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HANDWÖRTERBUCH
DER
TEXTILKUNDE
ALLER ZEITEN UND VÖLKER
FÜR
STüWEREmE, FABRIKANTEN, KAUFLEÜTE, SAMMLER UND ZEICHNER
DER GEWEBE, STICKEREIEN, SPITZEN, TEPPICHE UND DERGL.,
SOWIE FÜR SCHULE UND HAUS
BEARBEITET VON
Max Heiden,
BERLIN.
MIT 16 TAFELN UND 356 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.
STUTTGART
VERLAG VON FERDINAND ENKE
1904.
rl w
WS ^
m 24 1945
Druck der Hoffinaunschen Buchdruckerei in Stuttgart.
Vorrede.
In der Industrie und Kunstindustrie nehmen die textilen Gebiete
die erste Stelle ein, weil sie nächst der Ernährung den Bedürf-
nissen des täglichen Lebens unentbehrlich sind. Sobald die eigene
Person dabei ihre notwendige Berücksichtigung gefunden hat, stellt
das Leben- für die Umgebung, für "Wohnung und Haus weitere Auf-
gaben, deren Lösung im einzelnen sowie in der Gesamt ersch einung
eine vielseitige Tätigkeit künstlerischen Schaffens und mechanischer
Massenerzeugung in sich schliesst.
Je nach Ort und Zeit sind von alters her in der Weberei,
Wirkerei, Stickerei, im Zeugdruck und im Bereiche der Spitzen- und
Teppichindustrie zahlreiche Gruppen solcher Erzeugnisse entstanden,
deren technische und stilistische Bestimmung mit der kunstgewerb-
lichen Bewegung der letzten Jahrzehnte zu einer besonderen Wissen-
schaft geworden ist.
Ein Nachschlagebuch dieser Art fehlte bisher darüber. Man
findet Notizen in den allgemeinen Wörterbüchern, und im einzelnen
gibt die Fachliteratur reichlich Aufschluss, indessen ist es nicht
leicht, sich im Zusammenhange schnell darüber zu unterrichten.
Der Herausgeber konnte während seiner nahezu dreissigj ährigen
früheren Tätigkeit als Verwalter der Stoffsammlung des Könighchen
Kunstgewerbemuseums zu Berlin beobachten, welche Unklarheiten im
Bereiche des Textilwesens herrschen und hat es unternommen,
weiten Kreisen des kunstsinnigen Publikums, dem Künstler, dem
Kaufmann und Industriellen eine Darstellung zu bieten, welche allen
derartigen Fragen gerecht zu werden versucht.
Gesammelt und eingetragen sind alle grösseren Orte der Welt,
die sich mit der Herstellung textiler Erzeugnisse befassen, wobei auch
auf ihre historische Bedeutung Wert gelegt worden ist; ferner die
gebräuchlichsten Fachausdrücke der Technik aller gewebten, ge-
druckten, gewirkten, gestickten, geklöppelten, genähten und geknüpften
JY Vorrede.
Waren und schliesslich erstrebt das Ganze dadurch etwas Nutzbringen-
des, dass die Stilkunde im Bereiche aller dieser Arbeiten nicht
unberücksichtigt blieb, was auch zur Verfolgung einzelner Kunst-
formen führte, welche im Flächenmuster von Bedeutung sind.
Wertvolles Studienmaterial stand dem Herausgeber dabei durch
frühere Arbeiten zur Verfügung. Eine besondere Bereicherung erfuhr
das Buch durch die Genehmigung des Königlichen Landesgewerbe-
museums in Stuttgart, dessen bisher noch wenig bekannte reichhaltige
Stoffsammlung benützen zu dürfen, wofür ich an dieser Stelle Seiner
Exzellenz dem Präsidenten a. D. Herrn Staatsrat Dr. v. Gaupp
meinen besonderen Dank auszusprechen mir erlaube. Von grösstem
Werte für meine Arbeiten war mir auch die Einführung in die um-
fangreiche Bibliothek der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und
Handel durch Herrn Hof rat Petzendorfer daselbst.
In technischen Fragen bezüglich der Weberei stand mir Herr
Ernst Flemming, I. Lehrer an der Städtischen Höheren Webeschule
in Berlin hilfreich zur Seite, der auch die Zeichnungen einiger Tafeln
freundlichst übernahm.
Die Bitte um Zusammenstellung einer grossen Sammlung mo-
derner Stoffproben für technische Zwecke gewährte mir die Firma
Rudolph Hertzog in Berlin, welcher ich gleichfalls für die Auf-
nahmen der orientalischen moderneren Teppichmuster zu Dank ver-
pflichtet bin.
Die Wiedergabe alles Dargestellten in zweckentsprechender
Weise danke ich einer verständnisvollen Mitarbeit des Verlages
Ferdinand Enke, sowie den trefflichen Ausführungen der chemi-
graphischen Anstalt von ilugust Schul er in Stuttgart.
Steglitz-Berlin, Oktober 1904.
Max Heiden.
InhaltsYcrzeichnis der Tafeln
dereu einzelne Nummern in verschiedenen Artikeln besonders erwähnt und im
Zusammenhange nach. Angabe der Seitenzahlen beschrieben sind:
Seite
Tafel I. AVirkereien und "Webereien aus koptischen Gräbern ...... 306
„ ir. Webereien des frühen Mittelalters 539
„ IIT. Webereien des späteren Mittelalters 540
„ IV. Webereien der Gotik und Friihrenaissance 234
„ V. Webereien der Renaissance 430
„ VI. Webereien aus China und Japan 275
„ VII. Webereien aus Indien, Persien und der Türkei . 383
„ VIIT. Europäische Textilmuster der Neuzeit 541
„ IX. Aufnäharbeiten der Renaissance 430
„ X. Genähte Spitzen des 16. und 17. Jahrhdts 515
„ XI. Genähte und geklöppelte Spitzen des 18. Jahrhdts 516
„ XII. Spitzen des 18. und 19. Jahrhdts 517
„ Xlir. Orientalische Knüpfteppiche des 18. und 19. Jahrhdts 584
„ XIV. Orientalische Teppiche des 19. Jahrhdts 584
„ XV. Darstellungen von Bindungen in der Weberei 88. 624
„ XVI. Darstellungen von Gewebebindungen und Knüpftechnik 629
Berichtigungen.
38, Z. 1 V. u. statt print lies : point.
135, Z. 18 V. 0. statt Contil lies: Coutil.
Dijou „ Dijon.
Spanien lies Spinnen.
18. Jahrhdt. lies: 13. Jalirhdt,
XXVI lies: XYI.
furtion „ fustian.
„ 389, im Artikel Palmwipfelmuster, ist nicht die nach vorn überschlagende
Cypressenblüte, sondern der "Wipfel gemeint.
„ 400, bei Abbildung 234, statt sine lies: sive.
Die nicht im einzelnen wiederholten Verweisungen sind in den grösseren
Artikeln der Technik, des Materials und des Stils berücksichtigt.
154,
5?
8 V.
0.
159,
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5 Y.
0.
204,
55
8 V.
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55
32 V.
0.
346,
55
1 V.
0.
A.
Aachen, Hauptstadt des gleichnamigen Regb. der preuss. Rheinprovinz :
Hauptsitz der Tuch- und Buckskinfabrikation in Deutschland. Aus
überseeischer Wolle (vom Kapland, Buenos-Aires u. s. w.) werden in mehr als
40 Anstalten etwa 100 000 kg. Grarn gesponnen, in 138 Betrieben zu A. und
Burtscheid bei A. mit 80 Dampfmaschinen von 3000 Pferdekräften und 13 300
Arbeitern jährlich 200000 Stück Tuch im Werte von 36 Mill. Mark erzeugt,
wovon für 7 — 8 Mill. Mark bisher auf amerikanischen Märkten Absatz fand.
Die Tuchfabrikation wurde schon im 12. Jahrhundert betrieben; berühmt ist das
sogen. Kardinaltuch (s. d.), das für sämtliche hohe Würdenträger der katholischen
Kirche hier gewebt wird und dessen Herstellungsweise (besonders das Färbeverfah-
ren) ein Geheimnis der Firma Erckens Söhne in Burtscheid sein soll, sodass
dieser seit Jahrhunderten die Lieferungen für den Vatikan übertragen werden.
A. erzeugt auch Sammet-, Leinen- und Posamentierwaren.
Spitzen und verwandte Nadelarbeiten, zum grossen Teil aus Filet-
arbeiten in weissem Leinen bestehend, sieht A. schon im Mittelalter in Nonnen-
klöstern für den kirchlichen Gebrauch entstehen; erhalten sind auch durch-
zogene seidene farbige Filetnetze aus dem 13. und 14. Jahrh. , wozu Material
und Musterung durch die zu jener Zeit bestehenden regen Handelsbeziehungen
A.s mit Venedig über Antwerpen überführt sein werden.
Für Studien älterer Textilien sind von Bedeutung die in den Be-
liquienschreinen der älteren Kirchen A.s als Umhüllung der Gebeine von Hei-
ligen aufbewahrten Gewebe, und auch vereinzelt Stickereien, welche zur Zeit
Karls des Grossen und in späterer Zeit aus dem Morgenlande kamen. Die
wichtigsten im Domschatz sich befindlichen Stoffe sind gelegentlich ihrer
öffentlichen Schaustellung, welche alle sieben Jahre (zuletzt 10. — 24. Juli 1902)
stattfindet, im Interesse des Studiums für Museen gezeichnet worden: die
besten Abbildungen hiervon im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin. (Heber
Einzelheiten dieser Gewebemuster vgl. den Artikel Weberei, frühes Mittelalter
und Tafel IL)
Literatur: Käntzeler, Der die Gebeine Karls d. Gr. enthaltende
Behälter. Aachen, 1859; Bock, Der Beliquienschatz des Liebfrauen-Münsters
zu A. Aachen 1860; Ders., Das Heiligtum zu A. Köln 1867; Ders., Karls
d. Gr. Pfalzkapelle und ihre Kunstschätze. Köln 1866 — 67; Kessel, Ge-
schichtliche Mitteilungen über die Heiligtümer der Stiftskirche zu A. Köln 1874.
Das Suermond-Museum (Direktor: Dr. A. Kisa) enthält eine reiche
Sammlung älterer Gewebe, Stickereien und Spitzen, welche durch das Ver-
mächtnis des Dr. Franz Bock im Jahre 1899 einen bedeutenden Zuwachs er-
hielt. (Führer: herausgegeben 1902.)
Die Preussische Höhere Fachschule für Textilindustrie
(Direktor: Dr. Sigmund Kapff") seit 1884 bestehend, bildet in ihren verschiedenen
Abteilungen für Spinnerei, Weberei, Färberei, Appretur und Stopferei
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 1
Aalen — Abfälle.
Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Dessinateure, Spinner, Färberei- und Textil-
tecliniker, AVerkmeister, Einkäufer und Verkäufer aus, wobei vorwiegend die
AVollen- und Halbwollenindustrie bevorzugt wird. Der Lehrplan ist in
jüngster Zeit derart erweitert worden, dass die Weberei von den ersten An-
fangsgründen bis zur selbständigen Fabrikation erlernt werden kann. Die ge-
samte Ausbildung in der Weberei ist auf drei voneinander getrennte halbjährige
Kurse verteilt worden. Das Schulgeld für einen halbjährigen Kursus beträgt
für Deutsche 100 Mk., für Ausländer 500 Mk. Ermässigungen und Stipendien
werden bedürftigen und befähigten Schülern gewährt.
A. ist der Sitz des Vereins deutscher Seidenzucht, der 6. Sektion der
Eheinisch-AVesttälischen Textil-Berufsgenossenschaft und eines Vereins deutscher
Nadelfabrikanteu.
Aalen, Stadt in Württemberg: Herstellung von Tuch- und Wollwaren,
Druckerei, Färberei und Spinnerei.
Aarau, Hauptstadt im Schweiz. Kanton Aargau : bedeutende Fabrikation
von Seidenstoffen, Baumwollen- und Konfektionswaren.
Aarhus, dän. Amt im östl. Teil der Halbinsel Jütland: Baumwollen-
manufakturen.
Aba, Abba oder Abajeh (arab.), grosse Tücher, weite ßöcke ohne Aermel,
auch Beinkleider, von einfarbigen blauen, braunen oder roten Baumwollenzeugen,
welche Smyrna und Salonichi nach den Häfen des schwarzen Meeres in Mengen
versenden; sie werden namentlich in Albanien und Mazedonien gefertigt, in
neuerer Zeit auch aus Wolle. Die gewöhnlicheren Stoffe dieser Art benützen
die Grosshändler zur Verpackung von Tabak. Auf der Sinaihalbinsel heisst
die Ware Grhasiz, in Nubien Ahk, in den Gattaländern Moyasa,
Abaca (in der Botanik musa textilis, d. i. Gewebe-Pisang), Name, welchen
die Eingeborenen auf Luzon einer Abart des wilden oder Affenpisangs geben,
die Fasern heissen Manilahanf (s. d.).
Abat-chauvee, eine französische Ausschusswolle.
Abats, starke braune Wollengewebe, welche in Mazedonien für Kleidung
und zur Verpackung von Tabak gewebt werden.
Abatzi, ostindische Baumwollenzeuge, welche früher die asiatisch-dänische
Kompagnie nach Europa einführte.
Abbeville, Arrondissementshauptstadt im franz. Dep. Somme : Sammet-,
Damast-, Segeltuch- und Teppichfabriken; erhielt durch Colbert 1665 die erste
Tuch-, 1667 die erste Teppichfabrik. Vor der Aufhebung des Ediktes von
Nantes hatte A., infolge seiner Wollenindustrie und des ansehnlichen Handels,
für die Textilindustrie eine grosse Bedeutung.
Abbinden, 1. in der Weberei das Niederhalten einzelner Ketten- oder
Schussfäden durch andere rechtwinkelig darüber geführte Fäden. — 2. Ein-
schnürung eines Gewebes, wenn es für eine bestimmte Art des Z eugdruckes
vorbereitet wird, welche namentlich in China und Indien gebräuchlich ist. (s. d.)
Abdecken heisst das Auflegen von Wachs auf Flächen des Stoffes, welche
ein ausgespartes Muster bilden (s. Zeugdruck).
Abdullah Kani, moderner in Lyon für Abessinien und Marokko gewebter
gestreifter Seidenstoff.
Abelmoschusfaser, in Indien Rai bhenda genannt, eine der Jute ähn-
liche Gespinstfaser, als solche verkauft und für Webereizwecke verwendet.
Abenberg, Stadt im bayr. Regb. Mittelfranken: Fabrikation von Spitzen
aus Gold- und Silberdraht.
Aberdeen, Stadt im nördl. Schottland : Bedeutende Fabriken in Wollen-,
Baumwollen- und Leinenstoffen.
Abergavenny, Stadt in der engl. Grafsch. Monmouth : Flanellwebereien.
Abertham, Stadt in Böhmen: Spitzenklöppelei.
Abessinien, Ländergebiet in Ostafrika: Baumwollenweberei und Anfer-
tigung von Teppichen aus Wolle und Ziegenhaaren.
Abfälle (franz.: dechets , engl.: wasts; ital. : viatagli), welche sich von
Rohstoffen oder Fabrikaten ergeben, bilden in der Textilindustrie eine grosse
Ahfallspinuerei — Acantlius.
Gruppe wichtiger Handelsartikel ; A. von Geweben tierischen Ursprungs (Fetzen
von Wollenzeug) geben das Material zur Kunstwolle (s. d.), woraus die sog.
Shoddj's (s. d.) hergestellt werden, üeber A. der Seidenindustrie s. Bourrette-
uud Florettindustrie.
Abfallspinnerei, auch Barchentspinnerei genannt, weil aus dem Produkt
derselben Barchentstofi' gewebt wird. Die A. stellt auch Garne von No. 1 — 8
her, mit Verwendung von ostindischer Bengal-Baumwolle oder aus Mischungen
besserer oder schlechter Baumwollabfälle (s. a. Florettspinnerei).
Abgebeizte Wolle (franz. : pelade, pelure), durch Behandlung mit Kalk
von den Schaffellen losgelöste AVolle, in einigen Gegenden auch Gerberwolle
genannt, wird zu Flanellen und leichten' Wollenzeugen verwendet und ist na-
türlich nicht so fest wie die von lebenden Tieren geschorene Wolle.
Abgepasst heissen gemusterte Stoffe, wenn sich die verzierte Fläche der
gegebenen Form für den Gebrauch anschliesst.
Abhaspeln (franz.: devidoir; engl.: to reel), in der Spinnerei die Vorrich-
tung, wodurch das Rohmaterial von Kötzern oder Spulen in Form von Strähnen
gebracht wird.
Abheben s. Strickerei.
Abingdon, Stadt in der engl. Grafschaft Berkshire: Fabrikation von
Packleinen, wollenen Zeugen und gewebten Flurteppichen.
Ablaque oder Perlseide, welche in Persien erzeugt, aber wenig gebraucht
wird, weil sie beim Abwinden kein warmes Wasser verträgt.
Abnehmen s. Netzarbeit.
Abojas, syrische Mäntel aus Seide, erfreuen sich in Europa grosser Be-
liebtheit.
Abouchouchon, eines der geringsten französischen Wollentücher, welche
in den Manufakturen von Carcassonne, Nimes, Narbonne, Sedan, Grenoble für
den levantiner Handel gewebt werden; nach den bestehenden Vorschriften
mussten sie früher 1600 Kettenfaden halten und schwarz und weisse Salleisten
haben: sie gingen in Mengen über Marseille nach Smyrna und Konstantinopel.
Abrohany, Name sehr dünner Baumwollengewebe , welche in Ostindien
angefertigt werden, s. Mallemolles.
Abrowahanf, (engl. : perennial Indian hemp) stammt von den zu den
Sterculiaceen gehörigen Abranaarten A. angustata (Indien und Philippinen),
A. fastuosa (xAustralien) und A. mollis (Molukken), aus dessen Bastfasern grobe
Gewebe und Stricke gefertigt werden.
Abruzzen, benannt von Abruzzo, nördlichster Teil des ehem. König-
reichs Neapel: Seidenzucht, Herstellung von Stickereien auf weissem uud ge-
färbtem (gewöhnlich) roten Baumwollenstoffe.
Abschnüren s. Schnurschlag.
Absetzen, in der Weberei eine Zeichnung in die Carta rigata bringen (s.d.).
Absetzen der Wolle ist die Bezeichnung für das Fehlerhafte derselben,
d. h. wenn die Haare des Vliesses teilweise abgestorben sind, M^ährend ein
anderer Teil wieder zu wachsen anfängt, oder wenn jede Wollfaser aus zwei
verschieden starken und dicken Teilen besteht.
Abtafeln, ein fertig gewebtes Stück Zeug vom Webstuhl nehmen.
Acanthus, auch Bärenklaue genannt, eine in südlichen Gegenden wild
wachsende Staude, von welcher es 14 Arten gibt (s. Abb. 1 u. 2). Ihre Schön-
heit veranlasste den griechischen Architekten Kallimachus zur künstlerischen
Nachahmung, er benutzte Blatt- und Blütenform zur Ausstattung des korinthi-
schen Kapitals. Von Griechenland aus fand die Blattform allgemeine Verbrei-
tung, sie ging auch auf alle Gebiete der Kleinkunst über (s. Abb. 3) und spielt
in den nachfolgenden Stilarten eine grosse Bolle. Die europäische Textilkunst
bevorzugt das Motiv eigentlich nur zur Zeit der Benaissance: sie bringt
Acanthusblattwerk, Banken u. s. w. in abwechselnder Darstellung für Weberei,
Stickerei, Spitzennäherei u. a. m. unter strenger Beobachtung der Stilistik des
Flächenmusters zur herrlichen Entfaltung (s. Abb. 4). Aber schon in Stoffen
der Spatrenaissance sieht man den A. weniger berücksichtigt, bis er im 18. Jahrh.
4
Acanthus.
in kleineren Flächenmustern zurücktritt; in der Zwischenzeit aber durch Meister
des französischen Klassizismusses für architektonische Innendekoration Yer-
Abb. 1.
Abb. 2.
Abb. 3. Wendung findet (s. Abb. 5). Die
Empirezeit und die Periode Schin-
kels nimmt den A. mit den übrigen
klassischen Motiven wiederum auf
(s. Abb. 6) und er kommt dann
noch einmal in der modernen Renais-
sance der Jahre nach 1873 in Nach-
bildung der altitalienischen Vor-
bilder zur G-eltung (s. Abb. 7). In
neuester Zeit ist der A. mit dem
Studium der Naturformen und ihrer
Nutzbarmachung für die Fläche
Gregenstand eingehender Betrach-
tung geworden (s. Abb. 8).
Abb il düngen:
1. Acanthus satinus, nach einem
Holzschnitt aus: Lobelius, plantarum
sev stirpium icones, Antwerpen 1581,
2. Acanthus mollis aus demsel-
ben Werk.
3. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbe-Museum in Stuttgart:
Quadratisches Aufsatzstück eines Gewandes, gobelinartige Stopfarbeit in violettem und
weissem Garn mit Darstellung einer Reiterfigur über einem Löwen ; im Rande Acanthus-
ranke mit Blüten und Früchten. Aus einem koptischen Grabe, 5. — 7. Jahrhundert.
Acanthus.
Abb. 4.
Abb. 5.
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■ i '"^^.^^
ffjil^^^^^g;:
JWIilillliiir
Abb. 6.
Acanthus.
Abb. 7.
Abb. 8.
Accrington — Adler.
4. Acanthusrankenmotiv nach einer Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Blatt 102,
Leipzig 18&6 : Borte aus aufgenähter Silberschnur auf rotem Sammet; dazwischen
Candille und Füttern; Italien, 16. Jahrhundert. Original: Königl. Kunstgewerbe-
Museum Berlin.
5. Gobelinborte mit Acanthusblattwerk , Ranken und Eierstableiste nach einer
Darstellung aus: L'Art pour Tous, XIV. Jahrg., Blatt 358. Original aus der Zeit
Ludwig XIV. (1643—1715.)
6. Acanthuskelch mit Blattwerk und Blüten nach einer Darstellung aus: Heiden,
Musteratlas, Blatt 41, Leipzig 1896: Abgepasste Bildweberei in farbiger Seide für
den Stuhlbezug einer Rücklehne ; nach Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel, Berlin
1781 — 1841. Original : Königl. Kunstgewerbe-Museum Berlin.
7. Ecke einer Leinendamasttischdecke mit Borte aus Acanthusrankenwerk nach
einer Darstellung aus: Grewerbehalle 1891, Blatt 24,
8. Gepresster Sammet mit Muster aus volutenartig geschwungenen Acanthus-
ranken, nach einer Darstellung aus : Kunstgewerbeblatt 1893 ; Original aus der Fabrik
von Th. Wardle in London, 1892.
Literatur: Ebe, Handbuch der ornamentalen Acanthusformen aller
Stilarten. Berlin 1893; M eurer, Die TJrsprungsformen des griechischen
Acanthusornaments. Berlin 1896.
Accrington, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : bedeutende Baum-
wollfabrikation ; Kattundruckereien.
Achmim (El-Achmim, auch El-Echmin, koptisch Schmin genannt) das alte
Chemins oder Panopolis, Stadt in Oberägypten : in neuerer Zeit viel genannt
infolge der Aufdeckung alter Grrabstätten, welche Mumien enthielten mit reichen
Gewändern, die in Wirkerei verziert und mit Seidengeweben besetzt sind.
(Ygl. koptische Textilfunde.) In neuer Zeit Fabrikation von Seidenstoffen.
Literatur: Forrer, die frühchristl. Altertümer aus dem Gräberfelde
von A. (Strassb. 1893.)
Acireale, Stadt in der ital. Prov. Catania an der Ostküste Siciliens :
Fabrikation von Seidenstoffen, Leinen- und Baumwollengeweben.
A^ores, graue, ungebleichte Leinen, welche in verschiedener Feinheit
im franz. Depart. der unteren Charente, hauptsächlich zu Barbesieur gewebt
werden. Die feiner gewebten Sorten kauften früher die Holländer für ihre
Bleichen und die gröberen Arten gingen über Cadiz nach Südamerika.
Acri, Name einer syrischen Baumwollenart.
Acupictus, acupictilis (lat.) gestickt, mit der Nadel gestickt; acupic-
tura, die Stickerei.
Acupingere (lat.) sticken, von acus : die Nähnadel, Sticknadel.
Adamaschus (lat.), der Damast (s. d.).
Adapangia, Handelsname für bengalische Hohseide.
Adatais, Addatis; holländ.: Adathys, feine Baumwollenzeuge, eine Art
Musselin aus Ostindien; die besten werden in Bengalen erzeugt, die Sorten
aus Pondichery sind weniger geschätzt.
Aden, seit 1839 eine den Engländern gehörende Halbinsel mit gleich-
namiger Stadt, an der Südwestküste Arabiens, schon im Altertum berühmt;
wird von dem vielgereisten Mukkadasi (985) als die Vorhalle Chinas (Dehliz-a sin)
bezeichnet und behält seine besondere Bedeutung als Eingangspunkt in das
rote Meer für den Seidenhandel auf dem Seewege.
Adena, levantinische Baumwollsorte aus Karamanien.
Adenos, Seebaumwolle (franz. : coton de marine), die feinste unter allen
Arten levantinischer Baumwolle, welche zuerst von Aleppo über Marseille in
den Handel kommt.
Adersja, veraltete Sorte indischer Kattune.
Adjectivfarben, s. Zeugdruck.
Adler (lat.: aquila; franz.: aigle ; engl. : eagle) ; erscheint bei den meisten
vorchristlichen Völkern als heiliger Vogel, später in allgemeiner Deutung als
Symbol des Sieges, der Macht und Herrschaft; als Stoffmuster schon im frühen
Mittelalter in vortrefflicher Stilisierung dargestellt, jedoch ohne heraldische Be-
ziehungen, die überhaupt nur vereinzelt nachweisbar sind. Im 14. Jahrb.,
Adler.
Abb. 9.
Abb. 10.
als das Stoffmuster sich kirchlichen Zwecken
dienstbar zeigt, erscheint der A. darin als
Symbol göttlicher Macht zum Schutze be-
drängter Wesen, welche Auffassung her-
geleitet werden kann aus dem für die
Italiener unverständlichen sarazenischen
Tierwerk der s. Z. ihnen zugehenden orien-
talischen Gewebe , das sie im Sinne der
biblischen Mystik umzugestalten suchten.
(Yergl. Weberei, Mittelalter.) Die Dar-
stellung des Doppeladlers auf früh-
mittelalterlichen G-eweben hat zu der An-
nahme geführt, dass dieser durch den
symmetrischen Musterumschlag entstanden
sei, wie ihn die Technik der Weberei mit
sich bringt; indessen erscheint diese Auf-
fassung fraglich bei der Betrachtung des
zweiköpfigen Adlers, welcher eingemeisselt
ist an dem Pilasterpfosten zu Oejuk, aus
der Zeit der Hethiter (etwa 950 v. Chr.),
woselbst diese Darstellung als Vogel des
Donnergottes , ursprünglich der geflügelte
Blitz oder Donnerkeil, wie ihn nach Justi
(Geschichte der orientalischen Völker im
Altertum S. 184 ff.) der babylonische Me-
rodoch führt und wie er auch auf grie-
chischen Münzen (Elis und Sicilien) dar-
gestellt ist.
Adorf — Aofnaux de Tartarie.
Abb. 11.
Abbildungen:
9. Adler nach einer Darstellung aus: Heiden, Motive, Blatt 114, Leipzig 1891.
Original in einem orientalischen Seidengewebe des 10. bis 11, Jahrhunderts im Königl.
Kunstgewerbe-Museum zu Berlin.
10. Doppeladler nach einer Darstellung aus: Heiden, Motive, Blatt 17, Fig. 1.
Original wie vorher.
11. Doppeladler nach einer Darstellung aus: Justi, Geschichte der orientalischen
Völker im Altertum, Berlin 1884. Original an dem Pilasterpfosten eines hethitischen
Grabes bei Oejnk (etwa 950 v. Chr.).
Adorf in Sachsen, Kreishauptmannschaft Zwickau: Kunstwebereien, me-
chanische Baumwollenwebereien und Spinnereien, Weissstickerei.
Adrianopel, Hauptstadt des türk. VilajetsA. ; in den Vorstädten Kara-
kabsch und Hdyrym blüht Seiden-, Woll- und Baumwollweberei, sowie Teppich-
fabrikation.
Affe, im christlichen Mittelalter als Symbol des Teufels ; auf arabisch-
italischen Seidengeweben (s. d.) des XIV. Jahrh. ohne besondere Bedeutung (?)
nachweisbar.
Afghanen werden Teppiche aus Afghanistan genannt, die sich im Muster
an die Turkmenen (s. d.) anlehnen; auch Khiwa.
Afghanistan, der pers. allgemein gebräuchliche Name des Landes der
Afghanen: Fabrikation von Teppichen, Seiden- und Filzwaren. Jährliche Aus-
fuhr von Wolle nach Indien für etwa 12 Mill. Mk. ; auch Baumwollenstoffe
werden nach Indien ausgeführt.
Afiun-Karahissar, Hauptstadt im türk. Vilajet Khodawendikjar in
Kleinasien: Teppich- und Wollenstofferzeugung.
Agen, Hauptstadt des Arond. A. des Depart. Lot-et-Garonne, sowie der
ehem. Landschaft Agenois : Fabrikation von Kattun, wollenen und leinenen
Zeugen, besonders Segeltuch; berühmte Färbereien.
Agenois, unter diesem Namen wurden früher in Bordeaux die unge-
bleichten Flachsleinen verkauft, welche im Depart. des Lots und der Garonne,
besonders in der Gegend von Agen gewebt werden.
Aggonedbunder, in Bengalen die Bezeichnung für die beste E^ohseide,
welche in Indien und Japan in grossen Mengen verkauft wird ; in Europa
kommt sie unter dem Namen Tanny oder Tani in den Handel.
Agnaux de Tartarie, Agnaux de Perse, im franz. Handel die feinen,
gekräuselten Baranken oder Lammfelle, die aus Taurien und Persien gebracht
werden, z. B. Astrachan, Krim.
1 0 Agnelins — Aegypten.
Agnelins, ältere Bezeichnung für die in Amsterdam verkaufte feinge-
kräuselte AVoile der kleinen gleichnamigen dänischen Landschaft.
Agnus Dei, lat. deutsch : Lamm Gottes (franz. : agneau pascal, agneau
de Dieu; engl: lamb of God;) eine dem Ausspruche Johannis des Täufers (Joh. 1, 29)
entnommene Bezeichnung Jesu Christi. Als bildliche Darstellung Christi unter
dem Symbol eines Lammes, in der Begel mit dem Kreuz oder der Siegesfahne,
auf italienischen Geweben des 15. Jahrh. (s. d.) ; mehr gebräuchlich ist die
Darstellung auf kirchlichen Stickereien in Leinen. In der griech. Kirche nennt
man A. D. das mit einem Lammesbilde versehene Tuch, mit dem beim. Abend-
mahl der Kelch zugedeckt wird.
Agra, Hauptstadt des Distrikts A. in den indobritischen sog. Nordwest-
provinzen: bedeutende Fabrikation von Goldlitzen.
Agram, Hauptstadt im Königreich Kroatien und Slavonien: Teppich-
wirkerei, Fabrikation von Seidenwaren.
Aguilles, glatte, gewöhnliche Baumwollenzeuge, welche in Syrien gewebt
und über Aleppo in den Handel gebracht werden.
Aegypten erzeugt scbon vor dem vierten vorchristlichen Jahrtausend
AYebereien (vgl. Georg Steindorff, Das Kunstgewerbe im alten Aeg., Lpz.
1898). In den Gräbern haben sich steinerne Spinn wirtel (s. d.) und kupferne
Nadeln zum Zusammennähen der
Abb. 12. Kleider, sowie Reste von Stoffen ge-
funden, welche aus Leinwand her-
gestellt sind. Am meisten Verwen-
dung fanden dieselben in Gestalt
von schmalen und breiten Binden
zur Um Wickelung der Mumien : sog.
Mumienleinwand, deren älteste Pro-
ben nach den Untersuchungen von
Aug. Braulik (Altägyptische Ge-
webe, Stuttg. 1900) mindestens 4600
Jahre, die jüngsten 1500 Jahre alt
geschätzt werden. Die allermeisten
dieser Gewebe bestehen aus Flachs-
garnen und zwar aus dem mittelfeinen
Handgespinst der Pflanze linum usi-
tatissimum, welche in Unter- und
Oberägypten mit Sorgfalt angebaut wurde. Den feinsten und teuersten derartigen
Stoff, der an Wert dem Purpur gleichkam (s.Byssus), stellte man aus den zartesten
Fäden einer Leinpflanze her, die nur im Delta Aegyptens wuchs: aus ihm wurden
Kleider von solcher Feinheit gewebt, dass sie sich durch einen Siegelring ziehen
Hessen. Dass die "Wolle in frühester Zeit gar nicht und später nur seltener Ver-
wendung fand, erhellt schon daraus, dass Braulik bei 350 untersuchten Ge-
webebruchstücken nur ein einziges aus Wolle fand. Auch aus Gründen der
Temperatur und der Sauberkeit wird man leinene Kleider den wollenen vor-
gezogen haben. Ferner darf nicht unbeachtet bleiben, dass der Widder den
alten Aegyptern ein geheiligtes Tier gewesen ist, so dass also in früher Zeit,
als die Priesterkaste noch den bedeutendsten Einfluss auf Sitten und Gebräuche
des ägyptischen Lebens ausübte, das Verbot der Wolle als Bekleidung des
Körpers wohl auch auf religiösen Anschauungen beruht. Indische Baum-
wolle lernten die Aegypter nach J. Engelmann (Geschichte des Handels-
und AVeltverkehrs, Leipz. u. Berl. 1881) zuerst etwa um 2000 v. Chr. durcji
die Völker des südlichen Arabiens und die Phönizier kennen; dagegen scheint
ihnen die Seide erst in der Zeit nach Chr. bekannt geworden zu sein: ge-
wiss durch den Verkehr mit den Völkern des fernen Ostens. (Vgl. Seidenstoffe
aus den koptischen Funden.)
Ueber das Spinnen und AVeben der alten Aeg. geben uns bildliche Dar-
stellungen Aufschluss , aus denen hervorgeht, dass diese Arbeiten nicht viel
anders aber umständlicher ausgeführt wurden, als es heute zu geschehen pflegt.
Aegypten.
11
Die Webestühle, mit wagerecht oder senkrecht aufgespannter sehr langer Kette,
waren einfacher Art, Frauen und Männer webten an ihnen in hockender Stel-
lung. (Vgl. Abb. 12.) Das Mühsame dieser Handfertigkeit wird uns in einem
Papyrus geschildert, der Ermahnungen und Vorstellungen eines Abenteurers an
seinen Sohn enthält, welcher eine Zeitlang am Hofe des Königs Amenemhat I.
Abb. 13.
lebte (12. Dynastie: nach Justi, Geschichte der orientalischen Völker im
Altertum, Berl.), um ihm jedes andere Greschäft als das eines Schreibers zu
verleiden. In dieser Schrift heisst es: „Der Weber im Innern der Häuser
ist viel unglücklicher als eine Frau. Seine Kniee sind bis zur Höhe des
Herzens heraufgezogen; er geniesst keine frische Luft. Versäumt er einen
Abb. 14.
Abb. 15.
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Tag, die ihm vorgeschriebene Quantität Zeug zu machen, so bindet
man ihn krumm , wie den Lotos der Sümpfe. Nur wenn er den Türhütern
Brot gibt, gelingt es ihm, das Tageslicht zu sehen." Wenn auch hier die
Tätigkeit eines ägyptischen Webers in etwas grellen Farben geschildert sein
mag, so erscheint die Notiz bezüglich des feuchten Arbeitsraumes insofern
nicht unwichtig, als ein solcher die Dichte der Fadenfügung des Leinengewebes
bekanntlich günstig beeinflusst; zum Vergleich mit dem zarten altägyptischen
Byssusleinen erinnere ich daran, dass auch von den feinsten Valenciennesspitzen
(s. d.) des 18. Jahrh. berichtet wird, sie seien im feuchten Kellerraum ge-
klöppelt. Ausser den glatten Leinenstoffen, die in einfachen und gemusterten
12
Aegypten.
Farbenstreifen abschliessen , führt Braulik aus der Stoffsammlung des k. k.
Oesterreicliischeu Museums in Wien noch Fransengewebe (s. d.) an, ferner macht
uns derselbe Forscher bekannt mit Produkten der altägyptischen Kunstweberei :
Abb. 16.
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Abb. 17.
das sind Bändchen, welche als Grewandborten aufgenäht waren ; ihre Musterung
ist geometrisch, ein anderes Beispiel erinnert darin an den antiken Zinnigen-
abschluss (s. d.). Im Grundstoffe gemusterte Kleider wurden von den alten
Aegyptern nicht getragen ; wenn wir
solche auf Wandmalereien abgebildet
finden, so handelt es sich um Darstel-
lungen fremder Völkerschaften (siehe
Abb. 13) ; ebenso bevorzugten die Ein-
geborenen weisse G-ewänder, bei deren
Anlegung sie den Anschauungen der
Griechen huldigten, in die Schlichtheit
des ungemusterten Stoffes dui'ch reiche
Fältelung Abwechselung hineinzubringen,
um die ümrisslinien des menschlichen
Körpers vorteilhaft in Erscheinung tre-
ten zu lassen. Neben den einfachen in
Taffetbindung gewebten Stoffen waren
in Aeg. broschierte Gewebe bekannt;
auch nahtlose Kleider wurden durch sog.
Schlauchweberei (s. d.) erzeugt. Für
Leichentücher und andere Decken, Zelt-
behänge u. s. w. stellte man Stoffe in
Färberei, Malerei und Zeugdruck (s. diese
Artikel im einzelnen) her, denen in
manchen Fällen eine stuckähnliche Masse
zu Grunde liegt (s. Abb. 14 u. 15). Wie
weit man an Teppiche des alten Aeg.
denken kann, wird dadurch ungewiss,
dass im Altertum darunter nicht aus-
schliesslich Fussbodenbeläge in unserem
Sinne verstanden werden, sondern auch geflochtene, gemalte oder gestickte
Decken für die Wände in Betracht kommen. An sonstigen altägyptischen Tex-
tilien müssen noch die Netzar beiten erwähnt werden, welche sich als oberster
Ahaus — Aire-sur-la-Lys. 13
Belag der eingewickelten Mumien finden ; die Verzierung derselben besteht
innerhalb der Maschen aus farbigen Perlen.
Die Mustergebung der altägyptischen Behangstoffe haben wir uns
im allgemeinen als eine geometrische vorzustellen, wie sie sich aus der Technik
heraus entwickelt (s. Abb. 16) ; erst in spcäterer Zeit erscheinen mit der fort-
schreitenden Fertigkeit in Weberei , AYirkerei und Stickerei Ornamente , in
welche Reminiszenzen der altägyptischen Formensprache hineinklingen, wde sie
uns aus den Denkmälern der Architektur und Malerei bekannt sind (s. Abb. 17).
Wichtige Aufschlüsse geben uns hierfür die seit dem letzten Jahrzehnt in
Oberägypten gemachten Gräberfunde (s. koptische Textilfunde).
Die moderne Textilindustrie Aegyptens ist unbedeutend, jedoch im Auf-
schwung begriffen. Man fertigt in Kairo u. a. 0. grobe Baumwollenstoffe für
die Soldaten, halbwollene, blau gefärbte Stoffe für die Fellahweiber; wollene
Decken und grobe Tücher liefert das Fayum. Die ehemals so bedeutende
Leinenfabrikation in Unter- und Oberägypten hat aufgehört, ebenso ist die
Fabrik der roten Mützen zu Fuah im Verfall.
Abbildungen:
12. Aegyptischer Webstuhl nach einer Darstellung aus: Aug. Braulik, Alt-
ägyptische Gewebe, Stuttgart 1900. Original auf einem Wandgemälde in Beni-Hasan.
Die mit a und b bezeichneten Stäbchen dienen zur Fachbildung.
13. Wandmalerei aus einem Grabe zu Beni-Hasan: Semitische Familie ^ in
Aegypten Einlass begehrend (uach Lepsius), nach einer Darstellung aus Justi, Ge-
schichte der orientalischen Völker im Altertum, Berlin 1884.
14. Bemaltes Leinwandgewebe nach einer Darstellung aus : Braulik, Altägyptische
Gewebe, Stuttgart 1900. Die Buchstaben a und b beziehen sich auf leichtere (a) und
dunklere (b) Stellen der braungrauen Farbe.
15. Bemaltes Leinwandgewebe wie Abbildung 14. Originale von 14 und 15
im k. k, Oesterreichischen Museum in Wien.
16. Dekomponiertes ägyptisches Stoffmuster aus einer Wandmalerei nach einer
Darstellung aus: Braulik, Altägyptische Gewebe, Stuttgart 19.00. Die Dekomposition
ist so dargestellt, dass die schwarzen vollen Quadrate für Schwarz, die Kreuze in den-
selben für Indischrot, die Punkte für Zinnobergrün und die Kreise darin für Chrom-
gelb gelten sollen. Das Muster besteht nach Angabe von Braulik aus sechs ver-
schiedenen Schussfäden, die sich in der Ordnung 1, 2, 3, 4, 5, 6, 5, 4, 3, 2; 1, 2, 3,
4, 5, 6, 5, 4, 3, 2 u. s w. im Gewebe wiederholen. Original wie vorher.
17. Altägyptisches Flächenmuster aus Lotos und Spiralen mit Handwerkszeichen
in Feldern, nach einer Darstellung aus : Friedrich Fischbach, Ursprung der Buchstaben
Gutenbergs, Mainz 1900, Tafel V, Fig. 4.
Ahaus, Stadt im preuss. Peg. -Bez. Münster: Jutespinnerei und Weberei.
Ahle, Pfriemen (franz.: alenes* engl.: elsins, prickers); Werkzeug aus
einem Messingheft mit eingeschraubter Nähnadel; wird bei Stickereien auf
harten Stoffen (Brokat, Plüsch, Leder) gebraucht, um der Sticknadel für den
Durchzug des Fadens vorzustechen.
AhmedpOOr, Stadt im Vasallenstaat Bahawalpur des indo-brit. Peiches :
Seiden- und Baumwollenwebereien.
Aicha, Stadt in Böhmen: Spinnereien und Kattunfabrik; Wollstoff-
druckereien.
Aida, Bezeichnung eines modernen Grewebes für Tisch- und Grartendecken.
Die Musterung wird hervorgebracht durch zwei straminartige Oewebe, die
übereinander liegen und nach Form des Musters bald auf die rechte, bald auf
die linke AVarenseite gebracht werden, das ihre doppelseitige Benützung er-
möglicht (s. Bindungen).
Aiguillette (franz.), die Nestel, Nestelschnur, der Schnürsenkel, auch be-
schlagene Achselschnüre für Militär.
Ain-Tab, Stadt in der Türkei : Fabrik von Seiden- und Baumwollenwaren.
Airdrie, Stadt in der schott. Grrafschaft Lanark : Baumwollenwebereien.
Aire-sur-la-Lys , Hauptstadt des Kantons Aire im Arrond. St. Omer des
franz. Dep. Pas de Calais : bedeutende Fabrikation von Wolle.
14 Ajamis — Albigeois.
Ajamis, bunte Kattune, welche ehemals aus der Levante nach Frankreich
gebracht und von dort wieder nach Afrika ausgeführt wurden.
A-jour-Arbeit (franz.), s. Durchbruch.
A-jour-Stoffe, durchsichtige, durchbrochene Gewebe aus Seide oder feinen
Baumwolleugarneu, mit leinwandartigem Grund, während auf den durchsichtigen
Stellen vier Fäden zusammendrehen, sodass Löcher im Gewebe entstehen; die
Musterung ist gestreift oder karriert (s. Bindungen).
Akhmyn s. Achmim.
Akscher, Stadt in der asiat. Türkei : Teppichfabrik, Handel mit '\\''ollen-
waren und Seidentapeten.
Aksu, Stadt in Ost-Turkestan oder der kleinen Bucharei: fabriziert Baum-
wollenzeuge von erster Güte, die nach allen Orten Ost-Tiirkestans abgesetzt werden.
Ala, Stadt in Tirol: Sammet- und Seidenwebereien.
Alabama, einer der Vereinigten Staaten im östlichen Teile von Amerika :
Erzeugung von Baumwolle, jährlich bis auf 2 Millionen Ballen, welche nach
dem Gewinnnungsort benannt wird.
Aladjas, schwere ostindische TafFete , die früher von Surate durch die
ostindischen Kompagnien in den Handel gebracht wurden: es gibt gestreifte
und geblümte Muster mit Ranken u. s. w.
Aladscha, buntgemusterte Baumwollenstoffe, ursprünglich nur im Orient
angefertigt, jetzt aber auch in Deutschland und der Schweiz gemacht, von wo
sie nach dem Orient ausgeführt werden.
A-la-fougere, eine Gattung Kniebänder von Zwirn, die in der Auvergne
gewebt werden.
Alagia, im Levantehandel die auf Morea, Prevesa und Arta dichtgewebten,
bunten Baumwollenzeuge, die auch mit Seide vermischt werden.
Alagoas, Staat und frühere Hauptstadt in Brasilien : Haupterzeugnis in
Baumwolle, welche nach ihrem Ge^^-innungsort benannt wird.
A la grecque (franz.), unpassende Bezeichnung für Mäanderborte (s. d.),
weil wörtlich : auf griechische Art.
• Alais, das alte AJesia, Hauptstadt des Arrond. A. im franz. Dep. Gard:
bedeutende Seidenindustrie ; beträchtlicher Handel mit Seidenstoffen und Bän-
dern; Maulbeerbaumzucht.
Alamba, nordamerikanische Baumwollsorte (aus Mobile), weiss, glänzend,
kräftig im Faden.
Alatri, Stadt im Kreis Frosinone, im Südosten der ital. Prov. Kom: hat
viele Tuchfabriken.
Alaunieren, Alaunen, in der Färberei, namentlich in der Türkischrot-
färberei, die Behandlung der zu färbenden Stoffe zum Zwecke der Aufnahme
und Fixierung des zu applizierenden Farbstoff'es.
Alba, Albe (Jat. alba; franz. aube; engl, alb) ; das unterste Amtsgewand
des Priesters der alten, der heutigen katholischen und der angelikan. Kirche.
Es besteht aus weisser Leinwand und hängt faltig bis auf die Füsse.
Albaida, Stadt in der span. Prov. Valencia : Leinenwebereien.
Albanesische Fransen s. Fransen.
Albanesische Stickerei, nach ihrer Herkimft bezeichnete Technik auf
Leinen im Kreuz-, Strich- und Gobelinstich in Bot, Blau und Grün, mit
Mustern aus streng stilisierten Blütenformen oder geometrischen Figuren (s.
Leinen>tickerei\
Albarazine, spanische AVolIe aus Albaracia in Aragonien.
Albernus, orientalischer Stoff wie Kamlott , der über Marseille in den
Handel kommt. ^
Albi, Hauptstadt des franz. Dep. Tarn und Arrond. A. : Fabriken von
Wollen-. Leinen- und Baumwollzeugen.
Albigeois, eine im Handel von Toulouse, Montpellier, besonders aber auf
der Messe von Beaucaire vorkommende Sorte grauer ungebleichter Leinwand
von verschiedener Länge und Feinheit, sie wird in Languedoc, meistens in der
Gegend von Albi verfertigt.
Albisola — Alessandria. 15
Albisola, Flecken in der ital. Prov. Genua: fertigt Spitzen aus ver-
schiedenfarbigen Seiden- oder Leinenfäden, welche nach ihrer Fabrikationsstätte
benannt werden (s. Spitzen).
Alcala, Bezirksstadt in der Prov. Madrid : Leinengarnspinnerei und ver-
schiedene "Webereien.
Alcantara, Stadt in Brasilien: Seidenzucht.
Alcantaraorden s. Lilienkreuz.
Alcatifas de Persia, Alcatifs, im spanischen Handel die feinen orien-
talischen Tapeten und Teppiche.
Alcatquen, reiche mit Gold durchwirkte persische Teppiche , welche zu
Divandecken verwandt werden.
Alcazar de San Juan, Bezirksstadt in der span. Prov. Ciudad-Peal:
"Wollwebereien.
Alcira, Bezirksstadt der span. Prov. Valencia: bedeutende Seidenzucht,
welche jedoch gegen frühere Zeiten sehr zurückgegangen ist; die Blütezeit von
A. fällt in die maurische Zeit.
Alcoba^a, Stadt in der portug. Prov. Estremadura: Seiden-, Baumwollen-
und AVollenindustrie.
Alconcher, in England eine Art wollener Bayette (s. d.) für Spanien und
Amerika gefertigt.
Alcoy, Stadt in der span. Prov. Alicante : grosse Anzahl von Walken,
Tuch-, "Wollenstoff- und Leinenwebereien, welche während des blutigen Auf-
standes im Jahre 1873 gelitten haben.
Aldekerk, Dorf im preuss. Peg.-Bez. Düsseldorf: Sammet- und Seiden-
bandweberei.
Alderney (franz. Anrigny), drittgrösste der normannischen Inseln : wich-
tiger Erwerbszweig ist die Strumpfwirkerei.
Alemanetis nannte man ehedem zu Marseille die deutsche Schocklein-
M'and, welche besonders ans Augsburg dort eingeführt wurde.
Alen^on, Hauptstadt des franz. Depart. Orne : lebhafte Industrie in Lein-
wand, Picjue- und Barchentweberei, feinen Wollenzeugen, Stickerei- und Posa-
mentierwaren. Die einst so bedeutende Erzeugung von Nadelspitzen, zuerst
(1666) auf dem Schlosse Louray beiA., wohin der Minister Colbert Arbeiterinnen
aus Venedig berufen hatte, beschäftigt nebst der Musselinestickerei noch immer
an 2000 Personen, welche gewöhnlich in der Spitzenschule zu A. vorgebildet
werden. (Vgl. den Artikel Spitzen.)
Alen^On, ein leichter Stoff aus Seide und Baumwolle, welcher zu Anfang
des 19. Jahrhunderts modern war.
Alen^onnes oder toiles d'Alencon, halbweisse Hausleinwand, welche in
der Xiedernormandie in verschiedener Feinheit gewebt wird.
Alepine, ein nach seiner Hauptfabrikationsstätte Aleppo in Syrien be-
nannter geköperter Stoff, dessen Kette von weicher Seide, der Einschlag von
weichem feinem Kammgarn, ursprünglich nur in schwarzer, später in allen Farben
gebräuchlich; wird auch in Frankreich (Paris, Beauvais, Amiens) und in Deutsch-
land (Gera, Pochlitz) erzeugt, in England von härterem Kammgarn nachgeahmt.
Alepper oder aleppische Seide , welche die Europäer zu Aleppo in
Syrien kaufen und über Alexandrette ausführen.
Aleppo, Hauptstadt des gleichnamigen asiatisch-türkischen Vilajets: die
Lage im Knotenpunkt aller Handelsstrassen, die vom Mittelmeer nach Osten
führen, machte A. schon vor Jahrhunderten zu einem Haupthandelspunkt des
Orients und bildet seither den Stapelplatz für europäische, levantinische, indische
und persische Textilwaren. Am schwunghaftesten war der Handel A.'s vor
der Auffindung des Seeweges nach Indien, während und nach der Zeit der
Kreuzzüge, wo die Genuesen und Venezianer ihre Hauptniederlagen hier hatten.
Aleppo, Name syrischer Baumwollenart.
Alessandria, Hauptstadt der Prov. A. in Oberitalien: bedeutende Fabri-
kation von Leinen- und "Wollen Stoffen. Für den Handel wichtig als Mittel-
punkt des Verkehrs zwischen Genua, Turin und Mailand.
16 Alexandrette — Aloehanf.
Alexandrette, Name syrischer Baumwollenart.
Alexandria, Stadt in der schott. Grafschaft Dumbarton: Kattundrucke-
reieu und Färbereien.
Alexandria, moderner halbwollener gemusterter Damenkleiderstoff. A.
ist auch Bezeichnung einer ägyptischen Baumwollenart, von kurzem Stapel,
der gewöhnlichen smyrnischen ähnlich, jedoch unrein und schmutziger als diese.
Alexandrien, Alexandria, 331 v. Chr. von Alexander d. Grr. gegründet,
von den Türken und Arabiern Iskanderijeh oder Skanderijeb genannt, Seestadt
an der Mittelmeerküste Aegyptens. Hauptsitz der Seidenindustrie im frühen
Mittelalter, auch bis zum Zeitalter der mamelukkischen Sultane noch' besonders
tonangebend in der Herstellung reicher orientalischer Brokatgewebe.
Alexandrine nannte man früher feine Stoffe aus Baumwolle und Leinen-
garn, welche durch Appretur ein seidenartiges Aussehen erhielten; sie wurden
in Neuchätel und E-ouen in bunten Mustern auf weissem Grunde gewebt.
Alfa, (Haifa, Sparto, Espartogras) Faserstoff aus der in Nordafrika hei-
mischen und kultivierten Grasart stipa tenacissima von grüngelber Farbe, ohne
Glanz, rauh und steif, wird zu Geweben für Militär- und Matrosenkleidung
verwendet.
Alfeld, Kreisstadt im Kreise A. a. d. Leine : Fabrikation von Drell und
Barchent ; Handel mit Leinwand.
Algerienne, ein ursprünglich nur in Algier hergestelltes Wollengewebe
mit bunten Qnerstreifen für Zelte, Vorhänge u. dergl., wird jetzt auch in
Europa vielfach in leichterer Ware nachgemacht und nach dem Orient ausgeführt.
Algier, Hauptstadt des Depart. A. zugleich erster Handelsplatz von Al-
gerien : Erzeugung von Teppichen, Seidengazen, goldgestickten Musselinstoffen,
Haiks und anderen Wollwaren.
Alicante, Hauptstadt der Prov. A. in Spanien: beträchtliche Baumwollen-
fabriken und Leinwandwebereien.
Alizari, (ital.: Krapp) die Krappwurzel, welche den roten Farbstoff liefert,
der bei der auf Smyrna geübten Teppichindustrie eine grosse Bolle spielt.
Alkmaar, Stadt in der niederl. Prov. Nordholland: bedeutende Segel-
tuchwebereien.
Allabatis, Allibalis, Alliabat, Alliabally, Allibanis, Bezeichnungen für ost-
indische Baumwollenzeuge, teils glatt, teils broschiert und gestickt, welche am
Anfange des 19. Jahrhunderts durch Holländer und Dänen nach Europa ge-
bracht wurden. Die holländischen Sorten waren mit Kanten aus Golfäden,
die dänischen meist gestickt.
Alla Tolosa, in Italien eine Gattung seidener Halstücher, welche aus
feiner Organsinseide gewebt werden.
Allegeas, Allegias, Allejars, mehrere Arten ostindischer Stoffe, teils ganz
aus Baumwolle, teils gemischt; die baumwollenen Sorten dieses Namens sind
Musselin: sie kommen auch unter der Bezeichnung Bethilles vor.
Allemagnettes oder Alemanetis hiess früher in Italien die weissgebleichte
Württemberger bezw. TJlmer Leinewand, welche in Livorno, Genua, Marseille
u. s. w. grossen Absatz fand; sie wurde in Fadenbreile von 1600 — 3600 Kett-
fäden gewebt.
Allenstein, Kreisstadt im Beg.Bez. Königsberg : bedeutender Leinenhandel.
Alliabably, feines Baumwollengewebe (Musselin) von Dacca in Ostindien.
Alliancewappen s. Heiratswappen.
Almeria, Hauptstadt der Prov. A. in Spanien, verdankt seine Bedeutung
den Mauren, die dort im Mittelalter erzeugten Seidenstoffe waren durch ihre
Schönheit sprichwörtlich geworden. Im 13. Jahrhundert nimmt hier die Seiden-
industrie einen solchen Aufschwung, dass die inländische Bohseidenproduktion
nicht mehr ausreicht.
Aloehanf, Aloefaser (franz.: chauvre d'alves ; engl.: Mexican grass), starke,
lange, von spinnbarer Feinheit glänzend gelblicliweisse Faser, deren Länge bis
auf 50 cm, die gehaspelte Faser auf 20 — 38 cm kommt, in Mexiko, Südamerika
und Algier aus den Blättern einiger Agavearten gewonnen ; in fein zubereitetem
Alpaka— Altkirch. 17
Zustande zu Geweben (Aloetüchern), auf den Philippinen zu Nadelspitzen ver-
arbeitet. Ein sehr ähnliches Produkt ist der Pitehanf in Peru und Neugranada
(s. a. Lisal).
Alpaka, moderner glänzender Damenkleiderstoff in Leinwandbindung
aus Kette von Baumwollenzwirn und Alpakaschuss.
Alpakawolle, das Haar der drei in Südamerika heimischen Schafkamel-
arten: Lama, Alpaca, Yicuna oder Vicogna, zeichnet sich aus durch seiden-
artigen Grlanz. Sie ist nur schwach gewellt, ziemlich schlicht und liefert ein
sehr geschätztes Kammgarn, dessen Rohware über England nach Europa kommt.
Bis zum xAnfang des 19. Jahrh. ist die A. für Europa wertlos, bildet jetzt
einen der vorzüglichsten Ausfuhrartikel von Peru und Chile. In England wird
die A. seit etwa 1830 versponnen, in Frankreich, Belgien und Deutschland hat
diese Industrie viel später Eingang gefunden. Am häufigsten wird A. mit
mehreren anderen Fasern versponnen (Baumwolle, Mohair, Kammgarn oder auch
Seide), solche Alpakagarne nennt man Mixed garns (gemischte Garne). Die
Farbenmischung im Einschuss wird auch durch Zwirnen verschiedenartiger
Alpakagarne bewirkt; solche Gewebe nennt man Twisted Alpaka. Die Alpaka-
gewebe dienen zu Anzugsstoffen, Möbelbezügen und Besätzen.
Alsfeld, Kreisstadt in Oberhessen: Erzeugung von Leinen-, Halbleinen-
iind Baumwollenwaren.
Altarausstattung, Altarbekleidung, Altarzeug (lat. : vestis altaris, vesti-
mentum; franz.: ornament d'autel ; engl.: altar-ornament). Zur Altarbekleidung
sind zu rechnen a) in der katholischen Kirche : der Altarbehang, die Altartücher,
das A^esperale, das Corporale, das Frontale oder Antependium, b) in der
evangelischen Kirche: der Altarbehang, die Vorhaltetücher, die Altartücher:
Corporale oder Leibtuch, die Fallen, und in englischen Kirchen das Yelum
(s. die Artikel im Einzelnen). (Yergl. über katholische A. Bock, Geschichte
der liturgischen Gewänder, 3 Bde. Bonn 1859 — 1871, über evangelische A.
M eurer, Altarschmuck, ein Beitrag zur Paramentik :! i der evangelischen Kirche,
Leipzig 1867.)
Altarbehang, Altarbehänge, Altargewand, Altarverhüllung (lat. : pallium,
palla, palliota; franz.: nappe, d'autel; engl.: pallium); so heissen in ihrer
Gesamtheit alle die Teile der Altarbekleidung, welche an den Altar angehängt
werden.
Altartuch, Altartwele (lat. : mappa, tobaleum, tuella, linteamen ; franz. :
linge d'autel , nappe, touaille ; engl. : towel , altar-cloth). Jeder katholische
Altar soll mit drei Leinentüchern bedeckt sein. Die beiden unteren bedecken
nur die Altarplatte , das oberste aber muss noch zu beiden Seiten bis zum
Sockel des Altartisches herabhängen; unter dem untersten liegt noch das
Chrismale, ein wachsgetränktes Linnen. lieber das oberste wird das Yesper-
tuch (s. d.) ausser der Messe gebreitet. Diese Yorschriften datieren vom
Papst Pius I. (142 — 157). Anderen Stoff als Leinwand zu nehmen ist streng
verboten. Im Mittelalter wurden diese Leinentücher mit farbigen Streifen
gewirkt oder gestickt oder auch mit strengen Mustern im Stile der Zeit bedeckt
und in bescheidener Weise mit Fransenabschluss versehen (s. Leinenstickerei).
Altchemnitz, Ortsgem. in Sachsen: Baumwollen- und Kammgarnspinne-
reien; Kattun- und Jutedruckereien (s. Chemnitz).
Altdeutsche Leinenstickerei s. Leinenstickerei.
Altdeutsche Stoffmuster s. Deutschland.
Altdeutscher Knüpfstich s. Leinenstickerei.
Altdeutsches Leinen s. Leinen.
Altenburg, Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-A. : Fabri-
kation von wollenen Garnen und Leinenwaren.
Altertumskonservierung s. konservieren, reinigen u. s. w.
Altes Land, Marschebene im Kreis Jork des preuss. Beg.-Bez. Stade
a. d. Elbe: Leinenstickerei, Baumwollen- und Tuchwebereien älterer Zeit.
Altkirch, Hauptstadt im Oberelsass bei Mülhausen: Baumwollspinnerei,
Kattunweberei.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde, O
18 Altona — Amerika.
Altona, Stadt im preuss. B>eg.-Bez. Schleswig: Wollspinnerei, Fabrika-
tion von Wollgarn; Posamentierwaren.
Altorientalische Teppiche s. Teppiche.
Altstadt, Stadt in Mähren: bedeutende Leinenindustrie.
Alumnatzeug, ein starker, dicht gewebter, meistens schwarz ge-
färbter Wollenstotf, welcher in mehreren böhmischen Fabriken gemacht
und meistens zu Kleidern für Ordensgeistliche und Alumnen verbraucht wird.
Alvellos, Stadt in Brasilien : Seidenwebereien.
Alzey, Kreisstadt der hessischen Provinz E,heinhessen, bei Mainz: ältere
Webereien.
Amabouks nennt man die in den nördlichen Gegenden Irlands verfer-
tigten, gewöhnlichen, halbgebleichten Leinwandstoffe; sie werden ungebleicht zu
Warensäcken, halbgebleicht zu Matrosenhemden und Sklavenkleidung gebraucht.
Amamee, ein glattes, festgeschlagenes Baumwollengewebe aus Bengalen;
die feinere Sorte führte auch den Namen Bissuti, die gröbere Tissuti. Sie
wurden ehedem zum Kattundruck, auch zu Hemden, Betttüchern, Vorhängen
u. 8. w. gebraucht, später aber durch nordamerikanische baumwollene Zeuge,
die sog. Domestiks verdrängt.
Amanblucee, ältere Sorte von Baumwollenzeug, die man über Aleppo bezog.
Amand-les-Eaux , Hauptstadt im franz. Depart. Nord, Arrond. Valen-
ciennes: Spitzenfabrikation.
Amanouri, eine der feinsten levantinischen Baumwollen.
Amarant, Name einer Zeugfarbe, welche der des gleichnamigen Pali-
sanderholzes ähnlich ist (s. Zeugdruck).
Amazones, moderne Bezeichnung eines Wollenstoffes, der zur Anfertigung
von Frauenkleidern dient.
Ambelakia, Stadt in der Türkei, Vilajet Janina: Baumwollenbau,
Türkischrotfärberei.
Amberg, Stadt im bayer. Beg.-Bez. Oberpfalz : bedeutende Fabrikation
in Woll- und Leinenzeugen.
Amberien-en-Bugey, Hauptort im franz. Depart. Ain, Arrond. Belley:
Tuch- und Deckenfabriken; Baumwollenspinnereien.
Ambert, Hauptstadt des gleichnamigen franz. Arrond. im Deport. Pay-
de-D6me: Band-, Segeltuchfabrikation; lebhafter Handel mit Kamelotts, Beutel-
tuch u. s. w.
Amboise, Hauptort im franz. Depart. Indre-et-Loire : Fabrikation von
Teppichen und Tuchstoffen ; bedeutender Handel.
Ambras, Dorf in der österr. Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in Tirol:
berühmt durch die s. Zt. dort aufbewahrten Sammlungen, worunter auch einige
Stoffe und Stickereien , welche sich gegenwärtig im kunsthistorischen Hof-
museum in Wien befinden. Vgl. Hg und Böheim , Führer durch die K. K.
Ambraser Sammlung, Wien 1879.
Ambrieres, Hauptort im franz. Depart. Mayenne : Kalikofabriken.
Amens, Amiens, ein fester geköperter Wollenstoff, welcher aus feinem
hartem Kammgarn, den Lastings gleich, aber von besserer Qualität, in Schott-
land, England, Frankreich und Deutschland gewebt wurde; er kam in allen
Farben, gestreift und gemustert, in den Handel: man fertigte ihn zuerst in
Amiens, s^Däter in Yorkshire und zuletzt in Deutschland; ersetzt wurde A.
später durch die im Gewebe und Garn ähnlichen Merinos und Tibets (s. d.).
Amerika. Die ersten Versuche, Seidenband- und Stoffweberei in den
Vereinigten Staaten Amerikas einzuführen, fallen in die 50er Jahre des 19.;Jahrh.,
wenn auch schon früher (1836) kleinere Betriebe bestanden haben. Hohe
Schutzzölle und die Freilassung der Einfuhr von Bohseide verhalfen der jungen
Industrie bald zu raschem Aufschwung. Das Material bezog A. von Anfang
an aus China. Die wichtigsten Sitze der Seidenindustrie befinden sich aus-
schliesslich in den nordöstlichen Staaten, namentlich Neu-Jersey, Pennsylvanien,
Neu-York, Connecticut (South Manchester) und Massachusetts, weniger in
Maine und Virginien. Das Charakteristische amerikanischer AVebereien ist,
Amertis — Amsterdam. 19
dass die meisten keine Spezialartikel liefern, sondern neben den Sammeten auch
Atlasse , neben den Bändern Besatzartikel anfertigen u. s. w. Die meisten
betreiben ferner zugleich die Zwirnerei und stellen ihren Bedarf an Organsine
und Trame selbst her. Infolge der teueren Handarbeit verwendet die Weberei
fast ausschliesslich die mechanischen Stühle. Der Charakter der amerikanischen
Seidenmanufaktur ist von dem der europäischen in vieler Hinsicht verschieden.
Infolge hoher Arbeitslöhne werden aus ökonomischen Rücksichten gröbere
Gespinstnummern verwendet; es wird auch weniger dicht gewebt. Die zeit-
raubende Operation des Stoffreibens wird nur selten ausgeübt. Die Stoffe
werden stark gummiert, wodurch sie an Gefühl und Schönheit des Faltenwurfs
verlieren. Die Gespinste werden in der Regel nicht unbeträchtlich erschwert.
Die Qualität der Arbeit selbst ist weniger sorgfältig, als in Europa; im all-
gemeinen sind die Fabrikate von ziemlich guter Qualität, aber unverhältnis-
mässig hohem Preise. (Yergl. Silbermann, die Seide, Dresden 1897, Bd. 1
S. 137 ff.) lieber Baumwollenindustrie in Amerika vergl. den Artikel Baum-
wolle. (Vergl. auch über Altertümer in A. den ^Artikel Peru.)
Amertis, Amiertjes, im holländisch-ostindischen Handel feste Baumwollen-
zeuge oder Kalikos für Druckstoffe, welche die Holländer früher aus Bengalen,
vornehmlich aus Patua, nach Europa brachten.
Amiant s. Asbest.
Amictus (lat.), Ornatstück der abendländischen Kirche, gleichbedeutend
mit Humerale, Schultertuch.
Amiens, Hauptstadt des franz. Depart. Somme: Fabrik von Kamelotts,
Wollenstoffen, Utrechter Sammet, Teppichen, Tüll- und Leinenstoffen und be-
deutender Handel mit diesen Erzeugnissen. Schon im Mittelalter hatte A. als
eine der bedeutendsten Fabrik- und Handelsstädte Frankreichs einen Ruf. Im
Jahre 1492 führten Arbeiter aus Tournai die Tuchfabrikation daselbst ein;
Colbert brachte die Textilindustrie hier zu grosser Berühmtheit, indem er 1666
holländische Fabrikanten kommen liess. Jetzt ist A. besonders wichtig
durch Leinen-, Hanf-, Jute-, Woll-, und Seiden ab fallspinnereien. Fabriken
für Manchestersammet mit 7000 Arbeitern, Plüsch (4500), Kleiderkonfektion
(4000).
Amita, Bezeichnung für Taffetgewebe, welche nach einem Geschichts-
schreiber (Ende des 12. Jahrh.) unter diesem Namen in der Kgl. Manufaktur
zu Palermo gefertigt wurden.
Amoer, in vielen Gegenden Italiens der sog. Gros de tours.
AmorgOS, griechische Insel, die östlichste der Cykladen, hatte im Alter-
tum drei Städte : Minoa, Arkesine und Aegiale, die berühmt waren durch eine
Art feinen Flachses, aus dem feine durchsichtige Gewänder hergestellt wurden.
Amour, Hauptort im franz. Jura: Sammetstofffabrikation.
Amour oder Lacs d' Amour, ein sog. Drell, damastartig mit runden
oder ovalen Mustern, welcher im Depart. des Calvados, in Caen und der Um-
gegend, für Servietten hergestellt wird.
Amritsar, Hauptstadt der gleichnamigen Division und des Distrikts in
Indien : bedeutendste Handelsstadt des Pandschab und Mittelpunkt des Transit-
verkehrs für den Handel mit Kaschmir. Zu den Haupteinfuhrartikeln gehören
Baumwolle, Stückwaren, echte Kaschmirshawls, Seide. Ausgeführt werden die
einheimischen Fabrikate: Wolle und Seidenwaren, Goldfäden und besonders
unechte Kaschmirshawls, die hier aus dem Seidenhaar der tibetanischen Ziege
gestickt werden. Seit 1871 nimmt dieser Industriezweig ab ; doch ist A. noch
immer der Hauptmarkt für Kaschmirshawls. Der Gesamtwert der nach Europa
ausgeführten Shawls beträgt jährlich durchschnittlich 4 Mill. Mark, von denen
IV2 Mill. Mk. auf die in A. hergestellten Nachahmungen entfallen. A. ist 1574
gegründet und wurde 1846 britisch.
Amsterdam, Hauptstadt des Königreichs der Niederlande: Seide, Ta-
peten, Wolle. A. hatte früher einen wichtigen Seidenhandel ; man kaufte dort
alle Sorten roher ostindischer, persischer, levantinischer und italienischer Seide,
sowie gesponnene Organsine und Trame von Piemont, Mailand u. s. w.
20 Amsterdam — Ananasmuster.
Amsterdam, Stadt im County Montgomery des nordamerik. Staates Nen-
York: Strickwaren- und Teppichfabriken.
Anabasses, blau- und weissgestreifte wollene Decken oder Tücher, welche
im Depart. der niederen Seine zu ßouen, Dartenal und in den umliegenden
Ortschaften gemacht werden; auch die niederländischen Fabriken zu Leyden,
Brügge, Ypern u. s. w. webten diese Stoffe in Nachahmung der französischen,
welche meistens nach dem Senegal, nach der Küste von Gruinea und Angola
ausgeführt wurden.
Anacoste oder Anacote, moderner geköperter Wollenstoff aus hartem Kamm-
garn, eine Art Serge. In Frankreich machte man ihn aus ganz feiner Wolle, be-
sonders inBeauvais; die niederländischen Fabriken zu Leyden, Brügge, Arschoet
und Ypern liefern diesen Artikel noch. In Deutschland lieferten ehemals gute
A. Penig, Gotha, Bochlitz, Gera, Linz, Elberfeld, Breslau und Berlin für den
auswärtigen Handel. Schwarz gefärbt und ganz weiss geschwefelt ging die
AYare in Menge nach Spanien ; in harter Wolle und weniger guter Ausführung
liefern den Stoff die Holländer nach Japan, wo er unter dem Namen „Saaij"
bekannt ist.
Ananashanf (franz. fibre de pine; engl, pine applehemp), Gespinstfaser
aus den Blättern der Ananaspflanze. A. ist sehr fein, weiss und seidenartig
glänzend, die daraus gefertigten Gewebe scheinen stark durch, weil Schuss-
uud Kettfäden, die unmittelbar aus dem Blatt entnommen, nur an den Enden
durch Andrehen oder Yerknoten vereinigte Bastfaserbündel sind, welche der
Verdrehung gewöhnlicher Gespinstfäden entbehren: Ananasbatist, auf den
Philipx^inen Pinas , malayisch Tagais. Ananas sativa, Bromelia lucida und
B. semierata liefern die feinsten Fasern; die gröberen Fasern anderer Arten,
z.B. Bromelia karatas , B. silvestris , B. sagenavia, werden als Silk-grass zu
Tauen u. s. w. verwendet.
Ananas-Leinen, aus den Gespinstfäden der trockenen Blätter einer Ana-
naspflanze (Bromelia Pigmaea) und Mischung mit Baumwolle gefertigtes Ge-
webe. Die feinen A. -Tücher, welche in Manila gewebt werden, nennt man Pinas.
' g Ananasmaschine s. Wirkerei.
■ ^ 1.: Ananasmuster haben infolge des spitzovalen rautenförmig gerippten Frucht-
kolbens mit dem oben auswachsenden Blattbüschel in ornamentaler Auffassung
Abb. 18.
etwas Verwandtes mit den aus Pinienzapfen, Granatäpfeln und Distelblüten-
köpfen gebildeten Stofimustern des gotischen Zeitalters. Alle diese botanischen
Motive haben aber eher eine künstlerische Verwertung gefunden, als das
Ananasmuster.
21
Ananasgewächs , welches allein in Amerika seine Heimat hat (s. Abb. 18).
Das erste Erscheinen desselben in Europa fällt in die Zeit, wo in Gewändern
und Tapetenstoffen das sogenannte Granatapfelmuster (s. d.) in Italien und
Spanien zu voller Entfaltung gelangt ist und schon anfängt , sich von dem
ursprünglichen Grundmotiv zu entfernen, bis es allmählich übergeht in Blüten-
Abb. 19.
formen, wofür uns die sichere botanische Bezeichnung fehlt. Bei dieser Um-
gestaltung eines allgemein herrschenden palmettenartigen Blütenmotivs, dem
wir besonders in italienischen und spanischen Stoffmustern begegnen und das
dort bis spät in das 17. Jahrb. die verschiedenartigsten Wandlungen durch-
macht, scheint der Körper derA nanasfrucht in geschlossenem und offenem Zu-
stande von bedeutendem Einfluss gewesen zu sein (s. Abb. 19). In Frankreich
setzt die eigentliche fruchtbringende Tätigkeit der Prachtweberei erst am
Ende des 15. Jahrb. ein ; man ist also bei den Entwürfen der folgenden Stoff-
muster frei von Ueb erlief erungen alter eigener Kunstformen. Daher sehen
wir den französischen Zeichner die ihm über Holland zugehenden tropischen
Pflanzen in ihrer möglichst natürlichen Erscheinung für die Fläche nutzbar
machen, wobei selbst der schwere Ananaskolben als neigendes Glied eines
grossen palmettenförmigen Strausses dem typisch gewordenen Barockmuster
in getreuer Wiedergabe nicht fehlt (s. Abb. 20).
Ab bildungen :
18. Ananaspflanze nach einer Darstellung aus: lUustriertes Crartenbaulexikon,
begründet von Th. Rümpler, Berlin 1902.
19. Originalaufnahme aus dem König]. Landesgewerbe- Museum in Stuttgart:
22
Ananasmuster — Andrichau.
Halbseidenstoff, Grund blassrot, symmetrisches Muster gelblicb und weiss: Blatt-
gewinde, durch Knäufe verbunden, bilden spitzovale Felder, in welchen je eine grosse
palmettenförmige Blüte. Italien, 17. Jahrhundert.
20. Origiualaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbe-Museum in Stuttgart:
Abb. 20.
Borte eines Frauenkleides, Grund dichter, roter, geschnittener Sammet, symmetrisches
Muster aus gezogenen Goldfäden: Spitzengehänge, welche nach oben den Bogen-
abschluss der Borte bilden, umschliessen auf wechselnd gemustertem Grunde palmetten-
artige Blütensträusse , in denen der Ananas besonders vorherrschend ist. Frankreich,
Ende 17. Jahrhundert.
Ananasware s. Wirkerei.
Anatolische Teppiche, türkische Bezeichnung für T. aus Kleinasien,
zum Unterschied von den ebenfalls in Anatolien erzeugten eigentlichen Smyrna-
teppichen (s. Teppiche).
Ancelia, moderner halbwollener, durch Bindung gemusterter Damenkleider-
stoff aus Kette von Baumwollenzwirn und Schuss von Weft.
Ancona, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Prov., nach Venedig die
wichtigste Seestadt am Adriatischen Meer: Fabrikation von Seidenwaren,
Segeltuch.
Andalusia, eine mittelfeine spanische Wolle.
Andeyls, Hauptstadt des franz. Arrond. A. : Fabrikation von feinem^Tuch,
Strumj)fwaren und Leinwand stoffen.
Andreasberg, Stadt in der preuss. Prov. Hannover : Spitzenklöppelei,
mechanische Webereien.
Andreasknoten s. Knüpfarbeit.
Andreaskreuz, Bezeichnung für ein Spitzenmuster in Klöppelarbeit,
welches im Züricher Musterbuch von 1561 erscheint (s. Spitzen).
Andrichau, polnisch Andrychow, Stadt in der österr. Bezirkshauptmann-
Andro — Annaberg. 23
Schaft Wadowice inGalizien: bedeutende Leinwand-, Tuch- und Zwillichwebe-
reien, Blaudruckfärberei mit starker Indigoeinfuhr.
Andro, Hauptstadt auf der gleichnamigen Insel im griechischen Archi23el:
Seidenzucht und Spinnerei, Tapetenweberei.
Angebinde, (franz.: faveur; engl.: favor, favour) eine Bandschleife, die
der Ritter als Zeichen der Zuneigung von einer Dame empfing.
Angelica vestis (lat.), das Mönchskleid.
Angers, Hauptstadt im franz. Depart. Maine-et-Loire : Segeltuchfabrik,
Baumwollenspinnerei, Taschentuch, Kattun- und Zwirnstrumpfwarenmanufakturen.
Angleterre, Bezeichnung für einen in Frankreich gewebten seidenen
Glanztaffet.
Angola, moderner roter Baumwollenstoff in Köperbindung.
Angora, moderner glänzender Damenkleiderstoff in Leinwandbindung aus
Kette von Baumwollenzwirn und Schuss von Mohair. A. heissen auch Nach-
ahmungen der Angorafelle (s. Mohairplüsch, Lamskin).
Angoratuch, Bezeichnung einer älteren Ware aus "Wolle und Seidenfaser-
haar, welche durch weiches glänzendes Aussehen auffiel, aber nicht dauerhaft
war; man fertigte sie in Buttstädt und Züllichau.
Angorawolle, Angorahaar, Kämelhaar, Kamlot, — fälschlich Kamelhaar
genannt — (franz.: poil de chevre ; engl.: mohair, ice wool; span. : mohair;
türk. : tiftik) ; vom Arabischen Chamal = Ziege, aber auch „zart" „fein", eine seit
alter Zeit (vergl. Moses II, 25, 4 und 35, 6) wegen ihrer bedeutenden Länge
(30 cm und mehr), Dauerhaftigkeit und ihres Seidenglanzes hoch angesehene
Spinnfaser : das Haarkleid der Angoraziege, welche auf den Höhen von Angora
und Konieh in Kleinasien gezüchtet wird. Die feinste Wolle stammt von
einjährigen Ziegen; die der älteren Tiere wird auffallend grob und verliert
stark an Wert. Die geringste Sorte führt den Kamen Wickelwolle (pelotage
oder pellotini), dieser ist die persische Ziegenwolle (laine de perse) sehr ähnlich.
Die Angorawolle ist reinweiss, seltener grau und schwarz, daher am meisten
geschätzt. Ausser dieser ersten Angorawolle kommen auch noch andere Wollen
unter gleicher Bezeichnung in unserem Handel vor, die auch von Ziegen
stammen; aber sich von diesen unterscheiden durch den reichlichen Grehalt
dicker markhaltiger Haare. Die Angoraziege ist auch in Frankreich, Spanien
und Australien akklimatisiert worden, doch hat die von dort kommende Wolle
einen gelblichen Schein. Ferner sind in Kalifornien, Nevada, Arizona und
Neu-Mexiko bedeutende Herden dieser Ziege.
Anhalt, Fürstentum, besitzt beträchtliche Schafherden, welche im all-
gemeinen eine gute Wolle geben, die in Menge nach Hamburg, Holland und
Frankreich ausgeführt wird, der Handel damit hat seinen Hauptsitz in
Cöthen.
Animalisieren nennt man die für Zwecke der Färberei und des Zeug-
druckes häufig erforderliche Vorbereitung der Baumwolle, welche dazu dient,
derselben eine der Schafwolle ähnliche Anziehungskraft für gewisse, andernfalls
an der Baumwollfaser nicht haftende Farbstoffe zu erteilen.
Animetta (lat.), das Tuch zur Bedeckung des Abendmahlskelches.
Anlegetechnik, in der Stickerei das einfache Aufnähen der Groldfäden
oder Schnüre, welche entweder unsichtbar oder sichtbar mit Ueberfangstichen
in gleicher oder abstechender Farbe festgehalten werden und in Umrissen
(nach italienischen und spanischen Vorbildern der Renaissance) oder auch in
ganzen Flächen (nach Stickereien des Orients, vornehmlich China) das Muster
bilden. (Vergl. den Artikel Goldstickerei.)
Anmaschen s. Strickerei.
Annaberg, Stadt in Sachsen: Mittelpunkt der sächs. Spitzenklöppelei
und Posamentier Warenfabrikation, von denen die erstere 1561 durch Barbara
Uttmann (-|- 1575), die andere im nahen Buchholz im Jahre 1590 durch prote-
stantische Belgier (Einenkel) begründet ward ; ferner Fabrikation von seidenen
Stoffen, unechten Gold- und Silbertressen (sog. Leonische Ware). Gewerbliche
Fachschiilen für Frauen und Mädchen. Lehranstalt für erzgebirgische Posa-
24
Annecy — Antependium.
mentierindustrie, mit der früheren Posamentierlehrlingsschule verbunden. Posa-
raentenexport nach den Vereinigten Staaten jährlich etwa für 45 Mill. Mark.
Annecy, Hauptstadt des franz. Depart. Haute-Savoie: Baumwollen-,
Wollen-Spinnereien und Webereien; Seidenfabriken.
Annina, römische weisse Baumwolle.
Annonay, Hauptstadt des Kantons A. des franz. Depart. Ardeche: Tuch-
und Strumpfwaren-Fabriken; Handel mit Seidenwaren.
Anreihen s. Knüpfarbeit.
Ansbach, Stadt im bayr. Reg.-Bez. Mittelfranken: Wollspinnerei; Fa-
briken von Woll- und Posamentierwaren, Nähseiden, Goldstickereien, Tapeten
und Teppichen; Frauenarbeitsschulen.
Anschlag s. Häkeln.
Anschlagen, 1. in der Weberei die eingeschossenen Querfäden mittels
der Lade am Webstuhl zusammenschieben; 2. das Umwickeln der Nadeln eines
Wirkstuhles zur Bildung der ersten Schleifenreihe.
Anschlagmaschen s. Strickerei.
Anspach, Stadt am Taunus : Fabrikation von Wollwaren und Herstellung
von Strumpfwirkstühlen.
Anstreckzeug s. Webstuhl.
Antependium (lat.), (franz. nappe; engl, frontal cloth), gestickter, gewirkter
oder gewebter Zierbehang für die Vorderseite des Altars zum Schutz oder an Stelle
Abb. 21.
des Frontale. Die Anwendung des A. ist seit dem frühesten Mittelalter gebräuchlich.
Die ersten Altarbehänge scheinen aus leichten faltigen Stoffen bestanden zu
haben, welche mit Bingen oder Oesen zum Abnehmen eingerichtet waren, es
wird eines solchen aus dem 4. Jahrh. von einem Altar Erwähnung getan, auf
welchem in der Unterkirche von Cosmas und Damian in Bom schon Papst
Felix IL zelebriert haben soll. Der Bibliothekar Anastasius erzählt von einer
golddurchwirkten Decke, die Kaiser Konstantin unter dem Pontifikat Vitalians
(657 — 672) für den Altar des heil. Petrus gestiftet habe; ferner: Papst Leo IIL
Anterits — Apolda. 25
(795 — 816) habe für denselben Altar eine Bedeckung anfertigen lassen, ge-
schmückt mit Weinranken aus reinstem Golde, mit Edelsteinen, Palmen, in
deren Mitte das Antlitz des Erlösers, der Maria und der Apostel dargestellt
war. Anfangs waren die Antependien jedenfalls ohne Rücksicht auf Betonung
der Elächengliederung aus gemusterten Stoffen der Zeit genommen, erst in
der romanischen Epoche erscheint das A. in gewisser Teilung, die sich späterhin
bis zur architektonischen Linienführung steigert (s. Abb. 21). Das gestickte
A. ist dem gewebten stets vorgezogen ; sobald die Technik der Goldstickerei
entwickelt ist, wird diese in reichem Masse dekorativ verwendet, dann aber
nimmt die Aufnäharbeit einen breiten Raum für derartige Zwecke ein, die
auch in neuester Zeit wieder dafür in Anwendung gekommen ist (s. kirchliche
Stoffe und Stickereien).
Abbildungen.
21. Originalaufnahme aus dem Dom in Xanten: Teil eines Antependiums, in
Gold- und Bildstickerei mit Darstellung von Apostelfiguren in Bogenstellungen, Frank-
reich Ende 15. Jahrhundert.
Anterits nannte man früher "Westen von sogen. Bourre de Magnesie,
einem floretseidenen Zeuge, das im Orient gewebt wird.
Antik s. Griechenland und Bom.
Antikisierend, den antiken Kunstformen nachgebildet, sich an solche an-
lehnend, nicht unmittelbar kopiert.
Antiochien, im frühen Mittelalter Besidenz der Seleuciden in Syrien,
erzeugt nach Berichten römischer Schriftsteller schon frühe prächtige, glatte,
moirierte Gewebe und Goldbrokate und ist der Hauptsitz der Seidenindustrie wäh-
rend der Kreuzzüge. An der Stelle des alten A. liegt das heutige A., dessen
Einwohner Seidenzucht und Handel mit Seide treiben.
Antrim, nordöstliche Grafschaft Irlands in der Prov. Ulster : Flachsbau,
Spinnerei und Weberei in Leinen bilden die Hauptindustriezweige ; daneben
wird auch Baumwolle und Schafwolle gesponnen und verwebt.
Antwerpen, Hauptstadt gleichnamiger Provinz im Königreich Belgien:
Tuch-, Wollen- und Baumwollenwebereien. Fabrikation von Spitzen, deren
Erzeugnisse in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückgehen (s. Spitzen).
Für den Seidenhandel ist A. im Mittelalter wichtig; es stand im 13. Jahrh.
in lebhaften Beziehungen mit den Yenetianern und war im 14. Jahrh. einer
der besuchtesten Stapelplätze für Bohseide. Im 16. Jahrh. hat A. den leb-
haftesten Handelsverkehr mit der ganzen Welt, besonders aber mit Amerika.
Unter der spanischen Herrschaft der Niederlande und während der niederländ.
Freiheitskämpfe wurde der Handel dieser Stadt völlig zerrüttet und 1648
durch die Sperrung der Scheidemündung von Seiten Hollands aufs neue unter-
bunden. Infolge der Eroberung der Niederlande durch die Franzosen wurde
die Scheideschiffahrt wieder frei und A.s Hafen von Napoleon wieder her-
gestellt und vergrössert. Ueber die Stoffsammlung in A. vergl. Catalogue du
musee d'antiquites d'Anvers par P. Genard. A. 1894.
Anzugsstoffe, zu Anzügen benützte Gewebe, besonders Tuche, Buckskin,
Loden, Cheviot, Kammgarnstoffe.
Aeolian, moderner, ganz leichter, halbseidener Stoff für Ballkleider mit
Kette aus Kettengarn und Schuss aus Seide.
Apartadores heissen in Spanien die sachkundigen Leute, welche die
Wolle sortieren.
Apfelbaum, als symbol. Darstellung des Baumes der Erkenntnis ; in guter
Stilisierung häufig auf deutschen und italienischen Leinenstickereien: nament-
lich Mustertüchern des 17. und 18. Jahrhunderts.
Apolda, Stadt in Sachsen-Weimar-Eiseuach: Hauptort für Fabrikation
von Strumpfwaren (gegründet von Zimmermann 1759 — 1843) im Deutschen
Beich, die in A. und Umgegend in mehr als 70 Fabriken 8000 Arbeiter be-
schäftigt. Auch Posamentierwaren werden erzeugt, ferner bestehen Woll-
26 Apostelfigureu — Arabesken.
Spinnereien und Färbereien. Der jährliche Gesamtumsatz der Wollwaren be-
trägt über 20 Mill. Mk. (Yergl. Kornfeld, Geschichte und Beschreibung
der Fabrik- und Handelsstadt A., Apolda 1871.)
Apostelfiguren bilden namentlich in der Gotik und Frührenaissance eine
beliebte Darstellung in kirchlichen Stickereien, wo sie in sogen. Bildstickerei
einzeln so ausgeführt sind, um sie als Füllung oder unter Bogenstellungen
ornamental und als Symbol zu verwenden. lieber die erste derartige Verwen-
dung vgl. koptische Wirkereien (s. Abb. 21).
Appenzell, Schweizer Kanton, ganz vom Kanton St. Gallen umschlossen :
bedeutende Fabrikation von AVeissstickereien: 137 Werkstätten mit 2000 Ar-
beitern.
Applikation s. Aufnäharbeit.
Applikationsfarben (s. Zeugdruck), sog. Tafel- oder Körperfarben, welche
ohne vorherige Beize direkt auf den Stoff gedruckt werden.
Appretur (franz.: appret; engl.: finishing), Zurichtung, Ausrüstung des
Gewebes, um es in Farbe, Glanz, Griff und Dichte in der äusseren Erschei-
nung und im inneren Gefüge für den Handel besser zu veransehnlichen, schöner
und auch preiswürdiger zu gestalten, welches je nach der Art und Beschaffen-
heit des Stoffes geschieht: Wollene Gewebe werden gewalken, gerauht, ge-
schoren, genoppt, gebürstet oder gepresst; Kammgarnstoffe sind meistens
fertig, wenn sie aus dem AVebstuhl kommen ; baumwollene Gewebe werden,
wenn sie den Leinenwaren ähnlich sehen sollen, gesengt, um die Fasern zu
entfernen, dann gebleicht, gestärkt, gemangelt oder kalandriert, moiriert u. s. w.
