948  3993  4988      3145 

3909             3588           4098      2866 
3689                                3875 
4356 4596 

Durchschnitt  der  Einzelangaben    .     .     .         3975  3790  4389      3004""  3789 

2)  auf  zweiter  Standorstsklaapo: 

im  Mittel  von  60-120  Jahren  ....  3439  3055  3242      2256 

3634 2702_ 3776 ____ 

Durchschnitt  der  Einzelangaben    .    .    .         3537  2778  3509      2256      3020' 

3)auf  dritter  Standortsklassc: 
im  Mittel  von  60—120  Jahren  ....         2861  2348  2442      1745 

2790 2013 3056 — 

2826  2186  2749      1745       2377 

4)  auf  vierter  Standortsklasse: 

im  Mittel  von  60-120  Jahren  .     .    .     .         2417  —  1680      1525 

2135 — ^2324 

2276  —  2002      1525       1934 

aller  Holzarten  zusammenfasst,  ohne  dass  man  sich  jedoch  dieser  Tatsache 
klar  bewusst  ist,  sondern  indem  man  sich  an  einzelne  Faktoren  der  Massenermittlang 
z.  B.  der  Höhe,  der  Stammgrundfläche  oder  anch  an  Merkmale  der  Bodenbeschaffenheit 
z.  B.  die  Tiefgründigkeit,  den  Feinerdegehalt,  Feuchtigkeitsgrad,  Humusreichtum  hält. 
Dass  die  Kiefembestände  in  obigen  Zusammenstellungen  ein  Zurückbleiben  des  Massen- 
ertrages hinter  den  anderen  Holzarten  zeigen,  möchte  überraschen,  da  wir  ja  gewohnt 
sind,  die  Kiefer  als  eine  raschwüchsige  Holzart  zu  bezeichnen ;  indessen  ist  zu  beachten, 
dass  diese  Holzart  sich  schon  frühzeitig  licht  stellt,  eine  relativ  geringe  Stammzahl 
pro  ha  aufweist  und  dass  die  Kiefernböden  überhaupt  in  der  Regel 
schlechtere  Standorte  sind,  als  die  gleich  benannten  Standorts- 
klassen für  Buchen,  Weisstannen  und  Fichten. 

Alle  diese  Erörterungen  beziehen  sich  nur  auf  den  Zuwachs  am  dominierenden 
Bestände,  weil  dieser  allein  unter  den  verschiedenen  Ertragstafeln  vergleichbar  ist.  In 
welcher  Weise  die  Vorerträge  an  Zwischennutzungen  die  Massenzunahme 
an  Trockensubstanz  beeinflussen,  zeigen  einzelne  der  Tabellen;  hiernach  steigert  sich 
unter  Einrechnung  der  Durchforstungsergebnisse  der  Massenertrag  der  I.  Standorts- 
klasse um  33 — 38Vo   des  Gesamtertrages  und  beträgt  5000 — 7000  kg  pro  Jahr  und 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  34.  81 

Hektar.  Die  grösste  Masse  solcher  Vorerträge  zeigen  die  Kiefernbe- 
stände, wo  dieselben  fast  40^0  ausmachen  und  den  Gesamtertrag  in  be- 
merkenswerter Weise  steigern. 

Es  erübrigt  nun  noch  zu  der  oberirdischen  Holzmasse  den  Zuwachs  an  Stock- 
und  Wurzelholz  hinzuzufügen,  um  die  Gesamtmenge  der  Holzproduktion  zu  erfahren. 
Die  Erfahrungstafeln  beziehen  sich  gewöhnlich  nur  auf  die  oberirdische  Masse  des  Be- 
standes, doch  ist  konstatiert,  dass  die  Stockholzmasse  bei  Buchen  mindestens  20^/o,  in 
langschaftigen  haubaren  Beständen  25^0,  in  kurzschaftigen  sogar  33^0  derselben  aus- 
macht, während  bei  Kiefern  20— 267o ,  bei  Fichten  25— 34<^/o  der  oberirdischen  Masse 
anfällt.  Im  Durchschnitte  werden  daher  pro  Jahr  und  ha  ca.  600  kg  Trocken- 
substanz in  Form  von  Stockholz  produziert ,  was  in  Anbetracht  der  Kurz- 
schaftigkeit  der  Bestände  auf  schlechteren  Bodenklassen  auch  für  diese  zutreffen  dürfte. 
Ausser  der  Holzproduktion  ündet  aber  noch  eine  sehr  bedeutende  Erzeugung  von  orga- 
nischer Substanz  in  Gestalt  der  jährlich  abfallenden  Blätter  und  der  Nadeln  der  Koni- 
feren ,  welche  3 — 7  Jahre  ausdauern ,  im  Walde  statt.  Dr.  Ebermayer  hat  die 
Grösse  dieser  Produktion  auf  Grund  einer  grossen  Versuchsreihe,  die  von  der  bayeri- 
schen Forstverwaltung  durchgeführt  wurde,  bestimmt  und  als  Endergebnis  einen  Jahres- 
ertrag an  Trockensubstanz  pro  ha  von  folgenden  Gewichtsmengen  gefunden: 

Streuergebnis  in  Buchenbeständen     in  Fichtenbeständen    in  Kiefembeständen 

3331  kg  3007  kg  3186  kg 

Die  Gesamtmenge  der  in  Beständen  erster  Standortsklasse  jährlich  pro  ha  er- 
zeugten Masse  organischer  Trocken-Substanz  muss  daher  auf  rund  9 — 10  Tonnen 
(ä  1000  kg)  veranschlagt  werden,  worin  100 — 250  kg  Asche  sind.  Im  Vergleich  zu 
den  durch  die  landwirtschaftlichen  Betriebe  pro  Jahr  und  ha  erzeugten  Mengen  von 
organischer  Substanz,  welche  schon  J.  v.  Liebig  auf: 

5000  kg  Heu 
3600   „    Runkelrüben 
veranschlagt,  kommt  daher  dem  Walde  immerhin  eine  etwas  höhere  Massenproduktion 
an  Trockensubstanz  zu. 

§  34.  Nachdem  gezeigt  worden  ist,  dass  die  bisher  aufgestellten  Ertragstafeln 
in  Verbindung  mit  den  experimentell  gefundenen  spezifischen  Trockengewichten  für 
gleiche  Standortsgüten  annähernd  gleiche  Gewichtsmengen  organischer  Substanz  als 
jährlichen  Durchschnittszuwachs  angeben,  mögen  hier  die  Konsequenzen  aus  dieser  Tat- 
sache gezogen  werden.  Zunächst  folgt  hieraus,  dass  die  verschiedenen  bestandbildenden 
Holzarten  in  ihrem  Kronenraume  gleich  viel  Lichtstrahlen  von  physiologischer  Wirk- 
samkeit mittelst  ihres  Chlorophylls  absorbieren  und  zu  Assimilationsvorgängen,  d.  h. 
zur  Zerlegung  von  annähernd  gleichen  Koblensäuremengen  verwenden,  sobald  die  Be- 
dingung einer  ununterbrochenen,  hinreichenden  Wasserzufuhr  durch  die  Wurzeln  und 
aasreichender  Lieferung  der  mineralischen  und  stickstoffhaltigen  Nährstoffe-  aus  dem 
Boden  erfüllt  ist,  sobald  femer  die  mittlere  Sonnenwärme  und  Vegetationsdauer  nicht 
erhebliche  Abweichungen  zeigen.  Da  nun  durch  zahlreiche  Elementaranalysen  eine  be- 
merkenswerte Uebereinstimmung  in  der  chemischen  Zusammensetzung  der  Trockensubstanz 
der  verschiedenen  Holzarten  konstatiert  worden  ist,  indem  dieselbe  durchschnittlich  aus 

m^lo  Kohlenstoff 
6  „    Wasserstoff 
42  „    Sauerstoff 
1  „    Stickstoff 
1  „    Aschenbestandteilen 
besteht,  so  folgt  hieraus,  dass  die  jährliche  Produktion  annähernd  gleicher  Mengen  von 

Handbncb  d.  Forstw.     2.  Aufl.     I.  6 


82  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Kohlenstoff  und  Wasserstoff,  d.  h.  von  brennbarer  Substanz  bei  den  verschiedenen  Holz- 
arten stattfinden  müsse.  In  den  40(X)  kg  jährlich  pro  ha  erzeugter  Holzmasse  wären 
daher  ca.  2000  kg  Kohlenstoff  mit  einer  theoretischen  Verbrennungswärme  von  7170 
X  2000  =  14340000  Kalorien,  d.  h.  einer  Wärmemenge,  welche  143,4  cbm  Wasser 
von  0  auf  100°  C.  erwärmen  könnte.  In  diesem  Sinne  berechnet  sich  der  Vorrat 
an  Kohlenstoff  in  den  100jährigen  Holzbeständen  in  Tonnen  (äl(XX)kg) 
pro  Hektar  aus  den  verschiedenen  Ertragstafeln  folgendermassen : 

I.  Standortäklasse  IL  HL 

Eichen  nach  Burckhardt 157  t  139  t  121   t 

Buchen    .            ,             159  ,  136  ,  116 

dto.  (im  Elm)  nach  Theod.  Hartig    ....  193 

dto.  (Wesergebirge)  nach  Robert  Hartig    .     .  189 

dto.  (Spessart)  derselbe 179 

dto.  (Württemberg)  nach  F.  v.  Baur      .    .     .  219  ,  184  ,  144  , 

dto.  (Baden)  nach  Schuberg —    ,  171  ,  142  , 

Weisstannen  nach  Gerwig 202  ,  157  ,  — 

dto.              nach  Lorey 199  ^  149  ,  114  , 

Fichten  nach  Burckhardt 154  ,  132  „  115  , 

dto.  (Harz)  nach  Kob.  Hartig 234  ,  —  — 

dto.       ,     derselbe 196  „  —  — 

dto.  (Württemberg)  nach  F.  v.  Baur      ...  187  ,  159  ,  121  , 

dto.  (Sachsen)  nach  Kunze 214  ,  .      178  „  142  , 

Kiefern  nach  Burckhardt 115  ,  91  „  67  , 

dto.  (Pommern)  nach  R.  Hartig 156  „  —  — 

dto.  nach  Weise __     1^^  » ^^}  y  88  , 

Mittel  aus  obigen "180  t  "    "l46  t  'Tl7  t 

Die  theoretische  Heizkraft  der  l(X)jährigen  Bestände  auf  erster  Standortsklasse  würde 
daher  pro  ha  durchschnittlich  einer  Erhitzung  von  12906  t  Wasser  um  100®  C.  gleich- 
kommen, d.  h.  um  eine  Wasserschichte,  welche  1  Hektar  in  der  Hohe 
von  129  cm  bedeckte  vom  Eispunkt  zum  Siedepunkt  zu  erwärmen. 
Diese  Erzeugung  von  Heizwert  ist  nach  obigem  für  die  verschiedenen  Holzarten  im 
grossen  Durchschnitte  dieselbe. 

§  35.  Die  Brennstoffproduktion  war  ursprünglich  und  lange  Zeit  hin- 
durch weitaus  die  wichtigste  Aufgabe  der  Waldwirtschaft,  erforderte  doch  schon  unser 
Klima  eine  künstliche  Wärmequelle,  um  überhaupt  für  Menschen  bewohnbar  zu  sein. 
Auch  die  ersten  Anfänge  einer  Verarbeitung  der  Erze,  sowie  Entwicklung  der  verschie- 
denen Industriezweige  bedurften  der  Macht  des  Feuers  und  suchten  daher  mit  Vorliebe 
die  grossen  W^aldgebiete  in  ähnlicher  Weise  auf,  wie  dies  gegenwärtig  mit  den  Kohlen- 
feldern der  Fall  ist.  Bis  zur  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  lieferte  in  Deutschland 
der  Wald .  fast  ausschliesslich  das  Brennmaterial ,  dessen  nachhaltige  Lieferung  und 
zweckmässige  örtliche  Disponierung  damals  eine  wichtige  Aufgabe  der  Forstverwaltung 
war.  Bei  den  noch  ziemlich  primitiven  und  verschwenderischen  Feuerungs- Anlagen  war 
der  Bedarf  ein  grosser  und  die  Einführung  holzersparender  Einrichtungen  war  deshalb 
ein  von  den  Obrigkeiten  allerorts  verfolgtes  Ziel,  obgleich  es  den  rein  fiskalischen 
Zwecken  eigentlich  zuwiderlief.  Noch  Hundeshagen  berechnete  den  jährlichen  Holz- 
bedarf pro  Kopf  der  Bevölkerung  auf  1  cbm  und  mit  Einrechnung  der  Gewerbehölzer 
auf  1,70  cbm.  Hiebei  rechnete  man  für  die  Landbevölkerung  wegen  der  Viehhaltung 
erheblich  mehr,  z.  B.  nach  Ranke  3 — 3V2  Ster  pro  Kopf,  auf  die  Stadtbevölkerung 
weniger.  Noch  in  jüngster  Zeit  wurde  der  Holzbedarf  pro  Einwohner  in  der  Schweiz 
auf  1,27  cbm,  in  Frankreich  auf  1,44  cbm,  in  Italien  auf  1,25  cbm  angegeben. 

Einen  ausserordentlichen  Umschlag  in  dieser  Richtung  der  Produktion  brachte 
aber  der  enorme  Aufschwung  der  Ausbeutung  der  Steinkohlenlager  sowie  der  übrigen 
fossilen  Brennstoffe  hervor.    Hier  ist  es  die   chemische  Energie,   die  zu  jenen  fernen 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  36.  83 

Zeiten  der  Sonne  entstammte,   als  das  Lepidodendron  und  die  Calamiten  in  den  vor- 
weltlichen Wäldern  grünten,   von  welchen  die  Gegenwart  Gebrauch  macht.    Bloss  in 
den  deutschen  Stein-  und  Braunkohlenzechen  stieg  die  Ausbeute  in  folgender  Reihe: 
Jahr  1860        1866        1872        1878        1884 

Jahres-Förderung         12,3         28,2         42,3         48,2         72,1    Millionen  t  h  1000  kg 
Verbrauch  pro  Kopf     —  730        1129        1114  —     kg  pro  Einwohner, 

während  die  jährliche  Förderung  innerhalb  1860  bis  1880  sich 

in  Grossbritannien    von  85,4  Mill.  t  auf  149,3  Mill.  t, 

in  Frankreich  „      8,3     „      „     „      19,4     „       „ 

in  Belgien  „      9,6     „      „     „      16,9     „       „ 

in  Oesterreich  „       3,5     „      „     „      16,0     „       „ 

in  obigen  5  Staaten    „  119,1     „      „     „    260,8     „       „  gesteigert  hat. 
Bloss  die  deutsche  Förderung  surrogiert  daher  annähernd 
durch  57  Mill.  t   Steinkohlen  ca.  238  Mill.  Festmeter  Brennholz 

« 15     „       «  Braunkohlen  ^      53     „ 

„       72     „       „  Ausbeute  pro  1884  „    291     „  „  „ 

oder  wenn  man  den  Durchschnittszuwachs  in  Deutschland  :=  3,76  cbm  pro  ha  ansetzt, 
so  entsprechen  diese  Surrogate  dem  Zuwachs  von  77Va  Millionen  ha,  also  eine  Fläche, 
die  über  5^/2mal  grösser  wäre  als  alle  Wälder  des  deutschen  Reiches  zusammengenom- 
men. Diese  Ausbeute  fossiler  Brennstoffe  muss  für  längere  Zeiträume  als  dauernd  an- 
genommen werden,  obgleich  die  Geologen  eine  Erschöpfung  der  scheinbar  unermesslichen 
Schätze  in  Aussicht  stellen.  Demnach  muss  sich  auch  die  Forstwirtschaft  dieser  ausser- 
ordentlichen Surrogierung  der  Brennstoffe  akkommodieren  und  selbstverständlich  auf 
die  reine  Brennholzwirtschaft  Verzicht  leisten.  Es  ist  aber  interessant,  zu  untersuchen, 
welche  Quantitäten  Brennholz  in  grossen  Konsumtionszentren  trotz  aller  Konkurrenz 
der  Mineralkohlen  noch  verbraucht  werden: 

Im  Jahre  1880  wurde  in  folgenden  Städten  verbraucht: 

also  pro  Kopf  der  Bevölkerung 
rm  Brennholz       hl  Holzkohlen 

0,45  2,75 

0,58  — 

0,69  0,05 

in  Strassburgi««)     69637  73414  0,66  0,70 

Mithin  ist  in  den  grossen  Städten  des  Kontinentes  immerhin  ein  durchschnittlicher 
Konsum  von  V»  bis  ^/a  Raummeter  Brennholz  pro  Kopf  der  Bevöl- 
kerung anzunehmen,  wozu  noch  in  Frankreich  ein  durch  die  Gewohnheit  der 
Bevölkerung  in  Küche  und  Haus,  auch  vielleicht  die  kleine  Metallindustrie  bedingter 
starker  Konsum  an  Holzkohle  kommt,  der  in  Deutschland  sehr  klein  ist. 

§  36.  Gleichzeitig,  während  die  Steinkohlen-Konkurrenz  die  Brennstoffe  des  Wal- 
des nahezu  überflüssig  zu  machen  schien,  trat  aber  auch  z.  Teil  in  Wechselwirkung 
mit  diesen  plötzlich  entdeckten  Kraftvorräten  eine  noch  nie  dagewesene  Steigerung  der 
industriellen  und  Handelstätigkeit  ins  Leben.  Diese  mächtige  Entwicklung  der  Arbeits- 
stätten, der  Schienenwege,  der  Telegraphen  und  das  rasche  Anwachsen  der  Städte  er- 
forderte wiederum  eine  ganz  ungewöhnliche  Menge  Nutzhölzer  der  verschiedensten 
Art  für  Bauzwecke,  für  Grubenzimmerung,  Eisenbahnschwellen,  Telegraphenstangen,  Fass- 


Brennholz 

Holzkohlen 

Ster 

Hektoliter 

in 

Paris  "7) 

896465 

5  455  750 

in 

Berlin  "») 

558095 

in 

Wien"«) 

439600 

34350 

117)  Annuaire  des  Eaux  et  Forsts  1885. 

118)  Hagen-Donner  .Die  Forstl.  Verhältnisse  Preussens".  Berlin  1883.  Bd.  II.  S.  20. 

119)  Oesterr.  Forstztg.  1884.  No.  25. 

120)  Verwaltungs-Rechnung  der  Stadt  Strassburg  1879/80. 

6* 


1850 

26«/o 

1860 

27, 

1870 

30, 

1880 

29  „ 

1885 

39  „ 

1890 

47, 

1895 

51, 

1900 

84  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

und  Kistenholz,  so  dass  dem  Absatz  der  Forstprodukte  an  Stelle  der  verloren  gegangenen 
sich  viele  neue  Konsumtionsgebiete  eröffneten.  Dies  wirkte  nicht  bloss  auf  die  Benatzung 
der  vorhandenen  alten  Vorräte,  sondern  machte  sich  auch  in  der  Anzucht  der  neaen 
Bestände  nach  manchen  Hinsichten  geltend.  —  Nutzholzzucht  war  die  notwendige  Sig- 
natur aller  forstlichen  Bestrebungen  geworden  und  wer  die  geschichtliche  Entwicklang 
der  forstlichen  Produktion  richtig  verstehen  lernen  will,  muss  immer  gleichzeitig  die 
Fortschritte  der  fossilen  Brennstoff-Surrogate  vor  Augen  haben.  In  welcher  Weise  sich 
diese  Tendenz  des  Uebergangs  von  der  Brennholzerzeugung  zur  Nutzholzwirtschaft  in 
den  deutschen  Staaten  vollzog,  lehrt  nachstehende  Uebersicht  über  die  prozentische 
Nutzholzausbeute  der  Staatsforste  in  den  einzelnen  Dezennien: 

Jahr     in  Preussen     Kgr.  Sachsen     Bayern     Württembg.     Baden 

35»/o  16<>/o  26^/0  240/0 

47  „  19  „  32,  28, 

61  „  32,  40,  34, 

7o  „  33  „  39 ,  35  , 

80,  43,  47,  32  „ 

80,  46,  54,  42, 

79,  48,  53,  44, 

82,  50,        57,5  „  48, 

In  den  Staatsforsten  Frankreichs  war  im  Jahr  1876  das  Nutzholzprozent  =  31®/o, 
in  den  Gemeindewäldern  =  20^0.  Nur  die  übermässige  Einfuhr  von  Nutzhölzern  aus 
benachbarten  Ländern :  Russland,  Skandinavien,  Oesterreich  verursacht  noch  periodisch 
einen  Rückgang  der  Nutzholzausbeut«.  üebrigens  wechselt  der  Bedarf  an  Nutzholz 
selbst  wieder  qualitativ  nach  Zeit  und  Ort,  wie  uns  die  Verdrängung  der  Holzschwellen 
durch  den  „eisernen  Oberbau" ,  der  hölzernen  Brücken  und  Dachstühle  durch  eiserne, 
der  Holzschiffe  durch  Stahl  u.  s.  w.  lehrt,  während  umgekehrt  neue  Verwendungsarten 
in  ungeahntem  Umfange  auftauchen,  wie  die  Holzstoff-  und  Cellulose-Industrie,  die 
schon  gegenwärtig  im  deutschen  Reiche  1  235  500  Raummeter  Holz,  das  hauptsächlich 
als  Brennholz  fassoniert  ist,  konsumiert,  wie  ich  im  AUg.  Anzeiger  f.  Forstprod.  Ver- 
kehr 1885  Nr.  33  nachgewiesen  habe.  In  ähnlicher  Weise  gehen  unter  dem  Einflass 
der  Technik  fortwährende,  oft  gar  nicht  auffällige  Veränderungen  in  den  Konsumver- 
hältnissen des  Rohstoffes  vor  sich,  wie  z.  B.  das  Aspenholz  für  schwedische  Zündhölzer, 
das  Erlenholz  zu  Cigarrenkisten,  die  Buche  zu  gebogenen  Möbeln,  zu  Parquetten  und 
Packfässern  erst  in  neuerer  Zeit  Verwendung  gefunden  hat.  Weitaus  der  grösste  Teil 
des  Nutzholzes  findet  allerdings  seine  Verwendung  in  der  Bau-  und  Möbelindustrie,  so 
dass  die  Sägewerke  immerhin  als  die  wichtigsten  Verarbeiter  des  Rohstoffes  anzusehen 
sind.  Alle  diese  Verhältnisse,  die  für  den  praktischen  Betrieb  und  für  die  Rentabilität 
höchst  wichtig  sind,  können  hier  nur  flüchtig  angedeutet  werden,  da  ihre  gründliche 
Erörterung  in  das  Gebiet  der  Statik  und  Forstbenutzung  gehört.  Unter  dem  Einflüsse 
aller  der  genannten  naturgesetzlichen  und  wirtschaftlichen  Faktoren  hat  sich  gegen- 
wärtig folgende  Verteilung  der  Holz-  und  Betriebsarten  in  den  Wal- 
dungen Deutschlands  herausgebildet  ^2^):  Die  Laubhölzer  nehmen  34,5^0  der  gesamten 
Forstfläche  ein,  die  Nadelhölzer  dagegen  65,5^0  derselben;  die  einzelnen  Betriebsarten 
umfassen  folgende  Prozentanteile  derselben:  Eichenhochwald  3,5^0,  Buchenhochwald 
14,7^0,  Birken-,  Erlen-,  Aspenhochwald  3,3^0,  Eichenschäl wald  3,1^0,  Weidenheeger 
0,370,  sonstiger  Stockausschlag  ohne  Oberholz  3,1%,  Mittelwald  6,5»/o,  Kiefern  42,6%, 


121)  „Beiträge  zur  Forststatistik  des  Deutschen  Reiches"  bearbeitet  vom  kais.  Statist. 
Amte.     Berlin  1884. 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  37.  85 

Fichten  und  Weisstannen  22,6%,  Lärchen  0,37o. 

§  37.  Bekanntlich  wird  die  von  den  Waldbäumen  durch  Assimilation  erzeugte 
organische  Substanz  durch  Umbildung  in  Holzfaser  in  ausdauernder  Form  abgelagert 
und  zwar  geschieht  dies,  entsprechend  dem  Bau  der  dikotylen  Gewächse,  durch  Ver- 
längerung der  Axen  und  durch  alljährliche  Anlage  eines  neuen  Holzringes  vom  Kam- 
bial ringe  aus.  Auf  einem  Stammquerschnitte  erscheinen  daher  die  Schichten  der  jedes 
Jahr  gebildeten  Holzzellen  samt  den  Gefässen  konzentrisch  angeordnet  und  von  Mark- 
strahlen  radial  durchsetzt,  so  dass  der  Aufbau  des  Holzkörpers  meistens  eine  grosse 
Eegelmässigkeit  zeigt  und  die  Anwendung  der  stereometrischen  Berechnung  zur  Be- 
stimmung der  Zuwachsg rossen  gestattet.  W^ährend  demnach  die  agrikultur- 
chemische Betrachtungsweise  die  Massen  der  Vorräte  und  des  Zuwachses  nach  dem 
Gewichte  der  Trockensubstanz  ausdrückt,  rechnet  die  forstliche  Praxis  und  der  Holz- 
handel nur  nach  kubischen  Massen.  Für  Stämme  und  deren  Abschnitte  ist  die  Rech- 
nungseinheit der  Kubikmeter  für  die  solide  Holzmasse,  wie  sie  sich  auf  Grund  der  ste- 
reometrischen Foimel  (meist  als  Paraboloid)  aus  den  gemessenen  Dimensionen  berechnet 
(„Festuieter"),  für  geschichtetes  Holz  dagegen  bildet  der  Raummeter,  d.  h.  der  mit  losen 
Holzstücken  ausgefüllte  Raum  eines  cbm  das  einheitliche  Mass,  doch  wird  bei  Summie- 
rung letzteres  auf  den  Festgehalt  reduziert. 

W^ie  schon  erwähnt  (S.  79)  haben  vielfache  wissenschaftliche  Untersuchungen  über 
die  Zuwachs-Grossen,  welche  von  verschiedenen  Holzarten  unter  verschiedenen  äusseren 
Bedingungen  hervorgebracht  werden,  stattgefunden,  welche  sämtlich  den  Ertrag  pro 
Flächeneinheit  (ha)  in  kubischem  Mass  (cbm)  angeben  und  den  Wachstumsgang  der 
einzelnen  Holzarten  bei  verschiedenen  Betriebsarten  ausgeschieden  nach  Hauptnutzung 
(oder  Abtriebsertrag)  und  nach  Zwischennutzung  (oder  Vorerträgen)  darstellen.  Zur 
genaueren  Feststellung  der  Zuwachsgesetze  gehört  aber  auch  die  Angabe  der  Stamm- 
zahlen, der  Stammgrundflächensumme  und  der  Dimensionen  der  mittleren  Modellstämme 
in  verschiedenen  Lebensaltern  der  Bestände.  Die  detaillierte  Betrachtung  dieses  Gegen- 
standes fällt  in  das  Gebiet  der  Holzmesskunde,  weshalb  hier  die  Mitteilung  der  Ertrags- 
tafeln selbst  und  der  daraus  abgeleiteten  Zuwachsgesetze  unterbleiben  muss. 

Die  auf  experimentellem  Wege  durch  unmittelbare  Messung  zahlreicher  Bestände 
gefundenen  Zahlen  der  Ertragstafeln  geben  den  Zuwachs  der  normal  beschaffenen,  voll- 
kommen gleichartig  bestockten  und  ganz  geschlossenen  Bestände  an.  Die  wirklichen 
Wälder  sind  aber  in  der  Regel  sowohl  hinsichtlich  der  Holzartenmischung,  als  auch 
der  sonstigen  Bestockungsart  von  einer  normalen  Beschaffenheit  mehr  oder  weniger 
entfernt.  Es  ist  daher  von  Interesse,  die  durchschnittlichen  Materialerträge  der  Forst- 
wirtschaft grösserer  Gebiete  kennen  zu  lernen,  weil  diese  aus  den  wirklichen  Betriebs- 
ergebnissen vieler  Jahre  und  zahlreicher  Verwaltungen  statistisch  hergeleitet  sind,  also 
die  nachhaltigen  Erträge  des  konkreten  Waldes  deutlicher  erkennen  lassen,  wie  die 
Ertragstafeln.  In  nachstehender  Tabelle  (S.  86)  sind  diese  statistischen  Daten  aus 
verschiedenen  Ländern  zusammengestellt. 

Aus  diesen  Ertragsziffern  ergiebt  sich,  dass  im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  die 
Staatswaldungen  der  grösseren  deutschen  Staaten  eine  sehr  bemerkbare  Steigerung  des 
Materialertrages  aufweisen,  was  sowohl  auf  einer  sorgfältigeren  Kultur  aller  Blossen 
und  Gedungen  als  auch  auf  vermehrtem  Nadelholzanbau  und  Wahl  ertragsreicherer 
Umtriebszeiten  beruht.  Die  Schwankungen  in  den  Erträgen  ergeben  sich  meistens  durch 
Sturmschäden  und  andere  Katastrophen,  während  in  Preussen  seit  1866  durch  den  Zu- 
tritt der  neuen  Provinzen  eine  nachhaltige  Besserung  der  Ertragsverbältnisse  erfolgte. 
In  welchem  Grade  die  Holzarten  den  Ertrag  beeinflussen,  zeigt  die  württembergische 
Statistik,  wo  pro  Jahr  und  ha  gerechnet: 


86 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


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0000000000000000000000 

CO»f^»^i^»^4^>^rf^^i^»^|^4^Cr(00COCO00COCOtOtO 


Od  OS  Od  O»  O»  Cn 


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Od»^4^00lNSi^CdOOCOC;ii--'Od(N5 


»fik»^c;TOd»p^t^»fwodCr<»Pk)fk»^»l^c;tt^>^coco»^cocoi>o 

OtOOOdtOOdOdCOOtOOdOOOrOi— ^«^COCOOOtOOOOdCO 

^-«•^i--'00cocooood«acoco^OdOoco>>3<i4^0H^H^->a 


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Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  37.  87 

1882  1883 

Derbholz       inkl.  Keisig  Derbholz       inkl.  Reisig 

die  Laubholzgebiete    2,85  fm        4,26  fm  3,07  fm         4,74  fm 

die  Nadelholzgebiete  5,24    „         5,99    „  5,41    „  6,23    „ 

abgeworfen  haben. 

Bezüglich  der  übrigen  Länder  möge  noch  beigefügt  werden,  dass  in  der  Seh  weiz^*^) 
die  Staatswaldungen  durchschnittlich  4,75  Festmeter  pro  ha 

die  Gemeinde-  und  Genossenschaftswaldungen  „  3,57        „  „     „ 

die  Privatwälder  „  3,37         „  „     „  ertragen. 

Hiebei  sind  die  Maximader  Erträge  in  den  Staatsforsten  6,7       „  „     „  (St.  Gallen) 

„  Minima    „         „        „     „  „  2,0       „  „     „  (Unterwaiden). 

In  Oesterreich  sind  die  Erträge  nach  dem  statistischen  Jahrbuche  des  k.  k. 
Ackerbau-Ministeriums  vom  Jahre  1895  ^^^)  für  die  Waldungen  aller  Besitzeskategorien 
ein  jährlicher  Gesamt-Holzertrag  pro  Hektar  und  Jahr  in  Festmetern  folgende: 

Niederösterreich    3,13  cbm  Tirol  1,99  cbm 

Oberösterreich       3,56     „  Böhmen       2,39     „ 

Salzburg  2,55     „  Mähren        3,12     „ 

Steiermark  3,22     „  Schlesien      3,56     „ 

Kärnten  3,29     „  Gaüzien       3,60     „ 

Krain  2,00    „  Bukowina     2,84     „ 

Küstenland  1,72     „  Dalmatien     1,15     „ 

Die  bezüglichen  Angaben  für  Ungar n^^**)  ergaben  als  katasterraässige  Durch- 
schnittserträge  für  die  sämtlichen  Wälder: 

Betriebsarten:  Hoch-     Mittel-     Nieder-     Durchschnitt 

wald  cbm  pro  ha 

für  Eichen  (Q.  pedunc.  und  sessilifl.)  3,04      2,99        2,55  2,80 

^    Zerreichen  (Q.  Cerris)  3,02  2,48  2,74 

„    Rotbuchen  mit  Hainbuchenmischnng  2,78      2,92        2,61  2,71 

^    Birken  2,45      3,68        3,49  3,35 

,    Roterlen  2,57      3,64        3,85  3,68 

,    Eschen,  Ulmen  und  Ahorn  3,40  2,74  2,97 

^    Fichten  4,24        .  4,24 

„    Weisstannen  4,25  .  4,25 

„    Kiefern  (Pin.  silv.)  mit  Schwarzkiefern  (P.  laricio)  3,58  3,58 

„    Lärchen  3,61         . 3,61 

Im  Mittel  des  ganzen  Landes  3,07 

Hiebei  sind  0,38<>/o  der  Gesamtflächen  I.  Standortsgüte,  8,21^0  gehören  der  ü.,  38,99^0 
der  IIL,  39,10^0  der  IV.,  ll,47«/o  der  V.  und  1,85^0  der  VI.  Standortsgüte  an. 

In  Frankreich  war  nach  den  Erhebungen  vom  Jahre  1876  der  Jahresertrag 
an  Holz  pro  ha  Holzboden: 


127)  Nach  V.Berg  „Mitteilungen  über  die  forstl.  Verhältnisse  in  Elsass-Lothringen". 
Strassburg  1883.  S.  163. 

128)  Nach  dem  Spezial-Katalog  der  Ausstellung  für  Forstwirtschaft  in  der  schweizeri- 
schen Landesausstellung  1883. 

129)  Statist.  Jahrbuch   des  k.  k.  Ackerbau-Ministeriums  für  1895.     Hof-  und  Staats- 
druckerei.  S.  58. 

130)  Nach   Bedö    „Die   wirtschaftliche   und   commerzielle   Beschreibung   der  Wälder 
üngains".     Budapest  1885.  I.  Bd.  S.  277. 


88  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

in  den  Staatsforsten  in  den  Kommunaltorsten 

durchschnittlich  3,515  Festmeter  2,854  Festmeter 

und  zwar  ertrugen 


über          5  cbm 

pro  ha    7,8o/o  der  Staatswaldfläche, 

8,2^0  der  Kommunal  waldfläche 

zwischen  4 — 5  „ 

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Im  allgemeinen  zeigen  obige  Materialerträge,  dass  die  durchschnittliche  Stand- 
ortsgüte der  einzelnen  Länder  folgenden  Bonitäten  der  Burckhardt'schen  Normal ertrags- 
tafeln  annähernd  entspricht,  wenn  man  den  Haubarkeits-Durchschnittsertrag  bei  lOO 
Jahren  als  Massstab  benützt: 

Preussische  Staatsforete 

bayerische  „ 

W'ürttembergische  „ 

badische  und  sächsische    ^ 
elsass-lothringische  „ 

Mähren  und  Kärnten,  Gesamtwald 

Ober-  u.  Niederösterreich,  Schlesien        „ 
Böhmen,  Salzburg  und  Steiermark  „ 

Tirol  und  Krain  „ 

Galizien  und  Bukowina  „ 

Frankreich,  Staatsforste 
„  Kommunalforste 

§  38.  Die  Rohstoff-Erzeugung  in  der  Forstwirtschaft  ist,  wie  bereits  gezeigt, 
als  eine  allmähliche  Aufspeicherung  derjenigen  organischen  Stoffe  aufzufassen,  welche 
den  alljährlich  sich  summierenden  chemischen  Arbeitsleistungen  des  Sonnenlichtes  ihren 
Ursprung  verdanken.  Die  im  vorstehenden  berechneten  Wärme-  und  Kraftvorräte,  welche 
in  einem  100jährigen  Holzbestande  enthalten  sind  und  die  durch  dessen  Verbrennung  frei- 
gemacht w^erden  können,  sind  die  Summen  derjenigen  Anteile  von  100  Sommerwämien, 
welche  das  Chlorophyll  der  Blätter  in  jeder  Vegetationsperiode  zu  chemischer  Energie  zu 
fixieren  vermochte.  Diese  Summierung  von  Kraft  aus  zeltlich  weit  auseinander  liegen- 
den Perioden,  die  oft  das  durchschnittliche  Menschenalter  um  ein  mehrfaches  übertreffen, 
ist  charakteristisch  für  den  Produktionsgang  in  der  Waldwirtschaft  und  unterscheidet 
sie  namentlich  scharf  von  der  Landwirtschaft,  die  meistens  alljährlich  die  Produkte  der 
abgelaufenen  Vegetationsperiode  erntet.  Aus  diesem  Grunde  spielt  die  Zeit  eine  so 
wichtige  Rolle  in  der  Erörterung  der  Ziele  der  Forstwirtschaft  und  in  der  Bemessung: 
ihrer  Ergebnisse.  In  dem  ungestörten  Wirken  der  Natur  im  Urwalde  ist  die  Lebens- 
dauer der  Bäume  begrenzt  durch  die  elementaren  Gewalten  der  Stürme,  welche  die 
überalten,  oft  schon  von  Fäulnis  oder  von  Insekten  angegriffenen  Stämme  niederwerten 
und  so  einer  jungen  aus  Samen  nachwachsenden  Generation  von  Bäumen  Platz  machen. 
Im  wirtschaftlich  behandelten  Walde  aber  ist  die  Bestimmung  der  Hiebsreife  der  Bäume 
oder  ganzer  Bestände  wesentlich  durch  Erwägungen  wirtschaftlicher  Natur  geleitet. 
Der  Gebrauchswert,  den  die  einzelnen  Holzarten  bei  verschiedenen  Alt«i*sstufen  für  die 
Befriedigung  menschlicher  Bedürfnisse  haben,  sowie  die  Rücksichten  auf  billige,  zweck- 
mässige Verjüngung,   endlich  der  Wunsch  nach  möglichst  baldigem  Fruchtgenuss  und 


Die  natürlichen  Produktionsfaktoren  der  Forstwirtschaft.     §  38.  89 

sonstige  oft  nur  lokale  Kücksichten  (bei  Servituten,  Weide  u.  s.  w.)  bilden  die  Ursachen, 
weshalb  man  planmässig  die  gleichartigen  Bestandsformen  in  einem  Walde  ein  bestimm- 
tes Durchschnittsalter  erreichen  lässt.  Das  Zeitintervall  von  der  Bestandesbegründung 
bis  zum  mittleren  Abtriebsalter  heisst  die  Um  trieb  sze it.  Kommen  in  einer  Wal- 
dung verschiedene  Holzarten  räumlich  von  einander  getrennt  oder  verschiedene  Betriebs- 
arten vor,  so  veranlasst  dies  häufig  die  Einführung  zweier  oder  mehrerer  verschiedener 
Umtrlebszeiten  neben  einander,  von  denen  jede  einen  gewissen  Flächenteil,  eine  gewisse 
Anzahl  Bestände  umfasst  und  man  nennt  einen  solchen  Verband  von  Beständen  mit 
einerlei  Umtriebszeit  eine  Betriebsklasse.  Je  nach  der  Waldgrösse  und  nach  den 
wirtschaftlichen  Interessen  der  Besitzer  erfolgen  nun  die  Holzemten  entweder  nur  g  e- 
legentlich  bei  eintretendem  Bedarf,  bei  dringender  Hiebsreife  und  sonstigen  Ver- 
anlassungen ,  oder  es  werden  planmässig  alljährlich  Nutzungen  aus  den  ältesten 
Beständen  entnommen;  den  ersteren  Nutzungsgang  heisst  man  aussetzenden  Be- 
trieb, den  zweiten  aber  Nachhaltsbetrieb. 

Für  den  Forstbetrieb  im  grossen  Massstabe,  wie  ihn  der  Grossgrundbesitz,  der 
Gemeinde-  und  Staatswaldbesitz  repräsentiert,  ist  die  auf  das  Prinzip  der  Nachhaltig- 
keit gegründete  Forstwirtschaft  eine  gewisse  Notwendigkeit,  von  der  man  sich  prinzi- 
piell nicht  ungestraft  entfernen  darf,  die  aber  in  bezug  auf  die  strenge  Durchführung 
der  Gleichheit  der  jährlichen  Nutzungsgrössen  gewisser  Modifikationen  fähig  ist.  Man 
versteht  in  diesem  Sinne  unter  Nachhaltigkeit  das  wirtschaftliche  Postulat,  dass 
eine  gewisse  Fläche  dauernd  der  Holzproduktion  dienen  soll,  indem  alle  Flächenteile 
nach  der  Holzernte  wieder  mit  Holzpflanzen  bestockt  werden,  und  dass  der  Nutzungs- 
gang so  eingerichtet  werde,  damit  die  alljährlich  im  ganzen  Walde  sich  erzeugende 
Zuwachsmasse  in  Form  eines  gleich  grossen  Quantums  haubaren  Holzes  vom  normalen 
Alter  der  Umtriebszeit  zur  Nutzung  komme.  Die  Nachhaltigkeit  verlangt  also  die  Her- 
stellung des  Gleichgewichtes  zwischen  Erzeugung  und  Nutzung,  also  die  Stabilität  des 
einer  jeden  Umtriebszeit  entsprechenden  stehenden  Holzvorratsquantums  im  normal  be- 
schaffenen Walde. 

Das  Gegenteil  einer  nachhaltigen  Wirtschaft  heisst  man  Raubbau  und  versteht 
darunter  eine  solche  Waldbehandlung,  welche  das  Gleichgewicht  zwischen  Zuwachs  und 
Nutzung  stört,  indem  entweder  die  Holzernten  über  das  Mass  des  nachhaltigen  Ertrages 
dauernd  gesteigert  werden  und  dadurch  den  stehenden  Vorrat  aufzehren  oder  indem 
die  Wiederverjüngung  der  Schlagflächen  unterlassen  oder  geschädigt  wird,  oft  auch  in- 
dem die  Produktivität  des  Bodens  durch  Entfernung  der  Streu  oder  des  Humus  dauernd 
sinkt.  Da  die  bereits  vorhandenen  Holzbestände  ein  Produkt  vieljähriger  Vegetations- 
perioden der  Vergangenheit  sind,  so  erfordert  die  Erziehung  haubarer  Bestände  von 
Umtrlebszeiten,  die  6  —  8  Dezennien  übertreffen,  eine  konsequent  durch  2 — 3  Generationen 
von  Waldbesitzern  durchgeführte  Sparsamkeit  und  Enthaltsamkeit,  weil  auch  die  noch 
nicht  ganz  hiebreifen  Bestände  einen  Gebrauchswert  haben  und  von  dem  Besitzer  nur 
mit  einer  gewissen  Uneigennützigkeit  und  moralischen  Aufopferung  seinem  Besitznach- 
folger  intakt  übergeben  werden  können.  Diese  Selbstverleugnung  oder  konservative 
Tendenz  wird  bei  den  kleinen  Waldbesitzern  zwar  oft  durch  die  Ortssitte  und  eine 
Hervorkehrung  des  eigenen  behäbigen  Wohlstandes  in  einem  ansehnlichen  Holzvorrat 
begünstigt,  häufiger  aber  zwingen  wirtschaftliche  Notlage,  momentaner  Geldbedarf, 
Missernten  und  andere  Kalamitäten  die  Besitzer  zum  Gegenteil,  zur  Antizipierung  künf- 
tiger Holznutzungen  und  zum  Verlassen  der  wirtschaftlichen  Nachhaltigkeit,  womit 
gewöhnlich  der  Ruin  dieser  Wälder  eingeleitet  ist. 

Die  Nachhaltigkeit  der  Waldbenutzung  ist  als  Prinzip  für  die  Staatsforsten  in 
der  Regel  durch  die  Staatsgi'undgesetze  und  Verfassungen  sanktioniert,  für  Gemeinde- 


90  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

und  Körperschafts-,  Institaten-  und  sonstige  Fondsforste  meistens  ebenfalls  mit  Gesetzes- 
kraft verfügt  and  beruht  bei  Fideikommissen  und  Nutzniessem  auf  privatrechtlichen 
Bestimmungen.  Praktisch  durchführbar  ist  aber  eine  auf  Nachhaltigkeit  gegründete 
Wirtschaft  nur  auf  Grund  sorgfältiger  Ertragsermittlungen  und  einer  planmässigen 
Ordnung  des  ganzen  Nutzungs-  und  Verjüngungsbetriebes,  weshalb  die  Aufstellung  von 
Wirtschaftsplänen  und  deren  konsequente  allmähliche  Durchführung  die  erste 
Voraussetzung  einer  rationellen  und  geordneten  Wälderbewirtschaftung  bildet. 

Wenn  man  seinen  Blick  über  die  Grenzen  der  Staats-  und  der  unter  staatlicher  Auf- 
sicht stehenden  Waldungen  hinaus  auf  die  zahlreichen  Privatwälder  richtet,  wenn  man 
ferner  die  Konsum  Verhältnisse  des  In-  und  Auslandes  ins  Auge  fasst,  so  erhebt  sich 
von  selbst  die  Frage,  wie  verhält  sich  die  Gesamtproduktion  an  Holz 
zu  dem  Gesamtverbrauche  innerhalb  eines  grösseren  Ländergebietes.  Diese 
Frage  hat  schon  im  XVIII.  Jahrhundert,  wie  im  Eingange  erwähnt,  die  Geister  be- 
schäftigt und  fand  ihren  Ausdruck  in  der  damals  allgemein  verbreiteten  Befürchtung 
eines  kommenden  Holzmangels.  In  neuester  Zeit  ist  diese  Frage  wieder  angeregt  wor- 
den durch  ein  Referat  des  Forstinspektors  M61ard  beim  internationalen  Forstkongress 
zu  Paris  1900  über  „die  Nutzholzproduktion  der  Welt".  Derselbe  stellte  auf  Grund 
der  Zollstatistik  die  Ein-  und  Ausfuhrmengen  an  Nutzholz,  welche  die  einzelnen  Länder 
im  Jahre  1898  und  zum  Teil  1894 — 98  verzeichneten,  zusammen  und  suchte  so  eine 
Bilanz  des  Importes  und  Exportes,  zugleich  aber  auch  ein  Bild  des  internationalen 
Holzhandels  in  dieser  Branche  zu  entwerfen.  So  betrachtet  teilen  sich  die  einzelnen 
Länder  in  zwei  Gruppen:  1.  die  vorwiegend  Nutzholz  verbrauchenden  und  2.  die  über- 
wiegend solches  ausführenden  Länder.  Zu  der  ersteren  Gruppe  gehören  England  mit 
ca.  12  Millionen  Festmeter  Nutzholz-Deüzit  pro  Jahr,  Deutschland  mit  7,4  Millionen  cbm, 
Belgien  mit  ca.  1,5  Millionen  cbm,  Frankreich  mit  2V3  Millionen  cbm,  Italien  mit  0,7 
Mill.  cbm,  woran  sich  noch  Spanien,  Portugal,  Holland,  Dänemark,  Schweiz,  Griechen- 
land, Serbien,  Bulgarien  und  von  aussereuropäischen  Ländern  die  Kapkolonie,  Argen- 
tinien, China  und  Japan  anreihen,  deren  Mehr-Einfuhr  sich  nur  annähernd  berechnen 
lässt.  Insgesamt  haben  diese  Länder  einen  Mehrbedarf  an  Nutzholz  im  Werte  von 
943,9  Millionen  Mark  pro  Jahr.  Die  Gruppe  der  überwiegend  Nutzholz  exportierenden 
Länder  setzt  sich  zusammen  aus  Oesterreich-lTngarn  mit  einem  Ueberschusse  der  Aus- 
fuhr von  ca.  5,3  Millionen  cbm  Nutzholz,  Schweden  mit  ca.  6,4  Millionen  cbm,  Kuss- 
land mit  7,3  Millionen  cbm,  Finnland  mit  3,3  Millionen  cbm,  Norwegen  mit  ca.  1,5  Mil- 
lionen cbm,  wozu  noch  Canada,  die  Ver.  Staaten  von  N.-Amerika,  britisch  Indien  und 
Rumänien  hinzutreten,  deren  Export  sich  nicht  nach  cbm  schätzen  lässt;  dem  Werte 
nach  ist  insgesamt  der  Ausfuhr-Üeberschuss  dieser  Länder  auf  728,3  Millionen  Mark 
geschätzt.  —  Das  Bedenkliche  ist  einerseits  die  starke  Progression,  in  welcher  die 
grossen  Industriegebiete  ihre  Einfuhr  steigern  (z.  B.  England  von  3,8  Millionen  cbm 
im  Jahre  1860  auf  10,2  Millionen  cbm  im  Jahre  1890  und  12,5  Mill.  cbm  im  Jahre 
1898),  anderseits  die  Abnahme  oder  wenigstens  das  Beharren  der  Ausfuhr  in  den  meisten 
Ländeni  der  zweiten  Gruppe. 

Diese  Frage  hat  mittlerweile  verschiedene  Gegenäusserungen  hervorgerufen,  welche 
sich  teils  auf  den  pessimistischen  Standpunkt  M61ard^s  stellen,  teils  aber  eine  optimisti- 
schere Perspektive  eröffnen,  insofeme,  als  die  Produktions- Verhältnisse  grosser  Gebiete 
z.  B.  Russlands  noch  einer  erheblichen  Steigerung  bezw.  Erschliessung  fähig  sind  und 
sich  durch  die  Statistik  jetzt  nur  unvollkommen  darstellen  lassen,  so  dass  die  Frage, 
ob  die  Weltwirtschaft  gegenwärtig  im  Zustande  eines  reinen 
Raubbaues  an  Nutzholz  befinde,  noch  als  eine  oifene  zu  betrachten  ist,  da 
sie  erst  durch  eine  genauere  Produktionsstatistik  beantwortet  werden  kann. 


Die  menschliche  Arbeit  als  Produktionsfaktor  in  der  Forstwirtschaft.     §  39.         91 

2.  Die  mensehllche  Arbelt  als  Produktionsfaktor  In  der  Forstwirtschaft. 

§  39.  Die  Naturkräfte,  welche  sich  am  Assimilations-  und  Wachstumsprozesse 
der  Pflanzen  beteiligen,  bewirken  für  sich  allein  noch  keine  Produktion  in  wirtschaft- 
lichem Sinne,  vielmehr  geschieht  dies  erst  durch  den  Aufwand  menschlicher 
Arbeitskraft,  welche  auf  die  Befriedigung  menschlicher  Be- 
dürfnisse gerichtet  ist.  Aber  der  Grad  dieses  Arbeitsaufwandes  ist  in  den 
vei*schiedenen  Betriebsarten  der  Forstwirtschaft  ein  sehr  verschiedener,  je  nachdem  sie 
sich  mehr  der  rohen  Form  primitiver  Okkupation  nähern  oder  den  arbeitsintensiveren 
landwirtschaftlichen  Betrieben  nachgebildet  sind,  wie  z.  B.  der  Schälwaldbetrieb,  die 
Weidenheeger-,  die  Waldfeldbau-Wirtschaft.  Im  allgemeinen  ist  es  ein  schon  seit  langer 
Zeit  anerkannter  Grundsatz,  dass  der  Waldbau  zu  den  extensiveren  Formen  der  Boden- 
bewirtschaftung gehöre  ^^^),  d.  h.  dass  er  vermöge  seines  langsamen  Produktionsganges 
nicht  den  Aufwand  von  viel  Arbeit  verlohne,  aber  auch  ohne  Düngung,  Bodenbearbei- 
tung und  alljährlichen  Aufwand  an  Saatgut  etc.  Erträge  abwerfe. 

Während  in  den  extensivsten  Formen  der  Exploitation  grosser  Waldgebiete,  wie 
sie  z.  B.  in  Canada  betrieben  wird,  nur  die  Arbeitsaufwendungen  für  Zugutemachung 
und  Transport  der  Hölzer  in  Betracht  kommen,  findet  in  der  auf  Nachhaltigkeit  der 
Nutzung,  d.  h.  Wiedererzeugung  von  Beständen  an  der  Stelle  der  abgeholzten,  basierten 
geregelten  Forstwirtschaft  eine  Reihe  von  hierauf  gerichteten  Arbeitsteilen  von  Kultur- 
tätigkeit, Bestandespflege  und  Wegebau  Anwendung,  und  in  Kulturländern  mit  einiger- 
inassen  dichter  Bevölkerung  wird  man  in  der  Regel  ausserdem  die  technisch  höher 
stehenden  Arbeitsleistungen  für  Schutz  und  für  die  Betriebsführung  nebst  sämtlichen 
Administrations-Geschäften  entwickelt  finden.  Um  eine  beiläufige  Vorstellung  von  dem 
Arbeitsquantum  zu  geben,  welches  im  grösseren  Forsthaushalte  erfordert  wird,  führe 
ich  nachstehende  Angaben  verschiedener  Schriftsteller  an: 

Nach  Hundeshagen^^^)  kommen  durchschn.  auf  je  1  qkm  (=  100  ha)  Hochwald  235  Arbeitstage 
„    Frhr.v.Berg^^^jimTharanderRev.  „    „      „  „        567        „ 

„   demselben  im  Kupferhütter  Reviere  „    „       „  „        925        „ 

,   Bernhardt"*)  bei  Hochwaldbetrieb  „    „       „  „       ^625        „ 

^  49  Fuhrlohnt. 
.,    demselben  bei  Haubergswirtschaft    „    „       „  „      1390  Arbeitstage 

Andere  Erfahiiingssätze ^*^)  liegen  aus  der  Tuchler  Heide  von  75 516  ha  Grösse 
vor;  daselbst  sind  ständig  beschäftigt  141  Schutzbedienstete,  Aufseher  und  Wald  Wärter, 
ca.  1100  Waldarbeiter,  110  Fuhrleute,  35  Arbeiterinnen,  in  Sa.  1386  Personen  ständig. 
Nebenerwerb  beziehen  805  Taglöhner,  260  Holzfuhrleute,  2300  Sammler  von  Raff-  und 


131)  Interessant  und,  wie  mir  scheint,  wenig  bekannt  ist  ein  hierauf  bezüglicher  merk- 
würdiger Ausspruch  des  bekannten  Naturforschers  M.  de  BuflFon  in  seinem  Memoire  sur  la 
cnlture  des  for6ts  (Eist,  de  l'Acad.  Roy.  annöe  1742)  S.  238,  worin  er  nach  Schilderung 
der  Misserfolge,  die  er  mit  dem  Aufwand  von  viel  Bodenbearbeitung  in  seinen  Eichenkulturen 
hatte,  wörtlich  also  fortfährt: 

„Je  Tai  dit  et  je  le  r^p^te,  on  ne  peut  trop  cultiver  la  terre  lorsqu'elle  nous  rend 
tous  les  ans  le  fruit  de  nos  traveaux ;  mais  lorsqu'il  faut  attendre  vingt-cinq  ou  trente  ans 
pour  jouir,  lorsqu'il  faut  faire  une  d^pense  consid6rable  pour  arriver  ä  cette  jouissance,  on 
a  raison  d'examiner,  on  a  peut-6tre  raison  de  se  d^goüter.  Le  fonds  ne  vaut  que  par  le 
revenu,  et  quelle  difförence  d'un  revenu  annuel  k  un  revenu  6loign6,  mtoe  incertain!" 

Ist  hier  nicht  der  Grundgedanke  der  Reinertragstheorie  klar  ausgesprochen? 

132)  Hundeshagen  „Encyklopädie  der  Forstwissenschaft".     Tübingen  1835. 

133)  V.  Berg  „Staatsforstwirtschaftslehre".     Leipzig  1850. 

134)  Bernhardt  „Waldwirtschaft  und  Waldschutz".     Berlin  1869. 

135)  „Der  Wald  und  die  Arbeiter".     (Nordd.  Allg.  Ztg.  März  1884). 


92  I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Leseholz,  Beeren  und  Pilzen,  360  Sammler  von  Gras  und  620  von  Kiefernzapfen.  Da- 
gegen beschäftigt  die  Oberförsterei  Köpenik  bei  Berlin  mit  ca.  8000  ha  Wald  520  stän- 
dige und  nicht  ständige  Waldarbeiter,  sowie  2260  Sammler  von  T^eseholz,  Streu  und 
Zapfen.  In  der  Forstinspektion  Schleusingen,  22  845  ha  gross,  finden  45  Schutzbedien- 
stete, 481  Waldarbeiter,  164  Holzfuhrleute  ihre  Haupterwerbsquelle,  während  722  Tage- 
löhner, 171  Fuhrwerke  einen  Nebenerwerb  erhalten,  wie  dies  ausserdem  bei  7200  Samm- 
lern von  allerlei  Nebennutzungen  der  Fall  ist.  Insgesamt  beteiligen  sich  also  8783 
Personen  an  Arbeitsleistungen  im  Walde,  wobei  allerdings  ein  grosser  Teil  nur  im 
gewonnenen  Produkte  selbst  seine  Entlohnung  findet. 

Alle  diese  Beispiele  beziehen  sich  nur  auf  Staatsforste;  im  kleinen  Privatbesitze 
gestaltet  sich  das  Verhältnis  insofern  wesentlich  anders,  als  die  bezahlte  Lohnarbeit 
daselbst  sehr  oft  ganz  wegfällt,  indem  der  Besitzer  mit  seinen  Familienangehörigen 
alle  Geschäfte  selbst  verrichtet  und  die  geemteten  Produkte  in  seiner  eigenen  Haus- 
wirtschaft konsumiert.  Eine  solche  Waldwirtschaft  im  kleinsten  Massstabe  bietet  dann 
das  Bild  der  reinen  Naturalwirtschaft,  während  sich  in  der  Gemeindewirtschaft  die 
mannigfaltigsten  Uebergangsformen  von  dieser  durch  Losholzgenuss  und  Fronarbeit 
aller  Empfangsberechtigten  charakterisierten  Wirtschaft  zur  Geldwirtschaft  mit  freiem 
Verkauf  der  Produkte  und  Lohnarbeit  vorfinden  —  erstere  herrscht  mehr  in  den  rein 
bäuerlichen  Gemeinden,  letztere  in  Fabrikorten.  Ihrer  Qualität  nach  ist  die  Arbeit  im 
Forstbetriebe  grösstenteils  eine  schwere,  die  grosse  körperliche  Rüstigkeit  vom  Arbeiter 
verlangt,  um  während  der  rauhen  Jahreszeit  die  beschwerliche  und  zuweilen  gefahrvolle 
Fällung  und  Bringung  bewerkstelligen  zu  können;  hiebei  ist  besonders  zu  beachten, 
dass  die  Witterung  der  Kontinuität  der  Arbeit  hinderlich  ist  und  viele  Tage  im  Jahr 
die  Arbeit  stocken  muss.  Auch  die  weiten  Wege  von  den  Ortschaften  zur  Arbeitsstelle 
im  Walde  veranlassen  viel  Verlust  an  Zeit  und  Kraft.  Hiezu  kommt,  dass  die  Wald- 
arbeit nicht  in  gleichem  Verhältnisse  bezüglich  der  Löhne  gestiegen  ist  wie  die  meisten 
übrigen  Kategorien  der  Arbeit,  indem,  wie  Fribolin  für  Württemberg  nachwies,  inner- 
halb der  Zeit  von  1847—73  der  Lohn  gewöhnlicher  Tagelöhner  um  lOö^o,  jener  der 
Waldarbeiter  im  Taglohn  nur  um  63^0,  bei  Akkordarbeit  aber  nur  um  43^0  stieg. 
Analog  war  das  Verhältnis  in  Westfalen,  wo  z.  B.  in  Arnswalde  seit  1822 — 71  der 
Lohn  der  Holzspalter  um  100*^/o,  der  Maurer  um  75^0,  hingegen  der  Waldarbeiter  nur 
um  337o  zugenommen  hat. 

Ausser  den  schweren  Fällungsarbeiten  finden  noch  eine  Reihe  leichterer  Beschäf- 
tigungen bei  Kulturen  u.  dgl.  statt,  wo  Frauen-  und  Kinderarbeit  zulässig  ist,  um  an 
Kosten  zu  sparen  und  um  der  ärmeren  Klasse  in  den  W^alddörfern  Gelegenheit  zum 
Verdienst  zu  geben. 

Wegen  der  grösstenteils  mit  Gefahren  verknüpften  Holzföllung  und  Bringung  ist 
es  sehr  ratsam,  durch  umfassende  Versicherungsanstalten  die  Mittel  parat  zu  stellen, 
um  bei  voraussichtlich  eintretenden  Unfällen  nach  Möglichkeit  Hilfe  gewähren  zu  können, 
weshalb  schon  seit  alter  Zeit  Kranken-  und  Unterstützungskassen  im  grossen  Forst- 
betriebe üblich  sind,  während  die  reichsgesetzliche  Regelung  der  Invaliditäts-Unter- 
stützung einen  gleich  humanitären  Zweck  erstrebt. 

§  40.  Auch  in  der  Staatsforstwirtschaft  sind  in  Form  der  Servituten 
und  Vergünstigungen  noch  viele  Reste  der  Naturalwirtschaft  bestehen  geblieben,  ins- 
besondere in  den  Alpen  und  einzelnen  grossen  Wald  gebieten,  d.  h.  wenn  man  nicht  das 
Rechtsverhältnis  als  solches,  sondern  den  wirtschaftlichen  Vorgang  bei  der  Nutzungs- 
teilung ins  Auge  fasst.  In  den  nicht  mit  Berechtigungen  belasteten  Waldungen  da- 
gegen geben  mit  Ausnahme  der  Leseholznutzungen  u.  dgl.  die  Lohnabrechnungen  ge- 
naue Aufschlüsse  über  die  Höhe  der  für  die  verschiedenen  Arbeitsteile  gemachten  A  u  f- 


7?  5J 


Die  menschliche  Arbeit  als  Produktionsfaktor  in  der  Forstwirtschaft.     §  40.  93 

Wendungen  an  Arbeit.  Sammarisch  kann  man  dieselben  nach  Dr.  Danckelmann ^^^) 
im  Anfange  der  1880er  Jahre  für  Holzhauerlöhne,  Kulturarbeiten  und  Wegebau  an- 
nehmen : 

in  Preussen  =    5,2  M.  pro  ha  und  Jahr, 

„  Sachsen  =    6,5    „     „      „      „         „ 

„  Elsass-Lothringen    =zz    9,1    „     „      „ 
„  Württemberg  z=  12,6    „     „      „ 

„  Baden  —  13,2    „     „      „ 

Indessen  ist  ein  Vergleich  dieser  Zahlen  unter  sich  nur  mit  grosser  Vorsicht  möglich, 
weil  in  allen  gebirgigen  Gegenden  die  Holzbringungs-  und  Triftkosten,  welche  eigent- 
lich nur  eine  Vorauslage  für  den  Käufer  sind,  zweckmässiger  in  Eegie  der  Forstver- 
waltung als  auf  Wag'  und  Gefahr  des  Käufers  gemacht  werden  und  sich  in  höheren 
Preisen  wieder  lohnen.  Die  Ausgaben  pro  ha  steigen  deshalb  mit  der  Intensität  der 
Wirtschaft,  welche  wiederum  von  der  Bevölkerungsdichtigkeit,  Entwicklung  der  In- 
dustrie und  Höhe  der  Holzpreise  wesentlich  bedingt  wird,  wie  dies  z.  B.  die  Angaben 
aus  Preussen  für  das  Jahr  1880/81  beweisen,  wonach  von  den  Gesamtausgaben  für  den 
Forstbetrieb  und  die  Forstverwaltung  auf  das  Hektar  ertragsfilhiger  Fläche  entfielen: 
in  Ostpreussen  M.  8,33,  Westpreussen  8,37,  Brandenburg  8,47,  Pommern  9,65,  Posen 
7,37,  Schlesien  11,60,  Sachsen  12,66,  Schleswig-Holstein  14,80,  Hannover  18,72,  West- 
falen 15,30,  Hessen-Nassau  14,88,  Kheinprovinz  16,45.     (S.  Tabelle  S.  94). 

Um  die  Höhe  der  Ausgaben  in  der  forstlichen  Produktion  zwischen  verschiedenen 
Staaten  zu  vergleichen,  wendet  man  häufig  neben  der  Angabe  pro  ha  auch  jene  in 
Prozenten  der  Brutto-Einnahme  an;  in  diesem  Sinne  waren  die  Ausgaben: 

(Tabelle  siehe  Seite  95.) 
Hieraus  ergiebt  sich  also,  dass  die  Schutz-  und  Verwaltungskosten  beiläufig  7? 
bis  Vßj  jßiie  für  den  Betrieb  ^/4  bis  Vs  der  Eoheinnahme  absorbieren,  übrigens  sind  die 
Zahlen  nicht  immer  direkt  vergleichbar,  weil  in  einzelnen  Staaten  noch  die  Kosten  für 
Forstrechtsablösungen,  forstlichen  Unterricht  und  sonstige  Sparten  unter  den  Forstaus- 
gaben figurieren. 

In  den  Forstbudgets  der  Staaten  werden  diese  verschiedenen  Kosten,  denen  noch 
zahlreiche  Arbeitsteile  von  geringerer  Bedeutung,  z.  B.  Kosten  des  Verkaufes,  der  Gelder- 
hebung, der  Trift,  Holzhöfe,  Insekten- Vertilgung  etc.  beizuzählen  sind,  der  Einfachheit 
halber  jährlich  in  Eechnung  gestellt  und  mit  den  Einnahmen  in  Bilanz  gebracht.  In 
wirtschaftlichem  Sinne  freilich  sind  ein  Teil  dieser  Kosten  als  Kapitalanlagen  zu  be- 
trachten, welche  nur  mit  ihren  Zinsen  event.  auch  mit  einer  Amortisationsquote  an  der 
Produktion  Teil  nehmen.  Bei  Vergleichung  der  Kosten  zwischen  verschiedenen  Ländern 
sowie  bei  Verzinsungs-  und  Rentabilitätsberechnungen  müssen  deshalb  Wegeanlagen 
und  sonstige  Meliorationen,  Errichtung  von  Dienstgebäuden  sowie  Forstrechtsablösungen 
und  dergl.  lediglich  mit  ihrer  laufenden  Verzinsung  den  Brutto-E innahmen  gegenüber 
gestellt  werden,  so  dass  die  budgetmässigen  Zahlen  dazu  nicht  unmittelbar  benutzbar  sind. 
Hinsichtlich  der  forstlichen  Produktionskosten  gilt  selbstverständlich  wie  in  allen 
übrigen  Zweigen  der  Produktion  das  Postulat  der  Wirtschaftlichkeit, 
d.  h.  der  weisen  Zuratehaltung  aller  Aufwendungen  von  Arbeit  und  Vermögensteilen, 
um  den  Zweck  mit  den  möglichst  geringen  Opfern  an  diesen  zu  erreichen.  Diese  nied- 
rigste Grenze  des  wirtschaftlich  zulässigen  Produktionsaufwandes  ist  aber  bei  den  ver- 
schiedenen Intensitätsgraden  der  Wirtschaft  und  den  einzelnen  Betriebssystemen  eine 
sehr  ungleiche,  wie  oben  schon  dargetan  wurde.     Es  ist  daher  eine  der  wesentlichsten 


136)  Dr.  Danckelmann  „Die  Deutschen  Nutzholzzölle".     Berlin  1883,  Springer. 


94 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Porst  Wirtschaft. 


Ausscheidung  der  Ausgaben  nach  den  hauptsächlichsten  Verwendungen. 


C*i._        A       /•               i 

Auf  1  ha  ertragsfähiger  Fläche  entfielen  an  Ausgaben  Mark 

ötaatsforsten 

Gesamte 

1  Gewinnungs-  und                             Waidwege- 
Transportkosten     «•„u.,».!^^«*.*« '     ^^^  ^öd 
von  Holz  u.  anderen  Kulturkosten    ^e^nter- 

in  den  Provinzen 

Jahrgang  Verwaltungs- 

und  Ländern 

und 

Schutzkosten 

Forstprodukten 

haitun  g 

Ostpreussen     .     . 

1880/81" 

"     3,75 

J,«7 

1,03         ,         0,42 

Westpreussen 

« 

3,74 

1,62 

1,01         '          0,42 

Brandenburg    .     . 

n 

3,78 

2,62 

0,97         '          0,43 

Pommern    .    .     . 

n 

4.11 

2,59 

1,23                  0,49 

Posen      .... 

n 

3,99 

1,78 

0,94 

0,09 

Schlesien     .     .     . 

* 

5,08 

3,29 

1,10 

0,78 

Sachsen  .... 

j» 

5,35 

3,90 

1,24 

0,75 

Schleswig-Holstein 

» 

6,10 

3,54 

2,20 

0,41 

Hannover    .     .     . 

9 

6,12 

4,35 

2,93                  0,69 

Westfalen  .     .     . 

» 

6,22 

3,53 

1,75 

1,52 

Hessen-Nassau     . 

j» 

7,02 

3,80 

1,92 

0,43 

Rheinprovinz  .     . 

1» 
1) 

6,80 
4,83 

4,81 

1,91 

2,00 

Preussische  Monarchie 

2,98 

1,41         i          0,59 

Bayern    .... 

1860 

3,59 

.3,31" 

0,63        '          0,50 

»           .... 

1865 

4,21 

3,70 

0,67         '          0,73 

»           .... 

1870 

4,19 

3,90 

0,63                  0,57 

n                 .... 

1875 

5,77 

5.06 

0,89                  0,94 

n                .... 

1879 

6,38 

3,71 

1,07                  1,14 

Württijmberg  .     . 

1871/73 

9,2 

"2,6  ■ 

2,6 

n 

1874/76 

10,0 

2,5 

3,1 

» 

1877/78 

8,7 
3,67 

9,2 
4,25 

2,2 

1,06 

3,3 

Königr.  Sachsen  . 

1850/59 

0,6 

!•                             T 

1 860/69 

4,40 

5,41 

1,01 

0,9 

H                               * 

1870/79 

6,46 

8,11 

1,07 

— - 

2A 

Schutz  allein 

Baden      .... 

1880 

2,14 

7,80 

1,48 

0,87 

^           .... 

1881 

2,19 

7,45 

1,44 

0,72 

71                      .... 

1882 

2,19 

7,79 

1,42 

0,77 

11                       .... 

1883 

2,18 

8,31 

1,48 

1,15 

El  sass- Lothringen 


1872/82 


7,43 


5,98 


1,84 


0,76 


Aufgaben  des  Wirtschafters,  die  Grenzlinie  aufzusuchen,  bis  zu  welcher  einem  vermehr- 
ten Arbeitsaufwand  noch  eine  Einnahme-Erhöhung  entspricht,  was  sowohl  örtlich  als 
zeitlich  sehr  verschieden  ist.  Solche  Erwägungen  und  Berechnungen  leiten  den  Ver- 
walter in  einer  Menge  von  Fragen,  die  im  Betriebe  täglich  an  ihn  herantreten,  z.  B. 
ob  die  Aufarbeitung  durch  den  Käufer  oder  die  Eigengewinnung  in  einem  bestimmten 
Fall  nützlicher,  ob  Stockholzgewinnung  noch  lohnend  sei,  ob  Reisig  in  aufgearbeitetem 
oder  losem  Zustand  zum  Verkauf  kommen  soll,  wann  die  Durchforstungen  zu  beginnen 
haben,  welche  "Wegebauten  luxuriös  oder  dringlich,  welche  Kulturmethoden  rentabel 
seien,  ob  künstliche  oder  natürliche  Verjüngung  den  Vorzug  verdienen  u.  s.  w.  So  oft 
andere  Holzpreise,  andere  Transportentfernungen,  andere  Löhne  supponiert  werden,  wird 
das  Resultat  dieser  wirtschaftlichen  Kalkulationen  ein  anderes  sein,  weshalb  das  eigene 
Denken  des  wirtschaftenden  Personales  nie  durch  Generalregeln  oder  durch  eine  schab- 
ionisierende Forsteinrichtung  ersetzbar  ist.  Selbstverständlich  ist  aber  die  wirtschaft- 
liche Sparsamkeit  nicht  zu  verwechseln  mit  der  absoluten,  welche  um  jeden  Preis 
die  Produktionskosten  vermeidet  und  lieber  die  Mark  Gewinn  opfert,  um  den  Pfennig 
Barauslage  zu  retten. 

§  41.  Die  soeben  betrachteten  Arbeitsleistungen  im  forstlichen  Betriebe  machen 
nach  einer  annähernden  Schätzung  Dr.  Danckelmanns  ca.  83  Millionen  Mark  für  das 
deutsche  Reich  aus.     Es  ist  aber  wohl  zu  beachten,  dass  damit  nur  jene  Arbeiten  ge- 


Die  menschliche  Arbeit  als  Produktionsfaktor  in  der  Forstwirtschaft.     §  41. 


95 


Die  Ausgaben  in 

den  Staatsforsten 

i  in  Prozenten  der  Brutto-Einnahmeu. 

Preussen 

Bayern 

Sachsen 

Württbg. 

Jahr- 

1 
"3 

ihutz 

d 

Itung 

-Ig 

13 

;hutz 

d 

Itung 

2  ^1 

1— < 

hutz 

d 

Itung 

13 

gang 

o 

e  1 

für  Hl 

lohn,  E 

Weg 

•+3 
O 

Eh 

cogp 

Vi         U 
SP          <X> 

für  Hj 

lohn,  B 

Weg 

1 

o 

r^    Ö    SS 

«*-i   t> 

o 
Eh 

1855 

44,9 

21,4 

23,3 

44,1 

20,5 

23,6 

37,3 

12,2 

48,3 

1856  ,   44,1 

19,3 

24,7 

42,1 

18,4 

23,7 

39,3 

12,7 

42,6 

1857 

39,6 

18,5 

21,0 

43,1 

18,5 

24,6 

32,1 

11,0 

38,3 

1858 

42,8 

20,2 

22,5 

44,7 

18,9 

25,8 

32,0 

10,5 

88,4 

1859 

45,0 

21,6 

23,3 

42,9 

18,9 

24,0 

33,5 

11,0 

42,4 

1860 

45,3 

22,1 

23,1 

44,1 

19,2 

25,0 

31,4 

10,5 

33,9 

1861 

41,5 

19,8 

21,6 

36,7 

16,5 

20,2 

30,0 

10,1 

35,8 

1862 

38,1 

17,7 

20,3 

36,7 

16,4 

20,3 

29,1 

9,9 

37,1 

1863 

37,7 

16,9 

20,7 

36,3 

16,0 

20,3 

26,7 

8,9 

35,3 

1864 

37,9 

16,9 

20,9 

37,3 

16,6 

20,7 

27,8 

10,4 

37,2 

1865 

35,4 

15,9 

19,4 

40,4 

20,2 

20,2 

26,9 

10,1 

35,1 

1866 

39,4 

17,4 

21,9 

46,9 

24,7 

22,2 

31,4 

10,2 

45,3 

1867 

42,9 

19,3 

23,5 

42,6 

19,7 

22,9 

29,2 

9,9 

46,8 

1868 

49,6 

19,8 

29,6 

47,1 

17,7 

22,1 

31,6 

10,3 

41,5 

1869 

49,8 

19,5 

30,1 

47,7 

17,1 

24,1 

23,4 

6,4 

44,1 

1870 

47,6 

20,2 

27,2 

38,8 

13,7 

20,7 

34,4 

10,9 

40.9 

1871 

48,6 

20,5 

27,9 

40,1 

13,5 

21,5 

33,2 

10,9 

39,8 

1872 

47,5 

20,4 

26,9 

40,8 

15,2 

20,5 

28,5 

9,8 

37,3 

1873 

44,9 

20,2 

24,5 

41,5 

14,8 

21,2 

24,2 

7,4 

35,3 

1874 

48,9 

22,1 

26,6 

43,6 

15,8 

21,5 

26,0 

8,2 

39,8 

1875 

47,1 

20,9 

26,0 

45,1 

15,9 

22,8 

26,8 

8,9 

37,3 

1876 

50,2 

21,0 

28,9 

44,6 

17,1 

22,4 

31,0 

11,1 

36,7 

1877 

58.2 

24,5 

33,4 

52,4 

20,2 

25,4 

47,9 

17,2 

47,3 

1878 

58,5 

24,5 

33,7 

51,6 

21,3 

24,2 

36,1 

13,2 

42,5 

1879      58,5 

24,5 

22,0 

42,0 

22,9 

27,0 

39,7 

___ 

51,0 

1880 

58,3 

24,5 

21,7 

56,1 

23,0 

25,3 

34,6 

46,7 

1881 

54,2 

22,9 

21,1 

54,8 

22,7 

25,6 

34,1 

—~ 

51,3 

1882 

53,6 

22,4 

21,7 

56,0 

23,3 

25,9 

33,8 

.^ 

49,5 

1888 

56,5 

23,3 

22,5 

54,9 

22,6 

25,7 

32,6 

— 

46,0 

1884 

56,0 

22,3 

21,0 

49,5 

20,6 

23,7 

32,« 

45,3 

1885 

53,5 

20,9 

20,7 

49,6 

20,1 

24,0 

33,0 

— 

43,7 

1886 

54,0 

21,0 

22,3 

49,3 

20,1 

24,2 

34,3 

— 

44,8 

1887 

55,7 

22,0 

22,1 

51,5 

20,4 

25,6 

38,0 

— 

46,5 

1888 

56,0 

22,2 

22,6 

49,0 

19,9 

23,8 

32,6 

— 

43,9 

1889 

52,5 

21,8 

21,2 

48,9 

19,9 

23,7 

32,5 

— 

42,8 

1890 

50,0 

19,6 

20,9 

46,8 

17.7 

22,3 

32,4 

41,4 

1891 

49,9 

21,0 

20,4 

60,8 

16,7 

35,8 

36,3 

— 

43,7 

1892 

52,0 

21,5 

21,7 

57,2 

15,9 

35,9 

38,9 

— 

42,2 

1893 

54,0 

22,4 

22,8 

50,6 

19,5 

24,6 

39,2 

40,4 

1894 

47,5 

18,9      ' 

21,0 

48,1 

18,8 

23,1 

38,0 

40,5 

1895 

57,6 

23,6 

22,6 

49,8 

19,0 

24,3 

37,8 

— 

39,0 

1896 

55,2 

21,6      1 

22,0 

46,4 

15,4 

25,9 

35,7 

— 

39,8 

1897      52,3 

21,9 

19,9 

47,6 

16,6 

25,6 

83,9 

— 

36,8 

1898 

49,5 

20,8 

18,9 

47,0 

16,9 

23,5 

36,7 

35,3 

1899 

49,2 

20,6 

20,4 

47,6 

16,8 

23,9 

38,9 

— 

34,3 

1900 

'" 

45,6 

16,0 

23,5 

34,2 

34,0 

meint  sind,  welche  bis  zum  üebergang  des  Produktes  in  die  Hände  des  Käufers  erfolgen. 
An  sie  schliesst  sich,  insbesondere  bei  den  Nutzhölzern,  erst  eine  umfassende  Verede- 
lungsarbeit an,  welche  den  Eohstoff  so  formt,  wie  er  in  den  Konsum  gelangt.  Zunächst 
ist  schon  das  Transportgewerbe  in  ganz  hervorragender  Weise  an  der  öi*tllchen 
Verteilung  der  Forstprodukte  und  der  Wertbildung  durch  räumliche  Uebertragung  be- 
teiligt.   Es  giebt  wenige  Waren,  bei  denen  die  Transportkosten  einen  ähnlichen  Pro- 


96  I.Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

zentsatz  am  Wert  loco  Eonsamtionsort  ausmachen  wie  bei  dem  Holz,  das  bei  schwie- 
riger Transportierbarkeit  einen  verhältnismässig  niedrigen  Preis  hat.  Bekanntlich  hat 
V.  Thünen  diesen  Einflnss  der  Transportkosten  auf  die  Preisbildung  und  Rentabilität 
der  Forstwirtschaft  eingehend  erörtert  und  auf  Grund  seiner  Berechnungen  der  letzteren 
die  Zone  zunächst  der  Gartenwirtschaft  in  seinem  isolierten  Staate  zugewiesen.  Wie 
bedeutend  die  Quantität  der  Transportleistungen  für  die  Forstwirtschaft  aber  ist,  er- 
giebt  sich  z.  B.  daraus,  dass  das  bayer.  Staatsbahnnetz  durchschnittlich  jährlich  ca. 
IVs  Millionen  cbm  Holz  nach  den  grossen  Konsumtionszentren  befördert,  was  ca.  48**/o 
des  Jahresertrags  der  bayer.  Staatsforste  bedeutet.  Aber  der  Transport  per  Axe  wird 
bei  weitem  übertroflfen  durch  die  gewaltigen  Massen  Holz,  welche  zu  W'asser  verfrachtet 
werden,  indem  z.  B.  auf  der  Weichsel  im  Durchschnitte  der  10  Jahre  1873/82  über 
555000  Tonnen  (ä  1000  kg)  oder  ca.  925000  cbm  jährlich  die  Grenze  bei  Schmalen- 
ingken  passierten,  während  zur  See  in  manchen  Jahren  6 — 7  Millionen  Stück  Bretter 
in  Lübeck  einliefen.  Hieraus  kann  man  sich  ein  Bild  von  der  weitverzweigten  Han- 
dels- und  Transporttätigkeit  machen,  welche  sich  an  den  Vertrieb  dieses 
wichtigen  Rohstoffs  knüpft.  Noch  ungleich  beträchtlicher  aber  ist  der  Arbeitsaufwand 
für  die  industrielle  Veredelung  zu  Halb-  und  Ganzfabrikaten,  der 
das  Erzeugnis  der  W^älder  auf  mechanischem  und  chemischem  Wege  so  umgestaltet, 
wie  es  für  die  Bedürfnisse  der  menschlichen  Kultur  am  geeignetsten  ist.  Die  holzver- 
arbeitenden Gewerbe  und  Industriezweige  beschäftigen  nach  der  Zählung  von  1875  in 
ihren  Hauptbetrieben  583300  Personen  oder  9  Prozent  sämtlicher  Gewerbetreibenden 
überhaupt,  hiervon  trafen 

auf  die  Tischlerei  230510  Erwerbstätige 

auf  das  Zimraennannsgewerbe  122554  „ 

auf  Wagner  und  Stellmacher  47  501  „ 

auf  das  Böttchergewerbe  58542  „ 

auf  Sägmühle-  u.  Imprägnieranstalten       34246  „ 

auf  die  Korbflechtindustrie  30611  „ 

Der  Arbeitsverdienst  dieser  Bevölkerungsklasse  wird  auf  beiläufig  463  Mill.  M.  pro  Jahr 
berechnet,  wobei  aber  die  Holzstoff-  und  Cellulose-Industrie  sowie  der  Schiffbau  und  die 
Zündholzindustrie  noch  nicht  inbegriffen  sind.  Hieraus  folgt  also,  dass  weite  Kreise 
der  industriellen  und  gewerblichen  Einwohner  aufs  lebhafteste  an  einer  sorgfältigen 
Kultur  und  nachhaltigen  Instandhaltung  der  Wälder  interessiert  sind  als  an  der  Quelle 
für  die  Rohmaterialien,  in  welchen  sie  ihre  Arbeitskraft  fixieren  und  verwerten  können. 
Umgekehrt  ist  aber  das  Interesse  der  Waldbesitzer  nicht  minder  auf  die  Mitwirkung 
der  holzverarbeitenden  Industrie  hingewiesen,  denn  nur  durch  diese  Umformung  und 
Zurichtung  werden  die  Produkte  der  Wälder  geeignet,  den  Weltmarkt  aufzusuchen  und 
die  engen  Schranken  des  lokalen  Absatzes  zu  überschreiten.  Dazu  kommt,  dass  in 
einem  dicht  mit  industriellen  Etablissements  versehenen  Lande  die  Vermeidung  weiter 
Wege  und  nutzlosen  Transports  von  wertlosem  Material  (Rinde,  Gipfelholz  etc.  etc.) 
an  den  Kosten  der  Verfrachtung  wesentliche  Ersparnisse  zulässig  sind,  die  dann  durch 
Erhöhung  der  Waldpreise  den  Waldbesitzern  zu  Gute  kommen  und  den  Kapitalwert 
der  Wälder  infolge  der  Gunst  der  Lage  steigern.  Ich  habe  in  dieser  Beziehung  darauf 
hingewiesen  ^^^),  dass  man  für  Deutschland  gegenwärtig  folgende  Steigening  des  budget- 
mässigen  Reinertrages  der  Forsten  ganzer  Provinzen  bei  Zunahme  der  Intensität  der 
Holzindustrie  um  1000  Arbeiter  beobachten  kann: 

in  den  vorwiegend  aus  Buchen  bestehenden  Waldungen  um  0,37  M. 


137)  „Forstwissensch.  Centralblatt"   1884.  S.  85. 


Die  Produkt ionskapitalien  der  Forstwirtschaft  und  ihre  Rentabilität.     §  42.  97 

in  den  vorwiegend  aus  Fichten  bestehenden  Waldungen  um  1,46  M. 
„  „  Kiefern  oder  Mischungen  von  Laub-  und  Nadelholz  „  1,04  „ 
Auch  in  Frankreich  ^3^)  kann  man  eine  Einwirkung  des  Zustandes  der  Holzver- 
arbeitung auf  die  Waldrente  wohl  erkennen,  indem  z.  B.  in  den  Nadelholz  forsten 
der  höchste  Bruttoertrag  pro  ha  mit  216,28  Frcs.  im  Bezirke  Besan^on  (einem  wich- 
tigen Holzhandelsplatz)  erzielt  wurde,  es  folgen  dann  die  Forstbezirke  (conservations) 
Lons  le  Saulnier  mit  172,02,  Nancy  mit  158,93,  Moulins  123,63,  Magon  118,40,  Epinal 
116,90  Frcs.,  während  hingegen  die  wenig  industriereichen  Gebiete  nur  sehr  niedrige 
Erträge  pro  ha  aufweisen,  wie  Carcassonne  29,40,  Gap  27,85,  Aurillac  16,33  und  Ajac- 
cio  6,42  Frcs. 

3.  Die  Produktionskapitalien  der  Forstwirtschaft  und  ihre  Rentabilität. 

Da  dieses  Wissensgebiet  sich  als  „forstliche  Statik"  zur  selbständigen  Disziplin 
entwickelt  und  programmgemäss  in  diesem  Handbuche  als  solche  speziell  behandelt 
werden  soll,  so  kann  hier  nur  der  Vollständigkeit  und  Abrundung  halber  summarisch 
auf  die  dritte  der  Güterquellen  hingewiesen  werden,  aus  welchen  die  Wertbildung  in 
der  Forstwirtschaft  erfolgt. 

§  42.  Die  Kapitalformen,  deren  sich  die  forstliche  Produktion  bedient,  sind  aus- 
ser dem  in  Besitz  übergegangenen  Boden,  der  hiedurch  Kapitaleigenschaft  erlangt  hat, 
im  wesentlichen  folgende: 

1)  Der  Holzvorrat. 

2)  Alle  fixen  Kapitalien,  welche  zum  Forstbetriebe  gehören  wie  Dienstgebäude, 
Holzhöfe,  Triftanstalten,  sowie  das  gesamte  Weg-  und  sonstige  Transportnetz. 

3)  Die  Werkzeuge  und  Geräte  für  den  Kultur-,  Wegbau-  und  Triftbetrieb,  alle 
sonstigen  Mobilien  und  das  in  den  Inventaren  aufgezählte  Material  an  beweglichen  Ein- 
richtungsstücken. 

4)  Die  in  Kapitalform  gedachten  Geldmittel,  welche  für  den  Lebensunterhalt  der 
oben  näher  betrachteten  Arbeitskräfte  sowie  für  die  Gehalte  der  Schutzbediensteten 
und  technischen  Angestellten  erforderlich  sind.  In  diesem  Sinne  spricht  man  daher 
von  einem  Kulturkostenkapitale,  einem  Verwaltungskapitale. 

5)  Die  gleichfalls  zum  Kapitale  erhobenen  Auslagen  für  Steuern,  Kreis-Distrikts- 
Gemeinde-Ümlagen,  also  alle  auf  Grund  und  Boden  haftenden  öffentlich-rechtlichen  Ver- 
pflichtungen. 

Vergleicht  man  ganz  allgemein  die  Forstwirtschaft  in  bezug  auf  ihren  Kapital- 
aufwand mit  anderen  Produktionszweigen,  z.  B.  der  Landwirtschaft,  so  ergiebt  sich, 
dass  sie  hinsichtlich  der  unter  2  bis  5  genannten  Kapitalformen  relativ  viel  weniger 
bedarf,  weil  die  Arbeitsaufwendung  eine  geringere  ist  und  für  Magazinierung  und  Zu- 
bereitung der  Emteprodukte  in  der  Regel  keine  besonderen  Gebäulichkeiten  erforderlich 
sind.  Noch  mehr  tritt  dies  bei  einem  Vergleich  mit  industriellen  Unternehmungen  aller 
Art  hervor,  bei  denen  ja  gerade  der  Konto  fiir  Gebäude,  Werkzeuge  und  Maschinen, 
sowie  derjenige  für  Arbeitslöhne  die  Hauptrolle  spielt.  Das  unterscheidende  und  cha- 
rakteristische Produktionskapital  der  Forstwirtschaft  ist  hingegen  das  Holzkapital. 
Man  versteht  darunter  jene  Grösse  des  stehenden  Holzbestandes,  welche  vorerst  nur 
zur  Ansammlung  von  Holzmasse  durch  den  Zuwachs  dient  und  erst  beim  Erreichen 
eines  bestimmten  Baumalters  planmässig  genutzt  werden  soll.  Da  nämlich  jeder  ein- 
zelne Baum  als  eine  Aufspeicherung  von  vieljährigen  Assimilationsprodukten  anzusehen 
ist,  die  in  Form  von  ausdauerndem  Zellgewebe  in  konzentrischen  Schichten  längs  der 


138)  Statistique  forestiöre.     Paris  1878.  S.  362. 

Handbuch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I. 


98  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

Stammaxe  und  ihren  fortwachsenden  Verlängerungen  angelegt  wurden,  so  folgt  hieraus 
für  eine  Holzproduktion  überhaupt  die  Notwendigkeit  des  Vorhandenseins  zahlreicher 
Baumindividuen,  an  welchen  eine  solche  Erzeugung  und  Ablagerung  von  Holzfasern 
sich  alljährlich  wiederholen  kann,  bis  sie  für  menschliche  Zwecke  gebrauchsfähig  wer- 
den. Die  jährliche  Zunahme  der  Masse  eines  Baumes  heisst  sein  Zuwachs,  derselbe 
erscheint  beim  Einzelbaum  als  eine  schmale  Holzschichte,  die  zwischen  dem  Cambium 
und  dem  Holzkörper  auf  der  ganzen  Oberfläche  des  letzteren  gebildet  wurde  und  auf 
dem  Querschnitt  als  Jahrring  erscheint.  Bei  ganzen  Holzbeständen  geht  nun  neben 
dieser  Massenzunahme  der  Einzelstämme  eine  unausgesetzte  Verminderung  der  Stamm- 
zahl einher,  indem  die  schwächeren  Individuen  durch  die  kräftigeren,  dominierenden 
überwachsen  werden  und  an  Lichtmangel  zu  Grunde  gehen,  so  dass  in  den  jugendlichen 
Altersstufen  eine  unausgesetzte,  starke  Ausscheidung  der  zurückgebliebenen  Stämme 
durch  die  wuchskräftigeren  stattfindet  —  ein  Verdrängungsprozess ,  welcher  erst  im 
höheren  Alter,  nachdem  der  Höhenwuchs  in  der  Hauptsache  vollendet  ist,  nachlässt, 
aber  nie  ganz  aufhört.  Alles  Holzmaterial,  was  auf  diese  Weise  ausgeschieden  wurde, 
heisst  „Zwischennutzung^  im  Gegensatz  zu  der  in  Form  des  dominierenden  Be- 
standes bei  dem  Abtrieb  des  ganzen  Bestandes  vorfindlichen  „Hauptnut zun g^, 
welche  die  eigentliche  Holzemte  darstellt. 

Wenn  man  nun  das  Verhältnis  zwischen  einem  stehenden  Holzbestande  und  seinem 
Jahreszuwachse  als  das  zwischen  Kapital  und  Zins  auffasst,  so  ist  damit  der  Begriff 
„HolzkapitaP  wenigstens  für  den  sog.  aussetzenden  Betrieb  gegeben,  wobei  man  ent- 
weder bloss  die  Massen  beider  in  Rechnung  zieht  und  prozentisch  ausdrückt  (Massen- 
zuwachsprozent)  oder  beide  in  ihrem  Geldwerte  veranschlagt  und  die  Wertszunahme 
pro  Jahr  in  Prozenten  vom  Werte  des  Holzkapitales  ausrechnet  (Wertszuwachsprozent). 
Wie  diese  Erhebungen  technisch  gemacht  werden  müssen  und  auf  welche  Art  die  Werts- 
ermittlung geschieht,  kann  hier  nicht  näher  auseinandergesetzt  werden,  da  dies  Sache 
der  Holzmesskunde  und  der  Statik  ist. 

Das  Verhältnis  zwischen  Zuwachs  und  Vorrat  hängt  sowohl  von  dem  Gang  des 

Zuwachses  selbst  ab,   der  in  den  verschiedenen  Lebensaltem  sich  nicht  gleich  bleibt, 

sondern  in  der  Jugend  rasch  ansteigt,  dann  einen  Kulminationspunkt  erreicht,  von  wo 

an  er  wieder  sinkt,   als  auch  von  der  Summierung  der  Zuwachsgrössen  im  Vorrate 

selbst.    Es  ist  begreiflich,  dass  in  den  ersten  Jahren  einem  minimalen  Vorrate  selbst 

bei  geringer  Massenvermehrung  eine  hohe  prozentische  Verzinsung  entspricht,  während 

umgekehrt  in  älteren  Beständen  schon  eine  bedeutende  Zuwachsgrösse  hinzukommen 

muss,  um  eine  Verzinsung  zu  liefern,  wie  sie  bei  Leihkapitalien  landesüblich  ist.    Im 

allgemeinen  kann  man  für  die  Durchschnittsgrösse  des  Zuwachses  z  (jedoch  nicht  für 

den  jährlichen  „laufenden  Zuwachs")  den  Zinsfuss  p  ohne  weitere  Rechnung  durch  den 

100 
Ausdruck  p  := —  finden ,  weil  der  Bestandesvorrat  uz  ist ,   welchem  z  als  Jahreszins 

gegenübersteht.  Bei  u  =  80  Jahren  ist  daher  der  Zinsfuss  l,25®/o,  bei  100  Jahren 
=  l,00®/o ,  was  sowohl  für  die  durchschnittliche  Massen- ,  wie  für  die  Wertsmehrung 
giltig  ist. 

In  einer  auf  das  Postulat  der  Nachhaltigkeit  gegründeten 
Waldwirtschaft  nimmt  das  Holzvorratkapital  eine  bestimmte  Form  an,  die  von  der  so- 
eben betrachteten  dadurch  abweicht,  dass  die  zur  Aufspeicherung  der  Zuwachsgrössen 
bestimmten  stehenden  Vorräte  hinsichtlich  ihres  Bestandesalters  eine  regelmässige  Ab- 
stufung in  Gestalt  einer  arithmetischen  Reihe  von  u — 1  bis  0  Jahren  zeigen  müssen, 
wenn  anders  die  Forderung  erfüllt  w^erden  soll,  dass  alljährlich  gleiche  Mengen  Holzes 
von  normalem  Alter  der  gewünschten  Altersstufe  u  zur  Fällung  kommen  sollen.    Diese 


Die  Prodnktionskapitalien  der  Forstwirtschaft  und  ihre  Rentabilität.     §  43.  99 

Notwendigkeit  folgt  unmittelbar  aas  dem,  was  oben  über  die  Art  der  Zuwachsansamm- 
Inng  gesagt  wurde,  und  es  ist  nur  zu  untersuchen,  zu  welchem  Zinsfusse  sich  diese  in 
regelmässiger  Altersabstufung  auf  gleichen  Flächengrössen  verteilten  Bestände,  welche 
man  in  ihrer  Gesamtheit  den  Normalvorrat  nennt,  durch  den  alljährlich  zum  Abtrieb 
kommenden  Vorrat  des  ältesten  Gliedes  dieser  Reihe  verzinsen.  Rechnet  man  auch 
hier  wieder  nur  mit  Durchschnittsgrössen  und  mit  Uebergehung  der  Unterschiede,  welche 
den  Jahreszeiten  durch  das  zeitliche  Auseinanderfallen  der  Vegetations-  und  der  Fäl- 
Inngszeit  mit  sich  bringen,  so  kann  man  den  Normalvorrat  als  Summe  einer  arithme- 
tischen Reihe  von  u  Gliedern,  deren  erstes  =  0,  deren  letztes  uz  ist,   berechnen  und 

erhält  somit     .j-.    Diesem  Kapitale  steht  dann  der  Vorrat  des  ältesten  Schlages  uz 

uuz 
als  Ertrag  gegenüber,   so  dass  sich  das  Prozent  der  Nutzung  aus  der  Proportion  -^ : 

200 
uz  =  100 :  p  also  auf  p  =:  —  berechnet.    Das  Nutzungsprozent  der  Betriebsklasse 

bei  dem  jährlichen  Betriebe  ist  also  doppelt  so  hoch,  als  das  durchschnittliche  Zuwachs- 
prozent des  Einzelbestandes  im  aussetzenden  Betriebe.  In  beiden  Fällen  zeigen  aber 
die  Formeln,  wie  das  Prozent  in  umgekehrtem  Verhältnisse  zur  Länge  der  Umtriebs- 
zeit  steht  und  für  verschiedene  Umtriebszeiten  im  allgemeinen  nach  einer  Reziproken- 
reihe  abnimmt,  in  welcher  die  Jahre  der  Umtriebszeit  die  Nenner  bilden.  Da  nun  der 
Zuwachsgang  fast  aller  anbaufähigen  Holzarten  ein  verhältnismässig  langsamer  ist,  so 
liegt  zwischen  Aussaat  und  Ernte  ein  im  Verhältnis  zur  menschlichen  Lebensdauer 
langer  Zeitraum  —  viel  grösser  als  in  den  meisten  übrigen  Produktionszweigen.  Dies 
veranlasst  eine  langjährige  Inanspruchnahme  der  Bodenrente  durch  die  Forstproduktion, 
sowie  einen  langen  Verzicht  auf  die  Zinsen  der  Kulturkosten  und  des  Wertes,  der  im 
Holzvorrat  steckt,  während  die  jährlichen  Auslagen  für  Schutz,  Verwaltung,  für  Steuern 
und  Lasten  samt  ihren  Zinsen  zu  hohen  Beträgen  anlaufen. 

§  43.  Eine  Holzproduktion,  die  also  lediglich  Massen  von  gleichem  Wert  er- 
zeugen würde,  wie  z.  B.  die  Brennholzwirtschaft,  müsste  daher  notwendigerweise  mit 
sehr  niedrigen  Umtrieben  wirtschaften,  wenn  sie  aus  ihren  stehenden  Vorräten  noch 
eine  landesübliche  Verzinsung  herauswirtschaften  wollte.  Anders  gestaltet  sich  jedoch 
die  Frage,  wenn  mit  dem  höheren  Alter  der  Bäume  auch  ihr  Gebrauchswert  pro  Massen- 
einheit steigt;  meistens  sind  die  stärkeren  Stammformen  wegen  ihres  grösseren  Kern- 
holzgehaltes, wegen  der  grösseren  Bretterbreiten,  die  sie  liefern,  sowie  wegen  der  gün- 
stigeren Schaftform  für  Bauhölzer  gesuchter,  als  die  ohnehin  massenhaft  von  den  Pri- 
vatwaldbesitzem  zu  Markt  gebrachte  sog.  „schwache  Ware".  Dies  gilt  namentlich  für 
alle  dem  Export  unterliegenden  Nutzhölzer,  welche  nur  dann  hohe  Transportspesen 
vertragen,  wenn  sie  einen  hohen  Gebrauchswert  haben  und  in  dem  Importlande  nicht 
zu  haben  sind.  Solche  besondere  Qualitäten  von  Hölzern  haben,  sofern  sie  nicht  in  zu 
grossen  Massen  zum  Angebot  kommen,  einen  gewissen  Seltenheitswert  und  übertreffen 
im  Preise  pro  cbm  oft  weitaus  die  schwächeren  Sortimente  jüngerer  Bestände.  Nach 
dem  Vorgange  Königs  in  Eisenach  nannte  Pressler  diese  Erhöhung  des  Einheitspreises 
den  „Qualitätszuwachs  der  Bestände"  und  machte  damit  auf  den  wichtigen 
Einfluss  aufmerksam,  den  diese  Erscheinung  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  insbesondere 
bezüglich  der  Wahl  der  Betriebsart  und  Umtriebszeit  ausübt.  Ein  dritter,  von  ihm 
„Teuerungszuwachs"  genannter  Faktor,  welcher  in  der  relativen  Werterhöhung  des 
Holzes  als  eines  Naturproduktes  gegenüber  der  Mehrzahl  der  übrigen  Güter,  namentlich 
des  Zahlungsmittels,  bestehen  soll,  ist  bei  der  nachfolgenden  Betrachtung  ausgeschlossen. 

Da  nach  dem  obigen  der  Qualitätszawachs  nur  die  älteren  Bestände  berührt  und 

7* 


100  I.    Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 

insbesondere  in  dem  letzten  Grliede  voll  zum  Ausdruck  kommt,  so  ist  es  natürlich,  dass 
er  günstig  auf  die  Verzinsung  sowohl  bei  aussetzendem,  \^ae  beim  Nachhaltsbetrieb  influiert. 

Wissenschaftlich  findet  die  Untersuchung  der  Rentabilität  der  Forstwirtschaft  auf 
verschiedene  Weise  statt  (s.  Statik).  Entweder  berechnet  man,  welche  Bodenrente 
pro  ha  Waldboden  sich  unter  Zugrundelegung  einer  oder  verschiedener  zu  vergleichen- 
der Umtriebszeiten  und  eines  angenommenen  Wirtschaftszinsfusses  ergiebt,  wobei  man 
sich  auf  den  Standpunkt  eines  Unternehmers  stellt,  der  sowohl  die  Ausgaben  für  Kul- 
turen, für  Verwaltung  und  Steuern,  als  alle  zu  verschiedenen  Zeiten  einlaufenden  Ein- 
nahmen des  Einzelbestandes  finanzrechnerisch  auf  ihren  Kapital  wert  reduziert  und  ab- 
gleicht. Oder  es  wird  für  einen  Holzbestand  berechnet,  zu  welchem  Zinsfuss  (sog. 
„W  eiser  Prozent")  er  in  seinem  Jahresertrag  noch  fortproduziere,  wenn  man  den 
ßodenwert  als  etwas  gegebenes  in  Rechnung  stellt  und  ihn  samt  den  übrigen  Kapita- 
lien, welche  in  der  Produktion  eines  Jahresertrages  tätig  sind,  der  Grösse  dieses  letz- 
teren gegenüberstellt.  Andere  Autoren ^*^)  haben  die  Ermittlung  der  Waldrente, 
in  welcher  die  Boden-  und  Holzbestandsrente  nicht  getrennt  zum  Ausdruck  gelangt, 
zur  Rentabilitätsberechnung  vorgeschlagen.  Der  Zweck  aller  dieser  Berechnungen  ist, 
die  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkt  aus  vorteilhafteste  Betriebsart  und  Uro- 
triebszeit  zu  ermitteln,  nach  welchen  ein  gegebener  Wald  bewirtschaftet  werden  soll. 

§  44.  Ohne  in  das  Detail  dieser  verschiedenen  Berechnungen  näher  einzugehen, 
mögen  hier  noch  einige  allgemeine  Eigenschaften  des  Holzkapitals 
Erwähnung  finden.  Seiner  Natur  nach  ist  es  zwar  ein  Produktionsmittel,  jedoch 
nicht  in  dem  Sinne,  wie  die  fixen  Kapitalien  der  übrigen  Wirtschaften,  da  sich  auch 
die  jüngeren  Bestände,  falls  es  dem  Besitzer  gefallen  sollte,  verwerten  und  in  umlaufen- 
des Kapital  verwandeln  lassen.  Indessen  ist  zu  beachten,  dass  diese  Verwertbarkeit 
bei  grossen  Waldflächen  sehr  bald  auf  eine  Grenze  stösst,  indem  der  Markt  allzugrosse 
Mengen  nicht  konsumieren  kann  und  bei  Ueberführung  des  letzteren  leicht  ein  Preis- 
sturz erfolgt.  Wenn  dalier  auch  die  Gleichstellung  von  Holz  Vorräten  mit  Geldkapitalien 
bei  Rechnungen  prinzipiell  zulässig  ist,  so  ist  doch  bei  der  praktischen  Betätigung 
solcher  „Versilbeningen"  der  Vorräte,  sobald  es  sich  um  erhebliche  Beträge  handelt, 
grosse  Vorsicht  nötig,  um  eine  Ueberproduktion  zu  vermeiden. 

Hinsichtlich  seiner  Grösse  nimmt  das  Holzkapital  proportional  der  Dauer  der 
Umtriebszeit  zu,  sobald  eine  nachhaltige  Wirtschaft  mit  jährlich  gleichen  Erträgen 
Wirtschaftsziel  ist.    Als  Produktionskapital   ist   dann  der  sog.  Normal  verrat   zu  be- 

uuz 
trachten,  welcher,  wie  aus  der  Formel  nV  =  -  ^  sich  ergiebt ,  gleich  dem  halben  Zu- 
wachs ist,  der  innerhalb  der  Umtriebszeit  auf  der  ganzen  Waldfläche  erfolgt.  Für 
Hochwaldungen  mit  längeren  Umtrieben  erreicht  daher  dieses  Kapital  sehr  beträchtliche 
Werte,  und  es  müssen  solche  Betriebsarten  daher  als  sehr  kapitalintensive  bezeichnet 
werden,  weil  der  Wert  des  stockenden  Vorrates  jenen  der  landwirtschaftlichen  Pro- 
duktionskapitalien meistens  erheblich  übersteigt.  Allerdings  bilden  andererseits  diese 
aufgespeicherten  Vorräte  wieder  eine  Art  von  Sparkasse,  auf  die  man  in  Notfällen 
zurückgreifen  kann,  zumal  in  Zeiten,  wo  der  blosse  Grund  und  Boden  oder  der  hypo- 
thekarische Kredit  stark  entwertet  sind,  wie  z.  B.  in  Kriegsjahren.  So  mancher  Gross- 
grundbesitzer, ja  sogar  mancher  Staat  hat  sich  im  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  nur 
durch  Heranziehung  dieser  Werte  vor  dem  finanziellen  Ruin  durch  die  enormen  Kriegs- 
kontributionen gerettet.    Andererseits  ist  aus  diesem  Grunde  auch  eine  gewisse  vSpar- 

139)  Hofrat  von  Helferich  in  Schönbergs  Handbuch  der  politischen  Oekonomie, 
II.  Aufl.  XX.  „Die  Forstwirtschaft". 


Die  Produktionskapitalien  der  Forstwirtschaft  und  ihre  Rentabilität.     §  45.        101 

fähigkeit  und  eine  vor  den  kleinen  Krisen  des  Geschäftslebens  gesicherte  Existenz  not- 
wendig, um  überhaupt  eine  Waldwirtschaft,  die  über  eine  sog.  Heckenwirtschaft  hin- 
ausgeht, treiben  zu  können.  Der  kleine  Waldbesitzer  wird  durch  Erbteilungen,  Guts- 
ubergaben,  durch  Hagelschlag  oder  sonstige  Kalamitäten  so  häutig  in  Versuchung  kom- 
men, sich  durch  den  Wald  schadlos  zu  halten,  dass  er  selten  zur  Ansammlung  eines 
Vorrates  gelangt,  wie  er  dem  60jährigen  Turnus  entspricht. 

Bezüglich  der  Sicherheit  dieserKapitalanlage  ist  zu  bemerken,  dass 
zwar  vielerlei  Gefahren  den  Wald  bedrohen,  teils  von  Menschen,  teils  von  Tieren,  teils 
von  den  Elementarereignissen  ausgehend,  allein  diese  \verden  doch  vielfach  stark  über- 
schätzt. Abgesehen  davon,  dass  doch  die  Schläge  und  Jungwüchse,  welche  noch  geringe 
Materialvorräte  haben,  hauptsächlich  vom  Insekten-  und  Wildschaden  bedroht  sind,  ist 
die  Gefahr  durch  Feuer,  obgleich  sie  am  meisten  zerstörend  auftritt,  doch  verhältnis- 
mässig selten.  Nach  der  prenssischen  Statistik  sind  innerhalb  15  Jahren  in  sämtlichen 
Staatsforsten  durch  405  Brände  7113  ha  Wald  beschädigt  worden,  dies  macht  jährlich 
auf  1  Mill.  ha  umgerechnet  191  ha,  so  dass  also  in  einem  geordneten  Forsthaushalt 
mit  guter  Aufsicht  dieser  Schaden  nur  unbedeutend  ist. 

Für  die  Holzproduktion  ist  ferner  eine  gewisse  Arrondierung  und  Kon- 
solidierung der  Holzvorräte  notwendig ,  damit  eine  der  hauptsächlichsten 
Gefahren  für  das  Holzkapital,  der  Sturmwind,  mit  Aussicht  auf  Erfolg  bekämpft  wer- 
den kann.  Nichts  ist  in  dieser  Hinsicht  verderblicher  als  die  sog.  „Gemenglage**  der 
Waldparzellen,  in  welcher  jede  planmässige  Aneinanderreihung  der  Gehaue,  jede  Siche- 
rung durch  Waldmäntel  und  reguläre  Hiebsfolge  durch  den  Egoismus  der  einzelnen 
Besitzer  vereitelt  wird.  Es  ist  deshalb  ein  Erfahrungssatz,  dass  die  Waldwirtschaft 
nur  in  geschlossener,  komplexer  Lage  ihren  höchsten  Ertrag  liefert,  dass  hingegen 
Parzellierung  und  Zerstückelung  nach  mehrfachen  Hinsichten  schädlich  sind. 

§  45.  Nachdem  oben  gezeigt  worden  ist,  in  welcher  Weise  wissenschaftlich  der 
Erfolg  der  forstlichen  Produktionskapitalien  bemessen  und  für  die  Zwecke  der  Werts- 
berechnung oder  der  W^ahl  des  Umtriebs  verwendet  wird,  möge  hier  noch  der  im  Haus- 
halt der  Staaten  und  Korporationen  üblichen  Berechnungsart  des  tinanziellen  Ertrages 
der  Forsten  gedacht  werden.  In  der  Regel  wird  dabei  nämlich  nur  der  effektiven  Ein- 
nahmen und  der  Barauslagen  Erwähnung  getan,  während  sowohl  das  Bodenkapital 
als  das  Vorratskapital  ge Wissermassen  als  „versteckter  Produktionsaufwand**  ganz  ausser 
der  bndgetmässigen  Berechnung  bleibt.  Demnach  enthält  also  der  Nettoertrag,  wie 
ihn  die  Forstrechnungen  ausweisen,  immer  noch  die  Bodenrente  und  die  Zinsen  des 
Holzkapitales  mit  inbgriffen,  und  auch  die  Abrechnung  der  übrigen  Kosten  erfolgt  ledig- 
lich durch  die  jährliche  Bilanzierung  der  Barauslagen.  Trotz  dieser  wissenschaftlichen 
Ungenanigkeit,  welche  aber  praktisch  nicht  zu  beseitigen  ist,  bieten  diese  bndgetmässigen 
Abrechnungen  ein  grosses  Interesse,  indem  sie  die  absolute  Grösse  der  kassamäs- 
sigen  Einnahmen  den  baren  Auslagen  gegenüberstellen  und  einen  Ausdruck  für  die  Ge- 
samtheit der  auf  Preisbildung  und  Materialertrag  Einfluss  übenden  Faktoren  liefern. 

Hiedurch  erhält  man  wirtschaftliche  Resultate,  die  oft  erheblich  von  jenen  ab- 
weichen, welche  bloss  im  Hinblick  auf  die  Verzinsung  der  Produktivkapitalien  abgeleitet 
werden.  So  giebt  z.  B.  hinsichtlich  der  Erträge  der  einzelnen  Betriebsarten  die  Sta- 
tistik Frankreichs  folgende  Roherträge  an  (pro  1876) :  (S.  die  Tabelle  auf  S.  102). 

Demnach  würde  sich  der  Nadelholz-  und  der  Laubholz-Hochwald  in  bezug  auf 
Bruttorente  entschieden  dem  Nieder-  und  Mittel  waldbetriebe  überlegen  erweisen.  Um 
den  Einfluss  der  weiten  geographischen  Entfernungen  zu  eliminieren,  kann  man  auch 
die  Erträge  der  Betriebsarten  nur  eines  einzigen  Bezirkes  ins  Auge  fassen,  so  hat  z.  B. 
im  Oberforstmeister-Bezirke  Nancy  der  Bruttoertrag  pro  ha  betragen  Frcs. : 


102 


I.  Weber,  Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft. 


Betriebsarten: 


o 

Q. 


Höchster  Brutto  . 
ertrag  S 
Niedrigster     ,    ^g 
Gesamtmittel  „      ^ 


Nieder- 
wald 


27,26 
0,29 

7,18 


Mittel 
wald 


83,59 

2,38 

34,15 


In  Ueber- 
führung 
begriflFen 

64,15 

7,92 

34,77 


Laubholz- 
hochwald 


95,20 
10,43 
41,91 


Nadel- 
hölzer 


216,28 

4,18 

65,20 


Laub-  und  Mittel  lur 
Nadelholz  die  Forst- 
gemischt         fläche 


149,32 

2,82 

37.41 


214,23 

1,89 

39,40 


im  Niederwalde  13,45,  im  Mittelwalde  35,97,  im  Laubholzhochwald  40,34,  im 
reinen  Nadelholz  158,93,  in  den  Mischungen  von  Laub-  und  Nadelholz  73,53. 

Ueber  die  Reinerträge  pro  ha  mehrerer  deutscher  Staaten  giebt  nachfol- 
gende Tabelle  eine  auf  45  Jahre  zurückreichende  Uebei'sicht  (nach  Danckelmann  ^Die 
deutschen  Nutzholzzölle '^  und  nach  den  neuesten  offiziellen  Angaben),  aus  welcher  die 
Bewegungen  der  budgetmässigen  Nettoerträge  der  Staatsforst^n  zu  ersehen  sind. 


Staaten 


Zeitiilume,  für  welche  der  jährliche  Durchschnitt  berechnet  ist 


CO   i 

^H 

a/^ 

^H 

CO 

lO 

CO 

CO 

r- 

t> 

1 

1 

1 

1 

o 

CO 

<M 

CO 

Ol 

io 

iC 

CO 

CO 

t> 

00 

00 

00 

00 

00 

T-« 

1-H 

F-« 

r-* 

v-4 

00 


00 


CO 
00 


00 
00 


Oi 


00 
00 


CO 


00 


Bndgetmässi^er  Reinertrag  pro  ha  Staatswald  in  Mark 


Preussen  .  . 
Bayern  .  .  . 
Württemberg 
Baden  .  .  . 
Sachsen  Kgr.  . 
Elßass-Lotnringen 


4,82 
10,19 
12,59 
13,48 
18,03 


6,37 
14,47 
26,70 
25.23 
23,56 


9,13 
19,23 
33,37 
29,20 
29,34 


8,49 
19,63 
26,40 
31,32 
33,25 


11,74 
13,17 
41,60 
38,04 
51,01 
28,76 


9.00 
13.80 
25,19 
24,16 
35,00 
20,45 


10,22 
14,24 
26,62 
25,87 
43,21 
18,86 


12,18 
16,82 
30,64 
29,19 
45,50 
20,92 


12,65 
20,37 
30,61 
34,48 

41,88 
24,47 


In  den  ungarischen  Staatsforsten  war  der  budgetmässige  Reinertrag  pro  ha  in 
Mark  umgerechnet  folgender: 

im  Jahr     1881        1882        1883        1884 
im  eigentlichen  Ungarn     .     .     2,14  2,08         2,23        1,96 

in  Kroatien  und  Slavonien   .    3,03  3,27         3,71        4,72 

im  Gesamtmittel       ....     2,32  2,35         2,53        2,53 

Schliesslich  möge  zur  Illustration  der  Wichtigkeit  einer  guten  Staatsforstrente 
auf  die  Budgets  der  europäischen  Staaten  ein  Blick  geworfen  werden,  wobei  allerdings 
die  übrigen  Staatsdomänen  mitgerechnet  sind.  Im  Budget  pro  1882  betrugen  die  Ein- 
nahmen aus  Domänen  und  Forsten  als  Summe  der  Einzelstaaten: 

im  deutschen  Reiche        218319313  M.  in  Frankreich    44398600  M. 

in  Oesterreich-Ungarn        35873125    „  „    Spanien  8080000    „ 

19810227    ,  „    England         12277  525    „ 

94441080    „ 

Dieselben  sind  bis  1902  nicht  unbeträchtlich  gestiegen;  leider  waren  die  bezüg- 
lichen Zahlen  nicht  zu  ermitteln. 


Italien 
Russland 


103 


^ 


II. 

Forstliche   Standortslehre. 

Von 

£.  Ramann. 


Literatur.  Schübler,  Grandsätze  der  Agrikulturchemie  1838.  M  u  1  d  e  r, 
Chemie  der  Ackerkrame.  Berlin  1863.  Fallou,  Pedologie.  Dresden  1862.  Hey  er,  Forst- 
liche Bodenkunde  und  Klimatologie.  Erlangen  1856.  Senft,  Gesteins-  und  Bodenkunde. 
Berlin  1877.  Detmer,  Die  naturwissenschaftlichen  Grandlagen  der  allg.  landwirtschaft- 
lichen Bodenkunde.  Leipzig  und  Heidelberg  1876.  Adolf  Mayer,  Lehrbuch  der  Agri- 
kultur chemie.  5.  Aufl.  1901.  Heidelberg.  Grebe,  Gebirgskunde,  Bodenkunde  und  Klima- 
lehre.    4.  Aufl.  1886.  Berlin.     Ramann,  Forstl.  Bodenkunde  und  Standortslehre.    Berlin. 

Ausser  diesen  eine  grössere  Anzahl  gelegentlich  angeführter  Werke,  namentlich 

ist  jedoch  die  nenere  Literatur   niedergelegt  in  Zeitschriften;  von  diesen  sind  (ausser 

den  forstlichen)  wichtig: 

Forschungen  der  Agrikulturphysik,  herausgegeb.  durch  E.  WoUny.  Hei- 
delberg (eingegangen).  (Abgek. :  Forschg.  d.  Agrikulturphysik).  Die  landwirtschaft- 
lichen Versuchs-Stationen,  herausgeg.  v.  F.  N  o  b  b  e.  Berlin  (Abgek. :  Vers.- 
Stat.).  Jahresbericht  der  Agrikulturchemie.  Berlin.  Zcntralblatt  für 
Agrikulturchemie.     Berlin.     Landwirtschaftl.  Jahrbücher.     Berlin. 

Die  beiden  letzteren  Zeitschriften  geben  eine  üebersicht  über  die  gesamten  landwirt- 
schaftlichen Arbeiten,  vernachlässigen  jedoch  sehr  häufig  die  forstlichen,  die  in  der  Regel  nur 
sehr  ungenügend  mitgeteilt  oder  ganz  übergangen  werden. 

Einleitung. 

§1.  Begriffe.  Der  Boden  (Ackerkrume,  Ackerboden  der  Landwirte)  ist 
die  oberste  Verwitterungsschicht  der  festen  Erdrinde,  unter- 
mischt mit  den  Eesten  der  Pflanzen  und  Tiere,  welche  auf  und 
in  derselben  leben. 

Die  Bodenkunde  (Pedologie)  ist  die  Lehre  von  den  Eigenschaf- 
ten, der  Entstehung  und  Umbildung  des  Bodens. 

Die  Standortslehre  umfasst  ausser  der  Bodenkunde  noch  die 
Abhängigkeit  der  Vegetation  von  klimatischen  Verhältnissen, 
sowie  von  der  Lage  und  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Boden 
und  Pflanze;  die  forstliche  Standortslehre  berücksichtigt  da- 
bei wesentlich  die  Entwickelung  der  Waldbäume. 

Die  Standortslehre  baut  sich  auf  einer  ganzen  Eeihe  von  einzelnen  Hilfswissen- 
schaften auf.  In  erster  Linie  sind  hierbei  gewisse  Teile  der  Chemie,  Physik  und 
Pflanzenphysiologie  notwendig,  wozu  noch  Meteorologie  und  einzelne  Abschnitte  der 
Geologie  und  Mineralogie  hinzutreten.    Die  Mannigfaltigkeit  der  Grundlagen  bewirkt, 


104  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

dass  der  Begriff  der  Standortslehre  vielfach  nicht  genüf^end  abgegrenzt  werden  kann, 
und  je  nach  der  Bedeutung,  welche  man  den  einzelnen  Disziplinen  einräumt,  wird  eine 
ganz  verschiedenartige  Behandlung  hervorgehen.  So  giebt  es  Werke,  welche  die  Stand- 
ortslehre vom  meteorologischen,  bodenkundlichen  oder  pflanzenphysiologischen  Stand- 
punkt aus  behandeln.  In  dem  folgenden  ist  zunächst  das  Hauptgewicht  auf  die  Boden- 
kunde gelegt. 

§2.  Allgemeines  über  den  Boden.  Für  das  Verständnis  vieler  Vor- 
gänge im  Boden  ist  es  nützlich,  den  Boden  zunächst  als  etwas  Gegebenes  aufzufassen 
und  erst  später  die  Bildungsweise  desselben  zu  verfolgen.  Es  gilt  dies  für  alle  die- 
jenigen Eigenschaften,  die  in  erster  Linie  eine  Folge  der  physikalischen  Verteilung  und 
Lagerung  der  Bodenbestandteile  sind,  wenn  auch  natürlich  die  chemische  Zusammen- 
setzung nicht  ganz  ausser  acht  gelassen  werden  darf. 

Der  Boden  ist  nie  einheitlich  zusammengesetzt.  Wohl  jede  pflanzentragende 
Bodenart  lässt  sich  durch  geeignete  Hilfsmittel  in  drei  Gruppen  von  Bestandteilen  zer- 
legen: in 

1)  Sand, 

2)  abschlämmbare  Teile, 

3)  humose  Stoffe  (Humus). 

Vielfach  treten  hierzu  noch  gröbere  Gemengteile,  die  als  Kies,  Steine,  Pflanzen- 
wurzeln (unzersetzt)  unterschieden  werden. 

Unter  Sand  versteht  man  alle  Bestandteile  eines  Bodens,  die  sich  beim  Ver- 
teilen desselben  in  Wasser  rasch  absetzen  und  die  Grösse  eines  Mohnkemes  bis  zu  der 
eines  Hanfkornes  haben.  Die  chemische  oder  mineralogische  Zusammensetzung  dieser 
Körper  wird  erst  in  zweiter  Reihe  berücksichtigt,  indem  man  z.  B.  von  Quarzsand, 
Kalksand  spricht.  Der  verbreitetste  Bestandteil  des  Sandes  ist  der  Quarz,  wenn  der- 
selbe auch  nur  selten  die  Sande  ganz  allein  zusammensetzt,  welche  zumeist  sparsamer 
oder  häufiger  Körner  von  andern  Mineralien  oder  Gesteinen  einschliessen.  Dahin  ge- 
hören z.  B.  die  „Spatsande**  des  nordischen  Diluvium,  die  eine  wechselnde  Menge  von 
Feldspatkömem ,  die  Glimmersande  des  Tertiär,  die  Glimmerblättchen  enthalten,  in 
ihrer  Hauptmenge  jedoch  aus  Quarzsand  bestehen.  Dagegen  setzen  sich  die  Kalk-  und 
Dolomitsande,  sowie  der  vulkanische  Sand  überwiegend  aus  Bruchstücken  der  betreffen- 
den Gesteine  zusammen. 

Abschlämm  bare  Teile  sind  Bestandteile  des  Bodens ,  welche  sich  lange 
im  Wasser  schwebend  erhalten;  daher  durch  Verteilen  des  Bodens  im  Wasser  und 
durch  Abschlämmen  von  dem  Sande  getrennt  werden  können.  Die  abschlärambaren 
Teile  sind  die  Träger  vieler  der  wichtigsten  chemischen  und  physikalischen  Eigenschaften 
eines  Bodens. 

Die  abschlämmbaren  Teile  des  Bodens  bezeichnet  man  meist  als  „Rohthon".  Aus- 
ser Kaolin  (wasserhaltiges  Thonerdesilikat)  enthält  der  Rohthon  andere  wasserhaltige 
Silikate,  sowie  fein  zerriebene  Gesteinsmassen,  fein  verteilten  kohlensauren  Kalk,  Ei- 
senoxyd und  Eisenoxydhydrat.  Für  die  Bodenkunde  ist  es  dringend  notwendig,  die 
verschiedene  Zusammensetzung  der  abschlämmbaren  Teile  zu  berücksichtigen.  Es 
giebt  z.  B.  eine  in  Heidegebieten  nicht  seltene  Bodenschicht,  den  Heidelehm,  der  ganz 
überwiegend  aus  feinst  zerriebenem  Quarzmehl  besteht,  zum  grössten  Teil  abschlämm- 
bar ist  und  doch  nur  einen  ganz  geringen  Gehalt  an  Thon  besitzt. 

Unter  dem  Namen  Humus  werden  alle  Bodenbestandteile  zusammengefasst,  die 
aus  der  Verwesung  oder  Vermoderung  der  Tier-  und  Pflanzenreste  hervorgehen.  Auch 
der  „Humus"  stellt  keinen  einheitlichen  Körper  dar,  sondern  bezeichnet  organische  Stoffe 
in  den  verschiedensten  Stadien  der  Umwandlung.  Alle  sind  dunkel,  braun  bis  schwarz  ge- 


Die  Bodenbildung.     §  3.  105 

färbt  und  sind  sich  in  ihren  Eigenschaften  mehr  oder  weniger  ähnlich.  Die  humosen  Stoffe 
bilden  die  Hauptmasse  der  „Humusböden**  (Torf,  Moorboden),  finden  sich  in  den  übrigen 
Bodenarten  in  wechselnder  Menge  und  beeinflussen  das  Verhalten  derselben  sehr  wesentlich. 
Die  drei  angegebenen  Stoffgruppen  finden  sich  in  allen  für  das  Pflanzenwachstum 
günstigen  Bodenarten.  Eine  geeignete  Mischung  derselben  ist  wünschenswert;  ein 
üeberwiegen  einzelner  hat  einen  Rückgang  des  Bodenwertes  zur  Folge;  reine,  un- 
fruchtbare Sande,  zähe  für  die  Pflanzenwurzel  fast  undurchdringliche  Thonböden  und 
endlich  die  Hochmoore  mit  ihrer  ärmlichen  Flora  stellen  die  Grenzwerte  dar. 

L  Bodenbildung. 

Verwitterung. 

Der  Boden  geht  aus  mechanischem  Zerfall  und  chemischer  Zersetzung  fester  Ge- 
steine hervor.    Beide  Vorgänge  bezeichnet  man  als  „Verwitterung". 

§3.  l)Der  Zerfall  der  Gesteine  (physikalische  Verwitterung)  wird 
namentlich  durch  Temperaturwechsel  und  durch  Sprengwirkungen  des  gefrierenden 
Wassers  verursacht. 

a.  Einwirkung  der  Temperatur.  Alle  Körper  dehnen  sich  bei  höherer 
Temperatur  aus  und  ziehen  sich  bei  niederer  Temperatur  zusammen.  Sind  Felsen  oder 
auch  Gesteinsbruchstücke  in  ihren  einzelnen  Teilen  sehr  verschiedenen  Wärmegraden 
ausgesetzt,  so  kann  die  in  den  einzelnen  Schichten  herrschende  Spannung  so  sehr  ge- 
steigert werden,  dass  ein  Zerspringen  herbeigeführt  wird.  In  den  wärmeren  Gegenden, 
namentlich  in  solchen,  welche  grosse  Temperaturunterschiede  zwischen  Tag  und  Nacht 
aufzuweisen  haben,  wie  in  den  wasserarmen  Wüstengebieten,  macht  sich  diese  Erschei- 
nung sehr  merkbar.  So  beobachtete  man  in  Oberägypten,  bez.  den  benachbarten  Wüsten, 
nicht  selten,  dass  die  dort  verbreiteten  Feuersteine  mit  klingendem  Ton  zerspringen. 
In  jenen  Gegenden  wirkt  der  rasche  Wechsel  zwischen  Wärme  und  Kälte  zweifellos 
bei  der  Zertrümmerung  der  Felsmassen  bedeutend  mit.  Anders  in  den  gemässigten 
Klimaten,  wo  nur  frei  hervorragende  und  steil  abstürzende  Felsmassen,  die  am  Tage 
der  Sonne  ausgesetzt  sind,  beeinflusst  werden.  Je  mehr  man  sich  den  Polen  nähert, 
um  so  gleichmässiger  gestalten  sich  für  längere  Zeitabschnitte  die  Temperaturverhält- 
nisse und  um  so  geringer  die  Wirkung  des  Wechsels  derselben. 

Ein  anderer  Vorgang  ist  dagegen  nicht  ohne  Bedeutung.  Es  ist  das  verschieden- 
ai-tige  Ausdehnungs vermögen  der  Mineralien  bei  Temperaturveränderungen.  Sind  die 
Mineralien  im  krystallisierten  Zustande  vorhanden,  wie  dies  in  Gesteinen  meist  der 
Fall,  so  tritt  diese  Wirkung  nach  verschiedenen  Richtungen,  welche  den  krystallogra- 
phischen  Axen  entsprechen,  in  wechselnder  Grösse  auf.  Als  Regel  gilt  hierbei,  dass 
gleichwertige  Axen  die  gleiche,  ungleichwertige  Axen  verschiedene  Ausdehnungskoeffi- 
zienten haben.  Dementsprechend  ist  die  Volumveränderung  durch  wechselnde  Tempe- 
ratur bei  den  regulären  Körpern  nach  allen  Richtungen  gleichmässig ;  bei  quadratischen 
und  hexagonal  krystallisierenden  nach  zwei,  bei  allen  andern  nach  drei  Richtungen 
verschieden.  Sind  die  Grössenunterschiede  bei  den  in  der  Natur  vorkommenden  Schwan- 
kungen des  Wärmegrades  auch  gering,  so  lockern  sie  doch  den  festen  Zusammenhang 
der  Gesteine.  Wahrscheinlich  ist  es  hierauf  zurückzuführen,  dass  die  Verwitterung  um 
so  energischer  vorschreitet,  je  grobkörniger  die  einzelnen  Mineralien  im  Gestein  aus- 
gebildet sind.  Bei  grösseren  Krystallen  wird  sich  naturgemäss  die  Volumänderung 
stärker  bemerkbar  machen,  als  bei  feinkörnigen  Gesteinen.  Es  gut  dies  auch  von  sol- 
chen, welche  einheitlich  zusammengesetzt  sind,  da  regulär  krystallisierende  Mineralien 
nur  wenig  an  der  Zusammensetzung  der  verbreiteten  Gesteine  Teil  nehmen. 


106  11.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Eine  gewichtige  Bolle  bei  der  Zertrümmerung  der  Mineralbestandteile  spielen 
wahrscheinlich  noch  die  mikroskopischen  Einschlüsse,  namentlich  die  Gas-  and  Flüssig- 
keitseinschlüsse,  sowie  die  Struktur  der  Gesteine.  Unregelmässige  Umgrenzungen,  Ein- 
und  Durchwachsungen  der  einzelnen  Krystalle  sind  bei  kömigen  Gesteinen  die  Begel, 
bei  anderen  häufig.  Bei  wechselnden  Temperaturen  und  dem  grossen  Ansdehnnngs- 
koefüzient  der  Gase  (7I7),  sowie  bei  den  Volumveränderungen,  welche  die  eingeschlosse- 
nen Flüssigkeiten,  die  grossenteils  dem  Wasser  angehören,  beim  Gefrieren  erleiden, 
kann  man  die  zersprengende  Wirkung  derselben  sicher  als  bedeutungsvoll  betrachten. 
Es  ist  vielleicht  hierauf  mit  zurückzuführen,  dass  die  Flüssigkeitseinschlüsse  in  schwer 
spaltbaren  und  wenig  angreifbaren  Mineralien,  wie  z.  B.  Quarz  allgemein  verbreitet 
sind,  während  sie  in  andern,  wie  den  Feldspaten,  zu  den  grössten  Seltenheiten  ge- 
hören und  meist  durch  Gasporen  ersetzt  sind. 

Grössere  fremde  Einschlüsse,  sowie  die  Einstülpungen  der  Gesteinsmasse,  die  in 
ausgeschiedene  Krystalle  hineinragen,  werden  namentlich  durch  die  Volumverändernngen 
wirksam  sein,  welche  bei  der  Verwitterung  eintreten. 

b.  Wirkung  des  gefrierenden  Wassers.  Die  Volumzunahme  des  Wassers 
bei  seinem  Uebergang  in  den  festen  Aggregatzustand  ist  beträchtlich  und  beträgt 
ziemlich  genau  V"  (spez.  Gew.  des  Wassers  bei  -f  4®  =:  1 ;  bei  0®  =  0,99988 ;  spez. 
Gew.  des  Eises  bei  0^  =  0,91674);  also  Volumzunahme  lz=  1.102). 

Die  Sprengwirkung  des  gefrierenden  Wassers  wird  durch  die  Porosität  der  Ge- 
steine gesteigert.  Auch  die  festesten  Gebirgsarten  sind  von  einem  Netz  feinster  Spalten 
und  Hohlräume  durchzogen,  welche  dem  Wasser  den  Eintritt  gestatten.  Besonders 
auffällig  wird  die  Wirkung,  w^enn  in  grösseren  Spalten  sich  tropfbarflüssiges  Wasser 
angesammelt  hat,  oder  abgestorbene  Wurzeln  sich  voll  Wasser  saugen;  das  gebildete 
Eis  wirkt  dann  nach  Art  eines  Keils  und  kann  mächtige  Blöcke  absprengen.  Senft 
teilt  hiervon  Beispiele  mit  (Senft,  Forstliche  Bodenkunde  S.  143).  Gesteine,  deren 
Zersetzung  schon  weiter  vorgeschritten  ist,  sind  ganz  von  Wasseradern  durchzogen, 
beim  Gefrieren  treiben  diese  die  einzelnen  Bruchstücke  auseinander  und  nach  dem  Auf- 
tauen kann  das  ganze,  vorher  noch  feste  Gesteinsstück  in  Gruss  zerfallen.  Vorzügliche 
Beispiele  für  die  Wirkung  des  Frostes  geben  z.  B.  poröse  Ziegelsteine,  die  im  feuchten 
Zustande  längere  Zeit  dem  Frost  ausgesetzt  waren. 

§  4.  2)  Die  lösende  Wirkung  des  Wassers.  Sowenig  es  Gesteine  giebt, 
die  für  Wasser  gänzlich  undurchdringlich  sind,  ebensowenig  giebt  es  völlig  unlösliche 
Stoffe.  Die  Verbindungen,  in  denen  der  Chemiker  bei  der  Analyse  die  Stoffe  abscheidet 
und  zur  Wägung  bringt,  bezeichnet  man  oft  als  unlöslich,  tatsächlich  sind  sie  nur  sehr 
schwer  löslich. 

Auch  die  scheinbar  ganz  unangreifbaren  Stoffe,  wie  Quarz,  finden  sich  nicht  selten 
mit  zerfressener  Oberfläche  und  geben  so  den  Beweis,  dass  ein  Lösungsmittel  einge- 
wirkt hat.  Auch  die  Tatsache,  dass  Mineralien  in  den  Formen  anderer  Mineralarten 
vorkommen  (Pseudomorphosen),  aus  denen  sie  hervorgegangen  sind,  zeigt,  dass 
kein  fester  Stoff  völlig  unangreifbar  oder  unveränderlich  ist.  Vielfach  haben  in  solchen 
Fällen  allerdings  verdünnte  Salzlösungen  eingewirkt,  wie  ja  völlig  reines  Wasser  in 
der  Erdkruste  überhaupt  nicht  anzutreffen  ist,  aber  auch  schon  die  lösende  Kraft  des 
Wassers  genügt,  namentlich  im  kohlensäurehaltigen  Zustande,  bedeutsame  Veränderungen 
hervorzubringen. 

Als  leicht  löslich  ist  namentlich  der  Gips  anzuführen,  w^elcher  sich  in  etwa  400 
Tl.  Wasser  auflöst.  Ferner  sind  in  kohlensäurehaltigem  Wasser  die  Karbonate  des  Kalkes, 
der  Magnesia  und  des  Eisenoxydules  auflöslich.  Die  Menge,  welche  aufgenommen  wird, 
hängt  ab  von  dem  Koblensäuregehalt  des  Wassers,  von  der  Zeitdauer  der  Einwirkung 


Die  Bodenbildung.     §  5.  107 

und  von  der  Beschaffenheit  der  Gesteinsoberfläche.  Die  mehr  oder  weniger  feine  Ver- 
teilung und  die  Oberflächenbeschaffenheit  ist  von  grosser  Bedeutung.  Je  ebener, 
glätter  und  gleichmässiger  die  Obei*fläche  eines  Gesteines  ist,  um  so  schwieriger  ver- 
mag das  Wasser  einzudringen  und  um  so  rascher  läuft  es  ab,  ohne  Stoffe  aufnehmen 
zu  können.  Die  Technik  macht  Gebrauch  von  dieser  Erfahrung,  indem  sie  Denkmäler, 
Säulen  und  dergl.  poliert.  Nicht  nur  das  Aussehen  wird  dadurch  günstiger,  son- 
dern auch  die  Haltbarkeit  wird  bedeutend  erhöht.  Wie  sehr  der  Angriff  der  Atmo- 
sphärilien durch  die  Beschaffenheit  der  Oberfläche  beeinflusst  wird,  zeigt  ein  Versuch 
von  Pfaff,  der  eine  geschliffene  Platte  von  Solenhof  er  Schiefer  der  Einwirkung  des 
Kegens  aussetzte.  Nach  zwei  Jahren  betrug  der  Gewichtsverlust  für  2500  Quadrat- 
millimeter nur  0.18  gr. ;  nach  drei  Jahren  schon  0.55  gr.  Die  Oberfläche  war  ganz 
rauh  geworden. 

In  grossartigster  Weise  zeigt  sich  die  grössere  Widerstandsfähigkeit  polierter 
Felsen  in  den  Gebieten,  welche  früher  von  Gletschern  bedeckt  waren.  Im  skandina- 
vischen Norden,  in  den  Alpen  und  an  anderen  Orten  finden  sich  sog.  Rundhöcker, 
durch  Eis  gerundete  Hügel,  die  noch  jetzt,  nach  Jahrtausenden,  durch  die  Verwitterung 
fast  unangegriffen,  ihre  durch  Eis  geglättete  Oberfläche  erhalten  haben. 

Durch  die  lösende  Wirkung  des  Wassers  können  ganze  Schichten  weggeführt 
werden.  Erfahrungsmässig  sind  jedoch  einzelne  Teile  eines  Gesteines,  auch  bei  gleicher 
chemischer  Zusammensetzung,  schwieriger  löslich,  sie  ragen  als  Ecken  und  Adern 
hervor.  Im  Hochgebirge  ist  oft  infolge  jener  verschiedenartigen  Löslichkeit  die 
Oberfläche  von  Kalkgesteinen  von  hervorragenden  Rippen  und  Kanten  bedeckt :  Schrat- 
ten oder  Karrenfelder.  (Vergl.  Heim,  Die  Verwitterung  im  Gebirge,  Basel  1879.) 
Auf  ungleiche  Löslichkeit  im  kleinsten  Massstabe  ist  wohl  auch  die  Bildung  von  Kalk- 
nnd  Dolomitsand  bei  den  reineren  Kalksteinen  und  Dolomiten  zurückzuführen. 

Sind  löslichen  Gesteinen  andere  Bestandteile  beigemischt,  so  bleiben  diese  zurück ; 
es  können  so  z.  B.  schwere  Thonböden  aus  Kalkgesteinen  hervorgehen. 

§  5.  3)  Die  Zersetzung  der  Gesteine  (chemische  Verwitterung; 
Verwitterung  im  engeren  Sinne).  Zersetzung  der  Gesteine  mit  Umwandlung  ihres  che- 
mischen Bestandes  werden  in  der  Natur  durch  den  Sauerstoff  der  Luft,  ferner  durch 
Wasser,  welches  Kohlensäure  und  organische,  als  Humussäuren  bezeichnete  Verbindungen 
gelöst  enthält,  verursacht.  Man  bezeichnet  diesen  Vorgang  als  einfache  Verwit- 
terung. Bei  diesem  Vorgange  werden  Salze  gebildet,  welche  ebenfalls  chemische 
Umsetzungen  veranlassen  und  deren  Wirkungen  man  als  komplizierte  Verwit- 
terung bezeichnet. 

Die  Vorgänge  der  komplizierten  Verwitterung  sind  im  wesentlichen  übereinstim- 
mend mit  den  Wirkungen  der  „Absorption"  der  Böden. 

Alle  Verwitterungsprozesse  verlaufen  rascher  bei  höherer  Tempeiutur.  Man  kann 
in  grossem  Durchschnitt  annehmen,  dass  bei  einer  Erhöhung  der  Temperatur  um  lO*' 
die  Geschwindigkeit  chemischer  Umsetzungen  in  Lösungen  verdoppelt  wird. 

In  der  Natur  zeigen  die  arktischen  Klimate  nur  sehr  wenig  chemische  Verände- 
rungen der  Gesteine,  während  in  den  Tropen  ausserordentlich  mächtige  Verwitterungs- 
schichten vorhanden  sind. 

Der  Sauerstoff  ist  bei  den  Verwitterungserscheinungen  der  Gesteine  durch 
die  Oxydation  des  Eisenoxyduls  und  des  Schwefeleisens  beteiligt.  Weitaus  die  meisten 
Elemente  finden  sich  in  völlig  oxydiertem  Zustande,  vermögen  daher  nicht  mehr  Sauer- 
stoff aufzunehmen.  In  den  Hornblenden,  Augiten  und  vielen  anderen  Mineralien  sind 
dagegen  Oxydulverbindungen  des  Eisens  reichlich  vorhanden,  und  ist  die  Ueberführung 
derselben  in  die  Oxyde  ein  wesentlicher  Teil  der  Verwitterung. 


SiO, 

65.24 

A1.0. 

18.15 

CaO 

1.28 

K,0 

14.96 

108  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Bedeutsamer  ist  die  Einwirkung  des  Sauerstoffs  bei  der  Humusbildnng.  Je 
nach  Gegenwart  oder  Abwesenheit  des  Sauerstoffs  verläuft  die  Zersetzung  der  organi- 
schen Abfälle  verschieden.  Zumal  die  Bildung  der  Humussäuren  wird  durch  Mangel 
an  Sauerstoff  gefördert. 

Das  Wasser  im  reinen  Zustande  ilbt  eine  ganze  Reihe  chemischer  Zersetzung-en 
aus.    Namentlich  ist  die  Einwirkung  auf  Alkalisilikate  hervorzuheben. 

Nichts  ist  geeigneter,  den  Unterschied  zwischen  löslichen  und  angreifbaren 
Mineral  Substanzen  zu  erklären,  als  die  Einwirkung  des  Wassers  auf  ein  lösliches  Ge- 
stein, etwa  auf  Gips,  und  die  auf  ein  zersetzbares,  wie  z.  B.  Feldspat. 

R.  Müller  (Tschermak,  Mineral.  Mitteil.  1877.  S.  31)  behandelte  reinen  Kali- 
feldspat (Adular)  während  sieben  Wochen  mit  Wasser.  Die  Zusammensetzung  des 
Feldspates  (angewendet  10.07  gr)  sowie  die  gelöste  Menge  und  die  prozentische  Lfos- 
lichkeit  der  einzelnen  Stoffe  mag  hier  folgen. 

gelöste  Menge    prozentische  Löslichkeit 
0.0102  0.0156 

0.0025  0.0137 

Spur  — 

0.0204  0.137 

Es  war  also  0.328^0  des  angewendeten  Feldspates  in  lösliche  Form  übergeführt, 
jedoch  zehnmal  mehr  Kali  als  Kieselsäure  aufgenommen  worden.  Es  hatte  sich  ein 
Alkalisilikat  gebildet,  welches  etwas  Thonerde  in  Lösung  erhielt. 

Noch  energischer  wirkt  Wasser  auf  Natriumsilikate  ein,  während  die  Kieselsäure- 
verbindungen der  alkalischen  Erden  (Ca,  Mg)  und  des  Eisens  nur  unter  gleichzeitiger 
Mitwirkung  von  Kohlensäure  stärker  zersetzt  werden. 

Aus  diesem  Beispiele  geht  bevor,  dass  auch  das  chemisch  reine  Wasser,  welches 
man  gewohnt  ist  als  einen  „indifferenten"  Körper  zu  betrachten,  ganz  bedeutende  che- 
mische Wirkungen  auszuüben  vermag. 

Kohlensäure  oder  richtiger  kohlensäurehaltiges  Wasser  wirkt 
zersetzend  auf  Silikate  ein;  zumal  Mineralarten,  welche  alkalische  Erden  und  Eisen- 
oxydul enthalten,  werden  leicht  angegriffen.  Hierbei  werden  lösliche  kohlensaure  und 
kieselsaure  Salze  gebildet,  während  ein  Teil  des  ursprünglichen  Minerals  als  wasser- 
haltige Silikate  zurückbleibt. 

Löslich  sind  Alkalisilikate,  Karbonate  des  Kalkes,  der  Magnesia  und  des  Eisen- 
oxyduls sowie  wasserhaltige  Kieselsäure.  Unlöslich  sind  wasserhaltige  Silikate  der 
Thonerde  und  des  Eisenoxydes.  Vorhandener  Kalk  wird  in  der  Regel  in  Karbonat 
übergeführt;  zum  Teil  geschieht  dies  auch  bei  der  Magnesia,  obgleich  vielfach  auch 
Magnesiasilikate  entstehen. 

Wasserhaltige  Kalksilikate  werden  durch  kohlensäurehaltiges  Wasser  leicht  zer- 
setzt, entsprechende  Magnesiasilikate  nur  wenig  angegriffen ;  sie  sind  daher  häufig  vor- 
kommende Minerale  (Chlorit,  Talk  u.  and.). 

Der  Vorgang  der  Silikat- Verwitterung  ist  zu  bezeichnen  als:  Zerlegung  der 
Mineralarten  durch  in  Wasser  gelöste  Kohlensäure  (und  Humus- 
säur e  n)  unter  Wasseraufnahme  in  einen  löslichen  und  einen  unlöslichen 
Teil.     Der  erstere  wird  meist  weggeführt,  der  letztere  bleibt  zurück. 

Die  hauptsächlichsten  Produkte  der  Verwitterung  sind  wasserhaltige  kieselsaure 
Verbindungen  der  Thonerde,  des  Eisenoxyds  und  der  Magnesia  als  Rückstand;  freie 
Kieselsäure,  kieselsaure  und  kohlensaure  Salze  der  Alkalien,  kohlensaure  Salze  des  Kal- 
kes, der  Magnesia  und  des  Eisenoxyduls  als  lösliche  Verbindungen. 

Bei  Gegenwart  von  Sauerstoff,  also  bei  Luftzutritt,  kann  kohlensaures  Eisenoxydul 


Die  Bodenbildung.     §  6.  109 

nur  zeitweise  auftreten,  es  wird  sich  rasch  in  Eisenoxyd  bez.  dessen  Verbindungen  am- 
wandeln.  Der  Rückstand  der  Zersetzung  von  Silikaten  an  der  Erdoberfläche  bilden 
die  mannigfaltigen  Thone  von  wechselnder,  meist  gelber,  brauner  oder  roter  Färbung. 

Es  ist  natürlich  nicht  notwendig,  dass  die  Wegfuhrung  der  bei  der  Verwitterung 
gebildeten  löslichen  Stoffe  sofort  geschieht;  häufig  bedarf  es  dazu  grösserer  Wasser- 
mengen, als  zur  Verfügung  stehen,  und  erfolgt  dann  zunächst  eine  Ausscheidung  der 
neugebildeten  Stoffe,  die  gelegentlich  in  den  krystallisierten  Zustand  übergehen  und 
dann  oft  dauernd  der  Einwirkung  des  Wassers  standhalten.  Dahin  gehört  die  Ab- 
scheidnng  der  Kieselsäure  als  Quarz,  der  als  sekundäre  Bildung  sehr  oft  im  Dünnschliff 
beobachtet  werden  kann,  während  Krystalle  von  Kalkspat  früher  oder  später  doch 
zur  Lösung  kommen.  Die  letzteren  linden  sich  namentlich  in  Gesteinen,  die  reich  an 
Kalkfeldspaten  (bez.  Labrador)  und  an  Augit  sind.  So  kann  man  z.  B.  vielfach  schwach 
zersetzten  dichten  Diabas  von  dichten  dioritischen  Gesteinen  durch  den  Gehalt  an  Kalk- 
spat unterscheiden  (bez.  durch  das  Aufbrausen  bei  Aufgiessen  von  Salzsäure). 

So  einfach  sich  die  Vorgänge  der  einfachen  Verwitterung  auch  in  ihrem  Endzu- 
stand darstellen,  so  mannigfach  sind  die  Zwischenprodukte.  Zurzeit  kann  man  nur 
angeben,  dass  von  diesen  wahrscheinlich  eine  grosse  Zahl  gebildet  wird,  wenn  auch 
eine  Trennung  derselben  noch  nicht  möglich  ist.  Diese  Körper  werden  nun  noch  aus- 
serordentlich verschiedenartig  durch  die  Vorgänge  der  komplizierten  Verwitterung,  also 
durch  die  Einwirkung  der  entstandenen  Salze  aufeinander  und  auf  die  Bestandteile  des 
Rückstandes  beeinflusst.  Nur  wenige  der  wichtigsten  bisher  erkannten  Umsetzungen 
können  hier  berührt  werden.     (Vergl.  Bischof,  Lehrb.  d.  ehem.  Geolog.  1.  S.  43). 

Bei  der  Verwitterung  entstehen  namentlich  kieselsaure  und  kohlensaure  Alkalien, 
Karbonate  des  Kalk,  der  Magnesia  und  des  Eisenoxyduls.  Ausserdem  führen  fast  alle 
Bodenarten  geringe  oder  reichlichere  Mengen  von  löslichem  schwefelsaurem  Kalk. 

a)  Kieselsaure  Alkalien  zersetzten  die  Sulfate  und  Chloride  der  alkalischen  Erden. 

b)  Kalisilikat  wird  durch  Eisenoxyd  und  Thonerde  die  Kieselsäure  entzogen  und 
Alkali  freigemacht.  Das  freie  Alkali  kann  Thon  lösen  und  so  zu  dessen  Wegführung 
Veranlassung  geben,  obwohl  sonst  die  Thonerde  der  am  schwierigsten  bewegliche  Be- 
standteil des  Bodens  ist. 

c)  Kohlensaure  Alkalien  zersetzen  Kalksilikat,  nicht  aber  Magnesiumsilikat. 

d)  Gelöster  kohlensaurer  Kalk  CaHj(COj),  nnd  Kalisilikat  liefern  unter  Freiwer- 
den der  Kieselsäure  Karbonate  von  Kalk  und  Kali. 

§  6.  4)  Organische  Stoffe  und  deren  Einwirkung.  Ausser  den  an- 
organischen Stoffen  üben  auch  die  sich  zersetzenden  organischen  Reste  eine  bedeutsame 
Tätigkeit,  welche  die  Verwitterung  stark  befördert.  Namentlich  sind  es  die  freien 
„Humussänren^  sowie  die  leicht  löslichen  humussauren  Alkalien,  welche  angreifend  auf 
die  Gesteine  einwirken.  Kaum  ein  Teil  der  Bodenkunde  hat  so  wenig  Förderung  ge- 
fanden als  dieser  Punkt.  Das  darüber  Bekannte  lässt  sich  in  dem  folgenden  zusam- 
menfassen. 

Die  wichtigste  lösliche  organische  Säure  des  Bodens  ist  die  Quell  säure  (Cren- 
sänre;  deren  Salze  =  Crenate),  welche  mit  allen  im  Boden  vorkommenden  Metallen, 
ausser  Thonerde  bez.  Eisenoxyd,  lösliche  Verbindungen  bildet. 

Femer  sind  die  dunkel  gefärbten,  chemisch  noch  nicht  definierbaren  „Humus- 
säuren''  wirksame  Bodenbestandteile,  die  mit  Alkalien  lösliche  Verbindungen  geben, 
während  die  Salze  der  alkalischen  Erden  unlöslich  zu  sein  scheinen. 

Im  Boden  können  ferner  noch  zahlreiche  andere  organische  Säuren  vorkommen 
(Essigsäure,  Ameisensäure,  Buttersäure,  Milchsäure  u.  s.  w.).  Die  meisten  der  löslichen  Säu- 
ren scheinen  durch  die  Lebenstätigkeit  niederer  Organismen  (Bakterien)  gebildet  zu  werden. 


110  II.  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Viele  organische  Stoffe  des  Bodens  verbinden  sich  leicht  mit  Sauerstoff;  sie  wir- 
ken reduzierend  und  vermögen  Eisenoxyd  in  Oxydul  überzuführen,  dessen  Verbindungen 
gelöst  und  ausgewaschen  werden. 

Das  Hauptprodukt  der  Verwitterung  durch  Humussäuren  ist  Kaolin  (Kaolinit; 
wasserhaltiges  Thonerdesilikat).  Durch  Einwirkung  der  Humussäuren  entstandene  Bo- 
denarten zeichnen  sich  daher  durch  helle,  weissliche  Färbung  aus  (Unterschied  von  den 
durch  Kohlensäure  verwitterten  Böden). 

Die  Verwitterung  durch  Humussäuren  ist  weit  verbreitet  und  überwiegt  in  den 
kühlen  und  regenreichen  Gebieten  die  durch  Kohlensäure. 

Als  Regel  kann  femer  gelten,  dass  bei  Gegenwart  von  reichlichen  Mengen  der 
alkalischen  Erden,  namentlich  des  Kalkes,  überwiegend  unlösliche  Verbindungen  gebildet 
werden  und  die  Einwirkung  der  humosen  Stoffe  gering  ist. 

In  Bodenarten,  die  wenig  Kalk,  dagegen  viel  Kali  oder  Natron  enthalten,  bilden 
sich  dagegen  lösliche  humussaure  Alkalien,  oder  in  armen  Bodenarten  finden  sich 
freie  lösliche  Humussäuren.  Die  Bodengewässer  in  Heidegebieten  zeigen  oft  bis  in 
grosse  Tiefe  saure  Reaktion.  Diese  humosen  Lösungen  wirken  stark  lösend  und  an- 
greifend auf  die  Mineralstoffe  des  Bodens.  Senft,  der  diese  Punkte  noch  am  aus- 
führlichsten berührt,  schreibt  namentlich  dem  humussauren  Ammoniak  eine  starke  lö- 
sende Wirkung  zu  (Senft,  Gesteins-  u.  Bodenkunde  2.  Aufl.  S.  331);  er  fand,  dass 
die  Silikate  der  Alkalien  und  der  Magnesia,  die  Sulfate  des  Kalkes  und  des  Strontiums, 
die  Phosphate  von  Kalk  und  Eisen,  durch  jenes  Salz  in  Lösung  tibergeführt  werden. 

Tatsächlich  finden  sich  die  obersten  Schichten  solcher  Erdarten,  namentlich  der 
Sande,  die  wenig  alkalische  Erden  enthalten,  oft  bis  in  erhebliche  Tiefe  ausgebleicht 
und  durch  Auswaschung  an  Mineralstoffen  erschöpft. 

§  7.  5)  Die  Absätze  aus  verwitternden  Gesteinen.  Unmittelbar  an 
die  Wirkungen  der  Verwitterung  müssen  die  Absätze  angeschlossen  werden,  die  sich 
so  vielfach  in  Gesteinen,  wie  auch  in  Bodenschichten  finden.  Man  muss  dabei  nach 
dem  Vorkommen  die  durch  chemische  Reaktionen  bewirkten  Ausfällungen 
und  die  Konkretionen  unterscheiden.  Beide  Formen  gehen  vielfach  ineinander 
über,  unterscheiden  sich  aber  namentlich  durch  ihre  Ablagerungsweise. 

Unter  Aus  fäll  ungen  sind  hier  alle  Bildungen  verstanden,  welche  aus  gelösten 
Stoffen  hervorgehen,  die  durch  irgend  eine  chemische,  zuweilen  auch  wohl  physikalische 
Ursache  oder  Reaktion  in  unlöslichen  Zustand  übergeführt  werden.  Die  Abscheidnng 
kann  daher  an  verschiedenen  Stellen  erfolgen,  wird  sich  aber  zumeist  schichtenartig 
über  grössere  oder  kleinere  Flächen  erstrecken,  je  nach  dem  Vorhandensein  der  wirk- 
samen Substanzen. 

Die  Konkretion^)  dagegen  setzt  ebenfalls  eine  Ausscheidung  aus  gelösten 
Stoffen  voraus  (nur  selten  wird  eine  mechanische  Verschwemmung  Konkretionen  bilden 
können),  verlangt  aber  gleichzeitig  ein  inniges  Zusammenlagern  der  gleichaitigen  Teile. 
Es  treten  also  bei  der  Bildung  der  Konkretionen  Kohäsionskräfte  in  Wirkung,  welche 
immer  Gleiches  zu  Gleichem  hinzufügen  und  so  ein  allmähliches  Wachsen  der  Abschei- 
dung von  innen  nach  aussen  herbeiführen.  Dementsprechend  ist  die  Fonn  der  Konkre- 
tion in  der  Regel  eine  mehr  oder  weniger  linsenförmige  oder  der  Kugelgestalt  genäherte 
(Lösspuppen,  Markasitknollen  u.  dergl.). 


1)  Die  Geologie  unterscheidet  noch  Sekretionen,  deren  Bildungsweise  von  den  Kon- 
kretionen dadurch  abweicht,  dass  die  Abscheidung  von  aussen  nach  innen  fortschreitet  (Achat> 
mandeln  gegenüber  den  Lösskindchen).  Die  Vorgänge  der  Abscheidung  sind  jedoch  völlig 
gleich  und  können  hier  zusammengefasst  werden. 


Die  Bodenbildnng.     §  7.  111 

AuslUllnngen  können  in  Konkretionen  übergehen,  indem  die  ausgefällten  Körper 
in  innige  Berührung  gelangen  und  Kohäsionskräfte  eine  Zusammenlagerung  herbeiführen. 
Die  meisten  Lager  von  Raseneisenstein  sind  wohl  durch  Ausfällnng  von  Eisenoxydul- 
salzen bei  deren  Oxydation  gebildet.  Die  abgeschiedenen  Massen  lagern  sich  jedoch 
zusammen  und  werden  in  eine  feste ,  steinartige  Masse  tibergeführt.  Die  Raseneisen- 
erze gehören  so,  trotz  ihrer  Entstehung,  wohl  zweifellos  zu  den  Konkretionen,  wofür 
auch  die  weitverbreitete  kugelige  Gestalt  derselben  spricht. 

Im  allgemeinen  sind  im  Boden  grössere,  durch  Ausfällung,  ohne  Konkretionsbil- 
dung, entstandene  Massen  selten.  Wahrscheinlich  sind  denselben  die  im  Moorboden 
weit  verbreitet  vorkommenden  kohlensauren  Kalke ,  die  Moormergel  oder  Alm 
genannten  Bildungen  zuzuzählen;  ausserdem  (nach  der  Meinung  des  Verfassers)  der 
Ortstein. 

Das  Auftreten  von  Konkretionen  in  den  oberen  Erdschichten,  namentlich  im  Bo- 
den ,  ist  vielfach  übersehen  worden.  Es  ist  ein  Verdienst  von  E  m  e  i  s  (waldbauliche 
Forschungen.  Berlin  1875  und  viele  spätere  Arbeiten  in  der  allg.  Forst-  u.  Jagdztg. ; 
Zeitschr.  f.  Heidekultur)  hierauf  nachdrücklich  hingewiesen  und  so  die  Bodenkunde 
wesentlich  gefördert  zu  haben. 

Im  folgenden  werden  die  wichtigsten  Absätze  nach  ihrer  chemischen  Beschaffen- 
heit kurz  besprochen  werden  und  wird  die  Entstehung  soweit  tunlich  berührt  werden. 
Als  allgemeine  Regel  gilt,  dass  Stoife,  welche  sich  (meist  unter  Mitwirkung  ^chemischer 
Reaktionen)  aus  einer  Lösung  abgeschieden  haben,  nicht  auch  als  solche  in  derselben 
löslich  zu  sein  brauchen. 

Karbonate.  Zu  den  verbreitetsten  und  wichtigsten  Absätzen  gehören  die  der 
Karbonate  des  Kalkes  und  der  Magnesia,  weniger  des  Eisenoxyduls. 

Kohlensaures  Calcium,  am  häufigsten  als  Kalkspat,  seltener  als 
Aragonit,  findet  sich  vielfach  auf  Gängen  und  in  Hohlräumen  der  Gesteine.  Ab- 
scheidungen, in  denen  oft  beide  Formen  der  Karbonates  vorkommen,  sind  Tropfsteine, 
Kalksinter  und  Kalktuffe. 

Die  Tropfsteine  bilden  sich  in  Höhlen  der  Kalkgesteine.  Die  langsame  Ver- 
dunstung des  Wassers  veranlasst  die  Abscheidang  des  gelösten  Kalkes. 

Kalksinter,  scheidet  sich  überwiegend  aus  dem  gelösten  Kalke  heisser  Quellen 
aus  und  wird  oft  in  Form  zusammengelagerter  gerundeter  Körner  gebildet,  Rogen- 
oder Erbse  nst  ein,  oolithischer  Kalk.  Namentlich  die  Sinterbildungen  der  Karls- 
bader Quellen  sind  bekannt  (Sprudelstein).  Bodenkundlich  treten  die  Kalksinter  zurück. 
Dieselben  enthalten  zumeist  noch  andere  Karbonate  (Fe,  Mg,  Mn)  sowie  Oxyde  von 
Eisen  und  Silikate  beigemischt. 

Kalktuffe  sind  von  grösserer  Wichtigkeit.  Sie  bilden  sich  unter  Mitwirkung 
von  Pflanzen,  die  den  kalkhaltigen  Gewässern  Kohlensäure  entziehen  und  so  den  Kalk 
zum  Absetzen  bringen.  Die  Kalktuffe  erscheinen  als  ein  unter  einander  verkittetes  In- 
kmstat  von  Halmen,  Blättern  und  Moosen.  Diese  Tuffe  bilden  sich  noch  fortwährend 
und  bedecken  oft  erhebliche  Flächen. 

Als  »Kalksammler"  sind  von  Wichtigkeit  die  verschiedenen  Arten  von  Ohara,  die 
oft  bis  zur  Hälfte  der  Trockensubstanz  aus  Kalkkarbonat  bestehen.  Ferner  einzelne 
Moosarten,  die  infolge  des  lebhaften  Spitzenwachstums  oft  in  den  unteren  Lagen  schon 
dicht  von  Kalktuff  umgeben  sind,  während  sie  an  der  Oberfläche  weiter  grünen.  Wässer 
mit  relativ  geringem  Kalkgehalt  (oft  nur  0,03^/o)  vermögen  unter  Mithilfe  der  Pflanzen 
Kalktnff  zu  bilden. 

Moormergel,  Alm,  sind  feinerdige,  weisse  oder  grau  gefärbte  Abscheidungen 
von  kohlensaurem  Kalk,    die  sich  in  Mooren  und  Torflagern  bilden.    Der  Moormergel 


112  II.  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

tritt  vielfach  nur  nestei-weise  auf,  findet  sich  jedoch  auch  in  ansgedehnteren  Schichten. 
Im  feuchten  Znstande  breiig,  trocknet  er  entweder  zu  weissen  kreideartigen  Massen. 
oder  zu  einem  feinkörnigen,  weissen  Sande  (so  der  „Alm'^,  der  nach  Sendtner  die  Orund- 
lage  der  meisten  bayerischen  Moore  bildet.  Vegetat.-Verh.  Südbayerns  1854.  S.  123), 
seltener  zu  sehr  leichten,  fast  verfilzt  erscheinenden  zusammenhängenden  Schichten. 

Die  Entstehung  des  Moormergels  ist  noch  dunkel.  Viel  für  sich  hat  die  Annahme, 
dass  sich  organische  lösliche  Kalksalze  bilden,  die  später  oxydiert  werden  und  feinpnl- 
verigen  kohlensauren  Kalk  abscheiden. 

Lösspuppen,  Lösskindchen,  Mergelknauern  nennt  man  im  Löss  und 
im  Diluvialmergel,  sowie  in  kalkhaltigen  Thonen  vorkommende  Konkretionen  von  koh- 
lensaurem Kalk,  von  dem  sie  60—80^0  enthalten.  Dieselben  sind  gerundet  oder  als 
flache  Scheiben  ausgebildet  und  erscheinen  durch  Verwachsen  mehrerer  kugeligen  Bil- 
dungen oft  in  eigenartigen  Formen. 

Osteokolla.  Kalkinkrustate  von  Wurzeln,  die  sich  namentlich  im  trockenen, 
meist  flüchtigen  Sande  bilden  und  dem  Forstmann  nicht  selten  entgegentreten.  Es 
ist  beobachtet  worden,  dass  in  Dünensanden  abgestorbene  Wurzeln  völlig  mit  Kalk 
inkrustiert  waren,  so  dass  das  feinste  W^urzelgeflecht  erhalten  blieb.  (G.  Kose,  Zeitschr. 
geol.  Ges.). 

Sulfate.  Gips  wird  vielfach  durch  Verdunstung  des  Lösungswassers  ausge- 
schieden. Künstlich  führt  man  dies  in  Gradierwerken  herbei,  wo  Gips  die  Hauptmasse 
der  Dornsteine  bildet. 

Kieselsäure  und  Silikate.  Kieselsäure  gehört  (als  Quarz)  auf  Gängen  und 
in  Gesteinshohlräumen  (Chalcedon)  zu  den  verbreitetsten  Absätzen. 

An  der  Erdoberfläche  wird  Abscheidung  amorpher  Kieselsäure,  namentlich  durch 
die  Diatomeen,  Algenarten  mit  kieselsäurehaltiger  Umhüllung  veranlasst,  wel- 
che den  Polierschiefer,  Tripel  bilden.  Aus  heissen  kieselsäurehaltigen  Quellen 
scheidet  sich  der  Kieselsinter  durch  Verdampfen  des  W^assers,  sowie  unter  Mitwir- 
kung niederer  Organismen  aus  (nicht  bei  der  Abkühlung). 

Silikate  gehören  ebenfalls,  namentlich  im  wasserhaltigen  Zustande  als  Z  e  o- 
1  i  t  h  e ,  zu  den  verbreitetsten  Absätzen.  Auch  in  Kalkgesteinen,  Thonschiefern  u.  dergl. 
hat  man  Zeolithe  gefunden ;  Vorkommen,  die  insofern  von  Wichtigkeit  sind,  als  sie  der 
Anschauung,  dass  der  Erdboden  Zeolithe  enthält,  eine  Stütze  gewähren. 

Oxyde  und  Oxydhydrate.  Ausser  den  hierher  gehörigen  Mineralien  von 
vorwiegend  wissenschaftlichem  Interesse  sind  namentlich  die  Raseneisen-  und  Ockerbil- 
dungen zu  nennen,  sowie  die  Verkittungsmittel  der  eisenschüssigen  Sandsteine. 

Ocker,  Eisenocker  sind  pulverige  Abscheidungen  von  Eisenoxydhydrat,  dem 
noch  Kalkkarbonat,  Thon  und  andere  Silikate  beigemischt  sind.  Die  Ockerbildung  er- 
folgt aus  eisenhaltigen  Quellen  durch  Oxydation  des  gelösten  kohlensauren  Eisenoxyduls, 
und  scheint  entweder  nur  in  bewegten  Wässeni  oder  solchen  mit  flachem  Wasserspiegel 
einzutreten. 

Raseneisenstein  besteht  vorwiegend  aus  Eisenoxydhydrat  mit  beigemischtem 
Sande,  Thon,  organischen  Stoffen,  die  alle  in  sehr  wechselnden  Mengen  auftreten. 
Raseneisenstein  bildet  sich  namentlich  in  Torflagern  und  Mooren,  sowie  auf  dem  Grunde 
der  Seen.  (Vergl.  Senft,  Humus-,  Marsch-  und  Limonitbildungen.  Leipzig  1862; 
Stapf,  Zeitschr.  geol.  Ges.  Bd.  18.  S.  110  u.  167.  1866).  In  vielen  Fällen  sind  bei 
der  Abscheidung  niedere  Organismen,  die  Eisenbakterien  (Crenotrix  u.  a.)  beteiligt. 

Der  Raseneisenstein  findet  sich  vielfach  in  kleineren  gerundeten  Konkretionen 
von  geringem  oder  ohne  jeden  Zusammenhang,  dann  bodenkundlich  von  geringerer  Be- 
deutung, oder  in  mächtigen,  festen  Bänken.  Die  letztere  Form  verhält  sich  den  Pflanzen 


Die  Bodenbildung.     §  8.  113 

gegenüber  wie  eine   feste  Felsschicht.    Nur  Durchbrechung  derselben  und  Ableitung 
des  zn  reichlich  vorhandenen  Wassers  kann  eine  Kultur  solcher  Flächen  ermöglichen. 
§8.    6)  Die  Absätze  organischer  Stoffe.    Zu  diesen  gehört  in  erster 
Linie  der  Ortstein. 

Ortstein,  Branderde,  Fuchserde  ist  ein  durch  huniose  Stoflfe  verkitteter 
Sand,  der  sich  in  grosser  Ausdehnung  in  armen  Sandböden  findet.  Die  Verbreitungs- 
gebiete des  Ortsteins  sind  namentlich  die  Küstenländer  der  Nord-  und  Ostsee,  sowie 
weite  Flächen  des  nordischen  Flachlandes.  Der  Ortstein  enthält  2 — lO^o  organischer 
Stoffe,  welche  den  Sand  verkitten.  Erfahrungsmässig  sind  Bildungen  mit  8 — 10  und 
mehr  Prozent  organischer  Stoffe  weich,  leicht  zerreiblich  und  für  die  Wurzeln  durch- 
dringbar ;  sie  werden  Branderde  genannt.  Der  festere  Ortstein  kommt  in  zwei 
Abarten  vor,  einmal  braun  bis  schwarz,  mit  mittlerem  Gehalte  an  organischen  Stoffen, 
steinartig;  an  die  Luft  gebracht  zerfäUt  er  in  ein  bis  zwei  Jahren  zu  einem  braunen, 
später  weissen  Sande.  Anderseits  findet  sich  Oitstein  hellbraun  gefärbt  von  grös- 
serer Mächtigkeit,  geringerem  Gehalte  an  organischer  Substanz  (oft  nur  1 — 2®/o)  und 
schwieriger  Verwitterbarkeit.  Von  der  vorigen  Form  des  Ortsteins  unterscheidet  er 
sich  namentlich  noch  durch  die  grössere  Zähigkeit;  die  einzelnen  Körner  sind  wie  in 
einander  verfilzt. 

Das  Vorkommen  des  Ortsteins  ist  ein  ganz  charakteristisches.  Unterhalb  der 
humosen  Bodenbedeckung  findet  sich  ein  schwach  humoser  (selten  mehr  als  2^0  humose 
Stoffe),  grau  gefärbter  Sand,  nach  seiner  Farbe  Grau-  oder  Bleisand  genannt, 
der  durch  Auswaschung  fast  völlig  an  löslichen  Stoffen  erschöpft  und  dessen  Silikate 
verwittert  sind.     Er  enthält  oft  noch  nicht  ^/lo^o  löslicher  Mineralstoffe. 

In  scharfer  Linie  vom  Bleisand  getrennt  lagert  der  Ortstein  oberhalb  einer  gelb 
gefUrbten,  an  Mineralstoffen  relativ  reichen  Sandschicht,  der  Verwitterungszone 
des  Sandbodens.  Der  gewöhnliche  Ortstein  ist  von  den  unterliegenden  Sandschichten 
meist  nicht  scharf  aber  erkennbar  getrennt,  während  die  zähere  Form  ganz  allmählich 
in  diese  übergeht. 

Der  Ortstein  ist  die  an  löslichen  Mineralstoffen  reichste  Schicht  des  Bodens. 
Eisen  enthält  derselbe  meist  in  massiger  Menge,  etwas  reichlicher  Thonerde. 

Die  Entstehung  des  Ortsteins  erfolgt  durch  Zufuhr  von  organischen  Stoffen  aus 
der  Oberfläche,  welche  auf  der  an  Mineralstoffen  reicheren  Verwitterungsschicht  sich 
absetzen.  Ob  diese  Abscheidung  ein  chemischer  oder  ein  physikalischer  Vorgang  ist, 
darüber  bestehen  noch  verschiedene  Ansichten.  Der  Verfasser  (Ramann,  Jahrbuch  d. 
geol.  Land.  v.  Preuss.  1885  und  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdw.  1884,  dort  auch  die 
ältere  Litteratur)  glaubt,  dass  die  Ortsteinbildung  dadurch  bedingt  wird,  dass  die 
humosen  Stoffe  in  reinem  Wasser  löslich  sind,  in  salzhaltigem  dagegen  abgeschieden 
werden.  Die  Regenwässer  vermögen  in  den  obersten  Bodenschichten  humose  Körper 
zu  lösen,  fuhren  diese  in  die  Tiefe  und  Ausfällung  derselben  erfolgt,  sowie  sie  mit 
Bodenschichten  in  Berührung  kommen,  die  an  löslichen  Mineralstoffen  reich  sind.  Diese 
Erklärung  lehnt  sich  eng  an  Arbeiten  von  Emeis  (Waldbaul.  Forschungen.  Berlin  1875) 
an.  Sie  wird  bestätigt  durch  die  völlig  amorphe,  strukturlose  Beschaffenheit  der  Humus- 
stoffe, welche  die  Sande  verkitten.  P.  E.  Müller  sieht  dagegen  im  Ortstein  überwiegend 
eine  chemische  Fällung  (Naturl.  Humusformen.    Berlin). 

Die  Ortsteinbildung  schreitet  noch  fortwährend  weiter.  Alle  annen  Sande,  die 
der  Auswaschung  durch  Regen  u.  s.  w.  ausgesetzt  sind,  können  Veranlassung  zur  Ab- 
scheidung geben.  Kleinere  Durchbrechungen  der  Ortsteinschicht  werden  durch  Neu- 
bildungen wieder  geschlossen,  wobei  tiefe  Einsenkungen  des  Ortsteins  in  den  unter- 
liegenden Boden,  sogenannte  Töpfe,  gebildet  werden. 

Hundbneh  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  8 


114  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Für  die  Waldkultur  ist  der  Ortstein  von  hervorragender  Bedeutung.  Die  Auf- 
forstung der  Heidefläcben  beansprucht  grosse  Aufwendungen  an  Geld  und  Arbeitskraft, 
es  ist  daher  auf  die  Neubildung  des  Ortsteins  Rücksicht  zu  nehmen.  Die  Löcherkultnr 
ist  zu  verwerfen,  Streifenkultur  in  trockenen  Lagen,  Rabattenkultur  in  feuchten  La- 
gen sind  zu  empfehlen.  Die  Streifen  müssen  eine  genügende  Breite  haben  (nicht 
unter  ein  Meter),  um  den  Bäumen  dauernd  die  tieferen  Erdschichten  aufzuschliessen. 
Waldbestand  wirkt  der  Ortsteinbildung  erfahrungsmässig  entgegen,  während  Vernich- 
tung des  Waldes  dieselbe  befördert.  Es  ist  dies  durch  den  jährlichen  Streuabfall  zu 
erklären,  welcher  der  Bodenoberfläche  fortwährend  Mineralstofife  zuführt,  die  von  den 
W^urzeln  grossenteils  tieferen  Bodenschichten  entzogen  sind.  Der  Auswaschung  wird 
so  entgegen  gewirkt. 

In  neuerer  Zeit  hat  man,  wie  es  scheint  mit  Glück  versucht,  gegen  Ortstein  and 
Oitsteinbildung  durch  Düngung  und  geeignete  Bodenpflege  anzukämpfen  (van  Scherm- 
beek,  Nord  westdeutscher  Forstverein  1895  und  1896). 

Andere  durch  die  reduzierenden  Einwirkungen  der  organischen  Steife  mit  bedingte 
Ablagerungen  sind: 

Vivianit,  phosphorsaures  Eisenoxydul,  ursprünglich  weiss,  nimmt,  der  Luft 
ausgesetzt,  rasch  eine  blaue  Farbe  an.  In  Torfboden  und  namentlich  in  Verbindung 
mit  Raseneisensteinen  verbreitet. 

Eisenkies  (Schwefelkies).  Die  löslich  gewordenen  Eisenoxydulsalze  werden 
durch  den  bei  der  Fäulnis  der  Eiweissstoffe  frei  werdenden  Schwefel  und  Schwefelwas- 
serstoff in  Schwefeleisen  übergeführt,  welches  sich  in  der  Natur  erfahrungsgemäss  als 
zweifach  Schwefeleisen  FeS^  abscheidet.  Eisenkies  oxydiert  sich  bei  Gegenwart  von 
Luft  und  Wasser  leicht,  es  kann  sich  daher  nur  unter  selteneren  Bedingungen  in  Boden- 
schichten bilden  und  findet  sich  namentlich  im  Untergrunde  von  Moor-  und  Torf  böden. 

n.  Die  Absorptionserscheinungen  im  Boden. 

Literatur.  Die  umfangreiche  Literatur,  soweit  sie  auf  Arbeiten  über  Boden  Be- 
zug hat,  in  A.  Mayer,  Lehrb.  d.  Agrikulturchemie.  3.  Aufl.  Heidelberg  1886,  fast  voll- 
ständig angegeben;  die  Lit.  über  die  komplizierte  Verwitterung  findet  sich  in  Roth,  Che- 
mische Geologie.     Berlin  1879. 

§  9.  1)  Allgemeines.  Unter  den  Vorgängen  im  Boden  haben  die  Absorptions- 
erscheinungen bei  ihrem  Bekanntwerden  das  grösste  Aufsehen  erregt  und  die  mannig- 
fachste Bearbeitung  erfahren.  Ueber  keinen  anderen  Gegenstand  der  Bodenkunde  sind 
jedoch  so  viel  irrige  Anschauungen  verbreitet  und  kaum  einer  hat  zu  so  viel  Besprech- 
ungen Veranlassung  gegeben,  als  dies  gerade  bei  den  Absorptionserscheinungen  der 
Fall  war. 

Die  Ehre  der  ersten  Entdeckung  derselben  gebührt  dem  Engländer  Way,  ob- 
wohl einzelne  hierher  gehörige  Tatsachen  schon  vorher  bekannt  waren;  das  Verdienst 
Liebig's  ist  es  aber  gewesen,  die  Tragweite  der  Tatsachen  erkannt  und  denselben 
die  weiteste  Verbreitung  gegeben  zu  haben. 

Der  speziellen  Behandlung  der  Absorptionserscheinungen  müssen  einige  theoretische 
Betrachtungen  vorausgeschickt  werden. 

Der  Zustand  der  gelösten  Stoffe  ist  in  neuerer  Zeit  eingehend  untersucht  worden. 
Es  hat  sich  dabei  herausgestellt,  dass  in  wässeriger  Lösung  zwei  grosse  Gruppen  von 
Körpern  zu  unterscheiden  sind,  solche,  welche  durch  den  elektrischen  Strom  leiten  and 
durch  ihn  zerlegt  werden  (Elektrolyten)  und  solche,  bei  denen  dies  nicht  der  Fall  ist. 

Die  ersteren  sind  für  die  Bodenkunde  am  wichtigsten.     Zur  Erklärung  ihres  Ver- 


Die  Absorptionserscheinnngen  im  Boden.     §  9.  115 

haltens  nimmt  man  an,  dass  Wasser  zerlegend  (dissoziierend)  auf  die  Elektrolyten  ein- 
wirkt, so  dass  in  der  Lösung  nicht  nur  Moleküle  des  gelösten  Stoffes  enthalten  sind, 
sondern  ein  grösserer  oder  geringerer  Teil  derselben  in  „Jonen"  zerlegt  ist,  z.  B. 
Chlomatrium  in  wässeriger  Lösung  nur  zum  Teil  als  NaCl  vorhanden ,  zum  anderen 
in  „Chlorjonen*  und  „Natriumjonen"  zerspalten  ist.  Die  Jonen  sind  elektrisch  geladen 
und  die  Voraussetzung  für  den  Bestand  der  Lösung  ist,  dass  gleichviel  elektrisch 
negative  und  elektrisch  positive  Jonen  vorhanden  sind.  Sind  in  einer  Lösung  ver- 
schiedene Salze  enthalten,   so  wird  sich  zwischen  diesen  Gleichgewicht  herstellen. 

Der  Gleichgewichtszustand  wird  durch  jede  Aufnahme  eines  neuen  Stoffes,  sowie 
durch  Wechsel  im  Wassergehalte  beeinflusst. 

Etwas  anders  verläuft  der  Prozess,  wenn  ein  Bestandteil  unlöslich  ausgeschieden 
wird.  Ist  z.  B.  neben  Chlorbaryum  schwefelsaures  Natrium  vorhanden,  so  wird  schwe- 
felsaures Baryum  ausgefällt  und  Chornatrium  bleibt  in  Lösung, 

BaCl,  4-  Na,SO*  =  BaSO,  -|-  2NaCl. 
Diese  Umsetzungsformel  giebt  jedoch  nur  den  Endzustand,  nicht  alle  zwischenliegenden 
Vorgänge  an.  Bei  der  ersten  Mischung  der  gegebenen  Salze  wird  alles  entstandene 
schwefelsaure  Baryum  durch  Ausfällung  der  Einwirkung  der  Stoffe  entzogen  und  der 
Gleichgewichtszustand  in  der  Flüssigkeit  gestört.  Es  wird  dadurch  eine  neue 
Menge  des  unlöslichen  Salzes  gebildet  und  so  fort,  bis  jede  Spur  von  Schwefel- 
sänre  an  Baryum  gebunden,  unlöslich  ausgeschieden  und  dadurch  der  chemischen  Ein- 
wirkung entzogen  ist.  Hierzu  ist  aber  eine  gewisse  Zeit  notwendig,  die 
für  das  angezogene  Beispiel  zwar  sehr  gering  ist,  aber  unter  Umständen  längere  Dauer 
erfordern  kann. 

Auf  solchen  Vorgängen  beruht  die  Tatsache,  dass  in  der  Regel  aus  einer  Lö- 
sung vom  Boden  mehr  absorbiert  wird,  wenn  die  Einwirkung 
lange,  als  wenn  sie  nur  ganz  kurze  Zeit  andauert.  Natürlich  ist  dies 
nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  richtig:  hat  sich  einmal  der  Gleichgewichtszustand 
zwischen  Boden  und  Flüssigkeit  herausgestellt ,   so   hört  jede  fernere  Einwirkung  auf. 

Im  Boden  sind  zahlreiche  Salze  vorhanden,  welche  nicht  nur  unter  sich  Umsetz- 
ungen erfahren,  sondern  auch  auf  die  schwerer  angreifbaren  Bestandteile  der  festen 
Bodenpartikel  einwirken.  Endlich  machen  sich  auch  noch  Absorptionswirkungen,  die 
von  der  Oberfläche  des  Bodens  ausgehen,  geltend.  Alles  dies  macht  es  verständlich, 
dass  zahlreiche  Umsetzungen  eintreten,  welche  die  Zusammensetzung  der  Bodenflüssig- 
keit beeinflussen. 

Von  grösster  Bedeutung  für  die  Absorptionserscheinungen,  ja  in  ihrem  ganzen 
Verlauf  überwiegend  davon  beeinflusst ,  ist  ferner  das  Gesetz  der  chemischen 
Massenwirkung. 

Auch  zur  Erläuterung  dieses  Gesetzes  mag  ein  Beispiel  dienen.  Lässt  man  bei 
höherer  Temperatur  Wasserstoff  auf  Eisenoxydoxydul  einwirken,  so  bildet  sich  metal- 
lisches Eisen  und  Wasser 

Fe30^+8H=z3Fe  +  4H,0. 
Bedingung  ist  jedoch  für  die  Beendigung  der  Reaktion  ein  sehr  grosser  Ueber- 
schuss  vonW^asserstoff;  wollte  man  nur  die  Inder  Gleichung  angegebene  Menge 
Wasserstoff  anwenden,  so  würde  nur  ein  kleiner  Teil  des  Oxydes  reduziert  werden. 

Ganz  anders  verläuft  der  Prozess,  wenn  man  bei  derselben  erhöhten  Temperatur 
Wasserdampf  auf  Eisen  einwirken  lässt.  Dann  bildet  sich  Wasserstoffgas  und  Eisen- 
oxydoxydul 

3Fe  +  4H  0  =  Fe,0,  +  8H. 
Die  Umsetzung  erfordert  einen  grossen  Ueberschuss  von  Wassergas. 

8* 


116  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Körper  können  also  die  gerade  entgegengesetzte  Reaktion  bewirken,  je  nach  der 
Menge,  in  welcher  der  einzelne  vorhanden  ist.  Das  Gesetz  ist  nach  den  Entdeckern 
derselben  das  Gnldberg-Waage'sche  Gesetz  der  chemischen  Massenwirkung  genannt 
worden  (Journ.  f.  prakt.  Chem,). 

Solche  Massen  Wirkungen  linden  nun  im  Boden  tbi*twährend  statt.  Je  nach  Flfis- 
sigkeitsmenge  und  Mineralstoffen  erfolgt  ein  fortwährender  Ausgleich.  Die  Bodenfläs- 
sigkeit  ist  daher  in  ihrer  Zusammensetzung  dauernd  in  Veränderung  begriffen,  da  Ver- 
dunstung und  Zufuhr  von  Wasser  mit  einander  wechseln. 

Unter  den  bezüglichen  Arbeiten  ist  keine  so  geeignet,  die  Vorgänge  der  Absorp- 
tionswirkungen  und  ihre  Abhängigkeit  von  der  Massenwirkung  so  vorzüglich  zu  zeigen, 
wie  die  von  Lemberg  (Zeitschr.  geol.  Ges.  1876.  p.  313). 

Lemberg  arbeitete  mit  wasserhaltigen  Silikaten;  eins  derselben  hatte  folgende 
Zusammensetzung : 

Silikat  1.  Kieselsäure  ....     46.64^/0 

Thonerde      ....     29.38  „ 

Kali 22.75  „ 

Natron 1 .83  „ 

Nachdem  es  drei  Wochen  hindurch  mit  kohlensäurehaltigem  Wasser  behandelt 
worden,  ergab  sich  die  folgende  Zusammensetzung  (ohne  Berücksichtigung  des  chemisch 
gebundenen  Wassers): 

Kieselsäure    ....     54.01"/o 
Thonerde       ....     39.65  „ 

Kali 5.34, 

Das  Wasser  war  also  im  stände  gewesen,  den  weitaus  grössten  Teil  des  Kali 
zu  lösen.  Führte  man  dem  so  entstandenen  Salz  wieder  Kali  zu,  indem  man  es  mit 
Kalilauge  behandelte,  so  ergab  sich  ein  Produkt  von  folgender  Zusammensetzung: 

Kieselsäure    ....     46.60<^/o 
Thonerde       ....     35.67  „ 

Kali 17.73  „ 

Das  ausgeschiedene  Kali  wurde  also  wieder  aufgenommen,  wenn  es  in  genügen- 
der Menge  gegenwärtig  war.  Eine  erneute  Behandlung  mit  Wasser  würde  es  wieder 
in  Lösung  geführt  haben;  oder  mit  anderen  Worten :  die  Zusammensetzung  des  Silikates 
war  von  der  Masse  des  wirkenden  Kaliums  und  des  Wassers  abhängig. 

Liess  man  auf  das  ursprüngliche  Silikat  (Silikat  1)  Chlorammonium  einwirken, 
so  verdrängte  das  im  Ueberschuss  vorhandene  Ammoniak  das  Kali  fast  vollständig  und 
es  ergab  sich  eine  Verbindung  von  folgender  Zusammensetzung: 

Kieselsäure    ....     56.17®/o 
Thonerde      ....     34.59  „ 

Kali 0.89  „ 

Ammoniak  (NHg)  .     .      8.37  „ 
In  gleicher  Weise  würde  man  das  Kali  oder  das  Ammon  durch  einen  Ueberschuss 
von  Natron  verdrängen  können.    Die  Beispiele  sollen  nur  zeigen,  in  welcher  Weise  die 
Umsetzungen  verlaufen.  Hiernach  wird  es  möglich  sein,  sich  von  den  zahllosen  Prozessen, 
die  im  Boden  neben  einander  hergehen,  ein  Bild  zu  machen. 

Auch  die  Tatsache,  dass  aus  konzentrierteren  Lösungen  mehr  Stoffe 
absorbiert  werden  als  aus  verdünnten,  erklärt  sich  leicht,  da  die  Massen  Wirkung* 
des  Wassers  in  den  ersteren  zurücktritt.  Die  Absorption  steigt  dabei  nicht  im  gleichen 
Masse  mit  der  Konzentration.  Es  stellt  sich  immer  ein  Gleichgewicht  zwischen  den 
wirkenden  Stoffen  her  (also  zwischen  Boden,  Wasser  und  Salzgehalt),  welches  in  jedem 


Die  Absorptionserscheinungen  im  Boden.     §  10.  117 

Falle  eine  verschiedenartige  Absorption  vermitteln  wird,  je  nach  der  Menge  und  Wir- 
knng'sweise  der  einzelnen  Körper.  Auf  die  gleiche  Ursache  ist  es  wohl  auch  zurück- 
zuführen, dass  dieselbe  Menge  Erde  bei  gleicher  Stärke  der  Lösung  aus  einem  grös- 
seren Volum  Flüssigkeit  mehr  absorbiert  als  aus  einem  kleineren. 

Die  bedeutsamste  Wirkung  der  Absorption  des  Bodens  ist  darin  zu  suchen,  dass 
durch  diese  Vorgänge  die  Zusammensetzung  der  Bodenflüssigkeit  so  beeinflusst  wird,  dass 
bei  Gegenwart  von  viel  Wasser  neue  Stoffe  in  Lösung  gehen,  die  Pflanzen w^urzel 
also  nicht  Mangel  leidet,  und  anderseits  bei  Abnahme  der  Flüssigkeitsmenge 
dnrch  gesteigerte  Absorption  einer  schädlichen  Konzentration  entgegen 
gewirkt  wird. 

§10.  2)  Einige  spezielle  Beziehungen.  Für  die  verschiedenen  Bo- 
denarten gelten  hauptsächlich  folgende  Regeln. 

Die  einzelnen  basischen  Körper  haben  eine  verschieden  starke  chemische  Wirk- 
samkeit. Je  nach  derselben  und  je  nachdem  sie  namentlich  geneigt  sind,  lösliche  Salze 
zn  bilden,  wird  die  Einwirkung  verschieden  sein. 

Am  energischsten  wird  das  Kalium  aufgenommen,  dem  sich  das  Ammon  sehr 
ähnlich  verhält;  während  das  Natrium  nur  schwach  absorbiert  wird. 

Von  den  alkaliöchen  Erden  wird  Magnesium  und  Calcium  sehr  wenig  fest- 
gehalten. 

Von  den  Säuren  werden  Schwefelsäure,  Salpetersäure  und  die  Chlor- 
verbindungen, als  solche,  die  leicht  lösliche  oder  nicht  schwer  lösliche  Salze 
bilden,  nicht  absorbiert,  während  die  Phosphorsäure  energisch  aufgenommen  wird; 
eine  Folge  der  Unlöslichkeit  der  meisten  phosphorsauren  Salze  (die  des  Eisen,  Thon- 
erde,  Kalk,  Magnesia). 

Alle  diese  Angaben  sind  insofern  nur  relativ  richtig,  da  ja  gleichzeitig  die  v  o  r- 
handeneMenge  der  einzelnen  Stoffe  einwirkt.  Wie  früher  gezeigt  wurde,  vermögen 
auch  solche  Metalle,  wie  Natrium,  die  einer  relativ  geringen  Absorption  unterliegen, 
andere  zu  verdrängen,  wenn  sie  nur  in  genügender  Masse  vorhanden  sind.  Hierauf 
gründet  sich  die  Wirkung  der  sogenannten  „indirekten  Dünger"  und  auch  z.  T. 
solcher  Dünger,  die  aus  Pflanzennahrung  bestehen,  dabei  aber  löslich  sind. 

Als  indirekter  Dünger  kann  z.  B.  das  Kochsalz  angeführt  werden.  W'eder  Chlor 
noch  Natrium  sind  als  wesentliche  Nährstoffe  zu  betrachten.  Trotzdem  wirkt  Kochsalz 
anregend  auf  die  Vegetation.  Durch  den  Ueberschuss  von  Natrium  werden  Kalium 
und  andere  Körper  leichter  löslich  und  für  die  Pflanzen  in  eine  rascher  aufnehmbare 
Form  übergeführt. 

Gips  und  Mergel  sowie  Chilisalpeter  gehören  ebenfalls  zum  Teil  hierher.  Obgleich 
dieselben  wesentliche  Nährstoffe  enthalten,  wirken  sie  doch  gleichzeitig  als  „indirekte 
Dünger*,  indem  sie  durch  Massen  Wirkung  die  übrigen  Stoffe  löslich  machen.  Natürlich 
geschieht  dies  auf  Kosten  des  vorhandenen  Bodenkapitals. 

Nach  den  in  der  Natur  vorkommenden  Verhältnissen  wird 
sich  die  Absorptionswirkung  (namentlich  in  Waldboden)  so  stel- 
len, dass  in  der  Regel  Phosphorsäure,  Kali  und  Ammoniak  fest- 
gehalten werden,  während  andere  Säuren,  sowie  Natron,  Kalk 
und  auch  Magnesia  weggeführt  werden. 

Die  Absorptionswirkung  wird  in  erster  Linie  durch  die  im  Boden  vorhandenen 
wasserhaltigen  Silikate,  also  zeolitische  Körper  bewirkt.  Für  diese  kann 
als  Gesetz  aufgestellt  werden,  dass  die  Absorption  durch  chemischen  Aus- 
tausch geschieht;  d.  h.  an  Stelle  des  absorbierten  Stoffes  geht  eine  dem  Aequi- 
valentverhältnisse  entsprechende  Menge  eines  anderen  Elementes  in  Lösung. 


118  IL  Ra mann.  Forstliche  Standortslehre. 

In  der  Natur  wird  dies  zumeist  in  der  Weise  geschehen,  dass  Natrium  und  Cal- 
cium verdrängt  werden.  Bringt  man  Chlorkalium  mit  Boden  in  Berührung,  so  wird 
ein  Teil  des  Kaliums  absorbiert  und  eine  entsprechende  Menge  von  Chlomatrium  und 
Chlorcalcium  gebildet  und  in  Lösung  übergeführt. 

Von  Eisenoxyd  und  Thonerde  lindet  sich  nur  das  erstere  im  freien  Zustande 
in  grösserer  Menge.  Es  kann  für  manche  Fälle  von  Bedeutung  werden.  So  wird  z.  B. 
kieselsaures  Kalium  vollständig  von  Eisenoxyd  aufgenommen,  indem  sich  ein  Doppel- 
silikat von  Eisenoxyd  und  Kali  bildet.  Ausserdem  bindet  das  Eisen  noch  die  Phosphor- 
säure sehr  stark.  Die  freie  Thonerde  kann  ganz  ähnliche  Wirkungen  ausüben,  ist  je- 
doch nur  selten  mehr  als  in  Spuren  im  Boden  vorhanden.  Die  Bedeutung  der  Thon- 
erde liegt  in  ihrer  Neigung,  mit  anderen  Elementen  Doppelsilikate  zu  bilden,  die  dann 
den  Umsetzungen  leicht  zugängig  sind. 

Die  humosen  Stoffe  haben  nur  geringe  Absorptionswirkungen.  Nach  den 
vorliegenden  Untersuchungen  (vergl.  namentlich  König,  I>andwirtsch.  Jahrbücher 
1882.  S.  1)  werden  nur  Kali  und  Ammoniak  im  ungebundenen  Zust-ande  festgehalten. 
Beide  bewirken  eine  Quellung  der  humosen  Stoffe.  Ob  dabei  eine  chemische  Wirkung 
eintritt,  ist  zweifelhaft,  vielleicht  liegt  ein  Fall  einer  physikalischen  Absorption  vor. 
Es  ist  jedoch  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  die  humosen  Stoffe  unter  geeigneten  Um- 
ständen unlösliche  Verbindungen  zu  bilden  vermögen.  Manche  Tatsachen  sprechen 
wenigstens  dafür,  soweit  es  sich  zunächst  um  Kalk  und  Magnesia,  vielleicht  auch  um 
Eisenoxyd  und  Thonerde  handelt.  Bei  der  gegenwärtigen  ungenügenden  Kenntnis  der 
Humuskörper  ist  es  jedoch  schwierig,  ein  Uiteil  zu  fällen. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  die  andern  seltener  vorkommenden  Elemente  sich  in 
bezug  auf  Absorptionswirkungen  ganz  ähnlich  verhalten,  wie  die  besprochenen.  Der 
Boden  besitzt  durchaus  kein  Wahlvermögen,  wie  man  dies  wohl  früher 
glaubte,  sondern  viele  Metalle,  die  als  Pflanzengifte  wirken  (Blei,  Kupfer  u.  and.)  wer- 
den ebenfalls  energisch  festgehalten. 

§  11.  3)  Die  Auswaschung  der  Böden.  Die  Wirkung  des  Wassers 
ergiebt  sich  aus  dem  vorhergehenden.  Das  Wasser  wirkt  der  Absorption  entgegen. 
Wenn  auch  nur  mit  schwacher  chemischer  Energie  begabt,  macht  es  sich  doch  dadurch 
bemerkbar,  dass  es  der  am  reichlichsten  vorhandene  Körper  ist.  Je  reicher  ein  Boden 
an  absorbierten  Stoffen,  um  so  stärker  ist  die  lösende  Kraft  des  Wassers. 

Gleichzeitig  erklärt  die  Massen  Wirkung  des  Wassers  auch  die  Tatsache,  dass  dem 
Boden  durch  längere  Zeit  fortgesetztes  Auswaschen  der  grösste  Teil  der  absorbierten 
Stoffe  wieder  entzogen  werden  kann. 

In  der  Natur  kommt  das  Regen-  und  Schneewasser  nahezu  im  reinen  Zustande 
mit  dem  Boden  in  Berührung.  Die  geringen  Mengen  von  Kohlensäure,  welche  es  ent^- 
hält,  steigern  seine  lösende  Wirkung.  Das  W^asser  wird  sich  daher  möglichst  rasch 
mit  Salzen  beladen  und  so  eine  allmähliche  Auswaschung  des  Bodens  herbeiführen. 
Der  reichliche  Gehalt  der  Quell wässer  an  Salzen,  namentlich  an  Kalksalzen,  zeigt  diese 
lösende  und  auswaschende  Wirkung  des  Wassers  hinreichend.  Jeder  Boden,  dem 
nicht  durch  Verw^itterung,  Streuabfall  oder  Düngung  neue  Mi- 
neralstoffe zugeführt  werden,  muss  daher  allmählich  an  allen 
den  Stoffen  verarmen,  welche  in  Wasser  auflöslich  sind. 

Die  Auswaschung  trifft  dabei  nicht  alle  Bodenschichten  gleichmässig ,  sondern 
schreitet  allmählich  von  der  Oberfläche  nach  der  Tiefe  fort.  Das  W'asser  löst  Salze 
in  den  obersten  Lagen  und  trifft  die  tiefer  liegenden  als  nahezu  gesättigte  Lösung ;  es 
vermag  dann  nur  noch  wenig  Salze  aufzunehmen.  Hierauf  ist  es  zurückzuführen,  dass 
in  armen,    namentlich    sandigen  Bodenarten   fast  völlig   ausgewaschene   Schichten  in 


Der  Transport  der  Verwitterungsprodukte.     §  12.  119 

scliarfer  Linie  von  den  darunter  lagernden  reicheren  sich  absetzen. 

Die  Bedeutung  der  Auswaschung  im  Boden  hat  man  lange  Zeit  unterschätzt. 
Man  glaubte  in  den  Absorptionswirkungen  einen  sicheren  Schutz  dagegen  zu  haben. 
Tatsächlich  sind  die  Verhältnisse  jedoch  ganz  andere.  Die  lösende  Wirkung  des  Was- 
sers und  die  Wegfuhr  der  Salze  kann  nicht  nur  die  Bodenarten  stark  verarmen  lassen, 
sondern  sie  prägt  ganzen  Zonen  ihren  Bodencharakter  auf. 

Vielfacher  Eückgang  der  Waldungen  auf  armen  Sandböden  lasst  sich  nur  als 
Verarmung  durch  Auswaschung  erklären.  Die  Untersuchung  berechter  Sandböden  zeigt, 
dass  durch  Auswaschung  viel  mehr  Nährstoffe  weggeführt  werden,  als  durch  Streu- 
entnahme. 

Am  stärksten  wirksam  sind  mit  Humussäuren  beladene  Gewässer,  welche  den 
Boden  oft  bis  in  erhebliche  Tiefen  an  löslichen  Stoffen  erschöpfen. 

Durch  Wegfuhr  der  löslichen  Salze  wird  die  physikalische  Struktur  der  Böden 
geändert,  vorhandene  Krümelstruktur  zerstört  und  werden  die  Bodenkörner  dicht  zu- 
sainmengelagert. 

Auswaschung  der  Böden  erfolgt  um  so  stärker  und  tiefgehender,  je  höher  die 
Komgrösse  ist,  also  in  Sandböden  mehr  als  in  Lehmböden.  In  sehr  feinkörnigen  Bo- 
denarten wird  die  Auswaschung  überhaupt  gering,  ist  aber  in  niederschlagreichen  Ge- 
bieten immer  nachweisbar. 

Der  Auswaschung  unterliegen  zunächst  die  leichtlöslichen  Salze,  Chloride  und 
Karbonate  der  Alkalien,  Sulfate  der  Magnesia;  dann  folgt  Calciumsulfat  (Gips)  und 
kohlensaurer  Kalk.  Durch  humussaure  Wässer  werden  auch  die  Eisenverbindungen 
weggeführt. 

m.  Der  Transport  der  Verwitterungsprodukte. 

Die  aus  der  Verwitterung  der  Gesteine  hervorgehenden  Produkte  verbleiben  nur 
zum  kleinsten  Teil  dauernd  auf  dem  Orte  ihrer  Entstehung,  während  die  Hauptmassen 
durch  ihre  eigene  Schwere,  namentlich  aber  durch  die  mechanische  Tätigkeit  des  flies- 
senden Wassers  und  des  Windes  fortgeführt  werden  und  an  anderen  Stellen  zur  Ab- 
lagerung kommen. 

Nur  in  ebener  oder  schwach  geneigter  Lage  können  sich  mächtigere  Schich- 
ten der  ursprünglichen  Verwitterungsreste  halten ;  ferner  geschieht  dies,  wenn  die  Ver- 
witterung rasch  fortschreitet  und  namentlich,  wenn  einzelne  Teile  des  Gesteins  noch 
einen  festeren  Zusammenhang  zeigen,  während  die  Hauptmasse  bereits  zersetzt  ist. 
So  sind  die  Basalt  wacken  z.T.  aus  der  Verwitterung  der  Basalte  hervorgegangene 
feinerdige  Massen,  die  noch  Krystalle  von  Hornblende  und  Augit,  sowie  unzersetzte 
Basaltreste  einschliessen. 

Die  Umlagerung  vorhandener  Verwitterungsprodukte  erfolgt  durch  ihre  eigene 
Schwere,  indem  die  ihres  Zusammenhanges  beraubten  Gesteinsbruchstücke  an  Ge- 
hängen hinabgleiten  (t  r  o  c  k  e  n  e  r  Abtrag),  durch  Wasser  in  flüssiger  oder 
fester  Form  (Gletscher)  und  endlich ,  wenn  auch  in  beschränkterem  Masse, 
durch  die  Tätigkeit  des  Windes  (Dünen,  Flugsandbildungen). 

§12.  1)  Der  trockene  Abtrag  (Heim,  Verwitterung  im  Gebirge.  Basel 
1879.  V.  Liburnau,  Grund  und  Boden.  Wien  1883)  findet  dem  vorausgeschickten 
entsprechend  im  Gebirge  oder  an  stärker  geneigten  Hängen  statt.  Natürlich  wirkt 
auch  hierbei  Regenwasser  mit  und  beschleunigt  die  Abfuhr  der  Bruchstücke,  aber  doch 
nicht  in  dem  Masse,  dass  darüber  der  Charakter  der  Ablagerung  verloren  ginge. 

Im  Gebirge  bildet  der  trockene  Abtrag  die  Schuttkegel  und  Schutthalden, 
denen  man  als  dritte  Form  noch  den  Gehängeschutt  anreihen  kann. 


120  II.  R am  an  n.  Forstliche  Standortslehre. 

Schuttkep:el  bilden  sich,  wenn  die  Gesteinsbruchstticke  ans  einer  Schlacht 
(Riese)  in  das  Tal  hinabgleiten;  sie  häufen  sich  zu  kegelförmigen  Massen  an,  welcbe 
sich  an  die  Bergwand  anlehnen.  Schutthalden  entstehen  dagegen,  wenn  der  Ab- 
trag gleichmässig  an  einem  Gehänge  stattiindet.  Als  Gehängeschutt  bezeichnet 
man  Anhäufungen,  die  nicht  bis  ins  Tal  hinabgeführt,  sondern  durch  Unebenheiten  der 
Bergwand  (Klippen,  Querrinnen  u.  s.  w.)  festgehalten  werden. 

Alle  diese  Ablagerungen  haben  einen  bestimmten,  nach  Grösse  der  Bmchstucke 
und  der  Beschaffenheit  derselben  verschiedenen  Neigungswinkel.  In  der  Regel  beträgt 
derselbe  20—30®.  Hierdurch  unterscheiden  sie  sich  von  den  Massen,  welche  durch 
Wildbäche  zusammengeschwemmt  werden,  die  meist  einen  kleineren  (in  der  Regel  3 — 10^) 
Neigungswinkel  haben. 

Zu  den  Erscheinungen  des  trockenen  Abtrages  sind  noch  die  Bergstürze, 
Abrutschungen  zu  rechnen.  Diese  entstehen  durch  Abbruch  zu  steiler  Felsen, 
sowie  wenn  einzelne,  namentlich  thonreiche,  Schichten  bei  starker  Wasserzufuhr  ihren 
inneren  Zusammenhang  verlieren  und  ein  Herabgleiten  der  darüber  lagernden  Gesteins- 
raasse  ermöglichen. 

Bergstürze  kommen  überwiegend  im  Hochgebirge  vor,  namentlich  in  den  Alpen 
sind  sie  gefürchtet  (kleinere  vStürze  werden  dort  als  trockene  Stein-  oder  Erdmnhren 
bezeichnet),  aber  auch  im  Flachlande  sind  an  Talgehängen  Abrutschmassen  nichts  Sel- 
tenes. Die  Aufnahmen  der  preussischen  geologischen  Landesanstalt  im  Flachlande  haben 
daher  einen  besonderen  Farbenthon  für  Abrutsch-  und  Abschlämmmassen. 

§  13.  2)  Der  Abtrag  durch  W  a  s  s  e  r  *-*)  ist  weitaus  der  bedeutendste  in 
der  Natur  auf  den  Transport  der  Verwitterungsreste  einwirkende  Faktor.  Zur  Jetzt- 
zeit überwiegt  die  Wirkung  des  flüssigen  Wassers,  während  in  der  Diluvialzeit  für  die 
gemässigten  Klimate  die  Wirkung  der  Gletscher  derselben  ebenbürtig,  wenn  nicht  über- 
legen war. 

Das  flüssige  Wasser  wirkt  namentlich  nach  drei  Richtungen  ein,  die  als 
Erosion,  Geschiebeabfuhr  und  Geschiebeablagerung  bezeichnet  wer- 
den können,  wenngleich  alle  drei  Erscheinungen  nebeneinander  hergehen  und  meistens 
gleichzeitig  zur  Wirkung  gelangen.  Erosion  findet  dann  statt,  wenn  die  Strömung" 
stark  genug  ist,  um  Teile  der  umgebenden  Gesteine  abzubrechen  und  mit  hinwegzu- 
führen.  Je  nach  der  Beschaffenheit  der  Schichten,  ob  diese  aus  festem,  hartem  Gestein 
oder  aus  leicht  beweglichen  Ablagerungen  bestehen,  wird  die  Wirkung  der  Erosion  sehr 
verschieden  stark  ausfallen.  Zu  beachten  ist  auch  die  abschleifende  Wirkung  der  am 
Grunde  der  Flüsse  befindlichen  Gerolle,  die  bei  ihrer  Fortbewegung  das  Flussbett  ver- 
tiefen bez.  verbreitern  müssen. 

Die  Geschiebeabfuhr  und  Ablagerung  ist  ebenfalls  von  der  leben- 
digen Kraft  des  fliessenden  Wassers  abhängig,  w^elche  wiederum  je  nach  der  Neigung 
der  Ebene  und  der  vorhandenen  Wassermasse  sehr  verschieden  stark  sein  kann. 

In  den  dgs  ganze  Jahr  hindurch  fliessenden  Gewässern  können  grössere  Geschiebe 
wälzend  fortbewegt  werden,  solche  von  mittlerer  Grösse  werden  am  Grunde  fort  ge- 
schoben, wobei  die  einzelnen  Stücke  gleichzeitig  im  Kreise  gedreht  werden  und 
durch  gegenseitige  Abreibung  die  für  Flussgerölle  charakteristischen  flach-rundlichen 
Formen  annehmen.  Durch  die  Reibung  erfolgt  gleichzeitig  eine  Abnahme  der  ein- 
zelnen Stücke  an  Masse,  so  dass  sich  im  Oberlauf  der  Bäche  und  Flüsse  grössere,  im 


2)  Eine  vorzügliche  und  eingehende  Darstellung  der  betr.  Verhältnisse  bietet  Lorenz 
V.  Liburnau,  Grund  und  Boden.  Wien  1883.  Nähere  Litcraturangaben  in:  Hand- 
buch d.  Ingenieur  Wissenschaften,  3.  Bd.  Wasserbau,  in  3  Abtlg.  Leipzig. 
W  a  n  g ,  Gesetze  der  Bewegung  des  Wassers.     Wien  1899. 


Der  Transport  der  Verwittern ngsproduktc.     §  13,  121 

Mittellauf  kleinere  Geschiebe  finden ,  während  in  einem  Unterlauf  mit  wenig  Grefiille 
nur  noch  die  feinst  verteilten  Schlick-  und  Thonteilchen  fortbewegt  werden.  Dieser 
Vorgang  wird  als  „Einzeltransport"  bezeichnet. 

Für  Gesteinsbruchstücke  kleiner  Grösse,  die  als  S  a  n  d  bezeichnet  w^erden,  ist  die 
Entstehung  wahrscheinlich  direkt  aus  dem  Zerfall  der  Gesteine  anzunehmen.  Durch 
Beibnng  grösserer  Bruchstücke  wird  zumeist  Thon  und  nur  wenig  Sand  gebildet.  Femer 
macht  es  die  scharfeckige  Beschaffenheit  vieler  Sandkörner  sehr  wahrscheinlich,  dass 
eine  Reibung  nicht  oder  nur  in  sehr  geringem  Masse  bei  dem  Transport  eifolgt  ist. 

Die  Abfuhr  der  Geschiebe  aller  Grössen  ist  also  abhängig  von  der  lebendigen 
Kraft  des  Wassers,  jede  Abnahme  derselben  wird  einzelne  Teile  der  Geschiebe  zur  Ab- 
lagerang bringen.    Die  Verhältnisse,  welche  hierbei  hauptsächlich  wirken,  sind  folgende: 

a)  Das  Geföll  vermindert  sich  für  die  ganze  Wassermasse.  Es  findet  dies  nament- 
lich statt,  wenn  ein  Gebirgsfluss  in  die  Ebene,  ein  Bach  aus  einem  engen  Seitental  in 
ein  breiteres  Haupttal  eintritt  oder  sich  Gewässer  in  einen  See  ergiessen.  Es  bilden 
sich  dann  meist  sanft  geneigte  und  oft  fächerartig  ausgebreitete  Schuttkegel. 

b)  Das  Gerinne  eines  fliessenden  Wassers  breitet  sich  an  einer  Seite  bedeutend 
aus.  Die  Reibung  des  Wassers  am  Grunde  ist  dann  so  erheblich,  dass  auf  den  flache- 
ren Stellen  Ablagerung  von  Geschieben  erfolgt. 

c)  In  Krümmungen  der  Flüsse  ist  die  Geschwindigkeit  des  Wassers  an  der  Seite 
des  Cfers,  wo  dieses  konvex  vorspringt,  kleiner  als  an  der  entgegengesetzten  Seite. 
Es  erfolgt  eine  Ablagerung  von  Sinkstoffen.  Bei  einem  im  Serpentinen  fliessenden  Ge- 
wässer finden  sich  so  Anlandungen  abwechselnd  auf  der  rechten  und  linken  Seite  desselben. 

d)  Dnrch  Rückstau,  der  durch  plötzliche  Verengung  der  Flussbetten  oder  durch 
vorliegende  grössere  feste  Gegenstände  veranlasst  sein  kann. 

e)  Durch  Auftreten  mehrerer  Stromrichtungen  (Scharung),  die  bei  ihrem  Zu- 
sammentreffen Ablagerungen  hervorbringen  können,  sowie  an  den  Mündungen  von  Ne- 
benflüssen in  die  Hauptflüsse.  Namentlich  bilden  sich  dann  quer  vor  der  Mündung 
Ablagerungen  (Barren). 

f)  Bei  Mündung  eines  Flusses  in  ein  stehendes  Gewässer,  bez.  in  die  Meere.  Flüsse, 
welche  noch  grössere  Geschiebe  führen,  bilden  Barren,  während  solche,  die  nur  fein 
verteilte  Sinkstoffe  enthalten,  diese  nur  an  ihren  Mündungen  zur  Ablagerung  bringen, 
wenn  die  Bewegung  der  Meere  eine  geringe  ist  (Deltabildung).  Ist  die  Ebbe  und 
Flutbewegung  (die  Tiden  oder  Gezeiten)  jedoch  stark,  so  wird  der  Flussschlamm  in  das 
Meer  hinausgeführt  und  kommt  erst  nach  einiger  Zeit  an  ruhigeren  Stellen  zur  Abla- 
gerung.   Die  Marschen  der  W^eser,  Elbe  sind  so  entstanden. 

g)  Bei  Hochwasser  ist  die  lebendige  Kraft  des  Wassers  gesteigert  und  die  Ge- 
schiebeabfuhr vergrössert.  Fällt  das  Wasser,  so  vennag  es  die  gröberen  Massen  nicht 
mehr  fortzuführen,  diese  lagern  sich  ab  und  überdecken  oft  in  grosser  Mächtigkeit 
fruchtbare  Bodenflächen.  Den  strömenden  Wässern  setzen  solche  Geschiebebänke  Wider- 
stand entgegen  und  veranlassen  dadurch  vielfach  lokale  Stromrichtungen,  welche  den 
Boden  zerreissen  und  fortführen.  Hierin  ist  es  begriindet,  dass  erfahrungsmässig  die 
schwersten  Beschädigungen  erst  beim  Ablauf  der  Hochwässer  eintreten. 

Die  Ausdehnung  der  durch  Ablagerung  aus  fliessenden  oder  in  stehenden  Gewäs- 
sern entstandenen  Bodenschichten  ist  sehr  bedeutend.  Weitaus  der  grösste  Teil  der 
alluvialen  und  diluvialen  Bildungen  gehört  denselben  an.  Noch  bedeutender  werden 
diese  Ablagerungen  und  bilden  die  Hauptmasse  der  Erdoberfläche,  wenn  jene  hinzuge- 
rechnet werden,  die  ursprünglich  ebenfalls  aus  Sinkstoffen  hervorgegangen,  aber  später 
zu  festen  Gesteinen  verkittet  sind,  wie  Sandsteine,  Thonschiefer  u.  a. 

Abweichend  vom  normalen  Geschiebetransport,  welche  zur  Sonderung  der  bewegten 


122  11.  Ra mann,  Forstliche  St«ndort8lehre. 

Teile  nach  Grösse  und  Schwere  führt,  daher  auch  als  „Materialausscheidun^^ 
bezeichnet  wird,  gestaltet  sich  der  Massentransport,  den  die  Wildbäche  in 
charakteristischer  Ausbildung  zeigen. 

Tn  der  trocknen  Jahreszeit  führen  die  Wildbftche  nur  wenig  Wasser  oder  trocknen 
völlig  aus.  Bei  starker  Wasserabfuhr  (Gewitter,  Schneeschmelze)  schwellen  solche  Bäche 
oft  plötzlich  an  und  führen  ungeheure  Schuttmassen  aus  den  höheren  Berglagen  in  die 
Täler,  wo  sie  sich  in  der  Regel  an  der  Mündung  der  Nebentäler  im  Haupttal  ablagern. 

Solche  „M  u  h  r  g  ä  n  g  e"  enthalten  oft  relativ  wenig  Wasser,  bilden  ein  breiartiges 
Gemisch  von  Erdteilen  und  sind  infolge  des  hohen  spezifischen  Gewichtes  der  Gesamt- 
masse sehr  tragfähig,  vermögen  daher  grosse  Steine  zu  bewegen.  Einmal  in  Bewegung 
gesetzt  eilen  die  Steine,  als  reicher  an  lebendiger  Kraft,  den  kleineren  Gemengteilen 
voran  und  werden  zuweilen  weiter  geführt  als  jene. 

Die  Ablagerungen  der  Muhren  sind  Gemische  aller  Komgrössen.  Sehr  häutig 
ergiessen  sie  sich  in  das  Bett  der  Talflüsse,  stauen  diese  auf  und  führen  zu  Ueber- 
schwemmungen,  oft  auch  zu  dauernden  Versumpfungen.  Man  kann  drei  Hauptformen 
der  Ablagerung  unterscheiden. 

a)  Mit  eckigen  und  schieferigen  Bruchstücken.  Sie  lagern  sich 
wenig  dicht  zusammen,  lassen  Wasser  leicht  durchsickern  und  werden  relativ  leicht 
weiter  geführt. 

b)  MitgerundetenGeschieben;  sie  lagern  sich  dichter  zusammen,  lassen 
Wasser  schwieriger  hindurch  und  sind  weniger  transportfähig. 

c)  Ueberwiegend  feinkörniges,  namentlich  lehmiges  Material;  ein- 
mal abgelagert  fast  undurchlässig  für  Wasser,  setzt  es  dem  Weitertransport  zunächst 
grossen  Widerstand  entgegen  und  bildet,  wenn  in  Bewegung,  mächtige  Schlammmassen. 

Die  Tätigkeit  des  Meeres  ist  eine  mehr  zerstörende  als  aufbauende, 
üeberall  greifen  die  Meereswogen  die  Küsten  an,  allerdings  sehr  verschieden  nach  der 
Stärke  der  Wellenbewegung  und  der  Widerstandsfähigkeit  der  Gesteine.  Anderseits 
ist  die  Anschwemmung  von  festen  Teilen  an  manchen  Küsten  (z.  B.  der  Ostsee)  nicht 
unbedeutend  und  giebt  zur  Bildung  von  Sandmassen  Veranlassung,  die  vom  Winde 
zusammengetrieben  als  Dünen  die  Küsten  vielfach  umsäumen. 

Die  Tätigkeit  des  Eises  bei  dem  Abtrag  der  festen  Bestandteile  ist 
namentlich  durch  den  Geschiebetransport  der  Gletscher  bedingt,  ganz  zurück  tritt 
die  Wirkung  der  Eisschollen,  obgleich  auch  diese  grosse  Blöcke  und  feinere 
Bruchstücke  von  Gesteinen  tragen,  bei  der  Zertrümmerung  der  geschlossenen  Eisdecke 
wegführen  und  an  anderen  Punkten  zur  Ablagerung  bringen  können. 

Die  Bildung  von  Gletschern  findet  z.  Z.  im  Gebirge  an  einzelnen  Stellen,  den 
Firnmulden  statt,  in  denen  grössere  Schneemassen  sich  ansammeln.  Der  Schnee  schmilzt 
in  den  wärmeren  Jahreszeiten  oder  bei  Sonnbestrahlung  teilweise  und  wird  so  in  eine 
feinkörnige  Masse ,  den  Firn,  umgewandelt.  Durch  Zusammenbacken  der  einzelnen 
Firnkörner  geht  dieser  in  das  zusammenhängende  Gletschereis  über.  Das  Eis 
hat  die  Eigenschaft,  nicht  vollständig  spröde  zu  sein,  sondern  ähnlich  einer  pechartigen 
Masse  unter  dem  Einfluss  der  eigenen  Schwere  langsam  zu  fliessen.  Die  Gletscher 
bilden  so  Eisströme  von  verschiedener  Mächtigkeit,  die  dauernd  aus  den  höher  gelegenen 
Gebieten,  in  denen  die  Abschmelzung  hinter  der  Zufuhr  von  Schnee  zurückbleibt,  ge- 
speist werden.  Die  Bewegung  der  einzelnen  Eisteile  im  Gletscher  ist  dabei  eine  sehr 
komplizierte. 

Von  den  die  Gletscher  umgebenden  Hängen  fallen  Bruchstücke  des  Gesteines 
herab  und  werden  durch  die  Bewegung  des  Gletschers  talabwärts  geführt.  Es  bilden 
sich  an  beiden  Rändern  des  Gletschers  Streifen  von  grossen  und  kleinen  Geschieben, 


Der  Transport  der  Verwitterungsprodukte.     §  14.  123 

die  Moränen  (Seitenmoränen).  Am  vorderen  Rande  des  Gletschers,  an  dem  die  Ab- 
schmelznng  erfolgt,  hänfen  sich  die  zugeführten  Gerolle  zusammen  und  bilden  die  End- 
moräne. Ein  Teil  der  Gesteinsbruch  stücke  wird  dabei  völlig  vom  Eis  umschlossen 
und  durch  Reibung  an  einander  und  am  Eis,  sowie  an  den  festen  Gesteinswänden  all- 
mählich in  einen  feinen  Schlamm  zerrieben,  der  sich  namentlich  unterhalb  der  Gletscher 
regellos  untermischt  mit  feineren  oder  gröberen  Geschieben  als  Grundmoräne  an- 
sammelt. 

Etwas  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  in  den  Polarländern.  Die  Eisan- 
sammlung ist  dort  eine  so  grosse,  dass  mächtige  Flächen  vollkommen  von  einer  zu- 
sammenhängenden Eismasse ,  dem  „Inlandeis**  tiberdeckt  sind.  Solches  Inlandeis 
hat  keine  Oberflächen-Moränen,  sondern  nur  eine  Grundmoräne. 

In  der  Diluvialzeit  war  die  Ausdehnung  der  Gletscher  eine  ausserordentlich  grosse. 
In  den  Alpen  tiberdeckten  sie  den  ganzen  Kern  des  Gebirges  und  drangen  weit  in  die 
vorliegenden  Hochebenen  und  in  den  Tälern  vor. 

Noch  grossartiger  war  die  diluviale  Ausbreitung  eines  gewaltigen  Inlandeises, 
welches  von  dem  skandinavischen  Norden  ausging  und  sich  tiber  ganz  Norddeutschland 
und  einen  grossen  Teil  des  nördlichen  und  mittleren  Russlandes  erstreckte.  Alle  Dilu- 
vialbildungen des  nordischen  Flachlandes  sind  Ablagerungen,  deren  Transport  durch 
Eis  erfolgte  und  in  den  Diluvialmergeln  ist  noch  die  Grundmoräne  des  Inlandeises  er- 
halten. (Vergl.  Penck,  Vergletscherung  der  deutschen  Alpen.  Leipzig  b.  Engelmann. 
Die  übrige  Literatur  ist  sehr  zerstreut,  namentlich  jedoch  in  der  Zeitschr.  der  deut- 
schen geologischen  Gesellschaft  und  den  Veröffentlichungen  der  geologischen  Landes- 
anstalt von  Preussen,  sowie  von  Schweden  enthalten.) 

§  14.  3)  Abtrag  durch  die  Luftbewegung  (Wind).  Die Wegfnhning 
und  Zufuhr  von  festen  Bestandteilen  durch  W^indbewegung  beschränkt  sich  naturgemäss 
auf  Bodenbestandteile  geringer  Korngrössen.  Ii\  den  gemässigten  Klimaten  macht  sie 
sich  namentlicli  bei  dem  Aufbau  und  dem  Wandern  der  Dtinen  sowie  in  den  Flug- 
sandgebieten bemerkbar. 

Ausserdem  kommen  hier  die  Ablagerungen  der  vulkanischen  Sande  und 
Aschen,  sowie  des  L ö s s  und  der  Schwarzerde  in  Frage. 

In  frtiheren  Zeitperioden  ist  in  unseren  Gebieten  zweifellos  Windtransport  und 
Dünenbildung  viel  grossartiger  gewesen  als  zur  Jetztzeit.  Zahllose  Dünenreihen  durch- 
ziehen das  nordische  Flachland. 

Dunen,  die  unbewachsen  sind,  unterliegen  noch  dauernder  Umgestaltung.  Sie 
bilden  Htigelreihen  sehr  gleichkömiger  Sande,  die  senkrecht  zur  herrschenden  Wind- 
richtung stehen.  Der  Zusammenhalt  der  einzelnen  Kömer  ist  sehr  lose,  der  Wind 
reisst  mit  Leichtigkeit  einen  Teil  der  Kömer  ab,  ftihrt  diese  über  die  Dünenköpfe  hin- 
weg und  bringt  sie  auf  der  entgegengesetzten  Seite  der  Düne  zur  Ablagerung.  Hier- 
durch erfolgt  ein  fortwährendes  Weiterrücken  der  Düne,  sie  wandert.  Das  jährliche 
Weiterrücken  der  Dünen  ist  sehr  verschieden  und  schwankt  zwischen  1 — 6  m.  Die 
Bildung  der  Wanderdünen  ist  auf  die  Wüsten  und  das  Seeufer  beschränkt,  an  dem  fort- 
während Sandmassen  ausgeworfen  werden  und  so  immer  neues  Material  zugeführt  wird. 

Die  Bindung  der  Dünen  ist  von  grosser  wirtschaftlicher  Wichtigkeit  und  bietet 
viele  Schwierigkeiten.  Namentlich  sind  dabei  einzelne  Pflanzenarten,  welche  eine  Ueber- 
wehung  mit  Sand  gut  ertragen,  ja  sie  sogar  zum  dauemden  Gedeihen  erfordern,  von 
Wichtigkeit.  Darunter  in  erster  Linie  Elymus  arenarius  und  Ammophila  oder  Arundo 
arenaria. 

(Eingehende  Angaben  über  Dünen  finden  sich  in  Berendt,  Geologie  des  kuri- 
schen Haffes ;  S o k o  1  o w ,  Dünen ;  Gerhardt,  Dünenbau.) 


124  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

IV.  Die  wichtigsten  Hineralarten  und  Gesteine. 

I.  Die  wichtigsten  Mineralarten. 

Zirkel-Naumann,  Elemente  der  Mineralogie.  Leipzig.  Roth,  Chemische  Geo- 
logie.    Berlin  1879. 

§  15.  1)  A  1 1  g  e  m  e  i  n  e  s.  An  der  Zasammensetznng  des  Bodens  beteiligen 
sich  in  erheblichem  Masse  nur  wenige  Verbindungen.  Der  überwiegende  Teil  derselben 
besteht  aus  Sauerstoffsalzen,  seltener  und  im  Boden  in  kleinen  Mengen  finden  sich 
Schwefelverbindungen  (FeS,)  und  Chloride  (NaCl;  KCl);  etwas  reichlicher  Oxyde  (Fe,0,; 
MnO,). 

Die  Salze  bestehen  zumeist  aus  Silikaten,  häufig  in  Verbindung  mit  Wasser,  so- 
dann aus  Karbonaten  (CaCO, ;  MgCOj)  und  Sulfaten  (CaSO^ ;  Gips),  nur  sparsam  kom- 
men Phosphate  (Apatit)  vor,  gewinnen  aber  bei  ihrer  Bedeutung  für  das  Pflanzenleben 
hohe  Wichtigkeit. 

Die  Analysen  führen  die  Bestandteile  des  Bodens  zumeist  als  Oxyde  und  als  Säure- 
anhydride auf.  Wenn  dies  auch  nicht  mehr  den  theoretischen  Anschauungen  der  heu- 
tigen Chemie  entspricht,  bietet  diese  Methode  doch  so  viele  praktische  Vorteile,  lässt 
die  Zusammensetzung  eines  Körpers  so  scharf  hervortreten  und  ist  so  allgemein  ein- 
gebürgert, dass  kein  Grund  vorliegt,  davon  abzugehen. 

Die  wichtigsten  im  Boden  vorkommenden  derartigen  Bestandteile  sind: 
Kieselsäure  (SiOj);  Kohlensäure  (COg);  Schwefelsäure  (SO,). 
Phosphorsäure  (P^Oj). 
Wasser  (HjO). 
Kali  (K,0);  Natron  (Na^O) 

Kalk  (CaO);  Magnesia  (MgO);  Eisenoxydul  (FeO);  Manganoxydul  (MnO). 
Eisenoxyd  (FcaO,);  Thonerde  (AljOs);  Mangandioxyd  (MnO,)^). 

Entsprechend  dieser  geringen  Anzahl  von  Elementen  sind  es  auch  nur  eine  mas- 
sige Anzahl  von  Mineralarten,  welche  die  Gesteine  zusammensetzen  und  durch  Verwit- 
terung den  Boden  bilden. 

In  erster  Linie  stehen  hier  die  Silikate,  in  zweiter  die  Karbonate,  während  die 
Sulfate  nur  auf  verhältnismässig  kleine  Räume  beschränkt  sind. 

Das  Wasser,  beziehentlich  der  Wasserstoff,  ist  in  zwei  Formen 
in  den  Gesteinen  vertreten.  In  den  meisten  Fällen  findet  es  sich  molekular  mit  den 
Stoffen  verbunden ;  so  sind  \iele  Verwitterungsprodukte,  wie  die  wasserhaltigen  Silikate, 
Verbindungen  eines  Salzes  mit  Wasser.  Durch  einfaches  Erhitzen  geht  dieses  letztere 
in  der  Regel  bald  verloren  (z.  B.  Gips  CaSO*  -f-2H20  giebt  beim  Glühen  CaSO^  und  2 
Mol.  HjO). 

Ganz  anders  ist  das  Verhältnis  solcher  Körper,  in  denen  der  Wasserstoff  an  dem 
inneren  Aufbau  des  Moleküls  teilnimmt  und  die  in  der  Regel  den  Wasserstoff  erst  bei 
höherer  Temperatur  und  dauerndem  Glühen  (z.  B.  Glimmer,  Turmalin)  verlieren.  Hänfig 
bietet  es  grosse  Schwierigkeiten,  die  Art  der  Bindung  festzustellen,  für  viele  Fälle  ist 
die  Frage  überhaupt  noch  eine  offene,  sie  ist  aber  für  die  theoretische  Erkenntnis  von 
Wichtigkeit. 

Um  die  Gruppe  der  Silikate  leichter  ordnen  zu  können,  benutzt  man  Bezeich- 
nungen, die  ebenfalls  der  früher  üblichen  Anschauungsweise  über  die  Zusammensetzung 
der  chemischen  Verbindungen  entsprechen  und  ihrer  Uebersichtlichkeit  wegen  auch  jetat 

3)  Die  Manganverbindungen  werden  in  den  Analysen  zumeist  als  MUgO^,  als  Mangan- 
oxyduloxyd eingestollt ;  da  sie  zumeist  nur  in  kleinen  Mengen  vorkommen,  so  ist  der  dadurch 
hervorgebrachte  Fehler  nur  gering. 


Die  wichtigsten  Mineralarten.     §  16.  125 

noch  beibehalten  werden.    Denkt  man  sich  z.  B.  ein  Magnesiumsilikat  Mg^SiO^  (den 
Olivin)  nach  alter  Weise  in  Magnesia  and  Kieselsäureanbydrid  zerlegt,  so  erhält  man 

Mg,Si04=Mg,0,  +  SiO,. 
Das  Verhältnis  des  an  das  Metall  gebnndenen  Sanerstoffes  zn  dem  an  das  Siliciam  ge- 
bundenen Sauerstoff  ist  also  wie  1:1;   eine  solche  Verbindung  bezeichnet  man  daher 
als  Singulosilikat. 

Von  anderen  kieselsauren  Salzen  finden  sich  noch  häufig  B  i  s  i  1  i  k  a  t  e ,  nach 
der  allgemeinen  Formel  Rj,SiOj  zusammengesetzt*)  (RjO  +  SiO,;  Sauerstoffverhältnis 
=  1:2)  und  Zweidrittel-Silikate  nach  der  allgemeinen  Formel  RgSiGj  zu- 
sammengesetzt (also  R^Oa  -|-  SiO, ;  Sauerstoffverhältnis  =3:2,  daher  |  Silikate).  Als 
Doppelsilikate  werden  endlich  Verbindungen  bezeichnet ,  die  mehrere  ungleich- 
wertige Elemente  enthalten,  namentlich  solche,  die  neben  Thonerde  oder  Eisenoxyd 
noch  Alkalien  oder  alkalische  Erden  als  Bestandteile  führen.  Die  wichtigsten  und  ver- 
breitetsten  Mineralien  sind  derartige  Doppelsilikate. 

Einzelne  Mineralarten,  wie  Hornblende  und  Augit,  sind  in  ihren  reinsten  Formen 
völlig  frei  von  Thonerde  oder  Eisenoxyd,  während  die  gewöhnlich  vorkommenden  Arten 
reichliche  Mengen  derselben  enthalten. 

Die  für  die  Bodenkunde  wichtigen  Mineralien  sind  Kieselsäure  und  ihre  Salze, 
Karbonate,  Sulfate,  während  Halogenverbindungen  und  Phosphate  zurücktreten. 

§16.  2)  Kieselsäure  und  Silikate.  Quarz  und  Opal.  Die  Kiesel- 
säure findet  sich  verbreitet  in  zwei  Formen.  Einmal  krystallisiert  als  Quarz  (Tridy- 
roit,  eine  andere  Form  der  Kieselsäure,  hexagonal,  spez.  G.  2.312  ist  seltener)  und 
amorph  als  Opal. 

Der  Quarz  findet  sich  in  grösseren  oft  verschieden  gefärbten  Krystallen,  die  eine 
ganze  Anzahl  von  Abarten  bedingen  und  im  dichten  Zustande  als  Chalcedon,  Feuer- 
stein,  Hornstein,  Jaspis,  Quarzit.  Der  Quarz  ist  krystallisierte  Kiesel- 
sänre,  SiO, ;  die  unreineren  Abarten  enthalten  wechselnde  Mengen  von  Eisenoxyd,  Thon- 
erde u.  dergl.  beigemischt. 

Verwitterung.  Der  Quarz  verwittert  sehr  schwer,  da  er  durch  Wasser  und 
Kohlensäure  keine  Umänderungen  ei^ährt  und  in  diesen  Stoffen  sogut  wie  unlöslich  ist ; 
trotzdem  kommen  zerfressene  Quarze  vor,  deren  Ursprung  man  von  der  Einwirkung 
von  Lösungsmitteln  herleitet.  Die  Quarze  zerfallen  in  der  Natur  zumeist  nur  durch 
mechanische  Einwirkung  in  kleinere  scharfeckige  Bruchstücke.  Die  vielfach  vorhan- 
denen Einschlüsse  von  Flüssigkeit,  Gesteinsbruchstücken,  Hineinragungen  von  Teilen 
der  Grundmasse  der  Gesteine  begünstigen  das  Zerfallen  erheblich.  Die  Bruchstücke 
bleiben  dann  in  eckigem  scharfkantigem  Zustande  erhalten  oder  werden  bei  mechani- 
scher Fortbewegung  durch  Reibung  aneinander  gerundet. 

Die  Verwitterung  der  Quarzite,  Chalcedone  etc.  ist  vom  Gehalt  der  beigemischten 
anderen  Substanzen  abhängig  und  dadurch  sehr  verschieden.  Feuersteine  überziehen 
sich  zunächst  mit  einer  weissen  Kruste,  die  ärmer  an  Kieselsäure,  dagegen  etwas  reicher 
an  Wasser,  Thonerde  und  Alkalien  ist. 

Für  Salzlösungen  ist  der  Quarz  nicht  unangreifbar.  Man  kennt  Pseudomorphosen 
nach  Quarz  von  Kalkspat,  Roteisen,  Speckstein,  Chlorit. 

Bildung.  Quarz  ist  wiederholt  künstlich  dargestellt  worden.  Er  bildet  ein 
Hauptgemengteil  sehr  vieler  Gesteine,  in  denen  er,  wie  in  vielen  Porphyren,  nur  aus 
feurigem  Fluss  abgeschieden  sein  kann ;  vielfach  ist  jedoch  die  Entstehung  aus  Lösungen 
zweifellos,   so  in  Erzgängen,   Chalcedonkugeln ,   im  Innern  von  Versteinerungen.     Die 


4)  R  =  einem  einwertigen  Metall. 


126  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

dichten  Formen  sind  wohl  alle  anf  Abscheidnngen  aus  Lösungen  zurückzuführen.  Bd 
der  Verwitterung  bilden  sich  vielfach  Lösungen  von  Kieselsäure  und  kieselsauren  Alka- 
lien, aus  denen  sowohl  amorpher  Opal  als  auch  die  krystallisierten  Formen,  namentlich 
Chalcedon,  hervorgehen.  Der  letztere  scheidet  sich  namentlich  in  den  Hohlräumen  vul- 
kanischer Gesteine  ab,  die  oft  lagenweise  verschieden  gefärbten  Chalcedon  enthalten. 
In  der  Mitte  von  Chalcedonmandeln  findet  sich  nicht  selten  krystallisierter  Quarz,  dessen 
Entstehung  auf  die  langsamere  Zufuhr  und  Verdunstung  von  kieselsäurehaltigem  Wasser 
zurückzuführen  ist.  In  der  ersten  Zeit,  wo  die  Bildung  rascher  voranging,  entstand 
der  versteckt  krystallinische  Chalcedon,  später  die  grösseren  Kry stalle  von  Quarz. 

Die  Bildung  von  Quarz  in  den  obersten  Erdschichten,  namentlich  im  Boden,  ist 
behauptet,  aber  noch  nicht  genügend  nachgewiesen  worden.  Theoretisch  sind  derartige 
Abscheidungen  als  durchaus  möglich  zu  erklären,  wenn  auch  die  möglicherweise  ent- 
stehende Quarzmenge  zu  gering  ist,  um  eine  grössere  Bedeutung  für  die  Bodenkunde 
beanspruchen  zu  können.     (Vgl.  auch  Emeis,  Waldbauliche  Forschungen.     Berlin.) 

Opal,  die  amorphe  wasserhaltige  Form  der  Kieselsäure  ist  weniger  verbreitet, 
sie  findet  sich  namentlich  in  den  Hohlräumen  vulkanischer  Gesteine.  Ob  der  Boden 
amorphe  Kieselsäure  enthält,  ist  fraglich.  Zurzeit  giebt  es  kein  chemisches  Hilfsmittel, 
um  dies  feststellen  zu  können.  Das  Vorkommen  der  amorphen  Kieselsäure  im  Boden 
würde  zweifellos  für  die  Absorptionswirkungen  und  chemischen  Umsetzungen  von  grosser 
Bedeutung  sein. 

Sil  ikate : 

0 1  i  V  i  n  ist  ein  mehr  oder  weniger  eisenhaltiges  Magnesiumsilikat  (Mg  (Fe)  SiO^ : 
FeO  =  7—290/0;  MgO— 4370;  SiO,  30— 43o/o).  Es  findet  sich  in  glasglänzenden,  meist 
flaschengrünen  Krystallen  und  Körnern  in  den  kieselsäureärmeren  Eruptiv-Gesteinen, 
namentlich  im  Basalt. 

Die  Verwitterung  folgt  im  Olivin  zuerst  den  zahlreichen  Sprüngen  und 
Haarspalten  und  besteht  zumeist  in  einer  Aufnahme  von  Wasser  und  Oxydation  des 
vorhandenen  Eisenoxyduls,  die  grünliche  Färbung  geht  dabei  in  eine  gelbliche  bis  brann- 
rote über.  Wie  die  Untersuchung  im  Dünnschliffe  ergiebt,  ist  der  Olivin  eines  der  am 
leichtesten  angreifbaren  Mineralien.  Zumeist  geht  ans  dem  Olivin  ein  wasserhaltiges 
Magnesiumsilikat,  der  Serpentin,  hervor. 

Bildung.  Olivin  findet  sich  als  primärer  Gemengteil  eruptiver  Gesteine.  Durch 
Zusammenschmelzen  der  Bestandteile  des  Olivins  mit  einem  Flussmittel  gelingt  es  leicht, 
Olivinkrystalle  zu  erzeugen. 

Serpentin  meist  aus  Olivin  durch  Verwitterung  hervorgegangenes,  sekundäres 
Mineral.  Wasserhaltiges  Magnesiumsilikat  (43— 44>SiO,;  43.8  MgO;  13<>/o  H,0).  Der 
Serpentin  ist  nur  schwierig  einer  weiteren  Verwitterung  zugängig,  indem  Kieselsäure 
abgeschieden  und  Hydrate  der  Magnesia,  sowie  Magnesit  (MgCOj)  gebildet  wird. 

Talk  und  Speckstein  sind  stets  sekundäre,  wasserhaltige  Magnesiasilikate 
(H,Mg8(SiO,)4;  62«/o  SiO^ ;  33%  MgO;  5>  H,0).  Talk  findet  sich  namentlich  als 
Bestandteil  krystallinischer  Schiefer  (Talkschiefer).  Speckstein  ist  nur  die  versteckt- 
krystallinische  Abänderung  des  Talkes. 

Talk  verwittert  kaum,  er  zeriUllt  nur  mechanisch.  Die  Entstehung  des  Talkes 
findet  namentlich  bei  der  Verwitterung  der  Hornblenden  und  Augite  statt,  doch  können 
noch  viele  andere  Mineralien  zur  Bildung  Anlass  geben. 

§  17.  3)  F  e  1  d  s  p  a  t  e.  Unter  den  gesteinbildenden  Mineralien  stehen  die  Feld- 
spate in  erster  Reihe.  Dieselben  sind  nach  ihrer  Krystallform  in  monokline  (Ortho- 
klase) und  trikline  (P 1  a  g  i  0  k  1  a  s  e)  zu  trennen.  Die  ersteren  sind  namentlich 
Doppelsilikate  der  Thonerde  und  des  Kaliums,   während  in  den  letzteren  Natrium  und 


Die  wichtigsten  Mineralarten.     §  17.  127 

Kalk  vorherrsclit. 

Orthoklas  (Kalifeldspat)  und  Sanidin  (K,0  =  16,9«/o;  A1,0,  =  18,5ö/o; 
SiOj  =  64,6®/o);  in  der  Regel  ist  etwas  Eisen,  Kalk  und  Natron  vorhanden;  Bestand- 
teil vieler  Gesteine,  namentlich  Granit,  Gneis,  Felsitporphyr,  Trachyt,  Syenit  u.  a. 
Orthoklas  findet  sich  in  Gesteinen  eruptiver  Entstehung,  auf  Gesteinsgängen  u.  s.  w. 
Er  ist  daher  ebensowohl  ein  Produkt  wässeriger  Absätze,  wie  er  aus  schnielzflüssigen 
Massen  entstehen  kann.  Künstlich  sind  Feldspate  auf  dem  letzteren  Wege  herge- 
stellt worden. 

Verwitterung.  Bei  der  Bedeutung  des  Orthoklas  für  die  Bodenbildung  ist 
die  Verwitterung  desselben  vielfach  untersucht  worden.  Orthoklas  ist  unlöslich,  wird 
dagegen  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  durch  Wasser,  namentlich  kohlensäure- 
haltiges Wasser  unter  Bildung  von  Alkalisilikat  zersetzt;  der  Orthoklas  verliert  bei 
der  Verwitterung  seinen  Glanz,  er  wird  matt  und  sehr  häutig  rötlich  oder  bräunlich 
durch  ausgeschiedenes  Eisenoxyd  gefärbt.  Ais  Endprodukt  der  einfachen  Verwitterung 
ist  die  Bildung  von  Kaolin,  wasserhaltigem  Thonerdesilikat  AlgO,,  2SiOa4-2H20, 
zu  betrachten.  Dieser  Prozess  lässt  sich  schematisch  durch  folgende  Formel  darstellen 
(Roth,  ehem.  Geol.  1.  p.  142): 
106  TeUe  Orthoklas  =  16.88  K,0  ^  18.49  A1,0,  =  64.63  SiO, 

verlieren i^_"r —      —  43.05    „     +6.47H>0 

es  bilden  sich  46.45  Tl.  Kaolin    =    —     —  18.49    —  21.58         +6.47H3O 

Durch  die  Umbildung  in  Kaolin  wird  also  die  Hälfte  der  Orthoklassubstanz  weg- 
geführt. Das  entstehende  Alkalisilikat  giebt  zu  ferneren  Zersetzungen  im  Boden  Ver- 
anlassung. Es  ist  jedoch  hervorzuheben,  dass  bei  der  Verwitterung  des  Orthoklases 
Zeolithe  nur  selten  entstehen  und  daher  in  den  an  Orthoklas  reichen  Gesteinen  meist 
fehlen. 

Anders  verläuft  die  Verwitterung  des  Orthoklas,  wenn  nicht  reines  oder  kohlen- 
sänrehaltiges  Wasser  allein,  sondern  gleichzeitig  verdünnte  Salzlösungen  einwirken.  Der 
Orthoklas  wandelt  sich  dann  unter  Ausscheidung  von  Kieselsäure  und  Alkalien,  unter 
Aufnahme  von  Eisenoxydul  in  feinschuppigen  Kali  gl  immer,  durch  Zuführung  von 
Eisen  und  Kalk  in  Epidot  um.  Im  Dünnschliffe  ist  es  nicht  selten  möglich,  die  drei 
Hanptbildungen,  Kaolin,  Glimmer  und  Epidot,  neben  einander  in  demselben  Krystall  zu 
beobachten.  Dort  lässt  sich  auch  feststellen,  dass  die  Verwitterung  zumeist  den  Spal- 
tnngsflächen  folgt.  Während  einzelne  Teile  des  Krystalles  noch  klar  und  unverändert 
sind,  sind  andere  schon  vollkommen  zersetzt. 

Von  den  Feldspaten  gilt  der  Orthoklas  als  der  am  schwierigsten  angreifbare; 
obwohl  nicht  gerade  selten  die  Plagioklase  in  Gesteinen  noch  frisch  erscheinen,  wäh- 
rend die  Zersetzung  der  Orthoklase  weit  vorgeschritten  ist. 

Plagioklase  werden  alle  triklin  krystallisierenden  Feldspate  genannt.  Die- 
selben enthalten  namentlich  Kalk  und  Natron,  obgleich  man  auch  einen  verbreiteten 
triklinen  Kalifeldspat,  den  M  i  k  r  0  k  1  i  n ,  kennt.  Dieser  tritt  häutiger  als  Gesteins- 
gemengteil auf,  ist  mit  dem  Orthoklas  gleichartig  zusammengesetzt  und  scheint  derselben 
Verwitterung  wie  dieser  zu  unterliegen. 

Die  zweite  an  Natron  und  Kalk  reiche  Plagioklasreihe  wird  als  innige  Ver- 
wachsung zweier  selbständig  nur  selten  auftretender  Mineralien  betrachtet.  Albit 
(Natronfeldspat)  (Na,Alj,SieOjg  und  Anorthit  (Kalkfeldspat)  CaAli 
SijOg.  Von  den  zahlreichen  Mischungen  dieser  beiden  Mineralien,  die  sich  durch 
eine  Verwachsung  zahlreicher  oft  äusserst  feiner  Krystalllamellen  auszeichnen  (daher 
Zwillingsstreifung  auf  einzelnen  [den  basischen]  Spaltflächen)  hat  man  zwei 
vielfach  vorkommende  Abarten  mit  besonderen  Namen  belegt.     Einmal  den  Natron- 


128  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

k  alkfe  Id  sp  at   oder  Oligoklas   und   anderseits   den  Kalknatronfeldspat 
oder  Labrador. 

Die  Zusammensetzung  der  letzteren  liegt  in  der  Mitte  zwischen  der  beider  Grnnd- 
substanzen;  im  Labrador  wiegt  der  Kalk,  im  Oligoklas  das  Natron  vor.  (Auch  Kali 
fehlt  selten  gänzlich.) 

Albit  11.82  NaO  —  19.56  Al,0,  —  68.62  SiO, 

Anorthit      20.10  CaO  —  36.82  Al^O,  —  43.08  SiO^. 

Die  Verwitterung  der  Plagioklase  verlauft  ähnlich  wie  bei  dem  Orthoklas, 
nur  dass  bei  jenen  an  Stelle  des  Kali  das  Natron  und  der  Kalk  weggeführt  werden 
und  sich  vielfach  als  kohlensaurer  Kalk  oder  als  Zeolithe  abscheiden.  Mit  Ausnahme 
des  Anorthit  bilden  auch  die  Plagioklase  in  der  Regel  Kaolin,  können  aber  auch  zur 
Entstehung  von  Glimmer  und  Epidot  Veranlassung  geben.  Im  allgemeinen  verwittern 
die  Plagioklase  leichter  als  die  Orthoklase. 

§  18.  4)  Die  Glimmergruppe.  Neben  den  Feldspaten  nehmen  die  Glim- 
mer einen  hervorragenden  Platz  unter  den  gesteinbildenden  Mineralien  ein.  Man  hat 
in  neuerer  Zeit  die  Glimmer,  namentlich  nach  ihrem  optischen  Verhalten,  in  eine  grös- 
sere Zahl  von  Arten  zerlegt;  für  die  Bodenkunde  genügt  es,  an  der  alt^n  Trennung 
in  Kaliglimmer  und  Magnesiaglimmer  festzuhalten ;  ersterer  meist  hell,  oft 
silberweiss,  letzterer  dunkel  gefärbt.  Alle  Glimmer  zeichnen  sich  durch  leichte  Spalt- 
barkeit aus. 

Kaliglimmer,  ausgezeichnet  spaltbar  und  dadurch  in  die  dünnsten  elastischen 
Blättchen  zerlegbar.  Chemisch  ein  sehr  wechselnd  Zusammengesetzes  Mineral  SiOa  = 
46_50®/o;  Al803=:2o— 35>;  K^O  =::  8—10^/0;  mit  einem  meist  kleinen  Gehalte  an 
Eisen,  namentlich  Eisenoxyd  (0.5 — ö^o),  sowie  Fluor  und  Wasser  (1 — 4®/o).  Der  Kali- 
glimmer  ist  ein  Bestandteil  der  Granite,  Gneise,  vieler  Glimmerschiefer  u.  s.  w. 

Verwitterung.  Kaliglimmer  wird  durch  die  Verwitterung  nur  sehr  schwer 
angegriffen.  Er  bildet  durch  mechanische  Einwirkungen  meist  fein  verteilte  kleine 
Schuppen  und  Blättchen,  die  sich  dem  Boden  beimischen  und  sich  sehr  lange  unver- 
ändert erhalten  (z.  B.  in  den  tertiäi'en  Glimmersanden). 

Magnesiaglimmer,  meist  dunkel  gefärbt,  schwarz,  grün  oder  grau,  auch 
braun,  in  der  Regel  nicht  so  ausgezeichnet  spaltbar  wie  der  Kaliglimmer,  von  dem  er 
sich  durch  seinen  hohen  Gehalt  an  Magnesia  (10 — SO^o)  und  an  Eisenoxydul  unter- 
scheidet, neben  denen  er  jedoch  stets  reichlich  Kali  (5 — lO^o)  enthält. 

Verwitterung.  Der  Magnesiaglimmer  verwittert  viel  leichter  als  der 
Kaliglimmer.  Häutig  sind  die  dunkeln  Lamellen  von  einem  hellgefärbten  Rande  um- 
geben, der  durch  Wegführung  des  Eisens  und  der  Alkalien  entstanden  ist.  Oft  setzt 
sich  auch  Eisenoxyd  zwischen  den  Glimmerblättchen  ab  und  färbt  diese  rötlich.  Der 
Boden,  welcher  sich  aus  Gesteinen  bildet,  die  reich  an  Magnesiaglimmer  sind,  ist  ein 
eisenreicher  Thonboden  und  durch  seine  günstigeren  Eigenschaften  und  seine  Frucht- 
barkeit von  dem  aus  Kaliglimmer  entstandenen  unterschieden.  Vielfach  werden  die 
Basen  in  Karbonate  umgewandelt ;  anderseits  treten  Umbildungen  der  Magnesiaglimmer 
in  Talk  und  Serpentin  auf. 

§  19.  5)  Hornblende  und  Augitgruppe.  Diese  Gruppe  umfasst  eine 
Anzahl  von  Mineralien,  die  rhombisch  und  monoklin,  seltener  triklin  krystallisieren. 
Alle  sind  ähnlich  zusammengesetzt  und  zeigen  auch  in  bezug  auf  die  vorkommenden 
Krystallformen  bestimmte  Beziehungen. 

Für  die  Bodenkunde  sind  nur  Hornblende  und  A u g i t  von  Bedeutung.  Beide 
sind  im  reinsten  Zustande  ein  Magnesiumbisilikat  MgSiO,,  in  welchem  das  Magnesium 
zum  Teil  durch  Kalcium  oder  Eisen  ersetzt  ist.     Die  verbreitetsten  Abarten  enthalten 


Die  wichtigsten  Mineralarten.     §  20.  129 

jedoch  noch  reichliche  Mengen  von  Thonerde.     Je  nach  dem  Vorkommen  derselben  ist 
der  Verlauf  der  Verwitterung  ein  verschiedener. 

Die  Hornblende  (Amphibol)  zeichnet  sich  durch  gute  Spaltbarkeit  und 
glänzende  Spaltungsflächen  aus.  Der  Kieselsäuregehalt  schwankt  von  39 — 49®/o ;  Thon- 
erde von  8 — 15^0;  ausserdem  finden  sich  Alkalien  (oft  bis  37o  Naj^O),  sowie  10 — 12^0 
Kalkerde. 

Die  Hornblende  findet  sich  in  vielen  Gesteinen  als  wesentlicher  Gemengteil,  so 
im  Syenit,  Diorit,  Hornblendeschiefer  etc. 

Die  Verwitterung  verläuft  verschieden  je  nach  dem  Gehalt  an  Thonerde. 
Die  selteneren  thonerdefreien  Formen  werden  in  Talk,  Serpentin  und  Chlorit  umge- 
wandelt. Die  thonerdehaltigen  verlieren  zunächst  Ca,  Mg  und  Alkalien,  nehmen  da- 
gegen Wasser  auf  und  ergeben  als  Rückstand  einen  eisenreichen  Thon,  der  vielfach 
noch  ausgeschiedene  Karbonate  enthält.  Ausserdem  hat  man  bei  der  Hornblende  noch 
Umbildung  in  eine  feinfaserige  Masse,  Asbest,  some  in  Glimmer,  Epidot  und  Chlorit 
beobachtet. 

Augit  (Pyroxen)  unterscheidet  sich  in  Bruchstücken  von  der  Hornblende 
durch  die  geringe  Spaltbarkeit.  Der  Augit  schliesst  sich  in  seiner  Zusammensetzung 
der  Hornblende  an,  ist  aber  fast  völlig  frei  von  Alkalien;  der  Gehalt  an  Thonerde 
übersteigt  selten  4 — 6*^/o ;  Kalkerde  ist  reichlicher  als  bei  den  Horn- 
blenden vorhanden  (20— 23<^/o). 

Der  geringere  Thonerdegehalt  bewirkt  der  Hornblende  gegenüber  einen  etwas 
abweichenden  Verlauf  der  Verwitterung.  Zumeist  geht  aus  der  Zersetzung  der  Augite 
eine  zerreibliche,  grüne  Masse,  Grünerde,  hervor,  von  wechselnder  Zusammensetzung, 
aber  immer  reich  an  Kieselsäure,  während  Magnesia  und  Kalk  abgenommen  haben  und 
in  vielen  Fällen  als  Karbonate  dem  Gestein  beigemengt  sind.  Bei  noch  weiter  fort- 
schreitender Verwitterung  wird  ein  eisenreicher  Thon,  ganz  ähnlich  wie  bei  der  Horn- 
blende, gebildet.  * 

§  20.  Leucit  und  andere  Silikate.  Leucit,  ein  Bestandteil  einzelner 
basaltischen  Gesteine,  ist  ein  Doppelsilikat  von  Thonerde  und  Kali  KsAl8(Si08)4.  Bei 
der  Verwitterung  wird  eine  weisse,  thonige  Masse,  wahrscheinlich  Kaolin,  gebildet. 

Nephelin  ist  verbreiteter  als  Leucit  und  als  Bestandteil  basaltischer  Gesteine 
und  des  Phonolith  von  grösserer  Bedeutung.  Nephelin  ist  ein  Doppelsilikat  von  Kali 
(wenig),  Natron  und  Thonerde  Ro(Alj)3SiyOj,g  (R^  meist  gleich  1  K  und  5  Na).  Bei 
der  Verwitterung  nimmt  der  Nephelin  Wasser  auf  und  bildet  Zeolithe. 

Epidot,  ein  wasserhaltiges  kalkreiches  Thonerde-Eisenoxyd- Silikat  von  grün- 
lichen Färbungen,  entsteht  sehr  häutig  als  sekundäres  Produkt  bei  der  Einwirkung 
kalk-  und  eisenreicher  Gewässer  auf  Feldspate  und  andere  thonerdehaltige  Silikate. 
Epidot  ist  oft  die  Ursache  der  gelblich  grünen  Färbung  von  Gesteinen,  namentlich  von 
Felsitgesteinen,  deren  Grundmasse  überwiegend  in  Epidot  umgewandelt  werden  kann. 

Granat  umfasst  eine  Gruppe  von  Mineralien,  die  in  der  äusseren  Krystallform 
übereinstimmen  und  als  Gemische  isomorpher  Verbindungen  zu  betrachten  sind.  Die 
Granatmineralien  sind  nach  der  Formel  R^igR^^Si  Ojg  zusammengesetzt;  R^i=:Ca, 
Mg,  Fe,  Mn;  R^'^^==Alj,03,  Fe^O,.  Die  Verwitterung  und  Umbildung  der  Granaten 
ist  der  Zusammensetzung  entsprechend  sehr  mannigfach  und  auch  vielfach  Gegenstand 
der  Untersuchung  gewesen,  jedoch  von  geringem  bodenkundlichem  Interesse. 

Turmalin  (Schörl),  von  sehr  mannigfacher  Zusammensetzung  (R^SiOg ;  R^ 
=  H,  K,  Na,  Li;  R^^=:Mg,  Fe,  Mn,  Ca;  RvinzAl^Og ;  also  isomorphe  Mischungen  von 
Zweidrittelsilikaten  ein-,  zwei-  und  mehrwertiger  Elemente).  Für  die  Bodenkunde  hat 
nur  die  schwarze  Abänderung  des  Tunnalins ,   der  Schörl,   eine  geringe  Bedeutung. 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  9 


130  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Bei  der  Verwitterung  wird  er  zumeist  in  Ealiglimmer  umgewandelt,  seltener  in  Chlorit 
oder  Talk. 

Chlorit  umfasst  eine  Anzahl  grün  gefärbter,  weit  verbreiteter  Minei-alien,  die 
in  Härte  und  Spaltbarkeit  zwischen  Talk  und  Glimmer  stehen  und  wasserhaltige  Sili- 
kate von  Magnesia,  Eisen  und  Thonerde  sind  (25— 32>  SiO^ ;  19—23  Al^O, ;  15—29 
FeO;  13 — 25  MgO;  9 — 12  U^O).  Die  Chlorite  sind  immer  als  sekundäre  Mineralien 
zu  betrachten  und  die  mit  am  häufigsten  auftretenden  Umbildnngsprodukte  der  verwit- 
ternden Gesteine.  Als  Chloritschiefer  bilden  sie  selbständig  beträchtliche  Gebirgsmassen. 
Als  Produkt  der  Verwitterung  unterliegt  der  Chlorit  nur  schwierig  weiteren  Umbil- 
dungen; erfolgen  diese,  so  wird  meistens  Kieselsäure  als  Quarz  oder  Chalcedon  abge- 
schieden, das  Eisen  in  Eisenoxydulhydrat  umgewandelt  und  die  Magnesia  in  Karbonat 
übergeführt. 

Z  e  0 1  i  t  h  e  umfassen  eine  zahlreiche  Reihe  von  Mineralien,  die  alle  wasserhaltig 
sind  und  beim  Erhitzen  das  Wasser  unter  Aufschäumen  verlieren.  Es  sind  Doppel- 
silikate von  Kali,  Natron,  Kalk  und  Thonerde.  (Die  wenigen  Thonerdefreien ,  sowie 
die  Baryum  enthaltenden  Arten  sind  hier  ohne  Bedeutung.) 

Die  Zeolithe  bilden  sich  zahlreich  bei  der  Verwitterung  Natron  und  Kalk  halten- 
der Mineralien  und  linden  sich  namentlich  in  den  Klüften  und  Hohlräumen  vulkanischer 
Gesteine,  aber  auch  auf  Erzgängen  u.  dergl.  abgeschieden. 

Viele  Zeolithe  verlieren  leicht  Wasser  und  zerfallen  dann  in  ein  feines  Pulver; 
durch  fortschreitende  Verwitterung  gehen  aus  denselben  kaolinartige  Erden  hervor. 
Die  Zeolithe  wandeln  sich  bei  Einwirkung  gelöster  Salze  leicht  um  (indem  sie  andere 
Zeolithmineralien  bilden)  und  sind  so  eins  der  beweglichsten  und  wichtigsten  Elemente 
des  Ackerbodens,  da  sich  viele  Absorptionserscheinungen  mit  Wahrscheinlichkeit  auf 
die  Gegenwart  zeolithischer  Körper  im  Boden  zurückführen  lassen. 

Von  der  grossen  Zahl  der  bekannten  Zeolithe  können  hier  nur  einzelne  Beispiele 
aufgeführt  werden: 

Mesotyp  (Natrolith)  Na^AljSigOjo +2HjjO;  der  verbreitetste  Zeolith ;  gleich- 
zeitig einer  der  am  wenigsten  Zersetzungen  unterworfenen.  In  basaltischen  und  pho- 
nolithischen  Gesteinen. 

Harmotom  H2(BaKj.)Alj,SiöO,5 +  4H80  auf  Erzgängen;  im  Basalt. 

A  n  a  l  c  i  m  NaaAl2Si4  0, g  +  2H2O  in  plutonischen  Gesteinen. 

S  k  0 1  e  c  i  t  CaAl.Si.0, 0  +  SHaO. 

Phillipsit  Ca(K„  Na,)Al,Si,0,,  +  ,H,0. 

Die  Zeolithe  finden  sich  häufig  neben  einander  in  denselben  Gesteinen,  deren  Zer- 
setzungsprodukte sie  sind. 

§21.  Kaolin  und  Thonmineralien.  Die  Verwitterung  der  meisten 
thonerdehaltigen  Mineralien  ergiebt  wasserhaltige  kieselsaure  Thonerde,  als  deren  reinst« 
Form  man  den  Kaolin  betrachten  kann. 

Kaolin  ist  versteckt  krystallinisch,  nicht  amorph,  wie  man  bei  der  hohen 
Plastizität  vermuten  sollte.  Bei  sehr  starker  Vergrösserung  erkennt  man,  dass  der 
Kaolin  aus  sehr  feinen,  meist  sechsseitigen  Lamellen  besteht.  Chemisch  ist  der  Kaolin 
nach  den  besten  vorliegenden  Analysen  als  Hj^AlgHi^Os -j- HgO  aufzufassen  (46,40®/o 
SiO, ;  39,68  Al.O, ;  13,92  H,0).  Die  ältere  Formel  Al^SigO,  +  2H,0  ist  wohl  weniger 
richtig,  da  ein  Teil  des  Wassers  erst  bei  stärkerem  Glühen  entweicht.  Der  Kaolin  ist 
vor  dem  Lötrohre  unschmelzbar ;  Salz-  und  Salpetersäure  greifen  ihn  nicht  an,  Schwe- 
felsäure zersetzt  ihn.     Von  Kalilauge  wird  er  aufgenommen. 

Viele  Versuche  haben  zu  der  Meinung  geführt,  dass  der  Kaolin  etwas  quellbar 
sei,   also  Wasser  in   sich   aufzunehmen  vermag,    obgleich  seine  ünlöslichkeit  und  die 


Die  wichtigsten  Mineralarten.     §  22.  131 

krystaUinische  Beschaffenheit  dagegen  sprechen. 

Der  Kaolin  ist  selten  völlig  rein,  sondern  noch  mit  Eesten  der  ursprünglichen 
Mineralien,  mit  Quarzkörnem  u.  s.  w.  untermischt. 

Viel  mannigfaltiger  sind  die  „Thonarten"  zusammengesetzt;  die  Kenntnis  der 
in  denselben  vorhandenen  chemischen  Verbindungen  ist  jedoch  noch  eine  sehr  lücken- 
haft«. Die  feine  Verteilung  der  Thone  und  die  Schwierigkeit,  die  einzelnen  Verbin- 
dungen zu  trennen,  bedingt  dies;  die  Gesamtanalyse  der  verschiedenen  Thone  ergiebt, 
da  sie  Mischungen  sind,  die  allerverschiedensten  Resultate.  Für  die  Bodenkunde  kom- 
men neben  den  Thonen,  welche  dem  Kaolin  nahe  stehen,  namentlich  noch  die  eisen- 
reichen T  honarten  in  Betracht. 

§  22.  Karbonate.  Neben  den  Silikaten  sind  die  wichtigsten  und  nächst 
jenen  in  grösster  Ausdehnung  vorkommenden  Mineralarten  die  kohlensauren  Salze  des 
Calciums,  Magnesiums  und  des  Eisens. 

Kohlensaurer  Kalk  findet  sich  in  drei  Formen,  als  Kalkspat,  Arago- 
nit  und  Kreide.    Alle  brausen  mit  Säuren  Übergossen  lebhaft  auf. 

Kalkspat,  hexagonal  -  rhomboedrisch  krystallisiertes  Calciumkarbonat  CaCOg 
(56**/o  CaO ;  44^0  CO,) ;  findet  sich  in  zahlreichen  Krj^stallformen  weit  verbreitet  (Gängen, 
als  Kalkstein  und  Marmor  u.  s.  w.). 

Aragonit,  rhombisches  Calciumkarbonat,  weniger  verbreitet  als  der  Kalkspat. 

Kreide,  feinerdig,  bildet  ganze  Gesteinsmassen. 

Der  kohlensaure  Kalk  wird  bei  der  Verwitterung  calciumhaltiger  Gesteine  häufig 
gebildet,  findet  sich  daher  auch  vielfach  in  Gesteinen  wie  in  verwittertem  Basalt,  Dia- 
bas etc.  Der  kohlensaure  Kalk  wird  durch  kohlensäurehaltige  Gewässer  als  saurer 
kohlensaurer  Kalk  gelöst,  ohne  einen  Rückstand  zu  hinterlassen,  er  ist  daher  einer 
Verwitterung  im  einfachen  Sinne  nicht  zugängig.  Grössere  Kalk- 
gesteine zerfallen  jedoch  in  Stücke,  da  erfahrungsmässig  einzelne  Teile  leichter  angreif- 
bar sind,  und  bilden  zuletzt  einen  feinkörnigen  Sand,  den  Kalksand.  Als  Rückstand 
von  der  Verwitterung  der  Kalksteine  können  daher  nur  die  Beimengungen  derselben 
zurückbleiben,  die  meist  aus  thonigen  Stoffen  bestehen,  untermischt  mit  noch  nicht  ge- 
lösten Kalksteinresten.  Dagegen  ist  der  kohlensaure  Kalk,  zumal  die  verbreitetste 
Form,  der  Kalkspat,  die  Ursache  vielfacher  Umwandlungen  und  Abscheidungen  gelöster 
Mineralstoffe.  Namentlich  Metalle  vermag  er  zu  fällen,  indem  die  meist  leichter  lös- 
lichen Kalksalze  weggeführt  werden,  während  die  Metallsalze  oder  deren  Oxyde  sich 
abscheiden.  Es  sind  so  Pseudomorphosen  von  Eisenoxyd  (Roteisen  und  Brauneisen) 
und  Mangansuperoxyd  nach  Kalkspat  vielfach  bekannt. 

Dolomit.  Kohlensaure  Kalk-Magnesia  CaCO, -|- MgCOg  ist  mit  Kalkspat  iso- 
morph, in  Krystallen  meist  als  Grundrhomboeder. 

Dolomit  unterscheidet  sich  chemisch  von  Kalkspat  durch  geringere  Angreifbarkeit ; 
mit  Säuren  braust  er  nur  gepulvert  oder  beim  Erwärmen  auf.  Er  unterliegt  wie  der 
Kalkspat  nur  einer  Lösung,  keiner  eigentlichen  Verwitterung. 

Vielfach  finden  sich  dolomitische  Kalksteine,  vorwiegend  kohlensaurer  Kalk  mit 
beigemischter  kohlensaurer  Magnesia.  Bei  Einwirkung  kohlensäurehaltiger  Wasser  wird 
zunächst  die  im  Ueberschuss  vorhandene  Verbindung  weggeführt  und  Dolomit  bleibt 
zurück,  der  dann  ebenfalls  angegriffen  und  oft  in  ein  feinsandiges  Pulver  von  kleinen 
Rhombo^dern,  die  sogenannte  „Dolomitasche"  übergeführt  wird. 

Eisenspat,  kohlensaures  Eisenoxydul  (62,07>FeO;  37,93  COJ,  ist  ebenfalls 
ein  häufiges  Produkt  der  Verwitterung  von  eisenhaltigen  Gesteinen.  Wie  die  vor- 
besprochenen Mineralien  ist  es  in  kohlensäurehaltigem  W^asser  löslich,  oxydiert  sich 
jedoch  sehr  leicht  unter  Abgabe  der  gebundenen  Kohlensäure  zu  Eisenoxyd  oder  unter 

9* 


132  II.  R  a  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Wasseraufnahme  zu  Eisenoxydbydrat.   Pseadomorphosen  von  Rot-  und  Brauneisen  nach 
Eisenspat  sind  daher  häufig. 

Sulfate.  Von  schwefelsauren  Verbindungen  tritt  nur  der  schwefelsaure  Kalk 
als  Anhydrit  und  im  wasserhaltigen  Zustande  als  Gips  gesteinbildend  auf. 

Anhydrit  CaSO,  (41,2  CaO ;  58,8  SO,),  in  krystallinischen,  graulich  oder  bläu- 
lich gefärbten  Massen,  seltener  in  rhombischen  Krystallen,  geht  unter  Wasseraufnahme 
über  in 

Gips  CaSO, +2H,0  (32^  CaO;  46,5  SO, ;  21  H,0).  Der  Gips  ist  das  ver- 
breitetste  schwefelsaure  Salz  und  in  kleinen  Mengen  in  den  meisten  Bodenarten  ent- 
halten. Er  löst  sich  in  etwa  400  Tln.  Wasser,  verwittert  daher  im  strengen  Sinne 
nicht,  sondern  wird  in  Lösung  weggeführt  und  krystallisiert  beim  Verdunsten  des  Was- 
sers vielfach  wieder  aus,  so  namentlich  in  Höhlungen;  auch  in  Thonlagern  finden  sich 
sekundär  gebildete  Gipskrystalle  häufig  vor. 

Schwerspat  (Baryt)  (65,7  BaO ;  34,3  SO,)  findet  sich  namentlich  in  Gangen, 
oft  in  schönen  rhombischen  Krystallen.  Schwerspat  ist  eins  der  unlöslichsten  Minera- 
lien und  ohne  wesentliche  bodenkundliche  Bedeutung. 

Phosphate.  Von  den  phosphorsauren  Salzen  ist  nur  der  phosphorsaure  Kalk 
im  krystallisierten  Zustande  als  Apatit,  krystallinisch  als  Phosphorit  bezeichnet, 
verbreitet  und  bodenkundlich  von  grosser  Wichtigkeit. 

Apatit  krystallisiert  hexagonal  und  besteht  überwiegend  aus  phosphorsaurem 
Kalk  (41 — 42^0  Py^s)-  I^er  Apatit  findet  sich  in  fast  allen  Gesteinen  in  Form  kleiner 
Säulen  und  Nadeln.  Er  gehört  in  Quarzen,  Hornblende,  Auglt,  Feldspaten  zu  den  am 
häufigsten  vorkommenden  Einschlüssen,  ist  aber  prozentisch  zumeist  nur  in  sehr  geringen 
Mengen  vorhanden.     Der  Apatit  ist  der  Träger  der  Phosphorsäure  im  Boden. 

In  kohlensäurehaltigem  Wasser  ist  Apatit  schwach  löslich;  grössere  Krystalle  wer- 
den durch  die  Verwitterung  undurchsichtig,  sie  scheinen  dabei  oftmals  zum  Teil  in  Kar- 
bonat umgewandelt  zu  werden,   obgleich  Analysen  zersetzter  Apatite  kaum  vorliegen. 

Chloride  und  Fluoride.  Von  diesen  kommen  wesentlich  nur  die  leicht  lös- 
lichen Salze  der  Alkalien  Steinsalz  und  Sylvin  und  ausserdem  der  Flussspat 
in  Frage. 

Steinsalz,  Chlornatrium,  NaCl  (39,3  Na ;  60,7  Cl),  in  mächtigen  Lagern  und 
in  Lösung  in  vielen  Quellen,  Salzquellen,  Soolen,  und  im  Meerwasser  vorkom- 
mend. Das  Steinsalz  ist  leicht  löslich  und  wird  dadurch  leicht  aus  den  Gesteinen  und 
Bodenarten  ausgelaugt.  Tritt  es  im  Boden  in  massiger  Menge  auf,  so  findet  sich  auf 
diesem  wie  auch  am  Seestrande  meist  eine  eigenartige  Flora. 

Sylvin,  Chlorkalium  (52,35  K;  47,65  Cl),  in  beträchtlichen  Ablagerungen  in 
Stassfurt  und  in  Kaluss  in  Galizien.    Wichtiges  Kalisalz  für  Düngerzwecke. 

Flussspat,  Fluorcalcium,  CaF^  (51,3  Ca;  48,7  F),  verbreitet  auf  Gängen  und 
Klüften.  Der  Flussspat  findet  sich  häufig  in  Gesteinen  und  entsteht  wohl  zumeist  bei 
der  Verwitterung  fluorhaltiger  Mineralien,  namentlich  der  Glimmer.  Flussspat  ist  nicht 
völlig  unlöslich  in  W^asser,  durch  den  Angriff  desselben  zeigen  die  Krystalle  nicht  selten 
rauhe  Flächen. 

Oxyde  und  Oxydhydrate. 

Roteisen,  Eisenoxj^d,  Fe^Og  (70°/o  Fe;  30®/o  0),  als  Roteisenstein  in  mäch- 
tigen Lagern  und  Gängen  und  auch  in  kleinen  Mengen  in  fast  allen  Bodenarten  ver- 
breitet, deren  rote  Farbe  das  Eisenoxyd  bedingt. 

Das  Eisenoxyd  geht  durch  Aufnahme  von  Wasser  in  Hydrat  über;  Pseudomor- 
phosen  von  Brauneisen  nach  Roteisen  sind  nicht  gerade  selten.  Auch  im  Boden  kann 
man  diese  'Umwandlung  gelegentlich  beobachten.    Bei  der  Verwitterung  und  genügender 


Die  wichtigsten  Mineralarten.     §  22.  133 

Gegenwart  von  Sauerstoff  wird  Eisenoxyd  sehr  vielfach  in  Form  kleiner  Körner  oder 
Blättchen  abgeschieden  und  bewirkt  oft  die  rötliche  Färbung  schwach  verwitterter  Gesteine. 
Unter  dem  Einfluss  organischer  Substanzen  wird  Eisenoxyd  oder  dessen  Hydrat 
zu  Oxydul  reduziert  und  als  kohlensaures  Eisenoxydul  gelöst.  Das  Eisen  gehört  so  zu 
den  bew^eglichsten  Bestandteilen  des  Bodens  und  kann  bei  Luftabschluss  leicht  umgelagert 
werden. 

Eisenoxydhydrate.  Durch  Wasseraufnahme  bildet  sich  aus  Eisenoxyd 
oder  sehr  häutig  auch  direkt  bei  der  Verwitterung  der  Mineralien  Eisenoxydhydrat. 
Oft  kann  man  beide  Verbindungen  in  Dünnschliffen  neben  einander  beobachten.  Die 
entstehenden  Hydrate  des  Eisenoxyds  haben  wechselnden  Wassergehalt.  Dem  in  Gän- 
gen und  Lagern,  wie  auch  im  Boden,  dessen  braune  Färbung  dadurch  veranlasst  wird, 
weit  verbreiteten. 

Brauneisenstein  giebt  man  die  Formel  Fe2(0H)g ;  ein  anderes  oft  vorkom- 
mendes Mineral  ist  der  Göthit  oder  Nadeleisenerz  Fe2H304. 

Für  die  Umwandlung  gilt  das  für  das  Eisenoxyd  gesagte.  Unter  Umständen  ver- 
mögen jedoch  die  Hydrate  ihr  Wasser  abzugeben  und  in  Eisenoxyd  überzugehen. 

Magneteisen  (Eisenoxyduloxyd),  Fe^O^  (72,47o  Fe;  27,6>  0),  ist  in  Form 
kleinster  Krvstalle  in  sehr  vielen  Gesteinen  verbreitet  und  oft  das  Produkt  der  Zer- 
Setzung  eisenreicher  Mineralien.  Bei  der  Verwitterung  nimmt  das  Magneteisen  Sauer- 
stoff auf  und  geht  in  Eisenoxyd  über ;  seltener  ist  eine  Umwandlung  zu  Brauneisen. 

Dem  Magneteisen  steht  in  der  Art  des  Vorkommens  in  den  Gesteinen  das  Titan- 
eisen ausserordentlich  nahe,  unterscheidet  sich  jedoch  von  jenem  durch  seine  Unlös- 
lichkeit in  Säuren,  sowie  dass  Titansäure  in  Form  einer  gelblichweissen  Masse  (L  e  u- 
koxen)  bei  der  Verwitterung  übrig  bleibt. 

Braunstein,  Pyrolusit  (Mangansuperoxyd  MnOa)  stellt  das  verbreitetste 
Mineral  des  Mangans  dar.  Es  findet  sich  in  Gängen  und  in  kleinen  Mengen  vielfach 
in  Gesteinsklüften,  deren  Flächen  es  in  baumförmigen  Zeichnungen  überzieht  (sog. 
Dendriten). 

Schwefeleisen,  FeSj,  findet  sich  in  der  Natur  in  zwei  Ausbildungsformen, 
einmal  regulär  krystallisiert  als  Schwefelkies,  sodann  rhombisch  als  M a r k a s i t 
(Strahlkies).  Der  Schwefelkies  ist  verbreiteter  als  der  letztere,  obgleich  auch  dieser 
nicht  selten  vorkommt  und  namentlich  in  den  Ablagerungen  der  Tertiär-  und  Kreide- 
formation sich  findet. 

Schwefelkies  ist  ferner  in  Form  kleinerer  oder  grösserer  Krystalle  in  vielen  Ge- 
steinen vorhanden;  er  findet  sich  auch,  wenngleich  im  ganzen  selten,  in  Schichten  von 
Moor-  und  Torflagern.  Die  Verwitterung  erfolgt  durch  Aufnahme  von  Sauerstoff  und 
Wasser : 

FeS,  +  7  0  +  H,0  =  FeSO^  +  H,SO, 
d.  h.  es  geht  aus  der  Verwitterung  Eisenvitriol  und  freie  Schwefelsäure 
hervor.    Je  nach  den  im  Boden  vorhandenen  Mineralbestandteilen  ist  die  fernere  Um- 
setzung verschieden. 

Der  Eisenvitriol  oxydiert  sich  bei  Gegenwart  von  Sauerstoff  zu  schwefelsaurem 
Eisenoxyd  (3FeS0^  =Fea(S04)3  -f  FCgOg)  unter  Bildung  basischer  Salze  von  wechseln- 
der Zusammensetzung.  Ist  kohlensaurer  Kalk  vorhanden,  so  bildet  sich  Gips  und  das 
entstehende  kohlensaure  Eisenoxydul  geht  unter  Kohlensäureverlust  und  Sauerstoffauf- 
nahme in  Eisenoxyd,  bezw.  Eisenoxydhydrat  über;  es  sind  so  Pseudomoi'phosen  von 
Braunoisen  nach  Schwefelkies  häufig.  Auch  die  im  Diluvium  verbreiteten  Eisennieren 
gehen  aus  der  Oxydation  von  Markasit  hervor.  Das  entstehende  Brauneisen  verkittet 
den  umliegenden  Sand. 


134  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Die  freie  Schwefelsäure  bewirkt  femer  verschiedene  Umbildungen.  Sind  nicht 
genügend  Basen  vorhanden,  um  die  Säure  zu  binden,  wie  dies  namentlich  in  Moorboden 
vorkommt,  in  dem  sich  zuweilen  Schwefelkies  fein  verteilt  vorfindet,  so  wirkt  die  freie 
Säure  als  Pflanzengift  und  vernichtet  jede  Vegetation.  Solche  schwefelkieshaltige  Moor- 
schichten sind  durch  Wasserbedeckung  von  der  Einwirkung  der  Luft  abgeschlossen; 
werden  dieselben  bei  Meliorationen  oder  sonstigem  Bodenbearbeiten  an  die  Oberfläche 
gebracht,  so  kann  zuweilen  der  Boden  auf  Jahre  hinaus  verdorben  und  für  Pflanzen- 
kultur ungeeignet  werden. 

Auch  bei  Gegenwart  genügender  Mineralstoflfe  ist  die  Einwirkung  nicht  immer 
ohne  Bedeutung.  Am  günstigsten  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  wenn  genug  Kalk 
vorhanden  ist,  um  die  freie  Säure  zu  binden.  Zufuhr  von  Kalk  und  Mergel  ist  auch 
wohl  das  einzige  anwendbare  Gegenmittel. 

V.  Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten. 

Litteratur.  Sprengel,  Bodenkunde.  —  F  a  1 1  o  u  ,  Pedologie.  S  e  n  f  t ,  Boden- 
und  Gesteinskunde.  Grebe,  Gebirgskunde,  Bodenkunde  und  Klimalehre.  4.  Aufl.  188(i- 
Berlin.  Abhandig.  d.  geolog.  Landesanstalt  von  Preussen  etc.  (soweit  sich 
diese  auf  das  Flachland  beziehen) ;  ferner  eine  erhebliche  Anzahl  vereinzelter  Angaben.  Die 
für  forstliche  Zwecke  brauchbarste  Zusammenstellung  bietet  Grebe,  dem  auch  hier  im 
wesentlichsten  gefolgt  ist. 

§  23.  1.  Allgemeines.  Die  aus  der  Gesteinsverwitterung  hervorgehenden 
Bodenarten  sind  je  nach  der  Zusammensetzung,  Korngrösse  u.  s.  w.  verschiedenartig. 
Es  ist  jedoch  möglich,  für  die  Hauptgesteinsarten  und  deren  Verwitterungsböden  Kenn- 
zeichen und  ein  allgemeines  Verhalten  anzugeben,  welches  der  überwiegenden  Anzahl 
gemeinsam  ist.  Einzelne  Ausnahmen  kommen  vielfach  vor,  sind  jedoch  eben  Ausnah- 
men von  der  Regel  und  vermögen  diese  selbst  nicht  zu  beeinflussen. 

Eine  Trennung  in  „Verwitterungsböden"  und  „Schwemmlandsböden"  ist  nicht 
festgehalten,  da  die  letzteren  nur  die  erste  Phase  der  Verwitterung,  das  Zerfallen  in 
kleine  Bruchstücke  nicht  durchzumachen  haben,  sonst  aber  keine  abweichende  Zersetzung 
erleiden.  Bei  der  Wichtigkeit  und  Verbreitung  der  Diluvial-  und  Alluvialbildungen 
sind  diese  anhangsweise  besonders  besprochen. 

Einteilung  der  Gesteine.  Unter  Gestein  ist  hier  jedes  Aggregat  von 
Mineralkörpem  verstanden,  welches  in  so  grosser  Menge  vorkommt,  dass  es  einen  nen- 
nenswerten Anteil  an  der  Zusammensetzung  der  festen  Erdoberfläche  nimmt.  Dement- 
sprechend werden  auch  die  losen  Anhäufungen  wie  Sande,  Gerolle  unter  diesem  Begriff 
mitverstanden,  ebenso  die  Kohlen-  und  humosen  Stoffe,  vorausgesetzt,  dass  sie  gebirgs- 
oder  bodenbildend  auftreten. 

Die  Gesteine  sind  in  Abteilungen  zusammengefasst ,  welche  sich  auf  Zusammen- 
setzung und  Ausbildungsweise  gründen.     Es  sind  dies  die  folgenden: 

a)  massige  Gesteine; 

b)  Urschiefer  oder  metamorphische  Gesteine; 

c)  Thonschiefer  und  Thone; 

d)  Kalk-  und  Dolomitgesteine  (Mergel  u.  s.  w.); 

e)  Konglomerate,  Sandsteine  und  Sande; 

f)  hu m ose  Bildungen: 

a)  Die  massigen  Gesteine  sind  überwiegend  eruptive  Bildungen  un^  zeich- 
nen sich  durch  einen  massigen  Aufbau  und  Fehlen  jeder  Schichtung  aus.  Absonderung 
in  Säulen  und  Platten  sind  nicht  selten.    Die  massigen  Gesteine  teilt  man  für  boden- 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten.     §  25.  135 

knndliche  Zyfecke  am  günstigsten  nach  dem  Kieselsäuregehalt  ein,  da  dieser  für  die 
Umbildnng,  oft  auch  für  die  Zersetzbarkeit  bezeichnend  ist.    Man  unterscheidet  so: 

sanre  Gesteine  mit  mehr  als  657o  SiOj :  Granit,  Quarzporphyr ; 

Gesteine  mit  mittlerem  SiOa  Gehalt  mit  55 — 65^/oSi02:  Syenit,  Tra- 
chyt,  Phonolith; 

basische  Gesteine  mit  40 — 54^0  SiOj :  Diorit,  Diabas,  Melaphyr,  Basalt. 

§24.    2.  Sanre  Gesteine: 

Granit:  Rein  krystallinisch-körniges  Gemenge  von  Quarz,  Orthoklas,  Plagioklas 
und  Glimmer.  In  der  Regel  herrschen  die  Feldspate,  namentlich  der  Orthoklas,  vor. 
Der  Granit  findet  sich  meist  in  mächtigen  Stöcken  und  Lagern,  seltener  in  Gängen. 

Die  Verwitterung  ist  je  nach  der  Korngrösse  verschieden,  je  grobkörniger  um 
so  leichter  tritt  die  Zersetzung  ein.  Die  Verwitterung  folgt  zumeist  grösseren  Spalten 
und  lässt  Granitblöcke  in  woUsackähnlichen  Gestalten  auf  der  Oberfläche  zurück.  Der 
Granit  zerfällt  in  kleine  Steinbrocken  und  bildet  so  einen  für  den  Granit  charakteristi- 
schen Gmss,  dessen  Feldspatbestandteile  allmählich  in  einen  thonigen,  alkalireichen, 
jedoch  meist  kalkarmen  Boden  übergehen.  Der  Boden  selbst  ist  kräftig,  ziemlich  tief- 
gründig und  sagt,  in  höheren  Lagen  der  Fichte  und  Tanne,  in  den  tieferen  der  Buche 
und  andern  Laubholzarten  zu.  Wie  auf  allen  kalkarmen  Böden  zersetzen  sich  die 
Hnniussubstanzen  auf  Granitboden  nur  langsam,  und  neigt  er  daher  in  höheren  Lagen 
zur  Versumpfung  und  Torfbildung,  ist  auch  in  tieferen  Lagen  der  Ansamung  nicht 
günstig.  Feinkörnige  Granite  verwittern  meist  sehr  schwierig  und  bilden  einen  flach- 
gründigen,  kiesigen  Boden. 

Felsitporphyr.  In  einer  dichten,  felsitischen  Grundmasse  sind  Krystalle 
von  Quarz  und  Feldspat  ausgeschieden.  Der  Felsitporphyr  kann  sehr  verschiedene 
Farben  haben;  meist  rötlich  oder  braun,  seltener  grünlich.  Je  nach  der  Zusammen- 
setzung der  Grundmasse,  die  in  den  meisten  Fällen  krystallinisch  ist,  venvittert  der 
Felsitporphyr  langsamer  oder  schneller. 

Die  dichten  festen  Porphyre  verwittern  sehr  schwer,  zerfallen  in  scharfkantige, 
schiefwürfelige  Trümmer  und  bilden  endlich  einen  erdarmen,  sehr  steinreichen,  tho- 
nigen Boden,  der  zu  den  ungünstigsten  Waldböden  gehört,  die  vorkommen.  In  der 
Ebene  lagern  sich  die  Bruchstücke  meist  dicht  zusammen  und  verhindern  das  Eindringen 
der  Wurzeln,  während  sie  an  den  Abhängen  lose  aufeinander  lagern  und  so  den  Boden 
trocken  und  hitzig  machen. 

Die  leichter  verwitterbaren  Porphyrformen  (sogenannte  Feldstein-  und  Thonstein- 
porphyr)  sind  weniger  ungünstig,  manche  sogar  für  Fichte  und  Buche  sehr  geeignet; 
obgleich  die  Mehrzahl  dem  Forstmann  grosse  Schwierigkeiten  bereitet  und  namentlich 
{^egen  eine  Blosslegung  des  Bodens  sehr  empfindlich  ist. 

An  den  Felsitporphyr  schliesst  sich  eng  der  Quarztrachyt  oder  Andesit 
an,  der  jedoch  nur  in  kleinen  Partien  in  Deutschland  vorkommt. 

§  25.  3.  Gesteine  mit  mittlerem  Kieselsäuregehalt.  Syenit. 
Körnig-krystallinisches  Gemenge  von  Orthoklas  und  Hornblende,  nur  selten  tritt  Glim- 
mer hinzu.  Der  Syenit  schliesst  sich  in  seinen  Formen  eng  an  die  des  Granites  an, 
ist  jedoch  viel  weniger  verbreitet. 

Bei  der  Verwitterung  zerfällt  der  Syenit  meist  ziemlich  rasch  in  einen  feinen 
Gmss,  der  allmählich  in  einen  eisenreichen  Lehmboden  von  massiger  Mächtigkeit  über- 
geht. Der  Syenitboden  ist  infolge  des  Homblendegehaltes  und  des  Fehlens  von  Quarz 
viel  reicher  an  Pflanzennährstoffen  als  der  Verwitterungsboden  des  Granites;  er  trägt 
entsprechend  auch  einen  besseren  und  namentlich  an  Laubhölzern  reicheren  Waldbe- 
stand als  dieser. 


136  IL  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

T  r  a  c  h  y  t  ist  ein  meist  porphyrisch  ausgebildetes,  wesentlich  aas  Sanidin  (gla- 
sigem Orthoklas)  und  Oligoklas  bestehendes  Gestein,  in  dem  sich  noch  häafig  Horn- 
blende, Angit  oder  Grlimmer  findet. 

Die  Verwitterung  greift  in  der  Regel  den  Oligoklas  zuerst  an  und  wird  durch 
reichliche  porphyrische  Ausscheidungen  begünstigt.  Der  Ver^dtteningsboden  ist  hell 
weisslich  oder  gelbbraun  gefärbt  und  erzeugt  in  der  Regel  nur  einen  flachgriindigen, 
ziemlich  trockenen  und  unfruchtbaren  Boden;  seltener  sind  Trachytformen,  die  leicht 
verwittern  und  dann  einen  fruchtbaren  tiefgründigen  Buden  bilden. 

Fhonolith  (Klingstein)  ist  ein  dichtes,  dnnkelgrünliches  oder  braunes  Gestein^ 
welches  sich  aus  Sanidin,  Nephelin  und  Einsprenglingen  von  Augit,  Hornblende,  Mag- 
neteisen zusammensetzt.  Der  Fhonolith  zeigt  grosse  Neigung  zur  plattenförmigen  Ab- 
sonderung. 

Die  Verwitterung  lässt  den  Fhonolith  in  ein  Haufwerk  von  Bruchstücken  zer- 
fallen, die  meist  scharfkantig  und  der  plattenförmigen  Absonderung  entsprechend,  etwas 
schieferig  erscheinen.  Die  Bruchstücke  überziehen  sich  zuerst  mit  einer  weisslichen, 
äusserlich  dem  Kaolin  ähnlichen  Verwitterungskruste,  die  wie  der  daraus  hervorgehende 
Boden  mit  Wasser  schlammig,  und  nach  dem  Austrocknen  krümelig  wird.  Der  Phono- 
lithboden  ist  in  feuchten  Lagen  ein  vorzüglicher  Waldboden,  neigt  jedoch  zur  Ver- 
sumpfung. 

Basische  Gesteine: 

D  i  0  r  i  t  ist  ein  körniges,  krystallinisches  Gemenge  von  Plagioklas  (meist  Oligo- 
klas, seltener  Labrador)  und  Hornblende.  Diorit  findet  sich  sowohl  in  rein  körniger,  als 
auch  in  porphyrischer  oder  dichter  Ausbildung,  zumeist  als  Gänge  oder  Stöcke,  seltener 
als  Lager. 

Der  Diorit  verwittert  nur  langsam,  in  seinen  dichten  Abarten  wohl  am  schwie- 
rigsten von  allen  krystallinischen  Gesteinen  und  bildet  einen  an  Steinen  überreichen,  erd- 
armen Boden. 

Diabas,  ein  grob-  bis  feinkörniges ,  grünes  oder  grüngraues  sehr  festes  und 
zähes  Gestein,  welches  von  Augit  und  Plagioklas  (namentlich  Labrador)  gebildet  wird. 
Der  Diabas  tritt  in  Gängen  und  Lagern  auf. 

Die  Verwitterung  ergreift  meist  zunächst  den  Augit,  der  oft  vollständig  in  Chlo- 
rit  umgewandelt  wird.  Kohlensaurer  Kalk  findet  sich  fast  immer  im  verwitterten  Dia- 
base, in  dessen  Hohlräumen  sich  häutig  Krystalle  von  Kalkspat  abscheiden  (sog.  Kalk- 
diabas). Diabas  zerfällt  viel  leichter  als  Diorit,  wenn  auch  die  dichten  Abarten  oft 
lange  widerstehen  und  sich  Verwitterungsschichten  in  rötlich-gelben  Lagen  ablösen. 

Der  Verwitterungsboden  ist  dunkel  gefärbt,  eisenreich  und  namentlich  infolge  des 
hohen  Phosphorsäure-  wie  des  Kalkgehaltes  ein  ausserordentlich  fruchtbarer  und  für 
Laubholzarten  vorzüglich  geeigneter.  Nadelhölzern  sowie  auch  der  Eiche  sagt  er  da- 
gegen weniger  zu.  Der  Diabasboden  ist  sehr  empfänglich  für  Besamung,  jedoch  einem 
starken  Gras-  und  Himbeerwuchse  ausgesetzt.  „Diabasboden  sagt  den  Buchen  und  den 
Kraft  fordernden  Holzarten,  z.  B.  den  Ahornen,  vorzüglich  zu  und  das  abgesonderte 
Vorkommen  der  ersteren  auf  einzelnen  Höhepunkten  bewaldeter  Gebirge  ist  oft  ein 
fernes  Kennzeichen  des  Vorhandenseins  dieser  Felsart."     (Grebe  l.  c.  p.  88.) 

M  e  1  a  p  h  y  r  sind  dichte,  sehr  häutig  mandelsteinartige  Gemenge  von  Plagioklas. 
Augit,  Olivin  und  Magneteisen.  Die  Melaphyre  treten  in  Kuppen  und  Gängen,  nament- 
lich aber  in  mächtigen  Lagern  auf. 

Bei  der  Verwitterung  wird  die  Oberfläche  erdig,  anfangs  grünlich,  später  ocker- 
braun, wie  dies  an  Klüften  und  Spalten  des  Gesteines  zu  beobachten  ist  und  allmählich 
geht,  trotz  der  schweren  Zersetzbarkeit,  ein  meist  dunkelgrau-gelber,  eisenreicher  Thon- 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten.     §  27.  137 

boden  hervor,  der  sich  dem  Verwitterungsboden  des  Basaltes  sehr  ähnlich  verhält. 

Basalt,  ein  scheinbar  dichtes,  bläulich-  oder  grauschwarzes  Gestein,  welches 
aus  einem  Gemenge  von  Plagioklas  (namentlich  Oligoklas)  oder  Nephelin  und  Augit, 
Ma^neteisen  und  sehr  vielfach  Olivin  besteht.  Körnige  Ausbildungen  der  Basaltgesteine 
werden  als  D  o  1  e  r  i  t  bezeichnet. 

Die  Verwitterung  der  Basalte  ist  verschieden;  einzelne  Abarten  zerfallen  in  grös- 
sere oder  kleinere  Blöcke,  deren  Oberfläche  hell  oder  rostbraun  gefärbt  ist ;  die  Bruch- 
stücke zersetzen  sich  nur  langsam,  runden  sich  allmählich  und  sind  an  steilen  Gehängen 
dann  wenig  fruchtbar.  Andere  Basalte  verwittern  leichter  und  dringt  die  Verwit- 
ternng  namentlich  in  die  Tiefe  vor,  so  dass  die  ganze  Masse  in  Basalt wacke 
umgewandelt  erscheint.  Der  Verwitterungsboden  des  Basaltes  ist  dunkel,  braun  oder 
grau  gefärbt,  meist  reichlich  mit  Steinen  durchmischt,  dabei  auch  bei  nur  massiger 
Mächtigkeit  ausgezeichnet  fruchtbar  und  namentlich  für  Laubhölzer  geeignet  (am  wenig- 
sten Eiche  und  Birke,  sowie  Nadelhölzer). 

§  27.  5.  ürschiefer  und  metamorphische  Gesteine.  Diese  Ge- 
steinsgruppe, welche  in  grosser  Verbreitung  die  Erdoberfläche  bedeckt,  besteht  aus  kry- 
stallinischen  Gesteinen,  die  mit  wenigen  Ausnahmen  (Gabbro)  eine  mehr  oder  weniger 
deutliche  Schichtung  aufzuweisen  haben.  Bodenkundlich  ist  dies  von  höchster  Bedeu- 
tung, da  je  nach  Neigung,  Dicke  und  gleichmässiger  Ausbildung  der  einzelnen  Schichten 
der  entstehende  Boden  sich  der  Pflanzenwelt  gegenüber  ganz  verschieden  verhalten  wird. 
Namentlich  die  Neigung  der  Schichten  fällt  ins  Gewicht.  Ein  Schiefer,  dessen  Schich- 
ten senkrecht  stehen,  wird  dem  Wasser  leichten  Abfluss  in  die  Tiefe  gestatten,  also 
leicht  an  Trockenheit  leiden;  ein  solcher  mit  Schichten  in  ebener  Lage  dagegen  dem 
Wasser  nur  schwierig  ein  Versickern  gestatten  und  dadurch  eher  an  Nässe  und  Ver- 
sauerung  leiden. 

Die  hierher  gehörigen  Gesteine  wechseln  in  ihrer  Zusammensetzung  in  viel  höhe- 
rem Masse,  zeigen  viel  mehr  Uebergänge  ineinander,  als  dies  bei  den  massigen  Ge- 
steinen der  Fall  ist.  Es  ist  daher  auch  viel  schwieriger,  allgemeine  Gesichtspunkte 
für  das  Verhalten  der  einzelnen  Gesteine  zu  erlangen,  als  es  bei  den  vorherbesprochenen 
der  Fall  war. 

Gabbro,  ein  massig  ausgebildetes  Gestein,  welches  sich  aus  Plagioklas  (Labra- 
dor) und  Diallag  (ein  dem  Augit  sehr  nahestehendes,  jedoch  leicht  spaltbares  Mineral) 
zusammensetzt;  ausserdem  vielfach  Olivin  enthält. 

Der  Gabbro  findet  sich  nur  an  einzelnen  Stellen  bodenbildend  und  die  Verwitte- 
rung erzeugt  einen  sehr  fruchtbaren,  reichen  Boden. 

G  n  e  i  s  s  ist  ein  flaseriges  bis  schieferiges  Gemenge  von  Orthoklas  (oft  auch  Oligo- 
klas vorhanden),  Quarz  und  Glimmer.  Gneiss  ist  also  mit  Granit  gleich  zusammenge- 
setzt und  nur  durch  die  Lagerungsweise  der  Bestandteile  verschieden. 

Abarten  des  Gneisses  entstehen,  wenn  der  Glimmer  ganz  oder  teilweise  durch 
andere  Mineralien  ersetzt  ist ,  dahin  gehören :  Hornblendegneiss,  in  dem  an 
Stelle  des  Glimmers  Hornblende  und  Protogingneiss,  in  welchem  neben  dunkel- 
grünem noch  ein  gelbgrüner,  sehr  weicher,  talkartiger  Glimmer  auftritt. 

Der  Gneiss  findet  sich  in  mächtigen  Lagern  und  Schichten,  bedingt  jedoch  meist 
gerundete,  weniger  schroffe  Bergformen  als  der  Granit.  Die  Verwitterung  ist  eine  ver- 
schiedene, je  nach  der  Zusammensetzung  und  Schichtenlage  des  Gesteins.  Je  reicher 
an  Feldspat  und  dunklem,  eisenreichem  Magnesiaglimmer,  und  je  ärmer  an  Quarz  und 
Kaliglimraer,  um  so  rascher  geht  die  Verwitterung  voran.  Der  Gneiss  zerfällt  dabei, 
namentlich  nach  frostreichen  Wintern,  in  ein  Haufwerk  kleinerer,  meist  plattiger  Stücke, 
die  allmählich  in  einen  Gruss  und  endlich  in  einen  gelb-  bis  rotbraunen,   mit  Quarz- 


138  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

körnem  und  andern  Mineralresten  gemengten  Boden  übergehen.    Je  aufgerichteter  die 
Schichten  des  Gneisses  sind,  um  so  rascher  verwittert  er. 

Der  Gneissboden  ist  meist  nicht  ungünstig  für  den  Wald,  namentlich  wächst  auf 
demselben  die  Fichte,  ebenso  die  Buche. 

G  r  a  n  u  1  i  t ,  ein  schieferiges  Gemenge  von  Quarz  und  Feldspat,  mit  kleinen  roten 
Granaten.  Granulit  verwittert  schwer  und  hinterlässt  zuweilen  einen  nur  mit  Quarz- 
körnem  gemischten  Kaolin. 

Glimmerschiefer  ist  ein  rein  schieferiges  Gemenge  von  Quarz  und  Glimmer 
(namentlich  auf  dem  Querbruch  tritt  der  Quarzgehalt  hervor).  Je  nach  der  Glimmer- 
art unterscheidet  man  Kaliglimmerschiefer  und  Magnesiaglimmerschie- 
fer, die  sich  bodenkundlich  sehr  abweichend  verhalten. 

Die  Verwitterung  dringt  zunächst  auf  Spalten  des  Gesteines  ein,  zumal  wenn  die 
Schichten  mehr  oder  weniger  aufgerichtet  sind;  das  Gestein  kann  so  noch  änsserllch 
frisch  erscheinen,  während  die  Spalten  von  dem  Verwitterungsprodukte,  einer  eisen- 
reichen gelb-  bis  rotbraunen,  mit  Quarz  und  Glimmer  gemischten  lockeren  Masse  er- 
füllt sind. 

Der  Verwitterungsboden  der  Kaliglimmerschiefer  ist  gelb  bis  bräunlich,  flach- 
gründig  und  infolge  der  überwiegenden  Glimmerteile  auffällig  bindungslos;  er  bildet 
einen  geringwertigen  Boden,  der  oft  kaum  der  Fichte  genügt. 

Der  Boden  des  Magnesiaglimmerschiefers  ist  meist  reicher  an  Thonbestandteilen, 
dunkelbraun  und  vermag  auch  anspruchsvolleren  Holzarten  ein  freudiges  Gedeihen  zu 
ermöglichen.  Beiden  Schieferarten  gemeinsam  ist  die  ungünstige  Einwirkung  der  zahl- 
reichen, meist  wagerecht  liegenden  grösseren  Bruchstücke,  welche  dem  Eindringen  der 
Wurzeln  Schwierigkeit  bereiten. 

Urthonschiefer  (PhyUit)  sind  schieferige  Gesteine  von  meist  dunklen 
grauer,  brauner  oder  grünlicher  Farbe.  Die  Spaltungsflächen  besitzen  seidenartigen 
Glanz.  Der  Urthonschiefer  besteht  aus  mikroskopisch  kleinen  Quarz-,  Feldspat-,  Chlo- 
rit-  und  Glimmerteilen.  Die  einzelnen  Bestandteile  sind  sehr  verschieden  reichlich  ver- 
treten, so  dass  z.  B.  der  Kieselsäuregehalt  zwischen  45  und  75^/o  schwankt.  Abarten 
sind  die  F 1  e c k -  und  Knotenschiefer,  ferner  dieSericitschiefer,  in  denen 
an  Stelle  des  gewöhnlichen  Glimmers  eine  talkartige,  weiche  Abart,  der  Sericit, 
vorhanden  ist. 

Die  Verwitterung  ist  entsprechend  der  wechselnden  Zusammensetzung  eine  sehr 
verschiedenartige.  Der  quarzreiche,  meist  dickschieferige  Urthonschiefer  verwittert 
schwer  und  bildet  steinige,  flachgründige  Bodenarten  und  selbst  völlige  Gerölllagen.  In 
den  Mulden,  sowie  den  frischen  Ost-  und  Nordhängen  gedeiht  die  Fichte,  während  die 
trockneren  Lagen  nur  eine  ärmliche  Vegetation  hervorbringen.  Trotzdem  hat  sich  diese 
Form  des  Urthonschiefers  zum  Teil  für  Niederwald  (Eichen-Schäl Waldungen  des  Rheines) 
bewährt. 

Die  weniger  quarzreichen  Urthonschiefer  zerfallen  in  einen  milden,  mit  vielen 
kleinen  Schieferstückchen  durchsetzten  Boden,    der  Fichte,  Tanne  und  Buche  erträgt. 

Bodenbearbeitung  und  Auflockerung  wirkt  meistens  ungünstig,  da  die  vielen  Bruch- 
stücke des  Schiefers  sich  nur  schwer  wieder  zusammenlagern. 

Die  Verwitterung  bedingt  ein  starkes,  mechanisches  Zerfallen  des  Urthonschiefers, 
die  mehr  oder  weniger  starke  Neigung  der  Schichten  ist  daher  von  Bedeutung;  bei 
ebener  Lage  tritt  leicht  Versumpfung  ein. 

§28.     6.  ThonschieferundThone. 

Aus  den  Ablagerungen  der  bei  der  Verwitterung  entstandenen  Thonpartikel  ent- 
stehen die  Thone,   die  sich  dichter  zusammenlagern   und  schiefrige  Gesteine  bilden 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten.     §  29.  139 

können,  die  man  je  nach  der  Härte  alsSchieferthon  (die  weicheren,  ziemlich  weichen, 
aber  deutlich  schiefrigen  Gesteinsarten)  und  Thon schiefer  (härter,  meist  ausgezeich- 
net schiefrig,  dunkel,  oft  schwarz  gefärbt)  bezeichnet.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
hat  gelehrt,  dass  im  Schieferthon  spärliche,  im  Thonschiefer  reichlichere  krystallinische 
Bestandteile  vorhanden  sind. 

Die  Thonschiefer  und  Schieferthone  zerfallen  in  eine  rote  thonige 
Masse  von  lockerem,  nicht  bündigem  Zusammenhalt ;  Lockerung  wirkt  in  diesem 
Znstande  ungünstig.  Erst  allmählich  verliert  sich  die  bröckliche  Beschaffenheit  und 
entsteht  ein  kräftiger,  thoniger  Boden,  vorzüglich  für  Fichte,  Tanne  und  Buche. 

Als  Letten  wird  eine  kaum  schieferige  Abart  des  Schieferthons  bezeichnet,  der 
in  eckige  Stücke  oder  in  Scheibchen  und  Blättchen  zerfällt  und  in  einen  sehr  schweren, 
fruchtbaren,  thonigen  Boden  übergeht,  und  den  anspruchsvolleren  Laubhölzem,  nament- 
lich jedoch  Buche  und  Esche,  geeigneten  Standort  gewährt,  indessen  leicht  zu  viel 
Wasser  festhält.     (Letten  ist  am  verbreitetsten  in  der  Keuperformation.) 

Thon  bildet  die  unveränderten  Zusammenlagerungen  der  Thonsubstanz,  er  wird 
meistens  technisch  ausgenutzt.  Für  forstliche  Zwecke  ist  der  Thon  ungünstig,  da  er 
bei  seiner  Undurchlässigkeit,  Kälte  und  Schwere  das  Eindringen  der  Wurzeln  erschwert 
und  der  Versumpfung  in  hohem  Grade  ausgesetzt  ist  (vergl.  auch  „Alluvium"). 

Lehm  reiht  sich  den  Thonböden  an.    Er  besteht  aus  einer  Mischung  von  Thon 
und  Sand;  ist  durch  Eisenoxydhydrat  gelbbraun  gefärbt  und  je  nach  dem  Thongehält 
von  verschiedenen  Eigenschaften  (vergl.  „Diluvium"). 
§29.    7.  Kalk-  und  Dolomitgesteine. 

Ealkgesteine  ünden  sich  in  allen  Formationen  und  treten  in  den  verschiedensten 
Abarten  auf.  Da  der  kohlensaure  Kalk  bei  der  Yerwitterung  gelöst  wird,  so  sind  die 
entstehenden  Bodenarten  zumeist  von  dem  Gehalt  und  der  Zusammensetzung  der  dem 
Kalkgesteine  beigemischten  fremden  Bestandteile  abhängig  und  entsprechend  von  sehr 
verschiedenartiger  Bodengüte.  Bei  keinem  Gestein  wechselt  die  Fruchtbarkeit  der 
Yerwitterungsböden  so  sehr  als  bei  den  Kalkgesteinen.  Man  kann  diese  unterschei- 
den in: 

a)  reine  Kalke,  die  Felsarten  umfassen,  die  fast  nur  aus  kohlensaurem  Kalke 
bestehen ;  aus  denselben  hervorgehende  Bodenarten  sind  erdarm,  mit  Steinen  durchsetzt, 
meist  trocken  und  hitzig  und  gehören  daher  zu  den  armen  und  ärmsten  Waldböden. 
Einzelne  wichtige  hierher  gehörige  Gesteinsarten  sind: 

Kreide,  die  durch  die  weiche  und  zerreibliche  Beschaffenheit  leicht  zerfällt,  je- 
doch, es  gilt  das  namentlich  von  der  weissen  Kreide,  sehr  wenig  fruchtbare  Böden  liefert ; 

krystallinischeKalke,  die  nach  den  Formationen,  welchen  sie  angehören, 
manche  Eigentümlichkeiten  besitzen.  So  ist  der  Kalk  der  paläozoischen  For- 
mationen (Grauwakenkalk),  wie  er  in  Deutschland  auftritt,  meist  dicht,  stark  zer- 
klüftet und  liefert  einen  flachgründigen,  steinigen  Boden; 

der  Muschelkalk  (Friedrichshallerkalk),  geschichtet,  von  graulicher  Farbe  und 
sehr  dichtem  Gefüge.  Bei  der  Verwitterung  liefert  er  ebenfalls  einen  steinigen,  erd- 
armen Boden.  In  der  Juraformation  Süddeutschlands  linden  sich  vielfach  hell 
gefärbte  (weisse)  Kalkablagerungen,  die  sehr  schwer  zerfallen  und  auch  dann  nur  ganz 
arme,  an  Steinen  überreiche  Böden  bilden. 

b)  Kalkgesteine  mit  reichlicheren,  thonigen  Beimischungen 
bilden  die  Hauptmasse  der  Kalkgesteine  in  jüngeren  Formationen.  Die  Verwitterung 
bewirkt  eine  Wegführung  des  kohlensauren  Kalkes,  Oxydation  des  als  kohlensaures 
Oxydul  vorhandenen  Eisens,  während  die  thonigen  Teile  die  Hauptmasse  des  Bodens  bilden. 

Die  Verwitterungsböden  derartiger  Kalkgesteine  sind  daher  sehr  thonreich  und 


140  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

haben  alle  Vorteile  und  Nachteile  eines  schweren  Thonbodens.  Der  Kalkgehalt,  ausser 
in  Form  beigemischter  Steine,  ist  meist  sehr  gering.  Die  tiefer  liegenden  Kalkschichten 
sorgen  für  eine  genügende  Entwässerung.  Derartige  Bodenarten  sind  bei  genügendem 
Kronenschlass  ausserordentlich  fruchtbar  und  tragen  namentlich  Laubhölzer  in  vorzug- 
lichstem Wüchse.  Dagegen  sind  solche  Böden  sehr  empfindlich  gegen  Austrocknung, 
welche  ein  zähes  Zusammenlagem  der  Thonteile  bewirkt  und  dann  einer  Anfeuchtung 
und  Trennung  der  Bodenbestandteile  die  grössten  Schwierigkeiten  entgegensetzt.  (Völ- 
lig trockene  Kalkböden  kann  man  mehrere  Stunden  mit  Wasser  kochen,  ehe  alle  Thon- 
paitikel  gleichmässig  verteilt  sind,  im  kalten  Wasser  können  solche  Böden  stundenlang 
gelegen  haben,  ohne  dass  sich  das  Wasser  beim  Umrühren  durch  Thonteilchen  trübt). 
Entwaldete,  an  den  frischeren  Abhängen  meist  mit  Gras  dicht  bewachsene  Kalkberge 
bieten  der  Wiederbewaldung  oft  die  allergrössten  Schwierigkeiten.  Es  beruht  dies 
wesentlich  auf  der  veränderten  physikalischen  Beschaffenheit  des  Bodens  und  der  da- 
durch bedingten  Wasserarmut  in  den  trockenen  Jahreszeiten.  Kiefer,  namentlich  Schwarz- 
kiefer, haben  sich  bewährt,  einzelne  Laubhölzer,  Akazie,  Weisserle  bieten  gute  Aus- 
sichten. 

c)  Dolomitische  Kalke  und  Dolomite  zeigen  in  ihrer  Verwitterung 
von  den  reineren  Kalkgesteinen  insofern  eine  bedeutsame  Abweichung,  als  zuerst  der 
kohlensaure  Kalk  ausgelangt  wird  und  der  Dolomit  häufig  in  Form  von  sandigen  Kör- 
nern zurückbleibt.  Die  dolomitischen  Kalke  bilden  so  einen  mit  Dolomitsand 
gemischten  Thonboden  von  meist  gelblicher  Farbe,  der  vielfach  dem  Lehm  (Thon  mit 
Quarzsand)  sehr  ähnlich  ist  und  eine  grosse  Fruchtbarkeit  besitzt.  Die  reinen  Do- 
lomite verwittern  dagegen  noch  schwieriger  als  Kalkgesteine  und  ragen  meist  als 
Blöcke  und  Felsmassen  unbewa<;hsen  hervor,  während  in  den  tieferen  Lagen  sich  ein 
erdarmer,  mit  Steinen  durchmengter,  geringwertiger  Boden  ablagert. 

d)  Mergel  sind  gleichmässige  und  innige  Mischungen  von  kohlensaurem  Kalk 
und  Thon,  denen  oft  noch  Sand  oder  Gesteinsmehl  beigemischt  ist.  Je  nach  dem  Vor- 
herrschen des  einen  oder  andern  Gemengteiles  kann  man  unterscheiden  (vergl.  Senft, 
Gestein-  und  Bodenkunde,  S.  315): 

Thonmergel  15— 2O0/0  Kalk,  bO—lb^/o  Thon,  höchstens  25^0  sandige  Bestand- 
teile ;  in  den  Formationen  des  bunten  Sandsteines  und  Keupers  verbreitet.  Die  Färbung 
ist  meist  rot ;  der  Zusammenhalt  gering,  da  die  Gesteine,  aus  denen  er  hervorgeht,  zu- 
nächst in  kleine  Brocken  und  Blättchen  zerfallen;  einmal  völlig  zersetzt,  bildet  sich 
jedoch  ein  Boden  von  vorzüglicher  Fruchtbarkeit. 

Lehmmergel  15— 20<>/o  Kalk ,  20— 50<>/o  Thon ,  25—50^0  Sand.  Gelbbraun 
bis  braun  gefärbt;  geht  aus  der  Verwitterung  von  Sandsteinen  hervor,  welche  sehr 
reich  an  kalkig-thonigen  Bindemitteln  sind;  ebenfalls  hierher  gehört  der  Diluvial- 
mergel (siehe  Diluvium). 

Kalkmergel  50— Tö^/o  Kalk,  20— 50<^/o  Thon,  höchstens  5»/o  Sand ;  meist  hell- 
bräunlich gefärbt;  dieser  Boden  zeichnet  sich  im  trockenen  Zustande  durch  auffällige 
Bindungslosigkeit  aus,  wird  jedoch  nach  Durchfeuchtung  und  rasch  folgender  Trocknung 
oft  hart  und  fest. 

§30.    8.  Konglomerate,  Sandsteine  und  Sande. 

Konglomerate  sind  Gesteine ,  die  aus  gerundeten ,  grösseren  Stücken  eines 
Minerals  oder  Gesteines  bestehen,  welche  durch  ein  Bindemittel  verkittet  sind.  (Brec- 
cien  setzen  sich  in  gleicher  Weise  aus  eckigen,  scharfkantigen  Bruchstücken  zusam- 
men ;  für  die  Bodenkunde  ist  der  für  die  Geologie  wichtige  Unterschied  ohne  Bedeutung.) 

Je  nach  der  Verschiedenartigkeit  der  Bruchstücke,  des  dieselben  verkittenden 
Bindemittels,  dessen  Menge  und  Festigkeit,  sind  die  Konglomerate  von  sehr  wechselnder 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten.     §  30.  141 

Beschaffenheit.  Hier  können  nnr  die  beiden  wichtigsten  Konglomerate  (die  Grranwacke 
bei  den  Sandsteinen),  das  Rotliegende  und  die  Nagelflue,  behandelt  werden. 

Das  Konglomerat  des  Rotliegenden  besteht  aus  wallnuss-  bis  kopf- 
gros8en  (reschieben  von  Quarz,  Homstein,  Kieselschiefer,  Granit,  Gneiss,  Felsitporphyr, 
Glimmer-  und  Thonschiefer ,  die  durch  ein  eisenreiches  sandiges  Bindemittel  verkittet 
sind  and  dadurch  eine  rote  Farbe  erhalten. 

Der  Yerwitterungsboden  ist  meist  flachgründig,  steinreich  und  nicht  selten  sogar 
ein  unfruchtbarer  Grandboden.  Auf  höheren  Stellen  ist  er  von  sehr  geringem  Werte 
und  vermag  nur  massige  Kiefern  zu  ertragen.  Namentlich  leiden  die  Pflanzen  unter 
Wassermangel. 

Die  Nagelflue,  im  alpinen  Tertiär  weit  verbreitet,  besteht  überwiegend  aus 
Rollstücken  von  Kalksteinen,  weniger  von  Sandsteinen  und  krystallinischen  Felsarten, 
die  durch  ein  massig  thonreiches,  kalkiges  Bindemittel  verkittet  sind. 

Grand  schliesst  sich  hier  an,  da  er  gleich  den  Konglomeraten  aus  Geschieben 
besteht,  nur  dass  ein  verkittendes  Bindemittel  fehlt.  Je  nach  der  Zusammensetzung 
ißt  der  Verwitterungsboden  der  Grande  verschieden,  leidet  in  der  Regel  aber  an  Trocken- 
heit und  vermag  dann  nur  massige  Kiefern  zu  tragen.  In  den  Niederungen  der  Flüsse, 
wo  in  massiger  Tiefe  Grundwasser  ansteht  und  eine  genügende  Verwitterung  der  oberen 
Lagen  eingetreten  ist,  geht  dagegen  aus  den  Granden  (Flussgrand,  Flussschotter)  ein 
besserer  Boden  hervor,  der  zumeist  landwirtschaftlichen  Zwecken  dient. 

Sandsteine  sind  Gesteine,  die  aus  der  Verkittung  kleiner,  nicht  über  erbsen- 
grosser  Gesteins-  oder  Mineralbruchstücke  bestehen.  Letztere  gehören  überwiegend  dem 
Quarze  an,  können  aber  auch  aus  den  verschiedenartigsten  Bestandteilen  sich  zusammen- 
setzen. Man  bezeichnet  die  Sandsteine  vielfach  nach  ihrem  geologischen  Alter  (Bunt- 
sandstein-, Keuper-,  Quadersandstein  u.  s.  w.) ;  nach  der  Zusammensetzung  der  Bruch- 
stücke unterscheidet  man: 

Grauwacke,  Bruchstücke  von  Quarz,  Thonschiefer,  Kieselschiefer,  Feldspat- 
kömem  durch  ein  kieseliges  oder  kieselig-thoniges  Bindemittel  verkittet  und  oft  durch 
Kohlenbestandteile  hell-  bis  dunkelgrau  gefärbt.  Geht  bei  Wachsen  der  Steingrösse  in 
Grauwackenkonglomerat  über.  Der  Verwitterungsboden  der  Grauwacke  ist 
je  nach  der  Zusammensetzung  und  dem  Bindemittel  verschieden.  Die  quarzreichen  Ab- 
arten mit  kieseligem  Bindemittel  erzeugen  einen  flachgründigen,  erdarmen  Boden,  der 
nur  dürftige  Bewaldung  trägt  (Kiefer  und  Birke,  bei  grösserer  Tiefgründigkeit  Eiche). 
Die  Grauwacken  mit  mehr  thonigem  Bindemittel,  meist  auch  die  Konglomerate,  geben 
einen  tiefgründigeren,  steinfreieren  Boden,  der  Fichte,  Tanne  und  Buche  trägt. 

Ar  kose,  besteht  aus  Quarz  und  Feldspat,  enthält  zuweilen  auch  Glimmer. 
Manche  Buntsandsteine,  sowie  solche  der  Kohlenformation  gehören  hierher. 

Grünsandstein,  neben  Quarz  noch  Kömer  von  Glaukonit,  meist  kalkig- 
thoniges  Bindemittel.     (Kreideformation.) 

Glimmersandstein,  Quarz  und  Glimmer;  meist  etwas  schiefrig  ausgebildet. 

Wichtiger  als  die  Zusammensetzung  der  Kömer  ist  für  die  Sandsteine  die  Menge 
und  Natur  des  Bindemittels;  hiemach  unterscheidet  man: 

thonigen  Sandstein  mit  einem  durch  Eisen  rot  oder  gelbbraun  gefärbten 
thonigen  Bindemittel,  welches  meist  reichlich  vorhanden  ist.  (Viele  Buntsandsteine, 
namentlich  der  oberen  und  mittleren  Abteilung,  gehören  hierher.)  Diese  Sandsteine 
zerfallen  leicht  und  geben  einen  lehmigen  oder  sandigen,  tiefgründigen  Boden  von  gün- 
stiger Beschaffenheit; 

mergeligen  Sandstein  mit  kalkig-thonigem  Bindemittel;  vorwiegend  hell 
geftrbt.    Diese  Sandsteine  zerfallen  leicht  in  einen  tiefgründigen  Sandboden  von  guter 


142  II.  Ramann,  Foirstliche  Standortslehre. 

Beschaffenheit ; 

kalkige  Sandsteine  mit  tiberwiegend  kalkigem  Bindemittel; 

kieseligen  Sandstein  mit  kieseligem  Bindemittel  (unterer  bunter  Sand- 
stein; die  Hauptmasse  des  Quadersandsteins).  Bei  der  Verwitterung,  welcher  die  an 
Zement  armen  Abarten  nur  sehr  schwierig  unterliegen,  bilden  sich  lockere,  trockene 
und  unfruchtbare  Sandböden,  die  überwiegend  von  der  Kiefer  besetzt  sind; 

eisenhaltige  Sandsteine  mit  einem  aus  Eisenoxyd  oder  noch  hantig  aas 
Eisenoxydhydrat  bestehenden  Bindemittel. 

Quarzit  schliesst  sich  genetisch  häufig  an  die  Sandsteine  an;  er  ist  ein  dich- 
tes bis  kömiges  Quarzgestein  ohne  oder  mit  spärlichem  kieseligem  Bindemittel.  Nach 
seiner  Zusammensetzung  ist  er  der  Verwitterung  nur  sehr  schwer  zugängig  und  ragt 
oft  völlig  vegetationslos  hervor.  Die  kömigen  Formen  geben  einen  fiachgriindigen 
Sandboden.  Nur  in  sehr  seltenen  Fällen  sind  so  viel  fremde  Bestandteile  (Thon  und 
eisenschüssige  Thone)  vorhanden,  dass  bei  der  Verwitterung  ein  erträglicher  Boden 
entstehen  kann. 

Sande.  Die  Sande  stehen  zu  den  Sandsteinen  in  demselben  Verhältnis,  wie  die 
Grande  zu  den  Konglomeraten.  Die  Sande  unterliegen,  soweit  sie  aus  Silikatverbindnngen 
bestehen,  in  gleicher  Weise  der  Verwitterung,  wie  Bestandteile  der  Sandsteine.  (Dilu- 
vialsande siehe  später.)  Anzuführen  sind  die  namentlich  der  Tertiärformation  ange- 
hörigen  Abarten: 

Glimmersand,  meist  sehr  feinkörnig,  mit  Glimmerblättchen  durclisetzt.  Boden- 
arten mittlerer  Güte. 

Tertiäre  Quarzsande,  aus  Milchquarz  mit  Kieselschieferbruchstücken  ge- 
mischt.    Sehr  arme  unfruchtbare  Bodenarten. 

Zu  den  Sanden  gehören  auch  die  vulkanischen  Sande  und  Aschen. 
Bei  den  Eruptionen  der  Vulkane  werden  grosse  Massen  fein  verteilter  Mineralteile 
ausgeworfen.  Je  nach  dem  Feinheitsgrade  unterscheidet  man  vulkanische  Aschen  und 
Sande.  Die  ersteren  lagem  sich  zusammen  und  bilden  dichte,  weiche  Massen,  die  vul- 
kanischen Tuffe.  Die  aus  denselben  hervorgehenden  Böden  sind  meist  von  mitt- 
lerer oder  hoher  Güte.  Die  vulkanischen  Sande  dagegen  erlangen  nur  sehr  langsam 
einen  geringen  Zusammenhang  und  bilden  trockene,  unfruchtbare  Bodenarten,  die  zu- 
weilen kaum  eine  dürftige  Vegetation  zu  tragen  vermögen. 

§  31.  9.  D i  1  u V i u m  und  Alluvium.  Bei  der  grossen  Ausdehnung  der  Dilu- 
vial- und  Alluvialschichten  und  deren  bodenkundlicher  Wichtigkeit  ist  eine  gesonderte 
Besprechung  derselben  geboten. 

Das  Diluvium  ist  in  Ablagerungen,  deren  Material  durch  Eis  bewegt  worden 
ist  und  in  solche,  welche  durch  fliessendes  Wasser  abgesetzt  sind,  zu  trennen.  Beide 
Formen  unterscheiden  sich  wesentlich,  w^enngleich  natürlich  bei  der  ersteren  auch  flies- 
sende Gewässer  stark  mitgewirkt  haben.  Als  eine  in  ihrer  Entstehung  zweifelhafte 
Bildung  ist  der  Löss  anzuführen. 

Glaziale  Bildungen  finden  sich  sowohl  in  den  Tälern  und  am  Fusse  der 
Hochgebirge,  als  auch  in  grösster  Ausdehnung  in  dem  nordeuropäischen  Tieflande. 

Das  nordische  Diluvium  bedeckt  überwiegend  einen  grossen  Teil  Nord- 
Russlands,  Norddeutschland,  Holland  und  Skandinavien.  Man  unterscheidet  es  in  zwei 
bez.  drei  Abteilungen,  die  als  Unterdiluvium,  Oberdiluvium  und  Ablage- 
rungen diluvialer  Flussbetten  bezeichnet  werden.  Der  Zusammenhang  der 
letzteren  mit  den  Diluvialbildungen  ist  erst  später  erkannt,  früher  bezeichnete  man  die 
Bildungen  als  alt- alluviale. 

Das  untere  Diluvium   besteht   wesentlich   aus  Ablagerungen  von  Sanden, 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ibr  Verhalten.     §  31.  143 

Thon  und  Dilnvialmergel. 

D 11  u  V  i  a  1 1  h  0  n ,  ein  geschichteter  meist  fetter  Thon  mit  zahlreichen  Schnüren 
eines  sehr  feinkörnigen  Sandes.  Vorwiegend  zu  technischen  Zwecken  ausgebeutet  und 
an  den  Abhängen  tiefer  Täler  hervortretend,  ist  ohne  bodenkundliche  Wichtigkeit. 

Diluvialmergel  ist  ein  meist  schwach  bläulich  gefärbtes  Gemenge  von  Sand, 
Thön  und  kohlensaurem  Kalk,  in  denen  Steine  regellos  eingeschlossen  sind.  Die  ein- 
zelnen Gemengteile  wechseln  in  ihrer  Masse  beträchtlich.  Der  Diluvialmergel  ist  ziem- 
lich häufig  sehr  fest  und  zähe.  Bei  der  Verwitterung  wird  zunächst  der  kohlensaure 
Kalk  ausgelaugt,  während  gleichzeitig  vorhandenes  Eisenoxj^dul  in  Oxydhydrat  über- 
geführt wird.  Die  bläuliche  Färbung  geht  dadurch  in  gelbbraun  über  und  der  Mergel 
seiner  ganzen  Masse  nach  in  Lehm.  Bei  weiterer  Einwirkung  der  Atmosphärilien 
werden  Thonbestandteile  auf  mechanischem,  vielleicht  auch  auf  chemischem  Wege  weg- 
greführt  und  es  bleibt  zuletzt  ein  lehmiger  bez.  schwach  lehmiger  Sand  übrig. 

Mergelsand  ist  ein  äusserst  feinkörniger  Sand,  der  reichlich  zerriebene  Mine- 
ralteile, sowie  kohlensauren  Kalk  beigemischt  enthält.  Bei  der  Verwitterung  geht  aus 
dem  Mergelsand  ein  milder,  tiefgründiger,  lehmiger  Boden  her\^or,  der  namentlich  der 
Eiche  und  Kiefer  im  hohen  Masse  zusagt. 

Diluvialsand,  ein  fein-  bis  grobkörniger  Sand,  der  überwiegend  aus  etwas 
gelblich  gefärbten  Quarzkörnem  besteht,  daneben  aber  noch  mehr  oder  weniger  reich- 
lich Kömer  von  Feldspat  (daher  auch  Spatsand)  und  Hornblende  enthält.  Im  un- 
verwitterten Zustande,  sowie  in  grösserer  Tiefe  enthält  der  Diluvialsand  immer  kohlen- 
sauren Kalk  (häutig  Bryozoenreste  aus  den  zerstörten  Kreideschichten  stammend)  bei- 
gemischt. Nicht  selten  finden  sich  im  Diluvialsande  einzelne  beigemengte  Steine,  sowie 
schwache  oder  stärkere  Schichten  von  Grand.  Bei  der  Verwitterung  wird  zunächst 
der  Kalk  ausgelaugt,  dann  verwittern  die  Silikate  und  färben  hierbei  den  Sand  schwach 
gelbbraun.  Allmählich  überwiegt  die  Auswaschung  durch  die  Atmosphärilien  und  gleich- 
zeitig erfolgen  Einlagerungen  humoser  Stoffe.  Es  sind  so  in  allen  diluvialen  Sauden 
drei  Zonen  zu  unterscheiden :  zu  oberst  ein  humoserSand,  in  dem  die  Verwitterung 
fast  beendet  und  der  zum  Teil  seiner  Mineralstoffe  (ausschliesslich  Kieselsäure)  beraubt 
ist.  In  scharfer  Linie  von  ersterem  geschieden,  ein  gelblicher  Verwitterungs- 
sand, reich  an  löslichen,  von  mittlerem  Gehalt  an  unlöslichen  Mineralstoffen,  der  nach 
unten  allmählich  in  den  als  Grundgestein  zu  betrachtenden  gewöhnlichen  Sand  übergeht. 

Der  Diluvialsand  findet  sich  in  grosser  Ausdehnung  und  bildet  die  mittleren 
Klassen  des  norddeutschen  Waldbodens.  Die  Kiefer  findet  hier  ihren  günstigsten  Stand- 
ort, während  Eiche,  Buche  und  Hainbuche  noch  fortkommen;  die  beiden  letzteren  zu- 
meist als  Unterholz  unter  der  Kiefer. 

Das  obere  Diluvium  wird  namentlich  durch  den  oberen  Diluvial mergel  und 
den  aus  der  Verwitterung  desselben  hervorgehenden  Sand,  den  oberen  Diluvialsand,  gebildet. 

Der  obere  Diluvialmergel  schliesst  sich  in  seiner  Struktur  und  Zusam- 
mensetzung eng  an  den  unteren  Mergel  an;  unterscheidet  sich  jedoch  durch  die  meist 
geringere  Mächtigkeit,  eine  hellere  gelbliche  Farbe  und  die  Art  des  Vorkommens.  Er 
schmiegt  sich  der  Oberfläche  an  und  folgt  allen  Krümmungen  derselben. 

Die  Diluvialmergel  bedecken  einen  grossen  Teil  der  diluvialen  Hochfläche  und 
tragen  namentlich  Eiche,  Buche  und  Kiefer;  für  die  letztere  als  alleinigen  Bestand 
sind  die  Diluvialmergel  jedoch  weniger  günstig. 

Oberer  Diluvialsand  (Decksand,  Geschiebedecksand)  geht  aus  der  Ver- 
witterung schwacher  Schichten  des  oberen  Diluvialmergels  hervor  und  bildet  einen  sehr 
schwach  lehmigen,  meist  sehr  steinreichen  Sand.  In  den  tieferen  Bodenlagen  finden 
sich  nicht  selten  Streifen  von  Lehm  oder  auch  noch  zusammenhängende  Lehmplatten  vor. 


144  IL  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Der  obere  Diluvialsand  ist  meist  ein  ärmerer  Boden  und  trägt  fast  ausschli^slich 
mittelmässige  Kiefern. 

Diluviale  Flussablagerungen  (früher  Alt- Alluvium)  finden  sich  im  nor- 
dischen Diluvium  in  grosser  Ausdehnung  und  werden  als  Talsand  und  Talgeschiebesand 
unterschieden. 

Tals  and,  ein  steinfreier,  sehr  gleichmässig  mittelkörniger  Sand  mit  hnmosen 
Beimengungen  in  den  oberen  Schichten ;  eine  Folge  der  weit  fortgeschrittenen  Verwit- 
terung und  Auslaugung.  Der  Talsand  ist  eben  gelagert.  Forstlich  bildet  er  einen 
grossen  Teil  der  mittleren  Kiefemböden  (meist  HI.  Kl.),  vielfach  mit  reichlichem  Wach- 
holderunt erwuchs ;  steht  in  massiger  Tiefe  (häufig  in  etwa  2  m)  Grundwasser  an,  so 
trägt  der  Talsand  auch  noch  Laubhölzer. 

Talgeschiebesand  hat  im  ganzen  die  Bestandteile  des  Diluvialsandes,  nur 
dass  durch  Wasserfluten  alle  feineren  und  namentlich  die  thonigen  Teile  ausgewaschen 
sind.  Dementsprechend  besteht  der  Talgeschiebesand  vorwiegend  aus  Quarzsand  mit 
reichlichen  Steinbeimengungen.  Der  Wert  eines  solchen  Bodens  ist  ein  geringer  und 
gehören  die  Kiefemböden  der  IV.  und  V.  Kl.  überwiegend  diesen  Ablagerungen  an. 
(Litt,  namentlich  in  den  Abhandlungen  der  preussischen  geologischen  Landesanstalt, 
sowie  in  der  Zeitschr.  der  deutsch,  geol.  Gesellschaft.) 

Diluvialbildungen  der  Gebirge  finden  sich  in  den  Tälern  und  Vor- 
ebenen vieler  der  höheren  Gebirge  Europas,  am  ausgedehntesten  jedoch  in  den  Alpen. 
Grosse  Teile  der  bayerischen  Hochebene  sind  z.  B.  von  alpinen  Gletschergebilden  bedeckt. 

Die  Hauptmasse  dieser  Ablagerungen  besteht  aus  Schotterablagerungen,  in  denen 
gröberes  und  feineres  Material  wechselt  und  so  eine  diskordante  Schichtung  erzeugt. 
An  vielen  Stellen  ist  auch  die  Grundmoräne  der  ehemaligen  Gletscher  erhalten  und 
entspricht  in  ihrer  Ausbildung  dem  nordischen  Geschiebemergel.  Im  oberbayerischen 
Gebiete  kann  man  eine  untere  Schicht  von  Gerollen,  die  sich  überwiegend  aus  Kalken, 
weniger  aus  krystallinischen  Geschieben  zusammensetzt  und  durch  ein  kalkiges  Binde- 
mittel verkittet  ist  (diluviale  Nagelflue)  unterscheiden,  die  von  Geröll-  und  Sandschich- 
ten überlagert  wird.  Durch  Verwitterung  ist  daraus  ein  lehmiger  Boden  entstanden. 
(Vergl.  Penck,  Vergletscherung  der  deutschen  Alpen  1882.     Leipzig.) 

Diluviale  Ablagerungen  fliessender  Gewässer  begreifen  hier 
naturgemäss  solche  Bildungen,  die  wesentlich  ohne  Mithilfe  von  Gletschern  entstanden 
sind.  Es  sind  oft  mächtige  Schichten  von  Flussschotter  und  Sauden.  Ausgezeichnete 
Beispiele  sind  die  ungarischen  Ebenen  (die  kleine  ung.  Ebene  überwiegend  reich  an 
grösseren  Geschieben  von  Pressburg  bis  Gran;  die  grosse  ung.  Ebene  „Alföld-  oder 
Donau-Theissebene",  vorwiegend  aus  Sand  und  thonhaltigen  Sauden  gebildet,  von  Pest 
bis  nach  Siebenbürgen). 

Zu  den  Diluvialbildungen  kann  man  endlich  noch  die  Flussterrassen  rechnen, 
welche  als  Ablagerungen  der  früher  in  höheren  Lagen  fliessenden  Gewässer  aufzufassen 
sind  und  ebenfalls  aus  Granden  und  Sauden  sich  aufbauen. 

L  ö  s  s  ist  ein  sehr  feinkörniger  Sand,  aus  Quarz,  Kalk  und  zemebenem  Gesteins- 
mehl bestehend.  Der  Löss  ist  von  heller,  gelblicher  oder  bräunlicher  Farbe,  gänzlich 
ungeschichtet  und  enthält  häufig  Reste  von  Landschnecken.  Durch  Erosion  bilden  sich 
sehr  steile  Abstürze,  da  der  Zusammenhalt  des  Löss  im  feuchten  Zustande  genügt,  um 
der  Masse  einen  massigen  Halt  zu  gewähren  und  anderseits  die  Wässer  die  feinen  Sand- 
teile leicht  wegführen. 

Der  Löss  findet  sich  in  unseren  Gebieten  meist  in  massiger  Ausdehnung  an  Fluss- 
gehängen (Rhein) ;  in  sehr  mächtiger  Ausdehnung  dagegen  in  den  chinesischen  Ebenen. 
Die  Mehrzahl  der  Geologen  betrachtet  den  „Gehängelöss"  als  Ablagerungen  der  Flüsse, 


Die  bodenbildenden  Gesteine  und  ihr  Verhalten.     §  31.  145 

deren  feinste  sandige  Bildung  er  darstellt ;  für  das  ausgedehnte  chinesische  Vorkommen 
ist  dagegen  eine  Ablagerung  durch  Wind  wahrscheinlich  gemacht.  (Ceber  Löss  siehe 
namentlich  die  Ber.  d.  deutsch,  geol.  Gesellschaft.) 

Eine  dem  Löss  nahestehende  jedoch  stark  humose  Bildung  ist  die  „Schwarz- 
erde^ (Tschemosem) ,  die  in  den  Ebenen  Süd-  und  namentlich  Mittelrusslands  grosse 
Flächen  bedeckt  und  den  reichsten  Ackerboden  bildet. 

Alluvium.  Das  Alluvium  wird  von  den  humosen  Bodenarten  (Torf, 
Moor  u.  s.  w.),  Ablagerungen  des  Wassers  (Flussschotter,  Flusssand,  Auethon, 
Meeres-  und  Flussschlick)  und  von  denen  des  Windes  (Dünen,  Flugsand,  vielleicht 
Heidesand)  gebildet. 

Flussschotter  sind  recente  Ablagerungen  im  Gebiete  der  Flüsse  und  schlies- 
sen  sich  daher  eng  an  die  gleichartigen  Diluvialbildungen  an,  von  denen  sie  sich  durch 
den  meist  weniger  tief  anstehenden  Grundwasserspiegel  unterscheiden. 

Flusssand  sind  gleichmässig  mittelkürnige  Sande  mit  reichlich  beigemischten 
humosen  Stoffen  (5 — 15*^/o  Humus).  Die  Flusssande  sind  namentlich  im  nordischen  Flach- 
lande verbreitet.  Durch  das  flach  anstehende  Grundwasser  (meist  in  1  m  Tiefe)  gehören 
die  Flusssande  in  der  Regel  zu  den  günstigeren  Alluvialböden. 

Marsch-  und  Aueboden;  der  erstere  lagert  sich  an  den  Meeresküsten  ab. 
Durch  die  einmündenden  Ströme  werden  die  feinsten  schlämmbaren  Gesteinsreste  in  das 
Meer  gefuhrt  und  gelangen  an  den  flacheren  Küstenstreifen,  untermischt  mit  organischen 
und  anorganischen  (namentlich  kalkhaltigen)  Organismenresten  zur  Ablagerung.  Der 
Marschboden  ist  ein  fetter,  dunkel  gefärbter  Boden  von  höchster  Fruchtbarkeit.  Er 
wird  nur  zu  landwirtschaftlichen  Zwecken  genutzt.  Um  dem  Meere  neue  Flächen  ab- 
zogewinnen,  befördert  man  die  Ablagerung  des  Schlick  durch  Zäune  u.  dergl.  (Polder, 
einpoldem).  Ist  die  Ablagerung  soweit  fortgeschritten,  dass  die  Flächen  von  der  ge- 
wöhnlichen Flut  nicht  mehr  bedeckt  werden,  so  siedeln  sich  zunächst  Salicomia  her- 
bacea  (Queller)  und  Salsola  kali  (Salzkraut)  an,  denen  erst  später  andere  Salzpflanzen, 
namentlich  Aster  tripolium  und  endlich  Gräser  folgen. 

Die  Aueböden,  auch  wohl  als  Flussmarschen  bezeichnet ,  bilden  sich  durch 
den  Absatz  der  Schlickmassen  des  Flusswassers  bei  Ueberschwemmungen.  Auch  hier 
kommt  ein  thonreicher,  mit  humosen  Stoffen  innig  gemischter  Boden  zur  Ablagerung, 
der  von  hoher  Fruchtbarkeit  ist,  durch  die  wiederkehrenden  Ueberschwemmungen  und 
reichen  Feuchtigkeitsgehalt  jedoch  nur  einer  Anzahl  von  Baumarten  zusagt.  So  fehlen 
Buche,  Ahorn  und  Nadelhölzer  fast  völlig,  während  Esche,  Erle  und  Pappel,  an  den 
trockeneren  Stellen  Eichen  einen  vorzüglichen  Standort  linden. 

Aueböden,  die  von  Flüssen  abgelagert  werden,  die  aus  Gebirgen  von  Kalk  und 
Silikatgesteinen  ihren  Ursprung  nehmen,  sind  fruchtbarer  und  reicher  als  solche  aus 
Sandgebieten;  so  sind  nach  Grebe  die  Aueniederungen  der  Saale  viel  günstiger  als 
die  der  Elbe. 

Heidesand  ist  eine  namentlich  auf  den  Höhenrücken  des  nordischen  Flach- 
landes verbreitete  Ablagerung  von  steinfreien,  feinkörnigen,  jedoch  nur  selten  fast  mehl- 
artigen Sauden,  die  ganz  übenviegend  aus  Quarz  gebildet  werden  und  dementsprechend 
sehr  unfruchtbar  sind.  Der  Heidesand  füllt  überwiegend  die  flachen  Vertiefungen  und 
Mulden  jener  Höhenzüge;  er  ist  im  hohen  Grade  der  Auswaschung  durch  Regen-  und 
Schneewasser  ausgesetzt  und  zumeist  von  Ortstein  unterlagert.  Im  Heidesande  linden 
sich  oft  äusserst  feinkörnige,  fast  thonartige  Ablagerungen  von  weisser  Farbe,  Heide- 
lehm (weisser  Ortstein  nach  Eraeis).  Diese  Bildung  täuscht  nicht  selten,  indem  sie 
einen  besseren  Boden,  wohl  auch  Mergel  veimuten  lässt,  trotzdem  aber  ganz  überwiegend 
aas  Quarzmehl  besteht. 

Handbuch  d.  Fontw.    2.  Aufl.    I.  10 


146  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

VI.  Organismeii  und  organische  Reste  des  Bodens. 

Die  Eigenschaften  and  Zusammensetzang  der  Böden  wird  durch  die  Tätigkeit 
lebender  Organismen  stark  beeinflusst.  Ausser  der  vorhandenen  Pflanzendecke  sind 
namentlich  die  chlorophyllfreien  Lebewesen  bedeutsam:  Spaltpilze  (Bakterien),  Faden- 
pilze und  die  im  und  auf  dem  Boden  lebende  Tierwelt.  Allen  gemeinsam  ist,  dass  sie 
nicht  organische  Substanz  produzieren,  sondern  für  ihren  Lebensprozess  auf  deren  Zer- 
setzung angewiesen  sind.  Grössere  Tiere  wirken  ferner  durch  grabende  und  wühlende 
Tätigkeit  im  Boden  und  durch  ihre  Ausscheidungen. 

§  32.  1.  S  ä  u  g  e  t  i  e  r  e.  Eine  Anzahl  Tiere  durchwühlen  den  Boden  nach  Nah- 
rung (Schweine,  Maulwürfe),  lockern  oder  festigen  den  Boden  durch  den  Tritt  ihrer 
Hufe  (Wiederkäuer,  Pferde)  oder  graben  sich  Löcher  und  Höhlen  zur  Wohnung  (Ham- 
ster, Ziesel,  Mäuse  u.  s.  w.). 

Für  den  Wald  ist  die  Tätigkeit  der  Schweine  am  wichtigsten,  welche  durch  Um- 
brechen u.  s.  w.  den  Boden  lockern  und  ihn  physikalisch  verbessern.  Rindvieh,  Schafe, 
Wild  zerstören  durch  ihre  Tritte  geschlossene  Humusschichten ;  Mäuse  legen  ihre  Gänge 
gern  an  der  Grenze  zwischen  Rohhumus  und  Mineralboden  an  und  befördern  hierdurch 
Zersetzung  dichtgelagerter  Humusschichten.  Bedeutsam  ist  die  Umlagerung  des  Bodens 
durch  Maulwürfe.  Im  Steppengebiet  sind  die  höhlenbewohnenden  Tiere,  zumal  Ziesel 
u.  and.  wichtig  für  Bodenumlagerung. 

§33.  2.  Niedere  Tiere.  Die  im  Boden  lebenden  niederen  Tiere  scheinen 
die  hauptsächliche  Veranlassung  der  Mischung  der  Humusstoffe  mit  den  Mineralteilen 
zu  sein.  Ferner  tragen  sie  durch  Zernagen  der  Abfallstoffe  und  durch  ihre  Fäkalien 
zur  Humusbildung  wesentlich  bei ;  ihre  wühlende  und  grabende  Tätigkeit  ist  ein  wich- 
tiger Faktor  zur  Bildung  günstiger  physikalischer  Bodeneigenschaften. 

Alle  niederen  erdlebenden  Tiere  wirken  gleichmässig  nach  diesen  Richtungen, 
dahin  gehören  Insektenlarven,  Tausendiüssler,  Schnecken,  Crustazeen,  Würmer  u.  s.  w. 
Die  umfassendste  Arbeit  leisten  die  Regenwürmer,  die  auch  am  eingehendsten  studiert 
sind  (Darwin,  P.  E.  Müller,  Hensen,  Wollny  u.  and.). 

Die  Regenwürmer  sind  Omnivoren.  Sie  verschlingen  mit  ihrer  Nahrung  Erde 
und  feinkörnige  Mineralbestandteile  und  scheiden  diese  in  ihren  Fäkalien  wieder  aus, 
welche  sie  in  Form  von  gewundenen,  kugeligen  Häufchen  am  Eingang  ihrer  Röhren 
absetzen.  Nach  Darwin  besteht  die  humose  Bodenschicht  überwiegend  aus  mehr  oder 
weniger  zerfallenem  Kot  der  Regenwürmer ;  auf  Wiesen  und  in  feuchten  Lagen  ist  dies 
auch  tatsächlich  der  Fall.  Müller  legt,  und  wie  die  Versuche  Wollny's  beweisen,  mit 
Recht  mehi-  Gewicht  auf  die  wühlende  und  grabende  Tätigkeit  jener  Tiere.  Im  Wald- 
boden fördern  die  Regenwürmer  die  Krümelung  der  Böden ;  sie  treten  in  sehr  w^echseln- 
den  Mengen  auf;  finden  sich  in  Lehmböden  oft  reichlich;  in  Sandböden  sind  sie  in  der 
Regel  sparsam  vorhanden  oder  fehlen  auf  trockneren  Stellen  ganz. 

Bei  Bedeckung  des  Bodens  mit  dicht  gelagertem  Rohhumus  fehlen  die  Regen- 
würmer. Es  scheint,  dass  sie  ebensowohl  eine  günstige  Struktur  des  Bodens  fordern, 
wie  bedürfen  Die  Annahme,  dass  im  Boden  vorhandene  Humussäuren  (auch  Quellsäure) 
den  Regenwürmern  schädlich  seien,  hat  sich  nicht  bestätigt ;  dagegen  sind  sie  äusserst 
empfindlich  gegen  Austrocknen,  wie  sie  sich  überhaupt  in  ihrer  Organisation  den  was- 
serlebenden Tieren  nähern.  Dicht  gelagerte  und  im  Sommer  austrocknende  Humus- 
schichten (Rohhumus)  meiden  die  Regenwürmer,  wie  sie  auch  im  Walde  auf  graswüch- 
sigen  Böden  nur  auf  feuchten  Stellen  vorkommen.  In  trockenen  Wäldern  flüchten  die 
W^ürmer  unter  etwa  vorhandene  Gebüsche  der  Laubhölzer,  wo  sie  oft  in  sehr  grosser 
Zahl   anzutreffen   sind.     Müller   sclireibt   der   „Uebererdung-    der  Pflanzen  im  Walde, 


Organismen  und  organische  Keste  des  Bodens.     §  34.  147 

namentlich  im  Bachenwalde  infolge   der  Tätigkeit   der  Würmer  eine  gewisse  Bedeu- 
tung zu. 

§  34.  3.  Niedere  Pflanzen.  Fadenpilze  und  Bakterien  sind  im  Boden  in 
sehr  grosser  Zahl  vorhanden.  Das  relative  Verhältnis  beider  ist  zumeist  von  der  Re- 
aktion des  Bodens  abhängig.  In  neutralen  oder  schwach  alkalisch  reagierenden  Böden 
überwiegen  Bakterien;  in  sauer  reagierenden  die  Fadenpilze.  Unter  Bedingungen, 
welche  beiden  Reihen  günstig  sind,  finden  sie  sich  oft  in  staunenswerten  Mengen  vor. 

Gute  locker  gelagerte  Waldböden  sind  sehr  reich  an  Bakterien;  wie  es  scheint, 
ist  zwischen  Lehm-  und  Sandböden  kein  wesentlicher  Unterschied  vorhanden.  Moor- 
böden scheinen  überwiegend  andere  Bakterien-Arten  zu  beherbergen  als  Mineralböden. 
Die  oberste  lebende  Schicht  der  Hochmoore  ist  ebenfalls  reich  an  niederen  Organismen. 
Von  Fadenpilzen  linden  sich  dort  überwiegend  Schimmelpilze.  Die  niederen  Organismen 
sind  die  hauptsächlichen  Träger  der  Verwesung,  d.  h.  der  Zersetzung  organischer  Ab- 
fallstoffe in  einfache  Verbindungen.  Die  Hauptarbeit  scheint  hierbei  den  Bakterien  zu- 
zufallen, während  die  Schimmelpilze  die  Bildner  der  dunkel  gefärbten  humosen  Stoffe 
zu  sein  scheinen  (Hoppe-Seyler,  Kostytschew). 

Besondere  Wichtigkeit  erlangen  einzelne  Arten  von  Bakterien  durch  Produkte 
ihrer  Lebenstätigkeit;  so  wird  Harnstoff  in  Ammoniak  umgewandelt,  das  Ammoniak 
durch  das  Salpetersäure-Bakterium  (Nitrosomanos)  in  Salpetersäure  übergeführt;  Sal- 
petersäure wieder  zu  salpetriger  Säure  und  zu  freiem  Stickstoff  reduziert.  Andere 
Bakterien  scheiden  Eisenverbindungen  aus  ihren  Lösungen  ab  (Crenotrix) ;  oder  reduzieren 
Schwefelverbindungen  (Beggiatoa). 

§  35.  4.  Verwesung.  Die  Zersetzung  der  organischen  Abfallreste,  also  der 
abgestorbenen  Teile  der  Tiere  und  Pflanzen  ist  verschieden,  je  nachdem  atmosphärischer 
Sauerstoff  mitwirkt  oder  nicht.  Im  ersteren  Falle  treten  Oxydationsprozesse  auf,  die 
man  als  V  e  r  w  e  s  u  n  g ,  im  letzteren  Reduktionsprozesse  die  man  als  F  ä  u  1  n  i  s  bezeichnet. 

Bei  der  Verwesung  werden  die  organischen  Stoffe  in  sehr 
einfache  Verbindungen  übergeführt;  als  Endprodukte  tretenauf: 
Kohlensäure,  W^ asser,  Ammoniak,  bez.  Salpetersäure  und  selbst 
freier  Stickstoff;  Aschenbestandteile.  Die  Verwesung  führt  also  zu 
einer  völligen  Zerstörung  der  organischen  Substanz. 

Durch  Erhitzen  auf  höhere  Temperatur,  Zusatz  von  antiseptischen,  die  niederen 
Organismen  tötenden  Mitteln  wird  die  Verwesung  fast  völlig  aufgehoben.  Da  anderseits 
bekannt  ist,  dass  niedere  Organismen  befähigt  sind,  ihren  Lebensprozess  auch  mit  sehr 
einfach  gebauten  organischen  Verbindungen  zu  unterhalten  und  wohl  kein  Produkt  des 
Stoffwechsels,  welches  noch  der  Umbildung  in  die  oben  genannten  einfachen  Verbin- 
dungen lahig  ist,  nicht  auch  von  einzelnen  niederen  Organismen  verarbeitet  werden 
kann,  so  ist  der  Schluss  gerechtfertigt :  Verwesung  ist  die  Zerstörung  orga- 
nischer Stoffe  und  deren  Ueberführung  in  einfache  Verbindungen 
durch  die  Lebenstätigkeit  der  Organismen. 

Alle  chlorephyllfreien  Lebewesen,  von  der  Bakterie  bis  zum  Menschen,  zerlegen 
organische  Stoffe  zur  Erhaltung  des  Lebensprozesses  und  führen  sie  hierdurch  in  ein- 
facher zusammengesetzte  Verbindungen,  z.  T.  direkt  in  Kohlensäure  und  Wasser  (At- 
mung) über.  Die  Zahl  der  in  dieser  Richtung  tätigen  Organismen  ist  von  der  vor- 
handenen Nahrung  abhängig.  Es  stellt  sich  hierdurch  ein  gewisses  Gleichgewicht 
zwischen  Bildung  von  organischer  Substanz  durch  diePflanzen  und 
Zerstörung  durch  chlorophyllose  Organismen  heraus. 

Ist  die  Verwesung  wesentlich  auf  den  Lebensprozess  niederer  Pflanzen  zurück- 
zuführen, so  muss  sie  auch  den  allgemeinen  Bedingungen  des  Pflanzenlebens  unterliegen 

10* 


148  II.  Ramann.  Forstliche  Standortslehre. 

und  wie  dieses  von  günstigen  und  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  beeinflusst  wer- 
den.    Notwendig  sind: 

a)  genügende  mittlere  Feuchtigkeit; 

b)  genügende  Höhe  der  Temperatur; 

c)  Zutritt  von  atmosphärischem  Sauerstoff; 

dj  Gegenwart  von  Stickstoffverbindungen  und  Nährsalzen; 
e)  Abwesenheit  schädlich  wirkender  Stoffe. 

a)  Feuchtigkeit.  Gegenwart  von  Wasser  ist  für  die  Verwesung  notwendig ; 
bei  mittlerem,  je  von  der  Natur  der  Substanz  und  der  Bodenart  abhängigen  Wasser- 
gehalt schreitet  die  Zersetzung  am  raschesten  voran ;  Uebermass  von  Wasser  setzt  sie 
infolge  verminderten  Zutritts  von  Sauerstoff  herab. 

In  lufttrockenen  organischen  Stoffen  wie  Laub,  Nadeln,  Boden  ist  die  Verwesung 
nahezu  oder  völlig  aufgehoben.  In  stark  gelichteten  Wäldern,  auf  vorspringenden 
Kuppen,  an  Waldrändern  trocknet  die  Oberfläche  der  Böden  stark  aus.  Pflanzliche 
Reste  verwesen  in  der  warmen  Jahreszeit  nicht  infolge  Mangel  an  W^asser,  während 
der  kalten  Jahreszeit  nicht  infolge  niederer  Temperatur.  Gleichzeitig  ist  auch  das  Tier- 
leben im  Boden  unter  solchen  Umständen  herabgesetzt,  es  tritt  dann  leicht  Bildung  von 
wenig  zersetztem,  faserigem  Humus  (Rohhumus)  auf. 

b)  Temperatur.  Unter  dem  Gefrierpunkte  ist  die  Verwesung  nahezu  aufge- 
hoben; bei  0^  sehr  gering,  steigt  sie,  soweit  Beobachtungen  vorliegen,  zunächst  rasch, 
dann  laugsamer  mit  der  Temperatur,  um  endlich  bei  hohen  Graden  wieder  abzunehmen. 
Bei  den  auf  der  Erde  vorkommenden  Temperaturgraden  wird  diese  obere  Grenze  über- 
haupt nicht  oder  nur  unter  ganz  ausnahmsweisen  Umständen  erreicht  (an  der  freien 
Bodenoberfläche  in  Steppen  und  Wüsten).  Es  gilt  daher  die  Regel;  In  der  Natur 
steigt  bei  sonst  günstigen  Verhältnissen  die  Schnelligkeit  der 
Verwesung  mit  der  Temperatur. 

Im  grossartigsten  Massstabe  zeigt  dies  die  Erdoberfläche ;  in  den  kalten  Klimaten 
ist  die  Verwesung  gering,  steigt  allmählich  in  den  gemässigten  und  wird  in  warmen 
Klimaten  sehr  gross.  Humusablagerungen  sind  entsprechend  in  kalten  Gebieten  allge- 
mein verbreitet,  in  den  kühleren  gemässigten  Zonen  noch  reichlich  vorhanden,  fehlen 
aber  in  den  wärmeren  und  warmen  Zonen  fast  völlig. 

Neben  den  Einwirkungen  der  Niederschläge  sind  es  zumeist  die  Vorgänge  der 
Verwesung  und  der  Humusbildung,  welche  die  Böden  verschiedener  Klimate  charakte- 
risieren. 

Niedere  Temperatur  bei  reichlichen  Niederschlägen  führt  häufig  zur  Rohhumus- 
bildung im  Walde,  die  ihre  grösste  Bedeutung  in  Europa  im  Norden,  den  Küstenge- 
bieten der  Nord-  und  Ostsee,  sowie  auf  den  höheren  Lagen  der  Mittel-  und  Hochgebirge 
erlangen.  Bereits  in  den  milderen  Lagen  Mitteleuropas  haben  sie  kaum  noch  Einfluss 
und  fehlen  in  Südeuropa  völlig. 

c)  S  a  u  e  r  s  1 0  f  f.  Da  die  Verwesung  ein  Oxydationsvorgang  ist,  so  bedarf  sie 
des  Zutritts  des  atmosphärischen  Sauerstoffs.  Im  allgemeinen  genügte  aber  schon  ein 
massiger  Gehalt  (8 — lO^/o  der  Luft),  um  einen  raschen  Verlauf  herbeizuführen,  der  sich 
bei  Gegenwart  grösserer  Mengen  nur  unwesentlich  steigert. 

Allgemeine  Bedeutung  gewinnt  Abwesenheit  des  Sauerstoffs  nur  bei  Ueberschuss 
an  Wasser  und  unter  Wasser ;  die  Beschränkung  der  Moore  auf  kühlere  Gebiete  zeigt 
aber,  dass  auch  hier  zunächst  die  Temperatur  entscheidet  und  Mangel  an  Sauerstoff 
erst  sekundär  in  Wirkung  tritt. 

d)  Nährsalze.  Die  niederen  Organismen  bedürfen  für  ihrer  Lebensprozess  des 
Stickstoffs  und  bestimmter  Mineralstoffe  in  gleicher  oder  doch  ähnlicher  Weise  wie  die 


Organismen  und  organische  Reste  des  Bodens.     §  35.  149 

höheren  Pflanzen.  Die  Geschwindigkeit  der  Verwesung  ist  daher  in  nährstoff-,  nament- 
lich stickstoffreichen  Abfallstoffen  gesteigert  gegenüber  nährstoffarmen  Produkten.  So 
verwesen  grüne  Pflanzenteile,  die  meisten  tierischen  Reste  u.  dergl.  schneller  als  Holz 
oder  ähnliche  Stoffe. 

Auch  der  Gehalt  der  Bodenarten  an  löslichen  Mineralstoffen  macht  sich  geltend ; 
auf  armen  Böden  ist  die  Verw^esung  in  der  Regel  stark  herabgesetzt,  es  wirken  hier 
jedoch  noch  andere  Faktoren  ein. 

Von  den  anorganischen  Stoffen  ist  namentlich  der  Kalk  von  Bedeutung.  Aetz- 
kalk  wirkt  eher  ermässigend  auf  die  Zersetzung  ein,  seine  Bedeutung  als  Zusatz  zu 
Komposterden  beruht  mehr  auf  seiner  chemischen  Wirkung,  indem  wasserhaltige  Sili- 
kate gebildet  und  so  der  Boden  verbessert  wird.  Kohlensaurer  Kalk  steigert  die  Zer- 
setzung, zumal  in  Böden,  welche  saure  Reaktion  zeigen.  Nach  Versuchen  von  W  o  1 1  n  y 
(a.  a.  0.  S.  268)  verwesen  die  Verbindungen  der  Humusstoffe  mit  Kalk  (humussaurer 
Kalk)  mehr  als  doppelt  so  rasch  als  die  reinen  Humussäuren.  Die  Bezeichnung  der 
Kalkböden  als  „zehrende",  d.  h.  solche,  welche  die  organischen  Stoffe  zur  raschen  Zer- 
setzung bringen,  findet  hierdurch  eine  einfache  Erklärung. 

Die  Verwesung  verläuft  bei  den  verschiedenen  organischen  Stoffen  sehr  verschie- 
den rasch,  die  der  wichtigeren  Stoffe  etwa  in  folgender  absteigenden  Reihe :  Knochen- 
mehl,  Fischguano,  Geflügelkot,  Getreidestroh,  Stallmist,  Gründünger,  Waldstreu,  Torf. 

Die  Verwesung  der  Körper  geht  nicht  gleichmässig  voran.  In  der  ersten  Zeit 
erfolgt  dieselbe  viel  rascher,  bis  die  leichter  zersetzbaren  Stoffe  zerstört  sind,  als  später. 
Für  einige  Waldstreusorten  mögen  hier  einige  Zahlen  folgen. 

Bei  gleicher  Menge  der  verwesenden  Stoffe  entwickelten  sich  Volume  Kohlensäure : 
Eichenblätter     Buchenhlätter     Fichtennadeln     K 

1.  Tag        15.913  13.214  15.238 

2.  ,  13.398  10.305  13.140 

3.  „  6.817  6.652  9.074 

4.  „  5.832  5.494  8.132 

5.  „  4.469  3.969  6.946 

6.  „  4.114  3.386  5.996 


fernnadeln 

Sägemehl 

Torf 

13.924 

8.111 

5.504 

12.688 

7.138 

4.571 

10.165 

4.527 

3.046 

8.632 

4.377 

2.221 

7.718 

4.048 

1.731 

6.491 

3.502 

1.238 

Mittel  8.424  7.170  9.421  9.936  5.284  3.052 

Eine  Entfettung  der  organischen  Stoffe  bewirkt  keine  Steigerung  der  Verwesung, 
wohl  aber  wirken  die  im  Boden,  namentlich  im  Torf  und  auf  geringem  Sandboden  ent- 
haltenen Harze,  die  sog.  „Erdharze",  in  hohem  Grade  ungünstig  ein.  Torf  von 
denselben  befreit  (er  enthält  bis  5^0  davon)  zersetzt  sich  doppelt  so  rasch  als  im  ur- 
sprünglichen Zustande.  Auf  die  Gegenwart,  bez.  die  Bildung  harzartiger  Körper  ist 
vielleicht  auch  das  ungünstige  Verhalten  des  sogenannten  „toten  oder  kohligen"  Humus 
in  dem  Sandboden  armer  Kiefernreviere  und  der  Heiden  zurückzuführen. 

Mit  der  Zersetzung  der  kohlenstoffhaltigen  Pflanzenreste  verläuft  in  allen  Punkten 
wesentlich  gleichartig  die  der  stickstoffhaltigen  Bestandteile  des  Bodens  und  die  Ueber- 
fnhrung  derselben  in  Ammoniak.  Auch  hier  ist  die  Angreifbarkeit  der  vorhandenen 
Verbindungen  zu  berücksichtigen.  Während  einzelne  derselben,  namentlich  Eiweiss- 
stoffe,  rasch  umgewandelt  werden,  widerstehen  andere  hartnäckig  jedem  Angriff.  So 
ist  es  möglich,  dass  der  Humus  stickstoffreicher  als  die  ursprüngliche  Pflanzensubstanz 
ist;  Torf  enthält  oft  über  2^/o  gebundenen  Stickstoff,  und  ist  trotzdem  bei  landwirt- 
schaftlichem Betriebe  dankbar  für  eine  Stickstoffdüngung,  eine  Folge  der  geringen  Zer- 
setzbarkeit  jener  Körper. 

e)  Schädliche  Stoffe,  d.  h.  solche  Verbindungen,  Avelche  den  Lebensprozess 
der  niederen  Organismen  ungünstig  beeinflussen,  können  unter  Umständen  die  Verwesung 


15()  Tl.  Ramaiin,  Forstliche  Standortslohre. 

sehr  herabsetzen  oder  selbst  völlig  aufheben. 

In  der  Natur  kommen  wesentlich  nur  die  Humussäuren  in  Frage.  Beobachtungen 
im  Walde  lehren,  dass  die  relative  Anzahl  der  Bakterien  und  Fadenpilzen  durch 
die  Bodensäuren  stark  beeinflusst  wird.  Die  grosse  Anzahl  der  Bakterienarten  bevor- 
zugt neutrale  oder  schwach  alkalische  Nährböden;  in  sauer  reagierenden  gedeihen  je- 
doch die  Fadenpilze  noch  ganz  gut. 

Manche  Bakterien  bilden  allerdings  Säuren,  so  z.  B.  Essigsäure,  Buttersäure, 
Milchsäure;  es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  auch  die  Bodensäuren  überwiegend  Pro- 
dukte von  Bakterien  sind;  aber  dies  kann  die  allgemeine  Kegel  nicht  nmstossen,  dass 
auf  sauren  Böden  Fadenpilze,  auf  neutralen  oder  alkalischen  die  Spaltpilze  vorherrschen. 
Hierdurch  wird  die  Humusbildung  stark  beeinflusst,  und  es  ist  nicht  zufällig,  dass  sauer 
reagierende  Bodenarten  auch  zugleich  zur  Bildung  von  Rohhumus  neigen. 

§  36.  5.  Fäulnis.  Die  Zersetzung  der  organischen  Stoffe  bei 
Mangel  oder  Ausschluss  von  Sauerstoff  bezeichnet  man  als  Fäul- 
nis. Bei  derFäulnis  wirdWasser  und  Kohlensäure  ausgeschieden, 
während  ein  noch  oxydierbarer  Rest  der  organischen  Substanz 
zurückbleibt.  Es  können  dies  sowohl  Gase  (Wasserstoff,  Sumpfgas) ,  als  auch 
flüssige  oder  feste  organische  Verbindungen  sein ;  in  der  Regel  sind  es  dunkel  gefärbte 
mehr  oder  weniger  humose  Stoffe. 

Die  Fäulnis  kann  unter  Mitwirkung  niederer  Organismen, 
wie  bei  Abwesenheit  derselben  vor  sich  gehen. 

Es  sind  eine  ganze  Anzahl  Bakterienarten  bekannt,  die  zu  ihrem  Lebensprozess 
des  atmosphärischen  Sauerstoffs  nicht  bedürfen,  ja  sogar  denselben  nicht  zu  ertragen 
vermögen  (anaerobe  Bakterien) ;  wohl  noch  zahlreicher  sind  die  Arten,  welche  nur  sehr 
wenig  Sauerstoff  verlangen  oder  doch  bei  sehr  vermindertem  Zutritt  noch  gedeihen 
können.  Diese  Organismen  verarbeiten  den  gebundenen  Sauerstoff  der  organischen 
Substanz. 

Typische  Beispiele  für  Fäulnis  durch  Organismen  sind  die  Entwicklung  von  Was- 
serstoff und  Sumpfgas  (Methan  CHJ  in  stehenden  Gewässern,  wie  überhaupt  die  grosse 
Anzahl  der  als  „Gährung"  bezeichneten  Vorgänge. 

Der  Fäulnis  unterliegen  besonders  stickstoflfreiche  Abfallstoffe,  sie  tritt  femer  in 
allen  Gewässern,  welche  grosse  Mengen  organischer  Stoffe  enthalten,  zumal  in  den 
Mooren  und  Sümpfen  auf. 

Die  Untersuchung  der  Torfsubstanzen,  welche  in  tieferen  Lagen  keine  Organismen 
führen,  oder  deren  Vorkommen  auf  kleine  Stellen  (Wasseradern)  beschränkt  ist,  zeigt 
jedoch,  dass  neben  den  Umsetzungen,  welche  durch  Organismen  bewirkt  werden,  an- 
dere verlaufen,  die  man  mit  vollem  Recht  den  Fäulnisprozessen  parallel  stellen  kann. 
Die  organische  Substanz  reichert  sich  fortgesetzt  an  Kohlenstoff  an,  während  Wasser- 
stoff und  Sauerstoff  austreten.  Am  richtigsten  fasst  man  diesen  Vorgang,  wenigstens 
in  der  Hauptsache,  als  Abspaltung  von  Wasser  auf,  wenn  auch  daneben  noch 
andere  Prozesse  (Bildung  von  Kohlensäure,  Sumpfgas  u.  dergl.)  verlaufen. 

§  37.  6.  Die  Produkte  der  Verwesung  und  Fäulnis.  Humusbil- 
dung. Die  Verwesung  führt  zur  vollständigen  Zerstörung  der  organischen  Substanz; 
dieser  Prozess  verläuft  langsam  und  es  entstehen  eine  grosse  Anzahl  wenig  bekannter 
Zwischenprodukte  von  brauner  bis  schwarzer  Farbe,  welche  man  als  „Humusstoffe*^ 
bezeichnet. 

Die  Rückstände  der  Fäulnis  der  Pflanzenreste  sind  ähnlich  und  werden  den  Humus- 
stoffen zugerechnet. 

Humusstoffe  können  aus  den  verschiedensten  Stoffgruppen  entstehen ;  ihre  Bildung 


Organismen  und  organische  Reste  des  Bodens.     §  37.  151 

ist  nachgewiesen  aus  Kohlehydraten,  Eiweiss,  Gerbstoff  u.  s.  w. ,   aus  denen  man   sie 
künstlich  herstellen  kann. 

Die  chemische  Unterscheidung  der  einzelnen  Humusstoffe  ist  noch  sehr  wenig 
fortgeschritten,  da  sie  der  Untersuchung  aussergewöhnliche  Schwierigkeiten  bieten.  Das 
wichtigste  bisher  bekannte  lässt  sich  in  folgenden  Sätzen  zusammenfassen: 

1)  Es  giebt  stickstoffhaltige  und  stickstofffreie  Humusstoffe.  Ihr  Gehalt  an  Stick- 
stoff ist  z.  T.  von  der  Substanz,  aus  der  sie  entstanden,  beeinflusst.  Humusstoffe  ver- 
binden sich  leicht  mit  Ammoniak,  der  teilweise  in  das  Molekül  eintritt. 

2)  Die  in  der  Natur  vorkommenden  Humusstoffe  lassen  sich  in  zwei  Gruppen 
einteilen,  wobei  eine  Unterscheidung  in  braune  (Ulmin Verbindungen)  und  schwarze  (Hu- 
minverbindungen)  nicht  fest  zu  halten  ist. 

a)  Humussäuren  (Huminsäuren) ,  dunkel  gefärbte ,  in  Alkalien  und  kohlen- 
sauren Alkalien  lösliche,  durch  stärkere  Säuren  wieder  ausfüllbare  Stoffe  vom  Charakter 
schwacher  Säuren.  Mit  den  Alkalien  bilden  sie  lösliche,  mit  alkalischen  Erden  (Kalk) 
und  den  andern  Elementen  unlösliche  Verbindungen  (die  sog.  humussauren  Salze). 

b)  Humin.  Dunkel  gefärbt,  unlöslich,  gehen  bei  längerer  Behandlung  mit  Al- 
kalien unter  Aufquellen  in  Humussäuren  über. 

Alle  Humuskörper  sind  amorph  und  quellbar,  schliessen  sich  also 
den  Colloidsubstanzen  in  ihrem  Verhalten  an. 

In  reinem  Wasser  (nicht  in  salzhaltigem)  sind  die  Humussäuren  etwas  löslich 
nnd  eiteilen  dem  Wasser  eine  bräunliche  Färbung.  Alle  an  Alkali  reichen  Wässer  (aus 
Graniten,  Gneissen,  Schiefergesteinen  etc.),  sowie  aus  Mooren  austretende  sind  schwach 
bis  deutlich  bi'aun  gefärbt,  alle  kalkreichen  Gewässer  sind  ungefärbt. 

Ausserdem  finden  sich  im  Boden  noch  andere,  vielfach  auch  den  Humussäuren 
zugerechnete,  aber  von  ihnen  wesentlich  abweichende  Säuren,  deren  wichtigste  die 
Qnellsäure  ist,  deren  Salze  mit  Ausnahme  der  Thonerde Verbindung  löslich  sind. 
Die  Quelhsäure  scheint  die  Hauptmenge  der  in  den  Böden  vorhandenen  freien  Säuren 
auszumachen,  die  für  Verwitterung  wie  Auswaschung,  sowie  für  das  Pflanzenleben  eine 
sehr  grosse  Bedeutung  haben,  namentlich  auch  Kalk  lösen  und  wegführen.  Die  AbtUlle 
des  Waldes  scheinen  besonders  reich  an  Säuren  zu  sein,  oder  diese  doch  unter  dem 
Schutze  des  Waldes  gern  zu  entstehen. 

Pflanzliche  Reste,  welche  man  der  allmählich  fortschreitenden  Vei-wesung  über- 
lässt,  werden  brüchig,  sind  dunkel  gefärbt,  aber  die  Struktur  bleibt  erhalten.  Die 
Verteilung,  welche  der  Humus  des  Bodens  zeigt  und  seine  Misch- 
ung mit  Mineralteilen,  ist  wahrscheinlich  eine  Folge  der  Tätig- 
keit des  Tierlebens. 

Was  als  Humus  bezeichnet  wird,  ist  demnach  kein  einheitlicher  Körper,  sondern 
ein  Gemisch  sehr  zahlreicher  Verbindungen.  Ein  mehr  oder  minder  grosser  Teil  besteht 
aus  wenig  oder  nicht  zersetzten  Pflanzenstoffen  und  zeigt  noch  organisierte  Struktur. 
Ein  anderer  Teil  ist  als  Humin  vorhanden,  der  Rest  besteht  aus  freien  oder  gebundenen 
Säuren. 

Bei  der  Bestimmung  des  Humus  muss  man  diese  Zusammensetzung  berücksichtigen. 
Man  kann  unterscheiden  a)  die  in  verdünnten  Alkalien  (Ammoniak)  direkt  löslichen 
Stoffe  (Humussäuren);  b)  die  nach  Behandlung  mit  verdünnter  Salzsäure  in  Alkalien 
löslichen  Stoffe ;  (beide  bezeichnet  man  nach  Grandeau  als  matiere  noir)  und  c)  die  bei 
dieser  Behandlung  zurückbleibende  wenig  zersetzte  Pflanzen  Substanz. 

Träger  der  wichtigsten  chemischen  und  physikalischen  Wirkungen  des  Humus 
im  Boden  sind  die  unter  a  und  b  genannten. 

Für  alle  Böden  ist  ein  Gehalt  an  freien  Säuren  unerwünscht,  oft  schädlich.   Ueber 


152  IL  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

ihre  Gegenwart  unterrichtet  man  sich  durch  die  Reaktion  des  Bodens  (mit  Lakmns- 
papier).  Eine  gute  Probe  ist  von  Schütze  angegeben.  Man  schüttelt  den  Boden  in 
einem  Probierrohre  mit  verdünnter  Ammoniak ilüssigkeit.  Alle  an  Humussänren  reichen 
Bodenarten  und  jene,  in  denen  die  Humusstoffe  nicht  gebunden  sind,  geben  dunkel  ge- 
färbte Lösungen.  Je  nach  Menge  der  angreifbaren  Humnsstoffe  erhält  man  hellgelblicli 
bis  braunschwarz  gefärbte  Flüssigkeiten. 

Die  Abfälle  mancher  Pflanzen  bilden  reichliche  Mengen  von  Humossäuren,  nament- 
lich gilt  das  von  Heide  und  den  Beerkräutern,  von  den  Waldbäumen  sind  Buche  und 
Fichte  der  Bildung  jener  Stoffe  günstig;  weniger  Eiche  und  Kiefer. 

Nach  Gegenwart  oder  Fehlen  der  fluraussäuren  unterscheidet  man  sauren  oder 
milden  Humus;  spricht  auch  wohl  von  „kohligem"  Humus  armer  Sauerböden: 
ferner  je  nach  den  Pflanzen,  aus  denen  die  Hauptmenge  gebildet  wurde,  von  Heide- 
humus, Buchenhumus  u.  s.  w. 

§  38.  7.  Auf  dem  Trocknen  gebildete  humose  Stoffe  und  deren 
Ablagerungen.  Die  Humnsbildung  ist  nach  den  vorhergehenden  Paragraphen  die 
Folge  des  Einflusses  von  biologischen  und  chemischen  Prozessen.  Die  ersteren  werden 
vom  Klima  im  höchsten  Grade,  weniger  stark  von  örtlichen  Verhältnissen  beeinflusst. 
Es  ist  daher  verständlich,  dass  beide  für  die  Schnelligkeit  der  Zersetzung  und  die  Art 
der  Humusablagerung  grosse  Bedeutung  haben.  So  ist  z.  B.  die  Bildung  der  Schwarz- 
erden an  arides  Klima  gebunden,  bedeutsame  Rohhumusbildungen  erfolgen  nur  in  Ge- 
genden mit  kühler  Temperatur  und  reichlichen  Niederschlägen. 

Eine  Form  der  Ablagerung  des  Humus  kann  daher  für  einzelne  Gegenden  von 
grundlegender  Bedeutung  sein,  welche  in  andern  kaum  oder  gar  nicht  ins  Gewicht  fallt 
(z.  B.  Rohhumus  für  Nordeuropa  und  Gebirge  vom  höchsten  Einfluss,  ist  in  den  wärmeren 
Lagen  Mitteleuropas  schon  ohne  Bedeutung  und  fehlt  in  den  wärmeren  Gebieten). 

In  den  für  uns  wesentlichen  Gebieten  lassen  sich  die  humosen  Bildungen  einteilen: 

a)  Mullboden.  liockere,  gekrümelte  Bodenarten  von  wech- 
selndem, meist  massigem  Humusgehalt.  Ausgezeichnet  durch  rasche, 
glei  ch  mäss  i  ge  Zersetzung  der  organischen  Abfäl  le  und  reiches 
Tierleben.  Im  Walde  lagert  die  Streuschicht  locker,  d.  h.  die 
einzelnen  Bestandteile  nicht  unter  einander  verbunden,  auf  dem 
Mineralboden.  Die  tieferen  Bodenschichten  setzen  nicht  scharf 
von  einander  ab  und  gehen  scheinbar  vielfach  in  einander  über. 

Die  Mullböden  sind  die  Form  der  guten,  „gesunden"  Böden,  die  Abfallreste  der 
W- älder  zersetzen  sich  in  1 — 2  Jahren.  Natürliche  Verjüngung  geht  leicht  und  gut  vor  sich. 

b)  Rohhumus.  Die  Humusschicht  ist  dicht  und  fest  zusammen- 
gelagert und  oft  von  dichter,  wenig  zersetzter  Streuschicht  über- 
deckt. Die  Grenze  zwischen  humoser  Schicht  und  Mineralboden  ist 
zumeist  scharf;  die  tieferen  Bodenschichten  schneiden  deutlich  von 
einander  ab.  In  der  Regel  wird  die  Humusschicht  von  hell  gefärbtem 
„ausgebleichtem"  (eisenfreieni)  Boden  unterlagert. 

Diese  Form  zeigt  ungünstige  Beeinflussung  des  Bodens  an ;  sie  entsteht,  wenn  die 
Bedingungen  der  Zersetzung  der  organischen  Abfall  Stoffe  verlangsamt  werden  und  ist 
fast  stets  mit  dem  Auftreten  von  Humussäuren  verbunden. 

Natürliche  Verjüngung  in  W'äldem  mit  dieser  Humusform  bereitet  Schwierigkeiten 
oder  ist  überhaupt  nicht  mehr  oder  nur  in  langen  Zeiträumen  zu  erwarten.  Anspruchs- 
vollere Baumarten,  namentlich  Laubhölzer  versagen. 

Die  Mullböden  sind  Gebiete  der  Bakterienflora  und  eines 
reichen  Tierlebens;    in  Rohhumusböden    überwiegen   die  Faden- 


Organismen  und  organische  Reste  des  Bodens.     §  88.  153 

pilze;  die  Tierwelt  ist  wenig  vertreten;  Regenwürmer  fehlen. 

Rohhnmns  kann  durch  alle  Bedingungen,  welche  die  Verwesung  herabsetzen,  ge- 
bildet werden,  also  durch  Trocknis,  Uebermass  an  Wasser,  niedere  Temperatur;  an 
Nährstoffen  arme  Böden  unterliegen  der  Rohhumusbildung  viel  eher  als  reichere. 

Zwischen  Mull-  und  Rohhumusböden  giebt  &s  zahlreiche  Uebergänge.  Es  lassen 
sich  unterscheiden 

a)  die  Bestandteile  der  Streudecke  sind  unter  einander  durch  Pilzmycel  verspon- 
nen. In  Laubholzwäldern  lassen  sich  oft  grosse  Stücke  der  Bodendecke  abreissen. 
Kegenwürmer  sind  sparsam  vorhanden  oder  fehlen  bereits. 

b)  Unter  der  zusammengesponnenen  Streudecke  findet  sich  eine  Schicht  dicht 
gelagerter  humoser,  aber  stark  zersetzter,  erdartiger  Masse. 

c)  Die  unter  der  Streudecke  lagernde  humose  Schicht  ist  faserig,  trocknet  im 
Sommer  stark  aus 

d)  Die  humose  Schicht  wird  mächtiger,  torfartig,  die  Abfallreste  des  Waldes  sind 
noch  nach  ihren  pflanzlichen  Bestandteilen  zu  erkennen. 

Je  nach  den  hauptsächlich  zur  Bildung  des  Rohhumus  beitragenden  Pflanzen  ist 
die  Beschaffenheit  des  Rohhumus  etwas  verschieden;  so  bildet  Buche  dunkelbraune, 
meist  faserige,  oft  mit  stärker  veränderten  Teilen  durchsetzte  Massen.  Die  Heide  in 
mächtigen  Schichten  blauschwarze,  speckige  Ablagerungen.  Der  Rohhumus  der  Heidel- 
beere steht  dem  der  Buche  nahe ;  Preisseibeere  liefert  heller  gefärbte,  braune  oder  graue 
Ablagerungen. 

Rohhumus  bildet  sich  unter  verschiedenen  Beständen  und  Bodendecken  mehr  oder 
weniger  leicht.  Man  kann  folgende  absteigende  Reihen  angeben :  Buche,  Fichte,  Eiche, 
Kiefer  und  Heide,  Preisseibeere,  Heidelbeere,  Farnkraut,  Moose  (namentlich  die  Polster 
bildenden  Arten). 

Mit  Ablagerung  von  Rohhumus  gehen  Veränderungen  des  Bodens  Hand  in  Hand. 
Die  lockere,  krümelige  Beschaffenheit  verschwindet;  die  oberen  Bodenlagen  werden  an 
löslichen  Bestandteilen  erschöpft  und  hierdurch  treten  die  in  jedem  Boden  vorhandenen 
Schichten  schärfer  und  erkennbarer  hervor.  Ein  wichtiger  Faktor  der  Bodenbildung, 
reiches  Tierleben,  wird  gemindert  oder  vernichtet. 

Die  Wurzelausbildung  der  Bäume  ist  im  Mullboden  und  im  Rohhumusboden  ver- 
schieden; im  ersteren  dringen  die  Wurzeln  in  die  Tiefe,  im  letzteren  bleiben  sie  an 
der  Oberfläche  und  durchziehen  die  humosen  Ablagerungen  dicht  mit  feinen  Faserwur- 
zeln. Die  Beerkräuter  bilden  zumeist  ein  dichtes  Wurzelgeflecht  an  der  Grenze  zwi- 
schen Mineralboden  und  auflagerndem  Humus. 

Auf  die  Entwicklung  des  Bestandes  wirken  stärkere  Rohhumusschichten  wenig 
günstig  ein,  namentlich  sind  Laubhölzer,  ist  vor  anderen  die  Buche  dagegen  empfind- 
lich. Nadelhölzer  werden  weniger  beeinflusst  und  entwickeln  in  ihrer  Jugendzeit  die 
Wurzeln  mit  Vorliebe  im  Rohhumus,  sind  jedoch  der  Trocknis  stark  ausgesetzt.  Mit 
Mineralboden  gemischt  oder  auch  bei  dauerndem  mittlerem  Feuchtigkeitsgehalt  ist  die 
Entwicklung  der  jüngeren  Pflanzen  in  Rohhumusböden  gut,  z.  T.  sogar  sehr  gut. 

Diese  Einwirkungen  sind  noch  nicht  genügend  geklärt.  Tatsache  ist,  dass  auf 
Böden  mit  Rohhumusbedeckung  natürliche  Verjüngung  fast  stets,  künstliche  ohne  Bo- 
denbearbeitung in  der  Regel  versagt.  Ferner  ist  es  nicht  möglich,  bei  starken  Roh- 
humnsschichten  Laubhölzer  in  trockneren  Lagen  aufzubringen  („Buchenmüdigkeit"  der 
Böden  gehört  hierher).  Auf  Buchenrohhumus  gedeiht  dagegen  die  Fichte  vortrefflich, 
nicht  aber  auf  Heidehumus,  in  dem  die  Kiefer,  wenn  auch  oft  nur  kümmerlich,  noch 
wachsen  kann. 

Sind  Rohhumusschichten  im  Walde  vorhanden,  so  kann  deren  Entwicklung  und 


154  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Umbildung  verschieden  sein.  Tritt  allmähliche.  langsam  fortschreitende  IJchtnn^  des 
Bestandes  ein,  so  kann  Rückbildung  in  Mullböden  unter  dem  Einfluss  günstigerer  Ver- 
hältnisse stattfinden.  Bei  Kahlschlag  siedeln  sich  zumeist  Gräser  an,  die  mit  sehr  zahl- 
reichen, feinfaserigen  Wurzeln  (Angergräser,  Festucaarten  und  namentlich  Aira  fiexaosa] 
den  Rohhumus  durchziehen  und  zu  seiner  Zersetzung  beitragen.  Sind  die  Schichten 
sehr  mächtig,  so  kann  es  zur  Bildung  von  Heiden  und  namentlich  zur  Versumpfung, 
d.  h.  zur  Hochmoorbildung  kommen.  (Die  Moore  der  höheren  Gebirgslagen  und  des 
Nordens  sind  vielfach  auf  diesem  Wege  entstanden.) 

Hilfsmittel  gegen  Rohhumusbildung  sind  sorgsame  Erhaltung  einer  mittelstarken 
Beschattung  des  Bodens;  Schutz  gegen  aushagernde  Winde,  Eintrieb  von  Schweinen, 
überhaupt  Beförderung  des  Tierlebens  im  Walde  und  namentlich  Erhaltung  gemischter 
Bestände. 

Die  Ablagerung  stärkerer  Rohhumusschichte  ist  klimatisch  bedingt,  ebenso  die 
Umbildung  in  Hochmoor,  welche  auf  einen  Teil  von  Grossbritannien,  die  Küsten  der 
Nordsee,  Skandinavien  und  Nordostrussland  beschränkt  ist  und  nur  selten  und  bei  ^anz 
ungünstigen  Bodenverhältnissen  (z.  B.  Lausitz)  weiter  nach  Süden  geht;  femer  sind 
es  die  Hochlagen  der  Mittelgebirge  (z.  B.  Brocken,  Erzgebirge,  Böhmer  W^ald,  Vogesen 
und  Schwarzwald  u.  s.  w.)  und  die  höheren  Lagen  der  Hochgebirge,  welche  so  ent- 
standene Hochmoore  zeigen.  In  Kalkgebirgen  scheinen  sie  völlig  zu  fehlen  und  tritt 
dort  die  Ablagerung  eines  lockeren,  erdartigen,  sehr  fruchtbaren  Humus  (Alpenhumus 
nach  Ebermayer)  ein.  Die  Hochmoorbildung  verläuft  in  der  Weise,  dass,  oft  beeinflussi 
durch  benachbarte  tiefer  liegende  Moorflächen,  die  Rohhumusablagerungen  erhebliche 
Dicke  gewinnen,  der  Boden  vemässt  und  sich  Sphagnen  ansiedeln,  welche  immer  üp- 
piger sich  entwickeln  und  die  Bäume  zum  Absterben  bringen.  Nach  mir  bekannten 
Beispielen  ist  eine  Schicht  von  30 — 40  cm  lockerer  Sphagnumvegetation  notwendig,  um 
die  Bäume  zu  töten.  In  der  Regel  folgt  der  in  den  Gebieten  meist  herrschenden  Fichte 
eine  Kiefernvegetation,  ehe  die  Vernichtung  des  Waldes  eintritt.  Im  Nordwesten  Deutsch- 
lands und  an  anderen  Orten  kann  zunächst  die  Heide  herrschend  werden  und  zur 
Hochmoorbildung  hinüberleiten ;  es  ist  dies  aber  auch  in  diesen  Gegenden  eher  ein  Aus- 
nahmevorgang. 

Die  Bodenflora  der  Mull-  und  Rohhumusböden  ist  eine  wohl  cha- 
rakterisierte. Im  Mullboden  unter  Wald  linden  sich  namentlich  Rhizompflanzen  (nach 
P.  E.  Müller),  die  edleren  Kräuter  des  Waldes ;  im  ganzen  einzelständig  vorkommende, 
zahlreiche  Arten.  Auf  Rohhurausböden  treten  die  einzelnen  Arten  meist  gesellig  auf, 
wenigstens  bei  hinreichender  Belichtung.  Im  Norden  ist  Trientalis  europaea  sehr 
verbreitet,  in  den  mittleren  Gebieten  Melampyrum  pratense  L.  Beerkräuter,  Heide, 
Majanthemum  bifolium,  Aira  flexuosa;  im  Hochgebirge  Rhododendorn,  dann  zahlreiche 
Moose. 

§39.  8.  Unter  W' asser  gebildete  humose  Ablagerungen.  Die 
unter  Wasser  gebildeten  humosen  Ablagerungen  lassen  sich  in  drei  Gruppen  bringen: 
Schlamm,  Moor  und  Torf. 

Schlamm  bildet  sich  in  fliessenden  oder  stehenden  sauerstoflfreichen  Gewässern 
mit  schwimmender  Vegetation,  sowie  bei  Ueberschwemmungen  der  Flusse. 
Je  nach  der  grösseren  oder  geringeren  Menge  beigemischter  anorganischer  Stoffe  bildet 
der  Schlamm  zahlreiche  Abarten.  Charakteristisch  für  ihn  ist  die  Mischung  anorgani- 
scher Teile  mit  pflanzlichen  und  tierischen  Resten.  Für  die  Ablagerungen  der  stehenden 
Gewässer  hat  man  die  schwedische  Bezeichnung  „Gyttje"  eingeführt. 

In  stehenden  Gewässern  mit  schwimmender  Flora  (Potamogetonarten,  Algen,  Moose, 
Seerosen  u.  s.  w.)  findet  sich  reiches  Tierleben,   welches  für  seine  Nahrung  zunächst 


Organismen  und  organische  Reste  des  Bodens.     §  39.  155 

anf  die  AVasserpflanzen  angewiesen  ist.  Die  Ausscheidungen  der  Tiere  werden  von 
Bakterien  weiter  verarbeitet  und  in  feinfaserige,  graue  Massen  umgewandelt,  diesen 
mischen  sich  die  Reste  der  absterbenden  Organismen  (Crustazeenpanzer ,  Diatomeen- 
schalen u.  8.  w.),  sowie  zugeführtes  anorganisches  Material  und  chemische  Abscheidungen 
(kohlensaurer  Kalk,  Eisenoxyd)  bei.  Es  entstehen  so  grau  bis  braun  gelUrbte,  sehr 
voluminöse  Ablagerungen,  die  an  der  Luft  zu  festen  oft  fast  holzartigen  Stücken  ein- 
trocknen, oder  beim  Ueberwiegen  des  Kalkes  „Seekreide"  bilden  können.  Es  entsteht 
so  der  Seeschlamm  oder  Teichschlamm  „Gyttje".  Der  Gehalt  an  organischen,  humosen 
Stoifen  ist  nicht  hoch  (15— SO^/o). 

Bei  üeberschwemmungen  der  Flüsse  wird  viel  anorganisches  Material  zugeführt, 
zugleich  aber  entwickelt  sich  ein  reiches  Pflanzen-  (Algen-)  und  Tierleben  auf  den  über- 
schwemmten Flächen  und  dieses  ist  wohl  die  Hauptursache,  dass  die  Flusstrtibe  in 
lockerer,  flockiger  Form  zur  Ablagerung  kommt  (Flussschlamm,  Flussschlick). 
Der  Gehalt  dieser  Bildung  an  organischen  Stoffen  ist  ungemein  wechselnd,  unter  Um- 
standen sehr  gering. 

Moor.  In  stehenden  Gewässern  und  an  Flussrändern  siedeln  sich,  zumal  wenn 
die  Wassertiefe  nicht  zu  gross  ist.  Pflanzen  an,  welche  mit  ihren  Wurzeln  unter  Was- 
ser bleiben,  ihre  vegetativen  Teile  aber  über  den  Wasserspiegel  erheben  (Schilf,  Scir- 
pusarten,  Thypha,  Sparganium,  Butomus  und  viele  andere).  Diese  Vegetation  bildet 
reichliche  Mengen  organischer  Substanz,  viel  mehr  als  die  schwimmenden  Pflanzen ;  sie 
lässt  aber  noch  durch  den  lichten  Stand  ihrer  Stengel  Raum  genug  für  Wassertiere, 
die  in  den  Horsten  jener  Pflanzen  Schutz  und  hohe  Wassertemperatur  finden.  Das 
Tierleben  ist  ungemein  reich,  die  pflanzlichen  Reste  werden  nach  allen  Richtungen 
durchnagt  und  zerfressen  und  es  bilden  sich  Ablagerungen  organischer  Massen,  welche 
mit  unbewaffnetem  Auge  gleichartig  erscheinen  und  pflanzliche  Struktur  nicht  mehr 
erkennen  lassen :  Moor  oder  Moorboden. 

Torf.  Am  Rand  wenig  tiefer  Gewässer  oder  wenn  Moorablagerungen  allmäh- 
lich bis  in  massigen  Abstand  (Va — IV2  m)  von  der  Oberfläche  gelangt  sind,  wird  eine 
Vegetation  herrschend,  welche  in  dichtem  geschlossenem  Bestände  wächst; 
es  sind  ganz  überwiegend  Cyperaceen,  namentlich  Carex  und  Scirpusarten.  Vielfach 
findet  sich  noch  Schilf,  Moose  u.  dergl.  Zwischen  den  einzelnen  Pflanzen  bleibt  wenig 
oder  kein  Raum  zur  Entwicklung  des  Tierlebens.  Die  absterbenden  Reste  werden  wenig 
zernagt  und  bilden  humose  Ablagerungen  mit  deutlich  erkennbarer  Pflanzenstruktur: 
Torf. 

Erreicht  allmählich  die  Torfablagerung  die  Oberfläche  ^es  Wassers,  so  können 
sich  anspruchsvollere  Wiesengräser  einfinden ;  die  ursprüngliche  W^asserfläche  ist  in  eine 
Moor  wiese  umgewandelt. 

So  entstandene  Moore  bezeichnet  man  als  Flachmoore,  Grünlandsmoore, 
Wiesenmoore.  Sie  bilden  sich  in  miner alstoffreichem,  nament- 
lich kalkhaltigem  Wasser. 

Zeitweise  überschwemmte  Moore  behalten  dauernd  den  Charakter  der  Flachmoore; 
andere  können,  zumal  durch  regelmässige  Entnahme  des  Heus  und  noch  mehr  durch 
langsam  fortschreitende  Auslaugung  der  oberen  Bodenschichten  durch  Schnee  und  Regen- 
wässer an  Nährstoffen  verarmen,  sie  bilden  sog.  „saure"  Wiesen,  auf  denen  Cypera- 
ceen und  Moose  die  Hauptflora  sind.  Allmählich  siedeln  sich  Pflanzen  an,  welche  im 
Kampfe  mit  den  anderen  Arten  nur  dort  ihr  Gedeihen  finden,  wo  sie  infolge  ihrer  An- 
spruchslosigkeit von  jenen  nicht  bedrängt  werden  oder  durch  besondere  Organisation 
auf  saurem,  nährstoffarmem  Boden  gedeihen  können;  dahin  gehören  namentlich  Woll- 
gräser, Molinia  coernlea,  Torfmoose.    Aus  dem  Flacbmoor  ist  einsog.  „Uebergangs- 


156  II.  Ramann.  Forstliche  Standortslehre. 

m 0 0 r"  entstanden ,    welches  man  als  Flach moor  mit  beginnender  Hoch- 
moorbildang  bezeichnen  kann. 

Sind  diese  Pflanzen  erst  einmal  aufgetreten,  so  ergreifen  sie  immer  weitere 
Strecken,  überziehen  allmählich  die  ganze  Fläche  und  bilden  eine  herrschende  sehr 
charakteristische  Vegetation;  aus  dem  Flachmoor  ist  ein  Hochmoor  entstanden. 

Die  Bezeichnung  Flachmoor  hängt  damit  zusammen,  dass  ihr  Vorkommen  dem  frühe- 
ren Wasserspiegel  entspricht  und  sie  in  der  Regel  in  der  Mitte  oder  doch  an  den  tiefsten 
Stellen  am  feuchtesten  sind.  Die  Pflanzen  der  Hochmoore  nehmen  Wasser  in  grossen 
Mengen  auf,  sind  z.  T.,  dies  gilt  namentlich  von  den  Moosen,  besonders  den  Sphagneen 
eines  fast  unbegrenzten  Spitzenwachstums  fähig.  In  der  Mitte  der  Moorfläche  tinden 
sie  zumeist  die  günstigsten  Bedingungen  ihres  Gedeihens  und  bilden  dort  allmählich 
eine  Erhöhung,  daher  der  Name  Hochmoor. 

Die  Vegetation  der  Hochmoore  ist  eine  sehr  charakteristische;  ausser  den  zahl- 
reichen Formen  der  Sphagneen  finden  sich  noch  Eriophorum  vaginatum,  Scirpus  caespi- 
tosus,  Calluna  vulgaris,  welche  torfbildend  auftreten ;  daneben  andere  Arten,  wie  Andro- 
meda  polifolia,  Vaccinium  oxycoccos,  Drosera  u.  s.  w. 

Das  Wasser  der  Hochmoore  hat  saure  Reaktion  und  ist  immer  an  gelösten  Salzen 
sehr  arm,  namentlich  arm  an  Kalk  Verbindungen. 

Zwischen  den  humosen  Ablagerungen  des  trockenen  Bodens  und  den  unter  Wasser 
gebildeten  bestehen  Beziehungen,  die  sich  in  analogen  Reihen  zum  Ausdruck  bringen 
lassen : 

Auf  dem  Trocknen     unter  Walser 

a)  Lockere,  mehr  oder   weniger  gekrümmelte  Schlammablage- 
Schichten  von  Gemischen   organischer  und  anorgani-           Mullböden         rungen,    Gyttje  und 
scher   Bestandteile.     In    der  Bildung   von  Bakterien  Flussschlamm 
und  Tieren  stark  beeinflusst: 

b)  Erdartige  bis  faserige,    nur  selten  erkenn- 
bare Pflanzenreste  enthaltende  humose  Ablagerungen 

a)  mit  massigem  Einfluss  des  Tierlebens  Rohhumus 

b)  mit  starkem  Einfluss  des  Tierlebens  Moor 

c)  Humose    Massen    mit   erkennbaren    pflanz-  Manche    Rohhumus-  Torf  der 
liehen  Resten,  bei  geringer  Einwirkung  des  Tierlebens  formen  (Trockentorf    Grünlandsmoore 
gebildet.                                                                                    nach  Müller) 

übergehend  in 

lockere,  faserige  Massen  wenig  zersetzter  Reste 
bestimmter  Pflanzenarten  (Moose,  Wollgras,  Heide)  Hochmoortorf  Hochmoortorf. 

§40.  9.  Zusat^.  Grundzüge  der  Moorkultur.  Die  grosse  Ausdeh- 
nung der  Moorflächen  (Preussen  5,27o,  Bayern  0,9^0,  Oldenburg  18,67o  der  Bodenfläche), 
welche  z.  T.  nur  sehr  geringe  Erträge  geben,  hat  in  neuerer  Zeit  zur  Ausarbeitung 
von  Methoden  der  Melioration  geführt,  welche  die  „Moorkultur"  zu  einem  der  ertrag- 
reichsten und  aussichtsvollsten  Fortschritte  der  Landwirtschaft  machen. 

Die  nächste  Frage  für  Besserung  der  Moore  ist  eine  angemessene  Haltung  des 
Wasserstandes.  Alle  Hochmoore  haben  im  Naturzustand  hohen  Wasserstand;  es  ist 
dies  eine  Voraussetzung  ihrer  Entstehung  und  Erhaltung.  Für  viele  Flachmoore  gilt 
das  gleiche ;  zahlreiche  andere  haben  jedoch  in  der  kalten  Jahreszeit  Ueberfluss,  in  der 
warmen  Jahreszeit  Mangel  an  Wasser,  wenigstens  in  den  oberen  Bodenschichten.  Hier- 
durch wird  die  Pflanzendecke  stark  beeinflusst  und  namentlich  die  letztgenannten  Moore 
zeichnen  sich  im  Winter  durch  Nässe,  im  Sommer  durch  Trocknis  aus,  so  dass  ihre 
Erträge  sehr  gering  sind.  Auf  solchen  Flächen  schädigt  die  W^interfeuchtigkeit  die 
wertvolleren  Wiesenpflanzen,  während  die  Trocknis  im  Sommer  das  Wachstum  echter 
Moorpflanzen  verhindert.    Oft  genügt  dann  eine  Regulierung  des  Wasserstandes  und 


Organismen  nnd  organische  Reste  des  Bodens.     §  39.  157 

massige  Düngang,   ertraglose  Flächen  in  gute  Wiesen  umzuwandeln. 

Die  Entwässerung  der  Moore  erfolgt  in  der  Regel  durch  offene  Gräben, 
seltener  durch  Drainage.  Gräben  vermindern  die  nutzbare  Fläche  erheblich  (um  8  bis 
10**/o  im  Durchschnitt),  erschweren  die  Arbeit,  sind  jedoch  billig,  durchlüften  den 
Boden  gut  und  geben  ohne  weiteres  eine  Uebersicht  des  Wasserstandes. 

Die  Entfernung  der  Gräben  muss  nach  der  Tiefe  und  Beschaffenheit  des  Moores 
in  Tiefe  und  Abstand  wechseln.  Je  lockerer,  faseriger  der  Boden  ist  und  je  mehr  er 
noch  den  Charakter  organisierter  Plianzensubstanz  trägt,  um  so  höher  ist  die  Wasser- 
kapazität und  um  so  näher  müssen  die  Entwässerungsgräben  gezogen  werden.  Je  zer- 
setzter, erdartiger  der  Moorboden  ist,  um  so  weiter  von  einander  können  die  Gräben 
liefen.  In  Grünlandsmooren  wird  man  selten  unter  einen  Abstand  der  Gräben  von 
20  m  herabzugehen  brauchen,  wird  in  der  Regel  mit  25  m  auskommen  und  kann  bei 
kleineren,  weniger  tiefen  Mooren,  in  denen  die  Gräben  in  den  Mineralboden  einschnei- 
den, auf  30  m  und  mehr  gehen.  Im  Hochmoor  ist  stärkere  Entwässerung  notwendig. 
Abstand  der  Gräben  von  15—20  m  wird  in  der  Regel  genügen,  unter  Umständen  muss 
jedoch  auf  geringere  Entfernung  herabgegangen  werden. 

Die  Tiefe  der  Gräben  ist  von  der  Beschaffenheit  des  Moorbodens,  von  der  Kultur- 
methode und  von  der  beabsichtigten  Nutzung  abhängig.  Zugleich  ist  zu  berücksich- 
tigen, dass  die  Moorschichten  nach  Entwässerung  zusammensinken,  sich  sacken, 
und  dies  um  so  mehr,  je  tiefer  und  je  lockerer  das  Moor  ist. 

Benutzung  als  Wiese  erlaubt  geringere  Entwässerung  als  der  Anbau  von  Feld- 
früchten (in  der  Regel  soll  der  Wasserstand  nicht  erheblich  unter  V2  m  betragen); 
Sanddeckkultur  verlangt  stärkere  Entwässerung  (1 — 1^/2  m). 

Drainage  bietet  Schwierigkeiten  bei  geringem  Gefälle  der  Vorflut ;  die  Röhren 
müssen  fest  gelegt  (Kiesschichten,  Thon-  und  Rasenplaggen,  auch  Bretter  als  Unter- 
lage) werden,  da  sie  beim  sacken  des  Moores  leicht  aus  der  ursprünglichen  Lage  kom- 
men. Die  Röhren  sind  ziemlich  weit  zu  wählen  und  tunlichst  unter  Wasser  ausmünden 
zu  lassen,  um  Verstopfen  durch  ausgeschiedene  Eisenverbindungen  zu  vermeiden. 

Bei  allen  Entwässerungen  sollen  die  Hauptgräben  in  der  Richtung  des  stärksten 
Gefälles  liegen  und  nach  Möglichkeit  die  tiefsten  Stellen  des  Moores  durchschneiden. 
Die  Nebengräben  münden  senkrecht  auf  die  Hauptgräben.  Bei  den  meisten  Mooren 
kann  man  die  Gräben  senkrecht  einschneiden  und  braucht  sie  nicht  oder  nur  massig 
abzuböschen. 

Untersuchung  der  Moorsubstanz.  Ist  die  Möglichkeit  der  Entwäs- 
serung der  Moorfläche  ein  Urteil  gewonnen,  so  ist  es  notwendig,  die  Untersuchung  des 
Moorbodens  auszuführen ;  zu  berücksichtigen  sind :  Pflanzendecke,  chemische  Zusammen- 
setzung und  physikalische  Eigenschaften. 

Pflanzendecke.  Bei  Hochmoor  fällt  die  Bestimmung  der  Pflanzendecke 
wenig  ins  Gewicht ;  der  Bestand  ist  meist  sehr  einheitlich.  Bei  Flachmooren  hat  man 
um  so  mehr  Rücksicht  darauf  zu  nehmen.  Zumeist  herrschen  Cyperazeen  vor,  vielfach 
finden  sich  Moosarten;  dazwischen  aber  fehlen  vielfach  kleine  kümmerliche  Pflanzen 
besserer  Gräser  und  Wiesenkräuter,  selbst  Klee  nicht.  Sind  die  letzteren  Arten  reich- 
lich vertreten,  so  bedarf  es  für  Wiesenkultur  nur  der  Entwässerung  und  Düngung, 
sowie  einer  schwachen  Einsaat  besserer  Gräser  und  Leguminosen.  Gründliches  Eggen 
ist  ein  wesentliches  Hilfsmittel,  rasche  Entwicklung  der  Grasnarbe  zu  fördern  und  na- 
mentlich Moose  zu  zerstören.  Vielfach  gehen  so  behandelte  Moore  in  ihrem  Ertrage 
zunächst  zurück.  Die  alte  Vegetation  der  sauren  Gräser  findet  nicht  mehr  die  Be- 
dingungen ihres  Gedeihens;  die  besseren  Wiesenpflanzen  sind  noch  nicht  genügend 
erstarkt;  in  der  Regel  wird  erst  im  dritten  Jahre  der  volle  Ertrag  erreicht. 


158  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Die  chemische  und  physikalische  Untersuchung  ist  die  einzige 
Methode,  um  einen  sicheren  Einblick  in  die  Zusammensetzung  und  die  Eigenschaften 
des  Moores  zu  erhalten. 

Der  Gehalt  an  Pflanzennäh rstofTen  schwankt  in  Flachmooren  sehr  erheblich;  sie 
sind  reicher  an  Mineralstoffen,  an  Kalk  und  an  Stickstoff  als  die  Hochmoore;  in  der 
Kegel  arm  an  Phosphorsäure,  immer  arm  an  Kali.  Im  Durchschnitt  vieler  Analysen 
giebt  Fleischer  an: 

Kali  Kalk         Phosphorsäure        Mineralstoffe        Stickstoff 

Hochmoor      0,03«/o       0,25«/o  0,050/o  2,0«/o  0,8^0 

Flachmoor     0,10ö/o       4,00«/o  0,25^0  10,0»/o  2,5^0 

Die  physikalische  Beschaffenheit  des  Moorbodens  ist  um  so  günstiger,  je  erdarti- 
ger, zersetzter  der  Boden  ist.  Zu  berücksichtigen  ist  die  Lockerheit  der  Lagerang; 
hierdurch  ist  in  den  oberen  den  Pflanzen  zugänglichen  Schichten  nur  eine  relativ  ge- 
ringe Stoffmenge  vorhanden. 

Die  Sanddeckkultur  (Moordammkultur,  Rimpau'sche  Moorkultur)  beruht 
darauf,  dass  man  die  Oberfläche  der  Moore  mit  einer  Schicht  Sand  überfuhrt.  Am 
günstigsten  wirken  grobkörnige  Sande ;  man  wird  aber  zumeist  an  das  vorhandene  Ma- 
terial gebunden  sein  und  kann  bei  genügender  Entwässerung  selbst  schwach  lehmige 
Sande  verwenden. 

Die  Sanddecke  bietet  den  Pflanzen  einen  festen  Standort,  schützt  gegen  Frost- 
gefahr und  Ausfrieren;  anter  ihr  erreicht  der  Boden  rascher  höhere  Wännegrade  und 
behält  gleichmässige  hohe  Feuchtigkeit.  Diese  Kulturmethode  verlangt  daher  stärkere 
Entwässerung  (1 — IV2  m)  und  gut  zersetztes  Moor. 

Für  die  Sanddecke  genügt  bei  Wiesenanlagen  6 — 8  cm  Mächtigkeit,  für  Acker- 
früchte 12 — 14  cm.  Beim  Ackern  ist  darauf  zu  achten,  dass  nicht  Moorsubstanz  aus 
dem  Untergrunde  beigemischt  wird,  da  die  Wirkung  der  Sanddecke  um  so  besser  ist, 
je  mehr  die  physikalische  Beschaffenheit  von  der  des  Untergrundes  abweicht. 

Bei  Benutzung  des  Sandes  aus  dem  Untergrund  des  Moores  ist  darauf  Rücksicht 
zu  nehmen,  dass  nicht  selten  Ausscheidungen  von  Eisenkies  (FeS,)  vorkommen,  der  an 
der  Luft  in  Eisensulfat  und  freie  Schwefelsäure  ven^ittert.  Man  schützt  sich  gegen 
diese  Gefahr  am  besten,  wenn  man  Sand  aus  benachbarten  Höhen  entnimmt;  ist  dies 
nicht  angänglich,  so  entnehme  man  an  möglichst  vielen  Stellen  Sandproben,  bringe  sie 
in  Blumentöpfe  und  säe  rasch  wachsende  Pflanzen  (Hafer,  Kresse)  an  und  beobachte 
deren  Entwicklung ;  ist  Eisenkies  vorhanden,  so  werden  die  Blätter  der  Pflanzen  gelb- 
fleckig. 

An  Düngung  bedürfen  die  Grünlandsmoore  Zufuhr  von  Kali  und  Phosphorsäare ; 
sie  sind  daher  typische  Böden  für  reine  Mineraldüngung,  die  man  im  Herbst  oder  zeitig 
im  Frühjahr  ausführt.  Kainit,  40^/o  Kalisalz  und  Thomasschlacke  sind  die  wichtigsten 
Düngemittel.  Als  durchschnittliche  Düngung  gilt  8  Doppelzentner  Kainit  und  4  Dop- 
pelzentner Thomasschlacke  für  den  Hektar. 

Ansaat  der  Moor  wiesen  beschleunigt  die  Entwicklung  guter  Wiesen- 
pflanzen und  ist  daher  empfehlenswert.  Man  säe  aber  nur  wertvolle  Arten  in  Mischnng 
an,  namentlich  (die  Zahlen  je  für  1  Hektar;  bei  vorhandenen  guten  Arten  weniger) 
Thimothee  (24  kg),  italienisches  Reygras  (4  kg),  Wiesenschwengel  (2  kg),  schwedischer 
Klee  (10  kg),  Weissklee  (8  kg),  Sumpfs chotenklee  (2  kg). 

Die  Kultur  der  Hochmoore  ist  von  grosser  Bedeutung  infolge  der  vor- 
handenen grossen,  meist  ertraglosen  Flächen.     Hierfür  kommt  in  Frage: 

Brandkultur,  eine  sehr  alte  Methode,  die  auf  der  Ausnutzung  der  obersten, 
überwiegend   aus  Heideresten  bestehenden  Bodenschicht  (Schollerde,  Bunkerde)  beruht, 


Organismen  nnd  organische  Reste  des  Bodens.     §  41.  159 

die  im  Laufe  von  einigen  Jahren  (5 — 8)  abgebrannt  wird  und  das  Moor  auf  lange  Zeit 
ertraglos  znrücklässt.    Die  Brandkultur  ist  reiner  Raubbau. 

Die  finnische  Methode.  Brandkultur  unter  Aufbringen  massiger  Thon- 
und  Lehmmengen.  Ohne  Düngung  lässt  die  Wirksamkeit  nach  einigen  Jahren  nach. 
Gute  Methode  zui*  Vorbereitung  der  Moore. 

Die  Bremer  Methode.  Aufbringen  von  Seeschlick  mit  und  ohne  Brand- 
kultur.   Düngung.    Ist  an  die  Möglichkeit  des  Bezuges  des  Seeschlicks  gebunden. 

Die  holländische  Veenkultur  beruht  auf  der  Benutzung  städtischer 
Düngestoffe  (Fäkaldünger  und  Strassenabfall).  Es  findet  zumeist  die  Ausnutzung  der 
tieferen  Moorschichten  als  Brenntorf  statt  und  der  Abraum  wird  dann  zurückgeworfen 
(Leegmoore).  Mischen  mit  Sand  und  reichliche  Düngung  haben  ausgezeichnete  Erfolge 
gegeben.  Die  holländische  Veenkultur  ist  an  schiffbare  Kanäle,  Städte  in  nicht  zu 
grossem  Abstand  gebunden. 

Melioration  durch  Entwässern  und  Mineraldüngung  ist  das 
einzige  auf  entlegeneren  Mooren  anwendbare  Verfahren.  Es  müssen  reichliche  Mengen 
aller  wichtigen  Pflanzennährstoffe  gegeben  werden.  Kalk  (meist  Mergel),  Kali  (als  40®/o 
Kalisalz  mit  sehr  gutem  Erfolg),  Phosphorsäure  (als  Thomasmehl  oder  gepulverte, 
kohlensauren  Kalk  enthaltende  Rohphosphate),  Stickstoff  (als  Ammoniaksalz  oder  besser 
Chilisalpeter). 

Holzanbau  auf  Mooren.  Gelegentlich,  aber  immerhin  selten  finden  sich 
alte  Bestände  auf  Moorboden,  auch  auf  Hochmoorboden.  Trotzdem  ist  vom  Waldanbau 
abzuraten;  am  günstigsten  ist  Niederwald  (namentlich  Hasel).  Hochwald  gedeiht  in 
der  Regel  nur,  wenn  die  Wurzeln  den  Mineralboden  erreichen  können.  Zahlreiche  Ver- 
suche haben  meist  üppiges  Wachstum  in  den  jüngeren  Jahren,  Stocken  im  höheren 
Alter  ergeben.  Auf  Hochmoor  würde  schwache  Düngung  und  namentlich  dauernde 
Ueberwachung  der  Abzugsgräben  die  Voraussetzung  guter  Erfolge  sein. 


YIL  Eigenschaften  der  Böden. 

1.  Die  ehemlsehe  und  mineralogrisehe  Zusammensetzung  der  Böden. 

§  41.  Alle  Böden  mit  Ausnahme  der  Moorböden  enthalten  in  ihrer  Hauptmasse  Mine- 
ralbestandteile, zumeist  wiegen  Quarz  und  Silikate  vor,  von  anderen  Stoffen  ist  die  Menge 
des  kohlensauren  Kalkes  von  Bedeutung.  Der  Humus  beeinflusst  die  physikalischen 
Bodeneigenschaften,  wirkt  aber  als  Humussäure  auch  vielfach  chemisch  ein. 

Zur  Untersuchung  der  Bestandteile  bedient  man  sich  der  mineralogischen  und  der 
chemischen  Analyse. 

Vorhandene  Steine  werden  nach  ihrer  petrographischen  Zugehörigkeit  bestimmt, 
die  Sandkörner  tunlichst  unterschieden.  Gehalt  an  noch  erkennbaren  Mineral  teilen 
(Feldspat,  Hornblende  u.  s.  w.)  ist  zu  berücksichtigen.  Je  nach  dem  Gehalt  an  noch 
verwitterbaren  Mineralien  hat  man  nachschaffende  (Silikate  aller  Art)  und  nicht- 
uachschaffende  (überwiegend  verwitterte  Bestandteile,  Quarz)  Böden  unterschieden. 

Die  Kenntnis  des  ürsprungsgesteins  und  dessen  geologischer  Zugehörigkeit  ist 
wichtig,  da  oft  Ablagerungen  derselben  Zone  in  weiter  Erstreckung  einheitlichen  Cha- 
rakter zeigen. 

Die  chemische  Bodenanalyse  kann  gegenwärtig  nur  im  beschränkten 
Massstabe  den  Gehalt  an  aufnehmbaren  Bestandteilen  im  Boden  feststellen ;  sie  hat  je- 
doch für  Waldböden  bei   den   langen  Umtriebszeiten  und   dem  Fehlen  der  Düngung 


160  II.  Ramann,  Porstliche  Standortslehre. 

grössere  Wichtigkeit  als  für  Ackerböden,  bei  denen  es  zunächst  auf  die  im  Laufe  eines 
oder  einiger  Jahre  aufnehmbaren  Bestandteile  ankommt. 

Die  gebräuchlichen  Methoden,  Ausziehen  des  Bodens  mit  Säuren  verschiedener 
Konzentration  (zumeist  heisse  10®/o  Salzsäure,  bez.  bei  Moorböden  die  Untersuchung 
des  Aschenrückstandes),  geben  für  Moorböden  fast  stets,  bei  Sandböden  in  den  meisten 
Fällen  einen  Massstab  des  Ertrages;  bei  schwereren  Bodenarten  tritt  der  chemische 
Gehalt  an  Bedeutung  hinter  die  physikalischen  Bodeneigenschaften  zurück. 

Die  Analyse  der  Waldböden  erstreckt  sich  am  richtigsten  auf  alle  unter  1  mm 
grosse  Bestandteile.  In  unseren  Böden  entspricht  bei  gleicher  geognostischer 
Abstammung  in  der  Regel  der  Gehalt  an  Nährstoifen  den  an  feinkörnigen  unter 
0,1  mm  grossen  Bestandteilen. 

Die  Probenahme  führt  man  in  der  Weise  aus,  dass  zunächst  die  Oberfläche 
des  Bodens  von  allen  Pflanzen  und  zufälligen  Auflagerungen  gereinigt  und  dann  ein 
genügend  tiefes  Loch  gegraben  wird.  Bei  Verwitterungsböden  muss  dies  möglichst  bis 
zum  festen  anstehenden  Grundgestein  (von  dem  ebenfalls  Proben  zu  entnehmen  sind) 
geschehen;  bei  angeschwemmten  Böden  bis  zum  Grundwasser,  oder  wenn  dies  nicht 
erreicht  werden  kann,  bis  1,5  oder  2  m  Tiefe.  In  Schwemmlandsböden  sollte  man  nicht 
versäumen,  mit  Hilfe  eines  Handbohrers  vom  Boden  des  Loches  aus  den  Untergrund 
noch  auf  weitere  ein  bis  zwei  Meter  zu  untersuchen.  Die  Seitenfläche  des  Einschlags 
wird  gerade  abgestochen  und  mit  dem  Grabscheid  gleichmässige  vertikale  Abstiche  ge- 
macht.    Der  Boden  wird  dann  auf  einem  Tuche  gemischt  und  von  Wurzelresten  befreit. 

Grössere  Steine  werden  ausgelesen,  ihre  Menge  annähernd  festgestellt  und  die 
Art  des  Gesteins  bestimmt. 

Der  Gehalt  an  humosen  Stoffen  wird  genau  nur  durch  Verbrennungsanalyse  ge- 
funden. Kohlenstoff  wird  dabei  in  Kohlensäure,  Wasserstoff  in  Wasser  übergeführt, 
aufgefangen  und  gewogen.  Die  früher  gebräuchlichen  Methoden,  die  organische  Sub- 
stanz mit  oxydierenden  Mitteln  (meist  Chrorasäure)  zu  behandeln,  ergeben  ungenaue 
Resultate.  Aus  der  gefundenen  Kohlensäure  berechnet  man  den  Humus  unt«r  der  An- 
nahme, dass  er  durchschnittlich  64®/o  Kohlenstoff  enthält. 

Bei  reinen  Sandböden  ist  der  Glühverlust  dem  Humusgehalte  gleich;  es  genügt 
dessen  Bestimmung.  In  thonhaltigen  Böden  ist  dies  aber  unzulässig,  da  diese  reichlich 
chemisch  gebundenes  Wasser  enthalten,  welches  beim  Erhitzen  entweicht. 

Die  Bestimmung  des  Stickstoffs  erfolgte  durch  Verbrennen  mit  Natronkalk,  wo- 
bei Ammoniak  gebildet  wird.  Gegenwärtig  ist  die  rascher  ausführbare  und  genauere 
Methode  von  Kjeldal  (bei  der  hoch  konzentrierte  Schwefelsäure  unter  Erhitzen  einwirkt 
und  den  Stickstoff  unter  Zerstörung  aller  organischen  Substanz  in  Ammoniak  überführt), 
wohl  allgemein  angenommen. 

Auf  Gegenwart  von  kohlensaurem  Kalk  prüft  man  durch  Uebergiessen  mit  ver- 
dünnter Salzsäure,  wobei  die  Kohlensäure  unter  Aufbrausen  entweicht. 

Von  Wichtigkeit  ist  femer  der  Gehalt  an  wasserhaltigen,  durch  Salzsäure  zer- 
setzbaren Silikaten  und  die  Bestimmung  der  hierbei  frei  werdenden,  in  kohlensauren 
Alkalien  löslichen  Kieselsäure.  Diese  „aufschliessbaren  Silikate"  sind  die  Träger  der 
Absorption  des  Bodens. 

In  der  Regel  werden  die  gefundenen  Gehalte  der  verschiedenen  Stoffe  so  ange- 
geben, dass  Stickstoff  (N)  und  Humus  als  solche,  die  Säuren  und  Basen  als  Anhydride 
(nach  der  alten  chemischen  Auffassung,  Kali  als  Kj,0,  Kalk  als  CaO,  Magnesia  als 
MgO,  Eisen  als  Oxyd  FCgOg  und  als  Oxydul  FeO,  Schwefelsäure  als  SO,,  Phosphor- 
säure als  PgOj.)  aufgezählt  werden. 

Für  landwirtschaftliche  und  auch  forstliche  Zwecke  bietet  ferner  eine  jetzt  viel- 


Eigenschaften  der  Böden.     §  42. 


161 


2)  Sulphate: 

3)  Karbonate: 


fach  in  Anwendung  gekommene  Darstellungsweise,  welche  von  Knop  angegeben  worden 
ist,  grosse  Vorteile  und  lässt  Armut  oder  Reichtum  an  wichtigen  Stoffen  scharf  her- 
vortreten. 

Knop  führt  die  Bestandteile  des  Bodens  in  folgender  Reihe  auf: 

l)  Glühverlnste:  l^^""''  ^'^^'^''^  ^^**"'''*^'')- 
^  ( Humus. 

Gips. 

i  kohlensaurer  Kalk. 
^  kohlensaure  Magnesia. 
Quarz  und  Kieselsäure. 
Sesquioxyde  (Eisenoxyd,  Thonerde). 

Monoxyde  (Kali,  Natron ;  Kalk  und  Magnesia,  soweit  an  Kiesel- 
säure gebunden). 
^  aufgeschlossene  Silikatbasen.   (Basen  der  vorhandenen  Zeolithe.) 
Im  folgenden  sind  ein  paar  von  Knop  ausgeführte  Analysen  in  den  beiden  Dar- 
stellungsformen  neben   einander  gestellt.    Die  Analysen  beziehen  sich  auf  Feinerden 
eines  Verwitterungsbodens  von  rotem  Gneiss  (Knop,   Ackererde  und  Kulturpflanzen 
S.  48  u.  50;  Leipzig  1883). 

3.  1. 

79.08  1)  Wasser  1.33 

14.33        Humus  2.33 

2.33  2)  Sulfate  — 

0.42  3)  Karbonate  — 


4)  Silikate: 


Kieselsäure  = 
Thonerde  = 
Eisenoxyd  =i 
Kalk  = 

Magnesia  i=: 
Kali  = 

Natron  =: 

Wasser  = 
Piamus  = 

Aufgeschlossene 
Silikatbasen  = 


1. 
77.25 
15.28 
1.12 
0.05 
0.004 
4.85 
1.25 
1.33 
2.33 


2. 

79.00 
12.97 
2.34 
0.38 
O.Ol 
3.06 
2.22 
1.88 
10.00 


3.90       6.90 


Quarz  u.  Kieselsäure  77.25 
Sesquioxyde  16.40 

CaO     —  0.05 
Monoxyde     MgO    =  0.004 
K,0     =:  4.85 
Na,0    =  1.25 
7.50  5)  Aufgeschlossene  Silikatbasen      3.90 


O.Ol 
2.94 
0.94 

1.85  4)  Silikate 
10.07 


2. 

3. 

1.88 

1.85 

10.00 

10.07 

79.00 

79.08 

15.31 

16.66 

0.38 

0.42 

O.Ol 

O.Ol 

3.06 

2.94 

2.22 

0.94 

6.90 

7.50 

2.  Physikalisehe  Eigensehaften  der  Böden.    Bodenphysik. 

§42.  a)  Mechanische  Bodenanalyse.  Die  Kenntnis  der  physikalischen 
Eigenschaften  der  Böden  ist  namentlich  von  S  c  h  ü  b  1  e  r  und  E.  W  o  1 1  n  y  gefördert 
worden. 

Es  hat  sich  ergeben,  dass  viele  der  wichtigsten  Bodeneigentiimlichkeiten  sich  auf 
einige  wenige  Grundlagen  zurückführen  lassen,  auf  Korngrösse  und  Lagerung  der  Bo- 
denteile. Die  chemische  Zusammensetzung  gibt  aber  vielfach  einen  Anhalt  für  die 
physikalischen  Eigenschaften  und  beeinflusst  einzelne  derselben,  namentlich  die  Krüme- 
lung  vorzugsweise.  Es  ist  daher  ungerechtfertigt,  Bodenchemie  und  Bodenphysik  in 
eine  Art  Gegensatz  zu  bringen,  sie  stehen  gleichwertig  neben  einander; 
wenn  auch  nicht  verkannt  werden  darf,  dass  die  physikalischen  Eigenschaften  der  Bö- 
den nicht  oder  nur  schwierig  von  Menschenhand  beeinflusst  werden  können  und  daher 
die  dauernde  Grundlage  des  Bodens  bilden. 

Die  mechanische  Bodenanalyse  (Schljlmmanalyse)  beschäftigt 
sich  mit  der  Bestimmung  der  Korngrössen  des  Bodens. 

Bei  Ausführung  werden  die  gröberen  Gemengteile  durch  Siebe,  event.  unter  Be- 
nützung von  Wasserspülung  abgetrennt. 

Alle  über  1  mm  grossen  Bestandteile  bezeichnet  man  als  Bodenskelett  und 
unterscheidet  femer  grössere  Steine  und  grobe  organische  Reste  (Wurzelstücke). 
Alle  unter  1  mm  grossen  Bodenteile  werden  als  Feinerde  zusammengefasst.  Durch  Siebe 

Handbuch  d.  Foratw.    2.  Aufl.     I.  11 


162  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

kann  man  sie  noch  weiter  trennen.  Die  feinsten  Bestandteile  (abschlämmbare  Teile) 
zerlegt  man  weiter  dorch  die  Schlämmanalyse.  Zur  Vornahme  derselben  sind 
sehr  zahlreiche  Apparate  konstruiert  worden.  Alle  lassen  sich  in  zwei  Gruppen  ein- 
teilen, in  solche,  welche  sich  gründen 

auf  den  Auftrieb  fliessenden  Wassers  (Nobel,  Schöne,  Osbom  u.  and.), 

auf  den  Fall  der  Körner  im  Wasser  (Schübler,  Kühn,  Schlössing). 

Früher  wurde  fast  ausschliesslich  nach  Methoden  der  ersten  Abteilung  gearbeitet. 
Grössere  Verbreitung  fand  der  Nöbelsche  Apparat ;  jetzt  wird  zumeist  der  nach  Schöne 
in  einer  seiner  mannigfaltigen  Abänderungen  benutzt.  Alle  diese  Apparate  leiden  unter 
dem  Fehler,  dass  der  aufsteigende  Wasserstrom  seitliche  Strömungen  hervorruft,  welche 
zur  Flockung  der  Thonteile  führen  und  so  Fehler  in  die  Bestimmung  bringen.  Es  sind 
verschiedene  Methoden  angegeben  worden,  um  dies  zu  vermeiden.  Am  wichtigsten  ist, 
dass  der  untere  konische  Teil  des  Apparates  möglichst  kurz,  der  obere  cylindrische 
lang  genommen  wird. 

Der  Schönische  Apparat  besteht  aus  einem  langen  cylindrischen,  unten  konischen 
Tiichter,  auf  dem  sich  ein  doppelt  durchbohrter  Stöpsel  befindet,  der  in  der  einen  OefF- 
nung  eine  graduierte  Glasröhre,  im  zweiten  ein  Ausflussrohr  trägt.  Je  nach  der  Stärke 
des  von  unten  eintretenden  W^asserstroms  werden  Kömer  verschiedener  Grösse  fort- 
geführt. Es  ist  leicht  ersichtlich,  dass  man  den  Boden  hierdurch  in  eine  beliebige  Zahl 
verschiedener  Korngrössen  zerlegen  kann. 

Von  Apparaten  der  zweiten  Gruppe  kommen  die  nach  Kühn  und 
Schlüssing  immer  mehr  in  Anwendung.  Für  weitaus  die  meisten  Untersuchungen  ge- 
nügen sie  vollständig  und  ermöglichen  ein  rasches  Arbeiten. 

Nach  Kühn  wird  je  50  gr  des  gründlich  durch  Kochen  zerkleinerten  Bodens  in 
ein  40  cm  hohes  und  10  cm  weites  cylindrisches  Glasgefäss  gebracht,  tüchtig  umge- 
rührt und  zuerst  nach  10,  dann  nach  je  5  Minuten  die  über  dem  Bodensatz  stehende 
Flüssigkeit  abgehebert  und  die  Operation  wiederholt,  bis  die  Fiüssigkeitssäule  klar  ge- 
worden ist.    Hierbei  werden  alle  Bodenteile  unter  0,1  mm  Durchmesser  abgeschlämmt. 

Die  Methode  von  Schlössing  trennt  die  allerfeinsten  Bestandteile  ab.  Hierzu 
wird  der  Boden  (5 — 10  gr)  mit  dem  Finger  sehr  fein  zerrieben,  mit  wenig  verdünnter 
Salzsäure  und  dann  mit  Ammoniak  oder  Kalihydrat  behandelt  und  die  trübe  Flüssig- 
keit nach  je  12 — 24  Stunden  abgehebert. 

Beim  Abschlämmen  erhält  man  nicht  Kömer  genau  gleicher  Grösse,  sondern  solche, 
welche  gleich  rasch  im  Wasser  niederfallen.  Die  Geschwindigkeit  des  Falles  wird  durch 
spezifisches  Gewicht  und  Gestalt  beeinflusst,  man  spricht  daher  von  Bodenbestandteilen 
gleichen  hydraulischen  Wertes.  Unterhalb  einer  gewissen  Korngrösse ,  etwa 
0.002  mm  ist  der  Fall  sehr  verlangsamt  oder  die  Bestandteile  bleiben  im  reinen  Was- 
ser dauernd  schweben.  Man  kann  Thonwässer  jahrzehntelang  aufbewahren ,  ohne 
dass  sie  zum  Absetzen  kommen.  Die  Ursache  dieses  Verhaltens  bemht  auf  eigentüm- 
lichen Eigenschaften  des  reinen  Wassers.  Fügt  man  jedoch  Salzlösungen  hinzu,  so 
erfolgt  rasch  Bildung  von  Flocken  und  Absetzen  des  Thones  (vgl.  Krümelung  des  Bodens). 

Der  Gehalt  an  diesen  feinsten  Bestandteilen  im  Boden  ist  für  dessen  Eigenschaften 
ausserordentlich  wichtig. 

§  43.  b)  Der  Bau  (Struktur)  des  Bodens.  Die  mechanische  Analyse 
behandelte  die  Zerlegung  des  Bodens  in  einzelne  Korngrössen.  In  welcher  Weise  sich 
jedoch  diese  zusammenlagem ,  ist  noch  ein  Gegenstand  der  besonderen  Betrachtung. 
Vielfach  sind  Versuche  ausgeführt,  um  auf  theoretischem  (mathematischem)  Wege  die 
möglichen  Arten  der  Zusammenlagerung  festzustellen.  Es  ist  so  möglich  geworden, 
gewisse  Grenzwei*te  kennen  zu  lernen,   innerhalb   welcher  die  AnfüUung  eines  Raum- 


Eigenschaften  der  Böden.     §  44.  163 

teiles  Boden  durch  feste  Bestandteile  möglich  ist,  Spekulationen,  die  Bedeutung  für  die 
Bodenkunde  haben,  da  viele  der  wichtigsten  physikalischen  Eigenschaften  der  Boden- 
arten durch  die  Art  und  Weise  der  Lagerung  bedingt  oder  wenigstens  im  hohen  Grade 
beeinflusst  werden. 

Bei  solchen  Betrachtungen  geht  man  zunächst  von  der  denkbar  einfachsten  An- 
nahme aus,  dass  alle  Bodenbestandteile  kugelförmig  und  von  gleicher  Grösse  sind. 

Man  unterscheidet  dann  eine  lockerste  und  eine  dichteste  Lagerung 
der  Teile. 

a)  Die  lockerste  Lagerung  ist  vorhanden,  wenn  man  sich  die  Bodenkügel- 
chen  senkrecht  auf  einander  gestellt  denkt.  Es  sind  dann  52,36^0  des  Raumes  von 
fester  Substanz  erfüllt,  während  die  lufterfüllten  Räume,  als  Porenvolumen  bezeich- 
net, 47,64*^/0  ausmachen. 

ß)  Die  dichteste  Lagerung  tritt  ein,  wenn  die  Teile  je  in  den  Zwischen- 
räumen der  tiefer  liegenden  Kugeln  ruhen.  Das  Poren  volumen  werde  dann  25,95^/o 
de«  Gesamtvolumens  betragen. 

In  den  Fällen  a  und  ß  ist  die  RaumerftiUung  durch  Substanzen  von  der  Grösse 
der  einzelnen  Kugeln  unabhängig. 

y)  Sind  Bodenteile  verschiedener  Grösse  vorhanden,  so  können  sich 
kleinere  Partikel  in  die  Zwischenräume  der  grösseren  einlagern  und  hierdurch  das 
Porenvolumen  herabdrücken. 

ö)  Einzelkorn-  und  Krümelstruktur.  Die  bisherigen  Betrachtungen 
nehmen  an,  dass  die  Bodenteilchen  frei  neben  einander  lagern.  Es 
ist  dies  ein  Zustand,  den  man  als  Einzelkornstruktur  bezeichnet  hat. 

Li  fast  allen  in  der  Natur  vorhandenen  Bodenarten  zeigt  sich  jedoch,  dass  diese 
Voraussetzung  nicht  oder  wenigstens  nicht  voll  erfüllt  ist.  In  der  Regel  lagern 
sich  Bodenteilchen  zusammen  und  bilden  Aggregate:  Krümel; 
es  kann  das  nur  an  einzelnen  Stellen  geschehen  oder  den  Boden  ganz  oder  doch  in 
seiner  überwiegenden  Masse  betreffen;  von  solchen  Bodenarten  sagt  man,  sie  haben 
Krümelstruktur. 

Ist  Krümelung  vorhanden,  so  werden  zugleich  die  physikalischen  Bodeneigen- 
schaften, zumal  Wasserführung,  Erwärmbarkeit,  Durchlüftung  beeinflussst,  das  Eindringen 
der  Wurzeln  erleichtert,  und  durch  alle  diese  Wirkungen  wird  die  Entwicklung  der 
Pflanzen  in  so  hohem  Grade  günstig  beeinflusst,  dass  derselbe  Boden  in  Einzelkorn-  und  - 
in  Krümelstruktur  verschiedenen  Ertragklassen  angehören  kann.  Alle  fruchtbaren 
Wald-  und  Feldböden  zeigen  Krümelstruktur. 

§  44.  c)  Die  Ursachen  der  Krümelung  der  Böden  sind  sehr  ver- 
schiedener Art,  die  wichtigsten  sind :  Gegenwart  löslicher  Salze,  namentlich  Kalksalze, 
Tätigkeit  der  Tierwelt,  Durchwurzelung  der  Böden,  physikalische  Vorgänge  und  me- 
chanische Bearbeitung  der  Böden. 

Die  Grösse  der  Bodenteile  wirkt  bei  der  Krümelung  mit,  Sandböden  zeigen  sie 
am  ausgesprochensten,  wenn  humose  Stoffe  beigemischt  sind.  Die  sich  zersetzenden 
Pflanzenreste  lagern  Sandkörner  zwischen  sich  ein  und  bilden  so  Krümel  von  lockerem 
Zusammenhalt.  Am  günstigsten  verhalten  sich  Bodenarten,  die  aus  Sand,  Humus  und 
abschlämmbaren  Teilen  gemischt  sind.  Thonböden  krümeln  sich  nur  schwierig  und  ihre 
Kriimel  zerfallen  leicht.  Saure  reagierende  Humusböden  sind  in  der  Regel  dicht  ge- 
lagert, während  neutrale  und  nährstoffreiche  Humusböden  meist  gut  gekrümelt  sind. 

Wirkung  löslicher  Salze.  Von  löslichen  Salzen  freie  Thonteile  bleiben 
m  reinem  Wasser  lange  auf  geschlämmt ;  man  kann  Flaschen  mit  solchem  „Thon- 
wasser"  jahrelang  aufbewahren,   ohne  dass  Absetzen  der  Mineralstoffe  erfolgt.    Unter 

11* 


164  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

dem  Mikroskop  erkennt  man,  dass  die  Bodenteile  in  schwingender,  zitternder  Bewegung, 
sogenannter  „Molekularbewegang'^  oder  „pedetischer  Bewegung*  sind. 
Zusatz  von  Nichtleitern  der  Elektrizität  \\irkt  nicht  ein;  dagegen  veranlassen  alle 
Elektrolj'ten  Aufhören  der  Molekularbewegung  und  Absatz  der  suspendierten  festen 
Teile,  die  niederfallen,  sich  zu  „Flocken"  zusammenlagern,  und  dadurch  Krümel  bilden. 

Die  verschiedenen  Salze  wirken  sehr  verschieden  stark  ein,  und  jedes  Salz  bleibt 
unterhalb  einer  gewissen  Konzentration  unwirksam.  (Die  Stärke  der  Salzlösungen  muss 
einen  „Schwellenwert"  übersteigen.)  Kaustische,  kohlensaure  und  phosphorsaure  Alka- 
lien sind  von  geringer  Einwirkung;  Kalk  und  Magnesiasalze  wirken  am  kräftigsten 
ein ;  namentlich  scheint  kohlensaurer  Kalk  wirksam  zu  sein,  auch  der  Kohlensäure  (wie 
allen  Mineralsäuren)  kommt  starke  flockende  Wirkung  zu.  Fester  Thon  mit  V/o  Aetz- 
kalk  versetzt  wird  zerreiblich  und  locker  gelagert. 

Die  Gegenwart  löslicher  Salze  ist  daher  wirksam  bei  der  Krümelung  der  Boden, 
für  die  Erhaltung  der  Krümel  sind  lösliche  Salze  die  wichtigste 
Bedingung.  Gut  gedüngte  Böden  erreichen  daher  die  „Gahre"  viel  leichter  und 
erhalten  sie  dauernder  als  Böden  im  schlechten  Düngerzustand. 

Einwirkung  der  Tierwelt.  Alle  im  Boden  lebenden  wühlenden  und 
grabenden  Tiere  fördern  die  Krümelung  (Seite  146).  Besondere  Bedeutung  misst  man 
den  Regenwürmem  zu,  welche  mit  ihrer  Nahrung  viel  Erde  verschlingen  und  sie  in 
gekrümeltem  Zustande  in  ihren  Exkrementen  absetzen.  An  Orten,  wo  viele  Regen- 
würmer vorkommen  (Wiesen,  feuchte  Niederungen),  besteht  oft  ein  sehr  grosser  Teil 
des  Bodens  aus  Exkrementen  der  Regenwürmer. 

Einwirkung  der  Pflanzenwurzeln  fördert  die  Lockerung  des  Bodens 
und  die  Krümelbildung.  Beim  Absterben  erleiden  die  Pflanzen  wurzeln  während  der 
Verwesung  zahlreiche  Volumveränderungen,  welche  der  Krümelung  günstig  sind. 

Physikalische  Wirkungen  in  den  Böden  machen  sich  bei  Volumänder- 
ungen infolge  wechselnden  Wassergehaltes  geltend;  am  wirksamsten  ist  der  Frost;  beim 
Gefrieren  werden  infolge  der  Volum vergrösserung  die  Bodenteile  auseinander  gedrängt 
und  hierdurch  bei  grobkörnigen  Böden,  wenigstens  bei  armen  Sandböden  leicht  eine  Zer- 
störung der  Krümel  herbeigeführt,  bei  Thonböden  jedoch  deren  Bildung  wesentlich  ge- 
fördert, wobei  vielleicht  ungleichmässige  Verteilung  des  Wassers  im  Boden  oder  noch 
mehr  die  Anordnung  der  Eiskrystalle  nach  bestimmten  Richtungen  wirksam  werden. 

Bodenbearbeitung  steigert  die  Krümelung  der  Böden. 

Zerstörung  der  Bodenkrümel.  Die  Bodenkrümel  werden  nur  durch 
schwache  Kräfte  zusammengehalten  und  zerfallen  unter  ungünstigen  Verhältnissen.  Als 
besonders  wirksam  sind  dabei  aufzuführen: 

Wirkung  des  Regens.  Der  Regen  zerstört  infolge  der  lebendigen  Kraft 
der  fallenden  Tropfen  die  Bodenkrümel.  Auf  Flächen,  welche  nicht  während  des  ganzen 
Jahres  gegen  diese  Einwirkung  geschützt  sind,  wie  dies  im  landwirtschaftlichen  Be- 
triebe die  Regel  ist,  vermindert  sich  im  Laufe  der  Vegetationszeit  die  Krümelung.  Im 
Walde  macht  sich  die  schädigende  Wirkung  des  fallenden  W^assers  überall  geltend,  wo  der 
Boden  blossgelegt  wird ;  daher  sind  alle  Böden,  auf  denen  übertriebene  Streuentnahme 
erfolgt,  dicht  gelagert.  Im  Laubwalde,  zumal  unter  Buchen,  sind  die  Stellen  des  Bo- 
dens, welche  durch  von  den  Aesten  abtropfenden  Regen  („Traufe")  getroffen  werden, 
immer  verdichtet. 

Auslaugen  der  löslichen  Salze  vermindert  die  Krümelung  unter  Um- 
ständen sehr  stark.  Alle  Bodenarten  unter  sauer  reagierenden  Humusschichten  (Roh- 
humus) sind  dicht  gelagert;  auch  auf  streuberechten  Böden  macht  sich  diese  Wirkung 
stark  geltend.     Schlecht  gedüngte  Ackerböden  büssen  auch  bei  regelmässiger  Bearbeitung 


Eigenschaften  der  Böden.     §  46.  165 

ihre  Erümelnng  mehr  oder  weniger  ein.  Versuchsfelder,  auf  denen  man  jahrzehntelang 
ohne  Düngung  Getreide  gebaut  hat,  zeigten  diese  physikalische  Verschlechterung  des 
Bodens,  trotz  reichlicher  Bodenbearbeitung  sehr  deutlich. 

Bodenbearbeitung  kann  die  Krümelung  der  Böden  sehr  stark  gefährden, 
wenn  sie  zur  ungünstigen  Zeit,  namentlich  bei  zu  hohem  Wassergehalt  unternommen 
wird ;  wenn  schwere  Regen  auf  die  frisch  gepflügte  Fläche  niedergehen  („Dichtschläm- 
men" oder  „Verschlammen*'  des  Bodens);  oder  wenn  die  Bodenbearbeitung  den  oberen 
gekrümelten  Boden  mit  zu  viel  dicht  gelagertem  Untergrund  mischt.  Namentlich  im 
Walde  ist  die  letzte  Wirkung  zu  fürchten.  Bei  schweren  Bodenarten  kann  oft  grosser 
Schaden  verursacht  werden,  wenn  die  Regel  nicht  beachtet  wird,  mit  der  Bodenbear- 
beitung nicht  erheblich  tiefer  zu  gehen  als  die  gekrümelte  Schicht  reicht. 

§  45.  d)  Die  Lagerung  „gewachsener"  Böden.  Bezeichnet  man  die 
dnrch  Menschenhand  nicht  veränderten  und  bearbeiteten  Böden  als  „gewachsene"  Boden- 
arten, so  ist  die  Kenntnis  ihrer  Lagerung  zumal  für  den  Forstmann  wichtig.  Bei  der  Unter- 
suchung entnimmt  man  ein  bestimmtes  Volumen  Boden,  bestimmt  die  Menge  des  Wassers, 
der  organischen  Bestandteile,  der  Mineralteile,  das  spezifische  Gewicht  des  Bodens  und 
hat  so  alle  Daten,  um  daraus  das  Volumen  der  festen  Bestandteile  festzustellen.  Um 
einen  sicheren  Ausgangspunkt  zu  erhalten,  berechnet  man  zunächst  alles  auf  trocknem 
Boden,  muss  aber  auch  den  durchschnittlichen  Gehalt  an  Wasser  berücksichtigen,  wenn 
man  nicht  zu  irrtümlichen  Schlüssen  gelangen  will. 

Dichteste  Lagerung  der  Böden  findet  man  nur  unter  Wasserbedeckung,  wo  zumal 
Sandböden  sehr  dicht  geschlämmt  sind.  Alle  Waldböden  zeigen  nahe  Beziehungen 
zwischen  Ertrag  und  Lockerheit  der  Lagerung,  jedoch  ist  die  Zahl  der  Bestimmungen 
noch  zu  gering,  um  allgemeine  Regeln  ableiten  zu  können. 

Li  guten  Böden  ist  die  oberste  Schicht  am  lockersten  und  die  Dichtigkeit  der 
Lagerung  nimmt  nach  der  Tiefe  zu.  Liegt  die  lockerste  Schicht  nicht  an  der  Ober- 
fläche, sondern  in  massiger  Tiefe,  so  kann  man  immer  ungünstige  Beeinflussungen  an- 
nehmen. 

Märkische  Sandböden  ergeben  für  die  Oberflächenschicht  bis  11  cm  folgende  Be- 
ziehungen : 

sehr  dicht  gelagerte  Böden  unter  50®/o  Porenvolumen 
dicht  gelagerte  „         50 — 55  „ 

locker  gelagerte  „         55 — 60  „ 

sehr  locker  gelagerte        „        über  60  „ 

Die  sehr  dicht  gelagerten  Böden  entsprechen  der  IV.  und  V.  Ertragsklasse  für 
Kiefer,  die  dicht  gelagerten  der  III.  Ertragklasse,  die  lockeren  und  sehr  lockeren  der 
IL  und  I.  Ertragklasse.    Von  ausserordentlichem  Einfluss   zeigte  sich  die  Bodendecke. 

Lehmböden  erreichten  dieselbe  Lockerung  wie  manche  Sandböden,  waren  aber 
nie  so  dicht  gelagert  wie  die  ungünstigeren  Sandböden. 

§  46.  e)  Volumgewicht  (spezifisches  Gewicht)  der  Böden  und 
Bodenbestandteile.  Das  Volumgewicht  der  Bodenbestandteile 
hat  nur  geringe  Bedeutung;  seine  Kenntnis  ist  aber  zur  Berechnung  einzelner  physi- 
kalischer Eigenschaften  notwendig.  Im  allgemeinen  bewegen  sich  die  Zahlen  für  die 
wichtigsten  Mineralarten  zwischen  2,5  und  3  (Quarz  2,6,  Feldspat  2,5 — 2,8,  kohlen- 
saurer Kalk  2,7,  Thon  2,5) ;  höheres  spezifisches  Gewicht  haben  Hornblende  (2,9 — 3,4), 
Auglt  (3,2 — 3,5)  und  die  Eisen  Verbindungen,   niederes  die  Humussubstanzen  (1,4 — 1,5). 

Grösseres  Interesse  hat  das  Volumgewicht  der  Böden,  also  das  Gewicht 
eines  Bodens  verglichen  mit  einem  gleich  grossen  Gewicht  Wasser.  Man  bedarf  dieser 
Grosse  zur  Berechnung  der  Wassermengen,  Nährstoffmengen  u.  s.  w.,  welche  den  Pflanzen 


166  II.  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

zur  Verfügung  stehen,  da  die  Pflanzen  mit  ihren  Wurzeln  auf  ein  bestimmtes  Volumen 
Boden  angewiesen  sind.  In  trocknen  Br>den  ist  das  Volumgewicht  für  Quarz  am  höch- 
sten, für  Humus  am  geringsten ;  die  Thonsubstanzen  stehen  zwischen  beiden.  In  feuch- 
tem Boden  sind  die  Werte  einander  mehr  genähert. 

Die  Bezeichnung  „leichter"  und  „schwerer"  Boden  beziehen  sich  auf  die  Schwie- 
rigkeit der  Bearbeitung,  bez.  die  Widerstände,  welche  der  Boden  dem  Eindringen  der 
Werkzeuge  entgegensetzt  und  hsben  mit  dem  absoluten  Gewichte  nichts  zu  tun,  da 
beispielsweise  ein  Volumen  Sandboden  höheres  Gewicht  hat  als  ein  gleich  grosses  Vo- 
lumen des  „schwersten"  Thonbodens. 

§  47.  f)  Eohäreszenz  und  Adhäsion  der  Böden.  Als  Eohäres- 
zenz  (Bündigkeit)  des  Bodens  bezeichnet  man  die  Kraft,  mit  welcher  die  einzelnen 
Teilchen  an  einander  haften.  Ein  Mass  derselben  ist  der  Widerstand,  welchen  sie  einer 
Trennung,  sei  es  durch  Zug  (relative  Festigkeit)  oder  Druck  (absolute  Festigkeit)  oder 
dem  Eindringen  eines  keilförmigen  Körpers  (Trennungswiderstand)  entgegensetzt. 

Thon  hat  die  höchste,  Humus  die  geringste  Bündigkeit,  Quarz  und  Kalk  stehen 
zwischen  beiden.  In  Gemischen  steigt  die  Kohäreszenz  mit  höherem  Gehalt  an  Thon, 
tUllt  mit  höherem  Gehalt  an  Humus.  Wasser  wirkt  bei  Thon  entsprechend  seiner  Masse 
vermindernd,  während  Humus,  und  Quarz  bei  mittlerem  Gehalte  den  stärksten  Zusam- 
menhang zeigen.   Gekrümelte  Bodenarten  zeigen  weniger  Kohäreszenz  als  dicht  gelagerte. 

Die  Adhäsion  (Klebrigkeit)  macht  sich  bei  Bearbeitung  des  Bodens  mit  eiser- 
nen und  hölzernen  Werkzeugen  bemerkbar.  Thon  vennehrt,  Sand  und  Humus  ver- 
mindert die  Klebrigkeit;  bei  Thonboden  erreicht  sie  die  grösste  Höhe  bei  etwa  8(y*/o, 
bei  Humus  und  Sand  steigt  sie  bis  zur  vollen  W^asserkapazität. 

Kohäreszenz  und  Adhäsion  stehen  in  naher  Beziehung  zu  einander;  sie  treten 
namentlich  bei  Bearbeitung  des  Bodens  hervor,  welche  bei  mittlerem  Wassergehalt  am 
vorteilhaftesten  auszuführen  ist;  zumal  gilt  dies  für  schwere  Bodenarten,  die  bei  wenig 
Wasser  in  schweren  Schollen  umbrechen,  bei  viel  Wasser  leicht  zur  Verschlammung  führen. 

§  48.  g)  Volumänderungen  der  Böden  bei  wechselnden  Wassergehalten 
(Temperaturunterschiede  machen  sich  kaum  bemerkbar)  sind  bei  grobkörnigen  Böden 
kaum  messbar,  erreichen  aber  bei  sehr  feinkörnigen  und  namentlich  bei  humosen  Böden 
hohe  W^erte.  Bei  den  Mineralböden  steht  im  allgemeinen  die  Volumänderung  im  um- 
gekehrten Verhältnis  zur  Korngrösse,  bei  humosen  Bodenarten  wird  ausserdem  die  ge- 
latinöse Beschaffenheit  vieler  Humusstoffe  wirksam,  und  bewirkt  unter  Umständen  ein 
Schwinden  austrocknender  Torfstücke  auf  Vö — ^Z*  des  ursprünglichen  Volumens.  Die 
Volumänderungen  sind  ein  wirksames  Mittel,  die  Krümelung  der  Böden  zu  fordern, 
zumal  wenn  sie  mit  Spaltenbildung  verbunden  sind. 

Spaltenbildung.  Das  Austrocknen  der  Böden  erfolgt  bei  frei  liegenden 
Böden  nur  durch  Oberflächenverdunstung ;  hierbei  mindert  sich  das  Volumen  der  obersten 
Bodenschicht  erheblich  und  es  bilden  sich  Spalten,  die  je  nach  dem  Mass  des 
Schwindens  und  der  Bindigkeit  der  Böden  in  verschiedenem  Abstände  auftreten.  Spal- 
tenbildung kann  durch  Zerreissen  von  Wurzeln  auf  die  Pflanzen  schädigend  wirken 
und  steigert  das  Austrocknen  des  Bodens  erheblich.  Etwas  abweichend  gestalten  sich 
die  Verhältnisse  im  bestandenen  Boden;  die  Pflanzen  steigern  durch  ihren  W^asserver- 
brauch  die  Verdunstung  erheblich,  erschöpfen  dabei  aber  namentlich  tiefere  Boden- 
schichten, so  dass  die  Volumänderungen  weniger  an  der  Oberfläche  sichtbar  werden; 
es  bilden  sich  dabei  zahlreiche  kleinere  Spalten. 

§  49.  h)  Schichtung  und  Mächtigkeit  des  Bodens  üben  auf  den 
Pflanzenwuchs  den  grössten  Einfluss  aus.  Es  kommt  wohl  kaum  vor,  dass  der  Boden 
in  seiner   ganzen   den  W^urzeln  zugänglichen  Tiefe   einheitlich   zusammengesetzt  ist; 


Eigenschaften  der  Böden.     §  50.  167 

selbst  bei  mächtigen  Sandschichten  zeigen  die  obersten  Lagen  im  Hamasgehalt  and 
Dichtigkeit  Abweichungen.  Je  mehr  die  einzelnen  Bodenschichten  von  einander  ab- 
weichen, am  so  stärker  beeinflassen  sie  die  physikalischen  Eigenschaften  der  überlagern- 
den. Die  Kenntnis  des  „Bodenprofiles''  ist  daher  von  grosser  Bedeutung.  Man 
unterrichtet  sich  hierüber  durch  besondere  Einschläge,  Beobachtung  offener  Durchschnitte 
(an  Wegrändern,  Gräben  u.  s.  w.)  und  durch  Bohrungen  mittelst  Handbohrer,  sog.  Erd- 
bohrer und  Bohrstöcke. 

Der  Waldboden  zeigt  fast  überall  drei  unterscheidbare  Schichten ;  zu  oberst  eine 
mehr  oder  weniger  humose  und  gekrümelte  Schicht,  hierunter  eine  meist  dunkler  ge- 
färbte gelbe  bis  braune  (rote)  Schicht  und  darunter  den  noch  wenig  veränderten  ur- 
sprünglichen Mineralboden.  Je  nach  Gesteinsart  und  örtliche  Verhältnisse  lassen  sich 
oft  abweichende  Schichten  feststellen,  jedoch  ist  die  angegebene  Dreiteilung  in  den 
gemässigten  Gebieten  von  Mitteleuropa  herrschend.  Einheitliche  Bezeichnungen  für  diese 
Bodenschichten  sind  nicht  im  Gebrauch ;  in  der  Regel  wird  die  oberste  Lage  als  Wald- 
erde, Oberboden,  Obergrund,  Muttererde  und  werden  die  tieferen  Schich- 
ten als  Untergrund  bezeichnet. 

Landwirtschaftlich  genutzte  Böden  zeigen  deutliche  Unterschiede  zwischen  der 
regelmässig  bearbeiteten  und  gedüngten  Schicht  „Vegetationsschicht"  (Ober- 
grnnd,  Ackerkrume)  und  dem  Unter  gründe. 

Die  Mächtigkeit  des  Bodens,  d.  h.  die  Tiefe  der  für  Pflanzen  wurzeln  durch- 
dringbaren  Schicht,  ist  von  grosser  Bedeutung ;  von  ihr  ist  namentlich  die  den  Pflanzen 
zur  Verfügung  stehende  Wassermeuge  abhängig.  Wenn  möglich,  soll  daher  das  Boden- 
profil bis  zur  nächsten  für  die  Pflanzenwurzel  undurchdringbaren  Schicht  reichen.  In 
Gebieten  mit  anstehenden  Gesteinen  ist  zumeist  anstehender  Fels  die  untere  Grenze; 
im  Flachlande,  Tälern  sind  es  zumeist  Schichten  von  Thon,  Kies,  Schotter,  oft  auch 
Grundwasser,  was  ebenfalls  als  Grenzschicht  anzusehen  ist.  In  manchen  Fällen,  zumal 
in  Sandböden  ist  eine  Grenzschicht  nicht  zu  erreichen,  man  stellt  dann  die  Mächtigkeit 
bis  zu  2  m  Tiefe  (die  Grenze  handlicher  Bohrapparate)  fest. 
Man  unterscheidet  die  Böden  als: 

sehr  flachgründig,  bis    15  cm  Tiefe 
flachgründig  15—30    „ 

mittelgründig  30—60    „         „ 

tiefgründig  60—100    „ 

sehr  tiefgründig  über  100  „  „ 
§  50.  i)  Die  Farbe  des  Bodens.  Die  grosse  Anzahl  der  mineralischen 
Gemengteile  des  Bodens  sind  farblos;  die  Farbe  des  Bodens  wird  zumeist  durch  Bei- 
mengungen farbiger  Bestandteile  verursacht.  Als  solche  kommen  fast  ausschliesslich 
organische  Stoffe  und  Eisenverbindungen  vor.  Je  nach  der  Zusammensetzung  des  Bo- 
dens, zumal  je  nach  der  Komgrösse  bedarf  es  wechselnder  Mengen  der  färbenden  Be- 
standteile, um  denselben  Farbenton  hervorzubringen.  Im  nassen  Zustande  erscheinen 
die  Böden  dunkler,  oft  auch  leuchtender  gefärbt. 

Beimengung  humoser  Stoffe  verursachen  die  grauen  bis  schwarzen,  Eisen- 
verbindungen die  gelb  bis  braunen  und  roten  Färbungen  der  Böden.  Die  roten  Fär- 
bungen sind  auf  Gehalt  an  Eisenoxyd,  oft  in  coUoidaler  Form,  zurückzuführen;  sie 
herrschen  namentlich  in  wärmeren  Erdteilen  vor,  fehlen  aber  auch  gemässigten  Zonen 
nicht.  Gelbe  bis  braune  Färbungen  werden  wahrscheinlich  durch  Eisenoxydsilikate, 
seltener  durch  Gehalt  an  Eisenhydroxyd  hervorgerufen ;  es  sind  die  herrschenden  Boden- 
färbungen in  Mitteleuropa.  Sind  Eisenverbindungen  und  humose  Stoife  gleichzeitig  in 
Erbenden  Mengen  in  den  Böden  vorhanden,  so  ergeben  sich  unreine,  „schmutzige''  Farben. 


168  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Die  Farbe  des  Bodens  hat  nur  geringe  Bedeutung  für  die  Erwärmbarkeit :  sonst 
ist  sie  als  Hilfsmittel  wichtig,  Veränderungen  des  Bodens  zu  verfolgen  und  Einblick 
in  chemische  Umsetzungen  zu  erlangen. 

§  51.  k)  Boden  und  Wasser.  Die  im  Boden  vorkommenden  Stoffe  sind 
sämtlich  benetzbar;  an  der  Oberfläche  der  Bodenteile  wird  daher  Wasser  durch  Ad- 
häsion festgehalten.  Die  Entfernung  der  Bodenteile  von  einander  ist  gering,  so  da&s 
kapillar  wirkende  Hohlräume  zwischen  den  einzelnen  Partikeln  vorhanden  sind,  welche 
Wasser  festhalten  können.  Einzelne  Bodenbestandteile,  humose  und  thonige  Stoffe,  im 
weiteren  Sinne  auch  die  Bodenkrümel,  vermögen  Wasser  in  ihre  Substanz  einzulagern 
(sog.  Imbibitionswasser)  und  aufzuquellen ;  zumal  Moorböden  verdanken  ihren 
hohen  Wassergehalt  dieser  Eigentümlichkeit. 

Die  Adhäsion  wirkt  entsprechend  der  Oberfläche ;  die  Oberfläche  w  ächst  sehr 
stark  mit  Abnahme  der  Xorngrösse.  Nimmt  man  mit  Soyka  an,  dass  die  festgehaltenen 
Wasserschichten  0,005  mm  Dicke  besitzen,  so  würde  Boden  bei  lockerster  Lagerung 
festhalten 

bei  1,0    mm  Komgi'össe  0,008  Liter  Wasser 
»  0,01     „  „  0,117      „ 

.  0,01     „  „  1,757      „ 

Ist  die  Annahme  einer  Wasserschicht  von  0,005  mm  Dicke  auch  sehr  hoch,  so 
ergibt  sich  doch,  auch  wenn  man  die  Zahl  stark  kleiuert,  eine  grössere  Wasser- 
menge als  dem  Porenvolumen  entspricht,  d.  h.  der  Boden  muss  beim 
Anfeuchten  starke  Volumvermehrung  erleiden,  wie  dies  für  Thonböden  und  hu- 
mose Böden  bekannt  ist.  Die  Menge  des  durch  Adhäsion  festgehaltenen  Wassers  ge- 
nügt bereits,  um  dies  Verhalten  zu  erklären. 

Kapillarwirkungen.  Neben  dem  Wasser,  welches  durch  Adhäsion  fest- 
gehalten wird,  findet  sich  in  jedem  Boden  solches,  welches  in  kapillaren  Hohlräumen 
zurückbleibt.  Indem  die  einzelnen  Bodenbestandteile  sich  zusammenlagem ,  bilden  sie 
ein  mehr  oder  weniger  zusammenhängendes  Netz  von  Haarröhren.  Die  chemische  Zu- 
sammensetzung der  Bodenarten  beeinflusst  die  Kapillarität  nicht,  da  die  Höhe,  zu  wel- 
cher eine  Wassersäule  kapillar  gehoben  werden  kann,  nur  vom  Querschnitt  der  Oeffnung 
abhängig  ist. 

Die  Zahl  der  im  Boden  befindlichen  Kapillarräume  ist  natürlich  von  der  Kom- 
grösse  in  erster  Reihe  abhängig  (vergl.  auch  Kondensationswirkungen  d.  B.);  grob- 
körnige Bodenbestandteile  wie  Kies  und  grober  Sand  enthalten  nur  an  ihren  Berüh- 
rungsstellen einige  wenige  kapillar  wirkende  Punkte;  zu  der  durch  Adhäsion  festge- 
haltenen Flüssigkeitsmenge  tritt  nur  noch  wenig  hinzu.  Anders  bei  feinkörnigen  Bo- 
denarten, die  sich  dicht  zusammenlagern  und  eine  grosse  Zahl  von  kapillar  wirkenden 
Hohlräumen  besitzen.  Man  unterscheidet  daher  in  den  Bodenarten  die  im  Poren volum 
enthaltenen  Hohlräume  als  kapillar  wirkende  und  als  nicht  kapillar  wirkende. 

Wasserkapazität.  Jeder  Boden  ist  befähigt,  Wasser  in  seinen  Poren  auf- 
zunehmen und  längere  oder  kürzere  Zeit  festzuhalten ;  dieses  Speicherungsvermögen  für 
Wasser  bezeichnet  man  als  Wasserkapazität,  und  drückt  sie  am  besten  in  Vo- 
lumprozenten des  Bodens  aus.  Vielfach  wird  man  sich  allerdings  mit  Angabe  in  Ge- 
wichtsprozenten begnügen  müssen,  aber  es  ist  immer  erwünscht,  den  Wassergehalt  eines 
Volumen  Bodens  zu  bestimmen.  Für  Sandböden  ist  der  Unterschied  zwischen  beiden 
Arten  der  Darstellung  unerheblich,  wird  aber  bedeutend  bei  Thon-  und  namentlich  bei 
Humusböden. 

Man  unterscheidet  die  grösste  oder  volle  und  die  kleinste  oder  ab- 
solute Wasserkapazität. 


Eigenschaften  der  Böden.     §  51.  169 

Die  kleinste  oder  absolute  Wasserkapazität  ist  ein  Mass 
der  Wass  ermenge,  welche  von  einem  Boden  dauernd  festgehalten 
wird,  die  also  nicht  in  die  Tiefe  abfliessen  kann  und  den  Pflanzen  in  regenlosen  Zeiten 
znr  Verfügung  steht.  Es  ist  vielleicht  die  bedentsamste  physikalische  Eigenschaft  der 
Boden  überhaupt. 

Die  grösste  oder  volle  Wasserkapazität  ist  ein  Mass  der  Wasser- 
menge,  welche  bei  völliger  Tränkung  der  Erdsäule  aufgenommen  werden  kann.  Die 
prrosste  Wasserkapazität  fällt  vielfach  mit  dem  Porenvolumen  zusammen  und  würde 
ohne  Voluroänderungen  für  alle  feinkörnigen  Bodenarten  damit  übereinstimmen.  Die 
g^össtc  Wasserkapazität  tritt  daher  nur  in  Zeiten  ausgiebiger  Niederschläge  und  in  der 
Nähe  des  Grundwassers  in  Wirksamkeit.  Im  letzteren  Falle  wird  mehr  Was- 
ser festgehalten  als  im  grösseren  Abstände  von  der  W^asseroberfläche. 

Die  Grösse  der  Wasserkapazität  beeinflussen: 

a)  Die  Korngrösse.  Der  Einfluss  der  Komgrösse  macht  sich  am  stärksten 
bei  jenen  Bestandteilen  geltend,  die  nicht  porös  sind.    Für  Quarzkörner  fand  Wollny: 

bei  1—2  mm  Korngrösse    3,66  Vol.  ®/o 

„      0,25-0,50    „  ,  4,38     ,      „ 

„      0,11-0,17     „  „  6,03     ,      „ 

.,      0,01—0,07     „  „  35,50     „      ^ 

Einfache  Zerkleinerung  hatte  also  eine  zehnfache  Vergrösserung  der  Wasserka- 
pazität  herbeigeführt. 

ß)  Einfluss  der  Krümelung  macht  sich  durch  wesentliche  Herab- 
setzung der  Wasserkapazität  bemerkbar ;  gut  bearbeitete  Böden ,  ebenso 
lockere  Waldböden  enthalten  daher  im  Frühlinge  und  andern  Zeiten  hoher  Bodenfeuch- 
tigkeit erheblich  weniger  Wasser  als  dichtgelagerte  Bodenarten.  Ein  Verhältnis, 
welches  sich  im  Verlauf  der  Vegetationszeit  durch  den  Gang  der  Verdunstung  umkehrt. 

Die  Grösse  der  Krümel  ist  von  geringem  Einfluss  auf  die  Wasserkapazität;  so 
fand  Wollny  die  Wasserkapazität  von  Lehmboden- Krümel  von  0,5 — 9  mm  D.  zu  31,05 
bis  32,62  Vol.  ^/o;  für  denselben  Boden  in  pulverförmigem  Zustande  aber  zu  42,91  Vol.  7o. 

y)  DerEinfluss  der  lockeren  oder  dichten  Lagerung  der  Boden- 
bestandteile muss  sich  auch  auf  die  Wasserkapazität  geltend  machen.  Im  stark  ge- 
lockerten Böden  sind  eine  grössere  Anzahl  von  Hohlräumen  nicht  kapillar;  sie  ver- 
mögen also  Wasser  nicht  festzuhalten.  Durch  stärkeres  Zusammenpressen,  also  dich- 
tere Lagerung  der  Bodenteile  wird  dann  die  Wasserkapazität  gesteigert  werden. 
Natürlich  gilt  dies  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade;  wird  dieser  überschritten,  so 
wird  die  Grösse  der  Hohlräume  beeinträchtigt  und  damit  die  Menge  des  aufnehmbaren 
Wassers  beschränkt.  Jede  Bodenart  hat  demnach  ein  Optimum  der  Wasserkapazität, 
jedes  dichtere  Zusammenlagern  oder  jede  fernere  Lockerung  >^ärd  dieselbe  herabsetzen. 
Einige  Versuche  von  Wollny  zeigen  dies;  er  fand  eine  W.  K.  für: 

huraosen  Kalksand  (locker)  48,12  Vol.  ®/o 

„  ^        (mitteldicht)      50,68     „      „ 

.,         (sehr  dicht)       44,36     „      ., 

Die  grössere  Anzahl  der  regelmässig  bearbeiteten  Kulturböden  beflndet  sich  im 
Znstand  einer  sehr  lockeren  Lagerung,  durch  Zusammenpressen  wird  die  Wasserkapa- 
zität gesteigert.  Die  Praxis  macht  hiervon  Gebrauch,  indem  durch  Walzen  etc.  die 
oberste  Bodenschicht  gedichtet  wird. 

S)  Steine  im  Boden  setzen  infolge  der  Verringerung  der  kapillar  wirkenden 
Hohlräume  die  Wasserkapazität  herab;  nach  den  vorliegenden  Versuchen  jedoch  im 
minderen  Masse,  als  der  Volumerfüllung  der  Steine  entspricht. 


170  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 


e)  Znr  Bestimmung  der  Wasserkapazität  hat  man  verschiedene  Me- 
thoden angegeben ;  die  beste  derselben  von  Wollny.  Man  füllt  eine  10  cm  weite  Glasrohre 
von  1  m  Länge,  deren  oberstes  Dezimeter  abnehmbar  ist,  unter  Aufstampfen  mit  Erde, 
sättigt  den  Boden  durch  Aufgiessen  mit  Wasser  und  bestimmt  nach  50  Standen  die 
Wasserkapazität  im  obersten  Dezimeter  Erde.  Alle  angewandten  Methoden  sind  brauch- 
bar, um  Vergleiche  zwischen  zwei  oder  mehreren  Böden  zu  ermöglichen,  als  absolute 
Masse  können  die  erhaltenen  Zahlen  nicht  betrachtet  werden.  Sichere  Resultate  wird 
man  nur  erlangen,  wenn  man  gewachsenen  Boden  mit  Wasser  sättigt,  gegen  Ober- 
flächenverdunstung  schützt  und  den  Wassergehalt  eines  Volumen  Boden  nach  2 — 3  Tagen 
bestimmt.  Vorteilhafter  untersucht  man  den  Boden  vor  Beginn  der  Frühjahrsvegetation 
(März,  April),  nachdem  3 — 5  Tage  stärkere  Niederschläge  nicht  eingetreten  sind. 

§  52.  l)  Kapillarleitung  des  Wassers  im  Boden.  Alle  Bodenteil- 
chen sind  hier  als  benetzbar  angenommen,  wie  dies  im  wesentlichen  auch  den  Tatsachen 
entspricht,  es  ist  jedoch  darauf  hinzuweisen,  dass  in  manchen  Böden  nicht  unerhebliche 
Mengen  harziger  und  wachsartiger,  vielleicht  auch  den  Fetten  zuzurechnende  Stoffe 
vorkommen.  Namentlich  nährstoifarme  Sande  sowie  Torfböden  scheinen  daran  nicht 
arm  zu  sein.  In  wieweit  die  Benutzbarkeit  des  Bodens  durch  diese  Bestandteile  be- 
einflusst  wird,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  angeben,  wohl  aber  bestehen  Beziehungen  zum 
Wassergehalt  des  Bodens.  Bei  trocknen  Böden  tritt  die  Oberflächenspannung  des  Was- 
sers in  Wirksamkeit,  während  bei  feuchten  Böden  nur  die  durch  Reibung  verursachten 
Widerstünde  dem  Eindringen  des  Wassers  entgegenstehen.  Zumal  in  humosen  und  sehr 
feinkörnigen  Böden  tritt  diese  Wirkung  der  Austrocknung  hervor.  Chausseestaub  ist 
nach  starken  Grewitterregen  oft  nur  ganz  oberflächlich  durchfeuchtet,  und  auf  begange- 
nen Wegen  findet  man  nach  Regen  auf  humosen  Sauden  oft  kleine  Wasserlachen,  wäh- 
rend der  unterliegende  Boden  staubtrocken  ist.  Eindringen  von  Wasser,  wie  kapillare 
Wasserleitung  im  Boden,  ist  daher  in  hohem  Masse  von  der  bereits  vorhandenen  Feuch- 
tigkeit abhängig  und  wird  im  Durchschnitt  um  so  schneller  erfolgen,  je  reicher  der 
Boden  bereits  an  Wasser  ist.  Die  vorliegenden  Untersuchungen  über  kapillare  Leitung 
des  Wassers  berücksichtigen  mit  wenigen  Ausnahmen  diese  Verhältnisse  nicht  und  be- 
ziehen sich  auf  trockene  Böden. 

Die  Steighöhe  einer  Flüssigkeit  in  Kapillarröhren  ist  dem  halben  Durchmesser 
derselben  umgekehrt  proportional;  dementsprechend  wird  die  Flüssigkeit  um  so  höher 
gehoben,  je  kleiner  die  Zwischenräume,  bez.  je  feiner  die  Bodenbestandteile  sind,  üeber 
eine  gewisse  Korngrösse  hinaus  werden  die  Hohlräume  immer  grösser  und  verlieren  aUmäh- 
lich  die  Fähigkeit,  Wasser  kapillar  zu  heben.  Im  Boden  tritt  dies  bei  einer  Korn- 
grösse von  etwa  2 — 3  mm  ein.  In  einem  Grrandboden  findet  kapillare  Wasserleitung 
überhaupt  nicht  statt. 

Die  Geschwindigkeit  der  Bewegung  ist  von  der  Reibung  abhängig,  welche  die 
Wasserteile  in  den  Hohlräumen  erfahren  und  die  natürlich  mit  abnehmenden  Korn- 
grössen  stark  zunimmt.  Die  Schnelligkeit  der  Leitung  müsste  daher  in  grobkörnigem 
Material  am  grössten  sein ;  einige  Versuche  deuten  aber  darauf  hin,  dass  mittlere  Kom- 
grössen  (0,05 — 1,0  mm  D.)  am  raschesten  leiten.  In  Thon-  und  Humusböden  ist  da- 
gegen die  Verlangsamung  so  gross,  dass  die  theoretisch  sehr  grossen  Steighöhen  (bis 
100  m  und  mehr  berechnet)  praktisch  ohne  Bedeutung  sind. 

Steine  im  Boden  setzen  durch  Unterbrechung  der  Kapillarräume  die  Leitung 
herab,  aber  weniger  als  dem  Verhältnis  ihrer  Menge  entspricht. 

Von  Wichtigkeit  in  bezug  auf  kapillare  Leitungen  ist  der  Einfluss  der  Schich- 
tung. Als  Regel  gilt,  dass  feinkörnige  und  dicht  gelagerte  Schichten  den  grobkörnigen 
und  locker  gelagerten  Wasser  zu  entziehen  vermögen;  ferner,  dass  der  üebertritt  aus 


Eigenschaften  der  Böden.     §  53.  171 

einer  Schicht  in  eine  andere  um  so  mehr  erschwert  ist,  je  abweichender  deren  Kom- 
grössen  sind. 

Gekrümelte  Böden  leiten  das  Wasser  langsamer  als  pulverige,  eine  Folge  der 
vielfachen  Unterbrechung  der  kapillar  wirksamen  Hohlräume.  Man  macht  Grebrauch 
von  diesem  Verhalten  beim  Walzen  des  Bodens,  wodurch  nicht  nur  die  Wasserkapazität 
gesteigert,  sondern  auch  der  kapillare  üebertritt  des  Wassers  gefördert  wird.  Ander- 
seits beruht  das  raschere  Austrocknen  dicht  gelagerter  Bodenarten  auf  der  grösseren 
Leichtigkeit  der  Leitung  des  Wassers  aus  den  tieferen  Schichten  an  die  Oberfläche. 

Kapillares  Ansteigen  des  Wassers  im  Boden  ähnlich  wie  dies  in  Haarröhrchen 
geschieht,  erfolgt  nur  bei  höherem  Wassergehalt  und  hört  auf,  wenn  dieser  auf  40— 50**/o 
der  höchsten  W^asserkapazität  sinkt.  In  sehr  vielen,  vielleicht  den  meisten  Boden- 
arten und  während  der  Vegetationszeit  ist  dies  der  Fall.  In  solchen  Böden  bewegt 
sich  dann  das  Wasser  nur  entlang  der  Oberfläche  der  Bodenteile;  natürlich  verläuft 
dieser  Vorgang  sehr  langsam  und  sinkt  immer  mehr,  mit  abnehmendem  Wassergehalt, 
da  die  Anziehung  der  festen  Bodenpartikel  mit  Abnahme  der  Dicke  der  Wasserschichten 
steigt. 

Die  Bedeutung  der  kapillaren  Wasserhebung  in  der  Natur  ist  vielfach  überschätzt 
worden.  Am  stärksten  tritt  sie  in  Wirkung  in  der  Nähe  des  Grundwassers,  vermag 
aber  z.  B.  in  Sandböden  den  Wassergehalt  nur  auf  40 — 50  cm  Höhe  wesentlich  zu 
steigern.  Viel  wichtiger  für  Ausgleich  der  Feuchtigkeit  im  Boden  ist  die  langsame 
Bewegung  des  Wassers  an  der  Oberfläche  der  Bodenkömer  und  sind  Tauniederschläge 
im  Boden. 

§  53.  m)  Die  Durchlässigkeit  des  Bodens.  Die  Kapillarwirkungen 
regeln  das  Eindringen  und  den  Durchtritt  des  Wassers  im  Boden.  Bei  den  bisherigen 
Betrachtungen  wirkte  die  Kapillarität  dem  Gresetz  der  Schwere  entgegen.  Beim  Ein- 
dringen des  Wassers  im  Boden,  also  der  Bewegung  von  oben  nach  unten  wirken  da- 
gegen beide  Kräfte  nach  derselben  Hichtung.  Die  sich  hieraus  ergebenden  Regeln  sind 
leicht  verständlich.  Das  Eindringen  des  Wassers  wird  durch  höhere  Komgrösse,  Krü- 
melung,  Lockerung  des  Bodens  verstärkt,  durch  dichte  Lagerung  und  geringe  Kom- 
grösse vermindert. 

Der  Durchtritt  des  Wassers  wird  im  gleichen  Sinne  beeinflusst,  während  Grande, 
Sande,  gekrümelte  Bodenarten  leicht  durchlässig  sind,  vermindert  sich  dies  mit  Abnahme 
der  Komgrösse  und  Grehalt  an  colloidalen  Bestandteilen  stark,  so  dass  Thon-  und  Hu- 
musböden für  die  Praxis  als  undurchlässig  zu  bezeichnen  sind. 

Finden  sich  in  einem  Boden  Schichten  verschiedener  Zusammensetzung,  so  richtet 
sich  der  Grad  der  Durchlässigkeit  nach  der  Schicht,  welche  dem  Durchtritt  des  Was- 
sers den  grössten  Widerstand  bietet.  Thonlagen,  Streifen  eisenschüssiger  Sande,  Ort- 
stein u.  dergl.  beeinflussen  hiemach  die  Wasserverhältnisse  eines  Bodens  ausserordent- 
lich und  auch  dann,  wenn  diese  Lagen  nur  dünn  sind.  Anderseits  kann  man,  zumal 
nach  Niederschlägen,  grobkörnige,  kiesige  Bodenschichten  reich  an  Wasser  finden  (Was- 
seradern), da  der  Bewegung  des  Wassers  hier  die  geringsten  Widerstände  geboten  sind. 
Im  gewachsenen  Boden  wird  das  Eindringen  des  Wassers  sowie  dessen  Durchtritt 
noch  durch  verschiedene  andere  Faktoren  beeinflusst.  Richtungen  geringen  Widerstan- 
des in  festen  Böden  ergeben  sich  durch  die  Höhlungen  und  Röhren  der  erdbewohnenden 
Tiere,  sowie  durch  die  Wege  abgestorbener  und  verrotteter  Wurzeln.  Namentlich 
Regenwürmer  drainieren  schwere  Bodenarten  oft  mehrere  Meter  tief  und  ihre  zahlreichen 
Gänge  lassen  Wasser  rasch  in  den  Boden  eindringen. 

Die  in  unseren  Gebieten  wichtigsten  Bodenarten,  Lehm-  und  Sandböden  verhalten 
sich  endlich  wesentlich  verschieden   infolge  ihrer  Struktur.    Sandböden  werden  vom 


172  II.  Ra mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Wasser  in  ihrer  ganzen  Masse  gleichmässig  darchsnnken ;  Lehmböden  sind  dagegen  fast 
stets  porös,  von  feinen  Röhren  durchsetzt,  in  die  das  Wasser  eindringt;  von  dort 
aus  sättigen  sich  die  benachbarten  Bodenteile  kapillar. 

§  54.  n)  DieVerdnnstnng  des  Wassers  im  Boden.  Die Yerdanstang 
des  Wassers  im  Boden  ist  zunächst  von  meteorologischen  Verhältnissen  abhängig.  Nar 
mentlich  machen  sich  Temperatur,  Luftfeuchtigkeit  und  Luftbewegung  geltend ;  in  hohen 
Lagen  tritt  hierzu  noch  die  gesteigerte  Verdunstung  infolge  niederen  Luftdruckes. 

Temperatur  und  Luftfeuchtigkeit  sind  die  überall  wirkenden  Faktoren 
der  Verdunstung.  Der  beste  Massstab  der  Verdunstung  bietet  das  „Sättigungs- 
defizit", d.  h.  die  Menge  Wasser,  welche  die  Luft  noch  aufzunehmen  vermag,  aus- 
gedrückt in  mm  Quecksilberdruck.  Leider  vernachlässigen  die  meteorologischen  Ver- 
öffentlichungen diesen  Faktor  fast  gänzlich  und  so  ist  man  bei  den  Untersuchungen 
über  Verdunstung  angewiesen  auf  den  viel  weniger  durchsichtigen  Ausdruck  der  „rela- 
tiven Feuchtigkeit**,  d.  h.  der  Wassermenge,  welche  in  der  Luft  vorhanden  ist 
ausgedrückt  in  Prozenten  der  aufnehmbaren  Feuchtigkeit. 

Je  nach  dem  Verhältnis  von  Niederschlag,  Luftfeuchtigkeit  und  Temperatur  zur 
Verdunstung  ist  das  Klima  eines  Gebietes  a)  feucht  oder  humid,  wenn  die  Nieder- 
schläge die  Verdunstung  überwiegen  und  das  Sättigungsdeiizit  gering  ist;  trocken 
oder  arid,  wenn  die  Verdunstung  die  Niederschläge  überwiegt  und  das  Sättigungs- 
defizit hoch  ist.  Die  Summe  der  Niederschläge  tritt  gegenüber  diesen  Faktoren  zurück. 
(Das  Klima  kann  in  borealen  Grebieten  bei  geringen  Niederschlägen  feucht,  in  tropischen 
bei  hohen  Niederschlägen  trocken  sein). 

Die  herrschenden  Winde  sind  von  hohem  Einfluss  für  die  Verdunstung, 
welche  bei  sonst  gleichen  Verhältnissen  mit  der  Geschwindigkeit  und  Dauer  der  Luftbe- 
wegung steigt. 

Die  Verdunstung  des  Wassers  im  Boden  erfolgt  überwiegend  von  der 
Oberfläche  aus,  welche  ihre  Feuchtigkeit  an  die  Atmosphäre  abgibt;  solange  reichlich 
Wasser  im  Boden  vorhanden,  tritt  kapillare  Leitung  von  unten  nach  oben  ein.  Sinkt 
der  Gehalt  an  Wasser  unter  etwa  50®/o  der  höchsten  Wasserkapazität,  so  tritt  an 
Stelle  der  kapillaren  Wirkungen  die  Wanderung  des  Wassers  entlang  der  Oberfläche 
der  Bodenteilchen,  die  nur  langsam  erfolgen  kann  und  zumeist  von  der  Verdunstung 
überholt  wird.  Die  Oberfläche  des  Bodens  kann  so  stark  austrocknen  und  wirkt  nun 
als  schützende  Decke  für  die  unterliegenden  Schichten,  welche  weniger  erwärmt  werden 
und  namentlich  der  Wirkung  des  Windes  entzogen  sind.  Hierdurch  wird  die  Verdun- 
stung stark  herabgesetzt  und  dies  natürlich  um  so  mehr,  je  mächtiger  die  abgetrocknete 
Schicht  wird,  oder  was  dasselbe  sagen  will,  je  tiefer  die  verdunstende  Fläche  liegt. 
Unterbricht  man  den  kapillaren  Zusammenhang  zwischen  den  Bodenschichten  durch 
oberflächliche  Bodenbearbeitung  (Behacken  u.  dergl.),  so  trocknet  die  bearbeitete  Erde 
völlig  aus  und  schützt  dann  die  tieferliegenden  Schichten  vor  Verdunstung.  Ober- 
flächliche Bodenbearbeitung  ist  daher  eines  der  besten  Hilfs- 
mittel zur  Erhaltung  der  Bodenfeuchtigkeit. 

Aus  diesem  Verhalten  werden  folgende  Sätze  leicht  verständlich. 

ß)  Die  Verdunstung  steigt  mit  der  Oberfläche.  Böden  in  rauher  Furche;  Ans- 
formung  in  Dämmen,  Hügeln  u.  dergl.  steigert  die  Verdunstung. 

ß)  Böden  mit  hohem  Wassergehalt  und  starker  Kapillarleitung  verlieren  durch 
Verdunstung  mehr  Wasser  als  Böden  mit  wenig  Wasser  und  geringer  Leitung.  Böden 
gleicher  Art  und  Wassergehalt  erreichen  dabei  in  annähernd  gleicher  Zeit  den  lufttrock- 
nen Zustand. 

y)  Dicht  gelagerte  Böden  verdunsten  stärker  als  locker  gelagerte. 


Eigenschaften  der  Böden.     §  55.  173 

<f)  Krümelung  setzt  die  Verdunstung  stark  herab.  Hierauf  be- 
ruht es,  dass  gekrümelte  Böden  in  trocknen  Zeiten  mehr  Wasser  enthalten  als  dicht 
gelagerte,  obgleich  deren  Wasserkapazität  höher  ist.  Im  Frühlinge  findet  man  in  den 
letzteren  daher  fast  stets  mehr  Wasser  als  in  den  ersteren,  während  sich  dies  Verhält- 
nis in  Zeiten  der  Trocknis  umkehrt. 

()  Böden  der  verschiedensten  Art  in  völlig  wassergesättigtem  Zustande  haben 
annähernd  gleiche  Oberfläche  und  damit  annähernd  gleiche  Verdunstung.  Bei  geringe- 
rem aber  immer  noch  beträchtlichem  Wassergehalt  gilt  die  Regel,  dass  die  feuchteren 
Böden  auch  mehr  Wasser  verlieren.  Böden  in  dauernder  Berührung  mit  Grundwasser 
verdunsten  im  Laufe  der  Zeit  grosse  Wassermengen. 

5)  Die  Verdunstung  völlig  mit  Wasser  gesättigter  Böden  ist  höher  als  die  einer 
Wasserfläche,  es  wird  dies  durch  die  rauhe  und  damit  grössere  Bodenoberfläche  verur- 
sacht. Namentlich  Moorböden,  zumal  wasserreiche  Hochmoore  erleiden  sehr  grosse  Was- 
serverluste. 

17)  Der  Wassergehalt  der  Böden  wird  stark  durch  orographische  Verhältnisse  und 
durch  Bedeckung  (siehe  Bodendecke)  beeinflusst. 

Zusatz.  Tauniederschläge  im  Boden  sind  bisher  wenig  untersucht 
worden,  scheinen  jedoch  für  die  Verteilung  des  Wassers  im  Boden  grosse  Bedeutung 
zu  haben.  Soweit  Untersuchungen  bekannt  sind,  ist  die  Bodenluft  in  unseren  Gebieten 
fast  stets  mit  Wasserdampf  gesättigt.  Im  Laufe  der  Nacht  kühlen  sich  die  oberen 
Bodenschichten  ab  und  sind  kälter  als  die  tieferen.  Aufsteigende  Luft  muss  daher 
Wasser  an  die  oberen  Bodenschichten  abgeben. 

§  55.  0)  Die  Feuchtigkeits Verhältnisse  gewachsener  Böden 
bedürfen  noch  vielfacher  Untersuchungen.     Als  Regeln  dürfen  gelten: 

a)  Während  der  kalten  Jahreszeit  sättigen  sich  die  Böden  infolge  verminderter 
Verdunstung  mit  Wasser  und  enthalten  im  Frühjahr,  vor  Beginn  der  Vegetationszeit, 
durchschnittlich  soviel  Feuchtigkeit ,  als  ihrer  kleinsten  Wasserkapazität 
entspricht  (W interfeuchtigkeit).  Im  Laufe  der  Vegetationszeit  vermindert  sich 
der  Gehalt  an  Wasser  durch  direkte  Verdunstung  und  durch  den  Verbrauch  der  Pflanzen. 
Je  nach  der  Bodenart  gestalten  sich  nun  die  Verhältnisse  in  unseren  Gebieten  verschieden. 
Sandböden  haben  im  grossen  Durchschnitt  eine  Wasserkapazität  von  4 — 5  Volum- 
prozenten ;  der  Gehalt  sinkt  in  Zeiten  starker  Trocknis  auf  1 — 2^0  Wasser  in  den  von 
Wurzeln  durchzogenen  oberen  Bodenschichten.  Die  durchschnittlichen  Niederschläge 
vermögen  daher  in  Sandböden  immer  wieder  den  Boden  mit  Wasser  zu  sättigen;  bei 
ausgiebigen  Niederschlägen  sickert  sogar  noch  Wasser  in  die  Tiefe  ab.  Sandböden 
sind  daher  relativ  starken  Schwankungen  im  Feuchtigkeitsgehalt  ausgesetzt.  Die  Win- 
terfeuchtigkeit ist  für  sie  von  geringer  Bedeutung. 

Schwerere  Bodenarten,  als  deren  Typus  ein  mittlerer  Lehmboden  dienen  kann, 
haben  etwa  im  Mittel  eine  Wasserkapazität  von  15 — 20  Volumprozent  und  im  Früh- 
ling einen  entsprechenden  Wassergehalt.  Im  Laufe  der  Vegetationszeit  sinkt  dieser 
Grehalt  je  nach  den  Gebieten  oft  auf  6 — 7  Vol.  Prozent. 

Niederschläge  von  etwa  30  mm  werden  daher  ausreichen,  eine  Schicht  von  1  m 
Mächtigkeit  bei  Sandböden  völlig  wieder  mit  Wasser  zu  sättigen,  dagegen  in  Lehm- 
böden nur  die  obersten  2 — 3  Dezimeter  mit  Wasser  versorgen  können.  Die  Vegetation 
auf  schweren  Böden  ist  daher  für  ihren  Wasserbedarf  zum  grossen  Teil  auf  die  in  der 
kalten  Jahreszeit  aufgespeicherten  Vorräte  angewiesen.  Die  Winterfeuchtig- 
keit ist  daher  für  alle  schwereren  Böden  von  hoher  Wichtigkeit. 

Im  allgemeinen  vermindert  sich  der  Wassergehalt  der  Böden  im  Laufe  der  Vege- 
tationszeit stark  und  erreicht  im  September,   bez.   der  ersten  Hälfte  des  Oktober  ein 


174  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

Minimum ;  von  dort  an  steigt  der  Wassergehalt  und  entspricht  in  der  Eegel  im  Dezem- 
ber oder  Januar  bereits  der  geringsten  Wasserkapazität. 

Man  unterschätzt  leicht  die  Menge  des  im  Boden  aufgespeicherten  Wassers.  Eine 
Schicht  von  2 — 4  m  Lehmboden  oder  von  5 — 8  m  Sandboden  enthält  soviel  Feuchtig- 
keit, als  den  jährlichen  Niederschlägen  entspricht. 

§56.  p)  Sickerwasser  und  Grundwasser.  Der  von  den  Böden  nicht 
festgehaltene  Teil  der  Niederschläge  folgt  den  Gesetzen  der  Schwere  und  sickert  in 
die  Tiefe  ab  bis  zu  einer  undurchlässigen  Schicht.  Die  Tiefe,  welche  die  Wasser  hier- 
bei erreichen,  ist  je  nach  den  örtlichen  Verhältnissen  verschieden. 

Die  Menge  der  Sickerwässer  ist  zunächst  von  der  Höhe  der  Niederschläge,  dann 
von  Jahreszeit,  Bodenbedeckung  und  Bodenart  abhängig.  In  der  Regel  liefern  mit 
Pflanzen  bestandene  Böden  während  der  Vegetationszeit  keine  Sickerwässer ;  Ausnahmen 
hiervon  machen  nur  Sandböden  während  nasser  Perioden.  Die  Hauptmenge  der  Wässer 
fliessen  im  Winter  und  bei  gefrorenem  Boden  im  ersten  Frühjahr  ab. 

Grundwasser  entsteht  dadurch,  dass  die  Sickerwässer  sich  auf  undurchläs- 
sigen Schichten  im  Untergründe  ansammeln.  Sie  unterliegen  dort  in  gleicher  Weise 
wie  die  oberflächlichen  Gewässer  den  hydrostatischen  Gesetzen,  nur  dass  ihre  Bewegung 
der  Reibung  der  Bodenteile  entsprechend  verlangsamt  ist.  Das  Grundwasser  kann  so 
unterirdische  Bäche,  Ströme,  Seen  u.  s.  w.  bilden. 

Die  Grundwässer  unterliegen  jährlichen  und  in  längeren  Perioden  verlaufenden 
Schwankungen.  Im  Laufe  des  Jahres  erreichen  die  Grundwasser  ihren  höchsten  Stand 
im  Frühlinge  und  vermindern  sich  im  Laufe  der  Vegetationszeit  allmählich. 

Auf  längere  Perioden  der  Grundwasserschwankungen,  die  etwa  30  Jahre  umfassen, 
hat  Brückner  aufmerksam  gemacht. 

§  57.     q)  Das  Verhalten  des  Bodens  zur  Wärme. 

a)  Quellen  der  Wärme.  Die  Wärme  des  Bodens  entspringt  fast  ausschliess- 
lich der  Sonnenbestrahlung.  Die  Eigenwärme  der  Erde  (die  Temperatur  steigt  beim 
Eindringen  in  die  Erde  um  rund  1®  auf  30  m)  übt  nur  verschwindenden  Einfluss,  eben- 
so die  bei  Verwitterung  der  Gesteine  frei  werdende  Wärme.  Durch  Verwesung  orga- 
nischer Stoffe  kann  merkbare  Steigerung  der  Temperatur  eintreten ;  dieser  Vorgang  ist 
jedoch  von  Anhäufung  von  Pflanzenresten  abhängig,  wird  daher  nur  lokal  wirksam 
und  verläuft  überwiegend  in  der  wannen  Jahreszeit.  Messungen  der  Temperatur  auf 
stark  gedüngten  Feldern  zeigten  Temperaturzunahme  von  Mai  bis  Juli  um  etwa  einen 
halben  Grad.  Die  Gärtnerei  macht  bei  Anlage  der  Mist-  oder  Treibbeete  von  der  bei 
starker  Verwesung  frei  werdenden  Wärme  Gebrauch. 

ß)  Die  Erwärmung  des  Bodens  wird  ausser  durch  die  allgemeinen  klimatischen 
und  orographischen  Faktoren  beeinflusst  durch 

1.  die  chemische  Zusammensetzung  und  die  Wärmekapazität 
verschiedener  Körper. 

Als  Einheit  der  Messung  dient  die  Wärmemenge,  welche  erforderlich  ist,  die 
Temperatur  von  1  Vol.  Wasser  um  1^  C.  zu  erhöhen  und  die  gleich  1  gesetzt  wird. 

Da  das  Wasser  von  allen  bekannten  Körpern  die  höchste  Wärmekapazität  hat, 
so  drückt  man  die  andern  Stoffe  durch  einen  Dezimalbruch  aus.  (Hat  demnach  ein 
Körper  die  Wärmekapazität  0,5,  so  wird  die  Hälfte  der  für  Wasser  notwendigen  Wärme- 
zufuhr genügen,  um  die  gleiche  Menge  um  1®  zu  erhöhen). 

Die  Wärmekapazität  der  wichtigsten  Bodenstoffe  ist  für 

(Wasser  =  1)  Quarzsand  0,196 

Humus     =  0,477  Kalksand    0,214 

Kaolin         0,233 


Eigenschaften  der  Böden.     §  57.  175 

Den  hauptsächlichsten  Einfluss  auf  die  Erwärmbarkeit  der  Böden  übt  der  Was- 
sergehalt, demnächst  der  an  organischen  Stoffen  aus;  wasserreiche  Bodenarten  bezeich- 
net man  deshalb  als  „kalte'',  wasserarme  als  „warme''  Böden.  Richtig  ist  dies  für 
die  Zeit  des  Frühjahres,  während  im  Herbst  die  wasserreichen  Thon-  und  Moorböden 
dorchschnittlich  wärmer  sind  als  Mineralböden. 

Man  kann  die  Wärmekapazität  auf  Gewicht  und  Volumen  beziehen;  berechnet 
man  auf  Volumen,  so  gleichen  sich  die  Unterschiede  der  trockenen  Böden  erheblich  aus, 
lassen  jedoch  den  beherrschenden  Einfluss  des  Wassergehaltes  noch  mehr  hervortreten. 

2.  Einfluss  der  Farbe  der  Böden  macht  sich  darin  geltend,  dass  dunkel 
geerbte  Böden  mehr  Wärme  absorbieren  als  hellfarbige;  der  Absorption  steht  gestei- 
gerte Ausstrahlung  gegenüber,  ohne  dass  jedoch  die  Temperatur  der  geftlrbten  Böden 
unter  die  der  hellen  herabsinkt.  Für  Waldböden,  die  fast  stets  eine  Bodendecke  haben, 
ist  der  Einfluss  der  Färbung  sehr  gering;  beim  Weinbau,  in  der  G-ärtnerei  sucht  man 
gelegentlich  durch  Bedecken  mit  dunkelfarbigen  Stoffen  (Thonschiefer,  Russ)  die  Tem- 
peratur des  Bodens  zu  steigern. 

3.  Die  Wärmeleitung.  Die  Leitung  der  Wärme  im  Erdboden  wird  beein- 
flusst  durch  Zusammensetzung,  Komgrösse,  Lagerungsweise  und  zumeist  durch  den 
Wassergehalt. 

Der  Boden  ist  aufzufassen  als  Aggregat  verschiedener  Körper,  die  durch  schlecht 
leitende  Luftschichten  mehr  oder  weniger  von  einander  isoliert  sind.  Je  grösser  die 
Bodenkömer  sind  und  je  dichter  gelagert,  um  so  günstiger  für  die  Wärmeleitung.  Steine 
im  Boden  steigern  die  Wärmeleitung  erheblich,  grobkörnige  Böden  leiten  gut,  feinkör- 
nige, zumal  humose  langsam.  Den  stärksten  Einfluss  übt  der  Wassergehalt.  Indem 
die  Luft  durch  das  etwa  30  mal  besser  leitende  Wasser  verdrängt  wird,  tritt  die  spe- 
zifische Leitföhigkeit  der  Körper  mehr  hervor,  die  bei  den  Mineralteilen  des  Bodens 
nicht  erheblich  verschieden  ist  und  nur  bei  den  humosen  Stoffen  sehr  klein  zu  sein  scheint. 

Für  die  Wärmeverhältnisse  des  „gewachsenen"  Bodens  ist  die  Wärmeleitung 
wichtig,  daneben  machen  jedoch  auch  die  Wärmekapazität,  die  Bindung  der  Wärme 
durch  Verdunsten  von  Wasser  und  der  Einfluss  der  Bodendecke  sich  geltend. 

y)  Bodentemperaturen.  Schwankungen  der  Bodentemperatur  nehmen  von 
der  Oberfläche  ihren  Ausgang.  Von  hier  aus  erfolgt  der  Ausgleich  gegen  die  tieferen 
Schichten.  Da  dieser  nur  allmählich  erfolgen  kann,  ist  die  Zeit,  in  welcher  die  höchste 
bez.  niederste  Temperatur  eintreten  kann,  nach  der  Tiefe  verlangsamt ;  die  Verzögerung 
ist  für  verschiedene  Bodenarten  von  wechselnder  Grösse  und  namentlich  bei  sehr  was- 
serreichen Böden  bedeutend. 

Tägliche  Schwankungen.  Während  der  kühleren  Jahreszeit  und  bei 
fehlender  Sonnenbestrahlung  geht  die  Temperatur  der  obersten  Bodenschicht  meist  der 
Lufttemperatur  parallel,  erreicht  bei  intensiver  Bestrahlung  aber  oft  bedeutende  Höhe. 
(Auch  in  gemässigten  Klimaten  sind  an  Sommertagen  Temperaturen  von  40 — 50®  beobachtet.) 

Die  höchste  Tagestemperatur  tritt  in  der  Kegel  einige  Zeit  nach  dem  höchsten 
Sonnenstande,  die  niederste  bei  oder  kurz  vor  Sonnenaufgang  ein. 

Die  täglichen  Schwankungen  sind  an  der  Oberfläche  am  grössten,  nehmen  nach 
der  Tiefe  des  Bodens  ab  und  sind  in  unseren  Breiten  in  der  Regel  bei  1  m  Tiefe  unmerklich. 

Jährliche  Schwankungen  machen  sich  in  unserem Klimat  bis  zu  20 — 30 m 
Tiefe  geltend;  sie  erstrecken  sich  um  so  weiter,  je  grösser  die  Temperaturunterschiede 
zwischen  den  Jahreszeiten  sind.  Dieselben  Gründe,  welche  Verzögerung  der  Maximal- 
und  Minimaltemperaturen  vereinfachen,  wirken  auch  auf  die  Jahresschwankungen.  Im 
Sommer  sind  die  oberen  Bodenschichten  wärmer,  im  Winter  kälter  als  die  tieferen. 
Der  Wechsel  tritt  in  unseren  Gebieten  in  der  Regel  im  September  und  im  Mai  ein 


176  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

(Umkehr  der  Temperatur  des  Bodens). 

§58.  r)  Kondensationserscheinnngen  im  Boden.  Alle  Körper 
verdichten  Gase  an  ihrer  Oberfläche.  Im  Durchschnitt  werden  die  leicht  verflüssigharen 
Gase  (Wasserdampf,  Kohlensäure)  stärker  verdichtet  als  schwer  verflüssigbare  (Sauer- 
stoff, Stickstoff).  Die  Menge  der  absorbierten  Gase  wächst  mit  der  Oberfläche  der 
Bodenteile,  dies  gilt  vom  Wasserdampf;  femer  ist  sie  abhängig  von  chemischen  Wh*- 
kungen,  Temperatur  und  dem  Teildruck  der  einzelnen  Gase,  d.  h.  dem  Druck,  welchen 
sie  ausüben  würden,  wenn  sie  allein,  ohne  Mischung  mit  anderen  Gasen,  vorhanden 
sein  würden.  Von  den  Bodenbestandteilen  sind  bei  der  Kondensation  am  wirksamsten 
humose  Stoffe  und  Eisenoxyd. 

Wasserdampf  wird  stark  verdichtet.  Die  Menge  des  hierbei  aufgenommenen 
Wassers  ist  für  das  Pflanzenleben  ohne  direkte  Bedeutung,  da  die  Wurzeln  dem  Boden 
dieses  Wasser  nicht  entziehen  können.  Die  Menge  schwankt  in  weiten  Grenzen,  ist 
für  Sandboden  am  geringsten,  für  Humusböden  am  höchsten. 

Von  dem  verdichteten  Wasserdarapf,  der  die  Bodenteile  nur  in  der  Dicke  einer 
Molekülschicht  überzieht,  sind  Tauniederschläge  wesentlich  verschieden,  die  über- 
all eintreten  werden,  wenn  der  Sättigungspunkt  der  Luft  an  Wasserdampf  erreicht  und 
die  Temperatur  der  obersten  Bodenschicht  unter  der  durchschnittlichen  Lufttemperatur 
liegt.  Es  scheint,  dass  diese  Vorgänge  für  Umlagerung  des  Wassers  im  Boden  Be- 
deutung haben  und  in  armen  (regenarmen)  Gebieten  einen  Teil  des  Wasserbedarfs  der 
Vegetation  decken. 

Kohlensäure,  zumal  feuchte  Kohlensäure  wird  reichlich  im  Boden  verdichtets 
Eisenoxyde  nehmen  daran  viel  auf  und  können  bei  der  Verwitterung  als  Ueberträger 
der  Kohlensäure  wirken. 

Ammoniakgas  und  kohlensaures  Ammon  werden  stark  absorbiert. 

Sauerstoff  und  Stickstoff  werden  massig  stark  verdichtet ;  Stickstoff 
wird  namentlich  von  Eisenoxyden  aufgenommen. 

Die  absorbierten  Gase  werden  bei  Benetzen  mit  Wasser  nur  teilweise  verdrängt. 
Bei  zeitweiser  üeberstauung  mit  Wasser  kann  daher  der  Boden  den  Wurzeln  die  zur 
Atmung  notwendige  Menge  Sauerstoff  liefern. 

Bei  der  Absorption  der  Gase  wird  durch  deren  Verdichtung  Wärme  frei.  Man 
hat  in  neuerer  Zeit  die  Wärmetönung  als  Mass  für  die  Bodenoberfläche  benutzt. 

§  59.  s)  Durchlüftung  des  Bodens.  Die  Durchlüftbarkeit  des  Bodens 
erweist  sich  als  eine  der  wichtigsten  Eigenschaften  des  Bodens;  sie  ist  aber  schwer 
rein  zu  studieren,  da  mit  ihr  zugleich  verschiedene  andere  Faktoren  beeinflusst  werden. 

Die  Bodenluft,  d.  h.  die  Luft,  welche  sich  zwischen  den  einzelnen  Boden- 
teilen befindet,  unterscheidet  sich  in  ihrer  Zusammensetzung  von  der  atmosphärischen 
Luft  durch  fast  stets  vorhandene  Sättigung  mit  Wasserdampf  und  Eeichtum  an  Koh- 
lensäure (im  Durchschnitt  etwa  0,3^0),  oft  auch  durch  Mindergehalt  an  Sauerstoff. 
Nach  der  Tiefe  steigt  der  Kohlensäuregehalt.  Die  schädigende  Wirkung  stagnierender 
Bodenluft  auf  Pflanzenwurzeln  ist  wahrscheinlich  der  Giftwirkung  der  Kohlensäure  zu- 
zuschreiben, die  schon  bei  einem  Gehalt  von  einigen  Prozenten  hervortritt,  weniger 
direkten  Mangel  an  Sauerstoff,  der  nur  in  humosen  Bodenarten  zu  beobachten  ist. 

Zwischen  Bodenluft  und  atmosphärischer  Luft  findet  fortgesetzter  Austausch  statt. 
Wirksam  sind  dabei  die  Difl'usion  der  Gase,  Temperaturschwankungen,  wechselnder 
Luftdruck,  Eindringen  der  Niederschläge  und  die  mechanische  Einwirkung  überstreicliender 
Winde,  die  auf  die  Bodenluft  saugend  wirken. 

§  60.  3.  Schluss.  Die  Bedeutung  der  physikalischen  und  che- 
mischen Eigenschaften  der  Böden  hat  man  häufig  gegen  einander  abgewogen. 


Die  Lage  des  Bodens.     §  61.  177 

Als  Eegel  mass  gelten,  dass  beide  von  einander  abhängig  sind 
und  sich  gegenseitig  beeinflussen.  Je  nach  Bodenart  nnd  äusseren  Ver- 
hältnissen werden  bald  die  einen,  bald  die  andern  die  Bodeneigenschaften  beherrschen. 
In  Moorböden  und  Sandböden  wird  die  Ertragfähigkeit  überwiegend  durch  den  Gehalt 
an  Nährstoffen,  also  die  chemischen  Eigenschaften  beherrscht,  während  in  Lehmböden 
beide  gleiche  Bedeutung  haben,  in  den  schweren  Böden  die  physikalischen  den  Vorrang 
erlangen. 

Durch  Eingriffe  der  Menschen  können  jedoch  die  chemischen  Eigenschaften,  soweit 
sie  dem  Nährstoff  bedarf  der  Pflanzen  dienen,  relativ  leicht  und  meist  mit  ökonomischem 
Erfolg  (wenigstens  beim  Feldbau)  verbessert  werden,  während  die  physikalischen  Eigen- 
tümlichkeiten entweder  gar  nicht  oder  nur  mit  un verhältnismässigen  Unkosten  verändeil 
werden  können;  sie  erscheinen  so  als  die  bleibenden  Eigenschaften,  sind  dem  Eingriff 
der  Menschen  schwer  zugänglich  und  beherrschen  dadurch  zunächst  den  Bodenwert. 

YIII.  Die  Lage  des  Bodens. 

§  61.  E  X  p  0  s  i  t  i  0  n  ist  die  Lage  einer  Fläche  gegen  die  Himmelsrichtung.  Man 
unterscheidet  sie  nach  den  acht  Hauptrichtungen  und  spricht  von  Exposition  gegen 
Norden,  Nordosten,  Osten  u.  s.  w.,  oder  von  nördlicher,  nordöstlicher,  östlicher  u.  s.  w. 
Exposition. 

Inklination  ist  die  Neigung  einer  Fläche  gegen  die  Erdoberfläche  und  wird 
darch  den  Winkel  gemessen,  welcher  von  beiden  gebildet  wird.  In  der  Praxis  begnügt 
man  sich  mit  folgenden  Bezeichnungen  im  forstlichen  Betriebe,  die  etwas  von  den  in  der 
Landwirtschaft  gebräuchlichen  Ausdrücken  abweichen: 

forstl.  landwirtschaftl. 

0 —  5*^  eben  und  fast  eben  flach  oder  lehnig 

5 — 10^  sanft  oder  schwach  geneigt  abhängig 

10 — 20^  lehn  abschüssig 

20—30®  steil  steil 

30—45®  sehr  steil  oder  schroffer  Abhang  sehr  steil 

aber  45®  Felsabsturz  schroff. 

Exposition  wie  Inklination  sind  wichtig  für  den  Grad  der  Sonnbestrahlung,  Ein- 
fluss  der  herrschenden  Winde,  der  Envärmung  und  des  Feuchtigkeitsgehaltes  des  Bodens. 

Zur  Zeit  des  höchsten  Sonnenstandes  ist  der  Unterschied  in  der  Intensität  der 
Bestrahlung  zwischen  Süd-  und  Nordhängen  gering,  wird  jedoch  in  der  kalten  Jahres- 
zeit sehr  bedeutend.  Südhänge  erwärmen  sich  daher  im  Frühjahr  zeitiger  als  Nord- 
hänge, leiden  aber  auch  leicht  durch  Spätfröste  und  durch  Austrocknen  des  Bodens. 
In  Hochlagen  sind  Hänge  mit  südlichen  Expositionen  in  der  Regel  günstiger,  in  den 
mittleren  oder  Tieflagen  ungünstiger  als  Hänge  mit  nördlicher  Exposition. 

In  bezug  auf  Einfluss  der  Winde  sind  für  den  Wald  Gefährdung  durch  Stürme 
und  die  austrocknende  Wirkung  der  während  der  Vegetationszeit  vorherr- 
schenden Winde  besonders  wichtig.  Die  erstere  beeinflusst  die  Schlagstellung,  die  letz- 
tere veranlasst  Aushagerung  des  Bodens  und  führt  leicht  zur  Bildung  von  Rohhumus. 

Der  Einfluss  der  Exposition  tritt  am  schärfsten  hervor  in  den  Küstengebieten 
(eine  Folge  der  vom  Meer  herstreichenden  Winde)  und  im  Gebirge.  Die  Unterschiede 
im  Ertrage  und  Bestände  zwischen  südlichen  und  nördlichen  Lagen  sind  dann  sehr  gross. 

Exposition  in  südöstlicher  und  südwestlicher  Lage  erhalten  theoretisch  die  gleiche 
Summe  der  Sonnenbestrahlung.  Wenn  sich  zwischen  beiden  Unterschiede  ergeben  und 
namentlich  die  Südwestseiten  ungünstig  beeinflusst  werden,  so  beruht  es  darauf,  dass 
die  letzteren  die  Bestrahlung  am  Nachmittage,   bei  höherer  Temperatur  der  Luft  em- 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  12 


178  11.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

pfangen  und  sie  zugleich  der  Einwirkung  der  herrschenden  Westwinde  ausgesetzt  sind. 

Von  Ortslagen  unterscheidet  man  im  forstlichen  Betriebe  namentlich  noch: 

Ueberragende  Hochlage.  Einzelne  Berge  überragen  benachbarte  Gebiete. 

Geschützte  Hoch  lage.  Gebirgslagen,  die  durch  benachbartes  höheres  Ge- 
lände geschützt  sind. 

Tieflage  und  verschlossene  Tieflage,  die  letztere  in  schmalen,  zu- 
mal nach  Norden  geöffneten  Tälern  und  geschlossenen  Einsenkungen. 

Frostlagen  sind  Tieflagen,  in  denen  die  Luftbewegung  gehemmt  ist  und  die 
durch  Ausstrahlung  abgekühlter  tieferer  Luftschichten  nicht  abfliessen  können.  Be- 
sitzen sie  geringen  Umfang,  so  spricht  man  von  Frostlöchern. 

IX.  Hauptbodenarten. 

§  62.  So  mannigfaltig  die  Böden  sind,  so  lassen  sie  sich  doch  in  Gruppen  einordnen, 
welche  sich  durch  gemeinsame  Eigenschaften  auszeichnen.  Es  gilt  dies  wenigstens  fiü" 
die  Böden  bestimmter  klimatischer  Gebiete.  Bisher  sind  namentlich  die  Böden  der 
kühleren  gemässigten  Zonen  untersucht  worden. 

1.  Steinböden  setzen  sich  in  der  Hauptmasse  aus  wenig  zersetzten  Bruch- 
stücken von  Gesteinen  zusammen.  Soweit  überhaupt  mit  Vegetation  bedeckt,  sind  es 
ausschliesslich  Waldböden.     Man  unterscheidet: 

a)  Grosssteinige  Waldböden.  Zusammengehäufte  Steinblöcke.  Die  Wur- 
zeln der  Bäume  können  nur  in  die  Zwischenräume  der  Steine  eindringen,  auf  Granit 
Porphyren  u.  s.  w. 

b)  G  r  u  s  s  b  ö  d  e  n.  Aus  Gesteinsgruss ,  d.  h.  zerfallenen  eckigen  Bruchstücken 
der  anstehenden  Gebirgsart.  zusammengesetzt;  erdarm  und  trocken,  bieten  sie  zumeist 
mineralisch  schon  etwas  günstigere  Verhältnisse  als  die  grobsteinigen  Ablagerungen. 

c)  G  r  a  n  d  b  ö  d  e  n.  Ablagerungen  von  Granden,  d.  h.  durch  Bewegung  in  Wasser 
gerundeter  Geschiebemassen.  In  tieferen  Ijagen  bei  flach  anstehendem  Grundwasser 
oft  nicht  ungünstig. 

2.  Sandbodenarten;  Böden,  welche  ihren  Charakter  durch  Vorherrschen 
von  Sandkörnern  erhalten.  Nach  der  Korngrösse  unterscheidet  man  feinkörnigen, 
mittelkörnigen,  grobkörnigen  Sandboden.  Die  Hauptmenge  der  ge- 
wöhnlichen Sandböden  wird  von  Quarzkörnern  gebildet. 

Sandböden  sind  meist  tiefgründig,  oft  locker  gelagert ;  sie  haben  geringe 
Wasserkapazität,  die  Tiefe,  in  welcher  Grundwasser  ansteht,  beeinflusst  die  Vegetation 
sehr  stark ;  im  übrigen  wird  unter  gleichen  Verhältnissen  die  Produktion  auf  Sandböden 
vom  Gehalt  an  mineralischen  Nährstoffen  beherrscht. 

Sandböden  erwärmen  sich  leicht,  die  Vegetation  erwacht  deshalb  früh,  leidet  aber 
auch  vielfach  unter  Spätfrösten. 

Freistellung  führt  leicht  zur  Aushagerung  des  Bodens  (Verwesen  des  Humus  und 
Zerstörung  der  Krümelstniktur).  Die  an  Mineralstoffen  armen  Böden  leiden  vielfach 
unter  Bildung  von  Rohhumus. 

Die  Eigenschaften  der  Sandböden  werden  stark  und  im  günstigen  Sinne  durch 
Beimischung  massiger  Mengen  von  Humus  oder  Thon  beeinflusst.    Man  unterscheidet: 

a)  Hu m ose  Sandböden,  zumal  in  Wasserkapazität  und  Krümelung  viel 
günstiger  als  die  reinen  Sande.  Je  nach  der  Menge  des  vorhandenen  Humus  unter- 
scheidet man  schwach  humose,  humusreiche  Sandböden.  Schon  recht  geringe  Mengen 
an  Humus  (1 — 2^0)  verändern  den  Charakter  des  Bodens ;  bei  Gehalten  über  10%  nähern 
sich  die  Böden  bereits  in  ihren  Eigenschaften  den  Humusböden  (Moorböden). 

b)  Lehmige  Sande.  Mischungen  von  Sand  mit  abschlämmbaren  Bestandteilen. 


Hanptbodenarten.     §  62.  179 

Ist  der  Gehalt  an  Thon  sehr  gering,  so  spricht  man  von  „anlehmigem"  Sande;  bei 
2 — 5*^/o  Thon  ändert  sich  schon  der  Boden  sehr  wesentlich,  er  wird  bindig,  die  Wasser- 
kapazität steigt;  häufig  steht  der  Vorrat  an  Pflanzennährstoffen  in  enger  Beziehung 
zur  Menge  der  abschlämmbaren  Bestandteile. 

3.  Lehmböden;  Mischnngen  von  Sand  mit  Thon.  Man  unterscheidet  san- 
dige Lehmböden.  Beim  Zerdrücken  der  Böden  treten  die  Sandkörner  deutlich  in 
Erscheinung. 

Lehmböden.  Der  Sandgehalt  wird  erst  beim  Abschlämmen  bemerkbar;  der 
Boden  ist  von  mittlerer  Bindigkeit. 

Schwere  Lehmböden.  Reich  von  abschlämmbaren  Bestandteilen,  von  star- 
kem Znsammenhang  und  Bindigkeit. 

Natürlich  sind  alle  Zwischenglieder  vom  „anlehmigen"  Sande  bis  zum  „schweren" 
Lehmboden  in  der  Natur  vorhanden,  der  wieder  zu  den  Thonböden  hinüberleitet;  der- 
artige Böden  richtig  anzusprechen  lernt  man  nur  durch  häutiges  Beobachten  in  der  Natur. 

Die  Lehmböden  sind  im  Durchschnitt  die  günstigsten  Böden,  landwirtschaftlich 
zumeist  von  mittlerem  Ertrage  sind  sie  sehr  „sichere"  Böden,  die  auch  bei  wechselnden 
Witterungsverhältnissen  durchschnittliche  Ernten  liefern.  Im  Walde  sind  im  Flach- 
lande die  Lehmböden  gern  von  Laubhölzem  besetzt,  im  höheren  Gebirge  meist  mit 
Fichte  bestanden. 

Die  Wasserkapazität  der  Lehmböden  ist  von  mittlerer  Höhe ;  der  Grad  der  Krü- 
melnng  und  die  Mächtigkeit  der  gekrümelten  Schicht  sind  häufig  von  durchschlagender 
Bedeutung  für  den  Bodenwert. 

Die  Zersetzung  der  organischen  Abfallreste  erfolgt  in  mittlerer  Geschwindigkeit. 
Rohhumusbildungen  finden  sich  fast  nur  in  sehr  feuchten  und  kalten  Lagen. 

4.  Thonböden.  Bodenarten,  deren  Eigenschaften  durch  üeberwiegen  der  ab- 
schlämmbaren Best<andteile,  auch  wohl  durch  den  Gehalt  an  „colloidalen"  Thonsubstanzen 
beherrscht  werden. 

Die  Wasserkapazität  ist  sehr  hoch,  die  Erwärmbarkeit  gering;  Thonböden  sind 
daher  „kalte"  und,  da  sie  der  Bearbeitung  grosse  Schwierigkeiten  machen,  „schwere" 
Böden. 

Krümelung  tritt  langsam  ein  und  wird  leicht  zerstört,  erhöht  aber  den  Boden- 
wert sehr  stark.  Beim  Austrocknen  schwindet  das  Bodenvolumen  beträchtlich  und  es 
entstehen  oft  tiefe  den  Boden  durchsetzende  Spalten. 

Die  Zersetzung  der  organischen  Abfallreste  erfolgt  ziemlich  langsam. 

Dicht  gelagerte  Thonböden  gehören  oft  zu  den  ganz  geringwertigen  Böden  (z.  B. 
tertiäre  Thone);  landwirtschaftlich  genutzte  und  durch  Bearbeitung  und  Humusbei- 
mischnng  verbesserte  Böden  geben  oft  sehr  hohe  Erträge,  sind  aber  von  der  Witterung 
abhängig  (unsicher). 

5.  Kalkböden.  Bodenarten ,  die  aus  der  Verwitterung  von  Kalkgesteinen 
hervorgehen.  Da  hierbei  der  kohlensaure  Kalk  gelöst  und  weggeführt  wird,  so  sind 
die  entstehenden  Böden  verschieden  nach  den  Beimengungen,  welche  das  ursprüngliche 
Gestein  enthielt  und  schwanken  daher  in  Zusammensetzung  und  Bodenwert  in  weiten 
Grenzen.  Die  grosse  Zahl  der  „Kalkböden"  trägt  den  Charakter  „schwerer  Thon- 
böden", welche  durch  das  spaltenreiche  Grundgestein  stark  entwässert  werden.  Die 
Zersetzung  der  Waldabfälle  geht  auf  Kalkböden  leicht  von  statten,  bei  gutem  Humus- 
znstand sind  solche  Böden  fruchtbar  und  tragen  namentlich  wertvolle  Laubhölzer 
(Buche,  Ahorn,  Esche,  Sorbusarten).  Die  natürliche  Verjüngung  geht  bei  angemessener 
Vorsicht  leicht  von  statten. 

Unvorsichtige  Entwaldung  führt  zur  Vertrocknung  und  völliger  Unfruchtbarkeit. 

12* 


180  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

X.  Die  Bodendecke. 

§63.  Arten  der  Bodendecke.  Als  Bodendecke  ist  jede  auflagernde  und 
von  ihm  abweichende  Bedeckung  des  Bodens  zu  verstehen.  Die  Bodendecke  kann  an- 
organisch (Schnee,  Sand,  Steine  u.  s.  w.)  oder  organisch,  leblos  (Stroh,  Waldstreu 
u.  s.  w.)  sein,  oder  aus  lebenden  Pflanzen  bestehen. 

Mit  Ausnahme  von  anorganischen  Bodendecken  abweichender  physikalischer  Beschaf- 
fenheit schwächt  jede  Bodendecke  die  Extreme  der  Temperatur  ab; 
bedeckte  Böden  sind  im  Sommer  kühler,  im  Winter  wärmer  als  unbedeckte;  sie  sind 
während  der  Sonnbestrahlung  ebenfalls  kühler,  in  der  Nacht  wärmer  als  unbedeckte. 

Der  Wassergehalt  ist  in  bedeckten  Böden  bei  leblosen  Bodendecken  höher, 
bei  Pflanzendecken,  welche  ihre  Wurzeln  in  den  Boden  einsenken,  mindestens  in  den 
tieferen  Schichten  wesentlich  niedriger  als  in  unbedeckten  Böden. 

Schnee.  Schnee  wirkt  als  eine  Lage  feinkörnigen  Materials ,  deren  einzelne 
Teile  durch  schlechtleitende  Luftschichten  von  einander  getrennt  sind.  Die  unterlagem- 
den  Schichten  werden  so  gegen  extreme  Abkühlung  geschützt. 

Im  Walde  erfolgt  das  Abtauen  des  Schnees  in  der  Regel   wesentlich  langsamer^ 
als  im  freien  Felde.     Hiermit  geht  langsamere  Absickerung  Hand  in  Hand.     Die  Summe 
des  in  den  Boden  eindringenden  Wassers  wird  erhöht,   oberflächliches  Abfliessen  ver- 
mindert.   Es  ist  dies  eine  der  wichtigsten  Wirkungen  des  Waldes  in  bezug  auf  die 
Wasserführung  der  Quellen  und  Flüsse. 

unbedeckter  Boden  bei  F'rosttemperaturen  (Barfrost)  setzt  die  Pflanzen  dem 
Ausfrieren  aus,  welches  zumal  auf  wasserreichen  Böden  (Moor,  Thonböden)  auftritt. 

Steine.  Auflagernde  Steine  erwärmen  den  unterliegenden  Boden  infolge  rasche- 
rer Wärmeleitung  und  setzen  die  Verdunstung  herab. 

Von  physikalisch  abweichendenBodenschichten  ist  namentlich 
die  Wirkung  oberflächlicher  Bodenbearbeitung,  die  verdunstungmindemd  wirkt,  und  die 
Verdichtung  des  Bodens  durch  Walzen  anzuführen;  engere  Lagerung  der  Bodenteile 
steigert  die  Wasserkapazität. 

Sanddecken  kommen  namentlich  bei  den  Moorkulturen  zur  Wirkung,  wo  sie 
den  Pflanzen  einen  festen  Standort  bieten,  sie  gegen  Ausfrieren  schützen,  die  Verdun- 
stung mindern  und  die  Temperatur  des  unterlagernden  Bodens  steigern. 

Lebende  Pflanzendecken.  Mit  Pflanzen  bedeckte  Böden  haben  geringere 
Durchschnittstemperatur  als  brache  Böden,  während  zugleich  die  Extreme  abgeschwächt 
sind.  Die  stärkste  Wirkung  tritt  zur  Zeit  der  höchsten  Jahrestemperatur  ein,  und  ist 
in  den  Mittagstunden  am  höchsten. 

Es  gilt  dies  auch  für  die  Waldböden,  welche  im  Jahresdurchschnitt  erheblich 
kühler  als  Freilandböden  sind,  trotzdem  ihre  Temperatur  im  Winter  um  1 — Vji^ 
höher  ist. 

Die  Einwirkung  einer  lebenden  Pflanzendecke  auf  dieStruktur  desBodens 
ist  der  Erhaltung  der  Krümelung  sehr  günstig.  Versuche  bei  Feldböden,  die  Wollnj 
ausführte,  ergaben  übereinstimmend  Abnahme  des  Porenvolumen  im  Verlaufe  einer  Ve- 
getationszeit, aber  in  bedeckten  Böden  in  viel  geringerem  Masse  als  in  brachen  Böden. 
Im  Walde  ist  eine  der  wichtigsten  und  bedeutsamsten  Wirkungen  des  Bestandesschlusses 
und  der  Streudecke  die  Erhaltung  günstiger  Bodenstrukturen. 

Der  Einfluss  der  Bodendecke  auf  den  Wassergehalt  der  Böden  setzt  sich 
aus  verschiedenen  Faktoren  zusammen. 

Die  Summe  des  zugeführten  Wassers  ist  geringer  als  auf  freien  Böden,  da  die 
Bodendecken,   zumal  lebende  Pflanzen ,  eine  wechselnde  Menge  der  Niederschläge  auf- 


Die  Bodendecke.     §  64.  181 

fangen  und  direkt  verdunsten  lassen.  Die  Feldfrüchte  wirken  je  nach  Entwicklung  und 
Stand  verschieden  stark  ein;  im  Durchschnitt  kann  man  annehmen,  dass  der  Boden 
60 — 80^/o  der  Niederschläge  während  der  Vegetationszeit  erhält.  Im  Walde  wird  etwa 
*/4  des  Wassers  von  den  Baumkronen  aufgefangen ;  ein  nicht  unerheblicher  Teil  (etwa 
lO^/o)  läuft  jedoch  an  den  Stämmen  ab  oder  wird  beim  Abtropfen  von  den  Aesten 
(Traufe)  einzelnen  Stellen  des  Bodens  zugeführt. 

Die  Oberflächenverdunstung  der  Böden  ist  bei  Pflanzenbedeckung  in- 
folge verminderter  Erwärmung  und  geringerer  Luftbewegung  geringer,  als  auf  Freiland- 
boden. Hierdurch  ist  es  veranlasst,  dass  die  Oberfläche  bedeckter  Böden  feuchter 
ist  als  die  bracher  Böden.  Es  hat  dies  lange  zur  Meinung  geführt,  dass  letztere  über- 
haupt wasserärmer  seien. 

Infolge  des  Wasserverbrauchs  lebender  Pflanzen  werden  jedoch  die  tieferen  von 
Wurzeln  durchzogenen  Bodenschichten  stark  an  Feuchtigkeit  erschöpft.  Mit  lebenden 
Pflanzen  bedeckte  Böden,  soweit  man  von  Moosdecken  absieht  für  die  andere  Kegeln 
gelten,  sind  daher  immer  wasserärmer  als  brache  Böden. 

Die  Waldstreu.  Unter  dem  Schirme  der  Waldbäume  erhält  sich  in  unseren 
Gebieten  eine  Bodendecke,  die  man  als  Streuschicht,  Waldstreu  bezeichnet. 

Die  Streuschicht  setzt  sich  aus  den  Abfällen  des  Waldes  und  aus  den  unter  den 
Bäumen  wachsenden  Pflanzen  zusammen. 

Man  unterscheidet: 

Laubstreu  (Buche,  sparsamer  Weissbuche,  Eiche,  Birke  und  andere  Bäume 
und  Laubsträucher).  Die  Streudecke  setzt  sich  zumal  im  Buchenwalde  fast  völlig  aus 
Besten  des  Bestandes  zusammen.  Die  Hauptmasse  wird  von  abgefallenen  Blättern  ge- 
bildet, denen  sich  Ast-  und  Rindenstücke,  Fruchtkapseln  u.  dergl.  beimischen. 

Nadelstreu.  Die  Streu  der  Nadelwälder,  im  dichten  Bestandsschluss  aus  Na- 
deln, Borkeschuppen  und  Astresten  gebildet. 

Moosstreu.  Die  Bodendecke  wird  überwiegend  aus  Moosen  gebildet,  zwischen 
denen  die  Abfallreste  des  Waldes  eingelagert  sind. 

Heide  und  Beerkräuter.  Die  niedere ,  zumeist  aus  Heide,  Heidelbeere, 
Preisseibeere  bestehende  Bodendecke  mit  der  fast  immer  unterlagernden  Schicht  von 
Rohhnmus. 

Als  Streudecken  kommen  femer  die  G  r  ä  s  e  r  und  Farnkraut,  speziell  Adler- 
faiTi  in  Frage. 

Die  Waldstreu  hat  ausser  für  den  Wald  noch  für  landwirtschaftliche  Nutzung 
Bedeutung.  Für  letztere  ist  namentlich  ihre  Fähigkeit,  Flüssigkeiten  festzuhalten,  von 
grossem  Werte.  Auf  Volum  berechnet  bleibt  trockene  Waldstreu  hierin  nicht  wesent- 
lich hinter  Roggenstroh  zurück,  auf  Gewicht  bezogen  hat  nur  die  reine  Nadelstreu  ge- 
ringere Wasserkapazität ;  die  der  Moosstreu  übertrifi't  Roggenstroh  wohl  in  allen  Fällen 
erheblich. 

Für  die  Landwirtschaft,  namentlich  die  kleinen  Betriebe  liefert  Waldstreu  nicht 
nur  Ersatz  für  mangelndes  Stroh,  sondern  führt  dem  Boden  auch  Pflanzennährstofl'e 
zu.  Fast  stets  geht  jedoch  mit  umfangreicher  Benutzung  von  Waldstreu  schlechte  Pflege 
und  wenig  rationelle  Ausnutzung  des  Düngers  Hand  in  Hand.  Ablösung  der  Streurechte  hat 
daher  meist  zur  Hebung  des  landwirtschaftlichen  Betriebes  geführt,  da  die  alten  Metho- 
den nicht  mehr  durchführbar  blieben. 

§  64.  Die  Bedeutung  und  Wirkung  der  Streudecke  im  Walde. 
Auf  guten  Waldböden  erfolgt  die  Zersetzung  der  Streuabfälle  in  1 — 2  Jahren ;  längere 
Dauer  lässt  immer  auf  weniger  günstige  Verhältnisse  schliessen.  Im  allgemeinen  zeigt 
sich  auf  guten  Böden  kein  wesentlicher  Unterschied  in  der  Zeit  der  Zersetzung  zwischen 


182  II.  Ramann,  Forstliche  Standortsichre. 


Laub-  und  Nadelstreu;  bei  ungünstigen  bleibt  die  letztere  länger  erhalten. 

Nach  dem  Streuabfall  werden  die  löslichen  Mineralteile  rasch  ausgewaschen.  Alle 
Bestandteile  unterliegen  dieser  Auslaugung.  Ein  Rest  der  Mineralstoffe  bleibt  fester 
gebunden  zuiück  und  wird  erst  bei  fortschreitender  Zersetzung  löslich.  Die  Zerstörung 
der  organischen  Substanz  schreitet  vielfach  rascher  fort,  als  die  Auswaschung,  so  dass 
ältere  Streu  oft  mineralstoffreicher  als  frisch  gefallene  ist. 

Der  gi'össte  Teil  der  organischen  Substanz  unterliegt  der  völligen  Zerstörung, 
der  Verwesung ;  ein  kleinerer  Teil  wird  dem  Boden  als  Humus  beigemischt,  dessen  Ge- 
genwart alle  jene  Vorteile  herbeifuhrt,  welche  humushaltige  Böden  den  humusarmen 
gegenüber  haben.  Im  normalen  Waldboden  ist  daher  die  Waldstreu  die  Quelle  des 
Humus.  Anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse ,  wenn  Rohhumusschichten  vorhanden 
sind.     Steigerung  dieser  Schichten  ist  ohne  Wert,  vielfach  schädlich  für  den  Wald. 

Durch  die  abfallenden  Blattorgane  werden  dem  Boden  die  Mineralstoffe  wieder 
zugeführt,  welche  von  den  Bäumen  aufgenommen  wurden  und  die  im  Nadelwalde  in 
mehreren  Jahren,  im  Laubwalde  alljährlich  dem  Bestände  zur  Verfügung  stehen  müssen. 
Durch  Streuentnahme  wird  eine  starke  Ausfuhr  an  leicht  löslichen  und  für  die  Wurzeln 
aufuehmbare  Nährstoffe  geübt  und  namentlich  der  obersten  Bodenschicht  eine  der 
Hauptbedingungen  der  Erhaltung  der  Krümelung,  die  Gegenwart  löslicher  Salze,  ent- 
zogen. Zumal  in  Laubwäldern,  deren  Bedarf  viel  höher  ist,  als  der  der  Nadelwälder, 
kann  Mangel  an  Nährstoffen  ins  Gewicht  fallen. 

Durch  regelmässige  Streuentnahme  wird  der  unterlagernde  Boden  stark  beein- 
flusst,  sowohl  in  bezug  auf  chemische,  wie  auf  physikalische  Eigenschaften. 

Alle  regelmässig  berechten  Böden  zeigen  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeitdauer 
ausgesprochene  Verdichtung  des  Oberbodens.  Das  „tennenartige**  Hartwerden  des  Bo- 
dens gilt  mit  Recht  als  eine  der  schädlichsten  Einwirkungen  und  ist  bei  reicheren 
Bodenarten  wohl  überhaupt  als  die  ungünstigste  Veränderung  anzusehen.  Boden  der 
Laubwälder  zeigt  diesen  Vorgang  in  viel  schärferer  Weise  als  der  der  Nadelwälder. 
Schwere  Bodenarten  werden  stärker  beeinflusst  als  leichtere.  Die  oberflächliche  Boden- 
verhärtung ist  eine  Folge  der  Wirkung  der  fallenden  Regen,  zum  Teil  wohl  auch  der 
Ausfuhr  löslicher  Salze ;  sie  tritt  bei  Laubwäldern,  zumal  wenn  die  Streuentnahme  dem 
Laubfalle  folgt,  viel  stärker  hervor  als  in  Nadelwäldern. 

Die  bisherigen  Untersuchungen  haben  die  früher  herrschende  Annahme,  dass  be- 
rechte Flächen  wasserärmer  seien  als  geschonte,  nicht  bestätigt.  Die  Oberfläche  be- 
rechter Böden  ist  stärkeren  Schwankungen  im  W^assergehalt  ausgesetzt  als  gedeckter 
Boden;  in  mittlerer  Tiefe  sind  wechselnde  Verhältnisse,  die  aber  im  Durchschnitt  nicht 
zu  Ungunsten  der  berechten  Böden  ausfallen,  in  grösserer  Tiefe  sind  die  berechten 
Böden  meist  reicher  an  Feuchtigkeit.  Dieses  Verhalten  lässt  sich  zumeist  durch  die 
Aenderungen  der  physikalischen  Verhältnisse  des  Bodens  erklären;  bisher  liegt  jedoch 
noch  keine  Beobachtung  vor,  welche  darauf  hinweist,  dass  verschiedene  Wasserführung 
einen  wesentlichen  Einfluss   auf  die  Ertragfähigkeit  der  berechten  Waldböden  ausübt. 

Alle  Untersuchungen  haben  bisher  übereinstimmend  ergeben,  dass  sich  durch  che- 
mische Analyse  bei  Lehmboden,  oder  sonstigen  schweren  Bodenarten  Abnahme  an  Nähr- 
stoffen nicht  nachweisen  lässt ;  die  Differenzen  sind  zu  klein,  um  bemerkbar  zu  werden. 
Anders  gestaltet  sich  dies  bei  Sandböden.  Hier  zeigen  die  Analysen  übereinstimmend 
starke  Abnahme  an  löslichen  Mineralstoffen,  und  zwar  in  einer  solchen  Höhe,  dass  die 
mit  der  Streu  ausgeführten  Mengen  zur  Erklärung  nicht  ausreichen  und  man  gesteigerte 
Auswaschung  des  Bodens  annehmen  muss. 

Die  Zulässigkeit  der  Streuentnahme  wird  daher  je  nach  den  Verhältnissen  ganz 
verschieden  beurteilt  werden  müssen.     Sind  im  Walde  starke  Rohhumusschichten  vor- 


Pflanze  und  Boden.     §  65.  183 

handen,  so  wird  deren  Abgabe,  zumal  in  Streifen,  wenig  Bedenken  entgegenstehen. 
Als  Regeln  für  Strenabgabe  kann  man  im  Interesse  des  Waldes  folgende  aafstellen: 

1.  Jede  jährlich  wiederkehrende  Streuentnahme  wird  zur  Verarmung  an  löslichen 
Nährstoffen  und  zur  physikalischen  Verschlechterung  des  Bodens  führen. 

2.  Laubhölzer  unterliegen  der  Einwirkung  der  Streuentnahme  viel  mehr  als  Na- 
delhölzer. 

3.  Die  Streuentnahme  in  Laubwäldern  ist  kurz  vor  der  Zeit  des  Laubabfalles  am 
wenigsten  schädlich. 

4.  Streifenweise  Streuentnahme  ist  am  wenigsten  schädlich  für  den  Wald. 

5.  Bestände  mit  Rohhumusdecken  werden  weniger  darch  Streuentnahme  beeinflusst, 
als  günstige  Waldböden. 

6.  Flachgründige,  sehr  arme  und  schwere  Böden  sind  tunlichst  von  der  Streuent- 
nahme auszuschliessen ;  dasselbe  gilt  für  exponierte  Lagen,  West-  und  Südhänge,  Wald- 
ränder. 

XI.  Pflanze  und  Boden. 

Die  Entwicklung  der  Pflanzen  ist  an  bestimmte  Bedingungen  gebunden.  Diese 
sind  teils  physikalischer  und  meteorologischer  Natur,  teils  beruhen  sie  auf  der  Ein- 
wirkung bestimmter  Stoffe,  die  im  Pflanzenkörper  aufgenommen  werden  und  für  die 
Umbildungen  der  Stoffe  im  Pflanzenkörper  unbedingt  notwendig  sind;  man  kann  sie 
kurzweg  als  die  chemischen  Bedingungen  des  Pflanzenwachstums  bezeichnen.  Hier 
kommen  nur  die  chlorophyllführenden  Pflanzen  in  Betracht ;  die  vielfach  abweichenden 
Verhältnisse  der  chlorophylllosen  können  unberücksichtigt  bleiben.  Eine  Anzahl  der 
wichtigsten,  namentlich  der  meteorologischen  Punkte  sind  schon  von  Weber  im  ersten 
Abschnitt  dieses  Buches  behandelt  worden. 

§65.  1.  Die  physikalischen  Faktoren  des  Pflanzenwuchses 
sind  Licht  und  Wärme. 

Licht  wird  von  allen  Chlorophyllpflanzen  verlangt,  da  nur  unter  dessen  Mit- 
wirkung die  Pflanze  befähigt  ist,  Kohlensäure  und  Wasser  zu  zerlegen  und  in  orga- 
nische Verbindungen  umzuwandeln.  Ausserdem  übt  das  Licht  noch  bestimmte  mecha- 
nische Wirkungen  auf  die  Pflanze  aus,  indem  es  die  Streckung  der  einzelnen  Organe 
mässigt  und  auf  eine  stärkere  Ausbildung  der  äusseren  Pflanzenschichten  hinzuwirken 
scheint. 

Ohne  Licht  erfolgt  in  der  Pflanze  keine  Assimilisation.  Kohlensäure  und  Wasser 
sind  zwei  sehr  stabile  Verbindungen,  die  Zerlegung  derselben,  namentlich  bei  niederer 
Temperatur,  ist  schwierig.  Es  bedarf  daher  einer  äusseren  Kraftwirkung,  um  diese 
herbeizuführen.  Diese  Kraft  liefert  das  Sonnenlicht.  Soweit  die  bisherigen  Arbeiten 
reichen,  geht  aber  neben  der  Assimilisation  auch  eine  teilweise  Zersetzung  der  organi- 
schen Stoffe  Hand  in  Hand,  nur  dass  die  erstere  Wirkung  überwiegt.  Wird  die  Licht- 
stärke sehr  gross,  wie  im  direkten  Sonnenlicht,  so  kann  die  zersetzende  Wirkung 
sich  so  sehr  steigern,  dass  die  Assimilisation  sinkt.  Alle  Untersuchungen  haben  er- 
geben, dass  eine  mittlere  Helligkeit  für  alle  Pflanzen,  selbst  die  der  Tropengebiete  am 
günstigsten  einwirkt. 

Unter  Einwirkung  wechselnder  Beleuchtungsgi*ade  bilden  sich  die  Blattorgane 
sehr  verschieden  aus.  Die  Lichtblätter  der  Buche  z.  B.  sind  dick,  haben  Palissaden- 
parenchym,  die  Schattenblätter  sind  dünn,  oft  nur  Vs  der  Stärke  normaler  Blätter 
mit  abweichend  gebautem,  sog.  Flaschenparenchym.  Auch  bei  den  Nadelhölzern  finden 
sich  analoge  Unterschiede  im  Bau  der  Blattorgane.  Es  kann  kaum  einem  Zweifel 
unterliegen,  dass  schwach  belichtete  und  in  der  Assimilation  gehemmte  Blätter  nicht 


184  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

genügend  znr  Ernährung  der  Aeste,  an  denen  sie  sich  befinden,  beitragen  können,  was 
endlich  zu  deren  Absterben  führt.  Der  Unterschied  in  der  Astentwicklung  einer  frei- 
ständig  und  im  Schluss  erwachsenen  Fichte  zeigt  diese  Verhältnisse. 

Viel  zweifelhafter  ist  es  jedoch,  ob  das  Verhalten  der  Baumarten  und  der  Lich- 
tungszuwachs  zunächst  auf  Lichtwirkungen  zurückzuführen  ist.  Die  Beobachtung,  da£s 
sich  einzelne  Baumarten  im  Alter  licht  stellen,  während  andere  einen  geschlossenen 
Bestand  bilden,  hat  die  Unterscheidung  in  Licht-  und  Schattenhölzer  herbei- 
geführt. Es  scheint  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  dass  bei  der  Beurteilung  dieser 
Verhältnisse  zu  einseitig  vorgegangen  worden  ist  und  dass  bei  der  räumigen  Stellung 
der  Bäume  viel  mehr  die  Deckung  des  Bedarfes  an  Wasser  und  an  Mineralstoffen  so- 
wie artliche  Eigenschaften  die  Ursache  sind  als  die  Wirkung  des  Lichtes.  Würde  das 
letztere  der  Fall  sein,  da  die  zugeführte  Lichtmenge  im  wesentlichen  für  alle  Gebiete 
unserer  Gegend  die  gleiche  ist  (Abweichungen  davon  bieten  nur  die  Hänge,  die  je  nach 
ihrer  Neigung  und  Exposition  mehr  oder  weniger  Licht  empfangen,  als  der  Ebene  ent- 
sprechen würde),  so  müssten  auch  die  Lichtholzpflanzen  sich  überall  gleichmässig  ränmig 
stellen.  Tatsächlich  findet  sich  aber  auf  den  besseren  Böden  ein  viel  engerer  Bestand 
und  scheint  dies  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Ernährungsverhältnisse  massgebend  sind. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  bietet  der  sogenannte  „Lichtungszuwachs'. 
Allerdings  ist  es  hier  im  hohen  Masse  wahrscheinlich,  dass  in  jüngeren,  namentlich 
sehr  dichten  und  gedrängt  erwachsenen  Beständen  die  bei  einer  Durchforstung  ein- 
tretende stärkere  Zuführung  von  Licht  eine  erhebliche  Bedeutung  hat.  Die  Haupt- 
wirkung muss  man  jedoch  den  geänderten  Emährungsverhältnissen  zuschreiben. 

Durch  die  plötzliche  Lichtstellung,  die  stärkere  Erwärmung  des  Bodens  u.  s.  w. 
wird  eine  rasche  und  gesteigerte  Zersetzung  der  aufgehäuften  organischen  Reste  her- 
beigeführt und  dadurch  den  BSumen  eine  grosse  Menge  leicht  aufnehmbarer  Nährmittel 
geboten.  Auch  der  Wasserverbrauch  ist  für  die  geminderte  Anzahl  der  Stämme  geringer 
und  sind  so  alle  Bedingungen  einer  besseren  Ernährung  der  noch  vorhandenen  Stämme 
geboten. 

Bemerkenswert  ist  noch,  dass  im  Schatten  erwachsene  Nadelhölzer,  deren  Nadeln 
geringer  Lichtwirkung  angepasst  sind,  gegen  plötzliche  Freistellung  empfindlicher  als 
Laubhölzer  sind. 

§  66.  2.  Die  chemischen  Bedingungen  des  Pflanzenwuchses. 
Zur  Produktion  der  organischen  Substanz  notwendige  Stoffe  sind: 

a)  Sauerstoff.  Alle  lebenden  Organismen  atmen  und  verbrauchen  hierbei 
Sauerstoff,  den  die  atmosphärische  Luft  in  reichlicher  Menge  zur  Verfügung  stellt. 
Mangel  an  Sauerstoff  kann  nur  bei  längerer  Ueberstauung  unter  Wasser  und  in  Humus- 
böden hervortreten. 

b)  Kohlensäure  ist  ein  wichtiges  und  unentbehrliches  Nährmittel  der  Chloro- 
phyllpflanzen, deren  Assimilation  auf  der  Zersetzung  der  Kohlensäure  beruht. 

Der  Gehalt  an  Kohlensäure  in  der  atmosphärischen  Luft  ist  gering  und  viel- 
fach schwankend.  Er  beträgt  durchschnittlich  3  Tausendteile  der  Atmosphäre.  Ein- 
gehende Untersuchungen  von  Ebermayer  (Die  Beschaffenheit  der  Waldluft  und  die 
Bedeutung  der  atmosphärischen  Kohlensäure  für  die  Wald  Vegetation.  Stuttgart  1885) 
haben  gezeigt,  dass  der  Kohlensäuregehalt  der  Waldluft  von  dem  der  übrigen  atmo- 
sphärischen Luft  nicht  wesentlich  abweicht.  Dieses  Resultat  ist  mit  allen  bisher  be- 
kannten Verhältnissen  in  innigster  Uebereinstimmung. 

Zu  bemerken  ist,  dass  die  Blattorgane  erheblich  mehr  Kohlensäure  zu  verarbeiten 
vennögen,  als  in  der  Atmosphäre  dargeboten  wird.  Man  hat  als  Optimum  des  Kohlen- 
säuregehaltes unter  dem  gewöhnlich  herrschenden  Luftdruck  etwa  lO^o  gefunden.    Viel 


Pflanze  und  Boden.     §  66.  185 

fräber  macht  sich  jedoch  eine  Giftwirknng  geltend,  so  dass  Pflanzen  bereits  bei  ein 
paar  Prozent  Kohlensäure  der  Luft  zu  leiden  beginnen.  Wahrscheinlich  ist  die  un- 
günstige Wirkung  schlecht  durchlüfteter  Böden  auf  hohen  Gehalt  an  Kohlensäure 
zurückzuführen. 

c)  Stickstoff.  Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  kann  man  nur  den  Le- 
guminosen, ferner  der  Erle  und  dem  Sanddom  die  Fähigkeit  zuschreiben,  elementarem 
Stickstoff  unter  Mitwirkung  niederer  Organismen  nutzbar  zu  machen;  für  die  übrigen 
Pflanzen,  insbesondere  unsere  Waldbäume,  ist  dies  zweifelhaft  oder  direkt  zu  verneinen ; 
sie  sind  zu  ihrer  Entwicklung  auf  gebundenen  Stickstoff  angewiesen. 

Dem  Boden  wird  durch  atmosphärische  Niederschläge  eine  kleine  Menge  von 
Stickstoffverbindungen  zugeführt ;  im  Durchschnitt  etwa  4—5  kg  für  Jahr  und  Hektar. 
Hiervon  ist  der  grössere  Teil  als  Ammoniak,  der  kleinere  als  Salpetersäure  und  sal- 
petrige Säure  vorhanden. 

Bei  der  Zersetzung  organischer  Stoffe  wird  Stickstoff  in  aufnehmbare  Verbindungen 
(Anunon  und  Salpetersäure)  übergeführt. 

Die  Frage  der  Herkunft  des  gebundenen  Stickstoffs  im  Boden  ist  noch  immer 
nicht  voll  geklärt,  obgleich  kaum  ein  Gegenstand  der  Agrikulturchemie  gegenwärtig 
so  vielfach  bearbeitet  wird.  Festgestellt  ist,  dass  eine  Anzahl  Bakterien  Stickstoff 
assimilieren  und  dass  unter  ihrer  Mitwirkung  die  Leguminosen,  in  deren  Wurzeln  sich 
Bakterienkolonien  bilden  und  dadurch  Anschwellungen  (Wurzelknöllchen)  veranlassen, 
Stickstoff  zu  binden  vermögen. 

Für  unsere  Waldbäume  ist  die  Frage  der  Stickstoffemährung  noch  offen,  v.  Schrö- 
der sah  in  der  Streu  den  Stickstoffdünger  des  Waldes.  In  einer  vortrefflichen  Unter- 
suchung zeigte  er,  dass  die  jährliche  Zufuhr  aus  der  Atmosphäre  ausreicht,  die  Mengen 
gebundenen  Stickstoffs  zu  liefern,  welche  zur  Holzerzeugung  gebraucht  werden,  dass 
bei  Ausfuhr  der  Streu  dagegen  ein  Mangel  an  diesem  Stoff  eintreten  müsse.  Analysen 
streuberechter  Böden  ergaben  jedoch  keinen  erheblichen  Unterschied  zwischen  geschon- 
ten und  berechten  Böden  und  zeigten,  dass  den  Waldböden  noch  eine  andere  Stickstoff- 
quelle zur  Verfügung  stehen  muss. 

Schlechtwüchsige  Baumpflanzen,  namentlich  Nadelhölzer  sind  wie  alle  Pflanzen 
unter  gleichen  Umständen  für  Salpeterdüngung  dankbar ;  anderseits  hat  man  im  Pflanz- 
kämpen mit  humosen  Böden  keine  Steigerung  der  Produktion  durch  Stickstoffdüngung 
erhalten. 

Von  den  Pflanzen  wird  Stickstoff  in  Form  von  Salpetersäure  leicht  aufgenommen, 
weniger  gut  als  Ammoniak.  Die  Böden  der  Wälder  und  saurer  Wiesen  zeigen  nur 
Spuren  von  Salpetersäure,  oder  sind  ganz  frei  davon.  Wenn  man  auch  annehmen  kann, 
dass  die  Bäume  sofort  jede  gebildete  Salpetersäure  aufnehmen,  so  ist  doch  immerhin 
das  Fehlen  dieses  Stoffes  im  Boden  ein  Beweis,  dass  er  nur  in  ganz  geringer  Menge 
entsteht. 

Ob  die  Pilzverwachsungen  der  Wurzeln  unserer  meisten  Waldbäume,  die  Myko- 
rhizen,  für  die  Stickstoffernährung  Bedeutung  besitzen,  ist  ebenfalls  noch  zweifelhaft. 

Die  Ueberführung  des  bei  der  Verwesung  gebildeten  Ammoniaks  in  Salpetersäure 
erfolgt  unter  Mitwirkung  einer  besonderen  Bakterienart,  die  reichlichen  Luftzutritt  for- 
dert und  in  den  oberen  Bodenschichten  am  reichlichsten  vorkommt.  Die  Salpetersäure- 
Bakterien  fehlen  auch  den  Waldböden  nicht  völlig,  sind  jedoch  nur  in  geringer  Zahl 
vorhanden. 

d)  Wasser.  Die  Bedeutung  des  Wassers  für  die  Vegetation  ist  eine  doppelte, 
zunächst  als  direktes  Nährmittel  der  Pflanze."  Bei  der  Zersetzung  der 
Kohlensäure  und  der  Bildung  der  organischen  Substanz  werden  erhebliche  Mengen  von 


186  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Wasser  verbraucht.    Die  gebräuchliche  Zersetzungsformel  stellt  ja  dies  auch  dar 

nC02  +  nH20  =  nCHaO  +  n02. 

Die  Bedeutung  als  Nährmittel  des  Wassers  und  die  dabei  beanspruchten  Mengen 
treten  aber  ganz  zurück  gegen  die  Wassermassen,  welche  als  Lösungsmittel  der 
anorganischen  Stoffe,  sowie  zur  Erzeugung  der  Gewerbespan- 
nungen von  dem  Pflanzenkörper  aufgenommen  und  zumeist  durch  die  Spaltöffnungen 
wieder  ausgeschieden  und  verdunstet  werden. 

§  67.  3.  Der  Wasserbedarf  der  Pflanzen  ist  sehr  verschieden  und 
nicht  nur  für  die  Arten,  sondern  selbst  für  die  einzelnen  Pflanzen  je  nach  den  äusseren 
Umständen  wechselnd.  Hierzu  kommt  noch,  dass  die  ausgeatmete  Wassermenge  nament- 
lich von  dem  zur  Verfügung  stehenden  Wasserquantum  abhängig  ist  und  mit  diesem 
steigt  und  fällt.  Bei  feuchter  Luft  und  reichlicher  Wasserzufuhr  sind  viele  Pflanzen 
befähigt,  aus  ihren  Blattorgauen  mit  Hilfe  besonders  gestalteter,  grosser  Spaltöffnungen 
Wasser  in  flüssiger  Form  auszuscheiden.  Bei  Trockenheit  dagegen  schliessen  sich  alle 
Spaltöffnungen  zum  Teil  und  setzen  so  die  Verdunstung  herab. 

Es  ist  daher  für  die  Pflanzen  ein  Minimum  des  Wasserbedarfs  vor- 
handen, welches  gerade  ausreicht,  die  Lebensfnnktionen  zu  erhalten.  Diesem  steht  ein 
Maximum  des  Wasserverbrauchs  gegenüber ,  welches  eintritt ,  wenn  die 
Pflanze  zu  allen  Zeiten  ihrer  Entwicklung  einen  Ueberschuss  von  Wasser  zur  Ver- 
fügung hat. 

Die  ersten  Versuche,  den  Wasserverbrauch  der  Gewächse  festzustellen  (Literatur 
in  Forschg.  d.  Agrikulturphysik,  4.  Bd.  S.  85)  litten  alle  an  erheblichen  Fehlem.  Es 
wurde  durch  diese  das  absurde  Resultat  erhalten,  dass  die  Wasserverdunstung  der 
Pflanzen  die  alljährlich  zugeführte,  oder  wenigstens  während  der  Vegetationszeit  zu- 
geführte  Regenmenge  erheblich  übersteige.  Da  diese  Angaben  im  klaren  Widerspruch 
mit  den  in  der  Natur  zu  beobachtenden  Tatsachen  standen,  so  wurden  die  wunder- 
lichsten Theorien  aufgestellt,  um  einen  Ausweg  aus  diesem  Irrgarten  zu  finden. 

Erst  in  später  Zeit  ist  festgestellt,  dass  die  Wasserverdunstung  der  Pflanzen 
hinter  dem  jährlichen  Niederschlage  zurückbleibt;  es  gilt  dies  auch  bei  Getreide  und 
Kleearten,  die  von  den  untersuchten  Pflanzen  am  meisten  Wasser  verbrauchen. 

Die  Wasserverdunstung  der  Waldbäume  ist  bisher  nur  durch  von  Hönel  be- 
arbeitet (Mitteil,  aus  d.  forstl.  Versuchs wes.  Oesterreichs  Bd.  II.  Heft  I,  Heft  IH; 
Forschg.  der  Agrikulturphysik  Bd.  2.  S.  398  u.  Bd.  4.  S.  435).  Die  Beobachtungen 
zeigen  nun  mit  der  grössten  Deutlichkeit,  dass  der  Wasserverbrauch  selbst  stark  ver- 
dunstender Bäume  erheblich  hinter  den  durchschnittlichen  sommerlichen  Niederschlägen 
zurückbleibt. 

V.  Hönel  berechnet  die  verbrauchte  Wassermenge  auf  1  gr  Trockengewicht  der 
vorhandenen  Blattsubstanz.  In  den  Jahren  1879,  80  und  81  wurden  die  Beobachtungen 
durchgeführt.  Im  folgenden  ist  die  Tabelle  von  H  ö  n  e  1  s  ,  welche  die  durchschnitt- 
liche Wasser  Verdunstung  in  Kilogramm  Wasser  für  100  gr  lufttrockene  Blätter  angibt, 
mitgeteilt:  (Siehe  die  Tabelle  auf  Seite  187). 

Die  Untersuchungen  betreffen  einen  mittleren  Wassergehalt  des  Bodens.  Eine 
völlige  Uebereinstimmung  der  einzelnen  Zahlen  ist  natürlich  nicht  zu  verlangen,  da  die 
Sommermonate  jener  drei  Versuchsjahre  unter  sich  sehr  verschieden  in  bezug  auf  Nie- 
derschlagsmengen u.  s.  w.  waren.  Ganz  besonders  tritt  aber  der  gewaltige  Unterschied 
in  der  Wasserverdunstung  zwischen  den  Laub-  und  Nadelbäumen  hervor.  Man  darf 
getrost  behaupten,  dass  die  ersteren  durchschnittlich  zehnmal  mehr  Wasser  verbrauchen 
als  die  letzteren. 

Da  die  Angaben  auf  Trockengewicht  der  Blattorgane  bezogen  sind  und  dies  sich 


Pflanze  und  Boden.     §  67. 


187 


1878 

Wasser 
kl 

1 

1879 

Wasser 
kl 

1880 

Wasser 
kl 

Birke    .... 

67,987 

Esche    .... 

98,305 

Esche    .... 

101,850 

Esche    .     . 

56,689 

Buche   .... 

85,950 

Birke    .... 

91,800 

Hainbuche 

56,251 

Birke    .... 

84,513 

Buche   .... 

91,380 

Buche   .     . 

47,246 

Hainbuche      .     . 

75,901 

Hainbuche       .     . 

87,170 

Spitzahorn 

46,287 

Feldulme    .     .     . 

75,500 

Ulme     .... 

82,280 

Bergahom 

43,577 

Eiche    .... 

66,221 

Bergahorn       .     . 

70,380 

Ulme     .     .     . 

40,731 

Bergahorn       .     . 

61,830 

Eiche    .... 

,      69,150 

Eiche    .     .     . 

28,345 

Zerreiche   .     .     . 

61,422 

Spitzahorn      .     . 

61,180 

Zerreiche   .     . 

25,333 

Spitzahorn      .     . 

51,722 

Zerreiche    .     .     . 

49,220 

Pichte  .     .     . 

:      5,847 

Fichte  .... 

20,636 

Fichte  .... 

14,020 

Weissföhre 

5,802 

Weissföhre      .     . 

10,372 

Weissföhre      .     . 

12,105 

Tanne  .     .     . 

4,402 

Schwarzföhre 

9,992 

Tanne   .... 

9,380 

Schwarzföhre 

3,207 

Tanne  .... 

7,754 

Schwarzföhre 

7,005 

Lärche       .     .     . 

114,868 

Elsebeere  .     .     . 
Espe     .... 
Erle      .... 
Linde    .... 

126,200 
95,970 
93,300 
88,340 

Lärche       .     .     . 

125,600 

Gesamtmittel 

64,930 

Gesamtmittel 

69,880 

Mittel   fllr  Laub- 

Mittel für  Laub- 

1 

hölzer      .     .     . 

78,900 

hölzer      .     .     . 

82,520 

Mittel  der  Nadel- 

Mittel der  Nadel- 

1 

hölzer      .     .     . 

13,488 

hölzer      .     .     . 

11,307 

bei  der  Kiefer  im  Verhältnis  zum  Baumkörper  ganz  bedeutend  geringer  stellt  als  bei 
Fichte  und  Tanne,  so  wird  der  Unterschied  ein  noch  viel  grösserer  und  tritt  auch 
hierin  die  Genügsamkeit  der  Kiefer  hervor. 

Als  besonders  auffällig  muss  bezeichnet  werden  und  es  ist  dies  wahrscheinlich 
auf  die  Beschaffenheit  der  Spaltöffnungen  zurückzuführen,  dass  der  Transpirationsunter- 
schied für  Laubhölzer  in  der  Sonne  und  im  Schatten  sehr  gering,  für  die  Nadelhölzer 
sehr  gross  ist.    Einige  Beispiele  sollen  dies  zeigen. 


Buche  in  der  Sonne 
„      im  Schatten 
Hainbuche  (Sonne)  . 

„  (Schatten) 

Bergahom  (Sonne) 

„  (Schatten) 

Tanne  (Sonne)     .     . 

„      (Schatten) 
Weissföhre  (Sonne) 

„         (Schatten) 

Schwarzföhre  (Sonne) 

„  (Schatten) 


76,180  kl  für  100  gr  Blätter  (trocken) 

107,800  „     ,      ,      ,         , 

98,900  „ 

61,690  „ 

76,190  „ 

13,910  , 

4,850  , 

19,190  „ 

5,020  „ 

8,760  , 


^7 


« 


77 


W 


77 


77 


0,250    „„,,.,  „  „ 

„Es  kann  nunmehr  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Esche  und  Birke,  auf  das 
Laubtrockengewicht  bezogen,  am  stärksten  transpirierten,  sich  an  diese  Buche  und  Haine 
schliessen,  hierauf  die  Ulmen  und  endlich  Ahorn  und  Eichen  kommen.  Was  die  Koni- 
feren anbelangt,  so  gilt  für  sie  die  Ordnung :  Fichte,  Weissföhre,  Tanne,  Schwarzföhre 
zweifellos"  (v.  Hönel  1.  c).  Für  die  übrigen  Baumarten  werden  noch  zahlreichere 
Beobachtungen  notwendig  sein,  um  ihre  Stellung  sicher  festzulegen. 

V.  Hönel  macht  auch  den  Versuch,  für  grössere  Waldflächen  den  Wasserver- 


188  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

brauch  annähernd  festzustellen ;  er  weist  selbst  darauf  hin,  dass  derartige  Zahlen  nur 
ganz  grobe  Schätzungen  ergeben.  Trotzdem  haben  sie  einen  bedeutenden  Wert,  da  es 
nur  auf  solchem  Wege  möglich  ist,  ein  Bild  von  den  natürlichen  Verhältnissen  zu  er- 
langen.    So  ist  der  Wasserverbrauch  berechnet  für 

eine  115j.  Buche  (4—600  Stämme  auf  d.  Hektar)  verbraucht  etwa  50  kl  den  Tag 
und  3500000—5400000  kl  für  Vegetationszeit  und  Hektar; 

eine  50— 60j.  Buche  (1300  Stämme  pro  Hektar)  verbraucht  etwa  10  kl  den  Tag 
und  2300000  pro  Hektar  und  Vegetationszeit; 

eine  35j.  Stangenbuche  (4000  Stämme  pro  Hektar)  verbraucht  etwa  1  kl  den  Tag 
und  700000  kl  pro  Hektar  und  Vegetationszeit, 

Es  geht  hieraus  hervor,  dass  die  durchschnittlichen  sommerlichen  Niederschläge 
ausreichen,  den  Wasserbedarf  des  Waldes  zu  decken,  wenn  diese,  sehr  niedrig  ange- 
nommen, auch  nur  30  cm  Regenhöhe  betragen. 

In  Zeiten  lang  anhaltender  Dürre  tritt  es  wohl  ein,  dass  der  Wassergehalt  des 
Bodens  zu  gering  wird;  die  Blätter  sterben  dann  frühzeitig  ab,  sie  werden  „sommer- 
dürr". 

Der  Wassergehalt  des  Bodens  wechselt  im  Laufe  des  Jahres.  Natür- 
lich ist  hier  von  solchen  Fällen  abzusehen,  in  denen  in  massiger  Tiefe  das  Grundwasser 
ansteht.  In  der  Regel  sammelt  sich  während  des  Winters  eine  nicht  unerhebliche  Menge 
von  Wasser  im  Boden  an  und  wird  dort  kapillar  festgehalten.  Es  ist  das  die  Win- 
terfeuchtigkeit, welche  in  der  forstlichen  Literatur  eine  ausserordentliche  Rolle 
spielt,  obgleich  wirkliche  Wägungen  des  vorhandenen  Wassergehaltes  in  den  verschie- 
denen Jahreszeiten  nur  in  ganz  verschwindender  Zahl  ausgeführt  worden  sind.  Das 
folgende  hierauf  Bezügliche  kann  daher  nur  mit  Vorbehalt  gelten,  da  die  hierbei  wesent- 
lich in  Betracht  kommenden  Untersuchungen  des  Verfassers  sich  nur  auf  Sandboden 
beziehen  und  in  Lehm-  und  Thonböden  wohl  andere  Verhältnisse  auftreten  können. 
(Vergl.  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1883,  Nov.  und  Dez.-Heft  und  Forschung  d. 
Agrikulturphysik  Bd.  8.  S.  67.) 

Man  darf  annehmen,  dass  die  angesammelte  Winterfeuchtigkeit  und  namentlich 
der  reichliche  Wassergehalt  der  obersten  Bodenschichten  das  Keimen  der  Samen  in 
hohem  Grade  befördert  und  den  jungen  Wurzeln  die  notwendige  Feuchtigkeit  bietet. 
Allein  schon  zum  Ende  des  Maimonats  ist  der  Wassergehalt  in  der  Regel  erheblicli 
gesunken,  um  ganz  allmählich  bis  zum  Herbste  abzunehmen.  Der  Herbst  ist  die  Zeit 
der  grössten  Trockenheit  für  den  Waldboden.  Welche  Flächen  bei  sonst  gleicher  Be- 
schaffenheit jedoch  die  geringsten  Wassermengen  enthalten,  ist  abhängig  von  den  Be- 
stands Verhältnissen.  Eine  je  grössere  Zahl  von  Bäumen  und  je  mehr  Laub- 
bäume, um  so  grösser  ist  der  Wasserverbrauch.  Gleichzeitig  macht  sich  aber  noch 
dieBodenbedeckung  im  höchstenMasse  bemerkbar;  namentlich  Gras- 
wuchs verbraucht  enorme  Wassermengen  und  kann  die  Wasserbilanz  gänzlich  zu  Un- 
gunsten eines  lichten  Bestandes  verschieben. 

Betrachtet  man  die  Wasser  Verteilung,  so  ist  auf  nicht  völlig  kahlem 
Boden  die  oberste  unter  der  Streudecke  liegende  Erdschicht  die  an  Wasser  reichste. 
Es  ist  dies  eine  Folge  des  Humusgehaltes  und  der  dadurch  gesteigerten  Wasserkapazität. 
Namentlich  auf  diese  Tatsache  gründet  sich  die  generell  ganz  unhaltbare  Annahme, 
dass  der  Boden  unter  Waldbestand  wasserreicher  sei  als  auf  unbestandenen  Flächen. 

Unterhalb  der  humosen  Bodenschicht  folgt  sodann  der  wasserärmste  Teil  des  Bo- 
dens, um  in  einer  Tiefe  von  0,75 — 1,50  m  wieder  zu  steigen  und  dann  bis  in  erhebliche 
Tiefen  nicht  wesentlich  zu  schwanken.  Natürlich  gilt  dies  von  tiefgründigen  gleich- 
artig zusammengesetzten  Bodenarten,  zunächst  von  Sandboden.     So  gibt  Grebe(Zeit- 


Pflanze  und  Boden.     §  67.  189 

sehr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1885  p.  387)  für  Sand  der  Tuchler  Heide  an: 

Bodentiefe        cm        5        10        40        80        120        200        250        300 

Wassergehalt    >      4,1      3,8        3,7      3,66      4,35       4,61        4,61       4,60 
Zahlen,   welche  mit   den  Beobachtungen  des  Verfassers  in  der  Eberswalder  Gegend 
^osse  üebereinstimmung  zeigen. 

Es  würde  eine  sehr  lohnende  und  ohne  Schwierigkeiten  ausführbare  Aufgabe  für 
die  Herren  der  forstlichen  Praxis  sein,  ebenfalls  derartige  Bestimmungen  auszuführen 
und  so  die  Kenntnis  der  Wasserverhältnisse  wesentlich  zu  fördern. 

DieWasseraufnahme  der  Pflanzen  erfolgt  durch  die  Wurzeln.  In  der  Regel 
wird  die  Tiefe,  bis  zu  welcher  einzelne  Wurzeln  eindringen  können,  sehr  unterschätzt. 
Es  ist  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass  die  tiefgehenden  Wurzeln  in  erster  Linie 
zur  Wasseraufnahme  verwendet  werden,  während  die  in  den  höheren  Bodenschichten 
befindlichen  Wurzeln  den  Hauptbedarf  an  Mineralstoffen  zu  decken  haben.  Zumeist 
sind  die  ersteren  nur  schwach,  kaum  bis  flngerstark  und  entgehen  so  sehr  leicht  der 
Beobachtung,  zumal  Seitenwurzeln  erst  in  wasserreichen  Bodenschichten  oder  bei  Be- 
rührung des  Grundwasserspiegels  gebildet  werden.  Für  die  Ernährung  der  Bäume 
haben  diese  Wurzeln  wahrscheinlich  eine  sehr  hohe  Bedeutung. 

Vielfach  liegen  Beobachtungen  vor,  dass  Bäume  wipfeldürr  wurden  und  endlich 
abstarben,  wenn  eine  Senkung  des  Grundwasserspiegels  erfolgte.  Beispiele,  in  denen 
diese  Wirkung  noch  auf  weite  Entfemongen  sich  bemerkbar  max^hten,  sind  die  Letz- 
linger  Heide;  die  Umgebung  des  Warthebruches ;  das  Absterben  der  älteren  Bäume  im 
botanischen  Garten  zu  Berlin  nach  Erbauung  des  Schiffahrtskanals.  Alle  diese  Fälle 
stimmen  darin  überein,  dass  ein  allmähliches  Eingehen  der  Bäume  erfolgte.  Im  Ber- 
liner botanischen  Garten  zeigte  sich  sofort  ein  starkes  Fallen  des  Zuwachses,  bis  end- 
lich die  Bäume  abstarben. 

Alle  diese  Erscheinungen  sind  sicher  auf  die  Senkung  des  Grundwassers  zurück- 
zuführen und  sehr  walirscheinlich  in  der  plötzlichen  Funktionsänderung  der  Wurzeln 
zu  suchen,  welche  bis  dahin  in  das  Wasser  tauchten.  Viele  Untersuchungen  (vgl. 
Sachs,  landwirtschaftl.  Versuchsstationen  1860.  Bd.  2.  S.  13)  beweisen,  dass  manche 
Pflanzen  ebensowohl  beföhigt  sind,  im  Wasser,  wie  in  Erde  zu  wachsen,  wenn  nur  die 
genügenden  Mineralstoffe  zugängig  sind,  dass  dagegen  das  Wurzelsystem  der  in  einem 
Medium  erzogenen  Pflanze  sich  nur  schwierig  oder  gar  nicht  einer  veränderten  Ernäh- 
rung anpassen  kann.  Es  ist  so  verständlich,  dass  Bäume,  deren  Wurzeln  das  Grund- 
wasser erreichten,  nach  einer  Senkung  desselben  allmählich  zum  Absterben  kommen. 
Anderseits  ist  es  in  der  Regel  höchst  wahrscheinlich,  dass  jüngere  neu  angeschonte 
Bestände  den  gleichen  Grad  der  Vollkommenheit  wie  die  abgestorbenen  erreichen  kön- 
nen, da  nur  ausnahmsweise  ein  wesentliches  Herabgehen  der  Bodengüte  mit  dem  Sinken 
des  Grundwassers  verbunden  ist. 

Die  gelösten  Bestandteile  des  Wassers  üben  auf  die  Vegetation 
einen  hervorragenden  Einfluss.  Harte  Wässer,  also  solche,  welche  reichlich  Kalksalze 
(die  des  Magnesiums  treten  zurück)  gelöst  enthalten,  sind  für  die  Pflanzen,  namentlich 
die  Baumarten,  deren  Bedarf  an  Kalk  ein  hoher  ist,  sehr  günstig.  Auch  die  Fluss- 
wässer, sowie  die  Bäche,  welche  aus  alkalireichen  Gebirgen  entspringen  und  daher 
ärmer  an  Kalkverbindungen  sind  (weiche  Wasser)  üben  eine  günstige  Wirkung. 
Ganz  unfruchtbar  sind  dagegen  die  aus  Torf  und  Hochmooren  hervortretenden  Gewässer. 
Diese  werden  fast  völlig  der  Mineralstoffe  durch  die  Moosvegetation  der  Moore  beraubt, 
sättigen  sich  mit  löslichen,  sauer  reagierenden  Humusstoffen  und  wirken  dadurch  un- 
günstig auf  die  Pflanzenwelt  ein.  Hier  scheinen  zwei  Tatsachen,  die  Armut  an  gelösten 
Stoffen  und  die  ungünstigen  Eigenschaften  der  gelösten  Hamuskörper  zusammenzuwirken, 


190  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

um  der  Vegetation  nachteilig  oder  doch  nicht  vorteilhaft  zu  sein. 

Welche  grossen  Mengen  von  gelösten  Nährstoffen  durch  eine  regelmässige  Be- 
wässerung selbst  mit  weichem  Wasser  zugeführt  werden,  haben  die  Untersuchungen 
von  Lauf  er  über  den  Babelsberg  (Jahrbuch  geol.  Landesanstalt  in  Preussen  1880 
p.  429j  bewiesen. 

Laufer  bestimmte  die  Menge  der  Mineralstoife ,  welche  in  Babelsberg  alljährlich 
durch  Bewässerung  dem  Boden  zugeführt  wird,  für  das  Hektar  zu 

15,5  kg  Salpeters.  Ammon, 
65      „     kohlens.  Ammon, 
58      „     schwefeis.  Kalium, 
75      „     kohlens.  Kalk. 

Es  sind  dies  gewaltige  Mineralstoffmassen,  die  ausreichen  würden,  jeder  Vege- 
tation von  den  betreffenden  Stoffen  genug  zu  bieten.  Hinzugefügt  muss  noch  werden, 
dass  die  Hauptmasse  des  Babelsberges  aus  einem  unteren  Diluvialsand  solcher  Beschaf- 
fenheit besteht,  dass  er  durchaus  geeignet  ist,  auch  ohne  Zufuhr  von  Stoffen,  Eichen  wie 
Buchen  eine  kräftige  Entwicklung  zu  gestatten. 

Es  ist  dies  ein  Beweis,  dass  allerdings  auch  recht  arme  Bodenarten  eine  hoch- 
entwickelte Waldvegetation  tragen  können,  wenn  ihnen  genügend  Wasser  und  damit 
gleichzeitig  gelöste  Nährstoffe  zugeführt  werden.  Würde  es  möglich  sein,  grosse  Flä- 
chen mit  völlig  reinem,  destilliertem  Wasser  jahrelang  zu  überrieseln,  so  würde  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  nur  zu  bald  der  Rückgang  der  Bestände  lehren,  dass  e^  das 
Wasser  allein  nicht  tut. 

Die  verschiedenen  Feu  chtigkeitsgrade  eines  Bodens  bezeichnet  man  als: 

n  a  s  8 ,  wenn  alle  Poren  mit  Wasser  gefüllt  sind  und  beim  Herausheben  des  Bo- 
dens Wasser  direkt  abfliesst.  Auf  nassem  Boden  steht  in  den  feuchteren  Jahreszeiten 
meistens  anhaltend  Wasser  und  auch  in  der  trockeneren  Zeit  ist  in  V^  bis  1  m  Tiefe 
zumeist  der  Wasserspiegel  zu  erreichen; 

feucht,  der  Boden  gibt  beim  Zusammenpressen  zwischen  den  Händen  noch 
tropfenweise  Wasser  ab; 

frisch,  mit  mittlerem  Wassergehalt;  durch  Pressen  fliesst  kein  Wasser  aus, 
die  einzelnen  Bodenteile  zeigen  jedoch  einen  massigen  Zusammenhang  infolge  der  vor- 
handenen Feuchtigkeit  (z.  B.  frischer  Sand  gegenüber  trockenem  Sande); 

trocken,  überwiegend  für  Sandboden  gebraucht,  bezeichnet  trocken  einen  an 
Wasser  armen  Boden,  dessen  einzelne  Teile  keinen  Zusammenhang  mehr  erkennen  lassen ; 

dürr,  ohne  merkbares  flüssiges  Wasser. 

Zur  Bestimmung  der  verschiedenen  Feuchtigkeitsgrade  ist  eine  längere  Kenntnis 
eines  Bodens,  Berücksichtigung  des  Bestandes  u.  s.  w.  erforderlich,  da  nach  anhalten- 
dem Regen,  im  Winter  u.  s.  w.  natürlich  auch  trockene  und  selbst  dürre  Böden  ganz 
erhebliche  Feuchtigkeitsmengen  enthalten  können. 

§  68.  4.  Die  Mineralstoffe  im  Pflanzenkörper.  Jede  Pflanze  be- 
darf zu  ihrer  Entwicklung  eine  bestimmte  Anzahl  von  elementaren  Bestandteilen.  Es 
hat  sich  herausgestellt,  dass  Kalium,  Calcium,  Magnesium,  Eisen,  Phos- 
phor und  Schwefel  unbedingt  notwendig  sind,  während  dies  für  Chlor  noch  zweifel- 
haft ist.  Stoffe,  die  sich  noch  ausserdem  in  jeder  Pflanze  flnden,  häufig  sogar  den 
grössten  Teil  der  Asche  ausmachen,  sind  Natrium  und  Kieselsäure,  weniger  verbreitet 
oder  doch  zumeist  nur  in  geringer  Menge  vorhanden  ist  das  Mangan,  während  Thon- 
erde  bisher  nur  in  einigen  wenigen  Pflanzen  reichlicher  aufgefunden  worden  ist.  Ausser- 
dem können  noch  die  verschiedenartigsten  Elemente  und  Verbindungen  aufgenommen 
werden,  auch  jene,  welche  als  direkte  Gifte  auf  den  Pflanzenkörper  wirken.     Die  Funk- 


Pflanze  und  Boden.     §  68.  191 

tion  der  einzelnen  Stoffe  in  ihrer  Bedeutung  für  den  Aufbau  der  Pflanzen  ist  nur  zum 
Teil  festgestellt  worden. 

E  e  i  n  a  s  c  h  e.  Es  ist  üblich,  die  Resultate  der  Analysen  von  Aschen  auf  „Rein- 
asche" zu  berechnen.  Bei  der  Verbrennung  der  organischen  Substanz  werden  die  an 
organische  Säuren  gebundenen  Metalle  in  kohlensaure  Yerbindungen  umgewandelt. 
Gleichzeitig  finden  sich  wohl  immer  kleine  Mengen  von  Kohle,  auch  wohl  von  Sand 
u.  dgl.  der  Asche  beigemischt.  Die  Kohlensäure,  Kohle,  Sand  u.  s.  w.  machen  nun  oft 
einen  erheblichen  Teil  der  Asche  aus,  sind  dabei  in  wechselnder  Menge  vorhanden  und 
erschweren  so  die  Yergleichbarkeit  der  Analysen.  Es  ist  daher  gebräuchlich,  den  Ge- 
halt einer  Asche  zu  berechnen,  welche  von  jenen  Bestandteilen  frei  sein  würde.  Die 
Zahlen  der  Reinasche  geben  den  prozentischen  Anteil,  welchen  die  einzelnen  Elemente 
an  der  Zusammensetzung  nehmen.  Den  absoluten  Gehalt  an  den  einzelnen  Stoffen  findet 
man,  wenn  die  Trockensubstanz  mit  in  Rechnung  gezogen  wird.  Die  agrikulturchemi- 
schen Arbeiten  geben  daher  in  der  Regel  zwei  Tabellen,  einmal  die  Zusammensetzung 
der  Reinasche,  zweitens  den  Gehalt  von  tausend  Teilen  Trockensubstanz  an  einzelnen 
Stoffen. 

Die  verschiedenen  Nährstoffe  können  sich  nicht  unter  einander  vertreten.  Es 
scheint  jedoch  für  die  verschiedenen  Pflanzen  ein  bestimmtes  allgemeines  Mineralstoff- 
bedürfnis zu  bestehen,  welches  durch  verschiedene  Verbindungen  gedeckt  werden  kann. 

Die  Nährstoffaufnahme  erfolgt  durch  Osmose.  Da  die  osmotischen  Kräfte  nur 
wirksam  werden  können,  wenn  in  den  Pflanzenzellen  fortgesetzt  Umbildungen  erfolgen 
und  diese  wieder  bei  den  Pflanzenarten  und  bei  derselben  Pflanze  im  Laufe  ihrer  Ve- 
getationszeit verschieden  ist,  so  werden  aus  derselben  Lösung  sehr  wechselnde  Mengen 
aufgenommen.  Man  hat  dies  Verhalten  als  das  quantitative  Wahlvermögen 
der  Pflanzen  bezeichnet. 

Die  Asche  embryonaler  Pflanzen  enthält  viel  Stickstoff,  Kali,  Phosphorsäure  und 
Schwefel;  massige  Mengen  Magnesia;  Kalk  und  andere  Mineralstoffe  sind  nur  sparsam 
vorhanden. 

Kalium;  scheint  bei  der  Bildung  des  Stärkemehls,  bezw.  der  Kohlehydrate  eine 
Rolle  zu  spielen.  Durch  Natrium  oder  ein  anderes  Alkalimetall  kann  es  nicht  ersetzt 
werden.  Kalium  ist  in  den  jüngeren  Pflanzenteilen,  die  noch  in  der  Entwicklung  be- 
griffen sind,  angehäuft.  In  den  Bäumen  ist  es  relativ  reichlicher  im  Holzkörper  vor- 
handen. Einzelne  Pflanzen  nehmen  viel  Kali  auf,  so  unter  den  Feldfrüchten  Kartoffel 
und  Rüben,  unter  den  Waldbäumen  die  Tanne. 

Natrium  in  den  Pflanzen  der  Salzböden  reichlich  angehäuft  und  findet  sich  in 
allen  Aschen.  Als  notwendiger  Nährstoff  kann  Natrium  nicht  betrachtet  werden,  wenn- 
gleich es  in  manchen  Fällen  als  nützlich  für  die  Pflanze  gelten  kann. 

Calcium  ist  für  die  Chlorophyllpflanzen  ein  unentbehrlicher  Nährstoff,  nicht 
aber  für  die  Pilze.  Hieraus  geht  hervor,  dass  es  für  die  Lebensvorgänge  nicht  dieselbe 
Bedeutung  hat  wie  z.  B.  Kalium  oder  Phosphorsäure.  Grosse  Mengen  des  Calciums 
werden  von  den  organischen  Säuren,  mit  welchen  es  vielfach  unlösliche  Salze  bildet, 
festgelegt  und  dadurch  für  die  weitere  Entwicklung  des  Pflanzenkörpers  unbrauchbar. 
Namentlich  die  Oxalsäure  bez.  der  oxalsaure  Kalk  findet  sich  in  Kry stallen  in  fast 
allen  Pflanzen  und  ist  namentlich  im  Rindenkörper  der  Bäume  reichlich  abgelagert. 
Das  Calcium  gehört  überhaupt  überwiegend  dem  Rindenkörper  an  und  ist  prozentisch 
sehr  viel  reicher  in  demselben  vertreten,  als  im  Holze. 

Von  allen  anorganischen  Nährstoffen  beanspruchen  die  Waldbäume  vom  Kalk 
weitaus  am  meisten.  Kein  anderer  Stoff  macht  auch  sein  Fehlen  oder  seine  Gegenwart 
im  Boden  auf  den  Holzwuchs  und  für  die  ganze  Flora  so  bemerkbar,  wie  der  Kalk.   Eine 


192  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

ganze  Anzahl  von  Pflanzen  werden  mit  Recht  als  „Kalkpflanzen*'  bezeichnet,  da  ihr 
zahlreiches  Vorkommen  auf  Kalkreichtnm  des  Bodens  deutet.  Anderseits  gilt  auch  hier 
der  Satz,  dass  jene  Pflanzen  auch  in  anderen  als  Kalkböden  gedeihen  können;  aber 
das  natürliche  Vorkommen  beschränkt  sich  im  wesentlichen  auf  diese. 

Das  Magnesium  scheint  bei  der  Eiweissbildung  im  Pflanzenkörper  beteiligt 
zu  sein.  Es  wird  in  nur  massigen  Mengen  aufgenommen ,  selbst  auf  den  magnesium- 
reichen Dolomitböden  macht  es  nur  einen  massigen  Teil  der  Pflanzenasche  aus. 

Im  Baumkörper  verhält  es  sich  dem  Kalium  ähnlich  und  ist  prozentisch  im  Holz- 
körper weit  reicher  veitreten,  als  in  den  Rinden,  sammelt  sich  dagegen  reichlich  in 
den  Blattorganen  an. 

Eisen  bedürfen  die  Pflanzen  nur  in  geringen  Mengen;  es  ist  zur  Bildung  des 
Chlorophylls  notwendig.  Pflanzen  ohne  Eisen  erzogen,  bilden  gelblich  gefärbte,  sogen, 
„bleichsüchtige"  Blätter.  Alle  Pflanzen  bedürfen  des  Eisens,  auch  die  Pilze.  Es  muss 
demnach  neben  der  genannten  noch  eine  weitere  Funktion  im  Pflanzenkörper  haben, 
welche  man  noch  nicht  kennt. 

Mangan  findet  sich  in  der  Asche  der  meisten  Waldbäume,  wenn  auch  in  der 
Regel  nicht  besonders  reichlich.  Vom  Verf.  wurde  nur  einmal,  in  einer  Esche,  keine 
nachweisbare  Spur  von  Mangan  in  der  Asche  gefunden.  Bemerkenswert  ist  dieses  Ele- 
ment dadurch,  dass  es  sich  gelegentlich  in  den  Baumaschen  in  grossen  Massen  anhäufen 
kann ;  es  wurde  von  v.  Schröder  in  einer  Tanne  bis  zu  ^/s  der  Reinasche  aufge- 
funden (Pflanzenphysiolog.  u.  forstchem.  Forschungen.     Dresden  1878). 

Aluminium  bez.  Thonerde  gehört  trotz  der  weiten  Verbreitung  derselben 
im  Boden  zu  den  sparsamsten  und  seltensten  Bestandteilen  der  Pflanzenaschen.  Nor 
in  den  Lycopodiaceen  und  in  der  wilden  Akazie  wurde  bisher  ein  reichlicherer  Grehalt 
an  Thonerde  aufgefunden. 

Phosphor,  und  zwar  als  Phosphorsäure,  ist  einer  der  wichtigsten  und 
ein  unentbehrlicher  Pflanzennährstoff.  Die  Phosphorsäure  begleitet  die  Eiweissstoffe 
überall  und  scheint  bei  der  Bildung  derselben  eine  Hauptrolle  zu  spielen.  Dem  ent- 
sprechend findet  sich  die  Phosphorsäure  überwiegend  in  den  Vegetationszentren,  nament- 
lich den  Blattorganen  in  reichlichster  Menge  vor. 

Schwefel  wird  von  den  höheren  Pflanzen  nur  als  Schwefelsäure  bez.  als  Salz 
derselben  aufgenommen.  Schwefel  ist  einer  der  elementaren  Bestandteile  der  Eiweiss- 
körper. 

Chlor  findet  sich  neben  Natrium  in  den  „Salzpflanzen"  reichlich,  fehlt  aber  auch 
sonst  in  keiner  Pflanze.  Einzelne  Beobachtungen  weisen  darauf  hin,  dass  durch  die 
Gegenwart  von  Chlorverbindungen  der  Transport  der  im  Pflanzenkörper  gebildeten 
Stoffe  begünstigt  wird,  obgleich  es  als  ein  unentbehrlicher  Nährstoff  nicht  betrachtet 
werden  kann. 

Kieselsäure  wird  ebenfalls  von  allen  Pflanzenarten  aufgenommen  und  vor- 
wiegend in  der  Rinde  zur  Ablagerung  gebracht.  Namentlich  die  äussersten  Rinden- 
schichten sind  reich  an  diesem  Stoff  und  oft  wie  mit  einem  Kieselpanzer  überzogen. 
Obgleich  die  Kieselsäure  kein  eigentlicher  Nährstoff  ist,  trägt  sie  doch  zur  Festigung 
der  äusseren  Rindenschicht  bei  und  wirkt  so  mechanisch  günstig. 

In  vielen  Bäumen  findet  sich  die  überwiegende  Menge  der  Kieselsäure  in  den 
Blättern,  namentlich  den  älteren  Blättern  angesammelt,  und  ist  die  v.  Schröder'sche 
Auffassung,  dass  der  Baum  beim  Blattabfall  einen  Teil  der  unnötigen  Kieselsäure  aus 
seinem  Körper  wieder  abscheide,  wohl  gerechtfertigt.  So  enthielten  die  Blätter  einer 
Hainbuche,  die  noch  nicht  drei  Prozent  des  gesaraten  Trockengewichtes  ausmachten, 
fast  60^/o  der  im  Baumkörper  enthaltenen  Kieselsäure. 


Pflanze  nnd  Boden.     §  68.  193 

Neben  den  behandelten  Mineralstoffen  sind  noch  zahlreiche  andere  Elemente,  zu- 
meist allerdings  in  äusserst  geringen  Mengen,  in  den  Pflanzen  aufgefunden  worden. 
Einzelne  Baum-  bez.  Pflanzenarten  nehmen  von  bestimmten  Bestandteilen  —  nament- 
lich  gilt  dies  für  Kali,  Kalk,  vielleicht  auch  Magnesia  —  regelmässig  reichlichere 
Mengen  auf  als  andere  auf  demselben  Boden  erwachsene  (vgl.  die  lehrreiche  Unter- 
suchung von  Councler,  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1866,  p.  417  über 
Tanne,  Fichte  und  Lärche) ;  aber  ein  eigentliches  Wahlvermögen,  durch 
welches  die  Pflanze  die  schädlichen  und  unschädlichen  Mineralstoffe  zu  trennen  vermag, 
gibt  es  nicht.  Alle  diffundierbaren  Bestandteile  des  Bodens  werden  aufgenommen,  wenn 
auch  die  verschiedenen  Pflanzenarten  dies  nur  in  wechselndem  Grade  vermögen. 

Die  Menge  der  aufgenommenen  Mineralstoffe  ist  von  dem  Reichtum 
des  Bodens,  dessen  Wassergehalt  u.  s.  w.  abhängig,  so  dass  der  Aschengehalt  einer 
Pflanzenart  sehr  verschieden  sein  kann.  Eine  Kiefer,  auf  Basaltboden  erwachsen,  nimmt 
ganz  andere  Mengen  von  festen  Bestandteilen  auf,  als  eine  solche  auf  armem  Sand- 
boden erwachsene.  Es  unterliegt  nun  keinem  Zweifel,  dass  eine  reichlichere  Zufuhr 
von  Nährstoffen  die  Produktion  steigert,  aber  doch  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade; 
ist  dieser  erreicht,  so  lagern  sich  die  Mineralstoffe  im  Pflanzenkörper  ab,  ohne  für 
physiologische  Zwecke  verwandt  zu  werden:  die  Pflanze  treibt  dann  Luxuskonsum. 
Diese  Tatsache  selbst  ist  sicher  festgestellt  worden ;  namentlich  die  enorme  Anhäufung 
von  Mineralstoffen  in  den  in  Wasserkultur  erzogenen  Pflanzen  beweist  sie.  Anderseits 
ist  es  ausserordentlich  schwer  und  zur  Zeit  noch  fast  unmöglich,  die  geringste  zur  nor- 
malen Entwicklung  unbedingt  notwendige  Menge  eines  Nährstoffes  festzustellen. 

Gesetz  des  Minimums.  Die  für  das  Pflanzenleben  notwendigen  Beding- 
ungen sind  also  Licht,  Wärme,  Kohlensäure,  Wasser,  aufnehmbare  Stickstoffverbindungen 
und  die  ganze  Zahl  der  notwendigen  Mineralstoff'e.  Das  Fehlen  oder  eine  ungenügende 
Menge  irgend  einer  dieser  Faktoren  wird  die  Entwicklung  der  Pflanze  völlig  hemmen 
oder  doch  erheblich  herabsetzen,  mögen  auch  alle  andern  Verhältnisse  noch  so  günstig 
sein.  Die  Entwicklung  der  Pflanze  wird  reguliert  durch  den  Einfluss  desjenigen,  für 
die  Pflanzenproduktion  notwendigen  Faktors,  der  in  geringster  Menge,  im  Minimum, 
vorhanden  ist.  Die  Agrikulturcheraie  bezeichnet  dies  als  Gesetz  des  Minimum 
und  spricht  letzteres  in  der  Regel  so  aus :  »Der  im  Minimum  vorhandene 
Faktor  der  Pflanzenernährung  ist  massgebend  für  die  gesamte 
Grösse  der  Produktion." 

L  i  t.  L  i  e  b  i  g  ,  Agrikulturchemie  1862.  IL  Bd.  S.  133.  Mayer,  Agrikultur- 
chemie I.  p.  293. 

Waldbäume  und  Mineralstoffe:   Für  die  Verteilung  der  Mineralstoffe 

im  Baumkörper  gelten  folgende  Sätze: 

a)  Der  Aschengehalt  ist  in  jugendlichen  Organen  grösser  als  in  älteren ;  er  steigt 
daher  in  der  Regel  mit  Abnahme  des  Durchmessers  der  Sortimente. 

b)  Die  Rinde  ist  stets  aschenreicher  als  das  zugehörige  Holz. 

c)  Die  Blattorgane  sind  (mit  wenigen  Ausnahmen)  die  an  Mineralstoffen  reichsten 
Teile  des  Baumkörpers. 

d)  Beim  allmählichen  Absterben  einzelner  Baumt^ile  findet  eine  Rückwanderung 
der  wichtigsten  Nährstoffe  in  den  Baurakörper  statt.  Es  gilt  dies  von  der  Bildung 
von  Borke,  vom  Absterben  von  Aesten  und  im  höheren  Masse  vom  normalen  Abfall 
der  Blattorgane.  Kali,  Phosphorsäure,  Magnesia  und  Stickstoff  wandern  aus ;  für  Kalk 
und  Kieselsäure  hat  eine  nennenswerte  Rückwanderung  nicht  nachgewiesen  werden  können. 

e)  Die  Blattorgane  werden  allmählich  während  der  Vegetationszeit  reicher  an 
Gesamtasche,  namentlich  an  Kalk  und  an  Kieselsäure. 

Handbuch  d.  Foratw.     2.  Aufl.     I.  13 


194  II.  Ra  mann,  Forstliche  Standortslehre. 

§  69.  5.  Verhältnis  zwischen  Holzkörper,  Rindenkörper  und 
den  Blattorganen  der  Waldbäume.  (Vgl.  Forst-  und  Jagdzeitung  1883, 
1.  Heft.)  Die  alljährlich  erzeugte  organische  Substanz  wird  nur  soweit  vom  Baume 
dauernd  festgelegt,  als  sie  im  Holz  und  Rindenkörper  zur  Ablagerung  gelangt.  Eine 
sehr  erhebliche,  oft  sogar  die  überwiegende  Menge  der  durch  Assimilation  gebildeten 
StoflFe,  geht  beim  Abfall  der  Blattorgane  dem  Baume  wieder  verloren  oder  wird  durch 
den  Prozess,  welchen  man  als  Atmung  der  Pflanze  bezeichnet,  zersetzt.  Tatsächlich 
entspricht  also  der  jährliche  Zuwachs  lange  nicht  der  gebildeten  organischen  Substanz. 

Ebensowenig  gilt  dies  für  die  von  der  Wurzel  aufgenommenen  Stoffe,  die  nament- 
lich aus  W^asser  und  den  Mineralstoffen  bestehen.  Betrachtet  man  nar  die  letzteren, 
so  werden  sie  zum  Teil  im  Baumkörper  abgelagert  und  zum  Teil  bei  dem  Abfall  der 
Blattorgane  dem  Boden  wieder  zugeführt.  Tritt  auch  hierdurch  für  den  letzteren  kein 
Verlust  ein,  so  geht  doch  dem  Baume  die  geleistete  Wurzelarbeit  verloren.  Um  ein 
Bild  von  den  betreffenden  Verhältnissen  zu  gewinnen,  ist  es  daher  notwendig,  die  ein- 
zelnen Teile  eines  Baumes  gesondert  zu  betrachten. 

Das  Holz  ist  der  aschenärmste  Teil  des  Baumkörpers,  von  unseren  Baumarten 
enthält  das  Holz  durchschnittlich  etwa  0,3 — 0,4®/o  Mineralstoffe ;  nur  wenige  Arten  wie 
Kiefer,  Birke,  Weymouthskiefer  bleiben  unter  dieser  Zahl,  noch  wenigere  wie  die  wilde 
Akazie  übersteigen  diesen  Betrag. 

Die  Rinde  ist  sehr  wechselnd  zusammengesetzt,  ihr  Mineralstoffgehalt  schwankt 
bei  den  verschiedenen  Baumarten  ausserordentlich ;  und  ebenso  schwankt  der  prozen- 
tische Anteil  der  Rinde  an  der  Gesamtmasse  des  Baumes,  also  das  Rindenprozent. 

In  bezug  auf  den  Gehalt  an  Aschenbestandteilen  der  Rinde  muss  man  die  Baumarten 
in  Borke  bildende  und  glattrindige  einteilen.  Die  Borke  ist  stets  aschenärmer  als  die 
entsprechende  lebenstätige  Rinde.  Bei  borkebildeuden  Bäumen  wird  daher  der  Gehalt  des 
Rindenkörpers  an  Mineralstoffen  mit  zunehmendem  Alter  abnehmen  und  in  der  Regel 
überhaupt  geringer  sein,  als  bei  glattschal  igen  Bäumen.  Bei  diesen  erfolgt  fortgesetzt 
eine  weitere  Ablagerung  von  Mineralstoffen,  der  Gehalt  daran  wird  also  mit  dem  höhe- 
ren Alter  steigen.  (Zu  der  ersten  Klasse  gehören  z.  B.  Birke,  Kiefer,  zu  der  letzteren 
Buche  und  Hainbuche.) 

Man  kann  dabei  die  Baumarten,  soweit  bisher  zu  übersehen,  in  bezug  auf  ihren 
Rindenkörper  in  drei  Gruppen  bringen,  in  solche: 

a)  die  sich  mit  einer  Kork-  bez.  Borkeschicht  umgeben;  also  wesentlich  nur  Zel- 
lulose ablagern, 

b)  die  Kalksalze,  namentlich  Oxalsäuren  Kalk  in  der  Rinde  ablagern,  Weissbuche, 
Esche  u.  s.  w. 

c)  die  Kieselsäure  in  der  Rinde  ablagern:  Lärche,  Rüster. 

Natürlich  finden  sich  zwischen  diesen  Gruppen  die  mannigfachsten  üebergänge. 

Die  Blattorgane  wechseln  in  ihrem  Mineralstoffgehalt  fast  noch  mehr  als 
die  Rinden  der  Bäume ;  und  ebenso  gross  sind  die  Unterschiede  in  der  Menge  der  Blatt- 
masse für  den  einzelnen  Stamm ,  also  das  Blätterprozent.  Das  letztere  gibt 
einen  Massstab  für  die  Verteilung  der  jährlich  gebildeten  organischen  Substanz  zwi- 
schen Baum-  und  Blattkörper.  Soweit  die  vorliegenden  Untersuchungen  reichen,  wer- 
den von  den  sämtlichen  Nadelhölzern  (die  Lärche  ausgenommen),  dagegen  nur  von  sehr 
wenigen  Laubhölzern  (Erle,  Akazie)  weniger  als  die  Hälfte,  jedoch  mehr  als  ein  Viert«! 
für  die  Blattorgane  in  Anspruch  genommen.  Alle  übrigen  Baumarten  verwenden  mehr 
als  die  Hälfte,  in  einzelnen  Fällen  (Esche)  sogar  ^/e  auf  die  Blätter,  während  der  klei- 
nere Teil  als  Zuwachs  dem  Stamme  zufällt. 

Noch  viel  ungünstiger  gestaltet   sich   das  Verhältnis  für  die  Mineralstoffe;   von 


Pflanze  und  Boden.     §  70.  195 

diesen  werden  unter  allen  Umständen  viel  mehr  in  den  Blattorganen,  als  im  Stamm 
abgelagert.  Wie  gross  der  Unterschied  werden  kann,  beweist  die  Untersuchung  einer 
vierzigjährigen  Esche  von  Henry  (Grandeau,  Annal.  d.  stat.  agronomig.  de  l'Est),  in 
welcher  nur  ein  Hundertteil  der  Phosphorsäure,  ^/sa  des  Kalks  und  nur  ^/ao  der  Ge- 
samtreinasche alljährlich  dem  Stammkörper  zugeführt  wurde,  während  der  Rest  in  den 
Blättern  enthalten  war. 

Aus  den  vorliegenden  Untersuchungen  lässt  sich  mit  Sicherheit  der  Satz  ableiten: 
Dass   die   alljährlich   aufgenommenen   Mineralstoff  mengen 
in  erster  Reihe  durch  die  Menge  und  den  Gehalt  der  Blattorgane 
bedingt  werden. 

Anspruch,  Bedarf  und  Entzug.  Bisher  ist  nur  von  der  Verteilung  der 
Mineralstoffe  im  Baanikörper  die  Rede  gewesen,  es  fragt  sich,  in  wie  weit  man  berech- 
tigt ist  anzunehmen,  dass  die  Entwicklung  der  Bäume  von  einem  gewissen  im  Boden 
vorhandenen  Mass  an  Nährstoffen  abhängig  ist.  In  der  Regel  wird,  und  die  Erfahrung 
bestätigt  es,  eine  Baumart,  welche  viel  Aschenbestandteile  zu  ihrer  Entwicklung  be- 
darf, auch  einen  reichen  Boden  beanspruchen.  Anderseits  darf  die  verschiedenartige 
Fähigkeit  der  Bauraarten,  ihren  Bedarf  zu  decken,  nicht  unterschätzt  werden.  Eine 
Akazie  (Robinie)  kann  die  bedeutende  Menge  von  anorganischen  Bestandteilen,  welche 
sie  verlangt,  noch  auf  recht  armem  Boden  befriedigen;  sie  ist  wie  die  meisten  Papilio- 
naceen  (man  denke  an  die  Lupine)  im  stände,  mit  ihrer  bedeutenden  Wurzelentwicklung 
den  Gehalt  des  Bodens  auszunutzen,  wird  ihn  natürlich  aber  entsprechend  rasch  er- 
schöpfen. Das  Verlangen  einer  Baumait  nach  einer  geringeren  oder  höheren  Bodengüte 
ist  daher  von  dem  Verf. -als  Anspruch  bezeichnet  worden.  Als  genügsam  wurden 
die  Baumarten  bezeichnet,  welche  nur  wenig  Mineralstöffe  aufnehmen  und  diese  auch 
einem  armen  Boden  zu  entziehen  wissen.  Der  Anspruch  bringt  also  das  Verhältnis 
zwischen  Pflanze  und  Boden  zur  Anschauung. 

Der  Bedarf  bezieht  sich  dagegen  auf  einen  Baum  oder  Bestand  als  Individuum 
und  bezeichnet  die  grössere  oder  geringere  Mineralstoffmenge,  welche  zur  normalen 
Entv^äcklung  von  Stamm-  und  Blattkörper  verlangt  wird. 

Der  Entzug  endlich  stellt  die  Einwirkung  des  Menschen  auf  Wald  und  Boden 
dar;  er  bezeichnet  die  Menge  von  nutzbaren  Mineralstoffen,  welche  bei  der  Nutzung 
der  Produkte  aus  dem  Walde  ausgeführt  wird  und  so  demselben  dauernd  verloren  geht. 
Die  Grösse  des  Entzuges  ist  daher  von  der  Ausfuhr  an  Holz,  Streu,  Gras  u.  s.  w.  ab- 
hängig. 

Die  meisten  forstlich-chemischen  Arbeiten  behandeln  die  Frage  des  Entzuges  der 
Mineralstoffe,  zumeist  für  ein  Jahr  und  Hektar  berechnet.  Es  ist  dabei  notwendig,  die 
Produktion  der  Flächeneinheit,  sowie  den  Gehalt  der  gewonnenen  Produkte  zu  kennen. 
Genauere  Angaben  über  die  Nährstoffmengen,  welche  zur  Entwicklung  der  Bäume  all- 
jährlich aufgenommen  werden,  sind  nur  für  die  Nadelhölzer  vorhanden.  Es  ergibt  sich, 
dass  der  Bedarf  der  Baumarten  mit  dem  Alter  erheblich  wechselt  und  zu  sehr  ver- 
schiedenen Zeiten  ein  Maximum  erreicht.  Auf  besseren  Bodenklassen  geschieht  dies  für 
die  Kiefer  schon  im  zwanzigsten  Jahre  oder  noch  früher ;  bei  der  Fichte  etwa  im  dreis- 
sigsten,  bei  der  Buche  im  40. — 60.  Jahre.  Durchschnittlich  tritt  das  Maximum  des 
Bedarfes  auf  geringen  Bodenklassen  später,  als  auf  den  besseren  ein. 

§  70.  B  0  d  e  n  f  1 0  r  a.  Zahlreiche  Arbeiten  der  Botaniker  haben  es  wahrschein- 
lich gemacht,  dass  die  verschiedenen  Pflanzenarten  auf  fast  allen  Bodenarten  wachsen 
können.  Abweichende  Erfahrungen  machte  man  bei  reichlichem  Gehalt  der  Böden  an 
löslichen  Salzen  (namentlich  Kochsalz,  auch  bei  Kainitdüngung)  und  wenn  auch  erheb- 
lich sparsamer  bei  Gegenwart  von  Kalkverbindungen. 

13* 


196  II.  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

Diesen  Laboratorinmsversuchen  steht  nun  die  Beobachtung  im  Felde  gegenüber, 
welche  uns  zeigt,  dass  manche  Pflanzen  beztimmte  Bodenarten  bevorzugen,  so  dass  sie 
nur  auf  diesen  verbreitet  auftreten.  Die  „Bodenflora**  gilt  mit  Recht  als  ein  einfaches 
und  sicheres  Hilfsmittel  zur  Bestimmung  des  Bodenwertes  und  der  Standoiisgüte.  Fest- 
zuhalten ist  hierbei  jedoch  immer,  dass  der  Gesamtcharakter  der  Flora  zu  berücksich- 
tigen ist,  nicht  ein  vereinzeltes  Auftreten  irgend  einer  bestimmten  Art. 

Verbreitetes  Vorkommen  von  Pflanzenaiten  ist  ausser  von  klimatischen  Faktoren 
zumeist  abhängig  von  der  Konkurrenz  anderer  Arten.  Hieraus  wird  es  verständlich, 
dass  Arten,  welche  auf  nährstoffarmen  Böden  gedeihen,  selten  den  Wettbewerb 
anspruchsvoller  und  schnellwüchsiger  Species  auf  besseren  Böden  stand  halten  können, 
während  sie  anderseits  diesen  Arten  unter  anderen  Umständen  überlegen  sind. 

Die  Pflanzen  Verteilung  auf  der  Erdoberfläche  ist  überhaupt  von  sehr  vielen  Be- 
dingungen abhängig ;  die  biologischen  sind  darunter  sehr  stark  beteiligt,  ohne  zugleich 
so  leicht  erkennbar  zu  sein,  als  z.  B.  die  Bodeneigenschaften. 

Es  ist  daher  ungemein  schwierig,  anzugeben,  welche  Ursache  man  als  entscheidend 
annehmen  muss,  dass  bestimmte  Arten  sich  vorwiegend  auf  einem  oder  anderem  Boden 
flnden. 

Als  charakteristische  Gewächse  kann  man  folgende  aufführen. 

1.  In  locker  gelagertem  Waldboden  (Mullboden),  zumal  des  Buchen- 
waldes (aber  auch  unter  Fichten  u.  s.  w.),  flnden  sich  Rhizompflanzen ,  die  entweder 
schwachem  Lichtbedarf  angepasst  sind  oder  ihre  Entwicklung  bereits  vor  Entwicklung 
der  Blätter  im  Frühjahre  abschliessen.  Hierhin  gehören :  Asperula  odorata,  Convallaria 
majalis,  Asarum  europaeum,  Melica  uniflora  und  nutans,  Oxalis  acctosella,  Anemonen  u.  s.  w. 

Reichlichere  Anhäufung  von  lockerem  Waldhumus  bevorzugen:  Impatiens  noli- 
tangere,  Mercurialis  perennis,  Paris  quadrifolia,  Circaeaarten,  auch  Daphne  Mezereum. 

Bei  Auslichtung  des  Buchenwaldes  verbreiten  sich  Luzula  pilosa  und  albida,  Mi- 
lium effusum,  Festuca  gigantea ;  diese  Arten  bilden  neben  den  zuerst  genannten  die 
„Begrünung*'  der  Buchenböden,  als  Zeichen,  dass  auch  die  Buchel  ein  geeignetes  Keim- 
bett findet. 

2.  Pflanzen  des  Rohhumus  sind  Trientalis  europaea,  Melampyrum  sviva- 
ticum,  Heidel-  und  Preiselbeere,  auf  lichteren  Stellen  Aira  flexuosa,  Nardus  stricta,  die 
Heide;  sämtlich  Pflanzen  nährstoffarmer  Böden. 

3.  Schlagpflanzen.  Nach  Abtrieb  der  Bestände  bedecken  einzelne  Arten 
oft  den  grössten  Teil  der  Schlagfläche.  Es  sind  meist  Species  mit  leicht  beweglichen 
Samen,  namentlich  sind  zu  nennen :  Senecioarten  (vemalis  u.  and.),  Epilobium  angusti- 
folium,  Stachys  sylvatica,  Aspidiumarten,  Erdbeere,  Himbeere;  im  Gebirge  noch  Digi- 
talis purpurea,  Atropa  Belladonna;  auf  Kalkböden  sind  Grasarten  herrschend:  Dactylis 
glomerata,  Koeleria  cristata,  später  Festuca  und  Carexarten;  auf  Sandböden:  Aira 
flexuosa,  Agrostisarten,  auch  der  Adlerfarn. 

4.  Pflanzen  saurer  Wiesen.  Es  herrschen  hart-  und  breitblätterige  Cy- 
peraceen  und  Gräser  vor,  zumal  Carex  und  Scirpusarten ,  nimmt  der  Gehalt  an  Nähr- 
stoffen im  Boden  ab,  so  flnden  sich  einzelne  auch  auf  Hochmooren  vorkommende  Pflan- 
zen ein,  namentlich  Wollgräser  (Eriophorum  angustifolium  und  polystachium,  sparsamer 
vaginatum,  Molinia  coerulea,  Pedicularis  palustris). 

5.  Pflanzen  der  Hochmoore.  Die  Hochmoore  sind  die  nährstoffärmsten 
und  am  stärksten  den  physikalischen  Aenderungen  ausgesetzten  Standorte,  sie  zeigen 
eine  charakteristische  Flora:  Torfmoose  (Sphagnumarten),  Andromeda  polifolia,  Drosei*», 
Scirpus  caespitosus,  Vaccinium  Oxycoccus,  Eriophorum  vaginatum,  Erica  tetralix  (im 
Nordwesten);   Calluna  vulgaris  (wohl   die  Art,  welche  die  grössten  Schwankungen  im 


Pflanze  und  Boden.     §  71.  197 

Wassergehalt  und  Nähi-stoffgehalt  des  Bodens  erträgt,  überwiegend  jedoch  eine  Pflanze 
sauer  reagierender,  nährstoffarmer  Böden  ist). 

6.  Auf  Heiden  finden  sich  ausser  den  meisten  genannten  Pflanzen  der  Hoch- 
moore noch  Empetrum  nigrum,  Genistaarten,  Ledum  palustre  (auch  auf  Rohhumus), 
Myrica  gale,  Arctostaphylos  üva  ursi  (auf  den  Heiden  mischen  sich  die  Pflanzen  der 
Hochmoore  mit  denen  der  nährstoffarmen  Sandböden). 

7.  Sandpflanzen.  Arten,  welche  mit  mehr  oder  weniger  ausgeprägten 
Schutzvorrichtungen  gegen  Trocknis  versehen  sind. 

Auf  bewegtem,  flüchtigen  Sande:  Ammophila  arenaria,  Eiymus  arenarius,  Carex 
und  Triticumarten. 

Auf  Sandboden :  Aira  canescens,  Plantago  arenaria,  Gnaphaliuraarten,  namentlich 
G.  arvense;  Helichrysum  arenarium,  Trifolium  arvense;  Haftmoose  (Polytrichum  juni- 
perinum  u.  and.),  Flechten  (zumal  Cladonia  und  Stereocaulonarten). 

8.  Kalkpflanzen.  Böden  mit  reichlicherem  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk 
beherbergen  eine  sehr  charakteristische  Flora;  von  den  bei  uns  einheimischen  sind  zu 
nennen;  Carex  humilis,  Melica  ciliata,  Sesleria  coerulea;  Orchideen,  Aster  Amellus, 
Bupleurumarten,  Umbelliferen,  Papilionazeen.  Viele  Pflanzen  der  deutschen  Kalkböden 
finden  sich  oft  herrschend  auf  den  östlicheren  Steppen,  so  Melica  ciliata,  Stipaarten, 
Adonis  vemalis  u.  a.  Es  muss  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Ursache  im  Kalkgehalt 
des  Bodens  oder  in  der  Aehnlichkeit  der  physikalischen  Lebensbedingungen  begründet 
ist.     Wahrscheinlich  wirken  beide  Ursachen  ein. 

Yon  Bäumen  sind  die  Sorbusarten  (mit  Ausnahme  der  Vogelbeere),  Cotoneaster 
vulgaris,  Prunus  Mahaleb,  Vibumun  Lantana,  sowie  die  Buche  entweder  Kalkpflanzen 
oder  bevorzugen  doch  kalkreichere  Bodenarten. 

Kalkmeidend  sind  von  den  Bäumen  Castanea  vesca  und  Pinus  maritima ; 
von  anderen  Pflanzen:  Lupinus  Intens,  Medicago  minima,  Rumex  acetosella,  fast  alle 
Heide-  und  Sandpflanzen,  besonders  die  Sphagneen. 

9.  Salzpflanzen.  Charakteristische  Pflanzenarten  finden  sich  in  salzreichen 
Böden,  sowohl  am  Meeresstrande  als  auch  im  Binnenlande  treten  dieselben  oder  ver- 
wandte Arten  auf.  Weit  verbreitet  sind:  Salicornia  herbacea,  Glaux  maritima,  Samo- 
lus  Valerandi,  Aster  Tripoliura,  Artemisia  maritima. 

Während  früher  die  chemische  Zusammensetzung  des  Bodens  für  die  Pflanzen- 
verbreitung ziemlich  allgemein  als  massgebend  angenommen  wurde,  trat  später  eine 
Richtung  auf,  w^elche  mehr  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  hervorhob. 
Gegenwärtig  macht  sich  für  diese  Frage  unter  den  Botanikern  mehr  eine  Betonung 
der  klimatischen  Faktoren  geltend.  Es  ist  festzuhalten,  dass  jede  dieserEinwir- 
kungen  Bedeutung  hat,  sowie  dass  zwischen  den  herrschenden  Pflanzenforma- 
tionen  und  den  Bodenarten  gegenseitige  Beeinflussungen  bestehen.  Jede  einseitige  Be- 
trachtung wird  zu  falschen  Schlüssen  führen.  Man  tut  daher  gut,  sich  ebensosehr  vor 
Ueberschätzung,  wie  vor  Bestreitung  der  Wichtigkeit  der  chemischen  Zusammensetzung 
des  Bodens  zu  hüten  und  daran  festzuhalten,  dass  mindestens  innerhalb  kleinerer  pflan- 
zengeographischer Verbreitungsgebiete  enge  Beziehungen  zwischen  Bodenart  und  Pflan- 
zendecke bestehen. 

§  71.  Anhang.  Düngung  im  forstlichen  Betriebe.  In  neuester 
Zeit  ist  die  Frage  der  Düngung  im  forstlichen  Betriebe  vielfach  behandelt  worden. 
Namentlich  die  ärmsten  Sandbodenarten  stellen  der  Tätigkeit  des  Forstmannes  grosse 
Schwierigkeiten  entgegen  und  führen  immer  wieder  zu  Versuchen,  die  billigen  Mine- 
raldünger zu  verwenden,  um  besseren  Wuchs  zu  erzielen.  Die  Versuche  sind  noch 
nicht  soweit  gediehen,   um  ein  Urteil  zu  ermöglichen.    Am  aussichtsreichsten  scheint 


198  IL  Ramann,  Forstliche  Standortslehre. 

noch  die  Düngung  für  bessere,  aber  herabgekommene  Bodenarten  zu  sein.  Hier  kann 
durch  Düngung  die  Entwicklung  der  Pflanzen  gefördert  und  können  so  die  Gefahren 
des  Jugendstadiums  abgekürzt  werden. 

Günstiger  gestalten  sich  die  Düngung  der  Saatkämpe,  für  ständige  Kämpe  ist 
eine  regelmässige  Nährstoffzufuhr  notwendig.  Ausser  den  im  Walde  zur  Verfugnng 
stehenden  Hilfsmitteln  und  etwa  Benutzung  der  Rasenasche  haben  die  Mineraldünger 
bei  richtiger  Anwendung  gute  Erfolge  gezeitigt.  Gründüngung  ist  bisher  bei  schweren 
Bodenarten  und  auf  Heideböden  vorteilhaft  gewesen. 

Als  Regel  muss  dabei  gelten,  dass  namentlich  für  Nadelhölzer  zu  starke  Düngung 
zu  vermeiden  ist.  Viele  Misserfolge  sind  auf  zu  reichliche  Zufuhr  von  Salzen,  nament- 
lich von  Kalisalzen  zurück  zu  führen.  Es  scheinen  die  dem  Kainit  beigemischten  Chlor- 
verbindungen zu  sein,  welche  ungünstig  einwirken,  und  ist  deshalb  Kompostieren  und 
Anwendung  von  Komposterde  vorzuziehen. 

Als  Düngestoffe  kommen  in  Betracht: 

Kalisalze.  Am  verbreitetsten  wird  Kainit  angewendet,  wenn  auch  die  jetzt 
im  Handel  befindlichen  übei'wiegend  aus  Chlorkalium  bestehenden  „vierzigprozentigen 
Kalisalze"  vorzuziehen  sind. 

Phosphorsäure.  In  allen  humosen  Böden  findet  Thomasschlacke  gute  Ver- 
wendung, auf  schwereren  Bodenarten  empfiehlt  sich  mehr  Superphosphat.  In  bezug 
auf  Phosphorsäurezufuhr  braucht  man  nicht  ängstlich  zu  sein.  Schädliche  Wirkungen 
wird  man  kaum  befürchten  müssen. 

Stickstoff.  In  früheren  Versuchen  hat  sich  Zufuhr  von  Stickstoffverbindungen 
als  nutzlos  erwiesen  und  scheint  es  auch  bei  humosen  Bodenarten  zu  sein.  Inzwischen 
mehren  sich  die  Beispiele,  dass  zumal  auf  schweren,  humusarmen  Böden  Chilisalpeter 
vorzügliche  Wirkung  zeigt.  Es  empfiehlt  sich  daher,  durch  Versuch  festzustellen,  ob 
Zufuhr  dieses  teuersten  Nährstoffes  lohnend  ist  oder  nicht.  Bester  Stickstoffdünger  ist 
der  Chilisalpeter,  jedoch  können  Ammoniaksalze  und  organische  Dünger  geeignete  Ver- 
wendung finden. 

Kalk  kann  auf  schweren  Böden  die  physikalische  Beschaffenheit  des  Bodens 
wesentlich  verbessern  und  wird  unter  solchen  Umständen  ein  wertvoller  Düngstoff  seui. 
Man  verwendet  zerfallenen  oder  gemahlenen  Aetzkalk,  der  direkt  über  den  Boden  ge- 
streut wird.  Als  Zusatz  zu  Komposthaufen  fördert  Kalkzugabe  die  Zersetzung  der 
Abfallreste,   es  kann  aber  auch  vorteilhaft  kohlensaurer  Kalk  A'erw^endung  finden. 

Zur  direkten  Verwendung,  also  ohne  vorausgehende  Kompostieiung,  und  am  rich- 
tigsten kurz  vor  der  Saat,  bei  schlechtem  Stande  der  Kulturen  auch  als  Kopfdüngung 
sind  anzuwenden:  Chilisalpeter  und  Superphosphat. 

Direkt  in  den  Boden  zu  bringen  sind:  Guano,  Blutmehl,  Ammoniaksalze,  Phos- 
phorsäurepräcipitat,  auch  Thomasmehl  und  40®/o  Kalisalz. 

Zur  Kompostierung  eignen  sich  alle  Pflanzenabfälle,  saure  Humusstoffe  und  alle 
schwer  löslichen  Düngestoffe,  auch  kann  Thomasphosphat  mit  dazu  verwendet  werden. 

Als  Regel  hat  man  festzuhalten,  dass  dem  Boden  nur  zugeführt  wird,  was  er 
wirklich  bedarf;  in  den  meisten  Fällen  wird  bei  humosen  Böden  Stickstoffdüngung,  bei 
schwereren  Böden  Kalizufuhr  unnötig  sein.  Wenig  Wert  haben  die  vielfach  gegebenen 
Düngerrezepte,  man  verwende  die  in  guten  Handlungen  käuflichen  Stoffe  und  lasse  sich 
die  in  ihnen  enthaltenen  Düngerbestandteile  garantieren. 


199 


% 


III. 

Forstbotanik. 

Von 

Lndwig  Klein. 


Benutzte  Literatur :  P.  Ascherson  und  P.  Graebner,  Synopsis  der  mittel- 
europäischen Flora.  I.  Band.  Leipzig  1896—98.  415  p.  8^  (U.  a.  die  Nadelhölzer 
enthaltend).  —  P.  Ascherson  und  P.  Graebner,  Flora  des  nordostdeutschen  Flach- 
landes. Berlin  1898 — 99.  875  p.  8®.  —  A.  de  Bary,  Vergleichende  Anatomie  der  Vege- 
tationsorgane der  Phanerogamen  und  Farne.  Leipzig  1877.  663  p.  8®  mit  241  Holzschn.  — 
L.  Beissner,  Handbuch  der  Nadelholzkunde.  Berlin  1891.  576  p.  8®  mit  138  Abbildungen. 

—  J.  Booth,  Die  Douglas-Fichte  und  einige  andere  Nadelhölzer  in  Bezug  auf  ihren  forst- 
lichen Anbau  in  Deutschland.  Berlin  1877.  92  p.  8®  mit  8  Photogr.  und  1  Karte.  —  J.  Booth, 
Die  Naturalisation  ausländischer  Waldbäume  in  Deutschland.    Berlin  1882.  168  p.  8^,  1  Kart. 

—  J.  Booth,  Die  nordamerikanischen  Holzarten  und  ilu-e  Gegner.  Berlin  1896.  87  p.  8° 
2  Tfln.-Lichtd.  —  B.  Boggreve,  Die  Holzzucht.  Berlin  1891.  2.  Aufl.  363  p.  8<>  mit 
14  Textabbildungen  und  16  Tafeln.  —  M.  Büsgen,  Bau  und  Leben  unserer 
W  a  1  d  b  ä  u  m  e.  Jena  1897.  230  p.  8»  mit  100  Abbildungen.  —  H.Christ,  Das  Pflanzen- 
leben der  Schweiz.  Zürich  1882.  488  p.  8<>  mit  4  Taf.  und  5  Kart.  —  L.  Dippel,  Hand- 
buch der  Laubholzkunde.  Berlin  1889—1893.  3  Bde.  449,  591  und  752  p.  8<^  mit  200,  272 
und  277  Abbildungen.  —  0.  Drude,  Atlas  der  Pflanzenverbreitung.  Gotha  1887.  8  col. 
Kart.  Doppelfolio.  —  0.  Drude,  Deutschlands  Pflanzengeographie.  I.  Teil.  Stuttgart  1896. 
502  p.  8^  mit  4  Karten.  —  A.  E  n  g  1  e  r ,  Syllabus  der  Pflanzenfamilien.  2.  Aufl.  Berlin 
1898.  214  p.  8°.  —  A.  Engler  und  K.  Prantl,  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien. 
Teil  II— V.  Leipzig  1889—99.  9  starke  Bände.  8<^  mit  über  3000  Holzschnitten.  —  A.  B. 
Frank,  Lehrbuch  der  Botanik.  Leipzig  1892  u.  93.  2  Bde.  669  u.  431  p.  %^  mit  227 
n.  417  Holzschnitten.  —  H.  Fürst,  Illustriertes  Forst-  und  Jagdlexikon.  Berlin  1888. 
827  p.  8®  mit  580  Abbildungen.  —  A.  G  ar  ke  ,  Illustrierte  Flora  von  Deutschland.  18.  Aufl. 
Berlin  1898.  780  p.  8^  mit  760  Abbildungen.  —  K.  Giesenhagen,  Lehrbuch  der  Bo- 
tanik. 2.  Aufl.  München  u.  Leipzig  1899.  406  p.  8^  mit  528  Abbildungen.  —  K.  G  ö  b  e  1, 
Oi^anographie  der  Pflanzen.  Jena  1898—1901.  838  p.  8^  mit  539  Abbildgn.  —  P.  Gräbner, 
Die  Heide  Norddeutschlands  in  biologischer  Betrachtung.  Leipzig  1901.  320  p.  8®.  1  Karte. 

—  Grisebach,  Die  V^etation  der  Erde.  2.  Aufl.  Leipzig  1884 .  2  Bde.  567  u.  693  p.  8^ 
1  Karte.  —  G.  Haberlandt,  Physiologische  Pflanzenanatomie.  2.  Aufl. 
Leipzig  1896.  550  p.  8®  mit  235  Abbildungen.  —  J.  Hamm,  Der  Ausschlagwald.  Berlin 
1896.  267  p.  8<^  mit  7  Lichtdrucktafeln.  —  Th.  II  artig.  Vollständige  Naturge- 
schichte der  forstlichen  Kulturpflanzen  Deutschlands.  Berlin  1851. 
580  p.  4®  mit  120  col.  Kupfertafeln  und  Tafelerklärung.  —  R.  H  artig,  Das  Holz  der 
deutschen  Nadelwaldbäume.  Berlin  1885.  147  p.  8°  mit  6  Holzschnitten.  —  R.  H  artig, 
Lehrbuch  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Forstgewächse.  Berlin  1891.  308  p.  8°  mit  103  Abbildungen.  —  R.  H  a  r  t  i  g  und  R.  W  e  b  e  r, 
Das  Holz  der  Rotbuche  in  anatomisch-physiologischer,  chemischer  und  forstlicher  Richtung. 
Berlin  1888.  238  p.  8°  mit  10  Abbildungen.  —  R.  Hartig,  Die  anatomischen 
Unterscheidungsmerkmale  der  wichtigeren  in  Deutschland  wachsen- 


200  III.  Klein,  Forstbotanik. 

den  Hölzer.  4.  Aufl.  München  1898.  42  p.  8®  mit  21  Abbildungen.  -  R.  Hartip:. 
Lehrbuch  der  Pflanzenkrankheiten  (8.  Aufl.  d.  L.  d.  Baumkrankh.).  Berlin  1900.  324  p.  8® 
mit  280  Abbildungen  und  einer  Farbendrucktafel.  —  R.  H  artig,  Holzuntersuchungen. 
Altes  und  Neues.  Berlin  1901.  99  p.  8^  mit  52  Abbildgn.  —  G.  Hempel  und  K.  Wilhelm, 
DieBäume  und  Strän eher  des  Waldes  in  botanischer  und  forstlicher 
Beziehung,  Wien  und  Olmütz  1889  -98.  3  Teile  200,  148  u.  140  p.  gr.  4^^  mit  118.  106 
u.  118  Textiiguren  u.  11,  25  u.  24  Farbendrucktafeln.  --  R.  Hess,  Eigenschaften 
und  forstliches  Verhalten  der  wichtigeren  in  Deutschland  ein- 
heimischen und  eingeführten  Holzarten.  2.  Aufl.  Berlin  1895.  238  p.  8^  — 
A.  Kerner  von  Marilaun,  Pflanzenleben.  2.  Aufl.  Leipzig  und  Wienl89Hu.  98.  7H6u.  768. 
p.  8®  mit  448  Textabbildungen,  40  Farbendruck-,  24  Holzschnitttafeln  u.  1  Karte.  —  M. 
Kienitz,  Ueber  Formen  und  Abarten  heimischer  Waldbäume.  Berlin  1879.  50  p.  8°  mit 
4  Tafeln.  —  K.  Koch,  Dendrologie,  Bäume,  Sträucher  und  Halbsträucher,  welche  in  Mittel- 
und  Nordeuropa  im  Freien  kultiviert  werden.  Erlangen  1869- -73.  3  Bde.  735.  665  u.  424 
p.  8^  —  K.  Koch,  Vorlesungen  über  Dendrologie.  Stuttgart  1875.  408  p.  8<*.  -  E.  Köhne. 
Deutsche  Dendrologie.  Kurze  Beschreibung  der  in  Deutschland  im  Freien 
aushaltenden  Nadel-  und  Laubholzgewächse.  Stuttgart  1893.  602  p.  8°  mit  100 
Abbildungen  und  ca.  1000  Einzelfiguren.  —  A.  Mayer,  Lehrbuch  der  Agrikulturchemie. 
I.Teil.  Die  Ernährung  der  grünen  Gewächse.  5.  Aufl.  Heidelberg  1901.  442  p.  8®  mit  35  Abb. 
u.  1  Taf.  —  H.  Mayr,  Die  Waldungen  von  Nordamerika.  München  1890.  448  p.  8<^ 
mit  24  Abb.,  10  Tafeln  und  2  Karten.  —  H.  Mayr,  Monographie  der  Abietineen 
des  japanischen  Reichs.  München  1890.  104  p.  4®  mit  7  col.  Tafeln,  —  H.  Mayr, 
Aus  den  Waldungen  Japans.  Beiträge  zur  Beurteilung  der  Anbaufähigkeit  etc.  der 
jap.  Holzarten  im  deutschen  Walde  u.  s.  w.  München  1891.  59  p.  8^  —  E.  Mielck,  Die 
Riesen  der  Pflanzenwelt.     Leipzig  und  Heidelberg  1863.    128.  p.  gr.  8®  mit  6  lith.  Tafeln. 

—  J.  Möller,  Anatomie  der  Baumrinden.  Berlin  1882.  447  p.  8®  mit  146  Holz- 
schnitten. —  N.  J.  C.  Mü  1 1  e  r ,  Atlas  der  Holzstruktur,  dargestellt  in  Mikrophotographien.  Halle 
1888.  21Tafelnfol.u.  erläuternder  Text  110  p.  8®  mit  63  Holzschnitten.  —  H.  Nördlinger, 
Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer.  Stuttgart  1860.  550  p.  8^  — H.  Nördlinger, 
Deutsche  Forstbotanik.  Stuttgart  1874  u.  76.  2  Bde.  372  u.  490  p.  S^  mit  mehreren  100  Holz- 
schnitten. —  F.  Pax.  Allgemeine  Morphologie  der  Pflanzen.  Stuttgart  1890.  404  p.  8®  mit 
126  Abbildungen.  —  W.  Pfeffer,  Pflanzenphysiologie.  2.  Aufl.  Leipzig  1897.  I.  Stoff- 
wechsel. 620  p.  S^  mit  70  Holzschn.  II.  Kraftwechsel.  I.  Hälfte  1901.  353  p.  8®  mit  31 
Holzschn.  Schluss  steht  noch  aus.  Prantl's  Lehrbuch  der  Botanik.  11.  Aufl.,  bear- 
beitet von  F.  Pax.  Leipzig  1900.  455  p.  8®  mit  414  Holzschn.  —  J.  Sachs,  Vorlesungen 
über  Pflanzenphysiologie.  2.  Aufl.  Leipzig  1887.  884  p.  8°  mit  391  Holzschn.  —  A.  F.  W. 
Schimper,  Pflanzenphysiologie  auf  physiologischer  Grundlage.  Jena  1898. 
876  p.  H^  mit  502  Textabbildungen,  5  Lichtdrucktafeln  und  4  Karten.  —  F.  C.  Schübeier, 
Die  Pflanzenwelt  Norwegens.  Christiania  1873 — 75.  468  p.  4®  mit  77  Holzschnitten  und 
15  Karten.  --  F.  Schwarz,  Forstliche  Botanik.  Berlin  1892.  513  p.  8^  mit  456  Textab- 
bildungen und  2  Lichtdrucktafeln.  —  F.  Schwarz,  Dicken  Wachstum  und  Holz- 
qualität  von  Pinus  silvestris.  Berlin  1899,  371  p.  8°  mit  9  Tafeln  und  5  Textfiguren. 

—  H.  Solereder,  Systematische  Anatomie  der  Dicotyledoren.  Stuttgart  1899.  984  p.  8" 
mit  189  Abbildungen.  —  E.  Strasburger,  Ueber  den  Bau  und  die  Verrich- 
tungen der  Leitungsbahnen  in  den  Pflanzen.  Jena  1891.  1000  p.  8®  mit  5  lith. 
Tafeln  und  17  Textabbildungen.  —  E.  Strasburg  er,  F.  Noll,  H.  Schenck  und 
A.  F.  W.  Schimper,  Lehrbuch  derBotanikfürHochschulen.  5.  Aufl.  Jena  1902. 
563  p.  H^  mit  686  Abbildungen.  —  K.  v.  Tubeuf,  Samen,  Früchte  und  Keim- 
linge der  in  Deutschland  heimischen  oder  eingeführten  forstlichen  Kul- 
turpflanzen. Berlin  1891.  154  p.  S^  mit  179  Abbildungen.  —  K.  v.  Tubeuf,  Die 
Nadelhölzer  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  in  Mitteleuropa 
winterharten  Arten.  Stuttgart  1897.  164  p.  8°  mit  100  Abbildungen.  —  H.  Vöchting, 
Organbildung  im  Pflanzenreich.  Bonn  1878.  2  Teile.  258  und  200  p.  8^*  mit  6  Tafeln  und 
23  Holzschnitten.  —  E.  Warming,  Lehrbuch  der  oekologischen  Pflanzengeographie,  eine 
Einführung  in  die  Kenntnis  der  Pflanzenvereine.  2.  Aufl.  Berlin  1902.  442  p.  8^  —  Weise. 
Das  Vorkommen  gewisser  fremdländischer  Holzarten  in  Deutschland.  Berlin  1882.  44  p.  8^ 
-  J.  Wiesner,  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen.  4.  Aufl.  Wien  1898,  372  p.  8° 
mit  159  Holzschnitten.  —  J.  WMesner,  Biologie  der  Pflanzen.  2.  Aufl.  Wien  1902.  340 
p.  8^  mit  78  Holzschnitten  u.  1  Karte.  —  J.  Wiesner,  Die  Rohstofi'e  des  Pflanzenreiches. 
1  Bd.    Leipzig  1901.    795  p.  8^  mit  153  Abb.    2  Bd.  im  Erscheinen.  —  M.  Willkomm, 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  1.  201 

Deutschlands  Laubhölzer  im  Winter.  3.  Aufl.  Dresden  1880.  60  p.  4°  mit  106 
Holzschnitten.  —  M.  Willkomm,  Forstliche  Flora  von  Deutschland  und  Geste r- 
reich.  2.  Aufl.  Leipzig  1887.  968  p.  8°  mit  82  Holzschnitten. 

Ausser  diesen  selbständig  erschienenen  Werken  wurde  noch  eine  grosse  Zahl  von  Auf- 
sätzen der  botanischen  und  forstlichen  Zeitschriftenliteratur  benutzt,  bezüglich  der  fremdlän- 
dischen Holzarten  unter  andern  namentlich :  R.  H  a  r  t  i  g ,  Heber  die  bisherigen  Ergebnisse  der  An- 
banversuche  mit  ausländ.  Holzarten  in  den  bayrischen  Staatswaldungen  (forstl.-naturw.  Zeitschr. 
1892,  p.  401 — 451).  —  Lorey,  Anbauversuche  mit  fremdländ.  Holzarten  in  den  Staats- 
waldungen Württembergs  (A.  F.-  u.  J.-Z.  1897,  p.  14—19  u.  83—87).  —  H.  Mayr,  Er- 
j^ebnisse  fortl.  Anbauversuche  mit  japanischen,  indischen,  russischen  und  seltenen  amerikanischen 
Holzarten  in  Bayern  (forstw.  Gentralbl.  1898,  p.  115—131,  173—190  u.  231—251).  — 
Mayr,  Die  japanischen  Holzarten  in  ihrer  alten  und  neuen  Heimat  (Mittl.  der  Deutschen 
dendrol.  Ges.  1901,  p.  46 — 55).  —  Schwappach,  Denkschrift  über  die  Ergebnisse  der  in 
den  Jahren  1881 — 1890  in  den  preuss.  Staatsforsten  ausgef.  Anbauversuche  mit  fremdl.  Holz- 
arten (Z.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1891,  p.  18—34,  81—102,  148—164).  —  Schwappach, 
Ergebnisse  der  Anbauversuche  mit  japanischen  und  einigen  neueren  amerik.  Holzarten  in 
Preussen  (ct.  1896  p.  327—347).  —  Weise,  Der  deutsche  Wald  und  die  fremden  Holz- 
arten (Münchener  forstl.  Hefte  6.  1894  p.  75—87). 

1.  Allgemeiner  Teil. 

I.  Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.    (Aeussere  Morphologie  und 

Organographie.) 

1.  Einleitung. 

§  1.  Bei  unseren  Waldbäumen,  wie  bei  den  Gefässpflanzen  überhaupt,  lassen 
sich  sämtliche  Glieder  trotz  aller  Manni^altigkeit  und  Verschiedenheit  im  Einzelnen 
in  zwei  grosse  Kategorien  einteilen.  Diese  beiden  Grundbegriffe  heissen  Wurzel 
und  S pro 88.  Die  einzelnen  Wurzeln  und  Sprosse  können  wir  entweder  als  Teile 
eines  Ganzen  untersuchen  mit  Rücksicht  auf  ihre  äussere  Gestalt,  ihre  Stellungs- 
verhältnisse und  ihre  Entstehungsweise  (Morphologie),  oder  als  Organe  eines 
lebendigen  Organismus  mit  ganz  bestimmten  Aufgaben  und  Leistungen  im 
Haushalte  der  Pflanze  (Organographie).  Hier  sollen  beide  Betrachtungsweisen 
verschmolzen  werden,  da  Gestalt  und  Leistung  der  Organe  in  inniger  gegenseitiger 
Wechselbeziehung  stehen. 

Die  einzelnen  Organe  lassen  sich  allgemein  wieder  einteilen  in  typische, 
metamorphosierte,  reduzierte  und  rudimentäre.  Den  Ausgangs-  und 
Vergleichspunkt  bilden  hierbei  naturgemäss  die  typischen  oder  normalen  Organe. 
Metamorphosiert  nennen  wir  ein  Organ,  wenn  es  für  andere  Leistungen,  als  sie 
den  typischen  Organen  zukommen,  eingerichtet  ist.  Es  kann  dabei  ein  metamorpho- 
siertes  Organ  noch  sämtliche  Aufgaben  eines  typischen  erfüllen,  es  kann  aber  auch 
lediglich  speziellen,  dem  typischen  Organ  fern  liegenden  Leistungen  angepasst  sein; 
es  kann  in  seiner  Gestalt  den  typischen  Organen  noch  durchweg  gleichen,  meist  aber 
zeigt  es  mehr  oder  weniger  weitgehende  Abweichungen  von  diesen  und  ist  nicht  selten 
sowohl  in  seiner  äusseren  Gestalt  wie  in  seinem  inneren  Bau  ausserordentlich  verein- 
facht. In  letzterem  Falle  muss  die  Pflanze  aber  stets  noch  typische  Organe  besitzen, 
80  dass  ihre  Gesamtorganisation  durch  das  Auftreten  der  einfacheren  metamorpho- 
sierten  eine  Bereicherung  erfährt.  Reduzierte  oder  zurückgebildete  Organe  finden 
wir  bei  den  Schmarotzerpflanzen,  den  Parasiten  und  Saprophyten,  bei  welchen  durch 
die  von  den  grünen  Pflanzen  grundverschiedene  Lebensweise  eine  tiefgreifende  Verän- 
derung und  Vereinfachung  der  Arbeitsleistung  und  damit  auch  eine  mehr  oder  weniger 
weitgehende   Vereinfachung   im   Bau   der   Organe   eingetreten   ist.    Rudimentäre 


202  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Organe  dagegen  erfüllen  darchans  die  Aufgaben  der  typischen,  unterscheiden  sich  aber 
durch  sehr  viel  einfacheren  Bau  und  finden  sich  nur  bei  niederen  Pflanzen.  Die  drei 
ersten  dieser  Organgruppen  sind  übrigens  vielfach  durch  Uebergänge  miteinander  ver- 
bunden, da  die  Natur  keine  scharfen  Grenzen  kennt.  —  Unter  homologen  Organen 
verstehen  wir  solche,  die  nach  ihrer  Stellung  am  Ganzen  oder  nach  ihrer  Entstehung 
morphologisch  gleichwertig  sind,  während  sie  in  ihrer  Gestalt,  in  ihrem 
inneren  Bau  und  namentlich  hinsichtlich  ihrer  Funktion  die  weitgehendsten  Unterschiede 
aufweisen  können;  homolog  sind  zum  Beispiel  sämtliche  Wurzeln  und  ebenso  sämt- 
liche Sprosse,  die  verschiedenen  Blätter,  die  Stengel,  die  Früchte,  die  Samen.  Ana- 
loge Organe  sind  dagegen  solche,  welche  physiologisch  gleichwertig  sind, 
ohne  den  gleichen  morphologischen  Wert  zu  besitzen,  wie  Laubblätter  und  flache  assi- 
milierende Stengelgebilde,  wie  Blatt-,  Stamm-  und  Wurzeldomen,  wie  die  Fruchtschale 
der  Edelkastanie  und  die  Samenschale  der  Kosskastanie,  wie  das  Fleisch  einer  Stein- 
frucht und  die  fleischige  Samenschale  von  Gingko  u.  a.  m. 

2.  Die  Wurzel. 

§  2.  Die  typische  Wurzel  befestigt  den  Baum  im  Boden  und  dient  zur 
Aufnahme  des  Wassers  und  der  Aschenbestandteile,  die  teils  im  Bodenwasser  gelöst 
sind,  teils  erst  durch  Ausscheidungen  der  Wurzelhaare  gelöst  werden.  Es  ist  zweck- 
mässig, nicht  das  ganze,  bei  einem  Baume  meist  ungemein  reich  verzweigte  Wnrzel- 
system  Wurzel  zu  nennen,  wie  es  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  tut,  sondern  jede 
einzelne  Faser.  Demgemäss  unterscheidet  man  Hauptwurzel  und  Seitenwurzeln.  Die 
erste  Wurzel  des  keimenden  Samens,  die  Keimwurzel,  wird  Haupt  würze  1  ge- 
nannt, sobald  sie  anfängt,  sich  zu  verzweigen ;  sie  wächst  bei  ungestörter  Entwickelung 
senkrecht  abwärts  und  heisst  Pfahlwurzel,  so  lange  sie  stärker  ist,  als  die  aus 
ihr  entspringenden,  schief  abwärts,  zum  Teil  auch  horizontal  wachsenden  Seiten- 
wurzeln 1.  Grades.  Die  weiteren  Verzweigungen  dieser  Seitenwurzeln  durchwuchem 
den  Boden  nach  allen  Richtungen,  die  stärkeren  und  längeren  derselben,  deren  Auf- 
gabe vornehmlich  darin  besteht,  neues  Terrain  zu  erobern,  heissen  Triebwurzel d, 
an  welchen  die  feinsten,  oft  nur  pferdehaardünnen  Seitenwurzeln,  die  kurzlebigen, 
reich  verzweigten  Saug  wurzeln  sitzen. 

Die  Kennzeichen  einer  typischen  Wurzel  sind  folgende  :  1.  ein  radiäres 
Gefässbündel  (cf.  §  11  letzter  Absatz),  das  aber  hier  nur  an  den  Wurzelenden, 
bevor  das  sekundäre  Dickenwachstum  beginnt,  deutlich  als  solches  zu  erkennen  ist, 
2.  die  Wurzelhaube,  welche  das  Bildungsgewebe  des  Wurzelendes,  den  sog.  Vege- 
tationspunkt, ähnlich  wie  der  Fingerhut  die  Fingerspitze,  bedeckt,  in  ihren  äusseren 
Schichten  verschleimend  der  Wurzel  das  Vorwärtsdringen  im  Erdboden  erleichtert  und 
den  Vegetationspunkt  hierbei  vor  mechanischen  Verletzungen  schätzt;  sie  wird  dabei 
von  Innen,  vom  Vegetationspunkte  aus,  in  dem  Masse  erneuert,  in  welchem  sie  sich 
aussen  abnutzt ;  3.  endogene  Entstehung,  d.  h.  eine  junge  Wurzel  wird  inrnier 
im  Innern  des  Mutterorganes  angelegt  und  durchbricht  später,  senkrecht  auf  die  Ober- 
fläche der  Muttervvurzel  zuwachsend,  die  Rinde  der  letzteren ;  infolge  dessen  gehen  die 
oberflächlichen  Schichten  der  Mutterwurzel  niemals  dii-ekt  in  diejenigen  der  Tochter- 
wurzel über.  4.  Die  Wurzeln  tragen  niemals  Blätter,  im  Gegensatz  zu  den 
wurzelähnlich  lebenden,  unter  der  Erde  kriechenden  Stämmen,  den  Rhizomen.  5.  Den 
W^urzeln  fehlt,  soweit  sie  vom  Lichte  abgeschlossen  unter  der  Erde  wachsen,  das 
Chlorophyll.  6.  Die  Epidermiszellen  der  jungen  Wurzeln  wachsen,  ausser  bei  den 
Mycorhizen,  den  Pilzwurzeln,  zu  Wurzelhaaren  aus. 

Die  Wurzelhaare  finden  sich  nur  an  den  jüngsten  Saugwurzeln,  sind  stets 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  2.  203 

einzellig,  bilden  sich  wenige  Millimeter  oder  Zentimeter  hinter  der  Wurzelspitze,  da, 
wo  die  Längsstreckung  der  jungen  Wurzel  beendet  ist,  und  funktionieren  meist  nur 
wenige  Wochen,  worauf  sie  absterben  und  durch  neue  Wurzelhaare  weiter  vom  an 
der  weiter  wachsenden  Wurzel  ersetzt  werden,  so  dass  die  Wurzel  immer  mit  neuen 
noch  nicht  ausgenutzten  Bodenpartien  in  Berührung  kommt.  Die  Wurzelhaare,  die 
namentlich  an  ihren  Enden  mit  den  Bodenteilchen  quasi  verwachsen,  sind  somit  die 
eigentlichen,  Wasser  und  Aschenbestandteile  aufnehmenden  Organe  der  Pflanzen ;  die 
älteren  Wurzelpartien,  die  nach  aussen  schon  durch  eine  Korkhaut  abgeschlossen  sind, 
dienen  lediglich  zur  Weiterleitung  des  Wassers  und  der  Nahrungsstoife. 

Nur  den  Pilzwurzeln  oder  Mycorrhizen  fehlen  die  Wurzel- 
haare. Diese  eigentümlichen  Bildungen,  die  zuerst  von  Frank  eingehend  studiert 
wurden,  finden  sich  bei  den  Nadelhölzern,  den  Fagaceen  und  vielen  anderen  Laub- 
holzem,  bei  welchen  ein  mehr  oder  weniger  beträchtlicher  Teil  der  Saugwurzeln  sich 
durch  auffallend  dichte  und  kurzgliedrige  (korallenartige)  Verzweigung  auszeichnet  und 
die  ganze  Oberfläche  derartiger  Wurzeln  durch  einen  dichten,  aus  verflochtenen  Pilz- 
fäden gebildeten  Ueberzug  bedeckt  ist,  der  auch  den  Yegetationspunkt  umhüllt  und  mit 
der  Verlängerung  beziehungsweise  Verzweigung  der  Wurzel  sich  verlängert  und  ver- 
zweigt. Von  diesem  Pilzniantel  wachsen  nach  allen  Eichtungen,  gleich  den  Wurzel- 
haaren einer  normalen  Wurzel,  Pilzfäden  oder  -Stränge  in  den  Waldboden.  Je  humoser 
der  Waldboden,  desto  reichlicher  pflegen  die  Mycorrhizen  aufzutreten.  Man  hat  es  hier 
nicht  mit  einer  krankhaften  Erscheinung  schlechthin,  mit  einem  Parasitieren  der  Pilze 
auf  den  Saugwurzeln,  sondern  mit  einem  Fall  von  Symbiose  zu  tun,  bei  welchem  zwei 
so  grundverschiedene  Dinge,  wie  Baumwurzel  und  Pilz,  von  dem  gemeinsamen  Haus- 
halte, jedes  in  seiner  Weise,  Vorteil  ziehen.  Der  Pilzmantel  bezieht  höchst  wahrschein- 
lich von  den  Rindenzellen  der  Wurzel  Kohlehydrate  und  führt  ihr  dafür  Wasser,  Aschen- 
bestandteile und  namentlich  Stickstoffverbindungen  zu,  er  erleichtert  nach  StahP)  der 
Baamwurzel  namentlich  die  Aneignung  der  Nährsalze  in  Konkurrenz  mit  den  in  jedem 
hnmosen  Waldboden  sehr  reichlich  vorhandenen  Pilzhyphen,  welche  den  Wurzeln  höhe- 
rer Pflanzen  hinsichtlich  der  Ausnutzung  des  Substrates  überlegen  sind.  Stahl  nimmt 
an,  dass  die  Mycorrhizabildung  höchstwahrscheinlich  mit  der  erschwerten  Nährsalzge- 
winnung in  irgend  einer  Beziehung  steht,  so  dass  Pflanzen  mit  mächtigem  Transpira- 
tionsstrom der  Mycorrhizabildung  entraten  können,  während  schwach  transpirierende 
Pflanzen  unter  den  oben  genannten  Bedingungen  nur  mit  Hilfe  der  Mycorrhiza  ein 
hinreichendes  Auskommen  finden.  Möglicherweise  gehen  die  Dienste  der  Mycorrhiza- 
pilze  noch  weiter,  so  dass  die  mit  der  Baumwurzel  symbiontisch  verbundenen  Pilze  die 
AuSchenbestandteile  schon  in  Form  organischer  Verbindungen  an  die  Wurzeln  gelangen 
lassen,  da  autotrophe  (der  Mycorrhiza  entbehrende)  Pflanzen  in  der  Regel  einen  erheb- 
lich höheren  Aschengehalt  aufweisen  als  mycotrophe  Pflanzen. 

Die  Verzweigung  der  Wurzeln  ist  keine  so  streng  regelmässige  wie  die- 
jenige der  beblätterten  Zweige,  aber,  namentlich  bei  jungen  Pflanzen,  auch  keine  ganz 
regellose.  Aus  der  Mutterwurzel  entspringen  in  einiger  Entfernung  vom  Vegetations- 
punkt die  Seiten  wurzeln  in  acropetaler  Folge  und  in  ebenso  vielen  Längsreihen,  als 
das  Grefässbündel  der  Hauptwurzel  Holzstrahlen  aufweist  und  zwar  stehen  die  Seiten- 
wnrzeln  immer  vor  den  Holzteilen  der  Mutterwurzeln.  Die  Faserwurzeln  verlaufen 
mehr  oder  weniger  wellenförmig  gekrümmt,  die  Seitenwürzelchen  entspringen  fast  stet« 
auf  der  konvexen  Seite  der  Krümmung  und  werden  in  ihrer  Richtung  durch  die  Mutter- 
wurzel häufig  derart  beeinflusst,   dass  sie  in  radialer  Richtung  von  der  Wurzel  fort- 


1)  E.  S  t  a  h  1 ,  Der  Sinn  der  Mycorrhizenhildung  (Jahrbuch  für  wiss.  Bot.  1900  p.  539—668). 


204  III.  Klein,  Forstbotanik. 

wachsen.  An  älteren  Wurzeln  wird  durch  Wurzelverlust  und  Bildung  von  neuen  Seiten- 
wurzeln, namentlich  an  verletzten  Stellen,  die  ursprüngliche  Regelmässigkeit  mehr  oder 
weniger  verwischt. 

Adventiv  wurzeln  heissen  Wurzeln ,  die  ihren  Ursprung  nicht  aus  älteren 
Wurzeln,  sondern  aus  anderen  Organen  nehmen,  wie  aus  dem  Stengel  oder  Blatt  eines 
Sprosses,  aus  dem  Stammvegetationspunkt  (Epheu)  etc.  Adventivwurzelbildung  ist  bei 
Rhizomen,  bei  vielen  kletternden  und  kriechenden  Pflanzen  Regel  und  ebenso  tritt  sie 
bei  unseren  Waldbäumen  bei  der  Stecklings  Vermehrung  in  Erscheinung.  Hier  bilden 
sich  namentlich  aus  dem  sog.  C  a  1 1  u  s ,  dem  jungen  Ueberwallungswulste  der  unteren 
Schnittfläche,  zahlreiche  Adventiv  wurzeln ;  ausserdem  brechen  solche  mehr  oder  weniger 
zahlreich  aus  der  Rinde  des  Stecklings  hervor.  Diese  Adveutivwurzeln  gleichen  im 
Bau,  in  der  Verzweigung  und  im  übrigen  Verhalten  völlig  den  Haupt-  und  Seitenwurzeln. 
Die  Leichtigkeit,  mit  welcher  sich  Stecklinge  bewurzeln,  ist  für  die  einzelnen  Holzarten 
sehr  verschieden;  besonders  günstig  verhalten  sich  in  diaser  Beziehung  die  Weiden, 
Pappeln  und  die  Thujaarten,  für  welche  eine  derartige  Vermehrungsweise  in  praxi  fast 
allein  in  Frage  kommt.  Von  unseren  einheimischen  Nadelhölzern  bewurzeln  sich  Steck- 
linge der  Fichte  leicht;  doch  wird  diese  Vermehrungs weise  nur  bei  Gartenvarietäten 
angewandt. 

Der  Habitus  des  Wurzelsystems  wird  in  erster  Linie  durch  das  Vor- 
handensein oder  Fehlen  einer  senkrecht  abwärts  wachsenden  Pfahlwurzel  bedingt,  die 
schon  bei  den  einjährigen  Pflanzen  mächtig  entwickelt  sein  kann,  wie  bei  den  Eichen, 
Nussbäumen,  Hickoryarten  u.  a.,  aber  auch  erst  im  2.  Jahre  und  später  erstarken  kann, 
wie  bei  der  Weisstanne,  der  Kiefer,  dem  Birnbaum  etc.  Fehlt  die  Hauptwurzel,  be- 
ziehungsweise stirbt  dieselbe  frühzeitig  ab,  dann  treten  häutig  einige  kräftige,  schief 
abwärts  wachsende  Seitenwurzeln  an  ihre  Stelle,  die  sog.  Herz  wurzeln,  oder  das 
Wurzelsystem  wird  ganz  flach  und  tellerförmig  wie  bei  unserer  Fichte.  Die  Ausbil- 
dung des  ganz  en  Wu  rzelsy  stems  hängt  in  ganz  ausserordentlichem 
Masse  von  äusseren  Umständen  ab,  namentlich  von  der  physikalischen  und 
chemischen  Bodenbeschaffenheit  und  von  der  Verdunstungsgrösse  der  Laubkrone.  Die 
Nebenwurzeln  höherer  Grade,  frei  vom  richtenden  Einfluss  der  Schwerkraft,  wachsen 
stets  nach  den  feuchteren  Bodenstellen  zu,  verzweigen  sich  in  armen  Bodenstellen  spär- 
lich, in  nährsalzreichei*en,  die  sie  zufällig  treffen,  sehr  viel  reichlicher  und  nutzen  so 
den  Boden  mit  möglichst  rationell  verteiltem  Materialaufwand  möglichst  vollkommen 
aus.  Das  Wurzelsystem  als  ganzes  entwickelt  sich  bei  der  gleichen  Holzart  in  massig 
frischem  Boden  stärker  als  in  sehr  feuchtem,  in  sehr  nährsalzreichem  (stark  gedüngtem) 
schwächer  als  im  ärmeren,  entsprechend  der  Leichtigkeit,  mit  welcher  die  Wurzeln 
Wasser  und  Aschenbestandteile  erwerben  können.  Im  lockeren,  gut  durchlüfteten  Bo- 
den entwickelt  sich  das  Wurzelsystem  reichlicher  als  im  schweren  Thonboden ;  im  sum- 
pfigen Moorboden,  dessen  tiefere  Schichten  Sauerstoff  frei  sind,  kann  sich  nur  ein  flaches 
Wurzelsystem  entwickeln,  auch  bei  Holzarten,  die,  wie  die  gemeine  Kiefer,  normaler- 
weise eine  tiefgehende  Pfahlwurzel  bilden.  Ebenso  befördert  naturgemäss  ein  flach- 
gründiger  Boden,  dessen  anstehendes  Gestein  der  Entwickelung  der  Pfahlwurzel  vor- 
zeitig ein  Ziel  setzt,  die  Ausbildung  der  Seitenwurzeln  und  Spalten  und  Klüfte  im 
Gestein  werden  von  den  Wurzeln  in  bewundernswerter  Weise  ausgenützt,  wobei  die 
Wurzeln  mit  der  Zeit  weitgehende  Deformationen  erfahren  können. 

Die  Wurzelsysteme   der   einzelnen  Holzarten   lassen  nach  Büsgen^) 


2)  M.  B  ü  s  g  e  n ,    Einiges    über   Gestalt  und  Wachstumsweise   der  Baumwurzeln  (A. 
F.-  und  J.-Zeitg.,  Augustheft  1901). 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  2.  205 

feinere,  zur  Unterscheidung  dienliche  Unterschiede  erkennen.  So  treten  z.  B.  bei  der 
Kiefer  im  Verhältnis  der  Trieb-  zu  den  Saugwurzeln  an  den  jüngsten  Verzweigungen 
ganz  ähnliche  Unterschiede  wie  im  Aufbau  der  Krone  auf :  Lang-  und  Kurz  wurzeln 
sind  auf  den  ersten  Blick  zu  unterscheiden.  Die  Kurzwurzeln  sind  Mycorrhizen,  ent- 
behren der  Wnrzelhaare  und  bilden  ein  nur  einige  Millimeter  langes  lockeres,  wieder- 
holt gabelig  verzweigtes  Sträusschen  oder  ganz  dichte  knollige  Wurzelklümpchen  und 
sitzen  den  Langwurzeln  in  ziemlich  unregelmässiger  Folge  seitlich  an,  gelegentlich  den 
einen  oder  anderen  Wurzelzweig  zur  Langwurzel  auswachsen  lassend.  Bei  Fichten, 
Tannen  und  Lärchen  sind  die  Kurzwurzeln  t  raub  ig  verzweigt  und  darum  weniger 
auffällig  gestaltet,  einerlei  ob  sie  Mycorrhizen  sind  oder  nicht,  in  welch  letzterem  Falle 
sie  stets  reichlich  Wurzelhaare  tragen.  Die  Laubhölzer  zeigen  eine  viel  feinere 
Gliederung  des  Wurzelsystems  und  in  den  letzten  Auszweigungen  ist  bei  vielen 
ein  scharfer  Unterschied  zwischen  Lang-  und  Kurzwurzeln  überhaupt  nicht  mehr  vor- 
handen, was  namentlich  für  die  Esche  gilt.  Ebenso  ist  auch  die  Gesamtlänge  der 
in  einem  Jahre  erzeugten  Würzelchen  bei  einem  solchen  Baume  viel  grösser,  als  bei 
einem  der  genannten  Nadelhölzer,  indem  sich  in  der  Länge  der  Wurzelsysteme  auch 
der  Wasserbedarf  der  einzelnen  Holzarten  ausspricht  und  sich  nach  v.  Höhneis  Ver- 
suchen bei  reichlicher  Wasserversorgung  die  Transpiration  der  Laub-  und  Nadelhölzer 
wie  6 : 1  verhält.  Auf  natürlichen  Standorten  werden  freilich  diese  Verhältnisse  durch 
den  sehr  ungleichen  Wassergehalt  der  einzelnen  Bodenarten  erheblich  modifiziert  und 
so  dürfte  es  verständlich  sein,  dass  nach  Nobbe  die  jugendliche  Kiefer  mit  einer  viel 
grösseren  aufnehmenden  Fläche  begabt  ist,  als  die  einer  gleichalterigen,  nach  Höhnel 
weit  mehr  Wasser  verbrauchenden  jungen  Fichte,  deren  natürliche  Standortsverhältnisse 
im  allgemeinen  die  Transpiration  herabdrücken,  während  diejenigen  der  Kiefer  sie  be- 
günstigen. Bei  einem  ungemein  wasserbedürftigen  Baume,  wie  es  die  Esche  ist,  muss 
das  Wurzelsystem  in  erster  Linie  auf  den  Erwerb  grosser  Wassennengen,  gewisser- 
massen  auf  extensive  Bodenbenutzung,  eingerichtet  sein,  während  z.  B.  das  Wurzel- 
system der  viel  weniger  wasserbedürftigen  Buche  mit  seinen  auffallend  dünnen,  aber 
ungemein  reich  verästelten  Würzelchen  zwar  sehr  viel  weniger  Bodenraum,  diesen  aber 
viel  intensiver  ausnutzen  kann.  Die  Eschenwurzel  bekommt  mit  dem  von  ihrem 
ausgebreiteten  Wurzelsystem  reichlich  aufgenommenen  Wasser  trotz  der  Konkurrenz 
der  Bodenpilze  genügende  Mengen  von  Mineralstoffen  und  kann  darum  der  Mycorrhiza- 
bildnng  entbehren,  die  Buche  aber  besitzt  dreierlei  Wurzelformen:  1)  auffallend  lange 
und  fadendünne,  locker  verzweigte,  locker  oder  nicht  verpilzte  und  unregelmässig  mit 
kurzen  Haaren  besetzte  Langwurzeln,  die  hauptsächlich  zur  Ausbreitung  des  Wurzel- 
systems dienen,  2)  besonders  dicht  mit  mehreren  Reihen  von  Seitenwürzelchen  besetzte 
Mycorrhizen,  die  in  ihrer  Verzweigung  einem  bis  zum  Grunde  beasteten  Fichtenbäum- 
chen  gleichen  und  später  verloren  gehen  oder  als  Langwurzeln  weiter  wachsen  können 
und  3)  kurze,  dünne,  behaarte  oder  unbehaarte  Wurzelzweige  mit  breitem  Ende,  die 
in  der  Entwickelung  zurückgebliebene,  später  wohl  grösstenteils  verloren  gehende  Saug- 
w^urzeln  sind.  Das  reichverästelte  Wurzelsystem  des  Spitzahorns,  dessen  Lang- 
und  Kurzwurzeln  nicht  scharf  von  einander  geschieden  sondern  durch  Uebergänge  ver- 
bunden sind,  nimmt  eine  Art  Mittelstellung  zwischen  Esche  und  Rotbuche  ein.  Der 
auffallend  geschlängelte  Verlauf  und  die  relative  Kürze  der  W'urzeln  höheren  Grades 
unterscheiden  die  Wurzelsysteme  der  Ahorne  von  denen  der  Eschen;  was  ihnen  etwa 
an  weitem  Ausgreifen  der  Esche  gegenüber  mangelt,  wird  durch  eine  grössere  Anzahl 
von  Wurzelspitzen  in  dem  gleichen  Räume  ausgeglichen ;  ihre  schwächeren  Würzelchen 
sind  entweder  normale,  schlanke,  behaarte  Wurzelzweige  oder  kurze,  dicke,  haubenlose 
Kurzwurzeln.     Eiche,  Weissbuche  und  Hasel  schliessen  sich  der  Rotbuche  an,  Erle  und 


I 


206  III.  Klein,  ForstboUnik. 

Linde  dagegen  lassen  Aehnlichkeit  mit  dem  Wurzelsysteni  von  Esche  und  Ahorn  er- 
kennen. Diese  wenigen  dem  Büsgen'schen  Aufsatze  entnommenen  Beispiele  mögen  zei- 
gen, wie  verschieden  die  feinsten  Auszweigungen  des  Warzelsystems  unserer  Waldbänme 
gestaltet  sind. 

Die  Zeit  derWarzelbildnng  nnd  desWurzelwachstnms  fällt 
mit  derjenigen  der  Sprossbildung  und  des  Sprosswachstums  nicht  durchweg  zusammen. 
Durch  die  oben  erwähnte  Untersuchung  Büsgens  ist  auch  auf  diesem  Gebiete  einiger- 
massen  Klarheit  in  die  einander  wiedersprechenden  Literaturangaben  über  die  Zeit  des 
Wurzel  Wachstums  gebracht  und  wir  wissen  jetzt,  dass  die  Angaben  Willdenows  (1798) 
und  Resa's  (1877)  im  wesentlichen  zu  recht  bestehen,  wir  wissen,  dass  es  zwei  durch 
eine  Ruhepause  getrennte  Perloden  des  Wurzel  Wachstums  gibt,  eine  im  Frühjahr  und 
eine  im  Herbste.  Was  den  Beginn  des  Wurzel  Wachstums  anlangt,  so  sind 
schon  im  März  zahlreiche  Wurzeln  im  Wachsen  begriffen,  ohne  dass  jedoch  ein  direkter 
Zusammenhang  zwischen  dem  Aufbrechen  der  Knospen  und  dem  Beginn  der  Wurzel- 
entwickelung zu  konstatieren  ist.  Da  die  meisten  Wurzeln  im  Juni  noch  reichlich  im 
Wachsen  begriffen  sind,  so  kann  von  einer  zeitlichen  Trennung  der  oberirdischen  und 
unterirdischen  Wachstumstätigkeit,  von  einer  Art  Arbeitsteilung,  wie  sie  Resa  annahm, 
keine  Rede  sein,  denn  die  Pause  des  Wurzelwachstums  im  Juli  und  August,  die  aber 
keineswegs  ein  allgemeiner  Wachstumsstillstand  ist,  tritt  erst  ein,  wenn  die  Blattent- 
faltung abgeschlossen  oder  so  gut  wie  abgeschlossen  ist  und  entspricht  somit  auch  einer 
Pause  im  Wachstum  der  Langtriebe,  einem  schwachen  Nachklang  der  sommerlichen 
Vegetationspause  sommertrockener  Klimate.  Der  Neubeginn  der  Wurzelentw-ickelung 
im  September  und  Oktober  lässt  sich  vielleicht  der  Johannistriebbildung  vergleichen, 
der  freilich  in  unserem  Klima  viel  früher  durch  die  Winterruhe  ein  Ende  gesetzt  wird, 
als  dem  Wurzelwachstum,  welches  bei  zahlreichen  Wurzeln  in  dem  wänneren  Boden 
bis  in  den  November  und  Dezember  fortdauert. 

So  lässt  sich,  trotz  aller  Verschiedenheit  im  einzelnen,  auch  bei  einer  und  der- 
selben Holzart,  doch  im  grossen  und  ganzen  ein  Parallelismus  zwischen  der  vegetativen 
Tätigkeit  der  Krone  und  des  Wurzelsystems  konstatieren  und  man  darf  wohl  mit  Büs- 
gen  annehmen,  dass  die  vorkommenden  zeitlichen  Differenzen  beider  mit  den  Verschie- 
denheiten der  Luft-  und  Bodentemperatur  zusammenhängen  und  dass  dem  herbstlichen 
Wachstum  ausserdem  noch  die  mit  dem  Laubfall  eintretende  Verminderung  der  Wasser- 
verdunstung zu  gute  kommt. 

Mit  den  ernährungsphysiologischen  Bedürfnissen  des  Baumes  steht  der  dargelegte 
Rhythmus  der  Wurzelentwickelung  keineswegs  im  Widerspruch,  denn  Entwickelung  und 
Aufnahmetätigkeit  der  Wurzeln  sind  zwei  ganz  verschiedene  Dinge,  die  keineswegs 
zusammenzufallen  brauchen,  wie  denn  auch  die  Wurzeln  im  Hochsommer,  gerade  zn 
der  Zeit,  zu  welcher  sie  am  intensivsten  arbeiten  müssen,  einen  relativen  Wachstums- 
stillstand zeigen.  Bei  der  Wasseraufnahme  wirken  auch  tote  Wurzelhaare  noch  ener- 
gisch mit,  \vährend  die  chemische  Tätigkeit  der  Wurzel,  namentlich  die  Ausscheidung 
der  phosphorsauren,  ameisensanren  und  Oxalsäuren  Salze,  welche  neben  der  Kohlensäure 
die  Aufschliessung  der  Bodenbestandteile  bewirken,  natürlich  nur  durch  lebende  Wurzel- 
haare vermittelt  werden  kann. 

Das  Schicksal  der  im  Frühjahr  und  Herbste  neu  gebildeten 
Wurzeln  ist  verschieden;  einzelne  werden  zu  Triebwurzeln,  die  sich  dauernd  ver- 
längern, andere,  kurz  und  schwach  bleibend,  werden  zu  Saugwürzelchen,  bilden  den 
Hauptsitz  der  Mycorrhizabildung  und  gehen  oft  bald  zu  Grunde.  Wie  die  Laubkrone 
sich  durch  das  Absterben  der  schwächeren  Zweige  „reinigt",  so  reinigt  sich  auch  das 
Wurzelsystem  von  den  überzählig  und  überflüssig  gewordenen  Organen,   indem  behn 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  3.  207 

Kampf  der  einzelnen  Wurzeln  um  die  Nährstoffe  die  schwächeren  Würzelchen  unter- 
liegen. 

Da  die  typische  Wurzel  ganz  bestimmte  Leistungen  für  die  oberirdischen  Sprosse 
zu  erfüllen  hat,  so  besteht  zwischen  der  Grösse  des  ganzen  Wurzelsysteras  und  der 
Grösse  der  belaubten  Krone  ein  ganz  bestimmtes  Verhältnis,  eine  sog.  Korrelation,  die 
abhängt  von  der  Natur  der  einzelnen  Holzart,  von  dem  Wasserbedürfnis  und  der  Ent- 
wickelung  der  Krone,  von  der  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit  und  den  Standortsverhält- 
nissen überhaupt.  Dieses  Gleichgewicht  zwischen  Kronen-  und  Wurzel- 
grosse wird  beim  Yerpflanzen  gestört,  um  so  stärker,  je  älter  die  Pflanze  ist,  weil 
dann  ein  um  so  grösserer  Teil  des  gesamten  Wurzelsystems  und  namentlich  der  Saug- 
wurzeln  im  Mutterboden  zurückbleibt.  Bekannt  ist,  dass  man  die  Laubholzbäume  im 
entlaubten  Zustande  verpflanzt;  bei  ihnen  lässt  sich  die  gestörte  Korrelation  durch 
mehr  oder  weniger  weitgehende  Einkürzung  der  Krone  verhältnismässig  leicht  aus- 
gleichen, auch  treten  an  die  Wurzeln  sofort  nach  dem  Yerpflanzen  zumeist  keine  grossen 
Anforderungen  heran,  weil  die  meisten  Laubhölzer  (Ausnahme  Tulpenbaum)  im  Zustande 
der  Vegetationsruhe  im  Herbste,  oder  im  Frühjahr  erheblich  vor  dem  Laubausbruch 
verpflanzt  werden. 

Anders  liegen  aber  die  Dinge  bei  den  immergrünen  Holzarten,  speziell  bei  den 
Koniferen,  die  am  besten  bei  Beginn  des  Triebes,  anfang  Mai,  anwachsen  und  bei  denen 
eine  Einkürzung  der  Krone  ausgeschlossen  ist.  Da  ist  es  ein  völlig  aussichtsloses  Be- 
ginnen, etwa  mannshohe  Fichten  oder  Tannen  aus  dem  Walde  noch  verpflanzen  zu 
wollen ;  nur  durch  geeignete  \'orbereitung,  durch  öfteres  Verschulen,  welches  die  Haupt- 
masse des  Wurzelsystems  auf  einen  kleinen  Kaum  zusammendrängt,  so  dass  die  Wurzeln 
„Ballen  halten"  und  namentlich  durch  Kultur  in  in  die  Erde  eingegrabenen  Weiden- 
korben,  die  etwa  alle  2  Jahre  erneuert  werden,  kann  man  auch  grössere  Koniferen 
derart  erziehen,  dass  sie  jederzeit  und  ohne  Einbusse  an  Schönheit  bei  genügender  Vor- 
sicht verpflanzt  werden  können. 

§  3.  Metamorphosierte  Wurzeln  spielen,  abgesehen  von  den  als  An- 
hängsel der  typischen  Wurzeln  schon  behandelten  Mycorrhizen,  bei  unseren  Waldbäumen 
keine  Eolle,  wenn  wir  nicht  etwa  die  dickeren  holzigen  Wurzeln,  welche,  ähn- 
lich wie  die  fleischigen  Rüben,  in  erster  Linie  als  Eeservestoffbehälter  dienen,  hierher 
rechnen  wollen.  Durch  das  Medium  erfahren  normale  Erdwurzeln  eine  gewisse  Meta- 
morphose, wenn  sie,  wie  das  bei  Weiden  und  Erlen  an  steilen  Bachrändern  nicht  selten 
ist,  frei  ins  Wasser  hineinwachsen  oder  wenn  Erdwurzeln  zufällig  in  Drainageröhren 
hineingeraten  und  sich  dort  unter  den  besonders  günstigen  Emährungsverhältnissen  zu 
sog.  Wurzelzöpfen  entwickeln.  Beim  Epheu  wenden  sich  die  auf  der  Unterseite  des 
kletternden  Stammes  hervorbrechenden,  schon  dicht  hinter  dem  Vegetationspunkte  an- 
gelegten Adventivwurzeln  zufolge  ihres  negativen  Heliotropismus  dem  Substrate  zu  und 
klammem  sich  an  demselben  mit  ihren  Wurzelhaaren  fest,  so  zu  Klammerwurzeln 
werdend,  die  infolge  von  Trockenheit  und  Nahrungsmangel  bald  absterben,  während 
sie  an  in  den  Boden  gesteckten  Epheuzweigen  oder  da,  wo  eine  solche  Adventivwurzel 
zufällig  eine  mit  fruchtbarer  Erde  gefüllte  Mauerritze  trifft,  sich  zu  ganz  normalen 
typischen  Wurzeln  entwickeln,  ein  Beweis  dafür,  dass  hier  eine  der  Anlage  nach  noch 
typische  Wurzel  in  jedem  Einzelfall  metamorphosiert  wird. 

Reduzierte  Wurzeln  finden  wir  bei  einigen  saprophytischen  der  grünen 
Lanbblätter  entbehrenden  Standortspflanzen  wie  Neottia,  der  Vogelnestorchis  und  Mo- 
notropa,  der  Fichtenspargel,  bei  den  Halbschmarotzern,  den  Melampyrumarten,  den  ächten 
Parasiten,  wie  Cuscuta,  Orobanche  und  Lathraea  und  der  auf  den  verschiedensten  Bäu- 
men schmarotzenden  Mistel  (§  79). 


208  III.  Klein,  Forstbotanik. 

8.  Der  Spross. 

§4.  Der  Spross  ist  ein  beblätterter  Stengel.  Die  Knospe  ist 
das  Jugendstadinm  des  Sprosses.  Der  typische  Spross  ist  der 
Laubspros  s.  Der  erste  Spross  einer  Pflanze  ist  der  Keims  pro  ss.  Als  Organ 
erhebt  sich  der  Spross  über  das  Sabstrat,  um  am  Lichte  zu  assimilieren,  d.  h.  neue 
organische  Substanz  zu  erzeugen,  welche  einerseits  zur  Deckung  der  Haushaltungskosten 
der  Pflanze  (Atmung,  Dickenwachstum  etc.),  anderseits  zur  Bildung  neuer  Sprosse  und 
Wurzeln  und  schliesslich  zur  Bildung  der  Fortpflanzungsorgane  Verwendung  findet 

So  verschieden  uns  bei  einem  gewöhnlichen  Laubspross  die  beiden  Teile,  Blatt 
und  Achse,  entgegentreten,  so  ist  es  doch  unmöglich,  ganz  allgemein  den  Begriff  der 
Blätter  ohne  Rücksicht  auf  die  tragende  Achse  und  umgekehi*t  den  der  Achse  ebne 
Rücksicht  auf  die  von  ihr  erzeugten  Blätter  scharf  zu  deflnieren,  weil  Blatt  und  Achse 
eben  nur  Teile  eines  Granzen,  des  Sprosses  sind.  Achse  ist  nur  das,  was  Blätter 
trägt,  Blatt  nur,  was  in  bestimmter  Weise  aus  der  Achse  entsteht. 

Als  Hauptkennzeichen  eines  Blattes  haben  wii*  im  allgemeinen  fol- 
gende drei  Punkte  anzusehen:  1)  Die  Blätter  entstehen  exogen  als  Ausstülpun- 
gen aus  dem  Teilungsgewebe  des  Vegetationspunktes  in  akropetaler  Folge, 
d.  h.  die  obersten  sind  die  jüngsten,  während  die  Wurzeln  endogen  aus  bereits  ausge- 
wachsenen Partien  der  Wurzel  hervorgehen.  2)  Die  Blattanlagen  zeigen  anfänglich 
rascheres  Wachstum,  als  das  über  ihnen  stehende  Achsenende,  sie  wachsen  anfänglich 
auf  der  Unterseite  rascher  als  auf  der  Oberseite,  krümmen  sich  infolge  dessen  über  den 
Vegetationspunkt  herüber  und  bilden  mit  ihm  eine  Knospe.  Die  Spitze  ist  derjenige 
Teil  des  Blattes,  welcher  in  der  Regel  am  frühesten  ausgewachsen  ist  und  das  Wachs- 
tum des  Blattes  ist,  wenigstens  bei  den  Bäumen,  stets  ein  begrenztes.  3)  Die  Blätter 
besitzen  fast  immer  eine  andere  Gestalt,  als  die  tragenden  Achsen. 

Die  Achsen  besitzen  in  der  Regel  unbegrenztes  Wachstum ,  die  Ansatzstelien 
der  Blätter  heissen  Knoten,  die  Strecke  zwischen  zwei  Knoten  Internodium. 
Sprosse  mit  laugen ,  ruthenförmigen  Achsen  heissen  Langtriebe,  solche  mit  ge- 
stauchten Achsen  K  u  r  z  t  r  i  e  b  e ;  am  schönsten  treten  uns  letztere  bei  den  Kiefern 
und  Lärchen  und  bei  Berberis  entgegen,  aber  auch  bei  älteren  Buchen,  Pappeln, 
Eschen  u.  s.  w. 

Die  ungeheuere  Mannigfaltigkeit  im  Habitus  der  einzelnen 
Sprosse  wird ,  wenn  wir  von  Lang-  und  Kurztrieb  absehen ,  wesentlich  nur  durch 
die  Grösse,  Gestalt,  Stellung  und  Zahl  der  Blätter  bedingt,  der  Habitus  des  ganzen 
Sprosssystems,  derKrone,  dagegen  durch  die  Grösse,  die  Gestalt,  die  Wuchsrichtung 
und  die  Verzweigung  der  einzelnen  Jahrestriebe,  sowie  durch  das  Mengenverhältnis 
von  Lang-  und  Kurztrieben  und  das  Stärkeverhältnis  von  Aesten  und  Zweigen. 

§  5.  Die  Knospen  bilden  entweder  den  oberen  Abschluss  eines  Sprosses  (End- 
knosp ej,  oder  sie  stehen  in  den  AVinkeln,  welche  die  Blätter  mit  den  tragenden  Achsen 
bilden,  den  Blattachseln  (Achsel-  oder  Seitenknospen).  Gewöhnlich  steht  in 
jeder  Blattachsel  nur  eine  Knospe,  bei  manchen  Laubholzbäumen  wie  Rotbuche,  Weiss- 
buche, Linde  und  Birke  entbehren  die  beiden  untersten  Blätter  jedes  Jahrestriebes  der 
Achselknospen,  bei  Gleditschia,  den  Loniceraarten,  der  als  Zierbaum  in  milden  Gegen- 
den gezogenen  Paulownia,  der  bekannten  Schlingpflanze  Aristolochia  Sipho,  stehen  gar 
2 — 3  Knospen  in  jeder  Blattachsel  über  einander,  wovon  man  die  überzähligen  als  Bei- 
knospen zu  bezeichnen  pflegt ;  bei  den  Nadelhölzern  dagegen  ist  die  Zahl  der  Knospen 
viel  kleiner  als  diejenige  der  Blätter,  weil  lange  nicht  in  jeder  Blattachsel  eine  Knospe 
steht.    Endlich  sind  noch  die  A  d  v  e  n  t  i  v  k  n  o  s  p  e  n  zu  erwähnen,  welche  bei  unseren 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  5.  209 

Bäumen  auf  Stamm  und  Wurzel  (sog.  Wurzelbrut)  beschränkt  sind  und  mehr  oder 
weniger  regellos  aus  älteren  Geweben  oder  aus  Ueberwallungswülsten  entspringen.  In 
der  Knospe  sind  die  jungen  Laubblätter  in  einer  für  die  Gattung  charakteristischen 
Weise  zusammengelegt  (K  n  o  s  p  e  n  1  a  g  e) ,  z.  B.  längs  der  Mittelrippe  gefaltet  bei 
Eiche,  Linde  und  Kirsche,  ausserdem  noch  längs  den  Seitenrippen  1.  Grades  gefaltet 
bei  der  Buche  und  Erle,  von  den  Rändern  her  eingerollt  bei  den  Pappeln,  zurückge- 
rollt bei  den  Weiden  etc. 

Die  Knospen  entfalten  sich  entweder  noch  im  gleichen  Jahre,  in  welchem 
sie  angelegt  wurden  oder  sie  überwintern  und  stellen  als  Winterknospen  die 
Ueberwinterungsform  des  jungen  Jahrestriebes  dar.  Bei  diesen  Winterknospen  werden 
die  ältesten  Blattanlagen  in  holzige,  lederige  oder  trockenhäutige  Knospenschup- 
pen umgewandelt,  deren  Aufgabe  in  erster  Linie  darin  besteht,  die  zarten,  inneren 
Anlagen  vor  dem  Vertrocknen  zu  schützen,  sowie  vor  mechanischen  Verletzungen,  wenn 
der  Sturm  die  entlaubten  Baumkronen  peitscht.  Winterknospen,  welche  derartiger  Knos- 
penschuppen entbehren,  wie  diejenigen  des  wolligen  Schneeballs,  der  Robinie  u.  a. 
heissen  nackte  Knospen.  Aus  vorzeitig,  noch  im  gleichen  Jahre  austreibenden  Win- 
terknospen gehen  die  Johannistriebe  hervor.  Die  Ausbildung  der  Wint^rknospen 
erfolgt  meistens  schon  im  Anfange  der  Vegetationsperiode.  Entfernt  man  frühzeitig 
die  Blätter  eines  Sprosses,  so  wachsen,  wie  Göbel  gezeigt  hat,  dieselben  Anlagen,  welche 
im  normalen  Verlauf  der  Dinge  zu  Knospenschuppen  geworden  wären,  zu  Laubblättern 
ans,  ein  Beweis  dafür,  dass  die  Knospenschuppen  aus  richtigen  Laubblattanlagen  durch 
Metamorphose  entstehen.  Die  Zahl  der  Knospenschuppen  schwankt  bei  den  einzelnen 
Holzarten  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen ;  wir  finden  z.  B.  nur  eine  einzige  (durch  Ver- 
wachsung von  zweien  entstandene)  bei  den  Weiden,  zwei  bei  den  Erlen,  einige  Dutzend 
bei  den  Eichen  und  Rotbuchen,  ca.  100  bei  der  gemeinen  Fichte  und  Kiefer  und  ca. 
360  bei  der  Schwarzkiefer. 

Bei  der  Entfaltung  derKnospen  strecken  sich  die  Internodien  der  jugend- 
lichen Achse,  und,  umgekehrt  wie  bei  der  Bildung  der  Knospen,  wächst  jetzt  die  Ober- 
seite der  Blattanlagen  stärker  als  die  Unterseite,  so  dass  sich  die  jungen  Blätter  von 
der  Knospe  abheben.  Bei  der  Entfaltung  der  Winterknospen  wachsen  die  derben  Knos- 
penschuppen wenigstens  an  ihrer  Basis,  bei  einzelnen  Holzarten  wie  Rosskastanie  u.  a. 
sogar  sehr  beträchtlich,  und  fallen  schliesslich  ab.  Hat  die  Winterknospe  sehr  zahlreiche 
Knospenschuppen,  wie  z.  B.  bei  der  Rotbuche,  den  Fichten,  Tannen  und  Kiefern,  dann 
bleiben  die  inneren  Knospenschuppen,  an  der  Basis  sich  ablösend,  noch  längere  Zeit 
als  trockenhäutige  Mützchen  auf  der  Spitze  der  zusammenliegenden,  in  Streckung 
begriffenen  jungen  Laubblätter,  denselben  namentlich  gegen  leichtere  Spätfröste  noch 
einen  gewissen  Schutz  gewährend.  Aus  den  obersten  Knospen  eines  Jahrestriebes  gehen 
gewöhnlich  die  längsten  Triebe  hervor,  der  Gipfeltrieb  selbst  pflegt  am  allerlängsten 
zu  sein;  derselbe  geht  aber  keineswegs  wie  bei  den  Nadelhölzern,  Ahornen,  Eschen  und 
L  d.  Regel  bei  den  Eichen  und  Rotbuchen  immer  aus  der  Endknospe  hervor,  denn  bei 
den  meisten  unserer  Laubhölzer  schliesst  der  Jahrestrieb  nicht  mit  einer  wohl  ausge- 
bildeten für  den  Winter  geschützten  Endknospe  ab,  sondern  das  Triebende  verkümmert, 
wie  dies  bei  den  Birken,  Weissbuchen,  Haseln,  Aspen,  Weiden,  Ulmen,  Linden,  den 
Prunusart-en,  nicht  selten  auch  bei  Rotbuchen  und  Eichen  der  Fall  ist  und  die  oberste 
Seitenknospe  setzt  dann,  sich  genau  in  die  Richtung  des  Muttersprosses  stellend,  den 
Trieb  fort.  Die  Grenze  der  einzelnen  Jahrestriebe  ist  meist  durch  eine 
feine  Querringelung  der  Rinde,  die  Narben  der  abgefallenen  Knospenschnppen,  deutlich 
gekennzeichnet.  Je  weiter  vom  Gipfel  entfernt,  desto  kürzer  pflegen  die  Seitentriebe 
zu  werden,   bei  den  Kiefern  folgen  direkt  auf  die  aus  den  obersten  Knospen  hervor- 

Handbnch  d.  Fontw.    2.  A.afl.    I.  14 


210  m.  Klein,  Forstbotanik. 

gehenden  Qoirläste  ausschliesslich  sehr  kleine  Knrztriebe,  bei  den  Lanbhölzem  nimmt 
die  Länge  der  Seitentriebe  meist  allmählich  ab,  jeweils  linden  sich  aber  die  ausgespro- 
chenen Kurztriebe  stets  in  der  unteren  Partie  des  Jahrestriebs.  Die  am  weitesten 
von  der  Triebspitze  entfernten  Winterknospen  treiben  übrigens  unter  normalen  Ver- 
hältnissen im  nächsten  Frühjahr  in  der  Regel  überhaupt  nicht  aus,  ohne  indes  zu  Grunde 
zu  gehen;  sie  schlafen  weiter  wie  im  Winter  und  werden  schlafende  Augen  ge- 
nannt. Sie  können,  zum  Teil  wenigstens,  und  namentlich  bei  glattrindigen  Bäumen, 
sehr  lange  am  Leben  bleiben  und  treiben  aus,  wenn  sie  in  günstigere  Bedingungen 
kommen,  namentlich  wenn  das  über  ihnen  stehende  Sprossstück,  das  bisher  die  Bildnngs- 
stoffe  an  sich  gerissen  hat,  entfernt  oder  seiner  Knospen  beraubt  wird.  Auf  dem  Vor- 
handensein solch  schlafender  Augen  beruht  die  Bildung  von  Ersatztrieben  nach  Laub- 
verlust durch  Frühjahrsfrost  oder  Tierfrass,  die  Bildung  von  Wasserreisem  und,  zum 
Teil  wenigstens,  auch  das  Stock-  und  Stamm-Ausschlagsvermögen.  Bedingung  für  das 
Leben  der  schlafenden  Augen  ist,  dass  sie  mit  dem  lebenden  Bildungsgewebe  des  Stam- 
mes oder  Astes,  an  dem  sie  sitzen,  dem  Cambium,  in  Zusammenhang  bleiben;  sie  ver- 
längern sich  wie  ein  Markstrahl  alljährlich  um  die  Dicke  eines  Jahrringes  und  werden 
allmählich  ganz  von  der  Rinde  eingeschlossen.  Lösen  sie  sich  vom  Cambium  ab,  so 
können  sie  in  der  lebenden  Rinde  noch  längere  Zeit  ein  selbständiges  Leben  führen 
und  in  einer  noch  genauerer  Untersuchung  bedürftigen  W^eise  zu  den,  namentlich  bd 
der  Rotbuche  häufigen,  holzigen  Rindenknollen  oder  Rindenkugeln,  heranwachsen. 

§6.  Die  ausgebildeten  Blätter  des  typischen  Laubsprosses, 
und  ebenso  ihre  Achselknospen  stehen  entweder  zerstreut  am  Trieb,  teils  an 
zwei  einander  gegenüberliegenden  Kanten  desselben  je  eine  Längslinie  bildend,  zwei- 
zeilige Blatt-  und  Knospenstellung,  wie  bei  Rot-  und  Weissbuche,  Ulme,  Linde  u.  a., 
teils  in  spiraliger  Anordnung  meist  von  ^/s  und  ^/s,  nicht  selten  auch  V'?  d.  h.  so, 
dass  nach  je  2  Umgängen  um  die  Achse  das  5.,  10.  Blatt  u.  s.  w.  über  dem  1.,  bezw. 
nach  je  3  Umgängen  das  8.,  16.  u.  s.  w.  über  dem  1.  steht  etc.,  oder  es  stehen  2  (oder 
mehrere)  Knospen  bezw.  Blätter  in  gleicher  Höhe  des  Triebs,  was  als  quirlige  An- 
ordnung bezeichnet  wird.  Weitaus  am  häufigsten  hierbei  ist,  dass  die  Blätter  und  Knospen 
paarweise  einander  gegenüber  und  2  auf  einander  folgende  Paare  gekreuzt  stehen,  de- 
cussierte  Blattstellung  mit  4  Längsreihen,  wie  bei  Ahorn,  Esche,  Rosskastanie  u.  s.  w. 
Die  ersten  Laubblätter  einer  Holzpflanze  sind,  ausser  wenn  die  Keimung  unterirdisch 
stattfindet  (Eiche,  Kastanie)  die  Keimblätter,  hierauf  folgen  bei  Laub-  wie  Nadelhölzern 
gewöhnlich  die  sog.  Erstlingsblätter  und  dann  erst  die  normalen  Blätter  oder  Nadeln. 
Die  Laubblätter  unserer  Bäume  sind  meist  gestielt  und  infolge  dessen  beweglich, 
was  zur  Erhöhung  ihrer  Transpiration  wesentlich  beiträgt  und  ihnen  eine  Reihe  von 
mechanischen  und  physiologischen  Vorteilen  bietet,  wie  erhöhte  W^iderstandskraft  gegen 
Wind,  Regen  und  Hagel,  bessere  Durchleuchtung  der  Krone  und  dergl.  Die  Laubblätter 
besitzen  die  Fähigkeit,  sich  durch  Krümmungen  ihrer  Blattstiele  in  die  für  die  Assimi- 
lation günstigste  Lage  zu  stellen  und  in  der  Krone  füllen  die  kleineren  die  Lücken  zwi- 
schen den  grösseren  aus.  Eine  weitgehende  Zerteilung  der  Blattfläche  findet  sich  meist 
nur  bei  grossen  Blättern,  die  sonst  dem  Winde  eine  zu  grosse  AngrifiFsfläche  bieten 
würden.  Die  derben  immergrünen  Nadeln  unserer  Nadelhölzer  stellen  eine  sehr 
zweckmässige  Anpassung  an  die  ungünstigen  Vegetationsverhältnisse  des  Winters  dar. 
Bei  fast  all  unseren  mitteleuropäischen  Laubhölzern  werden  die  Laubblätter  im  Herbste 
abgeworfen,  weil  der  Transpirations verlust  derselben  im  Winter  nicht  gedeckt  werden 
kann  und  weil  die  grossen  Laubflächen  dieser  Bäume  dem  Schnee  und  Eisanhang  eine 
viel  zu  grosse  Auflagerungsfläche  bieten  würden  und  bekanntlich  schon  die  in  dieser 
Hinsicht  so  sehr  viel  vorteilhafter  organisierten  Nadelhölzer  gelegentlich  schwer  unter 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  6.  211 

Schneebruch  zn  leiden  haben.  Nur  die  durch  ihren  Wuchs  als  Unterholz  meist  ge- 
schätzte Stechpalme  und  der  Buchsbaum  sind  bei  uns  immergrün.  Erst  in  der  Medi- 
terranzone treten  zahlreiche  immergrüne  Laubhölzer  auf,  deren  Blätter  meist  von  mehr 
oder  weniger  derb  lederiger  Beschaffenheit  sind  und  eine  2 — 4jährige,  bei  Buxus  bis 
öjährige  Lebensdauer  aufweisen. 

Bei  lange  fortwachsenden  Langtrieben  nehmen  die  Laubblätter  am  Ende  der  Ve- 
getationsperiode gegen  die  Spitze   zu  an   Grösse  ab.    Im  allgemeinen   nimmt  bei  der 
gleichen  Baumart  die  Blattgrösse  mit  der  Helligkeit  und  Luftfeuchtigkeit  zu.    Darum 
finden  wir  im  Innern  des  Kronenschattens  meist  kleinere  Blätter.    Wenn  an  halbschat- 
tigen Standorten  die  Blätter  meist  grösser  sind,  als  an  sonnigen,  so  dürfte  dies  darauf 
znrückzuftthren  sein,  dass  relative  Helligkeit  und  Luftfeuchtigkeit  vielfach  nicht  Hand 
in  Hand  gehen,  sondern  im  Gegenteil  gewöhnlich  an  halbschattigen  Orten  viel  grössere 
Luftfeuchtigkeit  herrscht  und  letztere  die  Blattgrösse  viel  energischer  beeinflusst  als 
die  Helligkeit.    Die  auffallend  grossen  Dimensionen,  welche  die  Blätter  von  Stockaus- 
schlägen so  häufig  erreichen,  sind  dagegen  auf  die  aussergewöhnlich  günstige  Wasser- 
versorgnngs-  und  Emährungsverhältnisse  vom  Stocke  aus  zurückzuführen.    Die  haupt- 
sächlichen Aufgaben  der  Laubblätter  unserer  sommergriinen  Bäume  sind  möglichst  aus- 
giebige Assimilation  und  Transpiration,  daneben  auch  Schutz  der  Aeste  und  Zweige, 
sowie  des  Waldbodens  gegen  die  austrocknende  Wirkung  der  sommerlichen  Sonnen- 
wärme.   Diesen  Aufgaben  vermögen  sie  als  dünne,  flächenförmige  Gebilde  am  besten 
zu  entsprechen.     Ihre  mechanische  Festigkeit  erhalten  sie  durch  die  die  Blattfläche  in 
einer  für  die  Gattung  sehr  charakteristischen  Weise  durchziehende  Nervatur,   welche 
zugleich  die  Zuführung  des  Wassers  zu  allen  Teilen  des  Blattes  und  die  Ableitung  der 
von   den   grünen  Zellen  gebildeten  Assimilationsprodukte  nach    den  Zweigen   besorgt. 
Je  nach  dem  Grundplane  der  Nen^enanordnung  unterscheidet  man  fingerförmige 
Nervatur    (auch    strahlenförmige    genannt)  und  fiederförmige;   dann ,   nach 
dem  Yerlaufe  der  Seitennerven  1.  Grades,  bezw.  der  einzelnen  Hauptstrahlen  bei  finger- 
förmigem Grundplane :  netz  läufige  Nervatur,  wenn  die  Seitennerven,  bevor  sie  den 
Rand  erreichen,   sich  in  ein  feines  Netzwerk  auflösen  (z.  B.  wilder  Birnbaum,  Weide), 
randläufige  (z.  B.  Eiche ,   Kastanie,    Rosskastanie ,   Hasel ,   Hain-  und  Rotbuche, 
Ahorn,  Platane),  endlich,  viel  seltener,  schlingenläufige  (Rhamnus  frangula)  und 
bogenläufige  Nervatur  (Cornus),  wenn  die  Seitennerven,  bevor  sie  den  Rand  er- 
reichen,   gegen  die  Spitze  umbiegen  und  sich   schlingenförmig  an  den  nächst  oberen 
Seitennerv  anlegen,  bezw.  wenn  sie,  ohne  solche  Schlingen  zu  bilden,  bogenförmig  gegen 
die  Spitze  zu  verlaufen.    Reicht  dieZerteilung  des  Blattrandes  nicht  bis 
zur  halben  Entfernung  vom  Mittelnerv ,    so  nennt  man  ein  solches  Blatt   gelappt, 
geht  sie  bis  zur  Hälfte,  so  heisst  es  gespalten,  bis  über  die  Hälfte :  geteilt  und 
bis  znr  Mittelrippe :  zerschnitten.     Der  Blattrand  heisst  gesägt,  wenn  die 
kleinen  Einschnitte  spitze  Zipfel  und  spitze  Buchten  haben ,    gezähnt  bei  spitzen 
Zipfeln  und  stumpfen  Buchten,   gekerbt  bei  stumpfen  Zipfeln  und  spitzen  Buchten, 
gewellt  bei  stumpfen  Zipfeln  und  stumpfen  Buchten.     Der  Gestalt  nach  können 
die  einzelnen  Blätter  kreisrund,  oval  (grösster  Querdurchraesser  in  der  Mitte),  eiförmig 
oder  verkehrt  eiförmig  (grösster  Durchmesser  unter  bezw.  über  der  Mitte),   lanzettlich 
(oben  und  unten  zugespitzt,  grösster  Durchmesser  in  der  Mitte),  eilanzettlich,  schuppen- 
törmig,  lineal,  lineallanzettlich,  rautenförmig,  nadeiförmig,  spateiförmig,  keilförmig,  herz- 
förmig (Einschnitt  an  der  Ansatzstelle  des  Blattstiels),   verkehrt  herzförmig  (wie  bei 
Gingko),  nierenförmig,  spiess-  und  pfeilförmig  sein,  schliesslich  noch  symmetrisch  oder 
unsymmetrisch,  je  nachdem   die  beiden  Blatthälften  rechts  und  links  der  Mittelrippe 
gleich  oder  ungleich  sind.    Der  Zusammensetzung  nach  unterscheidet  man  ein- 

14* 


212  III.  Klein,  Forstbotanik. 

fache,  gefingerte  und  (paarig  oder  unpaarig,  einfach  oder  mehrfach)  gefiederte  Blätter. 
An  einem  vollständigen  Laubblatt  unterscheidet  man  gewöhnlich  Stiel  und  Spreite, 
während  eine  Blattscheide,  die  bei  krautigen  Pflanzen  nicht  selten  ist,  bei  Bäumen 
nur  ausnahmsweise  vorkommt.  Rechts  und  links  von  der  Blattstielbasis  stehen  die 
Neben  blätter  (Stipulae),  die  hier  meist  hinfälliger  Natur  sind  und  nur  wenigen  unse- 
rer Laubholzarten  (z.  B.  Ahorn,  Esche,  Kosskastanie)  fehlen. 

Für  die  Ableitung  des  Regen  wassers  finden  wir  mannigfache  Einrich- 
tungen: rinnenförmige  Vertiefungen  des  Blattstiels  und  der  stärkeren  Nerven,  wenn 
das  Wasser  nach  der  Blattbasis  abgeleitet  wird,  lang  ausgezogene  Blattspitzen  bei 
centrifugaler  Ableitung,  wie  sie  namentlich  im  tropischen  Regenwalde  in  schönster  Aus- 
bildung auftreten  (Träufel spitze) ,  aber  einigermassen  auch  bei  ans,  z.  B.  bei  Linden 
und  Pappeln  vorkommen ;  ferner  verhindern  dünne  VVachsüberzüge  oder  grosse  Beweg- 
lichkeit des  Laubes  (Zitterpappel)  ein  längeres  Haften  der  Regentropfen.  Gegen  den 
Herbst  zu  verfärben  sich  vielfach  die  Laubblätter,  bevor  sie  in  einer  den  Blattstiel 
durchsetzenden,  meist  erst  kurz  vor  dem  Laubfall  gebildeten  Trennungsschicht  abbrechen 
und  eine  für  viele  Holzarten  höchst  charakteristische  Blattnarbe  hinterlassen. 
Durch  ebensolche  Trennungsschichten  werden  alljährlich  gegen  den  Schluss  der  Vege- 
tationsperiode auch  lebende  Zweige  oder  ganze  Zweigsysteme  als  sog.  .Absprünge^ 
abgeworfen,  so  mehrjährige,  nadeltragende  Kurztriebe  bei  den  Kiefern,  ehedem  mit 
Blütenständen  besetzte  einjährige  beblätterte  Zweige  bei  Weiden  und  Traubkirschen, 
ein-  und  selbst  mehrjährige,  gesunde  oder  im  Absterben  begriffene  Zweige  bei  Eiche, 
Pappel,  Wallnuss,  Ulme,  Esche  und  Bergahorn.  Bei  immergrünen  Pflanzen,  namentlich 
bei  vielen  Nadelhölzern  tritt  im  Winter  unter  der  kombinierten  Wirkung  von  Licht 
und  niederer  Temperatur  eine  charakteristische  gelbbraune,  rotbraune  oder  braunviolette 
Verfärbung  besonders  auf  der  Sonnenseite  ein,  die  durch  die  Frühlingswärme  wieder 
rückgängig  gemacht  wird. 

§  7.  Die  metamorphosierten  Sprosse,  welche  entweder  einer  Meta- 
morphose der  Blätter,  oder  einer  solchen  der  Axe,  oder  auch  einer  solchen  beider  Spross- 
bestandteile ihre  Entstehung  verdanken  können,  und  die  uns  bei  exotischen  Gewächsen 
und  auch  bei  unseren  einheimischen  Kräutern  und  Stauden  in  ausserordentlicher  Man- 
nigfaltigkeit entgegentreten,  spielen  bei  unseren  Bäumen  und  Sträuchern  eine  ganz 
untergeordnete  Rolle,  wenn  wir  von  den  gesondert  zu  betrachtenden  Blüten  absehen. 
Am  wichtigsten  sind  noch  die  Dornbildungen;  dieselben  können  entweder  Kurz- 
triebe oder  Verzweigungssysteme  von  Kurztrieben  sein,  deren  Achsen  nicht  mit  einer 
Endknospe  abschliessen,  sondern  an  der  Spitze  zum  scharfen  stechenden  Dom  erhärten, 
wie  Schwarz-  und  Weissdorn,  Gleditschie,  wilder  Birnbaum  etc.,  oder  es  verdomt  nur 
das  Ende  eines  sonst  normalen  Langtriebes  (Kreuzdorn).  Im  Gegensatz  zu  diesen 
„Stammdornen"  stehen  die  „B  latt  dornen",  die  entweder,  wie  die  dreiteiligen 
Dornen  der  Berberislangtriebe  metamorphosierte  Blätter  und  Nebenblätter ,  oder  wie 
die  beiden  kräftigen  Dornen  an  der  Blattstielbasis  der  Robinie  nur  metamorphosierte 
Nebenblätter  sind.  Mit  den  Dornen  dürfen  die  Stacheln  durchaus  nicht  verwechselt 
werden,  wie  wir  sie  als  Anhangsgebilde  der  Rinde  z.  B.  bei  Brombeeren  und  Rosen 
finden.  Dieselben  sind  durchaus  regellos  verteilt  und  stehen  in  keiner  Beziehung  zu 
Knospen  und  Blättern. 

4.  Die  Blüten,  Früchte  und  Samen. 

§  8.  Die  Blüten  sind  begrenzte,  metamorphosierte  Sprosse,  deren  äussere  Blatt- 
gebilde als  Kelch  und  Kronenblätter  bezeichnet  werden  und  deren  wesentliche 
Bestandteile  die  Staub-  und  Fruchtblätter  sind,   welche  den  Sporophyllen  der  höheren 


Die  Glieder  des  Baumes  als  Organe.     §  8.  213 

Kryptogamen,  speziell  denjenigen  mit  zweierlei  Sporen  homolog  sind  und  welche  die 
Aufgabe  haben,  die  eigentlichen  Fortpflanznngsorgane,  die  männlichen  Pollenkörner 
und  die  weiblichen  Samenknospen  zu  erzeugen,   Gebilde  sui  generis,   für  welche 
uns  der  vegetative  Spross  keinerlei  Homologa  bietet.    Die  Kelch-  und  Kronenblätter 
haben   in  erster  Linie  die  Aufgabe,   in  der  Blütenknospe   die  wertvollen  Organe  zu 
schützen;   sind  sie  gross,   bunt  gefärbt  und  wohlriechend,   so  dienen  sie  auch  zur  An- 
lockung der  die  Bestäubung   vermittelnden  Insekten;   fehlen  sie,    so  heisst  die  Blüte 
nackt,  fehlt  die  Krone  allein,  dann  heisst  die  Blüte  a  p  e  t  a  1.  Sind  Staub  und  Frucht- 
blätter in  der  gleichen  Blüte  vereinigt,   dann  heisst  die  Blüte  zwitterig,   andern- 
falls eingeschlechtig  (männlich   oder  weiblich) ;    zu  letzteren  gehören  auch  die 
sclieinzwitterigen  Blüten,  bei  welchen,  wie  beim  Ahorn,  die  Staubblätter  zwar 
normal  ausgebildet  erscheinen,   aber  funktionslos  geworden  sind.     Sind  männliche  und 
weibliche  Blüten  auf  der  gleichen  Pflanze   vereinigt,   so   heisst  dieselbe  einhäusig 
(die  meisten  Nadelhölzer  und  Kätzchenträger),    bewohnen   sie  verschiedene  Pflanzen: 
zweihäusig  (Weiden,  Pappeln,  Taxus) ;  kommen  endlich  eingeschlechtige  und  Zwit- 
terblüten auf  derselben  Pflanze  vor  (Ahorn,  Esche) ,   so  heisst  die  Pflanze  polygam 
oder  V  i  e  1  e  h  i  g.    Bei  den  G-ymnospermen,  zu  denen  unsere  Nadelhölzer  gehören,  sind 
die  Fruchtblätter  nicht  zum  Fruchtknoten   verwachsen  und  tragen  die  Samenknospen 
nackt,   bei  den  Angiospermen  dagegen  finden  wir  stets  einen  durch  Verwachsung  von 
einem  oder  mehreren  Fruchtblättern   gebildeten  Fruchtknoten,   in   dessen  Höhlung  die 
Samenknospen  an  den  Verwachsungsstellen   der  Fruchtblätter  angewachsen  sind.     Die 
Bestäubung   wird  entweder  durch  den  Wind  (Nadelhölzer,  Kätzchenträger)   oder 
durch  Insekten  (Weiden,   Linden,   Ahorn  etc.)  vermittelt;    im   ersteren  Falle  sind  die 
Blüten  meist  unscheinbar  und   der  Blütenstaub   wird   in  gewaltigen  Mengen  erzeugt. 
Die  Befruchtung  geschieht  dadurch,  dass  der  generative  oder  Spermakem  des  Pol- 
lens mit  dem  Eikem  der  Eizelle  verschmilzt.    Die  dem  Makrosporangium   der  hetero- 
sporen  Filicineen  homologe  Samenknospe   besteht  zur  Zeit  der  Befruchtungsreife  aus 
dem  von  1  oder  2  Hüllen,  den  Integumenten,  umgebenen  Knospenkern,  zu  welchem  eine 
enge  Oeffnung  der  Integumente,  die  Mikropyle,  führt  und  in  welchem  der  der  Makrospore 
homologe  Embryosack  eingeschlossen  ist.    Derselbe  enthält  bei   den  Nadelhölzern  das 
dem  weiblichen  Geschlechtspflänzchen  (Prothallium)  homologe  Endosperm  und  in  dem- 
selben zwei  oder  mehrere  Archegonien  mit  je  einer  Eizelle,  während  bei  den  Angiosper- 
men das  Endosperm  erst  nach  erfolgter  Befruchtung  gebildet  wird  und  vorher  im  Em- 
bryosack auf  der  der  Mikropyle  zugewendeten  Seite  die  nackte  Eizelle  mit  den  beiden 
Gehilfinnen,  auf  der  abgewendeten  Seite  die  drei  behäuteten  Gegenfüsslerzellen  und  in 
der  Mitte  der  sekundäre  Embryosackkem  liegen.     Das  Staubbeutelfach  der  Staubblätter 
ist   dem   Mikrosporangium ,   das   Pollenkom  selbst   der  Mikrospore  homolog.     Die  in- 
nere Haut  des  doppelt  behäuteten  Pollenkornes  wächst  bei  den  Angiospermen  auf  der 
Narbe,  bei  den  Gymnospermen  auf  dem  Scheitel  des  Samenknospenkernes  zum  Pollen- 
schlauche aus,  welcher,  durch  chemotropische  Reize  gelenkt,   durch  Narbe,  Griffel  und 
dann  der  Fruchtknoteninnenwandung  entlang,  bezw.  lediglich  durch  den  Knospenkern, 
bis  zur  Eizelle  vordringt  und  dann  den  in  ihm  eingeschlossenen  Spermakern  in  die  Ei- 
zelle tibertreten  lässt,  wo  er  mit  dem  Eikeme  verschmilzt.     Mit  dieser  Kemverschmel- 
zung  ist  die  Befruchtung  vollzogen  und  dieser  mikroskopische  Vorgang  wirkt  als  aus- 
lösender Reiz  für  die  Weiterentwickelung  der  Eizelle,   der  Samenknospe,   der  Frucht- 
blätter und  oft  auch  noch  anderer  Teile  der  Blüte,  während  bei  ausbleibender  Befruchtung 
all  diese  Organe  normaler  Weise  zu  Grunde  gehen.     Streng  genommen  handelt  es  sich 
übrigens  wohl  nicht  um  einen  direkten  Reiz  zur  Weiterentwickelung,   sondern  um  die 
Aufhebung  eines  die  Weiterentwickelung  hemmenden  Reizes,  da  bei  den,  allerdings  sehr 


214  III.  Klein,  ForstboUnik. 

seltenen  Fällen  von  Parthenogenesis  eine  sonst  normale  Weiterentwickelnng  der  Ei- 
zelle etc.  ohne  vorausgegangene  Befruchtung  erfolgt.    Dagegen  beeinflusst  die  bei  der 
Befruchtung  stattfindende  Verschmelzung  zweier  verschiedener  Zellelemente  qualitativ 
den  weiteren  Entwickelungsgang,  wie  es  besonders  deutlich  die  Bastarde  lehren.    Aus 
den  Fruchtblättern,  sofern  sie  zum  Fruchtknoten  verwachsen  sind,  geht  die  Fruchtwaud 
oder  das  Pericarp  hervor,   bleiben  sie  dagegen  frei,   wie  bei  den  Nadelhölzern,  so 
entwickeln  sie  sich  zu  den  Frucht-  oder  Samenschuppen.    Aus  der  Samenknospe  ent- 
wickelt sich  der  Samen,   indem  die  Integumente  zur  Samenschale  oder  Testa 
werden,  der  Embryosack  sich  mit  Nährgewebe  (Endosperm)  füllt,  in  welches  der  aus 
der  befruchtenden  Eizelle  hervorgehende  Embryo  hereinwächst  und  es  zum  Teil  oder 
völlig  verdrängt,   gerade  so,   wie  vorher  der  Knospenkem  vom  heranwachsenden  Em- 
bryosack  und  Endosperm  verdrängt  wurde.    Dem  gemäss  unterscheiden  wir  Samen  mit 
und  solche  ohne  Nährgewebe.    Die  Samen  der  Coniferen  und  der  fleischigen  oder  der 
aufspringenden  Früchte,  z.  B.  Rosskastanie,  besitzen  eine  feste,  in  chemischer  und  me- 
chanischer Hinsicht  sehr  widerstandsfähige  Samenhaut,  abgesehen  von  einigen  Fällen, 
in  welchen  die  Keimung  alsbald  nach  dem  Abfallen  erfolgt,  w^ährend  die  in  trockenen 
Schliessfrüchten    eingeschlossenen   Samen,    deren   Pericarp    nur    langsam    verwittert, 
hierdurch   genügend   geschützt    sind    und    nur  eine  schwache   Samenschale   ausbilden 
(z.  B.  Edelkastanie,  Eichel,  Haselnuss  etc.).     Früchte  mit  fleischigem  Pericarp  heissen 
Beeren,   wenn  das  Pericarp   lediglich  aus  dem  Fruchtknoten   hervorgegangen  ist, 
Apfelfrucht  dagegen,  wenn  auch  noch  das  Ende  des  Blütenstiels  sich  an  der  Bil- 
dung des  Fruchtfleisches  beteiligt ;  bleiben  im  letzteren  Falle  die  aus  den  Fruchtblättern 
hervorgegangenen  Fruchtfö-cher  pergamentartig,  so  haben  wir  den  Kernapfel,  wer- 
den sie  steinartig,   den  Steinapfel.    Bei  der  Steinfrucht  dagegen  haben  wir 
ebenfalls  eine  Schliessfrucht ,   deren  ganzes  Pericarp  aus  dem  Fruchtknoten  hervorge- 
gangen ist  und  aus  zwei  sehr  verschieden  ausgebildeten  Schichten,  dem  äusseren  „Fleisch'' 
und  dem  inneren  „Stein"  besteht  (z.  B.  Kirsche)..    Trockenhäutige  Schliessfrüchte,  deren 
ganzes  Pericarp  holzig  oder  lederig  ist,  heissen  Nüsse  (Eichel,  Buchel,  Haselnuss  etc.). 
Nicht  selten  ist  bei  dieser  Fruchtform  ein  Teil  des  Pericarps  als  dünner  häutiger  Flügel 
ausgebildet,  wie  bei  den  Birken,  Ulmen,  Ahomen  und  Eschen,  der  die  Verbreitung  die- 
ser Früchte   durch    den  Wind   sehr  erleichtert.    Aufspringende  Trockenfrüchte 
—  nur  solche  kommen  bei  unseren  HoLzpflanzen  in  Betracht  —  heissen  ganz  allgemein 
Kapseln;   ist  der  Fruchtknoten  dabei  nur  aus  einem  einzigen  Fruchtblatte  gebildet 
und  springt  das  Pericarp  nach  der  Fruchtreife  an  der  Verwachsungsnalit  (der  Bauch- 
naht) und  der  gegenüberliegenden  Kante  (der  Rückennaht)  auf,  wie  bei  den  Schmetter- 
lingsblütlern, so  heisst  die  Frucht  eine  Hülse.    Die  Fortpflanzungsorgane,  welche  von 
den  Sporophyllen  gebildet  werden,  die  Pollenkömer,  Samen  und  Früchte,  entbehren,  im 
Gegensatz  zu  den  vegetativen  Organen,  des  Funktionswechsels;   sie  behalten  stets  die 
gleiche  Form  bei  einer  Pflanze,  worauf  ihre  Bedeutung  für  die  Systematik  beruht. 

!!•  Der  anatomische  Bau  der  Orgaue  des  Baumes  (Innere  Morphologie). 

1.  Die  Zelle  als  Gewebeelement. 

§  9.  Die  morphologische  und  physiologische  Einheit  im  inneren  Bau  der  Pflan- 
zenorgane ist  die  Zelle.  Die  Bestandteile  einer  typischen  erwachsenen  Zelle  sind:  die 
Zellhaut  oder  Membran,  das  Protoplasma  mit  seinen  Einschlüssen,  von  welchen  der 
Zellkern  der  wichtigste  ist,  und  der  Saftraum  oder  die  Vacuole.  Das  Protoplasma, 
der  „dunkle  Erdteil  der  Biologie",  bildet  in  der  erwachsenen  Zelle  einen  der  Membran 
anliegenden,   den  Zellsaft  umschliessenden  Sack,   auch  protoplasmatischer  Wandbeleg 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes.     §  9.  215 

genannt,  von  kömig-schleimiger  Beschaffenheit,  der  Hauptsache  nach  aus  Eiweissver- 
bindungen  bestehend.  Von  einem  Schleime  im  physikalischen  Sinne  ist  aber  das  Pro- 
toplasma dadurch  wesentlich  verschieden,  dass  in  ihm  Emährungs-,  Stoffwechsel-,  Wachs- 
tams-  und  Teilungsvorgänge  sich  abspielen,  kurz,  dass  es  als  Träger  aller  Lebenser- 
scheinungen  anzusehen  ist.  Der  Zellkern,  aus  etwas  dichterem  Protoplasma  be- 
stehend, spielt  eine  wichtige  Rolle  bei  der  Membranbildung  (die  nur  bei  Gegenwart 
eines  Zellkernes  stattfindet),  bei  der  Teilung  der  Zellen  und  als  mutmasslicher  Träger 
der  erblichen  Eigenschaften;  er  kommt  bei  den  uns  hier  interessierenden  Zellen,  vom 
Pollenschlauch  und  dem  Embryosack  nach  der  Befruchtung  abgesehen,  stets  in  der  Ein- 
zahl vor.  Die  unbefruchtete  Eizelle  und  die  beiden  Synergiden  entbehren  der  Membran. 
Nach  dem  Vorschlag  von  Sachs  bezeichnet  man  einen  Zellkern  mit  dem  von  ihm  be- 
herrschten Protoplasma  als  Energide.  Demgemäss  unterscheidet  man  Zellen  mit 
einer,  mit  mehreren  oder  vielen  und  solche  ohne  Energiden ;  letztere,  auch  tote  Zellen, 
Zellderivate  etc.  genannt,  spielen  bei  den  Bäumen  eine  wichtige  Rolle,  da  der  grösste 
Teil  des  Holzes  aus  ihnen  besteht. 

Im  allgemeinen  lässt  sich  die  Zelle  als  (xewebeelement  lediglich 
ihrer  Gestalt  nach  auf  zwei  Grundformen  zurückführen,  die  P a r e n c h y m -  und 
die  Prosenchymzelle.  Die  Parenchyrazelle  hat  entweder  nach  allen  Rich- 
tungen des  Raumes  annähernd  gleichen  Durchmesser,  sie  ist  „isodiametrisch"  oder 
sie  ist  in  einer  Richtung  länger  gestreckt  und  an  den  Enden  gerade  oder  schief  abge- 
stutzt ;  die  Prosenchymzelle  ist  eine  mehr  oder  weniger  lang  gestreckte ,  an 
beiden  Enden  zugespitzte  Faser. 

Die  Parenchymzellen  haben  in  der  Regel  lebenden  Inhalt.  Ihre  Mem- 
bran kann  dünnwandig  sein  (normale  Parenchymzelle),  stark  verdickt  (Steinzelle  oder 
sklerotische  Zelle)  oder  nur  an  den  Ecken  bezw.  Kanten  stark  verdickt  (Collenchym- 
zelle).  Die  Membranskulptur  besteht  in  der  Regel  aus  einfachen  Tüpfeln  (scharf 
umgrenzte,  dünne  Stellen  der  Membran),  seltener  aus  verzweigten  Tüpfeln  (manche 
Steinzellen)  oder  anderen  Verdickungsformen,  wie  die  ins  Zellinnere  oder  Lumen  vor- 
springenden Verdickungsleisten  im  Assimilationsparenchyra  der  Kiefemnadeln.  Der  che- 
mischen Beschaffenheit  nach  kann  die  Membran  der  Parenchymzelle  aus  C  e  l- 
lulose  bestehen  (Blaufärbung  mit  Chlorzinkjodlösung,  sowie  mit  Jod  und  Schwefel- 
säure), z.  B.  bei  den  Parenchymzellen  der  Rinde,  oder  sie  ist  verholzt  (Rotfärbung 
mit  Phloroglucin  und  Salzsäure,  Gelbfärbung  mit  schwefelsaurem  Anilin  und  etwas 
Schwefelsäure),  z.  B.  bei  den  Parenchymzellen  des  Holzes  und  den  Steinzellen,  oder  sie 
ist  verkorkt  (widerstandsfähig  gegen  konzentrierte  Schwefelsäure),  z.  B.  bei  den 
ächten  Korkzellen  und  bei  den  Oelzellen,  oder  sie  ist  v  e  r  s  c  h  1  e  i  m  t  bei  den  Schleim- 
zellen (mächtig  aufquellend  in  Wasser).  Nach  dem  Vorkommen,  der  Lage  im 
Pflanzenorgan ,  unterscheidet  man  im  wesentlichen  Bast-  oderRindenparen- 
chymzelle  und  Holzparenchymzelle.  Der  lebende  Inhalt  fehlt  stets  den 
Korkzellen  und  meist  den  Steinzellen. 

Die  ausgebildeten  Prosenchymzellen  haben  zumeist  keinen  lebenden  Inhalt 
mehr,  sie  führen  Wasser  und  Luft.  Die  Z  e  1 1  w  a  n  d  derselben  ist  in  der  Regel  stark 
verdickt  (Sklerenchymfaser).  Als  Membranskulptur  finden  wir  einfache,  spal- 
tenförmige,  sowie  behöfte  Tüpfel,  seltener  ins  Zellinnere  vorspringende  Ring-,  Spiral- 
und  Netzverdickungen.  In  chemischer  Hinsicht  ist  die  Membran  entweder  ganz 
oder  teilweise  verholzt  oder  sie  besteht  aus  Cellulose,  nie  ist  sie  verschleimt  oder  ver- 
korkt. Nach  der  Verteilung  im  Baumkörper  unterscheidet  man :  a)  i n 
der  Rinde:  1.  Bastfasern  mit  meist  sehr  starken,  fast  bis  zum  Schwinden  des 
Lumens  verdickten,   verholzten  Zellwänden,    einfachen  Tüpfelkanälen  (meist  Punkt-, 


216  III.  Klein,  Forstbotanik. 

selten  Spalttüpfeln)  ohne  lebenden  Inhalt,  and  2.  Cambiformzellen,  auch  Er- 
satzfasern genannt,  die,  von  der  Gestalt  abg^esehen,  den  typischen  dünnwandigen, 
lebenden  Parenchymzellen  sehr  nahe  stehen,  b)  im  Holze:  1.  Holzf  asern  (Libri- 
form)  mit  stark  verdickter,  meist  verholzter  Zellwand,  schiefspaltenförmigen  einfachen 
Tüpfeln  und  etwas  weiterem  liumen  als  bei  den  Bastfasern,  in  der  Regel  ohne  lebenden 
Inhalt.  2.  Tracheiden  mit  stets  verholzter,  aber  meist  nur  schwach  verdickter 
Membran,  die  keine  einfachen,  sondern  behöfte  Tüpfel  besitzt,  mitunter  auch  Spiral-, 
Ring-  oder  Netzverdickung  aufweist ;  kein  lebender  Inhalt.  3.  Ersatz  fasern  (Er- 
satz für  das  oft  fehlende  Holzparenchym),  mit  dünnwandiger,  verholzter  Membran,  ein- 
fachen Punkttnpfeln  und  lebendem  Inhalt. 

Als  weitere  Gewebeelemente,  die  aber  keine  Einzelzellen  mehr  sind,  sind  die 
Zellfusionen  zu  nennen.  Sie  gehen  aus  Zellreihen  hervor  durch  gänzliche  oder 
teilweise  Auflösung  der  trennenden  Querwände,  wobei  der  lebende  Inhalt  entweder  ganz 
(Gefösse)  oder  teilweise  (Siebröhren)  verschwinden  (oder  auch  in  allen  wesentlichen 
Teilen,  bei  den  gegliederten  Milchröhren,  erhalten  bleiben  kann).  Die  Gefässe  be- 
sitzen meist  eine  dünne,  verholzte  Membran  mit  den  nämlichen  Verdickungsformen  wie 
die  Tracheiden  (im  Holze  fast  stets  dicht  gedrilngte  Hoftüpfel) ;  sie  führen  Wasser  oder 
Luft.  Die  Siebröhren  besitzen  dünne  Cellulosemembranen,  einen  dünnen  protoplas- 
matischen Wandbeleg  ohne  Zellkern  und  einen  sehr  eiweissreichen,  schleimigen  Inhalt 
Die  meist  schief  gestellten  Querwände  tragen  eine  oder  mehrere  plattenförmige  dünne 
und  siebartig  durchbohrte  Stellen,  die  Siebplatten,  durch  deren  offene 
Poren  (Siebporen)  die  Inhalte  der  einzelnen  Siebröhrenglieder  mit  einander  in  Zusam- 
menhang stehen. 

2.  Das  Urmeristem,  die  Entwiekelung  der  Gewebesysteme  und  ihre  Anordnung 

im  Jungen  Trieb  und  in  der  Jungen  Wurzel. 

§  10.  Alle  Bäume,  wie  die  höheren  Pflanzen  überhaupt,  beginnen  ihr  indivi- 
duelles Einzelleben,  wenn  wir  von  den  Fällen  der  ungeschlechtlichen  Vermehrung  durch 
Ausläufer,  Stecklinge,  Wurzelbrut  u.  s.  w.  absehen,  als  eine  einzelne  Zelle,  die  be- 
fruchtete Eizelle  oder  Keimzelle.  In  dem  Protoplasma  derselben  müssen 
naturgemäss  alle  die  Kräfte  schlummern,  welche  die  Keimzelle  befähigen,  einen  in  den 
Hauptzügen  von  vorne  herein  ganz  genau  festgelegten  Entwickelungsgang  zu  nehmen. 
Infolge  dessen  müssen  wir  die  Protoplaste  der  Keimzellen  und  ihrer  Abkömmlinge  bei 
sämtlichen  Pflanzenarten  und  Varietäten  als  spezifisch  verschieden  betrachten.  Es  ist 
aber  kaum  angängig,  diese  spezifische  Differenz  als  eine  rein  chemische  anzusehen,  ob- 
wohl die  lebenden  Protoplasmamoleküle  zweifelsohne  die  grössten  und  kompliziertesten 
Moleküle  sind,  die  es  gibt  und  hier  vielleicht  viel  mehr  Unterschiede  existieren,  als  wir 
uns  derzeit  bei  unseren  mangelhaften  Kenntnissen  über  die  Proteinstoffe  träumen  lassen. 
Aehnlich  wie  aus  dem  gleichen  Material  Maschinen  von  sehr  verschiedener  Konstruktion 
und  von  sehr  verschiedenartiger  Leistungsfähigkeit  gebaut  werden  können,  müssen  wir 
aber  auch  für  das  lebende  Protoplasma  eine  je  nach  Pflanzenart  verschiedene 
spezifische  Struktur  annehmen.  Aus  der  Keimzelle  entwickelt  sich  bei  den 
Samenpflanzen  durch  fortgesetzte  Zweiteilung  der  Embryo  des  Samens  und  aus  diesem 
bei  der  Keimung  die  junge  Pflanze.  Die  zweigeteilte  Eizelle  stellt  somit  das  Urmeri- 
stem,  das  Teilungsgewebe  auf  seiner  ursprünglichsten  Stufe  dar.  Von  den  Zellen  des 
jungen  Embryos  besitzt  ein  Teil  eine  beschränkte  Teilungsfähigkeit,  sie  liefern  bald 
das  Dauergewebe  der  jungen  Wurzeln  und  Sprosse,  während  andere,  an  dem  Vegeta- 
tionspunkt (zwischen  den  beiden  Keimblättern)  und  an  der  Wurzel  spitze  gelegene  un- 


Der  anatyomische  Baa  der  Organe  des  Baumes.     §  11.  217 

begrenzt  teilangsfähig  bleiben.  Sie  and  ihre  mit  gleichen  Eigenschaften  begabten  Nach- 
kommen, welche  in  ununterbrochener  Teilungsfolge  meristero atischer,  noch  nie  in 
Daaergewebe  übergegangener  Zellen  entstanden  sind  und  sich  an  allen  Seitenspross- 
und  Wurzelvegetationspunkten  finden,  bilden  das  sog.  Urmeristem.  Die  Zellen 
desselben  sind  sehr  klein,  annähernd  gleich  gross  und  isodiametrisch.  Ihre  Wände  sind 
dünn  und  bestehen  aus  Cellnlose,  der  Inhalt  aus  ziemlich  dichtem  Protoplasma  ohne 
Vacuole,  mit  relativ  sehr  grossem  Zellkern.  Der  Vegetationspnnkt  ist  der  Sitz  der 
lebhaftesten  Zellvermehrung  durch  Teilung  der  vorhandenen  Zellen.  In  einiger  Ent- 
fernung vom  Yegetationspunkt  werden  die  Zellteilungen  spärlicher,  die  Zellen  fangen 
an,  sich  in  die  Länge  und  Breite  zu  strecken  und  erreichen  schliesslich  unter  ganz 
gewaltiger  Wasseraufnahme  ihre  definitive  Grösse,  indem  mit  Zellsaft  erfüllte  Hohl- 
räume Im  Protoplasma  auftreten,  die  sich  mehr  und  mehr  vergrössem,  nach  und  nach 
znsammenfliessen  und  schliesslich  einen  einzigen  Saftraum  bilden,  während  das  Proto- 
plasma, das  keine  oder  keine  wesentliche  Vermehrung  erfährt,  zu  einem  dünnen  Wand- 
beleg ausgedehnt  wird.  Die  Zellhaut,  welche  bei  diesen  Vorgängen  selbst  fortwährend 
ausgedehnt  wird,  wächst  dabei  auch  stark  in  die  Fläche.  Nach  Beendigung  der  bei 
den  einzelnen  Zellen  innerhalb  weiter  Grenzen  schwankenden  Zellstreckung  beginnt  die 
innere  Ausbildung  der  Zellen,  die  chemische  Veränderung  der  Membran,  die  Schich- 
tung und  Verdickung,  sowie  die  charakteristische  Skulptur  derselben  und  die  Ausbildung 
und  Vermehrung  charakteristischer  Inhaltskörper  wie  Chlorophyllkörner  etc.,  je  nach 
den  Aufgaben,  welche  die  schon  mit  der  Streckung  einsetzende  Arbeitsteilung  den  ein- 
zelnen Zellen  zuweist. 

§11.  Die  ausgebildeten  Gewebearten  lassen  sich  zu  drei  höheren  Einheiten  oder 
Gewebesystemen  zusammenfassen,  nämlich  Hautgewebesystem,  Gefässbündelsystem  und 
Grundgewebesystem.  Diese  Gewebesonderung  beginnt  schon  dicht  hinter  dem  Vege- 
tationspnnkt. Am  frühesten  ausgebildet  ist  das  Hautgewebe,  das  aus 
der  änssersten  Zellschicht  des  Urmeristems  hervorgeht  und  als  Epidermis  alle  Or- 
gane in  der  Jugend,  Blätter  und  Früchte  fast  stets  dauernd  überzieht.  Die  Zellen  der 
Epidermis  teilen  sich  in  der  Regel  nur  durch  Wände,  welche  senkrecht  zur  Oberfläche 
des  Organes  stehen  (Antiklinen) ;  dann  bildet  die  Epidermis  eine  einfache  Zelllage, 
deren  Zellen  in  lückenlosem  Gewebeverbande  bleiben.  Teilen  sich  aber  die  Zellen  der 
jungen  Epidermis  auch  durch  Wände,  welche  der  Oberfläche  des  Organs  parallel  laufen 
(Periklinen) ,  dann  erhalten  wir  die  mehrschichtige  Epidermis.  Die  freie 
Aussenwand  der  Epidermiszellen  ist  gewöhnlich  stärker  verdickt  und  ihre  äusserste 
Schicht,  ausser  bei  den  Wurzeln,  verkorkt  oder  cutikularisiert,  die  sog.  Cuticula, 
die  für  Wasser  ziemlich  undurchlässig  ist,  um  so  mehr,  je  stärker  sie  entwickelt  ist. 
Die  einzigen  Dmxhbrechungen  der  Epidermis,  die  aber  der  Wurzelepidermis  gleichfalls 
fehlen,  sind  die  Spaltöffnungen  (Stomata),  gebildet  von  zwei  meist  nierenförmig 
gestalteten  Epidermiszellen  (den  sog.  Schliesszellen),  die  gegen  einander  gekrümmt 
Bind  und  zwischen  sich  einen  ins  Innere  des  Organs  führenden  Spalt  besitzen,  der 
durch  stärkere  oder  schwächere  Krümmung  der  Schliesszellen  erweitert  oder  verengert 
werden  kann.  Nicht  selten  wachsen  einzelne  Epidermiszellen  zu  Haaren  aus,  welche 
einzellig  oder  mehrzellig,  einfach  oder  verzweigt  sein  können  und  sich,  namentlich  bei 
den  schuppenartigen  Bildungen,  vom  landläufigen  Begriff  der  Haargestalt  oft  recht  weit 
entfernen. 