Leinene Gewebe werden mit Ausnahme des Sengens ebenso behandelt. Auch
die Seidenstoffe sind grösstenteils fertig; nur leichtere Sorten von Atlas
und Taffet werden mit Kleb- oder aus x4.usfüllstoffen bestehender Masse be-
strichen, zylindriert, moiriert u. s. w.
Literatur: Meissner, Die Maschinen der A. Berl. 1872; ders..
Der praktische Appreteur. 1875; Grothe, Die A. der Gewebe. Berl. 1882;
E/Omen, Bleicherei, Färberei u. A. Berl. 1879 — 85; Depierre, Die A. der
Baumwollengewebe (aus dem Franz.). Wien 1888; Polleyn, Die Appretur-
mittel, ebd. 1886; B. eis er, Die A. der wollenen und halbwollenen Waren.
Leipzig 1898.
Appreturschulen s. Färberei- u. A.-Schulen.
Apt, Hauptstadt des franz. Arrond. A. in der Provence : Fabrikation
von Seidenfilaturen.
Aptä (Malvo), Bast der Stämme mehrerer ostindischer Bausiniaarten ;
wird zur Herstellung von Tauen, Seilen, Fischernetzen und gröberen Geweben
benützt. Die Bausiniafasern haben grosse Festigkeit und Widerstandskraft
gegen Wasser und sind sehr biegsam; ihre Farbe ist tiefbraun.
Arabeshi werden in spanischen und französischen Musterbüchern des
17. Jahrhunderts gewisse Spitzen genannt, deren Bezeichnung sich aber nur
auf die Zeichnung (in arabischem Stil) bezieht.
Arabesken (auch Mauresken genannt), ein von den Arabern erfundenes
Flachornament, das sich in geradlinig- geometrischer, kreisförmig und spiralig
gewundener Linienführung unter Hinzuziehung vegetabilischer Kunstformen
bewegt. Dasselbe fand bei allen Völkern des Islam, denen die religiösen
Vorschriften das Abbilden von Menschen und Tieren nicht gestatteten, die
weitgehendste Ausbildung und kommt in der Zeit der Renaissance in Europa
(Italien, Frankreich und Spanien), in Deutschland namentlich bei Ornament-
stechern (Peter Flötner, A. Hirschvogel u. a.) zur reizvollen selbständigen
Entwickelung. Der Textilkunst ist besonders die geradlinige Arabeske tech-
nisch sehr zur Hand ; aber auch die feinen, rundlich gelegten Banken weiss
der Araber der Technik seiner hochentwickelten Seidenweberei, sowie der in
feinstem Material geübten Stickerei und Teppichknüpferei anzupassen (s. ara-
bischer Stil). (Vgl. Abb. 22.)
Arabias — Arabischer Stil.
27
Abb. 22.
Abbildun g:
22. Arabeskenmuster nach einer Darstellung aus : Kumsch, Stofimuster des
16.— 18. Jahrhdrts. Serie IV, Tafel 151; Leipzig 1888— 95. Original: Sammetbrokat,
Spanien 16. Jahrhdrt.
Literatur: Pris d'Avennes, L'art Arabe ; Dier cks , Das arabische
Ornament, Leipzig 1883; Licht wark, Der Ornamentstich der deutschen
Frührenaissance, Berlin 1888.
Arabias, Arabiennes, eine ältere Sorte bunter Halbleinwand, welche aus
Baumwollen- und Flachsgarn in der Oberlausitz (Lauban, Sebnitz) gewebt und
nach Südamerika versandt wurde.
Arabischer Stil, die von dem Auftreten Mohammeds bis gegen das Ende
des 9. Jahrhunderts vorzugsweise in Spanien herrschende Richtung der Mo-
hammedaner, aus welcher sich später der während der ganzen Blütezeit des
Mittelalters herrschende maurische Stil entwickelte. Die Araber entbehrten
einer nationalen Kunst. Die Religion, welche sonst überall die Grrundlagen
für die Architektur und alle anderen Künste bildet, konnte es dort nicht
werden, weil weder der ursprüngliche einfache Gestirnkultus, noch der spätere
Götzendienst dem wandernden Nomadenvolke Gelegenheit zu bedeutenden
Tempelbauten gab und auch die geringfügigen Bedürfnisse des Lebens keine
Veranlassung zur Ausbildung eines etwaigen Kunsttriebes boten. Ihre stets
regen Handelsbeziehungen zu Aegypten, Phönizien, Persien und Indien und
später zu China und Japan machten sie mit allen Kostbarkeiten der alten
Welt und ihren Kulturen bekannt, indessen liess ihr kriegerischer Geist und
die Interessen für den Handel, ebensowenig die Prachtliebe für die Benutzung
der fremden Artikel, als auch das Streben zur Nachahmung bei ihnen auf-
28
Arabischer Stil.
Abb. 23.
kommen. Es nehmen demnach die Araber, als sie dem Gebote Mohammeds
(im 7. Jahrhdrt. n. Chr.) folgend, den Islam in alle Welt trugen, aus ihrer
Heimat keine nennenswerte Kultur mit, sondern fanden solche überall vor und
machten sie ihren Zwecken nutzbar. Die hochentwickelten
Kunstformen, welche sie auf ihren gemachten Eroberungen
in Aegypten, Syrien, Mesopotamien, Persien und Indien
kennen lernten, wurden ihnen nicht nur zu eigen, sondern
sie förderten deren Fortentwickelung in ihrem Geiste, und
wurden, wo sie ihre Herrschaft befestigt hatten, eifrige
Pfleger der Künste und Wissenschaften. So entwickelte sich
aus einem Gemisch verschiedener Elemente erst allmählich
der arabisch-maurische Stil in dem maurischen Spanien und
den unter seinem Einfluss stehenden Ländergebieten in Nord-
afrika und Sizilien, der im 13. Jahrhundert seinen Höhepunkt
erreicht und im 15. Jahrhundert allgemein zurücktritt. Der
eigentliche Grundzug des arabischen Ornaments beruht auf
einer gesetzmässigen geometrischen Linienführung (s. Ara-
besken) , die den nüchternen berechnenden Anschauungen
des arabischen Handelsmannes am meisten entspricht, wozu
er auch durch den Gestirnkultus und die daraus ent-
springende Yorliebe für Astronomie am meisten hinneigt
(s. Abb. 23). Gefördert wird dieses Streben noch durch
den nach dem Verbot Mohammeds gänzlichen Ausfall bild-
licher Darstellungen. Wo der Araber solche im Flächen-
muster vorfindet, beraubt er sie ihres natürlichen Wesens,
stilisiert mit gleicher Meisterschaft die reichlich benutzten
Blätter und Blüten des Ornaments und schafft so eine
einzig dastehende Formenwelt der reizvollsten Erscheinungen,
die sich nirgends eindrucksvoller offenbart, als in den
reichen seidenen und golddurchwirkten Prachtstoffen des
13. und 14. Jahrhunderts (vergl. die Darstellungen auf
Tafel III). Sehr frühzeitig kam zu alledem noch die Nei-
gung des Arabers zur Sj^mbolik (vergl. den Artikel Adler
und Baum) und die Yorliebe für Spruchbildung, welche
letztere in den steifen geradlinigen kufischen Schriftzügen
und dem späteren sogenannten Neschi, der flüssigen Kursiv-
schrift, ihren Ausdruck findet (s. Abb. 24 — 25). Diese
Inschriften geben einen Anhalt für das Alter des Gewebes,
wenn sie den Namen des jeweiligen Herrschers oder Trägers
des Gewandes enthalten, für welchen der Stoff gewebt
#^^-2%'"®©'^*-%^ wurde ; oft drücken sie aber nur Segenssprüche aus dem
^i;^*t^j*5fc<»w»->^^^ Koran aus, zuweilen sind die Schriftzüse wiederum nur
schriftunkundigen Arabers rein als Verzierung behandelt
sind, werden natürlich später in Europa gänzlich zu Band-
mustern, wie dies schon an späteren orientalischen Teppichen
wahrzunehmen ist. Ein Zeichen seiner ursprünglichen ein-
fachen Auffassung hat uns der Araber noch in den Vor-
hängen und sogen. Gebetteppichen (s. d.) hinterlassen, wo er Säulen und
Bogenstellung seiner Gebetnische, oft mit der hängenden Ampel (vergl. Abb. 26),
in das Flachmuster hinübergenommen hat.
Abbild ungen:
23. Arabisches Stoffmuster nach einer Darstellung aus: Portefeuille des arts
decoratifs tissus, PL 256. Original : Seidenstoff in Bunt auf rotem Grunde ; spanisch-
maurisch 15. Jahrhdrt.
Arabischer Stil — Araoonien.
29
24. Arabisches Stoffmuster nach einer Darstellung aus : Paul Schulze , lieber
Gewebemuster früherer Jahrhunderte, Leipzig 1893, S. 25. Original: Alexandrien (?)
12. — 13. Jahrhundert in der Köcigl.
Gewebesammlung Krefeld. Der
Stoff wechselt in farbigen Seiden-
streifen ab, auf welchen in Gold
broschiert spitzovalePalmetten,kleine
Tiere and Halbmonde; die Inschrift
auf dem zweiten breiteren Streifen
lautet: „assulthan alam" oder ,,el
Sultan el alim" , d. h. der weise
Sultan.
25. Originalaufnahme aus dem
Kunstgewerbemuseum in Leipzig :
Endigung eines Leinenhandtuches,
mit querlaufender Borte in vio-
lettem Garn im sogen. Strichstich
doppelseitig gestickt (s. Holbein-
technik) , Muster aus Bäumchen
(s. Bäumchenmuster) mit paarweise
zu einander gekehrten Vögeln ; dar-
unter Felder mit arabischen In-
schriften in ornamentaler Behand-
lung. Arabisch 15. Jahrhdrt.
26, Arabische Bogenstellung
nach einer Darstellung aus : Kumsch,
Muster orientalischer Gew^ebe und
Druckstoffe, Tafel 7, Leipzig 1893.
Original in einem Seidenvorhang,
Türkei 17. Jahrhundert.
Abb. 24.
Abb. 25.
V
Arabische Technik, iu der modernen Stickerei eine Bezeichnung für
jene Arbeiten, deren breite Flächenmusterung in Anlehnung an orientalische
Vorbilder aus überstickten Fäden gebildet und von Schnur umrandet ist
(vgl. den Artikel Goldstickerei).
Arabisch-italisch w^erden Seidenstoffmuster bezeichnet, die im 13. Jahr-
hundert durch die Verschmelzung arabischer Kunstformen mit denen Italiens
entstanden. (Vgl. Abbildungen auf Tafel III und den Artikel arabischer Stil.)
Aragonien, Generalkapitanat im nordöstl. Spanien mit dem Titel eines
Königreiches : leistet in der Wollproduktion Spaniens verhältnismässig das
30
Arains — Arbon.
meiste ; es zeichnen sich darin die Städte Saragossa, Alcaniz und Tarazona
aus. Flachs- und Hanfbau am bedeutendsten in Borja und Calatayud. Aus-
fuhr besteht in wenigen Leinen- und Wollenfabrikaten.
Abb. 26.
Arains, eine Art gestreifter und würfelich gemusterter Taffet aus Ostindien.
Arassa (lat.), ein Teppich aus Arras.
Arbascio, starke braune Tücher aus grober Schafwolle und Ziegenhaar,
welche in Albanien und Mazedonien gewebt und nach Italien und Spanien,
besonders nach Neapel und Sizilien zu Capots, Capotti (Regenmänteln) fi^r die
Matrosen und Landleute verkauft werden.
Arbeit (lat. opus; franz. ouvrage, m. ; oeuvre ; engl, work) , Art und
Weise der Bearbeitung, der AnfertiguDg u. s. w., daher immer im Zusammen-
hange mit der Bezeichnung einer Technik (namentlich im Lateinischen und
Englischen) gebräuchlich.
Arbon, Hauptort im Schweiz. Kanton Thurgau : im Schloss wird eine
Seidenbandfabrik betrieben.
Arbroath — Arkade. 31
Arbroath, Seestadt in Forfarshire (Schottland) : bedeutende Fabrikation
von Leinwand und Segeltuchen.
Arcazabo, moderner Seidenbrokatstoff, der in Lyon für Abessinien und
Marokko hergestellt wird.
Archi-Imperiale, eine Art italienischer Serge, die zu Livorno u. a. 0.
für den Handel nach Tunis gemacht wird.
Architektur im textilen Ornament kommt im 13. Jahrhundert in jenen
Seidengeweben zur Darstellung, welche unter dem Einfluss der arabischen
Mustergebung im Orient oder in Italien gefertigt worden sind. (Vgl. Ab-
bildungen auf Tafel III.)
Arcis-SUr-Aube, Hauptstadt des Arrond. A. im franz. Depart. Aube:
Seiden- und Baumwollenspinnerei, Baumwollenweberei, Strumpfwirkerei.
Ardamu, persische Seidenart aus Ghilan.
Ardasse, geringe Sorte persischer Seide, welche nach Italien, Frankreich
und Deutschland geht und hier zu Näh- und Stickseide verarbeitet wird.
Aredas oder Aridas, eine Art ostindischer leichter Stoffe aus glänzenden
Fasern oder Fäden gewebt, die man von einigen seidenartigen Kräutern und
Pflanzen gewinnt. Sie werden auch Grastaffet oder Grasaridas genannt.
Arenys de Mar, Bezirks- und Hafenstadt der span. Prov. Barcelona:
Wollen- und Baumwollenwebereien, Spitzenfabrikeu.
Arequipa, Hauptstadt des Depart. A. in Peru, eine der am besten ge-
bauten Städte Südamerikas : Baumwollenmanufakturen. Ausfuhrartikel : xAlpaka-
wolle, gewaschene Schafwolle, Baumwolle.
Arezzo, Hauptstadt der Prov. A. in Mittelitalien. Die ehemalige In-
dustrie ist gesunken; es bestehen noch Seidenstoff- und Tuchfabriken.
Argent (trait), im Französischen so viel als fil d'argent oder Silberdraht.
Argent en lame, Lahnsilber, auch argent trait et applati. Man
unterscheidet dies in argent en lame fin und en lame faux. Argent
file ist über Seide gesponnen und heisst auch file d'argent. Das Material
wird in der Weberei zu Brokatstoffeu, in der Stickerei zu Tressen, in der
Spitzennäherei (poiut d'Espagne) und Klöppelei verwendet (s. a. Goldfäden).
Argentan, Hauptstadt des Arrond. A. rechts von der Orne : am Ende
des 17. Jahrhunderts bedeutende Fabrikation von Nadelspitzen, die denjenigen
von Alencon gleichen, mit sechseckigem Netzgrunde und am Bande gezähnten
Blümchen, geht um 1708 fast zu Grunde ; erlangt aber unter Ludwig XY.
und XYI. durch Mme. Du Barry wieder hohe Blüte, bis sie 1810 gänzlich in
Verfall gerät. Heute bestehen in A. noch Stickereifabriken (s. a. Spitzen).
Argentat, Hauptstadt des Kantons A. im Arrond. Tülle des franz. De-
part. Correze a. d. Dordogne : Wollspinnerei, Spitzenfabrikation.
Argenteuil, Flecken im franz. Depart. Seine-et-Oise, Arrond. Versailles,
in dem Beliquienkästchen einer romanischen Kirche wird ein sog. heiliger Bock
(s. d.) aufbewahrt.
Argentifrigium (lat.), silberne Fransen.
Argentine croisee, ältere Bezeichnung für einen französischen Stoff,
dessen Kette aus Seide, der Einschlag aus Baumwolle ist ; er wurde am meisten
in der Prov. Limoisin in allen Farben gefertigt und auch zu Männerkleidern
verarbeitet.
Argenton-SUr-Creuse, Hauptstadt des Kantons A. im Arrond. Chäteau-
roux des franz. Depart. Indre : AVollspinnereien, Tuchfabrikation.
ArgOS, Stadt in Griechenland, erzeugt durch Hausindustrie Teppiche,
welche zumeist über die Türkei in den Handel kommen (s. Griechenl.).
ArgOUges, ältere Sorten festgewebter , weissgarniger Leinwand , welche
im franz. Depart. der Ille und Vilaine. besonders zu St. Malo, vorschriftsmässig
25 X3ariser Zoll breit, nur aus festgedrehtem, ausgesuchtem Garne gemacht
wurde und zwar durfte die geringste Sorte nicht weniger als 1300 Faden in
der Kette enthalten.
Arkade, Eeihe von Bogenstellungen, die auf Säulen oder Pfeilern ruhen;
in der romanischen und gotischen Kunstepoche sehr beliebt als Einrahmung
32 Arkaden — Arrazzi.
für figürliche Darstellungen auf kirclilichen Stickereien in Seide und Grarn auf
Leinwand, Segeltuch u. a. m. (vergl. Abb. 21).
Arkaden, die Schnüre, welche am Jacquardwebstuhl die Verbindung der
Platinen der Jacquardmaschine mit den Litzen herstellen und somit das Hoch-
ziehen der einzelnen Kettfäden ermöglichen.
Arlane, Stadt im franz. Depart. Puy-de-Donn: Spitzenfabrikation.
Arles, Hauptstadt des Arrond. A. im franz. Depart. Bouches du Rhone, in
der Provence, eine der ältesten Städte Frankreichs : Fabrikation von Seidenwaren.
Armagh, Hauptstadt der Grafsch. A. in der Irland. Prov. Ulster : Haupt-
industriezweige : Spinnerei und Weberei in Leinen. Leinwand- und Grarnhalle,
in der jährlich fünf Märkte für den Verkauf von Leinenwaren abgehalten werden.
Aermel (franz : manche ; span. : mancha), der die Arme umgebende Teil
des Unter- und Obergewandes; aus ihm hat sich die Mancha (s. d.), eine für
kirchliche Zwecke benutzte Stickerei, entwickelt.
Armenisehe Spitze s. Nadelspitzen.
Armentieres, Stadt im franz. Depart. Nord: bedeutende Baumwollen-
und Leinwandfabrikation ; Bleicherei.
Armiak, eine Art russ. Kamelott, den die astrachanischen Tartaren aus
Kamelhaar anfertigen und Biaza nennen.
Armins (engl.), Bedeckungen (aus Leder, Tuch oder Sammet) für den
Handgriff der Pike.
Armoisin (ital. : Ermesino), dünner leichter Futtertaffet , der zuerst am
Ende des 17. Jahrh. in und um Lucca gewebt worden ist, später aber in Lyon,
Avignon, Nimes und Tours in grossen Mengen nachgemacht wurde. In Avignon
webte man auch Halb-Armoisins, die ganz leicht und dünn ausfielen. Dickere,
doppelte oder dreidrähtige Sorten (Ermesini rinforzati) wurden in Florenz,
Mantua, Neapel und Turin zu Vorhängen, Decken und Bettzeugen verbraucht.
Die Muster der A.s bestanden aus Streifen und geometrischen Mustern, auch
„leicht getüpfelte" werden beschrieben. Aus Ostindien kommen zuweilen heute
noch A.s in zwei Sorten, nämlich Damaras oder geblümte und Arains oder
gestreifte und gewürfelte in allen Farben.
Armure (franz.). Webzettel, in der Weberei die zur Vorrichtung eines
Schaftwebstuhles übliche schematische Darstellung der Greschirreinrichtung.
Aus der A. muss mindestens zu ersehen sein : die Art, wie die Kettenfäden in
die vorhandenen Schäfte verteilt werden sollen (Einpassierung), die Bewegungs-
folge der Trittschemel (Tretweise) und die erforderliche Verbindungsart der Tritt-
schemel mit den Schäften (An schnür ung).
Armure ist übertragen worden auf diejenigen kleingemusterten G-ewebe,
deren Herstellung noch mittels Kontermarsches (d. h. ohne Jacquardgetriebe)
möglich ist , höchstens (unter Beibehaltung der Schäfte) eine Schaftmaschine
erfordert. Die A. fallen also zwischen die glatten (ungemusterten) und die
grossgemusterten Waren (sog. Damaste), zu deren letzteren Herstellung auf
die ausschliessliche Benutzung von Schäften verzichtet werden muss.
Army Cloth (engl. , Armeetuch) ; gewöhnliches graues Kommistuch, wird
meist in Bradfort und Leeds für Kleinasien, Syrien und Palästina hergestellt.
Arnau, Stadt in Böhmen, im 14. Jahrh. Eigentum des Herrn von Turgan:
hier und in benachbarten Ortschaften werden jährlich auf 3300 Stühlen etwa
165 400 Stück Leinen- und Halbleinenstoffe gewebt; ausserdem Seidenwarenfabrik.
Arnswalde, Kreisstadt im preuss. Peg.-Bez. Frankfurt i. d. Neumark,
zuerst 1629 erwähnt: Fabrikation von Tuchstoff'en. Abhaltung von Wollmärkten.
Arpino, Stadt in der ital. Prov. Caserta, schon 303 v. Chr. eryähnt:
Tuch- und Leinenstofffabriken.
Arras, Hauptstadt des franz. Depart. Pas de Calais : Fabrikation von
Spitzen , welche seit 1666 , zuerst nach italienischen Vorbildern, die man
point de France nennt; erreicht darin 1804 — 1811 seine höchste Entwickelung
und erzeugt dann Spitzen in der Art des gemusterten Tülls (s. Spitzen).
Arrazzi heissen die in Arras oder überhaupt in Flandern gewirkten
Wandteppiche (s. Bildwirkerei).
Arrindy-Seide — Assemblage. 33
Arrindy-Seide, S. der Eria-Seidenranpe aus Indien, welche sehr dauer-
haft ist.
Arsamas, Kreisstadt im russ. Grouvern. Xishnij Nowgorod : Leinwand-
fabriken, bedeutender Handel mit Leiuenwaren: in den Klöstern Anfertigung
von Grold- und Silberstickereien.
Arschot, Kantonsstadt im Arrond. Löwen der belg. Prov. Brabant, seit
dem Mittelalter bekannt: SjDitzenfabrikation.
Arscot, Serge d'Arscot, geköperter, feiner AVollenstoff, welcher in Süd-
brabant, vornehmlich in der Gegend von Aerschot, Löwen, Mecheln gefertigt wird.
Arta, Ortschaft im nordöstl. Teile der span. Insel Mallorca: Seidenzucht,
BaumwoJlenbau.
Artificial leather, englisches künstliches Leder. Mehrere Lagen von
starkem rauhen Baumwollenstoff durch mit Kautschuk, Gruttapercha u. s. w.
bereitete Tirnisse untereinander verbunden. Es dient vornehmlich zum Ersatz
des Leders bei Krämpelbeschlägen (Kratzen) (s. d.)
Asbach, Dorf im Kreis Neuwied des preuss. Eeg.-Bez. Koblenz : Seiden-
weberei als Hausindustrie.
Asbest, Erdflachs (lat. : Amianthus s. Alumen plumosum; franz.: amiante
ou asbeste). Ton den vielen Arten der Fossilien, welche man mit dem gemein-
samen Namen A. bezeichnet, ist der Amiant oder biegsame A. für die Textil-
industrie von Bedeutung, weil seine 30 — 40 cm langen Fasern sich zu Grarn ver-
spinnen lassen, aus welchem unverbrennliche Grewebe hergestellt werden. Die
vorzüglichsten Fabrikate derart lieferte einstmals Mad. Lena Perpenti zu Como,
sie machte daraus auch Sj)itzen von solcher Feinheit und Weisse, die man von
mittelfeinen Zwirnspitzen kaum zu imter scheiden vermochte. Auch wurden
Versuche mit G-eweben aus Asbest zur Schützung des Körpers gegen die Flammen
gemacht, die nur zum Teil gelangen, weil die Fasern des Stoffes durch wieder-
holtes Glühen brüchig wurden.
Asch, Stadt in Böhmen : bedeutende Fabrikation von halbseidenen, halb-
uud ganzwollenen Kleiderstoffen, Strumpf- und anderen wollenen und baumwollenen
AVirkwaren (6—7000 Webstühle und 14 000 Arbeiter). Wirk- und AVebschule.
Aschabad, Hauptstadt des transkaspischen Gebietes im russ. Zentralasien:
Seidenbau.
Aschenti, Xegerreich an der Goldküste in Afrika : Herstellung gemusterter
Kattune; Baumwollenbau.
Aschersleben, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Magdeburg: Fabrikation von
Wollwaren (Decken und Flanelle).
Aschkali, quadratisches sog. Drehmuster (s. d.) persischer Teppiche,
das aus einfach aufgefassten Pflanzen- und Tierformen neben geometrischen
Elementen und streng stilisierten Pauken besteht: Einzelbilder darin sind vor
allem die Cypresse. Im Kaschkai-Teppich (s. d.) vorkommend.
Aschraf, Stadt in der persischen Prov. Masenderan: Baumwollenbau;
Seidenzucht bedeutend.
Ascoli Piceno, Hauptstadt der Prov. A. in Mittelitalien: Fabrikation
von roher Seide, Flachs- und Hanfbau, Tuchfabrikation.
Ashborne, Stadt in der engl. Grafsch. Derby: Baumwollenstoff'- und
Spitzenfabrikation.
Ashford, Stadt in der engl. Grafsch. Kent : Leinwand- und Damast-
fabrikation.
Ashton-in-Makerfield, Stadt in der engl. Grafsch. Lancaster : Fabrikation
von BaumwoUeuwaren.
Assagiatore (ital.), Seidenprobierer, dessen Beruf in Oberitalien es ist.
die Seidenballen auf Mass und Gewicht zu prüfen, bevor sie in den Handel
gehen. Nach seinen Ergebnissen wird dann die Seide numeriert und ihr Preis
bestimmt.
Assam, Distrikt in Britisch-Indien, in welchem reger Betrieb von Seideu-
zucht.
Assemblage (franz.). Zusammensetzen der einzelnen Teile einer Nadelspitze.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 3
34
Assemble — Assyrien und Babylon.
Assemble, do^Dpeltes (sog. dubliertes) in Frankreich hergestelltes Chappegarn.
Assorcebunder, Name für die schlechteste bengalische Kohseide, welche
in Indien und Japan in grossen Mengen verkauft wird.
Assouplieren (assouplissage), das Biegsammachen der geschälten und
gebleichten Seidenfaser durch wiederholtes Behandeln mit kochendem "Wasser,
dem auch etwas Weinstein zugesetzt wird.
Assyrien und Babylon haben keine Originalproben von Stoffen hinter-
lassen; doch legen die Trümmerfunde des alten Niniveh (zerstört 606 v. Chr.)
Abb. 27.
Zeugnis ab von der textilen Kunstfertigkeit seiner früheren Bewohner. Die
dort seit 1840 durch Botta, Layard, Ojopert, Smith u. a. wieder aufgedeckten
Alabasterplatten dienten als Wandbelag der Tempel und sind zum grossen
Teil getreue Nachahmungen schwerer Stoffbehänge und Teppiche, wie sie bei
festlichen Einzügen als Schmuck der Hallen Verwendung gefunden hatten.
Oder, wie Gottfried Semper (der Stil u. s. w. München 1878. S. 323)
darüber bemerkt: ,,Zur Verewigung denkwürdiger Siegesfeste wurden jene
Gelegenheitsdekorationen in den Steinstil umgewandelt." Diese Platten zeigen
in flachem Belief und farbiger Bemalung Darstellungen von Figuren: si« ver-
gegenwärtigen Szenen aus dem Leben der Könige und Taten der Jagd- und
Kriegshelden (s. Abb. 27). Alle Personen erscheinen in langen, festanliegenden,
wenig gefältelten, reich gemusterten und befransten Gewändern (s. Abb. 2^), die
erkennen lassen, dass man es jedenfalls mit solchen aus schweren und mit Borten
(s. Abb. 29) in Gold gestickten Stoffen zu tun hat. Auch Teppichmuster (s.
Abb. 30) mit geometrischer Felderteilung lassen sich nach eingemeisselten Dar-
stellungen rekonstruieren.
Alle die uns hierdurch bekannt gewordenen assyrisch-babylonischen Kunst-
formen: der Cherub, der heilige Baum (s. Abb. 31), der Granatapfel, die
Palmette (s. d.) sind von besonderer Bedeutung : sie geben den Ausgangspunkt
Assyrien und Babylon.
35
Abb. 28.
für die Entwickelung der meisten späteren Stilarten, woran die Textilkunst den
grössten Anteil hat.
Abbildungen:
27. Assyrisches Steinrelief nach einer
Darstellung aus : Kunstgewerbeblatt 1 893. S. 154.
28. Assyrischer Krieger nach einer Dar-
stellung aus: Semper, Der Stil in den techni-
schen und tektonischen Künsten; München 1878.
S. 22.
Abb. 29.
29. Borte von der Gewandfigur eines
assyrischen Reliefs nach einer Darstellung aus:
Fischbach , Ursprung der Buchstaben üuten-
bergs, Mainz 1900. Tafel. II, Fig. 13.
30. Assyrisches Teppiclamuster, mit Rand
und Füllungen aus Lotospalmetten, nach einer
Darstellung aus : Semper, Der Stil in den tech-
nischen und tektonischen Künsten; München
1878. S. 51.
Abb. 30.
Abb. 31.
31. Assyrischer Baum nach einer Darstellung aus: Fischbach, Ursprung der Buch-
staben Gutenbergs, Mainz 1900. Tafel II, Fig. 15.
36 Astar— Atlas.
Astar, eine Gattung Musselin, welche in Kleinasien gefertigt, über Smyrna
und Konstantiuopel in den Handel kommt und von den Türken zu Unterkleidern
und Turbans verwendet wird ; man hat hiervon drei Sorten : Dagbezi, die beste,
Thadirbezi, die mittlere und Churumbezi, die schlechteste.
Asti, Kreisstadt der ital. Prov. Alessandria: Seidenmanufakturen, zwei
stark besuchte Messen und ansehnlicher Handel mit Wollenwaren.
Astorga, Bezirkshauptmannschaft der span. Prov. Leon: Leinenspinnerei
und AVeberei.
Astrabah, Ort für Seidenerzeugung in Persien.
Astrachan, 1. Baranken, Baranjen, die nach der gleichnamigen Stadt
in Pussland benannten fein- und kraushaarigen Lammfelle von grauer oder
schwarzer und weisser Farbe, welche aus dem südl. Pussland (Krim) der Tatarei,
Persien und Polen in den Handel kommen. Dem krausen Wuchs des Haares
wird an Ort und Stelle dadurch nachgeholfen, indem das eben zur Welt ge-
kommene Lamm in grobe Leinwand genäht und diese täglich mit warmem
Wasser befeuchtet wird, wonach man mit der flachen Hand in gewissen Pich-
tungen einige Male am Tage darüberfährt. Diese Behandlung wird vier Wochen
lang fortgesetzt. 2. Hiernach gefertigtes und benanntes, weiches, flaumig und
eisblumenartig aussehendes Plüschgewebe, dessen Orundkette aus Water, die
Polkette aus Mohair und der Schuss aus Mule besteht. (Bindung wie Plüsch;
s. d.) Wird im Stück gefärbt und zur Bildung des pelzartigen Aussehens
griff'weise in dichten, geiälligen Längs- und Querfalten zusammengedrückt (ge-
knautscht), mit Bindfaden fest umschnürt und gekocht oder gedämpft.
Astwerk (lat. : ramagium; franz.: bois mort, branchage; engl.: ramage, ra-
mification), das in der Spätgotik beliebte Ornament aus dürren, knorrigen
Aesten, erscheint in italienischen Seidengeweben des 15. Jahrh. als Gehege
für Tierfiguren dargestellt ; überhaupt ist das A. in der gotischen Zeit ein
beliebtes Motiv im Stoffmuster (s. auch Dornenkranz). (Ygl. Abbildungen auf
Tafel III.)
Atalanti, Stadt in Griechenland: erzeugt durch Hausindustrie Teppiche,
(hier zuerst in neuer Zeit aufgenommen), welche zumeist über die Türkei in
den Handel kommen (s. Griechenland).
Atchiabanes, ältere ostindische Kattune, welche die Holländer auf den
Markt brachten.
Ath, Hauptstadt der belg. Prov. Hennegau : bedeutende Leinwandindustrie,
Kattundruckereien, Färbereien, Sx^itzenfabrikation und lebhafter Handel.
Athen, Hauptstadt des Königreichs Griechenland: erzeugt durch Haus-
industrie Teppiche, welche zumeist über die Türkei in den Handel kommen.
Im 11. Jahrh. wird A. als byzantinische Seidenmanufaktur gerühmt.
Athlone, Stadt in der irischen Grafsch. Westmeath: Leinenwebereien.
Atina, Stadt im Kreis Sora der ital. Prov. Caserta: Fabrikation von
Wollendecken.
Atitlan, Santiago de, Indianerort des mittelamerik. Staates Guatemala:
Baumwollenweberei.
Atlas (franz.: ras ; engl. :rash; ital.: raso ; span. raso), Gewebe, welches
durch seine wenig gebundenen Kettfäden (s. Atlasbindung) eine glänzende Ober-
fläche darstellt, die künstlerisch, am ehesten in der Seide zur Geltung kommt.
Letzteres berechtigt zu der Annahme und findet Bestätigung in erhaltenen
älteren Schriften, dass der Atlas seinen Ursprung in der Heimat der Seide
(China oder Indien) hat, woselbst er im frühen Altertum in mechanischer Nach-
ahmung der Plattstichstickerei auf dem Webstuhl entstanden sein wird. Persische
Seidenstoffe des 6. bis 8. Jahrh. beweisen, dass der Atlasgrund in de-n mit
grossen Tierfiguren und Jagdszenen gemusterten Geweben bevorzugt ist. Die
Aufnahme des Atlasstoffes in Europa fällt mit der Einführung der Seidenkultur
zusammen. Im Altertum scheint mit dem Atlas der Name Blattin gleichbe-
deutend gewesen zu sein; auch Pfellel, dessen Wolfram von Eschenbach er-
wähnt, der so heiss an Glanz war, „dass ein Strauss seine Eier darin hätte
ausbrüten können," wird für gleichbedeutend mit A. gehalten. L^rsprünglich
Atlasbindung — Aetzbeitzen. 37
war der A. in den weitverzweigten Absatzländern des Orients nur als dibädsch
bekannt : die arabisierte Form des persischen dibah von dip = glänzen. Im
christlichen Europa ist dieser Name von den Venetianern nur für ihre reichen
Goldstoffe angenommen worden. Der französische Name für den A. (Satin)
scheint zuerst im 16. Jahrh. vorgekommen zu sein.
Atlasbindung ist neben der Leinwand- und Köperbindung eine Grund-
bindung in der Weberei (s. Bindungen). Die Hochgänge der Kettfäden,
die Bindungspunkte, sind derartig im Bindungsrapport regelmässig verstreut,
dass nie zwei Punkte aneinanderstossen. Die ßapportgrösse schwankt je nach
Feinheit des Materials und der Dichte der Fadeneinstellung zwischen 5 bis
20bindig. Als vierbin diger Atlas wird häufig der vierbindige Kreuzköper
bezeichnet. Die A. ermöglicht durch das lange Flottliegen der Fäden die
höchste Glanzentfaltung des Materials. Man unterscheidet der Bindung nach
Kettatlas und Schussatlas: je nachdem mehr Kette oder mehr Schuss an der
Oberseite des Gewebes liegt. Für die am meisten oben liegende Fadensorte
verwendet man das glänzendste Material. (lieber weitere Einzelheiten s. Bin-
dungen in der Weberei.) Man hat Atlas von allen Faserstoffen. Der Seiden-
atlasist natürlich der ammeisten glänzende, weil man hierzu weiches Fadenmaterial
für den Einschlag und zur Kette die feinsten Gespinste wählt. Um dem Stoff
in leichteren Qualitäten Halt zu geben und zugleich den Glanz zu erhöhen,
werden die Atlasse in der Regel appretiert und zwar um so stärker, je leichter
der Stoff ist; den gelinden Appret wendet man nur bei schweren Gattungen
an und nur die schwersten Atlaszeuge, wo die Menge der dazu verwendeten
ganz feinen Kettenseide dem Stoff Festigkeit und Glanz zugleich verleiht,
können den Appret entbehren: Satins sans appret. Diese ungesteiften
oder unzugerichteten Atlasstoffe, welche sich beim Anschnitt an den E-ändern
wie Sammet rollen, werden deshalb E,ollatlas genannt.
Der schönste glatte oder einfache Atlas wurde zur Zeit der Renaissance
in Italien, vorzüglich in Florenz , Lucca , Genua , Turin und Venedig ge-
fertigt ; unter diesen ist wieder der Florentiner der schönste. Gegenwärtig
werden in Frankreich, England und Deutschland nicht minder schöne Atlas -
Stoffe gewebt, welche man je nach ihrer Musterung ebenso wie andere
schwere Taffet- und Köperzeuge, mit den Zusätzen raye (gestreift), ä cadrille
(gegittert), ä fleurs (mit Blumen), chine (geflammt) u. s. w. bezeichnet. (Vergl.
hierüber die einzelnen Artikel.)
Ausser seidenem Atlas werden auch halbseidene, wollene und leinene
Stoffe in gleicher Bindung hergestellt. In China wird ein atlasartiger Stoff
von Seide und Baumwolle oder von Florettseide und Leinen gewebt, der unter
dem Namen Sirsakas in den Handel kommt. Der türkische A. ist ein halb-
seidener Stoff, in welchem die Kette Baumwolle, der aufliegende Köper Seide
ist. Der Brügges che A. , nach gleichnamiger Stadt in Flandern benannt,
hat eine Kette von Seide , einen Einschlag von Wolle, er wurde zuerst für
Tapeten und Möbelbezüge verwendet; jetzt liefern ihn alle grösseren europä-
ischen Fabriken unter dem Namen von Satins, Sateens, glattem Damast u. s. w.
Atlas-Brokat ist ein dichtes, schweres wollenes Zeug auf Atlasart, mit er-
habenen bunten Blumen, welche durch den Einschlag mit kleinen Schüssen
hervorgebracht werden. Der achtbindige Atlas kann wie in Seide, so auch in
glatter und glänzender Wolle (Kammgarn), in Baumwolle und Leinen gefertigt
werden: man hat darum Atlasdrell, Sateens in Baumwolle und Leinen.
Atlastrikot, eine Kettenwirkware , mit zwei Reihen Kettenfäden ge-
arbeitet.
Atlastuch, moderner leichter Wollenstoff aus Streichgarn, gewalkt, ge-
rauht und geschoren.-
Atri, im Altertum Adria, Atria, Hadria, Stadt in der ital. Prov. Teramo :
Seidenfabrikation.
Attalische Teppiche s. Bildwirkerei.
Attincta (lat.) heissen im römischen Zeitalter gefärbte Stoffe.
Aetzbeizen, Aetzfarben s. Zeugdruck.
38 Atzgersdorf — Aufnäharbeit.
Atzgersdorf, Dorf in Niederösterreich : Kattun- und Jutedruckerei, Fabri-
kation von Seidenzeug, Schnüren und Borten.
Aetzspitzen (auch Luftspitzen genannt), Nachahmung von Nadelsp. durch
Stickerei in Baumwolle auf ^\^ollengrund ausgeführt, welch letzterer durch
flüssiges Aetzmittel, das die Stickfäden nicht angreift, zerstört wird. Bei ge-
eigneter Wahl des Grundstoffes und der Aetzmittel können auch Ae. in Leinen,
Wolle und Seide hergestellt werden. Die Ae. wurden zuerst 1883 durch Gebr.
Wetter in St. Gallen gemacht.
Aubagne, Hauptstadt des Kantons A. im Arrond. Marseille des franz.
Depart. Bouches-du-Bhone : Baumwollenweberei, Tuch- und .Shawlfabrikation.
Aubenas, Hauptstadt des Kantons A. im Arrond. Privas des franz. De-
part. Ardeche: Fabrikation von Seiden-, Woll- und Baumwollenwaren, Färbe-
reien ; berühmte Messen für Seide.
Aubusson, Hauptstadt des Arrond. A. im franz. Depart. Creuse: seit
dem 15. Jahrh. bedeutende Fabrikation von Teppichen. (Vgl. Bildwirkerei.)
Auch, Hauptstadt des franz. Depart. Gers : Leinwand- und Baumwollen-
webereien.
Aucube, eine Art Zimmerteppich aus Flandern.
Aue, Stadt im sächs. Erzgebirge: mechanische Baumwollenwebereien,
Fabrikation von Wäsche ; Klöppelschule.
Auerbach. 1. Stadt im sächs. Yoigtland: bedeutende Fabrikation von
Weiss- und Konfektionswaren, fertiger Wäsche, engl. Gardinen ; ferner Spitzen-
klöppelei, Wollwebereien und Herstellung von Maschinenstickereien. 2. bei
Thum : Strumpfwirkerei.
Aufbäumen (franz.: plier; engl.: beaming), in der Weberei das Aufwickeln
der gescherten und geschlichteten Kette auf den Kettenbaum des Webstuhles ;
bei der Appretur der Gewebe das Aufrollen des in halber Breite zusammen-
gelegten Stückes auf die Walzen der Mange.
Aufgeschweiftes Muster, in der Weberei ein Muster, welches durch ver-
schiedenfarbige Kette entsteht.
Aufkrempeln, aufkratzen (franz. recarder ; engl, to card again), bezeichnet
die Auflockerung von Wolle, Bosshaaren u. s. w. mittels der Krempeln durch
Hand- oder Maschinenarbeit.
Aufnäharbeit, Verzierung von Stoffen (Geweben und Leder) durch Aufnähen
ausgeschnittener Muster (vgl. Taf. IX). Letztere bestehen aus breiten Flächen belie-
biger anderer weicher Stoffe und erhalten zur Verhütung des Ausspringens der
Kanten eine Papierunterlage, welche gleichzeitig den sicheren Halt für das Auf-
kleben auf den zu musternden Stoff abgibt. Die Verbindung von Muster und
Grundstoff geschieht dann durch Aufnähen von Seiden- und Metallschnürchen
oder auch durch breite Ziernähte, welche zur reizvollen einheitlichen Belebung
der Fläche beitragen. Einzelne Teile des Musters erhalten durch Malerei oder
Plattstichstickerei eine Vervollständigung in der Zeichnung. Der Vorläufer
der Aufnäharbeit ist schon im frühen Mittelalter zu suchen, wo man zuerst
aus Gold getriebene Platten und Figuren als Ersatz für die Brokatweberei zur
Verzierung von Kirchengewändern benutzte. Aufnäharbeiten in Leder sind
aus dem 5. bis 7. Jahrh. erhalten: sie stammen aus koptischen Gräberfunden
(s. d.). Zur höchsten Vollendung gelangt die Aufnäharbeit als Schmuck der
Kirchenausstattung und Gewänder in Italien und Sj^anien, im Zeitalter der Be-
naissance, woselbst sie in den Ornamenten viel Verwandtes mit denen der Holz-
intarsien zeigt: ein Umstand, der sich aus der Gleichartigkeit beider Ver-
zierungsarten ergibt. Zur Herstellung der Muster bedient man sich nicht nur
der aus dem Stoff ausgeschnittenen Formen, sondern es kommen auch /die im
Ausschnitt stehen gebliebenen Teile des entstandenen Negativs zur Verwertung:
(vgl. die Abb. 9 und 10 auf Tafel IX) hieraus entstehen dann in schmalen
Borten die umschlagenden Arabeskenränder aus Palmetten oder kleinen kelch-
artigen Blütenformen. In der Zeit der Spätrenaissance , als in Italien und
Spanien die genähte Spitze das Bereich der verzierenden Künste erweitert,
gibt der sogen, print de Venise (s. d.) Veranlassung, breite Bankenmuster aus
Aufnähspitzen — Augsburg. 39
Leinwand auszusclineiden und diese auf farbigen Sammet, auf glatte oder ge-
musterte Seide zu applizieren, wobei für das Aufnähen und zur Füllung der
offenen Blütenflächen feine Groldschnürchen Verwendung finden (s. Abb. 11 auf
Tafel IX). Bleibt das reliefartige Muster in Weiss gehalten, so hat man den
Eindruck einer aufgelegten venetianischen E,eliefspitze, welcher Technik die
neuere Zeit den Namen Elfenbeinstickerei (s. d.) beigelegt hat. Yon höchster
Schönheit kommen solche Arbeiten älterer Zeit in grossen Decken oder Borten
aus lachsfarbenem Atlas und E,ips vor, welche am Ende des 17. Jahrhunderts
in Deutschland gemacht wurden. Allmählich vereinfacht man die Technik der
Aufnäharbeit noch mehr, indem gewebte Litzen oder breitere Bänder aufgenäht
werden (vgl. Abb. 3 auf Tafel IX). Eine Bereicherung des Formenkreises für
solche Bandmuster ist gegeben in der Verzierungsart des französischen Orna-
mentstechers Daniel Marot (1650 — 1712), nach dessen Entw-ürfen, im sogen.
Kurvenstil (s. Abb. 35), verschiedene derartige Arbeiten, grosse Bettdecken und
Vorhänge, entstanden sind. Der Orientale kennt die europäische Art der
Aufnäharbeit nicht. Man stellt in Indien und Persien Stickereien in breiten
Flächen her, indem Gold- oder Seidenfäden aufgelegt und in Belief übernäht
werden oder man bedient sich der sog. Tuchmosaik (s. d.).
Aufnähspitzen, durch Aufnähen genähter oder geklöppelter Muster auf
einen Maschinentüllgrund hergestellte Spitzen (s. d.); sie kommen um 1780 in
Paris auf.
Aufnehmen s. Netzarbeit.
Aufranken (franz.: lainer, garnir; engl.: to raising, torowing); rauhen,
kardätschen, aufkratzen, in der Tuchfabrikation angewendet, um diesen Stoffen
eine gleichmässige rauhe nnd haarene Aussenseite zu geben.
Aufstossen, in der Wirkerei das Aufhängen der Wirkware auf die Nadel-
reihe des Wirkstuhles.
Aufstricken s. Strickerei.
Aufwinde oder Klöppelbrief, das auf Papier gezeichnete Muster, welches
jeder Klöppelspitze als Grundlage dient.
Aufzug (franz.: chaine; engl.: chain), s. v. w. Kette eines Gewebes.
Auge, Häuschen u. s. w. (franz.: oeillet, coulisse; engl.: eye); eine Schleife
ziemlich in der Mitte der Litzen, oder ein Bingelchen (maillon, mail) durch
welches je ein oder mehrere Kettfäden gezogen werden (s. Weberei).
Augsburg, Hauptstadt des bayerischen Beg.-Bez. Schwaben: die erste
Stelle nimmt die Baumwollen Industrie ein, die sich sowohl auf mecha-
nische Baumwollenspinnerei als auf mechanische Weberei, Zwirnerei und Näh-
fadenfabrikation erstreckt. In 10 bedeutenden Anstalten: u. a. Spinnerei am
Stadtbacb, Feinspinnerei A. (von Wertach) , Spinnerei am Senttelbach , Bunt-
weberei vorm. Biedinger, Weberei am Fichtelbach, am Sparrenlech und von
Müller & Keidel — mit 7200 Webstühlen, 380000 Spindeln; die Kattun-
druckerei, Färberei und Appretur, Seidenzwirnerei, Nähfaden-
fabrik, Kammgarnspinnerei mit 3000 Arbeitern und 2^2 Mill. Mark
Aktienkapital. A. ist Sitz der süddeutschen Textilberufsgenossenschaft und
deren erste Sektion.
Im Mittelalter schon durch Erzeugung aller Arten von Geweben berühmt,
gelangt die Zunft der Weber aber erst im 14. Jahrh. zu besonderer Bedeu-
tung, die ihren Höhepunkt am Ende des 16. Ja,hrh. erreicht hat. Schon vorher
wird A. ein Stapelplatz des deutschen, italienischen und levantiuischen Handels
durch die Familien der Fugger, Welser und Betten: im Jahre 1504 fuhren
die Schiffe der Augsburger Welser als die ersten deutschen Schiffe nach West-
indien: der Leineweber Fugger war Stammherr eines mächtigen Fürsten-
geschlechtes geworden ! Nach dem Stande der Weberei wurde — wenn auch
nicht immer mit Becht — (vergl. die Studien darüber in „Grassmann, Die
Entwickelung der Augsburger Industrie im Neunzehnten Jahrhundert" , das.
1894) das wirtschaftliche Gedeihen der Stadt bemessen; die Weberzunft hatte
schon im Jahre 1368 den grössten Einfluss und ausschlaggebende Bedeutung
sich errungen, so dass sie die zahlreichste war und gleich nach den Kaufleuten
40
Augsburg.
rangierte. Im Jahre 1466 zählte sie 746 Meister, im Jahre 1600 etwa 2900
Meister mit 3500 Gesellen, überhaupt 11031 in der Weberei beschäftigte Per-
sonen, Av eiche auf 3670 AVebstiihlen jährlich nahezu eine halbe Million Stücke
Leinwand zu der obrigkeitlich eingeführten Geschau brachten. Die Lein-
weberei schloss natürlich auch die Entwickelung von Bleichereien, Färbereien
und Handdruckereien in sich. An hauptsächlichen "Webewaren aus dem Ende
des 14. und Anfang des 15. Jahrh. werden (nach Paul von Stetten d. j.: Kunst-
gewerbe- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augsburg, das. 1779 und
1788) Barchets — Gewebe aus Leinen und Baumwolle — Golschen
oder Kölsch — gemusterte, blau und weiss gestreifte gröbere Leinenzeuge —
Abb. 32.
zu Bett-, Hauszeug- und Tüchern genannt: „deren starker Absatz reiche und
mächtige Leute machte, aus denen, welche teils arbeiteten, teils den auswärtigen
Verschleiss der Waren besorgten''. Aus dem Jahre 1513 wird berichtet, dass
wegen der Kriege in den Niederlanden und in Italien die Baumwolle .,auf
einen ungeheuren Preis stieg", was den Absatz verminderte. Allein man er-
holte sich bald wieder, so dass im folgenden Zeitraum ausser den schon ge-
nannten Waren auch Zwillich, Schnurtuch, Krontuch, Dicken, Ochsen, Trauben,
Brabanterlein, Vierer, Dreyer (vergl. diese Artikel im Einzelnen) in grossen
Mengen erzeugt wurden. „Ungeachtet zu dieser Zeit schon die Handlung mit
diesen Waren, welche durch Venedig wichtig geworden, aber durch den
neuen AVeg nach Ostindien einen gewaltigen Stoss erlitten, so war sie dennoch
sehr ahnsehnlich." TJ. a. wird nach Pechnungen aus dem Ende des 16. Jahrh..
berichtet, „dass in einem Jahre 350 000 Stück allerlei Barchet gefertigt, wovon
über 70000 gebleichet, ja, dass man noch im Jahre 1610 sogar 475184 allerlei
Barchet hier gewirkt und dass sich vor Ausbruch des dreissigjäbrigen Krieges
Augsburg.
41
gegen 6000 Meister von Barchet nncl anderen Webern, ohne Weiber, Kinder
und Gesinde hier befinden, deren Zahl aber nach dem Ende desselben bis auf
500 Meister zusammengeht."
Gegen Ende des 17. Jahrh. kommen zu den vorher erwähnten Stoffen
die bedruckten „Kotton- und Zilz waren" (s. d.), die mit den aus Ostindien
eingehenden auf gleicher Höhe stehen, bis endlich eine abermalige Teuerung
der Baumwolle, Wohlfeilheit der ostindischen Waren. Sperrung und Stockung
der Handlung, „aber auch Eigennutz und Nachlässigkeit eine neue betrübte
Epoche herbeibrachten."
Xener ist die Seidenweberei in A. Tom Gebrauch der Seide
Abb. 33.
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und Seidenzeuge ist schon früher die Rede — man spricht im Bürgerbuche
und in Steuerregistern schon im Jahre 1453 von „Sydenäer" — auch gab es
schon Sammet- und Seidenweber, „auch Felbaweber und Brocatmacher-, die
aber bald gänzlich eingingen. „Um das Jahr 1720 wollte der Seideniärber
Dieterich zu Helle noch eine Florfabrik anlegen, die keinen langen Bestand
hatte." Erst seit 1755 fingen einige Seidenweber an u. a. Johann Simon
Eaitmair, aus Nürnberg gebürtig, ihre Industrie zu pflegen, sie machten „nicht
nur halbseidene, sondern auch ganzseidene Zeuge, ja sogar Sammetzeuge, von
welchen man sich bei fortdauerndem Eifer immer besseren Wachstum zu ver-
sprechen, und ihm dessen Belohnung in reichlicher Abnehmung seiner Arbeit
zu wünschen hat." Seit 1789 wird nach den Berichten von Grassmann die
Seidenindustie mit besonderem Eifer von der Begierung gefördert. 1827 werden
6 Lot „Maulbeersamen" dem Magistrat von A. zur Verteilung gesendet; einige
Jahre später wird in Begensburg eine königliche Seideninspektion errichtet.
Im Jahre 1813 führt Aug. Brentano Mezzegra den Jacquardstuhl und eine
42
Augsburg.
Abb. 34.
Seidenfärberei ein: verarbeitet wurde italienische Seide. Ende der 60er Jahre
wird der Betrieb eingestellt.
Die vorhandenen Keime des Gredeihens der Kattund ruckerei brachte
Joh. Heinrich Schule aus Künzelsau, welcher 1745 nach A. kam und zehn Jahre
später ein erledigtes Druckerzeichen (s. d.) erhielt,
zu hoher Entfaltung; aber dennoch überflügelten
ihn schliesslich die Engländer: er stirbt 1785.
Im Jahre 1687 brachten Jeremias und Greorg
Neuhofer die Kenntnis der Krapprotfärberei
hierher, welche durch sie eine solche Vervoll-
kommnung erfuhr, dass sie die Leistungen der
Holländer bald überflügelten ; hierzu kamen die
Vollendung der Eormschneidekunst und die Zu-
nahme der Baumwollenspinnerei. Im Jahre 1821
wird die erste Kirschrotfärberei hier errichtet.
Die einzige Verbindung dieser älteren Periode
hoch entwickelten industriellen Schaffens mit
der Neuzeit vermittelt die Kattunfabrik von
Schöppler & Hartmann, welche im Jahre 1780
aus der vom Tischler Johannes Apfel gegrün-
deten Kattunmanufaktur hervorgegangen war.
Der Untergang des Augsburger Grewerbes
ward durch die französische Revolution und die
ihr folgenden französischen Kriege vollständig
besiegelt. 1835 wurde eine Weberschule mit
reichen Mitteln gegründet, ging aber nach drei
Jahren ein und wurde übernommen von der
Firma Frisch & Co.
Im Jahre 1844 führte die Firma Schöp-
pler & Hartmann die Weberei und den Druck
der Wollenmusseline als die erste im Zoll-
verein ein, rasch entwickelte sich auch in Sachsen
und Preussen eine rührige Konkurrenz, um
Frankreich zu verdrängen. 1861 wird das Weber-
haus in A. verkauft, die Innung löst sich auf;
durch die amerikanischen Wirren kommt die
Verteuerung der Baumwolle. Als der letzte
Handweber wird in A. der im Jahre 1882 ver-
storbene Meister David Knäule genannt. —
lieber Augsburger Muster der Penaissance-
zeit sind wir unterrichtet durch ein daselbst im
Jahre 1534 erschienenes Modelbuch: vgl. Abb. 32
u. 33. Es zeigt, dass mit dem italienischen Weber
auch seine Muster nach Augsburg gingen und
hier Verwendung fanden. Sehr verbreitet ist das
verschlungene Bandmotiv, das auch für die in
Süddeutschland im 16. und 17. Jahrh. geübte
Kanevasstickerei (s. d.) Aufnahme gefunden hat. Der streng stilisierte Adler
(Abb. 33) weist auf die Benützung alter Muster hin, ebenso die in Abb. 34
dargestellte Handtuchborte, in der wir ein italienisches Original erblicken, nach
welchem in Augsburg bis ins 17. Jahrh. hinein Muster älteren Stils gewebt
wurden. '
A bb i 1 düngen:
32. Augsburger Palmettenmuster in Feldern aus Bandverschi ingungen nach einer
Darstellung aus : Kunstgewerbeblatt 1887. Original im Augsburger Modelbuch von 1534.
33. Augsburger Muster nach derselben Quelle : Darstellung eines Adlers, Ränder
mit verschlungenen Bandmotiven.
34. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Borte
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Augusta — Avignon. 43
eines Leinenhandtuches mit blau gewebten glatten Querstreifen und gemusterten Borten,
welche zwischen gefüllten Zickzackbändern streng stilisierte Vögel an wappenlilien-
artigen Blüten enthalten. Sizilien 16. Jahrhundert.
Augusta, Hauptstadt des County E-ichmond in Georgia: Grosse Baum-
wollenfabriken, überhaupt ein Mittelpunkt des Handels für dergleichen Waren.
Augustine, ältere Stoffart aus Frankreich, von Baumwolle und Seide, die
besonders in und um Eouen gewebt wurde.
Augustusburg, Stadt in Sachsen bei Chemnitz : Maschinenstickerei und
Herstellung von wollenen und baumwollenen Stoffen.
Auma, Stadt in Sachsen-lYeimar-Eisenach: Weberei, Strickerei, Strumpf-
wirkereien, Tuchschuhfabrik und Herstellung mechanischer Webstühle.
Aumale, im Mittelalter Albamaria, Hauptstadt des Kantons A. im Arrond.
Neuchätel des franz. Depart. Seine-Inferieur : Herstellung von Blonden, groben
Tüchern und Serge; Wollspinnerei.
Aumales, ältere Sorte französischer Sergen aus A., die zu Futterstoffen
Verwendung fand.
Auquili, grobe Sackleinwand, in Syrien gefertigt, kommt über Aleppo in
den Handel; die feineren Gattungen sind blau gefärbt, teils auch halb weiss,
jedoch immer mit Baumwolle gemischt.
Aurangabad, Stadt in Haidarabad, Ostindien : fertigt schöne Seidenstoffe,
Gold und Silberbrokate; lebhafter Handel in Baumwolle.
Aureria (lat.), der Saum, die Borte, Bordüre von Gold oder Goldgespinst.
Aures, eine Art Cadis (s. d), die in Frankreich unter dem Namen Fleurets
bekannt sind ; werden zu Montauban gefärbt und zugerichtet : sie bestehen aus
einem der dauerhaftesten Wollenstoffe.
Aurifilum (lat.), Stickerei mit Goldfäden.
Aurillac, Stadt in der Auvergne, soll angeblich schon im 14. Jahrhun-
dert Spitzen erzeugt haben. Seit dem 17. Jahrhundert Spitzennäherei nach
italienischen Vorbildern, die allgemein points de France genannt wurden. Um
1708 geht diese Industrie zurück, bis sie mit der Revolution überhaupt er-
lischt (s. Spitzen).
Auriphrygium (lat.) hiess bei den Römern die Goldstickerei.
Aurisamitum (lat.), ein goldgestickter Seidenstoff.
Aurotextilis (lat.), in Gold gewebt, gewirkt.
Ausbessern s. Konservierung, Stopfen und Einsetzen.
Ausfallmuster, Ausfallprobe, Muster einer durch Vermittler zu kaufenden
oder auf Bestellung zu erzeugenden Ware, die dem Käufer die Beschaffenheit
derselben zeigt.
Aussetzen s. Carta riga.
Aussig, Stadt in Böhmen: Fabriken von Modestoffen in Seide, Baum-
wolle und Schafwolle.
Aussparen, die Flächen um die Figuren herum ausfüllen, so dass der
Grund eines Stoffes das Muster bildet, wie es z. B. im Zeugdruck und auch
oft in altitalienischen Leinenstickereien geschehen, aber auch in jeder anderen
Technik möglich ist.
Austria, moderner Schirmstoff.
Ausziehspitzen (ital. punto tirato; franz. point tire ; engl, drawn work).
Durch Ausziehen von Fäden aus einem Leinwandstoff wird ein Netzgrund her-
gestellt, dessen zurückbleibende Fadengruppen umrandet werden. Muster in
breiten Flächen können darin entstehen durch grössere erhalten gebliebene Stoff-
reste und durch Füllung des Netzgrundes, in Art der Filetarbeiten. (S. Spitzen
und Durchbrucharbeit.)
Autun, Hauptstadt im franz. Depart. Saone-et-Loire : Tuch- und Fass-
teppichfabriken.
Auxy (L'aine d'Auxy) s. Wolle von Abbeville.
Avantagee heisst in Frankreich die feinste Sorte der Nankinseide (s. d.).
Ave Maria (Angelica salutatio, Engelsgruss) s. Verkündigung.
Avignon, Stadt im franz. Depart. Vaucluse a. d. Rhone: hier wird zuerst
44 Avila — Azuay.
(las franz. Seidengewerbe betrieben, veranlasst durch Papst Gregor X. (gebürtig
aus Piacenza (war bis 1271 Archidiakonus in Lüttich, regierte 1271 — 76),
welcher italienische AVeber berief. Zur Bedeutung gelangt die Industrie erst
im 15. Jahrhundert unter Ludwig XL von Frankreich. Heute beschäftigt die
Seidenindustrie 12 — 14000 Arbeiter, welche jährlich Waren im Werte von
IY2 Mill. Pres, herstellen. Ausserdem Fabrikation von Posamentierwaren,
Sammetstoffen u. a. ni. Die Gewinnung des Krapps zur Färbung roter Tuch-
stofi'e verdankt A. einem landesflüchtigen Perser, Jean Althen, dessen Vater
Gesandter des Schahs Thamas Kuli Chan war, der 1774 in Armut starb. Nach
A. wird auch ein leichtes Seidengewebe benannt, sogen. Indiennes.
Avila, spanische Wolle aus der Provinz gleichen Namens, welche wegen
ihrer guten und feinen Qualität sehr geschätzt wird.
Avio, Ortsgem. in Tirol: Seiden- und Sammetmanufakturen.
Avivieren, ein Verfahren, der Seide (Strangseide) nach dem Färben
wieder ein gutes Aussehen zu geben: Vornahme des „Schönens" und „Be-
lebens" ; es geschieht mit Hilfe eines Bades, welches aus verdünnter Säure
besteht.
Avouet, persische Wolle von dreijährigen Schafen.
Avranches, Hauptstadt des Arrond. A. in der Normandie : Fabrikation
von Spitzen, Kattun; grosse AVebereien und Spinnereien.
Axminster, Stadt in der engl. Grafschaft Devon : Tuch- und Bandfabri-
ken; die berühmte Teppichfabrik befindet sich seit 1835 zu Wilton in Wilt-
shire bei A.
Axminster-Teppich, eine Art weicher Sammetteppich mit langem, auf-
geschnittenem Flor, die als Nachahmung der Smyrnateppiche gelten kann. Der
Flor kommt dadurch zustande, dass man zuerst (auf einem Handwebstuhl) eine
besondere Ware herstellt: die Vorarbeit, deren Kettenfäden nicht in gleicher
Dichte, sondern gruppenweise in regelmässigen Abständen angeordnet sind, und
deren Einschlag aus farbiger Wolle nach einem gezeichneten Muster ein-
getragen wird. Indem man diese Vorarbeit der Länge nach in Streifen schneidet,
die je eine Kettenfadengruppe in der Mitte enthalten, und diese Streifen auf
einer besonderen mit Pinnen versehenen Sengmaschine derartig sengt, dass die
erst nach beiden Seiten abstehenden wollenen Einschlagiäden nach oben ge-
presst werden, erlangt man die eigentlichen Florschussfäden, die nun abwechselnd
mit festen Grundschussfäden in die Teppichkette eingeschossen werden. Diese
Teppichkette besteht meist aus einer Leinen- oder Jutekette zur Bildung eines
festen Grundgewebes, und einer dünnen, weitgestellten Baumwollkette zur Be-
festigung der mehr an der Oberseite des Teppichs liegenden Florschüsse, die
in ihrer genauen Zusammenstellung das vorher entworfene Muster geben müssen.
Die Appretur des A. besteht in Dämpfen, Bürsten und Scheren (s. a. Che-
nilleteppich).
Aylanthusseide (A. Cynthia), S. des gleichnamigen Spinners (s. Seide).
Ayr, Hauptstadt der Grafsch. A. in Südschottland: Segeltuch-, Baum-
wollen-, Wollen-, Seidenwaren- und Teppichfabriken.
Azara oder Azera, feine ostindische Musseline, welche die Franzosen
aus Pondichery brachten.
Azerbeidschan, Prov. in Persien: erzeugt Knüpf- und Wirkteppiche,
jedoch meist von geringerer Sorte: dazu gehören die von Karadagh, Heris,
Zendian und Hamadan (s. d.).
Azores, locker gewebte, dicke und sehr langhaarige Wollenstoffe: eine
Gattung starker Biber mit glänzendem Haar, welcher in mehreren böhmischen
und tiroler Fabriken gewebt wird. ^
Azuay, Assuay, eine der südl. Provinzen der südamerik. Pepublik Ecua-
dor: Industrie von Geweben.
Baar— Bagdad. 45
B.
Baar, Dorf im Schweiz. Kauton Zug, im 9. Jahrhundert erbaut: eine
der grössteu Baumwollspinnereien der Schweiz; die Sj)imierei an der Lorze
seit 1855 im Betrieb.
Babenhausen in Bayern: mechan. Spinnerei.
Babylon, s. Assyrien und Babylon.
Babylonica, s. Baldachin.
Babylonicum (lat.) gestickte Arbeit, Stickerei; babylonica texta und stra-
gula werden in mittelalterlichen Inventarien erwähnt.
Babylonische Teppiche, s. Assyrien und Babylon.
Backfischseide heisst im modernen Handel ein heller leichter Seiden-
stoff, der zu Kleidern für junge Mädchen Verwendung findet.
Backnang, Stadt in AYürttemberg : AVollspinnerei, Strumpfstrickerei,
Tuchmacherei.
Badehandtücher, Frottierstoff, G-ewebe aus Leinen oder Baumwolle,
welches zu beiden Seiten zahlreiche Noppen hat und dadurch geeignet wird,
Wasser in sich aufzunehmen, daher zu Handtüchern, Bademänteln u. s. w.
Verwendung findet. Die Herstellung ist der eines Plüschgewebes ähnlich.
Auf dem leinwand- oder ripsartigen Grrund erheben sich nach beiden Seiten
unaufgeschnittene Schleifen (oder Noppen), die mittels zweier Polketten mit
loser Spannung entweder durch eingelegte Nadeln oder durch ein eigentüm-
liches Verfahren beim Anschlagen der Lade (schwache und starke Schläge)
hervorgebracht werden. Die nicht sehr dicht stehenden Noppen geben dem
Gewebe eine rauhe Oberfläche.
Bad Elster, Dorf in Sachsen : Seiclensammetweberei.
Baden, zum Deutschen Reiche gehöriges Grossherzogtum. Vor dem
1835 erfolgten Anschluss an den deutschen Zollverein nur ein ackerbauender
Staat. Seitdem hat die Gewerbtätigkeit so zugenommen, dass B. jetzt an der
industriellen Gesamt|3roduktion des Deutschen Peiches einen namhaften und in
einzelnen Zweigen einen hervorragenden Anteil hat, wovon auf die Textil-
industrie, besonders in Baumwolle und Seide, auch Wolle, Leinen und Hanf,
nicht die geringste Tätigkeit entfällt, mit dem Hauptsitz im "Wiesental und
oberen Peintal, sodann in Freiburg, Waldkirch und Ettlingen, auch in Offen-
burg, Lahr und Konstanz. (Vgl. Dietz, die Gewerbe im Grossherzogtum B..
ebd. 1863.)
Badia Polesiue, Hauptstadt des Distrikts B. in der ital. Prov. Povigo :
Seidenspinnerei.
Bafel (Bavel, vom ital.: bavella, Abfall-, Flock-, Florettseide), Ausschuss,
schlechte Ware.
Baffetas, Baftas, ostindische, glatte und dichte Baumwollenzeuge von
verschiedener Feinheit, welche früher in Mengen nach Europa gebracht und
in Holland, England, Hamburg, Kopenhagen häufig gedruckt wurden. Sie sind
jetzt von der europäischen und nordamerikanischen Maschinenware, unter dem
Namen calicoes, printers, domestics u. s. w., fast ganz verdrängt.
Bagdad, im Mittelalter in der abendländ. Form auch Baldach genannt.
Hauptstadt des asiat.-türk. Vilajets B., 763 gegründet; im 9. Jahrh. erhob sie
Harun-al-Paschid zu hohem Glänze. AVar seither eine Hauptniederlage für
arabische, indische und persische Erzeugnisse, sowie für europäische Manufaktur-
A\aren, und versah Kleinasien, Syrien und einen Teil Europas mit indischen
AVaren, die, zu Basra eingeführt, den Tigris in Booten stromaufwärts und in
Karawanen weiter nach Konstantinopel, Haleb, Damaskus und in die westlichen
Teile Persiens gebracht wurden. B. selbst bringt AVoile zur Ausfuhr. Erzeugt
werden seidene, baumwollene und wollene Stoffe, besonders Musseline, Taöete,
Teppiche und Shawls. AA^ann der Anfang zu der im Mittelalter so mächtig
aufoeblühten Seidenindustrie in B. ofeleot wurde, ist nicht sicher bekannt; es
46 Bagdalin — Baldachin.
lässt sich mir aus einigen erhaltenen biographischen Daten (nach Karabacek:
lieber einige Benennungen mittelalterlicher Gewebe) auf eine Bagdader Ko-
lonie tusterischer Seidenweber schon im 10. Jahrhundert schliessen. (Kremer,
Kulturgeschichte des Orients. Bd. 2. AVien 1877.)
Bagdalin, früher ein in bunten Mustern gewebter Baumwollenstoff in
persischem (xeschmack, jetzt ausser Mode.
BaggingS (engl.) oder Sackings, nach der Bezeichnung der schottischen
Spinnereien, die groben Jutesäcke zur Verpackung von Baumwolle, während
die feineren Hessians genannt werden. Die Bezeichnung ist auch auf die
rohen (noch nicht zu Säcken verarbeiteten) Jutestoffe übertragen worden.
Bagirmi, mohammedanischer Negerstaat im mittleren Sudan, dessen Ein-
wohner als AVeber und Färber sehr geschickt sind.
Bagneres-de-Bigorre, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Departement
Hautes-Pyrenes : AVoUfabriken für Baregestoff, der hier vor alter Zeit seinen
eigentlichen Ursprung hatte.
Bagnols-SUr-Ceze, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Uzes des
französischen Departements Gard: Seidenspinnerei (jährlich für 600000 Frcs.),
sowie Handel mit Seide.
Baguette, s. Bay.
Bahama, westindische Baumwollsorte.
ßahia, Hauptstadt des Staates B. in Brasilien: Baumwollenwebereien,
(seit 1867 ist hier die bedeutendste Spinnerei Brasiliens) ; Fabrikation von
Jutewaren. B. ist auch Handelsname einer südamerikanischen Baumwoll-
sorte.
Bahn (franz. : lisse, auch le = Blatt, Bahn), ein in vollständiger Breite
vorliegendes Stück Zeug.
Baigues, geköperte Wollenzeuge aus Flandern.
Bailleul, Hauptstadt der 2 französischen Kantone B.: Fabrikation von
Spitzen, Zwirn und Leinwand.
Baindix, türkische Baumwollsorte.
Baize, s. Flanell.
Bajaderen, französische allgemeine Bezeichnung für kleine leichte shawls-
artige Tücher; auch leichte gemischte Zeuge für Frühlings- und Sommertracht.
Bajota, grobe weisse Baumwollenzeuge, welche früher durch die hollän-
disch-ostindische Kompagnie in den Handel kamen.
Bakewell, Stadt in der englischen Grafschaft Derby; Baumwollweberei.
Baku, Hafenstadt in Transkaukasien auf dem Landstrich Schirwan, un-
weit des kaspischen Meeres, nach welcher die in dem benachbarten Dorfe
Amer-Adschan gefertigten Knüpfteppiche benannt werden; sie zeigen in der
Borte meist schräg gestellte farbige Parallelstreifen. (Vgl. kaukasische Teppiche.)
Balassoratücher, Balassores, Balazores ; unter diesem Namen kannte man
im englischen Handel einen zu Balassor in Ostindien aus dem Bast eines
Baumes gewebten Stoff.
Balastri heissen die besten in Venedig gewebten Draps-d'or.
Balbriggan, Stadt in der irischen Grafschaft Dublin: Fabrikation von
baumwollenen Strümpfen, Kattun und gesticktem Musselin.
Balch, Stadt in der Landschaft B. im südlichen Turkestan : Hauptindustrie
in Seidenstoffen.
Baldachin (lat.: baldakinus; franz.: baldaquin ; ital. : baldachino; engl.:
baldachin), nach dem orientalischen Brokatstoff Baldacs (s. d.), woraus im frühen
Mittelalter die Thronhimmel gebildet wurden, benannter Prachtüberhang für
einen Altar, Thron u. dergl. Im gotischen Zeitalter findet der B. als -fester
von Säulen getragener Altarüberbau in der Architektur Verwendung und er-
scheint auch in kleinerem Massstabe an Strebepfeilern als Schutzdach über
Heiligenfiguren : Diese Darstellungen nimmt um 1500 die deutsche Bildstickerei
und Bortenwirkerei zur Verzierung von Kaselstäben, Besätzen von Chormänteln
u. s. w. auf. In das allgemeine Ornament geht der Baldachin zur Barockzeit
über , wo er , ohne Säulen- oder Bogenstellungen , wieder aus dem Behangstoff
Baldachin — Baldacs.
47
dargestellt erscheint und auch als Wehe- und Stickmuster an Tapetenstoffen und
Pfeilerbehärgen beliebt ist (s. a. Betthimmel). (Vgl. Abb. 35).
Abb. 35.
Abbildung:
35. Bettdecke nach einer Darstellung aus: Ornamentation Usuelle, I. anne, cahier 15-
u. 16, Grrundstoff Damast, Muster aus breitem und schmalem Band- und Litzenwerk auf-
genäht: Symmetrischer Aufbau in Art einer UmrahmuDg, aus breiten Bändern, welche
zu Voluten aufgerollt sind; darin die Darstellung eines aus Stoff gerafften Baldachins,,
dessen Entwicklung in Zusammenhang gebracht ist mit dem halbrunden Bogenabschluss
der ganzen Umgebung. Frankreich Anfang 18. Jahrh. (Stil Marot: 1650—1712.)
Baldacs (baldachino), meist mit Gold durchwirkter reicher Seidenstoff, im
Mittelalter in Bagdad und Damaskus gemacht ; aber auch aus Lucca kamen zahlreiche
Nachbildungen.
4S Balingen — Bandanadruck.
Balingen, Oberamtsstadt in Württemberg: Fabrikation von Trikots.
Ballanca, schwarzwollener, mit Ziegenhaar vermischter Stoff aus Steier-
mark zu Linz im Oesterreichischen.
Ballen, Zähl- oder Stückmass : im Tuchhandel 12 Stück ; auch eine gewisse
Yerpackungsform, z. B. bei Baumwolle.
Ballenstedt, Stadt in Anhalt: Teppichfabrik.
Ballonstoffe bestehen aus sehr feinen und dichten Seiden- und Baum-
wollengeweben von möglichst gleicher Fadenzahl in Schuss und Kette. Sie
werden in vier bis neun Lagen über einander geklebt, damit sie die erforder-
liche Dichtigkeit und Festigkeit erhalten.
Balsthal im schweizerischen Kanton Solothurn: Fabrikation von Baum-
wollenzeugen und Posamentierwaren.
Balzorins, franz. Bezeichnung: 1. für leichte mit Ultramarin gedruckte
Kattune und Musseline, 2. im allgemeinen eines offenen^ gedruckten Gewebes
mit seidener Kette und Kammgarnschuss.
Bambagine, im italienischen Handel die Basinzeuge und die baumseidenen
Gewebe.
Bamberg, Stadt in Bayern: eine der grössten Baumwollenspinnereien
Deutschlands mit 2400 Arbeitern, 125000 Spindeln, 2000 Stühlen, und Weberei,
Seidenzwirnerei; Fabrik für Tuch, Wollzeug. Der Domschatz enthält wert-
volle Reliquien (Mäntel) von Heinrich IL und seiner Gemahlin. Vgl. Pfister,
Dom zu Bamberg (ebd. 1896).
Bananenfaser, s. Manilahanf.
Band (franz. : ruban ; engl. : ribbon •, span. : cinta, ruban ; ital. : fettucie),
Gewebe, welches sich durch geringe Breite im Verhältnis zur Länge auszeichnet
und zum Binden, zum Besatz, zur Einfassung oder zum Aufputz dient. Der
Qualität nach gehen die Bänder vom Einfachsten bis zur höchsten Luxus- und
Modeware und sie werden aus Seide, Wolle, Kamelhaar, Baumwolle, Leinen und
Gemischen dieser Stoffe hergestellt. Man webt die Bänder teils auf Posamentier-
oder Bandwirkstühlen (an manchen Orten auch Borten wirkerstuhl), teils auf dem
sogenannten Mühlenstuhl oder der Bandmühle mit Schnellschützen, wobei eine
grössere Anzahl von Bändern, auch in verschiedenen Mustern und Farben,
gleichzeitig gewebt werden können. Für bunt gemusterte Bänder w^erden die
Stühle auch mit der Jacquardvorrichtung versehen; dann aber können alle
Gänge nur gleichartig gewebt werden. Viele Bänder werden noch zylindriert,
moiriert und gauffriert (s. d.). Die Namen der Bänder richten sich nicht allein
nach dem Material , aus welchem sie gemacht werden , sondern auch nach ihrer
Breite^ teils nach der Art des Webens, glatt oder gemustert, schliesslich auch
nach ihrem Gebrauch. Die Hauptfabrikationsplätze für Bänder sind die Her-
stellungsorte für Seidenwaren überhaupt: so werden seidene Bänder namentlich
in Paris, Lyon, St. Etienne, am Niederrhein (besonders Sammetbänder), in Krefeld,
Basel, Wien, leinene, baumwollene und wollene besonders in und um
Elberfeld und Barmen, im sächsischen Erzgebirge, in Böhmen und dem übrigen
Oesterreich gefertigt. (Vgl. Beiser u, Beintgen, Handbuch der Weberei, Bd. III :
Bandweberei.)
Bandagenstoffe, s. Verbandzeug.
Bandanadruck, Bandaaasdruck, Bandanendruck (franz. : bandannes; engl.:
bandanoes) , ein Verfahren des Zeugdruckes , bei welchem hellere Muster auf
dunkelm Grunde durch stellenweise Zerstörung des Farbstoffes mittels bleichend
wirkender Agentien hergestellt werden. Dem Bandanadruck liegt dasselbe Prinzip
zu Grunde, das in Ostindien und Japan für die Herstellung weisser Muster auf
gefärbten Zeugen angewendet wird und darin besteht, dass die Stellen des Zeuges,
die nicht gefärbt werden sollen, vor dem Einbringen in die Farbbrühe mit Bind-
faden fest zusammengebunden und nachher gepresst werden, in welchem Zustande
sie nichts von der Farbe aufnehmen. Das zuerst von Monteih in Glasgow zur
Anwendung gebrachte , die Nachahmung der berühmten Bandanastücher be-
zweckende Verfahren (vgl. Brandes Jour. 1823) unterscheidet sich von der
einfachen orientalischen Methode im wesentlichen nur darin, dass die Pressung
ßandannos — Barbadoes. 49
der von der BerühruDg mit Flüssigkeit freizuhaltenden Stellen der Zeuge durch
bequem zu handhabende Pressapparate besorgt wird (vgl. Bandannos),
Bandannos, Bandanoes, Bandanas, ostindische seidenartige Zeuge, welche
aus den glänzenden Fäden einiger indischen Pflanzen verfertigt werden, die man
wie den Flachs zubereitet; gewöhnlich sind sie dunkelgelb, braun oder rot gefärbt
und mit hellgelben Mustern bedruckt (vgl. Bandanadruck). Bandannos heissen
auch ostindische Schnupftücher von gleichem Stoff, welche auf braunem, rotem
oder gelbem Grund mit weissen , gelben oder blauen Mustern gedruckt sind ;
ferner gibt es sogenannte türkischrote, baumwollene Bandanoestücher, geköperter
Grund mit blauen und gelben Mustern, wie auch bunte, welche in den englischen
Manufakturen nachgeahmt werden. Ehemals wurden letztere auch in sächsischen,
preussischen und österreichischen Fabriken gemacht.
Bändchenspitze s. Litzenspitze.
Bändchenstickerei wurde am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland,
Sjjanien und Frankreich geübt: sie besteht aus ganz schmalen Seidenbändchen, welche
aufgenäht oder auch durchzogen , in feinen bunten Streu- oder Bankenmustern
die Flächen seidener weisser Tücher, Handtäschchen, Kostümteilen u. s. w. ver-
zieren. In neuerer Zeit findet die Technik wieder vielfach Verwendung.
Bandelier (lat. : baldrellus; franz.: bandouliere; engl.: baldier, baldrick),
in früherer Zeit das über die Schultern gehende Wehrgehänge, an welchem ein
Schwert, Dolch, Jagdhorn oder auch die Pulverfläschchen hingen; heute beim
Militär der Ledergurt, woran der Säbel getragen wird, auch der Postillon trägt
sein Hörn am Bandelier: einer geflochtenen, wollenen, dicken Schnur. Das
Wort soll durch Pyrenäenräuber des 16. Jahrhunderts, die sich Bandouliers
nannten, in Gebrauch gekommen sein.
Banderoles, s. Beuteltuch.
Bandes, Bandelettes, in Frankreich leinene oder Garnbänder.
Bandmacherstuhl (franz.: metier älabarre; engl.: bar-loom), Bandmühle,
Mühlstuhl, ein zur gleichzeitigen Herstellung einer grösseren Zahl von Bändern
benutzter Webstuhl. Die Erfindung der Bandmühle wurde von einem Holländer
gegen Ende des 16. Jahrhunderts gemacht, in verschiedenen Ländern anfangs
verboten, um die Handarbeit nicht zu verdrängen, allein nach und nach immer
mehr benutzt und vervollkommnet.
Bandmühle, s. Bandmacherstuhl.
Bandmuster s. Flechtband.
Bandwirkerrahmen, Bandrahmen, ist ein Bahmen am Bandstuhl, in dem
die zur Aufwickelung der fertigen Bänder dienenden Bandrollen liegen.
Banjaluka, Hauptstadt des Kreises B. in Bosnien: Tuchfabrikation.
Banner (lat.: banneria; franz.: banniere : engl.: banner) , im Mittelalter
jede quadratische Fahne mit Wappen als Feldzeichen der Ritter; später entsteht
das Banner, indem der Stoff (sog. Fahnentuch) an einer mit dem Schaft ver-
bundenen Querstange befestigt wird. Banner und Fahnen haben für die Textil-
kunst eine Bedeutung wegen der auf ihnen von frühester Zeit an dargestellten
Zeichen oder Muster in Weberei oder Stickerei, worin sich besonders diejenigen
für kirchliche Zwecke (Prozessionsbanner), Zunft- und Städtebauner auszeichneten.
In der Benaissancezeit wählte man zur Darstellung der Muster gewöhnlich die
Technik der Aufnäharbeit (s. d.), weil die durch sie geschaffenen breiten Flächen
am ehesten weithin dekorativ wirken ; auch heut wird die Applikation meistens
zum Banner- und Fahnenschmuck verwendet.
Bantine, (sede), Rohseide aus Genua.
Bapaume, Hauptstadt des französischen Departements Pas de Calais im
Arrond. Arras: bedeutende Textilindustrie.
Baquiers, geringste Gattung des Baumwollengarns, welches von Smyrna
in den Handel kommt.
Baranjen, Baranken, s. Astrachan.
Baras oder Bapper, geringe Packleinwand aus Wergflocken, die in Böhmen
und auch im Erzgebirge gemacht wird.
Barbadoes, westindische Baumwollsorte.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. A.
50
Barbe — Barege.
Abb. 36.
Barbe oder Barbet (von barbe = Bart) , ältere Spitzengarnitur , welche
an den Seiten des Gesichts bis an das Kinn und darunter ging. (Vgl. Abb. 36.)
Abbildung:
36. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Barbe, Nadelarbeit in weissem Leinen. Frankreich (Alengon) zweite Hälfte 18. Jhrdts.
Barbezleux , Hauptstadt im französischen
Depart. Charente: Leinwandfabrikation.
Barcelona, Hauptstadt der spanischen
Provinz B. : wichtigster Hafen- und Handelsplatz
von Spanien , schon im Mittelalter bedeutend
für den Handel im Mittelmeer. Hauptzweig der
Industrie ist die Verarbeitung der Baumwolle
(jährlich 250000 Ballen). Ausserdem bestehen
1400 Webstühle für Seide, etwa 2000 für
Schafwolle; Färbereien, Druckereien. Im Mittel-
alter ist Barcelona der Hauptsitz spanischer
Seidenweberei, es tritt mit dem 1282 eroberten
Sizilien in regen Verkehr und bezieht von ihm
das Rohmaterial in grösseren Mengen.
Barcelona, Baumwollsorte aus Columbia.
Barcelonnette, Hauptstadt des Arrond.
B. im franz. Depart. Basses Alpes: Manu-
fakturen für Tuch- und Seidenwaren.
Barchent, Barchet, Parchent, (franz.:
fataine ; ital. : fustagno ; engl. : fustian und
dimity), dichtes, festes Köpergewebe aus Baum-
wolle oder aus Leinen und Baumwolle. Je
nach der Beschaffenheit der die rechte Seite
bildenden Oberfläche des Gewebes unterscheidet
man glatte und gerauhte B.'s. Die ersteren sind
so belassen, wie sie vom Stuhl kommen, bei
den anderen werden die freiliegenden baum-
wollenen Einschussfäden gerauht und nach einer
Richtung gestrichen, wodurch eine faserige
flaum- oder wollartige Oberfläche entsteht, die
den Stoff wärmehaltender macht. Der glatte
B., Bett- oder Futterbarchent, kommt
roh und gebleicht vor, weiss oder mit Schuss
von gefärbtem Baumwolleugarn ; rauher B.
(franz.: futaine ä poil; engl.: top), roh,
gebleicht oder schwarz gefärbt, dient zu
"Wachstuchdecken mit weicher Unterseite;
Kleider- oder Pelzbarchent, meist ganz
Baumwolle, mit weicherer Haarschicht, in ver-
schiedener Feinheit und Schwere. Schnür-
barchent ist geriffelt; Piquebarchent
sieht wie mit würfligen oder anderen Mustern
gesteppt aus.
Bardwan, Distrikt der Division B. in
der indobrit. Präsidentschaft Bengalen : Erzeug-
nisse von Baumwolle und grober Seide. /
Barege, ursprünglich halboffener musselinartiger Stoff in Kette und Ein-
schlag von Wolle, hat seine Entstehung in dem Dörfchen Auzons in den oberen
Pyreuäen. Schon vor Jahrhunderten trugen dort die Frauen bei einer Taufe
oder Trauung eine Kappe davon, die bis an die Ferse in Gestalt eines Sackes
herunterhing. Als die Bewohner des Tales Bagneres de Bigorre sich dieses
Industriezweiges bemächtigten, gaben sie dem Zeuge den Namen Bagnos ; allein
Bareges — Barockstil. 51
diese Bezeichnung wich später dem alten Barege. Der beste Stoff dieser Art
wurde im Dorfe Luz im Tale von Barege verfertigt. Vor der hohen Ausbildung
der Kammgarnspinnerei auf Maschinen blieb der B. ziemlich teuer. In Paris
wurde er ziemlich früh nachgeahmt; aber die Kette war Seide und der Ein-
schlag Kammgarn. In Nimes wurde B. noch billiger hergestellt durch Ver-
wendung von baumwollener Zwirnkette und später wird er in vielen Fällen durch
den Musselin ersetzt. In neuester Zeit besteht B., als sehr leichter Kleider-
stoff, gazeartig gewebt, aus feiner Bohseidenkette und Kammgarnschuss.
Bareges, Ort im Kanton Luz im Arrond. Argeies des franz. Depart.
Hautes-Pyrenees mit wichtigen Fabriken von Baregestoffen.
Baret, Barret, ist der Name von ursprünglich gestrickten und festgewalkten,
wollenen Mützen, welche im 15. und 16. Jahrhundert die Batsherren und Geist-
lichen der meisten deutschen Städte trugen und welche später aus Seide und
anderen Stoffen gemacht wurden. Die Anfertigung eines solchen Baretts von
runder Form mit einem breiten runden oder achteckigen Deckel gehörte früher
zu den Aufgaben für das Meisterstück eines Strumpfwirkers.
Barfoul, baumwollener StofP, der im afrikanischen Handel vorkommt und
von einigen Negerstämmen durch die Europäer gegen Stangeneisen und Kurzwaren
eingetauscht wird.
Barhana, schlechteste Sorte von Smyrnateppichen , welche in Uschak
erzeugt werden ; die Echtheit ihrer Farben ist zweifelhaft.
Bariga, s. Seide.
Barking, Stadt in der engl. Grafschaft Essex: Jutefabrikation.
Bar-le-Duc, Hauptstadt des franz. Depart. Meuse: Grosse Baumwoll-
spinnereien.
Barmen, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf; eine der grössten
Industriestädte Deutschlands. Die Hauptindustrie (Herstellung von Bändern,
Kordeln, Litzen, Spitzen aller Art und aus allen Stoffen: „Barmer Artikel")
beschäftigt in etwa 900 Betrieben rund 20000 Arbeiter. Ferner bestehen
Färbereien und Appreturanstalten, Garnbleichen, Türkischrotgarn- und Stück-
färberei, Garnfabriken, mechan. Webereien, Fabriken für Tapisserie-, Möbel-
und Dekorationsfransen und Besätze , Trikotwaren , seidene und halbseidene
Tücher, Schnürlochaugen, Teppiche, Zanella, Lastings und andere Futterstoffe.
Die Zahl der Band- und mechan. Webstühle für breite Waren beträgt mehr
als 10 000. Die Seidentrocknungsanstalt von Elberfeld-Barmen konditioniert jährlich
etwa 600 000 kg. Seide. B. wird zuerst im 11. Jahrhundert als Barmont erwähnt;
bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bestand es nur aus Bauernhöfen, deren
Bewohner sich aber seit dem 15. Jahrhundert schon mit der Bleicherei, dem
ersten Anfange industrieller Betriebsamkeit im Tale beschäftigten; 1606 bestan-
den 77 Bleichen; Band- und Leinwandbereitung fand nachweislich im Anfang
des 16. Jahrhunderts statt. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts kam
Färberei und Verwendung von Wolle, 1750 Spitzen- und Kantenweberei, Seiden-
fabrikation u. s. w, hinzu, welche die unter Ludwig XIV. verfolgten französischen
Protestanten hier heimisch machten. Von grossem Einfluss für die Entwicklung
der Textilindustrie B.'s war die 1821 erfolgte Einführung der Jacquardwebereien
und die zu Anfang der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts erlangte Vervoll-
kommnung der Flechtmaschinen, die Erfindung des Eisengarns u. s. w. Die
Preussische Höhere Fachschule für Textilindustrie (Direktor: Albert
Oettel), seit 1900 bestehend, bildet in ähnlicher Weise wie Aachen, Kräfte für
Weberei, Klöppelei, Spitzenfabrikation, Stickerei und Besatzkonfektion aus. Sie
enthält Fachateliers für Musterzeichnen u. s. w. sowie eine Abteilung für Färberei.
B. ist Sitz der 4. Sektion der Rheinisch -Westfälischen Textil-Berufsgenossenschaft.
Barnsley, Stadt in der engl. Grafschaft York: Hauptsitz der Leinen-
fabrikation ; Bleichen und Färbereien.
Barnstaple, Municipalborough der engl. Grafschaft Devon : Fabrikation
von Serge, grobem Tuch und Spitzen. Der Handel und die Wollwarenfabrikation
ist in neuerer Zeit zugunsten von Bideford zurückgegangen.
Barockstil bezeichnet in der allgemeinen Kunstrichtung die Zeit des 17.
52
Barockstil.
und Anfang des 18. Jahrhunderts und zwar nicht einen Hauptabschnitt in der
Entwicklungsgeschichte ihrer 'Formenwelt, sondern eine Kunstweise, in welcher
die auf Grundlagen griechisch-römischer Anschauungen aufgebaute Renaissance
ausklingt in eine Entartung zum Naturalismus. Der Ausgangspunkt ist Italien,
wo schon nach der Mitte des 16. Jahrhunderts sich eine freiere E,ichtung Bahn
bricht, die im Zusammenhange steht mit dem Bestreben der Zeit, den alten Bann
der Ueberlieferung zu sprengen und den Blick auf die unendliche Mannigfaltig-
keit des wirklichen Lebens zu lenken. Die Architektur bringt das Wesen dieser
Epoche dadurch zum Ausdruck, dass sie die früher knapp bemessenen Grund-
Abb. 37.
formen des Gesamtaufbaues allmählich auflöst und sich in Einzelheiten begibt,
wodurch das Ganze in breiteren Linien an malerischer Wirkung gewinnt. Die
Formensprache der Kleinkunst schliesst sich später dieser Richtung an, das
Bereich des Flächenmusters erweitert sich dementsprechend. Im textilen Orna-
ment bleibt für das Tapetenmuster Italiens zunächst noch das Motiv der
Vase (s. d.) geltend (vgl. Abb. 37), welcher ein Blütenstrauss entsteigt. Auch
die EinSchliessung dieser Mittelfigur in ein annähernd spitzovales Feld geschieht
noch durch Blattwerk, welches Kronen verbinden; aber dem Ganzen fehlt doch
der feste bestimmte Grundzug einer Flächenteilung der eigentlichen Benaissünce.
Haltbarer im Zusammenhange erscheinen in der Zackenspitze (Abb. 38) durch
die Technik der Klöppelarbeit dieselben Motive, welche übrigens auch in Spanien
Eingang gefunden hatten; doch wie weit haben sich die Einzelheiten von ihrem
ehemahgen ornamentalen Wert entfernt! (Vgl. den Artikel Kronen im Stoff-
muster.) Das Motiv der Zackenspitze an sich wird wiederum aufgenommen zur
Bildung lambrequinartiger Felder (Abb. 39), in demselben Stoff ist das Vasen-
Barockstil,
53
Abb. 38.
Abb. 39.
54
Barockstil.
motiv an den Sträussen mit Vögeln , welche Borten bilden , kaum noch erkenn-
bar, und so verflachen sich selbst in Italien die Muster, welche ehedem den
feinsinnigsten Beobachtungen antiker Elemente ihre Entstehung verdanken. In
Spanien vollzieht sich der Uebergang zum Naturalismus im Stoffmuster lang-
samer. Die im ganzen strenger angelegte Pormenwelt, mehr oder weniger noch
mit maurischen Elementen durchsetzt, lässt sich nicht so ohne weiteres in neue
Bahnen lenken, wie die weicher behandelten italienischen Motive. (Vgl. Abb. 40.)
Wenn auch die breit angelegten Flächen im Blattwerk und in den palmetten-
förmigen Blüten dem malerischen Zuge der Zeit zu folgen scheinen, so zeigen
die gewürfelten dicken herzförmigen Blätter und das Umschalten zwischen Grund
und Muster in der AViedergabe der Zeichnung, wie man bei allem Streben barock
zu erscheinen, doch noch am Alten hängt. Selbst die seitliche Begleitborte ver-
Abb. 40.
mag ihre alte arabische Herkunft nicht gänzlich abzustreifen. Schneller folgt
die Handarbeit einer neuen Mustergebung , so dass z. B. die spanischen Platt-
stichstickereien jener Zeit schon schwer von den italienischen und deutschen
Arbeiten zu unterscheiden sind; nur ganz bestimmte technische Merkmale (vgL
den Artikel Stickerei) können da den Ausschlag geben. D eutschland schliesst
sich zunächst dem italienischen Charakter dieser Zeit an. Vortreffliche Muster
jener Art finden sich in der Kanevas Stickerei (s. d.) , welche am Anfang des
17. Jahrhunderts für grössere Schutzdecken, Stuhlkissen und -Bezüge gearbeitet
wurden. Dem hier gegebenen Beispiel (vgl. Abb. 42) ist der Ausdruck der
Zeit deutlich aufgeprägt. Den Bändern, welche die Felder bilden, ist eine
dezente Schattierung gegeben: sie erinnern an das beliebte breite ßahmenwerk.
Der palmettenartigen Füllung haftet nur noch weniges der B-enaissance an: breite
Kelchformen und gerolltes Blattwerk geben ein selbständiges Motiv ab, das dem
geteilten Grundstoff in jeder Weise angepasst ist. Frankreich macht sich in
Barockstil.
55
dieser allgemeinen Bewegung der Barockzeit unabhängig. Unter Ludwig XIII.
(1610 — 1643) fallen zwar italienische Einflüsse allgemeiner Art auf; indessen
schlägt die Textilkunst bald andere Wege ein, welche zum vollständig freien
Naturalismus führen, wozu die holländischen Verbindungen wesentlich beitrugen,
Abb. 41.
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Abb. 42.
weil durch sie die Vermittelung exotischer Pflanzen möglich wird, deren Formen
und Farbenreize derartig begeistern, dass mit ihrer Verwendung eine neue Art
der Mustergebung für die Textilkunst einsetzt und auch in der späteren fort-
schreitenden Entwickelung massgebend wird. (Vgl. den Artikel Ananas und
f)ß Barr — Barroches.
und Abb. 20.) Die Bezeichnung der Stilarten geschieht von dieser Epoche ab
in Frankreich nach den regierenden Königen, so dass der sogen. Barockstil unter
Louis Treize und Louis Quatorze (1643 — 1715) fällt. Yon grossem Einfluss für
das allgemeine Ornament der Zeit wird die Tätigkeit der französichen Zeichner:
Jean Lepautre (1618—1682), Le Brun (1619—1690), Jean Berain (1638—1711),
Daniel Marot (1650—1712), Charles Boulle (1647—1732), doch bleibt das Ge-
webemuster davon unberührt, vielmehr erstreckten sich deren Entwürfe nur auf
Erzeugnisse der "Wirkerei und Stickerei grösserer Art , welche mit der Innen-
dekoration im Zusammenhange stehen: wie der Grobelin mit Grotesken (s. d.) von
Berain, grosse Decken mit Aufnäharbeit (s. Abb. 35) im sogen. Kurvenstil (s. d.)
von Marot u. s. w. (Vgl. darüber auch die Artikel der Techniken im Einzelnen
und den Artikel Frankreich.)
Abbildungen:
37. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Gewebte Seidentapete, Grund gelbgrüner Atlas, symmetrisches Muster blaugrüner Rips :
hochstehende acanthusartige Blätter sind durch Kronen verbunden und bilden Felder,
in welchen je eine gebuckelte Vase mit einem Strauss aus Blattwerk und Blüten ; da-
zwischen Vögel. Italien Ende 17. Jahrh.
38. Geklöppelte Zackenspitze nach einer Darstellung aus: Dr. M. Dreger, Ent-
wickelungsgeschichte der Spitze, Wien 1901, Blatt 27. Das Muster besteht aus Vasen
mit einem Blütenstrauss ; dazwischen Kronen. Italien oder Spanien 17. Jahrh. Original
im K. K. Oesterreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wieu.
39. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidenbrokatgewebe, Grund grüner Rips, abgepasstes Muster gelblich weiss, leicht mit
Silberlahn durchwirkt: Borten, abwechselnd mit lambrequinartigen Feldern aus breitem
Blatt- und Blütenwerk und mit Blütensträussen und Vögeln am vasenartigen Unterteil ;
dazwischen Borte mit Nelkenrosetten an welliger Ranke. Randborte aus gewebten
Bogenf eidern. Italien 17. Jahrh.
40. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Ge-
webte Seidentapete auf Baumwollkette (sogen. Brokatelle), Grund gelb, in Köper-
bindung, symmetrisches Muster Atlas: Breites Blattwerk und Palmettenblüten sind in
dichten Reihen geordnet ; innerhalb einzelner Formen ausgesparte Flächen mit ge-
würfeltem Muster. Seitliche Abschlussborte, welche kennzeichnet, dass der Stoff als
Tapete in einer Bahnbreite benutzt wurde, welche mit Holztäfelung abwechselte. Spanien
Anfang 17. Jahrh.
41. Plattstichstickerei nach einer Darstellung aus : Musterblätter für künstlerische
Handarbeiten, Nr. 63. Illustrierte Frauen-Zeitung, Berlin 1895. XXII. Jahrg. Heft 13.
Das Muster, auf grünem Seidengrunde in bunter loser Seide ausgeführt, besteht aus
Blütenranken , welche symmetrisch geordnet in Bogenstellungen abgeschlossen sind.
Spanien Ende 17. Jahrh.
42. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stickerei auf Kanevas in farbiger "Wolle und etwas Seide, Muster auf weissem Grunde
aus Bändern, welche Felder bilden, in deren je eine palmettenartige Füllung aus Blatt-
werk. Süddeutschland 17. Jahrh.
Barr, Stadt in Elsass-Lothr. : Fabrik von Haarnetzen, Socken, Kunstwolle ;
grosse Färbereien.
Barrage, gemusterte Leinewand zu Tischzeug, welche in Frankreich
gewebt wird.
Barragones, dichter geköperter Baumwollenstoff, eine Art glatter Man-
chester, mit ganz schmalen Streifen, welcher sowohl weiss gebleicht als schwarz
gefärbt, zu Beinkleidern verbraucht wurde. Der Stoff wird heut nach Buckskin-
mustern hauptsächlich in der sächsischen Lausitz und Böhmen unter dem Namen
Hosenzeuge gemacht.
Barrakan, (arab.) s. Berkan. ''
Barrangan (Barakan, Bakeram); wollenes Gewebe, das im Mittelalter sehr
gebräuchlich war und besonders gut in Regensburg hergestellt wurde.
Barras, s. Packleinwand.
Barroches, feine rohe Kattune, eine der besonderen Sorten ostindischer
Baftas, welche die Engländer und Franzosen aus Surate nach Europa brachten ;
sie haben ihren Namen von der Stadt Baroche oder Baroach.
ßar-sur-Aube — ßastancini. 57
Bar-SUr-Aube, Hauptstadt des Arrond. B. in der Champagne: Baum-
wollenweberei; lebhafter Hanf- und Wollhandel.
Bärteltuch, das dem ersten Scheren unterzogene Tuch.
Barutine, Barutinseide, eine Art levantinischer Seide, die man von Barut
über Smyrna und Said nach Livorno und Marseille bringt. Sie wird zu Trame
und meistens in Tressenfabriken verarbeitet.
Basane (franz.), ein pelzähnliches Gewebe.
Basel, Hauptstadt des Halbkantons Basel-Stadt: seit Jahrhunderten eine
der wichtigsten Eabrikstädte und die erste Handelstadt der Schweiz. Die
Seidenbandweberei, welche seit etwa 200 Jahren fabrikmässig betrieben wird,
beschäftigt in der Stadt allein 8000 Arbeiter und 1600 Stühle. Auch Seiden-
spinnerei, -Zwirnerei und -Färberei werden betrieben.
Basford, Stadt in der engl. Grafschaft Nottingham: Hauptplatz der
Spitzen- und Strumpffabrikation aus Baumwolle ; Spinnerei und Bleicherei.
Basin, Bazin, ein ganz aus Baumwollengarn mehrschäftig gewebter oder
geköperter weisser Stoff, der dem sogen. Dimity ähnlich und entweder glatt
oder mit kleinen schmalen Streifen, teils ohne Streifen und auf der einen Seite
aufgekratzt, teils piqueartig wie Barchent gemustert ist.
Basin royal, feiner weiss gestreifter Zwillich, ganz aus Leinengarn
gefertigt, meist sächsisches Fabrikat.
Basmas, dichter, feiner leinwandartiger Stoff aus der Türkei.
Basra oder Bassora, jetzige Hauptstadt des asiat.-türk. Yilajets B.,
635 n. Chr. angelegt, um den Persern die Verbindung mit dem Meere ab-
zuschneiden, sowie um einen Hafenort und Schlüssel zum Euphrat und Tigris
zu gewinnen; gelangte als Handelsplatz indischer und arabischer Waren für die
Kalifenstadt Bagdad zu grossem Wohlstande. B. wird als vielbesuchte Stätte
für den Seidenverkehr im 7. und 8. Jahrhundert genannt: hier war es zuerst,
dass gegen das deutlich ausgesprochene Verbot des Propheten ein Araber
seidene Kleider anzulegen wagte. (Vgl. Karabacek. lieber einige Benen-
nungen mittelalterlicher Gewebe, Wien 1882. S. 18.)
Basselissestuhl, im weiteren Sinne ein Webstuhl mit nahezu horizontaler
Kette, im Gegensatz zum Hautelissestuhl (s. d.), bei dem die Kette in vertikaler
Richtung aufgespannt ist ; daher Basselisse- (niederschäftige) Weberei, im Gegen-
satze zur Hautelisse- (hochschäftige) Weberei. Im engeren Sinne ein zur
Herstellung von Teppichen, Gobelins und dergl. gebräuchlicher Webstuhl (s. Bild-
wirkerei.)
Bassinas, bassiaes, pelettes, tetelettes, heisst in Frankreich der Abfall
beim Abhaspeln der Seide, der die innere pergamentartige Haut der abgehaspelten
Kokons darstellt, woraus später die Florettseide gemacht wird; er kommt unter
den Namen ricotti, wading, neri, Galletame, Basinetto u. s. w. in den Handel
und wird von Italien, China und Japan geliefert.
Bassines nennt man in Frankreich die Taffetbänder.
Bast (franz.: liber; engl.: hast; ital.: libro; span. : librillo), Baumbast,
die dünne und zähe Haut oder Schale der Bäume, welche sich zwischen dem
Splint und der äusseren harten Hinde befindet. In Ostindien wird B. zu feinen
Geweben benützt, nachdem man ihn wie Flachs geschlagen, geröstet und
gesponnen hat. Diese Zeuge haben wegen des starken Glanzes der Bastfasern
viel Aehnlichkeit mit der Seide; sie kommen, meistens braun und dunkelgelb
gefärbt, auch mit Seidenfäden vermischt, unter verschiedenen Benennungen nach
Europa ; die bekanntesten Arten sind Biambonnees , Cherquemolles , Foulas,
Fontalonges, Nillas, Pinasses, Romais. B. heisst auch ein gestreiftes oder
gewürfeltes Zeug, dessen Kette aus ungekochter Seide und dessen Einschlag
aus Baumwolle besteht. Ausserdem kommt unter B. ein geköperter, sehr
glanzreich appretierter Baumwollenstoff vor, auf dessen rechter Seite die Kette
zu drei Vierteln über dem viel gröberen Einschlag frei liegt.
Bastancini, feine und dünn gewebte, weiss gebleichte Leinen aus Böhmen
und Schlesien, welche früher für den italienischen Handel gefertigt wurden:
sie sind den klaren Schleiern ähnlich appretiert, steif gestärkt und gebläut.
58 Bastard-Atlas — Batist.
Bastard- Atlas ist fünfbindiger A.
Bastarde oder Batarde, in Frankreich eine unechte Sorte der Yigogne-
wolle. Die schwarze Wolle welche von Aleppo nach Marseille gebracht wird,
führt denselben Namen.
Bastard-Sammet, früher Bastersammet genannt, Mittelgattung des S., der
feiner als Plüsch und gröber als kurzer S. ist.
Bastband, in der Weberei ein bandförmiges Fadengebilde, das durch
Zusammenkleben von baumwollenen, nach Art der Kettenfäden in der Weberei
angeordneten Gespinstfäden gebildet ist; diese Fäden haften also nur durch
ein Klebemittel zusammen, nicht durch Einscblagfäden. Das B. zum Zusammen-
binden verwendet, ersetzt so die aus natüi-lichem Bast hergestellten Streifen, die
Bindfäden und andere biegsame Gebilde.
Bastseide, ostindische, s. Tussah.
Bataloni, im levantiner Handel die in Xatolien gefertigten gemischten Ge-
webe, deren Kette von Hanf-, der Schuss von Baumwollengarn ist; meistens
sind sie hellblau gefärbt.
Batavia oder Kasimir, gleichseitiger, zweiseitiger oder Doppelköper; er
nimmt seinen Anfang bei dem Vierbinder und kann nur, da stets die Hälfte
Kette und die Hälfte Schuss auf jeder Warenseite liegen muss, in allen geraden
Zahlen als Bindung ausgeführt werden : die Webart findet in allen Stoffarten
Anwendung und es gibt ausser dem glatten ungemusterten B. auch solchen mit
Streumuster in Broschierung.
Batik (malayisch), (Batek- oder Battik-Sarongs, Battik druck, Baktinieren),
ein seit alter Zeit auf Java heimisches Verfahren , Baumwollen stoff zu
mustern. Der Arbeiter träuft aus einem, etwa wie ein winziges Teekännchen
geformten Instrument flüssiges Wachs nach Vorschrift der Patrone auf den
weissen Stoff, welcher dann in die Farbenküpe kommt und die Farbe nur aut
den ungedeckten Stellen annimmt; das Wachs wird hierauf ausgeschmolzen.
Das Verfahren kann mehrmals ausgeführt werden, doch kommen in der E-egel
nur die Farben Blau und Braun, in neuerer Zeit auch Orange, zur Anwendung.
In neuester Zeit ist diese Technik durch Arts and Grafts, im Haag, weiter aus-
gebildet worden. In den Werkstätten zu Apeldoorn werden B. in Seide, Sammet^
Baumwolle , Leder u. dgl. hergestellt. Man überträgt die Zeichnung auf den
Stoff, gibt die Umrisse mit Wachs an, füllt die Teile, die ungefärbt bleiben
sollen, in der alten Weise mit warmem Wachs und bringt den Stoff ins Farben-
bad. Dieses Verfahren wird so oft wiederholt, bis alle gewünschten Farben an-
gebracht sind. Zuletzt wird das Wachs durch eine Flüssigkeit entfernt. (Vgl.
Houffaer u. Juynboll, die indische Batikkunst und ihre Geschichte. Haar-
lem 1899.)
Batist (franz. : batiste ; ital. und span. : battista ; engl. : cambric ; veralteter
Name Kammertuch), (nach Einigen von dem indischen Wort Baftas (s. d.), nach
Anderen von dem Namen des angeblichen Erfinders Baptiste Chambray, eines
flandrischen Leinwebers im 13. Jahrhundert, herzuleiten), die feinste Leinwand,
halb durchsichtig und doch dicht aus dem feinsten Flachsgarn (rame) gewebt^
das für die besten Sorten nur mit der Hand gesponnen wird aus Garnen des
schönsten und längsten belgischen Flachses. Die Verarbeitung des möglichst
fein und gleichmässig gesponnenen Garnes geschieht ungebleicht auf gewöhnlichen
Leinwebstühlen. Es geschah früher in kühlen , feuchten ßäumen , um den
Faden geschmeidig zu erhalten ; jetzt erreicht man jedoch durch Schlichten das
gleiche Resultat mit Vermeidung jeder gesundheitschädlichen Wirkung. Man
unterscheidet drei Arten von Batist: den klaren oder leicht gewebten (batiste
claire), die zweite Sorte, fester geschlagen (demi claire) und von stärkerem
Garn, die dritte Sorte (batiste hollande e) dicht und kernig gewebt, sodass
die Fäden fest anschliessen. Eine verwandte Art ist die sogenannte Batist-
leinwand, die durch stärkere Fäden und grössere Dichtheit den Uebergang
zur gewöhnlichen Leinwand bildet. Seit Jahrhunderten wird die eigentliche
Batistweberei in Frankreich und im heutigen Belgien betrieben. Den schönsten
B. von ausserordentlicher Feinheit liefern noch heute die französischen Städte
Batist ä libret — Baum als Stoifmuster. 59
Arras, Bapaume, Cambrai, Lille, Peronne, St. Quentin, Troyes, Valenciennes,
sowie die Provinz Brabant, besonders Nivelles ; indes hat der echte B. durch die
zunehmende Fabrikation ähnlicher Gewebe in Baumwolle beträchtlich an Bedeu-
tung verloren, während Batistleinwand grösseren Absatz findet und ausser in
Frankreich und Belgien auch in England und Irland, Böhmen, Schlesien, Sachsen,
und Westfalen (Bielefeld) hergestellt wird. Der schottische B. (Batistmusselin),
so genannt, weil die Fabrikation desselben von Schottland ausging, ist ein feiner,
batistartig gewebter BaumwollenstofP, jetzt vorzüglich in England, Frankreich,
der Schweiz, in Böhmen und im sächsischen Vogtland erzeugt, der infolge der
Gleichmässigkeit des Maschinengespinstes ein schöneres Aussehen als selbst der
echte B. hat, weniger haltbar, aber auch weit wohlfeiler als dieser, daher sehr
beliebt ist und als Kleiderstoff mit feinen Mustern bedruckt wird.
Batist ä libret, s. Schleier.
Batist Läppet, feines Baumwollengewebe, im Grunde mit Leinwand-
bindung. Dasselbe wird mit Sticklade gemustert, d. h. es werden stärkere Fäden
hin und her geführt und nach Plan des Musters in das Grundgewebe eingebunden.
Batiststickereien als ausgenähte Nachahmungen von Pokokospitzen, wurden
im Anfange des 18. Jahrhunderts im ganzen Norden Deutschlands, besonders in
Dänemark, hergestellt und erhielten sich bis ins 19. Jahrhundert. In abweichen-
den Mustern der Spitze enthalten sie auf dreieckigen Kopf- oder Nackentüchern
die reizvollsten Blütenformen und Banken, welche für Gardinenweberei und son-
stige transparente Füllungen gutes Material bieten. (Vgl. Abb. 43.)
Abbildung:
43. Batiststickerei nach einer Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Blatt 13,
Leipzig 1896. Borte eines dreieckigen J^ackentuches, weiss in Weiss, z. T. durchbrochen
gestickt. Deutschland Anfang des 18. Jahrhdts. Original: Königl. Kunstgewerbe-
museum, Berlin.
Batley, Fabrikstadt in der englischen Grafschaft York: Hauptsitz der
Shoddymanufaktur und der Fabrikation grobwollener Stoffe.
Batnas, dreifarbige Kattune aus Oesterreich; wahrscheinlich ist die Be-
zeichnung aus Patnas, einer kalikoähnlichen Sorte Stoff, entstanden.
Baubayna (lat.), alte Bezeichnung für eine Art Baumwollenstoff, vielleicht
gleichbedeutend mit dem modernen Bombasin (s. d.).
Bäuchen, Bücken, Bauchen, Buchen, das Abkochen leinener und baum-
wollener Garne als vorbereitende Prozedur für das Bleichen in schwachen Laugen,
Seifenlösungen, behufs Entfernung der Protein- und Eiweissstoffe, der Fette;
überhaupt das Bleichen siedender Substanzen.
Bauderoux, eine Art gemalter ostindischer Schnupftücher, welche die
Franzosen früher nach Europa brachten.
Bauernstickerei, s. Volkskunst.
Bauge, Hauptstadt des Arrond. im franz. Depart. Maine- et-Loire. Woll-
und Leinenfabrikation.
Bauhiniafaser = Aptä, Bast der Stämme mehrerer ostindischer Bauhinia-
arten, tief rotbraun, sehr fest und zähe, biegsam : Material für Seile, Taue, Netze
und grobe Gewebe.
Baum als Stoffmuster ist im frühen Mittelalter mit den ornamentalen
Tierformen aus dem Altertum übernommen, wo die Assyrer das Motiv als Baum
des Lebens schon künstlerisch verwertet haben. (Abb. 31.) Eine symbolische Be-
deutung des heiligen Baumes liegt auch noch der Darstellung zugrunde in dem
unter Nr. 44 abgebildeten runden Aufsatzstück eines koptischen Gewandes, worin
nach christlicher Anschauung der Baum einer Aschenurne entsteigt, über welcher
sich zwischen den Zweigen der auferstandene Genius erhebt. Die zu den Seiten
der Vase (s. d.) stehenden Hirsche (vgl. den Artikel Tiere im Stoffmuster)
dürften auch in Nachahmung orientalischer Vorbüder des 6. — 8. Jahrhunderts,
aber im biblischen Sinne zu deuten sein. Die orientalisch-byzantinische Kunst
des frühen Mittelalters fasst den Baum vollständig als Ornament auf, lässt ihn
indessen noch in ganzer Darstellung hinter den grossen Tierfiguren, inmitten
60
Baum als Stoffmuster.
Abb. 43.
eines grossen Kreises oder frei dahinter aufwachsen: also wieder in ähnlicher
Weise wie auf den uns erhaltenen assyrischen Reliefs (vgl. Abb. 27). In
gleicher ornamentaler Darstellung erscheint der Baum als Mitte eines grossen
Kreisfeldes auf frühmittelalterlichen Geweben des Orients oder solchen aus Byzanz,
(vgl. die Abbildungen 4, 7 auf Tafel I, Abb. 2 auf
Tafel II) und als gleichzeitige Nadelarbeit das kleine
runde Aufsatzstück eines koptischen Gewandes (Tafel I,
Abb. 2) ; ferner als Vorläufer dieser Muster die nach
assyrischen Heliefs abgebildete Borte in Abb. 29.
Schon als nebensächlicheres Motiv eirscheint der
Baum auf den sassanidischen und byzantinischen
Seidenstoffmustern mit den ileiterfiguren (s. d.) (in
der Abb. 1 auf Tafel II, wo von ihm nur noch
die als Palmette ausgebildete Spitze und die um-
gestalteten Keimblätter des Fusses übrig geblieben
sind. Beide Motive, namentlich die Palmette (s. d.)
geben zu gleicher Zeit (vgl. Abb. 8 auf Tafel I) selb-
ständige kleinere Stoffmuster ab. Der Baum in
seiner ganzen Darstellung erscheint dann nur noch
im früheren Mittelalter, in den sogenannten Regens-
burger Stoffen (s. d.) des 10. — 12. Jahrhunderts,
(vgl. Abb. 6 auf Tafel II) zu einer Zeit, wo er in
Sizilien schon zu einem durchgehenden Blütenschaft
umgebildet und in Abwechslang höchstens noch
in spitzovale Felder als schlankes Baummotiv ein-
gezwängt ist, wo ihm Papageien, Adler und Gazellen
zur Seite stehen. (Vgl. Abb. 10 auf Tafel IL) Im
13. Jahrhundert wird die Kunstweberei durch die
Araber von Spanien über Sizilien (Palermo) nach
Italien überführt und mit ihnen orientalische Muster,
die unter dem Einfluss des Islam umgebildet sind.
(Vgl. den Artikel Arabischer Stil.) Die Muster-
gebung besteht aus Pflanzen- und
Tierformen und dazwischen er-
scheint das Baummotiv in reiz-
vollster Stilisierung jener Zeit (vgl.
Abb. 45). Da den Mustern dieser
sogenannten arabisch - italienischen
Periode eine gewisse symbolische
Bedeutung im biblischen Sinne
nicht abgesprochen werden kann,
so wird man nicht fehlgehen, hier noch
einmal der Darstellung des Baumes
die ehemalige Bedeutung zuzuweisen.
(Vgl. den Artikel Weberei im
Mittelalter.) Ob dann schliesslich
auch in den Stoffmustern der Re-
naissance (s. d.) mit dem beliebten
Vasen- und Blütenstraussmotiv noch
ein entfernter Nachläufer des der
antiken Urne entsteigenden Baumes
zu erblicken ist, wird schwerlich
nachzuweisen sein. In neuerer Zeit
hat von England aus (durch
Walter Grane u. a.) das Baummotiv als Flächendekoration glückliche Ver-
wendung gefunden, das im Sinne desjenigen auf den persischen und türkischen
Stoffen und Stickereien des 17. und 18. Jahrhunderts (s. d.) rein ornamental
behandelt ist.
Baum als Stoffmuster.
61
Abb. 44.
Abb. 45.
52 Bäumchenmuster — Baumwolle.
Abbildungen:
44. üriginalaufDabme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Rundes Auf-
satzstück eines Gewandes , gobelinartige Stopfarbeit in farbiger Wolle (vorwiegend
dunkel violett) mit etwas Stickerei in feinen weissen Fäden; Muster: Einer gebuckelten
urnenförmigen Yase, der zur Seite ein Paar von Hirschen steht, entsteigt in breiter
Entwickelung ein Baum, zwischen welchem sich ein Grenius erhebt. Aus einem kopti-
schen Grabe. 5. — 7. Jahrh.
45. Brokatgewebe nach einer Darstellung aus: Paul Schulze, Ueber Gewebe-
muster früherer Jahrhunderte, Leipzig 1893, S. 35. Grund schwarze Seide, Muster
Gold: Ein Adler, als Symbol götthcher Macht, führt in einem Nachen auf Wellen mit
Ente und Schwänen das Ruder, vor ihm sitzt, an der Kette gefesselt, «in Hund (Ver-
sinnbildlichung der menschlichen Seele). Hinter dem Xachen steigt ein Baum mit
reicher Palmettenbekrönung auf, dem auch Granatapfelzweige (Symbol der Liebe) er-
wachsen. Originale in den Sammlungen des Königl. Kunstgewerbemuseums Berlin,
■der Königl. Gewebesammlung in Krefeld u. a. a. 0. Arabisch-Italienisch 14. Jahrh.
Bäumchenmuster, moderne Bezeichnung für die auf Leinenstickereien
vorkommenden Abschlüsse und äusseren Begleitbörtchen in Gestalt von aufrecht
oder schräg stehenden kleinen stilisierten einzelnen Blüten. (Vgl. Abb. 25.)
in gleicher Weise bezeichnet man die freiliegenden kleinen geklöppelten oder ge-
nähten Zacken in Form von Pflänzchen als Bäumchenspitze.
Bäumenheim, Dorf in Bayern: Elachs-, Hanf-, Werg- und Baumwoll-
spinnerei und -Weberei.
Baumhaar, vegetabilisches Hosshaar = Caragatas.
Bäummaschinen, am Webstuhl in Gestellen lagernde grosse Holzwalzen
oder hohle Eisenwalzen, auf welche vom Färben, Appretieren u. s. w. unmittelbar
kommende Gewebe aufgewickelt werden.
Baumontiafaser, s. Gespinstfasern.
Baumseide, Bohmsiede, Boomsiede, starkes und dichtes, aus Baumwolle
und Wolle gewebtes Zeug, welches früher sehr im Gange war, jetzt aber nur
im Westfälischen in geringem Masse verfertigt wird. Der StofP wurde zur
Arbeiterkleidung verwendet.
Bäumstuhl, wird zum Aufbäumen der Kette bei Webstühlen mit Jacquard-
vorrichtung benutzt.
Baumwollblau, Neublau, Meldolas Blau: blauer, den Oxazinen angehören-
der Teerfarbstoff für vorgebeizte Baumwolle.
BaumwollcopS, durch den Selfactor gelieferte Baumwollgarne.
Baumwolldruck, s. Zeugdruck.
Baumwolle (franz. : coton ; engl. : cotton) , besteht aus den Samenhaaren
der Fruchtkapsel verschiedener zur Familie der Malvaceen gehörigen Gossy-
piumarten, welche zur Spinnfaser Verwendung finden (s. a. Gespinstfasern). Die
Grundformen der Baumwollpflanzen sind: Gossypium herbaceum : die krautartige
(vgl. Abb. 46), und Gossypium arboreum: die strauch- oder baumartige. Beide
wachsen im tropischen Asien, Ostindien und Afrika wild, während eine dritte
Sorte, Gossypium barbedense, als in Amerika heimisch betrachtet werden muss;
eine besondere Art ist die Gossypium religiosum, die namentlich in China und
Ostindien gebaut und deren rötlichgelbe Faser zu den echten Nankingstoffen ver-
arbeitet wird.
Das Einsammeln der Fruchtkapseln erfordert grosse Aufmerksamkeit
und eine grosse Zahl von Arbeitern, da ihr Aufspringen an verschiedenen Tagen
der Erntezeit erfolgt und ein längeres Verweilen der Wolle in den aufgesprungenen
Kapseln derselben schädlich ist. Die rohe Baumwolle wird einige Tage der
Sonne ausgesetzt und dann mittels besonderer Maschinen egreniert, d. h. von
den Samenkernen befreit. Von der bei dem Egrenieren (s. d.) angewendeten Soi^gfalt
hängt es ab, ob man reine, unreine oder ganz minderwertige Sorten von Baum-
wolle erzielt. Nachdem die Baumwolle dann noch nach Farbe und Feinheit
sortiert worden ist, wird sie handelsmässig verpackt: gewöhnlich durch Zusammen-
pressen stark verdichtet und in Ballen zusammengeschnürt, in Nordamerika in Band-
eisen gelegt, verschiedentlich auch in Säcke aus Jute, Hanf oder Haartuch genäht.
Die Güte der sehr vers chiedenen Handel s Sorten von Baum-
Baumwolle, nord-, südamerikanische. 63
wolle riclitet sich nach der Länge der Faser (lang- oder kurzstaplig), Feinheit
(geringer Faser querschnitt), Farbe, Festigkeit, Weichheit und dem Glanz ; auch
kommt hierbei in Betracht, ob die Faser frei von Knötchen (Finnen) ist. Be-
züglich der Farbe sind die farblosesten Sorten die geschätztesten , dann folgen
die bläulichen, rötlichen und zuletzt die gelblichen und bräunlichen.
Die Einteilung der Handelssorten geschieht zunächst nach der
Herkunft des Produktes , alsdann werden sie nach ihrer aus obigen Merkmalen
beurteilten Güte in mehrere Klassen oder Marken eingeteilt; in England unter-
scheidet man gewöhnlich: fine, good, good fair, middling fair, good middling,
good ordinary, ordinary, inferior. Hamburg bezeichnet: A, AB, B, BC, C,
CD, D, DE, E, EF. (lieber weitere Einteilungen siehe den Artikel Garnsorten.)
Im allgemeinen teilt man die im europäischen Handel vorkommenden
Baumwollsorten wie folgt ein:
Nordamerikanische Baumwollen:
Sea Island oder Georgia, an den Küsten des Staates Georgien und auf den
benachbarten Inseln St. Simon und Cumberland erbaut; man teilt sie in feine, mittlere
und geringere, oder in lange und kurze. Von Ansehen weiss, mit einem Schimmer
in Gelb fallend; Haar lang:, zart, kräftig und glänzend, finnenfrei, liegt in lockeren
Flöckchen. Eine Sorte dieser Art fällt ins Kostgelbe , sie wird fleckig genannt.
Faserlänge: 35 — 42 mm,
Louisiana, Stapelplatz Neu Orleans ; man unterscheidet nach Prima-, Sekunda-
und Terza-Qualität , kommt nach der Sea Island. Haar zart , kräftig , finnenfrei,
glänzend, bläulichweiss. Die Prima frei von Schalen und Samen, die anderen Quali-
täten sind unreiner, oft finnig und weich. Faserlänge: 21—28 mm, die gewöhn-
liche 18 — 25 mm.
Alabama, oder auch nach dem Verschiffungsplatz Mobile genannt, ist von
gleicher Güte als Louisiana; gewöhnlich aber schmutziger und mit Samenkörnern
vermischt, deshalb auch immer um 10 "/o wohlfeiler als diese. Haar in grossen Vliessen
glänzend weiss. Faserlänge : 16 — 22 mm.
Tenessee, ihre Ausfuhr findet statt über Mobile- und über New Orleans ; sie hat
ein trockenes und starkes Haar, das auch oft finnig, weiss, zuweilen graublau, matt,
und im Angriff wergig ist. Vieles davon bleibt im Lande und wird zu geringen
Stoffen verarbeitet. Faserlänge: 16 — 22 mm.
Georgia, Carolina, Upland sind gleiche Sorten; Stapelplatz Savannah, werden
in Prima-, Sekunda-, Terza- und Quartaqualität eingeteilt; die Prima, welche man
zum Unterschied von Sea Island auch Upland oder lange Georgia nennt, hat einen
sehr feinen, weissen und langen Flaum, der, obwohl nicht so zart und glänzend wie
Louisiana, bei guter Ware doch kräftig und finnenfrei ist. Die zweite bis vierte
Qualität kommen auch unter dem Namen kurze Georgia oder Bowed vor und sind
um 20 7o wohlfeiler als die ersten , weil sie durch Schlagen gelitten haben , leicht,
schwach und meistens unrein geworden sind. Faserlänge : 16 — 22 mm,
Virginia ist der Georgia ähnlich; das Haar ist aber ungleicher, doch kräftig:
es liegt in grossen Flauschen locker beisammen. Faserlänge: 16 — 22 cm.
Molinos kommt aus Mexiko, enthält dunkle Flocken und ist finnig. Faserlänge :
18—25 mm.
Ausserdem gibt es noch Baumwollen aus Mississippi (gute Sorte) , Arkansas
(ziemlich gut), Missouri (ziemlich gut), Kentucky (mittelmässig), Texas gut mittel).
Alle diese Sorten werden über Neu Orleans ausgeführt und gehen unter dem Namen
von Mobile oder Tennessee.
Südamerikanische Baumwollen:
Fernambuk oder Pernambuk hat ein feines, weiches und langes Haar, ist rein
und liegt in grossen , festzusammenhäno^enden Vliessen. Die Farbe ist durchweg
mattglänzend. Sie wird zu den feinsten Zeugen verarbeitet und unter allen anderen
Baumwollensorten am teuersten bezahlt. Faserlänge: 28 — 30 mm.
Ceara oder Siara ist der ebengenannten Art (in runden Ballen) beinahe
gleich, doch gibt es auch hiervon eine zweite am meisten vorkommende Sorte, deren
Flaum kürzer und stärker ist. Faserlänge : 21 — 27 mm.
Bahia, das Haar ist fein, lang und weich, allein nicht so weiss wie Fernambuk
und -oft mit unreifen Flocken vermischt; ihr charakteristisches Kennzeichen ist das
64 Baumwolle, südamerikanische.
Vorkommen von Schalen und Samen , der entweder einzeln oder in zwei Reihen
erscheint, die aus 6 — 10 Körnern bestehen, welche fest zusammengewachsen sind.
Faserlänge : 27 — 36 mm.
Alagoas, aus der Provinz gleichen Namens, weissgelb wie Fernambuk, aber
nicht so rein. Faserlänge 20 — 38 mm.
Maranham oder Maragnon kommt in drei verschiedenen Sorteu vor, deren
erste der Bahia gleich ist, die zweite und dritte Qualität ist schmutzig und meistens
mit solchen Flecken vermischt, deren Kapseln auf dem Strauch nicht aufplatzten und
welche unreif abgenommen wurden, weshalb sie bei der Verarbeitung viel Abgang gibt.
Minas novas kann wie Bahia verwendet werden; Haar lang, zart und seiden-
artig, liegt in kleinen Flauschen zusammen, ist aber unrein und mit unreifen Flöckchen
vermengt. Faserlänge; 21 — 27 mm.
Sertaro, im allgemeinen wie Minas novas: das Haar ist schmutzigweiss, ver-
mengt mit unreifen Stellen, Schalen und zusammengewachsenem Samen. Faser-
länge: 21 — 27 mm.
Minas geraes ist geringer als die vorigen Sorten; das Haar ist zwar lang,
aber stark und hart, und die Farbe ungleich blassgelb mit dunklen Flammen und
matten Stellen. Faserlänge: 21 — 27 mm.
Rio Janeiro ist sehr unrein, gewöhnlich mit gelben Flecken und Samenkörnern
vermischt; das Haar ist stark und grob; doch gibt es noch eine bessere Sorte,
welche gleichmässig und frei von Schalen ist.
Para ist glänzend weiss, etwas gelblich, gut im Haar, aber sehr unrein und
nicht so gut anwendbar wie Bahia. Faserlänge: 21—27 mm.
Magaio oder Mageio, wie Para: das Haar liegt nur in grösseren Flauschen.
Faserlänge : 21 — 27 mm.
Parahyba verhält sich ähnlich wie Minas geraes.
Guianabaumwolle wird fast mit gleicher Sorgfalt geerntet als in Nordamerika,
und wenn sie auch im Haar den brasilianischen Sorten nachsteht, so wird sie wegen
ihrer Reinheit sehr geschätzt. Sorten sind :
Surinam, kommt in geschlagenem oder ungeschlagenem Zustande. Im ersteren
besteht sie in grossen Vliessen und ist ganz rein , in letzterem in kleinen Flocken
und unrein ; das Haar ist glänzend, weiss, kräftig, aber nicht so fein als Fernambuk.
Faserlänge: 25 — 30 mm.
Newkerry oder Nikerie (niederländische Kolonie) von Surinam. Ansehen
blassgelb, das Haar in kleinen Flauschen weich glänzend ohne Finnen, nicht ganz
rein, ziemlich im Wert wie Surinam. Es kommen auch schlechte Sorten vor, welche
grob, wergig und sehr unrein sind.
Demerary (englische Kolonie), je nach ihrer Qualität geschätzt; die beste wird
über Pernambuko gestellt , die schlechteste unter Newkerry ; ihr Haar ist zart und
kräftig, es liegt locker. Faserlänge: 25 — 30 mm.
Berbioe (englische Kolonie), verhält sich der Demerary sehr ähnlich, aber nicht
so lang und rein im Haar, daher sie unter Demerary zu setzen ist. Faserlänge:
20—25 mm.
Essecebo (englische Kolonie), wertloser als Demerary und Berbice, weil sie
weniger zart und lang ist.
Cayenne (französische Kolonie), die schlechteste Guineasorte, ungleich kurz und
lang, wenn auch im Haar kräftig und weich. Mit ganzen und zerquetschten Samen-
körnern vermengt, welches letztere natürlich für die Spinner eine sehr üble Eigen-
schaft ist. Faserlänge: 20 — 25 mm.
Columbische Sorten sind die im Norden von Südamerika erzeugten:
Varinas (Provinz Apura), ähnlich der Surinam: blassgelb, rein, aber im Haar
kurz und hart; steht unter Sertaro.
Barcelona, schmutzig weiss mit gelbem Scheine, höchst unrein; der Abgang
beim Verspinnen beträgt 20 — 30 7o- ^^^ Haar wie Minas novas.
Porto-Cavallo oder Porto-Cabello, wie Barcelona, doch härter im Haar; eine
andere Gattung ist geschlagen, daher rein, aber sehr ungleich im Haar und finnig.
Caracas, Laguayra, Valencia, Cumana und Injira sind von gleicher Beschaffenheit:
höchst unrein, so dass die Abgangsprozente zwischen 20 — 50 7o wechseln. /
Carthagena oder St. Martha. Erstere kennzeichnet sich durch einzelne lange,
fest zusammenhängende Lunte , sie ist mattglänzend , gelblichweiss , hart , kurz und
lang im Haar, ungleich und unrein; steht unter der schlechtesten nordamerikanischen.
Die zweite Sorte ist mattglänzend, schmutzigweiss, hat schönes Haar in Flauschen,
aber höchst unrein und finnig. Beim Spinnen Abgang bis zu 20 7o-
Peruanische Sorten: Lima, weissgraues Haar, kurz und lang, hart, unrein;
nicht mehr wert wie Carthagena.
Baumwolle, west-, ostindische. 65
Payta oder Paita, kennzeichnet sich durch dünne, zusammengeschlagene Tliesse,
der Abgang beträgt 20 7o- ^^^ Haar schmutzig weiss, kräftig, aber hart und liegt
fest zusammen. Sie ist nur zu groben Gespinsten verwendbar und wird in England
und Frankreich mit Wolle zusammen versponnen.
Piara oder Piuara ist gleichartig blassgelb, ziemlich rein und gleich lang, doch
grob im Haar.
Cariaco, weiss, lang und glänzend, gleicht der Surinam.
- Orinoco wie Cariaco, doch gelblich.
Cumana ist fein und lang, hat aber viel Abgang.
Peru, schön, zart und lang, wird der ßahia gleich geschätzt.
Westindische Baumwollen
haben ein langes, zartes, kräftiges und finnenfreies Haar, was sie über die nördlich-
südamerikanischen und südlich-nordamerikanischen mit Ausnahme von Sea Island
stellt. Leider wird auf ihre Ernte und ßeinigung wenig Sorgfalt verwendet; daher
stehen sie im Verhältnis zur Schönheit ihres Haares unter dem Preise. Die Haupt-
arten sind :
Domingo, ungeschlagen von blassweissgelber Farbe; bei guter Qualität wird
sie einer Prima-Georgia vorgezogen. Die beste Sorte heisst smal seed und wächst
in Gonare und Artibonite. Faserlänge : 25 — 30 mm.
Portorico, der Domingo ähnlich, aber reiner. Eine zweite Sorte unter dem
Namen Guayanilla ist von schönem Haar und steht in der Regel ziemlich mit Minas
novas in einem Range.
Cuba wird in Prima und Sekunda geteilt: erstere blassgelb, gemischt, stark
im Faden, letztere sehr unrein und unansehnlich. Ist mit Porto-Cabello in Vergleich
zu stellen. Faserlänge: 24 — 28 mm.
St. Martin, blassgelb, lang und zart, aber sehr unrein.
Curassao, wie St. Martin, aber im Haar hart und gemischt; nicht soviel wert
wie Domingo.
Jamaica, ungeschlagen, daher etwas unrein; Haar lang und zart, aber schmutzig
gelb, doch ist sie wertvoll, weil sie sich gut spinnt. Die englischen Pflanzer be-
zeichnen zuweilen Arten hiervon als green seed, coton und shrub coton, von denen
die erste die beste ist; eine andere Sorte ist die Common Jamaica von untergeordneter
Beschaffenheit.
Barbadoes, gleicht der Guayanilla, doch merklich unreiner.
Grenada, wie Barbadoes, doch mehr mit dunkelgelben Flammen unterbrochen,
daher wertloser.
Trinidad, wie Barbadoes, das Haar aber zart und kräftig und gleichartiger als
Domingo.
Tortola und Montserrat wie Trinidad.
Cariacou, von kurzem und langem Haar, hart, sehr unrein und noch schlechter
als Curassao. Die bessere Sorte geht nach England.
St. Vincent, ähnelt in jeder Beziehung der Cariacou. Faserlänge: 24 — 28 mm.
Bahama, Erzeugnis der lucayischen Inseln, zwar weiss und lang, aber hart und
trocken und sehr unrein.
Barthelemy, die beste der westindischen Wollen. Das Haar ist lang und
seidenweich und spielt ins Rötliche. Die ganze Ernte erhält Schweden.
Ostindische Baumwollen
stehen den amerikanischen an Güte im allgemeinen nach ; für den deutschen Handel
sind die wichtigsten:
Bengalische, zur Ausfuhr über Kalkutta. Die geringste Sorte ist matt weiss-
gelblich, kurz und trocken im Haar, eignet sich daher nicht für Maschinenspinnerei.
Man unterscheidet im Ausfuhrorte vier Qualitäten : Panda, Jallona, Faria und Cat-
chowra; die schlechteste letzte kommt zum Versand nach China. Auf europäischen
Bezugsplätzen unterscheidet man sie in ord., gut ord., f. ord., mittel, gut m., f. m.,
f. und Prima. Diese Ordnung bezieht sich nicht auf inneren Gehalt, sondern auf
äusseres Ansehen und Reinheit. Faserlänge 6 — 16 mm.
Madras oder Tinevelly, wie Bengal, aber gleicher und reiner; kann jedoch
nur zu Matten und Dochtgarn gebraucht werden. Ihre Qualitäten sind f., ord., mittel
und fein. Faserlänge: 12 — 20 mm.
Western, schmutzig gelb, Haar kurz, aber noch weich und kräftig. Quali-
täten: ord,, gut ord., f. ord. Faserlänge 12 — 20 mm.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. S
ßQ Baumwolle, persische, von China, der Türkei und Griechenland.
. ^
Surate oder Bombay ist im Haar wesentlich von Madras und Bengal ver-
schieden ; es ist länger, zarter und liegt in lockeren Flöckchen und Flauschen. Diese
Baumwolle ist daher auf Maschinen spinnbar. Die Farbe ist leicht graugelbweiss.
Ihre Primaware wird in England Toomel genannt, ist frei von allem Laub und
Samen : sie wird daher vorzugsweise zu Dochtgarn verwendet. Eine gute Surate
muss in Flauschen zusammenliegen und nicht in einzelnen langen Fäden bestehen.
Das beigemischte Laub muss orangegelb und nicht schwarz aussehen und die Samen-
körner dürfen nicht mit der Wolle verbunden sein. Diese Eigenschaften haben sämtlch
Bezug auf Verminderung des Abgangs beim Spinnen.
Manila, Haar glänzend weiss, aber kurzlang, zart und warzig, zwar ganz rein,
aber nicht ohne unreife Flöckchen, daher in der Regel nicht mehr wert als Georgia.
Nanquinbaumwolle oder Bhangulpore (vom krautartigen Gossypium rehgiosum),
ist hellbraun oder bräunlich gelb, das Haar ist stark, spröde und trocken; man
kulti\Tert sie am meisten in China und Ostindien und verfertigt daraus Xanquin.
Siam, in zwei Sorten gewonnen : weisse und rötliche ; beide haben ein schönes,
langes , seidenartiges Haar , das sich leicht verspinnen lässt. Man verarbeitet sie
grösstenteils im Lande selbst und nur "Weniges kommt nach England.
Persische Baumwolle
ist sehr fein, glänzend w^eiss und weich; sie kommt der langen Georgia am nächsten.
Das Meiste davon wird in Persien selbst verbraucht und als Zeug in den benachbarten
Ländern verkauft. Russland erhält etwas Weniges roh über Astrachan und Orenburg.
Faserlänge: 15 — 20 mm.
China-Baumwolle
kommt in drei Arten vor: rötliche, gelbe und weisse, welche sämtlich ein feines, jedoch
kurzes und trockenes Haar haben. Nach Europa kommt davon gar nichts, denn so
bedeutend auch die Kultur der B. in China ist, so kann das Erzeugte doch nicht
für den Verbrauch im Lande selbst hinreichen und es werden noch jährlich grosse
Mengen von Madras, Kalkutta, Manila und Nordamerika nach Canton gebracht.
Faserlänge der ziemlich reinen: 20 — 27 mm, der unreinen 17 — 22 mm.
Baumwollen der Türkei und Griechenland
sind schon seit längerer Zeit durch die w^ohlfeileren und besseren ostindischen und
amerikanischen Gattungen etwas vom europäischen Markte verdrängt. Der Anbau
ist infolgedessen sehr beschränkt worden. Die im Handel noch vorkommenden
Sorten sind:
Alta-Sabugia, die vorzüglichste Sorte, welche in Natolien gebaut und über
SmjTna ausgeführt wird. Sie ist weiss , glänzend , ganz rein im Haar , das ebenso
lang, aber härter wie das der Georgia ist. Faserlänge 20 — 25 mm.
Uso-Sabugia, wie die erstere, aber ungleicher und härter von Haar. Faser-
länge 16 — 20 mm.
Kirkagatsch, wie erstere, aber matt grauweiss, kurz und lang, hart und nur
mit einer Prima Madras gleichzustellen. Faserlänge 15 — 18 mm.
Cassaba wie Kirkagatsch, zuweilen weicher im Haar.
Adena aus Karamien, wie Cassaba, aber weicher.
Salona aus Rumelien, weissgelblich, lang, zart und kräftig ; da sie aber laubig
und filzig ist, so steht sie hinter der Alta-Sabugia zurück.
Kassaba, Kirkagatsch und Arar kommen auch unter dem Namen Natolia vor.
Ehmich oder Kinik und Baindir, beide sind im Flaum der Cassaba gleich,
jedoch unreiner und deshalb wohlfeiler.
Gallipoli- oder Seewolle ; unter diesem Namen verkauft man allgemein die auf
den Inseln des Archipels gebaute Baumwolle, welche der Kirkagatsch gleichkommt.
Smyrnlsche, gemeine oder commune und Magnesia-, beide sind unreiner als
Cassaba und daher wohlfeiler als diese.
Acri, Aleppo, Said, Alexandrette sind die Namen der syrischen Baumwollen,
die sehr schön weiss und feinhaarig ausfallen; man unterscheidet Prima-, Sekiinda-
und Tertiaqualität.
Cyprische Baumwolle war früher die schönste und gesuchteste Wolle der
ganzen Levante, allein sie hat an Güte sehr verloren, wie sich auch der Anbau sehr
vermindert hat; denn als die Venetianer im Besitz der Insel waren (15. Jahrb.), wurden
30 000 Ballen ausgeführt, jetzt beträgt die ganze Ausfuhr jährlich nicht mehr als
1000 Ballen. Auf der Insel unterscheidet man die an Bächen und Flüssen gebauten
Baumwollen von der auf trockenen, bergigen Gegenden gepflanzten und gibt der
Baumwolle, ägyptische, europäische. 67
ersteren den Vorzug; im Handel teilt man sie in Fior oder Prior, welches die beste
ist und der Sabugia gleich geachtet wird, in Prima-, Sekunda- und Tertiaqualität;
die Prima heisst auch buon mercantile; die Sekunda heisst passabile und die Tertia
commune. Die cyprische Baumwolle ist im allgemeinen länger und weicher als die
smyrnischen Sorten, aber unreiner und nicht so weiss, sondern ins Bötliche fallend.
Faserlänge 15 — 18 mm.
Tschesma ist die reinste und beste von sogen, macedonischen "Wollen, weil
sie aus der Mitte der Kapsel genommen und mit Sorgfalt gereinigt ist.
Uxur, Uschur, gehört auch zu den besten maced. Sorten, es ist die sogen.
Zehntwolle, welche die Beamten aus den Vorräten der Bauern gleich nach der Ernte
aussuchen lassen und für Rechnung der Begierung verkaufen.
Salonica oder Saloniki ist von gleicher Qualität wie Uxur. Faserlänge:
16—20 mm.
Tricala ist eine vorzüglich schöne und gut gereinigte Sorte.
Cantar heisst die B. , welche auf den Feldern der Agas gewonnen und auf
deren Anbau und Reinigung mehr Fleiss verwendet wird, als bei der auf den Feldern
der Bauern. Im Handel wird sie „Primat Qual" genannt.
Taxili ist der Name der B., welche von den Dörfern für Strafgelder oder
rückständige Abgaben in die öffentlichen Magazine abgeliefert werden muss ; sie ist
geringer als Cantar und lässt sich nicht höher als bis Nr. 30 verspinnen.
Cira ist der Name aller übrigen B. , welche nicht zu den obigen Sorten
gehört , die Qualität ist gering und man kann sie nur zu niedrigen Nummern ver-
spinnen.
Morea ist eine schöne Baumwolle, w^elche glänzend weiss, fein und rein und
der Sabugia gleichgeschätzt werden kann.
Aegyptische Baumwollen :
Alexandria oder ordinäre ägyptische ; sie ist von kurzem Stapel, der gewöhnlichen
aus Smyrna ähnlich, jedoch unreiner und schmutziger als diese, die wohlfeilste aller
levantischen Baumwollen. Man unterscheidet fior oder prima, mitteilgut oder secunda
und ordinär assortiert. Der Anbau dieser Gattung wird von Jahr zu Jahr ein-
geschränkt.
Maco oder Jumel, wurde 1820 von dem Franzosen Jumel angebaut und bildet
seitdem einen bedeutenden Ausfuhrartikel ; sie ist aus Fernambuksamen gezogen. Das
Haar ist zwar hart und kräftig, aber kurzlang, finnig, selten frei von dunkelgelben
Flöckchen und Laub und deshalb der Fernambuk keineswegs ähnlich. Sie wird daher
nicht nach Qualität geschätzt, zumal die aus ihr gefertigten Gewebe erst gebleicht
werden müssen, ehe sie gefärbt werden können, weil sonst die Ware sich nicht
gleichmässig ausfärbt.
Sea Island mako, setalunga, ist besser aber lange nicht so gut wie Sea Island,
da sie unrein und nicht ohne Finnen ist. Die Ernte ist im September und Oktober
und man bringt sie im November und Dezember zu Markte. Der Vizekönig hat
davon den Alleinhandel und bestimmt den Preis frei ab Kairo.
Europäische Baumwollen:
Die Kultur der krautartigen Baumwollstaude (Gossypium herbaceum) ist zu
verschiedenen Zeiten in Italien, Sizilien, Spanien, im südl. Frankreich, in Kärnten
und im österreichischen Kronlande (Banate) versucht worden. Ausser in Italien
und Spanien haben diese Versuche jedoch keinen bleibenden Erfolg gehabt. Im
allgemeinen liefert auch hier ein sandiger, trockener Boden eine bessere Qualität
als ein gutes, fettes Erdreich. Folgende Gattungen kommen im Handel vor:
Spanische, als: Motril, Sevilla, Grenada: diese Sorten sind sämtlich fein,
schmutziggelb, weich und lang. Sie werden den südamerikanischen gleichgeschätzt.
Neapolitanische. Von dieser gibt es verschiedene Gattungen, die besten sind
Castellamare und Deliatorre, welche ein feines, weisses Haar haben, doch ist es
ungleich und kraftlos und steht daher der Georgia nach. Die Puglieser, welche in
der Gegend von Bari und Lecce erbaut wird, ist geringer, weil auf ihre Kultur und
Reinigung nicht soviel Fleiss verwandt wird als bei den ersteren. Die Calabresische
und die blassrote von Tarent sind die geringsten und werden der gewöhnlichen
Salona gleichgeachtet. Sie gehen grösstenteils nach der Schweiz und nach Frank-
reich ; eine gewisse Menge verarbeiten die Einwohner selbst.
Sizilianische, unter den besonderen Namen Bianca villa, IVIodica und Terra
mova vorkommend; auf der Insel verkauft man sie unrein (lordo), wie sie aus der
Kapsel kommt und noch nicht von dem Samen gereinigt ist, oder gereinigt (maga-
68
Baum\Yol]e, Ersatzmittel.
lugio), d. h. von den Samenkörnern gesäubert und in Bündel geschlagen, oder fein
ausgesucht (fior di roba i , welche aus der IMitte der Kapseln genommen wird. Die
erstere verbrauchen die Einwohner; die beiden letzteren haben einen feinen, langen,
weichen, etwas gelblichen Elaum.
Malta liefert eine gelbliche und eine weisse Wolle ; beide haben einen feinen,
langen und weichen Elaum, welcher die schönsten Garne liefert. Es kommt davon
nichts zur Ausfuhr, denn die Malteser verspinnen Alles, was sie erbauen, selbst und
verkaufen ihre Garne in Triest und Livorno.
Afrika liefert mit Ausnahme der ägyptischen so gut wie keine Baumwolle
zur Ausfuhr. Man kennt die hochgelbe vom Whida und die vom Senegal. An der
Westküste wächst sehr viele wild, sie wird aber auch fast überall, wo es der Boden
gestattet , angebaut. Die an den östlichen Küsten Afrikas liegenden beiden Inseln
Bourbon und Mauritius erzeugen eine sehr feine, weisse, seidenartige, aber unreine
und gemischte Baumwolle.
Abb. 46.
Ersatzmittel für die Baumwolle
hat man zu verschiedenen Zeiten vorgeschlagen ; bis jetzt ist aber kein Material
erfunden worden, welches sich besser, stärker und feiner verarbeiten Hesse und dabei
zugleich so wohlfeil und in den erforderlichen Massen zu erhalten wäre. Genannt werden:
Populus nigra, die schwarze Pappel, und
Populus tremula, die Aespe, liefern einen Elaum, dem nur die Biegsam-
keit fehlt;
Juncus effusus, die Binse;
Eriophorum alpinum, triquetrum, vaginatum, angustifoiium : verschiedene Arten
des Woll- oder Dungrases;
Populus canadensis. die kanadensische Pappel:
Epilobium angustifoiium (ung. : Keskeny Tsöverits), der Sumpfweideri(^, und
Epilobium hirsutum, der grosse, rauhe und zottige Weiderich;
Tamarix Germanica, die deutsche Tamariske;
Disteln und Graswolle: AgTostis:
Seidenpflanze: Asclepias syriaca:
Wollähnlicher Stoff der Rohrkolben: Typha argustifolia und latifolia;
Fetabrun (filix) auf Malta;
Samenwolle der Bäume Munguba und Simauna oder Samuuba.
Baumwollgarn — Baum vvoUge webe. ß9
Abbildung:
46. Baumwollpflanze nach einer Darstellung aus: Buch der Erfindungen, Leipzig
und Berlin 1879. Bd. 6, S. 301.
(Literatur s. hinter dem Artikel Baumwollspinnerei.)
Baumwollengarn (twist) wird für Webezwecke in Kett- und Schussgarn
unterschieden und nach der Herstellung benannt. Das Ketten- oder Water-
garn ist stark gedreht und auf der Watermaschine, das Schuss oder Mule-
garn ist schwächer gedreht und auf der Mulemaschine gesponnen; hiernach
auch die Bezeichnungen: mule twist und water twist. Für die Watergarne, welche
aus den Spinnereien oder Schlichtanstalten als fertig gescherte und geschlichtete
Ketten bezogen werden, bedient man sich vorzugsweise des Ausdruckes Warps.
Die zum Einschuss bestimmten Mulegarne, welche für die Spulen aufgewickelt,
aus den Spinnereien hervorgehen, werden dementsprechend einfach Wefts oder
Pincops, Kötzer oder C o p s genannt.
Baumwollengewebe werden schon im frühen Altertum hergestellt; man
nimmt an, dass in Indien, der Heimat der Baumwolle, diese Grespinstpflanze
auch zuerst praktisch verwertet wurde. In den ältesten sanskritischen Schriften
werden Baumwollengewebe erwähnt, welche schon so fein waren, dass die Dichter
von ihnen als von „gewebtem Wind" sprechen, wobei aber in Frage zu stellen
ist, ob damit nicht jene musselinartigen Byssusstoffe (s. d.) gemeint sind, welche aus
Flachsfasern bestanden, deren erste Gewinnung und Verwendung im Altertum
den Aegyptern zugeschrieben wird. Von Indien verbreitete sich mit dem Anbau
auch die Verarbeitung der Baumwolle nach China, Vorderasien und Aegypten,
durch Phönizier und Karthager nach Griechenland, Malta, Sizilien und Spanien.
In welche Zeiten diese Ueberführung zu setzen ist, darüber hat man die uns
überkommenen Notizen der Schriftsteller des Altertums wiederum mit Vorsicht
aufzunehmen, da, wie gesagt, mit der Beschreibung aller dieser hochgeschätzten
durchsichtigen Gewänder auch solche aus Leinwand gemeint sein können. Den
Bewohnern von Amerika war die Kultur der Baumwolle und ihre Verarbeitung
zur Zeit der Entdeckung bereits bekannt. Unter den Geschenken, die Columbus
von den Einwohnern von Guanahani erhielt, befand sich auch Baumwolle; es
wird berichtet, dass die Bewohner des Innern von Hispania ihm alle 3 Monate
25 Pfund als Tribut lieferten und auf Cuba fand man grosse Vorräte von
Rohstoff und allerlei Fabrikaten. In Südamerika bestanden die bunten Kopf-
tücher und Schürzen der wilden Indianer aus Baumwolle , die Brasilianer
fertigten ihre Hamaks (Jagdgarne) daraus, die Peruaner ihre ärmellosen Hemden
und Mäntel. Bei den Mexikanern war die Baumwolle fast das einzige Be-
kleidungsmaterial. Unter den Geschenken, die Montezuma dem Cortez bot, be-
fanden sich 30 der feinsten baumwollenen Mäntel, ausser Tej^pichen u. s. w., von
denen Cortez einige dem Kaiser Karl V. sandte, an dessen Hofe diese Neuheiten
die grösste Bewunderung erregten. Auf weissen Baumwollenstoffen entwarfen auch
die Maler, die sich unter den Gesandten Montezumas befanden, Zeichnungen aller
der Merkwürdigkeiten, die sie bei den Spaniern gesehen hatten. (Vergl. hierüber
die Artikel Peru und Zeugdruck.) In das nördliche Amerika ist die Kultur und
die Verarbeitung der Baumwolle erst durch die Europäer eingeführt worden.
Wie die Araber den Anbau der Baumwolle nach Europa brachten, so fingen
sie auch zuerst an, dieselbe zu verarbeiten, indem sie Baumwollenmanufakturen
in Spanien gründeten. Abu Abdallah sandte an Karl den Grossen als Geschenk
baumwollene Zeuge, die in Spanien verfertigt worden waren. Unter Abdar-
rhaman entwickelte sich diese Industrie noch weiter und gelangte im 12. Jahr-
hundert zu hoher Blüte; im 14. Jahrhundert wurde sie in Granada schwung-
haft betrieben. Die Christen aber hatten schon im 13. Jahrhundert bedeutende
Baumwollenmanufakturen in Barcelona. Sizilien verdankt die Einführung der
Baumwollenweberei gleichfalls den Sarazenen. In Italien führte Venedig zuerst
die Baumwollenmanufaktur ein ; hier blühte sie im Anfang des 14. Jahrhunderts
und verbreitete sich bald über die benachbarten italienischen Städte. Florenz
glänzte um diese Zeit durch seine ausgezeichnete Weberei, Appretur und Färberei.
70 ßaumwollengewebe — Baumwollspinnerei.
Yon Italien kam die Baumwollenindustrie nach der Schweiz, und zwar haupt-
sächlich nach Zürich, wo im 14. und 15. Jahrhundert der Handel mit Baum-
wolle und baumwollenen Zeugen ein sehr lebhafter war. Um dieselbe Zeit
gelangte die Baumwolle von Venedig nach Augsburg (s. d.); durch den regen
Handelsverkehr zwischen diesen beiden Städten fing Augsburg bald an, sehr
beträchtliche Mengen von Geweben nach den Niederlanden auszuführen, von wo
es später den Rohstoff bezog. Denn den Engländern und Niederländern wurde
zwar schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts Baumwolle durch Genuesen und
Venetianer zugeführt, indes verwandte man dieselbe, soweit bekannt, nur zu
Licht- und Lampendochten. Protestantische Flüchtlinge brachten die Baum-
wollenspinnerei und -Weberei nach England. Unter Heinrich VIII. (1509 — 47)
begann die Verarbeitung der Baumwolle in Lancashire, und eine Parlamentsakte
seines Sohnes Eduard VI. spricht schon von Baumwollenwaren aus Manchester,
Lacashire und Chefhire. Manchester wurde der Hauptplatz der Fabrikation
baumwollener Gewebe (Kanevas, Barchent, Fustian, Dimity u. a.) und lieferte
bald baumwollene Sammete und Velvetins. Aber erst durch die Einführung
des Kattundrucks und die gesetzliche Beschränkung der Einfuhr ostindischer
Zeuge (1700 und 1721) gelangte die englische Baumwollenindustrie zu stärkerer
Entfaltung, und als dann gegen die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts die
Spinnmaschinen in England erfunden wurden, vermöge welcher das Baumwollgarn
so wohlfeil wie in seiner Güte vollkommen geliefert wurde, da hatte man hier
den Markt erobert. Hierzu kam die Verbesserung der Webevorrichtungen, u. a.
der im Jahre 1738 von dem Engländer John Kay erfundene Schnellschütze,
mit dem ein Weber doppelt so viel zu weben vermochte, als mit dem Wurf-
schützen. In Deutschland war Sachsen eines der ersten Länder, und Plauen
die erste Stadt, wo Kattunfabriken im Grossen angelegt wurden, und noch
immer ist Sachsen das Hauptland für die deutsche Baumwollweberei. Als
Ware lassen sich die modernen Baumwollengewebe, deren Zahl und
Mannigfaltigkeit eine sehr grosse ist, in gewisse Hauptgruppen einteilen, ohne
dass dabei auf die stets wechselnden Modenamen Bücksicht genommen werden
kann. Bei den meisten Baumwollgeweben spielt die Appretur eine grosse
Bolle, um ihnen schönes, leinwandartiges, glattes, glänzendes oder auch ein
rauhes, wollartiges Ansehen zu geben: 1) Einfache, glatte und dichte Baum-
wollenzeuge, aus rohem weissem oder gefärbtem Garn, einfarbig, gestreift,
gewürfelt, gemalt, bedruckt u. s. w., deren vornehmste Gattungen sind: Nanking,
Shirting, Gingan, Kattun, Kaliko, Kambrik, Perkai, Sarsenet,
Chiffon; dann halbdichte, wie Jakonett, Musselin oder Baumwollen-
batist, die aber auch buntgewebt, gefärbt oder bedruckt werden; endlich
klare und offene Gewebe ohne Köper und Muster, wie Mull oder Organdy,
Tarlatan, Kanevas, Bobbinet u. s. w. 2) Schwere, glatte, geköperte
oder gemusterte Baumwollenzeuge, von starkem Garn fest gewebt, meistens
ungefärbt oder einfarbig; die vorzüglichsten sind: a) geköperte: Drell oder
Drill, Satin (Englischleder, Jeanet, Oriental), Molton, Merino (dem
Woll-M. nachgebildet), Bar chent, Biber; b) gemusterte: Pique, Zwillich,
Dimity, Wallis, Domestik, Basin; 3) Sammetartige oder sogenannte
geschnittene Baumwollenzeuge, als: Manchester (oder unechter Sammet),
Velvet, Velveteen, Fustian, Pillow; 4) durchbrochene, broschierte,
gestickte und fassonierte Baumwollenzeuge, deren vorzüglichste sind: genadelte
und broschierte Gaze, Tüll, Musselin, und broschierte Gar di neust offe ^
5) Gemischte Baumwollenzeuge, teils mit Seide, teils mit Schafwolle oder
Leinen untermengt, unter den verschiedensten Namen : vergl. hierüber die ein-
zelnen Artikel , wie auch die oben genannten Stoffarten dort überalK näher
beschrieben sind.
Baumwollspinnerei. Noch im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde
alles baumwollene Garn auf der Spindel, wie in Ostindien , oder auf dem
gewöhnlichen Handrade gesponnen^ wobei man das Rohmaterial, in Ostindien
durch den Fachbogen, in Europa durch die Handkratze, auflockerte. Die
Wohlfeilheit der Handarbeit in Ostindien hatte zur Folge, dass die Baumwoll-
Baumwollspitzen — Baum wollwaren- Appretur. 7 1
Spinnerei und -weberei in Europa nicht in die Höhe kommen konnte. Sowohl
öarne als Gewebe wurden hauptsächlich aus Ostindien eingeführt. In Europa
verwendete und spann lüan zum Teil auch baumwollenes Garn, aber nur zum
Schuss. Zur Kette nahm man Leinengarn, weil das baumwollene Handgarn
nicht haltbar genug war. In England fühlte man zuerst das Bedürfnis einer
Vermehrung, Verbilligung und Verbesserung des Baumwollengarns und es
gelang dort nach vielen Versuchen, diesen Anforderungen durch Maschinen
gerecht zu werden. Schon 1762 wurden in England die Zylinderkrämpeln
(umlaufende Kratzen zum Auflockern der Baumwolle) erfunden. Bobert Peels
Grossvater nahm sie zuerst in Gebrauch. James Hargreaves konstruierte 1767
seine Spinnmaschine mit einer Beihe Spindeln. Eine Anzahl Baumwolle-Locken
wurden eingeklemmt, die Spindeln steckten auf einem Wagen, und wenn man
diesen herauszog, so drehten die Spindeln die Locken zu Faden. Der Erfinder
nannte diese Maschine Jenny, nach seiner Tochter. Hargreaves ging von der
ostindischen Spindel, Bichard Arkwright (1769), ein Barbier, von dem deutschen
Flachsspinnrade mit Spule und Fliege aus. Deshalb musste der erstere , den
Faden spinnend, ausziehen und aufwickeln. Arkwright konnte dies aber nicht,
da seine Spulen, wie im Handrade, sich nur um sich selbst, nicht aber fort-
bewegten; die Spulen mussten aber spinnen und aufwickeln, ohne auszuziehen
(Drosselmaschine). Die grosse Erfindung Arkwrights bestand nun darin, dass er
die Locke , Lunte , den erst leicht zusammengedrehten Baumwollfaden , durch
zwei Walzengarne (Zylinder) auseinanderzog oder -streckte, Walzengarne die
dicht hintereinander lagea und von denen das vordere Paar geschwinder umlief
als das hintere. Crompton verband die Zylinder Arkwrights mit der aus-
ziehenden drehenden Spindel Hargreaves und nannte seine Maschine „Mule"
(daher muH twist). Diese scheinbar einfache Erfindung führte zum Gelingen
der Maschinenspinnerei, durch welche so grosse Umwälzungen in Handel und
Industrie entstanden. In Deutschland begann die Baumwollspinnerei zu Anfang
des 19. Jahrhunderts. Gegenwärtig nimmt die Baumwollspinnerei und -weberei,
w^as Umfang der Anstalten, Verbrauch des Rohmaterials, Zahl der beschäftigten
Hände und Anwendung maschineller Hilfsmittel anbelangt, unter allen Zweigen
der Textilindustrie die erste Stelle ein. Sie hat zuerst von den Erfindungen
der neueren Zeit im Fache des Maschinenwesens Gebrauch gemacht; die Spinn-
maschine, der mechanische Webstuhl fanden in der Baumwollenindustrie zuerst
Anwendung, sie verdanken derselben ihre Erfindung und konstruktive Entwicklung;
Druck- und Appreturmaschinen nahmen von ihr den Weg in andere Gebiete
der Faserstofftechnik.
Literatur: Niess, Baumwollspinnerei in allen ihren Teilen; Weimar 1885.
Kuhn, Die B. , ihre Kultur, Struktur und Verbreitung; Wien 1892. Kar-
marsch-Fischer, Handbuch der mechan. Technologie; Leipzig 1892. Spenn-
rath, Materiallehre für die Textilindustrie ; Aachen 1899. Zipser, Die textilen
Bohmaterialien , I. Teil, 2. Aufl.; Wien 1899. Wiesner, Die Bohstoffe des
Pflanzenreichs, Bd. 2, 2. Aufl.; Leipzig 1902. Johannsen, Handbuch der
Baumwollspinnerei u. s. w., 3. Aufl.; Leipzig 1902.
Baumwollspitzen stellt man seit 1830 besonders in Frankreich der
Billigkeit wegen her; aber nur mit geringem Erfolg.
Baumwolltaff et , schwarzes, leinwandartiges, appretiertes, glänzendes
Baumwollgewebc.
Baumwollteppiche kommen als Knüpfarbeit im Orient nicht vor; es
wird die B, nur zur Kette verwendet , und da die persische Baumwolle für
diesen Zweck sich nicht eignet, ist man geneigt, Teppiche mit Baumwollkette
für indische Ware zu halten. Geknüpfte B. -Teppiche kommen in sehr geringer
Qualität aus Japan.
Baumwollwaren-Appretur, die Ausrüstung der Baumwollgewebe mit
besonderen, ihnen von Haus aus nicht zukommenden äusserlichen Eigenschaften
durch Behandeln mit Appreturmitteln und geeigneten Vorrichtungen (Mangen,
Kalandern, Pressen u. s. w.); hauptsächlich bezweckt sie den leinwandartigen,
kalten, glatten Griff und runden Faden durch Stärkekleister, mit Zusatz von
72 Baumwollzwillich — Bayern.
Leim, Dextrin, Pflanzenschleimen, Fetten, Stearin u. s. w. Die Appretmasse
wird beiderseits (voll) aufgetragen, getrocknet, eingesprengt, gar nicht oder
kalt mit schwachem Druck kalandert oder sonst speziell behandelt, und die
Appretmassen sind je nach dem zu erzielenden Effekt besonders zusammen-
gesetzt. So gibt es Leinen-, Damast-, Shirting-, Chiffon-, Glace-, Kaliko-,
knirschende, hochglänzende und andere Appreturen.
Baumwollzwillich, für Syrien bestimmtes Gewebe, wird im Rheinland, in
Böhmen u. a. 0. hergestellt.
Bausmusselin, feines, weisses, stark appretiertes Baumwollengewebe zum
Durchzeichnen, namentlich für Zeichnungen von Bauplänen.
Bautsch, Stadt der österr. Bezirkshauptmannschaft Sternberg in Mähren:
die ehemals bedeutende Leinwandindustrie ist zurückgegangen.
Bautzen, Hauptstadt der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft:
wichtige Industrie- und Wollspinnerei nebst bedeutender Tuchfabrikation,
Flachsspinnerei, Leinen- und Strumpfweberei, Bleicherei, Färberei; Herstellung
von Strickmaschinen.
Bavari war am Ende des 16. Jahrhunderts in Italien ein gebräuchlicher
Name für Halskrausen; der Ausdruck soll nach einem Schriftsteller dieser Zeit
von dem ital. "Worte für die Bewohner Bayerns, wegen der bei ihnen üblichen
Pelzkragen abgeleitet sein.
Bave (franz.), die erste Faser des Seiden wurms.
Bavella, Bafel ist Abfall- oder Florettseide.
Bavolet, (franz.) schleierartiger Kopfputz normannischer Bäuerinnen;
Nackenschleier bei Damenhüten.
Bay, Bayes, Bayettes, Baguettes, ein ungeköperter, sehr locker gewebter
"Wollenstoff, eine Art grober Flanell; auf der einen Seite langhaarig gerauht,
etwas geschert, gewöhnlich nach dem Weben nur ausgewaschen, seltener etwas
gewalkt, gewöhnlich weiss, oft aber auch schwarz, rot oder grün gefärbt. In
Frankreich (Departement des Nords) fertigt man dergleichen Stoffe unter dem
Namen Baigue für den Handel nach Spanien, wo man sie Baetas nennt.
In vielen anderen Orten werden flanellartige lockere Wollenstoffe unter dem
Namen Boy hergestellt, die im auswärtigen Handel auch Bayettes heissen.
(Siehe Boy.)
Bayazid, Stadt in Kleinasien, erzeugt durch Hausindustrie Teppiche nach
persischen Mustern unter dem Namen Khali, welche als anatolische T. in den
Handel kommen.
Bayern, Königreich, hat bedeutende Baumwollenspinnereien und -Webereien.
Die Textilindustrie beschäftigt 32 767 Betriebe mit 60 460 Personen, wovon auf
Augsburg (s. d.) 14 : 8650 kommen. Einen bedeutenden Aufschwung hat die
Webindustrie genommen. Sie ist in Schwaben sehr verbreitet, wo Augsburg der
Hauptsitz für Kammgarn- und Tuchfabrikation, Baumwollspinnerei und -Weberei
ist; ferner in der Pfalz (Zweibrücken, Kaiserslautern) und in München, dann als
Hausindustrie in Niederbayern und bei Hof. Garnfärbereien und Bleichereien
gibt es in Schwaben und Oberfranken; Leinspinnerei und -Weberei in Bäumen-
heim bei Donauwörth und Memmingen u. s. w. Kunststickerei, insbesondere
Gold- und Silberstickerei in München, Nürnberg und Weissenburg a. S.
lieber ältere Textilindustrie vgl. Augsburg. Für Seidenindustrie
gibt Silbermann (Die Seide u. s. w. ; Dresden 1897, Bd. 1, S. 104 u. 105)
folgende Notizen: Unter Kurfürst Maxi. (1598 — 1651) werden ausgedehnte Maul-
beerplantagen angelegt. Verheerende Kriege verhindern aber weitere Ausdeh-
nung. Schon zu Zeiten Wilhelms VI. (1508—1559) und Albrecht Y. (1550—1579)
sind Gartenrechnungen vorhanden, in denen Maulbeerbäume erwähnt sind. Heiter
dem Kurfürsten Ferdinand Maria (1651 — 1679) war man wieder bestrebt, die
Seideuzucht zu heben. 1664 entsteht unter Joachim Becher ein ausgedehnter
Seidenbauverein, der aber bald auseinander geht. Erst unter Max III. (1455
bis 1777) begann eine allgemeine Verbreitung des Seidengewerbes. Nach 1760
geht die Seidenzucht herunter, weil die Ernten des Seidenbaues misslingen. Eine
neue Periode für Bayern beginnt erst 1823 — 1834 unter der Regierung Maxi-
Bayetas de Pellon — Beaujolais. 73
milians I. und baut sich unter König Ludwig I. weiter aus. Im Jahre 1832 sollen
in Bayern über 4 Millionen Maulbeerbäume gestanden haben; gehen aber 1838
auf 400 000 zurück.
Webeschulen bestehen in Bayern zu Münchberg, Lambrecht und Passau;
eine Stickschule zu Euchenreuth, eine Klöppelschule zu Stadlern.
Bayetas de Pellon oder de cien hilos, grobe Köperflanelle für den
Chinamarkt, welche z. T. noch in Spanien gemacht werden und über Manila
zur Einfuhr nach China kommen. Unter demselben Namen kommen sie auch
im spanisch- amerikanischen Handel vor.
Bayetones ingleses heissen im spanisch- amerikanischen Handel die eng-
lischen Coatings (s, d.).
Bayettes, s. Bay.
Bayeux, Hauptstadt das Arrond. B. im franz. Depart. Calvados : ansehnliche
Spitzenfabriken und Baumwollspinnereien. Erstere stammen aus dem Anfang
des 18. Jahrhunderts; es wird vom Jahre 1709 berichtet, dass sich hier eine
Industrie für Mignonette, eine Art seidener Blonde, und der point de Marly
bildeten, die zu jener Zeit eine Berühmtheit erlangt hatten.
Bayeux-Teppich , ein in der Stadtbibliothek zu B. in der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts von dem Archäologen Montfaucon wieder aufgefundener
Wandteppich, sogen, tappisserie de Bayeux. Er ist gestickt auf
einer Leinwandfläche von 63 m Länge und 0,46 cm Höhe in farbiger Seide im
Plattstich mit verschiedenen Richtungen des Fadens. Dargestellt ist darauf in
72 Szenen mit 530 Figuren und vielen beigefügten Inschriften die Eroberung
Englands durch Wilhelm den Eroberer: für die Kultur- und Kostümgeschichte
eines der wichtigsten Belegstücke aus dem Bereiche der Textilkunst. Die
Arbeit wird von Einigen der Königin Mathilde, Gemahlin Wilhelms, von Anderen
der Mathilde, Tochter Heinrich I. von England zugeschrieben; sie ist etwa um
das Jahr 1100 entstanden. Vgl. Beschreibung in „Thierry, Histoire de la
€onquete de l'Angleterre (Bd. I) ; The Bayeux-Tapestry reproduced in autotype-
plates with historic notes by Frank Bede Fowke-London Ar unvel- Society 1875.
Bayonne, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Basses-Pyreuees :
Leinwandfabrikation.
Bayreuth, Stadt in Bayern : grosse mechanische Baumwollen- und Flachs-
spinnereien ; Fabrik für Baumwollenwaren.
Bays (engl.), ein grober englischer Wollenstofi^, getragen von den Land-
leuten zur Zeit der Königin Elisabeth.
Bayutapauts, Bayutapaux, grober Baumwollenstoff, gewöhnlich blau und
weiss, oder rot und weiss gestreift, zuweilen auch blau und rot gefärbt, zum
Handel nach den afrikanischen Küsten bestimmt: es gibt ostindische und fran-
zösische B.s.
Baza, Pazac oder Bazar, eine Sorte levantinischen Baumwollengarns.
Bazin, s. Basin»
Beaucaire, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Nimes des franz.
Depart. Card. In früheren Zeiten von Kaufleuten und Fabrikanten aus allen
Ländern Europas, aus der Levante und selbst aus Persien und Armenien besucht,
verringerte sich schon im 17. Jahrhundert ihre Bedeutung durch die Aufhebung
der Abgabenfreiheit seit 1632, die Kriege mit dem Auslande, sowie die Waren-
lager zu Marseille, Lyon u. s. w. Seit der Revolution beschränkt sich der
Handel auf Seide und Seidenfabrikate, NimesShawls, Leinen, Tuch, Wolle und
Baumwolle. Immerhin wird die Messe noch von etwa 50000 Personen besucht
und der Warenumsatz beläuft sich auf 20 Mill. Eres.
Beaufort-en-Vallee, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Bauge des
franz. Depart. Maine et-Loire : Segeltuchfabrikation.
Beauforts, festgewebtes Segeltuch aus Hanf, welches im franz. Depart.
der Mayenne und Loire, in der Gegend von Angers, besonders aber zu Beaufort
gemacht wird.
Beaujolais heissen Stoffe aus Leinen und Baumwolle, welche in dem
Dürfe Gours nahe bei Beaujeu, im franz. Depart. Hhone gefertigt werden.
74 Beaumont — ßeidrecht.
Beaumont, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Castelsarrasin des
franz. Depart. Tarn-et-Garonne : Tuch Fabrikation.
Beaumont-le-Roger, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Bernay des
franz. Depart. Eure : Leinwand- und Tuchfabrikation.
Beaune, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Cote d'Or:
Fabrikation von Tuch, Sergen. Yor der Aufhebung des Edikts von Nantes
(1683) beschäftigten 200 prot. Eamilien über 2000 Arbeiter in Manufakturen
aller Art; seitdem geriet die Stadt in Verfall und hat sich nie wieder zu ihrer
früheren Höhe erhoben.
Beaupreau, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Cholet des franz.
Depart. Maine-et-Loire : Wollen- und Leinenfabrikation (Choletstoffe), s. d.
Beauvais, Hauptstadt des franz. Depart. Oise und des Arrond. B.,
bedeutende Fabrik- und Handelsstadt. Sie besitzt eine grosse, 1664 von Colbert
begründete Wandteppich- (Gobelins-) Manufaktur, Fabriken für Woll- und
Baumwollwaren aller Art; ausserdem Spinnereien, Wollkämmereien, Bieichen
und Färbereien. (Vergl. Lab an de, Histoire de B. et de ses institutions
communales; Paris 1892.)
Beavers , Beaverteeus , englische , wie Tuch gewebte , auch gedruckte
BaumwolleDstoife, dem Kalmück ähnlich, die zu Wiuterkleidungen dienen. Man
bezieht sie von Manchester und Norwich. Sie sind den Velvets ähnlich, auch
so breit als diese. Auch deutsche Manufakturen liefern B.'s. Die Beaverteens
sind, da sie fester gearbeitet als die Beavers, dauerhafter als diese. Aus
feiner Wolle in derselben Weise angefertigte Stoffe heissen Castorins oder
Yelpel.
Beby, baumwollene Tücher, welche in Syrien gemacht werden und, ge-
wöhnlich blau gefärbt, über Aleppo und Said in den Handel kommen; das
Meiste geht nach den türkischen Provinzen.
Bedarieux, Hauptstadt des Kantons B. im Arrond. Beziers des französi-
schen Departements Herault : Fabrikation von Tuch und Kattun.
Bedburdyk, Gemeinde im preuss. E-egbez. Düsseldorf: Sammetweberei.
Bedburg, Stadt im preuss. Begbez. Köln: grosse Wollweberei, Woll-
spinnerei, Kunstwollfabrik.
Bedford, Hauptstadt der englischen Grafschaft B. : Anfertigung von ge-
klöppelten Spitzen.
Beederwand (nach Beeder [Bidar], Distriktshauptstadt in Dekan), Beider-
wand, Bedermann, Beiermann, Beilwand, Petermann; unter diesen verschiedenen
Namen kam sonst ein gewöhnlicher Stoff, halb aus Schafwolle, halb aus Leinen-
garn, fest und dauerhaft gewebt, gewöhnlich braun, schwarz oder dunkelblau
gefärbt, in den Handel, welcher von den deutschen Landleuten und von den
ärmeren Yolksklassen viel getragen wurde. Auch jetzt wird dieses Gewebe teil-
weis noch im Lüneburgschen, Schaumburgschen, in Westfalen und in Thüringen,
von den Landleuten zum eigenen Yerbrauch, von den Zeugwebern zum Handel
gefertigt. Den Namen beiderlei Gewand erhielt der Stoff, weil er halb
aus Wolle und halb aus Leinen gemacht wird. Hieraus entstanden wiederum
durch die verdorbene Aussprache der verschiedenen deutschen Provinzen die
obigen Benennungen. Jetzt ist B. gewöhnlich eine Art Halbwollenlama, d. h.
ein in der Kette aus Baumwollengarn, im Einschlag aus Streichgarn bestehender,
leinwandartig gewebter, zuweilen aber auch geköperter Stoff, der nicht gewalkt,
daher auch nicht gerauht, sondern nur glatt geschert und meist ein- oder mehr-
farbig, gestreift oder kariert in den Handel gebracht wird.
Beggars-Lace, s. Webkanten.
Behaar, Sorte ostindischer Cassas oder baumwollener Gewebe. ^
Beibazar heisst zu Marseille und in der Levante die zweite Sorte des
Ziegenhaares, welche zu Webezwecken verarbeitet wird.
Beidelseide, syrische Seidenpflanze.
Beiderwand, s. Beederwand.
Beidrecht (franz. : etoffe ä double face), jedes ungemusterte Gewebe, bei
welchem auf jeder Seite von dem Kett- und Schussfadenmaterial gleich viel
Beiersdorf in der Oberlausitz — Belgien. 75
sicMbar ist. Alle leinwandbindigen Gewebe sind B. Andere fassen den Begriff
weiter auf und verstehen alle jene Stoffe darunter, welche auf beiden Seiten
ihres gleichen Aussehens und der gleichen Appretur wegen getragen werden
können.
Beiersdorf in der Oberlausitz : Bleicherei, Leinen- und Wollwarenfabrik.
Beiertheim, Dorf in Baden : Seidenbandfabrikation.