Alles,  was  vom  Hautgewebe  umschlossen  ist  und  nicht  zu  den  Gefässbündeln  ge- 
hört, wird  als  Grundgewebe  zusammengefasst.  Als  vorherrschende  Zellform  finden 
wir  hier  dünnwandige  Parenchymzellen ,  gelegentlich  auch  Collenchym-  und  Skleren- 
chymzellen  und  dickwandige  Sklerenchymfasern.    Die  ausgebildeten  Parenchymzellen 


218  III.  Klein,  Forstbotanik. 

stossen  hier  nicht  lückenlos  aneinander,  sondern  weichen  an  den  Ecken  nnd  Kanten 
mehr  oder  weniger  weit  auseinander,  die  sog.  Intercellalarräume  bildend,  welche 
gewöhnlich  Lnft  führen  and  als  ein  sehr  feines  System  von  kommnnizierenden  Rohren 
zwischen  den  Parenchymzellen  des  Gmndgewebes  verlaufen. 

Das  Gefässbündelsystera  ist  am  spätesten  ausgebildet,  wird  aber  gleich- 
falls schon  dicht  hinter  dem  Vegetationspunkte  angelegt,  indem  hier  während  der  Pe- 
riode der  Längsstreckung  einzelne  strangförmige  Partien  sich  durch  zahlreiche  Längs- 
teilungen  ihrer  Zellen  auszeichnen  und  sich  so  als  engzellige  Stränge  bald  scharf  von 
dem  grosszelligen  jungen  Grundgewebe  abheben.  Diese  Stränge  heissenProcambial- 
stränge  und  sind  nichts  anderes  als  der  Jugendzustand  der  Gefässbündel. 

In  den  jungen  Trieben  der  Holzgewächse  sind  diese  Procambial- 
stränge  auf  dem  Querschnitt  zahlreich,  einer  neben  dem  andern,  im  Kreise  angeordnet. 
Die  von  ihnen  umschlossene  kreisförmige  oder  sternförmige  Grandgewebepartie  ist  das 
Mark;  aus  den  schmalen  Streifen  von  Grundgewebe,  welche  die  einzelnen  Procambial- 
stränge  von  einander  trennen,  gehen  die  primärenMarkstrahlen  hervor.  Gehen 
die  Procambialstränge  in  Dauergewebe  über,  so  bleibt  eine  schmale  mittlere  Zone  in 
jedem ,  ohne  in  Dauergewebe  überzugehen ,  meristematisch ,  das  sog.  Fascicular- 
c  a  m  b  i  u  m  bildend,  das  somit  noch  ein  primäres  Teilungsgewebe  darstellt.  Der  aus- 
serhalb des  Cambiums  gelegene  Teil  des  Procambialstranges  bildet  sich  zum  primären 
Sieb  teil  (Phloem)  mit  den  Siebröhren,  der  innerhalb  desselben  gelegene  zum  pri- 
mären Holzteil  des  Gefässbündels  (Xylem)  aus,  mit  den  Gefässen  and  Tracheiden 
als  wichtigsten  Gewebeelementen.  Solche  Gefässbündel,  bei  welchen  Holz  and  Siebteil, 
durch  ein  Cambium  getrennt,  auf  dem  gleichen  Radius  vor  einander  liegen,  heissen 
collaterale  offene  Bündel.  Das  zwischen  den  einzelnen  Bündeln  vorhandene 
Grandgewebe  teilt  sich,  nachdem  die  Zellen  desselben  schon  ausgewachsen  sind,  in  der 
Höhe  des  Fascicularcambiums  nachträglich  von  neuem  durch  perikline  Wände  und  bildet 
so  das  Interfascicular cambium,  welches  seiner  Entstehung  gemäss  zu  den 
Folgemeristemen  zu  rechnen  ist.  Fascicular-  und  Interfascicularcambien  zusammen 
bilden  auf  dem  Querschnitt  einen  Ring,  körperlich  gedacht  einen  Cylindermantel,  von 
Teilungsgewebe,  dessen  Zellen  sich  vornehmlich  durch  perikline  Wände  teilen  und  so 
radiale  Zellreihen  bilden;  viel  seltener  sind  die  antiklinen  Teilungen,  darch  welche  die 
Zahl  der  radialen  Reihen  vermehrt  wird.  Alles,  was  ausserhalb  des  Cambiums  vor 
Beginn  seiner  Tätigkeit  liegt,  bildet  zusammen  die  primäre  Rinde.  Die  Gefässe 
und  Tracheiden  des  primärenHolzes,  von  denen  die  innersten,  unmittelbar 
an  das  Mark  grenzenden  die  ältesten,  d.  h.  am  frühesten  ausgebildeten  sind,  zeichnen 
sich  durch  relativ  geringen  Durchmesser  und  durch  das  Vorherrschen  der  Ring-  and 
spiraligen  Wandverdicknngen  aus.  So  lange  der  Trieb  am  Leben  bleibt,  scheidet  das 
Cambium  nach  aussen  wie  nach  innen  alljährlich  neue  Zellen  ab,  die  in  den  Dauerzu- 
stand übergehen,  und  bewirkt  so  das  nachträgliche  oder  sekundäre  Dickenwachs- 
tum.  Die  Gesamtheit  der  vom  Cambium  nach  aussen  abgeschiedenen,  in  den  Dauer- 
zustand übergegangenen  Zellen  bildet  die  sekundäre  Rinde,  die  Gesamtheit  der 
nach  Innen  abgeschiedenen  Gewebeelemente  das  sekundäre  Holz. 

In  der  jungen  Wurzel  einer  Holzpflanze  findet  sich  stets  nur  ein  einziger 
zentral  gelegener  Procambialstrang  und  demgemäss  auch  nur  ein  einziges  Geföss- 
bündel,  dessen  Holzkörper  auf  dem  Querschnitt  die  Gestalt  eines  Sternes  hat  and  ge- 
wöhnlich kein  Mark  umschliesst.  Die  ältesten  und  engsten  Gefässe  und  Tracheiden, 
die  Erstlingsgruppen  oder  Primanen,  befinden  sich  hier  an  den  Spitzen  des  Ster- 
nes, die  einzelnen  Siebteile  zwischen  je  zwei  solchen  Erstlingsgruppen,  so  dass  Sieb- 
teile und  Holzteile  des  Bündels  auf  verschiedenen  Radien  neben  einander  liegen. 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes.     §  12.  219 

Das  Cambiam  yerlänft  anf  dem  Qnerschnitt  als  stemfönnlges  Band  an  die  Spitzen  der 
Holzteile,  und  die  Innenseite  der  Siebteile  sich  anlegend.  Derartige  Bündel  heissen 
radiäre  offene  Bündel;  je  nach  der  Zahl  von  Holzprimanengruppen,  welche  sie 
besitzen,  spricht  man  von  diarchen,  triarchen,  tetrarchen  etc.  Bündeln.  Die  Wurzeln 
unserer  Bäume  besitzen  zumeist  diarche  bis  pentarche,  seltener  bis  oktarche  Bündel. 
Die  meist  einfache  Zellschicht,  welche  aussen  um  die  Siebteile  herumläuft  und  in 
welcher,  jeweils  vor  den  Holzprimanen,  durch  lokalisierte  lebhafte  Zellteilung  die  Seiten- 
wnrzeln  angelegt  werden,  heisst  Pericambium;  sie  ist  die  äusserste  Schicht  des 
radiären  Gefässbündels  oder  Zentralzylinders,  auf  welche  nach  aussen  das  mehr  oder 
minder  mächtig  entwickelte  parenchymatische  Grundgewebe  der  primären  Binde  folgt, 
dessen  innerste  Schicht  Endodermis  heisst.  Wenn  das  Cambium,  das  sich  hier 
natürlich  nicht  aus  Fascicular-  und  Interfascicularcambium  zusammensetzen  kann,  in 
Tätigkeit  tritt,  so  wird  das  erste  sekundäre  Holz  in  die  einspringenden  Winkel  des 
primären  Holzstemes  abgeschieden  und  bald,  nachdem  so  der  Holzkörper  annähernd  kreis- 
förmig auf  dem  Querschnitt  geworden  und  der  radiäre  Bau  in  den  coUateralen  über- 
gegangen ist,  wächst  die  Wurzel  genau  so  wie  der  oberirdische  Trieb  in  die  Dicke. 

8.  Der  Bau  der  Laubblätter,  Conlferennadeln  und  Knospenschuppen. 

§  12.  Die  Blätter,  welche  als  freie  Ausstülpungen  des  Triebvegetationspunktes  gleich 
hinter  dem  Scheitel  desselben  angelegt  werden,  entbehren  eines  eigenen,  persistierenden 
Vegetationspunktes.  In  der  sich  entfaltenden  jungen  Blattanlage  der  Laubhölzer 
teilen  sich  die  Zellen  vorzugsweise  durch  antikline  Wände  und  so  entsteht  das  be- 
kannte flächenförmige  Gebilde,  das  Laubblatt  mit  netzartig  angeordneten  Procambial- 
strängen.  Je  grösser  die  Wasserverdunstung  des  Blattes  ist,  desto  feinmaschiger  ist 
die  Nervatur  verästelt.  Die  Gefässbündel  sind  hier  stets  collateral,  aber  nur  die 
stärkeren  wachsen  einigermassen  durch  Yermittelnng  des  Cambiums  in  die  Dicke, 
während  die  schwächeren  meist  kein  Dickenwachstum  mehr  besitzen  und  die  letzten 
und  feinsten  Auszweigungen  ausserordentlich  in  ihrem  Baue  vereinfacht  sind.  Demge- 
mäss  herrscht  in  den  Gefässen  und  Tracheiden  der  Laubblätter  spiralige  und  Ring- 
verdickung vor,  da  jene  zumeist  nur  primäre  Holzteile  besitzen.  Die  Gefässbündel  des 
Blattstiels  setzen  sich  unmittelbar  in  diejenigen  des  Triebes  fort,  welch  letztere  darum 
auch  Blattspuren  genannt  werden.  Darum  sind  die  Gefässbündel  im  Blatte  stets 
so  orientiert,  dass  der  Holzteil  der  Blattoberseite,  der  Siebteil  der  Blattunterseite  zu- 
gewendet ist.  Die  Epidermis  der  Laubblätter  ist  bei  unseren  Bäumen  fast 
ausnahmslos  nur  eine  Zelllage  stark  (Hex  hat  zwei!).  Die  gewöhnlichen  Epider- 
mis z  e  1 1  e  n  sind  hier  flach  tafelförmig  und  frei  von  Chlorophyllkömem ;  nur  die 
Schliesszellen  der  Spaltöffnungen  enthalten  Chlorophyll.  Die  Epidermis  der  Blatt- 
oberseite ist  frei  von  Spaltöffnungen  oder  führt  nur  wenige,  während  sie  in  der  Epi- 
dermis der  Blattunterseite  sehr  zahlreich  auftreten,  entsprechend  der  Lichtlage  der 
Blätter,  welche  bei  unseren  Bäumen  stets  die  Oberseite  dem  einfallenden  Lichte  zu- 
wenden und  dorsiventral  gebaut  sind,  d.  h.  eine  anatomisch  verschiedene  Ober-  und 
Unterseite  besitzen.  Dies  äussert  sich  auch  in  dem  Bau  des  von  der  Epidermis  um- 
schlossenen Grundgewebes,  des  M  e  s  o  p  h  y  1 1  s.  Unter  der  Epidermis  der  Blattoberseite 
sind  dessen  Zellen  senkrecht  zur  Blattfläche  lang  gestreckt;  sie  stehen  pallisadenartig 
dicht  neben  einander  mit  nur  kleinen  Interzellularräumen  und  werden  Pallisaden- 
z eilen  genannt.  Sie  sind  besonders  reich  an  Chlorophyllkömem.  Die  Chloro- 
phyllkörner, meist  von  linsenförmiger  Gestalt,  sind  Organe  der  lebenden  Zelle, 
sie  liegen  im  Protoplasma,  bestehen  aus  protoplasmatischer  Grundsubstanz,  in  welcher 


220  ITI.  Klein,  Forstbotanik. 

der  durch  Alkohol,  Aether  und  dergl.  Flüssigkeiten  lösbare  Chlorophyllfarbstoff  einge- 
lagert ist  und   vermehren   sich   nur   durch  Teilung.    Der  an  die  Blattunterseite  an- 
grenzende Teil  des  Mesophylls  ist  erheblich  ärmer  an  Chlorophyllkörnem,  seine  Zellen 
sind   unregelmässig   gestaltet  und  durch   grosse  Interzellularräume  von   einander  ge- 
trennt ,  wodurch  dieses  Gewebe ,   das  Schwammparenchym  genannt  wird,  einen 
schwammartigen  Charakter  erhält.     An  jede    Spaltöffnung   schliesst  sich    nach    innen 
stets  ein  grösserer  Intercellularraum  zwischen  den  Schwammparenchymzellen ,  die  sog-. 
Atemhöhle  an.    Im  Schwammparenchym   verlaufen  auch,   oben  an  die  Pallisaden- 
schicht  angrenzend,  die  Gefässbündel,  um  welche  das  Mesophyll  eine  Scheide  aus  dünn- 
wandigen, gestreckten,  lückenlos  aneinander  schliessenden  Zellen  bildet,  die  sog.  Bün- 
delscheide.  —  Die  Epidermis  mit  ihrer  Cuticula  schützt  das  Mesophyll  vor  zu 
weitgehendem  Wasserverlust ;  bei  den  immergrünen  Laubblättern  (Hex,  Buxus  u.  dergl.) 
ist  die  freie  Aussen  wand  der  Epidermis  und  die  Cuticula  besonders  dick.     Die  Spalt- 
öffnungen dienen  der  Regulierung  der  Transpiration  und  des  Gasanstausches  zwischen 
Mesophyll  und  Aussenluft.     Die  P  a  1 1  i  s  a  d  e  n  besorgen  in  erster  Linie  die  Assimila- 
tion, das  Schwammparenchym  beteiligt  sich,  seinem  geringen  Chlorophyllgehalt 
entsprechend,  nur  in  untergeordnetem  Masse  an  der  Assimilation;   es  dient  hauptsäch- 
lich als  Ableitungsgewebe  der   von  den  Pallisaden  erzeugten  Assimilationsprodukte  zu 
den  Gefässbündel n,  als  Zuleitungsgewebe  des  von  den  Gefässbündeln  zugeführten  Wassers 
mit  den  Aschenbestandteilen,    als  Transpirationsgewebe  und  wahrscheinlich   werden  in 
ihm  auch  die  komplizierteren  Pflanzenstoffe  gebildet.    Der  Holzteil   des    Gefäss- 
b  und  eis  führt  Wasser  und  Aschenbestandteile  zu,   der  Sieb  teil   desselben  leitet 
die  Assimilationsprodukte   und   die  sonst  in  den  Blättern  gebildeten  organischen  Bau- 
stoffe ab.     Die  mechanische  Aufgabe  der  Gefässbündel  wird  dadurch  un- 
terstützt,   dass   der  Ober-  und  Unterseite   der   stärkeren   Bündel   zumeist  ein  flacher 
Strang  dickwandiger  Sklerenchymfasern   anliegt  und  das  hier  vielfach  aus  der  Blatt- 
fläche vorspringende  Grundgewebe  unter  der  Epidermis  der  Ober-  und  namentlich  unter 
der  der  Unterseite  kollenchymatisch  ausgebildet  ist. 

§  13.  Die  immergrünen  Conife  renn  adeln  besitzen  einen  von  dem  der 
flachen  Laubblätter  sehr  verschiedenen  Bau.  Die  charakteristischen  Eigentümlichkeiten 
der  Gewebeanordnung  und  Ausbildung  sind  hier  bedingt  einmal  durch  den  weitgehen- 
den Schutz  gegen  Wasserverlust,  namentlich  während  des  für  die  Wasserversorgung 
der  Bäume  so  ungünstigen  Winters  und  z>veitens,  was  meistens  übersehen  zu  w-erden 
pflegt,  durch  das  Bedürfnis  eines  gegen  mechanische  Beschädigungen  möglichst  wider- 
standsfähigen Baues,  entsprechend  der  exponierten  Stellung  der  Nadeln  und  ihrer  zu- 
meist mehrjährigen  Lebensdauer.  Die  Epidermiszellen  sind  in  der  Längsrichtung 
der  Nadel  gestreckt  und  faserähnlich  ausgebildet,  oft  fast  bis  zum  Schwinden  des  Lumes 
verdickt  und  mit  dicker  Cuticula  versehen,  so  dass  sie  eine  Art  Panzer  um  die  Nadel 
bilden.  Die  Spaltöffnungen  sind  in  relativ  tiefe  Grübchen  der  Epidermis  ein- 
gesenkt, in  Längsreihen  geordnet,  je  nach  Gattung  und  Spezies  auf  verschiedenen  oder 
nur  auf  einer  Seite.  In  diesen  Grübchen  und  auch  zwischen  denselben  finden  häufig 
körnige  Wachsausscheidungen  statt,  wodurch  die  Spaltöffnungslinien  als  weisse  Streifen 
erscheinen.  Das  Mesophyll  entbehrt  gewöhnlich  der  Sonderung  in  Pallisaden  und 
Schwammparenchym ,  nur  bei  Abies  und  Taxus  ist  dieselbe  angedeutet.  Der  Haupt- 
masse nach  besteht  das  Mesophyll  aus  sehr  chlorophyllreichem  Assimilations- 
parenchym  mit  ziemlich  kleinen  Interzellularen.  An  den  Kanten  der  Nadeln,  nicht 
selten  auch  im  ganzen  Umfang,  sind  die  äussersten  Schichten  des  Mesophylls  häutig 
als  sehr  dickwandige  Fasern  ausgebildet ,  welche  die  mechanische  Festigkeit 
der  Epidermis  noch  verstärken.     Mit  Ausnahme   von  Taxus  führen   die   Nadeln    aller 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes.     §  15.  221 

Coniferen  Harzgänge,  welche  bei  den  einzelnen  Gattungen  und  selbst  Arten 
von  ^vechselnder  Zahl,  Lage  und  Ausbildung  sind  und  so  gute  spezifische  Unterschei- 
dungsmerkmale liefern.  Die  schizogenen  Harzgänge  sind  nichts  anderes  als  weite  In- 
tercellulargänge,  erfüllt  mit  Harzbalsam,  welcher  von  den  den  Harzgang  begrenzenden 
flachen,  dünnwandigen  Zellen,  den  Sekretionszellen  ausgeschieden  wird.  Die 
Harzgänge  mit  den  Sekretionszellen  sind  gewöhnlich  von  einer  mehr  oder  weniger 
dickwandigen  Faserscheide  umgeben  und  grenzen  bald  an  die  Oberhaut,  bald 
liegen  sie  tief  im  Mesophyll.  Die  un verzweigten  Gefässbündel,  welche  in  der  Ein- 
zahl oder  zu  zweien  die  Nadel  längs  durchziehen,  sind  von  farblosem  Mesophyll  um- 
geben, in  welches,  je  nach  Spezies,  mehr  oder  weniger  zalilreiche  Faserzellen  einge- 
streut sein  können.  Gegen  das  Assimilationsparenchym  ist  dieses  farblose  Mesophyll 
durch  eine  dünnwandige  Bündelscheide  abgeschlossen.  Die  Gefässbündel  der  Coniferen- 
nadeln  zeigen  in  den  auf  einander  iblgenden  Jahren  ein  schwaches,  äusserlich  aber  in 
keiner  Weise  hervortretendes  Dicken  Wachstum.  Je  nach  dem  Alter  des  Baumes,  der 
Stellung  am  Baume,  den  Feuchtigkeitsverhältnissen  der  Luft,  und  dem  Lichtgenuss 
schwankt  der  anatomische  Bau  innerhalb  gewisser  Grenzen. 

§  14.  Die  Knospenschuppen ^),  welche  gewöhnlich  aus  dem  unteren  Teil 
der  jungen  Blattanlage,  dem  Biattgrund  oder  aus  den  Nebenblattanlagen  hervorgehen 
und  nur  schwach  ausgebildete  Gefässbündel  besitzen,  haben  den  eingeschlossenen  Yege- 
tationspunkt  mit  den  Blattanlagen  vor  Wasserverlust  und  vor  Verletzungen  zu  schützen. 
Demgemäss  sind  sie  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Dicke  ausserordentlich  fest  gebaut.  Die 
freie  Aussenwand  ihrer  Aussenseite  (Unterseite)  ist  besonders  im  oberen  und  mittleren 
nicht  bedeckten  Teile  gewöhnlich  sehr  stark  verdickt  und  cutikularlsiert  und  frei  von 
Spaltöffnungen.  Die  ündurchlässigkeit  der  Epidermis  wird  mitunter  durch  Korkge- 
webe unter  der  Epidermis  erhöht,  (Aesculus)  sowie  durch  harzartige  Ausscheidungen, 
welche  die  einzelnen  Schuppen  verkleben  (Pinus,  Abies,  Aesculus  etc.).  Die  mechanische 
Festigkeit  wird  durch  Ausbildung  von  CoUenchym  unter  der  Epidermis  der  Aussenseite 
(z.  B.  Comus  Mas,  Sorbus,  Aesculus,  Acer,  Castanea,  Corylus  etc.)  oder  durch  ver- 
einzelte grosse  Steinzellen  wie  bei  Magnolia  oder  durch  förmliche  Panzer  von  Stein-^ 
Zellen  oder  Sklerenchymfasem  verstärkt  (z.  B.  bei  Pinus,  Platanus,  Quercus,  Carpinus, 
Ulmus,  Populus  u.  s.  w.)  und  bei  Fagus  endlich  besteht  ausser  der  Basis  das  ganze 
Mesophyll  der  äusseren  Knospenschuppen  aus  dickwandigen,  verholzten  Fasern.  Palli- 
sadenparenchym  fehlt  den  Knospenschuppen  stets,  Chorophyll  ist  selten  und  dann  stets 
auf  den  unteren  Teil  der  Knospenschuppe  beschränkt,  dessen  ZeUen  nicht  selten  Stärke 
oder  fettes  Oel  führen.  Auf  Kosten  dieser  Baustoffe  können  die  Knospenschuppen  bei 
der  Knospenentfaltung  an  ihrer  Basis  noch  mehr  oder  weniger  wachsen. 

4.   Die  Tätigkeit  des  Cambiums  als  Verdickungsring. 

§  15.  Hinter  dem  Wurzel-  oder  Spross-Vegetationspunkt  wächst  das  junge  Organ 
zunächst  durch  Aui^dehnung  seiner  sämtlichen  Zellen  in  die  Dicke  (primäresDicken- 
Wachstum),  streckt  sich  hierauf  ohne  wesentliche  Dickenzunahme  in  die  Länge  und 
erst  nach  beendeter  Längsstreckung  beginnt  das  sekundäre  Dicken- 
wachstum durch  Vermittelung  des  Cambiums,  welch  letzteres  darum  auch  Yer- 
dickungsring  genannt  wird.  In  den  Triebspitzen  beginnt  das  sekundäre  Dickenwachs- 
tum im  ganzen  Cambiumring  gleichzeitig  und  gleichmässig;   in  den  Wurzelspitzen  da- 


3)  C.  R.  G.  Schumann,  Anatom.  Studien  über  die  Knospenschuppen  von  Coniferen 
und  dicot.  Holzgew.    Bibl.  botan.  Heft  15.  1889.  36  p.  5  Taf.  4^ 


222  m.  Klein,  Forstbotanik. 

gegen  beginnt  die  Gambialtätigkeit  (die  periklinen  Zellteilungen)  an  der  Innenseite  der 
Siebteile  und  setzt  sich  von  hier  durch  das  dünnwandige  Parenchym  bis  zu  der  Aussen- 
seite  der  Holzprimanen  (und  der  Innenseite  des  Pericambiums)  fort.  Die  Gestalt 
derCambiumzellen  ist  langgestreckt  prismatisch ,  der  radiale  Durchmesser  ge- 
wöhnlich kürzer  als  der  tangentiale,  die  Enden  dachartig  zugeschärft. 

In  jeder  Cambiumzellreihe  ist  streng  genommen  nur  eine  einzige  mittlere  Zelle 
als  dauernd  teilungsfähige  „Initialzelle"  anzusprechen;  bei  jeder  Teilung  durch 
eine  perikline  Wand  entsteht  aus  derselben  eine  neue  Initialzelle  und,  bald  nach  aussen, 
bald  nach  innen ,  eine  „Gewebemutterzelle".  Letztere  teilt  sich  gewöhnlich 
noch  einmal,  worauf  ihre  Tochterzellen  in  den  Dauerzustand  übergehen;  nur  bei  be- 
sonders energischem  Dickenwachstum  teilen  sich  die  Gewebemutterzellen  mehrmals.  Im 
allgemeinen  werden  bei  unseren  Holzgewächsen,  entsprechend  der  Stärke  von  Rinde  und 
Holz,  sehr  viel  mehr  Gewebemutterzellen  nach  innen  als  wie  nach  aussen  abgeschieden. 
Ursprünglich  sind,  der  Natur  des  Reihencambiums  entsprechend,  die  jungen  Gewebeele- 
mente in  radialen  Reihen  angeordnet;  diese  Anordnung  kann  auch  im  Dauerzustande 
beibehalten  werden,  wenn  sämtliche  Zellen  einer  Reihe  annähernd  gleichmässig  und 
ohne  sprungartige  Aenderungen  in  die  Breite  wachsen  (besonders  schön  beim  Coniferen- 
holz) ;  gewöhnlich  aber  bleiben  einzelne  Zellen  eng ,  andere  dehnen  sich  stärker  und 
einzelne,  wie  die  Gefässe  bei  den  Laubhölzern,  erlangen  zum  Teil  ganz  gewaltige  Weite, 
was  naturgemäss  eine  mehr  oder  weniger  gründliche  Verschiebung  der  ursprünglichen 
regelmässigen  Zellanordnung  zur  Folge  hat,  die  aber  auch  durch  in  die  Länge  wach- 
sende Bast-  und  Holzfasern  gestört  wird,  wenn  sich  diese  Elemente,  was  zumeist  der 
Fall,  unregelmässig  mit  den  Enden  zwischen  einander  schieben.  Schieben  sich  dagegen 
die  auswachsenden  Holzfasern  mit  ihren  spitzen,  an  einander  hingleitenden  Enden  alle 
in  gleicher  Richtung  zwischen  die  Fasern  der  oberhalb  und  unterhalb  gelegenen  Reihe, 
mit  den  oberen  Enden  immer  nach  rechts,  mit  den  unteren  immer  nach  links  ausbie- 
gend, oder  umgekehrt,  so  entsteht  Drehwuchs. 

Die  nach  Innen  in  Dauergewebe  übergeführten  Zellen  werden  zu 
Gefässen  und  Tracheiden,  zu  Holz-  und  Ersatzfasern  und,  nach  vorausgegangenen  Quer- 
teilungen ihrer  langgestreckten  Mutterzelle,  zu  Holzparenchym;  die  nach  aussen 
abgeschiedenen  zu  Rindenparenchym,  Steinzellen,  Bast-  und  Ersatzfasem  und  zu  Sieb- 
röhren und  Geleitzellen.  Die  Mutterzellen  der  Siebröhrenglieder  erfahren 
bei  den  Laubhölzern  einige  Längsteilungen,  durch  welche  enge,  plasmareiche  Zellen 
mit  grossem  Zellkern,  die  Geleitzellen,  von  der  zur  eigentlichen  Siebröhre  bestinunten 
weiteren  Zelle  abgeschnitten  werden.  In  den  Gefässbündelendigungen  der  Lanb- 
b  1  ä  1 1  e  r  ist  das  Grössenverhältnis  von  Siebröhre  und  Geleitzelle  übrigens  umgekehrt. 
Die  Nadelhölzer  entbehren  der  Geleitzellen.  Der  Verdickungsring  rückt  bei  dieser 
Tätigkeit  natürlich  immer  weiter  nach  aussen,  wodurch  die  Cambiumzellen  in  tangen- 
tialer Richtung  gedehnt  werden.  Hat  die  Dehnung  eine  gewisse  Grösse  erreicht,  dann 
teilt  sich  die  Initialzelle  durch  eine  radiale  Wand,  so  dass  der  Cambiumring  seiner 
Ausdehnung  entsprechend,  auch  an  Zellenzahl  zunimmt. 

Auf  dem  Querschnitt  ist  das  sekundäre  Holz  und  die  sekundäre  Rinde 
von  zahlreichen  radial  verlaufenden,  aus  einer  oder  mehreren  Zellreihen  zumeist  parenchy- 
matischer  Natur  bestehenden  feinen  Streifen  durchzogen,  den  Markstrahlen,  die 
auf  dem  Radialschnitt  als  Bänder  (Spiegel),  auf  dem  Tangentialschnitt  als  spindel- 
förmige Zellgruppen  von  sehr  verschiedener  Höhe  erscheinen  (z.  B.  bis  160 mm : 
Erle,  bis  50  mm :  Stieleiche,  bis  5  mm :  Rotbuche,  bis  1  mm :  Spitzahorn,  ca.  ^/2  mm : 
Esche,  ca.  ^/ö  mm :  Buchsbaum).  Auf  dem  Querschnitt  springen  die  Markstrahlen  ver- 
schieden weit  gegen  das  Mark  vor;   nur  wenige   erreichen  dasselbe,   die  im  §  11  Ab- 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Banmes.     §  16.  223 

satz  4,  erwähnten  primären  Markstrahlen,  welche  zugleich  die  breitesten  und 
längsten  sind,  während  die  grosse  Mehrzahl  blind  im  Holze  endigt:  sekundäre 
Markstrahlen.  Die  Entstehung  eines  Markstrahles  beginnt  damit, 
dass  eine  oder  mehrere  seitlich  neben  einander  liegende  langgestreckte  Cambiumzellen 
sich  mehrmals  quer  oder  schief  teilen ;  in  den,  ebenfalls  bald  nach  aussen ,  bald  nach 
innen  abgeschiedenen  Tochterzellen  der  Markstrahlinitialen  unterbleiben  weitere 
Teilnngen  und  diese  Gewebemutterzellen  wachsen  zu  meist  in  radialer  Richtung  ge- 
streckten Dauerzellen  heran.  Ein  primärer  Markstrahl  entsteht  dadurch,  dass  die 
Cambiumzellen  von  Anfang  an,  ohne  vorher  gewöhnliche  Holz-  und  Eindenele- 
mente  gebildet  zu  haben,  nach  aussen  wie  nach  innen  lauter  Markstrahlzellen  ab- 
scheiden. In  dieser  Entstehungsweise  stimmen  die  primären  Markstrahlen 
von  Trieben  und  Wurzeln  völlig  überein ;  ihre  Unterschiede  sind  in  dem  primären  Bau 
beider  Organe  begründet.  Die  primärenMarkstrahlen  derWurzeln  endigen 
nämlich  innen  an  den  Holzprimanen ,  also  eigentlich  auch  blind  im  Holze,  das  aber 
hier  meist  gar  kein  Mark  besitzt.  Ein  sekundärer  Markstrahl  entsteht  im  Trieb 
wie  in  der  Wurzel  dadurch,  dass  das  Cambium  früher  oder  später  aufhört,  nach 
aussen  gewöhnliche  Rinden-,  nach  innen  Holzelemente  zu  bilden  und  fortan  nur  Mark- 
strahlzellen erzeugt. 

Der  Beginn  der  Cambialtätigkeit  findet  bei  unseren  Bäumen  im  all- 
gemeinen in  der  2.  Hälfte  April  oder  in  der  1.  Hälfte  Mai  statt  und  zwar  bei 
älteren  Bäumen  zunächst  an  den  jüngsten  Trieben ,  an  basalen  Zweiganschwellungen 
und  am  Wurzelanlauf;  er  rückt,  je  nach  Holzart,  mit  sehr  verschiedener  Geschwindig- 
keit von  den  Zweigspitzen  zu  den  älteren  Teilen  der  Aeste  und  zuletzt  zum  Stamme 
vor  and  unterliegt,  je  nach  Spezialfall  grossen  Schwankungen  (auf  son- 
nigem Standort  viel  früher  als  in  schattigen  Nordlagen,  im  dichten  Schlüsse  später  als 
bei  lichtem  Stand,  an  unterdrückten  Bäumen  später  als  bei  herrschenden  und  Ueber- 
hältem  etc.).  Selbst  auf  verschiedenen  Seiten  des  gleichen  Querschnitts  eines  Baumes 
erwacht  die  Cambialtätigkeit  nicht  gleichzeitig.  Das  Ende  der  Cambialtätigkeit  fällt 
meist  in  den  Hochsommer  mit  grossen  zeitlichen  Schwankungen  je  nach  Holzart,  Lage 
und  Stammteil.  Im  Gipfel  erlischt  die  Cambialtätigkeit  meist  früher  als  im  unteren 
Stammteil,  am  längsten  dauert  sie  bei  den  Wurzeln. 

5.  Die  Rinde«). 

§  16.  Die  Baumrinde  dient  der  Stoff  Wanderung ,  namentlich  der  Ableitung  der 
Assimilate,  sie  dient  ferner  als  Reservestoffbehälter  und  als  Schutzorgan  gegen  die 
Aussenwelt,  gegen  Hitze,  grelle  Temperaturschwankungen  und  zu  weitgehendem  Wasser- 
verlnst.  Entsprechend  dieser  Vielseitigkeit  ihrer  Leistungen  ist  die  Rinde  stärkerer 
Triebe  ein  recht  komplizierter  Gewebekörper. 

Die  junge,  primäre  Rinde  (vergl.  §  11  Absatz  4)  besitzt  im  allgemeinen  fol- 
genden Bau :  zu  äusserst  die  Epidermis  mit  derber  Cuticula,  von  Spaltöffnungen  durch- 
setzt ,  an  die  Epidermis  anschliessend  gewöhnlich  koUenchymatisches  'Parenchym  mit 
Chlorophyllkömem,  dann  dünnwandiges,  reichlich  Chlorophyllkörner  enthaltendes  Assi- 
milationsparenchym,  ein  Ring  von  Gruppen  englumiger,  dickwandiger  Bastfasern,  die 
aber  den  Cupressineen  und  Abietineen  fehlen,  und,  unmittelbar  an  das  Cambium  an- 
grenzend, ein  paar  abwechselnde  tangentiale  Lagen  von  Siebröhren  (mit  Geleitzellen) 


4)  Joseph  Möller,  Anatomie  der  Baumrinden.     Berlin  1882.     447  p.  8®  mit  146 
Holzschnitten. 


224  III.  Klein,  Forstbotanik. 

nnd  Bastparenchym.  Setzt  das  sekundäre  Dicken wachstnm  ein,  so  befindet  sich  die 
primäre  Rinde  in  einer  vom  primären  Holze  grundverschiedenen  Lage.  Das  neue  se- 
kundäre Holz  wird  anf  das  primäre  einfach  aufgelagert,  während  sich  zwischen  die 
primäre  Binde  und  das  primäre  Holz  das  sekundäre  Holz  und  die  sekundäre  Rinde 
einschiebt,  wodurch  die  primäre  Rinde  in  radialer  Richtung  fortwährend  weiter  nach 
aussen  geschoben  und  in  tangentialer  Richtung  immer  stärker  gedehnt  wird.  Dieser 
Dehnung  vermag  sie  eine  Zeitlang  durch  Dehnung,  Wachstum  und  Teilung  ihrer  Zellen 
zu  folgen,  am  schlechtesten  im  allgemeinen  in  der  Epidermis  mit  der  verdickten  und 
cutikularisierten  Aussenwand.  Darum  schafft  sich  die  Rinde  in  der  Kork-  oder 
Peridermbildung  zunächst  eine  Verstärkung  und  später  einen  Ersatz  für  die  den 
Bedürfnissen  des  Abschlusses  und  Schutzes  auf  die  Dauer  nicht  genügende  Epidermis. 
Verhältnismässig  in  seltenen  Fällen  treten  in  der  Epidermis  selbst  (z.  B.  Weiden  und 
Pomaceen),  meist  in  der  der  Epidermis  unmittelbar  angrenzenden  Schicht,  seltener  in 
tieferen  Schichten  (z.  B.  Pinus,  Larix,  Taxus,  Robinia,  Ribes)  perikline  Wände  auf. 
Die  nach  aussen  abgeschiedenen  Zellen  gehen  sämtlich  in  Dauergewebe  über,  wobei  die 
Zellen,  ausgenommen  bei  den  Lenticellen ,  lückenlos  verbunden  bleiben ,  die  Mem- 
bran in  der  Regel  verkorkt  und  der  lebende  Inhalt  schwindet.  Dieses  Dauergewebe, 
welches  die  Funktionen  der  Epidermis  in  noch  höherem  Grade  zu  erfüllen  vermag,  ist 
der  Kork  (P h e 1 1  e m),  das  sekundäre  Teilungsgewebe ,  welches  ihn  erzeugt  hat, 
ist  das  Korkcambium  oder  Phellogen.  Die  von  den  Initialen  dieses  Kork- 
cambiums  nach  innen  abgeschiedenen  und  in  Dauergewebe  übergeführten  Zellen,  die 
sich,  abgesehen  von  ihrer  Entstehung,  von  den  primären  grünen  Rindenparenchymzellen 
nicht  unterscheiden,  bilden  das  Phelloderm.  Phellem ,  Phellogen  und  Phelloderm 
zusammen  bilden  das  Periderm  oder  den  Kork  im  weiteren  Sinne.  Durch  die 
Bildung  eines  rings  um  die  Triebe  laufenden  Periderms ,  das  in  den  meisten 
Fällen  schon  in  der  ersten  Vegetationsperiode  ausgebildet  wird,  müssen  natürlich  die 
Spaltöffnungen  ausser  Funktion  gesetzt  werden,  da  sie  mit  der  Epidermis  früher  oder 
später  vertrocknen.  Als  Ersatzorgane  hierfür  werden  die  Lenticellen  (auch  Kork- 
warzen oder  Rindenporen  genannt)  gebildet,  indem  jeweils  unter  den  Spaltöffnungen 
das  Korkcambium  eine  besonders  lebhafte  Tätigkeit  entfaltet  und  besonders  zahlreiche 
Zellen  nach  aussen  abscheidet,  deren  Wandung  nicht  verkorkt,  zwischen  denen  sich 
überall  Intercellularräume  ausbilden  und  deren  jeweils  äusserste  Zellen  sich  schliess- 
lich vollkommen  ablösen.  Durch  diese  lokalisierten  Zellwucherungen  wird  die  Epidermis 
mit  der  Spaltöffnung  emporgehoben  und  schliesslich  zerrissen  und  durch  den  Spalt  tritt 
dann  die  meist  gelblich-  oder  rötlichbraune  oder  grauweisse  Lenticelle  frei  zu  tage. 

Je  nach  Holzart  kann  das  Periderm  einen  sehr  verschiedenenBau, 
eine  sehr  verschiedene  Stärke  und  eine  sehr  verschiedeneDauer  haben. 
Nur  dünnwandige  Zellen  finden  wir  bei  dem  mächtig  entwickelten  Schwammkork 
der  Korkulme,  deren  Zellen  zum  grössten  Teile  unverkorkt  sind  (Phelloid) 
und  dem  mächtigen  echten  Kork  des  Feldahorns  sowie  dem  der  Robinie,  dünne  bezw. 
mässigdicke  bei  den  Eichen ,  Kastanien  und  Rotbuchen.  Bei  letzteren  ist  das 
Oberflächenperiderm  nur  eine  dünne  Haut,  die  von  innen  ebenso  rasch  erneuert  wird 
wie  sie  aussen  abgestossen  wird  und  deren  Korkcambium  weit  über  ein  Jahrhundert 
in  Tätigkeit  bleiben  kann.  Bei  der  Birke  haben  wir  regelmässig  wechselnde 
Lagen  von  dünn-  unddickwandigemKorke;  nur  dick wandigeKork- 
Zellen  hat  z.  B.  Hex,  abwechselnde  Lagen  von  dickwandigen  Stein- 
zellen und  dünnen  Zellen  zeigt  z.  B.  der  Kork  von  Pinus,  Larix,  Liriodendron, 
während  bei  Abies  einzelne  tangentiale  Reihen  zu  einseitig  (nur  aussen)  ver- 
dickten Steinzellen  werden.    In   tieferen  Schichten   angelegtes  Periderm  fank- 


Der  anatomische  Ban  der  Organe  des  Baumes.     §  16.  225 

tioniert  meist  nur  1  oder  wenige  Jahre.  Früher  oder  später  stellt  bei  den  meisten 
Bäumen  das  Korkcambium  seine  Tätigkeit  ein  nnd  dann  treten  sekundäre  Korkcam- 
bien  in  tieferen  Stellen  der  primären  Rinde  auf,  die  bei  unseren  Bäumen  nicht  um  den 
ganzen  Umfang  des  Organs  herumlaufen,  sondern  sich  an  das  primäre  Periderm  seiti- 
lich  ansetzen  und  uhrglasähnliche  Stücke  aus  der  primären  Rinde  schneiden,  die  natür- 
lich vertrocknen  müssen,  wenn  die  sekundären  Korkcambien  Kork  gebildet  haben. 
Bleiben  die  einzelnen,  so  snccessive  aus  der  lebenden  primären  und  später  auch  aus 
der  sekundären  Rinde  herausgeschnittenen,  vertrockneten  Stücke  in  grösserer  Zahl  in 
festem  Zusammenhang,  so  erhalten  wir  dicke  Borkeschuppen ,  wie  sie  bei  den  meisten 
Lichtholzarten  vorkommen  (Steinborke  der  Eiche  und  Kastanie,  Borke  der  Kiefer, 
Lärche,  Robinie  etc.);  trennen  sie  sich  frühzeitig  wie  beim  Bergahom  und  besonders 
wie  bei  der  Platane,  so  erhalten  wir  flache  Tafelborke  u.  s.  w.  In  der  Wurzel 
findet  die  Anlage  des  Korkcambiums  stets  in  der  äussersten  Zellschicht  des  Qe- 
fässbündels,  im  Pericambinm,  statt.  Die  Folge  davon  ist ,  dass  durch  das  hier 
gebildete  Korkgewebe  fast  die  ganze  primäre  Rinde  zumAbsterben  ge- 
bracht und  dann  bald  abgesprengt  wird. 

Die  zweite  wichtige  Veränderung,  welche  die  primäre  Rinde  erfährt, 
ist  der  Zuwachs  vom  Cambium  her,  die  Bildung  der  sekundärenRinde,  welche  an 
älteren  Stämmen  und  Zweigen  die  Hauptmasse  der  Rinde  ausmacht  und  von  der  pri- 
mären dadurch  scharf  unterschieden  ist,  dass  sie  auf  dem  Querschnitt  fein  radial 
gestreift  (von  Markstrahlen  durchzogen)  ist.  Auch  die  inneren  Schichten  der  pri- 
mären Rinde  erfahren  oft  noch  nachträgliche  Veränderungen,  namentlich  verdicken 
einzelne  Parenchymzellen  (z.  B.  Abies,  Picea,  Larix)  oder  Gruppen  von  solchen  ihre 
Wände  sehr  stark  und  werden  zu  Steinzellen,  besonders  häufig  die  zwischen  den 
primären  Bastfasergruppen  gelegenen,  wie  dies  z.  B.  bei  Fagaceen  und  Betulaceen  schon 
im  1.  Jahre  der  Fall  ist.  Dieser  Steinzellring  ynrd  natürlich  bei  fortschreiten- 
dem Dickenwachstum  gesprengt,  da  seine  Zellen  weder  dehnungs-  noch  wachstumsfähig 
sind,  die  Zwischenräume  bei  Betula,  Fagus,  einige  Zeit  lang  auch  bei  Quercus  alsbald 
aber  durch  neugebildete  Steinzellen  wieder  ausgefüllt.  Bei  Fagus  wachsen  von  diesem 
Steinzellringe  ausserdem  noch  Fortsätze  in  die  primären  Markstrahlen  bis  in  das  Holz 
hinein. 

Die  Verteilung  der  einzelnen  Zellforraen  in  der  sekundären  Rinde 
ist  je  nach  Gattung  sehr  verschieden.  So  besitzt  z.  B.  die  Innenrinde  von  den  Cu- 
pressineen  und  von  Taxus  einen  regelmässig  konzentrisch  geschichteten  Bau,  indem  je- 
weils eine  Reihe  Bastfasern  mit  3  Reihen  Siebröhren  und  Rindenparenchymzellen  ab- 
wechseln; Picea,  Pinus,  Abies,  Larix  etc.  besitzen  konzentrische  Schichtung,  entbehren 
aber  der  Bastfasern;  die  Eichenrinde  hat  tangentiale  Bastfasergruppen  mit  regellos 
eingestreuten  grossen  Steinzellgruppen,  die  Rotbuche  und  Birke  haben  nur  Steinzellen 
und  keine  Bastfasern,  die  Ulmen  und  Linden  nur  Bastfasern  und  keine  Steinzellen; 
bei  der  Platane  ist  das  Parenchym  zum  grössten  Teile  in  massig  verdickte  Steinzellen 
verwandelt.  Die  Gesamtheit  der  dickwandigen  Elemente  der  Rinde  werden  auch  als 
Hartbast,  die  dünnwandigen  als  Weichbast  bezeichnet.  Die  primären  und  stärkeren 
sekundären  Markstrahlen  erfahren  in  den  äusseren  Partieen  der  sekundären  Rinde 
nicht  selten  eine  fächerförmige  Verbreiterung  (besonders  schön  bei  Tilia).  Unter  den 
Parenchymzellen  tritt  in  der  primären  wie  in  der  sekundärenRinde  auch  hin- 
sichtlich der  Inhaltsstoffe  eine  weitgehende  Arbeitsteilung  ein: 
soweit  das  Licht  noch  mit  genügender  Kraft  eindringt,  enthalten  fast  alle  lebenden 
Zellen  Chlorophyll,  viele  enthalten  im  Zellsaft  Gerbstoff,  der  nach  dem  Absterben  der 
Zellen  das  tote  Plasma  und  die  Zellwände  durchdringt,    aus   der  Luft  Sauerstoff  auf- 

Handbnch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  15 


226  IIT.  Klein,  Forstbotanik. 

nimmt  und  die  für  tote  Rindenpartien  charakteristischen  gelb-  oder  rotbraunen,  bitteren 
Rindenfarbstoflfe,  die  Phlobaphene,  bildet,  die  wir  als  eine  Art  von  Schutzstoffen 
der  Rinde  auffassen  können ;  zu  letzteren  sind  wohl  auch  zu  rechnen  die  Alkaloide  wie 
Taxin  (Taxus),  die  Glycoside,  wie  Aesculin,  Fraxin,  Salicin,  die  alle  in  lebenden  Rin- 
denzellen gebildet  werden ,  die  Milchsaftschläuche  des  Spitzahorns ,  die  SchleimzeUen 
der  Linde  u.  s.  w.  In  den  abgestorbenen  Parenchymzellen  finden  wir  sehr  häufig 
Krystalle  von  oxalsaurem  Kalk,  teils  als  Einzelkrystalle,  teils  als  Drusen  ausgebildet; 
erstere  begleiten  häuüg  die  Bastfaserbündel  auf  den  tangentialen  Flächen  in  langen 
Reihen  (sog.  Krystallschläuche ,  sehr  schön  bei  Quercus).  Die  Siebröhren  funk- 
tionieren meist  nicht  länger  als  eine  Vegetationsperiode  und  werden  dann  durch  den 
Druck  der  benachbarten  Gewebe  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  zusammengedrückt.  Bei 
den  Nadelhölzern,  Taxus  ausgenommen ,  finden  wir  noch  reichliche  Harzgänge ^), 
die  ebenso  wie  diejenigen  der  Nadeln  schizogen,  das  heisst  durch  Auseinanderweichen 
von  Zellreihen  zu  Stande  kommen,  aber  keine  dickwandige  Faserscheide  wie  jene  be- 
sitzen. Ausser  einem  in  der  primären  Rinde  verlaufenden  System  von  Harzkanälen, 
•das  mit  der  Borkebildung  zu  Grunde  geht,  finden  wir  im  sekundären  Zuwachs  ein 
zweites  System,  dessen  im  Holz  der  Längsachse  parallel  verlaufende  und  nur  innerhall) 
desselben  Jahresringes  seitlich  mit  einander  in  Verbindung  tretende  Kanäle  durch  die 
Markstrahlen,  eingeschlossen  in  deren  Mitte,  in  die  sekundäre  Rinde  treten,  ohne  sich 
indes  mit  dem  ersterwähnten  System  zu  vereinigen. 

Im  Sprachgebrauch  des  täglichen  Lebens  unterscheidet  man  gewöhnlich  Aussen-, 
Mittel-  und  Innenrinde.  Die  Aussenrinde  entspricht  dem  Periderm  und  der  Borke, 
umfasst  also  alle  abgestorbenen  Gewebepartieen  der  Peripherie,  je  nach  Stärke  und 
Alter  der  Rinde  entwecter  Periderm  allein,  oder  Borkeschuppen  mit  einem  mehr  oder 
weniger  grossen  Teil  der  abgestorbenen  primären  und  später  selbst  der  sekundären 
Rinde  zwischen  den  sekundären  Korkbändern.  Die  Mittelrinde  umfasst  das  Phello- 
derm  des  Periderms  und  die  innerhalb  desselben  noch  vorhandenen  Reste  der  primären 
Rinde,  später  nach  eingetretener  Borkebildung  nur  noch  das  Phelloderm  der  sekun- 
dären Korkcambien.  Die  Innenrinde  fällt  mit  dem  Begriff  der  lebenden  sekun- 
dären Rinde  zusammen. 

6.  Das  Holz. 

§  17.  Vom  Holze  ist  selbst  bei  dem  einjährigen  Trieb  oder  der  einjährigen 
Wurzel  nur  ein  ganz  unbedeutender  Teil,  die  Holzteile  der  Gefässbündel  vor  Beginn 
des  Dickenwachstums,  die  im  Trieb  auch  als  „Markkrone"  bezeichnet  werden,  pri- 
märer Natur;  weitaus  die  Hauptmasse,  der  sog.  Holzkörper,  ist  sekundärer  Zuwachs. 
Das  Holz  dient  der  Leitung  des  Wassers  mit  den  Aschenbestand- 
teilen, im  Frühjahr  auch  der  Leitung  der  stickstofffreien  Ee- 
servestoffe,  der  mechanischenFestigung  desBaumgerüstes  und 
der  Speicherung  der  Reservestoffe.  Demgemäss  haben  wir  hier  leitende, 
festigende  (sog.  mechanische)  und  speichernde  Gewebeelemente  zu  unterscheiden,  die 
zum  Teil  durch  Zwischenstufen  verbunden  sind,  indem  einzelne  Gewebeelemente  ausser 
der  Hauptfunktion  noch  einer  Nebenfunktion  dienstbar  gemacht  sind.  Die  Zellmem- 
branen aller  Holzelemente  sind  (wenigstens  teilweise)  verholzt.  Der  Wasserleitung 
dienen  die  dünnwandigen,  meist  behöft  getüpfelten,  seltener  ausserdem  noch  mit  nete- 
oder  spiralförmigen  Wandverdickungen  versehenen  Gefässe  oder  Tracheen,  und 


5)  Mayr,  Harz  der  Nadelhölzer.     Berlin  1894.     96  p.  2  Tafeln.  8». 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes.     §  17.  227 

die  bis  auf  die  geschlossenen  Enden  ebenso  gebauten  weitlumigen  Tracheiden,  also 
ausschliesslich  physiologisch  tote  Gewebeelemente ;  dermechanischenFestigung 
dienen  in  erster  Linie  die  dickwandigen  Holzfasern  (Libriforni)  mit  schief 
spaltenförmigen  Tüpfeln,  die  darum  auch  weitaus  die  Hauptmasse  des  Holzes  bei  den 
Laubhölzern  ausmachen  und  von  deren  Menge,  Dickwandigkeit  und  Englumigkeit  vor 
allem  die  Schwere  und  die  Festigkeit  des  Holzes  abhängt.  Im  Holz  der  Ooniferen, 
dem  echte  Gefässe  und  Holzfasern  fehlen  und  das  fast  ausschliesslich  aus  Fasertrachei- 
den  aufgebaut  ist,  welche  auf  den  Radialwänden  kreisförmige  Hoftüpfel  besitzen, 
muss  Wasserleitung  und  Festigung  von  den  gleichen  Gewebeelementen  übernommen 
werden;  doch  haben  wir  eine  Arbeitsteilung  auch  hier  insofern,  als  die  in  erster  Linie 
für  die  Wasserleitung  bestimmten  Tracheiden  des  Frühholzes  dünnwandig  und  w^eit- 
lumig,  die  in  erster  Linie  für  die  Festigung  bestimmten  des  Spätholzes  dickwandig  und 
englumig  sind.  Ebenso  dienen  auch  bei  den  Laubhölzern  die  dickwandigen  Tra- 
cheiden und  Gefässe  nebenbei  der  Festigung,  und  ebenso  die  Holzfasern  mit  kleinen 
spaltenförmigen  Hoftüpfeln  nebenbei  der  Wasserleitung.  Der  Leitung  der  orga- 
nischen Baustoffe  und  vor  allem  der  Speicherung  der  stickstofiffreien  Ee- 
servestoffe  dienen  in  erster  Linie  die  Holzparenchymzellen,  welche  entstehen, 
wenn  die  Gewebemutterzelle  sich  durch  einige  Querwände  teilt,  und  die  meist  sehr  viel 
spärlicher  auftretenden  Ersatzfasern,  deren  Mutterzelle  ungeteilt  bleibt.  Als 
Reservestoffe  finden  wir  gleich  nach  dem  Laubfall  bei  allen  Bäumen  Stärke,  die 
bei  den  meisten  Holzarten,  besonders  bei  den  Harthölzern,  auch  im  Winter  als  solche 
erhalten  bleibt  (S  t  ä  r  k  e  b  ä  u  m  e),  während  sie  bei  den  meisten  Weichhölzem  in  fettes 
Gel  umgewandelt  wird  (Fettbäume).  Auch  zwischen  den  typischen  Holzfasern  und 
zwischen  dem  typischen  Holzparenchym  linden  sich  anatomische  oder  physiologische 
Zwischenstufen:  gefächerte  oder  ungefächerte  derbwandige  Holzfasern  mit  leben- 
dem Inhalt,  die  neben  der  Festigung  auch  der  Speicherung  dienen,  Fasern,  die  zur 
Hälfte  als  Holz-,  zur  andern  als  Ersatzfaser  ausgebildet  sind,  dickwandige  Holzparen- 
chymzellen und  Spalttüpfel  tragende  Ersatzfasem,  welche  neben  der  Speicherung  auch 
der  Festigung  dienen.  Zu  den  längs  verlaufenden  Elementen  gehören  ferner  die  im 
Coniferenholz  (ausser  bei  Abies  und  Taxus)  vorkommenden,  von  Holzparenchym  um- 
gebenen, Harzkanäle.  Der  Leitung  und  Speicherung  von  Assimilaten  dienen  endlich 
noch  die  Holzmarkstrahlen,  deren  Zellen  zumeist  radial  gestreckt  sind  (lie- 
gende Markstrahlzellen)  und  zum  Holzparenchym  gehören.  Bei  den  dicotylen 
Holzarten  ist  der  obere  und  untere  Rand  der  Markstrahlen  häufig  durch  in  der  Rich- 
tung der  Längsachse  gestreckte  Zellen  gebildet  (stehende  Markstrahlzellen), 
welche  durch  grosse  einseitig  behöfte  Tüpfel  mit  den  angrenzenden  Gefässen  kommuni- 
zieren; bei  vielen  Abietineen,  besonders  auffallend  bei  Pinus,  ist  der  obere  und  untere 
Rand  des  Markstrahls  durch  eine  oder  einige  Reihen  von  radial  gestreckten,  mit  be- 
höften  Tüpfeln  versehenen  Zellen  gebildet,  die  auch  als  Tracheiden  funktionieren 
(tracheidale  Markstrahlzellen). 

Auf  dem  Querschnitt  eines  Laubholzes  erkennen  wir  im  allgemeinen 
die  Gefässe  und  Tracheiden  an  den  zahlreichen  behöften  Tüpfeln  ihrer  Membran,  die 
Holzfasern  an  ihrer  dicken,  glatten  Membran  und  dem  Mangel  an  Stärke,  die  Paren- 
chjnnzellen  und  sonstigen  Speicherelemente  an  der  ziemlich  dünnen,  einfach  getüpfelten 
Membran,  dem  in  der  Regel  erheblich  weiteren  Lumen  als  bei  den  Holzfasern  und  dem 
durch  das  Vorhandensein  von  Stärkekömern  als  lebend  gekennzeichneten  Inhalte. 

Der  Anteil  der  lebenden  (speichernden)  Elemente  ist  beim  Laubholz  im  allge- 
meinen viel  grösser  als  beim  Nadelholz,  wo  sie  nur  in  der  Begleitung  der  Harzgänge, 
oder  wo  solche  fehlen,   zerstreut  zwischen   den  Tracheiden  in  Längsreihen  vorkommen 

15* 


228  III.  Klein,  Forstbotanik. 

und  wo  die  Markstrahlen,  die  Partien,  in  welchen  Harzgänge  verlaufen,  ausgenommen, 
stets  einreihig  sind.  Der  winterkahle  Laubholzbaum,  der  alljährlich  sein  ganzes  Laub 
verliert,  bedarf  eben  viel  reichlicherer  Reserv'estoffe  als  die  immergrünen  Nadelhölzer. 
Das  W  u  r  z  e  1  h  0 1  z  ist  im  grossen  und  ganzen  viel  reicher  an  Parenchym  als  das 
Stamm-  oder  Astholz  und  ausserdem  ist  es  stets  auch  viel  schwammiger 
gebaut.  Letztere  Eigenschaft  beruht  darauf,  dass  die  Durchschnittsweite  der  einzelnen 
Gewebeelemente,  die  ganz  grossen  Grefässe  mancher  Laubhölzer  ausgenommen,  eine  viel 
beträchtlichere  und  die  Wandstärke  derselben  meist  eine  geringere  ist. 

Was  die  Anordnung  der  verschiedenen  Gruppen  von  Gewebe- 
elementen anlangt,  so  muss  sowohl  das  mechanische  wie  das  leitende  Gewebesystem 
in  ununterbrochenem  Znsammenhange  stehen;  keines  darf,  um  seinen  physiologischen 
Aufgaben  gerecht  werden  zu  können,  in  seinem  Längsverlauf  eine  vollständige  Unter- 
brechung erfahren.  Dieser  Bedingung  wird  das  Leitungssystem  unserer  Holzgewächse 
dadurch  gerecht,  dass  1.  die  Gefässe  und  Tracheiden  stets  mit  anderen  Gefässen  oder 
Tracheiden  der  Länge  nach  oder  seitlich  zusammenhängen,  2.  dadurch,  dass  das  Holz- 
parenchym  sich  teils  seitlich,  teils  oben  oder  unten  an  die  Markstrahlen  anschliesst, 
und  3.  dadurch,  dass  Holzparenchym  und  Markstrahlgewebe  stets  mit  dem  Wasserlei- 
tungssystem, den  Gefässen  und  Tracheiden,  zusammenhängt.  Die  Markstjrahlen  stellen 
die  radialen  Leitungsbahnen  dar,  welche  durch  Holzparenchymbrücken  in  tangentialer 
und  longitudinaler  Eichtung  in  Zusammenhang  stehen.  Wo  einzelne  Holzparenchym- 
zellen  im  mechanischen  Gewebe  isoliert  auftreten,  ist  diese  Isolierung  nur  eine  schein- 
bare, da  das  gesamte  Leitparenchym  eines  Baumes  zwar  nicht  in  jeder  Qnerschnitts- 
ebene,  aber  doch  im  Räume  ein  zusammenhängendes  System  bildet.  Der  Anschlnss 
des  Holzparenchyms  und  des  Markstrahl  gewebes  an  das  Wasserleitungssystem  wird 
entweder  durch  tangentiale  Bänder  von  Parenchymzellen,  in  welchen  die  Gefässe  ein- 
gebettet sind  oder  denen  sie  anliegen,  oder  durch  Parenchymhüllen  um  die  Gefässe  ohne 
Tangentialbänder ,  beziehungsweise  durch  die  mannigfachsten  Kombinationen  dieser 
beiden  Typen  vermittelt.  Die  Markstrahlzellen  kommunizieren  mit  den  Gefässen  und 
Tracheiden  durch  besonders  grosse  oder  durch  besonders  zahlreiche  Tüpfel.  Dieser 
Zusammenhang  zwischen  Leitparenchym  und  Gewissen  und  Tracheiden  ist  zuerst  von 
Haberlandt  physiologisch  richtig  gedeutet  worden:  „So  wie  im  Sommer  das  Wasser 
mit  den  gelösten  Nährsalzen  vom  Parenchym  der  funktionierenden  Wurzeln  in  das 
leitende  Röhrensystem  gepresst  wird  und  von  hier  aus  als  Transpirationsstrom  in  die 
assimilierenden  Blätter  gelangt ,  ebenso  wird  im  Frühjahr  gelöstes  plastisches 
Baumaterial  aus  dem  Holzparenchym  und  den  Markstrahlen  in  das  Wasserleitungs- 
system gepresst,  um  in  demselben  viel  rascher,  als  es  im  Leitparenchym  auf  rein  os- 
motischem Wege  möglich  wäre,  den  wachsenden  Laub-  und  Blütensprossen  zuge- 
leitet zu  werden.  Wir  haben  es  also  hier  mit  einer  Nebenfunktion  des  Wasserleitungs- 
systems zu  tun,  welche  allein  die  so  rasche  Entfaltung  der  Laub-  und  Blütenorgane 
im  Frühjahr  ermöglicht."  Durch  eingehende  Untersuchungen  A.  Fischers  wurde  dies 
später  bestätigt. 

7.  Die  Jahresringbildung. 

§  18.  Die  gesamte,  aus  dem  Cambium  während  einer  Vegetationsperiode  hervor- 
gegangene Holzmasse  bildet  in  der  Regel  einen  „Jahresring*^,  so  genannt  nach 
der  bekannten  Querschnittsfigur.  Mitunter  kommen  auch  zwei,  namentlich  bei  zwei- 
maliger Belaubung  in  einem  Sommer  vor,  oder  der  Jahresring  unterbleibt  infolge  un- 
günstiger Ernährungsverhältnisse  im  mittleren  und  unteren  Stammteil  unterdrückter 
Bäume,  oder  aui  untern  Teil  langer,  schwach  beblätterter  Aeste.    Die  einzelnen  Jahr- 


Der  anatomische  Bau  der  Organe  des  Baumes.     §  18.  229 

ringe  sind  gewöhnlich  deutlich  gegen  einander  abgesetzt  durch  die  Jahrring  grenze, 
welche  besonders  scharf  bei  den  Nadelhölzern  hervortritt.  Die  Cambialtätigkeit  unserer 
Bänme  ist  keine  kontinuierliche,  sondern  eine  periodische,  zum  Teil  bedingt  durch  kli- 
matische Verhältnisse  (Winterruhe).  Aber  diese  Winterruhe  des  Baumlebens  und  das 
Wiedererwachen  desselben  im  Frühjahr  gibt  uns  als  solches  noch  keine  Erklärung  der 
ßingbildung,  wir  kennen  auch  tropische  Bäume  mit  Jahrringen  und  kurzer  sommer- 
licher Kuhepause.  Wäre  das  am  Schlüsse  der  Vegetationsperiode  gebildete  Holz,  das 
S  p  ä  t  h  0  1  z  (unzweckmässig  auch  Herbstholz  genannt)  dem  zu  Beginn  derselben,  dem 
Frühholz  (Frühlingsholz)  im  anatomischen  Bau  völlig  gleich,  dann  entfiele  jeder 
Grund  für  die  Bildung  einer  Jahrringgrenze.  Sie  fehlt  auch  tatsächlich  bei  vielen 
tropischen  Hölzern  und  ist  bei  manchen  zerstreutporigen  einheimischen  im  Stamm-  und 
Astholz  oft  schwer,  im  Wurzelholz  oft  gar  nicht  zu  erkennen.  Die  Cambialtätigkeit 
ist  vor  allem  keine  gleichmässige ;  sie  ist  zuBeginn  derVegetationsperiode 
eine  besonders  lebhafte  und  bildet  da  vor  allem  Leitgewebe,  während  sie  im  Som- 
mer vorzugsweise  mechanisches  Gewebe  bildet  und  im  August  im  Holze  unserer  Bäume 
schon  erlischt,  nach  der  Rinde  zu  dagegen  ihre  Tätigkeit  fortsetzt,  so  lange  es  die 
Witterung  gestattet.  Dies  beruht  auf  inneren  Ursachen  und  es  ist  als  eine  fixiert«, 
erbliche  Eigenschaft  anzusehen,  dass  das  Frühholz  bei  den  meisten  Holzarten  dünn- 
wandig und  weitluroig,  vielfach,  bei  den  ringporigen  Hölzern,  reich  an  besonders 
weiten  Gefässen  ist,  während  das  Spätholz  sich  im  allgemeinen  durch  Dickwandigkeit 
und  Englumigkeit  seiner  Elemente  auszeichnet  und  die  Gefässe  bei  den  ringporigen 
Hölzern  hier  sehr  viel  kleiner  und  meist  auch  spärlicher  sind.  Bei  den  zerstreut- 
porigen Hölzern  sind  die  Gefässe  meist  über  die  ganze  Ringbreite  gleichmässig  ver- 
teilt, im  Frühholz  nicht  oder  nicht  viel  grösser  und  höchstens  etwas  zahlreicher.  Erb- 
lich ist  es  femer,  dass  jede  Holzart  ihren  spezifischen  anatomischen 
Bau  besitzt  und  meist  ist  in  jedem  einzelnen  Jahrring  zu  erkennen,  ob  ein  Holz  ring- 
porig oder  zerstreutporig  ist,  wie  die  Gruppierung  der  Gefässe  und  Tracheiden,  der 
Holzfasern,  des  Holzparenchyms,  die  Zusammensetzung,  die  Breite  und  Höhe  der  Mark- 
strahlen beschaffen  ist  u.  s.  w.,  endlich  ob  etwa  einzelne  der  im  vorigen  Paragraphen  ge- 
schilderten Gewebeelemente  fehlen;  so  fehlen  den  Coniferen  regelmässig  Gefässe  und 
Holzfasern,  den  Eichen,  Kastanien  und  Weissbuchen :  Ersatzfasem,  den  Ahomarten  und 
den  HoUunderarten :  die  Holzfasern,  zahlreichen  Leguminosen,  Weiden  und  Pappeln, 
den  Eschen  und  Platanen:  die  Tracheiden.  Verhältnismässig  selten  ist  es,  dass  das 
Holz  zweier  Gattungen  anatomisch  schwer  zu  unterscheiden  ist,  während  die  ver- 
schiedenen Arten  der  nämlichen  Gattung  einander  meist  in  weitgehendem  Masse  gleichen. 
Die  Breite  der  Jahresringe  hängt  ausser  von  inneren  Ursachen,  wonach  rasch- 
wüchsige Holzarten  im  allgemeinen  viel  breitere  Ringe  ausbilden,  als  trägwüchsige, 
auch  von  einer  ganzen  Reihe  äusserer  Faktoren  ab ,  unter  denen  die  Emährungsver- 
hältnisse  insofern  eine  wichtige  Rolle  spielen,  als  die  Assimilationstätigkeit  der  Krone 
ja  da«  Material  für  den  Aufbau  der  Ringe  liefert.  Bekannt  sind  die  engen  Jahresringe 
der  Bäume  von  der  Baumgrenze  im  Hochgebirge  und  vor  allem  diejenigen  von  der 
Polargrenze  sowie  die  breiten  Ringe  der  auf  sehr  fruchtbarem  und  frischem  Boden 
erwachsenen  Bäume ;  bekannt  ist  ferner,  dass  der  Baum  im  Freistand  viel  breitere  Ringe 
erzeugt,  als  unter  sonst  gleichen  Standortsverhältnissen  im  Schlüsse,  und  hier  der 
herrschende  Baum  wieder  breitere  als  der  unterdrückte  hervorbringt.  In  den  einander 
folgenden  Jahren  sind  die  Ringe  oft  von  sehr  verschiedener  Breite  beim  gleichen  Baum- 
individuum. So  hat  z.  B.  ein  Maikäfer-  oder  ein  Samenjahr  schmale  Ringe  zur  Folge, 
weil  die  Reservestoffe  für  die  Bildung  der  neuen  Blätter  bezw.  die  Assimilationspro- 
dnkte  für  das  Wachstum  der  Früchte  in  Anspruch  genommen  werden;  bei  der  Buche 


230  III.  Klein,  ForstboUnik. 


ist  die  Verminderonp:  des  Zuwachses  in  dem  auf  eine  Vollmast  folgenden  Jahre  so^ar 
noch  gröss^er.     Lichtstellung  hat  eine  Verbreiterung  der  Jahresringe  zur  Folge  (Lich- 
tungszuwachs), aber  meist  erst  nach  einigen  Jahren  ausser  bei  ganz  jungen  Bäu- 
men,  bezw.  sehr  gut  entwickelter  Krone.     Von  Einfluss  auf  die  Ringbreite  ist  femer 
die  Lufttemperatur  vor  Beginn,    während  und   nach  Abschluss  des  Dickenwachstums, 
ebenso  die  Luftfeuchtigkeit,  die  Bewegung  der  Luft,  die  Niederschlagsmengen  vor  und 
während  des  Dickenwachstums  unter  Berücksichtigung  der  Durchlässigkeit  des  Bodens. 
Ebenso  ist  für   die  Verteilung   des  Dicken  Wachstums  auf  die  einzelnen 
Teile  des  Baumes  keineswegs  die  Verteilung  der  Nahrung^istoffe  massgebend  und  ebenso 
wenig  für  das  prozentuale  Verhältnis  von  Früh-  und  Spätholz,  von  leitendem  und  me- 
chanischem Gewebe.     Hiefür  dürfte  nach  den  Untersuchungen  Schwendenei^s,  Metzgers 
und  Frank  Schwarz  die  mechanische  Beanspruchung  der  einzelnen  Baumteile  durch  den 
Wind  von  ausschlaggebender  Bedeutung  sein,   ebenso  wie  Zug-  und  Druck  Verhältnisse 
auch  auf  die  Ausbildung   von  exzentrischen  Jahresringen   von  Einfluss   sind.     Ueberall 
werden  die  Jahresringe  da  breiter,   die  mechanischen  Elemente  besser  und  reichlicher 
ausgebildet,   wo  es   die  Biegungs-   oder  Druckfestigkeit  des  Stammes  oder  der  Aeste 
erfordert.    Der  Wind   oder  der  mechanische  Druck  kann  aber  hier  jeden- 
falls nur  als  auslösender  Reiz  wirken  und  dass  verschiedene  Holzarten  auf  den 
gleichen  Reiz   verschieden    reagieren  und  das  Verhältnis   von  Ursache  und  Wirkung 
jedenfalls  nicht  so  ganz  einfach  liegt,   dürfte  schon  daraus  erhellen,   dass  z.  B.  beim 
schiefstehenden  Coniferenstamm ,   oder  beim  Coniferenast,   die  beide  exzentrisch  gebaut 
sind,   die  Druckseite  (Unterseite)  und  besonders  das  Spätholz  (=  Druckholz,  Rotholz) 
sowohl   nach  Menge  wie  Wandstärke  der  Zellen  stärker  entwickelt  ist  (Hypotro- 
phie,Hyponastie),   bei  den  Laubhölzem  dagegen  die  Oberseite  (Ep  Itrop  hie, 
Epinastie),  ohne  dass  dies  aber  absolut  durchgreifend  wäre,   denn  sogar  der  näm- 
liche Ring  kann  bald  nach  oben,  bald  nach  unten,  bald  nach  der  Seite  verstärkt  sein. 
Am  Waldrand  besitzen  die  Stämme  gewöhnlich  exzentrischen  Bau  mit  der  breiteren 
Seite  nach  aussen,   bei  engem  Stand  sind  die  Kinge  an  der  einander  genäherten  Seite 
am  schmälsten,  an  steilen  Hängen  zeigt  die  Bergseite  den  stärkeren  Jahresring,  in  der 
Windrichtung  zeigt  sich  vielfach  eine  Exzentrizität  der  Jahresringe  und  die  schmälste 
Stelle  auf  der  dem  Wind-Stoss  zugewendeten  (Zug)  Seite  u.  s.  w.    Beim  Taxus  und 
bei  der  Hainbuche  ist  dagegen  die  ungleiche  Breite  der  Jahresringe  auf  verschiedenen 
Seiten   des   Querschnitts  eine  erbliche  Eigenschaft  (Spannrückigkeit).     Früher 
Beginn  der  Vegetation  fördert  nach  Frank  Schwarz  bei  der  Kiefer  das  Frühholz,  später 
das  Spätholz,  das  sich  hier  von  Ende  Juli  an,  vornehmlich  im  August,  bildet.    Bäume 
mit  sehr  grosser  Krone  und  breiten  Ringen  haben  ein  geringes,   solche  mit  mittlerer 
Krone  ein  grosses  und  solche  mit  kleiner  Krone  und  schwachem  Zuwachs  das  geringste 
Spätholzprozent;   höhere  Bäume  haben  ein   grösseres,    freistehende,   weniger  hohe  ein 
geringes  Spätholzprozent,   was  alles  durch  die  früheren  Emährungstheorien  nicht  be- 
friedigend erklärt  werden  kann,   dagegen  zweckmässig  erscheint,   w^enn  man  sich  den 
Baumstamm  als  Träger  gleichen  Widerstandes  konstruiert  denkt,    nur   an  der  Basis 
etwas  verstärkt.     Ganz  abnorm   ist  das  Maserholz  gebaut ,    das  seine  Entstehung 
meist  dem  Auftreten  massenhafter  Adventivknospen  verdanken  dürfte,  welche  die  Holz- 
elemente von  ihrem  normalen  Verlauf  ablenken. 

8.  Die  Verkemung. 

§  19.    Der  Stammquerschnitt   ist  bei  den  meisten  Bäumen  nicht  gleichmässig 
gefärbt ;  gewöhnlich  unterscheiden  wir  eine  zentrale,  meist  dunkler  gefärbte,  ausschliess- 


Die  Arbeitsleistangen  des  Baumes.     §  20.  231 

lieh  aus  abgestorbenen  Elementen  bestehende  Partie,  den  Kern,  von  einer  meist 
wasserreicheren,  weiss  oder  gelblichweiss  gefärbten,  reichlich  lebende  Zellen  enthalten- 
den peripheren  Partie,  dem  Splint.  Besteht,  was  verhältnismässig  selten  der  Fall, 
das  ganze  Holz  aus  Splint  (z.  B.  Acer  Pseudoplatanus  und  platanoides,  Buxus  semper- 
virens,  Betula  alba  und  Populus  tremula),  so  nennt  man  solche  Bäume  Splintbäume, 
die  anderen  Kernbäume.  Der  Splint  dient  der  Wasserleitung  und 
als  Eeservestoffbehälter  und  zwar  sind  es  gewöhnlich  nur  die  äussersten, 
manchmal  nur  der  äusserste  Jahresring,  welcher  Wasser  leitet,  während  die  älteren 
Reservestoife  speichern.  Die  Dicke  des  Splints  ist  sehr  verschieden,  in  den  Wurzeln 
reicht  er  nach  Durchmesser  und  Jahresringen  im  allgemeinen  am  weitesten  nach  innen; 
im  Stamm  ist  er  dicker  als  bei  den  Aesten,  zählt  aber  dort  mehr  Jahresringe ;  bei  der 
Kiefer  kann  er  25,  ausnahmsweise  sogar  bis  80  Ringe  umfassen,  bei  der  Silberpappel 
sind  es  gewöhnlich  nur  7.  Die  Grenze  zwischen  Splint  und  Kern  folgt  übrigens  weder 
in  verschiedener  Höhe  des  Baumes  und  nicht  einmal  auf  dem  gleichen  Querschnitt  einem 
bestimmten  Jahresring.  Die  Ausbildung  des  Splintes  scheint  sich  nach  derjenigen  der 
Krone  zu  richten;  je  grösser  die  Krone,  desto  breiter  der  Splint.  Der  echte  Kern 
dient  lediglich  der  Festigung.  Nicht  damit  zu  verwechseln  ist  der  falsche 
Kern,  Scheinkern  oder  Faulkern,  wie  er  häutig  von  Wunden  aus  und  wahrscheinlich 
auch  durch  Pilze  verursacht,  mit  ganz  unregelmässiger  Begrenzung  z.  B.  bei  der  Rot- 
buche auf  manchen  Standorten  häufig  ist.  Das  Material  für  die  Verkernung 
wird  wahrscheinlich  von  den  lebenden  Parenchymzellen  und  von  den  Markstrahlen  ge- 
liefert, während  man  es  früher  für  Umwandlungsprodukte  der  Membran  hielt.  Die 
Membran  der  verkemenden  Elemente  bleibt  aber  erhalten;  nur  die  Lumina  derselben 
sind  durch  Einlagerung  der  verschiedensten  organischen  Substanzen  verstopft,  wie  Farb- 
stoffe, harz-  und  gummiartige  Körper,  Gerbstoffe  etc.,  die  auch  häufig  in  die  Membran 
selbst  infiltrieren.  Bei  manchen  unserer  Laubholzbäume,  wie  Ulmus  campestris,  Celtis 
australis,  Sorbus  torminalis  und  Fagus  silvatica  sind  die  Gefässe  oft  mit  kohlensaurem 
Kalk  förmlich  angefüllt.  Bei  der  Robinie  und  bei  der  Eiche  werden  die  Gefässe  nor- 
maler Weise  durch  T  h  y  1 1  e  n  b  i  1  d  u  n  g  für  die  Wasserleitung  unwegsam  gemacht, 
wenn  Parenchymzellen,  welche  an  Gefässe  angrenzen,  die  Schliesshäute  der  behöften 
Tüpfel  jener  in  die  Gefässlumina  blasenartig  hineinwölben,  wo  sich  die  eingedrungenen 
Zellen  teilen  und  mit  einander  verwachsen  und  das  Gefässlumen  schliesslich  völlig  ver- 
stopfen. Je  dunkler  ein  Kernholz  gefärbt  ist,  desto  dauerhafter  pflegt  es  zu  sein;  ist 
dagegen,  wie  bei  manchen  Weiden  und  der  kanadischen  Pappel  das  Kernholz  nicht 
durch  SchutzstofFe  imprägniert,  so  fällt  es  leicht  der  Zersetzung  anheim  und  solche 
Bäume  werden  leicht  und  früh  hohl. 

IIL  Die  Arbeitsleistungen  des  Baumes  (Physiologie)^). 

Auf  die  Arbeitsleistungen  der  verschiedenen  Organe  des  Baumes  musste  in  vor- 
stehendem schon  vielfach  Bezug  genommen  werden,  wenn  dieselben  ihrem  äusseren  und 
inneren  Bau  nach  wirklich  als  Organe  charakterisiert  werden  sollten.  Darum  kann 
dieser  Abschnitt  um  so  kürzer  ausfallen,  der  nur  in  grossen  Umrisslinien  die  wichtigsten 
physiologischen  Vorgänge  schildern  soll. 

1.  Die  Atmung. 

§  20.    Die  Atmung  muss  als  der  allgemeinste  und  fundamentalste 


6)  Vorzügliche,    knappe  Abrisse  dieser  Wissenschaft  bieten  z.  B.  das  Wiesner'sche 
Lehrbuch  p.  201 — 334,  und  das  Strasburger'ßche  in  der  Darstellung  von  NoU  p.  130 — 254. 


232  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Lebensprozess  angesehen  werden,  denn  alle  lebenden  Zellen  atmen  nnd  zwar 
jederzeit,  Tag  and  Nacht.  Die  Pflanzenatmang  ist  wie  die  tierische  Atmung  ein  Oxy- 
dationsprozess ,  bei  welchem  hier  der  Hauptsache  nach  Kohlehydrate,  manchmal  auch 
Fette,  zu  Kohlensäure  und  Wasser  verbrannt  werden.  Die  Menge  der  ausgeschiedenen 
Kohlensäure  ist  der  Menge  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  gleich,  die  Fälle  ausgenom- 
men, in  welchen  ein  Teil  des  aufgenommenen  Sauerstoffs,  z.  B.  bei  der  Keimung  fett- 
haltiger Samen,  bei  der  Umwandlung  der  sauerstoffärmeren  Fette  in  die  sauerstoff- 
reicheren Kohlehydrate  in  den  letzteren  festgelegt  wird.  Da  die  Kohlehydrate  und 
Fette  chemische  Verbindungen  sind,  welche  von  dem  Luftsauerstoff  unter  gewöhnlichen 
Umständen  nicht,  bezw.  nur  schwer  angegriffen  werden,  kann  die  Atmung,  die  ,pbj- 
siologische  Oxydation''  jedenfalls  kein  ganz  einfacher  Vorgang  sein.  Sie  ist 
eben  eine  Lebensäusserung  des  lebenden  Protoplasmas,  in  welchem  sie,  wenn  auch  meist 
viel  schwächer,  auch  bei  Abschluss  des  freien  Sauerstoffs  als  sog.  „intramoleku- 
lare Atmung"  stattfindet,  indem  hier  der  erforderliche  Sauerstoff  aus  den  Molekülen 
der  organischen  Substanzen  durch  aussergewöhnliche  Umsetzungen  herausgerissen  wird, 
ein  Prozess,  der  natürlich  auf  die  Dauer  zum  Zerfall  des  lebenden  Protoplasmas  fuhren 
muss,  aber  wahrscheinlich  als  die  unmittelbare  Veranlassung  zur  normalen  Sauerstoff- 
atraung  anzusehen  ist.  Durch  das  Netzwerk  engerer  oder  weiterer  luftführender  Ka- 
näle, das,  wie  wir  früher  gesehen,  alle  lebenden  Zellen  der  Pflanzengewebe  umgibt, 
findet  der  Luftsauerstoff  überall  Zutritt  zu  den  lebenden  Zellen  und  ebenso  wird  in 
diesen  Intercellularen  die  bei  der  Atmung  gebildete  Kohlensäure  nach  aussen  abgeleitet. 

Die  Intensität  der  Atmung  ist  eine  sehr  verschiedene.  Am  energischsten 
atmen  wachsende  Pflanzenteile,  besonders  in  der  Entfaltung  begriffene  Knospen  und 
Blüten  und  keimende  Samen,  welche  die  Hälfte  ihrer  Trockensubstanz  hierbei  veratmen 
können.  Ausserdem  ist  die  Intensität  der  Atmung  auch  von  der  Lufttemperatur  und 
dem  V^assergehalt  der  lebenden  Zellen  abhängig;  ruhende,  sehr  wasserarme  Samen 
atmen  am  trägsten.  Die  Atmung  der  grünen,  ausgewachsenen  Laubblätter  ist  bei  den 
verschiedenen  Pflanzen  sehr  verschieden  und  schwankt  im  Verhältnis  von  1 :  27. 

Bei  der  Atmung  wird  organische  Substanz  zerstört,  welche  bei  dem 
Assimilationsprozess  synthetisch  aufgebaut  wurde;  indes  ist  der  Substanzverlust  im 
allgemeinen  ein  relativ  geringer ,  wie  der  Umstand  zeigen  möge ,  dass  z.  B.  beim 
Kirschlorbeer  1  Stunde  Assimilation  das  Material  für  30  Stunden  Atmung  liefert.  Die 
Atmung  ist  die  notwendige  Voraussetzung  aller  Lebensprozesse. 
Unterbleibt  die  normale  Atmung,  z.  B.  im  sauerstofffreien  Raum,  so  stehen  sofort  alle 
anderen  Lebensprozesse  still.  Durch  die  Umsetzung  chemischer  Spannkräfte  (potentielle 
Energie)  in  lebendige  Kraft  (kinetische  Energie)  liefert  die  Atmung  der  Pflanze  die 
Betriebskräfte  für  andere  Lebensäusserungen. 

2.  Die  Aufnahme  des  Wassers,  der  Asehenbestandteile  und  des  Stickstoffs. 

§  21.  Das  Wasser  spielt  im  Pflanzenleben  eine  ungemein  vielseitige  und  wich- 
tige Rolle;  es  durchtränkt  alle  organisierten  Substanzen,  die  im  Gegensatz  zu  den 
nicht  organisierten  quellungsfähig  (inbibitionsfähig)  sind,  es  dient  zur  Deckung  des 
Transpirationsverlustes,  zur  Einführung  der  Aschenbestandteile,  als  Lösungs-  und  Trans- 
portmittel im  Stoffwechsel,  als  direktes  Nahrungsmittel  zum  Aufbau  der  organischen 
Substanzen  und  schliesslich  zum  Wachstum  wie  zur  Festigung  beim  Turgor,  wo- 
runter man  die  osmotische  Druckkraft  versteht,  welche  der  Zellsaft,  dank  der  in  ihm 
gelösten  Wasser  anziehenden  Substanzen  auf  Plasmabaut  und  Zellmembran  ausübt 
Unter  solchem  Druck  stehende  Zellen  nennen  wir  turgescent  und  nur  im  turgescenten 


Die  Arbeitsleistungen  des  Baumes.     §  21.  238 

Znstande  sind  die  Zellen  —  von  der  Atmnng,  die  auch  in  welkenden  Pflanzenteilen 
kräftig  fortgesetzt  wird,  abgesehen  —  zu  energischen  Lebensäusserungen  befähigt. 
Dnrch  den  Turgor  allein  erhalten  wachsende  Pflanzenteile  ihre  Festigkeit.  Der 
Gegensatz  von  tnrgescent  ist  welk. 

Die  Aufnahme  des  Wassers  und  der  in  ihm  gelösten  Aschenbestandteile 
erfolgt,  wie  wir  früher  gesehen  haben,  ausschliesslich  durch  die  jüngsten  Wurzeln,  deren 
lebende  Wurzelhaare  als  osmotische  Apparate  funktionieren  und  deren  lebende  Plasma- 
haut —  und  zwar  an  innerer  und  äusserer  Hautschicht  verschieden  —  eine  Art  Wahl- 
vermögen den  dargebotenen  Aschenbestandteilen  gegenüber  besitzt,  indem  dieselbe  für 
die  meisten  gelösten  Substanzen  viel  weniger  durchlässig  ist  als  die  Zellhaut,  so  dass 
dieselben  nicht  in  den  gleichen  Mengenverhältnissen,  in  welchen  sie  im  Bodenwasser 
gelöst  sind,  in  die  Wurzel  eintreten.  Ausserdem  lösen  die  mit  den  Bodenpartikelchen 
verwachsenden  Wurzelhaare  hier  direkt  noch  Aschenbestandteile  auf.  Durch  Diffusion 
von  Zelle  zu  Zelle  wandert  das  Wasser  durch  die  Rindenzellen  der  jungen  Wurzeln 
und  wird  schliesslich  unter  starkem  osmotischem  Druck  in  die  Hohlräume  der  Gefässe 
und  Tracheiden  des  Holzkörpers  der  Wurzel  eingepresst. 

Aschenanalysen  verschiedener  Baumteile  und  verschiedener  Baumarten,  wie 
sie  in  grosser  Zahl  ausgeführt  worden  sind,  zeigen  uns  den  Gesamtgehalt  an  Asche, 
wie  die  Zusammensetzung  derselben.  Besonders  aschereich  sind  die  Blät- 
ter und  die  Rinde,  während  das  Holz  aschenarm  zu  sein  pflegt. 
Auf  das  Trockengewicht  bezogen,  schwankt  die  Aschenmenge  der  Coniferen- 
n  ad  ein  zwischen  1,5  und  3,5%  (1,3%  Weymouthskiefer,  ca.  2%  Kiefer,  ca.  3 — 3,5% 
Tanne  und  Fichte)  und  zwischen  3,8%  (Erle  und  Hainbuche)  und  8,7%  (Akazie)  und 
9%  (Esche),  die  Rindenasche  zwischen  0,75%  (Kiefer  und  Birke)  ca.  1,5%  bei 
der  Fichte,  2%  bei  der  Tanne,  3—4%  bei  Buche  und  Eiche  und  8—9%  bei  Feldahom 
und  Ulme,  mit  grossen  individuellen  und  ausserdem  vom  Alter,  von  Standorts  Verhält- 
nissen etc.  abhängigen  Differenzen.  Die  Rindenasche  ist  stets  sehr  reich  an  Kiesel- 
säure und  Kalk,  welch  letzterer  auch  in  der  Asche  der  Blätter  und  des  Holzes  sehr 
reichlich  vorzukommen  pflegt.  Der  Aschengehalt  des  Holzes  ist  meist  sehr 
gering,  0,3 — 0,4%  bei  den  meisten  Hölzern,  selten  weniger,  ca.  0,2%  bei  Kiefer  und 
Weymouthskiefer,  oder  mehr,  0,5%  bei  der  Robinie.  Die  Aschenanalysen  sagen  aber 
nicht  viel  aus  über  das  Aschenbedürfnis  der  Holzarten,  ausser  wenn  eine  grosse  Zahl 
solcher  vorliegt  und  sie  sagen  vor  allem  nicht  viel  über  das  Bedürfnis  an  den  einzel- 
nen Aschenbestandteilen.  Tatsächlich  sind  die  meisten  Elemente  schon  in  Pflanzen- 
aschen gefunden  worden. 

Durch  die  Methode  der  sog.  Wasserkultur  ist  von  Sachs,  Nobbe  u.  a.  fest- 
gestellt, dass  zur  vollständigen  Ernährung  der  grünen  Pflanze  aus  dem  Boden,  Kalium, 
Calcium,  Magnesium  und  Eisen  sowie  Stickstoff,  Schwefel  und  Phosphor  genügen,  wäh- 
rend alle  andern  in  den  Pflanzenaschen  gefundenen  Elemente  entbehrt  werden  können. 
Der  Kohlenstoff  der  Pflanze  stammt  nicht  aus  dem  Boden,  wie  die  alte  Humustheorie 
annahm.  Die  Form,  in  welcher  diese  Grundstoffe  aufgenommen  werden,  ist  die  kiesel- 
saurer, kohlensaurer,  schwefelsaurer,  phosphorsaurer  und  salpetersaurer  Salze.  Wenn 
man  den  oben  erwähnten  unentbehrlichen  Elementen  Silicium  (in  der  Form  von  Kiesel- 
säure), Chlor  und  Natrium  als  nützliche,  die  übrigen  als  entbehrliche  gegenüberstellte, 
so  ist  dies  nur  cum  grano  salis  für  die  tatsächlichen  Verhältnisse  richtig,  seitdem  wir 
den  Salzhunger  der  Pflanze  kennen  und  wissen,  dass  das  Plasma  seine  volle  osmotische 
Arbeitskraft  erst  bei  einem  Aschenminimum,  beim  Hafer  z.  B.  von  3%,  entfaltet,  wovon 
aber  nur  rund  2%  auf  obige  unentbehrliche  Grundstoffe  zu  kommen  brauchen,  das  letzte 
Drittel  somit  anderweitig  durch  an  und  für  sich  bedeutungslose  Aschenbestandteile  gedeckt 


234  III.  Klein.  Porstbotanik. 


werden  kann.  Kalk  ist  viel  weniger  eigentlicher  Nährstoff  als  indirektes  Düngemittel, 
das  wichtige  Stoffumsetznngen  im  Boden  vermittelt  nnd  die  beim  Stoffwechsel  der  Pflanze 
in  erheblicher  Menge  entstehende  giftige  Oxalsäure  bindet  (die  Krystalle,  die  wir  in 
den  Bäumen,  namentlich  in  der  Rinde  und  in  den  Blättern  linden,  sind  sogut  wie  aus- 
nahmslos Krystalle  von  oxalsaurem  Kalk).  Der  Stickstoff,  der  ca.  16%  der  Eiweiss- 
substanzen  ausmacht,  ist  einer  der  wertvollsten  Bodennahrungsstoffe;  er  wird  von  den 
Pflanzenwurzeln  wahrscheinlich  nur  in  Form  von  salpetersauren  Salzen  aufgenommen. 
Das  Material  hierfür  rührt,  da  wir  keine  salpetersauren  Mineralien  im  Waldboden  haben, 
teils  von  der  Zersetzung  organischer  Substanz  her,  teils  wird  es  mit  den  atmosphäri- 
schen Niederschlägen  als  Salpetersäure  und  Ammoniak  zugeführt,  teils  wird  der  freie 
Stickstoff  der  Atmosphäre  durch  die  Wurzelknöllchen  der  Schmetterlingsblütler  (Robinie) 
oder  durch  gewisse  frei  lebende  Bakterien  (Clostridium  Pasteuria num)  in 
organische  stickstoffhaltige  Substanz  übergeführt.  Ausschliesslich  auf  Bakterientätig- 
keit ist  auch  die  Ueberführung  des  bei  der  Verwesung  gebildeten  Ammoniaks  in  sal- 
petrige Säure  (Nitritbildner)  und  dieser  in  Salpetersäure  (Nitratbildner) 
zurückzuführen,  während  zahlreiche  andere  Arten  dieser  niedersten  Lebewesen  die  Fäul- 
nis- und  Zersetzungsprozesse  der  abgefallenen  Pflanzenteile  vermitteln  und  so  deren 
Substanz  wieder  in  eine  für  die  Pflanze  aufnehmbare  Form  bringen. 

8.  Die  Leitung  und  Abgabe  des  Wassers.    (Der  Transpirationsstrom.) 

§  22.  Den  Anstoss  zu  der  Wasserbewegung  im  Baumkörper,  die  man  darum 
auch  Transpirationsstrom  nennt,  gibt  zweifelsohne  die  Transpiration,  speziell  die  Ver- 
dunstung der  Blätter,  welche  Platz  für  nachrückendes,  neues  Wasser  schafft.  Die 
Transpiration  geht  so  vor  sich,  dass  Wasserdampf  aus  den  Intercellularräumen  des 
Blattes  durch  die  Spaltöffnungen  in  die  trockenere  Aussenluft  entweicht.  In  die  Inter- 
cellularräume  verdunstet  dann  sofort  Inbibitionswasser  aus  den  Zellwänden  der  an  die- 
selben angrenzenden  Zellen.  Dieser  Inbibitionsverlust  wird  aus  dem  Zellinhalt  gedeckt, 
wodurch  in  der  Zelle  osmotische  Kräfte  frei  werden,  die  alsbald  den  weiter  nach  Innen 
gelegenen  Zellen  Wasser  entreissen.  Diese  letzteren  Zellen  decken  ihren  Wasserverlust 
aus  den  Tracheiden  der  überall  im  Blatt  verteilten  Grefässbündelendigungen ,  wodurch 
der  Transpirationsstrom  im  Gefasssystem  in  Bewegung  gesetzt  wird.  Bei  der  raschen 
Massenbewegung,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  spielt  die  Bewegung  des  Inbibitions- 
wassers  im  Holz  (Inbibitionstheorie) ,  die  Diffusion  des  Wassers  von  Zelle  zu  Zelle  in 
den  lebenden  Elementen,  wegen  zu  geringer  Schnelligkeit  und  Ausgiebigkeit  jedenfalls 
nur  eine  untergeordnete  Rolle;  die  Elemente  der  Rinde  kommen  überhaupt  nicht  in 
Betracht,  weil  ringsum  geringelte  Bäume,  bei  welchen  sich  das  Wasser  nur  im  Holz- 
körper bewegen  kann,  ungestört  weiter  transpirieren.  Es  kann  heute  als  sicher  ange- 
sehen werden,  dass  sich  der  Transpirationsstrom  nur  in  den  Hohlräumen  der  Gefässe 
und  Tracheiden  bewegt  und  hier  auch  nur  in  den  äussersten  Jahresringen.  Der  Nutzen 
weiter  Gefässe  im  Frühholze  ringporiger  Hölzer  leuchtet  dann  ohne  weiteres  ein;  es 
werden  so  der  Länge  nach  direkt  zusammenhängende,  weite  Wasserbahnen  geschaffen, 
die  das  Wasser  von'  den  aufnehmenden  Wurzeln  bis  zu  den  einjährigen  Zweigen  und 
deren  Blättern  auf  dem  kürzesten  Wege  leiten.  Bei  den  Coniferen,  die  der  Gefösse 
entbehren,  setzen  die  Schliesshäute  der  Hoftüpfel  der  Filtration  des  Wassers  keinen 
nennenswerten  Widerstand  entgegen.  Durch  den  Transpirationsstrom  werden  vor  aDem 
die  Aschenbestandteile  nach  den  Verbrauchsorten,  den  Blättern,  geschafft,  wo  sie,  da 
nur  reines  Wasser  verdunstet,  zurückbleiben  und  beim  Aufbau  der  organischen  Sub- 
stanzen verarbeitet  werden.    Dies  dürfte  der  Hauptzweck  der  Transpiration  sein,  da 


Die  Arbeitsleistungen  des  Baumes.     §  23.  235 

das  Bodenwasser  kaum  mehr  Aschenbestandteile  enthält  als  reines  Trinkwasser.  Ueber 
die  Wasserbewegung  und  die  dabei  tätigen  Kräfte,  welche  das  Wasser  bis  in  die  höch- 
sten Banmwipfel  emporheben  (Wnrzeldruck,  Mitwirkung  lebender  Zellen  durch  Diffusion, 
Druck  und  Saugnng,  Imbibition,  Kapillarität,  Saugkraft  der  Transpiration  und  Kohäsion 
des  Wassers)  sind  eine  ganze  Anzahl  von  Theorien  aufgestellt  worden,  doch  ist  die 
Erscheinung  bis  dato  noch  keineswegs  in  völlig  befriedigender  Weise  erklärt.  Nur  das 
ist  durch  Strasburgers  Untersuchungen  festgestellt,  dass  das  Wasser  auch  ohne  jegliche 
Mitwirkung  lebender  Zellen  über  30  m.  in  Holzpflanzen  aufsteigen  kann. 

Der  Wassergehalt   der  Bäume   geht  mit  dem  Verbrauch  und  mit  dem 
Bedürfnis  nicht  parallel;   er  beträgt,  je  nach  Art  und  Individuum,  zwischen  30  und 
ßO^/o  und  schwankt  auch,  je  nach  Jahreszeit,  bei  der  gleichen  Holzart  und  dem  gleichen 
Individuum  innerhalb  viel  engerer  Grenzen.     Die  Transpiration  wird  begünstigt  durch 
grosse  Blattfläche,  dünne  Cuticula,  zahlreiche  Spaltöffnungen,  ferner  durch  Trockenheit 
und  Wärme  der  Luft  und  ganz  besonders  durch  den  Wind;   die  starke  Begünstigung 
der  Transpiration  durch  das  Licht  wird  durch  den  Einfluss  desselben  auf  die  Blatt- 
struktur nahezu  wieder  aufgehoben.    Die  Transpiration  wird  herabgesetzt  durch  kleine 
Blattfläche,  dicke  Cuticula,  benetzbare  Oberfläche,  spärliche,  namentlich  vertieft  liegende 
Spaltöffnungen,   durch  Kälte  der  Luft   wie  des  Bodens  und  namentlich  durch  hohen 
Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft.    Der  Wasserverbrauch  hängt  indessen  nicht  nur  von  den 
die  Verdunstung  begünstigenden  und  hemmenden  Faktoren,  sondern  auch  von  der  Was- 
serzufuhr ab,   indem  bei  reichlicher  Wasserzufuhr  sehr  viel  reichlichere  Transpiration 
stattfindet  als  bei  spärlicher,   was  die  Regulierung  des  Wasserverbrauchs  durch  die 
Schliesszellen  der  Spaltöffnungen,  die  hier  allein  in  Frage  kommen  kann,  in  schönster 
Weise  illustriert.    Die  Transpiration  der  Nadelhölzer  verhält  sich  z u  d e r 
der  Laubhölzer  etwa  wie  1 :  10  bei  spärlicher ,   wie  1 : 6  oder  7  bei  reichlicher 
Wasserzufuhr.    Zur  Bildung  von   100  gr  lufttrockener  Blattsubstanz  verbraucht  nach 
den  eingehenden  Untersuchungen  von  v.  Höhneis  ^)  in  runden  Zahlen  (als  Durchschnitts- 
zahl von  3  Vegetationsperioden)  Lärche  und  Linde  ca.  100,  Esche  85,  Birke  81,  Rot- 
buche 75,  Hainbuche  73,  Ulme  66,  Bergahom  58,   Stiel-  und  Traubeneiche  54,   Spitz- 
ahorn 53,  Fichte  13^/2,  Kiefer  9V2,  Tanne  7  und  Schwarzkiefer  67:^  Liter  Wasser.  Mit 
den  Erfahrungen  der  Praxis,  den  Ansprüchen  der  einzelnen  Holzarten  an  Bodenfeuch- 
tigkeit,  stimmen  diese  Versuchszahlen  nicht  durchweg,  weil  hier  noch  die  flache  oder 
tiefe  Bewurzelung  als  sehr  wesentliches  Moment  zu  berücksichtigen  ist  und  darum  die 
i^ehr  flach  wurzelnde,   nur  die  obersten  Bodenschichten  ausnützende  Fichte  hinsichtlich 
der  Feuchtigkeitsansprüche  vor  der  tiefer  wurzelnden  Eiche  rangiert.    Die  absoluten 
Transpirationsmengen  mögen  gleichfalls  an  einem  Beispiel  von  Höhnel  erläutert  werden. 
Eine  grosse  freistehende  Birke,  deren  Krone  ca.  30  OM.  beschattete  und  200000  Blätter 
trug,  mit  einem  Frischgewicht  von  21,4  Kilo  (=  rund  11  Kilo  Trockengewicht),  ver- 
dunstet an  einem  sehr  heissen  Tage  300 — 400  Liter,   an   einem  Regentage  vielleicht 
nur  8 — 10,  im  Durchschnitt  60 — 70  Liter  pro  Tag,  in  der  g  a  n  z  e  n  Vegetationsperiode 
rund  9000  Liter.    Ein  Hektar  115jähriger  Buchenhochwald   verdunstet  täglich  25000 
bis  30000  Liter. 

4.  Die  Aneignung  des  Kohlenstoffs.    (Die  Assimilation.) 

§  23.     Der  gesamte  Kohlenstoif  der  grünen  Pflanzen,   der  in  einem  Baumstamm 


7)  V.  Höhnel,  lieber  die  Transpiration  der  forstl.  Holzgewächse.  Aus  den  Mitt. 
aus  d.  forstl.  Versuchsw.  Oesterreichs  Bd.  H.  Heft  1  u.  3.  1879  u.  1880.  44  u.  24  p.  4<>; 
Dere.,  üeber  d.  Wasserbedürfnis  d.  Wälder  (Centralb.  f.  d.  ges.  Forstw.  1884.  p.  387—409). 


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236  IIL  Klein,  Forstbotanik. 

nngefähr  die  Hälfte  des  Trockengewichtes  ausmacht,  stammt  ansschliesslich  von  dem 
Kohlensäuregehalt  der  Luft  ab,  der  relativ  zwar  sehr  gering  ist  (0,033^/o),  der  aber 
vermöge  der  Diffusionsgeschwindigkeit  der  Gase  in  der  Umgebung  der  assimilierenden 
Organe  sofort  nach  Verbrauch  wieder  ersetzt  wird.  Die  absolute  Menge  des  Kohlen- 
stoffs in  der  Atmosphäre  ist  eine  sehr  beträchtliche;  man  hat  den  Kohlensäuregehalt 
derselben  auf  ca.  3000  Billionen  Kilo  berechnet,  was  ca.  800  Billionen  Kilo  Kohlen- 
stoff entspricht.  Die  Assimilation,  die  Synthese  von  Kohlehydraten  aus  Kohlensäure 
und  Wasser,  ist  ein  der  Atmung  direkt  entgegengesetzter,  in  seinen  Details  noch  nicht 
aufgeklärter  physiologischer  Prozess,  bei  welchem  das  Volumen  des  frei  werdenden 
Sauerstoffs  demjenigen  der  zerlegten  Kohlensäure  gleich  ist.  Die  Spaltung  der  Kohlen- 
säure findet  nur  in  den  grünen  Zellen  und  nur  bei  Gegenwart  von 
Licht  statt;  die  rotgelbe  Hälfte  des  Spektrums  ist  dabei  weitaus  am  wirksamsten. 
Als  erstes  sichtbares  Assimilationsprodukt  wird  Stärke  in  den  Cklorophyllkör- 
nem  gebildet,  der  aber  wohl  zweifelsohne  einfachere  chemische  Verbindungen  voraus- 
gehen. Die  Chlorophyllkönier  sind  die  Organe  des  lebenden  Protoplasmas,  welche  ohne 
merkliche  Abnutzung  unter  Benutzung  der  Energie  der  Sonnenstrahlen  diese  Synthese 
vermitteln.  Die  ansehnliche  chemische  Arbeit,  welche  hierbei  geleistet  wird,  wird  in 
Form  von  chemischen  Spannkräften  in  den  erzeugten  Kohlehydraten  aufgespeichert. 
Die  äusseren  Bedingungen  der  Assimilation  sind :  Licht,  Wärme  und  genügende  Zufahr 
von  Wasser  und  mineralischen  Nährstoffen,  die  innem :  ausgiebige  Ableitung  der  Assi- 
milate.  Die  gleichen  Blattflächen  bilden  bei  verschiedenen  Holzarten  und  selbst  bei 
verschiedenen  Individuen  der  gleichen  Art  unter  gleichen  Bedingungen  ungleiche  Mengen 
von  Assimilationsprodukten  (spezifische  Assimilationsenergie).  Die  Ur- 
sachen der  letzteren  liegen  teils  in  der  Zahl  und  Grösse  der  Chlorophyllkörner  in  der 
Zelle,  teils  in  der  reichlicheren  oder  spärlicheren  Entwickelung  des  Durchlüftungssystems 
(Intercellularräume),  jedenfalls  aber  auch  in  der  energischeren  oder  minder  energischen 
Tätigkeit  der  Chlorophyllkörner  selbst,  die  wieder  in  engster  Beziehung  zu  der  spezi- 
fischen Struktur  des  Protoplasmas  steht. 

Der  Lichtgenuss  des  einzelnen  Blattes  hängt  sehr  von  seiner  Stellung  gegen 
das  einfallende  Licht,  von  der  Stellung  des  Blattes  in  der  Baumkrone  und  von  der 
Lichtstellung  des  ganzen  Baumes  ab  (Freistand,  Randstand  oder  geschlossener  Stand). 
Im  Innem  der  Krone  einer  Buche  im  Buchenwald  beträgt  nach  Wiesner®)  der  tatsäch- 
liche Lichtgenuss  eines  Blattes  nur  V^«  des  gesamten  Tageslichts  an  der  Peripherie 
und  er  kann  selbst  bis  V^oo  herabgehen.  Dazu  kommt  noch  der  Lichtverlust  durch 
Reflexion  an  der  Blattoberfläche.  In  dichtbelaubten  Bäumen  ist  die  Lichtintensität  im 
Innern  der  Krone  um  Mittag  am  geringsten,  weil  da  die  transversal-heliotropisch  ge- 
stellten Blätter  das  meiste  Licht  zurückhalten.  Das  Licht,  welches  ins  Innere  der 
Krone  gelangt,  ist  zum  grössten  Teile  nicht  durch  die  Blätter  hindurchgegangen,  son- 
dern durch  die  Lücken  zwischen  denselben;  nur  deshalb  vermögen  die  Blätter  im  In- 
nern der  Krone  überhaupt  noch  zu  assimilieren,  weil  Licht,  auch  wenn  es  nur  ein  ein- 
ziges Blatt  passiert  hat,  für  die  Assimilationsarbeit  zu  sehr  abgeschwächt  ist.  Bei 
derartigen  Verhältnissen  sind  unsere  Bäume  auf  mehr  oder  weniger  abgeschwächtes, 
namentlich  auf  diffuses  Licht  abgestimmt.  Solche  Bäume,  welche  nur  bei  stärkerem 
Lichtgenusse  gut  gedeihen  und  sehr  empfindlich  gegen  seitliche  Beschattung  (Seiten- 
druck) und  Beschattung  von  oben  (Ueberschirmung)  sind  (Lärche,  Kiefer,  Birke,  Aspe, 
Erle,  Esche),  nennt  man  Lichtholzarten,  solche,  die  starke  Beschattung  ertragen 

8)  W  i  e  8  n  e  r ,  Der  Lichtwuchs  der  Holzgewächse  (Centralb.  f.  d.  ges.  Forstw.  1897. 
14  p.  8°). 


Die  Arbeitsleistungen  des  Baumes.     §  24.  237 

(vor  allem  Buche  ond  Tanne,  einigermassen  auch  Fichte,  Weissbuche  und  Linde) 
Schattenholzarten.  Je  günstiger  übrigens  die  Standorts-  und  Bodenverhältnisse 
sind,  desto  höher  ist  im  allgemeinen  auch  das  Schattenerträgnis  der  einzelnen  Holzarten 
und  umgekehrt.  Wenn  der  bessere  Standort  bei  gleichen  Beleuchtungsverhältnissen 
mehr  Holzmasse  produziert  als  der  geringere,  so  hat  dies  nach  Th.  Hartig  seinen  Grund 
darin,  dass  auf  letzterem  die  Blätter  mangels  genügender  Nährsalzzufnhr  nicht  mit 
voller  Energie  arbeiten. 

5.  StofiTwandlungen  und  Stoffwanderungen. 

§  24.  Die  Ableitung  der  Assimilate  aus  den  Blättern,  wobei  die  Stärke,  um  dif- 
fusionsfähig zu  werden,  stets  in  Zucker  verwandelt  wird,  und  dieser,  um  die  Diffusion 
im  Gange  zu  erhalten,  vorübergehend  in  den  aufnehmenden  Zellen  wieder  zu  Stärke 
wird  (Wanderstärke),  ward  durch  Wärme  sehr  begünstigt ;  an  sehr  heissen  Tagen  kann 
es  darum  gelegentlich  überhaupt  nicht  zur  normalen  Stärkeanhäufung  in  den  Blättern 
kommen.    In  der  Nacht  entleeren  sich  die  Blätter  völlig  von  Stärke.    Wahrscheinlich 
werden  aus  den  assimilierten  Kohlehydraten  und  den  aufgenommenen  Nährsalzen  schon 
in  den  Blättern  Eiweissverbindungen  und  andere  organische  Substanzen  gebildet,   die 
übrigens  ihrer  Entstehung  nach  vom  Lichte  unabhängig,  zum  Teü  auch  in  den  Wurzel- 
zellen, in  der  Binde  und  im  Cambium  gebildet  werden  können,  wie  denn  von  den  grünen 
Rindenzellen  selbstverständlich  auch  assimiliert  wird.    Die  Eiweisskörper  müssen,  um 
wasserlöslich  und  diffusionsfähig  zu  werden,  in  Amide  umgewandelt  werden ;  nur  in  den 
Siebröhren  können  die  Eiweisskörper  als   solche  wandern.    Durch  die  Siebteile  der 
Blattnerven  wandern  die  Assimilate  und  Eiweisskörper  in  die  Kinde  und  hier  ab- 
wärts bis  zu  den  Wurzeln ,   um  diesen  und  dem  Cambium  die  nötigen  organischen 
Baustoffe  zu  liefern.    Den  Beweis  für  diese  Abwärtswanderung  in  der  Rinde  liefern 
Ringelungsversuche,  bei  welchen  an  geringelten  Stämmchen  unterhalb  der  Ringelungs- 
st^lle,    die   die  abwärtswandernden  Assimilate  nicht  überschreiten  können,  jegliches 
Dickenwachstum  unterbleibt,   während  es  oberhalb  derselben,   wo  sie  sich  stauen,  um 
so  kräftiger  einsetzt.    Von  diesen,  den  Längsachsen  der  Organe  parallelen  Hauptbahnen 
dieser  Stoffwanderung,   gehen  überall   an  der  Rinde  Nebenbahnen   senkrecht  ab  (die 
Markstrahlen),  welche  die  Baustoffe  dem  Cambium  und  dem  Holze  zuführen.    Was  für 
Atmung  und  Wachstum  nicht  verbraucht  wird,  speichern  die  lebenden  Zellen  der  Rinde, 
die  Markstrahlen  und  Holzparenchymzellen  in  Zweigen,   Stamm  und  Wurzel  als  Re- 
servestoffe für  späteren  Bedarf  auf.  Das  Mark  selbst  ist  bei  unseren  Holzgewächsen 
gewöhnlich  stärkefrei,  während  die  lebenden  Elemente  von  Holz  und  Rinde  im  Herbste 
vollgestopft  von  Stärke  zu  sein  pflegen  (ausgereiftes  Holz!)  Aber  schon  im  Spät- 
herbst findet  in  der  Rinde  eine  Auflösung  der  Stärke  und  Umwandlung  in  Zucker,  zum 
Teil  auch  eine  Auswanderung  in  das  Holz  statt,   während,   wie  schon  früher  erwähnt, 
die  Stärke  im  Holze  vieler  Weichhölzer  vor  Eintritt  des  Winters  in  fettes  Oel   ver- 
wandelt wird.    Im  Frühjahr,  schon  ca.  Anfang  März,  wird  die  Stärke  wieder  regene- 
riert,  dann  in  Zucker  umgewandelt  und  gelangt  als  solcher  mit  anderen  löslichen  or- 
ganischen Substanzen  in  die  eigentlichen  Wasserbahnen  des  Holzes,   die  Gefässe  und 
Tracheiden  (Blutungssaft),  um  rasch  nach  den  Verbrauchsorten  aufwärts  ge- 
schafft zu  werden  und   (im  April  und  Mai)  das  Baumaterial  für  das  Austreiben  der 
Knospen  zu  liefern.    Der  grösste  Teil  der  Reservestoffe  im  Holze  wird  übrigens  für 
die  Samenbildung  aufgespeichert ;  so  sind  bei  der  Eiche  die  lebenden  Zellen  des  Splints 
voll  von  Stärke,  desgleichen  bei  der  Rotbuche  die  20  äussersten  Jahresringe  und  dann, 
mit  abnehmendem  Reservestoffgehalt,  noch  ca.  30  weitere  Ringe.    Nur  die  Stärke  der 


238  m.  Klein,  Forstbotanik. 

beiden  äussersten  Ringe  erfährt  beim  Austreiben  der  Triebe  und  Blätter  eine  Vermin- 
derung, die  aber  schon  im  Herbste  wieder  ausgeglichen  ist.  Ein  volles  Samenjahr 
verbraucht  die  ganzen  im  Holze  der  Buche  aufgespeicherten  Reservestoffe  bis  auf  Spa- 
ren und  Hartig  macht  die  mehr  oder  weniger  häutige  Wiederkehr  der  Samenjahre  bei 
der  gleichen  wie  bei  verschiedenen  Holzarten  von  der  Schnelligkeit  abhängig,  mit  wel- 
cher sich  die  Reservestoff behälter  wieder  füllen. 

Die  ziemlich  allgemein  verbreitete  Ansicht  von  der  herbstlichen  Entlee- 
rung der  Blätter,  der  Auswanderung  von  Kali  und  Phosphorsäure ,  der  wert- 
vollsten Aschenbestandteile  kurz  vor  dem  Laubfall,  ist  irrig  und  beruhte,  wie  Wehmer 
gezeigt  hat,  auf  einer  falschen  Auslegung  der  Aschenanalysen.  Es  wurde  nämlich  eine 
solche  Auswanderung  aus  der  Abnahme  des  Prozentgehaltes  der  Reinascfae 
an  Kali  und  Phosphorsäure  im  Oktober  und  namentlich  im  November  herausgelesen, 
während  der  absolute  Gehalt  von  1000  Blättern  an  Kali  und  Phosphorsänre,  der 
hier  allein  massgebend  sein  kann,  unter  Berücksichtigung  der  Auslaugung,  welche  das 
abgestorbene  Blatt  schon  am  Baume  und  noch  mehr  nach  dem  Laubfall  durch  Regen 
und  Tau  erfährt,  keine  nennenswerte  Abnahme  aufweist. 

6.  Das  Wachstum. 

§  25.  Die  3  Phasen  des  Wachstums:  embryonales  Wachstum  (und  Organbildung), 
Streckung  und  innere  Ausbildung  sind,  ebenso  wie  das  sekundäre  Dicken  Wachstum,  der 
Hauptsache  nach  schon  in  früheren  Paragraphen  erledigt  worden.  Nur  bezüglich  der 
Neubildung  von  Organen  sei  hier  noch  kurz  auf  die  Adventivbildungen  einge- 
gangen, die  namentlich  aus  üeberwallungswülsten  (bei  Stecklinge  und  Stockausschlag) 
sowie  aus  verletzten  und  unverletzten  Wurzeln  (Wurzelbrut)  entstehen  können.  Bei 
solchen  Neubildungen  zeigt  sich  eine  Korrelation,  d.  h.  eine  gegenseitige  Beziehung 
der  Organe  im  gestaltenden  Wachstum,  indem  vorzugsweise  solche  Organe  gebildet 
werden,  w^elche  verloren  gegangen  sind  oder  welche,  wie  die  assimilierenden  Sprosse, 
für  weitstreichende  und  namentlich  für  verletzte  Wurzeln  gefährdet  erscheinen.  Zu- 
gleich zeigt  sich  bei  der  Anlage  dieser  neuen  Organe  auch  eine  innere  Polarität 
des  Mutterorgans ,  die  von  Sachs,  Vöchting  und  Göbel  studiert  wurde.  Wir  können 
nämlich  an  jedem  Steckling,  an  jedem  Wurzelstück  einen  Spross-  und  einen  Wurzelpol 
unterscheiden.  Bei  Stecklingen  entstehen  stets  am  morphologisch  oberen  (vorderen) 
Ende  Sprosse,  am  unteren  Wurzeln,  bei  Wurzeln  umgekehrt  am  hinteren  dem  Mutter- 
organ zugewendeten  Ende  Sprosse,  an  dem  der  Wurzelspitze  zugewendeten  aber  Wur- 
zeln. Verkehrt  eingesteckte  Stecklinge  wachsen  nicht  oder  nur  schlecht  an.  Ebenso 
sind  bei  Veredelungen  nur  ungleiche  Pole  zu  normaler  Vereinigung  zu  bringen.  In 
ähnlicher  Weise  existiert  bezüglich  radialer  und  tangentialer  Richtung  auch  eine  seit- 
liche Polarität. 

In  jeder  Pflanze  wird  erheblich  mehr  organische  Substanz  produziert,  als  zum 
Wachstum  Verwendung  findet,  weil  bei  der  Atmung  ein  Teil  derselben  ja  wieder  zer- 
stört wird.  Das  Wachstum  ist  nach  Schnelligkeit,  nach  Dauer  und  nach 
Wuchs richtung  von  inneren  wie  von  äusseren  Faktoren  abhängig,  unter  letzteren 
namentlich  von  genügender  Wasser-  und  Nahrungszufuhr,  von  Gegenwart  von  Sauer- 
stoff (Atmung),  von  Schwerkraft,  Licht,  Wärme,  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit.  Die 
Dauer  des  Wachstums  ist  aus  inneren  Ursachen  entweder  begrenzt :  Blätter,  Blüten, 
Kurztriebe  oder  (theoretisch)  unbegrenzt:  bei  den  meisten  Langtrieben.  Die  Schnel- 
ligkeit des  Wachstums  ist  nach  Art  und  Individuum  verschieden  (spezifische 
und  individuelle  Wachstumsenergie.)   Nach  dem  zeitlichen  V e rlanf 


Die  Arbeitsleistangen  des  Baumes.     §  26.  239 

des  Wachstums  unterscheidet  man  eine  grosse  Wachstumsperiode,  bei  welcher 
unter  gleichen  äusseren  Bedingungen  die  Wachstumsgrösse  mit  kleinem  Zuwachs  be- 
ginnt, bis  zu  einem  Maximum  anschwillt  und  dann  allmählich  bis  auf  0  sinkt  und  eine 
kleine  oder  tägliche  Wachstumsperiode,  welche  unter  dem  Einflüsse  der 
sich  ändernden  äusseren  Bedingungen  auftritt. 

Bei  jedem  Baume  haben  wir  eine  grossePeriode  desLängen-  und  des 
Dicken- (Flächen-) Wachstums  zu  unterscheiden.  Im  Wesen  der  grossen  Pe- 
riode liegt  es,  dass  die  Wachstumsenergie  sich  mit  dem  Alter  eines  Individuums  ändert; 
auch  verlauft  die  grosse  Periode  im  Stamm  anders  als  in  den  Seitenlisten.  Die  Wachs- 
tumsenergie ist  in  der  Jugend  bei  allen  Holzarten  im  Leittrieb  grösser  als  in  den 
Seitenzweigen.  Das  kann  dauernd  so  bleiben  (Fichte) ;  es  kann  später  die  Wachstums- 
energie des  Leittriebs  rascher  abnehmen  als  diejenige  der  Aeste,  so  dass  beide  annähernd 
gleich  werden,  wie  bei  der  ca.  100 — 120  Jahre  alten  Kiefer,  deren  Krone  sich  schirm- 
förmig abwölbt,  sowie  bei  vielen  Laubhölzem ;  es  kann  aber  auch  die  Wachstumsenergie 
der  obersten  Seitenzweige  schliesslich  grösser  werden  als  die  des  Leittriebs  (Storchen- 
nest bei  der  alten  Weisstanne).  Ebenso  existiert  hier  zweifellos  eine  Korrelation  der 
Organe  und  Störung  dieser  Korrelation  wie  z.  B.  Entfernung  des  Gipfels  einer  Coni- 
fere  ändert  die  Wachstumsenergie  und  Wuchsrichtung  der  obersten  Aeste  (Kandelaber- 
baum). Bei  gleichen  Standorts  Verhältnissen  erreichen  die  meisten  Holzarten  (besonders 
auifaUend  die  Kiefer  und  Buche)  im  Schlüsse  eine  beträchtlichere  Höhe  als  im  Freistand, 
obwohl  sie  hier  reichlicher  assimiliert,  was  auf  eine  Beeinflussung  des  Höhenwuchses 
durch  Korrelationen  und  durch  äussere  Faktoren  (Wind,  Luftfeuchtigkeit)  hinweist. 
Die  Steigerung  des  Flächenzuwachses  steht  nach  Frank  Schwarz  bei  der  Kiefer  mit 
der  Energie  des  Längenwachstums  insofern  in  einem  gewissen  Zusammenhang,  als  die 
rascheste  Zunahme  bei  beiden  zeitlich  zusammenfällt,  so  dass  wohl  die  gleichen  Fak- 
toren, welche  das  Längenwachstum  beeinflussen,  auch  für  die  Steigerung  des  Dicken- 
wachstums von  Einfluss  sind.  Der  Massenzuwachs  erreicht  dagegen,  unterdrückte  Bäume 
ausgenommen,  sein  Maximum  viel  später  als  der  Höhenwuchs. 

7.  Die  Reizbewegungen. 

§  26.  Alle  Organe  des  Baumes  hängen  an  ihrer  Basis  mit  anderen  Pflanzen- 
organen zusammen  und  die  Bewegungen,  welche  sie  etwa  ausführen,  können  darum  nur 
Krümmungsbewegungen  sein.  Die  Wuchsrichtung,  welche  die  jungen  Organe  einschlagen, 
die  Stellung,  welche  sie  im  fertigen  Zustande  einnehmen,  ist  keine  zufällige,  sondern 
eine  fast  stets  von  äusseren  Faktoren,  die  als  Reize  wirken,  abhängige.  Dies  setzt 
aber  eine  reizbare  Struktur  des  Protoplasmas  voraus,  die  wir  uns  gleichfalls  als  eine 
polare  vorstellen  müssen.  Es  handelt  sich  hier  um  keine  einfache  Abhängigkeit  von 
äusseren  Kräften,  sondern  die  Reizwirkung  besteht  nur  in  der  Auslösung  bestimm- 
ter Wachstumsvorgänge,  wobei  verschiedene  Organe  unter  dem  Einfluss  der  gleichen 
Kraft  ganz  verschiedene  Stellungen  einnehmen,  was  man  Anisotropie  nennt,  bei 
welcher  sich  die  gleichen  Korrelationen,  die  wir  im  vorigen  Paragraphen  kennen  lern- 
ten, geltend  machen.  Der  Ort  der  grössten  Reizempfindlichkeit  des  Organs  kann  von 
dem  Orte  wahrnehmbarer  Reizwirkung  mehr  oder  weniger  entfernt  sein,  da  eine  Fort- 
leitung des  Reizes  von  der  Empfängnisstelle  stattfindet,  z.  B.  von  der  Wurzelspitze 
zur  Krümmungsstelle. 

Die  Reizbewegungen  bringen  die  Pflanzenorgane  in  die  pas- 
sendste Stellung  zu  ihrer  Umgebung,  z.B.  Wurzel  und  Spross  bei  keimen- 
den Samen.     „Die  Pflanze  verwendet  ihr  Gefühl  für  den  Reiz,  z.  B.  die  Schwerkraft, 


240  m.  Klein,  Forstbotanik. 


in  einer  Weise  zum  eigenen  Vorteil,  die  nur  mit  der  intelligenten  Handlung  eines 
Tieres,  nicht  aber  mit  der  Anziehung  von  Feilspähnen  durch  den  Magneten  verglicheii 
werden  kann**  (Reinke,  Theoretische  Biologie).  „In  dem  geotropischen  Verhalten  einer 
Wurzel  gibt  sich  nicht  weniger  ein  zweckmässig  handelnder  Egoismus  zu  erkennen, 
als  in  der  von  ihr  getroffenen  Auswahl  der  Nährstoffe  aus  dem  Substrat.** 

Die  Befähigung  der  Pflanzenorgane  zu  solchen  Wachstumskrümmungen  wird  je 
nach  der  Natur  des  Reizes,  von  denen  Licht  und  Schwerkraft  weitaus  die  wichtigsten 
sind,  Hello-  oder  Geotropismus  genannt.  Von  minder  wichtiger  Bedeutung  sind  Hydro-, 
Chemo-,  Aero-,  Thermotropismus  u.  a.  Stellt  sich  ein  Organ  in  die  Richtung  des 
Reizes,  so  wird  es  orthotrop  und  positiv  oder  negativ  heliotropisch  etc.  genannt,  je 
nachdem  es  nach  der  Reizquelle  zu,  oder  von  derselben  weg  wächst;  nimmt  es  eine 
schiefe  Stellung  ein,  so  heisst  es  p  1  a  g  i  o  t  r  o  p ,  z.  B.  Seitenzweige  und  Seiten  wurzeln; 
ein  Spezialfall  letzterer  Stellung  ist  die  transversale,  z.  B.  bei  unseren  meisten 
Laubblättem. 

Die  Zone  der  Streckung  ist  diejenige  Stelle,  an  welcher  die  Reizkrümmungen  am 
raschesten  und  leichtesten  ausgeführt  werden;  doch  können  sich  auch  ausgewachsene 
Organe  noch  krümmen,  wie  Blattstiele,  oder  mehrjährige  Zweige,  deren  lebendes  Cam- 
bium  reizbar  geblieben  ist.  Jedes  Organ  nimmt  unter  dem  Einfluss  des  Lichtes  nnd 
der  Schwerkraft  bei  ungehinderter  Entwicklung  diejenige  Stellung  ein,  welche  unter 
den  gegebenen  Verhältnissen  der  Ruhelage  seiner  reizbaren  Struktur  entspricht.  Jede 
Aenderung,  infolge  deren  der  Reiz  das  reizbare  Organ  in  einer  anderen  Richtung  trift^ 
als  seiner  Ruhelage  entspricht,  löst  eine  neue  Reizbewegung  aus.  Der  Verlauf  einer 
solchen  Bewegung  ist  von  der  Wachstumsenergie,  der  Reizempflndlichkeit  (Alter) 
des  Organs  und  der  Abweichung  von  der  Ruhelage  abhängig.  Wie  verwickelt  die 
Verhältnisse  der  Reizbewegung  sind,  geht  u.  a.  daraus  hervor,  dass  heliotropische 
Bewegungen  im  dunkeln  oft  noch  längere  Zeit  fortgeführt  werden  (heliotropische  Nach- 
wirkung.) 

Das  Licht  wirkt  übrigens  auch  noch  in  anderer  Weise,  wie  Wiesner  und  Jost 
gezeigt  haben,  indem  es  die  Knospen  weckt,  die  besser  beleuchteten  Zweige  fördert 
(Phototrophie)  und  so  die  Organe  vornehmlich  zur  Entwickelung  bringt,  welche 
die  vorteilhafteste  Lichtstellung  einnehmen.  Für  den  Baum  ist  darum  die  Phototrophie 
viel  wichtiger  als  der  Heliotropismus. 

Die  windenden  Stämme,  wie  Lonicera,  schlingen  mittelst  Lateralgeo- 
tropismus, der  zunächst  eine  Flanke  des  sich  streckenden  Sprossendes  reizt  und  diese 
zu  langsamerer,  die  gegenüberliegende  Seite  zu  stärkerem  Wachstum  veranlasst;  da- 
durch vrird,  da  immer  neue  Partien  des  reizbaren  Sprossendes  durch  diese  Bewegung 
in  die  reizbare  Flankenstellung  kommen,  die  Stütze  in  lockeren  Windungen  um- 
schlungen. Später  kommt  dann  negativer  Geotropismus  hinzu,  der  die  W^indungen 
aufrichtet  und  an  die  Stütze  fest  anpresst.  Das  Schlingen  der  Ranken  (x4.mpelopsis) 
und  kletternden  Blattstiele  (Clematis)  dagegen  erfolgt  durch  Berührungs- 
reiz, indem  die  junge  Ranke ,  der  junge  Blattstiel  infolge  der  Berührung  mit  einer 
rauhen  Stütze  an  der  Berührungsstelle  langsamer,  an  der  gegenüberliegenden  Seite 
rascher  wächst  und  so  die  Stütze  fest  umwindet.  Bei  der  Ranke  pflanzt  sich  der  Beiz 
auch  nach  den  älteren  Teilen  fort  und  veranlasst  deren  spiralige  Aufrollung  und  die 
Ausbildung  mechanischer,  verholzter  Gewebe. 

Die  Schlafbewegungen,  wie  sie  z.  B.  die  Blätter  der  Robinie  zeigen, 
sind  keine  Wachstumsbewegungen ,  sondern  beruhen  auf  Turgoränderungen 
in  der  oberen  und  unteren  Hälfte  der  Blattstielpolster,  für  welche  Licht  und  Dunkel- 
heit als  Reize  wirken. 


Die  allgemeinen  Bedingungen  des  Baumlebens.     §  27.  241 

IV.  Die  allgemeinen  Bedingungen  des  Baumlebens. 

§  27.    Grenilgende  Wasserversorgung  ist  ausser  hinreichen- 
der Wärme  zur  Vegetationszeit  und  geeigneten  Bodenverhält- 
nissen  die   massgebende   Bedingung   für   die  Ermöglichung   des 
Banmwuchses,  den  wir  als  die  vollkommenste  Stufe  der  j)flanzlichen  Organisation 
ansehen.   Schimper  teilt  nach  den  Einrichtungen  für  Wasseraufnahme  und  -Abgabe  die 
Pflanzen  in  drei,  natürlich  durch  Zwischenstufen  verbundene  Klassen  ein :  1.  Xerophyten 
(S^^?  =  trocken) ,    die  Bewohner  physiologisch  trockener  Standorte ,   d.  h. 
Gewächse  mit  erschwerter  Wasserversorgung,    einerlei  ob  dieselbe  durch  Trockenheit 
des  Bodens  oder  durch  Kälte,  hohen  Salzgehalt  etc.  bei  nassem  Boden  bedingt  ist  ;^die 
Struktur  solcher  Pflanzen  ist  vornehmlich  auf  eine  Verminderung  der  Wasserab- 
gabe eingerichtet ;  2.  Hygrophyten,   die  Bewohner  physiologisch  nasser 
Standorte,    welche  die  Gefahr  des  Vertrocknens  ausschliessen ;   bei  diesen  Gewächsen 
finden  wir  Eimichtungen,  welche  die  Wasserabgabe  begünstigen  und  3.  Tropo- 
p  h  y  t  e  n  {xQon^  =z  Wechsel),  deren  Existenzbedingungen,  je  nach  Jahreszeit,  diejenigen 
der  Xerophyten  oder  die  der  Hygrophyten  sind.    Die  Mehrzahl  unserer  Bäume,    vor 
allem  die  winterkahlen  Arten,  sind  Tropophyten,   d.  h.  in  der  Vegetationszeit  Hygro- 
phyten, während  der  winterlichen  Ruhezeit  im  entlaubten  Zustande  Xerophyten,  überall 
abgeschlossen   durch   Kork   und   dicke  Cuticula;   unsere   sommergrünen  Bäume   haben 
hygrophile  Laubblätter,  aber  xerophile  Achsen  und  Knospenschuppen.    Ein  ächter  Xe- 
rophyt  dagegen  ist  unsere  Kiefer.   Von  diesen  drei  Klassen  sind  Xerophyten  und  Tropo- 
phyten zweifellos  nachträgliche  Anpassungserscheinungen;  darum  stellen  die  Existenz- 
bedin^ngen  unserer  mitteleuropäischen  Wälder  nur  einen  Spezialfall,   freilich  den  für 
uns  wichtigsten,  des  Baumlebens  dar,  sind  aber  für  ein  tieferes  Verständnis  des  letzteren 
nicht  ausreichend.    Die  Verhältnisse,  unter  denen  die  winterkahlen  Laubhölzer  und  die 
Lärche  sowie  die  immergrünen  Coniferen  bei  uns  leben,  sind  keine  primären  mehr,  denn 
die  Geologie  lehrt  uns,   dass  der  Wechsel  der  Jahreszeiten  und  die  Sonderung  in  kli- 
matische Zonen  Erscheinungen  verhältnismässig  jungen  Datums  sind,   die  sich  erst  im 
Laufe  des  nur  ca.  3^0  der  „organischen  Erdgeschichte'*  umfassenden  Tertiärs  entwickelten. 
In  der  Zeit  von  Kreide,  Jura  und  Trias  und  noch  früher  existierten  diese  Zonenunter- 
schiede nicht ;  damals  herrschte,  nach  den  Versteinerungen  zu  schliessen  (z.  B.  Palmen 
in  Grönland!),  vom  Aequator  bis  zu  den  Polen  ein  gleichmässig  warmes  und  feuchtes 
Klima.    Mit  der  fortschreitenden  Abkühlung  der  Erde  an  den  Polen  und  der  im  Be- 
ginn des  Quartärs  eingetretenen  Eiszeit  bildeten  sich  die  klimatischen  Zonen,  mit  wel- 
chen die  für  die  heutige  Verteilung  der  Pflanzen-  und  Tierwelt  massgebenden  Wande- 
rungen und  Anpassungen  (Winterruhe,  Fixierung  des  Laubausbruchs,  der  Blütezeit  etc. 
für  bestimmte  günstige  Zeitpunkte)  verknüpft  sind.    Ursprüngliche  Verhältnisse, 
soweit  wir  heute  noch  von  solchen  sprechen  können,  finden  wir  nur  noch  in  den  Tropen 
und  zwar  speziell  im  sog.  tropischen  Kegenwalde,  wo  hohe  und  gleichmässige 
Wärme,  hohe  Lichtintensität,  sehr  reichliche  (2 — 4  m  pro  Jahr)  und  gleichmässig  ver- 
teilte Niederschläge,  grosse  Luftfeuchtigkeit,  die  sich  in  der  Nacht  und  in  den  Morgen- 
stunden der  Sättigung  nähert,  auf  fruchtbarem  Boden  eine  ungemeine  üeppigkeit  des 
Baumwuchses  entwickeln   und  das  Bild  hervorrufen,   das  man   sich  gewöhnlich  unter 
dem  Namen  „Urwald''  vorstellt,  obwohl  dieser  Begriif  jeden  ursprünglichen,  sich  selbst 
verjüngenden  und  von  Eingriffen   des  Menschen   leidlich   unberührten  Wald   umfasst. 
Der  tropische  Regenwald  ist  ein  Etagenwald,   der  sich   bei  allem  Streben  nach  dem 
Licht  durch  möglichst  weitgehende  Ausnützung  des  Raumes  auszeichnet,   in  dem  die 
Stämme  und  Aeste  bis  in  die  Zweigspitzen  mit  zahllosen  grünen  Epiphyten  besetzt 

Handbach  d.  Fontw.     2.  Aufl.    I.  16 


242  III.  Klein,  Forstbotanik. 

und  oft  förmlich  anter  denselben  versteckt  sind  nnd  alle  Bäume  durch  ein  mächtiges 
Grewin'  dünn-  und  dickstämmiger  Schlingpflanzen  (Lianen)  zusammenhängen,  in  dem, 
wenigstens  an  den  lichteren  Stellen,  der  Boden  ein  reiches  Unterholz  und  zahlreiche 
grossblätterige  Kräuter  trägt,  so  dass  der  ganze  Wald  vom  Boden  bis  zum  Gipfel 
eine  dichte  Laubmasse  bildet.  Viele  Bäume  entbehren  hier  der  festen  Blütezeit  etc. 
und  blühen  und  fruchten,  bald  reichlicher,  bald  spärlicher  das  ganze  Jahr.  Die  Zahl 
der  Gattungen  und  Arten  von  Holzpflanzen  ist  sehr  viel  grösser  und  erstreckt  sich 
über  zahlreiche  Familien,  von  denen  wir  nur  Kräuter  kennen.  Der  Wechsel  in  der  (je- 
stalt  der  meist  viel  ärmlicher  verzweigten  Baumkronen,  die  Unterschiede  in  der  Form 
und  Stärke  der  Stämme,  in  Form,  in  Grösse  und  Färbung  der  Blätter  sind  sehr  viel 
weitgehender  und  zahlreicher  als  bei  uns.  Das  Profil  eines  solchen  Waldes  ist  nicht 
eben,  sondern  zackig,  entsprechend  einer  durchschnittlichen  Baumhöhe  von  ca.  40 — 60  m, 
die  Färbung  der  Oberfläche,  von  einer  Bergspitze  gesehen,  ist  nicht  gleichmässig  wie 
bei  uns,  sondern  bietet  ein  wahres  Farbenmosaik.  Von  diesem  Bilde  üppigster  Fülle 
und  kräftigsten  Wuchses  weichen  eine  ganze  Anzahl  von  Waldformationen  ab,  die 
einer  mehr  oder  weniger  weitgehenden  Verschlechtemng  der  klimatischen  Bedingungen 
ihren  Charakter  verdanken,  grundverschieden  sowohl  unter  einander,  wie  von  unseren 
Wäldern:  so  die  Farn-,  die  Bambusa-,  die  Palmenwälder  der  Tropen,  so  der  sub- 
tropische und  temperierte  Regen wald  (in  Südchile  z.  B.  mit  nur  2 — 7®  jährlicher  Wärme), 
ferner  der  immergrüne  Nadelwald  ohne  Winterruhe,  der  subtropische  immergrüne  Laub- 
wald, ferner  die  durch  hohenSalzgehalt  des  Bodens  bedingten  Formationen,  wie 
Mangroven  Wälder  (tropische  Küsten-Sumpfwälder),  tropische  Strand  Wälder,  und  die  blatt- 
losen Halophyten  Gentralasiens ,  endlich  die  durch  trocken heisses  Klima  be- 
dingten xerophytischen  Laubwaldungen  (sommerkahl  und  regengrün :  die  tropi- 
schen Laubwälder  des  Sudans  mit  Akazien  und  Baobab  oder  die  Catingas  Brasiliens 
mit  Fassbäumen,  Säulencacteen  und  Dorngebüsch,  die  fast  6  Monate  blattlos  sind  nnd 
ihre  Stämme  z.  T.  zu  mächtigen  Wasserbehältern  ausgebildet  haben),  so  die  blattlosen 
Casuarinawälder  Ostjavas  und  der  Sundainseln  oder  die  schattenarmen,  immergrünen 
Eucalyptuswälder  Australiens  (Grasland  mit  riesigen  Bäumen,  deren  Kronen  sich  in 
der  Regel  nicht  berühren)  u.  a.  m.  Diese  kurzen  Bemerkungen  mögen  genügen,  um 
die  ausserordentliche  Verschiedenheit  der  äusseren  Bedingungen,  unter  welchen  auf 
unserer  Erde  ein  Baumwuchs  möglich  ist,  anzudeuten  und  ebenso  ist  es  bekannt,  dass 
das  winterkahle  Laubholz  und  das  immergrüne  Nadelholz  innerhalb  zum  Teil  sehr  weiter 
klimatischer  Grenzen  waldbildend  gedeiht.  Dabei  sind  freilich  auseinander  zu  halten 
die  Bedingungen,  welche  es  dem  Baumwuchs  gestatten,  das  Leben  im  Sommer  eben 
noch  zu  fristen,  womit  dem  praktischen  Forstmann  wenig  gedient  ist,  und  die  Beding- 
ungen, welche  möglichst  günstige,  d.  h.  ausgiebige  Zuwachsverhältnisse  gewähren,  was 
für  ihn  die  Hauptsache  ist,  was  von  Holzart  zu  Holzart  wechselt  und  ausserhalb  unseres 
Rahmens  fällt.  —  Bei  aller  Verschiedenheit  im  Einzelnen  sind  diesen  so  grundverschie- 
denen Klassen  von  Waldungen  doch  einzelne  Momente  gemeinsam^).  Der  Baum  be- 
findet sich  mit  seiner  assimilierenden  und  transpirierenden  Oberfläche  in  grösserer  Ent-- 
fernung  von  den  Wasservorräten  des  Bodens  als  der  Strauch  oder  das  Kraut;  er  ver- 
mag dieselben  aber  mittelst  seines,  wo  es  nötig,  sehr  tief  gehenden  Wurzelsystems 
in  viel  vollkommenerer  Weise  auszunutzen  und  braucht  darum  vor  allem  einen  beständig 
feuchten  Untergrund,  wobei  es  zwar  nicht  für  die  einzelne  Art,  aber  für  das  Baum- 
leben an  sich  gleichgiltig  ist,  ob  die  Bodenfeuchtigkeit  vom  Regen  oder  Schnee  oder 
von  irdischem  Gewässer  herrührt,  ob  die  Niederschläge  häufig  oder  selten,  ob  sie  wäh- 


9)  Weitere  Details  über  Gehölzeklima  vergl.  S  c  h  i  m  p  e  r  ,  Pflanzengeographie. 


Die  Baumgestalt  und  ihre  Ursachen.     §  28.  243 

rend  der  Vegetations-  oder  während  der  Ruheperiode  fallen.  Je  höher  die  Temperatur, 
desto  höher  das  Wasserbedürfnis ;  während  in  den  Tropen  der  hydrophile  Baum  min- 
destens 150  cm  jährliche  Regenmenge  erfordert,  begnügt  er  sich  in  kühleren  tempe- 
rierten Gebieten  mit  ca.  60  cm. 

Grosse  hygrophile  Bäume  bedürfen  im  belaubten  Zustande  einer  relativen  Luft- 
feuchtigkeit von  80**/o,  die  nur  wenige  Stunden  des  Tages  auf  60^0  sinken  darf,  wäh- 
rend Xerophyten  einige  Zeit  lang  sogar  30°/o  ertragen.  Der  Wind  bedingt  eine  mäch- 
tige Zunahme  der  Transpiration  und  trockene  und  darum  bei  Frostwetter  besonders 
stark  austrocknende  Winde  sind  es,  wie  Kihbuann  gezeigt  hat,  die  dem  Baum- 
wnchs  in  polaren  Gegenden  eine  Grenze  setzen,  ganz  ähnlich  wie  im  Hochgebirge ;  was 
jenseits  der  Baumgrenze  über  die  winterliche  Schneedecke  emporragt,  vertrocknet. 
Spezielle  Schutzvorrichtungen  gegen  Kälte  gibt  es  nicht ;  die  Widerstandsfähigkeit  sehr 
niederen  Temperaturen  gegenüber  ist  eine  spezifische  Eigenschaft  des  Plasmas  mancher 
Pflanzen.  Alles,  was  man  als  solche  Schutzeinrichtungen  gedeutet  hat,  wie  dicke  Cu- 
ticala,  Korkbildungen,  Knospenschuppen,  ist  als  Schutz  gegen  Trockenheit  aufzufassen 
und  die  kältesten  Orte  der  Erde  Jakutsk  ( —  62®  C.)  und  Werchojansk  ( —  64*^) 
liegen  —  im  sibirischen  Waldgebiet !  Sie  lehren  uns,  dass  genügende  Wärme  und  Luft- 
feuchtigkeit zur  Vegetationszeit  ein  Baumleben  ermöglichen,  gleichgiltig,  wie  tief  die 
Wintertemperaturen  sinken.  So  hat  das  eben  erwähnte  Werchojansk  folgende  mittlere 
Monatstemperaturen:  Oktober  — 18,1,  November  — 39,7,  Dezember  — 48,4,  Januar 
—  51,5,  Februar  —46,2,  März  —35,2,  April  —15,8,  Mai  —1,1  und  Juni  4-9,4, 
Juli  -|-15,6,  August  -f  9»3  ^^^  September  +0,4. 

Dem  Optimum  des  Gehölzeklimas  entspricht  der  hygrophile  Baum,  den  geringeren 
Graden  des  Gehölzeklimas  in  absteigender  Reihe  der  tropophile,  der  xerophile  und  das 
Niederholz.  Baumfeindlich  ist  in  höheren  Breiten  ein  Klima  mit  trockenem  Winter, 
in  dem  die  Transpirationsverluste  nicht  gedeckt  werden  können. 

Y;  Die  Baumgestalt  und  ihre  Ursachen, 

§  28.  Die  sehr  verschiedenen  Höhen,  welche  die  einzelnen  Baumarten  unter 
gleichen  äusseren  Verhältnissen  und  in  der  gleichen  Zeit  erreichen,  der  verschiedene 
Gang  der  grossen  Wachstumsperiode  von  Stamm  und  Aesten  bei  der  gleichen  Holzart, 
die  Grundform  und  Durchschuittsgrösse  der  einzelnen  Organe,  die  Verzweigungsweise 
und  Stärkeverhältnisse  der  Aeste  und  die  Wuchsrichtung  der  Zweige,  die  Länge  der 
Jahrestriebe,  das  Verhältnis  von  Lang-  und  Kurztrieben,  die  Blattstellung,  der  mehr  oder 
weniger  regelmässige  Aufbau  der  Krone  sind  angeborene  Eigenschaften  und  Merkmale, 
die  von  inneren  Ursachen,  von  der  spezifischen  Molekularstruktur  des  Protoplasmas 
abhängen.  Sie  bedingen  in  ihrer  Gesamtheit  das,  was  wir  als  den  Habitus  einer 
Holzart  bezeichnen,  der  natürlich  auf  den  verschiedenen  Altersstufen  unserer  Bäume 
mehr  oder  weniger  verschieden  ist.  Als  Physiognomie  der  Bäume ^®)  habe  ich 
die  Moditikation  dieser  einzelnen  Eigenschaften  durch  äussere  Kräfte  bezeichnet,  unter 
denen  Licht,  Schwerkraft,  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit,  der  Wind,  Schneedruck  und 
mancherlei  Beschädigungen  durch  Naturgewalten,  sowie  durch  Eingriffe  von  Tieren  und 
von  Menschenhand  die  Hauptrolle  spielen.  Vor  allem  ist  die  räumliche  Stellung  des 
Baumes  von  weitgehender  Bedeutung  für  die  Wirkung  der  genannten  äusseren  Faktoren, 
der  freiständige  Baum  und  der  Baum  im  Schlüsse  verhalten  sich  in  vielen 


10)  L.    Klein,   Die    Physiognomie   der   mitteleuropäischen    Waldbäume.     Karlsruhe 
1899,     26  p.  10  Tafeln  8^ 

16* 


244  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Punkten  wesentlich  verschieden.  Der  Baum  im  Freistand  ist  in  der  Regel  kurzschäfti?. 
abholzig  und  vollkronig,  der  im  Schlüsse  erwachsene  dagegen  langschäftig,  vcUholzig 
und  armkronig,  entsprechend  den  viel  günstigeren  Beleuchtungs-  und  Emährungsver- 
hältnissen  im  Freistand  und  den  ungünstigeren  im  Schlüsse,  weshalb  die  unteren  Aeste 
hier  viel  früher  und  viel  weiter  hinauf  als  im  Freistand  aus  Lichtmangel  absterben 
und  dann  von  den  Atmosphärilien  und  von  Pilzen  zerstört,  werden;  der  Baum  „reinig 
sich"  von  Aesten.  Auf  der  anderen  Seite  wird  der  Baum  im  Freistande  von  dem  Winde 
ganz  anders  in  Anspruch  genommen  und  mnss  darum  bei  seiner  hier  viel  grösseren 
Krone  auch  viel  grössere  Stärke  erhalten,  da  er,  wie  Metzger^')  gezeigt  hat,  in  allen 
Teilen  stets  als  Träger  gleichen  Widerstandes  gegen  Bruch  ausgebildet  wird.  Je 
feuchter  die  Luft,  je  günstiger  der  Uchtzutritt,  desto  weiter  reicht  die  Krone  beim 
Baume  im  Freistand  herab,  je  breiter  und  schattender  die  Krone,  desto  höher  reinigt 
sich  der  Schaft  im  allgemeinen  auch  im  Freistande  von  Aesten  unter  Berücksichtigung 
des  Lichtbedürfnisses  überhaupt  (Licht-  oder  Schattenholz).  In  der  Krone  bleibt  von 
den  zahlreichen  Jahrestrieben,  die  sich  jeweils  im  Frühjahr  aus  den  Knospen  entfalten, 
nur  ein  sehr  bescheidener  Teil  im  Laufe  der  Jahre  am  Leben,  während  die  Mehrzahl 
aus  Lichtmangel  abstirbt;  die  so  entstehende  „physiologische  Zweiganordnung '^  kann 
die  ursprüngliche  morphologische  später  völlig  verdecken.  Einseitige  Beleuchtung  ruft 
eine  stärkere  Kronenentwickelung  auf  der  Lichtseite  hervor  (Randbäume)  und  wirkt 
bei  manchen  Bäumen  auch  auf  die  Wuchsrichtung  der  Aeste,  die  sich  unter  dem 
Einflüsse  des  Hinterlichtes  sehr  viel  steiler  aufrichten,  als  unter  dem  des  viel  inten- 
siveren Vorderlichts. 

Von  weitgehendem  Einflüsse  auf  die  individuelle  Baumphysiognomie  ist  femer 
der  Wind,  insofern  er  teils  mechanisch,  teils  austrocknend  auf  die  Krone  wirkt-,  bald 
peitschend  und  sog.  „Fahnenwuchs''  i=  einseitige  Kronenentwickelung,  bald  seh ee- 
r  e  n  d  und  die  ihm  zugekehrte  Hälfte  oder ,  in  Hochlagen,  die  Gipfel  der  Krone  zer- 
störend ,  bald  drückend  und  den  Stamm  in  nachgiebigem  Boden  schief  legend. 
Spätfröste  in  Frostlöchern  und  V e r b i s s  durch  Wild  und  Weidevieh  (Ziegen, 
Rindvieh)  verändern  die  Gestalt  der  jungen  Holzpflanze  oft  von  Grund  aus  (Gaistannli, 
Kuhbuche),  indem  im  Frühjahr  oder  Winter  sämtliche  oder  fast  sämtliche  Langtriebe 
kurz  über  ihrer  Basis  abgefressen  werden,  dann  an  Stelle  jedes  Langtriebes  mehrere 
kurze  Ersatztriebe  gebildet  werden  und  die  ganze  Pflanze  so  eine  dichtbuschige  halb- 
kugelige oder  kegelförmige  Gestalt  bekommt  und  nur  ganz  langsam  an  Grösse  zunimmt 
bis,  nach  Jahrzehnten,  ein  oder  einige  Triebe  den  Tieren  aus  dem  Maule  gewachsen  sind  und 
sich  fortan  normal  weiter  entwickeln.  Beeinflusst  wird  die  individuelle  Baumgestalt  endlich 
durch  Ersatztriebe  (Sekundärwipfel),  wie  sie  namentlich  bei  Coniferen,  teils  spon- 
tan, teils  nach  Gipfel verlust  entstehen  und  die  sog.  Candelaberbäume  hervorrufen,  und 
selbstverständlich  durch  grobe  mechanische  Verletzungen  überhaupt ,  sei 
es  durch  Naturgewalten  wie  Wind  und  Schneebruch,  Schneedruck  u.  dergl.  oder  durch 
Eingriffe  des  Menschen,  wie  Aufschneiteln,  Köpfen  oder  auf  den  Stock  setzen. 

2.  Die  einzelnen  Holzarten  ^^). 

A.  Die  Nadelhölzer. 

§  29.    Unter  den  Nadelhölzern  können  nur  4  Gattungen  Picea  (Fichte),  Abies 

11)  Metzger,  Der  Wind  als  massgeb.  Faktor  f.  d.  Wachstum  der  Bäume.  Mün- 
dener  forstl.  Hefte  III.  1893,  vergl.  auch  V  und  VI.  1894. 

12)  Die  Anordnung  und  Benennung  der  einzelnen  Familien  folgt  dem  von  Engler 
verbesserten  natürlichen  System,  wie  das  z.  B.  in  Engler's  Syllabus  oder  im  Prantl-Pax'scheo 


Die  Nadelhölzer.     §  30.  245 

(Tanne),  La  rix  (Lärche)  und  Pinus  (Kiefer)  Anspruch  auf  hervorragende  forstliche 
Bedeutung  machen  und  von  den  3  ersten  derselben  jeweils  sogar  nur  eine  einzige  Art, 
während  unter  den  Kiefern  neben  der  gemeinen  Kiefer  auch  die  Schwarzkiefer  und 
die  Weymouthskiefer  solche  Ansprüche  erheben  dürfen.  Demgemäss  sollen  in  der  nach- 
folgenden Darstellung  diese  wichtigsten  Nadelholzbäume  besonders  eingehend  charak- 
terisiert werden.  Alle  andern  im  deutschen  Walde  vorkommenden  Nadelhölzer  werden 
entsprechend  ihrer  geringeren  Bedeutung  sich  mit  einer  viel  knapperen  Charakteristik 
begnügen  müssen  und  endlich  sollen  die  wesentlich  nur  in  Garten-  und  Parkanlagen 
angepflanzten  ausländischen  aber  bei  uns  einigerraassen  wdnterharten  Fichten,  Tannen 
und  Kiefern  in  allen  wichtigeren,  beziehungsweise  durch  hervorragende  Schönheit  aus- 
gezeichneten Arten,  namentlich  auch,  soweit  sie  zu  forstlichen  Anbauversuchen  herange- 
gezogen  wurden  —  aber  mit  Ausschluss  der  zahlreichen  gärtnerischen  Spielarten  — 
hier  aufgezählt  und  kurz  beschrieben  werden.  Bei  der  Beschreibung  der  einzelnen 
Arten  ist  ausser  den  systematisch  wichtigsten  Merkmalen,  welche  uns  der  Bau  der 
Zapfen  liefert,  vor  allem  auf  solche  Merkmale  vegetativer  Natur  Wert  gelegt 
worden,  welche  uns  in  den  Stand  setzen,  auch  beim  Fehlen  der  Zapfen  die  einzelne 
Art,  soweit  dies  möglich,  mit  Sicherheit  und  Leichtigkeit  zu  bestimmen.  Die  Länge 
der  Nadeln  variiert  übrigens  bei  vielen  Coniferen,  von  Varietäten  ganz  abgesehen, 
ausserordentlich  je  nach  der  Stellung  am  Baum,  dem  Alter  des  Baumes,  den  Stand- 
ortsverhältnissen und  Emährungsbedingungen  und  die  gleiche  Pflanze  trägt  oft,  je  nach 
Jahrgang,  Nadeln  von  sehr  verschiedener  Länge. 

Mit  Ausnahme  von  Taxus  gehören  alle  unsere  Nadelhölzer  der  Familie  Pi- 
n a c e a e  an,  welche  durch  den  Besitz  von  Zapfen  ausgezeichnet  ist  und  bei  uns 
durch  3  Tribus  Abietineae,  Taxodieae  und  Cupressineae  vertreten  ist. 

1.  Tribus  Abietineae. 

Nadeln,  Staub-  und  Fruchtblätter  spiralig  angeordnet;  Fruchtblätter  tief 
2teilig  (Frucht-  und  Deckschuppe)  Pollen  meist  mit  Flugblasen. 

Die  Fichten  (Picea). 

§  30.  Die  Gattung  ist  im  wesentlichen  durch  folgende  Merkmale  gekenn- 
zeichnet: Die  „Zapfen"  stehen  an  der  Spitze  vorjähriger  Zweige,  zur 
Blütezeit  aufrecht,  bald  nachher  hängend.  Nach  der  Samenreife  zerfallen  sie  nicht, 
sondern  bleiben  noch  lange  Zeit  an  den  Zweigen  hängen  und  fallen  später  als  Ganzes 
ab.  Die  Fruchtblätter  sind  flach  und  fast  bis  zur  Basis  gespalten  in  die  aussenstehende 
schmale  und  kleine  „Deckschuppe",  welche  bis  zur  Samenreife  verkümmert  und  in  die 
innen  stehende,  scharfkantige  „Fruchtschuppe",  die  zur  Reifezeit  lederig  ist.  Die  zahl- 
reichen männlichen  Blüten  stehen  zerstreut  an  vorjährigen  Zweigen,  achsel-  oder  end- 
ständig. Die  Pollensäcke  springen  mit  Längsspalt  auf.  Die  Pollenkömer  be- 
sitzen, wie  bei  den  Tannen  und  Kiefern,  seitlich  je  eine  grosse  Flugblase.  Die 
Samenreife  ist  einjährig.  Die  Samen  sind  klein,  geflügelt  und  lösen  sich  stets  ganz 
von  dem  Flügel  ab,  welcher  sie  löifelartig  deckt.  Sämtliche  Triebe  sind  Langtriebe, 
an  denen   die  mehrjährigen  Nadeln  einzeln   auf  Blatt kissen  stehen,   welche  aus 


Lehrbuche,  ausführlich  in  den  „Natürlichen  Pflanzenfamilien "  dargestellt  ist.  Von  einer 
Uebersicht  über  das  natürliche  Pflanzensystem  musste  hier  abgesehen  werden,  weil  zu  viele 
grosse  und  wichtige  Pflanzenfamilien,  wie  z.  B.  (Jräser,  Liliaccen,  Umbelliferen,  Labiaten, 
Compositen  etc.  etc.  bei  uns  überhaupt  nicht  durch  Holzpflanzen  vertreten  sind. 

Die  Einteilung   der   Laubhölzer   in    , Kätzchenträger"  und  ., kätzchenlose  Laubhölzer" 
geschah  lediglich  aus  praktischen  Rücksichten. 


246  III.  Klein,  Forstbotanik. 

dem  Rindenniveau  stark  vorspringen  und  durch  scharfe  Furchen  von  einander 
getrennt  sind.  Auf  dem  meist  rhombischen  Querschnitte  zeigen  die  Nadeln  zwei 
seitliche  Harzgänge  (beiderseits  je  einen)  (mitunter  fehlend).  Nach  dem  Ver- 
trocknen der  Zweige  fallen  sämtliche  Nadeln  ab  und  die  ent- 
nadelten Zweige  erscheinen  dann  durch  die  spiralig  angeord- 
neten, dicht  stehenden  Blattkissen  rauh  wie  eine  grobe  Feile. 
Die  einjährigen  Jahrestriebe  tragen  in  den  obersten  Blattachseln  gehäuft  kräftige 
Knospen  („Quirlknospen"),  die  im  nächsten  Jahre  kräftige  „Quirläste"  liefern,  und 
ausserdem  am  Jahres  trieb  zerstreut  in  einzelnen  Blattachseln  schwächere  Knospen 
(Zwischenknospen),  welche  zu  schwächeren  Zweigen  aus  wachsen.  —  Die  Fichten 
sind  immergrüne  Waldbäume  der  nördlich  gemässigten  Zone  der  alten  wie  der  neuen 
Welt,  ihr  Stamm  ist  stets  einheitlich,  ihr  Wuchs  streng  pyi-amidal,  ihr  Holz  (vergl 
Picea  excelsa)  führt  stets  Harzkanäle  und  das  Kernholz  ist  stets  ungefärbt. 

1.  Sektion  Eupicea:  Nadeln  4kantig,  im  Querschnitt  abgenindet  quadratisch 
oder  von  oben,  seltener  von  der  Seite  zusammengedrückt,  auf  allen  Seiten  Spaltöff- 
nungen tragend,  reife  Zapfen  abwärts  hängend. 

§31.  1.  Picea  excelsa  Link,  die  Fichte  oder  Rottanne  (franz. 
Epic6a)  ist  nicht  nur  der  forstlich  wichtigste  Nadelholz-,  sondern  der  wichtigste  deutsche 
Waldbaum  überhaupt.  Junge  Triebe  kahl  oder  spärlich  kurzhaarig,  hell  rotgelb— rot- 
braun, Knospen  kegelförmig  spitz  mit  trockenhäutigen,  harzlosen  Schuppen.  Blatt- 
kissen aufrecht  abstehend,  jederseits  mit  einer  kleinen  Beule,  herablaufender  Teü 
des  Blattkissens  lineal - parallelrandig.  Die  sehr  vielgestaltigen  Nadeln 
i.  allgem.  allseits  glänzend  dunkelgrün,  gerade  oder  etwas  gebogen,  steif,  kurz  stachel- 
spitzig stechend,  15 — 25  mm  lang,  1  mm  breit,  dicht  spiralig  bürstenförmig  nach  oben, 
an  jungen  Zweigen  auch  allseits  schief  abstehend,  meist  seitlich  zusammengedrückt,  die 
beiden  oberen  Flächen  flach,  die  unteren  mit  je  einer  Längsrinne.  Männliche 
Blüten  vor  dem  Verstäuben  erdbeerfarben,  nachher  gelb,  oft  über  die  ganze  Krone 
zerstreut,  weibliche  karminrot,  in  der  Regel  auf  den  oberen  Teil  beschränkt 
Zapfen  der  normalen  Formen  10—16  cm  lang  und  3—4  cm  dick,  vor  der  Reife 
hellgrün,  seltener  dunkelviolett.  Samen  4 — 5  mm  lang,  inkl.  des  3 mal  so  langen 
rotgelben,  glänzenden  Flügels  etwa  16  mm.  1  Kilo  entflügelten  Samens  enthalt") 
1200(X)— 150000,  im  Durchschnitt  135000  Samenkörner,  ein  Hektoliter  40-^8,  im 
Durchschnitt  44  Kilo.  Von  den  noch  mit  den  Flügeln  versehenen  Samen  gehen  105000 
bis  110000  auf  das  Kilo  und  14—18,  im  Durchschnitt  16  Kilo  auf  das  Hektoliter. 
Bei  freiem  Stande  und  unter  normalen  Verhältnissen  pflegt  die  Fichte  frühestens  ca. 
im  30.,  häuflg  auch  erst  im  50.,  im  Bestandesschlusse  hingegen  gewöhnlich  nicht  vor 
dem  60.  bis  70.  Lebensjahre^^)  Blüten  und  keimfähige  Samen  zu  erzeugen  und  damit 
in  das  Alter  der  „Mannbarkeit"  einzutreten;  auf  sehr  magerem,  dürrem,  sonnigem 
Boden  können  dagegen  schon  15jährige  Pflanzen  Zapfen  tragen,  die  aber  meist  keinen 
keimfähigen  Samen  enthalten.  Mannbare  Fichten  blühen  in  der  Regel  nur  in  jedem 
3.  oder  5.  Jahr  oder  in  noch  längeren  Pausen.  Die  Häufigkeit  solcher  „Samenjahre* 
ist  in  erster  Linie  durch  den  Standort  bedingt;  im  Grebirge  sind  die  Samenjahre  sel- 
tener, etwa  alle  7 — 8  Jahre.  Der  Beginn  der  Blütezeit  fällt  ungefähr  mit  dem  Aas- 
treiben der  neuen  Nadeln  zusammen  oder  auch  wohl  etwas  früher  und  liegt  im  all- 
gemeinen zwischen  Ende  April  (im  Süden)  und  Anfang — Mitte  Juni  (im  Norden  bezw. 
in  hohen  Lagen),  am  häufigsten  im  Mai.     Der  in  Samenjahren  überaus  reichlich  ge- 

13)  Diese,  wie  alle  ähnlichen  Angaben  bei  anderen  Bäumen  nach  Hempel  und  Wil- 
helm 1.  c,  die  Angaben  betr.  periodischer  Lebenserscheinungen  und  Alter  auch  nach  Will- 
komm.    Forstl.  Flora  2.  Aufl. 


Die  Nadelhölzer.     §  31.  247 

bildete  Blütenstaub  liegt  oft  dicht  auf  Pflanzen,  Steinen  und  Wegen  und  hat  Veran- 
lassung zu  der  Sage  vom  „Schwefelregen"  gegeben.  Die  Zapfen,  die  schon  im  August 
ausgewachsen  sind,  reifen  im  Oktober,  die  Samen  fliegen  aber  erst  aus,  wenn  die  zu- 
nächst noch  fest  zusammenschliessenden  Zapfenschuppen  sparrig  auseinanderweichen, 
was  selten  im  Spätwinter,  wenigstens  bei  uns  in  Deutschland,  geschieht.  Gewöhnlich 
bleiben  sie  den  Winter  über  geschlossen  und  öffnen  sich  erst  im  nächsten  Frühjahr, 
ein  Vorgang,  der  durch  trockene  Winde  begünstigt  wird.  Die  entleerten  Zapfen  fallen 
gewöhnlich  noch  im  gleichen  Jahre  ab.  Die  Samen  keimen,  im  Frühjahr  gesät,  4 — 5 
Wochen  nach  der  Aussaat,  die  Keimkraft  dauert  etwa  3 — 4  (7)  Jahre.  Das  Keim- 
pflänzchen^*)  trägt  einen  Quirl  von  meist  8  (5 — 10)  bogig  aufwärts  gekrümmten  Keim- 
nadeln (Cotyledonen),  welche  15 — 17  mm  lang  werden,  und  fein  zugespitzt,  dreikantig, 
ohne  Harzkanäle,  an  der  oberen,  dem  „Knöspchen"  zugewendeten  Kante  aufrecht  säge- 
zähnig  sind  und  sich  bis  ins  3.  Jahr  erhalten.  Der  1.  Jahrestrieb  über  den  Keim- 
blättern wird  ca.  2 — 3  cm  lang  und  trägt  um  ein  Drittel  kürzere,  im  Querschnitt 
stampf  rhombische  Nadeln  mit  2  kleinen  Harzgängen  in  den  Seitenkanten,  die  aussen 
mit  Sägezühnchen  besetzt  sind.  Nicht  selten  unterbleibt  die  Triebbildung  des  1.  Jahres 
gänzlich  und  das  Fflänzchen  schliesst  dann  mit  einer  deutlichen  Endknospe  oberhalb 
der  Keimblätter  ab.  Die  Nadeln  vom  3.  Jahr  haben  glatte  Ränder,  vom  4.  (gelegent- 
lich auch  3.)  Jahre  an  beginnt  die  Scheinquirlbildung  durch  starke  am  Ende  des  Jahres- 
triebs gehäufte  Knospen.  Am  Gipfeltrieb  wird  die  Endknospe  von  3 — 7  Seitenknospen 
umgeben,  welche  sich  rings  um  den  Zweig  verteilen,  aber  nicht  genau  in  gleicher  Höhe 
entspringen;  an  Seitenzweigen  stehen  gewöhnlich  nur  zwei  starke  Seitenknospen,  eine 
nach  rechts,  eine  nach  links,  von  der  Endknospe  in  der  Regel  ungleich  entfernt,  ebenso 
stehen  hier  die  Zwischenknospen,  so  dass  sich  die  Seitenzweige  zunächst  annähernd  in 
einer  Ebene  verzweigen.  Die  Zweige  erster  Ordnung  stehen  bei  der  normalen 
Form  wagrecht  oder  etwas  gesenkt,  die  Rinde  ist  hellbraun,  zuletzt  rotbraun  bis 
rötlichgrau  und  löst  sich  in  dünnen  Schuppen  ab,  die  Borke  wird  selten  stärker  als 
1  cm.  Die  Stämme  sind  schnurgerade,  säulenförmig,  nach  oben  stark  sich  verjüngend, 
und  erreichen  eine  Höhe  von  30 — (50)  m  und  bis  zu  2  m  Durchmesser.  Die  spitz 
P3'ramidale  Krone  reicht  bei  freiem  Stand  bis  zum  Boden  und  auch  im  Schlüsse  behält 
die  Fichte  ihre  Aeste  bis  weit  herab.  Die  Bewurzelung  ist  infolge  Mangels  einer 
Pfahlwurzel  flach,  ,,tellerförmig"  und  der  Baum  infolge  dessen  der  Gefahr  des 
Windwurfes  ausgesetzt.  Bei  günstigen  Standorts-  und  Ernährungsverhältnissen  bildet 
die  Fichte  im  Stangenholzalter  jeweils  zahlreiche  Zwischenknospen  am  Gipfeltrieb,  die 
sich  nicht  selten  schon  im  ersten  Sommer  zu  „Nachschossen"  entwickeln  und  bis  20  cm 
Länge  erreichen  können.  Die  Periode  des  raschesten  Höhenwuchses  (Durchschnitt 
0,3  Meter  Längenzuwachs)  fällt  unter  normalen  Verhältnissen  zwischen  das  40.  und 
100.  Jahr.  Je  nach  Standort  ist  der  Höhenwuchs  mit  70 — 120  Jahren  abgeschlossen. 
In  Kulturwäldem  überschreitet  die  Fichte  selten  ein  Alter  von  150  Jahren,  während 
sie  im  Urwald  und  vereinzelt  in  den  Alpen  mehrhundertjähriges  bis  1000  (1200)  jähriges 
Alter  erreichen  kann  bei  sehr  viel  langsamerem  Holzzuwachs.  Die  Lebensdauer  der 
Nadeln  ist  bei  der  Fichte,  wie  bei  den  Coniferen  überhaupt  sehr  von  den  Standorts- 
verhältnissen, insbesondere  von  der  Luftfeuchtigkeit  und  Luftreinheit  abhängig.  Je 
grösser  und  je  gleichmässiger  die  letzteren,  desto  länger  bleiben  die  Nadeln  am  Leben, 
unter  günstigen  Umständen  5 — 7  Jahre. 

Die  Fichte  verträgt  das  Beschneiden  gut  (in  den  Alpenländern  werden  die  Fichten 
mitunter  behufs  Streugewinnung  aufgeschneidelt !)  und  liefert  so  vorzügliches  Material 

14)  Diese  Angaben  ausserdem  nach  T  u  b  e  u  f ,  Samen,  Früchte  und  Keimlinge. 


248  III.  Klein,  Forstbotanik. 

für  lebende  Hecken  und  Zäune,  die  alljährlich  verschnitten  werden  und  später,  sich 
selbst  überlassen,  noch  zu  normalen  Bäumen  auswachsen  können. 

Das  Fichtenholz  ist  weisslich  und  in  seinem  ungeförbten  Kerne  nur  durch 
den  viel  geringeren  Wassergehalt  vom  Splintholze  verschieden.  Jahresringe  durch  das 
dunklere  Spät-(Herbst)holz  sehr  deutlich.  Mikroskopisch  ist  es  durch  seine  Mark- 
strahlen charakterisiert,  welche  zum  grösseren  Teil  einreihig,  zum  kleineren  mehrreihig 
sind;  letztere  zeigen  im  Tangentialschnitt  in  der  Regel  einen  zentralen  Hai-zgan^ 
(seltener  2),  welcher,  wie  alle  Harzgänge  der  Fichte,  von  ziemlich  kleinen  und  vor- 
wiegend dickwandigen  Zellen  umgeben  ist.  Holzparenchym  kommt,  ausser  in  der  Um- 
gebung der  Harzgänge  nicht  vor,  das  Holz  ist  ausschliesslich  aus  Tracheiden  aufgebaut, 
welche  wie  bei  den  andern  Nadelhölzern  auf  den  Radialwänden  behöft  getüpfelt  sind. 
Im  Radialschnitt  zeigen  die  Markstrahlen  eine  Zusammensetzung  aus  tracheidalen  Ele- 
menten und  Parenchymzellen  derart,  dass  die  oberen  und  unteren  Zellreihen,  mitunter 
auch  eine  der  mittleren  Reihen  aus  Tracheiden  bestehen,  welche  in  der  Gestalt  den 
Parenchymzellen  gleichen,  aber  behöft  getüpfelt  sind  und  meist  durch  mehrere  Tüpfel 
mit  den  angrenzenden  Tracheiden  kommunizieren,  während  die  meist  zahlreicheren 
Parenchymzellen  der  Markstrahlen  ringsum  einfache  Punkttüpfel  führen.  Letzteren 
entsprechen  an  den  angrenzenden  Tracheiden  kleine  Hoftüpfel  mit  schiefer,  oft  über 
den  Rand  des  Hofes  hinausgreifender  Spalte.  Die  Innenfläche  der  Markstrahl-Trachei- 
denwand  ist  nicht  selten  fein  gezähnelt.  Die  Harzgänge  des  Holzes  finden  sich  vor- 
wiegend im  Herbstholze.  Spiralige  Wandverdickungen  finden  sich  nur  in  den  Tracheiden 
des  „Rot-"  und  „Zugholzes". 

Das  Verbreitungsgebiet  der  Fichte  umfasst  die  östlichen  Pyrenäen 
bis  zum  42.^,  die  Alpen-  und  Karpathenländer ,  das  südliche,  mittlere  und  östliche 
Deutschland,  die  skandinavische  Halbinsel  bis  zum  69.®  und  einen  grossen  Teil  des 
europäischen  Russlands  mit  Finnland  und  Lappland.  Oestlich  von  Kasan  geht  sie  in 
die  sibirische  Fichte  (P.  obovata  Ledeb.)  über.  Bei  keinem  Waldbaum  ist  das  Verbrei- 
tungsgebiet durch  Kultur  so  über  die  Grenzen  des  natürlichen  Vorkommens  hinaus  er- 
weitert. In  Spanien,  Italien  und  Griechenland  fehlt  die  Fichte.  Auch  der  grösste 
Teil  Frankreichs,  die  britischen  und  dänischen  Inseln,  Belgien  und  die  Niederlande, 
Jütland,  sowie  der  westliche  und  mittlere  Teil  der  norddeutschen  Tiefebene  fallen  ausser- 
halb ihres  natürlichen  Verbreitungsbezirks.  Die  Fichte  ist  die  herrschende  Holzart 
der  deutschen  Alpen,  der  schwäbisch-bayrischen  Hochebene,  des  bayrischen  und  des 
Böhmer  Waldes,  des  Erzgebirges,  der  Sudeten,  des  Fichtelgebirges,  Thüringen^^aldes 
und  Harzes,  sie  nimmt  starken  Anteil  an  der  Bestockung  des  Schwarz walds  und  der 
Vogesen,  bildet  zu  einem  Drittel  die  Waldungen  Ostpreussens,  während  sie  im  übrigen 
norddeutschen  Flachlande  und  im  Rheingebiet  ziemlich  selten  ist. 

Die  Fichte  verlangt  zu  gutem  Gedeihen  luftfeuchte  Lagen  und  wegen  ihrer  flachen 
Bewurzelung  ständig  frischen  Boden,  an  dessen  Tiefgründigkeit  sie  keine  Anspräche 
stellt  und  ebenso  ist  sie  hinsichtlich  der  Standortsgüte  mit  Ausnahme  der  noch  genüg- 
sameren Kiefer  unser  anspruchlosestes  Nadelholz.  Sehr  bescheiden  ist  sie  auch  in  ihren 
Wärmeansprüchen;  sie  verlangt  eine  mittlere  Julitemperatur  von  mindestens  10^  und 
höchstens  19°.  Darum  findet  sie  im  Westen  und  Süden  ihres  Verbreitungsgebietes  die 
zusagendsten  Standortsverhältnisse  im  Gebirge,  in  welchem  sie  weit  höher  als  die 
Tanne  und  die  Buche  emporsteigt  (Harz  bis  1000  m,  Riesengebirge  bis  1200  m,  Schwarz- 
wald bis  1400  m,  bayrischer  Wald  bis  1500  ra,  nördliche  Kalkalpen  bis  1700  und  I80()m, 
Südtirol,  Wallis  und  Engadin  bis  2100  m).  Sie  ist  ebenfalls  eine  ausgesprochene 
Schattenholzart,  wenn  ihr  Schattenerträgnis  auch  nicht  ganz  so  gross  ist,  wie  dasjenige 
der  Tanne. 


Die  Nadelhölzer.     §  32.  249 

Kein  anderes  Nadelholz  variiert  so  stark  wie  die  Fichte,  lieber  ihre  Formen 
existiert  eine  reiche  Literatur  ^^).  Nach  dem  Zapfenbau  unterscheidet  Schröter  a)  vier 
Abarten  (Subspecies  oder  Varietäten)  der  Fichte,  „werdende  Arten,  welche  durch  meh- 
rere erbliche  Merkmale  von  den  anderen  Individuen  derselben  Art  verschieden  sind,  in 
grösserer  Zahl  in  zusammenhängender  Verbreitung  auftreten  und  mit  den  anderen  Ab- 
arten derselben  Art  durch  nicht  hybride  Uebergänge  verbunden  sind",  b)  nach  Abnor- 
mitäten des  Wuchses,  der  Rinde,  der  Nadeln  und  der  Zapfen  15  Spielarten  (lusus), 
,die  aus  der  Gesamtheit  derjenigen  Individuen  bestehen,  welche  durch  erbliche  Merkmale 
von  den  übrigen  derselben  Art  abweichen,  nur  in  kleiner  Individuenzahl  vereinzelt 
und  an  weit  getrennten  Orten  unter  den  „normalen"  auftreten  und  meist  nicht  durch 
Uebergänge  mit  denselben  verbunden  sind" ;  sie  verdanken  ihre  Entstehung  einer 
sprungweise  einsetzenden  Variation  bei  der  Aussaat  (Samenvariation)  oder  an  einer 
Knospe  (Knospenvariation);  daher  ihr  von  der  typischen  Art  oft  so  auffallend  ver- 
schiedenes Aussehen,  ihre  geringe  Individuenzahl,  ihr  isoliertes  Vorkommen  und  ihre 
durch  starke  Rückkreuzung  geringe  Vererbbarkeit.  c)  Endlich  werden  noch  14  ver- 
schiedene Wuchsfurraen  aufgeführt  und  darunter  die  Gesamtheit  derjenigen  Individuen 
verstanden,  welche  sich  durch  ein  nicht  erbliches  Merkmal  von  den  übrigen  unterschei- 
den. Dieses  Merkmal  verschwindet,  wenn  man  das  Individuum  unter  andere  Beding- 
ungen bringt  und  ebenso  bei  der  Aussaat  unter  anderen  Bedingungen. 

a)  Varietäten: 

§  32.  a  1.  Picea  excelsa  Link  var.  obovata  Ledeb.  Sibirische 
Fichte.  Früher  allgemein  für  eine  eigene  Art  gehalten,  ist  aber  mit  der  gewöhn- 
lichen Fichte,  mit  deren  Verbreitungsgebiet  das  ihrige  unmittelbar  zusammenhängt, 
durch  allmählige  Uebergänge,  die  man  als  var.  fennica  Regel  zusammenfassen  kann, 
verbunden.  Junge  Triebe  kahl  oder  schwach  behaart.  Nadeln  meist  stechend  spitzig. 
Zapfen  nur  4 — 7,5  cm  lang  mit  breit  eiförmigen  oder  fast  herzförmi- 
gen Zapfenschuppen,  die  weich  und  biegsam,  deren  oberer,  unbedeckter  Teil  stets  ge- 
wölbt und  deren  Vorderrand  stets  ganz  ist.  —  Von  Nordostskandinavien  durch  das 
nördliche  Russland  und  ganz  Nordasien  excl.  Japan  verbreitet,  überwiegt  sie  an  Massen- 
entfaltung alle  anderen  Arten  weitaus.  Durch  nahe  Verwandte  (P.  Morinda)  hat  sie 
den  fiimalaya  besiedelt  und  (P.  polita,  P.  Alcockiana)  Japan  besetzt. 

a2.  Picea  excelsa  var.  fennica  Regel.  Finnische  Fichte. 
Zapfen  grösser  als  bei  voriger,  im  Ural  5 — 9,  in  den  Alpen  — 13,  in  der  Ebene  — 19  cm 
lang.  Schuppen  verkehrt  eiförmig,  vom  mehr  oder  weniger  abgerundet,  aber  stets 
fein  gezähnelt ;  oberer  unbedeckter  Teil  der  Schuppe  flach  oder  gewölbt.  Diese  Var. 
kommt  in  zwei  Subvarietäten :  a)  m  e  d  i  o  x  i  m  a  Nylander  mit  grünen  und  ß)  a  1  p  e- 
stris  Brügger  mit  stark  bereiften  dicken  Nadeln  und  hellgrauer  Rinde  vor.  —  In 
Asien  vereinzelt,  in  Europa  häutig  in  Russland  und  Skandinavien,  zerstreut  in  Deutsch- 
land und  der  Schweiz. 

a  3.  Picea  excelsa  var.  europaea  Teplouchoff,  die  (typische) 
europäische  Fichte,  umfasst  das  Gros  der  mitteleuropäischen  Fichten  der  Ebene 
und  der  Bergregion.  Die  Zapfenschuppen  sind  rhombisch,  von  der  Mitte  oder  dem 
oberen  Drittel  an  verschmälert,  am  Ende  abgestumpft,  ausgerandet  oder  gezähnelt,  aber 


15)  Die  neueste  und  vollständigste  Arbeit  hierüber  ist  die  treffliche  Schrift  von  C. 
Schröter,  Ueber  die  Vielgestaltigkeit  der  Fichte  (Vierteljahrsschrift  der  naturforschenden 
Gesellschaft  in  Zürich,  Jahrg.  43  1898,  130  p.  mit  37  Abbildungen),  an  deren  Schluss  die 
ganze  Literatur  hierüber  zusammengestellt  ist.  Die  Variation  der  Fichte  ist  hier  nach 
Schröter  geschildert. 


250  III.  Klein,  Forstbotanik. 

nicht  plötzlich  in  eine  Spitze  wellig  vorgezogen.    Auch  hier  zwei  Snbvarietäten:  «)  ty- 
pica  mit  dunkelgrünen,  ß)  coerulea  mit  stark  bereiften  Nadeln. 

a  4.  Picea  excelsa  var.  acuminata  Beck  v.  Man.  Dorn  flehte. 
Zapfenschuppen  in  eine  lange,  ausgerandete ,  aufgebogene  Spitze  plötzlich  wellig  ver- 
schmälert. —  Häutig  in  Preussen,  sonst  selten. 

b)  Spielarten: 

Bei  der  typischen  Fichte  stehen  die  Seitenäste  erster  Ordnung  im  oberen  Teil 
des  Baumes  schief  nach  oben,  im  mittleren  horizontal,  im  unteren  mehr  oder  wenij^er 
schief  abwärts,  die  Seitenäste  zweiter  Ordnung  anfangs  horizontal,  später  schief  ab- 
wärts, zuletzt  hängen  sie,  meist  reichlich  verzweigt,  senkrecht  abwärts.  All  diese 
Merkmale  erfahren  bei  gewissen  Spielarten  eine  auffallende  Steigerung  (1 — 4.) 

b  1.  Lusus  viminalis  Caspar  i.  Hänge  flehte,  am  häutigsten  in 
Skandinavien,  sonst  äusserst  selten.  Die  Aeste  zweiter  Ordnung  zahlreich,  sehr  wenig 
verzweigt,  sehr  lang  (3—6  m),  schlaff  und  gerade  herabhängend  wie  Peitschen- 
sclmüre,  sehr  biegsam,  drehrund,  dünn.  Eine  Zwischenform  zwischen  dieser  und  der 
gewöhnlichen  Fichte  scheint  die  „Zotteltichte",  auch  „Schindeltanne"  genannt,  der  Alpen 
und  der  deutschen  Mittelgebirge  zu  sein,  die  in  den  Alpen  wie  im  Schwarzwalde  neben 
gleichalterigen  normalen  Fichten  durch  ihre  schlaff  herabhängenden,  schwächer 
verzweigten  und  etwas  längeren  Seitenzweige  zweiter  Ordnung  auffällt,  ohne  aber  den 
Typus  der  echten  Hängefichte  zu  erreichen. 

b  2.  Lusu  s  p  endula  J  acques  et  H6rincq.  Trauerfichte.  Aeus- 
serst  selten.  Die  meist  auffallend  dünnen  Haupt-  und  Nebenäste  hän- 
gen und  liegen  dem  Stamm  mehr  oder  weniger  an,  wodurch  die  meist  tief  herabreichende 
Krone  säulenförmig  wird.  Der  hängende  Zustand  der  Aeste  reicht  immer  über  die 
halbe  Höhe  des  Baumes  hinauf.  Die  jüngsten  Aeste  können  wieder  horizontal  ans- 
gebreitet  sein.  Uebergangsformen  mit  scharf  abwärts  gekrümmten  Aesten  von  nor- 
maler Dicke  und  Verzweigung  (, Beugefichten")  kommen  auch  hier  vor. 

b3.  Lusus  erecta  Schröter.  Vertikalfichte.  Die  Aeste  erster 
Ordnung  wenden  sich  vom  Grunde  an  steil  nach  oben ;  nur  einmal  in  Livland  gefunden. 
Hierher  gehören  wahrscheinlich  auch  diejenigen  Candelaberftchten ,  deren  Hauptstamm 
völlig  unverletzt  ist,  wenigstens  zum  Teil. 

Durch  Knospenverkümmerung  entstehen : 

b4.  Lusus  virgata  Caspar  i.  Schlangenfichte.  Aeste  erster  Ord- 
nung spärlich  und  meist  nicht  in  Quirlen,  gar  nicht  oder  spärlich  verzweigt.  In  Deutsch- 
land äusserst  selten,  etwas  häufiger  in  Skandinavien  und  in  der  Schweiz.  Uebergänge 
zur  Normalform  wie  zur  Hängefichte,  Tranertichte  und  astlosen  Fichte  bekannt. 

b5.  Lusus  monstrosa  London.  Astlose  Fichte  (monocaulis  Nörd- 
linger).  Maximum  der  Knospenverkümmerung;  die  ganze  Pfianze  stellt  einen  völlig 
astlosen  Spiess  dar  mit  verdickten  Stellen  an  der  Grenze  der  Jahrestriebe.  Nadehi 
bis  34  mm  und  sehr  lange  bleibend.     Nur  einige  male  gefunden. 

Trotz  ihrer  für  den  Kampf  ums  Dasein  sehr  unvorteilhaften  Organisation  können 
die  astlosen  Fichten  bei  geeigneter  Pflege  relativ  beträchtliche  Grösse  etc.  erreichen. 
Das  älteste  bekannte  Exemplar,  auf  Isola  bella  hat  —  bei  sorgsamer  Pflege  —  ein 
Alter  von  ca.  60  Jahren  und  eine  Höhe  von  7  Metern  erlangt,  mit  Jahrestrieben  von 
30—38  cm  Länge  in  den  letzten  Jahren  und  einem  Stammumfang  von  6  cm.  Die  Le- 
bensdauer der  Nadeln  beträgt  bei  dieser  unnatürlichen  Form  9 — 10  Jahre.  (Briefliche 
Mitteilung  von  Pirotta.) 

Durch  Knospenverniehrung  entstehen  die  polycladen  Formen : 


Die  Nadelhölzer.     §  32.  251 

b6.  Lusus  columnarisCarri^re.  Säulenfichte.  Krone  schmal 
cylindrisch;  an  den  kurzen,  steifen,  horizontalen  oder  wenig  abwärts  gebogenen  Aesten 
erster  Ordnung  sitzen  reichlich  verzweigte  dichte  Büsche  aus  kurzen  Trieben.  Die 
schmalcylindrische  Form  der  Krone  kommt  also  auf  ganz  andere  Weise  als  bei  der 
Tranerfichte  zustande.  Wildwachsend  nur  aus  der  Schweiz  in  6  Exemplaren  bekannt. 
Alle  zeigen  den  columnaris-Charakter  erst  in  höherem  Alter.  Die  untere  Partie  der 
Bäume  ist  normal. 

b  7.  Lusus  globosa.  Berg.  Kugelfichte,  Hexenbesen-Fichte^"). 
Die  ganze  Gipfelregion  eines  sonst  normal  gewachsenen  Baumes  bildet  einen  riesigen 
„Hexenbesen",  wobei  entweder  die  Hauptachse  erhalten  bleibt,  aber  alle  Seitenäste  sich 
in  dicht  gedrängte  Hexenbesen  umwandeln  und  der  Gipfel  einen  breiten,  niederen  Kegel 
bildet,  oder  die  Hauptachse  löst  sich  selbst  in  einen  grossen  länglich  kugeligen  Hexen- 
besen auf.  Hierher  dürften  meiner  Ansicht  nach  auch  die  gewöhnlichen  sehr  verschie- 
denai-tigen  Hexenbesen  der  Fichte  zu  stellen  sein,  die  durch  Variation  einer  Seitenknospe 
hervorgerufen  werden. 

b  8.  Lusus  nana  Carriere  (erweitert)  Zwergfichte  umfasst  die 
zahllosen  Formen  zwergiger  Fichten  unserer  Gärten  und  die  wenigen  aus  dem  Freien. 
Allen  gemeinsam  ist  die  Kürze  der  Triebe,  die  reiche,  dicht  stehende  Verzweigung  und 
die  kurzen  Nadeln.  Die  Gesamtform  zeigt  alle  Uebergänge  vom  Kriechwuchs  bis  zum 
Kegel.  Diese  Formen  wiederholen  auf  ganz  spontanem  Wege  in  ganz  auffallender 
Weise  die  Formen  der  Polster-  und  Mattenlichte  von  der  Baumgrenze  und  die  Verbiss- 
formen. 

b  9.  Lusus  strigosa  Christ.  Sparrfichte,  mit  ausserordentlich  zahl- 
reichen, nach  allen  Richtungen  abstehenden  Zweiglein,  habituell  der  Lärche  auffallend 
gleichend.    Nur  in  der  Schweiz  gefunden. 

Durch  den  Bau  der  Rinde  unterscheiden  sich; 

b  10.  Lusus  corticata  Seh.  Dickrindige  Fichte.  Lärchen- 
fichte. Rinde  bis  9  cm  dick,  längsrissig,  lärchen-  oder  kiefernähnlich,  aber  mit  dem 
mikroskopischen  Bau  der  Fichtenrinde.  In  Oesterreicb,  Deutschland  und  Schweiz  einige 
male  gefunden. 

bll.  Lusus  tuberculata  Schröter.  Zizenfichte.  Stamm  wenig- 
stens im  unteren  Teil  mit  kegel-  oder  zizenförmigen  Korkwucherangen  bedeckt,  die  bis 
3  cm  Höhe  erreichen  und  aus  abwechselnden  Schichten  von  Schwammkork  und  Phelloid 
zusammengesetzt  sind.  Aeusserst  selten;  je  zweimal  in  Oesterreich  und  in  der  Schweiz, 
einmal  in  Bayern  gefunden. 

Nach  der  Grösse  der  Nadeln  unterscheiden  sich: 

bl2.  Lusus  brevifolia  Gripps  (wahrscheinlich  identisch  mit  lusus  nana 
Carr.)  Nadeln  nur  2—5,5  mm  lang.  Niedrige  Büsche  von  90  cm  bis  1,80  m.  Schweden, 
Finnland. 

c  13.  Lusus  (oder  v  a  r.  ?)  n  i  g  r  a  L  o  u  d  o  n.  Nadelkissen  dicht  behaart, 
Nadeln  derb,  dunkelgrün,  bis  18  mm  lang  und  1,5  mm  dick,  im  Querschnitt  fast  quadratisch, 
mit  säbelförmiger  Krümmung  und  stumpfem  Ende.  Zweige  auf  der  Oberseite  bürstenförmig 
benadelt.  —  Angeblich  in  Norwegen  häufig,  Erz-  und  Riesengebirge,  wohl  auch  ander- 
wärts;  wahrscheinlich  nur  eine  üppige  Form  der  gewöhnlichen  Fichte.     Die  „Doppel- 


16)  Schröter  versieht  diese  Form  mit  einem  Fragezeichen,  weil  der  Hexenbesen 
der  Fichte  möglicherweise  durch  einen  Pilz  hervorgerufen  sein  könnte.  Eine  solche  Ursache 
konnte  hier ,  trotz  allen  Suchens  bis  dato  noch  nicht  konstatiert  werden  und  Schröter, 
wie  auch  Verf.  auf  Grund  zahlreicher  Untersuchungen,  hält  diesen  Hexenbesen  nur  für  eine 
Knospenvariation . 


252  III.  Klein,  Forstbotanik. 

tannen'*  des  Berliner  Weihnachtsmarktes,  die  früher  hierher  gestellt  wurden,  sind  nach 
Tubenf  ^^  nichts  anderes  als  die  Gipfel  älterer  Fichten ! 

Durch  die  Farbe  der  Nadeln  sind  charakterisiert : 

b  14.  Lusus  aurea  Carri^re.  Goldfichte,  mit  teilweise  goldgelben 
Nadeln.    Aeusserst  selten. 

bl5.  Lusus  variegataCarri^re.  Buntfichte,  mit  weissbnnten 
Nadeln,  wildwachsend  in  Finnland  und  Baden  gefunden. 

Durch  Abänderungen  im  Zapfenbau  ist  charakterisiert : 

bl6.  Lusus  trilobaAscherson  undGräbner,  lappenschuppige  Fichte. 
Zapfenschuppen  wenigstens  teilweise  3  lappig.  —  Harz,  Mähren,  Schweiz. 

Endlich  treten  bei  der  nordischen  wie  bei  der  gemeinen  Fichte  als  Hemmungs- 
bildungen auf  1.  Krüppelzapfen,  indem  eine  wechselnde  Anzahl  von  Zapfen- 
schuppen in  ihrer  oberen  Hälfte  mit  einem  scharfen  Winkel  nach  aussen  zurückgebrochen 
erscheint,  der  Samen  reift  normal ;  2.  „Squarros a" -Zapfen  Jacobusch  (möglicherweise 
besondere  Abart),  mit  sehr  lang  geschnäbelten,  starkwelligen  und  sparrig  abstehenden, 
weizengelben,  dünnhäutigen  Zapfenschuppen,  so  dass  diese  Zapfen  völlig  denen  der  Sitka- 
üchte  gleichen ;  3.  parasitäre  Hemmungen  an  von  Insektenlarven  angefressenen 
Zapfen,  deren  kleinere,  dünnere  und  unebenere  Schuppen  sich  nicht  öffnen  und  deren 
Samen  oft  hohl  sind. 

Als  ungenügend  bekannte  Abänderungen  betrachtet  Schröter  die 
nach  der  Farbe  der  unreifen  Zapfen  unterschiedene  rot-  und  grünzapfige  Fichte, 
von  welchen  die  grünzapfige  Fichte  sich  später  im  Jahre  entwickelt  als  die  rotzapfige 
und  viel  lockerer  gestellte  Nadeln  hat  als  die  letztere;  wahrscheinlich  haben  wir  es 
mit  einer  „Frühform"  und  einer  „Spätform"  zu  tun,  die  bei  den  meisten  Fichtenvarie- 
täten zu  finden  sein  dürften  (Saisondimorphismus.) 

c)  Wuchsformen: 

Die  hierher  gehörigen  Formen  sind  entweder  Correlationsformen,  welche 
als  Reaktion  auf  Verstümmelung  entstehen,  oder  sie  sind  als  klimatische  Rednk- 
tions formen  aufzufassen.  Durch  wiederholten  Knospen verlust ,  namentlich  durch 
Verbeissen  seitens  der  Ziegen,  entsteht  die  in  den  Alpen  überall  verbreitete,  aber  auch 
anderswo,  z.  B.  im  Schwarzwald  anzutreffende,  Verbissfichte,  das  Geistannli 
oder  Grotze  der  Aelpler,  das  40 — 60  Jahre  alt  werden  kann,  ehe  der  Gipfel  den  Tieren 
aus  dem  Maule  wächst  und  sich  dann  zum  normalen  Baume  entwickelt ;  wachsen  hier- 
bei zwei  Gipfel  aus,  so  entsteht  die  Zwillingsfichte,  drei  und  mehr,  die  Gar- 
benfichte, deren  Stämme  später  mehr  oder  weniger  miteinander  verwachsen.  Die 
Schneitelfichte  ist  eine  künstliche  Säulenform,  hervorgebracht  durch  wiederholtes 
Aufschneiteln  der  Fichten  behufs  Streugewinnung,  die  Candelaberfichte,  in 
grossen  freistehenden  Exemplaren  vielfach  auch  Wettertanne  (vgl.  auch  bei  Tanne) 
genannt,  hat  infolge  des  frühzeitigen  Aufrichtens  von  Seitenästen  erster  und  höherer 
Ordnung  mehrere  (bis  ca.  20  und  mehr)  Sekundär wipfel.  Der  fast  stets  längere  Haupt- 
wipfel kann  dabei  erhalten  oder  gebrochen  sein.  Verliert  ein  schon  erstarkter  Baum 
sein  oberes  Stammende  durch  Schneebruch,  Winddruck  u.  dergl.,  so  können  sich  an  semer 
Stelle  ältere  Aeste  als  Sekundärwipfel  aufrichten  und  bilden  dann  ebenfalls  eine  Can- 
delaberfichte. Ist  eine  Fichte  durch  Wind  oder  Schneedruck  stark  geneigt  oder  nieder- 
gelegt, aber  nicht  entwurzelt,*  so  kann  eine  ganze  Reihe  von  Seitenästen  sich  zu  Toch- 


17)  V.  Tubeuf,  Die  Doppeltanne  des  Berliner  Weihnachtsmarktes,  Illustrierte  Landw. 
Zeitung  XX.  No.  21.     Ref.  Bot.  Centralbl.  1900  Bd.  83.  p.  297. 


Die  Nadelhölzer.     §  33.  253 

terbäumen  entwickeln  (Harfe  nfl  cht  e).  Gegen  die  Baumgrenze,  im  Norden  wie  im 
Gebirge,  wird  wiederholte  Mehrwipfeligkeit ,  mit  reduziertem  Höhenwuchs  verbunden, 
besonders  an  windoffenen  Stellen  immer  häufiger  und  diese  Krüppel  formen  mit 
weit  ausgreifenden  unteren  Aesten  lassen  sich  als  Strauchfichten  (incl.  Will- 
komm^s  „Schneebruchslichte"),  zusammenfassen,  an  welche  sich,  bis  jetzt  nur  im  höch- 
sten Norden  beobachtet,  die  Polsterfichte,  mit  Stamm,  ein  meterhohes  dichtes 
Polster  bildend  und  die  stammlose ,  im  Rasen  kriechende,  aus  angewurzelten 
ausläuferartigen  Aesten  bestehende  Mattenfichte  als  Endglieder  anschliessen. 

Die  drei  zuletzt  geschilderten  Wuchsformen  verdanken  der  austrocknenden  Wir- 
kung des  Windes,  d.  h.  dem  dadurch  bedingten  Triebverlust  und  der  correlativ  dadurch 
veranlassten  Sprossvermehrung  ihre  Ausbildung.  An  der  nordischen  Baumgrenze  wie 
in  Hochlagen  entstehen  durch  Reduktion  des  Längenwachstums  infolge 
geringer  Wärmewirkung  und  Kürze  der  Vegetationsdauer  als  einwipfelige  Grenzformen 
des  hochstämmigen  Baumwuchses  die  Spitzfichte  mit  langcylindrischer,  schmaler, 
locker  beasteter  Krone,  wenn  nur  die  Seitentriebe  verkürzt  werden,  und  die  der  nor- 
malen Wuchsform  entsprechende  breitkonische  Kegelfichte,  wenn  namentlich  der 
Hauptstamm  stark  verkürzt  ist.  Bei  der  noch  baumartigen  Kegelfichte  ist  der  Stamm 
sehr  abholzig,  bis  auf  den  Boden  herab  dicht  beastet,  dicht  und  kurz  benadelt. 

Durch  die  Bodenbeschaffenheit  werden  in  ihrem  Wüchse  modifiziert  die 
Sumpf-  oder  Krumm  fichte  (forma  palustris  Berg)  und  die  Senkerfichte; 
verpflanzt  man  dieselben  in  guten  Boden,  so  verlieren  sie  ihren  abnormen  Wuchs.  Die 
in  nassen  Torfmooren  Ostpreussens  und  Livlands  vorkommende  Sumpftichte  ist  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  der  Gipfeltrieb  umgebogen  oder  hinunterwachsend  ist  und  gleich- 
zeitig auch  alle  Aeste  und  Zweige  sich  abwärts  neigen.  Bei  der  Senkerfichte  haben 
die  untersten  Aeste  Wurzel  geschlagen  und  sich  zu  Tochterbäumen  aufgerichtet.  Hieran 
kann  endlich  die  Stelzenfichte  angeschlossen  werden,  die  auf  ihren  Wurzeln  wie 
auf  Stelzen  steht  und  in  der  Regel  durch  Anflug  auf  einem  modernden  Baumstumpfe 
entsteht. 

Die  Beziehung  der  durch  die  Eigenschaften  ihres  Holzes  charakteri- 
sierten Hasel  fichte  zu  den  oben  aufgeführten  Fichtenvarietäten  ist  durchaus  unklar. 
Das  Holz  der  Haselfichte  hat  fast  gleichbreite  schmale  Jahresringe  mit  sehr  schmaler 
Spätholzschicht  und  rel.  breiter  weisser  Frühholzschicht ;  angeschlagen  oder  beim  Riesen 
gibt  der  Stamm  einen  hellen,  singenden,  lang  vibrierenden  Ton  von  sich  und  eignet 
sich  das  Haselfichtenholz  deshalb  vorzüglich  zu  Resonanzböden  musikalischer  Instrumente. 
Bei  einzelnen  Haselfichten  verlaufen  die  Jahresringe  wellig,  mit  regelmässigen  Einbuch- 
tungen (Zargenholz).  Wahrscheinlich  kommt  die  Haselfichte  überall  im  höheren  Gebirg 
vereinzelt  oder  horstweise  vor,  namentlich  unter  den  Zottelfichten. 

Die  Fichte  ist  der  einzige  europäische  Vertreter  der  Sektion  Eupicea. 
Häufiger  angepflanzt  findet  man  folgende  amerikanischen  und  asiatischen  Fichten: 

§  33.  2.  P i c e a  a  1  b a  L i n k  (P.  c a n a d e n s i s  K ö h n e).  Schimmel- 
fichte, nordamerikanische  Weissfichte.  Knospenschuppen  kahl,  junge 
Triebe  kahl,  graugrünlichweiss,  an  den  Spitzen  der  Blattkissen  oft  schwach  violett 
angehaucht.  Nadeln  dicht,  bis  20  (selten  25)  mm  lang,  im  Querschnitt  quadratisch, 
fast  stets  ohne  Harzgänge,  infolge  starker  Entwickelung  der  Spaltöffnungs- 
reihen bläulich- graugrün ,  zerrieben  aromatisch.  (Bei  besonders  aromatischen  Zweigen 
führt  ein  Teil  der  Nadeln  oft  1—2  auffallend  weite  Harzgänge.)  Zapfen  2 — 5,5  cm 
lang ,  unreif  meist  grün ,  reif  meist  hellbraun ,  schon  im  Herbste  oder  im  Laufe  des 
Winters  abfallend.  Zapfenschuppen  schwach  längs  gestreift,  matt,  mit  schmalem  glän- 
zendem Rande.     Samen  incl.   des  doppelt  bis   dreifach  so  langen  Flügels  bis  9  mm 


254  III.  Klein,  Forstbotanik. 

]ang.  Mannbarkeit  frühzeitig,  Samenproduktion  reichlich.  —  Die  Heimat  der  Schimmel- 
fichte ist  das  östliche  Nordamerika,  wo  sie  ein  sehr  verbreiteter  und  wichtiger  Wald- 
baum ist  und  nach  Mayr  an  den  nördlichen  Abdachungen  der  Rocky  mountains  bis  zu 
50  m  Höhe  erreichen  soll.  In  Europa  wurde  sie  nach  Beissner  i.  J.  1700  eingeföhrt 
und  erreicht  hier  10 — 15  (25)  m  Höhe.  Lebensdauer  der  Nadeln  bei  uns  i®)  am  Haupt- 
trieb  3Va-5V2,  meist  4V2,  an  Seitentrieben  6V2-IOV2,  meist  8V2  Jahre.  Der  Baam 
ist  bei  uns  völlig  winterhart  und  infolge  reichlicher  Anlage  von  Zwischenknospen  viel 
dichter  verzweigt  als  unsere  Fichte.  Infolge  dieser  dichten  und  tiefen  Beastung  ist  er 
besonders  als  Randbaum  frei  in  Wiesen  liegender  Waldparzellen  geeignet  und  so,  nach 
Tubeuf,  häutig  auf  der  Insel  Seeland  verwendet,  wo  er  ausserdem  den  Einfluss  von 
Salzwasser  und  Seewind  gut  verträgt  und  zur  Bindung  des  Dünensandes  sich  als  ge- 
eignet erweist.     Verbreiteter  Zierbaum  in  Gärten  und  Anlagen. 

3.  Picea  nigra  Link  (P.  Mariana  0.  Xuntze).  Nordamerikanische 
Schwarzfichte.  Knospenschuppen  sehr  lang  und  stark  behaart.  Junge  Triebe 
kurzhaarig,  gelb-rotbraun,  Nadeln  sehr  dicht,  7 — 12  mm  lang,  im  Querschnitt 
niedergedrückt,  4kantig,  dunkelgrün,  durch  die  weisslichen  Spaltöffnungsstreifen  blau- 
grün  erscheinend,  Harzgänge  2.  Zapfen  2 — 3,5  cm  lang,  unreif  dunkelviolett,  reif 
mattbraun,  harzlos;  nach  dem  Samenausfall  meist  mehrere  Jahre  am  Baume 
hängen  bleibend,  Zapfenschuppen  deutlich  längs  gestreift,  gezähnelt,  ohne  glän- 
zenden Rand.  Samen  incl.  des  doppelt  so  langen  Flügels  6  mm  lang.  Lebensdauer 
der  Nadeln  bei  uns  am  Haupttrieb  4,  an  Seitentrieben  4^/2 — 13^2,  meist  7^2— 8V2  Jahre. 
Die  Heimat  der  Schwarzftchte  ist  das  östliche  Nordamerika,  wo  sie  bis  25  m  Höhe 
erreicht.  Bei  uns  wurde  sie  ca.  1700  eingeführt,  ist  als  winterharter  Parkbaum  viel- 
fach angepflanzt  und  bleibt  meist  ziemlich  nieder. 

(NB.     Viele  als  P.  nigra  bezeichnete  Exemplare,   ebenso  wie  viele  P.  mbra,    unserer 
Anlagen  führen  diesen  Namen  mit  Unrecht  und  sind  nichts  anderes  als  P.  alba!) 

4.  Picea  rubraLink.  NordamerikanischeRotfichte,  Hudsons- 
fichte. Junge  Triebe  filzig,  rotbraun,  Nadeln  sehr  dicht,  10 — 15  mm  mit 
stechender  Knorpelspitze,  stumpf  vierkantig,  frischgrün  glänzend  (nicht  bläulich- 
grün), Harzgänge  2.  Zapfen  3 — 4  cm  lang,  jung  rötlich  violett,  reif  rotbraun  glänzend, 
mit  Harz  Übergossen,  meist  erst  im  zweiten  Jahre  abfallend.  Zapfenschuppen  leicht 
wellig  längs  gestreift,  fein  und  unregelmässig  gezähnelt.  Samen  incl.  des  2^/s — 3  mal 
so  langen  Flügels  — 11  mm  lang.  Lebensdauer  der  Nadeln  bei  uns  am  Haupttrieb  4,  an 
Seitentrieben  4^2 — IOV2,  meist  772  Jahre.  —  Wichtiger  Waldbaum  des  englischen  öst- 
lichen Nordamerikas,  wo  sie  30 — 40  m  hoch  wird.  In  Europa  1755  eingeführt  und 
ziemlich  selten,  wenigstens  echt,  in  deutschen  Gärten. 

5.  Picea  pungens.  Engelmann.  Junge  Triebe  schön  gelbbraun,  glatt,  End- 
knospen gross,  dick,  mit  breiten,  zurückgeschlagenen  Schuppen.  Nadeln  dicht,  auf 
stark  vortretenden  Blattkissen  mehr  oder  weniger  sparrig  abstehend,  seitlich  oder  vom 
Rücken  zusammengedrückt  vierkantig,  stark,  domig  gespitzt  und  stechend,  15 — 30  mm 
lang,  graugrün  bis  bläulichweiss,  Harzgänge  2.  Zapfen  8 — 10  cm  lang,  hellbraun  mit 
wellig  ausgerandeten  Schuppen.  Ihre  Heimat  ist  das  Felsengebirge  Nordamerikas,  wo 
sie  eingesprengt  im  Mischwald  bei  2000 — 2800  m  Meereshöhe  vorkommt  und  in  feuch- 
ten Tälern  bis  46  m  Höhe  erreicht.  In  Europa  erst  1863  eingeführt,  ist  der  rasch- 
wüchsige und  völlig  winterharte  Baum  in  seinen  blauweissen  Varietäten  heute  unsere 
beliebteste  und  schönste  Ziertichte  in  Gärten  und  Parks. 

6.  Picea  Engelmann i.     Engelm.     Junge  Triebe  hell  graugrünlichweiss  bis 

18j  Diese,  wie  die  folgenden  derartigen  Angaben  nach  den  bei  Eberswalde  vorgenom- 
menen Ermittelungen  v.  K.  J.  May,  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  Jagdw.  1894.  p.  648  ff. 


Die  Nadelhölzer.     §  33.  255 

braongelblich  weiss,  weich  undkurzbehaart,  Endknospen  kleiner  als  bei  voriger, 
mit  fest  anliegenden  Schuppen.  Nadeln  dicht,  auf  stark  vortretenden  Blattkissen,  vom 
Rücken  zusammengedrückt  vierkantig,  ziemlich  weich,  sehr  kurz  und  stechend  gespitzt, 
14 — 20  mm  lang,  matt  dunkelgrün  bis  bläulichweiss ,  ohne  Harzgänge.  Zapfen 
nur  4 — 6  cm  lang,  braunrot  mit  ausgefressen  gezähnelten  Schuppen.  —  Bestandbilden- 
der Gebirgswaldbaum  des  nordamerikanischen  Felsengebirges,  1863  in  Europa  einge- 
führt, beliebter  völlig  winterharter  Zierbaum,  viel  langsamer  wachsend,  aber  ca.  3  Wo- 
chen früher  austreibend  als  P.  pungens,  mit  welcher  sie  häufig  verwechselt  wird. 

7.  Picea  Breweriana  Watson,  erst  1884  im  nördlichen  Kalifornien  in  ca. 
100  zerstreut  stehenden  Bäumen  entdeckt,  erreicht  30 — 50  m  Höhe  und  ist  durch 
schlanke,  oft  (wie  bei  der  Hängefichte)  schlaff  herabhängende  lange 
Zweige  zweiter  Ordnung  ausgezeichnet  als  auifallendste  Erscheinung  unter 
allen  amerikanischen  Fichten,  die  mit  ihren  hängenden  Zweigen  an  eine  Trauerweide 
erinnert.    In  Europa  bis  jetzt  nur  in  vereinzelten  jungen  Exemplaren. 

8.  Picea  orientalisLk.  etCarr.  Morgenländische  oder  Sapin- 
dusfichte  besitzt  von  allen  Fichten  die  kleinsten  Nadeln,  die  dicklich,  rund- 
lich vierkantig,  5 — 10  mm  lang  und  glänzend  dunkelgrün  sind,  sehr  dicht  stehen  und 
die  Zweige,  zumal  auf  der  Oberseite,  dicht  decken  und  namentlich  am  Haupttrieb  der 
Zweige  angedrückt  sind.  Zapfen  5 — 8  cm  lang.  Lebensdauer  der  Nadeln  bei  uns  an 
den  Seitentrieben  57» — 77^?  meist  Vj^  Jahre.  Waldbaum  der  Gebirge  Kleinasiens, 
dort  bis  über  30  m  Höhe  erreichend  und  sehr  zähes,  dauerhaftes  und  harzreiches  Holz 
liefernd.  1837  in  Europa  eingeführt  als  Zierbaum  in  Deutschland  von  langsamem 
Wuchs,  der  meist  nur  geringe  Höhe  erreicht.  Nach  Beissner  winterhart,  nach  meinen 
eigenen  Erfahrungen  aber  nicht  in  Gegenden  mit  relativ  lufttrockenen  Wintern. 

9.  Picea  Morinda  Link.  Himalay af ichte,  Tränenfichte,  aus- 
gezeichnet durch  hängende  Zweige  und  die  hervorragende  Länge  ihrer  Nadeln,  die 
3 — 4,  selten  5  cm  lang  werden,  IV2  mm  dick,  gerade  oder  etwas  gebogen,  steif,  zu- 
sammengedrückt vierkantig,  scharf  gespitzt  und  freudig  grün  sind,  Blattkissen  wie  bei 
der  gemeinen  Fichte.  Die  mit  glashellen  Harztropfen  besetzten  Zapfen  sind  die  gröss- 
ten  aller  Fichtenzapfen,  12 — 15  cm  lang,  3 — 4  cm  dick,  dunkelbraun,  mit  ganzrandigen 
Schuppen.  Samen  incl.  des  dreimal  so  langen  Flügels  bis  20  mm  lang.  Im  nordwest- 
lichen Himalaya  waldbildend  oder  eingesprengt,  30 — 50  m  hoch.  1818  in  Europa  ein- 
geführt, eine  der  dekorativsten  Fichten,  die  aber  nur  in  ganz  milden  Lagen  unsere 
Winter  erträgt. 

11.  Picea  Schrenkiana.  Fisch,  et  Mey,  ein  hoher  im  Thian-Schan,  im 
Alataugebirge  und  in  der  dsungarisch-kirghisischen  Steppe  einheimischer  und  dort  wäl- 
derbildender Baum,  der  mit  etwas  weniger  überhängenden  Aesten  und  Zweigen  an  P. 
Morinda  erinnert.  Nadeln  20 — 38  mm  lang,  weniger  stechend,  mehr  mattgrün.  Zapfen 
bis  9,5  cm  lang.  Diese  Fichte  steht  der  P.  obovata  nahe,  von  welcher  sie  sich  nach 
Regel  durch  trockenhäutige,  ausgebreitete  Knospenschuppen,  doppelt  so  lange  Blätter, 
viel  grössere  Zapfen  und  Zapfenschuppen  und  durch  brüchiges  Holz  unterscheidet.  1880 
in  Europa  eingeführt,  ganz  winterhart,  in  Gärten  vielfach  mit  P.  obovata  verwechselt. 

12.  Picea  polita  Carr.  (P.  torano  Köhne).  Torano-  oder  Tiger- 
schwanzfichte. Junge  Triebe  kurz,  dick  und  glatt,  hell  gelbbraun.  Knospen  ei- 
förmig, dick,  glänzend  kastanienbraun,  nicht  harzig.  Nadeln  15 — 25  mm  lang,  seitlich 
zusammengedrückt,  stumpf  vierkantig,  sehr  derb  und  scharf  stechend,  all- 
seitig starr  vom  Zweige  abstehend,  auf  dicken,  horizontal  und  weit  vorstehenden  Blatt- 
kissen. An  älteren,  mehr  überhängenden  Zweigen  sind  die  Nadeln  länger,  dünner  und  den 
Zweigen  mehr  angedrückt  als   an  jungen   üppigen  Pflanzen.     Zapfen  8 — 12  cm  lang, 


256  III.  Klein,  Forstbotonik. 

3—5  cm  dick,  vor  der  Reife  gelbgrün.  Samen  incl.  des  2 — 4  mal  so  langen  Flügels 
bis  23  mm  lang.  —  In  Gebirgen  im  wärmsten  Gürtel  der  Fichtenzone  Japans  einhei- 
misch als  seltener,  eingesprengter,  20 — 30  m  Höhe  erreichender  Banm  mit  kegelförmiger 
Krone  und  kleinschuppiger  Rinde.  1861  in  Europa  eingeführt,  winterhart,  eine  eigen- 
artig schöne,  von  allen  andern  Arten  sofort  zu  unterscheidende  Fichte,  deren  derbe, 
vor  der  Entfaltung  mächtig  anschwellende  Knospen  am  spätesten  von  allen  Coniferen 
aufbrechen. 

13.  Picea  Alcockiana  Camere ^^)  =z  P.  bicolor  Mayr.  Junge  Triebe  (nach 
Mayr)  hellrot-rosafilzig,  besonders  in  den  Vertiefungen  behaart,  zulet/^t 
rotbraun.  Blattkissen  unter  dem  abstehenden  Ende  birnfurmig,  neben  demselben  jeder- 
seits  beulenformig  angeschwollen.  Nadeln  anfänglich  wie  bei  unserer  Fichte,  später 
dem  Trieb  stark  angedrückt,  ziemlich  dicht,  12 — 18  mm  lang,  steif,  mehr  oder  weniger 
gebogen,  stechend  scharf  gespitzt,  von  oben  etwas  zusammengedrückt,  vierseitig  stnmpf- 
kautig,  oberseits  durch  die  Spaltöffnungsreihen  bläulichgrün,  unterseits  dunkelgrün: 
Harzgänge  2 ;  zerrieben  unangenehm  riechend,  ähnlich  wie  P.  alba.  Weibliche 
Blüten  violett,  Zapfen  fest,  reif  braunrot,  8( — 12)  cm  lang  und  4^2  breit,  vor  dem 
Vertrocknen  bläulichrot  mit  mennigroten  Rändern  der  Schuppen.  Samen  incl.  des 
2 — 3  mal  so  langen  Flügels  14—15  mm.  —  In  den  Gebirgen  des  mittleren  Japans  im 
wärmsten  Gürtel  der  Fichtenzone  eingesprengt,  30 — 40  m  hoch,  bei  uns  ganz  winter- 
hart, in  der  Jugend  unserer  Fichte  täuschend  ähnlich,  gehört  sie  mit  bläulichgrüner 
Färbung  und  kräftigem  gedrungenem  Wüchse  zu  den  dekorativsten  Fichten,  treibt 
sehr  spät  aus  und  schliesst  trotzdem  im  Herbste  rechtzeitig  ihr  Wachstum  ab. 

14.  Picea  Glehni  Fr.  Schmidt.  Junge  Triebe  weich  haarig,  zuletzt 
rotbraun.  Blattkissen  dick,  ca.  2  mm  übergebogen  abstehend,  am  herablaufenden  TeU 
birnförmig  aufgetrieben.  Nadeln  stumpflich,  6 — 7  mm  lang,  so  breit  wie  dick,  rechtwinkelig 
abstehend,  oberseits  graugrün,  unterseits  grün,  Harzgänge  2.  Zapfen  3 — 6  cm  lang,  vor 
der  Reife  blaurot  mit  rotem  Schuppenrand,  schon  an  ganz  jungen  Pflanzen  erscheinend. 
Samen  incl.  des  doppelt  so  langen  Flügels  11  mm  lang.  —  Waldbaum  mittlerer  Grösse 
( — 30  mj  der  Inseln  Sachalin  und  Eso,  bei  uns  vor  ca.  15  Jahren  eingeführt  und  an- 
scheinend winterhart,  spät  austreibend,  langsam  wüchsig  während  der  ersten  5  Jahre. 

§34.  2.  Sektion  Omorica.  Nadeln  zweiflächig,  tannenähnlich,  auf 
der  (gegen  den  Zweig  gekehrten)  Oberseite  zwei  weisse  Spalt- 
öffnungsstreifen zeigend,  unterseits  glänzend  dunkelgrün  mit  spärlichen  Spalt- 
öffnungen. Alle  oder  nur  die  unteren  Zapfen  hängend,  die  übrigen  abstehend  oder  etwas 
aufwärts  gerichtet. 

15.  Picea  Omorica  Panßifi-  Omoricafichte^»).  Junge  Triebe  braun, 
dicht  behaart.  Blattkissen  wagrecht  abstehend.  Nadeln  8 — 14  mm  lang,  etwa  doppelt 
so  breit  wie  dick,  niedergedrückt  vierkantig,  mit  kurzer  Knorpelspitze,  an  den  wa^:- 
rechten  Zweigen  mehrreihig  zweiseitig  (gescheitelt).  2  kleine  Harzgänge ,  welche  in 
der  unteren  Nadelhälfte  nahe  den  Seitenkanten  an  der  Hautschicht  der  Nadel  liegen. 
Beim  mannbaren  Baume  sind  die  Nadeln  der  Stammtriebe  durchschnittlich  nur  1  cm 
lang,  aber  2 — 3  mm  breit,  gespitzt,  diejenigen  der  Seitentriebe  im  allgemeinen  länger, 


19)  Unter  dem  Namen  P.  Alcoquiana  Veitch  ist  nach  Beissner  im  Jahre  1861 
durch  ünzuvcrlässigkeit  der  Sammler  eine  Mischung  von  Samen  zweier  ganz  verschiedener 
Fichten  P.  Alcockiana  Carr.  und  P.  ajanensis  Fisch,  (bezw.,  nach  Mayr,  P.  hondoensis  Mayr), 
verbreitet  worden,  weshalb  sich  in  Anlagen  und  Handelsgärtnereien  zumeist  Exemplare 
der  letzteren  Art  unter  dem  Namen  der  ersteren  finden. 

20)  R.  v.  Wettstein,  Die  Omorikafichte.  Eine  monographische  Studie  iSitzungsb.  d. 
math.-natw.  Cl.  d.  Wiener  Akademie  Bd.  99.   Abt.  I  p.  503—557  mit  5  Taf.    Wien  1891. 


Die  Nadelhölzer.     §  33.  257 

bis  16  mm,  stumpfer,  oft  ohne  jede  Zuspitzung  mit  breitem  abgestutztem  Rande,  bis 
2,5  mm  breit.  Zapfen  2 — 4  cm  lang,  eiförmig,  gedrängt,  teils  aus  End-,  teils  aus 
Seitenknospen  hervorgehend,  trocken  dunkelrotbraun,  vor  der  Reife  triibviolett  mit 
dunkelrotem  Rande  der  Zapfenschuppen.  Samen  incl.  des  doppelt  so  langen  Flügels 
11  mm.  Ein  Kilo  entflügelten  Samens  enthält  nach  Wilhelm  ca.  350000  Körner.  — 
1872  wurde  der  darch  seine  schlank  kegelförmige,  beinahe  cypressenartige  Gestalt  auf- 
fallende, bis  über  40  m  Höhe  erreichende  Baum  in  Serbien  entdeckt  und  wo  er,  wie  in 
Bulgarien,  Bosnien  und  Montenegro  (?),  jetzt  nur  noch  einzeln  oder  in  Horsten  an 
schwer  zugänglichen  Stellen  in  den  Gebirgswal  düngen  auftritt.  Der  Baum  ist  hier 
früher  jedenfalls  in  grossen  Beständen  vorhanden  gewesen  und  nach  der  Vermutung 
PanJSiC's  zum  Zweck  der  Mastbaumgewinnung  von  den  Venetianern  beinahe  ausgerottet 
worden.  Die  tief  angesetzte  „pfeilförmig-pyramidale"  Krone  wird  von  sehr  zahlreichen, 
selten  über  3  cm  starken  und  nie  über  2  m  langen,  oft  bis  zur  Berührung  mit  dem 
Stamme  abwärts  geneigten,  an  der  Spitze  aufwärts  gekrümmten  Aesten  gebildet.  Stamm 
verhältnismässig  dünn,  mit  kaffeebrauner,  grossschuppiger,  leicht  sich  ablösender  Borke, 
frühe  sich  von  den  unteren  Aesten  reinigend.  Der  bei  uns  völlig  winterharte  Baum 
wächst  in  der  ersten  Jugend  langsam,  dann  aber  freudig  und  ist,  wie  die  folgenden 
Arten  dieser  Sektion,  ein  prächtiger  Zierbaum. 

16.  Picea  hondoensis  Mayr.  Junge  Triebe  kahl,  glänzend,  am  Jahres- 
schlüsse hell  gelbgrün,  im  zweiten  Jahre  hell  rotbraun.  Blattkissen  am  Gipfeltrieb 
junger  Pflanzen  mit  kurzer  dreieckiger  Spitze  vorwärts  gerichtet,  mit  dem  Alter  sich 
ganz  verlierend ,  an  der  Trieboberseite  breit  geschwollen,  mit  zwei  Rinnen. 
Nadeln  10 — 17  mm  lang,  meist  stumpflich.  Harzgänge  2,  halbwegs  zwischen  Kanten 
and  Mittellinie  der  Unterseite.  Knospen  stets  violett,  verharzt,  Zapfen  locker, 
etwas  gekrümmt,  bei  uns  meist  3,  in  Japan  nach  Mayr  — 7  cm  lang,  anfangs  rot,  vor 
der  Reife  gelblichgrün.  Samen  incl.  des  kaum  IVa  mal  längeren  Flügels  7—9  mm.  — 
Seltener  Hochgebirgsbaum  des  zentralen  Japans,  bis  30  m  hoch,  bei  uns  winterhart, 
aber  früh  austreibend;  nach  Mayr  „ohne  Wissen  der  meisten  Pflanzenzüchter,  welche 
P.  Alcockiana  zu  besitzen  glauben,  am  häuflgsten  in  Deutschland  kultivierte^. 

17.  Picea  ajanensis  Fischer.  Der  vorstehenden  Art  sehr  ähnlich.  Junge 
Triebe  kahl,  gelbgrün,  glänzend.  Blattkissen  länger  als  bei  P.  hondoensis,  horizontal 
und  sehr  abstehend,  stets  deutlich  bleibend,  rinnenlos,  stets  ungeschwollen.  Na- 
deln 10 — 20  mm  lang,  gebogen,  meist  stmnpf  gespitzt,  seltener  spitzlich.  Harzgänge  2, 
von  der  Mittellinie  der  Blattunterseite  meist  weiter  entfernt  als  von  den  Seitenkanten, 
Knospen  gelbbraun,  stets  unverharzt.  Zapfen  locker,  3 — 5  ( — 8)  cm  lang,  gerade, 
jung  purpurfarben,  reif  hellbraun.  Samen  incl.  des  2 — 3  mal  so  langen  Flügels  10  mm 
lang.  —  In  Japan  und  Ostsibirien  bestandbildender  wichtiger  Waldbaum.  1861  mit 
Samen  von  P.  Alcockiana  eingeführt  und  vielfach  unter  letzterem  Namen  verbreitet 
und  in  Gärten  kultiviert,  wo  sie  freudig  gedeiht  und  auch  schon  Zapfen  getragen  hat. 
Im  Wuchs  unserer  Fichte  ähnlich,  nur  zierlicher,  erreicht  sie  in  ihrer  Heimat  bis  60  m  Höhe. 

18.  Piceasitchensis.  TrautvetteretMeyer.  Sitka flehte.  Junge 
Triebe  meist  dick  und  steif,  gelbgrün,  später  braungelblichweiss,  kahl.  Knospen  glän- 
zend, hellgelb.  Blattkissen  stark  abstehend.  Nadeln  sehr  dünn,  aber  trotzdem  steif, 
12 — 20  mm  lang,  bei  uns  nur  1  mm  breit  (in  der  Heimat  bis  2,2  mm),  nadelscharf  zu- 
gespitzt, starr  vom  Zweige  abstehend  oder  an  den  horizontalen  Zweigen  fast  zweizeilig, 
in  der  Regel  ohne  Harzgänge.  Zapfen  5 — 8  cm  lang,  auffallend  kleinschuppig,  blass- 
gelb. Samen  incl.  des  2 — 3  mal  so  langen  Flügels  ca.  10  mm  lang.  Nach  Wilhelm 
enthält  ein  Kilo  entflügelten  Samens  ca.  700000  Körner.  Lebensdauer  der  Nadeln  bei 
uns  am  Haupttrieb  2V2 — oVa,  an  Seitentrieben  37» — 6V2  Jahre.  —  Einer  der  wichtig- 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  17 


258  III.  Klein,  Forstbotanik. 

sten  bestandbildenden  Waldbäunie  des  nordwestlichen  Amerikas,  wo  sie  vom  Meeres- 
strande bis  2100  m  ansteigt,  und  selbst  nassen,  fenchten,  sandigen  Boden  und  Flussufer 
liebt  und  nicht  selten  60  m  Höhe  und  bis  3mDurch  messer  erreicht.  In  der  Jugend 
wächst  sie  stark  in  die  Seitenäste,  verliert  diese  auch  in  hohem  Alter  schwer,  weshalb 
reinschäftige  Exemplare  nur  im  dicht>en  Schlüsse  zu  ünden  sind.  Wie  alle  pazitischen 
Holzarten  auffallend  raschwüchsig,  gegen  Kälte  viel  unempfindlicher  als  gegen  Luft- 
trockenheit. In  Europa  1831  eingeführt,  ist  sie  vielfach  wegen  ihrer  wertvollen  (?)  Holz- 
qualität in  ausgedehntem  Masse  forstlich  angebaut.  In  genügend  tiefgründigem,  feuch- 
tem Boden,  besonders  im  tiefen  nahrhaften  Lehmboden  gedeiht  sie  vorzüglich,  während 
sie  in  trockenem,  magerem  heissem  Boden,  besonders  im  Kalkboden  krüppelt.  Beliebter 
(iarten-  und  Parkbaum.  Lichtbedürftiger  als  die  gemeine  Fichte  ist  sie  in  der  Jugend, 
im  Frühjahr  und  in  schneearmen  Wintern  gegen  Trockenheit  empfindlich. 

Die  Tannen  (Abies). 

§  35.     Die  Zapfen  stehen  meist  nur  auf  den  obersten  Aesten,  einzeln,  hinter 
der  Spitze  vorjähriger  Zweige,  stets  aufrecht.     Nach  der  Samenreife 
zerfallen  sie,  indem  die  Zapfenschuppen  sich  mit  den  Samen  von  der  stehen  bleibenden 
Zapfenspindel  loslösen.     Die  flachen  Fruchtblätter  sind  wie  bei  Picea  fast  bis  zur  Basis 
in  „Deckschuppe"  und  „Fruchtschuppe"  gespalten,  die  Deckschuppen,  im  Gegensatz  zu 
Picea,  lang  zugespitzt,  nahezu  so  lang  oder  länger  als  die  Fruchtschuppe,  oft  nach  der 
Blütezeit  sich  stark  verlängernd.     Die   männlichen  Blüten   sind  wie  bei  Picea  gebaut, 
die  Pollensäcke  springen  aber  mit  Querspalt  auf  und  die  mit  seitlichen  Flugblasen 
versehenen  Pollenkömer  sind  grösser  als  wie  bei  den  Fichten.     Die  Samenreife  ist  ein- 
jährig.    Die  Samen  sind  gross,  verkehrt  kegel-  oder  keilförmig,  mit  bleibendem 
Flügel.     Sämtliche  Triebe  sind  Langtriebe,   an  denen   die  mehrjährigen  Nadeln   ohne 
Blattkissen  einzeln  sitzen  und  nach  dem  Abfallen   eine  ungefähr  kreisrunde,  im 
Niveau  der  Rinde  liegende   oder  nur  wenig   hervorragende  Narbe  hinter- 
lassen.    Die  linealen,  am  Grunde  zusammengezogenen,  mit  kreisrunder,  etwas  verbrei- 
terter Basis  sitzenden  Nadeln  sind  oberseits  glatt,  dunkelgrün,   ohne  Spaltöffnungen, 
untersei ts  mit  grünem  Mittel  kiel  und  grünen  Rändern  und   zwei  mehr  oder  weniger 
weissen  Spaltöffnungs-Streifen.     Der  zweiflächige  Querschnitt  der  Nadel  zeigt  zwei  an- 
nähernd  kantenständige  Harzgänge.     Nach  dem  Vertrocknen  der  Zweige 
bleiben  diemeistenNadeln  am  Zweige  haften  (Fruchtblätter  und  Nadeln 
verhalten  sich  bezüglich  dieses  Punktes  also  gerade  entgegengesetzt  wie  bei  der  Fichte) 
und  die  abgeschnittenen  Tanuenzweige  liefern  deshalb  ein  vorzügliches  Deck-  und  Schat- 
tenmaterial. Quirlknospen  und  Zwischenknospen  ähnlich  wie  bei  der  Fichte, 
nur  stehen  die  obersten  Seiten(Quirl-)knospen  stets  in   gleicher  Höhe  dicht  neben  der 
Endknospe,  am  Gipfeltrieb  meist  4 — 5,  am  Ende  der  Seiten  zweige  in  der  Regel  nur 
zwei,  ebenso  ist  die  Zahl   der  Zwischenknospen  am  Jahrestrieb  meist   eine  viel  spär- 
lichere als  wie  bei  der  Fichte  und  die  Verzweigung  infolge  dessen  eine  viel  lockerere. 
Die  Lebensdauer  der  Nadeln  ist  im  allgemeinen  eine  längere,  und  die  Krone  infolge  dessen 
sowie  durch  die  meist  zweizeilig  ausgebreiteten,  grösseren  Nadeln  ebenfalls  sehr  schat- 
tend. —  Die  Tannen  sind  immergrüne  Waldbäume  der  nördlichen  Halbkugel  und  strei- 
chen von  der  kühleren  Hälfte  des  subtropischen  Klimas  (A.  religiosa)  durch  alle  Zonen 
bis  zur  alpinen;   ihr  Stamm  ist  einheitlich   und  streng  pyramidal  bis  zu  be- 
endetem Höhen  wuchs,  dann  richten  sich  die  oberen  Seitenäste,  den  Gipfeltrieb  im  Län- 
genwachstum überholend,    mehr  oder   weniger   auf  und  bilden  das  sog.  Storchennest 
(auch  Adlerhorst  genannt),  eine  für  alte  Tannen  ausserordentlich  charakteristische  Er- 
scheinung! Das  Holz  der  Tannen  (vergl.  A.  pectiuata)  enthält  keine  Harzkanäle 


Die  Nadelhölzer.     §  36.  259 

oder  höchstens  ganz  vereinzelte,  das  Kernholz  ist  stets  ungefärbt.  Die  Keimkraft  des 
Tannensamens  ist  von  sehr  kurzer  Dauer.  Samen,  welcher  nicht  von  der  letzten 
Ernte  herrührt,  ist  wertlos  ^^).  Als  Einteilungsprinzip  derTannen  wurde 
früher  das  ganz  unzuverlässige  Längenverhältnis  von  Frucht  und  Deckschuppen  benutzt; 
Mayr  teilt  die  Tanne  nach  der  Farbe  der  Zapfen  unmittelbar  vor  der  Reife  in  die 
Sektionen:  Momi,  Zapfen  grün  oder  gelbgrün  (A.  pectinata,  Nordmanniana ,  cepha- 
lonica,  Pinsapo,  concolor,  numidica,  cilicica,  tirma,  umbilicata,  bracteata,  grandis,  mag- 
niiica  etc.),  Pindrau,  Zapfen  blau-purpurrot  (A.  Webbiana,  Pindrau,  Veitchii,  Ma- 
rlesii,  amabilis,  nobilis,  Fraseri,  religiosa  etc.),  und  Pichta,  Zapfen  olivengrün  oder 
graugrün  und  graublau  (A.  Sacchalinensis,  Pichta,  balsamea,  subalpina) ;  am  natürlichsten 
ist  aber  die  Einteilung  nach  der  Lage  der  Harzgänge  in  den  Nadeln  (Köhne),  trotz 
mancher  Abweichungen,  namentlich  bei  fruchttragenden  Zweigen.  Zur  sicheren  Bestim- 
mung junger  Pflanzen  ist  das  Mikroskop  unerlässlich ! 

§36.  L  Reihe.  Harzgänge  der  Blätter  nichtblühender  Zweige 
an  der  Epidermis  der  Unterseite.  Dickwandige,  farblose  (mecha- 
nische) Zellen  wenigstens  einige  unterseits  im  Kiel,  oder  in  den  Seitenkanten,  oder 
oberseits  unter  der  Epidermis,  nie  im  Centralstrang.  (Bei  der  von  allen  andern  Tan- 
nen durch  ihre  allseits  abstehenden,  starren  tichtenähnlichen  Nadeln  leicht  zu 
unterscheidenden  A.  Pinsapo  liegen  die  Harzgänge  im  Parenchym,  gleiche  Lage  hat 
Köhne  an  blühenden  Zweigen  von  A.  Nordmanniana  und  balsamea  beobachtet; 
gänzliches  Fehlen  der  mechanischen  Zellen  kommt  bei  A.  grandis  vor.) 

1.  Abies  pectinata  D.  C.  (A.  alba  Miller).  Weisstanne,  Edel- 
tanne (franz.  Sapin).  Junge  Triebe  kurz  rauhhaarig,  grünlich.  Knospen 
stumpfer  und  dicker  als  bei  der  Fichte,  mit  grünlichbraunen  Schuppen,  harzlos,  nur 
die  Endknospen  des  Stammes  und  kräftiger  Zweige  am  Grunde  oft  mit  Harz  überzogen. 
Nadeln  lineal,  2 — 3  cm  lang  und  bis  3  mm  breit,  auf  kurzen,  an  den  Zweigen  ge- 
drehten, am  Grunde  scheibenförmig  verbreiterten  Stielchen,  am  Haupttrieb  spitz, 
an  Seitentrieben  stumpf  und  spitzwinkelig  eingeschnitten  (bei  jüngeren  Pflanzen),  stumpf 
ausgerandet  oder  ganz  stumpf  (an  den  oberen  Zweigen  älterer  Bäume),  an  Seiten- 
zweigen meist  kammförmig  gescheitelt,  in  der  Wipfelregion  älterer  Bäume 
mehr  oder  weniger  aufwärts  gekrümmt,  am  Haupttrieb  jüngerer  Bäume  mehr  oder 
weniger  allseits  abstehend,  bei  mannbaren  Bäumen  allseits  nach  oben  gekrümmt.  Im 
Nadelquerschnitt  liegen  die  beiden  Harzgänge  bei  den  Nadeln  der  unteren  und 
mittleren  Krone  meist  an  der  Hautschicht  der  Nadelunterseite,  in  der  Wipfelregion 
älterer  Bäume  meist  im  Innern  des  grünen  Parenchyms.  Am  Gipfeltrieb  älterer  Bäume 
haben  die  Nadeln  auch  auf  ihrer  Oberseite  Spaltöffnungen.  Wie  bei  der  Fichte  liegen 
im  Centrum  des  Nadelquerschnitt^s  zwei  Gefässbündel,  von  farblosem  Gewebe  umgeben 
und  so  gegen  das  grüne  Parenchym  scharf  abgesetzt.  Die  Blüten  sind  auf  den 
oberen  Teil  der  Krone  beschränkt,  und  zwar  tragen  die  Blütenzweige  nur  männliche 
oder  nur  weibliche  Blüten;  letztere  stehen  gewöhnlich  an  kräftigeren  Trieben.  Die 
gelben,  cylindrischen  männlichen  Blüten  stehen  meist  zu  vielen  beisammen,  jede 
in  der  Achsel  einer  Nadel,  auf  der  Unterseite  ihrer  Tragzweige.  Die  weiblichen 
Blüten  bilden  gelblich  grüne  Zapfen  von  3 — 5  cm  Länge  und  stehen  einzeln  auf 
der  Überseite  ihrer  Tragzweige,  dem  vorderen  Ende  derselben  genähert.  Die  Deck- 
schuppe ist  zur  Blütezeit  weit  grösser,  als  die  von  ihr  vollständig  verdeckte 
Fruchtschuppe,    mehr  oder  weniger  nach  aussen  gebogen  und  selbst  etwas  herabge- 

21)  Dies  ist  besonders  beim  Bezug  von  Samen  exotischer  Tannen  zu  bedenken,  welcher 
deshalb  nur  von  durchaus  zuverlässigen  Firmen  unter  Garantie  letzter  Ernte  be- 
zogen werden  sollte:  andernfalls  geht  gewöhnlich  kein  einziges  Korn  auf! 

17* 


260  III.  Klein,  Forstbotanik. 

schlagen.  Nach  der  Befrachtung  wachsen  die  Frachtschuppen  zwischen  den  schmal 
bleibenden  Deckschuppen  hervor  und  sind  am  jungen  Zapfen  aussen  bläulichgrün,  innen, 
wie  die  Samen ,  teilweise  schön  carminrot.  Der  reife  Zapfen  ist  aufgerichtet, 
walzenförmig,  7,5 — 17  (selten  — 30)  cm  lang  und  3 — 5  cm  dick,  matt  bräunlich,  mit 
bald  grünlichem,  bald  rötlichem  oder  violettem  Ton  an  den  Schuppenrändem.  Die 
dürr  gewordenen,  zungenförmig  gestreckten,  oben  etwas  verbreiterten  Deckschnppen 
ragen  mit  aufgerichteter  oder  umgeschlagener  Spitze  zwischen  den  breiten  Frucht- 
schuppen hervor.  Die  dreikantigen ,  dunkelbraunen  Samen  sind  bis  1  cm  lang  und 
bis  4—5  mm  breit  mit  keilförmigem,  schief  abgestutztem,  doppelt  bis  dreifach  so  langem, 
brüchigem,  gelblich  bis  violettbraun  gefärbtem  glänzendem  Flügel,  dessen  umgeschlage- 
ner Teil  fast  den  ganzen  Samen  umhüllt.  Die  Samenschale  ist  teilweise  durch 
Terpentinblasen  höckerig  aufgetrieben.  Diese  Blasen  werden  leicht  zerdrückt  und  die 
Samen  büssen  dann  an  Keimfähigkeit  ein,  weshalb  Tannensamen  nicht  in  Säcken,  son- 
dern in  festen  Behältern,  womöglich  mit  Häcksel  oder  Schuppen  gemischt,  versendet 
werden  soll.  Die  Handelsware  des  Samens  besteht  grösstenteils  aus  Körnern,  welche 
noch  in  dem  unteren  Teil  des  über  ihnen  abgebrochenen  Flügels  stecken.  1  Kilo  ent- 
hält 19000—26000,  im  Durchschnitt  23000  derartige  Samen.  24—30,  im  Mittel  27 
Kilo  gehen  auf  das  Hektoliter. 

Die  Mannbarkeit  tritt  bei  freiem  Stande  im  30.,  im  Schlüsse  gewöhnlich  erst 
mit  dem  60. — 70.  Lebensjahre  ein.  Von  da  an  kann  in  milden  Lagen  jedes  2.  Jahr 
ein  Samenjahr  sein,  in  rauheren  Lagen  sind  die  Samenjahre  seltener  und  wiederholen 
sich  zuweilen  erst  nach  je  5 — 8  Jahren.  Die  Blütezeit  fällt  ziemlich  mit  derjenigen 
der  Fichte  zusammen,  im  Süden  des  Gebiets  Ende  April,  im  Norden  wie  gegen  die 
obere  Grenze  im  Gebirge  Mitte  bis  Ende  Mai  bezw.  erste  Hälfte  Juni.  Die  Zapfen- 
reife tritt  gewöhnlich  Ende  September  ein  und  gleich  nachher,  gewöhnlich  im  Oktober 
zerfallen  die  Zapfen;  die  kahlen  Zapfenspindeln  bleiben  so  lange  am  Baum,  bis  sie 
nach  einigen  Jahren  durch  Schneedruck,  Sturm  u.  dgl.  abgebrochen  werden.  Die  Kei- 
mung der  Samen  erfolgt  3 — 4  Wochen  nach  der  Aussaat,  mit  in  der  Regel  5—6 
ca.  2—3  cm  langen  Keimblättern,  die  unterseits  glänzend  grün  sind ,  auf  der 
Oberseite  zwei  helle  Spaltöifnungsstreifen  tragen.  Mit  diesen  Keimblättern  alterniert, 
unmittelbar  über  ihnen  stehend,  ein  Quirl  von  ebensovielen  Primärblättern,  die 
nur  halb  so  lang  sind  und  die  Spaltöffnungsreihen  auf  der  Unterseite  tragen.  lieber 
den  Primärblättern  schliesst  eine  kleine  Gipfelknospe  den  1.  Jahrestrieb  ab.  Im  2.  Jahre 
bildet  die  Tanne  einen  kurzen  aufrechten  Trieb  und  endet  mit  einer  Gipfel-  und  1—2 
Seitenknospen.  Ln  3.  Jahre  treiben  die  ersten  Seitenknospen  aus,  aber  auch  in  diesem 
und  den  nächstfolgenden  Jahren  ist  das  Wachstum  des  Stämmchens  gering  und  richt-et 
sich  vornehmlich  auf  die  Ausbildung  eines  oder  mehrerer  Seitenzweige,  während  nament- 
lich das  schon  im  1.  Jahre  relativ  kräftige  Wurzelsystem  ausgebildet  wird.  Bei  gün- 
stigen Standorts-  und  Beleuchtungsverhältnissen  wird  der  erste  richtige  Astquirl  im 
4.  oder  5.  Jahre,  im  Dunkel  des  Bestandes  aber  erst  im  8. — 10.  Jahre  gebildet.  Auch 
nach  erfolgter  Astquirlbildung  bleibt  der  Gipfeltrieb  zunächst  noch  kurz,  um  dann  all- 
mählich an  Länge  zuzunehmen.  Vom  ca.  14.  oder  15.  Jahre  ab  kann  der  jährliche 
Ijängenzuwachs  auf  gutem  Boden  ca.  30  cm  und  mehr  betragen.  Ums  100.  Jahr 
lässt  der  Höhenwuchs  nach  und  mit  180 — 200  Jahren  ist  er  in  Kulturwäldern  unt«r 
normalen  Standortsverhältnissen  abgeschlossen,  worauf  die  Tanne  wipfeldürr  zu  werden 
pflegt.  (Die  Ausbildung  des  „Storchennests"  ist  ein  Zeichen  beendeten  Höhenwuchses.) 
Mit  120  Jahren  hat  die  Tanne  im  Durchschnitt  eine  Höhe  von  ca.  28  m  erlangt,  aof 
bestem  Standort  ca.  34  m.  Im  Urwald  erreicht  die  Tanne  in  einzelnen  Exemplaren 
ein  vielhundertjähriges  Alter  (ca.  500  J.,  und  als  mächtigster  unserer  Waldbäume  bis 


Die  Nadelhölzer.     §  36.  261 

zu  68  m  Höhe  bei  3,8  m  Dorchmesser ;  in  den  Pyrenäen  gab  es  zu  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts sogar  noch  800jährige Bäume).  Die  Lebensdauer  der  Nadeln  beträgt, 
ausgenommen  an  rel.  lufttrockenen  Standorten,  8  und  selbst  11  Jahre;  am  Leittrieb 
haften  dieselben  gewöhnlich  länger  als  an  den  Seitentrieben. 

Die  Verzweigung  der  Tanne  erfolgt  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  der  Fichte 
und  der  Stamm  trägt  eine  durch  sein  Alter  bestimmte  Anzahl  von  noch  schärfer  wie 
dort  hervortretenden  Astquirlen,  der  Gipfeltrieb  ist  stets  straff  aufrecht,  während  der- 
jenige der  Fichte  in  der  Jugend  oft  etwas  verkrümmt  erscheint.  Während  die  Fichte 
ihre  schwächeren  Zweige  und  Zweigsysteme  abwärts  neigt  oder  sogar  schlaff  herab- 
hängen lässt,  breitet  die  Tanne  ihr  gesamtes  Astwerk  straff  und  schirmförmig  aus  und 
zeigt  einen  ausgesprochen  etagenförmigen  Bau.  Auch  bei  freistehenden  Bäumen  reicht 
die  Krone  nicht  so  tief  herab  wie  bei  den  Fichten  und  ist  unten  nie  so  breit  wie  dort. 
Im  Bestandesschluss  hat  die  Tanne  wie  die  Fichte  eine  hoch  angesetzte  Krone  und 
vollholzigen  Stamm,  der  sich  meist  weiter  hinauf  von  Aesten  reinigt.  Durch  das  „Stor- 
chennest** ist  die  alte  Tanne  auffallend  von  der  alten  Fichte  verschieden.  Ein  Teil 
der  Achselknospen  bleibt  schlafend  und  treibt  nur  nach  Verletzungen  ans,  daher  die 
grosse  Reproduktionsfähigkeit  der  Tanne.  Die  Rinde  ist,  im  Gegensatz  zu  der  Fichte, 
auch  noch  im  Baumalter  glatt,  meist  weissgrau,  mit  erbsengrossen  beulenförmigen  An- 
schwellungen (Terpentinblasen).  Borkebildnng  tritt  in  der  Regel  nicht  vor  dem  40. — 50. 
Jahre  ein.  Die  Borkeschuppen  sind  teils  eckig  teils  rundlich  begrenzt  und  haben  eine 
weissliche  glatte,  nicht  wie  bei  der  Fichte  schilferige  Oberfläche.  Die  Tannenrinde  ist 
durchweg  etwas  dicker  als  die  Fichtenrinde. 

Die  Bewurzelung  dringt  mehr  in  die  Tiefe  als  diejenige  der  Fichte;  wo  es 
die  Bodenverhältnisse  gestatten,  entwickelt  die  Tanne  eine  über  einen  Meter  lange 
Pfahlwurzel  und  ist  so  sturmfester  verankert.  Auf  flachgründigen  Böden  mit  nahe  an 
der  Erdoberfläche  anstehendem  unzerklüftetem  Felsgestein  entwickelt  auch  die  Tanne 
notgedrungen  ein  mehr  tellerförmiges  Wurzelsystem  und  wird  dann  vom  Sturme  gerade 
so  geworfen  wie  die  Fichte. 

Das  Tannenholz  ist  von  gleichmässig  heller  Färbung  (mit  ungeffirbtem  Kern- 
holze), mit  dem  Fichtenholz  verglichen  etwas  mehr  rötlich  und  weniger  glänzend,  wie 
dort  mit  sehr  scharfen  Jahmnggrenzen.  Mikroskopisch  ist  das  Tannenholz  vom  Fich- 
tenholz leicht  durch  das  Fehlen  der  Harzgänge  im  Holze  (nur  ausnahmsweise  kommt 
einmal  ein  solcher  vor)  und  durch  die  stets  einreihigen  Markstrahlen,  die  somit  auf 
dem  Tangentialschnitt  nur  eine  einfache  Reihe  bilden,  leicht  zu  unterscheiden.  Der 
Radialschnitt  zeigt,  dass  die  Markstrahlzellen  sämtlich  gleichgestaltet  sind,  Parenchym- 
zellen,  ringsum  einfach  getüpfelt.  Markstrahltracheiden,  wie  bei  der  Fichte,  kommen 
nicht  vor. 

Das  Verbreitungsgebiet  der  Tanne.  Während  die  Fichte  namentlich 
im  nördlichen  und  nordöstlichen  Teil  Europas  zu  Hause  ist  und  in  den  centraleuropäi- 
schen Grebirgen,  findet  die  Tanne  ihre  vollkommenste  Ausbildung  im  Süden  und  Süd- 
westen Centraleuropas  entsprechend  ihrem  höheren  Wärmebedürfnis.  Ihr  Verbreitungs- 
gebiet geht  von  den  westlichen  Pyrenäen  bis  nach  Kleinasien  und  vom  Südrande  des 
Harzes  bis  nach  Sicilien.  Im  nördlichsten  Teile  ihres  natürlichen  Verbreitungsbezirkes, 
so  in  Thüringen,  Sachsen,  der  Lausitz,  Schlesien,  wächst  die  Tanne  auch  in  der  Ebene, 
sonst  nur  im  Grebirge.  Die  grössten  geschlossenen  reinen  oder  fast  reinen  Tannenwälder 
finden  sich  in  den  Pyrenäen,  dem  südöstlichen  Frankreich,  im  Jura,  in  den  Vogesen 
und  im  Schwarzwalde,  während  sie  in  der  nördlichen  Schweiz,  im  bajrrischen  und  Böh- 
merwald, in  Thüringen  und  Sachsen  nur  kleinere  Bestände  bildet  oder  (Alpen  und 
Karpathen,  Erzgebirge,  Riesengebirge,  Sudeten)  nur  horstweise  oder  eingesprengt,  vor- 


262  TU.  Klein,  Forstbotanik. 

wieprend  mit  Buche  und  Fichte  gemischt,  vorkommt.  In  den  Gebirgen  Oest;erreichs, 
Deutschlands  und  der  vSchweiz  bewohnt  die  Tanne  vornehmlich  die  Buchenregion.  Im 
Schweizer  Jura  ( — 1500  m),  in  den  Pyrenäen  ( — 1950  m),  in  Südeuropa  (Apenninen 
— 1800  m,  Sicilien  — 1950  m)  geht  sie  bis  zur  Grenze  des  Baurawuchses.  Im  Thüringer- 
walde und  Erzgebirge  steigt  sie  bis  800  m,  in  den  nördlichen  Karpathen  — 1100,  im 
Riesengebirge,  im  bayrischen  Wald  und  in  den  Vogesen  über  1200  m,  im  Schwarzwald, 
der  nördlichen  Schweiz  und  südlichen  Karpathen  bis  1300  m;  in  den  baj'rischen  Alpen 
— 1500  m,  im  Berner  Oberland  — 1600  m,  während  ihre  untere  Grenze  im  bayrischen 
Walde  bei  300  m,  in  Vogesen  und  Jura  bei  500—600,  der  Schweiz  bei  700,  den  fran- 
zösischen Pyrenäen  bei  1360  m  beobachtet  wurde.  Wie  die  Fichte  ist  auch  die  Tanne 
west-  und  nordwärts  weit  über  die  Grenzen  ihres  natürlichen  Gebietes  hinaus  verbreitet 
(ganz  Frankreich,  Belgien,  norddeutsche  Ebene,  z.  B.  Oldenburg,  England  und  das 
südliche  Skandinavien).  In  den  Gebirgen  Griechenlands  ist  die  Weisstanne  durch  A. 
cephalonica,  im  Kaukasus  durch  A.  Nordmanniana  ersetzt. 

Bezüglich  ihrer  Standortsansprüche  und  Lebensbedingungen  verhält  sich 
die  Tanne  nahezu  umgekelirt  wie  die  Fichte,  sie  ist  einer  der  anspruchsvollsten 
Waldbäume.  Entsprechend  ihrer  tiefgehenden  Bewurzelung  verlangt  sie  zu  freudigem 
Gedeihen  einen  namentlich  auch  in  den  tieferen  Schichten  frischen  Boden,  während  ihr 
trockener  wie  nasser  Boden  nicht  zusagt.  Ebenso  sind  ihre  Anforderungen  an  die 
Feuchtigkeit  der  Luft  hohe,  wenn  auch  nicht  so  gross,  wie  bei  der  Fichte.  Ihr  Bedarf 
an  wertvollen  Aschenbestandteilen  ist  bedeutend,  da  sie  im  Stammholze  2^/2 — 3V2  mal 
mehr  Kali  und  IV2 — 1^/*  mal  mehr  Phosphorsäure  als  die  anspruchslose  Kiefer  enthält. 
Für  ihr  Gedeihen  ist  ein  massiger  Tongehalt  des  Bodens  Bedingung,  der  bei  genügen- 
der Lockerheit  des  Bodens  die  erforderliche  Frische  erhält,  ohne  Rücksicht  auf  die 
geognostische  Herkunft  desselben.  Am  besten  sagt  ihr  ein  tiefgründiger  sandiger  Lehm- 
boden zu.  In  den  tieferen  Lagen  ihres  Verbreitungsgebietes  bevorzugt  sie  die  nord- 
westlichen bis  östlichen  Abdachungen,  in  den  höheren  Gebirgslagen  die  südwestlichen 
bis  südöstlichen  Hänge.  —  Durch  ihren  dichten  Kronenschirm  schützt  sie  den  Boden 
in  unvergleichlicher  Weise  gegen  die  austrocknende  Wirkung  von  Sonne  und  Wind. 
In  gleicher  Weise  wirkt  der  dichte  Moosteppich,  welcher  sich  vom  höheren  Stangen- 
holzalter an  unter  ihr  entwickelt,  als  Schutzdecke  gegen  die  Austrocknung  des  Bodens. 
Nächst  der  Eibe  hat  die  Tanne  das  geringste  Lichtbedürfnis  unter  allen 
einheimischen  Holzarten,  wie  sich  aus  ihrer  reichen  Zweig-  und  Nadelbildung,  der 
fächerförmigen  Stellung  der  zweiflächig  benadelten  Triebe  und  dem  daraus  resultieren- 
den sehr  dichten  Kronenschirm  sowie  aus  ihrem  dichten  Bestandesschluss  bei  uner- 
reichtem Massenreichtum  ergibt.  Die  ausserordentliche  Zählebigkeit  der  Tanne  beweisen 
auch  die  unter  der  Beschattung  älterer  Bäume  als  Vorwüchse  stehenden  kleinen  Tannen, 
die  bei  äusserst  beschränktem  Lichtgenusse  bis  30  Jahre  und  mehr  die  Fähigkeit,  bei 
entsprechender  Lichtstellung  zu  kräftigen  Bäumen  auszuwachsen,  bewahren  und  als 
Zwerge  von  ca.  1  m  Höhe  fünfzig  Jahre  und  länger  ihr  Leben  fristen  können.  Das 
Wundheilungsvermögen  der  Tanne  ist  sehr  beträchtlich  und  viel  grösser  als 
dasjenige  der  Fichte. 

§  37.  Die  Variationsfähigkeit  der  Tanne  ist  viel  geringer  als  diejenige 
der  Fichte.  Folgende  Spielarten,  welche  den  bei  der  Fichte  beschriebenen  ent- 
sprechen, sind  wildwachsend  gefunden  worden,  sowie  a)  als  Varietät,  A.  pectinata 
Var.  Equi  Trojani  Ascherson  et  Sintenis  auf  dem  Kar  Dagh,  dem  Ida  der 
Alten,  in  Kleinasien,  deren  Zapfen  breiter  als  bei  der  Hauptart  und  sehr  hervorragende 
Deckschuppen  besitzen  und  deren  Nadeln  gespitzt,  an  der  Spitze  etwas  breit,  fast  aus- 
gerandet  sind.     Diese  Varietät  scheint  eine  Uebergangsform  zu  A.  Nordmanniana  und 


Die  Nadelhölzer.     §  37.  263 

A.  cephalonica  zu  sein,    b)  Spielarten: 

bl.  Lusus  pendula  Carr.  Hänge-  oder  Trauertanne  mit  hän- 
genden, zum  Teil  den  Stamm  völlig  verdeckenden  Aesten,  in  den  Vop;esen  bei  Gebweiler 
und  bei  Friedeburg  in  Ostfriesland. 

b2.  Lusus  virgata  Casp.  Schlangentanne,  mit  langen,  wenig 
zahlreichen,  horizontalen,  dicht  benadelten,  aber  nur  an  der  Spitze  spärlich  verzweigten 
Aesten.  Bisher  nur  je  ein  Baum  bei  Ober-Ehnheim  und  Bannstein  im  Elsass,  bei  Wei- 
senbach in  Baden,  im  Böhmerwald  und  bei  Fleurier  im  Neuenburger  Jura  beobachtet. 

b3.  Lusus  monocaulisConwentz.  Astlose  Tanne,  ganz  unver- 
zweigt, ein  Sjähriges  1  m  hohes  Exemplar  1897  in  üstpreussen  (Bischofsburg). 

b4.  Lusus  fastigiata  Hort  (pyramidalis  Carriere,  columnaris  Carr.),  S  ä  u- 
lentanne.  Blätter  nicht  gescheitelt,  Aeste  aufrecht,  angedrückt.  Wuchs  daher  wie 
bei  der  Pyramidenpappel.  Im  Departement  Is^re  in  Frankreich  und  bei  Liebenzell  in 
Württemberg. 

b  5.  Lusus  tuberculata  mihi.  Warzentanne,  Stamm  mehr  oder  we- 
niger dicht  mit  kegel-  oder  warzenförmigen  Korkwucherungen  bedeckt,  die  bis  10  cm 
Höhe  erreichen  und  aus  abwechselnden  Schichten  von  Phelloid  und  Schwammkork  zu- 
sammengesetzt sind.  Nur  zweimal  gefunden,  in  Saybusch  in  Galizien  und  in  zwei 
starken  Bäumen  bei  St.  Ulrich  im  badischen  Schwarzwald. 

Der  bei  der  Weisstanne  so  häutige  „Hexenbesen"  ist  hier  bekanntlich  eine  krank- 
hafte Erscheinung,  durch  den  Rostpilz  Aecidium  elatinum  hervorgerufen,  dessen  zuge- 
hörige Uredoform  auf  Sileneen,  bes.  Stellaria  nemorum,  lebt.  Von  Wuchsformen 
kommen  Verbisstanne  gelegentlich,  vor  allem  aber  dieCandelaber-  und  die  Wet- 
tertanne, wie  bei  der  Fichte  vorwiegend  in  höheren  Gebirgslagen  vor.  Ich  charak- 
terisiere diese  letztere  am  besten  mit  den  Worten  Christas  ^2)  und  zwai',  da  der  Ausdruck 
gleichmässig  für  Fichten  wie  Tannen  gebraucht  wird,  beide  an  dieser  Stelle:  „Die 
höchsten  Fichten  hingegen,  welche  frei  auf  der  Alpentrift  wachsen,  haben  fast  stets 
ein  ganz  anderes  Aussehen;  es  sind  Prachtgestalten  von  höchster  Individualität:  die 
Wettertannen,  Schermtannen,  Gogants  der  westromanischen  Alpen.  Von  langen,  weiss- 
granen  Bartflechten  (Usnea)  behangen,  die  dem  Baum  das  Aussehen  einer  bleichenden, 
von  Silberhaar  umwallten  Greisengestalt  verleihen,  stehen  sie  da,  einzeln,  in  weiten, 
von  keinem  jungen  Nachwuchs  vermittelten  Entfernungen,  aber  wetterfest  und  ge- 
drangen .  .  .  .,  sie  bieten  dem  Vieh  gegen  das  Unwetter  und  den  Sonnenbrand  treff- 
lichen Schirm."  „In  den  Alpen,  einzeln  auch  im  Jura,  tritt  die  Weisstanne  auch  als 
Wettertanne  auf  und  bietet  dann  die  prachtvollsten  Formen.  Denn  wenn  der  Wipfel 
abgestorben,  so  treibt  erst  recht  der  lebenskräftige  Baum  aus  den  unteren  Aesten  ganze 
Reihen  von  Aesten  zweiter  Ordnung  auf,  die  pfeilgerade  den  mächtigen  wagrechten 
Aesten  entwachsen:  ein  Candelaber  von  wundersamem  Reiz.  Bis  20  solcher  Astaus- 
schläge  habe  ich  in  den  Alpen  des  kleinen  Melchtals  an  einem  einzigen  Wipfeldürren 
Riesenbaum  gezählt."  Dem  habe  ich  auf  Grund  eigener  zahlreicher  Beobachtungen  im 
deutschen  Mittelgebirge  wie  in  den  Alpen  noch  hinzuzufügen,  dass  sich  die  richtigen 
Wettertannen  der  Fichte  wie  der  Tanne  durch  auffallend  zahlreiche  und  zum  Teil  auf- 
fallend starke  Aeste  erster  Ordnung  auszeichnen,  also  von  Hause  aus  jedenfalls  beson- 
ders kräftig  organisierte  Individuen  sind,  die  zudem  durch  das  in  ihrem  Schatten 
lagernde  Weidevieh  regelmässig  und  gut  gedüngt  werden.  Mehrfache  bis  vielfache 
Sekundärwipfelbildung  kommt  nach  meinen  Beoba(.*htungen  bei  Fichte  wie  bei  Tanne 
häufig  vor  und  zwar  bei  abgebrochenem   wie  bei  aushaltendem  Hauptstamm.     Hervor- 


22)  H.  Christ,  Das  Pflanzenleben  der  Schweiz.     Zürich  1882.  p.  217  und  220. 


264  III.  Klein,  Porstbotenik. 

ragende  Exemplare  solcher  Wetter  flehten  stehen  z.  B.  auf  der  Zalünalp  bei  Brand 
in  Vorarlberg,  am  Abhang  der  kleinen  Scheidegg  gegen  Grindelwald,  bei  Stiegle- 
schwand  (Adelboden)"^^),  bei  St.  Antonien  2*);  eine  grössere  Anzahl  prachtvoller  Wetter- 
tannen verschiedenster  Gestalt  ^^)  oberhalb  St.  Cergues  (bei  Nyon  am  Genfer  See),  deren 
stärkstes  Exemplar  (ohne  Seknndärwipfel)  1901  in  Brusthöhe  einen  Stammumfang  von 
7,38  m  hatte. 

§38.  2.  Abies  Nordmanniana  Spach.  Nordmannstanne.  Diese 
im  westlichen  Kaukasus  und  den  angrenzenden  Gebirgen  Kleinasiens  einheimische  Tanne 
besitzt  den  Habitus  einer  besonders  üppigen  Weisstanne.  Sie  unterscheidet  sich  von 
letzterer  durch  ihre  stärkeren  Nadeln,  welche  bis  3  cm  lang  werden  und  an  den 
Zweigen  jüngerer  Pflanzen  nicht  zweizeilig  gekämmt  sind,  sondern  nach  oben  und  den 
Seiten  aufrecht  abstehen  und  mit  weit  stärkerer  Drehung  an  ihrer  Basis  die  Zweig- 
oberseite meist  vollständig  decken ;  an  den  Zweigen  älterer  Bäume  stehen  sie  unregel- 
mässig zweizeilig.  Kräftige  Seitenzweige  entwickeln  gewöhnlich  einen  drei  gliedrigen 
Knospenquirl,  je  eine  Knospe  nach  rechts,  links  und  unten,  und  verzweigen  sich  auch 
demgemäss.  Junge  freistehende  Bäume  zeichnen  sich  vor  der  Weisstanne  durch  ihre 
bis  zum  Boden  reichende  und  im  unteren  Teile  auffallend  dichte  Krone  aus.  Rinde 
schwarzgrau,  Zapfen  ( — 15  cm  lang),  Samen  (im  Durchschnitt  13500  aufs  Kilo),  Keim- 
linge, Holz  und  Rinde  der  Weisstanne  sehr  ähnlich.  In  der  Jugend  sehr  trägwüchsig, 
erwächst  sie  mit  100  Jahren  zu  — 36  m  hohen  Bäumen.  —  Standortsansprüche 
ähnlich,  aber  etwas  geringer  wie  bei  der  Weisstanne ;  Nordmannstanne  verlangt  immer 
grosse  Bodenfrische  und  gedeiht  noch  vortrefflich  auf  besseren  Kiefemböden,  sie  treibt 
ca.  14  Tage  später  aus  als  die  Weisstanne,  ist  somit  der  Gefahr  der  Frühjahrsfröste 
weit  weniger  ausgesetzt,  wird  aber  vom  Wilde  wie  kaum  eine  zweite  Holzart  in  der 
Jugend  verbissen  und  ist  gegen  trockenen  Ostwind  in  der  Jugend  empfindlich,  nament- 
lich im  Freistand.  Infolge  ihres  trägen  Jugendwuchses  wird  sie  gewöhnlich  erst  6jährig 
in  den  Wald  gepflanzt.   —  Hervorragender  Zierbaum,  ca.  1848  in  Europa  eingeführt. 

3.  A  bies  cephalonica  Link.  Griechische  Weisstanne.  Jüngste 
Triebe  kahl,  bräunlichgrün ,  Knospen  mit  glänzendem  Harz  dünn  überzogen, 
Nadeln  glänzendgrün,  14—28  mm  lang ,  steif,  flach,  lanzettförmig,  ste- 
chend spitz  und  ziemlich  allseitig  von  den  Zweigen  abstehend.  —  Diese 
in  den  Gebirgen  Griechenlands  und  auf  den  jonischen  Inseln  heimische  sehr  dekorative 
Tanne  wird  bis  25  m  hoch,  ist  ähnlich  wie  Nordmanniana  bis  zum  Boden  beastet,  treibt 
aber  frühe  aus  und  kommt  bei  uns  fast  nur  als  Zierbaum  in  einigermassen  geschützten 
Lagen  vor.    Bei  Triest  wurde  sie  mit  Erfolg  zur  Bewaldung  des  Karstes  angepflanzt. 

4.  Abies  Pinsapo  Boissier.  Spanische  Weisstanne.  Jüngste 
Triebe  kahl,  gelblich.  Knospen  harzig.  Nadeln  8 — 12  (16)  mm  lang,  dick, 
stumpflich-stechend,  sehr  dicht,  mit  aufi^allend  verbreiterter,  nicht  gedrehter  Basis,  all- 
seits  starr  vom  Zweige  abstehend,  dunkelgrün ,  mit  wenig  in  die  Augen 
fallenden  weisslichen  Spaltöflfnungslinien  beiderseits.  —  Diese  dickstämmige,  sehr  deko- 
rative Tanne  ist  in  den  Gebirgen  Malagas  in  Südspanien  heimisch,  erreicht  dort  ca. 
25  m  Höhe,  kommt  bei  uns  aber  nur  als  Parkbaum  in  sehr  luftfeuchten,  milden  und 
geschützten  Lagen  als  schnellwüchsiger,  tief  beas teter  Baum  fort. 

5.  Abies  numidica  de  Lannoy.  Numidische  Weisstanne.  Jüngste 
Triebe  kurz  rauhaarig.  Knospen  harzig.  Nadeln  (12)  16 — 22  mm  lang,  — 2V2  mm 
breit,  an  der  Spitze  ausgerandet,  an  der  Zweigunterseite  gescheitelt,  an  der  Oberseite 

23)  Baumalbum  der  Schweiz. 

24)  Abgebildet  bei  Schröter,  Vielgestaltigkeit  der  Fichte  p.  100. 

25)  Baumalbum  der  Schweiz. 


Die  Nadelhölzer.     §  38.  265 

allseits  abstehend  (ähnlich  wie  bei  Pinsapo);  Nadelunterseite  mit  zwei  bläulichen,  aus 
etwa  zehn  Spaltöffnungsreihen  bestehenden  Streifen 2*).  Deckschuppen  am  reifen 
Zapfen  zwischen  den  Fruchtschuppen  versteckt.  —  In  den  Gebirgen  Algeriens  mit 
der  Atlas-Ceder  heimisch,  bis  20  m  Höhe  erreichend,  bei  uns  nur  als  ziemlich  winter- 
harter Zierbaum.     1862  in  Europa  eingeführt. 

6.  Abies  cilicica  Carriere.  Cilicische  Weisstanne.  Jüngste 
Triebe  gelblich,  glatt.  Knospen  harzig.  Nadeln  (15)  25 — 35  mm  lang,  lV3~2V2mm 
breit,  steif,  stumpf  oder  gekerbt.  Die  bläulichen  Spaltöffnungsstreifen  aus  etwa  sieben 
Spalt<)ffnungsreihen  bestehend,  sonst  wie  A.  numidica.  —  Hochgebirgstanne  Kleinasiens, 
oft  mit  der  Ubanonceder  ausgedehnte  Bestünde  bildend,  20—30  m  Höhe  erreichend, 
bei  uns  nur  Zierbaum  mit  sehr  dichtzweigiger,  spitzpyramidaler  Krone,  wegen  frühen 
Austreibens  durch  Spätfröste  gefährdet.     1853  in  Europa  eingeführt. 

7.  AbiesWebbianaLindley.  Sikki  ms  Silbertanne.  Himalaya- 
t  a  n  n  e.  Jüngste  Triebe  dicht  rostbraun  behaart,  stärkere  wenigstens  in  den  Vertief- 
ungen. Nadeln  sehr  dicht,  durchschnittlich  4  cm  lang,  an  der  Spitze  gekerbt,  unter- 
seits  kreideweiss,  auf  beiden  Seiten  der  Zweige  gescheitelt,  an  üppigeren  Trieben 
fast  allseitig.  Zapfen  12 — 17  cm  lang,  4 — 6  cm  dick,  schön  sattblau,  mit  versteck- 
ten Deckschuppen.  Krone  breit  schirmförmig.  —  Diese,  im  nordwestlichen  Himalaya 
heimische,  bis  50  m  Höbe  erreichende  prachtvolle  Tanne,  1822  in  Europa  eingeführt, 
treibt  sehr  frühe  aus  und  gedeiht  deshalb  nur  in  den  mildesten  Lagen,  z.  B.  in  Bozen 
nach  Tnbeuf. 

8.  Abies  PindrauRoyle  (gew.Pindrow  geschrieben).  Pindrau- 
Tanne.  Vielfach  nur  als  Varietät  von  Webbiana  betrachtet,  nach  Mayr  aber  deut- 
lich durch  die  kahlen  jungen  Triebe  und  die  längeren  (—9  cm)  unterseits  nur  unbe- 
deutend helleren  Nadeln,  längere  Zapfen  und  auffallend  spitz  zulaufende  Krone  deutlich 
unterschieden.  —  Diese  gleichfalls  im  nordwestlichen  Himalaya  heimische,  1837  in 
Europa  eingeführte  prächtige  Tanne  ist,  wenigstens  in  der  Jugend,  gegen  Frühjahrs- 
fröste gleichfalls  sehr  empfindlich. 

9.  Abies  amabilis  Forbes.  Purpurtanne.  Jüngste  Triebe  behaart. 
Nadeln  23 — 28  mm  lang,  dicht  gedrängt,  an  jungen  Pflanzen  die  oberen  kürzer  als 
die  unteren,  die  Oberseite  der  Zweige  ähnlich  wie  bei  Nordmanniana  deckend,  an  Zapfen 
tragenden  Zweigen  so  gedreht,  dass  die  Unterseite  mit  den  weissen  Spaltöffnungsstreifen 
nach  oben  kommt.  Zapfen  dunkelpurpurn,  10 — 14  cm  lang  und  bis  7  cm  dick, 
meist  jedoch  nur  8 : 5  cm,  mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Ein  prachtvoller,  bis  60  m 
hoher  Baum  vom  Cascaden-Gebirge  Nord-Amerikas,  1831  in  Europa  eingeführt,  hier 
vielfach  mit  A.  magnitica  verwechselt,  sehr  selten  in  grösseren  Exemplaren.  In  luft- 
feuchten,  einigermassen  geschützten  Lagen  voraussichtlich  hart. 

10.  Abies  grandis  Lindley  et  Gordon.  Grosse  Küstentanne. 
Jüngste  Triebe  gelbbraun,  mit  sehr  feinen,  kurzen  Härchen  zerstreut  bekleidet  (Köhne), 
glatt  (Beissner).  Knospen  violett,  harzglänzend,  Nadeln  3 — 5V2  cm  lang, 
lineal,  gerade,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  mit  blassen  oder  weissen  Spalt- 
öffnungsstreifen ,  auf  der  oberen  Triebseite  kürzer  wie  auf  der  unteren,  auf- 
fallend zweizeilig  gescheitelt.  Mechanische  Zellen  unter  der  Oberseite,  die  bei 
allen  vorstehenden  ausländischen  Arten  oberseits  eine  lückenlose  oder  nur  wenig 
unterbrochene  Schicht  bilden,  hier  unter  der  Epidermis  sehr  vereinzelt  und  selbst 
ganz  fehlend.     Zapfen  mit  versteckten  Deckschuppen  ca.  10  cm  lang  und  4  cm  dick, 

26)  Dieses  Merkmal  lässt  sich  sehr  leicht  feststellen,  wenn  man  eine  Nadel,  die  Unter- 
seite nach  oben  gewendet,  bei  auffallendem  Lichte  und  ganz  schwacher  Vergrösserung 
unter  dem  Mikroskop  untersucht! 


266  III.  Klein,  Forstbotanik. 

vor  der  Reife  grünlich.  —  Diese  vorzugsweise  aul*  die  nördliche  paciüsche  Küste  be- 
schränkte Tanne  ist  nach  Engelmann  wahrscheinlich  die  grösste  bekannte  Tanne,  die 
auf  feuchteren  Standorten  in  Gesellschaft  von  Erlen  und  Pappeln  60 — 92  m  Höhe  er- 
reicht. 1831  in  Europa  eingeführt,  ist  sie  seit  einigen  Jahren  mit  amabilis  und  nobUis 
in  den  Kreis  der  prenssischen  Anbauversnche  einbezogen  worden.  Sie  beansprucht  eine 
ziemliche  Menge  von  Bodenfeuchtigkeit. 

11.  A.  magnifica  Murray.  Shastatanne.  Nadeln  steif,  15 — 35  mm 
lang,  alle  gleich  gross,  IV^  mm  breit,  beiderseits  mit  Spaltöffnungsstreifen,  matt 
bläulich  (jüngere  gelbgrün),  auf  der  Zweigoberseite  sichelförmig  aufgekrümmt  und  den 
Zweig  dicht  bedeckend,  stets  niedergedrücktvierkantig  mit  meist  einfachem 
Gefässbündel  im  Centralstrang.  Zapfen  sehr  dickwalzig,  15 — 20  cm  lang,  8 — 9  cm 
dick,  mit  versteckten  Deckschuppen,  vor  der  Reife  grünlich.  —  Diese  im  Shastagebirge 
Californiens  ausgedehnte  Waldungen  bildende,  bis  über  60  m  Höhe  erreichende,  schöne 
Tanne  wurde  1851  in  Europa  eingeführt,  ist  hier  spättreibend,  in  der  Jugend  langsam 
wüchsig,  aber  leider  nur  in  einigermassen  geschützten  Lagen  hart. 

12.  A.  concolor  Lindley  et  Gordon.  Coloradotanne,  amerika- 
nischeSilbertanne.  (Syn.  A.  lasiocarpa  Lindl.)  Jüngste  Trieb  e  violett-gelbgrfin. 
Rinde  hellgrau.  Nadeln  biegsam,  ziemlich  locker,  sehr  lang,  3 — 8  cm,  beiderseits 
gleichfarbig,  matt  graugrün,  an  Seitentrieben  nach  der  Oberseite  des  Triebes  gekrümmt 
(im  Schatten  sind  die  Nadeln  oft  flacher  angeordnet,  ohne  weissliche  Streifen  auf  der 
Oberseite).  Zapfen  vor  der  Reife  grünlich,  7 — 14,  durchschnittlich  7  cm  lang  und 
4 — 5  cm  dick  mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Dieser  Gebirgsbaum  Californiens  und 
Colorados,  an  der  Grenze  der  gemässigt  warmen  und  kühlen  Region  heimisch,  verlangt 
ein  ziemliches  Mass  von  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit  und  erreicht  an  den  günstig- 
sten Standorten  seiner  Heimat  riesige  Höhen,  bis  75  m  bei  nur  1,8  m  Durchmesser 
(Mayr).  1851  in  Europa  eingeführt,  ist  diese  durch  ihre  silbergiüne  Färbung  einzig 
schöne  Tanne  wenigstens  in  der  Jugend  die  raschwüchsigste  unter  den  eingeführten 
Abiesarten,  völlig  frosthart  und  ziemlich  spät  austreibend.  Sie  liebt  kräftigen,  milden, 
frischen,  selbst  etwas  feuchten  Boden  und  ist  nur  gegen  zu  tiefes  Einpflanzen  wegen 
ihrer  flach  streichenden  Faserwurzeln  etwas  empfindlich. 

13.  Abies  nobilis  Lindley.  Pacif  ische  E  del  tanne.  Jüngste  Triebe 
rotbraun,  dicht  kurzhaarig.  Nadeln  sehr  dicht,  11 — 33  (bis  40)  mm  lang,  IVa  mm 
breit ,  dicklich  flach,  an  der  Spitze  meist  schwach  ausgerandet ,  beiderseits  durch 
Spaltöffnungsstreifen  matt  blaugrün,  oberseits  meist  mit  Längsrinne,  an  der  Triebober- 
seite dem  Zweige  anliegend,  nur  halb  so  lang  als  die  Nadeln  der  Unterseite,  die  viel- 
fach nach  oben  gekrümmt  sind;  Gefässbündel  des  Centralstrangs  einfach  wie  bei  mag- 
nifica. Der  walzenförmige  Zapfen  in  der  Heimat  durchschnittlich  12,5  cm  lang, 
5,5  cm  dick,  an  kultivierten  Exemplaren  bis  25  cm  lang  und  8  cm  dick,  vor  der  Reife 
schieferschwarz,  reif  durch  die  grossen,  breiten,  herabgeschlagenen  Deckschuppen  fast 
völlig  verdeckt.  —  Im  Cascadengebirge  Oregons  einheimisch  und  dort  mit  amabilis 
ausgedehnte  Waldungen  bildend,  erreicht  diese  herrliche  Tanne  in  günstigsten  Lagen 
bis  92  m  Höhe.  1831  in  Europa  eingeführt,  an  guten  Weisstannenstandorten  winter- 
hart, spät  austreibend.  Aus  Samen  ziemlich  schwer  aufzuziehen  und  empfindlich;  die 
veredelten  Exemplare  der  Handelsgärtnereien  zeichnen  sich  zumeist  durch  sehr  un- 
regelmässigen Wuchs  ans. 

14.  Abies  bracteata  Don.  Santa  Luciatanne,  von  allen  anderen 
Tannen  dadurch  ausgezeichnet,  dass  das  2,5—4  cm  lange,  1,5  mm  breite  Mittelstück 
der  Deckschuppen  die  ursprüngliche  Nadelform  beibehalten  hat.  Der 
ca.  9  cm  lange  und  4,5  cm  dicke  Zapfen  bekommt  durch  diese  schief  abstehenden  Deck- 


Die  Nadelhölzer.     §  39.  267 

schuppen  ein  igelartiges  Aussehen.  Nadeln  ca.  5  cm  lang,  2 — SVa  mm  breit,  ober- 
seits  glänzend  grün,  unterseits  mit  zwei  breiten  weissen  Streifen,  stechend  spitz.  — 
Im  Santa  Luciagebirge  des  südlichen  Calit'omiens  heimisch,  bis  60  m  hoch,  1853  in 
Europa  eingefühlt,  nur  als  Parkbaum  in  sehr  milden  und  luftfeuchten  Lagen  zu  kultivieren. 

15.  Abies  arizonica  Merriam.  Arizonische  Korktanne.  1896 
in  den  Hochgebirgen  Arizonajs  aufgefunden,  mit  bläulichgrüner  Benadelung  und  schnee- 
weisser-rahmweisser,  birkenähnlicher  Korkrinde.  1900  in  Europa  eingeführt, 
dürfte  diese  „Königin  der  Tannen"  jedenfalls  hohe  Ansprüche  an  Luftfeuchtigkeit  stellen. 

§  39.  n.  Reihe.  Harzgänge  der  Blätter  nicht  blühender  Triebe 
im  Parenchym.  Nadeln  stets  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  mit  Längsrinne, 
unterseits  mit  2  weissen  Spaltöffnungsstreifen.  Knospen  stets  (meist  sehr  stark) 
mit  Harz  bedeckt. 

A.  Keine  mechanischen  Zellen  im  Zentralstrang  der  Blätter. 

16.  Abies  subalpina  Engelmann.  Westamerikanische  Balsam- 
tanne. Nadeln  mit  bläulichem  Schimmer,  15 — 28  mm  lang,  meist  kaum  über  1mm 
breit,  auf  der  Oberseite  kürzer  und  den  Zweig  deckend,  auf  der  Unterseite  gescheitelt ; 
weisse  Streifen  der  Unterseite  aus  ca.  je  5  Spaltöff  nungsreih  en  ge- 
bildet; mechanische  Zellen  oberseits  in  der  Mitte  zerstreut,  im  Kiel  und  in  den 
Kanten  eine  ununterbrochene  Schicht  bildend.  Zapfen  ca.  9  cm  lang,  372 — 4  cm  dick, 
vor  der  Reife  olivengrün  mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Zerstreut  in  der  alpinen 
Region  (bis  zur  Baumgrenze)  des  nordwestlichen  Amerikas,  bis  über  30  Meter  Höhe 
erreichend.     Ca.  1850  in  Europa  eingeführt;  dekorativer,  harter  Parkbaum. 

17.  AbiesFraseri  Lindl  ey.  Frasers-Balsam-Tanne.  JungeTriebe 
zottig  behjlfert.  Nadeln  dunkelgrün,  10 — 25  mm  lang,  etwas  breiter  als  bei  voriger ; 
die  weissen  Streifen  aus  je  8 — 12  Spaltöffnungs reihen  gebildet ;  mecha- 
nische Zellen  oberseits  in  kaum  unterbrochener  Schicht,  sonst  wie  bei  voriger 
(Unterschied  von  der  sehr  ähnlichen  balsamea-Nadel !).  Zapfen  klein  3 — 5  :  2  cm,  vor 
der  Reife  blauschwarz,  durch  die  zurückgeschlagenen  Deckschuppen  fast  ganz  verdeckt. 
—  Nur  auf  wenigen  der  höchsten  Abhänge  des  AUeghaniegebirges  von  Carolina  und 
Tenessee  zwischen  1600  und  20(X)  Meter  heimisch  und  dort  öfter  bedeutende  Wälder 
bildend  Kurzlebiger  Baum  von  höchstens  24  Meter  Höhe,  dessen  Rindenbeulen  eben- 
falls Canadabalsam  liefern.     1811  und  neuerdings  wieder  in  Europa  eingeführt. 

18.  Abies  balsamea  Miller.  Balsam-Tanne.  Rinde  glatt,  schwarz- 
grau,  mit  vielen  Canadabalsam  liefernden  Harzbeulen.  Junge  T  r  i  e  b  e  kurz  rauhhaarig. 
Knospen  dick  mit  glänzendem  Harz  überzogen.  Nadeln  13 — 28 mm  lang,  lV2mm 
breit,  unregelmässig  zweizeilig,  öfters  sichelförmig  aufwärts  gebogen,  durchaus,  wie  die 
folgende,  0  hne  m  echanische  Zellen,  gerieben  ausserordentlich  aromatisch; 
die  meisten  Streifen  der  Unterseite  aus  5 — 6  Spaltöffnungsreihen.  Zapfen  vor 
der  Reife  olivengrün  6 — 10  :  2^/2  cm,  mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Der  in  den 
Nordstaaten  der  Union  vom  atlantischen  bis  stillen  Ozean  auf  Bergen  wie  in  sumpfigen 
Lagen  weit  verbreitete  Baum  erreicht  gewöhnlich  nur  eine  Höhe  von  15  Meter  (selten 
über  25);  1697  in  Europa  eingeführt,  harter  Parkbaum. 

19.  Abies  sibirica  Ledebour.  Sibirische  Tanne  (Syn.  A.  Pichta 
Forbes).  Knospen  wie  bei  balsamea.  Nadeln  15 — 30  mm  lang,  kaum  über  1mm 
breit,  weich,  gerieben  aromatisch,  sehr  dicht  stehend,  an  jüngeren  Trieben  oberseits 
sich  deckend,  an  älteren  gescheitelt;  weisse  Streifen  der  Unterseite  aus  3 — 4 Spalt- 
öffnungsreihen bestehend.  Zapfen  ähnlich  wie  bei  voriger,  etwas  kleiner.  —  Der  im 
nordöstlichen  Russland  und  in  Nordasien  bis  zum  Polarkreise  Wälder  bildende  Baum 
mit  schlaff  abwäits  hängenden  Aesten  hat  schmale  kegelförmige  Krone  und  wird 


268  III.  Klein,  ForstboUnik. 

bis  40  Meter  hoch;  1820  in  Europa  eingeführt,  bleibt  sie  hier  viel  kleiner  und  träg- 
wüchsiger;  äusserst  winterharter  zierlicher  Parkbaum,  besonders  für  kühle,  frische  und 
luftfeuchte  Lagen.  In  der  Ebene  frühzeitig  austreibend.  Zu  forstlichen  Anbau  ver- 
suchen nur  in  den  Alpen  oberhalb  der  Fichten-  und  Tannengrenze  verwendet. 

20.  Abies  Veitchii  Lindley.  Veitchtanne.  E i n d e  bleibend  hellgrao. 
Junge  Triebe  behaart.  Nadeln  sehr  dicht  stehend,  15 — 28  mm  lang,  l^a  bis  gut  2  mm 
breit,  aus  ein  und  demselben  Triebe  alle  gleich  lang,  an  Seitentrieben  jüngere  Pflanzen  alle 
nach  vom  gerichtet,  an  älteren  die  Nadeln  der  Zweigunterseite  aufwärts  gekrümmt;  unter 
der  Blattepidermis  vereinzelt  mechanische  Zellen;  weisse  Streifen  der  Unterseite 
kreide  weis s,  aus  ca.  10  Spaltöffnungsreihen  gebildet.  Zapfen  entweder  5 : 2 cm, 
dunkelblau  mit  zurückgebogenen,  rötlichen  Deckschuppen  (F.  typica),  oder  6 — 6V» :  2,3  cm 
mit  versteckten  Deckschuppen  (var.  Nikkoensis)-  —  Waldbaum  zentraljapanischer  Ge- 
birge um  2000  M.  von  30 — 40  Meter  Höhe;  1879  in  Europa  eingeführt,  neuerdings, 
wie  die  folgenden  ab  22  wieder  v.  Mayr  in  Bayern  versuchsweise  angebaut.  Prächtige, 
etwas  früh  treibende  Schmucktanne,  in  Gärten  vielfach  mit  brachyphylla  verwechselt, 
deren  Samen  früher  unter  dem  Namen  A.  Veitchi  verbreitet  wurden. 

B.  Im  Zentralstrang  der  Blätter  eine  grosse  Gruppe  mechanischer 
Zellen  unter,  eine  kleine  über  den  beiden  Gefässbündeln. 

21.  Abies  sacchalinensis  Master s.  Sacchalintanne.  Nadeln20 
bis  40  mm  lang,  oben  gekerbt,  1 — 2  mm  breit,  von  der  Zweigoberseite  nach  den  Seiten 
hin  länger  werdend,  nicht  feescheitelt;  unter  der  Epidermis  der  Oberseite  mechanische 
Zellen  zerstreut,  in  den  Kanten  und  dem  Kiel  in  einer  schmalen  Reihe.  Zapfen  6 
bis  10  cm  lang,  2 — 3  cm  breit,  cylindrisch,  allmählig  zugespitzt,  dunkel  olivgrün,  ent- 
weder (F.  typica)  mit  hell  gelbgiünen,  weit  vorstehenden  und  wie  bei  A.  Traseri  zu- 
rückgeschlagenen, oder  (var.  nemorensis  Mayr)  mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Der 
der  Veitch-Tanne  nahestehende  Waldbaum  ist  auf  der  Insel  Sacchalin,  den  Kurilen 
und  der  Insel  Eso  in  Japan  heimisch,  erreicht  bis  40  Meter  Höhe ;  1897  in  Europa  ein- 
geführt, winterharter  Parkbaum. 

22.  Abies  firma  Siebold  et  Zuccarini.  Momitanne  (syn.  A.  bifida). 
Nadeln  unterseits  hellgrün,  14 — 35  mm  lang,  2^/2 — 3 V*  mm  breit,  steif,  derb  leder- 
artig, lineal-lanzettlich,  meist  tief  2 spitzig,  gescheitelt,  von  allen  andereji Tannen- 
arten sofort  durch  die  zu  wenigen  bis  vielen  im  Parenchym  zerstreuten  sehr 
dickwandigen  mechanischen  Zellen  zu  unterscheiden.  Zapfen  bei  der  Reife  gelb- 
grün, 8 — 15  cm  lang,  3\/2 — 5  cm  dick,  mit  vorstehenden,  aufrechten  Deckschuppen.  — 
Diese  grösste  ( —  50  M.)  und  schönste  Tanne  Japans,  auf  der  Hauptinsel  Hondo  in 
der  Kastanien zone  heimisch,  erwächst  nur  in  dichtem  Schlüsse  zu  geraden  Bäumen, 
und  zeichnet  sich  durch  besonders  starke  Seitenwurzeln  aus;  sie  ist  anspruchsvoller 
an  Wärme  als  die  europäische  Tanne,  namentlich  sind  junge  Pflanzen  sehr  frostem- 
plindlich.  1861  in  Europa  eingeführt,  früher  austreibend  als  unsere  Weisstanne,  vom 
Reh  nicht  verbissen,  in  Preussen  versuchsweise  angebaut,  als  Parkbaum  nur  für  milde 
luftfeuchte  Lagen  geeignet. 

23.  i\.bies  umbilicata  Mayr.  Mitzumine- Tanne.  Zwischen  Unna 
und  homolepis  stehend,  jung  von  letzterer  kaum  zu  unterscheiden.  Nadeln  unter- 
seits nicht  so  kreideweiss ,  wie  bei  homolepis.  Zapfen  unmittelbar  vor  der  Reife 
grüngelb  mit  versteckten  Deckschuppen,  8 — 10  :  4  cm ,  am  oberen  Ende  mit  nabei- 
förmiger Spitze  (wie  bei  der  Atlasceder).  —  Seltene  Tanne  aus  der  Buchenregion  Japans, 
der  homolepis  an  Höhe  nicht  nachstehend.     1890  in  Deutschland  eingeführt. 

24.  AbieshomolepisSieboldetZuccarini.  Nikko-Tanne.  (Syn. 
A.  brachyphylla  Max.)    Junge  Triebe  kahl,   glänzend,   hell  ockerfarben.     Nadeln 


Die  Nadelhölzer,     §  40.  269 

nnterseits  reinweiss,  dadarch  schon  im  1.  Jahre  von  Momi  unterschieden,  13 — 35  mm 
lang,  meist  ca.  1,5,  seltener  2  mm  breit,  meist  kurz  zweispitzig,  auf  der  Zweigober- 
seite tief  grabenförmig  gescheitelt,  nach  den  Seiten  zu  stufenweise  vergrössert,  am 
Leittrieb  rechtwinkelig  abstehend,  einfachspitzig.  Zapfen  walzig,  9,5  :  3,5  cm, 
unmittelbar  vor  der  Reife  dunkelblau,  später  verblassend,  mit  versteckten  Deck- 
schuppen.  —  In  der  Buchenregion  der  Hochgebirge  des  mittleren  Japan  waldbildend, 
verspricht  dieser  sehr  dekorative,  bis  40  Meter  Höhe  erreichende  Baum  in  Deutsch- 
land überall  zu  wachsen ,  wo  Eichen  und  Buchen  vorkommen.  1870  in  Europa  ein- 
geführt. 

25.  AbiesMariesii  Masters.  Maries- oderAomori-Tanne.  Junge 
Triebe  chocoladebraun ,  dicht  behaart.  Nadeln  15 — 25  mm  lang,  1,5 — 2  mm 
breit,  im  oberen  Drittel  am  breitesten,  oberseits  dunkelgrün  glänzend,  wie 
lackiert,  an  2-  und  mehrjährigen  ist  die  weissliche  Farbe  der  Spaltöffnungsstreifen  fast 
verschwunden  und  die  Nadelunterseite  grüngelb,  am  Leittrieb  dem  Triebe  angedrückt. 
Zapfen  tonnenförmig,  am  oberen  Ende  eingedrückt,  dunkelblau,  sammetig  schim- 
mernd, mit  versteckten  Deckschuppen.  —  Kleinste  Tanne  ( — 25  M.)  der  gemässigt 
kühlen  Kegion  von  Nord-Hondo. 

§  40.  Tsuga,  Heralockstanne.  Zweige  und  Gipfel  triebe  nickend,  keine 
Astquirle.  Nadeln  meist  flach,  einzeln  auf  Blattkissen  an  Langtrieben,  mit  nur 
einem  Harzgang  im  Kiel  (unter  dem  Gefässbündel).  Zapfen  klein,  hängend,  als 
Ganzes  abfallend,  Fruchtschuppen  lederig,  am  Eande  verdünnt.  Deckschuppen 
versteckt.  Samen  (wie  bei  Abies)  mit  Harzbläschen  und  bleibendem  Flügel.  —  7 
Arten  in  Ost-  und  Süd-Asien  und  Nord- Amerika.  Schattenhölzer.  Holz  ohne  Hai^z- 
kanäle,  mit  dunklerem  Kernholz,  Markstrahlen  wie  bei  der  Fichte. 

1.  Tsuga  canadensis  Carriere.  Hemlockstanne.  Schierlingstanne. 
Ein  Waldbaum  frischer  und  nasser  Lagen  des  kälteren  Nordamerika,  20 — 30  Meter 
Höhe  erreichend,  1736  in  Europa  eingeführt,  völlig  winterhart.  Junge  Triebe  dicht 
zottig.  Nadeln,  besonders  oberwärts  fein  gesägt,  stumpf,  auf  der  Oberseite  kurz, 
dem  Zweige  anliegend,  auf  der  Unterseite  10—15  mm  lang,  gescheitelt.  Zapfen 
1,7 — 2,5  cm  lang,  Samenflügel  kaum  Vis  mal  so  lang  wie  der  Samen.  —  Verbreiteter 
zierlicher  Parkbaum,  der  freistehend  zur  Zerteilung  des  Haupt  Stammes  neigt. 

2.  Tsuga  Mertensiana  Carriöre.  Westliche  Schierlingstanne 
Schlanker  Waldbaum  des  westlichen  Nordamerika,  30 — 70  Meter  Höhe  erreichend,  von 
canadensis  durch  den  die  Schuppen  weit  überragenden  Stiel  der  männlichen  Blüte 
(bei  c.  in  den  Schuppen  versteckt)  und  den  Samenflügel,  der  doppelt  so  lang  wie  der 
Same,  verschieden.    Belaubung  üppiger  aber  weniger  hart.    1851  in  Europa  eingeführt. 

3.  Tsuga  Sieboldi  Carriere.  Ein  bis  30  Meter  Höhe  erreichender  Wald- 
baum Japans,  der  aber  nur  bis  zur  Buchenregion  emporsteigt  und,  1851  in  Europa  ein- 
geführt, sich  nur  für  milde  Lagen  (wärmeres  Eichenklima)  eignet.  Zweige  hellgrün, 
nackt,  Nadeln  wie  bei  der  folgenden  ganzrandig,  an  der  Spitze  meist  stark  ausge- 
randet.    Zapfen  mit  vorragendem  Stiel. 

4.  Tsuga  diversifolia  Maximovicz.  Waldbaum  Japans,  von  der  Buchen- 
region an  höher  emporsteigend,  Ende  der  60.  Jahre  in  Europa  eingeführt.  Frosthart 
aber  trägwüchsig:  Triebe  rotbraun  und  behaart.  Nadeln  wie  bei  voriger,  aber 
unterseits  hell  weiss.    Zapfen  mit  verdecktem  Stiel. 

§41.  Pseudotsuga.  Douglastanne.  Die  Zapfen  sind  endständig 
an  vorjährigen  Zweigen  oder  achselständig  zwischen  den  obersten  Blättern,  zur  Reife 
hängend,  und  fallen  als  Ganzes  ab.  Die  tief  3 spitzigen,  schmalen,  weit  hervor- 
ragenden Deckschuppen   mit   längerer  Mittelspitze    verdecken   zur  Blütezeit  die 


270  III.  Klein,  Foratbotanik. 

kleinen  Frachtschuppen  nahezu  und  wachsen  später  nur  noch  unbedeutend,  werden  aber 
steif  holzig,  während  die  Fruchtschuppen  sich  stark  vergrössern  aber  wenig  verdicken. 
Die  Pollenkörner  sind  ohne  Flugblasen,  die  kleinen  hartschaligen  Samen  ohne 
Harzbläschen,  mit  dem  Flügel  verwachsen,  reifen  im  Herbst  und  fliegen  alsbald  aus  den 
sperrig  sich  öffnenden  Zapfen  aus.  Die,  an  trockenen  Zweigen  ziemlich  fest  haftenden, 
flachen,  tannenähnlichen,  oberseits  mit  einer  seichten  Rinne  versehenen  Nadeln  stehen, 
meist  gescheitelt,  nur  an  Langtrieben,  zeigen  auf  dem  Querschnitt  zwei  seitliche, 
den  Kanten  genäherte  Harzgänge  an  der  Unterseite,  aber,  im  Gegensatz  zu  Abies, 
nur  ein  einziges  Gefässbündel  im  Zentralstrang  und  lösen  sich,  wie  bei  den 
Tannen,  mit  kreisrunder  oder  querovaler  Narbe  von  den  Zweigen.  —  3  Arten 
im  westlichen  Nordamerika,  1  in  Japan. 

1.  Pseudotsuga  Douglasii  Carriere.  (P.  taxifolia  Britton.)  Douglasia, 
Douglas-Fichte,  Douglastanne^^).  Junge  Triebe  anfangs  hellorange,  dann 
rotbraun,  vom  2.  Jahre  ab  graubraun,  glatt  mit  sehr  kurzen  rauhen  Härchen.  Knospen 
harzlos,  länglich  oval,  sehr  zugespitzt,  glänzend  kastanienbraun.  N a d ein  2  bis 
3  cm  lang,  1 — 1^/2  mm  breit,  gerade,  selten  etwas  gekrümmt,  stumpflich  oder  einfach 
zugespitzt,  oberseits  matt  dunkelgrün,  unterseits  glänzend  hellgrün.  Zapfen  5  bis 
11  cm  lang,  2,5—3  cm  dick,  reif  rötlich  zimmtbraun,  im  Sommer  apfelgrün,  nach  der 
Spitze  zu  purpurn  und  an  den  fest  angepressten  Schuppenrändem  rot,  Deckschuppen 
hellgrün.  Die  Samen  sind  entfiügelt  bis  5  mm  lang  und  3  mm  breit  mit  doppelt  so 
langem  Flügel,  dreieckig,  scharfkantig,  unten  in  ein  stumpfes,  oft  gekrümmtes  Spitzchen 
verschmälert,  oben  glänzend  rotbraun,  unten  blass  und  weiss  punktiert;  ein  Kilo  ent- 
flügelten  Samens  enthält  82000—98000,  im  Durchschnitt  90000  Körner.  — 

In  der  Wuchsform  gleicht  die  Douglasia  mit  spitzkegelförmiger  Krone  völlig 
unserer  Fichte.  Das  Wurzelsystem  hat  anfänglich  eine  kräftige  Pfahlwurzel  und 
kann  sich,  je  nach  Standort  nach  Mayr  sehr  anpassungsfähig,  später  sehr  verschieden 
entwickeln:  auf  seichten  Böden  entwickelt  sie  ein  flach  streichendes  Wurzelsystem, 
dringt  in  Felsspalten  und  in  lockere  Böden  mit  kräftiger  Pfahlwurzel  ein,  auf  lehmigen 
Sand-  und  sandigen  Lehmböden  entwickelt  sie  eine  zentrale  Partie  von  2 — 3  kräftigen 
Wurzeln,  welche  in  die  Tiefe  gehen,  während  die  übrigen  Wurzeln  seicht  verlaufen, 
auf  bindigem  Boden  dringt  sie  nur  wenig  in  die  Tiefe  (so  dass  selbst  10 — 15jährige 
Stämme  durch  Schneedruck  geworfen  werden  können). 

Die  Mannbarkeit  tritt  i.  d.  R.  vom  30.,  bei  frei  erwachsenden  Bäumen  oft 
schon  vom  10.  Jahre  ab  ein.  Die  Keimung  erfolgt  im  Frühling  nach  3 — 4  Wochen, 
doch  liegt  der  Samen  mitunter  teilweise  bis  zum  2.  Frühjahr  über.  Das  Keim- 
pflänzchen  hat  5 — 7  dreikantige  Keimblätter  und  wird  im  1.  Jahre  bis  zu  10,  im 
2.  bis  zu  20cm  hoch,  sein Leit trieb  zeigt  zahlreiche,  unregelmässig  verteilte,  kräftige 
Seitenknospen,  die  nach  etwaiger  Zerstörung  der  Gipfelknospe  sofort  zu  neuen  Gipfel- 
trieben emporwachsen  können,  von  da  an  entwickelt  sich  die  Douglasia  rasch  weiter 
und  scheint  ihr  Maximum  zwischen  dem  10.  und  20.  Jahre  zu  erreichen,  in  welcher 
Periode  meterlange  Triebe  sehr  häufig  vorkommen.  In  den  Wald  wird  sie  gewöhnlich 
2 — 4jährig  verschult  gebracht  und  überholt  auf  zusagenden  Standorten  alle  heimischen 
Holzarten  weit.  Auf  gutem  Standorte  kommt  in  der  Regel  in  den  ersten  Lebensjahren 
(etwa  bis  zum  10.)  zu  dem  Frühjahrstrieb  noch  ein  zweiter  nicht  immer  genügend  ver- 


27)  lieber  die  Douglasia  existiert  eine  ungemein  reiche  Literatur.  John  Booth,  Die 
Douglasfichte  und  andere  Nadelhölzer.  Berlin  1877.  92  p.  8  Tf.  u.  1  Kart.  Mayr,  Wal- 
dungen Nordamerikas  p.  290—308.  U.  v.  St.  Paul,  Mitt.  d.  D.  Dendrol.  Ges.  1901  p.  1—8 
und  zahlreiche  Aufsätze  in  den  forstlichen  Zeitschriften. 


Die  Nadelhölzer.     §  41.  271 

holzender  Höhentrieh  (Johannistrieb)  hinzu,  der  in  der  Regel  aus  einer  Seiten- 
knospe am  Gipfel  des  Haupttriebs  entspringt.  In  seiner  Heimat  erreicht  der  Baum 
schon  mit  80  Jahren  (unter  günstigsten  Verhältnissen)  eine  Höhe  von  40  Meter  bei 
80 — 90  cm  Durchmesser,  später  je  nach  Standort  60,  70 — 80,  ja  selbst  1(X)  Meter 
Höhe  und  bis  zu  4  Meter  Durchmesser  bei  vielhundertjährigem  Alter.  Auf  schlechtem 
Boden  wird  nur  eine  Höhe  von  80  Meter  und  darunter  erreicht. 

Das  Holz  der  Douglasia,  das  nach  Mayr  in  seinen  geringsten  (leichtesten)  Sorten 
unserem  besten  Fichten-  und  Tannenholze  gleicht,  in  seiner  besten  Beschaffenheit,  d.  h. 
als  substanzreichstes,  schwerstes  Holz  dem  einheimischen  Lärchenholz  nahe  kommt, 
zeigt  einen  schmalen  hellen  Splint  ( —  3  cm)  und  ein  Kernholz,  welches  sich  bei  der 
Fällung  des  Baumes  nur  wenig  durch  einen  hellbraunen  Farbenton  vom  Splint  abhebt, 
aber  rafich  unter  der  Einwirkung  von  Licht  und  Luft  bis  zur  Färbung  des  Gebirgs- 
lärchenholzes  nachdunkelt.  Mikroskopisch  untersucht  zeigt  es  Harzgäuge  wie  das 
Fichtenholz  und  ähnliche  Markstrahlen  wie  jenes ,  in  denen  aber  oft  je  2  Harzgänge 
verlaufen  und  deren  innere  (Parenchym-)Zellen  nach  Mayr  vereinzelt  zarte  Spiralver- 
dickungen aufweisen.  Nahe  der  Jahrringgrenze  linden  sich  in  Längsreihen  angeordnete 
Parenchymzellen.  Vor  allem  aber  ist  das  Holz  durch  die  spiraligenWand ver- 
dickungen der  Früh-  und  SpÄtholztracheiden  von  dem  Fichten-  und  Lär- 
chenholz unterschieden.  Das  dickwandige  Sommerholz  ist  sehr  reichlich  entwickelt,  auch 
bei  breiten  Jahrringen.  Die  Rinde,  anfänglich  glatt  und  grau,  oft  auffallend  reich 
an  Harzbeulen,  bildet  im  Alter  eine  mächtige  Borke,  die  bis  20  cm  und  darüber  an 
Dicke  erreicht  und  der  Hauptsache  nach  aus  ockergelben  Korkschichten  besteht. 

Die  Douglasia  ist  der  wichtigste  Waldbaum  des  westlichen  Nord-Amerika  nörd- 
lich von  Kalifornien  zwischen  34®  und  52®  n.  Br.  und  geht  westlich  bis  zum  grossen 
Ozean,  östlich  bis  zum  Felsengebirge.  Entsprechend  den  sehr  verschiedenen  klimati- 
schen und  sonstigen  Bedingungen,  unter  denen  die  Douglasia  in  ihrer  Heimat  wald- 
bildend auftritt,  ist  sie  durch  die  Fähigkeit,  sich  den  verschiedensten  Standortsverhält- 
nissen anzupassen,  ausgezeichnet.  1827  in  Europa  eingefühlt.  Auf  frischem,  mildem 
humosem  Lehmboden  gedeiht  sie  bei  uns  am  besten,  auch  auf  lehmhaltigem  genügend 
frischem  Sandboden  gedeiht  sie  noch  gut  und  begnügt  sich  überhaupt  mit  Böden  der 
verschiedensten  Art  und  geognostischen  Herkunft  mit  Ausschluss  des  Dünensandes, 
ständig  vemässter  Standorte,  mageren  Sand-  und  strengen  Thonbodens.  Zu  vollkom- 
menem Gedeihen  setzt  sie  ein  grösseres  Mass  von  Luft-  und  Bodenfeuchtigkeit 
voraus,  ist  aber  auch  in  dieser  Hinsicht  sehr  anpassungsfähig.  Sie  ist  eine  Schatten- 
holzart ähnlich  der  Fichte;  die  Nadeln  bleiben  an  günstigen  Standorten  ca.  8 
Jahre  am  Leben.  Jüngere  Pflanzen  sind,  namentlich  wenn  der  Johannistrieb  nicht 
ausreift,  der  Frostgefahr  ausgesetzt,  ältere  in  genügend  luftfeuchter  Lage  vollkommen 
winterhart.  In  Folge  des  Vorhandenseins  zahlreicher  schlafender  Augen  vermag  die 
Douglasia  die  verschiedenartigsten  Beschädigungen  durch  ein  Reproduktionsvermögen 
auszuheilen,  das,  von  der  Eibe  abgesehen,  von  keinem  unserer  Nadelhölzer  erreicht  wird. 

2.  Pseudotsuga  glaucaMayr  wurde  früher  meist  als  Varietät  der  ersteren 
angesehen ,  ist  im  Felsengebirge  von  Colorado ,  Neumexico  und  Arizona  einheimisch, 
völlig  hart  gegen  Herbst-  und  Winterfrost,  ohne  Johannistrieb,  viel  trägwüchsiger  und 
nur  die  halbe  Höhe  der  ersteren  erreichend.  Auch  als  Nutzholz  soll  sie  weit  hinter 
der  KUstenart  zurückstehen.  Die  Nadeln  sind  kürzer,  blau — weissgrün  und  liegen 
dem  Triebe  mehr  an,  Knospen  rein  kegelförmig,  Zapfen  kürzer  (5  :  2^2  cm), 
Deckschuppen  desgl.,  vielfach  gegen  die  Zapfenbasis  sich  krümmend. 

3.  Pseudotsuga  macrocarpa  Mayr.  Eine  seltene  Holzart  des  südlichen 
Kaliforniens  mit  ungefransten  Knospenschuppen,  sehr  grossen,  am  Rande  kahlen 


272  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Frnchtschuppen ,  während  die  Deckschnppen  nicht  grösser  sind,  Zapfen  2  cm  lang 
gestielt,  13  cm  lang,  offen  6  cm  breit.  Die  Markstrahlt rac beiden  besitzen  eben- 
falls Spiralverdicknngen  (Douglasii  und  glauca  nicht)  und  die  Aeste  stehen  am  er- 
wachsenen Baum  horizontal,  während  sie  bei  der  alten  Donglasia  hängen. 

4.  Pseudotsuga  japonica  Shirasawa.  Ein  15 — 20  m  erreichender  Wald- 
baum des  zentralen  Japan  mit  glaucaähnlichen  Zapfen,  die  lang  gestielt,  dnnkelviolett 
und  bläulich  bereift  sind  und  deren  Deckschuppen  zurückgeschlagen  sind. 

§  42.  Die  Lärchen  (Larix).  Die  Lärchen  besitzen  Lang-  und  Kurz- 
triebe.  Die  weichen,  sommergrünen  Nadeln  stehen  einzeln  auf  wenig  hervon-agen- 
den  Blattkissen  an  der  einjährigen  Pflanze  und  an  den  einjährigen  Langtrieben  der 
älteren  Pflanzen  und  in  dichten  Büscheln  auf  dicken  Kurztrieben,  die  mehrere  Jahre 
Nadelbnschel  entwickeln.  Hauptäste  stehen  nicht  in  Quirlen,  sondern  zerstreut. 
(Näheres  über  die  Verzweigung  bei  L.  europaea.)  Männliche  und  weibliche  Blüten 
sitzen  oft  auf  denselben  Zweigen.  Die  kurzgestielten  gelben  männlichen  Blüten 
gehen  aus  einer  ganzen  Kurztriebknospe  vorjähriger  oder  älterer  Zweige  hervor,  die 
Pollensäcke  springen  schief  der  Länge  nach  auf.  Die  Pollenkörner  haben  keine 
Flugblasen.  Die  am  Grunde  von  einem  Nadelbüschel  umgebenen  weiblichen  Bluten 
entwickeln  sich  nur  aus  dem  oberen  Teil  einer  Kurztriebknospe,  die  Deckschnppe  ist 
gross,  die  Fruchtschuppe  klein.  Die  gestielten  Zapfen  reifen  am  Ende  des  ersten 
Jahres.  Die  lederig-holzigen  Zapfen  sind  aufwärts  gekrümmt,  zerfallen  nicht  bei  der 
Reife,  bleiben  nach  dem  Ausfliegen  der  Samen  noch  einige  Jahre  am  Zweige  haften 
und  fallen  zuletzt  als  Ganzes  ab.  Die  Samen  sind  mit  dem  breiten  Flügel  ver- 
wachsen. —  9  Arten,  meist  der  nördlich  gemässigten  Zone  angehörend  (nur  mit  Zapfen 
sicher  zu  bestimmen!). 

1.  Larix  europaea  De  Candolle  (L.  Larix).  (Syn.  L.  de  cid  ua.)  Ge- 
meine Lärche,  (franz.  Mdleze).  Junge  Triebe  ledergelb,  glatt,  Knospen 
stumpf  eiförmig,  an  den  Kurztrieben  beinahe  kugelig.  Nadeln  hellgrün,  beiderseits 
mit  Spaltöffnungen  und  2  Harzgängen  in  den  Kanten,  an  üppigen  Lang  trieben 
—  5  cm  lang  und  l^a  mm  breit,  an  älteren  Bäumen  meist  nicht  über  2  cm  lang  und 
wenig  über  1  mm  breit,  lineallanzettlich,  fein  zugespitzt,  am  Grunde  wenig  verschmälert, 
auf  der  Unterseite  stärker  gewölbt ;  an  Kurztrieben  durchschnittlich  länger  aber 
schmäler,  die  küi*zeren  Nadeln  aussen,  die  längeren  innen  stehend,  stumpfer,  nach  unten 
zu  stark  verschmälert,  grösste  Breite  über  der  Mitte,  meist  beiderseits  gleichmässig 
gewölbt.  Männliche  Blüten  eiförmig  kugelig,  V2 — 1  cm  lang;  weibliche 
Blüten  1 — 2  cm  lang,  mit  karminroten  Deckschuppen,  welche  die  kleinen  bleich- 
grünen, rötlich  umsäumten  Fruchtschuppen  völlig  verdecken.  Nach  der  Bestäubung: 
vergrössern  sich  die  Fruchtschuppen  rasch  und  die  Deckschuppen  vertrocknen.  Zapfen 
2^2- -4  cm  lang,  2  cm  breit,  hellbraun.  Samen  verhältnismässig  klein,  3eckig,  ca. 
372  ( — 5)  mm  lang  mit  doppelt  so  langem,  schief  abgerundetem  Flügel.  1  Kilo  ent- 
hält 120 000- -130 000,  im  Durchschnitt  125000  geflügelte  und  160000  entflügelte  Samen. 
Auf  den  Hektoliter  gehen  16—18  Kilo  geflügelte,  48—52  Kilo  entflügelte  Samen. 

Die  Mannbarkeit  tritt  bei  der  Kulturlärche  frühe,  im  freien  Stande  oft  schon 
mit  10 — 15  Jahren,  im  allgemeinen  aber  nicht  vor  dem  20.  Jahre  ein,  in  Gebirgslagen 
oft  erst  mit  dem  30.  Jahre.  Die  Blütezeit  fällt  mit  dem  Nadelausbruche  zusammen. 
Die  im  Oktober-November  reifenden  Samen  fliegen  erst  im  folgenden  Frühjahre  zmn 
Teil  aus,  zum  Teil  bleiben  sie  noch  in  den  Zapfen.  In  tieferen  Lagen  kommt  ca.  alle 
3 — 5  Jahre  ein  Samenjahr,  im  höheren  Gebirge  alle  6 — 10  Jahre.  Die  Keimkraft  der 
Samen  beträgt  im  allgemeinen  nur  20 — 30  7o,  in  Norddeutschland  selten  mehr  als  10 
bis  1270,   in   den   baltischen  Provinzen    und   ebenso   von  auffallend  frühe  mannbaren 


Die  Nadelhölzer.     §  41.  273 

Bäumen  sind  die  Samen  meist  alle  taub.  Bei  gater  Aufbewahrung  behalten  die  Samen 
3 — 4  Jahre  ihre  Keimkraft,  aber  schon  zweijähriger  Samen  keimt  schwerer  und  später 
als  einjähriger.  Die  Keimung  erfolgt  3 — 4  Wochen  nach  der  Aussaat.  Das  zarte 
Keimpflänzchen  hat  5 — 7  bläullchgriine,  dreikantige,  ca.  1^2  cm  lange  Keimblätter.  Im 
ersten  Jahre  kann  die  junge  Pflanze  schon  10 — 15  cm  und  darüber  ( — 60  cm !)  (die 
Pfahlwurzel  — 27  cm  lang)  werden ;  sie  bildet  einige  Seitenknospen,  die  im  2.  Jahre  zu 
Kurztrieben  auswachsen  und  schliesst  mit  einer  Gipfelknospe  ab,  unter  welcher  die 
Nadeln  den  Winter  über  am  Leben  bleiben.  Die  reichlichere  Entwickelung  von  Kurz- 
trieben beginnt  in  der  Kegel  nicht  vor  dem  S.Lebensjahre,  in  welchem  die  Pflanzen 
nicht  selten  über  1  Meter  Höhe  erreichen.  Mit  10  Jahren  kann  sie  schon  über  4,  mit 
20  Jahren  schon  über  8  Meter,  mit  60  über  25  Meter  bei  entsprechender  Stärke  haben. 

Bei  5 — 20jährigen  Lärchen  kommen  mitunter  bis  meterlange  Längstriebe  vor, 
doch  wird  die  Lärche  im  20. — 30.  Jahre  gewöhnlich  von  der  ihr  in  der  Jugend  an 
Höhenwuchs  nachstehenden  Fichte  eingeholt  und  überwachsen.  Kein  anderer  einheimi- 
scher Waldbaum  vereinigt  Schnelligkeit  und  Ausdauer  des  Wachstums  so  wie  die 
Lärche,  die  in  der  Jugend  mit  Ausnahme  von  Birke  und  Aspe  alles  weit  überholt.  Je 
nach  Lage  und  Klima  beendet  die  Lärche  ihren  Höhenwuchs  nach  60 — 150  Jahren  mit 
20 — 30  Meter  und  reinigt  sich,  auch  im  Freistande,  bis  ziemlich  hoch  hinauf  von  Aesten. 
Unter  günstigen  Umständen  wird  sie  an  ihren  natürlichen  Standorten  viel  älter,  höher 
( — 52  M.)  und  stärker.  Bei  Blitzingen  1350  M.  üb.  M.  im  Oberwallis  steht  eine  Lärche 
von  29  Meter  Höhe  und  7^/2  Meter  Umfang  in  Brusthöhe  (cf.  Baumalbum  der  Schweiz), 
bei  Saas-Fee  im  Wallis  (1850  M.)  habe  ich  Lärchen  gesehen,  die  bei  ca.  20  Meter 
Höhe  und  3 — 4V2  Meter  Umfang  ein  Alter  von  600 — 700  Jahren  erreicht  hatten  und 
dabei  bis  zum  innersten  Jahresring  gesund  waren! 

Die  Verzweigung  ist  von  derjenigen  der  Fichten,  Tannen  und  Kiefern  we- 
sentlich verschieden.  An  den  Langtrieben  trägt  etwa  der  10. — 6.  Teil  der 
Nadein  Achselknospen,  ein  endständiger  Knospenquirl  wird  nicht  gebildet.  Im  Früh- 
jahr entwickeln  sich  aus  den  Seitenknospen  zunächst  Kurztriebe  und  die  älteren  Kurz- 
triebe bilden  gleichfalls  Nadelbüschel,  einen  Monat  später  wachsen  einzelne  dieser 
jungen  und  alten  Kurztriebe  zu  neuen  Langtrieben  aus,  während  die  andern  ihr  Längen- 
wachstum mit  einer  Endknospe  abschliessen.  Bei  üppigen  jungen  Pflanzen,  ganz  be- 
sonders auch  bei  L.  leptolepis,  entwickeln  sich  nach  meinen  Beobachtungen  nicht  selten 
fast  sämtliche  Achselknospen  dieser  Langtriebe  noch  im  gleichen  Jahre  zu  Kurztrieben, 
von  denen  einzelne  sofort  noch  zu  Langtrieben  auswachsen.  Das  Alter  einer  jungen 
Lärche  ist  somit  aus  der  Verzweigung  durchaus  nicht  zu  ermitteln.  Mitunter  wachsen 
auch  einzelne  Zapfen  zu  Langtrieben  von  kurzer  Lebensdauer  aus  (durchwachsene  Zapfen). 
Die  Kurzzweige  entwickeln  nur  wenige  Jahre  nach  einander  Nadelbüschel  und  stellen 
dann  ihi*  weiteres  Wachstum  ein,  während  ihre  Endknospe  als  schlafendes  Auge  noch 
lange  Zeit  am  Leben  bleiben  kann,  das  reichliche  Ausschlagvermögen  der  Lärche  be- 
dingend. Die  Seitenäste  1.  Ordnung  der  pyramidal-kegelförmigen  Krone  sind  verhält- 
nismässig schwach,  bei  freiem  Stande  weit  ausgreifend,  mit  aufwärts  gebogenen  Enden 
und  abwärts  hängenden,  dünneren  Zweigen.  Das  kräftige,  anfangs  meist  mit  Pfahl- 
wurzel versehene  Wurzelsystem  besteht  später  hauptsächlich  aus  einigen  tief 
gehenden,  reich  verzweigten  „Herz  wurzeln",  welche  der  Lärche  einen  ungleich  festeren 
Stand  gewähren,  als  ihn  Fichte  und  Tanne  besitzen. 

Das  feste,  zähe  und  elastische  Holz  hat,  abweichend  von  der  Fichte  und  Tanne, 
einen  schmalen  gelben  Splint  und  einen  mehr  oder  weniger  braunroten  Kern.  Das 
dunklere  Spät  holz  der  Jahrringe  ist  nach  beiden  Seiten  hin  scharf  abgesetzt. 
Am  wertvollsten  ist  das  gleichmässig  engringige  Holz  der  Hochgebirgslärchen  („ Stein" - 

Handbuch  d.  Foritw.    2.  Aufl.    I.  18 


274  III.  Klein,  Forstbotanik. 

oder  „Jochlärchen'')  im  Gegensatz  zu  den  in  den  fruchtbaren  Tälern  erwachsenen 
9 Graslärchen''.  Im  anatomischen  Bau  stimmt  das  Lärchenholz  völlig  mit  dem 
Fichtenholz  überein.  Die  Markröhre  ist  sehr  dünn.  Durch  die  ganz  regellos  auf- 
tretenden Aeste  sind  die  Bretter  des  Lärchenholzes  leicht  von  denen  des  Kiefernholzes 
zu  unterscheiden.  Die  anfänglich  aschgraue  glatte  Rinde  bildet  frühzeitig  bei  ca. 
10  cm  Stammdurchmesser  Borke,  die  innen  dunkel  braunrot  ist,  an  älteren  Bäumen  bis 
15  cm  und  darüber  dick  werden  kann  und  deren  einzelne  Korkschichten  schön  karmin- 
rot oder  rosa  gefärbt  sind. 

Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  der  Lärche  umfasst  die  ganzen 
Alpen,  die  Karpathen  und  das  schlesisch-mährische  Gesenke,  wo  sie  in  Mischung  mit 
Fichten  und  Arven  oder  allein  in  der  höchsten  Waldregion  bis  zur  Krummholzzone 
emporsteigt  (Bayr.  Alpen  bis  2000  Meter ,  Wallis ,  Engadin  und  Tirol  bis  2300  und 
2400,  Gesenke  bis  800  Meter).  Durch  Kultur  ist  dieser  Hochgebirgsbaum  über  ganz 
Deutschland  und  Mitteleuropa,  bis  nach  Schottland  und  Norwegen  (bis  zum  69^),  den 
baltischen  Provinzen  und  bis  ins  mittlere  Russland  verbreitet  worden. 

Hinsichtlich  ihrer  Lebensansprüche  meidet  sie  in  ihrem  natürlichen  Ver- 
breitungsgebiet Sturmlagen  und  bevorzugt  geschützte  Hänge,  Schluchten  und  Täler, 
liebt  als  ausgesprochenste  Lichtholzart,  —  die  durch  ihren  Schatten  nicht 
leicht  einen  anderen  Baum  unterdrückt,  aber  im  Schatten  eines  jeden  anderen  Wald- 
baumes leidet,  —  räumliche  Stellung,  raschen  üebergang  vom  Winter  zum  Sommer, 
gleichmässige  Temperatur  des  letzteren  und  ausgiebige  Besonnung.  Ihre  Bodenan- 
sprüche stehen  zwischen  Tanne  und  Fichte;  Tiefgründigkeit,  massige  Frische  und 
mittlere  Lockerheit  des  Bodens  und  steter  Luftwechsel  sind  wesentliche  Bedingungen 
ihres  Gedeihens.  In  Kultur  besitzt  die  Lärche  eine  grosse  Anpassungsfähigkeit  an 
andere  Verhältnisse. 

Die  Variationsfähigkeit  der  Lärche  ist  gering.  An  wildwachsenden 
Bäumen  sind  beobachtet:  I.Abänderungen  in  der  Färbung  der  weib- 
lichen Blüten,  rötlichgelb  oder  rot  bei  der  var.  rubra  in  hohen  Lagen  Nieder- 
österreichs, grünlichweiss  —  schneeweiss  bei  der  var.  alba  in  der  Schweiz  und  in 
Kämthen.  2.  Von  Wuchsformen  wild  nur  die  Schlangenlärche,  lusus  v i r g a ta 
in  Steiermark  ^) ,  ausgezeichnet  durch  spärliche  Entwickelung  von  Langtrieben  und 
fast  vollständiges  Fehlen  der  für  die  Lärche  so  charakteristischen  abwärts  hängenden 
Zweige.  3.  Von  Standortsformen  sind  zu  erwähnen  Verbisslärche,  Kandelaber- 
lärche, Fahnen-  und  vor  allem  Säbelwuchs  (die  Neigung,  sich  unter  dem  Einfluss  des 
Windes  an  der  Stammbasis  säbelförmig  zu  krümmen). 

2.  Larix  sibirica  Ledebour,  in  Nord-Asien  weit  verbreitet,  von  der  euro- 
päischen Lärche  verschieden  durch  sehr  dichte  und  üppige  Benadelung,  viel  längere 
(3 — 5  cm  lange)  Nadeln,  durch  bleichgrüne  weibliche  Blüten  und  grössere,  3 — 4  cm 
lange  Zapfen,  deren  Schuppen  auch  zur  Zeit  der  Reife  noch  deutlich  filzig  behaart 
sind  und  bis  zum  Ausfliegen  der  Samen  mit  eingebogenen  Rändern  dicht  zusammen- 
schliessen.  Die  in  ihrer  Heimat  ausgedehnte  Waldungen  von  sehr  stattlichen  schnur- 
geraden Stämmen  bildende  Lärche  ist  bei  uns  in  der  Jugend  langsamwüchsig ,  treibt 
etwas  früher  aus  und  wirft  die  Nadeln  etwas  später  ab. 

3.  Larix  leptolepis  Gordon.  Japanische  Lärche.  Hondo-Lärche. 
Junge  Triebe  glänzend  rötlichbraun.  Nadeln  bläulichgrün,  an  Kurz- 
trieben  durchschnittlich  3,  an  Langtrieben  3^/2  cm  lang.  Deckschuppen  der  weiblichen 
Blüte   im  Verhältnis   zur  Fruchtschuppe   gross,    gelbgrün   mit   rotem    Rande. 


28)  Abgebildet  bei  Herapel  und  Wilhelm  l.  c.  I.  p.  113. 


Die  Nadelhölzer.     §  45.  275 

Keife  Zapfen  je  nach  Standort  1^/2 — 3^2  cm  lang,  rötlich  hellbraun  mit  sehr  zarten, 
am  Rande  etwas  zurückgeschlagenen  Samenschuppen ,  die  jetzt  doppelt 
80  lang  als  die  vertrockneten  Deckschuppen  sind.  Keimpflanze  mit  4 — 6  Keim- 
nadeln, auf  welche  unmittelbai*  die  Längstriebnadeln  ohne  Stillstand  in  der  Entwickelung 
folgen.  —  Dieser  in  Zentraljapan  einheimische  Baum  1.  Grösse  ( — 30  M.)  wurde  1861 
in  Europa  eingeführt,  ist  vollständig  winterhart  und  kann  nach  Mayr  dem  Klima  nach 
überall  da  kultiviert  werden,  wo  Fichten  und  Tannen  gedeihen,  nach  Boden  dagegen 
nur  in  den  wärmsten  Lagen  Deutschlands.     Forstlich  vielfach  versuchsw^eise  angebaut. 

4.  Larix  curilensis  Mayr.  Kurilenlärche.  Junge  Pflanze  nach  Mayr 
von  allen  bisher  kultivierten  I-Ärchen  sofort  durch  die  tief  blaurot en,  bereiften, 
etwas  behaarten  jungen  Triebe  und  die  langen  (2^2 — 4^«  cm,  die  obersten  — 15  cm!), 
steifen,  harten,  sichelförmig  in  der  Nadelebene  gekrümmten,  2  mm  breiten,  schön 
dunkelgrünen  Nadeln  zu  unterscheiden.  Nadelbüschel  flachgedrückt.  Deckschuppen  der 
weiblichen  Blüte  blaurot.  Zapfen  1,5 — 2,5  cm  lang,  1,5  cm  dick,  bis  zur  Reife 
dunkelrot  bleibend.  Deckschuppen  so  lang  wie  die  Fruchtschuppen  oder  kürzer  —  V^ 
so  lang.  Zapfenspindel  orangefarben  behaart.  Keimpflanze  meist  mit  5  schmalen, 
harten,  nach  oben  (bei  leptolepis  meist  schwach  abwärts)  gekrümmten  Keimnadeln, 
auf  welche  5  halb  so  lange  aber  doppelt  so  breite  blaugrüne  Nadeln  folgen ,  worauf 
das  Wachstum  für  8 — 10  Wochen  mit  einer  glänzend  braunen  Knospe  abschliesst.  — 
Dieser  auf  den  Kurileninseln  im  äussersten  Nordosten  Japans,  in  gleicher  Klimalage 
wie  vorstehende  Art,  einheimische  seltene  Baum ,  der  bis  zu  25  Meter  Höhe  erreicht, 
wurde  1889  von  Mayr  in  Deutschland  eingeführt,  ist  völlig  frosthart,  übertrifl't  bis 
jetzt  an  Raschwüchsigkeit  alles  Einheimische  und  Fremde  in  geeigneter  Lage  (6  M. 
mit  7  Jahren!)  und  ergrünt  von  allen  Lärchen  zuerst,  ohne  durch  — 10*^  beschädigt 
zu  werden. 

5.  Larix  dahurica  Turczaninow.  Dahurische  Lärche,  in  den 
Hochgebirgen  des  Amurgebiets  in  Ostasien,  Dahurien  und  der  Insel  Sacchalin  heimisch, 
bis  20  Meter  hoch,  an  ihrer  weit  gegen  das  Eismeer  vorgeschobenen  Polargrenze  als 
Krummholz  die  Grenze  jeglichen  Baumwuchses  bildend,  ist  wie  die  folgende 
Art  durch  arm  schuppige,  kleine,  glänzende  Zapfen  ausgezeichnet,  deren  oberste 
Schuppen  weit  klaffen  und  kaum  kleiner  sind.  Zapfen  ca.  20 schuppig,  kugelig, 
1,2 — 1,5  cm  lang. 

6.  Larix  americana  Michaux.  Oestliche  amerikanische  Lärche. 
Ein  bis  30  Meter  Höhe  erreichender  Waldbaum  des  östlichen  Nordamerika  von  Vir- 
ginien  bis  Kanada,  auch  auf  sumpfigem  Boden  gedeihend,  mit  nur  1,2 — 2  cm  langen,  fast 
kugeligen,  nur  ca.  lOschuppigen  Zapfen.     In  Europa  1739  eingeführt. 

7.  Larix  occidentalis  Nuttall.  Tamarack,  westliche  amerikani- 
sche Lärche.  Dieser  wichtige,  oft  ausgedehnte  Bestände  bildende,  40 — 80  Meter 
Höhe  erreichende  Waldbaum  der  Gebirge  des  nordwestlichen  Amerika  gleicht  im  Habitus 
unserer  Alpenlärche,  von  der  er  sich  aber  durch  seine  Zapfen  unterscheidet,  deren 
Fruchtschuppen,  von  den  ziemlich  verlängerten  Deckschuppen  überragt,  am  offenen 
ca.  2 — 3  cm  langen  Zapfen  horizontal  abstehen.  Junge  Triebe  kahl,  glänzend  bräun- 
lich. Der  amerikanische  Forstbotaniker  Sargent  vermutet,  diese  Lärche  könne  einer 
der  nützlichsten  Bäume  in  Nordeuropa  werden. 

8.  LarixLyalliiParlatore.  Kleiner  (selten  — 1 5 M. hoher),  ästiger,  sparriger 
Baum  vom  obersten  Vegetationsgürtel  in  dem  Hochgebirge  Britisch-Kolumbiens  und 
der  Nordgrenze  der  Vereinigten  Staaten  mit  weisswollig  behaarten  Trieben 
und  dunkelvioletten  Deckschuppen,  deren  lange  grannenförmige  Spitze  auch  beim  reifen 
ca.  4  cm  langen,  2  cm  dicken  Zapfen  die  Fruchtschuppen  weit  überragt. 

18* 


276  III.  Klein,  Foretbotenik. 

9.  Larix  Griffithii  Hooker  fil.  et  Thomson.  Himalavalärche, 
aas  dem  östlichen  Himalaya  — 18  M.  hoch,  mit  cylindrischen,  5 — 8  cm  langen, 
2  cm  dicken  Zapfen  mit  senkrecht  über  die Fruchtschnppen  zurückgeschlagenen, 
znngenförmigen,  gespitzten  Deckschnppen  und  kahlen,  braunroten  Zweigen.  Ca.  18o(> 
in  Europa  eingeführt,  selten  echt,  nur  für  milde  Lagen  als  Parkbaum  geeignet. 

§  43.  Pseudolarix.  Goldlärche.  Einzige  Art  Pseudolarix 
Kaempferi  Lambert.  Chinesische  Goldlärche,  von  den  echten  Ijärchen  durch  die 
bei  der  Reife  wie  bei  Abies  zerfallenden  Zapfen,  die  inDolden  auf  der  Spitze 
von  Kurztrieben  sitzenden  männlichen  Blüten  und  die  an  zwei  und  mehrjährigen  Kurz- 
trieben pfriemlich  zugespitzten  Knospenschuppen  unterschieden.  — 
Grosser,  bis  40  m  hoher,  schöner  Baum  der  Gebirge  des  nordöstlichen  China  mit  quirl- 
ständigen, fast  horizontal  abstehenden  Aesten,  dessen  matt  tiefgrüne,  breite  und  lange, 
weiche  Nadeln  sich  im  Herbste  goldgelb  färben.  1856  in  Europa  eingeführt,  prächtiger 
winterharter  Ziei*baum,  leider  oft  verkrüppelt. 

§  44.  C  e  d  r  u  s.  C  e  d  e  r.  Verzweigung  und  Benadelung  wie  bei  den  Lärchen, 
die  stechend  spitzen,  steifen  Nadeln  von  mehrjähriger  Lebensdauer. 
Männliche  Blüten  am  Grunde  gleichfalls  von  einem  Nadelbüschel  umgeben.  Zap- 
fen gross,  erst  im  zweiten  oder  dritten  Sommer  reifend  und  dann  wie  bei  den 
Tannen  zerfallend.  Samen  mit  grossem  Flügel  und  Terpentinblasen  in  der  weichen 
Samenschale.  —  3  Arten.  Sehr  dekorative,  auch  im  Alter  fast  bis  zum  Boden  herab 
beastete  Bäume  mit  breit  ausladender  Krone,  auf  die  Dauer  nur  in  sehr  milden  und 
luftfeuchten  Lagen  in  Deutschland  gut  aushaltend;  prachtvolle  Exemplare  von  gewal- 
tigen Dimensionen  schon  am  Genfer  See.     (Cf.  Baumalbum  der  Schweiz.) 

1.  Cedrus  Deodära  London.  Himalaya-Ceder,  Deodar.  Krone 
pyramidal  mit  überhängendem  Wipfel.  Nadeln  länger  als  bei  den  folgen- 
den, bis  5  cm,  aber  dünner  und  weniger  starr.  Zapfen  kahl,  8—12  cm  lang,  6cm 
dick,  auf  dem  Scheitel  nicht  eingedrückt.  —  Im  nordwestlichen  Himalaya  heimisch, 
bis  50  m  Höhe  und  3  m  Durchmesser  erreichend.  1822  in  Europa  eingeführt,  relativ 
am  härtesten. 

2.  Cedrus  Libani  London.  Libanon-Ceder.  Krone  junger  Bäume 
pyramidal  mit  überhängendem  Wipfel;  im  Alter  breit  schirmförmig,  in  Etagen 
abgeflacht.  Nadeln  kurz  (bis  3,5  cm)  starr,  meist  IVa  mal  breiter  als  dick.  Zapfen 
6 — 10  cm  lang,  4 — 7  cm  dick  wie  bei  C.  atlantica  ftlzig  behaart  und  am  Gipfel  ein- 
gedrückt. —  In  den  Gebirgen  Kleinasiens  einheimisch,  bis  40  m  Höhe  und  oft  enormen 
Umfang  erreichend,  1683  in  Europa  eingeführt. 

3.  Cedrus  atlantica  Manetti.  Atlas-Ceder.  Jung  der  Libanon- 
ceder  sehr  ähnlich,  aber  der  Wipfel  stets  aufrecht  und  die  Krone  bleibend 
pyramidal.  Zapfen  5 — 6  cm  lang  und  4  cm  dick.  —  Auf  den  Gebirgen  Nordafrikas 
heimisch  und  waldbildend,  bis  40  m  hoch.     1842  in  Europa  eingeführt. 

Die  Kiefern.     (Pinus),  (franz.  Pin.) 

§  45.  Die  Kiefern  besitzen  Lang-  und  Kurztriebe.  Die  Langtriebe  tragen 
nur  an  einjährigen  (seltener  auch  noch  an  2 — 4jährigen)  Pflanzen  spiralig  ange- 
ordnete Einzel  nadeln.  Die  älteren  Langtriebe  tragen  nur  trockenhäutige  Schup- 
penblätter, in  deren  Achseln  die  nadeltragenden  Kurztriebe  stehen.  Die  Kurztriebe 
beginnen  stets  mit  Schuppenblättem ,  den  Nadelscheiden,  und  tragen  am  Ende 
ihrer  äusserst  kurzen  und  dünnen  Achse  ein  Büschel  von  je  nach  der  Species  2,  3  oder 
5  halbstielrunden  oder  dreikantigen  Nadeln  von  mehrjähriger  Lebensdauer.  Die  männ- 
lichen Blüten  stehen  an  jungen  Langtrieben  und  zwar  an  Stelle  vonKurztrieben 


Die  Nadelhölzer.     §  46.  277 

büschelig  oder  traubeiiförmig  gehäuft  unterhalb  der  Endknospe  des  Triebes,  jede  einzelne 
gestielte  Blüte  in  der  Achsel  eines  trockenhäutigen  Deckblättchens.  Die  Pollen- 
säcke springen  der  Länge  nach  auf;  die  Pollenkörner  besitzen  zwei  seitliche 
Fl  agblasen.  Die  kleinen  weiblichen  Blüten,  an  der  Basis  von  Knospenschuppen 
umgeben,  aus  Quirlkospen  entstanden,  stehen  am  Ende  junger  Triebe,  entweder 
einzeln  scheinbar  endständig  (neben  der  Endknospe  subterminal,  wenn  nur  eine  Quirl- 
knospe zur  weiblichen  Blüte  wird)  zu  zweien  gegen-  oder  zu  mehreren  quirlständig. 
Die  Zapfen  sind  zuletzt  meist  hängend  und  reifen  im  zweiten  oder  dritten 
Jahre.  Die  Deckschuppen  sind  von  Anfang  an  kleiner  als  die  fleischigen  PYucht- 
schoppen.  Die  Fruchtschuppen  schliessen  bis  zur  Samenreife  fest  zusammen  und 
tragen  an  dem  meist  verdickten  Ende  eine  scharf  abgesetzte,  an  der  Aussenfläche  des 
Zapfens  sichtbare  Endfläche,  die  Apophyse,  auf  der  sich  meist  ein  Höcker,  der 
Nabel  befindet.  Die  Samen  besitzen  meist  einen  schmalen  Flügel ,  der  mit  seiner 
Basis  den  Samen  zangenartig  umfasst;  seltener  ist  der  Flügel  verkümmert.  Die 
Verzweigung  des  Stammes  wie  der  Aeste  erfolgt  nur  durch  Quirlknospen, 
die  zu  drei  oder  mehreren  unter  der  Endknospe  stehen.  Zwischenknospen  fehlen  den 
Kiefern  normaler  Weise  vollständig  und  die  Krone  der  jungen  Kiefer  ist  infolge 
dessen  ganz  regelmässig  aus  Astquirlen  aufgebaut,  welche  diese  Verzweigung 
wiederholen.  Die  Nadeln  werden  im  allgemeinen  im  3. — 6.  Jahre  abgeworfen  und  die 
Benadelung  der  Krone  ist  eine  viel  lichtere  als  bei  den  Fichten  und  Tannen.  Als 
ausgesprochene  Lichtholzarten  reinigen  sich  die  Kiefern  auch  bei  freiem  Stande  weit 
hinauf  von  Aesten,  die  Krone  verlichtet  sich  gleichfalls  und  verliert  ihren  für  die  junge 
Pflanze  so  charakteristischen  regelmässigen  Bau  und  die  ursprünglich  stets  kegelförmige 
Kronenform  schliesslich  vollständig,  indem  mit  höherem  Alter  einzelne  Seitenäste  sich 
stärker  als  der  Gipfel  entwickeln  und  die  Verzweigung  wie  namentlich  die  Entwickelung 
der  einzelnen  Zweige  sehr  ungleichmässig  vor  sich  geht.  Die  alte  Krone  wird  so  immer 
anregelmässiger,  laubholzähnlicher  oder  wölbt  sich  mehr  und  mehr  ab,  bei  der  Pinie 
bis  zur  vollkommenen  Schirmform. 

Die  meisten  Kiefern  besitzen  eine  starke  Pfahlwurzel  und  kräftige  weit  streichende 
Seitenwurzeln.  Das  Holz  ist  reich  an  Harzkanälen,  Splint  und  Kernholz  sind  gewöhn- 
lich verschieden  gefärbt.  ^ 

Die  Kiefern  sind  immergrüne  Waldbäume  der  nördlichen  gemässigten  Zone  bis 
zur  Polargrenze  des  Baumwuchses  und  überschreiten  nur  in  den  Gebirgen  den  Wende- 
kreis. Ca.  80  Arten**),  von  welchen  hier  nur  die  für  unsere  Zwecke  wichtigsten  be- 
handelt werden  können. 

1.  Sektion  Pinaster. 

Zapfenschuppen  fest,  dick  und  holzig.  Apophyse  rhombisch, 
durch  einen  queren  Kiel  in  ein  oberes  und  unteres  Feld  geteilt.  Nabel  in  der 
Mitte  des  Kiels.  Centralstrang  der  Nadeln  zwei  neben  einander  liegende  Gefäss- 
bnndel  enthaltend. 

a)  Zweinadelige  Kiefern  (Subsektion  Pinea.) 

Die  Kurztriebe  tragen  normalerweise  2  (selten  3  oder  nur  1)  Nadel.  Mit  Aus- 
nahme von  P.  Cembra  und  P.  Peuce  gehören  alle  europäischen  Kiefern  hierher. 

29)  Vergl.  Ascherson  und  Graebner,  Synopsis  der  mitteleur.  Flora  I,  wo  die  sehr  ver- 
wickelte Systematik  der  centraleuropäischen  Kiefern  mit  ihren  zahlreichen  Varietäten  und 
Bastarden  in  mustergiltiger  Weise  dargestellt  ist.  Bezüglich  der  amerikanischen  und  japa- 
nischen ,  bei  uns  zu  versuchsweisem  Anbau  empfohlenen  Arten  vergl.  die  vorzüglichen  Werke 
Mayr^s. 


278  III.  Klein,  Forstbotanik. 

§  46.  1.  Pinus  silvestris  Linn6.  Gemeine  Kiefer,  Föhre,  For- 
che, Weissföhre  ist  nächst  der  Fichte  der  verbreitetste  Waldbaum.  Rinde  der 
benadelten  Zweige  glatt,  glanzlos,  graugelb  (scherbengelb),  der  älteren  Aeste  und  jün- 
geren oberen  Stammteile,  etwa  vom  10.  Jahre  ab,  leuchtend  rot  gelb,  in  papier- 
dünnen  Streifen  und  Fetzen  sich  abschilfernd;  im  Alter  eine  dicke,  innen  rotbraune, 
aussen  graubraune  Tafelborke.  Knospen  gross,  1 — 2  cm  lang,  spitz,  eilänglich,  meist 
nicht  verharzt,  mit  grauen  oder  rötlichen,  meist  anliegenden  Schuppen.  Nadeln 
zweifarbig,  aussen  dunkelgrün ,  auf  der  flachen  Seite  durch  Wachsausscheidung 
meergrün,  im  allg.  4 — 6  cm  lang,  2  mm  breit,  auf  schlechtem  Standort  bis  2,  bei  be- 
sonders üppiger  Entwickelung  bis  8  cm  lang,  von  der  Basis  zur  Spitze  meist  um  einen 
ganzen  Umgang  um  ihre  Längsachse  gedreht.  Epidermiszellen,  wie 
bei  allen  andern  Arten  ausser  P.  montana,  im  Querschnitt  so  hoch  wie  breit  mit 
punktförmigem  Lumen;  Harzgänge  meist  zahlreich,  von  einem  Ringe  auffal- 
lend dickwandiger  Zellen  umgeben,  unmittelbar  an  die  äusserste  Zellschicht 
der  Nadel  grenzend ;  zwischen  beiden  Gefässbündeln  eine  mächtige  Sklerenchym- 
zellgruppe.  MännlicheBlüten  eiförmig,  kaum  1  cm  lang,  auf  der  unteren 
Hälfte  diesjähriger  Langtriebe,  die  über  ihnen  benadelte  Kurztriebe  entwickeln  und  nach 
dem  Abfall  der  männlichen  Blüten  am  Grunde  kahl  bleiben.  Weibliche  Blüten 
gestielt,  einzeln  oder  zu  zweien  unterhalb  der  Endknospe  diesjähriger  Langtriebe,  rund- 
lich eiförmig,  bis  0,5  cm  lang,  mit  kleineren,  zarten,  grünlichen  Deckschuppen  und 
grösseren,  fleischigen,  mit  hornartig  vorstehender  Spitze  versehenen,  grünen,  rotüber- 
laufenen Fruchtschuppen.  Nach  dem  Verblühen  vertrocknen  die  Deckschuppen,  die 
Zapfen  krümmen  sich  abwärts  und  färben  sich  gelblich  grau  und  wachsen  bis  zum  Herbste 
nur  unbedeutend.  Im  zweiten  Frühjahr  wachsen  sie  zu  grünen  Zapfen  heran,  welche 
im  Oktober  reifen  und  an  ziemlich  langem  Stiele  hängen.  Reife  Zapfen  aus 
schiefem,  meist  etwas  verschmälertem  Grunde  eikegelförmig,  2,5 — 7  cm  lang  und  2—  3,5  cm 
dick ,  graubraun ,  oft  völlig  glanzlos.  Apophysen  auf  der  Ijichtseite  des 
Zapfens  meist  stärker  hervorragend,  bis  8  mm  breit,  grösstenteils  fast  quadratisch, 
zum  Teil  5-  und  6eckig,  mit  flachem  oder  etwas  konvexem  Oberfeld. 
Nabel  in  der  Mitte  der  Apophyse,  meist  ohne  Stachelspitze,  klein,  meist  hellbraun, 
glänzend,  nicht  schwarz  umrandet.  Samen  3 — 5  mm ,  teils  gelb ,  teils 
schwarzbraun,  mit  dem  Flügel  ca.  15  mm  lang.  Ein  Kilo  geflügelten  Samens  enthält 
115000— 1250(X),  von  entflügeltem  150000—180000  Samen.  Von  ersteren  gehen  13—15 
Kilo,  von  letzteren  40—45  Kilo  aufs  Hektoliter.  —  Bei  der  sog.  „Zapfensucht"  ent- 
stehen am  unteren  Teil  des  neuen  Triebes  Zapfen  in  sehr  grosser  Zahl  an  Stelle  von 
männlichen  Blüten. 

Die  Mannbarkeit  tritt  ohne  Beeinträchtigung  der  Keimfähigkeit  des  Samens 
bei  freiem  Stande  schon  mit  15 — 20  Jahren,  im  Schlüsse  zwischen  dem  30.  und  50., 
auf  feuchten  Böden  gar  erst  zwischen  dem  70.  und  80.  Jahre  ein.  Wiederkehr  reich- 
licher Samenjahre  durchschnittlich  alle  3  Jahre.  Die  Blütezeit  fällt  im  Süden  in  den 
Mai,  im  Norden  kann  sich  ihr  Beginn  bis  Anfang  Juni  hinziehen.  Die  reifen  Zapfen 
springen  gewöhnlich  im  März  oder  April  des  3.  Jahres  auf,  lassen  die  Samen  ausfliegen 
und  bleiben  dann  noch  bis  zum  Herbste  hängen.  Reiche  Samenjahre  folgen  sich  im 
Durchschnitt  alle  3 — 4  (5)  Jahre.  Guter  Samen  hat  eine  Keimfähigkeit  von  60 — 70**/o. 
Dauer  der  Keimkraft  3( — 4)  Jahre  bei  starker  Abnahme  der  Keimprozente.  Die  Kei- 
mung erfolgt  bei  Frtihlingssaat  je  nach  Witterung,  Lage  und  Boden  in  (2)  3—6  Wochen. 
Die  Keimpflanze  besitzt  einen  Quirl  von  4 — 7  bis  2  cm  langen,  dreikantigen, 
glattrandigen,  bogig  aufwärts  gekrümmten  Keimblättern  und  entwickelt  im  ersten  Jahre 
einen  gewöhnlich  ca.  5,  unter  besonders  günstigen  Umständen  8 — 10  cm  langen  Höhen- 


Die  Nadelhölzer.     §  46.  279 

trieb,  welcher  mit  einzeln  stehenden,  schwertförmigen,  an  beiden  Eändern  fein  säge- 
zähnigen  Nadeln  besetzt  ist,  mit  einer  gewöhnlich  unter  einem  dichten  Nadelbüschel 
versteckten  Endknospe  schliesst  und  bei  kräftigen  Pflänzchen  auch  einzelne  Achselknospen 
entwickelt,  welche  im  zweiten,  mitunter  schon  im  gleichen  Jahre  zu  2nadeligen  Kurz- 
trieben,  abnormer  Weise  auch  zu  Scheidetrieben  auswachsen,  in  der  Regel  aber  zu 
kurzlebigen  schlafenden  Augen  werden.  Die  Pfahlwurzel  verlängert  sich  schon  im 
1.  Jahre  um  das  3— 4fache  des  oberirdischen  Pflänzchens,  wie  denn  das  Wurzelsystem 
überhaupt  sich  im  1.  oder  2.  Jahre  besonders  ausbildet.  Im  2.  Jahre  erreicht  das 
Pflänzchen  eine  Länge  von  ca.  13 — 16  cm.  Der  zweite  Jahrestrieb  beginnt  mit  einzeln 
stehenden  schwertförmigen  Nadeln,  auf  die  weiterhin  solche  mit  2nadeligen  Kurztrieben 
in  den  Achseln  und  schliesslich  nur  noch  Kurztriebe  in  der  Achsel  bald  abfallender 
Schuppen  folgen.  Der  zweite  Jahrestrieb  schliesst  mit  einigen  Quirlknospen  unter  der 
Endknospe  ab.  Im  3.  Jahre  beginnt  die*Entwickelung  von  Quirlästen  und  werden  nur 
noch  Kurztriebe  in  der  Achsel  von  Schuppen  gebildet.  Auf  üppigem  Boden  können 
sich  an  7 — 10jährigen  etwa  mannshohen  Pflanzen  nach  Nördlinger  ^*^)  noch  zahlreiche 
Scheidetriebe  entwickeln.  Das  weitere  Wachstum  der  Kiefer  in  den  ersten  Jahrzehnten 
ist  äusserst  rasch  und  wird  von  den  Nadelhölzern  nur  noch  von  der  Lärche  und  der 
Wejrmouthskiefer  übertroifen.  Es  erreicht  je  nach  Standortsgüte  zwischen  dem  15.  und 
25.  Jahre  seinen  Höhepunkt,  hält  aber  dann  noch  lange  an.  Im  Durchschnitt  erreicht 
die  Kiefer  unter  mittleren  Standortsverhältnissen  in  80  Jahren  ca.  20  m,  bei  günstigsten 
Verhältnissen  bis  25  m,  in  mehrhundertjährigem  Alter  unter  günstigsten  Bedingungen 
bis  zu  40  (48)  m.  Maximalalter  ca.  600  Jahre.  —  Die  Nadeln  fallen  samt  den  tra- 
genden Kurztrieben  gew^öhnlich  im  Herbste  des  3.  Jahres  ab,  auf  trockenem  Boden,  in 
trockener  Luft  wie  unter  dem  Einfluss  salzhaltiger  Seewinde  schon  im  2.,  in  luftfeuchten 
Gebirgslagen  auch  wohl  erst  im  4.  Jahre. 

Die  normale  Verzweigung  der  Kiefer  geht  nur  von  den  an  den  Enden 
der  Langtriebe  stehenden  Quirlknospen  aus,  die  auch  an  Seitenzweigen  in  grösserer 
Anzahl  stehen.  Die  jungen  Kurztriebe,  welche  schon  in  der  Knospe  angelegt  sind, 
kommen  gleichzeitig  mit  den  Langtrieben  zur  Entfaltung,  welch  le4ztere  anfUnglich  iv^ie 
Kerzen  aufrecht  stehen.  Die  Endknospen  der  Kurztriebe  entwickeln  sich  normaler 
Weise  nicht  weiter;  sie  besitzen  die  Natur  schlafender  Augen  und  können  sich  nach 
dem  Verlust  der  Nadeln  (durch  Raupenfrass  z.  B.)  zu  bleibenden,  schmächtigen,  kurz 
und  dicht  benadelten  normalen  Langtrieben,  den  sog.  „Scheidetrieben"  5^)  entwickeln. 
Von  den  Quirlknospen  bleibt  gewöhnlich  die  eine  oder  andere  kleiner  und  schlafend, 
um  sich  nach  starken  Nadelbeschädigungen  zu  meist  nur  mit  einzeln  stehenden  schwert- 
förmigen  Nadeln  besetzten  Langtrieben,  den  „Rosettentrieben"  zu  entwickeln. 
Das  Wurzelsystem  der  Kiefer  entwickelt,  wo  es  der  Standort  irgend  gestattet,  eine 
tief  in  den  Boden  eindringende  kräftige  Pfahlwurzel  und  tief  absteigende  Seitenwurzeln. 

Das  Kiefernholz  besitzt  an  starken  Stämmen  einen  oft  handbreiten,  gelblich- 
bis  rötlichweissen  Splint  und  ein  im  allg.  ^/s  des  Querschnittdurchmessers  umfassen- 
des Kernholz,  das  nach  dem  Fällen  anfänglich  meist  die  gleiche  Farbe  zeigt,  später 
aber  deutlich  rotbraun  wird.  Die  Spätholzschichten  der  Jahresringe  treten  wie 
beim  Lärchenholz  deutlich  hervor.  Durch  die  in  Jahrestriebentfemung  stehenden  Ast- 
quirle  lassen  sich  Kiefernbretter  von  Lärchenbrettern  leicht  unterscheiden.  Das 
Holz  ist  reich  an  Harzkanälen,  die  grösser  als  bei  der  Fichte  und  Lärche  und  meist 
schon  mit  freiem  Auge  zu  erkennen  sind.    Die  Markröhre  ist  im  Gegensatz  zur 

30)  Nördlinger,  Deutsche  Forstbotanik  IL  p.  367. 

31)  Abgebildet  bei  Hempel  und  Wilhelm  1.  c.  I  p.  122  und  Ratzeburg,  Waldverderbnis 
I.  Tafel  la,  Fig.  5. 


280  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Lärche  sehr  stark ,  bis  4  mm.  Das  Mikroskop  zeigt  einreihige  und  mehrreihige 
Markstrahlen  mit  einem  Harzgan^  in  der  Mitte.  Die  randständigen  Zellen  der  Mark- 
strahlen zeigen  wie  bei  Fichte  und  Lärche  Tracheiden Charakter  mit  kleinen  Hof- 
tiipfeln,  sind  aber  von  jenen  auf  dem  Kadialschnitt  leicht  durch  die  zackigen,  kamm- 
ähnlichen Wandverdickungen  zu  unterscheiden.  Ausserdem  korrespondieren  die  Mark- 
strahl p  a r e  n c h y m zellen  mit  den  angrenzenden  Tracheiden  durch  sehr  grosse, 
fast  die  ganze  Breite  des  Tracheidenlumens  einnehmende  Tüpfel. 

Das  geographische  Verbreitungsgebiet  der  Kiefer  ist  ein  ausser- 
ordentlich grosses,  es  geht  von  der  Sierra  Nevada  (37°)  in  Spanien,  von  Oberitalien 
und  von  Siebenbürgen  bis  zum  70®  an  der  Westküste  Norwegens  und  gegen  69*^  in 
Lappland,  weiter  östlich  durch  Sibirien,  dort  nahe  an  den  Polarkreis  heranrückend,  bis 
zum  Amurgebiet  und  durch  Kleinasien  bis  nach  Persien,  also  weiter  nach  Norden  und 
Osten  als  dasjenige  der  Fichte.  In  diesem  ungeheuren  Gebiet  bildet  die  Kiefer,  nament^ 
lieh  auf  tiefgründigem  Sandboden  und  insbesonders  im  norddeutschen  Flachlande  aas- 
gedehnte Wälder,  viel  häufiger  für  sich  allein  als  mit  anderen  Holzarten  gemischt.  In 
den  Tiefländern  der  Nord-  und  Ostsee  ist  sie  der  herrschende  Waldbaum.  In  Mittel- 
und  Süddeutschland,  in  Oesterreich  und  der  Schweiz,  wo  sich  die  Kiefer  unter  den 
verschiedenartigsten  Bedingungen  findet,  ist  ihr  Anteil  an  der  Waldbildung  geringer 
und  kommt  sie  vorzugsweise  eingesprengt  vor,  bildet  aber  auch  hier,  namentlich  in  der 
Rheinebene,  auf  dem  Hauptsmoor  bei  Bamberg  und  in  der  ungarischen  Marchniederung 
ebenfalls  ausgedehnte  Waldungen.  In  der  immergrünen  Region  des  Mittelmeergebietes 
fehlt  sie  meist,  ebenso  im  ungarischen  Tieflande,  in  den  Steppen  Südrusslands  und  auf 
den  dänischen  Inseln.  Im  Gebirge  steigt  sie  nicht  so  hoch  wie  die  Fichte,  im  Harz 
bis  350  m,  im  Thüringerwald  bis  500  m,  im  Spessart  und  Odenwald  bis  650  m,  im 
Jura  bis  770  m,  im  bayrischen  Wald  bis  950  m,  im  Schwarzwalde  bis  1000  m,  Kar- 
pathen  und  Vogesen  bis  1200  m,  in  den  bayr.  Alpen  und  Apenninen  bis  1600  m,  Cen- 
tralalpen  bis  1950  m  und  Pyrenäen  bis  2000  m. 

Was  die  Standortsansprüche  anlangt,  so  geht  schon  aus  der  geographi- 
schen Verbreitung  hervor,  dass  die  Kiefer  ein  ausserordentliches  Anpassungsvermögen 
an  klimatische  Gegensätze  besitzen  und  gegen  Winterfrost  wie  Sommerhitze  in  gleichem 
Masse  unempflndlich  sein  muss.  Ebenso  gehört  sie  hinsichtlich  der  Bodenansprüche  wie 
der  Ansprüche  an  Luftfeuchtigkeit  zu  den  allerbescheidensten  Holzarten  und  wird  in- 
folge dessen  überall  da  angepflanzt,  wo  keine  andere  Hauptholzart  mehr  befriedigende 
Erträge  liefert.  Bei  Beurteilung  der  Standortsansprüche  ist  nicht  zu  übersehen,  dass 
eben  viele  Standorte  der  Kiefer  nicht  solche  freier  Wahl  sind.  Zu  üppigem  Gedeihen 
bedarf  sie  immerhin  einer  massigen  Bodenfrische,  wenn  sie  auch  zur  Zeit  grösster  Dürre 
vermöge  ihrer  tiefgehenden  Bewurzelung  ihren  Wasserbedarf  aus  Bodenschichten  zu 
decken  vermag,  die  kein  anderer  Waldbaum  mehr  erreicht,  und  vor  allem  genügender 
Tiefgründigkeit  und  einer  gewissen  Lockerheit  des  Bodens  ohne  Rücksicht  auf  dessen 
geognostische  Zusammensetzung.  Auch  bezüglich  der  Bodenverhältnisse  zeigt  die  Kiefer 
eine  ungemeine  Anpassungsfähigkeit.  Nur  auf  sehr  bindigem  Thonboden,  sehr  dürrem 
Sand  und  sumpfigem,  namentlich  torfigem  Boden  kümmert  sie,  ist  aber  immerhin  meist 
die  einzige  Holzart,  welche  auf  letzteren  Bodenarten  noch  fortkommt.  Als  ausgespro- 
chene Lichtholzart  wird  die  Kiefer  von  den  wichtigeren  Holzarten  nur  durch  die  Birke 
und  Lärche  hinsichtlich  der  Empfindlichkeit  gegen  Beschattung  übertroffen.  Je  geringer 
der  Standort,  desto  grösser  ist  diese  Empfindlichkeit.  —  Die  Kiefer  ist  nicht  minder 
formenreich  als  die  Fichte. 

Nach  Wuchs  und  Verzweigung  etc.  unterscheidet  man  bei  uns  wildwach- 
send folgende  Spielarten 3^): 


Die  Nadelhölzer.     §  46.  281 

a)  Nach  Wuchs  und  Verzweigung  (sehr  selten). 

1.  Lusus  fastigiäta  Carriere.  Säulenkiefer.  Aeste  der  schmal 
pyramidalen  Krone  aufstrebend.  Bis  jetzt  wild  nur  in  Frankreich  und  Norwegen  ge- 
funden, wohl  auch  bei  uns. 

2.  L.  compr6ssa  Carriere,  von  vorstehender  Form  nur  durch  sehr  kurze 
(1 — 2  cm  lange)  Nadeln  unterschieden,  in  Graubünden. 

3.  L.  pendula  Caspari.  Trauer kief er.  Aeste  grösstenteils  oder  sämt- 
lich schlaff  hängend,  die  untersten  dem  Boden  aufliegend,  sehr  selten  in  Brandenburg 
und  Ostpreussen. 

4.  L.  virgäta  Caspar  y.  Schlangen  kief  er.  Hauptäste  aufrecht  ab- 
stehend, zum  Teil  einzeln,  verlängert,  nur  oberwärts  spärlich  verzweigt.  Sehr  selten 
bisher  nur  in  Westpreussen  und  Frankreich  beobachtet. 

b)  Nach  der  Beschaffenheit  der  Rinde  (sehr  selten). 

5.  L.  annuläta  Caspar y.  Schuppe nkiefer.  Stamm  durch  fast  regel- 
mässige Ablösung  der  Borkenschuppen  an  ihrem  unteren  Ende  auf  ^/i  seines  Umfangs 
geiingelt.    Bis  jetzt  nur  in  der  Provinz  Brandenburg. 

c)  Nach  den  Nadeln  (sehr  selten) : 

6.  li.  parvifolia  Heer.  Nadeln  nicht  über  2,5  cm  lang.  Angegeben  in  Schle- 
sien, Westpreussen,  Veltlin,  Mähren  und  Niederösterreich. 

7.  L.  microphylla  Graf  Schwerin.  Nadeln  nur  10 — 15  mm  lang.  Prov. 
Brandenburg. 

8.  L.  variegäta  Carriere  mit  zum  Teil  ganz  oder  teilweise  weissen  Nadeln. 
Westpreussen.     Oefters  in  Gärten  gezogen. 

d)  Nach  der  Farbe  der  Staubbeutel: 

9.  L.  erythranth^ra  Sanio  (Syn.  var.  rubra  Bechstein,  var.  rubriflora  Bu- 
chenau),  Staubbeutel  rosa  bis  carminbraunrot ,  im  nordwestlichen  Deutschland  (z.  B. 
Bremen),  Brandenburg,  Schlesien,  West-  und  Ostpreussen,  Erlangen  und  Baden  be- 
obachtet. 

e)  Nach  der  Form  des  Zapfens  bezw.  der  Apophysen: 

10.  L.  g e n u i n a  Heer.  Zapfen  eikegelförmig.  Apophysen  nicht  höher 
hervorragend  als  ihre  Breite  beträgt ;  zerfällt  in  die  Untei-formen : 

a)  plana  Christ.  Apophyse  der  Lichtseite  scharf  quer  gekielt,  auch 
mit  einem  Längskiel,  eventuell  unterseits  oder  beiderseits  zwei  radialen  Kielen;  ihre 
Erhebung  geringer  als  die  halbe  Breite.  —  So  allgemein  verbreitet! 

ß)  gfbba  Christ.  Apophysen  der  Lichtseite  mit  stumpfem  und  breitem  Quer- 
wulst,  dessen  Abdachungen  konkav  sind ;  ihre  Erhebungen  zwischen  V^  tind  der  ganzen 
Breite:  so  seltener. 

11.  L.  hamäta  Steven  (syn.  reflexa  Heer,  Caspari,  Willkomm).  Zapfen  bis  7  cm 
lang,  schmal  kegelförmig.  Apophysen  der  Lichtseite  in  eine  an  der  Spitze  den  Nabel 
tragende  Pyramide  erhöht,  deren  Länge  die  Breite  der  Apophyse  tibertrifft;  diese  Pyra- 
mide an  den  unteren  Schuppen  nach  dem  Grunde  des  Zapfens  zurückgekrtimmt,  an  den 
oberen  mehr  oder  weniger  nach  dessen  Spitze  hin  gekrümmt.  —  Besonders  an  Krüppel- 
exemplaren auf  zu  nassem  oder  armem  Boden. 

Als  klimatische  Wuchs-  und  als  Standorts  formen  sind  bekannt: 
1.  Forma  turfösaWörlein.  Die  Moorkiefer  Willkomms.  Eine  V^ — 2  m 
hohe  Kriippelform  mit  dünner,  dürftiger,  kurzer  Benadelung  auf  Hochmooren,  vereinzelt 
in  Deutschland  und  Oesterreich,  oft  vom  Habitus  der  Knieholzkiefer,   in  deren  Gesell- 


32)  Nach  der  Zusammenstellung  bei  Ascherson  und  Gräbner  1.  c.  p.  222  ff. 


282  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Schaft  sie  oft  wächst,  häufig  und  förmliche  Best&nde  bildend  in  den  Mooren  der  mssi- 
schen  Ostseeprovinzen ,  wo  sie  selten  über  mannshoch  wird ,  bis  znm  Fnss  beastet  ist 
und  sehr  starre,  3  cm  lange,  schon  im  zw^eiten  Jahre  abfallende  Nadeln  besitzt.  Nach 
Entwässerung  des  Moores  kann  sie  noch  zum  kräftigen  Baume  erwachsen. 