Beige, in Poitou eine graue, braune oder schwarze Serge, die von natur-
farbener Wolle (Kammgarn) gewebt ist; im allgemeinen Bezeichnung für einen
naturfarbigen, oft jedoch melierten Damenkleiderstoff in Köperbindung.
Beilik nennt man im Orient die groben Tücher von Saloniki, welche zu
Montierungen der Janitscharen dienten.
Beilwand, s. Beederwand.
Beirut, Hauptstadt eines asiatisch-türkischen Vilajets : Neben starker Seiden-
und Baumwollenweberei wird Gold- und Silberdrahtfabrikation betrieben. Ausser-
dem verfertigt man hier die in ganz Syrien und Aegypten berühmten, mit Nägeln
verzierten bunten Koffer für Leinenzeug, die namentlich zu Brautgeschenken
dienen. Die Umgegend gewinnt ausgezeichnete Seide und Baumwolle. B. war
schon im Mittelalter durch seine Seidenindustrie berühmt.
Beize, in der Färberei und dem Zeugdruck ein wichtiger Artikel: ge-
wöhnlich Mordant genannt. In vielen Fällen läuft die Wirkung darauf hinaus,
dass sie die Farbstoffe aus ihren Lösungen auf die Gespinstfasern niederschlägt,
indem ihre Bestandteile unlösliche Verbindungen mit den Farbstoffen eingehen.
Die Gewebe werden entweder in die Beizlösung eingetaucht oder mit derselben
gekocht. In einigen Fällen (z. B. bei den Eisenoxydulbeizen) wird die B. auf
der mit, ihr imprägnierten Faser durch „Hängen" an der Luft oxidiert; in an-
deren Fällen wird sie durch Zusatz von Salzlösungen (Fixiermittel) auf der
Faser unlöslich abgeschieden; die Methode des Dämpfens besteht darin, dass
ein Gemenge von polygenetischem Farbstoff und Metallsalzbeize auf das Gewebe
aufgedruckt und dieses nach dem Trocknen in einem geschlossenen Kasten dem
Einfluss von Dämpfen ausgesetzt wird, wodurch das durch Zersetzung entstandene
basische Salz gleichzeitig mit dem Farbstoff aus der Faser fixiert wird. Vgl.
„Stübling, Die Beiz- und Färbekunst" (Berl. 1898).
Bejar, Bezirksstadt in der spanischen Provinz Salamanca: Wollhandel und
Tuchfabrikation, die etwa 8000 Menschen beschäftigt.
Belchette, s. Wolle.
Belelacs, seidene, taffetartige gewebte ostindische Zeuge, welche durch die
Engländer nach Europa gebracht werden.
Belesmes, auch Kanevas, eine Art grobes Hanfleinen, das zu Perche in
Frankreich gewebt und besonders zu Strohsäcken verbraucht wird.
Belfast, Hauptstadt in der irischen Grafschaft Antrim : Hauptsitz der
irischen Linnenfabrikation; die Baumwollenfabrikation geht zurück.
Belgamire (franz.), ein früher in Eouen gefertigter Leinenstoff mit ein-
gewebten seidenen Blumen.
Belgaon(g), Hauptstadt des Distriktes B. der indobritischen Präsident-
schaft Bombay: Auf 300 Webstühlen werden Baumwollenzeuge angefertigt.
Belgien, Königreich. Zu den Hauptindustriezweigen gehört die Leinen-,
Woll- und Baumwollfabrikation. Die durch Verbreitung des mechan. Gespinstes
gesunkene Leinenmanufaktur hat sich seit 1850 durch zweckmässigere Organi-
sation emporgeschwungen, namentlich in den beiden flandrischen Provinzen.
1880 bestanden 1863 diesbezügliche Anstalten mit 33 048 Arbeitern. Die Weberei
wird vorzüglich in den beiden Flandern, in einigen Orten Brabants, des Henne?
gaus und der Provinz Antwerpen betrieben. Die Zahl der Webereien betrug
(1880) 236 mit 11940 Arbeitern; die Ausfuhr (1895: 16 010 954 Frcs.) ist im
Sinken. Das belg. Handgespinst, hauptsächlich von den Armen in Flandern
geliefert, konnte die Konkurrenz mit den Maschinen nicht aushalten. Die Bra-
banter oder Brüsseler Spitzen (s. d.) werden am besten in und um Brüssel, sowie
in Mecheln geklöppelt. Den Hauptzweig der Spitzenindustrie, die gegen 140 000
Menschen beschäftigt, bilden die sogenannten Valenciennes (s. d.), die am meisten
76 Belgrad — Bendarabbas.
in Westflandern verfertigt werden (Ausfuhr 1895: 2 201371 Frcs.). Für die
AVoUenmanufaktur ist Verviers und Umgebung der wichtigste Ort. Die Woll-
spinnereien fertigten (1880j 7 391246 kg im Werte von 41513 785 Frcs. (Aus-
fuhr 1898: 38 226 Mill. Frcs.) Grosse Teppichfabriken bestehen zu Brüssel,
Mecheln, Ingelmünster und Tournai. Viele Strümpfe und Strickwaren werden
in Leuze, Peruwelz, Tournai und A.elst (Alost) gewebt. Die vorzüglichsten
Baurawollenmanufakturen befinden sich in Gent, Aelst, Kortrijk, Brüssel und
dessen Vorstadt Anderlecht und Tournai (Ausfuhr: 1898: 23 235 Mill. Frcs.).
Literatur: Van Bruyssel, Histoire du commerce et de U marine en
Belgique (3 Bde., Brüssel 1861—1864); Meulemans, La Belgique, ses res-
sources agricoles, industrielles et commerciales (Gent 1865); van Bruyssel,
L'industrie et le commerce en Belgique (Brüssel 1868).
Belgrad, Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Serbien: Tuchfabrik.
Bellac, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Haute-Vienne :
Fabrikation von Tuch, Decken, Leinen und Hüten.
Bellacosa oder Bellcosse sind seidene broschierte Stoffe, mit etwas Gold
und Silber durchwirkt, die als Nachahmung der venetianischen reichen Zeuge
auf der Insel Scio für den Levantehandel gewebt werden.
Bellchester, Duchester, verschiedene Sorten des englischen Manchesters
oder des Velvets.
Belley, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Ain : Seidenspinnerei,
Indienne- und Musselinfabrikatiou ; beträchtlicher Handel mit Seide.
Beliings, der allgemeine Name mehrerer Sorten englischer gemischter Zeuge
von Flachs- und Hanfgarnen in der Kette und Wollengarn im Einschlag, zu-
weilen ganz von Wolle. Man fertigte auch in Frankreich viele Sorten davon
und brachte sie unter Bailanges, Bellinges fagon de Bouracan, Tiritaines, Bre-
luches, Berluches, Bure u. s. w. in den Handel. In neuer Zeit ist dieser Artikel
durch andere Stoffe in den Hintergrund gedrängt worden.
Belluno, Hauptstadt der Provinz und des Distrikts B. : Seidenspinnereien.
Belutschistan, (Balutschistan, auch Beludschistan; engl.: Beloochistan),
das Gedrosia der Alten, das südöstlichste Fürstentum des Hochlandes von Iran:
Erzeugung von Knüpfteppichen gleichen Namens, deren ältere Sorten sehr selten
und hoch im Preise sind. Sie unterscheiden sich von anderen ostpersischen
und zentralasiatischen Teppichen durch ihre düstere und verschwommene Färbung,
wozu das tiefdunkle Blau und das schwärzliche Braun, ebenso wie das eigen-
tümliche Bot, beiträgt, das zwischen Rosa und Indischrot etwa die Mitte hält.
Ganz unvermittelt findet sich dann in diesem düsteren Fond ein kleines weisses
(seltener gelbes) Motiv, ein Kreuzchen, eine punktierte Baute oder dergleichen
hingesetzt. Die Baumeinteilung wie die Einzelmotive sind fast immer geome-
trischer Natur. Die Muster sind so dicht gestellt und in der Pegel von so all-
gemein geometrischem Inhalt, dass man in den meisten Fällen zweifelhaft bleibt,
auf welche Farbe das Muster und auf welche der Grund zu beziehen ist. Der
Belutschistanteppich ist ganz aus Wolle, welche sehr weich und ziemlich lang
geschoren ist, weshalb die Teppiche dick und schwer sind. Die Knüpf ung ist
keine besonders dichte. Die Querseiten haben den kilimartig angewebten farbig
gestreiften Vorstoss, wie diese, und geknüpfte Fransen. (Vgl. Teppiche.)
Belvedere, s. Seide.
Belzamire, ein franz. Stoff mit seidenem Blumenmuster auf einem Grunde
von Leinengarn, der ehedem in Pouen gefertigt wurde.
Beizig. Kreisstadt im preuss. Pegbez. Potsdam: Weberei, Wollspinnerei.
Benares, Hauptstadt der Division und des Distrikts B. im indobritischen
Reiche: berühmt sind die hier gefertigten Gold- und Silberbrokate, Sammite,
seidene und baumwollene Stoffe.
Benares, ein ostindischer Silberstoff.
Benau, Dorf im preuss. Regbez. Frankfurt: Flachsspinnerei, Leinweberei,
Bendarabbas, Hafenort der pers. Prov. Kerman: Handel und Bedeutung
des Ortes ist gegen früher sehr gesunken; besonders werden Baum wollwaren,
Tuche und Teppiche auf den Markt gebracht.
ßendorf — Berkan. 77
Bendorf, Stadt im preuss. Eegbez. Koblenz: Wollspinnereien.
Benfeld, Hauptstadt im Kreis Erstein in Elsass-Lothringen : grosse Baum-
wollenspinnerei, Bandweberei, Färberei, Hanfbau,
Bengalen, Präsidentschaft des Indobrit. Reiches : die inländische Industrie
hat durch die massenhafte, stets zunehmende Einfuhr englischer Manufakturwaren
ausserordentlich gelitten. Die früher berühmten, ausgebreiteten Musselinwebereien
in Dhaka sind gleich den Baumwollwebereien zu Balasor fast gänzlich zugrunde
gegangen. In und um Kalkutta bestehen jedoch noch ziemlich bedeutende Fa-
briken von groben Baumwollstoffen und (1896/97) 9 Baumwollspinnereien, Segel-
tuchwebereien und Seilereien ; die Juteindustrie stellt in hoher Blüte. Die Aus-
fuhr an Baumwolle betrug 1898/99 6,769,920 Rupien.
Bengaline, moderner Halbseidenstoff für Damenkleider; auch bedruckte
halbseidene helle Ballstoffe.
Bengalische Leinewand heisst ein seidenartiges, ostindisches Gewebe,
dessen Fäden aus den Samenkapseln eines Krautes gesponnen und zu verschie-
denen, zwar glänzenden, aber wenig haltbaren Stoffen verarbeitet werden. Der
Stamm dieses Krautes trägt am Gipfel einen Büschel gelber Blumen, nach deren
Verblühen die Fäden in Gestalt von Flocken erscheinen, welche von den Frauen
des Landes versponnen werden.
Bennington, Ort im County B. im südwestlichen Teile des nordamerika-
nischen Staates Vermont: Fabriken von Strickwaren.
Bentheim, Kreisstadt im preuss. Begbez. Osnabrück : Baumwollweberei.
Berams, Berampaats, auch Berupates, ein grobes einfaches Baumwollen-
gewebe, welches früher in Mengen aus Surate nach England gebracht wurde,
jetzt aber nicht mehr vorkommt.
Berbice, Baumwollsorte aus Guyana.
Berck-SUr-Mer, Hafenort im Arrond. Montreuil des franz. Depart. Pas-de-
Calais: Segeltuch fabrikation.
Berditschew, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kiew : Färbereien, Band-
fabriken.
Berg, vormals ein selbständiges Herzogtum, (Ducatus Montensis), jetzt
ein Teil der preuss, Bheinprovinz : wichtigstes Fabrikland Deutschlands, worin
sich namentlich das Wuppertal mit Elberfeld und Barmen (s. d.) durch seine
textilindustrielle Tätigkeit auszeichnet. Unter Ludwig XIV. (1643 — 1715) führten
die Verfolgungen der Protestanten viele gewerbliche Ansiedler nach B., die dort
den franz. Geschmack in Seide und Baumwolle, im Bleichen, in Spitzen, feinen
Leinen u. s. w. heimisch machten.
Berga, Bezirksstadt in der span. Prov. Barcelona: Mechanische Webereien»
Bergamees (franz.) oder Bergamotatapeten, in Bergamo erfunden_, grobe
gewebte Tapeten, welche dann auch in Bouen, Leboeuf, Antwerpen, Brüssel,
sowie in Böhmen und Mähren verfertigt wurden. Das Material dazu ist ver-
schieden : die Kette gewöhnlich Hanf oder Leinen, der Einschlag von Flockseide,
Baumwolle, Wolle, Kuh- oder Ziegenhaar.
Bergamo, Hauptstadt der ital. Prov. B. : Seiden- und Tuchwebereien,
erstere im 14. Jahrhundert eingeführt.
Berge in Hannover: Teppich- und Kattunweberei.
Bergisch-Gladbach, Stadt im preuss. Begbez. Köln: Merino- und Streich-
garnspinnerei.
Bergseide ist Asbest (s. d.).
Berilldruck, ein Verfahren des Zeugdrucks auf Wolle, nach dem erhabene
farbige Muster durch Aufdrucken mit Stücken verdickter Tafelfarben, ohne nach-
herige Beseitigung des Verdickungsmittels hergestellt werden. Gegenwärtig selten
mehr üblich.
Berkan, Perkan, Parkan, Barakan, Barrakan (ursprünglich arabisch), (in
Frankreich auch bouracan) ein aus Ziegenhaar und Wolle oder aus Kamelhaar
gewirktes Zeug; jetzt allgemein ein sehr dichter und schwerer, leinwandartig
gewebter Stoff mit Kette aus festem, zweifädigem und Einschlag aus drei- bis
sechsfädigem Kammwollzwirn, der, mittels des Kalanders (s. Appretur) mit einem
78 Berlin.
wellenartigen Schimmer (Moirierung) versehen, namentlich als Möbelstoff Anwen-
dung findet; doch kommen unter dieser Benennung auch leichtere, aus unge-
zwirntem Kammgarn verfertigte und selbst baumwollene Gewebe vor. In Frank-
reich bezeichnet man mit baracan grosgrain jenen B., bei dem der Einschlag stärker
und dicker als die Kette ist im Gegensatz zu Camelot baracane, in welchem die
Kette stärker als der Schuss ist.
Berlin. Die Anfänge der Seidenindustrie in Berlin beginnen unter der
Regierung des Grossen Kurfürsten (1640 — 1688) , nachdem Sachsen nach den
Beispielen in Frankreich , England und Holland vorangegangen war. (Vgl.
Schmoller und Hintze, Die Preussische Seidenindustrie im 18.' Jahrhundert,
aus: Acta Borussica, Denkmäler der Preussischen Staatsverwaltung im 18. Jahr-
hundert. 3 Bde. Berlin 1892.) Die ersten Versuche der Einführung, welche
mit Dresdener Unternehmern gemacht wurden, gelangen nicht; erst die Einwande-
rung der französischen Befugies, unter denen sich Hunderte von Familien aus
Seidenmanufakturen befanden, führten zu befriedigenden Ergebnissen. Eine ganze
Beihe der verschiedensten Fabriken entstanden in kurzer Zeit. Man fertigte
Tuch und feine Wollenzeuge, ihr schloss sich die Strumpfwirkerei auf den
neuen mechanischen Stühlen an, wie sie französische Kunstschlosser in den branden-
burgischen Landen zu verfertigen begannen. Berlin kommt zunächst für die
Seidenindustrie ausschliesslich in Betracht. Der Erste, welcher eine Seiden-
manufaktur anlegte, war Jean Biet, ein Unternehmer aus Paris. Eine Gaze-
manufaktur ward 1686 begründet; zu gleicher Zeit entstehen Bandmanufakturen.
Von besonderer Bedeutung war die Gobelinmanufaktur, welche Pierre
Mercier 1686 einrichtete. Seit 1647 gab es in Berlin und Colin eine Zunft der
Posamentierer. Im Jahre 1697 wurde Strumpfwirkern und Barettmachern
(s. Barett), aus vertriebenen Heidelbergern und Schweizern bestehend, ein Privi-
legium bewilligt. Bei den Seidenfabriken entsprach der Fortgang nicht ganz
den glücklichen Anfängen der ersten Jahre. Mangel an Kapital war die Haupt-
ursache daran; denn die kurfürstlichen Vorschüsse allein reichten nicht aus, das
genügende Rohmaterial zu beschaffen. Aber auch zollpolitische Verhältnisse
spielen hinein, welche den fertigen Stücken den Absatz nach aussen hin er-
schweren. So geht die Industrie allmählich zurück. 1690 kommt die Manufaktur
von Biet zum Stillstand; die Seidenweberei von Müller und Koppisch in Spandau
bei B. geht 1693 ein. Eine Berufs Statistik von 1700 weist nur noch 12 Seiden-
arbeiter auf. Der Karmoisinsammet zum Krönungsfeste konnte noch in B. ge-
arbeitet werden; bald danach verfiel dieser Fabrikationszweig gänzlich. Besser
haben ihr Fortkommen die Seidenstrumpf- und Bortenwirkerei, die Seidenstickerei,
vor allem die Fabrikation halbseidener Zeuge. Letztere fand einen Halt an der
mehr und mehr aufblühenden Wollenindustrie, in der neben französischen Flücht-
lingen, Schweizer und andere Kolonisten, wie Wegeli und Orelli tätig waren;
um das Jahr 1710 sind in B. mehr derartige Arbeiter, als sich ernähren können.
Hofseidensticker finden sich in B. seit dem 16. Jahrhundert in stetiger Folge:
nur Fremdlinge, wobei selbst ein Türke ist. Dann nehmen französische Künstler
diese Stelle ein, wie Elie Pally. Schon am Ende des 17. Jahrhunderts bestand
in B. ein besonders privilegiertes Gewerbe der Gold- und Silber-, Perlen-, Seiden-
Tind Wollsticker. In enger Beziehung zur Seidenindustrie steht auch die Manu-
faktur goldener und silberner Fäden, Tressen und sonstigen Zierats, welche 1686
begründet worden war und im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts unter allen
verwandten Manufakturen den glänzendsten Aufschwung nahm. Dieser Industrie-
zweig hing mit der Einwanderung der französischen Befugies nicht zusammen.
Inzwischen ist in B. und Umgegend der Seidenbau eifrig betrieben, welcher unter
der Begierung Friedrich Wilhelms I. mit besonderem Nachdruck gepflegt wi/rde.
Auch der Wollen- und Leinwandmanufakturen nimmt sich der König an. Von
den französischen Sammet- und Seidenstoffmanufakturen war damals nur noch
eine, die 1709 begründete von Bourgnignon, in Betrieb, die auf 10 — 15 Stühlen
arbeitete und ihren Absatz zum guten Teil im Auslande, namentlich auf den
Messen zu Frankfurt und Leipzig, fand. Für Halbseidenstoffe wird 1709 die
Gutbiersche Fabrik begründet, Delon (seit 1709) und Duchesne (seit 1713)
Berlin. 79
gelten als Vertreter der Seidenstrumpfwirkerei. Die Jahre 1728—35 bezeichnen
den Höhepunkt der industriellen Entwickelung Preussens unter Friedrich Wil-
helm I. 1732 kommt der bisher in Dresden tätige Seidenfabrikant Claude
Pitra aus Lyon nach B. und gründet auf Veranlassung des Königs eine Manu-
faktur. Mit dem Jahre 1735 beginnt wieder eine Handelsstockung, welche sich
bis in den Anfang der Regierung Friedrichs II. ausdehnte. Friedrich der Grosse
schuf schon in den ersten Wochen seiner Pegierung eine neue Abteilung im Ver-
waltungswesen, das sogenannte „Fünfte Departement", welchem die Sorge für
Handel und Industrie im ganzen Gebiete der Monarchie übertragen ward: unter
den näheren Aufgaben dieser Behörde stand die Förderung der Seidenindustrie
obenan. Zunächst beschränkte man sich darauf, das Vorhandene vor dem Ver-
fall zu bewahren. Bis zum Jahre 1748 blieb die Geschäftslage eine sehr schwierige.
Der Fabrikant Pitra beschäftigte 1740 von seinen 32 Stühlen nur noch 6 und
musste unterstützt werdei? , um seinen italienischen Seidenhändlern bezahlen zu
können; seit 1743 hört mau nichts mehr von ihm. 1742 hatte sich einer seiner
Gesellen, Cuissart aus Lyon, selbständig gemacht, musste aber wegen Nieder-
gang des Geschäftes entweichen. Am schwersten litt unter der langen Absatz-
stockung die grosse Gobelinsmanufaktur von Charles Vigne, welche bisher
meistens für das Ausland, auch viel für den russischen Hof geliefert hatte. Der
König selbst war der beste Abnehmer im Lande: unter den Geschenken, welche
den fremden Gesandten gegeben wurden, sollte sich jedesmal eine Tapete von
Vigne im Werte von 1500 Talern befinden. Aber die Bedeutung dieser Ber-
liner Industrie geht dahin. Im scharfen Gegensatz dazu stehen die Sammet- und
Seidenmanufakturen in Potsdam (s. d.). Nach dem Dresdener Frieden (1745)
bricht eine neue Zeit für die gesamten wirtschaftlichen Unternehmungen an. Um
die Entwickelung des Seidengewerbes macht . sich der Minister Marschall sehr
verdient. Als dieser 1749 stirbt, übernimmt Friedrich der Grosse persönlich die
Leitung. In Berlin war damals der Gesamtbetrieb in allen Zweigen der Industrie,
mit Einschluss der Halbseiden-, Seidenstrumpf- und Seidenbandfabrikation, auf
900 — 1000 Stühle gebracht worden, wovon 4 — 500 auf Sammet- und Seidenzeug-
manufakturen kamen.- Die Arbeiter stammten aus allen Ländern: Meister und
Gesellen aus Italien und Oesterreich, aus Leipzig und Dresden, aus Hamburg,
Amsterdam und Kopenhagen, aus Basel und Zürich, namentlich aber aus Frank-
reich und zwar vorzugsweise aus Lyon, wo die preussischen Agenten besonders
rührig warben. In besonderer Gunst beim König stand die Berliner Sammet-
fabrik von Gotzkowsky, welche aus derjenigen von Blume hervorgegangen
war: sie beschäftigte 1753 bereits 145 Stühle. Auch Girard und Michelet
werden erwähnt, als eines der ersten Handlungshäuser das Unternehmen von
Fr, W. Schütze. Bernhard Is'aac wird unter den jüdischen Seiden-
händlern als einer der ersten genannt. Viel Mühe gab sich der König schon
damals um die Einführung der Seidenbandfabrikation, welche in Holland, in
Basel und Krefeld so ausserordentlich grosse Erfolge aufzuweisen hatte: be-
sonders bezeichnet werden die Posamentierer Moses Ulff und Büchling.
Der Seidenbau lag hauptsächlich in den Händen der Geistlichen und Schulmänner.
1750 setzte der König besondere Preise aus für die besten Leistungen in und
um Berlin. Eine hervorragende Musteranstalt für den Seidenbau wurde die in
B. begründete Königliche Pealschule, die der Pastor Heck er von der Dreifaltig-
keitskirche leitete. Der Seidenertrag hob sich stetig und betrug 1754 2637 Pfund,
wovon die Kurmark allein 1835 Pfund lieferte. Um die Seidenzwirnerei zu fördern,
liess man 1748 einige Seidenzwirner aus Lyon kommen; die bedeutendsten waren
die Gebrüder Fonrobert; trotzdem aber konnte der Bezug des gezwirnten Materials
aus Italien nicht aufgegeben werden. — Der siebenjährige Krieg bildet den
U ebergang zu einer neuen Epoche auch für die Seidenindustrie in B. Mangel
an Arbeitskräften verteuern den Arbeitslohn. Der auswärtige Absatz geriet
gänzlich ins Stocken. Als Gotzkowsky 1756 die Leipziger Herbstmesse bezog,
konnte er statt deren sonst für 40000 Tal er , nur für 200 Taler verkaufen.
Trotzdem machte sich eine fühlbare Betriebsstockung zunächst nicht bemerkbar;
erst nach dem Friedensschlüsse traten die Wirkungen des Krieges in Handels-
80 Berlin.
krisen hervor. Der Erste, welcher der Katastrophe zum Opfer fiel, war Gotz-
kowsky: er legte neben den eingegangenen Seidenfabriken eine Porzellanfabrik
an: Gr. nahm übrigens in den Jahren von 1746 — 1756 in der Geschichte der
preussischen Seidenindustrie einen hervorragenden Platz ein. Trotzdem dann in
den Jahren von 1763 — 66 eine ganze Peihe von Unternehmungen begründet
wurden, sind erneute Krisen nicht zu vermeiden. Man sucht im einzelnen zu
helfen, um wenigstens einen völligen Stillstand der Fabrikation zu vermeiden.
Yon 1766 — 1786 macht sich wiederum ein lebhafter Aufschwung bemerkbar, der
namentlich in den 70er Jahren durch Massnahmen des Königs erreicht ist. Als
Massstab hierfür kann gelten , dass von 1770 — 1780 der Absatz an allerhand
Seidenwaren einheimischer Fabrikation (d. h. in Preussen überhaupt) auf den
Frankfurter Messen von 2—300 000 Taler im Jahr auf 7—800 000 Taler stieg.
Der König ordnet Verbesserung der Fabrikate an. Die Appretur wurde durch
Einführung der französischen Zylindriermaschine vervollkommnet; das Moirieren
(s. d.) der Zeuge , welches mit Hilfe einer englischen Maschine versucht worden
war, wurde durch die Gebr. Massonneau wieder aufgenommen. Die in Mode
kommenden chinierten Zeuge, bei welchen das Muster durch gefärbte Kette ge-
bildet wird, werden von einem eigens aus Frankreich verschriebenen Seiden-
arbeiter gemacht; auch auf gute Musterzeichner, Musterleserinnen, Färber und
Färberinnen wird Bedacht genommen. Im Jahre 1781 beginnt wieder ein Rück-
gang, der indessen nicht lange anzuhalten scheirt. Zu den bisher genannten Er-
zeugnissen kommt 1769 eine nach Pariser Muster und mit Pariser Arbeitern
angelegte Blondenfabrik. Ferner wird in demselben Jahre eine Fabrik künst-
licher Blumen nach italienischer Art begründet. Diese Artikel werden hergestellt
aus den feinen Häuten der Kokons, bunten Seidenfäden u. s. w. Man beschäftigt
auch hier meist Pariserinnen. 1773 wurde die Manufaktur an den Berliner
Kaufmann Friedel verkauft, der mit 150 — 200 Arbeiterinnen jährlich für über
24000 Taler an Wert herstellt. Die Pflege des Seidenbaues, welcher sich Fried-
rich der Grosse nach dem siebenjährigen Kriege wieder mit grosser Fürsorge
annimmt, wird nach seinem Tode vernachlässigt. Diese Industrie hatte über-
haupt bald nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IL eine schlimme
Zeit durchzumachen, wobei die ungünstige Seidenernte in Italien (1787) einen
grossen Einfluss hatte. Der Preis des Materials stieg um mehr als 40% und
die Fabrikation wird eingeschränkt. In Berlin gingen über 300 Stühle, etwa
der neunte Teil der bisher betriebenen, ein; 1791 ist die Krisis wieder vorüber.
In den Jahren 1794 und 1795 ist die Zahl der Stühle in B. auf 3 700 und
4200, 1796 auf 4500 Stühle gewachsen, worunter 2800 in reinseidenen Stoffen
beschäftigt waren. Auf den glänzenden Aufschwung der Berliner Seidenindustrie
folgte ein Rückgang: die Stühle für ganzseidene Waren gingen um 1000 herunter.
Indessen erhält sich das Seidengewebe in bezug auf die Güte der Waren auf
der Höhe. Die grosse Katastrophe, welche im Jahre 1806 das ganze altpreussische
Yerwaltungssystem umstürzte, hat auch die Berliner Seidenindustrie an den Rand
des Unterganges geführt. Im Jahre 1807 sank der Betrieb auf 523 Stühle, hob
sich noch einmal auf 1481, ging in der Kriegszeit aber wieder stark herab, um
1819 abermals auf 1122 zu steigen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fabriziert
Berlin noch die ganzseidenen und namentlich auch die gemusterten kostbaren
Modestoffe. Die Zahl der Jacquardstühle betrug im Jahre 1846 für B. 372
und noch 1861 zählte man deren 208. Auch in den gemusterten Seidenbändern
"zeichnet sich B. um diese Zeit aus. Aber im Laufe der 50er und 60er Jahre
sieht man sich gezwungen, wie die übrigen Fabriken anderer Städte, zu der
Herstellung leichter, glatter Stoffe überzugehen. Neben der eigentlichen Weberei
entwickelte sich die Seidenzwirnerei samt der Fabrikation von Näh- und Stick-
seide und namentlich die früher noch sehr unvollkommene Seidenfärberei zu
bedeutenden Gewerbszweigen. 1871 betrug die Menge der gefärbten Seide
320000 Pfd. und noch heut ist dieser Zweig der Seidenindustrie von Bedeutung.
Das eigentliche Seidenwebergewerbe ging aber immer mehr herunter. Die Gewerbe-
zählung von 1875 wies in der Stadt nur noch 203 Seidenweber, einschliesslich
der Lehrlinge auf, während überhaupt im ganzen Seidengewerbe (Spinnerei,
Berlin. 81
Zwircerei u. s. w.) 686 Arbeiter beschäftigt waren. (lieber die Musterung der
älteren Gewebe vergl. den Artikel Deutschland.)
Die moderne Textilindustrie in B. erstreckt sich besonders auf
gewebte Wollwaren; sie umfasst in neuester Zeit auch die Fabrikation von Orleans,
Shawls, Teppichen und Strumpfwaren. Die Seidenindustrie ist so gut wie ganz
zurückgegangen, dagegen haben sich Färberei und Druckerei in Wollgarn, Seide
und Baumwolle, sowie das Konfektions- und Modewarengeschäft zu grosser Blüte
entfaltet. — An Sammlungen von älteren Textilien besitzt
das König 1. Kunstgewerbe- Muse um (Direktion: Geh, Keg.-Kat
Prof. Dr. Lessing [Sammlung], Prof. Ernst Ewald [Unterrichtsanstalt], Dr.
P. Jessen [Bibliothek]), die in geschichtlicher Beziehung bedeutendste der Welt.
Sie verdankt seit dem Jahre 1873 sachgemässe Anlage und weiteren Ausbau der
Tätigkeit Geh. Pat Lessings. Ein im Jahre 1890, gelegentlich der Gesamt-
ausstellung dieser Stoffsammlung, herausgegebener kleiner Führer zählt 11 055 Stücke
verschiedener Gruppen auf, wovon 6079 auf die Gewebe und innerhalb dieser
1472 auf solche Stoffe kommen, die vor der gotischen Periode liegen. Eine aller-
neueste Notiz gibt 12 000 Gesamtnummern dieser Sammlung an und es ist wohi
anzunehmen, dass unter den seit 1890 gemachten Neuerwerbungen sich meistens
Stoffe der älteren Epochen befinden. Den Hauptschatz bilden die frühmittel-
alterlichen Stoffe vor dem Erblühen der Webereien in Aegypten und Sizilien.
Während das eine oder das andere Museum davon nur vereinzelte Stücke besitzt,
finden sich hier Hunderte z. T. vorzüglich erhaltene Muster. Ueberaus zahlreich
sind die arabischen Seidengewebe verschiedener Perioden und ihre italienischen
Nachahmungen, meist in grossen Stücken vertreten, ebenso die italienischen des
15. und 16. Jahrhunderts. Grössere Gruppen bilden die chinesischen und japa-
nischen Stoffe, denen sich kostbare Stickereien, eine Spitzensammlung und orien-
talische Teppiche anreihen. In Arbeit befindet sich zur Zeit die Veröffentlichung
dieser „Gewebesammlung des Königlichen Kunstgewerbe-Museums zu
Berlin" (Verlag E. Wasmuth, Berlin), welche auf 400 Tafeln (200 farbig,
200 schwarz) angelegt ist. Das Werk wird im Auftrage der Preussischen Staats-
regierung mit erheblichem Zuschuss von Staatsmitteln herausgegeben; es hat
nicht nur den archäologischen und kunsthistorischen Zwecken des Unterrichts in
Webeschule und Zeichensaal zu dienen. Für die Perioden, in denen das Material
reichlicher vorhanden ist, dem späteren Mittelalter und der Renaissance, wird
keine Vollständigkeit angestrebt, es werden aber ausgesucht schöne und typische
Exemplare gegeben. Aehnliche Publikationen hat sowohl Geh. Pat Lessing per-
sönlich, als auch die Verwaltung der König]. Museen in Berlin als solche, über
Stickereien und altorientalische Teppiche veranstaltet: vgl. hierüber die einzelnen
Artikel. In der Unterrichtsanstalt des Museums bestehen Zeichenklassen
für Flächenmuster, insbesondere für Weberei und Stickerei; auch wird eine be-
sondere Fachklasse für ausführende Kunststickerei unterhalten. Die Bibliothek
enthält alle Vorlagenwerke, welche im Bereiche der Textilkunst erschienen sind;
ein für Studienzwecke höchst wertvoller Apparat ist die reiche Vorbildersamm-
lung, welche Photographien und sonstiges Abbildungsmaterial, in Mappen histo-
risch und nach Techniken geordnet , enthält und den Besuchern zur freien Be-
nützung im Lesesaal zur Verfüg^ang steht. Die Ornamentstichsammlung
bewahrt wertvolle alte Stick- und AVebemusterbücher. Der Bibliothek angeschlossen
ist die (für sich aufgestellte) Freiherrlich Lipperheidesche Kostüm-
bibliothek, welche für Trachtenstudien das wertvollste Material bietet. —
Von anderen Abteilungen der Königl. Museen in Berlin enthält diejenige der
ägyptischen Altertümer [Direktor: Prof. Dr. Ermann] eine reiche Samm-
lung von Textilien, welche in den letzten Jahren durch die koptischen Grab-
funde eine wertvolle Bereicherung erfahren hat. Für Studien im Bereiche
altchristlicher Kunst ist in Vorbereitung eine Sammlung derselben Grabfunde,
welche im Kaiser Friedrich-Museum [Direktor: Geh. Peg.-Pat Dr. Bode]
aufgestellt werden wird.
Das Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse
des Hausgewerbes, im Jahre 1888 errichtet, enthält für Studien über ge-
Heiden, Handwörterbuch der Textilknnde. 6
82 Bern — Bettdecken.
webte und gestickte Bauerntrachten und damit zusammenhängende Einzelheiten
ein reiches Material. (Führer herausgegeben 1895.)
Die Städtische Höhere Webeschule, (Direktor: Gr. Weber),
zerfällt in eine Tages-, eine Abend- und Sonntagsschule; es wird in der Weberei
Wirkerei, Posamentierer ei und Färberei unterrichtet , wobei die Be-
dürfnisse der Berliner Textil- und Konfektions-Industrie Berücksichtigung
finden. Eingeschlossen sind: kaufmännische, Musterzeichnen-, Hand- und Maschinen-
stickerei-Kurse, die nach Bedürfnis erweitert werden. Die Dauer derselben ist
je nach Bedarf und den Verhältnissen bemessen ; der jährliche Kursus kostet für
Schüler des preussischen Staates 60 Mark.
Zum Zwecke des Unterrichts in der Stilkunde ist eine umfangreiche Stoff-
sammlung angelegt, welche Gewebe, Stickereien, Si3itzen und Teppiche älterer
Zeit enthält, woran sich Musterkollektionen der modernen Industrie anschliessen.
Die König]. Preussische Zentralstelle für Textilindustrie,
(Direktor: Professor Max Gürtler), übt die Aufsicht über die Preussischen
Fachschulen für Textilindustrie im Auftrage des Ministeriums für Handel
und Gewerbe aus. Sie fertigt Lehrmittel für die Fachschulen, übernimmt
chemisch-technische Untersuchungen aller in das Textilfach schlagenden Mate-
rialien und vermittelt die Arbeitsverteilung an die Königl. Preussischen Stick-
schulen.
Bern, Hauptstadt des Schweiz. Kantons und Bezirks B. : Woll-, Seiden-
und BaumwoUwarenfabrikation. (Vgl. Burgundische Tapeten.)
Bernau in der Mark, Stadt im preuss. Eegbez. Potsdam: Woll-, Baum-
woll- und Seidenweberei, Posamentenfabriken.
Bernay, Hauptstadt des Arrond. im franz. Depart. Eure : Woll- und Baum-
wollspinnereien, Garnbleichen. Wichtig ist die Leinwandmesse.
Berneck, Stadt im bayr. Regbez. Ostfranken : Baumwollenweberei, Leinen-
fabrik.
Bernstadt, Stadt in Schlesien: Tuchweberei.
Berthelsdorf bei Hainichen, in der Amtshauptmannschaft Döbeln der
sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: bedeutende Flanellfabrik, Wollspinnerei
und Bleichen.
Berthelsdorf bei Herrenhut in der Oberlausitz: Baumwolldamastweberei.
Berwer, abgeleitet von berbicinus, im Mittelalter Name eines Wollenstoffes.
Besan^on, Hauptstadt des franz. Depart. Doubs und des Arrond. B. :
bedeutende Fabriken liefern Leinwand, Woll-, Baum woll- und Seidenzeuge;
Tuchhandel.
Besatztuch, aus Streichwolle hergestelltes T. , gewalkt, gerauht und ge-
schoren.
Besigheim, Oberamtsstadt im württ. Neckarkreis : Fabrikation von Band-
und Trikotwaren.
Besooty, eine Sorte Cassas (s. d.) welche die Dänen ehemals aus Ost-
indien brachten.
Bestaubte Tapeten, s. Flocktapeten.
Bethilles, Betilles, ein lockeres, baumwollenes, meistens weissgestreiftes
oder weissgegittertes Gewebe, welches in vielen Gegenden Ostindiens häufig ver-
fertigt und nach allen Gegenden Asiens kommt ; früher brachten es die Holländer,
Franzosen und Dänen auch nach Europa, allein schon seit Jahren wird der Stoff
hier durch die schottischen, sächsischen und schweizerischen Musseline verdrängt.
Bethune, Hauptstadt des Arrond, B. im franz. Depart. Pas-de-Calais :
Leinwandbleichen und ansehnlicher Handel mit Leinwand.
Bettbarchent, Bettdrell, s. Barchent. ''
Bettdecken als abgepasste Ware, Schlafdecken (franz.: couvertures
de lit), bilden in allen Stoff- und Webarten einen bedeutenden Handelsartikel.
Es sind gewöhnlich dichte festgewebte Zeuge aus Schafwolle, Baumwolle, Seide
und aus sonstigen gemischten Stoffen, die in deutschen, niederländischen, fran-
zösischen und englischen Manufakturen verfertigt werden. Die schafwollenen
Decken sind hierunter am gangbarsten , besonders die sogenannten Burger-
Betthimmel. 83
decken, welche im früheren Herzogtum Berg (s. d.), in und um Burg, und die
Neumünster-Decken in Holstein, gewöhnlich aus B,auh- oder Pelzwolle der
Weissgerber, die man aus den benachbarten Provinzen bezieht, in grosser
Menge verfertigt und von da nach allen Gegenden, wo die Decken von Federn
nicht in Gebrauch sind, verkauft werden. Obenan stehen eigentlich die ge-
wöhnlichen Sorten , welche nicht nur zu Lagerdecken für die Soldaten und
Krankenhäuser, sondern auch für die Kavallerie unter die Sättel der Pferde
gebraucht werden. In denselben Werkstätten bei Burg u. s. w. werden auch
die sogenannten Baumwollendecken gemacht, deren Kette gewöhnlich von Leinen-
garn, der Einschlag von Baumwolle ist und welche nicht gewalkt, sondern nur
trocken gerauht und aufgekratzt werden und zwar mit Karden. Ausser diesen
Burgerdecken macht man auch solche in Bayern, Hannover, Sachsen u. s. w.,
ebenso werden sie im Böhmischen, Mährischeu und Schlesischen in den ver-
schiedensten Sorten gefertigt. Die englischen Manufakturen liefern eine grosse
Menge von Bettdecken in allen möglichen Arten von Geweben und Stoffen unter
den verschiedensten Bezeichnungen : Pose Blankets (weisse, wollene), Parish Man-
tels (langhaarige, bunte), Cots oder Cuts (gewöhnliche für die Hängematten in
den Schiffen), Hykes (ganz dichte und festgewebte) u. s. w. Torringtons sind
geköperte Decken. Baumwollene, barchentartig gewebte und auf der einen Seite
gerauhte Decken liefern namentlich die Manufakturen von Manchester unter dem
Namen Counterpanes (vgl. Palampores). Dergleichen kommen auch aus Sachsen :
aus der Gegend von Hohenstein. In Frankreich werden wollene Decken, meistens
ungeköpert, mit und ohne eingewirkte Streifen gewebt : Canadas (festgewebte,
dicht gewalkte, weisse), deren grösster Teil nach Nordamerika geht; die besten
macht man in Pouen und Darnetal aus spanischer Wolle. Castalognes oder
Castelognes sind feine weisse Decken, welche ursprünglich aus Barcelona und
Umgegend in den Handel kamen, später aber auch in Frankreich nachgemacht
wurden. Haardecken (thibandes) werden viel im franz. Depart. Calvados gefertigt
und als Pferdedecken nach der Schweiz, Belgien und i^merika geliefert. Bett-
decken verschiedener Grösse aus Kattun, Pique, Seidenzeug u. s. w. werden
auch zum Verkauf genäht; man pflegt sie mit Baumwolle, Watte oder Florett-
seide auszustopfen und dann in Mustern zu übersteppen, damit das dazwischen
wattierte Material sich nicht verschiebt. Einige Sorten dieser doppelten oder
gesteppten Decken kommen unter dem Namen Courte pointe oder Contre pointe
aus Frankreich. In Italien sind die Corperte per Letto als Bettdecken ein sehr
guter Artikel.
Gestickte Bettdecken gehören in neuerer Zeit oft zu den selbst-
gefertigten Gegenständen der Aussteuer. Man näht Bahnen des am breitesten
liegenden Kongress- oder Kanevas-, Leinen- oder Baumwollenstoffes zusammen
und stickt breite Borten- oder geeignete Streumuster in rot und blauem
waschbarem Garn darauf. In vornehmeren Häusern sind neben den Filetbett-
decken, deren Untergrund aus schwerer farbiger Seide besteht, auch solche mit
aufgenähtem breitem Seidenband in der Linienführung des sogenannten Kurven-
stils (s. d.) in Aufnahme gekommen, wobei nur eine Decke für zwei zusammen-
stehende Betten eingerichtet wird , in der Art , wie solche in früheren
Zeiten für die breiten , sogenannten Himmelbetten üblich waren, (Vgl.
Abb. 35).
Betthimmel (lat. : celura, coelum; franz.: ciel de lit; engl.: sperver,
esperver), als Bekrönung der breiten, reichgeschmückten, sogenannten „Parade-
betten" hatten sich in der Penaissancezeit allmählich aus dem in geschwungenem
Giebel abgeschlossenen Kopfblatt des Bettes entwickelt, wo man diesen von der
bisher mit der übrigen Architektur zusammenhängenden Wandbekleidung loslöste.
Ein auf vier Säulchen ruhendes Gebälk enthält in leichtem Pahmen einen glatten
oder drapierten Umhang aus reich gemusterten gewebten, gestickten oder be-
malten Stoffen, welche als Lambrequinstreifen, oberer Fries oder Behang, den
herüberhängenden Abschluss bilden. Im 17. Jahrhundert fallt die vollstän-
dige Ueberdachung des Bettes weg und der B. erscheint von der Wand her als
krönender Baldachin (s. d.) über dem Kopfende des Lagers.
34 Bettleinwand — Biambonnees.
Bettleinwand, eine bunte, gewöhnlich rot und weiss oder auch blau und
weiss, in verschiedenen Mustern karierte Leinwand, in welcher häufig die bunten
Fäden Baumwollengarn und nur die weissen Leinen sind, die sich aber durch
ihr festes dichtes Gewebe auszeichnet und deshalb zu gewöhnlichen Bettüber-
zügen verbraucht wird. Die Art des Stoffes mit der karierten Musterung ist
schon im frühen Mittelalter bekannt gewesen : es haben sich zahlreiche Beispiele
hiervon in koptischen Gräbern gefunden (s. d,).
Bettlersammet (franz.: velours de gueux), ein französischer Stoff, dessen
Kette von Leinengarn, der Einschlag von Baumwolle gemacht wird; man webt
ihn besonders in der Gegend von Lyon.
Bettstout (engl.), Bettdrell, Inlett, einfarbig oder gestreifter,. dicht gewebter
Baumwollenstoif in Bindung von vierschäftigem Köper.
Betzingen, Dorf in Württemberg : Baumwollspinnerei und -weberei ; Fa-
brikation von Nähzwirn aus Leinen, und von Weberuten süien ; eigene Volkstrachten.
Beuchen (Bäuchen, Büken), Wäsche, Garne, Gewebe zur Wäsche in Lauge
(Beuche) einweichen.
Beuel, Dorf im preuss. E,egbez. Köln : Jutespinnerei und -weberei, Gurten -
fabrik und Rosshaarspinnerei.
Beuteltuch, Siebtuch, Siebleinwand, Müllertuch, Müllergaze (franz. : toile ä
bluteau, toile ä moulin, toile ä tamis, toile ä sas, etamine ä bluteau ; engl.: bolding
cloth) ; durchsichtige , fein netzförmige , aber aus starken , fest gedrehten Fäden
gewebte Stoffe, welche sowohl zum Durchsieben oder Durchbeuteln des Mehls in
den Mühlen, als auch za Sieben, Fensterrahmen u. s. w. gebraucht werden. Die
verschiedenartige Anwendung macht dieses Gewebe zu einem bedeutenden Han-
delsartikel. Man webt den Stoff meistens aus Wollengarn, doch kommt er auch
aus Leinen, Baumwolle, roher Seide und aus Haaren in Verwendung (s. a.
Haartuch).
Bevagna, Stadt im Kreis Spoleto der ital. Prov. Perugia: Handel mit
den berühmten Hanf- und Leinengeweben.
Beveren (Beveren-Waes), Dorf in der belg. Prov. Ostflandern: bedeutende
Spitzenklöppelei.
Beyrut, s. Beirut.
Bezane, Bezans, heissen in Frankreich verschiedene weisse oder gestreifte,
auch mannigfaltig gefärbte bengalische Kattunsorten.
Bezetten, Bezetta, Tournesolläppchen, mit Farbstoffen verschiedener Art
imprägnierte Leinwandläppchen, die vorzugsweise zum Schminken benutzt werden.
Beziers, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Herault : Woll-
spinnereien, Seiden- und Wollmanufakturen ; Handel mit Seide.
Bhamo, Bhamr, Bhamar, Bamo oder Bhanmo ; birman. Bhamaw ; chines.
Sin-kai (Neumarkt), bedeutendste Handelsstadt in Birma in Hinterindien. Der
sehr belebte Ort ist Hauptsitz des birman. -chines. Handels. Alljährlich treffen
hier vom Oktober bis Mai (nur die Regenzeit unterbricht den Verkehr) die mit
Seide und Manufakturwaren beladenen Karawanen chines. Kaufleute, zunächst
aus der Prov. Jün-nan und die flachen Boote der Birmanen mit ihren Baum-
wollballen zusammen. Der IJeberwert der Baumwollausfuhr findet seine Aus-
gleichung zum Teil durch Einfuhr von Sammet- und Seidenzeugen, russ. Tuch
u. s. w. Versuche der Engländer, von hier aus den Handel mit Südwestchina
zu leiten, sind an der Landesnatur gescheitert, da zwischen B. und Jün-nan hohe
schneebedeckte Ketten zu übermüden sind. (Vgl. Kreitner, Im fernen Osten,
Wien 1885.)
Bhangulpore, ostindische Baumwollsorte.
Bharotsch, Hauptstadt des Distrikts B. der Prov. Gudschrat in d^r indo-
britischen Präsidentschaft Bombay: bedeutende Baumwollpflanzungen.
Biala, Stadt in Galizien : bedeutende Leinwandweberei und Hauptsitz der
galizischen Tuchfabrikation, deren Produkte, insbesondere bunt gefärbtes Tuch,
nach dem Orient, schwarzes nach der Schweiz und Amerika ausgeführt werden.
Biambonnees, ostindische Zeuge, welche ganz aus Baumbast gefertigt und
gewöhnlich dunkelbraun oder dunkelgelb gelärbt werden (s. Bast).
Biancavilla — Biella. 85
Biancavilla, das alte luessa, Stadt in der Prov. Catania auf Sizilien:
alle Baumwollengewebe dieses Teiles von Sizilien heissen Biancavilla-Zeuge.
Bias, bucharisch und kalmückisch Bös, weisser baumwollener Stoff in drei
Sorten, dem Tschaldar (s. d.) ähnlich. Er kommt häufig im russischen Handel
mit den Biicharen und Kalmücken vor, am meisten in Astrachan, Orenburg und
einigen sibirischen Gegenden.
Blasse, rohe, levantinische Seide.
Biaza, russ. Armiak, eine Art Kamlot, von den astrachanischen Tataren
aus Kamelhaar gefertigt.
Biber (engl.: Beavers), in einzelnen feinen Sorten nach dem Französischen
Castorin und nach dem Englischen Beaver genannt, ein beidrecht geköpertes Woll-,
jetzt meist Baumwollgewebe mit feiner, stark gedrehter Kette und grobem, schwach-
gedrehtem Einschlag, das auf beiden Seiten sehr stark gerauht ist • hiernach bilden
die in der Längenrichtung des Stücks, nacb dem Strich liegenden Härchen des
Einschlags, eine dichte Decke, wodurch der Stoff das Aussehen eines dicken
langhaarigen Tuches gewinnt.
Biberach in Württemberg, Stadt: Posamentierwarenfabriken.
Bicester, Stadt in der engl. Grafschaft Oxford : Spitzen- und Sackleinwand-
fabrikation.
Biddeford, Stadt im County York des nordamerik. Staates Maine: Baum-
wollspinnereien .
Bideford, Hafenstadt in der engl. Grafschaft Devon: Spitzen- und Segel-
tuchfabrikation.
Biedenkopf, Kreisstadt im preuss. ßegbez. Wiesbaden: "Wollweberei.
Biel, Hauptstadt im Schweiz. Kanton Bern: Baumwollspinnereien.
Bielefeld, Stadt im preuss. Pegbez. Minden : einer der wichtigsten Plätze
Deutschlands für Leinweberei und Flachsspinnerei. Erstere wird schon im An-
fang des 14. Jahrhunderts erwähnt, jedoch erst durch Einwanderer aus den
Niederlanden im 16. Jahrhundert gefördert, die in und um B. die Fabrikation
der Schleier, der sogenannten klaren Leinewand, und die Flachsspinnerei ein-
führten. Der neue Erwerbszweig blühte besonders seit den Zeiten des Grossen
Kurfürsten rasch auf. Die Batist- und Damastweberei, worin B. ebenfalls einen
Puf geniesst, kam seit dem Siebenjährigen Krieg in Aufnahme. Gegenwärtig
liefert B. besonders feinere Sorten Leinen, ausserdem fertige Wäsche, wobei
über 160 Firmen arbeiten (zum Teil mit Dampf getriebene Nähmaschinen) und
über 3500 Personen beschäftigt sind. Von Bedeutung sind: die Pavensberger
Spinnerei mit der Filiale in Wolfenbüttel (30 200 Spindeln), die Spinnerei Vor-
wärts (10 850 Spindeln), die beide zusammen für 9 Mill. Mk. jährlich fertig
stellen, und die 1863 begründete mechanische Weberei (950 Stühle und 200 000
Stück Jahresproduktion). Die grossartigen Bleichen um B. sind meist nach
irländischem und belgischem System eingerichtet. In neuerer Zeit wird auch
Seiden-, Sammet- und Plüschweberei betrieben. Unter dem Namen Biele-
felder Leinwand versteht man eines der besten deutschen Leinen; durch
ihr dichtes, gleiches Gewebe, durch die Gleichheit der Fäden, welche durch den
Gebrauch nicht dicker werden, wie es bei der anderen Leinwand häufig der
Fall ist, und durch ihre Haltbarkeit steht sie der holländischen L. wenig nach ;
die feinste kommt dem niederländischen Batist nahe. Früher wurden die
Stücke der B. -Leinwand an beiden Enden mit einem Adler gestempelt, da die
verpflichteten Schau- oder Leggemeister jedes Stück auf den „Leggen" genau
untersuchten und dasjenige, welches nicht für fehlerfrei erkannt wurde, weder ge-
stempelt, noch auf den Bleichen zugelassen, auch nicht ausser Landes verkauft
werden durfte.
Bielitz, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien : bedeutende Schafwollindustrie,
ausserdem Flachsgarn- und Jutespinnerei. Von grosser Wichtigkeit ist der
Handel des Ortes in Tuch waren nach dem Orient. (Vgl. Haase, Die Bielitz -
Bialaer Schafwollwarenindustrie Teschen-Bielitz 1874).
Biella, Hauptstadt der ital Prov. Navarra : viele Manufakturen in Tüchern,
Leinwand; Handel mit Seide.
8() Bienenzellenmuster — Bildwirkerei.
Bienenzellenmuster (franz.: dessin alveolaire; engl.: cellular pattern), ein
aus sechseckigen Feldern bestehendes Muster, das im Füllgrund gewisser fran-
zösischer Spitzen des 18. Jahrhunderts vorherrscht; aber auch schon am Ende
des 16. Jahrhunderts in spanischen Sammetstoffen sehr beliebt ist, wo es auf
Grund geometrischer Konstruktion entstand. (Vgl. auch Bobbinnet.)
Bietigheim, Stadt in Württemberg : grosse Kammgarnspinnerei 5 Färbereien.
Biggleswade, Stadt in der engl. Grafschaft Bedfort: Spitzenfabrikation.
Bilbao, Hauptstadt der span. Provinz Biscaya: Baumwollfabrik, Tuch-
fabriken; bedeutende Ausfuhr von Wolle.
Bildgewebe (franz.: etoffes faconnees; engl.: fancy cloth) , gemusterte,
fassonnierte, dessinierte; figurierte Stoffe; diejenige Art von Geweben, in denen
durch Benützung verschiedenartiger Kett- und Schusseffekte, mit oder ohne
Farbenverschiedenheit, eine Zeichnung (Muster, Dessin, Figur) hergestellt ist :
daher Bildweberei s. v. w. Musterweberei. Die Zeichnung kann entweder in
regelmässiger Anordnung auf der ganzen Fläche wiederholt, oder in Form und
Grösse dem Gebrauch des Stoffes entsprechend, gleichsam architektonisch
innerhalb eines bestimmt abgegrenzten Raumes mit Borte oder Einfassung,
Mittelstück, Eckstücken u. s. w. angeordnet, also nur einmal ausgeführt werden.
Stoffe der letzten Art werden abgepasst genannt; zu ihnen gehören Tafeltücher,
Servietten , Handtücher , gewebte Teppiche u. s. w. Der Grund wird bei
einfachen Stoffen meist in glatten Bindungen: leinwand-, köper-, atlas-, zuweilen
auch wohl gazeartig gewebt; die Flächen des Musters werden meist durch flottere
Bindungen gebildet, z. B, Leinwandgrund mit fünf- oder sechsbindigen Atlas-
figuren, oder fünfbindiger Schussatlasgrund mit Figuren in acht- oder zehn-
bindigem Atlas; oder man lässt nur den Kett- und Schusseffekt bei gleichen
Bindungszahlen wirken, wie bei Damast. Bei Doppelgeweben mit mehreren
Ketten und Schüssen besteht das auf glattem Grund gebildete Muster aus lang-
flottenden Kett- oder Schussfäden, die nur an passenden Stellen abgebunden
werden, oder es arbeitet wohl auch ein glattes Untergewebe mustermässig durch
ein glattes Obergewebe, z. B. : baumwollene Garten- und Kaffeetischdecken. Um das
Muster möglichst hervortreten zu lassen, wird dasselbe öfters in feinem, glänzen-
dem, lebhaft farbigem, sogar von dem Stoff des Grundes verschiedenem Material
hergestellt, namentlich aber wird das Sichtbarw^erden der Zeichnung durch Frei-
liegen (Flotten) der musterbildenden Fäden erreicht. Prinzipiell soll die Faden-
verbindung des Musters eine wirkungsvollere, gefälligere als die des Grundes sein,
mindestens darf sie dieser in Glanz und Farbe nicht nachstehen. In manchen
Fällen kommt ein glatter Grund überhaupt nicht zum Vorschein, indem das
Muster mit seinen mannigfaltigen Formen, aus verschiedenen Ketten und Schüssen
gebildet, die Fläche des Gewebes vollständig deckt: z. B. bei Gobelinimitationen.
Bildwirkerei bezeichnet eine Handfertigkeit, welche auf senkrecht oder
Avagerecht gespannter Kette durch Einziehen farbiger Fäden bildartige* Flächen
herstellt. Die Technik an und für sich reicht in ein hohes Altertum zurück
und darf als eine Vorstufe der eigentlichen Weberei gelten: wir sehen sie bei
allen Völkern entstehen, sobald es sich um Anfänge einer Stoffmusterung handelt»
Hatten dies schon früher vereinzelt vorkommende Proben, sowie die Mumien-
stoffe von Peru (s. d.) gezeigt, so wurde die volle Bestätigung dafür gegeben
durch die seit etwa zwei Jahrzehnten aus den sogen. Koptischen Gräbern (vgl.
den Artikel Koptische Funde) zu uns gelangenden Wirkereien. Die künstlerische
Ausbildung der B. hat je nach dem Stande der Kultur stattgefunden. Für die
gröbste Art solcher Wirkereien geben uns die sogen. Kilims (s. d.) der asiatischen
Völker ein Beispiel. Ihre zackig absetzende Musterung ist entstanden, indem
man bunte Wolle durch bestimmte Gruppen von Kettfäden hin und her ^führte,
ohne dabei in andere Farben oder nebenliegende Grundfäden überzugreifen. Durch
diese Art der Mustergebung ist es bedingt , dass an den Kanten der einzelnen
Farbenflecken die Kettfäden auseinanderfallen und Schlitze gebildet werden. Der
Orientale kennt aber keine andere Art der Bildwirkerei, sie hat bei ihm sogar
seit altersher im feinsten Material, in Seide und Goldfäden, die vollendetste
Ausbildung erfahren. (Vgl. den Artikel Schlitzwirkerei.) Es wohnt den Völkern
Billardtuch — Bindungen. 87
des Orients das Gefühl inne, die Art der Nadelmalerei, wie sie die auf höchster
Stufe stehende Technik der B. erzeugt, durch die Stickerei darzustellen. (Vgl. orien-
talische Stickereien.) In Europa führen uns die ersten Bildwirkereien nach den
nördlichen Ländern, mit ihnen setzt eine andere Art ihres Gebrauchs ein und
auch die Technik erweitert sich. (Vgl. nordische Kunstweberei.) Fanden im
Orient die gewirkten Arbeiten Verwendung zur Ausstattung der Kostüme, und
gröbere- Kilims zu Behängen der Zelte u. dgl., so nimmt die B. in Europa unter
den verschiedensten Benennungen die Gestalt des Wandteppichs (s. d.) an, dessen
Musterung und Technik sich mit der Zeit so vervollkommnet, dass sie sich in
Frankreich unter dem Namen Gobelin (s. d.) als Tapisserie (s. d.) in die Reihen
der ersten Kunstwerke einordnet.
Billardtuch, aus Streichwollen hergestelltes T., roh gewebt und im Stück
gefärbt (grün), in Bindung von dreischäftigem Köper.
Billerbeck in Westfalen: Leinwandweberei.
Binche, Stadt in der belg. Provinz Hennegau, nach welcher man ver-
schiedene Arten von älteren Klöppelspitzen bezeichnet, die aber nicht alle ihren
Ursprung hier haben. Die eigentliche B. ist eine geklöppelte Spitze der Kokoko-
zeit, welche sich durch ihre unendliche Feinheit in der Textur auszeichnet: ihre
Blütezeit geht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, die Musterung bewegt sich
in Ranken aus breitem Blatt- und Blütenwerk , welche der sogenannten point
d'Angleterre ähnlich sieht. Schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts werden
in B. die sogenannten Fleurs ä plat für die in Brüssel auf Tüll „applizierten
Spitzen" gefertigt. (Vergl. Artikel und Tafel Klöppelspitzen, sowie das Werk:
Lejeune, Histoire de la ville de B. [Binche 1890].)
Bindelli nennt man in Italien die seidenen, goldenen und silbernen Borten,
die besonders in Mailand auch unter dem Namen venetianische Borten verfertigt
werden; in früherer Zeit wurden sie auch in Wien, Berlin, Hamburg und
Leipzig gewirkt.
Bindfaden, Spagen, Spagatfaden (franz. : ficelle ; engl. : string, pack thread ;
ital. : spago) , eine aus Flachs oder Hanf gesponnene dünne Schnur , die aus
zweifach oder dreifach zusammengesetzten Fäden besteht, welche bald stärker,
bald schwächer, bald fester, bald lockerer gedreht sind. Die feinste Art ist der
sogenannte Kanzleibindfaden, die gröbste Art der Zuckerbindfaden. (Vergl. die
Artikel Schnüre und insbesondere Seilerei.)
Bindlöcher werden in der Weissstickerei runde ausgeschnittene, durch
Knopflochstiche übernähte Durchbrüche genannt.
Bindungen heissen in der Weberei die Verkreuzungen der Kettfäden mit
den Schussfäden. Man unterscheidet drei „Haupt- oder Grundbindungen" und
unzählige davon „Abgeleitete Bindungen". Erstere sind: a) die Leinwand-, Tuch-
oder Taffetbindung; b) die Köperbindung; c) die Atlasbindung. Zu einer Bin-
dungseinheit, dem Bindungsrapport, gehören bei der Leinwandbindung zwei Kett-
und zwei Schussfäden, die wechselweise hoch oder tief liegen; bei der Köper-
bindung mindestens drei Kett- und drei Schussfäden, von denen bei jedem Schuss-
faden ein Kettfaden hoch oder tief liegt; bei der Atlasbindung mindestens fünf
Kett- und fünf Schussfäden. (Vgl. Bindungstafel XV, Abb. 1 — 3.) Die Leinwand-
bindung stellt sich als ein schachbrettartiges Muster dar; bei den Köperbindungen
zeigen sich auf der Fläche des Gewebes schräg laufende Grade (Bindungsgrade),
während beim Atlas die Bindungspunkte (Hoch- oder Tiefgänge der Kettfäden)
regelmässig über den Rapport verteilt sind, ohne sich gegenseitig zu berühren.
Die „Abgeleiteten Bindungen" entstehen auf die verschiedensten Weisen: z. B.
durch Verdoppelung der Kett- oder Schussfäden, durch Hinzufügen einzelner
Bindungspunkte oder ganzer Gruppen , durch Umordnen der Fäden u. s. w.
Gewebe mit einer Bindungsart über die ganze Breite nennt man „glatte", solche
mit wechselnden Bindungen nebeneinander werden als „fassonierte Gewebe" be-
zeichnet. (Ueber Atlas [Satin] , gemischte und weitere Bindungen vgl. die Stoff-
arten im Einzelnen.)
Literatur: Denk, Bindungslehre für Gewebe, Altona 1883/86; Jos.
Vincenz, Lehrbuch der Bindungslehre und Dekomposition, Dresden 1895;
3g Bionde — Bischweiler.
Fr. Donat, Methodik der Bindungslehre und Dekomposition , Wien 1892;
Oelsner, Die deutsche Webeschule, Altona 1891; E^eiser und Spenn-
rath, Handbuch der Weberei, Bd. II, Die Kompositionslehre.
Abbildungen auf der Bindungstafel XV :
1. Leinwand-, Tuch- oder Taffetbindung.
2. Köperbindung: vierbindiger Schussköper.
3. Atlasbindung: fünf bindiger Schussatlas.
4. Panamabindung: dreifädige und dreischüssige Taffetbindung.
5. Achtbindig gleichseitiger Köper.
6. Achtzehnbindiger Mehrgradköper.
7. Sechsbindig gebrochener Schussköper.
8. Zickzackköper von vierbindigem Kettköper (Drell).
9. Zweifädiger füuf bindiger Atlas.
10. PanamaAtlas.
11. und 12. Kreppbindungen.
18. Doppelgewebe: eine Kette, zwei Schuss; oben und unten vierbindiger Köper.
14. Doppelgewebe: eine Kette, zwei Schuss; oben achtbindiger, gleichseitiger
Mehrgradköper, unten achtbindiger Kettköper.
15. Doppelgewebe: zwei Ketten, ein Schuss; oben und unten vierbindiger Köper.
16. Doppelgewebe: zwei Ketten, ein Schuss; oben vierbindiger Köper, unten
achtbindiger Atlas. Oben und unten Taffet mit taffetartiger Anbindung.
17. und 18. Verbundene Hohlgewebe: zwei Ketten, zwei Schuss; oben vierbindiger
gleichseitiger Köper, unten achtbindiger Atlas mit köperartiger Atlasbindung.
(Die linke untere Ecke auf den Einzelbildern zeigt die Darstellung der wirk-
lichen Fädenlage: schwarz = Schuss, weiss = Kette. Rechts von der Bindungs-
darstellung ist Schnitt in Kettrichtung, unten ist Schnitt in Schussrichtung angeben.)
Bionde (ital.) s. Blonden.
Biredschend oder Birdschan , Stadt in der pers. Provinz Khorassan :
erzeugt Knüpfteppiche, welche sich durch grosse Festigkeit und Dichte des
Gewebes auszeichnen, so dass 3000 bis zu 8000 Knüpfungen auf 100 qcm kommen.
Dagegen fühlen sie sich bei aller sammetartigen Weichheit der Oberfläche des Flors
sehr steif an und sind wenig schmiegsam. Die Musterung der Biredschend-Teppiche
ist sehr wechselnd. Eines der gewöhnlichsten Motive ist das der aneinander
gereihten Palmwipfel oder des Shawlmusters (s. d.).
Biret (lat. : biretum, birretum) , Kopfbedeckung der römisch-katholischen
Geistlichkeit.
Birma, zum indobritischen Heiche gehörendes Land in Hinterindien:
Herstellung grober Baumwollenstoffe und Zeuge aus inländischer Seide;
Zeugfärberei.
Birrus (lat.), (franz. bureau), ursprünglich ein leinenes Gewand, bei den
Kömern auch der Name für eine bestimmte Gewandform : das älteste Bischofs-
gewand. Später ein derber flockiger Stoff, sowie ein Mantel daraus; auch zu
Mützen verwandt, woraus die Namen Birretum, Baret u. s. w.
Bischofsornat, dasselbe besteht (nach Bock, Geschichte der liturgischen
Gewänder, Bd. II. S. 222) aus folgenden Teilen: 1. die bischöflichen Strümpfe,
2. die Sandalen oder Schuhe, 3. der Amictus oder das Schultertuch, 4. die Alba,
5. der Gürtel zur Aufschürzung der Alba, 6. die Stola, 7. die Tunika, 8. die
Dalmatika, 9. die Casula oder Planeta, 10. die Handschuhe, 11. die Mitra oder
Infula, um welche die gefürsteten Bischöfe einen kronenartigen Kj?anz zu
tragen pflegen, 12. der Manipulus. (Yergl. über diese textilen Einzelheiten die
betreffenden Artikel.) Dazu kommen als metallische Insignien: 13. der Bing,
14. das Brustkreuz oder Pektorale; 15. der Bischofsstab und endlich als besonders
auszeichnende Ornate für den Bischof und den Erzbisch. : 16. das gallikanische
Pallium, 17. das erzbischöfliche Pallium.
Bischofsmütze s. Mitra.
Bischweiler, Hauptstadt des Kantons B. in Elsass-Lothringen : die vor
1870 bedeutende AVoUgarn- und Tuchfabrikation ist infolge der veränderten
Absatzverhältnisse zurückgegangen; zwei neuerdings gegründete Aktiengesell-
Bisette — Blattstechen. 89
Schäften haben die Fabrikation wieder aufgenommen. Ferner bestehen Fabrikation
von Leinwand, bedeutende Jutespinnerei und -Webereien.
Bisette (franz.), gestickte Tresse ; auch Bezeichnung für eine leinene
Bauernspitze, welche die Landleute im franz. Depart. der Seine und Oise aus
weissem Garn klöppeln.
Biskra oder Biskara, Stadt im Arrond. Batna im südl. Algerien : Burnus-
und Teppichfabrikation.
Bislint, eine sehr schmale Bandsorte aus Westfalen.
Bisonhaar, Büffelwolle. Der amerikanische Büffel oder Bison hat zwischen
seinen langen groben Haaren eine feine Wolle, welche der Merinowolle und dem
Yicunnahaar ähnelt: sie wird zu Filzarbeiten und anderen groben Textilwaren
verarbeitet.
Bissonata^ grobe Wollenstoffe, tuchartig gewebt, braun oder schwarz
gefärbt, vornehmlich in Frankreich für Ordensgeistliche gefertigt.
Bitlis oder Bedlis, Hauptstadt des asiat.-türk. Vilajets B. : E,otfärberei
und Baumwollzeugweberei; Ausfuhr von Wolle, Einfuhr von Baumwolle aus
Persien. Durch Hausindustrie Erzeugung von Teppichen nach persischen Mustern.
(Yergl. Anatolische Teppiche).
Bitre ist eine Art der Brabanter Leinewand.
Bjela, Kreisstadt im russ.-poln. Gouvernement Sjedlez: Flachsbau und
Leinenweberei.
Bjelosersk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Nowgorod: Spitzenklöppelei.
Bjelostök, Kreisstadt im russ. Gouvernement Grodnow: 19 Woll- und
Tuchfabriken.
Blanc (franz: le blanc, das Weisse), bei den französchen Manufaktur-
warenhändlern alles das von ihrer Ware, was gebleicht worden ist: Lein-
wand, Batist, Kalicot, Perkai, Musselin. Manche dieser Kaufleute teilen
ihr blanc wieder in blanc de coton (Baumwollenweiss) und in blanc de fil
(Leinenweiss).
Blanc, Le, Hauptstadt des Arrond. Le B. im franz. Depart. Indre :
Woll- und Leinenweberei, Tuchmacherei.
Blancards oder Bouen blancards ist der Name einer der gangbarsten
französischen Leinenstoffe, welcher in den beiden Departements des Calvados
und der Oise aus halbgebleichtem Flachsgarn gewebt und halbgebleicht verkauft
wird. Früher suchte man die besten und feinsten Stücke aus und verkaufte sie
unter dem Namen Fleurets oder Floretas nach Spanien; jetzt kennt man im
Handel nur B.'s von verschiedener Qualität.
Blankets s. Bettdecken.
Blaquets (franz.), Druckwalzentücher, starke, gewalkte wollene Tücher,
welche eine gewisse Dichte, Zurichtung und Breite haben müssen, entsprechend
den Verhältnissen der Druckwalze, für die sie gebraucht werden und in der sie
dienen, die zu bedruckenden Stoffe unter die Walze durchzugleiten und die
erforderliche Unterlage zu gewähren.
Blatt, Teil des Webstuhls, dasselbe besteht aus zwei horizontalen Leisten,
zwischen welchen aufrechtstehende, glatt abgerundete Stäbchen, die Bohre
(Bieth, Biede) von Teichrohr, Messing oder Stahl, befestigt sind. Das B.,
welches in der Fuge des Ladendeckels und der des Ladenklotzes befestigt wird,
dient dazu , die von dem Kettbaum durch das Geschirr (Schäfte) kommenden
Kettfäden aufzunehmen und dieselben über die ganze Breite der Ware in regel-
mässigen und paralellen Abständen von einander zu halten, andererseits dient es
auch dazu, die Schussfäden, welche in die Fachöffnung der Kette eingetragen
werden , gegen die fertige Ware zu drücken und somit die Dichtheit der Ware
herzustellen.
Blattgang, derselbe bezeichnet in der Dichtenbestimmung eines Gewebes
die Summe von 20 Bohren; nach Blattgängen wird die Blatthöhe (Blattdichte)
bemessen. (Yergl. Blatt.)
Blattstechen gehört zu den Vorbereitungen der Webematerialieu, im engeren
Sinne wird das Einziehen der Kettfäden in die Riethlücken (Bohre) darunter ver-
90 ßlaubeuren — Bleichtücher.
standen. Das B. wird von zwei Personen ausgeiührt. Die eine sticht mit dem
Eiuziehhcäkchen oder Blattstecher durch die Oeffnung zweier Bohre, während
die andere so viel Kettfäden , als in dieselbe kommen sollen , abzählt und
auf den Einschnitt legt. Die erste Person zieht dann den Blattstecher zurück
und hält die Fäden mit der linken Hand fest. Die Zahl der ins Bohr zu
ziehenden Fäden ist je nach dem herzustellenden Stoff verschieden (s. a. Blatt).
Blaubeuren, Oberamtsstadt in Württemberg: Leinenweberei, grosse Blei-
chereien. Sitz der 1. Sektion der Leinenberufsgenossenschaft.
Blaue ostindische Leinwand nennt man zuweilen eine Art Baftas (s. d.).
Blaumachen ist ein um das Jahr 1832 in die Schwarzfärberei der Seide
eingeführtes Verfahren, das darin besteht, das auf der Faser fixierte Eisenoxyd
in sogenanntes Berlinerblau überzuführen : einerseits , um die Erschwerung
(s. d.) zu erhöhen, andererseits um den Ton des Schwarz ins Bläuliche scheinen
zu lassen.
Bleichen (franz.: blanchiment; engl.: to bleach), heisst in der Technik
die Zerstörung oder Umwandlung der organischen Farbstoffe, mit denen viele
Bohmaterialien aus dem Pflanzen- und Tierreich in der Art behaftet sind, dass
durch dieselben das Aussehen der daraus hergestellten Fabrikate beeinträchtigt
wird. Je nach der Art der zu bleichenden Stoffe und ihrem Verhalten den
bleichenden Mitteln gegenüber, sind verschiedene Arten des Bi. zu berücksichtigen.
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen ISJatur-, Kunst- oder ehem. Bleiche.
Die Naturbleiche ist ein von alters her angewandtes Verfahren und beruht
darauf, dass die in Betracht kommenden färbenden Substanzen fast sämtlick
unter der Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit und Sonnenlicht, wahrscheinlich
infolge der Bildung von Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd, zerstört werden. Es
erfolgt dies um so leichter und vollkommener, je vollständiger alle sonstigen
fremden Stoffe vorher durch Waschen und Beuchen (Büken) (s. d.) u. s. w.
beseitigt sind. Die vorbereiteten Stoffe werden so in feuchtem Zustande der
Wirkung des Sonnenlichts ausgesetzt, indem man sie auf ebener Unterlage, am
besten und einfachsten auf dem Basen (Basenbleiche) ausbreitet. Der dem
Boden entsteigende Wasserdampf, der sich niederschlagende Tau trägt zur Er-
haltung der nötigen Feuchtigkeit bei, die aber bei trockener Luft und hoher
Wärme durch Besprengen zu vermehren ist. Allmählich tritt dann eine Ver-
änderung im Aussehen der Stoffe ein, das ursprüngliche Grau schwindet mehr
und mehr, bis nach einiger Zeit das reine, schneeige Weiss hervortritt. Gegen-
wärtig ist die Naturbleiche, die sich wegen der langen Zeit, die sie erfordert,
für die Grossindustrie nicht eignet, durch die ehem. B. oder Kunstbleiche fast
gänzlich verdrängt. Zum B. von Baumwolle, Leinen- und Papierzeug findet
der Chlorkalk Verwendung, dagegen nie bei Wolle oder Seide, weil er diese
Fasern zerstören würde. Letztere werden gewöhnlich so gebleicht, dass man sie
im nassen Zustande in einem geschlossenen Baume aufhängt, in dem man durch
Verbrennen von Schwefel gasförmige , schweflige Säure erzeugt. Diese wird
von dem den Stoff durchtränkenden Wasser aufgesogen und zerstört die
Farbstoffe.
Literatur: Hummel, Färberei und Bleicherei (deutsch von Knecht,
Beil. 1891); Herzfeld, das Färben und B. (ebd. 1890); Frey, Anlage,
Konstruktion und Einrichtung von Bleicherei- und Färbereilokalitäten (ebd. 1888) ;
Joclet, Vollständiges Handbuch der Bleichkunst (2. Aufl. Wien 1895); Herz-
feld, das Färben und B. (Tl. 1, Berl. 1900).
Bleicherode, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Erfurt: Fabrikation von Leinen-
waren (26 Fabriken mit 258 Stühlen), in der Umgegend Handweberei, im Orte
selbst zwei, im nahen Oberdorf eine mechanische Weberei für leinene und 'baum-
wollene Waren, ausserdem Bleicherei und ausgezeichnete Flachsbereitungsanstalten..
Bleichtücher, unter diesem Namen wurden in Hamburg und Bremen eine
Sorte westfälischer Leinwand verkauft, welche aus grobem Flachs- und Hanfgarn
halb gebleicht oder ganz roh vorkommt. Nach Südamerika gingen sie unter
dem Namen Augule millas , nach Portugal und Brasilien unter der Benennung
Brins de festo ; in jenen Gegenden wurden sie zu Säcken , Decken und Ver-
Bloemfontein — Bobbinnetm aschine. 9 1
packung verbraucht , auch dienen sie zu Unterlagen für die zu bleichenden
dünnen Schleier u. s. w.
Bloemfontein, Hauptstadt des OraDJe-Freistaates: lebhafter Handel mit
Wolle.
Blonden (franz.: blondes; engl.: blonds-laces ; ital. : blondes), geklöppelte
oder genähte Spitzen aus starker, weicher und offener Hohseide , in der Regel
weiss (nach ihrem gelblichen Schimmer B. genannt) , selten schwarz oder bunt,
deren weiter, netzartiger Grund mit Blumen und anderen Figuren gefüllt ist.
Zuerst , um die Mitte des 18. Jahrhunderts , in Frankreich (besonders Caen,
Bayeux und Chantilly) meist geklöppelt, nach der Farbe blondes ecrus oder
nach Herkunft des Fadens nankings genannt, später unter verschiedenen Be-
zeichnungen und Arten bekannt: blondes de fantasie oder Modeblonden,
leichte seidene Spitzen, deren Grund mit der Bobbinnet- oder Pelinetmaschine, das
Muster hinein genäht oder gehäkelt wurde; seidene sogen, points d'Espagne
wurden geklöppelt, dahin gehören auch die Schmelzspitzen der Chenillenblonden,
ferner die blondes en persil, d. h. diejenigen, welche in ihrem Grunde kleine
Blätter in Form der Petersilie haben, endlich gibt es auch blondes des
d'application: Applikationsblonden, welche früher teils mit der Maschine
und in Verbindung von Klöppelei und Stickerei hergestellt wurden. Fausses
blondes nennt man im allgemeinen die mit offener Seide ausgenähten Seiden-
tüllstoffe oder auch solche mit eingewirkten Mustern, wobei die Bobbinnetm aschine
Anwendung findet. Die italienischen B. werden am häufigsten in Venedig und
Genua gefertigt; Spanien bezieht B. in grossen Mengen aus Paris und Le Puy;
an deutschen B. sind namentlich die des Sächsischen Erzgebirges zu nennen
(vgl. Spitzen).
Bludenz, Stadt in Vorarlberg : Baumwollenspinnereien, Bleicherei, mechan.
"Weberei.
Blumlyleinwand ist der schweizer Name der früher im Kanton Bern
gewebten und durch Modeldruck gemusterten Zwilliche mit ausgesparten weissen
oder blauen und roten Blumen.
Blyant, blyat oder pliat, Name eines Seidenstoffes, der in einem deutschen
Wörterbuche aus dem Jahre 1482 als „byssus jacinthus, edel seyden gewandt"
aufgeführt und in den späteren Kommentaren der Minnegedichte kurzweg als
„kostbarer Seidenstoff" bezeichnet wird.
Bobbinnet (franz. : tulle anglais ; engl. : bobbin net) , Bobinet , Spitzen-
grund, Bobinetspitzen, englischer Tüll, Bezeichnungen für spitzenartige Gewebe,
welche auf der Bobbinnetmaschine (s. d.) hergestellt sind; sie geben eine Nach-
ahmung des geklöppelten, auch genähten Spitzengrundes in dem sogen. Waben-
oder Bienenzellenmuster wieder, welches aus sechseckigen Löchern oder Maschen
besteht. B. erscheint platt oder gemustert in den verschiedensten Arten; die
glatte Ware nennt man auch Quillings oder Plaitings; gemusterte B. ahmen
täuschend die points d'Alencon nach. B. hat die Eigenschaft, durch Heraus-
ziehen von Kettenfäden in Streifen zu zerfallen, welche dichte Kanten und
Zäckchen haben und dadurch zu Besatzspitzen werden. Der bedeutende Handel
in B. erklärt sich dadurch, dass er den grössten Teil der früher gebräuchlichen
Baumwollengaze^ der handgeklöppelten, gewebten und gewirkten Spitzen verdrängt
hat. B. wird vorzüglich in England (seit Anfang des 19. Jahrhunderts) und
Frankreich, jetzt auch in Oesterreich und Belgien hergestellt.
Bobbinnetmaschine, die künstlichste Webmaschine, ist für glatten Bobbinnet
(s. d.) zuerst in den Jahren 1808 und 1809 von John Heathcoat in Nottingham
konstruiert und wurde 1816 oder 1820 im franz. Depart. Calais nachgeahmt. In
Sachsen hatte sich der Weber Schönherr in Plauen und die Wirker Pupf und
Berthold zu Neukirchen Mitte der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts selbständig
mit der Erfindung und dem Bau einer B. beschäftigt und es wurde auch mit
Unterstützung der sächsischen Regierung im Jahre 1830 in Harthan bei Chemnitz
ein grosser Betrieb für Herstellung von Bobbinnet eingerichtet; aber schon im
Jahre 1838 musste das unter der Firma Sächsische Bobbinnetm anufaktur um-
gewandelte Aktienunternehmen der englischen Konkurrenz weichen. Erst im
92 Bobine — Bochara.
Herbst 1879 hat die Herstellung von gemustertem Bobbinnet (engl. Tüllgardinen)
in Sachsen wieder Aufnahme gefunden.
Literatur: A. TJre, Cotton Manufacture of Great Britain (2 Bd.,
Lond. 1836; neue Aufl. 1861; deutsch Weim. 1837; 2. Ausg. 1842); S. Fer-
guson, Histoire du tulle et des dentelles mecaniques en Angleterre et en France
(Par. 1862); W. Felkin, A history of the machine-wrought hosiery and lace
manufactures (Cambridge 1867); C. Müller, lieber Bobbinnetmaschinen mit
Jacquard (im „Civilingenieur" 1884); M. Kraft, Studien über mechan. Bobbinnet-
und Spitzenherstellung (Berl. 1892).
Bobine (franz.: bobbine ; engl.: bobbin), die Spule in der Maschinen-
spinnerei ; auch soviel wie Kötzer : der birnförmige Körper, der aus dem G-arn
beim Aufwickeln auf die Spindeln der Mulemaschine gebildet wird.
Bobinoir, Vorspinnmaschine für Kammgarn und Seide; in der Weberei
das Spulrad oder die Spulmaschine zum Aufwickeln der Kette.
Böblingen, Oberamtsstadt in Württemberg: Spinnerei, mechan. Trikot-
weberei, Fabrikation von Tuch, halbwollenen und halbleinenen Zeugen.
BÖbrka, Stadt in Galizien : Kunstweberei, Leinenhandel.
Boccadillos, spanischer Name einer aus Schlesien nach Spanien und Süd-
amerika versandten weissgebleichten Leinwand , die auch unter dem Namen
Platilles simples, einfache Platilles vorkommt und in Schlesien jauerische Lein-
wand hiess. Sie ist sehr dünn gewebt, durchsichtig und daher billig, steif gestärkt ;
dient in den Kolonien zu Negerhemden, Totentüchern u. dergl.
Boccage, eine Gattung Leinwand, damastartig, welche zu Servietten im
franz. Departement des Calvados gewebt wird.
Boccassini, weisse, ziemlich feine baumwollene Zeuge, musselinartig leicht
gewebt, in Natolien und Morea gefertigt.
Bochara, Bokhara, Buchara, Khanat in Turkestan, mit gleichnamiger
Hauptstadt, welche früher unter der arabischen Herrschaft als Mittelpunkt
orientalischer Wissenschaften galt. Bisher nur Hausindustrie, jetzt aber Ver-
wertung der Seide in grösseren Spinnereien an Ort und Stelle ; es werden Stoffe
und Teppiche erzeugt. Der Handel durch Karawanen von jeher stark entwickelt;
namentlich kommen Baumwolle und Seide zur Durch- und Ausfuhr, Baumwollgarn
und Baumwollwaren , Seidenzeuge , gefärbte Lämmerfelle aus Bussland zur
Einfuhr. Bochara- oder Bokharateppiche kommen in grösster Mannig-
faltigkeit nach Europa. Dem von E. v. Kuczynski für den Katalog der Teppich-
ausstellung in Wien 1891 gegebenen Bericht entnehmen wir:
Im Grundtone (rot oder rotbraun, sehr grell) stimmen sie alle mehr oder
weniger überein, die Einzelheiten der Zeichnung wechsein jedoch fast in jedem Stück.
Dennoch lassen sie sich von den eigentlich turkmenischen (s. d.) dm'ch das fast
durchweg reichhch vorkommende Ockergelb, durch den langhaarigen Flor, sowie in
der Zeichnung, endlich durch die Menge von phantastischen Figuren auseinanderhalten,
welche nach Simakoff (L'Art de l'Asie Centrale, St. Petersbourg, 1883) sämtlich auf
die in den dortigen Steppen lebenden giftigen Insekten, den Skorpion und die Tarantel,
zurückzuführen sind. Im Gegensatz zu den übrigen orientalischen Teppichbezeichnungen
heissen die langhaarigen bokharischen Teppiche mit weicher Oberfläche in den dortigen
Gegenden Kilim (s. d.) ; z. T. werden dieselben von den in der 2sähe des Urmitan-
passes überwinternden Oezbegen hergestellt. Die B. sind ganz aus Wolle in Wolle
geknüpft und haben vielfach auch einen seidenartigen Glanz; „die Oezbegen ziehen,"
wie Robinson TEastern carpets, London 1882 u. 1893) erwähnt, ..die schönste Wolle,
da sie ihre Schafe mit grosser Sorgfalt pflegen, sie unter Obdach halten und sie sogar,
wenn sie der Witterung ausgesetzt sind, in Kotzen (das sind starke, wollene Decken)
einhüllen wie wir die Pferde." Das Gewebe dieser Teppiche ist ziemlich locker: es
kommen ungefähr 6 — 700 Knüpfuugen auf 100 qcm; die Knüpfung geht nach Schema IV
und auch nach Schema III (vgl. den Artikel Knüpfteppiche : ,, Technisches ")( Die
bokharischen T, kommen in allen Grössen vor , auch Gebetteppiche (s. d.) sind
vorhanden. Die Raumeinteilung im Innengrunde ist in der Regel eine geometrische.
Auch erscheint sie durch abgetreppte Zickzackbänder hervorgebracht, die von Schmal-
seite zu Schmalseite laufen und in ihrer helleren Eärbung auf dem indischroten
Grunde dem Ganzen ein geflammtes Aussehen geben , das unmittelbar an die ähnlich
gemusterten Seidenstoffe von Samarkand (s. d.) erinnert. Die Motive sind teils geo-
metrischer Xatur, teils vegetabilischen Ursi^rungs, aber auch in letzterem Falle von
Bocholt— Böhmen. 93
geometrischer StihsieruDg. Oft hält es schwer, die Bedeutung einzelner, besonders
phantastisch gestalteter Motive zu ergründen. Mit den von langstieligen Haken um-
ränderten oblongen Motiven pflegt der dortige Arbeiter, wie schon bemerkt, die Vor-
stellung von Skorpionen und Taranteln zu verknüpfen. Charakteristisch für bokharische
Gebetteppiche ist die Gestalt der JsTische. Diese schliesst nämlich mit dem Spitzgiebel
nicht definitiv ab , sondern setzt sich in Form eines schmalen Halses , dann aber in
einem annähernd kreisrunden Anhängsel nach oben fort. Dieses Anhängsel lässt sich
historisch aus dem Hufeisenbogen (s. arabischer Stil) ableiten, der dann als Bekrönung
der Nische zu denken wäre. Die Gesamtsilhouette dieser bokharischen Gebetnischen
erinnert aber auch an die türkischen Grabsteine mit dem aufgesetzten Turban. Ueber
letzteren erhebt sich ferner in der Regel eine Doppelvolute , die an Insektenfühler
erinnert und vielleicht mit jenen oben erwähnten, der Phantasie der dortigen Teppich-
knüpfer vorschwebenden Tieren in Verbindung gebracht werden darf. Von den Farben
ist insbesondere das Indischrot für ßokharateppiche charakteristisch ; als Grundfarbe
erscheint es regelmässig verwendet. In den Motiven findet sich häufig ein Englischrot
und dann ein Ockergelb ; alle diese drei Farben zusammen erzeugen eine gewisse
Gesamtwirkung. Der gewirkte Verstoss an den Schmalseiten der B. ist in der Regel in
blossen Streifen gemustert. (Vgl. Teppiche.)
Bocholt oder Bochold, auch Bockholt geschrieben, Stadt im preuss. Keg.-
Bez. Münster : bedeutende Baumwollenspinnereien, berühmte Barchent- und Baum-
wollwebereien, Fabrik grober Wollzeuge; Färbereien und Bleichereien.
Bocqueralen hiessen früher die zu Hamburg gefertigten Futterleinen.
Bodenwerder, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Hannover: Kunstwollfabrik,
"Wollgarnspinnerei.
Bodiasse, chinesische, gewöhnliche Seide.
Bodmin, Hauptstadt der engl. Grafschaft Cornwall : Wollindustrie.
Bogensaum oder Ziersaum , entsteht an leichten Stoffkanten durch Ein-
biegen derselben um 2 — 3 cm nach innen; zieht man die dann nach auf- und
abwärts gemachten Vorstiche zusammen, so bilden sich kleine Bogen im Stoffe,
welche noch ornamentaler wirken, wenn man zu den Stichen andersfarbige Seide
oder Garn als die des Grundstoffes wählt (s. Ziersaum bezw. Ziernaht).