2.  Die  Strandkiefer  der  Ostseeküsten,  von  Mecklenburg  bis  zu  den  russischen 
Ostseeprovinzen,  schon  in  der  Jugend  buschig,  vom  Sturm  vielfach  zerzaust  und  zer- 
brochen, mit  Sekundärwipfeln,  Krone  bei  jüngeren  Bäumen  bis  zum  Boden  reichend, 
8tamm  sehr  stark  werdend,  aber  selten  über  20  m,  meist  krumm  oder  gewunden,  auf 
Dünen  selbst  vollständig  niederliegend,  Krone  ganz  unregelmässig,  breit  und  umfangreich. 

3.  als  K  US  sein  bezeichnet  man  in  Nordostdeutschland  die  auf  ganz  armem 
Sandboden  vorkommenden,  meist  durch  Wind  und  Tierfrass  beschädigten  einzeln  oder 
in  kleinen  Horsten  stehenden  Krüppelfornien. 

4.  forma  fruticosa  Borbas,  Strauchkiefer  von  krummholzähnlichem  Wuchs 
in  rauhen  Gebii*gslagen,  so  in  den  Julischen  Alpen  und  im  Banat. 

Als  richtige  Varietät  (oder  Unterart)  ist  zu  unterscheiden  als  entschiedene  Mittel- 
form zwischen  der  gemeinen  Kiefer  und  der  Bergkiefer: 

P.  engadinensis  Heer.  Knospen  harzig.  Kurztriebe  länger 
lebend  als  bei  der  Hauptart  (oft  5  Jahre).  Nadeln  sehr  dicht,  sehr  dick 
(fast  2  mm)  und  starr,  ziemlich  lang  und  scharf  zugespitzt,  nicht  über  4  cm  lang,  auf 
der  gewölbten  Seite  oft  gelbgrün,  auf  der  planen  meergrün.  Zapfen  sehr  variie- 
rend, im  allgem.  eikegelförmig,  4—6  cm  lang,  kurz  gestielt ;  Apophysen  glän- 
zend, grünlich-  bis  scherbengelb,  auf  der  Lichtseite  stark  konvex;  Nabel  gross, 
stumpf,  oft  mit  schwärzlichem  Ring.  —  Schlanker,  bis  10  m  hoher,  vom 
Grunde  aus  ästiger  Baum  mit  pyramidaler  oder  ausgebreiteter  Krone,  der  stets  die  für 
P.  silvestris  so  charakteristische,  leuchtend  rotgelbe  Korkhaut  trägt.  Nur  im  Ober- 
engadin  in  Mischung  mit  Arven  und  Bergkiefern  und  im  Ober-Inntal  gefunden.  Wahr- 
scheinlich gehört  hierher  die  jedenfalls  sehr  nahe  stehende  P.FrieseanaWichura, 
die  jenseits  des  Polarkreises  in  Lappland  grosse  Wälder  bildet  und  deren  Kurztriebe 
8  Jahre  dauern  sollen.  —  Die  im  Eintischtal  im  Wallis  und  bei  Tarasp  in  Granbünden 
beobachtete  Abart  monticola  (Schröter),  nur  durch  7—9  Jahre  dauernde  Kurztriebe 
von  der  Hauptart  verschieden,  stellt  jedenfalls  ein  Bindeglied  derselben  mit  der  Unter- 
art dar. 

§  47.  2.  Pinus  montana  Miller.  Bergkiefer.  Krummholz- 
Kiefer.  Diese  sehr  vielgestaltige  Holzart  ist  von  der  gemeinen  Kiefer  durch 
folgende  Merkmale  unterschieden :  Knospen  meist  dick  mit  Harz  überzogen. 
Kinde  der  jungen  Triebe  glänzend,  grünlich-  bis  violettbraun ,  an  den  Aesten  dun- 
kel, sich  nicht  in  dünnen  Schuppen  abschilfernd.  Nadeln  gewöhnlich  2 — 5  cm 
lang,  derber,  stumpfer,  weniger  gedreht,  gleichfarbig  (nur  an  diesjährigen  Nadeln 
die  Innenseite  mitunter  heller),  im  Querschnitt  die  Ober hautzellen  grösser,  stets 
höher  wie  breit  (Lumen  s trichf örmig);  Harzgänge  weniger  (2-6); 
Sklerenchym  im  Zentralstrang,  besonders  bei  den  strauchigen  Formen,  spärlich 
oder  fehlend.  Kurztriebe  dichter,  die  Nadelpaare  oft  säbelförmig  gegen  die 
Langtriebe  gekrümmt ,  von  längerer  Lebensdauer,  im  Durchschnitt  5  Jahre, 
an  einzelnen  Zweigen  selbst  bis  zu  10!  Blüten  grösser,  bis  1.5  cm;  männliche 
mit  grossem  gezähntem  Antherenkamm,  weibliche  zahlreicher  (2 — 4,  selbst 7), 
dicht  unter  der  Endknospe  der  Tragzweige  an  kurzen  Stielchen  aufrecht  (auch  nach 
der  Bestäubung,  meist  bis  zum  Herbst);  Fruchtschuppen  bläulichrot- vio- 
lettbraun mit  längerem  Kiel,  Deckschuppen  heller,  über  den  ßand  der 
Fruchtschuppen  etwas  vorstehend.     Zapfen  jung  oft  violett,  r e i f  ca.  2  bis 


Die  Nadelhölzer.     §  47.  283 

5  cm  lang  und  bis  3  cm  breit,  fast  oder  völlig  sitzend,  aufwärts  abste- 
hend bis  schief  abwärts  gerichtet,  meist  glänzend,  hellgrau  oder  gelb- 
braun, zimmt-,  kastanien-  bis  dunkel  rotbraun ;  Apophysen  mit  mehr  oder  weniger 
gewölbtem  Oberfeld.  Nabel  meist  gross ,  grau  oder  hellbraun ,  von  einem 
schwärzlichen  Einge  umgeben.  —  Die  Zweige  sind  verhältnismässig  dick  und 
namentlich  an  hochgelegenen  Standorten  auffallend  zäh  und  biegsam.  Aeste 
bogenförmig  emporgekrümmt,  am  Ende  selten  ein  Knospenquirl,  meist  nur  eine  Seiten- 
knospe neben  der  Endknospe ,  schwächere  Aeste  oft  jahrelang  un ver- 
zweigt. Bewurzelung  reichlich  verzweigt ,  im  Gegensatz  zur  gemeinen  Kiefer 
ohne  Pfahlwurzel,  flach,  aber  mit  einzelnen  Seitenwurzeln  auf  geeignetem  Stand- 
ort auch  tief  in  die  Spalten  des  Gebirgsgesteins  eindringend.  — 

Eintritt  der  Mannbarkeit  frühzeitig,  oft  schon  im  6.  bis  10.  Jahre,  worauf 
die  Bergkiefer  alljährlich  reichlich  zu  fruchten  pflegt.  Blütezeit  durchschnittlich 
im  Juni  (seltener  Ende  Mai  oder  Anfang  Juli).  Die  Bergkiefer  blüht  im  (regensatz  zur 
gemeinen  Kiefer  als  Knieholz  nicht  selten  zweihäusig.  Samenreife  am  Ende  des  2.  Jahres, 
Aufspringen  der  Zapfen  im  Frühling  des  3.,  worauf  sie  meist  noch  l  Jahr  und  länger 
haften  bleiben  und  an  der  Oberfläche  vergrauen  und  verwitteni.  Samen,  Keimung  und 
Ent Wickelung  der  jungen  Pflanze  im  wesentlichen  wie  bei  der  gemeinen  Kiefer.  Keim- 
kraft 50 — 60^0,  Keimdauer  2 — 4  Jahre. — Was  die  Wuchsform  anlangt,  so  tritt 
die  Bergkiefer  als  aufrechter  Baum,  als  stammloser  Strauch  oder  als  Knie- 
holz auf.  Die  Baumform  kann  bis  25  m  Höhe  erreichen,  ihre  Krone  ist  meist  tiefer 
herab  beastet,  schmal  kegelförmig  oder  abgewölbt;  beim  Knieholz,  auch  Latsche, 
I^egföhre,  Krummholz  genannt,  sind  der  Hauptstamm,  wenn  überhaupt  vorhanden,  und 
die  stärksten  Aeste,  auf  geneigtem  Terrain  stets  talabwärts  niedergedrückt,  bei  10 
bis  16  cm  Stärke  6 — 12  m  lang  und  zuweilen  wurzelschlagend,  am  Ende  bogig  1  bis 
2  m  hoch  sich  aufrichtend ;  bei  der  Buschform  fehlt  der  Hauptstamm ,  die  Aeste 
breiten  sich  auf  dem  Boden  bis  2  oder  3  m  mehr  oder  weniger  allseitig  aus  und  rich- 
ten sich  dann  bis  zu  ca.  3  m  Höhe  empor,  einen  dicht  geschlossenen  Busch  bildend. 
Nach  Th.  Hartig  können  die  Nachkommen  einer  und  derselben  Bergkiefer  verschiedene 
Wuchsformen  zeigen. 

Wuchs  sehr  langsam,  besonders  beim  Knieholz.  Alter  bis  ca.  200  und  300  Jahre. 
Das  Holz  gleicht  demjenigen  der  gemeinen  Kiefer ,  nur  sind  die  Jahresringe  meist 
schmäler  und  meist  exzentrisch,  und  der  Kern  ist  meist  heller  rötlich-braun ;  es  ist  mit 
Ausnahme  der  Eibe  und  Zerreiche  schwerer  als  das  aller  anderen  einheimischen  Holz- 
arten, sehr  hart  und  namentlich  auf  trockenem  Boden  ausserordentlich  harzreich. 

Die  Rinde  zeigt  gewöhnlich  erst  bei  Armsdicke  der  Zweige  Borkenbildung;  die 
Borke  erreicht  niemals  entfernt  die  Stärke  wie  bei  der  gemeinen  Kiefer  und  ähnelt  in 
höherem  Alter  sehr  der  Fichtenborke. 

Baum-  und  Stirauchformen  sind  vielfach  durch  den  Einfluss  des  Standortes  be- 
dingte Wuchsformen  und  darum  zur  Unterscheidung  von  Varietäten  für  sich  allein 
nicht  benutzbar. 

Die  Zapfenform  der  Bergkiefer  variiert  ungemein.  Nach  ihr  hat  Will- 
komm '^)  3  in  einander  tibergehende  Unterarten  unterschieden,  deren  beide  ersten 
selbst  wieder  in  eine  grosse  Zahl  Abarten  zerfallen. 

A.  uncinata  Willkomm.  Hackenkiefer.  A  pophy  sen  der  Licht- 
seite viel  stärker  als  die  der  Schattenseite  entwickelt,  meist  im 
unteren  Drittel   (seltener   nur  an  der  Basis  oder  am  ganzen  Zapfen)  kapuzen-  bis 


33)  Willkomm,  Forstl.  Flora.  2.  Aufl.  p.  211—218,  Ascherson  u.  Gräbner  1.  c.  p.  225—228. 


284  TU.  Klein,  Forstbotanik. 

pyramidenförmig:  erhöht  and  nach  der  Basis  des  Zapfens  zurück- 
gekrümmt; Nabel  daher  stets  exzentrisch.  Keimnadeln  7.  Diese  Unterart  zer- 
fällt in  die  3  Abarten  rostrata,  rotundata  und  psendopumilio  und  diese  wieder  in  meh- 
rere hier  nicht  aufgeführte  Unterabarten. 

I.  rostrata  Willkomm.  Zapfen  (bei  unseren  Formen)  2,7 — 4  (seltener  5)  cm 
lang,  kegel-,  selten  eiförmig.  Apophysen  der  Uchtseite  in  eine  vierseitige,  zu- 
sammengedrückte, Zungen-  oder  schnabelförmige,  hackigzurückgekrümmtePy- 
ramide  mit  stark  vorragendem  Nabel  erhöht,  die  so  lang  bis  doppelt  so  lang 
als  die  Breite  der  Apophyse  ist.  —  So  ausschliesslich  in  den  Westalpen,  mit  n 
in  den  Schweizer-,  vereinzelt  auch  in  den  Ostalpen,  im  Jura,  Schwarzwald,  Böhmerwald 
und  Erzgebirge. 

II.  rotundata  Willkomm.  Sumpf kiefer,  Moorföhre,  Moorkiefer,  Legföhre, 
Krummholz,  Knieholz,  Latsche,  Zündern,  Teufem,  als  Baum  in  den  Alpen  Spirke. 
Zapfen  wie  bei  I,  Apophysen  der  Lichtseite  in  eine  nur  schwach  abwärts  ge- 
krümmte Pyramide  erhöht,  die  kürzer  ist  als  die  Breite  der  Apophyse;  oder 
nur  das  Oberfeld  der  Apophyse  ist  kapuzenförmig  zurückgekrümmt.  —  Mit  Ausnahme 
der  Westalpen  im  ganzen  Alpengebiet  und  den  deutschen  Mittelgebirgen  verbreitet. 

III.  psendopumilio  Willkomm.  Zapfen :  auch  reif  abwärts  stehend, 
klein,  höchstens  2,5  cm  lang ,  eiförmig.  0  b  e  r  f  e  1  d  der  Apophysen  der 
Lichtseite  kapuzenförmig  erhaben  oder  dachförmig  abgeflacht,  aber  höher  als  das  con- 
vexe  Unterfeld;  Nabel  gross,  flach  oder  eingedrückt,  stumpf  oder  stachelspitzig.  — 
Knieholzform,  den  Uebergang  zu  B  bildend,  in  Oberbayern,  Erzgebirge  und  Südböhmen. 

B.  pumilio  Willkomm  (mit  zahlreichen  Unter- Abarten).  Knieholz,  Krumm- 
holz, Leg-Föhre  etc.  wie  AH.  Zapfen  gleichmässig  ausgebildet,  bis  zur 
Reife  aufrecht  oder  horizontal  abstehend,  erst  nach  dem  Aufspringen  abwärts  geneigt^ 
kürzer  als  die  Nadeln,  eiförmig  oder  fast  kugelig,  3 — 4,5  cm  lang,  im  1.  Herbst  meist 
noch  violettblau,  reif  dunkelbraun  bis  scherbengelb,  bis  zur  Reife  bläulich  bereift; 
Oberfeld  der  Apophysen  konvex,  Unterfeld  konkav;  Nabel  eingedrückt,  an  der 
Zapfenbasis  unter  der  Apo  phy  senmitte;  Keimnadeln  3 — 4.  Strauch-,  am 
häufigsten  Knieholz,  selten  Baumform.  —  In  der  subalpinen  Region  der  Alpen  von  der 
Schweiz  bis  Bosnien  und  in  den  deutschen  Mittelgebirgen. 

C.  mughus  Willkomm.  Mugokiefer.  Meist  Knieholzform.  Zapfen 
vollkommen  gleichmässig  ausgebildet,  abstehend  oder  abwärts  gerichtet, 
aus  flachem  Grunde  kegel-  oder  eikegelf örmig ,  4—5  cm  lang,  im  1.  Herbst  hellgelb- 
braun, reif  hell  bis  dunkel  zimmtbraun,  niemals  bereift.  Apophysen  alle  mit 
sehr  scharfem  Querkiel,  auch  die  unteren  mit  gleicher  Unter-  und  Oberhälfte  und  daher 
in  der  Mitte  stehendem,  gewöhnlich  einen  stechenden  Dorn  tragendem  Nabel. 
Oestliches  Alpensystem  und  am  Fusse  desselben. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Bergkiefer  geht  von  Oentralspa- 
nien  bis  zum  Balkangebirge  und  vom  Thüringer  Wald  bis  Dalmatien  und  bis  zu  den 
calabrischen  Abruzzen  von  ca.  300  m  bis  ca.  2700  m.  Ausserhalb  ihres  natürlichen 
Verbreitungsgebiets  ist  sie  vielfach  angepflanzt  z.  B.  bei  Bremen.  Sie  bewohnt  sowohl 
die  baumlose  Hochregion  der  Gebirge,  wo  sie  als  Schutzwald  in  Deutschland,  Oester- 
reich  und  der  Schweiz  weite  Flächen  mit  fast  undurchdringlichen  Latschenfeldern  über- 
zieht, welche  aus  der  Ferne  wie  mit  dunkelgrünem  Moose  bekleidet  aussehen,  findet 
sich  als  aufrechter  waldbildender  Baum  auf  trockenem  Kalkboden  in  Spanien,  auf  ver- 
schiedenartigen Verwitterungsböden  stellenweise  in  der  Schweiz,  auf  nassem  Torfmoor- 
boden im  Böhmerwald  und  Erzgebirge,  teils  rein,  teils  mit  Fichte,  Lärche  und  Zirbel 
oder  der  gemeinen  Kiefer  gemischt,  und  als  Busch,  Latsche  oder  niederer  Baum  häaüg 


Die  Nadelhölzer.     §  48.  285 

mit  der  Hnchbirke  zusammen  auf  Torfmooren,  zeigt  somit  hinsichtlich  ihrer  Lebens- 
nnd  Standortsansprüche  eine  Anpassungsfähigkeit  wie  keine  andere  Holzart 
und  eine  geradezu  unerreicht  dastehende  Bedürfnislosigkeit,  namentlich  hinsichtlich  der 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  der  Luftwärme,  wenngleich  sie  hohe  Grade  sommerlicher 
Luftwärme  zu  ertragen  vermag.  Dagegen  scheint  ein  luftfeuchtes  Klima  Lebensbe- 
dingung für  sie  zu  sein.  Die  Latschenform  insbesondere  ist  gegen  Schneebruch  völlig 
widerstandsfähig  und  ist  in  den  Hochlagen,  wo  sie  gewaltige  Schneemassen  im  Winter 
und  Frühjahr  festhält,  der  beste  Schutz  gegen  Lawinengefalir. 

Zwischen  der  Bergkiefer  und  der  gemeinen  wie  der  Schwarzkiefer  gibt  es  ver- 
schiedene Ba£tarde  (Ascherson  u.  Gr.  1.  c.  p.  229  ff.). 

§48.  3.  Pinus  Laricio  Poiret  (P.  nigra  Arnold).  Schwarz- 
kiefer. Winterknospen  gross,  ca.  2  cm  und  mehr,  spitz ,  meist  harzig ;  ihre 
Schuppen  (im  Gegensatz  zu  der  gemeinen  Kiefer)  mit  nicht  verw^ebten  Fransen. 
Nadeln  gross,  durchschnittlich  8 — 11  (15)  cm  lang,  ca.  2( — 3)  mm  dick,  wenig 
oder  kaum  gedreht,  mit  gelblicher,  fast  stechender  Spitze,  beiderseits  dunkelgrün; 
mechanische  Zellen  unter  der  Epidermis  und  um  die  im  P a r e n c h y m 
gelegenen  Harzgänge,  dagegen  im  Centralstrang,  in  welchem  beide  Gefäss- 
bündel  einander  genähert  sind,  fehlend  oder  nur  als  schwaches  Querband 
unter  den  Bündeln  entwickelt;  Lebensdauer  durchschnittlich  4 — 5  Jahre.  Männ- 
liche Blüten  weniger  zahlreich,  aber  weit  grösser  als  bei  den  vorhergehenden  Arten, 
1^/2  bis  2^/2  cm  lang,  walzig,  fast  sitzend,  mit  stattlichem  Antherenkamm ;  weib- 
liche Blüten  viel  kleiner,  meist  nur  einzeln  oder  zu  zweien,  sehr  kurz  gestielt,  etwas 
grösser  als  bei  den  vorigen,  karminrot  bis  violett. 

Die  Schwarzkiefer  zerfällt  nach  Christ  in  folgende  Formengruppen,  deren  einzelne 
Formen  früher  als  selbständige  Arten  aufgestellt  wurden: 

A.  pachyphylla  Christ  (crassifolia  Willkomm).  Nadeln  sehr  steif  und  starr, 
1,5 — 2  mm  dick. 

I.  Kiel  der  mittleren  und  oberen  Apophysen  scharf. 

Pinus  Laricio  austriac  a.  Endl.  (Syn.  nigricans  Host.)^  Seh  warz- 
Föhre,  Schwarz-Kiefer.  Einjährige  Zweige  graubräunlich.  Zapfen  im 
1.  Herbste  haselnussgross,  hell  lederbraun,  im  2.  reif,  4—8  cm  gross,  selten  grösser 
und  bis  3  cm  dick,  ei-  bis  eikegelförmig,  fast  sitzend,  meist  wagrecht  abstehend,  gleich- 
seitig, glänzend,  gelbbraun.  Apophysen  mit  grossem,  gewöhnlich  dunk- 
ler braunem ,  an  den  oberen  Schuppen  oft  mit  einem  Spitzchen  versehenen  Nabel. 
Die  Samen  sind  grösser  als  bei  der  gemeinen  Kiefer,  durchschnittlich  6 — 7  mm  lang 
und  bis  4  mm  breit,  mit  grösserem  ( — 2^/2  cm)  Flügel.  Von  den  geflügelten  Samen 
gehen  22 — 24  Kilo  auf  das  Hektol.,  von  den  entflügelten  50 — 55  und  das  Kilo  enthält 
von  letzteren  55000—60000  Körner.  — 

Die  Mannbarkeit  tritt  bei  der  austriaca-Form  bei  freiem  Stande  mit 
20  (mitunter  schon  15),  im  Schlüsse  mit  dem  30.  Jahre  ein,  dann  ist  durchschnittlich 
jedes  2.  oder  3.  Jabr  ein  S a m e n j  a h r.  Die  Blütezeit  fällt  ca.  10 — 14  Tage 
später  als  bei  der  gemeinen  Kiefer.  Die  Samenreife  erfolgt  im  Herbst  des  2.  Jahres, 
das  Ausfliegen  im  Frühjahr  des  3.  Keimkraft  65 — 70^0.  Dauer  der  Keimfähig- 
keit 2 — 4  Jahre.  Keimung  nach  2 — 4  Wochen,  Keimpflanze  ähnlich  wie  bei  P.  silve- 
stris  mit  4 — 10  (meist  7)  über  3  cm  langen  Keimnadeln.  Die  junge  Pflanze  erscheint 
von  Anfang  an  in  allen  Teilen  derber,  üppiger  und  wegen  der  durchschnittlich  kleineren 
Abstände  zwischen  den  Astquirlen  und  der  meist  kürzeren  Triebe  gedrungener  als  die 
gemeine  Kiefer.  Raschwüchsiger  als  die  Bergkiefer ,  steht  sie  der  gemeinen 
Kiefer  nach;  unter  mittleren  Verhältnissen  erreicht  sie  im  10.  Jahre  etwa  1^/2  m,   im 


286  in.  Klein,  Forstbotanik. 

20.  4  m,  im  40.  8 — 9  m,  im  80.  15 — 16  m  und  im  100.  16 — 17  m;  unter  besonders 
günstigen  Verhältnissen  erreicht  sie  in  dieser  Zeit  eine  Höhe  von  20 — 23  m  (seltener 
mehr)  und  ^/s  m  Durchmesser,  erreicht  aber  unter  Umständen  riesige  Dimensionen  nnd 
vielhundertjähriges  Alter,  so  z.  B.  im  Wienerwald  600  Jahre  bei  nahezu  7  m  Umfang. 
Die  Krone  der  Schwarzkiefer  reicht  auch  im  Schlüsse  weiter  herab  als  bei  der  gememen 
Kiefer,  ist  beim  jüngeren  Baum  rundlich  eiförmig  und  wölbt  sich  erst  in  höhe- 
rem Alter,  auf  Felsboden  oft  schirmartig,  ab.  Die  Bewurzelung  ist  ent- 
schieden flacher  als  bei  der  gemeinen  Kiefer,  dringt  zum  Teil,  wo  es  der  Boden  ge- 
stattet, tief  in  die  Spalten  des  Felsgesteines  ein,  kann  sich  aber  auf  dem  natürlichen 
Standort,  dem  Kalkgebirge,  vielfach  nur  oberflächlich  entwickeln.  Das  durch  treffliche 
technische  Eigenschaften  ausgezeichnete,  dauerhafte,  harzreiche  Holz  kommt  dem  Lär- 
chenholz sehr  nahe,  der  rötlichbraune  Kern  ist  in  der  Regel  schmäler  (nur  7»  des  Quer- 
schnittdurchmessers);  im  mikroskopischen  Bau  stimmt  es  mit  den  vorstehenden  Arten 
im  wesentlichen  überein.  Rinde  im  höheren  Alter  mit  einer  tiefrissigen,  äusserlich 
dunkel-schwarzgrauen  Schuppenborke,  welche  sich  bis  in  den  Wipfel  erstreckt 

In  der  unteren  und  mittleren  Region  der  Ost-  und  Südostalpen  und  Karpathen, 
zwischen  150  und  1100,  vereinzelt  bis  1400  m,  vorzugsweise  auf  Kalk,  stellenweise 
grosse  Bestände  bildend,  auch  ausserhalb  ihres  natürlichen  Verbreitungsgebietes  hie 
und  da  waldmässig  angebaut,  als  Zierbaum  allgemein  verbreitet,  bis  nach  Norwegen. 
Bei  äusserst  geringen  Ansprüchen  an  Boden-  und  Luftfeuchtigkeit  verlangt  sie  mehr 
Wärme  als  die  gemeine  und  die  Bergkiefer.  Für  schwierige  Standortsverhältnisse,  wie 
heisse  seichtgründige  Kalkböden,  zur  Wiederbewaldung  der  Steinwüsten  des  Karstes 
ist  sie  wie  kein  anderer  einheimischer  Waldbaum  geeignet.  Wie  ihre  dichte  Benade- 
lung schon  andeutet,  nimmt  sie  hinsichtlich  des  Lichtbedarfs  eine  Mittelstellung  z\^ischen 
den  entschiedenen  Licht-  und  den  ausgesprochenen  Schattenholzarten  ein.  —  Von  allen 
europäischen  Harzbäumen  liefert  die  Schwarzkiefer  das  meiste  und  terpentinreichste 
Harz. 

IL  Kiel  der  mittleren  und  oberen  Apophysen  stumpf. 

a.  Pinus  Laricio  Poiretiana  Endlicher  (Syn.  corsicana  Poiret). 
Einjährige  Zweige  hellbraun.  Krone  schmäler.  Bei  jungen  Pflanzen  die  Nadeln 
meist  etwas  gedreht.  Hinsichtlich  ihrer  sonstigen  Merkmale,  ihrer  Entwickelung  und 
ihrer  forstlichen  Eigenschaften  stimmt  sie  mit  der  austriaca  nahezu  überein.  Einhei- 
misch in  Spanien,  Süditalien,  G-riechenlaud  und  Korsika,  wo  sie  besonders  mächtige 
Stämme  bildet,  30 — 40,  selbst  45  m  hoch  und  7 — 9  m  Umfang  bei  einem  Alter  von 
über  1000  Jahren.  (Das  Alter  von  1500 — 1800  Jahren,  das  Doumet-Adanson  für  die 
Riesenstämme  Korsikas  vermutet,  dürfte  doch  wohl  zu  hoch  gegriffen  sein.)  In  den 
beiden  letzten  Jahrzehnten  forstlich  vielfach  versuchsweise  in  Deutschland  angebaut, 
aber  im  allgemeinen  nur  für  Schleswig-Holstein  geeignet  gefunden. 

b.  Pinus  Laricio  Pallasiana  Endlicher  et  Antoine.  Einjähriffe 
Zweige  schmutzig  gelb.  Nadeln  sehr  starr,  glänzend  dunkelgrün.  Zapfen  bis  über 
10  cm  lang.   In  der  Krim  und  in  Kleinasien.  —  Zierbaum. 

B.  leptophylla  Christ  (tenuifolia  Willkomm).  Nadeln  weniger  steif,  kaum 
1  mm  dick. 

Pinus  Laricio  Salzmanni  Dunal  (Syn,  P.  raonspeliensis  Salzmann). 
Einjährige  Zweige  orange  oder  rötlich.  Zapfen  nur  4 — 5  cm,  Samen  nur  5  mm 
lang.     In  Südwestfrankreich  und  Catalonien. 

Sowohl  mit  der  gemeinen  wie  mit  der  Bergkiefer  bildet  die  Schwarzkiefer  Ba- 
starde. 

§49.     4.   Pinus   leucoderrais   Antoine.     Weissrindige   Kiefer, 


Die  Nadelhölzer.     §  49.  287 

Panzer-Föhre,  Schlangenhaut-Kiefer.  Der  Schwarzkiefer  sehr  ähnlich, 
aber  durch  die  aschgraue,  durch  Längs-  und  Querrisse  in  4 — 8  cm  breite  und  5 — 16  cm 
lange  unregelmässige  Felder  geteilte  Rinde  und  die  nach  dem  Nadelfall  eigentümlich 
schlangenhantartig  gefelderten  hellgrauen  Zweige  verschieden,  sowie  durch  die  an  den 
Zweigenden  pinselartig  gehäuften  Kurztriebe  mit  meist  nur  5 — 6  cm  langen,  starreu 
Nadeln,  deren  spärliche  Harzgänge  tief  im  Parenchym  liegen  und  nach  Köhne  ohne 
mechanischen  Zellring  sind  und  deren  Gefässbündel  durch  ein  x  -förmiges  Band  dickwan- 
diger Zellen  geschieden  und  oben  wie  unten  eingefasst  werden.  Unter  der  Oberhaut 
auffallender  Eeichtnm  an  mechanischen  Zellgruppen.  Der  bis  20,  selten  bis  33  m  hohe 
gerade  Baum  zeigt  stets  eine  stumpf  kegelförmige  Krone  und  ist  in  der  oberen  Re- 
gion der  Hochgebirge  (1200 — 1800  m)  von  Dalmatien,  Montenegro,  Serbien  und  der 
Herzegowina  heimisch,  zum  Teil  in  ausgedehnten  Beständen  die  Waldgrenze  bildend, 
erst  1864  entdeckt. 

5.  Pinus  pinäster  Solander.  Sternkiefer,  Strandkiefer,  See- 
kiefer,Igelföhre, Bordeauxkiefer.  (Syn.  maritima  Lamarck).  Junge  Triebe 
mattrötlichbraun ;  Knospen  stumpf,  dickwalzig,  2,3 — 5  cm  lang,  harzfrei,  braun  mit 
weissgewimperten  Schuppen.  N  a  d  e  1  n  12— 20  cm  lang,  2( — 3)  mm  breit,  steif,  stechend, 
glänzend  grün;  Harzgänge  im  Parenchym,  mechanische  Zellgruppen  im  Central- 
strang  und  unter  der  Epidermis  sehr  reichlich.  Zapfen  spitz  kegelförmig,  ungleich- 
seitig, im  allg.  10 — 19  cm  lang  und  5 — 8  cm  dick,  kurz  gestielt,  glänzend 
gelbbraun,  meist  in  2 — 4gliedrigen  Quirlen  vom  Tragzweig  ab- 
stehend; Apophysen  scharf  quergekielt,  gewölbt  mit  scharf  vorstehendem,  dornig- 
spitzem, an  der  Lichtseite  oft  hackig  abwärtsgekrilmmtem  Nabel.  Samen  bis  8  (10)  mm 
lang  mit  3 — 4  mal  so  grossem  dunkelrauchbraunem  Flügel.  —  Die  Stemkiefer  ist  ein 
raschwüchsiger  20( — 30)  m  Höhe  erreichender  Waldbaum  der  Küstenländer  und  Inseln 
des  Mittelmeeres  von  Italien  bis  Spanien,  im  allg.  an  den  Küsten  wachsend,  in  Korsika 
bis  1000,  Granada  bis  1300  m  emporsteigend;  ferner  tritt  sie  in  ausgedehnten  Be- 
ständen im  westlichen  Portugal,  nördlichen  Spanien  und,  angepflanzt,  auf  den 
Heideflächen  „Landes"  im  südwestlichen  Frankreich  längs  des  Biskayischen  Meerbusens 
auf.  Für  die  Aufforstung  von  Dünen  und  Sandflächen  warmer  Gegenden  ist  dieser  in 
seinen  Bodenansprüchen  bescheidene  Lichtholzbaum,  der  nur  hinsichtlich  der  Locker- 
keit des  Bodens  und  der  Bodenfrische,  mindestens  im  Untergrund,  höhere  Ansprüche 
stellt  und  ein  grobfaseriges,  schweres,  sehr  harzreiches  Holz  liefert,  höchst  wertvoll, 
dagegen  ist  er  frostempfindlich,  wurde  in  Deutschland  früher  auch  vielfach  versuchs- 
weise angepflanzt,  hält  auch  10 — 20  Jahre  bei  kräftigem  Wachstum  aus,  ist  aber  trotz- 
dem als  Waldbaum  bei  uns  wertlos,  weil  er  in  sehr  strengen  Wintern  regelmässig  er- 
friert.   Als  Zierbaum  bis  zum  südlichen  England  und  der  norwegischen  Küste  verbreitet. 

6.  Pinus  halepensis  Miller.  Aleppo-  oder  Seestrandkiefer. 
Zweige  lang  und  dünn  (2 — 3  mm)  hellgrau,  oft  nur  an  den  Spitzen  pinselförmig 
mit  Kurztrieben  bedeckt,  da  die  Kurztriebe  meist  nur  2  Jahre  dauern.  Knospen 
klein,  ca.  V^  ^^^  harzlos,  an  kräftigen  Langtrieben  häufig  auch  in  deren  mittlerem 
Teile,  da  die  Endknospe  vielfach  schon  im  gleichen  Jahre  einen  2.,  mitunter  sogar 
3.  Trieb  macht.  Nadeln,  (zuweilen  zu  3j  hell-  bis  graugrün,  bis  9  cm  lang, 
an  schwächeren  Zweigen  oft  kaum  5  cm,  sehr  dünn,  bis  1  mm ;  Harzgänge  unmittelbar 
am  Hypoderm,  unter  der  flachen  Oberseite  nie  mehr  als  2.  Zapfen  an  einem  bis 
2  cm  langen  bogigen  Stiele  hängend,  länglich-kegelförmig,  8 — 10  cm  lang, 
4  cm  dick,  glänzend  rotbraun  oder  hellgelb ;  Apophyse  glatt,  mit  deutlichem  Querkiel 
und  deutlich  abgesetztem,  öfter  stachelspitzigem  Nabel.  Samen  5 — 7  mm.  —  Der 
Aleppo-Kiefer  fehlt  wegen  der  oben  erwähnten  zweimaligen  Triebbildung  im  Jahre  und 


288  III.  Klein,  Porstbotanik. 

der  minder  vollkommenen  Qairlstellang  ihrer  Aeste  schon  in  der  Jugend  der  streng 
regelmässige  Aufban  der  übrigen  Kiefern.  Sie  bildet  ausgedehnte  Bestände  in  der 
immergrünen  Region  des  Mittelmeeres  in  Europa,  Asien  und  Afrika,  ist  sehr  rasch- 
wüchsig, erreicht  mit  10  Jahren  6 — 7,  mit  ca.  60  Jahren  15 — 18  m  Höhe,  worauf  der 
Höhenwuchs  erlischt  und  sich  die  Krone  oft  in  der  malerischsten  Weise  abwölbt.  Wie 
die  Schwarzkiefer  kommt  dieser  Lichtholzbaum,  der  ein  vorzügliches,  harzreiches  Holz 
liefert,  noch  auf  den  trockensten  und  heissesten  Böden  fort,  best.ändig  mildes  Klima 
(Oelbaumklima)  vorausgesetzt  und  ist  z.  B.  für  die  Bewaldung  Dalmatiens  upd  des 
österreichisch  -  ungarischen  Küstenlandes  ein  unentbehrlicher  Baum ,  der  hier  anch 
vielfach  angepflanzt  ist,  z.  B.  zur  Wiederbewaldung  des  Karstes  bei  Triest. 

7.  Pinus  Brutia  Tenor e.  Calabrische  Kiefer.  (Syn.  pyrenaica 
La  Peyrouse  (obwohl  sie  in  Spanien  fehlt)  Paroliniana  Webb.)  Diese  vielfach  ver- 
kannte Art  ^*)  steht  der  Aleppokiefer  sehr  nahe,  unterscheidet  sich  aber  von  ihr  durch 
dicke  (4 — 5  mm)  gelbrötliche  Zweige,  1 — 2  cm  lange  Knospen,  12 — 23  cm  lange, 
dunkler  grüne  Nadeln  mit  in  der  Regel  mehr  als  2  Harzgängen  unt«r  der  flachen  Ober- 
seite und  fast  sitzende,  horizontal  oder  etwas  aufrecht  stehende  Zapfen,  dereo 
Apophyse  strahlig- ru n z  1  i g  oder  -furchig  ist,  einen  undeutlichen  Querkiel 
und  einen  grösseren,  kaum  deutlich  von  der  Apophysenfläche  abgesetzten,  ganz 
flachen,  grauen  oder  rötlichgrauen  Nabel  trägt.  Samen  bis  9  mm.  —  Dieser  in 
den  Gebirgen  Kalabriens  und  Kleinasiens  (nebst  Cypern  und  Kreta)  einheimische  Baum 
wurde  in  den  letzten  2  Jahrzehnten  zur  Wiederbewaldung  der  adriatischen  Küsten- 
länder in  gi'ossen  Beständen  angepflanzt  und  gedeiht  dort  vortrefflich. 

Ausser  den  bisher  geschilderten  in  Europa  heimischen  Kiefern  sind  noch  fol- 
gende Zweinadler  aus  Amerika  und  Japan  zu  forstlichen  Anbau  ver- 
suchen in  jüngster  Zeit  herangezogen  worden: 

8.  Pinus  contorta  Douglas  var.  Murrayana  Engelmann.  (Syn. 
P.  Murrayana  Balfour.  als  Art.)  Murray- Kiefer.  Dieser  bestandbildende  Wald- 
baum der  Hochgebirge  des  nordwestlichen  Amerikas,  der  dort  bis  zu  28  (40)  m  Höhe 
erreicht  und  im  Habitus  unserer  Fichte  gleicht,  hat  sein  Optimum  auf  den  sandig- feuchten, 
kühlen  Einsenkungen  der  Blauen  Berge  und  gedeiht  selbst  auf  sehr  feuchten, 
kühlen,  unseren  Hochmooren  am  Fuss  der  Alpen  ähnlichen  Stand- 
orten. Knospenschuppen  verharzt.  Nadeln  ca.  5  cm  lang  und  2  mm  dick;  Harz- 
gänge ohne  mechanische  Zellen.  Zapfen  offen  3V2  cm  lang,  3  cm  dick,  matt  hell- 
braun ;  Apophysen  auf  der  Lichtseite  kegelförmig  erhaben  mit  oft  sehr  starkem 
Nabeldorn.  Vom  Heidekulturverein  Schleswig-Holsteins  seit  einigen  Jahren  mit 
anscheinend  bestem  Erfolg  angebaut. 

9.  Pinus  Banksiana  Lambert.  Banks-Kiefer.  Diese  Kiefer,  welche 
nach  Mayr  als  die  wertvollste  forstliche  Einführung  aus  Nord- 
amerika während  der  letzten  fünfzehn  Jahre  angesehen  werden  muss, 
ist  im  kälteren  östlichen  Ameiika  (vom  68^  südlich)  einheimisch,  wo  sie  den  trockensten, 
magersten  Boden  im  Binnenlande  einnimmt  und  natürlich  auch  nur  geringe  Dimensionen 
10 — 15  m  gegen  bis  22  m  auf  gutem  Boden  erreicht.  Sie  bildet  ein  weitverzweigtes 
Wurzelsj'stem  und  erwächst,  schwer  sich  von  Aesten  reinigend,  mit  dem  Habitus  einer 
Fichte.  Knospen  eilänglich,  harzig,  oft  am  Längstrieb  zwischen  2  Quirlen  (vergl. 
P.  halepensis).  Junge  Triebe  grün,  später  braun,  unbereift.  Nadeln  sehr  dicht 
gedrängt,  4 — 6  cm  lang,  abstehend,  hellgrün ;  Uefässbündel  des  Centralstrangs  mindestens 
um  ihre  doppelte  Breite  voneinander   entfernt;    Harzgänge   meist  von   ziemlich   dick- 

34)  Ascherson  und  Gräbner  1.  c.  I.  p.  218. 


Die  Nadelhölzer.     §  50.  289 

wandigen  Zellen  umgeben.  Zapfen  ca.  5  cm  lang,  2  cm  breit,  etwas  gekrümmt,  nach 
aofwäits  gerichtet,  dem  Tragzweig  angedrückt.  Samen  klein,  in  einer  löffel- 
artigen Ausbuchtung  des  Flügels  wie  bei  der  Fichte.  —  Der  Wert  dieser 
Kiefer  liegt  nicht  im  Holze,  das  dem  der  gemeinen  Kiefer  an  Güte  kaum  nachstehen 
dürfte,  sondern  in  ihren  waldbaulichen  Eigenschaften,  indem  sie  auf  dem  schlechtesten 
Boden,  wie  Flugsand,  Dünen,  Oedland,  welche  dem  Gedeihen  der  gemeinen  Kiefer 
Hindernisse  bereiten,  leicht  und  freudig  heranwächst,  wie  zahlreiche  Anbauversuche 
gezeigt  haben,  vollständig  hart  gegen  Frost,  und  so  die  Verbesserung  völlig  herabge- 
kommener Böden  wieder  einzuleiten  vermag.  Schon  im  1.  Jahre  übertrifft  sie  die  ge- 
meine Kiefer  an  Raschwüchsigkeit  und  vom  3.  Jahre  tritt  diese  Raschwüchsigkeit  ganz 
besonders  hervor,  da  sie  im  Jahre  2  und  unter  günstigen  Bedingungen  selbst  3  Längs- 
triebe  nacheinander  macht. 

10.  Pinus  densiflora  Siebold  et  Zuccarini.  Japanische  Rot- 
kiefer, steht  forstlich  und  botanisch  der  gemeinen  Kiefer  sehr  nahe,  von  der  sie  sich 
durch  folgende  Merkmale  unterscheidet:  junge  Triebe  grün,  schwach  bereift. 
Knospen  rotbraun,  mit  aufgelockerten  oder  zurückgerollten  Schuppen. 
Nadeln  weicher,  freudiger  grün,  länger,  6 — 11  cm,  durchschnittlich  10  cm;  Zell- 
ring  der  Harzgänge  meist  dünnwandig;  mechanische  Zellen  im  Ge- 
fässbündel  fehlend  oder  spärlich.  —  Dieser  japanische,  bis  36  Meter  Höhe  erreichende 
Waldbaum ,  der  in  seiner  Heimat  in  zahlreichen  Varietäten  und  Formen  vorkommt, 
liebt  dort  sonnige,  trockene,  kiesig-sandige  Partieen  im  Gebirg  unterhalb  der  Fichten- 
region, hat  sich  bei  den  Anbauversuchen  in  Norddeutschland  als  zu  zart  erwiesen, 
während  er  in  Grafrath  in  Bayern  vollständig  winterhart  ist,  nur  gegen  Schneedruck 
ist  er  in  der  Jugend  etwas  empfindlich. 

11.  Pinus  Thunbergii  Pariatore.  Japanische  Schwarzkiefer. 
Knospen  namentlich  in  der  Jugend  blendend  weis  s  bis  hell  stahl  grau,  seiden- 
haarig, harzlos.  Junge  Triebe  anfänglich  grün,  dann  hellbraun  und  glänzend. 
Nadeln  8 — 14  cm  lang ,  auch  schon  an  jungen  Exemplaren  hart ,  steif  und  sehr 
scharf  stechend;  Harzgänge  mitten  im  Parenchym.  Borke  durchaus  grau, 
bis  an  die  Spitze  des  Baumes.  Zapfen  im  Durchschnitt  etwas  grösser  als  bei  voriger, 
5 — 6  cm  lang,  3 — 4  cm  dick.  —  Diese,  der  österreichischen  Schwarzkiefer  ähnliche 
Strandkiefer  Japans,  die  dort  auch  vielfach  gepflanzt  ist  und  auf  gutem  Boden 
u.  s.  w.  riesige  Dimensionen,  bis  43  Meter  Höhe,  erreicht,  gewöhnlich  aber  viel  kleiner 
und  krummschaftig  bleibt,  ist  in  ihrer  Heimat  nicht  nur  als  Holzproduzentin,  sondern 
waldbaulich  vor  allem  als  Schutzbaum  wichtig;  sie  nimmt,  unter  entsprechender 
Verkrüppelung,  noch  mit  dem  schlechtesten  Boden  vorlieb,  dient  zur  Befestigung  der 
Dünen  und  wird  wegen  ihrer  Sturmfestigkeit  als  Windmantel  zum  Schutze  der  Felder 
gegen  Sand  und  heftige  Seewinde  gepflanzt.  Ihr  Holz  ist  dem  von  P.  silv.  kaum  über- 
legen. Wie  alle  Schwarzkiefern  eignet  sie  sich  zur  Harznutzung.  In  Grafrath  ist 
sie  völlig  winterhart,  leidet  aber  in  der  Jugend  sehr  unter  Schneedruck,  in  Norddeutsch- 
land sind  die  Anbauversuche  fast  alle  in  Folge  von  Frost  und  Dürre  misslungen. 

b)  Dreinadelige  Kiefern  (Subsektion  Taeda). 

§  50.  Die  Kurztriebe  tragen  normaler  Weise  3  (ausnahmsweise  2  oder  4) 
Nadeln.     (Meist  nordamerikanische  und  ostindische  Arten,  keine  Europäer.) 

12.  Pinus  rigida  Miller.  Pechkiefer.  Junge  Triebe  anfangs  rot- 
später gelbbraun ,  glänzend ,  unbereift.  Knospen  verharzt ,  spitz,  braun,  auch  an 
der  Mitte  des  Zweiges  (vergl.  halepensis).  Nadeln  lebhaft  grün,  meist  gedreht,  6 
bis  12  (18)  cm  lang,  bis  2  mm  breit;  Harzgänge  oft  fehlend,  wenn  vorhanden,  im 

Handbuch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    L  19 


290  m.  Klein,  Forstbotanik. 

Parenchym,  nicht  von  dickwandigen  Zellen  umgeben.  Weibliche  Blüten  ge- 
wöhnlich in  der  Mitte  des  Zweiges,  reife  Zapfen  ziemlich  gleichseitig,  zu  2 — 4  ge- 
häuft beisammen,  fast  rechtwinkelig  vom  Zweige  abstehend,  ei-  bis  kegelförmig,  6  bis 
10  cm  lang,  4 — 6  cm  dick,  hell  ledergelb,  mit  niedrig  pyramidalen,  scharf  querge- 
kielten Apophysen;  Nabeldorn  kurz,  rückwärts  gerichtet,  im  Herbst  meist  ab- 
fallend. Samen  schwarz,  4—5  mm  lang,  mit  bis  2  cm  langen  Flügeln.  —  Diese  in 
den  Nordoststaaten  der  Vereinigten  Staaten  namentlich  auf  dürrem  und  sumpfigem 
Boden  der  atlantischen  Küstenzone  grosse  Flächen  bedeckende  Kiefer,  höchstens 
25  Meter  Höhe  erreichend,  meist  aber  viel  kleiner  bleibend,  wurde  schon  1750  m 
Europa  eingeführt.  In  ihrer  Heimat  in  keiner  Weise  geschätzt,  hat  sie  infolge  eines 
verhängnisvollen  Irrtums ,  der  die  amerikanische  Pitch  pine -Pflanze  für  die 
Lieferantin  des  wertvollen  bei  uns  im  Holzhandel  Pitch  pine  genannten  Holzes 
hielt  ^^*),  vor  etwa  30  und  20  Jahren  in  ausgedehntem  Masse  Eingang  in  die  deutschen 
Forste  gefunden.  P.  rigida  kommt  auch  bei  uns  auf  den  geringsten  Bodenarten  noch 
fort,  ist  ausserordentlich  widerstandsfähig  gegen  Frost  und  Hitze,  gegen  Schnee- 
druck und  durch  hohes  Ausschlagvermögen  auch  gegen  Wild verbiss ,  dem  sie  sehr  aus- 
gesetzt ist,  in  den  ersten  Jahren  oft  auffällig  raschwüchsig,  erlahmt  aber  früh,  neigt 
sehr  zu  struppigem,  oft  legföhrenartigem  W^uchs,  namentlich  auf  besseren  Böden,  weil 
die  Johannistriebe  hier  zu  üppig  werden  und  nicht  genügend  ausreifen  und  hat  so  all- 
gemein enttäuscht.  Flachgründiger  Boden  mit  Thonunterlage  und  nasser  Moorboden 
sagen  ihr  nicht  zu.  Das  sehr  splintreiche  Holz  ist  geringwertig.  Bei  ihrer  Anspruchs- 
losigkeit und  geringen  Dauer  kann  sie  als  zweckmässiges  Schutz-  und  Treibholz  für 
die  gemeine  Kiefer  bei  der  Aufforstung  von  Oedländereien  dienen. 

13.  Pinus  ponderosa  Douglas.  Gelbkiefer.  Junge  Triebe  sehr 
dick,  bräunlich,  unbereift,  mit  Terpentingeruch.  Knospen  gross,  harzig.  Nadeln 
12 — 25  cm  lang,  sehr  derb,  dunkelgrün  jHarzgänge  stets  vorhanden,  imParenchyni, 
von  dickwandigen  Zellen  umgeben.  Zapfen  ziemlich  gleichseitig,  ca.  10  cm  lang  und 
5. cm  dick,  lebhaft  braun,  bis  zu  6  im  Quirl;  Apophyse  höher  pyramidal  als  bei 
der  vorigen,  ausser  dem  Querkiel  mit  einigen  strahligen  Leisten ;  Nabeldorn  auch 
beim  aufgesprungenen  Zapfen  abstehend  stechend,  kurz  und  stark.  Samen? — 10mm 
mit  bis  30  mm  langem  Flügel.  E  i  n  d  e  rotbraun,  sehr  dick ,  tiefrissig.  —  Bestand- 
bildender Waldbaum  des  nordwestlichen  Nordamerika,  wo  er,  vielfach  mit  der  Douglasia 
vergesellschaftet,  von  der  Küste  bis  ins  Felsengebirge  weit  verbreitet  ist  und  an  seinen 
günstigsten  Standorten,  an  den  Westabhängen  der  Sierra  Nevada  in  Kalifornien,  mehr- 
hundertjähriges Alter  und  riesige  Dimensionen  (60 — 90  Meter  Höhe  und  bis  über  4  Meter 
Durchmesser)  erreicht.  Bis  zum  5.  Jahre  bleibt  der  Höhenwuchs  niedrig  (im  3.  Jahre 
oft  erst  12  cm  hoch),  dann  hebt  er  sich  rasch  und  bildet  Jahrestriebe  von  ^/2 — 1  Meter. 
Bewurzelung,  Pfahlwurzel  in  lockerem  Boden  mit  zahli'eichen,  flachstreichenden  Seiten- 
wurzeln. Das  Holz  hat  ungewöhnlich  breiten  Splint,  braunen  Kern  und  entspricht 
etwa  unserem  Kiefernholz.  1826  in  Europa  eingeführt,  prächtiger  Parkbaum  von 
üppigem  Wüchse  und  tiefer  Beastung  für  nicht  zu  lufttrockene  Lagen.  In  neuerer  Zeit 
ist  dieser  frostempfindliche  Lichtholzbaum  mit  wechselndem  Erfolge  zu  den  Anbau- 
versuchen  herangezogen  worden  —  für  Norddeutschland  meist  zu  zart  —  und  neuer- 
dings namentlic*h  die  kleinsamigere  härtere  Varietät  scopulorum  Engelmann 
vom  Felsengebirge,  die  bei  uns  gut  zu  gedeihen  scheint. 

14.  Pinus  Jeffreyi  Murray.  Jeffreys-Kiefer.     Junge  Triebe  hell 

35)  Das  Pitch  pine  Holz  des  Handels  stammt  von  P.  australis  (und  anderen 
Arten),  welche  in  den  Südstaaten  der  Union  wie  Louisiana,  Florida  vorkommen  und  in 
Deutschland  absolut  nicht  aushalten. 


Die  Nadelhölzer.     §  51.  291 

weissblau  bereift.  Knospen  unverharzt.  Nadeln  dünner  als  bei  voriger, 
schlaff,  bis  23  cm  lang  nnd  bis  IV2  mm  dick,  weisslich-  bis  graugrün,  kaum  l'/a  Jahre 
dauernd;  Harzgänge  imParenchym,  von  dickwandigen  Zellen  umgeben.  Zapfen 
schief  eikegelförmig ,  viel  grösser  als  bei  voriger,  13 — 18  cm  lang,  6,5 — 10  cm  dick, 
hellbraun,  kurz  gestielt,  zu  2—6  im  Quirl  abstehend ;  Apophysen,  imGegensatz 
zu  vorstehend  erArt,  mit  so  stark  zurückgekrümmten  Nabeldomen,  dass  sie  beim 
geöffneten  Zapfen  nicht  mehr  stechen.  Samen  1 — IV2  cm  lang  mit  bis  372  cm 
langem  Flügel ,  E  i  n  d  e  mit  grauer,  dünner  Borke ,  deren  Schuppen  viel  kleiner  sind 
als  bei  ponderosa.  —  Gleichfalls  ein  Waldbaum  des  nordwestlichen  Amerika  (Oregon 
und  Kalifornien),  der  im  Norden  weniger  hoch  im  Gebirge  emporsteigt,  lockeren,  kiesig- 
sandigen Boden  mit  reichlicher,  nicht  stagnierender  Feuchtigkeit  liebt  und  im  Süden 
seines  Verbreitungsbezii-ks  eine  Durchschnitthöhe  von  60  Meter  erreicht.  Die  Pflanze 
bleibt  im  1.  Jahre  nieder  und  schliesst,  eine  Seltenheit  bei  einer  Kiefer,  mit  einer 
Winterknospe  ab;  erst  vom  4.,  bei  uns  wohl  auch  vom  7.  Jahre  ab  wächst  sie  beträchtlich. 
1852  wurde  diese  üppige  und  sehr  dekorative  Kiefer,  deren  Erscheinung  weniger  robust 
ist  als  die  von  ponderosa,  in  Europa  eingeführt  und  in  den  letzten  Jahrzehnten  in  den 
Kreis  der  forstlichen  Anbauversuche  gezogen;  sie  gedeiht  bei  uns,  schon  im  1.  Jahre 
eine  Pfahlwurzel  bis  zu  50  cm  entwickelnd,  nur  auf  besserem,  lehmhaltigem  und  frischem 
Boden,  ist  entschieden  lichtbedürftig,  verlangt  in  der  Jugend  mehr  Seitenschutz  als 
ponderosa,  ist  späterhin  fast  absolut  winterhart,  aber  sehr  empfindlich  gegen  lange 
Dürre  und  Trockenheit  und  wegen  lange  dauernder  Vegetation  auch  gegen  Frühfrost. 

2.  Sektion.    Strobus. 

§  51.  Apophysen  der  Zapfenschuppen  mit  randständigem,  domlosem  Nabel. 
Knrztriebe  fünfnadelig.  Zentralstrang  der  3 kantigen  Nadeln  nur  ein 
Gefässbündel  enthaltend. 

a)  Weymouthskiefern  (Subsektion  Eustrobus). 

Zapfen  langwalzig  (mindestens  3 mal  so  lang  wie  dick),  hängend,  als 
Ganzes  abfallend.  Zapfen  schuppen  lichtenähnlich ,  dünn,  gegen  die  Spitze  zu 
nur  schwach  verdickt,  mit  flacher,  kielloser  Apophyse.   Samen  klein,  langgeflügelt. 

15.  Pinus  strobus  Linn6.  Weymouthskiefer,  Strobe.  Junge  Triebe 
anfangs  grün,  später  violettbraun,  kahl  oder  dünn  weisslich  behaart.  Knospen  aus 
eiförmigem  Grunde  fein  zugespitzt,  oft  etwas  harzig.  Endknospe  des  Leittriebs 
stets  von  5 — 8  Quirlknospen  umgeben.  Nadeln  aufwärts  abstehend,  ca.  10  cm  lang, 
dünn  (V2  mm),  weich,  auf  den  planen  Flächen  bläulich  weiss  gestreift,  Harzgänge 
(meist  nur  2)  dicht  unter  der  Hautschicht  der  gewölbten  Fläche,,  nahe  den 
Kanten.  Männliche  Blüten  am  unteren  Ende  neuer  Triebe,  eiförmig,  bis  15  mm 
lang,  blassgelb;  weibliche  Blüten  einzeln  oder  zu  2 — 5  neben  der  Endknospe, 
dieselbe  weit  überragend,  langgestielt,  schlank  walzenförmig,  bläulich  bereift.  Junge 
Zapfen  im  1.  Herbst  ca.  2  cm  lang,  rötlichbraun,  im  2.  Frühjahr  vergrössem  sie 
sich  rasch,  werden  grün  und  neigen  sich  abwärts.  Reife  Zapfen  sehr  kurz 
gestielt,  zimmtbraun,  10 — 15  cm  lang,  etwas  gekrümmt,  und  ca.  3  cm  breit  (stets 
mehr  als  4 mal  so  lang  wie  dick).  Samen  5 — 6  mm  mit  bis  2  cm  langem  halbmond- 
förmigem Flügel,  der  oberhalb  des  Kornes  leicht  abbricht.  Ein  Kilo  Kornsamen  ent- 
hält 55  000—65  000  Körner. 

Die  Mannbarkeit  tritt  bei  freistehenden  Bäumen  mitunter  schon  im  10.,  im 
Walde  durchschnittlich  erst  mit  dem  30. — 35.  (50.)  Jahre  ein.  Samen  jähre  folgen 
alle  2 — 3  Jahre.    Blütezeit  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.     DieS amenreife  er- 

19* 


292  m.  Klein,  Forstbotanik. 

folgt  im  Herbst  des  2.  Jahres  (meist  im  September),  worauf  die  bis  dahin  geschlossenen 
Zapfen  sich  vollständig  sparrig  öffnen  und  die  Samen  in  wenigen  Tagen  ausfliegen. 
Die  Keimdauer  der  Samen  beträgt  2 — 3  Jahre,  die  Keimfähigkeit  gewöhn- 
lich 40 — 50,  ausnahmsweise  — 70%.  Die  Keimung  erfolgt  in  3 — 4  Wochen  nach 
der  Frühlingsaussaat  mit  8 — 11  ca.  2V2  cm  langen  3  kantigen  Keimblättern.  Die  da- 
rauf folgenden  Primärnadeln  sind  flach  und  stehen  einzeln.  Benadelte  Kurztriebe 
werden  erst  im  2. ,  Astquirle  in  der  Regel  erst  im  3.  Jahre  gebildet.  Der  Höhen- 
wuchs ist  sehr  rasch,  schon  mit  10  Jahren  3 — 5  m,  mit  20  8 — 10  m,  mit  40  16  bis 
18  m,  mit  80  28—29  m,  mit  100  32—33  m  bei  entsprechender  Stärke  und  Vollholzig- 
keit.  Die  höchsten  europäischen  Stroben  erreichen  34 — 50  m  Höhe  bei  1,3  bis  nahezu 
2  m  Durchmesser.  Auf  ungeeignetem,  namentlich  flachgründigem  Boden  erschöpft  sich 
das  Wachstum  frühe.  Die  Krone  der  Strobe  behält  bei  normaler  Entwickelung  ihre 
anfönglich  schlanke  Kegelform  auch  im  Alter  und  reicht  mit  ihren  horizontal  stehen- 
den, quirlständigen  Aesten  auch  im  Schlüsse  tiefer  herab  als  bei  der  gemeinen  und 
der  Schwai'zkiefer.  Bei  dichtem  Stande  reinigt  sie  sich  hoch  hinauf  von  Aesten  und 
kann  man  noch  an  50jährigen  Bäumen  die  Spuren  der  Astquirle  bis  zum  Stock  herab 
erkennen.  Nach  Verlust  des  Gipfels  können  bei  älteren  Bäumen  durch  Ersatzgipfel- 
bildung sehr  unregelmässige  und  malerische  Kronen  entstehen.  Im  freien  Stande  sind 
Kandelaberbäume  nicht  selten.  Die  Lebensdauer  der  Nadeln  beträgt  2 — 3  Jahre. 
Die  Bewurzelung  ist  ausserordentlich  stark,  aus  einer  mächtigen  Pfahlwurzel  und 
weit  ausstreichenden  Seitenwurzeln  zusammengesetzt.  Das  sehr  harzreiche,  aber  wenig 
dauerhafte,  gelblichweisse  Holz  ist  leichter  als  dasjenige  aller  unserer  einheimischen 
Waldbäume.  Am  frisch  gefällten  Baum  sind  Splint  und  Kern  kaum  zu  unterscheiden, 
das  Austreten  von  Harz  bezeichnet  die  Grenze  zwischen  beiden  besser  als  die  J'arbe. 
Später  erscheint  unter  dem  Einfluss  von  Luft  und  Licht  eine  Kemfarbe  wie  bei  der 
Kiefer.  Anatomis ch  gleicht  es,  von  den  viel  breiteren  Jahresringen  abgesehen, 
vollständig  demjenigen  der  Zirbel. 

Die  Rinde,  anfangs  glänzend  schwärzlichgrau  oder  olivenbraun,  verwandelt  sich 
erst  vom  20. — 30.  Jahr  ab  in  eine  längsrissige,  aussen  graue,  innen  rötlichviolette 
Tafelborke,  die  in  ihrer  Struktur  gleichfalls  sehr  der  Zirbel  gleicht,  aber  selbst  bei 
80jährigen  Bäumen  selten  über  7  m  am  Stamm  emporreicht.  —  Die  Heimat  der  Strohe 
ist  das  nordöstliche  Nordamerika,  von  Kanada  bis  zu  den  AUeghanies  und  östlich  bis 
zum  Mississippi,  wo  sie  nach  der  genutzten  Holzquantität  zur  Zeit  noch  der  wichtigste 
und  wertvollste  Waldbaum  der  ganzen  Union  ist.  Sie  wächst  in  ihrer  Heimat,  wo  sie 
bis  ca.  400  Jahre  alt  wird,  vorzugsweise  in  der  Ebene,  und  ihr  spezifischer  Standort 
ist  dort  ein  frischer  bis  feuchter  sandiger  Lehmboden  mit  geringer  Erhebung  über  den 
Grundwasserspiegel  unter  klimatischen  Bedingungen,  denen  nach  Mayr  in  Deutschland 
die  Zone  des  Eichen-  und  Buchenmischwaldes ,  des  reinen  Buchen-  und  Buchen-  und 
Tannenmischwaldes  entspricht.  In  Europa  wurde  sie  schon  1705  eingeführt  und  ist 
die  erste  exotische  Nadelholzart  gewesen,  welche  sich  in  Deutschland  und  Oesterreich- 
Ungarn  als  Waldbaum  eingebürgert  und  wirklich  forstliche  Bedeutung  erlangt  hat. 
Sie  vermag  sich  bei  uns  bei  genügender  Tiefgründigkeit  fast  allen  Bodenarten  zu 
akkomodieren  —  nur  heisse  Kalkböden  sagen  ihr  nicht  zu  —  übertrifft  an  Schneil- 
wüchsigkeit  und  Massenproduktion  alle  einheimischen  Coniferen,  ist  vollständig  sturm- 
fest, frosthart  und  in  Folge  ihrer  sehr  elastischen  Aeste  und  der  Eigentümlichkeit  ihrer 
Nadeln,  sich  bei  Schnee  und  Hegen  zu  einem  dichten  Strang  zusammenzulegen  gegen 
Schneedruck  und  Eisanhang  viel  widerstandsfähiger  als  die  Kiefer  und  nimmt  in  ihren 
Lichtansprüchen  ähnlich  der  Fichte  eine  mittlere  Stellung  ein.  Dagegen  ist  sie  em- 
pfindlich gegen  Hagel,  in  jüngerem  Alter  gegen  Trockenhitze  (Rindenbrand)  und  gegen 


Die  Nadelhölzer.     §  52.  293 

Wurzelpilze.  Von  Natur  auf  die  Ebene  angewiesen ,  gedeiht  sie  in  Deutschland  und 
Oesterreich  doch  noch  in  mittleren  Gebirgslagen  von  500 — 700  m,  in  der  Schweiz  so- 
gar bis  1200  m,  verlangt  aber  immer  einen  reichen  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft. 

16.  PinusexcelsaWallich.  Himalaja- Weymouthskiefer,  Thr ä- 
nenkiefer  ist  ein  prachtvoller  Parkbaum  vom  Himalaja,  dort  30 — 50m  Höhe  er- 
reichend, 1823  in  Europa  eingeführt,  versuchsweise  auch  im  Walde  in  der  Rheinpfalz 
kultiviert,  aber  jedenfalls  nur  für  milde  bezw.  geschützte  und  luftfeuchte  Lagen  ge- 
eignet. Sie  unterscheidet  sich  schon  als  junge  Pflanze  von  der  Weymouthskiefer  durch 
ihre  bis  18  cm  langen,  schlaff  hängenden  Nadeln  und  übertrifft  dieselbe  in 
allen  Dimensionen  und  an  Wuchsgeschwindigkeit.  Knospen  cjlindrisch,  spitz- 
lich. Zapfen  lang  (3 — 4  cm)  gestielt,  bis  27  cm  lang.  Samen  7 — 8mm,  mit  dem 
Flügel  bis  3  cm  lang. 

17.  Pinus  peuce  Grisebach.  Rumelische  Strebe,  vielfach  als  Unter- 
art zur  vorigen  gestellt,  ist  eine  Gebirgsstrobe,  die  in  800—2000  m  Meereshöhe  zwischen 
dem  adriatischen  und  schwarzen  Meere  heimisch  ist,  besonders  auf  dem  Balkan,  wird 
nur  bis  14  m  hoch  und  bleibt  in  der  Knieholzregion  ein  Busch.  1839  von  Grisebach 
entdeckt,  ist  sie  im  deutschen  Klima  viel  härter  als  die  vorige.  Krone  schmal  pjra- 
midal,  bis  zum  Boden.  Knospen  fast  kugelig  mit  aufgesetzter  Spitze.  Nadeln 
steifer,  nicht  hängend,  bis  10  cm.  Zapfen  kürzer  gestielt,  bis  13  cm  lang.  Samen 
mit  Flügel  nur  15  mm.  In  ihrer  ganzen  Erscheinung  ähnelt  sie  sehr  einer  jüngeren 
Zirbel  oder  Strebe. 

b)  Zirbelkiefern  (Subsektion  Gembra.) 

§  52.  Zapfen  kurz,  eiförmig  oder  walzig,  aufrecht  sitzend,  nach  der 
Samenreife  z e r f a  1 1  e n d.  Zapfenschuppen  stark  verdickt,  weich.  Samen 
gross,  hartschalig,  ungeflügelt,  d.  h.  die  Flügel  sind  bis  auf  eine  kleine  Schuppe  oder 
die  bandförmig  den  Samen  umfassende  Zange  reduziert. 

18.  Pinus  cembraLinn6.  Zirbel-Kiefer,  Zirbe,  Arve.  Junge 
Triebe  im  1.  Sommer  rotgelbfilzig  behaart,  später  kahl.  Knospen 
kugelig,  lang  zugespitzt,  harzlos,  an  den  Enden  der  Zweige  meist  einzeln.  Nadeln 
5 — 9  cm  lang,  ca.  15  mm  breit,  ziemlich  steif,  auf  den  planen  Flächen  bläulichweiss 
gestreift,  auf  dem  Rücken  dunkelgrün;  Harzgänge,  den  Kanten  entsprechend,  meist 
3,  im  Parenchjm.  Blüten  ähnlich  wie  bei  der  Strebe.  Junge  Zapfen  am  Ende 
des  1.  Jahres  wallnussgross,  im  2.  5 — 8  cm  lang,  3 — 5  cm  breit,  auf  bräunlich  violettem 
Grunde  heidelbeerblau  bereift ,  mit  weissgrauem  Nabel,  reif  hellrötlich -zimmetbraun. 
Samen  8 — 12  mm  lang,  bis  8  mm  breit,  verkehrt  eiförmig,  dickschalig,  essbar  (Zir- 
belnüsse).   Ein  Kilo  enthält  4000—5000  Nüsse. 

Mannbarkeit  bei  kultivierten  Exemplaren  schon  mit  dem  25.  Jahre  und  früher, 
auf  den  hochgelegenen  natürlichen  Standorten  meist  erst  mit  70  und  80  Jahren.  Sa- 
menjahre im  Durchschnitt  alle  10,  unter  günstigen  Umständen  alle  6 — 8  Jahre. 
Samenreife  Ende  Oktober  bis  Mitte  November.  Abfall  der  bald  nachher  zerfallen- 
den Zapfen  mit  den  Samen  gegen  das  nächste  Frühjahr.  Vielfach  aber  werden  die 
Samen  schon  im  August  oder  September  von  Eichhörnchen  und  Zirbelhäher  ausge- 
fressen. Nach  der  Aussaat  liegt  Zirbelsamen  gewöhnlich  1  Jahr  über,  ehe  er  keimt, 
einzelne  Kömer  auch  2 — 3  Jahre.  Keimpflänzchen  mit  meist  10  dunkelgrünen 
über  3  cm  langen  Keimnadeln  an  dickem  Stengel.  Weiterentwickelung  ähnlich  der 
Strobe,  das  junge  Pflänzchen  wächst  aber  sehr  langsam  und  die Astquivlbildung 
beginnt  gewöhnlich  erst  mit  dem  5.  Jahre.  Auf  günstigen  natürlichen  Stand- 
orten erreicht  der  Baum  mit  10  Jahren  */2  m,  mit  20  1,2  m,  mit  40  4  m,  mit  60  7  m. 


294  III.  Klein,  Forstbotanik. 

mit  80  9—10  m,  mit  100  12  m,  mit  140  17  m,  mit  200  20  m,  womit  das  Höhen- 
wachstum (bis  22  m)  abgeschlossen  ist.  Der  Baum  kann  aber  noch  Jahrhunderte  in 
die  Dicke  wachsen,  so  am  Findelengletscher  bei  der  Riifelalp  nach  meinen  Unter- 
suchungen bis  zu  1000  oder  1100  Jahren,  und  bis  2,30  m  Durchmesser  erreichen!  Bei 
ungestörtem  Wachstum  zeigt  die  Zirbel  in  den  ersten  Jahrzehnten  eine  sehr  regel- 
mässig aufgebaute,  schlank  kegelförmige,  tief  herabreichende  Krone,  die  auch  bei  alten 
Bäumen  gleichmässig  abgewölbt,  eiförmig,  bis  wenige  Met«r  über  dem  Boden  herab- 
reichen kann.  Gewöhnlich  aber  sind  alte  Zirbeln  von  Wind,  Schnee  und  Wetter  hart 
mitgenommen  und  zeigen  die  bizarrsten  und  malerischsten  vielwipfeligen  Kronen  mit 
vielen  aufgerichteten  Aesten.  An  Lebenszähigkeit  und  Reproduktionskraft  kann  sich 
keine  andere  europäische  Konifere  mit  der  Zirbel  messen.  Die  Bewnrzelung  ist 
trotz  der  später  in  ihrer  Entwickelung  mehr  und  mehr  zurückbleibenden  Pfahlwurzel 
durch  weit  streichende,  starke,  im  Alter  oberflächlich  oft  blossgelegte  und  gebleichte 
Seitenwurzeln  eine  durchaus  sturmfeste.  Die  Lebensdauer  derNadeln  beträgt 
an  kräftigen  Trieben  5 — 6 ,  an  schwachen  oft  nur  3  Jahre,  —  Das  ausserordentlich 
dauerhafte,  harzreiche,  gleichmässige  und  leichte  Holz  von  den  natürlichen  Stand- 
orten ist  ein  sehr  wertvolles  Nutzholz  (Holzschnitzereien)  mit  schmalem  gelblichem 
Splint  und  anfangs  sehr  hellem  gelbrötlichem  Kern  mit  sehr  engen,  meist  sehr  gleich- 
massigen  Jahresringen.  Mikroskopisch  zeichnen  eich  dieselben  durch  sehr 
schmale,  nach  innen  nicht  scharf  abgesetzte  Spätholzzonen  aus ,  deren  Tra- 
cheiden  ausserdem  viel  schwächere  Wandverdickung  zeigen  wie  beim  Spätholze  unserer 
Kiefern ,  daher  die  Gleichmässigkeit.  Die  Markstrahltracheiden  sind  glatt- 
wandig,  ohne  kammf örmige  Verdickungsleisten,  dieMarkstrahlparenchymzel- 
len  korrespondieren  mit  den  angrenzenden  Holztracheiden  häufig  durch  zwei  (oder 
mehr)  grosse  Tüpfel.  Harzgänge  gross  und  zahlreich.  Die  Rinde  bleibt 
lange  hellsilbergrau,  glatt  und  glänzend  und  verwandelt  sich  erst  in  höherem  Alter  in 
eine  aussen  braungraue,  innen  rotbraune  Schuppenborke,  die  auch  an  sehr  alten  Bäu- 
men nur  geringe  Dicke  besitzt. 

In  Mitteleuropa  ist  die  Zirbel  ausschliesslich  Hochgebirgsbaum,  in  den  Alpen  und 
Karpathen  mit  sehr  zerstückeltem  Verbreitungsgebiet  meist  borstweise  oder  vereinzelt 
zwischen  Fichten  und  Lärchen  auftretend  und  über  diesen  die  Baumgrenze  bildend. 
In  Bayern  wächst  sie  zwischen  1500  und  1800  m  (Schachenalp) ,  in  der  Schweiz  bis 
ca.  2200  m  (Wallis),  2400  m  (Engadin),  in  der  Dauphin^  und  Südtirol  (Stilfserjoch)  bis 
2500  m,  in  der  hohen  Tatra  zwischen  1300  und  1600  m.  Ausserhalb  dieses  Verbrei- 
tungscentrums bildet  die  Zirbel,  meist  in  bruchigen  Ebenen,  ausgedehnte  Wälder  im 
nördlichen  Russland  und  durch  das  ganze  nördliche  Sibii'ien,  steigt  aber  dort,  entspre- 
chend kleiner  bleibend,  auch  hoch  im  Gebirge  empor.  Die  sibirische  Zirbel,  durch 
höheren  Wuchs  (bis  40  m),  grössere,  mehr  walzenförmige  Zapfen,  und  grössere,  dünn- 
schaligere Samen  ausgezeichnet,  ist  wahrscheinlich  nur  eine  klimatische  Varietät  der 
Alpenzirbel.  Als  Standortsansprüche  wären  reichliche  Luft-  und  Bodenfeuch- 
tigkeit zu  nennen,  bei  ausserordentlicher  Anspruchslosigkeit  hinsichtlich  der  Luftwärme. 
In  ihrem  Lichtbedürfnis  nimmt  sie  wie  die  vorstehende  Art  eine  Mittelstellung  ein.  An 
der  oberen  Grenze  des  Verbreitungsgebietes  ist  sie,  namentlich  in  höherem  Alter,  bei 
der  oft  nur  2^2  Monate  betragenden  Vegetationszeit  mehr  Lichtholzbaum,  während  sie 
als  junger  Baum  und  in  tieferen,  sonst  günstigen  Lagen  ein  ziemliches  Schattenerträg- 
nis aufweist,  wie  schon  ihre  dichte  Krone  und  das  Aufkommen  von  Nachwuchs  unter 
ihrem  eigenen  Kronenschatten  und  selbst  dem  von  Fichten  anzeigt.  In  der  Schweiz 
und  in  Oesterreich  hat  man  sie  in  neuerer  Zeit  in  grösserem  Massstabe  auf  geeigneten 
Standorten  wieder  aufgeforstet;  ausserhalb  ihres  natürlichen  Vorkommens  ist  sie,  von 


Die  Nadelhölzer.     §  53.  295 

kleinen  Anpflanzangen  in  Hochlagen  der  meisten  deutschen  Mittelgebirge  abgesehen, 
nur  Parkbanm. 

19.  Pinns  koraiensis.  Siebold  et  Zuccarini.  Eoreazirbel, 
heimisch  in  Korea,  der  Mandschurei  und  im  mittleren  Japan,  wo  sie  im  Eichen-  und 
Rotbuchengebiet  bis  40  m  Höhe  erreicht,  zählt  mit  der  Himalayastrobe  zu  den  schön- 
sten Kiefern.  Die  Nadeln  sind  7 — 15  cm  lang;  schon  die  1jährige  Pflanze  entwickelt 
5  nadelige  Knrztriebe.  Harzgänge  wie  bei  unserer  Zirbel  im  Parenchym.  Die 
Zapfen  sind  10 — 15  cm  lang  mit  oberwärts  stark  auswärts  gebogenen  Apophysen,  die 
essbaren  Samen  15 — 17  mm  lang  und  11 — 13  mm  dick,  1846  zuerst  in  Europa 
eingeführt,  neuerdings  wieder  von  Mayr  für  forstliche  Anbauversuche,  wächst  sie  anfangs 
langsam,  in  8  Jahren  bis  1  m,  ist  aber  zwischen  Buchen  und  Eichen  völlig  frosthart. 
Ihr  Holz  mit  rötlichem  Kern  ist  leicht  und  weich,  ähnlich  demjenigen  der  Strebe. 

20.  Pinns  parviflora.  Siebold  et  Zuccarini.  Mädchenzirbel, 
gleichfalls  aus  Japan,  hat  viel  kürzere  (2V2 — 5  cm),  feinere  Nadeln,  deren  Harz- 
gänge aber  an  der  Epidermis  liegen,  kleine  (4 — 7  cm)  Zapfen  ohne  abstehende  Nabel- 
spitze.     Samen  10 : 8  mm.  Einführung  und  Verhalten  in  Europa  wie  bei  vorstehender. 

2.  Tribus.    Taxodieae. 

§  53.  Nadeln,  Staubblätter  und  Fruchtblätter  s  p  i  r  a  1  i  g  angeordnet ,  letztere 
nur  an  der  Spitze  etwas  geteilt.     Pollenkömer  ohne  Flugblasen. 

1.  Sciadopitys  verticilläta.  Siebold  et  Zuccarini.  Japani- 
sche Schirmtanne  ist  ein  Waldbaum  des  mittleren  Japan,  von  pyramidalem  Wüchse, 
mit  sehr  dauerhaftem,  leichtem,  weissem,  sehr  elastischem  Holze,  der,  in  der  Region  der 
Edelkastanie  und  Eiche  heimisch,  20—40  m  Höhe  und  1  m  Durchmesser  erreicht,  über 
100  Jahre  alt  wird  und  mit  seinen  zu  20 — 40  in  Scheinquirlen  stehenden,  langen,  glän- 
zenden „Doppelnadeln"  eine  ganz  eigenartige,  fremde  Erscheinung  bietet.  Bei  uns 
wird  sie  naeh  Mayr  nur  im  Gebiet  der  Laubhölzer,  soweit  Eiche  noch  Nutzholz  wird, 
mit  Aussicht  auf  Erfolg  angebaut  werden.  Da  der  im  Mai  im  Freien  gesäte  Samen 
erst  im  Oktober  oder  November  keimt  und  die  Sämlinge  dann  der  Gefahr  des  Frost- 
todes in  schneearmen  Wintern  ausgesetzt  sind,  schlägt  Mayr  Aussaat  im  Juli  oder 
August  vor,  um  die  Keimung  im  folgenden  Frühjahr  zu  veranlassen.  —  Der  Baum  trägt 
an  Langtrieben  nur  Schuppenblätter,  in  den  Achseln  der  obersten  jedes  Jahrestriebes 
stehen  Kurztriebe  mit  zwei  an  der  Basis  verwachsenen,  6 — 15  cm  langen,  2V2 — 7  mm 
breiten  Nadeln.  Zapfen  stumpf,  7 — 10  cm  lang,  4 — 5,5  cm  dick.  Samen  zu  7  an 
jeder  Fruchtschuppe.  —  1861  wurde  sie  in  Europa  eingeführt,  ist  in  der  Jugend,  bis 
zum  12.  Jahre,  bei  uns  beispiellos  trägwüchsig  (4jährige  17  cm!),  dann  wächst  sie  in 
milden  Gegenden  gut,  kann  aber  auch  härtere  Winter  aushalten. 

2.  Cryptomeria  japonica  Don.  Cryptomerie  ist  ein  wertvoller 
Waldbaum  des  nördlichen  Japans,  wo  sie  Fröste  bis  — 20^  aushält  und  40—60  m  Höhe 
bei  1 — 2  m  Durchmesser  erreicht.  Sie  verlangt  bei  uns  nach  Mayr  mildes  Klima,  hin- 
reichende Boden-  und  namentlich  grosse  Luftfeuchtigkeit  (z.  B.  Osttries- 
land  oder  Nähe  von  Binnenseen  u.  dergl.)  und  sollte  im  allg.  nur  in  den  wärmsten 
Lagen  des  Laubwaldes  angebaut  werden ;  in  trockenen  Lagen  dagegen  verkümmert  sie 
zu  elenden  Krüppeln.  Die  forstlichen  Anbau  versuche  haben  im  grössten  Teile  Preusseng 
nicht  befriedigt,  die  Pflanzen  mit  der  intensivsten  (rot-blauroten)  Winterfärbung  haben 
sich  dabei  weitaus  am  frosthärtesten  erwiesen;  im  allg.  litten  die  Pflanzen  sehr  unter 
Frost  und  Wildverbiss.  —  Knospen  nackt.  A  e s t e  einzeln  (wie  bei  der  Lärche). 
Krone  stumpf,  pyramidal-eirund.  Nadeln  oreihig,  aufwärts  abstehend,  am  Tragzweig 
etwas  herablaufend,    leicht  einwärts   gebogen,   lineal-pfriemlich ,    stumpf  3 — 4kantig. 


296  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Zapfen  l'/a-  3  cm  lanj^  und  fast  ebenso  dick;  Zapfenscbuppen  mit  3( — 6)  Samen. 
Das  weiche,  leichte,  sehr  dauerhafte  Holz  mit  rotem  Kern  ist  das  wichtigste  Weidi- 
nutzholz  Japans.     1842  in  Europa  eingeführt. 

3.  Sequoia  gigantea  Torrey.  Wellingtonie,  Mammnthbanm. 
Diese  Riesen  des  Pflanzenreichs,  in  der  Sierra  Nevada  des  mittleren  Califomiens  aus- 
schliesslich auf  Westabhängen  in  1200 — 2500  m  Meereshöhe  mit  sehr  lokaler  Verbrei- 
tung heimisch,  erreichen  dort  eine  Höhe  bis  zu  120  m,  Durchmesser  bis  zu  16  m  und 
ein  Alter  von  mehreren  tausend  Jahren.  Erst  1850  entdeckt,  1853  in  Europa  einge- 
führt, verlangt  die  Wellingtonie  bei  uns  tiefgründigen  frischen  Boden  mit  durchlassen- 
dem Untergrund,  mildes  Klima,  hohe  Luftfeuchtigkeit.  —  Verbreiteter  Zierbaum,  der 
wohl  nur  aus  Gründen  der  Forstästhetik,  eingesprengt  oder  in  kleinen  Horsten,  in  ent- 
sprechenden Lagen  in  Frage  kommen  kann.  (Ein  prächtig  gedeihendes  junges  Wel- 
lingtonienwäldchen  befindet  sich  z.  B.  bei  Weinheim  an  der  Bergstrasse.)  —  Nadeln 
allseitswendig,  an  nicht  blühenden  Trieben  aufrecht,  angewachsen  herablaufend, 
4—8  mm  lang,  halbstielrund,  pfriemenförmig,  lang  gespitzt,  an  blühenden  ange- 
drückt, dachziegelartig,  schuppenförmig.  Zapfen  4 — 7  cm  lang,  3 — 4  cm  dick,  mit 
schildförmigen  Fruchtschuppen.  Wuchs  dauernd  schlank  pyramidal.  Stamm  sehr 
abholzig.    Lebenszähigkeit  und  Reproduktions vermögen  sehr  gross. 

4.  Taxodium  distichum  Richard.  Amerikanische  Sunipfcy- 
presse  ist  ein  sommergrüner  echter  Sumpf bewohner,  der  im  südöstlichen  Nord- 
amerika bis  zum  43®  n.  Breite  charakteristische  Sumpfwälder  bildet,  aber  auch  im 
feuchten  Sande,  an  See-  und  Flussufern  vorkommt  und  an  der  Nordgrenze  seines 
Verbreitungsbezirkes  bis  zu  19®  Kälte  auszuhalten  hat.  Die  jungen  Bäume  sind  au 
der  Basis  dick  flaschenförmig  angeschwollen  und  von  zahlreichen  den  Wurzeln  ent- 
springenden, zur  Atmung  im  Sumpfe  dienenden  spitzen  Auswüchsen  (Wurzelknie)  um- 
geben. Im  Alter  bekommen  die  bis  45  m  hohen  Bäume  eine  breit  und  flach  schirm- 
förmige Krone.  —  In  Europa  etwa  1640  eingeführt,  finden  sich  bei  uns  schon  viele 
Exemplare  von  20  m  Höhe  und  1  m  Durchmesser,  bei  einem  Alter  von  ca.  80  bis  über 
100  Jahren.  In  der  Jugend  ist  der  raschwüchsige  Baum  frostempfindlich  und  ist  daher 
bei  Anbauversuchen  in  lichte  Bestände  eingesprengt  zu  erziehen;  später  ist  er  in  mil- 
deren Gegenden  frosthart  und  vielfach  als  Parkbaum  zu  trefi^en.  Die  zarten,  schmalen, 
flachen,  hellgrünen  1 — 1^2  cm  langen  Nadeln  stehen  zweizeilig  gescheitelt  an  6 — 10  cm 
langen,  schlanken  Kurztrieben  (Fiederblättchen  ähnlich)  und  werden  als  ^  Absprünge"  im 
Herbste  mit  diesen  abgeworfen.  Das  Holz  hat  gelblichen  Splint  und  braunen  Kern  und 
ist,  selbst  unter  den  ungünstigsten  Verhältnissen  verwendet,  ausserordentlich  dauerhaft. 

3.  Tribus.    Cupressineae. 

§  54.  Nadeln,  Staub-  und  Fruchtblätter  stets  in  2 — 4gUederigen  Quirlen  ge- 
stellt. Die  Fruchtblätter  lassen  nur  an  der  Spitze  die  Andeutung  einer  Teilung  er- 
kennen. Die  Laubblätter  mit  Ausnahme  von  Juniperus  sowie  den  Primärnadeln  der 
andern  Arten  sind  schuppenförmig,  an  der  Basis  mit  der  Rinde  des  Tragzweiges  ver- 
bunden. Keimlinge  normalerweise  z weinadelig.  Pollenkörner  ohne  Flugblasen.  W^uchs 
in  der  Jugend  spitz  pyramidal,  bis  zum  Grunde  beastet.  —  Die  „Retinospor ap- 
arten sind  aus  benadelten  Zweigen  der  jungen  Pflanzen  durch  Stecklingsvermehrung 
erzogene  „Jugendforme n".  Das  aromatische  Holz  der  Cupressineen  ist 
wie  dasjenige  der  vorstehend  erwähnten  Taxodieen  anatomisch  charakte- 
risiert durch  die  nur  aus  Parenchym  bestehenden  Markstrahlen,  durch  das  Vorkom- 
men von  Längsparenchym  im  Spätholz  und  das  Fehlen  der  Harzgänge. 

Thujopsis  dolabrata.  Siebold  et  Zuccarini.    Die  beilblätterige 


Die  Nadelhölzer.     §  55.  297 

H  i  b  a  ist  dnrcb  ihr  vorzügliches,  sehr  dauerhaftes  und  elastisches,  leicht  bräunliches, 
leichtes  Holz  ein  höchst  wichtiger  Nutzholzbaum  Japans,  dort  in  der  kühleren  Hälfte 
des  Edelkastanienklimas  mit  Eichen  heimisch  und  1853  in  Europa  eingeführt 
uBd  hier  verbreiteter  Parkbaum.  Mayr  hielt  sie  stets  unter  allen  japanischen  Coniferen, 
trotz  ihrer  grossen  Trägwüchsigkeit,  wegen  ihrer  waldbaulichen  und  technischen  Eigen- 
schaften für  die  für  Deutschland  wichtigste  Conifere  Japans.  Sie  erreicht  in  ihrer 
Heimat  bis  35  m  Höhe,  verträgt  starke  Beschattung,  macht  massige  Ansprüche  an  die 
Boden^te  (begnügt  sich  noch  mit  Böden  mit  stark  sandiger  Beimischung)  und  verjüngt 
sich  leicht  durch  Bewurzelung  der  am  Boden  aufliegenden  Zweige  und  durch  Stecklinge. 
Für  Anbauversuche  ist  sie  wie  keine  andere  ausländische  Holzart  zum  Unterbau  von 
Eichen,  Lärchen  und  Föhren  in  passenden  Lagen  geeignet  und  so  zugleich  vor  der 
Schneedruckg^fahr  in  der  Jugend  möglichst  geschützt.  —  Die  Gattung  ist  durch 
4 — ösamige  Fruchtschuppen  charakterisiert ;  die  einzige  S p e c i e s ^°)  durch  auffallend 
flache,  breite  und  derbe,  in  wagrechter  Ebene  wiederholt  verzweigte  Zweige, 
deren  relativ  grosse,  kreuzweis  gegenständige  (vierfach  dachziegelige)  Schuppenblätter 
der  Oberseite  fast  ganz  angewachsen  und  oberseits  dunkelgrün  sind,  unterseits 
mit  grossem  weissem  Fleck  (der  Spaltöffnungslinien).  Der  Leittrieb  steht 
steif  aufrecht. 

LibocedrusdecurrensTorreyHeyderia.  CalifornischeFluss- 
c  e  d  e  r.  Dieser  sehr  wertvolles  Holz  mit  dunklem  Kern  liefernde  Waldbaum  tritt  süd- 
licher als  die  Lawsonscypresse  im  Küstengebirge  Oregons  und  in  der  Sierra  Nevada 
Californiens  zwischen  1500  und  2700  m  in  Gesellschaft  der  Abies  concolor  in  grosser 
Menge  auf  und  eneicht  mit  „zuckerhutförmiger"  Krone  56  m  bei  1,35  m  Durchmesser. 
Von  Carriere  wurde  sie  als  Thuja  gigantea  beschrieben  und  ist  vielfach  als  solche  in 
Deutschland  verbreitet  worden.  Sie  ist  charakterisiert  durch  ihre  auf  Ober-  und 
Unterseite  gleichen,  decussierten  Schuppenblätter,  von  den  stets 
vier  zusammen  einen  Scheinquirl  bilden.  Zweige  flach.  Leittriebe 
steif  aufrecht.  Zapfen  2 — 3  cm  lang,  aus  6  Schuppen  bestehend,  von  denen  nur 
die  zwei  mittleren  fruchtbar  sind,  je  zwei  grossflügelige  Samen  enthalten  und  sich  beim 
Aufspringen  weit  bogenförmig  zurückbiegen.  1854  in  Europa  eingeführt.  In  Deutsch- 
land gedeiht  sie  nur  in  luftfeuchten  milden  Lagen  gut,  da  sie  in  rauhen  stark  zurück- 
friert; neuerdings  ist  sie  auch  in  den  Kreis  der  forstlichen  Anbauversuche  gezogen. 

Lebensbäume  (Thuja.) 

§  55.  Bei  der  Gattung  Thuja  sind  die  Z  w  e  i  g  e  auffällig  flach,  die  decussier- 
ten, mit  einer  vorspringenden  Oeldrüse  besetzten  Schuppenblätter  nur  wenig 
über  die  Zweigoberfläche  hervorragend,  auf  der  Fläche  des  Zweiges  flach,  an  den  Kanten 
zusammengefaltet.  Leittrieb  steif  aufrecht.  Die  sehr  kleinen  männlichen 
Blüten  sind  kugelig,  endständig,  die  schuppenartigen  Staubblätter  tragen  je  4  Pollen- 
säcke. Die  weiblichen  Blüten  bestehen  aus  3 — 5  Paar  decussierter  Fruchtschup- 
pen, von  denen  das  meist  zu  einem  Säulchen  verwachsene  oberste  Paar  unfruchtbar, 
die  mittleren  stets,  das  unterste  Paar  meist  fruchtbar  2  (1 — 3)  Samen  tragen.  Zapfen- 
schuppen lederartig,  blattartig,  mit  denRändern  übereinander 
greifend.  Samen  länglich,  mit  zwei  schmalen  seitlichen  Flügeln.  Zapfenreife 
Ijährig.  Keimblätter  2.  Drei,  als  Zierbäume  viel  angepflanzte,  Arten  dieser  Gat- 
tung sind  zu  forstlichen  Anbauversuchen  herangezogen  worden. 


36)  Das  forstwissensch.  Centralblatt  1898  enthält  eine  sehr  brauchbare  colorierte  Tafel 
von  H.  Mayr  zur  Unterscheidung  der  forstlich  wichtigen  Cupressineen  nach  beblätterten  Zweigen. 


298  III.  Klein,  Forstbotanik. 

I.Thuja  gigantea  Nuttal.  Riesen-Lebensbaum.  Pacifische 
Thuja.  (Syn.  Th.  Menziesii  Dougl.,  Lobbii  Hort.,  plicata  Don.  z.  T.)  vielfach  mit 
Libocedrus  verwechselt,  ausgezeichnet  durch  spätere  Raschwüchsigkeit  und  Holzgüte, 
ist  ein  Waldbaum  des  nordwestlichen  Nordamerika ,  wo  sie  im  Felsengebirge  auf  die 
unmittelbare  Nähe  der  Gebirgsbäche  angewiesen  ist,  in  dem  boden-  und  luftfeuchten, 
nur  wenig  über  das  Meeresniveau  erhobenen  Gebiet  der  Ebene  aber  zu  gewaltigen  Di- 
mensionen in  reinen  Beständen  (Durchschnittshöhe  50  m)  erwächst  und  bei  sehr  schwach 
beasteter  Krone  kegelförmige  Stämme  bildet,  die  an  der  Basis  enorm  breit  sind  (in 
2  m  Höhe  häufig  3  m  und  mehr  Durchmesser).  In  der  Jugend  lange  Zeit  Schatten 
ertragend  und  dabei  stetig,  aber  sehr  langsam  wachsend,  reinigt  sie  sich  nur  sehr 
schwer  von  den  harten,  langlebigen  Seitenästen  und  bildet  nur  in  sehr  engem  Druck 
einen  astreinen  Nutzschaft.  Das  leichte,  etwa  die  Schwere  des  Weymouthskiefemholze« 
besitzende  Holz  hat  schmalen  Splint,  graubraunen  Kern  und  ist  sehr  dauerhaft.  —  Die 
Seitenzweige  ohne  weitere  Verzweigung  sehr  lang  gestreckt 
Schuppenblätter  auf  der  Zweigoberseite  dunkel-,  auf  der  Unterseite  hellgraugrün  gefleckt 
mit  dunkelgrünem  Rand  (an  jungen  Pflanzen  von  japonica  kaum  zu  unterscheiden). 
Flächenblätter  mit  wenig  deutlicher,  länglicher  Oeldrüse.  Zapfen  11 — 15  cm, 
mit  2 — 3  Paar  fruchtbaren  Schuppen.  Samen  Vs  kürzer  als  die  Fruchtschup- 
pen. —  1833  in  Europa  eingeführt,  zeigt  sie  bei  den  in  grösserem  Masse  ausgeführten 
forstlichen  Anbauversuchen  der  beiden  letzten  Jahrzehnte  vortreffliches  Gedeihen  bei 
sorgsamster  Berücksichtigung  ihrer  Standortsansprüche:  ziemliches  Mass  von 
Bodenfrische,  am  besten  frischer  bis  feuchter,  humoser,  tiefgründiger,  lehmiger  Sandboden, 
während  sie  hinsichtlich  der  mineralischen  Nährstoffe  weniger  anspruchsvoll  ist.  In 
den  ersten  Jahren  ist  die  Pflanze  schwach  (im  1.  Jahre  nur  3  cm  lang  mit  ebenso 
langer,  mit  1 — 2  cm  langen  Seitenwurzeln  besetzter  Pfahlwurzel ;  im  2.  10 — 15  cm,  im 
3.  energischer  Höhentrieb,  vom  7.  sehr  lebhaftes  Höhenwachstum,  so  dass  8jährige 
Pflanzen  schon  3  m  erreichen).  Die  junge  Pflanze  ist  empfindlich  gegen  Frost  und 
Dürre,  Halbschattenholzart,  die  nur  schwache  Beschirmung,  aber  Seitenschutz  verlangt: 
später  wird  sie  frosthärter,  bleibt  aber  empfindlich  gegen  Dürre. 

2.  Thuja  Standishii  Carriere  (syn.  japonicaMaximovicz).  Ja- 
panischer Lebensbaum.  Dieser  in  den  Centralgebirgen  Japans  einheimische 
Waldbaum,  durch  dünne  blaurote  Rinde  ausgezeichnet,  besitzt  ebenfalls  ein  sehr  wert- 
volles, schmutzigbraunes,  sehr  leichtes  und  sehr  dauerhaftes  Kernholz  und  erreicht  bis 
35  m  Höhe ,  ist  aber  trägwüchsiger  als  die  vorstehende  Art.  Schuppenblätter 
dicker  und  breiter,  Drüsenrinne  oberseits  kaum  sichtbar.  Zweige  reicher  verästelt 
und  die  einzelnen  Glieder  kurz.  Zapfen  8  mm  lang,  mehr  rundlich,  Samen  so 
lang  wie  die  Fruchtschuppen.  1861  in  Europa  eingeführt,  zu  forstlichen  An- 
bauversuchen  erst  neuerdings  herangezogen  und  nach  Mayr  wie  Chamaecyparis  obtnsa 
im  Walde  zu  verwenden. 

3.  ThujaoccidentalisLinn^.  Gemeiner  Lebensbaum,  atlan- 
tische Thuja.  Dieser  bei  uns  als  Zierbaum  und  Heckenpflanze,  namentlich  auf 
Kirchhöfen  allgemein  verbreitete  Baum  ist  im  östlichen  Nordamerika  (von  Canada  bis 
Carolina)  heimisch,  in  den  Gebirgen  auf  die  unmittelbare  Nähe  der  Bäche  beschränkt, 
in  der  Ebene  aber  in  kalten  sumpfigen  Lagen  auf  weite  Strecken  reine  Bestände  bildend 
und  erreicht  bis  20,  unter  günstigen  Verhältnissen  31  m  Höhe  bei  1,40  m  Durchmesser. 
Langsamwüchsig  durch  ihr  ganzes  Leben,  kräftige  Beschattung  ertragend,  produziert 
sie  trotz  des  sumpfigen  Standortes  ein^  sehr  dauerhaftes,  weiches  und  leichtes,  im  Kern 
dunkelgelb  gefärbtes  Holz.  Schuppenblätter  oberseits  dunkel-,  unterseits  hellgrün,  mit 
kugelig-ovaler,  erhabener  Oeldrüse  auf  den  Flächenblättem.    Zweige  hori- 


Die  Nadelhölzer.     §  56.  299 

zontal  oder  nach  verschiedenen  Richtungen  abstehend.  Tn  den  früh  und  reichlich  er- 
scheinenden branngelben,  im  allg.  6 — 8  mm  langen,  nach  der  Oberseite  der  Zweige  auf- 
wärts gebogenen  Zapfen  nur  ein  paar  Fruchtschuppen  fruchtbar.  —  Schon  1566 
eingeführt,  vollständig  frosthart.  Mayr  empfiehlt  sie,  da  ihr  „forstlich  kaum 
eine  geringere  Bedeutung  zukommt,  als  der  Weymouthskiefer",  warm  für  forstliche 
Anbauversuche  als  Schutzholzart  (Vorbau)  bei  Aufforstung  von  sumpfigen  Wiesen 
und  Oedflächen,  als  Unterbauholzart  zum  Schutze  des  Bodens  in  Lichtbeständen, 
als  Hauptholzart  mit  Erlen  und  Birken  in  sumpfigen  Oertlichkeiten  und  als  Pio- 
nierholzart auf  Moorböden,  wo  sie  sich  in  kleineren  Versuchen,  selbst  ohne  Vor- 
bereitung des  Bodens,  bis  jetzt  freudig  erhält;  Schutz  gegen  Rehe  ist  unerlässlich. 

Die  minder  frostharte  Thuja  (Biota)  orientalis,  die  in  Süddeutschland 
wie  die  vorige  als  Zierbaum  vielfach  kultiviert  wird,  unterscheidet  sich  durch  grössere, 
dickfleischige,  im  grünen  Zustande  blau  bereifte  Zapfen,  durch  strichförmige 
vertiefte  Oeldrüsen  auf  den  Flächenblättem  und  durch  die  vorwiegend  in  senk- 
rechtenEbenenverzweigten,  beiderseits  gleichgestalteten  lebhaftgrünen  Zweige 
leicht  von  den  drei  vorstehenden  Arten. 

§  56.  Chamaecyparis.  Diese  Gattung  unterscheidet  sich  von  der  ähnlichen 
Thuja  sehr  augenfällig  durch  die  je  stärker,  je  länger  abwärts  hängenden 
Leittriebe,  die  mit  Ausnahme  von  nutkaönsis  auf  der  Unterseite  mit  mi  Ich  weis- 
se n  Zeichnungen  versehenen,  eine  längliche,  flache  oder  eingedrückte  Oeldrüse 
tragenden  Schuppenblätter  und  durch  die  kleinen ,  holzigen  Zapfen  mit 
schildförmigen,  mit  den  Rändern  (wie  bei  Cupressus)  aneinanderlie- 
genden Zapfenschuppen. 

1.  Chamaecyparis  Lawsoniana  Murray.  Lawsonscypresse, 
Lawsonia.  Die  Heimat  dieses  durch  ganz  vorzügliche  Holzbeschaffenheit  und  Rasch- 
wiichsigkeit  ausgezeichneten  Waldbaumes  ist  das  Küstengebiet  des  südlichen  Oregons 
und  des  nördlichen  Califomiens.  Das  sehr  beschränkte  ^'erbreitungsgebiet  entfernt  sich 
nirgends  weiter  als  7  geographische  Meilen  von  der  Küste  und  reicht  im  Küstengebirge 
nicht  höher  als  500  m.  In  warmen  Schluchten  des  letzteren  kommen  Durchschnitts- 
höhen von  50  m  bei  1,80  m  Durchmesser  vor  (Maximalhöhe  61  m  bei  4  m  Durch- 
messer). Zweigspitzen  meist  stark  überhängend.  Die  in  wagrechter  Fläche 
verzweigten  Zweige  zeigen  unterseits  eine  Reihe  etwas  verschwom- 
mener Xförmiger  weisser  Streifen  (Spaltöifnungslinien)  an  den  Berüh- 
rungslinien der  Blätter.  Kantenblätter  mit  gerade  nach  vom  gerichteter  Spitze. 
Zapfen  10  mm  dick.  Samen  mit  Harzbläschen  (1 — 5)  meist  zu  3  unter  jeder  Frucht- 
schuppe ;  Flügel  wenig  schmäler  als  der  fast  kreisrunde  Samen.  1  Kilo 
enthält  ca.  450000  Kömer.  Die  glänzend  braunrote  Rinde  bleibt  lange  Zeit  glatt. 
Splint  schmal.  Kernholz  hellgelblich,  mit  feinen  Jahrringgrenzen,  für  eine  Cypres- 
s  e  n  a  r  t  auffallend  schwer  (0,46),  da  nicht  nur  die  schmale  Spätholzzone,  sondern  auch 
das  Frühjahrsholz  anatomisch  durch  starke  Zellwände  ausgezeichnet  ist.  1854  in  Eu- 
ropa eingeführt.  Bei  den  forstlichen  Anbau  versuchen  der  letzten  Jahrzehnte  hat  sie 
sich  als  in  grösserem  Masse  anbauwürdig  bewährt.  In  den  ersten  beiden  Jahren  ist  sie 
auffallend  geringwüchsig  (im  1.  Jahre  ca.  3  cm,  im  2.  ca.  10  cm  lang),  im  3.  Jahre 
wird  die  Entwickelung  lebhafter,  mit  5  Jahren  sind  die  Pflanzen  durchschnittlich  50 
bis  60  cm,  mit  10  Jahren  3 — 4  m,  mit  14  ca.  5 — 6  m  hoch  bei  10  cm  Durchmesser; 
auf  besonders  kräftigem  Boden  sind  in  12  Jahren  schon  8  m  erreicht  worden;  sie  bleibt 
also  hinter  der  Douglasia  etwas  zurück  und  wächst  etwa  so  rasch  wie  die  Strobe.  Das 
Wurzel  System  besteht  aus  einigen  kräftigen  Herzwurzeln  mit  ungemein  vielen,  aus- 


800  III.  Klein,  Forstbotanik. 

serst  feinen  Faserwurzeln;  letztere  vertrocknen  bei  weitem  Transport  oder  beim  Ver- 
pflanzen leicht,  doch  lässt  sich  die  Lawsonia  bei  vorsichtiger  Behandlung  auch  noch  in 
stärkeren  Exemplaren  verpflanzen.  Vom  ca.  12.  Jahre  ist  sie  bei  uns  mannbar  und 
produziert  fast  alljährlich  reichlich  keimfähigen  Samen.  Alsbald  nach  der  Samenreife, 
im  September  oder  Oktober,  fallen  die  Samen  ans  und  keimen  bei  Frühjahrsaussaat 
nach  3—4  Wochen.  In  Deutschland  trotz  des  in  ihrer  Heimat  sehr  viel  südlicher,  im 
Gebiet  der  immergrünen  Laubholzzone,  liegenden  Optimums  vortrefflich  gedeihend,  ist 
sie  nur  in  den  ersten  5  Jahren  frostempfindlich,  nachher  im  allgemeinen  hart,  macht 
etwa  die  gleichen  Bodenansprüche  wie  die  Rotbuche,  verlangt  etwas  Bodenfrische,  Sei- 
tenschutz, wenigstens  einige  Jahre  Schirm  von  oben  und  verträgt  ziemlich  viel 
Schatten.  Trockene  Standorte,  Frostlagen  und  stark  dem  Winde  ausgesetzte  Kahl- 
flächen sind  ihr  unzuträglich.  Durch  Aufrechtstellen  der  Seitenäste  neigt  sie  zu  mehr- 
maliger Gabelung  des  Stammes.  Ihr  Eeproduktionsvermögen  ist  sehr  beträchtlich.  Als 
Parkbaum  pyramidenförmig  und  bis  zum  Boden  beastet,  ist  sie  dekorativer  wie  Thuja 
occidentalis ;  sie  wird  wie  diese  und  wie  die  folgenden  Arten  in  einer  grossen  Anzahl 
von  durch  Stecklinge  zu  vermehrenden  Wuchs-  und  Farbenformen  in  Gerten  und  An- 
lagen kultiviert. 

2.  Chamaecyparis  obtusa  Siebold  et  Zuccarini.  Stumpfblät- 
terige Sonnencypresse,  Hinoki.  In  Zentraljapan ,  weit  von  der  Küste  ent- 
fernt, bildet  die  Hinoki  zwischen  300  und  1800  m  ausgedehnte,  mit  200  Jahren  noch 
kerngesunde  Waldungen  und  gedeiht  am  besten  im  Hochgebirge.  Sie  ißt  forstlich  die 
wichtigste  Conifere  Japans  und  eiTeicht  30 — 50  m  Höhe  bei  1^/2 — 2  m  Durchmesser. 
Die  Zweige  mit  tiberhängenden  Spitzen,  dicker  und  steifer  als  bei  der  Lawsonia, 
unterseits  mit  einer  Reihe  feiner,  weisser  Xförmiger  Streifen. 
Schuppenblätter  sehr  dicht.  Kantenblätter  mit  stumpfer,  gegen  die  Zweig- 
achse gewendeter  Spitze ;  Flächenblätter  eirund  -  rhombisch,  kleiner ,  ange- 
drückt. Zapfen  10  mm  dick.  Samen  mit  Harzbläschen,  meist  zu  2  unter  jeder 
Schuppe;  Flügel  nur  V»  so  breit  wie  der  rundlich-elliptische  Same. 
Holz  im  Kern  hellrosa,  sehr  dauerhaft,  fein  gefügt  (Frühjahrs-  und  Spätholz  gleich 
hart!)  in  Japan  das  feinste,  wertvollste  Weichnutzholz  vom  Gewicht  0.37.  1862  in 
Europa  eingeführt,  wurde  sie  in  den  letzten  15  Jahren  forstlich  vielfach  versuchsweise 
angebaut  und  wird  von  Schwappach  als  voraussichtlich  gut  gedeihend  bezeichnet.  Die 
Entwickelung  ist  in  den  ersten  2  Jahren  sehr  langsam,  dann  ist  sie  ziemlich  rasch- 
wüchsig, 4 — 5jährige  Pflanzen  50 — 70  cm,  7jährige  1,5 — 1,7  m,  15jährige  4  m  (m 
Grafrath).  Die  Keimlinge,  die  nach  3—4  Wochen  auflaufen,  sind  gegen  Hitze  und 
Frost  sehr  empfindlich,  Beschirmung  derselben  ist  daher  unbedingt  geboten,  später  ist 
die  Pflanze  gegen  Ueberschirmung  sehr  empfindlich,  dagegen  für  Seitenschutz  dankbar 
und  erträgt  Winterkälte  noch  besser  als  die  Lawsoniana,  ist  aber,  wie  alle  Cypressen, 
gegen  Schneedruck  empfindlich.  Die  Wurzelbildung  ist  vorzüglich,  mit  mehr 
Herzwurzeln,  als  die  folgende.  Zu  gutem  Gedeihen  braucht  die  Hinoki  frischen,  kräf- 
tigen Boden.  Diese  in  Rücksicht  auf  Holz  quäl  ität  anbauwürdigste  der  japani- 
schen Coniferen  dürfte  nach  Mayr  überall  da  gedeihen,  wo  die  Eiche  wächst,  und  die 
wärmsten  Lagen  müssten  geradezu  das  Optimalgebiet  in  Deutschland  werden,  wenn  die 
relative  Luftfeuchtigkeit  während  der  Vegetationszeit  genügt,  was  der  Fall  zu  sein 
scheint. 

3.  Chamaecyparis  pisifera  Siebold  et  Zuccarini.  Erbsen  fr  äch- 
tige Sonnen-Cypresse.  Sawara.  Mit  der  vorigen  Art  gleichfalls  als  Wald- 
baum in  Zentraljapan  verbreitet,  zeigt  sie  ähnliche  Wuchsverhältnisse,  Dimensionen 
und  Lebensansprtiche ,   doch  ist  das   rötlichgelbe,  grobfaserige  Holz  vom  Gewicht  0.37 


Die  Nadelhölzer.     §  57.  301 

viel  weniger  geschätzt.  Von  der  vorigen  Art,  der  sie  in  den  ersten  Jahren  sehr  ähn- 
lich sieht  nnd  mit  der  sie  vielfach  verwechselt  wird,  weil  die  Samen  beider  Arten  viel- 
fach mit  einander  vermischt  zu  uns  kamen,  ist  sie  durch  die  eilanzettlichen, 
scharf  gespitzten,  am  oberen  Ende  vom  Zweige  abstehenden  Flächen- 
blätter und  die  auf  der  Unterseite  mit  2  Beihen  länglicher  weisser 
Flecken  (aufgelöste  X-Figur)  versehenen  Zweige,  durch  die  kleinen,  6  mm  dicken 
Zapfen  und  die  Samen  mit  IVamal  so  breitem  Flügel  leicht  zu  unterscheiden. 
Das  Wurzelsystem  besteht  nach  Schwappach  vom  Wurzelhals  ab  aus  reichlich 
mit  Fasern  versehenen  Seitenwurzeln,  die  sich  im  8jährigen  Alter  ca.  75  cm  rings  um 
den  Stamm  erstrecken,  aber  selbst  in  stark  gelockertem  Boden  nur  ca.  20  cm  tief 
eindringen.  Das  Wachstum  ist  in  der  Jugend  erheblich  rascher;  gegen  Luft  und 
Bodentrockenheit  ist  sie,  namentlich  im  Frühjahr,  sehr  empfindlich,  dagegen  scheint 
sie  die  winterhärteste  der  3  Chamaecjrparisarten  zu  sein,  welche  die  Winterkälte  selbst 
in  den  Hochlagen  der  Eifel  anstandslos  ertragen  hat.  1861  in  Europa  eingeführt  und 
wie  vorige  forstlich  versuchsweise  angebaut. 

4.  Chamaecyparis  nutkaänsis  Spach.  Nutka-Cypresse.  In  er- 
heblich kühlerem  Klima  als  die  Lawsonia  besonders  in  den  Bergen  von  Brltisch-Ko- 
lumbia  und  in  der  Ebene  des  südlichen  Alaska  in  der  Zone  der  Birken,  Erlen,  Fichten 
und  Tannen  noch  als  Baum  von  40  m  Höhe  vorkommend,  dürfte  diese  wertvolle  Cy- 
presse  nach  Mayr  erheblich  frosthärter  als  die  Lawsonia  sein.  In  ihrer  Heimat  gUt 
sie  wegen  ihres  leichten,  weichen  und  sehr  dauerhaften  Holzes  als  der  wertvollste  Wald- 
baum.  Ihre  robusteren  Zweige  sind  oberseits  dunkelgrün ,  unterseits  heller  bis 
bläalichgrün,  ohne  weisse  Zeichnungen,  der  Gipfeltrieb  gewöhnlich  aufrecht,  Schuppen- 
blätter spitzig,  an  den  Kanten  wie  Sägezähne  abstehend,  und  die  Samen  mit  ebenso 
breitem  Flügel  fast  kreisrund,  ohne  Harzbläschen. 

5.  Chamaecyparis  sphaeroidea  Spach  (Ch.  thyoides  Linn6). 
Kngelcypresse.  Dieser  Sumpfbewohner  des  nordöstlichen  Amerika ,  der 
dort  bis  25  m  Höhe  erreicht,  ist  von  den  vorstehenden  Arten  durch  seine  sehr  schmalen 
(bis  1,3  mm  breiten)  graugrünen  Zweige,  die  unterseits  2  bläuliche  Längsstreifen 
zeigen,  durch  die  stark  vorspringende  halbkugelige  Oeldrüse  der 
Flächenblätter,  die  4 — 6  mm  dicken  Zapfen  und  die  fast  kreisrunden  mit  2 
sehr  schmalen  Flügeln  versehenen  Samen  verschieden.  Schon  1736  in  Europa  ein- 
geführt, hat  sie  sich  als  vollkommen  winterhart  erwiesen,  ist  bis  jetzt  nur  als  Zier- 
baum  kultiviert,  gedeiht  aber  nur  auf  feuchtem  Boden  gut  und  ist  nach  Mayr  ihres 
zwar  leichten  (0,33)  aber  wertvollen  und  sehr  dauerhaften  Holzes  für  Anbauversuche 
auf  Erlenbruch-  und  Sumpfboden  zu  empfehlen. 

§  57.  Cupressus  sempervirens  Linn6.  Die  gemeine  Cypresse,  aus  den 
Grebirgen  Persiens  und  Kleinasiens  stammend,  aber  schon  zur  Römerzeit  im  Mittelmeer- 
gebiet bis  zu  den  Alpen  angepflanzt,  ist  mit  ihrem  an  die  Pyramidenpappel  erinnern- 
den Wuchs  heute  ein  Charakterbaum  der  Mittelmeerländer,  insbesondere  der  Friedhofe. 
Durch  ihre  sehr  dichte  Verzweigung ,  dunkelgraugrüne ,  nicht  flachgedrückte 
Zweige  und  an  den  schwachen  Seitentrieben  älterer  Pflanzen  fast  gleichseitig 
dreieckige  ,  fest  angedrückte  stumpfe  Schuppenblätter  mit  einge- 
drückter ovaler  Harzdrüse  und  die  bis  wallnussgrossen  Zapfen  ist  sie  leicht  von  vor- 
stehender Gattung  zu  unterscheiden.  Sie  erreicht  bis  25  (im  Orient  über  50  m  Höhe 
und  über  2000  Jahre),  besitzt  ein  vorzügliches,  sehr  festes,  hartes,  schweres  und  fast 
unverwesliches  Holz  vom  Gewicht  0,62,  hält  aber  in  Deutschland  als  Zierbaum  nur  in 
den  allermildesten  Lagen  (Mainau,  Südtirol)  aus.  Bestandbildend  tritt  sie  nur  auf  der 
Dalmatinischen  Halbinsel  Sabbioncello  auf,  wo  ein  alter,  über  11  Hektar  grosser,  durch 


302  m.  Klein,  Forstbotanik. 

eigenen  Samenabfall  sich  verjüngender  Cypressenwald  stockt. 

§  58.  Wachholder  (Juniperus).  Die  Nadeln,  welche  oberseits  einen 
(bis  zwei)  weisse  SpaltöfFnungsstreifen  tragen  (Unterschied  von  Cupressineenjngend- 
formen),  stehen  in  2-  oder  8 gliedrigen  Quirlen.  Die  Blüten  sind  2 häusig  und  stehen 
endständig  an  mit  Schuppenblättem  besetzten  Seitenzweigen,  die  männlichen  sind 
eiförmig  und  bestehen  aus  zahlreichen  schildförmigen  Staubblättern  mit  je  3 — 7  blasigen 
Pollensäcken;  die  Fruchtschuppen  der  weiblichen  Blüten,  die  nur  je  eine  Samenanlage 
tragen,  werden  nach  der  Bestäubung  fleischig  und  verwachsen  mit  einander  und  mit 
den  tiefer  stehenden  sterilen  Fruchtschuppen  zu  einem  Beerenzapfen,  der  sog.  Wach- 
holderbeere,  an  dessen  Scheitel  die  freigebliebenen  Ränder  der  verwachsenen  Frucht- 
schuppen noch  deutlich  zu  erkennen  sind.     Samen  reife  2jährig. 

A.  Aechte  Wachholder  (Sektion  Oxycedrus). 

Nadeln  schmal  lanzettlich,  am  Grunde  abgegliedert,  in  dreizähl  igen,  ab- 
wechselnden Quirlen.    Beerenzapfen  nur  aus  3  Fruchtschuppen  gebildet,   fast  sitzend. 

l.JuniperuscommunisLinn6.  GemeinerWachholder.  (Franz. Ge- 
n6vrier.)  Kranewit  (Bayern),  Machandel  (Ostsee),  Kaddick  (Ostpreussen),  Geneverboom 
( Vläm).  Nadeln  steif,  bis  4  Jahre  bleibend,  4—22  (meist  10—15)  mm  lang,  1  (bis  höch- 
stens 2)  mm  breit,  im  obern  Drittel  allmählich  in  eine  scharfe  Stachelspitze  verjüngt,  gerade, 
mehr  oder  weniger  abstehend,  oberseits  mit  breitem  bläulichweissem  Mittelstreif, 
unterseits  hellgrün,  mit  Längsfurche;  im  Querschnitt  ein  Gef ässbündel  und 
darunter  ein  grosser  Harzgang.  Beerenzapfen  sehr  kurzgestielt,  im  1. 
Herbst  eiförmig,  grün,  im  2.  nahezu  kugelig,  dunkelbraunviolett,  hechtblau  bereift,  6 
bis  9  mm  gross,  mit  3  Samen,  die  1 — 2  Jahre  bis  zur  Keimung  tiberliegen.  Aeste 
zerstreut  oder  undeutlich  quirlständig,  bei  Bäumen  weit  abstehend,  mit  abwärts  ge- 
bogenen Enden.  Zweige  zahlreich,  hängend,  jung  dreikantig.  Die  braune  Rinde 
verwandelt  sich  schon  vom  2.  Jahre  ab  in  eine  längsrissige,  in  Schuppen  und  Streifen 
sich  abschilfernde  Faserborke.  Das  Holz  ist  feinfaserig ,  weich ,  zähe ,  sehr  fest  und 
dauerhaft.  Wuchs  meist  niedrig  strauchartig,  seltener  baumartig  pyramidal  bis  zu 
10  m  Höhe. 

In  der  Tracht,  wie  in  Grösse  und  Gestalt  der  Nadeln  sehr  veränderlich,  hat  er 
zur  Unterscheidung  einer  grossen  Anzahl  schwer  auseinander  zu  haltender  Formen  An- 
lass  gegeben  ^^).  Das  Verbreitungsgebiet  des  gemeinen  Wachholders  reicht  mit  sehr 
ungleicher  Verteilung  in  Europa  von  Portugal  bis  zum  Kaukasus  und  von  den  Inseln 
des  Mittelmeers  bis  zum  Nordkap;  ausserhalb  Europas  kommt  er  im  mittleren  und 
nördlichen  Asien  bis  Kamtschatka,  in  Algerien  und  Nordamerika  vor.  Im  südlichen 
Teil  seines  europäischen  Verbreitungsbezirks  ist  er  auf  die  Gebirge  beschränkt,  in  den 
Alpen  steigt  er  bis  1500  und  1600  m.  Sehr  genügsam  in  seinen  Standortsansprüchen 
wächst  er  auf  allen  Bodenarten  vom  trockenen  festen  Sand-  bis  zum  sumpfigen  Moor- 
boden, teils  im  Walde  namentlich  an  frischeren  Stellen  alsBodenschutzholz, 
teils  für  sich  allein  grössere  und  kleinere  Strecken  bedeckend,  besonders  in  Norddeutsch- 
laud  (Lüneburger  Heide ,  Ostpreussen) ,  aber  auch  als  einziges  Nadelholz  und  einzig 
immergrüne  Holzart  auf  den  sandigen  Höhen  zwischen  Donau  und  Theiss  mitten  im 
steppenreichen  Gebiet  des  ungarischen  Tieflandes. 

2.  Juniperus  nana  Willdenow.  Zwergwachholder.  Neuerdings 
als  Form  zur  vorhergehenden  Art  gerechnet ,  mit  der  er  durch  eine  Reihe  von  Ueber- 
gängen  verbunden  ist.    Der  Zwergwachholder  bildet  niederliegende,  bis  30  cm 


37)  Cf.  Ascherson  und  Gräbner  1.  c.  I.  p.  243  flf. 


Die  Nadelhölzer.     §  59.  303 

hohe  Sträucher  mit  kurzen  iind  dicken  Zweigen,  sehr  gedrängt  stehenden 
Nadelquirlen,  mit  weicheren,  nur  4 — 8  mm  langen,  meist  bis  1  mm  unter 
der  sehr  kurzen  Stachelspitze  wenig  verschmälerten,  mehr  oder 
w^eniger  gegen  den  Trieb  aufwärts  gekrümmten,  anliegenden,  meist 
deutlich  kahnförmigen  Nadeln.  Diese  in  der  oberen  Berg-  und  Hochregion  der 
Alpen  (bis  2500  m)  und  Karpathen,  dem  Iser-  und  Kiesengebirge  und  den  Sudeten  ver- 
breitete Form  oder  Art,  die  sehr  selten  auch  in  Ostpreussen  vorkommt,  ihren  Haupt- 
verbreitungsbezirk aber  in  den  Polarländern  hat,  ist  ohne  forstliche  Bedeutung. 

3.  Juniperus  oxycedrus  Linn6.  Ceder- Wachholder  (J.  ruf^scens 
Link.)  mit  sehr  starren  und  stechenden,  bis  16  mm  langen  Nadeln,  deren  bläulichweisse 
Oberseite  der  ganzen  Länge  nach  von  einem  grünen  Mittelstreifen  durchzogen  wird 
und  deren  fettglänzende,  braunrot  geförbte  Beerenzapfen  etwas  grösser  sind,  ist 
in  der  ganzen  Mittelmeerzone,  also  auch  in  Istrien  und  Dalmatien,  in  der  immergrünen 
Buschformation  sehr  verbreitet  und  im  dortigen  Walde  ein  langsam  wüchsiges,  häutiges 
Unterholz,  das  meist  strauchig  bleibt,  ab  und  zu  auch  baumartig  wird. 

4.  Juniperus  macrocärpa  Sibthorp.  Grossfrüchtiger  Wach- 
holder, ist  der  vorigen  Art  ähnlich,  hat  aber  mehr  blaugrüne,  biegsame,  weniger 
abstehende  bis  3  cm  lange  Nadeln,  bereifte  Triebe  und  grosse  12 — 15  mm  breite,  ku- 
gelige, rötlichbraun  bis  schwarzbraune,  bereifte  Beerenzapfen.  Er  teilt  mit  dem  Cedern- 
W^achholder  Verbreitung  und  Vorkommen,  ist  aber  in  Istrien  und  Dalmatien  seltener. 
Beide  Arten  werden  übrigens  vielfach  als  Unterarten  (3  dann  als  J.  rufescens)  zu  einer 
Art  Juniperus  oxycedrus  vereinigt^®). 

B.   Sadebäume  (Sektion  Sabin a). 

§  59.  Nadeln  klein,  zu  2  gegenständig  oder  zu  3  quirlig,  nicht  abgeglie- 
dert, am  Stengel  herablaufend,  zweigestaltig:  an  jungen  (z.  T.  auch  an  älteren) 
Pflanzen  länglich  lanzettlich,  weit  abstehend,  an  älteren  Pflanzen  kurzoval-drei- 
eckig, schuppenartig  anliegend.  Beerenzapfen  aus  4 — 9  Schuppen, 
wie  die  männlichen  Blüten  deutlich   gestielt.     Pflanzen  unvollkommen  2-häusig. 

5.  Juniperus  Sabina  Linn6.  Gemeiner  Sadebaum,  Sevenbaum. 
Nadeln  fast  alle  kreuzweis  gegenständig,  beim  Zerreiben  zwischen  den  Fingern 
sehr  stark  und  unangenehm  aromatisch  riechend.  Beerenzapfen 
auf  bis  5  mm  langem,  hackigrückwärts  gebogenem  Stiel,  bis  9  mm  gross, 
bräunlich-schwarzblau,  hechtblau  bereift.  —  Der  Sadebaum  bildet  am  häutigsten  Büsche 
mit  latschenartig  niederliegenden,  am  Ende  aufstrebenden  Zweigen,  seltener  aufrechte 
bis  IVa  m  hohe  Büsche,  noch  seltener  3 — 4  m  hohe  Bäume.  Er  ist  eine  Hochgebirgs- 
pflanze Südeuropas,  in  den  Alpen  vielfach  verbreitet  und  dort  höchstens  in  lückigen 
Beständen  als  Bodenschutzholz  von  forstlicher  Bedeutung.  In  Deutschland  wird  er  in 
Bauerngärten  mit  Vorliebe  kultiviert  und  ausserdem  in  zahlreichen  Formen  als  Deko- 
rationspflanze. 

6.  Juniperus  phoenicea  Linn6.  Phönizischer  Sadebaum,  im  Laub  der 
Cypresse  sehr  ähnlich,  von  dicht  buschigem  Wuchs  mit  aufstrebenden  Aesten 
und  mit  kurz  gestielten  oder  fast  sitzenden,  glänzenden,  rotbraunen  Beer en zapf  en, 
deren  Fleisch  nicht  wie  bei  den  anderen  Arten  breiig,  sondern  auffallend  faserig  ist, 
kommt  in  Gesellschaft  von  3.  und  4.  in  der  immergrünen  Region  des  Mittelmeerge- 
bietes vor. 

7.  Juniperus   virginiana  Linn6.    Virgin i scher   Wachholder, 


38)  Ascherson  und  Gräbner  I.  1.  c.  p.  247. 


304  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Bleistiftceder.  In  der  Jugend  ist  die  Pflanze  dem  Sadebaam  oft  ausserordent- 
lich ähnlich,  stets  aber  leicht  dadurch  zu  unterscheiden,  dass  ihre  Zweige,  kräftig 
zwischen  den  Fingern  gerieben,  den  für  Sabina  charakteristischen  Geruch  vermissen 
lassen.  Leittrieb  steif  aufrecht.  Benadelung  sehr  variabel.  Nadeln  zum 
Teil  zu  3  abwechselnd  quirlig,  schmal,  nadelförmig,  abstehend,  3 — 8mm 
lang,  zum  Teil  kreuzweis  gegenständig,  dachziegelig  und  rhombisch,  ange- 
drückt, alle  scharf  gespitzt.  Beerenzapfen  klein,  5  mm  lang,  kaum  4  mm  dick, 
braun  violett,  bereift,  aufrecht.  —  Dieser,  schon  1664  in  £uropa  eingeführte  und 
hier  als  Parkbaum  über  400  Jahre  erreichende  Wachholder  ist  im  östlichen  Nord- 
amerika als  ausserordentlich  klimavage  Pflanze  von  den  kalten  Küsten  Neubraunschweigs 
bis  zur  tropischen  Waldzone  im  heissen,  winterlosen  Florida,  von  der  feuchten  atlan- 
tischen Küste  bis  zur  Prärie,  heimisch,  allerdings  mit  dem  Optimum  seiner  Entwickelung 
(30  m  Höhe)  im  Süden.  Ebenso  wie  den  verschiedenartigsten  klimatischen,  ist  er 
auch  den  wechselndsten  Bodenverhältnissen  vom  felsigen  Gebirgs-  und  heissen  mageren 
Sandboden  bis  zum  feuchten  Sumpfboden  mit  einem  je  nach  Bodengüte  wechselnden 
Gedeihen  angepasst.  Das  Holz  zeigt  frisch  gefällt  einen  prächtig  roten  Kern,  der 
später  einen  gelbbraunen  Ton  bekommt,  ist  sehr  aromatisch,  dauerhaft  und  leicht  (0,33) 
(Bleistiftholz).  In  der  Jugend  auch  im  Norden  seiner  Heimat  raschwüchsig,  lässt  er 
dort  bald  nach.  Bei  uns  ist  er,  von  rauhen  Gebirgslagen  und  von  Ost-  und  West- 
preussen  abgesehen,  völlig  winter  hart  und  nimmt  im  Winter  eine  rotbraune  bis  \io- 
lette  Winterfärbung  an.  Die  Keimung  erfolgt  im  2.  Frühjahr.  Die  in  den  2  ersten 
Jahren  sehr  klein  bleibenden  Pflänzchen  sind  ziemlich  empfindlich ,  vom  3.  Jahre  au 
wachsen  sie  rascher  und  erreichen  mit  7 — 8  Jahren  durchschnittlich  1  m,  dann  ist  der 
Wuchs  ein  freudiger.  In  dem  5  Hektar  grossen  Bleistiftwald  des  Freih.  v.  Faber  bei 
Nürnberg  auf  Sand-  und  lehmigem  Sandboden,  der  1876 — 81  mit  4jährigen  Ballen- 
pflanzen angelegt  wurde,  waren  1889  die  Bäumchen  durchschnittlich  2^/«,  die  höchsten 
Exemplare  auf  frischerem  Boden  3V2 — 4  m  hoch,  1902  betrug  die  Durchschnittshöhe 
6 — 7  m.  Im  allgemeinen  erreicht  er  bei  uns  in  75 — 100  Jahren  16 — 18  m  Höhe  und 
scheint  am  besten  auf  frischem  mildem  Lehmboden  zu  gedeihen.  Die  Bewurzelung 
geht  massig  tief.  Die  Mannbarkeit  tritt  bei  uns  zwischen  dem  12.  und  20.  Jahre 
ein,  worauf  fast  alljährlich  ziemlich  reichliche  Samenjahre  folgen. 

§  60.  Familie  Taxaceae.  Eibenartige  Nadelhölzer.  Keine 
zapfenähnlichen  weiblichen  Blüten.    Samen  steinfruchtartig. 

Diese  Familie  besitzt  nur  einen  europäischen  Vertreter: 

Taxus  baccataLinn^.  Eibe.  (Franz. K.)  Nadeln  2zeilig  gescheitelt,  flach, 
oft  etwas  gekrümmt,  2 — 3  cm  lang  und  ca.  2  mm  breit,  denjenigen  der  Weisstanne  ähn- 
lich, aber  stets  zugespitzt,  beiderseits  mit  vortretendem  Mittelkiel,  oberseits  glänzend 
dunkelgrün,  unterseits  gelblichgrün,  nicht  bereift ;  imQuerschnitt  mit  einfachem 
Gefässbündel,  ohne  Harzgänge;  giftig;  Lebensdauer  6—8  (10)  Jahre.  Knospen 
sehr  reichlich,  besonders  im  oberen  Teil  der  Zweige;  viele  bleiben  schlafende  Augen 
und  erklären  so  das  ausserordentliche  Ausschlag-  und  Reproduktionsvermögen  der  Eibe. 
Rinde  rotbraun,  ähnlich  wie  bei  der  Platane  sich  abblätternd.  Blüten  2 häusig; 
männliche  schon  im  Herbst  als  kleine  Knospen  in  der  Achsel  Ijähriger  Nadeln  an- 
gelegt, meist  zahlreich ,  mit  ca.  10  schildförmigen  Staubblättern  auf  beschuppten  Stiel- 
chen, bleichgelb,  mit  5 — 8  der  Ijänge  nach  aufspringenden  Pollensäcken.  Pollen  ohne 
Flugblasen.  Weibliche  Blüten  einzeln  oder  zu  wenigen,  nackte  Samenknospen 
auf  kurzem  beschupptem  Stielchen ,  laubknospenähnlich ,  im  Frühjahr  in  den  Achseln 
vorjähriger  Triebe  erscheinend.  Same  erbsengross,  dunkelolivbraun,  von  einer  becher- 
artigen, anfangs  grünen,  dann  korallenroten  fleischigen  Hülle  (Arillus)  umgeben.  Mann- 


Die  Laubhölzer.     §  61.  305 

b a r k e i t  nicht  vor  dem  20.  Jahre.  Blütezeit  je  nach  Klima  und  Lage,  2.  Hälfte 
März  bis  Anfang  Mai,  Samen  reife  dto.  August  bis  Oktober  (November).  Der  Same  liegt 
bei  Herbstsaat  1 — 3,  bei  Frühjahrsaat  3 — 4  Jahre  nach  WiDkomm  über.  Keim- 
pflanzen denen  der  Weisstanne  ähnlich,  aber  ohne  weisse  Streifen.  Weitere  Ent- 
wiekelung  sehr  langsam ,  bis  zum  6.  Jahre  durchschnittlich  jährlich  nur  2^/2 — 3  cm, 
dann  etwas  rascher,  aber  viel  langsamer  als  bei  allen  übrigen  europäischen  Nadel- 
hölzern ;  nur  unter  sehr  günstigen  Umständen  mit  10  Jahren  2  m  hoch.  Die  Maximal- 
höhe geht  selten  über  10—15  m  hinaus,  doch  kann  die  Stärke  eine  sehr  beträchtliche 
werden,  da  das  Alter  angeblich  mehrere  Jahrtausende  erreichen  kann.  Krone  lange 
Zeit  bis  zum  Fuss  herabreichend.  Hauptäste  weit  abstehend  und  der  Edeltanne  ähn- 
lich ,  aber  ohne  Quirlknospen  vorzugsweise  zweizeilig  verzweigt.  Alte  Stämme  spann- 
rückig,  sehr  abholzig,  mit  gegabeltem  Stamm  oder  tief  unten  entsprungenen  Tochter- 
stämmen. Das  wertvolle  Holz  hat  einen  sehr  schmalen  gelbweissen Splint  und  einen 
rotbi'aunen  Kern  wie  altes  Mahagoniholz,  ist  schwer  (0,76),  ungemein  feinjährig,  sehr 
elastisch ,  fest  und  hart ,  schwerspaltig.  Im  Altertum  und  Mittelalter  wurde  es  viel- 
fach zur  Anfertigung  von  Bogen  und  Armbrüsten  verwendet.  Jahrringgrenzen 
durch  das  dunkle  Spätholz  sehr  deutlich,  Markstrahlen  sehr  fein,  nur  mit  der 
Loupe  erkennbar.  Anatomisch  ist  es  durch  das  Fehlen  von  Harzgängen  —  auch 
in  der  Einde  fehlen  sie  —  und  durch  sehr  deutliche  Spiralverdickungen 
sämtlicher  Tracheiden  ausgezeichnet.  —  Die  Eibe  ist  über  ganz  Europa  ver- 
breitet und  darüber  hinaus  bis  zum  Kaukasus  und  bis  nach  Persien  mit  sehr  ungleich- 
massiger  Verteilung  und  war  in  früheren  Jahrhunderten  in  Deutschland  viel  häufiger, 
wo  sie  gegenwärtig  sehr  zerstreut,  einzeln  bis  zahlreich,  aber  nie  mehr  bestand- 
bildend auf  frischem  oder  feuchtem,  namentlich  kalkhaltigem  Boden  in  Wäldern  vor- 
kommt und  durch  ihre  Fähigkeit,  Schatten  und  engen  Bestandesschluss  zu  ertragen, 
alle  europäischen  Nadelhölzer  weit  übertrifft.  Gegen  Freistellung  ist  sie  namentlich 
in  der  Jugend  sehr  empfindlich  und  so  bei  ihrer  Langsamwüchsigkeit  eine  im  Kultur- 
walde, namentlich  bei  Kahlschlagbetrieb,  leider  meist  auf  dem  Aussterbeetat  stehende 
Holzart. 

B.  Die  Laubhölzer. 

1.  Kätzchenträger. 

§  61.  Ein-  oder  (Weiden  und  Pappeln)  zweihäusige  Bäume  mit  eingeschlechtigen 
Blüten,  die  zu  Kätzchen  vereinigt  sind.  Unter  Kätzchen  versteht  man  Aehren  oder 
ährenförmige  Blütenstände,  welche,  falls  nur  männliche  Blüten  vorhanden  sind,  nach 
dem  Verblühen  als  Ganzes  abfallen  und  an  einer  fleischigen,  meist  schlaff 
hängenden  Achse  dicht  gedrängt  unscheinbare  Blüten  oder  dichasiale  Blütenknäuel 
tragen.  Samen  ohne  Nährgewebe.  Mit  Ausnahme  der  Weiden  sind  alle  hierher  ge- 
hörigen Bäume  Windblütler. 

A.   Nass früchtige  Kätzchenträger. 

Buchenartige  Laubhölzer  (Familie  Fagaceae.)  Die 
Blüten  besitzen  ein  aus  meist  5  oder  6  unscheinbaren,  am  Grunde  verwachsenen 
Blättern  gebildetes  P e r i g  o n.  Der  Fruchtknoten  ist  Sfächerig  (bei  Castanea 
6fächerig)  mit  je  zwei  Samenknospen ,  von  denen  sich  aber  nur  ein  Fach  und  eine 
Samenknospe  zur  Isamigen  Schliessfrucht  weiter  entwickelt.  Die  Früchte  sind  ein- 
zeln oder  zu  mehreren  von  einer  schon  zur  Blütezeit  vorhandenen,  mit  Niederblättern 
besetzten  Achsenwucherung,  der  Cupula,   eingeschlossen   oder  am  Grunde  umgeben. 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  20 


^      I 


806  III.  Klein,  ForstboUnik. 

Die  Blütenstände  stehen  in  der  Achsel  diesjähriger  Blätter,  nnd  das  Auf- 
blühen erfolgt  während  oder  nach  der  Entfaltung  der  Blätter.  Die  wechselständigen 
Blätter  besitzen  hinfällige  Nebenblätter.  —  Die  Befrnchtang  der  Samen- 
knospen ündet  immer  erst  geraume  Zeit  nach  dem  Ausstäuben  des  Pollens  statt;  bei 
den  Eichen  sind  zur  Blütezeit  die  Fruchtknoten  noch  nngefächert  und  die  Samenknospen 
noch  nicht  angelegt. 

§62.  Fagns  silvatica  Linn^.,  Rotbuche  (franz.  Hßtre),  ist  bei  uns 
die  einzige  Vertreterin  ihrer  ca.  10  Arten  umfassenden  Gattung  und  der  verbreitetste  be- 
standbildende Laubholzbaum.  Winterknospen  zimmetbraun,  spindelförmig,  spitz, 
seitlich  weit  abstehend,  1—3  cm  lang,  mit  zahlreichen ,  an  der  Spitze  weiss- 
tilzigen  Knospenschuppen.  Nicht  selten  fehlt  die  Gipfelknospe  und  nimmt  dann  die 
oberste  Seitenknospe  ihre  Stelle  ein.  Blätter  2zeilig,  auf  der  Zweigunterseite 
einander  etwas  genähert,  Knospen  auf  der  Blatt  Oberseite  genähert,  etwas  aus  der 
Blattachsel  herausgerückt.  Die  Jahrestriebe  sind  gegen  einander  abgegrenzt  durch 
die  dicht  stehenden  Eingwülste  der  Knospenschuppennarben,  zwischen  denen  winzige 
„ Kleinknospen ^  vorhanden  sein  können.  Blätter  in  der  Knospe  längs  des  Mittel- 
nervs  zusammengelegt,  zwischen  den  Seitennerven  gefaltet,  am  Rande,  auf  den 
Nerven  und  am  Stiele  dicht  seidenhaarig;  entfaltet  spitz  eiförmig 
oder  am  Grunde  keilig,  4 — 10  cm  lang  mit  V2 — IV^  cm  langem  Stiel,  am  Rande  wellig 
oder  schwach  gezahnt  und  gewimpert,  oberseits  dunkelgrün  glänzend,  untersei ts 
heller  grün,  alt  nur  noch  in  den  Nervenwinkeln  und  an  der  Mittelrippe  flaumig.  Sei- 
tennerven 5 — 9.  Nebenblätter  schmal  zungenförmig,  knickfaltig,  dünnhäutig, 
2 — 3  cm  lang,  rotbraun  oder  rötlich .  Männliche  Kätzchen  langgestielte  ( — 5  cm), 
hängende,  vielblütige,  kugelige,  dichasiale  Knäuel  an  der  Basis  der  Zweige  in  den 
untersten  Blattachseln  und  zwischen  den  obersten  Knospenschuppen;  an  schwächeren 
Trieben  in  der  Regel  nur  männliche  Kätzchen;  männliche  Blüte  mit  glocken- 
förmigem, kelchähnlichem,  4 — Tspaltigem,  gelblich-rötlichem,  weisszottigem  Perigon  und 
8 — 12  lang  gestielten  Staubfäden  mit  gelben  Staubbeuteln.  Weibliche  Kätzchen 
kurzgestielte,  in  den  oberen  Blattachseln  kräftiger  Langtriebe  straff  aufrecht  stehende, 
2blütige  Dichasien,  deren  in  der  Regel  fehlende  Mittelblüte  ausnahmsweise  als  3.  Blut« 
zur  Entwickelung  kommt;  weibliche  Blüten  mit  6teiligen,  mit  dem  3kantigen 
Fruchtknoten  grösstenteils  verwachsenem  Perigon,  zu  zweien  in  die  vierteilige,  weich- 
stachelige, seidig-zottige  Cupula  bis  auf  die  vorragenden,  gekrümmten,  rötlichen  oder 
gelben  Narbenarme  jeder  Blüte  völlig  eingeschlossen.  Cupula  zur  Reifezeit  verholzt, 
gelbbraun,  mit  pfriemenförmigen,  umgebogenen  Weichstacheln  (Niederblättem)  dicht 
besetzt,  4klappig  aufspringend.  Früchte  (Buchecker,  Buchein)  glänzend  rotbraun, 
ca.  V/ü  cm  lang,  spitzeiförmig,  dreikantig,  an  der  Spitze  einen  pinselförmigen  Rest 
des  Perigons  tragend,  mit  lederiger  Fruchtwand  und  gefalteten,  ölreichen  Cotyledonen. 
1  Hektoliter  Buchecker  wiegt  40 — 50  Kilo;  auf  das  Kilo  gehen  durchschnittlich 
4000-45CX). 

Die  Mannbarkeit  tritt  spät  ein,  bei  freiem  Stande  mit  dem  40. — 50.,  im  Be- 
standesschlusse  selten  vor  dem  60.,  oft  erst  mit  dem  80.  Jahre.  Samenjahre 
(V  0 1 1  m  a  s  t  e  n)  in  der  Ebene  und  im  Hügelland  häufiger  als  im  Gebirg,  unter  gün- 
stigeren Verhältnissen  alle  5 — 8,  unter  ungünstigeren  alle  9—12  Jahre;  dazwischen 
namentlich  im  Gebirge,  fast  nie  in  der  Ebene,  ca.  alle  3  -4  Jahre  reichliche  Samen- 
erzeugung einzelner  Bäume  (Sprengmastenj ;  Blütezeit  fast  gleichzeitig  mit  dem 
Laubausbruch,  je  nach  Klima  und  Lage  Ende  April  bis  Ende  Mai ;  Samenreife  im 
September  oder  Oktober;  Keimfähigkeit  70 — 80^0,  doch  sind  auch  50—60% 
noch  als  gut  zu  bezeichnen;   Dauer   der   Keimkraft   kurz,   ca.  V*  Jahr.    Auf- 


Die  Laubhölzer.     §  62.  307 

laufen  der  im  Herbst  gesäten  oder  ausgefallenen  Buchein  im  April  oder  Mai  des 
nächsten  Frühjahres,  nach  Frühjahrssaat  in  5 — 6  Wochen,  mitunter  erst  im  nächsten 
Frühjahre.  Bei  der  Keimung  hebt  das  kräftige  hypocotyle  Glied  die  noch  im  Samen 
eingeschlossenen  Cotyledonen  bis  6  cm  in  die  Höhe,  worauf  diese  sich  zu  sehr  grossen, 
halbkreisförmigen,  bis  4  cm  breiten,  oben  glänzend  dunkelgrünen,  unten  weissen,  dick- 
fleischigen Blättern  entwickeln,  die  im  Juli  abfallen.  Nach  Entfaltung  zweier  normaler, 
gegenständiger  Blätter  schliesst  der  erstjährige  Trieb  sein  Wachstum  mit  einer  end- 
ständigen  Winterknospe  ab.  Der  Wuchs  ist  in  den  ersten  4 — 5  Jahren  besonders 
bei  Ueberschirmung  sehr  langsam,  ca.  8 — 11  cm  pro  Jahr,  im  2.  Jahre  verlängert  sich 
lediglich  die  Hauptachse  und  bildet  meist  5 — 7  wechselständige  Blätter.  Vom  5.  Jahre 
an  steigert  sich  der  Höhenwuchs  und  der  Baum  erreicht  im  Durchschnitt  im  10.  Jahre 
3/4  m,  im  20.  3  m,  im  30.  6  m,  im  40.  10  m,  im  50.  14  m,  im  60.  17  m,  im  70.  19  m, 
im  80.  21  m,  im  100.  23  m  und  im  120.  25  m  (unter  günstigsten  Verhältnissen  bis  32  m, 
ausnahmsweise  bis  39  m)  in  diesem  Alter.  Das  Maximum  ihres  Höhenwuchses  mit  ca. 
60  cm  jährlich  liegt  je  nach  Standortsgüte  zwischen  dem  30.  und  55.  Jahre.  Mit 
100  Jahren  ist  der  Höhen  wuchs  meist  schon  unmerklich.  Der  Stärkeznwachs  nimmt 
meist  vom  60.  Jahre  an  sehr  ab.  Nur  ausnahmsweise  erreicht  die  Buche  unter  günstigsten 
Verhältnissen  ein  Alter  von  300  Jahren  bei  einer  Höhe  von  35  m  und  80  cm  bis  1  m 
Durchmesser.  Grössere  Stärken,  bis  zu  2  m  kommen  fast  nur  bei  isoliert  aufgewachsenen 
viel  niedriger  bleibenden  Bäumen  wie  Weidbuehen  und  dergl.  vor.  Gewöhnlich  wird 
die  Buche  gegen  das  160.,  auf  armem  Boden  oft  schon  vom  120.  Lebensjahre  an  wipfel- 
dürr und  kern  faul. 

Die  Verzweigung  ist  sehr  dicht,  das  Mark  der  Zweige  im  Querschnitt 
dreieckig.  Die  zahlreichen  Langtriebe  hängen  an  der  Spitze  über,  so  lange 
sie  weich  sind,  später  stehen  sie  straff  aufrecht,  von  Knospe  zu  Knospe  knickig  hin- 
und  hergebogen.  Aus  den  unteren  Seitenknospen  der  Langtriebe  entstehen  bei  älteren 
Bäumen  zahlreiche  wenig  beblätterte  Kurztriebe,  deren  Oberfläche  durch  die  ein- 
ander genäherten  Blatt-  und  Knospenschuppennarben  höckerig  und  quergeringelt  er- 
scheint. Der  gleichmässig  gerundete,  nie  spannrückige  Stamm  hält  bei  dichtem 
Schluss  meist  bis  zum  Wipfel  aus  und  reinigt  sich  15 — 18  m  und  höher  von  Aesten. 
Die  sehr  reichästige  Krone,  beim  freiständig  erwachsenen  Baume  breit  und  tief  herab- 
reichend, im  Bestandesschluss  schmäler  und  hoch  angesetzt,  von  schief  aufstrebenden 
Aesten  getragen,  ist  in  der  Jugend  kegelförmig,  später  besenförmig,  im  höheren  Alter 
domartig  abgewölbt  und  durch  die  starke  Verzweigung  und  die  selbst  im  Innern  alter 
Bäume  dichte  Belaubung,  sowie  durch  die  schirmartige  Anordnung  der  2zeilig  beblätterten 
Zweigsysteme  ausserordentlich  dicht  schattend.  Die  Ausschlagfähigkeit  ist  nicht  be- 
deutend. Der  Stockausschlag  erfolgt  der  Hauptsache  nach  aus  Adventivknospen 
des  Ueberwallungswulstes.  — 

Die  Bewurzelung  besteht  bei  der  jungen  Pflanze  aus  einer  kräftigen,  wenig 
verzweigten  Pfahlwurzel,  die  aber  schon  nach  4 — 5  Jahren  zu  wachsen  aufhört,  und 
deren  oberer  Teil  zu  einem  knorrigen  Wurzelstock  wird,  auf  dem  kräftige,  seitlich 
weit  streichende  Seitenwurzeln  entspringen,  die  meist  nur  wenig  in  die  Tiefe  dringen, 
auf  zerklüftetem  Felsboden  sich  abplattend  oft  tief  in  die  Spalten  des  Gesteins  ein- 
dringen und  die  Steintrümmer  fest  umschlingen,  auf  flachgründigem  Boden  aber  oft 
auf  weite  Strecken  ganz  oberflächlich  verlaufen  und  nicht  selten  mit  einander  ver- 
wachsen. 

Die  stets  verhältnismässig  sehr  dünne  Rinde  ist*  an  jüngeren  Stämmen  und 
Zweigen  dunkel  olivgrün  bis  graubraun,  glänzend  und  glatt,  an  älteren  weissgrau  ge- 
fleckt, an  alten  perlmutterglänzend  silbergrau,   indem  sich  etwa  vom  10.  Jahre  an  im 

20* 


308  III.  Klein,  Forstbotanik. 


abgestorbenen  Periderm  Krnstenflechten  (Graphis  scripta,  Opegrapha  varia,  \-emicaria 
biforinis  und  die  nur  hier  vorkommenden  Opegrapha  venosa  and  Parmelia  speciosa  a.  a.) 
entwickeln,  zuerst  helle  Flecke  bilden,  die  später  mehr  und  mehr  zusammenfliessen  and 
an  alten  Bäumen  ihre  schwarzen,  oft  ähnlich  wie  Schriftzeichen  angeordneten  Fracht- 
körper zu  Tage  treten  lassen.  Die  an  Steinzellnestem  ausserordentlich  reiche,  bast- 
faserfreie Rinde  bleibt  gewöhnlich  zeitlebens  geschlossen ;  nur  ausnahmsweise  bildet  sie 
im  Schluss  (Steinbuche)  im  unteren  Teile  des  Stammes  eine  längs-  und  querrissige 
schwache  Borke,  während  bei  sehr  alten,  exponiert  stehenden  Weidbuchen  eine  solche 
Borkebildung  häutig  ist.  Vom  Holzkörper  losgel(')ste  Rindenstücke  zeigen  auf  der 
Innenfläche  Markstrahlleisten,  scharfe  rippenartige,  aus  Steinzellen  aufgebaute 
Vorsprünge,  welche  in  die  breiten  Markstrahlen  des  Holzkörpers  etwas  eindringen. 
Als  Rindenknollen  bezeichnet  man  erbsen-  bis  wallnussgrosse  holzige  Kugeln, 
welche  in  der  Rinde  steckend  mehr  oder  weniger  nach  aussen  vorstehen,  einer  abnormen 
Entwickelung  schlafender  Augen  ihre  Entstehung  verdanken  und  bis  50  Jahre  alt 
werden  können. 

Das  zerstreutporige  Holz  ist  rötlichweiss,  ohne  gefärbten  Kern  — 
der  rotbraune  „falsche"  Kern  ist  eine  Krankheitserscheinung!  —  hart,  schwer  (0,63— 
0,88),  leicht  spaltbar,  wenig  elastisch,  gedämpft  leicht  zu  biegen,  bei  wechselnder  Nässe 
und  Trockenheit  von  sehr  geringer  Dauer,  unter  Wasser  aber  sehr  dauerhaft,  von  ganz 
vorzüglicher  Brennkraft.  Die  breiten,  sehr  scharf  begrenzten  Markstrahlen, 
zwischen  denen  sich  die  Jahrringgrenze  etwas  ausbaucht,  nehmen  etwa  ^/lo  der  Quer- 
schnittsfläche  ein;  sie  bilden  auf  der  radialen  Spaltfläche  atlasglänzende  „Spiegel% 
auf  der  Oberfläche  des  Holzkörpers  oder  auf  der  tangentialen  Spaltfläche  zahlreiche, 
sehr  charakteristische  kurze  spindelförmige  Streifen.  Zwischen  den  breiten  verlaufen 
zahlreiche  feine  Markstrahlen.  Bei  anatomischer  Betrachtung  zeigen  sich  die 
schmalen  Markstrahlen  im  Querschnitt  aus  einer  oder  wenigen  parenchymatischen  Zell- 
reihen, die  breiten  aus  20  und  mehr  Reihen  in  radialer  Richtung  gestreckten  Fasern 
aufgebaut.  Die  weiten  Grefässe  sind  an  den  Enden  meist  ringförmig,  die  engeren  meist 
leiterförmig  durchbrochen.  Die  Hauptmasse  des  Holzes  bilden  sehr  dickwandige,  lang:- 
gestreckte,  beiderseits  scharf  zugespitzte  Holzfasern ;  Holzparenchym  (gekammerte  Fasern) 
und  Tracheiden  sind  nur  in  massiger  Menge  entwickelt. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Buche  erstreckt  sich  mit  sehr  un- 
gleichmässiger  Verteilung  über  fast  ganz  Europa;  im  Süden  geht  sie  als  Gebirgsbanm 
bis  nach  Sizilien ,  fehlt  aber  im  südlichen  Griechenland  und  Spanien ;  im  Norden  bis 
zum  nördlichen  Schottland,  dem  südlichen  Skandinavien  und  Ostpreussen  bis  Königs- 
berg. Die  Ostgrenze  verläuft  von  Königsberg  nach  der  Krim ,  den  Kaukasusländem 
und  Nordpersien.  Das  inselartige  Vorkommen  der  Buchenwälder  ist  daraus  zu  er- 
klären, dass  sie  mit  Ausnahme  des  Hagenauer  Forsts  im  mittleren  Rheinthal  und  dem 
baltischen  Bezirk  von  Schleswig-Holstein  bis  Ostpreussen  überall  von  Hause  aus  Ge- 
birgsbaum  ist,  nach  Grisebach  von  allen  Waldbäumen  „der  vollkommenste  Ausdrock 
für  den  Einfluss  des  Seeklimas  in  Europa".  Durch  Anbau  ist  die  Buche  sowohl  inner- 
halb ihres  natürlichen  Bezirks,  wie  über  dessen  Polargrenze  hinaus  verbreitet  worden. 
In  Skandinavien  und  England  steigt  die  Buche  bis  190  m,  im  Harz  bis  650  m,  im 
Thüringerwald  bis  800  m,  im  Erz-  und  Riesengebirge  bis  950  m,  in  den  süddeutschen 
Gebirgen,  den  Karpathen  und  Zentralalpen  bis  1100  und  1200  m,  in  den  Ostalpen  bis 
1300  m  (vereinzelt  1460  m),  im  Schweizer  Jura  meist  nur  bis  900  m  (während  sie  als 
Krüppelform  hier  wie  in  den  Alpen  \ie\  höher  geht),  in  den  südlichen  Alpen  bis  1700  m, 
im  Apennin  über  1900  m,  am  Aetna  bis  2100  m.  Nach  den  Standortsansprüchen 
gehört  die  Buche  zu  den  anspruchsvollsten  Holzarten;   sie   verlangt  zu  gutem 


Die  Laubhölzer.     §  62.  309 

Gedeihen  einen  mineralkräftigen  und  humusreichen  Boden,  der  stets  massig  durch- 
feuchtet und  etwas  locker  ist.  Die  geognostische  Herkunft  des  Bodens  ist  von  unter- 
geordneter Bedeutung,  vorausgesetzt,  dass  derselbe  das  grosse  Kali-,  Kalk-,  Phosphor- 
sänre-  und  Magnesiabedürfnis  der  Buche  zu  decken  vermag.  Anhaltende  Bodennässe 
wie  Trockenheit  sagen  ihr  nicht  zu,  weshalb  sie  puren  Torf-,  Heide-  und  Sandboden 
meidet,  aber  auch  den  fruchtbaren  Aueboden,  strengen  Ton-  und  reinen  Kalkboden. 
Die  Ansprüche  an  die  Luftfeuchtigkeit  sind  mittlere,  jedenfalls  geringer  als  bei  der 
Fichte,  das  Schattenerträgnis  von  allen  heimischen  Laubholzarten  am  grössten, 
unter  den  Nadelhölzern  nur  von  Tanne  und  Eibe  übertroffen.  Die  ausgesprochene 
Schattenholzart  verrät  die  dichte  Belaubung,  der  grosse  Stammreichtum  der  Bestände, 
die  unübertroffene  Fähigkeit  des  Baumes,  dichten  Bestandesschluss  herzustellen  und  das 
Gedeihen  des  jungen  Nachwuchses  unter  dem  Kronendach  der  alten  Bäume.  Die  jungen 
Triebe  erfrieren  leicht  durch  Spätfröste,  weshalb  die  Buche  Frostlagen  meidet.  Im 
allgemeinen  verlangt  die  Buche  eine  Vegetationszeit  von  wenigstens  5  Monaten.  Mit 
ihrem  dichten  Kxonenschluss  und  reichlichen  Laubabfall  gehört  die  Buche  zu  den  boden- 
bessernden Holzarten.  Die  Blätter,  die  sich  vor  dem  Laubfall  leuchtend  braungelb 
fä.rben,  bleiben  nach  dem  Vertrocknen  an  Heckenpflanzen,  Stockausschlag  u.  dergl. 
wie  bei  der  Eiche  häufig  den  Winter  über  haften. 

Die  Variationsfähigkeit  der  Buche  ist  gering.  Nach  Blattfarbe,  Blatt- 
bau und  Wuchs  unterscheidet  man  folgende  Spielarten: 

a)  purpurea  Alton,  die  Blutbuche,  mit  grünroten  bis  schwarzroten  Blättern,  in 
Deutschland  wild  nur  in  einem  alten  Exemplar  bei  Sondershausen,  beliebter  Zierbaum ; 

b)  incisa  Willdenow,  mit  eingeschnitten  gezähnten,  lang  zugespitzten  Blättern, 
nur  bei  Ettlingen  in  Baden,  wie  die  als  asplenifolia,  heterophylla,  laciniata,  cristatata  etc. 
bezeichneten,  nur  in  Gärten  vorkommenden  Formen  mit  zerschlitztem  Laube  auch  kul- 
tiviert. Auch  die  sehr  dekorative  Hängebuche  (pendula)  und  die  Pyramidenbuche  (py- 
ramidata)  sind  nur  als  Gartenformen  bekannt,  die  sich  bloss  durch  Pfropfung  vermehren 
lassen ; 

c)  von  der  Spielart  variegata  mit  weiss  oder  gelb  geflecktem  Laub  wurde  ein 
Exemplar,  „Hartig's  Buche",  „foliis  striatis"  mit  goldgelb  gestreiftem  Laub  in  Hessen 
wildwachsend  gefunden ; 

d)  tortuosa  Hortorum,  die  Schlangenbuche,  mit  schlangenförmig  hin  und  her  ge- 
bogenen Stämmen,  Aesten  und  Zweigen,  auf  dem  Jurazug  Süntel  bei  Hannover  einen 
ganzen  Bestand  bildend; 

e)  retroflexa  Mathieu,  die  Kollerbuche,  häufiger  vorkommend,  mit  breitgedrückter 
Krone,  geringem  Höhenwuchs  und  sehr  abholzigem  Stamm,  die  nach  Willkomm  „eine 
wahre  Kalamität  werden  kann"  und  „vielleicht  eine  durch  parasitische  Pilze  bedingte 
Form  sein  dürfte",  ist  ihrer  Natur  nach  noch  aufzuklären. 

Als  Standortsformen  sind  von  der  langschäftigen  Gebirgsbuche  zu 
unterscheiden:  die  Insel-  oder  Küstenbuche,  die  auf  den  Inseln  und  in  den 
Küstenländern  der  Ostsee  allein  vorkommt  und  auch  im  Schlüsse  eine  tief  angesetzte, 
umfangreiche  Krone  und  einen  kürzeren  aber  stärkeren  Stamm  bildet.  Einen  ähnlichen 
Wuchs  zeigen  die  malerischen  alten  Weidbuchen  des  südlichen  Schwarzwalds  und 
der  rauhen  Alb.  Als  klimatische  und  sonstige  Reduktionsformen  sind  zu  nennen 
die  knieholzartige  Strauchbuche  in  rauher  Gebirgslage  Kroatiens ,  die  derselben 
oft  ähnliche,  übrigens  sehr  variable  Verbissbuche  hochgelegener  Weidefelder,  und 
die  windgepeitschte  Buche  (Fahnenwuchs) ,  wie  sie  z.  B.  an  den  Randbe- 
ständen in  Schleswig-Holstein,  aber  auch  in  hohen  Gebirgslagen,  wie  am  Elsässer  Bel- 
eben und  auf  dem  Schauinsland  im  Schwarzwald  vorkommt. 


^ 


310  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Die  Eichen  (Quercus.) 

§  63.  Blüten  einzeln  an  der  Kätzchenachse,  Aehren  bildend;  männliche 
Kätzchen  reichblütig,  schlaff  hängend,  den  obersten,  später  zu  Lang-  oder  Kurz- 
trieben  answachsenden  Seiten  knospen  vorjähriger  Triebe  entspringend,  und  zwar  aus 
mehreren  der  obersten  Knospenschuppen  dieser  Knospen,  daher  unterhalb  der  diesjäh- 
rigen jungen  Gipfelsprosse  meist  gehuschelt ;  dieweiblichenKätzchen  armblütig, 
in  der  Achsel  von  Laubblättem  diesjähriger  Gipfeltriebe.  Blütezeit  gleich  nach 
dem  Laubausbruch.  Die  Keimblätter  bleiben  bei  der  Keimung,  von  der  Frucht- 
schale  umschlossen,  unter  der  Erde.  Die  Zweige  besitzen  stets  eine  grössere  End- 
knospe und  spiralig  (2/5)  gestellte,  gegen  die  Spitze  des  Triebs  gehäufte,  knrzgestielte, 
selten  ganzrandige  Blätter.    Gegen  200  Arten. 

1.  Quercus  pedunculata  Ehrhart.  Stieleiche,  Sommereiche,  Fruh- 
eiche,  Heideeiche  etc.  (franz.  Chene  male),  unser  stolzester  Waldbaum.  Knospen  ty- 
pisch dick,  kantig  eiförmig,  ziemlich  stumpf,  mit  zahlreichen  Knospenschuppen,  die  zum 
grössten  Teil  spreitelose  Nebenblattpaare  sind ;  seitliche  gerade  über  der  dreieckigen, 
3  Gruppen  von  Gefässbündeln  tragenden  Blattnarbe  abstehend,  oberste  unter  der  End- 
knospe quirlig.  Junge  Triebe  oft  rot  überlaufen,  die  im  Juni  erscheinenden  Johannis- 
triebe nebst  den  Blättern  anzüglich  oft  purpurrot.  Blätter  von  schmalen,  hinfal- 
ligen, pfriemlichen  Nebenblättchen  begleitet  (die  den  Stiel  an  Länge  etwas  übertreflfen). 
an  der  Spitze  der  Triebe  oft  büschelig  gehäuft,  sehr  kurzgestielt  (bis 
1  cm),  durch  die  ungleich  zweilappige  (herzförmige),  wellig  gekrauste 
Basis  und  die  mehr  oder  weniger  unsymmetrische  Form  in  erster 
Linie  charakterisiert,  im  übrigen  sehr  variabel,  im  allgemeinen  verkehrt- eiförmig, 
7 — 12  cm  lang,  beiderseits  mit  4 — 5  abgerundeten,  vorwiegend  ganzrandigen  Lappen, 
oberseits  matt  dunkelgrün,  unterseits  matt  hellgrün  mit  5 — 9  vortretenden  blas.sge- 
färbten  Seitenrippenpaaren,  beiderseits  (bis  auf  spärliche,  mikroskopische  Härchen 
der  Unterseite)  kahl,  jung  flaumig.  Männliche  Kätzchen' bis  4  cm  lang,  teils 
gehuschelt  aus  den  Seitenknospen  vorjähriger  Triebe,  teils  einzeln  in  den  unteren  Blattr 
achseln  diesjähriger  Triebe ;  männlicheBlüten  mit  gelbgrünem,  häutigem,  in  4—7 
bewimperte  Zipfel  zerschlitztem  Perigon  und  4 — 12  gelben  Staubfäden.  Weibliche 
Kätzchen  aufrecht,  mit  Stielen  von  wechselnder  Länge  in  den  oberen  Blattachseln  dies- 
jähriger Triebe,  mit  2—5  kleinen,  knopfförmigen ,  bis  auf  die  3  kurzen,  abgerundeten 
rötlichen  Narben  in  der  rötlichen  Cupula  eingeschlossenen  weiblichen  Blüten.  Früchte 
an  einem  Stiel  (daher  der  Name  Stieleiche)  von  1 — 16  (meist  3 — 8)  c m  Län ge, 
meist  1 — 3,  oft  2  gegenständig,  selten  mehr  (bis  5).  Eicheln  gross,  meist  länglich 
eiförmig,  anfangs  grün,  reif,  mit  Ausnahme  des  bereiften  Scheitels,  glänzend  und  glatt, 
hellbraun  bis  scherbengelb,  mit  weisslicher  Grundfläche  und  grünlich  braunen 
Längsstreifen,  die  beim  Trockenwerden  verschwinden,  aber  nach  dem  Anfeuchten  meist 
wieder  hervortreten.  Samenschale  derb  lederig ,  Cotyledonen  gross ,  stärkereich. 
Cupula  napfförmig,  mit  glattem  Eand  und  sehr  zahlreichen,  dicht  dachziegelig  an- 
gedrückten, graubräunlichen,  filzigen,  dickspitzigen  Schuppen.  Ein  Hektoliter  wiegt  je 
nach  Standort  und  Jahr  65—75  (90)  Kilo  und  1  Kilo  enthält  177—325,  im  Mittel  250 
bis  300  Eicheln.  Die  Mannbarkeit  tritt  bei  Stocklohden  frühzeitig,  oft  schon  um 
das  20.  Jahr ,  bei  Samenpflanzen  im  Freistande  nicht  leicht  vor  dem  40. ,  meist  erst 
mit  dem  50 — 60.,  im  Schlüsse  kaum  vor  dem  80.  Jahre  ein.  Reichliche  Samenjahre 
folgen  dann  je  nach  Lage  und  Standort  alle  3 — 7  Jahre.  Blütezeit  im  Süden  Mitte 
April  bis  Mitte  Mai,  im  Norden  Mitte  Mai  bis  Anfang  Juni.  Erst  Mitte  oder  Ende 
Juli  tritt  die  Eichel  aus  dem  Näpfchen  heraus,  ist  Ende  September  oder  Anfang  Oktö- 


Die  Laubhölzer.     §  63.  311 

ber  reif  und  fällt  dann  bald  aus  dem  Näpfchen  aus.  Die  Keimfähigkeit  frischer  Eicheln 
beträgt  60 — 70%,  die  Keimdauer  nur  V»  Jahi'-  Die  Keimung  erfolgt  bei  Fruhjahrssaat 
nach  4 — 6  Wochen  und  beginnt  mit  der  Ausbildung  einer  kräftigen  rübenförmigen 
Pfahlwurzel,  die  im  1.  Jahre  oft  20 — 30  cm  lang  wird,  während  der  oberirdische  Trieb, 
anfangs  mit  sehr  unvollkommenen  Blättern  besetzt,  im  1 .  Jahr  gewöhnlich  nur  8 — 10  cm, 
und  nur  unt«r  besonders  günstigen  Verhältnissen  das  doppelte  und  selbst  dreifache 
dieser  Länge  erreicht.  Im  2.  Jahre  entstehen  in  der  Regel  erst  die  typisch  geformten 
Blätter  und  die  Pflanze  verzweigt  sich  stark  und  wird  buschig.  Höhenwuchs  in 
der  Jugend  rasch,  im  Schlüsse  lange  anhaltend,  im  Durchschnitt  Vs — V^  ^j  in^  allge- 
meinen mit  120—200  Jahren  beendet.  Die  Eiche  bildet  so  bei  einer  5  Jahrhunderte 
und  mehr  umfassenden  Lebensdauer  30  -  35,  ausnahmsweise  auch  40  m  lange  und  2  m 
und  darüber  starke  Stämme  bei  einer  Gesamthöhe  bis  zu  50  m.  Im  Freistand  entstehen 
kürzere,  aber  um  so  dickere  Schäfte  mit  mächtig  entwickelter,  schon  wenige  Meter 
über  dem  Boden  ansetzender  Krone.  Das  Dickenwachstum  hält  an,  so  lange  der  Baum 
lebt ;  die  Lebensdauer  kann  in  einzelnen  Fällen  vielleicht  bis  2000  Jahre  betragen 
(Chene  de  Montravail,  bei  Saintes  im  französischen  Departement  Charente  inf6rieure 
in  Mannshöhe  mit  6—7  m  Durchmesser,  bei  einer  Höhe  von  20  m),  500jährige  Stiel- 
eichen sind  in  Deutschland  keine  Seltenheit,  dagegen  scheint  hier  keine  1000jährige 
mehr  zu  existieren,  wenngleich  das  Alter  vieler  Eichen  eine  lokalpatriotische  Abrundung 
auf  diese  Zahl  zu  erfahren  pflegt.  Die  Verzweigung  ist  durch  die  starken,  knicki- 
gen und  knorrigen,  weit  ausgreifenden,  locker  gestellten  Aeste  sehr  charakteristisch 
und  unregelmässig.  Im  vorgerückten  Alter  entwickelt  die  Krone  zahlreiche  Kurztriebe. 
Im  Herbste  springen  nicht  selten  ein-  bis  mehrjährige  Triebe  mit  voller  grüner  Be- 
laubung ab  („Absprünge").  Das  Ausschlagvermögen  aus  schlafenden  Augen 
ist  ungewöhnlich  gross  und  anhaltend.  Das  Mark  der  Zweige  bildet  im  Querschnitt 
stets  einen  fünf  strahligen  Steni. 

Die  ausserordentlich  sturmfeste  Bewurzelung  besteht  in  lockerem  Boden  bis 
zum  6.  oder  8.  Jahre  fast  nur  aus  einer  mächtigen  Pfahlwurzel,  die  bis  über  2  m  in 
die  Tiefe  dringt  und  nur  wenige  dünne  Seitenwurzeln  entwickelt.  Später,  etwa  vom 
30.  Jahre  ab,  überwiegen  die  teils  weit  streichenden,  teils  schief  in  die  Tiefe  dringen- 
den starken  Seitenwurzeln,  deren  weitere  Entwickelung  den  oft  gewaltigen  „Wurzel- 
anlauf" alter  Eichen  bildet.  In  flachgründigem  Boden  oder  bei  hochstehendem  stag- 
nierendem Grundwasser  verkümmert  die  Pfahlwurzel  bald. 

Die  Rinde,  an  jungen  Zweigen  grün  bis  rotbraun,  bildet  an  jüngeren  Stämmen 
und  Aesten  ein  von  zahlreichen,  braunen  Lenticellen  durchsetztes,  grünlich-  bis  weiss- 
lichgraues,  perlmutterglänzendes  Periderm  (Spiegelrinde),  reisst  zwischen  dem  12.  und 
25.  Jahre,  auf  schlechtem  Standort  auch  früher,  unregelmässig  längsrissig  auf  und 
bildet  eine  besonders  im  Freistand  tiefrissige,  graubraune,  bleibende  Borke.  Die  Rinde 
kann  bei  alten  Bäumen  bis  10  cm  Dicke  erreichen  und  ist  ausserordentlich  reich  an 
dickwandigen  Bastfasersträngen  und  besonders  an  sehr  grosszelligen  Steinzellnestern. 
Je  gerbstoffreicher  die  Rinde,  desto  später  pflegt  sie  aufzureissen. 

Das  ringporige  Holz  hat  einen  schmalen  gelblichweissen  Splint  und  einen 
meist  gelblichbraunen  Kern ;  als  Nutzholz  ersten  Ranges  vereinigt  es  so  viele  treffliche 
Eigenschaften,  wie  kein  anderes  einheimisches  Holz,  ist  ausserordentlich  dicht  und 
schwer  (0,54 — 1,05),  bei  einer  Jahrringbreite  bis  zu  6  oder  7  mm,  um  so  dichter,  je 
breiter  die  Jahresringe  (wie  die  ringporigen  Hölzer  überhaupt),  ausser- 
ordentlich fest  und  von  allergrösster  Dauer,  unter  Wasser  unzerstörbar,  hart, 
grobfaserig,  elastisch,  gut  spaltbar,  in  mittlerem  Grade  zähbiegsam  und  von  guter,  aber 
etwas  geringerer  Brennkraft  als  das  Buchenholz.    Anatomisch  zeichnet  sich  das 


312  III.  Klein,  Porstbotanik. 

Holz  durch  sehr  reichliche  Entwlckelnng  sehr  dickwandiger  Holzfasern  mit  spärlichen 
kleinbehöften  Spalttüpfeln,  besonders  im  Spätholz  der  Jahresringe  ans,  während  das 
Frühlingsholz  auffallend  weite,  schon  mit  blossem  Auge  erkennbare  Gefässe  besitzt. 
Von  dem  Porenkreis  des  Frühlingsholzes  verlaufen  radial  nach  aussen  im  Jahrring 
zwischen  den  Holzfasersträngen  feine,  vielfach  gegabelte  Züge  von  engen  Gefässen, 
Tracheiden  und  Parenchym.  Ausserdem  treten  bei  breiten  Ringen  noch  zahlreiche  feine 
konzentrische  Weilenlinien  von  Holzparenchym  hervor.  Einzelne  Markstrahlen 
sind  sehr  breit  und  zuweilen  einige  Centimeter  hoch,  auf  der  radialen  Spaltfläche 
auffallend  glänzende  Spiegel  bildend,  während  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Mark- 
strahlen sehr  fein  und  mit  blossem  Auge  nicht  erkennbar  ist.*»  —  Von  dem  ähnlichen 
Holz  der  Edelkastanie  unterscheidet  sich  das  Eichenholz  sofort  durch  die  dort  fehlen- 
den breiten  Markstrahlen. 

Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  der  Stieleiche  nmfasst  fast  ganz 
Europa  bis  zum  63®  in  Norwegen,  weiter  östlich  nur  bis  oT^a®,  ferner  die  Kaukasus- 
länder und  Kleinasien.  Das  Maximum  ihrer  Verbreitung  erreicht  sie  in  den  unteren 
Donauländern  (südliches  Ungarn,  Slavonien,  Kroatien  und  Siebenbürgen),  in  Deutsch- 
land, wo  sie  ihre  besten  früheren  Standorte  der  Landwirtschaft  überlassen  musste,  be- 
sonders im  Südwesten  und  in  der  Provinz  Preussen.  Als  Waldbaum  der  Ebenen,  der 
Flusstäler  und  des  Hügellandes  steigt  sie  im  Süden  und  Südwesten  nirgends  so  hoch 
wie  die  Buche:  in  Albanien  bis  1500  m,  in  den  Pyrenäen  bis  1400  m,  in  Tirol  bis 
1000  m,  in  den  Centralalpen  bis  900  m,  in  den  nördlichen  Kalkalpen  bis  80O  m,  im 
Schwarzwald  bis  600  m,  im  mitteldeutschen  Bergland  bis  500  und  450  m. 

Die  Standortsansprüche  der  Stieleiche  sind  verhältnismässig  hohe.  Sie 
verlangt  zu  gutem  Gedeihen  ähnlich  wie  die  Buche  einen  mineralkräftigen  Boden  von, 
namentlich  in  höheren  Lagen,  grösserem  Humusgehalt,  reichlicher  Frische  und  verhält- 
nismässig beträchtlicher  Tiefgründigkeit,  wie  ihn  besonders  Flussniederungen,  Aneböden 
und  dergl.  bieten.  Bei  genügend  zerklüftetem  Untergrund  gedeiht  sie  auch  auf  flach- 
gründigem  Boden  Bei  Niederwaldbetrieb  begnügt  sie  sich  mit  erheblich  ge- 
ringeren Böden.  An  die  Luftfeuchtigkeit  stellt  sie  keine  grossen  und  keine  bestimm- 
ten Anforderungen,  dagegen  bedarf  sie  viel  Luftwärme.  Als  ausgesprochene  Licht- 
holzart verlangt  sie  von  Jugend  an  vollen  Lichtgenuss,  reinigt  sich  im  Schlosse 
früh  von  den  unteren  Aesten,  besitzt  geringe  Fähigkeit,  vollen  Bestandesschluss  auf 
die  Dauer  herzustellen  und  bildet  Bestände  von  viel  räumlicherer  Stellung  als  die 
Buche.  Je  geringer  übrigens  der  Standort,  desto  stärker  äussert  sich  das  Lichtbediirf- 
nis  der  Eiche  und  umgekehrt.  Die  Rückwirkung  auf  den  Standort  ist  im  allgememen 
eine  ungünstige.  Gegen  Spätfröste  ist  die  Stieleiche  sehr  empfindlich,  und  zwar  mehr 
als  die  Traubeneiche. 

Die  Variationsfähigkeit  ist  bei  der  Stieleiche  bezüglich  der  Form  und 
Grösse  der  Blätter  und  der  Gestaltung  der  Früchte  so  gross  wie  bei 
keinem  anderen  europäischen  Laubholz.  Die  Blätter  variieren  ausserordentlich  nach 
Grösse  —  am  grössten  (bis  30  cm),  wie  bei  den  meisten  Laubhölzem,  sind  die  Blätter 
bei  jungen  Stockausschlägen  —  nach  Zerteilung,  von  ganz  seicht  gelappten  oder 
ausgeschweift  buchtigen  bis  zu  fast  fiederschnittigen,  mit  ganzrandigen,  abgerundeten 
bis  zu  wellig  gezähnten  und  fiederspaltigen  und  spitzzipfligen  Lappen.  Selbst  am  glei- 
chen Baum  variiert  die  Blattgestalt  nach  Stellung  in  der  Krone  und  nach  Jahrgang. 
Magerer  Boden  bedingt  kleine,  tiefer  geteilte,  feuchter  und  fruchtbarer  grosse  und  wenig 
gelappte  Blätter.  Das  Näpfchen  (die  Cupula)  kann  flach,  fast  tellerfömüg ,  halb- 
kugelig, halbeiförmig  oder  kreiseiförmig  sein,  und  die  Eichel  entweder  nur  im  unteren 
Viertel  oder  weiter,  bis  über  die  Hälfte,  umhüllen.    Die  Eichel  selbst  kann  1^2  bis 


Die  Laubhölzer.     §  64.  313 

5  cm  lang,   1  bis  über  2  cra  dick,   eiförmig,  walzig,   spindelförmig  oder  kugelig  sein. 
Als  konstante,  wild  in  Mitteleuropa  gefundene  Varietäten  der  Stieleiche  sind  nach 
Willkomm  anzusehen: 

a)  fastigiata  De  Candolle  {:=  pyramidalis  Hortorum).  Pyramideneiche,  mit 
aufrechten  Aesten  und  schmal  kegelförmiger,  pyramiden-pappelähnlicher  Krone.  Wild 
ein  Baum  in  Hessen  bei  Babenhausen,  ausserdem  mehrfach  in  Frankreich  und  Spanien 
gefunden ; 

b)  0  p  a  c  a  Schur.  Blätter  dunkelgrün,  glanzlos  mit  purpurroten  Blattnerven,  in 
Wäldern  um  Hermannstadt  in  Siebenbürgen; 

c)  p  i  1 0  s  a  Schur.  Blätter  auch  im  Alter  unterseits  spärlich  weisshaarig,  blüten- 
tragender Stiel  dicht  behaart,  zerstreut  in  Siebenbürgen; 

d)  purpurascens  De  Candolle  (=  purpurea  Hortorum).  Purpureiche,  Blut- 
eiche.    Blätter  dunkel  purpurrot.    Ein  Baum  im  Lauchaer  Holz  des  Herzogtums  Gotha ; 

e)  viminalis  Schur  (=  pendula  Hortorum).  Hängeeiche  mit  langen,  dünn 
herabhängenden  Aesten,  bei  Hermannstadt; 

f)  apennina  De  Candolle.  Junge  Zweige  grauweiss-filzig.  Blätter  unterseits 
lange  blass-filzig,  erst  zuletzt  kahl.  Auf  trockenem  Boden  im  Kastellwald  bei  Kolmar, 
in  den  Apenninen,  Süd-  und  Mittelfrankreich. 

§  64.  2.  Quercus  sessiliflora  Smith.  Die  Traubeneiche,  Stein- 
eiche, Späteiche,  Wintereiche  ist  der  vorstehenden  sehr  ähnlich 
und  wird  im  praktischen  Leben  vielfach  mit  ihr  verwechselt.  (Linn6  fasste  die  beiden 
Eichen  unter  dem  Namen  Q.  robur  zusammen  und  bezeichnete  die  Stieleiche  als  Q.  r.  «, 
die  Steineiche  als  Q.  r.  ß).  An  Yariationsfähigkeit  der  Blätter  und  Früchte  steht  sie 
der  Stieleiche  kaum  nach,  doch  ist  sie  von  ihr  typisch  durch  die  länger  gestiel- 
ten (1 — 4  cm)  ebenen,  oberseits  glänzend  dunkelgrünen  Blätter  mit  keilförmiger 
Basis  und  die  sitzenden  (sehr  kurzgestielten)  weiblichen  Blutenstände,  bezw.  die 
einzeln  oder  zu  3( — 7) ,  wie  die  Beeren  einer  Weintraube  zu  Knäueln  z u- 
sammengedrängten,  in  den  Blattachseln  sitzenden  Früchte  verschieden. 
Nach  Th.  Hartig  ist  die  Traubeneiche,  deren  Narben  flach  und  lappig  erwei- 
tert auf  dem  Fruchtknoten  sitzen,  auch  durch  die  Eicheln  zu  unterscheiden ,  die 
namentlich  bei  unvollkommener  Ausbildung  den  charakteristischen  Narbenbau  gut  er- 
kennen lassen,  unter  fruchtbaren  Bäumen  jederzeit  in  hinreichender  Menge  zu  finden 
sind  und  so,  wenn  die  andern  sicheren  Kennzeichen  mangeln,  einen  guten  Anhalt  geben 
können.  Im  übrigen  sind  die  Knospen  schlanker  und  spitzer,  die  Blätter  gegen 
das  Ende  der  Triebe  weniger  gedrängt  und  infolge  dessen  die  Belaubung  gleich- 
massiger.  Die  Lappen  der  Blätter  sind  durchschnittlich  zahlreicher  (5 — 7),  einander 
mehr  genähert  und  regelmässiger.  In  der  Jugend  unterseits  reichlich  behaart,  sind  die 
ausgewachsenen  Blätter  nur  noch  unterseits  auf  den  stärkeren  Nerven  meist  noch  etwas 
behaart.  Die  Eicheln,  im  allgemeinen  etwas  kleiner,  lassen  auch  im  frischen  Zu- 
stande keine  dunkeln  Längsstreifen  erkennen.  Blütezeit  und  Laubausbruch  fallen 
10 — 14  Tage  später  als  bei  der  Stieleiche.  Der  Wuchs  der  Krone  ist  regelmässiger, 
der  Stamm  geradwüchsiger,  in  der  Krone  meist  nicht  in  gleichwertige  Aeste  aufge- 
löst, sondern  annähernd  bis  zum  Gipfel  aushaltend.  Der  Höhenwuchs, 
der  energischer  und  länger  ausdauernd  ist  als  bei  der  Stieleiche,  pflegt  mit  120 — 200 
Jahren  abgeschlossen  zu  sein,  das  Maximalalter  dürfte  ca.  600 — 700  Jahre,  vielleicht 
auch  noch  mehr  betragen,  doch  erreicht  die  Traubeneiche  nie  das  Alter  und  die  Stärke 
der  Stieleiche  und  ihr  Stärkezuwachs  ist  meist  auch  ein  geringerer,  immerhin  ist 
Höhen-  und  Stärkewuchs  etwas  grösser  als  bei  der  Buche.  Die  Rinde  ist  (nach  Ney) 
hellgrau,  oft  gelblich,  im  Alter  dünn  und,  ähnlich  der  Apfelbaumrinde,  schuppig 


314  III.  Klein,  Forstbotanik. 


mit  flachen  Rissen.  Das  Holz  ist  dem  der  Stieleiche  sehr  ähnlich,  etwas  weniger 
hart  nnd  etwas  weniger  dauerhaft  unter  ungünstigen  Verhältnissen,  etwas  leichter  zu 
bearbeiten,  auch  meist  etwas  engringiger  gebaut.  Der  natürlicheVerbreitungs- 
bezirk  reicht  etwas  weniger  weit  nach  Norden  und  Osten,  wie  derjenige  der  Stiel- 
eiche, in  den  Tiefländern  fehlt  die  Traubeneiche  spontan,  steigt  aber  als  Baum  der 
Hochebenen,  des  Hügel-  und  Berglandes,  gleichfalls  Sommerhänge  bevorzugend,  im  Ge- 
birge im  allgemeinen  erheblich  höher  als  die  Stieleiche,  aber  nicht  so  hoch  als  die 
Buche.  In  den  bayrischen  Kalkalpen  scheint  sie  gänzlich  zu  fehlen,  im  bayrischen 
Wald  (ca.  700  m)  und  in  der  Schweiz  bleibt  sie  etwas  hinter  der  Stieleiche  zurück. 
Das  Maximum  ihres  Vorkommens  in  Mitteleuropa  liegt  im  Südosten,  wo  sie  im  Berjj- 
land  von  Kärnthen,  Ungarn,  Siebenbürgen,  Kroatien,  teils  für  sich  allein,  teils  mit 
Stiel-  und  Zerreiche  grosse,  herrliche  Wälder  bildet.  In  Deutschland  linden  sich  be- 
deutende Traubeneichenbestände,  namentlich  in  Mittelfranken  (Spessart),  in  Baden  und 
Elsass-Lothringen.  Die  Standorts-  und  Klimaansprüche  der  Traubeneiche 
sind  etwas  bescheidener  als  die  der  Stieleiche  und  ähnlich  wie  diejenigen  der  Rotbuche, 
doch  nimmt  sie  weniger  Kali  und  Phosphorsäure  als  diese  aus  dem  Boden ;  sie  gedeüit 
noch  auf  geringeren  und  verhältnismässig  flachgrnndigen  Böden,  kann  mit  erheblich 
geringerer  Bodenfrische  auskommen,  meidet  aber  nasse  Auenböden  und  dergl.,  auf  denen 
die  Stieleiche  freudig  gedeiht.  Ihre  dichtere  und  regelmässigere  Belaubung,  die  auch 
den  Boden  etwas  besser  schützt,  der  länger  andauernde  Bestandesschluss  und  die  ge- 
ringere Neigung  ihrer  Krone  zu  seitlicher  Ausbreitung,  ihre  Fähigkeit,  in  der 
Jugend  Seiten-  und  Schirmdnick  etwas  besser  zu  ertragen,  deuten  ein  etwas  geiingeres 
L  i  c  h  t  b  e  d  ü  r  f  n  i  s  als  dasjenige  der  Stieleiche  an. 

Von  den  zahlreichen  Formen  der  Traubeneiche  ist  die  mispelblätterige 
Tranbeneiche  (Q.  mespilifolia  Wallroth),  die  im  Harz,  in  Thüringen,  in  Skandinavien 
und  wohl  auch  anderwärts  mit  schmalen,  vorwiegend  ungeteilten,  langgestielten  Blät- 
tern und  rötlichen  Zweigen,  Knospen  und  Blattstielen  vorkommt,  die  bemerkenswerteste. 

Zwischen  der  typischen  Stieleiche  und  der  Traubeneiche,  die  auch  bezüglich  der 
Gestalt  der  Blattbasis  und  der  Blattstiellänge  variieren,  kommen  zweifellose  Uebergangs- 
stnfen  vor,  die  man  vielfach  als  Bastarde  beider  betrachtet. 

§65.  3.  QuercuspubescensWilldenow,  die  flaumhaarige  Eiche, 
in  ganz  Südeuropa  und  im  Orient  heimisch,  im  dalmatischen  Küstenlande  wie  in  Istrien 
die  häufigste  sommergrtine  Eiche,  in  Südungam,  Slavonien  und  Kroatien  teils  in  reinem 
Bestand,  teils  mit  andern  Holzarten  gemischt,  erheblichen  Anteil  an  der  Waldbildang 
nehmend,  in  der  Südschweiz  vom  Jura  bis  zum  Tessin  und  auch  in  Graubünden  ver- 
breitet, reicht,  ohne  forstliche  Bedeutung,  nördlich  bis  nach  Böhmen  und  vereinzelt  bis 
nach  Thüringen  (wenige  Sträucher  bei  Jena)  und  dem  Oberrhein.  —  Die  meist  etwas 
kleineren,  langgestielten,  meist  tief  geteilten,  aber  ebenfalls  sehr  vielgestaltigen 
Blätter  sind  unterseits  bleibend  weichhaarig,  oberseits  nach  der  Ent- 
faltung ebenfalls  grauflaumig,  ausgewachsen  nahezu  kahl  und  glänzend  dunkelgrün. 
Knospentriebe  und  Näpfchen  ebenfalls  mehr  oder  w^eniger  flaumig  bis  filzig. 
Nach  Stamm-  und  K r o n e n bildung  gleicht  sie  vielfach  der  Traubeneiche,  bleibt 
aber  kleiner  (bis  20  m),  oft  ein  niedriger,  knorriger  Grossstrauch.  Ihr  Holz  ist  durch 
sehr  dicht  stehende,  auffällige,  breite  Markstrahlen  ausgezeichnet.  Mit  der  Trau- 
beneiche  ist  die  sehr  variable  Art  durch  eine  Anzahl  üebergangsformen  oder  Bastarde 
verbunden. 

4.  Quercus  hungarica  Hubeny,  die  ungarische  Eiche  ist  ein  Baum 
Südosteuropas,  mit  der  stideuropäischen  Quercus  Fametto  Tenore  nahe  verwandt,  mög- 
licherweise identisch,   erreicht  im  südlichen  Ungarn,   wo  sie  bis  600  m  im  Hügellande 


Die  Laubhölzer.     §  65.  315 

ansteigt,  meist  im  Gera  enge  mit  Trauben-  und  Zerreiche,  im  südlichen  Bosnien  und 
Dalmatien  ihre  Nordgrenze.  Knospen  grösser,  heller,  am  Ende  der  Triebe,  wie  die 
Blätter,  auifallend  büschelig  gehäuft.  Blätter  kurzgestielt,  gi'oss  (bis  20  cm),  Ober- 
seite glänzend  dunkelgrün,  unterseits  weichfilzig,  ebenfalls  vielgestaltig,  mit  herzförmiger 
Basis,  sehr  verschieden  tiefgelappt,  in  jeder  Hälfte  mit  7 — 11  parallelrandigen, 
in  der  Kegel  abgerundeten,  ungeteilten  oder  selbst  wieder  gelappten  Lappen,  die  mit 
den  Rändern  nicht  selten  stellenweise  übereinandergreifen.  Männliche  Kätzchen 
bis  12  cm  lang.  Eicheln  denen  der  Traubeneiche  ahnlich,  aber  das  Näpfchen  mit 
filzig  behaarten,  stumpf  pfriemlichen,  denRand  überragenden  Schuppen.  Borke 
hellbräunlich,  'kleinschuppig.  Das  harte,  sehr  dichte,  schwerspaltige  Holz  übertrifft 
nach  Hempel  und  Wilhelm  an  Dauerhaftigkeit  sogar  das  Stieleichenholz.  Sie  erreicht 
mit  100  Jahren  eine  durchschnittliche  Höhe  von  22 — 23  m. 

5.  Quercus  cerris  Linn6,  die  Zerreiche,  ist  gleichfalls  eine  Holzart 
Südeuropas,  die  von  Spanien  bis  Kleinasien  verbreitet  ist,  ihre  stattlichste  Entwickelung 
als  Baum  des  Berglandes  in  den  Ländern  der  ungarischen  Krone  findet,  meist  in  Ge- 
sellschaft der  Traubeneiche,  der  weichhaarigen  und  ungarischen  Eiche,  seltener  in  reinen 
Beständen.  Nördlich  geht  sie  bis  Mähren,  in  der  Schweiz  kommt  sie  nur  auf  dem  Ge- 
neroso  vor,  aber  am  Nordrande  des  Jura,  im  Departement  Doubs  bildet  sie  noch  ein- 
mal reine  Bestände  von  grosser  Ausdehnung.  Sie  ist  von  allen  andern  sommergrünen 
Eichen  durch  die  langen,  lineal-f ädlichen,  bleibenden  Nebenblätter, 
welche  über  den  kleinen  Knospen  schopfartig  zusammenschliessen,  sofort  zu  unterschei- 
den. Blätter  sehr  verschieden  gestaltet,  meist  spitzlappig,  oberseits  dunkel- 
giiin,  rauh,  fettglänzend,  unterseits  graugrün,  mehr  oder  weniger  filzig.  Eicheln 
mit  zweijähriger  Fruchtreife,  im  ersten  Jahre  ganz  klein,  ausgewachsen  bis 
4  cra  lang  und  2cm  breit,  sehr  fein  längs  gestreift,  Näpfchen  durch  die  langen^ 
abstehenden,  meist  zurückgekrümmten,  linealpfriemlichen,  steifen,  braun- 
filzigen Niederblätter  sehr  auffällig.  Borke  grau,  auffallend  breit  und  tief 
längs  gefurcht,  mit  sehr  spärlichen  Querrissen.  Holz  rötlich  mit  sehr  zahlreichen, 
breiten  Markstrahlen,  die  aber  viel  schmäler  als  bei  pubescens  sind,  von  sehr  ge- 
ringer Dauer,  aber  vorzüglicher,  dem  Buchenholz  kaum  nachstehender  Brennkraft. 
Höhenwuchs  bis  zum  100.  Jahre  die  Stiel-  und  Traubeneiche  übertreffend,  dann 
rasch  erlahmend.     Lebensdauer  in  der  Regel  nicht  über  200  Jahre. 

Von  den  immergrünen  Eichen  erreichen  4  sämtlich  dem  Mittelmeergebiet 
angehörige  Arten  in  Istrien  und  Dalmatien  ihre  Nordgrenze. 

6.  Quercus  Hex  Linn6,  die  Immergrüneiche,  auch  Stecheiche  ge- 
nannt, geht  nördlich  bis  Riva  am  Gardasee  und  bis  nach  Triest;  bemerkenswerte  Be- 
stände bildet  sie  im  Gebiet  nur  auf  der  dalmatinischen  Insel  Arbe,  während  sie  als 
Strauch  einen  wesentlichen  Anteil  der  immergrünen  Buschformation  Istriens  und  Dal- 
matiens  nimmt.  Blätter  von  durchschnittlich  2jähriger  Lebensdauer,  lederig,  oben 
glänzend  dunkelgrün,  unten  filzig,  spitz  eiförmig  bis  lanzettlich,  3 — 8  cm  lang,  mit 
ungeteiltem,  gewelltem  bis  domspitzig  gezähntem  Rande.  Eicheln  klein,  im  1.  Herbste 
reif,  durch  das  vortretende  Mittelstück  beinahe  gestielt.  Näpfchen  mit  dicht  an- 
liegenden, filzigen,  weichen  Schuppen.  —  Die  Immergrtineiche  kann  bis  20  m  Höhe  und 
1  m  Durchmesser  erreichen,  bleibt  aber,  durch  Weidevieh  verbissen,  ^^elfach  strauch- 
formig  oder  bildet  nach  wiederholter  Verstümmelung  behufs  Kopfholzgewinnung  breite 
abgewölbte  Kronen  auf  kurzem  Stamm.  Aeltere  Pflanzen  zeigen  kräftige  Ausschläge 
aus  dem  starken  Warzelanlauf;  ebenso  ist  das  Stockausschlagvermögen  bedeutend.  Die 
B 0 r k e  ist  sehr  kleinschuppig,  das  Holz  nicht  ringporig,  sehr  schwer  (1,14),  elastisch, 
fest  und  sehr  dauerhaft,  die  Rinde  sehr  gerbstoffreich,  so  dass  der  Baum  für  die  von 


316  III.  Klein,  Forstbotanik. 

ihm  bewohnten  südösterreichischen  Länder  von  hohem  forstlichen  Werte  ist. 

7.  Qnercas  Snber  Linn6,  die  Korkeiche,  mit  2j ähriger  Samen- 
reif  e ,  der  Immergrüneiche  ähnlichen,  2V2 — 5  cm  langen,  seitlich  stets  mit  4 — 7  kurzen 
domigen  Zähnen  versehenen  Blättern  und  dicker  Korkrinde,  findet  sich  in  Oesterreicli 
nar  bei  Pola  in  Istrien  in  einer  bemerkenswerten  Zahl  älterer  Bäume,  die  dort  vom 
20. — 25.  Jahre  mit  10jährigen  Rnhepaasen  auf  Kork  genutzt  werden. 

8.  Quercus  Pseudosuber  Santi,  die  falsche  Korkeiche  mit  durch- 
schnittlich grösseren  (5 — 7  cm),  am  Rande  mit  6 — 9  scharf  gespitzten  breiten  Säge- 
zähnen versehenen  Blättern  mit  1  jähriger  Lebensdauer  (bis  zum  Laubausbruch),  und 
dünnerer,  nicht  zur  Korkgewinnung  geeigneter  Korkrinde  und  die  meist  sperrig  strauch- 
förmig  bleibende 

9.  Quercus  coccifera  Linn6,  die  Kermeseiche,  mit  sehr  steifen, 
immer  dornspitzig  gezähnten,  an  den  Rändern  oft  wellig  verbogenen  kleinen  Blättern 
von  2 — Sjähriger  Lebensdauer  kommen  in  Oesterreich,  Pseudosuber  vereinzelt  in  Istrien, 
coccifera  stellenweise  im  südlichen  Istrien  und  in  Dalmatien  vor. 

§  66.  Von  den  amerikanischen  Schwarzeichen,  wegen  der  herbst- 
lichen Rotfärbung  ihres  Laubes  auch  Scharlacheichen  genannt,  die  wegen  ihrer 
Frosthärte,  Raschwüchsigkeit  und  prachtvollen  Herbstfärbung  seit  langem  Lieblinge  der 
europäischen  Baumzüchter  geworden  sind,  ist  nur  Q.  rubra  zu  forstlichen  Anbauver- 
suchen im  grossen  Massstabe  herangezogen  worden,  während  die  beiden  andern  hier 
aufgeführten,  von  kleinen  Anbauversuchen  abgesehen,  höchst  dekorative  Parkbäume 
sind.  Diese  Eichen  zeichnen  sich  durch  die  stets  in  eine  spitze  Endborste  aus- 
laufenden Blattabschnitte  aus  und  besitzen  dunkle  Borke,  2jährige  Samenreife  und  grosse 
Eicheln  mit  dicker,  innen  tilziger  Schale  und  drei  falschen  Scheidewänden. 

10.  Quercus  rubra  Linn6,  die  Roteiche,  durch  das  ganze  Laubholz- 
gebiet des  atlantischen  Nordamerika  verbreitet  und  dort  hervorragend  an  der  Zusam- 
mensetzung des  Waldes  beteiligt,  geht  weiter  nach  Norden  als  jede  andere  Eiche  und 
reicht  in  den  AUeghanies  bis  hart  an  die  Tannenregion  heran.  Ihr  Holz  nimmt  in  der 
Heimat  nach  dem  Optimum  im  Süden,  sowie  von  schlechten  nach  reichen  Böden  an 
Schwere  zu,  ist  aber  stets  geringwertiger  als  das  der  Weisseichen.  In  Europa  wurde 
sie  schon  1740  eingeführt  und  hat  wie  keine  andere  versuchsweise  angebaute  Holzart 
den  Beweis  für  ihr  Gedeihen  und  gutes  waldbauliches  Verhalten  geliefert.  Die  Blät- 
ter sind  nur  bis  zur  Hälfte  etwa,  bei  Schattenblättern  oft  nur  bis  ^,U  einge- 
schnitten, beiderseits  mit  4 — 6  (meist  5)  breiten,  fast  parallelrandigen,  grobge- 
zähnten, spitzen  Lappen,  8 — 12  (20)  cm  lang.  Die  Eicheln,  bis  2V2  cm  lang,  sind 
von  gedrungener  Gestalt,  mit  bespitztem  Scheitel,  abgeflachter  Grundfläche  und  schüs- 
seiförmigem Näpfchen.  1  Hektoliter  Eicheln  wiegt  durchschnittlich  60  Kilo,  1  Küo 
enthält  ca.  250  Stück.  Das  Holz  vom  Trockengewicht  0,74,  mit  schmalem  Splint 
und  rötlichbraunem  Kern,  steht  dem  Stiel-  und  Traubeneichenholz  an  Festigkeit  und 
sehr  an  Dauerhaftigkeit  nach,  ist  aber  elastisch,  leichtspaltig  und  ziemlich  hart;  die 
Rinde  bleibt  bis  zum  40.  Jahre  glatt,  ist  sehr  gerbstoffreich,  aber  dünn.  Als  ent- 
schiedene Lichtholzart  verträgt  die  Roteiche  wohl  Beschattung  von  der  Seite, 
aber  keine  üeberschirmung  und  ist  in  der  Jugend  ausserordentlich  rascti- 
w  ü  c  h  s  i  g  (als  Jährling  0,5  m,  mit  10  6  m  und  mehr,  mit  20  10 — 12  m,  mit  50  15 
bis  23  m,  worauf  der  Höhenwuchs  rasch  nachlässt  (Maximum  30  m.)  Die  Pfahl- 
wurzel der  Jährlinge  wird  bis  40  cm  lang,  die  weitere  Entwickelung  des  Wurzel- 
systems gleicht  der  unserer  Eichen.  Hinsichtlich  der  Standortsansprüche  etwas 
genügsamer  als  Stiel-  und  Traubeneiche,  braucht  sie  zu  freudigem  Gedeihen  doch  einen 


Die  Laubhölzer.     §  67.  317 

frischen,  hnmosen,  tiefgründigen,  lehmigen  Boden,  während  ihr  strenge,  nasse  Böden, 
wie  trockene  Kalkböden,  nicht  zusagen.  Gegen  Winterkälte  ebenso  unempfindlich  wie 
unsere  Eichen,  ist  sie  wegen  des  frühzeitigen  Austreibens  und  der  langen  Dauer  der 
Vegetation  der  Spät-  und  Frühfrostgefahr  mehr  ausgesetzt. 

11.  Quercus  coccinea  Wangenheim,  die  Scharlacheiche,  in 
den  östlichen  Vereinigten  Staaten  wie  die  vorige  durch  Süden  und  Norden  verbreitet, 
aber  etwas  mehr  die  feuchteren  Standorte  liebend,  Höhe  bis  30  m,  ist  von  vorstehender 
Art  leicht  durch  die  tief  (über  V»)  gebuchteten  Blätter  zu  unterscheiden, 
die  9 — 18  cm  lang  werden,  beiderseits  3( — 4),  meist  wieder  buchtig  begrannte  Lappen 
tragen  und  deren  Buchten  breiter  als  die  Lappen  sind. 

12.  Quercus  palustris  Du  Roi.  Sumpfeiche,  Nadeleiche,  Spiess- 
eiche,  in  der  Jugend  am  schnellwüchsigsten  von  allen  Eichen,  wächst  nach  Mayr 
im  atlantischen  Amerika  von  Massachusetts  bis  Tenessee  auf  kräftigem  Boden  am  Fluss- 
rande und  den  anliegenden  Niederungen,  aber  nicht  im  Sumpfe.  Von  allen  Verwandten 
ist  sie  durch  den  ausgesprochen  geraden  Schaft  unterschieden,  der  sich  wie  bei  einem 
Nadelholz  bis  in  die  Spitze  verfolgen  lässt,  30  m  Höhe  und  mehr  erreichend.  Die 
Blätter,  8 — 10( — 17)  cm  lang,  sind  die  kleinsten  von  allen  Roteichen,  der  vor- 
stehenden in  der  Gestalt  sehr  ähnlich,  doch  stehen  die  2( — 4)  gegenseitigen  Lappen 
öfters  als  bei  coccinea  auf  ungleicher  Höhe. 

§  67.  1.  Castanea  sativa  Miller.  (Syn.  vulgaris  Lamarck, 
vesca  Gärtner),  die  Edelkastanie,  franz.  Chätaignier ,  ist  die  einzige 
europäische  Vertreterin  ihrer  ca.  30  Arten  umfassenden  Gattung,  die  durch  Knos- 
pen, Blutenstände  und  Früchte  von  Buche  und  Eiche  scharf  unterschieden  ist. 
Knospen  klein,  spitzeiförmig,  mit  nur  2( — 3)  Schuppen,  abstehend ;  keine 
Endknospe,  die  oberste  Seitenknospe  bildet  den  nächsten  Jahrestrieb.  Blätter 
kurz  gestielt,  eilanzettlich,  derb,  spitz,  9 — 18  cm  lang,  am  Rande  grob  gezähnt  mit 
oft  sichelförmig  einwärts  gebogenen  spitzen  Zähnen  und  mit  je  15—20,  gleich  der 
gelblichen  Mittelrippe  unterseits  vorspringenden  Seitennerven  1.  Ordnung.  Blüten- 
kätzchen gross,  12 — 20  cm  lang,  straff  aufrecht,  einzeln  in  den  Blatt- 
achseln, meist  rein  männlich,  d.  h.  mit  7blütigen  dichasialen  Knäueln  gelblich- 
weisser  männlicher  Blüten  dicht  besetzt ;  nur  die  aus  den  obersten  Blattachseln  der 
Jahrestriebe  entspringenden  Kätzchen,  die  ebenfalls  mit  männlichen  Blütenknäueln  dicht 
besetzt  sind,  tragen  an  ihrem  unteren  Ende  einige  meist  3blütige  weibliche  Blüten- 
knäuel, die  von  einer  vielschuppigen  Cupnla  bis  auf  die  vorstehenden  Perigonzipfel  und 
Narbenarme  (meist  je  6  von  jeder  Blüte)  völlig  umschlossen  sind.  Zur  Reifezeit  springt 
die  kugelige,  bis  faustgrosse  Cupula,  starrend  von  grünlichen,  sparrig  abstehenden, 
meist  verzweigten  langen  und  dünnen  Stacheln  vierklappig  auf  und  entlässt  die  von 
den  vertrockneten  Perigonzipfeln  und  Narben  gekrönten  ein- 
samigen Trockenfrüchte  mit  glänzend  brauner,  lederiger  Fruchtwand,  die  „Kastanien" 
die  2 — 3  cm  lang  und  meist  etwas  breiter  wie  lang  sind.  Maronen  nennt  man  die 
durch  besondere  Grösse  und  Schmackhaftigkeit  ausgezeichneten  Früchte  einzelner  Kul- 
turrassen (z.  B.  von  Lyon).  1  Hektoliter  Kastanien  wiegt  56 — 70  Kilo,  1  Kilo  enthält 
180 — 300  Früchte.  Die  Mannbarkeit  tritt  bei  freiem  Stand  um  das  20. — 30.  Jahr, 
im  Schlüsse  ums  40. — 60.  Jahr,  bei  Stocklohden  oft  schon  mit  dem  6.  Jahre  ein.  Sie 
trägt  unter  besonders  günstigen  Umständen  fast  alljährlich  reichlich  Früchte,  meist  ist 
jedes  2. — 3.  Jahr  ein  reichliches  Samen  jähr.  Laubausbruch  im  Mai.  Blüte- 
zeit später,  im  Süden  Ende  Mai  bis  Anfang  Juni,  im  Norden  des  Kastaniengebiets 
oder  in  höherer  Gebirgslage  bis  Mitte  Juli ;  Fruchtreife  im  Oktober,  Keimfähig- 
keit 55 — 60**/o,  Dauer  der  Keimkraft  ^2  Jahr.  Keimung  4—6  Wochen  nach 


318  m.  Klein,  Porstbotanik. 

Frühjahrsaussaat  mit  unterirdisch  bleibenden  Cotyledonen.     Das  erste  oberirdische  Blatt 
ist  noch  ganzrandig,  die  folgenden  typisch.     Das  Wachstum  der  jungen  Pflanze  ist  bis 
zum  8.  oder  10.  Jahre  ein  kümmerliches,   dann  ein  sehr  freudiges,  so  dass  sie  binnen 
50  Jahren  noch  im  nördlichen  Mitteldeutschland  16  m  Höhe  bei  V^  m  Starke  erreicht. 
Gewöhnlich  ist  der  Höhenwuchs  mit  40  oder  50  Jahren  erschöpft,  während  das  Dicken- 
wachstum ungemein  lange  andauert   und  der  Baum   unter  günstigen  Verhältnissen  em 
ungeheures,   weit  über  1000  Jahre  betragendes  Alter  und  ungeheure  Dimensionen  er- 
reichen kann  (bis  26  m  Umfang  am  Aetna  bei  zweifellosen  Einzelbäumen).     Der  frei- 
stehende Baum  löst  sich  schon  bald  über  dem  Boden  in  eine  viel-  und  starkästige,  der 
Stieleiche  ähnliche  Krone  auf,  deren  Belaubung  aber  gleichmässiger,  dichter  und  schat- 
tender ist,  während  im  Bestandesschluss  viel  schlankere  und  höhere  Bäume  erwachsen, 
die  20 — 25  m  an  Höhe  erreichen  können.    Die  Bewurzelung  ist  ähnlich  wie  bei 
der  Eiche,   kräftig  und  ausgebreitet,   aus  einer  starken,   sich  bald  in  Wurzeläste  auf- 
lösenden Pfahlwurzel  und  zahlreichen ,   oft  weitstreichenden  Seitenwurzeln ,    welche  in 
höherem  Alter  einen  oft  mächtigen  W^urzelanlauf  bilden.     Das  Ausschlag  vermö- 
gen der  Stöcke  ist  ausserordentlich  gross   und   über  ein  Jahrhundert  andauernd,  aus 
dem  Wurzelanlauf  entwickelt  sich  nicht  selten  kräftige  Wurzelbrut,  und  bis  zum  Boden 
herabhängende  Aeste  vermögen   dort  Wurzeln   zu  schlagen.     Die  in  grosser  Zahl  ge- 
bildeten Stocklohden  sind  ungemein  raschwüchsig  und  erreichen  mit  15  Jahren  5 — 9  m, 
mit  20 — 25  Jahren  10—12  m  Länge.     Die  Rinde  Ijähriger  Zweige  ist  glänzend  rot- 
braun mit  weisslichen  Lenticellen,  an  mehrjährigen  olivenbraun,  durch  Flechtenentwicke- 
lung  weissfleckig  werdend,    zwischen   dem  15.  und  20.  Jahre  tritt  Borkebildung  em. 
Die  Borke   ist  graubraun ,   netzfönnig   längsrissig.     Der  ringporige  Holzkörper 
bildet,  da  der  Splint  nur  wenige  Jahresringe  umfasst,   frühzeitig  einen  dunkelbraunen 
Kern.     Vom  Eichenholz  ist  es  anatomisch  durch  das  Fehlen  der  breiten  Markstrahlen 
und  durch  weniger  dichtstehende  weite  Gefässe  des  Frühlingsholzes,  von  dem  Eschen- 
holz durch  die  im  Spätholz  in  feinen,    sich  gabelig  nach  aussen  verzweigenden  Zügen 
angeordneten  engen  Gefässe  verschieden.     Das  Holz  ist  schwer  (0,66)  hart,  leichtspaltig, 
zähbiegsam,  tragkräftig,   gerbstoffreich  und  von  ausserordentlicher  Dauer.     Das  Ver- 
breitungsgebiet  der  Edelkastanie   geht  durch   das   ganze  südliche  Europa  von 
Portugal  bis  Griechenland,  ausserdem  wächst  sie  in  den  Kaukasusländern  nnd  in  Nord- 
afrika.    Nach  Plinius  soll  sie  ca.  500  Jahre  vor  Christus  aus  dem  Orient  nach  Europa 
gekommen  sein,  was  bei  dem  massenhaften  Auftreten  derselben  in  Algerien  und  Spanien 
wenig  wahrscheinlich  erscheint.    Die  Nordgrenze  ihres  natürlichen  Verbreitungsbezirks 
läuft  nach  Willkomm  längs  der  Ränder  des  Jura  durch  die  Schweiz,  Südtirol,  Kämthen 
und  Steiermark  nach  Ungarn,   wo  sie  zum  Teil  grosse  Wälder  bildet,  ist  aber  schon 
seit  der  Römerzeit  erheblich  nach  Norden  erweitert,  namentlich  am  Mittel-  und  Ober- 
rhein (Elsass,  Rheinpfalz  etc.).     Als  Obstbaum  wird  sie  in  ganz  Süddeutschland  in  ge- 
eigneten Lagen  gebaut,  als  Zierbaum  geht  sie  bis  zum  südlichen  Skandinavien.  —  Hin- 
sichtlich der  Standortsansprüche  braucht  die  Edelkastanie  zu  freudigem  Ge- 
deihen tiefgründige,  lockere,  massig  frische  Böden;  nasse  Standorte  wie  flachgründiger 
Kalkboden  sagen  ihr  nicht  zu.     Zum  Reifen  ihrer  Früchte  verlangt  sie  als  treue  Be- 
gleiterin der  Weinrebe  ein  mildes,  warmes  Klima  und  eine  vor  Früh-  und  Spätfrösten 
geschützte  Lage.    Ihr  Lichtbedürfnis  ist,  entsprechend  dem  langsamen  Wuchs  im  ersten 
Jahrzehnt,  der  dichten  Krone  und  der  Fähigkeit,  dichte  stammreiche  Bestände  zu  bilden, 
ein  bescheidenes;    sie  nähert  sich  hierin  Schattenhölzem  wie   der  Buche  und  verträgt 
den  Seiten-  und  Schirmdruck  von  Kiefernstangenhölzem. 

2.  Castanea  americanaRafinesque,  die  am  er  ik  ani  seh  e  Kasta- 
nie,  von  der  unsrigen  durch  kleinere,  langspitzige  Früchte  und  überhängende, 


Die  Laubhölzer.     §  68.  319 

beim  Austreiben  nur  auf  den  Nerven  der  Unterseite  behaarte  Blätter  verschieden,  im 
atlantischen  Amerika  von  Maine  bis  Michigan  und  Carolina  heimisch,  mit  dem  Optimum 
auf  kräftigem  Gebirgsboden  im  Süden,  alljährlich  sehr  reichlich  fruchtend,  geht  nach 
Mayr  nach  Norden  soweit  wie  die  Eiche  und  zeigt  sich  dadurch  als  merklich  härter 
unserer  Kastanie  gegenüber,  so  dass  sie  in  Lagen,  in  welchen  zwar  noch  die  Eiche, 
aber  nicht  mehr  unsere  Edelkastanie  gedeiht,  für  Anbauversuche  empfehlenswert  erscheint. 

§  68.  Birkenartige  Laubhölzer  (Familie  Betulaceae.)  Von 
den  Fagaceen  durch  das  Fehlen  derCupula  und  den  zwei  fächerigen  Frucht- 
knoten unterschieden.  Blüten  meist  in  Dichasien,  diese  zu  Kätzchen  angeordnet. 
Die  Deck-  und  Vorblätter  der  weiblichen  Blüten  verwachsen  mit  einander.  Männ- 
liche Blüten  dem  Deckblatt  aufgewachsen,  mit  meist  gespaltenen  Staubblättern. 

1.  Trlbus  Coryleae. 

Männliche  Blüten  einzeln  dem  Deckblatt  aufgewachsen ,  ohne  Perigon, 
weibliche  Blüten  in  zweiblütigen  Dichasien  (die  Mittelblüte  fehlt !) ,  mit 
Perigon,  ihre  Vorblätter  samt  dem  Deckblatt  wachsen  der  Frucht  als  Hülle  an. 

L  Carpinus  Betulus  Linn6.  Weissbuche,  Hainbuche,  Horn- 
baum  (franz.  Charme).  Knospen  (in  der  Regel  n  u  r  Seitenknospen)  länglich  eiför- 
mig, über  der  kleinen,  drei  Gefässbündelspuren  enthaltenden  Blattnarbe,  dem  Zweige 
angedrückt,  mit  vielen  Knospenschuppen ;  an  kräftigen  Trieben  oft  noch  unterständige 
Beiknospen;  an  den  Grenzen  der  Jahrestriebe,  über  den  Narben  der  Knospenschuppen 
winzige  Kleinknospen.  Blätter  streng  zweizeilig  gestellt,  kurz  gestielt,  eiförmig  bis 
eilanzettlich,  am  Grunde  oft  schwach  herzförmig,  zugespitzt,  5 — 8  cm  lang,  3 — 4  cm 
breit,  am  Rande  scharf  doppelt  gesägt,  kahl,  anfangs  zwischen  den  10—15 
Seitennervenpaaren  gefaltet.  Männlich eKätzchen  rötlich-bleichgrün,  meist  sehr 
zahlreich,  3 — 5  cm  lang,  aus  grösseren  abst,ehenden  Knospen  vorjähriger  Triebe  ent- 
springend, schlaff  hängend;  männliche  Blüten  mit  7 — 11  tief  gespaltenen  Staub- 
blättern. Weibliche  Kätzchen  lockere  Aehren  an  den  Enden  diesjähri- 
ger Kurztriebe  bildend;  weibliche  Blüten  paarweise  in  den  Achseln  der  rel. 
grossen  Deckblätter,  jede  in  einer  dreizipfeligen,  zottig  behaarten  Hülle,  aus  der  nur 
die  beiden  roten  Narben  hervorsehen.  Fruchtstände  ansehnlich,  hängend,  mit 
3 — 4  cm  grossendreilappigen,  netzadrigen,  gelbbraunen,  einseitig  offenen 
Hüllen  am  Grunde  der  5 — 9  mm  langen,  bräunlichen,  zusammengedrückt  eiförmigen, 
von  dem  vertrockneten  Perigon  gekrönten  Nüsschen.  Ein  Hektoliter  Nüsschen  wiegt 
42— 50  Kilo;  ein  Kilo  enthält  24 000— 32 000  Nüsschen.  —  Die  Mannbarkeit  tritt 
zeitig  ein,  selbst  im  Schlüsse  schon  ums  20.  Jahr,  im  Freistand  und  bei  Stocklohden 
noch  früher.  Blütezeit  nach  dem  Laubausbruch,  im  Süden  Ende  April,  im  Norden 
im  Mai  und  selbst  (Ostpreussen)  Anfang  Juni.  Fruchtbarkeit  sehr  gross,  oft 
2 — 3  Jahre  nach  einander  volle  Samenjahre.  Samenreife  im  Oktober,  Abfall 
der  Früchte  bald  nach  dem  Laubfall,  mitunter  erst  im  nächsten  Frühjahr.  Keim- 
fähigkeit 60 — 70%.  Im  Herbste  ausgefallene  Früchte  keimen  zum  Teil  im  nächsten 
Frühjahr,  bei  Frühlingsaussaat  liegen  sie  bis  zum  nächsten  Jahre  über.  Keimung 
mit  oberirdischen,  verkehrt  eiförmigen  Cotyledonen  mit  pfeilförmiger  Basis;  folgende 
Blätter  typisch.  Wuchs  in  der  Jugend  sehr  langsam,  vom  5.  oder  6.  Jahre  zuneh- 
mend und  dann  kurze  Zeit  rascher  als  bei  der  Kotbuche  (mit  15  Jahren  bis  6  m,  nach 
3 — 4  Jahrzehnten  rasch  sinkend,  vom  50.— 60.  nur  noch  äusserst  gering,  mit  80 — 90 
(ausnahmsweise  120)  Jahren  abgeschlossen.  Im  allgemeinen  erreicht  die  Weissbuche 
nicht  über  20  m  Höhe  und  ca.  ^/2  m  Durchmesser ;  meist  wird  sie  mit  100 — 120  Jahi'en 
wipfeldürr  und  kernfaul,   selten  erreicht  sie  150  Jahre  und  mehr  und  eine  Stärke  bis 


1 


320  in.  Klein,  Porstbotanik. 

über  1  m.  Das  Ausschlagvermögen  ist,  der  reichen  Knospenentwickelnng 
entsprechend,  ungemein  gross  und  andaueiiid.  Der  Stamm  ist  auffallend  spann- 
rückig,  d.  h.  im  Querschnitt  nicht  rund,  sondern  aus-  und  einspringend,  oft  wie  aas 
schwächeren  Stämmen  verwachsen,  mit  unregelmässiger,  im  Freistande  tief  angesetzter, 
besentormiger,  breiter  Krone.  Die  Bewurzelung  ist  nach  Bodenbescbaffenheit  ver- 
schieden, in  lockerem  Boden  eine  mächtige  rübenförmige  Pfahlwurzel,  gewöhnlich  aber, 
namentlich  auf  flacherem  oder  stark  tonhaltigem  Boden  kräftige  weitstreichende  Seiten- 
wurzeln und  Herzwurzeln  und  ein  knolliger  Wurzelstock.  Das  gelblichweisse ,  harte, 
schwere ,  schwerspaltige  und  sehr  brennkräftige ,  zerstreutporige  Holz  zeigt 
zwischen  den  breiten  Markstrahlen  ausgebauchte  undeutliche  Jahi'ringgrenzen.  Die 
breiten  Markstrahlen  sind  wie  bei  Erle  und  Hasel  falsche  Markstrahlen, 
durch  Mangel  an  Glanz  und  scharfer  Begrenzung  von  den  breiten  Markstrahlen  der 
Rotbuche  verschieden,  aber  wie  diese  auf  dem  Kadialschnitt  Spiegel  bildend;  anato- 
misch zeigen  sich  die  falschen  Markstrahlen  aus  mehreren,  einander  sehr  genäherten 
schmalen  Markstrahlen,  zwischen  welchen  das  Holzgewebe  gefässfrei  ist,  zusanmien- 
gesetzt.  Rinde  Ijähriger  Zweige  olivgrün,  2-  und  Sjähriger  braunrot ;  ca.  vom  6.  Jahre 
an  beginnt  die  Qraufärbung.  Borkebildung  tritt  nicht  oder  in  höherem  Alter  nur  sehr 
unvollkommen,  wesentlich  durch  Längsrisse  auf. 

Der  Verbreitungsbezirk  der  Weissbuche  geht  vom  südwestlichen  Frank- 
reich bis  Persien,  nördlich  bis  zum  südlichen  England  und  durch  Dänemark  bis  Siid- 
schweden,  und  von  da  durch  das  südwestliche  Russland  bis  zur  Krim,  südlich  bis  Morea 
und  ganz  Italien.  Als  Baum  der  Ebenen  und  des  Hügellandes  steigt  sie  nirgends,  auch 
im  Süden  nicht,  weit  im  Gebirge  empor  (Harz  bis  gegen  400  m,  Karpathen  ca.  800  m, 
Alpen  ca.  900  m),  meist  eingesprengt  oder  in  kleinen  Beständen,  im  allg.  nur  in  Süd- 
westdeutschland geschlossene  Hochwaldbestände  bildend .  Ihre  Standortsansprüche 
sind  mittlere,  denen  der  Rotbuche  ähnlich ;  sie  gedeiht  am  besten  in  sandigem,  frischem 
Lehmboden,  gedeiht  aber  auch  auf  den  verschiedensten  Bodenarten,  wie  schwerem  Ton- 
boden, Kalkboden,  tiefgründigem  feuchtem  Sande  etc.,  dagegen  nicht  auf  Torfmoorboden. 
Die  W  ä  r  m  e  ansprüche  sind  massige  und  sie  gedeiht  noch  in  feuchtkalten  Lagen,  wo 
die  Rotbuche  versagt.  Ebenso  ist  ihr  Licht  bedarf  ein  geringer,  wie  die  Trägwüch- 
sigkeit  der  ersten  Jugend,  das  dichte  Laubdach,  der  bis  zu  höherem  Alter  gute  Be- 
standesschluss  und  ihre  Fähigkeit,  Schirmdruck  zu  ertragen,  andeuten.  Auf  schlechtem 
Standorte  nimmt  dagegen  das  Lichtbedürfnis  in  ziemlich  erheblichem  Masse  zu. 

Das  Variationsvermögen  ist  unbedeutend,  mehr  oder  weniger  tief  einge- 
schnittene Blätter  werden  mitunter  an  dem  gleichen  Baum  gefunden. 

2.  CarpinusduinensisScopoli  (syn.  orientalis  Lamarck.),  die  o  r  i  e  n  t  a- 
lische  Weissbuche  ist  die  einzige  von  den  12  Carpinusarten,  welche  ausser  Be- 
tulus  noch  im  Gebiet  vorkommt,  von  Italien  bis  Persien  verbreitet,  vertritt  unsere 
Weissbuche  im  Südosten  Europas.  In  der  adriatischen  Zone  Oesterreich-Üngams ,  in 
Croatien,  Slavonien,  im  Banat  und  in  Siebenbürgen  als  Strauch  oder  kleiner  Baum  mehr 
oder  weniger  häufig.  Von  der  gemeinen  Weissbuche,  der  sie  in  jeder  Hinsicht  sehr 
ähnlich  ist,  unterscheidet  sie  sich  durch  kleinere,  nur  bis  5  cm  lange  und  halb  so 
breite  Blätter,  nicht  dreilappige,  unsymmetrische,  spitzeiförmige,  am 
Rande  gesägte  Fruchthüllen  von  nur  1^2 — 2  cm  Länge  und  kleinere  (bis 
5  mm),  schon  im  Sommer  reifende  Nüsschen. 

§  69.  Ostrya  vulgaris  Willdenow,  die  Hopfenbuche  ist  gleich- 
falls ein  südeuropäischer  kleiner  Baum  (selten  bis  17  m  und  100  Jahre),  von  den  Py- 
renäen bis  Kleinasien,  nordwärts  bis  zur  südlichen  Schweiz,  Südtirol  und  dem  südlichen 
Steiermark  verbreitet,  wo  sie  mit  Vorliebe  an  felsigen  Orten  wächst ;  in  Mitteldeutsch- 


Die  Laubhölzer.     §  69.  321 

land  häufig  als  Zierbanm.  Blätter  denen  der  Weissbuche  ähnlich,  aber  schlanker 
zugespitzt  und  reicher  an  Seitennerven  (13 — 17  und  mehr!).  Knospen  seit- 
lich abstehend.  Männliche  Kätzchen  am  Ende  der  Langtriebe,  geschlos- 
sen  überwinternd,  aufgeblüht  2 — 3m al  so  lang,  wie  diejenigen  der  Weissbuche. 
Weibliche  Blüten  paarweise,  jede  von  einer  sackartigen  Hülle  umgeben, 
die  sich  bis  zu  der  schon  im  Jali  erfolgenden  Fruchtreife  stark  vergrössert  und  dem 
ganzen  Fruchtstand  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  demjenigen  der  Hopfenpflanze,  der 
sog.  „Hopfendolde"  verleiht. 

1.  Corylus  avellana  Linn^.  Gemeine  Hasel,  Haselnuss,  franz. 
Coudrier,  Noisetier.  Knospen  eiförmig  oder  kugelig,  mit  mehreren  Schuppen,  über 
der  fünf  Grefässbündelspuren  enthaltenden  Blattnarbe  etwas  abstehend.  Blätter 
kurzgestielt,  verkehrt  eiförmig,  rundlich,  gespitzt,  bis  12  cm  lang,  8  cm  breit,  am  Kande 
meist  scharf  doppelt  gesägt,  nebst  den  Blattstielen  drüsig  behaart,  an  kräftigen  Trieben 
ringsum,  an  schwächeren  zweizeilig  gestellt.  Junge  Triebe  oft  auffallend  drüsig 
rotborstig,  ohne  echte  Gipfelknospe.  Männliche  Kätzchen  schon  im  Som- 
mer vor  der  Blütezeit  völlig  entwickelt  und  geschlossen  überwinternd,  meist  zu  2 — 4 
an  blattlosen,  oft  Knospen  tragenden  Kurztrieben  am  Ende  vorjähriger  Zweige,  aufge- 
blüht 3 — 5  cm  lang ;  männliche  Blüten  sehr  dicht,  mit  je  4  tiefgeteilten  Staub- 
blättern. Weibliche  Kätzchen  in  Knospen  eingeschlossen,  aus  denen  zur  Blüte- 
zeit nur  ein  Büschel  karminroter  Narben  hervorsteht.  Die  Vorblätter  der  weiblichen 
Blüte  bilden  an  deren  Grunde  ein  kleines,  mehrzipfeliges  Gebilde,  das  später  derbreit 
eirunden,  braunen  Haselnuss  als  die  bekannte,  grüne,  am  Rande  in  kurze  breite 
Zipfel  zerschlitzte  Hülle  anwächst.  Mannbarkeit  mit  dem  10.  Jahre,  bei  Stock- 
und  Wurzellohden  schon  mit  wenigen  Jahren.  Blütezeit  einige  Wochen  vor  dem 
Laubausbruch ,  mitunter  schon  Anfang  Februar.  Samenreife  und  -Ausfallen  im 
Herbst.  Samenjahre  sehr  häufig  (auf  7  Ernten  1—2  Fehljahre).  Keimung 
unterirdisch,  bei  Frühjahrsaussaat  erst  im  2.  Jahre.  1jährige  Pflanze  klein,  etwa 
fingerlang,  mit  typischen  Blättern,  Wuchs  bis  zum  6.  Jahre  gering,  dann  rasch; 
Wuchsform  meist  strauchig  (3 — 5  m),  selten  kleine  Bäumchen  (bis  7  m),  bei  Stocklohden 
viel  rascher,  in  20  Jahren  bis  6^/2  m.  Nicht  selten  bilden  sich  schon  vor  dem  Abtrieb 
tief  unten  am  Stamm  Stocklohden,  die  zum  Teil  eine  kurze  Strecke  unter  dem  Boden 
hinlaufen,  ehe  sie  sich  als  „natürliche  Absenker **  aufrichten  und  bewurzeln.  Lebens- 
dauer als  Kulturstamm  60 — 80  Jahre,  im  Walde  noch  kürzer.  Ausschlagver- 
mögen unverwüstlich.  Bewurzelung  bis  zum  3.  Jahre  Pfahlwurzel,  dann  zahl- 
reiche flachstreichende  Seitenwurzeln,  die  nach  Hartig  zuweilen  Wurzelbrut  entwickeln. 
Rinde  glänzend  rötlichgrau  mit  braunen  Lenticellen,  ohne  Borke.  Holz  zerstreut- 
porig, ziemlich  weich,  gut  spaltbar,  von  geringer  Dauer,  rötlich  wie  bei  Fagus,  mit 
kreisrunder  Jahrringgrenze ;  falsche  breite  Markstrahlen  wie  bei  Carpinus ; 
spärliche  Markflecke  wie  bei  den  Erlen.  Gefässe  in  Radialreihen,  mit  leiterförmig 
durchbrochenen  Querwänden.  Das  Verbreitungsgebiet  der  Hasel  erstreckt  sich 
über  ganz  Europa  mit  Ausnahme  des  äussersten  Westens  und  hohen  Nordens,  ausser- 
dem über  Kleinasien  und  Algerien.  Ihre  Standortsansprüche  ähneln  denjenigen 
der  Stieleiche,  sie  gedeiht  auf  den  verschiedenartigsten  Bodenarten,  armen  Sand-  und 
Sumpfboden  ausgenommen;  ziemlich  lichtbedürftig,  aber  einige  Beschattung  ertragend, 
wächst  sie  als  Lückenbüsser  im  Niederwald,  als  Unterholz  im  Mittel wald,  als  Boden- 
schutzholz im  Eichenhochwald. 

Die  zahlreichen  Spielarten  der  Hasel,  vornehmlich  nach  Gestalt,  Grösse  und  Fär- 
bung der  Nuss,  aber  auch  nach  der  Gestalt  der  Blätter  und  Fruchthüllen  verschieden, 
haben  nur  gärtnerisches  Interesse. 

Handbuch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  21 


322  III.  Klein,  Forstbotanik. 

2.  Corylns  Co  lurna  Linn^,  d i e  B a n m h a s e  1 ,  vom  südlichen  Ungarn,  wo 
sie  in  der  Bergregion  ganze  Waldbestände  bildet,  durch  die  Donauländer  bis  Klein- 
asien verbreitet,  aber  auch  in  nördlichen  Gegenden  angepflanzt,  unterscheidet  sich  vor 
allem  durch  ihre  sehr  grossen  2 — 4  cm  langen,  bis  unter  die  Mitte  in  viele  lange 
und  schmale,  vereinzelt  grob  gezähnte,  hin  und  her  gebogeneZipfel  zer- 
schlitzte Fruchthülle,  über  10  cm  lange  Kätzchen  und  allmählich  zugespitzte 
Blätter,  deren  unterstes  Seitennervenpaar  nach  der  Abzweigung  vom  Mittelnerv  auf 
eine  kurze  Strecke  in  der  herzförmigen  Basis  hart  am  Blattrande  verläuft.  —  Sie 
bildet  bis  12  m  hohe  und  V^  ™  starke  gerade  Stämme  mit  geschlossener  Krone,  deren 
Alter  100  Jahre  in  der  Regel  nicht  überschreitet. 

3.  Corylus  tubulosa  Willdenow  (syn.  maxim  a  Miller.)  Lamberts- 
hasel, Lambertsnuss.  Wild  in  Istrien ,  im  Banat  und  weiter  östlich  in  den 
Balkanländern,  in  Süd-  und  Mitteldeutschland  vielfach  angebaut.  Ihre  Fruchthüllen 
umschliessen  die  ganze,  bis  gegen  3  cm  grosse,  länglich  eiförmige  Nu s s ,  sind 
über  dem  Scheitel  derselben  etwas  verengt  und  dann  in  zwei  breite,  gewöhnlich  zu- 
sammenneigende Lappen  zerschlitzt.    Grossstrauch  von  7 — 10  m  Höhe. 

2.  Tribus.    Betuleae. 

§70.  Männliche  Blüten  mit  Perigon,  in  dreiblütigen  Dichasien  der  Deck- 
schuppe aufgewachsen ;  weibliche  Blüten  ohne  Perigon,  ihre  Vorblätter  verwach- 
sen mit  der  Deckschuppe  zu  einer  3-  oder  51appigen  Schuppe,  welche  die  Früchte  nur 
von  aussen  deckt  und  nicht  mit  ihnen  verwächst.  Zweige  ohne  Endknospe.  Mark 
3eckig. 

Birke.     Betula  (franz.  Bouleau). 

Knospen  sitzend,  klein,  mit  wenigen  Schuppen,  stumpf  bis  spitzeiformig. 
Männliche  Kätzchen  an  der  Spitze  vorjähriger  Triebe  geschlossen  übervnntemd 
(bei  den  Strauchbirken  aber  in  Knospen  eingeschlossen).  Männliche  Blüten  mit 
je  2,  tief  2spaltigen  Staubblättern,  daher  auf  jeder  Deckschuppe  scheinbar  12.  Weib- 
liche Kätzchen  während  des  Winters  in  Knospen  verborgen,  im  Frühjahr  auf  der 
Spitze  wenigblättriger ,  diesjähriger  Kurztriebe.  Tragblätter  der  drei  blutigen 
Dichasien  deutlich  dreilappig,  häutig  bleibend  und  mit  den  flachen,  zart- 
häutig geflügelten  Nüsschen  abfallend.  Ca.  35  zum  Teil  schwierig  zu 
unterscheidende  Arten. 

1.  Betula  verrucosa  Ehrhart.  Gemeine  Birke,  Weissbirke, 
Eauhbirke,  Harzbirke.  (Syn.  B.  alba  L.  zum  Teil,  pendula  Roth)  nicht 
selten  mit  der  folgenden  Art  verwechselt,  mit  der  sie  durch  Zwischenformen  bezw. 
Bastarde  verbunden  ist.  Bei  der  typischen  Form  sind  Knospen,  junge  Triebe 
und  Blätter  in  der  Jugend  klebrig,  durch  zahlreiche  Wachsharzdrüsen,  die 
später  zu  weisslichen  Schüppchen  eintrocknen.  Blätter  in  der  ersten  Jugend  spär- 
lich behaart,  später  nebst  den  Trieben  völlig  kahl,  dünn,  rhombisch  eiförmig 
bis  dreieckig,  lang  zugespitzt,  am  Grunde  meist  keilförmig  oder  gerade  abgeschnitten, 
am  Rande  scharf  doppelt  gesägt,  3^/2 — 7  cm  lang,  mit  halb  so  langem  Stiel.  Männ- 
licheKätzchen  mit  bräunlichen  Deckschuppen,  ungestielt,  zu  2 — 3,  hän- 
gend, 4—6  cm  lang.  WeiblicheKätzchen  zur  Blütezeit  schlank,  aufrecht,  grün, 
ca.  2  cm  lang ;  Fruchtzäpfchen  braun,  langgestielt,  dickwalzig,  1  Va — 3  cm  lang, 
meist  hängend.  Fruchtschuppen  mit  kleinem  gerundetem  Mittellap- 
pen und  grossen,  breiten,  fast  rechtwinkelig  abgespreizten  Sei- 
tenlappen.   Nüsschen  ca.  2  mm  gross,  verkehrt  eiförmig,  von  den  2  borstigen 


Die  Laubhölzer.     §  70.  323 

Griffeln  gekrönt,  mit  2 — 3malso  breiten,  dünnen  Flügelrändern,  welche 
oben  meist  bis  über  die  Griffel  emporragen.  1  Hektoliter  Nüsschen 
wiegt  8—10  Küo;  1  Kilo  enthält  1600000—1900000  Nüsschen.  —  Eintritt  der 
Mannbarkeit  bei  freiem  Stand  im  10. — 15.  Jahr,  im  Schluss  im  20. — 30.  Reiche 
Samenjahre  ca.  alle  3  Jahre.  Blütezeit  einige  Tage  nach  dem  Laubausbrach,  je 
nach  Klima  und  Lage  Ende  März  bis  Mai.  Fruchtreife,  der  Blütezeit  entsprechend, 
von  Juni  bis  August  und  bald  nachher  beginnt  das  Abfliegen  der  Nüsschen  und  Deck- 
schuppen von  der  stehen  bleibenden  Spindel,  das  sich  zum  Teil  über  den  ganzen  Winter 
hinziehen  kann.  Keimfähigkeit  15 — 20%.  Dauer  der  Keimkraft  V^ — 1 
Jahr.  Die  im  Juli  abfliegenden  Nüsschen  keimen  nach  2  —  3  Wochen  und  das  junge  Keim- 
pflänzchen  kann  noch  im  gleichen  Jahre  seinen  ersten  Höhentrieb  vollenden.  Keimung 
nach  Frühjahrssaat,  wenn  überhaupt  noch,  nach  4 — 5  Wochen  mit  2  winzigen  eiförmi- 
gen Cotyledonen  und  fast  31appigen  Erstlingsblättern.  Höhenwuchs  bis  zum  5. 
oder  6.  Jahre  gering,  ca.  30  cm,  dann  ausserordentlich  rasch,  bis  zum  15.  oder  20.  Jahre 
jährlich  bis  zu  ^/a  und  selbst  1  m,  hierauf  abnehmend  und  mit  dem  50.— 60.  Jahre 
und  einer  Maximalhöhe  von  25 — 28  m  abgeschlossen,  während  das  Dickenwachstum  bis 
zum  ca.  80.  Jahre  noch  nennenswert  bleibt  (40—60  cm  Gesamtdurchmesser).  Das  Alter 
der  Birke  geht  im  gesunden  Zustand  selten  über  90—100  (120)  Jahre  hinaus.  Die 
Verzweigung  besteht  aus  schwachen,  anfangs  besenförmig  aufgerichteten,  später 
mit  zahlreichen  dünnen  Langtrieben  überhängenden  Aesten.  Stämme  schlank ,  im 
Stangenholzalter  glänzend  weiss,  mit  einem  aus  abwechselnd  dünn-  und  dickwandigen 
Lagen  gebildeten  Periderm,  das  sich  in  dünnen  Blättern  abschilfert,  in  höherem  Alter 
mit  einer  tiefrissigen,  mächtigen,  schwärzlichen,  an  Steinzellnestern  reichen,  bastfaser- 
freien Steinborke,  die  bis  zur  Basis  der  ältesten  Aeste  hinaufreicht.  Die  Bewurze- 
lung  besteht  anfänglich  aus  einer  reichverzweigten  Pfahlwurzel  von  der  Länge  des 
Stämmchens,  vom  6. — 8.  Jahre  an  aus  einem  knolligen  Wurzelstock  mit  je  nach 
Standort  mehr  flach  und  nicht  sehr  weitstreichenden  Seitenwurzeln,  bezw.  einigen  schief 
abwärtsdringenden  Herzwurzeln.  Am  Wurzelstock  bilden  sich  schon  in  den  ersten 
Jahren  eigentümlicheKnospen,  deren  weitere  Vermehrung  Maserwuchs  bedingt 
und  aus  welchen  der  Stockausschlag  der  Birke  vornehmlich  her- 
vorgeht, während  die  sonstige  Reproduktionskraft  der  Birke  gering  ist.  Die  Blät- 
ter der  Stocklohden  sind  viel  grösser,  oft  herzförmig,  tiefer  gesägt  und  selbst  gelappt, 
bis  10  cm  lang,  weichbehaart.  Holz  gelblich-  oder  rötlichweiss,  ohne  sichtbare  Mark- 
strahlen, mittelschwer  (0,65)  und  -hart,  sehr  schwerspaltig,  elastisch,  fest  und  brenn- 
kräftig,  aber  von  sehr  geringer  Dauer.  Anatomisch  ist  es  durch  Markflecke  wie 
bei  den  Erlen  (besonders  im  Innern  Holzkörper)  und  die  zu  2 — 4  in  radialen  Gruppen 
vereinten  Gefässe  charakterisiert.  Das  Verbreitungsgebiet  der  gemeinen  Birke 
reicht  über  den  grössten  Teil  Europas  vom  nördlichen  Spanien,  dem  Rhodopegebirge 
der  Balkanhalbinsel  und  von  Sizilien  bis  zum  65^  in  Schweden.  Innerhalb  dieses  Ge- 
biets tritt  sie  vorwiegend  vereinzelt  oder  hörst  weise  auf,  nur  in  den  Ostseeprovinzen 
und  im  mittleren  Russland  bildet  sie  teils  allein,  teils  mit  Weisserle,  Aspe  und  Kiefer 
ausgedehnte  Bestände.  Ausserhalb  Europas  ist  sie  in  den  Kaukasusländern  und  im 
mittleren  und  nördlichen  Asien  verbreitet.  Im  Gebirge  steigt  die  gemeine  Birke  hoch 
empor,  in  Norwegen  bis  ca.  ^i^)  ra,  im  Harz  und  Erzgebirge  und  bayrischen  Wald  bis 
gegen  1000  m,  in  den  Alpen  und  der  hohen  Tatra  bis  ca.  1500  m,  in  den  Pyrenäen 
und  am  Aetna  bis  ca.  2000  m.  Ihre  Standortsansprüche  sind  bezüglich  Wärme, 
Feuchtigkeit  und  Nährkraft  des  Bodens  bescheidene,  nur  reine  Kalk-  und  saure 
Moorböden  werden  von  ihr  gemieden ,  dagegen  ist  ihr  Lichtbedürfnis  dem  der 
Lärche  ähnlich  und  am   grössten  von  allen  Laubhölzern,   was   sich  trotz 

21* 


324  m.  Klein,  Forstbotanik. 

der  Trägwüchsigkeit  in  der  ersten  Jagend  dnrch  die  ungewöhnlich  lockere  Krone,  die 
senkrecht  herabhängenden  Blätter,  die  Unfähigkeit,  Schirm-  und  Seitendruck,  selbst 
der  eigenen  Art  zu  ertragen,  und  die  sehr  frühzeitige  starke  Verlichtung  reiner  Birken- 
bestände, sowie  ihre  Vorliebe  für  sonnige  Süd-  und  Ostlagen,  besonders  an  Waldran- 
dern, verrät. 

2.  Betula  pubescens  Ehrhart.  Ruchbirke,  Haarbirke,  Bruchbirke, 
nordische  Weissbirke  (syn.  alba  Linn6  zum  grösseren  Teil,  odorata  Bechstein),  der  ge- 
meinen Birke  in  jeder  Beziehung  sehr  nahestehend  und  typisch  von  ihr  durch  fol- 
gende Kennzeichen  unterschieden:  Junge  Triebe  und  Blätter  ohne  Wachs- 
harzabsonderung, anfangs  balsamisch  duftend  und  mehr  oder  minder  auf- 
fällig behaart,  später  meist  kahl,  Blätter  derber,  kürzer  gespitzt,  Frucht- 
schuppen stärker  bewimpert,  mit  längerem,  spitzem  Mittellappen 
und  eckigen,  gleichsam  gestutzten,  Seitenlappen.  Flügel  der 
Frucht  etwa  bis  IVamal  so  breit  als  die  Nuss,  nach  oben  gar  nicht 
oder  nur  bis  zur  Basis  der  Narbenarme  vorragend.  Wuchs  sperriger, 
häutig  strauchartig ;  Aeste  weniger  überhängend.  Borke  schwächer,  nie  so  hoch  am 
Stamm  emporreichend,  wie  bei  der  gemeinen  Birke.  Das  Verbreitungsgebiet 
der  Rnchbirke  lunfasst  ganz  Mittel-  und  Nordeuropa  (bis  zum  Nordkap)  und  einen  be- 
deutenden Teil  des  nördlichen  Asien.  Im  nördlichen  Drittel  ihres  Gebiets  ist  sie  allein 
herrschend,  bestandbildend  vorzugsweise  im  Nordosten,  in  Deutschland  nur  noch  in 
Ostpreussen,  weiter  westlich  und  südlich  nur  noch  vereinzelt  oder  horstweise,  besonders 
auf  Moorboden.  Südlich  der  Alpen  und  Karpathen  fehlt  sie.  Im  Grebirge  steigt  sie 
höher  empor  als  die  gemeine  Birke.  Sie  beansprucht  durchaus  einen  anhaltend  feuchten 
Boden  oder  ein  während  der  Vegetationsperiode  nebel-  und  regenreiches  Klima  und 
gedeiht  am  besten,  wo  beides  gleichzeitig  vorhanden  ist  (Erlenbrüche  Norddeutschlands). 
Hinsichtlich  der  Boden  tiefe  ist  sie  sehr  genügsam  und  zeigt  eine  viel  grössere 
Neigung  zu  Stockausschlägen,  als  die  gemeine  Birke.  Die  Variationsfähigkeit 
der  Ruchbirke  ist  unter  allen  Baumbirken  am  grössten,  derjenigen  der  Bergkiefer  ver- 
gleichbar !  Hält  es  schon  schwer,  Betula  verrucosa  und  pubescens  auseinander  zu  halten, 
so  ist  eine  scharfe  Sonderung  der  durch  viele  Zwischenformen  verbundenen  zahllosen 
Formen  der  Ruchbirke  derzeit  kaum  möglich,  zumal  auch  Boden  und  Klima  vielfach 
formbestimmend  wirken. 

Als  forstlich  unbedeutende  Kleinsträucher  kommen  bei  uns  noch  zwei  Ver- 
treter der  echten  „Strauchbirken"  vor,  ausgezeichnet  durch  kleine,  unterseits 
hellgrüne,  auffallend  netzaderige  Blätter,  aufrechte  oder  nur  wenig  über- 
hängende männliche  Kätzchen,  aufrechte  Fruchtzäpfchen  und  sehr 
schmal  geflügelte  Früchte. 

3.  Betula  humilis  Schrank,  die  gemeine  Strauchbirke  (syn. 
fruticosa  Autorum),  selten  über  1  m  hoch,  ist  bei  uns  auf  Torfmoore  am  Nordrand  der 
Alpenkette,  Galiziens,  Siebenbürgens  und  Norddeutschlands  beschränkt.  Junge  Triebe 
mit  Wachsharzabsonderung.  Blätter  rundlich  -  eiförmig ,  beiderseits  verschmälert, 
kurz  gestielt.  V/z — 3  cm  lang,  am  Rande  scharf  gesägt.  Fruchtzäpfchen  1( — l^a)  cm 
lang;  Deckschuppen  ähnlich  wie  bei  pubescens,  aber  tiefer  Steilig  und  Mittellappen 
grösser. 

4.  Betula  nana  Linn6,  die  Zwergbirke,  30 — 60  cm  hoch,  in  den 
Torfmooren  der  Alpen  und  mitteldeutschen  Gebirge,  hauptsächlich  aber  in  Nord- 
europa und  Nordasien  heimisch,  hat  nahezu  kreisrunde,  6 — 12  mm  lange,  am  Band 
kerbzähnige  Blättchen,  Triebe  ohne  Wachsharzaussonderung  und  ungeteilte 
oder  3spaltige  Deckschuppen  mit  gleich  grossen  runden  Zipfeln. 


Die  Laubhölzer.     §  71.  325 

5.  Betula  lenta  Linn^,  die  Hainbirke,  anf  Flnssniedernngen  und  an 
Berghängen  des  östlichen  Nordamerika  nach  Mayr  Bäume  von  durchschnittlich  25  m 
Höhe  bildend,  deren  wertvolles  Holz  durch  das  hohe  spez.  Gewicht  0,76  und  deutlichen 
braunen  Kern  ausgezeichnet  ist,  hat  kahle  junge  Triebe  und  ist  durch  die  unserer 
Weissbuche  sehr  ähnlichen,  5 — 7  cm  langen  Blätter  mit  zahlreichen 
Seitennervenpaaren  und  die  erst  im  Fmhjahr  abfallenden,  mit  3  gleich  ge- 
formten Lappen  versehenen  Fruchtschuppen  von  unsern  einheimischen  Birken  sofort  zu 
unterscheiden.  Seit  einigen  Jahrzehnten  ist  sie  mit  bestem  Erfolg  zu  Anbauversuchen 
in  Deutschland  herangezogen  worden,  ist  nach  Schwappach  vollständig  frosthart,  ver- 
langt zu  gutem  Ghedeihen  einen  ziemlich  guten,  frischen  und  tiefgründigen  Boden,  wo 
sie  schon  im  ersten  Jahre  eine  mit  reichlichen  Seitenwurzeln  versehene,  ziemlich  lange 
Pfahlwurzel  entwickelt.  Strenger,  nasser,  ebenso  auch  armer  und  trockener  Boden 
sind  ungeeignet  für  sie.  Höhenwuchs  im  ersten  Jahre  gering,  7 — 10  cm,  dann  rasch 
zunehmend  und  schon  mit  8  Jahren  ca.  4  m  erreichend.  Entschiedene  Lichtholzart. 
In  der  Jugend  gegen  anhaltende  Dürre  empfindlich. 

Brie.     Alnus  (franz.  Aulne). 

§71.  Knospen  meist  gestielt,  mit  2 — 3  dickwandigen  Knospenschuppen, 
von  denen  die  äussere  die  andern  umfasst.  Männliche  Blüten  mit  je  4  Staubgefässen, 
wie  bei  den  Birken  in  Kätzchen.  Tragblätter  der  zweiblütigen  weiblichen  Di- 
chasien  undeutlich  fünf  lappig,  bis  zur  Reife  stark  verholzend,  sperrig  sich 
öffnend  und  nach  dem  Ausfall  der  meist  ungeflügelten  Nüsschen  an  der  Kätzchenspindel 
stehen  bleibend.  —  14  Arten. 

1.  Alnus  glutinosa  Gärtner.  Schwarzerle,  Roterle,  Eller. 
Gestielte  Knospen  und  junge  Triebe  sehr  klebrig.  Blätter  dunkel- 
grün, rundlich  oder  verkehrt-eiförmig,  abgestumpft  oder  an  der  Spitze  eingebuchtet, 
am  Grunde  keilig,  am  Rande  ungleich  oder  seichtlappig,  doppelt  klein-ge- 
kerbt-gesägt ,  kahl  bis  auf,  meist  rostgelbe,  Haarbüschel  in  den  Aderwinkeln  der 
Unterseite,  4 — 9  cm  lang.  Männliche  und  weibliche  Kätzchen  (lang)  g e- 
stielt,  schon  im  Sommer  entwickelt,  anfangs  grün,  im  Herbste  violettbraun  und  frei 
überwinternd;  die  männlichen  zu  mehreren  am  Ende  junger  Triebe,  worauf  die 
weiblichen  nach  unten  folgen;  männliche  Kätzchen  beim  Auf  blühen  5— 10  cm  lang,  mit 
violett-  oder  rotbraunen  Deckschuppen  und  gelben  Staubbeuteln ;  an  den  kleinen  (3 — 4  mm), 
eiförmigen  weiblichen  Kätzchen  treten  zur  Blütezeit  nur  die  roten  Narben  zwischen 
den  Deckschuppen  hervor.  Fruchtzapfen  1 — 2  cm  lang,  jung  grün  und  klebrig, 
reif  dunkelbraun.  Nüsschen  flach,  2 — 4  mm  lang,  im  Umriss  rundlich  bis  5eckig, 
rötlichbraun,  ungeflügelt  oder  mit  schmalem,  undurchsichtigem  Saum.  1  Hektoliter 
Niisschen  wiegt  28—35  Kilo;  1  Kilo  enthält  ca.  600000—1000000  Früchte.  —  Eintritt 
der  Mannbarkeit  nach  Boden  und  Klima  verschieden,  im  Freistande  zwischen  dem 
12.  und  20.  Jahr,  im  Schluss  meist  nicht  vor  dem  40.  Blütezeit  je  nach  Klima 
und  Lage  Ende  Februar  bis  Anfang  Mai,  stets  einige  (2—5)  Wochen  vor  dem  Laub- 
ausbruch. Samenreife  im  September  oder  Oktober ;  Ausfliegen  oft  noch  im 
Herbst,  meist  aber  erst  im  Februar  und  März  des  nächsten  Jahres ;  Keimfähigkeit 
25 — 35°/o;  Dauer  der  Keimkraft  bis  3  Jahre  (bei  aus  dem  Wasser  gefischtem 
Samen  höchstens  V^  Jahr).  Auflaufen  bei  Frühjahr ssaat  nach  4 — 5  (6)  Wochen 
mit  zwei  kleinen,  oberirdischen,  eiförmigen  Cotyledonen,  auf  welche  sägezähnige  Erst- 
lingsbl^tter  folgen.  Das  Pflänzchen  erreicht  schon  im  1.  Jahre  Handlänge,  wächst 
dann  sehr  rasch,  bis  etwa  zum  6.  Jahr  (bis  1  m  pro  Jahr),  dann  bis  zum  20.  Jahr 
durchschnittlich  noch  ^/z — 7*  ™j  worauf,  bei  beginnender  Mannbarkeit,  der  Höhenwuchs 


326  III.  Klein,  Forstbotanik. 

erlahmt  und  die  Krone  sich  abwölbt.  Gesamthöhe  selten  über  20  m  (ausnahms- 
weise bis  über  33  m),  Stärke  selten  Va  m  überschreitend.  Alter  gewöhnlich  nicht 
höher  als  100—120  Jahre.  Der  Stamm  reicht  wie  bei  den  Nadelhölzern  gewöhnlich 
bis  in  den  Gipfel,  ist  sehr  vollkommen  geformt,  und  trägt  meist  wagrechte,  weit  aus- 
greifende, ziemlich  schwache  Aeste  mit  lockerer  Belaubung.  Das  Ausschlagver- 
mögen ist  gross  und  anhaltend,  die  Stocklohden  zeigen  ein  sehr  rasches  und  andauern- 
des Wachstum,  anfönglich  bis  13  cm  grosse  Blätter  und  grosse  Neigung  zur  Johannis- 
triebbildung.  Wurzelbrut  wird  n  i  e  entwickelt  und  die  Stockausschläge  erst  nach 
Abhieb  des  Stammes.  Die  Bewurzelung  ist  sehr  anpassungsfähig  an  die  Standorts- 
verhältnisse, in  tiefgründigem  lockerem  Boden  aus  mehreren  tief  eindringenden  Herz- 
wurzeln, die  sich  erst  im  Untergrund  verzweigen,  in  trockenem  flachgründigem,  wie 
auch  auf  nassem  Bruch-Boden  aus  kurzen  Herzwurzeln  und  zahlreichen  flach-  und  weit- 
streichenden Seitenwurzeln.  Eine  allgemeine  Erscheinung  an  Erlenwurzeln  sind  die 
durch  den  Pilz  Frankia  alni  hervorgerufenen,  bis  faustgrossen  knolligen  oder  korallen- 
förmig  verzweigten  Wurzelanschwellungen,  deren  biologische  Verhältnisse  noch  nicht 
völlig  geklärt  sind.  Die  Rinde  im  1.  Jahr  grünlich-,  in  der  Folge  dunkelchocolade- 
braun,  im  Alter  eine  schwarzbraune  Tafelborke  entwickelnd.  Das  zerstreutporige  Holz 
ohne  gefärbten  Kern,  beim  Fällen  weisslich,  färbt  sich  an  der  Luft  alsbald  tief  gelb- 
rot, ist  wenig  elastisch  und  tragkräftig,  weich,  gut  spaltbar,  vom  spez.  Ge\^acht  0,53, 
sehr  wenig  brennkräftig,  sehr  vergänglich,  bei  stet  er  Berührung 
mitWasser  aber  sehr  dauerhaft;  anatomisch  ist  es  durch  falsche,  breite 
Markstrahlen  (wie  Carpinus)  und  durch  häufige  Mark  flecke  ausgezeichnet,  kleme 
rötlichbraune  Fleckchen,  welche  sich  in  jungen  Stangen  oder  im  Innern  stärkerer  Hölzer 
finden  und  welche  die  später  mit  rundlichen  Zellen  nach  Art  der  Thyllen- 
bildung  ausgefüllten  Frassgänge  gewisser  in  den  jüngsten  Holzschichten  lebenden  Flie- 
genlarven (Tipula)  darstellen. 

Das  Verbreitungsgebiet  der  Schwarzerle  erstreckt  sich  über  ganz  Europa 
bis  zum  62^2®  n.  Br.  in  Norwegen;  ausserdem  kommt  sie  noch  in  Sibirien  und  m 
Nordwestafrika  vor.  Als  Hauptholzart  der  Bach-  und  Flussufer  sowie 
des  Bruchbodens  ist  sie  allenthalben  auf  geeigneten  Standorten  verbreitet ,  be- 
standbildend namentlich  in  Norddeutschland  und  im  mittleren  Hussland.  Im  Gebirge 
geht  sie  selbst  im  Süden  nirgends  erheblich  weit  in  die  Höhe  (in  Norwegen  bis  300, 
im  Harz  und  Erzgebirge  bis  600  m,  in  den  bayrischen  Alpen  bis  800,  in  den  Central- 
alpen  selten  über  1000  etc.).  Die  Schwarzerle  verträgt  von  all  unseren  Holz- 
arten die  meiste  Bodenfeuchtigkeit,  verlangt  aber  zu  üppigem  Gedeihen 
Riesel-,  nicht  Stauwasser,  in  dem  sie  weniger  gut  gedeiht,  und  stellt  hohe  Ansprüche 
an  die  Tiefgründigkeit  des  Bodens;  auf  flachgründigen ,  wenn  auch  feuchten 
Standorten,  wii*d  sie  frühzeitig  wipfeldürr.  Ebenso  ist  ihr  ein  höheres  Mass  von  Luft- 
feuchtigkeit förderlich.  Reine  Sand-  oder  Kalkböden  sagen  ihr  nicht  zu.  Ihre  Ansprüche 
an  die  Milde  des  Klimas  sind  sehr  bescheiden.  Hinsichtlich  ihres  Lichtbedürfnisses  ist 
sie  noch  zu  den  Lichtholzarten  zu  rechnen. 

2.  Alnus  incana  Willdeno  w,  die  Weis serle,  Grauerle,  ist  dnrch 
folgende  Merkmale  leicht  zu  unterscheiden:  Knospen  behaart,  junge  Triebe  dicht 
flaumig,  ebenso  wie  die  Blätter  nie  klebrig.  Blätter  in  der  Jugend  dicht  graufilzi^, 
später  oberseits  dunkelgrün,  fast  kahl,  unterseits  graugrün  und  mehr  oder 
weniger  behaart,  eiförmig  zugespitzt,  am  Rande  scharf  doppelt  gesägt. 
Weibliche  Kätzchen  sehr  kurz  gestielt,  ihre  Tragzweige,  ebenso  wie  die  der  männ- 
lichen, dicht  flaumhaarig.  Nüsschen  etwas  grösser  mit  dünnem,  dunklem  Rand,  teils 
hell-,    teils   dunkelbraun.    1  Hektoliter  Nüsschen  wiegt  21 — 23  Kilo.     1  Kilo   enthält 


Die  Laubhölzer.     §  71.  327 

600000— 700000  Nüsschen.  Keimfähigkeit  ca.  257o.  Die  Mannbarkeit  tritt  früher 
ein,  im  Freistand  schon  mit  15  Jahren.  Die  Blütezeit  fällt  etwa  3  Wochen  früher. 
Der  Wuchs  ist  weniger  stattlich,  die  Krone  weniger  gegliedert,  die  Aeste  mehr  auf- 
gerichtet, der  Stamm  häutig  krumm  und  etwas  spannrückig.  Das  Ausschlagver- 
mogen  ist  sehr  bedeutend,  da  die  Weisserle  nicht  nur  Stockausschlag  sondern  auch 
reichliche  Wurzelbrut  liefei-t.  Die  Bewurzelung  ist  flacher,  mit  noch  weiter  strei- 
chenden Seitenwurzeln.  Die  Wachstumsgeschwindigkeit,  anfänglich  der  Schwarz- 
erle nicht  nachstehend  (im  1.  Jahre  oft  schon  V2  m),  lässt  oft  schon  vom  10 — 15.  Jahre 
nach.  Die  Lebensdauer  in  gesundem  Zustande  überschreitet  nach  Hempel 
und  Wilhelm  selbst  bei  günstigen  Verhältnissen  kaum  40 — 50  Jahre  und  kann  auf 
schlechtem  Standort  auf  20—25  Jahre  herabsinken.  Die  Rinde,  anfangs  hellgrau- 
braun, dann  glänzend  silbergrau,  reisst  nur  im  höheren  Alter  etwas  auf,  bildet 
aber  keine  eigentliche  Borke.  Das  Holz,  dem  der  Schwarzerle  in  jeder  Beziehung 
sehr  ähnlich,  aber  etwas  ärmer  an  falschen  breiten  Markstrahlen,  hat  einen  viel  ge- 
ringeren Gebrauchswert.  Das  Verbreitungsgebiet  umfasst  das  mittlere  und  nörd- 
liche Europa  bis  zu  7OV2®  n.  Br.  mit  dem  Maximum  im  Nordosten.  Ausserdem  er- 
streckt es  sich  durch  das  mittlere  und  nördliche  Asien  bis  nach  Kamtschatka.  Eben- 
falls an  Bach-  und  Flussufern  vorkommend,  aber  weniger  an  feuchten  Boden 
gebunden  und  stau  ende  Nässe  weit  weniger  vertragend,  steigt  sie  im  Gebirge 
höher  empor,  in  den  Schweizer  und  Tiroler  Alpen  z.  B.  bis  ca.  1400  und  1600  m, 
die  Kiesbänke  der  Gletscherbäche  in  Gesellschaft  der  Weiden  besiedelnd.  An  die  Tief- 
gründigkeit des  Bodens  stellt  sie  geringere  Ansprüche  und  besitzt  grössere 
Anpassungsfähigkeit  an  die  Verschiedenheiten  der  Standorte. 

Zwischen  der  Schwarz-  und  Weisserle  kommen  gelegentlich  Bastarde  vor,  die 
teils  (A.  pubescens)  der  Schwarz-,  teils  (A.  ambigua)  der  Weisserle  näher  stehen. 

3.  Alnus  viridis  De  Candolle,  die  Grünerle,  Bergerle,  Alpen- 
erle, Laublatsche,  den  Birken  näher  stehend  und  vielfach  als  besondere  Gattung 
(Alnaster,  Alnobetula)  betrachtet,  ist  stets  strauchförmig  (1 — 2Va  m),  hat 
sitzende  spitze  Knospen  und  die  weiblichen  Kätzchen  brechen  erst 
im  Frühjahr  aus  kurzenLaubzweiglein  hervor.  Blätter  ähnlich  wie 
bei  incana  gestaltet,  aber  kleiner  (SVa — 6  cm),  jung  klebrig,  alt  beiderseits  meist 
kahl.  Männliche  Kätzchen  ungestielt,  schon  im  Sommer  ausgebildet, 
überwinternd ;  männliche  Blüten  mit  vollständig  geteilten  Staub- 
beuteln. Nüsschen  1,5  mm  lang,  mit  breitem,  häutigem  Flügel,  ähnlich 
dem  von  Betula  lenta.  Blütezeit  an  den  meist  hochgelegenen  Standorten  von  Ende  Mai 
bis  Anfang  Juli.  Die  Grünerle  ist  in  der  gemässigt  kalten  und  kalten  nördlichen  Zone 
in  verschiedenen  Varietäten  fast  rings  um  den  Erdball  verbreitet.  In  Mitteleuropa 
findet  sie  sich  vornehmlich  in  den  Alpen  undKarpathen,  w^osiebis  gegen 
2000  m  emporsteigt,  in  reinen  Beständen,  häufig  in  Gesellschaft  von  Knieholz  oder 
Alpenrosen  auftritt  und  vielfach  an  steilen  Hängen  kleineSchutzwälder  gegen 
Lawinen  undStein-  undErdabrutschungen  bildet,  wozu  sie  durch  ihren 
dicht  buschigen,  oft  latschenähnlichen  Wuchs,  ihre  feste  Verankerung  im  Boden,  ihr 
grosses  Ausschlagvermögen  und  ihre  reichliche  Wurzelbrut,  sowie  ihre  Raschwüchsig- 
keit vorzüglich  geeignet  ist.  Von  den  Hochgebirgen  geht  sie  an  den  Ufern  der  Bäche 
und  Flüsse  bis  tief  in  die  Täler  hinab  und  auf  die  nördlich  angrenzenden  Hochebenen 
und  findet  sich  häufig  auch  im  südlichen  Schwarzwald,  im  Böhmerwald  und  im  böhmisch- 
mährischen Waldgebiet. 


328  III.  Klein,  Forstbotanik. 

B.  SteinfrUcbtige  Kätzohenträger. 

§  72.  Wallnussartige  Lanbhölzer.  (Familie  Juglandaceae). 
Blätter  ohne  Nebenblätter,  gross,  unpaarig  gefiedert,  wechselständig. 
Männliche  Blüte  der  Deckschuppe  aufgewachsen.  Steinfrüchte  mit  unvoll- 
ständig 2fächerigem  Steinkern.  Embryo  des  endospermlosen  Samens  mit  grossen, 
lappigen,  ölreichen  Cotyledonen,  welche  bei  der  Keimung  unter  der  Erde  bleiben. 

Wallnussbaum.    Juglans  (franz.  Noyer). 

Männliche  Kätzchen  einzeln,  hängend,  weibliche  (bei  den  3  ersten  Arten) 
wenigblütig.  Steinfrucht  gross,  ungeflügelt,  mit  fleischigem  oder  lederigem  Frucht- 
fleisch.   Mark  der  Zweige  quer  gefächert. 

1.  Juglans  regia  Linn6.  Gemeiner  Wallnussbaum.  In  zahlreichen 
Kulturrassen,  welche  aber  keine  Uebergänge  zu  verwandten  Arten  zeigen,  als  Obstbaum 
kultiviert  und  nur  ausnahmsweise  im  Walde  angebaut.  Blätter  mit  grossem 
Endblättchen  20—35  cm  lang,  aus  5 — 13,  meist  7,  länglich  eiförmigen,  zuge- 
spitzten, meist  ganz  randigen  6 — 10  cm  langen  Blättchen  zusammengesetzt,  oberseits 
glänzend  dunkelgrün,  kahl,  unterseits  nur  in  den  Aderwinkeln  bärtig.  Frucht  kugelig 
oder  oval,  von  sehr  verschiedener  Grösse,  kahl,  grün,  glatt;  Innenschale 
grubig  gefurcht,  holzig,  scherbengelb,  dünn  oder  massig  dick,  mit  dünnen  Schei- 
dewänden. Die  Mannbarkeit  tritt  etwa  ums  20.  Jahr  ein;  Samenjahre 
alle  2 — 3  Jahre.  Dauer  der  Keimkraft  V^  Jahr.  Der  Höhenwuchs  ist 
ziemlich  rasch,  der  Baum  erreicht  mit  60 — 80  Jahren  15 — 20  m  Höhe,  die  später  kaum 
mehr  wesentlich  überschritten  wird,  da  der  Stamm  sich  gewöhnlich  wenige  Meter  über 
dem  Boden  in  eine  ausgebreitete,  starkästige,  abgewölbte  Krone  auflöst.  Der  Durch- 
messer kann  bei  ca.  300 — 400  Jahre  anhaltendem  Dickenwachstum  bis  über  1  m  er- 
reichen. Das  Wurzelsystem  besitzt  eine  auch  später  vorherrschende  kräftige 
Pfahlwurzel.  Das  Holz  vom  spez.  Gewicht  0,68  mit  braun  bis  schwarzbraun  ge- 
wässertem Kern  ist  das  wertvollste  einheimische  Nutzholz,  das  einzige  zerstreutporige 
Holz,  dessen  Gefässe  schon  mit  blossem  Auge  zu  erkennen  sind ;  die  Markstrahlen  sind 
sehr  fein,  mit  blossem  Auge  nicht  zu  erkennen.  Die  Rinde  bildet  eine  tiefrissige  hell- 
graue Borke. 

Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  reicht  von  Südosteuropa  bis  Zentralasien.  In 
Südeuropa  und  in  den  milderen  Gegenden  Zentraleuropas  allgemein  angebaut,  im  Süd- 
osten Oesterreich-Üngarns  verwildert  und  selbst  bestandbildend,  ist  er  eine  anspruchs- 
volle Holzart,  die  mildes  Klima,  geschützte  Lage  und  tiefgründigen,  nahrhaften,  milden 
Boden  verlangt  und  gegen  Spätfröste  sehr  empfindlich  ist. 

2.  Juglans  nigra  Linn6.  Schwarzer  Wallnussbaum,  im  östlichen 
Amerika  vom  südlichen  Canada  bis  Florida  und  von  Minnesota  bis  Texas  besonders  in 
Flussniederungen  und  auf  tiefgründigen  Berghängen  heimisch,  auf  angeschwemmtem 
Boden  seines  Optimums,  im  kontinentalen  Teil  der  südlichen  Laubwaldhälfte,  bei  ca.  vier- 
hundertjährigem Alter  bis  45  m  Höhe  und  3  m  Durchmesser  erreichend,  ist  durch 
25 — 40  cm  lange  Blätter  mit  (11)  13 — 19  (23)  langzugespitzten,  länglich- 
lanzettlichen,  am  Rande  gesägten,  bis  10  cm  langen,  oberseits  kahlen,  unterseits 
zerstreut  kurzhaarigen  Blättchen  (Endblättchen  fehlt  öfters)  ausgezeichnet.  Früchte 
kugelig,  kahl,  rauhschalig,  abgefallen  schwarz,  mit  dicker  tiefgefurchter  schwarzer 
Innenschale  und  dicken  Scheidewänden.  Borke  kleinschuppig,  später  tiefrissig, 
dunkelgrau.  Wegen  seines  vorzüglichenHolzes  vom  spez.  Gewicht  0,54 — 0,61, 
das  sehr  schmalen  Splint  und   dunkelbraun-violettes  Kernholz  besitzt,  auch  schönen 


Die  Laubhölzer.     §  72.  329 

Maserwnchs  zeigt,  dem  von  J.  re^a  nicht  nachsteht,  aber  in  allen  guten  Eigenschaften 
dem  der  grauen  Wallnuss  überlegen  ist,  wurde  der  Baum  in  den  letzten  Jahrzehnten 
forstlich  vielfach  in  grösserem  Massstabe  angebaut.  Im  Freistand  bildet  er  eine  ähn- 
liche Krone  wie  unser  Wallnussbaum,  im  Schlüsse  einen  vollendeten  astreinen  Schaft. 
Die  N&sse  keimen,  feucht  aufbewahrt,  bezw.  vorgekeimt,  mit  70 — 80%,  die  1jährige 
Pflanze  erreicht  schon  30 — 80,  im  Durchschnitt  40  cm  Länge  und  bildet  eine  Pfahl- 
wurzel von  ähnlicher  Länge,  die  vom  2.  Jahre  ab  ungemein  stark  und  fleischig  ist 
und  nur  wenig  Seitenwurzeln  besitzt.  Die  weiteren  Zuwachsverhältnisse 
sind  ausserordentlich  günstig.  Mit  40  Jahren  erreicht  der  Baum  bei  uns 
auf  gutem  Standort  15 — 20  m  Höhe,  in  60 — 80jährigem  Alter  25  m  und  mehr  und  bis 

1  m  Durchmesser.  Die  Standortsansprüche  sind  hohe,  ähnlich  wie  beim  gemeinen  Wall- 
nussbaum, doch  ist  er  in  geeigneten  Lagen  viel  weniger  durch  Spätfröste  gefährdet, 
während  Frühfröste  bei  der  langen  Vegetationsdauer  gefährlich  sind;  er  ist  eine  aus- 
gesprochene Lichtholzart,  doch  ist  in  den  ersten  Jahren  massige  Beschattung  vorteilhaft 
und  Seitenschutz  in  der  Jugend  notwendig. 

3.  Juglans  cinerea  Linn^.  Grauer  Wallnussbaum,  Butte r- 
nuss,  mit  vorstehender  Art  die  Standorte  im  östlichen  Nordamerika  teilend,  aber 
weniger  weit  nach  Süden  und  Südwesten  vordringend.  Blätter  bis  60  cm,  mit 
13 — 15  (21)  ähnlichen,  aber  scharfgesägten  Blättchen,  die  oberseits  kurz- 
haarig, unterseits  sternhaarig  sind;  Endblättchen  meist  vorhanden.  Früchte 
2fächerig,  pflaumenförmig,  drüsig  klebrig,  mit  rotbraunen  Haaren  ebenso 
wie  die  jungen  Zweige  dicht  besetzt ;  Innenschale  gleichfalls  dick,  spitzeiförmig, 
längsrippig  gefurcht,  schwärzlich,  Borke  weisslich-aschgrau,  Holz  leichter  (0,41).  — 
In  seiner  Entwickelung  und  in  seinen  Lebensansprüchen  steht  der  graue  Wallnussbaum 
dem  schwarzen  sehr  nahe,  stellt  indes  etwas  geringere  Anforderungen  an  die  Locker- 
heit des  Bodens,  da  seine  Bewurzelung  viel  flacher  zu  sein  pflegt,  ist  frosthärter  und 
darum  in  rauheren  Lagen  widerstandsfähiger,  gedeiht  z.  B.  noch  sehr  gut  in  den  rus- 
sischen Ostseeprovinzen,  wo  J.  nigra  nicht  mehr  fortkommt,  erträgt  mehr  Schatten, 
erlahmt  aber  viel  früher  in  seinem  Höhenwuchs  (bei  uns  bis  ca.  15  m). 

4.  Juglans  Sieboldiana  Maximovicz  aus  Japan,  bei  den  Versuchen 
in  Grafrath  und  Riedenburg  nach  Mayr  durch  Kaschwüchsigkeit  und  Frosthärte  auf- 
fallend, da  sie  im  Herbste  frühzeitig  ihr  Wachstum  einstellt  und  im  Frühjahr  spät  er- 
grünt,  hat  in  langen,  hängenden  Trauben  angeordnete  Früchte,  die  ähnlich  klebrig  wie  bei 
voriger  sind;  die  dicke  nicht  zusammengedrückte  Innenschale  derselben  ist  mit  2 
dickwulstigen  Kanten  versehen;  Blättchen  (9)  11 — 15  (17),  breit  länglich, 
kurz  gespitzt,  stumpf  gesägt. 

Pterocarya  rhoifolia  Siebold  et  Zuccarini.  Flussnuss.  (Syn. 
sorbifolia).  Männliche  Kätzchen  einzeln  und  Zweige  quergeiächert  wie  bei  Juglans. 
Weibliche  Kätzchen  sehr  vielblütig.  Frucht  klein,  unter  der  Mitte  von  den 

2  flügelartig  angewachsenen  Vorblättern  schief  becherförmig 
umfasst.  Blätter  30—45  cm  lang  mit  15—21  Blättchen,  Endblättchen  öfters  fehlend. 
Sie  liebt  in  ihrer  Heimat,  dem  Innern  Japans,  nach  Mayr  rezente  Aubildungen,  steht 
oft  tief  im  Schotter  der  Gewässer  und  liefert  auf  solchen  Standorten,  die  bei  uns  mit 
Weiden,  Erlen  und  Pappeln  bestockt  sind,  ein  wertvolles  Holz.  Im  Waldboden  in 
Riedenburg  in  Bayern  ist  sie  mit  9  Jahren  nahezu  4,  in  Lützburg  5^/2  m  hoch  ge- 
worden, überall  ganz  unberührt  vom  Froste. 

Hickorynuss.     Carya^')  (richtiger  Hicoria.) 


39)  Der  Gattungsname  Carya  wurde  hier  nur  deshalb  beibehalten,  weil  er  allgemein 


3aO  III.  Klein,  Forstbotanik. 

§  73.  Männliche  Kätzchen  meist  zn  3  auf  gemeinsamem  Hanptstiel, 
weibliche  3 — lOblütig.  Steinfrucht  gross.  Aeussere  Schale  derselben 
anfangs  fleischig,  später  holzig,  4klappig  aufspringend.  Die  Steinkerne 
öffnen  sich  bei  der  Keimung  nicht  längs  den  Kanten,  sondern  zerfallen  zwischen 
denselben  in  2  Teile.  Jlil  a r k  der  Zweige  ungefächert.  8  nordamerikanische 
Arten. 

Die  Hickoryarten  nehmen  am  Aufbau  des  Laubwalds  der  östlichen  vereinigten 
Staaten  vom  Lorenzostrom  bis  Texas  gleich  den  Eichen  einen  grossen  Anteil,  wenn  sie 
auch  nie  bestandbildend  und  meist  nur  eingesprengt  vorkommen.  Alle  lieben  tiefgrün- 
digen lockeren  Boden  und  erwachsen  auf  dem  kräftigen  Schwemmboden  der  Flussnie- 
derungen, über  dem  Hochwassemiveau  erhaben,  zu  den  stattlichsten  Dimensionen  (bis 
30  m,  einzelne  im  Optimum  [westlich  vom  AUeghanigebirge]  bis  45  m).  Das  schwere 
Hickoryholz  gehört  zu  den  wertvollsten  Nutzhölzern  der  nörd- 
lich-gemässigten  Erdhälfte.  Hickory  ist  ein  Sammelname  für  das  Holz  der 
am  weitesten  nördlich  reichenden  Arten  (C.  alba,  porcina,  sulcata,  tomentosa  und  amara), 
während  dasjenige  der  südlichen  Arten  viel  geringeren  Gebrauchswert  besitzt.  Das 
ringporige  Holz  der  einzelnen  Arten  ist  anatomisch  im  wesentlichen  gleich 
gebaut,  von  den  Juglansarten  sehr  verschieden  und  dem  Eschenholz  einigermassen  ähn- 
lich, aber  mit  sehr  schmaler  Zone  grosser  Gefässe  im  Frühjahrsholz  und  mit  zahl- 
reichen, dem  Jahresring  parallelen  Parenchymstreifen  im  Spätholz.  Allen  Hickorys 
gemeinsam  ist  die  späte  Verkemung  des  Holzes,  erst  vom  ca.  50.  Jahre  tritt  die  bräun- 
liche Verfärbung  ein,  was  aber  für  den  Gebrauchswert  der  Hölzer  belanglos  ist.  Wegen 
der  ganz  hervorragenden  technischen  Eigenschaften  ihres  Holzes  (sehr  schwer,  ca.  0,90 
bis  0,80,  hart,  sehr  schwerspaltig,  sehr  zäh,  sehr  elastisch,  sehr  fest,  dauerhaft  und 
brennkräftig)  hat  man  in  den  letzten  Jahrzehnten  umfassende  Anbauversuche  mit  den 
oben  genannten  5  Arten  gemacht,  bei  welchen  sich  alba  als  die  beste  erwiesen  hat. 
Alle  Hickoryarten  verlangen  zu  gutem  Gedeihen  kräftigen,  frischen,  nicht  zu  strengen 
Boden  (beste  Eichenböden)  und  ein  mildes,  lange  Yegetationszeit  gewährendes 
Klima  (Eichenklima).  Die  Keimung  erfolgt  bei  uns  sehr  spät,  im  Spätsommer  oder 
Herbst  und  die  jungen  Pflanzen  reifen  dann  nicht  aus;  viele  Nüsse  liegen  bis  zum  2. 
und  3.  Jahre  über.  „Vorgekeimt"  und  im  April  ausgesät,  treiben  sie  im  Mai  bis  Juni 
aus.  Die  Entwickelung  der  oberirdischen  Pflanze  ist  in  den  ersten  5  Jahren  langsam 
(Gesamtleistung  ca.  80  cm),  während  sich  in  dieser  Zeit  hauptsächlich  eine  kräftige 
Pfahlwurzel  ausbildet,  die  im  1.  Jahre  ca.  30  cm,  im  2.  ca.  50  cm  lang  wird,  mit  zahl- 
reichen schwachen  Seitenwurzeln  besetzt  ist  und  nicht  so  fleischig  und  rübenförmig  wie 
bei  J.  nigra  ist.  Obwohl  Lichtpflanzen,  bedürfen  sie  in  der  Jugend  unbedingt  des 
Schutzes,  lichten  Schirm  von  oben  und  Seitenschutz,  da  sie,  bis  etwa  zum  5.  Jahre, 
gegen  Spät-  und  Frühfröste  empfindlich  sind.  Ihr  Ausschlagsvermögen,  sowohl  aus  dem 
Stock,  wie  aus  den  Wurzeln,  ist  ausserordentlich  und  sehr  andauernd.  9jährige  Pflanzen 
erreichen  vielfach  2  m  Höhe  und  dann  erst  geht  das  Längenwachstum,  wie  auch  in 
ihrer  Heimat,  energisch  voran.  Die  wichtigsten  Unterschiede  der  einzelnen  Arten  sind 
folgende : 

1.  Carya  albaNuttal  (rieh  tiger  Hicoria  ovata  Britton.)  Weisse 
Hickory.  Blätter  langgestielt,  30 — 60  cm  lang,  mit  5  Blättchen,  deren  grösste 
Breite  in  der  Mitte  liegt  und  von  denen  die  3  obersten  die  grössten  sind.  Blattrand 
stumpf  gesägt,  Zähne  stets  behaart.    Endknospen  sehr  gross ,  länglich ,  mit 


in  der  forstlichen  Literatur  gebraucht  wird.     Dippel,  Laubholzkunde,  Köhne,  Dendrologie 
und  die  in  Amerika  gültige  Nomenklatur  brauchen  den  Namen  Hicoria! 


Die  Laubhölzer.     §  75.  331 

einigen  abstehenden,  braun  behaarten  Schuppen. 

2.  Carya  amara  Nuttal  (richtiger  Hicoria  minima  Britton.) 
Bitternuss.  Blätter  25 — 35  cm  lang,  mit  7 — 11  Fiederblättchen ;  charakteristisch 
sind  die  gelbgrünen,  4kantigen,  vom  Trieb  weggekrümmten  Knospen.  Diese  für  uns 
zweitwertvollste  Hickoryart  liebt  das  grösste  Mass  von  Bodenfrische  und  gedeiht  be- 
sonders gut  in  der  Nähe  des  Wassers. 

3.  Carya  porcina  Nuttal  (richtiger  Hicoria  glabra  Britton.) 
Schweinsnuss-Hickory.  Blätter  25—40  cm  lang,  mit  5 — 7  kahlen  Blättchen, 
die  Blattzähne  nach  vorn  gekrümmt.  Knospen  kurz,  eiförmig,  mit  braunen,  kahlen 
Schuppen.  Diese  Art  nimmt  noch  mit  einem  weniger  guten,  mehr  sandigen  Boden  vor- 
lieb, verlangt  aber  die  meiste  Wärme. 

4.  Carya  tomentosaNuttal  (richtiger  Hicoria  alba  Britton.) 
Spottnuss.  Blätter  25 — 50  cm  lang,  mit  7  lanzettlichen,  unterseits  weichwollig 
behaarten  Blättchen.  Knospen  kurz  und  dick,  filzig  behaart.  Diese  Art  erträgt 
auch  strengen  und  feuchten  Lehmboden. 

5.  Carya  sulcata  Nuttal  (richtiger  Hicoria  acuminata  Dip- 
pel.)  Grossfrüchtige  Hickory.  Blätter  20 — 25  (50)  cm  lang,  mit  7 — 9  Blätt- 
chen,  von  denen  die  3  obersten  die  grössten  sind.  Knospen  ähnlich  wie  bei  alba, 
junge  Triebe  aber  kahl.  Diese  Art  verlangt  den  besten  Boden  und  nahezu  so  viel 
Wärme  wie  porcina. 

§  74.  Als  einziger  Vertreter  der  Myricaceen  kommt  Myrica  Gale 
Linn6,  Gagelstrauch,  auch  Brabanter  Myrthe  genannt ,  ein  kleiner 
(30  cm  bis  1,25  m),  gesellig  wachsender,  aromatisch  duftender,  zweihäusiger  Strauch, 
mit  kleinen,  lanzettlichen,  etwas  gesägten,  unterseits  grauflaumigen  Blättern  und  un- 
scheinbaren, in  kleinen,  ährig  angeordneten  Kätzchen  stehenden  Blüten,  in  Norddeutsch- 
land von  der  niederrheinischen  Ebene  bis  Ostpreussen  und  der  Niederlausitz  in  Torf- 
brüchen  und  nicht  selten  auch  als  Unterholz  in  Kiefernwäldern  vor. 

C.  Kapsel  fr  iiohtige   Katzohenträger. 

§  75.  Weidenartige  Laubhölzer  (Familie  Salicaceae.)  Pflanzen 
diöcisch.  Kätzchen  auf  der  Spitze  seitlicher  Kurztriebe.  Blüten  einzeln,  ohne 
Perigon,  in  den  Achseln  der  Kätzchenschuppen.  Früchte  zweiklappig  aufspringende 
Kapseln  mit  meist  sehr  vielen,  mit  grundständigem,  als  Flugorgan  dienendem  Haarkranz 
versehenen,  sehr  kleinen  Samen. 

Die  Weiden.     Salix  (franz.  Säule). 

Kätzchenschuppen  ganzrandig.  Blüten  mit  1 — 2  gelben,  s c h u p- 
penförmigen  Honigdrüsen  (reduzierter  Discus)  und  gewöhnlich  2  (selten 
3  oder  5)  Staubgefässen.  Bestäubung  durch  Insekten  vermittelt.  Laub- 
blätter kurzgestielt,  ungeteilt.  Nebenblätter  gewöhnlich  klein  und 
hinfällig,  seltener  ansehnlich  und  stehen  bleibend.  Winterknospen  mit  nur  einer 
einzigen  (aus  zweien  verwachsenen)  hohlen  Knospenschuppe.  Langtriebe 
ohne  Endknospe,  in  der  Regel  die  ganze  Vegetationsperiode  weiter  wachsend  und 
an  der  Spitze  im  Herbste  absterbend.  Kätzchen  stets  aus  den  Seiten  knospen 
vorjähriger  Triebe  entspringend,  entweder  sitzend  oder  kurz  gestielt,  mit  nur  einigen 
Niederblättern  am  Grunde  und  vor  dem  Laubausbruche  blühend  (frühblühende  W.),  oder 
am  Ende  eines  mit  einigen  Laubblättem  besetzten  Kurztriebs  und  mit  oder  gleich  nach 
dem  Laubausbruch  blühend  (spätblühende  W.).    Wuchs  meist  strauchartig  mit  ruten- 


332  III.  Klein,  Forstbotanik. 

förmigen  Langtrieben.  Bewnrzelnng  meist  weit  ausstreichend  and  nicht  tiefgehend 
und  meist  sehr  anpassungsfähig  an  die  Standortsverhältnisse.  Stock-  und  Stammans- 
schlag ausserordentlich  reich  und  andauernd,  eigentliche  Wurzelbrut  dagegen  kommt 
nicht  vor,  nur  an  blossgelegten  Wurzeln  können  aus  den  Ueberwallungswülsten  verletzter 
Stellen  Ausschläge  entstehen.  —  Die  Weiden  bringen  zwar  alljährlich  reichlich  Samen, 
derselbe  ist  aber  zum  grössten  Teile  taub,  behält  seine  Keimkraft  nur  ganz  kurze  Zeit, 
verträgt  keine  Bedeckung  und  die  jungen  Samenpflanzen  wachsen  in  den  ersten  3  Jahren 
sehr  langsam.  Die  Weiden  werden  darum  bei  Anpflanzungen  ausschliesslich  aus  Steck- 
lingen (bezw.  Setzstangen)  erzogen,  die  sich,  wie  bei  keiner  andern  Baumgattung,  rasch 
und  sicher  bewurzeln.  Am  Grunde  der  Achselknospen,  unter  der  Rinde,  befinden  sich 
nämlich  stets  Wurzelanlagen,  die  unter  normalen  Verhältnissen  keine  Gelegenheit  znr 
Weiterentwickelung  haben,  an  den  Stecklingen  aber  znr  Ausbildung  gelangen  und  so 
die  leichte  Bewurzelung  derselben  ermöglichen. 

Alle  Weiden  sind  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Lichtpflanzen.  Man 
kennt  etwa  160,  zum  Teil  ziemlich  variable  Arten*®)  und  eine  fortwährend  wach- 
sende grosse  Zahl  von  keimfähige  Samen  erzeugenden  Bastarden.  Experi- 
mentell ist  von  Wichura  festgestellt,  dass  nicht  nur  zwischen  den  verschiedenen 
Stammarten,  sondern  auch  zwischen  Bastarden  und  Stammarten  und  sogar  z^^ischen 
zwei  Bastarden  nahezu  unbegrenzte  Bastardierung  möglich  ist  (Doppel-  und  Tripel- 
bastarde!).  Von  den  zahlreichen  (über  30)  mitteleuropäischen  Weiden  sind  hier  nur 
die  Baum-  und  Strauchweiden  und  die  wichtigeren  Eulturweiden  aufgenommen,  die 
Zwergweiden,  denen  keinerlei  forstliche  Bedeutung  zukommt,  dagegen  nicht. 

A.  Bruchweiden.  Meist  Bäume.  Kätzchen  auf  seitlichen  beblätterten 
Kurztiieben  endständig.  Kätzchenschuppen  einfarbig,  gelbgrün,  vor  der 
Reife  abfallend.  Blätter  stieldrilsig.  Triebspitze  walzenrund,  mit  5strahligem, 
stumpf  5eckigem  bis  rundlichem  Mark. 

1.  SalixalbaLinn6.  Weissweide,  Silberweide.  Blätter  meist 
1 — 1,5  cm  breit,  6 — 10  cm  lang,  lanzettlich,  zugespitzt,  klein  gesägt,  mit  seiden- 
glänzenden, der  Mittelrippe  parallel  anliegendenHaaren,  unter- 
seits  weiss  oder  grauweiss ;  Nebenblätter  lanzettlich,  hinfällig.  Knospen  stumpf, 
angedrückt,  rötlichgelb.  Junge  Triebe  ebenfalls  seidig  behaart;  vorjährige  kahl, 
meist  olivenbraun  oder  scherbengelb  (bei  der  var.  vitellina,  der  D o 1 1 e r w e i d e, 
dottergelb  oder  lebhaft  mennigrot).  Die  Rindenfarbe  ist,  wie  vielfach  bei  den  Weiden, 
sehr  verschieden  nach  individuellen  Eigentümlichkeiten  und  nach  den  Beleuchtungsver- 
hältnissen, sie  zeigt  hier  alle  Uebergänge  von  grün  bis  leuchtendgelb  und  karminrot. 
Staubgefässe  2.  Kapsel  fast  sitzend,  kahl.  Stielchen  derselben  kaum  so  lang 
als  die  kurze  Drüsenschuppe.  Der  Wuchs  der  Silberweide  ist  ein  sehr  rascher;  bei 
ungestörter  Entwickelung  bildet  sie  Bäume  mit  vielästiger,  feinverzweigter  Krone  mit 
herabhängenden  jüngeren  Zweigen,  erreicht  bis  24  m  Höhe,  bis  1  m  und  darüber  Durch- 
messer und  wird  80 — 100  Jahre  alt,  gewöhnlich  aber  schon  frühzeitig  kemfaul  und 
hohl.  Die  Borke  älterer  Bäume  ist  bräunlichgrau,  vorwiegend  längs-  und  tiefrissig, 
nicht  abblätternd.  Das  Holz  mit  lebhaft  hellrotem  bis  dunkelbraunem  Kern  und 
schmalem  weissem  Splint,  ist,  wie  bei  den  meisten  Weiden,  leicht  (ca.  0,45), 
sehr  weich,  sehr  zähbiegsam,  wenig  elastisch  und  fest  und  nur  von  beschränkter  Dauer 
und  geringer  Brennkraft;  im  Querschnitt  ist  es  gleichmässig  zerstreutporig,  mit  deut- 

40)  Zu  einer  gründlichen  Kenntnis  der  Weiden  ist  ein  SpezialStudium  derselben  er- 
forderlich, da  zu  einer  genauen  Kenntnis  der  Art  blühende  männliche  und  weibliche  Zweige, 
junge  Fruchtzweige,  sowie  normale  Zweige  und  Wasserreiser  mit  jungen  und  mit  erwach- 
senen Blättern  nötig  sind. 


Die  Laabhölzer.     §  75.  333 

liehen  Jahrringgrenzen  nnd  von  sehr  feinen,  mit  blossem  Auge  meist  nicht  wahrnehm- 
baren Markstrahlen  durchzogen. 

Die  Silberweide,  die  stattlichste  aller  Baumweiden,  findet  sich  durch  ganz  Europa 
in  Anwaldungen  und  Ufergehölzen,  im  Norden  wahrscheinlich  nur  angepflanzt.  Als 
Baum  der  feuchten  Niederungen  und  Gebirgstäler  liebt  sie  feuchte,  zum  mindesten  frische, 
tiefgründige,  lockere  Böden,  verträgt  aber  auch  ein  Uebermass  von  Feuchtigkeit  — 
stauende  Nässe  ausgeschlossen  —  sehr  gut  und  steigt  im  Gebirge  nicht  weit  empor. 
Angepflanzt  ist  sie  häuflg  als  Kopfholz  zur  Gewinnung  von  Faschinen,  die  var.  vi- 
tellina  als  Flechtweide.  Als  Parkbaum  ist  sie  gleichfalls  sehr  beliebt  und  als  grösserer 
Baum  sehr  malerisch. 

2.  Salix  fragilis  Linn6.  Bruchweide,  Enackweide.  Blätter 
meist  7 — 15  cm  lang  und  bis  2^/2  cm  breit,  der  vorigen  ähnlich,  aber  gewöhnlich  in 
der  unteren  Hälfte  am  breitesten,  lang  zugespitzt,  beiderseits  glänzend  grün,  oder 
nnterseits  bläulich  bereift,  kahl,  mit  halbherzförmigen  Nebenblättern. 
Zweige  grünlichbrann  bis  gelblich,  mit  meist  dunkleren  Knospen,  an  ihrer  Basis  glas- 
artig spröde  und  leicht  mit  knackendem  Geräusch  vom  Mutteraste  abbrechend.  Staub- 
gefässe  2.  Stielchen  der  kahlen  Kapsel  3 — 5  mal  so  lang  als  die  Drüsenschuppe. 
—  Die  Bruchweide,  in  Mitteleuropa  echt  seltener  als  die  Bastarde,  welche  sie  mit  der 
vorigen  und  den  beiden  folgenden  gebildet  hat,  bewohnt,  wie  die  Weissweide,  ganz 
Europa,  mit  Ausnahme  Skandinaviens,  ist  streng  an  die  Flussläufe  gebunden  und  macht 
sonst  ähnliche  Standortsansprüche  wie  die  Weissweide,  der  sie  an  Raschwüchsigkeit 
etwas  nachsteht.  Höhe  bis  10  und  15  m.  Holz  dem  der  Weissweide  sehr  ähnlich, 
aber  brüchig  und  von  sehr  geringer  Zähbiegsamkeit. 

3.  Salix  pentandra  Linn^.  Fünfmännige  Weide,  Lorbeerweide. 
Blätter  derb,  5 — 10cm  lang,  2 — 3  cm  breit  und  darüber,  breit  lanzettlich  bis  läng- 
lich eiförmig,  kurz  zugespitzt,  fein  und  dichtgesägt,  ganz  kahl,  oberseits  stark  glänzend, 
nnterseits  matt  blassgrün.  Nebenblätter  eiförmig,  gerade,  meist  fehlend,  an 
ihrer  Stelle  grüne  drüsige  Knötchen.  Blattstiele  oberwärts  vieldrüsig.  Zweige 
nnd  Knospen  jung,  gleich  den  Blättern,  etwas  klebrig,  ausgewachsen  glänzend 
grünlich  oder  rötlichbraun.  Staubgefösse  5( — 10),  Stielchen  der  kahlen  Kapsel  doppelt 
so  lang  als  die  Drüsenschnppe.  —  Die  Lorbeerweide  ist  eine  nordeuropäische  und 
-asiatische  Holzart  die  südlich,  im  allgemeinen  spärlich  vorkommend  und  vielen  Ge- 
genden ganz  fehlend,  nur  bis  zu  den  Pyrenäen,  dem  Südfuss  der  Alpen  und  sieben- 
bürgischen  Karpathen  reicht,  am  häufigsten  in  Ost-  und  Westpreussen  und  den  balti- 
schen Provinzen  an  Wasserläufen,  dort  bis  10  m  Höhe  erreichend,  auftritt,  aber  als 
Strauch  auch  auf  Torf-  und  Moorboden  häufig  ist. 

B.  Mandelweiden.  Sträucher,  selten  Bäume.  Kätzchen  wie  bei  vorigen, 
Kätzchenschuppen  gelblichgrün,  bis  zur  Fruchtreife  bleibend,  Trieb- 
spitze tief  gefurcht  (im  Querschnitt  sternförmig,  mit  scharfeckigem  Sstrahligem  Mark). 

4.  Salix  amy  gdalina  Linn6  (erweitert)  (syn.  S.  triandra  Linn6.) 
Mandelweide.  Blätter  ziemlich  derb,  meist  5 — 8  cm  lang  und  1 — 2  cm  breit, 
lanzettlich  oder  länglich,  in  der  Mitte  häufig  parallelrandig ,  erst  aus  dem  obersten 
Drittel  oder  Viertel  zugespitzt,  gesägt,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  nnterseits  grün 
oder  blaugrün,  kahl  (oder  anfangs  seidenhaarig).  Nebenblätter  ziemlich  gross, 
halbnierenförmig,  lange  bleibend.  Zweige  nebst  den  anliegenden  Knospen  braun  und 
kahl.  Staubgefässe  3.  Stielchen  der  kahlen  Kapsel  2 — 3  mal  so  lang  als 
die  Drüsenschuppe.  Den  Flussläufen,  wie  die  vorigen  folgend,  im  Gebirge  indes  höher 
emporsteigend,  bewohnt  die  Mandelweide  ganz  Europa  als  Grossstrauch  von  1 — 4  m 
Höhe,  gedeiht  aber  als  Kulturweide  auf  den  Böden  verschiedenster  Art,  hinreichenden 


334  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Wassergehalt  vorausgesetzt,  beschattet  den  Boden  besser  als  die  ersten  3  Arten  und 
übertrifft  auf  Torfboden  in  der  Massenproduktion  alle  anderen  Korbweiden 
erheblich.  Gegen  Spätfröste  ist  die  Mandelweide  von  allen  Kulturweiden  am  empfindlichsten. 

C.  Schimmel  weiden.  Kätzchen  seitlich  sitzend,  vor  dem  Laubausbruch 
erscheinend ;  Kätzchenschuppen  in  der  oberen  Hälfte  rostfarben  bis  schwärzlich, 
bleibend.  In  beiderlei  Blüten,  wie  bei  den  folgenden,  nur  eine  Drüsenschuppe. 

5.  Salix  daphnoidesVillars.  Reifweide,  Schimmelweide,  sei- 
delbastblätterige Weide.  Blätter  3 — 5  mal  so  lang  als  breit,  lanzettlicb, 
kurz  zugespitzt,  drüsig  gesägt,  anfangs  nebst  den  jungen  Trieben  zottig,  dann  kahl 
oben  glänzend  dunkelgrün,  unten  bläulichgrau,  mit  ober-  und  unterseits  vor- 
tretendem, gelbemMittelnerv.  Nebenblätter  halbherzförmig.  2 — 5jäh- 
rige  Zweige  hechtblau  bereift.  Innere  Rinde  gelb.  Kätzchen  am  früh- 
zeitigsten hervorbrechend,  anfangs  durch  die  dichtbehaarten  Deckschuppen  glänzend 
silberweiss  (Palmkätzchen).  Staubgefässe2.  Kapsel  kahl,  sitzend.  —  Schoner, 
seiir  raschwüchsiger  Baum  mit  dicken  Zweigen  und  glatter  Rinde  von  4 — 20  m  Höhe. 
Durch  Mittel-  und  Nordeuropa  verbreitet,  in  Ungarn  und  Siebenbürgen  fehlend,  wächst 
diese  schöne  W^eide  am  liebsten  auf  kalkhaltigem,  sandigem  Lehm  an  Ufern  von  Flüssen 
und  Gebirgsbächen,  besonders  in  der  rheinischen,  süddeutschen,  der  Alpen-  und  südlichen 
Karpathenzone ,  während  sie  in  Mittel-  und  Norddeutschland  nur  vereinzelt  auftritt 
Auf  kalkfreiem  Boden  sowie  auf  Moorboden  gedeiht  sie  nicht.  Sie  ist  auch  ein  be- 
liebter Zierbaum. 

6.  Salix  acutifolia  Willdenow.  Kaspische  Weide  (syn.  pruinosa 
Wendland,  häufig  nur  als  Varietät  der  vorigen  betrachtet),  durch  dünne  Zweige  und 
lanzettliche,  lang  zugespitzte  Blätter,  die  nur  1 — 1^/2  cm  breit  und  6 — 7  mal  so  lang, 
beiderseits  kahl  und  grün  sind  und  durch  spitz-lanzettliche  Nebenblätter,  welche  fast 
so  lang  wie  die  Blattstiele  sind,  von  der  Reifweide  verschieden.  —  Ansehnlicher  3—6  m 
hoher  Grossstrauch  oder  3 — 6  m  hoher  Baum  von  anfänglich  raschem  Wuchs.  Ans- 
schlagver mögen  bei  jährlichem  Schnitt  wenig  ausdauernd  und  nur  wenige,  aber 
sehr  lange,  starke  und  astreine  Ruten  liefernd,  hierin  wesentlich  hinter  Korb-  und 
Mandel  weide  zurückstehend.  Heimisch  vorzugsweise  im  östlichen  Russland  und  südlichen 
Sibirien  und  in  ihren  Standortsansprüchen  äusserst  bescheiden,  begnügt  sich  diese  Weide, 
die  ein  ganz  enormes  WurzelveiTOögen  besitzt  (bis  20  m  weit  ausstreichende  Seiten- 
wurzeln unter  Umständen!)  auch  mit  geringen  Böden,  insbesondere  armem  Sandboden, 
sandigen  Höhenrücken  und  übertrifft  auf  solchen  Standorten  alle  andern  Kulturweiden. 

D.  Purpurweiden.  Staubfäden  bis  zur  Spitze  oder  bis  zur  Hälfte  verwachsen; 
Staubbeutel  rot,  nach  dem  Verstäuben  meist  schwarz,  sonst  wie  C. 

7.  Salix  purpurea  Linn6.  Purpurweide.  Blätter  häufig  gegen- 
ständig, bis  12  mm  breit,  lanzettlich,  im  obersten  Drittel  am  breitesten, 
zugespitzt,  von  der  Mitte  bis  zur  Spitze  scharf  klein  gesägt,  in  der  untern  immer  ganz- 
randig,  oberseits  dunkelgrün,  matt  glänzend,  unterseits  graugrün,  erwachsen  ganz  kahl ; 
Nebenblätter  fast  stets  fehlend.  Zweige  glänzend,  gelblichgrau,  mit  glänzend 
roten  Knospen.  Staubgef  ässe  2.  Kätzchen  fast  sitzend,  vor  dem  Laubausbruch  blühend, 
mit  mehreren  kleinen  Laubblättchen  am  Grunde.  Kätzchenschuppen  an  der 
Spitze  schwarzrot.  —  Der  anfangs  rasche  Höhenwuchs  lässt  bald  nach  und  die  Purpur- 
weide bildet  1 — 6  m  hohe  Sträucher,  im  besten  Falle  bis  10  m  hohe  Bäume  mit  schlan- 
kem Stamm  mit  glatter  grauer  Rinde  und  besenförmiger  Krone.  Ihr  Verbreitungs- 
gebiet geht  durch  Süd-  und  Mitteleuropa  bis  zum  südlichen  Schweden,  in  den  Niede- 
rungen ist  sie  häufiger  als  im  Gebirge  und  besonders  im  Kies  und  Sand  der  Flussufer 
bildet  sie  oft  ganze  Bestände,  besonders  in  Oberbayern  und  Oesterreich  am  Unterlauf  der 


Die  Laubhölzer.     §  75.  335 

in  die  Donan  mündenden  Alpenflüsse.  Vielfach  als  Flecht-  und  Faschinenweide,  sowie 
als  Ziergehölz  angepflanzt,  gedeiht  sie  am  besten  auf  humusreichen  Sandböden,  aber 
auch  sehr  gut  auf  moorigem  Boden  und  kommt  auch  noch  auf  trockenem  Boden  fort. 

E.  Korbweiden.  Staubfäden  frei.  Staubbeutel  nach  dem  Verstäuben  gelb. 
Innere  Rinde  grünlich,  sonst  wie  vor. 

8.  Salix  viminalis  Linn^.  Korbweide,  Bandweide,  Hanfweide. 
Blätter  schmal  bis  lineal  lanzettlich,  ca.  10  mal  so  lang,  wie  breit,  zugespitzt,  fast 
ganzrandig  oder  seicht  ausgebuchtet,  am  Rande  etwas  zurückgerollt,  oberseits  trüb 
grün,  unterseits  dünn  graufilzig  silberglänzend.  Junge  Zweige,  wie 
die  Knospen  sammetartig  graulilzig,  zäh,  dichtbeblättert.  Nebenblätter  lineal- 
lanzettlich,  bald  abfallend.  Kätzchen  fast  sitzend,  dick,  mit  einigen  kleinen 
Lanbblättem  am  Grunde ;  Kätzchenschuppen  zottig  behaart,  in  der  oberen  Hälfte 
schwarzbraun.  Staubgefässe  2,  langgestielt.  Kapsel  sitzend,  filzig,  mit  langem 
Griffel  und  fadenförmigen  Narben.  —  Die  Korbweide  ist  eine  echte  Niederungsholzart, 
fehlt  in  ganz  Mitteleuropa  wohl  kaum  einer  von  Wasserläufen  durchzogenen  Ebene, 
ist  in  Norddeutschland  besonders  häuiig,  in  Süddeutschland  namentlich  im  bayrischen 
and  niederösterreichischen  Donautal  verbreitet  und  steigt  im  Gebirge  nur  bis  ca.  400  m 
empor.  Sie  liebt  tiefgründigen  aufgeschwemmten  Sand-  oder  Schlammboden  und  kommt 
spontan  nur  an  solchen  Standorten  vor,  meist  strauchartig,  2 — 4  m  Höhe  erreichend, 
selten  baumartig  bis  10  m.  In  der  Massenerzeugung  allen  andern  überlegen, 
ist  sie  die  verbreitetste  Kulturweide,  die  auch  auf  andern  als  ihren  natürlichen  Stand- 
orten, z.  B.  frischen  humosen  Sandböden  trefflich  gedeiht  und  selbst  auf  armen  Sand- 
böden verhältnismässig  grosse  Erträge  liefert,  während  ihr  Torfboden  nicht  zusagt. 

F.  Graue  Weiden.  Staubfäden  2,  zur  Hälfte  verwachsen.  Staubbeutel  gelb. 
Kätzchenschuppen  einfarbig  (oder  bei  den  männlichen  Blüten  an  der  Spitze  der  Schup- 
pen rostfarbig.) 

9.  Salix  incana  Schrank.  Weissgraue  Weide  (syn.  S.  Elaeagnos 
Scopoli).  Blätter  dicht  stehend,  schmal  lineallanzettlich,  lang  zugespitzt,  ganzrandig 
oder  sehr  fein  gezähnt,  mit  mehr  oder  weniger  ungeroUtem  Rande,  oberseits  glänzend 
dunkelgrün,  unterseits  dicht  weissgrau,  spinnewebig- filzig,  glanz- 
los. Nebenblätter  stets  fehlend.  Junge  Triebe  filzig.  Stielchen  der  kahlen 
Kapsel  doppelt  so  lang  als  die  Drüsenschuppe.  Kätzchen  mit  den  Blättern  erschei- 
nend, meist  abwärts  gekrümmt,  mit  einigen  kleinen  Laubblättern  am  Grunde.  —  Die 
graue  Weide  ist  eine  südeuropäische  Holzart,  bildet  gleich  der  Purpurweide  grosse 
Sträucher  oder  kleine  Bäume  und  findet  sich  in  Mitteleuropa  am  Oberrhein  und  vor- 
nehmlich längs  der  Donau  und  ihren  rechtsseitigen  Nebenflüssen  mit  parpurea  bestand- 
bildend, in  den  österreichischen  Alpenländern  bis  1300  m  als  Begleiterin  der  Flussläufe 
emporsteigend;  als  Kulturweide  kommt  sie  nicht  in  Betracht. 

G.  Saalweiden.  Hohe  Bäume  und  Sträucher  mit  ei-  oder  verkehrt  eiförmi- 
gen, unterseits  graufilzigen  Blättern.  Kätzchen  seitlich,  anfangs  sitzend,  später  gestielt ; 
Kätzchenschuppen  an  der  Spitze  gefärbt.  Kapseln  langgestielt,  behaart.  Staubgefässe  2. 

10.  Salix  caprea  Linn6.  Saalweide,  Palmweide.  Blätter  breit 
elliptisch,  mit  kurzer  zurückgebogener  Spitze,  ca.  5 — 10  cm  lang  und  3 — 5  cm  breit, 
oberseits  jung  flaumig,  später  dunkelgrün,  beinahe  kahl,  unterseits  bläulich  granfilzig 
und  sammetartig  anzufühlen,  mit  ziemlich  stark  vortretender  gelblicher  Nervatur.  N  e- 
benblätter  halbnierenförmig,  bald  abfallend.  Junge  Zweige  dick,  flaumig,  bald 
erkahlend  und  im  Frühjahr  glänzend  braunrot.  Kätzchen,  wie  bei  den  fol- 
genden mit  4 — 7  Schuppenblättchen  am  Grunde,  gross,  nächst  daphnoides  am 
frühzeitigsten.  —  Die  Saalweide  ist  über  ganz  Europa  verbreitet,  und  in  Mitteleuropa 


336  m.  Klein,  Forstbotanik. 

die  häufigste  Waldweide,  in  Jangwüchsen,  an  Waldrändern  and  auf  Lichtungen,  be- 
sonders in  der  Ebene  und  im  Hügelland,  aber  auch  im  Gebirge  ziemlich  hoch  empor- 
steigend und  auf  den  verschiedenartigsten  Bodenarten  bei  sehr  bescheidenen  Standorts- 
anspriichen  gedeihend.  In  der  Jugend  sehr  raschwüchsig,  ist  sie  in  20 — 25  Jahren 
ausgewachsen  und  bildet  bei  ungestörter  £nt Wickelung  bis  7  m  hohe  Bäume  mit  besen- 
förmiger,  ziemlich  dichtbelaubter  Krone  und  glatter,  grüngrauer,  feinrissiger  Rinde,  die 
in  höherem  Alter  hellgraue,  breit  aufreissende  Borke  bildet.  Lebensdauer  ca.  60  Jahre. 
Das  Holz  mit  rötlichweissem  Splint  und  schön  hellrotem  Kern,  ist  von  allen  Weiden- 
hölzern am  heizkräftigsten. 

11.  Salix  cinerea  Linn^.  Grauweide,  Aschweide  (syn.  acuminata 
Miller),  von  der  vorstehenden  hauptsächlich  durch  schmälere,  oberseits  bleibend 
kurzhaarige,  mattgrüne,  5 — 8  cm  lange  und  2 — 3  cm  breite  Blätter,  dicke,  noch 
im  2.  Winter  dicht  sammetfilzigeZweige,  halbnierenförmige,  an  kräftigen 
Langtrieben  ziemlich  grosse  und  lange  bleibende  Nebenblätter  unterschieden,  bewohnt, 
mehr  auf  die  Ebenen  beschränkt,  ebenfalls  fast  ganz  Europa,  liebt  feuchten  bis  nassen 
Boden  und  kommt,  immer  strauchförmig  bleibend,  als  2 — 6  m  hoher  sperriger  Gross- 
strauch an  Waldrändern,  als  Lückenbüsser  im  Niederwald,  auf  Wiesen,  namentlich  aber 
in  den  Sümpfen  und  sumpfigen  Flussufem  der  norddeutschen  Ebene  und  der  ungarischen 
Steppe  vor. 

12.  Salix  aurita  Linn6.  Ohrweide,  Salbeiweide,  ist  charakteri- 
siert durch  ihre  kleinen,  nur  2 — 4  cm  langen  und  1 — 2  cm  breiten  Blätter,  die 
oberseits  mattgrün  und  durch  das  vertiefte  Adernetz  auffallend  runzelig,  un- 
terseits  etwas  bläulichgrün  und  dünnülzig  sind,  mit  stark  ausgeprägtem 
Adernetz.  Nebenblätter  halbherz-  oder  halbnierenförmig,  lange  bleibend, 
an  üppigen  Langtrieben  gross,  blattartig  gezähnt.  Zweige  zahlreich,  dünn, 
jung  grauflaumig,  bis  zum  Winter  fast  völlig  kahl,  rotbraun,  etwas  glänzend.  —  Mit 
Vorliebe  auf  feuchtem  und  sumpfigem  Moorboden  wachsend,  im  Gebirge  hoch  empor- 
steigend, ist  dieser  im  Walde  auf  geeignetem  Boden,  namentlich  in  Jung>vüchsen,  häu- 
fige Strauch  von  sperrigem,  1^/2  m  Höhe  selten  überschreitendem  Wuchs  über  den 
grössten  Teil  Europas  verbreitet. 

13.  Salix  grandifolia  Seringe.  Grossblätterige  Weide  (syn. 
appendiculata  Yillars.)  Diese  fast  ausschliesslich  in  den  Alpenländem  heimische  Strauch- 
weide (bis  2V2  m  Höhe),  ist  an  ihrer  oberen  Grenze  (bis  1900  m)  die  Begleiterin  des 
Knieholzes  und  der  Grünerle,  in  der  tieferen  Region  eine  echte  üferweide.  Sie  hat 
grosse,  bis  15  cm  lange  und  bis  5  cm  breite  Blätter,  welche  in  der  oberen 
Hälfte  am  breitesten  sind,  oberseits  dunkelgrün,  kahl;  unterseits  graugrün, 
spärlich  behaart,  mit  sehr  stark  vortretendem,  reichmaschigem,  gelb- 
lichem Adernetz.  Nebenblätter  gross,  halbherz-  bis  halbpfeilf örmig ,  fast 
immer  vorhanden.  Kätzchen,  wie  bei  der  folgenden  mit  nur  2 — 3  Schuppen- 
blättern am  Grunde. 

14.  Salix  silesiaca  Willdeno w,  die  schlesische  Weide,  em mit- 
telgrosser Strauch  mit  brüchigen  Zweigen,  vertritt  in  den  Sudeten  und  Karpathen  in 
Wäldern  und  insbesondere  an  Bächen  die  grossblätterige  Weide  der  Alpen.  Ihre  Blät- 
ter, höchstens  9  cm  lang,  sind  breit  oder  verkehrt  eiförmig  zugespitzt,  und  beider- 
seits fast  gleichfarbig.     Nebenblätter  wie  bei  voriger. 

H.  Schwarz  werdendeWeiden.  Blätter  ziemlich  breit,  nach  dem  Trock- 
nen schwarz  werdend. 

15.  Salix  nigricans  Smith,  Schwarzweide.  Diese  äusserst  formen- 
reiche  Weide  ist  über  ganz  Europa,  in  der  Ebene  wie  im  Gebirg,  inselartig  verbreitet, 


Die  Laubhölzer.     §  76.  337 

fehlt  vielen  Gegenden  gänzlich  (z.  B.  nordwestliches  Deutschland,  Schwarzwald  und 
Vogesen),  während  sie  in  anderen  häufig  ist  (Ostpreussen,  nördliche  Karpathenländer 
und  Alpen,  wo  sie  als  Begleiterin  der  Flüsse  in  die  Moore  des  Vorlands  hinabsteigt.) 
Blätter  breitherzförmig  bis  lanzettlich,  wellenförmig  gesägt,  oberseits  meist  kahl, 
dunkelgrün  mit  eingesenkterNervatur,  unterseits  kahl  mit  nicht  vor- 
tretender Nervatur,  blaugrün  mit  grüner  Spitze,  die  jüngeren  neigst 
den  Zweigen  kurz  weichhaarig.  Wuchs  meist  strauchig,  1/2 — 2  m,  selten  (nur  gross- 
blätterige Formen)  baumartig.  K  u  t  e  n  ziemlich  zahlreich,  dünn,  sehr  lang  und  sehr  zäh. 

Von  den  zahllosen  Weidenbastarden  kommen  die  häufigen  Mischformen 
von  Weiss-  und  Bruchweide,  sowie  die  Bastarde  von  Weiss-  und  Mandelweide,  von 
Bruch-  und  Lorbeerweide,  von  Bruch-  und  Mandelweide,  sowie  die  Bastarde  der  Sal- 
weide und  andere  als  Eulturweiden  nicht  in  Betracht,  während  diejenigen  der  Eorb- 
und  Mandelweide,  sowie  der  Korb-  und  Purpurweide  zum  Teil  kultiviert  werden,  ins- 
besondere gehört  nach  Hempel  und  Wilhelm  die  raschwüchsige  und  ausdauernde 
Bastardweide  Salix  rubra  Hudson  (purpurea  X  viminalis)  zu  den  Kultuinveiden  ersten 
Eanges,  von  allen  W^eidenarten  durch  die  gleichmässigsten  Hüten  ausgezeichnet,  die 
ausserdem  sehr  lang,  aber  dünner  als  bei  der  Korbweide,  so  schlank  wie  bei  der  Pnr- 
purweide,  zähbiegsam,  fest,  dünnrindig  und  leicht  schälbar  sind. 

Die  Pappeln  (Populus),  (franz.  Peuplier). 

§  76.  Kätzchenschuppen  bandförmig  gezähnt  oder  zerschlitzt.  Blüte 
in  einem  becherförmigen  grünen  D  i  s  c  u  s  ohne  Honigabsonderung  stehend.  Wind- 
blütler. Staubgefässe  zahlreich  (4 — 30).  Blätter  langgestielt,  mitunter  ge- 
lappt. Knospen  mit  mehreren  Knospenschuppen;  Endknospe  vorhanden,  meist 
grösser.    Mark  östrahlig.  —  Ca.  18  Arten. 

A.  Aspen  (Sektion  Leuce  Duby.)  Junge  Triebe  und  Blätter  be- 
haart, letztere  unterseits  oft  bleibend  filzig.  Kätzchen  frühzeitig,  mit  langhaarig 
gewimperten  Deckschuppen  der  Blüten.  Männliche  Blüten  mit  4 — 8  (15) 
Staubgefässen.  Narbenäste  meist  kurz  fadenförmig.  Knospen  mit  mindestens 
6  Schuppen.  Rinde  ziemlich  lange  glatt  bleibend.  Langtriebe  schlank ,  ruten- 
förmig,  rund. 

1.  Populus  tremula  Linn6.  Zitterpappel,  Aspe,  Espe.  Knos- 
pen klein,  spitz,  glänzend  kastanienbraun,  mehr  oder  weniger  klebrig.  Blätter 
jung  rötlich  und  etwas  behaart,  bald  kahl,  oberseits  dunkelgrün,  unterseits  hellgrau- 
grün  mit  stark  vortretendem  Adernetz,  zweigestaltig,  an  den  kurzen  Sei- 
tentrieben kreisrund  bis  eirundlich,  unregelmässig  grob  und 
aasgeschweift  stumpf  gezähnt,  ca.  3 — 7  cm  lang  und  3 — 8  cm  breit,  bei 
jungen  Pflanzen  stets  grösser  als  bei  älteren,  mit  3 — 6  cm  langem,  dünnem,  seit- 
lich zusammengedrücktem  Blattstiel,  an  Gipfel-,  Johannis-  und 
Wurzeltrieben  rhombisch  bis  herzeiförmig,  zugespitzt,  klein  gesägt,  kurz  gestielt, 
meist  bleibend  filzig,  an  kräftigen  Lohden  bis  19  cm  lang  und  13  cm  breit. 
Kätzchen  gross  und  dick,  hängend,  mit  karminroten  Staubbeuteln  bezw. 
Narben.  —  Die  Aspe  wird  mit  ca.  20 — 25  Jahren  mannbar,  an  Stockausschlägen 
noch  früher  und  blüht  je  nach  Klima  und  Lage  im  März  oder  April  einige  Wochen 
vor  dem  Laubausbruch.  Samenreife  im  Mai  oder  Juni;  Abfall  gleich  nach  der 
Reife,  sobald  die  Kapseln  aufgesprungen  sind.  Samenjahre  fast  alljährlich.  Same 
sehr  klein,  gelblich,  mit  weisswolligem  Haarschopf  am  Grunde,  durch  den  Wind  über- 
allhin verbreitet.    Keimfähigkeit  gering.    Die  Keimung  erfolgt  in  8—10  Tagen 

Handbuch  d.  Forstw.    3.  Aufl.    I.  22 


338  in.  Klein,  Fontbotanik. 

nach  dem  Abfall  mit  zwei  sehr  kleinen,  fleischigen,  herzeiförmigen  Cotyledonen.  Die 
Samen  verlieren  ihre  Keimfähigkeit  sehr  schnell.  —  Im  1.  Jahr  ist  der  Höhen  wuchs 
gering,  steigt  dann  sehr  rasch  an,  bis  über  1  m  pro  Jahr  betragend,  erreicht  mit  dem 
30. — 40.  .Jahre  seinen  Gipfelpunkt  und  nach  etwa  zwei  weiteren  Jahrzehnten  seinen 
Abschluss.  In  dieser  Zeit  kann  die  Aspe  im  Südwesten  Mitteleuropas  10 — 20  m  hohe 
und  V^  ™  starke,  im  Nord-  und  Südost  dagegen  bis  35  m  hohe  und  1  m  starke  Stämme 
bilden.  Das  Alter  tiberschreitet  bei  aus  Samen  erwachsenen  Pflanzen  selten  100  Jahre, 
bei  den  aus  Wurzelbrut  hervorgegangenen  ist  die  Lebensdauer  noch  viel  kürzer.  Der 
Stamm  reinigt  sich  auch  im  Freistand  bis  hoch  hinauf  von  Aesten.  Die  lichte  Krone 
entwickelt  frühzeitig  zahlreiche  Kurztriebe,  an  welchen  die  ungemein  beweglichen  Blät- 
ter gehuschelt  sitzen.  Die  gelblichgraue  R  i  n  d  e  bleibt  lange  glatt,  reisst  dann  in  der 
für  alle  Pappeln  charakteristischen  Weise  mit  rhombischen  Pusteln  auf,  die  sich  ver- 
grössern  und  seitlich  zusammenfliessen  und  schliesslich  eine  läiigsrLssige  graue  Borke 
bilden.  Das  Holz  ist  von  allen  weidenartigen  Laubhölzern  durch  den  Mangel  eines 
gefärbten  Kernes  ausgezeichnet,  ist  schmutzigweiss,  von  gleichmässiger  Struktur, 
langfaserig,  ziemlich  glänzend,  leicht  (ca.  0,51),  sehr  weich,  leicht-  und  schönspaltig, 
mittelbiegsam,  wenig  fest,  trocken  ziemlich  dauerhaft,  im  Freien  von  geringer  Dauer, 
massig  schwindend  (0,57o)  und  von  sehr  geringer  Brennkraft  (0,58 — 0,62).  Es  gehört 
wie  das  aller  Pappeln  zu  den  zerstreutporigen  Weichhölzem,  deren  Markstrahlen  mit 
unbewaffnetem  Auge  nicht  oder  kaum  zu  erkennen  sind.  Die  Bewurzelung  ist 
flach  und  weit  ausstreichend,  das  Ausschlagvermögen  vom  Stock  aus  gering, 
dagegen  die  Fähigkeit,  W^  u  r  z  e  1  b  r  u  t  zu  treiben,  die  übrigens  allen  Pappeln  zukommt, 
hier  besonders  gross  und  andauernd.  Künstliche  Anpflanzung  fast  nur  durch  Wurzel- 
schösslinge,  weil  Stecklinge  fast  immer  versagen.  —  Das  Verbreitungsgebiet 
der  Aspe,  die  von  allen  Pappeln  noch  am  meisten  den  Charakter  eines  eigentlichen 
W^aldbaumes  besitzt,  umfasst  beinahe  ganz  Europa  mit  Ausnahme  des  äussersten  Südens 
und  Nordens  (bis  71®)  —  sie  geht  im  allg.  so  weit  wie  die  gemeine  Birke  — ,  Nord- 
afrika, die  Kaukasusländer,  Sibirien  und  Japan.  Ihre  vollkommenste  Entwickelnng 
erreicht  sie  als  Baum  der  Ebene  im  östlichen  und  nordöstlichen  Europa  (Galizien,  Posen, 
Ostseeländer,  Russland),  wo  sie  teils  rein,  teils  in  Mischung  mit  Erlen  und  Birken  ge- 
schlossene Bestände  von  grosser  Schönheit  und  dichtem  Schluss  bildet.  In  den  deut- 
schen Mittelgebirgen,  den  Alpen,  sowie  in  Süd-  und  Westeuropa  steigt  sie  ziemlich 
hoch  im  Gebirge  empor.  —  Die  Aspe  ist,  namentlich  auf  geringen  Böden,  eine  aus- 
gesprochene Licht  holzart,  in  ihren  Standortsansprüchen  bescheiden  und  sehr 
anpassungsfähig,  verlangt  aber  zu  vollkommenem  Gedeihen  kräftigen  Wald- 
boden und  massig  warmes,  luftfeuchtes  Klima ;  heisse  trockene  Sandböden  sowie  schwere 
Ton-  und  Moorböden  sagen  ihr  nicht  zu. 

2.  PopulusalbaLinn6.  Silberpappel.  Knospen  spitz,  dicker  wie 
bei  voriger,  wie  die  jungen  Triebe  nicht  klebrig,  anfangs  weissfilzig,  später  ziem- 
lich kahl  und  braun.  Blätter  an  den  Kurztrieben  und  im  unteren  Teil 
der  Langtriebe  ca.  4 — 7  cm  lang  und  3—4  cm  breit,  eiförmig,  unregelmässig 
stumpf  gezähnt,  oberseits  dunkelgrün,  unterseits  weisslich,  an  der  Spitze  der 
L  a  n  g  t  r  i  e  b  e  bis  über  10  cm  lang  und  breit,  bandförmig  gelappt,  unterseits 
undurchsichtig  weissfilzig.  Narben  der  weiblichen  Blüten  gelblichgrün.  S onst 
ähnlich  wie  vorige.  Die  Silberpappel  wird  noch  früher  mannbar  als  die  Aspe, 
ist  schon  im  1.  Jahre  raschwüchsiger  (10 — 20  (50)  cm)  und  kann  schon  mit  30-40 
Jahren,  in  welchem  Alter  der  Höhenwuchs  im  wesentlichen  abgeschlossen  ist,  bis  30  m 
hohe  und  bis  1  m  starke  Bäume  mit  anfangs  eikegelförmiger ,  später  breiter,  oft  ge- 
lappter, lockerästiger,  dichtbelaubter  Krone  mit  zahlreichen  Kurztrieben  bilden.    Trotz 


Die  Laubhdlzer.     §  76.  339 

dieser  Raschwüchsigkeit  kann  die  Silberpappel  300 — 400  Jahre  alt  und  ausseroi^dentlich 
stark  werden  (über  4V2  m  Durchmesser!).  Die  geschlossene  Rinde  ist  mehr  weiss- 
grau,  das  Holz  hat  einen  zuerst  gelben,  dann  braunen  Kern  und  breiten  Splint,  in 
seinen  technischen  Eigenschaften  dem  Aspenholz  ähnlich,  aber  etwas  gröber.  Bewur- 
zelung  ähnlich  wie  bei  der  Aspe,  weit  ausstreichend,  aber  gleichzeitig  auch  in  die 
Tiefe  entwickelt.  Reproduktionsvermögen  und  Vermehrung  wie  bei 
der  Aspe.  Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  der  Silberpappel  umfasst  die 
südliche  Hälfte  Europas  und  den  Orient.  In  Mitteleuropa  meist  an  die  Flussläufe  ge- 
bunden, ist  sie  am  häufigsten  und  zugleich  am  schönsten  entwickelt  auf  den  Auen  der 
Donauländer,  einen  hervorragenden  Bestandteil  der  dortigen  Auenwälder  bildend ;  auch 
am  Oberrhein  ist  sie  nicht  selten,  sonst  in  Mittel-  und  Norddeutschland  und  weiter 
nach  Norden  durch  Anbau  verbreitet  und  auf  passenden  Standorten  bis  zum  67^  in 
Norwegen  gedeihend.  Im  Gebirge  steigt  sie  nicht  weit  empor.  Die  Standortsan- 
sprüche sind  grösser  als  bei  der  Aspe,  ein  feuchter,  tiefgründiger,  lockerer  und 
fruchtbarer  Boden  (Auenboden)  sagt  ihr  am  meisten  zu,  selbst  auf  bruchigem  Boden 
kommt  sie  noch  fort,  falls  derselbe  genügend  Sand  enthält,  dagegen  verkrüppelt  sie 
auf  zu  mageren  oder  trockenen  Böden. 

3.  Populus  canescens  Smith.  Graupappel,  ziemlich  allgemein  als 
ein  Bastard  alba  X  tremula  betrachtet,  obwohl  sie  immer  keimfähigen  Samen  hervor- 
bringt. Findet  sich  vereinzelt  im  natürlichen  Verbreitungsgebiet  der  Silberpappel,  be- 
sonders der  badischen  und  elsässer  Rheinfläche  und  in  den  Donauländem  und  stellt 
dieselben  Ansprüche  an  Boden  und  Klima  wie  die  Silberpappel.  Die  Blätter  gleichen 
denen  der  Kurztriebe  der  Silberpappel,  tragen  aber,  erwachsen,  nur  auf  der  Unterseite 
einen  dünnen  Haarülz.  Mit  40  Jahren  pflegt  der  Höhenwuchs  (bis  ca.  20  ra)  erschöpft 
zu  sein  und  schon  mit  80—100  Jahren  werden  die  bis  50  cm  Stärke  erreichenden 
Stämme  kemfaul.  Im  Niederwaldbetrieb  schlägt  sie  gut  vom  Stock  aus  und  liefert 
auch  Wurzelbrut. 

B.  Schwarzpappeln  (Sektion  Aigeiros).  Knospen  gross,  mit  bloss  zwei 
grossen,  zusammengerollten  Schuppen ,  nebst  den  jungen  Zweigen  immer  kahl  und 
klebrig.  Blattstiele  seitlich  zusammengedrückt,  Blätter  kahl,  u n- 
terseits  grün,  mit  durchscheinendem  Ran  d.  Kätzchen  frühzeitig,  mit 
kahlenDeckschuppen.  MännlicheBlüten  meist  mehr  als  15  Staubgefässe. 
Narben  deutlich  gestielt,  meist  breit  gelappt.  Langtriebe  rutenförmig,  aber 
dicker,  knotiger,  kantig. 

4.  Populus  nigra  L.  Schwarzpappel.  Blätter  rundlich  dreieckig 
oder  rhombisch,  am  Grunde  fast  stets  keilförmig,  nach  oben  lang  zugespitzt,  am  Rande 
knorpelig  gesägt,  meist  5 — 7  cm  lang  und  3 — 6  cm  breit,  an  kräftigen  Stock-  und 
Stammlohden  oft  13 — 16  cm  lang,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  mattgrün, 
mit  beiderseits  scharf  vortretenden  gelblichen  Rippen.  Junge  Zweige  fahlgelb. 
Männliche  Kätzchen  dickwalzig,  mit  roten  Staubbeuteln,  weibliche  schlanker, 
mit  zwei  gelben,  tief  ausgerandeten,  aufgerichteten  Narben  auf  jedem  Fruchtknoten. 
Blütezeit  im  März  oder  April.  Beiaubung  im  April  oder  Mai.  Samenreife 
im  Juni.  —  Die  Schwarzpappel  wächst  rasch,  aber  doch  etwas  langsamer  als  die  an- 
deren Pappelarten  und  bildet  auf  guten  Standorten  in  40 — 50  Jahren  geradstämmige, 
20 — 25  m  hohe  Bäume  mit  umfangreicher,  im  Alter  breit  abgewölbter,  lockerer  Krone 
mit  starken,  oft  gerade  abstehenden  Aesten  und  sehr  beweglichem  Laube.  Auch  diese 
Pappel  erreicht  trotz  ihrer  Raschwüchsigkeit  ein  mehrhundertjähriges  Alter,  27—30  m 
Höhe  und  über  2  m  Durchmesser.  Die  B  e  w  u  r  z  e  1  u  n  g  ist  vorwiegend  seicht  und 
weit  ausgreifend,  doch  bildet  sie  häutig  auch  einige  tief  in  den  Boden  dringende  Wurzeln. 

22* 


340  m.  Klein,  Forstbotanik. 

Der  Stamm  zeigt  Neigung  zur  Bildung  von  „Maserkröpfen^,  aus  denen,  wie  aus  dem 
Stock,  sehr  reichlicher  Ausschlag  erfolgt,  während  die  Neigung  zur  Wurzelbrutbildang 
verhältnismässig  gering  ist.  Vermehrung  am  besten  durch  Stecklinge  (und  Setzstangen). 
Das  im  Kern  hellbräunliche  Holz  ist  ziemlich  grob,  sehr  leicht  (0,45)  und  stimmt  in 
seinen  Eigenschaften  mit  dem  der  Silberpappel  im  wesentlichen  überein.  Die  grauweisse 
Rinde  bildet  am  Stamm  und  den  stärkeren  Aesten  frühzeitig  eine  hochhinaufreichende 
dicke,  tief  längsrissige,  bräunliche  oder  schwärzliche  Borke.  —  Das  Verbreitungs- 
gebiet umfasst  beinahe  ganz  Europa  (bis  zum  6P),  doch  dürfte  der  Baum  wahrschein- 
lich nur  in  der  südlichen  Hälfte  einheimisch  sein.  In  den  mitteleuropäischen  Gebirgen 
geht  sie  nicht  hoch  empor.  Meist  ausserhalb  des  Waldes  vorkommend,  ist  sie  doch 
nach  der  Aspe  die  häutigste  Pappelart  im  Walde  und  ist  am  schönsten  längs  der  Was- 
serläufe, in  der  Ebene,  in  Ufergehölzen  und  Auwäldern  entwickelt,  oft  in  Gesellschaft 
der  Silberpappel,  aber  weniger  wie  diese  an  solche  Standorte  gebunden,  da  sie  als 
anspruchslose,  der  Aspe  nahekommende  Holzart  sich  jedem  Boden  und  Klima  anpasst. 

5.  Populus  pyramidalis  Rozier,  die  Pyramidenpappel  oder 
italienische  Pappel,  ist  wahrscheinlich  nur  eine  Varietät  der  Schwarzpappel,  von  wel- 
cher sie  sich  durch  die  in  sehr  spitzem  Winkel  aufstrebenden  zahlreichen  Aeste  und 
den  dadurch  bedingten  schlank  pyramidalen  Wuchs,  im  allgemeinen  etwas  kleinere, 
breitere  und  weniger  zugespitzte  Blätter  und  den  mit  sehr  starken,  rippen-  und  selbst 
brettartig  vorspringenden  Wurzelanläufen  versehenen,  spannrückigen,  abholzigen,  stets 
etwas  nach  links  gedrehten  Stamm,  sowie  durch  um  8 — 14  Tage  frühere  Blütezeit  und 
Belaubung  unterscheidet.  Die  weiblichen,  ausserordentlich  viel  selteneren  Bäume  zeigen 
eine  etwas  breitere  Krone  und  unter  etwas  grösserem  Winkel  ablaufende  Aeste  als  die 
männlichen.  Die  Pyramidenpappel  ist  der  Schwarzpappel,  mit  der  sie  sonst  in  allen 
wesentlichen  Eigenschaften  übereinstimmt,  im  Höhenwuchs  noch  etwas  überlegen  (bis 
33  m),  wird  aber  nicht  so  stark  und  verträgt  etwas  weniger  Bodenfeuchtigkeit.  — 
Angeblich  wild  im  Himalaya,  vielleicht  auch  in  der  Krim  und  in  It-alien,  in  Deutsch- 
land etwa  seit  1740  angepflanzt.  Früher  beliebter  Alleebaum,  wegen  der  Aussaugung 
der  angrenzenden  Felder  neuerdings  vielfach  beseitigt. 

6.  Populus  monilifera  Alton  (syn.  P.  canadensis  Moench),  die 
kanadische  Pappel,  Rosenkranzpappel,  im  östlichen  Amerika  als  Be- 
gleiterin der  Flüsse  heimisch  und  dort  mitunter  bis  50  m  Höhe  erreichend,  ist  durch 
ungewöhnliche  Raschwftchsigkeit  ausgezeichnet  und  schon  lange  als  Park-  und  Allee- 
baum in  Europa  eingeführt.  Sie  steht  der  Schwarzpappel  nahe,  unterscheidet  sich  aber 
von  ihr  durch  grössere,  an  der  Spitze  häufig  stark  nach  aussen  gebogene  branne 
Knospen,  durch  grössere,  in  der  Form  sehr  variierende  Blätter  (6 — 12  cm  lang,  5  bis 
10  cm  breit),  welche  meist  fast  dreieckig,  an  der  Basis  gerade  abgeschnitten  und  am 
Rande  zuweilen  anliegend  behaart  sind,  sowie  durch  die  von  Korkrippen  etwas  kanti- 
gen Langtriebe  und  die  in  der  Zahl  3 — 4  vorhandenen,  zurückgerollten  Narben.  Die 
Rinde  bildet  frühzeitig  eine  etwas  regelmässiger  längsfurchige  graue  Borke.  Der 
Stamm  ist  gleichmässiger  und  vollkommener  gerundet,  das  Holz  mit  hell-  oder  gran- 
braunem Kern  ist  äusserst  leichtspaltig  und  stimmt  sonst  mit  dem  Schwarzpappelholz 
überein.  Sie  erreicht  bei  uns  nach  Hartig  in  12  Jahren  auf  gutem  Boden  14—16  m 
Höhe,  in  40  Jahren  bis  22  m,  nach  Hausrath  auf  Auwaldboden  bei  Karlsruhe  in  31 
Jahren  gar  31  m  und  54  cm  Durchmesser  bei  sehr  geradem,  hoch  hinauf  astreinem 
Stamm,  gedeiht  am  besten  auf  frischem  bis  feuchtem,  fruchtbarem  Boden,  kommt  aber 
mit  entsprechend  geringeren  Leistungen  auch  auf  ärmeren  und  trockeneren  Standorten 
fort.  Seit  1772  in  Europa  eingeführt  und  nicht  selten,  namentlich  in  neuerer  Zeit, 
forstlich  angebaut. 


Die  Laubhölzer.    §  77.  341 

7.  PopulusangulataAiton.  Kantigzweigige  Pappel,  ans  den 
mittleren  und  südlichen  Vereinigten  Staaten,  mit  kräftigen,  durch  starke  Kork- 
rippen kantigen  Langtrieben  und  ähnlichen  bis  13  cm  langen  Blättern  wie  vorige, 
ist  bei  uns  ab  und  zu  als  Zierbaum  angepflanzt.  Köhne  stellt  hierher  die  von  Hartig 
als  Art  bezeichnete 

8.  Populus  serotina  Hartig.  Späte  Pappel,  die  aber  auch  zur 
Kosenkranzpappel  gezogen  wird  und  durch  fadenförmig  zerschlitzte  Kätzchenschuppen 
und  späteren  Laubausbruch  als  alle  anderen  Pappeln  ausgezeichnet  ist.  Die  Blätter 
sind  etwas  kleiner  als  bei  voriger,  mit  abgestutzter  Basis.  Ebenfalls  sehr  raschwüchsig, 
bei  uns  früher  hauptsächlich  nur  in  Braunschweig  angepflanzt,  ist  sie  neuerdings  für 
forstlichen  Anbau  wieder  empfohlen  worden. 

C.  Balsampappeln  (Sektion  Tacamahaca).  Knospen,  junge  Triebe 
und  Blätter  sehr  klebrig  und  kahl.  Blattstiele  rund,  oberseits  gefurcht. 
Blätter  bis  15  cm  gross ,  ohne  durchscheinenden  Rand,  unter seits 
weisslich.  Lang  triebe  kantig,  stark,  sehr  knotig,  von  geringer  Länge,  aus  den 
meisten  Seitenknospen  bloss  Kurztriebe  entwickelnd,  daher  sperrige  Krone. 

Folgende  3  Arten  sind  bei  uns  als  stattliche  Zierbäume  angepflanzt: 

9.  Populus  candicans  Alton.  Ontariopappel.  Blätter  von  der 
Form  des  Lindenblatts,  herzförmig-dreieckig  oder  herzeiförmig,  fast  so  breit  wie  lang. 
—  Aus  Canada  und  den  nördlichen  Staaten  der  Union. 

10.  Populus  laurifolia  Ledebour.  Lorbeerpappel.  Blätter 
viel  länger  als  breit,  aus  abgerundetem  oder  selbst  seichtherzförmigem  Grunde  breit 
eilänglich  bis  lanzettlich ,  allmählich  verschmälert  oder  etwas  zugespitzt.  Junge 
Langtriebe  gelblichgrau,  scharf  gerippt  oder  geflügelt  kantig.  —  Aus  dem  südlichen 
Sibirien. 

11.  Populus  balsamifera  Linn6.  Balsampappel.  Blätter  länger 
als  breit,  eiförmig,  zugespitzt.  Junge  Langtriebe  glänzend  braunrot,  rund  oder 
schwach  kantig.    Aus  dem  östlichen  Nordamerika. 

S.  Kätzohenlose  Laubhölzer. 

§  77.  Ulmenartige  Laubhölzer  (Familie  Ulmaceae.)  Blüten  ein- 
geschlechtig oder  zwitterig,  mit  4 — Sspaltigem,  kelchartigem,  glockenförmigem  Perigon 
und  ebensoviel  Staubgefässen  wie  Perigonzipfel ,  in  cymösen  Knäueln  oder  einzeln  in 
den  Achseln  von  Laubblättem.  Fruchtknoten  einfächerig  (mit  dem  Rudiment  eines 
zweiten  Faches),  mit  einer  Samenknospe.  Windblütler.  Holzpflanzen  mit  abfallenden 
zungenförmigen  Nebenblättern.     Ca.  130  Arten. 

Ulme.     Ulmus  (franz.  Orme). 

Blüten  in  von  Knospenschuppen  umgebenen  Knäueln  in  den  Achseln  vorjähriger 
Blätter,  vornehmlich  im  unteren  und  mittleren  Teil  der  Triebe,  lange  vor  dem  Laub- 
ausbruch aufblühend.  Frucht  ein  ringsum  häutig  geflügeltes  Nüsschen.  Blätter 
vom  Grund  an  fiedernervig,  ungleich,  die  der  Zweigspitze  zuge- 
kehrte Hälfte  grösser,  streng  2zeilig  angeordnet.  Endkospe  fehlt;  Seiten- 
knospen schief  über  scharf  vortretenden,  3  derbe  Gefässbündelspuren  tragenden 
Blattnarben.    Blütenknospen  dick  kugelig. 

1.  Ulmus  campestris  Spach  (syn.  ü.  glabra  Miller.)  Feldulme, 
Gemeine  Ulme,  Rotulme,  Rusche.  (Laub) knospen  klein,  spitzeiförmig, 
mit  dunkelbraunen  Schuppen,  kahl,  oder  kurz  weisslich  behaart.  Junge  Zweige 
dünn,  glänzend  rostgelb  bis  rotbraun,  glatt.    Blätter  lanzettlich  bis 


342  III.  Klein,  Forstbotanik. 

breit  herzförmig,  gespitzt,  mit  sehr  ungleichem  Grunde,   ca.  6 — 10  cm  lang,   in  Form 
und  Grösse  Behr  variabel,  an  Kurztrieben  stets  kleiner  wie  an  Langtrieben,  meist  länger 
gestielt ,    ausgewachsen  sehr  derb,    oft  fast  lederartig,  oberseits  dunkelgrün ,   meist 
lebhaft  glänzend,  unterseits  matt  hellgrün,  mit  dem  grössten  Durchmesser  in  der  Mitte, 
meist  kahl,  seltener,  bei  Strauchformen  in  der  Eegel,  kurz  rauhaarig,  meist  nur  unter- 
seits in  den  Nervenwinkeln  gebartet,    einfach  bis  doppelt  gekerbt-gesägt.    Blüten 
sehr  kurz  gestielt;   Staubgefässe  meist  4 — 5,   2 — 3  mal  so   lang  als  das  Perigon,  mit 
karminroten  Staubbeuteln.    Frucht  meist  verkehrt  eiförmig,  1— 27»  cm  lang,  Nüss- 
chen  rötlich,   meist  dem  Vo  rderrand   des   kahlrandigen  Flügels  ge- 
nähert und  bis  zum  Rande   der  Einkerbung  reichend.  —  Die  Mann- 
barkeit tritt  auch  im  Freistand  nicht  leicht  vor  dem  30. — 40.  Jahre  ein,  reichliche 
Samenjahre  meist  jedes  2.  Jahr.     Blütezeit  März   oder  April.     Samenreife 
Ende  Mai,    oder  im  Juni.    Keimfähigkeit   gewöhnlich   nur  20 — 40%,   bis  zum 
nächsten  Frühjahr  haben  die  meisten  Samen  ihre  Keimkraft  eingebüsst  und  die 
Keimung  erfolgt  dann  spät  oder  die  Samen  liegen  über;   gleich  nach  der  Reife  gesät 
keimen  die  Samen  in  3 — 4  Wochen,  mit  zwei  dicken  fleischigen,  verkehrt-eiförmigen, 
am  Grunde  pfeilförmigen  kleinen  Keimblättchen  (denen  von  Carpinus  ähnlich),  das  erste 
Laubblattpaar  ist  gegenständig,   grob  gesägt,   noch  nicht  unsymmetrisch.     Im  1.  Jahr 
wird  das  Pflänzchen  20  cm  und  darüber  hoch.    Der  Jugend  wuchs  ist  rasch,  dem  der 
Eiche  ähnlich,   in  den  ersten  5  Jahren  durchschnittlich  je  30 — 50  cm.    Der  grösste 
Höhen-  und  Stärkewuchs  liegt  zwischen  dem  20.  und  40.  Jahre.    Im  50. — 60.  Jahre 
ist  der  Höhenwuchs  im  wesentlichen  erschöpft  und  die  Krone  wölbt  sich  ab.    Im  Schlüsse 
kann  der  geradschaftige  Baum  bis  30  und  33  m  Höhe  und  beträchtliche  Stärke  er- 
reichen,  im  Freistand  löst  er  sich  6 — 8  m  und  weniger  über  dem  Boden  in  eine  sehr 
breite,  reichastige,  locker  belaubte  Krone  auf,  deren  ältere  Langtriebe  auffällig  2zeilig 
verzweigt  und  flach  ausgebreitet  sind.    Das  Alter  kann  mehrere  Jahrhunderte  betragen. 
Die  älteste  deutsche  Ulme  dürfte  die  „Schimsheimer  Effe'^  in  der  Rheinpfalz  sein,  die 
in  Brusthöhe  11  m  73  Umfang  besitzt  und  deren  Alter  auf  450 — 600  Jahre  geschätzt 
wird.  In  der  Jugend  hat  der  Baum  eine  tiefgehende  Pfahlwurzel,  die  aber  nament- 
lich auf  Aueboden  bald  verschwindet,  so  dass  vom  6. — 10.  Jahre  von  einem  starken 
Wurzelstock  einige  kräftige  „Herzwurzeln*^  in  die  Tiefe  gehen  und  zahlreiche  Seiten- 
wurzeln flach  unter  der  Erdoberfläche  streichen.    Das  Ausschlagvermögen  ans 
dem  Stock  wie  aus  dem  Stamm  ist  sehr  bedeutend  und  ebenso  die  Neigung  zur  Biidang 
von  W  u  r  z  e  1  b  r  u  t ,  durch  welche  sie  sich  in  Auewaldungen  vornehmlich  erhält.    Die 
an  dickwandigen  Bastfaserbündeln  reiche  Rinde,  anfänglich  glatt  und  brännlichgrao, 
reisst  im  Stangenholzalter  auf  und  bildet  eine,   später  in  auffällig  rechteckige  Stücke 
zerklüftete,  an  alten  Bäumen  vorwiegend  tief  längsrissige,  dunkel  graubraune,  der  Stiel- 
eiche ähnliche  Borke.     Bei  der  Var.  suberosa  bildet  die  Rinde  an  einzelnen  Zweigen 
und  schwächeren  Aesten  leistenförmige  Korkflügel,  die  nach  einigen  Jahren  abgestossen 
werden.    Das  ringporige  Holz  besitzt  einen  lebhaft  choco  ladebraunen  Kern 
und  gelblichen  schmalen  Splint  und  lässt  auf  dem  Querschnitt  die  Markstrahlen  mit 
blossem  Auge  nicht  erkennen,  dagegen  verlaufen  im  Spätholz  zahlreiche  feine,  unter- 
brochene  Wellenlinien,   welche  aus  einfachen  Reihen  enger  Gefässe  bestehen.    Die 
Hauptmasse  des  Holzes  besteht  aus  dickwandigen  Holzfasern.    Das  sehr  wertvolle 
Holz  ist  grobfaserig,   elastisch,  zähbiegsam,    sehr  fest,   schwer  (0,74),  sehr  zähe,  sehr 
schwerspaltig,  ziemlich  hart,  von  ausserordentlicher  Dauer  und  sehr  brennkräftig  (0,80 
bis  0,90). 

Das  Verbreitungs  gebiet  der  Feldulme  umfasst  in  Europa,  wo  ihr  Optimnm 
südlich  den  Alpen  liegt,  die  milderen  Gegenden  bis  zum  südlichen  Schweden  und  Nor- 


Die  Laubhölzer.     §  77.  343 

wegen.  Sie  ist  ein  Baum  der  Ebene  und  Flusstäler,  wo  sie  eingesprengt,  hörst  weise, 
oder  auch  als  herrschende  Holzart  (z.  B.  in  den  Auenwäldern  der  Elbe)  vorkommt,  im 
Gebirge,  wenigstens  in  Mittel-  und  Süddeutschland,  kaum  über  400 — 500  m  emporsteigend. 
In  bezug  auf  Boden  undKlima  gehört  die  Feldulme  zu  den  anspruchsvoll- 
sten aller  unserer  Waldbäume  und  verlangt  zu  vollkommener  Entwickelung 
sehr  mineralkräftige,  tiefgründige,  lockere  und  frische  Böden  und  verträgt  beinahe 
soviel  Nässe  wie  die  Esche;  Bruchboden  sagt  ihr  nicht  zu.  Ebenso  gehört  sie  zu  den 
wärmebedürftigsten  Holzarten,  ist  aber,  der  Schwarzerle  ähnlich,  ein  nur  in  massigem 
Grade  lichtbedürftiger  Waldbaum. 

2,  Ulmus  montana  Withering  (syn.  ü.  campestris  Linn^s  Herbar.; 
scabra  Miller).  Bergulme,  Haselulme,  Weissulme  oder  -rüster,  von 
der  Feldulme,  mit  der  sie  vielfach  verwechselt  wurde,  durch  folgende  Merk- 
male zu  unterscheiden :  Laubknospen  grösser  und  voller ,  dunkelbraun ,  auf 
dem  Rucken  rostbraun  behaart.  Blätter  ebenfalls  sehr  vielgestaltig,  kür- 
zer gestielt,  grösser,  8—16  cm  lang,  dünn,  länger  zugespitzt,  scharf  doppelt  gesägt, 
die  endständigen  (grössten)  der  Zweige  oft  3zipfelig,  über  der  Mitte  am  breitesten, 
dankler  grün,  oberseits  nur  wenig  glänzend,  beiderseits  durch  kurze,  steife  Behaarung 
rauh.  Bei  jungen,  namentlich  in  starker  Beschattung  erwachsenen  Bäumen  sind  diese 
Unterschiede  am  auffälligsten,  nicht  selten  sind  hier  die  Blätter  am  keilförmigen  Grund 
kaum  ungleich  und  hier  wie  namentlich  an  Ausschlaglohden  erinnern  die  breiten  Blätter 
oft  an  die  Hasel.  Blüten  kurz  gestielt  (bis  1  mm),  grösser  als  bei  der  Feldulme; 
Staubgefässe,  meist  5,  ungefähr  doppelt  so  lang  als  das  Perigon,  mit  violetten 
Staubbeuteln.  Die  kahlen,  grösseren  (bis  3  cm)  Früchte  sind  meist  oval  und  tragen 
das  grünliche  Nüsschen  meist  in  der  Mitte  des  Flügels,  den  Rand 
der  oberen  Einkerbung  lange  nicht  erreichend.  Im  Entwickelungs- 
g  a  n  g  gleicht  die  Bergulme  der  Feldulme,  ist  aber  in  allen  Teilen  derber  und  ki'äftiger 
und  erwächst  gleichfalls  zu  ansehnlichen  Bäumen  mit  teilweise  abwärts  geneigten  Zwei- 
gen. Korkleistenbildung  an  jüngeren  Zweigen  tritt  nur  sehr  selten  auf.  Die  Borke 
ist  mehr  seicht  längsrissig,  der  Eiche  sehr  ähnlich,  das  Holz  hat  einen  blassbrau- 
nen Kern  und  unterscheidet  sich  anatomisch  dadurch  vom  Feldulmenholz,  dass  die 
engen  Gefässe  des  Spätholzes  in  zusammenhängenden  wellenförmigen,  breiteren 
Linien  auftreten.  Seine  Güte  ist  wesentlich  geringer ;  es  ist  lockerer  und  splintreicher, 
weniger  fest  und  elastisch,  etyras  besser  spaltbar,  schwer  (0,69),  minder  brennkräftig. 
—  Das  europäische  Verbreitungsgebiet  der  Bergulme,  die  in  Deutschland  zwar  nur 
eingesprengt  oder  horstweise  auftritt,  aber  weitaus  die  verbreitetste  Ulme  ist,  umfasst 
die  nördliche  Hälfte  Europas,  wo  sie  von  Schottland  und  vom  südlichen  Schweden  und 
Norwegen,  sowie  vom  nördlichen  Russland  bis  zu  den  südlichen  Alpen  und  Karpathen 
reicht.  Die  Bodenansprüche  sind  nahezu  die  gleichen  wie  bei  der  Feldulme,  doch  geht 
sie  höher  im  Gebirge  empor  und  begnügt  sich  mit  geringerer  Luftwärme. 

3.  Ulmus  effusa  Willdenow.  Flatterulme,  Effe,  Iffe,  Bast- 
rüster. Knospen  spitz,  schlank,  zimmetbraun,  kahl,  durch  dunkle  Berandung  ihrer 
Schuppen  gescheckt.  Junge  Zweige  dünn,  hellbraun,  meist  glatt  und  glänzend, 
an  Stockausschlägen  aber  behaart,  stets  ohne  Korkflügel.  Blätter  dünn,  oberseits 
kahl  oder  etwas  rauh,  unterseits  gleichmässig  weich  behaart,  hinsichtlich  der  Grösse 
zwischen  beiden  vorstehenden  Arten,  in  der  Mitte  am  breitesten,  am  Grunde  sehr 
unsymmetrisch,  lang  zugespitzt,  scharf  doppelt  gesägt,  Hauptzähne  nach  vom  gekrümmt. 
Bluten  lang  gestielt  (bis  17  mm),  in  flatterigen  Büscheln,  ca.  14 
Tage  früher  aufblähend.  Früchte  an  3—4  cm  langen  Stielen  hängend,  kleiner  als 
bei  vorigen  (bis  1^2  cm),   mit  central  gelagertem  Nüsschen  und  deutlich  ge- 


344  III.  Klein,  Forstbotanik. 

wimpertem  Fitigelrand.  Bewnrzelnng  ziemlich  tief,  mit  oft  mächtigen 
Wurzelanläufen.  Der  Wuchs  ist  etwas  rascher  als  bei  der  Feldulme,  sie  erwächst 
ebenfalls  zu  stattlichen  Bäumen  mit  etwas  schlankerem  Stamm  und  breiter,  lockerer, 
unregelmässiger,  reichästiger  Krone.  Der  Stockausschlag  ist  reichlich ;  die  Nei- 
gung zu  Wurzelbrut  scheint  verschieden,  im  allgemeinen  aber  bedeutend  zu  sein. 
Die  Rinde  bildet  eine  nur  massig  dicke,  längsrissige,  graubraune,  fortwährend  in 
flachen  gekrümmten  Schuppen  abblätternde  Borke.  Das  Holz  hat  breiten  Splint, 
schwach  lichtbraunen  Kern,  spez.  Gewicht  0,66  und  steht  in  seinen  technischen  Eigen- 
schaften den  beiden  anderen  Arten  erheblich  nach,  bildet  aber  häutig  sehr  schöne  Ma- 
serungen. Je  heller  der  Kern,  desto  geringwertiger  pflegt  das  Ulmenholz  überhaupt 
zu  sein  und  umgekehrt.  Anatomisch  ist  es  durch  feine,  aber  deutliche  Markstrahlen 
und  durch  fast  ununterbrochene  wellenförmigeBänder  von  engen  Ge- 
fässen  im  Spätholz  ausgezeichnet  und  infolge  dessen  lockerer.  Die  Flatternlme  ist  ein 
Baum  Mitteleuropas;  auf  den  südlichen  Halbinseln  sowie  in  Grossbritannien  und 
der  skandinavischen  Halbinsel  fehlt  sie;  fast  ausschliesslich  auf  die  Ebene  beschränkt, 
findet  sie  sich,  im  allgemeinen  nirgends  häufig,  an  ähnlichen  Standorten  wie  die  Feld- 
ulme, ist  aber  in  ihren  Bodenansprüchen  etwas  bescheidener  und  kommt  noch  auf  leich- 
terem sandreichem  Boden  und  auf  moorigen  Standorten  fort. 

4.  Ulmus  americana  Linn6.  Amerikanische  Ulme,  fast  im  ganzen 
atlantischen  Amerika  verbreitet,  ebenfalls  sehr  variabel,  der  Flatterulme  ähnlich,  mit 
unterseits  ebenfalls  weichhaarigen,  am  Grunde  aber  weniger  ungleichen,  auf  dem  Rücken 
der  Randzähne  oft  nur  einmal  gezähnten  Blättern,  deren  Seitenrippen  nach  Mayr  vor 
dem  Eintritt  in  die  Zahnspitze  jeweils  einen  kräftigen  Nerv  nach  der  Zahnbasis  ab- 
geben, mit  am  Rand  gewimperten  Früchten,  deren  Nüsschen  der  Flügeleinkerbung  dicht 
anliegt,  erreicht  in  ihrer  Heimat  auf  bestem  Standort  bis  85  m  Höhe  und  1  m  Stärke, 
während  sie  auf  trockenen  Standorten  niedrig  bleibt.  Bei  uns  vollkommen  hart,  selbst 
in  Norddeutschland  und  auf  geeigneten  Standorten  die  gleichen  Dimensionen  wie  in 
ihrer  Heimat  erreichend,  wurde  diese  Ulme  bei  uns  vielfach,  namentlich  in  den  60er  und 
70er  Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts  und  besonders  in  Ost-  und  Westpreussen 
forstlich  angebaut.  Da  ihr  sehr  schwerspaltiges  Holz  nur  ein  spez.  Gewicht  von  0,65 
und  einen  hellbraunen  Kern  besitzt,  will  man  neuerdings  mit  Recht  nichts  mehr  von 
ihr  wissen. 

§  78.  Celtis  australis  Linn6.  Gemeiner  Zürgelbaum  (franz. 
Micocoulier).  Knospen  gerade  über  den  Blattnarben.  Blätter  2zeilig,  5 — 20 cm 
lang,  s  c h i e f-eilanzettlich,  lang  zugespitzt,  unterseits  kurzhaarig,  am  Rande 
einfach  gesägt,  am  Grunde  handnervig,  indem  vom  keilförmigen  Grunde  neben  der 
Mittelrippe  je  ein  kräftiger  Seitennerv  bis  gegen  die  Mitte  des  Randes  läuft.  Blüten 
lang  und  dünn  gestielt,  einzeln  (oder  zu  2 — 3)  in  der  Achsel  diesjähriger 
Laubblätter.  Frucht  eine  ca.  1  cm  grosse,  anfangs  orangegelbe,  später  bra un- 
violette kugelige  Steinfrucht  mit  spärlichem,  geniessbarem  Fleisch.  —  Der 
gemeine  Zürgelbaum  ist  eine  südeuropäische  Holzart,  welche  in  den  südlichen 
Alpenländem,  in  Italien,  Croatien  und  Südungam  die  Nordgrenze  seiner  Yerbreitnng 
findet,  mit  Ausnahme  Südungarns  hier  meist  nur  vereinzelt  in  sonnigen  Lagen  auftritt 
und  langsam  sich  entwickelnd  in  150—200  Jahren  15—20  m  hohe  Bäume  mit  grosser 
rundlicher  Krone  bildet  und  ein  vielhundertjähriges  Alter  erreichen  kann.  Sein  Holz, 
im  Splint  gelblich,  im  Kern  grau,  atlasglänzend,  von  der  Struktur  der  Ulmenhölzer, 
aber  mit  deutlichen  Markstrahlen,  ist  ein  vorzügliches  Werkholz  vom  Gewicht  0,75  bis 
0,82,  das  an  Zähigkeit  alle  europäischen  Holzarten  übertrifft. 


Die  Laubhölzer.     §  79.  345 

Celtis  occidentalis  Linn^,  der  amerikanische  Zürgelbaum, 
ein  in  ganz  Nordamerika  mit  dem  Optimum  im  feuchten  Flussgebiet  des  Mississippi 
heimischer  Baum  mit  nach  Mayr  ziemlich  geringwertigem  Holz,  mit  beiderseits 
kahlen  oder  nahezu  kahlen,  bis  9  cm  langen,  variablen  Blättern  und  ungeniessbaren 
rötlichbraunen  Steinfrüchten,  ist  bei  uns  frosthärter  und  vielfach  als  Zierbaum  angepflanzt. 

Zelkowa  Eeäki  Dippel  (syn.  Planera  acuminata  Planchon).  Keäki,  der 
wertvollste  Laubholzbaum  Japans,  dort  in  der  Edelkastanienzone  heimisch.  Leittrieb 
dünn ,  schief  gestellt.  Blätter  spitzeiförmig ,  meist  gleichseitig,  sehr  kurz 
gestielt,  grob  stachelspitzig,  gekerbt-gesägt,  gleichmässig  fiedernervig  mit 
meist  10  Nervenpaaren,  an  fruchtbaren  Zweigen  ca.  3  -6  cm,  an  unfruchtbaren  6 — 12 cm 
lang.  Blüten  meist  eingeschlechtig,  unscheinbar,  sitzend  an  kurzen  Seitenzweigen, 
die  männlichen  einzeln  in  den  oberen  Blattachseln,  die  weiblichen  in  3 — ögliedrigen 
Knäueln  am  unteren,  blattlosen  Teil  der  Triebe.  Frucht  eine  kleine  schief  kugelige 
Steinfrucht,  den  Ntisschen  der  Hainbuche  ähnlich.  —  Das  feinfaserige  Holz  dieser  in 
Japan  sehr  raschwüchsigen  Lichtholzart,  die  sehr  starke  Dimensionen  er- 
reicht, hat  einen  dunkelbraunen  Kern  und  wird  in  seiner  Heimat  höher  geschätzt  als 
das  der  dortigen,  unserer  Zerreiche  vergleichbaren  Eichen.  —  In  Deutschland 
in  den  Kreis  der  forstlichen  Anbauversuche  gezogen,  hat  sich  die  Keäki  bis  jetzt  be- 
währt, ist  auch  bei  uns  raschwüchsig,  in  8  Jahren  ca.  4  m  hoch,  und  stellt,  wie  zu 
erwarten,  ziemlich  hohe  Ansprüche  an  Bodengüte  und  Wärme,  ähnlich  der  Carya  alba. 
Die  Früchte  besitzen  meist  grosse  Keimfähigkeit,  laufen  nach  ca.  4  Wochen  auf 
und  die  jungen  Pflanzen  werden  im  1.  Jahre  20 — 25  cm  hoch.  Im  Freistand  geht  das 
Bäumchen  frühzeitig  in  die  Aeste.  Eine  Pfahlwurzel  fehlt,  gleich  nach  dem  Verschulen 
bilden  sich  5—6  kräftige  Herzwurzeln  aus.  Der  junge  Baum  verlangt  volles  Licht 
von  oben  und  Seitenschutz;  milder  kräftiger  Lehm  oder  frischer  sandiger  Lehm  sagt 
ihm  am  besten  zu. 

§79.  Viscum  album  Linn6.  Gemeine  Mistel  (franz.  Gui)  aus  der 
ca.  500  meist  tropische  Arten  umfassenden  Schmarotzerfamilie  der  Loranthaceen. 
Immergrüner,  2häusiger,  sehr  ästiger,  rundlicher  Busch  mit  glatter  oder  querrunzeliger 
gelhgrüner  Rinde  ohne  Korkbildung,  mit  gegenständigen,  lederigen,  länglichen,  abgerun- 
deten dunkel-  oder  gelblichgrnnen  Blättern  an  den  Enden  der  Gabeläste. 
Blütezeit  je  nach  Klima  vom  Februar  bis  April.  Die  weissen  oder  gelblichen  Beeren 
mit  sehr  klebrigem  Fleische  reifen  im  Dezember  oder  im  nächsten  Frühjahr  und  wer- 
den durch  Vögel  (Misteldrossel)  verbreitet.  Die  Keim  wurzel  der  an  der  Rinde  der 
Nährbäume  angeklebten  Samen  bildet  zunächst  auf  der  Rinde  eine  flache  Haftscheibe, 
aus  deren  Mitte  dann  eine  kegelförmige  Saugwurzel  hervortritt  und  die  Rinde  bis  zum 
Holzkörper  radial  durchwächst,  ohne  in  denselben  einzudringen.  Aus  der 
Basis  dieses  ersten  „Senkers'^  entspringen  einige  flach  in  den  jüngsten  Rinden- 
schichten ausserhalb  des  Cambiums  weiterwachsende  und  seitlich  mit  den  Rindenzellen  fest 
verwachsende  Seitenwurzeln,  die  „Rinden wurzeln",  welche  sich  alljährlich  wenig 
verlängern  (bei  der  Kiefer  im  Durchschnitt  0,75,  bei  der  Tanne  1,7  cm)  und  alljährlich 
einen  bis  höchstens  zwei,  oft  nur  alle  2  Jahre  einen  neuen  Senker  bilden,  so  dass  die 
Senker  in  Längsreihen  zu  stehen  kommen.  Die  Spitze  der  Senker  geht  in  Dauergewebe 
über,  wenn  sie  an  der  Grenze  des  Holzkörpers  angelangt  ist  und  gelangt  in  das  Holz, 
indem  sie  vom  nächsten  Jahresring  umwachsen  wird.  In  der  Region  des  jeweiligen 
Cambiums  dagegen  bleiben  die  Senker  wachstumsfähig  und  verlängern  sich  so  alljähr- 
lich, genau  wie  ein  Markstrahl,  um  die  Dicke  eines  Jahresringes  und  das  Ende  der 
Senker  kommt  alljährlich  um  einen  Jahresring  weiter  (unter  günstigen  Umständen  bis 


346  III.  Klein,  ForstboUnik. 

40  and  mehr)  in  das  Holz  hinein.  Die  Senker  nehmen  mit  ihren  Seitenflächen,  soweit 
sie  im  wasserleitenden  Holze  stecken,  Wasser  auf  und  sterben  an  den  Enden  erst  ab, 
wenn  sie  ins  Kernholz  kommen,  wo  sie  radial  verlaufende  Löcher  hinterlassen.  Später 
werden  die  Tragäste  krebsartig  verunstaltet,  weil  endlich  auch  die  Basis  der  alten, 
breiten,  dicht  beisammenstehenden  Senker  in  Dauergewebe  übergeht  und  so  ein  weiteres 
Dickenwachstum  der  Aeste  an  den  Ansatzstellen  der  Büsche  verhindert.  An  den  Rin- 
den wurzeln,  die  von  der  Basis  des  Busches  aus  nach  dessen  Absterben  auch  allmählich 
absterben,  entspringen  als  echte  Wurzelbrut  zahlreiche  Adventivknospen,  welche  neue 
Büsche  (vielfach  einen  ganzen  Bestand)  erzeugen.  Das  Abschneiden  der  Mistelbüsche 
ist  nur  dann  von  Erfolg,  wenn  die  Aeste  so  weit  entfernt  werden,  als  die  Rindenwur- 
zeln reichen.  —  Unter  den  Waldbäumen  schmarotzt  die  in  ganz  Europa  östlich  bis 
Meniel  verbreitete  Mistel  am  häufigsten  auf  Kiefern  und  Tannen,  Pappeln,  Linden, 
Birn-  und  Apfelbäumen,  iindet  sich  aber  gelegentlich  auch  auf  den  meisten  anderen  und 
ist  sehr  selten  auf  Eichen,  Lärchen,  Cedern  und  Eiben,  während  sie  auf  der  Fichte  fehlt. 
Loranthus  europaeus  Linn6.  Gremeine  Riemenblume,  auch 
„Eichenmistel"  genannt,  mit  dunkler,  schwärzlicher  Rinde  und  deutlich  gestielten 
sommer  grünen  Blättern,  deren  Paare  auch  im  mittleren  Teile  der  Gabeläste  stehen, 
ist  ein  südosteuropäischer  Schmarotzer  der  Eiche  und  Edelkastanie.  Ihre  Saug- 
wurzeln wachsen  nur  im  jeweils  jüngsten  Holze  ohne  Senkerbildung  und 
rufen  bis  kopfgrosse  knollige  Verdickungen  an  den  befallenen  Aesten  hervor.  In  Deutsch- 
land ist  sie  vereinzelt  in  Sachsen  gefunden  worden,  während  sie  in  Oesterreich,  nament- 
lich in  den  südöstlichen  Staaten,  nicht  selten  ist. 