Bogorösdsk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Moskau; grosse Woll- und
Seidenfabriken ; Anfertigung von Tuchen, Baumwollstoffen.
Bohain, Hauptstadt im Arrond. St. Quentin des franz. Depart. Aisne:
Seidenfabrikation, Färbereien, Kaschmir-, Gaze- und Baregesfabriken.
Böhmen. Die Textilindustrie lieferte 1890 Waren im Werte von
212 685 Mill. Guld. In der Leinenindustrie haben die Spinnereien besonders in
Trautenau beträchtlich zugenommen. 1890 standen in B. 22 Spinnereien mit
243 000 Spindeln in Betrieb, welche 490 000 Schock Garne im Werte von
18,65 Mill. Guld. erzeugten. Die Zahl der Webestühle für Leinen- und Halb-
leinenindustrie betrug in 48 Fabriken 8305 Hand- und 996 mechan. Stühle mit
einer Produktion von 9,65 Mill. Guld. Die Tuch- und Schafwollenindustrie^
vornehmlich in und um Reichenberg, hat im fabrikmässigen Betriebe eine grosse
Ausdehnung erlangt, ist aber als Handwerk dem Verschwinden nahe. Eine
Spezialität bilden die türkischen Kappen (Fes), welche zu Strackonitz fabriziert
werden. In gemischten Stoffen ragen insbesondere Asch, Aussig und Warnsdorf,
ersteres zugleich in der Strumpfwirkerei, hervor. Die Zahl der Streichgarn-
spinnereien betrug 1890: 90 mit 150 000 Feinspindeln und einer Produktion im
Werte von 16 Mill. Guld. ; jene der Kammgarnspinnereien 6 mit 127 984 Spindeln
und 9 949 500 Guld. Die Streichgarnweberei beschäftigte 69 Fabriken mit 6244
Arbeitern und 2093 mechan. Stühlen, welche für 13,23 Mill. Guld. erzeugten; die
Kammgarnerzeugnisse 62 Fabriken mit 26 313 Arbeitern, 9713 einfachen und
3523 mechan. Jacquardstühlen und 26,63 Mill. Guld. Produktion. In der Baum-
wollenindustrie ist die Spinnerei (1890) in 81 Fabriken mit 17 067 Arbeitern
und 1 255 931 Spindeln vertreten, welche 27 790 t Garne und Zwirne im Werte
von 28,12 Mill. Guld. erzeugten. Die Baumwollabfallspinnerei (31 Fabriken
mit 52 752 Spindeln) erzeugte 7840 t im Werte von 3,54 Mill. Guld. Die Baum-
wollenweberei hat nunmehr zum grossen Teil den Maschinenbetrieb aufgenommen
und beschäftigt in 274 Fabriken 50 085 Arbeiter, 14 800 Hand- und 35 000 mechan.
Stühle mit einer Produktion von 3,72 Mill. Stück und 420 000 m im Werte von
94 Böhmische Schocke — Bombasin.
57,12 Mill. Guld. Durch den Appreturverkehr gewann letztere einen Markt in
Deutschland, da es deutschen Druckereien gestattet war, die aus Oesterreich
bezogenen Gewebe in bedrucktem Zustande zollfrei nach Oesterreich einzuführen.
Was die Weberei hierdurch gewann, hat die Druckerei eingebüsst, die nach dem
Eingehen der kleinen Fabriken nur noch 19 allerdings bedeutende Etablissements
zu Prag und Kosmanos mit 4016 Arbeitern zählt. Ausserdem haben in der
Textilindustrie noch einige Bedeutung die Seidenweberei (1890 : 20 Fabriken
mit 2 124 000 Guld. Produktion) , die Jutemanufaktur (10 Fabriken mit 3000
Arbeitern und 1,43 Mill. Guld.), 53 Färbereien mit 3129 Arbeitern, 76 Appretur-
anstalten mit 3880 Arbeitern und die Wirk- und Strickwarenerzeugung (61 Fabriken
mit 6330 Arbeitern und 3,96 Mill. Guld.). Die Hausindustrie des böhmischen
Erzgebirges liefert Spitzen aus Graslitz und Grossengrün, Wirk- und Posamentier-
waren aus Weipert; einzelne Zweige, wie die Spitzenindustrie, sind durch
Fachschulen gehoben worden. Neu hinzugetreten ist die Sammetweberei in
Schmiedeberg.
Böhmische Schocke, gewöhnliche Leinwand aus Böhmen, welche für den
Druck in Stücken von 60 Ellen verkauft wurde.
Böhmisch-Leipa, Stadt in Böhmen: Flachsgarnspinnerei, B,otgarnfärberei,
Sammetweberei.
Böhmisch-Skalitz, Stadt in Böhmen : Baumwollspinnerei, mechan. Färberei.
Böhmisch-Trübau , Stadt in Böhmen: bedeutender Flachsbau, Flachs-
spinnerei, Leinenweberei 5 Leinwand- und Garnhandel.
Bohnerfries, eine wohlfeile Sorte Fries (s. d.), welche infolge der härteren
Wolle, aus welcher sie hergestellt, zum Auffrischen für Fussböden verwendet wird.
BojanÖWO , Stadt im preuss. Beg.-Bez. Posen : Tuchfabriken , Flachs-
h ereitungsanstalt,
Bokas, Gattung baumwollener blauer und weisser Tücher aus Surate.
Bolbec, Hauptstadt im Arrond. Le Havre des franz. Depart. Seine-
Inferieure: Baumwollspinnerei und -druckerei, Kattun- und Wollweberei, Plüsch-
und Spitzenfabriken ; Cretonne- oder Leinwandniederlagen. Beträchtlicher Handel
mit Baumwoll- und Seidenwaren.
Bolbees, rohe und weissgebleichte Leinen aus der Normandie; denselben
Namen führt auch eine Art bläulich gefärbtes Leinen, welches in Frankreich als
toiles bleues en reserve bekannt ist.
Bolchen, Hauptstadt in Lothringen : Flanell Webereien, Färbereien.
Boldus sind holländische Bänder, welche zum Verpacken benützt werden.
Bolhetus (lat.), der Quast, die Troddel.
Bolivarflanell, s. Flanell.
Bolkenhain, Kreisstadt im preuss. Beg.-Bez. Liegnitz: Baumwollspinnerei
und -Weberei (1 mechan. Weberei mit 500 Stühlen und 350 Pferdestärken),
Leinenweberei (Aktiengesellschaft).
Bologna, Hauptstadt der oberital. Prov. B.: Fabrikation von Seiden-,
Leinen- und Hanfgeweben. Im 13. Jahrhundert sind hier wichtige Kokonmärkte
und Seidenhaspelanstalten nachweisbar und schon im 12. Jahrhundert wird von
l)lühender Seidenindustrie berichtet, die durch Vervollkommnung auf dem Gebiete
der Spinnerei weltberühmt war.
Bologneser Flor oder bononischer Flor, eine Art Kreppflor von der alier-
feinsten Seide, der gewöhnlich schwarz ist und dann zu Trauerflor dient. Man
hat auch eine milchweisse Sorte (ital. : Velo), die von den Italienerinnen zu
Schleiern Verwendung findet.
Bombanasfaser, Bippen und Blätterfasern der Panamapalme; Flecht-
material für feine Hüte u. s. w.
Bombar, s. Baumwolle.
Bombasin (franz.) (engl. : bombazet, vom lat. bombycinus , seidenartig),
Bombaset , Bombasine , Bomesine , Bombazeen ; unter diesem Namen kommen
mehrere, unter sich sehr verschiedene Gewebe in den Handel; ursprünglich ist
es ein seidener, ungeköperter Stoff, welcher in Mailand, Como u. a. 0. Ober-
italiens verfertigt und zu Unterfutter verbraucht wurde ; nach und nach machte
' Bombast — ßonteet rooke Streep. 95
man denselben aus Kamelhaar, aus Wolle und Seide und jetzt wird er fast
allgemein nur aus Schafwolle als glattes oder geköpertes Zeug gewebt. Es
gehören eigentlich auch die Alegines, Caschirairiennes und die Pondicherys dazu,
der Unterschied besteht nur darin, dass die Organsinkette für letztere Arten
ausgekocht (purgiert) wird. TJebrigens sind die Bombasinstofife vielfach durch
die sog. Tibets verdrängt worden.
Bombast (engl., vom mittelalterlichen bombax, d. h. Baumwolle), ursprüng-
lich Zeugstoif zum Auswattieren.
Bombax, L. Wollbaum, Pflanzengattung aus der Familie der Malvaceen
mit 10 tropischen Arten. Wird in Südamerika und Westindien zu Polstern
verwendet. In den europäischen Handel kommt B. als Pflanzendunen oder Ceiba-
wolle und dient zum Ausstopfen von Betten.
Bombay, Hauptstadt der Präsidentschaft des Kaiserreichs Indien: be-
deutende Baumwollenindustrie.
Bombayhanf, s. Gambohanf.
Bombazet, in Frankreich ein glatter Stoff" von hartem grobem englischem
Kammgarn.
Bombykien (bombycinae vestes), durchscheinende feine Gewebe wie coae
vestes (s. d.), welche im frühen Mittelalter aus heimischer Seide in Rom ge-
macht wurden,
Bombykometer (griech.: Seidenmesser), Garntafel, eine zur Ermittelung
der Feinheit, insbesondere der Baumwollengespinste dienende Tabelle, nach der
die betreffende Garnnummer aus dem Gewicht eines Strähns oder Schnellers be-
stimmt wird. Die Garnnummer gibt an, welche Länge des betreff"enden Garns
genommen werden muss, um die Gewichtseinheit zu erfüllen : bei dem gegen-
wärtig allerwärts angestrebten metrischen Numeriersystem, wieviel Meter auf
ein Gramm, oder wieviel Kilometer auf ein Kilogramm gehen.
Bombyx, Seidenspinner, s. Seide und Seidenzucht.
Bomesine, s. Bombasin.
Bonefize (Bohnseiss, Knochenschlichte), flüssig bleibende Schlichte für Garn
bei der Tuchweberei ; wird aas Tierkadavern durch Auskochen mit Wasserdampf
in verschlossenen Apparaten erhalten und besteht aus leimhaltigem Fleischextrakt.
Bone lace (engl.), Knochenspitze, in Inventarien der Königin Elisabeth
(1558 — 1603) erwähnt, wo der Ausdruck als Klöppelarbeit aufzufassen ist, weil
vor Erfindung des Holzklöppels dünne Knochen zum Aufwickeln des Garns ver-
wendet wurden.
Bonitur (vom lat. bonus, gut), im Wollhandel die kunstgerechte Beur-
teilung eines Yliesses mittels technischer Ausdrücke und Zeichen.
Bonndorf, Hauptstadt im bad. Kreis Waldshut: Musselinstickerei.
Bonne-femme (taff'etas-ä la), besondere Art französischer Taö'et, schwarz,
ohne Glanz und Appretur.
Bonnetable, Hauptstadt im Arrond. Mamers des franz. Depart. Sarthe :
Baumwollweberei, Fabrikation von Beuteltuch und Taschentüchern.
Bonnet de Turquie, s. Fez.
Bonnetterie nennt man in Frankreich alle gestrickte und gewirkte Waren,
sowohl von Seide, als auch von Wolle, Baumwolle und Leinen; bonnetier =
Mützenmacher, Strumpfwirker.
Bonnettes, s. Segelleinen.
Bonneval, Hauptstadt im Arrond. Chäteaudun des franz. Dep. Eure-et-
Loire : Baumwollspinnerei und -weberei.
Bönnigheim, Stadt in Württemberg: Seidenzwirnerei und -färberei (über
500 Arbeiter).
Bontaues, baumwollene Decken oder Schürzen mit roten Streifen, welche
die nach Afrika handelnden Völker früher im Königreich Kantor, am Gambia,
tauschten und wieder vertauschten ; später wurden sie von europäischen Fabriken
in den afrikanischen Handel gebracht.
Bonteet rooke Streep, eine Gattung streifiger Bettleinen, welche in Fries-
land gewebt und besonders nach Amerika und Westindien ausgeführt wurden.
96 Bonten — Bosnien.
Bonten, Handelsname für sogenannte Matrosenleinwand: grobe Ware,
gewöhnlich blau- und weissgewürfelt oder kariert; auch gleiche Musterung in
rot und weiss.
Bookjes, s. Bockleinen.
Books oder Bückmusselin, englische, leichte und durchsichtige Gewebe
von ganz feinem Baumwollengarn, eine Nachahmung der französischen Linons.
Bordat, starker und grober Baumwollenstoff aus Kairo, Alexandrien und
Damiette, zur Kleidung der ärmeren Bevölkerung.
Bordati heisst eine Art Gewebe, von Seide und Baumwollengarn aus
Genua; es gibt glatte, geblümte, atlasartige, gestreifte u. s. w. Eine Sorte
dieser Zeuge brauchen die Orientalen zu Gürtelstoffen.
Bordeaux, Hauptstadt des franz. Depart. Gironde : Woll- und Baumwoll-
spinnereien, Fabrikation in Decken und Teppichen.
Borden, Borten (franz. : bordures, galons, passements ; engl. : welts, edges,
trimming, laces; span. : bordes; ital. : galloni), sind gleich den Bändern (s. Band)
schmale Gewebe verschiedener Gattung. Die Grenze zwischen beiden ist stilistisch
kaum scharf zu ziehen ; indessen unterscheidet man im Sprachgebrauch gewöhnlich
nach der Beschaffenheit der Ware so, dass zu Bändern leichtere Gewebe und
zu den Borten solche Besätze gerechnet werden, welche aus dickerem Material,
besonders aber aus Metallgespinsten gefertigt sind : sie gehören daher mehr oder
weniger zu den Posamentierarbeiten, welche zum Besetzen von Kleidungsstücken,
gewebten Tapeten, Polstermöbeln u. s. w. Verwendung finden.
Bordürenstoffe werden im Handel Gewebe mit abgepassten Mustern für
Behangstreifen, Lambrequins u. dergl. genannt.
Borghorst, Dorf im preuss. E-egbez. Münster: zwei grosse Baumwoll-
spinnereien (55 600 Spindeln), 6 Baumwollen- und Halbleinenwebereien (1400
Stühle) ; Färberei.
BorgO di Val Sugana, Marktflecken und Hauptort im Suganatale : Seiden-
filaturen.
BorgO San Donnino, Hauptort in der ital. Prov. Parma: Seiden- und
Hanfspinnereien.
Borken, Kreisstadt in Westfalen: 4 mechanische Webereien (300 Stühle,
275 Arbeiter, 50000 Stück jährliche Produktion).
Borowitschi, Kreisstadt im russ. Gouvernement Nowgorod: Leinwand-
färberei und -druckerei; Handel mit Leinwand.
BÖrowsk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kaluga: Seiden- und Segel-
tuchfabrik.
Borrat, schwarzer Baumwollenstoff, ehedem in Sachsen gefertigt, dem Berkan
ähnlich.
Borre, eine Art ostindischer baumwollener Gewebe oder Nesseltücher.
Borte, s. Borden.
Bortenwirkerei, s. Bandwirkerei und unter Köln und Palermo.
Bortenwirkstuhl, s. Bandmacherstuhl und Posamenterie.
Boskowiz, Stadt in Mähren: Woll- und Baumwollindustrie,
Bosnien, mit der Herzegowina nominell das nordwestlichste Yilajet des
Osmanischen Reiches in Europa: einheimische Industrie von Leinen- und ge-
wöhnlichen Wollenzeugen, welche im eignen Lande verbraucht werden. Hin-
gegen hat es sich die österreichisch-ungarische Verwaltung angelegen sein lassen,
die aus dem Orient herübergekommene Teppichindustrie, welche einst hier ein
blühender Zweig kunstgewerblicher Tätigkeit war, zu einem neuen Aufschwünge
zu verhelfen. Der alte bosnische Teppich ist auf äusserst einfachen Web-
stühlen gewirkt, die nur eine Breite von etwa 40 cm haben, so dass ^ur Her-
stellung breiterer Teppiche dieselben aus Streifen zusammengenäht wurden, was
die bosnischen Arbeiterinnen nicht ohne Geschick zu machen verstanden. Bos-
nische Teppiche wurden übrigens früher nicht nach dem Mass, sondern
nach dem Gewicht verkauft. Die Musterung der bosn. Teppiche besteht aus
geradlinigen Motiven, wie sie die grobe Schlitzwirkerei zur Darstellung
bringt (s. Kilim).
Boston — Bourrette-Industrie. 97
Boston, Hauptstadt des nordamerikanischen Staates Massachusetts und des
County Sutiolk: nach Neuyork der bedeutendste Ein- und Ausfuhrhafen der
Union: bedeutender Handel mit Asien. Ein- und Ausfuhrartikel, besonders
Baumwolle; Herstellung von Männerkleidern: jährlich etwa für 24 Mill. Doli.
Bota, Betsche bota, persische Bezeichnung für das auf den Knüpfteppichen
vorkommende Palmwipfelmuster (s. d.).
Boublins, Bublins , dichter geköperter Baumwollenstoff, blau und grün
changierend, welcher in Böhmen zu Sommerkleidern für Polen und Galizien ge-
webt wird.
Boucassine, französische Steifleinwand und ein grober Zwillich.
Bouche, französischer leinwandartig gewebter feiner Wollenstoff, ungefärbt,
in der natürlichen gelben Farbe, für den Handel nach Spanien und Italien ver-
fertigt, wo er von den Geistlichen, die nach ihrer Ordensregel keine Hemden
tragen dürfen, gebraucht wird.
Bougrams, Bougran oder Bougassin, eine Art grober Steifleinwand,
welche man in die Kleider unterfüttert, um denselben einen Grad von Haltung
zu geben.
Bouillon oder Cantille (franz.: bouillon, canntelle ; engl.: bullion, purl;)
ein zu Stickereien, Borden, Fransen, Epaulettes u. dergl. verwendetes Fabrikat,
w^elches aus feinem, spiralig gedrehtem Gold- und Silberdraht besteht. Ein ver-
wandtes Stickmaterial ist der geglättete Draht oder das Lahn (franz. : lame d'or
ou d'argent; engl.: tinsel, flatted wire), woraus man auch die sogenannten Glanz-
kantillen herstellt.
Boulanges de Campos, eine Art Serge, die in Frankreich gewebt wird;
sie führt den Namen von der spanischen Camposwolle und wird auch Carise
oder Tiretaine genannt.
Boulogne-Sur-Mer, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Pas-de-
Calais : Flachsspinnereien, Posamentenfabriken.
Boulogne-Sur-Seine, Stadt im Arrond. St. Denis des franz. Depart. Seine :
Leinwandbleichen mit 400 Waschhäusern.
Bouloires heissen einige Sorten französischer Leinenstoffe nach dem gleich-
namigen Dorfe im Departement der Sarthe, wohin sie die Landleute aus der
umliegenden Gegend zu Markte bringen.
Bourbon, afrikanische Baumwollsorte.
Bourdaloue, französische,, gemusterte Leinwand oder Zwillich, mit ver-
schiedenen geometrischen Mustern, oft auch damastartig gezogen; sie wird zu
Tischtüchern und TJeberzügen verbraucht.
Bourdonys, Wollenstoffe, welche ehemals aus Gera kamen.
Bourg-de-Peage, Hauptstadt im Arrond. Valence des franz. Depart.
Drome: Seidenindustrie.
Bourg-en-Bresse, Hauptstadt des franz. Depart. Ain : bedeutender Handel
mit Spitzen.
BourgOgne, berkanartiges glattes Zeug von Abbeville.
Bourgoin, Hauptstadt im Arrond. La Tour-du-Pin des franz. Depart. Isere:
Seidenfilaturen, Stoffdruckerei; Handel in Leinen- und Wollwaren.
Bourme, eine Sorte persischer Rohseide.
Bourre, beste Gattung der Abfallseide, welche beim Haspeln, Spulen,
Putzen und Mulinieren der Rohseide gewonnen wird; sie kommt namentlich in
englischen Spinnereien zur Verarbeitung. Bourszeuge werden hiernach in Frank-
reich mehrere Gattungen unter sich verschiedener Gewebe genannt, deren Güte
durch Nebenbenennungen unterschieden ist. Auch weiss gestreifte Baumwollen-
zeuge aus Kleinasien kommen unter dieser Bezeichnung in den Handel.
Bourrette (franz.), flockiger Stoff' aus Seidenabfällen für Tischdecken u. s. w.
bedruckt.
Bourrette-Industrie wird jener Zweig der Seidenspinnerei genannt, bei
welcher die in der Florettspinnerei (s. d.) erhaltenen Abfälle (Bourette, Werg,
Stumba) als Rohmaterial Verwertung finden. Sie besteht seit 1855, die eigent-
liche Entwickelung fällt in die letzte Hälfte des 19. Jahrhunderts; ihre Bedeu-
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 7
98 Bourrettemasse — Brasilien.
tung und Grösse bleibt von der Ausdehnung der Florettspinnerei abhängig.
(Ygl. Silbermann, Die Seide, Bd. II. S. 90 £f. Dresden 1897.)
Bourrettemasse, Abfall aus der Bourretteindustrie (s. d.), findet als Packungs-
und Isoliermaterial Verwendung; auch als Füllung für die Pujffer der Eisen-
bahnwaggons.
Bourrette-Seide oder -Garn dient als Ersatzmittel für die Florettseiden
(s. d.) und findet hauptsächlich als Einschlag für alle bilhgeren Artikel Ver-
wendung, wie für Möbelstoffe, Decken, Kleiderstoffe, Druckfabrikate u. s. w.
Ferner wird dieses Material für Stückpatronen der Geschütze und in Frankreich
für das Artillerie-Asbestzeug als Einschlag benützt (s. a. Bourrette-Industrie).
Boutanes, eine Art Dimiti oder geköperter Baumwollenstoffe, die von den
Inseln Cypern und Ohio nach Marseille gebracht werden.
Boutonniere, point de (franz.), Knopflochstich, durch den der Grund in
Nadelspitzen hergestellt wird.
Boy, Boi, Boie, grober und tuchartiger lockerer Flanell aus "Wolle und
Kämlingen.
Boyau, moderne Zeugart: abwechselnd glatte Streifen aus geköpertem Atlas
und Kipsstreifen, zwischen welchen Musterung auf Taffetgrund.
Braban^onnes, werden Spitzenkanten von Antwerpen genannt.
Brabant, Landschaft des holländisch belgischen Tieflandes : von alters her
blühende Industrie, besonders in der Fabrikation von Leinen- (Brabanter Spitzen),
Baumwoll- und Tuchwaren.
Brabanter Spitzen, s. Spitzen.
Brabantes, spanischer Name verschiedener Sorten brabanter Leinwand,
welche in Flandern, namentlich in der Gegend von Gent, von den Landleuten
wöchentlich jeden Markttag zum Verkauf in die Stadt gebracht und unter dem
Namen Blaams Linnen verkauft werden.
Brabantine nennt man in Italien eine weiss gebleichte Leinwand von
verschiedener Feinheit, welche aus Holland kommt.
Bradford, Stadt in der englischen Grafschaft York : Herstellung von Woll-
garn und Ötoffwaren. Die Industrie beruhte im Mittelalter auf Tuchmanufaktur ;
gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Kammgarnspinnerei eingeführt, die
seit Erfindung der Dampfmaschine alle anderen Betriebszweige in den Hinter-
grund drängte. Seit 1833 ist durch Sir Titus Salt das Alpaka, bald darauf
auch das Mohair eingeführt. Die Saltaire-, Alpaka- und Mohairspinnerei an
der Aire, 5 km von B., beschäftigt über 3000 Arbeiter. Durch S. C._ Lister
nahm auch die Seiden- und Velvetfabrikation grossartigen Aufschwung. Die
von ihm errichteten „Mauningham Mills" gehören zu den bedeutendsten Englands.
Braga, Hauptstadt in der portug. Prov. Minho : bedeutende WoU- und
Leinenwebereien.
Bragan^a, Hauptstadt in der portug. Prov. Traz oz Montes : viele Taffet-
und Sammetwebereien.
Braintree, Stadt in der englischen Grafschaft Essex: bedeutende Seiden-
manufaktur.
Bramsche, Ort im preuss. Regbez. Osnabrück: Baumwoll-, Wollwaren und
Leinwan dfabrikation.
Bran, eine Sorte russischer Schetterleinwand ; auch Kleanka im russischen
Handel genannt.
Brand, Stadt bei Freiberg in Sachsen: Gold- und Silberspitzenklöppelei;
seit 1887 eine Klöppelschule.
Brandenburg, Stadt im preuss. Regbez. Potsdam: Fabrikation von Woll-
und Seidenwaren; Tuchmanufakturen. Die Domkirche, um 1170 erbaut,^ enthält
eine grosse Sammlung mittelalterlicher Messgewänder, darunter das Gewand des
Schwanenordens (s. d.).
Brandeum (lat.) , ein seidenes oder leinenes Tuch, insbesondere zum Ein-
hüllen und Angreifen der Reliquien.
Brasilien, ausgedehnter Staat in der östlichen Hälfte von Südamerika:
bedeutende Baumwollenindustrie; fertigt Spitzen in ganz selbständigem Stil nach
Brauls — Brettchenweberei. 99
den aus Portugal uud Madeira eingeführten Waren (s. Spitzen , insbesondere
Solspitzen).
Brauls, Brawels, auch Chiadder-Boraals, baumwollene, weiss- und blau-
gestreifte ostindische Tücher oder locker gewebte Kattune, im Handel nach den
afrikanischen Küsten, wo sie die Bewohner zum Einhüllen des Kopfes, sowie
zum Ueberzug des Turbans gebrauchen, weshalb sie oft unter dem Namen
Turbans (s. d.) vorkommen.
Braunau, Stadt in Böhmen: bedeutende Tuchmacherei, Wollindustrie; in
der Nähe zwei Baumwollwarenfabriken.
Braunsberg, Kreisstadt im preuss. Reg. -Bez. Königsberg: ehemals wurde
viel Garn erzeugt, auch Tuch- und Leinenweberei getrieben.
Braunsberg, Stadt in Mähren: bedeutende Schafwollindustrie.
Braunschweig, Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums B. : Fabrikation
von Wollwaren. Das Herzogliche Museum in B. (Direktor: Prof. Dr. P. Meier),
gegründet 1755, enthält eine Reihe frühmittelalterlicher Messgewänder, Stoffe
und Stickereien (etwa 300 Nummern). (Vgl. Stoffsammlungen.) Das Vater-
ländische Museum, gegründet 1890 im Anschluss an die Ausstellung vater-
ländischer Erinnerungen aus den Jahren 1806 — 15, enthält Trachten und sonstige
Textilien kirchlicher und profaner Art.
Brauweiler, Dorf im preuss. Reg. -Bez. Köln: In der romanischen Kirche
werden frühmittelalterliche Gewänder aufbewahrt; bekannt ist das Gewand des
beil. Bernward.
Breannes, eine französiche, locker gewebte, weissgeb leichte Leinwand,
die wie die Brionner zugerichtet ist und als solche verkauft wird.
Brechin, Stadt in der schottischen Grafschaft Eorfar: Segeltuch- und
Leinenindustrie.
Breda, Stadt in der niederl. Provinz Nordbrabant : bedeutende Tuch- und
Teppichfabriken.
Bregenz, Hauptstadt von Vorarlberg: Baumwollspinnerei und -weberei,
Fabrikation von Seidenfoulard.
Bremen, freie Hansestadt : Jutespinnerei und -weberei; Baumwollspinnerei
und -Weberei.
Bremergarn, s. Leinengarn.
Bremer Linnen . werden im Handel mehrere Sorten westfälischer Lein-
wand genannt, welche roh nach Bremen geliefert, dort appretiert und als
Rosenlinnen, Cannamosas, Casserillos nach Spanien und Amerika verkauft werden.
Brenne, leichter AVollenstoff, zuweilen mit seidenen Streifen, welcher früher
aus Frankreich kam.
Breslau , Hauptstadt der preuss. Provinz Schlesien : Baumwoll- und
Kammgarnfabriken; Teppichindustrie. Schlesisches Museum für Kunst-
gewerbe und Altertümer, gegründet 1891, (Direktion: Prof. Dr. K. Massner,
Dr. Hans Seger) enthält eine umfangreiche Stoffsammlung, deren mittelalter-
liche Gewebe und Stickereien den dortigen Kirchen entstammen.
Breslauer Ballen wurden früher sehr verschiedene Sorten schlesischer
Leinwand genannt, deren Hauptmarkt Breslau war.
Brest, Hauptstadt im franz. Depart. Finistere : Fabrikation von wasser-
dichter Leinwand; Wollhandel.
Bretagnes, eine der gangbarsten Sorten weissgebleichter Leinwand nach
gleichnamiger französischer Provinz , wo sie ursprünglich vorzüglich und in
grossen Mengen gefertigt, seit langem aber auch in Deutschland und England
nachgemacht wird.
Brettchenweberei, eine in neuester Zeit (zuerst durch Geheimrat Jakobs-
thal) wieder belebte uralte Technik, welche schmale Bänder und Fransenborten
aus Fäden herstellt, deren Kreuzung durch das Drehen von Brettchen vermittelt
wird, in welche die Längsfäden (also die eigentliche Kette) gezogen sind. Der
das Muster bildende Faden befindet sich auf einer schiffchenartigen Spule und
wird mit der Hand geführt (vergl. Margarethe L ehmann-Filhes , „lieber
Brettchenweberei", Berlin 1901). (Näheres siehe unter „Flechtband".)
100 ßriangon— Brodequins.
Brian90n, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Hautes- Alpes:
die Seidekrempelanstalt in einem ehemaligen Kloster zählt mehr als 600 Arbeiter;
ausserdem Fabrikation von Trikots und Strumpfwaren. Durchfuhrhandel nach
Italien.
Brides heissen die Yerbindungsstege in Nadelarbeiten der Spitzen, welche
zwischen den verschiedenen Einzelfiguren des Musters liegen: daher Bride-Grund
jeder unregelmässige Grund in Nadelspitzen ; bride picotee heisst ein solcher
Stegfaden, wenn er mit Zähnchen aus kleinen Maschen besetzt ist.
Bridgeport, Stadt und Hafen des nordamerikaniscben Staates Conecticut :
bedeutende Fabrikation von Strickwaren und Teppichen.
Bridgewaters sind englische leichte Tücher.
Brieg, Kreisstadt im preuss. Reg.-Bez. Breslau; Wollspinnerei, Flanell-
weberei ; Fabrikation von Tuch- und Posamentierwaren.
Briegische Leinwand, oberschlesische Hausmacherleinwand , die zwischen
Brieg und Oppeln von Landleuten gewebt und gebleicht wird.
Brighouse, Stadt in der engl. Grafschaft York : Woll-, Baumwoll-, Kamm-
garn-, Seiden- und Tapetenfabrikation.
Brihuega, Bezirksstadt in der span. Provinz Guadalajara in Neukastilien :
eine aus den Zeiten Ferdinands VI. ( — 1759) und Karls III. ( — 1788) stammende
Tuchfabrik.
Brillantgarn, ein zu Stickereien verwendetes gezwirntes Wollgarn, das in
lebhaften Farben gefärbt und hierauf mit Gold- oder Silberlahn so weitläufig
übersponnen wird, dass zwischen " den Windungen der Grundfaden deutlich
sichtbar ist. In China (s. d.) und Japan stellt man gleiches Material für Weberei
und Stickerei aus farbigen Seidenfäden her, um die das Metall (Lahn oder
gezogenes Drahtgespinst) so gewunden wird, dass die Farbe der Seide die
malerische Wirkung des dargestellten Musters erhöht: je nach der Schattierung
des Unterfadens erhält also das Gold einen grünen, roten oder bläulichen Schein.
(S. a. Brokat.) lZ4P^S'i
Brillants, englische Bezeichnung eines älteren AVollenstofi'es, der früher
zu Beinkleidern Verwendung fand.
Brillantstoff, geblümter Seidenstoff, in welchen Brillantgarn (s. d.) verwebt
worden ist,
Brillanttaffet nannte man früher einen gemusterten Taffet mit Quadraten
und Steinen, in einer Schlangenlinie zusammengesetzt, gleichsam einen Wetter-
strahl bildend.
Brins heissen mehrere Sorten festgewebter roher Leinwand, welche in
Frankreich gewebt und nach Amerika verkauft werden.
Brionnes, beliebte französische Leinwand, locker und dünn gewebt, am
meisten in gleichnamiger Stadt gefertigt.
Brioude, Hauptstadt im franz. Depart. Haute-Loire: Manufakturen in
Passem enterie, Tüll und Wollstoffen.
Brisbane, Hauptstadt der brit.-austral. Kolonie Queensland: starke Aus-
fuhr von Wolle und Baumwolle.
Britannias, unter diesem Namen werden aus der Lausitz und aus Schlesien
dicht gewebte Leinenwaren, teils gebleicht, teils roh, nach Westindien, besonders
nach der Havannah verschickt.
Britisches Museum, s. London.
Brive-la-Gaillard, Hauptstadt des Arrond. B. im franz. Depart. Correze:
Musselinwebereien ; Wollhandel.
Brixen, Stadt in Tirol: im Dom werden frühmittelalterliche Stoffe und
Gewänder aufbewahrt; bekannt ist das sogen. Adlergewand: abgebildet auf
Tafel II, 5.
Brjansk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Orel : beträchtlicher Handel
mit Hanf und Hanfgespinsten.
Broad-Cloth nennt man in England die feinsten wollenen Tücher, welche
dort für den chinesischen Markt gefertigt werden.
Brodequins (franz.) sind gestickte Strümpfe.
Broderie— Brügge. 101
Broderie (franz.), Stickerei, gestickte Arbeit, la brode, die in der
Reliefspitze vorkommende Stickerei.
Brody, erste Handelsstadt in Galizien: Geschäfte in "Wolle aus Russland,
Baumwoll- und Seidenwaren.
Brokat (von brocatto, ital., gestickt; franz.: brocart; engl: brocarde) ,
ein Seidengewebe, dessen Grund und Muster ganz oder teilweis aus Gold- oder
Silberfäden besteht ; auch schwere glatte Seidenstoffe mit farbigem einbroschiertem
Muster werden B. genannt. Die Verwendung von Metallfäden zur Weberei
stammt aus dem Orient (China ?), ihr ging die Goldstickerei und das Aufnähen
von goldenen Streifen und Plättchen vorauf (s. Goldstickerei). Anfangs, im
11. Jahrhundert n. Chr., werden schmale vergoldete Lederhäutchen verwandt,
welche im 13. Jahrhundert durch den sogen, cyprischen Goldfaden (s. d.) ersetzt
sind, der als Umwickeluug eines Leinengespinstes (s. Membran) dient. Der
gezogene Metallfaden kommt im 16. Jahrhundert aus Spanien und zwar hier
und in Italien (Genua, Florenz, Venedig) auch in prächtigen Sammettapeten
(Sammetbrokat) und Gewändern als hochstehende Oesen (s. Noppen) in An-
wendung (s. or frisee). In China und Japan braucht man in der Weberei
heut noch, so wie in alter Zeit die Lederriemchen, vergoldete schmale Streifen
aus festem Papier; nur bessere Seidenbrokate enthalten gezogene Metallfäden
als spiralig umwickelte Hülle eines farbigen Seidenfadens : eine Art, die überall
Eingang gefunden hat (s. Brillantgarn). B. wird auch als Drap d'or oder Drap
d'argent bezeichnet. (Vgl. den Artikel Broschieren.)
Brokatelle, Brocardelle, ein geringerer dicker Stoff, früher aus grober
Seide und Baumwolle, jetzt häufiger nur aus Baumwolle, welcher zu Tapeten,
Vorhängen und Decken Verwendung findet. Im 17. Jahrhundert wurde B.
gewöhnlich einfarbig aus Seide und Baumw^olle mit grossblumigem Damastmuster
besonders in Italien (Venedig, Mailand und Genua) gewebt; dasselbe hebt sich
infolge der Verschiedenheit des Materials reliefartig vom Grunde ab (s. Abb. 40).
Bromsgrove, Stadt in der engl. Grafschaft Worcester: bedeutende Grob-
leinenfabrikation.
Bromsia, eine Sorte levantinischer Rohseide.
Bronnizy, Kreisstadt im russ. Gouvernement Moskau: Baumwollweberei.
Broschieren (vom franz. : brocher, mit Seide, Gold oder Silber durchwirken)
(engl. : to stitch), in der Weberei ein Verfahren anderer Musterbildung, als sie
durch den Grund- und Lanzierschuss entsteht. Der hiernach benannte Broschier-
schuss findet Anwendung, wenn Stellen des Musters durch oft wechselnde Farben,
auch durch besseres Material (in Wolle oder Baumwolle durch Seide, in Seide
durch Gold- oder Silberfäden) besonders hervorgehoben werden sollen. Damit
nun diese Broschierschüsse, wie beim Lanzieren (s. d.) unter den anderen Stellen
des Gewebes nicht flottieren, bedient man sich der sogen. Broschierlade, die den
Schützen nur so weit führt, als die Broschierstelle gross ist. Hierdurch wird
auch bedeutendes Material erspart. B. ist also in der Weberei ein durch den
sogen. Figurschuss gleichmässig fortschreitendes Sticken; jede Broschierung
besteht nur aus einem Schussfaden, der über die Breite des Broschiermusters,
nicht aber über die ganze Ware läuft und so in der technischen Ausdrucksweise
des Webers „besondere Effekte" herstellt.
Brossage (franz.), das Bürsten (z. B. in der Tuchfabrikation) bei Ge-
weben, meist maschinell ausgeführt.
Brown Osnabrughs sind rohe ungebleichte Leinen aus starken Hanf-
und Flachsfäden, welche in Irland und Schottland gefertigt und ohne Appretur
nach Amerika gehen, sie sind den westfälischen sogen. Osnabrücker Leinenstoffen
nachgemacht.
Brown Silesia, ungebleichte feste schlesische Leinwand.
Bruges (engl.), schwerer Seidenstoff, so genannt von Brügge in Flandern.
Brügge, Hauptstadt der belg. Provinz Westflandern: Haupterzeugnisse
sind Leinen-, Woll- und Baumwollenerzeugnisse. Die Spitzenindustrie, seit dem
Anfang 'des 17. Jahrhunderts durch Klöppelei geübt, ist heut noch im Betrieb.
102 ßruieren— BuchleineD.
Spitzen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts werden in Paris unter dem Namen
Malines (s. d.) verkauft; es waren dies weniger feine grossblumige Muster.
B. war im 14. Jahrhundert Mittelpunkt des Welthandels im nördl. Europa;
seinen Beziehungen zu Italien verdankte es zu dieser Zeit schon die Einführung
der Seidenindustrie — Yenetianer und Florentiner legten hier den ersten Grund
dazu. Im 16. Jahrhundert zur Zeit Karls V. erlangte die Weberei der Seiden-
atlasse, Sammete und Goldbrokate ihren Höhepunkt (s. Flandern).
Bruieren (franz.), von bruir, das ist durchdämpfen, von Dampf durch-
dringen lassen, ein technischer Ausdruck für Dämpfen oder Ausdämpfen ; derselbe
wird nur für die Methode der Befestigung auf Geweben gebraucht, wobei die
gefärbten oder bedruckten Stoffe der Wirkung heisser Wasserdämpfe ausgesetzt
oder bruiert werden.
Bruneta, brunetum (lat.), (franz.: brünette), gefärbter Wollenstoff des
Mittelalters.
Brtinn, Stadt in Mähren, wichtigste Fabrikstadt der österreichisch-unga-
rischen Monarchie, daher das österr. „Manchester" genannt, für Schafwollen-
industrie, besonders Tuche, die europäischen Ruf haben. Yon Bedeutung ist
auch die Fabrikation von Spinnerei- und Webereimaschinen ; ferner Segeltuch-
fabrikation.
Das Mährische Gewerbemuseum (Direktor: Julius Leisching), im
Jahre 1873 zur Hebung der Kunstindustrie vom Mährischen Gewerbeverein ge-
gründet, enthält eine grosse Sammlung von Stoffen und Stickereien, deren letztere
zum grossen Teil aus modernen Erzeugnissen des Landes bestehen.
Brunnen in ornamentaler Darstellung kommen auf sarazenischen Geweben
des 13. Jahrhunderts vor, sie erscheinen in der Form von Ziehbrunnen.
Brussa, Hauptstadt des Vilajets Khodawendikjar in Kleinasien: Haupt-
erwerbszweige sind Seidenzucht, -Spinnerei und -weberei. Die Seide wird haupt-
sächlich nach Lyon ausgeführt. Auch die Baumwollkultur hat in neuester Zeit
Fortschritte gemacht. Berühmt sind die seidenen Burnusse und die baumwollenen
Bademäntel von B. ; Hafen der Stadt ist Mudania. Brussaleinen, ein in B.
gewebter lockerer, halbseidener Schleierstoff, welcher infolge der Verschiedenheit
von Kette und Schuss eine wellige Textur hat.
Brüssel, Hauptstadt des Königreichs Belgien, zugleich Hauptstadt der
Provinz Brabant und der ehemaligen österr., früher span. Niederlande : seit dem
16. Jahrhundert Hauptort für Spitzenindustrie, welche nach eingeführten Mustern
aus Italien und Spanien entstand. Es werden Klöppel- und Nadelspitzen her-
gestellt, erstere erstreben durch den breiteren, glänzenden Leinenfaden der Umriss-
linien eine ähnliche Wirkung wie die in Mecheln hergestellten. Im 18. Jahr-
hundert werden Spitzen mit vereinter Nadel- und Klöppelarbeit verfertigt
(s. Spitzen).
Brustbaum, vorderer Querbaum am Webstuhl, festliegend oder drehbar
angeordnet. Ueber dem B. geht die fertige Ware auf den Warenbaum (s. a.
Webstuhl.)
BrzozÖW, Stadt in Galizien : Tuch- und Leinenweberei, Bleicherei ; Flachs-,
Garn- und Leinwandhandel.
Bucharischer Kattun ist Basmas.
Buchau, Stadt in Württemberg: Trikot- und Baumwollwarenfabriken.
Buchbinderleinwand, soviel wie Kaliko (s. d.).
Buchholz, Stadt in Sachsen: die Hauptindustrie bildet die 1589 durch
Georg Einenkel eingeführte Posamentierarbeit mit etwa 80 Fabriken und Ver-
legern, 500 Arbeitern und 30 grossen Posamenten-, Spitzen- und Perl^nhand-
lungen.
Buchleinen (franz.: toiles ä librets; engl.: book linnen; span. : libretas ;
holländ. : bookjes) nennt man nach ihrer Legeart eine gewöhnliche, bunte Leinwand,
leicht gewebt, blau und weiss oder rot und weiss gewürfelt, gestreift oder
kariert, welche meist nur in der Oberlausitz und in den böhmischen Grenzorten
gewebt wird und nach Amerika geht.
Bucioche — ßurano. 103
Bucioche, eine der gewöhnlichen Sorten französischer Wollentücher, welche
dort für den Orient gewebt werden.
Buckingham, Stadt in der engl. Grafschaft B.: Spitzenklöppelei, Seiden-
spinnerei,
Buckskin (vom englischen buck-skin = Bockfell), ein mit verschieden-
artigen Köperstreifen oder anderen einfachen Dessins gemusterter wollener Stoff
zu Beinkleidern, nicht gerauht, aber auf der rechten Seite glatt geschoren. Die
Kette ist in der Regel ein feines festgedrehtes Gespinst, öfters gezwirnt. Der
Wohlfeilheit wegen werden auch halbwollene B. gefertigt: mit gezwirnter, baum-
wollener Kette und einfachem streichwollenem Schuss. B. zerfällt deutlich unter-
scheidbar in zwei Arten, die man Winter- und Sommerbuckskin nennt. Erstere
sind in Weberei und Zurichtung ganz wie Tuch behandelt ; durch den geköperten
Grund erhalten sie dann eine grössere Beweglichkeit als Tuch und haben aber
nicht das gedeckte, glänzende Ansehen desselben, dessen Mangel aber durch die
Weberei bedingt ist. Sommerbuckskin wird von gezwirnter Streichgarn-
werfte, oft auch ganz von Streichgarnzwirn, zuweilen mit Seide dubliert, ge-
fertigt, und es begreift sich, dass man dazu eines sehr feinen Streichgarns bedarf;
die Ware fällt daher auch dünner und noch beweglicher als der Winterbucks-
kin aus.
Buckskinbindungen sind eigene Arten von Diagonalbindungen, die auf
Köperbindung beruhen. Grösstenteils fertigt man Demistoffe (s. d.) damit an,
welche zu Sommerüberziehern dienen.
Bücktücher , Bikkerntücher , superfeine Tücher : die beste und feinste
Gattung der sog. märkischen Wollentücher , welche früher in Berlin und a. 0.
im Brandenbui'gischen vorschriftsmässig nur aus Kernwolle, und zwar Winter-
und Sommerwolle untereinander genommen, mit rechts gedrehten Kettenfäden
und links gedrehten Einschlagiäden von zartem, gleichem Garn, dicht gewebt,
nur mit Karden gerauht und sehr gut geschoren.
Budapest, Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Ungarn: 11 Fabriken
der Textilindustrie (Wollwäscherei, Jutespinnerei, 3 Blaufärbereien und Kattun-
druckereien). Seidenerzeugung durch Fütterung der Eaupenmit Schwarzwurzeln (s. d.).
Büffelwolle, kanadisches Büffel- oder Bisonhaar; ein äusserst feinwolliges
Flaumhaar, welches der amerik. oder kanad. Büffel (Bos Bonassus) zwischen den
langen und starken Haaren hat; es wird zu feinen Filzhüten, auch zu Shawls
und anderen Geweben verarbeitet.
Buffin (engl.) , großes Tuch für Frauenkleider in der Zeit der Königin
Elisabeth von England.
Buffline, halbleinenes Hosenzeug.
Bühl im Kreis Gebweiler des Bezirks Oberelsass: grosse Wollkämmerei,
Spinnerei und Weberei (33 000 Spindeln, 900 mechan. Webstühle), Baumwoll-
spinnerei und -Weberei.
Bührenzeug, s. Barchent.
Bujalance, Stadt in der span. Prov. Cordova: Tuch- und Wollenzeug-
manufakturen.
Bukarest, Hauptstadt des Königreichs Bumänien: Herstellung von Tuch-,
Flanell-, Leinwand- und Wollwaren.
Bulgarien, Fürstentum der Balkanhalbinsel : Fabrikation von Wollgeweben
und Teppichen (in Grabovo). Erzeugung von bunten Leinenstickereien für Kostüme.
Bundfäden, Bindefäden, in der Weberei die (Ketten- oder Schuss-) Fäden,
welche die das Muster bildenden flottliegenden Fäden niederhalten.
BuntingS (franz. : etamine) , englische Leinengewebe , zu Flaggentüchern
hergestellt, meist in Weiss, Königsblau und Scharlachrot gefertigt.
Burail, französischer Stoff, eine Art Ferrandine (s. d.), in dem die Kette
aus Florett- oder anderer Seide, der Einschlag aus Baumwolle, Wolle, Ziegen-
haar u. s. w. gemacht wird.
Burano, Stadt in der ital. Prov. und im Distrikt Venedig: erzeugte seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts genähte Spitzen, welche Aehnlichkeit mit denen
104 Burat — Burkhardtsdorf.
von Alencon hatten. Dieselben erhielten sich bis in die Mitte des 19. Jahr-
hunderts. Was heute in den Spitzenschulen von B. gemacht wird, hat moderne,
französische Arbeiten zum Muster.
Burat, in Frankreich ein leichter, aus Florettseide und Kammgarn gewebter
Stoff, der in Fr. selbst und auch in Italien, Spanien und Portugal sehr gebraucht
wird. Die in E-heims gewebten Burats ä gros grains sind etaminartig.
Burates, in Frankreich hergestelltes , leichtes , gewöhnliches Wollenzeug,
das leinwandartig gewebt und stärker als Schleieretamin ist, es dient (schwarz
gefärbt) zur Kloster- und Trauerkleidung.
Buratine, Name eines älteren Stoffes, dessen Kette Seide,' der Schuss feines
Kammgarn ist.
Buratiner Seide, eine Sorte persischer E^ohseide.
Buratto , in Italien , besonders zu Neapel und in Sizilien, ein seidener
Buratstoff, zu dem die Kette von bologneser Seide, der Schuss von Trameseide
genommen wird.
Bure, grober, leinwandartiger, langhaariger Wollenstoff, der seinen Namen
wahrscheinlich von Bourre (s. d.), WoUabgang, schlechte Wolle, die man dazu
nimmt, erhalten hat. Er wird in der ehemaligen Normandie gefertigt.
Bureau (franz.), grober Wollenstoff.
Burg bei Magdeburg : 10 bedeutende Fabriken für Tuch, die meist Militär-
tuch liefern; ferner bestehen Flanellwebereien, Färbereien, Wollwäschereien.
Burgau, Stadt im bayr. ßeg.-Bez. Schwaben: Baumwoll- und Woll-
fabrikation.
Burgdorf, Hauptstadt im Schweiz. Kanton Bern : Seidenband- und Damast-
weberei, Woll- und Flachsspinnerei, -weberei, Färberei; Fabrikation von Kunstwolle.
BurgOS, Hauptstadt der span. Prov. B.: Wollwebereien; Handel mit
Schafwolle und groben Wollgeweben.
BurgOS, blaugefärbte und in Farben gedruckte Tücher aus Ostindien, eine
Art Kattun, welche früher die Holländer nach Europa brachten; später wurden
sie hier nachgemacht.
Burgstädt, Stadt in Sachsen bei E,ochlitz; bedeutende Fabrikation von
Strumpfwaren; 1750 die erste Kattunfabrik, 1787 die erste Seidenweberei in
Sachsen.
Burgsteinfurt, Kreisstadt im preuss. Keg.-Bez. Münster: Leinenweberei,
Zeugdruckerei, Färberei, grosse Baumwollspinnerei.
Burgund (franz. : Bourgogne), der Name bezeichnete früher ein bei weitem
grösseres Gebiet als heute, wo er auf das frühere Herzogtum B. beschränkt ist.
Für Handel, Gewerbe und Kunst beginnt die glänzendste Periode B.s, an der
auch die Textilkunstindustrie grossen Anteil hat, mit der Regierung Philipp des
Kühnen, Herzog von B. (1363 — 1404), dem Stifter des jüngeren Hauses Burgund.
Seine Heirat mit Margarete von Flandern ist darauf nicht ohne Einfluss ge-
blieben. Die schönsten Denkmäler der Kunststickerei jener Zeit sind die heute
noch erhaltenen sog. Burgundischen Gewänder , bestehend aus dem Messornat
des Ordens vom goldenen Yliess, welches im Auftrage Herzog Philipps für diesen
angefertigt wurde. (Vgl. Die Burgundischen Gewänder der K. K. Schatz-
kammer. Messornat für den Orden vom goldenen Yliess. Herausgegeben vom
Oesterreichischen Museum für Kunst und Industrie, Wien 1864.)
Burgunder Tapeten, unter diesem Namen bewahrt das historische Museum
in Bern neun grosse Wandteppiche auf, welche zum Teil der Bürger-, zum Teil
der Einwohnergemeinde der Stadt gehören. Sie stammen aus der Beute, welche
die Schweizer dem Herzog Karl dem Kühnen von Burgund abgenommen haben.
(Vgl. Jakob Stammler, Die Burgunder Tapeten im historischen Museum zu
Bern. Bern 1882.)
Burhanpur, Stadt in Ostindien : Handel und Fabrikation von Musselin und
kostbaren Seidenstoffen.
Burkhardtsdorf, Marktflecken in Sachsen: Fabrikation baumwollener
Strumpfwaren (16 Fabriken mit 1000 Strumpfmaschinen).
Burnley — Byssus. 105
Burnley, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : grosse Baumwollen-
spinnereien, sowie Druckereien und Bleichen.
Burnus (arab.) , ein aus einem dichten Wollstoff gearbeiteter , mit einer
Kapuze versehener Mantel, das allgemein gebräuchliche Oberkleid der mohammed.
Bevölkerung in ^ordafrika. Der B. ist meist weiss, doch tragen Vornehme
ihn auch farbig.
Burrom Sannah, ostindische baumwollene Zeuge, welche die dänisch-
asiatische Gesellschaft nach Europa brachte.
Bursa (lat.) , Tasche zur Aufbewahrung des Corporale oder eine solche
für Beliquien.
Burscheid, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Düsseldorf: 3 mechan. "Webereien,
1 mechan. Spinnerei, 5 Färbereien, 4 Schäftchenfabriken , sowie Plüschweberei.
Bürstmaschine, Aufsatzbürste, Vorrichtung zum Aufstellen der Fasern
an Tuchen mittels Walzenbürsten.
Burtscheid, ehemalige Stadt im preuss. B,eg.-Bez. Aachen: bedeutende
Industrie (über 5000 Arbeiter) , erstreckt sich auf Fabrikation von Tuch
(20 Fabriken), Kratzen (2); ferner bestehen 4 Spinnereien, 8 Webereien, 4 Kamm-
garnspinnereien und 8 Färbereien.
Burudschird, Stadt in der pers. Prov. Iräk-Adschmi : beträchtliche Industrie
in BaumwoU- und Filzartikeln.
Burundjuk sind zu Konstantinopel und Asien seidene Hemden, die in K.
gemacht werden.
Busca, Stadt in der ital. Prov. Cuneo : Seidenzucht und -weberei.
Bütow, Kreisstadt im preuss. B-eg.-Bez. Köslin: Wollspinnereien mit Dampf-
und Wasserbetrieb.
Butzelleinwand , ein früher sehr gangbarer Artikel, unter welchem man
eine einfache, dicke Leinwand in grosser Verschiedenheit begreift.
Byssus (griech.: byssus), durchschimmernde Gewebe verschiedener Feinheit
aus weissen und gelblichen Leinenfäden. Der altorientalische B. hat hinsichtlich
der Feinheit verschiedene Arten aufzuweisen. Zu den einfachsten Sorten des B.
sind jene feinen Leinengewebe zu zählen, in welche die Mumien Aegyptens aus
der Pharaonenzeit eingewickelt wurden. Diese Mittelsorte ist aus einem mittel-
feinen Handgespinst der Pflanze linum usitatissimum gewonnen, welche in Unter-
und Oberägypten mit Sorgfalt angebaut wurde. Die feinste und teuerste Abart
des B., die an Wert dem königlichen Purpur gleichstand, wurde aus den zartesten
Fäden jener Leinpflanze angefertigt, die nur im Delta Aegyptens wuchs. Diese
Sorte des B. war im klassischen Altertum und in den frühesten christlichen
Zeiten sehr gesucht und bekannt unter der Bezeichnung „alexandrinischer
Byssus". Ihm stand an Feinheit und Höhe des Preises der syrischeByssus
nahe , welcher in der Nähe von Antiochien wuchs und daselbst unter der Be-
nennung autiochenischer B. gewebt wurde und durch Karawanen meist auf
orientalischen Märkten Absatz fand. Der alexandrinische B. fand vorzugsweise
als sudarium (suaire) zur Umhüllung des Hauptes hoher Verstorbener Verwendung.
Die Zartheit des Gewebes gestattete es, die Züge des Verstorbenen zu erkennen.
Dieser Eigenschaften wegen wurde er auch von hochstehenden Frauen und Ma-
tronen als Kopfhülle , überhaupt als leichtes Obergewand (velamen peplon) in
Gebrauch genommen. Seiner Zartheit wegen nannte man den B. auch linea
nebula oder opus araneum , weil er in seiner Textur wie Nebel oder wie ein
leichter Anhauch des Spinngewebes sich darstellte. Die Sitte verbot es aber im
Altertum, nur in Byssus zu erscheinen, er blieb ein Privilegium für hochstehende
Personen und Würdenträger. Gemusterte Byssusstoffe mit geometrischen Figuren,
aus der römischen Cäsarenzeit bis zum Sturze des weströmischen Kaiserreiches,
sind nachweisbar. Als Marktplatz der Byssusstoffe nennen die Schriftsteller des
Altertums, seit den Tagen der ägyptischen Pharaonen bis auf die Zeiten der
Ptolemäer und die Herrschaft der arabischen Kalifen, Alexandrien als Hauptort,
desgleichen Antiochien , Damaskus und Palmyra für weniger durchscheinende
Gewebe. (Vgl. F. Bock, Die textilen Byssusreliquien des christlichen Abend-
landes, aufbewahrt in den Kirchen zu Köln, Aachen, Cornelimünster und Prag.
106 Byssus jacinthus — Byzanz.
Aachen 1895.) Je mehr die Kultur und Industrie nach den Kreuzzügen an
Ausdehnung gewannen, auch die indischen und persischen Baumwollenstoffe
Eingang fanden, desto seltener wurde der Byssus, bis er im 15. Jahrhundert
überhaupt nicht mehr erscheint. (Vgl. auch Muschelseide.)
Byssus jacinthus, s. Blyant.
Byzantinischer Stich wird in neuerer Zeit in der Straminstickerei jene
Stichart genannt, wenn über einer gewissen Anzahl von Fäden des Grundstoffes
(gewöhnlich sechs) Schrägstiche gelegt werden, die in weiterer Fortsetzung, nach
oben und seitwärts, ein dichtes Zackenmuster bilden. Mit einer mittelalterlichen
Technik hat der Stich nichts gemein.
Byzanz, Byzantinisches B-eich, auch Oströmisches , Morgenländisches^
Griechisches Beich genannt,
entstand, als Theodosius I. bei seinem Tode (395 n. Chr.) das Römische Reich unter
seine beiden Söhne Arcadius und Honorius teilte, und umfasste die Piäfektar des
Orients und den grössten Teil von Illyricum , nämlich alle asiatischen Provinzen, in
Afrika, Aegypten, Marmarica und Kyrene^ in Europa die Halbinsel südlich der Donau,
die in die Diözesen Thrazien (nebst Mösien und Scythien) und Makedonien (nebst
Achia, Epirus, Thessalien und Kreta) zerfiel. Hauptstadt war Byzanz , wonach das
Reich seinen Namen führte ; sie wird 196 n. Chr. zerstört, bald aber wieder aufgebaut,
erhebt sich zu neuer Blüte und wird, als Konstantin der Grosse sie 330 unter dem
Namen Neu-Rom und Konstantin opel zur Hauptstadt des Römischen Reiches gemacht
hatte, eine der bedeutendsten Städte der Welt. Im Jahre 1453 wird das Byzantinische
Reich unter Konstantin XI. von den Türken unterjocht: auf seinen Trümmern erhob
sich das Osmanische Reich.
Für die Geschichte der Textilkunst ist Byzanz von gleicher vielseitiger
Bedeutung, wie für die übrige Entwickelung der Kunst im allgemeinen. Byzanz
wird im 5. u. 6. Jahrhundert als Residenz des Reiches die leitende Stadt in
Europa , nachdem Rom längst zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist. Im
4. — 6. Jahrhundert findet ein starker Import von orientalischen seidenen Ge-
wändern nach B. statt. Die byzantinischen Schriftsteller jener Zeit sprechen von
modischen Gewändern , die auch ser^.©che genannt werden : die Serer sind die
Chinesen. Aber auch die chinesische Rohseide musste Byzanz über Persien be-
ziehen und der Bedarf an Rohmaterial für die bj-zantinischen Seidenmanufakturen,
welche Justinian (527 — 565) von Staats wegen eingerichtet hatte (s. Gynäceen),
war eine Hauptursache der häufigen Kriege, welche das Reich mit den Parthern
zu führen genötigt war. Diese fingen die aus China kommende Seide ab , um
sie für sich selbst zu verbrauchen oder an die Byzantiner mit hohem Aufgeld
zu verkaufen. Auch die Versuche Justinians, die Seide durch Yermittelung der
befreundeten Aethiopier, in deren Besitz sich die alten Handelswege über das
Rote Meer befanden, aus indischen Häfen zu beziehen, schlugen grösstenteils fehl,
weil die Perser dazwischen kamen. Der sehnliche Wunsch Justinians, sich hin-
sichtlich der Rohseide nicht nur von Persien, sondern auch von China unabhängig
zu machen, wird ihm erfüllt durch das Angebot zweier Perser, angeblich Mönche
vom Orden des heil. Basileus, welche erbötig waren, die Eier der Maulbeerraupe
nach Byzanz zu bringen. Nach den Notizen von Silbermann (Die Seide, Dresden
1897 S. 30 fP.) ist nicht mit Sicherheit festgestellt, woher diese beiden Mönche
eine grosse Menge Raupen in hohlen Bambusstöcken nach Byzanz brachten ;
Procop bezeichnet das Land als Serindia, worunter Forster mit Recht Kleinthibet
(Khotan) vermutet, wo zu jener Zeit nach chinesischer Art betriebene Seiden-
zucht in voller Blüte stand. Natürlich verging noch geraume Zeit, bis es Justinian
gelang, den gewaltigen Bedarf ganz durch heimische Rohseide zu decken; aber
er hatte es doch dahin gebracht, dass Byzanz schon vom Ende des 6. Jahr-
hunderts ab eine der Hauptexportstellen von Seide für Europa geworden war,
welchen Standpunkt es bis zum 11. Jahrhundert behauptete. Mit dem Material
erhielten die Griechen in den fertigen Gewändern aber auch die Muster der
Seidenstoffe aus dem Orient und hier ist es oft schwer, von den in zahlreichen
Beispielen erhaltenen Originalen jener Zeit zu sagen, ob sie nach persischen
Mustern in Byzanz oder in Persien selbst entstanden sind. Auch das Umgekehrte
tritt in den Fällen ein, wenn die infolge des durch Justinian eingeführten Staats-
Caballeros — Cäceres.
107
monopols nach Persien ausgewanderten Griechen ihre Muster dahin mit über-
nahmen. Einen sicheren Anhaltspunkt geben hierfür nur die in einigen Geweben
angetroffenen Inschriften. Die eigentlichen b3'zantinischen Stoffmuster, d. h. jene,
welche vom orientaUschen Einfluss nicht berührt sind, enthalten noch vollkommen
antike Elemente. So der auf Tafel II in Fig. 3 abgebildete Seidenstoff aus
dem Münster in Aachen, in welchem die Darstellung einer von griechischen
Zirkusspielern gelenkten Quadriga. Noch mehr in das byzantinische Anschauungs-
gebiet hinein gehen die kleineren Stern- und Eosettenmuster, welche den antiken
Mosaiken ähnlich sind (vgl. Abb. 47). Anders verhält es sich mit dem auf Tafel II
Abb. 47.
in Fig. 4 dargestellten Elefantenmuster von einem Seidengewebe aus dem
Münster in Aachen. Hier würde Niemand an Byzanz denken, wenn dem Stoff
nicht eine griechische Inschrift eingewebt wäre. (Weiteres s. Artikel Weberei:
Geschichtliches.)
Abbildung:
47. Byzantinisches Stoffmuster nach einer Darstellung aus: Paul Schulze, Ueber
Gewebemuster früherer Jahrhunderte. Leipzig 1893, S. 20. Original im Domschatz
zu Aachen.
c.
Caballeros, oder Cavalleros, eine Gattung spanischer Wolle.
Cabans nennt man wollene ßegenröcke aus Saloniki, die in Asien
häufigen Absatz finden. Sie sind entweder langhaarig (wie Plüsch) oder ge-
schoren. Zu Marseille versteht man unter C. Capotröcke für Schiffsleute von
Pinchinat- oder Peveche-Geweben. Eine Art, Zagora genannt, ist von schwarzer
Wolle und ohne Kapuze. Halbe C. sind diejenigen ohne Aermel.
Cabesa, eine Art spanischer Wolle aus Estremadura.
Cabra, Stadt in der span. Prov. Cordoba in Andalusien : Leinenindustrie.
Cabuya, eine Art amerikanischer Hanf, welcher in Peru und Columbien,
besonders in den ehemaligen Provinzen Panama und Yeragua wächst. Das
aus demselben gesponnene starke Garn wird zu Stricken, Matten und Säcken
von grosser Dauerhaftigkeit verarbeitet.
Cäceres, Provinz im Königreich Spanien mit gleichnamiger Hauptstadt :
in beiden ist die Industrie gegenüber der Viehzucht wenig entwickelt. Merino-
1Q3 Caceres — Cajantes.
schafe mit vorzüglicher Wolle, so dass letztere die Hauptausfuhr bildet. In der
Hauptstadt C. Gerbereien, AYalkmühlen und Wollfärbereien. Letztere wurde
47 V. Chr. von den B;ömern begründet.
Caceres, geringe Sorte spanischer Wolle, die auch unter dem Beinamen
de Blassas, de Truxillo und d'Alcantara im Wollhandel Spaniens vor-
kommt.
Cadas, Carda oder Carduus war im Mittelalter ein wahrscheinlich aus
Seidenabfällen hergestellter Stoff geringerer Qualität, der für Priestergewänder
Verwendung fand.
Cadene, die geringste und stärkste Sorte der wollnen Fussteppiche,
welche in Yorderasien nach Art der Hautelissen, jedoch von längerem Flor
und nur in einzelnen Teilen gewebt und dann zusammengesetzt werden.
Cadicee, Cadizee, Facon de Cadis, veralteter geköperter Wollenstoff,
eine Art Droguet (s. d,).
Cadillons, eine Art wollener Cadiszeuge aus Bhodez in Frankreich.
Cadis, Caddis (engl.), ein ehedem sehr gangbarer, geköperter, dicker
Wollenstoff, der wie Tuch geschoren und zugerichtet, in verschiedenen Farben
-zu Winterkleidern, schwarz gefärbt zur Kleidung für die Greistlichen in Menge
verbraucht wurde. Die Cadis von Montauban waren Scharlach oder schwarz
gefärbt, sowie die von Bagneres (s. d.) und die von Castres (s. d.) schätzte
man am meisten. Eine sehr dauerhafte starke Sorte kommt in Frankreich
unter dem Namen Aures, Fleurets von Aures oder auch Cordelats ä fil gros
und ä fil fin vor.
Cadricat, s. carta rigata.
Caen, Hauptstadt des Arrond. C. und des Depart. Calvados: Ver-
fertigung berühmter Blonden (s. d.) und Spitzen, BaumwoU- und Woll-
spinnerei, Fabrikation von Watte, Stickereien, damaszierten Leinen- und
Strumpfwaren. Die Blonden aus C. werden in der Mitte des 18. Jahrhdrts.
erwähnt. Man verwendete dazu chinesische Seide aus Nanking, bei ver-
schiedenen dieser Spitzen waren Grund und Blumen aus verschiedener Seide
hergestellt. Sie übertrafen jene von Chantilly (s. d.) an Qualität des Materials
und Güte der Technik, standen ihnen aber in künstlerischem AYert der Zeich-
nung nach.
Caens, im franz. Handel eine Gattung Serge, die in der Gegend von
Caen gewebt wird; auch gemusterte Leinwand zu Tischzeugen, die unter dem
Namen Barrage vorkommt.
Caffas, ostindische, bunt gemalte Baumwollzeuge, welche früher aus
Bengalen nach Europa kamen. Li Deutschland wurde ehemals unter der Be-
zeichnung Caffa ein mit Blumen gemusterter wollener Plüsch, Sammet oder
Felbel zu Wagen- und Möbelkissen gefertigt, (s. a. Batik.)
Cage-work (engl.), Gitterwerk, durchbrochene Arbeit.
Cagli, Stadt im Kreis Urbino der ital. Prov. Pesaro e Ilrbino : Seiden-
fabrikation.
Cagliari, Hauptstadt der Prov. C. und der Insel Sardinien : Fabrikation
von Baumwollzeugen und Wollmützen.
Cahors, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Lot: Tuch-
fabrikation.
Caimancanis, musselinartig feine Baumwollgewebe, welche in der Türkei,
vornehmlich zu Smyrna, zum Umbinden der Turbane gebraucht werden. .
Cairens, ganz feine türkische Wollenteppiche, welche sowohl als Fuss-,
als auch in kleinem Massstabe zu Tisch-, Sola- und Bettdecken in Verwen-
dung kommen. '
Cajamarca, Hauptstadt in der südamerik. Republik Peru: Fabrikation
von AVoli- und Baumwollstoffen.
Cajantes, eine Gattung Berkan, welcher in Frankreich (Lille und Um-
gegend) gewöhnlich aus Kammgarn, zuweilen auch aus Seide und Kammgarn,
verfertigt wird. C. kommt auch unter dem Namen Calandres, Plemates,
Plummates, Gros-Grains im Handel vor.
Calabrien— Calotte. 109
Calabrien, Halbinsel des Köiiigreichs Italien. Gewinnung von Flachs
und Hanf ; die Seide wird besonders gerühmt. Aus dem Schilfrohr (Sarrachio)
fertigen die Bewohner SchifFstaue, Körbe, Matten, Seile und Netze.
Caladaris, rot oder schwarz gestreifte Kattune, die in Ostindien, vor-
nehmlich in Bengalen, verfertigt werden.
Calais, wichtige Seestadt im Arrond. Boulogne des franz. Depart. Pas
de Calais-: Bedeutende Industrie von Spitzen und Baumwolltüll ; ferner Her-
stellung ven Seiden- und Leinenstoffen ; Flachsspinnerei. In der Verarbeitung
der E-ohseide zu Tüllgazen und Spitzengeweben findet C. seine besondere
Eigenart.
Calamacho (ital.), seidener atlasartiger Stoff aus Genua.
Calamatta, Calamata, eine Art italienischer Seide, welche unzugerichtet
von Genua in den Handel kommt. Man nennt sie auch Calamatta senz' anima.
Calamink oder Calminken, grober russischer Zwillich, einfach, ohne
Muster, welcher aus einer geringeren Sorte des Hanfes gewebt und rob von
Petersburg und Archangel grösstenteils nach Holland verschifft wird.
Calancard, Calanca, ostindische Kattune, welche früher in Europa be-
druckt wurden.
Calatayud, Bezirkshauptstadt der span, Prov. Saragossa: Seiden-
fabrikation.
Calbe, an der Saale, im preuss. Heg. -Bez. Magdeburg: Fabrikation von
Tuch- und Wollwaren ; Wollspinnerei.
Calcar, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Sammetweberei.
Calcuttahanf, Sumpfhanf, Pant, Sanchu-Pant, Fäden der Kohlmusspflanze
(Corchorus olitorius), die man in Bengalen Jute nennt. Man verfertigt Stricke
und Zeuge davon, verfälscht aber auch die Leinwand damit, w^elche zu
Matrosenhemden verarbeitet wird.
Calico, s. Kaliko.
Calicut, Kalikut, Seestadt in der ind. Präsidentschaft Madras, führt im
Mittelalter einen ausgedehnten Seidenhandel einerseits mit China, andrerseits
mit Alexandrien und Byzanz. Die ersten Europäer, die 1496 nach C. ge-
langten, fanden zu ihrem Erstaunen lucchesische Damaste und Sammete vor
(vgl. Silbermann, Die Seide, Bd. 1, S. 86). Aus C. stammt auch der sog.
Kaliko (s. d.).
Callamancoes, geköperte Baumwollzeuge, w^elche die Manufakturen von
Yorkshire liefern. Die Ware ist eine Art Kalmank, aber von besserer Wolle
als dieser. Man hat sie sowohl einfarbig und changierend, als auch gemustert
und fassoniert ohne Köper, in welchem Falle sie auch zu den wollenen Damast-
stoffen gerechnet werden.
Callies, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Köslin: Tuchfabrikation.
Callnberg, Stadt in Sachsen: Webereien, Strumpfwirkereien.
Calmande, franz. Bezeichnung für Kammgarnstoffe, welche die Eng-
länder Lastings nennen. C. wurde ursprünglich in Amiens verfertigt; später
nannte man den Stoff auch Satin ture.
Calmucs, Kalmucks, 1. eine Art wollener langhaariger Stoffe, welche
aus starkem Streifgarn locker gewebt, aber dicht gewalkt und in verschiedenen
Farben gefärbt in den Handel kommen und zu Winterkleidern verbraucht
werden. Im allgemeinen versteht man darunter die geringeren Sorten von
Biber (s. d.). 2. Eine Gattung der franz. sogen, wollenen Londres- oder
Halbtücher.
Calotte (franz.), (lat. : calota; engl.: callot, callote) netzartige Haube
aus wollenen oder seidenen Schnüren, die durch Stickerei auch mit Gold und
Perlen verziert wurde und das Haar beinahe ganz einhüllte. Sie kam am
Ende des 15. Jahrhdrts. mit dem Barett (s. d.) auf, um dem oft wie ein
Teller ganz auf der einen Seite des Kopfes sitzenden Barett die Befestigung
zu ermöglichen. Mitte des 16. Jahrhdrts. kommt die C. ausser Mode. Die
goldene und silberne C. sollten nach der Beichsordnung von 1530 nur Fürsten
und dem Adel, den Geschlechtern nur die seidenen zustehen. Später ver-
wo Oalquiers— Camelatin,
stand man unter C. besonders das Scheitelkäppclien der kath. Greistlichen,
dann auch die Narrenkappe.
Calquiers, eine Gattung ostindischer Taffete und Atlasse.
Calüire-et-Cuire, Ort im Kanton Neuville-sur-Saone, Arroud. Lyon:
Zeugdruckereien und Färbereien.
Calw, Oberamtsstadt in Württemberg : Fabrikation von Wolldecken und
Trikotwaren; Baumwollspinnerei, Schönfärberei. (Vgl. Stätlin, Geschichte
der Stadt C, Stuttgart 1888 ; Tröltsch,die Calwer Zeughandlungskompagnie
und ihre Arbeiter, Jena 1897.)
Calwap, Callewappen, baumwollner ostindischer Stoff, welchen früher die
Dänen aus Tranquebar nach Europa brachten.
Camayeux, veralteter bunter Seidenstoff, dessen farbige Kette mit dem
dunstschwarzen Einschlag leinwandartig so verbunden wird, dass bei dem
letzteren ein einfacher Faden mit einem doppelten abwechselt und dadurch
ganz schmale Streifen entstehen; man hat denselben einfarbig und klein geflammt.
Cambay, verkommener Hauptort des gleichnamigen mohammed. Vasallen-
staates der indobrit. Präsidentschaft Bombay: berühmt wegen seiner Baum-
wollwebereien, Manufakturen von Seide, Gold- und Silberbrokat.
Cambayes, eine starke und gewöhnliche Sorte ostindischer Kattune,
welche ehedem nach Europa gebracht wurden, gegenwärtig aber nur im
Zwischenhandel und den philippinischen Inseln und Ostindien vorkommen.
Camblets, Camlets, engl. Bezeichnung für eine Art Kamlots: glatte
Wollenzeuge aus starkem, hartem Kammgarn, gewässert wie Moreens (s. d.).
Cambraetas, im portugiesischen Handel die schlesischen Schleierleinen.
Cambrai, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Nord: seit alter
Zeit bedeutende Indastrie in Batistleinwand, den sogen. Cambricstoffen oder
Kammertuch (s. d.), feinen Baumwollengeweben, baumwollenen Spitzen und
Tülls (jährlich für 8^2 Mill. Frcs.); ferner Leinen- und Baumwollspinnereien.
Dem angeblichen Erfinder der Batistleinwand, Baptiste, ist hier eine Statue
errichtet.
Literatur: Bouly, Histoire de C. et du Cambresis (2 Bde. Cambrai
1843); Lecluselle, Histoire de C. depuis 1789 (2 Bde. ebd. 1875); Dieck-
meyer, die Stadt C. (Bielef. 1890).
Cambre heissen im italienischen Handel die schlesischen Schleierleinen.
Cambresine, Cambrasine nennen die Franzosen alle diejenigen baum-
wollenen Stoffe, w^elche aus feinem Garn dicht und fest, leinwandartig gewebt
werden und den Cambrays ähnlich sehen, und von welchen ehemals mehr als
20 Sorten von verschiedener Länge und Breite aus Ostindien eingeführt wurden;
im engeren Sinne versteht man darunter die dichtgewebten, weissen, baum-
wollenen Zeuge, welche aus mehreren Gegenden Asiens, aus Persien, Aegypten,
Natolien über Smyrna, Kairo und Alexandrien in den Handel kommen. C.
haben in neuerer Zeit mehr die Namen Cambrics, Shirtings, Percals u. s. w.
angenommen.
Cambre velate, italienische Benennung für Schleierleinwand.
Cambric, Cambray, Cambrik (engl.), locker gewebte dünne Batistlein-
wand, welche man auch Kammertuch, und in Frankreich Claires nennt; sie
wird zu Lille, Yalenciennes, besonders aber zu Cambrai gemacht, woher sie
ihren Namen hat und hier schon zur Zeit der Königin Elisabeth eingeführt
sein soll. C. erscheint in ausserordentlich verschiedenen Sorten; die Fort-
schritte in der Baumwollspinnerei führten bald zur Nachahmung des Stoffes in
England, Frankreich und Deutschland.
Camden, Hauptstadt im amerik. Staate Neujersey: bedeutende Fabif'ikation
von Wollwaren.
Camelatin, Camelotine ist der veraltete Name mehrerer Gattungen ge-
ringer, auf Kamelotart gewebter Stoffe aus hartem Kammgarn, welche in den
ehemaligen französischen Niederlanden und an mehreren Orten Flanderns ge-
Avebt wurden. Verschiedene Sorten dieses Zeuges sind unter anderem Namen
wieder aufgekommen; sie werden auch unter den Bezeichnungen Lamparilles
Cameleon— Capelle. Hl
oder Nonpareilles nach dem Ausland versandt. Letzere sind entweder ganz
aus Wolle, teils auch mit Leinengarn und Ziegenhaar vermischt. Andere
Arten von C. werden auch Polamit genannt.
Cameleon, s. Seidenwaren.
Cameline heisst ein gewöhnlicher auf Kamelotart gewebter Stoff von Amiens.
Camelot, s. Kamelott.
Campane (ital.), eine Art Fransen von Gold, Silber oder Seide, mit
kleinen Troddeln oder Flocken, die wie Glöckchen aussehen; sie werden als
Besatz von Kostümen angewandt. Auch gewisse Arten von Spitzen aus Seide
oder Zwirn mit halbrunden Bogen und feinen Zähnchen werden C. genannt;
letztere wurden im 18. Jahrhundert in Puy gemacht.
Campania (lat.), das Feld, der Fond einer • Stickerei, eines gemusterten
Stoffes.
Campatillas, eine Gattung wollener Stoffe, die zu Brügge gewebt und
für Spanien bestimmt wurden.
Campes, eine Art geköperter Tuchrasche, die zu St. Pierre du chemin
und Chateigneray in Frankreich gemacht werden.
Campobasso, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz : Fabrikation
von Tuch und Leinwand.
CampOS, eine Gattung Wolle aus Aragonien, die besonders nach Frank-
reich zur Verarbeitung von Stoffen geht.
Camwood, in der Wollfärberei für braune und rotbraune Farben an-
gewandte afrikanische Holzart.
Canadaris, ostindische und chinesische atlasartige Stoffe aus Seide und
Baumwolle oder aus Seide und Florettseide; es gibt buntgestreifte und ge-
gitterte C.
Canadas, französische Bettdecken, die besonders um Dartenal verfertigt
werden.
Cancanias, eine Art ostindischer Seidenatlasse.
Candagang, Spinfaser, dem Gambohanf ähnlich, von Hibiscus eriocarpus.
Canevas, s. Kanevas.
Cangette, eine Gattung gewöhnlicher Serge, aus der Gegend von Caen.
Cannamazos ist der spanische Name aller Sorten gewöhnlicher un-
gebleichter Leinwand aus Deutschland. In Nordamerika nennt man sie Hessians.
Cannequins (franz.) sind weisse Kattune oder lange baumwollene ost-
indische Tücher, welche im afrikanischen Handel vorkommen.
Cannette werden einfädige in Frankreich hergestellte Chappegarne
(s. d.) genannt; assembles heissen die dublierten.
Cannos heissea die feinen, meist gebleichten Zwilliche, welche damast-
artig gestreift, in Spanien und Portugal zu Handtüchern und Ueberzügen ver-
braucht werden.
Cannstatt, Oberamtsstadt in Württemberg, Baumwollweberei, Färberei;
Fabrikation von Korsetts, Garne, Baumwoll- und Strumpfwaren, Wachstuch
und Watte.
Canons wurden im 17. Jahrhundert in Frankreich englische Spitzen-
krausen genannt, die aus den Schäften der hohen Stiefel heraussahen.
Canourges, eine französische Serge, w^elche zu Mende verfertigt wurde.
Canques, baumwollne Gewebe, wovon die Chinesen Hemden machen.
Cantazaro, Hauptstadt der ital. Prov. C. Seiden- und Sammetwebereien.
Canterbury, Stadt der engl. Grafschaft Kent: bedeutender Handel mit Wolle.
Canterbury (engl.), halbseidenes, buntgemustertes Gewebe, mit seidener
Kette und feinem baumwollenem Einschlag.
Cantille, s. Bouillon.
Cantillen s. Leonische Waren.
Canton, Hauptstadt in den Yereinigten Staaten von Amerika: Fabri-
kation von Teppichen und Wollwaren.
Capelle, capella (lat.), Diminutiv von capa oder cappa; besonders hiess
so der abgeschnittene Mantel des heiligen Martin, daher auch das Kirchlein,
112 Capicciola — Cardauzille.
in dem er verwahrt ward und daher die Kapelle. Nach obigem Begriff be-
deutete C. ursprünglich das vollständige Messornat der katholischen Geistlichkeit.
Capicciola oder Spicchetto di capicciola heisst in Italien, besonders zu
Xeapel und Messina, ein Seidenstoff mit Eiuschuss von Florettseide.
Capitum (lat.), Kopfmütze, ein Verband des Kopfes, der mit einem
grossen viereckigen, zu einem Dreieck zusammengelegten Tuche ausgeführt wird.
CapOC, Capock oder Capuck, s. Seidenwolle.
Capodistria, Stadt in der österr. 3Iarkgrafschaft Istrien: ^^ebereien
und Färbereien.
Capottücher, Matrosentuche, Singonne, ein dunkelfarbiges, gewöhnlich
schwarz oder braun gefärbtes, auf der einen Seite zottiges und langhaariges,
dicht gewalktes Wollentuch zu Mänteln und Ueberröcken der Seeleute, welche
die Manufakturen von Lille liefern. Aehnliche schwarze Zeuge, aber dicker
und langhaariger, die fast das Ansehen von Schaffellen haben, sind die im
Levantiner Handel bekannten Capots von Zangora, welche wie starker Plüsch
und so fest gewebt werden, dass das Wasser nicht durchdringen kann und
welche in Saloniki ein bedeutender Handelsartikel für alle diejenigen Schiffer
sind, welche die türkischen Häfen besuchen. In England wird ein ähnliches
sehr festes und dickes Matrosentuch gemacht, das Shoddy clothe heisst.
Cappa, capa (lat.), (c. choralis, der Chormantel: c. missalis = dalmatica;
c. aqualifera, pluvialis, E^egenmantel, Pluviale), mittelalterliches, halbrundes
Grewand mit offenen Halbärmeln, im 14. Jahrhundert mit Kragen und Kapuze;
nimmt unter den liturgischen Gewändern eine wichtige Holle ein. Die Bischöfe
tragen sie von violetter Farbe mit weissem Pelzkragen als Kapuze, bei dem
Gottesdienste im Chor, wenn sie zur Kirche gehen, um selbst Messe zu lesen
und beim Weggehen nach beendetem Amte. Bei der ausschliesslich dem
Gottesdienst geweihten Pluviale wurde die ursprüngliche Kappe des Mantels
zu einem reich verzierten in tiefer Halbbogenform ausgeschnittenen Schilde
(clipeus), das heut im allgemeinen als Cappa des Chormantels bezeichnet wird
und schliesslich als Kragen ausgebildet ist. (Vgl. den Artikel Kirchengewänder.)
Capuchon, Kapuze, Mönchskappe, auch ein mit einer Kapuze versehener
Damenmantel.
Capulla de seda, im spanischen Handel die schlechtesten Sorten der
levantinischen Seiden.
Caracolillo heisst ein rotes baumwollenes amerikanisch-indianisches Garn,
das mit dem Schleim einer gewissen Schnecke (Carocol) gefärbt ist.
Caragach, eine feine Sorte baumwollnen Garns von Smjrna.
Carasee, feine und dicht gewalkte Flanelle, welche an mehreren Orten
in Mähren für Italien verfertigt werden.
Carbonisieren, in der Wollwarenindustrie ein Verfahren, das bezweckt,
die Wolle von vegetabilischen Stoffen zu befreien, und darauf beruht, dass die
Wolle der Einwirkung von Säure widersteht, während die vegetabilischen
Körper dadurch zerstöst werden.
Carcami (ital.), Abfälle bei der Seidenerzeugung.
Carcanes, ostindische Baumwollzeuge, welche ehemals die dänisch- asia-
tische Compagnie nach Europa brachte.
Carcassonne, Hauptstadt des Arrond. C. und des franz. Depart. Aude :
Bedeutende Tuchfabriken, AVoll Spinnereien, Manufakturen in Wolldecken
und Watte.
Carcassone-Tücher haben den Namen von ihrem Verfertigungsort. Man
macht hier und in dem umliegenden Distrikt mehrere Sorten leichter Tücher,
besonders für den Handel nach der Türkei, nach Aegypten u. s. ^. Die
feinsten aus spanischer Wolle heissen Mahouts, eine etwas geringere Sorte
heisst Londrins. In Carcassone w^erden noch andere feine Tücher unter dem
Namen Draps de dame, Fagon d'Elboeuf, Facon de Sedan gewebt und nach
Italien, Spanien und den Kolonien verkauft.
Carda, s. Cadas.
Cardauzille, geringer, wollener, auf Paschart gewebter Stoff.
Garden — Carrick-ma-cross. 113
Garden, s, Kardendistel.
Cardinaltuch, s. Kardinaltuch.
Cardis, Kardis, veralteter geköperter AVollenstoff, dem Baye oder Boy
(s. d.) ähnlich, der gewalkt und warm gepresst auch Walk- oder Tuchrasch,
und in doppelter Breite Landserge genannt wurde, trotzdem er in der Wolle
wie in der Arbeit besser als jener war.
Carduus, s. Cadas.
Caredaris, Carradarer, Carradars, sind ostindische Baumwollzeuge, bunt
undc schmal gestreift, den Ghingans ähnlich ; die Dänen brachten sie früher unter
dem Namen Donacolly in den Handel.
Carelles, Carele, ein schwarzer kamelhaariger Stoff, der früher zu Westen
und Beinkleidern gebraucht wurde.
Cargaisonleinen, eine gewöhnliche Sorte der französichen Bretagnes,
welche von B,ennes in den Handel kommen.
Carignan, Hauptort im Arrond. Sedan des franz. Depart. Ardennes :
Tuchfabrikation.
Cariguano, im früheren Mittelalter Carianum, auch Carinianum, Stadt
in der ital. Provinz Turin : Seidenbau und Seidenindustrie.
Cariset, Karozet, in Frankreich allgemeine Bezeichnung für alle dicht-
gewalkten, auf beiden Seiten geköperten Flanelle, sowie auch die englischen
Kirseys, insbesondere aber eine Gattung Molton, welche im Departement der
Yendee, zu Fontenay le Comte, aus Landwolle gemacht wird.
Carisol oder Creseau, in Frankreich eine ganz dünn und durchsichtig
gewebte Leinwand, welche so gearbeitet wird, dass sich zwischen den Flächen
kleine viereckige Zwischenräume befinden und das Gewebe siebähnlich ausfällt.
Die feinen Sorten werden von Flachs-, die ordinären von Hanfsamen gewebt.
C. wird wie Kanevas für Stickereien auf abgezählten Fäden verwandt. Haupt-
beziehungsplätze sind Alengon und Bennes.
Carlisle, Hauptstadt der engl. Grafschaft Cumberland : Bedeutende Baum-
wollfabrikation, Färberei.
Carmagnola, Stadt in der ital. Prov. Turin: Fabrikation von Seiden-,
Leinen- und Hanfstoffen.
Carmeline, in Frankreich die Mittelsorte der Vigognewolle.
Carmenische Wolle, laine de Carmenie, in Frankreich das persische
Ziegenhaar.
Carnet, in Frankreich eine Gattung Leinen, nach Art der Bretagnes,
welche besonders nach Spanien ausgeführt werden.
Carole, ein veralteter bunter Wollenstoff, welcher mittels Schäften ge-
webt Avurde, in der Kette zwei gezwirnte Fäden, im Einschlag nur einen ein-
fachen Faden hat und zu Westen und Beinkleidern diente.
Caroline, s. Stösselleinwand.
Carpentras, Hauptstadt im Arrond. C. des franz. Depart. Vaucluse:
Bedeutende Seiden- und Baumwollspinnereien.
Carpet (engl.) , (lat. carpeta. carpita) Teppich, Matratze ; venetian-c.
Treppenläufer; scotch-c. schottischer, dreifacher Teppich; rug-c. Sammetteppich.
Carpettes (franz.), sind ganz geringe, aus den Pocken oder dem Werg
des Hanfs und des Flachses zwillichartig gewebte Packleinen, ungebleicht, je-
doch häufig gestreift. Sie werden meistens in Amiens und Abbeville ver-
fertigt und gehen grösstenteils nach Spanien, wo sie zu Wollsäcken ver-
braucht werden.
Carragheenmoos ist ein Appretmittel.
Carretine changeant, ein früherer gemusterter Seidenstoff von ver-
schiedenen Farben, ganz klein gewürfelt ; sie wurden so gewebt, dass man in
der farbigen Kette von 8 Fäden zu 8 Fäden einen einfachen schwarzen Faden
anlegte, welchen der Einschlag von einer anderen Farbe, die dem Stoff ein
schillerndes Aussehen gab, ganz deckte.
Carrick-ma-cross (engl.), in Irland die Bezeichnung für eine aus Lein-
wand ausgeschnittene und gestickte Spitze.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 8
114 Carrick-on-Suir — Cassinets.
Carrick-on-Suir, Marktstadt in der irischen Grafschaft Tipperary: die
frühere Wollindustrie ist eingegangen, in neuerer Zeit hat die Leinen- und
Flachsmanufaktur wieder an Bedeutung gewonnen.
Carrierte Stoffe werden in der Weberei solche genannt, in welchen ein
Streifen, der sich in der Kette befindet, auch im Schuss vorkommt, oder in
welchem ein Kettenstreifen abgeschossen wird; man fertigt sie in allen Grrund-
bindungen mit Cannele- Köper- oder Atlaskarrierung.
Cartagena, feste Seestadt der span. Prov. Murcia: Segeltuchfabrikation,
Hanfweberei. 2. ßaumwollsorte aus Columbia.