§  80.  Aus  der  den  Ranunculaceen  nahestehenden  Familie  der  Magno- 
1  i a c e e n ,  ausgezeichnet  durch  die  in  der  Knospe  tutenförmig  geschlossenen  und 
die  jungen  Blattanlagen  einhüllenden  Nebenblätter  und  durch  vereinzelte  Oelzellen  in 
Alark,  Rinde  und  Blättern,  sind  folgende  beide  Arten  bei  uns  versuchsweise  angebaut 
worden : 

Magnolia  hypoleuca  Siebold  et  Zuccarini.  Hönoki,  Japa- 
nische Magnolie.  Blätter  oval-eiförmig,  sehr  gross  (15—25  cm  lang),  unter- 
sei t  s  w  e  i  s  s  l  i  c  h  mit  12—20  Nervenpaaren.  Blüten  12—15  cm  im  Durchmesser, 
gelblichweiss,  mit  scharlachroten  Staubfäden,  mit  dem  Laubausbruch  aufblühend  und 
schon  an  20jährigen  Bäumen  erscheinend.  Die  klimatischen  Bedingungen  dieses  präch- 
tigen, raschwüchsigen,  japanischen  Baumes  entsprechen  denjenigen  der  Stieleiche 
in  Deutschland.  Enge,  warme  Täler  der  Mittelgebirge  mit  frischem,  kräftigem  Boden 
könnten  nach  Mayr  das  Optimum  dieser  lichtbedürftigen  Holzart  bilden.  Der  Wert 
des  vortrefflichen,  sehr  geradfaserigen,  frisch  graugrünen,  trocken  olivengrünen  Holzes 
von  sehr  schöner  Färbung  und  vom  spez.  Gewicht  0,55—0,50  liegt  in  seiner  Elastizität; 
es  wird  zu  Gegenständen,  die  sich  nicht  werfen  und  nicht  reissen  dürfen,  verarbeitet. 
Im  Schluss  bildet  der  Baum  einen  astreinen  walzigen  Schaft  und  erreicht  30  m  Höhe 
und  darüber.  Die  Samen  müssen  in  der  fleischigen  Fruchthülle  oder  im  Zapfen  be- 
lassen werden,  wenn  sie  ihre  Keimfähigkeit  auf  der  Reise  nach  Europa  nicht  verlieren 

sollen. 

Liriodendron  tulipifera  Linn6.  Tulpenbaum.  Knospen  zu- 
sammengedrückt eiförmig,  einem  dicken  Vogelschnabel  ähnlich,  über  rundlichen  Blatt- 
narben an  glänzend  grünlichbraunen  Trieben.  Blätter  langgestielt,  bis  10  cm  lang 
und  zuweilen  noch  breiter,  4lappig,  an  der  Spitze  mit  stumpfwinkeligem  Einschnitt  ab- 
gestutzt, vor  dem  Laubfall  goldgelb.  Blüten  im  Juni  und  Juli,  tulpenähnlich,  ca.  6  cm 
Durchmesser,  grünlichgelb,   aussen  orangefarben.   —  Dieser  im  östlichen  Nordamerika 


Die  Laubhölzer.     §  82.  347 

heimische,  raschwüchsige  Baum  erreicht  in  seinem  Optimum,  den  südlichen  Tälern 
des  Alleghaniegebirgs  nach  Mayr  nicht  selten  60  m  Höhe  und  4  m  Durchmesser.  Das 
leichte  (0,52 — 0,62),  ziemlich  grobfaserige,  glänzende,  weiche,  ziemlich  leichtspaltige  und 
biegsame,  sehr  dauerhafte  Holz  mit  grünlichgelbem  bis  grünbraunem  Kern  ist  in  seiner 
Heimat  als  Konstruktionsholz  sehr  geschätzt.  In  Europa  schon  1663  eingeführt,  hat 
sich  der  Tulpenbaum  in  Süd-  und  Mitteldeutschland  als  vollständig  hart  erwiesen,  ge- 
deiht auch  noch  in  Norddeutschland,  ist  in  Parks  und  Anlagen  vielfach  angepflanzt  und 
schon  in  über  30  m  hohen  Exemplaren  in  älteren  Anlagen  vorhanden.  Der  Baum  ver- 
langt zu  gutem  Gedeihen  tiefgründigen  frischen  Boden  und  darf  nur  in  angetriebenem 
Zustand  (Ende  April,  Anfang  Mai)  unter  besonders  sorgfältiger  Behandlung  der  Wurzel 
verpflanzt  werden. 

§81.  Cercidiphyllum  j  aponicum  Siebold  etZuccarini,  Käd- 
sura,  Judasblattbaum  aus  der  Familie  der  Trochodendraceae,  auf 
frischem  kräftigem  Boden  in  Flussauen,  an  Bachufem,  im  Klima  der  Wallnuss  und  der 
Eichen  mit  Buchen  in  Japan  Bäume  von  30  m  Höhe  mit  astlosem  Schaft  von  13  m 
liefernd,  kommt  in  seinen  Ansprüchen  der  Esche  am  nächsten.  Blätter  gegen- 
ständig, ca.  4— 6  cm  lang,  rot  gestielt,  untere  rundlich  herzförmig,  obere  elliptisch, 
alle  klein  gekerbt,  handnervig,  beim  Aufbrechen  zart  rosa,  später  oben  dunkel-,  unten 
heUgrün  mit  roten  Nerven,  im  Herbst  grell  scharlachrot.  Die  Kurztriebe  entwickeln 
auch  am  zwei-  und  mehrjährigen  Zweige  nur  1  Blatt.  Blüten  unscheinbar,  nackt, 
2häusig.  Holz  geradfaserig,  mit  hellbräunlichem  oder  gelblichem  Kern,  vom  spez. 
Trockengewicht  0,49,  makroskopisch  einem  Nadelholz  täuschend  ähnlich,  von  grosser 
Feinheit  und  Gleichmässigkeit,  für  Bauten  sehr  geschätzt.  —  Der  raschwüchsige  Baum 
(bei  uns  in  5  Jahren  3,5  m)  gedeiht  bei  uns  anscheinend  gut,  besitzt  ein  aus  vielen,  kräf- 
tigen Seiten-  und  sehr  zahlreichen,  äusserst  feinen  Faserwurzeln  bestehendes  Wurzel- 
system, verlangt  grosse  Vorsicht  beim  Verpflanzen,  neigt  frühzeitig  dazu,  schön  vom 
Boden  an  mehrere  Schäfte  zu  entwickeln  (grosses  Stockausschlagvermögen!)  und  bean- 
sprucht frischen,  kräftigen,  lehmhaltigen  Boden  und  bedeutende  Sonnenwärme.  Bis  jetzt 
bei  uns,  trotz  frühzeitigen  Austreibens,  frosthart. 

§  82.  Clematis  vitalba  Linn6,  die  gemeine  Waldrebe  aus  der 
Familie  derRanunculaceae,  klettert  in  der  südlichen  Hälfte  Europas  an 
Bäumen  und  Sträuchern,  mit  ihren  Blattstielen  sich  festrankend,  bis  zur  Höhe  von  5 
und  6  m  empor  und  kann  durch  Ueberlagern  junger  Holzpflanzen  schädlich  werden. 

Berberis  vulgaris  Linnö,  der  gemeine  Sauerdorn  oder  die 
Berberitze,  aus  der  Fami  lie  der  Berberidaceae,  bildet  dicht  bestockte 
1— 2V2  m  hohe  Büsche.  Die  Blätter  der  rutenförmigen  Langtriebe  sind  zu  3teiligen 
Domen  umgewandelt,  in  deren  Achseln  die  laubblatttragenden  Kurztriebe  mit  endstän- 
digen gelben  Blütentrauben  stehen.  Die  Pflanze  liefert  zwar  dichte,  undurchdringliche 
Hecken,  ist  aber  hierfür  nicht  zu  empfehlen,  weil  sie  der  Zwischenwirt  des  Gretreide- 
rostes  ist.  Sie  findet  sich  an  lichten  Waldrändern,  in  Hecken  und  Gebüschen  zerstreut 
in  ganz  Europa,  besonders  häufig  aber  in  den  Alpen. 

Aus  der  Familie  der  Saxifragaceae,  Unterfam.  Ribesioideae,  kom- 
men Eibes  Grossularia  Linn6,  die  Stachelbeere,  bis  1  m  hohe  Büsche 
bildend,  deren  einjährige  Langtriebe  wie  bei  Berberis  nur  1 — 3  teil  ige  Blattsta- 
cheln tragen,  in  deren  Achseln  die  mit  rundlich  3 — ölappigen  Blättern  besetzten 
Kurztriebe  stehen,  Ribes  p  etraeum  Wulf  en,  die  stacheil  ose  Felsen- 
Johannisbeere    mit   anfangs   aufrechten,    später  hängenden  Blütentrauben   und 


348  III.  Klein,  ForstbotAnik. 

Deckblättern,  die  1  ä  n  g  e  r  al8  die  Blütenstiele  sind ,  ebenso  hoch  wie  vorige 
werdend  und  namentlich  Ribes  alpinnm  Linn^,  dieAlpen-Johannisbeere, 
gleichfalls  stachellos,  mit  aufrechten  Blütenständen  nnd  kürzeren  Deckblättern,  bis 
2V2  m  hohe  Sträacher  bildend,  gelegentlich  am  Waldrand  und  auch  als  Unterholz  im 
Walde  vor. 

§  83.  Aus  der  nahe  verwandten  Familie  der  Platanaceae,  die  nur  die 
Gattung  P 1  a  t  a  n  u  s  enthält,  sind  zwei  schwer  zu  unterscheidende  variable  Arten,  die 
von  manchen  Autoren  nur  als  Varietäten  einer  einzigen  Art,  Platanus  vulgaris,  ange- 
sehen werden,  häutig  als  Park-  und  Strassenbäume  bei  uns  angepflanzt.  Platanus 
Orientalis  Linn^,  die  orientalische  Platane  ans  Kleinasien  und  P 1  a- 
tanus  occidentalis  Linn6,  die  amerikanische  Platane  aus  Nordamerika. 
Knospen  vom  kegelförmig  hohlen  Blattstiel  bis  zum  Laubfall  umschlossen.  Blätter 
denen  des  Bergahorns  ähnlich,  meist  51appig,  12 — 25  cm  lang,  einzeln  stehend,  mit 
grossen,  den  Zweig  oberhalb  der  Blattbasis  tutenförmig  umschliessenden,  bald  abfallen- 
den Nebenblättern  und  fussförmiger  Blattnervatur  (die  Hauptnerven 
der  beiden  Seitenlappen  entspringen  aus  den  Hauptnerven  der  mittleren  Lappen).  Blü- 
ten einhäusig  eingeschlechtig,  an  hängenden  Stielen  seitenständige  Köpfchen  bildend; 
weibliche  nach  der  Befruchtung  sich  vergrössemd  zu  ca  SV»  cm  grossen,  verholzten, 
kugeligen ,  warzigen  Fruchtständen.  Der  Laubausbruch  findet  Ende  April  oder 
Anfang  Mai  statt,  die  Blütezeit  ist  im  Mai  oder  Anfang  Juni,  die  Samenreife  im  Okto- 
ber. Der  Same  keimt  3 — 4  Wochen  nach  Aussaat.  Die  gelblich-  oder  grunlich-gran- 
braune  Rinde  verwandelt  sich  frühzeitig  in  eine  sehr  charakteristische 
Blätterborke,  die  sich  fortwährend  in  grossen,  dünnen  Blättern  abschilfert,  so  dass  der 
Platanenstamm  immer  gescheckt  erscheint.  Das  zerstreutporige  Holz  ist  rot- 
lichweiss,  dem  Rotbuchenholz  ähnlich,  die  sehr  gleichmässig  zerstreuten  Gefässe  mit 
blossem  Auge  kaum  zu  erkennen,  alle  Markstrahlen  sehr  scharf,  breit  und  nahe 
beisammenstehend,  so  dass  Vs — V*  ^^^  Holzfläche  von  den  Markstrahlen  eingenommen 
wird;  als  Nutzholz  ist  es  etwas  mehr  als  das  Rotbuchenholz  geschätzt,  grobfaserig, 
mittelschwer  (0,63),  ziemlich  hart,  äusserst  schwerspaltig,  sehr  zäh,  massig  schwindend, 
nur  im  Trockenen  von  einiger  Dauer,  von  grosser  Heizkraft.  —  Die  sehr  raschwüch- 
sigen Bäume  haben  eine  tiefgehende  und  weitstreichende  kräftige  Bewurzelung 
und  bilden  bei  uns  stattliche  20 — 30  m  hohe,  geradschaftige  Bäume  mit  mächtiger,  breit 
ausladender,  starkästiger  Krone,  reinigen  sich  ziemlich  hoch  hinauf  von  Aesten  und 
können  auf  günstigen  Standorten  riesige  Dimensionen  und  (orientalis)  ein  angeblich 
mehrtausendjähriges  Alter  erreichen.  Beide  Platanen  verlangen  zu  ihrem  Gedeihen 
einen  tiefgründigen,  lockeren,  humusreichen,  feuchten  Boden  und  geschützte  Lagen,  ent- 
sprechend ihrem  Vorkommen  an  Flussufem  in  ihrer  Heimat.  Trockene  Böden,  insbe- 
sondere Kalkböden  und  sehr  nasse  Lagen  sagen  ihnen  nicht  zu.  Als  ausgesprochene 
Lichtholzarten,  die  mit  weit  ausgebreiteter,  zwar  dünner  belaubter,  aber  grossblätteriger 
Krone  den  Boden  etwa  so  dicht  wie  die  Rotbuche  beschatten,  sind  sie  trotz  Rasch- 
wüchsigkeit und  Massenproduktion  keine  eigentlichen  Waldbäume,  da  sie  sich  weder 
zum  Hochwaldbetrieb  noch  als  Oberständer  im  Mittelwalde  eignen;  sie  verdienen  aber 
Anpflanzung  an  Bestandesrändem  und  an  Wegen. 

P.  orientalis  hat  grosse  Borkeschuppen ,  meist  tief  51appige  Blätter  mit 
gestutzter  oder  herzförmiger  Basis,  seltener  3-  oder  ölappige  mit  keilförmiger  Basis, 
abstehende  A e s t e  und  zwei  oder  mehr  weibliche  Köpfchen  an  gemeinsamem  Stiel ; 
P.  occidentalis  dagegen  hat  kleine  Borkeschuppen,  meist  seicht  3-  (seltener 
etwas  5-)lappige,  ziemlich  klein  gezähnte  Blätter,  die  am  Grunde  in  der  Regel  abge- 


Die  Lanbhölzer.     §  84.  349 

rundet,  seltener  abgestutzt  und  meist  in  den  Blattstiel  vorgezogen  sind.    Die  weiblichen 
Köpfchen  stehen  in  der  Kegel  einzeln.   Der  Baum  ist  frosthärter  als  orientalis. 

§  84.  Die  grosse,  ca.  2000  Arten  umfassende  Familie  der  Rosaceen  hat 
fast  stets  regelmässige,  oberständige  oder  halboberständige  (perigyne)  Blüten  mit  meist 
5  Kelch-,  5  Blumenblättern,  zahlreichen  Staubgefässen  und  einem,  wenigen  oder  vielen 
apocarpen  Fruchtknoten.  Blätter  meist  wechselständig  mit  Nebenblättern.  Von  den 
4  Unterfamilien  kommen  hier  im  wesentlichen  nur  die  Pomoideae  und  Prunoideae  in 
Betracht,  während  die  Spiraeoideae  mit  der  Gattung  Spiraea  in  Südosteuropa,  die  Ro- 
soideae  mit  den  Rosen,  Brombeeren  und  Himbeeren  lediglich  als  Forstunkräuter  zu  er- 
wähnen sind,  von  denen  die  letzteren,  namentlich  auf  Kahlschlägen,  oft  verdämmend 
auf  den  jungen  Holzwuchs  wirken. 

1.  ünterfamilie  Pomoideae.  Meist  2 — 5  (seltener  1)  Fruchtknoten, 
unter  einander  und  mit  dem  sie  umgebenden  Achsenbecher  verwachsen  und  daher  unter- 
ständig. Frucht  eine  vom  Kelche  gekrönte  Apfelfrucht,  deren  Fächer  entweder 
pergamentartig  dünn  (Kernapfel)  oder  dick  und  hart  (Steinapfel)  sind.  Das 
zerstreutporige  Holz,  dessen  Jahresringe  in  der  Spätholzzone  gewöhnlich  dunk- 
ler gefärbt  sind,  enthält  sehr  zahlreiche,  gleichmässig  über  den  Jahresring  ver- 
teilte, einzelnstehende,  kleine  Gefässe,  die,  ebenso  wie  die  sehr  zahlreichen,  feinen  Mark- 
strahlen, mit  blossem  Auge  nicht  mehr  zu  erkennen  sind. 

1.  Crataegus  monogyna  Jacquin,  der  eingriff  elige  Weissdorn 
oder  Hagedorn  (franz.  Aub6pine),  hat  mit  blattwlnkelständigen  Domen  besetzte 
Langtriebe  und  häufig  in  Dornen  endigende  Seitenzweige,  ca.  3 — 7  cm  lange,  viel- 
gestaltige, meist  tief  3 — 7 spaltige  oder  -teilige,  unterseits  blaugrüne 
Blätter  mit,  wenigstens  im  untern  Teil,  nach  auswärts  gebogenen  Seiten- 
nerven, sehr  grosse,  an  unfruchtbaren  Langtrieben  bleibende,  nierenförmige,  zerschlitzte 
oder  gesägte  Nebenblätter,  weisse  (nur  bei  Kulturvarietäten  rosa)  Blüten  mit 
roten  Staubbeuteln  und  einem  Griffel  in  aufrechten,  zusammengesetzten  Trugdol- 
den, ca.  14  Tage  später  als  oxyacantha  aufblühend.  Früchte  eiförmig,  scharlachrot 
mit  nur  einem  Steinkem.  Die  im  Frühjahr  gesäten  Früchte  liegen  über.  —  Der 
eingriffelige  Weissdorn  ist  ein  trägwüchsiger,  sperriger  Strauch  von  1 — 3  m  Höhe  mit 
sehr  langen,  wenig  verästelten  Wurzeln,  seltener  ein  Baum  mit  spannrückigem  Stamm, 
der  unter  günstigen  Umständen  auf  nahrhaftem,  kalkreichem  Boden  bis  10  m  Höhe  und 
2  m  Umfang  sowie  ein  mehrhundertjähriges  Alter  erreichen  kann.  Er  findet  sich  in 
ganz  Europa  (und  weit  darüber  hinaus),  mit  Ausnahme  des  hohen  Nordens  nnd  äus- 
sersten  Südens,  in  Mittel-  und  Südeuropa  häufiger  als  oxyacantha,  in  Hecken,  Gebüschen, 
an  Waldrändern  und  als  Unterholz  in  Mittelwäldern  der  Ebene  und  des  Hügellandes 
nnd  steigt  im  Gebirge  an  sonnigen  Berghängen  bis  ca.  900  m  empor.  Er  verträgt  den 
Schnitt  sehr  gut  und  schlägt  sowohl  aus  dem  Stock  wie  den  verschnittenen  Aesten  und 
Zweigen  sehr  kräftig  aus  und  eignet  sich  bei  seinen  sonstigen  Eigenschaften  vorzüglich 
zu  lebenden  Hecken.  Das  matt  fleischrote  Holz  ohne  gefärbten  Kern  zeigt  häufig 
zahlreiche  Markflecke,  ist  sehr  feingebaut,  sehr  hart,  sehr  schwerspaltig,  stark  schwin- 
dend, vom  spez.  Gewicht  0,80 — ^0,88  und  wird  namentlich  zu  Drechslerarbeiten  verwendet. 

2.  Crataegus  oxyacantha  Linn6,  der  gemeine  Weissdorn  oder 
Hagedorn,  ist  dem  ersteren  in  jeder  Beziehung  sehr  ähnlich  und  unter- 
scheidet sich  durch  ebenfalls  sehr  vielgestaltige,  meist  weniger  tief  geteilte  und  selbst 
ungeteilte,  unterseits  gelblichgrüne  Blätter,  mit,  wenigstens  im  unteren  Teil, 
nach  einwärts  gebogenen  Seitennerven,  2-  (selten  3-)grifflige 
Blüten  und  kleinere,   2steinige  Früchte.     Er  ist  ebenso  verbreitet  wie  der 


350  m.  Klein,  Forstbotanik. 

eingrifflige  and  im  allgemeinen  in  der  nördlichen  Hälfte  Europas  häufiger,  in  der  s&d- 
lichen  seltener. 

Ein  Bastard  zwischen  beiden  Arten  verbindet  die  Griffelzahl  von  monogyna 
mit  dem  Blattbau  von  oxyacantha. 

3.  Crataegus  pentagyna  Waldstein  et  Kitaibel  mit  5  Griffeln  und 
zottigen  bis  weisswolligen  Blütenstielen  und  roten  Früchten  und  4.  C.  nigra  Waldst. 
et  Kit.  mit  unterseits  grauiilzigen,  7 — 9  lappigen  Blättern  und  schwarzen  kugeligen 
Flüchten  sind  sndostenropäische  Sträucher,  welche  auf  ähnlichen  St>andorten  me  die 
ersteren  im  südlichen  Ungarn  etc.  vorkommen. 

Mespilus  germanica  Linn^,  die  gemeine  Mispel  (franz. . Neflier), 
angeblich  aus  Persien  stammend,  wird  in  ganz  Süd-  und  Mitteleuropa  kultiviert  und 
ist  mitunter  auf  nahrhaftem  Boden  in  schattigen  Lagen  in  Hecken,  Gebüschen  und 
Waldrändern  verwildert  und  zwar  meist  als  mit  kurzen  geraden  Domen  besetzter 
Strauch,  während  die  Kulturpflanze  unbewehrt  ist.  Die  Blätter  sind  länglich-lan- 
zettlich,  meist  ganzrandig,  oberseits  flaumig  dunkelgrün,  unterseits  gi*au  bis  weissfilzig, 
die  einzeln  stehenden,  grossen  (3 — 4  cm),  von  den  wollig  filzigen  Kelchzipfeln  über- 
ragten Blüten  weiss  mit  purpurroten  Staubbeuteln.  Steinapfel  bis  3  cm  gross, 
niedergedrückt,  kugelig,  braun,  mit  5  Kernen.  Sie  ist  langsam  wüchsig  und  liefert 
ein  zähes  Holz. 

1.  Cotoneaster  vulgaris  Lindley,  die  gemeine  Bergmispel, 
ein  höchstens  2  m  hoher  Strauch,  an  steinigen  und  felsigen,  sonnigen  bebuschten  Hügeln, 
sowie  an  ähnlichen  Plätzen  in  Laub-  und  Mittelwäldern,  vorzugsweise  auf  Kalk,  durch 
ganz  Europa  zerstreut,  im  Norden  selten,  im  Süden  entschiedene  Gebirgspflanze,  steigt 
in  den  Alpen  bis  über  2000  m  und  hat  kleine,  meist  nur  2 — 3  cm  lange,  sehr  kurzge- 
stielte, eiförmige,  oberseits  kahle,  unterseits  dicht  grau-  bis  weissfilzige  Blätter  und 
2 — 5blütige,  etw^as  hängende  Doldentrauben  mit  kleinen,  glockigen,  rosa  gefärbten 
Blüten  und  erbsengrossen,  scharlachroten  Steinäpfeln. 

2.  Cotoneaster  tomentosa  Lindley,  die  filzige  Bergmispel, 
auf  die  Südhälfte  Europas  beschränkt,  mit  dem  südlichen  Süddeutschland  als  Nord- 
grenze, bewohnt  ähnliche  Standorte,  steigt  aber  im  Kalksteingebirg  etwas  weniger 
weit  empor  und  unterscheidet  sich  von  der  ersteren  durch  auch  oberseits  flaum- 
haarige,  etwas  grössere  Blätter,  vielblütige,  meist  aufrechte  Trugdolden  und 
etwas  stattlicheren  Wuchs. 

§  85.  Pirus  Malus  Linn6  (Syn.  Maluscommunis  Lamarck),  der 
Apfelbaum,  Holzapfel,  Wildapfel  (franz.  Pommier),  vielfach  nichts  anderes 
als  ein  verwilderter  Apfelbaum,  ist  forstlich  von  untergeordneter  Bedeutung,  ein  sehr 
trägwüchsiger  kleiner  Baum  mit  meist  nur  2 — 4  m  ( — 7  m)  hohem ,  spannrückigem 
Stamm  und  tief  angesetzter,  sperriger,  unregelmässiger  Krone.  Durch  die  zahlreichen, 
allseitig  abstehenden,  in  eine  spitze  Endknospe  oder  einen  Dorn  auslaufenden  Kurz- 
triebe ist  er  im  Winter  „borstig  wie  ein  Keiler".  Blätter  spitz  eiförmig,  variabel, 
gezähnt,  ca.  3 — 5  cm  lang,  meist  ca.  doppelt  so  lang  als  ihr  Stiel,  mit  wenigen 
(ca.  4),  unterseits  vortretenden  Seitenrippen,  oberseits  kahl,  unterseits  kahl  bis 
filzig.  Blüten  aussen  zartrosa,  innen  weiss.  Staubbeutel  gelb.  Früchte 
ca.  4  cm  grosse  kugelige,  grüne  bis  gelbe,  oft  rotbackige  „Kernäpfel".  An  Waldrändern 
oder  als  Unterholz  ist  er  durch  ganz  Europa  mit  Ausnahme  des  hohen  Nordens  zer- 
streut und  bevorzugt  einen  kräftigen,  kalkreichen,  nicht  zu  feuchten  Boden  und  lichten 
Stand.  Die  Rinde  bildet  an  älteren  Bäumen  eine  hellfarbige  in  dünnen  Schuppen 
abblätternde  Borke.  Das  rötliche  Holz  hat  einen  dunkelrotbraunen 
Kern  mit  zahlreichen  dunkeln  Markflecken,  ist  feinfaserig,  ziemlich  matt,  schwer  (0,77), 


Die  Laubhölzer.     §  86.  351 

ziemlich  hart,  schwerspaltig,  mittelbiegsam,  schwach  elastisch,  ziemlich  fest,  sehr  wenig 
dauerhaft,  ziemlich  brennkräftig,  stark  schwindend.  Es  wird  weniger  geschätzt 
als  das  Bimbaumholz. 

2.  Pirus  communis  Linn6,  die  Holzbirne,  (franz.  Poirier),  ebenfalls 
vielfach  nur  eine  verwilderte  Kulturbirne,  spielt  als  Waldbaum  nur  eine  untergeordnete 
Rolle,  bildet  aber  grössere,  auch  sehr  langsam  wüchsige  Bäume  (unter  sehr  günstigen 
Verhältnissen  bis  16  und  20  m  Höhe  und  50  cm  Stärke)  mit  tiefrissiger,  in  nahezu 
w^ürfelförmige  kleine  Stücke  geteilter  Borke  und  massig  ausgebreiteter  Krone,  die  vor- 
wiegend von  aufgerichteten  Aesten  gebildet  wird,  deren  Langtriebe  mit  einer  spitzen 
Endknospe  oder  mit  einem  Dom  abschliessen  und  zahlreiche  domspitzige  Kurztriebe 
tragen.  Die  Blätter  sind  mndlich  oder  eiförmig,  kurz  zugespitzt,  kleingesägt,  un- 
gefähr so  lang  als  ihr  Stiel,  mit  ziemlich  zahlreichen  (ca.  8)  unterseits  kaum  vor- 
tretenden Seitenrippen,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  heller,  in  der  Jugend 
wollig  behaart  oder  fast  kahl.  Blüten  weisse  stattliche  Dolden  am  Ende  belaubter 
Kurztriebe.  Früchte  randlich  bis  birnförmig,  sehr  herb,  reich  an  Steinzellnestern. 
Die  geographische  Verbreitung  und  die  Standorte  und  Standortsansprüche  sind  die 
gleichen  wie  beim  Holzapfel,  doch  ist  die  Holzbirne  etwas  häufiger  und  erlangt  im 
Freistand  oft  eine  sehr  stattliche  Grösse.  Sie  steigt  in  der  Schweiz  bis  etwa  900, 
in  Tirol  bis  1500  m  empor,  während  der  Holzapfel  dort  bis  ca.  1000  bezw.  1350  m 
beobachtet  A^urde.  Das  Holz  ist  nicht  ganz  so  feinfaserig,  wie  das  des  Holzapfels, 
bräunlichrot,  meist  mit  Markflecken,  ohne  gefärbten  echten  Kern,  aber  häufig 
mit  Faulkern,  matt,  schwer  (0,73),  hart,  schwer  spaltbar,  mittelbiegsam,  schwach 
elastisch,  ziemlich  fest,  zähe,  sehr  gut  nach  allen  Eichtungen  hin  schneidbar,  massig 
schwindend  (höchstens  4,5 ^o),  im  Trocknen  ziemlich  dauerhaft,  heizkräftig. 

§  86.  Die  vielfach  mit  Pirus  vereinigte  Gattung  Sorbus,  Eberesche, 
unterscheidet  sich  nur  durch  unbe  wehrte  Zweige,  meist  zusammengesetzte  oder  tief  ge- 
lappte Blätter,  kleine  Blüten  in  reichblütigen  Blütenständen  und  meist  2 — 4fächerige 
Früchte. 

Sorbus  aucuparia  Linn6,  gemeine  Eberesche,  Vogelbeerbaum 
(franz.  Sorbier).  Knospen  gross,  schwarzviolett,  filzig.  Blätter  10—20  cm  lang, 
unpaarig  gefiedert  mit  5—8  Paar  fast  sitzender,  schmal  elliptischer,  gespitzter, 
scharf  gesägter,  glanzloser,  oben  dunkel-,  unterseits  matthellgrüner,  3 — 5  cm  langer 
Blättchen,  in  der  Jugend  weisswollig,  ausgewachsen  meist  kahl.  Blüten  mit  meist 
3  Griffeln,  in  grossen,  konvexen,  reich  zusammengesetzten  Trugdolden.  Früchte 
klein,  kugelig,  ca.  7 — 9  mm,  anfangs  gelb,  dann  leuchtend  scharlachrot,  mit  meist  3 
Kernen,  die  nach  einigen  Wochen  bei  Frühlingssaat  keimen.  —  Die  Mannbarkeit  der 
in  der  Jugend  raschwüchsigen,  aber  bald  nachlassenden  Bäume  tritt  frühzeitig,  schon 
mit  ca.  20  Jahren  ein  und  trägt  dann  der  Baum  fast  alljährlich  reichlich  Früchte. 
Im  allgemeinen  ist  der  Höhenwuchs  der  ziemlich  lichtbedürftigen  Holzart  vom  ca.  20. 
Jahre  ab  ziemlich  langsam,  mit  10 — 16  m  Gresamthöhe  abschliessend.  Die  Lebens- 
dauer überschreitet  selten  80  Jahre.  Der  Stamm  ist  ziemlich  gerade,  schlank, 
hoch  hinauf  astrein,  die  Krone  etwas  sperrig,  licht  beblättert,  rundlich-eiförmig,  die 
Rinde  sehr  lange  glatt,  hellgrau,  glänzend,  erst  im  höheren  Alter  etwas  auf- 
reissend,  die  Bewurzelung  auf  tiefgründigem  Boden  tiefgehend  und  weit  reichend, 
auf  schlechtem  flach.  Das  Reproduktionsvermögen  ist  durch  reichlich  ent- 
stehenden Stock-  und  Wurzelausschlag  wie  durch  Wurzelbrutbildung  sehr  beträchtlich. 
Das  Holz  hat  rötlich  weissen  Splint  und  gelb  braunen  Kern  und  deutlichen  Glanz 
auf  den  Spaltflächen.    Zellgänge  sind  auch  hier  häufig;  es   ist  ferner  ziemlich   fein- 


352  III.  Klein,  Forstbotanik. 

faserig,  mittelschwer  (0,64),  hart,  sehr  schwerspaltig,  fest,  massig  schwindend  (mn 
5 — 6®/o),  äusserst  wenig  dauerhaft,  von  mittelgrosser  Brennkraft.  —  Das  Verbrei- 
tungsgebiet der  Eberesche  umfasst  ganz  Europa  bis  zum  Nordkap  und  ganz  Nord- 
asien; in  der  nördlichen  Hälfte  unseres  Erdteils  ist  sie  häufiger  als  in  der  südlichen. 
Sie  verträgt  grosse  Temperaturschwankungen,  gedeiht  noch  im  rauhesten  Klima  bei 
einer  mittleren  Jahrestemperatur  von  0  ^,  findet  sich  (strauchförmig)  im  hohen  Norden, 
wie  in  den  mitteleuropäischen  Grebirgen  noch  an  der  Baumgrenze  und  tritt  überall 
eingesprengt,  selten  bestandbildend  auf;  als  Strassenbaum  ist  sie  überall,  wo  Obstbäume 
nicht  mehr  gedeihen,  beliebt.  In  ihren  Standortsansprüchen  ist  sie  ausser- 
ordentlich bescheiden.  Wenn  sie  sich  auch  naturgemäss  nur  auf  besserem,  etwas  kalk- 
haltigem Boden  vollkommen  entwickelt,  so  kommt  sie  doch  auf  Böden  aller  Art,  anch 
auf  den  schlechtesten,  selbst  auf  Moorböden  noch  fort. 

Unter  den  Varietäten  möge  die  aus  Mähren  stammende  Var.  dulcis  Krätzl  *^), 
nur  durch  Veredelungen  vermehrbar,  mit  grösseren,  essbaren  Früchten,  er- 
wähnt sein. 

2.  Sorbus  domestica  Linn6,  die  zahme  Eberesche,  auch  Sper- 
berbaum, Speierling,  Schmeerbirne  genannt,  stimmt  im  Bau  der  unter- 
seits  bläulichgrünen,  grösseren  Blätter  mit  der  Vogelbeere  im  wesentlichen  über- 
ein ,  unterscheidet  sich  aber  durch  kahle,  gelblichgrtine ,  klebrige  Knospen, 
5-grifflige  grössere  Blüten  und  etwa  haselnussgrosse,  eingekocht  geniessbare, 
birnförmige,  reif  gelbe,  rotbackige,  überreif  lederbraune  5samige  Früchte.  Die 
Krone  des  erwachsenen  Baumes  ist  sperriger,  tief  angesetzt,  starkästig,  die  Rinde 
bildet  gleich  der  des  Birnbaums  eine  rauhe  Borke.  Das  im  Splint  rötlich-weisse 
Holz  enthält  im  tief  rotbraunen  Kern  viele  Markflecke  und  ist  feinfaserig,  etwas 
glänzend,  sehr  schwer  0,73 — 1,  im  Mittel  0,88,  elastisch,  fest,  bis  6®/o  schwindend, 
sehr  schwerspaltig,  mittelbiegsam,  dauerhafter,  brennkräftiger  und  wertvoller  als 
dasjenige  der  Vogelbeere.  —  Der  Speierling  ist  eine  südeuropäische 
Holzart,  welche  in  der  Südschweiz,  Südtirol,  Krain  und  dem  südlichen  Ungarn  im  allg. 
die  Nordgrenze  seiner  natürlichen  Verbreitung  findet,  darüber  hinaus  aber  namentlich 
in  Süddeutschland  vielfach  angepflanzt  und  gelegentlich  verwildert  im  Walde  vorkommt 
Ebenfalls  trägwüchsig,  verlangt  aber  besseren  Boden  und  erwächst  zu  viel  stattlicheren, 
erst  im  40.  bis  50.  Jahre  mannbaren  Bäumen  (bis  20  m)  mit  Pfahlwurzel  und  kann 
ein  Alter  von  mehreren  (5 — 6)  Jahrhunderten  erreichen. 

3.  Sorbus  torminalis  Crantz,  der  Eisbeerbaum,  ist  in  forstlicher 
Hinsicht  die  wichtigste  Art  *^).  Knospen  gross,  kugelig  eiförmig,  glänzendgrnn, 
kahl.  Blätter  langgestielt,  ca.  8— 10  cm  lang,  breit  eiförmig,  tief  gelappt  mit 
spitzen,  ungleich  gesägten  Lappen,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  flaum- 
haarig blassgrün.  F  r  ü  p  h  t  e  ca.  ^/2  cm  gross,  anfangs  rötlich  gelb,  reif  braun  mit 
weissen  Punkten,  inwendig  teigig  und  dann  essbar.  —  Die  Eisbeere  bildet  stattliche 
15  (bis  20)  m  hohe  Bäume  mit  kleinschuppiger,  vorwiegend  längsrissiger  Borke  und 
eiförmig-rundlicher,  umfangreicher,  dicht  belaubter  Krone.  Sie  ist  ebenfalls  lang- 
sam wüchsig,  wird  etwa  mit  dem  20.  bis  30.  Jahre  mannbar,  pflegt  dann  alljähr- 
lich reichlich  zu  blühen  und  zu  fruchten  und  kann  über  100  Jahre  alt  werden;  der 
Höhenwuchs  ist  aber  mit  dem  40.  bis  50.  Jahre  im  wesentlichen  abgeschlossen.  Das 
wertvolle,  im  Splint  rötlichweisse,  später  ins  bräunliche  nachdunkelnde,  im  Kern  rot- 
braune Holz  ist  feinfaserig,  sehr  schwer  (0,67 — 89,  im  Mittel  0,77),  hart,  mit  musche- 


41)  Cf.  Krätzl,  Die  süsse  Eberesche,  mit  Farbentafel,  Wien  und  Olmüte  1890. 

42)  Cf.  Oberförster  Frömbling  in  forstl.  Blätter  1889  p.  303. 


Die  Laubhölzer.     §  86.  353 

liger  Spaltfläche  sehr  schwerspaltig,  sehr  elastisch,  mittelbiegsam,  sehr  fest,  bis  7% 
schwindend  und  sehr  brennkräftig.  Der  Eisbeerbaum  ist  eine  voi*wiegend  mittel-  und 
südeuropäische  Holzart,  die  sich  in  Centraleuropa  meist  einzeln  eingesprengt,  vorwiegend 
im  Bergland,  bis  ca.  650  m  Höhe  emporsteigend,  von  Mitteldeutschland  bis  zu  den  süd- 
lichen Alpen  und  Karpathen  in  sonnigen  Lagen,  namentlich  auf  Kalkboden  findet,  aber 
auch  auf  anderen  mineralkräftigen  Böden  wächst,  an  Humusgehalt,  Tiefgründigkeit  und 
Bodenfrische  massige  Ansprüche  stellt,  auf  Sand-  oder  nassem  Boden  dagegen  nicht 
mehr  gedeiht.  Das  Ausschlagvermögen  ist  bei  kurzer  Lebensdauer  der  Stöcke 
aus  Stock  und  Wurzeln  massig,  die  Bewurzelung,  anfangs  zur  Pfahlwurzel- 
bildnng  neigend,  besteht  später,  namentlich  auf  flachgründigem  Boden,  aus  stai*ken 
Seitenwurzeln. 

4.  Sorbus  Aria  Crantz  (syn.  Aria  nivea  Host)  der  Mehlbeer- 
baum, auch  Mehlbeere,  Mehlbirne  genannt,  hat  grosse,  grünlichbraune,  kahle 
Knospen,  ca.  6 — 12cm  lange,  länglich  eiförmige,  ungeteilte  oder  am  Rande  etwas 
eingeschnittene ,  doppelt  gesägte ,  oberseits  glänzend  dunkelgrüne,  un- 
terseits  grau-  bis  schneeweissf  ilzige  Blätter,  ziemlich  grosse  Blüten  mit 
weissiilzigen  Stielen  und  Kelchen  und  kugelige,  kirschgrosse,  rote,  hellpunktierte,  2samige, 
sehr  mehlige,  ungeniessbare  Früchte  (aus  denen  aber  Essig  und  Branntwein  herge- 
stellt werden  kann).  Diese  ziemlich  anspruchsvolle  Holzart  des  Berglandes 
findet  sich  in  Mitteleuropa  als  Unterholz,  an  Waldrändern  und  in  Gebüschen  Tornehm- 
lich  in  den  mitteldeutschen  Gebirgen,  den  Alpen,  Sudeten  und  Karpathen,  bis  1600  m 
ansteigend,  vornehmlich  auf  Kalkboden  und  an  sonnigen  Standorten.  Je  nach  Stand- 
ort, Bodengüte  und  Höhenlage  erwächst  er  sehr  langsam,  aber  andauernd,  zu  statt- 
lichen Sträuchem  oder  kleinen  ca.  6—12  m  hohen,  bis  200  Jahre  alten,  meist  krumm- 
schäftigen,  oft  spannrückigen  Bäumen  und  hat  ziemlich  tief  gehende  Bewurzelung  und 
beträchtliches  Ausschlagvermögen.  Sein  Holz  stimmt  mit  dem  des  Eisbeerbaums  im 
wesentlichen  überein. 

5.  Sorbus  Mugeoti  S  oy  er- Willemet  et  Godron,  der  Alpen- 
mehlbeerbaum,  unterscheidet  sich  von  vorstehender  Art  im  wesentlichen  nur  durch 
geniessbare  Früchte  und  durch  Blätter,  deren  Rand  mit  8 — 10  ziemlich 
kurzen,  spitz  gezähnten  Lappen  versehen  ist.  Hin  und  wieder  in  den 
Alpen  und  den  deutschen  Mittelgebirgen. 

6.  Sorbus  scandica  Fries  (Syn.  S.  intermedia  Ehr  hart),  der 
schwedische  Mehlbeerbaum,  auch  Oxelbirne,  Saubirne,  Popenbaum  genannt, 
mit  vorstehender  Art  häufig  verwechselt,  hat  jederseits  meist  nui*  8  Lappen  an  seinen 
unterseits  mehi-  graufilzigen  Blättern.  Sein  Verbreitungsgebiet  ist  auf  Skandinavien 
und  Finnland  event.  auch  die  Ostseeländer  beschränkt;  bei  uns  kommt  er  nur  ange- 
pflanzt vor. 

7.  Sorbus  chamaemespilus  Crantz,  die  Zwergmispel,  ist  ein 
kleiner,  1 — 2  m  hoher  Strauch  der  oberen  Bergregion  (bis  1800  m)  Mittel- 
und  Südeuropas;  er  bevorzugt  ebenfalls  felsigen  Kalkboden,  hat  4 — 8  cm  lange,  sehr 
kurzgestielte,  eiförmig  längliche,  scharf  doppeltgesägte,  oberseits  glänzend  dunkelgrüne, 
unterseits  matt  blassgrüne,  kahle  oder  etwas  filzige,  sehr  derbe  Blätter  und 
kleine  Blüten  mit  schmalen,  rosa  gefärbten,  aufgerichteten  Blumenblättern 
in  aufrechten,  armblütigen,  schirmfönnigen  Trugdolden  und  hell  scharlachrote,  ca.  1  cm 
grosse,  wohlschmeckende  Früchte. 

Von  den  Bastarden  der  Sorbusarten,  an  deren  Bildung  sich  namentlich 
der  Mehlbeerbaum  beteiligt,  kommen  häufiger  vor: 

8.  S.   Aria    x    torminalis   =   S.   latifolia  Persoon,    der    breit- 

Handbach  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  23 


354  III.  Klein,  Forstbotanik. 

blätterige  Mehlbeerbaum  oder  die  Sanbirn  mit  über  10  cm  langen  and  6  cm 
breiten,  unterseits  locker  weiss-  oder  graniilzigen  Blättern  mit  7 — 9  seicht  ausge- 
schnittenen, nach  oben  an  Grösse  abnehmenden,  gesägten  Lappen  auf  jeder  Seite  und 
ß:elben  bis  roten,  im  teigigen  Zustande  geniessbaren  Früchten.  Meist 
kleine  Bäume  mit  apfelbaumähnlicher  Kinde,  zerstreut  mit  den  Stammeltern. 

9.  S.  Aria  X  aucuparia  =  S.  hybrida  W.  Koch,  die  Bastardeber- 
esche, mit  5 — 13  cm  langen,  länglichen,  in  der  unteren  Hälfte  teils  gefiederten,  teils 
iiederspaltig  bis  iied erschnittigen,  in  der  oberen  Hälfte  meist  eingeschnitten  gelappten, 
selten  nur  scharf  gesägten,  jederseits  mit  10 — 12  Seitennerven  versehenen,  unterBeits 
dünnülzigen  Blättern  und  kleinen  herben  Früchten.  Kommt  ebenfalls  nur  ver- 
einzelt zwischen  den  Stammeltern  vor. 

Amelanchier  vulgaris  Moench  (Syn.  A.  rotundifolia  C.  Koch, 
Mespilus  Amelanchier  Linn(^)  die  Felsen-  oder  Traubenbirne,  ein 
niedriger  IV^— 2(3)  m  hoher  Strauch  mit  aufgerichteten,  schlanken  Zweigen,  findet  sich 
im  Süd-  und  mitteleuropäischen  Bergland,  meist  auf  felsigem  Kalkboden,  bis  1800  m 
in  den  bayrischen  Alpen  emporsteigend.  Die  Blätter  sind  2 — 4  cm  lang,  oval,  meist 
stumpf,  jung  beiderseits  rotbraunfilzig,  alt  kahl,  scharf  gesägt.  Die  meist  schon  im 
April  erscheinenden  Blüten  stehen  in  kurzen,  achselständigen,  3 — Sblütigen  Trauben, 
mit  weissfilzigen  Stielen  und  schmal  länglichen,  ausgebreiteten,  weissen 
Blumenblättern.    Früchte  erbsengross,  blauschwarz. 

§  87.  2.  ünterfamilie  Prunoideae.  Blüten  perigyn.  1  Frucht- 
knoten mit  2  Samenknospen,  Blütenachse  an  der  Fruchtbildung  nicht  beteiligt. 
Frucht  eine  Steinfrucht,  gewöhnlich  nur  einen  einzigen  Samen  enthaltend.  — 
Das  zerstreutporige  Holz  der  Prunoideae  ist  von  dem  der  Pomoideae  dadurch 
unterschieden,  dass  die  Markstrahlen  mit  blossem  Auge  scharf  und  deutlich  er- 
kennbar sind  und  die  G  e  f  ä  s  s  e  an  der  Innengrenze  des  Jahrringes  zwar  nicht  er- 
heblich grösser,  aber  meist  zahlreicher  sind  und  dadurch  eine  lockerere,  meist  heller 
gefärbte  Frühholzzone  bedingen. 

Amygdalus  nana  Linn6,  die  Zwergmandel,  ist  ein  kleinblätteriger, 
kaum  meterhoher,  südosteuropäischer  Strauch  mit  schlanken  Zweigen,  einzeln  oder 
paarweise  aus  Seitenknospen  vorjähriger  Triebe  entspringenden,  sitzenden,  pfir- 
sichroten, ziemlich  grossen  Blüten  und  kleinen,  seitlich  zusammenge- 
drückten, glatt  steinigen ,  sammetfilzigen ,  lederigen  Früchten.  Wild  in  Mittel- 
europa nur  in  Niederösterreich  und  Ungarn,  zumeist  im  Flachlande  und  zum  Teil  Ge- 
büsche bildend;  sonst  nicht  selten  als  Zierstrauch  angepflanzt. 

Prunus  spinosa  Linn6,  der  Schlehdorn,  auch  Seh  w  arzdorn 
oder  Schlehe  genannt,  bildet  fast  in  ganz  Europa,  vorwiegend  in  der  Ebene  und 
im  Hügelland,  auf  jedem,  insbesondere  auf  trockenem,  steinigem  Boden  und  in  sonniger 
Lage  an  Rainen,  Waldrändern  und  Hecken  sowie  als  Unterholz  in  lichten  Wäldern 
mittelgrosse  (1 — 2  m  hohe),  sehr  sperrige  Büsche  mit  bis  4  cm  langen,  breitlan- 
zettlichen,  scharf  gesägten  Blättern,  zahlreichen,  rechtwinkelig  abstehenden,  in  einen 
schai-fen  Dorn  endigenden  Seitenzweigen  und  weitausstreichenden,  Wurzelschösslinge 
treibenden  Wurzeln.  Ueber  den  Blattnarben  stehen  gewöhnlich  3  Knospen  neben- 
einander, von  welchen  die  mittlere  häufig,  die  seitlichen  stets  Blütenknospen  sind.  Da 
an  Kurztrieben  die  Blütenknospen  dicht  gehäuft  stehen,  so  sind  die  Büsche  im  Fruh- 
jalir  oft  über  und  über  mit  den  kurzgestielten,  meist  kurz  vor  dem  Laubausbruch  auf- 
blühenden, kleinen,  weissen  Blüten  bedeckt.    Die  schwarzblauen,  bereiften  Steinfrächte 


Die  Laubhölzer.     §  87.  355 

sind  sehr  herb  und  werden  erst  nach  einem  derben  Frost  einigermassen  geniessbar. 
Das  schwere  (0,83),  feinfaserige  Holz  mit  rötlichem  Splint  und  braunrotem  Kern  ist 
etwas  glänzend  und  sehr  hart.  Der  trägwüchsige  Strauch  ist  mit  ca.  20  Jahren  voll 
entwickelt  und  dauert  bis  etwa  zum  40.  Jahre  aus. 

2.  Prunus  avium  Linn6,  die  Vogelkirsche  oder  Wildkirsche, 
ist  die  Stammpflanze  der  zahlreichen  kultivierten  Süsskirschen.  Blätter  (6) 
9 — 12  (15)  cm  lang,  meist  eiförmig,  zugespitzt,  scharf  gesägt,  schlaif,  oberseits  dunkel- 
grün, unterseits  blassgrün  und  meist  spärlich  flaumhaarig,  am  Blattstiel  meist  mit 
2  grossen  roten  Drüsen.  Kurz  triebe  quergeringelt,  gewöhnlich  nur  mit  einer  end- 
ständigen Knospe.  Blüten  gross  (bis  3V2  cm),  lang  gestielt,  in  dichten  doldigen 
Büscheln  aus  den  Endknospen  vorjähriger  Kurztriebe  im  April  oder  Mai.  Früchte 
meist  nur  1  cm  gross,  schwarzrot,  mit  grossem  rundlichem  Stein  und  bittersüssem  Fleisch. 
Der  Samen  keimt  schon  im  Frühling  nach  der  Reife,  wie  alle  Prunusarten  mit  dicken, 
rundlichen,  oberirdischen  Keimblättern.  Der  bis  ca.  zum  40.  Jahre  raschwüchsige  Baum 
schliesst  mit  50 — 60  Jahren  sein  Wachstum  ab,  in  dieser  Zeit  im  Bestandesschluss 
16 — 20  m  Höhe  und  bis  über  ^h  m  Stärke  erreichend,  wird  aber  selten  älter  als  80 — 90 
Jahre.  Die  Mannbarkeit  tritt  mit  ca.  20 — 25  Jahren  ein.  Der  Stamm  ist  bis 
zum  Wipfel  geradschaftig  und  vollholzig,  die  Krone  unregelmässig,  dichtästig,  hoch- 
angesetzt und  locker  beblättert,  die  Rinde  in  der  Jugend  glatt,  glänzend,  rötlichgrau, 
sehr  zähe,  mit  breiten  rostfarbigen  Lenticellen,  löst  später  ihr  Periderm  ringförmig  in 
bandartigen  Lappen,  ähnlich  wie  die  Birke,  ab  und  bildet  erst  spät  eine  flachrissige, 
dunkle  Borke.  Das  Wurzelsystem  entbehrt  der  Pfahlwurzel  und  besteht  aus 
ziemlich  weitstreichenden,  teils  flach  verlaufenden,  teils  tief  in  den  Boden  eindringenden 
kräftigen  Wurzelsträngen.  Das  im  schmalen  Splint  rötlichweisse,  im  Kern  hell  gelb- 
braune, ziemlich  wertvolle  Holz  ist  grobfaserig,  glänzend,  mittelschwer  (0,57 — 78  im 
Mittel  0,66),  sehr  hart,  sehr  schwerspaltig,  mittelbiegsam,  elastisch,  fest,  bis  67o 
schwindend,  im  Freien  wenig  dauerhaft,  dem  Wurmfrasse  sehr  ausgesetzt,  brennkräftig 
(0,80).  —  Die  Vogelkirsche  ist  mit  Ausnahme  des  höheren  Nordens  und  des  Nordostens 
über  ganz  Europa  verbreitet,  meist  vereinzelt  in  Wäldern,  besonders  in  Misch-  und 
Mittelwäldern,  in  Grebüschen  und  Waldrändern  in  der  Ebene  wie  im  Grebirge  (Bayrische 
Alpen  bis  1100  m,  Südtirol  bis  1500  m)  in  warmen  sonnigen  Lagen,  auf  frischem, 
fruchtbarem,  besonders  kalkhaltigem  Boden  am  besten  gedeihend.  Sie  ist  eine  ausge- 
sprochene Lichtholzaii;,  die  selbst  massige  Beschattung  nicht  mehr  erträgt. 

3.  Prunus  Cerasus  Linn6,  die  Sauerkirsche  oder  Weichsel,  aus 
Kleinasien  stammend,  ist  gelegentlich  im  Walde  verwildert  und  durch  Laubblätter  am 
Grrunde  der  Blütenbüschel  und  durch  kleinere,  oberseits  glänzende,  unbehaarte  Blätter 
mit  meist  drüsenlosen  Stielen  von  der  Vogelkirsche  zu  unterscheiden. 

4.  Prunus  chamaecerasus  Jacquin  (Syn.  P.  fruticosa  Pallas) 
die  Zwergweichsel,  bildet  niedrige  Büsche,  namentlich  auf  sonnigen  Kalk- 
hängen und  am  Rande  wie  im  Innern  lichter  Bergwälder.  Ihr  Verbreitungsge- 
biet reicht  von  Sibirien  durch  Mittel-  und  Südrussland,  den  mittleren  Teil  Oesterreich- 
Ungarns  bis  Thüringen  und  den  Mittel-Rhein.  Ihre  Blätter  sind  klein  (2 — 3  cm 
lang),  oberseits  bläulich  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  matt  blassgrün,  klein  gekerbt 
gesägt,  2gestaltig,  an  den  Langtrieben  lanzettlich,  an  den  Kurztrieben  gehuschelt, 
länglich  verkehrt-eiförmig,  mit  drüsenlosen  Stielen ,  die  Blüten  langgestielt, 
klein,  weiss,  zu  2 — 3  am  Ende  von  Kurztrieben.  Die  kleinen,  roten,  saueren  Frucht e 
haben  einen  spitzen  Steinkern. 

5.  Prunus  Padus  Linn6,  die  Traubenkirsche,  auch  Ahlkirsche 
oder  Faulbaum  genannt,  hat  ca.  6 — 12  cm  lange,   elliptische,  zugespitzte,   scharf 

23* 


356  III.  Klein,  Forstbotanik. 

gesägte,  kahle  Blätter  mit  gründrilsigen  Stielen.  Die  reichblütigen,  langen,  hängen- 
den, deckblattlosen,  weissen  Blütentrauben  erscheinen  meist  schon  im  April  am  Ende 
beblätterter  Kurztriebe;  die  erbsengrossen ,  schwarzen,  bittersüssen  Früchte  mit 
spitzem,  netzgrubigem  Stein  reifen  meist  Ende  Juli.  In  der  Jugend  bis  zum  20.  oder 
30.  Jahre  sehr  raschwüchsig  und  selten  länger  als  60  Jahre  dauernd,  erwächst  die 
Traubenkirsche  zu  grossen  Sträuchern  mit  rutenförmigen,  grau-  oder  grünlichbraanen 
Zweigen  oder  zu  mittelgrossen,  bis  13  m  hohen  und  60  cm  starken  Bäumen  mit  tief- 
angesetzter, dichtbelaubter  Krone  und  zum  Teil  hängender  Beastung  und  oft 
spannrückigen  Stämmen,  deren  schwarzgraue  Rinde  erst  spät  eine  dünne ,  längs- 
rissige Borke  bildet.  Die  B  e  w  u  r  z  e  1  u  n  g  ist '  mehr  seitwärts  als  tief  streichend. 
Das  Ausschlag  vermögen  ist  sehr  gross  und  liefert  sie  nach  dem  Abhieb  reich- 
lichen, raschwüchsigen  Stockausschlag  und  gerade  steife  AVurzellohden.  Das  frisch  un- 
angenehm riechende  Holz  von  sehr  beschränktem  Gebrauchswert  hat  breiten,  gelb- 
weissen  Splint,  braungelben  Kern,  ist  ziemlich  feinfaserig,  glänzend,  mittelschwer,  weich, 
leichtspaltig,  zähbiegsam,  schwach  elastisch,  fest,  wenig  dauerhaft,  bis  6  *^/o  schwindend, 
wenig  brennkräftig.  Das  Verbreitungsgebiet  der  Traubenkirsche  umfasst  bei- 
nahe ganz  Europa  (bis  zum  70**  in  Norwegen!).  Im  allgemeinen  eine  Holzart  der 
feuchten  Ebenen  und  Flussniederungen,  steigt  sie  doch  mit  den  Wasserläufen  in  feuchten 
Talgründen  hoch  im  Gebirge  empor  (in  den  nördlichen  Kalkalpen  bis  15(30  m,  in  Nor- 
wegen bis  gegen  1200  m).  Sie  verlangt  zu  gutem  Gedeihen  mineralkräftige  Böden 
von  grösserem  Feuchtigkeitsgehalt,  ist  aber  nur  in  mittlerem  Grade  lichtbedürftig  und 
verträgt  massige  Beschattung. 

6.  Prunus  Mähaleb  Linn6,  die  Felsenkirsche,  auch  türkische 
Weichsel  oder  Steinweichsel  genannt,  deren  Stocklohden  beim  Trocknen  den 
bekannten  Weichselgeruch  annehmen,  bewohnt  die  Südhälfte  Europas,  vornehmlich  anf 
kalkhaltigen  Standorten  des  Hügellandes,  im  Weinklima  von  den  Vogesen  bis  zum 
Siebengebirge  und  durch  die  Alpenländer  bis  Siebenbürgen  verbreitet.  Sie  ist  eine 
sehr  lichtbedürftige,  meist  strauchig  bleibende,  selten  zu  4 — 8  m  hohen  Bäumen  heran- 
wachsende Holzart  mit  reichlichem,  sehr  raschwüchsigem  Stockausschlag  nach  dem  Ab- 
hieb. Die  Blätter  sind  meist  eiförmig  zugespitzt,  gekerbt-gesllgt,  kahl  und  glänzend, 
ca.  3 — 6  cm  lang,  an  drüsenlosen  Stielen.  Die  der  Traubenkirsche  ähnlichen  Blüten 
stehen  aber  in  aufrechten,  rundlichen  Trauben;  die  erbsengrossen,  schwarzen 
Früchte  schmecken  sehr  herbe.  —  Die  zu  „Weichselrohren"  verwendeten  Ausschläge 
werden  meist  in  sog.  Weichsel  gärten  mit  gärtnerischer  Pflege  in  Bjährigem  Umtrieb 
gezogen. 

7.  Prunus  serotina  Ehrhart,  die  spätblühende  Trauben- 
kirsche, ist  durch  das  ganze  Laubholzgebiet  Nordamerikas  verbreitet,  bleibt  dort 
nach  Mayr  an  der  nördlichen  und  südlichen  Grenze  ein  kleiner  Baum,  erwächst  aber 
in  den  südlichen  Alleghanies  auf  kräftigem  Boden,  dem  Laubwald  eingesprengt,  zu  einem 
stattlichen  Baume  von  20 — 30  m  Höhe  und  bis  1  m  Stärke.  Der  Baum  wächst  auch 
leicht  auf  trockenem  Boden,  der  für  landwirtschaftliche  Zwecke  bereits  zu  arm  ist, 
und  gehört  zu  den  schnellwüchsigsten,  vorzüglichsten  Hartholz- 
arten Nordamerikas  (mit  schönem  rotem  Holz),  ist  in  Europa  längst  einge- 
führt, aber  erst  seit  1890  und  zwar  bis  dato  mit  bestem  Erfolg,  in  den  Kreis  der  forst- 
lichen Anbauversuche  gezogen  worden.  Der  im  Herbst  gesäte  frische  Samen  keimt 
im  nächsten  Frühjahr;  bei  Frühjahrsaussaat  ist  mindestens  3tägiges  Einquellen  erfor- 
derlich, wenn  nicht  die  meisten  Samen  überliegen  sollen.  Im  1.  Jahre  werden  die 
Pflanzen  bei  uns  20 — 30  cm,  in  3  Jahren  schon  IVa  m  und  in  9  Jahren  6  m  hoch,  so 
dass   sie   ausser   der  Esche  alle  heimischen  Holzarten  übertrefl:en.    In  ihren  Bodenan- 


Die  Laubhölzer.     §  88.  357 

Sprüchen  ist  P.  serotina  ziemlich  genügsam  und  gedeiht  selbst  aufhumosem 
Sandboden  freudig,  wenn  derselbe  genügend  frisch  ist ;  sie  verlangt  volles  Licht 
und  ist  für  Seitenschutz  dankbar.  Gegen  Dürre,  Spätfröste  und  Winterkälte  ist  sie, 
von  besonders  üppigen  Trieben  abgesehen,  unempfindlich;  auf  den  Stock  gesetzt,  bildet 
sie  schon  im  nächsten  Jahre  2  m  20  Länge  erreichende  Triebe.  —  Von  unserer  Trau- 
benkirsche unterscheidet  sie  sich  durch  grössere,  bis  10  cm  lange,  derbere,  leder- 
artige, oberseits  glänzend  dunkelgrüne  Blätter,  kürzere,  aufrechte  oder  vorn- 
übergeneigte Blüten  trauben,  die  erst  EndeMai  oder  Anfang  Juni  aufblühen  und 
durch  den  glatten  Stein  ihrer  Früchte.  Durch  besondere  Schnellwüchsig- 
keit soll  sich  die  Form  cartilaginea,  die  glänzendblätterige,  mit  grösseren,  bis 
15  cm  langen,  lebhafter  grünen  und  stärker  glänzenden  Blättern  auszeichnen. 

§  88.  Die  Familie  der  Leguminosae,  die  zweitgrösste  des  Pflanzen- 
reichs mit  ca.  7000  Arten,  in  der  Unterfamilie  Papilionatae  mit  meist  gefiederten 
oder  Steiligen  Blättern,  in  der  Regel  in  Trauben  stehenden  Schmetterlingsblüten  und 
2klappig  aufspringenden  Hülsen,  besitzt  in  Europa  wesentlich  nur  in  der  südlichen 
Hälfte  banmai*tige  Vertreter,  wahrend  die  forstlich  für  uns  wichtigste  Art  nordameri- 
kanischen Ursprunges  ist  (ursprüngliche  Heimat  die  südlichen  AUeghanieberge),  nämlich : 

Robinia  Pseudacacia  Linn6,  die  Robinie,  in  Deutschland  allgemein 
Akazie  genannt,  in  Europa  mit  Ausnahme  des  nordöstlichen  Teiles  längst  völlig 
eingebürgert.  Blätter  unpaarig  gefiedert,  10 — 30  cm  lang,  weich,  mit  ca.  10 — 20 
kahlen,  2 — 4  cm  langen,  ovalen  Fiederblattpaaren  und  zu  stechenden  Stipular- 
dornen  umgewandelten  Nebenblättern,  die  paarweise  an  der  Blattstiel- 
basis sitzen  und  mehrere  Jahre  dauern;  Blüten  ansehnlich,  weiss,  in  langen, 
blattwinkelständigen,  hängenden  Trauben  im  Juni ;  Hülsen  breit  lineal,  ca.  1 — 17^  cm 
breit,  5 — 9  cm  lang,  rotbraun  mit  ca.  V2  cm  grossen,  nierenförmigen,  braunen  Samen, 
die  im  Oktober  oder  November  reifen,  vom  Februar  an  abfallen  und  ca.  14  Tage  nach 
Frühlingssaat  mit  2  dicken  halbeirunden  Keimblättern  oberirdisch  keimen.  Die  Dauer 
der  Keimkraft  beträgt  2—3  Jahre.  Die  Mannbarkeit  tritt  mit  20 — 25  Jahren 
ein.  Samen  jähre  alle  1 — 2  Jahre.  Die  Robinie  ist  in  der  Jugend  ungemein  rasch- 
wüchsig, erreicht  nicht  selten  schon  im  1.  Jahre  eine  Höhe  von  70  cm  bis  1  m,  mit 
10  Jahren  10  m  und  darüber,  doch  lässt  der  Wuchs  rasch  nach  und  ist  im  30.  bis  40. 
Jahre  im  wesentlichen  abgeschlossen.  Sie  erreicht  bei  uns  bis  25  m  Höhe  und  bis 
80  cm  Stärke  und  zumeist  ein  100  Jahre  nicht  überschreitendes  Alter  (nur  ausnahms- 
weise 200  und  mehr),  bildet  eine  lockere,  sperrige,  unregelmässige,  dünnbelaubte  Krone, 
neigt  zum  Zwieselwuchs,  bildet  als  Samenpflanze  im  Schluss  unter  günstigen  Be- 
dingungen gerade,  schlanke,  bis  zu  beträchtlicher  Höhe  astreine  Stämme,  während  sie 
sich  im  Freistand  in  mehrere  steil  aufstrebende  schlanke  Aeste  gabelt.  Ausschlags- 
stämme werden  fast  stets  krummwüchsig.  Die  Bewurzelung  ist  nur  anfänglich 
in  die  Tiefe  gerichtet  und  streicht  bald  mit  starken  Wurzelästen  seitlich  weit  aus. 
Das  Ausschlag  vermögen  aus  Stock  und  Wurzel  ist  sehr  bedeutend.  Die  Rinde 
bildet  früh  eine  tief  netzförmig  aufreissende,  starke,  braungraue  Borke.  Das  ring- 
porige Holz  besitzt  einen  nur  wenige  Jahrringe  breiten  gelbweissen  Splint  und 
einen  grünlich-gelbbraunen,  an  der  Luft  stark  nachdunkelnden  Kern.  Die  Markstrahlen 
sind  mit  blossem  Auge  meist  nicht  erkennbar;  die  Gefässe  des  Spätholzes,  ähnlich  wie 
bei  Ulmus,  nahe  der  Ringgrenze  in  konzentrischen  Linien  angeordnet;  sämtliche  Ge- 
fässe mitAusnahme  der  des  äussersten  Jahrringes  sind  durch  Thyllen 
verstopft.  Das  Robinienholz  ist  ein  vortreffliches  Werkholz,  sehr  schwer 
(0,58—0,85,  im  Mittel  0,77),  sehr  grobfaserig,  glänzend,  hart,   sehr  fest,  schwer  aber 


358  III.  Klein,  Forstbotanik. 

schönspalti«^,  elastisch,  ausserordentlich  dauerhaft  und  brennkräftig.  Die  Standorts- 
ansprüche der  Robinie*^)  sind  ganz  eigenartige.  Sie  gehört  zu  den  anspruchs- 
vollsten Holzarten  hinsichtlich  der  Mineralstoffe,  die  sie  dem  Boden  alljährlich  entzieht 
und  zugleich  zu  den  anspruchslosesten,  weil  sie  auf  den  ärmsten  und  dürresten  Böden 
gedeihen  kann,  indem  sie  die  Fähigkeit  besitzt,  sich  die  MineralstoflFe  auch  unter 
schwierigen  Umständen  zu  beschaffen  und  ausserdem  als  Schmetterlingsblütler  an  iliren 
Wurzeln  Wurzelknöllchen  trägt,  so  ihren  Stickstoff  bedarf  aus  der  Luft  zu  decken 
vermag  und  hinsichtlich  des  Humusgehaltes  keinerlei  Ansprüche  an  den  Boden  stellt. 
Bedingung  ihres  Gedeihens  ist  aber,  da  die  Wurzeln,  ähnlich  wie  bei  den 
Pappeln,  weit  über  den  Kronenraum  des  Baumes  hinausgehen,  weiter  Wurzel- 
raum nach  der  Seite  oder  auch  nach  der  Tiefe,  hinreichend  lockerer  und 
gut  durchlüf teter  Boden  ohne  dichten  ünkrautfilz,  reichlicher  Lichtgenus s, 
da  sie  als  äusserst  lichtbedürftige  Pflanze  keinerlei  Uebersclürmung  verträgt  und  sich 
im  Bestand  frühzeitig  verlichtet,  und  möglichst  milde,  namentlich  vor  Frühfrösten 
geschützten  Lagen,  weil  sie  zwar  spät  austreibt,  aber  erst  der  August  den  Höhen- 
trieb bringt.  Schwere  Ton-,  nasse  oder  gar  moorige  Böden  eignen  sich  nicht  für  sie. 
Die  Ansprüche  an  Bodenfeuchtigkeit  sind  sehr  gering  und  so  eignet  sich  die 
Robinie  in  wärmerem  Klima  (z.  B.  in  den  ungarischen  Steppen  in  giossem  Umfang 
durchgeführt)  vorzüglich  zur  Bindung  des  Bodens  in  baumlosen  Sandniederungen,  sowie 
zur  Befestigung  von  Dämmen,  Böschungen,  Schutthalden  und  dergl. 

Colutea  arborescensLinn^,  der  gemeine  Blasenstrauch,  ist 
ein  bis  3  m  hoher  Strauch  Südeuropas  und  des  Orients  mit  gefiederten  Blättern, 
ansehnlichen,  goldgelben,  in  aufrechten  Trauben  stehenden  Blüten,  grossen,  stark 
aufgeblasenen,  häutigen  Hülsen,  als  Zierstrauch  überall  angebaut  und, 
namentlich  auf  Kalkboden  in  Süddeutschland,  der  Schweiz  und  den  südlichen  und  öst- 
lichen Kronländern  Oesterreichs,  hie  und  da  im  Bergland  wild  oder  verwildert. 

1.  Cytisus  laburnum  Linn6,  der  gemeine  B  ohnen  bäum  oder 
Goldregen,  mit  3zähligen  (kleeähnlichen),  langgestielten,  unterseits  grau- 
grünen, angedrückt-seidenhaarigen  Blättern  und  langen,  hängenden, 
goldgelben  B  l  ü  t  e  n  trauben,  ist  ein  bis  gegen  7  m  Höhe  erreichender  Grossstrauch 
mit  rutenförmigen  Langtrieben  und  hartem,  glänzendem,  sehr  schwerspaltigem,  elasti- 
schem, biegsamem,  wenig  dauerhaftem  Holz,  dessen  schmaler  Splint  gelbweLss,  dessen 
Kern  gelbbraun  oder  grünbraun  bis  schwarzbraun  ist.  Diese  süd-  und  osteuro- 
päische Holzart  ist  in  Mitteleuropa  als  Zierstrauch  überall  angepflanzt,  nicht 
selten  auch  im  Walde  verwildert,  wild  wohl  in  Südwestdeutschland,  der  südlichen  und 
westlichen  Schweiz  sowie  in  den  südlichen  und  östlichen  Kronländem  Oesterreichs. 
Ausser  auf  nassen  Standorten  gedeiht  der  anfangs  sehr  raschwüchsige,  aber  nur 
20—30  Jahre  dauernde  Goldregen  auf  Böden  verschiedenster  Art,  besonders  auf 
trockenen,  sonnigen  Kalkhängen,  so  z.  B.  in  der  Oberförsterei  Grubenhagen  ")  im  süd- 
lichen Hannover,  wo  er  bestandbildend  im  Niederwald,  oder  als  Unterholz  im  Buchen- 
mittelwald, die  übrigen  Unterhölzer  mehr  und  mehr  verdrängend,  auftritt  und  sich 
durch  ausserordentliche  Unempfindliclikeit  gegen  Druck  und  Ueberschirmung  auszeichnet. 
Das  Stockausschlag  vermögen  ist  sehr  beträchtlich,  die  Stocklohden  rasch- 
wüchsiger als  die  Samenlohden  (in  18  Jahren  6V2  m  hoch  und  5—7  cm  stark).  Wur- 


43)  Weise,  Robinie  und  Weymouthskiefer.    Mündener  forstl.  Hefte  12.  1897.  p.  1  ff. 

44)  Frömbling,  Der  Goldregen  und  seine  forstliche  Bedeutung.     Zeitschr.  f.  Forst- 
und  Jagdwesen  1886.  p.  87. 


Die  Lanbhölzer.     §  88.  359 

zelbrnt  fehlt.  Die  Wurzeln  sind  dünn,  flach-  und  weitstreichend.  Zur  Aufforstung 
verödeter  Muschelkalkhänge,  auf  denen  andere  Holzarten  leicht  versagen,  wird  er 
empfohlen. 

2.  Cytisus  alpinus  Miller,  der  Alpen-Bohnenstrauch,  ist  der 
vorigen  Art  in  jeder  Beziehung  sehr  ähnlich.  Er  unterscheidet  sich  durch  unter- 
seits  freudig  grüne,  nicht  seidenhaarige  Blätter  und  stets  kahle, 
an  den  Rändern  nicht  wulstige  Hülsen.  Ebenfalls  häufig  angepflanzt.  Seine  natür- 
liche Verbreitung  reicht  nördlich  aber  nicht  über  die  Gebirgswälder  der  Alpen  und 
Karpathen  hinaus. 

3.  Cytisus  Weldenii  Visiani  bedeckt  als  1— 2  m  hoher  Strauch  im  süd- 
lichen Dalmatien  grosse  Karstflächen  und  ist  dort  als  Bodenschutzholz  und  als  Brenn- 
holzlieferant von  Bedeutung.  Die  dunkler  gelben,  betäubend  stark  riechenden  Blüten 
stehen  in  aufrechten,  vielblütigen  Trauben.     Die  Zweige  sind  kantig. 

4.  Cytisus  nigricans  Linn6,  der  schwärzliche  B  ohnens-trauch, 
verdankt  seinen  Namen  dem  Umstände,  dass  Blätter,  Blüten  und  Hülsen  beim  Trocknen 
schwärzlich  werden.  Ein  kleiner,  höchstens  ca.  1^2  m  Höhe  erreichender  Strauch 
mit  dichten,  aufrechten,  endständigen,  reichblütigen  Blütentrauben.  Von  Mittel- 
deutschland an  südwärts  an  steinigen,  waldigen  Oiten. 

Die  übrigen  kleinstrauchigen  Cytisusarten  entbehren  der  forst- 
lichen Bedeutung  und  flnden  sich  als  südeuropäische  Pflanzen  im  Gebiet  zumeist  nur 
in  den  südlichsten  Teilen  Mitteleuropas. 

Ebenso  sind  die  mit  meist  einfachen  Blättchen  versehenen  Angehörigen  der  Gat- 
tung Genista,  Ginster,  von  denen  einzelne  Arten  oft  in  Masse  auftreten,  ledig- 
lich forstliche  Unkräuter,  die  durch  Verdammung  des  jungen  Holzwuchses  gelegentlich 
schädlich  werden  können. 

Sarothamnus  vulgaris  Wimmer  (syn.  Spartium  scoparium 
Linn6,  Cytisus  scoparius  Link)  der  Besenginster,  auch  Besen- 
strauch, Hasenheide  (fr.  Genet),  genannt,  ist  ein  gesellig  wachsender  Strauch 
mit  2gestaltigen,  spärlichen,  kleinen  Blättern,  die  an  der  Basis  der  Triebe  ge- 
stielt und  3zählig,  an  der  Spitze  einfach  und  sitzend  sind.  Die  sehr  grossen,  gold- 
gelben, gestielten  Blüten  mit  Uhrfeder  artig  eingerolltem  Griffel 
stehen  einzeln  oder  zu  zweien  blattwinkelständig.  Der  Wuchs  ist  meist  strauchartig, 
mit  aufrechten  oder  aufsteigenden,  1  —  2  m  langen  und  bis  5  cm  starken  Stämmchen 
und  zahlreichen,  aufrechten,  ruthenförmigen,  kantig  gefurchten,  grünen  A e s t en 
und  Zweigen.  Die  Haupt w u r z e  1  dringt,  namentlich  im  Sandboden,  tief  in  den 
Boden  ein  und  bildet  weit  ausstreichende  Seitenwurzeln.  Als  Bewohner  der  Ebene  oder 
niederer  Gebirge  ist  der  beinahe  ganz  Europa  bewohnende,  lichtbedürftige  Strauch  am 
häuflgsten  im  nördlichen  und  westlichen  Mitteleuropa  in  milderen  Lagen.  Empfindlich 
gegen  strenge  Winterkälte  wie  gegen  Früh-  und  Spätfröste,  ist  er  doch  wegen  seiner 
tiefgehenden  Bewurzelung  und  wegen  ungemein  lange  andauernder  Keimkraft  seiner 
Samen  in  Kulturen  ein  schwer  auszurottendes  Unkraut.  Am  häutigsten  ist  er  in  den 
sandigen  Niederungen  Norddeutschlands  als  einzige  bestandbildende  Holzart  (Kehheide, 
Hasenheide)  und  im  Buntsandsteingebiet  des  Maines. 

Spartium  junceumLinn6,  der  Pfriemen  Strauch  oder  spani- 
sche Ginster,  ist  eine  Holzart  der  Mittelmeerländer,  die  nördlich  bis  Südtirol  und 
dem  südlichen  Steiermark  auf  felsigen,  sonnigen  Hügeln  ähnliche  Büsche  wie  der  Besen- 
ginster bildet,  sich  aber  durch  graugrüne  Farbe  und  stielrunde,  binsenartige, 
fast   blattlose   Zweige   mit   einfachen  Blättchen   augenfällig   von   dem  Besenginster 


360  III.  Klein,  Forstbotanik. 

unterscheidet. 

Ulex  europaeus  Linn^,  der  Stechginster  oder  Hecksame,  im 
wesentlichen  eine  Holzart  des  westlichen  und  südlichen  Europas,  kommt  vom  westlichen 
Norddeutschland  bis  zur  Insel  Rügen  auf  Sandboden,  zu  dessen  Befestigung  er  sich 
unter  geeigneten  klimatischen  Bedingungen  wegen  seines  hervorragenden  Stock-  und 
Wurzelausschlagvermögens  vorzüglich  eignet,  vor  und  ist  auch  vielfach  als  Hecken- 
pflanze  von  sehr  sperrigem  Wuchs,  die  das  Beschneiden  gut  verträgt,  angebaut.  An 
den  von  Dornen  starrenden  grünen  Büschen  sind  die  oberen  Blätter  der 
Triebe  in  einen  gefurchten  pfriemlichen  grünen  Dorn  und  sämtliche  kurzen 
Achselsprosse  zu  ebensolchen  einfachen  oder  verzweigten  Domen  umgewandelt.  In 
kaltenWintern  erfriertderStechginster  biszumBoden,  treibt  aber 
dann  vom  Stock  wieder  aus. 

Cladrastis  amurensis  Ruprecht.  Amur- Gelbholz.  Dieser  ja- 
panische Baum  hat  16 — 30  cm  lange,  unpaarig  gefiederte  Blätter  mit  3—6 
Blattpaaren,  die  aus  der  Knospe  mit  prächtig  silberweisser  Behaarung  hervorbrechen, 
und  grünlich  weisse ,  in  dichten  aufrechten  Trauben  stehende  Blüten  mit  freien 
Staubfäden.  Er  ist  von  Mayr  zu  Anbauversuchen  empfohlen  und  auch  neuerdings  in 
den  Kreis  derselben  gezogen  worden ,  weil  sein  vorzügliches  Holz  mit  sehr 
schmalem  gelbem  Splint  und  rotbraunem  Kern  dasjenige  der  Robinie  übertrifft  und  er 
voraussichtlich  noch  in  solchen  Klimalagen  zunl  Baume  erwächst,  in  denen  die  Robinie 
nicht  mehr  emporkommt.  In  der  Jugend  etwas  trag-,  später  raschwüchsig,  ist 
dieser  Lichtholzbaum,  der  schon  mit  10  Jahren  Samen  trägt,  bis  jetzt  bei  uns 
völlig  hart  und  stellt  ungefähr  die  gleichen  Lebensansprüche,  wie  Magnolia  hypoleuca. 

Gleditschia  triacanthosLinn6,  der  Christusdorn,  die  dreidomige 
Gleditschie,  aus  der  Unterfamilie  der  Caesalpinioideae  in  der  südlichen  Hälfte  des 
atlantischen  Nordamerika  einheimisch,  mit  einfach  oder  doppelt  gefiederten  Blättern, 
unscheinbaren  Blüten,  25 — 35  cm  langen ,  bis  4  cm  breiten ,  meist  gedrehten  Hülsen 
und  3teiligen,  rotbraunen,  spitzen  Stammdomen  an  den  jungen  Trieben,  am  Stamm  und 
den  älteren  Aesten  von  reich  verzweigten,  büschelig  zusammenstehe  n- 
deu, sperrigen, grossenDornenstarrend,  ist  in  der  südlichen  Hälfte  Mittel- 
europas als  grosser,  raschwüchsiger,  sehr  lichtbedürftiger  Zierbaum  mit  weitausgreifen- 
der sperriger  Krone  verbreitet.  In  ihrer  Heimat  erreicht  sie  auf  dem  kräftigen  Boden 
der  Flussniederungen  30 — 40  m  Höhe  und  verlangt  bei  uns  zu  gutem  Gedeihen  milde, 
dem  Wind  nicht  stark  ausgesetzte  Lagen  und  tiefgründigen,  fruchtbaren,  lockeren 
Boden.  Ihr  wertvolles,  im  Kern  rosarotes  Holz,  im  anatomischen  Bau  dem  Robinien- 
holze ähnlich,  ist  schwer  (0,78)  sehr  grobfaserig,  äusserst  schwerspaltig ,  sehr  dauer- 
haft, biegsam  und  wenig  elastisch.  Da  sie  den  Schnitt  gut  verträgt,  ist  sie 
auf  geeignetem  Standort  auch  eine  vorzügliche  Heckenpflanze. 

§89.  Ailantus  glandulosa  Desfontaines,  der  drüsigeGötter- 
b  a  u  m  aus  der  Familie  der  Simarubaceae,  stammt  aus  China  und  ist  bei  uns 
in  milderen  Lagen  als  Park-  und  Alleebaum  vielfach  seit  langem  angepflanzt.  Die  ein- 
zeln stehenden,  grossen  (bis  80  cm),  paarig  gefiederten  Blätter  tragen  am  Grunde 
der  grossen,  zugespitzten,  eilanzettlichen  Blättchen  jederseits  1 — 3  kleine,  je 
eine  undurchsichtige  Drüse  tragende  Läppchen,  was  sie  von  allen 
bei  uns  vorkommenden  Gehölzen  unterscheidet.  Blüten  klein,  poly- 
gam, grünlich,  in  endständigen  grossen  Rispen.  Früchte  zweiseitig  geflügelt,  bis 
5  cm  lang,  anfangs  rot,  dann  braun.   Der  allerdings  kurzlebige  Baum  (40 — 50  Jahre)  ist 


Die  Laubhölzer.     §  89.  361 

ungemein  raschwüchsig  (in  5  Jahren  bis  5  m),  stellt  an  die  Fruchtbarkeit  und 
namentlich  an  die  Feuchtigkeit  des  Bodens  sehr  geringe  Ansprüche,  wenn  der  Boden 
nur  hinreichend  tiefgründig  und  locker  ist,  und  besitzt  ein  ausserordentliches  Aus- 
schlagsvermögen aus  Stock  und  namentlich  aus  den  Wurzeln.  In  Oesterreich-Ungam 
im  Rebenklima  ist  er  mit  Erfolg  zur  Aufforstung  öder  Karstengründe  verwendet  worden. 

Phellodendron  amurense  Ruprecht,  der  Mandschurische  Kork- 
b a n m  aus  der  Familie  der  Rutaceae,  ist  ein  japanischer  Baum  von  sehr  statt- 
lichen Dimensionen,  der  in  höherem  Alter  auffallend  reiche  Korkbildung  zeigt, 
deswegen  von  Mayr  zu  Anbauversuchen  empfohlen  und  auch  in  den  Kreis  derselben 
gezogen  wurde.  Seine  gegenständigen,  unterseits  kahlen  Blätter  gleichen 
denjenigen  unserer  Esche  und  riechen,  zwischen  den  Fingern  zerrieben,  unangenehm. 
Die  2häusigen,  kleinen,  grünlichgelben  Blüten  stehen  in  endständigen  Doldentrauben. 
Nach  seinem  natürlichen  Vorkommen  verlangt  er  bei  uns  Eichenklima  und  ge- 
deiht auf  kräftigem,  frischem  Boden  in  warmen  Lagen  sehr  gut,  die  Eiche  anWucl^ß- 
geschwindigkeit  übertreffend,  ist  winterhart,  treibt  spät  aus,  doch  dauert  die  Vegeta- 
tion lange  in  den  Herbst  hinein,  so  dass  die  Triebspitzen  regelmässig  zurück  frieren. 
Die  erbsengrossen,  schwarzen,  terpentinhaltigen  Steinfrüchte  enthalten  5  einsamige 
Steine  und  bleiben  mehrere  Jahre  keimfähig.  Die  Keimpflanzen  werden  im  1.  Jahre 
20 — 25  cm  hoch  und  entwickeln  eine  Pfahlwurzel  mit  vielen  feinen  Faserwurzeln.  Die 
Rinde  enthält  einen  gelben  Farbstoff.    Das  gelbe  Holz  ist  von  grosser  Dauer. 

Buxus  sempervirens  Linn6,  der  gemeine  Buchsbaum  (Fr.  Buis) 
aus  der  den  Euphorbiaceen  nahestehenden  Familie  der  Buxaceae,  ein  ungemein 
langsamwüchsiger  Strauch  oder  kleiner  Baum,  der  bis  8  m  Höhe  und  Va  m  Stärke  und 
ein  Alter  von  mehreren  Jahrhunderten  erreichen  kann,  hat  kleine  lederige,  eiförmige, 
gegenständige,  immergrüne  Blätter  und  kleine,  gelblich  weisse,  schon  im  März  oder 
April  erscheinende  Blüten,  die  in  achselständigen  Knäueln  stehen.  In  jedem  Knäuel 
steht  eine  weibliche  Blüte  mit  3  dicken  Griffeln  inmitten  mehrerer  männlichen.  — 
Das  hochwertige,  hellgelbe,  ungemein  gleichmässige,  hornartige  Holz  lässt  kaum  die 
Jahresringe  erkennen  und  besitzt  sehr  enge  Gefässe;  es  ist  sehr  schwer  (0,99 — 1,02), 
sehr  feinfaserig,  äusserst  schwerspaltig,  fest,  glanzlos  und  dauerhaft,  und  bekanntlich 
das  wertvollste  Material  für  Holzschnitte.  —  Der  in  unseren  Gartenanlagen  allent- 
halben angepflanzte  Buchsbaum  ist  eine  Holzart  des  Mittelmeergebiets,  die  nördlich  der 
Alpen  nur  selten  wild  wachsend  vorkommt,  so  namentlich  an  gebirgigen  Orten  im 
Moseltal  bei  Bertrich,  auf  der  Buchshalde  bei  Grenzach  in  Baden  und  auf  dem  schweizer 
Jura  bei  Pieterlen  *^) ,  wo  ein  ganzes  Wäldchen  von  325  4—8  m  hohen  Bäumchen 
stockt.  —  Obwohl  der  Buchsbaum  steinige,  sonnige  Hänge  oft  mit  einem  dichten  Mantel 
überzieht,  ist  er  doch  in  hohem  Masse  schattenertragend. 

Empetrum  nigrum  Linn6,  die  Krähen-  oder  Rauschbeere  aus 
der  nahe  verwandten  Familie  der  Empetraceae,  ist  ein  hochnordischer,  kleiner, 
heidekrautähnlicher,  immergrüner  Strauch  mit  am  Rande  zurückgerollten,  nadelähn- 
lichen, oft  scheinbar  quirlstständigen  Blättchen  und  erbsengrossen,  schwarzen 
Beeren.  Der  gesellig  wachsende  Kleinstrauch  ist  in  ganz  Zentraleuropa  zer- 
streut ,  namentlich  im  Norden  in  moorigen  Kiefernwäldern  auf  Sandböden  (Empetrum- 
heiden)  etc.,  auf  Hochmooren  der  deutschen  Mittelgebirge  und  in  den  Alpen  häutig. 

Aus  der  Familie  der  Anacardiaceae  reichen  3  im  Mittelmeergebiet  ein- 


45)  Schweizer  Zeitschr.  f.  Forstwesen  1898.  p.  151  mit  Abbildung. 


B62  III.  Klein,  Forstbotanik. 

heimische  Holzgewächse   mit  der  Nordgrenze  ihres   Verbreitungsgebiets   noch   in  das 
südliche  Zentraleuropa  herein. 

1.  PistaciaLentiscu8Linn6,  derMastixstrauch,istin  ansgedehn- 
tem  Masse  an  der  Zusammensetzung  der  immergrünen  Buschformation,  der  Macchien, 
namentlich  auf  steilem  und  steinigem  Gelände  in  Istrien  und  Dalmaüen  beteiligt  und 
bleibt  hier  meist  strauchförmig.  Die  trag  wüchsigen,  aromatisch  duftenden,  kräftig  be- 
wurzelten und  sehr  reproduktionsfähigen  dichten  Büsche  haben  immergrüne,  paarige 
Fiederblätter  mit  3—7  (meist  5)  Paaren  1,5 — 3  cm  langer,  schmaleiförmiger,  derber, 
kurzbespitzter,  ganzrandiger  Blättchen  an  schmal  geflügelter  Mittelrippe.  Die  Rinde 
liefert  das  wohlriechende  Mastixharz;  die  Blätter  dienen  zum  Gerben. 

« 

2.  Pistacia  Terebinthus  Linn6,  die  Terpentin- Pistazie,  geht 
weiter  nach  Norden  und  findet  sich  noch  in  Südtirol  und  Krain ;  sie  neigt  mehr  zu  baum- 
artigem Wuchs.  Die  s o m  m  e r g r  ti n e n  Blätter  sind  derb ,  unpaarig  gefiedert 
mit  2 — 4  Paaren  schmal  bis  breit-eiförmiger  4 — 8  cm  langer  Blättchen  an  unge- 
flngelter  Mittelrippe.  Das  sehr  schwere  (0,9-1,1)  Holz  mit  wechselnder,  zuweilen 
schön  kastanienbrauner  Kernfärbung  ist  ein  wertvolles  Drechslerholz. 

RhusCotinus  Linn6  (syn.  Cotinus  Coggygria  Scopol  i),  der  be- 
kannte Perrtickenstrauch  unserer  Gärten,  mit  beinahe  kreisrunden  bis  rundlich 
eiförmigen  Blättern  und  endständigen  grossen  Blüten rispen,  deren  behaarte 
Blütenstiele  sich  nach  dem  Verblühen  der  meist  unfruchtbaren,  abfallenden  Blüten 
bedeutend  verlängern,  Ist  nordwärts  bis  zur  südlichen  Schweiz,  bis  Südtirol, 
wo  er  fast  in  alle  Niederwälder  eingesprengt  ist,  bis  in  die  Umgebung  Wiens  und  bis 
ins  südliche  Ungarn  verbreitet  auf  sonnigen  Hügeln,  namentlich  im  Kalkgebirge.  Seine 
Blätter  sind  ein  wertvolles  Gerb-  und  Färbematerial ;  auch  das  goldgelbe  Holz  (Fisett- 
holz)  dient  zum  färben. 

§  90.  Hex  aquifolium  Linn6,  der  gemeine  Hülsen,  auch  Chri- 
stusdorn oder  (zumeist)  Stechpalme  genannt,  aus  der  Familie  der 
Aquifoliaceae  (Fr.  Houx),  ist  eine  an  mildes  See-  oder  luftfeuchtes  Gebirgsklima 
gebundene,  äusserst  trägwüchsige  Holzart  Süd-  und  Westeuropas,  die  in  Zentraleuropa 
auf  fiischem,  sandigem  oder  kalkreichem  Boden,  meist  als  Unterholz  schattiger  Laub- 
und Nadelholzwaldungen,  in  der  westlichen  norddeutschen  Zone  von  Rügen  bis  zum 
Niederrhein,  in  den  Vogesen,  im  Schwarzwald,  im  Jura  und  in  den  Alpen  (bis  1200m!) 
zerstreut  vorkommt,  meist  strauchförmig  bleibt  und  nach  dem  Abhieb  reichlichen  Stock- 
ausschlag treibt,  auch  das  Beschneiden  gut  verträgt  (Heckenpflanze).  Die  Krone  ist 
bei  baumartigem  Wuchs  pyramidal  mit  5 — 8  cm  langen,  kurzgestielten,  oberseits  glänzend 
dunkelgrünen,  unterseits  mattgrünen,  am  Rande  welligen,  grobdornig  gezähnten 
Blättern  an  den  unteren  Zweigen,  während  dieselben  etwa  von  Mannshöhe  an  häufig 
einen  glatten  unbewehrten  Rand  haben.  Nur  in  West-  und  Südeuropa  bildet  die  Stech- 
palme mehrhundertjährige,  bis  15  m  hohe  und  V2  m  starke  Bäume,  wälirend  sie  bei 
uns  stets  erheblich  kleiner  bleibt.  Die  kleinen,  weissen  Blüten  stehen  in  den  Blatt- 
achseln gehäuft,  die  erbsengrossen,  scharlachroten  Steinfrüchte  enthalt-en  4  einsamige 
Steinkerne,  die  meist  erst  im  2.  Jahre  nach  der  Frühlingssaat  keimen.  Das  gelblich 
bis  grünlich  weisse,  zerstreutporige  Holz  mit  kleinen  Gelassen  und  sehr  feinen  Mark- 
strahlen und  Jahresringgrenzen  ist  hart  und  schwer  (0,78),  sehr  gleichmässig  und  fek- 
faserig,  schwerspaltig,  schwindet  stark  und  wirft  sich  sehr  (Drechslerholz). 

Staphylea  pinnata  Linn6,  die  gemeine  Pimpernuss,  aus  der 
Familie  der  Staphyleaceae,  als  Gartenzierstrauch  allgemein  beliebt,  kommt 
meist  vereinzelt  und  sehr  zerstreut  auf  nahrhaftem,  namentlich  kalkreichem  Boden  und 


1 


Die  Laubhölzer.     §  91.  363 

lichten  Standorten  in  Bergwäldern  der  rheinischen  und  süddeutschen  Zone,  sowie  in 
den  nördlichen  Vorbergen  des  ganzen  Alpenzugs  (bis  ca.  600  m)  und  sonst  mitunter 
auch  verwildert  vor.  Sie  bildet  stattliche,  2—5  m  hohe  Sträucher,  die  schon  vor  dem  Ab- 
hieb reichlich  schlanke  Ausschlaglohden  bilden,  und  hat  gegenständige,  12 — 20  cm  lange, 
unpaarig  gefiederte  Blätter  mit  meist  nur  zwei  5 — 9  cm  langen,  eiförmig  zugespitzten 
Fiederpaaren.  Die  weissen,  glockigen  Blüten  bilden  trugdoldig  verästelte,  hängende 
Trauben;  die  ca.  4  cm  grossen,  dünnhäutigen,  aufgeblasenen,  grünen  Früchte  sind 
Sfächerig  mit  meist  je  einem  verkehrt  eiförmigen,  glänzend  gelbbraunen,  ölreichen,  ess- 
baren, grossen  Samen,  der  meist  erst  nach  Ijährigem  Ueberliegen  keimt.  Das  zerstreut- 
porige, gelblichweisse  Holz  mit  deutlichen,  zahlreichen  Markstrahlen  und  Jahresringen 
ist  sehr  hart,  schwer  (0,82)  und  schwerspaltig  (Drechslerholz). 

Die  Spindelbäume,  Evonymus,  aus  der  Familie  der  Celastraceae, 
sind  Sti'äucher  oder  kleine  Bäume  mit  einfachen,  gegenständigen  Blättern  und 
spielen  forstlich  eine  bescheidene  Kolle  als  Unterholz.  Die  4-  oder  5zähligen  Blüten 
stehen  in  achselständigen,  langgestielten  Trugdolden.  Die  sehr  charakteristischen  rosen- 
roten Kapselfrüchte  enthalten  von  fleischigem  rotem  Samen mantel 
(Arillus)  umhüllte  Samen. 

1.  Evonymuseuropaea  Linn6,  der  gemeine  Spindelbaum  oder  das 
Pfaffenkäppchen  (fr.  Fusain)  bildet  sperrige  Sträucher,  seltener  kleine  Bäume  (bis  6  m 
Höhe)  mit  grünen,  durch  Korkflügel  vierkantigen  Zweigen,  mit  ca.  4 — 6  cm  langen, 
eilanzettlichen  Blättern,  4zähligen ,  grünlichen  Blüten,  zahlreichen ,  u n g e- 
flügelten,  meist  stumpf  41appigen  Kapseln  und  weisslichen,  vom  orange- 
roten Arillus  völlig  eingehüllten  Samen.  Das  Verbreitungsgebiet  dieser  häu- 
tigsten Art  umfasst  beinahe  ganz  Europa,  wo  er  sich  auf  fruchtbarem,  frischem,  kalk- 
reichem Boden  zerstreut  an  Waldrändern,  Hecken,  Feldgehölzen,  sowie  in  lichten 
Wäldern  der  Ebenen,  Hügel  und  Vorberge  wildwachsend  findet.  Er  hat  wie  alle 
Spindelbäume  ein  kräftiges  Ausschlagvermögen.  Das  Holz  hart,  gelbweiss  (Drechslerholz). 

2.  Evonymus  latifolius  Scopoli,  der  breitblätterigeSpindel- 
b a n  m,  ist  ein  4 — 6 m  hoher  Strauch  des  Mittelmeer  gebietes,  der  nördlich  bis  zu 
den  Alpenländern  und  dem  südlichen  Ungarn  vorkommt,  im  allgemeinen  aber  selten 
ist.  Die  Blätter  sind  bis  10  cm  lang  und  bis  6  cm  breit,  die  bräunlichen  Blüten 
meist  Dzählig,  die  rutenförmigen,  etwas  zusammengedrückten  Zweige  ohne  Kork- 
flügel, die  meist  ölappigen  Kapseln  geflügelt  kantig,  die  Samen  wie 
bei  vorigem. 

3.  Evonymus  verrucosus  Scopoli,  der  warzige  Spindel  bäum, 
ist  eine  osteuropäische  Holzart,  in  allen  Teilen  kleiner  als  der  gemeine  S.,  mit  stiel- 
runden, dicht  mit  grossen  Korkwarzen  bedeckten,  olivgrünen  Z weigen, 
4zähligen  Blüten  und  schwarzen,  an  dünnen  Fäden  lang  aus  den  Fruchtfächem 
heraushängenden  Samen,  welche  von  dem  hochroten  Arillus  nur  zur  Hälfte 
umhüllt  sind. 

§  91.  Die  Familie  der  Aceraceae  enthält  ausser  der  Gattung  Dipteronia 
mit  1  Art  nur  die  ca.  100  baumartige  Arten  umfassende  Gattung  Acer,  Ahorn. 
Blüten  eingeschlechtig  oder  scheinzwittrig,  5-  (selten)  4zählig,  in  endständigen 
Trauben  oder  Rispen,  meist  nur  8  Staubgefässe.  Die  männlichen  Blüten  besitzen 
lange  Staubfäden  und  einen  kleinen,  verkümmerten  Fruchtknoten,  die  schein- 
zwittrigen weiblichen  dagegen  einen  wohlentwickelten  Finichtknoten  und 
kurze,  scheinbar  normale,  aber  den  Pollen  nicht  entleerende  Staubfäden. 
Fruchtknoten   2fächerig,    mit  je  2  Samenknospen,  bei  der  Reife  in  2  einsamige 


364  III.  Klein,  Forstbotanik. 

lan j^gef lügelte,  nussartige  Teilfrüchte  zerfallend.  Blätter  gregen- 
ständif?,  ohne  Nebenblätter,  meist  bandförmig  gelappt,  seltener  ungeteilt  oder  ge- 
üedert.  Echte  Cripfelknospen.  Keimung  mit  Ausnahme  von  A.  dasycarpom 
oberirdisch. 

1.  Acer  Pseudoplatanus  Linn6,  Bergahorn  (fr.  Erable).   Knospen 
ansehnlich,  grün   beschuppt,    an  den  Seiten   der  bräunlich  grauen,  kahlen  Zweige 
abstehend.    Endknospe  wie  bei  allen  Ahornarten  grösser.     Blätter  langge- 
stielt, 8 — 16  cm  lang,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  kahl,  unterseits 
hell   graugrün,   in   den  Nervenwinkeln    weissfilzig  behaart,    51appig  mit  herzför- 
migem Grund,  die  untersten  Lappen  viel  kleiner  als  die  3  andern;  Lappen  am  Grunde 
etwas  verschmälert,   mit  konvexen  Umrisslinien,  spitz,  grob  gesägt,  durch 
spitze   Buchten  getrennt.    Blüten   in    endständigen,  hängenden,  aas 
3blütigen  Trugdolden  zusammengesetzten  Trauben,  nach  dem  Laubausbrach 
erscheinend.     Teilfrüchte  erbsengross,  mit  langen,  grünlichen,   netzaderigen,  kahlen 
Flügeln,    deren  Rückenlinien   meist  einen   spitzen   Winkel  mit  einander 
bilden.  —  Die  Mannbarkeit  tritt  bei  im  Schlüsse  aus  Samen  erwachsenen  Bäamen 
meist  nicht  vor  dem  40.,   im  Freistand    nicht   vor   dem  25.  Jahre   ein,   bei  Stockaus- 
schlägen  oft  schon  mit  dem  10.  Jahre ,    Laubausbruch   im  April ,   Blütezeit 
Ende   April   oder   Mai ,    Fruchtreife   im    September ,   Abfall   von   Oktober  an. 
Samen  jähre   in  der  Ebene  fast   alljährlich,   im  Gebirge  alle  2 — 3  Jalire.   Keim- 
fähigkeit  50 — 60®/o,    Dauer   der  Keimkraft  ca.   1  Jahr.     Das  Auflaufen  er- 
folgt  bei  Frühjahrssaat   nach   5 — 6  Wochen   mit   grossen,   zungenförmigen,   parallel- 
nervigen Keimblättern.     Erstlingsblätter  spitz  eiförmig,  grob  gesägt.  Die 
einjährige  Pflanze   wird  10 — 15  cm  lang,    der  Höhenwuchs  ist  in  der  Jugend  bis 
zum  20.  oder  30.  Jahre  rascher  als  bei  der  Rotbuche,  lässt  dann  nach  und  ist  mit  8() 
bis  100  Jahren  mit  ca.  20 — 25  m  Gesamthöhe  abgeschlossen,  doch  dauert  das  Dicken- 
wachstum unter  günstigen  Umständen  noch  sehr  lange  an  und  der  Baum  kann  2—3  m 
Durchmesser  und  ein  Alter  von  400 — 500  Jahre  erreichen.     Im  Bestandesschluss  bildet 
der  Bergahorn  sehr  regelmfissige,  vollholzige,  hoch  hinauf  astreine  Stämme,  während  er 
im  Freistand  eine  tiefangesetzte,  sehr  starkästige,  mächtige,  schattende  Krone  und  einen 
dickeren,    abholzigen    Stamm    entwickelt.     Die  in    der   Jugend   vorhandene    Pfahl- 
wurzel lässt  bald  nach  und  im  Alter  besteht  das  Wurzelsystem  aus  einigen  starken, 
tief  in  den  Boden   dringenden ,    wenig   verzweigten  Herz  wurzeln ,    nur  auf  schlechtem 
Boden  kommen  weitausstreichende  Seitenwurzeln  zur  Ausbildung.    Das   Stockaus- 
schlag vermögen  liefert  reichliche  und  raschwüchsige  Ausschläge,  ist  aber  nicht  an- 
dauernd.    Die  Rinde  bleibt  sehr  lange  glatt  und  grau  und  bildet  erst  spät  eine  hell- 
bräunliche,  in  flachen  breiten  Schuppen   abblätternde,  sehr  charakteristische  Borke. 
Das   zerstreutporige   Holz   ist   durchweg  von  schön  weisser  Splintfarbe ,  seine 
engen,  sehr  gleichmässig  verteilten  Gefässe  sind  mit  blossem  Auge  nicht  zu  erkennen, 
die  Jahrringgrenzen  dagegen  und   die  verschieden  starken  Markstrahlen   sehr  scharf. 
Das  Bergahomholz  ist  ein  zu  sehr  mannigfachen  Zwecken  brauchbares  Nutzholz;  es 
ist  mittelschwer  (0,53 — 0,79,  im  Mittel  0,60),   ziemlich  feinfaserig,  atlasglänzend,  fest 
ziemlich  elastisch,  mittel-zähbiegsam,  hart,  schwer-  aber  geradspaltig,  nur  im  Trocknen 
von  Dauer,  dem  Wurmfrass  wenig  ausgesetzt,  massig  schwindend  und  sehr  brennkräftig. 
An  alten,  im  Freistand  erwachsenen  Bäumen  zeigt  die  untere  Stammpartie  oft  schönen, 
sehr  geschätzten  Maserwuchs.     Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  deckt  sich  unge- 
fähr mit  demjenigen  der  Weisstanne  und  ist,  wie  bei  jener,  durch  Kultur  w^eit  über  die 
natürlichen  Grenzen  erweitert ;  seine  grösste  Vollkommenheit  erreicht  der  Baum  in  der 
Alpenzone.   Er  tritt  meist  nur  eingesprengt  oder  horstweise,  namentlich  in  Bergwäldem 


Die  Laubhölzer.     §  91.  365 

oder  freistehend  auf  Alpenmatten  auf.  Nach  seinen  Standortsansprüchen  ge- 
hört er,  mit  Ausnahme  der  Wärme,  an  die  er  massige  Anforderungen  stellt,  zu  den 
anspruchsvollsten  Holzarten  und  erreicht  nur  auf  sehr  fruchtbarem ,  tiefgründigem  und 
lockerem,  mineralkräftigem  Boden  vollkommene  Entwickelung.  Ebenso  gehört 
er  zu  den  wasserbedürftigsten  Holzarten  und  verlangt  einen  stets  frischen 
Boden  und  gedeiht  auch  in  feuchten  Gebirgstälern  freudig,  nicht  aber  in  stauender 
Nässe,  in  den  tieferen  Lagen  die  luftfeuchteren  Schattenseiten,  in  den  höheren  die  Sonnen- 
seiten bevorzugend.  Sein  Lichtbedürfnis,  etwa  zwischen  Eiche  und  Ulme  stehend, 
ist,  namentlich  in  der  Jugend,  auf  günstigem  Standort  ein  massiges,  und  reine  Horste 
verlichten  sich  verhältnismässig  spiit.  In  höherem  Alter  verträgt  er  aber  die  Ueber- 
schirmung  sowie  die  Bedrängung  der  Krone  durch  Nachbarbäume  schlecht. 

Das  \'  a  r  i  a  t  i  0  n  8  V  e  r  m  ö  g  e  n  des  Bergahorns  betrifft  nur  die  Gestalt  der 
Blätter  und  Früchte,  hinsichtlich  deren  beträchtliche  Abweichungen  vom  Typus 
vorkommen. 

2.  Acer  tataricum  Linn^,  der  tatarische  Ahorn,  ist  eine  südost- 
europäische Holzart,  die  in  den  Wäldern  der  südöstlichen  Hälfte  Oesterreich-Ungams 
eingesprengt  wild  vorkommt  und  hier  meist  nur  Büsche  oder  kleine,  bis  6  m  hohe 
Bäume  bildet.  Die  kleinen,  6 — 8  cm  langen  und  etwas  schmäleren  Blätter  sind 
beiderseits  grün  und  am  Rande  ungeteilt  oder  doch  nur  seicht  gelappt.  Die  ebenfalls 
nach  der  Entfaltung  des  Laubes  aufbrechenden  Blüten  bilden  endständige,  auf- 
rechte, reichblntige  Rispen.  Die  Früchte  haben  meist  schön  purpurrot  gefiirbte, 
aufrechte,  oft  gekrümmte  Flügel. 

3.  Acer  platanoides  Linn6,  der  Spitzahorn,  ist  von  geringerer 
Bedeutung  für  den  Wald  als  der  Bergahorn,  von  welchem  er  sich  durch  folgende  Merk- 
male unterscheidet ;  Knospen  etwas  armschuppiger,  meist  rot  überlaufen,  den 
glänzend  braunen  Zweigen  angedrückt.  Blätter  beiderseits  kahl  und  glän- 
zend grün  mit  buchtig  und  fein  zugespitzt  gezähnten  Lappen,  die  durch  gerundete 
Buchten  von  einander  getrennt  sind.  Die  Stiele  und  Rippen  jüngerer  Blätter  enthalten 
einen  weissen  Milchsaft.  Blüten  (manchmal  2häusig)  in  aufrechten,  reich- 
blütigen  Ebenstr  aussen  vor  demLaubausbruche  (selten  mit  demselben) 
aufblühend.  Die  Flügel  der  beiden  Teilfrüchte  bilden  mit  ihren  Rückenlinien  einen 
sehr  stumpfen  Winkel.  Die  Sanienproduktlon  ist  im  allgemeinen  noch  reichlicher. 
Die  Mannbarkeit  tritt  5 — 10  Jahre  früher  ein.  Die  Bewurzelung  geht  etwas 
weniger  tief,  aber  mehr  in  die  Breite.  Der  Höhen-  und  Stärke  wuchs  ist, 
wenigstens  in  Mitteleuropa,  im  ganzen  geringer  als  beim  Bergahorn,  wenn  auch  an- 
fanglich etwas  rascher.  Das  Alter  überschreitet  selten  150  Jahre.  Die  Rinde  bil- 
det frühzeitig  eine  vorwiegend  längsrissige,  schwärzliche,  nicht 
abblätternde  Borke.  Das  Holz  ist  dem  des  Bergahoms  sehr  ähnlich,  schwer 
(0,56 — 0,81,  im  Mittel  0,74),  etwas  grobfaseriger  und  steht  jenem  an  Güte  und  Wert 
etwas  nach.  —  Das  natürliche  Verbreitungsgebiet  des  Spitzahorns 
umfasst  die  nördliche  Hälfte  Europas,  wo  er  in  Schweden  bis  6P,  in  Norwegen  bis 
63^  n.  B.  geht.  Vorwiegend  ein  Baum  der  Ebene  und  des  Hügellandes,  bleibt  er  in 
den  Alpen,  wo  er  viel  seltener  als  der  Bergahom  ist,  hinsichtlich  der  Höhenverbreitung 
weit  hinter  demselben  zurück.  Im  nördlichen  Mitteleuropa  ist  er  viel  häuliger,  nament- 
lich in  Auenwäldern,  als  im  südlichen,  kommt  aber  auch  dort  fast  stets  nur  eingesprengt 
vor.  In  seinen  Standortsansprüchen  ist  er  etwas  bescheidener  als  der 
Bergahom,  namentlich  hinsichtlich  der  Tiefgründigkeit  und  Frische  des  Bodens;  er 
kann  aber  noch  auf  nassem  Bruchboden  fortkommen  und  zeigt  überhaupt  ein  etwas 
grösseres  Anpassungsvermögen. 


366  III.  Klein,  Forstbotanik. 

3.  Acer  campestr e  Linn6,  der  Feldahorn  oder  Massholder, 
hat  kleine,  ca.  5 — 7  cm  lange,  handförmig  (3 — )51appige  Blätter  mit  meist  stum- 
pfen Lappen,  von  denen  der  mittelste  stets  31appig  ist,  während  die  seitlichen 
ganzrandig  oder  gelappt  sind.  Blattstiele  und  junge  Triebe  wie  beim  Spitzahorn  mit 
Milchsaft.  Blüten  in  aufrechten  oder  zuletzt  überhängenden  Ebensträussen,  meist 
mit,  seltener  nach  der  Entfaltung  der  Blätter  aufblühend.  Früchte  etwas  kleiner 
als  bei  vorigen  mit  gerade  abstehenden,  oft  einen  überstumpfen  Winkel  bildenden  röt- 
lichen Flügeln.  —  Der  Feldahom  ist  von  den  einlieimischen  Arten  am  trägwüchsigsten, 
bleibt  auf  schlechtem  Boden  vielfach  strauchartig  oder  entwickelt  bis  höchstens  10  m 
hohe  Bäume,  während  er  unter  günstigsten  Bedingungen  in  50—60  Jahren  12 — 14  m 
Höhe,  ausnahmsweise  später  auch  20  m  erreichen  kann  und,  namentlich  im  Freistand, 
erheblich  über  100  Jahre  alt  und  60 — 70  cm  stark  werden  kann.  Bewurzelung 
reich  verästelt  und  je  nach  Standort  mehr  oder  weniger  tief.  Rinde  jung  lebhaft 
braun  und  glänzend,  an  ein-  und  mehrjährigen  Zweigen,  namentlich  bei  strauchigen 
Formen,  oft  von  echtem  Kork  ringsum  korkfltigelig,  später  eine  netzartig  aufgerissene 
(im  Schlüsse  eine  mehr  rechteckig  gefelderte)  hell-graubraune,  korkreiche  Borke  bildend. 
Das  häufig  Maserwuchs  zeigende  Holz  ist  rötlichweiss,  lässt  die  Markstrahlen  mit 
blossem  Auge  meist  nicht  mehr  erkennen  und  enthält  zuweilen  bräunliche  Markflecke; 
es  ist  noch  etwas  schwerspaltiger  als  das  der  vorigen  Arten,  mit  denen  es  sonst  im 
wesentlichen  übereinstimmt,  ein  geschätztes  Material  für  Drechsler  und  Bildschnitzer. 
—  Das  Verbreitungsgebiet  des  Feldahorns  umfasst,  mit  sehr  ungleicher  Verteilung,  den 
grössten  Teil  Europas  mit  Ausnahme  des  nördlichen  Skandinaviens  und  Russlands, 
sowie  Griechenlands  und  der  Südhälfte  Spaniens.  Als  Baum  der  Ebenen  und  des  Hü- 
gellandes findet  er  sich  in  Feldgehölzen  und  Hecken,  an  Waldrändeni  und  eingesprengt 
im  Mittel-  und  Niederwald.  Auch  als  Heckenpflanze  wird  er  wegen  seines  grossen 
Ausschlagvermögens  gelegentlich  gezogen.  In  seinen  Standortsansprüchen  ist  er  hin- 
sichtlich des  Bodens  genügsamer  und  anpassungsfähiger  als  der  Berg-  und  Spitzahorn, 
verträgt  auch  mehr  Beschattung,  obwohl  er  nur  im  vollen  Lichtgenuss  zum  stattlichen 
Baume  erwächst;  dagegen  ist  er  wärmebedürftiger. 

Hinsichtlich  der  Grösse  und  Zerteilung  der  Blätter  variiert  der 
Feldahoni  in  der  Natur  mehr  als  die  anderen  einheimischen  Art-en. 

§  92.  4.  Acer  m  onspessulanum  Linn6  (Syn.  A.  trilobum  Mönch), 
der  dreilappige  oder  französische  Ahorn,  ist  eine  trägwüchsige,  in  ihrer 
äusseren  Erscheinung  dem  Feldahorn  ähnliche  Holzart,  die  mit  Vorliebe  sonnige, 
steinige  Standorte  bewohnt  und  sich  ausser  im  ganzen  Mittelmeergebiet  als  Holzart 
des  Berglandes  in  den  südlichen  Kronländern  Oesterreich-Ungams,  in  der  südlichen  und 
westlichen  Schweiz,  in  der  Pfalz  und  im  mittleren  Rheingebiet  und  Umgegend  zer- 
streut vorfindet.  Die  kleinen,  4 — 6 cm  langen,  3 lappigen  und  3nervigen,  unterseits 
graugrünen  Blätter  mit  meist  ungeteilten  bis  welligen,  stumpfen  Lappen  und 
die  kahlen  Früchte,  deren  kahle,  rötliche  Flügel  abstehen  und  mit  den  Rändern 
oft  übereinander  greifen,  unterscheiden  ihn  leicht  vom  Feldahorn. 

5.  Acer  obtusatum  Waldstein  et  Kitaibel,  der  stumpfblätte- 
r  i  g  e  Ahorn,  ist  eine  s  ü  d  e  u  r  o  p  ä  i  s  c  h  e  ,  am  häufigsten  auf  der  Balkanhalbinsel 
auftretende  Holzart,  die  bis  Istrien  und  Dalmatien  sowie  dem  südlichen  Ungarn  nord- 
wärts verbreitet  ist  und  einzeln  oder  horstvveise  eingesprengt  in  Gebirgswäldern  mit 
frischem  Kalkboden  vorkommt.  Der  raschwüchsige,  15 — 20  m  Höhe  eiTeichende, 
im  Aussehen  dem  Bergahorn  ähnliche  Baum  hat  bis  10  cm  lange,  sehr  variable,  3-  bis 
ölappige,  oberseits  kahle,  unterseits  oft  bleibend  g  r  a  u  f  i  1  z  i  g  e  Blätter  mit  stumpfen 
bis  stumpf  gezähnten  kurzen  Lappen  und  behaarten  Stielen  und  schlaff  hängende, 


Die  Laubhölzer.     §  92.  367 

lockeren  Quasten  ähnliche,  vielblütige  Doldentrauben.  Die  kahlen  Früchte 
haben  meist  rechtwinkelig  divergierende  Flügel.  —  Als  Zierbaum  bis  zum  südlichen 
Norwegen  angebaut. 

Von  den  sehr  zahlreichen  bei  uns  in  Grärten  und  Anlagen  kultivierten  auslän- 
dischen Ahornarten  sind  folgende  3  Amerikaner  in  den  Kreis  der  forst- 
lichen Anbauversuche  gezogen  worden : 

6.  Acer  saccharinura  Wangenheim  (nicht  Linn6)  der  Zucker- 
ahorn (vSyn.  A.  nigrum  und  A.  barbatum  Michaux;  A.  Saccharum  Marshall  der 
neuen  amerikanischen  Nomenklatur),  aus  dessen  Saft  in  seiner  Heimat  Zucker  bereitet 
wird,  ein  Baum,  um  den  wir,  nach  Mayr,  allen  Grund  haben,  die  Amerikaner  zu  be- 
neiden, ist  im  ganzen  östlichen  Nordamerika  von  Neufoundland  bis  Texas  und  Florida 
verbreitet  und  im  nördlichen,  klimatisch  unseren  Buchenrevieren  ähnlichen  Teil  dieses 
grossen  Gebietes  hervorragend  an  der  Waldbildung  beteiligt,  so  am  Südufer  des  Lake 
superior,  wo  ^/4  der  dortigen  grossen  Waldungen  aus  dieser  Holzart  bestehen,  die  dort 
in  löO— 200  Jahren  im  Durchschnitt  27  m  Höhe  mit  bis  14  m  astlosem  Schaft 
bei  67  cm  mittlerem  Durchmesser  erreicht  haben ;  auch  in  Deutschland  haben  wir  alte 
Stämme  von  25 — 30  m,  da  der  Baum  schon  1735  als  Parkbaum  eingeführt  wurde. 
Blätter  variabel,  3 — ölappig,  denen  des  Spitzahorns  ähnlich,  aber  nicht 
milchend,  mit  gerundeten  Buchten,  unterseits  meist  graugrün  und  zerstreut 
weicbhaarig,  vor  Eintritt  des  Frostes  im  Herbste  orange-purpur- 
rot. Blüten  in  schlaff  hängenden  Ebensträussen,  lang  gestielt,  ohne  Blumenkrone. 
Früchte  kahl,  kugelig,  mit  ziemlich  breiten,  aufgerichteten  Flügeln.  Die  hellgraue, 
lange  geschlossen  bleibende  Rinde  bildet  eine  braune,  schmalrissige  Borke,  die 
sich  im  hohen  Alter  in  lose  hängenden  Fetzen  abschält.  Das  sehr  wertvolle  röt- 
lichweisse  Holz  ist  ziemlich  schwer  (0,65 — 0,75),  fest,  seidenglänzend  und  ziem- 
lich feinfaserig,  schwer  aber  glattspaltig  und  zeigt  ziemlich  häufig  schöne  Maser- 
bildung. In  seinen  Standortsansprüchen  steht  der  Zuckerahorn  unserem  Spitz- 
ahorn nahe,  er  hat  eine  tief  gehende  Bewurzelung,  ist  in  den  ersten  Lebensjahren 
etwas  trägwüchsiger  und  verlangt  Seitenschutz;  vom  5.  Jahre  geht  er  bei  uns  in  die 
Höhe  und  ist  mit  6  Jahren  schon  2  m  hoch.  Er  ist  voraussichtlich  als  eine  wertvolle 
Einführung  zu  betrachten. 

7.  Acer  dasycarpum  Ehr  hart  (=A.  saccharinum  Linn6  der 
neueren  amerikanischen  Nomenklatur!)  der  Silberahorn,  auch 
weisser  oder  woll früchtiger  Ahorn  genannt,  stammt  aus  dem  gleichen 
Verbreitungsgebiet  wie  der  vorige,  mit  dem  Optimum  im  üfergebiet  des  Ohio.  Schon 
in  der  1.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  in  Europa  eingeführt,  ist  der  schöne,  rasch- 
wüchsige Baum,  der  frischen,  lockeren,  kräftigen  Boden  verlangt,  schon  in  der  Jugend 
ein  äusserst  kräftiges  Wurzel  System  entwickelt  und  bei  uns  vollständig  frost-  und 
winterhart  ist,  vielfach  als  Zier-  und  Alleebaum  angepflanzt.  Die  zierlich  geformten 
Blätter  sind  bis  12cm  lang,  oberseits  glänzend  dunkelgrün,  unterseits  matt  bläu- 
lichweiss,  tief  bandförmig  ölappig,  die  tief  eingeschnitten  gesägten  Lappen  be- 
rühren sich  wie  zwei  sich  schneidende  Kreisbogen.  Endknospen  mit  den  beiden 
untersten,  bis  zur  Spitze  reichenden  Schuppen  die  übrigen  verdeckend,  Seitenknospen 
angedrückt,  mehrschuppig.  Blüten  rötlich,  im  Gegensatz  zu  allen  vorhergehenden 
ohne  D  i  s  c  u  s ,  sehr  kurz  gestielt,  ohne  Blumenkrone,  in  dichten  Büscheln  lange  vor 
dem  Laubausbruch  aus  Seitenknospen  hervorbrechend ;  Fruchtknoten  dicht 
filzig;  Früchte  zuletzt  kahl,  mit  sehr  grossen  Flügeln,  schon  in  der  1.  Hälfte 
Juni  reifend  und  am  besten  gleich  ausgesät.  Keimung  nach  14  Tagen  bis  3  Wochen. 
Einjährige   Pflanzen  bei   uns   20 — 30  cm   lang,   in   Amerika   nach   Mayr   bis    70  cm. 


368  III.  Klein,  Forstbotanik. 

öOjälirlge  Bänme  erreichen  noch  in  Mitteldeutschland  bis  30  m  Höhe.  Die  lange  glatt 
bleibende  graue  Rinde  bildet  später  eine  dünnschuppige  Borke.  Das  weissliche 
Holz  ist  mittelschwer  (0,52 — 0,71),  leichtspaltig,  aber  nicht  elastisch,  unsern 
einheimischen  Arten  nachstehend.  Da  überdies  der  Baum  Neigungen  sperriger  Kronen- 
bildung  aufweist  und  wegen  seines  leichten,  spröden  Holzes  leicht  vom  Winde  zerfetzt 
wird,  dürfte  seine  Anbauwürdigkeit  im  Walde  eine  beschränkte  bleiben. 

8.  Acer  negundo  Linn6  (Syn.  Negundo  aceroides),  der  öst- 
liche eschenblätterige  Ahorn,  ist  gleichfalls  ein  bei  uns,  namentlich  in  Süd- 
deutschland, vielfach  als  Park-  und  Strassenbaum  angepflanzter  Ahorn  des  östlichen 
Nordamerika,  wo  er  vom  Lorenzostrom  bis  zum  Mississippidelta  und  westlich  bis  zum 
Felsengebirge  als  einer  der  häufigsten  Waldbäume  verbreitet  ist,  nach  Mayr  aber  nor 
im  tiefen,  kräftigen  Boden  der  Flussniederungen  einen  nutzbaren  Schaft  von  geringem 
Gebrauchswert  entwickelt.  Blätter  gross,  unpaarig  gefiedert,  mit  meist 
2,  seltener  1  oder  3 — 5  Paaren  von  eilanzettlichen,  5 — 10  cm  langen,  meist  kahlen, 
seltener  unterseits  etwas  behaarten  Fiederblättchen.  Blüten  lange  vor  dem  Laub- 
ausbruch aus  seitenständigen  Knospen,  2 häusig,  klein,  grünlich,  ohne  Discus 
und  Blumenkrone,  die  männlichen  langgestielt,  mit  nur  4 — 6  sehr  langen 
und  feinen  Staubfäden,  in  hängenden  Büscheln,  die  weiblichen  in  schlaffen,  hängen- 
den Trauben.  Früchte  klein,  kahl,  auffallend  hell,  mit  durchscheinenden,  spitz- 
winkelig zusammenstossenden,  oft  einwärts  gekrümmten  Flügeln.  Die  anfangs  glatt 
gelbgraue  Rinde  bildet  später  eine  quer-  und  längsrissige  dicke  Borke.  Das  Holz 
ist  hellgelb,  von  spez.  Gewicht  0,55 — 0,60,  hart  und  spröde.  —  Der  eschenblätterige 
Ahorn  ist  auch  bei  uns  in  der  Jugend  ungemein  raschwüchsig,  (Jährlinge  bis  1  m, 
3jährige  bis  3  m,  9jährige  bis  7  (und  9)  ml),  doch  lässt  der  Höhenwuchs  meist  schon 
vom  6.  Jahre  ab  nach  und  wird  dann  von  unseren  gewöhnlichen  Ahomai'ten  über- 
holt ;  ausserdem  ist  der  Wuchs  der  sehr  starken  Krone  ein  ungemein  sperriger.  Schon 
im  1.  Jahre  entwickelt  diese  Art  eine  bis  50  cm  lange  Pfahlwurzel  mit  mehreren 
kräftigen  Seitenwurzeln;  später  überwiegt  das  Wachstum  der  Seitenwurzeln,  die  be- 
reits im  3.  Jahre  1^/2  m  Länge  erreichen  können.  Diese  sehr  frühzeitig  ergrünende, 
gegen  Beschattung  empfindliche  Lichtholzart  besitzt  ein  grosses  Ausschlagvermögen, 
ist  namentlich  auf  Freilagen  etwas  frostempfindlich  und  verlangt  einen  frischen  bis 
feuchten,  lockeren,  etwas  lehmigen  Boden,  gedeiht  sogar  auf  Moorboden 
noch  recht  gut,  während  er  auf  trockenem  Boden  überall  versagt  hat.  Die 
neueren  Anbauversuche  wurden  mit  der  durch  besondere  Raschwüchsigkeit  ausgezeich- 
neten Form  violaceum  mit  violett  bereiften  Zweigen  ausgeführt.  Wenn  diese  Form 
von  den  Gärtnern  vielfach  auch  als  A.  negundo  californicum  bezeichnet  wird,  so  kann 
dies  nur  zu  unliebsamen  Verwechselungen  führen;  der  echte  A.  californicum 
Torrey  et  Gray  ist  ein  kleiner,  frostempfindlicher,  bei  uns  nicht  mehr 
gedeihender  Baum,  mit  sammetfilzigen  jüngeren  Zweigen  und  Blattstielen  und 
unterseits  weichhaarigen  Blättern. 

§  93.  Aus  der  Familie  der  Hippocastaneaceae  ist  die  in  den  Ge- 
birgen Nordgriechenlands  in  schattigen  Waldschluchten  der  unteren  Tannenregion,  in 
einer  Meereshöhe  von  10(K)— 1300  m  heimische,  als  Zier-  und  Alleebaum  allenthalben 
verbreitete  Aesculus  hippocast anum  Linnö,  die  gemeine  Rosska- 
stanie (fr.  Marronier)  ihrer  Schönheit  und  ihrer  als  Wildfutter  wertvollen,  sehr 
stärkereichen  Samen  halber  meist  von  bescheidener  forstlicher  Bedeutung  und  an  Wald- 
strassen, Bestandesrändern  und  freien  Plätzen  im  Walde  gelegentlich  angepflanzt 
Knospen   sehr   gross,   namentlich   die  Endknospen,   klebrig,    glänzend.    Blätter 


Die  Lanbhölzer.     §  94.  369 

gegenständig,  langgestielt,  gefingert  mit  5 — 7  verkehrt  eiförmigen,  gespitzten,  am  Rande 
doppelt  gesägten ,  bis  20  cm  langen ,  sitzenden  Blättchen.  Blüten  nach  dem 
Lanbausbruch  in  grossen,  aufrechten,  schlank  kegelförmigen,  aus  Wickeln  zusammenge- 
setzten Trauben,  zumeist  rein  männlich,  zum  kleinen  Teil  zwitterig  oder  weiblich,  mit 
meist  5weissen,  gelb-  oder  rotgefleckten  Blumenblättern  und  meist  7  niedergebogenen 
Staubfäden.  Frucht  kapseln  bis  5  cm  gross,  kugelig,  ziemlich  weichstachelig,  3  grosse 
rotbraune,  rundliche  Samen,  die  „Rosskastanien'*  enthaltend,  die  den  „Früchten** 
der  Edelkastanie  sehr  ähneln  und  mit  dicken,  fleischigen  Keimblättern  3—4  Wochen 
nach  Frühlingssaat  keimen.  Die  junge  Pflanze  erreicht  schon  im  1.  Jahre  eine  Höhe 
vom  \'2  m  und  bildet  eine  lange  Pfahlwurzel,  die  aber  später  bald  nachlässt,  so  dass 
die  Bewurzelung  hauptsächlich  flach  und  weit  ausstreichend  wird.  Das  massige 
Ausschlagvermögen  ist  nicht  andauernd  und  liefert  nur  Stocklohden.  Der  raschwüchsige 
Baum,  der  auf  gutem  Standort  schon  mit  10 — 15  Jahren  mannbar  werden  kann,  hat 
in  der  Regel  eine  tiefangesetzte,  starkästige,  breite  Krone,  die  durch  die  Horizontal- 
stellung der  grossen  Blätter  sehr  schattet,  aber  ähnlich  der  Linde  und  Weissbuche 
auch  viel  Schatten  verträgt.  Die  Höhe  des  Baumes  kann  bis  20  m,  die  Dicke  bis  über 
1  m,  das  Alter  bis  ca.  200  Jahren  betragen.  Der  kurze,  starke,  vollholzige  Stamm 
ist  stets  nach  rechts  drehwüchsig.  Die  schwarzgraubraune,  lange  geschlossen  bleibende 
Rinde  bildet  später  eine  in  dünnen  Schuppen  abblätternde  Borke.  Das  sehr  gleich- 
massige,  massig  schwindende  (5°/o),  leichte,  gelblich  weisse ,  weiche  und  leicht- 
spaltige,  zerstreutporige  Holz  hat  geringe  Dauer,  unzureichende  Festigkeit  und  ge- 
ringen Brennwert.  Zu  vollkommener  Entwicklung  beansprucht  die  Rosskastanie  einen 
lockeren,  humosen,  sandigen,  ziemlich  tiefgründigen  Boden  von  massiger  Frische,  wäh- 
rend sie  hinsichtlich  des  Klimas  sehr  anpassungsföhig  und  ziemlich  anspruchslos  ist 
(gedeiht  noch  bis  zum  68^^  in  Norwegen). 

2.  Aesculus  carneaWilldenow  (=  A.  rubicundaLodd),  die  rote 
Rosskastanie,  wahrscheinlich  ein  Bastard  zwischen  der  vorigen  und  der  ameri- 
kanischen Pavia  rubra,  hat  kleinere,  kurzgestielte  Blättchen,  die  in  der  Mitte 
am  breitesten  sind,  rosa  bis  purpurrote,  gelbgefleckte,  beinahe  21ippig  glockig 
zusammenschliessende  Blumenblätter,  aufrechte  Staubfäden  (meist  8), 
nicht  klebrige  Knospen  und  kleinere,  meist  glatte,  seltener  teilweise 
stachelige  Früchte.  Häufig  als  Zier-  und  Alleebaum,  etwas  frostempfindlicher,  ca. 
14  Tage  später  blühend. 

Die  Gattung  Pavia  hat  nicht  klebrige  Knospen,  deutlich  gestielte 
Blättchen,  4  langgenagelte  Blumenblätter ,  7 — 8  behaarte  Staubfäden  und 
meist  stachellose,  nur  halb  so  grosse  Früchte. 

§  94.  Paliurus  aculeatus  Lamarck  (syn.  P.  australis  Gärtner), 
der  gemeine  Stechdorn  aus  der  Familie  d e r  R h a m n a c e a e ,  ist  ein  im 
ganzen  Mittelmeergebiet  verbreiteter,  bis  zur  Südschweiz,  Südtirol,  Krain  und  dem  öster- 
reichischen Küstenlande  reichender,  2 — 5  m  hoher,  sehr  sperriger  Strauch,  der  auf  steinigen 
sonnigen  Plätzen  wächst,  oft  auch  zu  Hecken  angebaut  wird  und  im  Walde  seiner 
scharfen  Dornen  halber  ein  höchst  lästiges  Forstunkraut  ist.  Er  hat 
ca.  2 — 3  cm  lange,  eiförmige,  2zeilig  gestellte  Blätter  mit  3  Längsrippen ;  die  Nebe  n- 
b  1  ä 1 1 e r  sind  in  scharfe  Dornen  umgewandelt,  von  denen  der  eine  vorgestreckt, 
der  andere  zurückgekrümmt  ist. 

1.  Rhamnus  cathartica  Linn6,  der  gemeine  Kreuzdorn  (franz. 
Nerpmn),  mit  3 — 6  cm  grossen,  breit  eilanzettlichen,  feingesägten,  gegenständigen 
Blättern  mit  bogenläufigen  Nerven,  2häusigen,  in  achselständigen  Büscheln 

Handbuch  d.  Forstw.     2.  Aufl.    I.  24 


370  III.  Klein,  Forstbotanik. 

stehenden,  kleinen,  grünlichen,  4zählig:en  Blüten  und erbsengrossen schwarzen  Stein- 
früchten mit  meist  4  Kernen,  bildet  sehr  sperrige  Sträucher  von  2 — 3  m  Höhe, 
seltener  kleine  Bäume,  die  6 — 8  m  hoch  und  über  ein  Jahrhundert  alt  werden  können. 
Fast  sämtliche  Langtriebe  endigen  mit  einem  stechenden  Dorn;  nur 
die  knotigen  Kurztriebe  älterer  Sträucher  besitzen  eine  Endknospe.  Das  sehr  dauer- 
hafte, harte,  schwerspaltige,  im  Kern  schön  orangerote  Holz  ist  durch  die  Verteilnng 
der  Gefässe  im  Jahresring  „geflammt"  und  eingeschätztes  Drechslerholz;  die  Beeren 
liefern  Farbstofl^e.  Der  Stockausschlag  nach  dem  Abhieb  ist  unbedeutend,  dagej^en 
bildet  er  leicht  Wurzelsprosse  und  Absenker,  durch  die  er  sich  besser  als  durch  Samen 
vermehren  lässt.  —  Der  Kreuzdorn  ist  eine  trägwüchsige,  lichtbedürftige  Holzart  der 
Ebene  und  des  Hügellandes,  besonders  auf  steinigem  Kalkboden  an  Waldrändern,  als 
Unterholz  in  lichten  Wäldern,  in  Feldgehölzen  und  Hecken  durch  beinahe  ganz  Europa 
mit  Ausnahme  des  höheren  Nordens  verbreitet. 

Rhamnus  saxatilis  Jacquin  und  Rhamnus  intermedia  Steudel  et  Hochstetter  sind 
südeuropäische,  kleinblätterige,  sperrig-domige  Kleinsträucher  ohne  forstliche  Bedeutung, 
von  denen  der  erstere  mit  2 — 3  cm  langen  zarten  Blättern  noch  in  Süddeutschland 
vorkommt,  der  letztere  mit  nur  1 — 1^/2  cm  langen  derben  Blättern  aber  über  die  öster- 
reichischen südlichen  Alpenländer  nicht  hinausgeht.  Zu  den  Wegdornen  mit  ein- 
zeln stehenden  Blättern  und  dornenlosen  Zweigen  und  ebenfalls  2häusigen, 
meist  4zähligen  Blüten  gehören :  2.  Rhamnus  carniolica  Kerner,  der  stey- 
rische  Wegedorn,  ein  bis  3  m  hoher  Strauch  der  südöstlichen  Kalkalpen,  bis 
Croatien  und  Dalmatien  an  felsigen  Abhängen  wie  als  Unterholz  in  Nadelwäldern  ver- 
breitet, mit  weissbucheähnlichen,  5 — 10  cm  langen  Blättern,  die  16 — 20  pa- 
rallele Nervenpaare  besitzen.  3.  Rhamnus  alpina  Linn6,  mit  vorstehendem  oft 
verwechselt,  mit  etwas  breiteren,  mehr  an  die  Weisserle  erinnernden  Blättern,  die  im 
allgemeinen  nur  10  -  14  Nervenpaare  besitzen,  hauptsächlich  im  felsigen  Buschwald  der 
Westschweiz  und  des  Jura  zerstreut.  4.  Rhamnus  pumila  Linn6,  der  zwer- 
gige Wegedorn,  ein  Kriechstrauch  der  Kalkalpen  mit  meist  nur  6  Nervenpaaren 
und  knorrigen  Zweigen ,  sowie  5.  Rhamnus  Alaternus  Linn6,  der  immer- 
grüne Wegedorn,  mit  ca.  3 — 6  cm  langen  lederigen  Blättern  von  mehr- 
jähriger Dauer,  der  ansehnliche,  zuweilen  baumartige  Sträucher  von  2 — 5  m  Höhe 
im  Mittelmeergebiet  und  auch  in  Istrien  und  Dalmatien  bildet. 

Zu  den  Faulbäumen  mit  nackten  Knospen,  5zähligen  Zwitterblüten 
und  bei  der  Keimung  unterirdisch  bleibenden  dicken  Keimblättern  gehört : 

6.  Rhamnus  Frangula  Linn^,  der  gemeine  Faulbaum  oder  das 
Pulverholz  (syn.  Frangula  Alnus  Miller)  mit  braunlilzigen  Knospen,  4 — 7  cm  langen, 
meist  verkehrt  eiförmigen,  ganzrandigen ,  kurzgespitzten,  fiedernervigen  Blättern, 
weisslichen,  in  kleinen  blattwinkelständigen  Trugdolden  stehenden  Blüten  und 
schwarzen,  höchstens  drei  Steinkerne  enthaltenden,  kugeligen  Steinfrüchten,  bil- 
det ansehnliche  Büsche  oder  kleine  5 — 7  m  hohe  Bäume  mit  aufstrebenden  ruteuformigen 
Zweigen ,  deren  violett-  oder  dunkelbleigraue,  innen  gelbe  Rinde 
mit  sehr  auffälligen  weisslichen  Lenticellen  besetzt  ist.  Das  Holz  hat  sehr 
schmalen  gelblichen  Splint,  leuchtend  gelbroten  Kern  mit  gleichmässig  zerstreuten, 
kleinen  Gefässen,  ist  grobfaserig,  weich,  leicht  spaltbar,  gerbstoifreich,  0,57 — 0,61  schwer 
und  liefert  die  vorzüglichste  Kohle  zur  Schiesspulverbereitung.  —  Die  in  der  Jugend 
raschwüchsige  Holzart,  die  nach  dem  Abhieb  reichlichen  und  raschwachsenden  Stock- 
ausschlag liefert  und  sich  auch  durch  Wurzelbrut  vermehrt,  liebt  frischen  bis  anhaltend 
feuchten  Boden,  verträgt  selbst  noch  sumpfigen  und  moorigen  Boden  und  kommt  als 
häufiges  Unterholz  in  Mittel-  und  Niederwäldern,    am  liebsten  in  Auwaldungen  durch 


Die  Laubhölzer.     §  95.  371 

fast  ganz  Europa  in  der  Ebene  wie  im  Gebirge  vor. 

7.  Ehaninus  rupestris  Scopoli,  der  Felsenfaulbaum,  ist  ein 
Bewohner  felsiger,  sonniger  Orte  der  südöstlichen  Kalkalpen,  Istriens  und  Dalmatiens 
als  Bodenschutzholz  und  unterscheidet  sich  von  dem  gewöhnlichen  Faulbaum  durch 
kleinere  (3 — 3^/2  cm  lange),  derbere,  am  Rande  knorpelig  kerbzähnige  Blätter,  flaum- 
haarige Zweige,  hellere  Rinde  und  niedrigen,  oft  knorrigen  Wuchs. 

§  95.  Die  Familie  der  Tiliaceae  mit  ca.  270  meist  tropischen  Arten  ist 
nur  durch  die  Gattung  Tilia,  Linde,  vertreten.  Blätter  2zeilig,  mit  abfal- 
lenden zungenförmigen  Nebenblättern.  Jahrestriebe  ohneGip  feiknospe.  5  Kelch-, 
5  Blumenblätter,  zahlreiche  Staubgefässe,  öfächeriger  Fruchtknoten  mit  2  Samenanlagen 
in  jedem  Fach.  Die  langgestielten  trugdoldigen  Blutenstände  sind  mit  einem  eigen- 
tümlichen bleichgrünen  Blatt,  dem  „Flügelblatt"  verwachsen  und  stehen  neben 
einer  Knospe  in  den  Achseln  von  Laubblättern.  Der  Blütenstand  ist  der  Achselspross, 
welcher  mit  2  Blättern,  dem  Flügelblatt  und  einer  diesem  gegenüberstehenden  Knospen- 
schuppe,  beginnt.  In  der  Achsel  der  letzteren  steht  die  Winterknospe.  Von  den  10 
Lindenarten  sind  nur  3  in  Mitteleuropa  einheimisch.  Nervatur  der  Blätter 
bandförmig,  mit  stärkerer,  liederförmig  verzweigter  Mittelrippe  und  schwächeren  Seiten- 
nerven, welche  nur  nach  aussen  parallele  Nebenrippen  entsenden.  Alle  parallelen  Ne- 
benrippen sind  durch  bogig  gekrümmte,  rechtwinkelig  abgehende  Nerven  mit  einander 
verbunden. 

1.  Tilia  parvifolia  Ehrhart  (syn.  T.  cordata  Miller,  ulmifolia 
Scopol i.)  Kleinblättrige  Linde,  Winterlinde  (franz.  Tilleul).  Knos- 
pen etwas  schief  über  kleinen  Blattnarben,  stumpf  eiförmig,  mit  zwei  glatten  grünen 
Schuppen.  Blätter  sehr  vielgestaltig,  langgestielt,  am  Grunde  ungleich,  breitherz- 
förmig,  lang  zugespitzt,  am  Rande  gesägt,  ca.  4 — 7  cm  lang,  oberseits  dunkel- 
grün, kahl,  unterseits  (ausser  bei  Stockausschlägen  und  Schattenblättem)  blllu- 
lichgrün,  in  den  Nervenwinkeln  rostrot  gebartet.  Blütenstände 
reichblütig  (meist  5 — 11,  mindestens  aber  mehr  als  3),  gewöhnlich  län- 
ger als  das  Tragblatt,  durch  Umdrehung  des  Flügelblattes,  das  meist  nicht  bis 
zur  Basis  des  Stieles  [herabreicht,  nach  oben  gewendet.  Blumenblätter  undGrif- 
fel  kürzer  als  die  (ca.  30)  Staubgefässe.  Frucht  ein  einsamiges,  rostbraunes, 
birnförmiges  Nüsschen,  dessen  Fruchtwand  sich  leicht  zwischen  den  Fin- 
gern zerdrücken  lässt.  —  Die  Mannbarkeit  tritt  frühzeitig  ein,  im  Frei- 
stand mit  20 — 30  Jahren,  an  Stocklohden  oft  schon  mit  15—20  Jahren,  und  der  Baum 
blüht  und  fruchtet  dann  fast  alljährlich  reichlich.  Laubausbruch  je  nach  Klima 
und  Lage  Anfang  April  bis  Anfang  Juni,  Blütezeit  Juni  oder  Juli.  Frucht- 
reife im  August  oder  September.  Keimfähigkeit  50 — 60%.  Die  Keimung 
der  im  Frühjahr  gesäten  Früchte  erfolgt  gewöhnlich  erst  im  nächsten  Frühjahr  ober- 
irdisch mit  zwei  grossen,  bandförmig  gelappten  Keimblättern.  Der  Höhen- 
wuchs ist  in  den  ersten  Lebensjahren  sehr  langsam,  dann,  bis  etwa  zum  60.  Jahre 
rascher,  aber  selten  mehr  als  15  cm  pro  Jahr,  hierauf  wieder  langsamer  und  mit  ca.  130 
bis  150  Jahren  mit  ca.  18  m  beendet.  Das  Dickenwachstum  kann  noch  mehrere  Jahr- 
hunderte lang  andauern  und  ganz  gewaltige  Dimensionen  liefern.  Im  Freistand 
bildet  die  Winterlinde  sehr  kurze,  dicke  Stämme  mit  sehr  tief  angesetzter,  breit  ausladen- 
der, viel-  und  starkästiger,  dichtbeblätterter,  sanft  abgewölbter  Krone,  im  Schlüsse 
dagegen  vermag  sie  zu  einem  bis  25  m  hohen,  vollholzigeu,  astreinen  Baum,  mit  hoch 
angesetzter,  kleinerer,  kugelförmiger  Krone  zu  erwachsen. 

Stamm-  und  Kronenbildung  erinnert  an  die  Eichen,  Blattstellung  an  Buchen  und 

24* 


372  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Ulmen.  Das  Ansschlagvermögen  nnd  ebenso  die  Neigung  zur  Maserbildung 
am  unteren  Ende  des  Stammes  ist  sebr  beträchtlich.  Bewurzelung  kräftig ,  aus 
mehreren  in  die  Tiefe  gehenden  starken  Herzwurzeln  und  oberflächlich  oft  weitstrei- 
chenden Seitenwurzeln.  Rinde  sehr  reich  an  zähen,  dickwandigen  Bastfaserbündeln, 
die  auf  dem  Querschnitt  in  keilförmigen  Figuren  angeordnet  sind,  an  jungen 
Zweigen  braun,  glatt,  im  Alter  eine  dunkelfarbige,  längsgefurchte  Tafelborke  bildend. 
Das  zerstreutporige,  rötlich-  oder  gelblichweisse  Holz  ohne  gefärbten  Kern, 
schwindet  stark  (7%),  ist  auf  den  Spaltflächen  schwach  setdenglänzend,  ziemlich  grob- 
faserig, aber  gleichmässig  gefügt,  leicht  (0,52),  sehr  weich,  leicht-  aber  nicht 
glattspaltig,  elastisch,  in  mittlerem  Grade  biegsam,  wenig  fest  und  dauerhaft  und  nur 
im  Trockenen  zu  verwenden  (Schnitzholz),  wenig  brennkräftig.  Die  Markstrahlen  sind 
auf  dem  Querschnitt  mit  blossem  Auge  noch  als  feine  Linien  sichtbar,  die  Jahrring- 
grenzen infolge  des  geringen  Unterschieds  zwischen  Frühjahrs-  und  Herbstholz  undeut- 
lich, die  Gefässe  sind  zahlreicher  als  beim  Ahorn  und  nicht  wie  bei  Betula  zu  Ginippen 
vereinigt.  —  Das  A'erbreitungsgebiet  der  Winterlinde  umfasst  den  g^rössten 
Teil  Europas  und  ist  sie  in  dessen  nördlicher  Hälfte  die  einzige  wildwachsende  Linden- 
art. An  der  Waldbildung  ist  sie  im  allgemeinen  in  untergeordnetem  Masse  beteiligt, 
besonders  in  der  südwestlichen  Hälfte  Mitteleuropas,  während  sie  in  der  nordöstlichen, 
in  Laub-  und  Mischwäldern  eingesprengt  oder  an  Waldrändern  häufiger  vorkommt; 
bestandbildend  tritt  sie,  meist  mit  Eichen  gemengt,  seltener  rein,  fast  nur  im  mittleren 
Russland  auf.  Als  Baumart  des  Flachlandes  ist  ihre  Höhenverbreitung  im  allgemeinen 
gering,  bis  ca.  600  m,  nur  in  der  Schweiz  und  in  Tirol  soll  sie  bis  1200  m  empor- 
steigen. In  ihren  Standortsansprüchen  ist  sie  hinsichtlich  ihres  Wäi'me-  und 
Lichtbedürfnisses  (Schattenholzart)  sehr  bescheiden  und  gedeiht  auf  den  verschieden- 
artigsten Böden  gut ,  vorausgesetzt,  dass  dieselben  tiefgründig,  mineralkräftig, 
frisch  und  locker  sind;  sehr  trockener  und  leichter  Boden  sagt  ihr  nicht  zu. 

2.  Tilia  grandifolia  Ehr  hart  (syn.  T.  platyphyllos  Scopol  i.) 
Grossblätterige  Linde,  Sommerlinde,  Baum  vom  Wüchse  der  vorher- 
gehenden Art,  die  sie  an  Schönheit  der  Erscheinung  noch  übertrifft ,  noch  weniger 
Waldbaum,  als  Allee-  und  Parkbaum  wie  als  Dorf  linde  aber  häutiger  angepflanzt. 
Knospen  und  Zweige  im  allgemeinen  derber,  Blätter  noch  variabler,  grösser, 
ca.  4 — 10  cm  lang,  weicher,  meist  beiderseits  etwas  behaart,  unterseits  graugrün, 
in  den  Nerven  winkeln  weisslich  gebartet.  Blütenstände  arm-  (meist 
2 — 5)  blutig,  hängend,  mit  nicht  umgewendetem,  häufig  bis  zum  Grunde  des  Stieles 
herabreichendem  Flügelblatt.  Blüten  etwas  grösser,  sonst  wie  bei  voriger,  ca.  14  Tage 
früher  aufblühend,  wie  denn  die  Sommerlinde  sich  auch  um  so  viel  früher  belaubt 
Früchte  ebenfalls  grösser,  mit  5  kräftigen  Längsrippen,  hartschalig,  nicht 
zwischen  den  Fingern  zerdrückbar.  Die  Entwickelung  ist  ähnlich  wie  bei  der 
Winterlinde,  der  Höhenwuchs  etwas  rascher,  die  Gesamthöhe  (bis  33  m),  der  Starain- 
umfang  (bis  16  m)  grösser  und  das  Maximalalter  (über  1000  Jahre)  höher.  Die  be- 
rühmten alten  (tausendjährigen)  Linden  gehören  fast  alle  hierher ;  die  älteste  und  stärkste 
derselben  in  Deutschland  dürfte  die  vom  StAffelstein  in  Bayern  sein,  die  aber  jetzt  nur 
noch  eine  dem  Absterben  nahe  Ruine  ist. 

Das  Holz  ist  noch  weniger  dicht  (0,49),  noch  weicher  und  etwas  weniger  bieg- 
sam, schwindet  etwas  weniger  (5,6%)  und  hat  noch  geringere  Brennkraft  (68).  Das 
Verbreitungsgebiet  der  Sommerlinde  umfasst  die  südliche  Hälfte  Europas  bis 
zu  den  Kaukasusländern  und  bis  zum  Ural.  Ueber  das  mittlere  Deutschland  dürft« 
ihr  natürliches  Vorkommen  nicht  hinausreichen.  Auch  bei  ihr  liegt  das  Maximum  des 
Vorkommens  in  Russland  und  zwar  im  südlicheren,   wo   sie  teils  in  reinem  Bestand, 


Die  Laubhölzer.     §  96.  373 

teils  mit  Winterlinde  und  Stieleiche  ausgedehnte  Waldungen  bildet.  In  den  süddeut- 
schen Gebirgen  steigt  sie  etwas  höher  empor.  Ihre  Standortsansprüche  sind 
ähnlich,  aber  etwas  höher  wie  bei  der  Winterlinde. 

3.  Tilia  tomentosa  Mönch  (syn.  T.  argentea  Desf.,  albaWaldst. 
et  Kit.)  Ungarische  Silberlinde,  eine  auf  Südosteuropa  und  den  Orient  be- 
schränkte Lindenart,  welche  im  Hügellande  Südungarns  und  Kroatiens  an  der  Wald- 
bildnng  teilnimmt  und  zum  Teil  geschlossene  Bestände  bilden  soll.  Die  Blätter  sind 
unterseits  silberweiss  sternfilzig,  von  der  Grrösse  der  Sommerlinde  oder 
grösser  (bis  15  cm) ,  die  K n  o s p e n  ebenfalls  ülzig.  Blütenstände  reichblütig, 
hängend,  küi'zer  als  die  Blätter.  Blüten  kleiner,  Blumenblätter  scheinbar 
1 0,  indem  die  5  äussersten  Staubgefässe  zu  blumenblattartigen  Staminodien  umgebildet 
sind,  wie  bei  den  amerikanischen  Linden,  ebenso  Blumenblätter  und 
Griffel  (zuletzt)  länger  als  die  sehr  zahlreichen  (ca.  50  und  mehr) 
Staubgefässe.  Von  der  amerikanischen  Silberlinde,  T.  alba  Alton,  ist  sie  auch 
durch  die  schwach  oder  kaum  gerippten  Nüsschen  unterschieden ,  während 
diese  bei  T.  alba  öknotig  und  der  Blütenstand  wenigblütig  ist. 

Von  allen  3  linden  sind  zahlreiche  Formen,  die  zum  grossen  Teil  eigene  Namen 
erhalten  haben,  nach  Gestalt  und  Behaarung  der  Blätter,  des  Blütenstandes  und  der 
Früchte  unterschieden  worden;  ausserdem  existiert  eine  Anzahl  Bastarde  zwischen  ihnen 
sowohl,  wie  auch  (in  Anlagen)  mit  den  amerikanischen  und  asiatischen  bei  uns  ange- 
pflanzten Linden. 

§  96.  Myricaria  germanica  Desvaux  (syn.  Tamarix  germanica 
L.)  Deutsche  Tamariske  aus  der  Familie  der  Tamaricaceae,  1 — 2m 
hoher  Strauch,  mit  gelbgrünen  bis  purpurroten,  rutenfönnigen  Zweigen,  hellblaugrünen, 
schuppenförmigen,  dem  gemeinen  Heidekraut  ähnlich  gestalteten  Blättern  und  kleinen, 
blassrosa  gefärbten,  in  endständigen  gedrungenen  Aehren  stehenden  Blüten,  bewohnt 
in  kleinen,  dichten  Beständen  kiesige  Ufer  und  Sandbänke  der  Alpen-  und  Karpathen- 
flüsse,  dieselben  namentlich  im  Donau-  und  Rheingebiet  weit  in  die  Ebene  begleitend. 
Ausschlag  vermögen  aus  übersandeten  Aesten  und  Zweigen  sehr  gross. 

Hippophae  rhamnoides  Linn^..  Gemeiner  Sanddorn,  Gel  weide, 
Seekreuzdorn,  aus  der  Familie  der  Elaeagnaceae.  Der  auffallend  sper- 
rig e,  2häusige  Strauch  von  2V2 — 3  m,  seltener  kleine  Baum  von  5 — 7  m,  mit  5—8  cm 
langen,  schmalen,  oberseits  graugrünen,  unterseits  silberweiss  beschuppten 
Blättern,  scharf  dornspitzigen  Zweigen  und  zahlreichen,  leuchtend  orange- 
gelben, erbsengrossen  Schein  beeren  (vom  fleischig  gewordenen  Perigon  umgebenen 
Nüsschen),  bewohnt  ganz  Europa  und  findet  sich  in  Mitteleuropa  auf  Sandboden  der 
Nord-  und  Ostseeküsten,  sowie  auf  sandigem  oder  kiesigem  Alluvium  der  Alpenflüsse, 
häufig  in  Gesellschaft  der  vorigen,  sowie  von  Salix  incana.  Vermöge  seiner  weit  aus- 
streichenden, reichlich  Wurzelbrut  liefernden  Bewurzelung  eignet  er  sich  zur  Bindung  von 
Flugsand  an  Flussufern  und  Meeresküsten,  auch  zur  Heckenbildung.  Das  0,66—0,73 
schwere  Holz  besitzt  schmalen  gelblichen  Splint,  lebhaft  braunen  Kern,  schönen  Sei- 
denglanz auf  dem  Längsschnitt  und  ist  zu  Drechslerarbeiten  benutzbar. 

Hedera  helix  Linn6,  der  gemeine  Epheu  aus  der  den  Umbelliferen 
nahe  stehenden  Familie  der  Araliaceae,  hat  an  den  auf  dem  Waldboden  krie- 
chenden, an  Bäumen  und  Mauern  kletternden,  unfruchtbaren,  jugendlichen  Trieben  stumpf 
fünflappige,  mattgrtine  Blätter  und  zahlreiche,  gleich  hinter  dem  Vegeta- 
tionspunkt des  Stämmchens  angelegte  Kletterwurzeln  auf  der  Schattenseite,  an  alten 
Pflanzen  oben  am  Stamm  und  in  der  Krone  der  Bäume  von  der  Unterlage  abgewendete 


374  III.  Klein,  Forstbotanik. 

fruchtbare  Z\veig:e  ohne  Tjuftwurzeln,  mit  herzförmip^en  oder  eiraatenfdrmigen, 
glänzenden  Blättern.  Er  ist  am  üppigsten  in  Süd-  und  Südwestenropa  ent- 
wickelt, hat  langsames  Wachstum  und  erreicht  ein  mehrhundertjähriges  Alter.  Er 
liebt  besonders  feuchte  Talschluchten,  Wälder  mit  steinigem,  humosem  Boden  und 
feuchte  Luft. 

§  97.  Aus  der  Gattung  Cornus,  Hartriegel,  aus  der  Familie  der  Co r- 
n  a  c  e  a  e  ,  kommen  zwei  Art^n  bei  uns  vor : 

Cornus  masLinn^,  der  gelbe  Hartriegel,  auch  Kornelkirsche, 
H  e  r  1  i  t  z  e  genannt  (franz.  Comouiller),  hat  dünne  graue  Knospen  mit  einem  wei- 
chen Schuppenpaar ,  grüne,  unter  der  Endknospe  4kantige  Zweige,  lang 
zugespitzte,  5- -8  cm  lange,  breit  eilanzettliche,  ganzrandige,  gegenständige 
Blätter  mit  bogenläufigen  Nerven,  untei-seits  in  den  Nervenwinkeln  weiss  ge- 
härtete Blätter,  kleine,  gelbe,  4zählige  Blüten,  die  lange  vor  dem 
Laubausbruch,  oft  schon  im  März,  in  einfachen  Dolden  aus  vorjährigen 
kurzgestielten  Seit^nknospen  oder  seitlichen  Kurztrieben  hervorbrechen.  Die  roten, 
essbaren,  ovalen,  ca.  2  cm  grossen  Steinfrüchte  mit  grossem  2samigem  Kern 
sind  hängend.  Die  anfangs  gelbgraue  Rinde  bildet  später  eine  in  dünnen,  verbogenen 
Schuppen  abstehende  und  abblätternde  Borke.  Das  im  Splint  rötlichw^eisse ,  im  Kern 
rotbraune  bis  fast  schwarze  Holz  ist  ausserordentlich  dicht  und  schwer 
(0,88-1,03),  sehr  fest,  hart,  äusserst  schwerspaltig  und  zähe  und  ein  wertvolles 
Drechslerholz.  —  Die  Kornelkirsche  bildet  sehr  trag  wüchsige  Büsche 
oder  kleine  Bäume  von  ca.  3 — 8  m  Höhe  und  kann  ein  Jahrhundert  alt  werden. 
Eine  Holzart  Süd-  und  Mitteleuropas  (angebaut  bis  Christiania) ,  die  sich  in 
der  Ebene  und  im  Hügelland  als  Unterholz,  an  Waldrändern  etc.  auf  leichtem  humosem 
kalkhaltigem  Boden  häuüg  in  den  ungarischen  Donauauen  sowie  in  den  niederöster- 
reichischen Schwarzkiefembeständen  findet,  sonst  in  der  rheinischen,  süddeutschen  und 
Alpenzone  sehr  zerstreut  und  vielfach  nur  verwildert  auftritt.  Ausser  als  Obstbaum 
und  Zierstrauch  wird  die  Kornelkirsche,  die  das  Beschneiden  gut  verträgt  und  ein 
grosses  Ausschlag  vermögen  aus  Stock  undWurzel  besitzt,  auch  nicht 
selten  als  Heckenpflanze  gezogen. 

2.  Cornus  sanguinea  Linn6,  der  gemeine  Hartriegel  oder 
rote  Hornstrauch  hat  nackte  Knospen  ohne  Knospenschuppen,  unter  der  End- 
knospe etwas  zusammengedrückt  2kantige,  im  Winter  blutrote  Zweige,  etwas 
breitere,  kurz  zugespitzte,  unterseits  nicht  gebartete  Blätter  und  weisse, 
in  reichblütigen  Trugdolden  am  Ende  junger  beblätterter  Triebe  stehende,  erst  im  Mai 
oder  Juni  aufblühende  Blüten,  sowie  erbsengrosse,  blauschwarze  Steinbeeren. 
Das  vorzügliche  Holz  hat  keinen  gefärbten  Kern,  ist  etwas  weniger  schwer  (0,77  bis 
0,88\  aber  ebenfalls  sehr  hart,  fest  und  zäh  und  dient  zu  ähnlichen  Zwecken.  —  Die 
ebenfalls  trag  wüchsige  Holzart  bildet  in  15 — 20  Jahren  3 — 3V2  m  hohe  Büsche 
und  wird  selten  älter  als  30  Jahre.  Ausser  durch  die  meist  erst  im  2.  Jahre  auflaufen- 
den Samen  vermehrt  sich  der  Hornstrauch  durch  Absenker  und  Wurzelbrut  und  besitzt 
gleichfalls  ein  grosses  Ausschlagvermögen  aus  dem  Stock.  Sein  Verbreitungsgebiet 
umfasst  beinahe  ganz  Europa  mit  Ausnahme  des  südlichsten  Teils  und  des  hohen  Nor- 
dens und  kommt  diese  Holzart  der  Ebenen  und  des  Hügellandes,  die  starke  und  an- 
haltende Beschattung  verträgt  und  lockeren  kalkhaltigen  Boden  bevorzugt,  häufig 
eingesprengt  im  Niederwald,  an  Waldrändern,  als  Unterholz  im  Mittelwald,  in  Feld- 
hölzern, Hecken  etc.  vor. 

§  98.     Die   Familie   der   Ericaceae   eröff'net   die   Reihe   der  H o  1  z g e- 


J 


Die  Laubhölzer.     §  99.  375 

wachse  mit  verwachseneiiKronenblättern(Sympetalae).  Die  baum- 
artigen Vertreter  der  Familie  sind  Gewächse  des  Mittelmeergebietes  und  erreichen 
Arbutus  ünedo  Linn6,  der  Erdbeerbaum,  ein  Grossstrauch  oder  bis  5  m 
hoher  Baum  mit  4—7  cm  langen,  scharf  gesägten,  lederartigen,  glänzenden  Blättern 
und  in  kurzen,  verzweigten,  hängenden  Trauben  stehenden,  kirschgrossen,  scharlachroten, 
dichtwarzigen  (erdbeerähnlichen),  essbaren  Früchten  und  Erica  arboreaLinnö, 
die  Baumheide,  als  ansehnlicher  Mittel-  oder  Grossstrauch  oder  kleiner  Baum  mit 
rutenförmigen  Zweigen  im  Gebiete  ihre  Nordgrenze,  ersterer  in  Wäldern  und  felsigen 
Orten  Istriens  und  Dalmatiens,  letztere  ausserdem  auch  noch  in  Südtirol  vorkommend. 
Aus  dem  gemaserten,  rotbraunen  Wurzelholz  der  letzteren,  dem  Bruyereholz,  werden  die 
kurzen  Tabakspfeifen  geschnitzt.  Die  übrigen  Heidearten  und  sonstigen  holzigen 
Vertreter  dieser  Familie,  wie  die  Vaccinium arten,  die  Alpenrosen  (Rhododen- 
dron), die  Bärentrauben  (Arctostaphylos)  und  der  Porst  (Ledum  palustre)  spielen  im 
Walde  lediglich  die  Rolle  von  forstlichen  Unkräutern,  die  unter  Umständen  verdämmend 
auf  den  jungen  Holzwuchs  wirken  können.  Die  im  Herbste  blühende  Calluna  vul- 
garis Salisbury,  das  gemeine  Heidekraut  oder  die  Besenheide,  ist 
weitaus  die  verbreitetste  gesellig  wachsende  Heideart  und  unter- 
scheidet sich  von  den  echten  Heiden  (p]rica)  durch  ihre  (rosagefärbten)  die  Blumen- 
krone glockig  überragenden  Kelchblätter.  Hie  findet  sich  in  der  Ebene  wie  im  Ge- 
birge als  bodenstete  Pflanze  am  häufigsten  auf  armem  Sand-  und  Moorboden,  teils 
mit  anderen  Zwergsträuchern  „Heiden"  bildend,  teils  als  Unterholz  in  lichten  Wäldern, 
namentlich  Kiefernwäldern,  selbst  auf  dem  ärmsten  Boden  noch  gut  gedeihend  und  ihm 
allein  noch  nutzbare  Erträge  abringend,  nicht  etwa  weil  sie  für  solchen  Boden  be- 
sondere Vorliebe  hat,  sondern  weil  sie  auf  besserem  Boden  von  anderen  Arten  ver- 
drängt oder  zurückgedrängt  wird.  Immerhin  gedeiht  sie  als  trägwüchsige  Pflanze  nur 
auf  nährstoffarmen  Böden,  ihr  Alter  überschreitet  selten  12  Jahre,  ihre  Vermehrung 
findet  hauptsächlich  durch  Samen  und  —  nach  Heidebrennen  —  durch  Stock ausschlag 
statt.  Ihr  reichliches  Vorkommen  zeigt  stets  eine  weitgehende  Verarmung  des  Bodens 
an.  Nur  in  der  Seenähe  wachst  sie  auf  ganz  freien  Schlägen  in  den  ersten  Jahren 
schneller  als  die  Kiefer,  lässt  aber  auf  Flächen,  die  sie  bereits  beherrscht,  nur  schwer 
andere  Holzarten  aufkommen,  da  ihr  dichter  Wurzelfilz  Kohhumus  bildet,  der  das 
Wachstum  wertvollerer  Holzgewächse  ausserordentlich   erschwert  oder  gar  verhindert. 

Die  ebenfalls  langsam  wüchsige  Heidelbeere,  VacciniumMyrtillus  Linn6, 
teilt  mit  der  Heide  vielfach  die  Standorte,  verträgt  aber,  im  Gegensatze  zu  jener, 
auch  die  stärkste  Beschattung,  soweit  es  sich  nur  um  blosse  Erhaltung  des  Lebens 
handelt,  bildet  unter  einer  fast  vollen  Beschirmung  noch  zusammenhängende  Boden- 
überzüge und  vermehrt  und  erhält  sich  ausser  durch  Samen  namentlich  durch  unter- 
irdisch-kriechende, dünne  Rhizome,  die  sog.  Kriechtriebe. 

§  99.  Aus  der  Familie  der  Oleaceae,  der  ö  l  b  a  u  m  a  r  t  i  g  e  n  Laub- 
hölzer mit  4zähligen  Blüten,  deren  Staub-  und  Fruchtblätter  auf  2  redu- 
ziert sind,  und  gegenständigen,  nebenblattlosen  Blättern,  kommen  folgende 
Arten  in  Betracht: 

1.  Fraxinus  excelsiorLinn^.  Gemeine  Esche  (fr.  Frene).  Knospen 
schwarzbraun  bis  schwarz,  die  Endknospe  viel  grösser ,  meist  mit  nur  2 
Knospenschuppen.  Blätter  gross  (bis  40  cm),  unpaarig  gefiedert  mit  4 — 6  (8)  sitzen- 
den, meist  eilanzettlichen,  zugespitzten  ca.  4 — 10  cm  langen,  am  Bande  klein  gesägten, 
von  der  Spitze  an  Grösse  zunehmenden ,  meist  kahlen  Fiederpaaren.  Blüten 
nackt ,  nur  aus  Staubgefässen  mit  herzförmigen  Staubbeuteln  und  Frucht- 
knoten mit  21appiger  Narbe   bestehend,    dunkel   purpurn   oder   violett,   in  mehr  oder 


376  III.  Klein,  Forstbotanik. 

weniger  dichten  Büscheln  oder  Rispen,  polygam  oder  2häosig,  vor  dem  Laabaus- 
b  r  u  c  h  aus  Seitenknospen  vorjähriger  Zweige.  Früchte  flach  zusammengedräckte, 
in  einen  zungentormigen  Flügel  verlängerte,  ca.  4  cm  lange  and  1  cm  breite,  hellbraune, 
kahle,  Isamige  Nüsschen  in  büscheligen,  hängenden  Rispen.  —  Die  Mannbar- 
keit tritt  bei  Samenpflanzen  im  Freistand  kaum  vor  dem  25,  im  Schluss  erst  mit  dem 
ca.  40.,  bei  Stocklohden  oft  schon  mit  dem  20.  Jahre  ein.  Die  Blütezeit  ßllt 
in  den  April  oder  Mai,  der  Laubausbruch  Ende  April  bis  Anfang  Juni;  männliche 
Bäume  blühen  viel  reicher  als  weibliche  bzw.  polygame  und  ihre  BlütenbUschel  sind  viel 
dichter.  Laubfall  meist  gleichzeitig  nach  dem  ersten  Frost  im  Oktober  oder  No- 
vember, Samenreife  von  Ende  Juli  bis  Oktober,  Abfliegen  der  Früchte  sehr 
allmählich  den  Winter  über  bis  ins  Frühjahr  hinein.  Samenjahre  meist  alle  2  Jahre. 
Die  Keimung  der  im  allgemeinen  zu  60 — 70  ^/o  keimfähigen  und  ihre  Keimkraft 
1 — 3  Jahre  bewahrenden  Samen  erfolgt  in  der  Regel  erst  im  2.  Frühjahr  mit  2,  denen 
des  Bergahorns  ähnlichen,  aber  fiedernervigen,  schmal  ei-  bis  zungenlormigen, 
dickfleischigen  Keimblättern,  auf  welche  ein  Paar  einfacher,  eilanzettlicher ,  dann  ein 
solches  3zähliger  und  hierauf  erst  die  Fiederblattpaare  folgen.  Im  1.  Jahre  bleibt  die 
Pflanze  klein,  vom  2.  an  ist  der  Höhenwuchs  rasch,  im  3.  oft  schon  mannshoch,  zwi- 
schen dem  20.  und  40.  Jahre  durchschnittlich  7^  ro  pro  Jahr,  dann  nachlassend,  aber 
doch  bis  über  das  100.  Jahr  aushaltend;  bedeutendster  Stärkezuwachs  zwischen  dem 
40.  und  60.  Jahre.  Auf  gutem  Boden  kann  die  Esche  200—250  Jahre  alt  werden  und 
über  30  m  Höhe  und  bis  1,7  m  Durchmesser  erreichen.  Bis  etwa  zum  30.  Jahre 
entwickelt  die  Esche  auf  zusagendem  Standort  nur  weitläufig  beblätterte 
Langtriebe  und  ähnlich  der  Kiefer  eine  sehr  regelmässig  verzweigte, 
ausgebreiteteKrone.  Später,  auf  schlechtem  Boden  auch  schon  vor  dem  30.  Jahre, 
entwickeln  sich  zahlreiche  Kurztriebe,  die  sich  alljährlich  nur  durch  ihre  Endknospe 
zu  bogenförmig  aufwärts  gekrümmten,  knotigen  Kurzzweigen  verlängern,  so  dass  die 
abgewölbte,  lockere  Krone  alter  Eschen  nur  aus  solchen  Kurz- 
zweigen besteht,  die  am  Ende  ein  Blätterbüschel  tragen.  ImBe- 
standesschluss  bildet  die  Esche  einen  bis  hoch  hinauf  astreinen,  vollholzigen, 
geraden  Schaft ;  im  Freistand  neigt  sie  zum  Gabelwuchs,  wie  keine 
andere  einheimische  Holzart  und  zur  Bildung  einer  tiefangesetzten,  starkästigen  Krone. 
Das  Ausschlagvermögen  aus  Stock  und  Stamm  ist  vorzüglich,  aber  bald  nach- 
lassend. Das  Wurzelsystem  besteht  anfänglich  aus  einer  Pfahlwurzel,  später 
aus  starken,  tief  und  weitstreichenden,  reich  verzweigten  Seiten  wurzeln.  Die  Rinde, 
bis  zum  30.  oder  40.  Jahre  hell  grünlichgrau  und  glatt,  bildet  später  eine  dicht  aber 
flachrissige,  schwarzbraune  Borke  mit  gestreckt  rhombischen  Feldern.  Die  in  manchen 
Gegenden  sehr  häufigen  „Rindenrosen"  Ratzeburgs  sind  eine  krankhafte,  krebsartige 
Erscheinung.  Das  ausgesprochen  ringporige  Holz  hat  einen  breiten ,  27  bis  (40) 
Jahrringe  umfassenden  Splint  und  einen  hellbraunen,  der  Eiche  ähnelnden  Kern;  die 
Gefässe  des  gegen  das  Spätholz  scharfabgesetzten  Frühjahrsholzes  sind  sehr  weit,  die 
des  Spätholzes  eng,  spärlich  und  gleichmässig  zerstreut,  die  für  Carya  charakteristi- 
schen, peripherischen  Parenchymzell-Linien  fehlen  (Parenchym  findet  sich  fast  nur  als 
Belag  der  Gefässe,  namentlich  derjenigen  des  Spätholzes),  die  Markstrahlen  sind  kaum 
zu  erkennen.  Das  häufig  Maserwuchs  zeigende  Eschenholz  ist  eines  der  wert- 
vollsten Nutzhölzer,  0,57 — 0,94  im  Mittel  0,73  schwer,  ziemlich  fein-  und  lang- 
faserig, glänzend,  hart,  gerade  aber  schwerspaltig,  elastisch,  zähe  und  biegsam,  sehr 
tragkräftig ,  massig  schwindend ,  (5  °/o) ,  wirft  sich  w^enig ,  im  Freien  von  mittlerer 
Dauer  und  mindestens  so  brennkräftig  wie  das  Buchenholz. 

Das   Verbreitungsgebiet  der   Esche  umfasst  beinahe   ganz   Europa  bis 


Die  Laubhölzer.     §  99.  377 

zum  63®  in  Norwegen  (strauchförmig  sogar  bis  zum  69°).  Am  häutigsten  ist  sie  in 
den  Ostseeländern  und  in  der  ungarischen  und  slavonischen  Niederung.  Ihre  schönste 
Entwicklung  zeigt  sie  in  Auen  und  Niederungen  meist  vereinzelt  oder  horstweise  im 
Mischwald,  in  den  Alpentälern  bis  ca.  1300  m  emporsteigend,  lliren  Standortan- 
spriichen  nach  gehört  die  Esche  zu  den  anspruchvollsten  Holzai-ten.  Aehnlich  den 
Ulmen  und  Ahornen  stellt  sie  die  grössten  Anforderungen  an  die  Mineralkraft  des 
Bodens  und  verlangt  tiefgründige,  lockere,  feuchte  bis  nasse  Standorte  (aber  keine 
stagnierende  Nässe),  ziemliche  Luftfeuchtigkeit,  aber  nur  massige  Luft  wärme.  Ihr 
Lichtbedürfnis  ist  sehr  gross,  demjenigen  der  Eiche  ähnlicli;  nur  in  der  Jugend  ist 
ihr  massige  Beschattung  zuträglich,  namentlich  auf  geeignetem  Standort.  Gegen  Spät- 
fröste ist  sie  von  allen  einheimischen  Holzarten  am  emptindlichsten ;  jeder  junge  Trieb, 
der  von  einem  leichten  Spätfrost  getroffen  wird,  ist  verloren. 

2.  Fraxinus  americana  Linn6,  die  Weissesche,  in  der  Ost- 
hälfte Nordamerikas  an  ähnlichen  Standorten  heimisch  wie  unsere  Esche,  in  Deutsch- 
land auch  F.  alba,  cinerea,  ascanica  genannt  und  schon  im  18.  Jahrhundert,  wesent- 
lich als  Allee-  und  Parkbaum ,  in  Anhalt  auch  als  Forstbaum  eingeführt,  stimmt 
hinsichtlich  ihres  Wuchses  und  ihrer  Holzgüte  mit  unserer 
Esche  überein.  Ihr  Vorzug  besteht  in  etwas  (ca.  14  Tage)  späterem 
Austreiben,  wodurch  sie  gegen  Spätfröste  gesicherter  erscheint,  und  in  etwas  ge- 
ringeren Bodenansprüchen,  namentlich  verträgt  sie  üeberschwemmungen  während  der 
Vegetationsperiode  gut;  endlich  keimen  die  Samen,  im  Herbste  gesät,  oder  im  Früh- 
jahr 3  Tage  vor  der  Saat  eingeweicht,  ohne  überzuliegen  ca.  14  Tage  nach  Früh- 
lingssaat. Aus  diesen  waldbaulichen  Gründen  wird  sie  neuerdings  vielfach  als  Ersatz 
für  die  gemeine  Esche  bei  uns  angebaut.  —  Die  Knospen  der  W^eissesche  sind  hell 
zim metbraun,  die  Blätter  haben  meist  nur  2  oder  3  etwas  grössere,  gestielte 
Fiederpaare,  die  am  Rande  ganz  randig  (oder  schwach  gesägt),  oberseits  auffallend 
dunkelgrün  und  glänzend,  unterseits  weissgrau  und  ganz  oder  nahezu  kahl  sind.  Die 
meist  2häusigen  Blüten  haben  stets  einen  Kelch  und  die  Staubbeutel  sind 
lineal,  kurz  und  stumpf  bespitzt.  Die  hellbraunen  Flügelfrüchte  sind  etwas 
schlanker  wie  bei  unserer  Esche.  Die  Rinde  ist  an  jüngeren  Aesten  gelblichgrau 
getUrbt. 

3.  FraxinuspubescensLamarck  (richtiger  F.  pennsylvanicaMar- 
shall)  die  flaumhaarigeEsche  oder  Rotesche,  gleichfalls  im  ganzen 
Laubwaldgebiet  des  östlichen  Nordamerika  verbreitet  und  mit  ersterer  Bestände  bildend, 
wurde  fniher  zu  den  forstlichen  Anbauversuchen  herangezogen,  weil  man  die  in  den 
anhaltischen  Forsten  so  gut  gedeihende  amerikanische  Esche  irrtümlicherweise  für  F. 
pubescens  hielt  (Willkomm).  Sie  unterscheidet  sich  von  jener  durch  braune  Knospen 
und  dicht  filzige  junge  Triebe,  bleibend  filzige  Blattspindeln, 
unterseits  beim  Entfalten  dicht  grautilzige,  später  nur  noch  auf  den  Nerven  tilzige, 
dazwischen  locker  weichhaarige  Blätter  und  schmal  elliptische,  scharf  und  ziemlich 
lang  bespitzte  Staubbeutel.  Die  Früchte  sind  4 — 5  cm  lang,  aber  nur  5 — 6  mm 
breit  und  der  Flügel  umfasst  nur  das  obere  Drittel  der  stielrunden  Nuss.  —  Da  die 
Rotesche  langsam  wüchsiger  ist  als  unsere  Esche  und  in  ihrer  Heimat  nur  12  bis 
15  m  Höhe  erreicht  und  da  sie  ebenso  frostemptindlich  ist  wie  jene  und  sie  sich  weder 
durch  waldbauliche  Eigenschaften  noch  durch  die  Qualität  ihres  Holzes  auszeichnet,  so 
liegt  zu  ihrer  Einführung  in  unsere  Wälder  kein  Grund  vor. 

4.  Fraxinus  Ornus  Linn6,  die  Blumen-  oder  Mannaesche,  ist 
eine   südeuropäische  Holzart,   die  mit  der  Nordgrenze  ihrer  Verbreitung  bis 


378  III.  Klein,  Forstbotanik. 

nach  der  Südschweiz  (Tessin),  Südtirol,  Krain,  Untersteierraark  vordrin^.  Sie  kommt 
in  ihren  Bodenansprüchen  äusserst  bescheiden,  hauptsächlich  auf  trockenem  Kalkboden 
vor,  ist  trägwüchsij^  und  bildet  kleine  Bäume,  die  gewöhnlich  nicht  höher  als  ca.  8  m 
und  nicht  stärker  als  ca.  30  cm  werden.  Von  den  übrigen  Eschen  unterscheidet  sich 
die  Blumenesche  durch  bräunlich  bis  silbergraue  Knospen,  durch  rostgelbe,  wollige 
Behaarung  der  Stielchen  und  Mittelrippen  der  3  oder  4  t'iederblattpaare  und  vor 
allem  durch  ihre  wohlriechenden,  mit  Kelch  und  weisser  Blumen  kröne 
versehenen ,  in  langen,  endständigen,  reichblütigen ,  am  Grund  beblätterten 
Rispen  stehenden  Blüten.  Als  Zierbaum  ist  sie  in  Süd-  und  Mitteldeutschland 
vielfach  angepflanzt. 

Ligustrum  vulgare  Linn6,  die  gemeine  Rainweide  oder  der 
Liguster  (franz.  Troene),  ist  ein  bis  2m  Höhe  erreichender,  dichtbuschiger  Strauch 
mit  ca.  3 — 5  cm  langen  und  1 — 2  cm  breiten,  spitz  elliptischen,  ganzrandigen.  dunkel- 
grünen Blättern,  von  denen  zumeist  ein  Teil  den  Winter  überdauert,  mit  weissen, 
stark  aber  unangenehm  riechenden,  kleinen  Blüten,  die  ähnlich  denen  der  Syringe  ani 
Ende  beblätterter  Zweige  in  reichblütigen  Rispen  stehen,  mit  erbsengrossen,  glänzend 
schwarzen,  den  Winter  über  an  den  Zweigen  hängenden  Beeren.  —  Als  voi-wiegend 
west-  und  südeuropäische  Holzart  dürfte  der  Liguster  mit  seinem  natürlichen  Verbrei- 
tungsgebiet kaum  über  Süddeutschland  hinausgehen,  ist  aber  auch  in  Mitteldeutschland 
ziemlich  häutig,  selten  in  Norddeutschland,  wahrscheinlich  verwildert,  in  Gebüschen  und 
Feldhölzern  und  lichten  Waldungen  anzutreffen.  Er  liebt  nahrhaften,  kalkhaltigen 
Boden,  bildet  ein  sehr  schweres  (0,92 — 0,95)  beinhartes  und  schwerspaltiges  Holz  und 
ist  eine  beliebte  Heckenpflanze,  da  er  den  Schnitt  gut  verträgt  und  durch 
Wurzelbrut,  Ableger  und  Stecklinge  leicht  zu  vermehren  ist. 

Phillyrea  latifolia  Linn6,  die  gemeine  Steinlinde,  eine  Holz- 
art des  Mittelmeergebiets  mit  sehr  variabeln,  2 — 3  cm  langen,  derben,  immer- 
grünen, eiförmigen  Blättern,  deren  Rand  ungeteilt  bis  sägezähnig  ist,  mit  kleinen 
weissen,  in  kurzen  blattwinkelständigen  Trauben  stehenden,  im  März  erscheinenden 
Blüten  und  erbsengrossen,  schwarzen  Beeren,  geht  nordwärts  bis  Südtirol,  Istrien  und 
Dalmatien  und  nimmt,  gewöhnlich  buschförmig  bleibend,  selten  als  Baum  von  5—8  ni 
und  bis  zu  65  cm  Stärke  erheblichen  Anteil  an  der  Bildung  der  immergrünen  Busoh- 
formation  jener  Länder.  Das  feinfaserige,  weisse,  schwere  (0,92)  Holz  der  träg- 
wüchsigen,  sonnige  und  steinige  Orte  bevorzugenden,  mit  grossem  Ausschlagvermögen 
begabten  Steinlinde  ist  ein  wertvolles  Nutzholz,  wird  aber,  ungenügender  Formverhält- 
nisse halber,  in  jenen  holzarmen  Ländern  meist  als  Brennholz  verwendet. 

Olea  europaea  Linn6,  der  gemeine  Oelbaum,  dessen  langsam  wüch- 
sige Kulturbäume  mit  ihrer  graugrünen  Belaubung  und  ihren  knorrigen  und  zerklüfteten 
Stämmen  an  alte  Weiden  erinnern,  kommt  in  der  WMlden  Varietät  Oleaster 
De  Candolle,  meist  als  sperrigästiger  Strauch  mit  domspitzigen  Zweigen,  kleinen, 
perennierenden,  länglich-eiförmigen  Blättern  und  kleinen,  schwarzen,  kugeligen,  wenig 
Oel  enthaltenden  Früchten,  an  ähnlichen  Orten  wie  vorige  Art  vor. 

§  100.  Nerium  Oleander  Linn6,  der  gemeine  Oleander,  mit 
lineallanzettlichen,  lederigen  Blättern  in3gliederigen  Quirlen  und  rosenroten 
grossen  Blüten,  aus  der  Familie  der  Apocynaceae,  als  Kübelpflanze  allent- 
halben kultiviert,  ist  ein  giftiger,  immergrüner  Strauch  des  Mittelmeergebiets,  der  in 
Südspanien  und  Algerien  an  Flussufem  sehr  gemein  ist  und  auch  an  einzelnen  Orten 
Südtirols  und  Dalmatiens  noch  wild  vorkommt. 


Die  Laubhölzer.     §  101.  379 

Vitex  Agnus  Castus  Linn6,  der  Keuschbaum  aus  der  Familie 
der  V  e  r  b  e  n  a  c  e  a  e,  ist  ebenfalls  im  Mittelmeergebiet  heimisch  und  bevorzug;t  sonnige 
Lagen  und  frische,  nahrhafte  Böden.  Der  sehr  ausschlagfähige,  bis  2  m  hohe  vStrauch, 
selten  kleine  Baum  von  3 — 4  m  Höhe,  dessen  weisstilzige,  4kantige  Zweige  Flecht- 
material liefern,  kommt  auch  in  der  Strandregion  Istriens  und  Dalmatiens  vor.  Durch 
seine  grossen,  sommergrünen,  gegenständigen,  aus  5 — 7  oberseits  dunkelgrünen, 
unterseits  graufilzigen  3V2 — 9  cm  langen,  lanzettlichen  Blättchen  bandförmig  zu- 
sammengesetzten Blätter  und  die  in  endständigen  Scheinähren  stehenden 
kleinen,  violetten  Blüten,  bildet  er  eine  sehr  auffallende  Erscheinung. 

Catalpa  speciosa  Warder,  der  prächtige  Trompetenbaum  oder 
die  westliche  Catalpa,  aus  der  exotischen  Familie  der  Bignoniaceae, 
stammt  aus  dem  zentralen  Nordamerika,  dem  Grenzgebiete  des  südlichen  und  des  nörd- 
lichen Laubwaldes,  wo  sie,  besonders  nach  Südwesten  hin  verbreitet,  auf  kräftigem 
Boden  der  Flussniederungen  nach  Mayr  ausnahmsweise  bis  45  m  Höhe  erreicht.  Von 
der  bei  uns  als  Park-  und  Alleebaum  schon  lange  angepflanzten  C.  bignonioides 
Walter,  die  auch  in  ihrer  Heimat  nur  15  m  erreicht  und  im  Freistand  ebenfalls 
eine  breit  ausladende,  starkästige  Krone  bildet,  unterscheidet  sie  sich  durch  Geruch- 
losigkeit  der  bis  30  cm  grossen,  gegenständigen  oder  zu  3  im  Quirl  stehenden, 
herzeiförmigen,  meist  eckig  gelappten ,  langzugespitzten  Blätter,  durch 
grössere  (4 — 5  cm  lange)  Blüten,  die  wie  dort  innen  weiss,  gelb  und  violett 
gefleckt  sind  und  in  grossen,  aufrechten,  pyramidalen  Rispen  stehen,  endlich  durch 
breitere,  bis  50  cm  lange  Schoten.  —  Die  ungemein  raschwüchsige  Holz- 
art liefert  ein  zwar  leichtes  (0,42),  aber  im  Freien  ganz  ausserordentlich 
dauerhaftes  Holz  —  Eisenbahnschwellen  von  20jähriger  Dauer  —  mit  braun- 
violettem Kern  und  einen  auf  den  jüngsten  Jahrring  beschränkten  Splint.  In  Amerika 
hält  man  20 — 35  Jahre  bei  ziemlich  engem  Stande  zur  Nutzholzerziehung  für  genügend. 
Wegen  seiner  Holzgüte  und  Raschwüchsigkeit  ist  der  in  seinen  Bodenansprüchen  ge- 
nügsame Baum  auch  in  den  Kreis  der  neueren  Anbauversuche  gezogen  worden,  hat 
sich  aber  wegen  der  häufig  unvollkommenen  Verholzung  der  jüngsten  Triebe,  nament- 
lich in  der  Jugend,  als  sehr  frostempfindlich  erwiesen  und  verlangt  jedenfalls  sehr 
milde  und  geschützte  Lagen.  Obwohl  sehr  lichtbedürftig,  ist  er  doch  in  der  Jugend 
für  Seitenschutz  sehr  dankbar. 

§  101.  Der  Familie  der  Caprifoliaceae  mit  gegenständigen  Blättern, 
ozähligen  Blüten,  deren  Staubgefässe  der  Krone  eingefügt  sind,  und  aus  2  bis  5fächerigen 
Fruchtknoten  hervorgegangenen  Beeren  oder  beerenartigen  Steinfrüchten,  gehört  der 
Rest  der  hier  noch  namhaft  zu  machenden  Holzpflanzen  ohne  nennenswerte  forstliche 
Bedeutung  an. 

Die  Angehörigen  der  Gattung  Lonic6ra  mit  einfachen,  ganzrandigen  Blättern 
und  21ippigen  Blüten  sind  teils  Gaisblätter,  windende  Sträucher  mit  quirl- 
ständigen Blüten,  wieLonicera  PericlymenumLinn^,  das  gemeine 
oder  wilde  Gaisblatt  mit  stets  getrennten  Blättern,  welches  durch 
ganz  Europa  an  Waldrändern,  in  Gebüschen  und  lichten  Wäldern  auf  fruchtbarem 
Boden  stellenweise  verbreitet  ist,  5 — 10  m  an  Stangenhölzern  emporklettert  und  durch 
seine  innige  Umschlingung  dieselben  mitunter  verunstaltet,  oder  wie  L.  Caprif  o- 
lium  Linn6,  das  in  Gärten  häufig  gezogene  ächte  Gaisblatt,  auch  Jelängerjelieber 
genannt,  eine  nur  in  der  Südhälfte  Europas  an  ähnlichen  Standorten  einheimische, 
weiter  nach  Norden  aber  ab  und  zu  vei'wildert  vorkommende  Schlingpflanze,  die  bei 
massenhaftem  Vorkommen  verdämmend  auf  den  jungen  Holzwuchs  wirken  kann. 


380  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Während  so  die  (Taisblätter  als  Forstunkräuter  zu  bezeichnen  sind,  spielen  die 
nichtschlingenden,  strauchförmif?en  Arten,  die  Heckenkirschen,  eine  be- 
scheidene Kolle  als  Unterholz  oder  Bodenschutzholz.  In  ihren  Blattachseln  stehen 
2  bis  3  beschuppte  Knospen  in  einer  Reihe  übereinander  und  ihre  Blüten 
stehen  p  aar  weis  e  am  Ende  blattwinkelständiger  Stiele.  3.  Lonicera  xylosteum 
Linn6,  die  gemeine  Heckenkirsche,  auch  Beinholz,  Beinweide  genannt,  ist 
als  flachwurzelnder  höchstens  2  m  Höhe  eiTcichender  Strauch  mit  anfangs  weissen, 
dann  gelben ,  ansehnlichen  Blüten  von  der  Länge  der  Blütenstandstiele  nnd  mit 
roten,  am  Grunde  etwas  verwachsenen  Beeren,  an  Hecken,  Zäunen,  in  Gebüschen, 
als  Unterholz  in  Mittelwäldern  in  ganz  Europa,  namentlich  auf  Kalk,  zerstreut  nnd 
steigt  im  Gebirge  bis  160()  m  empor.  4.  Lonicera  nigra  Linn6,  die  schwarze 
Heckenkirsche,  durch  Blütenstandstiele,  die  mehrfach  länger  sind  als  die  röt- 
lichen Blüten,  und  durch  glänzend  schwarze  Beeren  von  voriger  unterschieden, 
ist  als  Unterholz  schattiger  Bergwälder  im  mitteleuropäischen  Berglande  und  in  den 
Alpen  und  Karpathen  zwischen  5TO  und  16(X)  m  auf  frischem  bis  feuchtem,  humosera 
Boden  zerstreut.  5.  Lonicera  alpigena  Linn6,die  Alpenheckenkirsche, 
mit  Blütenstandstielen ,  die  mehrmals  länger  sind  als  die  roten  Blüten,  fast 
bis  zur  Spitze  zusammengewachsenen  Fruchtknoten  und  glänzend 
roten  Doppelbeeren,  kommt  in  den  süd-  und  mitteleuropäischen  Gebirgen  in  den 
gleichen  Höhenlagen  wie  L.  nigra  stellenweise,  namentlich  auf  Kalk,  in  Laubwäldern 
und  Gebüschen  vor.  6.  Lonicera  coerulea  Linn6,  die  blaue  Hecken- 
kirsche, mit  Blütenstandstielen,  die  viel  kürzer  sind  als  die  gelben  Blüten,  mit 
völlig  verwachsenen  Fruchtknoten  und  erbsengrossen,  schw^arzen,  blau- 
bereiften Beeren  und  von  nur  2  Knospenschuppen  behüllten  Knospen,  ist  ausser  im 
hohen  Norden  Europas,  in  den  Alpen-  und  Kai-pathenländeni  zwischen  800  und  20(X)  m 
namentlich  auf  steinigem  Kalkboden  in  Wäldern  und  Gebüschen  stellenweise  verbreitet. 

Viburnum  Opulus  Linn6,  der  gemeine  Schneeball  (franz.  Viorne), 
hat  2schuppige  Knospen,  3( — 5)  lappige,  oberseits  dunkelgrüne  und  kahle,  unter- 
seits  flaumig  bläulichgrüne,  ca.  5—8  cm  lange  Blätter  mit  spitzen,  grob  gezähnten 
Lappen  und  özählige,  in  grossen  endständigen  Trugdolden  stehende  Blüten,  die 
am  Rande  der  Trugdolde  geschlechtslos  und  viel  grösser  (strahlend)  sind.  Die 
Frucht  ist  eine  erbsengrosse ,  einkernige ,  einsamige ,  glänzend  rote  Stein- 
beere. —  Der  gemeine  Schneeball  bildet  ansehnliche,  bis  5  m  hohe  und  6 — 10  cm 
starke,  raschwüchsige  Sträucher  in  ca.  12 — 15  Jahren,  besitzt  ein  grosses  Stockans- 
schlagvermögen und  bildet  aus  den  flach  verlaufenden  Wurzeln  reichliche  Wurzelbmt; 
er  ist  durch  ganz  Europa  verbreitet  und  bevorzugt  feuchten,  humosen  Boden  in  der 
Ebene  und  im  Hügelland  an  Waldrändern  sowie  als  Unterholz  in  Auenmittelwäldem, 
wo  er  Ueberschirmung  gut  verträgt.  Die  zahlreichen  Stock-  und  Stammlohden 
tragen  viel  grössere  Blätter  und  sind  sechskantig,  gerade,  lang  und  stark.  Das  harte, 
schwerspaltige  und  feinfaserige,  im  Splint  rötlichweisse,  im  Kerne  gelbbraune  Holz 
lässt  die  Markstrahlen  und  Jahiringgrenzen  nicht  oder  kaum  erkennen. 

2.  Viburnum  Lantäna  Linn6,  der  wollige  Schneeball,  unter- 
scheidet sich  von  vorstehendem  durch  filzige  junge  Triebe  und  nackte  Knospen, 
durch  eiförmige,  oberseits  runzelig  dunkelgrüne,  unterseits  filzig  graugrüne, 
am  Rand  klein  und  scharf  gesägt«,  6— -10  cm  lange  Blätter,  durch  kleine,  gleich- 
massig  gestaltete,  in  dichten  gewölbten  Trugdolden  stehende  Blüten  und  durch  an- 
fangs scharlachrote,  zuletzt  schwarze  Steinbeeren.  Der  4  ra  Höhe  erreichende, 
gleichfalls  raschwüchsige  und  sehr  ausschlagfähige  Strauch  kommt  wild  auf  ähnlichen 


Die  Laubhölzer.     §  101.  381 

Standorten  wie  der  vorige,  aber  nur  in  der  Sttdhälfte  Europas  und  vorzugsweise  auf 
Kalk  vor. 

3.  Viburnum  Tinus  Linn6,  der  immergrüne  Schneeball,  von 
den  Gärtnern  Laurus  Tinus  genannt,  ist  ein  ansehnlicher  Strauch  des  Mittelnieergebiets 
oder  kleiner  Baum  von  2 — 4  m  Höhe  mit  4 — 8  cm  langen,  spitz  elliptischen,  ganz- 
randigen,  oberseits  glänzend  dunkelgrünen  Blättern,  rotbraunen 
4kantigen  Zweigen  und  kleinen,  weissen,  in  ähnlichen  Trugdolden  wie  bei  vorigem 
stehenden  Blüten.  Bei  uns,  wie  auch  die  andern  Arten,  beliebter  Zierstrauch,  kommt 
er  wild  in  der  immergiiinen  Buschformation  Tstriens  und  Dalmatiens  häufig  vor,  Kalk 
und  sonnige  Lagen  bevorzugend. 

Sambucus  nigra  Linn6,  der  gemeine  oder  schwarze  Hollunder 
oder  Flieder  (franz.  Sureau),  hat  bis  ca.  30 cm  lange,  unpaarig  gefiederte  Blätter 
mit  2 — 3  Paaren  breit  eilanzettlicher,  langgespitzter,  scharf  gesägter,  3 — 12  (16)  cm 
langer,  kurzgestielter  Fiederblättchen,  kleine  gelbweisse,  im  Juni  erecheinende,  in 
grossen,  wiederholt  5strahlig  geteilten,  endständigen,  aufrechten  Ebensträussen  stehende 
Blüten  und  erbsengrosse,  glänzend  schwarze  Beeren  an  roten  Stielen  in 
hängenden  Ebensträussen.  Der  schwarze  Hollunder  bewohnt  fast  ganz  Europa, 
zumeist  in  der  Nähe  menschlicher  Wohnungen  auftretend ;  er  steigt  zwar  in  den  Alpen 
bis  ca.  1200  m  empor,  ist  aber  im  grossen  und  ganzen  viel  mehr  eine  Holzart  der 
Ebenen  und  des  Hügellandes,  die  humosen,  frischen  bis  feuchten  Boden  liebt,  an  Hecken, 
Zäunen  etc.,  aber  auch  als  Unterholz  in  lichten  Auwaldungen  sich  findet  und  als  rasch- 
wüchsige und  überaus  ausschlagfähige,  schon  vor  dem  Abhieb  reichlich  starke,  mark- 
reiche Stammlohden  entwickelnde  Holzart  grosse  Büsche  oder  4 — 5  m  hohe  und  20— 30  cm 
starke  Bäume  mit  malerischer  Krone  und  bogenförmig  gekrümmten  Aesten  bildet. 
Das  zerstreutporige  Holz  mit  deutlichen  Markstrahlen  ist  gelblichweiss ,  vom  spez. 
Gewicht  0,53 — 0,76,  ziemlich  feinfaserig  und  leichtspaltig,  hart,  fest,  schwer  trocknend 
und  sich  stark  werfend. 

2.  Sambucus  racemosa  Linn6,  der  Traubenhollunder,  unter- 
scheidet sich  von  dem  gemeinen  durch  länger  zugespitzte,  schmälere,  schärfer  gesägte, 
unterseits  bläulich  grüne,  meist  auch  kleinere  Fiederblättchen,  die  meist 
in  der  Zahl  5  vorhanden  sind  und  besonders  durch  die  schon  im  April  oder  Mai  auf- 
blähenden, in  dichten  eiförmigen  Rispen  stehenden  grüngelben  Blüten 
und  die  leuchtend  korallenroten  Beeren.  —  Der  Traubenhollunder  stimmt 
in  der  äusseren  Erscheinung  und  den  sonstigen  Eigenschaften  mit  dem  schwarzen 
uberein,  bleibt  aber  kleiner  und  zierlicher  und  ist  mehr  eine  Holzart  des  Hügel-  und 
Berglandes,  wo  er  in  Mittel-  und  Südeuropa  vorzugsweise  als  Unterholz  in  lichten 
Wäldern,  an  Waldwegen  etc.,  auf  humosem  steinigen  Boden  und  in  sonnigen  Lagen 
verbreitet  ist.  Durch  den  sehr  reichlichen  Wurzelausschlag  seiner  sehr  weitstreichen- 
den Wurzeln  kann  der  fast  stets  strauchartig  bleibende  Traubenhollunder  in  jungen 
Kulturen  gelegentlich  sehr  lästig  werden. 

3.  Biologie  und  Morphologie  der  baumschädigenden  Pilze. 

Literatur:  A.  de  Bary,  Vergleichende  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze,  My- 
cetozoen  und  Bakterien.  Leipzig  1884.  558  p.  8^  mit  198  Holzschn.  —  A.  B.  Frank, 
Die  pilzparasitären  Krankheiten  der  Pflanzen.  Breslau  1896.  574  p.  8®  mit  96  Abb.  — 
Robert  Hartig,  Lehrbuch  der  Pflanzenkrankheiten  (3.  Aufl.  des  Lehrb. 
der  Baumkrankheiten.)  Berlin  1900.  324  p.  8°  mit  280  Abb.  und  1  Tafel.  —  F.  v.  Ta- 
vel,  Morphologie  der  Pilze.  Jena  1892.  208  p.  8°  mit  90  Holzschn.  —  Karl  Freih. 
von    Tubeuf,    Pflanzenkrankheiten,    durch   kryptogame    Parasiten 


382  m.  Klein,  Forstbotanik. 

verursacht.  Berlin  1895.  599  p.  8®  mit  306  Abb.  —  Engler  u.  Prantl,  Die 
natürlichen  Pflanzenfamilien.  I.  Teil  (Pilze),  Abt.  1.  Leipzig  1897.  513  p.  8«  mit  1844 
Einzelbildern  und  Abt.  1**  1900.  570  p.  mit  1693  Einzelbildern. 

I.  Allgemeiner  Teil. 

§  102.  Während  die  Infektionskrankheiten  des  Menschen  und  der  höheren  Tiere 
zum  ganz  überwiegenden  Teil  durch  Bakterien  hervorgerufen  werden,  kennen  wir 
bei  unseren  Waldbäunien  bis  dato  keine  einzige  Bakterienkrankheit.  Ebenso  ist  die 
grosse  Abteilung  der  Schlei mpilze  (Mycetozoa  oder  Myxomycetes) ,  deren  Ange- 
hörige häufig  an  abgestorbenen  Baumstümpfen  auftreten,  durchaus  unföhig,  lebende 
Bäume  zu  schädigen.  Sämtliche  Pilze,  welche  die  normalen  Lebensfunktionen  unserer 
Holzpflanzen  bald  mehr,  bald  weniger  stören,  gehören  zu  den  höheren  Pilzen,  den 
Fadenpilzen,  so  genannt,  weil  der  der  Ernährung  dienende,  auf  oder  in  dem  Sub- 
strat lebende,  vegetative  Teil,  das  Mycelium,  aus  i.  d.  R.  verzweigten,  mit  Spitzen- 
wachstum begabten  Fäden  (sog.  Hyphen)  besteht,  die  (mit  Ausnahme  der  Phyco- 
m  y  c  e  t  e  n)  durch  Querwände  gegliedert  sind.  Seinen  Ursprung  nimmt  das  Mycel  aus 
der  Spore,  wie  die  Fortpflanzungszellen  der  Pilze  ganz  allgemein  genannt  werden. 
Bei  vielen  Pilzen  bleibt  der  vegetative  Teil  nicht  auf  der  Stufe  eines  typischen  Mycels 
stehen ,  sondern  er  bildet  kompliziertere  Verbände  wie  Mycelhäute,  Mycel- 
stränge,  schliesslich  Pilzkörper,  deren  Gewebe  im  Gegensatz  zu  demjenigen  der 
höheren  Pflanzen  durch  Verflechtung,  immer  dichtere  Verzweigung  und  nachträg- 
liche Verwachsung  der  ursprünglich  getrennten  Pilzhyphen  gebildet  wird.  Wasser- 
arme Pilzkörper,  deren  nährstoffreiche  Hyphen  besonders  innig  verwachsen  sind  und 
stark  verdickte  Zellwände  besitzen,  heissen  S k  1  e r o t i e n.  Sie  stellen  vegetative 
Dauerzustände  dar.  Das  meist  sehr  wasseiTeiche  Plasma  der  Pilze  enthält  keine 
Chromatophoren,  keine  Stärke,  dagegen  häufig  Fett.  Die  Z  e  1 1  h  a  u  t  besteht  nur  bei 
den  Saprolegniaceen  und  Peronosporaceen  aus  Cellulose,  bei  den  andern  Pilzen  nicht 
aus  „Pilzcellulose",  wie  man  früher  annahm,  sondern  nach  den  Untersuchungen  von 
W  i  n  t  e  r  s  t  e  i  n  *^)  besteht  die  stickstoffhaltige  Zell  wand  zum  grösseren  oder 
geringeren  Teile  aus  Chitin,  also  derjenigen  Substanz,  aus  welcher  die  Köi'perdecke 
der  Insekten  etc.  aufgebaut  ist;  daneben  finden  sich  noch  beträchtliche  Mengen  stick- 
stoffärmerer oder  stickstofffreier  Substanzen,  zwar  keine  ächte  Cellulose,  wohl  aber 
andere  zellwandbildende  Kohlehydrate,  wie  Hemicellulosen  und  andere  leicht  liydroly- 
sierbare  Stoffe,  die  zum  grossen  Teil  noch  näherer  Untersuchung  bedürfen. 

§103.  Kein  Pilz  assimiliert  nach  Art  der  grünen  P  flanzen, 
alle  sind  Schmarotzer  oder  Fäulnisbewohner,  welche  wenigstens  hinsichtlich  ihres  Kohlen- 
stoffbedarfs auf  organische  Verbindungen  angewiesen  sind.  Nach  ihrer  Ernäh- 
rungsweise unterscheidet  man  obligate  Saprophyten  (Fäulnisbewohner),  die  sich 
nur  von  abgestorbenen  organischen  Resten  nähren ,  obligate  Parasiten,  die 
wenigstens  unter  den  von  Natur  gebotenen  Verhältnissen  nur  auf  oder  in  lebenden 
Tieren  oder  Pflanzen  leben  können,  (z.  B.  die  Rostpilze);  fakultative  Sapro- 
phyten heissen  solche  Parasiten,  die  gelegentlich  saprophytisch ,  fakultative 
Parasiten  solche  Saprophyten,  die  gelegentlich  parasitisch  leben.  Die  Pilzasche 
besteht  der  Hauptmenge  nach  aus  Kali  (gewöhnlich  die  Hälfte,  selten  weniger  als  ein 
Viertel)  und  Phosphorsäure,  die  nächst  dem  Kali  den  Hauptbestandteil  bildet.  Sonst 
bedürfen  die  Pilze  der  gleichen  Aschenbestandteile  wie  die  grüne  Pflanze,  mit  Aus- 
nahme des  Calciums,  was  hier  bedeutungslos  ist,  da  alle  baumbewohnenden  Pilze  reich- 

46)  Näheres  hierüber  bei  Lafar,  Technische  Mykologie  p.  394   ff. 


Allgemeiner  Teil.     §  104.  383 

lieh  Calcinm  yoründen.  Das  Mycel  der  Schmarotzerpilze  lebt  entweder 
epiphytisch,  d.  h.  auf  der  Oberfläche  der  befallenen  Pflanzenteile  und  bezieht  dann 
seine  Nahrung  durch  besondere  Seitenzweiglein,  welche  sich  in  die  Epidermiswaudung 
(z.  B.  Trichosphäria)  oder  ins  Innere  der  Epidermiszellen  (z.  B.  die  Erysipheen  oder 
Meltaupilze)  einbohren,  oder  das  Mycellebt  im  Innern  der  Wirtspflanzen, 
endophy  tisch,  und  zwar  intercellular,  wenn  es,  wie  bei  den  Uredineen,  nur  in 
den  Intercellularräumen  wuchert,  die  angrenzenden  Zellen  durch  besondere  Haustorien 
oder  auf  rein  osmotischem  Wege  aussaugend,  oder  intracellular,  wenn  es  ins 
Innere  der  lebenden  Zellen  eindringt.  Von  den  Spitzen  der  fortwachsenden  Pilzliyphen 
wird  eine  ganze  Reihe  von  ungefonnten  Fermenten ,  sog.  Enzyme,  ausgeschieden, 
die  ihnen  die  Durchbohrung  der  Zellwände  und  die  Aneignung  der  Nahrung  ermög- 
lichen. So  wird  von  den  Baumpilzen  eine,  den  verschiedenen  Cellulosen  und  son- 
stigen Membranstotfen  entsprechende  Reihe  von  C  e  1 1  u  1  o  s  e  oder  P  e  c  t  i  n  (in  den 
Mittel lamellen  der  Zellen)  spaltenden  Enzymen  gebildet,  so  wird  die  verholzte  Mem- 
bran häutig  zersetzt  und  daraus  die  Cellulose  frei  gemacht ;  aus  den  in  Holz  und  Rinde 
der  Bäume  oft  in  beträchtlichen  Mengen  vorkommenden  Glykosiden  (Salicin,  Po- 
pnlin,  Amygdalin,  Coniferin  etc.)  vermögen  sie  durch  entsprechende  Enzyme  abspalt- 
bare Kohlehydrate  zu  ihrerer  Ernährung  heranzuziehen,  ebenso  zersetzen  sie  vor  allem 
Eiweissstofl'e  durch  eiweisslösende.  Stärke  durch  diastatische  und  Fette  durch 
fettspaltende  Enzyme.  Die  Durchbohrung  der  Zellwand  einer  Wirtszelle  kann  in 
manchen  Fällen  auch  durch  rein  mechanischen  Druck  der  vorwärts  drängenden  Hyphen- 
spitze  erfolgen,  namentlich,  wenn  sich  dieselbe  durch  besondere  Haftorgane,  sog.  Ad- 
pressorien,  eine  Art  Widerlager  geschaffen  hat.  Autöcisch  heissen  die  Pilze, 
welche  ihren  ganzen  Entwicklungsgang  auf  einer  Wirtspflanze  durchlaufen,  heterö- 
c  i  s  c  h  diejenigen,  welche  während  ihi'er  Entwickelung  auf  eine  zweite,  von  der  ersten 
oft  systematisch  weit  entfernt  stehende  Species  übergehen. 

§  104.  Die  fruktifikativen  Organe  der  Pilze  bringen  die  Sporen 
hei-vor,  von  denen  man  Endosporen  (in  Sporangien  erzeugte),  Oo-  und  Zygosporen 
(durch  Vereinigung  zweier  Zellen  erzeugte) ,  Exosporen  oder  Conidien  und 
Chlamydo  Sporen  (auch  Gemmen  oder  Glieder  sporen  genannt)  unterscheidet. 
Der  Name  Schimmelpilz  bezeichnet  keinen  systematischen  Begriff,  sondern  ledig- 
lich eine  Wuchsform:  Pilze,  deren  Mycel  entweder  im  Substrat  oder  auf  dem  Sub- 
strat lebt,  deren  Fruktifikationsorgane  aber  stets  aus  demselben  heraustreten,  von  dem- 
selben fortwachsen  und  so  an  der  Luft  ihre  Sporen  produzieren.  Die  Conidien 
werden  am  Ende  von  einfachen  Fruchtträgern  (besonderen  H^'^phen)  einzeln  oder  reihen- 
weise abgeschnürt;  zunächst  sind  sie  einzellig,  in  manchen  Fällen  werden  sie  durch 
spätere  Zellteilungen  mehrzellig.  Sind  die  pallisadenartig  dicht  gedrängten  Conidien- 
träger  in  eine  vom  benachbarten  Mycel  gebildete  und  anfänglich  geschlossene,  meist 
mehrschichtige  Hülle  eingeschlossen,  so  heisst  ein  solches  Gebilde  Pycnide  (auch 
wohl  Conidienfrucht).  Bildet  das  Mycel  keine  Conidienträger,  sondern  zerfällt  es  ganz 
oder  zum  Teil  in  kurze,  conidienähnliche  Teilstücke,  so  erhalten  wir  Gliedersporen  oder 
0  i  d  i  e  n ;  verdickt  sich  die  Membran  solcher  Gliedersporen  unter  gleichzeitiger  An- 
häufung von  Reservestoffen,  so  nehmen  sie  den  Charakter  von  Dauersporen  an  und 
werden  dann  gew('>hnlich  Chlamydosporen  oder  Gemmen  genannt.  Besitzt  ein 
Pilz  mehr  als  eine  Fruktitikationsform ,  so  heisst  er  pleomorph.  Die  Lebens- 
zähigkeit der  Sporen  ist  meist  grösser  als  diejenige  des  Mycels,  namentlich  der 
Austrocknung  gegenüber.  Im  trockenen  Zustand  ist  auch  die  Widerstandsfähigkeit 
vieler  Sporen  gegen  hohe  Wärmegrade  eine  sehr  bedeutende.  Gegen  Kälte  sind  die 
meisten  Sporen  fast  unbegrenzt  widerstandsfähig,  während  das  Mycel,   namentlich  das 


384  III.  Klein,  Forstbotanik. 

saftreiche,  oft  schon  bei  geringen  Kältegraden  erfriert,  lieber  das  Verhalten  der  parasiti- 
schen Mycelien  ist  in  dieser  Hinsicht  wenig  bekannt ;  wahrscheinlich  sind  sie  an  das  Klima, 
in  welchem  ihre  Wirtspflanzen  leben,   angepasst  und  viele  überwintern  so  anst-andslos. 

§  105.  Die  für  die  Praxis  ungemein  wichtige  Frage,  ob  ein  baumbewohnender 
Pilz  auch  ein  Parasit  ist,  liegt  sehr  einfach  für  alle  die  Pilze,  welche  zu  Familien  oder 
Gattungen  gehören,  die  nur  parasitisch  lebende  Vertreter  aufweisen,  wie  z.  B.  die  Ure- 
dineen,  Erysipheen,  Peronosporaceen  und  Exoasceen ;  ebenso  liegt  selbstverständlich  ein 
Parasit  vor ,  wenn  ein  Pilz  auf  lebenden  Teilen  eines  Baumes  gefunden  wird. 
Sind  dagegen  die  Pflanzenteile,  auf  welchen  der  Pilz  zu  Tage  tritt,  abgestorben,  wie 
bei  den  meisten  Asco-  und  Hyphorayceten,  dann  kann  der  Beweis  für  die  parasitische 
Natur  eines  Pilzes  gewöhnlich  nur  durch  künstliche  Infektion  (Sporen-  oder 
Mycelinfektion)  geliefert  werden,  ebenso  wie  dann,  wenn  Insekten  und  Pilze  auf 
einem  abgestorbenen  Pflanzenteile  auftreten.  Der  Fehlschluss  post  hoc,  ergo  propter 
hoc  kann  in  allen  zweifelhaften  Fällen  nur  durch  richtig  eingeleitete  und  durchgeführte 
Infektionsversuche  vermieden  werden.  Bei  den  heteröcischen  üredineen  ist 
künstliche  Infektion  unentbehrlich,  um  die  zweite  Wirtspflanze  festzustellen.  Die  künst- 
liche Infektion  lehrt  uns  des  weitern,  welche  Pflanzen  überhaupt  von  einem  bestimmten 
Pilze  befallen  werden,  sie  lehrt  uns,  in  welchem  Alterszustand,  an  welchen  Teilen  der 
Wirtspflanze  und  unter  welchen  äusseren  Bedingungen  die  Infektion  stattfindet,  ob  der 
Sporenkeimschlauch  direkt  eindringen  kann,  ob  dies  durch  eine  Spalti)ff^nung  oder  direkt 
durch  die  Membran  stattfindet  oder  ob  das  Mycel  durch  vorausgehende  saprophytische 
Ernährung  erst  hinreichend  erstarken  muss,  wie  solches  z.  B.  auch  bei  den  Wund- 
parasiten der  Fall  ist,  bei  denen  die  Keimschläuche  der  Sporen  nicht  durch  die 
intakte  Oberfläche  der  Holzgewächse,  sondern  nur  von  Wundstellen  aus  eindringen, 
entweder  zunächst  in  die  ofi'enen  Hohlräume  der  Gefässe  eintretend  oder  direkt  die 
Zellwände  durchbohrend.  Endlich  können  durch  solche  Versuche  allein  die  umstände 
erkannt  werden,  welche  das  Zustandekommen  einer  Infektion  begünstigen  oder  hemmen 
und  so  die  Mittel  zur  Bekämpfung  oder  Verhütung  der  Krankheit  unter  Umstanden 
leichter  gefunden  werden. 

Von  den  beiden  Infektionsarten  ist  die  Mycelinfektion  der  sicherere  Weg, 
in  der  Natur  aber  die  Sporeninfektion  im  allgemeinen  wohl  die  häufigere  Er- 
scheinung, abgesehen  von  den  Wurzelpilzen,  bei  welchen  die  Mycelinfektion  Regel  ist. 
Als  Verbreitungsmittel  der  Sporen  kommt  in  erster  Linie  der  Wind  in  Betracht,  dann 
Insekten,  gelegentlich  auch  grössere  Tiere. 

§  106.  Wie  das  aggressive  Verhalten  der  parasitischen  Pilze  sehr  ver- 
schieden ist  und  je  nach  Species  bald  nur  eine  einzige  Baumari:,  bald  mehrere,  bald 
eine  grosse  Anzahl  verschiedener  Arten  befallen  wird,  so  kommen  in  allen  möglichen 
Abstufungen  auch  Unterschiede  vor  im  Verhalten  des  nämlichen  Pilzes  gegen  ver- 
schiedene Varietäten  und  Individuen  sowie  gegen  verschiedenen  Gesundheits-  und  Alteiu- 
zustand  der  gleichen  Holzart ;  Erscheinungen,  die  man  als  Prädisposition 
bezeichnet.  Hierher  gehört  auch,  dass  manche  Schmarotzerpilze  die  lebenden  Gewebe 
der  Holzpflanzen  nur  angreifen,  wenn  letztere  sich  im  Zustande  der  Vegetationsmhe, 
andere,  wenn  jene  sich  in  voller  Lebenstätigkeit  befinden,  ferner  dass  manche  Pilze 
nur  in  Keimblätter  einzudringen  vermögen,  die  Pflanze  somit  der  Infektionsgefahr  ent- 
rückt ist,  sobald  die  Keimblätter  abgefallen  sind,  ferner,  dass  viele  Blätter  nur  im 
jugendlichen  Zustand,  d.  h.  so  lange  gefährdet  sind,  als  sie  noch  nicht  durch  eine 
derbe  Cuticula  geschützt  sind,  dass  feuchtwarmes  Wetter,  dumpfe  Lagen  manche  In- 
fektionen ungemein  begünstigen  u.  a.  m.  Demgemäss  unterscheidet  man  individuelle, 
zeitliche,    örtliche    und    (namentlich    nach    vorausgegangenen    Verwundungen) 


Allgemeiner  Teil.     §  107.  385 

krankhafte  Prädisposition. 

§  107.  Die  Reaktion  des  lebenden  Wirtes  ist  durch  die  spezifische 
Natur  des  Wirtes  wie  diejenige  des  Parasitgn  bedingt.  Nur  in  seltenen  Fällen  bleibt 
der  Parasit  auf  den  Ort  des  Angriffs  und  dessen  nächste  Umgebung  beschränkt, 
z.  B.  bei  den  Blatt  flecken-  und  -Löcherpilzen,  die  bei  ihrer  meist  sehr 
geringen  praktischen  Bedeutung  und  grossen  Artenzahl  hier  nicht  weiter  behandelt 
wurden;  meist  verbreitet  er  sich  über  grosse  Strecken,  dabei  einzelne  Organe  oder 
Gewebe  in  erster  Reihe  oder  ausschliesslich  bevorzugend ;  auch  kann  er  weite  Strecken 
durchwachsen,  ohne  dieselben  merkbar  zu  schädigen  und  erst  an  Orten,  die  von  der 
Infektionsstelle  weit  entfernt  sind,  die  Höhe  seiner  Entwickelung  erreichen  und  zur 
Sporenbildung  schreiten.  Dem  auch  in  diesen  Beziehungen  so  verschiedenen  aggressiven 
Verhalten  der  Parasiten  entsprechend,  ist  die  Wirkung  auf  den  lebenden  Wirt  natur- 
gemäss  gleichfalls  eine  höchst  verschiedene:  sie  kann  im  wesentlichen  eine  zer- 
störende oder  eine  umgestaltende  oder  beides  zugleich  bezw.  nacheinander  sein. 

Dass  durch  einen  fremden  Organismus,  der,  wie  ein  parasitischer  Pilz,  aus- 
schliesslich auf  Kosten  seines  Wirtes  lebt,  die  normalen  physiologischen  Funktionen 
des  letzteren  mehr  oder  weniger  tiefgreifend  gestört  werden  müssen,  liegt  auf  der 
Hand;  alle  lebenden  Zellen,  aus  denen  der  Schmarotzer  Nahrung  bezieht,  werden  ge- 
schädigt; sie  können  dabei  am  Leben  bleiben  oder  rasch  oder  langsam  absterben.  Der  * 
Tod  der  Zellen  erfolgt,  weil  der  Pilz  entweder  ihren  lebenden  Inhalt  aufzehrt  oder 
sie  durch  Enzjrme  tötet,  die  von  ihm  abgeschieden  werden.  Auf  letztere  Weise  gehen 
vielfach  sogar  Zellen  in  der  Nachbarschaft  des  Parasiten  zu  Grunde,  die  mit  den 
Hyphen  oder  Haustorien  desselben  gar  nicht  in  direkte  Berührung  gekommen  sind. 
Es  können  ferner  ganze  Gewebepartieen,  bald  rasch,  bald  langsamer,  bald  unter  Ver- 
erbung, bald  ohne  solche,  bald  nach  vorausgegangener  Hypertrophie  (abnorme 
Vergrösserung  oder  Vermehrung  der  Zellen),  bald  ohne  solche  absterben.  Es  können 
endlich  ganze  Organe  oder  Organsysteme  oder  die  ganzen  Individuen  getötet  werden 
und  die  gleiche  Wirkung  wird  natürlich  erzielt,  wenn  ein  Parasit  die  Basis  eines  Or- 
gans oder  die  Wurzel  eines  Baumes  zerstört.  Es  kann  aber  auch  der  befallene  Pflanzen- 
teil am  Leben  bleiben  und  durch  seine  eigene  Hypertrophie  höher  stehende  Teile  zu- 
nächst schädigen  und  später  töten,  wie  beispielsweise  beim  Hexenbesen  der  Tanne  das 
oberhalb  der  Ansatzstelle  desselben  befindliche  Stück  des  Tragastes  verkümmert  und 
zum  Schlüsse  abstirbt,  ähnlich  wie  dies  auch  bei  einem  von  einem  Mistelbusche  be- 
setzten Zweige  der  Fall  ist.  In  vielen  Fällen  bleiben  die  vom  Pilze  befallenen  Ge- 
webe mindestens  bis  zur  Sporenreife  des  Pilzes  am  Leben,  so  z.  B.  bei  den  Rostpilzen, 
oder  das  Mycel  des  Pilzes  perenniert  Jahre  lang  in  perennierenden  Achsen  und  Wurzeln 
(Exoasceen,  Nectria,  Peziza  Willkommii  etc.). 

Die  Lebensdauer  der  Nadeln  und  Blätter,  sowie  anderer  Organe  und  die- 
jenige der  ganzen  Pflanze  kann  verkürzt  werden  (so  bei  Fichtennadeln,  die  von 
Chrysomyxa  Rhododendri  oder  Ch,  abietis,  bei  Kiefernnadeln,  die  von  Lophodermium 
Pinastri  befallen  sind;  nur  einjährig  ist  die  Lebensdauer  der  Hexenbesennadeln  bei 
der  Weisstanne;  nach  wenigen  Jahren  oder  Jahrzehnten  sterben  die  Hexenbesen  der  Laub- 
hölzer und  der  Tanne  ab;  vorzeitige  Entlaubung  kann  bei  sommergrünen  Laub- 
hülzem  eintreten  etc.).  Es  kann  aber  auch  vorzeitige  Be laubung  eintreten,  wenn 
der  Pilz  die  von  ihm  befallenen  KJaospen  zu  vorzeitigem  Austreiben  reizt,  wie  beim 
Kirschen-  und  Tannenhexenbesen. 

Was  die  umgestaltende  Wirkung  der  parasitischen  Pilze  auf  die  G e- 
s t a  1 1  und  den  anatomischen  Bau  der  Wirtspflanzen  anlangt,  so  kommen  hier 
Verkümmerungen  und  Hypertrophieen  von  Zellen  und  Geweben  wie  von  ganzen  Or- 

Handbach  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  25 


386  III.  Klein,  Forstbotanik. 

ganen,  namentlich  abnorm  gesteigertes,  Längen-,  Flächen-  oder  Dicken wachstam  vor. 
So  finden  wir  namentlich  an  Blättern  krankhafte  Kräuselungen  (Taphrina  resp.  Exoas- 
cus),  Wucherungen,  die  mitunter  den  Charakter  von  Neubildungen  tragen,  wie  die  von 
Exobasidium  hervorgerufenen  Alpenrosenäpfel  auf  den  Blättern  der  Alpenrosen,  die 
grossen  blasigen  Ausstülpungen  von  Taphrina  an  den  Schuppen  der  Erlenzäpfchen  nnd 
andere  Pilzgallen  mehr ;  es  können  Blüten  und  Früchte ,  die  von  Taphrina  be- 
fallen sind,  in  weitgehendem  Masse  deformiert  werden,  wie  die  Fruchtknoten  der  Pap- 
peln, der  Zwetschgen  und  die  von  Prunus  Padus.  —  In  anderen  Fällen  veranlasst  der 
Parasit  die  befallenen  Organe  zu  abnorm  starker  Verzweigung  mit  ganz  anderer  Wuclis- 
richtung  der  Zweige  (Hexenbesenbildung)  oder  die  Verzweigung  fällt  spärlicher 
aus  als  an  gesunden  Trieben.  Ferner  kann  die  Blütenbildung  unterdrückt  werden,  wie 
bei  den  Hexenbesen  der  Prunusarten,  oder  die  Samenreife,  wie  bei  den  von  Sclerotinia 
mumifizierten  Früchten  von  Sorbus  oder  bei  den  infolge  der  Infektion  von  Aecidinm 
strobilinum  tauben  Fichtenzapfen.  —  Dass  derartige  pathologischeGewebe  sich 
von  den  normalen  durch  einen  mehr  oder  weniger  abweichenden  anatomischen  Bau  aus- 
zeichnen, sei  hier  nur  kurz  erwähnt,  ebenso,  dass  in  den  erkrankten  Zellen  vor  dem 
Absterben  die  verschiedensten  Veränderungen  des  Zellinhaltes  auftreten  können,  wie 
namentlich  Verminderung  oder  Verschwinden  des  Chlorophylls,  Auftreten  (gelber  oder) 
roter  im  Zellsaft  gelöster  Farbstoffe,  Verschwinden  der  Stärke  oder  abnorme  Anhäufung 
derselben,  Anhäufung  von  oxalsaurem  Kalk  etc.  —  Endlich  liegt  es  auf  der  Hand,  dass 
der  gewaltige  Verbrauch  an  Baustoffen  für  alle  derartigen  Hypertrophien,  die  für  die 
befallene  Pflanze  ganz  zwecklos  sind  und  anderen  wichtigen  Organen  natürlich  vorent- 
halten bezw.  entzogen  werden,  an  und  für  sich  schon  eine  empfindliche  Schädigung  der 
Wirtspflanze  bedeutet. 

§  108.  Die  wirtschaftlich  schlimmstenFeinde  unserer  Waldbäume 
sind  diejenigen  Parasiten,  die  förmliche  Epidemien  hervorrufen,  namentlich  unter  den 
jugendlichen  Holzpflanzen  und  die  ganze  junge  Kulturen  unter  Umständen  vollständig 
vernichten  können;  ihnen  folgen  die  holzzerstörenden  Pilze,  deren  Schädlichkeit  viel- 
fach dadurch  ungemein  vergrössert  wird ,  dass  viele  von  ihnen  rein  saprophytisch  zu 
leben  vermögen  und  an  dem  geschlagenen  Holz  bei  zu  langem  Liegen  und  bei  unge- 
eigneter Aufbewahrung,  im  Walde  wie  auf  dem  Holzlagerplatz,  noch  die  grössten  Zer- 
störungen anrichten  können.  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der  Gefahr, 
die  den  einzelnen  Bäumen  und  Waldungen  von  den  einzelnen  Parasiten  droht,  lässt 
sich  sehr  wenig  bestimmtes  und  allgemeines  sagen,  weil  diese  Gefahr  nicht  nur  bei 
verschiedenen  Pilz-  und  Holzarten,  sondern  auch  bei  dem  nämlichen  Pilz  und  bei  der 
nämlichen  Holzart  je  nach  Standorts-,  Ernährungs-  und  Entwickelungsverhältnissen 
ausserordentlich  wechselt,  weil  ein  infolge  waldbaulicher  Fehler  schlechter  Stand  des 
Waldes  oder  aus  irgend  einem  anderen  Grunde  kümmernde  Pflanzen  vielfach  erst  die 
nötigen  Voraussetzungen  für  einen  erfolgreichen  Parasitenangriff  in  grösserem  Umfange 
Schäften  und  weil  wir  über  die  Bedingungen,  unter  denen  im  Freien  wirksame  In- 
fektionen zustande  zu  kommen  pflegen,  in  den  meisten  Fällen  —  von  den  Rostpilzen 
abgesehen  —  ausserordentlich  wenig  wissen.  Endlich  werden  manche  Pilzinfektionen 
erst  dann  wirklich  schädlich,  wenn  sie  in  Verbindung  mit  vorangegangenen,  gleich- 
zeitigen oder  folgenden  Insektenbeschädigungen  auftreten. 

II.  Die  einzelnen  Pilzarten. 
1.  Niedere  Pilze  (Phyeomyeetes). 

§  109.    Das  Mycel  der  Phycomyceten  oder  Algenpilze  ist,   ähnlich  dem  Vege- 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  111.  387 

tationskörper  der  Siphoneen  unter  den  Algen,  vor  der  Bildung  der  Fortpflanzungsorgane 
normalerweise  nicht  durch  Querwände  gegliedert.  Die  Fortpflanzung  ist  entweder 
eine  geschlechtliche  durch  Zygo-  oder  Oosporen,  oder  eine  ungeschlechtliche  dui'ch  Co- 
nidien  oder  in  Sporangien  erzeugte  Endosporen,  die  nicht  selten  beweglich  sind  (in 
Wassertropfen)  und  dann  Schwärmsporen  genannt  werden.  Nur  aus  der  durch  Oospo- 
renbildung  ausgezeichneten,  endophytisch  lebenden  Familie  der  Peronosporaceae 
ist  e i n  Forstschädling  bekannt ,  die  Phytophthora  omnivora  de  Bary  (Syn. 
Ph.  Fagi  Hai-tig),  die  in  Saatbeeten  von  Laub-  und  Nadelhölzern  und  namentlich  in 
natürlichen  Buchen  Verjüngungen  als  Keimlingskrankheit  epidemisch 
auftritt  (cf.  Bd.  II  p.  86).  Das  später  quer  gefächerte  Mycel  wächst  vorzugsweise 
intercellular  mit  kleinen,  knopfförmigen  Haustorien;  die  Conidienträger  durchbrechen, 
oft  in  grosser  Zahl,  die  Epidermis  oder  sie  treten  aus  Spaltöifnungen  hervor  und  bilden 
an  der  Luft  eine  grosse,  endständige,  citronenförmige  Conidie.  Unterhalb  derselben 
treibt  der  Conidienträger  gewöhnlich  einen  kurzen  Seitenzweig,  der  an  seinem  Ende 
gleichfalls  eine  Conidie  bildet  und  die  erste  zur  Seite  schiebt.  Die  Conidien  fallen  ab 
und  keimen  bei  feuchtem  Wetter,  indem  sie  zum  Zoosporangium  werden  und  eine  An- 
zahl 2wimperiger  Schwärmsporen  entlassen,  welche  nach  kurzer  Schwärmzeit  zur  Ruhe 
kommen  und  einen  Keimschlauch  treiben.  Derselbe  dringt,  wenn  die  Keimung  auf  einem 
Buchen keirablatt  stattgefunden  hat ,  in  die  noch  nicht  durch  eine  Cut i- 
c  u  1  a  geschützte  Epidermis  desselben  ein  und  entwickelt  sich  rasch  zum  Mycel,  das  bald 
neue  Conidienträger  bildet.  Die  Conidien  können  auch  direkt  mit  Keimschlauch  aus- 
keimen. Später  entstehen  im  Innern  des  Blattes  zahlreiche  Oosporen,  welche  die 
Danersporen  des  Pilzes  darstellen,  mit  dem  verfaulenden  Laub  in  den  Boden  gelangen 
und  frühestens  im  nächsten  Frühjahr  keimen,  aber  auch  mehrere  Jahre  im  Boden  liegen 
können,  ohne  ihre  Keimfähigkeit  zu  verlieren.  —  Die  hellgrünen  Keimpflanzen  der 
Buche  werden  dunkelgrün,  am  Stengel  treten  missfarbene  Flecke  auf,  die 
AVurzeln  werden  schwarz,  die  Keimblätter  und  die  j  üngsten  Laub- 
blätter werden  braunfleckig  und  verfaulen  rasch  bei  Regenwetter.  Er- 
krankte Nadelholzkeimlinge  fallen  um. 

2.  Sehlauehpilze  (Ascomycetes). 

§  110.  Das  Mycel  ist  von  Anfang  an  durch  Querwände  gegliedert  und  bildet 
bei  den  niederen  Formen  direkt,  bei  den  höheren  in  sog.  Fruchtkörpern  Sporangien 
von  keulen-  oder  schlauchförmiger  Gestalt,  Asci  genannt,  in  welchen  nach  wieder- 
holter Kernteilung  Endosporen  (A  s  c  o  s  p  o  r  e  n)  in  je  nach  der  Art  wechselnder,  aber 
(von  den  hier  nicht  in  Frage  kommenden  Hemiasci  abgesehen)  stets  bestimmter 
Anzahl  gebildet  werden.  Zur  Sporenbildung  wird  in  der  Regel  nicht  das  gesamte 
Plasma  des  Ascus  verbraucht.  Die  Sporen  sind  anfänglich  stets  einzellig,  können  aber 
bei  manchen  Arten  durch  Querwandbildung  später  mehrzellig  werden.  Sie  werden  ge- 
wöhnlich aus  dem  am  Scheitel  aufreissenden  Ascus  ausgespritzt.  In  den  Fruchtkörpern, 
die,  von  wenigen  Fällen  abgesehen,  ungeschlechtlich  entstehen,  bilden  die  Asci  und 
die  häufig  zwischen  denselben  stehenden  sterilen  Hyphenenden,  dieParaphysen,  eine 
zusammenhängende  Schicht,  das  Hymenium,  das  von  einer  mehr  oder  minder  starken 
Hülle  dicht  verflochtener  Pilzfäden,  der  Peridie,  ganz  oder  teilweise  eingeschlossen 
wird.  Ausserdem  kommen  als  Fortpflanzungsorgane  noch  die  verschiedenartigsten  Co- 
nidien sowie  Chlamydosporen  vor. 

§  111.     Die  Gattung  Taphrina  (incl.   Exoascus)   aus   der  Familie 

25* 


388  III.  Klein,  Forstbotanik. 

der  aasschliesBlich  parasitisch  lebenden  Exoascaceae^^),  besitzt  keine  Frncbt- 
k  ö  r  p  e  r ,  sondern  die  normalerweise  8sporigen  Asci  brechen  in  grosser  Zahl  und  dicht 
gedrängt  aus  der  Oberfläche  des  vom  vegetativen  Mjxel  bewohnten  Pflanzenteils  her- 
vor. Das  Mycel  lebt  teils  1  jährig  direkt  unter  der  Cuticula  der  be- 
fallenen Blätter,  teils  (Exoascus  z.  T.)  perennierend  in  Knospen  oder 
älteren  Achsenteilen  und  entwickelt  dann  in  der  Vegetationsperiode  in  I^aub- 
oder  Fruchtblättern  subcuticular  ein  einschichtiges  Hyphengeflecht ,  aus  dessen  Zellen 
je  ein  Ascus  hervorgeht.     Die  xAscosporen  sprossen  nicht  selten  im  Ascus  hefeartig  auf>. 

a)  Förmliche  Hexenbesen  werden  von  folgenden  Arten  gebildet ,  deren 
Asci  sich  auf  Blättern  entwickeln : 

1.  Taphrina  Cerasi  Sadeb.  auf  Prunus  cerasus,  avium  und  Chamaecerasus. 
Hexenb.  z.  Teil  sehr  gross,  nie  blühend.  Blätter  gekräuselt,  durch  Ascenüberzüge  un- 
terseits  grau  bereift. 

2.  T.  I  n  s  i  t  i  a  e  J  o  h  a  n  s.  auf  Prunus  Insitia  und  domestica.  Hexenb.  kleiner. 
Blätter  unterseits  mit  grauweiss  bereiften  Flecken. 

3.  T.  C  a  r  p  i  n  i  R  o  s  t  r.  auf  Carpinus  Betulus.  Hexenb.  z.  Teil  sehr  gross, 
dichtbuschig  und  dichtbelaubt,  mit  gekräuselten,  unterseits  grau  bereiften  Blättern. 

4.  T.  turgida  Sadeb.  auf  Betula  verrucosa.  Hexenb.  gross,  sehr  dicht  ver- 
zweigt, mit  hängenden  Zweigen  und  etwas  gekräuselten,  unterseit-s  grau  bereiften 
Blättern. 

5.  T.  betulina  Rostr.  auf  Betula  pubescens.  Hexenb.  mit  grau  bereift-en 
Ueberzügen  auf  der  Blattunterseite. 

6.  T.  epiphylla  Sadeb.  auf  Alnus  incana.  Hexenb.  sehr  zahlreich  auf 
demselben  Baum ,  stark  verdickt ,  sehr  schwach  verzweigt,  mit  grauw^eissem 
Ascenüberzug  auf  beiden  Blattseiten. 

b)  Blosse  Sprossdeformationen  (Asci  ebenfalls  auf  den  Blättern) 
bilden : 

7.  T.  Tosquinetii  Magn.  auf  Alnus  glutinosa  sehr  häuftg;  Triebe  gestreckt 
und  verdickt,  Blätter  durch  sehr  grosse  Blasen  abnorm  vergrössert,  mit  grauweissen 
Ueberzügen.  —  8.  T.  J  a  n  u  s  Thomas  auf  Betula  verrucosa ;  blassrote  Blattbeulen,  die 
beiderseits  Asci  tragen.  —  9.  T.  Ulmi  Johans.  auf  ITlmus  campestris  und  montana; 
Blattflecke  und  blasige  Auftreibungen.  —  10.  T.  Celtis  Sad.  auf  Celtis  australis; 
Blattflecke  oder  schwache  Auftreibungen.  —  11.  T.  Crataegi  Sadeb.  auf  Crataegus 
oxyacantha  und  monogyna;  Verkrümmungen  und  rote  Flecken  an  den  Blättern. 

c)  Nur  blasige  Auswüchse,  Blatt  flecken  oder  glatte  Ascenüber- 
züge (ohne  Sprossdeformationen)  erzeugen: 

12.  T.  aurea  Fries  an  Populus  nigra,  pyramidalis  und  monilifera;  grosse 
blasige  Auftreibungen  der  Blätter  mit  goldgelben  Ascusüberzügen  der  konkaven 
Unterseite.  —  13.  T.  Sadebeckii  Johans.  auf  Alnus  glutinosa ;  runde  gelbliche  oder 
grauweisse  Blattflecke.  —  14.  T.  c  a  r  n  e  a  Johans.  auf  Betula  pubescens ;  fleischrote 
blasige  Auftreibungen.  —  15.  T.  coerulescens  Tul.  auf  Q.  sessiliflora,  pubescens, 
Cerris,  rubra  etc.;  unregelmässige,  graue  oder  bläuliche  Blattflecke.  —  16.  T.  poly- 
s p 0 r a  Johans.  an  Acer  tartaricum  und  17.  T.  acericola  Mass.  an  Acer  campestris 
und  Pseudoplatanus ;  Blattflecke.  —  18.  T.  b  u  1 1  a  t  a  Tul.  auf  Pirus  communis ;  blasige 
Auftreibungen  der  Blätter.  —  19.  T.  Ostryae  Massal  auf  Ostrya  carpinifolia;  Blätt- 
flecke. —  20.  T.  B  e  t  u  1  a  e  Johans.  auf  Betula  verrucosa  und  pubescens ;   weisse  bis 


47)  Die  reiche  Exoasceenliteratur   ist   sehr  vollständig  zusammengestellt  bei  K.  Gie- 
senhagen:  Exoascus,  Taphrina  und  Magnusiella  (Bot.  Ztg.  1901,    I.  Abt.  p.  115 — 142.) 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  113.  389 

gelbliche  Blattflecke. 

d)  Den  Fruchtknoten  oder  Teile  der  Frucht  deformieren: 
21.  T.  Pruni  Tul.  auf  Prunus  domestica  und  P.  Padus.  —  22.  T.  Rostru- 
piana  (Sadeb.)  auf  P.  spinosa,  die  sog.  Narren  oder  Taschen  erzeugend.  —  23.  T. 
Farlowii  Sadeb.  auf  P.  serotina ;  Deformation  der  Blätter,  Sprossspitzen  und  Blüten- 
hüllen, Taschenbildung  der  Früchte.  —  24.  T.  Alni  incanae  Magn.  auf  Alnus  in- 
cana,  gemein  in  den  Voralpen  und  Alpen,  an  A.  glutinosa  selten;  die  Deckschuppen 
der  Erlenzäpfchen  wachsen  zahlreich  zu  langen,  gekrümmten,  roten  Blasen  aus.  — 
25.  T.  Johansonii  Sadeb.  an  Populus  tremula  und  tremuloides ;  blasige  Auftreibung 
und  Gelbfärbung  des  Fruchtknotens.  —  26.  T.  rhizophora  Johans.  desgl.  bei  Po- 
pulus alba. 

Sämtliche  nun  folgende  Abteilungen  der  Ascomyceten  besitzen  sog. 
jjFruchtkörper"  (Carpoasci). 

§  112.  Die  Vertreter  der  Familie  der  Meltaupilze  (Erysiphaceae) 
leben  ausschliesslich  epiphytisch  auf  Blättern  und  jungen  Zweigen  und  senden 
Haustorien  in  die  Epidermiszellen.  Zahlreiche,  aufgerichtete  Fäden  des  Mycelüberzugs 
zerfallen  in  eiförmige  Gliedersporen  (0  i  d  i  e  n) ,  so  dass  die  erkrankten  Pflanzenteile 
wie  mit  Mehl  bestäubt  aussehen.  Die  allseitig  geschlossene  Hülle  der 
punktförmig  kleinen,  auf  dem  Mycel  zerstreuten  Fruchtkörper  wächst  oft  zu  charak- 
teristischen fadenfönnigen  Anhängseln  aus.  Die  Ascosporen  werden  durch  Ver- 
witterung der  Hülle  frei. 

Podosphaera  enthält  in  den  kugeligen  Fruchtkörpern  nur  einen  einzi- 
gen, kugeligen  Ascus  mit  8  Sporen.  Die  fadenförmigen  Anhängsel  sind 
am  Ende  mehrfach  gabelig  verzweigt.  —  P.  oxyacanthae  D.  C, 
hauptsächlich  mit  Oidiumfruktiflkation  auf  Blättern  von  Sorbus,  Mespilus,  Crataegus 
und  besonders  schädlich  an  Apfelbäumen. 

üncinula  besitzt  kugelige  Fruchtkörper  mit  mehreren,  2 — 8sporigen 
Schläuchen  und  fadenförmige ,  einfache  oder  gabelig  verzweigte  Anhängsel  mit 
eingerollten  Spitzen.  —  1.  ü.  Aceris  D.  C.  (mit  o  v a  1  e n  Oidien)  bildet  weisse 
Flecke  auf  Ahornblättem.  In  Entwickelung  begriffene  von  ihr  befallene  Blätter  ver- 
kümmern. —  2.  U.  T  u  1  a  s  n  e  i  Fuck.  (mit  kugeligen  Oidien)  bildet  gleichmässigere 
Ueberzüge  auf  den  Blättern  von  Salix,  Betula  und  Populus.  —  3.  U.  Salicis  D.  C. 
bildet  teils  weisse  Flecke,  teils  derbere  Ueberzüge  auf  den  Blättern  von  Salix,  Betula 
und  Populus.  —  4.  ü.  clandestina  Biv.  (U.  Bivonae  L6v.)  auf  Blättern  von  Ulmus 
montana.  —  5.  U.  P  r  u  n  a  s  t  r  i  D.  C.  auf  Blättern  von  Prunus  spinosa. 

Phyllactinia  besitzt  abgeplattete  Fruchtkörper  mit  mehreren  2( — 3)- 
sporigen  Schläuchen  und  langen,  abstehenden,  haarförmigen,  an  der  Basis 
kugelig  angeschwollenen  Anhängseln.  —  Ph.  suffulta  Beben t.  (Ph. 
guttata  Wallr.)  bildet  weisse  Flecken  und  Ueberzüge  auf  den  Blättern  von  Fagus, 
Quercus,  Betula,  Alnus,  Carpinus,  Corylus,  Fraxinus  und  vielen  anderen  Laubhölzern. 
In  Rotbuchenbeständen  veranlasst  sie  nach  Hartig  zuweilen  frühzeitiges  Vertrocknen 
der  Blätter. 

§  113.  Die  schwarzen,  als  „Russtau"  bekannten  Ueberzüge  auf  den  Blät- 
tern der  verschiedensten  Bäume  und  Sträucher  werden  durch  das  kurzgliederige,  dick- 
wandige Luftmycel  der  der  Gattung  Apiosporium  (Synon.  die  bekannteren  Namen 
Capnodium,  Fumago)  gehörigen  Perisporiacee  A.  salicinum  (Pers.) 
Kze  u.  a.  Arten,  namentlich  auf  Pappeln  und  Weiden  gebildet.  —  2.  A.  pinophilum 
Fuck.   bedeckt   oft  ganze  Zweige   der  Weisstanne   samt  den  Nadeln  mit  schwarzem 


390  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Ueberzuge.  —  Der  Russtau  stellt  sich  gewöhnlich  nach  starker  Vermehrung  der  Blatt- 
läuse ein ,  von  deren  süssen  Ausscheidungen ,  dem  Honigtau,  der  Pilz  sich  rein 
saprophytisch  nährt ;  unterhalb  der  schwarzen  Decke  bleiben  die  Blätter  durchaus  grün. 
Bei  sehr  starkem  Auftreten  kann  er  Blätter  allmählich  zum  Absterben  bringen. 

§  114.  Bei  den  Kernpilzen  (Pyrenomycetes)  kleidet  das  Hymenium 
die  Innenfläche  f  1  aschenf  örmi  ger  oder  rundlicher,  am  Scheitel  mit  einer 
engen  Oefinung  versehener  Behälter,  der  Perithecien,  aus,  von  deren  Basis 
die  Asci  entspringen.  Die  Ascusfrüchte  können  aus  einem  einzigen  Perithecium  be- 
stehen, gewöhnlich  aber  sind  viele  in  einen  charakteristisch  gestalteten  Fruchtkörper 
oder  in  ein  flaches  oder  polsterförmiges  Lager  (Stroma)  eingesenkt. 

Die  Gattung  Nectria,  aus  der  Familie  der  Hypocreaceae  (mit  weichen, 
gefärbten,  in  ein  Stroma  vereinigten  Perithecien)  besitzt  gelb-  bis  rotge- 
färbte Perithecien,  die  sich  auf  einem  ebenso  gefärbten  Stroma,  gewöhnlich  in 
dichten  Rasen,  entwickeln.     Die  Asci  enthalten  8  zweizeilige  Sporen. 

1.  N.  cinnabarina  Fr.  ist  der  gemeinste  Saprophyt  an  abge- 
storbenem Laubholz,  aus  dessen  Rinde  zahllose ,  kleine,  ziegelrote  Conidien- 
polster  hervorbrechen,  auf  denen  im  Herbst  und  Winter  die  dunkelroten  Perithecien 
erscheinen.  Das  Mycel  kann  aber,  besonders  bei  Aesculus  und  Ulmus,  auch  parasi- 
tisch von  Wundstellen  aus  in  lebende  Aeste  eindringen  und  sich  im  Holz- 
körper, besonders  in  den  Gefässen  rasch  verbreiten,  so  die  Wasserleitungsbahnen 
verstopfen  und  die  Aeste  zum  Absterben  bringen.  Die  Stärke  der  Holzzellen  wird  auf- 
gezehrt und  im  Innern  der  Zellen  bleibt  eine  grünliche  Substanz  zurück,  wodurch  der 
Holzkörper  schwärzlich  gefärbt  erscheint. 

2.  N.  ditissima  Tul.  ist  der  Erzeuger  des  Laubholzkrebses, 
der  sich  am  häutigsten  an  der  Rotbuche  findet.  Sie  tritt  nur  als  Parasit,  in  der 
Regel  als  Wundparasit  auf,  nach  Hartig  vorzugweise  von  Hagelwunden  aus  ein- 
dringend. Das  Mycel  lebt  hauptsächlich  in  der  Rinde  und  tötet  dieselbe,  lang- 
sam weiter  wachsend.  Die  Krebsstellen  entstehen ,  weil  der  Baum  die  allmählich 
grösser  werdenden  abgestorbenen  Partieen  alljährlich  zu  überwallen  versucht.  Die 
Conidienpolster  sind  weiss,  die  Perithecien  rot.  Bei  Rotbuchen  scheint  das  Mycel  auch 
im  Holze  und  zwar  sehr  schnell  vorwärts  wandern  zu  können,  weil  bei  manchen 
Bäumen  oft  alle  Aeste  und  Zweige  bis  zur  Spitze  zahlreiche  Krebsgeschwülste  tragen, 
ohne  in  ihrer  Länge  verkürzt  zu  sein. 

3.  N.  Cucurbitula  Fr.  ist  ein  Wundparasit  der  Fichte,  seltener 
der  Tanne,  Kiefer  und  Lärche  etc.  Das  Mycel  verbreitet  sich  rasch  in  der  Rinde, 
besonders  in  den  Siebröhren  und  meist  zur  Zeit  der  Vegetationsruhe  und  töt^t  die 
Rinde  und  an  schwächeren  Zweigen  und  Stämmen  auch  das  Holz.  In  jungen  Fichten- 
kulturen sterben  so  häufig  die  Gipfel  ab.  Die  Fruchtkörper  entwickeln  sich  nur,  wenn 
die  abgestorbene  Rinde  stets  feucht  erhalten  wird.  Zuerst  brechen  stecknadel- 
kopfgrosse weisse  und  gelbe  Conidienpolster  hervor,  auf  denen  später  rote  Peri- 
thecien gebildet  werden. 

§  115.  Aus  der  grossen  Pyrenomyceten-F a m i  1  i e  der  Sphaeriaceae  (mit 
dunkeln,  festwandigen  oder  kohlig-brüchigen  Perithecien,  die  dem  Substrate  völlig 
frei  aufsitzen  oder  von  einer  fädigen  Unterlage  umgeben,  aber  nie  in  ein  eigentliches 
Stroma  eingesenkt  sind),  kennen  wir  eine  Anzahl  von  Baumschädlingen. 

Trichosphaeria  parasitica  R.  Hartig  befällt  überall  die  Weisstanne 
(selten  Fichte  und  Tsuga)  an  luft feuchten  Orten,  wo  man  in  natürlichen  Ver- 
jüngungen oder  bei  dichtem  Pflanzenstand  überall  Zweige  sieht,  deren  zum  Teil  gebräunte 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  115.  391 

Nadeln  herabhängen  und  nur  durch  ein  feines  Mycel  festgehalten  werden.  Das  farblose 
Mycel  perenniert  auf  der  Zweigunterseite  und  wächst  von  da  auf  die  Unter- 
seite der  Nadeln,  dieselben  gleichsam  festspinnend.  Von  den  meist  erst  im 
folgenden  Jahre  getöteten  alten  Nadeln  wächst  das  Mycel  auf  die  jungen  Maitriebe, 
tötet  die  noch  nicht  ausgewachsenen  Nadeln  der  Zweigbasis  sofort,  während  die  mitt- 
leren und  oberen  auswachsen  und  erst  später  von  dem  langsam  vordringenden  Mycel 
ergriffen  werden.  Im  Frühjahr  sind  mitunter  junge  Triebe  dicht  übersponnen  und  alle 
Nadeln  getötet,  so  dass  der  Zweig  abstirbt.  Auf  den  anfänglich  weissen,  später  bräun- 
lichen Mycelpolstern  der  Blattunterseite  entspringen  mit  blossem  Auge  kaum 
wahrnehmbare,  seh  warzePerithecien  mit  borstenförmigabstehen- 
dem  Haarbüschel  auf  der  oberen  Hälfte.  Die  Asci  enthalten  8  sofort  keim- 
fähige, 4zellige,  hellgraue  Sporen. 

Herpotrichia  nigra  R.  Hartig  ist  biologisch  dadurch  interessant,  dass  der 
Pilz  in  mit  Feuchtigkeit  gesättigter  Luft  bei  niederer  Temperatur  noch  unter 
dem  Schnee  oder  bei  Abgang  des  Schnees  wächst.  Das  russgraue  Mycel 
überzieht  vom  Schnee  niedergedrückte  Zweige  und  junge  Pflanzen  von  Latschen  und 
Fichten  (und  Wachholder)  in  höheren  Gebirgslagen  ,  Zweige  und  Nadeln  b  i  e  r  f  i  1  z- 
artig  zusammenspinnend  und  tötend.  Im  Knieholz  entstehen  so  grosse  Fehl- 
stellen, die  aussehen,  als  ob  alles  durch  Feuer  verkohlt  sei  und  ebenso  wird  in  höheren 
Grebirgslagen  oft  grosser  Schaden  an  Fichten  Saat-  und  Pflanzbeeten,  sowie  an  jungen 
vom  Schnee  umgelegten  Fichtenpflanzungen  verursacht.  —  Die  schwarzbraunen 
Perithecien  sind  ca.  Vs  nim  gross  und  enthalten  in  2  Reihen  8,  anfangs  2zellige, 
leicht  keimende  Sporen. 

Rosellinia  quercina  R.  Hartig ,  der  Eichen wurzeltöter,  befällt  und  tötet 
bei  feuchtwarmer  Witterung  die  Wurzeln  1 — 3jähriger  (gelegentlich  auch  bis  lOjähriger) 
Eichen,  infolge  dessen  die  oberirdischen  Teile  verbleichen  und  vertrocknen;  er  ist 
namentlich  im  Nordwesten  Deutschlands  sehr  verbreitet.  Das  Mycel  dieses  interessanten 
Parasiten  besitzt  dieselbe  Mannigfaltigkeit,  wie  dasjenige  von  Agaricus  melleus.  An 
den  kranken  Wurzeln  bilden  sich  stecknadelkopfgrosse  schwarze  Skle- 
r  0  t  i  e  n ,  besonders  an  der  Ursprungsstelle  der  feineren  Seitenwurzeln.  Daneben  ent- 
stehen zwirnfadenähnliche,  anfangs  weisse,  später  bräunliche 
Stränge,  die  „Rhizoctonien",  welche  äusserlich  die  Wurzeln  umspinnen,  in  der 
Erde  weiter  wachsen  und  die  Krankheit  von  Wurzel  «u  Wurzel  verbreiten;  gelegent- 
lich wuchert  das  weisse  Mycel  auch  oberirdisch  in  dem  grasigen  Bodenüberzuge.  Die 
Sclerotien  bilden  in  feuchter  Luft  ein  dichtes  weissgraues  Schimmelmycel,  das  später 
ebenfalls  Rhizoctonien  bildet.  Alle  Mycelarten  dringen  in  die  lebende  Rinde  ein 
an  Wurzelspitzen,  durch  die  Lenticellen  und  besonders  an  der  Basis  der  Seiten  wurzeln, 
wo  sich  zunächst  Infektionsknöllchen  bilden,  von  denen  bei  günstigen  Witterungsver- 
hältnissen Mycelfäden  ins  Innere  der  Wurzel  wachsen.  Die  Rindenzellen  werden  mit 
dichtem  Mycel  (Pseudoparenchym)  erfüllt  und  getötet  und  schliesslich  dringt  das  Mycel 
biß  zur  Markröhre  vor.  Das  Wurzelholz  schwärzt  sich  zunächst  und  wird  zuletzt 
weissfaul.  Bei  kaltem  und  trockenem  Wetter  vermag  sich  die  Wurzel  durch  W  u  n  d- 
k  0  r  k  zu  heilen ,  welcher  die  Umgebung  der  Infektionsknöllchen  an  der  Basis  der 
Seitenwurzeln  von  dem  gesunden  Gewebe  abtrennt.  Das  Luftmycel  bildet  im  Sommer 
Conidien  auf  quirlf  örmig  verästelten  Trägern,  ausserdem  entstehen  stecknadelkopf- 
grosse, schwarze,  kugelige  Perithecien  entweder  an  der  Oberfläche  der 
kranken  Eichenwurzeln  oder  in  deren  Nähe  an  den  Rhizoctonien  auf  der  Boden- 
oberfläche. 

Sphaerella  (neuerdings  Mycosphaerella  genannt)  1  a r i c i n a  R.  Hartig,    der 


392  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Nadelscbüttepilz  der  Lärche,  ist  nach  H  a  r  t  i  g  einer  der  gefährlichsten 
Feinde  der  Lärche  und  grossenteils  die  Ursache  des  Lärchensterbens  in  den  tieferen 
Lagen.  Frühestens  Ende  Juni,  meist  erst  im  Juli  werden  die  Nadeln  braunfleckig, 
(die  von  Chermes  geniculatus  angestochenen  schon  im  Mai)  und  fallen  bald  ab ;  in 
nassen  Jahren  sind  oft  schon  im  August  die  meisten  Nadeln  abgeworfen.  In  trockenen 
Jahren  tritt  die  Krankheit  nur  in  dumpfen  Lagen  auf  oder  da,  wo  die  Lärche  in  an- 
dere Nadelhölzer  eingesprengt  ist,  zwischen  deren  Nadeln  die  inlizierten  vorjährigen 
Lärchennadeln  zum  Teil  hängen  geblieben  sind  und  Ascosporen  gebildet  haben.  Mit 
Kotbuche  unterbaut,  oder  mit  derselben  gemischt,  gedeiht  die  Lärche  in  tieferen  Lagen 
am  besten,  weil  das  abfallende  Buchenlaub  die  viel  früher  abgefallenen  Lärchennadeln 
bedeckt.  —  Das  Mycel  lebt  intercellular.  Die  Conidienpolster  durchbrechen  die 
Epidermis  der  kranken,  noch  am  Zweige  hängenden  Nadeln,  bilden  winzige  schwarze 
Pünktchen  mit  stabförmigen  Conidien,  werden  durch  Regen  abgewaschen  und  ver- 
breiten bei  feuchter  Witterung  die  Krankheit  rapide.  An  den  abgefallenen  Nadeln 
entstehen  im  nächsten  Frühjahr  noch  kleinere  schwarze  Pünktchen  in 
grosser  Zahl,  die  Perithecien  und  vereinzelte  Pycniden. 

Aglaospora  taleola  Tul.  verursacht  wahrscheinlich  als  Wundparasit  nach 
R.  Hartig  an  Zweigen  und  Stämmen  junger  Eichen,  an  denen  noch  keine  Borke- 
bildung aufgetreten  ist,  gelegentlich  eine  verderbliche  Krebskrankheit,  indem  kleinere 
oder  grössere  (bis  mehrere  Meter  lange)  Rindenstücke  absterben,  aufplatzen  und  all- 
mählich überwallt  werden.  Das  Mycel  dringt  auch  etwas  ins  Holz  ein,  das  sich  ober- 
flächlich bräunt.  Auf  der  erkrankten  Rinde,  die  später  abgestossen  wird,  neigen  die 
Perithecien  gruppenweise  mit  langen  Hälsen  unter  dem  Periderm  zusammen  und  durch- 
brechen dasselbe  nur  mit  der  Perlthecienmündung.  Die  A  s  c  i  haben  8  2zellige  Sporen 
mit  fadenförmigen  Anhängseln.  Ausserdem  werden  von  dem  Stroma,  nahe  der 
Perlthecienmündung,  noch  Izellige,  sichelförmige  Conidien  abgeschnürt. 

Das  „Blauwerden"  des  Nadelholzes  wird  von  Ceratostoma  pili- 
f  e  r  u  m  veranlasst.  Das  braungetärbte  Mycel  dringt  von  aussen  in  die  toten  Stämme, 
namentlich  in  abständige  Kiefern  und  verbreitet  sich  sehr  schnell  im  Splintholz,  das- 
selbe zersetzend,  während  es  das  Kernholz  mehr  meidet. 

§  116.  Die  Hypodermataceae  oder  Ritzenschorfe  besitzen  flache 
oder  längliche  Fruchtkörper,  die  Apothecien  (wie  bei  den  Discomj'ceten) 
genannt  werden ;  ihre  häutig-ledrige  schwarze  Wandung  ist  mit  den  decken- 
den Substratschichten  verwachsen  und  platzt  nach  der  Sporenreife  mit 
einem  Längsspalt  lippenartig  auf.  Bei  feuchter  Luft  klappen  die  Ränder 
auseinander,  bei  trockener  schliessen  sie  die  Spalte.  Das  geschlossene  Apothecium  ist 
von  dichtgedrängten  Paraphysen  erfüllt,  zwischen  die  sich  die  Ssporigen  Asci  ein- 
keilen. Die  Sporen  sind  meist  fadenförmig  mit  aufquellbarer  Gallertmembran.  Die 
Apothecien  entstehen  erst  an  den  schon  seit  einiger  Zeit  vom  Mycel  getöteten  Pflanzen- 
teilen.    Ausserdem  werden  noch  kleine  Izellige  Conidien  in  Pycniden  gebildet. 

Die  Gattung  Hypoderma  hat  keine  lang  fadenförmigen  Sporen,  dieselben 
sind  stets  viel  kürzer  als  die  Schläuche  und  zur  Reifezeit  2z ellig. 

H.  brachysporum  (Rostr.)  Tubeuf,  der  Nadelritzenschorf  der 
Weymouthskiefer,  tötet  die  Nadeln  und  jungen  Triebe  und  kann  ganze  Wald- 
partieen  durch  völlige  Entnadelung  vernichten.  Die  Nadeln  bräunen  sich  schon  im 
Sommer,  die  Apothecien  erscheinen  als  feine  schwarze  Linien,  im  Winter 
fallen  die  Nadeln  ab.     Die  Ascosporen  sind  gestreckt  oval. 

Die  Gattung  Lophodermium  hat  langgestreckte,    einzellige,  fa- 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  116.  393 

den  förmige  Ascosporen;   die  Paraphysen  sind  zum  Teil  durch  Querwände  ge- 
gliedert und  am  Ende  knopftonnig  verdickt  oder  hackig  gebogen. 

1.  L.  nervisequium  D.  C,  der  Weisstannenritzensch  orf,  ist 
überall  verbreitet,  wo  die  Tanne  heimisch  ist;  schädlich  wird  er  nur  dann,  wenn  der 
grösste  Teil  der  Nadeln  unter  Bräunung  abstirbt.  Die  abgestorbenen  Nadeln  bleiben 
lange  am  Zweige  sitzen.  Die  Bräunung  der  Nadeln  erfolgt  im  Mai  bis  Juli  an  2jäh- 
rigen,  ins  dritte  Jahr  eintretenden  Nadeln.  Wenige  Monate  nach  der  Bräunung  er- 
scheinen die  P y c n i d e n  auf  der  Nadeloberseite  als  2  wellig  gekräuselte 
schwarze  Längswülste.  Später  bilden  sich  die  Apothecien  in  einem 
I^ängswulst  auf  der  Mittelrippe  der  Unterseite,  in  der  Regel  im  April 
des  nächsten  Jahres,  also  am  dreijährigen  Trieb  reifend.  Die  meisten  der  erkrankten 
Nadeln  fallen  schon  früher  ab  und  entwickeln  am  Boden  ihre  Apothecien. 

2.  L.  macrosporum  R.  Hartig,  der  Fichtenritzenschorf,  erzeugt 
die  FichtennadelrÖte,  die  in  10 — 40jährigen  Beständen  sehr  verschiedenai*tig,  in  manchen 
Jahren  ungemein  intensiv  und  gefährlich  auftritt.  Entweder  bräunen  sich  die 
Nadeln  vorjähriger  Triebe  im  Fiiihling  und  bilden  im  Sommer  (Juli)  die  Perithecien, 
welche  in  den  mittlerweile  2jährig  gewordenen  Nadeln  im  April  und  Mai  des  nächsten 
Frühjahrs  reifen  (so  z.  B.  im  feuchten  Klima  des  Erzgebirges  von  Hartig  beobachtet), 
oder  die  Nadeln  bräunen  sich  erst  im  Herbste  (Oktober)  an  2jährigen  Trieben,  die  erste 
Anlage  der  Apothecien  erfolgt  im  Juni  des  nächsten  Jahres  an  den  im  dritten  Jahre 
stehenden  Nadeln  und  die  Sporenreife  im  März  oder  April  des  folgenden  Jahres,  wenn 
die  Nadeln  nahezu  das  dritte  Jahr  vollendet  haben.  Dazu  kommt  noch  im  Herbst  mit- 
unter eine  „Schütte''  einjähriger  gebräunter  Nadeln,  an  denen  sich  nur  kleine 
isolierte  Apothecienhöcker  bilden.  —  Die  Apothecien  entwickeln  sich  als  lange, 
glänzend-schwarze  Wülste  auf  den  beiden  Unterseiten  der  4kantigen 
Nadeln.    Die  Sporen  sind  doppelt  so  lang,  als  beim  Weisstannenritzenschoi*f. 

3.  L.  abietis  Rostr.  bildet  nach  Rostrup  auf  der  Fichten-  und  Tannen- 
nadel keine  Längswülste,  sondern  erst  gelbe  Flecke  und  dann  grosse  schwarze 
Punkte,  wobei  sich  die  Nadel  verfärbt.  —  4.  L.  laricinum  Duby  auf  Lärchennadeln 
mit  sehr  kleinen  (Vio — V^  ni^w)  Apothecien,  selten.  —  5.  L.  j  unip er  inum  Fries  auf 
Nadeln  des  gemeinen  Wachholders.  —  6.  L.  gilvum  Rostr.  befällt  und  tötet  die 
Nadeln  von  Pinus  Laricio.  — 

7.  L.  Pinast ri  (Schrad).  Chevall.,  der  Kief ernritzenschorf,  ver- 
ursacht die  überall  verbreitete  und  höchst  gefährliche  Nadelschütte  der  Kiefer, 
die  aber  auch  andere  Gründe,  wie  Spätfrost,  Auffrieren,  Vertrocknen  etc.  haben 
kann  und  die  als  spezifische  Kinderkrankheit  vornehmlich  1 — 4jlihrige  Pflanzen  unter 
allen  Klima-  und  Bodenverhältnissen  befällt  und  tötet;  ältere  Pflanzen  werden  relativ 
wenig  von  ihr  geschädigt.  Wie  bei  allen  Ritzenschorfen  hängt  die  Entwickelung 
ungemein  von  der  Witterung  ab,  da  die  Fortpflanzungsorgane  des  Pilzes  nur  in  ab- 
gestorbenen Nadeln  gebildet  werden  und  hierzu  feuchtes  Wetter  Vorbedingung  ist. 
Demgemäss  hemmen  trockene  Sommer  und  kalte  Winter  die  Entwickelung  und  Aus- 
breitung der  Pilzschütte  in  hohem  Grade,  während  regnerische  Sommer  und  feucht- 
warme Winter  sie  ebenso  begünstigen.  Die  Infektion  scheint  nach  den  eingehenden 
Untersuchungen  von  Tubeuf*®)  an  jungen  Pflanzen  im  allg.  nicht  vor  August  statt- 
zufinden, nicht  im  Mai  an  der  jungen  Nadel,  wie  man  früher  annahm,  sondei'n  erst  an 
der  völlig  ausgebildeten.  Die  Primärnadeln  werden  frühestens  im  September,  die  Kurz- 
triebnadeln wahrscheinlich  erst  später  getötet.    Bei  feuchtem  Wetter  treten  schon  im 

48)  C.  V.  Tubeuf,  Studien  über  die  Schüttekrankheit  der  Kiefer  1901.  160  p.  gr. 
S^  mit  7  Tfln.  (Arb.  a.  d.  biol.  Abt.  a.  Kais.  Ües.-Amt  H.  1.) 


394  III.  Klein,  Forstbotanik. 

ersten  Herbste  die  zahlreichen,  kleinen,  schwarzen  Pycniden  auf;  ihnen  folpen  die 
flachen,  schwarzen  Apothecien  in  grösserer  Zahl  auf  der  gleichen  Nadel.  Bei  ge- 
nügender Feuchtigkeit  können  sich  die  Apothecien  in  wenigen  Wochen  auf  den  abge- 
storbenen, vom  Mycel  des  Pilzes  durchwucherten  Nadeln  bilden.  Im  Freien  reifen  sie 
seltener  an  noch  hängenden  Nadeln,  meist  nach  deren  Abfall  auf  dem  Boden.  Die 
Apothecien  sind  grösstenteils  schon  im  April  aufgesprungen;  die  Reife  der  einzelnen 
Asci  erfolgt  sehr  allmählich,  so  dass  die  Apothecien  von  April  an  den  ganzen  Sommer 
über  (und  auch  noch  im  Winter)  Sporen  auswerfen  können  und  die  Infektionsmoff- 
lichkeit,  soweit  sie  vom  Pilze  abhängt,  jederzeit  gegeben  ist.  Von  den  verschie- 
denen Bekämpfungsmitteln  der  Schütte  ist  als  einzig  durchschlagendes  die  Be- 
spritzung im  August  mit  Kupfermitteln  (z.  B.  Kupferkalkbriihe)  anzusehen;  wie  bei 
der  Blattfallkrankheit  des  Weinstockes  hält  auch  hier  die  Schutzwirkung  bloss  ein 
Jahr  an.  Ausser  auf  der  gemeinen  Kiefer  kommt  L.  P.,  bis  dato  in  forstlich  be- 
deutungsloser Weise,  auch  auf  P.  montana,  Laricio  (und  vielleicht  andern 
Zweinadlern)  und  P.  Cembra  vor. 

1.  Hypodermella  Laricis  v.  Tubeuf  ist  ein  selten  und  bis  dato  nur  in  den 
Alpen  beobachteter  Parasit  der  Lärche,  der  die  ganzen  Nadelbüschel  tötet  und  leicht 
mit  Lophodermium  laricinum  (s.  o.)  verwechselt  wird.  Seine  Apothecien  sind 
noch  kleiner,  als  bei  L.  1.  und  glänzender  schwarz;  der  Ascus  enthält  bloss  vier 
tränenförmige,  Izellige  Sporen  und  die  Paraphysen  sind  einfach,  am  Ende  nicht 
verdickt  oder  verbogen. 

2.  H.  sulcigena  (Link)  Tub.  findet  sich  auf  Nadeln  von  Pinus  silvestris  und 
montana. 

§  117.  Die  Scheibenpilze  (Disco mycetes)  besitzen  anfangs  in  der 
Regel  geschlossene,  zur  Reifezeit  Scheiben-  oder  becherförmig  offene  Fruchfr- 
körper,  Apothecien  genannt,  an  deren  Oberfläche  die  Asci  mit  den  Pai'aphysen 
(das  Hymenium)  ausgebreitet  sind.  Die  Hauptmasse  der  Fruchtkörper  wird "  von  dem 
unter  dem  Hymenium  liegenden  Hypothecium  gebildet.  Forstliche  Parasiten 
finden  sich  in  den  Familien  der  Rhizinaceae,  Phacidiaceae  und  P e z i- 
z  az  eae. 

Zur  Familie  der  Rhizinaceae,  mit  fleischig  wachsartigem,  stiellosem  Fnicht- 
körper,  von  anfang  an  frei  liegendem,  nicht  vertieftem  Hymenium  und  mit  Deckel 
aufspringenden  Schläuchen ,  gehört  Rhizina  undulata  Fr.,  der  Wurzel- 
schwamm oder  die  Ringseuche,  der  als  Saprophyt  im  Walde  besonders 
auf  Brandplätzen  vorkommt,  als  Parasit  die  Wurzeln  in-  und  ausländischer  Nadel- 
hölzer verschiedenen  Alters  angreift.  Junge  Pflanzen  verlieren  die  Nadeln  und  sterben 
ab ;  in  ihrer  Umgebung  erscheinen  später  die  1 — 5  cm  grossen,  flach  ausgebreiteten, 
sammetglänzenden,  dunkelbraunen,  morchelähnlichen  Fruchtkörper.  Das 
aus  den  zu  je  8  in  einem  Ascus  gebildeten,  hyalinen,  kahnförmigen  Sporen  sich  ent- 
wickelnde Mycel  wächst  intercellular  im  Rindenparenchym  und  im  Lumen  der  Sieb- 
röhren. Aus  den  erkrankten  Wurzeln  treten  rhizoctonienartige  Stränge  sowie  fadiges 
Mycel  aus  und  verbreiten  unterirdisch  die  Krankheit  zentrifugal. 

§  118.  Zu  den  Phacidiaceae,  in  deren  mit  dem  Substrat  verwachsenes 
schwarzes  Stroma  die  dickwandigen,  in  der  Mitte  lappig  auf  reissenden 
Fruchtkörper  eingesenkt  sind,  gehören: 

1.  Rhytisma  acerinum  (Pers.)  der  Ahorn-Runzelschorf,  welcher 
überall  im  August  auf  den  grünen  Blättern  des  Spitzahorns,  etwas  weniger 
häutig  auf   denen  des  Berg-   und  Feldahorns   tintenklecksähnliche,   ca.  1—2  cm 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  119.  395 

grosse,  schwarze  Flecken  (flache  Sklerotien)  oft  in  grosser  Zahl  bildet.  Die  Blätter 
fallen  meist  etwas  vorzeitig  ab.  Auf  den  abgefallenen  Blättern  sind  im  folgenden 
Frühjahr  die  Sklerotien  etwas  dicker  und  durch  die  wurmförmigen,  etwas  vor- 
tretenden Apothecien  gehimartig  gerunzelt.  Aus  den  bei  nassem  Wetter  n)it  Längs- 
spalt aufplatzenden  Apothecien  werden  die  mit  Gallerthülle  versehenen  fädigen 
Ascosporen  im  Mai  oder  Juni  mit  grosser  Kraft  ausgeschleudert  und  vom  Wind  auf 
die  Bäume  getragen,  wo  3  Wochen  nach  der  Infektion  schon  gelbe  Flecken  zu  sehen 
sind.  2.  Rh.  punctatum  (Pers.)  bildet  auf  den  Blättern  des  Bergahorns  aus 
zahlreichen  ca.  1  mm  grossen  schwarzen  Punkten  zusammengesetzte  Flecken,  in  deren 
nächster  Umgebung  das  Blatt  länger  grün  bleibt,  so  dass  im  Herbste  die  Rhytisma- 
flecken  in  grüne  Inseln  des  gelben  Blattes  eingebettet  sind.  3.  Rh.  salicinum  (Pers.) 
erzeugt  auf  den  Blättern  der  verschiedensten  Weiden  arten  grosse  und  kleine  schwarze 
Flecken.  4.  Rh.  svmmetricum  J.  Müller,  solche  besonders  stark  auf  den  Blättern 
der  Purpurweide,  wo  auf  Ober-  und  Unterseite  Apothecien  gebildet  werden,  die 
nach  Schröter  schon  im  Herbste  auf  den  noch  lebenden  Blättern  reifen. 

Cryptomyces  maximus  (Fries.)  bildet  auf  der  Rinde  verschiedener 
Weidenarten  breite  schwarze  Krusten,  die  grosse  Strecken  der  lebenden  Zweige 
bedecken,  bei  Regen  gallertig  aufquellen,  beim  Trocknen  sich  abrollen  und  grosse 
Narben  in  der  Rinde  zurücklassen.  Die  ovalen  Sporen  dürften  nach  T  u  b  e  u  f  als- 
bald junge  Triebe  infizieren,  in  welchen  das  Mycel  offenbar  überwintert.  Oberhalb  des 
Fruchtlagers  sterben  die  erkrankten  Weidenzweige  ab. 

Scleroderris  fuliginosa  (Fries)  tötet  nicht  nur  schwache  Zweige,  son- 
dern auch  starke  Aeste  der  verschiedensten  Weiden.  Auf  der  Rinde  bilden  sich 
ausgedehnte  schwarze  Krusten,  aus  denen  die  kleinen,  gestielten,  schüsseiförmigen 
Apothecien  in  grossen  Massen  hervorbrechen.  Der  Pilz  tötet  Rinde,  Cambium  und  die 
angrenzenden  Holzpartieen,  so  dass  befallene  stärkere  Zweige  an  den  erkrankten  Stellen 
sich  unregelmässig  verdicken,  bis  sie  getötet  werden. 

§  119.  Zu  den  Pezizaceae,  mit  schüssel-  oder  krugf örmigen, 
fleischigen  oder  wachsartigen ,  oft  lebhaft  gefärbten  Apothecien, 
gehören : 

1.  Sclerotinia  Aucupariae  Ludw.,  mumifiziert  durch  Sclerotienbildung 
der  Früchte  von  Sorbus  aucuparia,  2.  S.  Padi  Wor.  diejenigen  von  Prunus  Padus, 
3.  S.  Betulae  Wor.,  diejenigen  der  Birke,  deren  Nüsschen  an  Stelle  der  elliptischen 
eine  herzförmige  Gestalt  bekommen,  4.  S.  Alni  Naw.,  diejenigen  der  Erle,  ähnlich 
wie  Heidelbeere,  Preiselbeere,  Moosbeere,  Rauschbeere  durch  entsprechende  Sclerotinien 
mumifiziert  werden.  —  Aus  den  Sclerotien  entwickeln  sich  bei  hinreichender  Feuchtig- 
keit im  Frühjahr  die  gestielten  Peziza-Schüssel fruchte. 

Die  Conidienform  von  Sclerotinia  Fuckeliana  de  Bary,  der  ge- 
meine Traubenschimmel  Botrytis  cinerea,  der  gewöhnlich  saprophytisch  lebt, 
tötet  in  nassen  Frühjahren  und  Vorsommern  mitunter  die  Nadeln  und  jungen  Triebe 
der  Weisstanne,  der  Fichte  und  der  Douglastanne  (Syn.  B.  Douglasii  Tub.), 
selten  Lärche  und  Kiefer.  Bei  der  Weisstanne  können  auch  vorjährige  Triebe 
ergriffen  werden. 

Dasyscypha  (syn.  Peziza)  Willkommii  R.  Hartig  verursacht  den  ge- 
fährlichen Lärchenkrebs.  Nach  Hartig  verbreitet  sich  das  Mycel  der  an  Wund- 
stellen keimenden  Sporen  teils  intercellular,  teils  im  Lumen  der  Siebröhren,  die 
Grewebe  tötend  und  dringt  später  in  das  Holz  vor  bis  zur  Markröhre.  Das  getötete 
Rindengewebe  wird  im  Sommer  durch  eine  breite  Wundkorkschicht  von   der  lebenden 


396  TU.  Klein.  Forstbotanik. 

Einde  abgetrennt.  Im  Herbste  kommt  das  Mycel,  das  anscheinend  nur  zar  Zeit  der 
Ve^etationsruhe  wächst,  vom  Cambium  oder  Holzkörper  in  die  lebende  Rinde  zurück 
und  vergrössert  alljährlich  die  Krebsstelle,  die  gewöhnlich  Harzflass  zeigt,  und  sich  in 
der  Mitte,  wo  das  Gewebe  am  längsten  getötet  ist,  immer  tiefer  einsenkt  und  unregel- 
mässiges  Dicken  Wachstum  des  Stammes  oder  Astes  veranlasst.  Stammkrebse  können 
in  den  Alpen  Metergrösse  und  ein  Alter  von  über  100  Jahren  erreichen.  Bei  raschem 
Wachstum  unifasst  der  Krebs  bald  das  ganze  Stämmchen  und  dessen  oberer  Teil  stirbt 
ab.  Auf  den  Krebsstellen  brechen  bald  nach  dem  Tode  des  Rindengewebes  junge,  gelbe, 
Stecknadelkopf  grosse  Fruchtkörper  hervor,  die  aber  nur  in  anhaltend  feuchter 
Luft  zur  Reife  kommen  und  .sich  gewöhnlich  im  August  oder  September  zu  den 
1 — 4  mm  grossen,  orangeroten,  weissberandeten  Pezizaschüsseln  entwickeln. 
An  abgestorbenen  Teilen  treten  die  Schüsseln  auch  ohne  Krebsstellen  auf.  Luftfeuchte, 
dumpfe  Lagen  begünstigen  im  Hochgebirg  wie  im  Flach-  und  Hügelland  die  Entwicke- 
lung  des  Pilzes. 

Cenangium  Abietis  (Fers.)  D  u  b  y ,  im  allgemeinen  ein  harmloser  Sapro- 
phyt,  kann  nach  Frank  Schwarz*^)  gelegentlich  parasitisch  auftreten  und  selbst 
grosse  5]pidemieen  verursachen  (1891  und  1892  in  Norddeutschland).  Der  Pilz,  der 
das  auch  aus  anderen  Ursachen  eintretende  Triebschwinden  der  gemeinen 
und  der  Schwarz-Kiefer  verursacht,  befällt  nur  Bäume  von  geschwächter  Ijebens- 
kraft  und  nie  solche  unter  5  Jahren.  Die  Infektion  erfolgt  nur  während  der  Ruhe- 
periode der  Pflanzen,  das  Mycel  wächst  hauptsächlich  in  der  Rinde  und  bringt  im 
Frühjahr  namentlich  die  letzten  Jahrestriebe  mit  den  Endknospen  zum  Absterben, 
nachdem  vorher  die  von  der  Basis  her  rot  gewordenen  Nadeln  abgefallen  sind. 
Später  können  auch  ältere  Teile  und  selbst  ganze  Pflanzen  absterben.  Nach  Tubeuf 
können  die  Triebe  auch  nur  lokal  in  grösserer  oder  kleinerer  Ausdehnung  erkranken. 
—  Die  IV2 — 2^/2(3)  mm  grossen,  schwai*zen,  pustelförraigen,  fast  ganz  geschlossenen, 
nur  bei  Regenwetter  sich  öffnenden  Apothecien  brechen  sehr  zahlreich,  zu  kleinen 
Gruppen  oder  Streifen  vereinigt,  hauptsächlich  an  mehrjährigen,  später  auch  an  ein- 
jährigen Trieben  und  hier  an  den  Blattnarben,  selten  an  den  Nadeln  selbst  hervor. 
Die  etwas  kleineren  P  y  c  n  i  d  e  n  bilden  entweder  Izellige,  stäbchenförmige,  oder  mehr- 
zellige sichelförmige  Conidien.  —  An  den  erkrankten  Bäumen  traten  zumeist  Nach- 
krankheiten auf  (Spanner,  Nonne,  Gallmücken  und  Käfer),  die  schädlicher 
als  die  primäre  Erkrankung  wirkten. 

§  120.  Aus  der  grossen  Zahl  derFungi  imperfecti,  wie  man  die  Pilze 
mit  nur  unvollkommen  bekanntem  Entwickelungsgange  nennt,  können  hier  nur  einige 
der  wichtigeren  Arten  aufgeführt  werden,  die  wegen  ihrer  Conidien-  und  Pycniden- 
fmktilikation  zu  den  Ascomyceten  gerechnet  werden: 

1.  Phoma  abietina  R.  Hartig,  verursacht  die  Einschnürungskrank- 
heit der  Tannenzweige.  In  Tannenwaldungen  findet  man  häufig  abgestorbene, 
benadelte  Zweige  und  Gipfel  der  Unterwüchse,  die  eine  breite,  ringförmige  Ein- 
schnürung mit  abgestorbener  Rinde  aufweisen ;  aus  letzterer  brechen  zahlreiche,  kleine, 
schwarze  Pycniden  hervor,  deren  Sporen  im  August  oder  September  infizieren.  Im 
Frühjahr  sterben  die  einjährigen  Zweige  ohne  Einschnürung  ab;  diese  tritt  nur  bei 
stärkeren  Zweigen  auf,  die  nach  der  bis  auf  das  Cambium  reichenden  Tötung  der  Rinde 
oberhalb  und  unterhalb  der  erkrankten  Stelle  noch  ein  oder  einige  Jahre  in  die  Dicke 
wachsen. 

49)  Frank  Schwarz.  Die  Erkrankung  der  Kiefern  durch  Cenangium  Abietis.  Jena 
1895.  126  p.  %^.  2  Tfln.,  vergl.  auch  v.  Tubeuf,  Schüttekrankheit  1.  c. 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  120.  397 

2.  Ph.  Pithya  Sacc.  ruft  eine  ähnliche  Krankheit  anf  den  Zweigen  der 
Douglastanne  (und  der  gemeinen  Kiefer)  hervor,  3.  Ph.  sordida  Sacc.  verur- 
sacht in  nassen  Sommern  ein  Absterben  junger  Weissbuchentriebe,  deren 
Blätter  noch  den  ganzen  Sommer  über  hängen  bleiben. 

Septoria  parasitica  R.  Hartig,  der  Pilz  der  Fichtentrieb kran k- 
h  e  i  t ,  töt^t  häutig  die  Gipfel  der  Fichte  (und  Sitkaiichte)  von  Säm-  und  Pflänz- 
lingen bis  zu  30jährigen  Stangenhölzern.  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni  hängen  die 
jungen  Triebe  namentlich,  wenn  sie  an  der  Basis  infiziert  wurden,  schlaif  herab  und 
vertrocknen  bald.  Im  Sommer  brechen  an  den  getöteten  Zweigen  die  kleinen  schwarzen 
Pycniden  aus  der  Rinde  hervor,  namentlich  an  den  Nadelpolstern  und  der  Zweigbasis 
sowie  aus  den  Nadeln  der  äussersten  Triebspitze.  Infektion  im  Frühjahr  tötet  die 
jungen  Triebe  nach  1 — 2  Wochen.  • 

Brunchorstia  Pini  Allescher,  verursacht  vielfach  eine  von  der  Kinde  be- 
ginnende und  im  Sommer  bis  zur  Nadelbasis  sich  verbreitende  Triebkrankheit 
von  Pinus  Laricio.  Die  kleinen  Pycniden  entwickeln  sich  an  der  Nadelbasis, 
unter  den  Nadelscheiden  versteckt. 

Gloeosporium  nervisequium  (Fuck.),  nach  Kleb  ahn  wahrscheinlich 
zu  Laestadtia  (Apiospora)  veneta  Sacc.  gehörig,  ruft  die  bekannte  Epidemie 
der  Platanenblätter  (und  gelegentlich  auch  der  jungen  Triebe)  hervor,  na- 
mentlich in  feuchten  Frühjahren,  der  oft  eine  grosse  Anzahl  der  jungen,  eben  ent- 
falteten ßlätter  zum  Opfer  fallen;  dieselben  werden  von  Mitte  Mai  an  hauptsächlich 
längs  der  Nerven  braunfleckig  und  vertrocknen  und  verschrumpfen  später. 

PestalozziaHartigii  Tuben  f,  die  überall  verbreitete  Einschnürungs- 
krankheit  junger  Holzpflanzen,  befällt  hauptsächlich  junge  Fichten  und 
Tannen,  namentlich  in  Pflanzbeeten,  aber  auch  Rotbuchen,  Eschen,  Ahorn  und  andere 
l^ubhölzer.  Dicht  über  dem  Boden  ist  das  Stämmchen  mehr  oder  weniger 
angenfallig  eingeschnürt,  die  Blätter  oder  Nadeln  vergilben  zuerst,  die  Pflanze 
kümmert  und  stirbt  schliesslich  ab.  In  der  Rinde  der  eingeschnürten  Stelle  findet 
sich  ein  zartes  Stroma  mit  conidienabschnürenden  Höhlungen.  Die  Conidien,  in 
schwarzen  Zäpfchen  aus  der  Epidermis  tretend,  besitzen  zwei  mittlere  braune  Zellen, 
die  zusammen  eine  tonnenförmige  Figur  bilden,  eine  lange  hyaline  Stielzelle  und  eine 
kleine  hyaline  Endzelle  mit  2 — 3  hyalinen  Borsten. 

Septogloeum  Hartigianum  Sacc.  tötet  nach  Hartig  1jährige  Zweige 
des  Feldahorns  im  Frühjahr  vor  dem  Laubausbruch.  Die  strichförmigen,  grau- 
grünen Conidienpolster  erscheinen  im  Frühjahr  in  grosser  Zahl.  Die  Conidien  infizieren 
die  jungen  Maitriebe,  die  sich  zunächst  normal  entwickeln  und  erst  im  nächsten  Früh- 
jahr absterben. 

Fusoma  Pini  R.  Hartig  (syn.  F.  parasiticum  Tubeuf)  ruft  im  Mai  und 
Anfang  Juni  in  Fichten-  und  Kiefernsaatbeeten  (gelegentlich  auch  bei  Er- 
len-, Birkenkeimpflanzen  etc.)  eine  Keimlingskrankheit  hervor,  die  sich  in  ihren  äusseren 
Erscheinungen  kaum  von  der  durch  Phytophthora  erzeugten  unterscheidet.  Nasses 
Wetter  ist  der  Ausbreitung  der  Krankheit  sehr  förderlich,  da  dann  das  Pilzmycel  aus 
den  erkrankten  Pflanzen  auch  nach  aussen  hervorwächst  und  die  benachbarten  Pflanzen 
infiziert;  die  getöteten  Pflänzchen  verfaulen  dann  bald  unterirdisch.  An  dem  Luftmycel 
bilden  sich  reichlich  sichelförmige,  meist  ßzellige  Conidien,  die  schnell 
keimen  und  die  Krankheit  verbreiten. 

Allescheria  (Hartigiella  Syd.)  Laricis  R.  Hartig  ruft  im  Mai  und  Juni, 
namentlich  bei  feuchter  Witterung ,  eine  verderbliche  Nadelkrankheit  der 
Lärche,   besonders   in   Saat-  und   Pflanzbeeten    hervor,   wobei   die  Nadeln 


398  III.  Klein,  Forstbotanik. 

braune  Flecke  bekommen  oder  ganz  absterben.  Aus  den  Spaltöffnungen  wachsen  dicht- 
gedrängte kurze  Conidienträger  hervor,  teilen  sich  durch  Querwände  in  3 — 4  Zellen 
und  aus  jedem  Segment  bildet  sich,  wie  bei  den  Basidien  der  üredineen,  eine  auf  kurzem 
Sterigma  stehende,  einzellige,  bisquitförmige  Conidie. 

1.  Fusicladium  (zuVenturia  gehörig)  dendriticum  (Wallr.)  Fuck.  ruft 
an  lebenden  Blättern,  Früchten  und  Zweigen  der  Apfelbäume  (und  Ebereschen), 
2.  F.  p i r i n u m  (Lib.)  Fuck.  an  denen  der  Birnbäume  braune  Flecken  mit  stache- 
ligem Rand  („Schorf**)  hervor  und  kann  bei  starkem  Auftreten  sehr  schädlich  wer- 
den. —  3.  F.  tremulae  Frank  tötet  die  Blätter  der  Aspe;  die  Blätter  fallen  ab, 
die  Triebe  vertrocknen.  An  den  zum  zweiten  Mal  gebildeten  Trieben  kann  sich  die 
Krankheit  im  Sommer  wiederholen. 

1.  Cercospora  acerina  R.  Haitig  verursacht,  namentlich  in  regnerischen 
Jahren,  eine  Keimlingskrankheit  der  Ahornpflänzchen:  Die  Keim-  und 
ersten  Laubblätter  sowie  die  Triebachsen  werden  schwai-zfleckig  oder  ganz  schwarz 
und  verfaulen.  Aus  den  erkrankten  Teilen  wachsen  zahllose  kurze  Conidientiilger  her- 
vor, die  auf  ihrem  Scheitel  Büschel  von  langen,  geschweiften,  mehrzelligen  Conidien 
erzeugen.  Das  intercellulare  Mycel  bildet  durch  Anschwellen  kurzer  Zellreihen  braune, 
fädige  Dauermycelien  (einfachste  Sclerotiumform) ,  welche  die  Krankheit  ins 
nächste  Jahr  übertragen. 

2.  C.  microsora  Sacc.  erzeugt  auf  den  Blättern  der  Linde  kleine  schwarze 
Flecken  und  verursacht  oft  massenhaften,  vorzeitigen  Laubfall. 

8.  Basidiomyeetes. 

Die  Basidiomyceten  sind  durch  den  Besitz  von  Basidien  charakterisiert,  d.  h. 
Conidienträgem,  welche  nach  Form,  Grösse,  Zahl  der  Sporen  und  Entstehungsort  der- 
selben vollkommen  bestimmt  sind  und  welche  bei  den  höheren  Formen  an  der  Ober- 
fläche oder  in  Hohlräumen  ungeschlechtlich  entstandener  Fruchtkörper  ein  Hymenium 
bilden. 

§  121.  a)  Die  Rostpilze  oder  Üredineen  gehören  zu  der  unteren  Stufe 
der  Basidiomyceten,  den  Protobasidiomyceten,  und  sind  durch  quer  g  et  eil  te 
Basidien  ausgezeichnet,  die  immer  aus Chlamydosporen hervorgehen  und  keine  Frucht- 
körper bilden ;  sie  sind  streng  obligate  Parasiten  mit  intercellularem 
Mycel,  dessen  Plasma  orangerote  oder  -gelbe  Oeltröpfchen  führt.  Den  Namen  ver- 
danken sie  der  rotgelben,  rostähnlichen  Farbe,  die  ihre  Sporenlager  häutig  aufweisen. 
Die  üredineen  besitzen  5  verschiedene  Sporenformen :  Uredo-,  Teleuto-  und  Aeci- 
diosporen  (die  Chlamydosporen  sind),  Sporidien  (Basidiosporen)  und  Sperma- 
t  i  e  n  (Conidien).  Diese  Sporenformen  kommen  keineswegs  sämtlich  bei  jeder  Species 
vor;  niemals  aber  fehlen  die  Teleutosporen,  welche  bei  den  meisten  Arten 
die  Ueberwinterungsf orm  des  Pilzes  darstellen.  Die  Teleutospore  ist  stets 
einzellig  und  sog.  zwei-  und  mehrzellige  sind  als  Reihen  einzelliger  T.  aufzufassen. 
Bei  der  Keimung  wächst  aus  jeder  Teleutospore  ein  kurzer  Mycelfaden,  früher 
Promycel  genannt,  hervor,  der  durch  Querwände  in  4  Zellen  zerfällt  und  dann  eine 
quergeteilte  Basidie  vorstellt.  Aus  jeder  der  4  Zellen  der  Basidie  sprosst  ein 
Faden  (Sterigma)  hervor,  der  an  seiner  Spitze  eine  Basidiospore  (früher  hier 
Sporidie  genannt)  trägt.  Bei  einigen  Gattungen  teilt  sich  die  Teleutospore  selbst  durch 
Querwände  in  4  Zellen  und  ist  dann  der  Basidie  homolog.  Die  Basidiosporen  keimen 
in  Wasser;  ihre  Keimschläuche  dringen  stets  durch  die  Epidermiswandung  ein.  Nach 
ca.  2 — 3  Wochen  erscheinen  meist  auf  der  Blattoberseite  die  Pycniden  (Spermo- 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  121.  399 

gonien),  deren  Conidien  (Spermatien)  reduzierte  Organe  ohne  Bedeutung  zu  sein 
scheinen,  und  bald  nach  ihnen  die  stets  in  Fruchtkörpem,  Aecidien,  eingeschlosse- 
nen ,  vom  Grunde  des  Fruchtkörpers  reihenweise  abgegliederten  Aecidiosporen, 
meist  an  der  Blattunterseite  becherförmig  aufbrechend.  Die  Aecidien  besitzen  gewöhn- 
lich eine  Hülle,  Pseudoperidie,  aus  einer  einfachen  Schicht  steriler  Zellen ;  fehlt 
dieselbe,  so  heisst  das  Aecidium  Caeoma.  Bildet  das  Aecidium  (grosse)  Blasen,  die 
sich  mit  einem  Kiss  öffnen,  so  heisst  es  Peridermium;  öffnet  es  sich  gitter-  oder 
pinselartig,  Röstelia.  Die  gleichfalls  in  Wasser  mit  e  i  n  e  m  Keim  schlauch  keimen- 
den Aecidiumsporen  infizieren  durch  die  Spaltöffnungen  und  bringen  nach  ca.  8 — 14 
Tagen  Uredosporen  hervor,  die  meist  gestielt  sind  und  in  Büscheln  oder  Streifen 
beisammen  stehen.  Die  Uredosporen  keimen  ebenfalls  sofort  in  Wasser,  aber  mit  meh- 
reren Keimschläuchen,  infizieren  ebenfalls  durch  die  Spaltöffnungen  und  bringen  in 
8 — 10  Tagen  neue  Uredofruktifikation  hervor,  die  das  Spiel  wiederholt  u.  s.  w. ,  so 
dass  wir  in  der  üredospore  die  hauptsächlichste  Verbreitungsform  der  Rostpilze 
zu  sehen  haben  und  gewöhnlich  eine  ganze  Reihe  von  Uredogenerationen  in  einer  Ve- 
getationsperiode auf  einander  folgt,  bis  zuletzt  in  den  üredolagern  oder  auch  in  be- 
sonderen Lagern  die  gewöhnlich  derb-  und  dunkelwandigen,  zumeist  erst  im 
nächsten  Frühjahr  keimenden  Teleutosporen  als  Abschluss  des  Entwickelungs- 
kreislaufes  auftreten.  Die  Aecidiumfrüchte  wurden  früher,  als  man  den  genetischen 
Zusammenhang  mit  den  Uredosporen  etc.  noch  nicht  kannte,  unter  den  oben  genannten 
Namen  als  selbständige  Gattungen  beschrieben. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  zum  Wirt  unterscheiden  wir,  zwei  Gruppen:  solche, 
die  ihren  ganzen  Entwickelungsgang  auf  der  gleichen  Wirtspecies  durchlaufen:  autö- 
cische  Rostpilze,  und  solche,  bei  denen  x\ecidien  und  Spermogonien  auf  der  einen 
Wirtspecies,  Uredo-  und  Teleutosporen  auf  einer  andern,  meist  im  System  weit  davon 
entfernten  Nährpflanze  vorkommen :  heteröcische  oder  wirtwechselnde  Rost- 
pilze. Die  Heteröcie  ist  in  manchen  Fällen  fakultativ,  da  manche  heteröci- 
schen  Formen  auch  im  üredozustand  überwintern  können,  z.  B.  Melampsorella  Cerastii. 
Endlich  kennen  wir  bei  einzelnen  Arten  auch  ein  ü b e  r w  i n  t  e  r  n  d e s  oder  perennie- 
rendes Mycel;  die  mit  letzterem  versehenen  Art^n  verursachen  zum  Teil  starke 
Deformationen  des  Wirtes,  doch  können  auch  einjährige  Arten  einigermassen  deformie- 
rend auftreten.  Nach  der  Zahl  der  auftretenden  Sporenformen  bezeichnet  man  mit  der 
Vorsilbe  E u -  vor  dem  Gattungsnamen,  z.  B.  Eupuccinia,  eine  Species,  bei  der 
Aecidien,  Uredo-  und  Teleutosporen  vorkommen,  H  e  m  i  -(puccinia) ,  wenn  nur  Uredo- 
und  Teleutosporen  vorkommen.  Keimt  die  Teleutospore  erst  nach  Winterruhe,  so  haben 
wir  eine  M  i  k  r  o  -(puccinia),  keimt  sie  sofort,  eine  L  e  p  t  o  -(puccinia)  etc.  Eine  ganze 
Anzahl  der  nach  Konstatierung  des  heteröcischen  Zusammenhangs  beschriebenen  „  Arten '^ 
ist  nicht  einheitlich ;  dieselben  umfassen  Formen,  die  morphologisch  nicht  oder  nur  sehr 
wenig  von  einander  verschieden  sind,  die  sich  aber  in  der  Wahl  ihrer  Nährpflanzen 
schai*f  von  einander  unterscheiden  und  die  man  biologische  Species ,  bezw.  G e- 
wohnheitsrassen  genannt  hat.  Für  das  Studium  der  hierdurch  noch  viel  ver- 
wickeiteren Verhältnisse  der  Heteröcie  sind  kritische  Infektionsversuche  ein  unentbehr- 
liches Hilfsmittel  der  Forschung,  die  bei  den  Gewohnheitsrassen  dadurch  noch  weiter 
erschwert  wird,  dass  direkt  nicht  unterscheidbare  Teleutosporen  verschiedener  Arten 
nicht  allzu  selten  auf  dem  gleichen  Individuum  und  selbst  auf  dem  gleichen  Blatte 
vorkommen.  Durch  wiederholte  Infektions-  und  Rückinfektionsversuche  ist  der  gene- 
tische Zusammenhang  vieler  heteröcischer  bauiiibewohnender  Formen  im  letzten  Jahr- 
zehnt namentlich  durch  die  Forschungen  von  K 1  e  b  a  h  n  ^®),  dann  Fischer,  v.  Tubeuf, 

50)  Kleb  ahn,  Kulturversuche  mit  heteröcischen  Uredineen  1. — 10.  Bericht.  Zeitsch. 


400  III.  Klein,  Forstbotanik. 

Kostrup,  Dietel,  Hartig,  Wagner,  Magnus  u.  s.  w.  geklärt  worden. 

Die  forstlich  wichtigsten  Kostkrankheiten  sind  diejenigen  der  Nadelhölzer:  ant 
der  Kiefer  kommen  vor  nnd  zwar  auf  den  Nadeln  mindestens  12  zur  Gattung 
Coleosporium  gehörige  N a d e  1  blasenroste,  (früher  als  Peridermium  Pini 
a  c  i  c  0 1  a  bezeichnet) ,  mehrere  Rinden  blasenroste,  (früher  als  Peridermium 
Pini  corticola  bezeichnet),  zu  einer  anderen  Gattung,  Cronartium  ge- 
hörig, und  der  Kieferndreher,  Caeoma  pinitorquum,  zur  Gattung  M e- 
1  a m p s 0 r a  gehörig ;  auf  der  Weisstanne  schmarotzt  vor  allem ,  Krebs  und 
Hexenbesen  erzeugend,  das  zu  Melampsorella  gehörige  Aecidium  elatinum. 
auf  den  Nadeln  sonst  unveränderter  Pflanzen  die  zu  Calyptospora  und  Pucciniastrum 
gehörigen  Aecidien  und  das  zu  Melampsora  gehörige  Caeoma  abietis  pectinatae,  auf 
Fichtennadeln  linden  wir  die  Aecidien  von  Chrysomyxa  Rhododendri  nnd  Ledi, 
die  Teleutx)sporen  von  Chrysomyxa  Abietis,  auf  Fichtenzapfen  das  zu  Thecopsora 
(Pucciniastrum)  Padi  gehörige  Aecidium  strobilinum  und  das  seltene  Aecidium  conomm, 
auf  Juniperus  verschiedene  Gymnosporangiumarten,  auf  Lärchennadeln  (Caeoma  laricis) 
mindestens  6  zur  Gattung  Melampsora  gehörige  Arten  und  1  Melampsoridium  (Aecidium 
Laricis),  auf  W^eiden-,  Birken-  und  Pappel  blättern  die  orangefarbenen  Uredo- 
und  dunkeln  Teleutosporenlager  zahli'eicher  Melampsoraarten.  — 

§  122.  Die  Familie  der  Melampsoraceae  ^^),  mit  1 — 4 zelligen,  zu 
flachen  oder  polsterförmigen  Lagern  vereinigten,  ungestielten  Teleuto- 
sporen,  die  typische  Promycelien  (Basidien)  und  kleine  (ca.  10  |a)  kugelige 
Basidiosporen  bilden,  enthält  folgende  Rostpilze  der  Holzgewächse: 

Melampsora,  mit  einzelligen  Tel eutospor en,  die  pallisadenartig  dicht 
gedrängt  einschichtige,  pechschwarze  Krusten  unter  der  Epidermis  bilden  und 
mit  frei  vortretenden  Basidien  keimen.  Die  polsterförmigen  Aecidien  ohne  Pseudo- 
peridie  werden  Caeoma  lager  genannt.  Die  einzeln  auf  Stielen  stehenden  U  r  e  d  o- 
sporen  mit  farbloser  Membran  und  meist  ohne  deutlichen  Keimporus  st-ehen,  mit 
kopfig  verdickten  Paraphysen  gemischt,  in  gelben  Polstern  meist  auf  der  Blatt- 
unterseite. —  Die  Wirtwechselverhältnisse  sind  bei  dieser  Gattung  die  mannigfaltigsten 
und  kompliziertesten.  Die  Nährpflanze,  auf  welcher  die  Uredo-  und  Teleutosporea 
einwachsen  sind,  hat  einen  gewissen  Einfluss  auf  das  Verhalten  des  Pilzes  gegen  die 
Caeomanähinpflanze.  Der  Speciesnamen  der  biologischen  Ai*ten  ist  nachdem  Telento- 
sporenwirt  zu  wählen  und  nach  K 1  e b a h n  vor  denselben  der  Name  des  Caeoma- 
wirtes  zu  setzen  (bezw.  derjenige  des  wichtigsten  derselben  oder  der  Untergattung, 
zu  welcher  die  Caeomawirte  gehören.) 

Auf  Pappelblättern  sind  z.  Z.  7  Melampsoraarten  bekannt,  die  wichtigste 
derselben  ist: 

1.  Melampsora  pinitorqua  Rostr.,  welche  ihre  Uredo-  und  Teleuto- 
sporen  auf  den  Blättern  der  Zitter-  und  Silberpappel,  sowie  denen  von  P. 
canescens  oft  in  ausserordentlicher  Menge  bildet  und  die  auf  der  Kiefer  als  Caeoma- 
wirt  den  in  ganz  Deutschland  verbreiteten  Kieferndreher  (Caeoma  pinitor- 
quum) hervorruft.  Die  1 — 3  cm  langen,  mit  Längsriss  aufspringenden,  gelben  Caeomar 
polster  erscheinen  (ausser  an  den  Nadeln  der  Keimpflanzen)  an  der  Rinde  junger  Triebe, 
die  ihre  Längsstreckung  noch  nicht  beendet  haben.  1 — 3jährige  Pflanzen  werden  meist 
getötet,  an  dickeren  Trieben   stirbt   die   befallene  Stelle   einseitig   ab,   durch  weitere 

für  Pflanzenkrankh.  1892—1902.     Hier  ist  auch  die  weitere  Literatur  ausführlich  citiert 

51)  Systematik  der  Rostpilze  im  Allg.  nach  der  trefflichen  Bearbeitung  von  Dietel 
in  Nat.  Pflanzenf.  I.  1**. 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  122.  401 

Streckung  der  gesunden,  gegenüberliegenden  Seite  und  durch  sein  eigenes  Gewicht 
kriimmt  sich  der  Trieb  abwärts,  um  sich  später,  im  ganzen  eine  co  förmige  Figur  bil- 
dend, wieder  aufzurichten.  Das  Mycel  kann  Jahrzehnte  lang  perennieren  und  alljähr- 
lich neue  Caeomapolster  bilden,  die  bei  trockenem  Wetter  vorzeitig  verkümmern,  bei 
nasser  Mai-  und  Juniwitterung  aber  sich  sehr  zahlreich  entwickeln  und  den  jungen 
Trieb  zum  Absterben  bringen.  Jüngere  Kulturen  verkrüppeln  so  mitunter  völlig:  vom 
ca.  30.  Jahre  an  verschwindet  die  Krankheit  von  selbst.  2.  M.  Larici-Tremulae 
Kleb,  mit  U.  und  T.  auf  der  Zitter-  und  Silberpappel  und  3.  M.  Larici-populina 
Kleb.,  mit  U.  und  T.  auf  Populus  nigra,  canadensis  und  balsamifera,  bilden  ihr 
Caeoma  als  kleine,  leuchtend  orangegelbe  Polster  auf  den  L  ä  r  c  h  e  n  n  a  d  e  1  n.  Der 
in  ganz  Deutschland  häufige  Lärchennadelrost  zerstört  oft  einen  grossen  Teil  der  Be- 
nadelung. 4.  M.  M  e  r  c  u  r  i  a  1  i  -  T  r  e  m  u  1  a  e  (^  M.  R  o  s  t  r  u  p  i  i  Wagner),  mit 
ü.  und  T.  auf  Populus  tremula,  alba,  balsamifera  (nigra,  canadensis  und  italica)  bildet 
sein  Caeoma  auf  Mercurialis,  5.  M.  C  h e  1  i d  o  n ii - T r e  m  u  1  a e  (^  M.  Magn u sia n a 
Wagner),  mit  U.  und  T.  auf  Populus  tremula  und  alba,  bildet  Caeoma  auf  (Uielidonium, 
6.  M.  C  0  r  y  d  a  1  i  -  T  r  e  m  u  1  a  e  {=:  M.  Klebahni  Bubdk),  mit  U.  und  T.  auf  Populus 
tremula,  bildet  das  Caeoma  auf  Corydalis  solida  und  cava.  7.  M.  AI  li  i-populina 
Kleb.,  mit  ü.  und  T.  auf  Populus  nigra,  canadensis  und  balsamifera  (nicht  auf  tre- 
mula, alba  und  canescen.s)  bildet  das  Caeoma  auf  Allium  ascalonicum  und  wahrscheinlich 
anderen  Alliumarten. 

Auf  Weidenblättern  kennt  man  bis  jetzt  nicht  weniger  als  14  Melampsora- 
arten,  die  zum  Teil,  namentlich  bei  Kulturweiden,  sehr  schädlich  werden  können,  weil 
die  befallenen  Blätter  schwarzfleckig  werden  und  vor  der  Zeit  abfallen:  8.  M.  Larici- 
Daphnoides  Kleb,  mit  U.  u.  T.  auf  Salix  daphnoides  und  acutifolia  {-^  pruinosa), 

—  9.  M.  Larici-Epitea  Kleb,  mit  U.  u.  T.  auf  Salix  viminalis,  aurita,  cinerea, 
Caprea,  dasyclados,  fragilis,  (daphnoides  und  acutifolia)  10.  M.  Larici-Pentandr  ae 
Kleb.,  mit  U.  u.  T.  auf  Salix  pentandra  und  11.  M.  Larici-Capraearum,  mit  U. 
u.  T.  auf  Salix  Caprea  bilden  alle  vier  ihr  Caeoma  ebenfalls  auf  Lärchennadeln. 

—  12.  M.  A  11  ii- Sali  eis  albae  Kleb,  mit  U.  u.  T.  auf  Salix  alba,  13.  M.  Allii- 
Fragilis  Kleb,  mit  U.  u.  T.  auf  Salix  fragilis,  pentandra  und  dem  Bastard  beider 
bilden  beide  ihr  Caeoma  auf  Alliumarten,  —  14.  M.  Ualant  h  i- Fragilis  Kleb., 
mit  U.  u.  T.  auf  den  gleichen  Salixarten  wie  letztere ,  auf  Galanthus  nivalis.  — 
15.  M.  Ribesii- Viminalis  Kleb,  auf  S.  viminalis,  16.  M.  R i b e  s i i -  A u  r i t  a e 
Kleb  auf  S.  aurita  und  17.  M.  Ribesii-Purpureae  Kleb,  auf  S.  purpurea  bilden 
ihr  Caeoma  auf  Ribesarten.  —  18.  M.  Evonymi-Capraearum  Kleb.,  auf  Salix 
Caprea,  cinerea  und  aurita,  bilden  das  Caeoma  auf  Evonymus.  —  19.  M.  Orchidi- 
Repentis  Kleb,  auf  Salix  repens  and  aurita  bilden  das  Caeoma  auf  Orchisarten.  — 
20.  M.  A  b  i  e  t  i  -  C  a  p  r  a  e  a  r  u  m  Tub.,  auf  Salix  Caprea  bildet  das  CaeomaAbietis 
pectinatae  Rees  auf  jungen  Nadeln  der  Weis  staune,  wo  mehrere  hellgelbe 
Längspolster  auf  beiden  Seiten  des  Mittelnervs  hervorbrechen.  —  Die  a u t ö - 
cische  21.  M.  Amygdalinae  Kleb,  dagegen  bildet  als  Eumelampsora  sämt- 
liche Sporenformen  auf  Salix  amygdalina  und  ist  bis  dato  die  einzige  bekannte  Cae- 
omaform  auf  einer  Weide. 

Melampsoridiumbetulinum  Kleb.  (sjm.  Melampsora  betulina  (Pers.)  Tul.) 
ist  von  Melampsora ,  mit  der  sie  nur  in  den  Teleutosporenlagern  übereinstimmt, 
durch  das  Fehlen  der  koptigen  Paraphysen  und  den  Besitz  einer  Pseudoperidie  um  die 
Uredolager  und  die  Aecidien  (hierin  der  Gattung  Cronartium  sich  nähernd)  verschieden. 
Die  kleinen  Uredo-  und  die  anfangs  orangeroten,  später  braunen  Teleutosporenlager 
st-ehen  auf  den  Blättern  von  Betula  alba,  die  hell  rötlich-orangefarbenen  Aecidien 

Handbuch  der  Forstw.     2.  Aufl.     I.  26 


^      I 


402  III.  Klein,  Forstbotanik. 

auf  den  Nadeln  der  LÄrche. 

Melampsorella  Cerastii  (Pers.)  Schrot. ,  ist  von  Melampsora  durch  die 
in  den  Epidermis z eilen  gebildeten  Teleutosporen  verschieden ,  die  hier  ausjsre- 
dehnte  bleiche  Lager  bilden,  und  besitzt,  ebenso  wie  Melampsoridium,  halbkugelig 
Pseudoperidien  mit  halbkugeliger  ScheitelöflFnung  um  die  pusteiförmigen,  orangegelben 
üredosporenhäufchen ,  welche  oft  die  ganze  Pflanze  bedecken.  Die  AlsineeiL,  insbes. 
Stellaria  media,  nemorum,  Holostea,  Cerastium  triviale  (und 
Möhringia  trinervia)  stellen  —  wie  zuerst  E.  Fischer  nachgewiesen  und  dann  Kle- 
bahn und  V.  Tubeuf  bestätigt  haben  —  den  lange  gesuchten  Zwischenwirt  de,s 
Aecidium  elatinum  Alb.  et  Schw. ,  des  Erregers  des  Tannenkrebses  und 
-Hexenbesens  dar,  zugleich  den  ersten  bekannten  Fall  des  heteröcischen  Zusammen- 
lebens zweier  perennierender  Pilze,  da  M.  Cerastii  sich  in  vielen  Gegenden 
Norddeutschlands,  denen  die  Tanne  und  somit  das  Aecidium  elatinum  fehlt,  durch  Mjcel 
und  Uredo  erhält  und  verbreitet.  Die  Infektion  der  Weisstanne  (und  anderer 
Tannenarten)  erfolgt  an  jungen  Maitrieben;  an  den  infizierten  Stellen  wird  das  Cam- 
bium  zu  gesteigerter  Tätigkeit  angeregt  und  es  entsteht  durch  lokalisierte,  stärkere 
Holz-  und  Rindenentwicklung  eine  Zweiganschwellung,  die  junge  Krebsbeule, 
in  welcher  das  Mycel  perenniert  und  den  Krebs  alljährlich  vergrössert.  Ueberall  da, 
wo  an  einer  Zweiganschwellung  eine  Knospe  angelegt  wird,  entwickelt  sich  dieselbe 
im  nächsten  Jahre  zu  einem  Trieb  mit  den  für  die  Hexenbesenzweige  charakteristi- 
schen Eigentümlichkeiten :  allseits  abstehende,  sommergrüne,  dickliche,  hellgrüne 
Nadeln ,  auf  deren  Unterseite  je  nach  Standort  und  Witterung  im  Juni ,  Jnli  oder 
August  die  gelben  Aecidiumbecher  in  zwei  Reihen  hervorbrechen.  Die  Hexenbesen  ent- 
wickeln sich  zu  reich  verzweigten  Büschen  mit  aufgerichteten  dicken  Zweigen.  Sie 
können  bedeutende  Grösse  und  ein  Alter  von  über  20  Jahre  erreichen.  Selten  entsteht 
der  Hexenbesen  am  Gipfeltrieb,  nicht  selten  dagegen  an  einem  der  jungen  Quirltriebe 
und  wächst  dann  allmählich  bei  zunehmender  Verdickung  des  Stammes  in  denselben 
ein  und  das  M3xel  verbreitet  sich  dann  auch  im  Stamm  und  erzeugt  hier  oft  Krebs- 
geschwülste von  ganz  gewaltiger  Grösse ,  die  nach  dem  Absterben  der  Rinde  Risse 
bekommen  und  so  das  Eindringen  von  Holzparasiten  (namentlich  Polyporus  Hartigii, 
Agaricus  adiposus)  ermöglichen,  wodurch  der  Stamm  an  der  Krebsstelle  weissfaul  wird 
und  infolge  dessen  als  Nutzholz  entwertet  und  auch  vom  Sturme  leicht  gebrochen  wird. 
—  Aecidium  elatinum  ist  der  gefährlichste  Feind  der  Weisstanne,  der 
nur  durch  konsequentes  Abschneiden  der  Hexenbesen  namentlich  an  allen  jungen 
Bäumen  erfolgreich  zu  bekämpfen  ist. 

Pucciniastrum  Epilobii  Otth.  (=  P.  pustulatum  (Pers.)  Diet.  (iiz  P. 
Abieti-Chamaenerii  Kleb.)  besitzt  Uredolager  wie  Melampsorella,  aber  die  Teleutosporen- 
lager  bilden  schwarzbraune,  grosse  Krusten  unter  der  Epidermis  der  Blattunterseite 
von  Epilobium  angustifolium  (und  E.  Dodonaei).  Die  Teleutosporen  werden 
meist  durch  2  sich  kreuzende,  senkrecht  zur  Blattfläche  stehende  Zellwände  vierzellig. 
Die  Aecidien,  durchweg  denen  von  Aecidium  columnare  gleichend,  bewohnen  die 
Weisstannen  nadeln. 

Calyptospora  Göppertiana  Kühn,  bildet  seine  Teleutosporen  ähnlich 
wie  Pucciniastrum,  aber  i  n  den  Epidermiszellen  der  Rinde  von  kleinen  Hexenbesen  der 
Preisseibeere.  Die  schwammig  verdickte  Rinde  der  federkieldicken,  über 
die  gesunden  weit  emporragenden  Triebe  ist  anfänglich  weiss  oder  rosa  und 
wird  später  schwarzbraun.  Der  Pilz  perenniert  in  der  Preisseibeere  und  ist  überall  im 
Weisstannengebiet  häutig,  findet  sich  aber  auch  in  Gegenden,  denen  die  Tanne  fehlt 
Die  Aecidien  (Aecidium   columnare)  zeichnen  sich  durch  die  sehr  lange. 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  123.  403 

weisse  Peiidie  aus  und  stehen  in  2  Reihen  auf  der  Nadelunterseite  der  Weisstanne, 
namentlich  in  Jungwüchsen.  Die  orangefarbenen  Aecidiosporen  sind  durch 
sehr  lange ,  dünne  Zwischenzellen  von  einander  getrennt.  —  Aecidium  pseudo- 
columnare  Kühn ,  ebenfalls  auf  Tannennadeln ,  ist  von  vorigem  durch  weisse, 
grössere  Aecidiosporen  unterschieden;  den  zugehörigen  Zwischenwirt  kennt  man  noch  nicht. 

Thecopsora  Padi  Kunze  et.  Schm.  (syn.  Pucciniastrum  Padi)  bildet  winzige 
Uredopusteln  vom  Melampsorellatypus  auf  der  Blattunterseite  von  Prunus  Padus;  die 
Teleutosporenlager  bilden  wie  bei  Calyptospom  braunrote,  später  schwarz-braune  Krusten 
i  n  den  Epidermiszellen  der  Blatt  ober  seite.  Das  Aecidium  (Ae.  strobilinum 
Alb.  et.  Schwein.)  verursacht  eine  verbreitete  Zapfenkrankheit  der  Fichte, 
deren  Samenanlagen  dadurch  zerstört  werden.  Vorzugsweise  auf  der  Innenseite  der 
Zapfenschuppen,  diesperrendabstehen,  auch  bei  feuchter  Witterung,  stehen  dicht 
gedrängt  die  halbkugeligen  dunkelbraunen  Aecidien ,  deren  verholzende,  dicke 
Pseudoperidie  sich  mit  einem  Querriss  deckelartig  öffnet,  normalerweise  erst, 
wenn  die  Zapfen  den  Winter  über  am  Boden  gelegen  haben. 

Nur  unvollkommen  bekannt  ist  das  nicht  autöcische,  seltene  Peridermium 
c o n 0 r u m  Piceae  Thüm.  (auch  Aecidium  c.  P.  genannt) ,  das  auf  der  Aussen- 
seite  der  Fichten-Zapfenschuppen  zwei  unregelmässige,  4 — 6  mm  grosse,  Hache  Aeci- 
dien bildet.  Die  noch  unbekannten  Uredo-  und  Teleutosporen  gehören  wahrscheinlich 
zu  einer  Melampsoracee. 

§  123.  Die  Familie  der  Coleosporiaceae  besitzt  1( — 2)schichtige,  wachs- 
artige, von  der  Epidermis  bedeckte  Teleutosporenlager,  deren  ungestielte  Teleuto- 
sporen sich  bald  in  4  über  einander  stehende  Zellen  teilen  und  aus  jeder  ein 
einfaches  Sterigma  mit  grosser  (ca.  20  |i)  Basidiospore  treiben. 

Die  Gattung  Coleosporium,  welche  den  systematischen  Anschluss  an  die 
Melampsoraceen  (speziell  an  Melampsora),  vennittelt,  besitzt  blasenförmige  Aeci- 
dien, deren  Pseudoperidie  sich  mit  einem  unregelmässigen  Risse  öffnet  (Perider- 
mium); die  üredosporen  werden  in  kurzen  Ketten  (ähnlich  wie  die  Aecidium- 
sporen)  gebildet  Die  Teleutosporenlager  sind  dunkelrot.  Hierher  gehören 
die  Nadelblasenroste  der  Kiefern,  das  alte  Peridermium  Pini  aci- 
c  0 1  a ,  das  heute  in  eine  ganze  Reihe  von  biologischen  Arten  aufgelöst  ist.  Das  aus 
den  keimenden  Basidiosporen  hervorgegangene  Mycel  bildet  noch  im  gleichen  oder  erst 
im  folgenden  Frühjahr  Pycniden,  wahrscheinlich  je  nachdem  die  Infektion  der  Nadeln 
frühzeitig  erfolgt  oder  nicht.  Die  Aecidien  (Peridermien),  die  weder  makroskopisch, 
noch  mikroskopisch  bei  den  einzelnen  Arten  zu  unterscheiden  sind,  erscheinen  bei  allen 
im  Frühjahr  auf  den  Nadeln  der  gemeinen  und  der  Bergkiefer ,  in  denen  das 
Mycel  bis  zum  normalen  Abwurf  der  Nadeln  perenniert.  Derzeit  kennt  man  bei 
uns  1)  Coleosporium  Senecionis  (Pers.)  Lev.  auf  Senecio  silvaticus  und  vul- 
garis, dazu  gehörig  Peridermium  oblongisporium  Kleb.,  2)  C.  subalpinum 
Wagner  auf  Senecio  alpinus,  dazu  P.  Kriegerii  Wag.  besonders  auf  Pinus  mon- 
tana,  3)C.  Tussilaginis  (Pers.)  L6v.  auf  Tussilago  farfara ,  dazu  P.  P 1  o w- 
rightii  Kleb.,  4)  C.  Petasitis  de  Bary  auf  Petasites  officinalis,  dazu  P.  Boud- 
ieri  E.  Fisch.,  5)  C.  Cacaliae  D.  G.  auf  Adenostyles  albifrons,  dazu  P.  Magnu- 
s  i  a  n  u  m  E.  Fisch.,  6)  C.  I  n  u  1  a  e  (Kze.)  E.  Fisch,  auf  Inula  Yaillantii  und  Heleniura, 
dazu  P.  Klebahnii  E.  Fisch.,  7)C.  Sonchi  arvensis  (Pers.)  Wint.  auf  Sonchus 
arvensis,  asper  und  oleraceus,  dazu  P.  Fischeri  Kleb.,  8)C.  Euphrasiae  (Schum) 
Wint.  auf  Alectorolophus  major  und  minor  und  Euphrasia  officinalis,  dazu  P.  Stahlii 
Kleb.,  9)  C.  Melampyri  (Rebt.)   Kleb,   auf  Melampyrum   pratense,   dazu  P.  Sora- 

26* 


404  III.  Klein,  Forstbotanik. 

ueri  Kleb.,  10)  C.  Carapanulae  (Pers.)  L6v.  auf  Campanalaarten  amfasst,  jeden- 
falls mehrere  Formen,  deren  gegenseitiges  Verhalten  noch  der  näheren  Prüfung  be- 
darf, 8oa)C.  Campanulae  Trachelii  Kleb.,  dazu  P.  Rostrupii  E.  Fisch.,  b)  C. 
Phyteumatis  Wagner  auf  Phyteuma  spicatum,  dazu  P.  Kosmahlii  Wag.,  c) 
C.  Campanulae  rapunculoides  Kleb.,  d)C.  Campanulae  rotnndifoliae 
Kleb,  und  e)C.  Campanulae  macranthae  Wagner  und  jedenfalls  noch  andere. 
—  11)  C.  Pulsatillae  (Strauss)  L6v.  auf  Pulsatilla,  dazu  P.  Jaapii  Kleb.  —  für 
einige  weitere  Coleosporiumarten  auf  Compositen,  für  C.  Clematidis,  C.  Cerinthes  Ist 
die  Zugehörigkeit  zu  den  Nadelblasenrosten  der  Kiefern  noch  experimentell  zu  erweisen. 

Ochropsora  Sorbi  Diet.  (als  einzige  Species  der  Gattung)  erzeugt  auf  den 
Blättern  der  verschiedenen  Sorbusarten  winzige,  zu  unregelmässigen  Gruppen 
vereinigte  üredolager  mit  einzeln  auf  Stielen  stehenden,  bräunlichen,  feinstacheligen 
Uredosporen  und  unregelmässige,  bleichgelbe  Krusten  auf  der  Blattunter- 
seite bildende  Teleutosporenlager.  Die  blassen  Teleutosporen  sind  ein  zellig, 
teilen  sich,  ehe  die  Blätter  völlig  absterben,  durch  Querwände  in  4  Zellen,  deren  jede 
auf  einem  Sterigma  eine  spindelförmige  Basidiospore  abschnürt.  Der  Pilz  über- 
wintert jedenfalls  als  Mycel  auf  einem  noch  unbekannten,  vermutlich  zu  den  Coniferen 
gehörigen  Aecidiumwirt. 

§  124.    Zur  Fam.  der  Cronartiaceae  mit  reihenweise  abgeschnürten, 
ungestielten  Teleutosporen,   die  gleich  nach   der  Reife  mit   typischem 
Promycel  und  kleinen,  kugeligen  Basidiosporen  keimen,  gehört  bei  uns  Cronar- 
t i u m ,  dessen  einzellige  Teleutosporen  in  Längs-  und  Querrichtung  zu  langen, 
säulenförmigen,  braunen  Körpern  oder  Ranken  vereinigt  sind,  die  frei 
über  die  Blattfläche  hervortreten,  und  deren  uredosporen  auf  kurzen  Stielchen  in 
eine  Pseudoperidie   eingeschlossen   sind  (wie  bei  Melampsorella).     Hierher   gehören  die 
Rindenblasenroste    der    Kiefern    (das  alte   Peridermium    Pini    cor- 
t  i  c  0 1  a) ,   deren  Mycel   in  Holz   und  Rinde  der  Kiefern  perenniert  und  alljährlich  im 
Frühjahr  dichtgedrängte,  unregelmässig  aufreissende,   mit  rotem  Sporenpulver  geitillte, 
grosse,    blasenförmige  Aecidien   bildet.     Jüngere   Pflanzen    werden   rasch    getötet,   an 
älteren  hört  an    den  vom  Mycel    ergriff'enen  Stellen   der  Zuwachs  auf,    das  Holz  ver- 
kient,   während  die  Umgebung  gesteigerten  Zuwachs  zeigt,  so  dass  an  älteren  Aesten 
und  Stämmen,  an  denen  sich  die  Krankheit  alljährlich,  namentlich  in  der  Längsrichtung 
ausbreitet,   auffällige  Rinnen  und  oft  gedrehte  Längs wulste  von  ganz  unregelmässiger 
und   abnormer  Querschnittsflgur   entstehen ,    bis   endlich   nach  oft  Jahrzehnte   langem 
Kampf  die  über  der   erkrankten  Stelle  gelegenen  Stamm-  oder  Astteile  infolge  unge- 
nügender Wasserzufuhr  vertrocknen.   Diese  Zopftrocknis,  Kienzopf,  Krebs, 
Räude  oder  Brand  genannte  Krankheit ,    die  an  älteren  Bäumen   selten  ältere  als 
25jährige  Stammteile  oder  Aeste  infiziert,    verursacht   in   reinen  Kieferwaldungen  oft 
sehr  bedeutenden  Schaden.     Für  die  weitaus  häufigste  Form,  das  Perider- 
mium Pini  (W  i  1 1  d.)  Kleb.,  ist  trotz  zahlreicher  Infektionsversuche  der  Uredo-  und 
Teleutosporenzwischenwirt   noch   nicht   gefunden;    ebenso  wenig   ist   der  Pilz   auto- 
cisch.     Geglückt  sind  Infektionen  mit  dem  kaum  davon  unterscheidbaren,   anscheinend 
nicht   sehr   häuflg  auftretenden   P.    C  o  r  n  u  i  Rostr.    und  Kleb. ,   das  als   C  r  o  n  a  r- 
tium   asclepiadeum  (Willd.)    auf  braunen  Flecken   der  Blätter  von  Cynanchum 
vincetoxicum  seine  gelben  Uredo-  und  später  seine  braunen  Teleutosporen  bildet:  hier- 
mit  identisch   sind   das  frühere  C.   flaccidum   Alb.   et.  Schw.    auf  Paeonia  oftici- 
nalis   und  tenuifolia  und  wahrscheinlich  auch  2.  C.  Nemesiae  Yesterg.  auf  der  aus 
Südafrika  stammenden  (!)  Nemesia  versicolor.  —  3.  Cr.  ribicolum   Diet.    auf  den 
verschiedenen  Ribesarten   strebt   in  heteröcischem  Zusammenhang   mit  Peridermium 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  125.  405 

Strobi,  dem  gefährlichen  Rindenblasenrost  der  Weymouthskiefer.  —  Von  4.  Cr. 
Balsaminae  Nissl.  und  5.  Cr.  gentianeum  Thüm.  auf  Gentiana  asclepiadea  sind 
die  Aecidien  unbekannt. 

Chrysomyxa  hat  polsterförmige,  sammetartige,  rote  Teleutosporenlager; 
die  nicht  immer  vorhandenen  U  r  e  d  o  sporen  stehen  ebenfalls  in  Reihen  (wie  bei  Coleo- 
sporinm).  —  1.  Chr.  Rododendri  (D.C.)  de  ßary,  der  Alpenrosenrost,  entwickelt 
seine  schon  im  Herbste  angelegten  Teleutosporen  im  Frühjahr  gleich  nach  der  Schnee- 
schmelze auf  vorjährigen  Blättern  der  Alpenrosen.  Die  Basidiosporen  infizieren 
die  jungen  Fichtennadeln,  auf  welchen  zuerst  kleine,  gelbe  Pycniden  und  gewöhnlich 
im  August  auf  gelben  Flecken  die  Aecidien  (mit  langer  weisser,  an  der  Spitze  auf- 
reissender  Peridie)  meist  massenhaft  hervorbrechen.  Die  erkrankten  Nadeln  fallen 
bald  ab.  In  den  Alpenländem  tritt  die  Krankheit  oft  sehr  heftig  auf.  —  Im  nörd- 
lichen Deutschland  ruft  2.  Chr.  L  e d i  (Alb.  et  Schw.)  de  Bary,  auf  Ledum  palustre, 
die  gleiche  Erkrankung  der  Fichtennadeln  hervor.  —  3.  Chr.  Abietis  (Wallr.) 
Unger,  der  ebenfalls  die  Fichtennadeln  befällt  und  in  ganz  Deutschland  verbreitet  ist, 
ist  a u t ö ci s c h ;  er  bildet  nur  Teleutosporen  in  orangerotgelben  Längspolstem, 
die  im  Mai  reifen  und  alsbald  die  jungen  Nadeln  infizieren.  Schon  Ende  Juni  zeigen 
die  jungen  Nadeln  streifenweise  Gelbfärbung ;  die  im  Herbst  schon  angelegten  Teleuto- 
sporenlager überwintern.  Nach  dem  Verstäuben  der  Sporen  fallen  die  Nadeln  ab,  doch 
ist  der  Nadelverlust  selten  so  gross,  wie  bei  Chr.  Rhododendri. 

§  125.  Die  Familie  der  Pucciniaceae,  mit  gestielten,  mit  t^^ischem 
Promycel  keimenden  Teleutosporen,  enthält  eine  grosse  Anzahl  fast  ausschliess- 
lich auf  krautigen  Pflanzen  teils  autöcisch,  teils  heteröcisch  lebender  Arten. 

Die  Gattung  Puccinia  hat  2  übereinander  stehende,  (sog.  2zellige) 
dunkle  Teleutosporen.  1.  P.  graminis  Pers.,  der  Getreiderost,  bildet  seine 
Aecidien  auf  verdickten  Blattstellen  von  Berberis,  2.  P.  coronata  Corda  und 
3.  P.  c 0 r 0 n i f e r a  Kleb.,  beide  Haferrost  erzeugend,  bilden  ihre  Aecidien  auf 
Khamnus,  erstere  auf  den  Blättern  von  Rh.  Frangula,  letztere  auf  oft  deformierten 
Blättern  und  jungen  Trieben  von  Rh.  cathartica.  —  Autöcisch  ist  4.  P.  Buxi,  auf 
dem  Buchsbaum,  die  nur  T  e  1  e u  t  o  sporen  besitzt,  welche  im  Frühjahr  reifen  und 
sofort  keimen  und  infizieren.  —  Unvollständig  bekannt  ist  5.  Puccinia  Pruni 
spinosae  Pers.,  das  auf  den  Blättern  verschiedener  Pi-unusarten  nur  hellgelbbraune 
Uredo-  und  dunkelbraune  Teleutosporen  bildet. 

Gymnosporangium  bildet  (auf  Nadeln  und)  hypertrophlerten  Zweigstellen 
der  Juniperus  arten,  in  denen  das  Mycel  perenniert,  nur  sog.  2  zellige  Teleuto- 
sporen mit  hell-  oder  dunkelbrauner  Membran.  Die  langgestielten  Teleuto- 
sporen —  Uredo  fehlt  —  brechen  bündelweise  als  kleine  Zäpfchen  im  Frühjahr  in 
grosser  Zahl  hervor  und  bilden,  indem  die  G  a  1 1  e  r  t  s  t  i  e  1  e  der  Sporen  bei  Regen- 
wetter stark  aufquellen ,  keulen-  oder  zungenartige,  grosse  Gallert- 
polster. Nach  der  Keimung  der  Teleutosporen  und  der  Bildung  der  Basidiosporen 
verquellen  und  zerfliessen  die  Zungen.  Die  Pycniden  und  die  mit  stark  entwickelter, 
sehr  derbwandiger,  gitter-  oder  pinselartig  sich  öffnender  Pseudoperidie 
(R ö s t e  1  i a)  versehenen  Aecidien  reifen  auf  den  Blättern  der  Pomaceen  im 
Sommer  bezw.  Herbst,  auf  denen  sie  oft  beträchtliche  Verdickungen  hervorrufen.  In 
Europa  sind  5  Arten  heimisch: 

1.  G.  juniperinum  (L.)  Wint.,  bildet  seine  Teleutosporen  auf  den  Nadeln 
und  an  den  allseitig  spindelförmig  anschwellenden  Zweigen  von  Juniperus  communis 
nur  in   kleinen  Polstern,   mit   kräftigen,    oft   fingerförmig   verlängerten  Papillen   über 


406  III.  Klein,  Forstbotanik. 

jedem  Keimporus  der  dickwandigen,  31—52  p.  langen,  21— 80  n  breiten  Sporen.  Aeci- 
diura  mit  langzylindrischer,  oft  etwas  gekrümmter  Pseudoperidie  (Röstelia  cor- 
nuta  (Gmel.)  Fr.)  auf  lebhaft  gelben  Flecken  von  Sorbus  Aucuparia  (und  Amelan- 
chier  rotundifolia).  —  2.  G.  tremelloides  A.Br.  (bisher  meist  mit  vorstehendem 
verwechselt)  bildet  an  einseitigen  Zweiganschwellungen  von  Juniperus  communis 
bis  mehrere  cm  grosse,  anfangs  derbe  und  braune  Sporenpolster,  die  später  zu  grossen 
Klumpen  und  Lappen  von  gelbbrauner  Farbe  verquellen.  Die  Membran  der  40 — 66  ji 
langen  und  22 — 31  ii  breiten  Sporen  ist  nirgends  besonders  verdickt.  Aeci- 
dien  mit  am  Rande  pinselartig  zerfaserter  Pseudoperidie  (Röstelia 
penicillata  (Müll.)  Fr.)  auf  Sorbus  Aria,  Chamaemespilus,  Hostii  und  zuweilen 
massenhaft  auf  Apfelbäumen.  —  3.  G.  clavariae forme  (Jacq.)  Rees,  bildet 
ebenfalls  an  einseitigen  Zweiganschwellungen  von  J.  communis  gelbe,  zäpfchenformige 
Teleutosporenlager,  die  zu  lang  zungenförmigen  Bändern  verquellen.  Teleutosporen 
70 — 120  |A  lang,  14 — 20  i*  breit.  Aecidien  mit  grosser,  sackartiger,  pinselartig 
tief  zerschlitzter  Pseudoperidie  (Röstelia  lacerata  (Sow.)  Mer.)  besonders  auf 
Orataegusarten  und  Cydonia.  —  4.  G.  Sabinae  (Dicks.)  Wint.,  bildet  auf 
Zweigen  von  auf  Juniperus  S  a  b  i  n  a ,  virginiana,  Oxycedrus  und  phönicea  gallertige, 
rotbraune,  späier  hellere,  zungenförmig  zusammengedrückte  Teleutosporenpolster  mit 
36 — 50  11  langen,  22 — 26  i*  breiten,  glatten  Sporen.  Die  Aecidien  mit  gitter- 
artig sich  öffnender,  oben  geschlossen  bleibender,  kegelförmiger  Pseudoperidie  (Rö- 
stelia cancellata  (Jacq.)  Rebent.)  auf  den  Blättern  der  Birnbäume.  —  5.  G. 
confusum  Plowr.,  von  voriger  Art  wenig  verschieden  und  sogar  mit  ihr  gemeinsam 
auf  J.  S a b i n a  vorkommend,  bildet  seine  Aecidien  (Röstelia  Mespili  (D.C.), 
die  sich  stets  an  der  zerschlitzenden  Spitze  öffnen,  auf  Cydonia,  Cra- 
taegus, Mespilus  germanica,  weniger  regelmässig  auch  auf  Pirus  communis. 

§  126.  b)  Die  Hymenomycetes  gehören  zur  höheren  Stufe  der  Basidio- 
myceten,  den  Autobasidiomycetes,  mit  ungeteilten  Basidien,  welche 
an  ihrem  Scheitel  in  der  Regel  je  4  Sterigmen  tragen,  die  je  eine  Basidiospore  ab- 
gliedern. Mit  Ausnahme  von  Exobasidium,  von  welchem  E.  V  a  c  c  i  n  i  i  W  o  r  auf 
den  Blättern  der  Preiselbeere  rote  oder  weisse  Anschwellungen,  E.  Rhododendri 
Cram.  auf  denen  der  Alpenrosen  die  „Alpenrosenäpfel i*"  erzeugt,  bekleiden  die 
ausgedehnten  Hymenien  bestimmte,  offen  liegende  Stellen  charakteristisch  gestalteter, 
meist  stattlicher  Fruchtkörper.  Conidien  und  Chlamydosporen  kommen  nur  in  rel. 
wenigen  Fällen  vor.  Die  hier  erwähnten  Pilze  sind  fast  alle  holzbewohnende 
Wundparasiten.  An  totem  Holze,  dasselbe  zersetzend,  kommt  ausserdem  noch 
eine  grosse  Zahl  weiterer  Arten  vor.  —  Hervorragende  Bedeutung  als  forst- 
liche Schädlinge  besitzen  nur  Trametes  Pini,  Trametes  radiciperda 
(=zz  Polyporus  annosus)  und  Agaricus  melleus. 

Bei  den  Gattungen  Trametes  und  Polyporus  inkl.  F  o  m e s  ist  die  Sub- 
stanz der  meist  konsolenförmigen,  ungestielten,  seitlich  angewach- 
senen Fruchtkörper  mit  dem  aus  verwachsenen,  engen  Röhren  bestehenden 
Hymenium  fest  verbunden. 

Trametes  Pini  fr.,  der  Kiefern b a u m schwamm,  ruft  die  namentlich  in 
Kiefernbeständen  Norddeutschlands  ungemein  verbreitete,  in  Süd-  und  Mitteldeutsch- 
land mehr  an  Fichten  auftretende,  im  Riesengebirge  auch  an  Lärchen  und  Tannen 
vorkommende  Ring-  oder  Kernschäle  hervor.  Er  greift  als  Wundparasit  fast 
nur  ältere  Bäume  (mit  Kernholz)  an,  von  tieferen  Astwunden,  welche  sich  nicht  durch 
Harzaustritt  schützen  können,  ausgehend.    Das  Mycel  verbreitet  sich   vorzugsweise  in 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  126.  407 

der  Längsrichtung  im  Stamm  nach  oben  und  unten,  seitlich  besonders  im  Frühholz  der 
gleichen  Jahresringe,  das  Holz  so  in  peripheren  Zonen  als  „Ringschäle"  stärker  zer- 
setzend. Das  erkrankte  Holz  wird  zuerst  rotbraun,  dann  entstehen  durch 
stellenweise  Lösung  der  verholzenden  Substanzen  aus  Zellulose  bestehende  weisse 
Flecken.  Bei  Fichte  und  Tanne  dringt  die  Zersetzung  bis  zur  Rinde  vor,  bei 
Kiefer  und  Lärche  wird  sie  an  der  Splintholzgrenze  durch  eine  feste  verharzende 
vSchicht  gehemmt.  —  Die  korkig-holzigen,  8 — 16  cm  breiten,  oben  kon- 
zentrisch gefurchten  braunen  Fruchtkörper  von  Krusten-  oder  Kon- 
solenform können  bis  50  Jahre  alt  werden;  sie  kommen  bei  Kiefer  und  Lärche  nur 
an  Aststellen,  bei  Fichte  und  Tanne  auch  aus  der  Rinde  hervor. 

Die  (jattungen  F o  m  e s  und  Polyporus  unterscheiden  sich  dadurch  von 
Trametes,  dass  die  Substanz  zwischen  den  Röhren  von  der  des  Hutes  verschieden 
und  nicht  wie  bei  T.  derselben  gleich  ist.  F  o  m  e  s  besitzt  von  Anfang  an  holzige, 
derbe  Fruchtkörper  mit  im  Alter  geschichteten  Röhren,  während  Polyporus  an- 
fangs zähfleischige,  erst  später  erhärtende,  seltener  käsig-flockige,  zerbrechliche  Frucht- 
körper besitzt  und  die  Röhren  hier  nie  geschichtet  sind. 

1.  Fomes  (Polyporus)  annosus  Fries  (=  Trametes  radiciperda 
Hartig,  Heterobasidion  annosum  Bref.),  der  W  u  r  z  e  l  s  c  h  w  a  m  m  ,  ist  unter 
Umständen  ein  gefährlicher  Parasit  der  Nadelholzbestände,  der  die 
gefiirchtetste  Art  der  Rotfäule  und  Lücken  in  den  Nadelholzwaldungen  veranlasst, 
die  sich  zentrifugal  vergrössern.  Er  befällt  besonders  Pinus  silvestris  und  Strobus, 
dann  Fichte  und  Weisstanne  in  allen  Altersstufen  und  wurde  auch  an  anderen  Nadel- 
hölzern und  an  verschiedenen  Laubhölzern  gefunden.  Die  Erkrankung  beginnt  ge- 
wöhnlich an  den  Wurzeln  und  steigt  von  da  im  Stamm  schnell  und  weit  empor,  ausser 
bei  der  gemeinen  Kiefer,  bei  welcher  infolge  rascher  Verharzung  die  Fäulnis  nicht 
über  Stockhöhe  emporsteigt.  Das  Mycel  durchwächst,  die  lebenden  Zellen  tötend,  das 
Holz  der  befallenen  Wurzel  rasch,  die  Kinde  langsamer,  und  bildet  zwischen  den  Borke- 
schuppen derselben  äusserst  zarte,  kaum  seidenpapierdünne,  weisse  Mycelhäute  mit 
kleinen  Anschwellungen,  da  wo  sie  zwischen  den  Rindenschuppen  her  vor  wachsen.  Wo 
eine  kranke  Wurzel  im  Boden  eine  gesunde  eines  Nachbarbaumes  berührt,  kann  das 
Mycel  in  diese  hineinwachsen  und  sie  intizieren.  Die  Wurzeln  werden  so  nach  und 
nach  getötet  und  damit  endlich  auch  der  Baum.  Das  erkrankte  Holz  wird  nach 
dem  Absterben  der  Zellen  zuerst  violett,  später  hell  bräunlichgelb,  wobei  ein- 
zelne schwarze  Flecken  zurückbleiben,  die  sich  später  mit  weissen  Zonen 
umgeben.  Dabei  wird  das  Holz  immer  leichter  und  schwammiger,  bekommt  zahl- 
reiche Löcher  und  zerfasert  schliesslich.  Die  Fruchtkörper  brechen  an  den 
Wurzeln  oder  am  Wurzelstock  zwischen  den  Rindenschuppen  hervor  als  sehr  kleine 
in  der  Jugend  seidenglänzende,  oben  gelbliche,  später  chocoladebraune,  unten  schnee- 
weisse,  holzige,  ziemlich  dünne,  schalenförmige  Polster,  die  mit  ähnlichen  Nachbar- 
polstern verschmelzen  und  zu  ausnahmsweise  30 — 40  cm  grossen  Krusten  heranwachsen 
können.  Ausserdem  bildet  das  Mycel  an  der  Luft,  wie  B  r  e  f  e  1  d  ^2)  zuerst  bei  künst- 
licher Kultur  gezeigt  hat,  als  Schimmelpilz  massenhaft  Conidien. 

2.  Fomes  (Polyporus)  connatus  Fries,  mit  reihenweise  dachziegelig  über 
einander  stehenden  und  verwachsenden,  ausgebreitet-umgebogenen,  korkig-holzigen,  zot- 
tigen, weissen  oder  grauen  Fruchtkörpern,  lebt  nach  Hartig  parasitär  an  Ahornbäumen. 

3.  F.  (Polyp.)  p i n i c 0 1  a  Fr.,  mit  dicken,  anfänglich  polster-,  dann  hufförmi- 

52)  Brefeld,  Unters,  a.  d.  Gesamtgebiet  d.  Mykologie  (12  Hefte  gr.  4^  mit  zahlr. 
Tafeln  1872 — 1895,  eine  Fülle  von  wertvollen  Beobachtungen  enthaltend).     Bd.  8.  p.  181  ff. 


408  III.  Klein,  Forstbotanik. 


gen,  korkig-holzigen,  ungleichen  Fnichtkörpern,  die  anfangs  gelblich,  dann  schwärzlich 
mit  zinnoberrotem  Rande,  innen  aber  weisslich  sind,  lebt,  wahrscheinlich  parasitär,  an 
Kiefern,  Fichten,  Tannen,  Birken  und  Kirschbäumen. 

4.  F.  (Polyp.)  m  a  r  g  i  n  a  t  u  s  Fr. ,  mit  ähnlichen ,  aber  meist  noch  grösseren 
(bis  35  cm)  flachen,  kahl  oder  grau  bereiften,  konzentrisch  gefurchten  Fruchtkörpem, 
die  am  Rande  verschiedenfarbig  gezont,  innen  lederfarbig  sind,  bewohnt  hauptsächlich 
die  Rotbuche,  mitunter  auch  Eiche  und  Birke. 

5.  F.  (Polyp.)  salicinus  Fr.,  mit  zum  grössten  Teil  umgewende- 
ten, sehr  harten,  kahlen,  zimmetbraunen ,  später  grauen  Fruchtkörpem,  ist  nach 
T  u  r  s  k  y  ein  gefährlicher  Feind  der  Weide  n. 

6.  F.  (Polyp.)  fomentarius  (L.)  Fr.,  der  echte  Feuer-  oder  Zun- 
derschwamm, mit  oft  sehr  grossen  (über  1  m)  und  alten ,  hufeisenförmig- 
polsterartigen,  im  Umfang  halbkreisförmigen,  oben  konzentrisch  gefurchten, 
kahlen ,  russig-braungrauen  Fruchtkörpern  mit  sehr  harter  Rinde  und 
schwammigem,  den  Zunder  liefernden  innerem  Gewebe,  lebt  auch  parasitisch  an  Rot- 
buchen, seltener  an  Ulmen  und  Eichen,  im  Holze  eine  durch  breite,  lederartige,  in 
radialen  Spalten  verlaufende  Mycellappen  charakterisierte  Weissfäule  erzeugend. 

7.  F.  (Polyp.)  igniarius  L.  Fr.,  der  falsche  Feuerschwamm,  ist 
der  gemeinste  Wundparasit  der  meisten  Laubhölzer,  namentlich  der  Weiden 
und  Eichen,  wo  er,  das  Holz  anfänglich  tief  braun,  dann  gelblichweiss  verfärbend, 
eine  Weissfäule  heiTorruft.  Die  durch  und  durch  harten,  kugelig  knol- 
ligen,  später  hut-  oder  konsolenförmigen ,  6 — 20  (30j  cm  breiten  Fruchtkörper 
sind  anfangs  gelbbraun  tilzig,  später  schwarzbraun  kahl,  konzentrisch 
gefurcht,  an  den  Röhrenmündungen  zimmetbraun. 

8.  F.  (Polyp.)  f  u  1 V u s  (Scop.)  Fr.,  mit  beiderseits  konvexen,  knolligen,  anfangs 
behaarten,  dann  glatten,  gelbbraunen,  später  grau  und  rissig  werdenden, 
bis  20  cm  grossen  Fruchtkörpem  mit  zimmtbraunen  Röhren,  ist  ein  Weissfaule 
erzeugender ,  nicht  seltener  Wundparasit  der  Weissbuchen,  Zitterpappeln 
und  namentlich  der  Zwetschgenbäume. 

9.  Polyporus  Hartigii  Allesch.  (von  Hartig  früher  als  P.  fulvus  Scop.  be- 
zeichnet), hat  u  n  geschichtete  Röhren,  ist  also  ein  P.  im  engeren  Sinn.  Die  oberseit^ 
rotbraunen  oder  aschgrauen,  an  den  Röhrenmündungen  gelbbraunen  Frucht- 
körper  besitzen  Konsolenform  am  Stamm  und  Wulstform  an  den  Aesten.  Der  Pilz 
ist  ein  AVundparasit  der  Fichte  und  Tanne,  der  mit  Vorliebe  alte,  aufgerissene  Krebs- 
stellen der  Weisstanne  befällt  und  in  deren  Nähe  seine  Fruchtkörper  bildet. 

10.  P.  dryadeus  Fr.  (syn.  P.  pseudoigniarius  Bull.) ,  bildet  an  der 
Basis  der  Eichenstämrae  bis  ^'2  m  hreite,  zuerst  fleischige,  dann  korkige,  an  der  Ober- 
fläche mit  grubigen  Vertiefungen  versehene,  rostfarbige,  braun  werdende,  ein- 
jährige Fruchtkörper  von  geringer  Dauer.  —  Das  dunkle  Kernholz  zeigt 
gelbliche  und  weisse  (Zersetzungs-)L ängsstreifen. 

11.  P.  betulinus  (Bull.)  Fr.,  mit  bis  15  cm  breiten,  meist  hufeisenförmigen, 
fleischigen,  weissen,  später  korkartigen  Fruchtkörpem  mit  dünner,  abtrenn- 
barer, bräunlicher  Haut  und  kurzen  Röhren,  ist  ein  verbreiteter,  Rotfäule  erzeugender 
Wundparasit  der  Birken. 

12.  P.  hispidus  (Bull.)  Fr.,  mit  einjähr  igen,  weichschwammigen, 
halbierten,  polsterförmigen,  oben  rostbraunen,  innen  gleichfarbigen,  unten 
gelblichen ,  bis  25  cm  breiten  Fruchtkörpem,  ist  ein  Wundparasit  von  Eschen, 
Ulmen,  Platanen,  und  namentlich  von  Maulbeer-  und  Apfelbäumen. 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  127.  409 

13.  P.  b  0  r  e  a  11  s  Fr.  mit  einjährigen,  fleischigen,  wasserreichen, 
polster-  oder  konsolenförmigen,  meist  zu  mehreren  dachziegelig  verwachsenen,  bis  7  cm 
breiten  und  5  cm  dicken  weissen  Fruchtkörpern  von  unangenehmem  Geruch, 
ist  ein  verbreiteter  Wundparasit  der  Fichte,  wo  er  eine  eigenartige  Weiss- 
fäule  erzeugt,  indem  1 — 2  mm  über  einander  stehende,  mit  Mycel  erfüllte,  quere 
Lücken  im  Frühholz  entstehen  und  das  ganze  Holz  schliesslich  in  Würfel-  oder  back- 
steinähnliche Stücke  zerfällt. 

14.  P.  sulphureus  (Bull.)  mit  einjährigen,  weichfleischigen  (käsearti- 
gen), lebhaft  schwefelgelb  (oben  auch  rötlichgelb)  gefärbten,  sehr  verschieden 
gestalteten  Fruchtkörpern,  von  denen  oft  viele  zu  grösseren  (bis  ca.  70  cm) 
Massen  verwachsen  sind,  ist  ein  häutiger,  R  o  t  f  ä  u  l  e  verursachender  Wundparasit  von 
L a n b -  und  Nadelhölzern. 

15.  P.  squamosus  (Huds.)  Fr.  mit  einjährigen,  seitlich  oder  exzen- 
trisch gestielten,  anfangs  zähfleischigen,  später  verhärtenden,  halbkreis-  oder 
nierenförmigen,  oberseits  gelblichen,  braunschuppigen,  oft  dachziegelig 
verwachsenen  Fruchtkörpern  ist  ein  häutiger,  die  verschiedensten  Laubhölzer 
befallender,  Weiss  faule  verursachender  Wundparasit. 

16.  P.  sistotrematis  Alb.  et  Schw.  (=  m o  1 1 i s  R.  Hartig,  =  »Schwel- 
nitzüFr.),  mit  einjährigen,  meist  trichterförmigen,  kurz-und  dick- 
gestielten, oft  verwachsenen ,  bis  ca.  80  cm  grossen ,  braungelben,  weich- 
schwammigen (im  Alter  dunkelbraunen  und  korkigen)  Fruchtkörpern,  deren 
weite,  anfangs  schwefelgelbgrüne,  später  braune  Röhrenmündungen  sich 
beim  Berühren  tief  rot  verfärben,  ist  ein  Wundparasit  der  gemeinen 
und  der  Weymouthskiefer.  Im  erkrankten,  eigenartig  nach  Terpentin  riechenden 
Holz  wird  im  Gegensatz  zu  den  vorstehenden  Arten  gerade  die  Zellulose  zersetzt,  so 
dass  das  Holz  schliesslich  mürbe  und  zerreiblich  wird. 

17.  Poria  (Polyporus)  vaporaria  Pers.  Lohbeet-Löcherpilz, 
bildet  keine  Konsolen,  sondern  umgewendete  (mit  dem  Hymenium  nach  oben  ge- 
richtete) ,  krustenförmig  flach  ausgebreitete  und  mit  dem  Substrat  fest 
verwachsene,  nur  ca.  V^  cm  dicke,  völlig  weisse  Fruchtkörper  auf  der  Rinde 
lebender  Fichten  und  Tannen,  deren  Holz  er,  ganz  ähnlich  wie  vorstehende  Art, 
rotfaul  macht.  —  Besonders  schädlich  wirkt  der  Pilz  auch  an  totem  Holz,  das  er  rasch 
zersetzt,  ähnlich  wie  der  sehr  selten  auch  im  Walde  an  lebenden  Bäumen  gefundene 
echte  Hausschwamm,  Merulius  lacrymans,  dessen  Mycel  bald  grau  wird,  während  das- 
jenige von  P.  vap.  stets  weiss  bleibt. 

18.  Poria  (Polyporus)  laevigata  (Fr.)  bildet  ebenfalls  umgewendete, 
ausgebreitete,  lederartig  rauhe,  dünne,  braune,  erwachsen  sich  ablösende  Krusten 
mit  hellbraun-tilzigem  Rand  in  der  Jugend.  Wie  Mayr^^)  (auch  für  P.  betulinus)  ex- 
perimentell nachgewiesen  hat,  ist  der  Pilz  ein  Rotfäule  verursachender  Wundparasit 
der  Birke. 

§  127.  Hydnum  diver  sidens  Fr.  aus  der  Familie  der  Hydnaceae  oder 
Stachelschwämme  mit  fleischigen,  bis  5  cm  breiten  und  3  cm  dicken ,  g e  1  b- 
weissen,  verschieden  gestalteten,  gerandet  konsolen förmigen  oder  k r u s t e n- 
förmigen  Fruchtkörpern,  die  oberseits  mit  dichten,  1 — V/i  cm  langen,  ver- 


53)  Bot.  Centralbl.  Bd.  20.  1884.   p.  o3  fl^. ;  der  Pilz  fehlt  sowohl  in  der  Rabcn- 
horst-Winte r'schen  Kryptogamenflora  wie  bei  Hennings  in  den  Nat.  Pflanzenfam. 


410  m.  Klein,  Forstbotanik. 

schieden  gestalteten ,   vom  Hymenium  überzogenen  Stacheln  dicht  besetzt 
sind,  ist  ein  W  e  i  s  s  f  ä  u  1  e  erzeugender  Wundparasit  der  Eiche  und  Rotbuche. 

1.  StereumfrustulosumFr.  (syn.  Thelephora  PerdixR.  Hartig) 
aus  der  Familie  der  Thelephoraceae  (mit,  wie  bei  den  folgenden  Arten,  untersei- 
tigem und  glattem  Hymenium),  hat  kleine,  bis  lingernagel grosse ,  undeutlich  ge- 
randete,  halbiert-hutförmige,  holzige  Fruchtkörper  mit  gewölbtem,  anfangs  bereiftem, 
zimmetfarbenera  Hymenium.  Dieselben  stehen  meist  dicht  gedrängt,  fast  zusam- 
menfliessend  und  bilden  oftfelderig-rissige,  tellerartige,  braunschwarze 
Krusten.  Der  Pilz  ruft  eine  sehr  charakteristische  Zersetzung  des  Eichenholzes,  das 
sog.  Rebhuhnholz  hervor,  indem  in  dem  erkrankten  dunkelbraunen  Holz 
zahlreiche,  kleine,  weisse,  kugelförmige  Partien  auftreten,  die  später  zu  Hohlkngeln 
werden. 

2.  St.  hirsutum  Fr.  mit  hirschbraunen,  rauh  behaarten,  anfangs  krusten-, 
dann  meist  becherförmigen,  lederartigen  Fruchtkörpem  mit  scharfem,  gelblichem 
Rand  und  meist  orangerotem,  gezontem  Hymenium,  lebt  auch  als  Wundparasit  auf  ver- 
schiedenen Laubhölzem  und  verursacht  die  häufige  und  charakteristische  Zersetzung 
des  Eichenholzes ,  die  unter  dem  Namen  weiss-  oder  gelbpfeifiges  Eichenholz 
(auch  Fliegenholz)  bekannt  ist.  Die  von  den  Aesten  ausgehende  Erkrankung  ver- 
breitet sich  im  Stamm  in  peripheren,  weissen  Zonen,  die  im  Querschnitt  als  weisse 
Punktreihen  (F 1  i  e  g  e  n  h  o  1  z),  im  Längsschnitt  als  weisse  Streifen  erscheinen. 

§  128.  1.  Agaricus  melleus  Vahl  (syn.  Armillaria  mellea  [Vahl] 
Qu^l.) ,  der  Hallimasch  oder  H  o  n  i  g  p  i  1  z  aus  der  Familie  der  Agaricaceae 
(deren  Hymenium  meist  strahlig-radial  verlaufende  Lamellen  überzieht),  ist 
ein  im  Spätsommer  oder  Herbste  gewöhnlich  in  dichten  Rasen  an  toten  Baumstümpfen 
(nam.  Rotbuche)  oder  in  deren  Nähe  auftretender  Hutpilz  mit  4 — 16  cm  breitem,  honig- 
gelbem  oder  gelbbraunem,  zähfleischigem,  dünnem  Hut,  der  oberseits  haarig- 
zottige, braune  »Schuppen,  unterseits  entfernte,  anfangs  weissliche,  später  fleischfarbene 
oder  bräunlich  gefleckte,  mehr  oder  weniger  herablaufende  Lamellen  trägt.  Der  blass 
fleischfarbige,  schwammig-volle  Stiel  trägt  einen  gelbweissen,  häutigen  Ring.  —  Ans 
den  massenhaft  gebildeten  weissen  Sporen  entwickelt  sich  ein  saprophytisch  lebendes 
zartes  Mycel  und  aus  demselben  die  wurzelähnlich  einzeln  im  Erdboden  und  sehr 
reichlich  zwischen  totem  Holz  und  Rinde  verlaufenden  braunschwarzen  Rhizo- 
morphenstränge,  die  mit  Spitzenwachstum  begabt  sind  und  den  Pilz  im  Erd- 
boden verbreiten.  Sie  können  in  die  Wurzeln  der  verschiedensten  gesunden  Nadel- 
hölzer eindringen,  aber  jedenfalls  nur  unter  noch  sehr  der  näheren  Erforschung  be- 
dürftigen Voraussetzungen,  da  der  Pilz  im  Walde  einer  der  allergemeinsten 
Saprophyten  an  alten  Stöcken  und  Wurzeln  ist.  Nach  Hartig  scheint  er  auch 
Laubhölzer,  namentlich  Ahorn,  unter  gewissen  Voraussetzungen  als  Wundpai-asit  in- 
fizieren und  Eichenstöcke  im  Niederwaldbetrieb  töten  zu  können,  ehe  sie  neue  Ausschläge 
gebildet  haben.  Von  der  Spitze  der  in  eine  Nadelholzwurzel  eingedrungenen  Rhizo- 
morphe  entspringen  zahlreiche  Mycelfäden,  die  rasch  im  Holze,  namentlich  in  den  Harz- 
kanälen aufwärts  wachsen  und  das  angrenzende  Holzparenchym  töten.  Unter  der  Rinde 
lebender  Wurzeln  und  Bäume  wächst  das  Mycel  langsamer  und  bildet  hier  derbe 
weisse  Häute  (Pol.  annosus  sehr  dünne !).  Am  Wurzelstock  der  erkrankten  Bäume 
findet  starker  Harzfluss  statt  („Harzstick  en  ,  Harzüberfülle").  Später  ver- 
breitet sich  das  Mycel  auch  in  den  leitenden  Gewebeelementen  und  ruft  eine  Art 
Weiss  faule  hervor.     Wenn   das  Mj^cel   von  der  infizierten  Stelle  aus  den  Stamm 


Die  einzelnen  Pilzarten.     §  128.  411 

erreicht  und  von  da  aus,  wie  Polyp,  annosus,  die  anderen  gesunden  Wurzeln  ergriffen 
hat,  verdorren  die  Bäume  rasch  und  die  Holzzersetzung  hört  auf,  ehe  das  Mycel  das 
Kernholz  erreicht  hat.  —  Von  A.  melleus  zersetztes  Holz  leuchtet  (phosphoresziert) 
im  Dunkeln,  so  lange  das  Mycel  am  Leben  ist. 

2.  A.  a d i p 0  s u s  Fr.,  mit  goldgelben,  6 — 8  cm  (und  mehr)  breiten  Hüten, 
die  von  verschwindenden,  sperrigen,  dunklen  vSchuppen  konzentrisch  bedeckt  sind,  dringt, 
wie  Pol.  Hartigii,  als  Wundparasit  besonders  in  die  Krebsstellen  der  Weisstanne  ein. 
Er  zersetzt  das  Holz  rasch,  das  gelb  oder  honiggelb  wird  und  in  Jahresschichten  zer- 
blättert, aber  auch  in  horizontaler  und  radialer  Richtung  von  Mycelbändern  durch- 
setzt wird. 


412 


IV. 

Waldbau. 

Von 

Tuisko  Lprey'). 