Carta rigata, die, (ital.) liniertes Papier, insbesondere, die durch wage-
rechte und senkrechte Linien in kleine Quadrate geteilten Papierbogen, in
welche die Muster für Weberei, Stickerei u. s. w. in vergrössertem Massstab
„ausgesetzt" werden. Jedes Quadrat (Auge) vergegenwärtigt eine Stelle, wo
Kette und Schuss einander decken, bezw. ein Kreuzstich gestickt werden soll.
Cartisane (franz.), eine mit Zwirn oder Metallfäden zum. Sticken oder
Spitzenmachen umwickelte kleine Karte: die Palette.
Carton (franz.), (engl.: cartoon; lat. carto), eine auf starkem Papier in
beabsichtigter Grösse ausgeführte Yorzeichnung zu einer Malerei, Stickerei,
Bildwirkerei u. a. m.
Cartouche (franz.), (engl, cartouch), rahmenartige Einfassung, vornehm-
lich aus Bollwerk; dazwischen Blumen, Laubwerk und sonstige Figuren.
Entsteht in der Spätrenaissance und erscheint im textilen Ornament meist als
Umrahmung eines Namenszuges oder Bildes; besonders ausgenutzt wurde das
Motiv für die Zwecke der Stickerei und Aufnäharbeit in Italien und Spanien
(s. Abbild. ^12, Tafel IX).
Carvin, Hauptort im Arrond. Bethune des franz. Depart. Pas des Calais :
Flachsspinnerei und Tüllfabrikation.
Casa, ein ostindisches baumwollenes Gewebe, welches die Franzosen von
Surate zuführten.
Casaque (franz.), weitärmeliger Beisemantel, Soldatenmantel.
Caschemir, s. Kaschmir.
Casel, Caselkreuz, Caselstab, s. Casula.
Casemir, s. Kasemir.
Caserta (S. Leucio), Hauptstadt der ital. Prov. C. : erzeugt Brokate,
Damaste und andere reiche Möbelstofi'e. L. hat eine königliche Seiden-
spinnerei, verbunden mit Leinen- und Tapetenwebereien.
Cassaimabad sind Cassas.
Cassas, Casses, Cossas, feine baumwollne musselinartige Gewebe aus
Bengalen, deren Einschlag- und Kettenfäden nicht rund gedreht und fest,
sondern locker und glatt sind, daher der Stoff, wenngleich dichter als Musselin,
doch weich und dünn ausfällt. Die Cassas kamen ehedem in sehr grosser
Menge, von verschiedener Länge und Breite, unter mancherlei Beinamen, die
ihre Arten näher bezeichneten, nach Europa, sie sind aber allmählich durch
die europäischen Musseline und leichten Kattune verdrängt worden.
Cassel, s. Kassel.
Casserillos oder Cassarilles, gewöhnlich mit dem Zusatz aplatillos oder
aplatillados, ist der Name mehrerer Gattungen weissgarniger, deutscher Haus-
leinwand, aus mittelfeinem und starkem Leinengarn fest gewebt, die über
Hamburg und Bremen zur überseeischen Ausfuhr gelangte.
Cassinets (engl.), sind geköperte Stoffe von starker baumwollener Water-
kette und Streichgarnschuss, festgeschlagen und leicht gewalkt, in der Wolle
gefärbt und heiss gepresst. Sie werden vornehmlich für Beinkleider verwendet.
Man hat sie in vielen Farben meliert, gestreift, karriert und gemustert, als
Nachahmung des ganz wollenen Sommerbuckskins. Der sogen. Doppel-Cassinet
mit zweierlei Einschlag ist in der Art hergestellt, dass wollene und baum-
wollene Einschlagfäden miteinander abwechseln und auf der rechten Seite drei
Viertel des wollenen, auf der linken drei Viertel des baumwollenen Einschlags
freiliegen. Durch diese entgegengesetzte Bindungsweise schieben sich die
Castagnette — Catania. 115
Einschlagfäden sehr dicht zusammen, wodurch der Stoff seine Schwere
erhält.
Castagnette ist eine Zeugart, die auf beiden Seiten geköpert ist und
zu Amiens von Seide, Wollengarn und Leinen gewebt wird.
Castalla, Stadt in der span. Prov. Alicante: Leinwandweberei.
Castalogne, Catalogne (franz.), eine Art feiner wollener Bettdecken aus
Catalonien, die auch in Frankreich nachgemacht werden.
Castellamare, Baumwollsorte aus Neapel.
Castellamonte, Ort in der ital. Prov. Turin: Seidenfabrikation.
Castellane, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Basses-Alpes :
Tuchfabrikation und Wollspinnerei.
Castellaneta, Stadt in der ital. Prov. Lecce: Gewinnung von Wolle und
Baumwolle.
Castello Branco, Hauptstadt in der portug. Prov. Beira: Fabrikation
von Wollstoffen.
Castello de Vide, Stadt im portug. Distrikt Portalegre : Tuchfabrikation.
Castellön de la Plana, Hauptstadt der span. Provinz C: Hanfbau,
Segeltuch- und Leinweberei, sowie lebhafter Handel mit diesen Erzeugnissen.
Castelnandary, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Aude:
Fabrikation von Tuch und Leinwand; lebhafter Wollhandel.
Castelvetrano, Stadt in der ital. Prov. Grirgenti auf Sizilien : Seide-,
Leinen- und Baumwollfabrikation.
Castiglione Fiorentino, Ort in der ital. Prov. Arezzo : bedeutender Seidenbau.
Casting of draperies (engl.), Faltenwurf.
Castorin (franz.), s. Biber (Gewebe).
Castortapeten, s. Velourstapeten.
Castortuch, Castorin, nennt man das allerfeinste, aus spanischer Wolle
gefertigte Tuch, dessen Aeusseres durch ganz vorzügliche Appretur glänzend
und seidenartig geworden ist. Im allgemeinen werden auch unter C. gewisse
langhaarige, weisse Wollenzeuge darunter verstanden, welche als Nachahmung
von Pelzwerk zum Besetzen von Kleidern Verwendung finden (s. Biber).
Castravane, eine Gattung Seide, die von Aleppo in den Handel kommt
und zu Tressen dient.
Castres, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Tarn: Bedeutende
Fabrikation von feinen und groben Tuchen, Kasemir und anderen Wollstoffen,
Baumwoll-, Seiden- und Florettseidenzeugen; Färbereien.
Casula, Casel (lat.: casula, casubula, casubla; franz. und engl. : chasuble),
das eigentliche Messgewand des katholischen Bischofs und des Priesters. Anfangs,
gleich der römischen Pänula, ein weiter, rings geschlossener, ärmelloser, glocken-
ähnlicher Mantel aus schwerem Seidenstoff, nur mit einem Ausschnitt für den
Kopf, schon im frühen Mittelalter mit gestickten oder gewirkten Streifen an
den Rändern versehen. Behufs freierer Bewegung der Arme brachte man
später Schnürenzüge auf den Achseln an, wodurch die C. über den Armen
hinaufgezogen wurde. Gegen das Ende des Mittelalters machte man für die
Arme Seitenausschnitte, die sich schliesslich so weit ausdehnten, dass Vorder-
und Bückseite der C. nur noch an den Schultern einen Zusammenhang hatten.
Die Musterung der C. legt zunächst Gewicht auf das Kreuz (s. d.) der Bück-
seite, die bei dem Amtieren der Geistlichen den Gläubigen zugekehrt ist, und
den Stab (s. d.) der Vorderseite. Diese sind beide reich gestickt. Der Grund-
stoff der C. ist verschiedener Art. Bei Musterungen desselben in Weberei fügt
er sich dem Schnitt des Gewandes ; gestickte C. sind abgepasst gemustert. (Vgl.
Kirchengewänderstoffe und -Stickereien und die Abbildung zum Artikel Würzburg.)
Cataclitus, cataclyzomatis ars (lat.), „phrygische Kunst", Edelsteine und
Glasperlen in Gold zu fassen oder auf Stoff zu nähen; daher c. opus, ein Werk
dieser Kunst, phrygische Arbeit; c. vestis mit Steinen und Perlen besetztes Gewand.
Catania, Hauptstadt der ital. Prov. C. : Fabrikation von Leinen-, Baum-
woll- und Seidenzeugen. — Vgl. Guida letteraria, scientifica, artistica, ammi-
nistrativa" e commerciale di C. (Catania 1881).
Ilß Cäteau-Cambresis — Cerise.
Cäteau-Cambresis, Le Cäteau, Hauptstadt im Arroncl. Cambrai des
franz. Depart. Nord: Bedeutende TToll- und Baumwollspinnereien, viele Merino-,
Shawl-, AVollzeug- und Seidenfabriken.
Cate-Caatjes, ein ostindischer Baumwollenstoff, welchen die Holländer
ehedem von der Küste Coromandel, in verschiedener Feinheit nach Europa
brachten.
Catifah wurden im Mittelalter Sammetstoffe genannt, welche arabischer
Herkunft waren.
Cattivella, in Italien ein seidener Stoff zu Kleidungsstücken, der von
gezwirnter Florettseide gefertigt wird; derEinschuss ist von feinerer Florettseide.
Cattoene Lywaten nennt der Holländer überhaupt alle Arten baiun-
wollener Grewebe.
Caudebec, 1. Hauptort im Arrond. Yvetot des franz. Depart. Seine-
Inferieure: Bleichen, T\"oll- und Baumwollfabriken. 2. Stadt im Arrond.
Ronen desselben Depart.: bedeutende "Wollspinnerei, Tuchfabrikation und
Färberei.
Caudry, Stadt im Arrond. Cambrai des franz. Depart. Nord : Fabrikation
von Musselin, Tüll und Baumwollenwaren, ebenso rege Seidenindustrie.
Cavailhos, sind weissgebleichte, dicht gewebte schlesische und Lausitzer
Leinen, welche diesen Namen in SiDanien und Portugal von den auf dem
Papierumschlag in Silber abgedruckten zwei Pferden erhielten.
Cavallinen, im italienischen Handel Tele cavaline oder Possleinwand,
sind von den Cavailhos (s. d.) hinsichtlich der Appretur und Legeart ver-
schieden; es ist eine schöne Mittelware, sorgfältig gebleicht, welche haupt-
sächlich in Böhmen verfertigt wird und über Triest nach Hallen geht.
Cavarzere, Ort in der ital. Prov. Venedig: Seidenindustrie.
Cayenne, eine ungebleichte französische Leinwand; es ist eine leichte,
locker gewebte Ware von verschiedener Qualität, die auch unter dem Namen
Lavaische oder als Bouloir in den Handel kommt. C. heisst auch eine Baum-
wollsorte aus Guyana.
Cayenne ä fond chine hiess ein halbseidener Stoff, der heut aus der
Mode ist.
Cazimir, ein dicker, geköperter Stoff aus gezwirntem Baumwollgarn,
welcher zuerst in Lyon, dann auch in verschiedenen Orten Deutschlands nach-
gemacht wurde. Der Artikel ist ausser der Mode. Ueber wollenen C. s.
unter Kasemir,
Ceara, Baumwollsorte aus Mexiko.
Ceibawolle dient zum Polstermaterial.
Celaya, Stadt im mexik. Kant. Guanajuata: Fabrikation von Wollstoffen.
Celle, Kreisstadt im preuss. Peg.-Bez. Lüneburg: Wollgarnfärberei,
Wachsbleicherei.
Celloidinwolle, reinste Kollodiumwolle, durch Behandeln reiner, von
organischen nitrierbaren Substanzen freie Baumwolle, welche für photographische
Zwecke verwandt wird.
Cendal (franz.), (arab.: zendado; lat.: cendalum, cendalium, cindalum,
celdal etc.), Sendel, Zindel, ein dünner, leichter, taffetähnlicher Seidenstoff,
chinesischen Ursprungs, der im Mittelalter zuerst in Alexandrien und später
in Mailand angefertigt und in Europa zu Fahnen, Decken und als Futterstoff
Verwendung fand.
Cendal de Bolonna, im spanischen Handel der italienische Krepp- und
Schleierflor.
Cenedatücher sind wollene Tücher, die in feine und halbfeii^e unter-
schieden und namentlich im Oesterreichischen gewebt werden; sie gehen nach
Bosnien, Dalmatien u. s. w.
Cento, Hauptstadt in der ital. Prov. Ferrara: bedeutender Handel
mit Hanf.
Cerignola, Stadt in der ital. Prov. Foggia: Baumwollkultur.
Cerise (franz.), Kirsche, kirschrot.
Cesena — Chamberguillas. 117
Cesena, Hauptstadt in der ital. Prov. Forli: Hanf- und Seidenbau.
Ceuta (lat.: Septa, mauriscli: Sebta), befestigte span. Stadt an der
Nordküste Afrikas, in Marokko: war unter der arab. Herrschaft eine indu-
strielle Stadt, wo von einem Araber die erste Baumwollpflanzung des Occidents
angelegt wurde.
Ceylon, brit. Insel an der Südspitze Vorderindiens: Weberei von
Kattunstoffen für inländischen Grebrauch ; Ausfuhr von Coirgarn, -seide und
-faser. C. war im frühen Mittelalter ein wichtiger Handelsplatz für Seide,
welche die Araber aus China bezogen; dieser Verkehr erreichte im 12. Jahrh.
seinen Höhepunkt (s. Leinenstickereien aus C).
Cha ist ein sehr leichtes schlechtes seidenes Zeug, das in China ge-
fertigt und in vielen Teilen des Reiches allgemein zur Sommer kleidung ge-
braucht wird. Es ist dem Taflet ähnlich ; aber nicht so gut gewebt und nicht
so glänzend.
Chabnams, ein musselinartiges baumwollnes Gewebe, das ehedem aus
Ostindien, besonders Bengalen, nach Europa gebracht wurde.
Chacarts, eine Art gewürfelter Kattune von allerlei Farben, welche die
Franzosen von Surate nach Europa brachten.
Chadderton, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire: lebhafte Baum-
wollindustrie.
Chafer^onnes heissen ostindische bemalte Hals- und Schnupftücher, die
früher die Franzosen von Surate brachten.
Chagny, Hauptort im Arrond. Chalon-sur-Saone des franz. Depart.
Saone-et-Loire: Wollstofl"- und Leinwandfabrikation.
Chagrin (franz.), wird ein schmales bandartiges Gewebe des Borten-
wirkers genannt, dessen Kette und Schuss reiches Gespinst, auch wohl Can-
tille ist. C. heisst auch ein Seidenstofl", welcher durch eigentümliche Schnü-
rung eine einigermassen körnige Oberfläche erhalten hat.
Chagrintaffet heisst ein getüpfelter Taflet von allen Farben, der früher
besonders zu Unterfutter, zu Vorhängen u. dergl. diente.
Chainette, ein schwerer, klein gemusterter Seidenstoff mit doppeltem
Köper, welcher früher grösstenteils in schwarzer Farbe zu Westen und Bein-
kleidern verbraucht wurde.
Chaise-Dieu, La, Hauptort im Arrond. Brionde des franz. Depart. Haute-
Loire : Spitzenfabrikation.
Chalat (türk.), Ehrenkleid, s. Chyl'at.
Chalon, Chalong, ein leichter einfach geköperter Stoff von hartem
Kammgarn, der ebenso wie der Basch, gewebt, nur feiner und auf der rechten
Seite durch warme Presse geglänzt wird, gegenwärtig aber keinen Absatz
mehr findet ; nur für die Bühne und einige Nationaltrachten macht man ihn noch.
Chalonnes-SUr-Loire, Hauptort im Arrond. Angers des franz. Depart.
Maine-et-Loire : Sergefabrikation.
Chälons-SUr-Marne, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart.
Marne: Fabrikation von Woll- und Baumwollzeugen.
Chalons-SUr-SaÖne, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Saone-
et-Loire : Tuchfabrikation, Spitzenindustrie; bedeutender Handel.
Chaly, Chalynette, Chalinet, ein feiner geköperter musselinartiger Stoff
aus dem feinsten weichen Kammgarn und Seide, gewöhnlich auf ganz weissem
Grunde, mit verschiedenen lebhaften, bunten Farben bedruckt. Um ihn
billiger zu liefern, machte man ihn ganz aus Wolle, ohne Beimischung von
Seide, allein ebenfalls nur weiss und bunt gedruckt,
Cham, Dorf im Schweiz. Kanton Zug: Fabrikation von Baumwollen-
garn (Spinnerei Hagedorn mit 300 Arbeitern).
Cham, ein schwarzer, blauer, grüner oder rosenroter Baumwollenstoff,
welcher im russisch-sibirischen Handel mit den Bucharen und Kalmücken vor-
kommt. Die besten werden nur in der Stadt Kaschkar gemacht.
Chamberguillas, im spanischen Handel eine Sorte schweizer Taffet-
bänder ; engl. : hank ribbons.
118 Chambery — Chäteauroux.
Chambery, ital. Ciamberi, Hauptstadt des Depart. Savoie und des
Arrond. C, seit 1860 französisch: Fabrikation berühmter Seidengaze, Spitzen,
Taffet, Tuche.
Chanduly Faserstoff aus den westlichen Teilen Ostindiens, ist der Bast
von Lepuranda succidora, der zur Herstellung von Säcken, Matten u. s. w.
benützt wird.
Changeant (franz.), 1. im Handel feiner Kamelot, den man häufig zu
Ryssel fertigte, 2. verschiedenartige seidene, kamelhaarene oder wollene Zeuge,
wo Kette und Schuss je von einer anderen Farbe genommen wird. Das Gre-
webe verändert daher auf verschiedene Art seine Farbe, je nachdem das Licht
darauf fällt.
Chantilly, Stadt im Arrond. Senlis des franz. Depart. Oise: Fabrikation
von Spitzen •, Wollspinnerei. Die Spitzenindustrie wird in C. gegründet durch
die Herzogin von Longueville, Caterine de Rohan: sie stiftete zu Beginn des
17. Jahrhdrts. Schulen und berief Arbeiterinnen aus Havre und Dieppe; im
18. Jahrhdrt. wird C. besonders durch die schwarzen Spitzen in blonden-
artigem Charakter berühmt. Die Industrie ging während der Devolution zu-
grunde; Fabrikanten und Arbeiter waren verdächtig, weil sie Spitzen für die
„Tyrannen" gearbeitet hatten; erst um die Mitte des 19. Jahrhdrts. ist die
Spitze aus Ch. wieder in Aufnahme gekommen (s. Spitzen).
Chaperon (franz.), eine den Kopf und Hals bedeckende Kappe, die im
Mittelalter von beiden Geschlechtern getragen wurde.
Chappe (franz.), Gespinste aus Seidenabfällen, s. Seidengarn.
Charcanas sind ostindische Zeuge von Baumwolle mit Seide vermischt.
Chardonnetseide, eine im Jahre 1885 vom Grafen de Chardonnet er-
fundene künstliche Seide aus Zellulose und vielen anderen Bestandteilen (vgl.
Silbermann, Die Seide, Bd. II, S. 116 ff.).
Charkow, Hauptstadt des russ. Gouvernements C. : bedeutende Woll-
wäschereien und Handel mit Wolle ; es besteht eine im Jahre 1838 gegründete
Wollhandelskompagnie.
Charleston, Hauptstadt des County C. in Südkarolina, an der Küste
des Atlant. Ozeans : Fabrikation von Strickwaren, Baumwollkompressen.
Charlieu, Hauptort im Arrond. Boanne des franz. Depart. Loire :
Seiden- und Baumwollspinnerei und -weberei.
Charlotte, Hauptstadt des County Mecklenburg im nordamerik. Staate
Nordkarolina: Beträchtliche Baumwollindustrie und -handel.
Charlottenbrunn, Marktflecken im preuss. Beg.-Bez. Breslau: Garn-
handel, in der Umgebung Leinen- und Baumwollwarenfabrikation.
Charpie, englische (patent linte), ist ein leinenes, gebleichtes, lockeres
Gewebe mit weit auseinanderliegenden Schussfäden. Die Bindung ist lein-
wandartig, aber jeder Kettfaden besteht aus vier bis fünf Fäden. Der Stoff
wird barchentartig aufgerauht (s. Verbandstoffe).
Charput, Hauptstadt im türk.-asiat. Kurdestan : Baumwollkultur.
Chasselas, baumwollene Zeuge, die man besonders zum Handel auf der
gueneischen Küste braucht.
Chasublerie (von chasuble = Messgewand), hat im französischen Handel
zwei Bedeutungen: 1. für alle Waren ohne Unterschied, welche zum Kirchen-
schmuck bestimmt sind: s. Bischofsornat u. s. w. ; 2. nur die Gewebe für
Kirchenzwecke.
Chäteau du Loir, Hauptort im Arrond. St. Calais des franz. Depart.
Sarthe: Fabrikation von Leinwand und Watte; Färberei.
Chäteaudun, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Eure-e*-Loire :
Fabrikation von Wolldecken ; Tuchhandel.
Chäteau-Gontier, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Mayenne :
bedeutende Leinwand-, Wollzeugfabrikation und -Spinnerei. In Ch. und Um-
gegend wird eine Art Etamine gewebt, der hiernach seinen Namen hat.
Chäteauroux, Hauptstadt des Arrond. Indre und des Arrond. C. : be-
deutende Fabrikation von Tuchen und Wollspinnerei; Leinwandhandel.
Chäteau-Thierry — Chemnitz. 1 19
Chäteau-Thierry, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Aisne:
Leinwandfabrikatioii, Baumwollspinnerei und Färberei, "Wollhandel. Ch. wird
1666 als Ort der Spitzenerzeugung nach italienischen Yorbildern erwähnt,
deren Fabrikate man point de France nannte.
Chätellerault, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Vienne:
Eine der bedeutendsten Industriestädte Frankreichs, u. a. Spitzenfabrikation.
Chaumont-en-Bassigny, Hauptstadt des Depart. Haute-Marne : Bevöl-
kerung fabriziert AVollzeuge.
Chaussettes, eine Hauptsorte der weissen franz. Zwirnstrümpfe, welche
zu Vitre und den umliegenden Ortschaften von den Landleuten gestrickt
werden. Sonst nennt man C. im Französischen auch im allgemeinen einen Unter-
ziehstrumpf, eine Art Socken, an welchen der halbe vordere Fuss fehlt.
Chaux-de-Fonds, Hauptort im Schweiz, gleichntimigen Bezirk, wird am
Ende des 18. Jahrhdrts. als Hauptstätte der Spitzenindustrie des Landes
erwähnt.
Chaves, das Aquae Flavieu der E,ömer, Stadt und Festung im portug.
Distrikt Villa Real: Leinweberei und Seidenindustrie.
Chavonnis, dünne ostindische Musseline von Pondichery.
Chazz (arab.), leichteres Seidenzeug des frühen Mittelalters, das aus
seidener Kette und wollnem Einschlag in Armenien erzeugt wurde und der
Beschreibung nach am meisten unserem heutigen Atlas entsprochen zu
haben scheint.
Cheks, Checks, in England und Nordamerika versteht man darunter die
gewöhnlichen blau- und weissgewürfelten oder blau- und weis sgestr elften
Matrosenleinen, welche aus den Niederlanden und aus der Oberlausitz in
grosser Menge nach Westindien gehen. Man unterscheidet je nach der An-
fertigung Linnen-Cheks, Cotton-Cheks und Mired-Cheks. Im allgemeinen be-
zeichnet man in England mit C. baumwollene Zeuge mit kleingewürfelten
Mustern.
Chelos, Chelasses, Chelles, Cheloes, sind buntgewürfelte oder gegitterte,
ostindische Kattune, welche in vielerlei Sorten von den Holländern, Franzosen
und Dänen in Bengalen, Surate u. s. w., wo sie zu den sogen. Pagnes
(Matrosenhemden) dienen, gekauft werden.
Chemille, Hauptort im Arrond. Cholet des franz. Depart. Maine-et-Loire :
Woll- und Baumwollmanufaktur; Färberei.
Chemin (franz.) in der W^eberei die Zahl der Kettenfäden in der Breiten-
ausdehnung eines Musters, welches sich in der Breite des Stoffes mehrmals
wiederholt.
Chemische Wäsche, s. Fleckmittel.
Chemisette, Chemisettchen (franz.), die bekannten Yorhemdchen, welche
von Seidenzeug, Batist, Ghingan, Cambric, Jaconet u. s. w. früher mehr in Mode
waren, als heute. Man fertigte den Stoff zu diesen Yorhemdchen mit feinen
Fältelungen auf dem W^ebstuhl, vornehmlich um Lichtenstein und Hohenstein
im Königreich Sachsen. Auch Yorhemdchen für Damen nennt der Franzose
Chemisettes.
Chemnitz, erste Fabrikstadt Sachsens und eine der bedeutendsten Deutsch-
lands ; HaujDtindustriezweige sind: Baumwoll- und Kammgarnspinnerei, Weberei,
hauptsächlich von Möbelstoffen, Tischdecken, Portieren, Y^irkwarenfabrikation,
besonders Strumpf-, Handschuh- und Trikotstofffabrikation; Färbereien und
Appreturen. Y^ebstuhlfabrik und Fabriken von Maschinen für Spinnerei,
Wirkerei, Strickerei und Appretur. Eine grosse Anzahl der als Chemnitzer
geltenden Fabriken liegt in den nahen Ortschaften. So wird die Fabrikation
von Wirkwaren, deren Mittelpunkt C. ist, imd die 50000 Arbeiter beschäftigt
und etwa für 70 Mill. Mark Ware fertigstellt, vielfach noch immer als Haus-
industrie in der Umgegend von C. betrieben. Die meisten der sogen. Fabri-
kanten sind jedoch nur Händler, welche die Appretur der bezogenen Waren
und die mannigfaltige Verpackung besorgen. Die Möbelstofffabriken beschäf-
tigten 1895 etwa 5000 Arbeiter und lieferten für mehr als 25 Mill. Mark
120 Chenebier — Chenilleteppiche.
Waren, die anderen "Webereien bescbäftigten 300, die Färberei- und Appretur-
anstalten 2300 Arbeiter. Chemnitz bestand schon als Ort zur Zeit Kaisers
Lothar (gest. 1138), der hier ein Benediktinerkloster, jetzt Schloss C. stiftete;
im Jahre 1414 erhielt C. sein ältestes Stadtrecht. Neben der uralten Lein-
weberei und einer ausgedehnten, durch E/egierungsmonopole geschützten
Bleicherei, erreichte das Tuchmachergewerbe bald einen für damalige Zeiten
grossartigen Umfang, und als die Stadt 1485 bei der Teilung Sachsens an die
Albertinische Linie kam, war sie eine der blühendsten im Meissnerlande. Im
dreissigj ährigen Kriege wurde die Stadt (1633 — 1636) fast gänzlich zerstört;
erst in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhob sich die Baumwoll-
weberei als ein neuer Nahrungs zweig, welcher 1739 schon 2000 Stühle be-
schäftigte und 20 Jahre später alle deutschen Konsumtionsplätze mit rohen
Kattunen versorgte. C. wurde 1765 Sitz der in den umliegenden Dörfern ver-
breiteten Strumpfwirkerei. Schlüssel aus Hamburg legte hier 1770 die erste
sächsische Zeugdruckerei an. Die englische Piqueweberei wurde 1775, die
englische Handspinnmaschine 1790 durch Forkel und Irmscher, die Baumwoll-
mas chinenspinnerei (s. d.) nach Arkwright'schem System 1799 durch Whöler
und Whitfield eingeführt. Alle diese Gewerbe erhoben C. während der Konti-
nentalsperre zur höchsten Blüte, die aber nach dem Pariser Frieden durch die
unglückliche Handelspolitik des Landes erheblich beeinträchtigt wurde, bis C.
1834 nach dem Beitritt Sachsens zum Zollverein, besonders durch den mäch-
tigen Aufschwung des Maschinenbaues, von neuem aufblühte. — Literatur:
Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte (Bd. 1 bis 10, ebd. 1873
bis 1899); Urkundenbuch der Stadt C. (im „Codex diplomaticus Saxoniae
regiae", II, Bd. 9, Leipzig 1879); Zöllner, Geschichte der Fabrik- und
Handelsstadt C. (Lpz. 1888); S träum er. Die Fabrik- und Handelsstadt C.
Ein Städtebild (ebd. 1893).
Chenebier, Dorf im Kanton Hericourt im franz. Depart. Haute-Säone:
Baumwollspinnerei und -weberei.
Chenille, (franz.: die Baupe; engl.: chenille; ital. : ciniglia), bandartige
gedrehte und ausgefaserte Schnur von sammet- oder raupenartigem Ansehen,
deren Herstellung auf dem Webstuhl folgendermassen geschieht: Die Kette
besteht aus mit regelmässigen Abständen eingestellten Gruppen von Seiden-
und Zwirnfäden; der Einschuss ist Seide, Wolle, auch Baumwolle, die Bindung
Taffet. Ist das Gewebe fertig, so werden Streifen geschnitten, bei denen die
Streifen in der Mitte liegen, während rechts und links die Schussfäden quer
herausstehen. Durch Drehung auf dem Schnurdrehrad werden die ausgefaserten
Streifen bleibend schraubenförmig gewunden. Feinere Chenillen, besonders
einfarbige, sowie FaQonchenille werden auf Ch. -Maschinen hergestellt (s. Posa-
menterie.) Die Ch. wird für sich allein zu verschiedenen Posamentierarbeiten
verwendet, teils dient sie als Aufputz für Damenkleider. Auch als eine Art
Spitzen (Ch. -borten), sowie zu sogen. Ch. -blonden, oder auch zu weissen, dicken
Geweben (Ch.-stoffe) und endlich zu sammetähnlich aussehenden Teppichen,
Tischdecken und Portieren wird die Ch. angewandt. Hauptsitz der Fabrikation
in Deutschland ist Chemnitz und weitere Umgebung.
Chenillenatlas, brochierter Sammet, ist ein veralteter, reicher, seidener
Stoff, der broschierte Blumen von Chenillefäden in einem Atlasgrunde oder
einem anderen Köpergrunde enthält.
Chenilleschneidemaschine, eine Maschine, welche zum Zerschneiden des
bandartigen Chenillegewebes (s. Chenille) in einzelne Streifen dient.
Chenilleteppiche, eine Art Teppiche, die, abweichend von der gewöhn-
lichen Art der Teppichweberei, auf beiden Seiten dasselbe Farbenmtfster in
Flor zeigen. Zunächst wird ein glattes Gewebe verfertigt, dessen Kette aus
einzelnen gleichmässig verteilten Gruppen leinener oder baumwollener Fäden
besteht, während der sehr dichte Einschlag in den durch das Muster be-
stimmten Farben aus Kammgarn oder Seide hergestellt ist. Indem man dieses
Gewebe zwischen je zwei Kettenfädengruppen der Länge nach durchschneidet
und die so erhaltenen Streifen auf einem Seilerrad zusammendreht, bilden sich
Cherasco — Chieri. 121
behaarte Schnürchen, deren feine Kette, durch den stärkeren Einschlag ver-
deckt, diesem nur zum Halte dient und die in ihrer Färbung das beabsichtigte
Muster darstellen. Diese Schnürchen werden in das eigentliche Teppich-
gewebe, dessen Kette aus Leinengarn besteht, eingeschossen und dem Muster
entsprechend sorgfältig aneinander gepresst, worauf durch Aufbürsten der
Chenillefäden auf beiden Seiten ein regelmässiger Sammetflor erzeugt wird.
Durch dazwischen eingetragene leinene Grundschussfäden erhält die "Ware den
erforderlichen Zusammenhalt. Da sämtliche bei der Vorarbeit gleichzeitig er-
haltenen Chenilletäden dieselbe Musterung zeigen, muss zu ihrer vollständigen
Verarbeitung die gleiche Anzahl Teppiche von einerlei Muster hergestellt
werden. Der Mannigfaltigkeit der Nüancierung ist bei dieser Methode volle
Freiheit gelassen, da die Zahl der Farben ausserordentlich vermehrt und
der Zeichnung jeder beliebige G-rad der Feinheit gegeben werden kann (s. a.
Axminsterteppich).
Cherasco, Stadt in der ital. Prov. Cuneo: Seidenindustrie.
Cherbourg, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. La Manche:
Fabrikation von gedruckten Kattunen, Strümpfen, Blonden; sodann Spinnerei.
Chercolee, Cherconne, ist der Name von gewissen gestreiften seidenen
und baumwollenen Zeugen aus Indien.
Cherquermolles, ostindische baumwollene Stoffe, welche ehedem die
Franzosen auf den Markt brachten.
Cherub, (franz.: cherubin; engl.: cherub), Mehrzahl Cherubim, s.
Engel.
ehester, Stadt im County Delaware des nordamerik. Staates Pennsyl-
vanien: Bedeutende Textilindustrie, besonders in Baumwoll waren.
Chesterfield, Stadt in der engl. Grafschaft Derby: Fabrikation von
Seiden- und Baumwollstoffen und Passementerie.
Chevillieren der Seide, in der Seidenfärberei ein Verfahren zur
Steigerung des Glanzes der gefärbten Faser. Die Arbeit wird nach dem
Färben der Strangseide vorgenommen. Besonders wichtig ist das Ch. bei der
Soupleseide. Das Ch. wird in der "Weise ausgeführt, dass die Seidensträhnen
mehrmals, abwechselnd nach rechts und links, um sich selbst aufgedreht werden,
wodurch sich die einzelnen Fäden durch die gegenseitige E,eibung und den
grossen Druck glätten. Das Ch. geschieht in grösseren Färbereien durch
Maschinen.
Cheviot, ein aus gröberer "Wolle, insbesondere aus Crossbredwolle (s. d.)
hergestellter Stoff, der zu Anzügen benutzt wird. Je nachdem das Roh-
material zu Kammgarn oder zu Streichgarn verarbeitet ist, wird der daraus
hergestellte Stoff mehr oder weniger glatt. Cheviotstoffe fühlen sich hart und
rauh an, sind auch, da die gröbere AVoile nicht walkt, stets verhältnismässig
lose, bieten aber, sofern sie ohne Kunstwolle oder sonstige Abfälle hergestellt
sind, das dauerhafteste Material zu Kleidungsstücken. Die Fabrikation der
Cheviotstoffe bildet einen der wichtigsten Teile der Wollindustrie, insbesondere
auch in Deutschland, ist aber von derjenigen der anderen Wollstoffe nicht
wesentlich verschieden.
Chevron, moderner einfarbig gestreifter schwarzer Kleiderstoff aus Wolle.
Chiaak sind in der Türkei, besonders in den Gegenden am Schwarzen
Meer, Sofaüberzüge von feiner wollener Serge. Die Garnitur hiervon besteht
aus einem Paar von Kissen und einer grossen Decke (Makat).
Chiari, Hauptstadt in der ital. Prov. Brescia : Seidenspinnerei und
-Weberei.
Chiasso, Flecken im Schweiz. Kanton Tessin: Seidenspinnereien.
Chiavari, Hauptstadt in der ital. Prov. Genua: Fabrikation von Seiden-
waren und Spitzen.
Chiavenna, deutsch Cläven oder Clefen, Stadt in der ital. Prov. Sondrio:
Seidenzucht, -Spinnerei und -Weberei.
Chieri, Stadt in der ital. Prov. Turin: Leinwebereien, Seiden- und
Baumwollspinnereien.
122 Chieti— China.
Chieti, Stadt in Italien: Tuchweberei, Seidenbau und -handel.
Chiffons (franz.), eine Art baumwollener Zeuge, eine sogen, weisse Ware,
glatt und nicht geköpert.
Chilime, Bett- und Sofadecken oder Teppiche von Seide und Leinen-
garn oder aus Wolle und Leinengarn, bunt gemustert, welche in Slavonien
gewebt und aus zwei Breiten zusammengesetzt sind.
China ist das Stammland der Seide (s. d.). Henri Silbermann (Die
Seide, ilire Geschichte, Gewinnung und Verarbeitung, Dresden 1897.) be-
richtet darüber aus den verschiedensten Quellen: Der chinesischen Seidenstoffe
findet man zuerst im Jahre 2225 v. Chr. Erwähnung getan, zu welcher Zeit
sie von der Provinz Shantung, die auch als eigentliche Heimat der Seide be-
trachtet wird, als Gabe und Huldigung an den kaiserlichen Hof des Shuntien
geliefert worden sind. Ln Jahre 2200 erscheint im Buche „Tschu-king" die
erste Nachricht über Seidenfärberei, in welcher die Verwendung gefärbter
Seidenstoffe beschrieben ist; auch schildert Konfucius rote und schwarze Seiden-
zeuge, die als Tribut an den Kaiser Ju (2022) geliefert wurden. Die Haupt-
verwendung der Seidengewebe jener Zeit bestand in der Anfertigung von
Fahnen und Schirmen, welche als Abzeichen der Würde dienten, indem ver-
schiedene Farben bestimmten Rangstufen entsprachen, in der Art, wie es
heute noch in China üblich ist. Das Gelb als ausschliessliche Farbe des Kaisers,
das Violett die seiner Nebenfrauen; Blau, !R,ot und Schwarz wurden dem ver-
schiedenen Range der Ritter beigelegt. Aus geschichtlichen Schilderungen
geht hervor, dass in China, wie auch sonst überall, die echten Seidenstoffe nur
dem Gebrauch des Hofes und der Adeligen dienen durften. Erst durch die
liberalen Verordnungen des weisen Kaisers Ju (2205) hat die Seidenkultur
auch unter dem chinesischen Volke Platz gegriffen. Mit der Zeit entfaltet das
Seidengewerbe einen immer höher steigenden Luxus: es erscheinen im 8. Jahrh.
V. Chr. Goldbrokate und ähnliche kostbare Seidenstoffe, in welche man sogar
bunte Vogelfedern einzuweben und einzusticken pflegte. Heber zwanzig Jahr-
hunderte gingen in gleicher Weise dahin, ohne dass das Seidengewerbe die
Grenzen seiner Heimatstätte Shantung überschritten hätte: es ist im grossen
und ganzen auf derselben Höhe geblieben, wie zur Zeit der Einführung. Der
Seidenhandel scheint bis zum 3. Jahrh. v. Chr. nicht bestanden zu haben. Die
durch natürliche und politische Hindernisse und durch sittliche Originalität
bedingte Absonderung Chinas wurde auf die Dauer dadurch bekräftigt, dass
die mittelasiatischen Barbaren dem weiteren Umsichgreifen der fortschreitenden
chinesischen Kultur unüberwindlichen Widerstand leisteten. Erst durch eine
infolge politischer Unruhen entstandene Auswanderung der chinesischen Be-
völkerung wurde der Seidenbau durch chinesische Ansiedler im Jahre 200 v. Chr.
nach der Halbinsel Korea verpflanzt und etwas früher finden sich in der Hinter-
lassenschaft der Chinesen die ersten Andeutungen über fremdländischen Verkehr
mit den Völkern Westasiens. Von Mittelasien kam die Seide aus China durch
Vermittelung der parthischen Kaufleute nach Europa. (Vgl. den Artikel Seide.)
Im 7. Jahrh. n. Chr. erhielt die Seidenkultur und -Weberei in China einen
solchen Aufschwung, dass bis zum 10. Jahrh. chinesische Rohseide und Seiden-
gewebe den wichtigsten Artikel im mittelasiatischen Handel bildeten, so dass
vom Jahre 819 berichtet wird, dass einem Kaiser von China 100000 Stück
Seidengewebe als Huldigung des Volkes dargebracht worden seien; ein Mandarin
schenkt im Jahre 826 dem Kaiser King-Tsang eine Million Seidenzeuge. Dieses
verschwenderische Umgehen mit der Seide lässt auf ihre unermesslichen Vor-
räte und den Luxus damaliger Zeit schliessen, da die Seidenzeuge sowohl beim
hohen Adel wie im gemeinen Volke zu etwas Alltäglichem geworden sind.'^ Seit
dem 13. Jahrh. wird China durch Indien im Seidengewerbe und dessen Ver-
breitung durch den Handel abgelöst; zu dieser Zeit ist dann wahrscheinlich
auch die regelmässige Zucht des Maulbeerspinners nach Indien eingeführt
worden. (Vgl. über Weiteres den Artikel Seide und Geschichtliches der
Weberei.) Die chinesische Seidenindustrie neuerer Zeit besitzt eine sehr be-
deutende Anzahl Webestühle. Besonders im Norden blüht die Kunstweberei,
China.
123
wo in Schen-si und Ss'-tschum Sammete von hohem AVerte erzeugt werden.
Atlasse und Crepes webt man in Shanghai, Houpch, Hu-tschen-fu undNingpo;
Bänder in Houpch und Shanghai, schliesslich broschierte und fassonierte Gewebe
in Kiangsu, besonders im Departement Kiang-nin-fu (Nankin). Die meisten
der gefertigten Grewebe werden im Lande selbst verbraucht und zwar am
häufigsten zu den von alters her üblichen Kleidern, die in den letzten Jahr-
zehnten in Mengen nach Europa kamen, so dass die Museen sich mit chinesischen
Stoffen reichlich versorgen konnten.
Abb. 48.
Chinesische Kleider: der Anzug besteht im "Wesentlichen aus vier Stücken:
Der Po ist ein weiter Rock, welcher auf der Seite zugeknöpft wird und fast bis auf
die Spanne hinabreicht, mit langen und weiten Aermeln; er ist entweder von Seide
oder Wolle. Im ersten Fall kann die Seide gemustert sein. Die Wolle ist aber immer
glatt: entweder Long-ell, Spanisch-Strippe oder Broadcloth, nach Stand und Würden.
— Der Theong-cham ist ein Po von Baumwolle oder Mä. Ihn tragen die unteren
Klassen. — Die M a - k o u a ist eine Art Weste mit Aermeln, aber weit, welche vorn
geknöpft wird und bis in die Gegend der Weichen reicht. Viele Ma-kouas sind von
seidenem oder wollenem gemustertem Kamelott, entweder chinesischer oder enghscher
Fabrikation, aber auch manche von Polamit aus Leyden, von Lasting, Longells,
Spanisch Strippe oder Medium Cloth. — Die Tai-koua ist ein üeberwurf, fast wie
ein Paletot und geht bis auf die Knie ; sie hat weite Aermel, geschlitzt zum Zurück-
schlagen. Oft ist sie aus Fa-n-tunn (gemusterter Stoff aus Seide und KamelwoUe) ge-
macht, aus Polamit oder feinem Tuch. — Die Beinkleider, oft auch nur Unter-
beinkleider, sind von leichtem Flanell oder Baumwolle , die sie mit einer seideneu
Schnur unter dem Knie festbinden. Im Sommer trägt man sie auch von Mientchao,
eine leichte Popeline von Seide und Baumwolle, die in Chuenn-te, eine Tagereise von
Kanton, gewebt wird. — Der Po wird von grauer und hellblauer, die Ma-koua maza-
rinblau oder violett, die Tai-koua dunkelblau, purpurrot, violett oder feuerrot getragen.
124
China.
Die arbeitende Klasse kennt alle diese Kleidungsstücke nicht; der Arbeiter zieht je
nach der Witterung 1 , 2, 3 Kittel übereinander von blau-weissem oder weissem
Baumwollenzeug an. Bei der Arbeit trägt er eine Art Aermelweste bis auf den
halben Leib und zur Seite geknöpft, darunter eine weite Hose bis zum Knöchel, oder
auch eine Kniehose. Die Frauen der unteren und mittleren Klassen tragen das lange
Beinkleid und den Rock. Diese Röcke sind nach Rang und Wohlhabenheit von ver-
schiedenen Stoffen, selten aber gemustert, höchstens mit einem Sammetstreifen verziert.
Das Beinkleid ist weit und fällt sehr weit herunter. Der Rock ist paletotartig, reicht
bis ans Knie und wird auf der Schulter und an der Seite geknöpft. Die vornehmen
Frauen tragen ein enges Gewand bis auf die Fusspitze von Seide, darüber einen Ueber-
wurf, Form Paletot, mit weiten langen Aermeln; er reicht zuweilen etwas über die
Taille, zuweilen bis zur Hälfte des Schenkels. Im Sommer ist er von gestickter Seide,
im Winter von feinem dunkelblauem Tuch mit Goldstickereien verziert.
Abb. 49.
Die Musterung der Stoffe in China wird, wie die ganze Kunst-
weise des Volkes, schon früh von Indien her durch den Buddhismus beeinflusst,
wozu vom 13. Jahrhundert an auch islamitische — hauptsächlich persische —
Elemente kommen. Die Verschmelzung gewisser Kunstformen dieser Länder
lässt sich im Mittelalter in Stoffen ebenso beobachten, wie es in anderen
Gebieten des Kunstgewerbes, namentlich im Porzellan, der Fall ist. (Vgl.
Geschichtliches im Artikel Weberei.) Und man kann oft nicht mit Sicherheit
angeben, ob ein Gewebe dieser Zeit in China unter persischem oder umgekehrt
in Persien unter chinesischem Einfluss entstanden sein mag. In Brokatstoffen
ist die Natur des Goldgespinstes nicht entscheidend, da China in dieser Zeit
zunächst auch noch vergoldete Lederhäutchen gebraucht, bevor das Papier
hierzu in der Weberei Verwendung findet. Schwer ist es auch, chinesische
Gewebe früherer Zeit von denen aus Japan zu unterscheiden, solange die
China.
125
Japaner nach chinesischen Yorbildern gearbeitet haben. Das Charakteristische
der chineschen Kunstformen ans der Pflanzenwelt ist die strenge Stilisierung,
welche ihre AViedergabe ohne Rücksicht auf das Material gleich erscheinen
lässt: bevorzugt sind der Lotos , die Päonie und solche Blüten, welche sich
der Palmettenform anschliessen lassen. (Vgl. Abb. 48 — 50.) In der An-
wendung von Tiergestalten kommt zu dem Schwerfälligen das Symbolische,
wobei in den meisten Fällen der indisch-buddhistische Ursprung nachzuweisen
ist. In anderen Darstellungen erscheinen die Tiere nur als Embleme gewisser
Eigenschaften und damit als Träger bestimmter Wünsche. (Vgl. M. v. Brandt:
..Ein Kapitel aus der chinesischen Kunstgeschichte-, in „AVestermanns Monats-
hefte" LXXXV, 508; Januar 1899.) Zu den ersteren gehört der Löwe, Shi
Abb. 50.
oder Shix, der als Sinnbild der Kraft und der Stärke unzweifelhaft aus Indien,
wo er den Thron Buddhas trägt oder Götter und Göttinnen als Sitz dient, nach
China übernommen worden ist; er findet auch Aufnahme in Japan, wo man ihn
irrtümlich im Volksmunde als Hund Buddhas nennt. (Vgl. Abb. 52.) Auch der
Elefant ist das Sinnbild der Kraft; er findet sich auch als Stütze oder Ver-
zierung an buddhistischen Thronen oder als Träger von Vasen und tribut-
bringenden Personen auf Stickereien. (Vgl. Abb. 53.) Die vier heiligen Tiere
der Chinesen sind: Schildkröte, Kilin, Phönix und Drache. (S. die Artikel im
Einzelnen.) Landschaftliche Darstellungen im chinesischen Ornament (vgl.
Abb. 51) des 18. Jahrhunderts haben zur selben Zeit (vgl. den Artikel Bokoko)
die französische Mustergebung stark beeinflusst.
Die Technik in Weberei und Stickerei ist in China, ent-
sprechend der Fülle des edelsten Materials, in jeder AYeise ausgebildet; doch
geht man dabei mehr vom Standpunkt künstlerischer "Wirkung als auf Streben
nach Efi^kten aus, die im Bereiche der Technik möglich wären. Hierzu sind
die auf einfachen Grundlagen beruhenden Einrichtungen der Webe- und Stick-
126
China.
apparate nicht angetan. Es sei denn, dass in neuester Zeit die europäische
Kultur in einigen Gegenden sich Geltung zu verschaffen gewusst hat. Die
gewebten Seidenstoffe enthalten Muster, welche durch Lanzieren und Bro-
schieren hergestellt sind; in beiden Eällen ist man bemüht, der Fläche eine
Abwechslung dadurch zu geben, dass die Blumen- oder andere Ornamente
reihenweis in der Farbe abwechseln. Die grösste Mannigfaltigkeit ist natürlich
durch die Technik des Broschierens (s. d.) gegeben , wobei das Material in
Ueppigkeit verschwendet wird, so dass auf der Bückseite solcher Stoffe
Strähnen von Seidenfäden flottliegen, die an der Oberfläche nur an wenigen
Stellen gebunden sind: eine Art und Weise der Kunstweberei, welche auch in
Abb. 51.
Japan (s. d.) in erhöhtem Masse Ausbildung gefunden hat. Bei notwendigen
Goldeffekten hat das aus dem Maulbeerstrauch gewonnene haltbare Papier reich-
lich Verwendung gefunden, aus dem man auch im gedrehten Faden Stoffe zu
Sommerkleidern herstellt (s. die Artikel Brillantgarn, Brokat, Goldgespinste
u. s. w.). Eine reiche Ausbildung hat die Stickerei in China von früher
Zeit an erfahren. Der Plattstich (s. d.) ist bei weitem bevorzugt, dessen Yor-
zeichnung in neuer Zeit durch Auflegen dünner gestanzter Papiermuster (s. d.)
erleichtert wird. (Abb. 54.) (Weiteres s. im Artikel Stickerei.)
Abbildungen:
48. Originalaufnahme eines Seidengewebes (im Kunsthandel), Grund rot, Muster
grün: reihenweis versetzte Lotos- und päonienartige Blüten an Ranken mit schnör-
keligem Blattwerk. China, alt.
49. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Sammet-
127
Abb. 53.
128
China — Chinagras.
gewebe, Grund hellblauer Atlas, Muster schwarz, geschnitten: Wellig gelegten Ranken
mit gerolltem Blattwerk entsteigen in Reihen abwechselnd nach oben und unten ge-
kehrt Palmettenblüten. China 18. Jahrhundert.
50. Originalaufnahme eines Seidengewebes (im Kunsthandel), Grrund grün, Muster
in bunter Seide broschiert, so dass die Einzelfiguren desselben unter sich auch innerhalb
der Reihen in den Farben wechseln: Wellig geschwungene breite Ranken mit Blüten
in Rosetten- und Palmettenform; dazwischen Blattwerk und Früchte. China 18. bis.
19. Jahrhundert.
Abb. 54.
51. Originalaufnahrae eines Brokatgewebes (im Kunsthandel) : Rundbild aus
einem Gewände mit Darstellung einer Berglandschaft, in Gold broschiert, dessen Grund-
fäden aus verschiedenfarbiger Seide bestehen, wodurch das Metall wechselnden Schimmer
erhalten hat. China 18. — 19. Jahrhundert.
52. Originalaufnahme einer Goldstickerei (im Kunsthandel) auf roter Seide mit
Darstellung eines Löwen. China 19. Jahrhundert.
53. Originalaufnahme einer Goldstickerei (im Kunsthandel) auf roter Seide mit
Darstellung eines aufgeschirrten Elefanten, der einen Fruchtkübel trägt. China 19/Jhrhdt.
54. Originalaufnahme von einem Gewände (im Kunsthandel), Plattstichstickerei
auf gazeartigem Seidenstoff in bunter Seide, mit Darstellung von Schmetterlingen.
China 19. Jahrhundert.
Chinagras, chinesischer Hanf, in England China-grass und Cloth-grass,
die Bastfaser von Boehmeria nivea. Ramie ist ein anderer Name für die
gleiche Faser, und auch die von der sehr nahe verwandten oder besser nur
Chine— Chits. 129
als Rarität zu betrachtenden Boehmeria tenacissima abstammende Rheafaser
besitzt die gleichen Eigenschaften; häufig werden sogar die Worte ßhea, Ramie
und C. nebeneinander für dieselbe Faser gebraucht. Diese Fasern liefern
seidenartig glänzende, sehr dauerhafte Gewebe und Seilerwaren, auch halten
sie Farbe und lassen sich leicht mit anderen Fasern zusammen verarbeiten.
Das C. ist eine der allerfeinsten und zugleich stärksten Fasern; auch ist der
mittlere Durchmesser der Faser dünner, als der von Jute, Flachs und Hanf.
Zum Zwecke der Weberei werden die Fäden des C, im eigentlichen Sinne
nicht gesponnen, sondern durch Aneinanderstückeln einzelner, Ende bei Ende
gelöster und durch Rollen mit der Hand vereinigte Fasern gebildet. Das
Material erscheint dadurch nicht rund, wie andere Garne, sondern glatt wie
ein sehr schmales Bändchen. In England, wo dieses Material erst durch die
Londoner Weltausstellung von 1851 weiteren Kreisen als Grasscloth (Gras-
leinen), wahrscheinlich infolge einer Verwechselung der Stammpflanze bekannt
wurde, werden die zur Verarbeitung dahin verschifften rohen Stengel einer
ähnlichen Behandlungsweise wie der Flachs unterworfen. Der Verbreitung
der Chinagrasfabrikate ist namentlich die durch den amerikanischen Bürger-
krieg veranlasste Unterbrechung der BaumwoU einfuhr förderlich gewesen.
Auf der Pariser Weltausstellung 1867 trat diese Industrie bereits in be-
merkenswerter Weise hervor, und seitdem ist dieselbe in stetem Fortschritt
begriffen.
Chine, Chinee, chiniert, nennt man in Frankreich jeden auf geflammte
Art oder mit flammigen Mustern gewebten Stoff.
Chiniert, s. Chine.
Chin-tcheon, s. Foulards.
Chints, eine Sorte des englischen Kalikots; man unterscheidet sie in
FuU-Chints, d. s. solche, die im Grunde zwei Farben Krapp haben, und in
Half-Chints, oder solche, die nicht in Krapp ausgefärbt sind, sondern nur
Aufdruckfarbe haben.
Chipping-Norton, Stadt in der engl. Grafschaft Oxford: Wollfabriken
(600 Arbeiter).
Chipping-Wycombe, Stadt in der engl. Grafschaft Buckingham: Spitzen-
fabrikation.
Chiques, in Frankreich, besonders zu Alais, die geringeren Sorten der
Landseide, welche nur zu Nähseide verarbeitet werden können.
Chiroteken (griech.), eine Art Handschuhe; sie finden sich schon im
Altertum bei den westasiatischen Völkern, von kostbarem Pelzwerk bei Persern,
Griechen und Römern (digitalia). Im Mittelalter waren sie bei den meisten
Kulturvölkern im Gebrauch. Die zu den noch erhaltenen Krönungsinsignien
der deutschen Kaiser (s. Reichskleinodien des heil, römischen Reichs) ge-
hörenden C. sind aus purpurfarbener Seide zusammengenäht, ausserhalb reich
mit Laubornamenten in Gold- und Perlstickerei nebst aufgesetzten Email-
plättchen in romanischem Stile bedeckt. Als Teile des geistlichen Ornats (mit
gesticktem Kreuz) gehören die C. ausschliesslich der abendländischen Kirche
an und erscheinen als bischöfl. Würdenzeichen hier bereits im 6. Jahrh.
Chitaboully, s. Baffetas.
Chiton, bei den alten Griechen das von Männern und Frauen unmittel-
bar am Körper getragene Unterkleid. Man hat den dorischen und jonischen
Ch. zu unterscheiden. Ersterer, als Männergewand eigentlich Chlaina genannt,
war ein oblonges Wolltuch, so angelegt, dass es an der linken Seite des
Körpers gefaltet und daher geschlossen war, während es an der rechten offen
blieb und an beiden Schultern mit Heftnadeln genestelt wurde. Der jonische
C. war hingegen aus Leinwand, sackartig geschlossen und wurde durch das
für Hals und Kopf gelassene Loch angezogen.
Chits, Zitse, in Frankreich früher auch Perses genannt, veraltete Be-
zeichnung für baumwollene, dichte, leinwandartige, feine, gedruckte (früher
auch gemalte) Stoffe, die ehedem in grosser Mannigfaltigkeit aus Bengalen und
von der Küste Coromandel häufig nach Europa gebracht wurden, dann aber
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 9
130 Chiwa— Chorhemd,
bald von den europäischen Kattunen und verwandten Zeugen (s. Augsburg)
übertroffen wurden.
Chiwa, Chanat in Turkistan in Mittelasien, mit gleichnamiger Haupt-
stadt: Erzeugung von Seide und Baumwolle. Die frühere Atlas-, Seiden- und
Sammetstoffweberei ist fast nicht mehr vorhanden, seitdem die Zentralasiatische
Eisenbahn im Gange ist.
Chlamys, ein mantelartiges Oberkleid der alten Griechen. Die Ch. war
ein unten abgerundetes Stück Zeug, das über die linke Schulter geworfen und
auf der rechten Schulter mittels einer Spange zusammengeheftet wurde.
Chloren der Wolle, Behandlung von Schafwolle nach dem Entfetten mit
Chlor, wodurch leichtere Aufnahmefähigkeit für Farbstoffe und namentlich
bei Teerfarbstoffen gleichmässige Färbungen erzielt werden. S. a. Seidenwolle.
Chodschent, Kreisstadt im russ. zentral-asiat. Generalgouvernement
Turkestan: Seidenweberei und -färberei, Stickerei, Anfertigung baumwollener
Stoffe; auch Baumwollbau.
Cholet, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Maine-et-Loir:
Fabrikation von Taschentüchern, Leinen- und Baumwollzeugen, Batist, Flanell.
C. ist Mittelpunkt eines Industriebezirks mit 50000 — 60000 Arbeitern.
Cholets, auch unter dem Namen schlesisches Kanevasleinen bekannt;
man versteht darunter ungebleichte Leinen, leicht gewebt, nach Art der grauen
Platillas, in verschiedener Feinheit. Sie werden nach ihrer ganzen Breite
glatt gelegt und erhalten keine andere Appretur, als dass sie gut gemangelt,
stark gepresst und genau sortiert werden, wobei man darauf sieht, dass kein
gelbes oder rötliches, sondern durchaus nur silbergraues oder aschgraues Garn
im Gewebe ist. Der Name kommt von der Stadt Cholet, im franz. Depart.
der beiden Sevres, wo sie ursprünglich verfertigt wurden. Unter Cholets in
Farben kommt ein ähnliches Fabrikat mit schmalen bunten Streifen, meist blau
und rot oder blau und gelb in den Handel. Auch bunte Schnupftücher sind
in Frankreich unter dem Namen Cholets bekannt.
Choppats, leichte, einfache aber dauerhafte seidene Taffetstoffe, welche
aus Indien kommen und in Europa durch Färben und Bedrucken weiter ver-
edelt werden.
Choquettes (franz.), Puppen und Gespinste von kranken Seidenraupen.
Chor, eigentlich Korps, in der Weberei jede der Abteilungen im Web-
geschirr (Harnisch) des Webstuhls für Bildgewebe (s. d.), enthält bei Waren
mit einer Kette die Harnischschnüre für je einen Bapport des Musters; bei
Waren mit mehreren Ketten die Harnischschnüre für je eine Kette.
Chorassan, Landstrich zwischen den Steppen des Tieflandes Turan und
der Salzwüste im Innern des Hochlandes Iran: Webereien von Teppichen,
Schals und Kameltuch.
Chorbrett, am Webstuhl das horizontale Brett, durch dessen Löcher die
Harnischschnüre laufen, welche die Litzen für die Kettfäden tragen.
Chorgewänder (franz.: habits de choeur), in der kath. Kirche die
beim Chordienst von den Chorherren zu tragenden Gewänder, besonders
die Chorkappe, auch Chormantel genannt: s. Pluviale , und der Chorrock:
s. Chorhemd.
Chorhemd (lat : superpelliceum ; franz. : surplis ; engl. : surplice), das
beim Chordienst und verschiedenen priesterlichen Handlungen nicht nur von
der kath. Stifts- und Pfarrgeistlichkeit über dem Talar, sondern auch von
Chorknaben getragene faltenreiche , weisse Ueberkleid von feinem Leinen
oder Batist ; es ist vorn geschlossen und hat lange, weite Aermel. Es ent-
wickelte sich, wie es scheint, im 12. Jahrhdrt. in England aus der Alba; i^eichte
im 14. und 15. Jahrhdrt. bis an die Waden herab, wurde aber später etwas
verkürzt, auch mit engeren Aermeln versehen und hiess dann der Chor-
rock (lat.: rochettum; franz.: röchet, rochette ; engl. rock). Unter den
wenigen aus dem Mittelalter gebliebenen Chorhemden ist eines der interessan-
testen das im Schloss Friedenstern zu Gotha aufbewahrte : mit tamburiert
Q'estickten Mustern im orientalischen Geschmack.
Chorley— Ciciclia. 131
Chorley, Industriestadt in der engl. Grafschaft Lancashire: Fabriken
von Baumwollgarn, Musselin, Kaliko, Indiennes und Putzwaren.
Chormantel s. Pluviale.
^hotzen, Stadt in Böhmen: Flachsspinnerei mit 12 000 Spindeln und
600 Arbeitern.
Chowtars, ostindische Musseline von Patna.
Chrätsch, eine gewöhnliche, aus Hanfheede gewebte Packleinwand,
welche aus Russland meistens nach Norwegen, Holland und den Ostseehäfen
verschifft wird.
Chrismale, in der kath. Kirche ein weisses Tuch, welches den zu
Salbenden um die Stirn gebunden wird, damit das Salböl nicht herabfliessen kann.
Christiania s. Kristiania.
Christianstadt, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Frankfurt: Flachsgarn-
spinnereien, Bleicherei.
Christus, Jesus Christus (franz. : le Christ, Jesus-Christ) ist in der
Textilkunst, namentlich im frühen Mittelalter, sehr oft Gegenstand bildlicher
Darstellung. Bei der bekannten Abneigung der ältesten Christen gegen Ab-
bildungen der Gottheit ist es begreiflich, dass Christus zunächst nur durch
Symbole dargestellt wurde. Die wichtigsten davon sind: das bedeutungsvolle
Kreuz, das Lamm (s. Agnus Dei), der Fisch, der Adler, der Weinstock und
die Weinreben, das Schiff, der Hügel mit vier Flüssen, der Pelikan (s. d. betr.
Artikel). Mehr allegorische Andeutungen waren der gute Hirt, der Gärtner
u. s. w. ; dazu treten rein äusserliche Zeichen, so z. B. des ^ und P^ (Offenb.
Joh. 1, 8. 11; 22, 13; die Buchstaben LH. S. (s. Christusmonogramm). (Vgl.
auch die Artikel Kirchliche Stoffe und Stickereien.)
Christus-Monogramm, Abkürzungen des Namens Christus in dem Aus-
druck des griechischen Alpha und Omega (d. h. Ich bin das A und das 0)
und Jesus (I -j- C oder J H S u. dergl.), ersteres in der frühesten Zeit der
christlichen Kunst, letzteres bis zur spätgotischen Zeit auf kirchlichen Stoffen
und Stickereien in ornamentaler Verwendung gebräuchlich. (Vgl. Abb. 6, Tafel IX.)
Chromartikel, im Zeugdruck die mittels Chrombeizen hergestelltenDrucke.
Chrysanthemum, Goldblume, Pflanzengattung aus der Familie der Kom-
positen, wovon es 100 Arten gibt. (Vgl. Japanische Kunstformen.)
Chrysidineus (lat.), mit Gold verwebt.
Chrysoclavus (lat.), mit Gold durchwirkter Purpurstreifen am Saum,
namentlich der liturgischen Gewänder.
Chuquelas, eine Art ostindischer gestreifter, baumwollener und sei-
dener Stoffe.
Chur (ital. : Coira; roman. : Cuara; franz.: Coire), Haupstadt des Schweiz.
Kantons Graubünden: Mittelalterliche Stoffe in der Sammlung der Kathedrale.
Chusan hiess ein Modestoff aus den dreissiger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts, von baumwollner Zwirnkette und englisch Kammgarnschuss, mittels
der Jacquardmaschine in mehreren Farben geblümt gemustert.
Chüzistän wird im frühen Mittelalter als Ort einer persischen Seiden-
manufaktur genannt, wo unter dem Einfluss der Araber Atlas- und Sammet-
stoffe hergestellt wurden.
Chyl'at (Chilat, Chalat), im Arabischen so viel wie Kleidungsstück, be-
sonders das von einem Fürsten dem Günstling verliehene Ehrenkleid; in letz-
terer Bedeutung ist das Wort zu den Persern, Türken und anderen islamit.
Völkern übergegangen. Die Verleihung des Ehrenkleides als Zeichen höchsten
Wohlgefallens ist im Orient uralt und hat bestanden, bis im 19. Jahrhdrt, in
Persien und der Türkei die europäische Form der Huldbezeugung durch Ver-
leihung von Ordensdekorationen eingeführt wurde.
Ciciclia, eine in der Türkei und in Griechenland bekannte Gattung-
seidener und halbseidener Zeuge, welche in Aleppo verfertigt werden. Es
gibt C. aus Seide und Baumwolle, damastartig, mit eingewebten einfachen
Blumen auf Atlasgrund ; die anderen, mit dem Zunamen indische, sind reiche
Stoffe mit einbroschierten goldenen und silbernen Blumen auf Grosdetourgrund.
132 Cilicium— Clinton.
Cilicium (lat.), bei den alten ßömern eine grobe Decke aus cilicischen
Ziegenhaaren; in der katli. Kirche das Gewand der alten Einsiedler und
Mönche, auch ein unter dem andern auf blossem Körper von den Mitgliedern
einzelner Orden, auch von frommen Laien getragenes härenes Hemd, sowie der
in ähnlicher Weise getragene Bussgürtel von Draht.
Cilimi heissen bei den Südslaven die Kilims (s. d.).
Cinctus, bei den alten Römern ein kurzer Rock, der den Oberleib nackt
liess und durch einen Riemen gehalten wurde.
^indacis (engl.), Seidenzeuge.
Cingilum (lat.), Leibgürtel; in der kath. Kirche die weissleinene oder
baumwollene Schnur mit Quasten, die dazu dient, das Unterkleid (Alba) zu
gürten. Auch über den geistlichen Leibrock (Soutane) tragen die kath. Geist-
lichen ein C, das in einem schärpenartigen, an der Hüfte zusammengesteckten
Bande besteht, dessen Enden an der Seite herabfallen. Dieses C, ebenfalls
von Seide oder Wolle, ist in der Regel schwarz.
Cinque-Cento-Stil (vom itaL cinque cento = 500, abgekürzt für 1500),
italienischer Renaissancestil (s. d.).
Ciporovica, auch Ciporovci undCiprovec genannt, das Tschiprowatz unserer
Karten, Flecken in Bulgarien, der durch seinen Teppichexport berühmt ist.
Circassias, Circassiennes, Zirkas, ein kaschmirähnlicher Stoff, welcher
sowohl ganz aus Streichgarn, wie auch aus Baumwolle und Leinen mit Wolle
gemischt, geköpert gewebt wird.
Cirencester, Stadt in der engl. Grafschaft Gloucester: Sehr bedeutende
Wollmärkte.
Cirkularstühle, Wirkmaschinen mit kreisförmig angeordneten Nadeln.
Cirsacca sind ostindische und chinesische Atlasse von Seide und Florett-
seide und Baumwolle, bunt gestreift oder gegittert, s. Sirsakas.
Ciudad-Real, Hauptstadt im Königreich Spanien: Woll- und Zeugweberei.
Ciudad-RodrigO, Stadt in der span. Prov. Salamanca: Fabrikation von
Woll- und Leinenzeugen.
Cividale del Friuli, Hauptstadt der ital. Prov. TJdine: Die Einwohner
treiben Kattun- und Leinweberei.
Claires, Clarines, klare Schleier, eine dünne, offengewebte Batistart, von
denen die feineren Sorten in Valenciennes und St. Quentin gemacht werden.
Die gewöhnlichen macht man in Schlesien und Böhmen ; in Amerika und West-
indien kommen sie auch unter dem Namen klare Estopillas zu Yelas (Schleier)
in den Handel.
Claremont, Ort im County Sullivan in Nordamerika: Strickwarenfabriken.
Classi di seta, auch Yintilizzi, nennt man in Italien glatte, leichte,
seidene Zeuge.
Clavus (lat.), der purpurne Streifen, der bei den römischen Senatoren
und Rittern, bei jenen breiter, bei diesen schmäler, an der Tunika vorn in
der Mitte vom oberen bis zum unteren Saume hinablief.
Cleckheaton, Stadt in der engl. Grafschaft York: Fabrik für Krempeln,
Tuch- und Spinnmaschinen.
Clermont, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Oise: Leinen-
weberei, Strumpfwirkerei; Leinenhandel.
Clermont-Ferrand, Hauptstadt des franz Depart. Puy de Dome : Fabri-
kation von Baumwollgarn, Tafelleinen; beträchtlicher Handel mit Landes-
produkten.
Clermont-rHerauIt, Hauptstadt im Arrond. Lodeve des franz. Depart.
Herault: Fabrikation von Militärtuch, Levantetuch; Färbereien.
Cleve, Kreisstadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Baumwollwebereien.
Clichy-la-Garenne, Hauptort im Arrond. St. Denis des franz. Depart.
Seine: Stoffdruckereien und bedeutende Bleichereien.
ClinchampS (franz.), grobe Hanfleinwand zu Bar.
Clinton, Stadt im County Worcester in Massachusetts: Teppich- und
Ginghamfabrik.
Glisson— Colbertine. 133
Glisson lieisst eine Leinwand, die ihren Namen von der gleichnamigen
französischen Stadt führt.
Clitheroe, Ort in der engl. Grafschaft Lancashire : Baumwollwaren-
fabrikation.
Clochepied, eine zugerichtete Seide oder Organsinsorte, die aus 3 Fäden
besteht, wovon erst zwei zusammen besonders, hernach diese wieder mit dem
dritten Faden noch einmal zusammengedreht oder gezwirnt worden sind. Man
gebraucht diese Seide in den Gazefabriken.
Cloth, wollener oder halbwollener Futterstoff mit Kammgarnkette und
Baumwollenschuss oder umgekehrt, je nachdem als Bindung Atlas oder Köper
gewählt ist.
Clouties, englische kleine leinene Tücher für Madagaskar.
Clove, Wollgewicht in England = 3,5 kg.
Cluny, Hauptstadt im franz. Depart. Säone-et-Loire : Spitzenerzeugung.
Coae vestes (lat.), koische Seidenstoffe des frühen Mittelalters, welche
beinahe durchsichtig erscheinen. Man nimmt an, dass sich die Bezeichnung
auch auf diejenigen Gewebe bezogen hat, die aus den serischen Halbseiden-
stoffen, durch Trennung der Seide von der Baumwolle, und nochmaliges Ver-
weben der ersteren erzeugt wurden. Nach erhaltenen Beschreibungen sollen
diese byssusartigen Stoffe (s. d.) auch mit Purpur oder Scharlach gefärbt und
mit Gold durchwirkt gewesen sein (s. Cos).
Coast Goods, englische Zeuge von der Küste Malabar.
CoatingS (engl.), Fries, Flaus (franz. : frise) nennt man eine Art glatter
oder geköperter, langhaariger Wollenzeuge, welche sich von dem Kalmuk durch
kürzere Haare und dünneren Körper unterscheiden und deshalb auch häufig
Halb-Kalmuk genannt werden. Masquerade-Coating ist ein im Gemisch von
allerlei Farben gewebter C.
Coburg (Koburg), Hauptstadt desHerzogstums C: Mechanische AYebereien.
Cocarde (franz.), die Bandrosette in den Farben einer Partei oder eines
Landes.
Cochabamba, Hauptstadt in der südamerik. Pepublik Bolivia: Be-
deutende Fabrikation von Woll- und Baumwollzeugen.
Cochinchina, Landschaft in Hinterindien: Baumwollweberei, Maulbeer-
baumanpflanzungen zur, Seidenzucht; Anfertigung grober Seidengewebe.
Cocon (franz.), das Gespinst, mit welchem sich Schmetterligsraupen be-
hufs der Yerpuppung umgeben, insbesondere das Gespinst der Seidenraupe.
Cocons werden in allen möglichen Gattungen und Namen, nach Art der E-assen
und Verwendung des Gespinstmaterials auf den Markt gebracht : s. hierüber
Florettindustrie, insbesondere Seide.
Coconshäute nennt man die nach dem Abhaspeln der Cocons übrig-
bleibenden Häute, welche man zu Wattseide, Florettseide und zu italienischen
Blumen benützt.
COCOS, s. Kokos.
Codille wird in manchen Gegenden die Heede von Flachs und Hanf
genannt.
Coeur fleuri, in Frankreich ein feingebleichter Zwillich mit eingewebten
verschiedenen kleinen geometrischen Mustern.
Cohoes, Stadt im County Albany des nordamerik. Staates Neuyork •
Baumwollindustrie und bedeutende Strickwarenfabriken.
Cohrasdruck, Bedrucken der Gewebe mit geschmolzenem Harz- und
Wachsgemisch. Färben mit beliebigen Farbstoffen, wobei die bedruckten
Stellen keine Farbe annehmen, und Entfernen des Aufdrucks durch heisses
Wasser (s. a. Batik).
Coimbra, Hauptstadt in der portug. Prov. Beira: Leinweberei.
Coir, Bezeichnung der Fasern aus den Früchten der Kokospalme, welche
zu textilen Zwecken Verwendung finden.
Colbertine nannte man in Frankreich zur Zeit Colberts nach diesem
eine geklöppelte Nachahmung der italienischen Barockspitze, welche auf Ver-
134 Colchester — Compiegne.
anlassung von C. durch venetianische Arbeiterinnen nach Alencon, Sedan u. s. w.
eingeführt worden war.
Colchester, grösste Stadt in der engl. Grafschaft Essex: Fabrikation
von Segeltuch, Seide und Sammet, letztere seit der Ansiedelung flüchtiger
Flamänder zur Zeit Albas im 16. Jahrh.
Colitz, Stadt in der Prov. Sachsen: Baumwollspinnerei und Zwirnerei,
Fabrikation von Trikotagen, Watte, Strickgarn und Docht.
Collata (Tele) ist die italienische Benennung aller aus Deutschland nach
Italien kommenden Steif leinwand oder Schütter.
Collette ist eine ungebleichte flächsene Leinwand von mittlerer Fein-
heit, welche im Osnabrückschen verfertigt und nach den canarischen Inseln
ausgeführt wird.
Collodiumfäden als Ersatz für Seidengespinste sind gefärbte glänzende
Fäden aus C, sie werden nach dem Patent E. Breuer dargestellt, indem eine
Walze von Metall oder anderem festem Material zuerst mit Collodium, darauf
mit aufgelöstem Leim, dann wieder mit C. und so fort überzogen wird, bis
die Schicht die gewünschte Stärke hat. Diese präparierte Walze wird auf
eine Leitspindeldrehbank gebracht und diese, nachdem man einen Schneide-
stahl befestigt und so weit an die Walze vorgeschoben hat, dass er die Schichte
durchritzt, in Bewegung gesetzt. Die Schicht wird in Fäden zerteilt und
letztere abgehaspelt. Das so gefertigte Material ist zwar sehr schön, aber
auch wegen seiner grossen Feuergefährlichkeit kaum zu Webezwecken an-
wendbar.
Colmar, Hauptstadt im Oberelsass : Baumwoll-, WoU- und Seiden-
spinnerei, -Weberei und Färberei; Fabrikation von Tuch, Jute, Packleinwand
und Nähfaden. Literatur: Pathgeber, C. und Ludwig XIY. (Stuttg. 1873).
Hausbuch von Dominikus Schmutz, hg. von Julien See (Colm. 1878, Bd. 6 der
„Chroniques d'Alsace") ; Die älteste deutsche Chronik von C, hg. von Waltz
(C. 1891); Annalen und Chronik der Stadt C. (2. Aufl., bearbeitet von Watten-
bach, Bd. 75 der „Greschichtschreiber der deutschen Vorzeit", Leipzig 1897).
Colombianas für den Markt von Manila: ein Lasting oder Calmande,
im Stück gefärbt, Kette und Schuss von hartem Kammgarn.
Col rabattu, ein bis auf die Achseln herniederschlagender Spitzenkragen,
der unter Heinrich III. in Frankreich den sogen Gekrösekragen (fraise) ablöste.
Columbia, Hauptstadt des Staates Südcarolina von Amerika: Bedeuten-
der Baumwollhandel.
Columbus, Name von Orten in den Vereinigten Staaten von Amerika,
in welchen mehr oder weniger bedeutender Baumwollhandel getrieben wird (s.
Baumwollarten) .
Comash (amb.) heissen im frühen Mittelalter broschierte Gewebe orien-
talischer, d. i. rein arabischer Herkunft.
Combourgs ordinaires nennt man in Frankreich die groben hänfenen
Leinen, welche in der ehemaligen Normandie, meistens im Departement der
Nordküsten verfertigt werden und über St. Malo und Pouen zur Ausfuhr
kommen.
Comfortables (engl.), nach Deutschland übergegangene Bezeichnung für
die auf Strumpf- und Kettenpetinetstühlen gewirkten, auch gehäkelten elasti-
schen wollenen Shawls für Herren, zum Warmhalten des Halses imd der Brust.
Comines, Ort im Arrond. Lille des franz. Depart. Nord: Band-, Baum-
wollzeug- und Zwirnfabriken.
Commesso (ital.), eigentlich lavoro di comesso , musivische Arbeit,
Applikationsstickerei. ^
Como, Hauptsadt der ital. Prov. C. : Seidenspinnerei und -W^eberei,
Baumwollspinnerei. Die zahlreichen Seidenmanufakturen liefern Sammet, Taffet,
Handschuhe und Strümpfe, und der Handel mit Graubünden, der Schweiz und
Oberitalien beschäftigt mehrere grosse Handelshäuser.
Compiegne, Hauptstadt des Arrond. im franz. Depart. Oise : Fabrikation
von Hanfleinwand, Seiler- und Strumpfwaren.
Condeaux— Copsbleiche. 135
Condeaux ueunt man im franz. Leinenhandel eine halbgebleichte hänfene
Leinwand, dicht und dauerhaft, deshalb in Spanien sehr gesucht. Sie wird in
der Gegend von Rennes, im Depart. der Ille und Vilaine, verfertigt und über
Ronen nach Spanien verkauft.
Condrien, Hauptstadt im Arrond. Lyon des franz. Depart. Khone :
Seidenfabriken und Stickerei.
Conegliano, Hauptstadt der ital. Prov. Treviso : Tuchfabrikation und
Seidenindustrie.
Conshohocken, Stadt im nordamerik. Staate Pennsylvanien: Fabrikation
von Woll- und Baumwollwaren und Teppichen.
Constanzer Leinwand, Tele di Constanza, eine feine, dichtgewebte, auf
holländische Art gebleichte und zugerichtete flächsene Leinwand von ver-
schiedener Qualität, w^elche im Breisgau und im Odenwalde aus ausgesuchtem
gleichem Grarn gewebt, in Constanz und in St. Gallen gebleicht und appretiert
und von da nach Italien und dem südl. Frankreich verkauft wird.
Contailles, in Frankreich eine Florettseide von geringer Art, die man
sonst auch Hondelettes und Strasses nennt.
Contil, s. Tuchfabrikation.
Continue, s. Streichgarnspinnerei.
Continuebleiche ist Baumwollstückbleiche.
Contremarsch, in theoretischem Sinne die Kenntnis der Einzugsweisen,
der Bindungen , der Trittweisen und Schnürungen , sowie der Wirkungen,
welche durch Kombination der Einzugs- und Trittweisen mit den verschiedenen
Schnürungen entstehen. C. im praktischen Sinne die Bauarten und Zusammen-
stellungen aller zur Bewegung der Kettfäden notwendigen Teile an sogenannten
Trittwebstühlen, ausschliesslich der Schaft- und Jacquardmaschinen.
Conzentzeug, veralteter Name für einen einfachen gewöhnlichen "Wollen-
stoff, welcher leinwandartig mit gezwirnten Kettenfäden und einfachen Fäden
im Schuss gewebt wird und der sich von dem Etamin nur durch diese ge-
zwirnten Fäden unterscheidet; man hat dieses Gewebe, dessen Kettenfaden oft
drei- bis vierdrähtig ist, einfach und glatt, verschieden gefärbt, gestreift, ge-
presst und meliert, und gebraucht es zu Frauenüberröcken, Sammetkleidern,
ünterfutter, Theatergarderobe, den schwarz gefärbten zu Kleidungen für die
Geistlichen. Die glatten C. kommen auch unter Polamit, die gestreiften unter
Quinette in den Handel.
Cöpenick, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Potsdam: Bedeutende Färberei
(Spindler auf Spindlersfeld), Dampfwäscherei, Fabrikation von Shoddy, Lino-
leum und Wachstuch; umfangreiche Hauswäscherei.
Copis, Copees, Cupis, buntgewürfelte oder ginganartige Baumwollzeuge
aus Bengalen, welche die Holländer und Franzosen von dort zum Handel nach
den afrikanischen Küsten holten, wo sie zu Turbans und Pagnes (Hemden)
verbraucht werden. Später wurden diese Stoife in Kouen nachgeahmt.
CopOU, ein feines musselinartiges Gewebe, welches die Chinesen aus
einer Gattung Hanf verfertigen, den sie aus einer Cos genannten Staude ge-
winnen. C. kommt sehr selten nach Europa; von den Chinesen wird der Stoff
wegen seiner Leichtigkeit und Kühle sehr geschätzt und zu mancherlei
Kleidung verbraucht.
Cops ist die aus dem Englischen auch in alle Sprachen übergegangene
Bezeichnung für die Aufwindungsform des gesponnenen Fadens, speziell für
die zylindrisch, mit konischen Enden gewundenen Erzeugnisse der Mule-Spinn-
maschinen.
Copsbleiche, Baumwollengarne, die in Form von Cops (Kötzern), Spulen
u. s. w. gefärbt werden sollen, werden auch in dieser aufgewickelten Form
der Bleiche unterzogen. Um die Form des C. zu schonen und ein Verwirren
des Garnes zu vermeiden, werden dieselben in Weidenkörbe gepackt und in den
Bleichkier und in das Chlorkalkbad gebracht. In ähnlicher Weise wird auch
die Copsfärberei als solche benannt, wenn das Färben der Garne (beson-
ders der- Baumwolle) in aufgewickelter Form geschieht. Dieselbe bietet so
136 Coquille — Cordons.
wesentliche Vorteile gegenüber der Garnfärberei, dass sich diese Art der Ver-
edlung der Baumwolle sehr rasch eingebürgert hat. Vgl. Knecht, ßawson,
Löwenthal, Handbuch der Färberei der Gespinstfasern, Berlin 1894. S. 943.
Coquille oder neige (franz.) bezeichnete man in Puy jene Spitzen, wenn
an ihrem äusseren Saume statt der Zacken muschelartig sich verbreiternde oder
fächerförmige Ornamente vorhanden waren.
Corahs, einfache Taffetseidenstoffe, die aus Indien kommen und in Europa
durch Färben und Bedrucken weiter veredelt werden.
Coram, Tele Corame, Lederleinwand, eine aus weiss gebleichtem fläch-
senem Garne fest und gedrungen gewebte Leinwand, welche in der Oberlausitz
und in Böhmen verfertigt und nach Triest und ganz Italien exportiert wird;
gewöhnlich wird zur Kette stRrkeres Garn genommen und zum Schuss feineres
eingeschlagen, wodurch die Ware schön und gleich wird und sich von den
Coras nur dadurch unterscheidet, dass sie dichter und kerniger ausfällt und
andere Legeart hat.
Coras ist der willkürlich gegebene Name einer Art sehr billiger, ge-
wöhnlicher, gedruckter Kattuntücher, die man vorzugsweise in Sachsen fertigt.
Coras-Seide, s. Corahs.
Corbeil, Hauptstadt des Arrond, C. im franz. Depart. Seine-et-Oise:
Fabriken von Shawls und Damast.
Corbie, Hauptstadt im Arrond. Amiens des franz. Depart. Somme : Woll- und
Baumwollspinnereien, Fabrik von Mützen, Wollstoffen, Sammet und Trikotagen.
Cordaline oder Cordoline, der starke Leinen- oder Seidenfaden, welcher
längs jeder Kante oder Leiste eines Seidengewebes hinläuft und die Gleich-
mässigkeit derselben bewirkt.
Cord, Schuss cord, Stramin, Schuhstramin, ein dicker, aus groben Ge-
spinsten gewebter Stoff mit kleinen bunten Mustern auf einfarbigem Grunde,
meist nur zum kleinsten Teile aus Wolle bestehend. Die Muster sind ent-
weder lanziert oder in die Kette eingeschweift.
Cordat heisst in Frankreich eine Art grober geköperter Tuchserge.
Corde, früher ein dichter, schwerer Seidenstoff, einfarbig, in der Hegel
schwarz, mit ganz schmalen Rippen, welche dadurch entstehen, dass in der
Kette ein zwei- und dreifach gezwirnter Faden mit einem einfachen abwechselt;
zuweilen ist der stärkere Faden auch mit Baumwolle gezwirnt.
Cordel, Cordein, Corden, Cordelspitzen, eine Art schmaler Besätze auf
Kleidern, die in den Bandfabriken und von den Posamentieren verfertigt wurden.
Man machte sie von Seide (vergl. Gorl).
Cordelat, Cordillat, in Frankreich versteht man darunter: 1. eine Sorte
grobes, langhaariges Wollentuch, welches an mehreren Orten im ehemaligen
Languedoc verfertigt wird; 2. ein leichtes, locker gewebtes Wollentuch, eine
Art Flanell, welches man in Beauvais, Puy und Bagneres macht; 3. eine Art
Cadis, welche zu Mamaset, Alby, Bressar, Castres und im Tale Aure bei
Montauban in verschiedenen Sorten gewebt wird. Man unterscheidet C. refins
aus sehr feiner Wolle von C. molton, welche viel dicker sind.
Cordeliere, s. Rasch.
Corderoy, ein schwerer, baumwollener, dem Sammet als Manchester
ähnlicher Stoff.
Cordet-dimiti, eine Art englischer Basins, von Ziegenhaar gewebt.
Cordettes sind schmale Gewebe von hänfenem Garne, die besonders in
Auvergne gemacht und zu Hauben verarbeitet werden.
Cordonnet-en-laine, eine Art Schnüre von Wolle oder Kamelgarn, die
besonders zu Ambut und Auvergne gemacht werden. In Deutschland Werden
sie in Annaberg und Umgegend, Barmen, wie überhaupt von den Posamen-
tierern in vielen Städten gefertigt und heissen Schnüre und Litzen.
Cordonnetseide (franz.), cordonnierte Seide, d. i. derb gezwirnte, schnur-
ähnliche S. zu Häkel- und dergl. Arbeiten.
Cordons (franz.) werden goldene und silberne Besätze aus massiven
Tressen mit Krepinen u. s. w. genannt.
Cords— Cote. 137
Cords (engl.) sind manchesterartige oder dichte nnd streifig gerippte
Zeuge ans Schafwolle, aus Baumwolle mit Schafwolle vermischt, und ganz aus
Baumwolle, der Schuss ist einfach, die Kette bis vierfach; man hat viele Sorten,
welche durch eine kleine Veränderung der Streifen, des Köpers, der Breite,
der Mischung, der aufgeschnittenen oder glatten Rippen u. s. w. entstehen
und denen willkürliche Beinamen gegeben werden. Bei den gemischten, welche
die ganz . wollenen verdrängt haben, ist die Kette von Baumwollen-, der ein-
fache Einschlag von Wollengarn.
Cordulatis (lat.), Stickerei auf den Kleidern.
Cordurvy (engl.), schwerer Baumwollensammet aus Manchester.
Cork, Hauptstadt der irischen Prov. Munster, drittgrösste Stadt Irrlands:
Kattunfabrikation, Woll- und Baumwollspinnerei.
Corksrew, (engl.) Kammgarnstoff.
Cornelimünster, Flecken im preuss. Reg.-Bez. Aachen: Wollspinnerei,
Tuchfabrikation. In der altgothischen Kirche werden Reliquienhüllen auf-
bewahrt, u. a. das Grab- und Schweisstuch Christi.
Coroot, Corotte, ein ganz geringer grober Kattun von verschiedenen
Sorten, welcher durch die Holländer aus Ostindien nach den afrikanischen
Küsten gebracht wird.
Corporale (lat.), im frühen Mittelalter ein grosses feines Leinentuch
(linteamen), welches zum Bedecken der Oblationen und des Kelches auf die
vordere Kante des Altars gelegt wurde; eines der ältesten in Weissstickerei
aus dem 7. Jahrb., in der Schatzkammer des Domes zu Monza. (Abgebildet
bei Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder.) In späterer Zeit ist das C.
durch ein Paar von Kleineren ersetzt, wovon das eine (Leibtuch) auf den
Altar, das andere (Schweisstuch) über den Kelch gebreitet wird. Von 1300
an heisst nur das erstere C., das zweite wird palla benannt.
Corsery, ein baumwollener Stoff, welchen die Dänen aus Ostindien
brachten,
Corsicaines, älterer Seidenstoff, dessen Muster kleine schiefliegende
Vierecke bilden; die Kette ist farbig, der Schuss Grosnoir, welcher aber von
dem ersteren nur insoweit ganz gedeckt wird, dass nur die Streifen des Vier-
ecks von der Farbe der Kette erscheinen, der Grund aber schwarz und farbig
rechtwinklig verbunden ist. Diese Stoffe wurden in Lyon und Tours gemacht.
Cos (Insel Kos), wird im frühen Mittelalter als Ort der Seidenver-
arbeitung genannt, ja es wird vermutet, dass die Seide schon lange v. Chr.
verpflanzt worden ist und dass diese der ersten Maulbeerseide am nächsten
gestanden haben soll. Wie Silbermann (Die Seide, Bd. I., S. 25) nach
Movers berichtet, stand die Fabrikation der Bombykien auf der Insel Kos im
Zusammenhaug mit dem daselbst verehrten phönizisch-assyrischen Herakles,
dem die Mythe ein aus durchsichtiger Bombykia gefertigtes Kleid beilegte,
und denselben sonst in mehrfacher Weise mit der Färbung der Gewänder zu-
sammenbrachte. Die ersten Nachrichten über die Kosiche Seidenindustrie gibt
uns Aristoteles, dessen Angaben von Plinius wiederholt und vervollständigt
werden; sie berichten, dass das Rohmaterial zu Fäden abgewickelt wurde, um
zu feinen Geweben verarbeitet zu werden. In sprachlicher Hinsicht besteht
unter den Gelehrten noch insofern eine Unsicherheit, als man nicht weiss, ob
das besagte Rohmaterial Kokons oder fertige serische, d. h. chinesische Ge-
webe waren, die man wieder in einzelne Fäden auftrennte. (S. Coae vestes.)
Cossack-Cords (engl.), ein früher sogenannter dichter, weissgebleichter
Wollenstoff, welcher, wie das sogenannte englische Leder, köperartig gewebt,
aber zahlreich gemustert und klein gestreift ist.
Cossars, eine Gattung roher Kattune aus Ostindien.
Cossas, im englisch-ostindischen Handel die glatten Kattune.
Coswig, Stadt im Herzogtum Anhalt: Tuchfabrikation.
Cote (franz.), eigentlich die Rippe, daher cote fine = fein geripptes
Seidenzeug; cote fort glace = stärker geripptes; cote satinet = Seiden-
zeug mit doppeltem Köper.
238 Coteline — Coutanees.
Coteline, moderner leichter Seidenstoff für Kleider.
Cöte paly, ein buntes gazeartiges Gewebe, dessen Kette von feinem
Leinengarn, der Einschlag von harter Seide ist; es wird steif appretiert.
Coton (franz.), Baumwolle, Kattun; Cotonnerie: Baumwollpflanzung;
Kotonieren: mit Baumwolle füttern, ausstopfen.
Coton-Drill (engl.), ein dichter, geköperter Stoff, welcher sowohl ganz
aus Baumwolle, wie auch aus Baumwollen und Leinen, in vierbindigem Kett-
köper gewebt wird. Er kommt in verschiedenen Breiten und Längen, weiss,
bunt gestreift und kariert vor.
Cotonis sind bunte ostindische Zeuge, deren Kette von Seide, der Schuss
aus feinem Baumwollengarn besteht: denselben Namen führen auch bunte halb-
seidene Decken und eine Art ostindischer Atlasse.
Cotons, Cotonnes, Cottonias, Cotonaden, Cattunleinen, bunt geschossene,,
glatte baumwollene Webware; diese verschiedenen Namen führen leinwandartig
gewebte Stoffe aus Baumwolle und Leinengarn, zuweilen aus beiden Materialien
mit Seide vermischt, oder ganz aus Baumwolle, jedoch immer mit bunten
Streifen und Mustern. Der Artikel stammt ursprünglich aus Roannes und
Beaujeu, Depart. de Loire, von Alby, Depart. des Tarn, und von ßouen, St.
Quentin und Boubaix. Seit Jahrhunderten liefert denselben Stoff auch Deutsch-
land und die Schweiz unter Namen wie Gingan, Indienne u. s. w.
Cottbus, Kreisstadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: Bedeutende Kamm-
garn- und "Wollspinnereien, Leinen- und Jutespinnerei, sowie Fabrikation von
Kammgarn, Tuch und Buckskin, Smyrnateppichen, Läufern.
Königliche Höhere Fachschule für Textilindustrie.
Cotton (engl.), Baumwollenzeug.
Cotton de frommages, s. Seidenwolle.
Cottoni d^AugUSta ist der italienische Name der Augsburger Leinwand.
Cottonines, ein dichter und starker baumwollner Stoff, dessen Kette aus
Baumwolle, der Schuss von Hanfgarn. Er wird nicht nur in der Haushaltung,
sondern auch zu Segeltüchern u. dergl. verbraucht und in Frankreich nament-
lich für Italien und Spanien gefertigt.
Cottonisieren, Behandeln von Geweben aus Flachsfaser oder dieser selbst
mit Aetznatron, dann mit Schwefelsäure, Auswaschen und Trocknen.
Coupeuse s. Flachsspinnerei.
Coupieren, in der Zeugdruckerei Versetzen der Stammfarben mit Yer-
dickungsmitteln zur Erzielung hellerer Töne.
Coupons (franz.), im allgemeinen versteht man in Langwarengeschäften
geteilte Stücke und einzelne Abschnitte; in den Niederlanden werden damit
feine Bettzwilliche, sowohl weiss und bunt, bezeichnet, welche gleich zu einem
Bett zugeschnitten sind.
Courbevoie, Hauptstadt im Arrond. St. Denis des franz. Depart. Seine :
Fabrikation von Leinenwaren und gepressten Stoffen,
Courpiere, Hauptort im Arrond. Thiers des franz. Depart. Puj-de-
Dome: Fabrikation von Wollband und Passementerie.
Courseulles-SUr-Mer, Flecken im Arrond. Caen des franz. Depart. Cal-
vados : Blonden- und Spitzenfabrikation, in neuester Zeit Versuche mit solchen
aus bunter Seide.
Courtaille, eine französische Art grober Hanfleinwand, die in Maine
und Umgegend gewebt wird.
Courte-pointe (franz.), gesteppte Decke.
Courtrai, Fabrikstadt in der belgischen Provinz Westflandern: Erzeugt
im Anfange des 18. Jahrhdts. Klöppelspitzen, die in Paris unter dem Nanfen
Malines Absatz finden.
Coutanees, Hauptstadt des Arrond. C. im franz. Depart. Manche : Fabri-
kation von Spitzen, Zwirnband und Baumwollzeugen.
Coutanees sind einfache Zwilliche von Hanfgarn ohne Muster, welche
die Landleute im franz. Departement des Cannes fast überall weben und
die ihren Namen von der Stadt Coutanees erhielten, wo sie in früheren
Couteline — Creas. 139
Zeiten viel gefertigt wurden. Sie zeichnen sich durch Güte und Dauerhaftig-
keit aus.
Couteline, ein dicker, gewöhnlicher Baumwollenstoff oder Zwillich,
meist blau und weiss gestreift, welchen die Franzosen ehedem aus Surate
nach Europa brachten.
Coutellines, Kutelinen, ein feiner flächsener Zwillich oder Matratzen-
leinwand mit breiten und mittelbreiten Streifen von lebhaften Farben; ein
Artikel, der an vielen Orten der ehemaligen Normandie verfertigt wird. In
Deutschland macht man es in leichterer Ware.
Coutils oder Coutis ist eine allgemeine Bezeichnung für die in der
Bretagne und in der Picardie gefertigten verschiedenen Zwillichsorten, unter
welcher sie auf den überseeischen Markt gehen. Im engeren Sinne versteht
man darunter die sächsische Matratzenleinwand oder den Bettdrill, welcher
blau und weiss, oder rosa, blau und weiss gestreift, auch in verschiedenen
Farben geflammt, aus starkem Garn gewebt wird. Coutil ist auch ein der
Buckskinkategorie angehöriges, aus feinem Streichgarn erzeugtes, einfach ge-
mustertes, meist zu Beinkleidern verwendetes Gewebe.
Couvet, Dorf im Schweizer Kanton Neuenburg: blüht im 18. Jahrh.
Spitzenindustrie.
Coventry, Stadt in der engl. Grafschaft Warwick: wichtig ist die Fabri-
kation von Seide und Seidenband 5 auch Wollstoffe, Tuche und Trikots werden
gefertigt.
Covilhao, Stadt im portug. Distrikt Castello-Branco : bedeutendste Tuch-
fabriken Portugals, Färbereien und Walkereien.
Cowert COat, engl. Herren- und Damenkleiderstoff, meist modefarbig.
Crabben, Verfahren, den gemischten Geweben (Wolle und Baumwolle)
ein glattes Ansehen und nicht verschwindenden Glanz zu geben durch Passieren-
lassen von Soda- und Seifenbädern, Ausquetschen zwischen schweren Walzen
und Dämpfen.
Crailsheim, Oberamtsstadt in Württemberg : Fabrikation von Baumwoll-
und Strumpfwaren.
Crapaudaille, auch Crespodaille, heisst in Frankreich ein sehr zarter und
klarer seidener Crepon.
Cravate, Cravatte, hat ihren Namen von den französischen Söldnern der
französischen Könige erhalten und war ursprünglich ein Band oder Tuch zum
Festhalten eines um den Hals getragenen Amulettes, daher im Französischen
in der eigentlichen Bedeutung des Wortes eine Halsbinde, eine Halskrause, an
der in der europäischen Tracht die Masche und insbesondere der Spitzenbesatz
daran zur Hauptsache wurde, so dass sich an den Cravatten die barocken
Spitzen noch längere Zeit erhalten. Man verstand aber auch früher, als diese
Halstücher von den Männern getragen wurden, die Einlagen darunter, welche
von starkem Baumwollenzeug, mit eingenähten Rosshaaren oder Borsten ver-
fertigt wurden, um dem Stoff die nötige Haltung zu geben. Diese Unterlagen
bildeten am Anfang des 19. Jahrh. einen nicht unbedeutenden Handelsartikel
(s. a. Schlipse). In älterer Zeit verstand man unter C. eine Gattung ost-
indischer Musseline aus Bengalen, welche auch zu Halstüchern und Halskrausen
Verwendung fanden.
Creas (franz. : eres ; engl. : dowlas), vom spanischen crea, eine der gang-
barsten und wichtigsten Leinwandsorten aus weissgarnigem , dichtgewebtem
Stoff, wozu ein durchaus festes und wohlgedrehtes Gespinst genommen wird
und zwar zur Kette starkes und zum Einschlag feineres Garn. C. stammt
ursprünglich aus Frankreich, wird aber seit dem 17. Jahrh. in den Nieder-
landen und Deutschland nachgemacht und geht seit dieser Zeit nach Italien,
Spanien, Portugal, nach Nord- und Südamerika, obgleich die irländischen
Leinen und die festen Baumwollzeuge den Absatz sehr geschmälert haben, so-
wie der Betrug, den man sich hie und da durch Beimischung von Baumwolle
erlaubt hat. Von den breiten C. (Crees larges) heissen die feinsten Sorten
Extroits, die mittleren Fleurets, die geringeren Crees communes. Mittelbreite
140 Creguelas — Criminitschau.
C. heissen C. rosconnes, C entrelarges, im Spanischen Creas entreanchas : sie
sind aus geringerem Garn als die vorigen. Crees graciennes, C. etroites,
schmale C. ; im Spanischen Creas estrechas oder Creas angostas. Unter Crees
Morlaires begreift man die sämtlichen obigen Sorten, denn von Morlair aus
wird damit der stärkste Handel getrieben (s. a. Dowlas).
Creguelas, Crehuelas, ist der spanische Name von gewöhnlichen, halb-
gebleichten, westfälischen Leinen, die an ihrem Yerfertigungsort auch als
Mittelkronleinwand bezeichnet werden.
Crema, Hauptstadt in der ital. Prov. Cremona: Seidenspinnerei und
Leinenweberei; Erzeugung der besten italienischen Leinwand; Spitzenfabrikation.
Cremieu, Hauptstadt im Arrond. La-Tour-du-Pin des franz. Depart.
Isere : Tuch- und Leinenfabrikation.
Crepe, s. Krepp.
Crepe arophane, s. Seidenwaren.
Crepe de Chine, Tuch oder Shawl aus gelblich weissem, kreppartig ge-
webtem Seidenstoff mit gesticktem Muster in gleichfarbiger Seide im Platt-
stich aus breit angelegten, in abgesetzten Flächen stilisierten Blumen ; als Ab-
schluss gewöhnlich breite, geknüpfte Franse. C. de Chine-Tücher kommen
seit dem Anfang des 19. Jahrh. in den verschiedensten Grössen bis herunter
zu den kleinsten Kravatten in Mengen aus China und haben in Europa viel
Verbreitung gefunden.
Crepe de laine, ein dünner und feiner, leinwandartig gewebter Wollenstoff,
den man besonders zu Bagneies in Frankreich webt.
Crepe de sante, s. Seidenwaren.
Crepe lisse, s. Seidenwaren.
Crepe barchent, s. Seiienwaren.
Crepe Rachel, ein gemischter Kleiderstoff aus Baumwollkette und Kamm-
garnschuss, bunt gemustert.
Crepine (franz.), ein ganz klein gemusterter Seidenstoff, schwarz und in
anderen Farben. Die Kette von bunter Seide deckt den doppelten, dunst-
schwarzen Einschlag, so dass auf der rechten Seite zwei und ein sich be-
grenzende Pünktchen erscheinen, wodurch der Stoff wie getupft aussieht. C.
werden auch Fransen mit langen Fäden genannt.
Crepon, dem Krepp ähnliches Gewebe, aber dichter gewebt. Die Kette
besteht aus festgedrehtem Kammgarn, der Schuss aus losem "Wollgarn. Nach
der Appretur wird die AVare kräuselig.
Crepy, Hauptstadt im Arrond. Senlis des franz. Depart. Oise: Fabri-
kation von Spitzen, Leinwand, Posamenterie.
Crescentin, Gespinst aus Seidenabfällen.
Crescentino, Stadt in der ital. Prov. Novara : Seiden- und Wollmanufaktur.
Crespine, crepine (franz.), Franse, oben spitzenartig durchs chlungen.
unten gefranst.
Crest, Hauptstadt im Arrond. Die des franz. Depart. Drome : Seiden-
spinnereien, Tuch- und Teppichfabriken.
Cretonnes (franz.), weissgebleichte, gedrungene Leinwand, bei welcher
die Kette von flächsenem und der Einschlag von hänfenem Garn ist; sie wird
im Depart. des Calvados, in der Gegend von Lisieur, in sehr verschiedener
Feinheit verfertigt. Unter C. versteht man in Frankreich auch dichte Kalli-
kots von starken Numtuern.
Crewkerne, Stadt in der engl. Grafschaft Somerset: Leinwand- und
Segeltuchfabrikation.
Crezleinwand sind leichte, glatte Leinen, welche von Böhmen i/ach
Italien gehen und dort unter dem Namen Tele greggie sehr beliebt sind; sie
werden teils aus gebleichtem Garn und teils aus rohem Garn gefertigt.
Crimmitschau, Stadt in Sachsen: bedeutende Industrie erstreckt sich
hauptsächlich auf Spinnerei und Weberei. 80 Spinnereien mit 210000 Spin-
deln liefern teils wollene Garne, die gleich am Orte selbst verwendet werden,
teils (hauptsächlich Vigognegarne) zum Export nach England, E-ussland, Skan-
Crin-Cuba. 141
dinavien, Italien, der Schweiz und den Rheinlanden. Dann folgt die Fabri-
kation von Herrenkleiderstoifen, namentlich Buckskins und Rohstoffen, die
auch in überseeischen Ländern sehr gesucht sind. Auch Cassinets, Circasiennes
und Kasemirs werden in bunten Farben für Mexiko und andere Tropenländer
gefertigt. Es bestehen etwa 50 Streichgarnspinnereien, 350 Handspinnmaschinen,
130 Selfactors, 1000 Buckskinstühle, 70 mechanische Stühle, 190 Stühle für
halbwollene "Waren; ferner 40 grosse Färbereien.
Crin (franz.), Bezeichnung für dicke Seidenfäden, die man aus der aus-
gewachsenen Seidenraupe dadurch gewinnt, dass man dieselbe tötet, den Be-
hälter der Seidensubstanz zerreisst und auszieht. Da der so erhaltene Faden
nach seiner Substanz von der Rohseide nicht verschieden ist, so zeigt er auch
deren Festigkeit und Zähigkeit. Man verwendet die C. bei der Herstellung
von Fischangeln.
Crinolin, Gewebe mit Kette aus feinem Baumwollenzwirn und Schuss
aus Pferdehaaren.
Crisp (engl.), sehr feines leinenes Gewebe, feines Leinentuch.
Cristaline, moderner loser Seidenstoff.
Croccia (ital.) (lat. : crocea), die rote Kardinalskleidung.
Croise (franz. : über Kreuz gearbeitet) nennt man in den französischen
Manufakturen alle Arten geköperter Stoffe. Ausser den seidenen Croisees
mit verschiedenen Beinamen kommen im Handel auch baumwollene und wollene
C. vor ; die ersteren sind gewöhnlich dicht gewebt, entweder bunt gestreift
oder bunt gedruckt. Mehre Arten dieser geköperten Zeuge kommen unter
dem Kamen Oriental oder Orientine, meistens bunt gestreift, in den Handel.
Die wollenen C, einfarbig, gestreift und gedruckt, eine Art Serge werden
Segovis genannt: sie sind meistens aus spanischer Wolle gemacht.
Crompton, Stadt in der engl. Grafschaft Lancaster: Baumwollindustrie-
Cronberg, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Wiesbaden: Sammlungen weiland
Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, in welcher sich Stoffe und Stickereien
der Benaissance und orientalische Teppiche befinden.
Crossbredwolle, neuerdings Kreuzzuchtwolle genannt, die Wolle einer
Schafrasse, die durch Kreuzung grobhaariger, insbesondere engl. Glanzwoll-
schafe mit den in Australien, Südafrika und am La Plata gezüchteten fein-
haarigen Merinoschafen erzielt wurde. Sie ist erheblich gröber und härter,
als die feinhaarige Merinowolle, aber ungleich kräftiger, besitzt grosse Länge
und starken Glanz. Ihre Produktion hat die Erzeugung von Merinowolle stark
zurückgedrängt. C. bildet das Hauptmaterial zur Herstellung von Cheviotstoffen.
Crossen, Kreisstadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: Tuchfabriken.
Croy-Teppich, ein Gobelin, 1566 in Stettin gewirkt, im Besitze der
Universität Greifswald, wohin ihn Herzog Ernst Bogislav 1680 stiftete: zur
Erinnerung an seine hier innegehabte Bektorwürde und zum Gedächtnis des
letzten direkten Gliedes aus dem alten Herzoghause von Pommern, der 1660
verstorbenen Herzogin Anna von Croy. Die Darstellung auf dem C. bezieht
sich auf die Einführung der Beformation: der auf der Kanzel predigende Luther,
Melanchthon und fürstliche Persönlichkeiten.
Crucifix (lat. : crucifixum ; franz. : crucifix ; engl. : crucifix), Darstellung
des Gekreuzigten, wird im frühen Mittelalter seltener in der Kunst dargestellt,
noch später erscheint sie in der Textilkunst. Hier vereinzelt in der romani-
schen Zeit als Stickerei für die Bückseite der Caseln (s. d.) nachweisbar,
später aber, namentlich in der gotischen Zeit, aligemein für Caseln und andere
kirchliche Bildstickereien sehr verbreitet (s. Kirchenstoffe und Stickereien).
Csaba, Hauptgemeinde in L^ngarn: Handel mit den von den slowak.
Frauen gefertigten Linnen- und Hanf Webereien, Strickarbeiten, ferner mit
Säcken und Matratzen.
Cuba, die grösste der grossen Antillen, ehemals span. Kolonie, seit 1899
unter der Verwaltung von Amerika stehend: Baumwolle wurde schon früher
gewonnen, seit 1862 legte man aber im Osten neue Pflanzungen an, indem die
hohen Preise dieses Produkts manche Pflanzer verlockten, ihre Felder für
142 Cubica — Dacca.
diese Kultur einzurichten. C. wird auch eine Baumwollsorte aus Westindien
genannt.
Cubica ist eine englische Serge aus Kette und Schuss von hartem
Kammgarn.
Cuenza, Hauptstadt der span. Prov. C. : einst berühmt durch ihr Tuch.
Cuggiono, Ort in der ital. Prov. Mailand: Leinen- und Seidenstoff-
fabrikation.
Cuire de laine (franz.), willkürlicher Name eines geköperten, brettigen,
tuchartigen "VVollenstoffes von kurzer Schur.
Cuiteseide, entschälte, mit Seife abgekochte Seide.
Cunewalde, Mittel-, Nieder- und Ober-, Dörfer der sächs. Kreishaupt-
mannschaft Bautzen: Leinwandwebereien, mechan. Webereien, Bleichereien.
Cupar, Hauptstadt der schott. Grafschaft Fife: Spinnerei, Leinen- und
Kattunweberei.
Curley, Haspelseidenabfälle.
Curls (engl. = locken), wollene Lockenstoffe für Damen- und Herrenmäntel.
Cusir, Bezeichnung für Nährohseide.
Cusirino, feine italienische, zur Herstellung von Spitzen und zarten Ge-
weben bestimmte Seidenfäden.
Cussidah nannte man eine Art ostindischer Musseline im dänischen
asiatischen Handel.
Cuttny, starker Baumwollenstoff, für den Orient bestimmt, mit geblümten
und gerankten Mustern.
CUCZO, Stadt in der südamerik. Republik Peru: Woll- und Baumwoll-
manufakturen ; Posamentierwaren.
Cylindrieren, Bearbeitung mit dem Kalander (s. d.), eine Art der
Pressung gewisser Stoffarten.
Cypern, eine zum osmanischen Beiche gehörige, seit 1878 unter engl.
Protektorat stehende Insel am östl. Ende des Mittelmeeres : Oewinnung von
Baumwolle, Seidenzucht, Verarbeitung des gewonnenen Materiales an Ort und
Stelle nur unbedeutend. Im Altertum durch Kunstfertigkeiten aller Art be-
rühmt u, a. auch durch den sog. cyprischen Goldfaden.
Cyperrasch, Bas des Cypre, ein schwarzer, ungeköperter Seidenstoff
aus starker, gedrehter Seide; er hat viel Aehnlichkeit mit dem Gros de Tours
und wird zu Lyon, Tours und Paris gemacht.
Cyprische Gold- und Silberfäden, s. Brokat- und Goldgespinst.
Czemke sind baumwollene, geblümt gemusterte, feste Zeuge, welche für
den Orient in Böhmen und Niederösterreich gewebt werden.
Czenstochau, Kreisstadt im russ.-poln. Gouvernement Petrikan: Baum-
wolle- und Tuchfabriken.
D.
Daba, heisst in Bussland weisser, schmaler, chinesischer oder bucharischer
Kattun.
Daba, Ort in der tibetanischen Provinz Ugari: die Mönche treiben
wichtigen Handel mit vortrefflicher Schafwolle.
Dabouis, eine schmale Sorte weisser ostindischer Kattune, welche früher
durch die Franzosen nach Frankreich und Holland kamen und dort gedruckt
wurden.
Dacca, Hauptstadt in Bengalen, nach welcher die feinsten ostindischen,
oft gestickten Musseline, genannt werden. Man hat den Namen D. auch einigen
Sorten gestreifter und kleinkarrierter europäischer Musseline gegeben.
Dag — Damassin. 143
Dag (engl.), herabhängender Quast; dagsres, Zaddeln.
Daghestan, Dagestan, Landschaft am Nordostabhange des Kaukasus bis
zum Kaspischen Meere, mit der Hauptstadt Derbent, nach welcher der land-
läufige, im Handel gebräuchliche Name für die im Kaukasus erzeugten Teppiche.
Er hat aber nur seine Berechtigung für die in der gleichnamigen, am west-
lichen Ufer des Kaspischen Meeres gelegenen Provinz ; denn es werden auch
ausserhalb derselben in den verschiedensten Gregenden des Kaukasus Tep-
piche verfertigt, welche alle ihre eigene Benennung haben. Die Hauptorte für
Teppicherzeugung in D. sind Derbent und Kuba, mit welchen Namen auch
die von einander verschiedenen Hauptgattungen bezeichnet werden. Die aus
Derbent sind ganz in "Wolle gearbeitete Teppiche verschiedener Grösse von
ziemlich grobem, eher langhaarigem Grewebe ; das Muster trägt den Typus der
Nomadenteppiche an sich (vgl. die Tafel Teppiche). Die Farben dieser Teppiche
sind gewöhnlich hell, jedoch nicht grell: weiss, gelb, licht, braun und dergl.
Für feiner als die eigentlichen Derbent-Teppiche gelten diejenigen aus Kuba
(s. auch Sumakh-Teppiche).
Daglocks (engl.), ist eine Wolle, die schlecht und unrein ist.
DagUS, lat. (franz.: dais; engl.: days), Thronhimmel, Betthimmel, Bal-
dachin, s. d.
Dahme, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Potsdam: Tuchfabrikation.
Daimiel, Hauptstadt in der span. Prov. Ciudad-Real: Woll- und Lein-
vveberei.
Dais (franz.), (lat.: dasium; engl.: dais), hiess ursprünglich die mit einem
Baldachin versehene Estrade, bes. am oberen Ende eines Speisesaales, samt
dem dort vorstehenden Hochtisch und Thron; später sowohl das Teppichbe-
hänge für sich, als auch der Thron u. s. w. ; noch später kommt dais nur für
Thronhimmel, Betthimmel, Baldachin mit Seitenvorhängen vor.
Dajak, Eingeborene auf der Insel Borneo: fertigen Batiks.
Dallas, Hauptstadt im nordamerik. Staate Texas : Fabrikation von Baum-
wolle und AYollwaren.
Dalmatica (lat.), (franz. dalmatique ; engl, dalmatic) , das von den alten
Römern bei feierlichen Gelegenheiten getragene, ursprünglich in Dalmatien
übliche, lange, weisse Oberkleid mit Aermeln. Papst Sylvester I. führte es
um 320 als Amtskleid der Diakonen ein. Yom 14. Jahrhundert wird die D.
aus farbigem Stoff gefertigt, allmählich enger gemacht, so dass sie mit der
Casula (s. d.) Aehnlichkeit hat, nur dass sie etwas kürzer, am Saume gerade
geschnitten und mit ofienen Aermeln versehen ist. Fast gleichartige Gewänder,
aber reicher ausgestattet in Weberei und Stickerei, tragen auch die Bischöfe
über der Alba und unter der Casula; ebenso gehörte die D. zum Krönungs-
ornat der deutschen Kaiser und Könige. (Vgl. Kirchengewänder.)
Dalry, Industriestadt in der schott. Herrschaft Ayr: Baumwollweberei.
Daman, portug. Stadt an der Westküste Ostindiens : Baumwollspinnerei.
Damanhur, Hauptort der Prov. Beherah in Aegypten: wichtig als
Handelsmittelpunkt und Niederlage der im Orient berühmten Baumwoll- und
Wollstofffabrikate.
Damaras oder Damavars, in Frankreich eine Art ostindischer, leichter
geblümter Taffete.
Damas, franz. Bezeichnung für Damast.
Damaschello (ital.), werden in Italien leichte seidene Damastsorten ge-
nannt; schmaler liegende D. bezeichnet man als Damaschetto oder Damasquett.
Damas Chine, moderner Seidenstoff aus Streifen in geflammten Mustern,
die zum Teil durch Kettendruck hergestellt sind.
Damaschino, s. Damast.
Damascierte Gewebe, s. Damast.
Damas en dorure, französischer Damaststoff mit Gold- und Silberblumen.
Damassin, reiche Damastart mit Blumen von Gold und Silber, welche
vorzüglich Lyon und Tours liefern, von wo aus sie früher nach katholischen
Ländern zu Messgewändern geliefert wurden.
144
Damaskus — Damast.
Damaskus, türk. und arab. Dimischk esch-Scham, Hauptstadt des türk.
Wilajets Syrien, schon zu Davids Zeiten politisch wichtig als Residenz eines
der kleinen Reiche, in welche Syrien damals zerfiel. Unter der Herrschaft
Assyriens, Babyloniens und Persiens hatte D. nicht geringe Bedeutung durch
seinen Handel. Seit Eröffnung des Suezkanals sind Handel und Wohlstand der
Stadt sehr zurückgegangen. Der früher lebhafte Tauschhandel, dem D. seinen
Reichtum und seinen Ruf als Haupthandelsplatz der Levante verdankte, hat
den sichereren und billigeren Seeweg eingeschlagen, so dass sich der heutige
Karawanenverkehr auf den Austausch einiger weniger Erzeugnisse des syri-
schen und persischen Grewerbefleisses beschränkt. Im früheii Mittelalter
war D. ein Hauptsitz der Seidenindustrie, es erzeugte die gemusterten Seiden-
stoffe seines Namens (vgl. Damaschino, Damast). Die heutige Industrie leistet
noch immer Hervorragendes, namentlich in feinen gold- und siiberdurchwirkten
Seidenzeugen, wollenen, baumwollenen und seidenen Kleiderstoffen.
Damast (lat. : damacius, damassus ; franz.: damas ; engl.: damask; ital.:
damasco, damaschino), ursprünglich ein einfarbiges Seidengewebe, dessen Grund
glatt oder geköpert ist, in welchen man Ranken, Blumen u. s. w. einwebte.
Nach einigen Angaben soll diese Art zu weben von den Einwohnern von Da-
Abb. 55.
maskus in Syrien erfunden worden sein; von letzterer Stadt stammt auch der
Name. Die älteste Musterung von Damaststoffen geht davon aus, in geo-
metrischer Linienführung Farbe in Earbe die Fläche zu teilen (vgl. Abb. 55)
und so eine Art Grunddessin zu schaffen; es hat sich diese Art von Webe-
mustern aus der Technik heraus auch für die älteste Leinendamastweberei (s. d.)
entwickelt. Später haben zuerst die Italiener und Holländer Damast gewebt,
die Franzosen und Deutschen ahmten die Verfertigung bald nach. Die Wir-
kung der Damaste beruht auf dem wechselnden Lichteffekt von Kette und
Schuss, indem man z. B. das Muster im Kett-, den Grund dagegen im Schuss-
effekt arbeitet oder umgekehrt, wobei meist Atlasbindungen zur Verwendung
kommen. Seidendamaststoffe und solche aus Halbseide in mehreren Farben
Damast Cafifard — Dampffarben. 145
haben die verschiedensten Benennungen und werden nach anderen Einrichtungen
des Webestuhles hergestellt.
Der Wollendamast ist ein geköperter AVolienstoff, worauf das Muster
atlasartig glatt steht, man nannte ihn früher auch Florett oder geblümten
Kalmank.
Halbwollener Damast hat in der Fabrikation eine bedeutende Aus-
dehnung; er besteht aus Baumwolle (hartem Kammgarn) und ist auch zu-
weilen mit Seide gemischt.
Leinen damast (franz. : linge damasse ; engl. : linen-damask) wird zum
Teil aus feinsten Leinengespinsten gefertigt (s. „Leinendamast" als besonderer
Artikel.)
Abbildung:
55. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin: Leichtes
Seidendamastgewebe rot, Muster in Rautenfeldern aus abgesetzten geometrischen
Figuren. Arabisch-sizilisch 13. Jahrhundert.
Damast Caffard (franz.), (engl. : half damask), nannte man früher einen
Tapetendamast, eine Nachahmung des seidenen D. von verschiedener Qualität
und Breite ; einige davon haben Ziegenhaare, Florettseide, Leinengarn, Baum-
wolle oder Schafwolle zum Einschlag, in der Kette Seide, Florettseide, auch
nur Leinengarn oder Baumwolle; durch eine vorzügliche Appretur erhalten
sie auf der rechten Seite ein glänzendes, seidenartiges Aussehen.
Damastflor ist eine Nachahmung des eigentlichen Damastes, in dem
man im Florgrunde mittels eines besonders angebrachten Harnisches die Ketten-
fäden nach Art des Damastes einliest. In der Begel kommt dieser Stoff, zu
dessen Einschlag immer rohe ungekochte Seide und zur Kette weiche oder
vorher gekochte Seide genommen wird, nur in Schwarz, Weiss und Grün vor.
Damastmaschine, besondere Vorrichtung an den Webstühlen, bestehend
aus einer Jacquardmaschine, welche die Kettfäden mustermässig in Gruppen
von zwei bis acht Fäden herstellt, während die abzubindenden Kettfäden durch
besondere Damastschäfte hoch oder tief gezogen werden.
Literatur: Müller, Handbuch der Weberei, Leipzig 1884. S, 609.
Lembcke, Mechanische Webestühle. 5. Forts. Braunschweig 1883, S. 130.
Damentuch, die leichteren Streich garngewebe, die gleich den eigentlichen
Wolltuchen die Prozesse des Walkens, Bauhens und Scherens durchgemacht
haben, also nicht fadenscheinig sind. Gewicht für 1 D m 200 — 250 gr.
Dameus (lat.), s. Damast.
Damicaster (engl.), kurzer Mantel, getragen von den Frauen im 16.
Jahrhundert.
Damiette, arab. Dimjat, kopt. Tamiati, im Altertum Tamiathis, Stadt
in Unterägypten: Seit dem 13. Jahrhundert ein blühender Ort und lange be-
rühmt durch Fabrikation der gestreiften Seidenzeuge; ist in industrieller Hin-
sicht, mit Ausnahme der Fabrikation grober Baumwollstoffe, ganz herabge-
sunken und auch sein Handel hat nicht mehr die Bedeutung früherer Zeit,
wo er, vor dem Aufblühen Alexandriens und der Anlage des Suezkanals,
hauptsächlich den Handel mit Syrien vermittelte.
Damm, Dorf im bayr. Beg.-Bez. TJnterfranken : Kunstwollfabrikation.
Dammartin-en-Goele, Hauptstadt im Arrond. Meaux des franz. Depart.
Seine-et-Marne : Spitzenfabrikation.
Dammerkirch, Stadt im Oberelsass: Baumwollweberei.
Dämpfen, im Zeugdruck, heisst die Behandlung mit Körperfarben be-
druckter Gewebe mit Wasserdampf.
Dampffarben, in der Zeugdruckerei solche Farben, welche mit dem
Beizmittel (Mordant) aufgedruckt werden und dann der Einwirkung von Was-
serdämpfen in einem geschlossenen Kaum ausgesetzt werden, wodurch die
Beizmittel mit den Farben in die Faser tief eindringen und letztere befestigen.
Die Ware wird später nur ausgewaschen und appretiert. Das Verfahren
findet hauptsächlich Anwendung bei wollnen und seidnen Stoffen.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde, 10
146 Dampfpresse — Decken.
Dampfpresse, eine bei der Tiichfabrikation zur Erzeugung eines höheren
Grianzes auf dem Gewebe in Anwendung gebrachte hydraulische Presse.
Dänemark erzeugte im Anfange des 18. Jahrh. auf Batist gestickte
und ausgenähte Nachahmungen von Rokokospitzen, welche sich bis in das
19. Jahrhundert erhalten haben; geklöppelte Spitzen aus D. gleichen im all-
gemeinen den schwedischen (s. Batiststickereien).
Dänische Weissstickereien, s. Hedebo.
Dansafasern von der Eobinia cannabina benutzt man in Bengalen zur
Verfertigung von Stricken.
Danudars, gekräuselte Astrachanfelle aus der Tatarei.
Danzig, Hauptstadt der Prov. AVestpreussen: Tuchfabrikation. Die
Marienkirche, erbaut 1353 — 1508, enthält eine grosse Sammlung mittelalter-
licher Stoffe_, Stickereien und Gewänder. (Vgl. Hintz, die Marienkirche in
Danzig.)
Danziger Leinen, nennt man im allgemeinen die verschiedenen groben
hänfenen Hemdlinnen, welche in grossen ungeregelten Pollen aus Polen die
AVeichsel herab nach Danzig zu Markte gebracht werden.
Dardanell-Leinen ist türkische, gewöhnliche Leinwand aus den Gegen-
den um die Schlösser bei Konstantinopel, welche zu Segeltüchern und zu
Hosen der Laudieute verbraucht wird.
Dariabanis, eine Sorte weisser Kattune aus Surate.
Daridas sind bunte ostindische Zeuge, welche in Surate aus den glän-
zenden Fäden einiger Pflanzen, die man wie Seide behandelt, gewebt werden,
die jedoch selten in den grösseren Handel kommen, weil sie ohne Haltbarkeit
sind uüd in Falten leicht brechen.
Darins ist eine gewöhnliche französische Leinwand aus Hanfgarn.
Daris sind glatt gewebte Baumwollenzeuge, welche ehedem in Indien
Verwendung fanden, um die dort berühmt gewordenen marmorglatten Dielen
zu bedecken.
Darlington, Stadt in der nord-engl. Grafschaft Durham: Wollkämmerei
und Flachsspinnerei, Baumwoll- und "Worstedfabrikation.
Darnetal, Hauptstadt im Arrond. Pouen des franz. Depart. Seine-In-
ferieure: Baumwollspinnereien und -Webereien, Tuch- und Wollstoff fabriken ;
Färbereien.
Darre, Dörre, Vorrichtung zum Trocknen oder schwachem Posten vege-
tabilischer Stoffe: Avie z. B. des Flachses.
Darwen, Over-, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : Baumwoll-
spinnereien.
Dattel, Bezeichnung für die innerste Schicht des Seidenkokons, welche
eine pergamentähnliche Schale bildet. Aus den Abfällen (Stami) wird das
Crescentingarn gesponnen.
Daunenperkal, modernes Bettunterzeug zur Einlage der Daunen.
Dauphine, veralteter, in andere Artikel übergegangener leichter Stoff
aus dünner verschiedenfarbiger Wolle, Seide und Halbseide, welcher in Lyon
gemacht wurde.
Deanston, Stadt in der schott. Grafschaft Perth : Baumwollindustrie.
Debourreur, s. Seidenspinnerei.
Debreczin, königi. Freistadt in "Ungarn: bedeutende Industrie in der
Herstellung von wollenen Zeugen, Mänteln u. s. ^v.
Dechets (franz.), Seidenabfälle aller Art, welche zur Darstellung der
Chappe- und Florettseide dienen. ^
Decken (franz.: couvertures, tapis ; engl.: Covers, carpets) , aus Tuch,
meist aus Baumwollkette und Streichwollschuss, ausserordentlich mannigfaltig,
glatt und velourartig, gemustert und ungemustert, in den verschiedensten Far-
ben, in verschiedener Stärke, weich oder härter appretiert, auch kotzenartig
hergestellte Gewebe, welche als Schlaf-, Peise-, Pferd- und Stubeudecken und
selbst als Mäntel in Verwendung kommen; s. Tuchfabrikation und die ein-
zelnen Gattungen von Decken (s. a. Bettdecken).
Deckenzeug — Demi-cuite. 147
Decken mit eingefügten Leinwandbildern (franz.: plafond maroufle)
waren in der Barockzeit und Zopfzeit sehr beliebt; dieselben waren gemalt
und auch in Plattstichstickerei hergestellt, in letzterem Falle von aufgenähten
Bänden eingeschlossen.
Deckenzeug (Kotzen), ein aus grobem Streichgarngespinst hergestellter,
schwach gewalkter, nicht gescherter und sehr stark gerauhter Stoff mit pelz-
artig dichtem und langem Haar, glatt oder geköpert gewebt, zu Pferdedecken,
Fuss- oder Bettdecken.
Deckmaschine, eine Vorrichtung an Wirkmaschinen zur Herstellung
von Musterungen in glatter Kulierware, indem mit Hilfe der Decknadeln ein-
zelne Maschen oder Maschengruppen seitlich auf andere Nadeln überschieben
oder aufdecken (s. Wirkerei). (Vgl. Franz ßeh, Fabrikation der ^V'irkwaren.)
Decolorieren, entfärben, entbleichen.
Deggendorf, Stadt im bayr. Eeg.-Bez. Niederbayern: Tuchfabrikation,
Leinwandhandel.
Degommage, im Zeugdruck die Behandlung der "Ware in den Fixier- und
Heinigungsbädern, einerseits vollständige Fixierung der Beize, andrerseits Ent-
fernung der Verdickungsmittel bewirkend.
Degummieren, die Befreiung der Bohseide von dem anhaftenden Seiden-
leim und dem Farbstoffe. Das Material wird erwärmt, gewöhnlich mit Seifen-
lösung, ausgepresst und dann mit schwächerer Lösung derselben gekocht;
schliesslich gespült und getrocknet.
Dehbid, auf einem Hochplateau gelegener Ort in Persien, wo Teppiche
erzeugt werden, welche denen aus Kaschkai (s. d.) in der Struktur ähnlich,
aber in geringerer Qualität ausgeführt sind.
Dehli, Hauptstadt im indobrit. Beich : Handel und Industrie, einst
blühend und grossartig, waren in Verfall geraten, haben sich aber in neuerer
Zeit wieder gehoben. Die Bazare von D. sind ihrer kostbaren Shawls, Gold-
und Silberstickereien im ganzen Orient bekannt.
Dekatieren (franz.: decatir; engl.: to steam), Behandlung wollener und
seidener Oewebe mit Wasserdampf oder heissem Wasser durch Eintauchen
oder Besprengen behufs Wiedererlangung der ursprünglichen Form und Lage
der Fasern, und auch behufs Verminderung des Zusammenschrumpfens (Ein-
gehen) beim späteren Feucht- und Nasswerden.
Dekomponieren (iat.), Zusammengesetztes auseinandernehmen, zerlegen,
auflösen; in der Weberei: Absetzen des Musters auf die Patrone nach einem
vorliegenden Grewebe.
Dekoration, s. Innendekoration.
Dekortikationsmaschine, s. Eamiespinnerei.
Delft, Stadt im Bezirk Botterdam der niederl. Prov. Südholland: nicht
imbedeutend ist die Fabrikation von Teppichen in der Art der Smyrna-
teppiche.
Delineres oder Dalineres, eine mittelfeine, gut gewebte Hausleinwand,
welche die Landleute im franz. Depart. Finisterre nach Vannes und Nantes
bringen, wo sie gebleicht und verkauft werden.
Delmenhorst, Hauptstadt im Verwaltungsbezirk Oldenburg: Wollkäm-
merei und Kammgarnspinnerei, Jutespiunerei und -weberei.
Delphin (franz. : dauphin) , in der altchristlichen Sj^mbolik Sinnbild der
Liebe, der ehelichen Treue; nach anderen ein Führer durch das Dunkel des
Totenreiches; auch Sinnbild des Christen überhaupt. Die Benaissance (s. d.)
übernimmt den D. lediglich als Ornament und stellt ihn sowohl in der
Weberei wie in der Stickerei in Umgebung reichen Blatt- und Blüten-
werkes dar.
Demas sedas, im Handel mit Spanien die Organsinseide.
Demerary, Baumwollsorte aus Guayana.
Demi-Cottons, Demittons (engl.), sind sehr billige starke baumwollene
Zeuge, broschiert und geflammt, welche für den Orient gewebt werden.
Demi-cuite, s. Seidenspinnerei.
148 Demi-Draps — Dessin.
Demi-Draps, Halbtücher, feine leichte, wenig gewalkte Wollentücher,
in Frankreich auf englische Art kurz geschoren und stark gepresst; auch die
deutschen Fabriken liefern den Artikel.
Demi-Florences, s. Seidenwaren.
Demi-Hollandees, in Frankreich eine feine weisse Leinwand, welche auf
holländische Art gebleicht, appretiert und gelegt wird.
Demi-Londres, geringe, locker gewebte und leicht gewalkte "Wollentücher
aus Frankreich, teils ungefärbt und ohne Appretur.
Demi-Musselines, eine Gattung dünnen Linons aus Frankreich, meist
aus Leinen- und Baumwollengarn, ganz glatt, gegittert oder gemustert.
Demirdschik, Fabrikationsort in Kleinasien für sogen. Smyrnateppiche (s. d.).
Demi-Torles, eine leicht und dünn gewebte Leinwand, die man in Frank-
reich teils roh, teils gefärbt, zu Futter verbraucht.
Demmin, Stadt im preuss. E-eg.-Bez. Stettin: Tuchfabrikation.
Dendermonde, Stadt in der belg. Prov. Ostflandern: Baumwollweberei
(namentlich Decken) Seilerei und Leinwandbleicherei.
Denier, franz. G-ewicht = 1,275 kg, bei Seidengarn nur 0,0531 g. Bei
der Numerierung des Seidengarns ermittelt man, wieviel Deniers ein Strähn
Seide von 476 m (ancien titre) oder von 500 m (nouveau titre) wiegt.
Denims, auch Florentine, englischer Name eines leichten, glatten baum-
wollenen Köperzeuges, das ursprünglich zu Nimes gewebt wurde.
Dentelieren (franz.), auszahnen, auszacken; dentelierte Arbeit (franz.:
dentelure), ausgezackte Arbeit, Spitzen, Kanten ; dentelles, Spitzen.
Dentelle duchesse, eine der in Brügge gefertigten Spitze ähnliches Pro-
dukt, welches dadurch besonders kenntlich ist, dass an den Verb indungs Stäb-
chen des Grundes, dem bride, zahllose picots oder Dörnchen angesetzt sind.
(Vgl. Spitzen 19. Jabrh.).
Dentelles (franz.), Spitzen.
Dentelles de pot ä fleurs heissen die sogen. Pottenkanten aus Ant-
werpen (s. d.).
Dentelschnüre, von dentelli (ital.), Zähnchen, dens (lat.) Zahn, dent
(franz.) Zahn, woraus das französische dentelle, das bei einer Spitze soviel
wie Klöppelspitze heisst. In italienischen Musterbüchern kommt dentelli 1549
zum erstenmal, in einem Züricher Musterbuch „dentel arbeit, dentelschnüre"
im Jahre 1561 vor. Auf D. sind die ersten Spitzen in Deutschland zurück-
zuführen.
Derbent, Derbend, Hauptstadt der Landschaft Daghestan im russischen
Kaukasus: erzeugt Teppiche (s. unter Daghestan).
Derby, Hauptstadt der engl. Grafschaft D. : sehr bedeutende Seiden- und
Baumwollfabriken ; Spitzenklöppeleien, Kattun- und Strumpfwarenfabriken. In
D. wurde 1718 die erste englische Seidenmanufaktur errichtet.
Der-el-Kamar, Hauptstadt des asiat.-türk. Mutessariflik Libanon : Seiden-
zucht, Seidenweberei und Stickerei.
Deribands, eine Sorte weisser ostindischer Kattune.
Deringa, im russischen Handel die gewöhnliche gelbe Packleinwand.
Desaignes, Flecken im Arrond. Tournon des franz. Depart. Ardeche:
Seidenfabriken.
Desintegrieren , d. i. Entbasten des rohen Kokons und Seidenabfälle
(Abfallseide), bevor sie zur Florettspinnerei verwandt werden.
Des Moines, Hauptstadt des nordamerik. Staates Iowa: Woll- und Baum-
wollmanufakturen; bedeutender Handel.
Desooksoys, eine Gattung baumwollener Zeuge im englisch-ostindischen
Handel.
Dessau, Hauptstadt des Herzogtums Anhalt: Tuchfabrikation.
Dessin (franz.), (engl.: design, pattern); findet vorzugsweise Anwendung
in der Textilkunst, und zwar versteht man darunter ebensowohl die Muster-
zeichnung, nach welcher gewebt, gestickt oder gedruckt wird, als das ausge-
führte Muster, und nennt man daher gemusterte Stoffe dessinierte und die
Dessinateur — Deutschland. 149
Vorrichtung am mechanischen Webstuhl zum AVeben solcher Stoffe Dessin
machen. Dessin, le, nennt der Franzose auch das Herstellen des Musters
für Nähspitzen.
Dessinateur (franz.), Musterzeichner.
Dessiniermaschlne (franz.: machine ä piquer; engl.: punching machine),
in der Tuchfabrikation Vorrichtung, durch die auf der Oberfläche von Gre-
weben Muster hervorgebracht werden.
Dettingen, an der Erms, Dorf im württ. Oberamt Urach: Baumwoll-
spinnerei und -Weberei.
Deuben, Dorf bei Dresden: Sammetstofffabrikation.
Deutschbrod, Stadt in Böhmen: Tuchfabrikation.
Deutsche Naht ist diejenige für "Wirkwaren verwandte überwendliche
Naht, bei welcher der Nähfaden den zweiten und dritten Maschenhenkel des
einen Warenstückes mit dem zweiten und dritten Henkel des anderen Waren-
teiles in jeder zweiten Beihe verbindet.
Deutsche Renaissance, s. Renaissancestil.
Deutsches Spinnverfahren, Yorspinnverfahren (Vorbereitung) der Kamm-
garnspinnerei, welches man bei dem Verfeinern der Spindelbänke (Flyer) an-
wendet.
Deutschland. Textil- und Bekleidungsindustrie: 1882 waren 1223 621
Betriebe mit 2169 880 beschäftigten Personen, dagegen 1895: 1054137 Be-
triebe mit 2 383 861 Arbeitern vorhanden. Am ältesten ist die
Leinenweberei. Das Spinnen des Flachses als Beschäftigung auf
dem Lande hat sehr nachgelassen, seitdem die Spinnmaschine die geübteste
menschliche Hand überbietet. Die Flachsspinnerei beschäftigt gegenwärtig
über 360000 Spindeln, kann jedoch den einheimischen Bedarf nicht decken.
Im Jahre 1900 betrug die Einfuhr von Leinen-, Jute- und Manilahanfgarn,
sowie von Nähgarn und Zwirn 19171 t (25,1 Mill. Mk.)
Hauptsitz der Leinenweberei ist das schlesische Gebirge längs der böh-
mischen Grrenze, von wo sie nach der sächs. Lausitz übertritt. Namentlich in
Zittau und Umgebung werden vorzugsweise feinere Gewebe, darunter auch die
viel gesuchten Damaste, hergestellt. Sehr bedeutend für die Anfertigung von
Leinwand ist ferner Bielefeld (s. d.) mit Umgebung bis in die Gegend von
Osnabrück und nach der Lippe zu. Hier, wie in einzelnen Bezirken von
Württemberg, Franken, Thüringen, im Rheinland, Brandenburg ist die Leinen-
weberei hausindustriell entwickelt; es mögen etwa 90000 Webstühle vorhanden
sein, die indes nur bei sehr flottem Geschäftsgange voll beschäftigt sein wer-
den; die Mehrzahl der Weber ist nebenher landwirtschaftlich tätig.
Fertige Wäsche wurde früher vorzugsweise in Bielefeld hergestellt,
neuerdings aber auch in Berlin und anderen grossen Städten mit Erfolg.
Seiler waren liefern Westfalen, die Seestädte, Oberschlesien, das
schwäbische Bayern und das Beg.-Bez. Kassel ;
Packleinwand Ostfriesland und die Gegenden der Ems und mittleren
Weser.
Die Zwirnerei erstreckt sich hauptsächlich auf das Königreich Sachsen,
auf Schlesien und die Bheinprovinz. Ausserdem befinden sich bedeutendere
Nähfadenfabriken in Augsburg und Heilbronn.
In der Hausindustrie wird Hervorragendes nicht geleistet; am meisten
ist dieselbe in Baden und in Schwaben zu Hause.
Jutewaren bezog Deutschland früher aus England. Die erste Jute-
weberei wurde in D. im Jahre 1861 in Verhelde bei Braunschweig gegründet.
Seitdem sind in Meissen, bei Hamburg, Berlin und anderen Orten Jute-
webereien und -Spinnereien entstanden, deren Erzeugnisse steigende Aufnahme
gefunden haben. Da der Bohstofi" eingeführt werden muss , so lässt sich an
den Eiafuhrziffern das Wachstum der Industrie am besten darlegen: 1880
wurden 17 564 t (6,7 Mill. Mk.), 1896: 98 845, 1900: 97 106 t Rohjute
(30,1 Mill. Mk.) eingeführt.
Für Wolle sind etwa 1450000 Spindeln für Streichgarn, und etwa
X50 Deutschland.
600000 Spindeln für Kammgarn tätig. Die Hauptsitze der Wollspinnereien
sind die E-heinprovinz , das Königreich Sachsen (namentlich die Gegend von
Werdau bis Plauen), Württemberg und das Oberelsass. Diese Bezirke sind
auch die Hauptsitze
der Tuchfabrikation, denen sich noch die Niederlausitz und der
südöstliche Teil der Mark Brandenburg mit den Städten Kottbus, Forst,
Spremberg, Sorau, Sommerfeld zugesellen. Besonders feine Tuche liefern
Aachen, (Irossenhain und andere sächsische Städte. In Bezug auf
Kamm w oll waren zeichnen sich die Bezirke von Chemnitz, Glauchau
bis mit Crimmitschau und Plauen, von Gera, Greiz (wollene und halbwollene
Fraueukleiderstoffe: sog. „ Greiz-Gera" -Artikel) , Zeulenroda und Pössneck,
Mühlhausen i. E., Gebweiler und Bischweiler, auch Württemberg aus.
Die Kunstwollspinnerei, vor vier Jahrzehnten eingeführt, wird
hauptsächlich im Pheinland, namentlich in Aachen (82 Fabriken mit 1 200 Ar-
beitern), Düsseldorf, Minden, Liegnitz, ferner in den sächsischen Industrie-
orten Steingleis bei Zwichau, Werdau, Wilkau u. s. w. betrieben.
Für wollene Strumpfwaren sind Chemnitz, Apolda, Zeulenroda
sowie einzelne Bezirke in Württemberg und dem Elsass zu nennen,
für Shawlweberei Berlin,
für wollene Plüsche Berlin, Barmen, Hannover und Dresden,
für Teppiche Berlin, Barmen, Schmiedeberg (Schlesien), AVurzen.
Die Einfuhr von Wollgarn betrug 1880: 93,1, 1896: 114,1, 1900: 110,6
Mill. Mk.; die Einfuhr von Wollwaren 26,1 und 16,1, 1900: 20,5 Mill. Mk.;
dagegen stieg der Wert der Ausfuhr 1888—1900 von 190 bis auf 233,7, Woll-
garn von 44,6 auf 56,8 Mill. Mk.
Die Kammgarnspinnerei hat ihre Hauptsitze im Elsass (Malmers-
pach , Mühleisen , Erstein und Sennheim) und in Sachsen. In S. wurde die
Maschinenspinnerei am Ende der 30er Jahre eingeführt. Schon 1861 besass
das Land 15 Kammgarnspinnereien mit 104600 Spindeln und einem Gesamt-
erzeugnis von 15 Mill. Mark.
Die Entwickelung der deutschen Baumwollindustrie er-
scheint um so beachtenswerter, wenn man erwägt, dass der Kohstoff im Hei-
matlande nicht erzeugt wird; sie ist konzentriert im Oberelsass (Mülhausen,
Gebweiler, Thann, Münster, Markirch, Wesserling), in Sachsen (Chemnitz und
Umgebung , vorzugsweise im Zschoppau-, Flöha- und Muldental) ; im Rhein-
land (München-Gladbach, Dülken, Barmen, Elberfeld bis nahe zum Rhein), in
Württemberg (bei Reutlingen), im nördlichen Abfall der Rauhen Alb und von
hier übergehend bis nach Bayern ; in Baden im südlichen Abfall des Schwarz-
waldes; in Bayern (Augsburg) und in Oberfranken (Bayreuth bis Hof); in
Schlesien (Reg.-Bez. Liegnitz bis zu dem Eulengebirge).
Die Einfuhr von roher Baumwolle, die jetzt statt über London mehr
und mehr über Bremen erfolgt, belief sich 1840 auf rund 10 000 t, 1870 auf
71000 t, 1900 auf 313155 t (318,1 Mill. Mk.). Obgleich die Spinnereien
(etwa 6 Mill. Feinspindeln) ihre Erzeugung zu steigern bemüht gewesen sind,
kann der Bedarf an Baumwollengarn doch nicht ganz gedeckt werden, viel-
mehr wurden 1900 noch 19969 t (62,9 Mill. Mk.) eingeführt. Erzeugt werden
die gröberen und mittelfeinen Garne bis zu etwa Nr. 80, im Oberelsass bis
zu etwa Nr. 100; feinere Garne liefert England, Das Oberelsass nimmt in
Bezug auf die Feinheit der Stoffe den ersten Rang ein, dann folgen das König-
reich Sachsen und Rheinland.
Für Weisswaren (Gardinen, Mull, Musselin) ist ausserdem das Vogt-
land (Plauen) zu nennen, für baumwollene Strumpfwaren Chemnitz, für Bunt-
stickerei Berlin, Rheinland und Württemberg, für Posamentierwaren Barmen,
Elberfeld, Annaberg (Sachsen), Isny (Württemberg), Brieg (Schlesien), Strass-
burg und Kolmar, für Wachstuch Berlin und Leipzig, für Schirm stoffe Chem-
nitz, Berlin, Elsass und Rheinland. Hausindustriell entwickelt ist die Spitzen-
klöppelei und Weissstickerei im Erzgebirge (Eibenstock, Schwarzenberg, Schnee-
berg bis in das Vogtland), letztere auch im südlichen AVürttemberg.
Deutschland. 151
Die Haiiptbezirke für YeredeluDg von AVollwaren sind Zwickau, Greiz-
Gera, Bautzen, Frankfurt a. 0., Oberfranken. Unter den Hauptbezirken für
Baumwollveredelung finden sich wieder Zwickau, ferner Mühlhausen und Düssel-
dorf. Mit der Veredelung von Seide sind in Krefeld und Elberfeld 3900 Per-
sonen in Fabriken und 3000 Personen im handwerksmässigen Betrieb be-
schäftigt.
Die Einfuhr von Baurawollwaren betrug im Jahre 1880: 1387 t (14,9
Mill. Mk, Wert), 1890: 1462 t (11,8 Mill. Mk.), 1900: 6302 t (35,2 Mill. Mk.).
Dagegen hat die Ausfuhr stetig zugenommen, sie betrug 1880: 21171t (99,4
Mill. Mk.), 1890: 28190 t (168 Mill. Mk.), 1900: 40 865 t (244,7 Mill. Mk.).
Für die S eidenindu strie sind Krefeld, Barmen und Elberfeld Mittel-
punkte, ferner Berlin, Aachen, Baden und Lothringen. Der Schwerpunkt der
deutschen Seidenindustrie liegt auf den Halbseidenstofi'en und Sammeten, in
denen sogar die berühmte französische Industrie erreicht, vielleicht überholt
ist, während in den schweren Stoffen Frankreich noch den ersten Platz be-
hauptet.
Der Gesamtwert der Einfuhr (einschliesslich E-ohseide) ist seit 1880 von
148,5 auf 200,6 Mill. Mk. im Jahre 1899 gestiegen; im Jahre 1900 jedoch
auf 173,3 Mill. Mk. zurückgegangen; der Gesamtwert der Ausfuhr (mit Ein-
schluss der Halbfabrikate) dagegen von 237,1 auf 166,6 Mill. Mk. gefallen,
nachdem sich dieselbe bis in die neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts auf
gleicher Höhe gehalten hatte.
Die Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur der
Garne und Webwaren schliessen sich an den Webstoff an, dem sie zu dienen
bestimmt sind, und finden sich in denselben Bezirken. In Zeugdruckerei und
Appretur fand Jahrzehnte hindurch ein lebhafter AYechselverkehr mit den
Nachbarländern statt, die ihre Webstoffe nach Deutschland sandten und hier
im Veredlungsverkehr bearbeiten Hessen. Solche Zeugdruckereien finden sich
noch in Mühlhausen i. Eis., Berlin, Augsburg, Baden, Sachsen, doch hat dieser
Veredlungsverkehr durch die Erhöhung der Zölle in den Nachbarländern stark
gelitten.
Für Spitzenklöppelei sind die Hauptsitze Annaberg, Schneeberg
(Hauptstadt für weissleineue Sjjitzen), Schwarzenberg, Eibenstock und Schön-
heide (Tambourierstickerei für Decken, Gardinen, Schleier). Einer der grössten
Betriebe mechanischer Spitzenfabrikation befindet sich in Leipzig-Lindenau.
Für die Stickerei sind die Hauptorte Plauen und Zwickau ; auch in
dem württembergischen Oberland sticken seit einem Jahrzehnt mehrere Tausend
Personen, aber für Pechnung schweizerischer Unternehmer. Bedeutend ist die
Stickerei auch in Berlin, wo sich mit ihr sowie mit Häkelei 2900 Personen
befassen.
Geschichtliches: D, sieht geschichtlich wie dem Umfange des Aussen-
handels nach in der Textilindustrie an erster, der Zahl der beschäftigten
Personen nach an fünfter Stelle. Das Verarbeiten des Flachses und der Schaf-
wolle war hier von jeher allgemein verbreitet. Beide Gewerbe wurden vom
frühen Mittelalter an in Schwaben, Cleve , Jülich und Gelderland als land-
wirtschaftliches Nebengewerbe oder handwerksmässig betrieben. Tuch und
Leinen bildeten im Mittelalter für Augsburg, LTlm, Görlitz, Köln, Aachen u. s. w.
einen Hauptexportartikel, der in England, Eussland sowie in Italien und Spanien
guten Absatz fand. Die Weberei der feineren Wollzeuge, die bis dahin nach
Deutschland importiert worden waren, wurde 1566 von flüchtigen Flamändern
in Hanau, Gera, Plauen, 1680 von Hugenotten in Berlin, Göttingen, Kassel,
Eisenach eingeführt. Erst im 17. Jahrhundert kam die Konkurrenz Englands
auf. Die B aum wollen web er ei und Kattundruckerei wurde in Deutsch-
land zu Ende des 17. Jahrhunderts in Augsburg (s. d.) eingeführt und der
geschlossene Fabrikbetrieb — als erste Kattunmanufaktur 1750 durch flüchtige
Schweizer in Plauen i. V. — begründet. Sachsen wurde neben Ostindien und
der Schweiz zum hauptsächlichsten Produktionsland für Baumwollenwaren.
Die" Sc hl ei er webe r ei aus Baumwolle wurde zu Ende des 16. Jahrhunderts
152 Devants de corps — Diadem.
von niederländischen Flüchtlingen im sächsichen Yoigtlande, dessen Mittelpunkt
die Stadt Plauen bildet, eingeführt und bis 1600 daselbst für E,echnung Nürn-
berger Kaufleute betrieben. Im 17. und 18. Jahrhundert dehnte sich die
neue Manufaktur (Musselin, Kattun u. s. w.) immer mehr aus, bis sich kurz
vor den 20er Jahren auch hierin der Maschinenbetrieb einzubürgern begann.
Die Seiden Industrie kam Ende des 17, Jahrhunderts durch niederländische
und französische Flüchtlinge nach dem linken Rheinufer (s. Krefeld) und in
■die Mark (s. Berlin). Die Spitzenklöppelei wurde um die Mitte des
16. Jahrhunderts als häusliche Beschäftigung (der Bergmann sfamiljen) aus den
Niederlanden im sächsichen Erzgebirge eingeführt. Die Po s am&ntierkuns t
wurde 1591 von flüchtigen Niederländern in das mittlere Erzgebirge, die
Strumpfwirkerei ein Jahrhundert später von flüchtigen Hugenotten nach
Württemberg, Sachsen und Thüringen verpflanzt. Mit der Wirkerei ist die
Korsettweberei verwandt; auch sie ist eine aus Frankreich herüber ver-
pflanzte Industrie und sie wurde im Jahre 1848 nach dem Vorbild der Fabri-
kation in Bar le Duc zuerst in Württemberg eingeführt. Die Wirkerei
mit ihren drei Hauptzweigen : der Strumpfwaren-, Handschuh- und
der Trikotagen fabrikation bildet heute in D. einen Hauptzweig der
Textilindustrie. Der Manufakturbetrieb kam (speziell in der Strumpfwirkerei)
in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts auf; eine solche „Strumpf-,
Seiden- und Wollfabrique" errichtete damals in Limbach David Esche, der
Erfinder des deutschen Strumpfwirkstuhls. Die Strumpfwirkerei als Hand-
werk konnte sich aber fast noch ein volles Jahrhundert erhalten. (Vgl.: „Deutsch-
land als Industriestaat" von Dr. F. C. Huber, Stuttgart 1901. S. 421 fi".)
Devants de corps werden im Französischen die vorderen spitz zulaufen-
den Einsätze der Frauenkleider genannt, welche in Posamenterie , aber auch
in bunter oder in weisser Spitze ausgeführt wurden.
Deventer, auch Demter, Stadt in der niederländ. Prov. Oberyssel: be-
deutende Teppichfabriken, darunter die königl. Fabrik von Smyrnateppichen ;
Kattundruckerei, Leinwandhandel.
Deville-les-Rouen, Stadt im Arrond. Pouen des franz. Depart. Seine-
Inferieure: Baumwollspinnerei und -weberei, Bleichereien.
Devisen (lat.: devisia; franz.: devises; engl.: devices), Denk- oder Wahl-
sprüche, in Worten oder durch Sinnbild dargestellt, bilden in älteren Stofi'mustern
eine beliebte Darstellung, wohin sie durch die arabischen Sprüche gekommen sind.
Devonshire-Plains (engl.) heissen grobe, einfarbige, sehr billige Wollen-
tuche, zum Gebrauch der Schiffsleute und für Negersklaven in Westindien.
Dewsbury, Stadt in der engl. Grafschaft York: Fabrikation von Tep-
pichen und W^ollwaren; Hauptsitz der Shoddymanufaktur.
Deynze, Stadt in der belg. Prov. Ostflandern: Fabrikation von Seiden-
stoffen ; Flachshandel.
Dhaka, Stadt in der Gouverneurschaft Bengalen des indobrit. Reichs :
bedeutende Industrie in Musselinen, gröberen Kattunen und Silberstickereien.
Dholera, Ort in der indobrit. Präsidentschaft Bombay: Baumwollspinne-
reien und -Webereien. Während des amerikanischen Bürgerkrieges (1862 bis
1865) war D. der Hauptbaumwollhafen von Gudschrat und gab einer auf dem
europäischen Markte wohlbekannten Baumwollsorte den Namen.
Dhoties heisst Shirting mit farbigen Streifen.
Diablement-fort, ein französischer Stoff, dessen Kette Leinwand, der
Einschlag Baumwolle ist.
Diadem (lat.: diadama; franz.: diademe; engl.: diadem), ursprünglich
ein Band zum Zusammenhalten des Haupthaares; es findet sich schon früh als
Zeichen der Würde bei hochstehenden weiblichen und geistlichen Persönlich-
keiten der Aegypter, Assyrer, Babylonier und Perser. Das Band wurde mit
Symbolen aus Metall geschmückt. Im frühen Griechenland findet sich das
D. wieder als direkte Stirnbinde und machte dann die gleiche Wandlung durch
wie in seinen Stammländern, nur erhält sich eine mit Perlen besetzte Binden-
form. Diese hauptsächlich wird in Pom zuerst nur von den Frauen als Schmuck
Diagonals — Dieppe. 153
und von den Priestern als Würdezeichen angenommen. Unter Konstantin d. Gr.,
der das D. reich schmückte, wurde es von den Fürstlichkeiten Europas überall
angenommen. Im Mittelalter trägt man es als einen einfachen goldenen Reif
oder statt seiner die Krone, zu der es durch Justinian ausgebildet wurde.
Diagonals heissen geköperte Gewebte mit schräg verlaufender feiner
Streifung.
Diagonalstuhl oder Milanesstuhl ist ein mechanischer Kettenwirkstuhl,
welcher die Kettenfäden nach und nach seitlich über sämtliche Nadeln der
ganzen Reihe legt.
Diamantines ^ älterer englischer gemusterter Köperstoff von hartem
Kammgarn. Er zeichnet sich aus durch seine gute Appretur und glänzendes,
atlasartiges Ansehen.
Diaper (engl.) (lat. : diasprus) , ein dichtes geköpertes Baumwollenzeug,
eine Art Drell (s. d.) mit bunt gewürfelten eingewebten Mustern, welches
zuerst in England gemacht wurde und nach A.rt dieser Muster to diaper,
diapering, diaper-work (engl.) ein aus Blumen u. s. w. wiederkehrendes Muster,
das eine Fläche völlig bedeckt, zunächst auf weichen Stoffen, dann allgemein
gebräuchlich für alle in TJmrisslinien eingeschnittene oder reliefartige Muster
(s. a. Diaprer).
Diapistis wird im 13. — 14. Jahrh. als grünlicher Stoff bezeichnet, der
nach dem Schriftsteller Hugo Falcandus in Palermo erzeugt sein soll.
Diaprer, Verbum des franz. Substantivs diaper (s. d.) von diaspre (s. d.),
hiermit bezeichnete man im frühen Mittelalter bestimmte Brokate. Welcher
Art dieselben waren, ist nicht genau zu bestimmen, doch scheinen es Stoffe
gewesen zu sein, deren Muster ganz oder teilweis in Grold gewebte Tiere dar-
stellte. Das spätere Mittelalter brauchte den Ausdruck schon in demselben
Sinne, wie jetzt diaper (s. d.) angewendet wird.
Diarbekir oder Diarbekr, auch Kara-Amid, Hauptstadt gleichnamiger
asiat.-türk. Prov., erzeugt durch Hausindustrie Knüpfteppiche nach persischen
Mustern.
Diarrhodons, Bezeichnung mittelalterlicher Grewebe; von einem solchen
feuerroten Stoff des 13. — 14. Jahrh., der in Palermo erzeugt wurde, spricht
der Schriftsteller Hugo Falcandus.
Diaspre, Bezeichnung für frühmittelalterliche Seidengewebe von weisser
Farbe. Der Name ist rein griechischer Abstammung. D. scheint eine Abart
des sogen, „draps" zu sein, welcher in Lyon im 14. Jahrh. in grossen Mengen
hergestellt wurde.
Dibadsch, Dybäg, mittelalterliche arabische Bezeichnung für Atlasstoffe
und Brokate, welche in der Tiraz (Staatsweberei) zu Bagdad gefertigt wurden.
Die Bezeichnung ist später sehr verallgemeinert worden und wird jetzt im
Orient auf alle schweren seidenen Stoffe angewendet.
Dichtenbestimmung eines Gewebes wird nach der Zahl der Kettenfäden
gemacht (in Deutschland 1 — 10 cm) , sie entbehrt noch eines Normalsystems.
Die Dichte der Kette wird auch nach Gängen ausgedrückt.
Dickmühle, auch Walkmühle, Filzmühle, Hammerwalke genannt, eine in
der Tuchfabrikation zum Filzen der Loden verwendete Vorrichtung, in welcher
das Gewebe in einem eigentümlich geformten Holztrog durch fallende Holz-
hämmer bearbeitet wird: es ist die älteste Walke.
Dickzüchen, veralteter Name für sächsische bunte Leinen, welche sehr
fest und gedrungen gewebt und zu Bettinleten und Ueberzügen gebraucht
wurden. Sie waren blau und weiss, rot und weiss gewürfelt oder gestreift,
oder blau geflammt.
Die, Hauptstadt im Arrond. D. des franz. Depart. Drome: Seidenraupen-
zucht, Fabrikation von Tuchen, Seiden- und Baumwollspinnereien; bedeutender
Handel mit Seidenwaren und Tuchen.
Dieppe, Hauptstadt des Arrond. D. im franz. Depart. Seine-Inferieure :
Spitzenfabrikation, welche im 18. Jahrh. ihren Ursprung hat, deren Erzeugnisse
oft als points k la vierge bezeichnet werden. Im übrigen arbeitete man in
J54 Diessenhofen — Distel.
der Art des Valenciennes (s. d.), ohne die Muster an Feinheit zu erreichen.
Die Herstellung, im 17. und 18. Jahrh. bedeutend, ist heute nur noch sehr
gering.
Diessenhofen, Hauptstadt im Schweiz. Kanton Thurgau: Färbereien,
Verbandstofffabriken.
Digne, Hauptstadt im Arrond. D. des franz. Depart. Basses-Alpes :
Färbereien, Tuchmanufaktur und bedeutender Tuchhandel.
DijOU, Stadt im franz. Depart. Cote d'Or: fertigte am Ende des 17. und
in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. Klöppelspitzen. Man findet sie oft wegen
ihres schweren Fadens getadelt; sonst scheinen sie in Technik und Muster
nichts Eigentümliches gehabt zu haben.
Dimantino, ein älterer geköperter Wollenstoff, welcher in bunten Farben
zu Möbel- und Kleiderstoffen diente.
Dimity (engl.), Dimitos, Demittas, Demittons, vom griech. di-mitos, d, i.
vom doppelten Faden, zweidrähtig, ein englisches geköpertes Baumwollenzeug,
auch ein gewöhnlich sehr dick gewebter Stoff mit streifigen Mustern auf drei-
oder fünf bändigem Köpergrund, wobei die Streifen gewöhnlich durch einen
Wechsel von Kettenköper und Schussköperstreifen zustande kommen. D. ist
ursprünglich ein levantinisches Gewebe, welches auf den Inseln des Archipels,
auf Cephalonia, an vielen Orten in Kleinasien gemacht wird. In Holland zu
Amersfort wurde D. zuerst, dann aber überall, in England, Frankreich und
Deutschland nachgemacht.
Dinan, Hauptstadt des Arrond. D. im franz. Dep. Cotes-du-Nord : Flachs-
bau, Hanfspinnereien, Fabrikation von Flanell, Leinwand, Segeltuch und Baum-
wollstoffen, sowie bedeuteoder Handel mit diesen Artikeln.
Dinkesbühl, Stadt im bayr. Reg. -Bez. Mittelfranken: Fabrikation von
Wollwaren; Streichgarn Spinnerei; Wollmarkt.
Dinklage, Gemeinde im oldenb. Amt Yechta: Baumwollweberei, Färberei
und Druckerei.
Diplax, doppelter, wollener Mantel, ein glattes Stück Zeug, das im frühen
Griechenland getragen wurde.
Discincta (lat.), loses, ohne Gürtel und Fibula übergeworfenes Gewand,
Mantel.
Diselset, Disselset, Distelset, nach der Limburger Chronik von 1351
Bezeichnung für Nesseltuch (aus Distel und sedum [Mauerpfeffer]), im 14. und
15. Jahrh. als Kopftuch der Frauen aus dem Bürgerstande getragen.
Diss, Stadt in der engl. Grafschaft Norfolk : Flachsspinnerei und Mützen-
fabrikation.
Dissen, Flecken im preuss. E,eg.-Bez. Osnabrück: bedeutende Fabrik
von Segeltuch und Sackleinwand.
Distel, fast jede stachlige oder dornige Pflanze, vorzugsweise solche,
welche kopfartige Blütenstände haben und deren Blütenhüllen aus dornig endi-
genden Hüllblättchen bestehen, sämtlich zur Familie der Kompositen gehörig
(Abb. 56 u. 57.) Als Kunstform erscheint die Distel zuerst im gotischen Zeit-
alter (s. d.) gleichzeitig mit dem Granatapfel (s. d.) und es hat den Anschein,
dass in den Stoffmustern jener Zeit beide Motive nebeneinander zur Ver-
wendung gelangten; während aber am Ende des 15. Jahrh. der Granatapfel
allmählich verschwindet, geht die Distel noch in die Renaissance über (vgl.
Abb. 58) und findet in Italien und Spanien für Kleiderstoffmuster Aufnahme.
Der Hebergang dieser Blatt- und Blütenform in das 16. Jahrh. ist augen-
scheinlich auf die Aehnlichkeit des krausen Blattwerkes mit denen des Acanth<is
(s. d.) zurückzuführen. In neuerer Zeit ist die D. durch Eugland wieder für
die Textilkunst als Kunstform nutzbar gemacht worden.
Abbildungen.
56. Distelstaude nach einem Holzschnitt aus: Lobelius, plantarum sev stirpium
iconen, Antwerpen 1581.
57. Distelstaude aus demselben Werk.
Distel
155
Abb. 56.
Abb. 57.
Abb. 58.
58. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseuin in Stuttgart: Sammet-
brokat, Grund gelb, mit etwas Goldlahn durchwirkt, symmetrisches Muster rot, ge-
schnitten und uu geschnitten: Bänder, durch Knäufe verbunden, bilden spitzovale Felder,
in welchen stilisierte Distelblüte mit Blattwerk. Spanien Ende 16. Jahrh.
J56 Dittersbach — Doncherys.
Dittersbach, Dorf in Böhmen: Zwirnfabrik, Weberei.
Divisa (lat.), zweifarbiges Gewand.
Dizaine (franz.) heissfc die stärkere Linie innerhalb der carta riga (s. d.) ;
sie erleichtert das Abzählen der Quadrate und ist auch für achtteiliges Papier
üblich.
Djoule heissen glatte, gewirkte persische Teppiche (eine Sorte Kilim),
welche in der Gregend von Schuschter angefertigt werden. Dieselben sind an
der Rückseite zottig uud sehen den Jacquardgeweben ähnlich.
Dmitrow, Kreisstadt im russ. Gouvernement Moskau : Baumwollspinnerei
und -Weberei, Tuchfabriken.
Dobby (ßatiere), s. v. w. Schaftmaschine am Webstuhl.
Döbeln, Stadt in Sachsen: bedeutende Wollspinnereien.
Dobruschka, Stadt in Böhmen: Weberei, bedeutende Märkte für Flachs
und Garn.
Dochte, Bezeichnung für einfach zusammengedrehte oder durch Flechten
und Weben von Baumwollfäden hergestellte Textilerzeugnisse, platt oder
schlauchförmig, dazu bestimmt, Leuchtstoffe aufzusaugen und nach dem Ende
hinzuleiten, wo sie angezündet werden, ünverbrennliche Dochte stellt man
aus Glaswolle, Asbest u. a. her.
Docke, in der Woll-, BaumwoU- und Seidenspinnerei ein durch Zusam-
mendrehen und Falten von Garnsträhnen gebildeter Zopf, deren eine gewisse
Anzahl zu einem Bündel vereinigt werden.
Dockenmaschine s. v. w. Klöppelmaschine.
Dockenseide ist Seidengarn in Strähnen gelegt.
Doeskins (engl. = ßehleder), leichtes, dünnes Köpertuch zu E,ock- und
Hosenstoffen, viel leichter als Buckskin.
Dogenstola, s. Stola.
Doigtier, doittier (franz.), leinenes Tuch, das die Domherren in Reims
am kleinen Finger der linken Hand (als eine Art von Manipel) beim Cele-
brieren der Messe tragen.
Dolman (türk.), ursprünglich ein Stück der ungarischen Nationaltracht,
eine Jacke ohne Schösse, auf der Vorderseite mit horizontalen Reihen von
Schnüren nnd vertikalen Reihen von Knöpfen besetzt.
Domestics (engl.), ein nordamerikanisches Baumwollzeug , auch starke
Futter- oder Hemdenkattune. Man hat rohe, ungebleichte D., welche die Eng-
länder brown sheeting, die Spanier und Mexikaner manta triquena nennen,
und weisse D. (white sheeting oder shirting; manta blanca). Die schweren D.
werden auch cotton osnaburghs genannt. Der Hauptfabrikationsort der D. in
den Vereinigten Staaten ist Lowell, unweit Boston, in Massachusetts. Im all-
gemeinen und namentlich wenn sie gebleicht und lang gelegt sind, nennt man
diese baumwollenen Zeuge Long cloths ; in Mexiko auch einige Sorten Elefantes.
Domingohanf, einer der zahlreichen, aus den Blattfasern mehrerer
Agavearten sowie anderer zum Teil noch nicht botanisch genau bestimmter
Gewächse gewonnen, gewöhnlich unter dem Gesamtbegriff Aloehanf (s. d.) zu-
sammengefasster Spinnstoffe, welcher aus Westindien nach Europa gebracht wird.
Dominicale (lat.), das in der alten Kirche den Kommunizierenden beim
Genuss des Sakraments untergehaltene Abendmahlstuch.
Dominiealis (lat.), weisser Schleier, welchen die Frauen beim Gottes-
dienst, besonders beim Abendmahl trugen; bis zum 7. Jahrh. im Gebrauch.
Domino, franz., engl., lat., Wintermantel der Geistlichen mit Kapuze.
Donauwörth, Stadt im bayr. Reg.-Bez. Schwaben: Leinenweberei, Flacts-
und Hanfbau.
Doncaster, Stadt in der engl. Grafschaft York : bedeutende Spinnereien
und Webereien.
Doncherys, eine Art wollener französischer Sergen, die zu Dongchery an
der Maas, eine Meile von Sedan, gewebt werden. Sie sind sehr dicht und
dauerhaft und werden deshalb zu Montierungen für die Truppen, zu Kloster-
kleidungen u. dgl. gebraucht.
Dongchery — Doreas. 157
Dongchery, Stadt im Arroud. Sedan des franz. Depart. Ardennes: Fa-
brikation von Tuch- und Wollstoffen.
Doppeladler, s. Adler.
Doppelflanell, ein einst als Beinkleidstofi' beliebtes, nach Art der Kidder-
minster-Teppiche (s. d.) aus Streichgarn erzeugtes, mit kleinen flammenartigen
Zeichnungen gemustertes, der Tuchfamilie angehörendes Gewebe.
Doppelgewebe, verschiedenartige Stoffe, wie Pique und manche Arten
von Teppichen, die durch regelmässiges, teilweises Zusammenweben zweier
aufeinander liegenden, meist glatten Zeuge hergestellt werden, wobei durch die
Art des Zusammenwebens das Muster hervorgebracht wird. (Vgl. Tafel XY,
..Bindungen", s. a. Hohlstoff.)
Doppelkassinet, aus Baumwollketten, zweifachem Schuss, abwechselnd
Baum- und Streichwollgarn, hergestelltes atlasbindiges Gewebe.
Doppelleinwand, die aus weissgebleichtem Garn gewebte Leinwand, wie
Dowlas u. s. w., an manchen Orten die bunte gewebte Leinwand, welche auf
jeder Seite eine andere Farbe hat.
Doppelmaschen, s. Häkeln.
Doppelnähte werden zur Verbindung zweier Stoffe angewendet, welche
leicht ausfasern; die dazu gebräuchliche sogen, französische Doppelnaht
entsteht, indem man die beiden Stoffteile mit den Schnittkanten aufeinander
legt und einige Millimeter durch Vorstiche verbindet. Nach Vollendung dieser
ersten Naht werden die Teile so gewandt, dass die beiden rechten Seiten der-
selben nach innen liegen imd die Schnittkanten zwischen zwei Stofflagen ein-
geschlossen sind; hiernach wird die Naht durch eine zweite Vorstichreihe
vollendet.
Doppelperse, in Oesterreich eine Gattung mehrfarbiger, auf dunklem
Grunde bunt gedruckter Zitze.
Doppelsammet, eine Art Sammet, die entweder auf beiden Seiten Flor
hat, so dass auf einer Seite z. B. blauer Sammet, auf der andern weisser oder
andersfarbener zu sehen ist; oder auf einer Seite Sammet, auf der anderen
Velpel; oder endlich auf einer Seite aufgeschnittener Sammet, auf der andern
unaufgeschnittener ist: Velours canneles u. s. w., s. Sammet.
Doppelschlag, ein auf Strumpfstühlen gefertiges spitzenartiges Gewebe
von feinem ßaumwollengarn, das auf Spannrahmen fein appretiert ist. Wenn
es nass wird, geht es aber in den Maschen wie ein Strumpf zusammen; s. a.
Märkische Tuche.
Doppelseitige Stickerei, s. Strich stich.
Doppelstäbchen, heissen in der Häkelei Maschen, die durch zweimaliges
Umlegen des Fadens um die Nadel gebildet werden.
Doppelsteinlinnen, eine blau und weiss, rot und weiss, lila und weiss
karrierte Leinwand, welche im Bheinland gewebt und hauptsächlich nach den
Nordseehäfen zur Ausfuhr verkauft wird.
Doppeltaffet oder Marcellin, glattes, ziemlich schweres Gew^ebe aus Seide
in Leinwandbindung mit zweifädiger Kette und zwei- bis dreifädigem Schuss
(s. auch Seidenwaren).
Doppeltuch, ein zu dicken Winterkleidern benutztes tuchartiges Doppel-
gewebe, dessen rechte (obere) Seite gewöhnlich feiner als die linke (untere)
ist und dessen Muster meist in Bippen, Bauten, eine Art Moirieruug, Wellen-
linien u. s. w. besteht. Die linke Seite ist ziemlich stark gerauht, aber nur
wenig geschert, um den Stoff möglichst warmhaltend zu machen.
Doppelzinnen, s. Zinnigenmuster.
Dorchester, Hauptstadt in der engl. Grafschaft Dorset: Tuchfabriken.
Dordrecht, Handelsstadt der niederl. Prov. Südholland: Leinen. Im
Mittelalter die reichste und wichtigste Handelsstadt des Landes.
Doreas, Drurias, Durias, eine Gattung ostindischer Musseline oder Nes-
seltücher, welche ehedem durch die Engländer, Franzosen, Holländer und
Dänön von der Küste Coromandel und aus Bengalen in grosser Menge nach
Europa gebracht wurden, später aber durch englische, schweizer und sächsische
158 Dorelot — Doublieren.
Musseline verdrängt worden sind. Aehnlich sind diesen Zeugen Bethilles
(s. dort).
Dorelot, (franz.), Haarnetz der Frauen und Mädchen.
Doreloterie (vom franz. : doreloter, verzärteln), allerlei Bandwaren und
Fransen.
Dorfcaffard, Bauerncaffard, oder wie man das Gewebe in Frankreich
nennt, Caffard de village, ein grober Stoff, entweder ganz aus Wolle, oder aus
Wolle und Leinen; er dient besonders zur Kleidung für Landleute.
Dorlisheim, Dorf im TJnterelsass : Woll- und Baumwollfärberei, Appre-
turwerkstätten.
Dornach, Fabrikort bei Müblhausen im Oberelsass: bedeutende Baum-
woU- und Wollspinnereien, sowie -Webereien, Packleinwandfabriken; Anferti-
gung von Garnen. Eine wertvolle Sammlung älterer Gewebe, Stickereien,
Spitzen und Posamenten besitzt die Firma Dollfuss Mieg u. Co.
Dornbirn, Marktflecken in Oesterreich (Vorarlberg) : bedeutende Baum-
wollspinnereien und mechanische Webereien, Kattundruckereien. K. K. Sticke-
reischule.
Dorneck, Bezirk im Schweiz. Kanton Solothurn: Seidenweberei.
Dornenkranz, Dornenkrone , (franz. : couronne d'epines ; engl. : thorn-
crown), als Attribut Christi und vieler Heiligen.
Dorniks, eine Art Taffetleinen aus schottischen Manufakturen, eine
Nachahmung der zu Dornik in Holland verfertigten Tischtücher oder Damaste.
Dorsal, (franz.: dorsal, dossier; engl.: dorsel, dosel; lat. : dorsale, dos-
sale, dossile), Bückenteppich, das Bücklaken (s. d.) ; auch Bückenkissen, daher
im Lateinischen gestickter Teppich.
Dorser (engl.), Bückenkissen.
Dorsetteens, gemischter englischer Stoff, dessen Kette aus Kammgarn, der
Einschlag aus Seide besteht; er findet in Spanien, Portugal und Südamerika
Absatz.
Dorsten, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Münster: Garnbleichereien, Fabri-
kation von Teppichen.
Doruses hat im französischen Handel verschiedene Bedeutungen: reiche
Stoffe, Spitzen, Points d'Espagne, Bourdalones ; Achselbänder oder Epauletten,
Tressen, reiche Stickereien und dergl. Dourure fine ist die echte gold- und
silberreiche Ware: Dourure fausse die unechte oder leonische.
Dosia oder Mao-ma sind chinesische wollene gestrickte Strümpfe, ohne
Fuss- und Wadenform.
Dosinken, Dogens, werden in Hamburg, Lübeck und Bremen, die Kir-
seys und die sogen. Duzendlaken aus England genannt, womit wollene Tuch-
stoffe gemeint sind.
Döskin, Winterbukskin, ein mit Satinbindung und Streichwolle ge-
webtes, tuchartiges Gewebe, welches im x4ussehen zwischen Tuch und Satin steht.
Dossal, franz. eine Art Mantel, welcher im frühen Mittelalter von den
vornehmen Ständen getragen wurde.
Double Atlas ist in England eine Sorte Papier zum Kupferdruck.
Double meches (Reunion), s. Kammgarnspinnerei.
Doublerie oder Doubles oeuvres, auch Linge ouvre heisst in Frankreich
durch Modeldruck gemusterte Leinwand.
Doublerium, (lat.) (franz.: doubliere); doppeltes Tischtuch.
Doublestoff, s. V. m. Doppelgewebe (s. d.), besonders auch ein zu Da-
menmäntelu benutzter sehr dicker Wollstoff.
Doublet, (franz.), (lat. : doubletus ; engl.: doublet); urs^Drünglich aus dop-
pelter Leinwand oder Baumwolle bestehender, von beiden Geschlechtern ge-
tragener Ueberwurf oder Bluse. Im 16. Jahrh. scheint der Name übertragen
zu sein auf eine eng anschliessende, bis auf die Hüften herabreichende Jacke
mit oder ohne Aermel.
Doublieren, (franz.) verdoppeln, aber auch im weiteren Sinne verviel-
fachen, ein dem Zwirnen des Garns, namentlich der Seide, vorausgehendes
Doubliermaschine — Drahtgewebe. 1 59
Verfahren, nach welchem so viele Fäden, als zusammengedreht werden sollen,
zusammengeführt und parallel nebeneinander liegend auf eine gemeinsame
Spule gewunden werden; auch diejenige Operation der Spinnerei, durchweiche
eine Anzahl von AVatten oder Bändern zu einem Ganzen verarbeitet werden
(s. Spanien).
Doubliermaschine, s. Spinnerei und Seide.
DoublingS (engl.), IJnterfutter der Staatskleider.
Doublure (franz.), Futter, Unterfutter eines Kleidungsstückes; auch Be-
zeichnung für Tapetenleinwand.
Doublure, ein weisser und grober Wollenstoff, der in Frankreich zur
Kleidung der Truppen dient.
Douillon (franz.), die geringste Sorte von Schafwolle: Ausschuss.
Doullens, Hauptstadt des Arrond. D. im franz. Depart. Somme : Baum-
w^oUspinnereien.
Doupions, im franz. Handel die vierte und geringste Sorte der Seide
von Alais, welche zu Cordeline oder sogen. Grenada verarbeitet wird.
Dourdan, Hauptstadt im Arrond. Bambouillet des franz. Depart. Seine-
et-Oise: Baumwollspinnereien, Fabrikation von Strumpfwaren.
DouSOUtis, Dussutus, Doesootjes, eine der besten Sorten weisser ostin-
discher Kattune, welche ehedem die Engländer in Mengen aus Ostindien brachten.
Doutis, Dotis, Dutys, gewöhnlicher ostindischer Kattun, welcher früher
häufig durch den englischen, französischen und holländischen Handel nach
Europa kam.
Douzaine (draps de) heissen in Frankreich die Halbtücher,
Dover, Hauptstadt des County Strafford in Amerika: Fabrikation von
Kaschmirs.
Dowlas, werden in England die schAversten, dicht gewebten Sorten der
Leinwand aus Deutschland genannt, welche früher in grossen Mengen aus der
Lausitz und Schlesien nach England gingen, jetzt aber geringeren Absatz dort
finden, weil die Ware in Irland gemacht und unter der Benennung Irish
Linnen im Handel vorkommt. Die deutschen Dowlasstoffe entsprechen fast
der nämlichen Güte wie die Creas (s. d.). In England und Nordamerika wird
dieser deutsche Artikel noch in Loom Dowlas, den schwersten, in SIeeked
Dowlas, den etwas leichteren und in E,ough Dowlas, den gröbsten und stärk-
sten Stoff dieser Art verwendet.
Doxale oder doxallum (lat.), rotes Altartuch.
Drache, (lat. : draco ; franz. : dragon ; engl. : dragon) ; ursprünglich die
geflügelte Riesenschlange: das Fabeltier fast aller alten Völker, dem auch die
geflügelte Eidechse zu Grunde zu liegen scheint. Das Stoffmuster übernimmt
den D. schon im frühen Mittelalter aus China, wo er zu den heiligen Tieren
gezählt wird und mit 5 Krallen vom Kaiser und den ihm nächst stehenden
Prinzen als Wappen geführt wird. Auch Japan (s. d.) übernimmt den D. als
Kunstform und Wappentier, wo er als letzteres mit 3 Krallen dargestellt er-
scheint. (Abbildungen s. unter Japan.)