Literatur:  a)  Das  ganze  Gebiet  behandelnde  Werke:  Hartig,  G.  L.,  Anwei- 
sung zur  Holzzucht  für  Förster,  1.  Aufl.  1791,  4.  Aufl.  1817.  —  Cotta.  H.,  Anweisung  züto 
Waldbau,  1.  Aufl.  181f>,  J).  Aufl.  (ed.  H.  v.  Cotta)  1865.  -  Pfeil,  Die  deutsche  Holz- 
zucht, 18fi().  -  Gwinner,  H.  W.,  Der  Waldbau,  1.  Aufl.  1884,  4.  Aufl.  (cd.  Denglen 
1808.  —  Stumpf,  C,  Anleitung  zum  Waldbau,  1.  Aufl.  1850,  3.  Aufl.  18B3.  —  Heyer, 
C,  Der  Waldbau,  1.  Aufl.  1854,  4.  Aufl.  (ed.  R.  Hess)  1893.  —  Burckhardt,  H.,  Säen 
und  Pflanzen,  1.  Aufl.  1855,  6.  Aufl.  (ed.  A.  Burckhardt)  1893.  —  Gay  er,  K.,  Der  Wald- 
bau, 1.  Aufl.  1878  u.  1880,  4.  Aufl.  1898.  —  Perona,  Selvicoltura,  1880.  —  Fisch- 
bach. Praktische  Forstwirtschaft  1880.  —  Wagener,  G.,  Der  Waldbau  und  seine  Fort- 
bildung, 1884.  —  Ney.  C,  Die  Lehre  vom  Waldbau,  1885.  —  Borggreve,  B.,  Die 
Holzzucht,  1.  Aufl.  1884,  2.  Aufl.  1891.  —  Weise,  W. ,  Leitfaden  für  den  Waldbau, 
1.  Aufl.  1888,  2.  Aufl.  1894.  —  b)  Spezialschriften,  u.  a. :  Heyer,  G.,  Verhalten  der 
Waldbäume  gegen  Licht  und  Schatten,  1852.  —  Hess,  R.,  Eigenschaften  und  Verhalten 
der  Holzarten,  1.  Aufl.  1883,  2.  Aufl.  1895.  —  Beil,  A.,  Forstwirtschaftl.  Kulturwerk 
zeuge,  1846.  —  Jäger,  J.  P.  E.  L.,  Das  Forstkulturwesen,  1.  Aufl.  1850,  2.  Aufl.  1865 
—  V.  Buttlar,  R.,  Forstkultur- Verfahren,  1853.  —  v.  Man  teuf  fei,  H.  E. ,  Hügel 
Pflanzung  der  Laub-  und  Nadelhölzer.  1.  Aufl.  1855,  3.  Aufl.  1865.  —  v.  Alemann,  F 
A.,  Heber  Forstkulturwesen,  1.  Aufl.  1851,  3.  Aufl.  1884.  —  Urff,  Ueber  Forstkulturen 
1885.  -  Fürst,  H.,  Die  Pflanzenzucht  im  Walde,  1882,  3.  Aufl.  1897.  —  Homburg 
Die  Nutzholzwirtschaft  im  geregelten  Hochwald-Ueberhaltbetrieb,  1878.  —  Brünings,  Der 
Anbau  der  Hochmoore,  1881.  —  Fürst,  H. ,  Plänterwald  oder  schlagweiser  Hochwald. 
1895.  —  G  ay  er,  C,  Der  gemischte  Wald,  1886.  -  -  Krähe,  Rationelle  Korbweidenkultur. 
4.  Aufl.  1885.  —  Brecher,  Aus  dem  Auen-Mittel walde  1886.  —  K rafft,  G.,  Beitrüge 
zur  Lehre  an  den  Durchforstungen,  Schlagstellungen  und  Lichtungsliieben,  1884.  —  Derselbe, 
Beiträge  zur  Durchforstungs-  und  Lichtungsfrage,  1889.  —  Kautsch,  Beiträge  zur  Frage 
der  Weisstannenwirtschaft,  1895.  —  Hamm,  T.,  Der  Ausschlagwald,  1896.  —  Boden,  Die 
Lärche,  1899.  —  Gerhardt,  P.,  Handbuch  des  deutschen  Dünenbaus,  1900.  —  Schwap- 
pach, A.,  Anbauversuche  mit  fremdländischen  Holzarten,  1901.  —  Booth,  J.,  Die  ans- 
ländischen  Holzarten,  1902. 

1)  Von  dem  leider  so  plötzlich  verstorbenen  Herrn  Verfasser  rührt  die  Neubearbeitung 
der  2.  Auflage  seines  Waldbaues  bis  fast  zum  Schluss  des  zweiten  Abschnittes  her.  Nach 
seinem  Tode  übernahm  der  Herausgeber  selbst  die  Durchsicht  des  letzten  Absatzes  dieses, 
sowie  weiter  des  ganzen  dritten  und  vierten  Abschnittes  (die  Begründung  gemisch- 
ter Bestände,  die  Bestandeserziehung  und  die  Betriebsarten).  Mass- 
gebend für  ihn  war  lediglich  die  Absicht,  die  Herausgabe  möglichst  zu  fördern  und  nicht 
durch  die  Suche  nach  einem  geeigneten  Spezialisten  auf  dem  Gebiet  des  Waldbaues  erst 
noch  Zeit  zu  verlieren.  H.  Stoetzer. 


Begriff,  Zwecke  und  Ziele.     §  1.  413 

Einleitung:  Begriff,  Zwecke  und  Ziele,  Hilfsfächer,  Einteilung. 

§  1.  Begriff,  Zwecke  und  Ziele.  Der  Waldbau  oder  die  Bestandeszucht 
befasst  sich  mit  der  Begründung  und  Erziehung  der  Bestände.  Alle  waldbaulichen 
Massnahmen  bezwecken  die  Schaffung  von  solchen  Holzbeständen,  welche  dem  Wirt- 
schaftszweck möglichst  vollkommen  entsprechen.  Diesen  bezeichnet  der  Waldbesitzer, 
sein  Wille  ist  massgebend;  in  der  Regel  wird  tunlichst  hoher  Wert  der  Holzbestände 
angestrebt,  gegeben  in  der  Ertragsleistung.  Der  Wert  und  damit  das  Ziel  der  Wirt- 
schaft kann  dabei  in  verschiedener  Weise  bestimmt  werden,  nämlich  entweder  als  ab- 
solut höchstmöglicher  Ernteertrag  auf  gegebener  Waldbodenfläche  oder  als  relativ,  d.  h. 
im  Vergleich  zu  dem  Aufwand,  höchst  mögliche  Produktionsleistung.  Welcher  (jesichts- 
punkt  massgebend  sein  soll,  ist  von  Fall  zu  Fall  zu  bestimmen.  Im  allgemeinen  ist 
die  höchste  Rentabilität  das  Ziel  jeder  rationellen  Wirtschaft;  jene  zu  bemessen,  ist 
Sache  der  forstlichen  Statik.  Da  der  Ertrag  und  somit  jede  Entscheidung,  welche  die 
Statik  treffen  kann,  in  erster  Linie  vom  Preise  der  Produkte  abhängt,  so  darf  im 
Wirtschafts wal de  unter  allen  Umständen  nur  marktfähige  Ware  erzogen  werden. 

Von  anderen  als  wirtschaftlichen  Werten  wird  hier  abgesehen,  weil  die  Fälle,  in 
welchen  solche,  wie  z.  B.  Gewährung  ästhetischer  Genüsse  (Parkanlagen  etc.),  erstrebt 
werden,  von  denen  waldbauliche  Massnahmen  abhängen,  doch  nur  als  Ausnahmen  zu  be- 
trachten sind.  Von  besonderen  waldbaulichen  Vorkehrungen  aus  Rücksichten  des  Schutzes 
(Klima,  Boden  etc.)  wird  gelegentlich  die  Rede  sein.  —  Die  Definierung  des  Waldbaus 
als  „Forstproduktenzuchf  (C.  Heyer)  oder  „Holzzucht"  (G.  L.  Hartig,  Pfeil,  Borggreve) 
ist  hier  ersetzt  durch  , Bestandeszucht".  Einerseits  schien  es  nicht  angezeigt,  die  Aufgabe 
des  Waldbaus  auf  die  Anzucht  sämtlicher  Nebennutzungen,  insbesondere  derjenigen  aus- 
zudehnen, welche,  wie  Wild,  Torf,  Wiesengras,  landwirtschaftliche  Gewächse  u.  s.  w.,  nicht 
Teile  des  Bestandes  sind,  während  andererseits  die  Beschränkung  auf  das  Holz  eine  zu 
enge  Umgrenzung  darstellt,  da  solche  Nebennutzungen,  welche,  wie  Lohrinde,  Futterlaub, 
Ma5t,  event.  Gras  auf  Mähplatten  u.  s.  w.,  an  die  betreffenden  Bestände  gebunden  sind, 
dann  im  Waldbau  eine  Stelle  finden  sollten,  wenn  sie  irgendwelche  besondere,  die  Bestan- 
desbegründung oder  -erziehung  beeinflussende  wirtschaftliche  Vorkehrungen  veranlassen. 

In  der  Waldbaulehre  sind  alle  Operationen  vorzutragen,  welche,  je  nach  Lage 
der  konkreten  Umstände,  zum  Ziel  führen  können ;  dabei  sind  die  allgemeinen  Gründe, 
welche  für  oder  gegen  die  einzelnen  Möglichkeiten  sprechen,  zu  entwickeln.  Der  wald- 
baulichen Praxis  bleibt  es  dann  überlassen,  unter  den  jeweils  gegebenen  besonderen 
Verhältnissen  zur  Erreichung  des  erstrebten  Zieles  unter  den  möglichen  Wegen  den- 
jenigen auszuwählen,  welcher  in  bezug  auf  die  Faktoren :  Raschheit  und  Sicherheit  des 
Erfolgs  und  Kostenaufwand  die  günstigste  Kombination  darbietet.  Die  Modifikationen 
der  dem  Waldbau  gestellten  Aufgaben  und  der  zu  ihrer  Lösung  verfügbaren  Mittel 
sind  äusserst  mannigfaltig.  Dieser  Vielgestaltigkeit  der  Fälle  gegenüber  gibt  es  keine 
unbedingt  besten  waldbaulichen  Massregeln,  sondern  jede  der  letzteren  kann  unter  be- 
stimmt umgrenzten  Voraussetzungen  ihre  Berechtigung  haben.  Was  am  einen  Orte 
bewährt  ist,  kann  unter  veränderten  Bedingungen  an  einem  andern  Orte  weniger  gut, 
ja  schlecht  sein  und  darum  durch  eine  abweichende  Behandlung  ersetzt  werden  müssen. 
Die  fast  unbeschränkte  Vielheit  der  Verschiebungen,  welche  sich  in  dem  Zusammen- 
wirken der  bei  der  Beurteilung  der  Fälle  hauptsächlich  entscheidenden  Elemente,  wie 
Standort,  Holzart,  Absatzverhältnisse  u.  s.  w.  ergeben,  schliesst  die  einseitige  Bevor- 
zugung einer  bestimmten  Richtung  von  vornherein  aus.  Man  kann  die  Zahl  der  als 
wirtschaftlich  berechtigt  anzuerkennenden  Möglichkeiten  verkleinern,  darf  jedoch  nie- 
mals so  weit  gehen,  dass  in  dem  derart  verengerten  Rahmen  nicht  mehr  alle  im  Walde 
wirklich  vorkommenden  Fälle  Platz  finden. 

Verbietet  nun  auch  jene  Mannigfaltigkeit  der  Umstände  die  strikte  Anwendung 


414  IV.  Lore y,  Waldbau. 

jeder  Schablone  im  Waldbau,  so  müssen  doch,  wie  schon  oben  angedeutet  wurde,  ge- 
wisse, allgemein  leitende  Ziele  für  die  forstliche  Produktion  aufgestellt  werden.  Aus- 
gangspunkt für  alle  Erwägung  ist  hierbei  zunächst  der  Standort;  durch  diesen  ist  — 
wenn  man  von  absolut  besten  Böden  und  Lagen  absieht,  welche  kaum  je  in  grosser 
Ausdehnung  dem  Forstwirtschaftsbetrieb  überwiesen  sind  —  immer  nur  eine  beschränkte 
Reihe  von  waldbanlichen  Möglichkeiten  bedingt,  unter  welchen  man  zu  wählen  hat ;  die 
Entscheidung  wird  durch  die  im  übrigen  zu  beachtenden  Momente  (Wert  der  Produkt«, 
Absatzgelegenheit,  Gewährung  gewisser  Nebennutzungen,  Arbeitsgelegenheit  u.  s.  w.) 
begründet.  So  kann  z.  B.  für  viele  Standorte  als  waldbaulich  möglich,  bezw.  mit 
gleicher  Aussicht  auf  Erfolg  ausführbar,  die  Anzucht  der  Buche  mit  eingesprengten 
Eichen,  Eschen,  Ahomen  und  andererseits  etwa  der  Fichte  oder  Tanne,  beides  unt«r 
mehrfacher  Modifikation  bezüglich  des  Verfahrens  im  einzelnen  (Art  der  Bestandsbe- 
gründung, des  Durchforstungsbetriebs  u.  s.  w.)  in  Frage  kommen.  Die  Entscheidung 
liegt  dann  ausserhalb  des  Waldbaus.  Der  letztere  zeigt,  zunächst  unabhängig  von 
anderen  Rücksichten,  wie  man  auf  einer  Waldbodenfläche,  eventuell  in  verschiedener 
Weise,  Bestände  schaffen  kann.  Auf  Grund  statischer  Untersuchungen,  welche  alle 
konkurrierenden  Momente,  insbesondere  auch  die  volkswirtschaftlich  zu  berücksichtigen- 
den, bei  der  Begutachtung  einbeziehen  müssen,  erhalten  dann  die  waldbaulichen  Ope- 
rationen jeweils  ein  örtlich  und  zeitlich  modifiziertes  Gepräge.  Je  nachdem  der  spezielle 
Wirtschaftszweck  ein  verschiedener  ist,  erstehen  in  der  Folge,  durch  die  Kunst  des 
Wirtschafters,  auch  unter  gleichen  äusseren  Bedingungen  ganz  verschiedene  Bestandes- 
bilder. 

Dass  alles,  was  erreicht  werden  soll,  mit  möglichst  geringem  Aufwand  erreicht 
werde,  ist  oberster  Wirtschaftsgrandsatz.  Daraus  folgt,  dass  nicht  nur  die  direkten 
Ausgaben,  natürlich  immer  unter  der  Voraussetzung  eines  genügenden  Erfolgs,  auf  ein 
geringstes  Mass  beschränkt  werden  müssen,  sondern  namentlich  auch,  dass  an  Zeit 
möglichst  zu  sparen  ist.  Jede  Abkürzung  der  Umtriebszeit  ist  im  allgemeinen  ein  Ge- 
winn in  dem  Sinne,  dass  alle  wirtschaftlichen  Massnahmen,  welche  uns  ohne  unverhält- 
nismässige Kostenmehrung  gestatten,  die  erforderliche  Menge  an  Produkten  von  be- 
stimmter Beschaffenheit  (z.  B.  Nutzholzstämme  einer  gewissen  Stärke)  in  kürzester 
Zeit  zu  erziehen,  vor  anderen  den  Vorzug  verdienen,  um  so  mehr,  als  dadurch  auch 
die  für  das  Einzeljahr  des  Umtriebs  verfügbare  Fläche  entsprechend  grösser  ausfallt 

Das  Bestreben,  den  Produktionsaufwand  im  ganzen  und  im  einzelnen  tunlichst 
herabzumindern,  schliesst  überdies  auch  die  Forderung  sorgfältigster  Schonung  des 
Bodenkapitals  ein;  unsere  waldbauliche  Arbeit  muss  die  Erhaltung  und  womöglich  Meh- 
rung derjenigen  Eigenschaften  des  Bodens,  von  welchen  dessen  Leistungsfähigkeit  ab- 
hängt, gewährleisten.  In  dieser  Erwägung  bietet  sich  für  die  Beurteilung  der  einzelnen 
wirtschaftlichen  Operationen  sowie  ganzer  Betriebsarten  ein  bisher  nicht  berührter, 
überaus  wichtiger  Massstab  dar:  die  Nachhaltigkeit  der  Waldwirtschaft  ist  wesentlich 
davon  abhängig,  dass  der  einzelne  Bestand  keinenfalls  mehr  als  die  Zinsen  des  Boden- 
kapitals, nicht  aber  Teile  des  letzteren  selbst  für  sich  beansprucht;  ja  man  sieht  sich 
sehr  häufig  vor  die  Aufgabe  gestellt,  vor  allem  eine  Besserung  des  Bodenproduktions- 
vermögens durch  richtig  gewählte  und  durchgeführte  waldbauliche  Operationen  zu  be- 
wirken, auch  wenn  dadurch  unter  Umständen  erhebliche  Ausgaben  veranlasst  werden. 
Immerhin  ist  die  Bodenpflege  stets  nur  Mittel  zum  Zweck,  und  Aufwendungen  in  dieser 
Richtung  sind  nur  so  lange  zu  rechtfertigen,  als  sie  sich  in  dem  höheren  Wert  der 
demnächst  und  in  der  Zukunft  erwachsenden  Bestände  belohnt  machen. 

§  2.  Hilfsfächer,  Einteilung:  Diejenigen  Disziplinen,  deren  Kenntnis 
der  Waldbau  voraussetzen  muss,   die  also  füglich   als  Hilfsfächer  desselben  bezeichnet 


Das  Bestandesmaterial.     §  4.  415 

« 

werden  können,  sind  Standortslehre,  bezw.  Bodenkunde  und  Klimatologie ,  sowie  die 
Forstbotanik. 

Das  Gesamtgebiet  des  Waldbaus  lässt  sich  folgendermassen  einteilen: 
I.  Das  Bestandesniaterial ;   II.    die  Bestandesbegründung;   III.   die  Bestandeser- 
ziehung; IV.  die  forstwirtschaftlichen  Betriebsarten. 

Erster  Abschnitt. 
Das  Bestandesmaterial. 

§  3.  In  diesem  Abschnitte  ist  im  wesentlichen  die  Wahl  der  geeignetsten  Holz- 
art zu  besprechen  und  damit  eine  wichtige  Vorfrage  für  alle  waldbauliche  Tätigkeit 
zu  erledigen. 

Die  waldbaulich  wichtigeren  Holzarten  sind: 

a)  Laubhölzer:  Rotbuche,  Fagus  silvatica,  —  Stieleiche,  Quercus  pedunculata, 

—  Traubeneiche,  Quercus  sessiliflora,  —  Zahme  Kastanie,  Castanea  vesca,  —  Hain- 
buche (Weissbuche,  Hagebuche,  Hombaum),  Carpinus  betulus,  —  Rüster,  Rusche  oder 
Ulme,  Clmus  (effusa,  campestris  und  montana),  Esche,  Fraxinus  excelsior,  —  Ahorn, 
Acer  (pseudoplatanus,  platanoides,  campestre),  —  Erle,  Alnus  (glutinosa,  incana,  viri- 
dis), —  Birke,  Betula  (verrucosa,  pubescens),  —  Sorbus-Arten,  z.  B.  die  Vogelbeere, 
S.  aucuparia;  Eisbeere,  S.  torminalis;  Mehlbeere,  S.  Aria,  —  Linde,  Tilia  fparvifolia 
und  grandifolia),  —  Falsche  Akazie,  Robinia  pseudoacaciaf  —  Zitterpappel  (Aspe),  Po- 
pulus  tremula  und  sonstige  Pappeln,  wie  P.  alba,  nigra,  canadensis,  —  Weide,  Salix 
(caprea,  fragilis,  amygdalina,  acutifolia,  alba,  viminalis,  daphnoides,  purpurea) ;  b)  N  a- 
delhölzer:  Weisstanne  (Edeltanne),  Abies  pectinata,  —  Fichte  (Rottanne),  Picea 
excelsa,  —  gemeine  Kiefer  (Föhre,  Forle,  Forche),  Pinus  silvestris,  —  Schwarzkiefer, 
Pinus   laricio  austriaca  (syn.  nigricans)   und  Pin.  laricio  Poiretiana  (syn.   corsicana), 

—  Legföhre,  Pinus  montana,  —  Zürbelkiefer  (Arve),  Pinus  cembra,  —  Weymouths- 
kiefer, Pinus  strobus,  —  Lärche,  Larix  europaea. 

Zu  diesen,  in  Deutschland  überall  teils  heimischen,  teils  eingebürgerten  Holzarten 
sind  da  und  dort  hinzugetreten,  bezw.  gesellen  sich  neuerdings  in  erweitertem  Umfang, 
namentlich  infolge  planniässig  eingeleiteter  Versuche  des  Vereins  deutscher  forstlicher 
Versuchsanstalten,  eine  Reihe  von  Exoten,  vorab  Nordamerikanern  und  Japanern,  wie 
z.  B.  Quercus  rubra,  Juglans-  und  Carya- Arten,  Fraxinus  americana,  sowie  von  Nadel- 
hölzern u.  a.  Pseudotsuga  Douglassii,  Picea  sitchensis,  Pinus  banksiana,  Thuja  gigan- 
tea,  Chamaecyparis  Lawsoniana  u.  s.  w. 

Waldbauliche  Bedeutung  der  einzelnen  Holzarten: 

Bei  deren  Beurteilung  kommen  in  Betracht:  die  Standortsansprüche,  die  Ent- 
wickelung  des  einzelnen  Baumes,  das  Verhalten . der  Holzart  im  Bestand,  sowie  deren 
wirtschaftliche  Bedeutung. 

I.  Standortsansprüche. 

§  4.  Als  Wirkung  des  Standortes  wird  die  Gesamtheit  der  durch  Boden  und 
Lage  bedingten  örtlichen  Einflüsse  bezeichnet,  unter  welchen  eine  Holzart  lebt.  Die 
Beziehungen  im  einzelnen,  welche  zwischen  Standort  und  Holzart  bestehen,  sind  im 
wesentlichen  in  der  Standortslehre  (Abschnitt  II  des  Handbuchs,  Bd.  I,  S.  103  ff.),  so- 
wie zum  Teil  in  der  Forstbotanik  (Abschnitt  III  des  Handbuchs,  Bd.  I,  S.  199  ff.)  er- 
örtert. Es  handelt  sich  dabei  hinsichtlich  des  Bodens  um  dessen  chemische  Zusammen- 
setzung und  dessen  sog.  physikalische  Eigenschaften,  hinsichtlich  der  Lage  um  die 
Abdachung,  Exposition,  Meereshöhe,  geographische  Lage,  Oberflächengestaltung  und 
um  die  Umgebung  eines  Waldortes. 


416  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Vom  Standpunkte  des  Waldbaues  ans  möchte  in  Er^änzun^  der  voraufgehenden 
beiden  Abschnitte  II  und  III  des  Handbuchs  auf  folgendes  noch  besonders  hingewiesen 
werden. 

A.  Boden,  insbesondere  physikalische  Eigenschaften  desselben. 

§  5.     Als  solche  gelten  Feuchtigkeit,  Griindigkeit  und  Bindigkeit. 

Fast  alle  unsere  Holzarten  zeigen  da  das  beste  Credeihen,  wo  keine  jener  Eigen- 
schaften in  einem  ihrer  Extreme  vorhanden  ist;  weder  Nässe,  noch  Trockenheit,  weder 
Festigkeit  noch  Lockerheit  kann,  sobald  ein  bestimmtes  Mass  überschritten  wird,  als 
zuträglich  bezeichnet  werden.  Hinsichtlich  der  Griindigkeit  ist  allerdings  im  allgemeinen 
nur  das  eine  Extrem,  die  Flachgründigkeit  einer  freudigen  Entwickelung  oft  hinderlich, 
während  Tief  griindigkeit  nur  in  den  seltenen  Fällen  einmal  nachteilig  werden  kann, 
wenn  sie,  —  sei  es,  weil  die  atmosphärischen  Niederschläge  zu  rasch  in  den  Boden 
einsinken,  sei  es,  weil  ein  Heraufdringen  des  Grundwassers  aus  der  Tiefe  bis  zum  Wur- 
zelraum nicht  mehr  stattfindet,  —  Trockenheit  zur  Folge  hat.  Eine  gewisse  mittlere 
Beschaffenheit  des  Bodens  ist  also  im  grossen  und  ganzen  die  zuträglichste  und  bietet, 
da  sie  fast  alle  Holzarten  wenigstens  zulässt,  in  waldbaulicher  Beziehung  dem  Wirt- 
schafter den  weitesten  Spielraum.  Freilich  zeigen  nicht  entfernt  alle  oder  auch  nur 
eine  Mehrheit  unserer  Holzarten  bei  der  nämlichen  mittleren  Bodenbeschaffenheit  gleich 
gute  Entwickelung ;  ihre  Ansprüche  und  demgemäss  ihr  Gedeihen  sind  mannigfach  ab- 
gestuft. Ausgeschlossen  abey  ist  auf  diesen  Böden  mittlerer  Eigenschaften  im  allge- 
meinen keine  Holzart.,  und  in  solchem  Falle  wird  dann  die  Auswahl  einer  bestimmten 
Holzart  wesentlich  durch  deren  Verhalten  im  Bestand,  sowie  ihre  wii-tschaftUche  Be- 
deutung bedingt,  während  überall,  wo  irgend  welche  Extreme  der  Bodenbeschalfenheit 
vorliegen,  diese  bei  der  Entscheidung  über  die  anzubauende  Holzart,  in  erst.er  Linie 
ma.ssgebend  werden;  die  Zahl  der  Möglichkeiten  ist  dann  meist  eine  sehr  beschränkte. 

Es  ist  bekannt,  dass  und  inwieweit  der  Humus  geeignet  ist,  die  physikalischen 
Eigenschaften  des  Bodens  zu  modifizieren,  indem  er  zwischen  den  Extremen  vermittelt 
insbesondere  einem  lockeren  Boden  mehr  Bindigkeit,  einem  festen  grössere  Lockerheit 
gewährt,  durch  bedeutende  Wasseraufnahme  und  wasser haltende  Kraft  die  Feuchtigkeit 
reguliert,  als  schlechter  Wärmeleiter  ausgleichend  wirkt  und  durch  Kohlensäure-Ent- 
wickelung  den  mineralischen  Boden  aufschliesst.  Als  absolute  Bedingung  für  die  Wald- 
vegetation kann  er,  sofern  im  übrigen  der  Boden  die  nötigen  mineralischen  Nährstoffe, 
sowie  die  erforderlichen  physikalischen  Eigenschaften  besitzt,  nicht  angesehen  werden. 
Immerhin  leuchtet  ein,  dass  die  waldbauliche  Tätigkeit  auf  ununterbrochene,  reichliche 
Humusbildung  abheben  muss.  Dabei  handelt  es  sich  keineswegs  um  die  Anhäufung 
grösserer  Humusnicassen,  sondern  vor  allem  um  einen  regelmässigen  normalen  Fortgang 
der  Streuzersetzung  und  der  Mengung  der  Zersetzungsstoffe  mit  dem  mineralischen  Boden. 

Im  einzelnen  sind  die  Ansprüche  der  Holzarten  an  den  Boden  ausserordentlich 
verschieden.  Erwägt  man  überdies,  dass  auch  für  das  Gedeihen  einer  bestimmten 
Holzart  nicht  ein  durchweg  gleichbleibendes  Mass  der  verscliiedenen  Bodeneigenschaften 
gefordert  wird,  sondern,  namentlich  durch  verschiedene  Lage  bedingte  Schwankungen 
zulässig  sind,  so  erhellt,  dass  eine  Charakteristik  der  Holzarten  nach  ihren  Bodenan- 
sprüchen nur  ganz  im  allgemeinen  und  in  grossem  Zuge  möglich  ist,  auch  mehr  nur 
in  der  Art,  dass  die  Grenze  angedeutet  wird,  unter  welche  bezüglich  der  einzelnen 
Bodeneigenschaft  nicht  herunter-,  bezw.  über  welche  nicht  hinaufgegangen  werden  darf, 
als  dass  man  etwa  innerhalb  dieser  Grenzen  ein  bestimmtes  Mass  als  jeweilig  absolut 
bestes  bezeichnen  könnte.  Dies  ist  schon  durch  die  grosse  Zahl  zusammenwirkender 
Faktoren  ausgeschlossen.     Gleiches  gilt  demnächst  von  der  Lage.     Auch  deren  Einfluss 


Das  Bestandesmaterial.     §  6.  417 

macht  sich  in  verschiedenen  Beziehungen  geltend ;  dabei  wirkt  dann  wiederum  die  Bo- 
denbeschaffenheit modifizierend.  Zu  beachten  ist,  dass  aus  dem  tatsächlichen  Vorkom- 
men einer  Holzart  nicht  ohne  weiteres  auf  deren  Wohlbefinden  Schlüsse  gezogen  werden 
können.  Anbaufähigkeit  und  Anbau  Würdigkeit  sind  sehr  zu  unterscheiden;  für  jede 
Holzart  gibt  es  ein  Optimum  ihres  Vorkommens,  an  welches  sich  Zonen  geringerer 
Leistung  derselben  anschliessen.  Vom  waldbaulichen  Standpunkte  aus  entscheidet  über- 
haupt das  Verhalten  der  Holzart  im  Bestand  viel  mehr  als  die  Entwickelung  des 
Einzelbaumes.  Die  besten  Standorte  werden  natürlich  zunächst  von  den  begehrlichsten 
Holzarten  in  Beschlag  genommen,  so  dass  sich  weniger  anspruchsvolle  vielfach  mit 
geringeren  Böden  und  schlechteren  Lagen  begnügen  müssen,  obwohl  auch  sie  gern  an 
dem  Genuss  der  besseren  Standorte  teilnehmen  würden  (z.  B.  die  gem.  Kiefer). 

§6.  1)  Feuchtigkeit:  Ausgehend  von  der  überaus  wichtigen  Rolle,  welche 
dem  Wasser  in  der  Pflanzen-Ernährung  zukommt,  und  von  der  daraus  folgenden  und 
durch  die  Tatsachen  allseits  bestärkten  Ueberzeugung,  dass  jede  Holzart  ceteris  paribus 
auf  frischem  Boden  besser  gedeiht,  als  auf  trockenem,  muss  man  sorgsame  Bodenpflege 
im  Sinne  der  Wassererhaltung  als  eine  unabweisbare  Forderung  hinstellen.  Was  in 
dieser  Hinsicht  zu  beachten  und  vorzukehren  ist,  wird  späterhin  berührt  werden. 

Für  trockenen  Boden  taugen  noch  die  gemeine  Kiefer  und  die  gemeine  Birke, 
Bet.  verrucosa,  die  falsche  Akazie  und  eventuell  einzelne  Pappeln  und  Weiden;  einen 
mindestens  feuchten,  wenn  nicht  nassen  Boden  verlangt  z.  B.  die  Schwarzerle,  die  Ruch- 
birke, Bet.  pubescens;  auf  einem  solchen  gedeihen  viele  Weiden,  auch  wohl  noch  Vogel- 
beere, Krummholzkiefer;  doch  bedingt  stagnierende  Nässe  fast  immer  eine  mehr  oder 
minder  zweifelhafte  Entwickelung,  während,  so  lange  das  Wasser  in  Bewegung  ist  oder 
sich  nur  vorübergehend  einfindet,  auch  ein  üeberschuss  daran  vielfach  kein  Hindernis 
guten  Wachstums  wird,  wie  die  Weiden  an  Bach-  und  Flussufern  und  die  üppige  Ent- 
wickelung bes.  der  Stieleichen,  Eschen,  Ulmen  in  zeitweise  überschwemmten  Aue  Wal- 
dungen beweisen.  Selbst  die  Rotbuche  findet  sich  da  und  dort  in  Inundationsgebieten 
nicht  selten.  Fraxinus  america  soll  sich  (nach  Brecher)  noch  besser  bewähren  als  Frax. 
excelsior;  Carya  alba,  Akazie  und  Lärche  haben  sich  nach  Ueberschwemmungen  gut 
gehalten.     Zeitpunkt,  Dauer  etc.  der  Ueberschwemmung  sind  dabei  von  Einfluss. 

Weitaus  die  meisten  unserer  Holzarten  meiden  die  Extreme  und  befinden  sich 
nur  auf  frischen,  höchstens  feuchten  Böden  wohl,  mit  der  Abstufung,  dass  man  einen 
nur  frischen  Boden  für  die  in  der  Uebersicht  zu  Eingang  dieses  Abschnittes  genannten 
Nadelhölzer  sowie  für  Eiche,  Buche,  Ahorn,  Linde,  einen  feuchten  dagegen  für  Esche, 
Hainbuche,  Ulme,  Pappeln  und  Weiden  vorziehen  wird.  Von  den  Ausländern,  mit 
welchen  Anbauversuche  gemacht  werden,  scheinen  die  meisten  mehr  einen  nur  frischen 
Boden  zu  lieben. 

2)  Gründigkeit:  Flachgründige  Böden  sind  oft,  insbesondere  an  Hängen, 
zugleich  trocken,  seltener,  bei  undurchlassendem  Untergrund,  in  ebener  Lage,  zu  nass 
und  in  beiden  Fällen  meist  von  geringer  Ertragsfähigkeit.  Hiervon  abgesehen  aber 
müssen  sie  dem  Gedeihen  derjenigen  Holzarten  hinderlich  sein,  welche  ein  tiefgehendes 
Wurzelsystem  haben,  namentlieh  dann,  wenn  letzteres  durch  eine  stark  ausgebildete 
Pfahlwurzel  charakterisiert  ist,  welche  sich,  auf  einem  festen,  unzerklüfteten  Unter- 
grund aufsitzend,  nicht  normal  entwickeln  kann.  Aus  diesem  Grunde  taugen  z.  B. 
Eiche,  Esche,  Ulme,  Linde  und  auch  die  Tanne  nicht  auf  einen  flachgründigen  Boden, 
w<1hrend  sich  die  Fichte  mit  ihren  flachstreichenden  Wurzeln  daselbst  noch  gut  zu- 
rechtfindet. Auch  Buche,  Birke  u.  a.  sind  von  einem  nicht  gründigen  Boden  keines- 
wegs ganz  ausgeschlossen.  Immerhin  sind  auch  für  Holzarten,  welche  ihre  Wurzeln 
in  der  Regel  nicht  weit  in  die  Tiefe  senken,  tiefgründige  Böden  wegen  deren  meist 

Huidbuch  d.  Fontw.    2.  Aufl.    I.  27 


418  IV.  Lorey,  Waldbau. 

mehr  mittleren  Feuchtigkeitszastandes  entschieden  vorzuziehen.  Ungenügendes  Mass 
der  Gründigkeit  macht  sich  fast  immer  durch  geringes  Höhenwachstum  bemerklich. 
Man  vergleiche  hiezu  auch  die  Bemerkungen  zu  §  8,  II,  2,  S.  420. 

3)  Bindigkeit:  Von  dem  Grade  derselben  ist  die  Entwickelung  der  Holzbe- 
stände insofern  beeinflusst,  als  mit  ihr  die  Ausbildung  der  feinen  Saugwurzeln,  die 
Standfestigkeit  der  Bäume  und  der  Feuchtigkeitsgehalt  des  Bodens,  sowie  die  Durch- 
lüftung des  letzteren  in  Beziehung  stehen.  Die  Extreme  (einerseits  strenger  Tonboden, 
bald  zu  nass  und  kalt,  bald  zu  hart  und  rissig,  wenn  trocken,  andererseits  Flugsand) 
sind  in  jedem  Falle  nachteilig.  Zu  den  Holzarten,  für  deren  normale  Leistung  auch 
ein  lockerer  Boden  gefordert  werden  muss,  gehören  z.  B.  Ulme,  Esche,  zahme  Kastanie, 
Erle,  falsche  Akazie,  von  den  Nadelhölzern  gemeine  Kiefer,  Douglasfichte ;  die  meisten 
andern  zeigen  auf  einem  Boden  von  mittlerem  Bindigkeitsgrad  voll  befriedigendes,  zum 
Teil  sogar  ihr  bestes  Gedeihen. 

B.  Die  Lage  und  die  dureh  dieselbe  gegebenen  klimatischen  Bedingungen. 

§  7.  Kann  im  grossen  und  ganzen  behauptet  werden,  dass  sehr  viele,  ja  die 
meisten  der  deutschen  Waldbäume  hinsichtlich  der  Bodenbeschaffenheit  innerhalb  ziem- 
lich weiter  Grenzen  ein  genügendes  Wirtschaftsergebnis  gewährleisten,  so  werden  die 
Verhältnisse  in  bezug  auf  die  Lage  vielfach  kritischer;  zum  Teil  rührt  dies  allerdings 
daher,  dass  durch  die  Bedingungen  der  Lage,  wie  schon  angedeutet  wurde,  die  Boden- 
eigenschaften mittelbar  oder  unmittelbar  beeinflusst  werden,  zum  grossen  Teil  aber  auch 
daher,  dass  gewisse,  die  einzelnen  Holzarten  in  ihrer  Entwickelung  behindernde  oder 
geradezu  bedrohende  klimatische  Einwirkungen,  wie  Frost,  Hitze,  Schneedruck,  Reif, 
Sturmwind  u.  s.  w.  an  die  Lage  geknüpft  sind.  So  kommt  es,  dass  viele  Holzarten, 
weil  an  bestimmte  Lagen  gebunden,  im  Waldbau  eine  weit  weniger  ausgedehnte  Ver- 
w^endung  finden,  als  sie  ihnen  zugestanden  werden  könnte  und  auch  wegen  ihres  wirt- 
schaftlichen Wertes  gern  eingeräumt  würde,  wenn  nur  die  Bodenansprüche  massgebend 
wären. 

Die  schädigenden  klimatischen  Einflüsse  werden  im  Forstschutz  (Abschnitt  V 
des  Handbuchs,  2.  Band)  besprochen.     Hier  nur  einige  kurze  ergänzende  Bemerkungen : 

1.  Exposition,  d.  h.  Neigung  eines  Bodens  gegen  die  Himmelsgegend.  Da 
durch  dieselbe  cet.  par.  der  Einfluss  der  Sonne  auf  eine  Waldbodenfläche  bedingt  ist, 
so  kommt  die  Verschiedenheit  der  Exposition  zunächst  durch  entsprechende  Verschie- 
denheit der  Erwärmungsverhältnisse  zum  Ausdruck.  Tatsächlich  macht  sich  aber  in 
mittleren  Höhenlagen  der  Unterschied  der  einzelnen  Expositionen  besonders  hinsichtlich 
des  Feuchtigkeitsgrades  bemerklich,  der,  zumeist  infolge  der  direkten,  intensiveren  Er- 
wärmung durch  die  Sonne,  in  Süd-  und  Südwestlagen  im  allgemeinen  ein  geringerer 
ist,  als  auf  Nord-  und  Nordostseiten;  die  Böden  in  ersteren  sind  trockener,  die  Holz- 
pflanzen werden  überdies  zu  energischerer  Blattverdunstung  gereizt,  so  dass  diejenigen, 
welche  in  den  genannten  Beziehungen  anspruchsvoll  sind,  von  den  Süd-  und  Südwest- 
hängen fern  bleiben. 

Recht  empfindlich  ist  in  dieser  Hinsicht  z.  B.  die  Weisstanne,  welche  gern  die  nord- 
lichen und  östlichen  Lagen  einnimmt,  während  das  Umsetzen  der  Exposition  nach  Süd 
und  West  oft  sofort  durch  das  Auftreten  der  Kiefer  charakterisiert  ist^). 

Die  Bestandes  Verjüngung  wird,   sowohl  was  Wahl  der  Methode  als  auch  Aus- 
führung im  einzelnen  anlangt,   durch  die  angedeuteten  Wirkungen  der  Exposition  oft 


2)  S.  die  bezüglichen  Mitteilungen  des  Forstmeisters  Graf  von  Uexküll   aus  dem 
wtlrtt.  Schwarzwaldforste  Neuenbürg,  Monatschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen,  Januar  1877. 


Das  Bestandesmaterial.     §  8.  419 

wesentlich  beeinflnsst;  dazu  kommt  die  Bezieliung  der  Exposition  zu  Windgefahr, 
Schneedrnck  und  Frost.  In  höheren  Gebirgslagen  muss  bezüglich  des  Gedeihens  der 
Holzarten,  von  einer  gewissen  Grenze  an,  der  meist  grösseren  Wärme  der  Süd-  und 
Westseiten  das  unmittelbar  entscheidende  Wort  zugestanden  werden,  während  feuchtere 
Luft,  bedeutendere  Niederschlagsmengen  u.  s.  w.  dort  den  Faktor  Feuchtigkeit  in 
seiner  Beziehung  zur  Exposition  zurücktreten  lassen. 

2.  Abdachung,  d.  h.  Neigung  des  Bodens  gegen  die  Horizontale.  Im  allge- 
meinen bilden,  sofern  ein  gewisses,  allerdings  je  nach  den  sonstigen  Umständen  (Ex- 
position, physikalische  Bodeneigenschaften  u.  s.  w.)  wechselndes  Mass  der  Steilheit  nicht 
überschritten  wird,  auch  bedeutendere  Neigungen  kein  Hindernis  der  Holzkultur,  wenn 
auch  Bestandesbegründung  und  -erziehung,  sowie  namentlich  auch  die  Ernte  und  der 
Transport  der  Forstprodukte  in  steileren  Lagen  oft  mit  erhöhten  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  haben.  Stärker  geneigte  Hänge  sind  vielfach  trockener,  flachgründig,  Boden- 
rutschungen  ausgesetzt  und  bedingen  dadurch  häufig  besondere  Vorkehrungen.  Ande- 
rerseits treten  Versumpfungen  mehr  in  ebenen  Lagen  auf.  Die  Grenzen  der  landwirt- 
schaftlichen Bodenbenutzung  und  der  Waldwirtschaft  sind  an  vielen  Stellen  hauptsäch- 
lich durch  den  Abdachungsgrad  gezogen. 

3.  Meeres  höhe  und  geographische  Lage:  Temperatur,  Feuchtigkeit 
der  Luft,  atmosphärische  Niederschläge  (Schnee,  Duft  etc.),  Frost  und  Stürme  sind  die 
Faktoren,  welche  hier  hauptsächlich  bestimmend  werden. 

4.  Oberflächengestaltung:  Dabei  kommt  in  Betracht  die  Bodenausform- 
ung im  grossen,  sowie  die  verschiedenartige  Gestaltung  der  Bodenoberfläche  im  ein- 
zelnen. In  ersterer  Beziehung  ist  besonders  die  Verteilung  von  Land  und  Wasser, 
sowie  die  Gebirgsbildung  von  Bedeutung :  Massengebirge  im  Gegensatz  zu  Kettengebirgen 
mit  zahlreichen  Einzelzügen,  Anordnung  der  Täler,  Wechsel  der  Expositionen,  isolierte 
Bergkuppen,  Hochplateaus  u.  s.  w.  sind  zu  beachten.  Innerhalb  dieser,  den  Gesamt- 
charakter ausdrückenden  Unterschiede,  welche  die  waldbaulichen  Massregeln  oft  ganz 
direkt  beeinflussen  (event.  z.  B.  bei  der  Wahl  der  Holzart),  treten  dann  bei  der  Beur- 
teilung von  Detailfragen  die  teilweise  sehr  greifbaren  Verschiedenheiten  im  einzelnen 
in  Kraft,  wie  insbesondere  das  Vorkommen  von  Mulden,  welche  meist  infolge  grösserer 
Feuchtigkeit  und  Tiefgründigkeit  wesentlich  besseren  Holzwuchs  erzeugen,  aber  als 
Tieflagen  auch  zu  Frösten  Anlass  geben  können,  ferner  von  Steilhängen,  flachen  Rücken 
u.  s.  w.  Die  meisten  dieser  grossen  und  kleinen  Unterschiede  in  der  Oberflächenge- 
staltung werden  auch  insofern  bemerkbar,  als  von  ihnen  der  grössere  oder  geringere 
Schutz  eines  Waldortes  durch  seine  Umgebung  abhängt.  Es  ist  klar,  wie  der  Verlauf 
der  Höhenzüge,  wie  einzelne  Berge  die  Wirkung  der  Winde  auf  hinterliegendes  Ge- 
lände modifizieren,  wie  die  Sturmgefahr  durch  die  Richtung  der  Täler  und  Höhen  be- 
einflnsst wird,  wie  grössere  Wasserflächen  bei  dem  Auftreten  von  Frösten,  Duft-  und 
Eisbruch  mitwirken  können.  Zu  allen  solchen  Umständen,  die  sich  teils  aus  grösserer 
Entfernung,  teils  aus  der  Nähe  fühlbar  machen,  tritt  dann  der  Einfluss  des  unmittelbar 
benachbarten  Geländes  mit  seiner  Bestockung  (vorliegende  höhere  Holzbestände  oder 
Kahlfläche  —  junge  Kultur,  Wiese,  Feld  —  in  ihren  Beziehungen  zu  Winden,  Rand- 
verdämmung u.  s.  w.). 

U.  Die  Entwickelung  des  einzelnen  Baumes. 

§  8.  Da  es  sich  hier  nicht  um  eine  botanische  Charakteristik,  sondern  um  die 
bei  waldbaulichen  Massnahmen  besonders  zu  beachtenden,  bezw.  zu  verwertenden  Eigen- 
heiten in  der  Entwickelung  der  einzelnen  Holzarten  handelt,  so  sind  dieselben,  unter 
Voraussetzung  normaler  Verhältnisse,  vorab  also  eines  geeigneten  Standortes,  haupt- 
sächlich nur  im  Hinblick  auf  folgende  Fragen  zu  untersuchen: 

27* 


420  IV.  Lore y,  Waldbau. 

1)  Wie  vollzieht  sich  die  Keimung?  Bleiben  die  Kotyledonen  unter  der  Erde 
oder  werden  sie  mit  heraufgenommen?  —  2)  Wie  sieht  das  Wurzelsystem  aus?  — 
3)  Ist  die  Holzart  in  der  Jugend  rasch-  oder  langsamwiichsig  V  Welchen  Verlauf  nimmt 
überhaupt  ihre  Höhenentwickelung  absolut  und  im  Vergleich  zu  derjenigen  anderer 
Holzarten?  —  4)  Wie  verhält  sich  die  Holzart  gegen  Beschädigungen  aller  Art?  Ist 
dieselbe  insbesondere  in  ihrer  Jugend  gegen  Frost  und  Hitze  empfindlich?  ist  sie  dem 
Schneedruck  und  der  Sturmgefahr  besonders  ausgesetzt  ?  —  5)  Wann  beginnt  sie  regel- 
mässig zu  f ruktifizieren  ?  in  welchem  Umfange  darf  auf  Wiederkehr  waldbanlich  ver- 
wendbarer Masten  gerechnet  werden? 

Auf  die  meisten  der  vorstehenden  Fragen  geben  die  Abschnitte  III  Forstbotanik 
und  V  Forstschutz  des  Handbuches  Antwort,  so  dass  man  sich  hier  auf  eine  Grup- 
pierung der  Hauptholzarten  nach  vorgenannten  Gesichtspunkten,  sowie  allenfalls  auf 
einige  ergänzende  Bemerkungen  beschränken  kann: 

1)  Keimung:  Die  Kotyledonen  bleiben  unter  der  Erde  bei  der  Eiche  und  zah- 
men Kastanie,  Juglans  und  Carya,  während  die  übrigen  Laubhölzer,  sowie  die  Nadel- 
hölzer dieselben  über  die  Erde  mit  heraufnehmen.  Dies  bedeutet  die  Verrichtung  einer 
bei  Durchdringung  der  über  dem  Samen  lagernden  Bodenschicht  zu  leistenden  mecha- 
nischen Arbeit,  welche  um  so  grösser  ist,  je  bedeutender  die  Flächenausbreitung  der 
Kotyledonen,  die  Höhe  der  Bedeckung,  die  Bündigkeit  und  das  Gewicht  der  betr.  Erd- 
schichte ist.  Die  Bedeckung  kann  bei  Eiche,  Kastanie  n.  s.  w.  entsprechend  starker 
sein.     Vergl.  2.  Abschnitt,  III.  Kapitel,  2.  Teil  IV,  E. 

2)  Wurzelsystem:  Holzarten  mit  weitverzweigtem  Wurzelsystem  beanspru- 
chen damit  einen  grösseren  Nahrungsraum,  sind  aber  u.  U.  auch  auf  ärmerem,  trocke- 
nerem Boden  noch  zuwachskräftig  (Akkommodationsfähigkeit  von  Weidenarten) ;  durch 
Bäume  mit  flachstreichenden  Wurzeln  wird  zunächst  nur  die  obere  Bodenschicht,  von 
solchen  mit  tiefgehenden  Wurzeln  werden  entsprechend  tiefer  liegende  Schichten  behufs 
Nahrungsaufnahme  in  Anspruch  genommen;  erstere  können  auf  flachgründigem  Boden, 
wo  letztere  versagen,  eher  noch  gedeihen.  Holzarten  mit  tiefgehender  Pfahlwurzel, 
dann  besonders  auch  solche  mit  melireren  starken,  tiefeindringenden  Wurzelsträngen 
sind  standfester  als  solche  mit  flachstreichenden  Wurzeln.  Durch  diese  Andeutungen 
sind  einige  Hauptmomente  hinsichtlich  des  Einflusses  der  Bewurzelung  charakterisiert. 

Als  Holzarten  mit  tiefgehenden  Wurzeln  sind  zu  nennen :  Eiche  (Qu.  pedunculata 
und  sessiliflora),  Ulme,  Esche,  Ahorn  (besonders  Acer  pseudoplatanus),  zahme  Kastanie, 
Schwarzerle,  Linde,  auch  Weisstaune,  gemeine  Kiefer,  Weymouthskiefer,  Lärche.  A'on 
den  genannten  haben  manche  eine  bis  in  höheres  Alter  kräftig  entwickelte  Pfahlwurzel, 
wie  z.  B.  Eiche,  zahme  Kastanie,  während  bei  anderen,  wie  Erle,  Lärche,  früher  oder 
später  das  W^achstum  der  Pfahlwurzel  nachlässt,  dagegen  mehrere  schräg  in  den  Boden 
eindringende  starke  Seitenwurzeln  das  Gerüst  des  Wurzelsystems  bilden. 

Flachstreichende  Wurzeln  haben  Birke,  falsche  Akazie,  Pappeln  und  Weiden, 
sowie  von  den  Nadelhölzern  die  Fichte,  während  andere  Holzarten,  wie  Buche,  Hain- 
buche, Weisserle,  eine  Mittelstellung  einnehmen.  Abgesehen  von  den  unzweideutig  aus- 
geprägten Extremen  ist  überhaupt  diese,  wie  jede  ähnliche  Abgrenzung,  angesichts  der 
zahlreichen  Uebergänge  keine  sichere,  zumal  auch  bei  der  gleichen  Holzart  je  nach  der 
Bodenbeschaffenheit  oft  auffällige  Verschiedenheiten  und  vielfache  Uebergänge  vorkom- 
men. Namentlich  ist  die  Bildung  einer  ausgeprägten  Pfahlwurzel  nicht  bei  allen,  eine 
solche  von  Haus  aus  aufweisenden  Holzarten  in  gleicher  Weise  Bedingung  einer  guten 
Entwickelung  (Eiche),  sondern  unter  Umständen  (Tanne  auf  weniger  gründigen  ßödeni 
kann  eine  starke  eigentliche  Pfahlwurzel  durch  kräftigere  Entwickelung  seitlicher 
Wurzeln  ersetzt  werden. 


Das  Bestandesmaterial.     §  8.  421 

3)  Höhenentwickelung^):  Für  viele  waldbauliche  Fragen  (Erzielung  ge- 
nügenden Bestandesschlusses  und  damit  guter  Bodendeckung,  Schädigung  durch  Wild, 
Weidvieh,  Frost  u.  s.  w.)  ist  namentlich  die  Jugendentwickelung  der  Holzarten  ent- 
scheidend. Einzelne  machen  schon  in  den  ersten  Lebensjahren  bedeutende  Längstriebe 
(falsche  Akazie,  gemeine  Kiefer),  während  andere  (Tanne)  erst  nach  einer  Reihe  von 
Jahren  mit  einer  energischeren  Höhenentwickelung  beginnen.  Die  Trennung  in  rasch- 
und  langsamwüchsige  Holzarten  bezieht  sich  zumeist  auf  diese  Jugendzeit,  und  zwar 
können  in  diesem  Sinne  als  langsam  wüchsig  gelten :  Buche,  Hainbuche,  Tanne,  wogegen 
man  von  den  Laubhölzern  Erle,  Birke,  Akazie,  femer  Esche,  Ahorn,  zahme  Kastanie, 
Pappeln  und  Weiden,  von  den  Nadelhölzern  die  meisten  Pinus-Arten  und  die  Lärche 
als  raschwüchsig  bezeichnen  und  endlich  den  Ulmen,  Linden,  Pirus-  und  Sorbus-Arten, 
sowie  der  Fichte  eine  mittlere  Stellung  einräumen  muss.  Doch  auch  hiev  linden  sich 
von  Fall  zu  Fall,  d.  h.  je  nach  Standort,  Witterung,  Behandlung  u.  s.  w.  mancherlei 
Yerscbiebungen.  Je  nach  der  Bodenzusammensetzung  z.  B.  kann  sich  geradezu  die 
Skala  der  Schnellwüchsigkeit  der  Holzarten  während  der  ersten  Jugendjahre  ändern. 
Ziemlich  rasch  in  ihrer  Jugendentwickelung  sind  meist  auch  die  Eichen,  doch  vielfach 
bald  nachlassend.  Uebrigens  sind  beide  Eichenarten  in  diesem  Punkte  so  wenig  gleich- 
wertig, wie  in  manchen  anderen  Beziehungen;  der  Traubeneiche  wird  ziemlich  allge- 
mein rascherer  Wuchs  und  längeres  Andauern  kräftiger  Höhenentwickelung  zuerkannt. 
Bei  vielen  der  genannten  Holzarten  ändert  sich  das  Verhalten  auch  mit  zunehmendem 
Alter,  indem  manche  (namentlich  im  inzwischen  gesi^hlossenen  Bestand)  der  bisher  lang- 
sam wüchsigen  (Tanne)  sieh  in  der  Folge  durch  rasche  Höhenentwickelung  auszeichnen, 
andere,  in  der  Jugend  raschwüchsig,  früher  oder  später  nachlassen,  besonders  wenn  sie 
sich  nicht  auf  einem  durchaus  günstigen  Standorte  befinden  (Esche,  Ahorn,  Eiche  u. 
a.  m.).  Der  bei  den  einzelnen  Holzarten  verschiedene  Zeitpunkt  dieses  Nachlassens 
verdient  namentlich  beim  Zusammenordnen  derselben  im  Mischbestande  sorgfältige  Be- 
achtung. 

Endlich  ist  von  Bedeutung,  wenn  auch  weniger  für  eigentlich  waldbauliche  Mass- 
nahmen, als  im  Hinblick  auf  die  Rentabilität  des  Betriebs  (Haubarkeitserträge),  die 
absolute  Höhe,  welche  überhaupt  erreicht  wird.  In  dieser  Hinsicht  stehen  die  Nadel- 
hölzer (Tanne  und  Fichte  bis  zu  40  Meter  und  mehr)  im  allgemeinen  den  Laubhölzern 
voran;  entscheidend  ist  nicht  sowohl  die  Höhe  einzelner  besonders  gut  entwickelter 
Exemplare,  als  vielmehr  die  mittlere  Höhe  haubarer  Bestände;  übrigens  ist  die  Hr)hen- 
entwickelung  in  ganz  besonderem  Masse  von  der  Standortsgüte  abhängig. 

4)  Verhalten  der  Holzarten  gegen  Beschädigungen.  Wild-, 
Weidevieh-,  sowie  Insektenschäden  kommen  insofern  in  Betracht,  als  sie  (wie  Rüssel- 
käferfrass  an  Kulturen,  Maikäferschaden,  das  Auftreten  gewisser  Schmetterlinge  u.  a.) 
auf  die  waldbaulichen  Anordnungen  einen  bestimmenden  Einfluss  ausüben.  Immerhin 
sind  unsere  wirtschaftlichen  EntSchliessungen  häufiger  und  allgemeiner  durch  das  Ver- 
halten der  Waldbäume  gegen  Frost  und  Hitze,  gegen  Schneeschaden  und  Sturm  bedingt. 

Indem  hinsichtlich  dieser  Gefahren  und  die  dieselben  bedingenden  Momente  auf 
den  Forstschutz  verwiesen  wird,  soll  hier  nur  hervorgehoben  werden,  dass  manche, 
sonst,  d.  h.  namentlich  in  bezug  auf  ihre  Massen-  und  Wertsertrnge,  sowie  ihr  Ver- 
halten  gegen  den  Boden  u.  s.  w. ,   vielleicht   weniger  geschätzte  Holzart  durch  ihre 

3)  lieber  die  Art  der  Ermittelung  des  Höhenzuwachsganges  ist  die  Holzmesskunde  von 
V,  Guttenberg,  Handbuch  8.  Band  Abt.  IX  zu  vergleichen.  Daselbst  finden  sich  über- 
dies die  Entwickelnngsgesetze  nach  dem  dermaligen  Stand  unserer  Kenntnis  zusammengestellt. 
--  Auf  die  F'rage  der  Bedeutung  des  Höhenwarhstums  bei  Anlegung  gemischter  Bestände 
wird  noch  zurückgekommen  werden. 


422  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Unempfindlichkeit  gegen  Frost  und  Hitze  für  gewisse  konkrete  Fälle  eine  besondere 
Bedeutung  erlangen  kann,  indem  sie  empfindlichere  Holzarten  endweder  ganz  vertritt 
oder  denselben  als  wirksames  Schntzholz  (Mischung,  Yoranbau)  beigesellt  wird.  Bei- 
spiele: Hainbuche  statt  der  Rotbuche  zum  Unterbau  auf  feuchten  Stellen,  Kiefer  als 
Schutz-  und  Treibholz  für  Eiche,  Birkenvoranbau.  Ebenso  können  manche  Holzarten 
wegen  besonderer  Gefährdung  (z.  B.  durch  Wild)  örtlich  von  unseren  Erwägungen  be- 
züglich der  Wahl  der  Holzart  ausgeschlossen  erscheinen. 

5)  Fruktifikation:  Soweit  Bestandesbegründung  durch  Pflanzung  stattfindet, 
ist  der  Waldbau  mit  seinen  Operationen  von  dem  Eintritt  guter  Samenjahre  nur  in 
massigem  Umfange  abhängig:  denn  einmal  kann  man,  was  an  Pflänzlingen  nicht  aus 
Schlägen  entnommen  werden  kann,  sondern  besondere  Anzucht  erheischt,  aus  verhält- 
nismässig kleinen  Mengen  des  betreifenden  Samens  erzielen,  so  dass  auch  in  samen- 
armen Jahren  oft  wenigstens  dieses  geringe  Quantum  brauchbaren  Samens  gewonnen 
werden  kann,  und  zum  andern  kann  im  Falle  reichlicher  Mast  meist  für  mehrere  Jahre 
vorgesorgt  werden,  weil  man  bei  der  Pflanzung  nicht  immer  gerade  auf  ein  ganz  be- 
stimmtes Alter  der  Pflänzlinge  angewiesen  ist.  Dagegen  ist  allerdings  die  Kultur  durch 
Saat  in  weit  erheblicherem  Masse,  sowie  die  natürliche  Samen-Verjüngung  vollständig 
an  die  Masten  gebunden,  und  es  ist,  namentlich  für  das  regelmässige  Fortschreiten  der 
Wirtschaft  im  grösseren  nachhaltigen  Betriebe,  oft  von  wesentlichem  Einfluss,  ob  und 
in  welchen  Zwischenräumen  Mastjahre  in  genügender  Art  wiederkehren  (vergl.  den 
Abschnitt  über  Bestandesbegründung). 

Man  kann  zwar  für  Saaten  unter  Umständen  auch  noch  einige  Jahre  alten  Samen 
verwenden,  überdies  den  Samen,  wenn  nötig,  aus  weiter  Ferne  herbeischaffen,  aber  die^ 
Behelfe  fehlen  bei  der  Naturbesamung.  Wenn  nun  letztere  auch  bei  allen  Holzarten 
stattfindet,  so  ist  der  W'irtschaftsbetrieb  im  grossen  doch  meist  nur  bei  der  Tanne  und 
Buche,  sowie  vielfach  bei  der  Fichte,  da  und  dort  auch  bei  der  Eiche,  bei  Esche,  Ahorn 
und  Forche  auf  dieselbe  begründet.  Die  Benutzung  natürlicher  Ansamung  von  Eiche, 
Esche,  Ahorn  u.  s.  w.  wird,  weil  sie  vielfach  nicht  nur  als  erwünschte  Ergänzung  der 
künstlichen  Kultur  erscheint,  sondern  letztere  geradezu  überflüssig  machen  kann,  neuer- 
dings mit  Recht  vielenorts  in  grösserem  Umfange  angestrebt.  In  erster  Linie  kommen 
für  unsere  Frage  Tanne,  Fichte  und  Buche,  event.  Forche  und  Eiche  in  Betracht,  da 
solche  Holzarten  wie  Esche  und  Ahorn,  dann  auch  Hainbuche  und  Birke  meist  sehr 
regelmässig  Samen  tragen  oder  doch  selten  gänzlich  versagen.  Obwohl  schon  vom 
ausgehenden  Stangenholzalter  an  oft  bedeutendere  Masten  vorkommen,  und  zwar  auf 
schlechterem  Standort  gewöhnlich  früher  als  auf  besserem,  wird  die  regelmässige  Wie- 
derkehr derselben  meist  doch  erst  von  einem  späteren  Entwickelungsstadium  an  be- 
obachtet, welches  demgemäss  als  volle  Mannbarkeit  bezeichnet  werden  kann.  Erst 
wenn  diese  eingetreten  ist,  lässt  sich  die  Verjüngung  mit  Sicherheit  leiten. 

Man  kann  rechnen*),  dass  bei  der  Tanne  etwa  vom  70. — 80.  Jahre  an  in  mildem 
Klima  alle  3,  in  rauherem  alle  5 — 7  Jahre  eine  reichliche  Mast  eintritt ;  bei  der  Fichte 
geschieht  dies  bei  eben  diesem  Alter  (mit  entsprechenden,  örtlich  allgemein,  sow4e  durch 
die  mehr  zufälligen  Einflüsse  der  Jahreswitterung  bedingten  Schwankungen  auf-  und 
abwärts)  durchschnittlich  alle  5  Jahre.  Die  gemeine  Kiefer  fruktifiziert  früher  und 
oft  auch  reichlicher,  so  dass  etwa  vom  50.  Jahre  an  je  in  3jährigen  Perioden  auf  eine 
genügende  Samenmenge  zu  zählen  ist.  Buchensamenjahre,  wenn  auch  eigentliche  Voll- 
masten selten  sind,  doch,  je  nach  Oertlichkeit,  vom  70. — 80.  Jahre  an  alle  5 — 10  Jahre. 


4)  Vergl.  u.  a.  Hess  „Die  Eigenschaften  und  das  forstliche  Verhalten  der  wichtige- 
ren .  .  Holzarten",  woselbst  in  Anmerkungen  die  Spezi alliteratur  nachgewiesen  ist. 


Das  Bestandesmaterial.     §  9.  423 

Aehnlich  wie  die  Bnche  (im  ganzen  wohl  etwas  günstiger)  verhalten  sich  die  Eichen, 
doch  bewegt  sich  die  Buche  mehr  in  Extremen,  während  die  Eichen  häufiger  Mittel- 
ernten  bringen. 

Von  besonderem  Einfluss  auf  die  Samenentwickelung  sind  die  Witterungsverhält- 
nisse, zumal  aucii  Spätfröste.  Nasskalte  Jahre  sind  oft  besonders  schlecht.  Die  Perio- 
dizität der  Blütejahre  ist  natürlich  meist  grösser  als  die  der  Erntejahre.  Meist,  aber 
nicht  immer,  geht  einem  Jahr  mit  reichlichem  Samenerträgnis  ein  solches  mit  geringe- 
rem voraus  oder  folgt  ihm. 

in.  Das  Verhalten  der  Holzarten  im  Bestand. 

Da  es  der  Waldbau  fast  ausnahmslos  nicht  mit  Einzelbäumen,  sondern  mit  Be- 
ständen, d.  h.  mit  einer  Vielheit  irgendwie  zusammengeordneter  Individuen  zu  tun  hat, 
so  ist  die  Würdigung  der  einzelnen  Holzarten  recht  eigentlich  dnrch  deren  Verhalten 
im  Bestände,  beim  Zusammenleben  mit  Individuen  der  gleichen  Art  oder  anderer  Arten, 
bedingt.  Dabei  ist  jenes  Verhalten  hauptsächlich  nach  zwei  Richtungen  hin  zu  begut- 
achten, nämlich  es  fragt  sich :  1)  welchen  Einfluss  äussert  die  Holzart  im  Bestand  auf 
den  Boden,  der  sie  trägt?  und  2)  was  leistet  der  Bestand  als  solcher  für  die  Zwecke 
der  Wirtschaft? 

A.  Einfluss  der  Holzarten  auf  den  Boden. 

§  9.  Der  Bestand,  welcher  dem  Boden  bestimmte  Beträge  an  Nährstoffen  ent- 
zieht und  denselben  dadurch  ärmer  macht,  soll  hieför  in  Gestalt  derjenigen  Substanzen, 
welche  die  Holzgewächse  zur  Streudecke  und  somit  demnächst  zur  Humusbildung:  bei- 
tragen, also  in  erster  Linie  durch  den  jährlichen  Blatt-  und  Nadelabfall,  durch  Blüten- 
und  Fruchtteile,  Zweige  etc.  soweit  möglich  Ersatz  leisten.  Ausserdem  soll  durch 
das  Kronendach  des  Bestandes  die  Einwirkung  von  Sonne  und  Wind  in  solchem  Masse 
vom  Boden  fern  gehalten  werden,  dass  diesem  hierdurch  das  gehörige  Mass  von  Feuch- 
tigkeit, sowie  vor  allem  ein  normal  verlaufender  stetiger  Gang  der  Humusbildung  ge- 
sichert, die  Streudecke  bewahrt  und  zugleich  die  Entwickelung  zu  massenhafter  Forst- 
unkräuter hintangehalten  werde.  Diese  Wirkungen  sollen  vom  Kronendach  ausgehen, 
d.  h.  von  der  Gesamtheit  aller  Baumkronen,  welche  sich  über  einer  bestimmten  Fläche 
befinden.  Die  nach  Holzart  und  Lebensbedingungen  überaus  verschiedene  Ausgestaltung 
der  einzelnen  Krone  ist  —  von  der  gegenseitigen  Beeinflussung  der  Individuen  und  der 
Wirkung  wirtschaftlicher  Massnahmen  abgesehen  —  allgemein  bedingt  durch  die  der 
Holzart  eigene  Art  der  Ast-  und  Zweigbildung,  durch  Grösse,  Gestalt,  Anordnung, 
Menge,  Dauer  der  Blätter  und  Nadeln.  In  den  weitaus  meisten  Fällen  —  ausser  auf 
besondere  kräftigen  bezw.  feuchten  Böden,  deren  Erschöpfung  in  Absicht  auf  Mineral- 
stoffe und  Wassergehalt  nicht  zu  fürchten  ist  —  leistet  in  den  vorangedeuteten  Rich- 
tungen nur  ein  gut  geschlossenes  Kronendach  Genügendes,  wobei  allerdings  nicht  er- 
forderlich ist,  dass  die  einzelnen  Kronen  sich  in  gleicher  Höhe  gewissermassen  zu  einer 
einzigen  Etage  zusammenfügen,  sondern  es  können  auch  Einzelbäume  und  Gruppen 
verschiedensten  Alters  und  damit  verschiedenster  Höhe  und  Ausformung  den  Raum 
über  dem  Boden  derart  mit  Aesten  und  Zweigen  anfüllen,  dass  deren  Blätter  und  Na- 
deln die  Sonne  und  den  Wind  nicht  oder  doch  nur  in  unschädlichem  Masse  zur  Erde 
gelangen  lassen.  Jedenfalls  aber  ist  zur  Herstellung  jenes  Schutzdaches  über  dem 
Boden,  sowie  zur  Rücklieferung  einer  hinreichenden  Menge  an  humusbildenden  Sub- 
stanzen auf  der  Flächeneinheit  eine  grosse  Anzahl  von  Holzpflanzen  erforderlich,  welche 
genügend  nahe  zusammenstehen  müssen,  und  deren  Kronen  in  sich  entsprechend  dicht 
sind.  Namentlich  in  höherem  Alter,  wenn  der  einzelne  Baum  einen  grösseren  Stand- 
raum einnimmt,  ist  nicht  in  erster  Linie  nahes  Aneinanderrücken  der  Nachbarbäume, 


424  IV.  Lorey,  Waldbau. 

sondern  vor  allem  auch  die  Beschaffenheit  der  Etnzelkrone  für  die  Intensität  des  Boden- 
schutzes bedingend.  In  der  Jugend  fällt  ja  zweifellos  die  auf  gegebener  Fläche  vor- 
findliche  Zahl  der  Individuen  am  meisten  ins  Gewicht,  aber  mit  fortschreitender  Ent- 
wickelung  (zunehmender  natürlicher  und  künstlicher  Bestandesreinignng)  tritt  diesem 
Moment  der  Einfiuss  der  einzelnen  Krone  mehr  und  mehr  als  gleichwertig  zur  Seite. 
Nun  verhalten  sich  aber  unsere  Holzarten  in  Beziehung  auf  die  Ausbildung  ihrer  Kro- 
nen ausserordentlich  verschieden.  Zwar  besitzen  nicht  bloss  diejenigen,  welche  sich 
auch  im  Alter  noch  durch  dichte  Kronen  auszeichnen,  sondern  auch  viele  von  denen, 
bei  welchen  dies  nicht  der  Fall  ist,  in  der  Jugend  reichliche  Belaubung  oder  Benade- 
lung; aber  mit  zunehmendem  Alter  lichten  sich  die  Kronen  mehr  und  mehr  ans,  sie 
rücken  überdies  (infolge  Absterbens  der  unteren  Aeste)  immer  weiter  vom  Boden  in 
die  Höhe,  durch  seitliche  Beengung  sowohl  im  Boden  als  im  Kronenraume  gehen  viele 
Individuen  ein,  so  dass  durch  dies  alles  bald  früher  bald  später  (nach  Holzart,  Stand- 
ortsverhältnissen u.  s.  w.)  eine  oft  sehr  weitgehende  Unterbrechung  des  Kronenschlnsses 
eintritt,  eine  Lichtstellung,  die  sich  durch  Ueberkleidung  des  Bodens  mit  Unkräutern, 
durch  zu  rasche  oder  auch  durch  unvollkommene  Humuszersetzung,  Austrocknung  etc. 
bemerkbar  macht.  Da  hierdurch  allgemein  der  Waldboden  in  seiner  Prodnktionsfäbig- 
keit  geschädigt  würde,  so  muss  für  dauernd  dichten  Kronenschirm  gesorgt  werden. 
Dies  geschieht  am  einfachsten,  indem  man  überhaupt  nur  solche  Holzarten  in  die  Be- 
stände bringt,  deren  Kronendach  sich  bis  ins  höhere  Alter  gut  geschlossen  erhält.  Falls 
man  aber  aus  irgend  welchen  Gründen  zu  solchen  Holzarten  greift,  welche  sich  in 
späteren  Jahren  licht  stellen,  so  werden  diese  wenigstens  entweder  mit  so  niedrigen 
Umtrieben  bebandelt,  dass  bei  der  Aberntung  des  Bestandes  die  für  den  Bodenzustand 
bedenkliche  Lichtung  noch  nicht  eingetreten  ist,  oder  es  muss,  wenn  man  sie  älter 
werden  lassen  will,  im  Zeitpunkte  der  beginnenden  Auslichtung  durch  besondere  Mass- 
nahmen für  Bodenschutz  gesorgt  werden. 

Diejenigen  Hauptholzarten  des  deutschen  Waldes,  welche  auch  in  höherem  Alter 
gut  geschlossene  Bestände  zu  bilden  und  somit  dem  Boden  jeden  gewünschten  Schutz 
dauernd  zu  gewähren  vermögen ,  sind  vorab  Tanne  und  Buche,  dann  auch  die 
Fichte.  Sie  sind  also  vor  allen  andern  berufen,  die  Hauptmasse  des  Waldes  zu 
bilden,  und  zwar  können  sie  ohne  Gefährdung  der  Bodenkraft  in  reinen  Best<änden 
auftreten,  d.  h.  solchen,  die  nur  aus  Exemplaren  der  nämlichen  Holzart  zusammengesetzt 
sind.  Sie  speziell  werden  im  Verein  mit  einigen  Nebenholzarten  als  schatten  er- 
tragende Holzarten  bezeichnet,  weil  man  die  Dichtigkeit  ihrer  Krone,  welche  we- 
sentlich darauf  beruht,  dass  Blätter,  bezw.  Nadeln  im  Inneren  derselben  sich  noch 
längere  Zeit  hindurch  lebend  erhalten,  als  einen  Beweis  höheren  Schattenerträgnisses 
ansieht  im  Gegensatz  zu  dem  bezüglichen  Verhalten  anderer  Holzarten,  deren  Kronen 
sich  bald  lichten,  indem  die  von  den  äusseren  Blatt-,  bezw.  Nadelschichten  umschatteten 
Organe  im  Kroneninnern  nicht  mehr  lebensfähig  bleiben.  Diese  Holzarten  werden  des- 
halb lichtbedürftig  oder  kurz  Lichthölzer  genannt. 

Tatsache  ist  also  —  und  darauf  gründet  sich  zunächst  die  Unterscheidung  in  Licht- 
und  Schattenhölzer  —  jenes  völlig  verschiedene  Verhalten,  welches  sich  zeigt,  wenn  man  Be- 
stände der  einzelnen  Holzarten  während  ihrer  Entwickelung  sich  selbst  überlässt.  Ob  und 
inwieweit  die  lichtere  Stellung  wirklich  als  eine  Folge  des  Lichtentzugs  bezw.  der  Licht- 
bedürftigkeit gelten  muss,  oder  ob  nicht  vielmehr  die  Ursache  in  erster  Linie  im  Boden, 
in  den  Ernährungsverhältnissen  (Wurzelkonkurrenz)  zu  suchen  ist,  muss  heute  noch  als 
offene  Frage  betrachtet  werden.  Nicht  weil  ihnen  das  Licht  fehlt,  wtlrde  eine  grössere 
Anzahl  von  Individuen  früher  oder  später  ausscheiden,  sondern  weil  die  verfügbare  Nähr- 
stoflFmenge  nur  für  eine  beschränkte  Anzahl  von  Bäumen  ausreiche,  so  möchte  man  schlies- 
sen ;  vor  allem  würden  dabei  auch  die  Feuchtigkeitsverhältnisse  im  Boden  eine  Hauptrolle 


Das  Bestandesmaterial.     §  9.  425 

spielen.  Man  wird  wohl  nicht  fehlgehen  in  der  Annahme,  dass  die  verschiedenen  erwähn- 
ten Faktoren  an  dem  Ergebnis :  hie  mehr  oder  minder  geschlossener,  hie  lichter  Bestand 
beteiligt  sind. 

Als  extreme  Repräsentanten  der  Lichthölzer  können  die  Lerche  und  Birke  gelten, 
welche  sich  vor  allen  andern  durch  ihre  besonders  dünne  Krone  auszeichnen.  Zwischen 
den  beiden  genannten  E.xtremen,  den  absoluten  Schattenhölzern  Tanne  und  Buche  und  den 
Lichthölzern  Birke  und  Lärche,  schalten  sich  in  mannigfacher  Abstufung  die  übrigen 
Holzarten  ein.  Keiner  unserer  Waldbüume  liebt  oder  bedarf  den  S«hatten,  abgesehen 
von  der  Jugendzeit,  in  welcher  vielen  derselben  Schutz  gegen  Frost  und  Hitze  gewährt 
werden  muss,  was  im  grossen  Forstbetrieb  meist  nur  durch  das  Kronendach  e:nes  Schutz- 
bestandes  geschehen  kann,  also  mit  Beschattung  verknüpft  ist.  Alle  Holzarten  ent- 
wickeln sich  vielmehr  kräftiger  in  der  Lichtstellung.  Dagegen  können  aber  manche 
die  Beschattung  nach  Mass  und  Zeitdauer  in  weiterem  Umfange  ertragen,  während 
andere  darunter  bald  notleiden,  eine  Verschiedenheit  des  Verhaltens,  welche  natürlich 
waldbaulich  von  höchster  Bedeutung  ist^). 

Tanne  und  Buche  brauchen  (in  der  Ebene  und  den  Mittellagen  wenigstens)  in  der 
Jugend  Schutz  gegen  Frost  und  Hitze  und  ertragen  die  Beschattung,  die  Tanne  aber  länger 
and  intensiver  als  die  Buche.  Weit  weniger  schutzbedürftig,  zumal  gegen  Sonnenbestrah- 
lung, ist  die  junge  Fichte ;  ihr  Schattenerträgnis  ist  entschieden  geringer  als  dasjenige  der 
Buche.  Immerhin  muss  man  die  Fichte,  so  lange  nur  die  zwei  grossen  Gruppen :  Schatten- 
nnd  Lichthölzer  gebildet  werden,  den  Schattenhölzern  zuzählen.  Mit  ihr  konkurriert  allen- 
falls in  bezug  auf  die  Fähigkeit,  Schatten  zu  ertragen,  die  Weymouthskiefer,  von  Laub- 
hölzern vielleicht  die  Hainbuche.  Alle  anderen  Holzarten  sind  als  Jungwüchse  sofort  sehr 
dankbar  für  vollen  Lichtgenuss  und  erhalten  sich  unter  dem  Schatten  von  Oberständern 
im  allgemeinen  nur  dann  einige  Zeit  wuchskräftig,  wenn  ihnen,  was  dabei  an  atmosphä- 
rischen Niederschlägen  (Regen,  Tau  etc.)  abgeht,  durch  Bodenfrische,  feuchte  Luft,  gute 
Ernährung  reichlich  ersetzt  wird.  —  Von  dem  Verhalten  in  der  ersten  Jugend  ist  das- 
jenige während  der  weitern  Entwickeln ng  des  Bestandes  zu  unterscheiden.  Das  kritische 
Alter,  in  welchem  sich  die  grössere  oder  geringere  Fähigkeit  einer  Holzart,  dichte  und 
damit  reine  Bestände  dauernd  zu  bilden ,  deutlich  ausspricht ,  ist  gemeinhin  die  Zeit  des 
beginnenden  Stangenholzes.  Ausser  bei  Lärche  und  Birke  tritt  die  Sorge  um  den  Boden- 
schutz im  reinen  Bestände  einer  Lichtholzart  meist  erst  von  jenem  Zeitpunkte  ab  an  uns 
heran ;  ja  in  Beständen  mancher  lichtkroniger  Nadelhölzer,  wie  z.  B.  der  gemeinen  Kiefer, 
kann  man  sich  dieser  Sorge  oft  noch  weiterhin,  bis  in's  mittlere,  ja  höhere  Stangenholz- 
alter entschlagen,  sofern  eine  dichte  Moosdecke  den  Boden  überkleidet  und  ihm  den  er- 
forderlichen Schutz  (Feuchtigkeit  etc.)  gewährt.  Von  verschiedenen  Schriftstellern  sind  die 
Holzarten  in  bezug  auf  ihre  Fähigkeit,  Schatten  zu  ertragen,  bezw.  sich  im  geschlossenen 
Bestände  zu  halten,  klassifiziert  worden  ^).  Die  Skala,  welche  dieselben  aufgestellt  haben, 
stimmt  nicht  in  allen  Einzelheiten  überein;  dies  kann  auch  nicht  anders  sein,  denn  die 
Beobachtungsgebietc,  welchen  die  betreifenden  Bücher  entstammen,  sind  sehr  verschieden; 
immerhin  treffen  die  Abweichungen  zumeist  nur  die  eine  mittlere  Stellung  einnehmenden 
Holzarten ;  manche  Verschiebung  ist  rein  lokaler  Natur,  durch  die  Eigenart  des  Standorts 
bedingt  ^) ;  überdies  ist  die  exakte  komparative  Beobachtung  äusserst  schwierig,  weil  meist 
viele  Faktoren  gleichzeitig  wirksam  sind.  Wir  möchten  —  mit  der  am  meisten  Schatten 
ertragenden  Holzart  beginnend  —  folgende  Reihe  aufstellen:  Tanne  —  Buche  —  Fichte 
—  Hainbuche,  Weymouthskiefer  -  —  Linde  —  Traubeneiche  —  Esche  —  Ahorn,  Schwarz- 
kiefer —  Stieleiche,  Ulme  —  Erle  —  gemeine  Kiefer  —  Aspe,  Birke,  Lärche.  Zu  be- 
achten ist,  dass  zu  den  ziemlich  viel  Schatten  ertragenden  Holzarten  die  Weymouthskiefer 
gehört,  welche  dadurch  und  durch  ihre  Raschwüchsigkeit  für  manche  Spezialfälle  waldbau- 


5)  Zu  vergl.  Zweiter  Abschnitt,  2.  Kapitel,  A,  II  1,  §  25. 

H)  Vergl.  u.  a.  G.  Hey  er,  Verhalten  der  Waldbäume  gegen  Licht  und  Schatten,  1852. 
—  V.  Fischbach,  „Forstwissenschaft",  4.  Aufl.  1886  S.  5.  —  Kraft  in  Allg.  F.-  u. 
J.-Ztg.  von  1878,  S.  64.  —  Gay  er,   „Waldbau«,  2.  Aufl.  S.  33  ff. 

7)  In  dieser  Beziehung  macht  z.B.  G  a  y  e  r  auf  die  erhöhten  Lichtansprüche  bei  kur- 
zer Vegetationsdauer  (Gebirg,  Norden),  dann  auf  den  Einfluss  der  örtlichen  Lichtintensität, 
die  Wirkung  häufiger  Nebel  u.  s.  w.  aufmerksam. 


426  IV.  Lorey.  Waldban. 

lieber  Arbeit,  wie  z.  B.  Auspflanzen  Ton  Scbneebmcblücken,  alten  Wegen  n.  s.  w.  besonders 
geeignet  erscheinen  kann.  Femer  sei  nochmals  betont,  dass  die  Fichte  keineswegs  der 
Buche  und  noch  weniger  der  Tanne  gleichgeordnet  werden  darf.  —  Ein  allgemeiner  Ein- 
flnss  des  Standorts  auf  die  besprochenen  Verhältnisse  lässt  sich  dahin  erkennen,  dass,  wie 
schon  angedeutet  wurde,  auf  frischen  und  reichen  Böden  die  Kronen  dichter  sind,  das 
Schattenerträgnis  durch  alle  Lebensalter  gesteigert  erscheint,  woraus  gefolgert  werden  kann, 
dass  jedenfalls  die  Frage  der  Ernährung  mitspielt,  wie  denn  überhaupt  die  beregt-en  Be- 
ziehungen noch  lange  nicht  Tollständig  geklärt  sind.     Vgl.  Handbuch  Bd.  I,  181  ff. 

Tatsächlich  kommen  auch  von  andern  Holzarten,  als  der  Tanne,  Buche  and  Fichte, 
ausgedehnte  reine  Bestände  vor;  aber  dieselben  sind  dann  entweder  Kinder  der  Not 
oder  auch  besonders  günstiger  Verhältnisse,  sehr  oft  auch  eigenartiger  wirtschaftlicher 
Bedingungen.  Alle  diese  Umstände  können  die  grundsätzlich  als  Ausnahme  zn  betrach- 
tende Bildung  reiner  Bestände  durch  Lichtholzarten  gegebenenfalls  geradezu  als  Kegel 
erscheinen  lassen.  So  findet  sich  insbesondere  die  gemeine  Kiefer  auf  weiten  Flächen 
in  reinen  Bestanden,  jedoch  zumeist  auf  Böden,  welche  für  andere,  anspruchsvollere 
Holzarten  nicht  mehr  taugen,  wo  man  also,  um  überhaupt  Wald  zu  haben,  mit  der 
Kiefer  im  reinen  Bestand  zufrieden  sein  muss.  Man  befindet  sich  in  einer  Zwangslage, 
aus  der  man  eben  niemals  herauskommen  kann.  So  lange  in  solchen  Beständen  die 
Moosdecke  sich  erhält  (bei  nicht  zu  hohem  Umtrieb),  ist  die  Leistung  der  Kiefer  auch 
in  Rücksicht  auf  die  Bodenkraft  eine  befriedigende.  Die  Fälle,  in  welchen  Lichtholz- 
arten, wie  gerade  nicht  selten  die  gemeine  Kiefer,  aus  wirtschaftlichen  (Rentabilitäts-) 
Gründen  rein  angebaut  werden,  sind  für  unsere  Frage  zunächst  weniger  von  Interesse. 
Es  mögen  nur  noch  Schwarzkiefer  (Wiener  Wald) ,  Krummholzkiefer  (Hochgebirg, 
Moore),  Erle  (nasse  Partien),  sodann  Esche,  Eiche  (auf  kräftigen  Böden  der  Flus-snie- 
dernngen,  doch  hier  meist  mit  einem  Unterholz)  als  Beispiele  dafür  aufgeführt  werden, 
dass  unter  besonderen  Umständen  Lichthölzer,  zumal  solche,  w^elche  eine  mehr  mittlere 
Stellung  einnehmen,  in  reinen  Beständen  vorkommen.  Ueberdies  ist  der  Eichenschäl- 
wald als  typische  Form  besonders  zu  erwähnen,  bei  welcher  der  niedrige  Umtrieb  ent- 
scheidend ist.  —  Anbau  von  Schutzbeständen  (aus  Birke,  gemeiner  Kiefer),  sowie  An- 
zucht von  reinen  Beständen  (etwa  der  Eiche)  in  der  Absicht,  sie  später  zu  unterbauen, 
kommen  als  nicht  dauernd  beizubehaltende  reine  Bestände  hier  nicht  weiter  in  Betracht. 

B.  Verhalten  der  Holzarten  untereinander.    Gemischte  Bestände  \) 

§  10.  I.Allgemeines.  Da,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  eine  ziemlich  kleine 
Anzahl  von  Holzarten  geeignet  ist,  für  sich  allein,  d.  h.  in  reinem  Bestände,  dem  Boden 
den  erforderlichen  Schutz  zu  gewähren,  da  sich  aber  gerade  unter  den  übrigen,  den 
Lichthölzern,  eine  Reihe  unserer  wertvollsten,  für  die  vielseitigsten  Verwendungszwecke 
gesuchten  Nutzhölzer  befinden,  auf  deren  An-  und  Nachzucht  nicht  verzichtet  werden 
kann,  so  müssen  sich  den  reinen  Beständen  „gemischte"  zugesellen,  d.  h.  solche, 
welche  aus  Individuen  zweier  oder  mehrerer  Holzarten  zusammengesetzt  sind,  wobei 
dann  die  Lichthölzer  derart  mit  Schattenhölzem  zusammengebracht  werden  sollen,  dass 
letztere  die  Sorge  für  den  Bodenschutz  in  der  Hauptsache  übernehmen,  während  jene, 
in  der  Minderzahl,  ohne  besonderen  Nachteil  für  die  Bodenkraft  mitwachsen.  Die  Licht- 
hölzer tragen  ja  auch  ihrerseits,  wenn  auch  in  mehr  oder  weniger  bescheidenem  Masse, 
zum  Bodenschutz  bei,  so  dass  eine  geeignete  Zusammenordnung  von  Licht-  und  Schatr 
tenhölzern  vollkommen  genügt,  um  die  Prodnktionskraft  eines  Waldortes  dauernd  zn 
sichern.  Die  zwei  grossen  Gruppen  Licht-  und  Schattenhölzer  gestatten  folgende  drei 
Arten  von  Mischungen :  a)  Schattenhölzer  untereinander,  b)  Schatten-  mit  Lichthölzern, 


8)  Vergl.  Carl  Heyer,  „Beiträge  zur  Forstwissenschaft«  IL  Heft,  1847  S.  1  if. 


Das  Bestandesmaterial.     §  10.  427 

c)  Lichthölzer  untereinander.  Ausserdem  sind  bezüglich  der  Mischungen  Unterschiede 
dahin  zu  machen,  ob  dieselben  bleibend  oder  vorübergehend  sind,  ob  die  einzelnen  Holz- 
arten gleichzeitig  oder  zu  verschiedener  Zeit  auf  die  Fläche  kommen,  ob  sie  gleichalt 
oder  ungleichalterig  sind,  endlich  ob  eine  gruppen-  oder  horstweise  Verteilung  der 
einzelnen  Holzarten  beliebt  wird,  oder  ob  ein  Grundbestand  mit  Exemplaren  einer  an- 
deren Holzart  in  einzelständiger  Anordnung  der  letzteren  durchstellt  ist. 

a)  Beispiele  vorübergehender  Mischungen:  1)  Anzucht  von  Schutz- 
beständen :  Birke,  Lärche  oder  Kiefer  auf  Blossen  behufs  Nachzucht  von  Tanne  oder  Buche ; 
Kiefer  in  üntermischung  mit  Eiche,  um  letztere  durch  Seitenschutz  gegen  Frost  zu  sichern ; 
—  2)  Mitanzucht  einer  Holzart,  welche  eine  frühe  Zwischennutzung  abwerfen  soll,  z.  B. 
Fichte  (Weihnachtsbäume!)  in  Pflanzkultnren  zwischen  ausländischen  Hölzern  (Douglas- 
tanne. —  b)  Beispiele  ungleichzeitiger  Mischungen:  1)  Voranbau  eines 
Schutzbestandes,  nachfolgendes  Einbringen  der  Hauptholzart ;  2)  Unterbau  von  Lichthölzern 
(Eiche)  mit  SchattenhÖlzem.  —  c)  Beispiele  ungleichalteriger  Mischungen 
sind  unter  a  und  b  einbegriffen. 

Die  Entscheidung  darüber,  ob  reine  oder  gemischte  Bestände  herangezogen  wer- 
den sollen,  Ist  in  letzter  Linie  unter  dem  Gesichtspunkte  der  Kentabilität  zu  treffen. 
Sofern  eine  Anzahl  kaum  entbehrlicher  Holzarten  im  reinen  Bestand  nicht  erzogen 
.werden  können,  sind,  wie  bereits  hervorgehoben  wurde,  Mischbestände  eine  unabweisbare 
Notwendigkeit.  Es  könnte  sich  aber  weiterhin  die  Erwägung  aufdrängen,  ob  nicht 
auch  solche  Holzarten,  welche  vermöge  ihres  dichten  Kronenschlusses  zu  reinen  Bestän- 
den taugen,  wegen  besonderer  Vorzüge  der  Mischbestände  allgemein  besser  in  Ünter- 
mischung mit  andern  Holzarten  angebaut  werden  würden,  so  dass  die  Begründung  ge- 
mischter Bestände  ganz  allgemein  als  Regel  hingestellt  werden  müsste.  Solcher  Vor^ 
z  ü  g  e  passend  gemischter  Bestände  werden  in  der  Tat  mehrere  angeführt  ®j, 
und  zwar  wird  in  der  Hauptsache  folgendes  zu  ihren  Gunsten  geltend  gemacht :  a)  Ge- 
mischte Bestände  gewähren  grössern  Schutz  gegen  gewisse  Gefahren,  indem  die  einzelnen 
Mischholzarten  in  verschiedenem  Masse  (manche  eventuell  gar  nicht)  bedroht  sind  und 
dadurch  für  den  Bestand  im  ganzen  eine  höhere  durchschnittliche  Widerstandsfähigkeit 
entsteht.  Wenn  letztere  auch  nicht  selten  nur  mittelbar  der  Mischung,  zunächst  jedoch 
der  durch  dieselbe  ermöglichten  kräftigeren  Kronenentwicklung,  besserer  Gesundheit  im 
allgemeinen  u.  s.  w.  zu  verdanken  ist,  so  bedeutet  doch  in  sehr  vielen  Fällen  schon 
die  Verschiedenheit  der  Holzarten  an  sich  eine  grössere  Sicherheit  für  den  Bestand. 
Beispiele:  Mischung  von  Laubholz  unter  Nadelholz  als  Schutz  gegen  Feuer,  Pilze  und 
Insekten,  desgleichen  gegen  Schneedruck;  flach-  und  tiefwurzelnde  Holzarten  bilden 
unter  Umständen,  einen  sturmsichereren  Bestand  als  flach  wurzelnde  allein ;  frostharte  und 
-empfindliche  Holzarten  in  Mischung  zum  Schutz  der  letzteren  u.  s.  w.  —  b)  Gemischte 
Bestände  können  die  Holzmassen-  und  Wertsproduktion  steigern.  Allgemein  Hesse  sich 
dieser  Satz  vielleicht  aus  den  verschiedenen  Bodenansprüchen  der  Holzarten,  aus  der 
Verschiedenheit  ihrer  Wurzelbildung  (flach-  und  tiefwurzelnde),  ihrer  Kronenform,  so- 
wie aus  den  besseren  Bodeneigenschaften,  welche  Lichthölzern  im  Grundbestande  von 
Schattenhölzern  zu  gute  kommen  u.  s.  w.,  abstrahieren.  Es  wird  aber  gut  sein,  wenn 
man  sich  solcher  allgemeiner  Folgerung  gegenüber  zunächst  skeptisch  verhält  und  das 
Ergebnis  einer  grösseren  Anzahl  einwandfreier  komparativer  Untersuchungen  abwartet. 
Einige  Erhebungen,  welche  denselben  bestätigen,  liegen  zwar  vor,  aber  nur  in  beschränk- 
ter ZahP^),  längst  noch  nicht  genügend,  um  alle  einschlagenden  Beziehungen  mit  Be- 
stimmtheit nachzuweisen.  Andererseits  haben  z.  B.  neuere  Untersuchungen,  welche  die 
württembergische  forstliche  Versuchsstation  in  Fichten-  Buchen-  Mischbeständen  ange- 


9)  Vergl.  Carl  Heyer  daselbst  S.  22  fif. 

10)  Carl  Heyer  a.  a.  0.  S.  35  flF. 


428  IV.  Lorey,  Waldbau. 

stellt  hat,  um  deren  Wuchsleistung  iin  Vergleich  zu  derjenigen  reiner  Fichten-  und 
reiner  Buchenbestände  zu  erfahren,  durchaus  keine  üeberlegenheit ,  sondern  teilweise 
sogar  ein  nicht  unerhebliches  Zurückbleiben  der  Mischbestände  ergeben.  Zur  vollen 
Klärung  der  Frage  sind  noch  zahlreiche  Aufnahmen  nötig.  So  >\äre  z.  B.  auch  hin- 
sichtlich einiger,  in  grösserer  Ausdehnung  vorkommender  Nadelholzmischungen,  wie 
Tanne  und  Kiefer,  Tanne  und  Fichte,  Tanne,  Fichte  und  Kiefer  (Schwarzwald,  Vogesen), 
welche  offenbar  Gutes  leisten,  der  zahlenmässige  Vergleich  ihrer  Massenproduktion  mit 
derjenigen  reiner  Bestände  jener  Holzarten  auf  gleichem  Standort  noch  durch  ausge- 
dehnte Untersuchungen  zu  führen.  Nadelhölzer,  wie  Fichte,  Kiefer,  Tanne,  bilden,  in 
Buchen  eingesprengt,  erfahrungsgemäss  oft  besonders  bedeutende  Dimensionen  heraus. 
Dass  übiigens  eine  Mehrproduktion,  wenn  sie  insgesamt  eintritt,  wohl  wesentlich  auf 
freiere  Kronenentwickelung  einzelner  schneller  wüchsiger  Bäume  im  Mischbestande  zu- 
rückzuführen sein  dürfte,  während  eine  Wachstumssteigerung  in  gleichalterigen,  gleich- 
hohen Beständen  durch  die  Mischung  allein  kaum  oder  doch  nur  in  beschränktem  Masse 
verursacht  werden  möchte,  hat  W  a  g  e  n  e  r  ^i)  hervorgehoben.  —  c)  Gemischte  Bestände 
dienen  zur  Verminderung  der  Betriebsklassen.  Dies  geschieht  einmal  dadurch,  dass  sie 
eine  einheitliche  Schlagordnung  (normale  Altersstufentblge)  gestatten,  wo  sonst,  wenn 
man  von  jeder  Holzart  jährlich  einen  Ertrag  haben  möchte,  ebensoviele  selbst^ndio:e 
Schlagordnungen  nötig  wären,  als  Holzarten  vorhanden  sind  (bei  kleiner  Gesamtfläche 
insbesondere  ganz  undurchführbar);  sodann  dadurch,  dass  innerhf^lb  gewisser  Grenzen 
ein  Ausgleich  der  ümtriebszeiten  im  Mischbestande  möglich  erscheint;  Verschiedenheit 
der  Umtriebszeit  wäre  sonst  ein  zwingender  Grund  für  Ausscheidung  besonderer  Be- 
triebsklassen der  einzelnen  Holzarten.  Beispiele :  Kiefer  für  sich  mit  60j ährigem,  Buche, 
für  sich  mit  lOOjährigem  Umtrieb  zu  behandeln,  lassen  sich  unter  Umständen  in  der 
Mischung,  in  welcher  die  Kiefer  an  sich  länger  aushält  und  insbesondere  ein  besserer 
Bestandesschluss  als  im  reinen  Kiefernbestand  bewahrt  bleibt,  zu  einem  mittleren  Um- 
trieb von  80  Jahren  vereinigen.  Es  kommt  hinzu,  dass  manche  Holzarten  gar  nicht 
in  solcher  Masse  auf  dem  Markte  begehrt  werden,  als  dass  es  sich  lohnen  würde,  durch 
reine  Bestände  den  Bedarf  nachhaltig  decken  zu  wollen,  während  man  dieselben  ande- 
rerseits doch  im  Handelsverkehr  nicht  ganz  entbehren  kann  (Ahorn,  Linde,  Eisbeere 
u.  s.  w.).  —  d)  Die  Mischung  verschiedener  Holzarten  kann  ein  Mittel  bieten  zur  Her- 
beiführung rasch  und  regelmässig  verlaufender  Streuzersetzung,  wie  sie  im  Gegensatz 
zur  Anhäufung  von  mehr  oder  weniger  toten  Humusmassen  erwünscht  ist.  Denn  die 
Art  der  Zersetzung  (Umfang,  Rasch  heit  derselben)  ist  beim  Laub  bezw.  den  Nadeln 
verschiedener  Holzarten  eine  wesentlich  verschiedene,  und  es  leuchtet 'ein,  w-ie  günstig 
es  wirken  kann,  wenn  leicht  und  rasch  zersetzbare  Streumengen  zu  widerstandsfähigeren 
hinzutreten.  Leicht  zersetzbar  ist  z.  B.  das  Laub  von  Esche,  Ahorn,  Hainbuche,  sind 
die  Nadeln  von  Weymouthskiefer  und  Douglasfichte.  —  e)  (xemischte  Bestände  tragen 
unzweifelhaft  zur  Verschönerung  der  Gegend  bei. 

Diesen  Vorzügen  stehen  aber  doch  manche  nicht  unerhebliche  Bedenken  gegen- 
über: a)  Selbst  wenn  wirklich  allgemein  die  Mischung  eine  M  a  s  s  e  n  produktionsstei- 
gerung  bedingen  würde,  müsste  von  derselben  abgesehen  werden,  falls  die  Gesamt- 
werts erzeugung  des  Bestands  dadurch  eine  beschränktere  würde,  dass  geringwertige 
Holzarten  (z.  B.  Buche)  einen  Teil  der  Stellen  einnehmen,  an  welchen  höherwertige 
(Nutzhölzer,  wie  Fichte,  Tanne  etc.)  stehen  könnten.  Es  ist  freilich  in  vielen  Fällen 
fraglich,  ob  diejenige  Holzart,  welche  heute  die  vorteilhafteste  ist,  dauernd  den  Vorzug 
verdienen  wird ,   oder  ob  ihr  eine  andere  nicht  in  Zukunft  den  Rang  ablaufen  wird. 


11)  Vergl.  Wagener,  „Waldbau"  S.  141  ff. 


Das  Bestandesmaterial.     §  11.  429 

Im  allgememen  wird  aber  jedenfalls  das  Nutzholz  dem  Brennholz  überlegen  bleiben, 
so  dass  es  recht  wohl  verständlich  ist,  wenn  man  sich  insbesondere  gegen  eine  irgend 
erhebliche  Beimischung  der  Buche  zu  schattenertragenden  Nadelhölzern  (Tanne,  Fichte) 
ablehnend  verhält.  —  b)  Gemischte  Bestände  verursachen,  in  Absicht  auf  Forsteinrich- 
tung, Bestandesbegründung  und  -erziehung,  Holzernte  u.  s.  w.  manche  Wirtschaftser- 
schwerung. Wohl  hauptsächlich  aus  letzterem  Grunde,  der,  selbst  wenn  die  Tatsache 
an  sich  richtig  ist,  niemals  für  die  Wahl  des  Wirtschaftsverfahrens  allein  entscheidend 
sein  darf,  finden  sich  gemischte  Bestände  längst  noch  nicht  in  der  für  sie  von  einer 
Mehrzahl  von  Forstwirten  gewünschten  Verbreitung.  Dass  reine  Bestände  dann,  wenn 
die  eine  Holzart  örtlich  unzweifelhaft  die  tauglichste,  bezw.  vorteilhafteste  ist,  den 
Vorzug  verdienen,  bedarf  keiner  nochmaligen  Hervorhebung. 

In  solchen  gemischten  Beständen,  in  denen  zwei  oder  mehrere  Holzarten  nicht 
zu  annähernd  gleichen  Teilen  vertreten  sind,  sondern  eine  Holzart  entschieden  über- 
wiegt, bildet  diese,  die  wohl  auch  als  die  herrschende  bezeichnet  wird,  den  sog.  Grund- 
bestand, während  die  andern  Holzarten  als  beigesellte  oder  Nebenholzarten  erscheinen. 
Diese  Unterscheidung  bezieht  sich  zunächst  nur  auf  Häufigkeit  des  Vorkommens  im 
Bestände.  An  W^ertsleistung  und  damit  auch  an  Bedeutung  für  den  Effekt  der  Wirt- 
schaft ist  die  beigesellte,  in  der  Minderheit  vorhandene  Holzart  nicht  selten  der  Grund- 
holzart überlegen,  so  dass  sie  eigentlich  zur  führenden,  zur  Hauptholzart  wird.  Ins- 
besondere gilt  dies  von  den  Mischungen  der  Rotbuche  mit  Nutzhölzern. 

2)  Allgemeine  Regeln  für   die  Anlage  gemischter  Bestände 

§  11.  Voraussetzung  ist,  dass  die  Holzarten  an  sich  für  den  betreffenden  Stand- 
ort passen. 

a)  Den  Grundbestand  der  Mischung  rauss  eine  schattenertragende  Holzart  bilden, 
d.  h.  eine  solche,  welche  in  dem  in  §  9  angegebenen  Sinne  die  Bodenkraft  erhält.  — 
b)  Werden  Schattenhölzer  mit  einander  gemischt,  so  müssen  sie  entweder  gleichen 
Hühenwachstumsgang  haben,  oder  es  muss  die  langsamer  wüchsige  einen  Vorsprung 
besitzen  oder  durch  wirtschaftliche  Massregeln  (Freihieb)  geschützt  werden.  Bei  allen 
Mischungen  ist  natürlich  die  relative  Beteiligung  der  verschiedenen  Holzarten  von  Be- 
lang. Es  ist  z.  B.  sehr  viel  leichter,  eine  geringere  Zahl  von  Exemplaren  der  rascher 
wüchsigen  Fichte  im  Buchengrundbestande  hoch  zu  bringen  als  umgekehrt  wenige  Bu- 
chen im  Fichtengrundbestande.  —  c)  Schattenhölzer  und  Lichthölzer  taugen  nur  dann 
zu  einer  Mischung,  wenn  die  letzteren  dauernd  die  ersteren  überragen,  was  dann  ge- 
schieht, wenn  sie  entweder  rascher  in  die  Höhe  gehen  als  die  Schattenhölzer  oder,  im 
Falle  gleicher  oder  gar  geringerer  Höhenent Wickelung,  einen  entsprechenden  Alters- 
vorsprung vor  diesen  haben. 

Zur  Erläuterung  der  Sätze  b  und  c  sei  darauf  hingewiesen,  dass  keine  einzige  Holz- 
art —  auch  die  Schattenhölzer  nicht  —  bei  andauernder  Ueberschirmung  sich  gut  zu  ent- 
wickeln vermag.  Mindestens  muss  der  Gipfel  schirmfrei  sein,  d.  h.  frei  zum  Luftraum 
hinaufschauen,  ohne  dass  die  Aeste  von  Nachbarn  über  ihn  hereinragen.  Wenn  auch  aus- 
gesprochene Schattenhölzer,  wie  in  erster  Linie  die  Tanne,  selbst  durch  eine  länger  dauernde, 
mehr  oder  minder  intensive  Beschirmung  noch  nicht  geradezu  zum  Absterben  gebracht 
werden,  so  ist  ihr  Wuchs  doch  unter  solchen  Verhältnissen  ein  kümmerlicher.  Dabei  finden 
sich  naturgemäss  nach  Holzart,  Beschaffenheit  des  Individuums,  Alter,  Standörtlichkeit, 
Mass  und  Zeitdauer  der  Ueberschattung  u.  s.  w.  die  mannigfaltigsten  Abstufungen.  Licht- 
hölzer sind  in  dieser  Hinsicht  sehr  viel  empfindlicher.  Dies  liegt  schon  im  Begriff  des 
Lichtholzes.  Bei  extremen  Lichthölzern  (Lärche)  genügt  es  zur  freudigen  Entwickelung 
keineswegs,  wenn  ihr  Gipfel  freien  Himmelsraum  über  sich  hat,  sondern  sie  verlangen  da- 
zu auch,  dass  ihre  Krone,  oder  doch  wenigstens  deren  oberer  Teil,  seitlich  nicht  beengt 
ist.  Im  allgemeinen  sind  die  einzelnen  Holzarten  in  dieser  Hinsicht  in  derselben  Reihen- 
folge anspruchsvoller,  in  welcher  sie  im  §  9  bezüglich  ihres  Schattenerträgnisses  aufgeführt 


430  IV.  Lorey,  Waldbau. 

sind.  Beides  deckt  sich  selbstverständlich.  Jedenfalls  ist  dieses  verschiedene  Verhalten 
bei  der  Frage  nach  der  Mischungsmöglichkeit  in  erster  Linie  zu  beachten.  Die  Möglich- 
keit der  Mischung  ist  auch  wesentlich  von  dem  relativen  Höhenwachstum  der  Holzarten 
abhängig,  d.  h.  davon,  wie  sich  durchschnittlich  die  Höhenentwickelung  einer  Holzart  zu 
derjenigen  einer  anderen  Holzart  vollzieht.  Jede  Holzart  hat  ihre  (namentlich  durch  den 
Beginn  des  raschen  Ansteigens ,  sowie  durch  die  Lage  des  Wendepunktes  in  der  Jagend 
und  dann  des  Kulminationspunktes  im  späteren  Alter)  besonders  charakterisierte  Höhen- 
kurve; die  absoluten  Werte  der  Ordinaten  ändern  sich  innerhalb  der  nämlichen  Holzart 
nach  dem  Standort,  der  Waldbehandlung  u.  s.  w.,  während  das  relative  Verhalten,  trotz 
der  mit  wechselnder  Standortsgüte  sich  verschiebenden  Lagerung  der  charakteristischen 
Kurvenpunkte,  namentlich  des  Maximums,  doch  ungefähr  das  gleiche  bleibt  (cfr.  II.  3 
dieses  Abschnittes  S.  421).  Wird  eine  Holzart  von  einer  anderen  überwachsen,  so  wird 
sie  dadurch  meist  (Beschattung,  Entzug  der  Niederschläge  etc.)  geschädigt,  kann  jedoch 
auch,  vorübergehend  wenigstens,  (durch  Schutz  gegen  Frost,  Hitze)  in  ihrer  Entwickelang 
gefördert  werden,  letzteres  aber  nur,  wenn  die  überwachsende  Holzart  nicht  zu  massen- 
haft beigemengt  und  nicht  zu  dichtkronig  ist,  weil  anderenfalls  die  schädigenden  Einflüsse 
überwiegen.  Üeberdies  ist  ein  solcher  Schutz  meist  nur  in  der  Jugend  von  Belang.  Na- 
mentlich wenn  gleichzeitige,  bezw.  gleichalterige  Mischungen  beliebt  werden,  ist  in  erster 
Linie  die  Höhenentwickelung  im  jugendlichen  Alter  entscheidend.  Eine  Lichtholzart  ver- 
trägt, w^ie  schon  angeführt  w^urde,  dauernde  üeberwachsung  in  keinem  Falle,  am  aller- 
wenigsten durch  eine  Schattenholzart,  während  umgekehrt  der  lockere  Kronenschirm  nicht 
zu  zahlreicher  Lichthölzer  (wie  Lärche,  Birke)  einem  Schattenholz  die  normale  Entwicke- 
lung  nicht  notwendig  benimmt.  Seitenlicht  (Bestandesränder,  Steilhänge)  wirkt  modifizierend. 

d)  Lichtbedürftige  Holzarten  sind  zu  dauernden  Mischungen  nicht  zu  verbinden. 

Folgt  aus  a.     Ausnahmen  ergeben  sich  in  den  nämlichen  Fällen,  in  welchen  auch  reine 

Bestände  aus  Lichthölzern  unbeanstandet  bleiben  (cfr.  S.421).  —  e)  Die  Mischung  kann,  je 

nach  Umständen,  eine  gruppen-  und  horstweise  oder  eine  Einzelmischung  sein. 

Man  spricht  von  Einzelmischung,  wenn  Einzelexemplare  verschiedener  Holzarten  oder 
je  nur  ganz  wenige  derselben  in  der  Zusammenordnung  zum  Bestand  mit  einander  ab- 
wechseln oder  die  Exemplare  einer  Holzart  einzeln  in  dem  durch  eine  andere  Holzart  ge- 
bildeten Grundbestande  eingesprengt  sind.  Treten  dagegen  die  einzelnen  Holzarten  je  in 
einer  Mehrzahl  von  Exemplaren  zusammen  ,  bilden  also  für  sich  Gruppen  oder  (bei  grös- 
serer Flächenausdehnung  dieser  Verbände)  Horste,  und  setzen  dann  im  wesentlichen  solche 
Verbände  je  der  gleichen  Holzart  in  Abwechselung  die  Bestände  zusammen,  so  hat  man 
die  gruppen-  oder  horstweise  Mischung.  Gruppe  und  Horst  gehen  in  einander  über,  eine 
für  alle  Fälle  bestimmte  Grösse  der  Fläche  als  Grenze  für  beide  lässt  sich  nicht  angeben. 
Man  könnte,  wenigstens  bei  Lichthölzern,  vielleicht  die  Gruppe  im  Gegensatz  zum  Horste 
dann  noch  als  gegeben  ansehen,  wenn  im  Alter  der  beginnenden  natürlichen  Lichtstellung 
vom  umgebenden  Bestandesrand  her  noch  eine  für  den  Boden  genügende  Beeinflussung 
(Laubabfall,  Beschattung)  bis  zur  Mitte  der  betr.  Fläche  hin  stattfindet,  während  man 
einen  Horst  hat,  sobald  die  bodenschützende  Wirkung  des  Grundbestandes  sich  nicht  mehr 
auf  die  ganze  Fläche  erstreckt. 

Eine  allgemein  bindende  Regel  soll  in  Beziehung  auf  die  Unterscheidung  ad  e  nicht 
aufgestellt  werden.  Heyers  Waldbau  verlangt  (4.  Aufl.  S.  56)  Einzelmischung,  während 
viele  neuere  Waldbauschriften  (z.  B.  G  a  y  c  r)  ^'^)  mehr  für  gruppen-  und  horstweise  Misch- 
ung eintreten.  Bei  Beantwortung  der  Frage,  ob  man  reine  oder  gemischte  Bestände  vor 
sich  habe,  also  bei  der  Definierung  dieser  beiden  Bestandesarten,  muss  grundsätzlich  daran 
festgehalten  werden,  dass  ein  Mischbestand  im  strengen  Sinne  des  Wortes  eigentlich  nur  dann 
vorliegen  würde,  wenn  durchgängig  in  obigem  Sinne  Einzelmischung  vorhanden  wäre.  Be- 
stände, in  welchen  in  der  Hauptsache  Einzelbäume,  bezw.  an  deren  Stelle  auch  wohl  kleine 
Gruppen  der  verschiedenen  Holzarten  in  Untermischung  stehen,  finden  sich  z.  B.  bei  Tanne 
und  Fichte.  So  oft  eine  Lichtholzart  mit  in  Konkurrenz  tritt,  ist  das  Verhalten  in  der 
Regel  so,  dass  man  einen  mehr  oder  minder  zusammenhängenden  Grundbestand  der  Schat- 
tenhölzer hat,  in  welchem  die  Lichthölzer  verteilt  sind,  und  nun  kommt  es  darauf  an,  ob 
diese  Verteilung  (künstlich  oder  durch  die  Natur)  so  bewirkt  ist,  dass  die  Individuen  der 

12)  Gay  er,    „Waldbau*^  und  dessen  „Der   gemischte  Wald,    seine  Begründung  und 
Pflege,  insbes.  durch  Horst-  und  Gruppenwirtschaft",  1886. 


Das  Bestandesmaterial.     §  12.  431 

Lichtholzart  zumeist  in  Gruppen  und  Horsten  zusammenstehen  oder  als  Einzelexemplare 
auftreten.  Horste,  ja  selbst  Gruppen  (also  kleine  Horste)  einer  beigesellten  Holzart  sind, 
genau  genommen,  nichts  als  reine  Bestände,  mithin  treffen  für  sie  a  priori  alle  die  fär 
solche  geltenden  Sätze  zu,  nur  dadurch  modifiziert,  dass  von  den  Rändern  des  Horsts  her 
der  Einfluss  des  umgebenden  Holzes  sich  auf  eine  gewisse  Erstreckung  hin  geltend  macht. 
Namentlich  wäre  ein  grösserer  Horst  aus  Lichthölzern  zunächst  ebenso  bedenklich,  wie  ein 
reiner  Bestand  aus  solchen.  Diese  Erwägung  führt  zu  Einzelmischung.  Aber  es  ist  zu 
beachten,  dass  letztere  die  Bestandeserziehung  erschwert,  indem  man  die  einzeln  einge- 
sprengten Beiholzarten  nicht  so  leicht  im  Auge  behalten  kann ,  als  dies  bei  horstweiser 
Anordnung  derselben  möglich  ist^^).  Die  Lichthölzer  werden  von  den  Schattenhölzern 
immer  mehr  oder  weniger  bedrängt.  Hat  man  Lichtholzgruppen  und  -Horste,  so  haben 
nur  die  Kandstämme  derselben  den  Kampf  zu  bestehen,  während  die  Bäume  in  deren  In- 
nerem sich  nur  mit  ihresgleichen  abfinden  müssen.  Sofort  aber  ist  zu  erwägen,  ob  der 
bodenschützende  Einfluss  des  umgebenden  Grundbestandes  sich  bis  in  die  Mitte  der  betr. 
Fläche  erstreckt,  oder  ob  nicht  für  letztere  noch  besondere  Mittel  zur  Bewahrung  der  Bo- 
denkraft (Unterbau)  erforderlich  werden.  Die  kleinere  Gruppe  kann  derselben  wohl  ent- 
raten;  aber  sobald  man  mit  Horsten  operiert,  löst  sich  das  Ganze  unzweifelhaft  in  einen 
Komplex  aus  einzelnen  reinen  Beständen  auf,  für  welche  nur  an  den  Rändern  die  Beding- 
ungen des  Mischbestandes  noch  als  vorhanden  eingeräumt  werden  können.  Die  ganze  Frage 
wird  eigentlich  vom  Standort  entschieden.  Man  sollte  —  soweit  sich  dies  mit  der  Ueber- 
sichtlichkeit  der  Wirtschaft,  einem  Betrieb  in  grossem  Zuge,  der  manchen  Vorteil  bietet, 
verträgt  —  grundsätzlich  auf  jedem  (kleinen  oder  grossen)  Waldbodenteil  diejenige  Holz- 
art erziehen,  welche  für  ihn  am  besten  passt,  bezw.  auf  ihm  am  besten  rentiert.  Freie 
Wahl  hätte  man  hiernach  also  nur  auf  Böden ,  welche  durchgängig  gleichartig  sind  und 
mehrere  Holzarten  zulassen.  Hier  kann  man  mischen  oder  (Schattenhölzer)  rein  anbauen, 
man  kann  Einzelmischung  oder  horstweise  Anordnung  wählen,  und  hier  würde  ich  die 
Einzelmischung  im  allgemeinen  vorziehen.  In  sehr  fielen  Fällen,  und  vorab  fast  stets  im 
Hügelland  und  Gebirg,  also  wohl  auf  dem  grösseren  Teil  unserer  gesamten  Waldbodenfläche, 
wechselt  aber  die  Standortsgüte,  oft  innerhalb  der  einzelnen  Waldabteilung  (Mulden,  Rü- 
cken etc.),  und  will  man  auch  nicht  jeden  einzelnen  kleinen  Unterschied  berücksichtigen, 
so  muss  doch  eine  sorgfältige  Begutachtung  der  Bodenproduktionsfähigkeit  in  dem  Masse 
gefordert  werden,  dass  man  nicht  grössere  in  sich  nicht  gleichartige  Flächenteile  gleichwohl 
mit  Gewalt  als  einheitliche  Ganze  bewirtschaftet,  sondern  bessere  Partien  den  anspruchs- 
volleren Holzarten  (z.  B.  tiefgründige,  frische  Böden  der  Eiche)  zuweist,  diese  dagegen 
von  geringeren  Partien  (steinigen,  trockenen  Köpfen  u.  s.  w.)  fern  hält.  Wie  weit  man 
bei  solcher  Ausscheidung  in's  Detail  arbeiten  soll,  lässt  sich  nicht  allgemein  bestimmen. 
Jedenfalls  aber  geht  dadurch  die  Einheitlichkeit  des  Bestandes  innerhalb  des  einzelnen 
Waldteiles  verloren  und  der  Gesamtbestand  gestaltet  sich  zu  einer  Anzahl  von  Einzelbe- 
ständen, die  in  sich  gleichartig  (reine  Bestände,  event.  mit  Unterbau),  aber  auch  wieder 
Mischbestände  sein  können.  Es  kann  sich  im  einzelnen  naturgemäss  eine  grössere  oder 
geringere  Mannigfaltigkeit  ergeben,  je  nachdem  man  der  einen  oder  anderen  der  dabei 
auftretenden  Erwägungen  (sorgsamste  Ausnutzung  jeder  kleinen  Bodenverschiedenheit,  Zer- 
splitterung der  Wirtschaft,  Schwierigkeit  der  Forstein richtung  etc.)  das  grössere  Gewicht 
beimisst.  In  den  meisten  Fällen  wird  Vermeidung  der  Extreme  im  Interesse  der  Wirt- 
schaft (wenigstens  bei  grossem  Waldbesitz)  gelegen  sein. 

3)  Spezielle  Regeln: 

§  12)  a)  Schattenhölzer  unter  einander: 

1)  Tanne  und  Fichte:  Die  Tanne,  in  der  Jugend  langsamer  wüchsig,  wird 
von  der  Fichte  überholt,  kommt  aber  wieder  nach,  falls  die  Fichte  nicht  zu  zahlreich. 
Sehr  gute  Mischung^*),  die  bei  natürlicher  Verjüngung  wieder  erscheint,  wenn  durch  Re- 
duktion der  Fichten  auf  eine  geringere  Zahl,  sodann  durch  Dunkelhalten  des  Samenschlags 
(so  dass  der  Fichtenanflug  zunächst  wieder  vergeht,  während  sich  die  Tanne  hält)  die 
Tanne  vorerst  begünstigt  wird  (vergl.  auch  3.  Abschn.  1.  Kap.  I).  —  2)  Tanne  und 
Buche:   Die  grössere  Nutzfähigkeit   der  Tanne  verlangt  besondere  Rücksicht  für  diese ; 


13)  Durch  regelmässige  Verteilung  etwa  in  Reihen    oder   dergl.    lässt  sich  übrigens 
manchmal,  wenn  auch  keineswegs  immer,  helfen. 

14)  Z.  B.   in   vielen  Revieren   des  Schwarz waldes.     Die  Mischung   ist   daselbst  meist 
eine  gruppen-  und  horstweise,  wie  dies  durch  den  Gang  der  Verjüngung  bedingt  ist. 


432  IV.  Lorey,  Waldbau. 

sie  soll  herrschende  Holzart  sein  und  ist,  namentlich  auf  der  Buche  behagendem  Standort, 
in  der  Jugend  vor  der  Buche  zu  schützen.  Bei  der  Verjüngung  ist  zunächst  nur  auf 
Tanne  zu  wirtschaften  und  erst,  wenn  deren  Nachwuchs  gesichert  ist,  die  für  die  junge 
Buche  nötige  lichtere  Stellung  zu  geben.  Grössere  Sicherheit  der  mit  Buche  durchstellten 
Tannenbestände  gegen  Stürme !  —  3)  Buche  mit  Fichte:  Auch  hier  ist  die  Buche 
an  sich  die  minderwertige  Holzart.  Sie  wird  von  der  Fichte  bald  überholt  und  bei  reich- 
licher Beimischung  derselben  in  eine  mehr  untergeordnete  Stellung  gedrängt.  Will  man 
die  Buche  gleichwertig  erhalten  (wozu  aber  nicht  oft  ein  Grund  vorliegen  dürfte),  so  muss 
sie  an  Zahl  überwiegen.  Im  allgemeinen  wird  es,  auch  mit  Rücksicht  auf  den  Boden  etc., 
genügen,  wenn  die  Buche  in  der  Zusammenordnung  mit  Tanne  oder  Fichte  oder  mit  beiden 
etwa  ^/4 — ^/ö  der  Bestandesmasse  ausmacht  und  zwar  mehr  in  Gestalt  eines  Zwischen- 
und  Füllholzes,  weniger  als  herrschender  Stamm.  —  4)  Tanne,  Fichte  und  Buche: 
Treffliche  Mischung,  wenn  Tanne  und  Fichte  überwiegen.  (Wo  die  Buchenbrennholzpreise 
besonders  hoch  stehen,  oder  sich  für  Buchennutzholzverwendung  ausnahmsweise  günstige 
Gelegenheit  bietet,  kann  man  der  Buche  in  der  Mischung  selbstredend  mehr  Raum  gönnen.) 
Bei  der  Verjüngung  entscheidet,  falls  die  Mischung  erhalten  bleiben  soll,  zunächst  wieder 
die  für  die  Tanne  geeignete  dunkle  Schlagstellung. 

b)  Schatten-  und  Lichthölzer: 

1.  Tanne  als  herrschende  Holzart:  Charakteristisch  ist,  dass  die  Tanne  anfang- 
lich von  allen  Lichthölzern  überwachsen  wird,  denselben  aber  im  Stangenholzalter  (früher 
oder  später)  vielfach  (besonders  Laubhölzern)  wieder  nachkommt,  ja  viele  von  ihnen  er- 
heblich überwächst.  Gleichalterige  Mischungen  der  Tanne  mit  lichtbedürftigen  Laubhölzem, 
wie  Eiche,  Esche,  Ahorn  finden  sich  in  den  Haupttannengebieten  von  Natur  kaum  anders 
als  so,  dass  diese  Holzarten  einzeln  da  und  dort  eingesprengt  sind,  oder  so,  dass  die 
gleichzeitig  beigesellte  Buche  gewissermassen  die  Vermittelung  übernimmt.  Jene  Mischung 
planmässig  herbeizufühi-en,  liegt  meist  kein  Grund  vor.  —  Dagegen  kann  sich  wirtschaft- 
lich sehr  empfehlen ^^)  die  Mischung  der  Tanne  mit  der  Kiefer,  welche  insbesondere  den 
höheren  Tannenumtrieb  meist  trefflich  aushält  und  dabei  besonders  wertvolle  Stämme  her- 
ausbildet. —  Tanne  mit  Lärche  insofern  bedenklich,  als  es  im  geschlossenen  Bestände  oft 
nicht  gelingt,  der  lichtbedürftigen  Lärche,  welche  selbst  seitliche  Bedrängung  übelnimmt, 
den  erforderlichen  Vorsprung  dauernd  zu  wahren.  —  Tanne  und  Birke  nur  insolange  zu- 
lässig, als  die  vorwüchsige  Birke  die  Gipfel  der  Tanne  nicht  beschädigt  (event.  Schneite- 
lung  der  Birke). 

2.  Fichte  als  Grundbestand :  Die  Fichte  verhält  sich  im  allgemeinen  ähnlich  wie 
die  Tanne,  geht  nur  von  vornherein  rascher  in  die  Höhe  und  bedarf  deshalb  in  der  Jugend 
nicht  in  dem  Masse,  wie  die  Tanne,  der  Unterstützung  im  Kampf  mit  anderen  Holzarten. 
Fichte  mit  Kiefer  meist  gut.  Bei  gleichzeitiger  Mischung  der  Fichte  und  Kiefer  muss  aber, 
falls  man  nicht  demnächst  einen  Kiefernbestand  mit  Fichtenunterwuchs  haben  will,  die 
Fichte  an  Zahl  beträchtlich  vorherrschen.  Je  nach  dem  Standort  ist  die  Gefahr  für  die 
Fichte  grösser  oder  geringer  (auf  trockenen  Böden  bleibt  die  Fichte  rascher  zurück).  Die 
von  der  Kiefer  nicht  völlig  unterdrückten  Fichten  holen  auf  besseren  Böden  die  Kiefer 
später  wieder  ein,  zumal  bei  erhöhtem  Lichtgenuss,  wie  z.  B.  infolge  Schneebruchs.  Bis- 
lang völlig  zurückgebliebene  Fichten  erweisen  sich  dann  oft  noch  als  sehr  entwickelungs- 
fähig,  indem  sie  in  die  entstandenen  Lücken  einwachsen.  —  Fichte  mit  Lärche  oft  fast 
noch  zweifelhafter  wie  Tanne  mit  Lärche,  weil  die  Fichte  der  Lärche  rascher  nachdrängt. 
Bei  räumlicherer  Bestandesstellung  und  im  Genüsse  reichlichen  Seitenlichtes  (höhere  Ge- 
birgslagen, steile  Hänge)  gelingt  es  der  Lärche  eher,  ja  oft  sehr  gut,  sich  zu  behaupten, 
insbesondere,  wenn  sie  der  Fichte  reichlich  beigesellt  ist.  —  Fichte  mit  Birke,  wie  Tanne 
mit  Birke.  —  Desgleichen  Fichte  mit  Eiche,  Esche,  Ahorn,  Ulme  etc.  Will  man,  um  in 
einem  Fichtengebiet  genügende  Mengen  von  Eichenholz  zu  erziehen,  etwa  Fichte  und  Eiche 
in  Mischbeständen  haben,  so  empfiehlt  sich  Einbringen  der  Eiche  in  Horsten  bezw.  flächen- 
weise Sonderung. 

3.  Buche  als  Grundbestand :  Dieselbe  ist  für  die  meisten  lichtkronigen  Laubhölzer 
die  gegebene,  ebenso  aber  auch  für  Kiefer  und  Lärche  eine  treffliche  Mischholzart,  welche 
durch  ihre  schirmende  Krone  und  ihren  Laubabfall  auf  den  Boden  in  hervorragendem  Masse 
günstig  wirkt.  Nur  muss  man  sorgen,  dass  die  Lichthölzer,  falls  sie  nicht  entschieden 
rascher  wüchsig  sind  als  die  Buche,   von  letzterer  nicht  bedrängt  (seitliche  Beengung  der 


15)  Z.  B.  Oberförsterei  Wasselnheim  —  Elsass. 


Das  Bestandesmaterial.     §  13.  433 

Krone  ist  oft  schon  verderblich)  oder  gar  tiberwachsen  werden.  In  üntermischung  mit 
der  Buche  zieht  man  die  Halbschattenhölzer  Hainbuche,  Linde  am  besten.  Sodann  werden 
Ahorn,  Esche,  Ulme,  Birke,  Aspe  etc.,  vor  allem  aber  die  Eiche  zweckmässig  mit  der 
Buche  zusammengebracht.  Ahorn  kann  in  der  Jugend  recht  vordringlich  werden  und  ist 
dann,  wenn  die  Buche  nicht  zu  sehr  zurücktreten  soll,  zu  reduzieren;  Esche  und  Ulme 
in  grosser  Zahl  sind  (wegen  des  besonders  wertvollen  Holzes)  meist  nur  erwünscht,  der 
Mischung  der  Buche  mit  Esche  und  Ahorn  kommt  Örtlich  (z.  B.  in  der  schwäbischen  Alb) 
besondere  Wichtigkeit  zu;  Birke  und  Aspe  dürfen  mit  Rücksicht  auf  Bodenschutz  und 
Massenproduktion  nicht  in  grösserer  Menge  und  jedenfalls  nicht  in  grösseren  Gruppen  oder 
gar  Horsten  vorkommen.  —  Von  hervorragender  Bedeutung  ist  die  Mischung  der  Buche 
und  Eiche,  und  zwar  handelt  es  sich  hier  zunächst  um  (wenigstens  annähernd)  gleich- 
alterige  Mischung  (Unterbau  der  Eiche  ist  später,  3.  Abschn.  5.  Kapitel  besprochen).  Ob 
Eiche  oder  Buche  vorwüchsig  ist,  lässt  sich  zwar  nicht  ganz  allgemein  angeben  ^^),  doch 
ist  in  dieser  Hinsicht  der  schon  S.  421  berührte  Unterschied  zwischen  Stieleiche  und  Trau- 
beneiche zu  beachten;  der,  ausweislich  zahlreicher  Beobachtungen^^),  mehr  Schatten  und 
Seitendruck  ertragenden,  anspruchsloseren,  schnellwüchsigeren  und  durch  bessere  Schaftbil- 
dung (vielleicht  infolge  der  kräftigeren  Endknospe)  gekennzeichneten  Traubeneiche  wird 
die  Konkurrenz  mit  der  Buche  leichter.  Immerhin  wird  allgemein  die  Eiche,  auch  wenn 
in  der  Jugend  vorwüchsig,  von  der  Buche  im  Stangenholzalter  oft  eingeholt  und  so  hart 
bedrängt,  dass  einzeln  stehende  Exemplare  sich  im  umgebenden  Buchenbestande  nur  zu 
halten  vermögen,  wenn  ihnen  durch  Freihieb  seitens  der  Wirtschaft  ausgiebigste  Hilfe 
gewährt  wird.  Letztere  muss  schon  im  Gertenholzalter  einsetzen  und  durch  alle  Lebens- 
alter des  Bestandes  andauern:  eine  im  grossen  Betrieb  sehr  weitgehende  Forderung,  wel- 
cher nicht  ohne  oft  beträchtliche  Kosten,  jedenfalls  aber  nur  bei  grösster  Aufmerksamkeit 
und  Ausdauer  des  Wirtschaftspersonals  gentigt  werden  kann.  Horstweises  Einbringen  der 
Eiche  (Horste  von  beträchtlicherem  Umfang  am  meisten  empfohlen)  in  Gestalt  des  Vor- 
baus (am  besten  durch  Saat),  so  dass  die  Eiche  einen  entsprechenden  Höhenvorsprung  hat, 
sichert  deren  Heraufwachsen  inmitten  des  später  sich  ringsum  einstellenden  Buchenauf- 
schlags ;  man  kommt  dann  aber,  wie  schon  oben  S.  431  betont  wurde,  zu  reinen  Bestän- 
den, welche  demnächst  unterbaut  werden  müssen^®). 

c)  Lichthölzer  unter  einander: 

Besondere  Fälle  sind  z.  B.  Birke,  Eiche  etc.  eingesprengt  in  die  Kiefernbestände 
auf  Sandböden,  \vo  man  sich,  um  überhaupt  etwas  Laubholz  zu  erziehen,  mit  dieser 
an  sich  zweifelhaften  Mischung  begnügen  muss.  Sodann:  Erle  mit  Esche,  auch  Birke 
(bes.  Betula  pubescens)  etc.  auf  nassen  Standorten  u.  a.  m. 

Bestände  aus  Kiefer  und  Eiche  in  der  Form  abwechselnder  breiter  Streifen  aus 
den  beiden  Holzarten  sind  füglich  als  entsprechend  viele  schmale  reine  Bestände  zu 
betrachten.  Die  Eichenstreifen,  welche  meist  höheres  Alter  erreichen  sollen,  müssen 
unterbaut  werden. 

C.   Holzartenwechsel. 

§  13.  Ist  es  für  die  Erzielung  dauernd  höchster  Ertragsleistung  notwendig,  nach 
Abtrieb  eines  Bestandes,  also  etwa  von  Umtrieb  zu  Umtrieb,  mit  der  Holzart  zu  wech- 
seln y  Da  die  Holzarten  verschiedene  Ansprüche  an  die  Mineralbestandteile  des  Bodens 
machen,  so  läge  der  Gedanke  nahe,  ob  nicht  durch  regelmässigen  Holzartenwechsel  in 
dem  Sinne,  wie  die  Landwirtschaft  einen  Fruchtwechsel  eintreten  lässt,  von  einem  be- 
stimmten Boden  dauernd  die  höchstmöglichen  Erträge  an  Forstprodukten  erzielt  werden 

16)  Ed.  Hey  er  (cfr.  u.  a.  Zeitschrift  f.  Forst-  u.  Jagdwesen,  Novbr.  1886)  führt 
das  tatsächlich  oft  raschere  in  die  Höhe  wachsen  der  Eiche  gegenüber  der  Buche  auf  die 
geringere  Empfindlichkeit  der  Eiche  gegen  Frost,  bezw.  das  bessere  Ueberwinden  der  Frost- 
schäden zurück;  in  frostfreier  Lage  (Nord-,  Westhänge)  sei  die  Buche  in  der  Jugend  vor- 
wUchsig. 

17)  Cfr.  u.  a.  Ney  in  ,Aus  dem  Walde*^  Nr.  49  von  1899. 

18)  Vergl.  Gay  er,  „Die  neue  Wirtschaftsrichtung  in  den  Staatswaldungeu  des  Spes- 
sarts"  1884. 

Handbuch  d.  Foritw.    2.  Aufl.    I.  28 


434  IV.  Lorey,  Waldbau. 

köanten.  Vorausgesetzt,  dass  die  hierbei  für  einen  konkreten  Fall  etwa  in  Wahl  kom- 
menden Holzarten  im  übrigen  wirtschaftlich  gleichwertig  wären,  Hesse  sich  gegen  einen 
solchen  Wechsel  an  sich  nichts  einwenden.  Aber  einmal  ist  diese  Voraussetzung  in 
den  weitaus  meisten  Fällen  nicht  zutreffend,  und  sodann  ist  der  Wechsel  der  Holzart 
als  Regel  mindestens  keine  Notwendigkeit,  weil  —  bei  einer  den  Boden  sorgsam  pfle- 
genden Wirtschaft  —  durch  den  relativ  sehr  geringen  und  je  nur  in  langen  Zeiträumen 
erfolgenden  Entzug  an  Mineralstoifen  keine  so  weit  gehende  Schwächung  der  Boden- 
kraft stattfindet,  dass  bei  wiederholter  Anzucht  der  gleichen  Holzart  ein  Nachlassen 
im  Ertrag  oder  gar  völliges  Versagen  zu  befüichten  wäre.  Wo  freilich  die  nötige 
Bodenpflege  fehlt,  wo  insbesondere  inicksichtslose  Streunutzung,  unbedachte  Verlichtung 
der  Bestände  u.  s.  w.  das  fernere  Gedeihen  einer  irgend  anspruchsvollen  Holzart  zweifel- 
haft machen,  da  kann  die  Vermittelung  einer  minder  begehrlichen  Holzart  angerufen 
w^erden  müssen.  Derartige  durch  eine  Notlage  herbeigeführte  Holzartenwechsel  lassen 
sich  vielfach  nachweisen.  Ebenso  tritt  in  vielen  Fällen  eine  wertvollere  Holzart  an 
Stelle  einer  minderwertigen  (Umwandlung  von  Buchenorten  in  Nadelholz),  ein  Vorgang, 
welcher  stets  gerechtfertigt  ist,  wxnn  damit  unzweifelhaft  eine  dauernd  höhere  Renta- 
bilität des  Waldes  herbeigeführt  wird.  Auch  Gründe  des  Forstschutzes  (Wildschaden, 
Schnee,  Insekten  etc.)  können  da  und  dort  einen  Holzartenwechsel,  zumal  den  Ueber- 
gang  von  reinen  zu  gemischten  Beständen,  rätlich  erscheinen  lassen.  Solche  und  ähn- 
liche, durch  Rücksichten  der  Wirtschaftlichkeit  und  den  ungestörten  Verlauf  des  Forst- 
betriebs gebotene  besondere  Massnahmen  sind  immerhin  nicht  geeignet,  einen  Holzarten- 
wechsel, den  übrigens  auch  die  Natur  nicht  oder  nur  ausnahmsweise  vollzieht,  als  Regel 
zu  empfehlen.  Nicht  unbeachtet  darf  bleiben,  dass  Mischbestände  allgemein  als  geeig- 
netes Mittel  gegen  einseitige  Inanspruchnahme  der  Bodenkraft  angesehen  werden  müssen. 
Ueberdies  kann  die  Frage  erhoben  werden,  ob  nicht  auch  im  Walde,  in  analoger  Weise 
wie  im  Landwirtschaftsbetriebe,  mit  künstlicher  Düngung  nachgeholfen  werden  sollt«. 
Tatsächlich  ist  man  dieser  Frage  in  neuester  Zeit  näher  getreten,  indem  man  die 
Düngung  nicht  mehr  auf  die  Saat-  und  Pflanzbeete  der  Forstgärten  beschränkte,  son- 
dern sie  auch,  wenigstens  versuchsweise,  auf  Kulturflächen  des  freien  Waldes,  in  Ger- 
ten- und  Stangenhölzern  angewendet  hat.  Nur  planmässig  eingeleitete  Versuche  grös- 
seren Umfanges  und  unter  verschiedenartigen  Verhältnissen  können  uns  die  notwendigen 
Aufschlüsse  gewähren ;  den  forstlichen  Versuchsanstalten  ersteht  damit  ein  neues  weites 
Arbeitsfeld. 

IV.  Wirtschaftliche  Bedeutung  der  Holzarten^»). 

§  14.  Zur  Erreichung  der  in  der  Einleitung  kurz  skizzierten  Ziele  aller  wald- 
baulichen Operationen  sind  die  einzelnen  Holzarten  in  sehr  verschiedenem  Masse  ge- 
eignet. Ihre  wirtschaftliche  Bedeutung  beruht  hauptsächlich  auf  der  Massen-  und  Werts- 
erzeugung ,  letztere  bedingt  durch  die  Verhältnisse  des  Holzmarktes ,  ferner  auf  der 
Arbeitsgelegenheit,  welche  eine  Holzart  bietet,  auf  ihrem  Verhalten  gegen  den  Boden, 
auf  der  Art  der  Betriebsführung,  bezw.  Wirtschaftseinrichtung,  soweit  dieselbe  durch 
die  Holzart  beeinflusst  ist,  auf  der  Art  und  dem  Umfang  gewisser  an  sie  geknüpfter 
Nebennutzungen,  auf  ihrer  Widerstandsfähigkeit  gegen  Gefahren,  sowie  endlich  auf 
ihrer  Tauglichkeit,  bestimmten  besonderen  Anforderungen  (Schutzwald  u.  dergl.)  zu 
genügen. 

1.  Massen-  und  Wertserzeugung:  Für  die  auf  der  Massen-  und  Werts- 
erzeugung beruhende  Wertschätzung  einer  Holzart  entscheidet  in  erster  Linie  deren 

19)  Zu  vergleichen:  Weber,  „Die  Aufgaben  der  Forstwirtschaft"  (Handbuch  I),  ins- 
bes.  §  32  ff.  (S.  72  ff.)  „Die  Forstwirtschaft  vom  privatwirtschaftlichen  Gesichtspunkte  aus 
betrachtet''. 


Das  Bestandesmaterial.     §  14.  435 

Verbreitungsgebiet.  Es  gibt  Holzarten,  welche  schon  vermöge  ihres  ausgedehnten  Vor- 
kommens den  Markt  beherrschen  und  dadurch  anderen,  die  nur  in  beschränktem  Um- 
fange an  der  Bestockung  unserer  Waldungen  teilnehmen,  an  Bedeutung  weit  überlegen 
sind.  Besonders  wertvolle  Eigenschaften  und  dementsprechend  hoher  Preis  werden  eben 
doch  immer  nur  in  Verbindung  mit  der  Masse  wirksam ;  das  grösste  Produkt  aus  Masse 
mal  durchschnittlicher  Preis  der  Masseneinheit  ist  ausschlaggebend.  Von  den  in  Deutsch- 
land heimischen  Holzarten  sind  Kiefer,  Buche,  Fichte  die  verbreitetsten.  Oertlich  (auf 
grösseren  oder  kleineren  Einzelgebieten)  sind  die  Verhältnisse  sehr  verschieden.  Hie 
und  da  tritt  die  Weisstanne,  auch  wohl  die  Eiche,  stark  in  den  Vordergrund  2°). 

Ganz  Deutschland  hat  (auf  rund  14  Mill.  ha  Wald  =  fast  26®/o  der  Gesamtfläche) 
etwa  66%  Nadelholz  und  34%  Laubholz.  Hieraus  erhellt  die  grössere  Bedeutung  des 
Nadelholzes  für  die  deutsche  Forstwirtschaft.  Erwägt  man  weiterhin,  dass  fast  43% 
der  Kiefer  und  23%  der  Fichte  und  Tanne  (Tanne  gegen  die  Fichte  erheblich  zurück- 
tretend) zufallen,  während  die  sonstigen  Nadelhölzer  (Lärche,  Arve  etc.)  nur  mit  ver- 
hältnismässig kleinen  Beträgen  beteiligt  sind ;  bedenkt  man  ferner,  dass  vom  Laubholz 
ca.  14%  dem  Buchenhochwald ,  etwa  7%  der  Eiche  (Hochwald  und  Schälw^ald),  6% 
dem  Mittelwald  gehören,  so  ergibt  sich,  wie  —  zunächst  lediglich  der  grossen  Ver- 
breitung und  dem  gemäss  Massenerzeugung  wegen  —  die  Kiefer,  Fichte,  Buche  im  all- 
gemeinen geradezu  als  führende,  als  Hauptholzarten,  bezeichnet  werden  dürfen;  Tanne 
und  Eiche  schliessen  sich  ihnen  an,  die  übrigen  spielen  in  der  Gesamtheit  des  deutschen 
Waldes  eine  mehr  untergeordnete  Rolle,  obwohl  natürlich  örtlich,  je  nach  den  beson- 
deren Standorts-  und  sonstigen  Verhältnissen,  bald  die  eine,  bald  die  andere  derselben 
mehr  in  den  Vordergrund  tritt,  ja  die  Führung  übernimmt. 

Besondere  Erwähnung  verdient  an  dieser  Stelle  die  örtlich  grosse  Verbreitung 
der  Schwarzkiefer,  welche  in  Niederösterreich  (bes.  in  den  Kalkbergen  des  Wiener 
Waldes)  auf  etwa  80000  ha  die  Bestände  bildet,  in  diesem  Kronland  rund  ^/s  des  Ge- 
samtwaldes  ausmachend. 

Die  Massenerzeugung  ist  absolut,  die  Wertsbildung  stets  relativ  zu  bemessen, 
d.  h.  letztere  ist  abhängig  nicht  nur  von  der  tatsächlichen  Brauchbarkeit  einer  Holzart 
für  einen  gegebenen  Verwendungszweck,  sondern  von  dem  Marktpreis  derselben,  welcher 
wesentlich  durch  das  Verhältnis  von  Angebot  und  Nachfrage  bedingt  ist.  Alle  Preis- 
bestiinmungsgründe  kommen  dabei  in  Betracht,  insbesondere  wird  die  Konkurrenz  der 
Surrogate  (Kohle,  Torf  etc.  für  Brennholz,  Eisen,  Steine  für  Bauholz)  wirksam  ^i).  Be- 
kanntlich haben  sich  die  Bedingungen  des  Holzmarktes  in  den  letzten  Jahrzehnten 
bedeutend  verändert:  Nutzholz  Wirtschaft  im  Gegensatz  zur  Brennholzerzeugung  ist  die 
Losung  der  waldbaulichen  Produktion  ^2),  was  gleichbedeutend  ist  mit  der  relativ  hohen 
Wertschätzung  und  dementsprechend  immer  weiter  schreitenden  Ausdehnung  des  Ge- 
bietes der  ausgesprochenen  Nutzholzarten  im  Vergleich  namentlich  zur  Buche,  welche 
als  spezitische  Brennholzart  mehr  und  mehr  an  Terrain  verliert  und  im  raschen  Ver- 
lauf des  Umwandlungsprozesses  wohl  noch  viel  weiter  zurückgedrängt  werden  würde, 
wenn  nicht  ihre  trefflichen  Eigenschaften,  vorab  in  bezug  auf  die  Bewahrung  der  Bo- 
denkraft, die  Einbusse,  welche  sie  am  Holzwert  erlitten  hat,  wenigstens  zum  Teil  zu 
paralysieren  berufen  wären.  Eine  Holzart,  welche  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit 
dauernd  ihren  Wert  auf  dem  Holzmarkte  bewahren  wird,  weil  ihre  Nutzholzqualität 
unbezweifelt  ist  und  bleiben  wird,  ist  die  Eiche;   auch  Esche  und  die  sonstigen  edlen 


20)  Cfr.  u.  a.    die  Erörterungen   in  Borggreve's  Holzzucht  S.  85  ff.     Im  übrigen 
gibt  die  Statistik  der  einzelnen  Länder  die  etwa  gewünschte  spezielle  Auskunft. 

21)  Weber  a.  a.  0.  §  35—38. 

22)  Zu  vergl.  Wagener  in  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1877  S.  7  flf. 

28* 


436  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Laubhölzer   sowie  die  Lärche   berechtigen,  wenn  auch  wohl   schon  in  etwas  engeren 
Grenzen,  zu  dieser  Hoffnung.     Die  gedeihliche  Entwickelung  dieser  Holzarten  ist  aber 
meist  an  sehr  bestimmt  umgrenzte  Bedingungen   (namentlich  bezüglich  des  Standorts) 
gebunden,   so   dass   durch   deren  erweiterten  Anbau  und  intensive  Pflege  wohl  örtlich 
(z.  B.  Esche  und  Ahorn  in  der  schwäb.  Alb)  eine  bemerkbare  Veränderung,  im  allge- 
meinen jedoch  kaum  eine  besonders  weitgehende  Umgestaltung  der  Physiognomie  des 
Waldes  herbeigeführt  wird.     Dagegen  müssen  einige  Nadelhölzer,  wie  vorab  Kiefer  und 
Fichte,  als  Holzarten  bezeichnet  werden,  welche  vermöge  ihrer  verhältnismässigen  An- 
spruchslosigkeit und   der  Leichtigkeit  ihres  Anbaues  im  Verein  mit  einer  sehr  hohen 
Nutzfähigkeit  allerdings  so  umfängliche  Gebiete  teils  schon  erobert  haben,    teils  noch 
in  Besitz  nehmen  können,  dass  der  ganze  Charakter  ausgedehnter  Waldgebiete  dadurch 
verändert  wird.     Tatsächlich  und  auch  ganz  naturgemäss  ist  —  obwohl  auch  die  Tanne 
an  manchen  Orten  eine  Schmälerung  ihres  Gebietes   zu  verzeichnen  hat,   die  übrigens 
durch  erweiterten  Anbau  an  anderen  Orten   ziemlich   ausgeglichen  werden   dürfte  — 
vorzugsweise  der  Besitzstand  der  Buche  gefährdet;  dieselbe  ist  jetzt  schon  auf  weiten 
Gebieten  durch  die  genannten  Nadelhölzer  ersetzt  worden  und  wird,  wo  die  augenblick- 
lichen Preis  Verhältnisse  für  die  Beurteilung  der  Rentabilität  in  erster  Linie  massgebend 
sind,   unweigerlich   auch  einen  noch   weitern  Rückgang  erfahren.    Doch  ist  es  gewiss 
sehr  am  Platz,   wenn  sich  gewichtige  Stimmen ^^)  warnend  erheben,   um  ein  zu  allge- 
meines Verdrängen  der  Buche  zu  verhüten.     Niemand  bezweifelt  die  höhere  Nutzf^hig- 
keit  der  Nadelhölzer;  sollten  letztere  auch  schliesslich  (etwa  wegen  fehlender  Absatz- 
gelegenheit  zumal   für  schwächere  Sortimente)    zum   Teil   ins  Brennholz   geschnitten 
werden  müssen,    so   würde  ihre  in  einer  gegebenen  Zeit  pro  Flächeneinheit  erzeugte 
grössere  Masse  wohl  immer  noch  das  ersetzen,  was  die  Buche  an  Brennwert  pro  Mas- 
seneinheit vor  ihnen  voraus  hat.     Selbst  wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  Nadelhölzer 
von  viel  grösseren  und  mannigfaltigeren  Gefahren  bedroht  sind  als  die  Buche  und  des- 
halb nicht  die   gleiche  Sicherheit   der  Ertragsleistung  zu  bieten  vermögen  wie  diese, 
wird  ihre  üeberlegenheit  im  grossen  und  ganzen  zugegeben  werden  müssen.     Immerhin 
sollte  man  keinesfalls  zu  weit  ausgedehnte  reine  Nadelholzwaldungen  schaffen.     Ist  die 
Buche  auch  im  reinen  Bestand  nicht  mehr  allgemein  existenzberechtigt,  so  sollte  man 
sich   doch  möglichen  Veränderungen    der   wirtschaftlichen  Lage   gegenüber  (eventuell 
gänzlich  veränderte  Absatz-  und  Transportbedingungen  etc.)  den  Rückweg  offen  halten, 
indem  man  der  Buche  wenigstens  die  gebührende  Stelle  im  gemischten  Walde  gönnt; 
wird  sie  doch  durch  ihre  schon  mehrfach   erwähnte  überaus  günstige  Einw^irkung  auf 
den  Boden  diese  Rücksichtnahme  stets  reichlich  lohnen.     Gerade  die  mangelnde  Sicher- 
heit bezüglich  der  Vorausbestimmung  der  zukünftigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse  in 
ihrer  Gesamtheit  kann  uns  mahnen,    gemischte  Bestände  überhaupt  und  insbes.  auch 
solche,   in  denen  die  Buche  vertreten  ist,   zu  begünstigen 2*).     Die  übrigen  Laubhölzer 
—  ausser  der  Buche  und  der  w^gen  besonderen  Wertes  ohnehin  anders  zu  beurteilen- 
den,   oben  schon   genannten  Eiche  und  sonstigen  sog.  edlen  Laubhölzem  —  bedürfen, 

23)  Z.  B.  Gay  er  in  seiner  mehr  zitierten  Schrift:   „Der  gemischte  Wald*. 

24)  Einen  besonders  prägnanten  Ausdruck  hat  die  Beurteilung  des  Werts  der  Rotbuche 
in  den  Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Stuttgart  (1897)  und  in 
den  daran  sich  anschliessenden  literarischen  Debatten  gefunden.  Während  von  den  Einen 
die  Buche  im  Hinblick  auf  ihre  mangelhafte  Rentabilität  in  reinen  Beständen  geradezu  als 
verlorene  Holzart  bezeichnet  wurde,  haben  andere  dieselbe  mehr  oder  minder  energisch  in 
Schutz  genommen.  Aus  der  umfänglichen,  zur  „Buchenfrage"  erwachsenen  Literatur  seien 
u.  a.  erwähnt  die  Aufsätze  von  Endres  (Allg.  Forst-  u.  J.-Z.  1898,  S.  91),  Heiss  (ebendas. 
1898,  250),  Dr.  Heck  (ebendas.  1898,  257f,  N  (A.  F.-  u.  J.-Z.  1898,  383),  B  in  Prakt. 
Forstwirt  für  die  Schweiz  (1898,  49),    Trebeljahr  (^Mündener  forstl.  Hefte  1898,   14.  Heft). 


Das  Bestandesmaterial.     §  14.  437 

weil  sie  meist  ihre  ganz  spezifische  Nutzbarkeit  besitzen  (z.  B.  Birke  für  Geschirrhölzer, 
Erle  zu  Cigarrenkisten,  Aspe  für  die  Zündholzfabrikation)  und  für  den  grossen  Betrieb 
kaum  irgendwo  oder  wenigstens  nur  auf  ganz  beschränkten  Standörtlichkeiten  einmal 
als  mitherrschende  oder  gar  herrschende  Holzarten,   sondern  meist  nur  in  untergeord- 
netem Masse  in  Frage  kommen,  der  besonderen  Fürbitte  weit  weniger.     Uebiigens  ist 
auch  eine  gelegentlich  gesteigerte  Nutzholzverwendung  für  die  Buche  keineswegs  aus- 
geschlossen.    2.  Arbeitsgelegenheit:  Hierüber  enthält  Handbuch  I,  Bd.  I,  §  39 
bis  41  die  nötigen  Angaben.    Ist  auch   für  den  Waldbau  ein  direktes  Motiv  bei  Be- 
messung seiner  Massnahmen  aus  dem  Umstände,   ob  eine  Holz-  oder  Betriebsart  mehr 
oder  weniger  umfängliche  Arbeitsgelegenheit  bietet,   in  der  Regel  nicht  abzuleiten,   so 
lässt  sich  dieses  Moment  doch  auch  wieder  nicht  von  den  übrigen  wirtschaftlichen  Be- 
ziehungen,  von  den  Rücksichten,   welche  der  Gesamtbetrieb  zu  nehmen  hat,    einseitig 
loslösen;   auch   der  Waldbau  sollte  vor  seinen  Entscheidungen  über  den  engen  Kreis 
seiner  eigensten  Interessen  hinaus  Umschau  halten,    um  einerseits  für  seine  Arbeiten 
stets  genügende  Kräfte  verfügbar  zu  haben  und  andererseits  auch  wieder  vorhandenen 
Kräften  die  erwünschte  Betätigung  zu  gestatten  und  dieselben  dadurch  dem  Walde  zu 
erhalten.    Dabei  kommen  in  erster  Linie  die  mit  der  Begründung,  Erziehung,  Ernte 
eines  Holzbestandes  verknüpften  Arbeiten  in  Betracht ;  daneben  aber  auch  solche,  welche 
durch  die  Gewinnung  gewisser  Nebennutzungen  (Waldfeldbau,  Hackwald,  Harznutzung 
u-  s.  w.)  bedingt  sind,  sowie  diejenigen,   welche  sich  schliesslich  nach  der  vollzogenen 
Ernte  an  das  Rohprodukt  anlehnen,  bezw.  sich  bei  dessen  Verw^endung  beteiligen.    Dass 
die  Holz-  und  Betriebsarten  in  diesen  Beziehungen  sehr  verschieden  zu  werten  sind, 
erhellt  aus  den  späteren  Abschnitten.     3.  Verhalten   der  Holzarten   gegen 
den  Standort:  Die  Erörterungen  zu  III,  A  S.  423  ff.  geben  über  die  einschlägigen 
Beziehungen  Aufschluss.     Es  sei  an  dieser  Stelle   nur  wiederholt  hervorgehoben,   dass 
bei  aller  waldbaulichen  Tätigkeit  die  Bodenpflege  auch  um  deswillen  vorangestellt  wer- 
den muss,  weil  wir  im  allgemeinen  kein  Recht  haben,  etwa  zu  gunsten  der  Gegenwart 
wirtschaftliche  Massregeln  zu  ergreifen,  infolge  deren  wir  der  Zukunft  in  Gestalt  eines 
geschwächten  Bodens  einen   minder  leistungsfähigen  Kapitalteil  hinterlassen,    als  wir 
ihn  von  der  Vergangenheit  überkommen  haben.     4.  Wirtsc haftseinrichtung: 
Von  der  absoluten  Ertragsziffer  (Etat)  abgesehen,  bei  deren  Bemessung  natürlich  auch 
die  grössere  oder  geringere  Sicherheit  der  Ertragsleistung  mit  berücksichtigt  wird,  sind 
es  hauptsächlich  zwei  Fragen,   welche  den  Zusammenhang  der  Holzart  mit  der  Forst- 
einrichtung andeuten,  nämlich:  1.  für  welche  Betriebsart  (Hochwald,  Niederwald,  Mit- 
telwald etc.)  eignen  sich  die  verschiedenen  Holzarten,  bezw.  wie  werden  sie  verjüngt? 
und  2.  werden  dieselben  in  reinen  oder  in  gemischten  Beständen  angezogen  ?  Dass  der 
Femelwald  und  alle  demselben  sich  nfihernden  Betriebsformen  im  Gegensatz  zu  schlag- 
weiser Behandlung,  und  dass  ebenso  gemischte  Bestände  im  Gegensatz  zu  reinen  ^^)  die 
Forsteinrichtung  erschweren,  steht  ausser  allem  Zweifel ;  der  Nachweis  dafür  ist  übrigens 
an  anderer  Stelle  zu  führen.     Es  wird  auch  nicht  beanstandet  werden  wollen,    wenn 
dieser  Umstand  bei   der  Würdigung  der  einzelnen  Holzarten  mit  beachtet  wird.    Da- 
gegen wäre  es  verkehrt,   wenn   bestimmte  waldbauliche   oder  sonstige  Vorzüge  einer 
Betriebsform  oder  Holzartenmischung  irgend   einer  starren  Forsteinrichtungsregel  zum 
Opfer  gebracht  würden,  da  natürlich  die  waldbaulich  höchste  Leistung  des  Forstes  stets 
erste  und  wichtigste  Forderung  an  die  W^irtschaft  sein  muss.     Ein  passender  Ausgleich 
zwischen  •den  hie  und  da  sich  widerstreitenden  Interessen   wird  in  den  meisten  Fällen 
unschwer  gefunden  w^erden  Itönnen.  —  5.  Nebennutzungen:    An  ganz  bestimmte 

25)  Vergleiche  auch  1.  Abschnitt  III,  B.  1.  S.  426  dieser  Abhandlung. 


438  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Holzarten  sind  direkt  gebunden  z.  B.  Lohrinde,  Harz,  Mast,  Fntterlaub  u.  a.  m. ;  durch 
y ermittel ung  der  Betriebsart  hängen  mit  der  Holzart  zusammen  z.  B.  Produkte  des 
Waldfeldbaues,  die  landwirtschaftlichen  Nutzungen  im  Hackwald,  Gräserei  in  Pflanz- 
kulturen  u.  dgl.  —  6.  Widerstandsfähigkeit  gegen  Gefahren:  Die  schon 
mehrfach,  erstmals  bereits  ad  1,  Abschnitt  II,  4,  S.  421,  angedeuteten  Beschädigungen 
können  den  wirtschaftlichen  Wert  einer  sonst  recht  schätzbaren  Holzart  unter  Umstän- 
den, bezw.  für  bestimmte  Oertlichkeiten  so  herunterdrücken,  dass  man  auf  ihre  Anzucht 
geradezu  verzichten  muss.  So  verbietet  sich  z.  B.  in  wildreichen  Forsten,  wenn  man 
nicht  besondere  Schutzmassregeln  (Eingattem)  ergreifen  will,  hie  und  da  der  Anbau 
der  Esche,  der  Eiche,  der  Weisstanne  vollständig,  obwohl  dieselben  ohne  die  G^ßlhr- 
dung  durch  Schälen  oder  Abäsen  hohen  Ertrag  erwarten  Hessen;  in  ausgesprochenen 
Schneebruchlagen  hat  man  möglichst  mit  der  Kiefer  fern  zu  bleiben;  dem  Sturm  be- 
sonders exponierte  Orte  taugen  nicht  für  die  Fichte  u.  s.  w.  Auch  hier  darf  wieder 
daran  erinnert  werden,  wie  vielfache  Gelegenheit,  solche  Gefahren  abzuschwächen,  durch 
geeignete  Holzartenmischung  gegeben  ist.  —  7.  Besondere  örtliche  Anfor- 
derungen: Dahin  gehört  z.  B.  eine  gewisse  Anpassung  an  die  Bewirtschaftungsweise 
umgebender  Waldungen,  sofern  es  sich  um  kleinere  Enklaven  handelt  (z.  B.  ein  sturm- 
gefährdeter Fichtenbestand  inmitten  eines  grösseren  Schälwald  gebietes);  femer  die 
Kücksichtnahme  auf  Servituten,  deren  Befriedigung  häufig  eine  bestimmte  Holzart  for- 
dert; sodann  eine  Reihe  spezieller  wirtschaftlicher  Aufgaben,  wie  die  Anzucht  von 
Faschinenhölzern,  Böschungsbefestigungen  u.  s.  w. 

Im  allgemeinen  kann  die  tatsächliche  Verbreitung  der  Holzarten  als  MassstAb 
derjenigen  wirtschaftlichen  Bedeutung  dienen,  welche  ihnen  beigelegt  wird,  mit  der 
Einschränkung  natürlich,  dass  für  die  Wertschätzung  seitens  der  Gegenwart  nur  die 
unter  unsern  Augen  entstehenden  Jungbestände  beweiskräftig  sind,  während  alle  älteren 
Hölzer  nur  bezüglich  der  Anschauung  jener  Zeit,  in  welcher  sie  begründet  sind,  ein 
Urteil  zulassen.  Entscheidend  für  den  Betrieb  im  grossen  ist,  wie  wir  rekapitulierend 
nochmals  heiTorheben,  immer  nur  die  kleine  Anzahl  von  Holzarten,  welche  ausgedehnte 
Gebiete  (eventuell  auch  in  reinen  Beständen)  einnehmen,  d.  h.  Kiefer,  Fichte,  Buche, 
Tanne.  Alle  übrigen  Holzarten,  selbst  die  Eiche,  sind,  so  sehr  sie  auch,  örtlich  oder 
allgemein  für  bestimmte  Verhältnisse,  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehmen,  doch 
in  ihren  Existenzbedingungen  jenen  herrschenden  Holzarten  gegenüber  meist  äusserst 
beschränkt,  so  dass  an  eine  den  Umfang  ihres  jetzigen  Gebietes  weithin  überschreitende 
Verbreitung  derselben  nie  zu  denken  ist.  Um  so  mehr  sollte  man  ihnen  da,  wo  ihre 
Anzucht  ohne  greifbare  Benachteiligung  anderer  Interessen  zulässig  erscheint,  einen 
Platz  anweisen,  um  dem  Walde  die  in  den  verschiedensten  Beziehungen  so  schätzens- 
werte Mannigfaltigkeit  zu  erhalten,  oder,  wo  sie  verloren  wäre,  wieder  zu  verschaffen. 

Zusatz:  Die  Einführung  ausländischer  Holzarten  betref- 
fendes). 

§  15.  Im  deutschen  Walde  haben  sich  einige  Holzarten,  welche  aus  fremden 
Ländern  zu  uns  gekommen  sind,  das  Heimatsrecht  erworben,  wie  beispielsweise  die 
Weymouthskiefer.  Da  und  dort  hat  man  man  schon  seit  lange  versucht,  auch  andere, 
insbesondere  amerikanische  Hölzer  bei  uns  einzubürgern,  man  ist  aber  über  derartige 
Versuche  in  Parks  meist  nicht  hinausgekommen;  nur  in  vereinzelten  Fällen  hat  man 
sie  schon  vor  längerer  Zeit  auch  in  den  eigentlichen  Wald  hinaus  gebracht,  und  auch 
dann  in  der  Regel  nur  in  wenigen  Exemplaren,    allenfalls  in  kleinen  Gruppen.     Die 

26)  Vergl.  John  Booth,  Die  Naturalisation  ausländischer  Waldbäume  in  Deutsch- 
land. Berlin  1882.  Derselbe,  Die  ausländischen  Holzarten  1902.  —  Bezügliche  Erörte- 
rungen  finden  sich  auch  in  den  neuesten  Jahrgängen  fast  aller  forstlichen  Zeitschriften. 


Das  Bestandesmaterial.     §  15.  439 

Tatsache  nun,  dass  eine  Anzahl  fremder  Hölzer,  welche  unseren  heimischen  auf  dem 
Nntzholzmarkte  bedenkliche  Konkurrenz  machen,  Klimaten  entstammen,  welche  den 
unsrigen  ähnlich  sind,  regte  die  Erwägung  an,  ob  nicht  wenigstens  einige  jener  Exoten 
bei  uns  mit  Vorteil  eingeführt  werden  könnten,  so  dass,  wenn  auch  erst  mit  Wirkung 
in  der  Zukunft,  jener  Konkurrenz  des  Auslandes  wenigstens  einigermassen  entgegen- 
gearbeitet werden  würde.  Der  Gredanke  ist  sicherlich  nicht  zu  verwerfen;  es  wird  ja, 
schon  wegen  des  beschränkten  Areals,  welches  den  fremden  Holzarten  im  deutschen 
Walde  nur  zugewiesen  werden  kann,  an  ein  vollständiges  Hintanhalten  des  Imports 
von  solchen  nie  gedacht  werden  können ;  jedenfalls  aber  gehört  es  zu  den  waldbaulichen 
Aufgaben  des  forstlichen  Versuchswesens,  die  Bedingungen  festzustellen,  unter  welchen 
ein  derartiges  Unternehmen  erfolgversprechend  sein  möchte.  So  hat  sich  denn  auch 
der  Verein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  der  Frage  bemächtigt  und  seit  etwa 
20  Jahren  solche  Anbauversuche  mit  ausländischen  Holzarten  eingeleitet^^).  Erste 
Voraussetzung  ist,  dass  die  betreffenden  Holzarten  unser  Klima  ertragen ;  entscheidend 
sind  dabei  weniger  die  mittleren  Jahrestemperaturen  bei  uns  und  in  ihrem  Heimatlande, 
als  vielmehr  die  niedrigen  Wintertemperaturen  (bezw.  hohen  Temperaturdifferenzen), 
auf  welche  wir  zeitweise  rechnen  müssen,  sowie  die  Temperatur  in  der  eigentlichen 
Vegetationsperiode,  und  dann  insbesondere  auch  die  Feuchtigkeitsverhältnisse  (Seenähe, 
T^uftfeuchtigkeit,  Niederschlagsmengen  etc.).  Da  aber  neben  der  Anbaufähigkeit 
vor  allem  auch  die  Anbauwürdigk  eit  ausschlaggebend  sein  muss,  welche  in  der 
positiven  Leistung  ihren  Ausdruck  findet,  so  ist  zu  betonen,  dass  sich  eine  fremde  Holz- 
art auf  einem  bestimmten  Standort  in  Konkurrenz  mit  der  für  denselben  passenden 
heimischen  nur  dann  behaupten  kann,  wenn  sie  entweder  besseres  oder  mehr  Holz  liefert, 
beides  unter  Berücksichtigung  des  Faktors  „Zeit**,  oder  wenn  sie  gegen  gewisse  Ge- 
fährdungen, wie  z.  B.  durch  Frost,  Hitze,  Wildverbiss,  Insekten,  widerstandsfähiger 
ist,  bezw.  sonst  in  waldbaulicher  Beziehung  (Schutz-  und  Treibholz,  leichter  Anbau, 
bedeutende  Reproduktionskraft  u.  dgl.)  irgend  welche  hervorragende  Eigenschaften  hat. 
Beachtenswert  ist  der  Hinweis  des  Prof.  Dr.  H.  Mayr-^^)  in  München  darauf,  dass  es 
sich  am  meisten  empfehlen  dürfte,  solche  Holzarten  einzuführen,  deren  Gattungen  (wie 
z.  B.  Douglastanne,  Chamaecyparis,  Thuja  etc.)  überhaupt  noch  nicht  im  deutschen 
Walde  vertreten  sind.  Ausser  den  amerikanischen  Holzarten  hat  man  inzwischen  auch 
japanische  einbezogene*^).  Sorgfältiges  Studium  des  Verhaltens  der  Exoten  in  ihren 
Heimatländern  muss  den  Anbauversuchen  als  Grundlage  dienen,  damit  nicht  Kultur- 
arbeiten mit  fremdländischen  Holzarten  unternommen  werden,  die  schon  in  ihrer  ersten 
Einleitung  als  verfehlt  erscheinen.  Es  seien  hier  u.  a.  nur  die  in  verschiedenen 
Schriften  niedergelegten  wertvollen  Forschungsergebnisse  des  Professors  Dr.  Mayr  zu 
München  hervorgehoben.  Auf  die  Herkunft  (Provenienz)  des  Samens  ^^)  wurde  und  wird 
von  manchen  Seiten  hervoiTagendes  Gewicht  gelegt,  während  Mayr  dieselbe  für  gleich- 
gültig hält,  so  lange  es  sich  nicht  um  systematisch  trennbare  Varietäten  oder  Rassen 


27)  Arbeitsplan  für  Anbauversuche  mit  ausländischen  Holzarten ,  sowie  Arbeitsplan 
für  Untersnchung  des  forstl.  Verhaltens  ausländischer  Holzarten  vergl.  Ganghofer,  Das 
forstliche  Versuchswesen  II.  Bd.  S.  161)  und  191. 

28)  Vergl.  Mayr,  Die  Heimat  der  Douglastanne  (AUg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  v. 
1886  S.  61  ff.)  und  Derselbe,  Japanische  Waldverhältnisse  (Allg.  Forst-  u.  J.-Z.  1886, 
S.  353  ff.). 

29)  Luerssen,  Die  Einführung  japanischer  Waldbäume  in  die  deutschen  Forste. 
Notizen  für  die  geplanten  Anbauversuche ;  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1886  S.  121, 
251,  313,  442,  646  ff.  —  Arbeitsplan,  betr.  Japan.  Holzarten  siehe  Jahrb.  d.  preuss.  Forst- 
ete. Gesetzg.  1887,  S.  19. 

30)  John  Booth  a.  a.  0.   S.   121   ff. 


440  IV.  Lorey,  Waldbau. 

handelt,  welche  mit  der  äusserlichen  Abweichung  von  der  typischen  Form  auch  innere 
Eigentümlichkeiten  vererben. 

Aus  der  ziemlich  langen  Reihe  solcher  Holzarten,  welche  zu  Anbauversnchen  em- 
pfohlen sind,  mögen  hier  beispielsweise  von  Nadelhölzern  nur  Pseudotsuga  Douglasii, 
Picea  sitchensis,  Pinus  banksiana,  Chamaecyparis  Lawsoniana,  Thuja  gigantea,  Larix 
leptolepis,  sowie  von  Laubhölzem  Quercus  rubra,  Juglans-  und  Carya-Arten,  Fraxinos 
americana  genannt  werden.  Nachdem  die  Anbauversuche  nun  bereits  durch  2  Jahr- 
zehnte im  Gange  sind,  konnte  über  deren  Verlauf  seitens  verschiedener  Versuchsanstalten 
schon  eine  Reihe  von  Mitteilungen  erfolgen.  Unter  diesen  sind  diejenigen  der  preas- 
sischen  Hauptstation  für  forstliches  Versuchswesen,  weil  sie  auf  der  Beobachtung  der 
nach  Holzart  und  Standörtlichkeit  weitaus  mannigfaltigsten  und  nach  Flächenaasdeh- 
nung  umfänglichsten  Kulturen  beiTihen,  die  beachtenswertesten^^).  Soweit  sich  aus  den 
bis  jetzt  vorliegenden  Ergebnissen  ein  Schluss  ziehen  lässt,  darf  man  hoffen,  dass  we- 
nigstens eine  beschränkte  Anzahl  der  in  den  Kreis  der  Versuche  einbezogenen  Exoten, 
in  erster  Linie  vielleicht  die  oben  genannten,  dereinst  eine  wirkliche  Bereicherung  des 
deutschen  Waldes  darstellen  werden.  Zur  Gewinnung  eines  endgültigen  Urteils  gehört 
freilich  ein  längerer  Beobachtungszeitraum,  zumal  bei  einzelnen  (z.  B.  Larix  leptolepis) 
der  Verdacht  vorliegt,  dass  ihre  gute  Jugendentwickelung  vielleicht  von  einem  Nach- 
lassen des  Wachstums  in  höherem  Alter  gefolgt  sein  wird.  —  Nicht  unbeachtet  mag 
auch  der  forstästhetische  Wert  mancher  (längst  nicht  aller !)  fremdländischer  Holzarten 
bleiben. 

Zweiter  Abschnitt. 
Die  Bestandesbegrfindnn^« 

Der  Abschnitt  bespricht  die  Art,  wie  unter  den  verschiedensten  Verhältnissen  Bestände 
begründet  werden.  Demnächst  hat  die  „Bestandeserziehung"  (dritter  Abschnitt)  aus  den 
Jungwtichsen  haubare  Bestände  heranzubilden^^). 

Erstes  Kapital. 

Allgemeine  Gesichtspunkte. 

I.  Arten  der  Beoriindung  und  Ihre  wirtschaftliche  Bedeutung. 

A.  Arten. 

§  16.  Man  unterscheidet  natürliche  und  künstliche  Bestandsbegründung ;  bei  jener 
ist  das  Material  dazu  auf  der  Fläche  bereits  vorhanden  oder  wird  von  der  Natur  auf 
dieselbe  gebracht,  während  bei  dieser  menschliche  Tätigkeit  das  Kulturmaterial  herbei- 
schafft und  die  sonst  erforderliche  Arbeit  leistet.  Die  natürliche  Bestandsbegründung 
vollzieht  sich  entweder  durch  Samen  (durch  Abfall  desselben  von  Bäumen,  die  auf  oder 
neben  der  Fläche  stehen)  oder  durch  Ausschlag  (Bildung  von  Wurzel-,  Stock-  oder 
Schaftlohden)^^).    Die  künstliche  Begründung  erfolgt  entweder  durch  Saat  oder  durch 


31)  Auch  aus  Württemberg  (A.  F-.  u.  J.-Ztg.  1897,  S.  14  u.  83  ff.'),  Bayern  (Forstl.- 
naturw.  Zeitsclir.  1892)  und  neuerdings  namentlich  auch  aus  Oesterreich  (Dr.  Cieslar, 
„LTeber  Anbauversuche  mit  fremdländ.  Holzarten*  Centralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1901)  liegen 
Nachrichten  über  die  bisher  erzielten  Resultate  vor. 

32)  Bezüglich  der  Grenze  zwischen  Begründung  und  Erziehung  der  Bestände  ist  die 
Vorbemerkung  zum  dritten  Abschnitt  zu  vergleichen. 

33)  Die  aus  den  abgefallenen  Samen  entstandenen  Jungpflanzen  scheidet  man  nicht 
selten  in  Aufschlag  und  Anflug:  Aufschlag  sind  im  allgemeinen  die  aus  schwereren,  direkt 
herunterfallenden,    flügellosen  Samen  gekeimten  Pflanzen  (Eiche,  Buche  etc.),    während  man 


Die  Bestandesbegründung.     §  17.  441 

Pflanzang.  Bei  der  Saat  bleibt  die  aus  dem  Samen  entstehende  Pflanze  auf  ihrer  Stelle, 
während  die  bei  der  Pflanzkult ur  verwendeten  Individuen  anderswo  gekeimt  sind,  als 
da,  wo  sie  demnächst  weiter  wachsen  sollen. 

B.  Wahl  der  Art  der  Bestandesbegründung. 

Zunächst  ist  zu  entscheiden,  ob  natürliche  oder  künstliche  Verjüngung  eintreten 

soll;   danach  ist  innerhalb  dieser  beiden  Hauptgruppen  von  Verjüngungsraethoden  die 

Auswahl  im  einzelnen  zu  treifen. 

Die  Entscheidung  ist  bedingt  durch  Standort  und  Holzart  (cfr.  erster  Abschnitt), 
dann  insbesondere  durch  den  Wirtschaftszweck,  durch  das  Verhältnis  von  Aufwand  und 
Erfolg,  für  dessen  Beurteilung  sehr  oft  in  erster  Linie  die  Gewinnung  der  erforderlichen 
Arbeitskräfte  in's  Gewicht  fällt,  sowie  durch  den  Umstand,  ob  auf  der  Fläche  schon  Wald 
vorhanden  war  oder  nicht.  In  letzterem  Falle  kann,  wenn  man  von  der  seltenen  Möglich- 
keit einer  Randbesamung  (von  seitlich  stehenden  Bäumen  her)  absieht,  nur  künstliche  Be- 
standesbegründung in  Betracht  kommen.  Das  gleiche  gilt,  wenn  die  Fläche  zwar  bereits 
mit  Wald  bestockt  war,  aber  ein  Holzartenwechsel  beabsichtigt  wird.  So  oft  jedoch  die 
nämliche  Holzart  auf  einer  Fläche  nachgezogen  werden  soll,  treten  allgemein  die  natür- 
liche und  künstliche  Bestandesbegründung  in  Konkurrenz.  Beide  werden  unter  Umständen 
vereint  angewendet,  indem  künstliches  Einbringen  von  Samen  oder  Pflanzen  die  auf  natür- 
lichem Wege  bereits  entstandenen  oder   noch  zu  erwartenden  Jungwüchse  vervollständigt. 

1.  Natürliche  oder  künstliche  Bestandesbegründung? 

§  17.  Wenn  nicht  bestimmte  Ursachen  die  künstliche  Begründung  des  neuen 
Bestandes  fordern,  kann  und  soll  man  die  natürliche  Verjüngung  wählen.  So  lange 
man  auf  dem  Wege,  welchen  die  frei  wirkende  Natur  einschlägt,  das  durch  die  Wirt- 
schaft gesteckte  Ziel  genügend  rasch  und  sicher  erreichen  kann,  ist  zunächst  nicht  ab- 
zusehen, weshalb  man  jenen  Weg  verlassen  soll.  Vor  allem  ist  die  Verschiedenartig- 
keit der  Standortsverhältnisse  bei  der  Wahl  des  Verjüngungsverfahrens  sorgfältig  zu 
beachten.  Aber  selbst  wenn  man  erwägt,  dass  man,  wie  von  vielen  Seiten  scharf  be- 
tont wird,  bei  der  natürlichen  Verjüngung  im  allgemeinen  am  leichtesten  für  ununter- 
brochene rationelle  Bodenpflege  sorgen  kann,  dass  dieselbe  auch  die  Begründung  ge- 
sunder gemischter  Bestände  erleichtere,  sowie  die  Starkholzzucht  ohne  Erhöhung  der 
Umtriebszeit  ermögliche,  ergibt  sich  doch  in  vielen  Fällen  eine  Entscheidung  zu  gunsten 
künstlicher  Bestandesbegründung  und  zwar  hauptsächlich  nach  Massgabe  folgender  Er- 
wägungen: a)  die  natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag  ist  ausgeschlossen  bei  den 
Nadelhölzern.  —  b)  Soll  die  natürliche  Verjüngung  bei  irgend  welcher  Holzart  durch 
Samen  erfolgen,  so  muss  eine  je  nach  den  Umständen  grössere  oder  geringere,  jeden- 
falls genügende  Anzahl  von  tauglichen  Samenbäumen  zu  Gebote  stehen,  welche  das 
Material  liefern.  Man  ist  also  an  das  Vorhandensein  und  das  Masttragen  dieser  (der 
Mutterbäume)  gebunden;  und  es  leuchtet  ein,  dass  durch  Ausbleiben  oder  Fehlschlagen 
einer  Mast  Störungen  im  Verjüngungsbetrieb  veranlasst  werden  können,  Verzögerungen 
in  der  Schaffung  junger  Bestände,  welche  unter  Umständen  den  Gang  der  ganzen  Wirt- 
schaft beeinflussen  (Abweichungen  von  der  normalen  Umtriebszeit,  Ersatz  eines  an  Hau- 
barkeitsnutzungen  zu  liefernden  Hiebsquantums  durch  Vorgriffe,  stärkere  Durchforstungen 
u.  s.  w.).  Sind  auch  solche  Störungen  im  einzelnen  meist  nicht  von  Belang,  so  können 
sie  sich  doch  in  unangenehmer  Weise  häufen  (mehrmaliges  Vernichten  der  Blüte  durch 
Frühjahrsfröste  etc.),  so  dass  die  künstliche  Verjüngung  (in  diesem  Falle  ein  Kind  der 
Not)  einspringen  muss.  Letztere  kann  wohl  auch  die  notwendige  Folge  von  Kalami- 
täten wie  Insektenfrass,  Schneebruch,  Sturm  etc.  werden,  wenn  solche  den  betreffenden 


die  aus  angeflogenen  (leichten,  geflügelten)  Samen  erwachsenden  als  Anflug  bezeichnet.     Die 
Trennung  ist  keine  scharfe.   Der  Name  „Anflug"  wird  vor  allem  für  Nadelhölzer  oft  gebraucht. 


442  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Waldort  in  einem  Stadium  der  Entwickelnng  treffen,  in  welchem  er  noch  nicht  Ter- 
jüngnngsföhig  ist,  oder  ihm  die  erforderliche  Zahl  geeigneter  Samenbänme  genommen 
haben  oder  an  unvorhergesehener  Stelle  so  bedeutende  Einschlagsmassen  häufen,  da^ 
der  normale  Fällungsgang  unterbrochen  werden  muss  und  dadurch  die  planmässige  Be- 
nutzung eines  eintretenden  Samenjahres  vereitelt  wird.  —  c)  Stehen,  wie  in  der  Regel, 
die  Mutterbäume  auf  der  Kulturfläche  selbst,  so  beschatten,  bezw.  Überschinnen  sie  (je 
nach  Art,  Zahl,  Verteilung  in  verschiedenem  Masse)  die  jungen  Keimpflanzen,  und  w^enn 
auch  letzteren  dadurch  während  ihrer  ersten  Jugendentwickelung  meist  ein  nur  wohl- 
tätiger, ja  für  manche  Holzarten  und  in  bestimmten  Oertlichkeiten  geradezu  notwen- 
diger Schutz  gewährt  wird,  so  können  doch  andere  Holzarten  (Lichthölzer)  allgemein, 
andere  in  gewissen  Lagen  diese  Beschirmung  nicht  oder  nur  kurze  Zeit  hindurch  ver- 
tragen. Hieraus  kann  sich  für  eine  Anzahl  von  Fällen'*)  die  künstliche  Verjüngung 
als  Erfordernis  ergeben. 

Die  Ansichten  darüber,  wie  mit  Rücksicht  auf  die  Erfordernisse  der  einzelnen  Holz- 
arten die  Grenzlinie  zwischen  natürlicher  und  künstlicher  Verjüngung  zu  ziehen  sei,  gehen 
auseinander'^).  Dass  Schattenhölzer  allgemein  durch  Samenabfall,  also  natürlich  verjüngt 
werden  können,  steht  (entsprechende  Bestandesbeschaffenheit  vorausgesetzt  —  Alter,  Zahl 
und  Verteilung  der  Samenbäume)  ausser  Zweifel ;  ebenso,  dass  diejenigen  derselben,  welche 
in  der  Jugend  gegen  Frost  und  Hitze  empfindlich  sind  (besonders  Tanne,  Buche)  und  des- 
halb in  der  Regel  eines  Schutzbestandes  bedürfen,  meist  mit  dem  grösseren  Vorteil  auch 
wirklich  natürlich  verjüngt  werden  (künstliche  Verjüngung  auf  der  Kahlfläche  oder  event. 
unter  Zuhilfenahme  eines  durch  eine  andere  Holzart  erst  beschafften  Schutzbestandes  ist 
Ausnahme!).  Andererseits  sind  unbedingte  Lichthölzer  (wie  z.  B.  die  Lärche,  abgesehen 
von  höheren  Gebirgslagen)  von  der  natürlichen  Verjüngung  so  gut  wie  ausgeschlossen, 
während  eine  Anzahl  von  Holzarten  die  Mitte  halten,  bezw.  je  nach  Lage  der  Umstände 
bald  natürlich  bald  künstlich  verjüngt  werden.  Dahin  gehört  von  Schattenhölzern  die 
Fichte,  von  Lichthölzern  z.  B.  die  gemeine  Kiefer,  die  Eiche,  die  Esche.  Je  besser  der 
Boden,  um  so  eher  ist  im  allgemeinen  die  natürliche  Verjüngung  durch  Samen  möglich, 
weil  das  geringe  Schattenerträgnis  der  Lichthölzer  in  besseren  Lagen  durch  die  sonst  guten 
Wachstumsbedingungen  teilweise  paralysiert  wird  (z.  B.  reichlicher  Eschen-  und  Eichen- 
anflug auf  frischen,  kräftigen  Böden  unter  oft  noch  sehr  dichtem  Schirmdach  der  Mutter- 
bäurae).  —  Aehnlich  erhöht  grössere  Luftfeuchtigkeit  (in  der  Nähe  des  Meeres  oder  son- 
stiger grosser  Wasserflächen,  im  Gebirge  etc.)  die  Möglichkeit  natürlicher  Verjüngung.  — 
Rauhe  Lagen,  steile  Hänge,  steinige  Partien,  Böden,  welche  starken  ünkrautwuchs  er- 
warten lassen,  fordern  oft  natürliche,  nasse  Orte  meist  künstliche  Bestandesbegründung. 
Näheres  bei  Behandlung  der  einzelnen  Holzarten,  siehe  4.  Kap.  dieses  Abschn. 

d)  Ausser  im  Falle  der  Randbesamung  bedingt  der  Kahlschlagbetrieb  die  künst- 
liche Verjüngung.  Doch  sollte  Kahlschlag  wegen  seiner  später  zu  erörternden  Nach- 
teile nur  in  den  wenigen  Fällen,  in  welchen  etwa  die  waldbaulichen  Massnahmen  von 
einem  bestimmten  Prinzip  der  Forsteinrichtung  (Schlageinteilung)  abhängig  gemacht 
werden  wollen,  die  Ursache  der  künstlichen  Bestandesbegründung,  vielmehr  in  der  Regel 
nur  die  Folge  der  zu  derselben  drängenden  Gründe  (entschiedenes  Lichtbedurfnis  der 
Holzart,  Waldfeldbau  etc.)  sein.  Schirmschlag-  und  Femelschlagbetrieb  und  noch  mehr 
Femelbetrieb,  Niederwald  und  Mittelwald  operieren  meist  mit  Beschaffung  ihrer  Jung- 
wüchse  auf  natürlichem  Wege.  —  e)  Für  die  künstliche  Bestandesbegründung  wird 
auch  (insbesondere  bei  der  Pflanzung)  eine  gleichmässigere  Verteilung  der  jungen  In- 
dividuen auf  der  Fläche  geltend  gemacht,  woraus  sich  dann  auch  eine  gleichmässigere 
und  bei   lichterem  Stande  raschere  Entwickelnng   der  Einzelstämme  von  Jugend  auf 


34)  Die  Präzisierung  derselben  folgt  aus  dem  4.  Kapitel  dieses  Abschnittes  .Bestan- 
desbegründung bei  den  einzelnen  Holzarten". 

35)  Zu  vergl.  u.  a.  die  Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu 
Frankfurt  a/M.  1884  über  das  Thema:  „In  welchem  Stadium  befindet  sich  dermalen  die 
Frage  der  natürlichen  Verjüngung"?  Versammlungsbericht  bei  Sauerländer,  Frankfurt  a/M.  1885. 


Die  Bestandesbegründung.     §  18.  443 

ergibt.  Einsprengen  von  Mischhölzern  in  einen  Grundbestand  in  regelmässiger  Ver- 
teilung meist  künstlich.  Der  Erfolg  der  natürlichen  Verjüngung  ist  weit  mehr  von 
der  in  einem  Bestände  manchmal  sehr  wechselnden  Bodenbeschaffenheit  (Bodengare, 
Moospolster  etc.)  abhängig;  nach  reicher  Mast  stehen  die  Jungwüchse  oft  allzu  dicht 
(Uebelstände,  denen  übrigens  meist  unschwer  abgeholfen  werden  kann).  —  f)  Auch  der 
Kostenaufwand  ist  in  manchen  Fällen  (Waldfeldbau,  arme  Böden,  seltene  und  nicht 
ergiebige  Samenjabre,  umfangreiche  Nachbesserungen  im  Falle  natürlicher  Verjüngung  etc.) 
bei  künstlicher  Kultur  (einfaches  Verfahren  mit  schwachen  Pflänzlingen)  geringer,  ob- 
wohl eingeräumt  werden  muss,  dass  im  allgemeinen  gerade  im  Sinne  der  Kostenerspar- 
nis die  natürliche  Bestandesbegründung  den  Vorzug  verdient.  Jede  Kulturausgabe  be- 
lastet den  Bestand,  mit  Zins  und  Zinseszins  bis  zum  Abtrieb  anwachsend,  so  dass 
möglichste  Ersparnis  geboten  ist.  Erstmaliger  Aufwand  und  Kosten  etwaiger  Nach- 
besserungen sind  stets  zu  kombinieren.  Immerhin  muss  vor  allem  der  vollkommene 
Kulturerfolg  gesichert  sein.  — 

Die  Frage,  ob  künstliche  oder  natürliche  Verjüngung,  bedarf,  wie  aus  vorstehen- 
den Andeutungen  hervorgeht,  recht  häufig  der  besonderen  örtlichen  Untersuchung,  da 
uns  die  Zweifelsfälle,  in  welchen  beide  Arten  möglich  sind,  in  grosser  Zahl  und  viel- 
seitiger Gestalt  entgegentreten.  Ausschlaggebend  ist  der  nach  jenen  allgemeinen  Ge- 
sichtspunkten unter  gleichmässiger  Berücksichtigung  all  er  konkurrierenden  Momente 
zu  bemessende  wirtschaftliche  Gesamteffekt.  Oertliche  Erfahrung  ist  für  die  Beurteilung 
höchst  wertvoll,  jedoch  stehen  unverkennbar  Gewohnheit  und  durch  sie  bestärkte  Vor- 
urteile nicht  ganz  selten  sachgemässen  Aenderungen  hindernd  im  Wege. 

2.  Künstliche  Bestandesbegründung  insbesondere.  Wahl 
zwischen  Saat  und  Pflanzung. 

§  18.  Entscheidend  ist  wiederum  der  Kulturerfolg  in  Verbindung  mit  dem  durch 
denselben  bedingten  Aufwand.  Im  einzelnen  kommen  folgende  Punkte  in  Betracht  : 
a)  die  Sicherheit.  Die  Qualität  des  Kulturmaterials  (Samen  bei  der  Saat,  Pflänz- 
linge bei  der  Pflanzung),  kann,  da  überhaupt  nur  mit  gutem  Material  operiert  werden 
darf,  hier  nicht  als  Grund  pro  oder  contra  verwertet  werden.  Dagegen  ist  die  Wit- 
terung der  ersten,  auf  die  Ausführung  der  Kultur  folgenden  Wochen  und  Monate,  event. 
der  nächsten  Jahre  in  Beziehung  zur  Beschaffenheit  des  Bodens  und  der  Lage  für  den 
Erfolg  bedingend.  Schädlich  wirken  vor  allem  Witterungsextreme,  wie  andauernde 
Trockenheit,  Hitze,  zu  grosse  Nässe,  Fröste  u.  s.  w.  Zwar  sind  beide  Arten,  Saat- 
und  Pflanzkulturen,  dadurch  benachteiligt,  aber  nicht  immer  in  gleichem  Masse.  Trok- 
kenheit  z.  B. ,  ebenso  wie  Hitze,  wird,  obwohl  alles  auf  die. Zeit  ihres  Eintritts  an- 
kommt, doch  Pflänzlingen  mit  tiefgehenden  Wurzeln  oft  weniger  bedenklich  als  Keim- 
lingen ;  das  gleiche  gilt  von  Frösten,  soweit  es  sich  um  das  Ausfrieren  handelt.  Platzregen 
dürften  an  steilen  Hängen  durch  Abschwemmen  einer  Saat  häutiger  Schaden  bringen 
als  einer  Pflanzung.  Starker  Schneefall,  längeres  Liegenbleiben  des  Schnees  kann  einer 
jungen  Saat,  die  vollständig  überdeckt  wird,  durch  Druck  und  Lichtentzug  eher  nach- 
teilig werden,  als  einer  Pflanzung,  während  andrerseits  für  Pflanzen,  die  mit  dem  Gipfel 
aus  dem  Schnee  hervorragen,  namentlich  im  Spätwinter,  wenn  die  Sonne  schon  wieder 
höher  steigt  und  unter  tags  stärkere  Erwärmung  (Reflex  vom  Schnee,  Temperatur- 
differenz) erzeugt,  eine  besondere  Gefahr  ersteht.  Im  grossen  und  ganzen  möchten, 
wenn  auch  solche  meteorische  Einwirkungen  sowohl  nach  ihrer  Art  als  nach  dem  Grad 
ihrer  Schädlichkeit  nicht  anders  als  im  Sinne  eines  auf  örtlicher  Erfahrung  beruhenden 
Wahrscheinlichkeitsschlusses  in  Rechnung  gezogen  werden  können,  Saaten  doch  mehr 
gefährdet  erscheinen  als  Pflanzungen.  Letzteres  gilt  weiterhin  bezüglich  des  Unkraut- 
wuchses.  —  Auf  nassen,   sowie  auf  sehr  trockenen  oder  mageren  Böden  ist  meist  die 


444  IV.  Lorcy,  Waldbau. 

Pflanzung,  auf  sehr  steinigen  die  Saat  vorzuziehen.  —  Grössere  Sicherheit  muss  für 
die  Pflanzung  insbesondere  bei  solchen  Holzarten  in  Anspruch  genommen  werden,  welche, 
wie  Kastanie,  Esche,  Ahorn  u.  s.  w.  besonderer  Pflege  bedürfen.  Man  zieht  dieselben 
zunächst  in  Frostgärten  an.  —  b)  Die  Entwickelung  der  jungen  Kultur: 
Der  bei  einer  gut  aufgehenden  Saat  von  vornherein  meist  verhältnismässig  dichte  Stand 
der  Pflanzen  kann,  wenn  nicht  Unkräuterwuchs,  Tierbeschädigung  (durch  Wild,  Mäuse  etc.), 
Frost  u.  dergl.  dies  verhindert,  raschen  Schluss  der  Kultur  und  damit  baldige  Bedeckung 
des  Bodens  bewirken.  Doch  ist  durch  sehr  dichten  Stand  die  Entwickelung  der  Einzel- 
pflanze gehemmt.  Andererseits  hat  die  Pflanzung  je  nach  dem  Alter  der  verwendeten 
Pflänzlinge  einen  grösseren  oder  geringeren  Vorsprung,  welcher  ihr,  namentlich  bei  ge- 
ringer Pflanzweite,  raschere  Bodenbedeckung  sichert.  Uebrigens  ist  dieser  Vorsprung 
wegen  des,  auch  bei  sorgfältigster  Ausführung  der  Pflanzkultur,  fast  immer  eintreten- 
den zeitweiligen  Stockens  in  der  Entwickelung  der  Pflanzen  und  dadurch  bedingten 
Zuwachsverlustes  kaum  im  vollen  Betrag  zu  bemessen  (am  vollständigsten  bei  jungen 
Pflänzlingen).  Bei  der  Pflanzung  ist  eine  normalere  Entwickelung  der  einzelnen  Indi- 
viduen durch  deren  geringere  Zahl  und  gleichmässige  Verteilung  ermöglicht.  Auf  die  Art 
und  den  Umfang  der  Zwischennutzungen  (Reinigungshiebe,  erste  Durchforstungen  etc.} 
kann  man  durch  entsprechende  Wahl  der  Pflanzenentfemung  einwirken.  Gestatten 
oder  verlangen  Saatbestände  vermöge  ihres  dichten  Schlusses  oft  früher  als  Pflanzungen 
eine  Holznutzung,  so  besteht  letzten^  doch  anfänglich  zumeist  in  geringem,  wenig  wert- 
vollem Material.  —  c)  Kostenaljfwand:  Beschaffung  des  Kulturmatmals  und 
Kosten  der  Kulturausführung  wirken  zusammen,  je  bei  der  ersten  Anlage  und  bei  et- 
waigen Nachbesserungen.  Es  fragt  sich  zunächst,  ob  zur  Saat  guter  Samen  billig  zu 
haben  ist  oder  nicht,  und  analog  für  die  Pflanzung,  mit  welchem  Aufwand  die  erfor- 
derliche Zahl  tauglicher  Pflänzlinge  beschafft  werden  kann.  Begreiflich  liegen  die  Um- 
stände von  Fall  zu  Fall  oft  sehr  verschieden.  Gute  Masten  begünstigen  die  Saat, 
während  hoher  Samenpreis,  sowie  nicht  genügende  Samenmenge  zur  Pflanzung  drängen, 
oft  durch  Vermittelung  der  Pflänzlingszucht  auf  besonders  bereiteten  Stellen.  Hat  man 
in  natürlichen  Verjüngungen  oder  auf  Saatflächen  genügendes  Pflanzenmaterial  kosten- 
los verfügbar,  so  wird  man  dasselbe  benutzen;  muss  dasselbe  aber  erst  besonders  an- 
gezogen werden,  so  kommt  die  Art,  wie  dies  geschieht  (besondere  Forstgärten,  Anzucht 
unter  Schutzbeständen  etc.),  in  Betracht.  Bezüglich  der  Kulturausführung  ist  zu  er- 
wägen, ob  und  welche  Bodenvorbereitungen  nötig  sind.  Durch  solche  werden  insbe- 
sondere Saaten  oft  nicht  unbeträchtlich  verteuert,  während  nicht  minder  gewisse  Pflanz- 
verfahren (Hügelpflanzung  als  Beispiel)  an  umfängliche  Vorarbeiten  geknüpft  sind.  Die 
Aussaat  selbst  geht  meist  rasch  und  damit  ohne  grosse  Kosten  von  statten.  Jedenfalls 
ist  eine  Kultur  mit  älteren,  stärkeren  Pflanzen  immer  teuer  sowohl  hinsichtlich  der 
Beschaffung  der  letzteren  als  auch  in  Absicht  auf  die  Ausführung  der  Pflanzung,  w^äh- 
rend  sich  die  Pflanzung  mit  jungem,  schwachem  Material  unter  Wahl  eines  einfachen, 
rasch  fördernden  Verfahrens,  namentlich  auch  wegen  der  meist  hohen  Sicherheit  des 
Erfolgs,  oft  als  billige  Kulturmethode  darstellt.  Oertliche  Erfahrung  gibt  über  den 
für  Nachbesserungen,  Kulturpflege  (Bekämpfung  des  Unkrauts,  Abhaltung  schädlicher 
Tiere  etc.)  in  Aussicht  zu  nehmenden  Kostenaufwand  Aufschluss.  Ueberdies  ist  der 
üben  erwähnte  Altersvorsprung  einer  Pflanzung  jeweilig  mit  in  Rechnung  zu  bringen. 
—  d)  Die  für  die  Kultur  au  sführung  verfügbare  Zeit:  Da  dieselbe  oft 
(Gebirg,  rascher  Uebergang  vom  Winter  in  den  Sommer,  zweifelhafte  Witterung)  knapp 
bemessen  ist,  so  kann  die  Schnelligkeit  des  Vollzugs  für  die  Wahl  des  Verfahrens  mit- 
bedingend werden,  zumal  wenn  Arbeitskräfte  nicht  in  beliebiger  Zahl  zu  haben  wären. 
Etwaige  Bodenvorbereitung  kann  oft  schon  vor  der  eigentlichen  Kulturzeit  vorgenommen 


Die  Bestandesbegründnng.     §  19.  445 

werden,  wodurch  dann  in  der  kritischen  Zeit  das  Knltnrgeschäft  abgekürzt  erscheint. 
Die  Saat  ist  im  Hinblick  anf  den  Zeitaufwand  häufig,  aber  längst  nicht  immer  der 
Pflanzung  überlegen.  —  e)  Rücksicht  auf  gewisse  Nebennutzungen: 
Grasnutzung,  event.  auch  Viehweide,  ist  —  wenn  überhaupt  auf  die  durch  Entzug 
mineralischer  Nährstoffe  jedenfalls  schädliche  Entnahme  von  Futtergewächsen  abgehoben 
werden  will  —  in  Pflanzkulturen  im  allgemeinen  eher  ausführbar,  als  in  unregelmässig 
bestandenen  Saaten.  Jedoch  bieten  die  Zwischenstreifen  bei  Kiefernsaaten  oft  ebenso 
gute  Gelegenheit  zur  Entnahme  des  Grases.  Selbst  auf  dicht  stehenden  Nadelholz- 
Vollsaaten  lässt  sich  der  Auftrieb  von  Schafen  unter  Umständen  ohne  besondere  Schä- 
digung der  Kultur  bewirken.  —  f)  In  gewissen  besonderen  Fällen  des  Kul- 
turbetriebs, wie  z.  B.  Anlage  von  Alleen,  Hecken,  Uferbefestigungen,  Weiden- 
hegem,  wird  nur  Pflanzung  gewählt.  —  g)  Die  Massregeln  der  Bestandeserzieh- 
nng  (Durchforstungsbetrieb  insbesondere)  werden  durch  die  Methode  der  Bestandes- 
begründung, wenn  bei  letzterer  nicht  extreme  Verhältnisse  (z.  B.  besonders  weiter 
Pflanzverband  gegenüber  einer  engen  Saat)  vorliegen,  meist  nur  im  Jugendalter  der 
Bestände  in  beachtenswertem  Masse  beeinflusst;  zwar  macht  sich  ein  etwaiger  Unter- 
schied (grössere  oder  geringere  Schwierigkeit  einer  gleichmässigen  Schlagstellung  etc.) 
oft  auch  noch  in's  Stangenholzalter  hinein  bemerkbar,  verschwindet  aber  doch  in  diesem 
meistens  bald.  —  Im  Durchschnitt  aller  zu  beachtenden  Faktoren  ergibt  sich  vielleicht 
beim  Vergleich  von  Saat  und  Pflanzung  ein  kleines  Plus  zu  gunsten  der  letzteren. 
Aber  auch  hier  sind  die  zweifelhaften  Fälle  neben  denen,  deren  Entscheidung  einfach 
liegt,  so  zahlreich,  dass  von  Aufstellung  genereller  Kegeln  wiederum  Abstand  genom- 
men werden  muss. 

C.  Historisches. 

§  19.  Tatsächlich  ist  im  Hochwalde  die  natürliche  Verjüngung  vielfach  durch 
die  künstliche  Bestandesbegründung,  sowohl  durch  die  Saat  als  die  Pflanzung,  verdrängt 
worden  und  zwar  auch  in  Fällen,  in  welchen  natürliche  Verjüngung  recht  wohl  möglich 
wäre.  Der  Grund  liegt  hauptsächlich  in  der  relativ  hohen  Sicherheit  vieler  Methoden 
der  künstlichen  Verjüngung,  sowie  in  dem  Umstände,  dass  man  im  Falle  der  letzteren 
den  Vorgang  der  Bestandesbegründung  unabhängig  von  dem  mehr  oder  minder  zufälli- 
gen Eintreffen  gewisser  Vorbedingungen  (wie  der  Mast  für  natürliche  Besamung,  Vor- 
handensein eines  wenigstens  annähernd  normalen  Altholzbestandes  u.  s.  w.)  in  jedem 
beliebigen  Zeitpunkte  einleiten  und  durchführen  kann.  Dadurch  wird  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  grössere  Regelmässigkeit  und  rebersichtliehkeit  in  dem  ganzen  Verjüng- 
ungsbetriebe gewährleistet  und  hierdurch  vielfach  den  Interessen  auch  der  Forstein- 
richtung am  besten  entsprochen.  Insbesondere  hat  die  Pflanzung  bedeutend  an  Aus- 
dehnung gewonnen. 

Selbstredend  ist  die  natürliche  Verjüngung  die  älteste  Methode  der  Bestandes- 
begründung. Bis  in  die  zweite  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  flndet  man  ausser 
in  den  Fällen  absoluter  Notwendigkeit  (Blösenanbau  etc.)  künstlichen  Holzanbau  nur 
wenig,  hatte  auch  nach  Lage  der  Umstände  (Bedeutung  der  Jagd,  niedrige  Holzpreise 
u.  s.  w.)  keinen  Anlass,  für  Kulturen  besondere  Aufwendungen  zu  machen.  Mit  dem 
Vordringen  des  schlagweisen,  zunächst  des  Femelschlag-  und  Schirmschlag-Betriebes 
an  Stelle  des  reinen  Femelwaldes  kam  die  künstliche  Kultur,  wenn  auch  vorerst  nur 
als  Unterstützung  der  natürlichen  Verjüngung,  mehr  und  mehr  in  Aufnahme  und  er- 
langte endlich  im  Kahlschlagbetrieb  die  Herrschaft,  wobei  zunächst  wohl  die  oben  schon 
angedeutete  taxatorische  Rücksicht,  welche  in  dem  auf  Anbahnung  grösserer  Uebersicht 
und  Ordnung  in  der  ganzen  Wirtschaft  gerichteten  Streben  ihren  Ausdruck  flndet,  zu 


446  IV.  Lorey,  Waldbau. 

gansten  des  Kahlschlagbetriebs  als  massgebendes  Motiv  vor  den  rein  waldbanlichen 
Erwägungen  den  Vorrang  beanspruchte.  Ueberhaupt  hat  die  Forsteinrichtung  nicht 
selten  entschiedener,  als  es  ihr  zukam,  die  Führung  im  Wirtschaftsbetriebe  übernommen. 
Hie  und  da  ist  man  in  der  Wertschätzung  der  künstlichen  Bestandesbegründnng  ganz 
zweifellos  zu  weit  gegangen ;  man  liess  sich  yielenorts  mehr  und  mehr  zur  bedingungs- 
losen Verfolgung  dieser  einseitigen  Richtung  verleiten,  so  dass  mancherlei  wirtschaft- 
liche Missstände  nicht  ausbleiben  konnten,  und  es  ist  wohl  begreiflich,  wenn  man  in 
den  letzten  Jahrzehnten  vielfach  um  so  entschiedener  zur  natürlichen  Verjüngung  zu- 
rückgekehrt ist.  Dass  wir  uns  in  der  Gegenwart  einer  der  letzteren  günstigen  Strö- 
mung gegenüber  befinden,  erhellt  schon  aus  der  neueren  Waldbauliteratur,  z.  B.  den 
durch  manche  waldbauliche  Werke  (insbes.  G a y e r's  Waldbau,  Borggreve's  Holz- 
zucht u.  a.)  angeregten  Debatten,  sowie  aus  der  Behandlung  einschlägiger  Probleme 
in  einer  grossen  Reihe  von  Forstversammlungen  der  letzten  Jahrzehnte^®).  Selbstver- 
ständlich wird  dem  aufmerksamen  Beobachter  der  Umschwung  der  Anschauungen  auch 
im  W^alde  vielenorts  sofort  erkennbar.  Man  hat  sich  davor  zu  hüten,  dass  man  nicht 
von  einem  Extrem  in's  andere  fällt.  Da  übrigens  die  bezügliche  Diskussion  ebensosehr, 
wenn  nicht  vornehmlich,  dem  vierten  Abschnitt,  der  von  den  Betriebssystemen  handelt, 
angehört,  so  sei  näheres  Eingehen  auf  dieselbe  letzterem  überwiesen. 

II.  Reihenfolge  der  Kulturen. 

§  20.  Passende  Verteilung  der  einzelnen  Kulturarbeiten  auf  die  einzelnen 
Jahre  und  die  in  denselben  verfügbare  Zeit  ist  erforderlich.  Die  Kürze  der  Kul- 
turzeit, die  Beschaffenheit  des  Kulturraaterials  und  die  Rücksicht  auf  die  Arbeits- 
kräfte beschränken  den  Wirtschafter  oft  in  seinen  Dispositionen,  und  es  kommt 
bei  den  Anordnungen  über  die  Reihenfolge  der  vorzunehmenden  Arbeiten  darauf 
an,  diejenigen  zunächst  zu  bedenken,  welche  entweder  an  einen  bestimmten  Zeitpunkt 
gebunden  sind  oder  sich  als  die  für  den  Gesamtwirtschaftsbetrieb  wichtigsten  er- 
weisen. Im  allgemeinen  gilt  der  Grundsatz,  Nachbesserungen  tunlichst  bald  vorzu- 
nehmen, da  dieselben,  wenn  verschoben,  meist  nur  mit  grösseren  Kosten  und  oft  nur 
mit  geringerer  Aussicht  auf  Erfolg  ausgeführt  werden  können.  Dasselbe  gilt  von  der 
Einsprengung  von  Mischhölzern  in  die  Schläge.  Im  übrigen  ist  denjenigen  Kultar- 
flächen,  auf  welchen  Bodenversclilechterung  zu  befürchten  ist,  die  nächste  Sorge  zuzu- 
wenden, während  ausserdem  solche  Flächen  baldmöglich  mit  einem  vollkräftigen  Be- 
stände zu  versehen  sind,  welche  den  grössten  Zuwachs  versprechen,  deren  zeitweiliges 
Liegenlassen  also  den  grössten  Verlust  mit  sich  bringen  würde.  Eine  den  örtlichen  Um- 
ständen entsprechende  Verteilung  der  Arbeiten  auf  Herbst  und  Frühjahr  ist  besonders 
wichtig.  Man  beachte  überdies,  dass  manche  Holzarten  (Lärche  u.  a.)  verpflanzt  sein 
sollten,  bevor  sie  ihre  Knospen  öffnen,  während  mit  anderen  (Fichte)  noch  ohne  beson- 
deren Nachteil  kultiviert  werden  kann,  nachdem  sie  schon  kleine  Triebe  gebildet  haben  ^'). 
Im  allgemeinen  stellt  man  im  Frühjahr  gern  die  Pflanzungen  den  Saaten  voran. 

III.  Rücksichten  auf  den  Boden  und  die  Bestandeeerziehung. 

§  21.     Solche  sind  ad  B,  1,  e  (S.  442)  und  2,  b  und  g  (S.  444  und  445)  bereits 


36)  Vergl.  Bericht  über  die  XIII.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Frankfurt 
am  Main  1884  (Verlag  von  Sauerländer  1885),  insbes.  S.  48  ff.  Referat  von  Lorey  über 
das  Thema:  „In  welchem  Stadium  befindet  sich  dermalen  die  Frage  der  natürlichen  Ver- 
jüngung". Daselbst  sind  u.  a.  auch  eine  Anzahl  Aeusserungen  aus  der  neuesten  Literatur, 
sowie  aus  Versammlungs-Verhandlungen  angeführt. 

37)  Vergl.  Dr.  Walther,  „Wann  sollen  wir  die  Nadelhölzer  verpflanzen**?  Allg. 
F.-  u.  J.-Z.  Y.  1887,  S.  112  ff. 


Die  Bestandesbegründung.     §  22.  447 

angedentet.  Sie  finden  ihren  Ausdruck  in  dem  „Masse  der  Bestand esdichte'^, 
für  dessen  Wahl  übrigens  daneben  auch  Kücksichten  des  Forstschutzes,  der  Forstbe- 
nutzung, der  Rentabilität,  sowie  der  Betriebsart  bestimmend  sind.  Bodenpilege  und 
Bestandeserziehung  sind  nicht  zu  trennen,  da  erstere  für  eine  gute  Bestandesentwicke- 
lung  die  unerlässliche  Bedingung  ist. 

Im  allgemeinen  ist  möglichst  baldiger  Bestandesschluss  anzustreben,  insbesondere 
auf  trockenen,  mageren,  exponierten  und  zu  Unkrautwuchs  neigenden  Standorten.  Hier 
wird  man  also  in  der  Kegel  dichter  säen  und  pflanzen.  Man  wird  insbesondere  bei  der 
Kultur  mit  langsam  wüchsigen  Holzarten  auf  einen  von  vornherein  dichteren  Stand  der 
Pflanzen  abheben.  Das  nämliche  gut  als  Regel  vom  Hochwald  im  Vergleich  mit  be- 
stimmten Formen  des  Niederwalds,  wie  z.  B.  Eichenschälwald,  Kastanienstockschlägen, 
ebenfalls  mit  Rücksicht  auf  die  gewünschte  Bestandesentwickelung.  Vielfach  sind  auch 
die  Absatzverhältnisse  massgebend.  Kann  man,  wie  häufig  in  der  Nähe  grosser  Städte, 
auch  geringes  Zwischennutzungsmaterial  gut  verkaufen,  so  wird  ein  engerer  Stand  der 
Jangwüchse  unter  umständen  lohnend,  der  in  verkehrsarmer  Waldgegend  als  Ver- 
schwendung erscheinen  müsste.  Lebhafter  Handel  mit  Bohnenstecken  und  insbesondere 
Hopfenstangen  sind  Veranlassung,  auf  reichlichen  Anfall  dieser  Sortimente,  event.  durch 
dichtere  Pflanzung,  hinzuarbeiten.  Dichter  Stand  in  der  Jugend  liefert  überdies  ast- 
freie, gerade  und  vollholzige  Schäfte  ^®),  wogegen  freierer  Stand  ein  rascheres  Erstarken 
der  Einzelindividuen  zur  Folge  hat;  hierdurch  kann  unter  Umständen  die  grössere 
Massen-  und  Wertproduktion  bewirkt  werden.  Die  Beachtung  gewisser  Nebennutzungen, 
welche,  wie  z.  B.  Gras,  bei  lichterer  Stellung  reichlicher  anfallen,  spielt  meist  eine 
untergeordnete  Rolle. 

IV.  Beziehungen  zun  Forstschutz  und  zur  Forstbenutzung. 

§  22.  Unter  ersteren  mögen  die  Rücksichten  auf  Schneedruck  in  vorderster  Linie 
genannt  werden,  sofern  Jungbestände  vor  der  ersten  Reinigung  besonders  dann  hierunter 
zu  leiden  haben,  wenn  sie  sehr  dicht  geschlossen  erwachsen  und  infolge  dessen  die  ein- 
zelnen Pflanzen  nicht  gehörig  erstarkt  sind.  Im  weitern  Verlauf  hat  die  Bestandes- 
erziehung einzutreten  (zu  vergl.  u.  a.  dritter  Abschnitt  Kap.  1  u.  2).  Dagegen  bietet 
dichter  Stand  eine  gewisse  Sicherung  gegen  die  Beschädigungen  durch  Wild,  weil  datin 
(z.  B.  beim  Abäsen  und  Schälen  durch  Rotwild)  eher  zu  hoffen  ist,  dass  eine  zur  Be- 
standesbildung genügende  Anzahl  unbeschädigter  Pflanzen  übrig  bleibt.  Ausserdem  sind 
u.  a.  auch  die  Fragen  der  Aneinanderreihung  von  Kulturflächen,  des  zeitweisen  Liegen- 
lassens  derselben  ohne  Bebauung  mit  Rücksicht  auf  Insektenschäden  (Rüsselkäfer),  der 
Anzucht  frost-  und  hitzeempfindlicher  Holzarten  unter  Schutzbestand  solche,  durch 
welche  Bestandesbegründung  und  Forstschutz  in  Beziehung  zu  einander  treten. 

Die  Forstbenutzung  wird  insbesondere  beim  Holzemtebetrieb  berührt:  Fällung, 
Herausschaffen  des  Holzes  an  die  Schlagränder  u.  s.  w.  An  dieser  Stelle  sei  besonders 
hervorgehoben,  wie  wichtig  es  im  Sinne  leichten  Holztransportes  ist,  die  dafür  nötigen 
Wege,  soweit  sie  noch  fehlen,  bereits  bei  Vornahme  der  Kulturen,  wenigstens  in  Ge- 
stalt schmaler  Niveaupfade  vorzusehen.  Ist  die  Hege  herangewachsen,  so  bereitet  das 
Abstecken  der  Wege  oft  grosse  Schwierigkeiten,  während  die  Arbeit,  so  lange  man 
über  die  junge  Kultur  hinwegblicken  kann,  eine  leichte  ist. 


38)  Nicht  auch  längere!  Zu  vergl.  hierüber  u.  a.  von  Guttenberg:  „Ueber  den 
Einfluss  des  Bestandesschlusses  auf  den  Höhenwuchs  und  die  Stammform",  österr.  Viertel- 
jahrsschrift V.  1886,  S.  103  ff. 


448  IV.  Lorey,  Waldbau. 

V.  Ruoksichten  der  Forsteinriohtung. 

§  23.  Solche  kommen,  wie  bereits  früher  angedeutet  wurde,  einmal  in  Betracht 
bei  der  Wahl  zwischen  künstlicher  und  natürlicher  Verjüngung  und  zwar  als  Bezieh- 
ungen, welche  in  der  Hauptsache  durch  die  Wahl  der  Betriebsart  vermittelt  werden; 
sodann  bei  der  Schlaganlage,  also  bei  der  Eeihenfolge,  in  welcher  die  einzelnen  Be- 
stände in  Verjüngung  zu  nehmen  sind.  Die  bezüglichen  Momente  sind  in  der  Forst- 
einrichtung des  Näheren  zu  eröi*tem.  In  erster  Linie  wird  dabei  neben  der  Beschaffen- 
heit der  Bestände  (Weiserprozent)  die  Sturmgefahr  (Verjüngung  der  herrschenden 
Windrichtung  entgegen,  Deckung  durch  vorliegende  Bestände,  event.  zeitige  Ijoshiebe), 
dann  aber  auch  der  Holzabsatz  (Verteilung  desselben  auf  verschiedene  Orte  eines  Reviers, 
gleichmässig  leichte  Bedarfsbefriedigung  für  umwohnende  Konsumenten  etc.),  die  Be- 
weglichkeit der  ganzen  Wirtschaft  (Operieren  mit  einer  Mehrzahl  kleinerer  Objekte, 
zahlreiche  Hiebszüge)  u.  s.  w.  massgebend. 

Zweites  Kapitel. 

Natürliche  Bestandesbegrtlndung. 

Vorbemerkung.  Die  allgemeinen  Gründe  für  und  gegen  natürliche  Verjüngung  sind 
im  ersten  Kapitel  dieses  Abschnitts  ad  I,  B,  1  (§  17)  angegeben  worden.  Die  Vorfrage 
lautet  immer:  ist  die  Bestandesbegrtindung  auf  natürlichem  Wege  überhaupt  möglich? 
Aus  der  Bejahung  folgt  dann  aber  noch  keineswegs,  dass  sie  auch  rätlich  sei.  Die^ellK' 
etwa  durch  überlanges  Abwarten  erzwingen  zu  wollen,  wäre  ein  ebenso  grosser  Fehler, 
wie  der  Verzicht  auf  dieselbe  da,  wo  sie  uns  ohne  besondere  Kosten  einen  guten  Nach- 
wuchs oder  gar  Bestände  liefern  würde,  welche  den  auf  andere  Weise  begründeten  über- 
legen sind. 

A.  Naturliche  Verjüngung  durch  Samen. 

I.  Kahlschlag  mit  Randbesamung. 

§  24.  Die  Mutterbäume,  in  geeigneter  Zahl  und  Beschaifenheit ,  insbesondere 
also  im  samenfähigen  Alter  —  (Mannbarkeit;  bei  jeder  natürlichen  Samen  Verjüngung 
am  besten  weder  zu  früh,  d.  h.  so  lange  die  Bäume  schwach  und  unregelmässig  fruk- 
tifizieren,  noch  erst  sehr  spät  im  überhaubaren  Alter  benutzt,  wo  dann  die  räumlichere 
Stellung  im  Verein  mit  Boden  Verwilderung  oft  ein  Hindernis  für  normale  Verjüngung 
bietet)  —  stehen  seitlich  an  der  Verjüngungsfläclie.  Man  erwartet  das  üeberfliegen 
der  Samen  auf  dieselbe,  was  aber  nur  für  leichte,  besonders  für  beflügelte  Samen  (Na- 
delhölzer, Ahorn,  Esche,  Hainbuche),  mit  hinreichender  Sicherheit  zu  unterstellen  ist. 
Ueberdies  dürfen  jedesmal  nur  schmale  Absäumungen  am  Rande  des  Samenbestandes 
(in  der  Windrichtung,  damit  der  Samen  vom  Winde  der  Kahlfläche  zugetragen  wird; 
am  Hang  womöglich  von  oben  nach  unten)  stattfinden ;  meist  stellt  sich  eine  ungleich- 
massige  Ansamung  auf  der  Fläche  ein.  Schwierigkeiten  entstehen  durch  inzwischen 
angesiedelte  Unkräuter,  Stockausschläge  (oft  recht  hinderlich!)  u.  s.  w. ;  gleichwohl 
ündet  man  diese  Ai*t  der  Verjüngung  hie  und  da  in  kleinem  Umfange  mit  Erfolg  durch- 
geführt, wenn  die  Erfahrung  ihre  Zulässigkeit  nachgewiesen  hat  oder  wenn  die  Um- 
stände den  Aufwand  für  künstliche  Kultur  nicht  gestatten,  während  man  doch  (etwa 
aus  Rücksichten  der  Holzbringung)  von  dem  Kahlhieb  nicht  absehen  möchte.  Nach- 
besserung mittels  künstlicher  Kultur  ist  oft  erforderlich.  Von  grösserer  Bedeutung 
wird  diese  Art  der  Verjüngung  nicht  oft. 

Als  ein  Spezialfall  der  Randbesamung  sind  diejenigen  sog.  Kulissenhiebe  zu 
betrachten,  bei  welchen  zum  Zweck  der  Verjüngung  streifenweise  abwechselnd  10 — 30  m 


Die  Bestalldesbegründung.     §  25.  449 

breite  Kablbiebe  geführt  and  Bestandesteile  dazwischen  stehen  gelassen  werden.  Von 
letzteren  ausgehend  soll  die  Besamung  der  Kahlstreifen  stattfinden.  Dass  dies,  wenn 
Mastjahre  und  günstige  Witterung  zu  rechter  Zeit  eintreten,  sowie  Unkrautwuchs,  Boden- 
verödung  etc.  nicht  hinderlich  wird,  mit  Erfolg  geschehen  kann,  ist  zuzugeben.  Ebenso 
sicher  ist  aber  auch,  dass  die  geschlossen  bleibenden  Bestandespartien,  welche  mit  Rück- 
sicht auf  die  Bewegung  des  Samens  meist  mit  der  Breitseite  dem  Winde  entgegenstehen, 
oft  der  Sturmgefahr  preisgegeben  und  überdies  in  sich  zunächst  nicht  mit  den  Bedingungen 
einer  guten  Naturbesamung  ausgestattet  sind ;  selbst  wenn  man,  um  gleichzeitig  mit  der  von 
ihnen  ausgehenden  Randbesamung  für  sie  selbst  zu  sorgen,  einen  normalen  Samenschlag  aus 
ihnen  stellen  wollte,  wäre  das  Resultat  ungewiss.  Es  wäre  u.  a.  fraglich,  ob  das  erzeugte 
Samenquantum  für  die  Gesamtüäche  ausreichen  würde.  Kommt  nun  hinzu,  dass  tatsäch- 
lich die  Kulturerfolge  mittelst  der  Kulissenhiebe  auch  bezüglich  der  Kahlstreifen  vielfach 
nicht  befriedigen  (Mangelhaftigkeit  insbes.  an  den  Rändern,  Holzabfuhr,  Insekten  u.  s.  w.), 
so  bleibt  ein  Grund,  dieselben  zu  empfehlen,  kaum  übrig,  man  geht  vielmehr  besser  ent- 
weder vollständig  zur  Freikultur  oder  zur  Samenschlagstellung  für  die  ganze  Fläche  über. 

Mit  anderen  hat  namentlich  Borggreve  —  Holzzucht  S.  126  ff.  —  auf  Grund 
der  Beobachtung,  dass  man  während  der  letzten  10 — 20  Jahre  in  den  norddeutschen  Kiefer- 
ebenen mehrfach  in  grösserem  Umfang  dem  Kulissenhieb  in  der  Praxis  der  Kiefern  Verjüngung 
Raum  gewährt  habe,  sehr  energisch  gegen  denselben  Front  gemacht.  —  Zu  vergleichen  übri- 
gens Danckelmanns  Bemerkungen  hierzu,  Zeitschr.  f.  F.-  u.  Jagdwesen,  S.  66  ff.  von  1887.  — 

Der  Kampf  gegen  die  Kulissenschläge  wird  nicht  sowohl  in  erster  Linie  gegen  die 
vorstehend  geschilderten  Hiebsführungen  unternommen,  bei  welchen  ausschliesslich  oder 
doch  ganz  vorwiegend  durch  Randbesamung  die  Wiederbestockung  erwartet  wird,  sondern 
allgemein  gegen  das  Prinzip  derartiger  Wechselstellung  von  Kahlfläche  und  Bestandes- 
streifen, also  insbes.  auch  dann,  wenn,  wie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  künstliche  Kultur, 
z.  B.  Pflanzung  mit  1jährigen  Kiefern  auf  vielen  preussischen  Kulissenschlägen  (z.  B. 
Regierungsbezirk  Bromberg),  alsbald  erfolgt.  Von  anderer  Seite  werden  dieselben  in  Schutz 
genommen ,  wenigstens  für  bestimmte  Verhältnisse  (cfr.  z.  B.  L  j  o  1 1  w  e  g  in  der  Zeit- 
schrift für  Forst-  und  Jagdwesen  1901,  S.  323  ff.).  Wenn  nun  auch  die  Kulissenver- 
jüngung durch  künstliche  Kultur  eigentlich  an  anderer  Stelle  besprochen  werden  sollte,  so 
möge  doch  die  ganze  Kulissenfrage  hier  ihre  Erledigung  finden.  Es  handelt  sich  zumeist 
um  Kulissen  im  Kiefernwald  der  norddeutschen  Ebene,  auf  ärmeren  Sandböden,  oft  bei 
sehr  geringen  atmosphärischen  Niederschlägen,  bei  grosser  Ausdehnung  der  zu  verjüngen- 
den Flächen,  woselbst  mit  grossen,  weithin  sich  erstreckenden  Kahlschlägen  oft  schlechte 
Erfolge  erzielt  worden  sind.  Hier  hat  man  (zumal  in  1883 — 1897)  vielfach,  nach  sorg- 
fältig erwogenem  Plane,  40 — 70  m  breite  Kulissenhiebe  geführt  und  die  Flächen  bepflanzt, 
da  auf  durchgehends  natürliche  Verjüngung  der  Schläge  nicht  zurückgegriffen  werden  wollte. 
Einige  Wuchsbehinderung  durch  Beschattung  und  Rückstrahlung  an  den  Rändern  sei  zwar 
erfolgt ;  RandlichtuQg  mindert  diese  Schädigung.  Schütte,  Insektenschäden,  Windwurf  seien 
nicht  gesteigert,  auch  Fällungsschwierigkeiten  ergeben  sich  nicht ;  vielfach  seien  einwand- 
freie Jungwüchse  entstanden. 

Aus  diesen  Andeutungen  ergeben  sich  ganz  klar  die  einzelnen  Einwendungen,  welche 
(zum  Teil  auch  oben  schon)  gegen  die  Kulissenhiebe  erhoben  werden.  Als  allgemein  an- 
zuwendende Form  der  Verjüngung  kann  man  sie  um  so  weniger  empfehlen,  da  man  mit 
Schmalschlägen,  über  welche  später  (unter  der  Rubrik  „Kahlschlagbetrieb")  zu  sprechen 
ist,  in  vollkommen  wirksamer  Weise  den  Nachteilen  grosser  Kahlhiebe  vorbeugen  kann. 

II.  Die  Mutterbäume  stehen  auf  der  Verjüngungsfläche. 
§  25.  1.  Allgemeines.  Die  Mutterbäume  dienen  nicht  nur  der  Begründung 
des  neuen  Bestandes  durch  ihren  Samenabfall,  sondern  beschirmen  auch  den  jungen 
Aufschlag.  Wesentlich  von  dem  Einfluss  dieser  Ueberschirraung  hängt  es  ab,  ob  man 
von  der  Eigenschaft  der  Altholzstämme,  Samen  auszustreuen,  überhaupt  Gebrauch  machen 
will  oder  nicht.     Jener  Einfluss  lässt  sich  aber  folgend ermassen  definieren  ^^) :  Er  trifft 

39)  Zu  vergl.  Borggreve,  „Holzzucht"  S.  74  ff*.  Daselbst  findet  sich  eine  sehr 
vollständige  Andeutung  der  Einzelmomente,  welche  zur  „Gesamtwirkung  der  Beschirmung* 
zusammentreten.  Der  Vielgestaltigkeit  der  Kombinationen  gegenüber  ist  eine  allseits  er- 
schöpfende Behandlung  kaum  denkbar.  Immerhin  lassen  sich  gewisse,  stets  wiederkehrende 
and  allgemein  festzuhaltende  Gesichtspunkte  nicht  schwer  gewinnen. 

Hftndbuoh  d.  Fontw.    2.  Aufl.    I.  29 


450  IV.  Lorey,  Waldbau. 

den  Boden  und  trifft  die  den  Boden  bekleidenden  Pflanzen,  in  specie  also  auch  die 
Holzpflanzen,  auf  deren  Nachzucht  wir  abheben.  Ueberdies  wird  das  Tierleben  auf  der 
Kultnrfläche  durch  das  Vorhandensein  eines  Kronenschirms  von  Mutterbäumen  berührt. 
1.  Der  Boden.  Im  grossen  und  ganzen  ist  der  Einfluss  der  Ueberschirmung  gänsti«!:, 
es  sei  denn  in  sehr  nassen  Lagen,  deren  Wasseriiberschuss  beseitigt  werden  muss.  In 
Betracht  kommen  hauptsächlich  die  W^irknngen  der  Sonne,  der  atmosphärischen  Nieder- 
schläge, der  Winde,  und  zwar  sämtlich  in  Absicht  auf  Bodenwärme  und  Bodenfeuchtig- 
keit (und  damit  im  Zusammenhang  auf  Humuszersetzung  u.  s.  w.).  Der  Kronenschirm 
der  Mutterbäume  hält  Sonnenstrahlen  vom  Boden  ab,  hindert  die  intensive  Erwärmung, 
aber  auch  die  Austrocknung  desselben.  Ebenso  wird  durch  die  Baumkronen  ein  Teil 
der  atmosphärischen  Niederschläge  vom  Boden  femgehalten;  der  Zutritt  des  Windes 
zum  Boden  ist  gehemmt,  wodurch  dem  letzteren  die  Feuchtigkeit  besser  bewahrt  bleibt. 
—  2.  Die  jungen  Holzpflanzen.  Zu  Sonne,  Niederschlag  und  Wind  gesellen 
sich  als  wirkende  Faktoren  die  Wärmeausstrahlung  gegen  den  Luftraum,  der  Anspruch 
des  Oberstandes  an  das  Nährstoffkapital  des  Standorts,  die  Unkräuter  und  die  Tiere. 
a)  Die  Sonne  wirkt  durch  Licht  und  Wärme.  Wie  sich  diese  beiden  in  die  Ge- 
samtleistung teilen,  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt.  Jedenfalls  kommt  aber  in 
physiologischer  Beziehung  dem  Licht  ein  ganz  hervorragender  Anteil  an  der  Sonnen- 
arbeit zu.  Im  Licht,  wenn  auch  nicht  in  der  grellsten  Beleuchtung,  wachsen  unsere 
Holzpflanzen  sämtlich  besser  als  im  Schatten  oder  Halbschatten,  vorausgesetzt,  dass 
alles  zu  ihrer  freudigen  Entwickelung  Nötige,  also  namentlich  Wasser,  in  genügender 
Menge  vorhanden  ist,  durch  welches  die  austrocknende  Wirkung  (starke  Verdunstung  etc.) 
der  zugleich  mit  dem  Licht  tätigen  Sonnenwärme  paralysiert  wird,  b)  Wenn  die  at- 
mosphärischen Niederschläge  den  Holzpflanzen  durch  den  Kronenschirm  zum  Teil 
entzogen  werden,  so  ist  zwar  diese  Wirkung  nicht  ganz  allgemein  als  eine  nachteilige 
zu  bezeichnen,  ja  sie  kann  in  längeren  Regenzeiten  (z.  B.  auf  kalten,  undurchlassenden 
Tonböden)  als  eine  günstige  angesehen  werden.  Immerhin  aber  muss  in  sehr  vielen 
Fällen,  in  welchen  die  Rätlichkeit  einer  natürlichen  Verjüngung  bezweifelt  wird,  wie 
z.  B.  für  die  Kiefer  auf  Sandboden,  die  Zurückhaltung  der  atmosphärischen  Nieder- 
schläge durch  die  Baumkronen  zu  den  bedenklichen  Umständen  der  Ueberschirmung 
gerechnet  werden.  Entscheidend  ist  der  Wasserbedarf  der  nachzuziehenden  Holzart 
und  hier  wieder  die  Frage,  ob  in  den  kritischen  Zeiten  längerer  Trockenheit  über- 
haupt nur  durch  einen  Schirmstand  oder  in  welchem  Masse  etwa  durch  einen  solchen 
besser  für  die  Erhaltung  der  nötigen  Feuchtigkeit  gesorgt  wird.  Dass  im  allge- 
meinen unter  einem  noch  nicht  sehr  stark  gelichteten  Kronenschirm  der  Mutterbäume 
mehr  Feuchtigkeit  verfügbar  und  damit  die  Gefahr  durch  Trockenheit  geringer  ist, 
darf  wohl  als  wahrscheinlich  angenommen  werden,  c)  Der  WM  n  d  wirkt  auf  die  Holz- 
pflanzen austrocknend,  d)  Die  Wärmeausstrahlung  kommt  einmal  in  Betracht 
wegen  der  Spätfröste  (klarer  Himmel,  ruhige  Luft),  sodann  wegen  der  Taubildung. 
Die  Wirkung  des  Kronenschirms  ist  ersteren  gegenüber  unzweifelhaft  günstig  (jeden- 
falls eines  der  wichtigsten,  für  viele  Lokalitäten  das  entscheidende  Moment),  wogegen 
die  Beeinträchtigung  der  Taubildung  nachteilig  ist.  e)  Die  Beteiligung  der  Mutter- 
bäume und  andererseits  der  Forstunkräuter  am  Nährstoffkapital  des  Stand- 
orts (Wurzel-  und  Luftraum)  muss ,  sobald  eine  gewisse  Grenze  überschritten  wird, 
den  jungen  Holzpflanzen  nachteilig  werden.  Geht  man  davon  aus,  dass  der  noch  ge- 
schlossene Altbestand  alles,  was  an  Nährstoffen  verfügbar  ist,  für  sich  ausnutzt,  so 
gestattet  erst  eine  Durchlichtung  desselben  die  Entwickelung  eines  Jungwuchses ;  doch 
genügt  hiefür  (d.  h.  nur  im  Sinne  unmittelbarer  Ernährung)  zunächst  eine  sehr  massige 
Schlussunterbrechung.     Alsbald  tritt  dabei  auch  die  Konkurrenz  seitens  der  Forstun- 


Die  Bestandesbegründung.     §  2ö.  451 

kränter  anf,  welche  bei  jeder  stärkeren  Lichtnng,  aaf  gutem  wie  auf  schlechtem  Boden, 
bedenklich  werden  können.  Durch  Bescbirmung  lassen  sich  viele  derselben  —  Ausnahmen : 
z.  B.  die  Heidelbeere  —  bekämpfen.  Dass  die  schädigende  Wirkung  der  Unkräuter, 
ausser  auf  der  Inanspruchnahme  der  Nährstoffe  und  insbesondere  der  Feuchtigkeit  des 
Bodens,  auch  auf  der  Beschattung  (Verdammung)  der  Holzpflanzen  durch  dieselben  be- 
ruht, ist  unzweifelhaft ;  in  welchem  Masse  das  eine  oder  das  andere  der  Fall  ist,  kann 
überhaupt  nicht  und  am  wenigsten  allgemein  angegeben  werden  *'^).  Je  nach  der  Art 
und  Menge  des  Unkrautes  kann  dasselbe  den  Schutz  der  Holzpflanzen  gegen  Frost, 
Austrocknung  etc.  übernehmen,  f)  Bezüglich  schädlicher  Tiere  ist  an  die  durch  Ueber- 
schirmung  geminderte  (event.  verhütete)  Gefahr  durch  Mäuse,  Engerling,  Küsselkäfer 
zu  erinnern.  Bodenfrische  unter  dem  Schirm  von  Mutterbäumen  fördert,  wenn  die 
nötige  Wärme  nicht  fehlt,  die  regelmässige  Streuzersetzung,  die  höchst  wirksame  Ar- 
beit der  Regenwürmer  u.  s.  w. 

Nach  vorstehenden  Andeutungen  scheint  es,  als  ob  der  Kronenschirm  der  Mutter- 
bänme  im  grossen  und  ganzen,  bezw.  in  den  weitaus  meisten  Fällen  der  Entwickelung 
des  Jungwuchses  förderlich  sei,  d.  h.  es  würde  hieraus  die  natürliche  Verjüngung  als 
Regel  zu  folgern  sein;  immerhin  kann  der  Freihieb  durch  vermehrte  Niederschläge, 
Taubildung,  Licht  und  Wärme  im  speziellen  Falle  günstig  wirken.  Man  hat  also  zu 
erwägen,  welche  Momente  jeweils  die  wichtigsten  sein  werden,  bezw.  welche  derselben 
in  dem  allein  entscheidenden  Gesamteffekt  der  Beschirmung,  in  welchem  die  vielgestal- 
tigsten EinzelwLrkungen  vereinigt  sind,  nach  Lage  der  Umstände  voraussichtlich  einen 
vorwiegenden  Einfluss  äussern  werden. 

Die  ganze  Frage  ist,  wie  S.  442  schon  angedeutet  wurde,  überhaupt  nur  hinsicht- 
lich eines  Teils  unserer  Holzarten  eine  kritische,  sofern  bei  Tanne  und  Buche  kaum 
jemand  ohne  Not  von  der  natürlichen  Verjüngung  Abstand  nehmen  wird,  während  man 
manche  andere  Holzarten,  zumal  so  entschieden  lichtbedürftige  wie  die  Lärche,  meist 
durch  Pflanzung  an  die  Orte  bringen  wird,  wo  man  ihrer  bedarf.  Auch  die  Eichen, 
Esche,  Ahorne  sind  keine  für  die  allgemeine  Entscheidung  —  pro  oder  contra  natür- 
liche Verjüngung  —  massgebenden  Holzarten,  schon  wegen  des  im  ganzen  nicht  grossen 
Gebietes,  in  welchem  sie  wirklich  in  der  Wirtschaft  führende  Holzarten  sind.  Dagegen 
liegt  bei  der  Fichte  die  Frage  kritisch.  Bei  ihr  hat  man  vielfach  die  Möglichkeit  der 
natürlichen  Verjüngung,  und,  wo  man  von  letzterer  abgeht,  könnte  die  Angabe  der 
Gründe  dafür  gefordert  werden.  Die  weitaus  erheblichsten  Zweifel  aber  gegenüber  der 
auf  natürliche  Verjüngung  gerichteten  Forderung  treten  uns  bei  der  Kiefer  entgegen, 
deren  Jungwüchse  im  allgemeinen  keines  besonderen  Schutzes  gegen  Frost  und  Hitze 
bedürfen  und  sich  im  vollen  Lichtgenuss  unzweifelhaft  freudiger  entwickeln  als  unter 
einem  nur  einigermassen  dichten  Kronenschinn.  —  Alles  Nähere  über  die  einzelnen 
Holzarten  im  4.  Kapitel  dieses  Abschnittes. 

In  Bezug  auf  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  sei  nur  wiederholt  daran  erinnert,  dass 
allein  in  der  Durchführbarkeit  einer  natürlichen  Verjüngung  deren  vollgiltige  Motivierung 
noch  nicht  liegen  kann;    dieselbe  darf  vielmehr,  um  gerechtfertigt  zu  erscheinen,  keinen- 


40)  Was  die  Unkräuter  an  Nährstoffen  verbrauchen,  kommt  nicht  aus  dem  Wald, 
sondern  wird  nur  zeitweise  gebunden.  Die  „ Wurzelkonkurrenz "  spielt  unzweifelhaft  wesent- 
lich mit,  wirkt  aber  sicherlich  nicht  allein.  Adlerfarn  holt  z.  B.  seine  Nahrung  aus  einer 
Tiefe,  zu  welcher  die  Wurzeln  junger  Holzpflanzen  längst  nicht  hinuntergehen  und  bildet 
für  deren  Gedeihen  gleichwohl  oft  ein  bedeutendes  Hindernis.  Ob's  der  Schatten  an  sich  ist, 
der  schädlich  wirkt  ?  doch  vielleicht !  Unsere  Pflanzenphysiologen  vermögen  in  dieser  Frage 
auf  Grund  des  jetzigen  Standes  ihrer  Wissenschaft  noch  nicht  zu  behaupten:  „so  oder  so 
ist's,  anders  kann's  nicht  sein".  Da  haben  wir  Forstleute  gewiss  auch  Grund  zur  Vorsicht 
in  unserem  Urteil! 

29* 


452  IV.  Lorey,  Waldbau. 

falls  weniger  leisten  als  die  künstliche  Bestandesbegrflndung ,  und  als  Massstab  dient  die 
Gesamtwertserzeugung  auf  gegebener  Fläche  unter  voller  Berücksichtigung  des  Faktors 
„Zeit",  bezw,  Umtriebszeit.  Dies  sei  hauptsächlich  deshalb  nochmals  betont,  weil  neuer- 
dings mehrfach  für  längeres  Warten  auf  natürliche  Besamung  (bes.  im  Kiefernschirmschlag) 
plaidiert  wird,  indem  für  zeitweiliges  Fehlschlagen  derselben  auf  den  Lichtungszuwachs 
am  Oberstand  als  einen  genügenden  Ersatz  hingewiesen  wird.  Ist  dieses  bewusste,  lange 
Zuwarten  gleichbedeutend  mit  Verlängerung  der  Umtriebszeit  über  die  normale  Dauer 
hinaus  —  (ob  dieselbe  an  sich  hoch  oder  niedrig  bemessen  ist,  kommt  dabei  nicht  in  Be- 
tracht) — ,  so  ist  es  allgemein  zu  verwerfen ;  denn  ebenso  wenig,  wie  der  Wald  der  Um- 
triebszeit wegen  da  ist,  darf  die  Ordnung  und  Uebersichtlichkeit  und  die  in  einer  irgend- 
wie, aber  doch  jedenfalls  immer  unter  Berücksichtigung  aller  nach  der  Auffassung  des 
Wirtschafters  bezw.  Waldbesitzers  massgebenden  Faktoren,  bestimmten  Umtriebszeit  ihren 
Ausdruck  findende  höchste  Kentabilität  geopfert  werden  der  natürlichen  Verjüngung  zu- 
liebe. Wo  letztere  gar  nur  zweifelhaften  Erfolg  verspricht,  darf  nicht  bloss  die  künst- 
liche Verjüngung  unter  Schirmstand,  sondern  auch  der  Kahlschlag  in  vielen  Fällen  die 
Konkurrenz  ganz  beruhigt  aufnehmen.  Die  Losung:  „Fort  mit  jedem  Kahlschlag"!  ist 
jedenfalls  als  eine  einseitige  Auffassung  waldbaulicher  und  gesamtwirtschaftlicher  Verhält- 
nisse anzusehen  und  beruht  auf  weitgehender  Nichtbeachtung  umfangreicher  wirtschaft- 
licher Erfolge,  wie  sie  tatsächlich  doch  auch  mit  dem  Kahlschlage  erzielt  sind ! 

Die  natürliche  Verjüngung  durch  einen  auf  der  Fläche  stehenden  Mutterbe^stand 
scheidet  sich  in  die  drei  charakteristischen  Formen  des  Schirraschlagbetriebs  *^),  Femel- 
schlagbetriebs  und  Femelbetriebs. 

Die  Charakteristik  dieser  3  Betriebsarten  findet  sich  im  IV.  Abschnitte.  An 
dieser  Stelle  genügt  zum  Verständnis  die  Bemerkung,  dass  der  Schirmschlagbe- 
trieb die  Verjüngung  auf  grösserer  Fläche  gleichzeitig  und  gleichmässig  in  Angriff 
nimmt  und  womöglich  (grundsätzlich  wenigstens)  mit  Hilfe  einer  einzigen  Mast  durch- 
führt, so  dass  ein  gleichalter  und  gleichartiger  Jungbestand  ersteht ;  dass  dagegen  der 
Femelschlagbetrieb  zunächst  über  die  zu  verjüngende  Fläche  hin  zerstreute 
Verjüngungszentren  schafft,  diese  durch  noch  nicht  angegriffene  Teile  des  Altbestandes 
getrennten  Partien  zuerst  verjüngt  und  von  ihnen  aus  allmählich  unter  Benutzung 
einer  Reihe  aufeinanderfolgender  Samenjjihre  ringsum  vorschreitet,  stets  neue  Angriffs- 
orte einschaltet,  so  nach  und  nach  den  ganzen  Bestand  aufrollt.  Der  Benutzung  ver- 
schiedener Masten  entsprechend  ist  der  Jungbestand  ans  ungleichalterigen  Gruppen  und 
Horsten  zusammengesetzt,  die,  dem  Verjüngungsgange  gemäss,  nicht  mit  steilen  Rän- 
dern aneinanderstossen ,  sondern  gewissermassen  in  einander  überfliessen  sollen.  Im 
Femelwalde  endlich  stehen  alle  Altersklassen  auf  der  Flächeneinheit  untereinander, 
die  Verjüngung  knüpft  sich  jeweils  an  den  Aushieb  einzelner  Stämme  bezw.  Gruppen 
von  solchen;  bis  alle  Teile  des  Bestandes  durch  neue  ersetzt  sind,  vergeht  die  ganze 
Umtriebszeit,  alle  Samenjahre  während  derselben  tragen  dazu  durch  Lieferung  von 
Jungwüchsen  bei;  der  neue  Bestand  enthält  wiederum  alle  Altersklassen. 

§  26.  2.  DieVerjüngung  im  Schirm  schlagbetrieb.  Die  einzelnen 
Stadien  derselben  lassen  sich  so  charakterisieren,  dass  zunächst  einige  Zeit  vor  dem 
Abtriebsalter  {:=  normale  Umtriebszeit  =  Jahr  der  Schlagbesamung,  wenn  alles  ganz 
normal,  bezw.  schematisch  verläuft),  die  üeberführung  des  bis  dahin  regelmässig  durch- 
forsteten Vollbestandes  in  den  Zustand  etwas  stärkerer  Kronendurchlichtung  erfolgt 
—  Vorbereitungshieb,  Vorhiebsschlag,  Vorlichtungen ;  dass  dann  unmittelbar  zum  Zweck 
der  Besamung  ein  weiterer  Eingriff  in  die  Bestandsmasse  stattfindet  —  Samenschlag; 
endlich  dass  nach  eingetretener  Besamung,  je  der  Entwickelung  des  jungen  Aufschlags 
oder  Anflugs  entsprechend,  die  Mutterbäume  (früher  oder  später,  langsamer  oder  rascher) 
entfernt  werden  —  Auslichtungsschlag,   Schlagabräumungen  oder  Nachlichtungshiebe. 

41)  Femelschlagbetrieb  Heyers;  cfr.  diesen  Abschnitt,  1.  Kap.  I,  A,  2. 


Die  BestandesbegrOndung.     §  26.  453 

Man  geht  also  von  einem  bestimmten  Jahre  aus,  in  welchem  man  die  Besamung 
wünscht*^).  Die  zum  Zweck  der  Verjüngung  auszuführenden  Massnahmen  umfassen 
dann  sowohl  vor  als  nach  diesem  Zeitpunkt  eine  Reihe  von  Jahren,  welche  man  in 
ihrer  Gesamtheit  den  „Verjüngungszeitraum"  nennt.  Der  erste  Eingriif  in 
den  Bestand,  welcher  unmittelbar  dazu  bestimmt  ist,  die  Verjüngung  einzuleiten,  be- 
zeichnet den  Anfangs-,  der  Hieb  des  letzten  Mutterbaumes  den  Endpunkt  jenes  Zeit- 
raums. Die  Fällungen  während  desselben  erstrecken  sich  auf  haubares  Holz.  Der 
Verjüngungszeitraum  ist  je  nach  den  örtlichen  Bedingungen  bald  länger  bald  kürzer. 
Die  geringste  Dauer  desselben  ist  durch  die  Häufigkeit  der  Mastjahre  (Fruchtbarkeits- 
zeitraum)  in  Verbindung  mit  der  Länge  der  Zeit,  während  welcher  der  Jungwuchs  des 
Schutzes  der  Mutterbäume  bedarf,  gegeben;  eine  Erstreckung  desselben  ist  insoweit 
möglich,  als  der  Nachwuchs  die  üeberschirmung  in  bestimmtem  Masse,  ohne  Not  zu 
leiden,  noch  verträgt.  Eine  solche  Ausdehnung  des  Ueberhaltens  von  Mutterbäumen 
über  das  den  besten  Verlauf  des  Verjüngungsprozesses  garantierende  Mass  hinaus  findet 
ihre  Begründung,  wo  sie  beliebt  wird,  ausserhalb  des  Gebietes  des  Waldbaues  (z.  B. 
längerer  Bezug  eines  Lichtungszuwachses  an  den  Mutterbäumen,  Verteilung  der  Fällungen, 
Ausstattung  der  Perioden  etc.).  Diejenige  Holzart,  bei  welcher  sich  der  scharf  ausge- 
prägte Scbirmschlagbetrieb  —  in  Bayern  neuerdings  vielfach  „Dunkel schlagbetrieb" 
genannt,  was  als  glückliche  Bezeichnung  nicht  gelten  kann)  —  am  häufigsten  findet, 
ist  die  Rotbuche. 

a).  Der  Vorbereitungsschlag.  Der  Uebergang  aus  den  Durchforstungen 
in  den  Vorbereitungshieb,  bezw.  in  die  Vorbereitungshiebe  —  (denn  sehr  oft,  ja  meist 
w^erden  die  bezüglichen  Fällungen  nicht  auf  einmal  vorgenommen)  —  kann  ein  allmäh- 
licher sein.  Manchmal  wird  er  geradezu  durch  das  Mass  auch  der  stärksten  Durch- 
forstungen überschreitende  Lichtungshiebe  vermittelt,  so  dass  dann  die  scharfe  Grenze 
ganz  fortfällt.  Andererseits  kommen  Fälle  vor,  in  welchen  die  Besamung  erfolgt,  ohne 
dass  Lichtungshiebe  oder  eigentlicher  Vorbereitungsschlag  dieselbe  eingeleitet  haben; 
sie  vollzieht  sich  aus  dem  noch  geschlossenen  Bestände  heraus.  Dann  spricht  man  von 
einer  „Verjüngung  aus  vollem  Ort".  Der  Zweck  des  Vorbereitungshiebs  ist,  die  für 
die  Besamung  besten  Bedingungen  herzustellen  und  zwar  in  Absicht  auf  den  Boden 
sowohl  wie  auf  den  Bestand.  Der  letztere  soll  so  beschaffen  sein,  dass  er  im  Moment 
der  Besamung  nicht  nur  das  für  diese  erforderliche  Material  an  Mutterbäumen,  sondern 
auch  eine  solche  Anzahl  von  Stammindividuen  enthält,  wie  sie  für  den  dem  Boden  und 
demnächst  dem  jungen  Aufschlag  zu  gewährenden  Schutz  nötig  ist.  Die  auf  Herbei- 
führung dieses  Bestandeszustandes  abzielenden  Fällungen  abzuschliessen,  ist  später  die 
Aufgabe  des  Besamungsschlages;  letzteren  vorbereiten  wollen  die  Vorhiebsschläge  und 
zwar,  indem  sie  durch  allmähliche  vorsichtige  Durch lichtung  des  Kronenschlusses  stär- 
kere Kronenentwickelung  der  stehenbleibenden  Stämme,  erhöhten  Zuwachs,  event.  reich- 
liches Fruchttragen  *3) ,  sowie  grössere  Standfähigkeit  derselben  zu  bewirken  suchen. 
Hierbei  greift  der  Hieb  womöglich  (d.  h.  ohne  Löcher  zu  schaffen)  zuerst  solche  Holz- 

42)  Dass  dieselbe  tatsächlich  nicht  immer  gerade  in  diesem  Jahre  eintritt,  sondern 
bald  etwas  früher,  bald  etwas  später  erfolgt,  bezw.  dass  man  nicht  auf  das  Einzeljahr, 
sondern  auf  einen  durch  örtliche  Erfahrung  bekannten,  bald  längeren  bald  kürzeren  Zeitraum, 
innerhalb  dessen  man  durchschnittlich  eine  genügende  Mast  erwarten  darf,  alle  auf  die  Ver- 
jüngung abzielenden  Operationen  einrichtet,  bedarf  kaum  der  Erwähnung.  Für  die  Dar- 
stellung des  normalen  Verlaufs  darf  man  aber  anstandslos  alles  auf  das  normale  Besamungs- 
jahr beziehen. 

43)  Reichliches  Fruktifizieren  und  Bildung  eines  starken  Jahresringes  schliessen  sich 
nicht  immer  aus;  sonst  müsste  jedes  Samenjahr  sich  rückwärts  durch  einen  engen  Jahres- 
ring nachweisen  lassen. 


454  IV.  Lorey,  Waldbau. 

arten,  welche  zur  Besamung  nichts  beitragen  sollen  (z.  B.  Hainbuchen  in  Mischbestän- 
den mit  der  Rotbuche  ,  wenn  man  demnächst  keine  oder  nur  wenige  Hainbuchen  im 
Jungwuchöe  wünscht).  Ausserdem  werden  schon  beim  Vorbereitungshieb  fehlerhafte 
Stämme,  wie  tief  gegabelte,  drehwüchsige,  femer,  soweit  tunlich,  überalte,  schwere 
Stämme  entfernt,  welche  für  eine  gleichmässige  Schlagstellung  stets  hinderlich  sind  und 
überdies,  wenn  ihr  Aushieb  erst  stattfindet,  nachdem  die  Besamung  bereits  erfolgt  ist, 
oft  durch  ihren  Fall,  das  Aufarbeiten  und  Anrücken  schwere  Beschädigungen  der  Jung- 
wüchse herbeiführen.  Die  Besamung  hat  in  der  Hauptsache  von  den  Stämmen  der 
kraftvollen,  normalen,  mittleren  Klassen  auszugehen.  Schwaches,  besonders  unter-  und 
zwischenstitndiges  Material  ist,  soweit  es  nicht  etwa  durch  zu  dichten  Stand  die  Be- 
samung beeinträchtigt,  zu  erhalten,  weil  es  meist  zur  Schaffung  eines  Schirmdaches 
trefflich  geeignet  ist  und  auch  später  noch,  ohne  besondere  Gefährdung  des  Aufschlags 
durch  die  Fällung,  leicht  ausgezogen  werden  kann.  Auch  im  Sinne  gleichmässiger  Ver- 
teilung der  Fällungen,  der  Etatserfüllung,  wenn  die  Mast  fehlschlägt  u.  s.  w.,  sind  die 
Vorbereitungshiebe  äusserst  schätzenswert,  indem  sie  dann  vielleicht  weiter  ausgedehnt 
werden  können  und  durch  ihren  Holzanfall  zur  Ertragsausgleichung  dienen.  Mithin 
sind  dieselben  im  allgemeinen  nicht  sowohl  als  eine  „angängige  oder  bedingungsweise 
vorteilhafte'^,  sondern  als  eine  notwendige  Massregel  zu  betrachten,  die  uns  insbesondere 
auch  die  erforderliche  Beweglichkeit  in  der  Wirtschaft  sichert. 

Gleichzeitig  wird  durch  diese  Hauungen  auch,  wie  oben  schon  angedeutet  wurde, 
eine  Wirkung  auf  den  Boden  ausgeübt,  da  sich  eine  Unterbrechung  des  Kronenschlusses 
stets  durch  Veränderungen  im  Zustand  der  Bodenoberfläche  (raschere  Zersetzung  der 
Streuschicht,  Begrünung)  kennzeichnet.  Der  Boden  wird  hierdurch  oft  erst  für  die 
Aufnahme  des  Samens  empfänglich.  Eine  genügende  Bodeugare,  d.  h.  entsprechend 
weit  vorgeschrittene  Zersetzung  der  Streudecke,  die  Beseitigung  etwa  vorhandener 
Rohhumusmassen  ist  erforderlich,  wenn  die  Mast  gut  anschlagen  soll.  Wieweit  die 
Kronenschlussunterbrechung  speziell  zur  Herbeiführung  jenes  Bodenzustandes  gehen 
muss,  ist  nach  Lage  des  Falles  (Art  der  Streudecke,  Bodenschicht,  Feuchtigkeit  etc.) 
verschieden;  im  ganzen  sind  langsame  Vorbereitungshiebe  zum  Zweck  der  Bodenvor- 
bereitung plötzlichen,  stärkeren  Eingriffen  vorzuziehen.  Geeignete  Hiebsführung  sollte  in 
der  Regel  die  besondere  Bodenbearbeitung  unnötig  machen.  Eine  solche  ist  jedoch  nicht 
immer  ganz  zu  umgehen,  zumal  auf  geringeren  Standorten,  und  besteht  dann  nament- 
lich im  Entfernen  von  Moospolstern  (Poly.trichum  commune),  welche  die  Samen,  bezw. 
die  aus  denselben  sich  entwickelnden  Würzelchen  nicht  zum  mineralischen  Grund  ge- 
langen lassen,  im  Grobschollighacken  (Kurzhacken)  u.  dergl.  **),  Massregeln,  die  oft  nur 
streifen-  oder  stellenweise  erforderlich  werden.  Auch  Schweineeintrieb  kann  sich  unter 
Umständen  sehr  empfehlen.  Da  und  dort  ündet  auch  auf  besten  Böden  grundsätzlich 
immer  eine  Bodenbearbeitung  statt,  damit  in  jeder  denkbaren  Weise  eine  gute  Besamung 
und  die  rasche  Entwickelung  der  Keimpflanzen  befördert  wird  (Buchenverjüngung  in 
Dänemark  als  Beispiel**^). 

Im  grossen  Durchschnitt  wird  das  Richtige  getroffen  sein,  wenn  der  Vorbereitungs- 
hieb ^/ö — V»  dßs  bis  dahin  kräftig  durchforsteten  Bestandes  an  Masse  entnimmt.  Er 
erstreckt  sich  auf  die  demnächst  in  Samenschlag  zu  stellende  Fläche.  An  den  Schlag- 
rändem  ist  der  Bestand  (gegen  Sonne  und  Wind)   besonders  dunkel  zu  halten.     Vor- 


44)  So  finden  sich  z.  B.  im  geschlossenen  Buchenort  auch  nicht  selten  Laubschichten 
von  solcher  Mächtigkeit,  dass  in  ihnen  zunächst  zur  rascheren  Reduzienmg  derselben  eine 
etwas  lebhaftere  Zersetzungstätigkeit  wachgerufen  werden  muss.  Eventuell  muss  die  Laab- 
schichte  teilweise  entfernt  werden.   Hie  und  da  teilweises  Unterpflügen  derselben  —  (Vogelsberg). 

45)  Darauf  wird  bei  spezieller  Besprechung  der  Rotbuche  zurückgekommen  werden. 


Die  Bestandesbegründung.     §  26.  455 

sichtige  Fällung  ist  ebenso  selbstverständlich,  wie  etwa  die  Verschonung  der  der  Ver- 
jüngung entgegenzuführenden  Bestände  mit  Streunutzung  u.  dgl. 

Ob  und  inwieweit  etwa  von  früheren  Masten  her  bereits  vorhandener  Aufschlag 
oder  Anflug  bei  der  allgemeinen  Bestandes  Verjüngung  mitbenutzt  werden  kann  und  soll, 
bleibt  späterer  Erörtemng  vorbehalten. 

b)  Samenschlag:  Wenn  die  Vorbereitungshiebe  im  Bestand  noch  nicht  den- 
jenigen Grad  der  Durchlichtung  herbeigeführt  haben,  welcher  für  die  eigentliche  Be- 
samung und  demnächstige  Beschirmung  des  Aufschlags  während  der  ersten  Zeit  nach 
der  Keimung  erwünscht  erscheint,  wird  durch  einen  besonderen  Hieb,  den  sog.  Besa- 
roungsschlag,  nachgeholfen.  Man  könnte  denselben  grundsätzlich  vielleicht  den  Vor- 
bereitungshieben noch  zuzählen  und  aus  diesen  unmittelbar  zu  den  nach  erfolgter  Be- 
samung nötig  werdenden  Nachlichtungen  übergehen.  Dadurch  jedoch,  dass  der  Besa- 
mungsschlag an  ein  bestimmtes  Jahr,  dasjenige  des  Masteintritts,  geknüpft  ist,  während 
die  Vorbereitungshiebe  ohne  Eücksicht  auf  dieses* den  Bestand  nur  ganz  allgemein  für 
die  demnächstige  Ausnutzung  einer  erhofTten  Mast  tauglich  machen  wollen,  unterscheidet 
er  sich  doch  von  denselben  wesentlich.  Die  Vorbereitungshiebe  sind,  weil  man  nicht 
sicher  voraus  weiss,  wann  sich  gerade  die  Mast  einstellen  wird,  in  der  Regel  noch 
nicht  bis  zu  dem  für  die  Besamung  geeignetsten  Mass  der  Durchlichtung  vorgeschritten. 
Kommt  nun  ein  Samenjahr,  so  besorgt  alsbald  der  Besamungsschlag  das  noch  Fehlende. 
Auch  hierbei  ist  Gleichmässigkeit  der  Stellung  anzustreben,  und  zwar  soll  der  Eingriff 
in  den  Bestand  nicht  stärker  sein,  als  dass  die  Keimung  sicher  von  statten  geht,  und 
sich  der  Aufschlag  bis  zur  nächsten  Nachlichtung,  welche  in  der  Regel  nicht  vor  dem 
zweiten,  vielleicht  erst  im  dritten,  auf  die  Besamung  folgenden  Jahre  vorgenommen 
werden  sollte,  normal  entwickelt.  Den  Keimpflanzen  ist  durch  ein  relativ  dichtes 
Schirmdach  zunächst  die  nötige  Bodenfeuchtigkeit  zu  garantieren  und  jeder  energische 
Kampf  mit  vordringlichen  Unkräutern  möglichst  zu  ersparen.  Ein  allgemein  gültiges 
Mass  lässt  sich  für  die  Schlagstellung  nicht  geben,  weil  dieselbe  je  nach  Holzart,  Be- 
stands- und  Standortsbeschafl'enheit  eine  verschiedene  sein  muss.  Insbesondere  kommt 
es  darauf  an,  wie  weit  man  mit  den  Vorbereitungshieben  schon  gegangen  war.  Im 
grossen  Durchschnitt  wird  man  eine  brauchbare  Stellung  gefanden  haben,  wenn  un- 
mittelbar nach  der  Besamung  noch  etwa  0,6 — 0,5  des  normalen  Vollbestandes  vorhanden 
sind.  Moditikationen  im  einzelnen  sind  vorbehalten.  Hochangesetzte  Kronen  z.  B., 
welche  mehr  Seitenlicht  zulassen,  erfordern  weniger  starkes  Eingreifen  als  kurzschaftiges 
Holz;  doch  stockt  solches  meist  auf  geringerem  Boden,  weshalb  man  wiederum  vor- 
sichtiger sein  muss ;  Lichthölzer  fordern,  sofern  man  es  mit  der  natürlichen  Verjüngung 
bei  ihnen  versuchen  will,  immerhin  eine  etwas  kräftigere  Kronendurchbrechung  als 
ausgesprochene  Schattenhölzer,  wie  z.  B.  die  Tanne ;  gegen  starken  ünkrautwuchs  hält 
man  den  Bestand  dunkler,  dichter  Schluss  kann  ebenso  für  trockene  und  magere  Böden, 
an  steilen  Hängen  zur  Erhaltung  der  Feuchtigkeit,  wie  unter  Umständen  gegen  Ueber- 
handnehmen  nasser  Stellen  (Garex  brizoides  in  Buchenbeständen!)  angezeigt  sein. 

Wie  schon  erwähnt  wurde,  ist  der  Samenschlag  erst  zu  stellen,  wenn  auf  das 
Eintreten  der  Mast  mit  Sicherheit  gezMhlt  werden  darf.  Seine  Grösse  ist  zumeist  von 
dem  häufigeren  oder  selteneren  Vorkommen  guter  Mastjahre,  d.  h.  von  dem  Fruchtbar- 
keitszeitraum (durchschnittliches  Intervall  zwischen  zwei  Mastjahren),  abhängig  und 
jeweils  so  zu  bemessen,  dass  im  jährlichen  Nachhaltbetriebe  innerhalb  der  Umtriebszeit 
der  gesamte  Wald  verjüngt  wird.  Von  dem  Fruchtbarkeitszeitraum  unterscheidet  sich 
der  durch  die  Dauer  der  Ueberschirmungsbedürftigkeit  des  Jungwuchses  bedingte  Ver- 
jungungszeitraum  (siehe  oben).  Decken  sich  beide,  so  gestaltet  sich  der  Vorgang  der 
Verjüngung  am  übersichtlichsten.    Kehren  die  Mastjahre,  wie  dies  meist  der  Fall  ist. 


456  IV.  Lorey,  Waldbau. 

in  Zwischenränmen  wieder,  die  kürzer  sind  als  der  Verjünganp^szeitranm,  so  kann  nicht 
jede  Mast  ausgenutzt  werden.  Jährliches  Samentragen  würde  die  Bildung  von  Jahres- 
schlägen gestatten ;  anderenfalls  wird  eine  entsprechende  Anzahl  von  Jahresschlägen  in 
einen  Periodenschlag  zusammengefasst. 

Die  Bodenvorbereitung,  von  welcher  schon  gelegentlich  der  Besprechung  des  Vor- 
bereitungßhiebes  die  Rede  war,  wird  oft  mit  bes.  Vorteil  erst  unmittelbar  vor  dem 
Samenabfall  vorgenommen.  Die  Holzhauerei  im  Samenschlag  sollte  vor  der  Keimung 
beendet  werden.    Unterbringen  des  Samens  durch  die  Arbeiten  der  Holzernte. 

c)  Auslichtungsschlag:  In  den  nach  der  Besamung  zu  führenden  Hieben 
liegt  im  allgemeinen  die  Haupt«chwierigkeit  bei  der  I^eitung  des  Verjüngungsprozesses, 
weil  man  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Grenze  zu  bemessen  hat,  von  welcher  ab  die 
wohltätigen  Wirkungen  der  Beschirmung  durch  den  Nachteil  überboten  werden,  der 
durch  längeres  Zurückhalten  der  Entwickelung  des  Nachwuchses  ersteht.  Der  Gefähr- 
dung durch  Frost,  Hitze,  Unkraut  u»  s.  w.  steht  also  das  in  verstärktem  Lichtgenuss 
(bei  genügender  Bodenfeuchtigkeit)  unzweifelhaft  freudigere  Heraufwachsen  des  Auf- 
schlags gegenüber,  und,  so  sehr  sich  einerseits  Vorsicht  in  der  Richtung  empfehlen  kann, 
dass  man  der  sicheren  Behütung  vor  jenen  Gefahren  den  höheren  Wert  beimisst,  so 
kann  doch  durch  eine  zu  weitgehende  Aengstlichkeit,  welche  den  Jungwuchs  zu  lange 
unter  dem  Schirmdach  der  Mutterbäume  kümmern  Ijisst,  ebenwohl  viel  geschadet  werden. 
Sobald  die  Verjüngung  planmässig  eingeleitet  ist,  wird  deren  bestmöglicher  rascher 
Vollzug  in  erster  Linie  massgebend;  das  Gedeihen  des  neuen  Bestandes,  nicht  die 
tunlichst  potenzierte  Wertssteigerung  im  alten,  ist  von  da  ab  für  die  Wirtschafts- 
führung bestimmend,  wenn  auch  eine  möglichst  günstige  Kombination  beider  Rücksichten 
stets  anzustreben  ist.  Allmähliche  Gewöhnung  des  Jungwuchses  an  freiere  Stellung 
durch  langsames  Nachbauen  im  Mutterbestande  wird  sich  vielenorts  empfehlen,  während 
in  anderen  Fällen  ein  beschleunigtes  Tempo  der  Abräumungen  erwünscht,  ja  notwendig 
sein  kann  (z.  B.  frostfreie  Lagen  im  Gegensatz  zu  Frostlokalitäten,  lichtbedürftige 
Holzarten  gegenüber  Schattenhölzem  u.  s.  w.).  Die  örtliche  Erfahrung  ist  zu  befragen. 
Auch  ist  die  Holzart  entscheidend,  sofern  ganz  allgemein  der  Aufschlag  und  Anflug 
von  Lichthölzem  zu  seinem  Gedeihen  rascherer  und  energischerer  Freistellung  bedarf 
als  solcher  von  Schattenhölzern.  Es  kann  als  Regel  gelten,  dass  die  Lichtung  im  Ober- 
stand nicht  früher  als  im  zweiten  Winter  nach  der  Besamung  beginnt  („Kräftigungs- 
hieb" Grebes),  nachdem  die  jungen  Pflanzen  wenigstens  einigerniassen  erstarkt  sind. 
Ganz  von  selbst  wird  die  vollkommene  Gleichmässigkeit  in  der  Schlagstellung  bei  den 
Nachhieben  mehr  und  mehr  verloren  gehen.  Einzelne  Stellen  werden  vielleicht  schon 
früher  oder  doch  schon  vollständiger  besamt  sein  als  andere,  auf  einzelnen  wird  sich 
(infolge  zufällig  stärkeren  Lichteinfalles  etc.)  der  Aufschlag  kräftiger,  unter  Umständen 
zu  förmlichen  Vorwuchshorsten  entwickelt  haben ;  dass  man  diesen  Partien  Luft  macht, 
um  sie  noch  mehr  zu  fördern,  dass  durch  allmähliche,  von  solchen  früh  verjüngten 
Partien  ausgehende  Erweiterung  der  im  Altbestande  hierdurch  entstehenden  Lücken 
nach  und  nach  die  zwischenhinein  noch  stehenden  Oberstandspartien  zusammenschrumpfen, 
bis  die  vollständige  Schlagräumung  eintritt,  leuchtet  ein.  Von  diesen  mehr  zufällig 
entstehenden  Ungleichartigkeiten  im  Jungbestande,  welche  übrigens  kaum  je  so  bedeu- 
tend sind,  dass  sie  nicht  dem  Auge  bald  wieder  verschwänden,  unterscheiden  sich  we- 
sentlich diejenigen,  welche  als  Ergebnis  der  Verjüngung  im  Femelschlagbetriebe  erscheinen. 

§  27.  3.  Der  Femelschlagbetrieb.  Wie  schon  auf  S.  452  kurz  ange- 
führt worden  ist,  will  der  Femelschlagbetrieb  grundsätzlich  keine  gleichmässig  über 
die  ganze  Abteilungsfläche  sich  erstreckende  Verjüngung  herbeiführen  und  demgemäss 
auch  keinen  gleichaitigen  Jungbestand  erzielen,  sondern  erhält,  indem  er  die  einzelnen 


Die  Bestandesbegründang.     §  27.  457 

Bestandespartien  nacheinander  behufs  ihrer  Verjüngung  in  Angriff  nimmt,  unter  mög- 
lichst weitgehender  Sicherung  des  Bodens,  in  dem  erwachsenden  neuen  Bestand  Alters- 
unterschiede, welche  der  Länge  des  Verjüngungszeitraumes  und  der  Zahl  und  Aufein- 
anderfolge der  während  desselben  benutzten  einzelnen  Masten  entsprechen.  Der  Ver- 
jiingungszeitraum  ist  —  da  die  Bewältigung  der  Aufgabe,  zumal  bei  vorsichtiger, 
feinster  Wirtschaftsführung,  mehr  Zeit  erfordert  als  eine  Verjüngung,  bei  welcher  durch 
wenige,  über  die  ganze  Fläche  sich  erstreckende  Hiebe  alles  Erforderliche  erledigt  wird 

—  demgemäss  ein  meist  längerer,  kaum  je  unter  30  Jahre  heruntergehend. 

Der  Vorgang  ist  im  allgemeinen  folgender: 

Man  macht  planmässig  da  und  dort  stärkere  Eingriffe,  während  die  zwischen- 
liegenden Partien  noch  intakt  bleiben.  Diese  Einzelstellen,  von  welchen  die  Verjüngung 
ausgeht,  sind  entweder  nur  grössere  oder  kleinere  Löcher,  absichtlich  gehauen,  vielleicht 
auch  mehr  zufällig  entstanden  (Tannenwirtschaft:  durch  Sturm,  Aushieb  von  Krebs- 
bäumen etc.),  oft  ohne  jeglichen  Oberstand,  Partien,  welche  nicht  selten  bereits  besamt 
sind,  anderenfalls  von  den  Randbäumen  her  sich  leicht  besamen,  —  oder  es  sind  Flächen- 
teile, manchmal  gleich  anfangs  von  etwas  grösserer  Ausdehnung,  auf  welchen  zunächst 
(wie  beim  Vorbereitungshieb  des  Schirmschlags)  geeignete  Mutterbäume  stehen  bleiben, 
bis  die  Besamung  erfolgt  ist,  und  der  junge  Wuchs  des  Schutzes  nicht  mehr  bedarf. 
Die  Schutzwirkung  der  Mutterbäume  tritt  dabei  insofern  zurück,  als  der  rings  um  den 
Janghorst  noch  geschlossene  Bestandesrand  entsprechenden  Seitenschutz  gewährt,  so 
dass  die  Räumung  meist  bald  erfolgen  kann.  Regelmässige  Figui*en  sind  natürlich 
ebenso  wenig  Bedingung,  wie  gleichmässiger  Abstand  der  einzelnen  Verjüngungszentren 
von  einander,  wenn  auch  deren  annähernd  gleiche  Verteilung  über  die  Gesamtfläche 
sowie  tunlichst  die  Kreisform  erwünscht  ist.  Es  muss  sich  eben  bei  der  Durchführung 
von  Fall  zu  Fall  alles  nach  den  örtlichen  Umständen  richten;  eine  scharf  ausgeprägte 
Schablone  ist  ausgeschlossen.  Je  nach  der  Entwickelung  der  Jungwüchse  und  dem 
Eintritt  neuer  Samenjahre  wird  dann  am  Rande  in  schmäleren  oder  breiteren  Ringen 
weiter  gelichtet,  neue  Jungwtichse  erstehen  in  Angliederung  an  die  im  Inneren  der 
Verjüngungsplätze  heraufwachsenden  Partien,  neue  Angriffspunkte  werden  zwischen  den 
alten  eingeschoben,  und  es  ist  klar,  wie  durch  solches  Verfahren  nach  und  nach  der 
ganze  Altbestand  durch  junge  Gruppen  und  Horste  ersetzt  wird.  Grössere  unbesamte 
Lücken  entstehen  also  dabei  nirgends,  sondern  nur  kleine  Löcher  und  schmale  Absäu- 
mungen,  deren  Besamung  sich  leicht  vollzieht,  bezw.  grössere,  durch  belassene  Mutter- 
bäume besamte  Partien.  Als  Vorzug  einer  solchen  Ungleichförmigkeit  im  Verjüngungs- 
gange wird  grösserer  Zuwachs,  bes.  infolge  bedeutenderer  Boden-  und  Luftfrische, 
vollkommenste  Bewahrung  der  Bodenkraft,  auch  wohl  örtlich  verminderter  Sturmbruch 
und  Windwurf  bezeichnet.  Zweifellos  sind  durch  diese  allmählich  vorschreitende  Fe- 
melschlag- Verjüngung  örtlich  schon  sehr  gute  Erfolge  zu  verzeichnen,  indem  man 
tadellose  Jungbestände  in  grosser  Ausdehnung  erzielt  hat.  Namentlich  wird  in  Bayern, 
wo  auf  Gayers  energische  Anregung  hin  die  Methode  ins  feinste  ausgebildet  worden 
ist,  seit  mehreren  Jahrzehnten  nach  derselben  vielfach  gearbeitet*®).  Ich  habe  mich 
von  der  unbedingten  Rätlichkeit  dieser  Wirtschaft,  die  vorzugsweise  für  Tanne  und 
Fichte  sowie  bes.  für  Mischbestände  in  Betracht  kommt,  noch  nicht  überzeugen  können, 
möchte  vielmehr  meinen,  dass  wenigstens  in  vielen  Fällen  eine  durch  den  ganzen  Be- 
stand hindurch  annähernd  gleichmässige  und  gleichzeitige  Durchführung  der  Verjüngung 

—  stets  die  erforderliche  Durchlichtung  im  Kronenschirm  vorausgesetzt  —  die  nämliche 


46)  Der  Betrieb  wird  zum  „Femelschlagbetrieb".    Man  vergleiche  übrigens  den  vierten 
Abschnitt  (Betriebsarten),  insbesondere  dessen  erstes  Kapitel  I,  A,  2. 


458  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Wertsprodaktion  an  den  gleichmässig  verteilten,  sämtlich  mit  gehörigem  Lichtangsza* 
wachs  arbeitenden  Mutterbäuroen  erzielen  müsste,  nnd  dabei  ein  allen  Anforderungen 
entsprechender  Nachwuchs  erzogen  werden  könnte*^).  Dass  bei  der  Gruppen verjüngimg 
durch  die  Verteilung  mehr  oder  minder  geschlossener  kleiner  Beständchen  über  die 
ganze  Fläche  hin  vielfach  bedenkliche  Umstände  (Frostgefahr,  Gefährdung  durch  Stürme, 
Entzug  der  Niederschläge  etc.)  herbeigeführt  werden  können,  ist  mindestens  nicht  aus- 
geschlossen; ihre  unbedingten  Anhänger  stehen  zwar  auf  dem  Satze,  dass  gerade  diese 
Gefahren  im  Femelschlagverfahren  weniger  bedenklich  würden,  und  weisen  zur  Erhär- 
tung desselben  auf  eine  Reihe  von  Beispielen  hin,  in  welchen  Schädigungen  wie  die 
angedeuteten  ausgeblieben  sind. 

Für  Schirmschlagbetrieb  und  Femelschlagbetrieb  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  bei 
der  Nachlichtung  solchen  Partien,  welche  zunächst  unbesamt  geblieben  sind,  durch  eine 
Unterbrechung  im  Kronendach  oft  am  leichtesten  geholfen  werden  kann,  dass  also  solche 
Stellen  im  Bestände  keineswegs  immer  besonders  dunkel  zu  halten  sind.  Vorsichtiger 
Fällungsbetrieb,  mit  Rücksicht  auf  den  L^nterwuchs,  ist  geboten.  Nachbesserung  durch 
Saat  oder  Pflanzung,  Einbringen  von  Mischhölzern,  soweit  es  nicht  mittelst  Vorver- 
jüngung (z.  B.  Eiche  im  Buchengrundbestand)  schon  erfolgt  wäre,  hat  zugleich  mit  den 
Auslichtungen,  bezw.  baldigst  nach  denselben  stattzutinden.  Stocklöcher,  im  Falle  der 
Rodung,  hieten  besonders  geeignete  Stellen  zur  Einpflanzung.  Der  Femelschlagbetrieb 
kann  sich,  falls  nur  mit  ganz  kleinen  Löchern  operiert  wird,  offenhar  dem  reinen  Femel- 
betrieb  nähern ;  er  kann  andererseits,  wenn  die  Verjüngungszentren  je  grössere  Flächen 
einnehmen,  und  die  Erweiterungsringe  breit  sind,  mehr  und  mehr  einer  Auflösung"  des 
Ganzen  in  einzelne  im  Schirmschlagverfahren  behandelte  Teile  gleichkommen. 

§28.  4.  Die  Verjüngung  im  Femelbetrieb:  Ein  im  eigentlichen  Fe- 
melbetrieb bewirtschafteter  Wald  unterscheidet  sich  seinem  Wesen  nach  von  dem  mit 
langer  Verjüngungsdauer  femelschlagartig  (d.  h.  nicht  gleichmässig  durch  die  ganze 
Fläche  hin,  sondern  gruppen-  oder  horstweise)  behandelten  Walde  dadurch,  dass  in 
jenem  alle  Altersstufen  (die  Abstufungen  im  einzelnen  in  kleineren  Zwischenräumen) 
vertreten  sind,  während,  wie  wir  gesehen,  im  Femelschlagbetrieb  zur  Gruppe  je  nur 
Stämme  von  solcher  Altersverschiedenheit  zusammengeordnet  sind,  welche  in  maximo 
gleich  der  Verjtingungsdauer  ist*^).  Hieraus  ergibt  sich  bezüglich  der  Verjnngung^  im 
reinen  Femelwald  als  charakteristisches  Merkmal,  dass  der  ganze  Wald  gleichzeitig 
—  doch  ohne  dass  in  jedem  einzelnen  Jahre  die  gesamte  Fläche  betroffen  wäre ;  wohl  aber 
kehrt  der  Hieb  stets  in  kurzen  Intervallen  auf  die  Einzelfläche  wieder  —  in  wirtschaft- 
licher Behandlung  steht;  dass  bald  mit  mehr,  bald  mit  weniger  Regelmässigkeit  kleinere 
und  grössere,  ältere  und  jüngere  Partien  mit  einander  abwechseln,  indem  da  und  dort 
die  ältesten  Stämme  genutzt  werden,  und  an  ihre  Stelle  Jungwüchse  treten,  um  welche 
sich,  nach  vorgängiger  Absäumung  im  Altholz  (ringsum  oder  nach  einer  oder  mehreren 
Seiten)  neue  Jungwüchse  anlegen,  so  dass  auf  diese  Weise  allmählich  die  Verjüngung 
des  ganzen  Waldes  erfolgt.  Der  Prozess,  welcher  sich  beim  Femelschlagbetrieb  in  der 
einzelnen  Waldabteilung  je  auf  die  Zeit  der  Verjüngungsdauer  konzentriert,  so  dass 
sich  im  Gesamtwalde  die  einzelnen  Periodenflächen  deutlich  von  einander  abheben,  voll- 


47)  Vergl.  G  a  y  e  r  ,  Der  gemischte  Wald ,  1886  ,  sowie  Schuberg,  Schlaglichter 
zur  Streitfrage  „schlagweiser  Hochwald-  oder  Femelbetrieb"  im  forstw.  Centralbl.  von  1886 
S.  129  ff.  und  S.  193  ff.  Diese  Abhandlung  von  Seh.,  welche  sich  auf  umfängliche  exakte 
LTntersuchungen  stützt,  ist,  weil  bestimmte  Zahlen  gegeben  werden,  sehr  interessant;  auf 
dieselbe  wird  bei  Besprechung  der  Betriebsarten  noch  einzugehen  sein. 

48)  Näheres  siehe  bei  der  Schilderung  der  Betriebsarten,  woselbst  überhaupt  die  Bc^ 
urteilung  ihren  Platz  findet. 


Die  Bestandesbegründung.     §  29.  459 

zieht  sich  im  reinen  Femelwalde  fortgesetzt  in  jedem  Umlauf  der  Hanungen;  einzelne 
Teile  der  verschiedenen  Periodenflächen  des  Femelschlagbetriebes,  bald  kleinere  Gruppen, 
bald  grössere  Horste,  sind  im  Femelwalde  gewissermassen  untereinander  geworfen,  so 
dass,  wenn  auch  keineswegs  in  jedem  kleinsten  Bestandesteile,  so  doch  innerhalb  der 
einzelnen  Abteilung,  alle  Altersklassen  vertreten  sind,  selbstverständlich  nicht  durchweg 
in  Abstufungen  von  Jahr  zu  Jahr,  sondern  je  nach  der  Häufigkeit  des  Eintritts  von 
Samenjahren  in  mehr  oder  minder  ungleichen,  meist  je  mehrere  Jahre  umfassenden  Ab- 
stufungen. 

B.  Natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag. 

§29.  Vorbemerkung:  Dieselbe  ist  nur  möglich  bei  Holzarten  mit  ent- 
sprechender Reproduktionskraft,  schliesst  also  vorab  die  Nadelhölzer  aus.  Die  genutzten 
Bestandesteile  werden  durch  Ausschlag  aus  den  auf  der  Fläche  verbliebenen  Baumteilen 
ersetzt,  und  hierdurch  wird  der  neue  Bestand  erzeugt.  Man  unterscheidet  Niederwald, 
Kopfholzbetrieb  und  Schneitelholzbetrieb.  Beim  Niederwald  erfolgt  je  die  Nutzung 
des  gesamten  oberirdischen  Baumteils;  die  Begründung  des  neuen  Bestandes  vollzieht 
sich  durch  Stockausschläge  (event.  in  Verbindung  mit  Wurzelausschlägen)  aus  den  im 
Boden  verbliebenen  Stöcken  mit  ihren  Wurzeln.  Der  Kopfholzbetrieb  nimmt 
dem  einzelnen  Kernwuchs  einen  Teil  seines  Schaftes;  an  der  Abhiebsstelle  brechen 
Zweige  heiTor,  welche  die  nächste  Nutzung,  die  Nutzung  des  „nächsten  Umtriebs",  und 
somit  gewissermassen  den  neuen  Bestand  darstellen.  Infolge  wiederholter  Nutzung 
dieser  Aeste  entsteht  am  Schaftende  ein  Wulst  oder  Kopf.  Beim  Schneitelbe- 
trieb werden  dem  einzelnen  Stamme  nur  seine  Zweige  und  Aest-e  genommen ,  wäh- 
rend der  Schaft  ihm  in  ganzer  (oder  annähernd  ganzer)  Länge  belassen  wird.  Die 
Regeneration  erfolgt  durch  Ausschläge  an  den  einzelnen  Aststummeln  bezw.  Schaft- 
wanden. 

I.  Verjüngung  im  Niederwald: 

1.  Holzarten:  Ausser  sonst  als  Bäume  erwachsenden  Laubhölzern  werden 
auch  viele  strauchartige,  als  Kleinnutzhölzer,  Faschinenhölzer  u.  dgl.  verwendbare  Holz- 
arten im  Niederwald  angezogen.  Zu  ersteren  gehören  vor  allen  die  Eichen,  dann  Erlen, 
zahme  Kastanie,  Akazie,  Weiden,  auch  Esche,  Ulme,  Hainbuche  u.  a. ,  zu  letzteren 
z.  B.  Hasel,  Schneeball,  Hartriegel,  Heckenkirsche,  Schwarz-  und  Weissdom  u.  s.  w. 
Die  meisten  dieser  Holzarten  treiben  nur  Stockloden,  wie  Rotbuche,  Hainbuche,  Eiche, 
Kastanie,  Esche,  Ahorn,  Birke  u.  a. ;  bei  einigen  brechen  ausser  solchen  auch  Wurzel- 
loden hervor,  wie  bei  Weisserle,  Rüster,  Feldahorn,  Akazie,  Pappel,  Kirschen  u.  s.  w. 
—  2.  Die  Verjüngung  erfordert  keine  besonderen  waldbaulichen  Massregeln ,  da 
deren  Gelingen,  bezw.  die  Entstehung  eines  normalen  Jungbestandes,  wenn  anders  sich 
die  passende  Holzart  auf  geeignetem  Standort  in  einem  guten  Bestand  vorfindet,  und 
keine  besonderen  Störungen,  wie  Spätfröste,  Hagelschläge  u.  dgl.  eintreten,  in  der 
Hauptsache  nur  von  einem  rationellen  Nutzungsbetrieb  (glatter,  tiefgeführter  Hieb  etc.) 
abhängig  ist.     Eventuell  Nachbesserung  durch  Saat  oder  (meist!)  durch  Pflanzung. 

n.  Kopfholz-  und  Schneitelholzbetrieb. 

1.  Holzarten:  Im  Kopfholzbetrieb  finden  sich  Weiden  (Flussufer),  Hain- 
buchen, Linden,  Akazien,  Platanen,  im  Schneitelholzbetrieb  Eichen,  Ulmen,  Eschen 
(Futterlaubzucht  im  Gebirg),  Erle,  Pappel,  Birke  (Gewinnung  von  Besenreis)  u.  a.  — 
2.  Verjüngung:  Dieselbe  ist  auch  hier  nur  die  unmittelbare  Folge  einer  richtig 
vollzogenen  Nutzung. 

(Alles  sonstige  über  die  Ausschlagswaldungen  im  4.  Abschnitt  „Betriebsarten"), 


460  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Drittes  Kapitel. 
Künstliehe  BestandesbegrOndungr. 

Erster  Teil. 
Herstellung  eines  kiilturfähigen  Waldbodens.    Urhamiaehnng. 

Vorbemerkung. 

Die  natürliche  Be8taudes1)egründung  setzt  in  allen  anderen  Fällen ,  als  demjenigen 
der  Randbesamung,  voraus,  dass  bereits  Wald  auf  der  Fläche  vorhanden  war;  bei  ihr 
kommt  also  die  Frage,  wie  zunächst  gewisse  Böden  in  einen  Inilturfähigen  Zustand  zu 
bringen  seien,  kaum  in  Betracht.  Dagegen  sollen  jetzt  einige  Fälle  kurz  berührt  werden, 
in  welchen  zunächst  gewisse  Hindernisse  einer  erfolgreichen  Kultur  beseitigt  werden  müssen; 
es  handelt  sich  also  um  die  Aufforstung  von  Flächen,  welche  ohne  spezielle  Vorbereitung 
einen  brauchbaren  Waldbestand  zu  tragen  unfähig  wären.  Im  Gegensatz  hiezu  mögen 
diejenigen  Operationen  der  Bodenbearbeitung,  welche  den  Waldboden  nicht  gleichsam  erst 
schaffen,  sondern  auf  die  Steigerung  eines  bereits  vorhandenen  Bodenproduktionsvermögens, 
bezw.  auf  besseres  Anschlagen  einer  Mast,  sichereres  Gelingen  einer  Kultur,  kräftigere 
Entwickelung  der  Bestände  gerichtet  sind,  als  unmittelbare  Massnahmen  der  Bestandes- 
begründung und  -erziehung  betrachtet  und  je  an  betreffender  Stelle  (als  Vorarbeiten  etc.) 
besprochen  werden.  Die  in  Betracht  kommenden  Fälle  (^Oedland*  im  weitesten  Sinne) 
sind  vornehmlich :  Sümpfe ,  Flugsand ,  RAseneisenstein  und  Ortstein ,  Heide ,  Torfmoore, 
Grundlegende  Erörterungen  in  bezug  auf  die  in  den  Paragraphen  30  bis  inkl.  34  be- 
sprochenen Arbeiten  linden  sich  in  der  „Forstlichen  Standortslehre''  (Handbuch,  1.  Bd.  II., 
§  55  ff.),  auf  welche  hier  verwiesen  werden  muss  *^). 

§  30.  I.  Behandlung  von  Sümpfen^°):  Die  Frage  bildet  auch  einen 
G-egenstand  der  Besprechung  für  den  Forstschutz  (vergl.  Handbuch  2.  Bd.  V,  §  99), 
weshalb  hier  nur  einige  Bemerkungen  mehr  allgemeiner  Natur  eine  Stelle  finden 
sollen.  Jeder  Ueberschuss  an  Wasser  (für  verschiedene  Holzarten  verschieden  be- 
messen) ist  im  allgemeinen  dem  Holzwuchs  nachteilig,  ja  macht  denselben,  wenn 
eine  gewisse  Grenze  überschreitend,  meist  unmöglich.  Sollen  Orte  mit  Wasserüber- 
schuss  kultiviert  werden,  so  ist  derselbe  vorher  zu  entfernen.  Solche  Orte  linden  sich 
in  der  Niederung,  sowie  in  den  ebenen  Lagen  und  Becken  der  Gebirge;  im  allge- 
meinen erleichtert  das  Höhenland  den  Abzug  der  atmosphärischen  Niederschläge  durch 
seine  vielfach  geneigte  Lage  (Einfluss  der  Schichtung,  Wasseradern  etc.).  Alle  Ent- 
wässerungsarbeiten sind  nur  auf  Grund  sorgfältigster  Begutachtung  aller  ihrer  Vor- 
und  Nachteile  einzuleiten.  Erstere  bestehen  —  abgesehen  von  dem  indirekten  Gewinn, 
welcher  einer  Gegend  aus  der  Vermehrung  ihres  Waldbestandes  erwachsen  kann  —  in 
der  Hauptsache  in  der  Ermöglichung  oder  wenigstens  Steigerung  der  Holzproduktion, 
letztere  in  den  aufgewendeten  Kosten,  sowie  in  der  durch  Wasserentzug  etwa  herbei- 
geführten Schädigung  umliegenden  Geländes.  Nicht  dringend  genug  kann  gefordert 
werden,  die  gegenseitige  Abwägung  nicht  auf  das  in  Frage  stehende  Grundstück  allein 
zu  beziehen,  sondern  den  Einfluss  der  geplanten  Wasserstandsveränderung  auf  die  Um- 
gebung mit  zu  berücksichtigen^^).     Die  Zuwachsverluste,  welche  hier  eintreten  können, 


49)  Zu  vergl.  überdies:  Ramann,  , Forstliche  Bodenkunde  und  Standortslehre*.  Ber- 
lin, bei  Springer,  1893,  woselbst  sich  auch  eingehende  Literaturnachweise  finden. 

50)  Vgl.  Kaiser,  „Beiträge  zur  Pflege  der  Bodenwirtschaft  mit  besonderer  Rucksicht 
auf  die  Wasserstandsfrage".  Berlin  bei  Springer  1883.  Insbes.  S.  46  if.  —  Burckhardt, 
„Säen  und  Pflanzen*',  5.  Aufl.  S.  513  ff.  —  „Aus  dem  Walde"  VIII.  von  1877,  S.  66  ff. 
—  Reuss,  „Ueber  Entwässerung  von  Gebirgswaldungen".  Prag  1874.  —  Kraft,  j,Zur 
Entwässerungsfrage"  in  „Aus  dem  Walde"  VI.  S.  112. 

51)  Vergl.  Rettstadt,  „üeber  den  Einfluss  der  Senkung  von  Seespiegeln  auf  benach- 
barte Forste",  in  „Aus  dem  Walde"  VU.  von  1876,  S.  219  ff. 


Die  Bestandesbegründung.     §  31.  461 

ergeben  in  Verbindung  mit  dem  durch  die  Entwässerung  geforderten  Baraufwand  so- 
wie den  Kosten  der  nachfolgenden  Kultur  oft  eine  Aufwandssumme,  welche  geeignet 
ist,  jeden  noch  so  hohen  auf  der  Fläche  selbst  zu  erzielenden  Holzwert  zu  paralysieren, 
bezw.  geradezu  in  einen  finanzwirtschaftlichen  Verlust  umzukehren.  Insbesondere  hat 
eine  solche  weitere  Umschau  hinsichtlich  der  Sumpfstellen  der  Gebirge  einzutreten. 
Jedenfalls  sollte,  wenn  irgend  möglich,  das  an  einer  Stelle  freigegebene  Wasser  dem 
Walde  nicht  gänzlich  entzogen  werden  und  damit  für  den  Holzwuchs  verloren  gehen, 
sondern  zur  Bewässerung  trockener  Partien  verwendet  werden,  indem  man  es  nach 
solchen  hinleitet,  in  Löchern,  Gräben,  kleinen  Sammelweihem  etc.  staut  und  damit 
seitliches  Einsickern  in  den  Boden,  sowie  reichlichere  Verdunstung,  also  vermehrte 
Feuchtigkeit  und  hierdurch  besseren  Pflanzenwuchs  herbeiführt.  In  manchen  Fällen  ist 
man  offenbar  mit  der  Entwässerung  zu  weit  gegangen.  Da  und  dort  haben  sich  deren 
Nachteile  so  bald  gezeigt,  dass  man  die  bezüglichen  Arbeiten  unterbrochen,  Gräben 
wieder  beseitigt  hat  u.  s.  w.  Die  „Wald-  und  Wasserfrage"  —  von  einer  solchen  wird 
mit  Recht  geradezu  gesprochen  —  bildete  namentlich  im  letzten  Jahrzehnt  häutig 
den  Gegenstand  eingehender  Eröi-terungen  bei  Versammlungen  und  in  der  Literatur 
wobei  stets  in  Hinsicht  auf  Entwässerungen  zu  äusserster  Vorsicht  gemahnt  und 
der  Grundsatz  vertreten  wurde,  dass  das  im  Walde  vorhandene  Wasser  dem  Walde 
tunlichst  erhalten  bleiben  solle,  demgemäss  das  irgendwo  im  Uebennass  auftretende 
Wasser  entsprechend  zu  verteilen,  nicht  aber  zu  entführen  sei. 

Erweist  sich  die  Entfernung  des  W^assers,  bezw.  die  Kultur  an  einer  Stelle  als 
rätlich,  so  sind  zunächst  die  Ursachen  des  Wasserüberschusses  festzustellen.  Stets 
rührt  derselbe  von  übermässiger  (die  Verdunstung  und  den  Abfluss  tibersteigender) 
Wasserzufuhr  her.  Diese  ist  für  die  Folge  hintanzuhalten :  Dämme  gegen  Ueberschwera- 
mung  seitens  fliessender  Gewässer;  oberhalb  der  zu  schützenden  Fläche  anzulegende 
Sammelgräben  zum  Auffangen  und  demnächstiger  Ableitung  von  Wassermengen,  die  an 
Hängen  zumal  auf  undurchlassender  Schicht  herabkommen.  Oder  es  ist  der  Abfluss, 
bezw.  die  Verdunstung  zu  beschleunigen,  damit  das  gewünschte  Verhältnis  hergestellt 
werde.  Bilden  undurchlassende,  nicht  zu  mächtige  Schichten  (in  ebener  Lage  oder  in 
Einsenkungen)  das  Hindernis  des  Wasserabzugs,  so  kann  sich  unter  Umständen  schon 
das  stellenweise  Durchstossen  derselben  als  Abhilfe  empfehlen.  Anderenfalls  müssen 
etwa  vorhandene  Wasserrinnen  (Gräben,  Bäche  etc.)  vermehrtes  Gefäll  erhalten,  oder 
es  sind  Grabensysteme  neu  anzulegen.  Hierbei  finden  offene  Gräben  im  Walde  mehr 
Anwendung  als  bedeckte  (Drains  hauptsächlich  nur  zu  Entwässerung  kleinerer  Stellen 
in  Forstgärten  u.  s.  w.).  Ein  genaues  Nivellement  ist  oft  erforderlich,  bei  grösseren 
Objekten  (Entwässerung  ausgedehnterer  Flächen)  meist  unentbehrlich.  Sauggräben  zum 
unmittelbaren  Herausziehen  des  Wassers  aus  dem  Boden,  Verbindungsgräben,  Abzugs- 
gräben werden  bei  der  Durchführung  in  geeigneter  Weise  zu  einem  Grabensystem  ver- 
bunden. 

In  allen  Fällen  ist  zu  erwägen,  ob  vollständige  Wegführung  des  Wassers  (oft 
infolge  dessen  zu  weit  gesteigerte  Trockenheit  im  Sommer!)  an  der  betr.  Oertlichkeit 
angezeigt  ist,  oder  ob  nicht  vielmehr  schon  die  Senkung  des  W^asserspiegels  um  einen 
gewissen  Betrag  die  gewünschte  Kultur  ermöglicht.  In  letzterem  Falle  wird  auf  die 
Verbindung  der  Gräben  mit  den  natürlichen  Wasserabzugsiinnen  (Bäche,  Flüsse)  ver- 
zichtet; entsprechend  tief  eingeschnittene  Stückgräben,  Löcher  u.  s.  w.  können  genügen, 
der  Wasserstand  in  denselben  gestattet  die  Beurteilung  des  Erfolges. 

§  31.     IT.  Flugs  an  d*2):    Derselbe,    ein  feinkörniger,   bindemittelarmer,   vom 


52)  Vergl.  Wessely    „Der  Europäische  Flugsand  und  seine  Kultur''  1873.  —  „Aus 


462  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Winde  leicht  zu  bewegender  Sand,  findet  sich  am  Meere  und  im  Binnenland.  Das 
Meer  (und  ähnlich  einige  Flusse)  wirft  fortwährend  neue  Sandmassen  aus.  Sonst  ist 
auch  wohl  Entwaldung  des  leichten  Sandbodens  und  anhaltendes  Treiben  grosser  Vieh- 
herden nicht  selten  die  Ui*sache  der  Flugsandbildung  gewesen.  (Event,  in  Moorgegen- 
den übertrieben  langes  Brennen  in  Verbindung  mit  Viehtrieb.)  Erst  der  gebundene 
Flugsand  ist  zur  Waldkultur  geeignet.  Ob  die  Bindung  unternommen  werden  soll,  ist 
nicht  nur  vom  forstlichen  Standpunkte  aus  zu  beurteilen,  sondern  erscheint  meist  auch 
als  eine  Frage  allgemeiner  Xulturinteressen.  Die  zur  Bindung  nötigen  Massregeln  zer- 
fallen in  die  Vorarbeiten  und  die  Deckung,  demnächst  die  Kultur. 

1.  Vorarbeiten:  Vermessung,  bezw.  Bezeichnung  des  zu  behandelnden  Areals, 
dabei  Arrondierung,  möglichst  unter  Anwendung  geradliniger  Begrenzung,  ist  Voraus- 
setzung. Umgebung  der  Sandwehe  mit  Gräben  und  Wall  zum  Schutz  gegen  Weidvieh 
und  Fuhrwerk.  Sodann  Dossieren  und  Planieren,  bestehend  in  sanfter,  glatter  Ab- 
schrägung schroffer  Ränder  der  ausgewehten  Sandkehlen,  Abrundung  der  Firste  und 
Köpfe  der  Dünen,  Ebnung  und  sanfte  Abböschung  steiler,  zerklüfteter  Seiten.  2.  Dek- 
kung:  Dieselbe  bezweckt  die  Beruhigung  des  Sandes,  entweder  nur  mechanisch  (Be- 
schwerung durch  aufgelegtes  totes  Material,  Zurückhalten  des  aufgewirbelten  Sandes) 
oder  zugleich  durch  Anwachsen  lebender  Deckungsmittel,  wie  Rasenplaggen.  Ausser 
solchen  kommen  je  nach  der  Oertlichkeit  in  Anwendung  beastete  Kiefernstangen,  Aeste, 
Hackreisig,  Haidekraut,  Schilf,  Pfrieme,  Seetang.  Die  Deckung  beginnt  stets  auf  der 
Windseite  und  erfolgt  bei  nassem  Wetter,  damit  der  Sand  möglichst  lang  feucht  bleibe. 
Flechtzäune  (sog.  Koupierzäune)  zum  Brechen  des  Windes  und  Aufhalten  des  bewegten 
Sandes  haben  sich  oft  nur  schlecht  bewährt  und  werden  nur  noch  selten  angewendet. 
3.  Kultur:  Durch  Kiefempflanzung  (Ballenpflanzen  oder  ballenlose  Pflänzlinge  mit 
tiefgehenden,  jedoch  nicht  allzulangen  Wurzeln  —  12  bis  18  cm).  Unter  Umständen 
(besonders  an  den  Meeresdünen)  der  Holzkultur  voraufgehende  Bepflanzung,  bezw.  Bin- 
dung mit  Sandrohr  (Arundo  arenaria),  Sandhafer  (Elymus  arenarius),  Sandsegge  (Carex 
arenaria)  ^^). 

Im  Kreise  Meppen  sind,  nach  Erscheinen  einer  bezüglichen  Polizei  Verordnung  und 
Instruktion,  von  1871  bis  1877  1121  ha  Sandwehen  gebunden  und  davon  835  ha  auf- 
geforstet worden;  3000  ha  waren  damals  noch  zu  behandeln.  Belegen  des  Sandes  mit 
Gras-  oder  Rasenplaggen  in  15  cm  breiten  und  4  cm  dicken  Streifen;  netzförmiges  Aus- 
legen auf  die  bewurzelte  Seite  behufs  Anwachsens.  (Rasen  besser  als  Heideplaggen,  welche 
tiefer  bewurzelt  sind  und  nicht  so  leicht  wachsen.)  In  der  Regel  Quadratnetze  von  1  Meter 
Seite.  (Ausnahmsweise  Moosplaggen  in  engeren  Quadraten.)  Bodenbenarbung  meist  schon 
während  der  ersten  Jahre.  Reisig  als  Deckmittel  schlecht  bewährt.  Netzförmige  Dämpfung 
mit  Plaggen  pro  ha  48 — 72  Mark.  —  Kultur  mit  3 — 4jährigen  Kiefernballenpflanzen  in 
1  Meter  Quadrat,  welche  tief  eingesetzt  werden.  Pflanzung  dicht  an  die  dem  Wind  ab- 
gekehrte Seite  der  Plaggen.  Pflanzkosten  pro  ha  45 — 54  Mark,  mithin  im  ganzen  ca. 
100—120  Mark. 

Im  Revier  Streck  (Oldenburg)  hat  sich  Bindung  durch  totale  Deckung  mit  Heide- 
plaggen besonders  bewährt.  Pflanzung  ballenloser  Kiefern  Jährlinge  mit  dem  Keilspaten. 
(Auf  Flächen  mit  südwestlicher  Exposition  ist  die  Jährlingspflanzung  oft  durch  zu  starke 

dem  Walde"  VIII.  von  1877  S.  167  if.  —  NB.  In  Preussen  allein  finden  sich  (cfr.  Jahr- 
bücher der  preuss.  Forst-  und  Jagdgesetzgebung  und  Verwaltung  von  1882,  S.  162)  ausser 
den  Meeresdünen  37  448  ha  flüchtige  Sandschollen ,  von  denen  28  635  ha  als  gefahrlich  für 
angrenzende  Kulturländereien  bezeichnet  werden. 

53)  Einzelheiten  über  Flugsandkultur  z.B.  in  H  e  m  p  e  1  s  (nachmals  v.  S  e  c  k  e  n- 
dorffs)  Centralblatt  von  1882,  woselbst  S.  7  ein  Oberförster  Wellebil  eine  Schlamm-Methode 
empfiehlt,  gegen  welche  sich  (S.  249)  Forstkontrolleur  Böhm  ausspricht.  —  In  ders.  Zeit- 
schrift, 1881  S.  171  ist  (von  Kabine)  Auspflanzung  von  Nadelhölzern  in  Erdtöpfen  (aus 
nicht  gebrannter,  guter  Erde)  empfohlen :  Beweise  für  die  mannigfachen  Bemühungen,  einen 
guten  Kulturerfolg  zu  erzwingen. 


Die  BestandesbegrOndung.     §  32.  463 

Bodenerwärmnng  gefährdet.)     Gesamtkosten  (besonders  wegen  der  Anfuhr  der  Heideplaggen) 
pro  ha  bis  zu  300  Mark. 

Dass  speziell  der  Bindung  und  event.  Bewaldung  der  Düne  längs  der  Meeresküste 
im  allgemeinen  Kulturinteresse  eine  hervorragende  Bedeutung  zukommt,  liegt  auf  der  Hand. 
Umfängliche  Arbeiten  haben  in  dieser  Richtung  z.  B.  in  Südwestfrankreich,  aber  auch  in 
den  deutschen  Küstengebieten  (z.  B.  Ostpreussen:  kurische  Nehrung  u.  s.  w.)  stattgefunden 
und  werden  mit  grosser  Energie  fortgesetzt.  Wo  nicht  eine  sog.  Vordüne,  die  den  ersten 
Anprall  des  Meeres  aufnehmen  kann,  bereits  vorhanden  ist,  sucht  man  sie  vielerorts  zu- 
nächst zu  schaffen  (durch  Errichtung  von  Zäunen,  an  welche  sich  der  Sand  anlagert); 
ist  dieselbe  hoch  genug  (10  m  genügen  meist),  so  wird  sie  mit  Sandgräsern,  allenfalls 
auch  Salix  repens  bepflanzt  und  dadurch  gefestigt.  In  sehr  verschiedenem  Abstand  (oft 
erst  in  grösserer  Entfernung)  von  der  Vordüne  zieht  sich  die  eigentliche  hohe  Düne  hin, 
bezw.  die  Wanderdüne,  deren  Festigung  eine  Hauptaufgabe  ist:  Bedeckung  mit  Schilf, 
Aesten  u.  s.  w.  Dazwischen  Bepflanzung,  zu  welcher  sich,  bes.  nach  den  auf  der  kurischen 
Nehrung  gemachten  Erfahrungen ,  oft  Pinus  uncinata  zunächst  besser  eignet  als  Pinus 
silvestris.  Die  Pflanzstellen  erhalten  oft  erst  eine  Düngung  und  Bindung  durch  eingefüllten 
Meeresschlick.  Frischere  Partien,  zumal  des  Vorlandes  (zwischen  Vor-  und  Wanderdüne), 
werden  mit  Erle  und  Birke  in  Bestockung  gebracht.  In  Frankreich  erfolgt  die  Aufforstung 
vielfach  mit  Pinus  maritima  (oft  durch  Saat  unter  Strauchdecke). 

§  32.  III.  Raseneisenstein  und  Ortstein**):  Die  durch  dieselben  ge- 
bildeten Schichten  beeinträchtigen  den  Pflanzenwuchs,  indem  sie  das  Eindringen  der 
Wurzeln  sowie  des  Wassers  in  die  Tiefe  (Versumpfung)  und  das  Aufsteigen  des  Grund- 
wassers aus  der  Tiefe  hindern;  mangelhafte  Bodendurchlüftung  tritt  hinzu.  Beide, 
Raseneisenstein  und  Ortstein,  bilden  sich,  wo  die  Bedingungen  dafür  gegeben  sind,  fort- 
während. Mittelst  streckenweisen  Durchbrechens  jener  Schichten  wird  die  Verbindung 
zwischen  Oberboden  und  Untergrund  hergestellt.  Beim  Raseneisenstein  erfolgt  das 
Herausbrechen  zumeist  unter  Anwendung  von  Spitzhaue  und  Rodhacke.  Da  sich  mäch- 
tige geschlossene  Raseneisensteinbänke  meist  in  feuchten  Gebieten  finden,  wo  eine  Sen- 
kung des  Wasserspiegels  der  Kultur  voraufgehen  muss,  da  die  Bearbeitung  des  Rasen- 
eisensteins teuer,  die  erzogenen  Bestände  oft  minderwertig  sind,  bietet  die  waldbauliche 
Behandlung  solcher  Flächen  häufig  keinen  greifbaren  Vorteil.  Auch  beim  Ortstein 
rauss,  wenn  derselbe  tief  liegt  (tiefer  als  ca.  60  cm),  Handarbeit  eintreten  (Rigolen  mit 
Stosseisen,  Spaten  und  Hacke),  wobei  Heraufschaifen  des  Steines  an  die  Oberfläche, 
Einbringen  der  überliegenden  Bodenschicht  in  die  Tiefe  bezweckt  wird.  Rigolen  ganzer 
Flächen  auf  diese  Weise  ist  meist  zu  teuer.  Man  begnügt  sich  in  der  Regel  mit  strei- 
fenweisem Rigolen  (ca.  2  Meter  breite  bearbeitete  und  etwas  schmälere  unbearbeitete 
Streifen),  welches  pro  ha  immerhin  160 — 180  Mark  erfordert.  Löcherkultui* ,  sowie 
Kultur  auf  schmalen  Streifen  sind  wegen  des  verhältnismässig  raschen  Nachwachsens 
des  Ortsteins  ungeeignet;  sie  erweisen  sich  keinenfalls  als  dauernd  wirksame  Mass- 
regeln. Zu  unterscheiden  ist  das  Vorkommen  des  Ortsteins  in  trockenen  von  demjenigen 
in  nassen  Lagen,  für  welch'  letztere  Rabattenkultur  am  empfehlenswertesten  ist.  Ist 
der  Ortstein  brüchig,  nicht  zu  mächtig  und  nicht  zu  tief  liegend,  so  hat  man  ihn  mit 
Vorteil  durch  Pflugarbeit  bewältigt.  Auch  hier  meist  streifenweiser  Umbruch ;  gewöhn- 
lich zwei  Pflüge,  indem  die  von  dem  Vorpfluge,  geöffnete  Furche  durch  einen  nachfol- 
genden Untergrnndpflug  tiefer  durchgearbeitet  wird.  Kosten  pro  ha  40 — 80  Mark.  — 
Grosse  ebene  Flächen,  besonders  auch  noch  solche  mit  tiefer  liegendem  (bis  80  cm), 
hartem  Ortstein   werden  vielfach  mit  Dampfpflugkultur  behandelt  (event.  Kipp-  oder 

54)rVergL~Aus  dem  Walde''  HI  (1872)  S.  41;  IV.  (1873)  S.  49;  V  (1874)  S.  192; 
VI  (1875)  S.  150;  VII  (1876)  S.  246;  VIII  (1877)  S.  153.  —  vergl.  überdies:  Handbuch  Bd.  1, 
II :  Standortslehre  §8.  —  Schimmelpfennig,  „Der  Dampf  pflüg  im  Dienste  der  Forst- 
wirtschaft" in  der  Zeitschr.  für  Forst-  u.  Jagdwesen  V.  Band  (1873)  S.  161  ff.  —  Emeis, 
Waldbauliche  Forschungen  und  Betrachtungen,  1876.  —  Müller,  Die  natürlichen  Humus- 
formen. —  Ramann,  Bildung  und  Kultur  des  Ortsteins,  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1886,  S.  1. 


464  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Balancierpflüge  zur  Vermeidung  des  Urawendens).  Ob  sich  schliesslich  der  Aufwand 
im  Holzertrage  bezahlt  macht,  ist  von  Fall  zu  Fall  Gegenstand  besonderer  Rechnung; 
vielenorts  scheint  der  Holzwuchs  die  Ausgabe  zu  lohnen*^). 

Quaet-Faslem  (Hannover)  berichtet  in  „Aus  dem  Walde  VUP  über  die  Vor- 
bereitung des  Heidebodens  zum  Anbau  von  Nadelholz  mittelst  des  Dampfpfluges,  dass  die 
Resultate  im  allgemeinen  befriedigt  haben.  Er  teilt  mit  verschiedenen  Pflügen  ausgeführte 
Parallelversuche  mit,  welche  die  Firma  John  Fowler  u.  Comp,  zu  Magdeburg  ausgeführt 
hat.  Unter  Anwendung  eines  besonders  konstruierten  Balancierpfluges  mit  einem  Tiefgang 
von  50  cm  sind  u.  a.  140  ha  streifenweise  bearbeitet  worden  (2,5  m  breite  Streifen  mit 
1,6  m  breiten  Zwischenräumen),  wobei  die  Kosten  pro  ha  80  Mark  betrugen.  Durch- 
schnittliche Leistung  pro  Arbeitsstunde  0,23  ha.  Heizung  der  zwei  Dampfmaschinen  pro 
Stunde  mit  ca.  2,3  Zentner  Steinkohle  und  0,16  Kubikmeter  Stockholz  (von  Birke  und 
Eiche) ;  Wasserverbrauch  derselben  pro  Stunde  0,5  Kubikmeter. 

Das  im  Jahre  1893  erschienene  Jubiläumswerk  „Das  Grossherzogtum  Oldenburg  und 
seine  wirtschaftliche  Entwickelung  während  der  letzten  40  Jahre'',  gibt  an,  dass  während 
der  Zeit  1879 — 1891  mit  dem  Fowler'schen  Dampfpflug  zus.  2532  ha  behandelt  worden 
sind,  was  einen  Aufwand  von  184  307  Mk.  an  Pflugkosten  verursacht  hat.  Kultur  mit 
6  650000  Laubholz-  und  30600000  Nadelholzpflanzen,   unter  letzteren  25  Mill.  Kiefern. 

§  33.  IV.  M  0  0  r  e  *^*) :  Erstes  Erfordernis  ist  eine  genaue  Bodenuntersuchung  (cfr. 
Forstl,  Standortslehre,  1.  Bd.  II,  §  39  ff.),  einschliesslich  der  chemischen  Untersuchung  der 
Moorsubstanz.  Grünlandsmoore  kommen  für  die  Waldkultur  wenig  in  Betracht,  wenigstens 
nicht,  soweit  sie  bei  geeigneter  Behandlung  gute  Wiesen  ergeben.  Da  und  dort  kann 
sich,  nach  der  Entwässerung  und  Bedeckung  mit  Sand,  Bepflanzung  mit  Erle  empfehlen. 
Viel  ungünstiger  gestalten  sich  die  Verhältnisse  auf  Hochmooren.  Diese  haben  im  all- 
gemeinen keine  Neigung,  sich  zu  bewalden,  ein  Umstand,  der  uns  mahnt,  daselbst  mit 
forstlichen  Unternehmungen  vorsichtig  zu  sein;  befriedigende  Rentabilität  des  Holzan- 
baues wird  sich  meist  nicht  ergeben,  es  sei  denn,  dass  die  Mächtigkeit  des  Torflagers 
keine  zu  bedeutende  wäre,  und  man  deshalb  bald  zu  dem  mineralischen  Grunde  gelangen 
könnte,  mit  welchem  dann  der  Torf  zu  mischen  ist :  Rabattenanlage,  indem  man  Gräben 
bis  zum  mineralischen  Boden  aushebt  und  letzteren  auf  die  zwischenliegenden  Beete 
bringt.  Eine  Entwässerung  (bezw.  Senken  des  Wassers),  am  besten  durch  offene  Gra- 
ben (diese  mit  steilen  Wänden),  ist  unter  allen  Umständen  erforderlich  (langsames, 
allmähliches  Vertiefen  der  Gräben);  das  Moor  setzt  sich  infolge  dessen  nieder  (bis  zu 
2/3  seiner  früheren  Mächtigkeit).  Bildung  einer  Grasnarbe  deutet  auf  genügenden 
Rückgang  des  Wassers.  —  Urbarmachung  event.  durch  Vermittelung  des  Brand- 
fruchtbaues. 

Nach  der  Schilderung  von  Brünings  ist  die  Sache  im  grossen  Augustendorf  er  Moor 
folgen  der  massen  verlaufen:  Vermessung  des  Moores,  Entwässerung  durch  Gräben  als  Vor- 
bereitung. Das  Feuer  soll  demnächst  durch  Zerstören  des  festen  Fasergewebes  eine  zer- 
bröckelte, erdartige  Masse  und  damit  ein  erstes  Keimbett  bilden  und  durch  die  Hitze  die 
Säuren  neutralisieren  (Bildung  von  Asche  ist  nicht  die  Hauptsache).    Man  brennt  auf  dem 


55)  Kraft:  Zeitschr.  f.  Forst- u.  J.  1891,  709  (Erfahrungen  aus  der  Praxis).  —  Ortst^in- 
aufforstung  mit  Kiefer  in  der  preuss.  Oberförsterei  Nienburg  (Vers,  des  Vereins  deutscher 
forstl.  Versuchsanstalten.  1894,  cfr.  Allg.  Forst-  u.  J.Z.  1895,  26). 

56)  Burckhardt,  „Säen  und  Pflanzen",  5.  Aufl.  S.  523  ff.  —  Ders.,  „Wald,  Moor 
und  Wild  im  Emslande"  in  „Aus  dem  Walde"  VI,  S.  1  ff.  (insbes.  S.  66  ff.).  —  Brünings, 
„Das  Augustendorfer  Moor"  in  „Aus  dem  Walde"  IX  (1879)  S.  106.  —  Derselbe,  ,Der 
forstl.  und  der  landwirtsch.  Anbau  der  Hochmoore  mittelst  Brandfruchtbaues".  Berlin  bei 
Springer  1881.  —  Zu  beachten  insbes.  auch  die  verschiedenen  Rezensionen  der  letztgenannten 
Schrift,  z.B.  forstl.  Blätter  von  1882  S.  51.  —  Nordwestdeutscher  Forstverein  1891,  cfr. 
Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1891 ,  N.  631.  —  Moore  des  Erzgebirgs  (Forstass.  Dr.  Männel  in 
Forstl.  nat.  Zeitschr.  1896,  301)  —  Moorkulturen  in  Dänemark  (z.  B.  Oesterr.  Forstzeitung 
1893,  17,  22)  —  Verhandlungen  des  schles.  Forstvereins  1894.  —  Baumann:  Die  Moore 
und  Moorkulturen  in  Bayern  (Forstl.  nat.  Zeitschr.  1894,  S.  89,  295). 


t)ie  Bestandesbegründung.     §  M.  465 

Moore  (nicht  nach  vorherigem  Umbruch  desselben),  indem  nur  die  die  Oberfläche  desselben 
bildende  Menge  kleiner  Hügel  („Bülten")  umgerissen,  nebst  dem  Grabenauswurf  ausgebreitet 
und  angezündet  werden,  wobei  das  Feuer  nur  oberflächlich  angreift.  Dann  folgt  Aussaat 
von  Buchweizen.  Im  nächsten  Jalire  wiederholtes  Brennen,  desgl.  im  dritten  und  vierten 
Jahre,  stets  in  Verbindung  mit  Fruchtbau;  die  Balten  sind  nun  verzehrt  und  erst  im 
fünften  und  sechsten  Jahre  kratzt  man  behufs  erneuten  Brennens  Teile  des  eigentlichen 
Bodens  flach  auf:  Wurzeigefaser,  Haidehumus  etc.  sind  nach  den  sechs  Jahren  verschwunden, 
durch  die  sechsjährige  Vegetation  ist  neues  Leben  in  den  toten  Boden  gedrungen.  Ge- 
brannt wird  stets  mit  dem  Winde  (sonst  greift  das  Feuer  zu  tief) ;  an  feuergefährlichen 
Stellen  erfolgt  gegen  den  Wind  ein  Vorbrand.  Im  7.  Jahr  erfolgt  der  forstliche  Anbau 
mit  Eiche,  Fichte,  Kiefer,  event.  Lärche  und  Weymouthskiefer.  Gesamtkosten  pro  ha 
(Brennzeit  6  Jahre,  Tagelohn  2  Mark)  =z  360  Mark ;  Ertrag  (5  Jahre  Buchweizen,  1  Jahr 
Roggen)  pro  ha  =  900  Mark.     Die  Auiforstung  kostet  pro  ha  65 — 70  Mark. 

Zwar  haben  viele  Moorkulturen,  die  in  der  angedeuteten  Weise  ausgeführt  worden 
sind  und  anfänglich,  oft  durch  10 — 15  Jahre,  gutes  Wachstum  zeigten,  grosse  Hoffnungen 
erweckt,  dann  aber  in  ihrer  Entwickelung  bald  nachgelassen,  so  dass  der  Erfolg  nur  ein 
scheinbarer  war,  in  Wirklichkeit  aber  ein  Ersatz  der  aufgewendeten  Kosten  nicht  entfernt 
zu  erwarten  ist.  Von  irgend  umfangreichen  Moorbewaldungen  wird  deshalb  abzusehen  sein, 
es  sei  denn,  dass  es  sich  um  bereits  abgctorfte  Hochmoore  handelt,  wie  solche  z.  B.  in 
den  nordwestdeutschen  Mooren  mit  Holz  angebaut  worden  sind  und  gute  Bestände  von 
Eichen,  Fichten,  Kiefern  und  Birken  tragen.  —  Nach  Prof.  Dr.  Tacke,  Vorsteher  der 
Moor  -  Versuchsstation  in  Bremen,  (Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdw.  1900,  S.  88)  kommt, 
zumal  in  Niederungsmooren,  auch  für  forstliche  Zwecke  unter  Umständen  die  Kimpau'sche 
Sanddeckkultur  nach  vorheriger  Entwässerung  in  Frage  (siehe  oben) ;  im  allgemeinen  aber 
wird  auch  auf  den  im  Walde  belegenen  Mooren,  wenn  sie  überhaupt  benutzt  werden  sollen, 
landwirtschaftliche  Benutzung  vorzuziehen  sein. 

„Flüchtige  Moorflächen  (Mull  wehen)  ^^)  sind  Moorflächen ,  die  durch  eine 
übertriebene  Benutzung  oder  fehlerhafte  Behandlung  ihre  natürliche  vegetabilische  Boden- 
decke verloren  haben,  wo  der  rohe  Moorboden  zu  Tage  tritt,  der  dann  bei  trockener 
Witterung  staubig  und  flüchtig,  bei  nasser  Witterung  schlammig  und  treibend  wird**. 
Unterschied  von  Sandwehen  darin ,  dass  sie  auch  bei  feuchtem  Wetter  beweglich  sind. 
Entstehung  besonders  durch  zu  ausgedehntes  Haide-  und  Plaggenhauen  oder  zu  langes 
Brennen,  beides  in  Verbindung  mit  täglichem  Auftrieb  von  Schafen  in  geschlossener  Herde 
und  demnächst  Auffrieren  des  Bodens.  Gefahr  für  umgebendes  Gelände  durch  Uebe rweheu 
mit  Mull.  —  Vorbedingung  der  Dämpfung  ist  das  Aufhören  jeder  Benutzung  des  Bodens. 
Entwässerung.  Aufforsten  der  Mullwehen  mit  wenig  mächtiger  (bis  1  m)  Moorunterlage 
und  zwar  zunächst  meist  durch  Anpflanzung  mit  Birke  hinter  senkrecht  zur  herrschenden 
Windrichtung  verlaufenden  Wällen,  zu  welchen  das  Material  durch  Aushub  von  Gräben 
beschafft  wird ;  diejenigen  auf  mächtigem  Moorlager  sind  nach  der  Entwässerung  zunächst 
mit  Kräutern  (Rumex),  Honiggras  (Holcus)  etc.  anzubauen  (am  sichersten  unter  Fruchtbau 
von  Buchweizen  mittelst  Brennens). 

§  34.  V.  Unfruchtbarer  Humus,  d.  i.  ein  Bodeniiberzug  aus  nicht  ge- 
nügend zersetzten,  bezw.  zersetzbaren,  aus  wachs-  oder  harzhaltigen  Pflanzenresten, 
welcher,  rasch  austrocknend  und  die  Feuchtigkeit  schlecht  annehmend,  den  Boden  ver- 
scbliesst  und  der  Entwickelung  der  Holzpflanzen  hinderlich  ist.  Entfernung  desselben 
oder  Vermischung  mit  dem  mineralischen  Untergrund  ist  erforderlich.  Hierher  gehört: 
1.  Rohhumus^'^)  aus  Blättern,  Nadeln,  Unkräutern  etc.,  oft  dicht  gelagert  und  für 
Wasser  fast  undurchlässig,  nur  mangelhaft  zersetzt  wegen  fehlender  Feuchtigkeit  und 
Wärme.  Besonders  auf  kalkarmen  Böden.  Raschere  Verwesung  wird  durch  Aufschlnss, 
bezw.  vermehrten  Zutritt  der  Atmosphäre  bewirkt,  soweit  nicht  noch  intensivere  Aus- 
trocknung dadurch  bedingt  ist.     Eventuell  Entfernung  desselben.     Gegen  die  Bildung 


57)  Gerdes,  „Die  flüchtigen  Moorflächen  in  Hannover  und  Oldenburg"  in  „Aus  dem 
Walde"  (1879)  S.  159  ff.  —  D.  in  Mündener  forstl.  Hefte  1892,  S.  VM). 

58)  Siehe :  R  a  m  a  n  n  ,  Anzahl  und  Bedeutung  der  niederen  Organismen  in  Wald- 
und  Moorböden  (Zeitschi*.  f.  Forst-  u.  J.  1899,  S.  575).  —  Weinkauff,  Humus  oder 
Streuzersetzung  (Forstwiss.  Zentralbl.  1900,  S.  456). 

Handbuch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  30 


466  tV.  Lorey,  Waldbau. 

von  Rohhumos  wirkt  die  Erhaltung  des  Bestandesschlusses,  Begünstigang  des  TierlebouB 
im  Boden  (Regenwürmer),  Bodenbearbeitung,  Düngung  und  richtige  Auswahl  der  Holz- 
arten (gemischte  Bestände,  siehe  oben).  2.  Stauberde,  Rückstände  von  Flechten- 
Wegrechen  oder  -hacken  derselben.  3.  Heide-  und  Heidelbeerhumus,  aus 
Calluna-,  Erica-,  Vaccinium-Arten  gebildet,  wachs-  und  gerbsäurehaltig,  locker,  trocken. 
Ebenfalls  wegzurechen  oder  wegznhacken.  Dichte  Lager  unverwester  Nadeln  (Fichte) 
verhalten  sich  ähnlich. 

Ueber  die  Frage  der  Hcideaufiforstung  wird  schon  seit  lange  Streit  geführt,  d.  h. 
insbesondere  auch  darüber,  ob  unsere  ausgedehnten  Heideflächen  in  früherer  Zeit  einmal 
Wald  getragen  haben  oder  nicht,  sowie  darüber,  ob  die  Kosten  etwaiger  Aufforstung  sieb 
in  den  zu  erziehenden  Beständen  lohnen  werden.  Die  Debatte  im  einzelnen  zu  verfolgen, 
würde  hier  zu  weit  führen.  Der  Gedanke,  die  ausgedehnten  Heideflächen  dem  Walde  zu 
gewinnen,  liegt  an  sich  gewiss  nahe.  Aber  Bedenken,  bes.  hinsichtlich  der  Rentabilität, 
lassen  sich  jedenfalls  gegen  die  allgemeine  Rätlichkeit  der  Aufforstung  erheben,  wenn  die- 
selben auch  hie  und  da  übertrieben  sein  mögen !  Die  Gegner  derselben  gehen  meist  davon 
aus,  dass  die  Heidefläche  (auch  ohne  Wald)  keineswegs  ertragslos  ist  (^Schafweide ,  Plag- 
gen etc.).  Zur  Charakterisierung  der  verschiedenen  Standpunkte  sind  u.  a.  zu  vergleichen: 
Emeis,  „Waldbauliche  Forschungen**,  Berlin  1875;  ferner  Borggreve,  „Haide  und  Wald-, 
Berlin  1879;  sodann  zahlreiche  Zeitschriften-Artikel,  wovon  viele  in  den  forstlichen  Blättern 
(z.  B.  Daube  1881,  S.  2,  Quaet-Faslem  1882,  S.  41 ,  mehrfache  bezügliche  Aeusserungen 
von  Borggreve,  z.  B.  1882,  S.  47,  von  ?  im  Jahrgang  1892,  S.  97),  andere  in  der  Allg. 
Forst-  und  Jagdzeitung  (z.  B.  von  Emeis  1881,  S.  109  —  1883,  S.  42,  115  u.  a.). 

Tatsächlich  sind  schon  sehr  bedeutende  Kosten  für  Auiforstungszwecke  verausgabt 
worden;  besondere  Heidekulturvereine  widmen  sich  der  betr.  Aufgabe,  so  in  Dänemark, 
Schleswig,  Hannover.  In  Hannover  waren  nach  Angabe  in  Weise's  Chronik  bis  1882 
bereits  2866  ha  mit  durchschnittlich  105  Mark  aufgeforstet;  weitere  Angaben  finden  sich 
u.  a.  in  dem  Bericht  der  Hannover.  Provinzial Verwaltung  von  1896  (Quaet-Faslem).  Im 
nordwestdeutschen  Forstverein  (1894)  vertritt  Jentsch  die  Ansicht,  dass  es  nur  unter 
bestimmten  Voraussetzungen  angezeigt  sei ,  die  Aufforstungen  weiterzuführen ;  übrigens 
werden  aus  der  Lüneburger  Heide  entschieden  gute  Erfolge  gemeldet  (z.  B.  Dr.  R  e  b  e  I , 
Forstwiss.  Zentralbl.  1892,  36).  —  In  Schleswig-Holstein  sind  (nach  Hahn,  Zeitschr.  f. 
Forst-  u.  J.  1893,  S.  249)  in  17  Jahren  vom  Staat  über  17  Millionen,  von  der  Pro>'inzial- 
verwaltung  fast  6^2  Millionen  Mark  für  Aufforstungen  verausgabt  und  damit  jährlich 
580  ha  kultiviert  worden  (Hebung  des  Bewaldungsprozents  auf  8,9 ,  d.  i.  fast  um  16  ^/u 
des  früheren  Standes).  Dabei  sind  von  Fall  zu  Fall  alle  verschiedenen  Methoden  der  Bi^ 
arbeitung  und  Kultur  angewendet  worden.  —  üeber  die  Heide  in  Jütland  und  deren  Auf- 
forstung cfr.  auch  Dr.  Metzger  in  Mündener  forstl.  Hefte  XIII,  1898. 

Es  sei  darauf  hingewiesen,  dass  wohl  die,  bes.  von  Prof.  Mayr  empfohlene,  genüg- 
same Pinus  banksiana  bei  den  Heideaufforstungen  mit  Vorteil  allgemein  benützt  werden 
könnte. 

An  dieser  Stelle  möge  auch  der  Oedlandsaufforstung  in  weitestem  Sinne 

gedacht  werden '^'*).    Die  Sorge  für  tunlichste  Aufforstung  des  in  Europa  allein   etwa 

22000  Quadratmeilen  einnehmenden  Oedlandes  regt  sich  in  allen  zivilisierten  Ländern. 

Die  Aufforstungsarbeiten  im  Karstgebiete,  in  West-  und  Ostpreussen  (Kassubei),  sowie 

sonst  in  Deutschland,  ferner  in  Vorarlberg,   in  der  Schweiz  (z.  B.  Schweiz.  Zeitschr. 

59)  Unter  Oedland  versteht  man  im  allgemeinen  diejenigen  Areale,  welche  zwar  kultur- 
fähig sind,  aber  z.  Z.  nicht  oder  nur  okkupatorisch  benützt  werden.  Event,  werden  auch 
landwirtschaftlich  benützte  Flächen  dem  Oedland  zugerechnet,  welche  einen  äusserst  ge- 
ringen Reinertrag  (0 — 1,20  M.)  abwerfen.  Letztere  einbezogen  hatte  Deutschland  1893  ruud 
3,7  Mill.  ha  Oedland,  woran  ca.  700000  ha  aufzuforsten  wären,  cfr.  Grieb,  Das  euro- 
päische Oedland,  seine  Bedeutung  und  Kultur,  1898,  bei  Sauerländer.  —  Matthes,  Vor- 
trag bei  der  28.  Vers,  des  Thürg.  Forstver.  1901,  zu  Coburg:  Vereinsheft  S.  29—46.  — 
Preussen  hatte  (cfr.  Mündener  Forstl.  Hefte  Nr.  XVII)  allein  im  Besitz  der  Staatsforst- 
verwaltung am  1.  X.  1900  noch  34073  ha  Oedland,  seit  1883  sind  70856  ha  erworben 
worden ;  61  620  ha  waren  hievon  bis  1900  aufgeforstet.  Beteiligt  sind  in  erster  Lim'e  die 
nord-östl.  Provinzen. 


Die  Bestandesbegründung.     §  B5.  467 

1893,  6),  zumal  im  Schutzwald  gebiete,  in  Italien,  den  Pyrenäen  seien  als  Beispiele  an- 
geführt.. Auch  die  Bepflanzung  von  Alluvionen  (Hochgebirge  und  Ebene:  Ueberschwem- 
mungsgebiet  der  Flüsse),  je  nach  den  Verhältnissen  mit  Erle,  Pappel,  Akazie,  Birke, 
auch  wohl  Ulme,  Esche,  Eiche,  sei  hier  erwähnt  ®®). 

Zweiter  Teil. 

Saat. 

Zum  Gelingen  der  Saatkultur  gehört,  von  Witterungseinflüssen  abgesehen,  vor 
allem  gutes  Saatmaterial,  ein  geeignetes  Keimbett  und  sachgemässe  Ausführung. 

I.  Saatmethode. 

§  35.  A.  Verschiedene  Arten  der  Saat:  Je  nachdem  die  Saat  aus  der 
Hand  oder  unter  Anwendung  einer  Maschine  ausgefühii;  wird,  nennt  man  sie  Handsaat 
oder  Maschinensaat.  —  Ausserdem  werden  unterschieden :  1.  Vollsaat,  wobei  die 
ganze  Fläche  möglichst  gleichmässig  mit  Samen  bestreut  wird,  und  2.  stellenweise 
Saat,  bei  welcher  der  Samen  nur  auf  bestimmte  Stellen  derselben  kommt.  Hierher 
gehören :  a)  die  R  i  e  f  e  n  s  a  a  t ,  auch  Rinnen-,  Rillen-,  Sti^eifen-,  Furchensaat  genannt : 
der  Samen  wird  auf  Streifen  gesäet,  während  die  dazwischenliegenden  Streifen  samen- 
frei bleiben^*),  b)  die  Plattensaat,  auch  Plätzesaat :  eine  Anzahl  Samenkörner 
kommt  auf  einzelne,  über  die  Kulturfläche  verteilte  Plätze.  Die  Punktsaat,  bei 
welcher  man  mit  Einzelsamen  (Eichel,  Kastanie  etc.)  operiert,  die  (möglichst  gleich- 
mässig) auf  der  Fläche  verteilt  werden,  kann  füglich  als  ein  Spezialfall  der  Vollsaat 
gelten ;  man  spricht  jedoch  von  Vollsaat  meist  nur  bei  kleinen  Samen,  deren  eine  Mehr- 
zahl gleichzeitig  ausgestreut  wird. 

Uebergänge  zwischen  Platten-  und  Punktsaat.     Löchersaat,  wenn  die  Saatplätze  ver- 
tieft sind. 

B.  Wirtschaftliche  Bedeutung  der  Saatarten.  Wenn  M  a  s  c  h  i- 
uensaat  angewendet  wird,  tut  man  es,  teils  um  die  Gleichmässigkeit  der  Samenver- 
teilnng  zu  fördern,  teils  um  eine  Ersparnis  (besonders  an  Zeit)  zu  erzielen ;  komplizier- 
tere und  dem  gemäss  teure  Maschinen  kommen  meist  nur  für  grosse  Kulturflächen  und 
für  regelmässig  wiederkehrende  umfängliche  Saaten  in  Betracht.  Handsaat  ist 
Regel.  Maschinen  (namentlich  solche,  deren  Bewegung  Spannvieh  erfordert)  sind  über- 
dies meist  an  bestimmte  Eigenschaften  der  Kulturfläche  (nicht  zu  geneigte  Lage,  Fehlen 
von  grösseren,  rasch  wechselnden  Unebenheiten,  von  Stöcken,  Steinen  u.  s.  w.)  gebunden. 
Einfachere  Säeapparate  finden  auch  im  kleinen  Betriebe,  zumal  im  Forstgarten,  An- 
wendung. —  V  0 1 1  s  a  a  t  (breitwiirfige  Saat)  gibt  die  gleichmässigste  Samenverteilung, 
bedingt  mithin  für  die  einzelnen  Keimpflanzen  von  vornherein  annähernd  nach  allen 
Seiten  gleichen  Standraum,  wodurch  deren  normale  Entwickelung,  sowie  in  der  Folge 
gleichmässiger  Schluss  des  Jungbestandes  und  damit  auch  gleichmässige  Deckung  des 
Bodens  angebahnt  ist;  sie  arbeitet  rasch,  verlangt  aber  das  grösste  Samenquantum  und, 
falls  vorgängige  Bodenbearbeitung  notwendig  wilre,  hierfür  oft  verhältnismässig  hohen 
Aufwand.     Auch  erschwert  sie  die  Reinigung  von  Unkraut,   die  etwaige  Jugendpflege 


60)  J.  Hamm  (Forstwiss.  Zentralbl.  1888,  601):  Aus  den  Waldungen  des  badischen 
Rheinthaies. 

61)  In  bezug  auf  diese  Art  der  Saat  werden  wohl  feinere  Unterscheidungen  gemacht, 
indem  man  von  Streifensaat  spricht,  wenn  die  besäeten  Bänder  eine  gewisse  Breite  haben, 
von  Riefensaat,  wenn  der  Same  nur  in  schmale  Linien  zu  liegen  kommt,  u.  s.  w.  Diese 
an  sich  ja  nicht  unberechtigten  Unterscheidungen  sollen  hier  nicht  festgehalten ,  bezw.  ver- 
folgt werden. 

30* 


468  IV.  Lorey,  Waldbau. 

der  Pflanzen  durch  Behacken,  sowie  das  Ausbringen  der  ersten  Durchforstungshölzer. 
Die  Vorzüge  und  Nachteile  der  stellen  weisen  Saat  folgen  aus  dem  ^'orstehenden; 
dieselbe  bedarf  z.  B.  weniger  Saatgut  (jedoch  nicht  im  Verhältnis  des  wirklich  besäeten 
zum  samenfrei  bleibenden  Teil  der  Fläche,  weil  man  naturgemäss  auf  den  Einzelstellen 
dichter  säet),  erzeugt  jedoch  vielfach  einen  zu  dichten  Stand  der  Pflanzen  und  etwas 
ungleichmässige,  von  vornherein  unsymmetiische  Entwickelung  der  Jungpflanzen  (seitliche 
Kronenausbreitung  bei  den  Streifen,  Eaudstämmchen  der  Platten).  Streifensaat 
eignet  sich  oft  für  Anwendung  von  Maschinen,  erleichtert  am  meisten  die  Kulturreini- 
gung und  die  ersten  Durchforstungen,  lässt  aber  die  Zwischenstreifen  je  nach  deren 
Breite  kürzere  oder  längere  Zeit  unbedeckt.  Auf  den  Platten  wird  das  gedrängte 
Aufwachsen  der  Pflanzen  oft  besonders  hinderlich;  rasche  Deckung  der  zwischen  den 
Platten  liegenden  Bodenpartien  kann  nur  durch  entsprechend  nahes  Aneinanderlegen 
der  Platten  bewirkt  werden.  Löcher  saat  kommt  namentlich  für  trockene,  der  Sonne 
und  dem  Wind  ausgesetzte  Orte  in  Frage.  Die  Punktsaat  kann  (siehe  oben)  als 
Vollsaat  mit  grösserem  Abstand  der  einzelnen  Samen  von  einander  betrachtet  werden. 

II.  Saatmaterial. 

§  36.  A.  Beschaffung  derSamen:  Dieselbe  erfolgt  durch  Selbstsammeln, 
durch  Naturalabgabe,  Tausch  oder  Kauf.  Hat  man  die  Wahl,  so  entscheidet  die  Samen- 
güte im  Verein  mit  den  aufgewendeten  Kosten,  welch  letzteren  ausser  dem  direkten 
Geldaufwand  auch  die  Sorge  und  Mühe  bei  der  Beaufsichtigung  des  Sammeins,  beim 
Einbringen  und  Aufbewahren  der  Sämereien  zugezählt  werden  müssen. 

1.  Selbstsammeln  ermöglicht  geeignete  Auswahl  der  Samenbäume ,  genaue 
Beachtung  des  richtigen  Zeitpunktes  (vollständige  Reife),  sorgsamste  Behandlung;  sie 
garantiert  also  von  vornherein  ein  gutes  und  vielfach  auch  billigeres  Material.  -  2.  Na- 
turalabgabe,  darin  bestellend,  dass  bei  Verpachtung  der  Samenernte  der  Pächter 
verpflichtet  ist,  zunächst  als  Vergütung  für  die  ihm  überlassene  Nutzung  ein  bestimmtes 
Quantum  des  gesammelten  Saatgutes  zur  Verwendung  der  Waldbesitzer  abzuliefeni. 
überhebt  der  besonderen  Sorge  für  die  Ernte,  liefert  ebenfalls  frisches  Saatgut.  - 
3.  Tausch,  nur  ausnahmsweise.  —  4.  Kauf,  namentlich,  wenn  grosse  Mengen  von 
Samen  nötig  sind,  welche  eine  besondere  Behandlung  erfordern  (z.  B.  Samenklengbe- 
trieb  bei  Nadelhölzern).  Man  wendet  sich  dabei  im  allgemeinen  besser  an  bewährte, 
grosse  Firmen,  als  an  kleine  Händler,  weil  die  grossen  Klenganstalten  im  allgemeinen 
doch  am  vollständigsten  über  alle  Mittel  zur  Lieferung  eines  tadellosen  Produkts  ver- 
fügen. Garantie  eines  bestimmten  Keimprozentes  ist  auszubedingen.  Ebenso  ist  die 
Einhaltung  des  Lieferungstermins,  event.  Stellung  einer  Kaution,  zu  verlangen**-). 

Was  im  Einzelfalle  am  vorteilhaftesten,  bedarf  besonderer  Erwägung.  Selbstsammeln 
empfiehlt  sich  in  vielen  Fällen,  z.  B.  bei  Eichel-  und  Buchelmasten,  sodann  namentlich  bt-i 
solchen  Samen,  welche  bald  nach  der  Ernte  zur  Aussaat  gelangen  sollen  (Ulme  im  Vor- 
sommer, Tanne,  Esche,  Ahorn  im  Herbst).  Kauf  in  der  Regel  (wo  nicht  eigene  Klenjr- 
anstalten  des  Waldbesitzers  bestehen)  bei  Kiefer,  Pichte,  Lärche.  Die  Abhängigkeit  vom 
Eintreten  einer  Mast  macht  sich  in  erster  Linie  bei  solchen  Samen  geltend,  die  ihre  Keim- 
fähigkeit bald  verlieren,  mithin  nicht  nach  längerer  Aufbewahrung  noch  benützt  werden 
können.  —  Die  Samenpreise  schwanken  je  nach  dem  Ausfall  der  Ernte  bedeutend,  nament- 
lich bei  denjenigen  Holzarten,  welche  (wie  z.  B.  gem.  Kiefer)  manchmal  in  längeren  Zeit- 
räumen nur  schlechte  Ernten  geben,  und  bei  denen  der  Bedarf  an  Saatgut  ein  grosser  ist. 
Für  1901  war  1  kg  Kiefernsamen  (ohne  Flügel)  mit  6,00  Mark  (sonst  nur  3-4  M.),  1  kg 
Fichtensamen  mit  1,60  M.,  Tanne  0.80  M.,  Lärche  4,80  M.,  Esche  0,50  M.  u.s.  w.  notiert. 

62 j  Unter  den  grösseren  leistungsfähigen  Klenganstalten,  bezw.  Samenhandlungen  sind 
nicht  wenige  von  bedeutendem  Rufe  (cfr.  Forstbenutzung,  2.  Bd.  VIb).  Eine  Zentrale  des 
(man  darf  wohl  Sagen  europäischen)  Sameuhandels  ist  Darmstadt. 


Die  Bestandesbegrttndung.     §  36.  469 

B.  Aeussere  Beschaffenheit  des  Samens:  Das  Saatgut  soll  möglichst 
rein  sein,  d.  h.  frei  von  die  Gleichmässigkeit  der  Aussaat  störenden  Beimengungen 
(Hüllen  z.  B.  der  Buchein,  Flügel,  Schuppen  der  Nadelhölzer).  Bei  einer  Samenlieferung 
ist  zunächst  das  Reinheitsprozent  (der  prozentische  Anteil  der  reinen  Samenkörner) 
festzustellen,  üebrigens  Lieferung  der  Kastanien  wegen  besserer  Aufbewahrung  der- 
selben oft  in  den  Stachelhüllen.  Behufs  Erzielung  kräftiger  Pflanzen  ist  überdies,  nach 
dem  Vorgange  der  Landwirtschaft,  auf  vollentwickelte,  grosse  Samen  abzuheben ^^). 
Inwieweit  die  Provenienz  des  Samens  in  Betracht  zu  kommen  hat,  ist  eine  Frage,  die 
noch  verschieden  beantwortet  wird. 

Unter  Bezugnahme  auf  die  auf  S.  439  über  die  Samengewinnung  gemachte  Be- 
merkung sei  hier  noch  angeführt,  dass  Mayr  (München)  erst  neuestens  wieder  (AUgem. 
Forst-  u.  J.Z.  1901,  S.  403  und  405)  der  Frage  der  Herkunft  des  Saatgutes  (Provenienz) 
für  das  klimatische  Verhalten  der  Holzart  keinerlei  Bedeutung  zuerkannt  hat.  B  o  r  g- 
g  r  e  V  e  ist  mehrfach  gegen  die  von  vielen  Seiten  behauptete  Erblichkeit  nach  anerzogener, 
bezw.  durch  äussere  Einflüsse  entstandener  Eigenschaften  von  Individuen  aufgetreten  (z.  B. 
Forstl.  Blätter  1889,  S.  33:  „Erblichkeit  und  Zuchtwahl  bei  Waldbäumen**) ;  er  verhält 
sich  ablehnend  gegen  eine  Zuchtwahl  in  der  Forstwirtschaft ,  wogegen  Dr.  C  i  e  s  1  a  r  die 
Berechtigung  einer  methodischen  Zuchtwahl  vertritt  (1890,  Wiener  Kongress)  und  auch 
Rob.  Hartig,  Schwappach,  Hempel  für  deren  Wichtigkeit  eintreten.  Erst  1900  (Zeitschr. 
f.  d.  ges.  Forstwesen,  S.  145)  hat  v.  Fischbach  die  Benutzung  von  Samen  spät  aus- 
schlagender Exemplare  zur  Züchtung  spätfrostharter  Rassen  angeregt. 

C.  Prüfung  des  Samens:  In  jedem  Falle  hat  man  sich  alle  Garantien  für 
guten  Erfolg  der  Saat  zu  verschaffen,  und  dazu  gehört  vor  allem  ein  möglichst  guter 
Samen;  es  ist  deshalb  durchaus  berechtigt,  wenn,  bei  dessen  Kauf  zumal,  alle  Mittel 
der  Kontrolle  angewendet  werden  (vielleicht  schon  beim  Zapfenkauf  durch  die  Kleng- 
anstalten).  —  Bestimmte  Keimprozente  sind  zu  verlangen :  z.  B.  Eiche,  Kastanie 
70,  Buche  60,  Kiefer,  Fichte  (auch  wohl  Ahorn  und  Esche)  70,  Tanne  50,  Lärche  40«*). 
—  Eine  genaue  Prüfung  des  gelieferten  Samens  ist  vorzunehmen;  schon  zur  richtigen 
Bemessung  des  für  eine  bestimmte  Fläche  erforderlichen  Quantums  ist  Kenntnis  des 
tatsächlichen  Keiinprozentes  erwünscht.  Die  Untersuchung  ist  durch  vorher  zu  verein- 
barende Stellen  zu  vollziehen,  eine  solche  durch  gut  eingerichtete  Samenprüfungsan- 
stalten, welche  über  alle  erforderlichen  Hilfsmittel  verfügen,  ist  der  Prüfung  durch  den 
einzelnen  Samenkäufer,  dem  vielleicht  nur  ein  mangelhafter  Apparat  zu  Gebot  steht, 
weitaus  vorzuziehen,  namentlich,  wenn  es  sich  um  grössere  und  hohen  Wert  repräsen- 
tierende Lieferungen  handelt.  Zur  Orientierung  in  einzelnen  Fällen,  bei  kleineren 
Quantitäten  ist  die  Prüfung  durch  den  Empfänger  keineswegs  ausgeschlossen.  Vom 
Staat  eingerichtete  Kontrollanstalten,  welche  in  amtlicher  Eigenschaft  die  Prüfung 
nach  bestimmten  Normen  vornehmen,  bestehen  jetzt  an  vielen  Orten;  so  z.  B.  in  Hohen- 
heim  (Württemberg),  Zürich  (Schweiz),  Eberswalde,  Tharand,  Mariabrunn  (Oesterreich), 
Barres-Vilmorin  (Frankreich)«^). 

63)  Vergl.  z.B.  Nördlinger,  Krit.  Blätter  XLI,  2,  S.  101  ff.  —  Baur,  Forst- 
wiss.  Centralblatt  von  1880  S.  605  ff.  —  Wenn  auch  der  Unterschied,  welchen  Pflanzen 
ans  verschieden  grossen  Samen  (z.  B.  grossen,  mittleren  und  kleinen  Eicheln)  anfänglich 
zeigen,  später  (nach  3 — 6  Jahren)  mehr  und  mehr  verschwindet,  so  sind  doch  oft  die  ersten 
Jahre  (energischer  Höhentrieb  im  Kampfe  mit  Unkräutern  etc.)  äusserst  wichtig.  —  Ba- 
doux  (Schweiz,  1895)  stellt  den  Einfluss  der  Korngrössc  in  bezug  auf  die  Keimkraft  dahin 
fest ,  dass  gross  und  mittelgross  keinen  erheblichen  Unterschied  zeigen ,  kleine  Kömer  aber 
meist  weniger  leisten  als  grosse  und  mittelgrosse. 

64)  Angaben  von  Mittelwerten  aus  den  in  Zürich  bei  der  Samenkontrolle  gefundenen 
Keimprozenten  enthält  Schweiz.  Zeitschr.  1895.  Andere  Befunde  weichen  im  einzelnen,  nach 
oben  oder  unten,  etwas  ab;  im  grossen  und  ganzen  herrscht  aber  Uebereinstimmung. 

65)  Nachrichten  über  diese  Anstalten,  bezw.  deren  Untersuchungsergebnisse  finden  sich 


470  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Bei  grösseren  Samen  und  zur  ersten  Orientierung  auch  bei  kleineren  (insbeson- 
dere Nadelhölzern)  genügt  die  Untersuchung  einer  Anzahl  von  Kömern  daraufhin^  ob 
der  Kern  die  Schale  ausfüllt,  nach  Farbe  und  Saftgehalt  normal  ist*^®).  Wasserprobe 
bei  Eicheln :  man  nimmt  an,  dass  im  Wasser  die  guten  Eicheln  untersinken,  die  schlech- 
ten obenaufschwimmen,  was  zwar  nicht  stets,  aber  doch  im  grossen  ganzen  zutrifft*^'). 
Gewissheit  geben,  zumal  bei  kleinen  Samen,  nur  besondere  Keimproben.  Dieselben 
beruhen  darauf,  dass  man  eine  bestimmte  Anzahl  (50,  100,  200  Kömer)  durch  andauernd 
gleichmässige  Potenzierung  der  die  Keimung  bedingenden  Faktoren  Feuchtigkeit  und 
Wärme,  bei  genügendem  Luftzutritt  (und  event.  unter  Abschluss  oder  wenigstens  Däm- 
pfung des  Lichtes),  zu  rascherer  Entwickelung  veranlasst.  Diese  Beschleunigung  ist 
erforderlich,  damit  man  in  kürzester  Frist  (vor  Eintritt  der  Kulturzeit)  den  gewünschten 
Aufschluss  erhält. 

Samen  mit  harter,  holziger  Schale,  wie  Esche,  Linde,  Hainbuche,  Ahorn  etc.,  welche 
im  Freien,  wenn  im  Frühjahr  ausgesäet,  meist  ein  Jahr  überliegcn,  sind  für  solche  Keim- 
proben ungeeignet.  —  Gleichmässige  Temperatur  ist  bei  den  Keimproben  en^'^nscht, 
namentlich  sollten  dieselben  in  Räumen  vorgenommen  werden,  welche  nicht  nachts  (infolge 
Unterbrechung  der  Heizung)  erheblich  kälter  sind  als  am  Tage.  Die  zu  benutzenden 
Apparate  sind  vor  dem  Gebrauch  gründlich  zu  reinigen,  damit  Pilzbildnngen  (Schimmel) 
möglichst  hintangehalten  werden ;  Tonplatten  etc.  werden  zu  dem  Ende  vorher  ausgeglüht. 
Der  Beginn  der  Keimung,  sowie  die  Zahl  der  täglich  keimenden  Kömer  ist  zu  notieren; 
einzelne  späte  Nachkömmlinge  dürfen  bei  der  Beurteilung  der  Samengüte  unberücksichtigt 
bleiben,  weil  solche,  im  Freien  erst  gegen  den  Sommer  hin  erscheinende  und  nicht  mehr 
zu  normaler  Entwickelung  gelangende  Pflanzen  für  das  Gedeihen  der  Kultur  meist  wertlos 
sind.  Dass  man  sich,  um  sicher  zu  gehen,  nicht  mit  einer  einzelnen  Probe  begnügt,  son- 
dern gleichzeitig  Parallelproben  vornimmt,  ist  selbstverständlich. 

Die  oben  angedeuteten  Mittel  zur  Beschleunigung  des  Keimprozesses  sind  u.  a. 
Aussaat  in  Scherben,  deren  Erde  man  ständig  feucht  erhält  und  die  man  in  einen 
massig  warmen  Raum  stellt  (vScherbenprobe) ;  Einlegen  des  Samens  in  dauernd  feuchte 
Flanelllappen  (Lappenprobe)  oder  Filtrierpapier ;  Anwendung  besonderer  Keimappa- 
rate, wie  z.  B.  der  Hanneniann'schen  Keimplatte  ^)  (poröse  Tonplatte  mit  Vertiefungen 
zum  Einlegen  der  Samen,  steht  in  Wasser  bis  zur  Höhe  des  Bodens  dieser  Vertiefungen), 
des  Nobbe-schen  Keimapparates  ^^)  (von  einer  Wasserrinne  umgebener,  muldenförmiger 
Tonbehälter  zum  Einlegen  der  Samen,  von  einem  mit  Luftöffnung  versehenen  Tondeckel 
überdeckt),  der  Apparate  von  Stainer  und  Grünwald'®)  (poröse  mit  Vertiefungen  ver- 
sehene Tonplatten,  in  Wasser  liegend,  mit  einer  Glas-  oder  Porzellanglocke  bedeckt), 
des  Apparates  von  Coldewe  und  Schönjahn '^)  (Auslegen  des  Samens  auf  feuchtem  Sand, 
Bedecken  mit  einer  Filzplatte  und  mit  Glasdeckel),  Magerstein  ^^),  Keimkasten  von  Dr. 


u.  a.  in  Schwz.  Zeitschr.  1892,  112.  —  Dr.  Cieslar,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1899,  387. 
-  Nobbe,  Anweisung  für  die  Ausführung  von  Keimkraftprüfungen,  Tharander  Jahrb.  1890, 
103.  —  Aus  dem  Walde,  1890,  Nr.  42  (Eberswalde).  —  Allg.  Forst-  u.  J.Z.  1901,  S.  33 
(Bestimmungen  für  die  Anstalt  zu  Eberswalde). 

66)  Nicht  jeder  Same,  dessen  Kotyledonen  durch  Trockenheit  etwas  eingeschrumpft 
sind,  ist  unbrauchbar.  —  Der  Kern  frischer  Samen  meist  weisslich  oder  gelblich,  bei  der 
Esche  bläulich,  beim  Ahorn  ein  grünes  Pflänzchen. 

67)  Vergl.  Dr.  Grundner,  „Die  Ausscheidung  keimfähiger  Eicheln  mit  Hilfe  des 
Wassers ^     Allg.  F.  u.  J.Z.  Mai  1887. 

68)  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1870  S.  153. 

69)  Nobbe,    ,,Handbuch  der  Samenkunde"   1876  S.  507. 

70)  Vgl.  Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  von  1884  S.  371.  Beide  Apparate  funktionieren  gut. 

71)  Vergl.  Zeitschrift  für  Forst-  u.  Jagdwesen,  Sept.  1886  S.  481  ff. 

72)  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen  1886  S.  348. 


Die  Bestandesbegründung.     §  37.  471 

Cieslar"),  Pfizenmayers  Keimkasten '*)  (ein  kleiner,  blechbeschlagener,  mit  matter  Glas- 
platte bedeckter  Holzkasten,  in  welchem  auf  nassem  Torfmull  der  entsprechend  kleinere, 
aus  Zinkblech  gefertigte,  sandgefüllte,  am  Boden  siebartig  durchlöcherte  Keimkasten 
steht.  Der  Apparat  wird  auf  den  warmen  (nicht  überhitzten)  Ofen  oder  Herd  gestellt ; 
er  arbeitet  rasch  und  genügend  sicher :  für  schnell  vorzunehmende  Proben  zu  empfehlen.) 
Keimapparat  von  EnteF^)  (Veiüefungen  eines  in  einem  Wasser  enthaltenden  Blech- 
kasten eingesetzten  Gipsblockes  nehmen  die  Samenkörner  auf)  u.  s.  w.  (Besonders 
rasch  keimen  die  Samen  in  den  andauernd  gleichmässig  warmen  Darr-Käumen  der 
Klenganstalten). 

Dauer  der  Keimkraft:  Bei  der  Aussaat  ins  Freie  ist  das  Keimprozent  wegen 
der  ungünstigeren  Bedingungen  stets  geringer,  als  bei  der  Probe  im  Zimmer.  Nicht  ein- 
mal im  Forstgarten,  geschweige  denn  auf  den  grossen  Kulturflächen,  erhält  man  auch  nur 
entfernt  so  viele  Pflänzlinge,  als  dem  Keiraprozent  und  der  angewendeten  Samenmenge 
entsprechen  würden  (Versuche  der  Züricher  Versuchsanstalt).  Üeberdies  nimmt  die  Keim- 
kraft bei  älterem  Samen  auch  bei  sorgfältigster  Behandlung  meist  rasch  ab  (bei  Ulme 
innerhalb  weniger  Tage,  bei  Tanne  bedeutender  Rückgang  schon  im  ersten  Winter ;  länger 
als  ein  Jahr  ist  im  allgemeinen  nur  der  Same  von  Kiefer  und  Fichte  noch  genügend 
leistungsfähig,  event.  bis  ins  2.,  3.,  ja  4.  Jahr,  dann  aber  auch  nur  unter  starkem  Ver- 
lust an  keimfähigen  Kömern.     Vergl.  auch  Forstbenutzung). 

III.  Das  Keimbett. 

§  37.  Vorbemerkungen:  Da  bei  der  Keimung  Feuchtigkeit,  Wärme  und 
Sauerstoff  der  Luft  zusammenwirken,  so  muss  der  Samen  bei  der  Aussaat  in  Verhält- 
nisse gebracht  werden,  welche  ihm  die  möglichst  ungestörte  Wirkung  dieser  Faktoren 
darbieten.  Lichtabschluss  wirkt  begünstigend.  Anhaltende  Trockenheit  sowie  Frost 
sind  dann  besonders  schädlich,  wenn  sie  im  Zeitpunkte  der  beginnenden  Keimung  ein- 
treten. Gegen  alle  schädigenden  Einflüsse  kann,  soweit  sie  sich  in  massigen  Grenzen 
halten,  also  z.  B.  die  Trockenheit  nicht  zu  lange  andauert,  der  Frost  nicht  zu  heftig 
auftritt,  das  Umgeben  des  Samenkonies  mit  lockerer  Erde  Schutz  gewähren.  Üeber- 
dies ist  es  für  das  sofortige  Anwachsen  des  zuerst  aus  der  Hülle  hervorbrechenden 
Würzelchens  erforderlich,  dass  es  baldigst  mineralischen  Grund  erreicht. 

Herstellung  eines  guten  Keimbettes:  Alle  hierauf  gerichteten  Mass- 
regeln haben  ihren  Grund  in  den  vorangedeuteten  Bedingungen  einer  raschen,  sicheren 
Keimung.  Der  Kulturkostenaufwand  wird  durch  derartige  Vorarbeiten  stets  mehr  oder 
weniger  bedeutend  erhöht,  weshalb  sorgfältigst  zu  erwägen  ist,  ob  dieselben  nötig  sind, 
bezw.  die  gedeihliche  Entwickelung  der  jungen  Saat  so  fördern,  dass  sich  die  Ausgabe 
lohnt.  Die  billigsten  Mittel,  welche  uns  den  Zweck  erreichen  lassen,  sind  zu  wählen. 
Dabei  ist  aber  wohl  zu  beachten,  dass  —  so  sehr  auch  die  Kulturkosten  das  Konto 
des  zu  erziehenden  Bestandes  belasten  —  doch  nicht  am  unrechten  Orte  gespart  wer- 
den darf.  Anfänglich  billige  Kulturen  werden  oft  durch  die  erforderlichen  Nachbesse- 
rungen zu  teueren,  oder  die  zweifelhafte  Entwickelung  des  geschaffenen  Bestandes  be- 
deutet einen  Verlust,  der  den  Kulturkosten  zugeschlagen  werden  muss.  Statische  Er- 
wjigfng  ist  hier  besonders  angebracht.  Die  bezüglichen  Operationen  bestehen  (je  nach 
den  Umständen)  in  der  Entfernung  eines  zwischen  dem  zu  Hoden  fallenden  Samenkorn 
und  Wem  mineralischen  Grund  eingeschobenen  oder  die  Keimpflanzen  demnächst  benach- 
teiligenden Bodenüberzugs,    in  der  Auflockerung  des  Bodens  da,   wo  derselbe  zu  fest 


I  73)  Zentralbl.  f.  J.  ges.  Forstwesen  1890  S.  251. 

74)  Allg.  Forste  u.  J.Z.  1893,  S.   17. 

75)  Forstw.  Zentralbl.  1897,  S.  335. 


472  IV.  Lorey,  Waldbau. 

gelagert  ist,   und  auch  wohl   ausnahiriKweise  in  Herbeischaffung  des  für  die  Keimung 
geeigneten  Bodens  an  Stellen,  wo  solcher  fehlt. 

A.  Entfernung  eines  hinderlichen  Bodenüberzugs:  Eine  lichte 
Grasnarbe  oder  dünne  Decke  aus  Laub,  Moos,  Kräutern  (auch  Heide,  Beerkraut),  unter 
welchen  der  Boden,  genügend  locker,  sich  einigermassen  frisch  erhält,  ist  im  allgemeinen 
der  Saatkultur  forderlich.  Fehlt  dieser  üeberzug  (als  Beweis  eines  lebendigen  tätigen 
Bodens),  wie  nicht  selten  auf  trockenen,  steilen  oder  sandigen  Orten,  so  hat  man  öfter 
mit  Erfolg  versucht,  denselben  erst  zu  gewinnen,  indem  man  die  Fläche  einige  Zeit 
hindurch  vollständig  sich  selbst  überlässt.  Als  allgemeine  Massregel  ist  dies  jedoch 
wegen  der  Gefahr  weitergehender  Aushagerung  des  Bodens,  Zerstömng  der  Krümel- 
.struktur  desselben  nicht  anzuraten.  Schädlich  wirkt  dagegen  jede  jenes  Mass  über- 
schreitende Bodendecke,  also  insbesondere  eine  zusammenhängende  dichte,  hohe  Laub- 
oder Nadelschicht,  zumal  wenn  dieselbe  sich  infolge  ungenügender  Streuzersetzung  als 
Rohhumus  charakterisiert,  ferner  ein  fest  geschlossenes  Polster  von  Moos  und  Gräseni 
oder  ein  massiger  Üeberzug  von  Farnkräutern,  Heide,  Heidelbeere,  Himbeere,  Brombeere, 
Epilobium,  Senecio,  Digitalis  u.  s.  w.  Die  Entfernung  eines  solchen  Ueberzugs  ist 
meist  nur  eine  teilweise,  auf  stellenweise  Saat  berechnet-e  (Boden Vorbereitung  für  eine 
Vollsaat  würde  zu  teuer!).  Die  Bearbeitung  erfolgt  1.  bei  Laub  und  Moos  mittelst 
des  Rechens  (event.  besondere  kräftig  gebaute  Waldrechen),  auch  wohl,  bei  besonders 
mächtigen  Laubschichten,  mittelst  Pflügens  (Vogelsberg),  oder  bei  Moos  auch  durch  Aus- 
raufen :  auch  Unterhacken  der  oberen  Schicht  und  dadurch  Mengung  mit  dem  Mineral- 
boden kommt  in  Frage;  2.  bei  Gras,  Heide,  sonstigen  Forstun  kr  ante  rn 
durch  Ausraufen  (bei  feuchtem  Wetter,  lockerem  Boden ;  Stehenlassen  einzelner  Heide- 
stengel behufs  Beschirmung  der  Keimpflanzen),  durch  Anwenden  von  Sichel,  Sense, 
Heppe,  Beil,  Scheere  etc. '^'^)  oder  eines  Riefenabschneiders ^^) ;  3.  bei  Sträuchern 
durch  Abhauen  mit  dem  Beil  oder  Abschneiden  mit  der  Durchforstungsscheere ,  oder 
Ausstocken  (Schwarzdorn),  w^enn  man  vollständige  Entfernung  wünscht.  Auch  Ab- 
brennen kann  unter  Umständen  angewendet  werden  und  fördert  rasch ;  Bedingungen 
für  dasselbe  sind:  massig  trockenes  Wetter,  nicht  starker  Wind,  Trockenlieit  des  Bo- 
denüberzugs (Heide,  Gras  etc.  im  Frühjahr,  im  Stand;  Kräuter  nach  vorherigem  Ab- 
mähen und  Abwelken);  alle  Vorsichtsmassregeln  (nackte  Streifen  um  die  Brandflä^rhe, 
Aufgebot  von  Mannschaft  etc.)  sind  dabei  vorzukehren,  damit  ein  üebergreifen  des 
Feuers  ausgeschlossen  ist. 

B.  Bodenlockerung:  Dieselbe  hat  nicht  weiter  zugehen,  als  dass  eine  liir 
den  Kulturerfolg  genügende  Anzahl  von  Samenkörnern  mit  dem  mineralischen  Boden 
in  hinreichend  innige  Berührung  kommt,  um  sich  zunächst  zu  guten  Keimpflanzen  zu 
entwickeln,  und  dass  letzteren  dann  in  dem  gelockerten  Boden  vor  allem  die  Bildung 
eines  normalen  Wurzelsyst^ms  ermöglicht  ist.  Bodenlockerung  erhöht  übrigens  die 
(lefahr  des  Ausfrierens.  Die  Mittel  der  Lockerung  sind  für  Vollsaat  und  stellenweise 
Saat  verschieden. 

1.  Vollsaat:  a)  Umbrechen  durch  Schweine:  in  vielen  Fällen  voll- 
kommen hinreichend,  oft  ohne  Aufwand  zu  bewerkstelligen.  Die  Schweineherde  ist  in 
massigem  Tempo,  ohne  längere  Zeit  an  einem  Platz  zu  verweilen,  über  die  Fläche  zu 
treiben :  Vertilgen  von  Insekten,  Mäusen  etc.,  b)  Kurzhacken  des  Bodens,  c)  An- 
wendung einer  Egge,  d)  Anwendung  eines  Pfluges. 

76)  Zum  Teil  eigens  für  diesen  Zweck  konstruierte  Instrumente ;  vergl.  Beil,  «Forstw. 
Kulturwerkzeuge  u.  Geräte",  sowie  die  bezüglichen  Kapitel  der  grosseren  Waldbauschriften, 
z.  B.  Heyers  Waldbau,  3.  Aufl.  S.  88  ff. 

77)  „Der  Riefenabschneider"  von  Kehrein.     Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1878  S.  37. 


Die  Bestandesbegründung.     §  37.  473 

ad  c)  Ausser  der  gewöhnlichen  Feldegge  kommen  in  Tätigkeit :  die  sog.  Strauchegge, 
bei  welcher  die  Enden  eingelegter  Reisigbündel  die  Bodenverwundung  besorgen,  für  nicht 
zu  dicht  benarbten  Sandboden,  auf  welchem  Kiefernsaat  ausgeführt  werden  soll,  oft  voll- 
kommen genügend;  die  dreieckige  Egge,  die  Kettenegge  (aus  einer  Anzahl  einzelner  mit 
Zinken  versehenc^r  und  durch  kurze  Kettenstücke  verbundener  kleiner  Platten  bestehend  — 
beweglich),  wie  z.  B.  die  Waldegge  von  Laake  (Oesterr.  Forstzeitung  1889,  8),  eine  Ketten- 
cgire  mit  auswechselbaren  Zähnen ;  neuestens  die  Federegge  ^**)  (mit  beweglichen  Zähnen). 
Eine  gut  arbeitende  Egge  (nach  Oberforstmeister  Hahn,  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1892, 
457)  mit  rückschlagenden  LöflFelzinken  ist  die  Ingermann'sche  Waldegge.  Stöcke,  Steine, 
Wurzeln  etc.  bieten  der  Arbeit  der  Egge  Hindernisse ;  gegen  letztere  sucht  die  Kettenegge 
und  die  Federegge  anzukämpfen.  —  ad  d)  Waldpflüge  sind  in  mannigfacher  (i estalt  kon- 
struiert worden.  Es  sind  teils  Karren-  oder  Räderpflüge,  teils  Stelz-,  teils  Schwingpflüge 
im  Gebrauch.  Neben  gewöhnlichen  Pflügen  kommen  auch  Untergrundpflüge  (tiefere  Locke- 
rung) zur  Benutzung.  Beispiele:  Der  Waldpflug,  sowie  der  Untergrundpflug  von  Alemann ^'^j, 
der  Waldpflug  von  Eckert^®),  derjenige  von  Erdmann ^^),  von  Osterheld  (zur  furchenweisen 
Bodenbearbeitung  behufs  Aufnahme  der  Buchelmast)  ^^),  von  Bötzel^^). 

Als  ein  besonderer  Fall  der  Anwendung  des  Pfluges  möge  hier  der  Kiefernanbau 
auf  Pflugwällen  (preuss.  Oberförsterei  Dobrilugk)  erwähnt  werden®*),  als  dessen  Vorbe- 
reitung durch  das  Ausheben  vertiefter  Pfliigfurchen  zwischen  denselben  wallartige  Erhe- 
bungen gebildet  werden ;  auf  letzteren  wird  kultiviert.  Allgemein  sind  auf  undurchlassen- 
dem  Boden  die  Pflugfurchen  nicht  selten  zu  nass. 

Die  volle  Bodenbearbeitung  ist  (vom  Schweineeintrieb  und  allenfalls  von  der  ober- 
flächlichen Verwundung  eines  ebenen,  mit  kurzem  Gras  überkleideten  Bodens  durch  die 
Egge  abgesehen)  meist  zu  teuer,  als  dass  sie  ohne  übermässige  Belastung  der  ^Vi^t- 
schaft  ausgeführt  werden  dürfte.  Eventuell  wäre,  wenn  man  sich  nicht  mit  stellen- 
weiser Saat  begnügen  will,  von  der  Saat  überhaupt  Abstand  zu  nehmen  und  zur  Pflan- 
zung überzugehen.  —  Spezialfall  des  Waldfeldbaues  (vergl.  VIc  des  Handbuchs  Band  2.). 

2.  Stellenweise  Saat.  Für  diese  tritt  vorgängige  Bodenbearbeitung  (we- 
nigstens für  Riefen-  und  Plattensaat)  fast  immer  ein;  die  Kultur  muss,  da  sie  auf 
einzelne  Teile  der  Fläche  beschränkt  ist,  auf  diesen  in  ihrem  Erfolg  durch  besondere 
Sorgfalt  möglichst  gesichert  sein.  Der  Aufwand  für  die  Bodenbearbeitung  ist  hier 
entsprechend  geringer,  als  wenn  die  betreffenden  Arbeiten  auf  der  ganzen  Fläche  durch- 
geführt würden. 

a)  Riefen:  Die  Richtung  derselben  ist  in  der  Ebene  meist  nur  bedingt 
durch  die  Wege,  auf  welche  die  Streifen  zur  Erleichterung  der  Holzausbringnng  bei 
den  Reinigungen  und  ersten  Durchforstungen  unter  einem  annähernd  rechten  Winkel 
aufstossen  sollen,  sowie  allenfalls  durch  die  Windrichtung,  indem  es  als  zweckmässig 
gelten  kann,  dass  der  Wind  tunlichst  senkrecht  auf  die  Saatstreifen  trifft,  nicht  aber 
dieselben  in  ihrer  Ijängserstreckung  bestreicht.  An  Hängen  führt  die  Rücksicht  auf  die 
Holzausbringung  zur  Anlegung  der  Streifen  oft  geradezu  in  der  Richtung  des  grössten 
Gefälles  (Einmündung  in  die  Tal-  und  Hangwege),  während  hierdurch  freilich  die  Ge- 
fahr des  Abschwemmens  (der  Samen,  Pflänzlinge,  Bodenkrume)  herbeigeführt  wird,  und 
sich  aus  diesem  Grunde  eine  horizontale  Lage  der  Riefen  empfiehlt  (mit  Anhäufung 
des  Abraumes  am  unteren  Streifenrand).    Eine  geeignete  Vermittelung  wird  nicht  selten 


78)  Vergl.  über  diese  und  einige  andere  Waldeggen  von  A 1 1  e  n's  Aufsatz  in  Danckel- 
manns  Zeitschrift  für  Forst-  u.  Jagdwesen  1886,  S.  'Mb  ff.  —  vergl.  auch  AUg.  F.-  u.  J.-Z. 
von  1879,  S.  262. 

79)  Alemann,  „Ueber  Forstkulturwesen ^,  3.  Aufl.  S.  25  ff. 

80)  Allg.  Forst-  u.  Jagdzeitung  von  1869,  S.  481. 

81)  Daselbst  1866,  S.  327. 

82)  Forstwiss.  Zentralbl.  1900,  131. 

83)  Holz-Verkaufsanzeiger,   1893,  12. 

84)  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1888,  413. 


474  IV.  Loroy,  Waldbau. 

durch  eine  die  Kichtunj?  des  p^rössten  Gefälles  in  schiefem  Winkel  durchschneidende 
Erstreckung  der  Sti-eifen  gelnnden.  Den  vom  Wasser  (Platzregen,  Schneeabgang  etc.) 
drohenden  Gefährdungen  kann  einigennassen  auch  durch  Unterbrechung  der  Streifen 
(sog.  Stückrinnen)  begegnet  werden.  —  Breite  der  Riefen  hauptsUchlich  abhängig 
vom  Unkrautwuchs  auf  den  zwischenliegenden  Streifen:  die  jungen  Pflanzen  dürfen  von 
der  Seite  her  nicht  tiberlagert  und  unterdrückt  werden ;  durchschnittliche  Breite  25  bis 
40  cm.  —  Abstand  der  Riefen  von  Rand  zu  Rand  meist  V* — 1^'«  Meter,  bei 
langsamwüchsigen  Holzarten  und  zur  Erzielung  eines  raschen  Bestandesschlusses  am 
geringsten.  —  Herstellung  der  Riefen:  oft,  zumal  in  sehr  unebenem  Terradn, 
nach  dem  Augenmass,  sonst  Abstecken  unter  Anwendung  von  Pflanzschnur  etc.  Ent- 
fernung des  Bodenüberzuges.  Lockern  des  mineralischen  Grundes  (mit  Hacke  oder 
Pflug),  event.  Bildung  eines  erhöhten  Aufwurfs  (und  demnächstige  Saat  auf  die  erhöhten 
Streifen,  damit  die  jungen  Pflanzen  nicht  von  Laub  etc.  überdeckt  werden;  besonders 
an  Hängen).  Die  Kosten  betragen  bei  Anfertigung  mit  der  Hacke  pro  ha  (bei  0,3  m 
Breite  und  IV*  m  Abstand  der  Riefen)  im  ganzen  30—40  Taglöhne. 

b)  Platten:  Die  Grösse  und  Entfernung  derselben  (von  Mitte  zu 
Mitte)  ist  abhängig  von  der  Entwickelung  der  Keimpflanzen,  Art  des  Unkrautwuchses, 
vom  Eintritt  des  Bestandesschlusses;  mittlere  Grösse  0,25  DMeter  und  mittlere  Ent- 
fernung 1 — 1^/2  Meter.  Die  Platten  erhalten  meist  eine  quadratische  Gestalt,  werden 
auch  wohl  kreisförmig  oder  als  der  Quadratform  sich  annähernde  Rechtecke  angelegt. 
—  ^Anfertigung:  Abräumen  des  Bodenüberzugs,  Lockern  des  mineralischen  Grundes 
(mit  Hacke  oder  Kreisrechen  ^^). 

C.  Herbeischaffen  von  Kulturerde.  Für  den  Zweck  einer  Saatkultur 
(z.  B.  zwischen  die  Steine  in  Steinräuhen  etc.) :  gute  Walderde,  Kompost,  Rasenasche. 
Die  Massregel  ist,  weil  teuer,  möglichst  zu  vermeiden ;  nur  ausnahmsweise  und  für  kleine 
Flächen  kommt  sie  in  Betracht. 

IV.  Vollzug  der  Saat. 

§  38.  A.  S  a  a  t  z  e  i  t.  Abgesehen  von  denjenigen  Holzarten,  deren  Samen,  weil 
ihre  Keimkraft  rasch  verlierend,  baldigst  in  den  Boden  gebracht  werden  müssen  (z.  B. 
ülme  sofort  nach  der  Reife,  Ende  Mai,  Anfang  Juni ;  Herbstsaat  bei  der  Tanne),  kann 
man  im  Herbst  und  im  Frühjahr  säen.  Die  Frühjahrssaat  bildet  im  allgemeinen  die 
Regel  ®'^).  Bei  der  Herbstsaat  —  (nach  welcher  im  Frühjahr  die  Keimung  zwar  zeitiger 
erl'olgt,  so  dass  die  jungen  Pflanzen  noch  verhältnismässig  viel  von  der  Winterfeuchtig- 
keit vorflnden  und  sich  im  ersten  Sommer  schon  kräftig  entwickeln  können)  —  ist  die 
Gefahr  einer  Einbusse  an  Samen  (Verderben  im  Boden,  Frass  durch  Vögel,  Mäuse  etc.) 

85)  Vergl.  Beil,    „ Kulturwerkzeuge ^   Fig.  90—96. 

86)  Speziell  findet  sich  meist  die  Vorschrift,  man  solle  recht  früh  säen,  um  von  der 
Winterfeuchtigkeit  möglichst  zu  profitieren.  Zu  beachten  ist  aber,  dass  für  die  Entwickelung 
der  Samen  auch  eine  gewisse  Wärmemenge  Bedingung  ist,  und  dass  eintretende  Kälteräck- 
schläge  die  Keimung  sehr  ungünstig  beeinflussen  können.  Im  allgemeinen  hat  es  keinen 
Wert,  vor  April  zu  säen:  vergl.  auch  v.  Alten  .  ^Wie  wirkt  die  Saatzeit  .  .  .?"  in  Zeitschr. 
f.  Forst-  und  Jagdwesen  1887,  8.  10  ff".  Derselbe  hatte  —  Revier  Kupferhütte,  Reg.-Bez. 
Hildesheim  —  mit  Forche  die  besten  Frfolge  bei  der  Aussaat  Mitte  April :  Die  Frage  muss 
örtlich,  durch  mehrere  Jahre  hindurch  und  in  Ausdehnung  des  Versuchs  auf  verschiedene 
Holzarten  untersucht  werden.  Insbesondere  darf  daran  erinnert  werden,  dass  sich  für  Ge- 
birgslagen als  beste  Saatzeit  nicht  selten  erst  Mai  oder  Juni  ergeben ;  in  eigentlichen  Iloch- 
lagen  ist  frühere  Aussaat  oft  gar  nicht  möglich,  üebrigens  wird  für  trockene  steile  Hänge, 
zumal  fürs  Gebirge,  auch  Schneesaat  (Ausstreuen  des  Samens  auf  die  Schneedecke)  empfohlen  : 
cfr.  G.  Rassl  in  Oesterr.  Forstz.  1888,  45. 


Die  Bestandesbe^ründung.     §  38.  47ö 

und  diejenige  einer  Schädigung  der  früh  erscheinenden  Pflänzlinge  durch  Spätfröste 
grösser.  Rücksicht  auf  Arbeitskräfte,  Kürze  der  verfügbaren  Kulturzeit  im  Frühjahr, 
namentlich  in  höheren  Lagen,  in  welchen  der  Boden  lange  mit  Schnee  bedeckt  ist, 
ferner  Unmöglichkeit  der  Aufbewahrung  des  Samens  durch  den  Winter  können  gleich- 
wohl zur  Herbstsaat  veranlassen.  Bei  der  Entscheidung  ist  nicht  ausser  acht  zu  lassen, 
dass  nach  weit  hinausgezögerten  Frühjahrssaaten  doch  die  Keimlinge  nicht  selten,  be- 
vor sie  einigermassen  erstarkt  sind,  durch  Trockenheit  und  hohe  Temperaturen  zu 
leiden  haben;  ferner  dass  bei  der  Herbstsaat  das  Ueberliegen  des  Samens  ins  nächste 
Jahr  (Ahorn,  Esche)  bei  einer  Mehrzahl  von  Körnern  fortfällt,  was  erwünscht  sein 
kann.     Eine  allgemeine  Vorschrift  lässt  sich  in  bezug  auf  die  Saatzeit  nicht  geben. 

B.  Erforderliche  Samenmenge.  Dieselbe  ist  abhängig  von  der  Qualität 
des  Samens,  dem  Saatverfahren,  dem  gewünschten  Mass  der  Bestandesdichte,  damit  in 
Zusammenhang  der  Art  der  Vornutzungen,  der  Bodenvorbereitung. 

1.  Qualität  des  Samens.  Nicht  für  sich,  sondern  nur  in  Verbindung  mit 
der  geforderten  Bestandesdichte  ist  jene  entscheidend:  man  wünscht  pro  ha  eine  ge- 
wisse Anzahl  Pflanzen,  kennt  das  Keimprozent  (nicht  das  durch  die  Keimprobe  ermit- 
telte, sondern  das  tatsächliche,  bezw.  unter  Beachtung  des  bekanntlich  oft  sehr  grossen 
Abgangs  etc.  ist  massgebend),  die  durchschnittliche  Zahl  der  Körner  pro  Raum-  oder 
Gewichtseinheit,  so  dass  eine  Feststellung  der  erforderlichen  Samenmenge  möglich  wäre. 
In  einer  solchen  Berechnung,  die  immerhin  zur  Orientierung  vorgenommen  werden  mag, 
ist  gerade  der  Abgang  ein  wichtiges,  jedoch  äusserst  schwankendes  Element,  da  der- 
selbe nicht  nur  durch  die  Ausführung  der  Saat,  sondern  namentlich  durch  Witterung, 
schlechten  Bodenzustand,  Tierfrass  etc.  sehr  stark  und  in  gar  nicht  vorauszusagender 
Weise  beeinflusst  wird.  Direkte  Versuche  hierüber  liegen  von  der  Schweiz.  Versuchs- 
anstalt vor  (Mitt.  der  Schweiz.  Zentralanstalt  für  Versucliswesen,  Bd.  I),  sind  aber  im 
Forstgarten  ausgeführt,  weshalb  die  Ergebnisse,  auf  die  Freilandfläche  übertragen, 
wohl  noch  einer  weiteren  Reduktion  bedürfen:  1  g  Fichtensamen  hat  beispielsw^eise 
im  Durchschnitt  nur  40  2jährige  Pflanzen  geliefert,  d.  h.  nur  von  ca.  25%  der  Samen- 
körner. —  Oertliche  Erfahrung  gibt  die  Samenmenge  übrigens  weit  zuverlässiger.  — 
2.  Saatverfahren:  Vollsaaten  bedürfen  mehr  Samen  (cfr.  I,  B,  S.  467).  —  3.  M  a  s  s 
der  Bestandesdichte:  bei  langsamwüchsigen,  empflndlichen  Holzarten  säet  man 
im  allgemeinen  dichter,  desgleichen  auf  geringem  Standort,  sowie  da,  wo  Unkrautwuchs, 
Auffrieren  etc.  zu  fürchten  ist  (vgl.  §  22).  Zu  dichte  Saaten  sind  oft  ein  ebenso  gros- 
ser Missstand  wie  zu  lichte;  tatsächlich  wird  häufig  zu  dicht  gesäet!  —  4.  Art  der 
Vornutzungen:  dichte  Saaten  (nicht  zu  dicht,  damit  die  Einzelpflanzen  gehörig 
erstarken  können !)  ermöglichen  die  Entnahme  reichlichen  Materials  für  Pflanzkulturen 
(event.  Verkauf  schätzbare  Vornutzung!).  —  5.  Bodenvorbereitung:  je  sorg- 
iUltiger  dieselbe  ist,  um  so  günstiger  die  Bedingungen  des  Keimens,  um  so  mehr  kann 
also  an  Saatgut  gespart  werden. 

Durchschnittliche  Zahlenangaben  *'^) : 

a)  Anzahl  der  Samen  pro  Mass-,  bezw.  Gewichtseinheit^*'): 
Eirhe  pro  hl  {=  80—100  kg)  18  000—25  000  Stück.  —  Buche  pro  hl  (=  50  kg) 

87)  Zu  vergleichen  hier  und  in  betreff  des  gesamten  Kulturbctriebes  die  Zahlenangaben 
in  dem  Forst-  und  Jagd-Kalender  von  J  u  d  e  i  c  h  und  Behm,  inHempels  Taschenka- 
lender für  den  österr.  Forstwirt  und  in  den  verschiedenen  Waldbauschriften.  —  Alle  ange- 
gebenen Zahlen  können  nur  einen  ganz  ungefähren  Anhalt  liefern  und  sind  für  den  konkreten 
Fall  event.  zu  modifizieren, 

88)  Vergl.  Baur  im  forstwiss.  Zentralblatt  von  1880,  S.  841.  —  Hess,  Encyklo- 
pädie  und  Methodologie  1888,  U,  1  (S.  61).  —  Hey  er,  Waldbau,  4.  Aufl.  1893,  S.  164/165. 
—  Handbuch,  11,  Forstbenutzung. 


470  IV.  Lorey,  Waldbau. 

1 50  000— 200  (XK)  Stück.  —  Gem.  Kiefer  (ungeflÜKelt)  pro  kg  150000  Körner.  —  Fichte 
pro  kg  150000  Körner.  -  Tanne  pro  kg  22  000  Körner.  —  Lärche  pro  kg  160000 
Körner. 

b)  Samenmenge  pro  1  ha  bei  Vollsaat: 

Eiche  7—15  hl.  -  Buche  8  -R  hl.  -  Gem.  Kiefer  (ohne  Flügel)  6—8  kg.  — 
Fichte  8—10  kg.  —  Tanne  40  -  60  kg. 

c)  Bei  Riefensaat  kann  das  Quantum  durchschnittlich  auf  etwa  */2 — ^/a  des- 
jenigen der  Vollsaat  vermindert  werden. 

C.  Beförderung  der  Keimung:  Mehrfach  ist  die  Frage  erwogen  worden, 
ob  man  nicht  durch  besondere  Behandlung  der  Samen  vor  der  Aussaat  deren  Keimen 
beschleunigen  und  dadurch  vielleicht  über  gewisse  Misslichkeiten  (schlechtes,  unregel- 
mässiges oder  verzögertes  Keimen  infolge  langen  Liegens  im  Boden  etc.)  hinan.skommen 
könne.  Als  einfachstes  Mittel  erscheint  das  Anquellen  des  Samens  in  Wasser  einige 
Tage  vor  der  Aussaat.  Ich  möchte  aber  für  den  Kulturbetrieb  im  grossen  dazu  nicht 
raten,  weil  —  abgesehen  von  der  Umständlichkeit  des  Verfahrens  und  der  Erschwerung 
der  Aussaat  —  der  aufgelaufene  Samen,  wenn  nach  der  Saat  eine  Periode  der  Trocken- 
heit oder  Kälte  folgt,  zu  leicht  (meist  weit  mehr  als  nicht  gequollener)  notleidet. 

Für  den  Forstgarton,  wo  man  auf  kleinem  Raum  die  Aussaat  konzentriert  und, 
wenn  nötig,  jederzeit  beispringen  kann  (Bedecken  der  Beete,  Begiessen  etc.),  mag  eher 
einmal  von  jener  Hilfe  Gebrauch  gemacht  werden  (z.  B.  bei  Verwendung  älteren  Samens, 
bei  verzögerter  Aussaat  u.  s.  w.).  Durch  Anwendung  chemischer  Agentien  (Chlorw^asser, 
Kalkwasser,  verdünnte  Säuren  etc.)  hat  man  überdies  versucht,  die  Samenhülle  zu  lockern 
und  dadurch  die  Keimung  zu  befördern :  sicherstehende  Resultate  sind  nicht  zu  verzeichnen. 
Denn  wenn  z.  B.  auch  Von  hausen  (Allg.  F.-  u.  Jagd-Zeitung  von  1858,  S.  461  und 
1860,  S.  8),  sowie  Hess  (Zentralblatt  für  d.  ges.  Forstwesen  1875,  S.  462)  für  Nadel- 
holzsamen gute  Erfolge  hatten,  so  haben  andererseits  gelegentlich  angestellte?  Proben  der 
Württemberg.  Versuchsstation  zu  greifbaren  Ergebnissen  nicht  geführt.  —  Ulmensamen 
wird  bei  der  Aussaat  zweckmässig  mit  feuchtem  Sand  vermischt.  —  Für  die  Nüsse  von 
Pinus  cembra  wird  Vorkeimen  in  Gruben  empfohlen  (Hallbauer  in  Allgem.  Forst-  u.  J.-Z. 
1891,  439):  in  eine  mit  Stroh  belegte,  mit  einem  den  Luftzug  vermittelnden  Quandel 
versehene  Grube  werden  im  Herbst  die  Nüsse,  mit  Sägespänen  vermischt,  eingebettet ;  im 
Mai  haben  dieselben  ihre  kleinen  Keime  ausgetrieben  und  kommen  ins  Saatbeet,  wo  die 
Keimpflanzen  nach  14  Tagen  aufgehen.  —  Vorkeimen  der  Juglans-  und  Carya-Nüsse  in 
(iruben  oder  in  Haufen  über  der  Erde  unter  Bt^handlung  mit  Sand,  Mist,  Jauche  ^*^). 

D.  Die  einzelnen  Saatmethoden.  1.  Vollsaat:  Dieselbe  erfolgt  meist 
aus  der  Hand.  Grössere  kompliziertere  Säemaschinen  kommen  für  Vollsaaten  beim 
Forstkulturbetrieb  wenig  in  Anwendung,  denn  sie  sind  nur  auf  ebenem  Boden  ohne 
Hindernisse,  wie  Steine,  Stöcke  etc.  zu  gebrauchen ;  ihre  Anschaffung  könnte  nur  etwa 
für  ausgedehnte  Nadel- Waldungen  (Kiefer)  der  Ebene  in  Frage  kommen,  doch  ist  auch 
hier  oft  das  jährlich  zu  bewältigende  Objekt  und  damit  die  bei  der  Arbeit  zu  erzielende 
Ersparnis  zu  gering  im  Vergleich  zu  den  Anschaff'ungskosten.  Bei  der  Handsaat  sind 
geübte  Arbeiter  zu  verwenden  (die  Zahl  derselben  in  maximo  bestimmt  durch  die  For- 
derung ständiger  Kontrolle  seitens  des  Schutzbeamten).  Abstecken  der  Saatgänge,  an 
Berghängen  horizontal,  Vorrücken  von  oben  nach  unten ;  in  der  Ebene  oft  Teilung  des 
Samenquantums  und  Besäen  der  Fläche  in  zwei  Richtungen  (in  die  Länge  und  in  die 
Quere).  Unterlassen  der  Saat  bei  starkem  Wind.  Bei  Mischsaaten  (z.  B.  Kiefer  und 
Fichte)  Ausstreuen  der  verschiedenen  Samenarten  nicht  in  Untermengung,  sondern  nach 
einander  (zur  Erzielung  einer  gleichfönnigen  Mischung).  —  2.  Stellenweise  Saat: 
Gleichmässige  Verteilung  des  Samens  in  den  Riefen  und  auf  den  Plätzen  ist  zu  er- 
streben.    Nicht  immer  werden  die  ganzen  Streifen  besäet,  sondern  ab  und  zu  auf  den- 


89)  Brecher,  Allg.  Forst-  und  J.-Z.  1887,  362.  —  G  e  r  i  c  k  e  (Zeitschr.  f.  F.  undJ. 
1888,  509). 


Die  Bestandesbegründung.     §  39.  477 

selben  erst  noch  besondere  Furchen  (Rillen,  Kiefen,  Rinnen)  zur  Aufnahme  des  Samens 
gefertigt.  Nicht  zu  dicht  säen!  Aussaat  aus  der  Hand,  oder,  auf  günstigem  Terrain, 
unter  Benutzung  von  Säeapparaten  bezw.  -Maschinen  zur  Erhöhung  der  Gleichförmig- 
keit des  Ausstreuens  und  Förderung  der  Arbeit.  Zu  den  einfachen  Apparaten,  welche 
von  Arbeitern  getragen  werden,  gehören  z.  B.  das  Säehom  und  die  Saatflinte ®^) ;  zu 
den  (bei  Kiefemsaat  zu  benutzenden)  Maschinen  —  grossenteils  nach  Art  von  Schieb- 
karren, event.  durch  Vereinigung  von  Druck  und  Zug,  von  Arbeitern  zu  bewegen  — , 
z.  B.  die  älteren  von  Runde,  Gohrisch,  Göhren,  femer  die  Sack'sche  Säemaschine,  eine 
zweiarmige  Handdrillmaschine  ^^),  die  Waldsäemaschine  von  Pollack  (Oesterr.  Forstztg. 
1895),  bei  welcher  das  rotierende  Rad  eine  Schüttelvon'ichtung  in  Bewegung  setzt,  u.  a., 
sowie  die  kompliziertere  und  teuere  (Preis  140  Mk.),  aber  in  ihren  Leistungen  behufs 
Bewältigung  grosser  Flüchen  in  der  Ebene,  gute  Maschine  von  Drewitz^^^).  Als  Ma- 
schine für  Plattensaat  ist  der  „PlattensJier*'  von  Zitny**^^)  empfohlen. 

E.  Unterbringen  und  Bedecken  des  Samens:  Die  Bedeckung  mit 
Erde  (zum  Schutz  gegen  Frost,  Austrocknen,  Tierfrass  etc.)  ist  für  grössere  Samen  im 
allgemeinen  stärker  als  für  kleine,  desgl.  darf  sie  stärker  sein  für  solche,  welche  beim 
Keimen  die  Kotyledonen  unter  der  Erde  lassen.  Das  Maximum  soll  aber  selbst  bei 
Eicheln,  Juglans-  und  Carya-Nüssen,  Kastanien  10  cm  nicht  überschreiten ;  Bedeckung 
bei  Nadelhölzern,  wie  Kiefer,  Ficht«  etc.  nur  etwa  3 — 10  Millimeter,  event.  nur  ganz 
leichtes  Vermengen  mit  der  Bodenkrume.  Tu  bezug  auf  die  zweckmässigste  Bedeckungs- 
höhe sind  mehrfach  exakte  Versuche  angestellt  worden,  wie  z.  B.  von  einer  Reihe 
forstlicher  Versuchsanstalten  (Württemberg,  Schweiz  etc.);  die  als  deren  Ergebnisse 
gemachten  speziellen  Angaben  können  nur  als  durchschnittliche  betrachtet  werden,  weil 
im  einzelnen  Falle  eine  ganze  Reihe  von  Faktoren  mitwirkt,  wie  Bodenart  und  Boden- 
zustand, Bedeckungsmaterial  (Komposterde,  Erde  mit  Sägespänen  oder  Torfmull  ge- 
mischt, Rasenasche,  gewöhnliche  Erde)  und  vor  allem  die  Witterung.  Auf  eiuiger- 
massen  bindigen  Böden  kann  ein  starker  Regen  ein  Verschlammen ,  eine  Verkrustung 
der  Oberfläche  bewirken,  derart,  dass  selbst  eine  ganz  massige  Bedeckung  das  Hervor- 
brechen der  Keimlinge  aus  kleinen  Samen  hindert,  während  ohne  solche  Schädigung 
eine  etwas  stärkere  Bedeckung  vielleicht  günstiger  gewesen  wäre.  1.  Vollsaat: 
Anwendung  der  Egge,  event.  auch  Handarbeit  (Rechen),  Uebererden,  Auftrieb  von  Vieh- 
herden. —  2.  Stellenweise  Saat,  und  zwar  bei  Riefen :  Pflug  (Eichelsaat),  ferner 
besondere  Maschinenteile  (Rechen)  an  den  Säemaschinen,  Handarbeit  (Hacke,  Rechen); 
bei  Plätzesaat  event.  Anwendung  des  Kreisrechens. 

§39.  F.  Pflege  der  Saatkulturen:  Es  handelt  sich  um  den  Schutz  der 
Samen  und  demnächst  denjenigen  der  Keimpflanzen,  sowie  um  die  erforderlichen  Saat- 
Nachbesserungen.  T.  Schutz  der  Samen  ist  vor  allem  zu  gewähren  gegen  Tiere 
(siehe  Forstschutz);   gegen  Hitze  und  Frost  schützt  das  Bedecken.     II.   Die  Keim- 


90)  Bande,  „Saatflinte  und  Säehorn"  in  Zeitschr.  für  Forst-  und  Jagdwesen  von 
Danckelmann  1869  S.  449. 

91)  Voigt,  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1888. 

92)  Bernhardt  in  Zeitschr.  für  Forst-  und  Jagdwesen  1874  S.  285.  —  Roloff, 
„Allg.  Forst-  und  Jagd-Zeitung"  1876  S.  48.  An  letztgenannter  Stelle  wird  berichtet,  dass 
die  Maschine  auch  auf  geneigtem  Terrain  verwendbar  ist.  2  Arbeiter  ziehen,  1  Arbeiter 
führt  dieselbe.  Am  besten  auf  mittel  bindigem  Boden,  nicht  gut  auf  festem  oder  ganz  lockerem 
und  nicht  gut  bei  einem  an  die  Werkzeuge  sich  festhängenden  Boden.  Abhängigkeit  auch 
vom  Wetter  (Regen  bei  lockerem  Sandboden  oft  günstig,  nachteilig  bei  vielen  Vertiefungen. 
wie  Stocklöchern  u.  s.  w.)  Ersparnis  an  Samen,  nicht  an  Arbeit.  Kosten  der  Aussaat 
(reiner  Arbeitsaufwand)   pro    ha  2 — 3  Mark.     Sorgfältige   Bodenbearbeitung  ist  erforderlich. 

93)  cfr.  Hempel,  „Zentralblatt  für  das  ges.  Forstwesen"  von  1882  ö.  61  ff. 


478  IV.  Lorey,  Waldbau. 

pflanzen  sind  zu  behüten  vor  Unkrautüberlagerang,  Wild  und  Weidevieh,  Hitze  und 
Frost.  1.  Gegen  Unkraut:  Vollsaaten  werden  unter  Umständen  durch  Schafauftrieb 
gesichert,  wobei  davon  ausgegangen  wird,  dass  die  Schafe  die  Holzpflanzeu  (bes.  Fichte 
und  Kiefer)  verschonen.  Ausschneiden  des  Unkrautes  zwischen  Riefen  und  Plätzen; 
dasselbe  kommt  nicht  selten  als  willkommenes  Viehfutter  zur  Verwendung ,  doch  ist 
dessen  Entnahme  aus  dem  Walde  insofern  bedenklich  und  nicht  zu  empfehlen,  als  da- 
mit eine  Menge  von  Mineralstoifen  dem  Waldboden  entzogen  sind,  die,  wenn  das  Un- 
kraut auf  der  Kulturfläche  verrottet,  demselben  wieder  zu  gut  kommen;  im  Winter 
gewährt  übrigens  der  auf  den  Flächen  lagernde  Abraum  oft  den  Mäusen  guten  Unter- 
schlupf. Unter  Umständen  genügt  Niedertreten  des  Unkrautes®*),  auch  wohl  (in  den 
ersten  Jahren,  bei  langsam  wachsenden  Holzarten)  vorsichtiges  Abmähen  über  die  Köpfe 
der  Holzpflanzen  hinweg.  Eine  Sicherung  gegen  das  Unkraut  kann  auch  dadurch  ge- 
wonnen werden,  dass  man  die  zwischen  den  Saatstreifen  und  Saatplätzen  liegenden 
Bodenteile  künstlich  mit  einer  unschädlichen  oder  gar  nützlichen  Pflanze  bestockt,  welcbe 
ihrerseits  das  schädliche  Unkraut,  zumal  Gräser,  zurückhält.  Zu  diesem  Zweck  mag 
Lupinus  perennis  empfohlen  sein,  die  durch  die  Jahr  um  Jahr  wiederkommende  Blatt- 
fülle in  jenem  Sinne  günstig  wirkt  und  überdies  als  Papilionacee  eine  Bereicherung  des 
Bodens  an  Stickstoff  herbeiführt^^).  —  2.  Wild  und  Weidvieh:  Umfriedigung  der 
Saatfläche  (Dralitzäune  neuestens  vielfach  üblich;  ein  Geflecht  aus  verhältnismässig 
schwachem  Draht,  auf  ein  Stangengitter  aufgespannt,  gegen  das  Durchkriechen  des 
Wildes,  genügt;  Kosten  der  Zäune  —  gegen  Rot-  und  Rehwild  —  pro  lauf.  Meter 
ca.  1  Mark,  inkl.  Holzmaterial).  —  3.  Hitze  und  Frost:  Fruchtbeisaat.  Ansaat 
unter  SehntzbestÄnden  (Voranbau  frost-  und  hitzebestä,ndiger ,  raschwüchsiger,  licht- 
kroniger  Holzarten:  Birke,  Kiefer  etc.),  event.  Zwischensaat-  oder  -pflanzung  einer 
Schutzholzart.     Durch  diese  Massregeln  wird  natürlich  zugleich  das  Unkraut  bekämpft. 

—  4.  Auch  Bodenlockerung  kann  in  manchen  Fällen  (auch  gegen  Austrocknung)  in 
Frage  kommen,  ferner  das  Durchrupfen  oder  Durchschneiden  zu  dicht  stehender  Saaten. 

—  lll.  Nachbesserungen:  durch  Nachsaat ;  in  vielen  Fällen  aber  (zumal  die 
Fehlstellen  oft  nicht  gleich  im  ersten  Jahre  mit  Sicherheit  erkannt  werden,  sowie  mit 
Rücksicht  auf  Unki*autwuchs)  besser  durch  Pflanzung.  Bezüglich  der  Nachbesserungen, 
sei  es  in  Saat-  oder  Pflanzkulturen  oder  in  natürlichen  Verjüngungen,  möge  vor  zu 
kleinlichem,  ängstlichem  Vorgehen  gewarnt  werden,  wobei  jede  kleinste  Lücke  bestockt 
wird,  auch  wenn  dieselbe  beim  Heranwachsen  des  Bestandes  in  Zeitkürze  von  selbst 
verschwinden  würde.    Die  Nachbesserung  bedeutet  dann  einen  unnötigen  Kostenaufwand! 

Dritter  Teil. 
Pflanzung. 

Pflanzmethode. 

§40.  A.  Arten  derselben.  Unterschieden  werden:  1.  Pflanzung  mit  be- 
wurzelten und  mit  unbewurzelten  Pflänzlingen,  erstere  entweder  natürlich  bewurzelt 
(Kernpflanzen  aus  Samen  oder  Wurzelloden)  oder  künstlich  bewurzelt  (Ableger),  letztere 
Steckreiser  oder  Setzstangen.  —  Ballenpflanzen  (die  W'urzeln  sind  von  einem  Erdballen 
umgeben)  und  ballenlose  Pflanzen.  —  Stummelpflanzen  (der  Schaft  wird  über  dem  Wur- 
zelknoten abgeworfen)  und  ungestummelte  Pflanzen.  —  2.  Einzelpflanzung  oder  Bttscbel- 
pflanzung,  je   nachdem  ein   oder  mehrere  Pflänzlinge  in  das  Pflanzloch  kommen.  — 


94)  Brombeere  schlägt  nach  dem  Abschneiden  sehr  kräftig  wieder  aus.  —  Abschlagen 
von  Farnkraatwedeln  mit  Stöcken. 

95)  Koch,  Allg.  Forst-  und  J.-Z.  Januar  1902. 


Die  Bestandesbegründung.     §  40.  479 

3.  Ungeregelte  Pflanzung  oder  Pflanzung  in  geregeltem  Verband  der  einzelnen  Pflanz- 
stellen. Als  solche  geregelte  Verbände  unterscheidet  man :  Rechtecksverband  und  Drei- 
ecksverband ;  a)  Rechtecksverband:  von  den  einzelnen  Pflanzstellen  bilden  je 
vier  die  Ecken  eines  Rechtecks ;  sind  dessen  Seiten  ungleich,  so  heisst  derselbe  Reihen- 
verband (verschiedener  Abstand  der  Reihen  von  einander  und  der  Pflanzen  in  den 
Reihen),  sind  dieselben  gleich  (Spezialfall  des  Quadrates),  so  heisst  er  Quadratverbau d. 
—  b)  Dreiecks  verband:  je  drei  Pflanzstellen  bezeichnen  die  Ecken  eines  (meist 
gleichseitigen)  Dreiecks. 

B.  Wirtschaft!  i  che  Bedeutung.  1.  Pflanzung  mit  bewurzelten 
Pflänzlingen  bildet  die  Regel  (Setzreiser  oder  Setzstangen  bei  Pappel  und  Weide) ; 
überdies  flndet  künstliche  Bewurzelang  beim  Kulturbetrieb  im  grossen  nur  ausnahms- 
weise statt.  —  Ballenpflanzung  erscheint  allgemein  als  zweckmässig,  sofern  bei 
ihr  die  Wurzeln  nicht  entblösst  werden.  Sie  ist  jedoch  teuer  bei  älteren  Pflanzen  mit 
grossen  Ballen,  deren  Aushebung  entsprechend  umständlich  und  zeitraubend  ist.  Be- 
dingung ist  ein  den  Ballen  haltender  (nicht  lockerer)  Boden;  für  kleine  Pflanzen  ist 
dieser  Bedingung  viel  leichter  genügt,  als  für  grosse,  so  dass  die  Anwendung  der  Bal- 
lenpflanzung sich  schon  aus  diesem  Grunde  in  ziemlich  engen  Grenzen  bewegt.  — 
S  tummelpf  1  anzen  (z.  B.  bei  Eiche,  Erle)  treiben  oft  besonders  kräftig  aus  (je- 
doch häuflg  mehrere  gleichwertige  Triebe,  weshalb  mehr  für  Niederwald;  event.  Weg- 
schneiden der  überzähligen  Loden) ;  besondere  Vorsicht  empflehlt  sich  bei  der  Stummelung 
von  Holzarten  mit  gegenständigen  Knospen,  wie  Esche  und  Ahorn,  weil  bei  diesen 
naturgemäss  meist  die  zwei  obersten  der  belassenen  Knospen  gleichwertige,  in  der  Folge 
miteinander  konkurrierende  Triebe  bilden,  so  dass  Zwieselbildung  durch  den  Vorgang 
des  Stummeins  oft  geradezu  direkt  veranlasst  ist.  Den  Sturamelpflanzen  ist  übrigens 
gutes  Anwachsen  vermöge  der  verhältnismässig  grossen  Wurzelmenge  meist  gesichert. 
In  windgefährdeten  Lagen  kommt  den  Stummelpflanzen  ihre  geringe  Höhe  und  das 
Fehlen  einer  Krone  zunächst  sehr  zu  statten.  --  Im  grossen  und  ganzen  findet  Pflanzung 
mit  bewurzelten,  ballenlosen,  in  ihrem  oberirdischen  Teile  unverkürzten  Pflänzlingen 
am  meisten  Anwendung.  —  2.  B  üsc  helpf  1  anzu  ng  ist  bei  einzelnen  Holzarten 
(Fichte)  in  manchen  Gegenden  (Harz)  verbreitet.  Als  Vorzüge  werden  angegeben 
rascher  Bestandesschluss,  Sicherheit  gegen  Gefahren  (Wildverbiss  etc.),  besonders  gute 
Höhenentwickelung  der  mittleren  Pflanzen  des  Büschels ;  dagegen  jedoch  grosser  Pflan- 
zenverbrauch,  dichter  Stand  in  den  Büscheln,  infolgedessen  oft  nicht  normale  Aus- 
bildung der  einzelnen  Pflanzen,  Verwachsungen  u.  s.  w.  E  i  n  z  e  1  p  f  l  a  n  z  u  n  g  findet 
deshalb  in  den  weitaus  meisten  Fällen  statt,  zumal  auch  die  von  manchen  Seiten  zu 
gunsten  der  Büschelpflanzung  behauptete  grössere  Widerstandsfähigkeit  gegen  Schnee- 
schaden von  anderen  (cfr.  Versammlung  des  Harzer  Forstvereins  1887:  Ref.  Reuss- 
Goslar)  bestritten  wird.  —  3.  Annähernd  gleichmässige  Verteilung  der  Pflanzen  ist  in 
den  weitaus  meisten  Fällen  anzustreben.  Dieselbe  lässt  sich  (durch  geübte  Arbeiter) 
oft  auch  ohne  genau  abgesteckten  Verband  in  genügender  Weise  erreichen.  Ausnahms- 
weise, wie  z.  B.  unter  Umständen  beim  Unterbau,  wird  mehr  gruppenweise  Anordnung 
der  Pflanzen  bevorzugt.  —  Geregelte  Verbände,  bei  welchen  jeder  Pflanze  ihre 
bestimmte  Stelle  angewiesen  ist,  erfordern  die  besondere  Arbeit  des  Aussteckens  der- 
selben, bedingen  danach  aber  rasche  Ausführung  der  Pflanzung,  gestatten  sichere  Be- 
rechnung der  Pflanzenzahl,  leichte  Nachbesserung  (sofortiges  Auffinden  der  Fehlstellen), 
Grasnutzung  (?!)  zwischen  den  Pflanzreihen,  Herstellung  regelmässiger  Mischungen®"), 

96)  Geeignete  Bestandesmischungen  sind  übrigens  oft  viel  mehr  von  der  speziellen 
Bodenbeschaff'enheit  an  der  einzelnen  Stelle,  als  von  der  Regelmässigkeit  des  Verbandes  ab- 
hängig. 


4Ö()  IV.  Lorey,  Waldbau. 

gewähren  Erleichterung  beim  Holzausbringen,  bei  manchen  Massregeln  des  Forstschut^es 
u.  s.  w.  —  Terrainunebenheiten,  Steine,  Stöcke,  Vorwüchse  ete.  sind  oft  Hindemisse 
der  Durchführung. 

II.  Das  Pflanzmaterial*^). 

§41.  A.  Erforderliche  Eigenschaften:  Nonnale  Entwickelung  des 
Pflänzlings,  insbes.  gute  Wurzelausbildung,  stufiger,  kräftiger  Schaft,  genügende  Hlatt-, 
bezw.  Nadelnienge  (nicht  zu  gail  oder  in  gedrängtem  Stande  spindelig  erwachsen!).  — 
IMe  für  eine  Kultur  zu  wählende  Stärke  bezw.  Höhe^^)  und  damit  im  Zusammenhang 
das  Alter  der  Pflänzlinge  sind  abhängig  von  dem  speziellen  Zw  eck  der  Kultur, 
von  den  Verhältnissen,  in  welche  die  Pflanzen  dabei  gebracht  werden  (cfr.  Anm.  98), 
und  dem  dadurch  bedingten  Pflanz  verfahren.  Im  allgemeinen  verdient,  wo  immer  an- 
gängig, die  Verwendung  junger,  d.  h.  kleiner  Pflänzlinge  (gutes  Anwachsen,  Billigkeit 
des  Verfahrens  in  Absicht  auf  Pflanzenbeschaftung,  Ausheben,  Transport,  Einsetzen) 
den  Vorzug:  2-  bis  4jährige  Pflanzen,  von  der  diesem  Alter  unter  mittleren  Verhält- 
nissen entsprechenden  Höhe  werden  am  häufigsten  benutzt,  in  besonderen  Fällen  kommen 
auch  1jährige  (Kiefer),  sowie  andererseits  ältere  resp.  stärkere  und  höhere  Pflänz- 
linge (Loden,  Halbheister,  Heister)  in  Anwendung:  z.  B.  Tanne  (langsame  Jugendent- 
wuckelung)  überhaupt  meist  5— 6jährig ;  stärkere  Pflanzen  aller  Holzarten  oft  bei  Nach- 
besserungen, Randpflanzungen,  Kultur  von  Viehweiden,  bei  bedeutendem  Unkrautwuchs 
u.  s.  w. 

B.  Verschiedene  Arten  der  Pflanzenbeschaffung.  Es  kommen 
in  Betracht:  Kauf  und  Tausch,  Entnahme  aus  Schlägen,  besondere  Anzucht  und  zwar 
entweder  in  Freilagen  oder  unter  Schutzbeständen  oder  in  Forstgärten.  1.  Kauf 
und  Tausch:  nur  ausnahmsweise  zulässig ;  im  allgemeinen  sollte  jedes  Revier  (min- 
destens jeder  Forst)  seinen  Bedarf  selbst  decken.  So  lautete  bis  vor  wenigen  Jahren 
die  allgemeine  Regel,  und  an  derselben  sollte  auch  heute  noch  tunlichst  festgehalten 
werden,  schon  des  grossen  Interesses  wegen,  das  jeder  Forstwirt  gerade  an  der  Anzucht 
seines  Pflanzenmaterials  nehmen  muss;  die  hierbei  gebotene  Gelegenheit  zu  Beobach- 
tungen und  Versuchen  aller  Art  sollte  nicht  fortfallen;  unnützes,  kleinliches  Experi- 
mentieren hat  natürlich  zu  unterbleiben.  In  neuerer  Zeit  haben  es  jedoch  viele,  ins- 
besondere grosse  Pflanzenzüchtereien  (z.  B.  Heins-Halstenbeck  in  Holstein)  durch  wei- 
testgehende Vervollkommnung  ihrer  Einrichtungen  dahin  gebracht,  dass  sie  tadellose 
Pflänzlinge  in  jeder  beliebigen  Menge  zu  Preisen  anbieten  können,  welche  hinter  den 
Kosten,  mit  welchen  dieselben  im  Forstgarten  des  einzelnen  Wirtschaftsganzen  meist 
nur  erzogen  werden  können,  erheblich  zurückbleiben.  So  ist  es  nicht  zu  verwundem, 
dass  von  der  so  gegebenen  Möglichkeit  der  Bedarfsbefriedigung  durch  Ankauf  von 
Händlern  mehr  und  mehr  Grebrauch  gemacht  wird.  Immerhin  sollte  das  finanzielle 
Moment  nicht  allzusehr  betont  werden.  Auch  für  das  Schutzpersonal  bietet  die  Pflan- 
zenzucht erweislich  sehr  oft  besonderen  Reiz  und  nicht  zu  unterschätzende  Anregung. 
—  2.  Entnahme  aus   Schlägen,   natürlichen  Verjüngungen  und  Saaten ,    teils 

97)  Vergl.  u.  a.  Fürst,  „Die  Pflanzenzucht  im  Walde"  3.  Aufl.  1897,  woselbst  alle 
Einzelheiten  der  Pflanzenerziehung  in  erschöpfender  Weise  abgehandelt  sind.  Zahlreiche 
Literaturnachweise  und  Erfahrungszahlen  etc.  daselbst. 

98)  Mit  Recht  ward  mehrfach  (z.  B.  Flury-Schweiz  1895)  betont,  dass  die  Höhe  der 
Pflanzen  in  erster  Linie  anzugeben  sei,  nicht  deren  Alter,  weil  die  nämliche  Höhe  auch  bei 
der  gleichen  Holzart  unter  verschiedenen  Entwicklungsbedingungen  bei  verschiedenem  Alter 
erreicht  werde,  und  doch  eine  bestimmte  Höhe  des  Gipfels  über  dem  Boden  in  vielen  Fällen 
der  entscheidende  Faktor  sei,  wie  z.  B.  beim  Kampf  mit  Unkraut,  in  Frostlagen,  gegen 
Wildverbiss  u.  s.  w. 


Die  Bestandesbegründnng.     §  41.  481 

zum  Zweck  anmittelbarer  Yerwenclnng  für  die  Kultar,  teils  za  vor  gängiger  Verschnlüng 
in  Pflanzbeete.  Gewinnung  eines  billigen,  oft  (auf  geeignetem  Boden,  bei  nicht  zu 
dichtem  Stand)  trefflichen  Materials  (mit  oder  ohne  Ballen,  je  nach  Umständen).  Sorg- 
fältiges Ausheben  (nicht  Ausreissen  und  Abbrechen  der  Wai*zelenden)  ist  Bedingung. 
—  3.  Besondere  Anzucht:  a)  in  Freilagen,  durch  Saat,  namentlich  ab  und 
zu  behufs  Anzucht  von  Ballenpflanzen,  auf  massig  bindigem  Boden  mit  leichter  Gras- 
narbe. Mit  Vorteil  werden  auch  die  wieder  eingeebneten  Stocklöcher  starker  Stämme 
zur  Pflanzenzucht  mit  benutzt;  infolge  der  gründlichen  Bodenlockerung  sind  die  Er- 
gebnisse hier  oft  besonders  gute.  —  b)  unter  lichtschirmigen  Schutzbe- 
ständen, z.  B.  Buche  (für  Zwecke  des  Unterbaues,  Main-Bheinebene)  durch  Saat 
in  Kiefernbeständen,  am  best*en  stark  durchforsteten  Stangenorten  oder  angehenden  Baum- 
hölzern, nach  oberflächlicher  Zubereitung  des  Keimbeetes  (Entfernung  des  Moospolsters, 
leichtes  Durchhacken  des  Bodens,  event.  Umgatterung  gegen  Wild).  Massenhaftes 
Material  ohne  grosse  Kosten,  aber  nur  für  Schattenhölzer.  —  Hie  und  da  Anzucht  von 
Pflänzlingen  auf  Waldfeldern  unter  dem  Schutz  von  Getreide  (z.  B.  Haferschutz- Saaten 
zum  Ausheben  der  Pflänzlinge  im  3.  Jahre).  —  c)  in  Forstgärten  oder  Kämpen 
für  Pflänzlinge,  welche  besonderer  Sorgfalt  bedürfen,  insbesondere,  wenn  Verschulen 
nötig  wird.  Wo  die  Gelegenheiten  des  Pflanzenbezugs  ad  1,  2,  3  a  fehlen  oder  nicht 
benutzt  werden  wollen,  ergibt  sich  die  Anzucht  im  Forstgarten  von  selbst.  Sie  ist 
tauglich  für  alle  Holzarten,  aber  meist  relativ  teuer.  Für  viele  Arten  der  Pflanzkultur 
ist  sie  unentbehrlich,  im  ganzen  aber  doch  auf  das  notwendige  Mass  zu  beschränken. 

C.  Forstgartenbetrieb  insbesonder e'®). 

§  42.  1.  Arten.  Die  Forstgärten  sind  entweder  nur  Saatschulen  (Saat- 
kämpe)  zur  Erziehung  von  Pflanzen,  welche  unmittelbar  von  der  Stelle,  wo  sie  gekeimt 
sind,  zur  Kultur  verwendet  werden,  oder  Pflanzschulen  (Pflanzkämpe),  in  welchen 
die  Keimpflanzen  erst  noch  versetzt  (verschult,  verstopft,  umgelegt)  werden,  bevor  sie 
auf  die  Kulturfläche  kommen.  Meist  sind  Saat-  und  Pflanzbeete  in  einem  Forstgarten 
vereinigt,  doch  kommen  auch  grössere  Kampanlagen  vor,  in  welchen  sich  nur  Yerschul- 
pflanzen  finden  (z.  B.  Tannensämlinge  aus  Bestandessaaten,  Buchen  aus  natürlichen 
Verjüngungen).  —  Man  unterscheidet  ausserdem  ständige  und  unständige 
(sog.  Wander-)Forstgärten.  Erstere  werden  durch  längere  Zeit  andauernd  benutzt, 
letztere  für  kürzere  Zeit,  nur  die  Pflanzen  für  bestimmte  Kulturen  liefernd.  Die  un- 
ständigen Forstgärten  werden  natürlich  möglichst  unmittelbar  bei  oder  auf  der  Kultur- 
fläche angelegt,  deren  Pflanzenbedarf  sie  demnächst  decken  sollen.  Ist  die  betr.  Kultur 
erledigt,  so  werden  sie  wieder  aufgegeben,  bezw.  bilden  dann  mit  einem  Rest  ihrer 
Pflanzen  Teile  der  Kultur.  Ständige  Gärten  sind  teurer  in  der  ersten  Anlage  (sorg- 
iUltigere  Bearbeitung  etc.),  ei-fordem  bei  beginnender  Erschöpfung  künstliche  Düngung, 
liegen  oft  weiter  von  der  Kulturstelle  entfernt;  sie  sparen  dagegen  auch  wieder  an 
erstmaligem  Aufwand  (Bodenvorbereitung,  Umfriedigung  etc.),  sofern  sich  derselbe  auf 
eine  längere  Benutzungsperiode  verteilt,  sind  leichter  zu  beaufsichtigen,  gestatten  wegen 
der  grossen  Pflanzenmenge,  die  in  ihnen  im  Laufe  der  Jahre  erzogen  werden  soll,  die 
ausgiebigere  Beschaffung  von  Apparaten,  Schutzvorrichtungen,  unter  Umständen  die 
Anlage  von  Bewässerungs Vorrichtungen  u.  s.  w.,  im  ganzen  also  einen  feineren,  inten- 
siveren Betrieb.  Beide  Arten  sind,  je  nach  Umständen,  in  Uebung;  das  entscheidende 
Moment  ist  vielfach,  zumal  wenn  Ballen-  oder  Büschelpflanzen  bei  der  Kultur  in  An- 
wendung kommen  sollen,  der  Pflanzentransport;  bietet  sich  günstige  Gelegenheit,  nah 


99)  Vergl.  hierzu  die  umfassenden  Angaben  in  Fürsts  „Pflanzenzucht*'  (cfr.  Anm.  75), 
sowie  zahlreiche  Artikel  der  verschiedenen  forstlichen  Zeitschriften. 

Handbuch  der  ForBtw.    2.  Auü.    I.  31 


482  IV.  Lorey,   Waldbau. 

bei  einer  demnächst  zu  kultivierenden  Fläche  Wandersaat-  und  -pilanzbeete  anzulegen, 
80  wird  sie  benutzt,  im  grossen  und  ganzen  jedoch  sind  wohl  die  ständigen  Forstgärten 
mehr  beliebt,  obwohl  finanzielle  Erwägungen  oft  für  Wanderkämpe  sprechen.  —  2.  Wahl 
des  Platzes.  a)Lage:  Ausser  möglichster  Nähe  bei  den  Kulturflächen ,  sowie 
bequemer  Erreichbarkeit  und  Beaufsichtigung  kommt  die  Umgebung,  Abdachung,  Expo- 
sition in  Betracht.  Steilere  Hänge  sind  im  allgemeinen  ausgeschlossen,  etwas  geneigte 
Lagen  dann  erwünscht,  wenn  ausnahmsweise  die  Wahl  eines  etwas  zu  feuchten  oder 
eines  zu  trockenen  Ortes  nicht  umgangen  werden  kann,  und  im  ersteren  Falle  für 
Wasserabzug  gesorgt  werden  muss,  im  letzteren  die  Möglichkeit  einer  Bewässerung 
ins  Auge  gefasst  wird;  Süd-  und  Südwestseiten  (im  Hügelland  und  Mittelgebirge)  sind 
wegen  Hitze  und  Trockenheit  ebenso  zu  vermeiden,  wie  ungeschützte  Ostseiten  (Frost- 
gefahr). Schutz  durch  umliegende  Bestände  kann  sehr  erwünscht  sein,  unter  Umständen 
wirken  solche  aber  auch  nachteilig  (event.  Verdammen  durch  dieselben,  Reflex  der 
Sonnenstrahlen  am  Trauf).  Frostgefahr  in  tiefen  Talsohlen.  Nähe  von  Wasser  er- 
wünscht, soweit  Wasserlieferung  in  trockenen  Perioden  in  Frage  kommt.  Plätze  im 
Inneren  des  Waldes  verdienen  den  Vorzug  vor  solchen  am  Rande,  weil  letztere  vom 
Felde  her  von  den  Mäusen  schärfer  bedroht  werden,  die  sich  im  Herbst  in  den  Wald 
ziehen ;  Schneebruch-  und  Windbruchlöcher  nicht  selten  verwendbar ,  sofern  sie  noch 
nicht  stark  verunkrautet  sind ;  überhaupt  ist  der  Kampf  mit  dem  Unkraut  sehr  zu  be- 
achten, und  deshalb  legt  man  Forstgärten  nicht  gern  auf  grössere  Kulturflächen.  — 
b)  Boden:  Zu  fordern  ist  genügende  mineralische  Kraft  in  Verbindung  mit  den  nötigen 
physikalischen  Eigenschaften.  Insbesondere  soll  der  Boden  nicht  zu  zäh  und  fest  (kalter 
Tonboden)  sein.  Böden  mittlerer  Beschaffenheit  (sandiger  Lehmboden)  sind  vorzuziehen^^), 
im  Zweifelsfalle  wähle  man  lieber  einen  etwas  zu  lockeren  als  einen  zu  festen  Boden. 
Beachtung  des  Untergrunds,  hauptsächlich  in  betreff  des  Wasserabzugs  muss  dringend 
empfohlen  werden.  —  c)  Grösse:  Da  nur  die  Pflanzenzucht  für  den  eigenen  Bedarf 
hier  in  Betracht  kommt,  so  ist  die  Flächengrösse  entsprechend  der  Zahl  der  jährlich 
erforderlichen  Pflänzlinge,  dem  Alter  und  der  Behandlung  derselben  (Dauer  ihres  Ver- 
bleibens in  dem  Forstgarten,  verschult  oder  unverschult,  Verschulungs verband  u.  s.  w.) 
zu  bemessen  ^^^).  —  d)  Gestalt:  Möglichst  regelmässig  in  Rücksicht  auf  Umfriedigung 
(Quadratform !)  und  Einteilung.  Wo  Seitenschutz  von  Wichtigkeit  ist,  kann  ein  lang- 
gestrecktes Rechteck  den  Vorzug  verdienen;  ebenso  in  geneigten  Lagen  (die  grössere 
Seite  horizontal).  —  3.  Bodenbearbeitung,  a)  Gründliche  Rodung  (Rajolung, 
Rigolen)  ist,  nachdem  bei  der  Wahl  des  Platzes  in  einem  Bestände  Kahlhieb  erfolgt 
ist  (Entfernung  sämtlicher  Stämme,  nicht  Ueberhalt  einzelner  Exemplare  etwa  zum 
Schutz  der  Pflänzlinge!),  zunächst  vorzunehmen,  und  es  sind  dabei  alle,  auch  die  schwä- 
cheren Wurzeln,  zumal  von  ausschlagskräftigen  Laubhölzern  (Aspe  etc.),  sorgfältig  zu 
entfernen.  Die  verhältnismässige  Leichtigkeit  der  Bodenbearbeitung  bei  früherem  Acker- 
land darf  nicht  für  die  Wahl  des  Platzes  massgebend  sein;  solches  kann  wohl  aus- 
nahmsweise in  Betracht  kommen,  ist  jedoch  meist  ausgebaut  und  verunkrautet.    Auch 

100)  Die  Meinung,  als  ob  Pflänzlinge  für  magere  Kulturstellen  auch  in  Forstgärten 
mit  geringen  Böden  erzogen  werden  müssten,  ist  irrig.  Eher  schon  sind  solche  für  rauhe 
Lagen  vor  Verzärtelung  im  Forstgarten  zu  bewahren.  Die  Forderung,  die  Vegetation  solle 
allgemein  im  Forstgarten  sich  nicht  früher  entwickeln,  als  auf  den  aus  denselben  zu  ver- 
sorgenden Kulturstellen,  ist  zu  weitgehend,  stimmt  nicht  fürs  Hochgebirge.  Für  letzteres 
ist  zu  beachten,  dass  Südseiten,  falls  der  Boden  genügend  frisch  ist,  um  so  mehr  den 
Vorzug  verdienen,  je  höher  die  Lage  ist. 

101)  Etwa  4—5%  der  jährlichen  Kulturfläche  dürfte  z.  B.  für  den  Fall  einer  Fichten- 
wirtschaft in  lOOj ährigem  Umtrieb  bei  Verwendung  durchweg  4 jähriger  Pflanzen  nach 
2 jähriger  Verschalung  genügen. 


Die  Bestandesbegründang.     §  42.  483 

die  mehrjährige  Ueberlassnng  des  ausgewählten  Platzes  an  die  Landwirtschaft  zum 
Anbau  von  Hackfrüchten,  wodurch  allerdings  gute  Bodenbearbeitung  bedingt  würde 
empfiehlt  sich  wegen  des  damit  verbundenen  Entzugs  von  Mineral  Stoffen  nicht. 
Vornahme  der  Rodung  im  Herbst  empfiehlt  sich,  damit  der  Boden  im  Winter  vom  Frost 
zermürbt  wird.  Wäre  der  gewählte  Ort  stark  verunkrautet,  so  rodet  man  schon  im 
Vorsommer,  damit  das  Unkraut  verwest.  Durchschnittliche  Tiefe  der  Bodenbearbeitung 
30 — 40  cm.  —  b)  Planierung,  soweit  nötig,  insbes.  Einebnen  der  Stocklöcher, 
schliesst  sich  der  Eodung  unmittelbar  an,  event.  Terassierung  an  Hängen,  falls  man 
zur  Wahl  eines  stärker  geneigten  Platzes  gezwungen  wäre :  die  einzelnen  Beete  sollen 
horizontal  liegen.  Unbearbeitete  Streifen  zwischen  denselben  können  die  Beetpfade  er- 
setzen, dienen  als  Lagerstellen  für  Steine,  Unkraut  u.  s.  w.  Die  darauf  abgelagerten 
Materialien  können  gegen  Abflutung  Sicherung  bieten.  —  c)  Besserung  der  physi- 
kalischen und  chemischen  Bodeneigenschaften  sollte  von  vornherein 
möglichst  nicht  erforderlich  sein.  Doch  lässt  sich  manchmal  im  ganzen  Revier  kein 
vollkommen  geeigneter  Platz  finden.  Lockerung  durch  tiefe  Rodung,  Beiführen  von 
Sand,  Gründüngung.  Letztere  auch  zur  Bindung  zu  lockerer  und  Bereicherung  armer 
Böden  (Lupinen !) ^®^).  Am  besten  sind  neu  ausgestockte  (humusreiche,  unkrautfreie) 
Stellen.  Wasserabzugsgräben,  event.  Drainierung  zu  nasser  Stellen.  Im  Notfall  so- 
fortige Düngung  mit  animalischen,  pflanzlichen,  mineralischen  Düngemitteln  und  Menge- 
düngemitteln. Für  Wanderkämpe,  deren  Benutzung  nur  durch  wenige  Jahre  währen 
soll,  ist,  falls  nicht  besonders  ungünstige  Verhältnisse  vorliegen,  die  Düngung  entbehr- 
lich, wogegen  ständige  Forstgärten  dieselbe,  wenn  auch  nicht  vom  ersten  Anfang  ihrer 
Benutzung  an,  so  doch  sehr  bald  erfordern;  dieselbe  sollte  nicht  erst  dann  beginnen, 
wenn  schon  eine  merkliche  Erschöpfung  eingetreten  ist.  Einigermassen,  aber  doch  nur 
in  sehr  beschränkter  Weise,  könnte  wohl  durch  Holzartenwechsel  auf  den  Einzelbeeten 
des  Forstgartens,  der  Notwendigkeit  einer  Düngung  entgegengewirkt  werden,  da  die 
einzelnen  Holzarten  den  Boden  nicht  in  gleichem  Masse  und  gleicher  Richtung  in  An- 
spruch nehmen.  Wie  viel  im  einzelnen  Falle  dem. Boden  durch  Pflänzlingszuclit  ent- 
zogen worden  ist,  haben  eine  Reihe  von  Untersuchungen  festgestellt,  z.  B.  solche  von 
Schröder,  Dulk,  Schmitz-Dumont,  Schütze,  Councler  u.  a.  m.^***).  Dieselben  bedürfen 
noch  sehr  der  Ergänzung. 

Die  wichtigsten  Stoffe,  welche  dem  Boden  durch  die  Düngung  wieder  zugeführt 
werden  müssen,  sind  Stickstoff,  Phosphorsäure  und  Kali,  event.  auch  Kalk,  welcher, 
abgesehen  von  seiner  direkt  ernährenden  Wirkung,  auch  noch  eine  Reihe  günstiger 
chemischer  und  physikalischer  Wirkungen  auf  den  Boden  ausübt.  Als  tierische  Dünger 
kommen  in  Anwendung :  Stallmist,  Pferch,  Latrine  (Abtritt  und  Jauche),  Knochenmehl, 
Guano,  künstlicher  Guano  (wie  Fischmehl,  Blutmehl  etc.);  als  Pflanzendünger:  Rasen- 
asche, Holzasche,  Torfasche,  Humus  (Dammerde),  Gerberlohe,  Gründüngung;  Mineral- 
dünger (naturliche  und  künstliche)  sind  u.  a. :  Mergel,  Aetzkalk,  Gips,  Stassfurter  Ab- 
raumsalze, bes.  Kainit,  Chilisalpeter;  als  Mengedünger  kommt  zunächst  Kompost  ver- 
schiedenster Art  (unter  Beigabe  von  Aetzkalk,  Sägespänen,  Torfmull,  kräftiger  Dünge- 
mittel, namentlich  aus  der  Reihe  der  tierischen  und  mineralischen  Stoffe)  in  Verwendung. 


102)  Vergl.  „Lupinenbau  in  Forsten«  in  „Aus  dem  Walde«  VIH,  S.  160. 

103)  Liter.  Angaben  siehe  in  Fürst,  Pflanzenzucht,  3.  Aufl.  S.  35  ff.  Man  vergl. 
ausserdem:  Grundner  „Die  Düngung  im  Forstbetriebe,  insbes.  in  Forstgärten''  (Harzer 
Forstverein  1897);  Ramm  „Rationelle  Düngung  der  Forstgärten'',  im  Bericht  über  die 
17.  Vers,  des  württ.  Forstvereins  zu  Calw,  1900;  ferner  Matthes  „Ueber  künstliche 
Düngung  im  forstl.  Betriebe"  (Vers.  Thüringer  Forstwirte  zu  Eisenach,  1900).  Zahlreiche 
Mitteilungen  über  Einzelversuche  finden  sich  in  den  versch.  forstl.  Zeitschriften. 

31* 


484  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Mengedunger,  event.  nur  ans  tierischen  and  mineralischen  Einzeldttngemitteln  zusammen- 
gesetzt, empfehlen  sich  namentlich  dann  am  meisten  und  allgemein,  wenn  über  die  Art 
der  Bodenerschöpfung  Zweifel  bestehen.  Stickstoff  liefern  u.  a.  Stallmist,  Blutmehl, 
Fischguano,  Gründüngung,  Chilisalpeter,  schwefelsaures  Ammoniak;  Phosphorsäure- 
Ersatz  durch  Superphosphate  und  Thomasmehl  (zugleich  damit  auch  Kalk!);  Kali  wird 
im  Kainit  zugeführt,  Kalk  etwa  als  Aetzkalk.  Alles  Nähere  in  der  angeführten  Spe- 
zialliteratur,  sowie  in  der  Forstl.  Standortslehre,  Handbuch  Bd.  1,  UI.  —  d)  Wieder- 
holte Bodenbearbeitung  im  Frühjahr  nach  Art  von  Gartenland.  —  4.  ü  m- 
friedigung  zum  Schatz  gegen  Menschen  und  Tiere  (Wild  und  Weidvieh).  Die  Art 
der  Umfriedigung  ist  insbes.  durch  die  abzuhaltenden  Tiergattnngen  bedingt  (feste 
Zäune  gegen  Sauen,  entsprechende  Höhe  gegen  Ueberfallen  von  Rotwild,  dicht  am 
Boden  gegen  Hasen  und  Kaninchen  u.  s.  w.).  Unter  Umständen  transportable  Hürden, 
a)  Tote  Umzäunungen:  Rollsteine  (gegen  Weidvieh),  Mauern  (zu  teuer);  Plan- 
ken-, Pfosten-,  Latten-,  Spriegelzäune  (in  verschiedenster  Modifikation);  Drahtzäune 
(starke  Horizontaldrähte,  event.  an  stehende  Bäume  befestigt ;  zwischengeflochtene  dünne 
Vertikaldrähte).  Gilt  es  darum,  Sauen  abzuhalten,  so  leisten  Spriegelzäune  (Quer- 
stangen mit  zwischengeflochtenem  starkem  Reisig)  wegen  ihrer  Elastizität  gute  Dienste ; 
sie  sind,  zumal  wenn  erste  Durchreiserungen  oder  Durcbforstungen  in  der  Nähe  das 
Material  ergeben,  auch  nicht  kostspielig.  Im  übrigen  dürften  sich  transportable,  etwa 
3 — 4  Meter  lange,  l^a  oi  hohe  Gatter  aus  Fichtengestänge  mit  aufgespanntem  Geflecht 
aus  verzinktem  Draht  besonders  empfehlen.  Letzterer  kann,  da  das  entsprechend  her- 
gestellte Stangengatter  den  erforderlichen  Halt  verleiht,  dünn  sein,  und  das  Geflecht 
braucht  vom  Boden  an  nicht  über  80  cm  hoch  zu  sein,  um  gegen  Hasen  und  Rehe  zu 
schützen.  Solches  Drahtgeflecht  wird  zu  16 — 20  Pfg.  pro  laufd.  Meter  bezogen.  Zur 
gleichzeitigen  Sicherung  gegen  Kaninchen  muss  das  Geflecht  höher  sein,  da  etwa  30  cm 
desselben  in  den  Boden  eingelassen  werden  müssen.  Sorgfältiges  Aufstellen  der  Gatter 
auf  den  Boden  und  scharfes  Aneinanderschliessen  derselben  ist  Bedingung.  —  b)  Le- 
bende Hecken:  Weissdorn,  Fichte.  Da  deren  Anlage  und  Unterhaltung  (Besehnei- 
den etc.)  viel  Mühe  und  Sorgfalt  erfordert  und  der  hasendichte  Abschluss  des  Gartens 
durch  eine  Hecke  doch  Icaum  auf  Dauer  erreicht  wird,  wendet  man  besser  eine  tote 
Umfriedigung  an.  —  c)  G  r  ä  b  e  n  in  Verbindung  mit  den  Schutzmitteln  ad  a  und  b 
bewirken  eine  noch  weitergehende  Sicherung,  bes.  gegen  das  Ueberfallen  von  Wild.  — 
d)  Kosten  nach  Material,  Arbeitsaufwand  sehr  verscliieden  in  Hinsicht  auf  erste  An- 
lage und  Unterhaltung ^°*).  —  5.  Einteilung,  innere  Einrichtung:  Beete 
von  angemessener  Breite  (bis  zur  Mitte  bei  den  Arbeiten  leicht  zu  erreichen)  und  Beet^ 
pfade  wechseln  miteinander  ab.  Dazu  kommen  einzelne  breitere  W^ege  für  Karren  etc. 
Durchschnittliche  Beetbreite  1  Meter,  Pfadbreite  0,3  Meter.  Da  durch  die  Beetpfade 
der  eigentlichen  Pflanzenzucht  immerhin  viel  Areal  entzogen  wird  (^/4 — V»  ^cr  ganzen 
Fläche),  so  empfiehlt  sich  bei  einheitlichem  Betrieb,  d.  h.  bei  der  Anzucht  grosser  Mengen 
gleichartiger  Pflänzlinge  das  Zusammenschliessen  von  Beeten  (ohne  zwischenbelegene 


104)  Drahtzäune,  inkl.  Pfostenmaterial  etc.,  zum  Schutz  gegen  Hasen  und  Rehwild 
kaum  unter  0,80 — 1,00  Mk.  pro  lfd.  Meter;  bei  Befestigung  an  lebende  Bäume  ca.  0,50  Mk. 
Verbindung  der  Pfosten  oben  und  unten  durch  je  eine  Stange  gibt  ein  besonders  festes  (tc- 
füge  beim  Durchflechten  dünner  Vertikaldrähte.  —  Bei  Anwendung  der  oben  erwähnten 
Stangengatter  mit  aufgespanntem  Drahtgeflecht  kommt  es  bezüglich  der  Kosten  hauptsächlich 
darauf  an,  ob  der  Wald  das  Stangenmaterial  (aus  Fichtendurchforstungen)  in  genügender 
Menge  und  in  der  Nähe  des  Gartens  enthält  bezw.  liefert,  cfr.  Mitteilungen  der  Württ. 
Versuchsstation,  Allg.  F.-  und  J.-Z.  1897,  S.  104;  ferner:  Dr.  Grieb  daselbst  S.  74  (enth. 
Zusammenstellung  der  Kosten  verschiedener  Umfriedigungen). 


Die  Bestandesbegründang.     §  42.  485 

Pfade)  zn  grösseren  Quartieren,  welche  dann  allerdings  bei  den  jeweiligen  Arbeiten 
(Verschnlen,  Jäten  etc.)  betreten  werden  müssen.  —  6.  Die  Aussaat  im  Forst- 
garten, a)  Arten  der  Aussaat:  Vollsaat  oder  Riefensaat.  Bei  ersterer  er- 
halten die  Pflänzlinge  von  vornherein  allseitig  gleichmässigen  Entwickelungsraum  (für 
Wurzel  und  Krone),  insbes.  wichtig,  wenn  nicht  verschult  werden  soll.  Dagegen  sind 
die  voll  besäeten  Beete  mühsamer  zu  reinigen,  das  Ansfrieren  ist  bedenklicher,  die 
einzeln  keimenden  Pflänzlinge  (Nadelhölzer)  drucken  durch  eine  etwas  verkrustete  Ober- 
fläche schwerer  durch.  Riefensaat  bildet  die  Regel.  —  b)  Samenmenge:  Im  all- 
gemeinen dieselben  Erwägungen  wie  für  die  Dichte  der  Saat  überhaupt.  Nicht  zu 
dicht  säen !  Weniger  dicht,  wenn  gar  nicht  oder  erst  nach  2 — 3  Jahren  verschult  wird. 
Bedingend  ist  überdies  die  Entwickelung  der  einzelnen  Holzart  in  der  ersten  Jugend, 
anfangs  langsamwüchsige  Holzarten  können  dichter  stehen  oder  länger  im  Saatbeet 
verbleiben  (Gegensätze  z.  B.  Tanne  und  Schwarzkiefer,  Buche  und  Akazie).  Kein 
grosser  Unterschied  zwischen  Voll-  und  Riefensaat  bezüglich  der  Samenmenge  (z.  B. 
bei  Kiefer  pro  1  ar  1 — 2  kg)*®*).  —  c)  Zeit  der  Aussaat:  Auch  hier  gelten  die 
allgemeinen  Bestimmungsgründe.  Möglichkeit  ins  einzelne  gehender  Pflege  im  Forst- 
garten kann  modifizierend  wirken.  Meist  Frühjahrssaat.  —  d)  Vollzug:  Vollsaat 
stets  aus  der  Hand,  nach  vorgängiger  gehöriger  Herrichtung  der  Beete.  —  Riefen- 
saat: Richtung  der  Riefen  bald  quer  über  die  Beete  (bequemer  für  gleichmässige  Aus- 
saat, Bedeckung,  Reinigung),  bald  in  deren  Längsrichtung.  Schmale  Riefen  (womöglich 
nur  1,  höchstens  2  etwas  von  einander  entfernte  Samenreihen  —  Doppelriefen).  Ent- 
fernung derselben  so  gering,  dass  die  Pflanzen  zu  seitlicher  Entwickelung  gerade  ge- 
nügend Raum  haben.  Herstellung  entweder  mit  der  Hacke  oder  einem  Rillenzieher, 
oder  mit  Hilfe  von  Saatlatten,  Saatbrettem,  Walzen  mit  entsprechenden  Erhöhungen, 
wie  z.  B.  der  regulierbaren  Saatrillenwalze  von  Holl  (Oe.  Forstz.  1898,  123),  der  Saat- 
rillenwalze von  Zinger  (AUg.  Forst-  u.  J.-Z.  1890,  412)  u.  s.  w.  Aussaat  aus  der 
Hand  oder  unter  Benutzung  von  Apparaten,  wie  z.  B.  Säehom,  Saatrinne,  Saatbrett  etc. 
Als  besonders  brauchbar  hat  sich  die  Esslinger'sche  Säelatte  mit  zugehörigem  Samen- 
kasten (Forstw.  Zentralbl.  1890,  S.  535)  bewährt;  sie  arbeitet  rasch  und  gibt  gleich- 
mässige Verteilung  des  Samens.  Empfohlen  wird  auch  die  Rillensäemaschine  von  Fe- 
kate  (Oesterr.  Forstzeitung),  femer  Hackers  Gartensaatmaschine  (Oester.  Forst-  u.  J.-Z. 
1890,  47).  Bedeckung  des  Samens  in  erforderlicher  Höhe  mittelst  Rechens,  Ueberwer- 
fens  oder  Uebersiebens  mit  feiner  Erde,  Rasenasche  etc.  Die  Höhe  der  Bedeckung  ist 
je  nach  der  Art  des  Samens  und  des  Deckmaterials  verschieden.  Je  lockerer  das 
letztere  ist,  um  so  stärker  kann  im  allgemeinen  der  Samen  eingedeckt  sein.  Mass- 
gebend im  einzelnen  sind  die  Bemerkungen  zu  §  38,  E.  —  7.  Schutz  und  Pflege 
der  Saatbeete.  Gegen  Hitze  und  Frost  sowohl  als  gegen  Platzregen  sichert  Be- 
decken der  Beete  mit  Laub,  Moos,  Stroh  (rechtzeitige  Entfernung  der  Bedeckung  beim 
Keimen),  Bestecken  mit  Zweigen  (abfallende  Nadeln  manchmal  störend),  Ueberdecken 
mit  Schattengittem  verschiedener  Art.  Gegen  Trockenheit,  wenn  nötig,  Begiessen 
(öftere  Wiederholung);  auch  oberflächliche  Bodenlockerung  ist  ein  Mittel  gegen  das 
Austrocknen,  denn  obwohl  die  schwache,  dabei  losgelöste  Oberschichte  stark  trocken 
wird,  schützt  sie  doch  die  unterliegende  Bodenschicht,  welche  feucht  bleibt;  übrigens 
darf  solches  Behäckeln  nur  nach  einem  durchdringenden  Regen  geschehen ;  Anwendung 
von  senkrecht  stehenden  Schutzschirmen  gegen  Wind  und  Sonne.  Gegen  Vögel  dienen 
die  Schutzgitter  (zugleich  Schattengitter),  gegen  Mäuse  das  Vergiften  etc.    Behandlung 

105)  Die  Schweiz.  Versuchsanstalt  hat  bei  Fichte  und  Kiefer  von  10  gr  Samen  pro 
laufenden  Meter  das  Maximum  an  brauchbaren  Pflanzen  erhalten,  cfr.  Mitteilungen  der 
Schweiz.  Zentralanstalt  für  d.  forstl.  Versuchsw.  I,  1. 


486  IV.  Lorey,  Waldbau. 

des  Samens  vor  der  Aussaat  mit  Bleimennige  in  der  Art,  dass  der  angefeuchtete  Samen 
mit  trockenem  Mennigepulver  überstreut  und  dadurch  mit  einer  Mennigehülle  umgeben 
wird,  bietet  weitgehende  Sicherung  gegen  Vogel-  und  Mäusefrass.  Häher,  Tauben, 
Eichhörnchen  sind  abzuschiessen.  Aushängen  von  Nistkästen  zu  gunsten  insektenfres- 
sender Vögel.  Fangen  der  Maulwurfsgrillen  (cfr.  hierüber  Forstschutz,  V.  des  Hand- 
buchs). Ausjäten  des  Unkrautes,  je  nach  Bedarf  mehrmals  jährlich.  Pflege  der  Pflanzen 
durch  Andrücken  vom  Frost  gehobener  Pflänzlinge,  durch  Bodenlockernng,  Anhäufeln 
der  Erde  nach  den  Riefen  zu,  Durchrupfen  oder  Durchschneiden  zu  dichter  Saaten, 
Zwischendüngung.  —  8.  Pflanzbeete  im  Forstgarten.  Verschulen.  Das 
Verschulen  hat  den  Zweck,  den  jungen  Pflänzlingen  vor  der  Benutzung  zur  Kultur 
durch  Gewährung  freieren  Standraumes  im  gut  hergerichteten  Pflanzbeete  zu  kräftiger 
Entwickelung  zu  verhelfen,  a)  Alter  der  Pflänzlinge:  bei  möglichst  frühem 
Verschulen  (1 — 2jährige  Pflanzen)  hat  man  leichtere  (billigere)  Arbeit  und  grösseren 
Erfolg,  sofern  die  Pflanzen  länger  im  Verschulbeete  bleiben  können.  Sogar  ganz  junge 
Keimlinge  werden  unter  Umständen  verschult;  werden  dieselben  einem  etwas  bindigen 
Boden  entnommen,  so  kann  der  kleinste  Heyer'sche  Hohlbohrer  mit  Vorteil  verwendet 
werden.  —  b)  Zeit  der  Vornahme:  Herbst  und  Frühjahr.  Die  Erfahrungen  im 
Tübinger  Versuchsgarten  lassen  die  Herbst-  und  die  Frühjahrspfianzung  als  ziemlich 
gleichwertig  erscheinen.  Natürlich  ist  eine  Herbstpflanzung  mit  der  Pflanzung  im  nach- 
folgenden (nicht  im  voraufgegangenen)  Frühjahr  zu  vergleichen.  Dr.  Cieslar*®*)  hat 
sich  gegen  die  Herbstpflanzung  ausgesprochen,  und  Bühler  (189ö)  hält  nach  seinen  Ver- 
suchen das  Wachstum  nach  Herbstpflanzung  bei  allen  Holzarten  für  geringer  als  das- 
jenige nach  Frühjahrspflanzung.  Geeignete  Arbeitsverteilung  spricht  wesentlich  bei  der 
Wahl  der  Pflanzzeit  mit.  Wenn  bei  einer  Herbstverschulung  kleine  Sämlinge  verwendet 
würden,  ist  nach  derselben  die  Gefahr  des  Ausfrierens  besonders  zu  beachten;  durch 
Ueberschirmen,  Bodenbedeckung  u.  s.  w.  wird  derselben  vorgebeugt;  durch  F'rost  ge- 
hobene Pflanzen  sind  rechtzeitig  wieder  anzudrücken.  —  c)  Dauer  des  Verbleibs 
im  Pflanzbeet:  meist  2 — 3  Jahre  (1  Jahr  ist  zu  wenig,  der  Vorteil  bei  so  kurzer 
Zeit"  zu  gering).  —  d)  Sorgfältige  Bodenzurichtung  geht  voraus.  —  e)  Aus- 
heben, Beschneiden,  Anschlämmen  der  Pflänzlinge:  Da  ein  Trans- 
port zum  Zweck  des  Verschulens  sehr  häufig  nicht  in  Frage  steht,  so  werden  die 
Pflänzlinge  am  besten  unmittelbar  aus  dem  Saatbeet  ins  Pflanzbeet  gebracht.  Ein- 
stutzen von  Schaft  und  Wurzel  unterbleibt  meist  (abgesehen  von  beschädigten  Organen). 
Desgleichen  das  Anschlämmen.  Erfordert  etwa  die  Platzfrage  (Beeträumung  etc.) 
früheres  Ausheben,  oder  kommen  Pflänzlinge  von  auswärts  (z.  B.  Schlagpflanzen  oder 
durch  Ankauf  erworbene  Saatpflanzen),  so  ist  sorgfältiges  Einschlagen  an  feuchtem, 
schattigem  Ort  nötig.  Sortieren  der  schwachen  von  den  stärkeren  Pflänzlingen  je  für 
besondere  Beete  ist  zur  Erzielung  der  Gleichmässigkeit  wünschenswert;  andernfalls 
werden  (zumal  bei  Laubhölzern  wie  Ahorn  und  Esche)  die  schwächeren  Pflanzen  von 
den  vorauseilenden  stärkeren  in  ihrer  Entwickelung  beeinträchtigt.  —  £)  Pflanzen- 
entfernung, Verband:  Allseits  genügender  Kaum  für  die  Zeit,  welche  die  Pflanze 
im  Verschulbeet  verbringen  soll,  ist  Bedingung.  Da  diese  Zeit  sowie  die  Entwickelung 
der  einzelnen  Holzarten  verschieden  ist,  so  kann  kein  einheitliches  Mass  angegeben 
werden.  Um  auf  gegebener  Fläche  eine  möglichst  grosse  Pflanzenzahl  zu  erzielen, 
wird  man  immerhin  nicht  weitständiger  verschulen,  als  notwendig  ist;  in  keinem  Falle 
sollten  sich  die  verschulten  Pflanzen  bald  wieder  gegenseitig  bedrängen.    Meist  Reihen- 


106)  Mitteilungen  aus  dem  forstl.  Versuchswesen  Oesterreichs,  Heft  XIV,  1892:  ,Die 
Pflanzzeit  in  ihrem  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  Fichte  und  Kiefer*. 


Die  Bestandesbegründung.     §  42.  487 

verband  (z.  B.  für  2jährige  Fichten  20/12  cm,  2  Jahre  im  Pflanzbeet)  im  Interesse  der 
Beetpflege.  Sonst  wäre  Qnadratverband,  wegen  der  gleichmässigen  Verbreiterung  nach 
allen  Seiten  hin,  besser.  —  g)  Aasführnng,  Hilfsmittel:  Pflanzang  im  Tag- 
lohn oder  Akkord,  letzteres  bildet  die  Begel.  Dabei  ist  scharfe  Kontrolle  sehr  ange- 
zeigt, damit  nur  tadelloses  Material  verwendet  wird ;  zu  beachten  ist  insbesondere,  dass 
die  Pflanzen  nicht  zu  tief  eingesetzt  werden.  Pflanzschnur,  sowie  Apparate  zum  gleich- 
zeitigen Stechen  einer  Reihe  einzelner  Pflanzlöcher  (Zapfenbrett,  Verschulungsgestell 
von  Eck-Gera ^*^^  treten  in  Tätigkeit;  Eillenzieher ,  manchmal  auch  kleine  Pflüge ^°^) 
zum  Anfertigen  zusammenhängender  Rinnen  und  event.  gleichzeitiges  Einlegen  der 
Pflänzlinge  in  letztere  durch  Vermittelung  eines  Verschulungsgestelles  (Mutscheler  i^®), 
Hacker"®)  v.  Thygeson's  Pflanzharke"*)  u.  a.).  Beurteilung  dieser  Verschulungsap- 
parate  darf  nur  nach  der  Leistung  geübter  Arbeiter  stattflnden.  Sorgfältiges  Anfüllen 
und  Andrücken  der  Erde  (lockere  Kulturerde)  um  die  Wurzeln.  —  h)  Wiederho- 
lung: Zur  Erziehung  besonders  starker  Pflanzen  (Tannen  für  Kahlschläge,  Eichen- 
heister etc.)  manchmal  zweimaliges  Verschulen  (meist  nach  2 — 3  Jahren  wiederholt). 
—  9.  Schutz  und  Pflege  der  Pflanzbeete.  Hitze,  Frost,  Unkraut  sind  die 
hauptsächlich  störenden  Elemente.  Vergl.  das  oben  ad  7  bezüglich  der  Saatbeete  An- 
gedeutete. —  Pflege  einzelner  Pflanzen  durch  Beschneiden  (Entfernung  von  Doppel- 
gipfeln, Zweigen  etc.).  —  10.  Kosten**^).  Alle  Forstgärten  stellen  durch  Anlage 
und  Unterhaltung  eine  mehr  oder  minder  starke  Belastung  des  Kulturfonds  dar.  Die 
Ausgaben  sind  auf  das  notwendige  Mass  zu  beschränken,  jede  Spielerei  ist  zu  vermei- 
den. Auf  zweckmässiges  Ineinandergreifen  der  Einzelarbeiten  ist  namentlich  Wert  zu 
legen.  Teuer  ist  insbes.  das  Verschulen  (Zeit-  und  Raumerfordemis !).  Unter  Um- 
ständen Verschulen  von  Schlagpflanzen  auf  kleinen  Stellen  in  oder  bei  den  Schlägen 
selbst.  Der  Versuch,  grössere  Mengen  kräftiger  Pflanzen  direkt  im  Saatbeet  zu  er- 
ziehen (weit  säen!),  verdient  volle  Beachtung,  unkrautfreier  lockerer  Boden  ist  dazu 
erforderlich.  Allgemein  gültige  Kostensätze  sind  nicht  zu  gewinnen ;  Abhängigkeit  der- 
selben insbes.  von  den  ortsüblichen  Tagelöhnen.  Angaben  z.  B.  in  Fürst's  Pflanzen- 
zucht, im  Forst-  und  Jagdkalender  u.  s.  w. 

In  vorstehender  Schilderung  des  Pflanzgartenbetriebs  ist  nur  das  Notwendigste 
enthalten  und  auch  das  grossenteils  nur  in  Andeutungen.  Gerade  auf  dem  Gebiete  der 
Pflanzenzucht  im  Forstgarten  hat  sich  eine  grosse  Vielgestaltigkeit  entwickelt  mit 
zahlreicher  Modifikation  der  Durchführung  aller  einzelnen  Arbeiten,  je  nach  Oertlich- 
keit,  Holzart,  Umfang  der  Anlage  u.  s.  w.  Eigene  Erfahrung  und  Beobachtung,  zumal 
der  exakte  vergleichende  Versuch  führt  fortwährend  zu  grösserer  Sicherheit,  zu  Ver- 
besserungen, Kostenersparnis,  also  allgemein  zu  gesteigertem  Erfolg,  namentlich  auch 
im  Punkte  der  Rentabilität.  Dabei  sollten  aber  die  Erfahrungen,  die  anderwärts  ge- 
macht sind,  sorgfältig  beachtet  und  in  ausgiebigster  Weise  benutzt  werden,  damit  nicht 
Regeln,  die  sich  unter  bestimmten  Verhältnissen  bewährt  haben,  erst  wieder  von  Neuem 
und  vielleicht  erst  nach  mancherlei  Misserfolgen  gefunden  werden  müssen.    Auf  das 

107)  Allg.  F.  u.  J.Z.  1885  S.  197. 

108)  z.  B.  Schmitt,  „Anlage  und  Pflege  der  Fichtenpflanzschulen^  1875,  sowie 
Fischbach  in  Allg.  F.  u.  J.Z.  1869  S.  85. 

109)  Das.  1884  S.  7. 

110)  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1886  S.  230.  Der  Hacker 'sehe  Yerschulungsapparat 
(cfr.  Oester.  F.Z.  1891,  34)  arbeitet  gut  und  ist,  teuerere  Maschinen  ersetzend,  besonders 
warm  zu  empfehlen,  wenn  grosse  Pflanzenmengen  zu  bewältigen  sind. 

111)  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  von  Danckelmann,  1885  S.  25. 

112)  Vergl.  Dr.  Jäger,  Kosten  der  künstlichen  Bestandsgründung.  Snppl.  z.  A.  F. 
u.  J.Z.  Xin.  Bd.,  Heft  2,  1887. 


488  IV.  Lorey,  Waldbau. 

mehrfach  erwähnte  Werk  von  Fürst  (Die  Pflanzenzucht  im  Walde)  als  auf  einen  guten 
Führer,  dann  auf  die  Resultate  des  Forstgartenbetriebs  der  schweizerischen  Versuchs- 
anstalt (Mitteilungen  der  Schweiz.  Zentralanstalt  I,  1,  2,  3,  sowie  IT,  1  u.  2),  femer 
auf  die  Mitteilungen  Weise's  „Erfahrungen  und  Beobachtungen  im  Forstgartenbetrieb'' 
(zu  Karlsruhe)  in  Mündener  Forstliehe  Hefte  II,  S.  1,  sowie  auf  die  Mitteilungen  der 
vvürttembg.  Versuchsstation  (AUg.  Forst-  u.  J.-Z.  1897,  S.  104,  woselbst  auf  die  früheren 
Mitt.  hingewiesen  ist)  sei  u.  a.  nochmals  besonders  hingewiesen. 

Auch  soll  an  dieser  Stelle  der  Spitzemberg'schen  Kulturgeräte  gedacht  werden, 
von  welchen  sich  nicht  wenige  auch  beim  Forstgartenbetrieb  mit  Vorteil  verwenden 
lassen  "3).  Dieselben  dienen,  wie  z.  B.  der  Wühlspaten  und  der  Wühlrechen,  zur  Bo- 
denlockerung,  andere  in  grosser  Zahl  dem  Saatgeschäft  (zur  Anfertigung  aller  Arten 
von  Killen,  zum  Decken  des  Samens  u.  s.  w.),  wieder  andere  sind  als  Pflanz-Geräte 
konstruiert,  wie  z.  B.  die  Pflanzspaltschneider,  Pflanzholz  mit  und  ohne  Wühlspitze, 
Pflanzenlade. 

D.  Besonderheiten  einzelner  Holzarten. 

§  43.  Die  bezüglich  der  Pflanzenbeschatfung  hier  folgenden  Angaben  deuten, 
ohne  entfernt  erschöpfend  sein  zu  wollen,  nur  einige  der  Fälle  an,  welche  in  der  Pra- 
xis häufig  vorkommen.  1.  Laubhölzer,  a)  Buche:  Schlagpflanzen,  Ansaat  unter 
Schutzbestand.  2jährig  unverschult  zur  Kultur,  bes.  zum  Unterbau.  —  b)  Eiche: 
Aussaat  im  Saatkamp,  1 — 2jährig  verschult,  3 — 4jährig  zur  Kultur.  Zur  Heisterer- 
ziehung nochmals  verschult  und  ca.  6jährig  verwendet.  —  c)  Zahme  Kastanie: 
Juglans-Arten:  Aussaat  im  Saatkamp,  zur  Kultur  als  1-  bis  2jährige  Loden.  — 
d)  Esche,  Ahorn,  Erle "*) :  Aussaat  im  Saatkamp,  1 — 2jährig  verschult,  3 — 4- 
jäbrig  zur  Kultur  (Erle,  Ahorn  event.  als  Stummelpflanzen).  —  Ulme:  Dichte  Saat 
auf  etwas  angewalzten  Beeten,  schwache  Erdbedeckung,  dann  nochmals  etwas  anwalzen. 
—  e)  Akazie:  Aussaat  im  Saatbeet  (weit  säen) ,  zur  Kultur  als  2jährige  Lode.  — 
2.  Nadelhölzer:  a)  Tanne:  Schlagpflanzen,  event.  2 — 3jäfarig  verschult,  5jährig 
zur  Kultur.  —  b)  Fichte:  1 — 2jährig  verschult,  Material  aus  Saatbeeten  oder  Schlä- 
gen (Waldfelder),  3 — 4jährig  zur  Kultur.  —  c)  Forche:  Aussaat  im  Saatbeet,  1-,  2-, 
3jährig  zur  Kultur  (im  letzteren  Falle  nach  vorheriger  Verschulung).  Schlagpflanzen 
nur  ausnahmsweise.  —  d)  Schwarzkiefer,  Weymouthskiefer,  Lärche: 
Aussaat  im  Saatbeet,  1 — 2jährig  verschult,  3 — 4jährig  zur  Kultur.  —  e)  Zirbelkiefer: 
Keimung  in  besonderen  Kasten  zum  Schutz  gegen  Tierfrass,  dann  Verschulen  (cfr. 
Förster:  Zentralbl.  f.  d.  gesamte  Forstwesen  1888,  65). 

E.  Ausheben,  Beschneiden,  Transport,  Aufbewahren  der 
Pflanzen. 

§  44.  Was  im  Forstgarten  gilt,  ist  m.  m.  auch  für  den  grossen  Kulturbetrieb 
zu  beachten.  1.  Ausheben:  Die  Wurzeln  sollen  nicht  verletzt  werden,  deshalb  Um- 
stechen in  derjenigen  Entfernung  vom  Wurzelstock,  welche  der  Entwickelung  der 
Pflanze  entspricht,    a)  Ballenpflanzen:   Bewahrung  des  Ballens  in  gewünschter 

113)  In  bes.  Schrift  „Katalog  und  Preisverzeichnis  der  Forst-  und  Gartenkultur-Geräte, 
Patent  Spitzemberg"  hat  der  Generalvertrieb  derselben  (Francke  u.  Co.,  Berlin  SW.,  Dessaner 
Strasse  6)  die  Geräte  beschrieben  und  abgebildet.  Man  vergl.  auch  „Aus  dem  Walde"  1897, 
S.  345,  sowie  Möller:  Zeitschr.  f.  Forst-  u.  J.  1900,  S.  443). 

114)  Erlenaussaat  noch  im  Herbst  hat  sich  oft  bewährt:  Festschlagen  des  Bodens, 
frühzeitiges  Bedecken  mit  Keisig  im  Frühjahr.  Erlensaatbeete  sind  bei  Frühjahrssaat  feucht 
zu  halten,  z.  B.  durch  Auflegen  von  Moos,  Begiessen  n.  s.  w.  Der  Erlensamen  wird  am 
besten  breitwürfig  ausgestreut,  nur  leicht  mit  Erde  gemischt  (nicht  bedeckt).  —  Bei  Esche 
und  Ahorn  ist  wegen  der  gegenständigen  Knospen  darauf  zu  achten,  dass  keine  Doppelgipfel 
entstehen:  event.  rechtzeitiges  Entfernen  des  neuen  Triebs. 


Die  Bestandesbegründong.     §  45.  489 

Form  und  Grösse.  Instrumente  sind  ausser  dem  gewöhnlichen  Spaten  verschiedene 
Hohlspaten,  der  Hohlbohrer  von  Karl  Heyer "^),  Kegelbohrer  von  Eduard  Heyer"*), 
Scherenbohrer  von  Mühlmann,  Barths  Pflanzschnabel "^)  u.  a.  m.  —  b)  Ballenlose 
Pflanzen:  Ausziehen  sollte  nur  auf  ganz  lockerem  Boden  gestattet  sein ;  sonst  Aus- 
stechen und  Umlegen  mit  dem  wSpaten.  —  2.  Beschneiden,  a)  des  Wurzelteils: 
beschränkt  sich  auf  glattes  Wegnehmen  (mit  Messer,  Schere,  Beil)  beschädigter  Teile 
der  Seitenwurzeln  und  Pfahlwurzel;  letztere  ist  zwar  oft  (z.  B.  bei  Juglans-Arten !) 
ein  Hindernis  für  die  Pflanzung;  gleichwohl  ist  es  mindestens  fraglich,  ob  deren  Ver- 
kürzung in  allen  bezüglichen  Fällen  angeraten  werden  darf"®).  —  b)  des  Kronen- 
teils: Bei  stärkerem  Wurzelverlust  ist  (nur  bei  Laubhölzern  und  Lärche)  entsprechen- 
des Einstutzen  der  Krone  zweckmässig;  letzteres  auch  zur  Erzielung  guter  Kronen- 
form  "**)  (Hochstämme).  Abwerfen  des  ganzen  Schaftes,  Stummelpflanzen,  z.  B.  bei  der 
Eiche,  Erle  u.  s.  w.  (meist  am  besten  hart  über  dem  Wurzelknoten).  —  3.  Trans- 
port: In  Körben,  in  der  Spitzemberg'schen  Pflanzenlade  oder  auf  Karren  und  Wagen 
(für  Ballenpflanzen,  wenn  häufigere  Stösse  bei  der  Bewegung  unvermeidlich,  nicht  gut), 
je  nach  der  Entfernung  und  Pflanzenmenge.  Die  Pflanzen  sind  dabei  sorgfältigst  vor 
Austrocknung  zu  behüten :  Schlämmen  der  Wurzeln,  Einschlagen  in  feuchtes  Moos,  Be- 
decken mit  einem  Tuch  etc.  —  4.  Aufbewahren:  Kann  das  Einpflanzen  nicht 
alsbald  erfolgen,  so  ist  wiederum  sorgsamste  Bewahrung  der  Wurzeltätigkeit,  sowie 
Vermeidung  starker  Verdunstung  nötig.  Zu  dem  Ende  Einschlagen  der  Pflanzen  an 
feuchtem,  schattigem  Ort  in  lockere  Erde^^®). 

II J.  Herrichtung  der  Kulturfläche. 

§  45.  Eine  eigentliche  Bearbeitung  des  Bodens  für  den  unmittelbaren  Kultur- 
zweck, wie  nicht  selten  vor  einer  Saat,  findet  im  allgemeinen  nicht  statt,  es  sei  denn, 
dass  eine  der  im  3.  Kapitel,  erster  Teil  geschilderten  Urbarraachungsarbeiten  ausgeführt 
werden  müsste.    Etwaige  Bodenbehandlung  des  Waldfeldbaubetriebs  kommt  an  dieser 


115)  V.  Wedekind,  „Neue  Jahrbücher  der  Forstlamde",  Heft  1. 

116)  Tharander  Jahrbuch  von  1876,  23.  Bd.,  S.  61  ff.  und  Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1878 
S.  39,  sowie  Hess:  A.  F.  u.  J.Z.  1898,  179;  Tiemann:  A.  F.  u.  J.Z.  1900,  144. 

117)  Vergl.  Cieslar:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1891,  48. 

118)  Gay  er  (Waldbau  2.  Aufl.  S.  356)  spricht  sich  für  mögliche  Beschränkung  des 
Beschneidens  aus.  Hauptsächlich  bei  stärkeren  Pflanzen  ist  dasselbe  oft  nötig,  bei  schwächeren 
zu  vermeiden.  Manche  (z.  B.  v.  Buttlar)  wollen  eine  lange  Pfahlwurzel  lieber  zu  einem 
Knoten  schürzen!  Neuestens  ist  von  Muth  (Forstw.  Zentralbl.  1899,  227)  eine  Wurzelver- 
schnittrMaschine  empfohlen  worden,  mit  welcher  noch  im  Verschulbeete  den  in  Reihen  pein- 
lich genau  verschulten  Pflanzen  die  Wurzeln  entsprechend  eingestutzt  werden  sollen.  Allge- 
meine Anwendung  des  Verfahrens  nicht  anzuraten. 

119)  Vergl.  Geyer,  Erziehung  der  Eiche  zum  Hochstamm. 

120)  Das  Ausheben  und  Einschlagen  in  dünne  Schichten  empfiehlt  sich  nach  Bühler 
(Prakt.  Forstwirt  für  die  Schweiz,  1885,  Sept. — Okt.)  auch  zum  Zurückhalten  der  Vegetation 
im  Frühjahr,  gegenüber  von  Kulturverzögerungen  (durch  die  Witterung,  Verwendung  von 
Pflanzen  aus  der  Ebene  ins  Gebirg  u.  s.  w.);  Bedecken  der  Beete  mit  Reisig  erwies  sich 
nicht  als  zweckentsprechend.  Ferner:  Bühler  (Schwz.  Zeitschr.  1893,  123):  Nadelhölzer 
haben  mehr  Abgang  als  Laubhölzer,  3-  und  mehrjährige  Nadelhölzer  sind  weniger  empfind- 
lich als  1-  und  2jährige;  bei  niedriger  Frühjahrstemperatur  kann  das  Einschlagen  bis  zu 
2  Monaten  ausgedehnt  werden.  —  Ausheben  im  Herbst  und  Einschlagen  über  Winter  ist  bei 
sorgfältiger  Behandlung  ohne  Bedenken  (cfr.  Tübinger  Versuchsgarten).  Das  Einschlagen 
der  Pflanzen  in  Büscheln  ist  zu  vermeiden,  vielmehr  reihenweise  Anordnung  derselben.  — 
Event.  Zurückhalten  der  Vegetation  bei  den  für  die  Frühjahrskultur  vorgesehenen  Pflanzen 
durch  Lagerung  (nach  dem  Ausheben)  auf  Schnee  (cfr.  u.  a.  Koze^nik,  Zeitschr.  f.  d.  ges. 
Forstw.  1894,  59). 


490  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Stelle  ebenso  wenig  in  Betracht,  wie  die  Anfertigung  der  einzelnen  Pflanzlöcher,  welche 
als  eine  Arbeit  des  Vollzugs  der  Pflanzung  aufzufassen  ist.  Unebenheiten,  Steine, 
Felsen,  Stöcke  u.  s.  w.  beeinträchtigen  zwar  vielfach  einen  regelmässigen  Verband, 
sind  aber  kein  Hindernis  der  Pflanzkultur  an  sich  und  verbleiben  zumeist  an  ihrer 
Stelle,  es  sei  denn,  dass  auf  die  Nutzbarmachung  des  Stockholzes  Wert  gelegt  würde. 
Zu  üppiges  Unkraut,  unbrauchbare  Vorwüchse,  nicht  gewünschte  Oberständer  sind  zu 
entfernen.  Beim  Uebergang  von  Mittelwald  zum  Hochwald  oder  allgemein  bei  Holz- 
artenwechsel, zumal  Uebergang  von  Laubholz  zum  Nadelholz,  können  die  oft  massen- 
haft erscheinenden  Stock-  und  Wurzelloden  für  die  junge  Kultur  sehr  lästig  werden 
und  einen  mehrjährigen  harten  Kampf  bedingen.  Vorheriges  Entfernen  der  Stöcke  und 
Wurzeln  kann  sich  deshalb  empfehlen.  Uebrigens  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  jene 
Ausschläge  unter  Umständen  doch  als  Schutz-  und  Treibholz  von  Wert  sein  können. 
—  Hier  mag  auch  auf  eine  „Ueberwurf-Kultur"  hingewiesen  werden,  bei  welcher  auf 
Pflanzplätzen  von  20—30  cm  im  Quadrat  die  Erde  25 — 30  cm  tief  ausgehoben  und  von 
einem  Pflanzloch  ins  andere  geworfen  wird.  Bei  der  Pflanzung  kommt  dann  die  nah- 
rungsreichere Erde  in  die  Wurzelregion  der  Pflanzen  (cfr.  sächs.  u.  schles.  Forst- 
verein 1897). 

IV.  Vollzug  der  Pflanzung. 

§  46.  A.  P  f  1  an  z  z  e  i  t :  Zu  unterscheiden  ist  die  Anfertigung  der  Pflanzlöcher, 
bezw.  die  Herrichtung  der  einzelnen  Pflanzstellen  und  das  Einsetzen  der  Pflanzen. 
1.  Die  Pflanzstelle:  Abstecken  des  Verbandes,  Anfertigen  der  Pflanzlöcher,  Bil- 
dung von  Hügeln,  Rabatten  u.  s.  w.  wird  oft  mit  Vorteil  (Kürze  der  eigentlichen 
Kulturzeit,  geeignete  Arbeitsverteilung)  schon  vor  dem  Beginn  des  Kulturgeschäftes 
vorgenommen,  nicht  selten  für  die  Frühjahrspflanzung  schon  im  Herbst,  wobei  man 
einerseits  den  Gewinn  hat,  dass  die  Pflanzlöcher  im  Winter  auffrieren,  die  Hügelerde 
mürbe  wird,  andererseits  aber  auch  manches  Pflanzloch  zugeschwemmt  wird,  beim  Be- 
ginn der  Arbeit  im  Frühjahr  voll  Wasser  steht,  Hügel  zerfallen  u.  s.  w.  In  den  meisten 
Fällen  eifolgt  die  Herrichtung  der  Pflanzstelle  erst  unmittelbar  vor  der  Ausführung 
der  Pflanzung,  so  dass  die  einzelnen  Arbeiten  sich  in  tunlichst  geschickter  Weise  an- 
einanderreihen bezw.  ineinanderfügen.  —  2.  Das  eigentliche  Pflanzgeschäft 
erfolgt  im  Herbst  und  im  Frühjahr.  Bedingend  ist  in  erster  Linie  die  Sicherheit  des 
Gelingens,  abhängig  von  Standort,  Holzart,  Beschaffenheit  der  Pflanzen  u.  s.  w.  Im 
ganzen  pflanzt  man  nicht  gern  in  der  Saftzeit  ^2^).  Der  Winter  bietet  meist  äussere 
Hindernisse  (Frost,  Schnee  etc.),  mithin  ist  der  Spätherbst  und  der  Anfang  des  Früh- 
jahrs verfügbar.  Nach  der  Pflanzung  im  Herbst  wurzeln  die  Pflanzen  während  äes 
Winters  an,  entwickeln  sich  dann  unter  sonst  günstigen  Bedingungen  im  Frühjahr 
rasch  und  kräftig,  ohne  von  Trockenheit  und  Hitze  besonders  zu  leiden.  Dagegen 
sind  die  frischgesetzten  Pflanzen  während  des  Winters  Beschädigungen  durch  Frost, 
Wasser  u.  s.  w.  mehr  ausgesetzt.  Im  Herbst  sind  Arbeitskräfte  oft  nicht  so  leicht  zu 
haben,  auch  wird  das  noch  nicht  gehörig  gelagerte  Unkraut  der  Kultur  hinderlich. 
Deshalb  ist  die  Frühjahrspflanzung  mehr  üblich,  sollte  aber  in  der  Hauptsache  vor 
Erschliessen  der  Knospen,  mindestens  vor  energischer  Triebentwickelung  beendet  sein. 
Verschiedenes  Verhalten  der  Holzarten  (Fichte  lässt  sich  am  spätesten  noch  verpflanzen, 


121)  Vergl.  übrigens  Dr.  Walther:  Wann  sollen  wir  unsere  Nadelhölzer  ver- 
pflanzen? Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1887,  Aprilheft  und  1890,  S.  116.  Daselbst  wird  unter 
Umständen  der  Vorsommer  als  geeignete  Pflanzzeit  empfohlen,  hauptsächlich  wegen  des 
dann  bei  den  gesetzten  Pflanzen  günstigeren  Verhältnisses  zwischen  Wasserverbrauch  und 
Ersatz  durch  Wasseraufnahme  aus  dem  Boden. 


Die  Bestandesbegründung.     §  46.  491 

Lanbhölzer,  sowie  namentlich  die  Lärche  im  allgemeinen  nicht  mehr,  wenn  die  Knospen 
sich  öffnen).  Kürze  des  Frühjahrs,  sowie  einzelne  besondere  Aufgaben  (Rekrutierung 
in  jungen  Laubholzbesamungen,  Laubholz-Unterbauschlägen  etc.)  veranlassen  immerhin 
nicht  selten  zur  Herbstpflanzung. 

B.Herstellung  geregelter  Pflanzverbände:  Eine  Aufgabe  der 
praktischen  Geometrie,  nachdem  der  Verband,  die  Pflanzweite,  event.  der  Reihenabstand 
gegeben  sind.  Anwendung  von  Instrumenten  zum  Abstecken  rechter  Winkel  (Winkel- 
spiegel, Kreuzscheibe,  Winkelprisma),  von  Messstangen  und  Absteckstäben  in  Verbin- 
dung mit  den  entsprechend  eingeteilten  Pflanz-  und  bezw.  Richtschnuren  oder  der  Bär'- 
schen  Pflanzkette  mit  verstellbaren  Markierungen  (1897).  Anlehnung  an  gegebene 
Linien  (Wege,  Wasserläufe,  Grenzen).  Arbeiten  aus  dem  Grossen  ins  Kleine.  Nur  in 
ebener  Lage  und  beim  Fehlen  der  im  §  45  erwähnten  Hindernisse  kann  auf  einen  regel- 
mässigen Verband  abgehoben  werden. 

C.  Pflanzenmenge:  Dieselbe  ist  im  allgemeinen  bestimmt  durch  die  im 
ersten  Kapitel  des  zweiten  Abschnittes  ad  III,  §  21  angestellten  Betrachtungen.  Im 
einzelnen  Fall  können  besondere  Gründe  für  die  Wahl  des  Verbandes  massgebend  wer- 
den. Der  mittlere  Standraum  der  Pflanzen  oder  die  Pflanzenzahl  pro  ha  werden  zum 
unmittelbaren  Ausdruck  der  Bestandesdichte  bei  Pflanzungen  gewählt.  Die  Ansichten 
über  die  zweckmässigste  Pflanzweite  gehen  noch  recht  weit  auseinander.  Im  allge- 
meinen ist  man  von  sehr  engen  Verbänden  mehr  und  mehr  abgekommen,  weil  dieselbe, 
ganz  abgesehen  von  dem  grossen  Kostenaufwand,  zu  bald  eine  nicht  hinlänglich  gute 
Entwickelung  der  Einzelpflanze  im  Gefolge  haben,  während  meist  auch  mittlere  Pflanz- 
entfemungen  genügend  raschen  Schluss  und  damit  Bodenschutz  gewährleisten.  Immer- 
hin darf  mit  der  Pflanzenzahl  pro  ha  nicht  zu  weit,  sicherlich  für  die  Mehrzahl  der 
Fälle  nicht  unter  4 — 5000  Stück,  heruntergegangen  werden  (vergl.  u.  a.  die  zwischen 
Fürst  und  Kozasnik  geführten  Debatten,  Oester.  Forst-  u.  Jagdzeitung  von  1892,  bezw. 
1893,  34  u.  35).  Berechnung  der  Pflanzenzahl  Z  für  geregelte  Ver- 
bände (cfr.  I,  A  dieses  Teiles,  §  39):  Dieselbe  ist  —  für  alle  Fälle  des  Kulturbe- 
triebs, zumal  ja  doch  immer  eine  Reserve  an  Pflanzen  vorgesehen  werden  muss,  hin- 
länglich genau  —  gleich  Kulturfläche  F  dividiert  durch  den  Standraum  der  Einzel- 
pflanze. Letzterer  ist:  1.  beim  Reihen  verband  (a  =  Abstand  der  Reihen  von  einander, 
b  =  Entfernung  der  Pflanzen  in  den  Reihen)  =  ab ;  2.  beim  Quadratverband  (a  wird 
=  b)  =  a^ ;  3.  beim  Dreiecksverband  (Dreiecksseite  =:  a)  =  dem  doppelten  Inhalt 
eines  gleichseitigen  Dreiecks  von  a  Seitenlänge,  also  =  a'-*  sin  60®  =  a^  0,866.  Mit- 
hin hat  man  für 

F 

1.  Reihenverband  Z  =  - -, 

ab 

F 

2.  Quadratverband  Z  =  -g, 

a 

3.  Dreiecksverband  Z  =    „-  ^~.  =  —^X  1,155. 

a^.  0,866       a^ 

Für  1  ha  =  10000  Dm  ergibt  sich 

z.  B.  ad  1)  für  a  =1  1,0  m,  1,2  m,     1,5  m 

b  =  0,8  m,  1,0  m,     1,0  m 

z  =  12  500,  8333,     6667  u.  s.  w. 

ad  2)  für  a  =  1,0  m,  1,2  m,     1,5  m 

z  =  10000,  6944,     4444  u.  s.  w. 

ad  3)  für  a  =  1,0  m,  1,2  m,     1,5  m 

z  =  11547,  8018,     5132  u.  s.  w. 
Rechnerische  Modifikationen,    auch   bei  regelmässigen  Fltichen,   je  nachdem  man  mit  den 


492  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Pflanzenreihen  näher  oder  weniger  nah  an  die  ümfangslinien  der  Knltorfläcbe  heranrückt, 
können  ausser  betracht  bleiben.  —  Im  grossen  Durchschnitt  ist  1  OMeter  Standranm  noch 
als  ziemlich  enger,  1,2  QMeter  Standraum  als  mittlerer  Verband  zu  bezeichnen;  doch  finden 
sich,  je  nach  den  wechselnden  Umständen,  auch  vielfach  engere,  ab  und  zu  auch  weitere 
Verbände  (z.  B.  0,9  zu  0,7  mit  ca.  16  000  Pflanzen  pro  ha). 

§  47.  D.  Verschiedene  Pflanzverfahren.  1.  Ballenpflanzen: 
Dieselben  Instrumente,  welche  zum  Ausheben  der  Pflanzen  benutzt  werden  (cfr.  11,  E 
dieses  Teiles,  §  44)  dienen  in  der  Regel  auch  zum  Anfertigen  der  Pflanzlöcher,  welche 
in  allen  Fällen  einen  der  Gestalt  und  Grösse  des  Wurzelballens  möglichst  entsprechen- 
den Raum  darstellen  sollen,  so  dass  jener,  nach  leichtem  Druck  mit  der  Hand,  rings 
an  der  Lochwandung  fest  anschliesst.  Die  Ballen  werden  mindestens  bis  zu  ihrer  oberen 
Grenzfläche  in  den  Boden  eingesenkt.  —  2.  Ballenlose  Pflanzen:  Die  Pflanzung 
mit  denselben  ist  entweder  Lochpflanzung  oder  Obenaufpflanzung;  bei  ersterer  werden 
die  Pflanzen  in  Löcher  eingesetzt,  bei  letzterer  stehen  sie  mit  ihren  Wurzeln  über  der 
Fläche  des  gewachsenen  Bodens;  a)  Lochpflanzung:  Im  allgemeinen  das  fibliche 
Verfahren.  Die  Pflanzen  sollen  in  der  Regel  nach  dem  Einsetzen  so  tief  im  Boden 
stehen,  wie  vor  dem  Ausheben  *2^) ,  also  normal  etwa  bis  zur  Grenze  von  Wurzel  und 
Schaftteil.  Sehr  häuflg  findet  man  bei  den  Kulturarbeiten!  die  Neigung,  die  Pflanzen 
zu  tief  in  den  Boden  zu  bringen.  Alle  Wurzeln  sind  möglichst  in  ihre  natürliche 
Lage  zu  bringen  und  mit  fruchtbarer  Erde  dicht  zu  umgeben;  die  geringere  Erde  ist 
oben  auf  zu  füllen.  Auf  sorgfältigsten  Vollzug  der  Pflanzung,  möglichst  unter  Ver- 
wendung von  Pflänzlingen  mit  unverstümmelten  Wurzeln,  ist  streng  zu  halten ;  scharfe 
Kontrolle  ist  erforderlich "3).  Zu  den  Lochpflanzungen  gehören  u.  a.  1.  die  gewöhn- 
liche Hackenpflanzung:  Anfertigung  des  Pflanzloches  mit  Spaten  und  Hacke. 
Pflanzung  entweder  an  den  Rand  oder  in  die  Mitte  des  Loches.  Im  ersteren  Falle  ist 
an  der  einen  Seite  des  Loches  der  Rand  steil  abgestochen,  und  hier  lehnt  man  den 
Pflänzling,  um  ihm  Halt  zu  geben,  an.  Aber  nur  bei  der  Pflanzung  in  die  Mitte  des 
Loches  können  die  nach  den  verschiedenen  Seiten  auslaufenden  Wurzeln  ihre  normale 
Lage  erhalten.  Bei  der  Pflanzung  stärkerer  Exemplare  (Halbheister,  Heister)  empfiehlt 
sich  die  Benutzung  desRebmann'schen  Pflanzenhalters,  welcher  die  Pflanze 
an  der  gewünschten  Stelle  und  in  erforderlicher  Höhe  festhält,  so  dass  der  Arbeiter 
beide  Hände  zum  Umfüttem  der  Wurzeln  mit  Erde  frei  hat.  —  2.  Pflanzung  nach 
B  i  e  r  m  a  n  s :  Fertigen  des  Pflanzloches  mit  dem  Spiralbohrer.  Einsetzen  besonders 
(unter  Anwendung  von  Rasenasche)  hierfür  erzogener  Pflänzlinge  (2— Sjährig),  eben- 
falls unter  Verwendung  von  Rasenasche  oder  guter  Kulturerde.  Gut  im  Erfolg  auf 
mittelbündigem,  nicht  verwurzeltem  und  nicht  steinigem  Boden,  aber  nicht  sehr  rasch 
arbeitend.  Besondere  Arbeiter,  welche  die  Löcher  fertigen,  gehen  hier,  wie  auch  meist 
bei  der  gewöhnlichen  Pflanzung,  mit  der  Hacke  den  Pflanzern  voraus.  —  3.  Das 
Buttlar'sche  Eisen:  in  massig  bindigem  Boden  zu  verwenden ;  das  Instrument 
(spitzer  Eisenkeil  mit  gebogenem  Handgriff)  wird  geworfen,  so  dass  es  bis  zum  Griff 
senkrecht  im  Boden  steckt.  In  das  durch  das  Herausziehen  gebildete  Loch  kommt  ein 
eigens  erzogener  Pflänzling  (lange  Wurzelstränge);  durch  Beistechen  mit  dem  Eisen 
wird  die  Erde  an  die  Wurzeln  gedrückt.  Das  Verfahren  fördert  sehr;  der  nämliche 
Arbeiter  macht  das  Loch  und  setzt  die  Pflanze  (Führung  des  Eisens  mit  der  rechten, 
der  Pflanze  mit  der  linken  Hand).  —  4.  Das  Warttemberg'sche  Eisen:  ein 

122)  Ausnahme  z.  B.  hie  und  da  die  Kiefer  im  Sand,  welche  daselbst  zunächst  etwas 
tiefer  eingesenkt  wird,  weil  sich  der  lose  Sand  doch  noch  merklich  setzt. 

123)  Vergl.  u.  a.  Reuss  (Wiener  Kongress  1890  und  lieber  die  nachteiligen  Einflüsse 
naturwidriger  Pflanzmethoden  etc.),  sowie  Kozeönik:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1889,  477 
und  1892,  lOö. 


Die  Bestandesbegrlindung.     §  47.  493 

Stosseisen  mit  Stiel  und  Krücke.  Zur  Kiefempflanzong  (lang  hinabhängende  Wurzel- 
stränge)  häutig  benutzt;  die  Erfolge  neuestens  viel  angefochten ^2*).  —  5.  Das  Setz- 
holz, derPflanzdolchu.  s.  w. 

Die  Zahl  der  Kulturinstrumente  ist  Legion,  teils  neue  Erfindungen,  teils  Modifika- 
tionen bekannter  älterer  Werkzeuge  (z.  B.  eine  Abart  des  Biermans'scben  Spiralbohrers 
mit  schraubenförmig  gewundener  Spitze  des  Blattes,  von  Forstmeister  Lang  in  Neuenbürg). 
Üebung  ist  Hauptsache,  gute  und  zugleich  rasche  (billige)  Arbeit  Erfordernis.  Unter  Um- 
ständen weitgehende  Arbeitsteilung  nach  den  Einzelmanipulationen,  wie  Anfertigen  der 
Pflanzlöcher,  Einlegen  der  Pflanzen,  Andrücken  derselben  u.  s.  w.  Rasches  Ineinander- 
greifen der  einzelnen  Arbeiten  ist  zu  bewirken.  Verwendung  von  Frauen  beim  Pflanzen 
gestattet  wohlfeilere  und  vielfach  auch  sorgfältigere  Arbeit.  Zahl  der  insgesamt  zu  ver- 
wendenden Arbeitskräfte  nicht  grösser,  als  dass  dieselben  noch  gut  überwacht  werden 
können.  Tagelohn-  und  Akkordarbeiten  in  Uebung;  letztere  zulässig,  wenn  für  Verfeh- 
lungen hohe  Strafen  angesetzt  sind.  Besonders  ist  darauf  zu  achten,  dass  nicht  die 
Pflänzlinge  vor  dem  Einsetzen  mit  freiliegenden  Wurzeln  der  Sonne  und  dem  Wind  aus- 
gesetzt sind. 

Alle  bisher  angeführten  Instrumente  fertigten  ein  nach  den  verschiedenen  Seiten 
ganz  oder  annähernd  gleich  weites  Pflanzloch.  Ihnen  stehen  gegenüber  die  Instrumente 
6.  zur  Spaltpflanzung:  Pflanzlöcher  spaltfönnig,  d.  h.  im  Querschnitt  ein  Recht- 
eck mit  stark  verschiedener  Länge  der  beiden  Seiten  oder  eine  Ellipse  mit  sehr  ver- 
schiedenen Achsen  darstellend,  dementsprechend  unsymmetrische  Lagerung  der  Wurzeln, 
welche  bei  allen  Spaltpflanzungen  zu  beanstanden  ist.  Nur  für  geringe  Pflänzlinge 
(1— 2jährige)  geeignet.  Rasche  Arbeit.  Es  werden  n.  a.  benutzt  der  gewöhnliche  Spa- 
ten, der  Solinger  Spaten,  das  PflanzbeiP^*^)  (z.  B.  im  vorderen  Odenwald),  der  Keil- 
spaten (Main-Rheinebene),  der  Stichlitz  (in  Sachsen,  cfr.  Pöpel:  Thar.  Jahrb.  1890) 
u.  s.  w.  —  b)  Obenaufpflanzung:  1.  Eigentliche  Hügelpflanzung'^^): 
Auf  der  Pflanzstelle  wird  aus  Erde  ein  Hügel  geformt,  in  welchen  die  Pflanze  gesetzt 
wird;  dieselbe  steht  mit  ihrem  Wurzelknoten  meist  in  der  Spitze  des  Hügels.  Wo 
Windgefahr  besonders  zu  fürchten,  könnte  behufs  Ausbildung  einer  starken  Stützwurzel 
vielleicht  mit  Vorteil  seitlich  an  den  Hügel  gepflanzt  w^erden.  Anfertigung  der  Hügel 
oft  im  Herbst.  Das  Verfahren  gut  für  feuchte  Böden,  aber  nicht  billig *2').  Gegen 
Austrocknen  kann  man  die  Hügel  durch  Belegen  mit  Rasen  sichern.  Als  erweiterte 
Hügelpflanzung  kann  die  Bepflanzung  von  Rabatten  (zusammenhängende  Hügel)  aufge- 
fasst  werden.  Die  „Hochpflanzung  und  Pflugbalkenkultur",  wobei  im  Herbst  mit  dem 
Waldpfluge  Riefen  ausgeworfen  und  dann  die  umgeklappten  Balken  im  Frühjahr  be- 
pflanzt werden,  mag  hier  erwähnt  sein ^2®).  —  2.  Die  v.  ManteuffeTsche  Hü- 
gelpflanzung*^^):  Die  (mit  möglichst  horizontal  streichender  Wurzel  erzogenen) 
Pflanzen  werden  auf  den  benarbten  Boden  gestellt  und  über  ihrem  Wurzelsystem  ein 
Erdhügel  geformt,  welcher  demnächst  mit  zwei  sichelförmigen  Rasenplaggen  (Rasenseite 
nach  unten)  bedeckt  wird.  Teuer,  weshalb  nicht  als  allgemeines  Kulturverfahren,  son- 
dern nur  für  Ausnahmsfälle.  —  3.  Pflanzung  mit  Setzreisern  und  Setz- 
stangen:   Letztere    hauptsächlich    bei    Pappeln,   erstere    bei   Weiden^*®).     Glatte 


124)  Vergl.  Muhl,  „Zur  Ehrenrettung   des  Kiefemjährlings''.     Allgem.  F.  u.  J.Ztg., 
1886.     Juliheft. 

125)  Vergl.  Allg.  F.  u.  J.Zeitung  v.  1866,  S.  121. 

126)  Vergl.  „Aus  der  Fichtenwirtschaft  des  EUwanger  Forstes".     Allg.  F.  u.  J.Z.  von 
1880  S.  333. 

127)  Im  Württemberg.  Revier  Rossfeldt  kosten  1000  Hügel  durchschnittl.  12  Mk.,  das 
Einpflanzen  3  Mk.,  Gesamtaufwand  pro  ha  ca.  100 — 120  IMk. 

128)  Paasch:  Zeitschr.  f.  Forst-  und  Jagdwesen  1890,  351. 

129)  V.  Manteuffel,  •„ Hügelpflanzung«,  3.  Aufl.  1865. 

130)  Vergl.  §  48  betr.  die  Spezialfälle  bei  Pappel  und  Weide. 


494  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Schnittfläche,  Einstecken  am  besten  in  ein  vorher  gefertigtes  Loch.  Setzstangen  sind 
an  einen  Baumpfahl  zu  binden.  —  4.  Pflanzung  durch  Absenker:  Umlegen 
\'on  Stockloden  behufs  Bewurzelung  der  mit  dem  Boden  in  Berührung  kommenden 
Stellen,  danach  Abtrennen  vom  Mutterstock.  (Ausnahmsweise  an  manchen  Steilhängen 
z.  B.  in  der  Eifel,  zur  Ausbreitung  der  Bestockung  angewendet.) 

V.  Schutz  und  Pflege  der  Pflanzkulturen. 

§  48.  Beschränkt  sich  im  allgemeinen  auf  die  Bekämpfung  des  Unkrautes  (ähn- 
lich wie  bei  den  Saatflächen),  auf  das  Offenhalten  etwa  vorhandener  Entwässerungs- 
gräben, Anhäufeln  der  Erde  um  stärkere  Heister,  Einfriedigung  gegen  Wild,  Sicherung 
der  Pflanzen  auf  offenen  Kulturen  gegen  Wildverbiss,  gegen  Mäuse,  Eichhorn  (Abbeissen 
der  Gipfeltriebe  bes.  an  Tanne  und  Nordmannstanne),  worüber  Nähei*esim  „Forstschutz*. 
Zur  Sicherung  gegen  Wind,  namentlich  bei  der  Aufforstung  von  Oedland  in  exponierten 
Höhenlagen,  empflehlt  sich  Pflanzung  in  Vertiefungen  hinter  Dämmen. 

Viertes  Kapitel. 

Bestandesbegrrtlndung  bei  den  einzelnen  Holzarten. 

Vorbemerkung.  Nur  in  kurzen  Andeutungen  sollen  hier  die  wesentlichsten 
Verjüngungsarten  zusammengestellt  werden,  welche  man  in  der  forstlichen  Praxis  bei  den 
einzelnen  Holzarten  antrifft.  Besondere  standörtliche  und  wirtschaftliche  Verhältnisse 
stellen  jeweils  spezielle  Aufgaben.  Das  Studium  der  nachgewiesenen  Literatur  in  Ver- 
bindung mit  der  Beobachtung  im  Walde  muss  die  Kenntnis  der  Details  vermitteln.  Ins- 
besondere ist  von  den  eingangs  aufgeführten  Werken  hier  auf  Bnrckhardts  Sä«n  und 
Pflanzen  wiederholt  hinzuweisen.  Uebrigens  wird  auch  die  Besprechung  der  Betriebsarten 
(4.  Abschnitt)  zu  einschlagenden  Bemerkungen  vielfach  Gelegenheit  geben. 

I.  Laubhöizer. 

§  49.    1.  Rotbuche^"). 

Natürliche  Verjüngung  durch  Samenabfall  bildet  die  Eegel,  doch  findet  sich  auch 
natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag,  sowie  durch  Absenker,  femer  künstlicher  An- 
bau durch  Saat  und  Pflanzung. 

A.  Natürliche  Verjüngung: 

a)  Durch  Samen:  Hauptsächlich  im  Schirmschlagbetrieb.  Die  in  §  26  geschil- 
derten Hiebsführungen  (Vorbereitungshieb,  Samenschlag,  Nachlichtungen)  haben  insbe- 
sondere bei  der  Rotbuche  Platz  zu  greifen,  und  zwar  kommen  sie  je  nach  Umständen 
mit  allen  daselbst  angedeuteten  Modifikationen  bezüglich  des  Tempos,  in  welchem  vor- 
gegangen wird,  sowie  des  Grades  der  einzelnen  Eingriffe  in  den  Mutterbestand  vor. 
Wird  die  Verjüngung  ohne  länger  andauernde  allmähliche  Vorbereitungshiebe  im  we- 
sentlichen durch  eine  entsprechend  stärkere  Durchlichtung  zwecks  unmittelbarer  Schlag- 
besamung eingeleitet,  so  spricht  man  von  der  „Verjüngung  aus  vollem  Ort*.  Eventuell 
Bodenverwundung  bei  Eintritt  eines  Mastjahres  (Kurzhacken,  Rechen,  Schweineeintrieb, 
Pflug,  Egge),  namentlich  auf  schlechteren  Partien.  Wo  der  Erfolg  zweifelhaft,  wird 
am  besten  nicht  lange  zugewartet,   sondern  zur  Auspflanzung  mit  Nadelholz  (Fichte, 

131)  Vergl.  Grebe,  Der  Buchenhochwald,  1856.  —  Knorr,  Studien  über  die 
Buchenwirtschaft,  1863.  —  Kohli,  Zur  Geschichte  der  natürlichen  Verjüngung  der  Bache 
im  Hochwalde.  Suppl.  zur  Allg.  F.  u.  J.Z.  1873,  IX.  Bd.  —  Frömbling,  Mund,  forstl. 
Hefte,  Nr.  IH.  —  Hahn,  Zeitschr.  f.  F.  u.  Jw.  1892,  435.  —  Kraft,  das.  628.  — 
Martin,  Folgerungen  der  Bodenreinertragstheorie,  Bd.  1,  1894,  Die  Buche.  —  Sell- 
heim,  Mündener  forstl.  Hefte  Nr.  13.  — Versammlung  des  bad.  Forstvereins  von  1895. — 
Fürst.  Zur  Verjüngungspraxis  der  Rotbuche,  Forstw.  Zentralbl.  1898,  271.  —  Hils-Solling- 
Verein,  1898. 


Die  Bestandesbegründong.     §  49.  495 

Forche)  geschritten.  Gefahr  durch  Frost  und  Hitze,  sowie  durch  Forstunkräuter  ist 
in  erster  Linie  für  die  Art  der  Nachlichtnng  entscheidend ;  langsameres  Vorgehen  bietet 
hiergegen  im  allg.  mehr  Schutz  als  rasches  Nachhauen ;  die  Gewinnung  eines  Lichtungs- 
zuwachses an  den  Mutterbäumen  kommt  bei  der  Buche  (Brennholzart)  meist  weniger 
in  Betracht.  Genügend  reichliche  und  regelmässige  Masten  je  nach  dem  Standort  vom 
70.  bis  100.  Jahre  ab  (oft  noch  früher). 

Galt  noch  im  ersten  Drittel  des  19.  Jahrhunderts  die  gelungene  Durchführung  der 
natürlichen  Samenverjüngung  eines  reinen  Rotbuchenbestandes  (nach  den  G.  Ludw.  Hartig- 
schen  Generalregeln:  Vorbereitungsschlag,  Samenschlag,  Dunkelschlag,  Auslichtungsschlag) 
als  vornehmste  Aufgabe  forstlicher  Kunst,  so  ist  die  Wertschätzung  solcher  Leistung  heute 
begreiflicherweise  (cfr.  §  14,  S.  435)  nicht  mehr  die  gleich  hohe.  Trotzdem  spielt  die 
natürliche  Buchenverjüngung  in  der  waldbaulichen  Tätigkeit  noch  eine  Hauptrolle,  nament- 
lich in  allen  Fällen,  in  welchen  die  Buche  als  Mischholzart  den  Grundbestand  zu  bilden 
hat.  Dass  übrigens  auch  der  reine  Buchenbestand  örtlich  noch  sehr  gewürdigt  wird,  be- 
weisen die  Erörterungen,  welche  die  dänische  Buchenwirtschaft  in  den  letzten  Jahren 
erfahren  hat,  im  Anschluss  an  die  Schilderung  derselben  durch  Dr.  Metzger  („Dänische 
Reisebilder",  Mundener  forstl.  Hefte,  1896,  IX.  und  X.  Heft).  Daraufhin,  sowie 
nach  den  Verhandlungen  verschiedener  Forstversammlungen  (z.  B.  Stuttgart,  1897,  cfr. 
S.  533  —  Pommer'scher  Forstverein,  1900  —  Wiesbadener  Versammlung,  1900)  ist  auch 
die  Verjüngung  der  Buche  lebhaft  besprochen  und  namentlich  auch  in  der  Richtung  dis- 
kutiert worden,  ob  die  im  dänischen  Buchenwalde  angeordneten  Massregeln  auf  Deutsch- 
land zu  übertragen  sein  möchten.  Auch  die  reiche  Vollmast  des  Jahres  1888  hatte  be- 
reits zu  vielfachen  Aeusserungen  über  deren  zweckmässigste  Ausnutzung  Anlass   gegeben. 

Die  dänische  Wirtschaft  bedient  sich  grundsätzlich  einer  intensiven  Bodenbearbei- 
tung (event.  Anwendung  der  Rollegge  —  cfr.  Metzger,  AUg.  F.  u.  J.Z.  1900  279),  so- 
dann vielfach  der  Blockpflanzung  unter  schwachem  Schirmstand,  d.  h.  der  Pflanzung  von 
Ijähr.  Buchen  in  Reihen  und  zwar  durch  Einsetzen  von  Ballen  bezw.  Plaggen,  mit  je 
mehreren  Pflänzlingen  aus  engem  Stand  im  Saatbeet  entnommen.  Besonders  charakteristisch 
ist  dann  eine  intensive  Bestandspflege,  welche  —  unter  Erhaltung  des  Zwischen-  und 
Unterstandes  so  lange,  bis  die  Schaftreinigung  besorgt  ist  —  schon  frühzeitig  auf  be- 
sonders gute  Ent Wickelung  immer  beschränkten  Zahl  späterer  Haubarkeitsstämme  abzielt 
(Darüber  später  unter  „Bestandeserziehung '^).     Rasche  Schlagräumung. 

In  der  Regel  kann  man  eine  nat.  Buchenverjüngung  in  20  Jahren  gut  durchführen ; 
günstige  Verhältnisse  gestatten  die  volle  Schlagräumung  schon  nach  12 — 15  Jahren;  Aus- 
dehnung des  Verjüngungszeitraumes  auf  mehr  als  20  Jahre  nur  in  Ausnahmefällen  er- 
forderlich. 

Auch  im  Rotbuchen- Verjüngungsschlage  findet  sich,  wenn  auch  nicht  so  regelmässig 
wie  bei  der  Tanne,  so  doch  nicht  selten  von  früheren  (als  dem  planmässig  zu  benützenden) 
Mastjahren  her  Aufschlag  auf  der  ganzen  Fläche  oder  als  Vorwuchsgruppen  und  -Horste 
vor,  welche  jedoch  im  Schirmschlagbetrieb  im  allgemeinen  nicht  besonders  gepflegt  werden. 
Dies  schliesst  jedoch  nicht  aus,  dass  man  ihn,  soweit  entwickelungsfähig,  bei  der  Ver- 
jüngung mitbenutzt.     Sperrwüchse  sind  nicht  zu  dulden. 

b)  Durch  Ausschlag:  Im  Mittelwald,  soweit  die  Rotbuche  im  Unterholz  des- 
selben vertreten  sein  soll;  bekanntlich  gibt  sie  nicht  andauernd  reichliche  Ausschläge, 
so  dass  sie  sich  hier  wenig  eignet. 

c)  Durch  Absenker '^3):  Ausnahmsweise  in  besonders  kritischen  Lagen  (steile, 
sonnige  Einhänge). 

B.  Künstlicher  Anbau: 

Derselbe  kommt  zur  Verjüngung  bereits  vorhandener  Buchenbestände  ausnahms- 


132)  Vergl.  u.  a.  Thal  er,  Allg.  F.  u.  J.Z.  1898,  113.  —  Metzger,  A.  F.  u.  J.Z. 

1898,  346.  —  Eulefeld,  Aus  dem  Walde  1898,  4,  sowie  Forstw.  Zentralbl.  1898,   131 
und  A.  F.  u.  J.Z.  1898,    188.    —    Metzger,    Vortrag   f.    d.  Versammlung    zu  Schwerin 

1899.  —  Speidel,  A.  F.  u,  J.Z.  1899,  261.  —  Graser,  Forstw.  Zentralbl.  1899,  121. 
—  Hauch,  A.  F.  u.  J.Z.  1900,  225. 

133)  Vergl.  u.  a.  v.  Fischbach  im  Forstw.  Zentralblatt  von  1887  S.  137  ff. 


496  IV.  Lorey,  Waldbau. 

weise  dann  in  Frage,  wenn  man  aus  irgend  welchen  Gründen  das  Eintreten  einer  Mast 
überhaupt  nicht  abwarten  oder  es  nicht  auf  den  Erfolg  einer  nächsten  Mast  ankommen 
lassen  will,  nachdem  bereits  eine  oder  mehrere  Besamungen  fehlgeschlagen  sind.  Aus- 
serdem bei  Bestandesumwandlungen,  sowie  in  Gestalt  des  Unterbaues. 

a)  Saat:  kommt  als  Yollsaat,  Riefensaat  und  Plätzesaat  vor  (letztere  beiden 
häufiger),  Yoraufgehende  Bodenverwundung  ist  auch  bei  der  Yollsaat  meist  wünschens- 
wert. 

b)  Pflanzung:  meist  2— 3jährige  Pflanzen  (manchmal  auch  Jährlinge),  welche 
(besonders  2jährige)  zweckmässig  mit  dem  Beil  oder  der  Hacke  gepflanzt  werden ;  auch 
wohl  geringe  ßallenpflanzen  mit  dem  Hohlbohrer  oder  Plaggenpflanzung,  wie  in  Däne- 
mark (cfr.  oben  ad  A,  a).  Keimlingspflanzung  ist  in  Elsass  in  grösserem  Umfange 
ausgeführt  worden  (Yers.  zu  Schirmeck  1890),  sogar  Kotyledonenpflanzung  kommt  vor. 
Anwendung  stärkerer  Pflanzen  (bis  Halbheister)  für  Nachbesserung,  hie  und  da  anch 
beim  Unterbau  ganzer  Schläge,  doch  stets  teuer  und  weniger  sicher,  freilich  an  man- 
chen Orten  (Heidelbeerüberzug  etc.)  nicht  zu  vermeiden.  Einzelpflanzung  ist  Regel ;  auf 
trockenem,  flachem  und  steinigem  Boden  hie  und  da  Büschel.  Nach  der  Yollmast  des 
Jahres  1888  hat  man  da  und  dort  Ballenpflanzung  (mit  je  etwa  20  Keimpflanzen  in 
1  Ballen,  zumal  zur  Nachbesserung  ungenügend  besamter  Steilhänge  angewendet '^^). 
Pflanzmaterial  vielfach  aus  Schlägen,  oft  Anzucht  auf  besonderen  Beeten  unter  Nadel- 
holzschutzbestand, sowie  im  Forstgarten. 

2.  Eichel»^): 

Je  mehr  allgemein  die  Ueberzeugung  platzgreift,  dass  umfängliche  Nachzucht  der 
Eiche  —  jedoch  nur  auf  wirklich  guten  Eichenböden,  denen  es,  im  Verein  mit  den  er- 
forderlichen klimatischen  Bedingungen,  nicht  an  mineralischer  Kraft,  entsprechender  Oründig- 
keit  und  Frische  mangelt  —  auch  im  Hinblick  auf  Rentabilität  angezeigt  ist,  um  so  leb- 
hafter wird  die  zweckmässigste  Art  ihres  Anbaues,  bezw.  ihrer  Wiederverjüngung  be- 
sprochen, auf  Versammlungen  sowohl,  wie  in  der  Literatur.  Die  Unterscheidung  von 
Stiel-  und  Traubeneiche  wird  dabei  mit  Recht  von  vielen  Seiten  gefordert.  Nach  Nej 
(1900)  „Die  Ausnützung  der  1890er  Eichel-  und  Buchelmast''  soll  auf  ständig  mindestens 
feuchten  Orten  die  Stieleiche,  auf  frischen  Böden  der  I.  und  II.  Bonität  die  Stiel-  und 
Traubeneiche,  auf  allen  übrigen  Eichenstandorten  nur  die  Traubeneiche  Verwendung  finden 
(Aus  d.  Walde,  25).  Der  Anbau  im  reinen  und  im  gemischten  Bestände,  namentlich  die 
Mischung  der  Eiche  mit  der  Buche,  werden  oft  gleichzeitig  erörtert  und  können  anch 
kaum  ganz  scharf  getrennt  gehalten  werden,  da  die  Grenze  zwischen  dem  reinen  und  ge- 
mischten Bestände  (cfr.  §  11,  e)  nicht  unzweideutig  gegeben  ist,  und  namentlich  beim 
Anbau  der  Eiche  deren  Einbringen  in  den  Buchengrundbestand  entsprechend  der  jeweiligen 
Bodenbeschafi^enheit  oft  (Spessart,  Pfalz)  in  derart  grossen  Horsten  erfolgt,  dass  nicht  mehr 
ein  gemischter  Bestand,  sondern  eine  Auflösung  des  Bestandes  auf  der  Abteilungsfläche  in 
eine  Mehrzahl  einzelner  reiner  Bestände  vorliegt. 

A.  Natürliche  Verjüngung: 

a)  Durch  Samen:  Im  Hochwald  durch  Benutzung  des  unter  einzelnen  Alt- 
stämmen oder  in  Gruppen  und  Horsten  von  solchen  sich  ansiedelnden  Nachwuchses, 
sowie  durch  planmässige  Herbeiführung  einer  Naturbesamung  (entsprechende  vorgängige 
Bestandeslichtung,  Bodenverwundung  etc.)  im  reinen,  sowie  als  Yorverjüngung  im  ge- 
mischten Bestände  etc.  In  guten  Mastjahren  stellt  sich  Eichenaufschlag  oft  in  erstaun- 
licher Menge  ein ;  es  wäre  verfehlt,  wollte  man  denselben,  der  kostenlos  geboten  wird, 
geeigneten  Falles  nicht  benutzen.    Zweifel  können  nur  entstehen,   wenn  eine  umföng- 


134)  Vergl.  von  Manteuffel,  Die  Eiche,  deren  Anzucht,  Pflege  und  Abnutzmig, 
1869.  —  Martin,  Folgerungen  der  Bodenreinertragstheorie,  4.  Bd.  1898,  Die  Eiche  im 
Hochwaldbetriebe. 

135)  Moosmayer,  Aus  dem  Walde,  1891,  8. 


Die  BestandesbegrOndung.     §  49.  497 


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liehe  Vorbereitung  der  natürl.  Besamnng  erforderlich  würde,  und  letztere  überdies  nicht 
rechtzeitig  erfolgte;  dann  hat  künstliche  Kultur  einzutreten. 

b)  Durch  Ausschlag:  Im  Niederwald  und  Mittelwald  durch  Stockloden ;  femer 
auch  wohl  durch  Schaftloden  an  Schneitelbäumen. 

B.  Künstliche  Bestandesgründung. 

Dieselbe  bildet  im  Hochwald  immerhin  die  Regel,  weil  selbst  da,  wo  in  einem 
zu  verjüngenden  Altbestande  Eichen  in  der  gewünschten  Menge  und  Verteilung  bereits 
vorhanden  sind,  die  Nachzucht  ausschliesslich  durch  Samenabfall  oft  nicht  genügend 
sicher  erscheint  (Lichtbedürfnis  der  jungen  Pflanzen,  obwohl  vielfach  überschätzt*^*), 
Abgang  durch  Mäuse,  Vögel,  Wild  etc.).  Die  Saat  wird  an  manchen  Orten  schon  seit 
längerer  Zeit,  neuerdings  allgemeiner,  vor  der  Pflanzung  bevorzugt.  Warum  sollte, 
wenn  nur  das  Verzehren  der  Eicheln  durch  Tiere  oder  etwa  Verstecken  derselben  im 
Boden  und  demnächst  Schädigung  der  Pflanzen  durch  Unkraut  hintangehalten  werden 
können,  die  junge  Pflanze  nicht  an  dem  Orte  keimen,  an  welchem  sie  im  Bestand 
stehen  soll  ?  Man  spart  die  Pflanzkosten,  ausser  den  Kosten  der  Pflanzenerziehung,  und 
vermeidet  die  immerhin  missliche  Behandlung  der  in  der  Jugend  schon  kräftig  ent- 
wickelten Pfahlwurzel. 

a)  Saat:  als  Vollsaat  (Punktsaat  unter  Anwendung  verschiedener  Eichelstecker, 
des  Eichelhammers,  der  Hacke,  der  Pook'schen  Doppelhacke  etc.),  sowie  als  Riefen- 
und  Plätzesaat.  Dichten  Saaten  wird  im  allgemeinen  der  Vorzug  gegeben,  damit 
der  Neigung  der  Eiche,  zumal  der  Stieleiche  (und  noch  mehr  der  amerikan.  Roteiche), 
sich  frühzeitig  breit  in  die  Aeste  auszulegen,  durch  engen  Stand  der  Pflanzen,  sodann 
auch  dem  Unkraut  entgegengearbeitet  wird.  Die  Saat  erfolgt  keineswegs  immer  auf 
der  Freifläche,  vielmehr  wird  da  und  dort  (cfr.  z.  B.  Kraft,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1891,  361. 
—  Hauch,  A.  F.-  u.  J.-Z.  1900,  225.  —  Hils-Sollingverein  1900)  der  Ansaat  unter 
lichtem  Schutzbestande,  zumal  im  Hinblick  auf  Frost  und  Unkräuter,  der  Vorzug  ge- 
geben. Als  Spezialfall  der  Rillensaat  kann  die  z.  B.  im  Spessart  manchmal  (Rohr- 
brunn) angewendete  Leitersaat  gelten,  bei  welcher  auf  40  cm  breiten  Streifen  die 
Eicheln  (7 — 8  Hektol.  pro  ha)  in  Querrillen  eingelegt  werden. 

b)  Pflanzung:  meist  mit  Forstgartenpflanzen  und  zwar  sowohl  mit  2jährigen 
Saatbeetpflanzen  als  auch  (in  der  Regel)  3-  bis  mehrjährigen  verschulten  Pflänzlingen 
(bis  zum  Starkheister  zur  Nachbesserung  in  Mittelwaldungen,  Auspflanzung  im  Wild- 
park etc.) ;  event.  Verschulung  der  1 — 2jährigen  Pflanzen.  Meist  Pflanzung  mit  ballen- 
losen Pflänzlingen.  Pfahlwurzel  bei  der  Kultur  oft  hinderlich,  dann  event.  Einstutzen 
derselben  (siehe  §  43).  Anwendung  von  Stummelpflanzen  (abwerfen  nahe  über  dem 
Wnrzelknoten)  kann  sich  bei  der  Eiche  unter  Umständen  empfehlen :  sicheres  Anschla- 

136)  Vgl.  Geppert,  Erfahrungen  über  die  Verjüngung  der  Eichenbestände  (Zeit- 
schrift für  Forst-  und  Jagdwesen  v,  1887  S.  153  ff.).  Daselbst  wird  vom  ostpreuss.  Revier 
Flatow  berichtet,  dass  künstliche  Bestandesgründung  nach  Kahlhieb  nicht  gelinge,  während 
sich  die  Eiche  unter  dichtem  Birkenvorwuchs  in  erfreulicher  Menge  natürlich  ansame  und 
lange  wuchskräftig  erhalte,  wie  dies  ebenso  in  Kiefemstangenorten  in  solchem  Umfange  der 
Fall  sei,  dass  deren  Umwandlung  in  Eichenbestände  dadurch  möglich  werde.  —  Einschleppen 
von  Eicheln  in  Nadelholzbestände  durch  Nusshäher:  die  daraus  entstehenden  jungen  Eichen 
sind  oft  überaus  zählebig,  bilden  meist  zunächst  ein  kräftiges  Wurzelsystem  aus  und  sind 
infolgedessen  nach  der  Freistellung  nicht  selten  vollkommen  entwickelungsfahig.  Vergl.  auch 
Dr.  Ed.  H  e  y  e  r ,  Beitrag  zum  reinen  und  gemischten  Elchenniederwald  und  -Hochwald  etc. 
(Allg.  F.  u.  J.Z.  V.  1884  S.  207  u.  S.  229).  —  Vielfach  sehr  gute  nat.  Verj.  durch  Samen 
auf  Schieferböden  der  Rhein-  und  Moselgegend.  —  Gelegentlich  der  Versammlung  deutscher 
Forstmänner  zu  Würzburg  (1885)  hat  sich  Fürst  mehr  gegen,  Kienitz  mehr  für  die 
natürl.  Verjüngung  der  Eiche  ausgesprochen.  Die  für  letztere  erforderliche  Bodengare  sollte 
allmählig  herbeigeführt  werden. 

Handbuch  der  ForBtw.     2.  Aufl.    I.  32 


498  IV.  Lorey,  Waldbau. 

gen,  kräftige  Triebe  (doch  nicht  selten  anfänglich  mehrere  gleichwertig).  Anzucht 
guter  Heister,  nicht  selten  durch  mehrfaches  Verschulen,  Beschneiden  etc.  "^).  Heister- 
pflanzung ist  im  Erfolg  oft  recht  zweifelhaft  und  hat  stets  nur  als  Ausnahme  zu  gelten, 
auch  wegen  der  grossen  Kosten  der  Pflanzenerziehung  und  des  Pflanzgeschäftes,  wobei 
namentlich  das  Anfertigen  entsprechend  grosser  Pflanzlöcher,  event.  Formieren  von 
Hügeln  (auf  (feuchtem  Boden)  sehr  ins  Gewicht  fällt. 

Pflanzung  von  2jähr.  Pflänzlingen  in  gut  gelockerte  Riefen  fördert  rasch  und  ist 
demgemäss  billig,  auch  genügend  sicher,  wird  aber  (siehe  oben)  durch  Saat  vielfach  ersetzt. 
Empfohlen  wird  jene  Pflanzung  z.  B.  von  Mortzfeld  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1896,  2) 
auf  seinen  kleinen  (ca.  10  ar  grossen)  Löchern  im  Buchengrundbestand.  Das  von  manchen 
Wirtschaftern  (cfr.  z.  B.  Reiss,  A.  F.  u.  J.Z.  1896,  309)  unternommene  Einbringen  der 
Eiche  auf  kahl  gehauene  Kulissen  ist  meist  zu  gunsten  des  horstweisen  Anbaues  oder  der 
Einzelmischung  wieder  aufgegeben  worden.  Verwilderung  der  Eichen  an  den  Kulissen- 
rändern,  sowie  Örtlich  massenhaftes  Auftreten  der  Maikäfer  wurden  dabei  besonders  be- 
klagt.    Je  nach  Umständen  streifen  weises  Einbringen  der  Eichen  auf  Pflugfurchen. 

c)  Spezialfall  des  Waldfeldbaues,  wobei  die  Eiche  (mittelst  Saat  oder 
Pflanzung)  auf  gerodetem  Lande  nach  Kahlabtrieb  nachgezogen  wird. 

In  Frostlagen  bedarf  die  Eiche  vielfach  des  Schutzes  (mindestens  seitlich)  durch 
eine  frostharte  Holzart  (Forche,  Birke  etc.),  welcher  durch  lichten  Vorbau  oder  Zwi- 
schenbau zu  gewähren  ist.  —  Wiederholt  sei  betont,  dass  nur  frische,  kräftige  Böden 
dauernd  der  Eichenzucht  gewidmet  werden  sollten;  man  darf  die  Eiche,  so  schätzbar 
sie  als  Nutzholzart  ist,  doch  einem  zu  geringen  Standort  nicht  aufzwingen  wollen; 
sonst  sind  wirtschaftliche  Verluste  unvermeidlich! 

3.  Hainbuche: 

Verjüngung  durch  Stockausschlag  im  Mittelwald  (für  diesen  eine  sehr  schätzbare 
Holzart),  sowie  als  meist  reichliche  (oft  infolge  des  meist  jährlichen  grossen  Samener- 
trägnisses zu  reichliche!)  Beimischung  im  Hochwald  durch  Samenanflug.  Künstlicher 
Anbau  nur  in  besonderen  Fällen,  wie  z.  B.  Pflanzung  beim  Unterbau  von  Eichen  auf 
feuchteren,  kälteren  Stellen,  wo  die  Rotbuche  gefährdet  ist :  2 — 3jährige  (Schlag-  oder 
Saatschul)-Pflanzen.  Hainbuchen-Kopf holzstämme  gelegentlich  auf  Viehtriften;  flir 
diesen  Zweck  Heisterpflanzung. 

4.  Esche: 

'  Auf  besonders  kräftigem,  frischem  Boden  stellt  sich  Eschenanflug  auch  unter 
dichtem  Kronendach  nicht  selten  in  solcher  Ueppigkeit  ein,  dass  derselbe  im  Falle  na- 
türlicher Verjüngung  des  Bestandes  sehr  in  Betracht  kommt.  Vielfach  auch  künstlicher 
Anbau  dieser  Holzart:  ausnahmsweise  durch  Saat  (z.  B.  Plätzesaat  in  kleinerem  Um- 
fang), meist  durch  die  infolge  reichlicher  Bewurzelung  sehr  sichere  Pflanzung,  zu  wel- 
cher gewöhnlich  ballenlose,  vorzugsweise  verschulte  Pflänzlinge  (1 — 3jährig  verschult., 
meist  2jähriges  Belassen  im  Pflanzbeet),  seltener  Schlagpflanzen  benutzt  werden.  Zur 
Ergänzung  des  Oberholzes  im  Mittelwald,  soweit  daselbst  nicht  Stockausschläge  benutzt 
werden,  ferner  zum  Einsprengen  in  bereits  herangewachsene  Buchenhegen  oder  auf 
sehr  unkrautreiche  Orte  oft  stärkere  Pflanzen  (event.  nochmals  verschulte  Heister).  — 
Esche  als  Schneitelstamm  durch  Heisterpflanznng. 

5.  Ulme: 

Pflanzung  mit  verschieden  starken  Forstgartenpflanzen   (je  nach  den  Umständen 

137)  Vergl.  Schwappach,  Zur  Frage  der  Erziehung  von  Eichenheistem  (Zeitschr. 
f.  Forst-  u.  J.wesen  1887  S.  2  ff.).  Nach  den  daselbst  mitgeteilten  Versuchen  der  Hanpt- 
station  für  Versuchswesen  in  Preussen  hat  2malige  Verschulung  (zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Umsetzen  nur  2  Jahre)  mit  möglichst  wenig  EingrifTen  in  den  natürlichen  Entwik- 
keluugsgang  die  besten  Ergebnisse  geliefert,  sowohl  in  Absicht  auf  das  Pflanzmaterial  als 
auf  die  Kosten. 


Die  Bestandesbegründung.     §  49.  499 

von  der  1jährigen  Lode  bis  zum  Starkheister)  bildet  die  Regel.     Sicheres  Anschlagen. 
Ausschläge  im  Mittelwald. 

6.  Ahorn: 

Natürlicher  Aufwuchs  aus  Samen  sowie  als  Stockausschlag  nicht  selten  benutz- 
bar (Stehenlassen  nur  einer  Lode  auf  dem  Stock);  sonst  meist  Pflanzung  mit  ver- 
schulten 3 — 4jährigen  Pflänzlingen,  nach  Bedarf  auch  älteren  Pflanzen  (Stumnielpflanzen 
in  exponieilien  Lagen  manchmal  anzuraten!),  seltener  Saat  (hie  und  da  Plätze-,  auch 
wohl  breitwürfige  Saat,  gleichzeitig  mit  Esche,  in  Bnchenschlägen  zur  Zeit  der  Samen- 
schlagstellung oder  schon  einige  Zeit  vorher  im  Stadium  des  Yorbereitungshiebes). 

7.  Erle: 

Natürliche  Verjüngung  durch  Ausschlag  (Niederwald),  sonst  meist  Pflanzung  mit 
verschultem  Material  verschiedener  Stärke,  je  nach  den  Umständen ;  vielfach  am  besten 
Stummelpflanzen.  Pflanzzeit  in  Brüchern  meist  der  Herbst;  oft  mittelst  Kreuzstichs^^®). 
Rabattierung  zu  empfehlen:    Hügelstreifen  ev.  mit  je  4  Pflanzen  dicht  nebeneinander. 

8.  Linde: 

Im  deutschen  Walde,  obwohl  die  Holzart  wegen  ihrer  Nutzholzqualität  für  manche 
technische  Zwecke  sehr  beachtenswert  ist,  doch  nicht  häufig  Gegenstand  ausgedehnteren 
Anbaues  (dann  aber  Pflanzung  sehr  sicher);  meist  Stockausschläge. 

9.  Pirus-,  Prunus-  und  S o r b u s-Arten,  wo  sie  künstlich  eingebracht  werden 
(Alleen  etc.),  durch  Pflanzung.  Im  Inneren  der  Bestände  meist  natürlich  durch  Ansamung 
oder  Ausschlag. 

10.  Birke: 

Meist  reichlicher  Anflug,  sobald  nur  einige  Samenbäume  vorhanden ;  auch  Stock- 
ansschläge. Künstlicher  Anbau  durch  Saat  (z.  B.  Vollsaat  zur  Erziehung  eines  Schutz- 
bestandes ;  Behandlung  des  Bodens  nach  der  Saat  mit  der  Strauchegge)  oder  durch 
Pflanzung  (meist  Schlagpflanzen)  am  besten  zeitig  im  Frühjahr. 

Hier  mag  besonders  darauf  hingewiesen  werden,  dass  die  beiden  Birkenarten, 
Betula  verrucosa  und  B.  pubescens,  in  ihrem  waldbaulichen  Verhalten  sehr  verschieden 
sind.  B.  pubescens  ist  dichter  in  der  Krone,  viel  mehr  eine  Holzart  feuchter  Böden, 
findet  sich  z.  B.  in  reinen  Beständen  auf  der  Grenze  der  Brücher  (Versuchsflächen  in 
Ostpreussen),  mit  Erträgen  bis  zu  300  fm  im  70.  Jahre. 

11.  Falsche  Akazie: 
Pflanzung  mit  Saatschulpflanzen  ^^^). 

12.  Zahme  Ka8tanie^*<>): 

In  Deutschland  wegen  der  klimatischen  Bedingungen,  welche  sie  für  ihr  Gedeihen 
fordert,  zumal  ihres  Wärmebedürfnisses,  nur  in  beschränktem  Umfange  (Pfalz,  Elsass  etc.) 
als  Waldbaum  verbreitet ;  besonders  geschätzt  als  Holzart  des  Niederwalds  (Gewinnung 
von  Rebpfählen):  Stockausschläge  reichlich  und  kräftig.  Begründung  neuer  Bestände 
meist  durch  Pflanzung  mit  1 — 3jährigen  (in  der  Mehrzahl  der  Fälle  2jährigen)  Loden, 


138)  Zu  vergl.  u.  a.  die  Verhandlungen  des  mecklenbg.  Forstvereins  und  preuss.  Forst- 
vereins (je  1889,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1889,  S.  559  bezw.  469);  femer  „Wirtschaft  in  Er- 
lenbrüchern«,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1895,  497. 

139)  B  u  n  d ,  Z.  f.  F.  u.  J.  1899,  199  „Aufforstung  der  Sandflächen  und  Steppen  in 
Ungarn".  Danach  soll  Ungarn  bereits  70000  ha  reine  Akazien  haben,  meist  Niederwald  in 
20jähr.  Umtrieb.     Bodenlockerung  landwirtsch.  Vorbau,  dann  Pflanzung. 

140)  Vergl.  Kay  sing,  Der  Kastanienniederwald,  1884.  —  Aufsätze  in  der  AUg. 
F.  u.  J.Z.  1879  S.  206;  1883  S.  37  (Osterheld  —  Pfalz);  1883  S.  241  (Rebmann  —  Elsass). 
—  Engler,  „Die  Edelkastanie  in  der  Zentralschweiz".  — Merz,  Schweiz.  Forstver.  1895 
und  V.  Sutter,  Schweiz.  Zeitschr.  1895.  —  Osterheld,  A.  F.  u.  J.Z.  1895  „Edelkastanie 
im  Pfälzer  Wald«. 

32* 


500  IV.  Lore y,  Waldbau. 

Anzucht  der  nötigen  Pflanzen  (pro  ha  6000 — 8000  Stück  erforderlich)  in  rigolten  Saat- 
beeten (Spitze  der  Frucht  beim  Einlegen  nach  unten !) :  Kosten  der  Erziehung  pro  1000 
2jähriger  Pflanzen  ca.  12  Mark.  Pflanzung  im  Frühjahr  mit  der  Hacke  oder  einem 
Klemmeisen  (spatenartig  abgeändertes  Buttlar'sches  Eisen) ;  Pflanzen  teils  unbeschnitten, 
teils  (besser)  nach  Einstntzeu  der  Seitenäste  oder  als  Stummelpflanzen.  Jährliches 
Reinigen  und  Behacken  der  Kultur.  Bodenpflege  durch  Grabenziehen  (^Belebungs- 
graben*^).  —  Saat  hie  und  da  als  Yollsaat  (bezw.  Punktsaat,  wie  bei  der  Eiche)  mit 
3  Hektoliter  Kastanien  pro  ha  (30000  Stück)  oder  Rillen-  oder  Plätzesaat.  Gefahr 
durch  Wildschweine. 

13.  Pappel: 
Für  den  Anbau  kommt  besonders  die  Schwarzpappel  oder  die  kanadische  Pappel 

in  Betracht.  Letztere  ist  wertvoller.  Die  Pflanzung  erfolgt  durch  Setzstangen,  welche 
aus  Stockausschlägen  zu  gewinnen,  wohl  auch  in  der  Pflanzschule  zu  verschulen  sind. 
Bei  der  Aspe  verpflanzt  man  meist  Wurzelbrut.  Doch  wird  auch  künstl.  Samenver- 
jüngung empfohlen  (Paul  in  Deutsche  Forst-Zeitg.  1899),  desgleichen  Erziehung  von 
verschulten  Aspenpflänzlingen  (Forstrat  Hofmann  in  Forstl.  Ztrlbl.  1902,  S.  360). 

14.  Weide^"): 

Die  verschiedenen  Weidenarten  erfordern  je  besondere  Behandlung.  Für  Korb- 
weiden ist  durchschnittlich  am  besten  (nach  Krähe)  Pflanzung  von  30  cm  langen  Steck- 
lingen (1 — 4jähriges  Holz),  senkrecht  in  den  50  cm  tief  rigolten  Boden  und  zwar  in 
engem  Verband  (50  zu  10,  also  bis  200000  Stück  pro  ha!).  Bodenpflege  (Behacken), 
event.  Düngen  etc.  Grabenkultur  und  Grubenkultur  örtlich  in  Anwendung;  ebenso 
nesterweises  Einpflanzen  der  Stecklinge.  —  Am  meisten  empfohlen  Salix  viminalis, 
amygdalina,  sowie  eine  Mischsorte  aus  S.  viminalis  und  purpurea.  Bei  der  Wahl  ent- 
scheidet zuerst  der  Boden,  dann  die  Masse  des  Aufwuchses  (sehr  ertragsreich  sind  u.  a. 
Mandelweiden),  sowie  die  Flechteigenschaften,  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Witte- 
rungseinflüsse (am  härtesten  sind  Purpurweiden),  die  Blattmenge  (S.  viminalis,  amyg- 
dalina besser  als  Purpurweide).  Man  soll  nicht  verschiedene  Arten  untereinander  pflanzen. 

Die  als  ein  Hauptteil  des  sog.  Weichholzes  in  den  Schlägen  auftretenden  Weiden 
(besonders  S.  caprea,  cinerea  etc.)  erscheinen  meist  als  Ausschläge  und  durch  Samenanflug. 

II.  NadelhSIzer. 

§  50.     1.  Weisstanne. 

Wenn  irgend  eine  Holzart,  so  ist  die  Tanne  vermöge  ihrer  Eigenschaften  zur 
natürlichen  Verjüngung  durch  Samenabfall  bestimmt.  Künstliche  Bestandesgründung 
ist  —  abgesehen  von  den  (neuerdings  zahlreich  auftretenden)  Fällen,  in  welchen  die 
Neuanlage  von  Tannenbeständen  erfolgen  soll  —  Ausnahme  und  findet  meist  nur  da 
statt,  wo  wirtschaftliche  Missstände  (Ueberalthölzer,  Sturmlücken  etc.)  eine  natürliche 
Verjüngung  überhaupt  nicht  mehr  oder  nicht  mit  der  nötigen  Sicherheit  erhoffen  lassen. 
Die  künstliche  Bestandesgründung  findet  sich  als  Saat  und  als  Pflanzung. 

A.  Natürliche  Verjüngung"'^): 

Dieselbe  ist  namentlich  in  den  letzten  20  Jahren  Gegenstand  eingehender  Er- 

141)  Vergl.  Schulze,  Die  Kultur  der  Korbweide,  1874.  —  S  c  h  m  i  d ,  Die  Anpflan- 
zung und  Kultur  der  Korb-  und  Bandweiden,  1883.  —  Krähe,  Lehrbuch  der  rationellen 
Korbweidenkultur,  4.  Aufl.  1886.  —  Zschimraer,  Anbau  der  Korbweide,  Thar.  Jahrb. 
1888,  1.  Heft.  —  Au  mann,  Weidenhegerbetrieb  in  Flussniederungen,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J. 
1894,  712.  —  Korbweidenkultur  längs  der  österr.  Eisenbahnen,  Oesterr.  Forst-  u.  J.-Ztg. 
1894.  11.  —  P  i  c  c  i  0  1  i ,  La  coltura  dei  salici,  1896.  —  D  e  k  e  r  t ,  lieber  Weidenzucht, 
Mund.  Forstl.  Hefte  15  v.  1896.  —  Danckelmann,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1898,  S.  652. 

142)  Vergl.  u.  a.  die  Referate  und  Debatten   bei  der  deutschen  ForstTersammlung  zu 


Die  Bestandesbegründung.     §  50.  501 

örterung  gewesen.  Sie  erfolgt  im  Femelbetrieb  und  im  Sebirmschlagbetrieb,  bezw.  im 
Femelschlagbetrieb  (vergl.  vierter  Abschnitt).  In  allen  diesen  Fällen  kommt  die 
Zählebigkeit  der  Tanne,  sowie  ihre  langsame  Jugendentwickelung  in  Betracht.  Eine 
Folge  ihres  grossen  Schattenerträgnisses  ist,  dass  sich  Besamung  meist  ohne  besonderen 
Vorbereitungshieb  und  Samenschlag  oft  schon  im  70 — 80jährigen  Bestandesalter  reich- 
lich einstellt,  mindestens  auf  denjenigen  Stellen  und  in  deren  Umgebung,  welche  durch 
Auszug  von  Krebstannen,  eingesprengten  Mischhölzem  u.  s.  w.  etwas  (wenn  auch  nur 
massig)  gelichtet  sind.  Werden  solche  Aushiebe  schadhafter  oder  sonst  unerwünschter 
Bäume  in  gesteigertem  Masse  nötig,  tritt  vielleicht  Windwurf  hinzu,  so  entstehen  Lö- 
cher im  Bestände,  auf  welchen  der  Jungwuchs  bald  in  die  Höhe  geht;  deren  allmäh- 
liche Erweiterung  führt  nach  und  nach  zur  Verjüngung  des  ganzen  Bestandes. 

Wo  sich  dieser  die  Regel  bildende  Vorgang  nicht  (gewissermassen  ganz  von 
selbst)  abspielt,  hat  man  es  in  der  Hand,  die  Verjüngung  (in  längerem  oder  kürzerem 
Zeitraum)  mittelst  gleichförmiger  Schlagstellung  durch  den  ganzen  Bestand  hin  (regel- 
mässige Vorbereitungshiebe  mit  gleichmässiger,  allmählicher  Durchlichtung  etc.  —  Schirm- 
schlag Gayers)  oder  derart  durchzuführen,  dajss  man  die  einzelnen  Bestandespartien 
nacheinander  verjüngt,  bezw.  sich  jene  Löcher  durch  gruppen-  und  horstweise  Eingriffe 
künstlich  schafft  (hörst-  und  gruppenweise  Verjüngung  Gayers  —  vergl.  auch :  zweiter 
Abschnitt,  2.  Kap.  A,  II,  2 — 4,  §  26 — 28,  und  vierter  Abschnitt).  Gleichmässige  Schirm- 
schlagstellung auf  schmalen  Streifen  verbürgt  den  Erfolg  event.  ebenso  sicher  wie 
Löcherhiebe  und  verdient  unter  Umständen  wegen  grösserer  Uebersichtlichkeit  im  Fort- 
gange der  Verjüngung  den  Vorzug. 

Hinsichtlich  des  Verjüngungszeitraumes  wird  die  Erwägung  massgebend,  ob  man 
im  konkreten  Falle  auf  raschere  Erstarkung  des  Jungwuchses  oder  auf  längeres  An- 
dauern des  Lichtungszuwachses  an  den  Mutterbäumen  den  grösseren  Wert  legt.  Ueber 
die  etwaige  Benutzung  des  Vorwuchses  siehe  §  53 ;  erstreckt  sich  die  vollständige  Ver- 
jüngung eines  Bestandes,  d.  h.  die  Ersetzung  sämtlicher  heute  im  Bestände  vorhandener 
Individuen  durch  neue,  auf  die  ganze  Umtriebszeit,  so  kommt  man  zum  eigentlichen 
Femelbetrieb. 

Im  wesentlichen  ist  es  für  die  Art  der  nat.  Tannenverjüngung  zunächst  entscheidend, 
ob  man  grundsätzlich  möglichst  ein  Mastjahr  zur  Erzielung  des  Jungbestandes  benutzen 
will  (Schirmschlag)  und  demgemäss  mit  gleichmässiger  Schirmstellung  über  die  ganze  Fläche 
hin  vorgeht,  oder  ob  der  allmählichen ,  partienweisen  Verjüngung  (Femelschlagbetrieb. 
Gruppen-  und  Horst  Wirtschaft,  Benutzung  mehrerer  Samen  jähre)  der  Vorzug  gegeben  wer- 
den will.  Martin  stellt  beide  Methoden  an  Wert  gleich.  Genügende  Samenjahre  hat  man 
fast  überall  in  3-  bis  5jährigen  Zwischenräumen.  Beides  lässt  sich  machen ;  aber  tatsäch- 
lich kommt  man  ganz  von  selbst  bei  der  Tanne  fast  immer  zu  einer  mehr  oder  minder 
scharf  ausgeprägten  Gruppenwirtschaft,  weil  sich,  wie  oben  angeführt  wurde,  Anflug  in 
der  Eegel  schon  in  Beständen  einstellt,  welche  noch  nicht  planmässig  zur  Verjüngung 
stehen  und  dieser  Anflug  sich  wenigstens  teilweise  bis  zur  Zeit  der  planmässigen  Ver- 
jüngung  wuchskräftig   erhält,    bezw.    schon    zu  gut   entwickelten  Vorwüchsen    ausbildet. 


Wildbad  1880  (Die  Referate  finden  sich  in  der  AUg.  Forst-  u.  J.Z.  von  1880:  Schuberg 
S.  304,  Probst  S.  311),  ferner  Verhandlungen  des  badischen  Forstvereins  zu  Wolfach 
1884.  —  Magenau,  „Tannenverjüngung  auf  dem  Jura".  Allg.  Forst-  u.  J.Z.  v.  1887 
S.  312  fF.  —  Martin,  Folgerungen  .  .  . ,  2.  Bd.  1895,  Die  Weisstanne.  —  Wirtschafts- 
regeln für  Elsass-Lothringen,  1892.  —  Carl,  Allg.  F.  u.  J.Z.  1893,  163,  204.  —  Kautzsch, 
Allg.  F.  u.  J.Z.  1193,  350.  —  Ders.,  Beitrag  zur  Tannenfrage  (1895).  —  Mencke,  Allg. 
F.  u.  J.Z.  1897,  287.  —  Baudisch,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Forstw.  1897,  101.  —  Wein- 
kauf f,  Die  Tanne  auf  d.  Buntsandstein  des  Pfälzer  Waldes,  A.  F.  u.  J.Z.  1897,  331,  344. 
—  Seh  aal,  Die  Weisstanne  in  Sachsen,  A.  F.  u.  J.Z.  1898.  —  Kautzsch,  A.  F.  u. 
J.Z.  1898,  220.  —  Gretsch,  Forstwirt.  Zentralbl.  1898,  455. 


502  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Dazu  tritt  dann  die  Entscheidung  darüber,  ob  man  die  Verjüngung  im  ganzen  rascher 
oder  langsamer  durchführen  und  demgemäss  nur  kleinere  oder  aber  grössere  Altersunter- 
schiede im  Jungbestande  haben  will.  Wenn  auch  die  Bedingungen,  unter  denen  die 
Tannenwirtschaft  geführt  wird,  örtlich  keineswegs  immer  die  nämlichen  sind  (z.  B.  in 
Baden  auf  der  Westseite,  in  Württemberg  auf  der  Ostseite,  d.  h.  im  Regenschatten  des 
Schwarzwaldes,  —  Seenahe  in  Oldenburg),  so  liegt  doch  fast  überall  die  Möglichkeit  ver- 
hältnismässig rascher  Verjüngung  (in  20 — 30jährigem  Zeiträume)  vor.  Dass,  wie  von 
vielen  behauptet  wird,  die  Eigenart  der  Tanne  entschieden  auf  längere  Verjttngnngsdaner 
hinweise,  scheint  mir  nicht  zuzutreffen.  Die  vielfach  verbreitete  Ansicht,  als  ob  die 
Weisstanne  nur  einmal  in  ihrem  Leben  guten  Anflug  erzeuge,  und  solcher  namentlich 
über  ein  gewisses  Alter  des  Bestandes  hinaus  nicht  mehr  erfolge,  ist  keinesweg  fiberall 
bestätigt. 

B.  Künstlicher  Anbau: 

Allgemein  unter  Schatzbestand  besonders  wegen  der  Frostemptindlichkeit  und 
starken  Verdunstung  der  Tanne.  Doch  in  Notfällen  (siehe  oben)  auch  im  Freien,  dann 
aber  fast  ausschliesslich  mittelst  Pflanzung;  genügender  Erfolg  hauptsächlich  bei  grosser 
Luftfeuchtigkeit. 

a)  Saat: 

Sie  kommt  gelegentlich  (£lsass-Lothringen)  in  abständigen  Orten  anter  dem 
Schirm  des  gelichteten  Altbestands,  dann  aber  hauptsächlich  bei  Umwandlung  anderer 
Holzarten  in  Tanne  und  beim  Unterbau  in  Anwendung,  in  Ausnutzung  guter  Samen- 
jahre. Meist  als  Riefen-  oder  Plätzesaat;  Aussaat  am  besten  noch  im  Herbst.  Dabei 
erfolgt  allgemein,  ganz  besonders  aber  bei  Anlegung  horizontaler  Riefen  an  Hängen 
oft  mit  Vorteil  die  Aussaat  des  Samens  auf  den  am  Riefenrande  angehäuften  Aufwurf, 
damit  die  Keimpflanzen  nicht,  wenn  in  der  vertieften  Riefensohle  stehend,  von  Wasser 
zugeflösst  und  von  Ltaub  etc.  überlagert  werden ;  überdies  besonders  kräftige  Wurzelbil- 
dung  auf  dem  Riefenrande.  Der  Aufwurf  beflndet  sich  am  Hange  am  unteren  Riefenrande. 

b)  Pflanzung: 

Beim  Unterbau  meist  4 — 6jährige,  einmal  verschulte  Pflanzen.  Material  für  die 
Verschulung  liefern  massenhaft  die  Rieten-  und  Plätzesaaten,  sowie  die  natürlichen  Be- 
samungen ;  andernfalls  Anlegung  besonderer  Saatbeete.  Wird  in  kontinuierlichem  Zuge 
die  Umwandlung  auf  grösseren  Flächen  durchgeführt,  so  flndet  man  vielfach  Saat  und 
Pflanzung  (je  nach  dem  Ausfall  der  Samenernte,  der  verfügbaren  Pflanzenmenge  etc.) 
in  verschiedentlich  variierter  Kombination.  Dabei  verdient  der  Alters  vorsprang  der 
Pflanzung  Beachtung.  Verwendung  meist  ballenloser  Pflänzlinge  unter  Benutzung  der 
Hacke.  —  Zur  Pflanzung  auf  Kahlflächen  werden  (besonders  wegen  Unkräuterwuchs) 
manchmal  stärkere,  zweimal  verschulte  Pflanzen  verwendet  (teuer!). 

Gefährdung  der  Tannenkulturen  durch  Wildverbiss. 

2.  Fichte: 

Bei  derselben  treten  alle  für  ein  Nadelholz  überhaupt  in  Frage  kommenden  Kultor- 
methoden  in  lebhafte  Konkurrenz,  hauptsächlich  deshalb,  weil  bei  ihr  die  Freilandskultnr 
in  den  meisten  Fällen  ebenso  möglich  ist,  wie  die  Verjüngung  unter  einem  Oberstand. 
Es  handelt  sich  vielfach  nur  um  „gut"  und  „besser"  ;  neben  gewissen  allgemeinen  Grund- 
sätzen sind  vorzugsweise  bei  der  Fichte  örtliche  Erwägungen  von  Fall  zu  Fall  entschei- 
dend, und  es  ist  begreiflich,  dass  gerade  über  ihren  Anbau  von  jeher  lebhaftester  Meinungs- 
austausch stattgefunden  hat. 

Man  findet  natürliche  und  künstliche  Verjüngung,  letztere  als  Saat  und  Pflanzung, 
beide  wieder  in  den  verschiedensten  Formen.  Die  ursprünglich  wohl  allgemeine  natür- 
liche Verjüngung  ist  vielenorts  fast  vollständig  durch  Kahlschlagwirtschaft  mit  nach- 
folgendem künstlichem  Anbau  verdrängt  worden;  neuestens  kehrt  man  in  verschiedenen 
Gegenden  wieder  mehr  zur  natürlichen  Verjüngung  zurück.  Von  jeder  einseitigen 
generellen  Befürwortung  einer  bestimmten  Methode  sollte  man  absehen. 


Die  Bestandesbegründnng.     §  50.  ö03 

A.  Natürliche  Verjüngung: 

Die  Gründe  zu  gonsten  derselben  sind  in  der  Hauptsache  die  allgemein  gegen 
Kahlhieb  geltend  gemachten,  vornehmlich  den  Bodenzustand  betreffenden  ^^^).  Eigent- 
licher Femelbetrieb,  abgesehen  von  höheren  Grebirgslagen,  selten;  Schirmschlagbetrieb 
oder  Femelschlagbetrieb  ist  Begel,  letzterer,  wenn  (cf.  Grayer)  die  ausgesprochene  Ab- 
sicht vorliegt,  einen  ungleichförmigen  Bestand  nachzuziehen.  Im  ganzen  muss  die  Ver- 
jüngung in  rascherem  Tempo  geführt  werden  wie  bei  der  Tanne,  der  junge  Aufwuchs 
der  Fichte  verlangt  baldigst  einen  bedeutenderen  Lichtgenuss  (Modifikationen  je  nach 
Oertlichkeit),  mithin  meist  stärkere  Eingriffe  schon  in  Gestalt  von  Vorbereitungsbieben 
und  demnächst  auch  rascheres  Nachhauen.  —  Verjüngung  durch  Randbesamung,  wenn 
je,  so  am  ersten  bei  der  Fichte  noch  zulässig  (siehe  2.  Kapitel  A,  I  dieses  Abschnittes). 

So  sehr  von  vielen  Seiten  die  natürliche  Verjüngung  empfohlen  wird,  so  entschieden 
darf  man  sich  andererseits  darauf  berufen,  dass  durch  künstlichen  Anbau  in  grosser  Aas- 
dehnung tadellose  Bestände  erzielt  worden  sind;  zumal  wenn,  im  Gegensatz  zu  grossen 
zusammenhängenden  Kahlhieben,  mit  Schmalschlägen  operiert  wird,  die  nicht  alljährlich, 
sondern  je  erst  nach  mehrjährigen  Zwischenräumen  aneinandergereiht  werden,  bedarf  es 
der  natürlichen  Verjüngung  nicht.  Ob  letztere  in  allen  Fällen  das  Ziel  billiger  (event. 
kostenlos)  erreichen  lässt,  ist  im  Hinblick  auf  das  oft  überraschend  gute  Wachstum  künst- 
licher Kulturen  mindestens  fraglich.  Ueberdies  wird  der  Besamung  von  nicht  wenigen 
Wirtschaftern  die  wünschenswerte  Sicherheit  abgesprochen:  die  Fichte  sei  launisch  in  be- 
zug  auf  die  Besamung.  —  üngleichaltrige  Bestände,  wie  sie  der  Femelschlagbetrieb  liefert, 
werden  auch  bei  der  Fichte  von  manchen  bevorzugt ;  sie  sollen  (cfr.  z.  -B.  Engler)  die 
Vorteile  von  gemischten  Beständen  ersetzen.  Um  im  Jungbestande  grössere  Alters- 
differenzen zu  erhalten,  soll  man  mit  den  Hieben  im  Verjüngungsbestande  zeitweilig 
aussetzen. 

B.  Künstliche  Bestandesgründung. 

Die  Frage,  ob  Saat  oder  Pflanzung  vorzuziehen  sei,  wird  verschieden  beantwortet. 
Saat  soll  mehr  Schutz  gewähren  gegen  Rüsselkäfer  und  auch  gegen  Wild;  auch  für 
Loshiebe  (Schmalstreifen)  sei  oft  Saat  besser,  wogegen  auf  grossen  Kahlschlägen  die 
Pflanzung,  event.  mit  schmalen  Saatstreifen  längs  des  Altbestandes,  vorzuziehen  sei  ***). 

a)  Saat:  Als  Vollsaat,  Riefen-  und  Plätzesaat,  letztere  im  ganzen  seltener. 
Spezialfall  der  Vollsaat  z.  B.  im  früheren  württembergischen  Waldfeldbau,  Forst  Och- 
senhausen ^*'^).  —  Gelegentlich  auch  Fichten-Dammsaat  ^*®):  Aussaat  auf  erhöhte  Saat- 
stellen (analog  der  Hügelung  beim  Pflanzen)  bei  undurchlassendem,  tonigem  Untergrund 
und  starker  Grasnarbe.  Dämme  V^  m  breit,  10 — 15  cm  hoch,  1,5  m  Abstand  von  Mitte 
zu  Mitte. 

b)  Pflanzung:  Als  Einzel-  und  als  Büschelpflanzung;  als  Loch-  und  als  Hü- 
gelpflanzung,  event.  auf  Rabatten;  mit  2 — 6jährigen  Pflänzlingen  (mit  oder  ohne  Ballen), 
hie  und  da  mit  noch  stärkerem  Material  (bei  Nachbesserungen);  unter  Anwendung  der 
verschiedensten  Instrumente  (Buttlars  Eisen,  Spiralbohrer,  Hacke,  Stossspaten  etc.). 

Pflanzenmaterial  liefern  Schläge,  bezw.  Saatstellen  (z.  B.  massenhaft  die  Wald- 


143)  Neuestens  ist  namentlich  den  Fichtenpflanzungen,  gegenüber  der  natürl.  Ver- 
jüngung, die  Bildung  zahlreicher  Doppelgipfel,  die  ungünstigere  Beastung,  stärkere  Rotfäule  etc. 
vorgeworfen  worden.  —  Vergl.  Grasmann,  Beobachtung  in  Fichtenpflanzbeständen  (Forstw. 
Zentralblatt  von  1886  S.  560  ff.),  Grasmann,  Entgegnung  an  Bommel  (Allg.  F.  n.  J.Z. 
V.  1887  S.  130),  dagegen  für  die  Pflanzung  Dr.  Stoetzer,  „Zur  Frage  der  Rätlichkeit  des 
Fichtenanbaues  durch  Pflanzung"  (Forstw.  Zentralblatt  v.  1887  S.  404).  —  Martin,  Fol- 
gerungen . .  .,  5.  Bd.  1899,  Die  Fichte.  —  E  n  g  1  e  r ,  „Verjüngung  der  Rottannenbestände, 
Schweiz.  Zeitschr.  1899,  1.  —  Broillard,  Revue  des  coux  et  forßts,  1897. 

144)  Vergl.  Neumeister,  Thar.  Jahrb.  1889,  D,  105. 

145)  Vergl.  Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1884  S.  341. 

146)  Vergl.  Schulze,  Fichtendammsaat.     Tharand.  Jahrbuch  1887  S.  92  ff. 


504  IV.  Lorey,  Waldbau. 

felder) ;  meist  Verschalen  (1-  and  2jährige  Pflanzen)  und  danach  2jähriges  Belassen  im 
Pflanzbeet.  In  windigen  Freilagen,  wie  u.  a.  auf  Hochflächen  des  Gebirgs,  keine  zn 
starken  Pflanzen  (Losrütteln  durch  den  Luftzug  vor  dem  festen  Anwurzeln),  event. 
Pflanzung  in  Löcher  oder  hinter  kleine  Schutzdämme.  —  Verbandweite  je  nach  dem 
V^irtschaftszweck  (z.  B.  Einfluss  des  Hopfenstangenhandels)  sehr  verschieden;  Reihen- 
verband findet  sich  z.  B.  von  0,5  zu  0,9  Meter  bis  zum  Quadratverband  mit  2,0  und 
mehr  Meter  Seite  (derart  weite  Verbände  natürlich  nur  ausnahmsweise). 

Die  Frage,  ob  Einzelpflanzung  oder  Büschelpflanzung  (cfr.  auch  oben  §  40),  schien 
ziemlich  allseitig  zu  gunsten  der  Einzelpflanzung  erledigt,  als  dieselbe  bei  Gelegenheit 
der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Braunschweig  18%,  den  meisten  Anwesen- 
den unvermutet,  wieder  aufgeworfen,  und  dabei  von  manchen  Seiten  die  Büschelpflanzung 
warm  befürwortet  wurde.  Als  Regel  kann  die  letztere  jedenfalls  nicht  allgemein  gelten. 
Jedenfalls  ist  dabei  der  Fehler,  dass  zu  viele  Pflanzen  in  1  Büschel  vereinigt  werden, 
zu  vermeiden.  —  Wie  bei  jeder  Pflanzung,  so  ist  bei  der  Fichte  ganz  besonders  vor 
zu  tiefem  Einsetzen  des  Pflänzlings  in  den  Boden  zu  warnen.  —  Für  Moor-  und  Torf- 
böden wird  Balleupflanzung  auf  Rabatten  bes.  empfohlen  ^^^). 

3.  Gem.  Kiefer: 

Für  diese  galt,  während  man  früher  offenbar  die  natürliche  Verjüngung  durch 
Schlagbesamung  häufiger  fand,  in  den  letzten  Jahrzehnten  doch  im  allgemeinen  die 
künstliche  Beatandesbegründung  auf  der  Kahlfläche  (durch  Saat  oder  Pflanzung)  als 
Regel.  Resultate  dieser  Art  der  Verjüngung  vielfach  vortrefflich,  doch  teilweise  auch 
recht  zweifelhaft,  namentlich  infolge  von  Bodenverhagerung,  sowie  insbesondere  von 
Maikäferschaden.  Darum  neuestens  wieder  zahlreiche  Stimmen  für  natürliche  Verjüngung 
durch  Randbesamung  (?)  oder  —  zumeist  —  durch  Schirmschlag  ^*®). 

A.  Natürliche  Verjüngung: 

Insbesondere  auf  besseren  Standorten  zulässig.  Sie  vollzieht  sich  um  so  leichter, 
je  luftfeuchter  das  Klima  ist  (Ostpreussen,  russ.  Ostseeprovinzen).  Verhältnismässig 
rasche  Nachlichtung,  wenn  sich  Aufschlag  eingestellt  hat,  ist  mit  Rücksicht  auf  das 
Lichtbedürfnis  der  Kiefer,  bezw.  raschere  Erstarkung  des  Jungwuchses  erwünscht. 
Beihilfe  durch  Saat  oder  Pflanzung  auf  Fehlstellen  ist  dem  langen  Warten  auf  voll- 
ständigen Aufschlag  vorzuziehen. 

Der  Kampf  um  die  natürliche  Verjüngung  der  Kiefer  war  bis  vor  kurzem  ein  recht 
heftiger ;  in  den  letzten  Jahren  ist  dieser  Frage  gegenüber  wieder  mehr  Ruhe  eingetreten. 
Man  wird  die  natürl.  Verjüngung  unter  für  dieselbe  günstigen  Verhältnissen  nicht  aus- 
schliessen,  mindestens  unter  Umständen  als  willkommene  Zugabe  zur  künstlichen  Bestands- 
begründung betrachten,  aber  das  von  manchen  Seiten  empfohlene  geduldige,  lange  Zuwarten 
—  (oft  reichen  20 — 25  Jahre  noch  nicht  zur  vollständigen  Besamung  einer  Abteilungs- 
fläche hin!)  —  kann  nicht  gutgeheissen  werden,  gegenüber  zumal  der  Raschheit  und 
Sicherheit,  mit  der  in  vielen  Fällen  die  künstliche  Bestandesbegründung  erfolgt.  Hochan- 
stehender  Grundwasserspiegel,  Bodenverwundung  durch  Waldweide,  Streunutzung  be- 
günstigen die  natürl.  Besamung.     Auch  wird  der  angeflogenen  jungen  Kiefer  grosse  Ent- 

147)  Otte,  Deutsche  Forst-Zeitung  1899,  230. 

148)  Vergl.  Borggreve.  Holzzucht  S.  136  ff.  Daselbst  wird  in  einer  unzweifel- 
haft zu  sehr  generalisierenden  Weise  die  Rückkehr  zur  natürl.  Verj.  gefordert  und  zwar 
mit  einer  verhältnismässig  dunklen  Schlagstellung;  Gesamtverjüngungszeit  10 — 20  Jahre. 
Bei  entsprechend  langem  Zuwarten  soll  man  genügenden  Aufschlag  erhalten.  —  Vergl.  auch 
Danckelmann,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1887  S.  64  ff.,  sowie  Pfeil,  Die  deutsche  Holz- 
zucht. —  Weise,  Mund.  Forstl.  Hefte  V,  1,  1894.  —  Stettiner  Versammlung  deutscher 
Forstmänner  1892.  —  Preuss.  Forstverein,  1889.  —  Hoffmann,  Forstl.  Blätter  1889, 
161.  —  Mayr,  „Studien  im  nordwestl.  Rnssland",  A.  F.  u.  J.Z.  1890,  März  bis  Mai.  — 
Reiss,  „Naturverjüngung  der  Kiefer",  Forstw.  Zentralbl.  1898,  5.  —  Martin,  Folge- 
rungen .  .  .,  3.  Bd.  1896,  Die  Kiefer. 


Die  Bestandesbegründang.     §  50.  505 

wickelnngs-  nnd  Widerstandsfähigkeit  nachgerühmt ;  örtlich,  znmal  bei  hoher  Luftfeuchtig- 
keit, soll  sie  selbst  starken  Schirmdnick  ertragen.  Auf  kleinen  Löcherflächen  samen  sie 
sich  besonders  leicht  an,  auf  Lücken  in  Stangenhölzern  und  angehenden  Baumorten.  Immer- 
hin liefert  sie  gerade  dann  stets  horstförmig  differenzierte  Bestände,  die  sich  bei  der  Kiefef 
wohl  am  wenigsten  empfehlen.  Dass  die  Maikäfergefahr  durch  die  natürliche  Verjüngung 
vermindert  werde,  ist  nicht  unbestritten. 

B.  Künstlicher  Anbau. 

Sowohl  die  Saat  als  die  Pflanzung  hat  ihre  Vertreter. 

a)  Saat:  Meist  unter  Verwendung  entflügelten  Samens,  hie  und  da  Zapfen- 
saat"®). Entweder  Vollsaat  (nach  vorheriger  Entfernung  stärkeren  Bodenüberzugs; 
bei  nur  kurzer  Grasnarbe  vorheriges  Wundmachen  des  Bodens  mit  der  Egge  —  Strauch- 
egge —  auch  wohl  Aussaat  ohne  dieses  und  nachheriges  Ueberfahren  mit  der  Egge; 
hie  und  da  nur  Schafauftrieb  oder,  wenn  der  mineralische  Boden  nur  ganz  licht  über- 
kleidet ist,  häuiig  auch  Unterlassen  jeglicher  besonderen  Vor-  und  Nacharbeit)  oder 
Riefensaat  (in  der  Ebene  event.  unter  Anwendung  einer  Säemaschine ;  öfters  vorheriges 
Fnrchenpflügen)  oder  endlich  Plätzesaat  (Anwendung  des  Kreisrechens).  Für  das  nord- 
östl.  Heimatsgebiet  der  Kiefer  wird  der  Saat,  zumal  auf  besseren  Böden,  entschieden 
der  Vorzug  gegeben,  wenigstens  vor  der  Jährlingspflanzung,  weil  letztere  dort  niemals 
gnte  Schneidehölzer  liefere^*®). 

b)  Pflanzung:  Mit  ballenlosen  Pflänzlingen  und  mit  Ballenpflanzen  (besonders 
gut  —  rasch  fördernd  und  wohlfeil,  dabei  von  bestem  Erfolg  —  u.  a.  der  Heyer'sche 
Hohlbohrer  von  5— 7  cm  Weite),  1-  und  2jährige  Pflanzen  bis  zum  Heister  aufwärts 
(zn  Nachbesserungen).  Zur  Pflanzung  mit  ballenlosen  Pflänzlingen  Anwendung  ver- 
schiedener Instrumente:  Keilspaten,  Pflanzstock  u.  s.  w.  Vorsicht  mit  vorherigem 
starkem  Anschlemmen!  Neuestens  lebhafte  Erörterung  über  die  Pflanzung  Ijähriger 
Kiefern  ***)  und  die  Anwendung  der  Klemmpflanzen  (Wartemberg'sches  Eisen).  Unter 
Umständen  Kiefemanbau  auf  Pflugwällen :  60  cm  breite  abraumartige  Erhöhungen,  auf 
welche  gepflanzt  wird^^^^  —  Pflanzweite  verschieden;  beim  Voranbau  behufs  Nach- 
zucht einer  schutzbedürftigen  Holzart  in  weiterem  Verband. 

Spezialfall  der  Kiefer  im  Waldfeldbau :  1 — 2jährig  gepflanzt  im  Rodland,  Reihen 
in  1,5  m  Entfernung;  Pflanzabstand  in  den  Reihen  0,5  m. 

4.  Schwarzkiefer: 

Meist  Pflanzung  1 — ijährig.  Schwierige  Umstände  bei  Bewaldung  steiler  Kalk- 
hänge. 

5.  Lärche: 

Unter  gegebenen  Bedingungen,  z.  B.  in  luftfeuchten,  niederschlagsreichen,  sonnigen 
Hochgebirgslagen,  stellt  sich  Anflug  ein,  so  dass  sich  die  natürliche  Verjüngung  leicht 
vollzieht.    Doch  meist  künstlicher  Anbau  und  zwar 

a)  Saat:  behufs  Einsprengung  der  Lärche  in  andere  Holzarten,  entweder  breit- 
würfig  oder  als  Plätzesaat  (z.  B.  2  kg  Lärchen-  und  5  kg  Kiefemsamen  zur  Erzielung 
einer  Mischung  der  Kiefer  mit  der  Lärche  im  Verhältnis  von  etwa  5:1,  da  Lärchen- 
samen meist  wesentlich  geringere  Keimfähigkeit  hat  als  die  Kiefer); 

b)  Pflanzung:  meist  verschultes  Material  (3 — 4jährig,  seltener  als  stärkerer 
Heister  und  dann  zweckmässig  unter  Einstutzen  der  unteren  Zweige ;  es  kommt  darauf 


149)  V.  Ale  mann,  üeber  Forstkulturwesen,  3.  Aufl.  1884  S.  65  IT. 

150)  Schlickmann,  Forstl.  Bl.  1889,  129. 

151)  Vergl.  Muhl,  Zur  Ehrenrettung  des  Kiefern-Jährlings.  AUg.  F.  u.  J.Z.  von 
1886  S.  221  ff.,  woselbst  die  neuere  Literatur  über  die  Frage  nachgewiesen  ist.  —  Danckel- 
mann,  Handspaltpflanzung  von  Kiefern- Jährlingen,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1889,  1, 

152)  Scott-Preston,  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1888,  512. 


506  IV.  Lorey,  Waldbau. 

an,  dass  die  Lärche  ihrer  Umgebung  voraneilt).  Anwendung  der  Hacke.  Grewöhnlich 
eingesprengt  in  andere  Holzarten  (Laubholz-  wie  Nadelholzbestände,  Mittelwald),  ein- 
zeln oder  horstweise  oder  in  Reihen,  an  Wegrändern  u.  s.  w. ;  hie  und  da  in  reinem 
Bestände,  der  dann  frühzeitig  unterbaut  wird,  doch  eignet  sich  die  Lärche  dazu  im 
ganzen  wenig 

6.  Weymouthskiefer ^^) : 

Meist  Pflanzung  mit  verschultem  Material  (3 — 4jährig);  doch  linden  sich  auch 
vortrefflich  gelungene  natürliche  Verjüngungen*^*). 

7.  Zirbe,  Arve,  Pin.  cembra**^^): 

Meist  Pflanzkultur,  auf  gut  bearbeitetem  Boden.  Pflänzlinge  event.  in  besonderen 
hochgelegenen  Zirbengärten  erzogen. 

8.  Pinus  montana: 

Meist  Pflanzung  (Oedlandaufforstung,  Dünenbewaldung  etc.). 

Ili.  6eni8Cbt6  Bestände. 

§  51.  Angaben  über  die  leitenden  Gesichtspunkte  flnden  sich  bereits  im  ersten 
Abschnitt,  III,  B,  3.  Ueber  die  Ausführung  der  Kulturen  ist  besonders  zu  bemerken, 
dass  den  langsam  wüchsigen  Holzarten  der  erforderliche  Vorsprung  vor  ihrer  Umgebung 
zu  gewähren  ist.  Dazu  dient  ganz  besonders  der  Yoreinbau  auf  Löcher  und  Blossen, 
durch  welchen  namentlich  die  Eiche  mittelst  Saat  in  die  Buchenbestände  ein- 
zubringen ist.  Auch  hat  man  zu  gleichem  Zweck  völlige  Kulissenschläge  angewandt^ 
welche  jedoch  nicht  allenthalben  den  gehegten  Erwartungen  entsprochen  haben.  In 
derartigen  Löchern  sind  auch  Ahorn  und  Eschen  im  ersten  Stadium  der  Buchenver- 
jüngung in  die  Buchenbestände  einzubringen.  Ebenso  ist  bei  der  Absicht  einer  Ein- 
mischung der  Weisstanne  und  Buche  in  die  Fichtenbestände  zu  verfahren ^^. 
Der  Femelschlagbetrieb  bietet  hierzu  die  beste  Gelegenheit.  Statt  der  Saat  kann  auch 
Kleinpflanzung  gewählt  werden. 

Die  Anwendung  der  Pflanzung  stärkerer  Exemplare  findet  ihre  Stelle,  wenn  in 
den  Bnchenverjüngungen  die  edlen  Holzarten  erst  nach  erfolgter  Ansamung  der  Buche 
eingebracht  werden  sollen.  In  diesem  Falle  kann  ihnen  der  erwünschte  Vorsprung  nur 
durch  Einpflanzung  gut  verschnlter  kräftiger  Heister  gewährt  werden.  Ebenso  pflanzt 
man  Kiefern  und  Lärchen  systematisch  in  die  Buchenverjüngungen  ein.  Wählt  man 
hierbei  kräftige  Pflanzen,  so  arbeiten  sich  dieselben  durch  den  Buchenwuchs  hindurch, 
erlangen  Schaftreinheit  und  geben  hochwertige  Nutzhölzer.  Fichten  pflanzt  man  wegen 
der   grösseren  Schwierigkeit  ihrer  Schaftreinigung  besser  in  Gruppen  auf  grösseren 


153)  Pinchot  u.  Graves,  The  white  Pine  (1896).  —  Erdmann,  AUg.  F.  u.  J.Z. 
1898,  396. 

154)  Wappes,  Forstl.  naturw.  Zeitschr.  1896,  205:  natürl.  Verjüngung  der  P. 
strohus  im  Pf&lzer  Wald  in  440  m  Meereshöhe. 

155)  Woditschka,  Oester.  F.  u.  J.  1900,  163.  —  Conz,  Schweiz.  Zeitschr.  1897. 

156)  Vergl.  Gay  er.  Der  gemischte  Wald  1886.  Darin  sind  auch  hinsichtlich  der 
Kultur  eine  Menge  äusserst  schätzbarer  Erörterungen  niedergelegt.  Als  wesentlichstes  Mittel 
der  Erhaltung  wertvoller  Bestandesmischungen  betrachtet  Gayer  den  Vorbau,  bei  welchem 
die  Mischholzart  vor  Aberntung  des  jetzt  vorhandenen  Bestandes  eingebracht  wird.  Derselben 
wird  dadurch  (neben  horstweiser  Isolierung,  für  welche  bekanntlich  G.  im  allgemeinen  ein- 
tritt) ein  Altersvorsprung  gegeben,  hinreichend,  um  die  Erhaltung  der  eingesprengten  Holz- 
art wenigstens  bis  zur  ersten  Durchführung  zu  sichern.  Von  da  ab  kann  die  Bestandespflege 
einsetzen.  Warum  dabei  auch  der  künstliche  Voranbau  der  einzelnen  Horste  innerhalb 
einer  Abteilung  grundsätzlich  nach  und  nach  erfolgen  soll,  ist  nicht  recht  ersichtlich.  Die 
üngleichförmigkeit  im  einzelnen  Bestände  sollte  nicht  weiter  gehen,  als  erforderlich  ist,  um 
die  vollkräftige  Bntwickelung  des  Mischwuchses  zu  gewährleisten. 


Die  Bestandeserziehang.     §  52.  507 

Fehlstellen  nach  erfolgter  Ränmung,  insbesondere  anf  Stellen  mit  verwildertem  Boden. 

Die  Herstellung  der  Mischnng  von  Kiefer  und  Fichte  erfolgt  anf  Kahlschlägen 
darch  gleichzeitigen  Anbau  beider  Holzarten,  entweder  getrennt  nach  den  Unterschieden 
des  Standorts,  oder  in  gleichmässiger  Mischnng,  besonders  durch  Saat.  Doch  ist  zu 
beachten,  dass  die  Kiefer  hierbei  leicht  vorwüchsig  und  sperrig  wird,  wenn  sie  nicht 
in  dichter  Stellung  erwächst,  so  dass  sie  in  Schluss  kommt.  Ein  Uebermass  der  Bei- 
mischung von  Fichten  ist  hier  vom  Uebel. 

In  allen  Mischungen  ist  eine  sorgfältige  Bestandespflege  von  grösster  Wichtigkeit. 

Durch  Yorkultur  eines  Schutzholzes,  insbesondere  der  Birke,  hat  man  unter 
nachträglichem  Anbau  des  Nadelholzes  ebenfalls  gemischte  Bestände  erzogen,  so 
z.  B.  in  Bayern  auf  den  ausgedehnten  durch  Nonnenfrass  entstandenen  Kahlschlägen. 
Der  „Vorwald''  gewährt  den  später  emportreibenden  Hauptholzarten  Schutz  gegen 
Frost,  Hitze  etc. 

Die  Ergänzung  des  Oberholzes  im  Mittelwald,  meist  durch  Pflanzung  von 
Heistern  (Esche,  Ahorn,  Eiche)  sowie  von  Nadelhölzern,  besonders  LÄrchen,  kann  auch 
als  eine  Begründung  gemischter  Bestände  angesehen  werden. 

Dritter  Abschnitt. 
Die  Bestandeserziehiing. 

Vorbemerkungen. 

§  52.  Alle  waldbaulichen  Massnahmen,  welche  von  der  Bestandesbegründung  an 
bis  zum  Zeitpunkte  der  Hiebsreife  oder  allgemeiner  bis  zu  den  direkt  auf  Begründung 
eines  Neubestandes  abzielenden  Wirtschaftsoperationen  vorgenommen  werden,  gehören 
in  das  Gebiet  der  Bestandeserziehung.  Die  Bestandesbegründung  ist  beendet,  sobald 
der  Boden  mit  derjenigen  Menge  entwickelungsfähiger  junger  Individuen  bedeckt  ist, 
welche  für  das  Heranwachsen  eines  den  Wirtschaftszwecken  entsprechenden  neuen  Be- 
standes erforderlich  ist;  ausser  der  ersten  Bestandesanlage  gehören  also  zur  Bestandes- 
begründung auch  alle  Nachbesserungen,  sowie  die  allmähliche  Entnahme  des  bei  der 
natürlichen  Verjüngung  zunächst  verbliebenen  Oberstandes.  Hingegen  sind  alle  die- 
jenigen Eingriffe,  welche  planmässig  in  die  Substanz  des  neu  erwachsenden  Bestandes 
erfolgen,  als  Massnahmen  der  Bestandeserziehung  aufzufassen.  Beim  Femelbetrieb  lässt 
sich  eine  scharfe  Scheidung  beider  Kategorien  von  Wiii;schaftsoperationen  nicht  leicht 
durchführen. 

Aufgabe  aller  Bestandeserziehung  oder  Bestandespflege  ist  es,  die  Entwickelung 
der  Bestände  so  zu  leiten,  dass  dieselben  dem  Wirtschaftszweck  möglichst  vollkommen 
entsprechen.  Damit  dies  Ziel  erreicht  werde,  müssen  nicht  nur  alle  Gefahren  fern  ge- 
halten und  die  nachteiligen  Wirkungen  etwa  eingetretener  Beschädigungen  auf  ein 
möglichst  geringes  Mass  reduziert  werden,  sondern  es  muss  auch  der  in  ungefährdetem 
Wachstum  stehende  gesunde  Bestand  innerhalb  des  durch  den  Wirtschaftszweck  ge- 
gebenen Rahmens  der  höchstmöglichen  Leistung  zugeführt  werden. 

Durch  die  Betonung  des  Wirtschaftszweckes  ist,  sofern  dieser  wechseln  kann,  die 
starre  Schulregel  vermieden,  der  Wirtschaft  eine  gewisse  Beweglichkeit  gewahrt,  dem 
Willen  des  Waldbesitzers,  dessen  Interessen  an  verschiedenen  Orten  und  unter  ver- 
schiedenen Umständen  sehr  von  einander  abweichende  sein  können,  der  nötige  Spiel- 
raum gesichert.  Es  kommt  also  vor  allem  darauf  an,  die  wirtschaftlichen  Ziele,  welche 
zu  verfolgen  sind,  klar  zu  stellen.  Im  allgemeinen  hat  man  dieselben  in  der  höchsten 
Rentabilität  des  Betriebes  zu  erblicken,  und  da  in  den  meisten  Fällen  dem  Nutzholz 


508  IV.  Lorey,  Waldbau. 

der  höhere  Wert  zukommt,  und  unter  dieser  Gesamtrubrik  wiederum  die  stärkeren 
Stangen  und  das  Stammholz  in  guter  marktfähiger  Ware  (bestimmte  Länge  und  Stärke, 
Geradschaftigkeit  und  Astreinheit)  gewöhnlich  den  Ausschlag  geben,  so  kann  man, 
wenigstens  für  die  meisten  Hochwaldungen,  unbedenklich  die  Anzucht  möglichst  vielen 
und  guten  Langnutzholzes  als  Wirtschaftszweck  hinstellen,  zumal  in  neuerer  Zeit  die 
immer  weitergehende  Verwendung  von  Surrogaten  den  Brennholzmarkt  fast  überall 
so  wesentlich  eingeschränkt  hat.  Selbstredend  sind  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Ab- 
satzverhältnisse aufs  sorgfältigste  zn  beachten;  die  gewerblichen  Verhältnisse  bringen 
es  nicht  selten  mit  sich,  dass  einzelne  Sortimente  örtlich  eine  erhöhte  Bedeutung  er- 
langen, infolge  deren  ihrer  Anzucht,  sofern  sich  dieselben  nicht  beim  gewöhnlichen  Be- 
trieb in  genügender  Menge  nebenbei  ergeben,  besondere  Sorge  gewidmet  sein  mnss. 
Dass  bei  aller  Bestandserziehung  im  Interesse  des  jetzt  voründlichen  Bestandes,  sowie 
insbesondere  mit  Rücksicht  auf  die  Nachhaltigkeit  der  Wirtschaft  die  Bodenpflege  eine 
hervorragende  Rolle  zu  spielen  hat,  ist  selbstverständlich,  übrigens  auch  in  den  bis- 
herigen Erörterungen  schon  mehrfach  betont  worden. 

Einen  Uebergang  zwischen  Bestandesbegründung  und  -erziehung  bilden  diejenigen 
Massregeln,  welche,  unmittelbar  an  die  Vornahme  der  Kultur  anschliessend,  die  aller- 
erste Entwjckelung  der  jungen  Pflanzen  fördern,  bezw.  schützen  sollen,  also  z.  B.  Aus- 
stechen von  Pflanzen  in  (absichtlich  oder  unabsichtlich  zu  dichten  Saaten  ^^^),  Auftreiben 
von  Schafherden  gegen  Stockausschläge  und  gegen  Unkraut,  Ausschneiden  des  Grases 
zwischen  den  Saat-  und  Pflanzreihen,  Ausraufen  der  Unkräuter  u.  s.  w.  Alle  diese 
Vornahmen  dienen  zwar  unzweifelhaft  schon  der  Bestandeserziehung,  können  aber  auch 
noch  als  zur  Ausführung  der  Kultur  selbst  gehörig  oder  als  direkte  Massregeln  des 
Forstschutzes  betrachtet  werden ;  sie  sollen  deshalb  und,  weil  die  eigentliche  Bestandes- 
erziehung doch  in  und  mit  dem  auf  der  Fläche  erwachsenden  Material  an  Holz  pflanzen 
arbeitet,  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  besprochen  werden. 

Die  Bestandeserziehung  umfasst  nach  dieser  Abgrenzung  die  sog.  Reinigungs- 
hiebe, die  Durchforstungen,  die  Aufästungen,  die  Auszugshau- 
ungen,  den  Unterbau  und  den  Lichtungsbetrieb. 

Erstes  Kapitel. 
Die  Reinigungshiebe.    (Auslftuterungen.) 

§  53.  Unter  denselben  ist  die  Entnahme  solcher  Holzgewächse  zu  verstehen, 
welchen  bei  der  Bestandesbildung  die  Mitwirkung  versagt  sein  soll.  Es  sind  dies  ein- 
mal die  Individuen  derjenigen  Holzarten,  deren  Anzucht  überhaupt  nicht  beabsichtigt 
ist,  sodann  von  den  das  Objekt  der  waldbaulichen  Tätigkeit  bildenden  Holzarten  die- 
jenigen Exemplare,  welchen  schon  bei  oder  bald  nach  der  Bestandesbegründung  die 
Fähigkeit  abgesprochen  werden  muss,  tüchtige  Bestandesglieder  zu  werden.  Hierher 
gehört : 

L  Der  Aushieb  von  Verwüchsen**^®)  (Wölfe),  als  welche  Individuen  der 

157)  Auf  den  Waldfeldbauflächen  des  Württembergischen  Forsts  Ochsenhausen  wird 
zur  Fichten-Einsaat  ein  so  bedeutendes  Samenquantum,  bis  25,  ja  40  kg  pro  ha  verwendet, 
dass  die  auf  dem  schon  vorher  durch  landwirtschaftliche  Benutzung  gelockerten  Boden  meist 
trefflich  keimenden  Pflanzen  nicht  alle  Platz  finden,  sondern  zum  grossen  Teil  für  ander- 
weite Kulturen  abgegeben  werden,  cfr.  Der  Waldfeldbaubetrieb  im  Forst  Ochsenhausen. 
Allg.  F.  u.  J.Z.  V.  1884  S.  341. 

158)  Zu  vergleichen:  Trübswetter,  „Bedeutung  des  Vorwuchses  für  die  Begrün- 
dung und  Formbildung  reiner  und  gemischter  Bestände" ;  Tharander  Jahrbuch  35.  Bd.  S.  131  ff. 
(1885).  —  Hartwig,  „Wirtschaftliche  Bedeutung  des  sog.  Vorwuchses  bei  Begründung  und 
Formbildung  reiner  und  gemischter  Waldbestände'' ;  Forstw.  Zentralbl.  von  1882,  Heft  2. 


Die  Bestandeserziehung.     §  63.  509 

demnächst  den  Bestand  bildenden  Holzart  bezeichnet  werden,  die  sich  schon,  bevor  die 
Fläche  in  Kultur  gebracht  wurde,  auf  derselben  eingefunden  hatten  oder,  wenn  gleich- 
zeitig mit  den  umgebenden  Individuen  entstanden,  aus  irgend  einem  Grunde  eine  die 
Nachbarn  schädigende  besonders  rasche  Entwickelung  zeigen.  Letzteres  ist  z.  B.  nicht 
selten  der  Fall  bei  Stockausschlägen,  welche  sich  oft  ungebührlich  vordrängen.  Es 
kann  dann  die  Frage  entstehen,  ob  man  dieselben  sämtlich  entfernen  oder  sie  in  be- 
schränktem umfang  durch  Belassen  einzelner  Loden  zur  Bestandesbildung  beiziehen 
will.  Frühzeitig  vorgenommener  Abhieb  von  Stockloden  hat  bei  den  meisten  Holzarten, 
wie  Eiche,  Ahorn  u.  s.  w.  die  Neubildung  von  solchen  und  damit  oft  neues  Bedrängen 
der  umstehenden  Pflanzen  zur  Folge;  es  ist,  falls  gänzliches  Entfernen  beabsichtigt 
wird,  oft  zweckmässig,  wenn  man,  gewissermassen  um  die  Stöcke  lahm  zu  legen,  zu- 
nächst auf  jedem  Stock  eine  oder  wenige  Loden  stehen  lässt,  welche  in  der  nächsten 
Zeit  so  sehr  alle  Kraft  für  sich  in  Anspruch  nehmen,  dass  die  ringsum  neu  entstehen- 
den Ausschläge  verkümmern.  Dann  werden  die  stehengelassenen  Einzelloden,  welche 
inzwischen  in  ihrer  isolierten  Stellung  nicht  geschadet,  sondern  im  Gegenteil  häufig 
vielleicht  noch  einen  ganz  wohltätigen  Schutzbestand  gebildet  hatten,  nachträglich  weg- 
genommen. Inzwischen  sind  die  umgebenden  Holzpflanzen  so  weit  herangewachsen,  dass 
ihnen  neu  erscheinende  Stockausschläge  nicht  mehr  bedenklich  werden. 

In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  um  solche  Verwüchse,  welche  sich  vor 
der  Vornahme  der  eigentlichen  Verjüngung  eingestellt  haben,  wie  sie  namentlich  im 
Femelschlagbetrieb  von  Mastjahren  herrühren,  deren  Ergebnis  mit  Rücksicht  auf  die 
Beschaffenheit  des  Altholzes,  auf  Hiebsfolge,  Etatserfüllung  u.  s.  w.,  also  in  der  Haupt- 
sache aus  Gründen  der  Forsteinrichtung,  zur  vollständigen  Bestandesverjüngung  noch 
nicht  verwendet  werden  konnte.  Derartige  Vorwüchse  bedürfen  je  nach  ihrer  Be- 
schaffenheit einer  verschiedenen  Behandlung.  Eine  normale  Entwickelung  zeigen  sie 
meist  nur  auf  lichteren  Stellen  des  Bestandes  und  auch  da  nur,  wenn  sie  in  Gruppen 
oder  Horsten  auftreten;  einzeln  vorkommende  Exemplare  dehnen  sich  meist  in  Aesten 
und  Wurzeln  zu  sehr  seitlich  aus,  werden  buschartig  und  sind  nicht  befähigt,  sich  zu 
guten  Nutzstämmen  zu  entwickeln.  Der  unter  dem  Schatten  eines  noch  dichten 
Eronenschirmes  in  Mastjahren  entstehende  Vorwuchs  vergeht,  insbesondere  bei  Buche 
und  Fichte,  oft  nach  einigen  Jahren  wieder  vollständig.  Anders  bei  der  Tanne,  deren 
Jungwüchse  so  zäh  sind,  dass  sie  sich,  wenn  auch  kümmerlich  und  ohne  irgend  welchen 
nennenswerten  Zuwachs,  doch  lebend  erhalten  und  sich  dann,  wenn  durch  Vorberei- 
tungshiebe u.  s.  w.  die  normale  Verjüngung  des  Bestandes  eingeleitet  wird,  da  und 
dort,  je  nach  dem  verschiedenen  Masse  der  Lichtzufnhr  und  der  ihnen  innewohnenden 
Kraft,  einzeln  oder  in  Gruppen  und  Horsten  vordrängen. 

Die  Entscheidung  darüber,  ob  solche  Vorwüchse  zu  erhalten  sind  oder  nicht,  ist 
unter  zwei  Gesichtspunkten  zu  treffen.  Zunächst  nämlich  und  vor  allem  ist  der  Vor- 
wuchs selbst  auf  seine  Entwickelungsfähigkeit  zu  begutachten,  sodann  aber  ist  die  Frage 
zu  erwägen,  was  mit  den  zwischen  den  Vorwüchsen  vorfindlichen  Lücken  geschehen 
soll,  d.  h.  ob  sich  die  auf  diesen  (durch  Samenabfall  auf  natürlichem  Wege  oder  durch 
künstliche  Kultur)  entstehenden  Jungwüchse  zwischen  den  Vorwüchsen  freudig  hinauf- 
zuarbeiten vermögen  werden  oder  nicht.  Die  sich  im  Walde  darbietenden  Fälle  sind 
äusserst  mannigfaltig;  bald  ist  ein  grösserer,  bald  ein  kleinerer  Teil  der  Fläche  mit 
Vorwuchs  überdeckt;  bald  hat  letzterer  einen  bedeutenden,  bald  nur  einen  geringen 
Vorsprung;  bald  sollen  die  Lücken  mit  der  gleichen,  bald  mit  einer  (vielleicht  rascher 
wüchsigen)  Mischholzart  ausgefüllt  werden.  Kranker,  vollständig  verhütteter  Vorwuchs 
ist,  eiozeln  oder  in  Horsten,  jedenfalls  zu  entfernen;  ebenso  wird  man  einzelne  vor- 
wüchsige  Exemplare,  auch  wenn  sie  an  sich  gut  sind,  häutig  wegnehmen,  sofern  deren 


510  IV.  Lorey,  Waldbau. 

fortdauernde  Pflege  (durch  Aufastung  etc.)  ausgeschlossen  erscheint,  und  deshalb  Be- 
drängung der  Nachbarpflanzen  zu  erwarten  steht.  Im  übrigen  aber  soll  man  keines- 
wegs radikal  gegen  jeden  Vorwuchs  vorgehen  und  der  Vorliebe  für  gleichförmige, 
gleichalterige  Bestünde  zu  weitgehende  Opfer  bringen.  Die  Weisstannenwiitschaft  be- 
nutzt die  Vorwiichse  fast  überall  schon  lange.  Dabei  ist  zu  unterscheiden  dasjenige 
Vorgehen,  in  welchem  man  den  Vorwuchs,  wie  im  Femelbetrieb,  als  den  eigentlichen 
Träger  der  Verjüngung  betrachtet  (so  dass  die  Bezeichnung  ^Vorwuchs*  dann  nicht 
mehr  passt)  und  wo  dann  von  vornherein  eine  systematische  Pflege  dieser  jungen  An- 
wüchse stattfindet,  von  derjenigen  Wirtschaft  (Schirmschlagbetrieb),  in  welcher  sich 
dieselben  als  eigentliche  Vorwüchse  charakterisieren  und  nur  einen  accessorischen  Be- 
standteil bilden.  Hier  kann  man  den  lebenskräftigen  Vor  wuchs  ziemlich  allgemein  be- 
nutzen, wenn  er  nicht  über  manneshoch  ist,  weil  dann  die  Hoffnung  besteht,  dass  die 
auf  den  freien  Plätzen  dazwischen  sich  ansiedelnden  Pflanzen  in  genügender  Weise 
nachwachsen  werden ;  höhere  Partien  können  dann  stehen  bleiben,  wenn  sie  als  grössere 
Horste  erscheinen,  welche  in  sich  geschlossene  Beständchen  darstellen  und  als  solche 
im  Vergleich  zu  ihrer  Fläche  nicht  zu  viel  Randlinie  haben.  Eine  Egalisierung  tritt 
bei  unregelmässigen  Figuren  ein;  überhaupt  erfordert  der  Schutz  des  zwischen  hinein 
entstehenden  Jungwuchses  gegen  Bedrängung  durch  die  Vorwüchse  andauernd  sorgsame 
Beachtung.  Soll  kein  reiner  Tannenbestand,  sondern  etwa  ein  Mischwuchs  aus  Tanne 
und  Fichte  ^^^)  nachgezogen  werden,  so  hat  man  beste  Gelegenheit,  zwischen  den  Tannen- 
vorwüchsen  die  Fichte  zur  Pflanzung  einzubringen. 

Besondere  Vorsicht  erfordert  das  Aushauen  der  Vorwüchse  dann,  wenn  es  nicht 
in  frühester  Jugend,  sondern  bei  schon  etwas  vorgeschrittener  Entwickelung  des  Be- 
standes (Gertenholzalter)  erfolgen  muss.  Dann  hat  man  einerseits  zu  sorgen,  dass  da- 
durch keine  Lücken  entstehen,  andererseits  dafür,  dass  nicht  in  der  Folge  die  ringsum 
erwachsenen  schlanken  Stämmchen,  ihrer  Stütze  beraubt,  sich  umlegen.  Wäre  dies, 
wie  insbesondere  in  Laubholzhegen  nicht  selten,  zu  befürchten,  so  müsste  man  sich  zu- 
nächst auf  blosses  Köpfen  der  Vorwüchse  in  entsprechender  Höhe  beschränken. 

Oberster  Grundsatz  bleibt  immer,  dass  die  Vorwüchse  nur  insoweit  beizubehalten 
sind,  als  sie  einen  wirklich  brauchbaren,  weil  allen  Anforderungen  bezüglich  normaler 
Entwickelung  genügenden  Bestandesteil  zu  liefern  versprechen  und  nicht  durch  später 
nötig  werdende  erweiterte  Bestandespflege  (Rand Verdammung),  sowie  event.  durch  Ver- 
mehrung der  Frostgefahr  (geringerer  Luftzug)  die  Vorteile  paralysieren,  welche  sie 
durch  höheres  Alter,  durch  ihren  Zuwachs,  sowie  durch  die  Ersparung  an  Kulturkosten 
gewähren  können.     Sorgfältige  Erwägung  des  einzelnen  Falles  ist  geboten. 

Die  Entfernung  der  Vorwüchse  kann  je  nach  Umständen  mittelst  der  Säge,  der 
Axt  und  des  Beils,  der  Heppe  und  der  Durchforstungsschere  vorgenommen  werden. 
In  letzterem  Falle  ist  nur  eine  solche  mit  konvexer  Schneide  vollkommen  leistungsfähig. 

§  54.  IL  Ausjätungen  (Ausläuterungen),  d.  i.  die  Entnahme  von  Exem- 
plaren anderer  als  der  das  Wirtschaftsobjekt  bildenden  Holzarten,  sowie  aach  von 
Exemplaren  der  letzteren  bei  übermässig  dichtem  Stand  derselben  im  jugendlichen 
Alter  ^«0). 

Im  ersteren  Falle  hat  man  es  mit  spontanem  Auftreten  zu  tun,  und  zwar  sind 
es  meist  raschwüchsige  Laubhölzer  (Baum-  und  Straucharten),  welche  sich  in  die  jungen 

159)  Wie  z.  B.  vielfach  im  wüttemb.  Schwarzwalde;  cfr.  u.  a.  auch  Fahl,  »Wirt- 
schaftliche Bedeutung  und  Behandlung  des  Vorwuchses".  Allg.  F.  u.  J.Z.  v.  1887,  S.  37 
und  S.  236. 

160)  cfr.  u.a.  Rebmann,  „Bedeutung  und  Ausführung  der  Reinigungshiebe*'.  Allg. 
F.  u.  J.Z.  von  1881  S.  401  ff. 


Die  Bestandeserziehung.     §  54.  511 

Hegen  eindrängen  Tjind  darch  Verdammen  der  Hanptholzarten  nachteilig  werden,  Indem 
sie  vermöge  ihrer  oft  ungemein  kräftigen  Entwickelung  den  Boden  und  den  oberirdi- 
schen Wachsraum  ungebührlich  in  Anspruch  nehmen.  Yon  Nadelhölzern  tritt  fast  nur 
die  gemeine  Kiefer  ab  und  zu  in  der  angedeuteten  Weise  auf:  Anflug  von  Mutter- 
bäumen, der  dann  gelegentlich  durch  seinen  sperrigen  Wuchs  unbequem  wird,  übrigens, 
weil  demselben  die  Reproduktionskraft  fehlt,  durch  Aushieb  leicht  bemeistert  werden 
kann.  Auch  Laubsträucher,  wie  Lonicera,  Prunus  spinosa,  Crataegus,  Rhamnus,  Cornus, 
Vibumum  u.  a.  m.,  sind  nicht  für  längere  Dauer  bedenklich;  sie  können  zwar  einer 
jungen  Kultur,  wenn  man  sie  nicht  rechtzeitig  weghaut,  bei  reichlichem  Vorkommen 
übel  mitspielen,  werden  aber  doch  in  einigen  Jahren  von  dem  jungen  Holzbestande  so 
vollständig  überwachsen,  dass  ihre  Stockausschläge  sich  nicht  mehr  hindurchzuarbeiten 
vermögen  und  von  da  ab,  sofern  sie  sich  überhaupt  noch  lebend  erhalten  können,  die 
Rolle  eines  unschädlichen  Bodenholzes  spielen. 

Von  diesen  Strauchhölzem  sind  die  sog.  weichen  Laubhölzer  zu  unterscheiden, 
welche  sich  baumartig  entwickeln,  wie  z.  B.  die  Salweide,  oder  wie  Birke  ^^^)  und 
Aspe  eigentliche  Baumholzarten  sind  und  sich  —  durch  Samenabflug  sowie  durch  Stock- 
ansschlag —  nicht  nur  leicht  einfinden,  sondern  sich,  da  sie  meist  geringe  Bodenan- 
sprüche machen,  zumal  auch  auf  schlechteren  Standorten,  durch  relativ  bedeutendes 
Höhenwachstum  auszeichnen.  Man  hat  es  in  der  Hand,  auch  diese  Holzarten  durch 
energischen  Aushieb  zurückzudrängen.  Oft  muss  man  in  kurzer  Zeit  die  Massregel 
mehrmals  wiederholen,  um  Herr  zu  werden.  Aber  auch  hier  ist  radikales  Vorgehen 
gegen  dieselben  keineswegs  immer  als  Regel  zu  empfehlen;  es  ist  vielmehr  vorab  ein 
wesentlicher  Unterschied,  ob  sich  dieselben  in  Laubholz-  oder  in  Nadelholzhegen  finden; 
in  letzterem  sind  sie  im  allgemeinen  bedenkliche  Graste.  Besonders  reichlich  stellen 
sie  sich  begreiflich  in  Nadelholzkulturen  dann  ein,  wenn  eine  Umwandlung  aus  Mittel- 
wald durchgeführt  wird,  wo  also,  weil  eine  voranfgehende  Rodung  längst  nicht  überall 
vorgenommen  werden  kann,  das  Material  für  Lieferung  von  Stock-  und  Wurzelaus- 
schlägen im  Boden  in  Menge  vorhanden  ist.  Unter  diesen  Umständen  konkurrieren 
dann  mit  den  oben  genannten  Holzarten  die  Ausschläge  von  Eichen,  Ahorn  u.  s.  w. 
Sobald  die  Kultur  zum  Schluss  gekommen  ist,  darf  die  Gefahr  meist  als  beseitigt  an- 
gesehen werden.  Laubhölzer,  die  mit  dem  Nadelholz  gleichzeitig  in  die  Höhe  gehen, 
schaden  dem  letzteren,  abgesehen  davon,  dass  sie  ihm  den  Platz  versperren,  besonders 
durch  Abpeitschen  der  Knospen  an  den  Trieben;  vorwachsende  Laubhölzer,  wie  es  die 
vor  dem  ersten,  bezw.  zwischen  diesem  und  dem  zweiten  Reinigungshieb  entstandenen 
Stockausschläge  und  Kemwüchse  meistens  sind,  schaden  überdies  durch  Beschattung, 
sobald  sie  dem  Nadelholz  zu  reichlich  beigesellt  sind.  Immerhin  gewähren  dieselben 
da  und  dort  einen  wohltätigen  Schutz  gegen  Frost,  und  es  gibt  auch  dem  Nadelholz 
gegenüber  einen  Ausnahmefall,  in  welchem  das  sonst  meist  gebotene  Vorgehen  gegen 
derart  beigemischte  Laubhölzer  nicht  oder  wenigstens  nicht  immer  angezeigt  ist,  näm- 
lich dann  nicht,  wenn  es  sich  um  vorwachsende  Birken  in  Hegen  von  Fichten  oder 
Tannen  handelt.  Ist  die  Birke  den  genannten  Holzarten  so  weit  vorwüchsig  oder  wird 
regelmässig  so  weit  ausgeastet,  dass  sie  deren  Gipfel  mit  ihren  Zweigen  nicht  mehr 
befegen  kann,  so  gewährt  gerade  sie  einerseits  dem  Nadelholz  einen  in  vielen  Lagen 
überaus  dankenswerten  Schutz  gegen  Frost  und  liefert  anderseits  eine  unter  Umständen 
(wenn  auch  meist  nur  in  beschränktem  Umfange^  nicht  unbeträchtliche  Vomutzung  in 
Gestalt  von  Besenreisig '^^) ;    von  der  Entwickelung  des  Nadelholzes  hängt  es  ab,   in 

161)  Die  Birke  pflegt,  obwohl  nicht  Weichholz,  ihres  in  diesem  Punkte  gleichartigen 
waldbaulichen  Verhaltens  wegen  einbezogen  zu  werden. 

162)  Nach  Mitteilungen   des   kgl.  Württembg.  Revieramts   Bebenhausen   sind  in   den 


512  IV.  Lorey,  Waldbau. 

welchem  Zeitpunkte  man  später  die  Birke  herauszuhauen  hat ;  dieselbe  ergibt  dann  gute 
Wagnerhölzer.  Einzelne  Exemplare  lässt  man  wohl  auch  einwachsen,  damit  sie  nach 
dem  Abtrieb  die  Fläche  mit  dem  für  die  Neukultur  als  Schutzbestand  meist  erwünschten 
Anflug  versorgen. 

In  Laubholzhegen  ist  die  Beurteilung  der  ohne  Zutun,  bezw.  vielleicht  gegen  den 
Willen  des  Wirtschafters  auftretenden  Weichhölzer  nicht  so  generell  gegeben.  Haupt- 
sächlich sind  die  Hegen  der  Rotbuche  von  Weichholz,  sowie  in  dessen  CFesellschaft  von 
der  Hainbuche  meist  mehr  oder  weniger  reichlich  durchsetzt.  Soweit  die  Hainbuche 
durch  massenhaftes  Auftreten  ihrer  vordringlichen  Jungwüchse  die  empfindlichere  Rot- 
buche schädigt,  liegt  meist  ein  Verschulden  der  Wirtschaft  vor,  indem  man  nicht  recht- 
zeitig im  Vorbereitungsschlag  oder  schon  vorher  bei  den  letzten  Durchforstungen  fnr 
Aushieb  der  überzähligen  Hainbuchen  gesorgt  hat;  einige  stehenbleibende  Exemplare 
derselben  genügen,  um  die  immerhin  erwünschte  massige  Beimischung  dieser  Holzart 
zu  sichern.  Die  Weichhölzer  fliegen  —  abgesehen  von  ihren  raschwüchsigen  Stockaus- 
schlägen —  meist  auch  noch  von  weiter  her  in  den  Hegen  an;  es  kommt  darauf  an, 
ob  sie  die  Hauptholzart  wirklich  zu  verdammen  drohen,  was  namentlich,  wenn  sie  in 
grösseren  Gruppen  und  Horsten  auftreten,  nicht  selten  zu  fürchten  ist,  oder  ob  sie 
mehr  nur  vereinzelt  auftreten.  Da  sie  lichtkronige  Hölzer  sind,  so  ist  in  letzterem 
Falle  ihre  beschattende  Wirkung  meist  nicht  sehr  von  Belang,  und,  da  sie  überdies 
zum  Teil  sehr  gut  nutzbare  Holzarten  sind,  so  soll  man  ihnen  einen  bescheidenen  Platz 
wohl  gönnen,  so  lange  und  in  solchem  Umfang,  als  dieselben  auf  dem  Holzmarkte  durch 
ihren  Preis  die  ihnen  gewährte  Nachsicht  lohnen.  Auch  können  sie  wohl  einige  Be- 
deutung als  Wildfutter  haben.  Schlimmsten  Falles  kann  man  ja  bei  Gelegenheit  der 
Durchforstungen  noch  einschreiten.  Die  Birken  liefern  bei  der  ersten  Ausläut«rung 
Bindewieden  für  den  Holzhauereibetrieb,  sowie  im  Sommer  für  die  Fruchtemte. 

Die  ebenfalls  zu  den  Ausläuterungen  gehörende  Verdünnung  zu  dichter  Jung- 
wüchse, sowohl  im  Nadelholz,  als  auch  im  Laubholz,  erfolgt  durch  Ausschneiden  der 
Einzelindividuen,  oder  durch  gassenaitige  Durchhiebe,  letzteres  besonders  in  dichten 
Nadelholzsaaten  nach  v.  Holleben  in  Rudolstadt.  An  den  Rändern  dieser  Gassen  ent- 
wickeln sich  einzelne  stärkere  Stämmchen  kräftig  und  übernehmen  die  Führung.  Von 
den  Dnrchforstnngen  unterscheiden  sich  diese  Aushiebe  ihrem  Wesen  nach  dadurch, 
dass  sie  ein  geringwertiges  Material  und  daher  meistens  keinen  Reinertrag  liefern, 
vielmehr  Zuschüsse  erfordern. 

Zweites  Kapitel. 
Die  Dupchforstungen'"). 
§  55.    L  Begriff  derselben:    Man  versteht  darunter  die,   sowohl  zu  £r- 


Staatswaldungen  desselben  auf  einer  Gesamtfläche  der  1 — 40jährigen  Nadelholzorte  von  etwa 
450  ha  (bei  sehr  ungleichmässiger  Verteilung  der  eingesprengten  Birken)  in  den  Jahren 
1881 — 1885  im  ganzen  an  Birkenreisig  geerntet  worden :  a)  Besenreisig  3874  Wellen  =  77,5  fm, 
Erlös  =  1596,33  Mk.,  mithin  pro  1  f m  =  20,6  Mk. ;  b)  Brennholz-Wellen  (die  dickeren,  zu 
Besen  nicht  tauglichen  Reiser)  5045  Stück  =  100,9  fm  =  790  Mk.;  zusammen  also  durch- 
schnittlich jährlicher  Ertrag  =  477  Mk. 

163)  Man  vergleiche  ausser  den  im  Eingang  unter  Literatur  genannten  Waldbau- 
schriften u.  a. :  Baur,  Dr.  Franz  von:  „Zur  Geschichte  der  Durchforstungen*',  forstw. 
Zentralblatt  von  1882,  S.  21  flF.  und  S.  205  ff.  —  Ders. ,  „lieber  Durchforstungen  und 
Durchforstungsversuche"  in  Ganghof ers  „Versuchswesen"  n.  Bd.  S.  209  ff.  —  v.  Fisch- 
bach, „Zur  Weiterentwickelung  der  Lehre  von  den  Durchforstungen''.  Forstw.  Zentral- 
blatt V.  1884  S.  426  ff.,  v.  1885  S.  466  u.  S.  553.  —  Ders.,  „Die  wirtschaftl.  Leistungen 
des  Voll-  und  Abtriebsbestandes,  sowie  der  verschiedenen  Stammklassen'' .   Zentralbl.  f.  d.  ges. 


Die  Bestandeserziehung.     §  56.  513 

ziehungs-,  als  auch  zu  Natzungszwecken  stattiiudeüden  planmässigen  Hanangen  in  allem, 
aus  dem  laufenden  Umtrieb  stammenden  Material  ^^*)  eines  Bestandes,  welche  nach  Vor- 
nahme der  Läuterungen  bis  zur  beginnenden  Hiebsreife  stattfinden,  soweit  sie  keine 
bis  zum  föimlichen  Lichtungshieb  gesteigerten  Eingriffe  in  die  Bestandesmasse  darstellen. 

Die  Durchforstungen  werden  sich  besonders  auf  das  Zurückbleibende,  sowie  das, 
für  die  vorteilhafte  Entwickelung  des  Bestandes  ungeeignete  Material  erstrecken,  um  auf 
diese  Weise  durch  die  freiere  Stellung  der  verbleibenden  Stämme  deren  Massen-  und 
Wertsproduktion  zu  fördern  und  durch  den  Erlös  aus  dem  anfallenden  Material  Erträge 
zu  gewähren.  Bei  ihrer  Ausführung  wird  man  immer  den  Wiedereintritt  des  Schlusses 
bis  zur  Wiederholung  voraussetzen,  was  bei  den  Lichtungshieben,  die  eine  dauernde 
Schlussunterbrechung  im  Gefolge  haben,  nicht  der  Fall  ist.  Im  Sinne  der  Forsteinrichtung 
hört,  wo  die  Einteilung  in  20jährige  Perioden  vorliegt,  das  Gebiet  der  Durchforstungen 
im  allgemeinen  bei  den  Waldorten  der  ersten,  die  ältesten  Bestände  umfassenden  Periode 
auf.  Eingriffe  in  die  Bestände  der  ältesten  Klassen,  soweit  sie  nicht  schon  starke,  mit 
der  Verjüngung  in  Verbindung  stehende  Lichtungen  darstellen,  nennt  man  zweckmässig 
Durchhiebe  und  rechnet  ihren  Ertrag  nicht  mehr  zur  Zwischen-,  sondern  vielmehr  zur 
Hauptnutzung.  Ueberdies  sollen  nach  den  meisten  bezüglichen  Instruktionen  auch  solche 
Eingriffe  in  das  Bestandesmaterial  jüngerer  Orte  zur  Hauptnutzung  gerechnet  werden, 
welche  eine  fühlbare  Schmälerung  des  Haubarkeitsertrags  nach  sich  ziehen,  oder  zu  be- 
deutend sind,  als  dass  infolge  derselben  die  normale  Weiterentwickelnng  eines  Bestandes 
ohne  Füllung  der  entstandenen  Lücken  durch  Anbau  erwartet  werden  könnte.  Die  plan- 
mässigen Hiebe  der  letztbezeichneten  Art  sollen  als  „Lichtungshiebe"  besonders  be- 
trachtet werden  ^^^). 

§  56.  II.  Zweck:  Die  Durchforstungen  ergeben  sich  als  wirtschaftliche  Mass- 
regel aus  der  Beobachtung  der  Bestandesentwickelung.  Letztere  ist  durch  die  einfache 
Tatsache  gekennzeichnet,  dass  im  Haubarkeitsalter  nur  noch  ein  verhältnismässig  kleiner 
Teil  derjenigen  Individuen  vorhanden  ist,  welche  ursprünglich  den  Jungbestand  gebildet 
hatten ;  die  einzelnen  Bäume  haben  im  Verlauf  ihrer  Entwickelung  eine  solche  Ausbil- 
dung erlangt,  dass  auf  gegebener  Fläche  nicht  mehr  als  eine  gewisse  Anzahl  derselben 
Platz  findet,  während  sich  diese  Altholzstämme  in  den  früheren  Lebensperioden  in  der 
Gesellschaft  einer  mit  zunehmendem  Alter  des  Bestandes  naturgemäss  stets  kleiner 
werdenden  Menge  von  Genossen  befunden  hatten,  die  von  vornherein  von  der  Natur 
oder  dem  Wirtschafter  meist  als  gleichberechtigt  nebeneinandergestellt  worden  waren  ^^°). 


Forstwesen,  Juli  1885.  —  Borggreve,  „Zur  Plänterdurchforstung''.  Forstl.  Blätter  von 
1887  S.  225  ff.  —  Landolt  in  d.  Schweiz.  Zeitschr.  1885  S.  27.  —  Speidel,  Wald- 
bauliche Forschungen  in  württembergischen  Fichtenbeständen  mit  Beiträgen  zur  Wirtschafts- 
geschichte, Zuwachs-  und  Durchforstungslehre  1889.  —  Laschke,  „Oekonomik  des  Durch- 
forstungsbetriebes'*  1901.  —  Ders.,  „Geschichtliche  Entwickelung  des  Durchforstungsbe- 
triebes''  etc.  1902.  —  Kozeönik,  „Die Bestandespflege  mittelst  der  Lichtung  nach  Stamm- 
zahltafeln"  1898.  —  Hang,  „Beitrag  zu  der  Durchforstungsfrage«  A.  F.  u.  J.Z.  1894—1897 
(versch.  Abhandlungen).  —  Ders.,  „Die  Stammzahlfrage  und  ihre  Bedeutung  für  die  Be- 
standespflege" A.  F.  u.  J.Z.  1899,  S.  8.  —  Hausrath  „Zur  Geschichte  der  Durchforstungen" 
F.  Zbl.  1896  S.  536.  —  Mayr,  „Die  Erziehungshiebe  (Durchforstungen)  der  neuen  Schule" 
A.  F.  u.  J.Z.  1900  S.  153.  —  Schüpfer,  „Die  Entwickelung  des  Durchforstungsbetriebes 
in  Theorie  und  Praxis  seit  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  dargestellt  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  bayerischen  Verhältnisse"   1903. 

164)  Die  Fällung  von  aus  dem  vorigen  Umtrieb  überkommenen  Stämmen  soll  als  Aus- 
zugshieb besonders  unterschieden  werden.     Vergl.  viertes  Kapitel  dieses  Abschnitts. 

165)  cfr.  Lorey,  „Durchforstung  oder  Lichtungshieb"?  Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1881 
S.  406  ff. 

166)  Dieser  Auffassung  entspricht  es  freilich  nicht  mehr,  wenn  Oberforstrat  Dr.  von 
Fischbach  (Zentralblatt  f.  d.  ges.  Forstwesen,  Juli  1885)  empfiehlt,  schon  im  Jung- 
bestande, womöglich  schon  bei  Vornahme  der  Kultur,  diejenigen  Individuen  zu  bezeichnen, 
welche  später  den  Haubarkeitsbestand  zu  bilden  haben  und  diesen  dann,  damit  sie  ihr 
Ziel    erreichen ,    eine    besonders    sorgfältige    Pflege    augedeihen    zu    lassen ,    alle    übrigen 

Haudbuch  d.  Foratw.    2.  Aufl.     I.  33 


514  IV.  Lorey,  Waldbau. 

(Letzteres  gilt  keineswegs  nur  von  der  Saat  oder  Pflanzung,  sondern  anch  von  der 
natürlichen  Verjüngung,  durch  welche  ebenwohl  ein  Vorzug  einzelnen  Individuen  a  priori 
allgemein  nicht  eingeräumt  worden  ist.)  Die  Zahl  der  Individuen  war  bei  der  Bestan- 
desbegründung im  allgemeinen  so  bemessen  worden,  dass  (früher  oder  später)  Bestandes- 
schluss  bald  eintrat.  Mindestens  von  dem  Augenblicke  an,  da  die  einzelnen  Individuen 
bei  ihrer  Ausdehnung  sich  berühren,  muss  nun  ein  Kampf  derselben  um  die  Herrschaft 
beginnen,  der,  je  nach  Holzart,  Bodenbeschaifenheit  u.  s.  w.  mit  verschiedener  Heftig- 
keit geführt  wird  und  die  bald  mehr  bald  weniger  deutlich  zu  Tage  tretende  Trennung 
in  einen  dominierenden  und  einen  unterdrückten  Bestandesteil  zur  Folge  hat.  Meist 
sehr  bald  werden  bei  diesem  Prozess  der  natürlichen  Ausscheidung  zunächst  einzelne 
Individuen  entschieden  vorwüchsig,  ebenso  wie  andererseits  auch  sehr  bald  eine  Minder- 
zahl unzweifelhaft  derart  zurückbleibt,  dass  an  ihr  normales  Emporwachsen  ohne  das 
Eintreten  besonders  begünstigender  Umstände  nicht  mehr  zu  denken  ist.  Aber  auch 
bei  der  vorerst  sich  noch  zwischen  diesen  Extremen  haltenden  Hauptmasse  zeigt  sich 
doch  sehr  bald  die  Scheidung  in  mehrere  Klassen,  denen  demnächst  im  Bestandesleben 
eine  sehr  verschiedene  Rolle  zufällt. 

Die  Ausscheidung  vollzieht  sich  im  allgemeinen  früher,  energischer  und  mit  schärfer 
markierten  Unterschieden  auf  guten  Standorten;  das  gleiche  gilt  von  Lichthölzem  gegen- 
über schattenertragenden,  bei  welchen  wenigstens  die  zurückbleibenden  Stammklassen  sich 
meist  weniger  deutlich  in  absolut  leistungsunfähige  umsetzen.  Dass  und  wie  die  von  vorn- 
herein gewälüte  Bestandesdichte  hierbei  von  Einfluss  ist,  leuchtet  ein. 

Den  schon  ganz  im  Anfang  alle  Nachbarn  überragenden  Individuen  gesellen  sich 
aus  der  Zahl  der  übrigen  so  ^iele  bei,  als  neben  denselben  genügenden  Entwickelungs- 
räum  finden.  Aber  sie  erringen  sich  ihren  Platz  stets  nur  durch  Kampf  mit  den  Stäm- 
men ihrer  Umgebung,  die  zunächst  das  gleiche  Recht  beanspruchen. 

Welche  Bäume  vorwüchsig  werden,  lässt  sich  schwer  vorausbestimmen.  Es  gibt  in 
jeder  Kultur  stets  einzelne  Exemplare,  die  sich  von  vornherein  durch  besonders  kräftigen 
Habitus  auszeichnen,  und  die  Annahme  liegt  nahe,  dass  sich  diese  unter  sonst  gleichen 
Umständen  dauernd  zu  Führern  im  Bestand  aufschwingen  werden.  Solche  Individuen  sind 
entweder  von  Haus  aus  besser  veranlagt  ^^'^j,  oder  sie  kommen  —  und  dieses  Moment  ist 

Pflanzen  aber,  welche  zur  Deckung  des  Bodens  etc.  von  Anfang  an  notwendig  sind,  nur 
als  Füllholz  zu  behandeln.  Leitend  ist  bei  diesem  Vorschlag  die  Tatsache,  dass  im  ge- 
schlossenen Bestand  die  stärkste  Stammklasse  andauernd  (wie  insbes.  auch  W  a  g  e  n  e  r  s.  Z. 
nachgewiesen  hat)  weitaus  am  meisten  produziert,  dass  man  ferner  an  Kulturkosten  sparen 
müsse  und  nicht  minder  an  Zeit,  indem  man  jene  für  das  Abtriebsalter  prädestinierten  In- 
dividuen in  allseits  unbehinderter  Entwicklung  möglichst  rasch  einer  den  Anforderungen  des 
Marktes  entsprechenden  Stärke  und  Höhe  zuführt.  Was  starke  Durchforstungen,  Freihau- 
ungen,  Lichtungsliiebe  etc.  sonst  erst  von  einem  späteren  Stadium  der  Bestandesentwickelung 
an  erstreben,  soll  hier  schon  von  der  ersten  Jugend  an  durchgeführt  werden.  —  Der  Ge- 
danke ist  jedenfalls  beachtenswert.  Der  Durchführung  stehen  erhebliche  Bedenken  entgegen. 
Jedenfalls  müsste  angesichts  der  vielen  Fährlichkeiten,  mit  denen  der  einzelne  Baum  zu 
kämpfen  hat,  von  vornherein  eine  die  Zahl  der  Stämme  des  Altholzes  beträchtlich  über- 
steigende Menge  solcher  Pfleglinge  vorgesehen  werden.  —  Bei  unseren  Kulturen  mit  Exoten 
verfahren  wir  seit  Jahren  vielfach  in  dieser  Weise,  um  an  dem  teuren  Pflanzmaterial  zu 
sparen.  —  Vergl.  übrigens  die  gegenteilige  Ansicht  von  Frey  im  forstw.  Zentralbl.  von 
1886  S.  242  ff. 

167)  Ich  möchte  trotz  der  gegenteiligen  Ausführungen  Borggreve's  —  cfr.  u.  a. 
dessen  Holzzucht  S.  171  ff.  —  zunächst  an  der  Ansicht  festhalten,  dass  doch  eine  den  Exi- 
stenzkampf der  Individuen  untereinander  beeinflussende  verschiedene  Veranlagung  angenommen 
werden  darf,  und  dass  die  tatsächlich  verschiedene  Entwlckelung  der  einzelnen  Pflanzen  nicht 
nur  auf  Rechnung  der  in  verschiedenstem  Masse  günstigen  oder  ungünstigen  äusseren  Um- 
stände (Feuchtigkeit,  Lockerkeit  des  Bodens,  Beschädigungen  mannigfachster  Art  etc.),  unter 
denen  die  Pflanzen  wachsen,  gesetzt  werden  darf.  Selbst  die  allersorgfältigst,  durchweg 
gleichmässig  (z.  B.  mit  Hilfe  von  Rasenasche*  u.  dergl.)  zubereiteten  Saatbeete  lassen  alsbald 


Die  Bestandeserziehung.     §  56.  515 

jedenfalls  das  weitaus  wichtigere  —  unter  günstigeren  äusseren  Umständen  wie  die  übrigen 
zur  Entwickelung.  Aendern  sich  die  Bedingungen  ihres  Daseins  zu  ihren  Ungunsten,  so 
kann  ein  Umsetzen  stattfinden,  d.  h.  sie  können  in  die  Klasse  der  zurückbleibenden  Stämme 
verschoben  werden,  während  umgekehrt  andere  voranstreben.  Doch  wird  dies  Ueberholt- 
werden  seltener  bei  den  schon  in  der  ersten  Jugend  entschieden  vorwachsenden  als  bei 
Exemplaren  der  demnächst  nachschiebenden  grossen  Masse  anfänglich  noch  dominierender 
Stämmchen  eintreten.  Auch  lässt  das  Umsetzen  schon  gegen  das  Stangenholzalter  hin, 
wenn  es  nicht  durch  die  Wirtschaftsführung  (Aushieb  dominierender  Exemplare  usw.)  be- 
günstigt wird,  bedeutend  nach  und  findet,  nachdem  sich  einmal  ein  kräftiger  herrschender 
Bestand  ausgeschieden  hat,  bezw.  durch  Hilfe  der  Axt  zum  Ausscheiden  gebracht  worden 
ist,  überhaupt  nur  noch  ganz  ausnahmsweise  statt  ^^^).  Jedenfalls  ist  der  Ausscheidungs- 
prozess,  so  lange  der  Bestand  in  ungestörter  Entwickelung  sich  selbst  überlassen  bleibt, 
ein  ohne  Sprünge  stetig  fortdauernder,  bis  schliesslich  im  höheren  (das  wirtschaftlich  zu- 
lässige Mass  meist  überschreitenden)  Alter  nur  noch  so  viele  Stämme  übrig  sind,  als,  ohne 
sich  wechselsweise  zu  beeinträchtigen,  auf  der  Fläche  Kaum  haben. 

Der  Vorgang  ist  ein  durchaus  naturgemüsser,  der  sich  in  jedem  Bestände,  von 
dem  die  wirtschaftende  Hand  des  Menschen  fem  bleibt,  zwar  in  vielfach  moditizierter 
Weise,  im  ganzen  aber  doch  unter  den  gleichen  charakteristischen  Erscheinungen  ab- 
spielt: hinter  den  zur  Herrschaft  gelangenden  Stämmen  bleiben  die  anderen  mehr  und 
mehr  zurück,  bis  sie  als  völlig  unterdrückte  nur  noch  kümmerlich  ihr  Dasein  fristen, 
um  endlich  ganz  abzusterben;  inzwischen  ist  unter  den  herrschenden  Individuen  der 
Kampf  fortgesetzt  worden ;  das  Zurückdrängen  bislang  dominierender  Stämme  in  die  ge- 
ringeren Stammklassen  erreicht  innerhalb  der  allgemein  üblichen  Umtriebszeiten  ein 
Ende  ohne  Zutun  der  Wirtschaft  überhaupt  nicht.  Die  jeweils  dominierenden,  bezw. 
am  Kronenschluss  noch  teilnehmenden  Stämme  bilden  den  Hanptbestand,  die 
übrigen  den  Nebenbestand.  Dass  trotz  dieses  andauernden  Kampfes  massenreiche, 
hochwertige  Bestände  erwachsen,  ist  zweifellos.  Ebenso  unzweifelhaft  ist  es  aber,  dass 
—  wie  die  Wirtschaft  überhaupt  sich  mit  der  Leistung  der  Natur  nicht  begnügen  kann, 
sondern  sich  deren  Wirken  dienstbar  machen  muss,  indem  sie  dasselbe,  soweit  tunlich, 
in  bestimmte  Bahnen  leitet  —  gerade  jener  Kampf  um  die  Herrschaft  im  Leben  des 
Bestandes  für  zielbewusstes  Eingreifen  des  Wirtschafters  eine  der  am  meisten  Erfolg 
versprechenden  Gelegenheiten  darbietet.  Es  gilt,  dadurch,  dass  man  den  Streit  der 
Stämme  abkürzt,  ihm  womöglich  vorbeugt,  einen  nutzlosen  Kräfteverbrauch  hintanzu- 
halten und  eine  bestimmte  Qualität  des  Bestandes  möglichst  rasch  zu  erreichen.  Dazu 
dienen  vornehmlich  die  Durchforstungen,  deren  Zweck  es  also  sein  muss,  fortgesetzt 
in  angemessenen  Zwischenräumen  dem  Bestand  so  viel  Stämme  zu  entnehmen,  dass 
den  übrigen  dadurch  in  möglichst  kurzer  Frist  eine  normale  Ausbildung  ermöglicht 
wird. 

Die  Wirtschaft  hat  diejenigen  Stämme  zu  bestimmen,  welche  weiter  wachsen  sollen. 
Unter  welchen  Umständen  letzteres  geschehen  soll,  ob  die  gegenseitige  Spannung  zwischen 
den  Nachbarstämmen  zeitweise  oder  dauernd  ganz  aufgehoben  oder  nur  verringert  werden 


an  den  erwachsenen  Pflänzlingen  oft  recht  merkliche  Unterschiede  hervortreten ;  warum  sollten 
dieselben  nicht  wenigstens  zum  Teil  auf  das  Samenkorn,  bezw.  die  dem  Individuum  in  ver- 
schiedenem Masse  innewohnende  Kraft  zurückgeführt  werden  dürfen?  Die  Analogie,  im  Tier- 
reich liegt  doch  zu  nahe.  Dass  dieser  Grund  nicht  der  wichtigste  ist,  dass  er  nicht  bis  ins 
höhere  Alter  fortwirkt,  sofern  jene  Schwächlinge  von  Haus  aus  die  zuerst  unterliegenden 
sind,  dass  vielmehr,  sobald  der  Bestandesschluss  erfolgt  ist-  und  die  ersten  Ausscheidungen 
sich  vollzogen  haben,  in  der  Hauptsache  äussere  Umstände  die  Verschiedenheit  in  der  Ent- 
wickelung der  Individuen  bedingen,  ist  einleuchtend,  wird  auch  kaum  anders  angesehen. 

168)  Wichtig  für  das  Prinzip  der  Weiserverfahren  bei  Aufstellung  von  Ertragstafeln : 
es  genügt  vollständig,  wenn  etwa  vom  mittleren  Bestandesalter  an  die  höchsten  und  stärksten 
Stämme  auch  die  vorwachsenden  bleiben.  Zu  vergl.  Buhle  r,  Dr.,  Untersuchungen  in  einem 
Fichtenbestande  etc.     Allg.  F.  u.  J.Z.  1886  S.  1  ff. 

33* 


516  IV.  Lorey,  Waldbau. 

soll,  bezüglich  bis  zn  welchem  Grade,  welche  Stammklassen  dem  Aushieb  vorzugsweise 
zum  Opfer  fallen  sollen,  welche  Modifikationen  je  nach  den  besonderen  Umständen  des  ein- 
zelnen Falles  angebracht  erscheinen,  alles  dies  sind  Spezialfragen  der  Ausführung.  Jedenfalls 
ist  eine  Durchforstung,  welche  sich  —  wie  früher  vielfach  und  hie  und  da  auch  jetzt  noch  — 
nur  auf  die  Entfernung  abgestorbenen  oder  völlig  unterdrückten  Holzes  erstreckt,  als  eine 
die  Entwickelung  des  Bestandes  fördernde  Massregel  nicht  anzusehen.  Solches  Mate- 
rial ,  das  von  den  Nachbarn  bereits  vollständig  überwachsen  ist ,  kann  diesen  nicht 
mehr  wesentlich  schaden,  wenn  auch  ab  und  zu  ein  solcher  Stamm  mit  seiner  Beastung 
noch  die  seitliche  Ausbreitung  eines  nebenstehenden  hindert.  Hiernach  sollte  eine  nur  auf 
völlig  unterdrücktes  Holz  gerichtete  Durchforstung  mindestens  dann,  wenn  einem  stärkeren 
Eingriff  keine  Bedenken  bezüglich  der  Bodenpiiege  oder  der  Ausbildung  der  Stämme  im 
stehenbleibenden  Bestandesteil  im  Wege  stehen,  ein  überwundener  Standpunkt  sein.  Ein  zu 
starker  Aushieb  kann  unzweifelhaft  die  fernere  Entwickelung  des  Bestandes  schädigen ;  aber 
ein  Gewinn  für  den  Bestand  kann  durch  die  Durchforstung  doch  nur  dann  erzielt  werden, 
wenn  dieselbe  als  vorbeugende  Massregel  erscheint  oder  mindestens  den  zum  Fortwachsen 
bestimmten  Stämmen   während  ihres   Ringens   mit   den   Nachbarn   tätige  Hilfe   bringt. 

nicht  aber  dann,  wenn  sie  stets  nachliinkt,  indem  sie  nur  die  bereits  Unterlegenen  be- 
seitigt ^69) 

Dass  die  Durchforstungen  infolge  der  Wurzel  Verwesung,  wie  besonders  Fischbach 
mit  Recht  betont  haf  ^i,  auch  durch  Bodenlockerung  und  Bodendüngung,  durch  Koh- 
lensäurebildung und  damit  Förderung  der  Verwitterung  von  Bedeutung  werden,  soll 
als  eine  im  Sinne  der  Bestandeserziehung  günstige  Wirkung  hier  nicht  unerwähnt 
bleiben. 

§  57.  Ist  aber  auch  die  Durchforstung  in  erster  Linie  als  eine  der  Bestandes- 
erziehung dienende  Wirtschaftsoperation  zu  betrachten,  so  ist  sie  doch  zugleich  auch 
zu  anderen  Zwecken  bestimmt,  indem  sie 

a)  eine  oft  sehr  bedeutende  Holznutzung  gewährt  und 

b)  die  Bestände  gegen  eine  Reihe  von  Gefahren  sicher  zu  stellen  sucht. 

Zu  a)  Die  Ergebnisse  der  Durchforstungen  stellen  Voniutzungen  dar,  deren  rech- 
nerische Behandlung  (Bedeutung  für  die  Rentabilität  des  Betriebs)  in  der  Waldwert- 
rechnung nachzuweisen  ist.  An  dieser  Stelle  sei  nur  ganz  im  allgemeinen  darauf  hin- 
gedeutet, dass  dieselben  die  Erträge  in  ihren  Prolongations werten  steigen!  und  den 
Produktionsfonds  entlasten,  und  dass  in  diesem  Einfluss  jedenfalls  unter  Umständen 
ein  vollwertiges  Motiv  zu  gunsten  stärkerer  Vornahme  derselben  erblickt  werden  darf. 
Wie  gross,  absolut  genommen,  die  in  den  Durchforstungen  eingehenden  Werte  sind, 
lässt  sich,  ganz  abgesehen  von  dem  nach  Standort,  Holzart  u.  s.  w.  abweichenden  Ver- 
halten der  Bestände,  angesichts  der  bei  ihrer  wirtschaftlichen  Behandlung  herrschenden 
Verschiedenheit,  sowie  der  unendlich  wechselnden  Absatzgelegenheiten  auch  nicht  in 
Gestalt  von  durchschnittlichen  Beträgen  mit  annähernder  Sicherheit  angeben.  Im  ein- 
zelnen finden  sich  zahlreiche  Mitteilungen  in  unserer  forstlichen  Literatur  i^^) ,    welche 

169)  Von  dieser  Auffassung  ausgehend  konnte  man  bei  den  vom  Verein  deutscher  forst- 
licher Versuchsanstalten  eingeleiteten  Durchforstungs-Versuchen  die  schwächste  (A-)Durch- 
forstung  des  Arbeitsplanes  (Beseitigung  nur  der  absterbenden  und  abgestorbenen  Stämme) 
füglich  ganz  bei  seite  lassen,  wie  dies  z.  B.  seitens  der  Württembergischen  Versuchsstation 
tatsächlich  fast  überall  geschehen  ist. 

170)  Forstw.  Zentralblatt  von  1884  S.  426. 

171)  Siehe  z.  B.  Vorertragstafeln  von  Danckelmann  für  Kiefern-,  Fichten-  und 
Rotbuchen-Hochwald  (Zeitschrift  für  Forst-  u.  Jagdwesen  1887  S.  73  ff.).  Daselbst  sind 
angegeben  als  Durchschnitts-Massenertrag  der  sämtlichen  Vornutzungen  an  Prozenten  des 
Haubarkeitsertrags  für  Kiefer  und  Fichte  ca.  40  mit  geringer  Schwankung  in  den  ver- 
schiedenen Güteklassen,  für  Buche  ca.  35.  —  Vergl.  ferner  Kunze,  „Ueber  den  Einfluss 
verschiedener  Durchforstungsgrade  auf  den  Wachstumsgang  der  Rotbuche"  (Tharander  Jahr- 
buch 1884  S.  37  ff.).  Daselbst  werden  die  Ergebnisse  eines  21  Jahre  lang  fortgesetzten 
Versuchs  mitgeteilt.  —  Ferner:  Die  Zahlenangaben  in  Kraft's  Buch  u.  s.  w. 


Die  Bestandeserziehung.     §  58.  517 

aber  aus  den  angedeuteten  Gründen  nur  mit  Vorsicht  von  einem  Fall  auf  einen  anderen 

übertragen  werden  dürfen.    Nicht  einmal  hinsichtlich  der  anfallenden  Massen  lassen  sich 

allgemein  brauchbare  Angaben  machen. 

Um  die  Verschiedenheit  im  Werte  des  Darchforstungsmaterials  an  einzelnen  Bei- 
spielen zu  zeigen,  braucht  man  nur  an  die  auch  für  die  geringsten  Sortimente  in  grossen 
Städten  gebotene  Verkaufsgelegenheit  gegenüber  der  oft  absoluten  Unverwendbarkeit  der- 
selben im  Inneren  grosser,  wenig  aufgeschlossener  Waldungen  oder  an  die  Bedeutung  des 
Handels  mit  Hopfenstangen  in  hopfenbautreibenden  Gegenden  zu  erinnern  im  Gegensatze 
zu  solchen  Gebieten,  denen  diese  Absatzquelle  fehlt  u.  s.  w. 

Zu  b)  Zu  den  Gefahren,  gegen  welche  die  Durchforstungen  einen  Schutz  gewäh- 
ren, bezw.  gewähren  können,  gehören  u.  a.  Feuer,  Insektenbeschädigungen,  Wind, 
Schnee.  Wie  hoch  im  einzelnen  dieser  Vorteil  zu  veranschlagen  ist,  bleibt  der  Beur- 
teilung des  j, Forstschutzes"  überlassen.  Dass  aber  überhaupt  durch  Entfernung  abge- 
storbenen und  unterdrückten  Holzes  die  Feuersgefahr  verringert,  sowie  manchen  Insekten- 
beschädigungen vorgebeugt  wird,  liegt  auf  der  Hand ;  nicht  minder,  dass  durch  fleissigen 
Aushieb  der  mit  fruktifizierenden  Hexenbesen  behafteten  Bäume  in  Tannenbeständen 
der  Verbreitung  der  Krebsbildung  entgegengewirkt  wird.  Auch  soll  eine  fleissige 
Vornahme  der  Durchforstungen,  sofern  sie  die  einzelnen  Stämme  kräftigt,  deren  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Sturm  und  Schneedruck  steigern  ^^2). 

§  58.  III.  Grundsätze  bei  der  Ausführung  der  Durchforst- 
ungen: Für  den  Durchforstungsbetrieb  sind  drei  Fragen  zu  beantworten,  nämlich: 
1.  wann  soll  man  mit  den  betreifenden  Aushieben  beginnen?  2.  wie  stark  soll  man  sie 
greifen?  und  3.  wie  oft  soll  man  sie  wiederholen?  Die  von  Karl  Heyer  in  dieser 
Hinsicht  gegebene  Regel  lautet :  früh,  massig  und  oft!  Georg  Ludwig  H a r t i g 
war  für  stete  Erhaltung  des  Schlusses,  Cotta  hingegen  im  Interesse  der  Zuwachs- 
förderung für  eine  Unterbrechung  desselben. 

A.  Beginn  der  Durchforstungen:  Bei  der  Entscheidung  über  den  rich- 
tigen Zeitpunkt  desselben  muss  man,  da  die  Durchforstungen  in  erster  Linie  wegen 
ihrer  günstigen  Einwirkung  auf  die  Entwickelung  des  Hauptbestandes  vorzunehmen 
sind ,  zunächst  immer  die  für  letzteren  zu  erwartenden  Vorteile  ins  Auge  fassen  und 
darf  nötigenfalls  selbst  eine  Zubusse  an  Arbeitsaufwand  nicht  scheuen,  wenn  sich  der 
Ausfall  durch  raschere  Erstarkung  des  verbleibenden  Bestandesteiles  bezahlt  macht. 
Ueberhaupt  sollte  man  die  Bilanz  nicht  jedesmal  für  die  einzelnen  Durchforstungen 
ziehen,  sondern  deren  Erträge  und  Kosten  für  die  ganze  Lebensdauer  des  Bestandes 
zusammenrechnen  und  erst  die  Summen  vergleichen  ^^3).    Eine  Vernachwertung  der  Er- 


172)  Bedeutende  Schneebrüche  des  Winters  1885/86  und  noch  weit  umfassendere  des 
Winters  1886/87  (z.  B.  in  den  Waldungen  —  bes.  ca.  25jährigen  Nadelholzhegen  —  des 
Schönbuchs  nördlich  von  Tübingen,  worüber  Allg.  F.  u.  J.Z.  1887  S.  286  zu  vergleichen) 
konnten  freilich  an  der  günstigen  Wirkung  der  Durchforstungen  in  dieser  Richtung  Zweifel 
aufkommen  lassen,  da  durchforstete  und  nicht  durchforstete  Orte  in  gleicher  Weise  verwüstet 
w^orden  sind.  Aber  es  waren  meist  kurz  vorher  durchhauene  Bestände,  welche  neben  den 
unberührten  gelitten  haben;  wahrscheinlich,  dass  sich,  wenn  allgemein  schon  in  früherem 
Alter  in  Absicht  auf  die  Schneegefahr  eine  durchgreifende  Reinigung  vorgenommen  worden 
wäre,  die  Beschädigungen  weniger  intensiv  gezeigt  hätten.  Hinsichtlich  der  Schneebruchgefahr 
in  ihren  Beziehungen  zur  Durchforstung  ist  eine  sehr  beachtenswerte  Studie  von  Professor 
Dr.  Btihler  erschienen  (Forstwiss.  Zentralblatt,  Sept.-Oktbr.  von  1886  S.  485  ff.),  worin 
aus  mechanischen  Gründen  hauptsächlich  die  Gefährlichkeit  unsymmetrisch  entwickelter  Kronen 
(einseitige  Belastung  durch  Schnee)  betont  wird,  so  dass  sich  eine  dem  Schneebruch  entgegen 
wirken  sollende  Durchforstung  vorzugsweise  die  Schaffung  gleichmässig  ausgebildeter  Kronen 
zur  Aufgabe  machen  müsste.  B  ü  h  1  e  r  sieht  in  der  Durchforstung  entschieden  ein  Mittel 
gegen  Schneebruchschäden. 

173)  Man  vergleiche  Fischbach  im  forstw.  Zentralbl.  von  1885  S.  553. 


518  IV.  Lorey,  Waldbau. 

träge  mit  Zinseszinsen  müsste  hierbei  stattfinden  und  zu  der  Summe  noch  eine  Hinzu- 
rechnung des  Abtriebsertrages  erfolgen.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  würde  der- 
jenige Durchforstungsbetrieb  der  beste  sein,  welcher  zu  einem  Maximum  der  Gesamt- 
leistung führt. 

Es  ist  allerdings  angenehm,  wenn  sich  solche  Wirtschaftsoperationen  wie  die  Durch- 
forstungen gewissermassen  aus  sich  selbst  heraus  bezahlt  machen,  aber  ein  Hindernis  für 
frühzeitigen  Beginn  dürfte  im  Kostenpunkt  nur  in  beschränktem  Masse  gefanden  werden. 
Dagegen  kann  der  gänzliche  Mangel  an  Absatz  für  das  zu  gewinnende  schwache  Material, 
sowie  das  Fehlen  der  nötigen  Arbeitskräfte  da  und  dort  der  Vornahme  einer  Durchforstung 
im  Wege  stehen,  zumal  auch  schon  die  ersten  Durchforstungen  mit  Sorgfalt  ausgeführt 
werden  müssen,    sodass  keineswegs  jeder  beliebige  Holzhauer  dabei   verwendbar  erscheint. 

Berücksichtigt  man  die  Gefahren,  welchen  gerade  die  dichtgeschlossenen  Jung- 
wüchse ganz  besonders  ausgesetzt  sind  (Feuer,  Schneedruck),  so  muss  man  im  allge- 
meinen einem  möglichst  frühzeitigen  Anfang  des  Durchforstungsbetriebs  das  Wort  reden. 
Einen  absolut  geeignetsten  Zeitpunkt  kann  man  aber  dafür  weder  ganz  allgemein  an- 
geben, noch  auch  nur  für  einzelne  Holzarten  oder  Standortskategorien  bestimmt  be- 
zeichnen; das  entscheidende  Wort  hat  das  Aussehen  des  einzelnen  Bestandes  zu  spre- 
chen; modifiziert  wird  aber  das  in  ihm  liegende  Gebot  jederzeit  durch  die  Möglichkeit 
der  Ausführung,  für  welche  die  oben  angedeuteten  Gesichtspunkte  (Arbeitskräfte,  Ab- 
satz etc.)  massgebend  werden. 

Tatsächlich  wird,  nach  Beendigung  der  Reinigungshiebe,  mit  den  Durchforstnugen 
im  grossen  Betrieb  auch  bei  Lichtholzarten  kaum  vor  dem  15. — 20.  Lebensjahre  begonnen, 
während  bei  Schattenhölzern,  Buche,  Fichte  und  insbesondere  Tanne,  oft  bis  ins  25.,  30. 
Lebensjahr,  ja  noch  länger  zugewartet  wird,  obwohl  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass 
auch  (und  vielleicht  in  hervorragendem  Masse)  diese  Holzarten  für  recht  frühzeitiges  Ein- 
greifen sehr  dankbar  sind. 

§59.  B.  Stärke  des  Eingriffs  un d  Wiederholung  desselben: 
Die  Antworten  auf  die  beiden  bezüglichen  Fragen  sind  insofern  von  einander  abhängig, 
als  es  die  häufigere  Wiederkehr  in  den  nämlichen  Bestand  gestattet,  mit  dem  ein- 
zelnen Hieb  weniger  kräftig  vorzugehen,  ohne  dass  der  mehrfach  betonte  Hauptzweck 
der  Durchforstungen,  die  Vermeidung  zu  gedrängten  Erwuchses,  vereitelt  wird.  Ja, 
wenn  man  erwägt,  dass  zur  normalen  Ausbildung  des  Einzelbaumes  immer  nur  ein  ge- 
wisses Mass  an  Standraum  erforderlich  ist,  während  eine  weitergehende  Unterbrechung 
des  Kronenschlusses  je  nach  Umständen  für  den  Boden  bedenkliche  Folgen  haben  kann, 
so  muss  man  einräumen,  dass  es  am  rationellsten  wäre,  die  Durchforstungen  zwar  recht 
oft,  aber  jedesmal  nur  in  solchem  Umfange  vorzunehmen,  wie  es  die  vollkräftige  Ent- 
wickelung  des  Hauptbestandes  gerade  erheischt.  Jedesmal,  wann  wieder  Kronenspannung 
eintritt,  müsste  von  neuem  eingegriffen  werden. 

Meist  gestaltet  sich  die  Praxis  des  Durchforstungsbetriebes  so,  dass  man  in  Zwischen- 
räumen von  5 — 10  Jahren,  manchmal  noch  seltener  in  die  Bestände  wiederkehrt.  Zeit- 
und  Arbeitsaufwand,  üebersichtlichkeit  der  Wirtschaft,  zeitweise  Ruhe  in  den  Beständen 
u.  s.  w.  sind  die  Gründe  gegen  kürzere  Perioden ;  man  muss  dann  aber  von  einem  Termin 
zum  andern  für  die  Zwischenzeit  durch  entsprechend  stärkere  Eingriffe  vorbeugen. 

Mit  jener  Regel  bezüglich  der  Wiederholung  und  den  dieselbe  begründenden  Er- 
wägungen ist  aber  keineswegs  auch  schon  die  Frage  nach  der  zweckmässigsten  Stärke 
des  einzelnen  Aushiebs  beantwortet.  Da  einerseits  der  jetzt  erwachsende  Bestand  zu 
möglichster  Vollkommenheit  herausgearbeitet  und  andererseits  die  Bodenkraft  nach 
dessen  Reife  ungeschmälert,  womöglich  erhöht  an  die  nachfolgenden  Umtriebszeiten 
überliefert  werden  soll,  so  muss  stets  die  Kombination  aus  diesen  beiden  Aufgaben  ins 
Auge  gefasst  werden,  die  sich  übrigens  in  ihren  Zielpunkten  nicht  grundsätzlich  ent- 
gegenstehen, sofern  sorgsame  Schonung  des  Bodens  auch  dem  jetzt  lebenden  Bestände 


Die  Bestandeserziehnng.     §  59.  519 

zu  gute  kommt.  Wohl  aber  sind  die  Mittel,  mit  denen  hinsichtlich  der  beiden  Zwecke 
gearbeitet  wird,  verschieden ;  denn  der  Bodenschutz  verlangt  im  allgemeinen  (d.  h.  von 
den  Fällen  zu  grosser  Nässe  oder  auch  wohl  allzu  mächtiger  Streuschichten  abgesehen) 
dichten  Bestandesschluss,  während  sich  die  möglichst  rasche  Erstarkung  der  Bäume 
nur  bei  Gewährung  entsprechenden  Wachsraumes,  also  nach  Aufhebung  stärkerer 
Kronenspannung  vollziehen  kann.  Fraglich  ist,  inwieweit  auf  gegebener  Fläche  die 
Zuwachsleistung  einer  geringeren  Anzahl  mehr  räumlich  stehender  Bäume,  deren  jeder 
dann  mit  vermehrter  Energie  arbeitet,  durch  die  Massen-  und  Wertsmehrnng  ^'*)  einer 
gi'üsseren  Anzahl  gedrängter  stehender,  im  einzelnen  geringerer  Stämme  aufgewogen 
werden  kann.  Alle  theoretische  Erörterung  kann  sich  nur  um  diese  Frage  drehen,  da 
man  sich  für  dasjenige  Verfahren  zu  entscheiden  hat,  welches  unter  voller  Berücksich- 
tigung des  Gesamtaufwandes  —  Bodenkraft,  Arbeit,  Zeit,  Holzvorratskapital  —  die 
höchsten  Werte  erwirtschaftet.  Hiemach  also  ist  die  Stärke  des  jeweiligen  Eingriffes 
zu  bemessen. 

Der  Wirtschaft  im  Walde  ist  mit  diesen  allgemeinen  Erwägungen  jedoch  nicht 
gedient;  dieselbe  fordert  greifbare  Anhaltspunkte. 

Um  solche  zu  gewinnen,  hat  man  mehrfach  versucht,  die  verschiedenen  in  einem 
Bestände  vorkommenden  Stammklassen  genau  zu  definieren.  Derartige  Klassifizierungen 
sind  schon  frühzeitig  unternommen  worden ;  so  oft  man  für  die  Durchforstungen  gewisse 
Regeln  begründen  wollte,  musste  man  von  einer  bezüglichen  Unterscheidung  ausgehen. 
So  spricht  z.  B.  C  o  1 1  a  (Waldbau,  9.  Aufl.  S.  91)  von  abgestorbenen,  absterbenden,  unter- 
drückten, beherrschten  und  herrschenden  Stämmen.  —  Die  zur  Klärung  aller  einschlagen- 
den Verhältnisse  von  dem  Verein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  beabsichtigten 
Durchforstungs versuche  beruhen  auf  einem  Arbeitsplane,  welcher  1902  beschlossen  \^qirde 
und  in  der  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.-Wesen  1892,  Heft  11  abgedruckt  ist.  Derselbe  führt 
folgende  Klassen  auf: 

I.  Herrschende  Stämme,  welche  an  dem  oberen  Kronenschirm  teilnehmen  und 
zwar  1.  Stämme  mit  normaler  Kronenentwickelung  und  guter  Stammform  2.  Stämme  mit 
abnormer  Kronenentwickelung  oder  schlechter  Stammform  a)  eingeklemmte  Stämme  (kl), 
b)  schlechtgeformte  Vorwüchse  (v),  c)  sonstige  Stämme  mit  fehlerhafter  Stammausformung, 
insbesondere  Zwiesel  (zw),  d)  sogenannte  Peitscher  (p),  e)  kranke  Stämme  (kr). 

II.  Beherrschte  Stämme  3.  zurückbleibende,  4.  unterdrückte,  5.  absterbende  und 
abgestorbene. 

Die  Durchforstungen  entfernen  die  Stammklassen  5 — 2  zum  Teil  oder  ganz,  Stämme 
der  Kl.  1  nur  ausnahmsweise,  soweit  dies  zur  Auflösung  von  Gruppen  notwendig  erscheint. 
Nach  Art  und  Grad  der  Durchforstungen  werden  unterschieden: 

I.  Niederdurchforstung.  1.  Schwache  Durchforstung  (A-Grad)  entfernt 
nur    die    abgestorbenen    und    absterbenden  Stämme,    sowie    die    niedergebogenen  Stangen. 

2.  Massige  Durchforstung  (B-Grad)   entfernt   die  Klassen  5,    4   und   einen  Teil  von  2. 

3.  Starke  Durchforstung  (C-Grad)  entfernt  alle  Stämme  mit  Ausnahme  der  Klasse  1. 

II.  Hochdurchforstung.  1.  Schwach  (D-Grad)  beschränkt  sich  auf  den 
Aushieb  der  abgestorbenen  und  absterbenden,  niedergebogenen,  sowie  der  schlechtgeformten 
und  kranken  Stämme,  der  Zwiesel,  Sperrwüchse,  Peitscher,  sowie  derjenigen  Stämme,  die 
zur  Auflösung  von  Gruppen  gleichwertiger  Stämme  entfernt  werden  müssen  (Kl.  5,  ein 
grosser  Teil  von  Kl.  2  und  einzelne  Stämme  von  Kl.  1).  2.  Starke  (E-Grad)  erstrebt 
unmittelbar  die  Pflege  einer  verschieden  bemessenen  Anzahl  von  Zukunftsstämmen  und 
entfernt  neben  der  Klasse  5  und  den  kranken  Stämmen  alles,  was  die  gute  Kronenent- 
wickelung der  Zukunftsstämme  behindert  (Kl.  5  und  Stämme  der  Kl.  1  und  2). 

Eine  andere  Ausscheidung  vollzog  Kraft  in  seinen  oben  angeführten  „Beiträgen 
zur  Lehre  von  den  Durchforstungen",  indem  er  nicht  die  Verschiedenheit  des  Höhenwuchses 
sondern  die  Qualität  der  Krone  als  das   durchschlagende  Kriterium   ansah.     Hiernach   er- 


174)  Es  wird  unterstellt,  dass  der  beim  Verkauf  erzielte  Preis  als  der  Wert  der 
Ware  und  deren  Gebrauchsfähigkeit  (Qualität  der  erzogenen  Hölzer)  sich  decken;  wenigstens 
hat  die  Wirtschaft  für  die  Beurteilung  ihrer  Massnahmen  zunächst  keinen  anderen  brauch- 
baren Massstab  als  den  im  Erlös  beim  Produktenverkauf  erreichten  tatsächlichen  Geldertrag. 


520  IV.  Lorey,  Waldban. 

geben  sich  folgende  Kategorien:  1.  vorherrschende  Stämme  (mit  ausnahmsweise  kräftig  ent- 
wickelten Kronen);  2.  herrschende  (in  der  Regel  den  Hanptbestand  bildende  St.  mit  ver- 
hältnismässig gnt  entwickelten  Kronen) ;  8.  gering  mitherrschende  St.  (Krone  zwar  noch 
ziemlich  normal  geformt,  aber  verhältnismässig  schwach  entwickelt  und  eingeengt,  oft  mit 
schon  beginnender  Degeneration  —  untere  Grenze  des  herrschenden  Bestandes);  4.  beherrschte 
Stämme  (Krone  mehr  oder  weniger  verkümmert,  entweder  von  allen  Seiten  oder  nur  von 
zwei  Seiten  zusammengedrückt  oder  einseitig  entwickelt),  hierunter  a)  zwischenstündige, 
b)  teilweise  unterständige  Kronen ;  5.  ganz  unterständige  Stämme.  —  Hienach  kann  be- 
stimmt angegeben  werden ,  welche  der  angeführten  Klassen  bei  der  Durchforstung  der 
Nutzung  anheimfallen  sollen. 

Nach  allen  bisherigen  Auseinandersetzungen  können  nur  in  bezug  auf  diejenigen 
Stämme  Zweifel  bestehen,  welche  sich  am  Kronenschluss  im  Bestände  noch  aktiv  be- 
teiligen, indem  sie  über  sich  noch  einen  mehr  oder  minder  grossen  freien  Luftraum 
haben  oder  sich  wenigstens  mit  ihren  Aesten  noch  in  die  oberen  Partien  der  Nach- 
barkronen eindrängen,  so  dass  letztere  dadurch  in  ihrer  seitlichen  Ausbildung  behindert 
sind.  Was  an  Bäumen  bereits  vollständig  unterdrückt  ist,  darf  —  unter  Nichtbeach- 
tung des  geringen  Nährstoff  Verbrauchs ,  welcher  für  den  unbedeutenden  Zuwachs  er- 
forderlich ist  —  als  für  die  Bestandeserziehung  gleichgültig  betrachtet  werden.  Die 
Ansichten  darüber,  wie  weit  man  den  Kronenschirm  lockern  soll,  gehen  sehr  ausein- 
ander. Wer  für  ganz  schwaches  Eingreifen  eintritt  und  damit  sich  weigert,  den 
Kronenschluss  überhaupt  irgendwie  zu  unterbrechen,  kann  sich  nur  auf  möglichst  weit- 
gehende Sorge  für  den  Bodenschutz,  sowie  für  Ausbildung  glattschaftiger,  astreiner, 
schlanker  Nutzholzstämme  berufen.  Die  bei  etwas  räumlicherer  Stellung  der  einzelnen 
Stämme  heranwachsenden  Bestände  produzieren,  ausweislich  aller  neueren  Unter- 
suchungen '^^),  mehr  Masse  und  zwar  diese  in  Gestalt  nicht  bloss  stärkerer,  sondern  auch 
höherer  Exemplare,  da  der  Längenwuchs  durch  die  grössere  Lichtstellung  ebenfalls  geför- 
dert wird.  Mithin  bleibt  als  Argument  für  Unterlassung  der  letzteren  zunächst  nur  die 
grössere  Formzahl  und  bessere  Qualität  der  Stämme  hinsichtlich  deren  technischen  Eigen- 
schaften übrig.  Im  allgemeinen  darf  man  hierin  einen  Ersatz  für  die  bedeutenderen  Dimen- 
sionen der  in  gleicher  Zeit  erwachsenen  Stämme,  bezw.  für  den  Gewinn  an  Zeit  bei 
Forderung  gleicher  Dimensionen  nicht  oder  doch  nur  in  beschränktem  Masse  erblicken 


175)  Weise  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J.W.  1889  S.  129,  327)  ,. Studien  über  den  Schluss 
der  Bestände  und  seiner  Einwirkung  auf  den  Zuwachs"  spricht  sich  für  guten  Schluss  der 
Bestände  aus.  D  c  r  s.  (Mündener  forstl.  Hefte  VI  S.  5)  „Die  Durchforstungen  im  Licht  neuer 
Veröffentlichungen"  ist  im  ganzen  für  massige  Durchforstungen.  —  Kunze  (Tharander 
Jahrbuch  1894  S.  1,  1895  S.  1,  1902  S.  147)  „üeber  den  Einfluss  verschiedener  Durch- 
forstungsgrade  auf  den  Wachstumsgang  der  Waldbestände "  weist  an  den  sächsischen  Probe- 
flächen den  günstigen  Einfluss  der  starken  Durchforstungen  sowohl  für  Fichte,  als  auch  be- 
sonders für  Kiefer  nach,  wogegen  der  Einfluss  einer  massigen  Durchforstnng  gegenüber  dem 
Unterlassen  jeder  Durchforstung  nur  sehr  schwach  ausgeprägt  ist.  —  Schwappach  (Zeitschr. 
f.  F.  u.  J.W.  1897  S.  286)  „Ueber  den  Einfluss  verschiedener  Durchforstungs-  und  Lichtungs- 
grade auf  das  Wachstum  der  Kiefernbestände"  spricht  sich  für  massige  Grade  der  Durch- 
forstungen aus.  D  e  r  s.  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J.W.  1899  S.  259,  408)  „Ueber  den  Einfluss  verschie- 
dener Durchforstungs-  und  Lichtungsgrade  auf  das  Wachstum  der  Buchenbestände*^  spricht 
für  ursprünglich  massige,  später  jedoch  stärkere  Durchforstungen,  besonders  im  Hauptbestand 
(Hochdurchforstungen).  —  H  ef  el  e  (Forstw.  Zentralbl.  1895  S.  121  und 241)  „Untersuchungen 
über  die  Einwirkung  verschiedener  Durchforstungsgrade  auf  den  Massen-  und  Wertszuwachs 
normaler  Fichtenbestände",  Ders.  (Forstw.  Zentralbl.  1896  S.  127)  „Ueber  den  Einfluss 
starker  Durchforstungen  in  Fichten  auf  Zuwachs  und  Form"  zeigt  nach  den  Untersuchungen 
der  bayerischen  forstl.  Versuchsanstalt  die  Vorzüge  der  stärkeren  Durchforstungsgrade  von 
den  schwächeren.  —  Borgmann,  „Kronenfreiheit  und  Lichtungsbetrieb  der  Fichte"  etc. 
(Allg.  F.  u.  J.Z.  1897,  S.  225)  weist  für  diese  Holzart  die  Erfolge  des  Kronenfreihiebs  und 
des  Lichtungsbetriebes  nach. 


Die  Bestandeserziehnng.     §  59.  521 

und  muss  sich  überdies  an  das  verschiedene  Verhalten  der  Holzarten  (Laub-  und  Nadel- 
holz etc.)  in  dieser  Beziehung  erinnern  ^'^*). 

Vielfach  hat  man  für  verschiedene  Alter  des  Bestandes  verschiedene  Durchfor- 
stungs-Normen  aufgestellt.  Man  hat  den  Bestand  dunkel  gehalten  bis  zur  Vollendung 
des  Haupthöhenwachstums  ^"),  während  man  späterhin  mit  stärkeren  Aushieben  vor- 
gegangen ist.  Dann  konnte  der  Bestand  zunächst  in  jener  ersten  Periode  seines  Lebens 
Stämme  herausbilden,  welche  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  über  dem  Boden  astrein 
sind*''®)  und  später  die  erwünschten  Dimensionen  der  Einzelstämme  entwickeln.  Un- 
leugbar hat  diese  Auffassung  eine  gewisse  Berechtigung;  und  doch  wird  sie  hinfällig, 
sobald  nachgewiesen  wird,  dass  durch  besondere  Pflege,  die  man  einer  beschränkten 
Anzahl  dominierender  Stämme  schon  in  jüngeren  Jahren  durch  Gewährung  grösseren 
Wachsraumes  angedeihen  lässt,  insgesamt  mehr  geleistet,  d.  h.  eine  rentablere  Wirt- 
schaft geführt  wird.  Dafür,  dass  dies  der  Fall  sei,  ist  eine  grössere  Anzahl  von  Stim- 
men laut  geworden,  welche,  wie  insbesondere  Wagener  und  Riniker,  betonen,  dass 
an  der  Gesamtzuwachsleistung  eines  Bestandes  der  weitaus  grösste  Anteil  der  dominie- 
renden Stammklasse  dauenid  zufalle,  und  dass  hiernach  ein  Grund  zur  Berücksichtigung 
auch  der  zurückbleibenden  Individuen  nicht  vorliege :  letztere  nutzen  am  meisten,  wenn 
sie  den  dominierenden  möglichst  bald  allen  Platz  überlassen  und  dabei  tunlichst  rasch 
einen  Ertrag  in  die  Kasse  des  Waldbesitzers  liefern,  es  sei  denn,  dass  sie  als  Füllholz 
nicht  entbehrt  werden  können,  falls  die  Zahl  der  dominierenden  Stämme  für  sich  allein 
den  Boden  nicht  mehr  genügend  deckt. 

Wägt  man  alles  für  und  wider  sorgfältig  ab,  so  kommt  man  zu  dem  Schluss, 
dass  überall  ein  kräftiges  Eingreifen,  also  die  starke  Durchforstung,  welche 
eine  zeitweise  Unterbrechung  des  Kronenschlusses  nicht  scheut,  die  Regel  zu  bil- 
den hat,  wenn  für  die  Pflege  des  Abtriebsbestandes  und  dessen  Entwickelung  wirklich 
etwas  geleistet  werden  soll,  während  die  massige  (sich  auf  die  unterdrückten  Stämme 
beschränkend)  oder  gar  die  schwache  (nur  die  abgestorbenen  und  absterbenden  be- 
greifend) als  Ausnahmen  zu  betrachten  sind,  für  deren  Berechtigung  im  einzelnen  Falle 
bestimmter  Nachweis  verlangt  werden  muss.  Dies  gilt,  wenn  nicht  schon  für  die  aller- 
ersten Durchforstungen,  so  mindestens  vom  angehenden  Stangenholzalter  ab.  Ab- 
weichungen bleiben  vorbehalten,  und  es  wird  niemand  darüber  zweifelhaft  sein,  dass 
solche  gerade  in  jüngeren  Beständen  häufig  geboten  sind.  Wie  weit  übrigens  die  ein- 
zelne Durchforstung  mit  der  Lockerung  im  Kronendach  gehen  soll,  ist,  wie  schon 
oben  angedeutet  wurde,  wesentlich  von  der  Häufigkeit  der  Wiederholung  abhängig. 
Die  Durchforstung  soll  nicht  den  Charakter  eines  Lichtungshiebes  annehmen;   aber  es 

176)  Nicht  zu  übersehen  ist  u.  a.,  dass  Robert  Hart  ig  (cfr.  dessen  „Holz  der  deut- 
schen Nadelwaldbäume",  1885)  gezeigt  hat,  dass  auch  bei  den  Nadelhölzern  breite  Jahres- 
ringe keineswegs  notwendig  eine  geringere  Holzqualität  bedingen,  sondern  *dass  sich  die  Zu- 
nahme der  Ernährung  eines  Baumes  allgemein  auch  in  Verbesserung  der  Qualität  äussert. 
Durchforstungen  bewirken,  sofern  die  Massenproduktion  steigt,  alsbald  auch  eine  Hebung  der 
Qualität. 

177)  Der  laufend  jährliche  Höhenzuwachs  kulminiert  nach  den  neueren  Ertragstafeln 
für  die  Fichte  durchschnittlich  mit  40—50,  die  Buche  mit  30—35,  Kiefer  15—20,  Tanne 
50 — 70  Jahren,  der  durchschnittliche  Höhenzuwachs  bezüglich  im  Alter  von  60 — 80,  40 — 50, 
30  und  70—100  Jahren. 

178)  Die  einzelnen  Holzarten  verhalten  sich  in  dieser  Hinsicht  sehr  verschieden.  Die 
unteren  Zweige  sollen  absterben,  bevor  sie  zu  stark  geworden  sind,  um  demnächst  noch  ab- 
gestossen  zu  werden ;  sie  sollen  keine  Hornäste  im  Holz  zurücklassen.  Bei  Lichthölzern  er- 
folgt das  Absterben  naturgemäss  rascher ;  Laubhölzer  stossen  die  starken  Aeste  meist  leichter 
und  vollständiger  ah  als  Nadelhölzer,  unter  welchen  namentlich  die  Fichte  sich  nur  bei 
dichtem  Schluss  entsprechend  schnell  und  vollständig  reinigt. 


522  IV.  Lorey,  Waldbau. 

ist  zu  beachten,  dass  ein  solcher  noch  lange  nicht  vorliegt,  wenn  vorübergehend  die 
Sonne  da  und  dort  im  Bestände  zum  Boden  dringen  kann,  während  na<;h  wenigen 
Jahren  schon  wieder  volle  Kronenspannung  zu  erwarten  steht  ^^®).  Mehr  als  zwei 
Zehntel  der  Bestandesmasse  wird  man,  Eronenschluss  ohne  Ueberfüllung,  d.  h.  ohne 
merkliche  gegenseitige  Beengung,  vorausgesetzt,  auch  bei  der  starken  Durchforstang 
kaum  auf  einmal  entfernen,  hiermit  aber  auch  meist  schon  einen  Zustand  erzielen,  bei 
dem  sich  der  bleibende  Bestandesteil  einer  normalen  Entwickelung  erfreut.  Das  richtige 
Mass  würde  erreicht  sein,  wenn  bis  zur  nächsten  Durchforstung  jene  massige  Spannung, 
bei  welcher  die  Bäume  mit  möglichst  allseits  gut  gebildeten  Kronen  sich  berühren  oder 
doch  höchstens  mit  den  Astspitzen  ineinandergreifen,  wieder  hergestellt  wäre.  Jedem 
weitergehenden  gegenseitigen  Beengen  sollte  sofort  durch  eine  neue  Durchforstung  ab- 
geholfen werden. 

Anstatt  den  Aushieb  nach  Stammklassen  zu  regeln,  ist  mehrfach  vorge- 
schlagen worden,  eine  Festsetzung  der  zu  beseitigenden  Individuen  nach  der  Stamm- 
zahl für  1  ha,  unter  Berücksichtigung  der  Brusthöhendurchmesser  vorzu- 
nehmen, so  von  Hang  und  Koze^nik  (Literatur  in  Anm.  163).  Hiermit  in  Ein- 
klang steht  der  schon  vor  langer  Zeit  von  Oberforstrat  König  in  seiner  Forstmathe- 
matik gemachte  Vorschlag  einer  Regelung  des  Aushiebs  nach  der  Abstandszahl  (  *^^) 

d.  h.  dem  Verhältnis  der  Standraumseite  zum  Durchmesser.  Geht  man  von  der  Stamm- 
zahl für  1  ha  aus,  so  ergibt  sich  auch  hier  ein  gewisser  Standraum  des  Einzelstammes 
und  somit  die  Standseite.  Zur  Bemessung  des  richtigen  Abstandes  im  Verhältnis  zum 
Durchmesser  ist  aber  die  Kenntnis  der  zu  erstrebenden  normalen  Stammgrund- 
fläche für  die  Flächeneinheit  (ha)  eine  notwendige  Voraussetzung !  Darüber  fehlen 
noch  positive  Zahlen.  Schon  König  sprach  es  aus,  dass  man  über  dem  Durchforsten 
selbst  am  besten  beurteilen  könne,  was  abkömmlich  sei. 

Verschiedenheiten  der  Ausführung  ergeben  sich  im  einzelnen  in  Menge.  Namentlich 
ist  für  die  erste  Durchforstung  im  Jungbestande  die  Art  der  Bestandesbegründung  bezw. 
die  ursprüngliche  Bestandesdichte  massgebend  und  zwar  nicht  nur  direkt  wegen  des  da- 
durch bedingten  stärkeren  oder  minder  starken  Drängens  und  Ringens  der  einzelnen  Stamm- 
chen nebeneinander,  sondern  hauptsächlich  mittelbar  wegen  der  Beschaffenheit  derselben. 
Man  muss  nicht  selten  eine  erste  Durchforstung  schwächer  greifen,  weil  die  einzelnen 
Stämmchen  so  schlank  erwachsen  sind,  dass  jeder  plötzliche  stärkere  Eingriff  ein  Umlegen 
derselben  zur  Folge  haben  würde.  Ebenso  ist,  wenn  nicht  freierer  Stand  von  der  ersten 
Jugend  an  widerstandsfähigere  Bestände  erzeugt  hat,  die  Schneedruckgefahr  in  dem  kriti- 
schen Gertenholzalter  sehr  zu  beachten,  wenn  auch  gerade  ein  dichter  Kronenschirm  die 
Schnceauflagerung  erleichtert.  Es  ist  ein  Unterschied,  ob  man  an  steilen  südlichen  Hängen 
oder  auf  massig  geneigten,  frischen  Nordhängen  operiert.  Im  allgemeinen  wird  man  in 
schlechteren  Lagen  vorsichtiger  zu  Werk  gehen  müssen,  hauptsächlich  um  die  Bodenkraft 
zu  bewahren ;  man  darf  aber  dabei  auch  nicht  übersehen,  dass  gerade  schlechtere  Bestände 
auf  Standorten  mit  geringer  Bodentätigkeit  oft  für  die  ihnen  durch  wirtschaftlichen  Ein- 
griff gewährte  Beihilfe  besonders  dankbar  sind.  Ebenso  wird  man  zum  Schutz  gegen  das 
Eintreten  des  Windes  in  die  Bestände  (Windmäntel!)  die  Bestandesränder  oft  weniger 
stark  angreifen,    als  das  Bestandesinnere ^®^).     Selbst  unterdrückte  Stämme  sind  dann  zn 

179)  Als  Verfasser  gelegentlich  der  1881er  Versammlung  des  württembergischen  Forst- 
vereins eine  der  von  ihm  für  Zwecke  der  forstlichen  Versuchsstation  angelegten  D-Flächen 
(Revier  Weingarten  bei  Ravensburg,  Distrikt  Postwies)  vorzeigte,  auf  welcher  in  der  Absicht, 
grössere  Gleichmässigkeit  des  Bestandes  zu  erzielen,  neben  unterdrücktem  Material  auch  ein- 
zelne dominierende  Stämme  gefällt  worden  waren,  musste  sich  der  ausgeführte  Hieb  von 
manchen  Seiten  die  Bezeichnung  als  Lichtungshieb  gefallen  lassen.  Wer  die  Fläche  bei  der 
späteren  Aufnahme  (1886)  wieder  gesehen  hat,  wird  nicht  zweifelhaft  gewesen  sein,  dass  er 
es  mit  einem  Lichtungshieb  keineswegs  zu  tun  hatte. 

180)  Andererseits   kann   stärkere  Durchhauung   des   Bestandesrandes   bei   solchen  Be- 


Die  Bestandeserziehnng.     §  60.  523 

schonen,  wenn  ihr  Aushieb  Lücken  im  Bestände  verursachen  würde,  welche  als  Windfange 
oder  durch  Bodenaushagerung  bedenklich  werden  könnten.  Alles  in  allem  braucht  man  in 
vorgeschrittenerem  Bestandesalter  weniger  ängstlich  zu  sein.  Dadurch,  dass  eine  zu  schwache 
Durchforstung  die  Entwickelung  des  Hauptbestandes  ungebührlich  zurückhält,  wird  meist 
viel  grösserer  Schaden  angerichtet,  als  durch  die  wenigen  Falle,  in  welchen  vielleicht  durch 
einen  zu  starken  Eingriff  in  irgend  welcher  Richtung  einmal  ein  Nachteil  erfolgt. 

Einen  besonders  starken  Grad  der  Durchforstung  erheischen  Weisstannenbe- 
s  tan  de,  in  denen  Krebstannen  vorkommen,  deren  Aushieb  als  Mittel  gegen  die 
Verbreitung  der  Krebskrankheit  anzusehen  ist  ^®^).  Hier  sind  schon  vom  jugendlichen  Alter 
ab  die  mit  Krebs  behafteten  Stämme  aufzusuchen  und  zu  entfernen.  Ein  solches  Vor- 
gehen bietet  zu  keinen  Bedenken  Anlass.  Im  Jungbestand,  in  welchem  der  Kampf  gegen 
das  üebel  zu  beginnen  hat,  sind  die  entstehenden  Lücken  an  sich  nicht  bedeutend  und 
werden  durch  einwachsende  Individuen  bald  ausgefüllt;  in  älteren  Beständen  wird  durch 
den  Aushieb  der  Krebstannen,  wenn  dadurch  Lücken  entstehen,  die  Verjüngung  eingeleitet, 
bezw.  da,  wo  man  eine  femelschlagartige  Bewirtschaftung  der  Weisstanne  erstrebt,  diese 
in  der  einfachsten  Weise  begonnen.  Der  Aushieb  herrschender  Stämme  aus  älteren  Be- 
ständen würde  als  Hauptnutzung  anzusehen  sein. 

In  gemischten  Beständen  ^®*)  handelt  es  sich  immer  um  die  Begünstigung 
der  wertvollen  Holzart  von  der  minder  wertvollen,  durch  Gewähr  einer  freien,  die  Ent- 
wickelung begünstigenden  Stellung  behufs  Steigerung  des  Zuwachses  und  der  Nutzholzaus- 
formung. So  z.  B.  wird  dem  Freihieb  der  Eiche  im  Buchenbestande  besondere  Auf- 
merksamkeit zu  schenken  sein,  ebenso  demjenigen  von  Esche,  Ulme,  Ahorn,  Linde,  Tanne, 
Lärche,  sofern  sie  Anwartschaft  auf  Erlangung  von  Nutzholzqualität  haben. 

In  jüngeren  Wüchsen  ist  öfters,  wenn  schlank  aufgeschossene  Exemplare  zu  schützen 
sind,  die  sich  noch  nicht  zu  tragen  vermögen,  kein  vollständiges  Aushauen,  sondern  nur 
das  Einstützen  der  bedrängenden  Stämme  angezeigt. 

§60.  C.Besondere  Arten  der  Durchforstung:  Der  Durchforst- 
nngsbetrieb  steht  in  engem  Zusammenhang  mit  der  Art  des  Wirtschaftsbetriebs  über- 
haupt. Ein,  allen  Rücksichten  im  einzelnen  gerecht  werdender  intensiver  Durchforst- 
üTigsbetrieb  ist  am  leichtesten  möglich  in  nicht  zu  ausgedehnten  Revieren,  deren  Ver- 
walter die  Befolgung  ihrer  Intentionen  überall  und  jederzeit  gehörig  überwachen  können, 
in  denen  es  auch  weder  an  Absatz  noch  an  Arbeitskräften  fehlt.  Die  ., ökonomischen" 
Verhältnisse  eines  Gebietes  sind  meist  bestimmend  für  die  Technik  des  Durchforstungs- 
betriebes.  Dieses  Moment  betont  Laschke  in  seiner  Schrift  „Oekonomik  des  Durch- 
forstungsbetriebes"  1901.  Die  verschiedenen  Durchforstungsarten  sind,  je  nach  den 
wirtschaftlichen  Zuständen  der  in  Betracht  kommenden  Gegenden,  berechtigt.  Mancherlei 
Vorschläge  zu  Reformen  im  Durchforstungsbetrieb  sind  gemacht  worden.  Einige  der- 
selben seien  speziell  hervorgehoben: 

I.Heck  hat  das  Prinzip  der  „freien  Durch  forstung**  aufgestellt^^"'). 
Die  Durchforstung  soll  eine  von  allen  starren  Regeln  unabhängige,  freie  sein.  Ein 
teilweises  Eingreifen  in  den  Hauptbestand  unter  Schonung  des  Nebenbestandes  ist  nötig, 
besonders  ist  die  Herausbildung,  Begünstigung  und  Pflege  des  voraussichtliciien  Hau- 
barkeitsbestandes  in  möglichst  vielen  und  tunlichst  hochwertigen  Nutzholzstämmen  zu 
erstreben.  Dieser  Durchforstungsmethode  entspricht  ohne  Zweifel  der  E-Grad  des  neue- 
sten Arbeitsplanes  der  forstlichen  Versuchsanstalten.  Offenbar  gebührt  Heck  die 
Priorität. 

2.  Die   dänische  Durchforstung  in  Buchen.    Auf  dieselbe   hat  in 


ständen,  welche  für  Anwendung  eines  Loshiebes  gegen  Windwurf  schon  zu  alt  sind,  geradezu 
angezeigt  sein,  um  die  Randstämme  rascher  erstarken  und  durch  Kronen-  und  Wurzelausbrei- 
tung widerstandsfähiger  werden  zu  lassen. 

181)  Vergl.  u.  a.  die  Verhandlungen  des  badischen  Forstvereins  zu  Wolfach  von  1884. 

182)  cfr.  z.  B.  Gay  er,   „Waldbau«  S.  551  ff.;  Ney,   „Waldbau«   S.  295. 

183)  Heck,   „Freie  Durchforstung".  Mündener  forstl.  Hefte  XIII,  S.  18.     Derselbe, 
,Zur  freien  Durchforstung "  (Allg.  F.  u.  J.Ztg.  1902,  S.  289)  u.  s.  w. 


524  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Deutschland  Metzger  aufmerksam  gemacht ^^*).  Derselbe  bemerkt,  dass  der  Unter- 
schied zwischen  den  deutschen  und  den  dänischen  Durchforstungen  hauptsächlich  darin 
bestehe ,  dass  erstere  Nutzungs-,  letztere  Erziehung s- Durchforstungen  seien. 
In  Dänemark  unterscheide  man  die  Stammklassen  folgendermassen : 

a)  Hauptstämme,  welche  wegen  ihrer  Geradschaftigkeit  und  gleichmässigen 
Krone  zu  begünstigen  sind  und  dereinst  den  Abtriebsbestand  zu  bilden  haben. 

b)  Schädliche  Nebenstämme,  welche  die  zu  erhaltenden  und  fortzubil- 
denden Teile  der  Kronen  der  Hauptstämme  schädigen  und  deshalb  zu  entfernen  sind. 

c)  Nützliche  Nebenstämme,  welche  die  Astreinheit  der  Hauptstämme 
fördern  und  deshalb  zu  erhalten  sind. 

d)  Indifferente  Stämme,  welche  weder  schaden  noch  nützen. 
Hiernach  sind  die  Klassen  a  und  c  zu  schonen,   die  Klasse  b  ist  zu  beseitigen, 

Klasse  d  ist  zu  nutzen,  soweit  Absatz  vorhanden  ist. 

Die  Durchforstungen  beginnen  frühzeitig  und  gelinde;  sie  sollen  sich  in  so  viel 
Jahren  wiederholen,  als  das  Bestandesalter  Dezennien  zählt.  Zwischen  dem  60.  und 
70.  Lebensjahr  wird  alle  6  Jahre,  vom  100.  bis  110.  Lebensjahr  alle  10  Jahre  durch- 
forstet. —  Ein  solcher  intensiver  Betrieb  mag  in  dem  waldarmen  Dänemark  angezeigt 
sein,  ist  jedoch  anderwärts  nicht  immer  durchzuführen. 

3.  Die  Hochdurchforstung  (6claircie  par  le  haut)  wurde  in  Frankreich 
nach  Massgabe  der  dortigen  Verhältnisse,  insbesondere  unter  dem  Vorherrschen  der 
Eiche  und  der  Mittelwaldbestände  ausgebildet'^^).  Ihr  Wesen  besteht  in  dem  Eingriff 
in  den  herrschenden  Bestand  unter  Schonung  der  beherrschten  Stämme.  Den  Gegen- 
satz dazu  bildet  die  Entfernung  der  unterdrückten  Stämme,  welche  6claircie  par  le  bas 
genannt  wird.  Aehnlich  der  6claircie  par  le  haut  ist  die  Posteier  Durchforstung, 
durch  V.  Salisch  auf  Postel  in  Schlesien  gehandhabt,  welcher  den  Kronen  der  herrschen- 
den Stämme  frühzeitig  durch  Aushieb  der  zurückbleibenden  Luft  schaffen  will.  Die 
unterdrückten  Stämme  bleiben  stehen.  Das  Ziel  ist  die  Heranziehung  eines  hochwertigen 
Haubarkeitsbestandes  unter  Gewinnung  tunlichst  hoher  Vorerträge  bei  vollständiger 
Erhaltung  der  Bodenkraft '^6). 

Auch  die  ästhetische  Wirkung  dieser  Durchforstungsart  wird  betont,  indem  die 
Bestände  nicht  so  leicht  „durchsichtig"  werden  (v.  Salisch,  „Forstästhetik'',  2.  Aufl. 
S.  188).     Ebenso  hat  dieselbe  eine  Bedeutung  zur  Gewinnung  von  Schutz  für  das  W^ild. 

4.  Die  Kulissendurchforstung  empfahl  U  r  i  c  h  '®^)  als  Lichtwuchskulis- 
senhieb,  d.  h.  kräftige  Lichtungen  vom  30.  Jahre  ab  auf  Kulissen  zwischen  dunkel 
belassenen  Streifen,  welche  den  Boden  gegen  Aushagerung,  Laubverwehung  und  Ver- 
grasung sicherstellen  sollen.  Die  Lichtwuchskulissen  sollen  senkrecht  zur  herrschen- 
den Windrichtung  laufen.  Vom  70.  Jahr  an  sollen  die  dunklen  Zwischenstreifen  eben- 
falls stark  angegriffen  werden,  so  dass  mit  90  Jahren  der  Bestand  ziemlich  gleichmässig 
gestellt  ist  und  zur  Verjüngung  kommt.  Borgmann'^^)  empfahl  hörst-  und 
gruppenweise   Lichtwuchsdurchforstung,   ebenfalls   zur  Mehrung   von 


184)  Metzger,  „Dänische  Reisebilder«.  Mund,  forstl.  H.  IX,  S.  81.  —  Derselbe, 
„Zur  Beurteilung  der  dänischen  Forstwirtschaft«.  Allg.  F.  u.  J.Ztg.  1898,  S.  346.  —  Der- 
selbe, Referat  auf  der  deutschen  Forstversammlung  in  Schwerin  1899,  „Ist  die  in  Däne- 
mark gebräuchliche  Art  der  Buchenbestandspflege  bisher  in  Deutschland  schon  zur  Anwendung 
gelangt  und  unter  welchen  Umständen  etwa  würde  sich  ihre  Einführung  in  deutschen  Wal- 
dungen bewähren"  (s.  Versammlungsbericht). 

185)  Empfohlen  in  Boppe  „Trait^  de  sylviculture". 

186)  Allg.  F.  u.  J.Ztg.  1892,  S.  226. 

187)  Ztschr.  f.  F.  u.  J.W.  1894,  S.  591. 

188)  Das.  1895,  S.  630. 


Die  Bestandeserziehang.     §  60.  525 

Masse  und  Wert.  Er  will  die  Lichtungshiebe  seiner  etwa  10  Ar  grossen  Lichtungs- 
horste allmählich  ringförmig  vorschreiten  und  an  Intensität  der  Kronenfreihiebe  ab- 
nehmen lassen.     Seine  Lichtungen  sollen  erst  mit  50  Jahren  beginnen. 

R  e  u  s  s  ^®^)  empfahl  Kulissendurchforstung,  indem  in  streifen  weisem 
Wechsel  starke,  massige  und  schwache  Dnrchforstungen  ausgeführt  werden  sollen,  um 
diejenigen  Gefahren  starker  Durchforstungen  zu  vermeiden,  welche  zu  erwarten  sind, 
wenn  dieselben  über  den  ganzen  Bestand  ausgedehnt  werden. 

5.  Borggreve's  Plenterdurchforstung ^^®).  Durch  dieselbe  wird  der 
früher  als  Ausnahme  betrachtete  Aushieb  herrschender  Stämme  vom  reiferen  Stangen- 
alter, spätestens  vom  ersten  Beginn  der  Mannbarkeit  ab  geradezu  als  das  normale 
Vorgehen  gefordert.  Prinzip  dabei  ist,  dass  durch  diesen  Aushieb  dominierender 
Stämme  regelmässig  einer  grösseren  oder  geringeren  Anzahl  beherrschter  (immerhin 
noch  entwickelungsfähiger)  Stämme  Luft  gemacht  wird,  welche  sich  infolgedessen  dem- 
nächst zu  brauchbaren  Nutzstämmen  herausarbeiten,  während  sie  sonst,  d.  h.  unter 
dauernder  Bedrückung  seitens  der  bisher  dominierenden  Exemplare  lediglich  die  Rolle 
des  Füllholzes  weiter  gespielt  und  früher  oder  später  ganz  abständig  geworden  wären. 
Allmählich  wird  also  eine  möglichst  grosse  Anzahl  der  im  Bestände  überhaupt  vorlind- 
lichen  Stämme  einer  vollgiltigen  Entwickelung  entgegengeführt,  bis  bei  genügend  langer 
Umtriebszeit  (140 — 160  Jahre)  und  fortdauernder  Wiederholung  (alle  10  Jahre  Aushieb 
von  0,1 — 0,2  der  Bestandesmasse,  welche  sich  durch  Zuwachssteigerung  entsprechend 
wieder  ergänzt)  das  brauchbare  Material  aufgezehrt  ist.  Inzwischen  hat  der  Bestand 
das  denkbar  mögliche  Maximum  an  guten  Nutzholzstämmen  geliefert;  die  jeweils  aus- 
geforsteten dominierenden  Stämme  ergaben  relativ  frühzeitig  bedeutende  Gelderträge, 
mithin  ist  diese  Art  der  Wirtschaft  überdies  eine  in  hohem  Grade  rentable.  Bedingung 
für  die  Durchführbarkeit  ist  die  Entwickelungsföhigkeit  der  durch  die  Durchforstung 
freigestellten,  bisher  beherrschten  Stämme.  Ist  diese  gesichert,  so  lässt  sich  im  übrigen 
das  Verfahren  zweifelsohne  durchführen,  und  es  fragt  sich  dann  nur,  ob  es  auch  ge- 
nügend gut,  bezw.  besser  rentiert,  als  jede  andere  Art  der  Durchforstung. 

Ich  stehe  nicht  an,  die  Möglichkeit  der  noch  leidlich  guten  Entwickelung  einer 
Mehrzahl  jener  Individuen  zuzugeben,  falls  die  Bedrückung  seither  keine  zu  weitgehende 
war  und  ihnen  entsprechend  rechtzeitig  beigesprungen  wird.  Immerhin  bin  ich  nicht 
geneigt,  die  Erholungsfähigkeit  so  weit  und  so  allgemein  vorauszusetzen,  als  Borg- 
g^reve^^*).  Aber  hiervon  abgesehen  möchte  ich  die  höhere  Rentabilität  der  Plenter- 
durchforstung vorläufig  verneinen.  Den  herrschenden  Stämmen,  falls  sie  allseits  ge- 
nügenden Wachsraum  erhalten,  vindiziere  ich  eine  Zuwachsleistung,  welche  sie  befähigt, 
in  kürzester  Zeit  den  Markt  mit  den  geforderten  Sortimenten  zu  befriedigen.  Der 
im  60ten  Jahre  als  prädominierend  ausgehauene  Stamm  kann  in  dieser  Hinsicht  doch 
nicht  gleiches  leisten,  wie  der  nämliche  Stamm,  falls  er  noch  20  oder  40  Jahre  zuge- 
wachsen wäre.  Der  höhere  Umtrieb  liefert  bei  der  Plenterdurchforstung,  da  eine  Mehr- 
heit stärkster  Stämme  jeweils  herausgehauen  wird,  doch  immer  wieder  nur  Stämme 
mittlerer  Dimensionen;  wenn  aber  solche  für  die  Befriedigung  des  Marktes  genügen. 


189)  Oe.  F.Ztg.  1896,  S.  73. 

190)  Borggreve,   ^Holzzucht",  S.  186  ff.,  sowie  Forstl.  Blätter  von  1887,  S.  225  ff. 

191)  Es  ist  hier  natürlich  nicht  der  Ort,  ins  einzelne  auf  eine  Diskussion  der  hoch- 
interessanten Frage  einzugehen.  Nur  die  Notiz  sei  angefügt,  dass  auch  die  Wirtschaft  bei 
der  Weisstanne  im  Schwarz wald  und  in  den  Vogesen,  also  bei  der  wohl  unzweifelhaft  zäh- 
lebigsten Schattenholzart,  zwischen  den  noch  entwicklungsfähigen  unterdrückten  Tannen  und 
denen,  von  welchen  wegen  zu  starker  und  zu  lang  andauernder  seitheriger  Bedrängung  eine 
Erholung  und  Erstarkung  nicht  mehr  zu  hoffen  ist,  sorgfältigst  unterscheidet. 


526  IV.  Lorey,  Waldbau. 

80  ist  gar  nicht  abzusehen,  weshalb  man  diese  Stämme  nicht  je  auf  grösseren 
Einzeläächen  mit  niediigerem  Umtrieb  erziehen  soll,  wobei  auch  noch  alle  geringeren 
Sortimente,  die  doch  ebenfalls  gute  marktfähige  Ware  darstellen,  in  genügender 
Menge  anfallen,  während  die  Plenterdurchforstung  eigentlich  grundsätzlich  auf  die 
Nutzung  der  geringeren  Stammklassen  verzichtet,  indem  sie  deren  Individuen  mög- 
lichst alle  noch  in  höhere  Klassen  aufrücken  lassen  will.  Wäre  dies  ohne  beträcht- 
lichen Zeitaufwand  möglich,  so  könnte  nichts  dagegen  eingewendet  werden.  Dass 
die  stets  dominierend  gewesenen  Stämme  meist  ungünstigere  Stammformen  haben, 
ist  an  sich  zwar  wohl  richtig,  wird  aber  durch  die  stärkeren  Dimensionen  \ael> 
fach  reichlich  aufgewogen  (entscheidend  ist  die  Zopfstärke  bei  bestimmter  Länge); 
ebenso  ist  der  ungünstige  Einfluss  der  Fruktitikation  nicht  in  dem  Masse  zu  fürchten, 
wie  es  Borggreve  tut.  Wäre  dieser  Einfluss  überhaupt  ein  regelmässig  eintretender, 
so  müsste  sich  im  allgemeinen,  wie  schon  früher  ausgesprochen  wTirde,  jedes  Mast- 
jahr durch  einen  relativ  schmalen  Jahresring  charakterisieren.  Wie  mir  scheint, 
hat  Borggreve  vorzugsweise  solche  Bestände  im  Auge,  in  welchen  eine  verhältnis- 
mässig kleine  Anzahl  von  Jugend  auf  entschieden  vorwüchsiger  Individuen  Luft-  und 
Bodeni'aum  im  Bestände  in  übermässiger  Weise  in  Anspruch  genommen  hat,  so  dass 
unter  und  neben  ihnen  keine  auch  nur  annähernd  gleichwertigen  Stämme  vorfind- 
lich  sind.  Solche  Bestände  bilden  freilich  nie  das  Ideal  der  Wirtschaft.  Die  Zahl  der 
dominierenden  Stämme  müsste  allgemein  durch  alle  Alter  des  Bestandes  mindestens  so 
gross  sein,  als  die  Stammzahl  des  (unter  vollkommener  Berührung  der  Kronen)  gut 
geschlossenen  Haubarkeitsbestandes.  Im  Alter  der  erklärten  Hiebsreife,  d.  h.  dann, 
wenn  wir  zum  Abtrieb  und  zur  Verjüngung  schreiten,  braucht  kein  freier  Raum 
zwischen  den  einzelnen  Kronen  mehr  vorhanden  zu  sein.  Bei  normaler  Entwickelung 
des  Bestandes  wird  aber  jene  Minimalzahl  dominierender  Stämme  (in  von  Jugend  an 
natürlich  abnehmendem  Masse)  weit  übertroffen,  indem  diese,  bei  der  Bestandespflege 
vorzugsweise  zu  berücksichtigenden  Stämme  stets  in  solcher  Zahl  vorhanden  sein  sollen, 
dass  sie,  ohne  die  bereits  beherrschten  und  unterdrückten,  vor  jeder  Durchforstung  für 
sich  allein  einen  mindestens  massig  geschlossenen  Bestand  darstellen.  Dann  aber  ist 
eine  so  weitgehende  Abformigkeit  der  herrschenden  Klasse  keineswegs  allgemein  zuzu- 
geben. —  Borggreve  zitiert  mich  selbst  ^^^)  als  einen  bedingungsweisen  Anhänger  seiner 
Plenterdurchforstung,  weil  ich  auf  einigen  von  der  württembergischen  Versuchsstation 
angelegten  D-Flächen,  also  bei  unserem  stärksten  Durchforstungsgrade,  auch  dominie- 
rende Stämme  herausgehauen  habe^^^).  Solches  ist  freilich  geschehen,  aber  nur  mit 
einzelnen  Exemplaren,  die  besonders  vordringlich  waren,  und  nur  wenn  die  dadurch 
vom  Druck  befreiten  Stämme  „in  ihrer  Gesamtheit  für  Bestandesschluss,  Massen-  und 
Wertsproduktion  etc.  demnächst  mehr  zu  leisten  versprachen,  als  der  vorgewachsene 
Stamm.''  Ich  habe  jenen  Aushieb  versuchsweise,  wenn  auch  in  der  vollen  Ueberzeugung 
von  seiner  Berechtigung,  vornehmen  lassen  in  ca.  35jährigen  Beständen,  zunächst  um 
in  denselben  etwas  zu  egalisieren,  bezw.  um  die  übergrossen  Ansprüche  einzelner  In- 
dividuen zu  gunsten  der  Gesamtheit  zurückzuweisen.  Die  höchste  Leistung  des  Be- 
standes ist  nicht  durch  wenige  besonders  starke  Stämme  gegeben,  sondern  sie  ruht 
in  einer  innerhalb  des  Rahmens  der  gegebenenUmtriebszeit  heraus- 
gebildeten möglichst  grossen  Anzahl  kräftig  entwickelter  Stämme.  In  diesem  Sinne 
scheue  ich  den  gelegentlichen  Aushieb  einzelner  dominierender  Stämme  keineswegs,  he- 


192)  Borggreve,  Holzzucht  S.  189/190. 

193)  Vergl.  Lorey,  „Durchforstung  oder  Lichtungshieb«?  Allg.  F.  u.  J.Z.  v.  1881, 
S.  406. 


Die  Bestandeserziehung.     §  61.  527 

trachte  ihn  aber  stets  nnr  als  Ausnahme  nnd  jedenfalls  nicht  vorzugsweise  wegen  der 
dadurch  ermöglichten  Erhöhung  der  Umtriebszeit  als  willkommen;  eine  solche  kann 
doch  nie  an  sich  Wirtschaftsziel  sein,  sondern  nur  dann  einen  Zweck  haben,  wenn  eine 
niedrigere  Umtriebszeit  nicht  imstande  ist,  den  Markt  mit  der  begehrten,  gebrauchs- 
fähigen Ware  zu  versehen.  Solange  eine  niedrigere  Umtriebszeit  dies  leistet,  hat  sie 
vor  der  höheren  stets  den  Vorzug  und  gerade  in  diesem  Sinne  sind  kräftige  Durch- 
forstungen eindringlich  zu  empfehlen. 

Was  die  „Plenterdurchforstung"  neues  darstellt,  ist  —  dies  muss  scharf  betont  werden 
—  nur  der  als  R  e  g  e  1  hingestellte  Grundsatz,  auch  gesunde,  normal  gebildete,  vollkommen 
nutzholztangliche  dominierende  Stämme  vor  der  Hiebsreife  des  Gesamtbestandes,  also 
gelegentlich  der  Zwischennutzungen  lediglich  deshalb  herauszuhauen,  weil  dadurch  einigen 
bisher  unterdrückten  Individuen  die  Möglichkeit  gewährt  wird,  auch  noch  wenigstens  Mit- 
telware zu  werden,  während  sie  sonst  als  nur  gering  zuwachsende  Stämme  einem  einzelnen, 
allerdings  besonders  hochwertigen  Stamme  zugesellt  blieben,  bis  sie  bei  einer  Durchforstung 
als  minderwertiges  Material  gehauen  werden.  Die  ganze  Frage  scheint  mir  einfach  eine 
solche  der  statischen  Rechnung  zu  sein.  Und  gerade  die  höhere  Rentabilität  der  Plenter- 
durchforstung  möchte  ich,  ohne  die  Anwendbarkeit  der  letzteren  in  einzelnen  Fällen  zu 
bestreiten  ,  allgemein  zunächst  nicht  zugeben.  Insoweit  die  Plenterdurchforstung  solche 
dominierende  Stämme  nutzt,  welche  aus  irgend  einem  Grunde  (Holzart,  Stammform,  Kro- 
nenentwickelung  u.  s.  w.)  nicht  Träger  der  Nutzholzerzeugung  im  Bestände  sind,  fordert 
sie  nichts  anderes,  als  dasjenige,  was  da,  wo  man  überhaupt  richtig  durchforstet  hat, 
schon  längst  in  der  nämlichen  Weise  gemacht  worden  ist. 

Die  Plenterdurchforstung  ist  in  grösserem  Massstab  in  dem  hessischen  Hinterland 
des  Reg.-Bz.  Wiesbaden  eingeführt.  Eine,  bei  Gelegenheit  der  Tagung  des  Deutschen 
Forstvereins  in  Wiesbaden  1900  unter  Leitung  Borggreve's  dahin  unternommene  Ex- 
kursion hat  eine  Erörterung  in  der  Literatur  hervorgerufen,  deren  Ergebnis  nicht  als 
eine  durchgehende  Anerkennung  der  Richtigkeit  des  Prinzips  anzusehen  ist  (Bericht 
über  die  1.  Hauptversammlung  des  Deutschen  Forstvereins  S.  200  ff.,  ferner  Fw.  Ztbl. 
1900,  S.  589  Fürst,  „Eine  Exkursion  ins  Gebiet  der  Plenterdurchforstung«  1901, 
S.  1 18,  Berichtigung  von  Borggreve  und  Entgegnung  von  Fürst,  ferner  B o r g- 
greve  in  Ztschr.  f.  F.  u.  J.W.  1901,  S.  385).  Es  ist  abschliessend  zu  bemerken,  dass 
die  Borggrevesche  Plenterdurchforstung  keine  Zwischen  nutzung,  sondern  Haupt- 
nutzung  darstellt.  Dieselbe  hat  in  ungleich vvüchsigen  Beständen,  z.  B.  in  Buchenbeständen, 
die  aus  fortgewachsenem  Mittelwald  oder  Femelwald  hervorgegangen  sind,  ebenso  in 
ungleichalterigen  Weisstannenbeständen,  ohne  Zweifel  ihre  volle  Berechtigung  und  es 
ist  ein  Verdienst  Borggreves,  auf  die  Notwendigkeit,  bezw.  Zweckmässigkeit  einer  Be- 
seitigung der  sog.  „Prot^en^  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Eine  Verallgemeinerung 
des  Prinzips  und  die  Anwendung  desselben  auf  gleichmässig  erwachsene  Bestände  ist 
zu  beanstanden. 

§  61.    IV.  Durchführung  im  Walde. 

a)  Veranschlagung.  Für  die  planmässige  Durchführung  eines  systemati- 
schen Durchforstungsbetriebes  ist  die  Veranschlagung  nach  der  Fläche  ein  wichtiges 
Erfordernis,  derart,  dass  der  Wirtschafter  daran  gebunden  ist,  jährlich  eine  gewisse 
Fläche  gründlich  vorzunehmen,  so  dass  die  Wiederkehr  in  einer,  im  voraus  zu  bestim- 
menden angemessenen  Umlaufszeit  gesichert  ist.  Dazu  hat  die  Forsteinrichtung  die 
nötigen  Bestimmungen  zu  treffen. 

b)  Holzauszeichnung.  Die  sorgfältigste  Leitung  des  Durchforstungsbetriebs 
ist  eine  der  wichtigsten  Obliegenheiten  des  Wirtschaftsbeamten.  Ist  letzterer  auch  in 
einem  grösseren  Reviere  nicht  imstande,  jedes  einzelne  auszuforstende  Exemplar  in 
Jungwüchsen  selbst  zu  bezeichnen,  so  muss  er  sich  doch  durch  entsprechend  umfäng- 
liche Probeauszeichnung  überzeugt  haben,  dass  seine  Absichten  von  dem  untergebenen 


528  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Personal  nach  allen  Seiten  hin  vollständig  verstanden  sind.  Auch  hat  er  sich  dnrch 
häufig  wiederholten  Besuch  der  Uauungen  von  dem  sachgemässen  Vollzug  seiner  Anord- 
nungen zu  überzeugen;  Zweifelsfälle  sind  seiner  Entscheidung  vorzubehalten.  Dass 
sich  die  Ausführung  in  Brennholzbeständen  meist  sehr  viel  einfacher  gestaltet,  als  in 
einer  Nutzholz  Wirtschaft,  im  reinen  Bestände  einfacher  als  im  gemischten,  liegt  auf  der 
Hand.  Im  frühesten  Alter  des  Bestandes  genügt  auch  eine  Probedur chforstung  unter 
den  Augen  des  Wirtschafters,  bei  geringeren  Stangen  erfolgt  Auszeichnung  mit  dem 
Risser,  bei  stärkeren  und  bei  Stämmen  mit  dem  Waldhammer.  Die  spezielle  Auszeich- 
nung der  späteren  Durchforstungen  dürfte,  wenn  dieselben  wirklich  alles  Wünschens- 
werte leisten  sollen,  dem  Wirtschaftsführer  nicht  erspart  bleiben.  Die  richtige  Schlag- 
stellung ist  sofort,  d.  h.  durch  einmalige  Auszeichnung  anzustreben ;  beim  Laubholz  ist 
die  letztere  womöglich  vor  Laubabfall  vorzunehmen^^*). 

c)  Hiebsführung:  In  jüngeren  Beständen  kommen  als  Werkzeuge  event.  be- 
sondere Durchforstungsmesser ,  ferner  die  Durchforstungsschere  und  die  Heppe  in  Be- 
tracht ;  demnächst  haben  Axt  und  Säge  einzutreten.  Feinere  Durchforstungen  (in  Jung- 
wüchsen, wo  nicht  jedes  Exemplar  besonders  ausgezeichnet  ist)  werden  oft  mit  Vorteil 
im  Taglohn  ausgeführt.  Die  Zeit  der  Vornahme  ist  in  der  Regel  von  der  Ausführung 
der  Hauptfällungen  abhängig,  indem  die  Durchforstungen  mit  diesen  in  passender  Weise 
kombiniert  werden  müssen.  Meistens  führt  man  die  Dnrchforstungen  nach  Beendigung 
der  Haupthauungen  aus.  Sie  geben  öfters  neben  den  Ausläuterungen  eine  passende 
Sommerarbeit  für  ständige  Holzhauer. 

Drittes  Kapitel. 
Die  Aufastungen  ^*^). 

§  62.  Unter  Aufastungen  oder  Entastungen  versteht  man  die  Wegnahme  von 
Aesten  an  stehenden  Stämmen.  Je  nachdem  diese  Aeste  schon  abgestorben  oder  noch 
lebend  sind,  unterscheidet  man  Trocken-  und  GrünJistung^^^^j. 

I.  Zweck:  Die  Aufastung  kann  in  dreifacher  Beziehung  von  Bedeutung  werden, 
nämlich  1.  für  die  Entwickelung  der  aufgeasteten  Stämme  selbst;  2.  für  die  Entwicke- 


194)  Die  Regel,  den  Hieb  erst  schwach  zu  greifen,  und  dann  eine  Nachauszeichnuug 
vorzunehmen,  führt  keineswegs  immer  zu  dem  gewünschten  Ziel  einer  glcichmässigen  Dorch- 
lichtung  des  Bestandes.  Ist  eine  solche  bei  dem  ersten  Aushieb  erreicht,  so  werden  durch 
die  Nacbfällung  vielfach  Ungleichförmigkeiten  entstehen,  zumal  man  mit  dem  Nachhieb  in 
der  Regel  in  stärkere  Stammklassen  kommt.  —  In  noch  belaubtem  Bestände  bietet  dichter 
Kronenschluss  manchmal  eine  Schwierigkeit  für  die  richtige  Beurteilung  des  Werts  einzelner 
Stämme.  Immerhin  aber  dürfte  dieselbe  weniger  hoch  zu  veranschlagen  sein,  als  die  nach 
Laubabfall  häufig  eintretenden  Zweifel  bezüglich  der  relativen  Bedeutung  von  Nachbarstämmen. 
Es  kommt  hinzu,  dass  der  Nachsommer  meist  die  „arbeitsfreie"  Zeit  des  Revierverwalters 
ist,  so  dass  er  dann  das  Geschäft  des  Auszeichnens  ohne  Kollision  mit  anderen  Arbeiten 
vornehmen  kann. 

195)  Zu  vergleichen:  Allgemeiner  Arbeitsplan  für  forstliche  Aestungsversuche.  Aufge- 
stellt von  dem  Verein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten  1886 ,  abgedruckt  im  Jahrbuch 
der  preuss.  Forst-  und  Jagdgesetzgebung  und  Verwaltung,  18.  Bd.,  4.  Heft.  S.  264  flf.  In 
demselben  sind  sämtliche  bei  der  Aestung  irgend  in  Betracht  kommende  allgemeine  Gesichts- 
punkte aufs  vollständigste  zusammengestellt.  Zugleich  ist  daraus  zu  ersehen,  nach  welchen 
Richtungen  hin  die  ganze  Frage  der  Klärung  noch  bedarf.  —  Vergl.  auch  Kienitz,  „Heber 
die  Aufastung  der  Waldbäume",  Suppl.  zur  AUg.  F.  u.  J.Z.  X.  Bd.,  2.  Heft,  1877.  May, 
„Geschichte  der  Aufastungstechnik  und  Aufastungslehre"  (F.  Ztbl.  1889,  1890  u.  1891.  Fer- 
ner „Instruktion  für  Aufastungen"  (im  Grossh.  Hessen)  F.  Ztbl.  1899,  S.  317. 

196)  Gelegentlich  (z.  B.  in  dem  vorgenannten  Arbeitsplan)  wird  auch  noch  die  sog. 
Welkästung  unterschieden,  worunter  die  Wegnahme  natürlich  oder  künstlich  (durch  Einstutzen 
oder  Ringelung)  gewelkter  Aeste  verstanden  wird. 


Die  Bestandeserziehnng.     §  62.  529 

lang  des  Unterwuchses ;  3.  durch  die  dabei  gewonnene  Holzmasse.  Bald  veranlasst  uns 
die  eine,  bald  die  andere  der  genannten  Absichten  zur  Ausführung  einer  Aestung;  in 
den  meisten  Fällen  jedoch  wird  dieselbe  in  erster  Linie  behufs 

a)  Erziehung  guter  Nutzstämme  vorgenommen.  Dabei  kommt  in  Be- 
tracht die  etwaige  Wirkung  der  Aufastung  a)  auf  die  innere  Gesundheit  des  Stammes, 
ß)  auf  die  inneren  Strukturverhältnisse,  y)  auf  die  Wachstumsverhältnisse  (Fonnent- 
wickelung  etc.).    In  jedem  Falle  steht  der  Gebrauchswert  des  Stammes  in  Frage. 

Ob  und  inwieweit  die  Aestung  günstig  wirkt,  ist  noch  nicht  endgiltig  und  insbeson- 
dere noch  nicht  durch  die  erforderliche  Reihe  exakter  komparativer  Versuche  genügend 
festgestellt.  Je  nach  den  vorliegenden  Bedingungen  wird  der  Erfolg  ein  sehr  verschiedener 
sein.  Die  angestrebten  Vorteile  sind:  Erzeugung  astfreier  Holzlagen,  verbesserte  Schaft- 
form, Anregung  des  Wachstums  überhaupt  und  insbes.  des  Höhenwachstums,  Erhöhung  der 
Widerstandsfähigkeit  gegen  Stürme  und  sonstige  Witterungsübel.  Es  fragt  sich  nur,  ob 
diese  Vorteile  erreicht  werden  können,  ohne  dass  gleichzeitig  Nachteile  eintreten,  und  ob 
weiterhin  der  Erfolg  derart  ist,  dass  sich  der  durch  die  Aufastung  bedingte  Kostenaufwand 
lohnt. 

Solange  es  sich  nur  um  Entnahme  trockener  Aeste  (event.  Aststummel)  handelt, 
wie  sie  sich  namentlich  infolge  mangelnder  Lichtwirkung  fast  immer  mehr  oder  weniger 
reichlich  vorfinden,  kann  der  Baum,  entsprechend  vorsichtige  Ausführung  vorausgesetzt, 
nur  Vorteil  von  der  Aestung  haben,  indem  dadurch  eine  Arbeit  vollzogen  wird,  die  er 
anderenfalls  entweder  durch  allmähliches  Abstossen  des  toten  Organs  selbst  vornehmen 
müsste,  oder  deren  Unterlassung  bei  der  Unmöglichkeit  des  Abstossens  stärkerer  Aeste 
insofern  nachteilig  wirkt,  als  der  tote  Teil  einwächst,  zu  Fehlstellen  (Hornästen)  Anlass 
gibt  und  demnächst  die  Nutzfähigkeit  des  Stammes  vermindert.  Allerdings  ist  nach 
Mayr  (Jahresbericht  als  Supplementband  der  Allg.  F.  u.  J.Ztg.  für  1893)  die  Trocken- 
ästung  auf  schwaches  Material  zu  beschränken,  weil  die  von  Saprophyten  bewohnten 
dürren  Aeste  die  beste  Prophylaxis  gegen  Pilzparasiten  sind.  Erhebliche  Zweifel  be- 
stehen hinsichtlich  der  Grünästung:  Die  Ansichten  gehen  sehr  auseinander;  im 
allgemeinen  aber  scheint  festzustehen,  dass  man  selbst  bei  Bäumen  von  hoher  Eepro- 
duktionskraft  nicht  über  ein  gewisses  Mass  (Zahl  der  zu  entfernenden  Aeste,  Grösse 
der  Wundfläche)  hinausgehen  darf,  wenn  nicht  die  Nachteile  (Minderung  der  Organe, 
mangelhafte  üeberwallung  etc.)  überwiegen  sollen.  Die  Umstände,  welche  den  Erfolg 
beeinflussen,  sind  nach  Art  und  Umfang  noch  durch  Versuche  festzustellen.  Im  ein- 
zelnen sind  dabei  hinsichtlich  der  Objekte,  an  welchen  die  Aestung  vollzogen  wird,  zu 
beachten:  die  Holzart,  die  Standortsverhältnisse,  die  Bestandesverhältnisse  im  ganzen 
und  der  aufzuastenden  Stämme  im  besonderen.  Naturgemäss  stehen  betreffs  der  Holz- 
art für  den  hier  in  Rede  stehenden  Zweck  nur  Nutzholzarten  in  Frage  und  zwar 
dürften  in  erster  Linie  die  Eiche,  sowie  unsere  Nadelhölzer  ins  Auge  zu  fassen  sein. 
Hinsichtlich  des  Standorts  kommen  alle  einzelnen  Faktoren  desselben  in  Betracht, 
da  dieselben  in  ihrer  Verschiedenheit  wohl  unzweifelhaft  auch  auf  den  Effekt  der  Aestung 
modifizierend  wirken  können.  Die  Lage  (Himmelsrichtung,  Abdachung  etc.)  beeinflusst 
das  Klima  und  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens ;  Grundgestein  und  Unter- 
grund, Boden  (besonders  die  Feuchtigkeitsverhältnisse)  und  Klima  (Regenhöhe,  Ver- 
teilung der  Niederschläge,  Insolation  u.  s.  w.)  sind  für  die  Entwickelung  der  Holzart 
und  für  die  Wachstumsenergie  einzelner  Individuen  massgebend.  Auch  das  Alter 
der  zu  ästenden  Bäume  ist  zu  beachten,  sofern  man  wahrscheinlich  einem  jungen  bis 
mittelalten  vollkräftigen  Individuum  mehr  zumuten  kann  als  einem  alten  Stamme.  Wie 
sich  jedoch  die  Wirkung  aller  dieser  Momente  bezüglich  des  Erfolges  der  Aufastung 
gestaltet,  ist  noch  aufzuklären. 

b)  Förderung  des  Unterwuchses.  Hierbei  kommt  namentlich  der  Mittel- 
Handbuch  A.  Fontw.    fl.  Aufl.    I.  34 


530  IV.  Lorey,  Waldbau. 

wald,  sowie  der  Hochwald  mit  natürlicher  Verjüngung  in  Betracht.  Im  Mittelwald  ist 
die  Bedeutung  des  Unterholzes  meist  eine  sehr  erhebliche,  indem  viele  Besitzer,  von 
jeder  einseitigen  Steigerung  der  Oberholzproduktion  absehend,  auf  die  im  Unterholz  zu 
gewinnende  Brennholzmenge  besonderen  Wert  legen  müssen.  Allzu  reichliche  Beschat- 
tung seitens  der  OberstJlnder  behindert  die  freudige  Entwickelung  des  Unterwuchses, 
so  dass  durch  Entnahme  eines  Teils  der  Aeste  an  jenen,  mit  möglichster  Berücksich- 
tigung der  unter  a  angedeuteten  Gesichtspunkte,  nachgeholfen  werden  muss.  Nicht  min- 
der können  unter  Umständen  die  Jungwüchse  des  Plenterwaldes  und  des  schlag  weisen 
Hochwaldbetriebes  eine  Lockerung  des  Kronenschirmes  durch  Entastung  (Wegnahme 
der  unteren  Aeste)  fordern.  Dadurch  wird  zugleich  das  spätere  Ausbringen  der  Mutter- 
bäume mit  geringerer  Schädigung  des  Unterwuchses  möglich  ^^^).  Immerhin  darf  man 
die  nachteilige  Wirkung  einer  nur  zeitweisen  stärkeren  Ueberschirmung  des  Jungwuchses 
nicht  überschätzen,  damit  nicht  für  Aufastungen  ohne  W)t  zu  grosse  Kosten  aufgewendet 
und  nicht  Stämme,  welche  noch  längere  Zeit  stehen  sollen,  durch  die  Aestung  zu  gunsteu 
des  Unterstandes  unverhältnismässig  geschädigt  werden. 

c)  Materialanfall:  Die  Aufastung  liefert  nicht  nur  eine  je  nach  Umständen 
mehr  oder  minder  schätzbare  Holzmasse,  sondern  wird  vielfach  auch  zur  Gewinnung 
von  Streu  (Reissstreu  im  Gebirg)  und  Futterlaub  (z.  B.  von  Eschen)  regelmässig  vor- 
genommen. Namentlich  letztere  beide,  dem  Gebiete  des  Nebennutzungsbetriebs  zuge- 
hörenden Zwecke  sind  oft  Veranlassung  einer,  sonstige  Rücksichten  vernachlässigenden 
Ausdehnung  der  Massregel  (Schneidelbetrieb). 

II.  Erfolg  der  Aestung:  Ausser  den  ad  I  a  bereits  angegebenen  bedingen- 
den Momenten  sind  von  Einfluss  die  Ausführung  der  Entastung,  die  Zeit  ihrer  Vor- 
nahme, der  Umfang  derselben  (Anzahl  und  Stärke  der  weggenommenen  Aeste),  die 
aufgewendeten  Kosten. 

A.  Art  der  Ausführung  und  zwar 

1.  Ort  der  Abtrennung  der  Aeste:  Man  unterscheidet  Aestung  scharf 
am  Stamme,  Aestung  in  geringem  Abstände  vom  Stamme  (sog.  Stummeln),  Einstutzen 
der  Aeste  in  grösserer  Entfernung  vom  Stamme  zum  Behüte  der  vorläufigen  Verhinde- 
rung ihrer  Stärkezunahme  oder  des  allmählichen  Abwelkens  und  späteren  Nachschneidens 
am  Stamme. 

Beim  Aesten  scharf  am  Stamm  kann  der  Schnitt  parallel  zur  Baumachse  oder  senk- 
recht zur  Astachse  geführt  werden.  Im  ersteren  Falle  ist  die  Wundfläche  etwas  grösser, 
die  Ueberwallung  aber  meist  vollständiger,  der  Einfluss  der  Operation,  weil  der  beim  Schnitt 
senkrecht  zur  Astachse  meist  verbleibende  kleine  Astteil  fehlt,  ein  günstigerer.  —  Das 
Belassen  kurzer  Stummel  scheint  meist  zwecklos,  ja  wegen  Einfaulens  derselben  schädlich, 
wogegen  das  Belassen  längerer  Astreste  mit  einigen  noch  grünen  Zweigen  sich  dann  em- 
pfehlen kann,  wenn  man  starke  Aeste  an  bald  zu  fällenden  Stämmen  nicht  ganz  zu  ent- 
fernen wagt,  inzwischen  jedoch  die  Beschattung  des  Unterwuchses  vermindern  möchte. 

2.  Instrumente:  Ein  glatter  Schnitt  ist  bei  der  Grünastung  zur  Erzielung 
möglichst  rascher  guter  Ueberwallung  unbedingt  erforderlich ;  alles  Splittern,  Einreissen 
in  Holz  und  Rinde,  Loslösen  der  Rinde  vom  Holzkörper  ist  zu  vermeiden.  Nur  für 
schwache  Aeste,  welche  mit  einem  Hieb  vom  Stamm  getrennt  w^erden  können,  sind 
Beil  oder  Hoppe,  event.  auch  ein  (von  unten  zu  führendes)  Stosseisen  anwendbar.    Im 


197)  z.  B.  Aufastungen  im  Schwarzwald.  Die  allmähliche  Entastung,  hauptsächlicli 
zu  gunsten  der  Entwickelung  des  ünterwuchses,  ist  von  der  oft  vollständigen  Entastung  un- 
mittelbar vor  der  Fällung,  behufs  geringerer  Beschädigung  der  Jungwüchse  durch  den  fallenden 
Stamm,  zu  unterscheiden.  Von  letzterer  ist  man  vielfach  abgekommen,  weil  infolge  des 
nunmehr  ganz  unvermittelten  Aufschiagens  der  Stämme  auf  den  Boden  (Steinräuhen !)  zu  yiele, 
insbes.  Tannen-Stänmie  zerbrechen. 


Die  Bestandeserziehong.     §  62.  531 

übrigen  ist  die  Aestung  mit  der  Säge  (Hand-  oder  Stangensäge)  vorzunehmen.  Be- 
sondere Aufastungssägen  mit  kleinen  Zähnen  und  verstellbaren  Blättern,  wie  z.  B.  die- 
jenigen von  Alers^^^),  Nördlinger  "^),  sowie  MüUer-Dörmer  ^ooj. 

3.  Ausführung,  Behandlung  der  Wundfläche:  Zur  Vermeidung  des 
Einreissens  in  den  Stamm  ist  bei  Entnahme  aller  stärkeren  Aeste  von  unten  her  zu- 
nächst an  der  Schnittstelle  einzukerben;  schwere  Aeste  werden  überdies  am  besten 
stückweise  entfernt.  —  Die  Schnittflächen  werden  bei  Nadelhölzern,  bei  welchen  öfters 
Verschluss  durch  Harzaustritt  erfolgt,  und  die  kleineren  auch  bei  Laubhölzern  einer  be- 
sonderen Behandlung  nicht  unterzogen ;  dagegen  sollen  alle  grösseren  Wundflächen,  insbe- 
sondere gegen  das  Eindringen  von  Pilzen,  durch  einen  am  einfachsten  und  billigsten  aus 
Steinkohlenteer  zu  beschaffenden  Anstrich  verschlossen  werden.  —  Organisation  der 
Arbeit:  Nur  durchaus  zuverlässigen,  geübten  Arbeitern  darf  die  Aestung  übertragen 
werden.  Bis  zu  einer  gewissen  Höhe  vom  Boden  (ca.  6  Meter,  ja  mit  Ansatzgestänge 
bis  zu  ca.  10 — 12  Meter)  kann  die  Stangensäge  angewendet  werden,  weiter  hinauf  wird 
die  Astung  durch  Besteigen  der  Bäume  vorgenommen.  Zum  Besteigen  der  Bäume  sind 
besondere  Steigapparate  erfunden  worden,  so  von  Zehnpfund  der  sog.  Steigrahmen  ^^^) ; 
Verbesserungen  desselben  wurden  vorgeschlagen  von  Hefele^^s)  und  anderen.  Die 
Anwendung  der  Alers'schen  Baumgabel  erfordert  einen  zweiten  Arbeiter;  ein  solcher 
ist  auch  zum  Teeren  der  Wundstellen  anzustellen. 

B.  Zeit  der  Auf astung^®^):  Dieselbe  soll  bei  Laubholz  in  der  Zeit  der 
Saftruhe  stattfinden ;  am  besten  ist  der  Nachwinter :  starker,  anhaltender  Frost,  Hitze, 
bedeutender  Saftausfluss  etc.  würden  ungünstig  wirken;  nach  der  Aestung  im  Nach- 
winter beginnt  mit  eintretender  Saftbewegung  im  Frühjahr  alsbald  die  üeberwallung. 
Bei  Fichten  jüngeren  Alters  ist  beobachtet  worden,  dass  die  Sommergrünästung  wegen 
des  mit  ihr  verbundenen  Harzausflusses  ein  üeberkleben  der  Wunden  und  dadurch  eine 
Vorbeugung  gegen  das  Eindringen  der  Pilzsporen  und  somit  gegen  die  Fäulnis  im 
Gefolge  hatte. 

C.  Ausdehnung  der  Aestung:  In  Frage  steht  die  Stärke  der  zu  ent- 
nehmenden Aeste,  deren  Anzahl  und  Stellung  am  Stamm,  im  konkreten  Falle  beeinflusst 
durch  Höhe  des  Kronenansatzes,  Kronenlänge,  Kronendurchmesser,  Kronendichte  etc. 
des  zu  entastenden  Stammes. 

Welche  Grösse  die  einzelne  Wundfläche  je  nach  Alter,  Stärke  und  Wtichsigkeit  des 
Stammes  ohne  Gefahr  haben  darf;  in  welchem  Masse  durch  geringen  vertikalen  und  seit- 
lichen Abstand  mehrerer  Wundflächen  von  einander,  namentlich  bei  stärkeren  Aesten  der 
Ueberwallungsprozess  erschwert  und  die  Gefahr  einer  von  denselben  ausgehenden  Verderbnis 
erhöht  wird ;  welche  relative  Gesamtausdehnung  der  Wundflächen  eines  Stammes  man  nicht 
ohne  Nachteile,  auch  für  die  physiologischen  Funktionen  und  die  Zuwachsverhältnisse,  über- 
schreiten könne?  sind  Fragen,  deren  zuverlässige  Beantwortung  nach  dem  jetzigen  Stand 
unserer  Kenntnis  noch  nicht  möglich  ist.     (Weisstanne  und  Fichte  sollen,  nach  Dengler, 


198)  Die  sog.  „Flügelsäge"  von  Forstmeister  Alers  in  Helmstedt  ist  beschrieben  in 
Alers  „lieber  Aufästen  der  Waldbäume"  etc.  2.  Aufl.  1874.  lieber  ihre  Leistung  zu  ver- 
gleichen u.  a.  Hess ,  „Aufastung  von  Eichen"  (Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen  1879,  S.  353). 
Derselbe,  Allg.  F.  u.  J.Z.  1874,  S.  37  ff.  —  Derselbe,  „Astungen  in  Fichtenstangen- 
hölzern" (Zentralbl.  f.  d.  ges.  Forstw.  1882,  S.  452).  —  Zum  Festhalten  schwanker  Aeste 
behufs  des  Absägens  hat  Alers  eine  auf  einer  Stange  befestigte  „Baumgabel"  konstruiert: 
cfr.  Allg.  F.  u.  J.Z.  V.  1886,  S.  395. 

199)  cfr.  Kritische  Blätter,  LI.  Bd.  a,  S.  220  flf. 

200)  Allg.  F.  u.  J.Ztg.  1893,  S.  200. 

201)  Ztschr.  f.  d.  ges.  Fw.  1892,  S.  465. 

202)  Fw.  Ztbl.  1894,  S.  299. 

203)  Vergl.  K  i  e  n  i  t  z  a.  a.  0.  S.  68,  72,  75,  78,  80. 

34* 


532  IV.  Lore y,  Waldbau. 

bis  zu  0,6 — 0,7,  Kiefer  und  Lärche  bis  zu  0,8  der  Baumhöhe  entastet  werden  dürfen. 
Tramnitz  hält  die  Entnahme  von  20 — 33%  der  grünen  Krone  für  zulässig,  fordert 
aber  für  die  Eiche,  dass  die  Wunden  [höchstens  4  cm  Durchmesser !]  in  3 — 4  Jahren  über- 
wallen.) Im  allgemeinen  ist  Yor  Beseitigung  starker  Aeste  zu  warnen,  wogegen  schwä- 
chere  Aeste  an  schönen  Stämmen  zu  beseitigen  sind. 

D.  Kosten:  Die  Aufastung  ist  als  eine  viel  Sorgfalt  erfordernde  Manipulation 
verhältnismässig  teuer.  Selbst  wenn  die  hinsichtlich  des  Astungsverfahrens  (Instrumente, 
Arbeitsorganisation  etc.)  günstigen  Bedingungen  ausfindig  gemacht  sind,  ist  zu  erwägen, 
ob  und  inwieweit  —  nach  Abzug  des  Weites  der  anfallenden  Astmasse  —  der  Auf- 
wand durch  die  erwarteten  Vorteile  gedeckt  wird.  Für  sicheres  ziffermässiges  Bemessen 
fehlen  bislang  die  nötigen  Anhaltspunkte. 

Angesichts  der  zahlreichen  bedingenden  Faktoren  ist  die  Aufastungsfrage  eine 
überaus  komplizierte,  zu  deren  allseitiger  Lösung  sich  Pflanzenphysiologen  und  Forst- 
leute verbinden  müssen.  Vorläufig  scheint  bezüglich  der  Grünästung  grosse  Vorsicht 
geboten  zu  sein,  mindestens  insoweit  es  sich  um  Stämme  handelt,  welche  noch  längere 
Zeit  wachsen  sollen.  Jedenfalls  wird  man  gut  tun,  die  Aestung  vorerst  nur  als  eine 
Ausnahmsmassregel  zu  betrachten. 

Viertes  Kapitel. 
Auszugshauungen. 

§  63.  Dieselben  entfernen  solche  vom  vorigen  ümtrieb  überkommene  üeberhalt- 
stämme,  welche  nicht  geeignet  sind,  bis  zur  Hiebsreife  des  jetzigen  Bestandes  auszn- 
halten.  Die  Veranlassung  liegt  zumeist  in  den  betreffenden  Stämmen  selbst,  indem  ein 
grosser  Teil  derselben  vorzeitig  schadhaft  wird  und  im  Zuwachs  nachlässt;  zum  Teil 
aber  fordert  auch  die  Pflege  des  umgebenden  Bestandes,  welcher  durch  die  meist  breit- 
kronigen  Altholzstämme  in  seiner  Entwickelung  gehemmt  wird,  deren  Aushieb.  Es  ist 
zu  erwägen,  ob  im  Falle  des  Stehenlassens  die  Wertsmehrung  des  üeberhälters  für  den 
Zuwachsausfall  am  neuen  Bestände  ein  Aequivalent  bietet.  Die  Fällung  hat  mit  der 
nötigen  Vorsicht  (vorheriges  Entasten  etc.)  zu  erfolgen,  damit  der  Jnngbestand  mög- 
lichst wenig  leidet. 

Fünftes  Kapitel. 
Unterbau  und  Lichtungsbetrieb. 

§64.  Vorbemerkungen:  Unter  Unterbau  versteht  man  das  Einbringen 
eines  Unterholzes  in  einen  vorhandenen  Bestand,  unter  Lichtungsbetrieb  einen  solchen 
Eingriff  in  einen  Bestand,  welcher  den  einzelnen  Bäumen  desselben  eine  räumlichere 
Stellung  schafft,  als  sie  durch  den  natürlichen  Auslichtungsprozess  und  die  regelmässi- 
gen Durchforstungen  herbeigeführt  wird.  Beide,  Unterbau  und  Lichtungsbetrieb,  be- 
zwecken eine  Steigerung  des  Zuwachses,  der  erstere  hauptsächlich  durch  Verbesserung 
der  physikalischen  Bodeneigenschaften,  der  letztere  durch  Gewährung  eines  vergrösserten 
Wachsraumes  für  Wurzeln  und  Krone.  Im  Vergleich  zum  nicht  unterbauten  geschlos- 
senen Hochwaldbestande,  welcher  in  bestimmter  Zeit  Stämme  von  gewissen  mittleren 
Dimensionen  erzeugt,  soll  also  entweder  in  der  gleichen  Zeit  stärkeres  und  damit  wert- 
volleres Holz  oder  es  soll  gleich  starkes  (gleichwertiges)  Holz  in  kürzerer  Zeit  erzielt 
werden;  in  beiden  Fällen  hat  man  einen  wirtschaftlichen  Gewinn,  so  lange  nicht  die 
Zuwachsmehrung  nur  durch  einen  verhältnismässig  zu  hohen  Kostenaufwand  herbeige- 
führt wird.  Unterbau  und  Lichtungsbetrieb  sind  an  sich  verschiedene  Massregeln,  gehen 
aber  insofern  Hand  in  Hand,   als  vielfach   eine  Bestandeslichtung  Bedingung  für  ge- 


Die  Bestandeserziehang.     §  85.  533 

deihlicben  Unterban  ist  and  umgekehrt  ein  über  das  Mass  einer  kräftigen  Dnrchforstiing 

hinausgehender   stärkerer  Aushieb   im  Bestände    öfters   den  Unterbau   als  Ergänzung 

fordert,  wenn  nicht  eine  Bodenverschlechterung  eintreten  soll. 

Danckelmann  nennt  (cfr.  Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1881,  S.  5)  Hochwald-Unterbau- 
betrieb einen  Hochwaldbetrieb  mit  anfangs  gleichaltrigem  Hauptbestand  und  mit  Unterbau 
von  Schattenholzarten  im  stark  durchforsteten  Stangen-  oder  geringen  Baumholzbestande. 
Derselbe  unterscheidet  sich  vom  Lichtungsbetriebe  dadurch,  dass  der  Zwischenhieb  bei  die- 
sem stark  in  den  Hauptbestand  eingreift,  bei  jenem  dagegen  in  der  Hauptsache  nur  Neben- 
stand entnimmt. 

I.  Unterbau  insbesondere^®*). 

A.  Allgemeine  Gesichtspunkte. 

§  65.  Der  Unterbau  ist  in  erster  Linie  eine  Massregel  der  Bodenpflege.  Man 
unterscheidet  den  zu  unterbauenden  Best-and  und  die  einzubringende  Holzart.  Es  ist 
Tatsache ,  dass  sich  in  allen  anfänglich^  geschlossenen  Beständen  früher  (bei  Lichthöl- 
zern) oder  später  (bei  Schattenhölzem)  von  selbst  eine  Auslichtung  vollzieht,  indem 
allmählich  eine  immer  grössere  Anzahl  von  Stämmen  infolge  der  Bedrängung  durch 
die  Nachbarn  oder  aus  anderen  Gründen  abständig  wird.  Die  hiermit  gegebene  Unter- 
brechung des  Kronenschlusses  gewährt  der  Sonne  und  dem  Wind  Zutritt  zum  Boden, 
welchem  dadurch  seine  Feuchtigkeit  entzogen,  dann  aber  auch  durch  beschleunigte  Zer- 
setzung der  Streudecke  geschadet  wird.  Die  Humusbildung  erfolgt  nicht  mehr  im  bis- 
herigen Verlauf;  die  Ueberkleidung  des  Bodens  mit  spontan  auftretenden  Standortsge- 
wächsen bietet  meist  kein  genügendes  Gegenmittel,  sondern  beschleunigt  oft  die  Aus- 
hagerung  des  Bodens,  weil  viele  jener  Gewächse  (meist  Lichtpflanzen)  demselben  Wasser 
entziehen,  ohne  darch  intensive  Beschirmung  und  ausgiebigen  Laubabfall,  also  durch 
Vermittelung  reichlicher  Humusbildung  für  Erhaltung,  bezw.  Vermehrung  der  Boden- 
tätigkeit zu  sorgen. 

Die  Fälle,  in  welchen  sich  blattrciche,  dichtgeschlossene  Forstunkräuter  so  massen- 
haft einstellen,  dass  die  Funktionen  des  künstlich  eingebrachten  Unterholzes  übernehmen 
könnten,  bilden  nicht  die  Regel,  zumal  nicht  auf  mittleren  Standorten,  für  welche  der 
Unterbau  sehr  häufig  in  Betracht  kommt.  Beste  Böden  (z.  B.  Auwaldungen)  bedürfen 
desselben  oft  nicht. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  durch  die  natürliche  Auslichtung,  wird  die  Unterbrechung 
des  Kronenschlusses  durch  Beschädigungen,  welche  von  aussen  an  den  Bestand  heran- 
treten (Insekten,  Sturm,  Schnee),  sowie  durch  wirtschaftliche  Eingriffe  herbeigeführt. 
Wird  nun  ein  solcher  Bestand  unterbaut,  so  will  man  durch  diese  Massregel  die  Lei- 
stungsfähigkeit des  Bodens  erhalten,  wenn  möglich  dieselbe  steigern  oder,  wäre  sie  schon 
gesunken,  den  früheren  Zustand  wieder  herstellen,  von  der  Ueberzeugung  ausgehend, 
dass  nur  eine  dauernd  vollständige  Bedeckung  der  Bodenoberfläche  hierzu  geeignet  ist. 

Ob  der  erwartete  Erfolg  wirklich  eintritt,  muss  demnächst  die  Beschaffenheit  des 
unterbauten  Bestandes  dartun.  Der  überzeugende  Beweis  kann  nur  durch  den  kompara- 
tiven Versuch  erbracht  werden,  indem  man  von  zwei  im  übrigen  ganz  gleichen  Beständen 
(bezw.  Bestandesteilen)  den  einen  unterbaut,  den  anderen  ohne  Unterbau  weiter  behandelt, 
so  dass  die  Verschiedenheit  des  schliesslichen  Holzanfalls  als  eine  Folge  des  ausgeführten 


204)  Zu  vergleichen  u.  a. :  Arbeitsplan  betr.  Versuche  über  Unterbau-  und  Lichtungs- 
betrieb im  Hochwald,  aufgestellt  von  dem  Verein  deutscher  forstlicher  Versuchsanstalten 
(siehe  Jahrbuch  der  preuss.  Forst-  u.  Jagdgesetzgebung  und  Verwaltung  XIX.  Bd.,  1.  Heft, 
S.  12).  —  Urich,  „Unterbau  von  Lichtholzarten«  (Forstw.  Zentralbl.  1884,  S.  472).  — 
Borggreve,  „Lichtungshieb  mit  Unterbau **  (Forstl.  Blätter  1883,  Febr.).  —  Schott 
von  Schottenstein  in  d.  Forstl.  Blättern  Mai  1883,  S.  145  ff. :  eine  Entgegnung  auf 
den  vorzitierten  Artikel  Borggreve' s.  —  Landolt,  Schweiz.  Zeitschrift  1883,  S.  172. 
—  Käst,  Der  Unterbau  und  seine  wirtschaftliche  Bedeutung  (Z.  f.  d.  g.  F.  1889  S.  51. 
102.  150). 


534  IV.  Lorey,  Waldbau. 

oder  nnterlassenen  Unterbaues  angesehen  werden  kann.  Von  vielen  Seiten  werden  günstige 
Erfolge  des  Unterbaues  gemeldet;  aber  es  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  häufig  der 
zu  vergleichende  nicht  unterbaute  Bestand  fehlt.  Nach  den  Untersuchungen  von  Käst 
ist  eine  direkte  Steigerung  des  Zuwachses  als  Folge  des  Unterbaus  nicht  nachzuweisen, 
jedoch  eine  Mehrung  der  Sommcrholzbildung  und  eine  günstige  Wirkung  auf  den  Boden. 
Gruppen-  und  horstweiser  Unterbau  ist  am  meisten  am  Platze.  Wenn  geltend  gemacht 
wird  2°^),  durch  den  Unterbau  schaffe  man  für  den  Oberstand  eine  am  Nährstoffkapital  des 
Bodens  mitzehrende  gefährliche  Konkurrenz,  so  wäre  dies  nur  insoweit  zuzugeben,  als 
Teile  des  Unterwuchses  zur  Nutzung  herangezogen  werden.  Dies  ist  aber  in  erheblicherem 
Umfang  meist  nur  dann  der  Fall ,  wenn  der  Oberstand  bereits  so  stark  durchlichtet  ist, 
dass  durch  ihn  allein  keine  vollständige  Auswirkung  der  Bodenkräfte  mehr  stattfindet. 
Aber  selbst  wenn  eine  etwas  gesteigerte  Mineralstoffentnahme  einträte,  dürfte  dieselbe 
durch  den  günstigen  Einfiuss  des  Unterbaues  auf  die  physikalischen  Bodeneigenschaften 
reichlich  paralysiert  werden.  Dagegen  kann  allerdings  der  sehr  dichte  Unterwuchs  einen 
Wasserentzug  im  Boden  herbeiführen,  welcher  für  den  Oberbestand  nachteilig  wird.  Eine 
derartige  bodenaustrocknende  und  dadurch  den  Zuwachs  mindernde  Wirkung  des  Fichten- 
unterwuchses  unter  Kiefern  ist  durch  Untersuchungen  von  Geh.  Oberforstrat  Zetzsche  in 
Meiningen  nachgewiesen  worden  2^*). 

B.  Bedingende  Momente. 

§  66.  Beim  Unterbau  kommt  in  Betracht:  die  zu  unterbauende  Holzart,  die 
spezielle  Aufgabe  des  Unterwuchses,  die  einzubringende  Holzart,  der  Boden,  die  Zeit 
des  Unterbaues,  die  Art  der  Ausführung. 

1.  Die  zu  unterbauende  Holzart:  Im  allgemeinen  werden  nur  solche 
Holzarten  unterbaut,  welche  für  sich  allein  dem  Boden  nicht  dauernd  die  nötige  Be- 
schirmung gewähren,  also  vorab  Lichthölzer  und  zwar  naturgemäss  dann,  wenn  Ge- 
winnung von  Nutzholz  beabsichtigt  wird,  zu  dessen  Erziehung  solche  Abtriebsalter 
erforderlich  sind,  welche  jenseits  des  Zeitpunktes  der  beginnenden,  energischen,  natür- 
lichen Bestandesauslichtung  liegen  2®').  Der  Unterbau  findet  seine  Stelle  hiemach  zu- 
meist in  Beständen  der  Eiche,  Kiefer  und  Lärche. 

2.  Die  spezielle  Aufgabe  des  Unterstandes:  Derselbe  soll  entweder 
nur  den  Boden  bedecken  (reines  Bodenschutzholz),  oder  man  will  von  demselben  neben 
dem  Oberstand  noch  eine  mehr  oder  minder  beträchtliche  Nutzung  beziehen.  Im  ersten 
Fall  genügt  eine  Unterbrechung  des  Kronenschlusses  im  Oberstand  soweit,  dass  die 
eingebaute  Holzart  sich  gerade  lebenskräftig  im  Schluss  erhalten  kann,  ohne  aber  zu 
irgend  lebhafterer  Entwickelung  angeregt  zu  sein;  im  zweiten  Falle  muss  man  ihr 
durch  w^eitergehende  Eingriffe  in  den  Oberstand  lebhafteres  Wachstum  verstatten,  und 
es  ergeben  sich  dann,  je  nach  den  verschieden  weitgehenden  Ansprüchen,  die  man  an 
beide  Bestandesteile  (Oberstand  und  Unterwuchs)  macht,  zahlreiche  Modifikationen  in  der 
Durchführung,  die  sich  aber,  wenn  auch  nicht  schon  alle  als  eigentlicher  Lichtungsbe- 
trieb, so  doch  als  Uebergänge  zu  demselben  charakterisieren  lassen. 

3.  Der  Boden,  oder  allgemeiner  der  Standort  überhaupt,  wirkt  einmal  durch 
seinen  Einfiuss  auf  die  Beschaffenheit  des  zu  unterbauenden  Bestandes,  sodann  in  Ab- 
sicht auf  das  Gedeihen  der  Unterbauholzart.  Da  sich  auf  besseren  Standorten  die 
natürliche  Ausscheidung  am  greifbarsten  vollzieht,  hier  auch  Beihilfe  in  Gestalt  von 
Durch  forstungen  oft  am  meisten  angebracht  ist,  kommen  solche  Orte  für  den  Un- 
terbau zunächst  in  Betracht.     Wie  weit  man  mit  demselben  auch  auf  geringem  Stand- 


205)  Borggreve  a.  a.  0. 

206)  Allg.  F.  u.  J.Ztg.  1890  S.  269  Schmidt,  Bodenschutzholz  und  Unkrautdecke 
in  ihren  Beziehungen  zu  Bodenfeuchtigkeit  und  Bestandeszuwachs. 

207)  Für  ausnahmsweise,  z.  ß.  im  kleinen  Privatbesitz  vorkommende  Umtriebszeiten 
von  50  bis  60  Jahren,  bei  welchen  nur  Brennholz  und  geringe  Nutzhölzer  erzeugt  werden 
sollen,  kann  der  Unterbau  wohl  meist  entbehrt  werden. 


Die  Bestandeserziehang.     §  66.  535 

orte  vorgehen  soll,  lässt  sich  nicht  allgemein  angeben,  sondern  muss  erst  durch  direkten 
Versuch  festgestellt  werden.  A  priori  lässt  sich  vermuten,  dass  der  Erfolg  der  Mass- 
regel  auf  schlechten  Böden  sehr  bald  ein  zweifelhafter  sein  wird,  weil  die  Sicherheit 
des  Gedeihens  der  eingebrachten  Holzarten  und  damit  die  Wahrscheinlichkeit  einer 
günstigen  Einwirkung  auf  den  Boden  und  Oberholzbestand  bei  gleichem,  ja  vielfach 
bedeutenderem  Kostenaufwand  geringer  wird. 

4.  Die  einzubringende  Holzart:  Dieselbe  muss,    der  Natur  der  Sache 

nach,  eine  schattenertragende  sein,   damit  sie  unter  dem  Drucke  der  Oberholzkronen 

mindestens  soweit  wuchskräftig  bleibt,   um  die  erwarteten  günstigen  Wirkungen  auf 

den  Boden  zu  gewährleisten.     Somit  kämen  zunächst  in  Betracht  die  Buche,  Tanne  und 

Fichte,  sodann  Hainbuche,  l^inde,  event.  auch  (für  besonders  nasse  Böden)  Schwarzerle. 

Entscheidend  für  die  Wahl  der  einzubringenden  Holzart  ist  vorab  der  Standort,  da- 
neben aber  der  Zweck  des  Unterbaues.  Die  Buche  ist  wohl  diejenige  Holzart,  welche, 
sofern  der  reine  Schutzzweck  in  Betracht  kommt,  zunächst  in  Wahl  steht,  da  sie  durch 
ihren  Laubabfall  am  günstigsten  auf  den  Boden  wirken  dürfte.  Sie  taugt  aber  nicht  in 
kalte,  nasse  Lagen ;  hier  wird  sie  meist  sehr  zweckmässig  durch  die  H  a  i  n  b  u  c  h  e  er- 
setzt. Guten  Erfolg  verspricht  auch  die  L  i  n  d  e  (selbst  auf  minderkräftigem  Boden),  doch 
wird  man  sie  meist  nicht  eigens  anbauen,  wohl  aber  ihr,  wo  sie  vorhanden  ist,  den  Platz 
gönnen.  Die  R  o  t  e  r  1  e  könnte  nur  ausnahmsweise  auf  nassen  Stellen  angewendet  werden, 
wogegen  die  Weisserle  auf  trockenem  Standorte ,  z.  B.  auf  Kalkböden  in  Betracht 
kommen  würde.  Alle  diese  Laubhölzer  liefern,  auch  bei  lichterer  Stellung  des  Oberstandes, 
nur  Brennholz.  Sobald  von  dem  Unterstand  auch  Nutzholzproduktion  verlangt  wird,  muss 
man  zur  Tanne  oder  Fichte  greifen.  Vornehmlich  dürfte  sich  die  Tanne  dazu  eignen. 
Dieselbe  ist  nicht  nur  sehr  zählebig  unter  stärkerem  Schirmdruck,  sowie  demnächst  rasch- 
wüchsig, sobald  sie  freigestellt  wird,  sondern  bleibt  mit  ihrer  Wurzel  nicht  in  der  Boden- 
oberfläche, diese  verfilzend,  und  verschliesst,  trotz  reichlicher  Benadelung,  den  Boden  doch 
nicht  zu  sehr.  Bei  der  Fichte  liegt  immer  die  Gefahr  eines  zu  intensiven  Abschlusses 
des  Bodens  von  Luft  und  Niedersclilägen  (durch  Wurzelgeflecht  und  Krone)  vor.  Jeden- 
falls sollte  die  Fichte  nicht  zu  engständig  eingebracht  werden.  Ueberdies  ist  zu  beachten, 
dass  Nadelhölzer,  wie  Tanne  und  Fichte,  in  den  ersten  Jahren  nach  dem  Einbringen  dem 
Boden  nichts  zurückgeben,  da  sie  ihre  Nadeln  während  einer  Reihe  von  5 — 8  Jahren  be- 
halten. Für  manche  Fälle  (bei  stärker  gelichtetem  Oberstand)  könnte  vielleicht  auch  die 
Weymouthskiefer  als  Unterbauholz  in  Frage  kommen. 

5.  Die  Zeit  des  Unterbaues:  Nach  der  Art  der  für  den  Unterbau  gestell- 
ten Aufgaben  ist  der  richtige  Zeitpunkt  für  denselben  von  der  Beschaffenheit  des  zu 
unterbauenden  Bestandes  abhängig.  Frühzeitiger  Unterbau  gewährt  dem  Boden  am 
meisten  Schutz ;  doch  muss  die  Entwickelung  der  eingebrachten  Holzart  durch  entspre- 
chende (natürliche  oder  künstliche)  Lockerung  des  Kronenschlusses  im  Oberstand  sicher 
gestellt  sein.  Dabei  ist  die  verschiedene  Wirkung  eines  höheren  oder  tieferen  Kronen- 
ansatzes zu  beachten,  d.  h.  in  einem  schon  etwas  älteren,  bezw.  höheren  Bestände  kann 
das  Schirmdach  in  sich  ein  etwas  dichteres  sein.  Man  wird  im  allgemeinen  kaum  vor 
dem  30.  Jahre  unterbauen,  andererseits  aber,  meist  auch  nicht  länger  als  bis  zum  60. 
oder  70.  Jahre  mit  der  Einbringung  des  Unterholzes  warten  dürfen,  wenn  nicht  in- 
zwischen schon  eine  nachteilige  Veränderung  der  Bodenbeschaffenheit  hervortreten  soll. 
Entscheidend  ist  dabei  natürlich  auch  das  Abtriebsalter  des  Oberstandes.  Der  Unter- 
bau kann  sich  nur  dann  empfehlen,  wenn  das  Unterholz  noch  genügend  Zeit  hat,  auf 
den  Boden  zu  wirken.  Unter  dieser  Voraussetzung  können  auch  noch  ältere  als  70- 
jährige  Bestände  oft  mit  Vorteil  unterbaut  werden  (z.  B.  80 — 100jährige  Eiche  bei 
140jährigem  Umtrieb). 

6.  Ausführung:  Wie  überhaupt,  so  ganz  besonders  da,  wo  von  dem  Unter- 
holz keine  Nutzung  erwartet  wird,  ist  auf  möglichste  Reduktion  der  Kosten  des  Ver- 
fahrens zu  achten.  Je  nachdem  das  Kultarmaterial  verfügbar  ist,  wählt  man  Saat 
oder  Pflanzung.    Als  Saatmethode   findet  man  breitwürfiges   Einbringen   ebenso   wie 


536  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Riefen-  nnd  Plätzesaat  in  Anwendung.  Mastjahre  der  Bache  and  Tanne  sind  möglichst 
aaszunatzen.  Wird  Pflanzung  vorgezogen,  so  bedient  man  sich  eines  einfachen  Ver- 
fahrens mit  geringen  (zweijährigen  Bachen-  und  Hainbachen-,  3 — 5jährige  Tannen-) 
Pflänzlingen.  Die  Anzacht  derselben  erfolgt  zweckmässig  aaf  Wandersaatbeeten  unter 
Schatzbestand  2^).  Der  zn  anterbaaende  Bestand  ist  vorher,  falls  die  natürliche  Aos- 
lichtung  einer  Ergänzung  bedarf,  zu  durchforsten,  wobei  namentlich  die  zu  Nutzholz 
nicht  tauglichen  Stämme  (Zwieselbildungen,  Drehwuchs  etc.)  herauszunehmen  sind.  Die 
Schirmstellung  ist  in  der  Regel  so  zu  wählen,  dass  nicht  gleich  in  den  ersten  Jahren 
nach  dem  Einbringen  des  Unterholzes  eine  Nachlichtung  nötig  wird.  Jedenfalls  aber 
ist  in  allen  Fällen  mindestens  derjenige  Grad  der  Durchlichtung  herzustellen,  wie  er 
einer  entschieden  starken  Durchforstung  entspricht. 

C.  Besondere  Fälle  des  Unterbaues. 

§  67.  1.  Unterbau  der  Eiche:  Für  denselben  empfiehlt  sich  zunächst  ein 
Laubholz,  also  in  erster  Linie  die  Buche;  namentlich  wenn  jüngere  (40 — 50jährige) 
Eichenbestände  unterbaut  werden  sollen,  ist  das  Einbringen  von  Nadelholz  —  abge- 
sehen von  den  schon  angedeuteten  besonderen  Bedenken  gegen  die  Fichte  —  deshalb 
gefährlich,  weil  dasselbe,  sobald  es  durch  weiter  vorschreitende  Lichtung  im  Oberstande 
zu  kräftiger  Entwickelang  angeregt  wird,  oft  zu  rasch  in  die  Krone  der  Eichen  nach- 
drängt und  letztere,  auch  ohne  dass  vollständiges  Ueberwachsen  stattfände,  durch  seit- 
liches Beengen  schädigt.  Behufs  möglichster  Vermeidung  der  Wasserreiserbildnng  ist 
beim  Unterbau  in  Eichenbeständen  stets  vorsichtige,  langsam  gesteigerte  Lichtzufuhr 
geboten.  Zu  dem  Ende  darf  man  auch  mit  dem  Aushieb  der  nutzholzuntauglichen 
Eichen  nicht  auf  einmal  zu  radikal  vorgehen.  2.  Unterbau  der  Kiefer:  Die 
vorangedeuteten  Gründe  gegen  Fichte  und  Tanne  treten  hier  zurück.  Unterbau  mit 
Tannen  ist  insbesondere  oft  rentabel,  sofern  der  Standort  demselben  kein  Hindernis 
bietet.  Die  Entwickelung  der  unterbauten  Bestände  gestaltet  sich  oft  so,  dass  man 
vom  waldbaulichen  Standpunkte  aus  bei  der  weiteren  Behandlung  sowohl  die  Kiefer 
als  die  Tanne  (event.  Fichte)  begünstigen  und  die  Entscheidung  gänzlich  dem  lokalen 
Wertsverhältnis  der  beteiligten  Holzarten  überlassen  kann.  —  Vergl.  auch  Danckelmann 
„Kiefern-Unterbaubetrieb"  (Zeitschr.  f.  F.  u.  J.  1881,  S.  1),  desgleichen  Weinkauff, 
Ueber  den  Unterbau  der  Kiefern  mit  Buchen  im  Pfälzer  Wald  (Fw.  Zbl.  1896,  S.  442). 
Auch  Weymouthskiefer  kann  als  Füllholz  zur  Erziehung  der  Kiefer  auf  Buntsandstein 
mit  gewählt  werden.  3.  Unterbau  der  Lärche:  Hier  kommt  die  Buche  als  ein- 
zubringende Holzart  in  Frage,  doch  kann  meist  ebenso  gut  ein  einzubauendes  Nadel- 
holz, vorab  die  Tanne  gewählt  werden. 

IL  Lichtungsbetrieb  insbesondere ^^). 

A.  Allgemeine  Gesichtspunkte. 

§  68.  Die  Wirkung  des  Lichtes  ist  unter  den  bei  der  Entwickelung  der  Pflanzen 
wirksamen  Faktoren  mit  in  erster  Linie  beteiligt.  Vermehrter  Lichtgenuss  steigert  den 
Zuwachs,  sofern  die  sonstigen  Wachstumsbedingungen,  insbesondere  die  Feuchügkeits- 


208)  In  der  Grossh.  hess.  Oberförsterei  Viernheim  werden  z.  B.  massenhaft  Buchen- 
pflanzen in  lichten  Kiefernbeständen  auf  oberflächlich  vorbereiteten  Beeten  erzogen.  —  Der 
Unterbau  mit  stärkeren  Pflanzen  kann  nur  in  sehr  verlichteten  Beständen  zur  Bewältigung 
des  Unkrauts  in  Frage  kommen,  ist  aber  wegen  der  hohen  Kosten  bedenklich.  —  Bereits 
vorhandene  Bodensträucher  können  je  nach  ihrer  Art  (Rhamnus,  Vibumum,  Lonicera  etc.) 
unter  Umständen  belassen  bezw.  in  den  Unterbau  einbezogen  werden  (nötigenfalls  nach  vor- 
herigem Aufdenstocksetzen),  immer  jedoch  so,  dass  die  einzubringende  Schattenholzart  nicht 
notleidet,  sondern  herrschend  wird. 

209)  Vergl.  Burckhardt,  „Licbtungsbetrieb  der  Buche  und  Eiche"  in  Aus  dem 
Walde  VII,  S.  88  ff. 


Die  Bestandeserziehnng.     §  69.  537 

Verhältnisse  des  Bodens  günstig  sind.  Als  direkte  Folge  des  erhöhten  Lichteinflnsses 
anf  die  Baumkrone  ist  immer  ein  gesteigerter  Zuwachs  am  einzelnen  Baum  zu  konsta- 
tieren, wenn  sich  derselbe  öfters  auih  nur  zunächst  im  grösseren  Wachstum  der  Krone 
und  der  Wurzeln  ausdrückt"**).  Diese  Zuwachsvermehrung  findet  aber  ihre  Grenze; 
sie  kann  beim  Einzelbaume  und  entsprechend  auch  beim  Bestände  nicht  über  ein  be- 
stimmtes Mass  hinausgehen,  weil  die  überhaupt  mögliche  Arbeitsleistung  des  Baumes 
eine  beschränkte  ist,  bedingt  durch  die  grösste  Zahl  dabei  tätiger  Organe  (Wurzeln, 
Blätter),  die  er  überhaupt  auszubilden  vermag,  bezw.  bis  zu  einem  bestimmten  Zeit- 
punkte ausgebildet  hat ;  d.  h.  der  einzelne  Baum  kann  nicht  mehr  als  einen  beschränkten 
Standraum  ausnutzen.  Das  mögliche  Maximum  der  Leistung  des  Einzelbaumes  ist  zu 
kombinieren  mit  der  pro  Flächeneinheit  vorfindlichen  Anzahl  der  Individuen,  üeberdies 
ist  die  durch  Freistellung  veränderte  Zuwachsverteilung  am  Baume  (veränderte  Form, 
verhältnismässig  starke  Verdickung  des  unteren  Schaftteiles),  sowie  die  durch  Zuwachs- 
steigerung etwa  herbeigeführte  Aenderung  der  technischen  Eigenschaften  (breite,  enge 
Jahresringe  etc.)  zu  beachten.  Diese  stärkere  Zunahme  des  unteren  Schaftteiles  ist 
nach  Metzger*")  bedingt  durch  das  grössere  Andrängen  des  Windes  bei  Freistand, 
welcher  ein  Tieferrücken  des  Schwerpunktes  erheischt,  wie  solches  durch  Verstärkung 
des  Dickenwachstums  im  unteren  Teile  des  Schaftes  erfolgt.  Ausschlaggebend  für  den 
Wirtschaftserfolg  ist  schliesslich  der  Preis  der  insgesamt  pro  Flächeneinheit  in  gegebe- 
ner Zeit  erzielten  Produkte. 

Der  Lichtungsbetrieb  schliesst  sich  unmittelbar  an  die  starke  Durchforstung  an. 
Die  Grenze  zwischen  beiden  dürfte,  wenn  eine  durchschnittliche  Zahl  angegeben  werden 
soll,  vielleicht  bei  einer  Entnahme  von  0,2  der  Masse  des  normal  entwickelten  Vollbe- 
standes zu  finden  sein*^*);  ein  dieses  Mass  übersteigender  Aushieb  unterbricht  den 
Kronenschi  uss  in  der  Regel  schon  so  weit,  dass  am  stehengebliebenen  Bestandesteil  ein 
eigentlicher  Lichtungszuwachs  zur  Auswirkung  kommt;  ob  aber  dieser  immerhin  noch 
geringe  Eingriff  genügt,  um  die  höchste  Leistung  herbeizuführen,  ist  erst  durch  zahl- 
reiche komparative  Versuche  noch  weiter  zu  erforschen  *^^). 

Mit  dem  Namen  „Lichtungsbetrieb"  wird  nicht  gerade  eine  besondere  Grundform 
forstlicher  Betriebssysteme  bezeichnet,  sondern  man  meint  damit  gewöhnlich  nur  gewisse 
Formen  des  schlagweisen  Hochwaldes,  welche  sich  als  Modifikationen  des  nach  der  Schab- 
lone heraufwachsenden  mehr  oder  minder  gleichalterigen  Schlussbestandes  charakterisieren. 
Dagegen  ist  der  durch  zahlreiche  neuere  Untersuchungen  wiederholt  nachgewiesene  bedeu- 
tende Lichtungszuwachs  im  Plenterwald  nicht  das  Produkt  eines  besonderen  Lichtungsbe- 
triebs, sondern  mit  dem  normal  geleiteten  Plenterbetrieb  durch  dessen  grundsätzliche  Ei- 
gentümlichkeiten jederzeit  verknüpft.  Ebenso  gehört  der  Lichtungszuwachs  an  üeberhäl- 
tem  für  den  zweiten  ümtrieb  nicht  unter  die  Rubrik  „Lichtungsbetrieb". 

B.  Bedingende  Momente. 

§  69.    Auch  hier  kommen,  analog  wie  beim  Unterbau,  eine  ganze  Reihe  einzelner 

210)  Grassmann,  „Beitrag  zur  Lehre  vom  Lichtungszuwachs  etc.^  (Allg.  F.  u. 
J.Ztg.  1900  S.  45). 

211)  Metzger,  „Studien  über  den  Aufbau  der  Bäume  und  Bestände  nach  statischen 
Gesetzen«  (Mund,  forstl.  Hefte  V  und  VI). 

212)  cfr.  den  in  Anmerkung  204  erwähnten  Arbeitsplan  der  Versuchsanstalten,  wo- 
selbst der  geringste  Lichtnngsgrad  auf  Aushieb  von  20%  der  Holzmasse  normiert  ist;  jede 
geringere  Entnahme  würde  noch  als  Durchforstung  zu  bezeichnen  sein. 

213)  Borggreve  ist  der  Ansicht,  dass  eine  Verminderung  der  Masse  um  0,2  als 
Regel  genüge,  um  vollen  Lichtungszuwachs  zu  gewähren ;  bei  diesem  Eingriff  sei  ein  Unter- 
bau keinenfalls  nötig,  weil  die  Kronenlockerung  noch  eine  sehr  massige  sei.  Üeberdies  will 
B.  hauptsächlich  den  Lichtungszuwachs  der  späteren  Lebensperioden  eines  Bestandes  nutzbar 
machen,  während  andere,  wie  z.  B.  Wagener  davon  ausgehen,  dass  der  Lichtungszuwachs 
vornehmlich  bis  zum  etwa  80jährigen  Alter  Grosses  leiste. 


538  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Umstände  in  Betracht,  nämlich:  der  zu  lichtende  Bestand,  der  besondere  Zweck  des 
Lichtungshiebes,  die  Zeit  des  Bef^innes,  das  Mass  der  Lichtung,  die  Art  und  Häutig- 
keit wiederholter  Lichtungen,  der  mit  der  IJchtuag  etwa  verbundene  Unterbau. 

1.  Der  Bestand:  Beim  Lichtungsbetrieb  handelt  es  sich  keineswegs  nur  um 
die  Erzielung  hervorragenden  Nutzholzes,  sondern  um  Zuwachssteigerung  überhaupt, 
so  dass  derselbe  auch  für  Brennholzorte  oft  mit  Vorteil  eingeführt  werden  kann;  nur 
ist  in  solchen  wegen  der  verhältnismässig  geringeren  Wertsmehrung  der  Kostenaufwand 
für  künstliche  Einbringung  eines  Unterstandes  selbstredend  vorher  noch  sorglicher  zu 
erwägen,  als  bei  dem  mit  hohem  Qualitätszuwachsprozent  arbeitenden  Nutzholzbestande. 
Bildet  sich  dagegen  ein  Unterwuchs  mittelst  vorzeitiger,  infolge  der  Lichtung  beschleu- 
nigter natürlicher  Besamung,  so  dass  der  Boden  gedeckt  ist,  so  kann  auch  für  Brenn- 
holzwirtschaften (Buche)  die  stärkere  Durchlichtung  infolge  der  Zuwachssteigerung  bei 
gleichzeitiger  Abminderuug  des  Materialvorrat^s  von  hoher  Bedeutung  werden.  Immer- 
hin besteht  der  Hauptzweck  des  Lichtungsbetriebes  in  der  Anzucht  hochwertigen  Nutz- 
holzes, weshalb  neben  der  Eiche  namentlich  wieder  unsere  Nadelhölzer :  Forche,  Lärche, 
Tanne,  Fichte  in  Betracht  kommen.  Nur  Bestände  auf  besseren  Standorten  werden  die 
auf  die  Durchführung  des  Lichtungsbetriebes  verwendete  Mühe  entsprechend  lohnen. 

2.  Der  besondere  Wirtschaftszweck:  Dass  überhaupt  nur  WTichs- 
fähigen  Stämmen  im  Lichtbestand  die  gewünschte  Zuwachssteigerung  zugemutet 
wird,  ist  selbstverständlich.  Wo  Nutzholz  erzogen  wird,  sind  im  allgemeinen  alle 
Stämme  von  zweifelhafter  Nutzholzqualität  in  solchem  Umfange  zu  entfernen,  dass  nicht 
dadurch  eine  augenblicklich  oder  für  die  Dauer  zu  weitgehende  Bestandeslichtung  her- 
beigeführt wird.  Man  kann  in  der  Folge  (durch  nur  massige  Lichtung)  eine  Mehrzahl 
annähernd  gleichgearteter  mittelstarker  Stämme  erziehen  oder  durch  stär- 
keres Freihauen  eine  kleinere  Zahl  von  Stfimmen  besonders  begünstigen.  Ausserdem 
ist  darüber  zu  entscheiden,  ob  man  vorzugsweise  die  Mittelklassen  fördern  oder  die 
Individuen  der  stärksten  Klasse  zur  Ausbildung  hervorragender  Dimensionen  bringen 
möchte;  femer,  ob  man  den  Zweck  durch  gleichmässige  oder  mehr  gruppenweise  Ver- 
teilung der  zu  belassenden  Stämme  erreichen  will. 

Gleichmässige  Verteilung  wird  beim  eigentlichen  Lichtungsbetrieb  immerhin  die  Regel 
bilden ;  man  muss  dabei  auf  den  Einzelstamra  eingehen ;  möglichst  viele,  allseitig  normal 
entwickelte  Individuen  sollen  im  Bestände  vorhanden  sein,  für  deren  jeden  ein  bestimmter 
Anteil  am  Boden-  und  Luftraum  verfügbar  ist.  Die  Anordnung  in  Gruppen  ist  gleichbe- 
deutend mit  dem  üebergang  zur  Fcmelschlagform,  welche  hier  nicht  beabsichtigt  wird.  Ob 
mehr  die  stärksten  oder  mehr  die  mittelstarken  Stämme  bei  der  Schlagstellung  zu  berück- 
sichtigen sind,  hängt  zunächst  von  der  Verteilung  der  Gesamtstammzahl  auf  die  einzelnen 
Durchmesserstufen ,  sowie  von  der  räumlichen  Verteilung  der  einzelnen  Stärkeklassen  im 
Bestände  ab.     Daneben  entscheidet  das  Wertsverhältnis  der  verschiedenen  Sortimente. 

3.  Beginn:  Der  Arbeitsplan  des  Vereins  deutscher  forstlicher  Versuchsan- 
stalten setzt  als  Zeit  für  Einleitung  von  Versuchen  über  Lichtungsbetrieb  das  Alter 
der  Bestände  von  30 — 70  Jahren  fest.  Hiermit  ist  alles  ausgedrückt,  was  als  allge- 
meine Regel  ausgesprochen  werden  kann:  man  will  früh  beginnen,  um  dem  Bestände 
durch  einen  möglichst  langen  Zeitraum  seiner  Gesamtentwicklung  die  Vorteile  der  Lich- 
tung zu  sichern,  doch  aber  nicht  so  früh,  dass  nicht  der  Bestand  vorher,  mehr  oder 
minder  geschlossen,  eine  gehörige  Mittelhöhe  erreicht  und  sich  dabei  von  überflüssigen 
Aesten  genügend  gereinigt  hätte;  man  will  und  kann  keinen  bestimmten  Zeitpunkt 
angeben,  in  welchem  die  erste  Durchlichtung  behufs  Herbeiführung  des  grössten  Erfolgs 
stattzufinden  hat,  sondern  macht  alles  von  der  jeweiligen  Beschaifenheit  des  Bestandes 
abhängig,  der  doch  mindestens  schon  als  angehendes  Stangenholz  angesprochen  werden 
soll;    man  will  übrigens  mit  jener  Umgrenzung  nicht  erklären,   dass  jeder  später  als 


Die  Bestandeserziehung.     §  69.  539 

im  70.  Jahre  beginnende  Lichtnngsbetrieb  wertlos  sein  werde,  vielmehr  gilt  diese  Zahl 

lediglich  für  die  besonderen  Zwecke  der  einzuleitenden  Versuche,  während  sonst  in  den 

meisten  Fällen  auch  eine  später  erfolgende  Lichtung  noch  guten  Dienst  tun  wird. 

Holzart,  Bestandesbegründnng,  bisherige  Behandlung,  Standort,  auch  in  beschränktem 
Masse  die  Absatzverhältnisse  beeinflussen  im  konkreten  Falle  die  Entscheidung  in  ähnlicher 
Weise,  wie  dies  in  §  63  bezüglich  des  Unterbaues  angedeutet  worden  ist.  üeberdies  soll 
ja  über  die  einschlägigen  Fragen  erst  in  Zukunft  durch  komparative  Versuche  endgültige 
Aufklärung  gewonnen  werden.  Im  allgemeinen  aber  dürfte  möglichst  frühzeitiger  Beginn 
am  erfolgreichsten  sein. 

4.  Das  Mass  der  Lichtung:  Ein  auch  nur  in  den  meisten  Fällen  absolut 
vorteilhaftestes  Mass  kann  nicht  angegeben  werden,  sondern  —  abgesehen  davon,  dass 
auch  in  dieser  Richtung  sichere  Anhaltspunkte  für  jede  allgemeinere  Beurteilung  noch 
fehlen,  —  erfordern  die  besonderen  Umstände  des  einzelnen  Falles  je  eine  besondere 
Begutachtung.  Auf  mehr  als  50  Prozent  des  Vollbestandes  (bezogen  auf  die  Stamm- 
grundfläche) wird  man  den  Aushieb  kaum  je  ausdehnen,  ja  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  nicht  an  diese  Grenze  herangehen  (wenigstens  sicherlich  nicht,  wenn  nur  die 
Entwickelung  des  Oberstandes  ins  Auge  gefasst  wird) ;  anderenfalls  erhalten  die  Einzel- 
stämme schon  einen  über  das  Maximum  ihrer  Ausnutzungsfähigkeit  hinausgehenden 
Standraum.  Jedenfalls  kann  ein,  20%  der  Masse  des  regelmässig  durchforsteten  Voll- 
bestandes übersteigender  Eingriff  kaum  je  ohne  gleichzeitigen  Unterbau  stattfinden. 
Dann  allerdings  können  Rücksichten  auf  die  Erziehung  eines  wertvollen  Zwischenbe- 
standes —  (event.  freilich  auch  das  Fehlen  •  einer  genügenden  Anzahl  Nutzholz  ver- 
sprechender Oberholzstämme)  im  Einzelfalle  auch  einen  noch  weitergehenden  Eingriff 
begründen.  Doch  steht  man  dann  vor  einer  waldbaulichen  Aufgabe,  die  korrekterweise 
nicht  eigentlich  mehr  als  Erzielung  möglichst  wertvollen  Lichtungszuwachses  bezeichnet 
werden  kann.  Jedenfalls  muss  man  bei  der  Herstellung  stärkerer  Lichtungsgrade,  mit 
Rücksicht  auf  Schaftlodenbildung  (Eiche),  Sturmgefahr,  Duftbruch  u.  s.  w.,  vorsichtig 
sein,  so  dass  dabei  in  der  Regel  die  allmähliche  Ueberleitung  ^i^j  vor  plötzlichem  Ueber- 
gang  den  Vorzug  verdient. 

5.  Wiederholte  Lichtung:  So  oft  der  Charakter  des  erstmals  eingeführ- 
ten, bezw.  dauernd  beabsichtigten  Lichtstandes  durch  erfolgte  Kronenverbreiterung  ver- 
loren gegangen  ist,  muss  eine  Nachlichtung  eintreten.  Da  eine  beschleunigte  Neubildung 
in  der  Krone  des  gesunden,  wuchskräftigen  Baumes  die  naturgemUsse  Folge  der  Lich- 
tung ist  und  dadurch  der  Bestand  seinen  Lichtungsgrad  alsbald  zu  verringern  beginnt, 
so  könnte  nur  durch  andauernden  Aushieb  von  Stämmen  (oder  durch  Entastung)  ein 
bestimmter  durchschnittlicher  Lichtungsgrad  erhalten  bleiben.  In  der  Praxis  ist  dies 
auf  grösseren  Flächen  unausführbar;  vielmehr  wird,  von  ganz  besonderen  Ausnahms- 
fallen feinerer  Bestandespflege  abgesehen,  in  bestimmten  (5 — 10jährigen)  Perioden  die 
Durchlichtung  wiederholt,  in  demselben  Sinne,  wie  auch  bei  den  Durchforstungen  meist 
nur  periodische  Wiederkehr  des  Hiebs  in  die  einzelnen  Waldorte  möglich  ist.  Sorg- 
föltige  Begutachtung  der  einzelnen  Stämme  bei  der  Auszeichnung  ist  hiebei  dringend 
anzuraten. 

6.  Unterbau:  Derselbe  bildet  beim  Lichtungsbetrieb  immer  dann  die  Regel, 
wenn  sich  nicht  durch  natürliche  Besamung  (Schattenhölzer,  wie  Buche,  Tanne,  Fichte) 
oder  durch  Stockausschlag  (z.  B.  von  Linde,  Buche,  Hainbuche,  Eiche,  selbst  von  Strauch- 
hölzern) oder  durch  Vermittelung  von  Vögeln  ein  den  Boden  schützender  Unterwuchs 
einstellt.  Blosses  Ueberkleiden  des  Bodens  mit  Forstunkräutern  etc.  wird  aus  den  in 
§  65  angegebenen  Gründen  nicht  für  genügend  erachtet.     Alle  für  den  Unterbau  mass- 

214)  Vergl.  die  sog.  ,VorUchtung«  Krafts  in  Burckhardts  „Aus  dem  Walde"  IX.  S.  71. 


540  IV.  Lore y,  Waldbau. 

gebenden  Gesichtspunkte  kommen  in  Betracht. 

C.  Spezielle  Fälle  des  Lichtangsbetriebs. 

§  70.  Die  in  §  67  (besondere  Fälle  ^^s  Unterbaus)  gegebenen  Direktiven  gelten 
auch  hier,  sofern  es  sich  um  Lichtung  in  Eichen-,  Kiefern-  und  Lärchenbeständen  han- 
delt. Bei  den  Schattenhölzem  Buche,  Tanne  und  Fichte  ist  ein  Lichtungsbetrieb  ziem- 
lich gleichbedeutend  mit  frühzeitiger  Einleitung  der  natürlichen  Verjüngung  und  langem 
Verjüngungszeitraum.  Ein  künstlicher  Unterbau  fällt  bei  diesen  Holzarten  meist  aus, 
vorausgesetzt,  dass  man  einen  stärkeren  Eingriff  in  den  Bestand  erst  im  Alter  der  an- 
gehenden Mannbarkeit  (nach  Stundort,  Bestandesbehandlung  etc.  wechselnd)  unternimmt. 
Bei  der  weiteren  Behandlung  ergeben  sich  zahlreiche  Modifikationen,  je  nachdem  man 
die  erstmals  eingetretene  Besamung  alsbald  zur  Erziehung  eines  Jungbestandes  benutzt 
und  durch  allmählichen  Nachhieb  dem  Aufschlag  (durch  den  ganzen  Ort  gleich- 
massig  oder  unter  besonderer  Berücksichtigung  von  Gruppen  und  Horsten)  den  für  seine 
Entwickelung  nötigen  Raum  schafft  oder  einen  sich  einstellenden  Jungwuchs  unter  dem 
Druck  eines  allmählich  wieder  mehr  oder  minder  dicht  sich  schliessenden  Kronendaches 
nicht  aus  der  Holle  eines  blossen  Bodenschutzholzes  herauskommen,  ja  demnächst  viel- 
leicht wieder  ganz  verschwinden  lässt  (Buche  und  Fichte),  um  erst  einem  späteren 
Mastjahr  die  Begründung  eines  neuen  Bestandes  zu  übertragen. 

Von  zahlreichen,  da  und  dort  herausgebildeten,  bezw.  in  der  Literatur  für  be- 
stimmte Verhältnisse  empfohlenen,  besonders  charakterisierten  Formen  mögen  hier  nur 
folgende  hervorgehoben  werden: 

1.  Der  zweialterige  Hochwald  Burckhardts ^*^) :  Eine  gelegentlich 
für  die  Buche  empfohlene  Bestandesform,  welche  dadurch  bezeichnet  ist,  dass  im  Mo- 
ment der  Hiebsreife  des  Oberstandes  ein  Unterwuchs  vom  halben  Umtriebsalter  vor- 
handen ist,  wobei  u  =  140 — 160  Jahre.  Vom  Unterwuchs  bleiben  beim  Hieb  ca.  50 
bis  60  Standbäume  pro  ha  stehen,  welche  beim  nächsten  Hieb,  also  nach  70 — 80  Jahren 
den  Oberstand  bilden.  Verjüngung  durch  natürliche  Besamung,  selbst  unter  Benutzung 
von  Stockausschlag,  sowie  in  Notfällen  unter  künstlicher  Beihilfe.  Charakteristisch  ist 
der  grosse  Standraum  der  einzelnen  Oberbäume  und  die  dadurch  bedingte  Entwickelung 
des  Unterwuchses  zu  einem  ertragsreichen  Zwischenbestand. 

2.  Der  modifizierte  Buchenhochwaldbetrieb  von  v.  Seebach^^^): 
Ein  durch  die  Durchforstung  gehörig  vorbereiteter  70 — 80jähriger  Buchenort  wird  unter 
Benutzung  eines  Mastjahres  verjüngt.  Im  Oberstand  werden  so  viele  Stämme  beibe- 
halten (ca.  300  Stämme  =  etwa  0,4  der  Masse),  dass  deren  Kronen  nach  30 — 40  Jahren 
(also  im  normalen  Umtriebsalter  von  100 — 120  Jahren)  wieder  voll  geschlossen  sind. 
Der  Unterwuchs  wird  nur  als  Bodenschutzholz  betrachtet,  das  mit  vorschreitender  Kro- 
nenannäherung des  Oberstandes  mehr  und  mehr  zurückgeht.  Im  normalen  Hiebsalter 
erfolgt  dann  eine  regelrechte  natürliche  Buchenhochwald-Verjüngung.  Inzwischen  sind 
die  Stämme  unter  dem  Einflüsse  der  vor  30 — 40  Jahren  eingetretenen  Lichtung  zu  be- 
sonders starken  Hölzern  erwachsen. 

Angewendet  zuerst  von  Oberforstmeister  von  Seebach  (etwa  1835)  im  hannoverschen 
Solling,  zunächst  als  Notbehelf  beim  Mangel  genügender  Mengen  haubaren  Holzes.  In- 
zwischen mehrfach  benutzt  (z.  B.  versuchsweise  in  einigen  württembergischen  Revieren), 
um  ohne  Erhöhung  der  Umtriebszeit  stärkere  Buchenhölzer  zu  erziehen. 

3.  Die  Homburg'sche  Nutzholzwirtschaft ^*^:   Die  ihrem  Wesen 

215)  cfr.  Burckhardt,  „Säen  und  Pflanzen",  5.  Aufl.  S.  133.  —  Beling,  ,Der 
Stangenholzbetrieb"  in  den  Forstl.  Blättern  von  1874,  S.  148. 

216)  cfr.  Pfeil,    Krit.  Bl.  21.  Bd.  1.  Heft  S.  147  (1845).     Kraft   in   „Aus  dem 
Walde«  VIL  S.  98.     Burckhardt,   „Säen  und  Pflanzen«,  5.  Aufl.  S.  132. 

217)  G.  Th.  Homburg,  Die  Nutzholzwirtschaft  im  geregelten  Hochwald-Üeberhalt- 


Die  Bestandeserziehong.     §  70.  541 

nach  eigentlich  als  ein  Ueberhaltbetrieb  zu  charakterisierende  Wirtschaft  darf  gleich- 
wohl insofern  hier  mit  aufgeführt  werden,  als  bei  ihr  durch  Freihauen  die  später  den 
Oberstand  bildenden  Nutzholzexemplare  von  Anfang  herein  auf  diese  Funktion  vorbe- 
reitet werden.  In  der  Regel  bildet  die  Buche  den  Grundbestand.  Beigemischt  sind  ihr, 
einzeln  oder  in  Horsten,  vorzugsweise  die  Eiche,  aber  auch  je  nach  Umständen  Esche, 
Ulme,  Ahorn,  sowie  Nadelhölzer  verschiedenster  Art.  Durchschnittlich  je  im  70jährigen 
Alter  des  Buchengrundbestandes  erfolgt  dessen  natürliche  Verjüngung,  welche  durch 
(i/ö — \'4  des  Vollbestandes  umfassend)  energische,  die  Pflege  der  demnächstigen  Ober- 
ständer besonders  berücksichtigende  Vorhiebe  bezw.  Lichtungshiebe,  eingeleitet  wird. 
Gleichzeitig  mit  der  Verjüngung  der  Buche  werden  die  übrigen  Holzarten  —  durch 
Saat  oder  Pflanzung,  durch  Vorverjüngung  oder  unter  Benutzung  der  Stocklöcher 
u.  s.  w.  —  und  zwar  möglichst  horstweise  eingebracht,  welche  für  den  nächstfolgenden 
Umtrieb  (neben  einer  Anzahl  von  Buchenüberhältern)  die  Oberbäume  werden  sollen. 
Ausser  der  Eiche  werden  hauptsächlich  Tanne,  Esche,  Ahorn,  Ulme,  Fichte,  Lärche  und 
Weymouthskiefer  empfohlen.  Li  welcher  Zahl  diese  vorhanden  sein  können,  hängt 
wesentlich  auch  von  den  Bedürfnissen  des  neu  erwachsenden  Bestandes  ab,  welcher, 
weil  die  Kontinuität  der  Wirtschaft  vermittelnd,  selbst  in  seinen  Schattenholzpaitien 
nicht  dauernd  in  starkem  Schirmdruck  erhalten  werden  darf.  Die  deshalb  erforderlichen 
Nachhiebe  bringen  zugleich  den  verbleibenden  Oberständem  freieren  Wachsraum  und 
damit  kräftigere  Ausbildung. 

4.  Wagener's  Lichtwuchsbetrieb®^®):  Eigenartig  ist  der  Grad  der  Licht- 
Btellung  und  die  Zeit  des  Beginnes.  Wagener  ging  davon  aus,  dass,  wenn  auch  die 
Holzbestände  in  der  Jugend,  damit  die  Bäume  sich  seitlich  nicht  übermässig  ausdehnen, 
einer  gewissen  Beschränkung  der  Kronenausbreitung  bedürfen,  doch  von  dem  Zeitpunkte 
an,  in  welchem  infolge  von  Kronenspannung  die  Reinigung  des  Bestandes  beginnt  (Alter 
von  25—35  Jahren)  eine  Oeffnung  des  Kronenraumes  dringend  geboten  sei,  damit  der 
Lichtungszuwachs  möglichst  frühzeitig  dem  Bestände  zu  gut  komme.  So  wird  bereits 
in  der  Jugend  ein  Kronenfreihieb  bei  denjenigen  Lidividuen  (einschliesslich  einer  An- 
zahl von  Reserve-Exemplaren)  vorgenommen,  welche  später  den  haubaren  Bestand  bil- 
den sollen. 

Selbstredend  wird  dieser  Vorzug  nur  kräftigen,  nutzholztauglichen  Stämmen  zuer- 
kannt. Unter  Voraussetzung  der  Wiederholung  in  lOjährigen  Perioden  würde  ein  freier 
Gürtel  um  die  Einzelkrone  von  ca.  60  cm  Breite  genügen.  Die  Erziehung  von  mindestens 
30 — 35  cm  in  Brusthöhe  starken  Stämmen  in  etwa  80j  ährigem  Umtrieb  ist  das  Ziel  der 
Wirtschaft  —  ein  Ergebnis,  welches  bei  der  gewöhnlichen  Erziehung  im  Schlussbestand 
nicht  innerhalb  der  üblichen  Umtriebszeiten  erreicht  werden  kann;  letztere  aber  sollen 
nicht  verlängert  werden.  Als  Zeitpunkt  für  die  Vornahme  des  ersten  Kronenfreihiebs  wird 
ein  solches  Stadium  der  Bestandesentwickelung  angegeben,  dass  durchschnittlich  bis  auf 
eine  Höhe  von  10 — 12  Meter  vom  Boden  (die  für  Blochholz  entscheidende  Länge!)  die 
Stämme  nur  noch  dürre  oder  nicht  mehr  beachtenswert  fortwachsende  Aeste  besitzen.  Bis 
dahin  (d.  h.  auf  Mittelboden  etwa  bis  zum  30 — 40jährigen  Alter)  sei  dichter  Kronenschluss 
zu  erhalten.  Von  trockenen,  flachgründigen,  heidewüchsigen  Böden  soll  der  Betrieb  fern 
bleiben;  etwa  500  Stämme  pro  Hektar  bilden  dann  den  normalen  Bestand.  Vom  ersten 
Kronenfreihieb  werden  deshalb  mindestens  Stämme  in  je  4 — 5  Meter  Abstand  (je  auf  ca. 


betrieb  1878.  —  Derselbe,  „Ein  Beitrag  zur  Nutzholz  Wirtschaft  im  geregelten  Hochwald- 
Ueberhaltsbetrieb«  (Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1879,  S.  175  fif.).  —  Derselbe,  „Ein  weiterer 
Beitrag.."  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1881,  S.  375).  —  Ders.,  „Ein  weiterer  Beitrag.."  (Forstw. 
Zentralbl  v.  1884,  S.  209). 

218)  Zu  vergleichen:  Wag  euer,  „Waldbau",  insbes.  S.  246  ff.,  femer  Danckel- 
mann,  „Waldbauliche  Theorien  und  Reform-Bestrebungen  von  Gustav  Wagener"  (Zeitschr. 
f.  Forst-  u.  Jagdwesen  1887,  S.  340  ff.);  femer  G.  Wagener,  „Die  Fortbildung  des 
Waldbaues",  Allg.  F.  u.  J.Z.  von  1887  S.  7  ff.,  145  ff.,  263  ff. 


542  IV.  Lorey,  Waldbau. 

20  Quadratmeter  Fläche  ein  Stamm)  betroffen,  natürlich  ohne  dass  eine  regelmässige  Stel- 
lung Bedingung  ist;  man  ist  bei  der  Auszeichnung  von  der  zufälligen  Gruppierung  der 
stärksten  Stämme  abhängig.  Im  Zwischenstand  bleibt  der  Kronenschluss  erhalten.  Sind 
die  freigehauenen  Stämme  Lichthölzer,  so  ist  unter  ihnen  baldigst  ein  Unterbau  Torzu- 
nehmen.  Vorsicht  beim  Kronenfreihieb  (umbiegen  in  Gertenhölzem  etc.)  ist  geboten.  — 
Auf  den  Vorteil  der  raschen  Erstarkung  wird  namentlich  auch  für  BuchenbestÄnde  hinge- 
wiesen. —  Das  Höhen  Wachstum  leidet  nach  W  a  g  e  n  e  r  durch  die  frühe  Freistellung  nicht; 
die  etwas  abformigere  Schaftgestalt  wird  durch  den  stärkeren  unteren  Schaftteil,  sowie 
durch  besseres  Holz  ausgeglichen.  —  Wiederholte  Lichtung  je  nach  Bedarf  (abhängig 
hauptsächlich  von  den  Absatzverhältnissen ,  insbesondere  hinsichtlich  der  etwaigen  Ausdeh- 
nung der  Lichtstellung  auf  den  Zwischenbestand).  Einbringen  einer  genügenden  Nutzholz- 
bestockung  in  das  Schutzholz.  —  Der  Lichtwuchsbetrieb  ist,  soweit  bekannt,  bis  jetzt  erst 
auf  kleinen  Flächen  durchgeführt.  Was  er  leistet,  ist  zunächst  noch  durch  eine  grössere 
Anzahl  komparativer  Versuche  festzustellen.  Die  Anwendung  im  grossen  würde  jedenfalls 
(bei  der  Auszeichnung,  Hiebsführung  etc.)  grösste  Aufmerksamkeit  des  Wirtschafters  er- 
fordern. 

D.  Effekt  des  Lichtungsbe triebs. 

§  71.  Der  Betrieb  ist  berechtigt  und  zu  empfehlen,  wenn  er  tatsächlich  mehr 
leistet,  als  der  gewöhnliche  Durch forstungsbetrieb.  Bei  der  Vergleichung  der  beider- 
seitigen Rentabilität  sind  alle  Faktoren  zu  berücksichtigen.  Den  aofs  Ende  der  Um- 
triebszeit  zu  prolongierenden  Kosten  des  etwaigen  Unterbaues  ist  ausser  dem  Abtriebs- 
ertrag das  durch  die  Lichtung  gewonnene  Plus  an  Vornutzungen  mit  seinem  Prolon- 
gationswerte gegenüber  zu  stellen.  In  den  Abtriebsertrag  ist  der  Verkaufswert  des  ein- 
gebrachten Unterholzes  oder  Zwischenbestandes  einzubeziehen. 

Die  bis  jetzt  vorliegenden  Untersuchungsergebnisse  sind  zum  Teil  nicht  genügend 
methodisch  erhoben,  jedenfalls  selbst  in  ihrer  Gesamtheit  noch  nicht  umfänglich  genug, 
um  nach  allen  Richtungen  hin  Klarheit  zu  gewähren.  Die  von  einzelnen  Seiten  zu 
Ungunsten  des  Lichtungsbetriebs  beigebrachten  Beispiele  sind  von  anderen  rücksichtlich 
ihrer  Beweiskraft  bestritten.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  einzelnen  bezüglichen  Mit- 
teilungen 2^*)  zu  kritisieren.  Immerhin  scheint,  sofern  man  geringe  Standorte  vermeidet 
und  einem  Rückgang  der  Bodenkraft  vorbeugt,  die  Mehrzahl  der  untersuchten  Fälle 
entschieden  zu  gunsten  eines  nach  den  dargelegten  Gesichtspunkten  geleiteten  Betriebs 
zu  sprechen. 

Vierter  Abschnitt. 
Die  Betriebsarten. 

§72.  Vorbemerkungen:  Während  bis  hierher  die  waldbaulichen  Opera- 
tionen in  systematischer  Anordnung -einzeln  besprochen  worden  sind,  muss  nun  noch 
geprüft  werden,  wie  sich  dieselben  gegenseitig  ergänzen  und  zu  der  regelmässig  wie- 
derkehrenden, planmässigen  Folge  von  Massnahmen  zusammenordnen,  welche  man  als 
Wirtschafts-B  e  t  r  i  e  b  bezeichnet.    Für  letzteren  ist  also  die  planmässige  Kombinaüoii 


219)  Vergl.  u.  a.  Schott  von  Schottensteins  Artikel  in  den  letzten  Jahrgängen  der 
Allg.  Forst-  u.  Jagd-Zeitung  (z.  B.  1882  S.  408,  1883  S.  1,  1886  S.  346);  desgl.  von 
Reiss  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1885  S.  217);  Runnebaum  (Zeitschr.  für  F.  u.  J.w.  1884 
S.  460);  Versuche  über  Lichtungsbetrieb  (Oesterr.  Viertel jahrsschrift  von  1884  S.  199); 
K  rafft  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1885  S.  12);  Riniker,  „Der  Zuwachsgang  in  Fichten-  und 
Buchenbeständen  unter  dem  Einfluss  von  Lichtungshieben"  (Davos  1887).  Dagegen  Unter- 
suchungen von  Dr.  König  (z.  B.  Forstl.  Blätter  1886,  S.  33  fif.),  Borggreve,  von 
Varendorff,  Zetzsche  etc.  (letzte  Jahrgänge  der  forstl.  Blätter,  z.  B.  1884,  S.  173,  195, 
234,  345).  Vgl.  auch  Kraft,  „Beiträge  zur  Waldwertrechnung  und  forstl.  Statik*  1887. 
Bretschneider,  Praktische  Erfahrungen  über  den  Lichtungszuwachs "  (Ztbl.  f.  d.  ges. 
Fw.  1888  S.  535). 


Die  Betriebsarten.     §  73.  543 

einzelner  wirtschaftlicher  Operationen  charakteristisch,  und  je  nach  der  Art  dieser 
Kombination  hat  man  verschiedene  Betriebsarten  zu  unterscheiden.  Angesichts  der 
grossen  Zahl  möglicher  Kombinationen  (aus  Holzart,  Bestandesbegründung,  bezw.  Ver- 
jüngung, Bestandespflege,  Erziehung  u.  s.  w.  mit  allen  ihren  Modifikationen)  ist  es  be- 
greiflich, dass  sich  tatsächlich  im  Walde  sehr  viele  mehr  oder  weniger  von  einander 
abweichende  Betriebsarten  vorfinden.  Dieselben  sind  sämtlich  durch  menschlichen  Ein- 
griff, durch  wirtschaftliche  Kunst  herausgebildet,  während  die  ürwaldform  naturgemäss 
überall  das,  zwar  durch  Holzart,  Standort  etc.  modifizierte,  im  grossen  und  ganzen 
aber  gleiche  Gepräge  trägt.  Zum  Verständnis  des  Wesens  der  Betriebsarten  ist  es 
aber  erforderlich,  einzelne  scharf  ausgeprägte  Formen  als  typische  herauszugreifen  und 
an  ihnen  gewissermassen  Schulbegriffe  zu  entwickeln,  die  dann  als  feststehend  zu  be- 
trachten sind;  zwischen  dieselben  lassen  sich  die  übrigen  in  mannigfaltigster  Reihe, 
oft  mit  kaum  merklichen  üebergängen  einschalten. 

Ich  möchte  es  als  bedenklich  bezeichnen,  namentlich  im  Interesse  der  Anfänger  im 
Studium,  welche  erst  in  das  vielgestaltige  Gebiet  des  Waldbaues  eingeführt  werden  sollen, 
dass  einige  Lehrbücher  eine  verhältnismässig  grosse  Anzahl  von  Betriebsarten  als  selbstän- 
dige Formen  aufführen  und  beschreiben,  während  man  einen  Teil  derselben  recht  wohl  als 
Uebergangsformen  bezeichnen  und  sich  demgemäss  auf  eine  kleinere  Anzahl  von  Grund- 
formen beschränken  kann.  Das  Verständnis  wird  durch  jenes  Vorgehen  offenbar  nicht  ge- 
fördert, sondern  es  ist  im  Gegenteil  infolge  dessen  manche  irrtümliche  Auffassung  ent- 
standen, und  manche  umfängliche  Diskussion  wäre  vielleicht  vermieden  worden,  wenn  man 
sich  zunächst  nur  an  wenige,  wirklich  wesentliche  Unterscheidungsmerkmale  gehalten,  diese 
entsprechend  scharf  betont  und  dadurch  erst  aus  der  reichen  Fülle  waldbaulicher  For- 
men einige  grosse  Hauptgruppen  gebildet  hätte,  deren  weitere  Zerlegung  einem  vorge- 
schritteneren Stadium  wirtschaftlicher  und  wissenschaftlicher  Erkenntnis  vorzubehalten  ge- 
wesen wäre.  Manche  Schriftsteller  fürchten,  wie  es  scheint,  durch  eine  solche  Beschrän- 
kung bei  dem  Lernenden  die  Meinung  zu  erwecken,  als  ob  man  es  im  Walde  wirklich 
nur  mit  einer  geringen  Zahl  bestimmt  zu  charakterisierender  Formen  zu  tun  habe;  man 
scheute  die  Schablone,  die  ja  sicherlich  wenn  irgendwo  so  namentlich  in  waldbaulichen 
Dingen  zu  meiden  ist.  Und  doch  wird  man  zunächst  mit  einer  kleinen  Reihe  von  Grund- 
formen auskommen  können ;  weitergehende  Scheidungen  lassen  sich  jederzeit  leicht  an- 
schliessen. 

Erstes  Kapitel. 

Uebersieht  und  allgemeine  Würdigung  der  als  Grundformen  zu  betrachtenden 

Betriebsarten. 

I.  Uebersieht. 

§  73.     A.  Hochwald  (Samenholzbetrieb): 

Das  Bestandesmaterial  sind  Kernwüchse,  d.  h.  Bäume,  welche  sich  aus  Samen 
entwickelt  haben ;  die  Funktionsdauer  des  einzelnen  Individuums  ist  mit  dessen  Abtrieb 
zu  Ende 22^);  jedes  Individuum  wird  nur  einmal  Gegenstand  der  Nutzung  (Durch- 
forstung oder  Haubarkeitsnutzung  221) 

Die  Hochwaldbetriebsarten  lassen  sich  zunächst  unterscheiden  nach  der  Dauer 
der  Verjüngung  eines  Bestandes  in 

1.  Plenter-  oder  Femelbetrieb  222) ;  Die  Verjüngung  erstreckt  sich  über 

220)  Fortvegetieren  im  Boden  verbleibender  Stöcke  während  des  folgenden  Umtriebs 
bleibt  insofern  unbeachtet,  als  man  bei  der  Begründung  des  neuen  Bestandes  die  etwa  er- 
wachsenden Ausschläge  nicht  grundsätzlich  einbezieht,  wenn  denselben  auch  da  und  dort  aus 
bestimmten  Gründen  (Holzartenmischung,  Bodenschutz  u.  s.  w.)  eine  Stelle  gegönnt  wird. 

221)  Fänden  Auf  astungen  statt,  so  erfolgt  der  bezügliche  Holzanfall  nur  im  Interesse 
der  Bestandeserziehung,  die  Wegnahme  einzelner  Organe  geschieht  hier  nicht  zum  Zweck 
einer  Reproduktion. 

222)  Flenter-  oder  Plänterbetrieb ,   zusammenhängend  mit  blenden,   to  blander,   nicht 


544  IV.  Lorey,  Waldbau. 

die  ganze  Fläche  anter  Benutzung  aller  eintretenden  Samenjahre,  infolgedessen  in 
jedem  Bestände,  in  gruppen-  oder  horstweiser  oder  einzelständiger  Anordnung,  alle 
Altersklassen  vorhanden  sind,  wenn  auch  nicht  in  Repräsentanten  jedes  einzelnen  Jah- 
res, so  doch  in  solchen  kleinerer  (je  nach  Wiederkehr  der  Mastjahre  und  des  Hiebs  in 
den  nämlichen  Schlag  verschiedener)  Perioden:  eigentlicher  Femelbetrieb. 

Bei  120jährigem  Um  trieb,  d.  h.  bei  Annahme  von  120  Jahren  als  demjenigen  Alter, 
welches  normal  die  älteste  Stammklasse  erreichen  soll,  wären  also  beispielsweise  5,  10, 
15,  20  .  .  —  90,  95,  100,  105,  110,  115,  120jährige  Individuen  vorfindlich;  die  Inter- 
valle können  grösser  oder  kleiner  sein;  sie  brauchen  überdies  nicht  gleich  gross  zu  sein: 
tatsächlich  sind  sie  fast  immer  verschieden;  charakteristisch  ist  aber  immer,  dass  Jang- 
wüchse,  mittelalte  Stämme,  Althölzer  in  dem  nämlichen  Bestände  angetroffen  werden ;  dem- 
entsprechend ist  das  Kronendach  da  und  dort  unterbrochen,  keinenfalls  in  annähernd 
gleicher  Höhe  über  dem  Boden  nur  eine  Etage  bildend.  Bis  alle  Individuen  des  jetzt 
vorhandenen  Bestandes  genutzt  sind,  verfliesst  bei  normalem  Verlauf  der  Nutzung  die  ganze 
ümtriebszeit ;  erst  nach  deren  Verlauf  ist,  obwohl  die  Verjüngung  fortwährend  im  Gang 
ist,  ein  in  allen  seinen  Teilen  neuer  Bestand  vorhanden. 

2.  Hochwaldformen,  bei  welchen  die  Verjüngung  immer  nur  die  älte- 
sten Abschnitte  der  Waldfläche  umfasst  und  daher  nur  einen 
Teil  der  ümtriebszeit  beansprucht:  Schlagbetriebe. 

Dieselben  zerfallen  je  nach  der  Art  der  Verjüngung  in  solche,  welche  grundsätz- 
lich ungleichalterige,  und  solche,  welche  gleichalterige  Bestände  schaffen  wollen. 

a)  Femelschlagbetrieb ^^^) :  Die  Verjüngungsdauer  umfasst  eine,  je  nach 
Holzart,  Standort  und  speziellem  Wirtschaftszweck  (bezw.  Waldbehandlung)  bald  län- 
gere, bald  kürzere  Reihe  von  Jahren.  Wesentlich  ist,  dass  die  Verjüngung  nicht  unter 
Benutzung  eines  einzigen  Samenjahres  gleichmässig  durch  die  ganze  Abteilung  hin  in 
Angriff  genommen  und  fortgeführt  wird,  sondern  dass  die  bezüglichen  Operationen  an 
verschiedenen  Punkten  des  Bestandes  eingeleitet  werden,  während  zwischenliegende 
Partien  zunächst  noch  unberührt  bleiben.  Durch  das  allmähliche  Fortschreiten  der 
Verjüngung  wird  ein  ungleichalteriger  Jungbestand  erzielt. 

Wie  viel  Zeit  die  Verjüngung  des  ganzen  Bestandes  erfordert,  ist  für  die  Methode 
an  sich  ohne  Belang,  obwohl  das  entstehende  Bestandesbild  dadurch  natürlich  wesentlich  be- 
einflusst  wird.  Man  findet  lange  und  kurze  Verjüngungszeiträume ;  über  die  halbe  üm- 
triebszeit wird  dabei  wohl  kaum  hinaus  gegangen,  also  z.  B.  bei  120jährigem  ümtrieb  ein 
Tannenbestand  in  längstens  60  Jahren  vollständig  verjüngt.  Der  Bestand  hat  ein  femel- 
artiges  Ansehen,  besonders  während  der  Verjüngungsdauer,  insofern  stets  die  der  Lange 
des  Verjüngungszeitraumes  entsprechenden  Altersstufen  in  demselben  vorhanden  sind,  also 
in  einem  derart  begründeten  Tannenbestande  30 — 90jährige  Bäume  oder,  so  lange 
die  Verjüngung  im  Gang  ist,  Altholzgruppen,  sowie  gleichzeitig  wieder  Jungwtichse  ange- 
troifen  werden.  Der  Unterschied  vom  eigentlichen  Femelwald  springt  in  die  Augen;  es 
fehlen  die  Zwischenglieder  der  Altersreihe ;  ist  die  Verjüngungsdauer  =  a  Jahre,  so  ist  bei 
der  ümtriebszeit  z=  u  in  jedem  Stadium  der  Bestandesentwickelung  ein  Zeitraum  von 
u — a  Jahren  nicht  durch  Stämme  vertreten. 

b)  Schirmschlagbetrieb:  Auch  hier  wird  die  Verjüngung  in  einer  länge- 
ren oder  kürzeren  Reihe  von  Jahren  vollzogen,  aber  die  auf  dieselben  abzielenden  Wirt- 
schaftsoperationen erstrecken  sich,  da  wenn  möglich  mit  einem  Samenjahr  die  Betriebs- 
fläche besamt  werden  soll,  gleichmässig  über  den  ganzen  Bestand,  so  dass  der  nor- 
male Bestand  stets  ein  durch  seine  ganze  Erstreckung  hin  gleichartiger  ist,  und 
auch,  wenn  anders  die  Besamung  in  kürzester  Frist  vollständig  erfolgt,  ein  ganz  oder  an- 


von  planta  herzuleiten.  —  Femelbetrieb  von  femella,  bezw.  vom  Ausfemeln,  d.  h.  Entfernen 
der  (vermeintlichen)  Femellae  beim  Hanf  übertragen. 

223)  Horst-  und  gruppenweise  Verjüngung  Gayers;  vergl.  dessen  „Der  gemischte  Wald' 
S.  68  fif. 


Die  Betriebsarten.     §  73.  545 

nähernd  gleichalteriger .  neuer  Bestand  heraufwächst.    Diesen  Betrieb   nennt   man  in 

Bayern  die  Dunkelschlagwirtschaft. 

Während  beim  Femelschlagbetrieb  der  Verjüngungßzeitraum  nicht  allein  von  dem, 
längere  oder  kürzere  Zeit  hindurch  andauernden  Belassen  der  Mutterbäume  im  Bestände, 
sondern  namentlich  auch  von  der  im  Belieben  des  Wirtschafters  liegenden  rascheren  oder 
langsameren  Ausbreitung  des  Yerjüngungsprozesses  über  alle  Bestandespartien  abhängig 
ist,  entscheidet  für  die  Yerjüngungsdauer  beim  Schirmschlagbetrieb  nur  das  Tempo,  in 
welchem  man  mit  den  Yorlichtungen  und  demnächst  nach  erfolgter  Besamung  mit  Abräu- 
mung  der  Oberständer  vorgeht,  bezw.  vorgehen  muss.  Wie  viel  Zeit  hierfür  nötig  wird, 
ist  wiederum  für  die  Methode  an  sich  gleichgiltig. 

c)  Kahlschlagbetrieb:  Die  Verjüngung  erfolgt,  nachdem  der  Bestand  auf 

der  Fläche  kahl  abgetrieben  ist,   in  einem  Jahre.    Es  erwächst  ein  gleichalteriger, 

gleichmässiger  Jungbestand. 

Wenn  tatsächlich  manchmal  zwei  oder  mehrere  Jahre  bis  zur  Neubegründung  eines 
Bestandes  vergehen,  so  tragen  sekundäre  Umstände,  welche  mit  dem  Wesen  der  Methode 
in  keinem  Zusammenhang  stehen,  wie  z.  B.  Unmöglichkeit  raschen  Rodens,  Insektengefahr 
(Rüsselkäfer)  u.  dergl.  die  Schuld.  Ein  einziger  Hieb  (Kahlabtrieb)  räumt  den  Altholzbe- 
stand hinweg ;  danach  kann  sich  die  Begründung  des  neuen  Bestandes  unmittelbar  anreihen. 
In  kürzester  Frist  könnte  sich  also  der  Vorgang  (Fällung,  Abfuhr,  Saat  oder  Pflanzung) 
im  Verlauf  etwa  eines  halben  Jahres  abspielen,  was  wirtschaftlich  immerhin  als  ein  ein- 
jähriger Zeitraum  (eine  Zuwachsperiode)  aufzufassen  wäre. 

Beim  Kahlschlagbetrieb  flnden  sich  (von  Ueberhältem  für  den  nächsten  Umtrieb 
abgesehen,  welche  aber  zur  Verjüngung  in  keiner  ursächlichen  Beziehung  stehen)  nie- 
mals Altholz  und  Jungwüchse,  somit  auch  nicht  gleichzeitige  Zuwachsbildung  am  alten 
und  neuen  Vorrat  auf  der  nämlichen  Fläche,  ein  Umstand,  durch  welchen  sich  derselbe 
sehr  scharf  vom  Femelschlag-  und  Schirmschlagbetrieb  unterscheidet,  bei  welchen  stets 
während  des  Verjüngungszeitraumes  Teile  des  alten  und  neuen  Bestandes  gleichzeitig 
vorhanden  sind. 

Alle  etwa  sonst  im  Hochwald  vorkommenden  Formen  sind  nur  als  Modifikationen 
der  vorstehend  in  ihren  Hauptmerkmalen  charakterisierten  Grundformen  zu  betrachten, 
als  Uebergänge,  die  sich  zwischen  dieselben  einschieben,  mit  engerer  oder  minder  enger 
Anlehnung  nach  der  einen  oder  anderen  Seite,  zum  Teil  in  Verbindung  mit  sekundären 
Massnahmen  (Unterbau  n.  s.  w.),  durch  welche  allerdings  oft  sehr  eigenartige  Bestandes- 
bilder geschaffen  werden. 

So  z.  B.  ist  es  nur  eine  Modifikation  des  Kahlschlagbetriebes,  wenn  ein  vorüber- 
gehender Ueberhalt  zur  Beschirmung  der  auszuführenden  Kultur  gegen  Frost  oder  Sonnen- 
hitze, wohl  auch  zur  Verminderung  der  Stockausschläge  belassen  wird.  Eine  solche  Schlag- 
führung nennt  man  „ Schutzschlag ^,  oder  wohl  auch  „ Schirmschlag '^.  Dadurch,  dass  an 
dieser  Stelle  der  Femelschlagbetrieb  als  besondere  Betriebsart  von  dem  Schirmschlagbetrieb 
getrennt  wird,  entsteht  ein  gewisser  (jedoch  nur  scheinbarer)  Widerspruch  zum  zweiten 
Abschnitt  (2.  Kapitel,  A,  II,  2),  woselbst  bei  Schilderung  der  nat.  Verjüngung  durch  Samen 
nur  die  zwei  Grundformen:  Schirmschlag  und  Femelbetrieb  unterschieden  sind.  Streng 
genommen  lassen  sich  in  der  Tat  auch  nur  diese  beiden  Formen  festhalten.  Der  Femel- 
schlagbetrieb zerföllt  nämlich,  sobald  man  den  Horst  oder  die  Gruppe  als  wirtschaftliche 
Einheit  betrachtet,  —  was  grundsätzlich  gewiss  zulässig  ist,  —  in  eine  Anzahl  von  klei- 
nen Schirmschlagbetrieben.  Da  wir  jedoch  gewohnt  sind,  —  aus  Zweckmässigkeitsgründen 
und  doch  auch  infolge  einer  gewissen  Berechtigung  im  Sinne  der  Logik  —  die  von  der 
Waldeinteilung  geschafTenen  Wirtschaftsfiguren,  wie  Abteilungen  und  Unterabteilungen  etc., 
auch  in  Absicht  auf  waldbauliche  Behandlung  als  Ganze  zu  betrachten,  so  mag  hier,  wo 
nicht  die  Einzeloperation,  sondern  der  Betrieb  in  Frage  steht,  jene  Trennung  durchgeführt 
und  der  Femelschlagbetrieb  als  dritte  Form  der  Samenverjüngung  durch  auf  der  Fläche 
stehende  Mutterbäume  behandelt  werden.  Bestimmend  wirkt  dabei  besonders  auch  der 
Wunsch  mit,  es  möchte  tunlichste  Einheitlichkeit  der  Definierung  erreicht  und  damit  das 
Verständnis  gefördert  werden.  Gay  er  hat  in  seiner  Schrift  „Der  gemischte  Wald"  für 
das,  was  von  mir  nun  als  „Femelschlagbetrieb''  charakterisiert  ist,  die  Bezeichnung  „horst- 

Handbnch  d.  Foritw.    2.  Aufl.    I.  35 


546  IV.  Lorey,  Waldbau. 

und  gruppenweise  Verjüngung"  gewählt,  weil  er  flieh  vor  der  Verwechselung  mit  dem 
Femelschlagbetrieb  H  e  y  e  r  s  (=i  unserem  Schirmschlagbetrieb)  scheut.  Ich  möchte  dies 
nicht  gerade  als  zwingenden  Grund  ansehen,  die  Bezeichnung  Femelschlagbetrieb  ganz  zu 
meiden,  da  die  Sache,  um  welche  es  sich  handelt,  doch  so  scharf  gekennzeichnet  ist,  dass 
Missverständnisse  m.  E.  kaum  zu  erwarten  sind.  —  An  der  früheren  Stelle  (im  zweiten 
Abschnitt)  war  die  spezielle  Hervorhebung  des  „Femelschlagbetriebs"  neben  dem  ^  Schirm- 
schlag*' jedenfalls  nicht  erforderlich,  da  die  Kritik  der  einzelnen  waldbaulichen  Mass- 
nahme von  der  Wirtschaftsfigur  unabhängig  ist. 

B.  Ausschlags-Waldungen. 

Die  Nutzung  erstreckt  sich  nur  auf  oberirdische  Teile  des  Individuums;  dessen 
Funktion  ist  mit  der  einmaligen  Nutzung  nicht  zu  Ende,  sondern  dasselbe  erzengt  Aus- 
schläge, durch  welche  die  Neubegründung  des  Bestandes  erfolgt. 

1.  Niederwald-  oder  Stockschlagbetrieb:  Bei  der  Ernte  wird  die 
gesamte  oberirdische  Holzmasse  genutzt,  so  dass  nichts  als  der  Stock  mit  den  Wurzeln 
verbleibt.  Stockausschläge  und  eventuell  Wurzelbrut  bilden  den  jungen  Bestand.  Ein 
im  jährlichen  Nachhaltbetrieb  befindlicher  Niederwald  hat  eine  der  ümtriebszeit  ent- 
sprechende Anzahl  von  einzelnen  Flächen,  bezw.  Beständen,  in  Altersabstufung  von  je 
1  Jahr. 

2.  Kopfholzbetrieb:  Ein  Teil  des  Schaftes  bleibt  stehen,  am  oberen  Ende 
desselben  entwickeln  sich  Ausschläge,  welche  der  Gegenstand  der  folgenden  Nutzung 
sind.  Bei  öfterer  Wiederholung  derartiger  Nutzung  bilden  sich  am  Schaftende  Wülste, 
wodurch  dasselbe  kopfartig  verdickt  wird. 

3.  Schneitelholzbetrieb:  Der  ganze  Schaft  bleibt  erhalten,  die  Nutzung 
besteht  in  den  Aesten,  an  deren  Abhiebsstellen  Ausschläge  hervortreiben;  dieselben 
liefern  die  Holzmasse  für  den  nächsten  Hieb. 

C.  Mittelwald  (Kompositionsbetrieb). 

Der  Bestand  besteht  aus  zwei  Teilen,  nämlich  einem  als  Niederwald  behandelten 
Unterwuchs  und  hochstämmig  erwachsenden  Oberständem,  welche  entweder  aus  Lass- 
reiteln  des  ünterstandes  hervorgehen  oder  als  Kernwüchse  (meist  durch  Pflanzung) 
eingebracht  werden.  Jedem  ünterholzabtrieb  entspricht  in  Gestalt  der  stehenbleibenden 
Stangen,  sowie  eventuell  der  nach  dem  Unterholzhieb  jeweilig  eingebrachten  Kempflanzen 
eine  besondere  Oberholzklasse. 

Ein  im  jährlichen  Nachhaltbetrieb  stehender  normaler  Mittelwald  würde  entsprechend 
dem  Unterholzumtrieb  u  und  dem  höchsten  Alter  U,  welches  das  Oberholz  erreichen  soll 
—  (wobei,  infolge  der  Art,   wie  das  Oberholz  entstanden  ist,  U  stets  ein  Vielfaches  von 

ü 
u  ist  und  —  —  1  =  n  die  Zahl  der  Oberholzklassen  angibt,  da  die  Lassreitel,  welche  nach 

einem  Abtrieb  des  Unterholzes    zum  Oberholz  übertreten,    vor   diesem  Abtrieb   noch   dem 
Unterholz  angehören)  — ,  folgendes  Bild  bieten: 

Wir  haben  u  Flächenteile,  bezw.  Schläge  (im  Normalwald  gleichwertig  in  ihrer  Er- 
tragsleistung).    Dieselben  sind  unmittelbar  vor  einem  Hieb  bestockt  mit 

a)  1-,  2-,  3-  ...  .  ujährigem  Unterholz 

b)  je  mit  den  nOberholzklassen,  welche  z.  B.  für  den  Schlag  mit  ujährigem  Unterbolz 
2u-,  3u-  .  .  .  nu-,  (n-f- l)tt  =  Ujährige  Stämme 

und  für  den  Schlag  mit  1  jährigem  Unterholz 
(u  -|-  1)-,  (2u  -(- 1)-,  .  .  .  .  (nu  +  l)jährige  Stämme  enthalten. 
Die  Zahl  der  Stämme  in  den  einzelnen  Oberholzklassen  bildet  eine  abnehmende  Reihe, 
sofern  sich  die  ursprünglich  in  beträchtlicher  Menge  übergehaltenen  Lassreitel  stetig  ver- 
mindern. Denn  sowohl  die  Entwickelung  der  einzelnen  Oberholzstämme,  als  die  Rücksicht 
auf  kräftiges  Erwachsen  genügender  Unterholzmengen  fordert  es,  dass  bei  jedem  Hieb  des 
Unterholzes  nicht  nur  gleichzeitig  die  älteste  Oberholzklasse  genutzt,  sondern  auch  in 
die  übrigen  Oberholzklassen  eingegriffen  wird,  indem  man  nutzholzuntaugliche  Stämme  ent- 
fernt und  einen  zu  dichten  Stand  des  Oberholzes  ermässigt.  In  welchem  Betrage  dabei 
die  Stammzahlen  im  einzelnen  reduziert  werden,  ist  von  einer  grossen  Reihe  so  sehr  wech- 


Die  Betriebsarten.     §  75.  547 

selnder  Umstände  (Holzart,  Standort,  Wirtschaftszweck,  bezw.  stärkere  Betonung  bald  des 
Oberholzes,  bald  des  Unterholzes  u.  s.  w.)  abhängig,  dass  dafür  auch  nicht  entfernt  irgend 
welche  allgemeine  Norm  aufgestellt  werden  kann.  Ueberhaupt  zeigt  der  Mittel wald,  be- 
dingt durch  Art,  Menge  und  Verteilung  des  Oberholzes,  wohl  die  vielfältigst  abgeänderten 
Formen. 

n.  Würdigung. 

§74.  Vorbemerkungen.  Abgesehen  von  Schutzwaldungen  und  etwa  be- 
sonderen Zwecken  des  Waldbesitzers  (Wildpark  etc.)  ist  die  Wertschätzung  einer  Be- 
triebsart in  erster  Linie  von  deren  Nutzeffekt  abhängig ;  daneben  können  unter  bestimm- 
ten lokalen  Verhältnissen  und  entsprechend  den  früher  bei  der  Kritik  der  einzelnen 
wirtschaftlichen  Operationen  gelegentlich  hervorgehobenen  besonderen  Momenten  auch 
noch  sonstige  Umstände,  wie  z.  B.  Gewährung  gewisser  Nebennutzungen  (Streu  für  die 
Landwirtschaft)  oder  von  Arbeitsgelegenheit  in  Betracht  kommen.  Bei  der  Beurteilung 
des  Nutzeffekts  sind  alle  Faktoren  zu  einem  Gesamtergebnis  zu  vereinigen,  jeder  ein- 
zelne richtig  veranschlagt  und  gewürdigt:  Rauhertrag,  durch  Masse  und  Wert  pro 
Masseneinheit  der  einzelnen  Nutzungen  gegeben;  Produktionskapitalien  vorzugsweise 
als  Boden  und  (im  Nachhaltbetrieb)  als  Holzvorrat ;  laufende  oder  einmalige  Ausgaben 
als  Verwaltungskosten,  Steuern,  Aufwendungen  für  Kultur,  Wegebau,  Holzemte  u.  s.  w. 
Selbstredend  ist  die  Zeit  der  Einnahmen  und  Ausgaben  von  Bedeutung.  Für  die  Be- 
messung der  Nutzeffekte  verschiedener  Wirtschaftsverfahren  ist  im  Sinne  der  forstlichen 
Statik  die  Bodenrente,  bezw.  der  Bodenerwartungswert  massgebend. 

Bei  Beurteilung  der  verschiedenen  Betriebsarten  ist  auch  deren  Einfluss  auf  den 
Boden  wesentlich  mit  massgebend,  sofern  die  dauernde  Erhaltung,  bezw.  Steigerung 
des  Produktionsfaktors  „Bodenkraff^  wesentlichste  Bedingung  aller  Nachhaltigkeit  ist. 
Immerhin  aber  ist  eine  einseitige,  in  dieser  Eichtung  etwa  zu  weit  gehende  Wert- 
schätzung zu  vermeiden.  Ein  richtiges  Urteil  wird  gewonnen,  wenn  man,  wie  vorstehend 
gefordert  wurde,  stets  das  Gesamtergebnis  des  Wirtschaftsbetriebs  ins  Auge  fasst. 

A.  Hochwald: 

§  75.  Im  Wesen  des  Hochwaldbetriebs,  wenn  auch  nicht  grundsätzlich  durch 
dasselbe  bedingt,  liegt  es,  dass  derselbe  mit  höherem  Umtrieb  behandelt  wird  2**).  Aus 
diesem  Umstände  hauptsächlich  ergeben  sich  hinsichtlich  der  wirtschaftlichen  Leistung 
die  Unterschiede  gegenüber  dem  Ausschlagswald  und  dem  Mittelwald.  Bei  letzterem 
steht  nur  das  Oberholz  in  höherem  Umtrieb,  während  das  Unterholz  meist  in  kurzen 
Zwischenräumen  (von  6 — 20  Jahren)  abgetrieben  wird;  bei  den  Ausschlagswaldungen 
kommt  überhaupt  nur  ein  niederer  Umtrieb  (von  Ijährigem  bei  Flechtweiden  bis  etwa 
30|j  ährigem  bei  Erlen)  in  Betracht. 

Jene  Unterschiede  treten  am  klarsten  zu  Tage,  wenn  man  zunächst  die  beiden 
extremen  Formen:  Hochwald  und  Niederwald  vergleicht. 

Folge  des  höheren  Umtriebs  ist  beim  Hochwald  zunächst  die  seltenere  Sorge  für 
Neubegründung  eines  Bestandes  auf  der  nämlichen  Fläche.  Dagegen  muss  aber  der- 
jenige Waldbesitzer,  welcher  nicht  anders  als  in  aussetzendem  Betrieb  wirtschaften 
kann,  länger  auf  einen  Abtriebsertrag  warten  und  empfängt  nur  in  Gestalt  der  Zwischen- 
und  etwaigen  Nebennutzungen  mehr  oder  minder  belangreiche  Abschlagszahlungen.  Soll 
ein  jährlicher  Betrieb  durchgeführt  werden,  so  bedarf  es  in  den  meisten  Fällen  —  (beim 
Femelbetrieb  nicht)  —  einer  relativ  (im  Verhältnis  zur  Umtriebszeit  stehend)  grossen 
Fläche,  damit  der  einzelne  Jahres-  oder  Periodenschlag  noch  eine  für  die  erfolgreiche 
wirtschaftliche  Behandlung  genügende  Grösse  erhält.  Unzertrennlich  mit  dem  höheren 
Umtrieb  verbunden  ist  für  den  Nachhaltbetrieb  das  grössere  Holzvorratskapital,   mit 


224)  Ausnahme  z.  B.  die  Anzucht  von  Weihnachtsbäumchen  auf  besonderen  Flächen. 

35* 


548  IV.  Lorey,  Waldbau. 

welchem  der  Hochwald  arbeitet,  ein  Umstand,  welcher  an  sich,  d.  h.  immer  dann,  wemi 
er  nicht  durch  andere  Momente  paralysiert  wird,  eine  geringere  Rentabilität  bedingt 
Auch  ist  der  Hochwald  manchen  Gefahren  mehr  ausgesetzt  als  der  Niederwald;  doch 
ist  dieser  Nachteil  nur  teilweise  auf  den  Unterschied  im  Umtrieb,  grossenteils  aber 
auf  die  Verschiedenheit  der  Holzart,  namentlich  das  gänzliche  Fehlen  der  Nadelhölzer 
im  Niederwaldbetrieb  zurückzuführen. 

Auf  der  anderen  Seite  wiederum  ist  der  Hochwald  für  alle  Holzarten  tauglich, 
liefert  bei  entsprechend  hohem  Umtrieb  alle  verschiedenen  Sortimente,  ist  somit  geeig- 
net, alle  Anforderungen  des  Holzmarktes  zu  befriedigen,  bietet  in  dem  grösseren  Vor- 
rat eine  oft  willkommene  Gelegenheit  zur  Kapitalanlage  und  gewährleistet,  wenn  richtig 
geleitet,  wegen  der  selteneren  Wiederkehr  der  Abtriebsnutzung  die  vollständigere  Er- 
haltung der  Bodenkraft.  Dass  der  Hochwald  auch  die  absolut  höchsten  Massenerträge 
liefere,  darf  wohl  angenommen  werden,  wenn  auch  keine  Zahlen  zur  Vergleichung  mit 
anderen  Betriebsarten,  insbesondere  dem  Mittelwald  vorliegen.  Es  ist  von  vornherein 
zu  vermuten,  dass  er  in  dieser  Hinsicht  dem  letzteren,  ebenso  dem  Niederwald  über- 
legen ist,  da  in  diesen  Betrieben  viele  Holzmassen  in  jüngerem  Alter,  in  welchem  der 
durchschnittliche  Zuwachs  noch  weit  unter  seinem  Kulminationspunkt  steht,  abgenutzt 
werden.  Entgegenstehende  Zahlen,  welche  die  höheren  Massenerträge  des  Mittelwaldes 
dartnn  sollen,  beruhen  in  der  Regel  darauf,  dass  ein  Ertrag  desselben  zu  Grunde  liegt, 
welcher  über  den  normalen  Durchschnitt  hinausgeht,  wie  es  bei  Abnutzung  ungewöhn- 
licher Aufspeicherungen  von  Oberholz  leicht  vorkommen  kann. 

Bei  den  einzelnen  Hochwaldformen  machen  sich  vorstehend  angedeutete  Vor-  und 
Nachteile  in  sehr  verschiedenem  Masse  geltend. 

1.  Plenter-  oder  Femelbe trieb^ae): 

Als  Vorzüge  desselben  müssen  geltend  gemacht  werden:  die  Möglichkeit,  höhere 
Abtriebsalter  in  nachhaltiger  Wirtschaft  mit  jährlichen  Erträgen  auch  auf  kleiner 
Fläche  einzuhalten;  ferner  die  weitestgehende  Sicherung  der  Bodenkraft  (gegeben  na- 
mentlich in  entsprechender  Bodenfrische),  weil  niemals  Bodenstellen  in  grösserem  Um- 
fang völlig  blossgelegt  werden ;  sodann  die  Gewährung  eines  bedeutenden  Lichtungszu- 
wachses schon  in  einem  verhältnismässig  frühen  Stadium  der  Baumentwickelung.  Dabei 
werden  die  Stämme,  weil  schon  bald  mehr  freiständig  erwachsend,  widerstandsfähiger 
gegen  Sturm  und  Schneebruch,  wie  denn  alle  einem  ungleichmässigen  Kronendach  nach- 
gerühmten Vorteile  im  Femelwald  in  besonderem  Masse  angetroffen  werden  müssen. 
Für  gefährdete  Gebirgslagen,  Schutzwaldungen  etc.  ist  der  Femelbetrieb  die  geeignetste, 
ja  oft  einzig  zulässige  Wirtschaftsform. 

Dagegen  beschränkt  sich  die  Anwendbarkeit  desselben  auf  nur  wenige  Holzarten, 
die  eigentlichen  Schattenhölzer  Tanne,  Buche,  allenfalls  Fichte;  denn  alle  Jungwüchse 
müssen  mehr  oder  minder  im  Druck  heraufwachsen,  also  die  Fähigkeit  haben,  sich 
mindestens  in  starkem  Seitendruck  längere  Zeit  entwickelungskräftig  zu  erhalten.  Dem 
vorerwähnten  starken  Lichtungszuwachs  steht  mithin  eine  (je  nach  den  Umständen 
verschiedene)  Einbusse  an  Zuwachs  in  der  Jugend  gegenüber;  die  Wirtschaftsführung 
hat  diese  möglichst  zu  reduzieren,  kann  dieselbe  aber  begreiflich  niemals  ganz  ver- 
meiden. —  Die  Fällung  und  Holzbringung  ist  erschwert  —  (geübte  Holzhauer  wissen 
übrigens  diesen  Nachteil  auf  ein  geringeres  Mass  zu  beschränken,  als  der  Unein- 
geweihte meinen  sollte!)  — ;    die  Bäume   werden  grossenteils   weniger  astrein  als  im 


225)  Vergl.  Fürst,  „Plänterwald  oder  schlagweiser  Hochwald^  Berlin  1885.  — 
Schuberg,  Schlaglichter  zur  Streitfrage :  „schlagweiser  Hochwald-  oder  Femelbetrieb" 
(Forstw.  Zentralbl.  v.  1886,  S.  129,  194).  —  Vonhausen.  „Der  schlagweise  Hochwald- 
betrieb und  der  Femelbetrieb''  (AUg.  F.  u.  J.Z.  1882,  S.  289).' 


Die  teetriebsarten.     §  75.  549 

geschlossenen  Bestand;  endlich  kann  nicht  bestritten  werden,  dass  der  ganze  Betrieb, 
weil  ein  mehr  zersplitterter,  mit  seinen  Operationen  über  einen  grösseren  Teil  des 
ganzen  Waldes  sich  erstreckender,  weniger  übersichtlich  ist,  der  sicheren  Ertragsbe- 
stimmung, der  Bachfühning  etc.  grössere  Schwierigkeiten  bietet.  Endlich  ist  nicht  zu 
verkennen,  dass  der  Femelbetrieb  nur  auf  den  besseren  Standorten,  auf  welchen  die 
Jungwüchse  eine  Beschattung  durch  die  älteren  Stammklassen  ohne  dauernden  Nachteil 
ertragen,  zulässig  ist. 

So  wenig  in  der  geringeren  üebersichtlichkeit,  sowie  in  der  durch  den  Betrieb  etwa 
geforderten  grösseren  Intelligenz  und  Arbeitsleistung  der  Beamten  bei  der  Schlagauszeich- 
nung, Beaufsichtigung  des  Fällungsbetriebs  u.  s.  w. ,  ein  Hindernis  für  die  Durchführung 
erblickt  werden  darf,  so  wäre  es  doch  verfehlt,  wollte  man  nicht  in  der  grösseren  Ein- 
fachheit anderer  Betriebsarten  einen  immerhin  erwähnenswerten  Vorzug  derselben  aner- 
kennen. 

2.  Femelschlagbetrieb^^ej. 

Dadurch,  dass  die  gleichförmige  Hiebsftihrung  und  Schlagstellung  vermieden,  viel- 
mehr den  einzelnen  Nachbar-Horsten  und  Gruppen  grundsätzlich  verschiedenes  Alter 
gewährt  wird,  soll  insbesondere  bei  gemischten  Beständen  die  Erhaltung  der  verschie- 
denen Holzarten  (z.  B.  vorwüchsige,  durch  Voranbau  entstandene  Eichenhorste  in  dem 
später  begründeten  Buchenbestand)  gesichert  werden.  Die  Altersdiflferenz  der  Horste 
ist  bedingt  durch  die  verschiedene  Wuchskraft  der  Holzarten.  Aber  auch  bei  reinen 
Beständen  soll  der  Betrieb  vor  dem  Schirmschlag  infolge  des  ungleichförmigen,  aus 
mehreren  Etagen  bestehenden  Kronendaches  wesentliche  Vorzüge  haben  und  zwar  be- 
sonders rücksichtlich  der  Bodenpüege,  da  eine  zwischentretende,  nachteilige  Vegetation 
von  Gras  und  Kräutern  nach  Möglichkeit  ausgeschlossen  erscheint;  ferner  sollen  die 
Jungwüchse  in  den  Löchern  besser  befeuchtet  werden,  sowie  auch  die  Geföhrdung  der- 
selben bei  der  Holzemte  eine  geringere  ist.  Ob  und  in  welchem  Betrage  der  Betrieb 
grössere  und  namentlich  wertvollere  Massen  erzeugt  als  ein  anderer,  insbesondere  als 
ein  richtig  geleiteter  Schirmschlagbetrieb,  dessen  Bäume  frühzeitig  aus  dem  Zustande 
starker  Kronenspannung  befreit  werden,  ist  noch  nicht  genügend  untersucht. 

Der  Femelschlagbetrieb  tritt  in  Konkurrenz  hauptsächlich  mit  dem  Schirmschlag- 
und  dem  Kahlschlagbetrieb.  Er  ist  im  allgemeinen  für  alle  Holzarten  zulässig,  welche 
nicht  so  ausgesprochene  Lichthölzer  sind,  dass  sie  jeden  Schirmdruck  oder  alle  Seiten- 
beschattung auch  in  der  Jugend  verbieten.  Die  Verbindung  mit  Kahlabsäumungen  und 
künstlichem  Anbau  ist  nicht  ausgeschlossen,  vielmehr  öfters  geboten. 

3.  Schirmschlagbetrieb: 

Der  Betrieb  findet,  wie  wir  früher  gesehen  haben,  in  der  natürlichen  Verjüngung 
durch  Samenabfall  (Mutterbäume  auf  der  FLiche)  Ziel  und  Begründung,  sofern  man 
nicht  den  reinen  Plenterbetrieb  wählen  will  oder  wählen  kann,  was  doch  nur  bei  ganz 
entschiedenen  Schattenhölzem  möglich  ist,  während  für  den  Schirmschlag,  wie  bei  dem 
Femelschlagbetrieb,  bedingungsweise  auch  etwa  noch  Kiefer  und  Eiche  in  Frage  kom- 
men können. 


226)  Hier  insbes.  zu  vergleichen  Gayers:  ^Der  gemischte  Wald",  sowie  Gay  er, 
„üeber  den  Femelschlagbetrieb  und  seine  Ausgestaltung  in  Bayern"  1895,  ferner  Bericht  über 
die  19.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  in  Kassel  1893,  S.  17.  „Die  wirtschaftliche 
und  finanzielle  Bedeutung  des  hörst-  und  gruppenweisen  Femelschlagbetriebes  im  Hochwald", 
sowie  Bericht  über  die  II.  Hauptversammlung  des  deutschen  Forstvereins  in  Regensburg 
(1901)  S.  106:  „Beruht  in  dem  Femelschlagverfahren ,  sowie  in  der  Kombination  desselben 
mit  dem  Saumschlagverfahren  das  vorzüglichste  Mittel,  Mischbestände  in  sicherster  und  voll- 
kommenster Weise  zu  erziehen?"  „Wirtschaftsregeln  für  die  Kgl.  Bayerischen  Forstämter 
Kehlheim-Nord  und  Süd"  herausgegeben  von  der  Kgl.  Ministerial-Forstabteilung  (den  Mit- 
gliedern der  Forstversammlung  zu  Regensburg  gewidmet). 


550  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Der  Boden  wird  niemals  blossgelegt,  wohl  aber  wird  dadurch,  dass  man  den 
ganzen  Bestand  gleichmässig  dnrchlichtet  (Yorbereitungshieb,  Samenschlag),  die  Ent- 
stehung einer  leichten  Bodenbenarbung  eher  ermöglicht  als  bei  dem,  mit  einzelnen 
kleinen,  unzusammenhängenden  Bestandespartien  operierenden  Femelschlagbetrieb.  Kei- 
neswegs bedeutet  dies  aber  schon  eine  entschiedene  Schädigung  der  Bodenkraft,  wenn 
nur  bei  den  betreffenden  Hieben  stets  mit  der  nötigen  Vorsicht  verfahren  wird.  Aller- 
dings entsteht  grundsätzlich  ein  gleichförmiger  Bestand.  Ein  solcher  an  sich  wäre  nur 
dann  zu  beanstanden,  wenn  durch  ihn  den  Rücksichten  der  Bodenpflege  nicht  genügend 
entsprochen  werden  könnt«.  Ausdehnung  des  Verjüngungszeitraumes  bietet  auch  bei 
diesem  Betrieb  die  Möglichkeit  länger  andauernden  Lichtungszuwachses.  Das  Zusam- 
menfassen mehrerer  Jahresschläge  in  einen  Periodenschlag  gestattet  die  Durchfuhrung 
des  jährlichen  Nachhaltbetriebs  auf  kleinerer  Gesamtfläche  als  beim  Kahlschlagbetrieb; 
freilich  ist  der  reine  Femelbetrieb  in  dieser  Hinsicht  nicht  zu  erreichen.  Dagegen  ist 
die  Uebersichtlichkeit  im  Schirmschlagbetrieb  grösser  als  im  Femelwald  und  auch  als 
im  Femelschlagbetrieb. 

4.  Kahlschlagbetrieb. 

Der  wesentlichste  Vorzug  desselben  ist  seine  Einfachheit  und  Uebersichtlichkeit, 
sowohl  im  Hinblick  auf  die  Operationen  des  Waldbaues  (Unabhängigkeit  von  der  zu- 
falligen Beschaffenheit  des  Altbestandes,  dem  Eintritt  von  Mastjahren  etc.)  und  der 
Holzernte  einschl.  Holzbringung  (Hiebsführung  zu  beliebiger  Jahreszeit,  ohne  Kücksicht 
auf  Jungwuchs  etc.),  als  auf  die  Massnahmen  der  Forsteinrichtung  und  Wirtschaft»^ 
kontrolle.  Voraussetzung  ist  aber,  dass  die  Holzart  für  die  Nachzucht  im  Freien 
(künstlicher  Anbau  oder  Besamung  durch  Randbäume)  geeignet  ist,  und  dass  eine  Ge- 
fährdung der  Bodenkraft  nicht  befürchtet  werden  muss.  Der  Betrieb  ist  also  von  vorn- 
herein nicht  zu  wählen  für  Tanne  und  Buche,  obwohl  er  auch  für  diese  Holzarten 
aushilfsweise  da  und  dort  einzutreten  hat.  Bezüglich  der  Bodenkraft  werden  dem  Kahl- 
schlag die  grössten  Vorwürfe  gemacht.  Unzweifelhaft  ist  das  zeitweilige  Biossiegen 
des  Bodens  kein  Gewinn  (Verschlechterung  insbes.  der  physikalischen  Bodeneigenschaften, 
Humusverflüchtigung  etc.),  es  sei  denn,  dass  der  Nachteil  durch  die  Vorteile  nachfol- 
gender Bodenbearbeitung  (Roden  im  Waldfeldbau ,  Rabattenkultur  in  nassem  Terrain 
u.  dergl.)  paralysiert  würde.  Immerhin  aber  tritt  im  Hochwaldbetrieb  jenes  vollständige 
Entblössen  des  Bodens  nur  in  grossen  Zwischenräumen  (Umtriebszeit)  ein  und  dürfte 
kaum  als  so  unbedingt  verderblich  erachtet  werden,  wie  es  ab  und  zu  hingestellt  wird, 
wenn  nur  durch  sofort  nachfolgende  tüchtige  und  gründliche  Kultur  der  Boden  rasch 
wieder  gedeckt  wird:  allerdings  eine  nicht  immer  leicht  zu  erfüllende  Bedingung,  zu- 
mal ausser  den  zunächst  entscheidenden  Witterungseinflüssen  oft  auch  Insekten  (Mai- 
käfer, Rüsselkäfer  u.  a.  m.)  auf  den  Kahlflächen  in  verderblicher  Weise  auftreten,  sowie 
Unkräuter  im  Uebermass  sich  einstellen,  so  dass  dadurch  die  Entstehung  eines  genügend 
geschlossenen  Jungbestandes  auf  Jahre  hinaus  vereitelt  werden  kann.  Gegen  derartig 
widrige  Einflüsse  muss  man  sich  möglichst  sichern,  indem  man  zu  grosse  und  nament- 
lich von  Jahr  zu  Jahr  aneinandergereihte  Kulturflächen  vermeidet,  die  Art  der  Kultur 
richtig  wählt  und  für  genügende  Pflege  derselben  sorgt. 

Tatsächlich  sind  mittelst  des  Kahlschlagbetriebs  und  nachfolgender  künstlicher  Kul- 
tur auf  weiten  Strecken  vortreffliche  Bestände  begründet  worden  (bes.  Fichte,  Kiefer, 
Eiche  etc.),  und  obwohl  zweifelsohne  da  und  dort  auf  grossen  Flächen  auch  entschiedene 
Misserfolge  zu  verzeichnen  sind,  so  sind  diese  doch  nicht  alle  als  unvermeidliche  Folgen 
des  Betriebs  an  sich  zu  charakterisieren ,  sondern  sicherlich  teilweise  auf  wirtschaftliche 
Fehler  oder  auf  Ungunst  des  Standortes  zurückzuführen.  Jedenfalls  sind  die  Beweise, 
welche  zu  gunsten  des  Betriebs  erbracht  werden  können,  mindestens  ebenso  zahlreich,  als 
die  gegenteiligen,  so  dass  es  —  zugegeben  eine  hie  und  da  über  Gebühr  beträchtliche  Aas- 


Die  Betriebsarten.     §  77.  551 

dehnang  desselben  —  doch  nicht  gerechtfertigt  ist,  den  Kahlschlag  ganz  allgemein  zu  be- 
kämpfen, bezw.  anch  für  diejenigen  Fälle  zu  verwerfen,  in  welchen  er  anlengbar  guten 
Erfolg  sichert.  Man  könnte  wohl  die  Frage  stellen,  ob  daselbst  nicht  dnrch  Schirmschlag 
oder  Femelschlag  der  gleiche  waldbauliche  Erfolg  erzielt  worden  wäre?  Bejahendenfalls 
würde  dann  ein  zwingender  Grund  für  den  Kahlschlag  nicht  vorhanden  gewesen  sein. 
Aber  es  blieben  dann  doch  die  anderen,  zu  gunsten  desselben  angeführten  Momente  in 
Kraft.  Und  für  viele  Fälle  ist  überdies  die  Freilandkultur  sicherer.  Wer  freilich  über- 
haupt einen  gleichmässigen  Bestand  (auch  den  gleichförmigen  Schirmschlag)  nicht  billigen 
kann,  muss  sich  gegen  Kahlschlag  bedingungslos  abweisend  verhalten,  mindestens  ihn  nur 
als  Ausnahme  zulassen.  Aber  es  sind  nur  wenige,  welche  so  einseitig  eine  bestimmte 
waldbauliche  Richtung  vertreten  möchten;  vielmehr  begegnen  sich  mit  wenig  Ausnahmen  ^^^) 
alle  bedeutenderen  neueren  Schriftsteller  auf  dem  Gebiete  des  Waldbaues  in  dem  fortwäh- 
renden Hinweis  darauf,  dass  starres  Verfolgen  von  Extremen  zu  vermeiden  und  jeder  Be- 
triebsart, je  nach  den  örtlichen  Bedingungen,  ihre  Stelle  einzuräumen  sei.  Dies  gilt  na- 
türlich, wie  es  jetzt  anlässlich  der  Würdigung  verschiedener  Hochwaldformen  ausgesprochen 
ist,  nicht  minder  von  allen  übrigen  Betriebsarten.  Für  die  Wahl  des  einen  oder  des  an- 
deren Yerjüngungsverfahrens  ist  der  Standort  von  ausschlaggebender  Bedeutung.  Ein  Ge- 
neralisieren zu  gunsten  eines  bestimmten  Betriebes  ist  unzulässig. 

B.  Ausschlagswald. 

§  76.  Charakteristisch  ist,  wie  oben  schon  hervorgehoben  wurde,  der  meist  nied- 
rige ümtrieb,  also  bei  Neuanlagen  frühzeitige  erstmalige  Abtriebsnutzong,  häufige  Wie- 
derkehr der  Ernte  auf  der  nämlichen  Fläche,  Kahlabtrieb,  d.  h.  jedesmal  Blosslegung 
des  Bodens  und  damit  Gefährdung  seiner  Kraft,  wenn  anch  (in  normalen  Verhältnissen) 
rasche  Wiederdeckung  desselben  durch  die  Ausschläge.  Meist  wertvolle  Erträge  in 
Verbindung  mit  einem  verhältnismässig  kleinen  Produktionskapital  (geringer  Holzvor- 
rat des  niederen  Umtriebs)  sichern  eine  hohe  Rentabilität.  Dazu  kommt  die  Möglich- 
keit jährlicher  Nachhaltwirtschaft  auf  kleiner  Gesamtfläche.  Ueberdies  meist  geringe 
Bedrohung  von  aussen  (durch  Schnee,  Sturm,  Insekten  etc.  —  höchstens  durch  Frost 
häufiger  geschädigt).  Das  Beschränktsein  auf  ausschlagsf^hige  Holzarten  kann  als  ein 
Mangel  angeführt  werden;  femer  muss  die  Lieferung  nur  einer  geringeren  Auswahl 
von  schwächeren  Sortimenten  als  ein  solcher  empfunden  werden,  obwohl  andererseits 
im  Ausschlagswald  auch  manche  Nutzungen  anfallen,  welche  der  Hochwald  gar  nicht 
oder  doch  nicht  in  gleicher  Güte  zu  bieten  hat,  wie  z.  B.  die  Lohrinde. 

1.  Niederwald. 

Dieser  kommt  von  den  Ausschlags  Waldungen  als  Betriebsart,  die  im  Grossen  an- 
gewendet wird,  fast  allein  in  Betracht,  und  gelten  für  ihn  alle  vorstehend  angeführten 
Momente.  Sehr  niedrige  Umtriebe  (Anzucht  von  Flechtweiden)  sind  selbst  auf  ganz 
gutem  Standort  nur  bei  entsprechender  Bodenbearbeitung,  event.  Düngung  dauernd 
leistungsföhig ;  selbst  die  höheren  (z.  B.  Eichenschälwald)  fordern  sorgsamste  Bestandes- 
nnd  bezw.  Bodenpflege.  Grösste  Einfachheit  und  Uebersichtlichkeit  (reine  Schlagein- 
teilung) der  gesamten  Wirtschaftsführung. 

2.  Kopf  holzbetrieb. 

Meist  nur  in  Flussniederungen  (Bandweiden)  als  besonderer  Betrieb  in  grösserem 
Umfang.  Schutz  gegen  Wasser,  Eis  etc.  ist  dort  meist  das  Motiv.  Rücksichten  der 
Bodenpflege  zu  gunsten  der  Holzproduktion  fallen  weg. 

3.  Schneidelbetrieb. 

Meist  nur  in  geringem  Umfang,  mit  Einzelbäumen,  mehr  ausserhalb  des  Waldes 
nnd  nicht  in  eigentlichen  Beständen,  sondern  an  einzelnen  Stämmen. 

C.  Mittelwald. 

§  77.    Der  Betrieb  ermöglicht  die  Anzucht  sämtlicher  Holzarten.  Für  das  Unter- 

227)  Borggreve  ist  wohl  am  schärfsten  in  allgemeiner  Betonung  bestimmter  Leh- 
ren und  geht  insbes.  mit  dem  Kahlschlag  scharf  (m.  E.  viel  zu  scharf!)  ins  Gericht. 


552  IV.  Lorey,  Waldbau. 

holz  sind  natürlich  nnr  Laubhölzer  mit  bedeutender  Reproduktionskraft  tauglich.  Aber 
als  Oberholz  lassen  sich,  obwohl  manche  und  insbesondere  dichtkronige  Holzarten  für 
dasselbe  wegen  zu  starker  Beschattung  des  Unterholzes  nur  schlecht  taugen,  doch, 
wenn  es  der  Waldbesitzer  wünscht,  sämtliche  Holzarten  anbringen,  üeberdies  liefert 
der  Mittelwald  alle  denkbaren  Sortimente.  Kann  er  auch,  in  bezug  auf  Qualität  der 
Oberholzstämme,  mit  manchen  Leistungen  des  Hochwaldes  (astreines,  geradschaftiges 
Holz)  nicht  konkurrieren,  so  erzeugt  er  doch  andererseits  wieder  manche  Ware  (z.  B. 
Schitfsbauhölzer)  in  hervorragender  Güte.  Besonders  ertragsreich  sind  viele  als  Mittel- 
wälder behandelte  Forste  in  den  Niederungen  unserer  Flüsse  (Auewaldungen),  für  welche 
sich  diese  Betriebsform  trefflich  eignet.  Sie  verdient  aber  auch  insofern  Beachtung, 
als  sie  eine  jährliche  Nachhaltwirtschaft  auf  kleiner  Fläche  gestattet  und  dabei  doch 
durch  den  Oberholzhieb  auch  Nutzholz  verschiedenster  Art,  wenn  auch  in  beschränkter 
Menge,  ergibt  (z.  B.  sehr  beliebte  Wirtschaftsform  für  den  oft  nicht  beträchtlichen 
Waldbesitz  von  Gemeinden).  Die  Gefahren,  welche  den  Mittelwald  bedrohen,  sind  im 
ganzen  ziemlich  gering. 

Die  Wirtschaftsführung  erfordert  aber  viel  Fleiss  und  Umsicht,  will  man  nicht 
baldigen  Rückgang  der  Erträge  erleben  ^^®).  Der  Kahlhieb  im  Unterholz  bedeutet 
—  wenn  auch  wegen  des  Oberholzschirmdaches  weniger  wie  im  Niederwald  —  im- 
merhin eine  Gefährdung  der  Bodenkraft,  welcher  durch  sorgfältige  Erhaltung  aus- 
schlagskräftiger Holzarten  tunlichst  begegnet  werden  muss.  Ebenso  ist  die  richtige 
Auswahl,  Menge,  Verteilung,  Pflege  etc.  des  Oberholzes  von  grösster  Wichtigkeit;  die 
Rekrutierung  erfolgt  durch  reichliches  Einpflanzen  von  starken  Pflänzlingen,  namentlich 
Halbheistem  und  Heistern  (Eiche,  Esche,  Ulme,  Nadelhölzer  u.  s.  w.)  nach  jedem  Ab- 
trieb des  Unterholzes.  Besondere  Schwierigkeiten  entstehen  im  Mittelwald  für  die 
Forsteinrichtung,  soweit  das  Oberholz  in  Betracht  kommt;  Ertragsveranschlagungen 
sind  ziemlich  unsicher  2^*).  Die  Erträge  selbst  sind  begreiflich  ausserordentlich  ver- 
schieden *'*3®). 

Zweites  Kapitel. 

Modifikationen  der  Grundformen,  Zwischen-  und  Uebergangsformen. 

Besondere  Fälle. 

Wie  schon  in  den  Vorbemerkungen  zum  vierten  Abschnitte  hervorgehoben  worden 
ist  und  auch  aus  den  Erörterungen  früherer  Abschnitte,  namentlich  denen  über  Be- 
standeserziehung ^^^)  gefolgert  werden  konnte,  darf  die  Anzahl  der  sich  zwischen  den 
Grund-Betriebsarten  einschaltenden,  dieselben  modifizierenden,  in  schärferer  Ausprägung 
sich  zu  gewissen   eigenartigen  Formen  ausbildenden  Betriebe  füglich   als   eine   unbe- 

228)  Geringwertige  Mittelwaldungen  finden  sich  zahlreich,  häufig  infolge  nicht  genü- 
gender Rekrutierung,  sowie  rücksichtsloser  Ausübung  der  Gras-  und  Weidenutzung,  wodurch 
die  etwa  sich  einstellenden  Naturansamungen  vernichtet  werden. 

229)  Vergl.  Handbuch  3.  Band,  S.  391. 

230)  Nachweise  in  den  statistischen  Veröffentlichungen  verschiedener  Länder.  —  Vergl. 
z.  B.  auch:  Vereinshefte  des  Elsass-Loth.  Forstvereins  für  1885;  ferner  Brecher,  Aus 
dem  Auenmittelwalde  S.  64  ff. ,  sowie  Lauprecht,  Aus  dem  Mühlhäuser  Mittelwalde, 
Suppl.  zur  Allg.  F.  u.  J.Z.  VIII.  Bd.,  1.  Heft  (S.  54  if.)  von  1871,  Hamm,  Der  Aus- 
schlagwald 1896.  Derselbe,  „Leitsätze  für  den  Mittelwaldbetrieb  (F.  Z.Bl.  1890  S.  392). 
Ueber  die  statische  Seite  des  Mittelwaldbetriebs  zu  vergleichen  Stoetzer,  Die  finanzielle 
Seite  der  Mittelwaldwirtschaft  (Tharander  Jahrbuch  1890  S.  75),  ferner  Schuberg:  Zw 
Betriebsstatik  im  Mittel walde  1898. 

231)  Zu  vergl.  insbes.  das  5.  Kapitel  des  3.  Abschnittes,  §  61  ff. 


Die  Betriebsarten     §  78.  553 

schränkte  betrachtet  werden.  Deshalb  kann  an  dieser  Stelle  auch  nur  auf  einige 
Fälle  noch  besonders  aufmerksam  gemacht  werden,  welche,  sei  es  durch  ihr  häufigeres 
Auftreten,  sei  es  durch  die  Art  ihrer  Merkmale  vor  anderen  Beachtung  verdienen 
dürften. 

Dabei  können  als  Modifikationen  solche  Formen  bezeichnet  werden,  bei  wel- 
chen die  Grundform,  der  sie  zugehÖren,  noch  klar  erkennbar,  bezw.  nur  in  mehr  neben- 
sächlichen Punkten  verschoben  ist;  alsUebergangsformen  solche,  welche  sich  zwi- 
schen zwei  Grundformen  einschaltend,  ebensowohl  der  einen  als  der  anderen  zugezählt 
werden  könnten ;  als  besondere  Fälle  endlich  dürften  gewisse  Wirtschaften  namhaft 
gemacht  werden,  welche  sich  zwar  aus  einer  bestimmten  Grundform  herausentwickeln 
lassen  und  sich  noch  mehr  oder  minder  an  dieselbe  anlehnen,  aber  doch  durch  Einfügung 
irgend  welcher  neuer  Faktoren  ein  entschieden  abweichendes  und  entsprechend  selbständiges 
Gepräge  zeigen.  Scharfe  Trennung  nach  diesen  drei  Rubriken  ist  allerdings  nicht  mög- 
lich, vielmehr  werden  vielfach  Zweifel  darüber  entstehen,  ob  man  eine  vorgefundene  Wirt- 
schaftsform da  oder  dort  einreihen  soll.  Doch  ist  eine  solche  feinere  Rubrizierung  auch 
ziemlich  gleichgiltig. 
A.  Hochwald. 

§78.     1.  Femelartiger  Hochwaldbetrieb^^*): 

Diese  Wirtschaftsform  würde  als  eine  Vereinigung  des  Femelbetriebs  und  Ferael- 
schlagbetriebs,  auch  wohl  dieser  beiden  mit  dem  Schirmschlagbetrieb  im  nämlichen  Be- 
stand aufgefasst  werden  können,  indem  sie  sich  —  ganz  nach  dem  jeweiligen  Bedürf- 
nis der  einzelnen  Bestandespartie  und  frei  von  allem  schablonenmässigen  Gebundensein 
an  ein  einzelnes  der  in  den  genannten  Grundbetrieben  verkörperten  Prinzipien  —  bald 
in  femelweiser,  bald  in  mehr  schlagweiser  Behandlung  der  Gruppen  und  Horste  äussert, 
stets  die  gesicherte  naturliche  Verjüngung  der  Bestände  (wo  nötig  mit  künstlicher  Bei- 
hilfe in  beschränktem  umfang)  in  gleicher  Weise  berücksichtigend,  wie  die  Ausformung 
der  Stämme  zu  möglichst  starken,  hochwertigen  Sortimenten  (intensive  Auswirkung  des 
Lichtungszuwachses).  Ein  solcher  Betrieb  passt  nur  für  entschiedene  Schattenhölzer, 
hauptsächlich  für  die  Weisstanne  und  erscheint  in  seiner  Durchführung  zumeist  als  eine 
Konzession  an  die  Grundsätze  des  Femelbetriebs,  welche  jedoch  dahin  abgeändert  wer- 
den, dass  nicht  ein  ganzer  ümtrieb  zur  Schaffung  eines  neuen  Bestandes  an  Stelle  eines 
jetzt  vorhandenen  gefordert,  sondern  die  Verjüngung  in  kürzerer  Zeit,  jedenfalls  aber 
doch  in  langem  Zeitraum  (30,  40,  ja  60  Jahren)  bewerkstelligt  wird,  und  dass  sich  je 
nach  umständen  grössere  oder  kleinere  gleichförmig  behandelte  Gruppen  (wie  im  Fe- 
melschlagbetrieb)  einschieben.  Ob  dabei  mehr  durch  Aushieb  einzelner  Stämme  oder 
mehr  in  Gestalt  solch  gruppen-  und  horstweiser  Bewirtschaftung  vorgegangen  wird, 
hängt  in  erster  Linie  von  der  zufälligen  Beschaffenheit  des  Bestandes  (Aushieb  alles 
schadhaften  Holzes,  besonders  breitkroniger,  hervorragend  starker  Stämme,  Förderung 
von  Vorwuchshorsten  u.  s.  w.)  ab.  Jedenfalls  ist  ein  ungleichförmiger  Bestand  das 
Wirtschaftsziel.  Die  behaupteten  Vorzüge  eines  solchen  kommen  in  diesem  Betrieb  voll 
zur  Geltung. 

Die  Abhandlung  Schuberg's,  auf  welche  in  Anm.  232  verwiesen  ist,  bringt  hin- 
sichtlich der  Tanne,  welche  bes.  im  badischen  Schwarzwald  vielfach  im  „femelartigen  Be- 
trieb'^ bewirtschaftet  wird,  den  an  zahlreichen  direkten  exakten  Erhebungen  über  die  Zu- 
wachsleistung in  diesem  Betrieb  im  Gegensatz  zum  Schirmschlagbetrieb  vorgeführten  Nach- 
weis, dass  der  letztere  sowohl  an  Masse  im  ganzen,  als  auch  namentlich  bezüglich  der 
Verteilung  der  Einzelstämme  auf  die  verschiedenen  Nutzholzklassen  erheblich  hinter  dem 
femelartigen  Betrieb  zurückbleibt,  welcher  bei  gleichem  durchschnittlichem  Alter  einen  weit 
höheren  Prozentsatz  an  Stämmen  der  ersten  Klasse  liefert,   weil  er  keine  entwickelungs- 


232)  Vergl.  Schubergs  Schlaglichter  zur  Streitfrage :  schlagweiser  Hochwald-  oder 
Femelbetrieb,  Forstw.  Zentralblatt  v.  1886,  S.  129  u.  S.  194;  siehe  oben  die  Bemerkung 
über  diese  höchst  dankenswerte  Arbeit. 


554  IV.  Lorey,  Waldbau. 

unfähigen  Individuen  lediglich  eines  gleichmässigen  Bestandesschlnsses  wegen  belässt  und 
eben  infolge  der  zeitigen  Entfernung  aller  dieser  zweifelhaften  Glieder  den  übrigen 
einen  erhöhten  Lichtgenuss  gewährt.  Immerhin  könnte  man  fragen,  ob  nicht  bei  der  Yer- 
gleichung  ab  und  zu  gegen  einen  Grundsatz  der  Statik  einigermassen  Verstössen  ist,  dahin 
lautend,  dass  man  jede  der  gegeneinander  abzuwägenden  Wirtschaftsformen  im  Zustand 
ihrer  höchsten  Leistungsfähigkeit  betrachten  soll.  Dann  darf  aber  auch  der  Schirmschlag 
keine  Kranken  aufweisen  und  muss  derart  durchlichtet  sein,  dass  auch  in  ihm  ein  genü- 
gender Lichtungszuwachs  zur  Geltung  kommt.  (Ob  man  dann  bei  der  Tanne,  d.  h.  ins- 
besondere durch  bedingungslosen  Aushieb  aller  Krebsbäume  nicht  von  selbst  zu  einer  femel- 
artigen  Form  kommt,  ist  eine  andere  Frage.) 

2.  Ueberhaltbetrieb  und  zweihiebiger  Hochwaldbetrieb ^^) : 

a)  Wenn  von  den  hiebsreifen  Bäumen  eines  Hochwaldbestandes  eine  gewisse  An- 
zahl von  der  Abtiiebsnutznng  ausgeschlossen  wird  und  im  nachgezogenen  Jungwuchse 
bis  in  den  njichsten  Umtrieb  hinein  stehen  bleibt,  so  entsteht  die  U  e  b  e  r  h  a  1 1  f  o  r  m. 
Zweck  derselben  ist  die  Anzucht  besonders  starker  Stämme,  wie  sie  der  gewöhnliche 
Umtrieb  nicht  zu  erzengen  vermag.  Man  will  aber  nicht  für  die  ganze  Wirtschaft 
oder  für  einzelne  ganze  Bestände,  um  solche  Starkhölzer  zu  gewinnen,  den  Umtrieb 
erhöhen,  sondern  die  übliche  Umtriebszeit  für  die  Hauptmasse  der  Bestände  durchweg 
beibehalten.  Der  gew^ünschte  Erfolg  ist  nur  zu  erreichen,  wenn  die  zu  belassenden 
Stämme  (Ueberhälter,  Waldrechter,  Oberständer)  genügend  lange  Zeit  nach  dem  Ab- 
trieb des  Grundbestandes,  möglichst  während  der  ganzen  folgenden  Umtriebszeit,  fort- 
wachsen ;  sie  müsseu  also  an  sich  entsprechend  wuchskräftig  sein  und  unter  Bedingungen 
belassen  werden,  welche  ihre  fernere  gedeihliche  Ent Wickelung  sichern;  d.  h.  man  darf 
nur  durchaus  gesunde,  gut  geformte  Stämme  zum  Ueberhalt  bestimmen  (nicht  etwa 
die  allerstärksten)  und  muss  für  Erhaltung  der  Bodenkraft  sorgen. 

Mittelhohe  Umtriebe  eignen  sich  am  meisten;  man  hat  dann  Hoffnung,  dass  we- 
nigstens ein  Teil  der  Oberständer  den  vollen  zweiten  Umtrieb  aushält. 

Der  Betrieb  findet  sich  in  den  verschiedenartigsten  Formen,  weil  er  sich  ans 
jeder  beliebigen  Grundform  herausentwickeln  kann.  Immer  aber  sollten  die  Ueberhalt- 
bäume  möglichst  allmählich  an  den  freien  Stand  gewöhnt  werden,  wozu  unter  Umstän- 
den schon  lange  Zeit  vorher  (20—40  Jahre)  der  Freihieb  derselben  eingeleitet  werden 
muss,  falls  nicht  die  Wirtschaftsform  an  sich  schon  (wie  im  Femelbetrieb  oder  femel- 
artigen  Betrieb)  allmähliches  Gewöhnen  an  den  Freistand  bedingt.  Namentlich  sollte 
nicht  mit  der  dem  Uebergang  in  die  Ueberhaltstellung  eine,  wenn  auch  nur  vorübergehende 
Minderung  der  Bodentätigkeit  verbunden  sein.  Dass  die  Oberständer  den  Grundbestand 
in  seinem  Zuwachs  beeinträchtigen,  ist  klar ;  ihre  eigene  Massen-  und  Wertssteigerung 
soll  aber  diesen  Ausfall  aufwiegen.  Bedenklich  ist  für  allen  Ueberhaltbetrieb  die  Sturm- 
gefahr. Gruppenweiser  Ueberhalt  ist  in  vielen  Fällen  dem  Einzelüberhalt  vorzuziehen ; 
doch  bedarf  es  in  der  Ueberhaltgruppe  (bezw.  Horst)  des  Unterbaues,  wo  nicht  natür- 
licher Unterwuchs  sich  einstellt. 

Am  misslichsten  sind  die  Bedingungen  im  Kahlschlagbetrieb:  z.  B.  Ueberhalt  ein- 
zelner Forchen  (15 — 30  Stück  pro  ha)  nach  dem  Abtrieb  des  Bestandes. 

Im  Schirmschlagbetrieb  (z.  B.  Ueberhalt  wuchskräftiger  Eichen,  Eschen,  auch  ein- 
zelner Buchen  etc.  im  gemischten  Laubholzhochwald)  liegen  die  Verhältnisse  insofern  gün- 
stiger, als  während  des  Verjüngungszeitraumes  allmähliche  Freistellung  bewirkt  und  der 
Boden  nicht  entblösst  wird.  —  Auch  mit  dem  Femelschlagbetrieb  würde  sich  ein  eigent- 
licher Ueberhaltbetrieb  (stammweise  oder  vielleicht  grundsätzlich  mehr  gruppenweise)  sehr 
gut  verbinden  lassen. 


233)  Vergl.  Tag  er,  „Zum  zweihiebigen  Kiefernhochwaldbetrieb"  (Festgabe  zur  Gör- 
litzer Forstversammlung  1885.)  —  Derselbe,  „Zum  zweihiebigen  Kiefemhoch waldbetrieb'' 
im  Tharander  Jahrb.  von  1887  S.  1  ff.  —  Meyer,  „Zur  Frage  des  Ueberhaltbetriebs  resp. 
des  »weihiebigen  Hochwaldes"  in  Zeitschr.  f.  F.  u.  Jw.  1887  S.  13  ff. 


Die  Betriebsarten.     §  78.  555 

b)  Der  zweihiebige  Hochwald  darf  als  besonderer  Fall  des  Ueberhalt- 
betriebs  bezeichnet  werden,  welcher  dann  entsteht,  wenn  man  bei  nicht  zu  hohem  Um- 
trieb  durch  verhältnismässig  reichliches  Ueberhalten  von  Stämmen  möglichst  viele  In- 
dividuen des  ursprünglich  vorhandenen  Bestandes  zu  den  gewünschten  bedeutenderen 
Dimensionen  herausbilden  will.  Die  Oberstünder  erscheinen  nicht  sowohl  als  eine  Zu- 
gabe zum  Grundbestand,  sondern  sind  schliesslich  der  eigentlich  entscheidende  Bestan- 
desteil. Speziell  dieser  Betrieb  arbeitet  entschieden  am  leichtesten  mit  mittelhohen 
Umtrieben  (70,  80,  höchstens  100  Jahre) ;  anderenfalls  werden  trotz  aller  Sorgfalt  viele 
üeberhälter  vor  der  Zeit  abständig  2»*).  Gegenüber  einer  allgemeinen  Erhöhung  der 
Umtriebszeit  hat  man  den  Vorteil,  dass  nur  die  wirklich  guten  Stämme  dem  hohen 
Alter  zugeführt  werden.  Von  geringen  Böden  sollte  der  Betrieb  femgehalten  werden  ^^^). 
Unter  Umständen  ist  Unterbau  rätlich. 

Das  frühzeitige  Vorbereiten  auf  die  Ueberhaltstellung,  bezw.  das  Loshauen  der  dazu 
bestimmten  Bäume  ist  stets  nur  mit  der  Beschränkung  und  so  allmählich  auszuführen,  dass 
dadurch  keine  schädliche  Verlichtung  des  Bestandes  eintritt. 

Als  besondere  hierher  gehörige  Formen  erscheinen  auch  der 

Zweialterige  Hochwald  Burckhardt's, 

der  modifizierte  Buchenhochwaldbetrieb  von  v.  Seebach, 

die  Homburg'sche  Nutzholzwirtschaft. 

Dieselben  sind  im  5.  Kapitel  des  3.  Abschnittes  (§  70)  besprochen. 

Wie  sich  unter  bestimmten  Umständen  auch  einmal  ein  „Dreifacher  Hochwaldbetrieb'' 
(innerhalb  einer  Umtriebszeit  Nutzung  gewissermassen  von  drei  verschiedenen  Beständen 
auf  der  nämlichen  Fläche :  20jähriger  Kiefemschutzbestand,  140jährige  Eichen,  llOjährige 
Buchen)  entwickeln  kann,  hat  Wi  Ihr  and  in  der  Allg.  F.  u.  J.Z.  (1879,  S.  41  ff.)  ge- 
zeigt. Doch  gehört  die  betr.  Wirtschaft  mehr  nur  dem  Namen  nach  hierher;  sie  ist  ein 
Unterbaubetrieb  mit  besonderer  Modifikation. 

3.  Unterbau-  und  Lichtwuchsbetrieb. 

Beide  sind  nicht  eigentlich  besondere  Betriebsarten,  sondern  mehr  nur  bestimmte 
Formen  der  Bestandeserziehung  und  als  solche  im  3.  Abschnitt  (5.  Kap.)  abgehandelt. 
Kahlschlagbetrieb,  Schirmschlag-  und  Femelschlagform  können  mit  Unterbau-  und  Licht- 
wuchsbetrieb verbunden,  bezw.  als  solche  ausgebildet  sein. 

4.  Waldfeldbau^s«). 

Derselbe  darf  als  eine  besonders  entwickelte  Wirtschaftsform  des  Hochwaldes 
hier  genannt  werden,  obwohl  die  Besonderheit  streng  genommen  nur  in  der  Art  der 
Bestandesbegründung  erblickt  werden  kann,  bei  welcher  die  Anzucht  landwirtschaft- 
licher Gewächse  in  verschiedenartig  modifizierter  Weise  beteiligt  ist,  während  die  Be- 
standeserziehung in  nichts  von  demjenigen  Vorgehen  abweicht,  welches  auch  ohne  jene 
Verbindung  von  Holz-  und  Fruchtzucht  auf  den  betreffenden  Oertlichkeiten  beobachtet 
werden  würde.  Waldbaulich  wichtig  ist  namentlich,  dass  sich  in  einer  Anzahl  von 
Fällen,  wie  durch  viele,  verschiedenartig  gestaltete  vergebliche  Versuche  dargetan 
ist,  die  Begründung  junger  Bestände  (wegen  Unkrautwuchs  etc.)  ohne  Zuhilfenahme 
des  landwirtschaftlichen  Vor-   oder  Zwischenbaues  als  nur  mit  un verhältnismässigen 


234)  Auszugshiebe,  vergl.  dritter  Abschnitt,  4.  Kapitel  (§  63). 

235)  Täger  a.  a.  0.  will  auch  noch  auf  Kiefernboden  3.,  ja  4.  Güte  mit  seinem 
Betrieb  gute  Starkhölzer  erziehen ;  auf  Boden  2.  Bonität  soll  mit  Fichte  unterbaut  werden. 
Entsprechende  Rentabilität  wird  von  T.  nachgewiesen. 

236)  Vergl.  Handbuch  2.  Bd.  VI%  §  2  ff.  —  Sodann  zu  vergl.  Bericht  über  die 
XV.  Versammlung  deutscher  Forstmänner  zu  Darmstadt  1886,  Frankf.  bei  Sauerländer  1887, 
S.  81—145,  femer  Speidel,  Waldfeldbau  Oberschwabens  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1888,  S.  876), 
Köhler,  „üeber  den  Waldfeldbau  in  Oberschwaben"  das.  1898  S.  117,  spricht  sich  gegen 
denselben  aus. 


556  IV.  Lorey,  Waldbau. 

Opfern  erreichbar  erwiesen  hat.  Hierin  muss  dann  auch  die  Berechtigung  des  Betriebs 
vom  waldbaulichen  Standpunkt  ans  zunächst  gefunden  werden.  Als  weitere  Momente, 
welche  zu  gunsten  desselben  sprechen,  kommen  hinzu  die  durch  die  Bodenlockemng 
bewirkte  Zuwachssteigerung,  sowie  die  in  vielen  Fällen  hohen  Erträge  (Pachtgeld,  bezw. 
Erlös  aus  dem  Verkauf  der  landwirtschaftlichen  Produkte).  Dagegen  ist  in  dem  Ent- 
zug bestimmter  Mengen  an  mineralischen  Nährstoffen,  wie  er  durch  jede  Kartoffel-  oder 
Halmfruchternte  erfolgt,  ein  unleugbarer  Nachteil  zu  erblicken;  derselbe  kann  aller- 
dings durch  die  Vorteile  des  Betriebs  überboten  werden,  um  so  mehr,  als  auch  dem 
Feldbau  gewisse  Mengen  von  Rohhumus  für  die  Pflanzenernährung  aufgeschlossen  wer- 
den, die  sonst  unzersetzt  geblieben  wären.  Eine  besondere  Würdigung  erheischen  über- 
dies die  volkswirtschaftlichen  Erwägungen,  zu  denen  der  Betrieb  Anlass  gibt. 

Das  Nähere  über  denselben  findet  sich  an  der  S.  555  (Anm.  236)  bezeichneten 
Stelle,  auf  welche  hier  verwiesen  werden  muss. 

B.  Niederwald  und  Mittelwald. 

§  79.  Zwischen  beiden  Betriebsarten,  sowie  zwischen  diesen  und  dem  Hochwald 
schieben  sich  mehrere  Uebergangsformen  ein,  welche  sich  in  verschiedenartiger  gegen- 
seitiger Annäherung  aussprechen. 

So  kann  man  im  Niederwald  einzelne  Oberständer  tiberhalten  und  gewinnt 
dadurch,  namentlich  wenn  man  einen  Teil  derselben  noch  ISnger  als  durch  den  nächst- 
folgenden Umtrieb  stehen  lässt,  sofort  eine  mittelwaldartige  Form.  Eine  solche  kann 
für  etwaige  Betriebsumwandlungen  (z.  B.  Eichenschäl wald  in  Eichenhochwald,  bei  rück- 
gängigen Rindenpreisen)  von  hoher  Bedeutung  werden. 

Oder  man  lässt  im  Niederwald  an  den  Wegrändern  Hochstämme  stehen,  bezw. 
pflanzt  daselbst  hochstämmig  zu  erziehende  Holzarten  (Lärche  etc.)  an,  um  wenigstens 
ein  massiges  Quantum  stäikerer  Nutzholzsortimente  zu  erhalten. 

Jeder  Oberstand  im  Niederwald  schmälert  den  Ertrag  des  Schlagholzes,  bezw. 
der  Rinde  im  Schälwald. 

Der  Mittelwald  kann  ein  hochwaldartiges  Aussehen  gewinnen  oder  anderer- 
seits mehr  nach  Art  des  Niederwaldes  beschaffen  sein,  je  nachdem  man  dem  Oberholz 
eine  mehr  oder  minder  umfängliche  Beteiligung  verstattet.  Ist  dasselbe  ganz  oder 
nahezu  geschlossen,  so  ist  der  Schritt  zum  Hochwald  ein  kurzer,  während  man,  wenn 
dasselbe  mehr  und  mehr  zurücktritt,  leicht  zu  niederwaldartigen  Formen  kommt. 

Die  besonderen  Umstände  des  Wirtschaftsbetriebs  können  Uebergänge  nach  der 
einen  oder  anderen  Seite  hin  rätlich  erscheinen  lassen. 

Drittes  Kapitel. 
Betriebsumwandlungen. 

I.  Allgemeines. 

§  80.  Veranlassung  zur  Betriebsumwandlung,  d.  h.  zu  dem  planmässigen  üeber- 
gang  von  einer  Betriebsart  zur  anderen,  ist  nicht  selten  gegeben.  Ihre  Gründe  können 
sehr  verschieden  sein.  Sie  liegen  beispielsweise  vielleicht  in  veränderten  Interessen 
des  Waldbesitzers  (Anlage  eines  Wildparks  u.  s.  w.)  oder  in  der  durch  Abstraktion 
oder  Erfahrung  gewonnenen  Ueberzeugung  von  der  höheren  Leistungsfähigkeit  einer 
Betriebsart  gegenüber  der  bisher  eingeführten  (in  bezug  auf  Bodenpflege,  Massen-  und 
Wertserzeugung  u.  s.  f.),  auch  wohl  in  der  Unmöglichkeit,  einen  Betrieb  femer  beizu- 
behalten (durch  unabweisbare  Streunutzung  heruntergekommene  Waldungen),  vielfach 
aber  auch  in  veränderten  Marktverhältnissen,  d.  h.  in  der  durch  einen  Umschwung  auf 
dem  Gebiete  der  Holzverwertung  herbeigeführten  veränderten  relativen  Wertschätzung 


Die  Betriebsarten.     §  81.  557 

der  verschiedenen  Forstprodukte.  Mithin  sind  es  teils  persönliche,  teils  sachliche 
Gründe,  welche  entscheidend  werden ;  letztere  oft  nnr  örtlich,  manchmal  aber  mehr  all- 
gemein, wie  beispielsweise  der  Einflnss  geringerer  Absatzfähigkeit  des  Brennholzes, 
ebenso  der  Lohrinde  infolge  auswärtiger  Konkurrenz  a.  s.  f.  Ihren  Zielpunkt  finden 
alle  bezüglichen  Massregeln  in  einer  die  gegenwärtige  überbietende  Eentabilität,  unter 
Beachtung  entweder  nur  der  Verhältnisse  des  Waldes  selbst  oder  weiter  reichender 
Gesamtinteressen. 

Am  einschneidendsten  wirken  solche  Umwandlungen,  bei  welchen  eine  Aenderung 
der  Holzart  und  der  Betriebsart  zugleich  in  Frage  kommen,  während  sich  diejenigen 
Vorgänge  verhältnismässig  einfacher  abspielen,  welche  entweder  nur  einen  Holzarten- 
wechsel oder  nur  eine  Betriebsänderung  darstellen.  Je  beträchtlicher  zwei  in  einander 
überzuführende  Betriebsarten  in  ihrem  Gesamtcharakter  von  einander  abweichen,  um 
so  schärfer  treten  die  den  Uebergang  vermittelnden  Operationen  zu  Tage.  In  vielen 
Fällen  kann  nur  ein  allmähliches  Aufgeben  des  bestehenden  Betriebs  Platz  greifen; 
wenigstens  wird  immer  dann,  wenn  grössere  Wirtschaftsobjekte  in  Betracht  kommen, 
jedes  durch  starke  Sprünge  sich  äussernde  Vorgehen  ausgeschlossen  werden  müssen. 
Die  Gründe  hiefür  liegen  in  den  Rücksichten  auf  den  Holzmarkt,  das  verfügbare  Kul- 
turmaterial, die  erforderlichen  Arbeitskräfte,  nachhaltige  Gestaltung  der  Holzabnutzung 
u.  s.  w.);  hauptsächlich,  sobald  die  Betriebsänderung  grosse  Differenzen  in  der  Umtriebs- 
zeit  (bisherige  und  einzuführende)  herbeigeführt  und  damit  im  Nachhaltbetrieb  sehr 
verschiedene  Holzvorräte  (bald  grössere  bald  kleinere  als  bisher)  gefordert  werden,  kann 
der  Uebergang  meist  nur  langsam  und  unter  sorgsamster  Abwägung  aller  denselben 
begleitenden  Umstände  bewerkstelligt  werden.  Immerhin  möchte  auch  von  einer  allzu 
weit  gehenden  Aengstlichkeit  ebensosehr  abgeraten  werden,  wie  andererseits  gewagte 
Spekulationen  unzulässig  sind.  Ohne  Entwerf ung  eines  Wirtschaftsplanes  lassen  sich 
Umwandlungen  in  grösseren  Waldungen  nicht  mit  der  wünschenswerten  Klarheit  und 
Sicherheit  durchführen.  Waldbau  und  Forsteinrichtung  haben  hier  gemeinsam  zu  ope- 
rieren. Bei  einzelnen  Beständen,  kleinen  Parzellen  unterliegt  jedoch  selbst  ein  plötz- 
licher Uebergang  oft  nicht  dem  mindesten  Bedenken. 

II.  Umwandlungen  innerhalb  des  Hochwaldbetriebs. 

§  81.    A.  Der  Kahlschlagbetrieb  soll  verlassen  werden: 

1.  Uebergang  vom  Kahlschlag  zum  Schirmschlagbetrieb. 
Derselbe  lässt  sich,  wenn  die  Holzart  beizubehalten  ist,  in  meist  sehr  einfacher 

Weise  bewerkst^elligen,  indem  man  im  haubaren  oder  nahe  haubaren  Bestand  die  natür- 
liche Verjüngung  (je  nach  Bedarf  unter  entsprechender  künstlicher  Beihilfe)  mit  ihren 
verschiedenen  Hiebsführungen  an  Stelle  des  Kahlhiebs  treten  lässt.  Im  einzelnen  kön- 
nen sich  freilich  mannigfaltige  Modifikationen  des  Schemas  ergeben.  Zusammenfassen 
mehrerer  Jahresschläge  zum  Periodenschlag  wird  erforderlich.  Aenderungen  der  Um- 
triebszeit  und  im  Gefolge  davon  des  Normalvorrats  bringt  diese  Ueberführung  nicht 
grundsätzlich  mit  sich.  Soll  die  Holzart  wechseln,  so  muss  künstliche  Kultur  (bisweilen 
durch  Unterbau,  z.  B.  Tanne  unter  Kiefer)  eintreten. 

2.  Vom  Kahlschlag  zum  Femelschlagbetrieb,  femelartigen 
Betrieb  und  Femelbetrieb. 

Dieser  Uebergang  vollzieht  sich  im  allgemeinen  ähnlich  wie  der  vorbesprochene. 
An  Stelle  gleichmässiger  Behandlung  des  ganzen  Bestandes  tritt  der  Horst  oder  die 
Gruppe,  wodurch  zunächst  der  Femelschlagbetrieb  erreicht  wird.  Der  Weg  von  diesem 
zum  femelartigen  Betrieb  und  schliesslich  zum  eigentlichen  Femelbetrieb  ist  leicht  zu 
finden;  doch  wird  man  sich  zumeist  mit  Beibehaltung  einer  der  Uebergangsformen  be- 
gnügen und  nicht  gerade  dem  reinen  Femelwald  zusteuern. 


558  IV.  Lorey,  Waldban. 

B^  Ueberführung  des  Femelbetriebs  in  einen  schlagweisen  Betrieb. 

Der  betreffende  Wirtschaftsplan  muss  zunächst  die  Bildung  der  Orts-  und  Be- 
standesabteilungen,  sowie  die  Hiebszüge  vorsehen,  wobei  die  jeweilige  Beschaffenheit 
der  Femelbestände  (meist  verschiedenartige  Beteiligung  und  räumliche  Gruppierung  der 
Altersklassen !)  zumal  für  die  Uebergangszeit  besonders  zu  beachten  ist,  damit  der  neue 
Zustand  nicht  mit  zu  grossen  Opfern  erreicht  wird:  zuwachsärmste  Teile,  solche  mit 
dem  höchsten  Durchschnittsalter  kommen,  soweit  es  die  Schlagfolge  zulässt,  in  erster 
Linie  zur  Behandlung ;  inzwischen  muss  der  Gang  der  Durchhiebe  in  den  übrigen  Teilen 
eine  Minderung  der  Altersunterschiede  anstreben. 

C.  Uebergang  vom  Schirmschlag  zum  Femelschlag  und  umgekehrt. 

1.  Die  üeberführung  des  Schirmschlags  zum  Femelschlag  wird  er- 
reicht, indem  man  die  Verjüngung  nicht  gleichmässig  über  die  ganze  Bestandesfläche 
hin  einleitet  und  durchführt. 

2.  Vom  Femelschlag  zum  Schirmschlag  gelangt  man  durch  allmäh- 
liches Verschwindenlassen  der  durch  Altersunterschiede  gekennzeichneten  Gruppen  und 
Horste. 

D.  Uebergang  zum  Eahlschlag. 

Derselbe  gründet  sich  stets  auf  die  Abgrenzung  von  Schlagflächen,  deren  Be- 
stände kahl  abgetrieben  werden. 

Dass  fast  alle  diese  Umwandlungen  sich  nicht  ohne  mancherlei  Opfer  in  der 
Uebergangszeit  vollziehen  lassen,  insbesondere  darin  bestehend,  dass  vielfach  Bäume 
und  Bestände  schon  vor  oder  erst  nach  ihrer  Hiebsreife  genutzt  werden,  leuchtet  ein. 
Es  ist  die  Aufgabe  des  Wirtschafters  (übrigens  vornehmlich  auf  dem  Gebiete  der  Forst- 
einrichtung belegen),  diese  Verluste  auf  das  geringste  Mass  zu  beschränken. 

in.  Der  Hochwaldbetrieb  wird  aufgegeben. 

§  82.    A.  Uebergang  zum  Niederwald: 

In  den  weitaus  meisten  Fällen  ist  die  Holzart  des  Hochwaldes  nicht  schon  die- 
jenige des  Niederwaldes.  Künstliche  Bestandesbegründung  nach  voraufgegangener  Ab- 
räumung  des  vorhandenen  Bestandes  bewirkt  die  Üeberführung,  am  besten  nach  einer 
Schlageinteilung,  sofern  man  nicht  den  aussetzenden  Betrieb  einführen  will.  Soll  ins- 
besondere ein  jährlicher  Nachhaltbetrieb  entstehen,  so  braucht  man  u  Schläge,  welche 
dann  successive  in  u  Jahren  umgewandelt  werden.  In  dieser  Zeit  würde  sich  die  ganze 
Umwandlung  nur  auf  kleineren  Flächen,  nicht  in  einem  grösseren  Waldkörper  been- 
digen lassen. 

Ist  die  gewünschte  Holzart  schon  vorhanden  (Eiche,  Erle),  so  kann  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  die  künstliche  Kultur  ganz  entfallen,  und  man  sich  auf  die  Be- 
nutzung der  Ausschläge  beschränken.  Doch  wird  meist  künstlicher  Anbau  wenigstens 
mithelfen  müssen. 

Als  besonders  interessanter  Fall  kann  die  Üeberführung  des  Hochwaldes  (in  specie 
Kiefer)  in  zahme  Kastanie  aufgeführt  werden,  wie  er  sich  eben  vielfach  in  den  Vorbergen 
der  Pfalz  vollzieht :  Löcherhiebe  mit  nachfolgender  Pflanzung  gewähren  dann  der  Kastanie 
wohltätigen  Seitenschatten  2^^). 

B.  Uebergang  zum  Mittelwald: 

Erfolgt,  soweit  das  Unterholz  in  Betracht  kommt,  im  ganzen  nach  gleichen  Grund- 
sätzen wie  ad  A.  Wie  rasch  sich  die  einzelnen  Oberholzklassen  in  der  erforderlichen 
Art  (nach  Holzart,  Menge,  Verteilung  u.  s.  w.)  herstellen  lassen,  ist  wiederum  von  der 
Holzartenbeteiligung  und  der  Betriebsform  (gleichalterig  oder  ungleichalterig)  im  Hoch- 


237)  Vergl.    die    im    2.  Abschn.   4.  Kap.   ad  I,    12    (§   49)    zitierten  Aufsätze   von 
Osterheld. 


Die  Betriebsarten.     §  83.  559 

wald  abhängig.  Uebergang  unter  Umständen  dnrch  allmählich  zu  regulierenden  Be- 
scidi'mungsgrad ;  Belassen  gesunder,  entwickelungskräftiger,  möglichst  standfester  Bäume 
der  geeigneten  Holzarten;  meist  auch  hier  Beihilfe  besonderer  Kultur  behufs  zweck- 
entsprechender Ergänzung  des  Oberholzes. 

IV.  Niederwald  oder  Mittelwald  ist  in  Hochwald  überzu- 
führen. 

§  83.     A)  Niederwald: 

Die  Verschiedenheit  der  Umtriebszeit  bedingt  es,  dass,  wenn  der  Niederwald  in 
einen  Hochwald-Nachhaltbetrieb  übergeführt  werden  soll,  bedeutende  Holzvorratsniassen 
angesammelt  werden  müssen,  damit  ein  der  gewählten  Umtriebszeit  entsprechender  Vor- 
rat des  Hochwaldes  hergestellt  werde.  Wird  die  vorhandene  Holzart  beibehalten,  so 
genügt  das  Aufhören  mit  den  Nieder^'aldhauungen  und  das  Fortwachsenlassen  der 
Stockausschläge,  welche  entsprechend  zu  durchforsten  sind.  Allerdings  ist  hiemit  eine 
Verzichtleistung  des  Waldbesitzers  auf  Erträge  verbunden,  die  gemildert  werden  kann, 
wenn  man  als  Uebergangsstadium  eine  mittelwaldartige  Form  wählt,  indem  beim  Hieb 
immer  eine  grössere  Anzahl  von  Lassreiteln  übergehalten  und  so  allmählich  der  Hoch- 
wald-Vollbestand angebahnt  wird. 

Muss  ein  teilweiser  oder  vollständiger  Holzartenwechsel  eintreten,  so  ist  künst- 
licher Anbau  erforderlich :  Einpflanzen  stärkerer  Exemplare  nach  dem  Abtrieb  des  Stock- 
schlages, vielfach  zweckmässig  in  Gruppen  und  Horsten,  mit  nachfolgender  sorgsamer 
Schlagpflege  (hauptsächlich  gegen  das  Vordrängen  neuer  Stockausschläge  gerichtet), 
wenn  ein  Mischbestand  erzielt  werden  soll;  —  auch  wohl  Stockroden  nach  dem  Ab- 
trieb und  vollständiger  Neuanbau  der  Fläche,  wobei  man  dann  allerdings  zu  einer 
Kahlflächenkultur  gelangt.  Die  Modifikationen  der  Durchführung  sind  überaus  zahlreich. 

Die  geringe  Rentabilität  des  Eichenschälwaldes  ist  Veranlassung  dazu,  dass  diese 
Betriebsform  neuerdings  vielfach  in  Hochwald  übergeführt  wird**®). 

B)  Mittelwald239). 

Soll  ein  solcher  in- einen  Hochwald-Schlagbetrieb  übergeführt  werden,  so  ist  es, 
je  nach  der  Art  und  Beschaffenheit  des  Oberholzes,  oft  weniger  die  Menge,  als  die  Ver- 
teilung der  verfügbaren  Holzmasse,  welche  geändert  werden  muss.  Jede  normale  Be- 
triebsklasse des  schlagweisen  Hochwaldbetriebs  zeigt  weit  erheblichere  Altersunterschiede 
ihrer  Bestände,  als  sie  im  Mittelwald  von  Schlag  zu  Schlag  vorhanden  sind,  wo  sich 
alle  analogen  Glieder  (Unterwuchs,  einzelne  Oberholzklassen)  zweier  in  der  Schlagfolge 
benachbarter  Bestände  je  nur  um  1  Jahr  im  Alter  verschieben,  so  dass  das  Maximum 
des  Unterschieds  zweier  Bestände  gleich  dem  Unterholzumtrieb  ist.  Man  wird  der  nor- 
malen Altersstufenordnung  des  Hochwaldes  nur  insoweit  allmählich  sich  nähern,  als  es 
bei  möglichst  vorteilhafter  Benutzung  der  verfügbaren  Bestände  erlaubt  ist,  damit  die 
kritische  Zeit  der  Ueberleitung  keine  Verluste  bringt,  welche  den  durch  die  ganze 
Manipulation  erhofften  wirtschaftlichen  Gewinn  in  Frage  stellen.  Vermehrung  des  Ober- 
holzes, Zurückdrängen  des  Schlagholzes  ist  allgemein  erforderlich;  im  Oberholz  unter 
Umständen,  damit  die  Altersstufenfolge  des  Hochwalds  angebahnt  wird,   flächenweise 


238)  Hey  er,  „Eichenschälwald-Umwandlungen  im  Odenwald"  (Forstw.  Zentralbl. 
1902  S.  415). 

239)  Zu  vergl.  u.  a.  Böhme,  „üeberführung  des  Mittelwaldes  in  Hochwald''  (Forstw. 
Zentralbl.  von  1885,  S.  332  ff.),  woselbst  für  verschiedene  Mittelwaldkategorien  Speziairegeln 
angegeben  werden.  —  Im  sächs.  Forstverein  stand  1882  die  Umwandlung  rückgängiger  Mit- 
telwaldungen in  Hochwald  zur  Debatte,  ebenso  auf  der  Deutschen  Forstversammlung  in  Metz 
1893,  auf  der  Badischen  Forstversammlung  1899,  desgleichen  auf  der  Thüringischen  Forst- 
versammlung, 1900.  —  Weitere  Ldteratur :  Jäger,  „Vom  Mittel  wald  zum  Hochwald''  1889. 


560  IV.  Lorey,  Waldbau. 

getrennt,  Begünstigung  teils  der  älteren,  teils  der  mittleren  und  jüngeren  Oberholz- 
klassen; entsprechende  Verteilung  der  Fällungen;  dabei  Ergänzung  durch  Einpflan- 
zung u.  s.  w. 

Ist  zugleich  ein  vollständiger  Holzartenwechsel  beabsichtigt,  so  kann  man  mög- 
licherweise mittelst  Kahlhieben  und  folgender  Kultur,  je  nach  Umständen  auch  mittelst 
Unterbaues  nach  vorheriger  entsprechender  Schlagstellung  vorgehen.  Dass  der  Ueber- 
gang  zu  einem  Schattenholz  (z.  B.  Tanne)  im  allgemeinen  nur  auf  letzterem  Wege  be- 
wirkt wird,  ist  selbstverständlich. 

Viertes  Kapitel. 
Die  Betriebsarten  und  die  einzelnen  Holzarten. 

Soweit  die  Massnahmen  der  Bestandesbegründung  mit  der  Betriebsart  im  Zusam- 
menhang stehen,  finden  sich  die  erforderlichen  Andeutungen  nebst  Literaturnachweisen 
im  4.  Kapitel  des  zweiten  Abschnitts. 

I.  Laubhölzer. 

§84.  1.  Rotbuche:  Dieselbe  ist  ausgesprochene  Hochwald-Holzart.  Erscheint 
sie  auch  häuflg  im  Mittel wald,  sowie  da  und  dort  im  Niederwald,  so  kann  doch  wegen 
ihrer  verhältnismässig  geringen  Reproduktionskraft  keiner  dieser  beiden  letztgenannten 
Betriebe  auf  sie  als  Hauptholzart  gegründet  sein.  Als  Oberholzbaum  im  Mittelwald  ist 
die  Rotbuche  überdies  zu  dichtkronig. 

Im  Hochwald  findet  sich  die  Rotbuche  (Umtriebszeit  gewöhnlich  100 — 120  Jahre, 
Haubarkeitsdurchschnittszu wachs  auf  mittlerem  Standort  4 — 6  Fm.  pro  ha)  meist  im 
Schirmschlag-,  auch  wohl  im  Femelschlagbetrieb ,  im  reinen  Bestand  sowohl,  als  in 
Mischbeständen.  Reine  oder  annähernd  reine  Bestände,  welche  bis  zu  dem  durch  die 
Konkurrenz  der  Steinkohle  herbeigeführten  Rückgang  in  der  Wertschätzung  des  Brenn- 
holzes vielfach  V^irtschaftsziel  waren,  können  dies  heute  nicht  mehr  sein,  da,  selbst 
wenn  sich  für  Buchennutzholz  noch  neue,  umfängliche  Verwendungsarten  finden  oder 
bereits  bekannte  sich  als  ausdehnungsfähig  erweisen  sollten,  doch  tatsächlich  kaum  ein 
besonders  hohes  Nutzholzprozent  bei  der  Verwertung  reiner  Buchenbestände  von  grös- 
serer Ausdehnung  sich  ergeben  wird,  weil  eben  jene  Verwendungsarten  (Eisenbahn- 
schwellen, gebogene  Möbel,  Holzpflaster  u.  s.  w.)  doch  nur  einen  im  Vergleich  zur  Ge- 
samtmassenerzeugung im  Buchenwalde  nicht  sehr  erheblichen  Bedarf  bedingen.  In 
Gegenden,  welche  von  den  grossen  Kohlenlagern  weiter  entfernt  sind,  hat  Buchenbrenn- 
holz  natürlich  noch  einen  besseren  Absatz.  Jedenfalls  bleibt  der  Buche  unbestritten 
der  Vorzug  eines  trefflichen  Einflusses  auf  den  Boden,  so  dass  einer  irgend  einseitigen 
Verdrängung  derselben  entschieden  widerraten  werden  muss  ^,  wenn  auch  gegen  eine 
wohl  erwogene  örtliche  Einschränkung  ihres  Gebietes  nichts  eingewendet  werden  kann. 
Sie  bleibt  Hauptholzart  im  gemischten  Bestände,  sei  es  als  eigentlich  bestandesbildend, 
sei  es  als  höchst  schätzbares  Unterholz  im  Unterbau-  und  Lichtungsbetrieb.  Zum  Ueber- 
haltbetrieb   ist   die  Buche  wenig  geeignet  (breite  Krone,   stark  beschattend.    Rinden- 


240)  Namentlich  sollte  mit  Umwandlung  in  Nadelholz,  bes.  Pichte  eine  gewisse  Vor- 
sicht walten,  weil  Ueberführung  des  Marktes  mit  geringeren  Nadelholzsortimenten  (Hopfen- 
stangen aus  den  Durchforstungen  etc.)  zu  befürchten  ist.  —  Man  vergl.  auch  die  um^ng- 
liche  Literatur  der  letzten  Zeit,  so  u.  a.  die  Verhandlungen  der  Wildbadener  Forstversamm- 
lung von  1880,  sowie  des  württemb.  Forstvereins  in  Kirchheim  u.  d.  Teck  1884;  ferner 
Aufsätze  von  Urich  (Zeitschr.  f.  F.  u.  Jw.  1880  S.  652),  Kraft  (Tharand.  Jahrb.  1880 
S.  154),  Wimmenauer  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1880  S.  1),  Schuberg  (Forstw.  Zentralbl. 
1880  S.  21  u.  S.  269),  Guse  (das.  S.  245). 


Die  Betriebsarten.     §  84.  561 

brand  etc.) ;  besondere  Starkhölzer  können,  von  höheren  Umtrieben  abgesehen,  im  zwei- 
hiebigen  Hochwald  oder  im  v.  Seebach'schen  Betrieb  erzogen  werden. 
2.  Eiche:  im  Hochwald,  Niederwald  und  Mittelwald. 

a)  Hochwald:  Wegen  der  überaus  schätzbaren  Nutzholzeigenschaften  der  Eiche 
ist  das  allgemeine  Streben  dahin  gerichtet,  sie  in  möglichst  grossen  Mengen  nachzu- 
ziehen, was  teils  im  reinen,  teils  im  gemischten  Bestände  geschieht.  Die  Traubeneiche 
bildet  meist  längere  geradere  Schäfte,  ist  aber  nicht  für  alle  Zwecke  gleich  geschätzt 
wie  die  Stieleiche. 

Eichenzncht  im  wenigstens  anfänglich  reinen  Bestände  durch  ganze  Abteilungen 
hin  erfolgt  meist  mittelst  Kahlschlags,  oft  unter  Anwendung  des  Waldfeldbaues.  Da 
sich  die  Eiche  schon  im  angehenden  Stangenholzalter  meist  stark  zu  lichten  beginnt, 
muss  sie  unterbaut  werden  (s.  dritter  Abschnitt,  5.  Kap.  C).  ümtriebszeit  120  bis 
160  Jahre,  je  nach  der  Art  des  HoJzabsatzes.  Die  Durchforstungen  liefern  viele  treff- 
liche geringere  Nutzhölzer  (Grubenholz  etc.).  Lichtungszuwachs  am  dominierenden 
Bestand. 

Im  Mischbestande  erscheint  die  Eiche  in  verschiedener  Gestalt  (vergl.  erster  Ab- 
schnitt, ni,  B,  3).  Von  Einzelmischung  wollen  viele  absehen ;  ausserdem  erscheint  der 
Femelschlagbetrieb,  durch  Schaffung  vorwüchsiger  Eichenhorste,  am  geeignetsten,  die 
Erhaltung  der  Mischung  zu  sichern.  * 

üeberhalt  in  einen  folgenden  ümtrieb  wird  zur  Erzielung  besonders  starker 
Stämme  gewählt;  doch  ist  dabei  mit  Vorsicht  zu  verfahren,  damit  nicht  plötzliche 
Freistellung  einen  Rückgang  des  Wachstums  bei  den  Oberständern  (Wasserreiser,  Zopf- 
trocknis,  zu  starke  Kronenausbreitung  etc.)  bewirkt.  Gruppenweiser  üeberhalt  mit 
Bodenschutzholz  in  der  Gruppe  verdient  Beachtung. 

b)  Mittelwald:  Derselbe  wird  ebenfalls  zu  reichlicher  Eichennutzholzzucht 
verwendet.  Die  Mittelwaldeiche  liefert  auf  kräftigem  frischem  Boden  (besonders  in  den 
Auwaldungen  der  Flussniederungen)  oft  hervoiTagend  wertvolle  Sortimente  (breite  Jah- 
resringe; zwar  oft  nicht  sehr  hochschaftig,  aber  viele  figurierte  Hölzer),  weshalb  die 
Bestandespflege  auch  hier  der  Eiche  besondere  Sorgfalt  zuwenden  sollte.  Die  Renta- 
bilität eines  Mittelwaldes  ist  meist  ganz  wesentlich  durch  die  Zahl  der  vorhandenen 
Eichenoberständer  bedingt. 

c)  Niederwald,  insbesondere  Eichenschälwald:  Stieleiche  und  Trauben- 
eiche sind  für  den  Betrieb  passend  (örtlich  bald  die  eine,  bald  die  andere  höher  ge- 
schätzt), doch  sollten  beide  (wegen  ungleichzeitiger Entwickelung  —  s.  Fribolin,  „der 
Eichenschälwald'^,  S.  35)  nicht  im  nämlichen  Schlage  stehen.  Umtrieb  meist  15  bis 
20  Jahre.  Abtrieb  in  der  Saftzeit  (besondere  Fälle:  der  Hack  waldbetrieb  im  Oden- 
wald und  den  Siegener  Haubergen  —  vergl.  2.  Abschn.  4.  Kap.  I,  2),  Läuterungshieb 
im  ca.  8jährigen  Bestand  (Entfernung  unerwünschter  Schlaghölzer,  überflüssiger  Lo- 
den, bes.  der  sog.  Schleifreiser),  Durchforstung  einige  Jahre  vor  dem  Abtrieb  behufs 
kräftigerer  Entwickelung  der  stehenbleibenden  Loden  und  Bildung  reichlicherer  und 
wertvollerer  Rinde.  Nachbesserung  (Schlaglücken,  Ergänzung  abgestorbener  Stöcke 
usw.),  womöglich  schon  bei  der  Durchforstung,  damit  die  Kempflanzen  einen  Vor- 
sprung erhalten,  hauptsächlich  durch  Stummelpflanzen  (vielfach  je  3  Stück  im  Dreieck 
gesetzt  —  Odenwald).  —  Normale  Schälwalderträge  ^^)  auf  gutem  Standort  beim  Ab- 

241)  cfr.  u.  a.  Neubrand,  „Die  Qerbrinde",  S.  168  ff.,  sowie  Walther,  „Mit- 
teilungen über  Eichenschälwalderträge  aus  der  hess.  Oberförsterei  Alzey.  Zur  Versammlung 
des  hess.  Forstvereins  in  Bingen  1885.  Jentsch,  Der  deutsche  Eichenschäl wald  und  seine 
Zukunft  1899,  Sehen  ck,  Die  Rentabilität  des  deutschen  Eichenschälwaldes  1899.  Die 
Schälwaldfrage  wurde  auch  1898  auf  der  Versammlung  deutscher  Forstmänner  in  Breslau  behandelt. 

Handbuch  d.  Forstw.    2.  Aufl.    I.  36 


562  IV.  Lorey,  Waldbau. 

trieb  pro  ha  etwa  80—100  Ztr.  Rinde  (steigt  bis  130,  ja  150  Ztr.)  und  etwa  30  fm 
Schälholz  nebst  10 — 15  fm  Raumholz. 

Bei  Neubegründung  eines  Schälschlags  durch  künstlichen  Anbau  sind  die  Erträge 
des  ersten  Umtriebs  natürlich  wesentlich  geringere  als  die  normalen,  welch  letztere 
auch  in  den  beiden  folgenden  Umtrieben  in  der  Regel  noch  nicht  ganz  erreicht  werden. 

3.  Hainbuche:  als  Holzart  des  Hochwaldes  und  Mittelwaldes.  Im  Hochwald 
dem  übrigen  Laubholz  (weniger  dem  Nadelholz)  als  Mischholz  beigesellt,  oft  in  so  reich- 
licher Einsprengung,  dass  bei  dem  öfteren  und  reichlichen  Samentragen  dieser  Holzart 
ihre  Ansamung  eine  sehr  starke  wird  und  ihre  natürliche  Nachzucht  ohne  Schwierig- 
keiten gelingt.  Als  Brennholz  und  als  Nutzholz  (besondere  Härte)  geschätzt,  lässt 
schon  vom  60ten  bis  80ten  Jahre  an  in  der  Regel  im  Zuwachs  rascher  nach  als  an- 
dere Laubhölzer  (Rotbuche,  Esche  etc.),  weshalb  ihr  frühzeitigerer  Aushieb  uro  so  un- 
bedenklicher ist.  —  Im  Mittelwald  gutes  Ausschlagsholz;  auch  im  Oberstand  (jedoch 
nicht  zu  reichlich)  zuzulassen.  Besonderer  Pflege  bedarf  die  Hainbuche  kaum.  —  Ge- 
legentlich als  Kopfholzbaum  auf  Yiehtriften. 

4.  Esche:  im  Hochwald  und  als  Oberholz  im  Mittel wald,  in  beiden  Fällen  sehr 
geschätzt  als  Nutzholz ;  auch  wohl  Schneidelbaum  (häufig  im  Gebirg,  wie  in  den  Alpen, 
zur  Futterlaubgewinnung).  Nicht  oder  nur  ausnahmsweise  (auf  kleinen  feuchteren  Par- 
tien) in  reinem  Bestand.  Gefährdung  durch  Wildschälen,  Frost  etc.  —  Besonders  gun- 
stig in  Mischung  mit  der  Buche  (namentlich  auf  Kalkböden),  mithin  zumeist  im  Schirm- 
schlagbetrieb zu  behandeln. 

5.  Ulme:  in  den  gleichen  Betriebsformen  auftretend  wie  die  Esche  (doch  andere 
Bodenansprüche);  sehr  geschätztes  Mittel wald-Oberholz  (Auenwaldungen). 

6.  Ahorn:  hauptsächlich  im  Hochwald,  in  Mischung  mit  anderen  Laubhölzem 
(z.  B.  Buchenbestände  der  Kalkformationen  mit  oft  reichlicher  Ahombeimischung). 

7.  Erle:  im  Hochwald  (nassere  Partien,  dann  meist  rein),  sowie  als  Stockschlag 
(25— 30jährig.  Umtrieb),  auch  als  Oberholzbaum  des  Mittelwaldes  an  passenden  Stellen. 

8.  Linde:  Hochwald  und  Mittelwald. 

9.  Prunus-,  Pirus-,  Sorbus-Arten:  eingesprengt  im  Hochwaldbestand, 
an  Wegrändern  (hier  bes.  Sorbus  aucuparia),  auch  als  Oberholz  im  Mittelwald.  Gros- 
senteils als  gute  Nutzhölzer  zu  begünstigen,  besonders  bei  den  Durchforstungen  zu  be- 
rücksichtigen;  doch  waldbaulich  ohne  grosse  Bedeutung,  sofern  die  Nachfrage  immerhin 
eine  beschränkte  ist;  besonders  begehrt  ist  die  Eisbeere  (s.  torminalis). 

10.  Birke:  meist  im  Hochwald-Mischbestand,  doch  im  Mittelwald  nicht  ausge- 
schlossen. Als  Nutzholz  (Geschirrhölzer)  und  als  Brennholz  geschätzt.  Frosthart,  wes- 
halb und  wegen  der  leichten  Belaubung  oft  als  Schutzholz  zum  Vorbau  benutzt.  Gmp- 
penweises  Vorkommen  führt  leicht  zu  frühzeitiger  Bestandesdurchlichtung,  deshalb  Be- 
schränkung angezeigt;  ebenso  ist  Vorsicht  im  Zusammenleben  mit  Nadelhölzern  geboten. 
Die  Birke  ist  in  den  meisten  Waldgebieten  Deutschlands  nicht  eigentlich  mitbestimmend 
für  den  Betrieb,  sondern  nur  von  sekundärer  Bedeutung.  Besondere  Bedeutung  hat  sie 
auf  ärmerem  Sandboden,  wo  sie  namentlich  zur  Einfassung  der  Wege  und  Schneisen 
sehr  am  Platze  ist. 

11.  Falsche  Akazie:  waldbaulich  meist  nur  als  Ausschlagsholz  von  Belang, 
an  Böschungen  zur  Befestigung,  doch  auch  auf  herabgekommenen  Böden  als  eigentlicher 
Bestand,  z.  B.  in  Mischung  (horstweise)  mit  der  zahmen  Kastanie ^*^)  u.  s.  w.  Das 
Holz  wird  als  Grubenholz  verwandt ;  auch  als  Stickstoffsammler  ist  die  Akazie  zu  em- 

242)  Vergl.  Kay  sing,  Der  Kastanienniederwald  S.  31  ff.,  ferner  Eberts,  gDer 
Akazienniederwald''  (Allg.  F.  u.  J.Z.  1900  S.  75),  m.  s.  auch  Verhandlungen  der  23.  Ver- 
sammlung des  Elsass-Lothringischen  Forstvereins. 


Die  Betriebsarten.     §  85.  563 

pfehlen,  daher  für  Zwischenbau  zur  Bodenverbdsserung  vorzüglich  geeignet.  Die  Mas- 
sen- and  Gelderträge  des  Akazienniederwaldes  sind  sehr  hoch  (bis  12  im  für  1  Jahr 
und  Hektar  und  Preise  bis  25,  selbst  80  Mark  für  1  fm  Natzholz). 

12.  Zahme  Kastanie^^^):  in  Deutschland  nur  hie  und  da  als  Hochwald; 
meist  als  Niederwald  mit  etwa  15jährigem  Umtrieb.  Empfindlich  gegen  Streunutzung. 
Sonst  auf  geeignetem  Standort  —  (mildes  Klima,  der  Rebe  entsprechend,  freier  luftiger 
Stand,  sonnig,  nicht  zu  warm,  östliche  Lage  der  Yorberge;  nördliche  Hänge  haben  zu 
wenig  Sonne,  westliche  und  südliche  sind  zu  trocken:  Kalipflanze,  bes.  auf  graniti- 
schen Böden,  auch  tonhaltigen  Kalkböden  u.  a.,  tiefgründig  und  locker,  nicht  nass,  kein 
Lettenboden)  —  bedeutender  Zuwachs  (bis  14,  selbst  16  fm  pro  Jahr  und  ha).  Ein- 
malige Durchforstung  im  Alter  des  Bestandes  von  7 — 10  Jahren. 

13.  Pappeln:  meist  im  Hochwald,  doch  für  die  Betriebsart  nicht  entscheidend. 
Aspe  ist  infolge  ihrer  Verwendung  zur  Fabrikation  der  schwedischen  Streichhölzer  sehr 
gesucht  und  an  manchen  Orten  gut  bezahlt,  so  dass  ihr  Anbau  vielfach  am  Platze  be- 
findlich erscheint. 

14.  Weiden:  im  Kopf  holzbetrieb  (Flussniederungen),  sowie  im  Niederwald  (Wei- 
denheger), oft  mit  nur  Ijährigem  Umtrieb  (feinste  Flechtruten).  Sorgfältige  Boden- 
pflege, Sicherung  gegen  Unkraut.  Wenn  nach  ca.  15 — 18  Jahren  eine  Anlage  im  Er- 
trag zurückgeht,  so  liegt  dies  weniger  an  Bodenerschöpfung,  als  an  der  in  jeder  Nutz- 
ung zu  erblickenden  andauernden  Misshandlung  (trotz  rationellsten  Schnittes)  der  Stöcke. 
Sehr  hohe  Reinerträge.  Frische  Böden  durchschnittlich  am  besten,  keineswegs  nasse. 
Einzelne  Weiden  (z.  B.  Salix  caspica)  auch  sehr  gut  auf  trockenerem,  wenn  nur 
einigermassen  mineralisch  kräftigem  Sand. 

15.  Schlaghölzer  im  Mittelwald:  als  solche  mögen  insbesondere  für 
viele  Auewaldungen  Vibumum,  Lonicera,  Comus,  Prunus,  Crataegus  u.  a.  m.  neben  den 
bereits  aufgeführten  Mittelholzarten  hier  erwähnt  sein,  weil  dieselben  oft  sehr  gut  ver- 
wertbare Kleinnutzhölzer  liefern.  Abtrieb  derselben  oft  alle  5 — 8  Jahre.  Besondere 
Pflege  findet  meist  nicht  statt. 

IL  Nadelhölzer. 

Die  wesentlichsten  Tatsachen  sind  bereits  in  den  früheren  Abschnitten  enthalten, 
weshalb  man  sich  hier,  mehr  nur  rekapitulierend,  auf  kurze  Andeutungen  beschränken 
kann. 

§  85.  1.  Tanne.  Dieselbe  ist,  wie  alle  Nadelhölzer,  ein  Baum  des  Hochwaldes. 
Höchstens  im  Mittelwald  findet  sie  da  und  dort  in  ganz  beschränktem  Masse  eine  Stelle 
durch  Pflanzung  einzeln  oder  in  Gruppen  dem  sonstigen  Oberholze  beigesellt.  Im  Hoch- 
wald wird  sie  im  Femelbetrieb,  Femelschlag-  und  Schirmschlagbetrieb  und  den  Zwischen- 
formen dieser  Betriebe  behandelt,  während  sie  den  Kahlschlag  als  Betriebsform  wegen 
ihres  Schattenbedürfnisses  in  der  Jugend  allgemein  nicht  zulässt.  Wo  Tannenkahl- 
schläge  gleichwohl  geführt  werden,  sind  dieselben  Notbehelfe  infolge  von  Betriebsstö- 
rungen, vorübergehende  Massregeln,  nicht  aber  Wirtschaftsprinzip.  Wie  schon  früher 
hervorgehoben  wurde  (z.  B.  §  78,  sowie  2.  Abschn.  4.  Kap. ,  11,  1) ,  führen  gewisse 
Eigenartigkeiten  der  Tannenwirtschaft  (reichliche  Ansamung  unter  noch  geschlossenem 
Kronendach,  Zählebigkeit,  Bildung  von  Vorwüchsen,  Aushieb  von  Krebstannen  etc.) 
naturgemäss  zu  ungleichartigen,  mehr  femel artigen  Beständen  im  Gegensatz  zum  durch- 
weg gleichmässig  gestellten  Schirmschlag.  Die  Umtriebszeit  ist  meist  auf  100 — 120 
Jahre  festgesetzt.  Haubarkeits-Durchschnittszu wachs  auf  mittlerem  Standort  7 — 9  Fest- 
meter;   die  durchschnittliche  Höhe  solcher  Bestände  beträgt  in  jenem  Alter  25 — 30 


243)  Yergl.  u.  a.  K  a  y  s  i  n  g  a.  a.  0. 

36 


564  IV.  Lore y,  Waldbau. 

Meter;  die  Durchmesser  sind,  je  nach  der  Art  der  Wirtschaftsführung,  überaus  wech- 
selnd; immerhin  werden  besondere  Starkhölzer,  Stämme  von  50  und  mehr  cm  Mitten- 
stärke, auch  da,  wo  frühzeitig  Lichtungszuwachs  angestrebt  wird,  meist  erst  in  längerer 
Zeit  (mit  140 — 160  Jahren)  produziert:  die  femelartigen  Betriebsformen  bieten  die 
beste  Gelegenheit,  Stämme  zu  diesem  Zweck  länger  im  Bestände  zu  belassen;  im  re- 
gelmässigen Schirmschlag  müsste  man  die  Umtriebszeit  entsprechend  erhöhen  oder  zu 
einer  ausgesprochenen  Ueberhaltform  übergehen.  In  welchem  Umfange  die  Anzucht 
dieser  hervorragend  starken  Hölzer  rätlich  erscheint,  ist  Sache  lokaler  Erwägung, 
unter  dem  Gesichtspunkt  der  Rentabilität,  deren  Bemessung  sich  auf  den  Holzmarkt, 
bezw.  die  Holzpreise  stützt. 

Die  Tanne  kommt  in  ausgedehnten  reinen  Beständen,  sowie  in  verschiedenen,  zum 
Teil  hervorragend  wertvollen  Mischungen  vor,  worüber  im  1.  Abschn.  III,  B,  3  das 
Nötige  bemerkt  ist. 

2.  Fichte.  Ebenfalls  zunächst  Hochwald-Holzart,  jedoch  im  Oberholz  des  Mit- 
telwaldes nicht  ausgeschlossen.  Von  der  Tanne  hinsichtlich  der  für  die  Wahl  der  Be- 
triebsart hauptsächlich  in  Frage  kommenden  Momente  besonders  durch  das  abweichende 
Verhalten  in  der  Jugend  unterschieden:  raschere  Entwickelung  in  den  ersten  Jah- 
ren, dabei  grösseres  Lichtbedürfnis  und  dementsprechend  geringere  Ausdauer  im  Schirm- 
druck, wesentlich  geringere  Gefährdung  durch  Frost  und  Hitze,  wodurch  die  Möglich- 
keit des  Anbaues  auf  der  Kahlfläche  bedingt  ist  (vergl.  2.  Abschn.  4.  Kap.  11,  2).  Dazu 
kommt  noch  die  grössere  Gefährdung  durch  Sturm  und  auch  durch  Schneebruch.  Man 
findet  die  Fichte  in  allen  Hochwaldbetriebsformen,  von  der  extremen  Kahlschlagwirt- 
schaft bis  zum  eigentlichen  Femelwald.  Für  den  in  früheren  Abschnitten  mehrfach 
berührten  Kampf  pro  und  contra  Kahlschlag,  bezw.  Femelbetrieb,  Fenielschlag  oder 
Schirmschlag  bildet  die  Fichte  das  hauptsächlichste  Objekt.  Man  muss  einräumen,  dass 
der  Kahlschlagbetrieb  an  vielen  Orten  und  in  weitestem  Umfange  sehr  gute  Erfolge 
aufzuweisen  hat,  so  dass  man  ihm  gegenüber  kaum  behaupten  kann,  mit  natür- 
licher Verjüngung  würde  man  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  noch  weiter  gekom- 
men sein.  Andererseits  wäre  es  eine  Uebertreibung ,  wollte  man  im  Kahlschlag  mit 
nachfolgender  künstlicher  Bestandesbegründung  allgemein  und  ohne  Einschränkung  die 
beste  Fichtenwirtschaft  erblicken.  Die  Sicherung  gegen  Stürme  lässt  sich  zwar  durch 
eine  sorgsame  Hiebsführung  im  Kahlschlagbetrieb  vielleicht  am  vollständigsten  erreichen, 
aber  die  Belastung  der  Bestände  durch  den  Kulturaufwand,  welchen  der  Kahlschlag 
erfordert,  ist,  in  Verbindung  mit  dem  oft  befürchteten  nachteiligen  Einfluss  desselben 
auf  den  Boden,  genügende  Veranlassung,  der  natürlichen  Verjüngung  der  Fichtenbe- 
stände für  die  geeigneten  Verhältnisse  ihr  Recht  zu  wahren.  Will  man  dieselbe  an- 
wenden, so  sind  Femelschlagbetrieb  sowie  Saumschlagführungen  in  erster  Linie  zu 
wählen,  soweit  es  sich  überhaupt  noch  um  einen  Wirtschaftswald  handelt,  während  für 
die  eigentliche  Femelform  die  Fichte  weit  weniger  passt  als  die  Tanne.  Gegen  den 
Schirmschlagbetrieb  spricht  die  Gefahr  des  Windbruchs  und  der  Bodenverwilderung. 
In  schutzbedürftigen  Hochlagen  ist  der  Kahlschlag  oft  ganz  ausgeschlossen.  Ueber- 
haupt  hängt  die  Entscheidung  zwischen  den  im  allgemeinen  möglichen  Betriebsformen 
ganz  wesentlich  von  der  Oertlichkeit  ab.  Frische  Böden  sind  meist  der  natürlichen 
Besamung  günstig;  hat  man  dazu  hohe  Umtriebe  mit  natürlicher  Auslichtung  der  Be- 
stände, so  stellt  sich  Besamung  leicht  ein  und  hält  sich  auf  frischem  Boden  bei  wenig 
künstlicher  Nachhilfe  so  gut,  dass  die  nattlrliche  Verjüngung  ohne  besondere  Besamungs- 
schläge gelingt.  Die  Nachteile,  welche  dem  Kahlschlagbetrieb  anhaften  können,  wer- 
den durch  sofortigen  Anbau  mittelst  Pflanzung  unter  Anwendung  besten  Pflanzmaterials 
auf  ein  Minimum  reduziert.    Umtriebszeit  80 — 120  Jahre,  Ertragsverhältnisse  ähnlich 


Die  Betriebsarten.     §  85.  565 

wie  bei  der  Tanne;  doch  sind  schwächere  Sortimente  der  Fichte  weit  besser  verwert- 
bar (Hopfenstangen,  Papierholz,  geringe  Baostämme),  weshalb  auch  niedrigere  Umtriebs- 
zeiten  örtlich  noch  sehr  wohl  zulässig  sein  können.  Ueberdies  beeinilnsst  dieser  Um- 
stand nicht  selten  den  Dnrchforstangsbetrieb.  Die  Bedentnng  der  Fichte  als  Misch- 
holzart ist  früher  erörtert. 

3.  Gemeine  Kiefer.  Aach  bei  dieser  Holzart  ist  die  Wahl  der  Betriebsart 
ziemlich  gleichbedeutend  mit  der  Art  der  Verjüngung  (cfr.  2.  Abschnitt,  4.  Kap.  II,  3). 
In  der  Konkurrenz  zwischen  Kahlschlag  und  Schirmschlag  hat  im  grossen  Granzen  der 
Kahlschlag  gesiegt,  doch  wird  Rückkehr  zum  Schirmschlag  manchenorts  angebahnt, 
nachdem  die  Erfolge  des  Kahlhiebs  zum  Teil  zweifelhafte  waren.  Der  eigentliche  Fe- 
melbetrieb kommt  nicht  in  Betracht.  Umtriebszeit  sehr  wechselnd,  von  50  und  60  bis 
zu  100  und  120  Jahren,  vom  Standort  weniger  beeinflusst,  als  vom  Wirtschaftszweck, 
der  Absatzgelegenheit  u.  s.  w.  Höhere  Umtriebe  sind  auf  geringen  Böden  wegen  der 
frühzeitigen  natürlichen  Auslichtung  nicht  am  Platze.  Auf  besseren  Böden  kann  Ueber- 
haltbetrieb  zur  Erzeugung  von  Starkhölzem  mit  und  ohne  Unterbau  in  Betracht  kom- 
men. Doch  ist  die  Gefahr  des  Windbruchs  hierbei  zu  beachten.  Mittlere  Leistung  des 
geschlossenen  Hochwaldes  4 — 5  fm  Dnrchschnittszuwachs  im  80-  bis  100jährigen  Um- 
trieb;  mittlere  Höhe  ca.  20 — 25  Meter. 

4.  Schwarzkiefer  der  gemeinen  Kiefer  analog  im  Hinblick  auf  die  Betriebs - 
form. 

5.  Weymouthskiefer  sowie 

6.  Lärche  und  die  übrigen  Nadelhölzer  bieten  bezüglich  der  Betriebs- 
arten keine  Besonderheiten,  welche  sich  nicht  direkt  aus  dem  über  deren  Verjüngung 
Gesagten  ergäben. 


566 


Anhang. 

Zur  Pflege  der  W  aldesschönheit  0. 


Von 

Hermann  Stoetzer, 


§1.  Einleitung.  „Die  Wälder  sind  der  Länder  höchste  Zierde."  Mit  die- 
sem Satze  leitete  Gottlob  König  im  Jahr  1849  einen  Abschnitt  seiner  gehaltvollen 
Schrift  „Die  Waldpflege**  ein,  welchem  er  die  Ueberschrift  „Verschönerung  der  Wal- 
dungen** gab. 

Derselben  Worte  bediente  sich  Heinrich  Burckhardt,  als  er  1854  sein  berühmtes 
Werk  „Säen  und  Pflanzen  nach  forstlicher  Praxis**  herausgab  und  in  demselben  mit- 
telst eines  besonderen  Abschnittes  die  „Waldverschönerung**  behandelte. 

Beide  Altmeister  unseres  Faches  waren  gleichmässig  von  der  Ueberzeugung  durch- 
drungen, dass  in  Anbetracht  der  hohen  Bedeutung  der  Wälder  als  Zierde  der  Länder 
dieser  Seite  derselben  bei  ihrer  Bewirtschaftung  besondere  Aufmerksamkeit  zu  widmen 
sei,  beide  behandelten  die  W^aldverschönerung  nebenher  mit  anderen  Disziplinen  unserer 
Wissenschaft:  der  eine  mit  der  Waldpflege,  der  andere  mit  dem  Waldbau. 

Inzwischen  ist  eine  grössere  selbständige,  höchst  wertvolle  Schrift  über  „Forst- 
ästhetik** durch  Heinrich  von  Salisch  herausgegeben  worden  (1.  Auflage  1885, 
2.  Auflage  1901);  es  erschien  ferner  eine  kleine  Broschüre  von  dem  bekannten,  inzwi- 
schen leider  in  den  Ruhestand  getretenen  k.  k.  Sektionschef  im  Ackerbauministerium 
zu  Wien,  L.  Dimitz  „üeber  Naturschutz  und  Pflege  des  Waldschönen **,  Wien  1903  als 
Heft  I  der  Sammlung:  „Grüne  Zeit-  und  Streitfragen.** 

Auch  die  forstliche  Tagesliteratur  hat  sich  mehrfach  mit  diesem  Gebiete  beschäf- 
tigt (u.  a.  Wilbrand:  „Forstästhetik  in  Wissenschaft  und  Wirtschaft",  A.  F.-  u.  J.-Ztg. 
1893,  März-  und  Aprilheft);  nicht  minder  ist  das  vorliegende  Thema  in  Forstvereinen 
behandelt  worden  (u.  a.  XIII.  Versammlung  des  Forstvereins  für  das  Grossherzogtum 
Hessen  in  Darmstadt  1901,  Vortrag  des  Obfm.  Heinemann  über  „Die  Bewirtschaftung 
der  Waldungen  in  Rücksicht  auf  landschaftliche  Schönheit**). 

Allgemein  wird  mit  Recht  die  Forderung  erhoben,  dass  der  Forstmann  bei  Be- 
wirtschaftung des  Waldes  der  Pflege  seiner  Schönheit  die  gebührende  Aufmerksamkeit 
widmen  möge.  So  erschien  die  Aufnahme  dieses  kurzen  Anhanges  zum  „Waldbau*'  des 
verstorbenen  Professors  Dr.  von  Lorey  in  das  Handbuch  der  Forstwissenschaft  nicht 
unangemessen  und  es  dürfte  gerade  an  dieser  Stelle  die  Behandlung  der  Pfl^e  der 

1)  Die  Aufnahme  dieser  Abhandlung  in  das  Handbuch  der  Forstwissenschaft  erfolgte 
auf  spezielle  Anregung  des  Inhabers  der  Verlagsbuchhandlung,  Herrn  Dr.  phil.  hon.  c.  Sie- 
beck, eines  warmen  Freundes  des  Waldes  und  seiner  Pfleger.     H.  St. 


Wesen  der  Waldesschönheit.     §  3.  567 

Waldesschönheit  an  ihrem  Platze  sein,  da  bei  dieser  Seite  forstlichen- Wirkens  die  wald- 
baulichen Massregeln  ganz  besonders  in  Betracht  kommen,  bei  deren  Darchfühmng  das 
Schöne  mit  dem  wirtschaftlich  Zw^eckmässigen  öfters  ohne  Schwierigkeiten  und  nam- 
hafte Opfer  sich  verbinden  lässt. 

1.  Wesen  der  Waldesschönheit. 

§2.  a)  Der  Wald  in  seiner  Wirkung  auf  die  Schönheit  der 
Gegend  (ästhetische  Bedeutung  des  Waldes).  Dass  die  Wälder  als 
wesentliche  Zierde  einer  Landschaft  erscheinen,  liegt  in  der  grösseren  Mannigfaltigkeit 
des  Bildes,  welches  eine  Gegend  darbietet,  in  welcher  nicht  nur  der  Anblick  monotoner 
Acker-,  Wiesen-  oder  W^eide-,  selbst  Weinbergflächen  dem  Auge  geboten  wird,  sondern 
eine  Abwechselung  durch  das  Hinzutreten  von  Waldbildern  geschaffen  ist.  Hat  man 
den  Wald  nicht  ohne  Grund  den  „Aristokraten  der  Landschaft^  genannt! 

Freilich  ist  in  dem  Aussehen  der  Waldbilder  ein  grosser  Unterschied,  je  nach 
den  Holzarten,  welche  die  Bestände  bilden  und  nach  den  vorkommenden  Betriebsarten ; 
aber  man  kann  allgemein  sagen,  dass  selbst  bei  Vorhandensein  eines  nach  forstlichen 
Begriffen  wenig  schönen  Waldes  eine  Gegend  doch  noch  erfreulicher  erscheint,  als  es 
ohne  denselben  der  Fall  sein  würde.  Oefters  ist  bei  vorhandenem  geringem  Boden  die 
Bewaldung  immer  noch  diejenige  Form  der  Benutzung,  welche  am  ersten  eine  Eente 
abwirft. 

Abgesehen  von  den  Gründen,  welche  auf  dem  Gebiet  der  Wohlfahrtswirkungen 
des  Waldes  liegen,  wie  z.  B.  die  Rücksichten  auf  Abhaltung  der  Winde,  auf  Verhütung 
von  Abschwemmungen  und  Ueberschwemmungen ,  ist  die  Walderhaltung  und  die  Auf- 
forstung öder  Flächen  schon  im  Interesse  der  Verschönerung  einer  Gegend  wichtig. 
Dies  gilt  besonders  für  kahle  Höhenzüge  und  Kuppen,  deren  oft  recht  monotonen  Verlauf 
man  durch  eine  wenigstens  teilweise  Bewaldung  angenehm  unterbrechen  wird,  wodurch 
sich  das  Bild  der  Landschaft  wesentlich  abwechselnder  und  freundlicher  gestaltet. 

Wo  aber  derartige  Züge  des  Geländes  bewaldet  sind,  soll  der  Forstmann  nicht 
nur  den  Wald  erhalten,  sondern  ihn  auch  so  bewirtschaften,  dass  das  Bild  kahler  Flä- 
chen grösseren  ümfangs  nicht  in  die  Erscheinung  tritt. 

Ferner  wäre  darauf  hinzuwirken,  dass  bei  Separationen,  die  so  oft  zum  Verschwin- 
den kleiner  Feldhölzer,  sowie  einzelner  Bäume  und  Hecken  führen,  wodurch  das  Bild 
einer  Flur  sich  bisweilen  sehr  eintönig  gestaltet,  Pläne  geringeren  Bodens  an  die  Ge- 
meinden zur  Aufforstung  ausgewiesen  würden.  Welcher  Beitrag  dadurch  zur  Schaffung 
von  Nistplätzen  für  die  nützlichen  insektenfressenden  Vögel  —  abgesehen  von  der  Ver- 
schönerung der  Landschaft  —  geliefert  werden  würde,  bedarf  keiner  näheren  Ausführung. 

§  3.  b)  Der  Wald  in  seiner  Wirkung  auf  das  Gemüt  des  Men- 
schen (ethische  Bedeutung  des  Waldes).  Die  inneren  Reize  des  Waldes,  wenn  wir 
uns  denselben  nicht  als  Schmuck  der  Landschaft,  sondern  als  Ort  der  Erholung  und 
des  Wohlbefindens  seiner  Besucher  denken,  beruhen  auf  einer  ganzen  Reihe  von  Er- 
scheinungen, über  welche  sich  Rechenschaft  abzulegen  die  meisten  Waldfreunde  keine 
Veranlassung  haben.  Auch  hier  sind  die  Verschiedenheiten  in  den  Formen  und  den 
Farbentönen,  sowie  in  den  Lichteffekten,  wie  sie  der  Wald  bietet,  manchmal  von  be- 
sonders erfreulicher  Wirkung.  Mehr  noch  ist  es  die  Stille  und  Ruhe,  der  erhabene 
Friede,  den  ein  Wald  von  grösserer  Ausdehnung  doch  wenigstens  noch  stellenweise 
—  nicht  überall  —  bietet,  ferner  die  in  den  geschlossenen  Beständen  vorhandene  Däm- 
pfung der  Beleuchtung,  deren  grelles  Licht  uns  im  Felde  aufdringlich  belästigt,  die 
schöne  Kühle  im  Sommer,  der  Schutz  vor  dem  Wind,  den  wir  in  der  rauhen  Jahreszeit 
aufatmend  empfinden,  wenn  wir  aus  dem  Blachfeld,   stark  umweht  von  rauher  Luft, 


568  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  Waldesschönheit. 

ans  nach  mühseligem  Wandern  in  den  Ueberwind  des  Waldes  durchgekämpft  haben, 
daza  das  geheimnisvolle  Rauschen  der  Wipfel,  endlich  das  Gefühl  geringerer  Trocken- 
heit der  Luft:  kurzum,  eine  ganze  Beihe  schöner  Einwirkungen  vereinigt  sich,  um  in 
uns  Empfindungen  hervorzurufen,  die  beruhigend  und  sänftigend  auf  das  Gemüt  ein- 
wirken und  welche  wohl  jedem  gebildeten,  mit  etwas  Gefühl  begabten  Menschen  nicht 
fremd  geblieben  sind. 

Dieser  Zauber,  welchen  der  Wald  auf  den  Menschen  ausübt,  ist  uralt  und  obenan 
steht  in  der  W^ertschätzung  desselben  in  Hinsicht  auf  diese  seine  ethische  Seite  der 
Deutsche,  der  aus  dem  Getriebe  der  Welt  und  ihrer  Geschäfte  so  gerne  sich  hin- 
ausfluchtet  in  die  Stille  und  den  Frieden  des  Waldes. 

Zumal  unsere  Dichter  haben  dem  Wald  eine  Verehrung  dargebracht,  welche  sich 
in  herrlichen  Blüten  der  Poesie  äussert,  in  denen  das  geheimnisvolle  Weben  und  der 
mächtige  Zauber  des  Waldes  besungen  sind.  Ueberaus  anmutend  druckt  J.  V.  von 
Scheffel  jene  beruhigende  Einwirkung  des  Waldes  auf  das  Gemüt  aus,  wenn  er  in 
einem,  speziell  den  Zauber  des  Thüringer  Waldgebietes  verherrlichenden  liede  singt: 

„Denn  das  ist  deutschen  Waldes  Kraft, 
Dass  er  kein  Siechtum  leidet. 
Und  alles,  was  gebrechenhaft, 
Aus  Leib  und  Seele  scheidet. 

Wer  einmal  diesen  Jungbrunn  fand, 
Der  schöpft  aus  keinem  andern; 
Thüringer  Wald.  Thüringer  Land, 
Nur  hier  mag  ich  noch  wandern.* 

Auch  die  Sozialpolitiker  haben  sich  von  dem  Standpunkt  der  Ethik  aus  mit  der 
Waldfrage  beschäftigt,  u.  a.  Ernst  Moritz  Arndt,  „Ein  Wort  zur  Erhaltung 
der  Forste  und  der  Bauern'^.  „Dem  deutschen  Menschen  —  so  sagt  er  u.  a. 
—  müssen  nirgends  Bäume  fehlen,  mit  deren  Zweigen  er  wie  mit 
ebensovielen  Armen  seine  Arme  verflechten  und  mit  welchen  er 
sich  also  lustig  zu  seinen  Sternen  hinauf  nach  oben  schwingen 
kann.*  Riehl  drückt  sich  sehr  schön  aus,  indem  er  u.  a.  sagt :  „Brauchen  wir 
das  dürre  Holz  nicht  mehr,  dann  wird  dem  Geschlecht  das  grüne, 
in  Saft  und  Trieb  stehende,  zur  Erwärmung  seines  inwendigen 
Menschen  um  so  nötiger  sein^). 

Auch  der  berühmte  Bildhauer  S  c  h  a  d  o  w ,  der  die  Reize  der  klassischen  Gefilde 
von  Rom  und  Hellas  genau  kannte,  soll  den  Zauber  des  Waldes  besonders  gewürdigt 
und  öfters  gesagt  haben,  er  kenne  nichts  Herrlicheres,  als  den  deutschen  Wald. 

Und  ist  es  nicht  ein  Ausfluss  dieser  Erkenntnis  der  ethischen  Bedeutung  des 
Waldes,  wenn  die  eigenste  Initiative  Kaiser  Wilhelms  IE.  den  Grunewald  bei  Berlin 
dem  Volke  als  eine  Art  grossen  Volks waldes  oder  Naturparkes  öffnen  und  ihn  lediglich 
nach  dem  Gesichtspunkt  einer  solchen  Bestimmung  behandelt  wissen  will? 

§4.  c)  Wirkung  der  einzelnen  Holzarten.  Grosse  Unterschiede  be- 
stehen hinsichtlich  der  einzelnen  Holzarten  und  Waldformen  in  ihrer  Wirkung  auf  das 
Gemüt  des  Menschen,  freilich  etwas  beeinflusst  von  der  Individualität  und  von  den 
Waldbildem,  welche  der  einzelne  in  seiner  Heimat  zu  sehen  gewohnt  ist. 

Wenig  erbaut  ist  zumeist  der  Bergbewohner,  wenn  er  in  der  Ebene  das  Bild  des 
Kiefernwaldes  auf  sich  einwirken  lässt,  der  ihm  leicht  triste  und  langweilig  vor- 


2)  y.  Sali  seh,  Forstästhetik.    2.  Aufl.    S.  121. 


Wesen  der  Waldesschönheit.     §  4.  569 

kommt,  namentlich  wenn  er  ihn  stundenlang  auf  Eisenbahnfahrten  rechts  und  links 
zur  Seite  hat,  wie  es  einem  auf  der  Fahrt  durch  Nord-  und  Ostdeutschland  begegnen 
kann.  Aber  auch  der  Kiefernwald  bietet  in  seinem  Innern  mancherlei  Reize,  wenn  wir 
Bestände  alter  malerischer  Kiefern  durchwandern,  vielleicht  gemischt  mit  einzelnen 
alten  Laubhölzem,  oder  mit  jüngerem  Laubholz  unterbaut,  abwechselnd  mit  offenen 
Schonungen,  unterbrochen  durch  grössere  Wasser-  oder  Wiesenflächen,  die  dem  Auge 
eine  liebliche  Abwechselung  gewähren,  besonders  wenn  ab  und  zu  ein  Durchblick  auf 
den  blauen  Duft  der  Ferne  geboten  wird.  So  hat  der  Märkische  Wald  mancherlei 
Reize,  die  nur  der  Eingeweihte  kennt  und  die  beispielsweise  Theodor  Fontane, 
der  ein  Verehrer  märkischer  Landschaft  war,  mit  Begeisterung  geschildert  hat  („Wan- 
derungen in  der  Mark  Brandenburg*^). 

Ganz  besonders  malerisch  aber  gestaltet  sich  das  Bild  alter,  ehrwürdiger,  ein- 
zeln oder  in  räumlicher  Stellung  stehender  Kiefern  mit  breit  abgewölbten  Kronen  und 
dunklem  rotbraunem  Schaft.  Wenn  unter  ihnen  noch  die  im  Herbst  so  schön  rot 
blühende  Heide  einen  üppigen  Teppich  bildet,  so  kann  man  wohl  glauben,  was  Fürst 
Pückler-Muskau,  der  Vielgereiste,  ausgesprochen  haben  soll,  nämlich  dass  er  in- 
mitten der  schönsten  tropischen  Natur  eine  wahre  Sehnsucht  nach  der  Lausitzer  Kiefem- 
heide  gehabt  habe  und  der  es  für  einen  grossen  Genuss  erklärte,  unter  alten  Kiefern 
in  der  Heide  zu  liegen  und  ins  Blaue  zu  sehen. 

Unter  den  Nadelhölzern  erfreuen  sich  nun,  vom  Standpunkt  der  Waldesschönheit 
aus  betrachtet,  im  allgemeinen  eines  grösseren  Ansehens  als  Kiefern  die  schlanken 
hochragenden  Fichten  und  Tannen,  wohl  auch  mit  deshalb,  weil  sie  vorwiegend 
Bäume  des  Bergwaldes  sind  und  hier  die  Reize  der  malerischen  G^ländeformen  vielfach 
für  die  Schaffung  eines  schönen  Eindruckes  mitwirken. 

Besonders  erhebend  ist  die  Wirkung  alter  Bestände  oder  einzelner  Waldriesen, 
namentlich  alter  Tannen,  wie  sie  sich  im  Schwarzwald,  in  den  Vogesen,  auch  wohl 
im  Thüringerwald  finden,  woselbst  die  stärkste  Tanne  die  „Königstanne^  am  Wurzel- 
berg bei  Katzhütte  ist,  die  etwas  über  2  Meter  Durchmesser  in  Brusthöhe  und  44 
Meter  Höhe  besitzt. 

In  den  grossen  zusammenhängenden  Forsten  der  Gebirge  finden  wir  Fichten-  und 
Tannenbestände  öfters  in  gewaltigem  Waldzusammenhang,  in  welchem  unstreitig  diese 
Waldform  etwas  Ernstes,  Feierliches  besitzt,  besonders  weil  sich  —  entgegengesetzt  zu 
der  sich  frühzeitig  lichtstellenden  Kiefer  —  Fichten  und  Tannen  auch  in  höherem  Alter 
mehr  geschlossen  halten.  Etwas  Dunkles,  Stilles,  wehmütige  Seiten  des  Gemütes  Be- 
rührendes wohnt  ihnen  inne: 

„Wildverwachsne  dunkle  Fichten 
Leise  klagt  die  Quelle  dort, 
Herz,  das  ist  der  rechte  Ort 
Für  dein  schmerzliches  Verzichten.  ** 
So  singt  Nikolaus  Lenau  in  einem  seiner  düsteren  Lieder! 

Und  das  köstliche  Gedicht  Goethes,  welches  die  geheimnisvolle  Einwirkung,  die 
der  Wald  auf  das  Gemüt  ausübt,  so  ergreifend  zum  Ausdruck  bringt  — 

„Ueber  allen  Wipfeln  ist  Ruh' 
In  allen  Gipfeln  spürest  Du 
Keinen  Hauch.    Die  Vöglein  schweigen  im  Walde. 
Warte  nur,  balde 
Ruhest  Du  auchl*^ 
—  diese  tiefe  Empfindung  des  Dichters  entstammt,  wie  wir  wissen,  dem  Eindruck,  den 
die  grossartigen  Fichten-  und  Tannenwaldnngen ,  welche  der  Gickelhahn  bei  Ilmenau 


570  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  Waldesschönheit. 

* 
beherrscht,  auf  ihn  ausübten. 

Von  den  sonstigen  Nadelhölzern  wäre  noch  die  Lärche  zn  erwähnen,  die  be- 
kanntlich im  Winter  ihre  Nadeln  verliert;  ihr  hellgrünes,  frühzeitig  erscheinendes  neues 
Kleid  wirkt  sehr  vorteilhaft  und  unterbricht  angenehm  die  dunkle  Farbe  des  sie  um- 
gebenden anderen  Nadelholzes,  oder  des  noch  nicht  belaubten  Buchenwaldes,  zu  dess^ 
empfehlenswertesten  Nutzhölzern  sie  gehört. 

Die  hie  und  da  in  Deutschland  noch  vorkommenden  Reste  von  Taxus  beständen 
sind  hochinteressant  als  Zeugen  längst  entschwundenen  reichlicheren  Vorkommens  dieser 
Holzart.  Man  wird  sie  zu  erhalten  und  nach  Möglichkeit  zu  regenerieren  suchen.  Auf 
die  Exoten  unter  den  Nadelhölzern  soll  nicht  eingegangen  werden.  So  gross  das 
Interesse  ist,  welches  den  weiteren  mit  ihnen  zu  machenden  Versuchen  innewohnt,  so 
ist  doch  vorerst  kein  Urteil  darüber  möglich,  welche  Wirkung  sie  auf  die  Waldes- 
schönheit im  grossen  ausüben  können. 

Ein  wesentlich  freundlicheres  Bild  als  der  Nadelwald  gewährt  uns  ganz  ent- 
schieden im  allgemeinen  der  Laubwald,  dessen  Qrün  ein  helleres ,  frischeres 
und  dessen  Mannigfaltigkeit  in  den  Vegetationserscheinungen  ohne  Zweifel  eine  grössere 
ist.  Dazu  kommt,  dass  der  dichtere  Schluss  in  den  Kronen  meist  fehlt  und  dass  eine 
grössere  Abwechselung  von  Licht  und  Schatten  sich  uns  darbietet,  als  im  Nadelholz, 
besonders  in  Fichten  und  Tannen.  Allerdings  bezieht  sich  dies  auf  den  grünen  Laub- 
wald des  Sommers.  Im  Winter  ist  wiederum  der  beschneite  Nadelwald  ästhetisch  ent- 
schieden wirksamer  als  der  Laubwald! 

Der  Vorrang  im  Laubholz  gebührt,  was  die  Wirkung  auf  Waldesschönheit 
anlangt,  unstreitig  der  Buche.  In  wirtschaftlicher  Hinsicht  steht  allerdings  der  Bu- 
chenwald sehr  zurück;  aber  kein  Forstmann,  der  etwas  vom  deutschen  Gemüt  in  sich 
hat  —  und  dasselbe  ist  ja  zum  Glück  bei  den  meisten  derselben  vorhanden  — ,  wird 
deshalb  über  die  Buche  den  Stab  brechen!  Weiss  er  doch  auch,  dass  vom  Standpunkt 
des  Verstandes  die  bodenschützende  und  die  Waldproduktion  erhöhende  Einwirkung  der 
Buche  als  Folge  des  den  Boden  schirmenden  Schlusses  der  Bestände  und  des,  einen  vor- 
züglichen Humus  bildenden  Laubabfalles  hoch  genug  zu  veranschlagen  ist,  um  ihr  den 
wohlberechtigten  Platz  im  deutschen  Walde  zu  sichern,  dies  um  so  mehr,  als  sie  wenig 
von  den  Kalamitäten  zu  leiden  hat,  welche  den  Nadelwald  so  oft  heimsuchen,  als  da 
sind  Wind-  und  Schneebruch,  schädliche  Forstinsekten,  ja  selbst  die  in  neuerer  Zeit 
immer  mehr  in  ihrer  Schädlichkeit  erkannten  Pilze. 

Etwas  Hehres  finden  wir  in  der  Form  hochragenden  älteren  Buchenhochwaldes  mit 
den  schlanken,  dabei  mächtigen  Säulen  der  Stämme  und  dem  kuppelartig  abgewöibten 
Blätterdach.  Soll  ja  diese  Waldform  das  Vorbild  zu  dem  gotischen  Styl  der  Kirchen- 
dome gewesen  sein! 

Der  schöne  Eindruck  des  Buchenwaldes  beruht  aber  nicht  nur  auf  den  Formen 
desselben,  sondern  hauptsächlich  mit  auf  der  Färbung.  Welch  liebliches  Kolorit  bietet 
das  junge  Maiengrün  des  Buchenwaldes,  schon  von  dem  Moment  an,  in  welchem  sich 
einzelne  grüne  Siegesfahnen  aus  dem  Braun  des  noch  nicht  belaubten  Hauptteües  eine^ 
Buchenwaldes  hervorheben.  Steinbuchen  nennt  man  wohl  solche,  den  Vortrab 
bildende  Einzelbäume! 

Von  dem  hellen  Frühlingsgrün  bis  zu  dem  unvergleichlichen  Goldbraun  und  Rot- 
braun des  Herbstes  ist  die  Färbung  des  Buchenwaldes  immer  schön.  Ein  Blick  von 
hervorragenden  Höhen  auf  ein  Meer  von  Buchenwald,  welches  sich  zu  unseren  Füssen 
ausbreitet,  wie  wir  solches  in  den  verschiedensten  Gebieten  von  Mittel-  und  Süddeutscfa- 
land  finden,  gehört  mit  zu  den  schönsten  Freuden  an  unserer  Natur,  die  man  sich 
denken  kann.     Nirgends  lässt  sich  der  Frühling  angenehmer  erwarten  als  im  Buchen- 


Wesen  der  Waldesschönheit.     §  4.  571 

gebiet,  nirgends  ist  auch  wiederum  der  Herbst  so  reich  an  schönen  Farbenbildem  des 
Waldes  als  in  diesem^). 

Der  Buche  gegenüber  steht  nun  die  Eiche.  Die  ästhetische  Wirkung  der  ein- 
zelnen, freistehenden  Eiche  ist  vielleicht  noch  günstiger,  als  die  der  einzelnen  Buche. 
Die  alte  Eiche  mit  den  stark  ausgeprägten  knorrigen  Aesten  erscheint  uns  als  ein 
Sinnbild  der  Kraft  und  Stärke,  wogegen  die  Buche  mehr  etwas  Zartes,  Liebliches 
hat.  Man  könnte  geradezu  der  Eiche  den  männlichen,  der  Buche  den  weib- 
lichen Charakter  beilegen. 

Der  Eichenwald  ist  im  allgemeinen  hinsichtlich  seiner  Wirkung  auf  das  Gemüt 
dem  Buchenwald  entschieden  nachzustellen.  Besser  ist  der  Eindruck  schon,  wenn  er 
mit  Buche  durchstellt  und  die  letztere  unterständig  ist,  wobei  sie  mit  ihrem  hellen 
Grün  Frische  und  Abwechselung  in  das  Bild  bringt.  Auf  besonders  gutem  Boden  findet 
sich  ein  solches,  den  Boden  deckendes  Unterholz  von  allerhand  Strauchholz  von  selbst  ein. 

Das  Bestreben,  die  Eiche  als  Mischholz  in  den  Buchenhochwald,  zur  Erhöhung 
seines  Geldertrages,  hineinzubringen,  bezüglich  hier  zu  erhalten,  spielt  heute  im  Forst- 
betrieb eine  grosse  Rolle.  Auch  vom  Standpunkt  der  Waldesschönheit  ]ässt  sich  nichts 
dagegen  einwenden,  zumal  die  wirtschaftliche  Richtigkeit  einer  solchen  Massregel  selbst 
dem  Laien  leicht  einleuchten  wird. 

Die  A  h  0  r  n  e  spielen  in  ähnlicher  Weise  eine  Rolle  im  Gebiete  des  Buchenwaldes 
als  Mischhölzer,  daneben  sind  sie  schöne  Einzelbäume  an  Strassen  und  auf  freien  Plätzen 

Recht  günstig  wirkt  hier  der  Spitzahorn  wegen  seiner  hellgelben,  vor  dem  Aus- 
bruch des  Laubes  erscheinenden  Blüten,  welche  im  Farbenbilde  der  Landschaft  einen 
vorzüglichen  Effekt  hervorrufen. 

Besonders  ist  noch  der  Birke  zu  gedenken,  welche  ästhetisch  meist  günstig 
wirkt  und  in  manchen  Fällen  vom  Standpunkt  der  Schönheitspflege  aus  Berücksichtigung 
verdient,  auch  wenn  sie  forstlich-wirtschaftlich  nicht  immer  befriedigt.  Ihr  heller, 
silberweisser  Stamm,  ihre  leichte  luftige  Belaubung  im  hellen  Grün,  die  von  dünnen, 
leicht  beweglichen  Aesten  getragen  wird,  verleihen  ihr  einen  eigenartigen  Charakter. 
Auch  im  Winter  wirkt  sie  günstig :  man  kann  nichts  Graziöseres  an  Baumschlag  sehen, 
als  eine  vom  Rauhreif  überzuckerte  oder  mit  Schnee  beduftete  Birke. 

Sie  ist  die  genügsamste  unserer  Holzarten,  sowohl  in  ihren  Anforderungen  an 
Lage  und  Klima,  als  auch  an  den  Boden.  Sie  passt  vorzüglich  auf  dasjenige  Gebiet, 
welches  wegen  vorhandener  Bodenarmut  der  Buche  und  Eiche,  sowie  dem  Ahorn  und 
der  Esche  verschlossen  ist.  Insbesondere  kommt  sie  für  das  Gebiet  der  Kiefer  als 
Mißchholz  in  Betracht,  indem  sie  die  Monotonie  der  reinen  Kiefer  vorteilhaft  unterbricht. 
Sie  eignet  sich  hier  namentlich  als  Randeinfassung,  sowie  als  Alleebaum  an  die  Wege, 
wo  sie  noch  dadurch  günstig  wirkt,  dass  sie  infolge  ihrer  hellen  Farbe  in  der  Dunkel- 
heit die  Richtung  erkennen  hilft.  Im  Innern  der  Nadelholzbestände  schadet  sie  infolge 
ihrer  beweglichen,  vom  Wind  viel  hin  und  her  gepeitschten  Krone  öfters  den  Nachbar- 
stämmen in  einem  Masse ,  dass  ihr  Aushieb  zur  gebieterischen  Notwendigkeit  wird. 
Oefters  leistet  sie  gute  Dienste  als  erste  Ansiedlerin  an  steilen  Böschungen  und  kahlen 
Hängen. 

Dass  Eschen  und  Roterlen  auf  den  feuchten  Böden  eine  Rolle  spielen,  dass 
auf  letzteren  auch  die  baumartigen  Weiden  manchmal  sehr  vorteilhaft  wirken,  sei  der 
Vollständigkeit  halber  nicht  unerwähnt  gelassen.  Auch  die  so  schön  blühende  Ross- 
kastanie, deren  Früchte  als  Wildfutter  so  wertvoll  sind,  verdient  eine  Empfehlung  für 


3)  Als  ein  hervorragendes  Gebiet  malerisch  wirkenden  Buchenwaldes   ist  die  Gegend 
von  Eisenach  und  Wilhelmsthal  zu  nennen. 


572  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  WaldeBSchönheit. 

die  Waldränder,  sowie  als  Alleebanm. 

Als  eine,  für  die  Verschönerung  einer  Gegend  unter  gewissen  Umständen  recht 
wichtige  Holzart  ist  noch  die  Weiss  er  le  zu  erwähnen,  welche  zur  Aufforstung  öder 
Kalkhänge  die  dankbarste  Holzart  ist,  die  man  sich  denken  kann.  Infolge  ihres  ge- 
ringen Wasserbedürfnisses  kommt  sie  auf  sehr  trockenem  Standort  noch  leidlich  fort; 
das  Austreiben  von  Wurzelbrut  kommt  ihrer  Erholung  sehr  zu  statten.  Stirbt  der 
Stamm  ab,  so  finden  sich  als  Ersatz  massenhafte  Ausschläge  ein.  Dazn  kommt  der 
reichliche  Blattabfall,  sowie  die  Fähigkeit,  Stickstoff  aus  der  Atmosphäre  aufzunehmen, 
kurzum  die  Weisserle  leistet  hier  Hervorragendes  und  kann  auch  für  nachträgliche  Aus- 
pflanzung kümmernder  Nadelholzkulturen  auf  solchen  Gebieten  nur  dringend  empfohlen 
werden*). 

Von  fremden  Laubhölzern  sind  besonders  die  Roteichen  zu  erwähnen, 
welche  wegen  ihrer  dunklen  Färbung  im  Herbst  einen  vorzüglichen  Effekt  machen. 

Neben  ihnen  wären  in  gleichem  Sinne  die  amerikanischen  A hörne  zu  nennen. 

Im  übrigen  empfehlen  sich  vorerst  fortgesetzte  Einbürgerungsversuche,  ehe  über 
die  Wirkung  auf  Waldesschönheit  gesprochen  werden  kann. 

§  5.  d)  Wirkung  der  verschiedenen  Betriebsarten.  Neben  den 
Unterschieden  in  den  Waldbildern,  wie  sie  durch  die  Verschiedenheit  der  Holzarten 
veranlasst  werden,  ist  nun  noch  derjenigen  Einflüsse  zu  gedenken,  welche  die  Ver- 
schiedenheit der  Betriebsarten  auf  das  Bild  der  Landschaft  ausübt. 

Unter  ihnen  kann  man  dem  Hochwald,  dieser  kapitalintensiven  Betriebsart, 
welche  bekanntlich  bei  Nadelholz  die  einzig  mögliche  ist,  gewiss  etwas  Aristokratisches 
nicht  absprechen,  wie  er  denn  auch  eine  gewisse  Wohlhabenheit  des  Besitzers  voraus- 
setzt, der  in  der  Lage  ist,  auf  den  Eingang  der  Erträge  warten  zu  können  —  um  so 
länger,  je  höher  die  Umtriebe  sind. 

Ihm  gegenüber  kann  man  den  Niederwald  den  Wald  des  kleinen  Besitzers  nennen, 
dessen  Benutzung  für  diesen  desto  günstiger  sich  gestaltet,  in  je  kürzeren  Zwifichen- 
räumen  dieselbe  wiederkehrt. 

Die  landschaftliche  Wirkung  des  Niederwaldes  ist  im  allgemeinen,  namentlich 
wenn  er  in  grösserer  Ausdehnung  vorkommt,  keine  günstige.  Er  hat  dann  leicht 
etwas  Eintöniges  und  der  Mangel  an  älteren,  höheren  Bäumen  wirkt  entschieden  un- 
vorteilhaft. Das  beste  an  ihm  ist  die  Färbung,  namentlich  wenn  er  gemischt  ist.  Fin- 
den wir  die  Eiche  darin  vertreten,  so  wirkt  dieselbe  insofern  günstig,  als  sie  die  leder- 
farbig braun  gewordenen  Blätter  bis  weit  in  den  Winter  hinein,  öfters  bis  kurz  vor 
dem  Ausbruch  des  neuen  Laubes,  an  ihren  Zweigen  behält. 

Unschön  wirken  die,  sich  in  kurzen  Zwischenräumen  wiederholenden  Kahlschlage, 
welche  sich  von  Jahr  zu  Jahr  fortsetzen,  wie  man  dies  im  ausgedehnten  Niederwald- 
gebiet der  Rhein-,  Mosel-,  Nahe-  und  Neckarlandschaften,  sowie  im  Kreise  Siegen  findet 

Auch  der  mit  dieser  Waldform  in  Verbindung  stehende  Getreidebau  auf  den  Ab- 
triebsflächen,  wie  er  in  den  Hackwaldungen  des  Odenwaldes  und  auf  den  Haubergen 
des  Siegener  Landes  betrieben  wird,  trägt  dazu  bei,  den  ungünstigen  Einfluss  des  Nie- 
derwaldbetriebes auf  das  landschaftliche  Bild  einer  Gegend  noch  zu  verstärken. 

Werden  gar  noch,  wie  dies  in  einigen  westdeutschen  Gebieten,  allerdings  nur 
örtlich  beschränkt,  vorkommt,  die  Eichenstämmchen  im  Stehen  geschält,  so  sieht  man 
bisweilen  die  Baumleichen  wochenlang  in  ihrer  Nacktheit  stehen,  was  auf  den  dieses 
Bildes  ungewohnten  Beschauer  abstossend  wirkt. 


4)  In  ausgedehnter  Weise  ist  die  Weisserle  zur  Aufforstung  kahler  Kalkhänge  in  der 
Umgebung  von  Jena  zur  Verwendung  gelangt. 


Wesen  der  Waldesschönbeit.     §  5.  573 

Zum  Glück  wird  durch  die  malerischen  Bergformen  mancher  jener  Gegenden,  in 
denen  der  Niederwald  in  grösserer  Ausdehnung  vorkommt,  dem  an  sich  ungünstigen 
Bilde  ein  Gegengewicht  geboten. 

Ganz  am  Platze  ist  aber  der  Niederwald  an  felsigen  steilen  Hängen,  an  denen 
hohe  Bäume  mit  der  Wurzel  nicht  wohl  in  den  Boden  kommen  können,  wie  z.  B.  an 
den  Wänden  des  Bodetals  im  Harz  oberhalb  Thale.  Hier  wird  auch  der  Anblick  auf 
malerische  Felsen  durch  den  Niederwald  am  wenigsten  beeinträchtigt.  Ebenso  wird 
man  mit  Vorteil  solche  Gebiete  im  Niederwaldbetrieb  bewirtschaften,  bei  denen  es  sich 
darum  handelt,  eine  Aussicht  offen  zu  erhalten,  ohne  dass  man  gerade  eine  ganz 
holzleere  Fläche  haben  will. 

Der  Mittelwald,  welcher  über  dem  an  sich  eintönigen  Unterbestand  die 
Kronen  höherer  Stämme  in  der  verschiedensten  Verteilung  und  mit  sehr  ungleichem 
Laubdach  zeigt,  wirkt  landschaftlich  äusserst  günstig.  Niemals  wird  der  Boden  ganz 
entblösst  und  selbst  wenn  Jahr  für  Jahr  weiter  geschlagen  und  Hauung  an  Hauung 
angeschlossen  wird,  haben  wir  doch  keine  auffallende  und  störende  Veränderung  des 
landschaftlichen  Bildes,  wie  bei  Niederwald. 

Als  ein  Vorzug  des  Mittelwaldes  in  malerischer  Hinsicht  kann  die  in  ihm  meist 
vorhandene  und  unschwer  noch  mehr  zu  begünstigende  Mischung  der  verschiedensten 
Holzarten  bezeichnet  werden. 

Auf  die  Dauer  haltbar  ohne  Rückgang  der  Bodengüte  ist  allerdings  der  Mittel- 
wald nur  auf  gutem  Standort;  auf  dem  Gebiete  trockenen  Sandbodens  haben  sich  die 
Mttelwaldbetriebe  in  grossem  Umfang  nicht  erhalten  lassen ;  sie  wurden  teils  in  Laub- 
holzhochwald, teils  aber  auch,  und  zwar  noch  mehr,  in  Nadelholz  umgewandelt.  Dass 
dazu  die  wirtschaftliche,  finanziell  zumeist  weniger  günstige  Seite  des  Mittel waldes  vielfach 
überhaupt  auffordert,  sei  noch  beiläufig  bemerkt.  Um  so  mehr  ist  zu  betonen,  dass  hierzu 
vom  forstästhetischen  Standpunkt  aus  keine  Veranlassung  vorliegt,  im  Gegenteil  die 
Erhaltung  des  Mittelwaldes  unter  den  geeigneten  Voraussetzungen  empfohlen  zu  wer- 
den verdient. 

Aehnlich  wie  Mittelwald  wirkt  in  Hinsicht  auf  das  landschaftliche  Bild  einer 
Gegend  der  F e m e  1  -  oder  Plenterwald,  eine  Abart  des  Hochwaldes,  welche  da- 
durch charakterisiert  ist,  dass  die  verschiedenen  Altersstufen  des  Holzes  nicht  flächen- 
weise von  einander  abgesondert  sind,  sondern  in  einzelnen  Stämmen  und  Gruppen 
durcheinanderstehen.  Herrliche  Bilder  solchen  Plenterwaldes  bietet  das  Buchengebiet 
auf  Kalk,  wo  diese  Holzart  die  besten  Bedingungen  ihres  Gedeihens  findet,  so  z.  B. 
bei  Eisenach  in  den  Waldungen  des  sog.  Hainigs,  eines  dem  Thüringerwalde  nördlich 
vorgelagerten  Bergzuges.  Jedoch  auch  die  Weisstanne,  weniger  die  Fichte,  eignet  sich 
für  diesen  Betrieb,  der  überhaupt  nur  für  schattenertragende  Holzarten  passt  und  dann 
immer  nur  auf  bestem  Standort  dauernd  in  befriedigendem  Zustande  zu  erhalten  ist, 
wogegen  auf  trockenerem  Boden  Stockungen  im  Wachstum  der  schwächeren  Individuen, 
welche  hier  die  Ueberschirmung  nicht  vertragen  können,  entstehen. 

Noch  eine  andere  Hochwaldart  nimmt  unser  Interesse  in  forstästhetischer  Hin- 
sicht in  Anspruch,  die  Femelschlagform,  eine  Betriebsart,  welche  grundsätzlich 
in  einer  und  derselben  Forstabteilung  keinen  gleichalterigen  Bestand,  sondern  weiter- 
gehende Unterschiede  im  Alter  der  in  grösseren  Gruppen  sich  absondernden  Bestockung 
anstrebt. 

Auch  bei  diesem  Betrieb,  der  besonders  infolge  der  lebhaften  Empfehlungen  Gayers 
und  des  Oberforstdirektors  von  Huber  in  Bayern  eine  grosse  Rolle  spielt,  ist  die  Man- 
nigfaltigkeit in  der  Bestockung  eine  grosse,  zumal  hierbei  der  Bestandesmischung  mit 
grossem  Erfolg  eine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  werden  kann.     Es  leuchtet 


574  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  Waldesschönheit. 

ein,  dass  dieser  Betrieb  in  HinBicht  auf  die  Schönheitspflege  des  Waldes  alle  Beachtung 
verdient,  wenngleich  nicht  zn  verkennen  ist,  dass  bei  ihm  ebenso  wie  bei  dem  Femel- 
betrieb die  Gunst  des  Standortes  nicht  fehlen  darf,  wenn  genügende  Erfolge  erzielt 
werden  sollen. 

2.  Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschoiiheit. 

§  6.  a)  Allgemeine  Vorbemerkungen.  Man  hat  mit  Recht  gesagt, 
die  Bewirtschaftung  des  Waldes  nach  Schönheitsrficksichten  sei  eine  „Forstknnsf. 
Bei  allen  Künsten  ist  die  Erlernung  des  Könnens  an  eine  gewisse  Anlage,  an  ein  T  a- 
1  e  n  t  geknüpft.  Der  blosse  Unterricht  kann  nicht  den  Zögling  zum  Künstler  ausbilden, 
das  Talent  dazu  muss  in  ihm  liegen.  So  ist  es  vielleicht  auch  bei  der  Forstkunst. 
Mehr  als  allgemeine  Andeutungen  können  bei  einer  abstrakten  Behandlung  derselben 
nicht  wohl  gegeben  werden.  Im  einzelnen  das  Richtige  zu  finden  ist  Sache  des  indi- 
viduellen Geschmacks.  Dass  der  Beruf  des  Forstmannes  es  mit  sich  bringt,  das  Schön- 
heitsmoment bei  seinen  wirtschaftlichen  Massregeln  zu  beachten,  entspricht  einem  höhe- 
ren idealen  Ziele.  Ist  doch  aller  Fortschritt  in  der  menschlichen  Kultur  mit  in  der 
Pflege  des  Schönen  und  des  Edlen  begründet.  Indem  wir  den  Wald  so  behandeln,  dass 
er  allen  Besuchern  als  der  Dom  Gottes  erscheint,  in  welchem,  wie  der  Dichter  sagt, 
sein  starker  Odem  lebendig  ein-  und  ausweht,  erwecken  und  stärken  wir  schöne  Ge- 
fühle in  allen  empfänglichen  Gemütern  seiner  Besucher  und  tragen  so  das  unserige  zur 
Yolkserziehung  mit  bei.  Diese  ethische  Seite  der  forstlichen  Tätigkeit  hat  aber  gewiss 
auch  ihren  materiellen  Hintergrund,  indem  wir  auf  diese  Weise  die  Sympathien  des 
besseren  Teiles  der  Bevölkerung  erlangen  und  dem  Walde  Freunde  aller  Art  schaffen, 
deren  günstige  Meinung  ihm  wieder  zu  gute  kommt.  Es  mit  unseren  wirtschaftlichen 
Massregeln  allen,  oft  recht  kritischen  Waldbesuchern  recht  zu  machen,  ist  unmöglich; 
aber  es  muss  unser  Bestreben  sein,  die  Behandlung  des  Waldes  überall  so  zu  gestalten, 
dass  keine  Vernachlässigung  wichtiger  ästhetischer  Interessen  uns  mit  Grund  vor- 
geworfen werden  kann. 

Die  öffentliche  Meinung  äussert  sich  in  vielfachen  Kundgebungen  zu  gunsten  des 
Schutzes  der  landschaftlichen  Natur,  gleichzeitig  auch  der  geschichtlichen  Denkmäler 
Deutschlands*^).  Touristen  vereine  haben  in  allen  Gegenden  Deutschlands  die  Aufgabe, 
den  Wald  und  dessen  Schönheiten  zu  erschliessen,  mit  auf  ihre  Fahne  geschrieben. 

Die  merkwürdigen  Bäume  und  Bestände  sucht  man  zu  erhalten,  indem  man  vor  allem 
auf  sie  aufmerksam  macht  und  sie  in  Merkbüchern  verzeichnet.  Den  Anfang  machte  das 
„Forstbotanische  Merkbuch"  für  die  Provinz  Westpreussen,  Berlin  1900,  herausgegeben 
von  dem  verdienten  Professor  Dr.  Conwentz  in  Danzig.  Für  die  anderen  Provinzen 
der  preussischen  Monarchie  werden  Merkbücher  folgen.  Dass  sie  von  der  Regierung 
begünstigt  werden,  folgt  aus  einer  Bemerkung  der  Titelseite :  „Herausgegeben  auf  Ver- 
anlassung des  Ministers  für  Landwirtschaft,  Domänen  und  Forsten". 

Auch  für  Thüringen  befindet  sich  ein  solches  Buch  in  der  Vorbereitung. 

Dass  der  Staat  die  Erhaltung  der  geschichtlichen  Denkmäler  sicher  stellt, 
ist  Nichts  neues.  Der  Grossherzoglich  Hessischen  Regierung  war  es  vorbehalten, 
durch  Einfügung  der  „Naturdenkmäler"  in  das  Gesetz  vom  1.  Oktober  1902  „Den  Denk- 
malschutz betreffend"  auch  die  Erhaltung  von  „Bäumen  und  dergleichen",  deren  Schutz 
aus  geschichtlichen  oder  naturgeschichtlichen  Rücksichten  oder  im  Hinblick  auf  land- 
schaftliche Schönheit  oder  Eigenart  im  öffentlichen  Interesse  liegt  (Naturdenkmäler), 

5)  S.  u.  a.  Der  Schutz  der  landschaftlichen  Natur  und  die  geschichtlichen  Denkmäler 
Deutschlands  von  Ernst  Rudorff.  Berlin  1892,  Verlag  des  Allgemeinen  Deutschen 
Vereins. 


Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönheit.     §  7.  575 

einem  besonderen  gesetzlichen  Schatz  zu  unterstellen,  der  sich  selbst  auf  das  Verbot 
von  Aufschriften,  Beklameschildern  und  dergleichen  erstrecken  kann^). 

Diese  Einwirkung  des  Staates  kann  man  nur  als  eine  wohlberechtigte  anerkennen, 
welche  in  den  allgemeinen  Begriff  des  Staatszweckes  einschlägt  (Förderung  aller  mate- 
riellen und  ideellen  Interessen  der  Gesamtheit,  die  über  die  Sphäre  und  Macht  des  ein- 
zelnen hinausgeht)  und  um  so  weniger  zu  Bedenken  Anlass  gibt,  als  eine  Entschädi- 
gung der  Betroffenen  vorgesehen  ist.  Mögen  weitere  Staatsregierungen  dem  gegebenen 
Beispiel  recht  bald  nachfolgen! 

In  Elsass-Lothringen  hat  das  Ministerium,  Abteilung  für  Finanzen,  Ge- 
werbe und  Domänen  an  die  äusseren  Forstbehörden  eine  Verfügung  bezüglich  der  För- 
derung der  Forstästhetik  in  den  der  Staatsforstverwaltung  unterstellten  V^aldungen 
des  Landes  erlassen.  Die  im  Interesse  der  Waldverschönerung  auszuführenden  Arbeiten 
sollen  nach  dieser  Bestimmung  sich  in  zwei  Bichtungen  bewegen  und  zwar  einerseits 
zur  Erhaltung  und  zur  Erschliessung  der  vorhandenen  Bau-  und  Naturdenkmäler  dienen, 
andererseits  neue  Eeize  schaffen. 

Man  könnte  noch  als  eine  Aufgabe  des  Staates  die  Behandlung  der  Ziele  und 
Massregeln  der  Waldschönheitspflege  auf  den  staatlichen  forstlichen  Ijchranstalten  durch 
Einrichtung  besonderer  Vorlesungen  und  Erteilung  entsprechender  Lehraufträge  be- 
zeichnen und  hat  dies  auch  mehrfach  getan  (z.  B.  von  Salisch  und  Wilbrand.) 

Der  Verfasser  kann  von  sich  anführen,  dass  er  schon  Ende  der  70er  Jahre  als 
Professor  der  Forstwissenschaft  an  der  Universität  Giessen  diesen  Gegenstand  an  pas- 
sender Stelle  der  „Forstverwaltungslehre^  akademisch  behandelt  hat,  wie  er  dies  auch 
seit  13  Jahren  an  der  Forstlehranstalt  Eisenach  in  gleicher  Weise  tut.  Ohne  Zweifel 
werden  auch  anderwärts  an  den  forstlichen  Bildungsstätten  die  in  Betracht  kommenden 
Regeln  und  Lehren  von  den  Dozenten  geeigneten  Ortes  vorgetragen  werden.  Ein  be- 
sonderes Kolleg  über  Forstästhetik  ein  ganzes  Semester  lang  zu  lesen  würde  vielleicht 
weder  nach  dem  Geschmack  des  Dozenten,  noch  der  Studierenden  sein.  Mehr  als  all- 
gemeine Grundlinien  dürfte  man  nicht  geben.  Die  spezielle  Behandlung  aller  der  kleinen 
Rücksichten,  wie  z.  B.  in  Hinsicht  auf  die  Stilformen  der  Waldhäuschen,  Brücken, 
Geländer,  Wegweiser  etc.  lässt  keine  grossen  Gesichtspunkte  zur  Erörterung  gelangen, 
wie  sie  ein  akademischer  Vortrag  braucht.  Die  Hauptsachen  können  in  wenigen  Stun- 
den behandelt  werden,  im  übrigen  kommt  es  auf  Vorführung  schöner  Bilder  im  Walde 
als  Beispiele  zur  Nachahmung  an,  sowie  auf  die  Lektüre,  besonders  des  klassischen 
Werkes  des  Herrn  von  Salisch,  was  jeder  gebildete  junge  Forstmann  auch  ohne  An- 
leitung eines  Lehrers  versteht  und  gerne  lesen  wird. 

§  7.  b)  Forsteinrichtung  und  Forsteinteilung.  Die  Forstein- 
richtung eines  Waldes  bildet  die  Grundlage  für  seinen  Betrieb,  indem  sie  die  Anord- 
nungen trifft,  nach  welchen  künftig  gewirtschaftet  werden  soll,  insbesondere  die  Art 
der  Hauungen  und  das  Mass  der  Abnutzung  bestimmt,  welch  letztere  sich,  vor  allem 
wesentlich  mit  beeinflusst  durch  die  Höhe  der  Umtriebszeit,  in  der  Regel  innerhalb  der 
Grenzen  der  Nachhaltigkeit  bewegen  soll.  Mit  der  Forsteinrichtung  in  Verbindung 
steht  die  Einteilung  eines  Waldes  behufs  Schaffung  bleibender  Wirtschaftstiguren  (Orts- 
abteilungen). Die  Grenzen  dieser  Abteilungen  werden  durch  entsprechende  Aufhiebe 
kenntlich  gemacht.  Daneben  treten  im  modernen  Wald  noch  bei  Bildung  der  soge- 
nannten Hiebszüge  gewisse  Trennungslinien  mehr  und  mehr  in  die  Erscheinung. 

Die  Erörterung  der   so  wichtigen  Umtriebsfrage  ist  ebenfalls  Sache  der 


6)  S.  Wilbrand,  „Schutz  der  Naturdenkmäler«,  Allg.  Forst-  und  Jagdzeitung  1903. 
S.  164  ff. 


576  Stoetzer:  Znr  Pflege  der  Waldesschönheit. 

Forsteinrichtang.  Es  bedarf  kaum  der  Erwähnung,  dass  die  Erziehung  alter  Hölzer 
auch  einer  Förderung  der  Waldesschönheit  dient.  Es  würde  jedoch  zu  weit  gegangen 
sein,  wollte  man  nun  allgemein  sagen,  dass  zu  diesem  Zweck  recht  hohe  Umtriebe  ge- 
wählt werden  müssten.  Die  Umtriebszeit  ist  fär  den  wirtschaftlichen  Betrieb  eines 
Waldes  von  so  grosser  Bedeutung,  dass  bei  deren  Festsetzung  in  erster  Linie  die  öko- 
nomischen Rücksichten  entscheiden  müssen.  Es  sei  nicht  unbemerkt  gelassen,  dass  beim 
Grosswaldbesitz  die  Erziehung  marktgängiger,  auch  in  grossen  Massen  gut  absetzbarer 
Hölzer  notwendig  ist  und  dass  schon  mit  Rücksicht  darauf  die  Annahme  ganz  niedriger, 
schönheitswidrig  wirkender  Umtriebe  nicht  im  Sinne  und  Geist  vernünftiger  Erwägungen 
liegen  kann. 

Unterschieden  von  der  generellen  umtriebszeit  des  Waldes  ist  die  Abtriebs- 
zeit der  konkreten  Bestände.  Hier  können  forstästhetische  Gesichtspunkte  zur  Gel- 
tung gelangen.  Insbesondere  wird  man  in  Forstabteilungen,  welche  sich  in  der  Nähe 
der  Orte  und  Wohnsitze,  sowie  hervorragender  Bauwerke,  ferner  an  besuchten  Prome- 
naden, oder  als  Bekleidung  sehenswerter  Naturbildungen  (wie  z.  B.  Schluchten)  linden, 
die  Bestände  höhere  Abtriebsalter  erlangen  lassen,  als  die  normale  Umtriebszeit  besagt. 
Hier  rechtfertigt  sich  das  längere  Stehenlassen  im  Hinblick  auf  den  imponderablen 
„ Schönheitszuwachs ^,  welcher  dem  abnehmenden  Massen-  und  Qualitätszuwachs  die  Wage 
halten  mag.  Wird  doch  von  der  forstlichen  Statik,  welche  man  gerne  der  Forstästhetik 
als  feindliche  Schwester  gegenüberstellt,  ausdrücklich  betont,  wie  auch  die  Rücksichten 
auf  die  ethische  und  itsthetische  Seite  des  Waldes  mit  für  die  Annahme  niedriger  , wald- 
freundlicher Zinsfüsse'^  bei  den  forstlichen  Rechnungen  bestimmend  sind,  in  welcher 
Hinsicht  der  Verfasser  auf  seine  eigene  Schrift  über  Waldwertrechung  und  Statik,  3.  Aufl. 
1903,  §  17,  Bezug  zu  nehmen  sich  gestattet. 

Solche  Altholzbestände,  namentlich  in  Verbindung  mit  anstossendem  Freiland 
(Wiesen),  eignen  sich  auch  zur  Abhaltung  von  Festen  durch  Vereine  aller  Art,  nicht 
minder  zu  Kinderspielplätzen;  selbst  zur  Veranstaltung  von  Waldgottesdienst,  wie  bei 
Paulsbom  im  Grunewald  und  bei  Sassnitz  auf  Rügen,  sind  sie  nicht  ungeeignet. 

In  Hinsicht  auf  die  Schönheitspflege  des  Waldes,  soweit  sie  durch  die  Forstein- 
richtung mit  bestimmt  und  bedingt  wird,  kommt  alles  auf  den  Geist  des  Forsteinrichters 
an.  Die  Methode  der  Einrichtung  ist  nichts  als  äussere  Form,  die  auf  dem  Papier, 
nicht  im  Wald  zur  Geltung  gelangt. 

Was  die  grundlegende  Einteilung  des  Waldes  durch  Netze  von  mehr  oder  weniger 
geraden  Linien  anlangt,  so  ist  es  bekannt,  welche  Vorzüge  hierbei  einer  möglichsten 
Bevorzugung  der  geraden  Linie  in  Hinsicht  auf  ihre  Benutzung  für  geometrische  Ar- 
beiten innewohnen.  Die  regelmässige  geradlinige  Einteilung  hat  in  den  Forsten  der 
Ebene  auch  kein  Bedenken,^  insofern  hier  die  lange  gerade  Schneise  nichts  weniger  als 
unnatürlich  wirkt. 

Unschön  flnden  wir  sie  besonders  dann,  wenn  sie  in  das  Bergland  übertragen  wird 
und  hier  derartige  Linien  über  Berg  und  Tal  hinweg  in  naturwidrig  schnurgeradem 
Verlauf  sich  weithin  erstrecken;  besonders  ungünstig  wirken  sie  in  diesem  Falle,  wenn 
sie  als  Wege  ausgebaut  sind,  auf  denen  alsdann  Steigen  und  Fallen  in  unschönem 
Verlauf  abwechseln  und  durch  das  entstehende  „verlorene  Gefälle"  verkehrshindernd 
wirken. 

Hier  ist  die  dem  Gelände  sich  anschmiegende  Linie  offenbar  vorzuziehen,  was  ja 
auch  durch  die  Verbindung  des  Wegenetzes  mit  der  forstlichen  Einteilung  schon  seit 
über  einem  Menschenalter  mehr  und  mehr  betätigt  wird.  Dass  im  Berglande  gerade 
Linien,  welche  in  der  Richtung  des  stärksten  Gefälles  laufen,  noch  ergänzend  hinzu- 
treten, kann  den  ästhetischen  Eindruck  des  Ganzen  kaum  stören! 


Massregeln  znr  Pflege  der  WaldesschSnheit.     §  8.  577 

Die  Perspektive,  welche  die  gerade  Schneise  gewährt,  wirkt  bisweilen  recht  an- 
mutend, namentlich  wenn  sich  in  der  Feme  etwas  zeigen  lässt,  wie  z.  B.  ein  hervor- 
ragender Baum,  ein  Bauwerk  oder  eine  Wasserfläche. 

Ln  übrigen  sind  die  Forsten  der  Ebene  von  langer  Zeit  her  mit  der  regelmässigen 
lageneinteilung  versehen,  die  man  nicht  über  Bord  werfen  kann,  selbst  wenn  man  vom 
Standpunkt  der  Waldesschönheit  aus  sie  verwerfen  sollte.  Hier  hilft  nur  die  möglichste 
Verschönerung  der  Eänder;  langes  Stehenlassen  von  Streifen  Altholz,  dessen  Bild  durch 
Unterbau  —  und  wäre  es  nur  Strauchholz,  wie  z.  B.  Weisserle,  die  auch  mit  trockenem 
Boden  vorlieb  nimmt  —  lebhafter  zu  gestalten  ist,  unter  geeigneten  Yoraussetzungen 
Anpflanzung  eines  Laubholzrandes  im  Nadelholz  (z.  B.  der  Birke  auf  geringem  Boden, 
die  sehr  vorteilhaft  wirkt),  Begrünung  der  Schneisenfläche  auf  besserem  Boden,  An- 
bringung einer  schönen  Baumgruppe  von  seltenen  Holzarten  auf  den  Kreuzungen  der 
Gestelle,  an  denen  sich  auch  öfters  mit  guter  Wirkung  ein  Ruheplatz  mit  Bänken  her- 
stellen lässt,  —  alles  dies  sind  einfache  Massregeln,  mittelst  deren  sich  manches  er- 
reichen lässt.  Selbst  die  Anpflanzung  von  Topinamburgruppen,  nach  gehöriger  Boden- 
düngung, gleichzeitig  zur  Beschaffung  von  Wildäsung  auf  geeigneten  Blossen  könnte 
man  hierher  rechnen.    Nicht  minder  würde  Anbau  der  Lupine  günstig  wirken. 

Was  die  Zerlegung  des  Waldes  in  einzelne  Hiebszöge  anlangt,  so  spielt  dieselbe 
im  Nadelholz  eine  grosse  Rolle  und  es  gilt  als  Regel,  diese  Hiebszüge  möglichst  zu 
vervielfältigen.  Wirtschaftlich  ist  dieses  Streben  auch  gewiss  insofern  gerechtfertigt, 
als  mittelst  der  erlangten  Mehrzahl  von  Anhieben  leichter  als  sonst  jeder  einzelne  Be- 
stand in  dem  Zeitpunkt  seiner  wirtschaftlichen  Reife  vom  Hiebe  getroffen  werden  kann. 
Hat  man  ja  diese  Bildung  vieler  Hiebszüge  geradezu  als  einen  Ausfluss  des  Reiner- 
tragsprinzips,  speziell  als  eine  Sächsische  Erfindung  hingestellt,  was  jedoch  nicht  zu- 
trifft, obschon  nicht  zu  leugnen  ist,  dass  gerade  in  Sachsen  dieses  System  besonders 
ausgebildet  ist.  Gerade  hier  hat  sich  jedoch  auch  schon  die  Kehrseite  der  Medaille 
gezeigt,  nämlich  die  Häufung  des  Windbruchs  bei  Stürmen  von  der  konträren  Seite, 
d.  h.  entgegengesetzt  der  als  herrschend  angenommenen  Richtung.  Es  ist  dies  über- 
zeugend von  Oberförster  Äugst  in  Olbemhau  in  einem  lesenswerten  Aufsatz  der  Allg. 
Forst-  u.  Jagdzeitung  (1900  S.  8  ff.)  nachgewiesen  worden  und  es  gereichte  dem  Ver- 
fasser zur  besonderen  Genugtuung,  auf  diesen  Missstand  schon  vorher  in  seiner  Schrift 
„Die  Forsteinrichtung'*  1898  S.  254  hingewiesen  zu  haben. 

So  wenig  nun  damit  über  eine  vernünftige  und  nicht  forcierte  Zerlegung  des 
Waldes  in  eine  Mehrzahl  von  Hiebszügen  der  Stab  gebrochen  werden  soll,  so  sei  doch 
vom  Standpunkt  der  Waldschönheitspflege  darauf  hingewiesen,  dass  da,  wo  man  die 
Zerreissung  vermeiden  will,  in  der  Einführung  femelschlagartiger  Wirtschaftsform  ein 
Mittel  gegeben  ist,  überständige  Bestandesteile,  an  welche  der  Hiebsfolge  gemäss  der 
Schlag  an  sich  noch  nicht  kommt,  im  voraus,  d.  b.  vor  dem  Gros  der  Abteilungsbe- 
stockung,  zu  verjüngen.  Auch  dieses  Mittel  findet  sich  in  der  bereits  angeführten  Forst- 
einrichtung des  Verfassers  (S.  257)  erwähnt. 

§8.  c)  Wahl  der  Holz-  und  Betriebsarten.  Sehr  häufig  sind  die 
auf  einem  gegebenen  Standort  zulässigen  und  gebotenen  Holzarten  so  fest  bestimmt, 
dass  dem  Forstmann  dabei  eine  erhebliche  Einwirkung  nicht  zutUUt.  Dass  in 
Deutschland  die  Nadelhölzer  weitaus  das  gr^Bste  Gebiet  im  Besitz  haben  (etwa  ^/s  der 
gesamten  Waldfläche)  ist  bekannt.  Vielfach  haben  sie  ehemalige  Laubholzflächen  er- 
obert, da  wo  die  Bestückung  derselben  herabgekommen  war  und  nur  noch  ein  küm- 
merliches Dasein  fristete,  wogegen  das  Nadelholz,  genügsamer  in  seinen  Anforderungen 
an  den  Boden,  noch  mit  Erfolg  erzogen  werden  konnte. 

Hätte  man  vom  Standpunkt  der  Waldschönheitspflege  aus  anders  handeln  sollen  ? 

Handbuch  d.  Foritw.    2.  Aufl.    I.  37 


578  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  Waldesschönheit. 

Gewiss  nicht !  Ein  gutes,  gedeihliches,  frisches  Wachstum  ist  durchaus  nötig,  wenn  ein 
Holzbestand  ein  schönes  Bild  gewähren  soll.  Und  die  Nadelhölzer  machen  doch  an 
Stelle  des  ehemaligen  rückgängigen  Laubwaldes  zumeist  diesen  Eindruck  des  freudigen 
Gedeihens.  Wirken  sie  zudem,  wie  dies  vielfach  geschieht,  durch  grosse  Ausdehnung 
in  einer  gewissen  Massigkeit,  so  wird  sich  vom  Standpunkt  der  Aesthetik  um  so  weni- 
ger etwas  gegen  sie  einwenden  lassen. 

Wo  Laubhölzer  genügend  gedeihen,  wird  man  sie  zu  erlialten  suchen.  Insbeson- 
dere gilt  dies  gegenüber  der  Buche,  deren  günstige  Seiten  in  §  4  hervorgehoben  wui-den. 

Im  übrigen  ist  Holzartenmischung,  nach  dem  alten  Satz:  variatio  delectat,  am 
Platze.  Aber  auch  hier  ist  die  Voraussetzung  der  Eignung  des  Standortes 
nicht  ausser  acht  zu  lassen.  Vielfach  hat  man  Mischbestände  begründet,  welche  den 
an  sie  zu  stellenden  Anforderungen  weder  in  wirtschaftlicher  noch  in  ästhetischer  Hin- 
sicht genügen.  Dazu  ist  namentlich  der  Versuch  einer  koullssenförmigen  Erziehung 
von  Buchen  in  Nadelholzjungwüchsen  zu  rechnen,  welche  viel  Verschwendung  an  Kul- 
turmitteln mit  wenig  Erfolgen  hervorgerufen  hat.  Dagegen  macht  die  Einmischung 
des  Nadelholzes  in  die  Buchenbestände,  welche  wirtschaftlich  so  wichtig  ist,  auch  für 
den  Freund  der  Waidesschönheit  einen  guten  Eindruck.  Die  Mischung  der  Kiefer  mit 
unterständigen  Buchen,  welche  alle  Blossen  so  schön  begrünen,  mit  Fichten,  welche  auch 
für  die  Wildhege  eine  gewisse  Bedeutung  haben,  mit  Birken,  insbesondere  an  den  Be- 
standesrändem,  wo  sie  weniger  schaden  und  in  ihrem  Effekt  besser  hervortreten,  wäre 
hier  zu  erwähnen. 

Die  Einmischung  von  Kiefern  in  die  Fichtenbestände  wirkt  hingegen  öfters  recht 
ungünstig,  da  sie  vielfach  sperrigen  W^uchs  der,  in  ihrer  Jugendentwickelung  voraus- 
eilenden Kiefer  erzeugt,  welcher  weder  wirtschaftlich  noch  ästhetisch  befriedig. 

Ueber  die  Wahl  der  Betriebsarten  ist,  nachdem  ihre  Wirkung  in  §  5  be- 
sprochen worden  ist,  wenig  mehr  zu  sagen.  Die  Statistik  belehit  uns,  wie  minimal 
Mittel-  und  Niederwald  im  Verhältnis  zur  Gesamtwaldfläche  in  Deutschland,  nämlich 
nur  mit  je  etwa  6  Prozent  auftreten,  so  dass  schon  jetzt  dem  Hochwald  der  Löwen- 
anteil in  der  Zusammensetzung  des  deutschen  Waldes  zufällt.  Dieses  Verhältnis  wird 
sich  nach  dem  natürlichen  Verlauf  der  Dinge  in  der  Zukunft  noch  mehr  zu  gunsten 
des  Hochwaldes  verschieben,  besonders  was  das  weitere  Verschwinden  des  unrentablen 
Niederwaldes  anlangt,  dessen  Rente  namentlich  im  Schäl wald  mehr  und  mehr  zurückgeht. 

Im  Mittelwald  ist  zwar  die  Rentabilität  ebenfalls  im  allgemeinen  nicht  her- 
vorragend, aber  gewiss  noch  der  Aufbesserung  fähig;  wo  er  also  ästhetisch  günstig 
wirkt,  wie  z.  B.  längs  beliebter  Strassen  und  Wege,  zur  Erhaltung  des  landschaftlichen 
Bildes  an  weithin  sichtbaren  Kuppen  und  Abhängen,  in  der  Nähe  von  Ortschaften  und 
Wohnsitzen,  sollte  man  ihn  auf  geeignetem  Standort,  der  sein  ferneres  Gedeihen  er- 
warten lässt,  beibehalten.  Als  Vermittler  des  Uebergangs  von  einem  Park  in  den  Wald 
wird  er  besonders  in  Betracht  zu  ziehen  sein. 

Eine  besondere  Bedeutung  hat  der  Femel-  oder  Plenterwald,  welcher 
—  ähnlich  dem  Mittelwald  —  den  Vorzug  besitzt,  dass  bei  seinem  Betrieb  das  Bild 
der  Gegend  möglichst  wenig  verändert  wird.  Dass  seine  gedeihliche  Erhaltung  an  eine 
ausreichende  Gunst  des  Standortes  geknüpft  ist,  wurde  bereits  früher  erwähnt.  Wenn 
man  ihn  an  Orten  hat,  deren  forstliche  Behandlung  den  Schönheitsrücksichten  besonders 
Rechnung  tragen  soll,  so  behalte  man  ihn  bei.  Vielfach  lässt  sich  der  Mittelwald  auf  die 
denkbar  einfachste  Weise  in  ihn  überführen,  indem  man  nur  mit  den  Unterholzhieben 
aufzuhören  und  den  ünterbestand  in  regelmässigem  Turnus  zu  durchhauen  braucht,  wobei 
die  Regeneration  auf  genügend  grossen  oberholzfreien  Flächenteilen  Hand  in  Hand  zu  gehen 
hat  mit  dem  Auszug  abständiger  und  sonst  ungeeigneter  Stämme  und  mit  dem  Durch- 


Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönheit.     §  9.  579 

hieb  der  Mittelholzklassen. 

Auch  der  Femelwald  findet  seinen  Platz  längs  der  Spazierwege,  in  der  Umgebung 
von  Schlössern  und  sonstigen  Wohnplätzen.  Bei  Eisenach  findet  man  ihn  als  Betriebs- 
form in  der  sog.  Landgrafenschlucht  und  an  anderen  Orten. 

Es  bedarf  für  seine  Behandlung  keiner  besonderen  Massregeln  der  Forsteinrich- 
tung, insbesondere  nicht  bei  der  formellen  Darstellung  der  zu  treffenden  Bestimmungen 
im  Forsteinrichtungswerk.  Ein  geschickter  Forsteinrichter  bringt  dieselben  im  Rahmen 
des  gewöhnlichen  Wirtschaftsplanes  für  den  Hochwald  und  ohne  Ausscheidung  einer 
besonderen  Betriebsklasse  leicht  unter.  Die  Führung  des  Betriebs  ist  von  den  subjek- 
tiven Ansichten  des  Wirtschafters  bei  dieser  Betriebsart  abhängiger  als  bei  den  meisten 
anderen  Waldformen.  Er  gestattet  darin  die  grösste  Freiheit,  insbesondere  hinsichtlich 
der  mehr  oder  weniger  dunklen  Haltung  der  Bestände. 

Ein  solcher  Femelbetrieb  muss  auch  die  Wirtschaft  der  Waldgruppen  im  Park 
sein,  bei  welchen  sehr  oft  der  grosse  Fehler  gemacht  wird,  dass  man  nichts  schlägt 
als  das  abständige  Holz,  so  dass  öfters  ein  Ueberalter  in  Verbindung  mit  Massenab- 
gängigkeit  eintritt,  welchem  durch  die  in  regelmässigem  Turnus  wiederkehrenden  Femel- 
hauungen,  verbunden  mit  der  nötigen  Regeneration,  am  besten  vorzubeugen  ist.  Im 
übrigen  unterscheidet  sich  die  Parkwirtschaft  von  dem  Forstbetrieb  dadurch,  dass 
grössere  Geländeabschnitte  als  Rasenflächen,  auf  denen  einzelne  Gruppen  und  schöne 
Solitärbäume  zerstreut  sein  können,  mit  den  eigentlichen  Femelwaldpartien  abwechseln, 
wobei  im  Park  noch  die  Anlage  und  Pflege  der  Blumen,  als  Schmuck  der  Landschaft 
hinzukommt.    Für  derartige  Anlagen  ist  im  Wirtschaftswald  kein  Raum. 

§  9.  d)  Betrieb  der  Yerjüngungshauungen.  Ohne  Zweifel  ist  der 
Waldesschönheit  diejenige  Art  der  Yerjüngungshauungen  am  günstigsten,  bei  welcher 
am  wenigsten  ein  gewaltsames  Eingreifen  in  die  Harmonie  der  Landschaftsbilder  not- 
wendig wird.  Nach  diesem  Gesichtspunkt  wird  die  Wahl  der  Betriebsarten  zu  erfolgen 
haben ;  durch  dieselbe  wird  die  Art  der  Verjüngung  und  der  dazu  erforderlichen  Hiebs- 
führungen im  Grossen  bereits  bestimmt.  Einer  besonderen  Besprechung  bedarf  hiernach 
eigentlich  nur  die  Art  der  Hauungen  zur  Verjüngung  des  Hochwaldes.  Wir  haben  hier 
als  Extreme  den  Kahlschlagbetrieb  und  das  Femelschlagverfahren,  welches  bei  Betrach- 
tung der  Betriebsarten  bereits  besprochen  wurde.  Zwischen  beiden  steht  der  Schirm- 
schlagbetrieb, welcher  diegleichmässige  Durchführung  der  natürlichen  Verjüngung 
zum  Ziele  hat. 

Die  Wahl  des  einen  oder  des  anderen  Verfahrens  ist  wesentlich  mit  durch  die 
Standorts-  und  Bestockungsverhältnisse  bedingt ;  in  letzterer  Hinsicht  ist  die  Frage  des 
Schattenerträgnisses  der  vorhandenen  Holzarten  von  ausschlaggebender  Bedeutung.  Im 
grossen  Forstbetrieb  kommen  als  ausgesprochene  Schattenholzarten  nur  Tanne  und 
Buche  in  Betracht.  Bei  ihnen  wird  langsamer  Betrieb  der  Verjüngung  mit  der  Ab- 
sicht einer  horstweisen  Heranbildung  von  jüngeren  Bestandesteilen  verschiedenen  Alters 
zu  wählen  sein.  Was  die  F  i  c  h  t  e  anlangt,  so  kommt  natürliche  Verjüngung  für  die- 
selbe im  grossen  im  Hinblick  auf  die  wirtschaftlichen  Schattenseiten,  die  mit  ihr 
verbunden  sind,  weniger  in  Betracht  als  früher.  Hohe  Umtriebe  im  Verein  mit  gutem, 
empfänglichem  Boden  lassen  sie  noch  am  ersten  zu  und  es  stellt  sich  ausreichende  An- 
samung in  den  lichten  Altbeständen  hier  von  selbst  ein.  Eine  wesentliche  Förderung 
kann  sie  in  solchem  Falle  durch  Einlegung  lichtender  Durchhiebe,  welche  über  das  den 
Durchforstungen  zufallende  Mass  der  Bestandeslockerung  hinausgehen,  erhalten. 

Bei  der  K  i  e  f  e  r  ist  die  natürliche  Verjüngung  ebenfalls  nur  in  untergeordnetem 
Mass  zulässig.  Auch  bei  ihr  empfehlen  sich  die  erwähnten  Durchhiebe,  die  vielfach 
mit  Einbau  von  Schattenholzarten  zweckmässig  zu  verbinden  sind. 

37* 


580  Stoetzer:  Zar  Pflege  der  Waldesschönheit. 

Im  übrigen  verlangt  der  Wirtschaftswald  für  diese  beiden  Holzarten  in  der  Regel 
den  Kahlschlagbetrieb,  bei  dem  es  nar  darauf  ankommt,  durch  geeignete  Massnahmen 
seiner,  der  Waidesschönheit  sicherlich  bisweilen  nicht  zuträglichen  Wirkung  möglichst 
zu  begegnen. 

Hierzu  gehört  vor  allem  die  Forderung,  dass  die  Schläge  nicht  in  einer,  noch 
dazu  etwa  grösseren  Jahresfläche  fortgesetzt  aneinander  gereiht  werden,  wodurch  eine 
unschöne  Monotonie  hervorgerufen  wird. 

An  sich  ist  der  Eahlschlag  mitunter  von  recht  guter  Wirkung,  indem  durch  ihn 
bisweilen  überraschende  Ausblicke  geschaffen  werden. 

Ein  gutes  Beispiel  der  günstigen  Wirkung  des  am  rechten  Orte  ausgeführten 
Kahlabtriebes  bietet  ein  im  Ettersburger  Forst  bei  Weimar  geführter  Schlag.  Hier 
war  gegenüber  dem  Grossherzoglichen  Schlosse  eine  grosse  Bergwand  gleichmässig  mit 
gleichalterigem  Buchenwald  bestanden.  Der  berühmte  Füvst  Pückler-Muskau, 
dessen  hervorragendes  Geschick  in  der  Landschaftsgärtnerei  bekannt  ist,  war  dem 
Grossherzog  gegenüber  der  Meinung,  das  Bild  sei  zu  monoton ;  hier  müsse  ein  tüchtiger 
Schlag  eingelegt  werden.  Dies  geschah  auch  und  noch  heute  heisst  diese  Partie  der 
Pücklerschlag;  der  Boden  hat  sich  schön  berast  und  die  Wirkung  auf  das  Land- 
schaftsbild war  entschieden  eine  durchaus  günstige.  Von  demselben  Fürsten  Pückler 
wird  erzählt,  wie  er  gegenüber  seiner  Wohnung  einen  langgestreckten  eintönigen  Kie- 
fembestand  mit  gleichmässiger  Kontur  und  Farbe  vor  Augen  gehabt  habe,  der  ihm 
höchst  ermüdend  erschienen  sei.  Sofort  habe  er  ein  ganz  anderes  und  wesentlich 
günstigeres  Bild  erhalten,  als  er  mehrere  Hundert  Klafter  Holz  herausschlagen  liess 
und  dadurch  verschiedene,  das  Landschaftsbild  mannigfaltiger  gestaltende  Lücken,  so- 
wie eine  kunstgerechte  Nüancierung  der  Farben  vom  nahen  dunklen  Wald  bis  zur 
helleren  Farbe  des  entfernteren  schuft). 

Einen  viel  bewunderten  Effekt  erzielte  man  bei  Eisenach  an  der  sogenannten 
Weinstrasse  oberhalb  der  Aschburg,  als  man  eine  verwachsene  Aussicht,  die  sich  durch 
Köpfen  der  Bäume  nicht  mehr  genügend  frei  halten  liess,  durch  einen  entsprechenden 
Kahlhieb,  dessen  Fläche  verrasen  soll,  für  die  Dauer  öffnete. 

„Ich  dichte  mit  der  Axt'*,  sagte  Petzold,  der  bekannte  Muskauer  Land- 
schaftsgärtner, der  Schöpfer  vieler  herrlicher  Parkanlagen,  als  er  durch  einen  kräftigen 
Durchhieb  eine  höchst  anmutige  Femsicht  erschlossen  hatte  und  ihm  eine  Dame  deshalb 
das  Kompliment  machte:  „Sie  sind  gewiss  ein  Dichter!'* 

Abgesehen  von  dem  Ruhenlassen  des  Kahlschlages  bis  nach  wieder  erfolgter  Kultur, 
was  durch  eine  gewisse  Vervielfältigung  der  Anhiebe  erleichtert  wird,  ist  es  wichtig, 
längs  begangener  Wege  immer  erst  einen  Streifen  älteren  Holzes  stehen  zu  lassen,  bis 
die  hinter  demselben  angelegte  Kultur  etwas  emporgewachsen  ist.  Zeigt  man  mittelst 
derselben  dem  Publikum  das  Bild  einer  wohl  gelungenen,  freudig  emporwachsenden, 
hoffnungsvollen  Verjüngung,  so  wird  jeder  Einsichtige  mit  dem  Kahlschlagssystem  aus- 
gesöhnt sein! 

Die  sogenannten  Schutzschläge,  bestehend  in  der  Belassung  vorübergehen- 
den Ueberhaltes  über  den  auszuführenden  Nadelholzkulturen,  haben  vielfach  grosse  Miss- 
erfolge gezeitigt;  es  ist  dies  namentlich  auf  den  geringeren  Standorten  der  Fall,  auf 
denen  der  Entzug  atmosphärischer  Niederschläge  und  der  Mangel  an  Lichtgenuss  höchst 
nachteilig  zu  wirken  pflegt.  Günstig  kann  ein  solcher  Schirm  bei  Umwandlung  von 
Laubholz  in  Nadelholz  vnrken,  in  welchem  Falle  eine  Zurückhaltung  der  Stockausschläge 
von  Vorteil  ist. 


7)  V.  Salisch,  Forstästhetik.    2.  Aufl.    S.  156. 


Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönlieit.     §  10.  581 

Eine  besondere  Betrachtung  erheischt  noch  die  Frage  des  dauernden  Ueber- 
haltes,  insbesondere  älterer  Stämme,  zum  Zwecke  ihres  Fortwachsens  in  dem  be- 
gründeten Jungbestand.  Im  Nadelholz  \sird  derartiger  üeberhalt  —  abgesehen  von 
frei  erwachsenen,  fest  bewurzelten  Tannen  und  Kiefern  —  leicht  vom  Wind  geworfen. 
Laubholzbäume  ertragen  den  Freistand  gegenüber  dieser  Grefahr  besser;  aber  vielfach 
findet  man,  dass  sie  gipfeldürr  und  eingängig,  daher  mit  der  Zeit  unschön  werden,  so 
dass  ihre  nachträgliche  Entfernung  doch  noch  erforderlich  wird. 

Ab  und  zu  einige  schön  bekrönte  malerische  Laubholzbäume  an  viel  begangenen 
Wegen  stehen  zu  lassen,  verdient  aber  gewiss  empfohlen  zu  werden.  Nicht  zu  billigen 
ist  hingegen  ein  solcher,  wirtschaftlich  fast  stets  ungünstiger  Üeberhalt  in  abgelegenen 
Gebieten,  überhaupt  im  Inneren  der  Bestände,  wo  er  nur  mit  Schwierigkeiten  wieder 
zu  entfernen  ist.  Hier  wird  er  von  den  Waldbesuchem  kaum  beachtet  und  kann  auf 
den  Fachmann  nur  ungünstig  einwirken,  so  dass  die  Wirtschaft  leicht  eine  abfällige 
Beurteilung  erfährt. 

Alte  Baumriesen  hingegen,  die  uns  aus  der  Vorzeit  überkommen  sind,  sollen 
wir  hegen  und  sie  erhalten,  solange  es  angängig  ist;  besonders  ist  ihre  Umfassung 
mit  einer  Bank,  nötigenfalls  unter  Zugänglichmachung  durch  einen  Pfad,  zweckmässig. 
Auch  empfiehlt  sich  wohl  eine  Namensgebung  unter  Anbringung  einer  Namenstafel, 
oder  eines  sinnigen  Spruches. 

Sehr  schön  und  beherzigenswert  sagt  über  solche  Bäume  Burckhardt  in  seinem 
Werke  „Säen  und  Pflanzen^ :  „Dem  alten  Eremiten  aber,  dem  Zeugen  mächtiger  Natur- 
kraft, an  dem  Jahrhunderte  und  ganze  Grenerationen  mit  ihrer  Geschichte  vorüber- 
gingen, der  vielleicht  unter  Millionen  Bäumen  seinen  besonderen  Namen  führt  und, 
weithin  bekannt,  schon  manchen  Sohn  des  Waldes  unter  seinem  Dache  sah,  —  ihm 
gönne  seine  Stätte,  bis  der  Sturm  ihn  bricht  oder  sein  letztes  Blatt  verblichen  ist. 
Dann  setze  ihm  einen  jungen  Stamm  zum  Andenken  und  zum  Namenserben,  —  ein 
Merkzeichen  des  Ortes  im  weiten  Walde  !^ 

§10.  e)Zwischenhauungen.  Die Wicbtigkeit  der  Bestandespflege  mittelst 
der  Ausläuterungen  und  Durchforstungen  ist  so  allgemein  anerkannt,  dass  ihre  Durch- 
führung als  ein  hervorragender  Punkt  im  Programm  der  modernen  Forstwirtschaft  be- 
zeichnet werden  muss.  Ein  Konflikt  zwischen  Verstand  und  Gemüt  ist  bei  Betätigung 
dieser  waldpfleglichen  Massregeln  kaum  zu  befürchten.  Die  Ausläuterungen  stehen  in- 
sofern auch  mit  im  Dienst  der  Waldästhetik,  als  durch  sie  die  Bestandesmischung, 
welche  meist  waldverschönernd  wirkt,  besonders  gepflegt  werden  soll. 

Was  die  Durchforstungen  anlangt,  so  dienen  auch  sie  mit  zur  Pflege  der 
Mischhölzer ;  im  übrigen  ist  heute  kein  Zweifel  darüber,  dass  bei  ihrer  Ausführung  eine 
Erhaltung  des  bodenschützenden  Unterbestandes  keineswegs  mehr  ausser  acht  gelassen 
werden  darf,  wie  solches  früher  bisweilen  in  einer,  die  Waldesschönheit  beeinträchtigen- 
den Weise  geschah,  indem  man  alles  unterdrückte  Bestandesmaterial  beseitigte  und 
dadurch  die  Bestände  ganz  durchsichtig  gestaltete,  was  ästhetisch  entschieden  ungünstig 
wirkte.  Die  „Durchforstung  im  Herrschenden"  (Hochdurchforstung),  welche  die  Pflege 
hervorragender  Stämme  durch  Beseitigung  der  sie  beengenden  Nachbarn  bezweckt,  för- 
dert die  Entwickelung  der  besonders  gut  veranlagten  Individuen  des  Bestandes  und 
gestaltet  dadurch  das  Bild  des  letzteren  besonders  erfreulich,  um  so  mehr,  als  durch 
den  Lichteinfall,  welcher  die  Lockerung  des  Kronenschlusses  bewirkt,  dem  lebensfähigen 
Unterstand  eine  Förderung  in  seinen  Daseinsbedingungen  zu  teil  wird.  Diese  Art  der 
Durchforstung  im  forstästhetischen  Interesse  besonders  gepflegt  und  empfohlen  zu  haben, 
ist  ein  Verdienst  des  Herrn  von  Salisch  auf  Postel.  Unter  dem  Namen  Posteier 
Durchforstung  hat  sie  sich  das  Bürgerrecht  im  Deutschen  Walde  erworben. 


582  Stoetzer:  Zar  l^ege  der  Waldesschönheit. 

Auch  der  Aushieb  vorgewachsener  sperriger  Protzen  za  gnnsten  entwickelnngs- 
fähiger,  aber  seither  beherrschter  Stämme  geringeren  Kalibers  ist  im  ongleichmässig 
erwachsenen  Bestand,  wie  ihn  beispielsweise  fortgewachsener  Mittelwald  bietet,  nichts 
weniger  als  die  Waldesschönheit  beeinträchtigend.  Die  Zweckmässigkeit  der  Massregel 
söhnt  auch  den  einsichtigen  Laien  mit  dem  Fällen  einzelner  Banmriesen  ans.  Auch 
wird  dadarch  oft  die  Verjüngung  günstig  eingeleitet  und  so  die  Mannigfaltigkeit  des 
Bildes  erhöht. 

Die  Erhaltung  des  schön  geschlossenen  Waldmantels  mit  der  tief  herabgehenden 
Beastung  seiner  einzelnen  Glieder  entspricht  ebenso  einer  Forderung  des  wirtschaft- 
lichen Bedürfnisses  zur  Abhaltung  des  Windes  und  zur  Verhinderung  der  Bodenaus- 
trocknung, als  einer  Rücksicht  auf  die  Erhaltung  landschaftlicher  Schönheit. 

§  11.  f)  Kulturen.  Im  heutigen  Wirtschaftswald  spielt  der  Kulturbetrieb 
eine  grosse  Rolle,  besonders  im  Nadelholz.  Die  Saat  als  Bestandesbegründungsmethode 
ist  gegenüber  der  Pflanzung  mehr  und  mehr  zurückgetreten.  Wichtig  ist  für  die  Aus- 
führung der  letzteren  vor  allem  die  Erziehung  besten  Pflanzmaterials,  welches  der  gut 
gehaltene  ständige  Forstgarten,  dessen  Bodenkraft  durch  angemessene  Düngung  erhalten 
wird,  am  sichersten  liefert.  —  Solche  Gärten,  mit  vielversprechenden  Pflänzlingen  der 
verschiedenen  Holzarten  in  der  erforderlichen  Altersabstufung  besetzt,  mit  reinlich 
gehaltenen  Wegen,  einer  soliden,  der  umgebenden  Natur  angepassten  Einfriedigung, 
dazu  mit  einer  passenden,  im  Naturstil  errichteten,  vielleicht  mit  wildem  Wein  umrank- 
ten Hütte  zur  Unterbringung  der  Kulturgeräte  und  zur  Unterkunft  der  Arbeiter  wäh- 
rend der  Arbeitspausen,  gewähren  meist  im  Walde  einen  wohltuenden  Eindruck  der 
wirtschaftlichen  Ordnung  und  wirken  daher  ästhetisch  günstig.  Ihre  gute  Instandhaltung 
lässt  ohne  weiteres  auf  einen  sorgsamen,  umsichtigen  Revierverwalter  schliessen. 

Die  mit  gutem  Pflanzenmaterial  ausgeführte  Pflanzung  bietet  die  sicherste  Gewähr 
für  rasches  Anwachsen  und  gute  Entwickelung.  Eine  solche  frohwflchsige  Kultur  bietet 
das  Bild  der  kraftstrotzenden  Jugend,  sie  wirkt  auf  die  Beschauer  immer  angenehm. 
Nicht  im  mindesten  störend  wirkt  hierbei  auf  den  eigentlichen  Schlägen  die  Bevorzugung 
der  geraden  Reihen,  des  Bildes  strammer  Ordnung,  welche  einen  erfreulichen  Eindruck 
machen.  Dass  an  Berghängen  die  Pflanzreihen  in  der  Richtung  des  stärksten  Gefälles 
angelegt  sind,  ist  ästhetisch  am  vorteilhaftesten;  unschön  wirkt  es,  wenn  sie  schief 
gegen  die  Horizontalen  verlaufen. 

Auch  im  älteren  Bestand  wirkt  die  Reihenstellung  der  Bäume  nur  günstig.  Der 
Beschauer  weiss  ja,  dass  er  im  Wirtschaftswald  und  nicht  im  Park  sich  befindet.  Bei 
Eisenach  befindet  sich  eine  Strahlenpflanzung  von  jetzt  etwa  80jährigen  Fichten,  ange- 
legt von  Oberforstrat  König,  bei  welcher  die  Pflanzreihen  radienartig  von  einem  Zentrum 
aus  verlaufen.  Noch  jeder  Besucher  des  dortigen  Forstgebietes,  dem  der  Verfasser 
dieselbe  zu  zeigen  Gelegenheit  hatte,  war  angenehm  überrascht  von  dem  schönen  Bilde 
der  Symmetrie  und  der  ansprechenden  Abwechselung  mit  dem  Naturwalde. 

Anders  ist  es  vielleicht  bei  der  Bepflanzung  von  Blossen  und  öden  Stellen,  an 
denen  wohl  eine  unregelmässige  Stellung  sowie  eine  Ausführung  mit  ungleich  hohem 
Material  besser  wirkt,  als  die  gerade  Linie  und  gleichmässiges  Pflanzmaterial. 

Was  die  Belassung  von  Ueberhaltschirm  über  den  Kulturen,  von  schmalen  Alt- 
holzstreifen längs  derselben  an.  den  Wegen  zur  Verschleierung  der  Abtriebsflächen  an- 
langt, so  ist  das  Erforderliche  schon  in  dem,  von  dem  Betrieb  der  Verjüngungshau- 
ungen  handelnden  Abschnitt  mitgeteilt.  Nicht  minder  ist  in  Hinsicht  auf  die  Wahl  der 
anzubauenden  Holzarten  das  Nötige  schon  erwähnt  worden. 

Ueber  die  auf  freien  Flächen  im  Walde  vorzunehmenden  Anpflanzungen  wird  im 
folgenden  Abschnitt  noch  einiges  gesagt  werden. 


Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönbeit.     §  12.  583 

§  12.  g)  Behandlung  des  forstlichen  Nebengrnndes.  Kommen 
im  Walde  grössere  oder  kleinere  Flächen  von  Wiesen,  Hutflächen,  Ackerländereien, 
sowie  Gewässern  vor,  so  erfordert  deren  Behandlung  die  besondere  Sorgfalt  des  Forst- 
mannes, die  hier  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Schönheitspflege  kurz  besprochen  wer- 
den soll. 

Ackerflächen  wirken  meist  monoton  und  ungünstig,  besonders  zur  Zeit  nach 
der  Abemtung,  die  vielfach  ein  Bild  der  Unordnung  hinterlässt,  wie  dies  beispielsweise 
der  abgeerntete  Kartoffel-  oder  Eübenacker  zeigt.  Auch  die  Düngung  und  Bestellung 
bringt  öfters  wenig  schöne  Bilder.  Als  Wildfelder  haben  sie  aber  in  dem,  mit  Rotwild 
besetzten  Jagdrevier  ihre  wohlberechtigte  Stelle  und  sind  hier  für  den  Forstmann  be- 
sonders wertvoll,  da  sie  mit  dazu  dienen,  dem  Wild  ausreichende  Aesung  zu  gewähren 
und  dadurch  die  Beschädigung  der  Holzwüchse  einschränken  zu  helfen.  Wo  dieses  Motiv 
nicht  vorliegt  und  sie  auch  nicht  als  Dienstland  der  Beamten  nötig  sind,  sollte  ihre 
Umwandlung  in  Wald  als  Regel  in  das  Auge  gefasst  werden. 

Anders  ist  die  ästhetische  Wirkung  der  Wiesen,  welche  meist  zur  Erhöhung 
der  landschaftlichen  Reize  einer  Gegend  beitragen,  namentlich  in  Form  von  Wies- 
gründen, die  vielleicht  von  einem  hellen,  munter  rieselnden  Wasserlauf  durchströmt 
sind.  Es  lässt  sich  allerdings  nicht  leugnen,  dass  solche  offene  Talzüge  manchmal  recht 
unliebsam  den  Wind  in  das  Innere  des  Waldes  hineinleiten  und  dadurch  zu  Bruchbe- 
Schädigungen  Anlass  geben.  Dagegen  hilft  nur  die  sorgfältige  Erhaltung  der  Wald- 
mäntel ! 

Im  übrigen  ist  oberste  Bedingung  des  günstigen  Eindruckes  einer  Wiesenfläche 
das  Vorhandensein  einer  guten,  gleichmässigen  Grasnarbe.  Dies  wird  in  erster  Linie 
durch  gute  Planierung,  unter  Beseitigung  aller  Hügel  und  Buckel,  mit  Ausfüllung  vor- 
handener Vertiefungen,  unter  Ansaat  der  hergestellten,  gleichmässig  abgedachten  Flächen 
mit  guter  Grassamenmischung,  bewirkt.  In  zweiter  Linie  kommt  Bewässerung  in  Be- 
tracht, zu  welchem  Zweck  der  Aufstau  eines  vorhandenen  Wasserlaufs  zur  Berieselung 
der  glatten  Rasenfläche  mittelst  des  anzulegenden  Netzes  von  Bewässerungsgräben 
nötig  ist.  Endlich  ist  tüchtige  Düngung,  insbesondere  mit  kalk-  und  phosphorhaltigen 
künstlichen  Düngemitteln,  unter  denen  besonders  Thomasschlacke  in  Betracht  kommt, 
nötig.    Etwa  vorhandene  Moosschichten  sind  mit  der  Rollegge  vorher  zu  beseitigen. 

Auf  diese  Weise  wird  bald  eine  üppige  Gras-  und  Kleevegetation  emporspriessen, 
durch  welche  sowohl  das  landschaftliche  Bild  sehr  gewinnt,  als  auch  der  Ertrag  nam- 
haft gesteigert  wird.  Welcher  Beitrag  hierdurch  auch  für  die  Wildäsung  zu  gewinnen 
ist,  bedarf  keiner  näheren  Ausführung! 

Die  Ränder  solcher  Wiesflächen  sehen  unschön  aus,  wenn  sie  auf  längeren  Strecken 
schnurgerade  verlaufen.  Schön  geschwungene  Bogenlinien  mit  Ein-  und  Ausrundungen 
verdienen  vor  der  geraden  Linie  den  Vorzug. 

Sorgfältige  Erhaltung  vorhandener  Waldmäntel  ist  ebenfalls  wichtig.  Die  Man- 
nigfaltigkeit in  den  Holzarten  lässt  sich  im  Wald,  dessen  Bestockung  meist  schon  ge- 
geben ist,  nicht  so  leicht  herstellen,  als  im  Park.  Die  zur  Abrundung  der  Grenzen 
öfters  zweckmässig  noch  vorzunehmenden  Anpflanzungen  gewähren  'hierzu  geeignete 
Gelegenheit. 

Bei  grösserer  Ausdehnung  von  Wiesenflächen  ist  eine  Unterbrechung  des  Bildes 
durch  Holzanpflanzung  geboten.  Es  ist  hier  gruppenweiser  Anbau  am  Platze.  An  den 
Wasserläufen  pflanzt  man  ab  und  zu  eine  Gruppe  von  Roterlen  oder  kanadischen  Pap- 
peln, auch  wohl  an  einem  grösseren  Wasserspiegel  baumartige  Weiden  (Salix  alba  und 
fragilis).  Auch  die  Silberpappel  findet  hier  ihre  Stelle  als  Einzelbaum.  Auf  weniger 
feuchtem  Boden  werden  Eichen,  Kastanien,   auch  Buchen  ihre  Stelle  finden.    Nament- 


584  Stoetzer:  Zur  Pflege  der  Waldesschönheit. 

lieh  ist  hier  Roteiche,  sowie  Blatbuche  am  Platze. 

Den  Blick  mittelst  einer  vollständigen  Dnrchqnernng  des  Wiesenverlaufs  durch 
einen  Holzstreifen  hemmen  zn  wollen  —  eine  Operation,  die  man  „das  Stopfen*'  einer 
Aussicht  nennt  — ,  ist  nicht  zu  empfehlen,  es  genügt  das  abwechselnd  koulissenartige 
Vorschieben  genügend  grosser  Gruppen,  in  denen  femel-  oder  mittelwaldartiger  Betrieb 
am  Platze  ist,  mittelst  dessen  abständig  werdende  Bäume  unauffällig  beseitigt  werden 
können.  Zn  diesen  sind  namentlich  die  Pappelarten  zu  zählen,  die  sich  durch  rasches 
Wachstum  in  der  Jugend  empfehlen,  woneben  aber  mit  Rücksicht  auf  den  zeitigen  Ein- 
tritt des  Absterbens  von  Gipfeln  und  Seitenästen  auf  Ersatz  durch  Anpflanzung  ande- 
rer Holzarten  gesehen  werden  muss. 

Bei  freistehenden  Bäumen  auf  Rasenflächen  ist  die  obstbaumartige  Behandlung 
der  zu  pflanzenden  Heister  durch  Rückschneiden  des  Gipfeltriebes  mitunter  kein  Fehler, 
so  sehr  diese  Operation  für  den  Waldbaum  als  Misshandlung  bezeichnet  werden  muss. 
Sie  führt  zu  breit  ausgeladenen  Kronen,  die  recht  malerisch  wirken.  Beispiele  dazu 
tindet  man  im  Mariental  bei  Eisenach  an  einer  langen  Reihe  solcher  einen  Promenaden- 
weg einsäumenden  Buchen. 

Hutflächen  bepflanzt  man  mit  Heistern  in  weitläufiger  Stellung.  Sehr  ge- 
eignet ist  die  Eiche  bei  vorhandener  genügender  Bodenfrische.  Auf  trockenem  Boden 
kommt  das  Nadelholz  und  unter  ihm  namentlich  die  Lärche  in  Betracht,  die  sich 
hier  in  dem  ihr  besonders  zusagenden  Einzelstande  meist  gut  entwickelt.  Sonstige 
Nadelhölzer  sind  zweckmässig  in  ungezwungenen  kleinen  oder  grösseren  Gruppen  an- 
zupflanzen. 

Die  Waldgewässer  können  als  Bäche,  Teiche,  selbst  Seen  vertreten  sein. 
Was  die  Bäche  anlangt,  so  ist  die  Instandhaltung  der  Ufer  durch  Beseitigung  von 
Abbruchen,  sowie  durch  Uferbefestigungen  wichtig.  Versandungen  sind  immer  recht- 
zeitig zu  heben  und  durch  Regulierung  des  Gefälles,  unter  Umständen  mit  Vertiefung 
des  Bettes  zu  verhindern.  Recht  wichtig  ist  die  stellenweise  Stauung  eines  Baches, 
behufs  Gewinnung  grösserer  Wasserflächen  und  zur  Herstellung  eines  Reservoirs  für 
die  wasserarme  Zeit  des  Sommers.  Auch  die  Schaffung  künstlicher  Wasserfälle  kann 
hier  zur  Belebung  des  Bildes  in  Betracht  kommen. 

Bei  Teichen  und  Seen  handelt  es  sich  hauptsächlich  um  die  Freihaltung  der  Ufer 
von  unschön  erscheinenden  Gewächsen,  welche  den  Wasserspiegel  bisweilen  einengen. 
Dazu  kommt  noch  einige  Anpflanzung  von  Erlen,  Pappeln,  Weiden  und  sonstigen 
Sträuchem  und  Bäumen  zur  Umsäumung,  in  welcher  Hinsicht  allgemeine  Regeln  kaum 
gegeben  werden  können. 

§13.  h)  Die  Wege  im  Walde.  Bei  aller  Waldverschönerung  bleibt  einer 
der  wichtigsten  Punkte  die  Zugänglichmachung  desselben  durch  gute  Wege.  Mögen 
einzelne  Schwärmer  den  ganz  unzugänglichen,  wilden  Wald  als  das  Ideal  und  dessen 
Entdeckung  auf  eigene  Faust,  frei  von  dem  Gängelband  der  planierten  Promenaden- 
wege, als  das  schönste  Ziel  preisen :  die  Mehrzahl  der  Naturfreunde  will  den  Wald  auf 
gangbaren  Wegen  besuchen  und  ist  dem  Forstmann  für  eine  Erschliessung  des  Waldes 
dankbar,  selbst  wenn  darin  nichts  Hervorragendes  an  Künsten  der  Waldästheük, 
sondern  nur  der  unverfälschte  Wirtschaftswald  geboten  wird,  der  fast  stets  auch  seine 
Schönheitsmomente  bietet. 

Der  Forstmann  wird  wohl  daran  tun,  dem  einmal  vorhandenen  Bedürfnis  des 
waldschwärmerischen  Publikums  nicht  ablehnend  entgegenzutreten,  sondern  das  Seinige 
dazu  beizutragen,  um  den  Besuch  in  geordnete  Bahnen  zu  lenken.  Nach  den  Erfah- 
rungen des  Verfassers  ist  es  zweckmässiger,  den  bezüglichen  Bestrebungen  der  Tou- 
ristenvereine  entgegenzukommen,    als  ihnen  feindlich  gegenüberzustehen.    Die  Wert- 


Massregeln  znr  Pflege  der  Waldesschönheit.     §  13.  585 

Schätzung  der  Forstwirtschaft  und  ihrer  Tätigkeit  kommt  einer  Verwaltung  bisweilen 
ungeahnt  (wie  z.  B.  bei  Waldbränden)  wieder  zu  gute.  Auch  zeigt  die  Erfahrung, 
dass,  wenn  es  an  gangbaren  Wegen  gebricht,  das  Publikum  leicht  planlos  im  ganzen 
Walde^  denselben  beunruhigend,  umherstreift,  wogegen  bei  Vorhandensein  geordneter 
Wegeanlagen  eine  weit  grössere  Ruhe  herrscht  und  die  grössten  Touristenströme  ohne 
Unordnung  durch  ein  Gebiet  hindurch  gewissermassen  von  selbst  geführt  werden.  Hier 
gilt  in  der  Tat  das  wahre  Wort  des  schon  mehrfach  genannten  Fürsten  Pückler- 
Muskau:  „Wege  sind  stumme  Führer^. 

Wenn  sie  also  im  Dienste  der  Waldschönheitspflege  stehen  sollen,  so  müssen  sie 
auch  so  angelegt  sein,  dass  sie  an  schönen  Partien,  die  etwas  Interessantes  bieten, 
vorbeigeführt  werden  und  dieselben  den  Waldbesuchem  erschliessen.  Bisweilen  muss 
ein  kleiner  Nebenweg  auf  einen  bestimmten  Punkt  noch  extra  abgezweigt  werden. 

Ein  wichtiger  Punkt  bei  Anlage  solcher  Wege  ist  die  Vermeidung  ungeschickter 
und  den  Wanderer  ermüdender  Steigungen  im  Berglande.  Ein  Steigungsverhältnis  von 
mehr  als  12%  soll  ein  bequemer  Fussweg  nicht,  oder  doch  wenigstens  nur  vorübergehend 
bei  besonderen  erschwerenden  Umständen  aufweisen.  Ferner  muss  selbst  der  billigst 
zu  erbauende  Weg  mit  Sorgfalt,  unter  Benützung  eines  Nivellierinstrumentes,  nicht  nur 
nach  dem  oft  so  trügerischen  Augenmass,  abgesteckt  sein,  so  dass  eine  gleichmässige 
Verteilung  des  Gefälles  herauskommt.  Letztere  soU  die  Regel  bilden;  alles  verlorene 
Gefälle  ist  zu  vermeiden,  Ruhestrecken  mit  Gefälleermässigung  sind  nur  dann  am  Platze, 
wenn  sie  nicht  mit  ungewöhnlicher  Steigerung  des  Gefälles  an  anderen  Stellen  erkauft 
werden  müssen  und  wenn  es  sich  darum  handelt,  längs  eines  besonders  schönen  Land- 
schaftsbildes den  Wanderer  länger  verweilen  zu  lassen. 

Die  schönen  Biegungen,  welche  im  Gebirge  sehr  oft  an  den  Wegeanlagen  erfreuen, 
indem  sie  die  Mannigfaltigkeit  der  Aussichten  hervorrufen,  ergeben  sich  meist  von  selbst 
aus  der  Form  des  Geländes.  Man  kommt  aus  einer  Einbiegung  ohne  weiteres  wieder 
an  einen  Rücken  mit  der  entgegengesetzten  Ausbiegung  und  erhält  sofort  ein  ande- 
res Bild. 

Man  hat  diesen  Wechsel  der  Aussichten  auf  den  in  der  Nähe  von  Eisenach  be- 
findlichen Waldwegen  besonders  angenehm  empfunden  und  daraus  gefolgert,  man  könne 
hier  lernen,  wie  die  Wege  mit  Rücksicht  auf  die  Vorbeiführung  an  schönen  Aussichten 
anzulegen  seien. 

Dieses  Kompliment  müssen  die  Eisenacher  Wegebauer,  zu  denen  sich  auch  der 
Verfasser  rechnet,  bescheiden  ablehnen.  Hier  in  dem  überaus  wechselnden  Gelände  mit 
den  tief  eingeschnittenen  Schluchten  und  Mulden  sowie  den  koiTespondierenden  heraus- 
tretenden Rücken  und  Köpfen  macht  sich  die  Gewinnung  von  Aussichten  verschiedener 
Art  ganz  von  selbst,  woraus  hervorgeht,  dass  an  der  Schönheit  der  Wegezüge  auch 
die  Mannigfaltigkeit  und  der  Wechsel  der  Bergformen,  der  wieder  durch  die  Natur  des 
Grundgesteines  bedingt  ist,  einen  grossen  Anteil  hat. 

Am  einfachsten  ist  bei  Gewinnung  einer  Höhenpartie  die  WegefÜhrung  so  zu 
legen,  dass  man  in  einer  Richtung  bleibt  und  manchmal  schraubenförmig  um  einen 
Bergkopf  oder  Bergkegel  herum  die  Linie  aufsucht.  Anders  ist  es,  wenn  die  gegebene 
Höhe  mit  einer  solchen  einfachen  Linie  nur  bei  Ueberschreitung  des  höchstzulässigen 
Gefälles  erreicht  werden  kann.  In  diesem  Falle  bleibt  nur  die  Anlage  von  Wider- 
gängen  (Serpentinen)  übrig  —  ein  Fall,  welcher  bei  naheliegenden  Eigentumsgrenzen 
öfters  vorkommt,  oder  auch  in  schluchtenartigem  Gelände,  welches  ebenfalls  nur  eine 
schmale  Basis  für  den  anzulegenden  Weg  darbietet. 

In  solchen  Fällen  hilft  man  sich  wohl  auch  so,  dass  man  dem  Weg  eine  un- 
erlaubte Steigung  gibt,   oder  bei  Fusswegen  durch  Herstellung  von  Treppen  die  Er- 


586  StoetEer:  Zar  Pflege  der  Waldcsschönheit. 

klimmnng  der  Höhe  ermöglicht.  Beides  sollte  tunlichst  vermieden  werden,  besonders 
aber  das  erstere.  Hier  sind  Serpentinen  das  beste  Anskunftsmittel.  Sie  sind  anch  bei 
geschickter  Anlage  nichts  weniger  als  das  ästhetische  Grefühl  verletzend,  son- 
dern in  dieser  Yoranssetznng  oft  ganz  elegant  und  schon  wegen  ihrer  Yorteilbaftigkeit 
durchaus  nicht  etwa  hässlich  wirkend.  Beispiele  sind  bei  Eisenach  mehrfach  zu  finden. 
Hauptsache  ist  nur,  dass  man  nicht  in  die  Widergänge  ein  starkes  Gefälle  bringt,  wie 
man  dies  manchmal  sieht,  anstatt  gerade  umgekehrt  dasselbe  zu  ermässigen  und  weiter, 
dass  die  unschönen  Geländeeinschnitte  und  Dämme  möglichst  bald  mit  Rasen  oder 
Strauchwuchs  (z.  B.  Hollunder)  oder  durch  Anpflanzung  von  dicht  wachsenden  Holz- 
arten (Fichte)  gedeckt  werden. 

Die  angelegten  Wege  geben  nun  Veranlassung,  ab  und  zu  an  besonders  interes- 
santen Punkten,  schönen  Ausblicken  in  die  Feme,  oder  auf  sehenswerte  Waldbilder, 
eine  einfache  Holzbank  zu  errichten.  Ihr  Vorhandensein  ladet  den  Wanderer  von  selbst 
zum  Halten  und  zur  Betrachtung  dessen  ein,  was  dem  Auge  hier  geboten  wird. 

In  der  Nähe  solcher  Wege  muss  auf  Ordnung  und  Sauberkeit  besonders  gesehen 
werden.  Die  weggeworfenen  Frühstückspapiere  lasse  die  Forstverwaltung  immer  wie- 
der sammeln  und  verbrennen.  Alle  Verbote  gegen  diese  Unsitte  des  Wegwerfens  helfen 
nichts ! 

In  der  Nähe  von  Wegen  befindliche  Quellen  soll  man  fassen;  passend  angelegte 
Natur  Wegweiser,  am  besten  grosse  Steinblöcke  mit  eingemeiselten  In- 
schriften, sollen  an  den  Kreuzungspunkten  den  Weg  zeigen.  Die  an  die  Bäume  ange- 
nagelten, anstatt  an  Säulen  befestigten  hölzernen  Wegweiser  sind  nichts  weniger  als 
schön,  wenn  auch  immer  noch  schöner  als  die  Farbenklexe  der  Touristenvereine. 

Die  Wasserläufe  mit  Naturbrücken  aus  Holz  zu  überschreiten,  birgt  die  Gefahr 
der  kurzen  Dauer  derselben  in  sich;  ebenso  ist  die  Anlage  von  Geländern  aus  natür- 
lich gekrümmten  Aststücken  recht  stilvoll,  aber  wegen  der  geringen  Haltbarkeit  nicht 
zu  empfehlen.  Steinerne  Brücken  mit  Mauereinfassung  statt  der  Geländer  sind  dauer- 
haft und  bei  entsprechender  Auswahl,  sowie  Behandlung  des  Materiales  leicht  der  Um- 
gebung anzupassen. 

Dass  die  Unterhaltung  der  Wege  eine  sorgfältige  und  ständige  sein  muss,  bedarf 
kaum  der  besonderen  Erwähnung,  nur  auf  die  gute  Erhaltung  der  Fussbänke 
an  den  Waldfahrwegen,  insbesondere  an  die  von  Zeit  zu  Zeit  vorzunehmende  Er- 
höhung derselben,  welche  mit  dem  Aufbringen  der  Steindecke  auf  der  Fahrbahn  Hand 
in  Hand  gehen  müsste,  aber  so  oft  vernachlässigt  wird,  sei  zum  Schluss  noch  aufmerk- 
sam gemacht. 

§14.  i)  Sonstige  Massnahmen.  Vor  allem  sei  hier  der  öfters  im  Wald 
vorkommenden  Bauwerke  von  Häusern,  Denkmälern,  Ruinen  gedacht,  deren  gute 
Erhaltung  und  sinnige  Schmückung  ihrer  Umgebung  durch  Anlagen,  wie  sie  dem  Cha- 
rakter des  Waldes  entsprechen,  nicht  ohne  Bedeutung  ist. 

Für  kleine  Hausbauten  im  Wald  (Jagdhütten,  Unterkunftshäuschen)  ist  der  Block- 
hausbau besonders  angemessen.  Einen  Fachwerkbau  sollte  man  wenigstens  immer  mit 
Holzschindeln  oder  grauen  Zementziegeln  bekleiden  und  decken. 

Einen  wesentlichen  Reiz  gewähren  öfters  im  Wald  Durchblicke  auf  entfernte 
hervorragende  Bauwerke,  z.  B.  Schlösser,  Elrchen.  Derartige,  bisweilen  durch  Abtrieb 
weniger  Stämme  zu  gewinnende,  unter  Umständen  jedoch  nur  mittelst  Ofifenhaltung 
genügend  langer  Schneisen  zu  erlangende  Bilder  wirken  meist  überraschend  günstig, 
sofern  der  zu  zeigende  Punkt  mit  seiner  Umgebung  malerisch  genug  ist.  Bei  Eisenach 
finden  sich  mehrere  derartige  Durchblicke  auf  die  altberühmte  stolze  Wartburg;  besonders 
überraschend  ist  derjenige  von  der  Höhensonne. 


Massregeln  zur  Pflege  der  Waldesschönheit.     §  14.  587 

Das  Tierleben  im  Walde  gehört  mit  zur  ästhetisch  vollkommenen  Ansgestal- 
tnng  desselben.  Im  schönen  Wald  verlangt  man  auch  Vogelgesang  und  freut  sich  ganz 
besonders,  ab  und  zu  ein  jagdbares  Tier  über  den  Weg  huschen,  oder  gar  auf  einer 
Lichtung  vertraut  äsen  zu  sehen. 

Was  die  Hegung  der  Vögel  anlangt,  so  bietet  schon  die  Erhaltung  alter 
Bäume  den  Höhlenbrütern  manchen  Schlupfwinkel,  ebenso  schafft  man  durch  die  Scho- 
nung des  Unterwuchses  vielfach  Gelegenheit  zur  Herberge  für  die  Nestbrüter.  Aber 
die  Anbringung  besonderer  Nistkästen  für  die  erstere  Kategorie  sollte  man  daneben 
nicht  vernachlässigen.  Eine  sorgfältige  Vertilgung  des  kleinen  Raubzeuges,  namentlich 
mittelst  Aufstellung  von  Eastenfallen  an  geeigneten  Orten,  müsste  zu  Hilfe  kommen. 
Selbst  das,  oft  fälschlich  für  harmlos  gehaltene  Eichhörnchen  verdient  als  Nesträuber 
keine  Schonung. 

Was  endlich  die  Wildhege  anlangt,  so  werden  manche,  der  Schönheitspflege 
des  Waldes  dienende  Massregeln,  insbesondere  die  gute  Behandlung  der  Waldwiesen, 
die  Erhaltung  des  den  Boden  schirmenden  Unterbestandes,  die  Pflege  und  Anzucht 
fruchttragender  Bäume,  wozu  besonders  die  Kastanie  zu  rechnen  ist,  auch  ihre  günstige 
Wirkung  auf  den  Wildstand  nicht  verfehlen.  Dass  ein  übermässiger  Hochwildstand 
bei  der  vorhandenen  Untugend  des  Schälens  der  Stangenhölzer  auch  Bilder  in  den  Be- 
ständen hervorrufen  kann,  die  nicht  nur  vom  wirtschaftlichen,  sondern  auch  vom  ästhe- 
tischen Standpunkt  aus  nicht  mehr  schön  zu  flnden  sind,  ist  jedem  Wirtschafter  in 
Hoch  Wildrevieren  bekannt.  Aber  doch  wäre  es,  auch  vom  waldästhetischen  Standpunkt 
aus,  zu  beklagen,  wenn  der  edle  Hirsch  deshalb  dem  Wald  fehlen  sollte.  Hier  die 
Vermittelung  zu  suchen,  kann  nicht  mehr  Gegenstand  unserer  Betrachtungen  sein. 


589 


Sachregister  zum  I.  Band. 

Die  Z&hlen  bezeichnen  die  Seiten.    Wird  ein  Gegenstand  auch  in  einem  der  andern  Bände  behandelt,  so  ist  in 

Klammer  auf  die  betr.  Stelle  verwiesen. 


Abies  258  ff. 

Abies  alba  250. 

Abiea  amabilis  265. 

Abies  arizonica  267. 

Abies  balsamea  267. 

Abies  bifida  268. 

Abies  bmchyphylla  268. 

Abies  bracteata  266. 

Abies  cepbalonica  264. 

Abies  cincica  265. 

Abies  concolor  266. 

Abies  fastigiata  263. 

Abies  firma  268. 

Abies  Fraseri  267. 

Abies  grandis  265. 

Abies  homoiepis  268. 

Abies  lasiocarpa  266. 

Abies  magnifica  266. 

Abies  mariesii  269. 

Abies  nobilis  266. 

Abies  Nordmanniana  264. 

Abies  pectinata  259  ff. 

Abies  pendula,  lus.  259. 

Abies  picbta  267. 

Abies  pinsapo  264. 

Abies  sacchalinensis  268. 

Abies  sibirica  267. 

Abies  umbilicata  268. 

Abies  Veitchii  268. 

Abies  Webbiana  265. 

Abietineae  245. 

Ableitung  der  Assimilate  237. 

Ableitung   des  Regenwassers 

vom  Blatt  212. 
Abschlämmbare  Teile  104. 
Absorption,  Bedingungen  für 

die  Pflanze  117. 
Absorption  desBodens  114. 11 5. 
Absprünge  212.  296  (II  19). 
Abtrag  durch  Eis  122. 
Abtrag  durch  Wasser  120. 
Abtrag  durch  Wind  123. 
Abtrag,  trockener  119. 
Acer,  Aceraceae  363  ff. 
Acer  califomicum  368. 
Acer  campestre  366. 
Acer  dasycarpon  367. 
Acer  monspessulanum  366. 
Acer  negundo  368. 
Acer    negundo    californicam 

368. 


Acer  nigrum  367. 
Acer  obtusatum  366. 
Acer  platanoides  365. 
Acer  pseudoplatanus  364. 
Acer  saccharinum  L.  367. 
Acer  tataricum  365. 
Acer  trilobum  366. 
Achselknospen  208. 
Ackerboden  103. 
Ackerkrume  103. 
Adventivknospen  208. 
Adventivwurzeln  204. 
Aecidium,  Aecidiospore  399. 
Aecidium  berberidis  405. 
Aecidium  columnare  402. 
Aecidium,  Peridermium  cono- 

rum  403. 
Aecidium  elatinum  402  (II 88). 
Aecidium  strobilinum  403. 
Aesculus  368. 
Aesculus  camea  369. 
Aesculus  hippocastanum  368. 
Aesculus  rubicunda  369. 
Aesthetische   Bedeutung    des 

Waldes  567. 
Agaricus  410. 

Agaricus  melleus  410  (II  86). 
Aglaospora  392. 
Ahlkirsche  355. 
Ahorn  363. 

Ahorn,  dreilappiger  366. 
Ahorn,  eschenblätteriger  368. 
Ahorn,  französischer  366. 
Ahorn,  stumpfblätteriger  866. 
Ahorn,  weisser  367. 
Ahorn,  wollfrüchtiger  367. 
Ahorn,  Bestandesbegründung 

499. 
Ahorn,  Betriebsart  562. 
Ailantus  360. 
Ailantus  glandulosa  360. 
Akazie  357. 
Akazie,  Bestandesbegründung 

499. 
Akazie,  Betriebsart  562. 
Aleppokiefer  287. 
Alluvium  145. 
Alm  111. 
Alnus  325  ff. 
Alnus  ambigua  327. 
Alnus  glutinosa  325. 


Alnus  incana  326. 

Alnus  pubescens  327. 

Alnus  viridis  327. 

Alpenerle  327. 

A]penmehlbeerbaum  353. 

Alpenrosen  375. 

Alpenrosenrost  405. 

Amelanchier  354. 

Amelanchier  rotundifolia  354. 

Amelanchier  vulgaris  354. 

Amphibol  129. 

Amur-Gelbholz  360. 

Amygdalus  354. 

Amygdalus  nana  354. 

Anhydrit  132. 

Anorthit  127. 

Antiklinen  217. 

Apatit  132. 

Apfelbaum  350. 

Apophyse  277. 

Apothecium  392.  394. 

Aragonit  111.  131. 

Arbeit  im  Forstbetriebe  91. 
92.  93  (IV  341  ff.). 

Arbutus  375. 

Arbutus  unedo  375. 

Arctostaphylos  375. 

Ar  kose  141. 

Arve,  bot.  293. 

Arve ,  Bestandesbegründung 
506. 

Aschenbestandteile  und  Be- 
darf der  Bäume  daran  73. 
74. 

Aschengehalt  233. 

Ascomyceten  387. 

Aspe  337. 

Assimilation  235  ff. 

Assimilation  der  Pflanze  183. 

Astholz  228.  229. 

Atemhöhle  220. 

Atlasceder  276. 

Atmung  231.  232. 

Atmung,  intramolekulare  232. 

Aueboden  145. 

Aufastungen  528. 

Aufnahme  des  Wassers  etc. 
233. 

Augen,  schlafende  210. 

Augit  129. 

Ausgaben   in   der   Forstwirt- 


590 


Sachregister  zum  I.  Band. 


Schaft  94.  95. 

Ausiätungen  510. 

Ausländieche  Holzarten,  Ein- 
führung derselben  438. 

Ausläuterungen  510. 

Auslichtungsschlag  456. 

Ausschlag- Verjüngung  459. 

Ausschlags  Waldungen  546. 

Austreiben  der  Knospen  237. 

Auswaschung  der  Böden  118. 

Auszugshauungen  53*2. 

Autobasidiomycetes  406. 

Bärentraube  875. 

Bakterien  im  Boden  147. 

Ballenpflanzung  492. 

Balsampappel  841. 

Balsamtanne,  Fräsers  267. 

Bandweide  835. 

Basalt  137. 

Basal  twacke  187. 

Basidiomycetes  398. 

Bastardeberesche  854. 

Bastfasern  215. 

Bastrüster  843. 

Baumgestalt  243. 

Baumffrenze  248. 

Baumhasel  822. 

Baumheide  375. 

Baumleben,  allg.  Bedingungen 
des  241. 

Baumregionen  15. 

Bedarf  der  Bäume  an  Mine- 
ralstoff 195. 

Beerenzapfen  302. 

Befruchtung  d.  Pflanzen  213. 

Beinholz,  Beinweide  380. 

Berberis  347. 

Berberis  vulgaris  347. 

Berberitze  847. 

Bergahom  364. 

Bergerle  327. 

Bergkiefer  282  ff. 

Bergkiefer,  Bestandesbegrün- 
dung 506. 

Bergmispel  850. 

Bergulme  343. 

Berührungsreize  240. 

Besenginster  359. 

Besenheide  375. 

Besenstrauch  359. 

Bestandesbegründung,  künst- 
liche 460. 

Bestandesbegründung,  natür- 
liche 448. 

Bestandesei-ziehung  507. 

Bestandesmaterial  415. 

Bestandeszucht  413. 

Betriebsarten  542. 

Betriebsumwandlungen  556. 

Betulaceae  819. 

Betula  alba  822.  824. ' 

Betula  fruticosa  824. 

Betula  humilis  324. 

Betula  lenta  325. 

Betula  nana  324. 

Betula  odorata  324. 


Betula  pendula  322. 

Betula  pubescens  324. 

Betula  verrucosa  822. 

Beugeiichte  250. 

Biota  Orientalis  299. 

Birke  822  ff. 

Birke ,    Bestandesbegründung 

499 
Birke,  Betriebsart  562. 
Birkenrost,   siehe  Melampso- 

ridium  401. 
Birnbaum,  wilder  351. 
Bittemuss  881. 
Blasenstrauch  358. 
Blattfleckenkrankheiten  385. 
Blattgestalt  211. 
Blattgrösse  211. 
Blatt-(Nadel-)Ki8sen  245. 
Blattlöcherpilze  385. 
Blattnarbe  212. 
Blattnervatur  211. 
Blattspuren  219. 
Blattstellung  210. 
Blauwerden   des  Nadelholzes 

392 
Bleisand  113. 
Bleistiftceder  304. 
Blüten  213. 
Blumenesche  375. 
Blutbuche  309. 
Bluteiche  813. 
Blutungssaft  237. 
Boden,  Bau  desselben  162. 
Boden  (Begriff)  103. 
Bodenbildung  105. 
Boden,  Bindigkeit  166. 
Bodendecke  180. 
Boden-Durchlässigkeit  171. 
Boden-Durchlüftung  176. 
Bodenflora  195. 
Bodengahre  164. 
Bodenkunde  103. 
Bodenlockerung  472. 
Bodenskelett  161. 
Boden,  Struktur  dess.  162. 
Bodenverarmung  118. 
Bohnenstrauch,  schwärzlicher 

859. 
Bordeauxkiefer  287. 
Borke  225. 
Botrytis  895. 
Brand  (der  Kiefer)  404. 
Branderde  118 
Brandkultur  der  Moore  159. 
Brauneisen  138. 
Braunstein  133. 
Breitblätteriger        Mehlbeer- 
baum 854. 
Breitblätteriger  Spindelbaum 

363. 
Breite  der  Jahresringe  229. 
Brennholzverbrauch    in     den 

Städten  u.  auf  d.  Lande  83. 
Bruchbirke  324. 
Bruchweide  338. 
Bruyöre-Holz  (Erica  arborea) 

875. 


Buchenhochwaldbetrieb,modi- 

fizierter  540. 
Buchen  -  Keimlingskrankheit 

887  (II  86). 
Buchenmüdigkeit  158. 
Buchsbaum  861. 
Bündel,  radiäres  219. 
Bündelscheide  220. 
Buffon:  Memoire  sur  la  con- 

servation  des  formte  7. 
Buntfichte  252. 
Buttenmss  829. 
Buttlar'sches  Eisen  492. 
Buxus  861. 
BuxuB  sempervirens  361. 

Caeoma  399. 

Gaeoma     abietis     pectinatae 

401. 
Gaeoma  pinitorqua  400. 
calabrische  Kiefer  288. 
Galluna  875. 
Galluna  vulgaris  875. 
Gallus  204. 
Galyptospora  402. 
Galypto8poraGöppertiana402. 
Gambia! tätigkeit,  Beginn  der 

228. 
Gambiformzellen  216. 
Gambium  218.  222. 
Gapitulare  de  villis  3. 
Gaprifoliceae  879. 
v.  Garlowitz  8  (IV  548.  558). 
GarpinuB  819. 
Garpinus  betulus  319. 
GarpinuB  orientalis  320 
Garya  829  ff. 
Garya  alba  880. 
Garya  amara  831. 
Garya  porcina  881. 
Garya  sulcata  881. 
Garya  tomentosa  831. 
Gastanea  817. 
Gastanea  americana  318. 
Gastanea  sativa  817. 
Gastanea  vesca  817. 
Gastanea  vulgaris  817. 
Gatalpa  879. 

Gatalpa  bignonioides  879. 
Gatalpa  speciosa  879. 
Geder- Wachholder  808. 
Gedrus  276. 
Gedrus  atlantica  276. 
Gedrus  Libani  276. 
Geltis  844. 
Geltis  anstralis  344. 
Geltis  occidentalis  345. 
Genangium  896. 
Genangium  abietis  896. 
Geratostoma  piliferum  392. 
Gercidiphyllum  847. 
Gercidiphyllum  japonicum  347. 
Ghamaecyparis  299. 
Ghamaecyparis     Lawsoniana 

299. 
Ghamaecyparis  nutkaensis  801. 
Ghamaecyparis  piaifera  300. 


I 


Ghamaecyparis      sphaeroidea 

801. 
Ghamaecyparis  tbyoides  301. 
Chemische  Beschaffenheit  der 

Zellhaut  215. 
Chlamydosporen  383.  387. 
Chlor  in  der  Pflanze  192. 
Chlorit  130. 

Chlorophyllköruer  219.  286. 
Christusdom  360,  362. 
Chrysomyjca  405. 
Chrysomyxa  abietis405  (II 86). 
Cladrastis  860. 
Cladrastis  amurensis  360. 
Clematis  347. 
Clematis  vitalba  347. 
Coleosporium ,      Coleosporia- 

ceae  403. 
Coleosporium  Melampyri  403. 
Coleosporium  phyteumati8404. 
Collaterale  Gefässbündel  218. 
Collenchymzellen  215. 
Coloradotanne  266. 
Colutea  358. 

Colutea  arborescens  358. 
Conidien  383.  387. 
Coniferennadel,  Bau  der  220. 
Comus  374. 
Comus  mas  374. 
Comus  sanguinea  374. 
Coryleae  319. 
Corylus  321. 
Corylus  avellana  321. 
Corylus  colurnus  322. 
Corylus  maxima  322. 
Corylus  tubulosa  322. 
Cotoneaster  350. 
Cotoneaster  tomentosa  350. 
Cotoneaster  vulgaris  350. 
Crataegus  349. 
Crataegus  monogyna  349. 
Crataegus  nigra  350. 
Crataegus  oxyacantha  349. 
Crataegiis  pentagyna  350. 
Cronartium  404. 
Cryptomeria  295. 
Cryptomeria  japonica  295. 
Cryptomyces  395. 
Cryptomyces  maximus  395. 
Cupressineae  296. 
Cupressus  301. 
Cupressus  sempervirens  301. 
Cupula  305. 
Cuticula  217. 
Cytisus  358. 
Cytisus  alpinus  359. 
Cytisus  laburnum  358. 
Cytisus  scoparius  359. 

Dasyscypha  395. 
Deltabildung  121. 
Diabas  136. 
Dickenwachstum,   sekundäres 

218.  221. 
Diluvium  142. 
Diorit  136. 
Discomycetes  394. 


Sachregister  zum  I.  Band. 

Dolerit  137. 

Dolomit  131.  140. 

Dolomitsand,  Bildung  107. 

Doppelsilikate  125. 

Doppeltanne  251. 

Dombildungen  212. 

Dornfichte  250. 

Dotterweide  332. 

Douglastanne,  -Fichte  269  ff. 

Drehwuchs  222. 

Dreilappiger  Ahorn  366. 

Danen  122. 

DQnger,  indirekte  117. 

Düngunff  197. 

Duhamel  du  Monceau  7  (IV 
573.  591). 

Dunkelschlagwirtschaft  545. 

Durchblicke  586. 

Durchforstungen  512. 

Durchforstung,  dänische  523. 

Durchforstung,  freie  523. 

Durchforstung,  Posteier  524. 

Durchforstungsversuche ,  Ar- 
beitsplan 519. 

Eberesche,  gemeine  351. 

Eberesche,  zahme  352. 

Eclaircie  par  le  haut  524. 

Edelkastanie  317. 

Edeltanne  259. 

Effe  343. 

Eibe  304. 

Eiche ,  Bestandesbegründung 
496. 

Eiche,  Betriebsart  561. 

Eiche,  immergrüne  315. 

Eichen,  die  310  ff. 

Eichenmistel  346  (II  68). 

Eichenwurzeltöter  391  (II  87). 

Eigenschaften  des  Holz  kapi- 
tales 100.  101. 

Einfänge  3. 

Einschnürungskrankheit  jun- 
ger Holzpflanzen  397. 

Einschnürungskrankheit  der 
Tannenzweige  396. 

Eisen  in  der  Pflanze  192. 

Eisenkies  114. 

Eisenocker  112. 

Eisenspat  181. 

Eller  325. 

Eisbeerbaum  352. 

Empetrum  861. 

Empetrum  nigrum  361. 

Endodermis  219. 

Entleemng  der  Blätter,  herbst- 
liche 238. 

Enzyme  (d.  Pilze)  383. 

Epheu,  gemeiner  378. 

Epicea  246. 

Epidermis  217. 

Epidermis,    Aufgabe  der  220. 

Epidermis  der  Coniferennadel 
220. 

Epidermis  derLaubblätter  219. 

Epidot  129. 

Epitrophie  280. 


591 

Erdbeerbaum  375. 

Erica  375. 

Erica  arborea  375. 

Erle ,  Bestandesbegründung 
499. 

Erle,  Betriebsart  562. 

Erlen,  die  325  ff. 

Erosion  120. 

Ersatzfasern  216.  227. 

Erstlingsblätter  210. 

Erysiphaceae  389. 

Esche,  flaumhaarige  377. 

Esche,  gemeine  375. 

Esche  y  Bestandesbegründung 
498. 

Esche,  Betriebsart  562. 

Eschenblätteriger  Ahom  368. 

Espe  337. 

Etagenwald  241. 

Ethische  Bedeutung  des  Wal- 
des 567. 

Eupicea  246. 

Evonymus  863. 

Evonymus  europaea  368. 

Evonymus  latifolius  363. 

Evonymus  verrucosus  363. 

Excentrische  Jahresringe  230. 

Exoascus,  Exoascaceae  887. 

Exobasidium  406. 

Exposition  177. 

Fadenpilze  382. 
Fäubiis,  Produkt  der  150. 
Fagus  306. 
Fagus  silvatica  308. 
Fagus  silv.  pendula  lus.  809. 
Fagus  silv.  purpurea  lus.  309. 
Fagus  silv.  pyramidalis  lus. 809. 
Fagus  silv.  toi-tuosa  lus.  809. 
Fahnenwuchs  244. 
Falsche  Markstrahlen  320. 
Faserscheide  221. 
Faulbaum  355. 
Faulbaum,  gemeiner  370. 
Faulkern  231.  308. 
Feldahorn  366. 
Feldspate,  Verw.  127. 
Feldulme  341. 
Felsenbirne  854. 
Felsenfaulbaum  371. 
Felsen- Johannisbeere  347. 
Felsenkirsche  356. 
Felsitporphyr  135. 
Femelbetrieb  458.  548  (II 512). 
Femelschlagbetrieb   456.   544 

(IV  546). 
Festigkeit  durch  Turgor  232. 
Fettbäume  227. 
Feuerschwamm  408. 
Fichte  246  ff. 
Fichte,  astlose  250. 
Fichte,  Bestandesbegründung 

502. 
Fichte,  Betriebsart  564. 
Fichte,  rotzapfige  253. 
Fichte,  sibirische  249. 
Fichte,  Spielarten  der  250  ff. 


592 


Sachregister  zum  I.  Band. 


Fichte,  Varietäten  der  249  ff. 
Fichte ,     Wuchsformen     der 

252  ff. 
Ficht enritzenschorf  398. 
Fichtentriebkrankheit  397. 
Fisettholz  362. 
Fl  ächenzu wachs  239. 
Flatteru]me  341. 
Fleckßchiefer  138. 
Flieder  381. 
Fliegenholz  410. 
Flugsand  123. 
Flugsandkultur  461 
Flussceder.  califomische  297. 
Flussnuss  329. 
Flussschlamm  155. 
Flussspat  132. 
Föhre  278. 
Fomes  406.  407. 
Forche  278. 
Forstästhetik  566. 
Forstgärten  481. 
Forstgartenbetrieb  48 1 . 
ForstSch-meteorologi  sehest  a- 

tionen  27.  28. 
Forstordnungen  4  (IV  358. 542). 
Forst  -    und    Landwirtschaft, 

Vergleich  ihrer  Ansprüche 

an  den  Boden  75.  76. 
Fossile  Brennstoffe  83. 
Französischer  Ahoi*n  366. 
Fraxinus  375. 
Fraxinus  alba  377. 
Fraxinus  americana  377. 
Fraxinus  ascanica  377. 
Fraxinus  cinerea  377. 
Fraxinus  excelsior  375. 
Fraxinus  omus  377. 
Fraxinus  pensylvanica  377. 
Fraxinus  pubescens  377. 
Fremdländische  Holzarten  438 

(IV  566). 
Frostlage  178. 
Frostlöcher  178  (II  70). 
Fruchtarten  214. 
Früheiche  310. 
Frühholz  (Frühlingsholz)  229. 

230. 
Fruktifikation  422. 
Fuchserde  113. 
Fumago  389. 
Fungi  imperfecti  396. 
Fusicladium  398. 
Fusicladium  dentriticum  398. 
Fusoma  397. 
Fusoma  parasiticum  397. 

Gabbro  137. 
Gagelstrauch  331. 
Gaisblatt,  wildes  u.  echtes  379. 
GefUsse  216.  226. 
Getassbündel  218. 
Gelbkiefer  290. 
Gelbpfeifiges  Eichenholz  410. 
Gelderträge    der  Staatsforste 

102. 
Geleitzellen  222. 


Gemischte  Bestände  426.  506. 

Gemmen  383. 

Genista  359. 

Geographische  Verteilung  der 
Wälder  2. 

Geotropismus  240. 

Geschiebe  120. 

Gestalt  des  Baumes  243  ff. 

Gesteine,  Einteilung  134. 

Gesteine,  metamorphische  187. 

Getreiderost  405. 

Gewebemutterzellen  222. 

Gewebesysteme ,  Zusammen- 
hang der  verschied.  228. 

Ginster  359. 

Gips  106.  112.  132. 

Gleditschia  360. 

Gleditschia  triacanthos  360. 

Gliedersporen  383. 

Glimmer  128. 

Glimmersandstein  141. 

Glimmerschiefer  138. 

Gloeosporium  397. 

Gneiss  137. 

Götterbaum  360. 

Goldregen  358. 

Granat  129. 

Grand  141. 

Granit  135. 

Granulit  138. 

Graslärchen  274. 

Grauerle  326. 

Graupappel  339. 

Grausand  113. 

Grauwacke  141. 

Grauweide  336. 

Grünerle  327. 

Grünlandmoore  155.  ^ 

Grünsandstein  141. 

Grundgewebe  217. 

Grundwasser,  Einwirkung  auf 
Bestand  189. 

Grundwasser  179. 

Gymnosporangium  405. 

Gymnosporangium  confusum 
406. 

Haarbirke  824. 

Habitus  der  Holzart  243. 

Hackenkiefer  283. 

Hängebuche  309. 

Hängeeiche  313. 

Hängefichte  250. 

Hängetanne  263. 

Hagedom  349. 

Hainbirke  325. 

Hainbuche  319. 

Hainbuche,  Bestandesbegrün- 
dung 498. 

Hainbuche,  Betriebsart  562. 

Hallimasch  410  (II  86). 

Hanfweide  335. 

Harfenfichte  253. 

Hartbast  225. 

Hartigsbuche  309. 

Hartriegel,  gelber,  desgl.  ge- 
meiner 874. 


I  Harzbirke  822. 

-  Harzgänge  221.  226. 

I  Harz8ticken,HarzÜberfÜlle  der 

Nadelhölzer  410. 
Hasel,  HaselnuBs  321. 
Haselfichte  253. 
Haselulme  848. 
Hasenheide  859. 
Hanptbestand  515. 
Hauptbodenarten  178. 
Hausschwamm  409  (II  205). 
Hautgewebe  217. 
Heckenkirsche ,  gemeine, 

schwarze,  blaue  380. 
Hecksame  360. 
Hedera  873. 
Hedera  helix  373. 
Heideaufforstung  466. 
Heideeiche  310. 
Heidekraut  374. 
Heidelbeere  875. 
Heidelehm  145. 
Heiden,  Flora  ders.  197. 
Heidesand  145. 
Heliotropismus  240. 
Hemlockstanne  269. 
Herbstholz  229. 
Herbstliche    Entleerung    der 

Blätter  238. 
Herlitze  374. 
Herpotrichia  891. 
Herpotrichia  nigra  891. 
Herzwurzeln  204. 
Heterobasidion  407. 
heteröcische  Pilze  883   899. 
Hexenbesen  386  (II  88). 
Hexenbesen   der   Laubhölzer, 

siehe  Taphrina  388. 
Hexenbesen  der  Tanne  402. 
Hexenbesenfichte  251. 
Hickorynuss,  Hicoria  829  ff. 
Hicoria  glabra  381. 
Hicoria  ovata  330. 
Himalayaceder  276. 
Himalayafichte  255. 
Himalayalärche  276. 
Himalayatanne  265. 
Himalaya  -  Weymouthskiefer 

293. 
Hippophag  373. 
Hipi)opha€  rhamnoides  373. 
Hocndurchforstung  519. 
Hochmoor  156. 
Hochmoore,  Flora  ders.  196. 
Höhenentwickelung  421. 
Hollunder,  schwarzer  881. 
Holz,  anat  Bau  227—281. 
Holz,  Aufgabe  dess.  226.  284. 
Holz,  primäres  218. 
Holzapfel  350. 

Holzarten,  ausländische,  Ein- 
führung derselben  488  (IV 

566). 
Holzarten,  fremdländische  438 

(IV  566). 
Holzarten,  deren  Einfluss  auf 

den  Boden  423. 


Sachregister  zum  I.  Band. 


593 


Holzarten,  wald bauliche  Be- 
deutung 415. 

Holzarten,  deren  wirtschaft- 
liche Bedeutung  434. 

Holzartenwechsel  433. 

Holzbirne  351. 

Holz  ertrag  pro  Jahr  und  ha 
in  Staataforsten  und  im  Ge- 
samtwalde 85.  86.  87.  88. 

Holzfasern  216.  227   (II  287). 

Hoizparenchymzellen  227. 

Holzteil  des  Gefässbündels  218. 
220. 

Homburg'sche  Nutzholzwirt- 
schaft 540. 

homologe  Organe  202. 

Hondolärche  274. 

Honigpüz  410  (LI  86). 

Honigtau  390. 

Hopfenbuche  320. 

Hombaum  319. 

Hornblende  128.  129. 

Hornstrauch,  roter  374. 

Hügelpflanzung  493. 

Hülsen  362. 

Humus  104.  152. 

Humusboden  105. 

Humussäuren  109.  151. 

Hjdnum  409. 

Hygrophysen  241. 

Hymenium  387. 

Hymenomycetes  406. 

Hypertrophie  385. 

Hyphe  382. 

Hypocreaceae  390. 

Hypodermataceae,Hypoderma 
392. 

Hypodermabrachysporum  392. 

Hypodermella  394. 

Hyponastie  230. 

Hypothecium  394. 

Hypotrophie  230. 

Jahresringe,  excentrische  230. 
Jahrestriel),  Abschlnss  des  209. 
Jahrestriebe,  Grenze  der  ein- 
zelnen 209. 
Jahrringbildung  228—230. 
Japanische  Lärche  274. 
Jelängerjelieber  379. 
Iffe  343. 
Hex  362. 

Hex  aquifolium  362. 
Imbibition  232. 
Immergrüne  Eiche  315. 
Immergrüner  Schneebali  381. 
Immergrüner  Wegedorn   370. 
Infektion,  künstliche  384. 
Inklination  177. 
Inlandeis  123. 
Innenrinde  226. 
Inselbuche  309. 
Intercellularräume  218.  232. 
Johannistrieb  209. 
Italienische  Pappel  340. 
Judasblattbaum  347. 
Juglans  328  ff. 

Handbaoh  d.  Fontw.    2.  Aufl.    I, 


Juglans  cinerea  329. 
Juglans  nigra  328. 
Juglans  regia  328. 
Juniperus  302  ff. 
Juniperus  communis  I  302. 
Juniperus  macrocarpa  303. 
Juniperus  nana  302. 
Juniperus  oxycedrus  303. 
Juniperus  phoenicea  303. 
Juniperus  sabina  303. 
Juniperus  virginiana  303. 

Kätzchen,  Eätzchenträger305. 

Eätzchenlose  LaubhOlzer  341  ff. 

Eätzchenträger,  nussfrüchtige 
305. 

Kätzchenträger,  steinfrüchtige 
328. 

EahlschlagmitRandbesamung 
448. 

Eahlschlagbetrieb  545. 

Kalium  in  der  Pflanze  191. 

Kalk  139. 

Kalk,  kohlensaurer  111. 

Kalk,  oolitischer  111. 

Kalkboden  179. 

Kalkmergel  140. 

Kalkpflanzen  197. 

Kalksammler  111. 

Kalksand,  Bildung  107. 

Kalksinter  111. 

Kalkspat  111.  131. 

Kalktuff  111. 

Kaolin  110.  130. 

Karbonate  111. 

Karstaufforstung  68. 

Kastanie ,     Bestandesbegrün- 
dung 499. 

Kastanie,  Betriebsart  563. 

Keaki  345. 

Ke^elfichte  253. 

Keimapparate  470. 

Keimbett  471. 

Keimproben  470. 

Keimprozente  469. 

Keimung  420. 

Keimzelle  216. 

Kermeseiche  316. 

Kembäume  231. 

Kernpilze  390. 

Kemschäle  (der  Kiefer)  406. 

Keuschbaum  379. 

Kiefer,  Bestandesbegründung 
504. 

Kiefer,  Betriebsart  565. 

Kiefer,  calabrische  288. 

Kiefern,  die  276  ff. 

Kiefembaumschwamm  406  (II 
88). 

Kiefemdreher  400. 
!  Kiefernritzenschorf  393  (II 85. 
'      86). 

Kienzopf  (der  Kiefer)  404. 

Kieselsäure  in  der  Pflanze  192. 

Kieselsinter  112. 

Kleinknospen  306. 

Klingstein  136. 


Knackweide  333. 
Knieholz  283.  284. 
Knospe  208. 

Knospe,  Entfaltungen  der  209. 
Knospenlage  der  Laubblätter 

209. 
Knospenschuppen,   anat.  Bau 

ders.  221. 
Knospenschuppen ,   Zahl   und 

Aufgabe  ders.  209. 
Knospenyariation  249. 
Knotenschiefer  138. 
Kohäreszenz  des  Bodens  166. 
Kohlenstoff,   Aneignung  dess. 

235  ff. 
KohlenstofFvorrat  in  den  Holz- 
beständen 82. 
Kondensation  im  Boden  176. 
Konglomerate  140. 
Konkretionen  110. 
Kopfholzbetrieb  459.  546. 
Korbweide  335. 
Koreazirbel  295. 
Korkbaum ,    mandschurischer 

361. 
Korkbildung  224. 
Korkcambium  224.  225. 
Korkeiche  316. 
Korktanne,  arizonische  267. 
Korkwarzen  224. 
Komelkirsche  374. 
Korrelationen  des  Wachstums 

238. 
Kreide  131. 
Krähenbeere  361. 
Kranewit  302. 
Krebs  (der  Kiefer)  404. 
Krebs  (der  Lärche)  395. 
Krebs   (der   Laubholzbäume), 

s.  Nectria  390. 
Krebs  der  Tanne  402. 
Kreuzdorn  369. 
Krümelstruktur  der  Böden  163. 
Krummfichte  253. 
Krummholzkiefer  282. 283.284. 
Krystalle  105. 
Küstenbuche  309. 
Küstentanne,  grosse  265. 
Kugelcypresse  301. 
Kugelfichte  251. 
KuUssendurchforstung  524. 
Kurztriebe  208. 
Kurz  wurzeln  205. 
Kusseln  282. 

Labrador  128. 

Lärche,  Bestandesbegründung 

505. 
Lärche,  Betriebsart  565. 
Lärche,,  gemeine  272. 
Lärche,  .lapanische  274. 
Lärchen  fichte  251. 
Lärchenkrebs  395  (H  88). 
Lamberthasel ,     Lambertnuss 

322. 
Landschaftliche  Natur,  Schutz 

derselben  574. 

38 


694 


Sachregister  zum  I.  Band. 


LandwirtBchaftl.  Vorbau  555 

(II  258). 
LaDgwurzeln  205. 
Larix  272  ff. 
Larix  americana  275. 
Larix  dahurica  275. 
Larix  decidua  272. 
Larix  Deodora  276. 
Larix  europaea  272. 
Larix  europ.  alba  var.  274. 
Larix  Griffithii  276. 
Larix  kurilenais  275. 
Larix  leptolepis  274. 
Larix  occidentalis  275. 
Larix  sibirica  274. 
Lehm  139.  143. 
Lehmboden  179. 
Lehmmergel  140. 
Lenticellen  224. 
Letten  139. 
Leucit  129. 
Lianen  242. 
Libocedrus  297. 
Libocedrus  decurrens  297. 
Libriform  216.  227. 
Lichtgenuss  des  Blattes  236. 
Lichthölzer  433. 
Lichtholzart  236.  244. 
Lichtungsbetrieb  536. 
Lieh  tun  gszn  wachs  184. 
LiegendeMarkstrahlzellen227. 
Liguster,  Ligustrum  378. 
Ligustrum  vulgare  378. 
Linde  371. 
Linde,    Bestandesbegründung 

499. 
Linde,  Betriebsart  562. 
Linde,  grossblätterige  872. 
Linde,  kleinblätterige  371. 
Liriodendron  tulipifera  846. 
Lochpflanzung  492. 
LÖSS  144. 
Lösskindchen  112. 
Lösspuppen  112. 
Lonicera  379. 
Lonicera  alpi^ena  380. 
Lonicera  caprifolium  379. 
Lonicera  cerulea  380. 
Lonicera  nigra  380. 
Lonicera  periclymenum  379. 
Lonicera  xylosteum  380. 
Lophodermium  392. 
Lophodermium  abietis  393. 
Lophodermium  macrosporum 

393. 
Lophodermium  nervisequium 

393. 
Lophodermium    pinastri    393 

(II  85.  86.) 
Loranthus  346. 
Loranthus  europaeus  346. 
Lorbeerpappel  341. 
Lorbeerweide  338. 

Macchien  362. 

Machandel  302. 

Magnesium  in  der  Pflanze  192. 


Magneteisen  133. 

Magnolia  346. 

Magnolia  hjrpoieuca  346. 

Malus  communis  350. 

Mammuthbaum  296. 

Mandelweide  338. 

Mangan  in  der  Pflanze  192. 

Mannaesche  377. 

Mannbarkeit  246. 

Mark  218.  237. 

Markasit  133. 

Markflecke  321.  326. 

Markkrone  226. 

Marksirahlen   218.   228.  225. 
227.  237. 

Markstrahlen,  falsche  320. 

Markstrahlleisten  308. 

Markstrahlzellen,  liegende227. 

Marschboden  145. 

Marschen  121. 

Maserholz  280. 

Massenzuwachs  289  (III  316). 

Massholder  366. 

Mastixstrauch  862. 

Mehlbeere,  Mehlbime  858. 

Mehlbeere,  schwedische  353. 

Meltaupilze  389. 

Melampsora  400. 

Melampsora  Magnusiana  401. 

Melampsora  Rostrupii  401. 

Melampsorella  402. 

Melampsoridium  401. 

Melaphyr  136. 

Mergel  140. 

Mergelknauern  112. 

Merkantil  System    und    Forst- 
wirtschaft 5.  8. 

Merulius  409. 

Merulius  lacrimans  409. 

Mesophyll  219.  220. 

Mesotyp  180. 

Mespilus  350. 

Mespilus  germanicus  350. 

metamorphosierte  Organe  201. 

Mikroklin  127. 

Mineralarten,  wichtige  124. 

Minimums,  Gesetz  des  198. 

Mirabeau  7. 

Mispel  350. 

Mistel  345  (II  68). 

Mittelwald  546  (IV  546). 

Modifiziei*ter        Buchenhoch- 
waldbetrieb 540. 

Moor,  Moorboden  155. 

Moorföhre  284. 

Moormergel  111. 

Moore,  Entwässerung  157. 

Moore,  Pflanzendecke  157. 

Moordammkultur  158. 

Moorkiefer  281.  284. 

Moorkultur  156.  464. 

Moorkultur,  Reinpausche  158. 

Moränen  123. 

Mull  152. 

Mullboden,   Flora  dess.  1154. 
196. 

Muschelkalk  139. 


Mycel,  epiphystischee  888. 
Mycelinfektion  884. 
Mycelium  382. 
Mycorhiza  208. 
Mycosphaerella  891. 
Myrica  381. 
Myrica  Gale  878. 
Myricaria  germanica  878. 
Myrtillus,  Vaccinium  375. 

Nadelblasenroste  (der  Kiefer) 
408. 

Nadeleiche  817. 

Nadelhölzer,  244  ff. 

Nadelhölzer,  Transpiration  der 
235. 

Nadelkissen  245. 

Nadeln,  anat.  Bau  der  219. 

Nadeln,  Länge  der  245. 

Nadeln,  winterliche  Verfär- 
bung der  212. 

Nadelritzenschorf  der  Wey- 
mouthskiefer 392. 

Nadelschatte  der  Kiefer  .^93. 

NadelschQttepilz  d.  Lärche  392. 

Nährstoffe,  Herkunft  der  288. 

Nagelfluh  141. 

Natrium  in  der  Pflanze  191. 

Naturdenkmäler  574. 

Nebenbestand  515. 

Nectria  cinnabarina  390. 

Nectria  cucurbitula  390. 

Nectria  ditissima  890. 

Negundo  aceroides  868. 

Nephelin  129. 

Niederdurchforstung  519. 

Niederschläge  und  Verdunst- 
ungsgrösse ,  Bilanz  beider 
54.  55.  56. 

Niederschlagsmenge  im  Freien 
und  im  Walde  48.  51.  52.  53. 

Niederwaldbetrieb  546. 

Nitratbildner,  Nitritbildner 
284. 

Nussfrüchtige  Kätzchentrager 
305. 

Nutzholz- Ausbeute  in  Staats- 
forsten 84. 

Nutzholz  -  Ein-  und  Ausfuhr 
der  einzelnen  Länder  90. 

Obenaufpflanzung  493. 
Ocker  112. 

Oedlandsaufforstung  466. 
Oedland  und  dessen  Auffor- 
stung 67.  68.  69. 
Oelbaum  878. 
Oelweide  373. 
Ohrweide  336. 
Oidium  883.  389. 
Olea  378. 
Oleaceae  375. 
Oleander  878. 
Oleaster  878. 
Oligoklas  128. 
Olivin  126. 


Sachregister  znm  I.  Band. 


595 


Opal  125.  126. 
Ordonnance  Colberts  5. 
Organe,  homologe  202. 
Organe ,       metamorphosierte 

201. 
Orme  841. 
Orthoklas  127. 
Ortstein  111.  113. 
Ortsteinkultur  463. 
Osteokolla  112. 
Ostrya  320. 
Ostrya  vulgaris  320. 
Oxalsaurer  Kalk  234. 
Oxelbime  353. 


Pacifische  Tanne  266. 
Paliurus  369. 
Paliurus  australis  369. 
Pallisadenzellen  219. 
Palmweide  335. 
Panzerföhre  287. 
Pappel  337. 

Pappel,  italienische  340. 
Pappel,  kanadische  340. 
Pappel,  Bestandesbegründung 

500. 
Pappeln,  Betriebsart  563. 
Paraphysen  387. 
Parasiten  387  (II  24). 
Parenchymzelle  215. 
Parenchymzellen ,  Arbeitstei- 
lung der  225. 
Pavia  869. 
Pechkiefer  389. 
Pericambium  219.  225. 
Periderm  224. 
Peridermium  399. 
Peridermium  Jaapii  404 
Peridermium  Krigerii  403. 
Peridermium      Magnusianum 

403. 
Peridermium    oblongisporum 

404. 
Peridermium  Pini  acicola  400. 

403. 
Peridermium    Pini     corticola 

400.  404. 
Peridermium  Pini  404. 
Peridermium  Rostrupii  404. 
Peridermium  Strobi  404. 
Periklinen  217. 
Perithecium  390. 
Peronosporaceae  887. 
Perückenstrauch  362. 
Pestalozzia  897. 
Pestalozzia  Hartigii  397. 
Pezizaceae,  Peziza  895. 
Peziza,  Dasyscypha  Willkom- 

mii  395  (II  88). 
Pfaffenkäppchen  868. 
Pfahlwurzel  202. 
Pflanze  und  Boden  188. 
Pflanze,  Wirkung  des  Lichtes 

183. 
Pflanzenbeschaffnng  480. 
Pflanzendecke,  lebende  180. 


Pflanzenhalter,Rebmann'scher 
492. 

Pflanzenmenge  491. 

Pflanzmaterial  480. 

Pflanzmethoden  478. 

Pflanzschulen  481. 

Pflanzung  478. 

Pflanzverbände,  geregelte  491. 

Pflanzzeit  490. 

Pfriemenstrauch  859. 

Phacidiaceae  894. 

Phellem  224. 

Phellodendron  361. 

Phellodendron  amurense  361. 

Phelloderm  224. 

Phellogen  224. 

Phelloid  224. 

Phillyrea  378. 

Phillyrea  latifolia  878. 

Phlobaphene  226. 

Phloem  218. 

Phoma  396. 

Phonolith  136. 

Phosphorsäure  in  der  Pflanze 
192. 

Phototrophie  240. 

Phycomyceten  386. 

Phyllactinia  389. 

Phyllactinia  suflulta  889. 

Phyllit  138. 

Physikratie  und  Forstwirt- 
schaft 8.  9. 

Physiognomie  der  Bäume  248. 

Physiologische  Oxydation  232. 

Phytophthora  omnivora  (Fagi) 
387  (n  86). 

Picea  245  ff. 

Picea  acuminata  var.  250. 

Picea  ajanensis  257. 

Picea  alba  258. 

Picea  Alcockiana  256. 

Picea  alpestris  var.  249. 

Picea  aurea  lus.  252. 

Picea  bicolor  256. 

Picea  Breweriana  255. 

Picea  canadensis  253. 

Picea  corticata  Ins.  254 

Picea  erecta  250. 

Picea  excelsa  246. 

Picea  hondo^nsis  257. 

Picea  mariana  254. 

Picea  morinda  255. 

Picea  nigra  254. 

Picea  obovata  249. 

Picea  omorica  256. 

Picea  Orientalis  255. 

Picea  pendula  lus.  250. 

Picea  polita  255. 

Picea  pungens  254. 

Picea  rubra  254. 

Picea  Schrenkiana  255. 

Picea  torano  255. 

Pilze,  heteröcische  388.  399. 

Pilze,  wirtschaftlich  schlimm- 
ste 886. 

Pilzgallen  886. 

Pilzwurzeln  208. 


PimpemusB  862. 

Pinus  276  ff. 

Pinus  Laricio  austriaca  285. 

Pinus  Banksiana  288. 

Pinus  Brutia  288. 

Pinus  cembra  293. 

Pinus  contorta  288. 

Pinus  Laricio  crassifolia  var. 

285. 
Pinus  densiflora  289. 
Pinus  excelsa  293. 
Pinus  halepensis  287. 
Pinus  Jeffreyi  290. 
Pinus  koraiensis  295. 
Pinus  Laricio  285  ff 
Pinus  leucodennis  286. 
Pinus  maritima  287. 
Pinus  montana  282  ff. 
Pinus  monticola  282. 
Pinus  mughus  montana  var. 

284. 
Pinus  Murray  an  a  288. 
Pinus  nigra  285. 
Pinus  nigricans  285 
Pinus  Laricio  Pallasiana  var. 

286. 
Pinus  peuce  298. 
Pinus  pinaster  287. 
Pinus  Laricio  Poiretiana  var. 

286. 
Pinus  ponderosa  290. 
Pinus   pumilio  montana  var. 

284. 
Pinus  pyrenaica  288. 
Pinus  rigida  289. 
Pinus  rostrata  montana  var. 

284. 
Pinus  silvestris  278  ff. 
Pinus  silv.  annulata  lus.  281. 
Pinus  silv.  compressa  lus.  281. 
Pinus  silv.  fastigiata  lus.  281. 
Pinus  silv.  pendula  lus.  281. 
Pinus   silv.    rubra,    rubiflora 

lus.  281. 
Pinus  strobus  291. 
Pinus  Thumbergii  289. 
Pinus  uncinata  mont.  var.  283. 
Pirus  350. 

Pirusarten,  Bestandesbegrün- 
dung 499. 
Pirus  communis  850. 
Pirus  malus  850. 
Pistacia  862. 
Plagioklas  127. 
Planera  845. 
Planera  acuminata  845. 
Platane,  Platanus  348. 
Platane,  amerikanische  348. 
Platanen  Blätterkrankheit397. 
Platanus  occidentalis  848. 
Platanus  orientalis  848. 
Plenterbetrieb  548. 
Plenterdurchforstung  525. 
Podosphaera  889. 
Poirier  851. 

Polargrenzen  der  Holzartenl5. 
Polstertichte  258. 


596 


Sachregister  zam  I.  Band. 


PolyporuB  406.  407  (II  87). 
Polyporus  annosas  407. 
Polyporus  borealis  409. 
Polyporus,    Fomes    connatus 

407. 
Polyporus  dryadeus  408. 
Polyporus  Hartieii  408. 
Polyporus  hispidus  408. 

Polyporus  pinicola  407. 

Polyporus  squamosus  409. 

Polyporus  sulphureus  409. 

Polyporus ,    Poria    vaporaria 
409. 

Popenbaum  353, 

Populus  337. 

PopuluB  alba  338. 

Populus  angulata  341. 

Populus  balsamifera  341. 

Populus  canadensis  340. 

Populus  candicans  341. 

Populus  canescens  339. 

Populus  laurifolia  341. 

Populus  monilifera  340. 

Populus  nigra  339. 

Populus  pyramidalis,  Pyrami- 
denpappel 340. 

Populus  serotina  341. 

PopuluB  tremula  337. 

Poria  409. 

Porphyr  135. 

Porst  375. 

Prädisposition  (für  PiUan- 
griffe)  384. 

Primäres  Holz,  Rinde,  Mark- 
Btrahl  218.  223.  225. 

Procambialstränge  218. 

Produktion  an  organischer 
Substanz  im  Walde  77.  78. 
79.  80.  81. 

Produktionskapitalien  der 
Forstwirtschaft  97. 98,  deren 
Verzinsung  im  Ertrage  99. 

Promycel  398. 

Prosench^mzellen  215. 

Protobasidiomycetes  398. 

Protoplasma  214. 

Provenienz  des  Saatgutes  469. 

Prunus  354. 

PrunusaHen ,  Bestandesbe- 
gründun^  499. 

Prunus  avium  355. 

Prunus,  Betriebsart  562. 

Prunus  ceratus  355. 

Prunus  chamaecerasus  355. 

Prunus  fruticosa  355. 

Prunus  Mahaleb  356. 

Prunus  Padus  355. 

Prunus  serotina  356. 

Prunus  spinosa  354. 

Pseudolarix  276. 

Pseudolarix  Eaempferi  276. 

Pseudoperidie  399. 

Pseudotsuga  269  ff. 

Pseudotsuga  Douglasii  270. 

Pseudotsuga  glauca  271. 

Pseudotsuga  japonica  272. 

Pseudotsuga  macrocarpa  271. 


Pseudotsuga  taxifolia  270. 
Pseudomorphosen  106. 
Pterocarya  329. 
Pterocarya  rhoifolia  329. 
Puccinia  405. 
Puccinia  graminis  405. 
Pucciniastrum  402. 
Pflckler  Muskau,  Fttrst  569. 
Pulverholz  370. 
Purpureiche  313. 
Purp.urtanne  265. 
Purpurweide  334. 
Pyramidenbuche  309. 
Pyramideneiche  313. 
Pyrenomycetes  390. 
Pyroxen  129. 
Pyrolusit  133. 

Quarz  125. 
Quarzit  142. 
Quellsäure  109.  151. 
Quercus  310  ff. 
Quercus  cerris  135. 
Quercus  coccifera  316. 
Quercus  coccinea  317. 
Quercus  hungarica  314. 
Quercus  ilex  315. 
Quercus  pedunculata  310. 
Quercus  pedunculata  fastigia- 

ta  lus.  313. 
Quercus  pedunc.   opaca   var. 

313. 
Quercus  pedunc.  pseudula  lus. 

313. 
Quercus  pseudosuber  316. 
Quercus  pubescens  314. 
Quercus  robur  313. 
Quercus  rubra  316. 
Quercus  sessiliflora  313. 
Quirlknospen  246. 

Radiäres  Bündel  219. 
Rainweide  378. 
Ranken  240. 
Raseneisenstein  112. 
Raubbau  89. 
Rauhbirke  322. 
Rauschbeere  361. 
R^aumur :  reflexions  sur  Tetat 

des  bois  6. 
Rebhuhnholz  410. 
reduzierte  Organe  201. 
Regal  4  (IV  855). 
Regenmenge,  jährliche  243. 
Regenwald,  tropischer  241. 
Regenwürmer  146. 
Rehheide  359. 
Reifweide  334. 
Reinasche  191. 
Reinigungshiebe  508. 
Reservestofte  227. 228.  231.237. 
Retinospora  296. 
Rhamnus  369. 
Rhamnus  alpina  370. 
Rhamnus  cathartica  369. 
Rhamnus  frangula  370. 


Rhamnus  intermedia  370. 

Rhamnus  pumila  370. 

Rhamnus  saxatilis  370. 

Rhizina  394. 

Rhizoctonien  391. 

Rhizomorphenstränge  410. 

Rhododendron  375. 

Rhus  362. 

Rhus  cotinus  362. 

Rhytisma  394. 

Ribes  347. 

Ribes  alpinum  348. 

Ribes  groBSuIaria  347. 

Ribes  petraeum  347. 

Riefensaat  473. 

Riemenblume  346  (II  68). 

Rinde  223  (II  294). 

Rinde,  Aufgabe  der  223. 

Rinde,  primäre  218.  223. 

Rinde,  Schutzstoffe  der  226. 

Rinde,  secundäre  218.  225. 

Rindenblasenrose  (der  Wey- 
mouthskiefer) 404. 

Rindenblasenroste  (der  Kiefer) 
404. 

Rindenknollen  210.  308. 

Rindenporen  224. 

Rindenrosen  (der  Eschen)  376. 

Rindenwurzeln(der  Mistel)  345. 

Ringbreite  230. 

Ringelungsversuche  237. 

Ringporiges  Holz  229. 

Ringschäle  (der  Kiefer)  406. 

Ringseuche  394. 

Ritzenschorfe  392. 

Robinia  357. 

Robinia  Pseudoacacia  357. 

Rodungsverbote  4  (IV  373. 395. 
527.  542). 

Rogenstein  111. 

Rohhumus  152. 

Rohhumus,  Bodenflora  des  154. 
196. 

Rohton  104. 

Rosellinia  391. 

Rosellinia  quercina  391  (II 87). 

Rosskastanie  368. 

Rosskastanie,  rote  369. 

Rostpilze  398. 

Rotbuche  306.  560. 

Rotbuche ,  Bestandesbegrün- 
dunff  494. 

Roteiche  316. 

Roteisen  132. 

Roterle  325. 

Rote  Rosskastanie  369. 

Rotesche  377. 

Rotfichte,   amerikanische  254. 

Rotholz  230. 

Rotkiefer,  japanische  289. 

Rotliegendes  141. 

Rottanne  246. 

Rotulme  341. 

Rotzapfige  Fichte  253. 

Ruchbirke  324. 

Runzelschorf  394. 

Rusche  341. 


Sachregister  znm  I.  Band. 


597 


Rnsstau  389. 

Saalweide  385. 
Saatmethoden  467. 
Saatzeit  474. 
Sadebaum  303. 

Säbelwachs,  iier  Lärche  274. 
Säulenfichte  251. 

Säulenkiefer  281. 

Saisondimorphismus  252. 

Salbeiweide  336. 

V.  Salisch  566. 

Salix  331  ff. 

Salix  acuminata  336. 

Salix  acutifolia  334. 

Salix  alba  332. 

Salix  amygdalina  333. 

Salix  appendiculata  336. 

Salix  aurita  336. 

Salix  caprea  335. 

Salix  cinerea  336. 

Salix  daphnoides  384. 

Salix  elaeagnoB  385. 

Salix  fragilis  333. 

Salix  grandifolia  836. 

Salix  incana  335. 

Salix  nigricans  336. 

Salix  pentandra  833. 

Salix  pruinosa  334. 

Salix  purpurea  334. 

Salix  rubra  367. 

Salix  triandra  333. 

Salix  viminalis  835. 

Salix  vitellina  alba  var.  332. 

Salpetersäure  im  Waldboden 
185. 

Salzhunger  233. 

Salzpflanzen  197. 

Sambucus  381. 

Sambucus  nigra  881. 

Sambucus  racemosa  381. 

Samen  214. 

Samenbeschaffung  468. 

Samenbildung,  Samenjahr  237. 
238.  246. 

Samenschlag  455. 

Samenprüfung  469. 

Samenqualität  467. 

Samenvariation  249. 

Sand  104. 

Sand,  Entstehung  121. 

Sandboden  178. 

Sanddom  278. 

Sanddfinen    und   deren   Auf- 
forstung 67. 

Sandpflanzen  197. 

Sandstein  141. 

Sanidin  127. 

Sanitäre  Bedeutung  des  Wal- 
des 70.  71. 

Saprophyten  382. 

Sarothamnus  359. 

Sanbirne  353.  354. 

Sauerdom  347. 

Sauerkirsche  355. 

Saugwurzeln  202. 

Saure  Wiesen,  Flora  ders.  196. 


Sawara  800. 
Scharlacheiche  817« 
Schattenhölzer  481. 
Scheibenpilze  894. 
Scheidetriebe  (der  Kiefer)  279. 
Scheinkern  231. 
Schermtanne  268. 
Schieferton  189. 
Schierlinffstanne  269. 
Schimmelfichte  253. 
Schimmelpilz  383. 
Schimmelweide  334. 
Schirmschlagbetrieb  452.  544. 
Schirmtanne,  japanische  295. 
Schlämmanalyse  161.  162. 
Schlafbewegungen  der  Blätter 

240. 
Schlafende  Augen  210. 
Schlagpflanzen  196. 
Schlamm  154. 
Schlangenbuche  809. 
Schlangenfichte  250. 
Schlangenkiefer  281. 
Schlangentanne  263. 
Schlauchpilze  887. 
Schlehdorn,  Schlehe  354. 
Schliesszellen  217.  219. 
Schlingpflanzen  240. 
Schneeball,  p^emeiner  380. 
Schneeball,  immergrüner  881. 
Schneeball,  wolliger  380. 
Schneidelholzbetrieb  459.  546. 
Schörl  129. 
Schorf  898. 
Schreiber's  Untersuchungen41. 

46.  50. 
Schuppenkiefer  281. 
Schutthalde  119.  120(111571). 
Schuttkegel  119.  120. 
Schutzschlag  545. 
Schutzstoft'e  der  Uinde  226. 
Schutzwaldungen  65.  66  (IV 

322.  887). 
Schwärmsporen  887. 
Schwammparenchym  220. 
Schwarzdom  354. 
Schwarzeichen,  amerikanische 

316. 
Schwarzerde  145. 
Schwarzerle  325. 
Schwarzfichte,   amerikanische 

254. 
Schwarzkiefer  285. 
Schwarzkiefer ,    Bestandesbe- 

ffründung  505. 
Schwarzkiefer,  Betriebsart565. 
Schwai*zkiefer,  japanische  289. 
Schwarzpappel  839. 
Schwarzweiae  386. 
Schwedische  Mehlbeere  853. 
Schwefeleisen  133. 
Schwefel  in   der  Pflanze  192. 
Schwefelkies  114.  138. 
Schwefelregen  247. 
Schwerspat  132. 
Sciadopitys  verticillata  295. 
Sclerotinia  859. 


Seekiefer  287. 

Seekreuzdorn  373. 

Sekretionen  110. 

Sekretionszellen  221. 

Sekundäres    Dickenwachstum 
218.  221. 

Seitendruck  236. 

Seitenknospen  208. 

Seitenwurzeln  202.  203. 

Senkerfichte  243. 

Senkerwurzeln  345. 

Septoria  397. 

Septoria  parasitica  897. 

Seq^uoia  gigantea  296. 

Sericitschiefer  138. 

Serpentin  126. 

Sevenbaum  803. 

Sibirische  Fichte  249. 

Sibirische  Tanne  267. 

Sickerwasser  174. 

Siebröhren  216.  226. 

Siebteil  218.  220.  287. 

Silberahorn  367. 

Silberlinde  878. 

Silberpappel  338. 

Silbertanne,  amerikani8che266. 

Silberweide  382. 

Silikate  124. 

Sitkafichte  257. 

Sklerotium  882. 

Smith,  Adam,  und  die  Forst- 
wirtschaft 9.  10. 

Sommercypressen  800. 

Sommereiche  810. 

Sonunerlinde  372. 

Sorbus  851  fl*. 

Sorbusarten ,       Bestandesbe- 
gründung 499. 

Sorbus  aria  853. 

Sorbus  aucuparia  851. 

Sorbus  aucuparia  dulcis  var. 
352. 

Sorbus  chamaemespilus  858. 

Sorbus  domestica  352. 

Sorbus  hybrida  354. 

Sorbus  intermedia  358. 

Sorbus  latifolia  853. 

Sorbus  scandica  858. 

Sorbus  torminalis  352. 

Späteiche  318. 

Spätholz  229.  230. 

Spaltöfiiiungen  217. 

Spaltpflanzung  493. 

Spanische  Weisstanne  264. 

Spannrückigkeit  280.  320. 

Spartium  859. 

Speckstein  126. 

Speierling  852. 

Sperberbaum  352. 

Spermatium,     Spermogonium 
398. 
;  Sphaerella  891. 

Sphaeriaceae  390. 

Spiegelrinde  311. 

Spiesseiche  817. 

Spindelbaum  863. 

Spirke  284. 


598 


Sachregister  zum  I.  Band. 


Spitzahorn  365. 

Spitzenberg'sche  Kultargeräte 
488. 

Spitzfichte  253. 

Splintbäume  231. 

Sporen  (d.  Pilze)  383. 

Sporeninfektion  384. 

Sporidie  398. 

Spottnuss  331. 

SproBB  208. 

Stacheln  212. 

Stärke  236.  237. 

Stärkebäume  227. 

Stamm  dornen  212. 

Standortslehre  103. 

Staphylea  362. 

Staphylea  pinnata  362. 

Stechdom,  gemeiner  369. 

Stecheiche  315. 

Stechginster  360. 

Stechpalme  362. 

Steinbuche  308. 

Steineiche  313. 

Steinfrüchtige  Kätzchenträger 
328. 

Steinlärchen  273. 

Steinlinde  378. 

Steinsalz  132. 

Steinweichsel  356. 

Steinzellring  der  Binde  225. 

Stelzenfichte  253. 

Steppenaufibrstungen  und  de- 
ren Wirkung  53.  54.  69. 

Stereum  410. 

Stereum  hursutum  410. 

Sterigma  398. 

Stemkiefer  287. 

Stickstoff  als  Pflanzennahrung 
185. 

Stieleiche  310. 

StockauBschlag  238. 

Stoffwanderungen,  Stoffwand- 
lungen 237. 

Stemata  217. 

Strandkiefer  287. 

Strauchbirke  324. 

Strauchbuche  309. 

Strauchfichten  253. 

Strauchkiefer  282. 

Streuentnahme,  Wirkung  der 
182. 

Stroma  390. 

Stumpfblätteriger  Ahorn  366. 

Sümpfe,  deren  Behandlung460. 

Sulfate  112. 

Sumpfcypresse  296. 

Sumpf  eiche  317. 

Sumpffichte  253. 

Sumpf kiefer  284. 

Syenit  135. 

Sympetalae  375. 

Talk  126. 

Tamariske,  deutsche  373. 
Tamarix  germanica  373. 
Tanne  bot.  257  ff. 
Tanne,  pacifi^che  266. 


Tanne,  sibirische  267. 

Tanne,  Betriebsart  563. 

Taphrina  387. 

Taphrina  aurea  888. 

Taxodium  296. 

Taxodium  districhum  296. 

Taxus  304. 

Taxus  baccata  804. 

Teleutospore  898. 

Temperatur  der  Bäume  42.  43. 

Temperaturunterschiede  zwi- 
schen Wald-  und  Freiluft 
im  Jahreszeiten-Mittel  30.31. 

Temperaturunterschiede  zwi- 
schen Wald-  u.  Preiluft  im 
Tageszeiten-Mittel  33.  34. 

Temperaturunterschiede  zwi- 
schen Wald-  und  Freiluft 
im  absoluten  Maximum  und 
Minimum  des  Jahres  35 — 37. 

Temperaturunterschiede  zwi- 
schen Wald-  und  Freiluft 
im  mittleren  Maximum  und 
Minimum  38. 

Temperaturunterschiede  des 
Waldbodens  gegen  den  Bo- 
den im  Freien  39.  40. 

Terpentin-Pistazie  362. 

Teufern  284. 

Thelephora  410. 

Thelephora  perdix  410. 

Ton  131. 

Tonboden  179. 

Tonmergel  140. 

Tonschiefer  139. 

Thuja  297  ff. 

Thuja  p^gantea  298. 

Thuja  japonica  298. 

Thuja  Lobbii  298. 

Thuja  Menziesii  298. 

Thuja  occidentalis  298. 

Thuja  (Biota)  orientalis  299. 

Thujopsis  dolabrata  296. 

Thyllenbildung  231. 

Tieflage  178. 

Tilia  371. 

Tilia  alba  373. 

Tilia  argentea  373. 

Tilia  cordata  371. 

Tilia  grandiflora  371. 

Tilia  platyphyllos  372. 

Tilia  tomentesa  373. 

Tilia  ulmifolia  371. 

Titaneisen  133. 

Torf  155. 

Tracheen  226.  227. 

Tracheidale  Markstrahlzellen 
227. 

Tracheiden  216.  227. 

Trachyt  136. 

Tränenfichte  255. 

Tränenkiefer  293. 

Trametes  406.  407. 

Trametes  pini  406  (IT  88). 

Trametes  radiciperda  407  (II 

87). 
Transpirationsstrom  234.  235. 


Transport  von  Forstprodukten 

96  (III  446). 
Traubenbirne  354. 
Traubeneiche  313. 
Traubenhollunder  381. 
Traubenkirsche  355. 
Traubenschimmel  395. 
Trauerfichte  250. 
Trauerkiefer  ^1. 
Trauertanne  263. 
Trichosphaeria  390. 
Trichosphaeria  parasitica  390. 
Triebscn winden   (der   Kiefer) 

396. 
TriebwuEzeln  202. 
Trockenheit,  Schutz  gegen  243. 
Trompetenbaum  379. 
Tropfstein  Hl. 
Tropophyten  241. 
Tschemosem  145. 
Tsuga  canadensis  269. 
Tsuga  Mertensiana  269. 
Tsuga  Sieboldi  269. 
türkische  Weichsel  356. 
Tulpenbaum  346. 
Turgor  232.  233.  240. 
Turmalin  129. 

Ueberhaltbetrieb  554. 

ülex  360. 

Ulex  europaeus  360. 

Ulmaceae,  Ulmus  341. 

Ulme,  Bestandesbegründung 
498. 

Ulme,  Betriebsart  562. 

Ulmus  americana  344. 

Ulmus  campestris  Linne  343. 

Ulmus  effusa  343. 

Ulmus  glabra  341. 

Ulmus  montana  343. 

Ulmus  scabra  343. 

Ulmus  camp,  suberosa  var.  342. 

Umtriebszeit  im  Nachhaltsbe- 
triebe 89  (III  327). 

Uncinula  389. 

Unterbau  582. 

Uredineen  398. 

Uredospore  399. 

Urmeristem  214. 

Urtonschiefer  138, 

Urwald  241. 

Vaccinium  375. 

Vegetationspunkt  216.  217. 

Venturia  398. 

Verarbeitung  der  Forstpro- 
dukte 96.  97. 

Verdickungsring  221. 

Verkemung  231. 

Verpflanzen  207. 

Vertikalfichte  250. 

Verwesung  im  Boden  147. 

Verwesung ,  Produkte  ders. 
150. 

Verwitterung  105. 

Verwitterungsprodukte  119. 

Verwitterungszone  118. 


Sachregister  zum  I.  Band. 


699 


Viburnum  880.  381. 

Viburnam  lantana  380. 

Viburnum  opulus  380. 

Viscum  345. 

Vis  cum  album  345. 

Vitex  379. 

Vivianit  114. 

Vogelbeerbaum  351. 

Vogelkirsche  355. 

Vollsaat  476. 

Vorbau,   landwirtschaftl.  555 

(11  258). 
Vorbereitungschlag  453. 

Wachholder  302  ff. 
Wachstum  238. 
Wachstumsenergie  239. 
Wachstum  in  physiologischem 

Sinne  72. 
Wälder,  Einwirkung  ders.  auf 

das  lokale  Klima  22—24. 
Wälder,  Einwirkung  ders.  auf 

Luft-  und  Bodentemperatur 

24-41. 
Wälder.  Einwirkung  ders.  auf 

den  Feuchtigkeitsgrad   der 

Luft  43-^46. 
Wälder,  Einwirkung  ders.  auf 

die  Regenmenge  47—50. 
Wärmekapazität  179. 
Wagener's  Lichtwuchsbetrieb 

541. 
Wahlvermögen  der  Pflanzel91. 
Wald,  sanitär  eBedeutung  dess. 

70.  71. 
Wald  als  Speiser  des  fliessen- 
den Wassers,  Wasserstands- 
regelung 59.  60.  61.  62.  63. 
Wald  und  die  Erhaltung  der 

Quellen  58.  59. 
Wald  und  Sickerwassermenge 

56.  57.  58. 
Waldausstockungen  3. 
Waldbau  412. 
Walderde  167. 

Waldfeldbau  555  (II  252  ff.). 
Waldflächen  der  europäischen 

Länder  16.  17.   18.    19   (IV 

316). 
Waldformationen  242. 
Waldluft,   Kohlensäure   ders. 

184. 
Waldrebe  347. 
Waldrodungen  in  Frankreich 

11. 
Waldrodungen  in  Bayern  12. 
WaldschOnheitspflege  566. 
Waldschutz    durch    religiöse 

Vorstellungen  12.  13. 
Waldschutz  durch  Gesetze  im 

Altertum  13. 
Waldschutz  durch  Gesetze  im 

Mittelalter  13. 
Waldstreu  181  (II  266). 
Waldstreu  alsStickstoffdünger 

185. 
Waldverkäufe  infolge  derMan- 


chester-Doctrin  10.  11. 

Wald-Verteilung  nach  Höhen- 
regionen 20. 

Walaverwüstung  in  den  Jah- 
ren 1789—93. 

Waldzerstörungen  in  Spanien 
14. 

Waldzerstörungen  in  England 
14.  f 

Wallnussbaum  328. 

Wallnussbaum,  grauer  329. 

Wallnussbaum,  schwarzer  328. 

Wasser,  Aufnahme  dess.  233 
(II  121). 

Wasser,  Einwirkung  auf  Ver- 
witterung 106. 

Wasser,  Nänrmittel  der  Pflanze 
185. 

Wasser,  Verteilung  im  Boden 
188. 

Wasserbedarf  der  Pflanzen  186. 

Wasserbewegung  im  Holz  234. 

Wassergehalt  der  Bäume  234 
(11  290). 

Wassergehalt  des  Bodens  173. 

Wasserkapazität  der  Böden 
168.  169. 

Wasserkultur  233. 

Wasserleitung  226.  228.  231. 
234. 

Wegedome  370. 

Wegedom,  immergrüner  370. 

Weichbast  225. 

Weichsel  355. 

Weide,  Bestandesbegründung 
500. 

Weide,  kaspische  334. 

Weide,  weissgraue  335. 

Weiden,  die  (bot.)  331  ff' 

Weiden,  Betriebsart  568. 

Weidenbastarde  337. 

Weidenroste  siehe  Melamp- 
sora  401. 

Weissbirke  322. 

Weissbirke,  nordische  324. 

Weissbuche  319. 

Weissdom  349. 

weisser  Ahorn  367. 

Weisserle  326. 

Weissesche  877. 

Weissfichte,  amerikanische 
253. 

Weissföhre  278  ff. 

Weissgraue  Weide  335. 

Weisspfeifiges  Eichenholz  410. 

Weissrindige  Kiefer  286. 

Weisstanne  259  ff. 

Weisstanne,  griechische  264. 

Weisstanne,  spanische  264. 

Weisstanne,  Bestandesbegrün- 
dung 500. 

Weisstannenritzenschorf  393. 

Weissulme  343. 

Weissweide  332. 

Wellingtonie  296. 

Weymouthskiefer  291  ff". 

Weymouthskiefer,  Bestandes- 


begründung 506. 
Weymouthskiefer,  Betriebsart 

565. 
Wiesen,  saure,  Flora  ders.  196. 
Wiesenmoore  155. 
Wildbäche  und  deren  Beruhi- 
gung durch  Aufforstung  63. 

64.  65  (HI  540). 
Wildbach  -  Verbauungen     in 

Frankreich  64. 
Wildbach  -  Verbauungen      in 

Oesterreich  65. 
Winddruck,  Einfl.  dess.  auf  die 

Jahrringbreite  230. 
Winde,  austrocknende  243. 
Wintereiche  313. 
Winterknospen  209. 
Winterlinde  371. 
Wirkungen  der  Parasiten  auf 

d.  Wirt  385. 
Wirtschaftlich        schlimmste 

Pilze  386. 
Woeikofs  Untersuchungen  25. 

26. 
Wundparasiten  384.  406. 
Wurzel,  anat.  Bau  der  218. 219. 
Wurzel, metamorphosierte  207. 
Wurzel,  reduzierte  207. 
Wurzel,  typische  202. 
Wurzel,  V  erzweigung  der  203. 
Wurzelbrut  209.  238. 
Wurzelhaare  202.  233. 
Wurzelhaube  202. 
Wurzelholz  228.  229. 
Wurzelknie  296. 
Wurzelknöllchen  234. 
Wurzelschwamm  394  (II  87). 
Wurzelsystem  420. 
Wurzelsystem ,    Habitus    des 

204.  205. 
Wurzelwachstum,  Zeit  des  206. 
Wurzelzöpfe  207. 

Xerophyten  241. 
Xylem  218. 

Zapfensucht  (der  Kiefer)  279. 
Zargenholz  253. 
Zelkowa  345. 
Zelle  214  ff. 
Zellfusionen  216. 
Zellhaut  (der  Pilze)  382. 
Zellkem  215. 
Zellstreckung  217. 
Zeolithe  130. 
Zerfall  der  Gesteine  105. 
Zerreiche  315. 

Zersetzung  der  Gesteine  107. 
Zerstreutporiges  Holz  229. 
Zirbe,  Zirbelkiefer  293. 
Zitterpappel  337. 
Zonen,  klimatische  241. 
Zopftrocknis  (der  Kiefer)  404. 
Zuckerahorn  367. 
Zürgelbaum  344. 
Zunderschwamm  408. 
Zusammenhang  d,  versch.  Ge- 


600 


Sachregister  zum  I.  Band. 


webesjBteme  228. 
Zuwachs  Verminderung  229. 
Zweialteriger  Hochwald  540. 
Zweiganordnung,    physiologi- 


sche 244. 
Zwergbirke  824. 
Zwergfichte  251. 
Zwergmandel  354. 


Zwergmispel  853. 
Zwergwacnholder  302. 
Zwillingsfichte  252. 
Zwischenknospen  246. 


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