Draht, s. Drahtgewebe, Goldgespinste.
Drahtgewebe, Metalltuch, Metallgewebe, ein mit w'enigen Ausnahmen
nur aus Eisen- und Messingdraht in Grössen 10 bis 30 und noch mehr Meter
Länge und 220 — 1500 mm Breite liergestelltes, meist glattes, selten geköpertes
Gewebe. Je nach dem Gebrauch ist das Material und das Gewebe verschieden.
Die gewöhnlichste Webart ist die einfache Siebform, bei welcher die Kett-
fäden nicht bloss dieselbe Stärke, sondern auch denselben Abstand von einander
haben wie die Einschussfäden ; hierzu gehören die Metallgewebe für die Papier-
fabrikation mit Formdrähten (ä vergeure) ; die zweite Form zeigt die Kett-
fäden stärker als die Schussfäden, sie stehen in gleichen Abständen von einander:
die Schussfäden sind nach Art der Korbgeflechte so eingeschlagen, dass die
Fäden dicht aneinander liegen. Sie dienen zu den sogen. Waschscheiben.
Die" Herstellung erfolgt (bei Eisendraht in durch Ausglühen erweichtem Zu-
stande) teils auf Stühlen, sogen. Siebmacherrahmen, die nur die Anfertigung
\Q0 Drahtwebstuhl — Draps de Berry,
von 2 m Länge nicht übersteigenden Stücken gestatten, teils auf solchen,
mittelst deren man endlose Gewebe zu liefern imstande ist und die meist mit
dem gewöhnlichen Leinweberstuhl Aehnlichkeit haben.
Drahtwebstuhl, s. Drahtgewebe.
Drama, Hauptstadt im türk. Wiiajet Saloniki: Baumwollbau und -Spin-
nerei. D. liegt an der Stelle des alten Drabeskos.
Dramburg, Kreisstadt im preuss. Reg.-Bez. Köslin: Tuchfabrikation.
Drammen, Seestadt in Norwegen: Baumwollspinnereien, Weberei; aus-
gedehnter Handel mit England und Holland.
Drap, Draperie, (franz.), im deutschen eigentlich Tuch oder Tuchwaren,
im englischen cloth. In Frankreich nennt man im allgemeinen verschiedene
schwere seidene und wollene Gewebe Draps, im engeren Sinne versteht man
darunter aber auch Tuch und verschiedene Arten ähnlicher Zeuge. Dabei
teilt man im Handel alle Wollengewebe in die grosse und in die petite draperie
und sammetartige Zeuge : etoffes veluntees. Zur grossen Draperie rechnet der
Franzose sowohl die draperie commune, als auch die draperie fine; die beiden
letzten Arten werden nach ihren Fabrikation Sorten auseinandergehalten. Die
petite draperie wird in Frankreich je nach der Verarbeitung des Materials in
einfache (unie) und geköperte (croise) eingeteilt. Die TJniesorten bestehen in
gröberen Kamelotten, Berkanen (wollenen und seidenen), in einfachen und
anderen Etaminen, und sogen. Damis aus verschiedenen Fabriken. Die ge-
köperten Sorten bestehen in Sergen, Minorquen, Prünellen, Kalamanken, Tür-
kisen, Merino, Thibet, Cassinet, Circassia u. s. w., aus den verschiedensten
Fabriken.
Drap Imperial, ein ganz feines ungeköpertes Halbtuch aus Aachen, Mont-
joie, Eupen, Verviers u. s. w.
Drap Zephir, eine Gattung feines Damentuch, sowohl einfach, als auch
geköpert; die geköperten Sorten sind eine stärkere Ware Kasemir ; sie ähnelt
dem Draps Cachemirs.
Draps ampastelees heissen in Frankreich alle die wollenen Tuche, welche
eine Grundfarbe mit Waid erhalten und dann erst mit Indigo gefärbt werden.
Draps Cachemirs, ein feines Halbtuch zu Damenmänteln und Sommer-
kleidern; dasselbe wird zuweilen geköpert gewebt und ist alsdann eine Art
Doppel-Casimir.
Draps Cesar, ebenfalls feine Halbtuche.
Draps chats heissen diejenigen französischen Tuche, bei welchen die Kette
von weisser, der Einschuss aber von Wolle der braunen, schwarzen oder
rötlichen Schafe genommen wird; sie können daher nicht anders als schwarz
gefärbt werden.
Draps croises heissen geköperte Tuche auf holländische Art, die zu Viviers
und an mehreren Orten im ehemaligen Languedoc gefertigt werden. Ihr
stärkster Verbrauch ist zu Truppenkleidungen, da der Artikel sehr dicht
und dauerhaft.
Draps croises double broches sind wollene Köpertuche , die besonders
in der ehemaligen Dauphine gewebt werden.
Draps d'Abbeville, Tuche aus Abbeville gehören sowohl ihrer Webart, als
auch der dauerhaften Farbe und der Appretur wegen zu den besten fran-
zösischen Fabrikaten ihrer Art; die Draps fins werden ganz aus spanischer
Leonesawolle gewebt und mit einem blauen Sahlbande und vier Aurorafäden
bezeichnet; auch ist gewöhnlich der Name des Fabrikanten eingestickt.
Draps d'A 1 1 i a n c e , eine früher gebräuchliche Sorte geflammter Tuche, welche
in Frankreich und Deutschland gemacht wurden.
Draps d'Amiens, feine Tuche aus den Manufakturen von A.
Drap d'Andely, franz. Tuche und verwandte Zeuge, die in der Normanäie
gewebt werden; es sind teils sehr feine, aber auch Halbtuche, welche auf
englische Art gefertigt und zugerichtet werden.
Draps d'argent s. ßrokatstoffe.
Draps de baye oder boye nennen die Franzosen einen schwarzen fest-
geschlagenen und dichtgewalkten Wollenstoff, welcher stark gerauht, nur
wenig geschoren wird und wenig Presse erhält, daher ein rauhes, langhaariges
Aussehen hat und nur zu Trauerkleidern verbraucht wird.
Draps de Berry oder Double breche sind geköperte, dicht geschlagene
Draps de Chateaux roux — Draps de Sedan. 161
und festgewalkte Halbtuche oder auch eine Art Doppel-Casimir, von ver-
schiedener Feinheit, welche vornehmlich zu Frauenüberröcken und Sommer-
kleidern verbraucht werden.
Draps de Chateau roux, auch Draps de chateau du Parc genannt , nach
gleichnamiger Stadt benannt, sind wegen ihrer Güte und ihrer Dauerhaftig-
keit sehr geschätzt, die feinste Sorte (du Parc) ist ganz aus spanischer Wolle
und nach Art der Tuche von Sedan und Elbeuf gewebt.
Draps de coton, ein brauner wollener Stoff aus Troyes.
Draps de dames sind locker gewebte und leicht gewalkte Tuche aus feiner
zweischuriger Wolle und feinem Gespinst, welches zur Kette fest und links
gedreht, zum Einschlag aber locker und rechts gedreht, genommen wird.
Früher wurde dieser Artikel nur in schwarzer Farbe zu Trauerkleidern ver-
kauft.
Drap d'Elbeuf, feine Wollentuche aus der Stadt gleichen Namens ; sie werden
aus drei Teilen spanischer, mit einem Teil Wolle aus Portugal, Roussillon
und ßerry vermischt, gewebt, auf holländische Art appretiert. Die meisten
dieser Tuche werden in Frankreich selbst verbraucht.
Drap d'Ete ist ein Stoff von weichem Garn, der in Gera gefertigt wird.
Draps d'Evreux, aus den gleichnamigen Manufakturen, nach Art der von
Louviers gewebt und appretiert, von welchen sie sich nur durch eine blaue
Sahlleiste mit weissem Band unterscheiden.
Draps de Gobelins nennt man in Frankreich die feinsten Scharlachtuche,
welche ehedem in den vornehmsten Tuchmanufakturen zu Sedan, Louviers,
Abbeville, sowie in der Gobelinfabrik zu Paris aus ganz feiner spanischer
Wolle gefertigt wurden und vor Zeiten in Menge nach England, Italien und
Spanien gingen.
Draps de gros bureau sind grobe schwarze, weisse oder graue französische
Tuche, die zur Kleidung der Landleute gebraucht werden.
Draps des hommes, eigentlich Drap pour homme, schwarze wollene Tuche,
die den Draps de dames gleichen, aber gröber sind, und den Männern zur
Trauerkleidung dienen. /
Draps de Juliemes nennt man alle Tuche und ähnliche Stoffe, die in den
Gobelins zu Paris verfertigt werden.
Draps deLanguedoc. Die ehemalige Prov. L., welche jetzt die Departements
Ardeche, Aude, Gard, Haute-Garonne, Lozere, Herault und Tarn ausmacht,
hat sehr wichtige W^ollenmanufakturen, von welchen besonders die Tuche einen
sehr starken. Absatz nach der Levante, nach der Berberei, nach Italien, Spanien,
Westindien und Amerika haben. Die gangbarsten unterscheidet man durch
folgende Namen: Mahouds, Londrines, Seizaines und Nimes, die sich durch
Wolle, Breite und Aufmachung voneinander unterscheiden.
Draps de Louviers, sehr feine französische Tuche aus L., welche denen von
Abbeville gleichkommen und sich durch vorzügliche Güte, Dauerhaftigkeit
und schöne Appretur auszeichnen; sie werden ganz aus spanischer Segovia-
Leonesawolle gewebt und durchgängig in der Wolle gefärbt; jedes Stück ist
auf beiden Enden mit dem Namen des Fabrikanten und der Stadt Louviers
bezeichnet, welche dort vor der Walke des Tuches eingestickt werden. Die
gelben Leisten der Sahlbänder haben blaue Streifen; auf alles dieses, sowie
auf den Bleistempel, welcher auf der einen Seite die Inschrift Bureau de
Louviers, Manufacture reglee, auf der anderen Seite das Wappen enthält,
und den ganzen Stücken angehängt wird, ist beim Einkauf genau zu achten,
weil andere Fabrikanten die Louvierstuche nachmachen und den Namen
Louviers und den eines bekannten Manufakturisten in schon gewalkte und
appretierte Stücke sticken lassen.
Drap monstre, engl. Hammercloth , besonders starke und dichtgewebte und
gewalkte Tuche zum Ueberziehen der Fortepiano- Hämmerchen als Ersatz der
BelederuDg. Aachener Tuchfabriken liefern dieselbe Ware.
Draps de Montagne sind gemeine französische Tuche, die besonders um
Limour gewebt und auf den Messen zu Beaucaire, Pezenas und Bourdeaux
abgesetzt werden. Das meiste davon wird in verschiedenen Gegenden der
ehemaligen Provence und nach Italien ausgeführt.
Draps de Sedan, feine französische Tuche aus Sedan, in verschiedenen Sorten,
jedoch alle aus feiner , spanischer Wolle auf holländische Art gearbeitet und
appretiert. Die schwarzen Tuche von Sedan gehören, sowohl in Rücksicht
aut die Farbe, als auf ihre Dauerhaftigkeit, zu den vollkommensten Geweben
dieser Art; man verfährt aber auch beim Färben mit der grössten Vorsicht
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. . II
162 Draps de Silesie — Dreipass.
und kein Stück darf verkauft werden, ehe es bei der Schauanstalt aufs ge-
naueste untersucht ist; dies gilt auch z. T. von scharlachroten und blauen
Tuchen, welche vormals, wie die schwarzen, häufig nach England gingen.
In Schwarz, Scharlachrot und Königsblau hatten überhaupt vor der ersten
Revolution die französischen Tuche einen entschiedenen Vorzug vor den eng-
lischen und den deutschen, was lange aufgehört hat.
Draps de Silesie sind französische Tuche, die den schlesischen nachgemacht
werden. Abbeville, Rheims und umliegende Ortschaften liefern diese Ware.
Drap deSoie; unter dieser allgemeinen Benennung begreift man meistens alle
schweren , in der Regel geköperten Seidenzenge und Armüren , welche zu
Kleiderstoöen getragen und in sehr grosser Mannigfaltigkeit gefertio^t werden,
wenngleich ihr Verbrauch durch wollene und baumwollene Stoffe sie ver-
drängt haben. Die gewöhnhchsten dieser Draps de Soie sind Cote satinee,
Royale, Serge de Rome, Croisee u. s. w. ; auch hierin erscheinen fortwährend
neue Artikel unter den willkürlichstenBenennungen, meistens in schwarzen Stoffen.
Draps de Vire, eine Art geringer Tuche, die in Vire in der ehemaligen Nor-
mandie gemacht werden.
Draps de Wilton sind feine englische Tuche.
Draps petits, petit Draperie s. Draps.
Drapier-Wolle, im holländischen Handel die einschürige Schafwolle, welche
zu Tuchen und ähnlichen Zeugen dient.
DrappO; Drappi heissen in Italien die wollenen Tuche, welche zu San Severino,
Pergola, Narni, Norcia, Fabriano u. s. w. gewebt werden.
Drappi di seta sind in Italien allerlei seidene Zeuge.
Drappi spolinati heissen daselbst broschierte seidene Stoffe mit echtem Gold
und Silber durchschossen, bei welchen die Kette von Organsinseide, der Schuss
von Trameseide gemacht wird ; man macht sie vorzüglich zu Neapel, Venedig
und Messina.
Drap de faim, (franz.) Hungertuch, Fastentuch (s. d.); d. mortuaire
(franz.), Leichentuch.
Draperie (franz.), (engl. : drapery) ; eine Dekoration, s. Innendekoration.
Drapieren, (franz.), mit Stoffen bekleiden, Gewänder künstlerisch in
Falten legen.
Draw-Boys, ein geköperter, fagonierter Wollenstoff, eine Sorte geblümter
Lasting aus den Manufakturen von Yorkshire.
Drebach, Dorf in Sachsen bei Chemnitz : Fabrikation von Spitzen und
Strumpfwaren.
Dreget, Sammetmesser oder Sammethaken, ein messerartiges Werkzeug
zum Aufschneiden der Sammetmaschen zur Herstellung des geschnittenen oder
gerissenen Sammets.
Dreiband, Driband, s. Flachs.
Dreibindig heisst ein Köpergewebe, wenn der Einschlagfaden unter zwei
Kettenfäden hinweg und erst über den dritten hinwegläuft (s. Tafel XY und
Artikel „Bindungen").
Dreichorig heisst ein gemusterter Stoff, dessen Muster durch drei ver-
schiedene Figuren gebildet wird.
Dreidraht nennt man in einigen Gegenden Deutschlands die geköperten
flächsenen oder hänfenen Zwilliche, welche mit vier Schäften einfach, ohne
Muster, gewebt werden.
Dreikronentücher, heisst eine Sorte mittelfeiner, lockergewebter und
leichtgewalkter Tuche, welche von den niederländischen, sächsischen und böh-
mischen Tuchfabriken für den levantiner Handel, mit weiss und blauen Sahl-
leisten, meistens in hellen Farben verfertigt werden. Es ist eine Gattung
dicker Mahouds, gewöhnlich aus zweischüriger Wolle, im Stücke gefärbt,'^ auf
dem Spiegel mit drei Kronen in Gold oder Seide gezeichnet, auf dem Blei-
stempel gleichfalls drei Kronen führend.
Dreipass, (franz. : tierce-feuille, rond-trefle ; engl. : round trefoil, clover),
im gothischen Stil drei um ein gleichseitiges Dreieck gelegte Dreiviertelkreise,
die in einen grossen Kreis gestellt sind und dessen Halbmesser zum Durch-
messer haben. Besteht die Figur aus vier Bogen und vier Ecken, so heisst
sie Vierpass. Vergl. den Artikel Passfelder im Stoffmuster.
Dreischneuss — Droguet. 163
Dreischneuss, eine gotische Rosette, die aus drei in einem Kreis neben-
einander liegenden Fischblasen besteht.
Dreissiger nennt man die wollenen Tuche, deren Kette aus hundertmal
30, oder überhaupt aus 3000 Fäden besteht.
Drell, Drill, Drillich, Zwillich, (franz. : treilhs ; engl. : drill) , hiessen ur-
sprünglich alle gemusterten Leinengewebe, welche mit Trillen (ohne Zugstuhl
und Jacquardmaschine) hergestellt wurden. Die Muster sind einfach und klein
und durch Köperbindung erzielt. Jetzt benutzt man die kleine Jacquardein-
richtung, wodurch eine an Damast erinnernde Zeichnung ermöglicht wird.
Der Unterschied von Drillich und Zwillich besteht darin, dass ersterer nur
glatten, fortlaufenden, vierschäftigen Köper ohne Muster hat, letzterer gemus-
tert und mit soviel Schäften gewebt ist, als die Grösse der Muster erfordert.
Die D. werden aus Leinen, oder aus Leinen und Hanf, jetzt am meisten aus
Leinen und Baumwolle gemacht und kommen in verschiedenem Zustande in
den Handel, sind entweder roh oder weiss gebleicht, durch Hinzunahme far-
bigen Grarns gestreift, quadrilliert, meliert u. s. w. Im allgemeinen ist D. ein
dreibindiger Köper, auf dessen rechter Seite zwei Drittel der besonders faden-
reichen Kette sichtbar sind. Man unterscheidet Sackdrillich, ein grober
ungebleichter, drei- oder vierbindiger Köper; Bettdrillich, gebleicht oder
ungebleicht, bald in der Art des fünfschäfrigen Atlasses gewebt (Atlas-D.),
bald mit Köperstreifen; Tischdrell, verschiedenartig geköpert oder atlasartig
gewebt; Schachung mit schachbrettförmigen Mustern, sogen. Steinmustern;
Handtuchdrell, meist mit Steinmustern in vierbindigem Köper (Zwillich-
grund) oder fünfschäftigem Atlas, auch gestreift oder mit allerlei kleinen
Mustern. Ausserdem nennt man D. auf zahlreiche Arten in der Kette Baum-
wolle, im Einschlag aus Leinengarn b^tehender oder auch ganz baumwollener
Zeuge, die statt leinenem D. zu Tafelzeug, Bettzeugen u. s. w. Verwendung
finden. Während früher die Fabrikation von Drell einen besonderen Zweig
des Webereihandwerks bildete, wird sie gegenwärtig fast nur noch im Grossen,
mit Hilfe von Maschinen ausgeführt.
Dresden. Das Königl. Kunstgewerbemuseum, gegründet 1875 (Direktor:
Geh. Hofrat Prof. C. Graff; Yorst. : Prof. Dr. Berling), enthält eine be-
deutende Sammlung von Geweben, Stickereien, Spitzen und Teppichen aller
Zeiten und Völker. Die hiermit in Verbindung stehende Königl. Kunstgewerbe-
schule (Direktion wie vorher) legt besonderes Gewicht darauf, Musterzeichner
für die Textilkunstindustrie auszubilden. (Semester 30 M., Ausländer 45 M.)
Dressingmaschine, eine Art Kämmmaschine zur Zubereitung von Florett-
seide; in der Tuchfabrikation Bürstmaschine zum Aufstellen der Fasern vor
dem Scheren.
Drieband, s. Flachs.
Driesen, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Frankfurt in der Neumark: Tuch-
und Leinwandfabrikation.
Driffield, Ort in der engl. Grafschaft York: Fabrikation von Baumwoll-
und Seidenwaren.
Drill, s. V. w. Drell (s. d.).
Drillich, s. v. w. Drell (s. d.).
Drogheda, Stadt in den irischen Grafschaften South und Meath : Flachs-
spinnereien, eine grosse Baumwollfabrik.
Droghetto, in Italien der Basch und Halbrasch, welcher aus Deutsch-
land, besonders aus Schlesien, dem Glazischen und aus Mähren bezogen wird.
Droguet ist der allgemeine Name mehrerer Gattungen gemusterter oder
figurierter Stoffe, welche teils ganz aus Seide, oder halb aus Seide und halb
aus Baumwolle, teils ganz aus Schafwolle, oder von Leinen, von Baumwolle
und Schafwolle, geköpert und leinwandartig in Frankreich, England, Holland,
Deutschland und in der Schweiz, in grosser Menge und Verschiedenheit ge-
fertigt werden. Demnach ist D. ein unendlich weitschichtiger Begriff, unter
den' sich eine grosse Menge von Stoffen, z. B. die ganze Fülle der gemischten
Zeuge einordnen lassen.
164 Dromore — Düffel.
Dromore, Stadt in der irischen G-rafschaft Down: Fabrikation von
Leinen und gestickten Musselinen.
Drosin, ein holländischer Burat, im Volksmunde einiger Gegenden auch
Klütjenstoff genannt, welcher häufig von den Mennoniten getragen wird. Die
Blankeneser unterhalb Hamburgs nennen es Wiederschall, d. i. Wiederschein.
Der bunte D. heisst holländisch Monk.
Drosselstuhl ist in der Spinnerei eine Watermaschine, (Feinspinnmaschine).
Drossen, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Frankfurt : Wollspinnerei und Tuch-
fabrikation.
Drouero, Stadt in der ital. Prov. Cuneo: Seidenbau, Leinenweberei.
Droylsden, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire: Kattunweberei,
Baumwollspinnerei und Färberei.
Druckblau, Handelsbezeichnung für einige Induline, d. s. Farben für
Zeugdruck.
Drucken, s. Zeugdruck.
Druckleinwand, leicht und locker gewebte Leinenzeuge für den Druck
bestimmt, die auch unter dem Namen Druckschleier in den Handel kommen.
Im allgemeinen jede Leinwand, die kattunartig mit bunten Farben auf dunkel-
blauem Grunde gedruckt werden soll. Sie wird in allen Gegenden Deutsch-
lands gefertigt und auch gedruckt.
Druckstoffe, s. Zeugdruck.
Druckwalke, auch Kurbelwalke, jene Art der in der Tuchfabrikation
zum Verfilzen des Loden verwendeten, Walken genannten Vorrichtungen, bei
welchem die Bewegung von einer Kurbel ausgeht und daher ein Druck anstatt
eines Stosses ausgeübt wird.
Dschabalpur, Hauptstadt des Distrikts D. im indobrit. Reich: bedeu-
tende Baumwoll- und Teppichwebereien.
Dschaipur, Hauptstadt des Fürstentums D. im indobrit. Beich: Mus-
selin- und Kattunfabrikation.
Dschanemaz, persischer Name für den Gebetteppich (s. d.).
Dschedim, gewöhnlicher Kilim; er besteht aus schmalen, gewirkten
Streifen, die zusammengenäht sind.
Dschouschegan , Ort, welcher südwestlich von Kaschau in Kleinasien
gelegen ist , in welchem ehemals Knüpfteppiche erzeugt wurden , welche den
besten aus Teheran ähneln (s. d.). Sie stammen aus dem Ende des 18. und
Anfang des 19. Jahrh. Ende der 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts ist
D. zu Grunde gerichtet.
Dschubbe (arab.), das aus Tuch oder Wollstoff angefertigte Obergewand
des orientalischen Mannes. Es wird vorn offen getragen, hat enge, nicht ganz an
das Handgelenk reichende Aermel, aus dem die Aermel des Unterkleides Entari
(s. d.) hervorragen, und reicht bis zu den Knöcheln herab. In Syrien ist D.
heute ein bis auf die Füsse herabreichender europäischer Mantel mit weiten Aermeln.
Dschujnabe werden in Zentralasien Knüpfteppiche aus Turkmenen genannt.
Dschut, s. V. w. Jute (s. d.).
Dubliertes Garn, s. Zwirn.
Dublin, Hauptstadt von Irland: Leinenindustrie.
Duchessespitzen , viel in den Niederlanden, besonders in Brügge her-
gestellte Spitzen, deren Figuren einzeln geklöppelt, dann mittels picots-
geschmückten brides zusammengesetzt sind und deren Grund stellenweise mit
der Nadel ausgearbeitet (s. Spitzen). ^
Duck (engl.), s. Segeltuch.
Duderstadt, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Hildesheim: Fabrikation von
Flanell, Woll- und Baumwollstoffen.
Düffel, Tüffel (Sibisienne), ein dicker, langhaariger und ungeschorener
Wollenstoff, eigentlich eine gewöhnliche Sorte Kalmuck, von welchem er sich
nur durch etwas kürzere Haare unterscheidet; derselbe wird tuchartig glatt,
wie auch geköpert gewebt und erhält durch eine besondere Appretur eine
glänzende Oberfläche. Der Stoff wird in England und Deutschland gefertigt.
Duisburg — Durchzug. 165
Duisburg, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Düsseldorf: Baumwollspinnereien
und Webereien, Gazestofffabrikation, Färbereien.
Dukinfield, Stadt in der engl. Grafschaft Chester: Baumwollspinnereien.
Dukla, Stadt in Galizien: Tuch- und Leinwandfabrikation.
Dulbend (pers.) oder Tülbend, Tüllbund, der Turbanbund, ein Streifen
baumwollnen oder seidenen Zeuges, das im Orient um die tassenförmige filzene
Kopfbedeckung, die Kappe (Kank) der Männer gewunden, dieser die Turban-
gestalt gibt. Die Dulbendmacher (Dulbendschian) stehen unter dem Patronate
des Propheten, welcher vor seiner Verheiratung in Syrien mit D. handelte.
Grösse und Farbe des D. bezeichnen den Unterschied der Stände, doch kommt
derselbe nach Einführung des Fes (s. d.) immer mehr ab.
Dülken, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Düsseldorf: Fabrikation von Seiden-
und Sammetwaren, Plüsch, Zwirn und Leinenwaren; Flachsspinnereien, Baum-
wollspinnereien, Färbereien und Appreturen.
Dülmen, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Münster in Westfalen: Leinwand-
fabriken, Färbereien.
Dumbarton, Hauptstadt der schottischen Grafschaft D.: Kattundruckereien,
Bleichen.
Dumfries, Hauptstadt der schottischen Grafschaft D.: Woll- und Strumpf-
warenfabrikation.
Dundee, Stadt in der schottischen Grafschaft Forfar: Hauptsitz der
Leinenindustrie und des Leinwandhandels von Grossbritannien. Es beschäftigt
in seinen Leinwand-, Drillich-, Segeltuch-, Beuteltuch- und Sacktuchfabriken
gegen 25000, in der Juteweberei über 20000 Arbeiter, hat Seilereien und
Strumpffabriken.
Dündtelmaschine , sie stellt durch Uebereinanderflechten einzelner ge-
drehter einfacher Garne Schnüre her im Gegensatz zu der gewöhnlichen Bildung
eines Fadens oder einer Schnur durch Drehen eines parallel gelegten Fasern-
bün^els um seine gemeinschaftliche Achse. Sie dient zur Herstellung von
Schnüren für den Antrieb der Spindeln an Spindelmaschinen.
Dungännon, Stadt in der irischen Grafschaft Tyrone: Fabrikation von
Musseline und Leinen; Flachshandel.
Dünkirchen, (Dunkerque), Seestadt im franz. Dep. Nord: erzeugte im An-
fange des 18. Jahrh. geklöppelte Sx^itzen, die in Paris unter dem Namen
Malines Absatz fanden.
Dunkles Zeug, die Jagdtücher im Gegensatz zu den Netzen, dem
lichten Zeug,
Dünnstoff, Dünntuch, ist die allgemeine Bezeichnung für weitläufig ge-
webte und daher durchsichtige gazeartige Stoffe aus ungekochter, halbgekochter
oder gekochter Seide; dieselben können glatt, broschiert, fassonniert oder mit
spitzenartigem Dessin sein. Sie haben ihren Ursprung im Orient,
Dunstable, Stadt in der engl. Grafschaft Bedford: Spitzenfabrikation.
Dunsters sind englische wollene Tuche aus Sommertshire.
Duplieren, s. Doublieren.
Dupliermaschine, s. Spinnerei.
Durances, englische wollene Zeuge von verschiedener Farbe, die beson-
ders nach Spanien ausgeführt werden.
Durant wird in einigen Gegenden der Kalmank (s. d.) genannt.
Durantini, in Italien die Cadiszeuge, welche daselbst häufig aus Frank-
reich eingeführt und verbraucht werden.
Durchbrucharbeit (franz.: ä jour; engl.: cage-work; lat.: diacoptus, durch-
brochen gearbeitet, unterschnitten), sie entsteht im gewebten Stoff durch Aus-
ziehen, Ausschneiden und Umsticken von Fäden; ihre künstlerische Nutzbar-
machung geht vom frühesten Altertum mit der Weiss- und Leinenstickerei
(s. d.) zusammen, daher ist sie als Vorläufer der Spitzennäherei anzusehen:
point coupe (s. a. Hohlsaum).
Durchschuss, s. v. w. Einschlag.
Durchzug, s. V. w. Flachsstreckmaschine.
166 Durham — Echarpes.
Durham, Haupstadt der engl. Grrafschaft D.: Fabrikation von Teppichen.
Dürois (franz.), Bezeichnung eines glatten Stoffes von hartem Kamm-
garn, eine Art Tamis, dicht geschlagen und geglänzt, der früher in Amiens ge-
fertigt, viel nach Spanien ging, wo er zu Sommermänteln verwendet wurde.
Dursley, Ort in der engl. Grafschaft Grloucester: Wollindustrie und
Tuchfabrikation.
Durujeh, Duruje (persisch) := zweigesichtig, werden in Persien die
nach Art der Kilims doppelseitig gemusterten Teppiche genannt.
Dushawalla wird in Ostindien der oberste Shawlarbeiter gienannt.
Düsseldorf, Hauptstadt des gleichnamigen preuss. Keg.-Bez.: Das Kunst-
gewerbemuseum, gegründet 1882, vom Zentral-(xewerbeverein erhalten (Dir. :
Heinrich Frauberger) enthält eine bedeutende Stoffsammlung, worin sich
wertvolle Gewebe des frühen IVlittelalters befinden. Auch sind die folgenden
Perioden, sowie Stickereien, Spitzen und Teppiche aller Zeiten reichlich ver-
treten. Die Sammlung ist grösstenteils durch den verstorbenen Kaplan Dr. Franz
Bock zusammengebracht.
Dutsch-BIankets, s. Bettdecken.
Duxer Strümpfe, feine wollene Strümpfe von zwei-, drei-, vier- und
mehrdrähtigem Garn aus einschüriger Wolle, dicht gewalkt, meist geschwefelt
oder blau gefärbt, gut geschoren, welche die Meisterschaften zu Dux, Ober-
leutersdorf, Töpplitz, Grauppen und an mehrere u in diesem Teile Böhmens
liegenden Ortschaften verfertigen. Vorzüglich schätzt man die aus Dux selbst,
weil sie sehr fein sind und den englischen Strümpfen nichts nachgeben.
Dybäg, s. Dibadsch.
East-London, Hauptort in der östlichen Provinz der Kapkolonie: der
zweitgrösste Weltausfuhrplatz derselben.
Eau Ciaire, Hauptstadt im nordwestlichen Teile des nordamerikanischen
Staates Wisconsin: Fabrikation von Leinen- und Baumwollwaren.
Ebersbach, 1. Dorf in Württemberg: Baumwollweberei und Spinnerei,
Tuchfabrik. 2. Dorf in Sachsen: bedeutende Baumwollwarenfabrikation (über
1200 mechanische Stühle in mehreren Betrieben, 450 Handwebstühle im Orte
und 800 ausserhalb) ; Appreturanstalten.
Ebingen, Stadt in Württemberg: Fabrikation von Baumwollsammet und
Trikotwaren.
Eboutage (franz.), eine Bezeichnung, die im Anfang des 18. Jahrh. für
das Ausbessern der Nadelspitze üblich war.
Ebuat, Dorf im Schweiz. Kanton St. Gallen: Baumwollwebereien (nament-
lich Taschen- und Kattuntücher), Färbereien und Stickereien.
Ecailles (franz. = geschuppt) , bezeichnet in Brüsseler Spitzen des
18. Jahrh. eine Füllform des Grundes in Art des Schuppenmnsters , wonach
dieselben s. Z. genannt wurden. ^
Ecce homo, Darstellung Christi mit der Dornenkrone. E. h. sind die
Worte, die Pilatus dem Volke zuruft, als er ihm Jesus mit der Dornenkrone
zeigt. Ev. Joh. 19, 5. Häufig auf kirchlichen Stickereien dargestellt.
Eccles, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire: Baumwollindustrie.
Echantillon (franz.), Stoffmuster ab schnitt.
Echarpes (franz.), kleine Shawls oder Schärpen, welche in Seide, halbseiden ;
Baumwolle, Wolle, einfarbig oder mit eingewirkten und aufgedruckten Mustern
und Kanten getragen werden; ähnlich sind die englischen wollnen Scarfs (s. d.).
Ecija— Eichenseide. 167
Ecija, Stadt in der span. Provinz Sevilla in Andalusien : Tuch-, Flanell-,
Leinen-, Schleier- und Seidenwebereien.
Ecrues (franz.), ältere Bezeichnung für Blonden (s. d.).
Ecruseide, ist Seide in unentbastetem rohen Zustande, sei es als Grrege,
Trame, Cordonnets u. s. w.
EdgingS (engl.), sind auf Bobbinnetmaschinen gearbeitete schmale Ansatz-
spitzen.
Edredon, Gewebe aus feinem Streichgarn in dreibindigem Köper, dessen
Schuss stärker als die Kette ist.
Eecloo, Stadt in der belg. Provinz Ostflandern: Spitzenfabriken, Plachs-
und Wollspinnereien.
Effekt, Wirkung, in der Stoffmusterung ein Ausdruck für besonders
durch Technik, Musterung oder Farbe erzeugte Schönheitswerte.
Effektzwirn, s. Zwirn (s. a. Brillantgarn).
Effilure (franz.), die Ausfaserung des Randes eines gewebten Stoffes.
Egalisierungstuch , in Oesterreich-Ungarn das zur Unterscheidung der
Regimenter für Kragen, Aufschläge u. s. w. in 28 Farben verwendete Tuch.
Eger, Stadt in Böhmen: bedeutende Fabrikation von Woll-, Baumwoll-
und sonstigen Webwaren.
Egrenieren heisst die Reinigung des Samenhaares der Fruchtkapseln
von Baumwollpflanzen, welches an Ort und Stelle der Gewinnung durch Ma-
schinen (Mühlen oder Egreniermaschinen: Cotton gin, saw gin) geschieht. Die
Hauptteile solcher E. -Maschine sind ein mit Sägeblättern besetzter liegender
Zylinder und ein Kasten, vorn mit eisernem Rost, zwischen dessen ßtäbe die
Blätter greifen, die Baumwolle abstreichen und sie dann an einem Bürsten-
zylinder wieder abstreifen. Jede amerikanische Baumwolle ausser Sea Island
wird auf der sam gin egreniert. Allein da die Baumwolle, wenn sie nicht
gleich der Reinigung unterworfen wird, bald anfängt zu trocknen und dann
fest zusammenhängend, sich schwer von dem Samen trennt, so bleiben ungeachtet
der E. -Maschine immer noch viel Samenkörner zurück, welche nachher durch
Schlagen der Baumwolle auf Matten entfernt werden.
Egyptienne, veralteter französischer Stoff, mit Grosdetoursgrund und
schmalen Atlasstreifen. Man gibt diesen Namen auch einem Zeuge, welches
aus Wolle, Florettseide und Kamelhaar gewebt ist.
Ehewappen, s. Heiratswappen.
Ehewerken-Tuch hiess früher in Schwaben eine Art Hausmacherleinen.
Ehingen, Amtsstadt in Württemberg: Bleicherei; Musselinstickerei.
Ehrenfriedersdorf, Stadt in Sachsen: Fabrikation von Spitzen, Posa-
menten und Strumpfwaren.
Eibau, Dorf in Sachsen: mechanische Webereien, Färbereien und
Druckereien; Appreturanstalten.
Eibenstock, Stadt in Sachsen: Seiden-, Tüll- und Mullstickerei mittels
der Stickmaschinen, sowie Spitzenfabrikation mittels der Näh- und Tambourier-
nadel. Letztere wurde 1775 durch Klara Angermann aus Thorn hier eingeführt.
Zweiganstalt der Königl. sächs. Industrieschule zu Plauen i. V.
Eichenseide ist das Produkt einer unter dem Namen Antheraea Pernyi
bekannten Seidenraupe und kommt aus jenem Teile Nordchinas, von welchem
Tschifu (Chefoo) die südöstlichste Grenze bildet. Die Eichenseide, auch chine-
sische Tussahseide genannt, besonders in der Provinz Shantung in grossen
Mengen gewonnen, wird zum Teil ausgeführt, teils zur Anfertigung der
„pongee"-Gewebe verwendet. In Chefoo besteht ein nach europäischer Art
eingerichteter Betrieb zum Haspeln und Zwirnen der für den Export be-
stimmten Eichenseide. Shantung stellt jährlich 481280 kg mulinierter Eichen-
seide her und gewinnt im ganzen etwa 601 600 kg. Ihrer Herkunft entsprechend
werden verschiedene Arten von E. unterschieden. In Japan wird die Eichen-
seide von der Antheraea Yamamay (s. d.) erzeugt. In Europa wurden früher
zahlreiche Versuche angestellt, den chinesischen Eichenspinner einzuführen, so
u. a. in Italien (A. Fantoni) Frankreich, Spanien, Belgien, Oesterreich-Ungarn
1 68 Eichenzweigwerk — Einhorn.
und Deutschland. In Reichenbach (Schlesien) wurden in letzterer Zeit auf
40 Morgen Eichenscliälwald einige Jahre hindurch sowohl chinesische wie
japanische Eichenspinner gezüchtet, welche Gespinste von grosser Weichheit
und Grleichmässiokeit lieferten. (Vgl. Silbermann, die Seide; Dresden 1897,
Bd. I, 303 ff.)
Eichenzweigwerk mit Eicheln kommt in italienischen Stoffmustern des
17. Jahrh. häufig vor (s. Streumuster); das Motiv findet auch Aufnahme im
Bereiche der Leinenstickerei (s. d.) und in Eiletarbeiten der E,enaissance (vgl.
Abb. 59) wo es in strenger Stilisierung zum Ausdruck gebracht ist.
Abbildung:
59. Originalaufnahme aus dem Königl, Landesgewerbemuseum in Stuttgart : Borte,
Durchzugarbeit in farbiger Seide auf Filetgrund: Darstellung von streng stilisierten
Eichenzweigen mit Blättern und Früchten. Italien Ende 16. Jahrh.
Abb. 59.
Eiderdaunenstoffe. Wirkwaren, ganz weich appretierte Flanelle; auch
allgemeine Bezeichnung für leinenes Inletzeug.
Eierstab (franz. : goudron ä oves, fusarolle ; engl. : eggmoulding), auch Eier-
leiste, ist eine Bezeichnung der jonischen Blattwelle, die ihre Veranlassung nur
in der zufälligen Aehnlichkeit des Hauptblattes mit einem Ei hat ; ein solches ist
keineswegs als das ursprüngliche Vorbild dieser Kunstform anzusehen. In der
griechischen Kunst wird der E. gewöhnlich plastisch ausgeführt; er macht sich
aber in den späteren Zeiten der Benaissance und des französischen Klassizismus
im 18. Jahrh. mit der Aufnahme antiker Elemente auch als Flachmuster in
Begieitborten bemerkbar, die bestimmt sind, nach aussen hin kräftig zu
wirken. (Vgl. die untere Borte in Abb. 5.)
Eilenburg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Merseburg: Fabrikation von Tuch,
Kattun, Pique- und Webösen.
Einbadfärberei, Färben von Textilfasern oder Textilerzeugnissen durch
Eintauchen in die fertige Farbenflotte.
Einbinden, in der Weberei die Kettenfäden durch die Schussfäden
binden.
Eindhoven, Stadt in der niederl. Provinz Nordbrabant: Leinwand-,
Damast-, Tuch-, Flanell- und Spitzenfabriken ; reger Handel nach Belgien.
Eingekämmte Ware ist Kulierwirkware, in welche eine Faserschicht ^als
Futterdecke eingewirkt worden ist.
Einhorn (griech. : monokeros; lat. : unicornus ; franz.: licorne; engl.:
unicorn), ein fabelhaftes, wildes, unbändiges Tier von Pferdegestalt, welches auf
der Mitte der Stirn ein gerades, spitzes, gewundenes Hörn als mächtige und
gefährliche Waffe trägt. Der Grlaube an das Vorhandensein eines solchen
Tieres war schon im Altertum sehr verbreitet, wo es besonders in ladien und
Persien Gegenstand symbolischer Darstellung gewesen und wohl auch mit dem
auf frühmittelalterlichen Greweben vorkommenden chinesischen Khilin (s. d.)
Einhubmaschine — Einkrimpen.
169
verwandt ist. Von den Christen wurde das Einhorn als Bild der E,einheit,
Keuschheit und Stärke beibehalten, weil man glaubte, das gew^altige, unbezähm-
bare Tier (Hiob 39, 9 ff.) lasse sich von keinem Jäger einfangen ; w^enn es aber
eine Jungfrau sehe, so lege es sich ruhig in deren Schoss und schlafe ein ; so
sei auch die göttliche Allmacht im Schoss einer Jungfrau Mensch geworden.
In dieser Vorstellung erscheint daher das E. noch auf kirchlichen Stoffen, Wand-
teppichen und Stickereien bis zum Ende des 15. Jahrh. in Einzeldarstellungen
mit der Jungfrau Maria oder dem Erzengel Gabriel; daneben aber kommt die
christliche Anschauung in der Szene der Einhornsj agd auf Antependien u. s. w.
in breiterer Eorm zur Geltung. (Ygh Abb. 60.)
Abb. GO.
Abbildung:
60. Darstellung nach einer Photographie (im Xunsthandel) : Teil aus einem
"Wandteppich, Gobelinarbeit in farbiger WolJe, darauf Darstellung der heil. Jungfrau
mit dem Einhorn. Original in den Königl. Sammlungen zu Madrid. Flandern Ende
15. Jahrh.
Einhubmaschine, Schaftmaschine, bei welcher das Messer pro Schuss
einen vollen Hin- und Hergang macht.
Einkrimpen, Einkrumpen, Einkrumpfen, auch Krimpen, Krimpfen,
Krumpfen, jene Eigenschaft der aus Wolle hergestellten Gew^ebe, zufolge welcher
X70 Einläno-enstuhl — Eisengarn.
dieselben beim Uebergange aus dem feuchten in den trockenen Zustand an
Dimension verlieren, schrumpfen, einschrumpfen (s. Tuchfabrikation).
Einlängenstuhl ist ein "Wirkstuhl von solcher Breite, dass nur ein Waren-
stück, z. B. eine Strumpflänge, auf ihm gearbeitet werden kann.
Einlegstäbchen^ s. Weberei.
Einmennic, im deutschen Mittelalter das von einem Manne gewebte
Tuch ; bei grösserer Breite hiess es Zweimennic , weil zwei Männer am Web-
stuhl beschäftigt waren.
Einnädlig wird diejenige Kulierwirkmaschine genannt, welche nur fallende
Platinen enthält, also beim Kulieren Schleifen über je eine Isladel bildet.
Einpassierung, s. v. w. Einzug,
Einschiessen, in der Weberei den Schussfaden zwischen den Kettfäden
hindurchführen: daher Einschluss, Einschlag oder Schuss eines Gewebes.
Einschlagapparat, s. Kammgarnspinnerei.
Einschlägige Leinwand nennt man eine nicht dichte Leinwand, bei
welcher der Weber im Weben nur einen Schlag mit der Lade tut zum Unter-
schied der zweischlägigen Leinwand.
Einschlagseide, s. Zwirn.
Einschliessen, s. Wirkerei.
Einschürige Wolle ist Wolle von Schafen, die nur einmal im Jahre
(um Pfingsten) geschoren werden.
Einschuss, s. v. w. Einschlag oder Kette in der Weberei.
Einschüttstoffe, s. Federleinen.
Einspänen, diejenige beim Pressen des Tuches zur Anwendung gebrachte
Arbeit, durch welche zwischen je zwei Lagen des zusammengefalteten, zum
Pressen bestimmten Gewebstückes eine sehr glatte Pappetafel, der sog. Press-
span, eingelegt wird.
Einspänmaschine, eine in der Tuchfabrikation angewendete Maschine,
welche das sogen. Einspänen, das bisher grösstenteils noch der Handarbeit über-
lassen ist, durch mechanische Kraft bewirkt.
Einsprengmaschine zum oberflächlichen oder gründlichen Benetzen des
Gewebstückes: wird für einen gewissen Zeugdruckprozess angewendet, insbe-
sondere für die verschiedensten Handdruckartikel und für das Bedrucken der
Wolle auf der Maschine ; desgleichen zur Entwickeluug der Eigenschaften der
Appretur leinener und baumwollener Waren durch Zylinder, Kalander, Gau-
frieren u. s. w.
Eintrag, s. v. w. Schuss eines Gewebes.
Einwalken (Einlaufen), in der Tuchfabrikation diejenige Erscheinung,
welche sich beim Verfilzen der Gewebe (Walken) durch eine Abnahme der
Breiten- und Längendimension zu erkennen gibt und welche gleichzeitig als
Mass dieser Arbeit verwendet wird.
Einziehmesser, s. Weberei.
Einziehwalze, s. Spinnerei.
Einzug, in der Weberei das Verfahren, die einzelnen Kettfäden in die
Augen der Geschirrlitzen nach einer bestimmten, für die verschiedenen Ge-
webebindungen aber verschiedener Ordnung einzufädeln, einzuziehen.
Eipel, Stadt in Böhmen: zahlreiche Leinenwarenfabriken, grosse Elachs-
garn- und Jutespinnerei, Zwirnfabrik mit Färberei und mechanische Webereien.
Eisenberg, Stadt des Herzogtums Sachsen-Altenburg: Fabrikation von
Wollzeugen und Plüschwaren.
Eisenbrod, Stadt in Böhmen: inihrer Umgebung grosse Baumwollspinnereien.
Eisenfilz, aus Wildwolle hergestellter Filz, mit hydraulischen Pressen
zusammengedrückt, imprägniert mit Stearin, Paraffin und mit Chlorleim be-
handelt. Er dient als Schalldämpfer bei Maschinen, zur Isolierung und als
stark abschwächende Unterlagen.
Eisengarn, einfaches oder gezwirntes, durch ein Appreturverfahren, das
sogen. Lüstrieren (s. Garn), mit hohem Glanz versehenes Baumwollgarn von
Eisfeld— Elemente. 171
grosser Festigkeit des Fadens. Es kommt sowohl gebleicht als verschieden ge-
färbt in Strähnen, auf Spulen oder auf Pappkästchen gewickelt, in den Handel,
und zum Nähen, aber auch in der AVeberei, am häufigsten als Kette, verwendet.
Eisfeld, Stadt im Herzogtum Sachsen-Meiningen : AYoll- und Baumwoll-
weberei; Flanell- und Tuchfabrikation.
Eiswolle, Bezeichnung für eine zu Strick- und Häkelarbeiten verwendete
Art engl. AVolle von langem, glänzendem Faden, ähnlich dem Mohairgarn.
Eitorf, Dorf im preuss. E,eg.-Bez. Köln: Alizarinfabrik, Türkischrot-
färberei. Kammgarnspinnerei und Weberei.
Eklipsmaschine, Baumwollspinnmaschine, bei der den Faserbündeln eine
später verschwindende Drehung erteilt wird.
Elastiks, (franz.: elastiques ; engl. : elastics) ; auch Kaut s chukge web e
genannt, sind leinene, baumwollene, wollene oder seidene Gewebe, die entweder
in Kette und Einschlag oder meist nur in der Kette Kautschukfäden enthalten
und besonders zu Strumpfbändern, Einsätzen in Halbstiefel, Tragbändern
(Hosenträgern) u. s. w. verwendet werden. Elastique ist auch die franzö-
sische Bezeichnung von geköperten Bock- und Hosenstoffen aus sehr dehn-
baren Streichwollzeugen.
Elatsches, leicht gewürfelte, ostindische Zeuge, reine Baumwolle und Seide,
welche vormals durch die Franzosen aus Pontichery nach Europa gebracht wurden.
El Baida oder la Casa blanca, Erzeugungsort der gewirkten marokka-
nischen Teppiche : Hambel (s. Marokko).
Elberfeld, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf, mit Barmen (s. d.)
bezüglich ihrer Industrie auf textilem Gebiete in Deutschland unerreicht.
Baumwollene Zeuge wurden hier zuerst im Anfange des 18. Jahrhunderts
gefertigt; die Seidenfabrikation begann durch Einflüsse französischer
Einwanderer im Jahre 1760, die Türkisch rotfärberei 1784; die Man-
schesterweberei 1807; die Kattundruckerei 1826. Jetzt ist E. der
Hauptsitz von Baumwoll-, AVoll-, Seiden-, und aus diesen Stoffen gemischten
Waren: glatte seidene und halbseidene Gewebe und Faconnes für Möbel, wol-
lene und halbwollene Kleiderstoffe, Zanella und halbwollene Konfektions stoffe und
aller zum Besatz bestimmten Knopfartikel ; ferner der Kattundruckereien und
ihrer den Wollmarkt beherrschenden Erzeugnisse, der hoch entwickelten Webe-
reien, Wirkereien, Spinnereien, der Möbelstofffabriken, Färbereien, Appretur-
anstalten. E. ist Sitz der 3. Sektion der Bheinisch- Westfälischen Textil-
Berufsgenossenschaft.
Elberfelder Leinwand werden im allgemeinen alle die im Wuppertal
angefertigten Leinenzeuge genannt, welche von Elberfeld nach allen Gegenden
versandt werden.
Elbeuf, Hauptstadt im Arrond. Bouen des franz. Depart. Seine-Inferieure :
verdankt ihre Bedeutung der seit Alters her dort gepflegten Tuchindustrie.
Heut bestehen noch Fabriken in Tuch mit 91 Dampfmaschinen von 1000
Pferdestärken, 17 Färbereien und 9 Wollspinnereien, welche jährlich für 40
bis 50 Mill. Eres. Wolle verarbeiten, Manufakturen von gewürfelten Shawls
und von verschiedenen Modeartikeln. E. erzeugt das gebräuchlichste Streich-
garn. Die gesamte Industrie des Ortes liefert jährlich für 80 — 90 Mill. Frcs.
Electra, moderne Kleiderstoffe aus Baumwolle mit Seide.
Elefant, (Symbol der Beharrlichkeit, Kraft und Stärke), erscheint als
Stoffmuster im frühen Mittelalter auf Geweben des Orients und wird von der
byzantinischen Kunst übernommen (s. Abt. 4 auf Tafel I) ; tritt aber in der
späteren sarazenischen Periode selten auf. In China wird der E. plastisch
dargestellt als Träger von Leuchtern und Opfergeräten und in gleicher Nach-
ahmung auf schweren Goldstickereien grosser Vorhänge als Musterung ver-
wertet. (Vgl. im Artikel China die Abb. 53.).
Elefantes sind im spanischen und mexikanischen Handel long cloth,
cotton osnaburghs, schwere Domestiks.
Elemente, die vier, bisweilen im frühen Mittelalter als alegorische Ge-
stalten: Zeugen der Kreuzigung und Verherrlichung Christi personifiziert dar-
3^72 Elfenbeinstickerei — Elsen.
gestellt; im späteren Mittelalter auf sarazenischen Stoffen in symbolischer
Ornamentik aufgefasst, ist die Burg in Bedeutung der Erde, der Adler als
Luft, der Drache als Feuer, das Wasser als solches dargestellt.
Elfenbeinstickerei wird in neuerer Zeit eine Technik genannt, die ihren
Ursprung in der Nachahmung der genähten venetianischen Beliefspitzen des
17. Jahrhunderts hat und darin besteht, die breiten Bankenmuster derselben
aus aufgenähtem gewebtem Leinenband und damit vereinigten Spitzenstichen
auf einem farbigen Seidengrund nachzuahmen. Die Art und Weise dieser
Kunststickerei wurde im 17. Jahrhundert, fast gleichzeitig mit dem apäteren
point de Yenise, in Deutschland geübt: (vgl. Aufnäharbeit und die Abb. 11
auf Tafel IX).
Elisabethstil, die in England zur Zeit der Königin Elisabeth gebräuchlich
gewesene Bauweise, ca. 1530 — 1600. Dieser Stil charakterisiert sich durch
ein Vermischen der gotischen Bauweise mit den Formen der Benaissance, ein
Vorgang, der sich in ähnlicher Weise namentlich in Deutschland (die sogen,
deutsche Benaissance), Holland und Dänemark vollzog, dennoch aber überall
in anderen Erscheinungsformen sich äusserte. Die Textilkunst lässt derselbe
ziemlich unberührt.
Elkhart, Stadt im nordamerik. Staate Indiana: Strickwarenfabriken.
Eiland, Stadt in der engl. Grafschaft York: Wollindustrie.
Elmshorn, Stadt im Beg.-Bez. Schleswig: mechanische Lein- und Baum-
wollweberei.
Elsasser Stoffarten, Bezeichnung für die verschiedensten Arten von
Leinen, Baumwollen- und anderen Weisswarenstoffen.
Elsass-Lothringen, deutsches Beichsland, wird hinsichtlich der gewerb-
lichen Tätiorkeit nur von wenigen Staaten des deutschen Beiches übertroffen.
Die Textilindustrie beschäftigt nahezu ein Drittel aller Gewerbetätigen: das
sind nach der Gewerbezählung vom Jahre 1895 rund 10 300 Betriebe mit
105 326 Bersonen, dazu kommen in dei Hausindustrie tätige Arbeiter und Ar-
beiterinnen: 2372 in Weberei (einschliesslich Bandweberei) 2114 in Xäherei
und Schneiderei, 860 in Häkelei und Stickerei.
Die Haupt sitze der Textilindustrie sind Mülhausen, Colmar,
die Täler der Thur, der Lauch, der Fecht, der Leber, deren künstlich gere-
gelte Wasserkraft Fabrikzwecken dienstbar gemacht ist; im Fnterelsass beson-
ders das Breuschtal.
Die Baumwollindustrie ist der ausgedehnteste Gewerbszweig des
Beichslandes. Im Oberelsass gelangte das Gewerbe um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts zu Bedeutung. Aus der Herstellung bedruckter Baumwollenzeuge
(Indienne) entwickelte sich die Baumwollweberei (erster fabrikmässiger Betrieb
1750 in Sennheim; erste mechanische Weberei 1821), die Baumwollspinnerei
(erste Fabrik 1803 in Wesserling), Färberei. Baumwollweberei findet sich als
Fabrikbetrieb hauptsächlich in Mülhausen, als Hausindustrie namentlich im
ITnterelsass.
Die Wollindustrie ist gleichfalls bemerkenswert und hat den Haupt-
sitz im L'nterelsass (Tuchfabriken von Bischweiler), die Kammgarnspinnerei
im Oberelsass (Mülhausen und Malmersbach) ; die Garnweberei beschäftigt mehr
Arbeiter im TJnterelsass. Wollfärberei, -Druckerei und -Appretur findet sich
ausschliesslich im Oberelsass.
Von der Leinenindustrie wird Flachsspinnerei hauptsächlich in
grösseren Unternehmungen (im Oberelsass), Weberei viel im lOeinen als Haus-
industrie (namentlich in Lothringen) betrieben.
Seidenspinnereien sind nur im Oberelsass, grössere Seidenwebereien
daselbst und in Lothringen. Seidenplüschfabriken inBüttlingen und Saargemünd.
Literatur: Kraus, Kunst und Altertum in Elsass-Lothringen (2 Bde.
ebd. 1876 u. 1884). — Meyer, G.. Elsass und Lothriugen, eine volkswirtschaft-
liche Studie, Bielefeld 1870.
Elsen, Dorf im preuss. Beg-Bez. Düsseldorf: Baumwollspinnerei und
-Weberei.
Elstra — Empirestil.
173
Elstra, Stadt in Sachsen: Leinen- und Bandweberei.
Eiterlein, Stadt in Sachsen bei Chemnitz : Königl. Klöppelschule ; Gorl-
näherei, Herstellung von Leonischen Gold- und Silber- sowie Posamentierwaren.
E. ist der angebliche Geburtsort der Barbara Uttmann, welche sich um die
Einführung der Spitzenindustrie in Deutschland (Erzgebirge) verdient gemacht hat.
Elzach, Stadt an der Elz in Baden: Seidenwarenfabriken, zwei mechanische
Leinenwebereien,
Embossd'ells heissen in England wollne Zeuge, die auch unter dem
Namen Seraffins bekannt sind.
Emertis, Emmerties, Amiertis sind ostindische feste Baumwollengewebe,
zum Buntdruck bestimmt, welche früher aus Bengalen und Surate nach Europa
kamen.
Emmendingen, Hauptstadt im badischen Kreis Ereiburg: Hanf- und
B,amiespinnerei.
Emortuale (lat.), Leichentuch.
Empirestil wird jene Ausdrucksweise der französischen Kunst genannt,
welche bestrebt war, die römische Kaiser-
zeit nachzuahmen. Er beherrschte die Zeit Abb. 61.
unter Napoleon I. (1804—1815) und bildete
den Abschluss der Periode des sogen, fran-
zösischen Klassizismusses , der unter Lud-
wig XIY. seinen Anfang genommen hatte. Das
Eindringen rein antiker Elemente in die fran-
zösische Kunst erfuhr schon eine wesentliche
Förderung durch die seit 1748 in Pompeji
erfolgten Ausgrabungen, indessen gelangen sie
zu dieser Zeit mit vollem Verständnis zur
Anwendung; in der Napoleonischen Zeit aber
sinkt die edle griechisch-römische Ausdrucks-
weise zur vollen Armseligkeit herab. Wie die
Erzeugnisse des übrigen Kunstgewerbes den
Heiz der Farbenstimmung und die Beweglich-
keit der Formensprache aufgeben, so muss
sich auch die Textilkunst der Allgemeinheit
fügen, allenfalls, dass hier und da technische
Neuheiten auffallen, die im Zusammenhange
stehen mit dem Aufblühen maschineller Tätig-
keit. (Vgl. Abb. 61.) Der ehemalige natür-
liche Faltenwurf wird im Webemuster als
Fläche dargestellt (vgl. Abb. 62), wobei das
Muster sich nur in einer Farbe vom Grunde
abhebt. Die Ornamentik schliesst sich genau
den Einzelheiten der antiken Kunst an: der
Akanthus, die Palmette, die Urne, das Lorbeer-
und Epheublattrankenwerk , die Weinranke
u. a. m. sind charakteristisch auch für die
Erzeugnisse der Textilkunst im Empirestil.
(Vgl. Abb. 63 und 64). Der E. geht auch
auf die anderen Länder über. In Deutschland
weist Karl Friedrich Schinkel (gest. 1841) auf
die ursprüngliche Bedeutung der missbrauchten
antiken Elemente hin und sucht sie als ein Lebendiges weiter zu bilden, so
dass man auch in dieser Zeit noch von Empiremustern spricht. (Vgl. Abb. 6.)
Abbildungen :
61. Originalaufnahrae aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart : Borte in
farbiger Seide und Grold auf weissem Grunde gewebt mit verschiedener Darstellung
von Grandeffekten und Blattwerk. Frankreich um 1800.
174
Empirestil.
62. Darstellung aus : C o x , l'art de decorer les tissus d'apres les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon. Paris 1900. PI. CXVIIT, 6. Vor-
Abb. 62.
Abb. 63.
hang, in farbiger Seide gewebt, Muster in faltiger Darstellung mit Borten und Streu-
muster. Frankreich um 1800.
63. Darstellung aus demselben Werk (PI. CXVIII, 1): Gewebte Seidenborte mit
wechselnden Palmetten und Rosettenf eidern. Frankreich um 1800.
Empoli — England.
175
64. Darstellung aus Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Tafel 117, 2: Borte,
farbige Tambourierarbeit auf grünem Sammet, Muster aus Weinranke, Köcher und
Urne. Kopie im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin nach einem Original im Schloss
Monrepos bei Ludwigsburg.
Abb. 64.
Empoli, Stadt in der ital. Provinz Florenz: Baumwollfabriken.
Emsdetten, Dorf im prenss. Eeg.-Bez. Münster: 8 Leinen- und Nessel-
webereien, Jutespinnerei, Färberei.
Engel (lat. : angelus; franz.: ange; engl.: angel), in der Bibel die über-
irdischen Boten Gottes an die Menschen, in der christlichen Kunst im allgemeinen
in menschlicher Gestalt dargestellt, jugendlich, geflügelt, von körperlicher
Schönheit, ohne besonderes Merkmal eines Geschlechts. In der Textilkunst
auf kirchlichen Stoffen des 15. Jahrhunderts vielfach dargestellt (s. Figürliches
im Stoffmuster.)
Engelsberger Leinwand , eine Art deutsches Leinen , nach Art der
ßouennes, die in der schlesischen Stadt Engelsberg ursprünglich gemacht wurde.
Enger, Dorf im preuss. Reg Bez. Minden: Garnspinnerei, Leinweberei und
Leinbau.
England, Stammland des Yereinigten Königreiches Grossbritannien und
Irland : Die Textilindustrie ist bei weitem der wichtigste Gewerbszweig. Die
Ausfuhr von Textilfabrikaten und Garnen stellt beinahe die Hälfte des Wertes
der Gesamtausfuhr des Königreiches G. und I. dar. Das in der Herstellung
baumwollener, wollener und leinener Produkte angelegte Kaj)ital beträgt etwa
200 Mill. Pfd. St.., der jährliche Wert der Produktion "beläuft sich auf 190 Mill.
Pfd. St. und die Anzahl der von diesen Industriezweigen abhängigen Personen
beträgt 5 Mill. Der Betrag der jährlich verbrauchten Baumwolle ist jetzt
40mal grösser als zu Anfang des 19. Jahrb., der Wolle beinahe 6mal, des
Flachses mehr als 2mal grösser. Die Ausfuhr von Baumwolle hat 14mal mehr
Wert als im Jahre 1800, die von Wolle 4mal, vom Flachs 6mal mehr. Im
Jahre 1890 hatten England und W^ales: 6180 Betriebe mit 50 211216 Spindeln,
357 848 männlichen, 500404 weiblichen Arbeitern, Schottland: 747 Betriebe
mit 2 413 735 Spindeln, 46 386 männlichen, 108205 weiblichen Arbeitern,
Irland: 263 Betriebe mit 1016111 Spindeln, 23 848 männlichen, 47940 weib-
lichen Ajrbeitern.
Fabriken für Baumwolle bestehen (1890) 2538, für Wolle 1793, für
Kunstwolle 125, für Wollgarn 753, für Flachs 375, für Hanf 105, Jute 116,
Borsten 42, Kokosnussfasern 24; für Seide 623, Spitzen 403, Strümpfe 257,
elastische Gewebe 54. Die Anzahl der Spindeln in den Baumwollspinnereien
betrug 1899/1900: 45400. Das Hauptzentrum der Baumwollindnstrie ist die
Grafschaft Lancashire, wo allein 500 000 Webstühle (gegen 560 955 im Jahre
1885) vorhanden sind ; die wichtigsten Fabrikorte sind : Manchester, Blackburn,
Preston, Ashton - under - Lyne , Stalybridge, Bolton, Bochdale, Middleton,
Heywood, Stockport, W^igan und Bury. Für Strumpfwaren sind Nottingham,
Derby und Leicester zu nennen. Die Grafschaften Wilts , Devon und Xots
sind für Spitzenindustrie wichtig; besonders berühmt sind die Spitzen von
Honiton. Ein zweites Zentrum ist Glasgow; die Grafschaften Peesrew und
Lanark sind reich an Webereien (s. auch Baumwollindustrie). Von den etwa
1800 W^ollfabriken liegen die meisten in England. Das Wollgeschäft ist eine
Stapelindustrie Englands und hauptsächlich in Yorkshire und im Westen
176 Englische Naht— Euguera.
heimisch. Die wichtigsten Plätze für die Wollindustrie sind Bradfur-on-Avon,
Frome, Strond, TroM'bridge; sehr bekannt ist auch Worcester; das Haupt-
zentrum aber ist Manchester, und in Yorkshire seine Rivalen Leeds, Hudders-
iield, Bradford und Halifax. Folgende Zweige werden besonders gepflegt:
Feines breites Tuch (Broadcloth) in Leeds, Manchester, Halifax, Huddersfield
und Bradford; Flanell in Halifax und Rochdale; Wolldecken in AVilney und
Dewsbury; Tepj)iche in Kidderminster ; die berühmten „Schottischen Tweeds"
in Aberdeen, Gralashiels und Hawick. Im Flachs- und Leinwandgeschäft stehen
Irland und Schottland obenan; in England sind zu nennen Leeds, Barnsley,
Halifax; der Wert der Jahresproduktion beträgt etwa 20 Mill. Pfd. St. Yon
den Jutefabriken sind über 100 in Schottland (Dundee, Arbroath); in Irland
sind für Linnen Newry, Drogheda, Louth und Dublin wichtig, vor allem aber
Belfast mit seinen niedrigen Löhnen und langer Arbeitszeit. Das Seiden-
geschäft hat seinen Sitz hauptsächlich in den Grafschaften Cheshire, Somerset,
Derby und Stafford. W^ichtige Plätze sind Macclesfield, Congieton (für Seiden-
garne und Färbereien), Glasgow, Paisley und Manchester, sowie für Seiden-
bänder Coventry.
Geschichtliches: Die Fabrikation von Wo 11 waren war bereits zur
Zeit der Homer bekannt; aber es gelang erst nach Heranziehung von vlämischen
AVebem (seit 1665) feinere Tuche zu machen. Mechanische Webstühle wurden
bereits 1785 eingeführt, doch erst seit 1807 ist ihr Gebrauch gesetzlich ge-
stattet. Die Baumwollenindustrie hat seit der Erfindung der SjDinn-Jenny
(S.Baumwollspinnerei) (1767) einen grossen Aufschwung genommen. Die Seide
ist schon im frühen ^Mittelalter bekannt, das Seidengewerbe als solches wird
im 14. Jahrhundert aus Oberitalien hierher verpflanzt: 1455 ist schon von
grossen Londoner Seidenwebereien die Bede. Die Seidenkultur Englands
ist (nach Silbermann, Die Seide, Dresden 1897, II, 235 ff.) durch einen im
Jahre 1608 datierten Brief Jakob I. an den Lord-Lieutenant, in welchem er
die Seidenzucht eingehend behandelt, jeder Grafschaft verbürgt.
Englische Naht, diejenige für Wirkwaren verwendete Xaht, bei welcher
der Xähfaden die Bandmaschenstäbchen zweier Warenstücke durch Bückstiche
miteinander verbindet.
Englischer Gruss, s, Verkündigung Maria.
Englisches Leder, nach der Art des Gewebes auch Satin, Sateen, Satinet,
Jeans und, namentlich in den besseren Sorten, nach dem Englischen Moleskin
genannt, ein sehr dichter, atlasähnlich geköperter Baumwollstoff, dessen rechte
Seite, auf Vv'elcher der im Verhältnis zur Kette etwas feinere und sehr dichte
Einschlag frei liegt, gerauht und geschoren, während die linke Seite nur gerauht
ist. In Deutschland liefern diesen Artikel Plauen, Zittau, Erfurt, Burscheid,
Bocholt, Ravensburg, Ettlingen u. a. m. In Italien wird dieser dichte atlas-
artige Baumwollstoff j^elle del diavolo genannt.
Englisches Spinnverfahren, Vorspinnverfahren (Vorbereitung) der Kamm-
garnspinnerei, welches bei dem Verfeinern Maschinen mit Flügelspindeln ohne
selbständige Spulendrehung (Water-Prinzip) anwendet.
Englische Tuchbindung besteht aus einem Tuchgewebe, bei welchem in der
Begel zwei Ketten- und zwei Schussfäden nebeneinander gleich binden. Man wendet
sie an in halbwollnen und wollnen Kleiderstoffen, sowie auch in einigen Bucks-
kins ; die T. erfordert aber eine gehörige Dichte, weil sonst lappige Ware entsteht.
Englische Tüllgardinen, s. Bobbinnet.
Englisch-Gras sind seidene Angelschnüre, welche aus den Seidenraupen
selbst , unmittelbar bevor sie sich einspinnen wollen , hergestellt werden. Sie
haben das Aussehen von Darmsaiten und sind von grosser Festigkeit.
Englisch Leinen wird sowohl eine feine, gestreifte Leinwand, als auch
der für Bucheinbände benutzte Kattun genannt (s. Kaliko).
Engrelure (franz.), Bandverzierung mit rundlichen Zäckchen, zackige
Einfassung, Spitzenrand.
Enguera, Stadt in der span. Provinz Valencia: bedeutende Leinen- und
Wollindustrie.
Enlevage — Epheu.
177
Abb. 65.
Enlevage (franz.), eine Bezeichnung, die im Anfang des 18. Jahrli. für
das Abnehmen der Nadelspitze vom Pergamentgrunde gebräuchlich war.
Entari, das Unterkleid der Männer im Orient. Es besteht aus Baum-
wolle oder Seide, hat bis über die Eingerspitzen hinausreichende, von der Mitte
des Unterarms ab aufgeschlitzte Aermel, wird unter der Brust mittels eines
Shawlgürtels zusammengehalten und reicht bis an die Knöchel. Der E. ent-
spricht in der europäischen Tracht der Weste , die ursprünglich auch lange
Schösse hatte.
Entfärben (franz. : decolorer ; engl. : to decolour), technisches Verfahren,
das die Entfernung vorhandener Farbstoffe bezweckt. Gewebe werden durch
das Bleichen entfärbt (s. d.).
Entoilage (franz.), Bezeichnung für eine Beihe von Spitzen und spitzen-
ähnlichen Stoffen: 1. im Anfang des 18. Jahrh. für das Einnähen der Schling-
stiche in Nadelspitzen gebräuchlich, 2. um 1770 eine einfache netzartige Spitze,
3. in späterer Zeit mehrere Sorten französischer Zwirnspitzen aus Dieppe und
Bayeux, welche gleicher Art auch im
sächsischen Erzgebirge geklöppelt wur-
den , 4. spitzenartiges , durchbrochenes
gazeähnliches Gewebe, 5. in Streifen ge-
webter Bobbinnettüll oder Dünntuch mit
spitzenartigem Muster.
Entre-deux (franz.), Spitzeneinsatz.
Entre larges sind in Frankreich
mittelbreite Leinen.
Entresins heissen in Frankreich
Mitteltuche.
Entschälen der Seide, die Ent-
fernung des Seidenleims (Sericine) von
der Bohseide , um die Schönheit des
Seidenfadens sichtbar zu machen. Die
Seide wird in heisse Seifenlösung gelegt
und schwach gekocht. Der hiermit ver-
bundene beträchtliche Gewichtsverlust
wird durch das Assouplieren (s. d.)
wieder ersetzt.
Entschlichten, das dem Bleichen
vorausgehende Einweichen, Waschen und
Spülen der Gewebe zur Beseitigung der
Weberschlichte.
Enveloppes (franz.), im Leinen-
handel die halben Stücke starker, weiss-
garniger Leinwand zur Verpackung.
Envers (franz.), die linke, un-
rechte Seite vom Zeug.
Enversins sind grobe, wollene
Sergestoffe, welche in Frankreich gewebt
werden.
Eolienne, moderner leichter einfarbiger Seidenripsstoff.
Eosin, ein prachtvoll roter, besonders zum Färben von Seide und Wolle
dienender Farbstoff.
Epheu, (Hedera) Pflanzengattung der Araliaceen (vgl. Abb. 65), ein im
Orient, in Nordafrika, Süd- und Mitteleuropa, sowie in England heimischer
immergrüner Kletterstrauch. Er war im Altertum dem Bacchus geheiligt, auch
gilt er als Symbol der Freundschaft. Von Griechenland aus, wo man ihn als
Laubband verwendete (vgl. Abb. 66), wird er in spätere Stilarten übernommen,
doch macht ihn sich im romanischen und gotischen Zeitalter mehr die
Plastik, als das Flachmuster zu eigen. Erst der französische Klassizismus des
18. Jahrhundets bringt den E. hier in Weberei und Stickerei lediglich als
Heiden, Handwörterbucli der Textilkunde. 12
I^YS Epinal — Erschweren.
Ornament zur Darstellung, wo er nach dem Empirestil (s. hier Abb. 62)
zurücktritt.
Abbild ungen:
65. Epheuzweig nach einem Holzschnitt aus: Lobelius, plantarum sev stirpium
icones, Antwerpen 1581.
66. Originalaufnahme eines Epheulaubbandes nach einer griechischen Vase aus
dem Besitze der Kgl. Museen in Berlin.
Abb. 66.
Epinal, Hauptstadt des franz. Depart. Yosges im gleichnamigen Arrond. :
Leinwand- und Baumwollwarenfabriken.
Epingle (franz.) wird der Ripsgrund in Seide genannt.
Epingline, nach E. benannter moderner Seidenstoff, gestreift und geblümt.
Epitrachelion (griech.) (lat. : epitrachelium), ein zur Kleidung der griech.-
kath. Priester gehöriges breites steifes, mit Kreuzen besticktes, in der Farbe
verschiedenes Band, das, um den Hals getragen, bis über den Oürtel mit beiden
Enden herabhängt : s. v. w. Stola der griech. Kirche.
Epurateur (franz.), Reiniger, in der Baumwollspinnerei eine von Risler
erfundene Maschine, welche zuweilen an Stelle der Yorkratze angewendet
wird; sie zerstört die Anordnung der Fasern in Büscheln und liefert das
Material in Form gleichmässiger lockerer Faserbänder ab.
Erbach, im Odenwald, Stadt in Hessen: Tuchfabriken.
Erbisdorf, Dorf in Sachsen bei Dresden: Spitzenklöppelei.
Erbstüll, ein grober Tüll, weiss, creme oder mode gefärbt, für Grardinen-
stickerei verwendet.
Erdflachs, s. Asbest.
Erding, Stadt im bayr. Reg.-Bez. Oberbayern: Wollspinnerei und Woll-
zeugweberei.
Erfurt, Hauptstadt in der preuss. Provinz Sachsen : Webereien für Woll-,
Baumwoll- und Leinenwaren ; bedeutend ist die Herstellung von Damenmänteln.
Eriaseide ist das Produkt der Pizinusspinner, Attacus ricini, die Kokons
anfertigen, welche mit wenigen Ausnahmen gänzlich unentwirrbar, weil sie offen
und unregelmässig gesponnen sind; dagegen eignen sich diese wilden Seiden-
arten vorzüglich als Rohmaterial für die Florettspinnerei. Der A. ricini ist
in Indien, Assam und auf Ceylon teils im wilden, meist aber im halbgezüchteten
Zustande zu finden; er stammt aus Assam, wo er „eri" genannt wird.
Eriophoronwolle, s. Gespinstfasern.
Erlangen, Stadt im bayr. Reg. -Bez. Mittelfranken: bedeutende Baumwoll-
spinnerei.
Ermeländische Leinen : gewöhnliche, weissgebleichte Flachsleinen, welche
in Ostpreussen gewebt und im Auswärtigen auch Königsberger Leinen heissen.
Ermines sind englische farbige Wollenzeuge, die nach Spanien und
Portugal gehen. /
Erschweren der Seide heisst sie mit fremden Körpern beladen und be-
ruht auf einem chemischen Prozess, welcher zur Grewichtsvermehrung bezw.
Verfälschung der fertigen AVaren dient. Auch Posamentier- und Nähseiden,
Cordonnets u. s. w. werden zur Yermehrung ihres G-ewichts erschwert. Das
Verfahren ist oft aus technischen Gründen nicht ungerechtfertigt, um den Seiden-
fasern mehr Fülle und Ansehen zu geben. Es geschieht durch Metallsalze und
Zusatz von Oelen und Fetten, welche bei längerem Lagern grösserer Mengen
Erstem— Estopillas. 179
erschwerter Seide Selbstentzündmio- hervorrufen (s. a. Füllstoffe). (Vgl. Silber-
mann, die Seide, Dresden 1897. ^Bd. n, S. 369 ff.)
Erstein, Stadt im ITnterelsass : grosse Kammgarnspinnerei und Bleicherei.
Erzerum oder Erserum, Hauptstadt der gleichnamigen türk. Prov. in
Armenien: erzeugt durch Hausindustrie Teppiche nach persischem Muster.
- Erzinghian erzeugt durch Hausindustrie Teppiche nach persischen Mustern,
Escamis, ein dichtgewebter, baumwollener Stoff, eine Art ungeköperter
Barchent, welcher früher aus der Levante, insbesondere aus Smyrna nach
Europa kam.
Eschwege, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Cassel: Woll- und Haarspinne-
reien, AVollzeug-, Flanell- und Leinweberei in grossem Umfange.
Escots waren ursprünglich feine geköperte Zeuge aus gezwirntem TTol-
lengarn, welche in Frankreich gefertigt wurden ; in Deutschland machte man
diese Zeuge unter dem Namen Scotts.
Eskimo, auch Doubel, Double genannt, ein gewöhnlich mit vierbindigem
Kreuzköper aus zwei Streichgarnketten gewebtes Doppelgewebe, welches meist
zu Herrenüberziehern verarbeitet wird.
Esp heisst persisch das Pferd, welches im Aschkalimuster (s. d.) eine
B,olle spielt.
Espagnolettes, eine Gattung ganz wollener Droguets, teils geköpert, teils
glatt wie Leinwand gewebt, und zuweilen auf beiden Seiten gerauht und
langhaarig. Sie führen den Namen, weil die echten aus spanischer ^olle ge-
webt wurden. In Deutschland haben die Moltonstoffe damit Aehnlichkeit ;
Zeuge derselben Art führen auch den Namen Castorin, Lama, Biber.
Esparto, Spartogras, spanischer Grinster (Stipa tenacissima), das zähe
Pfriemengras, wächst in Spanien, auch im südlichen Frankreich und in Asien.
Stengel und Aeste werden dem Flachse ähnlich bearbeitet. Das feinere Ge-
spinst wird zum Weben von Packleinen, Segeltuch, auch wohl zuweilen zu
feineren Geweben verarbeitet.
Esperver (engl.), Baldachin aus Stoff, Betthimmel.
Esseg, bedeutendste Industrie- und Handelsstadt von Slavonien: grosse
Seidenspinnereien.
Essener Linnen werden westfälische, dicht gewebte Leinen aus gut ge-
drehtem Garne genannt, welche in der Gegend von Essen gefertigt und meistens
roh, zuweilen auch gebleicht, ohne weitere Appretiu* zur Versendung gelangen.
Esslingen, Oberamtsstadt in "Württemberg: grosse Kammgarn- (1000
Arbeiter) und Baumwollspinnerei (41000 Spindeln).
Essonnes, Stadt im Arrond. Corbeil des franz. Depart. Seine-et-Oise :
Baumwollspinnerei, Deckenfabriken.
Essui-main (franz.), Handtuch.
Estaires, Stadt im Arrond. Hazebrouk des franz. Depart. Nord: Leinen-
fabriken und -Bleichen ; Fabriken von Damasttafelzeug.
Estalins, bunt gefärbte Steifleinwand, welche in Schlesien für den Export
nach Spanien und Südamerika gefertigt wird.
Estames ist in Marseille die Benennung der dort gefertigten roten
türkischen Mützen, Kappen oder des Fez.
Estcoupiers COrdats, von Werg gewebte Packleinen, die aus Frankreich
kommen und über Marseille weiter gehen.
Esteras, eine Gattung Matten, welche in Spanien, vorzüglich in Valencia,
aus den Flatterbinsen gemacht und nach Holland, England, Frankreich und
ItaKen verkauft werden, wo man sie unter dem Namen Tapis d'Espagne kennt.
Es gibt davon zwei Sorten: die Estera finas, welche auf besonderen dazu ein-
gerichteten Webstühlen gewirkt und bunt gefärbt werden, und die Esteras
bastas, welche nur geflochten sind.
Estopas nennt man in Portugal teils die deutschen Heedeleinen, teils die
deutsche, halb von Flachs, halb von Hanf gewebte Leinwand, s. Heedeleinen.
• Estopillas, eine der im Auslande bekanntesten deutschen Leinen für
den Export, welche in Sachsen und Böhmen, hauptsächlich aber in Schlesien
180 Estramen — Evangelistenzeichen.
batistartig aus feinem Leinengarn gewebt werden. Im südlichen Europa und
Amerika werden die Yelas (Schleier) daraus gemacht. E. unies sind dicht
gewebte, gedrungene Schleier, welche dem Batist gleichen und die man deshalb
auch häufig Battistes nennt ; sie sind bläulich appretiert.
Estramen (lat.), Stramin.
Estras, s. Seide.
Estremadura, ursprünglich ein in Spanien erzeugtes Baumwollengarn.
Jetzt bezeichnet man mit E. ein meist zum Stricken verwendetes sechs drähtiges
Grarn mit rundem, gleichmässigem Faden.
Etain, Stadt im Arrond. Yerdun-sur-Meuse des franz. Depart. Meuse :
Fabrikation von Baumwollstoffen.
Etaises heisst eine Art flandrischer Leinen oder Tischzeuge, die über
Merville in den Handel kommen.
Etaleuse, eine Flachsspinnmaschine, auf welcher der gekämmte Flachs
ausgebreitet wird, um in endlose Bänder verwandelt zu werden.
Etamin, Estamin, Stamin (vom franz. etamine), ein sehr dünnes Graze-
gewebe (s. d.), meistens aus Baumwolle, jedoch auch aus Seide, oder von Wolle
und Seide in den verschiedensten Gattungen gewebt, welches wesentlich als
Futterzeug in Kleidungsstücken Verwendung findet. Ganz seidene Etamin-
stoffe werden in Lyon und Avignon gewebt. Die holländischen E. aus AYolle
waren wegen ihrer guten Qualität früher sehr geschätzt.
Eten, Stadt der Republik Peru: Baumwollindustrie.
Eternel, Eternelle, ein veralteter französischer Wollenstoff, geköpert und
mit Streifen.
Etoffe (franz.), Stoif, Gewebe.
Etoffe de Verdun, ein wollener, sergeartig gewebter Stoff oder ein Halbtuch.
Etoupes, s. Wergspinnerei.
Etramee heissen zu Abbeville hänfene Gewebe, welche später weiss
gebleicht oder auch verschieden gefärbt werden.
EtschigO oder Et-schi-go, eine Sorte japanischer Seide, wenig stark, aber
sehr feinfadig ; sie kommt auch unter der Bezeichnung Maibafi im Handel vor.
Etterbeeck, Vorstadt von Brüssel : Baumwollspinnereien und Färbereien.
Ettlingen, Stadt in Baden: bedeutende Aktien-Baumwollspinnerei und
Weberei (1200 Arbeiter, 30 000 Spindeln), Sammetfabrik, Färberei, Bleicherei
und Appreturanstalten.
Eu, Stadt im Arrond. Dieppe des franz. Depart. Seine-Inferieure : Fabri-
kation von Spitzen, Segelleinwand und Wollstoffen; Woll- und Baumwoll-
spinnereien.
Eufaule, Stadt im nordamerik. Staate Alamba : BaumwoUwarenfabrikation.
Eupen, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Aachen: Kammgarn- und Streich-
garnspinnereien, Karbonisieranstalten, Färbereien, Walkereien, Fabriken von
Tuch, Buckskin, Kaschmir und Trikot.
Eurley, Bezeichnung für chinesische und japanische Frisons (s. d.), unter
welcher dieselben von Engländern zur Florettindustrie (Chappespinnerei) auf-
gekauft werden.
Euskirchen, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Köln: 20 Tuchfabriken und
Wollspinnerei.
Euxinet, ein nicht mehr gangbarer halbseidener englischer Stoff aus
Schafwolle und Seide.
Evangelisten, die vier, gelten als Ausfluss der göttlichen Weisheit; in
der ältesten Zeit symbolisch dargestellt durch vier Schriftrollen in den vier
Ecken eines griechischen Kreuzes oder als vier Bücher, in kirchlichen Stoff-
mustern später unter den bekannten Evangelistenzeichen dargestellt (s. d.).
Evangelistenzeichen stellen die Evangelisten in der christlichen Kunst
seit dem 5. Jahrhundert symbolisch dar: Mattheus als geflügelter Mensch,
Markus als Löwe, Lukas als Stier, Johannes als Adler; später als vier
Menschengestalten mit dem Kopf des betreffenden Zeichens. Auch sind den
Gestalten der E. jene vier Zeichen als Attribute beigegeben.
Everghem — Fächer als Flächenmusterung. 181
Everghem, Hauptort im Arrond. Grent der belg. Prov. Ostflandern:
Baumwoll- und Leinenindustrie.
Everlasting, ein fester, damastartig gewebter WollenstofF, gewöhnlich
mit erhöhten oder aufliegenden Rippen oder Streifen, welche durch stärkere
Kettenfäden und durch Schemelarbeit gebildet und nicht aufgeschnitten werden;
unter seinem Namen kommt er nicht mehr vor.
Evora, Stadt der portug. Prov. Alemtejo: Fabrikation von Tuch- und
Baumwollwaren.
Evreux, Stadt im Arrond. E. des franz. Depart. Eure : Fabrikation von
Leinwand und Zwillich.
Evron, Stadt im Arrond. Laval des franz. Depart. Mayenne: Fabri-
kation von Leinwand und Tafelzeug; Handel mit Wollwaren und Zwirn.
Exametum, examitum (lat.), ganzseidenes Gewebe.
Exarentasmas, Exarentamas (lat.), werden von älteren Schriftstellern
Seidenstoffe des 12. Jahrhunderts aus Palermo genannt, welche Kreismuster
haben.
Exeter, Hauptort der engl. Grafschaft Devon: Im 18. Jahrhundert war
E. Hauptsitz der Wollmanufaktur, jetzt ist neben der Fabrikation von Haus-
schuhen diejenige der Spitzen (Honiton lace) wichtig.
Exmouth, Stadt in der engl. Grafschaft Devon: Spitzenfabrikation.
Extergi facium (lat.), Tuch zum Abwischen des Gesichts.
Externa (lat.), Oberkleid, im Gegensatz zu interula, Unterkleid.
Exzenterstuhl, Trittexzenterstuhl nennt man Schaftwebstühle, bei denen
die Bewegung der Tritte durch die an der Hauptwelle befestigten unrunde
Scheiben (Exzenter) geschieht (s. Weberei).
Eylau, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Königsberg: Tuchfabrik.
F.
Fabelwesen sind phantastisch gestaltete Menschen und Tiere, deren
letztere namentlich in sarazenischen mittelalterlichen Geweben oft vorkommen
und sich verfolgen lassen bis hinauf zur ägyptischen, assyrischen und chine-
sischen Kunst des Altertums; es gehören dahin die Sphinx, der Greif, der
Drache, das Einhorn, der Phönix u. a. m., welche je nach Auffassung der
Zeit in verschiedener Bedeutung und Stilisierung erscheinen (s. d. einzelnen
Artikel). Menschliche Fabelwesen kommen im Flachmuster der Textilkunst
seltener vor.
Fach heisst in der "Weberei die Oeffnung, welche zwischen den Ketten-
fäden hervorgebracht wird, um den Schuss hin durchzuführen : in diesem Falle
heisst die Kette gespalten, sonst geschlossen.
Fachapparat, auch Ablegeapparat, nennt man eine bei den in der Textil-
industrie , insbesondere in der Appretur , verwendeten Maschinen häufig in
Anwendung stehende Vorrichtung, welche das aus der Maschine tretende Ge-
webe in regelmässiger Weise übereinander zu legen hat.
Fache, s. Gespinstfaser.
Fächer als Flächenmusterung finden nirgends so vielseitige Anwendung
als in Japan, wo die ausgedehnte praktische Verwendung derselben zur Dar-
stellung geführt hat. Es werden nicht nur die TJmrisslinien wiedergegeben,
sondern man geht soweit, in Geweben und Stickereien auch die Musterungen
innerhalb derselben zu wiederholen, wobei die allerfeinste Ausführung beob-
achtet wird. (Abb. 67.) Welche Bedeutung man dem Fächer in Japan bei-
182
Fachschulen — Facta da ossi.
misst, geht daraus hervor, dass seine Darstellung selbst als "Wappen einer
Daimiofamilie erscheint. (Abb. 68.)
Abbildungen:
67. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidengewebe, Grund weiss, mit Fächermuster (Kohaku) in blauen Umrisslinien und
Goldpapier, Japan um 1800.
68. Darstellung eines Daimio Wappens in Form zweier Fächer, von einem Seiden-
gewebe aus der Sammlung des Königl. Kunstgewerbemuseums in Berlin. Japan, alt.
Abb. 67.
^^i! -'4S-
Fachschulen, s. Webeschulen.
Facilletlein (lat.: faciletum; ital.: fazzoletto), Schweisstuch , Taschen-
tuch. Der Ausdruck kommt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor,
in welcher Zeit in Italien und Frankreich das Taschentuch in Mode kam, mit
Abb. 68
dem besonders bei Brautgeschenken ein solcher Luxus getrieben wurde, dass
man ihn gesetzlich zu beschränken suchte.
Fa^onnerie (franz.), das Modeln, Blüm ein des Zeugs; fagonnieren:
mustern; faconniert: gemustert; geblümt; Fagonneur: Mustermacher.
Fa^onnierte Stoffe, s. fassonierte Stoffe.
Facta da ossi werden in einer alten italienischen Urkunde Spitzen be-
zeichnet, wobei der Ausdruck „ossi", Knochen, sich auf die Klöppel aus
Bein bezieht.
Eaden— Fa-lag-nel. 183
Faden (in älterer Form Fadem), Längeumass; als Garnmass die Länge
eines Haspelumfangs (s. Garn), also sehr verschieden; eine Anzahl Fäden
bilden ein Gebinde (s. d.).
Faden (Gespinstfaden), s. Gespinstfaser.
Fadenbällchen, s. Gespinstfaser.
Fadenführer für Spinn- und Yorspinnmaschinen , welche unmittelbar
hinter dem letzten Zylinder liegen, sind Eisenschienen mit gut auspolierten
Bohrungen oder Holzschienen mit Drahtschnecken oder Schienen mit trichter-
förmigen Zinkeinläufen.
Fadengang bezeichnet in der Dichtenbestimmung eines Gewebes die
Summe von 40 Fäden.
Fadengebilde, s. Gespinstfaser.
Fadengold ist der technische Ausdruck für das aus Tressen, Gold-
wirkereien und Goldgeflechten ausgezupfte Gold.
Fadengras (Pflanze), s. Gespinstfaser.
Fadenmalerei, s. Stickerei,
Fadenmaschen, s. Wirkwaren.
Fadenmühle, Spinnmühle, TJeberspinnmaschine, im Posamentiergewerbe
eine Maschine, welche zum TJeberspinnen, d. h. schraubenförmigen Umwinden
eines inneren Kernfadens (Seele oder Futter) mit Lahn dient.
Fadenreisser , eine Oeffnungsmaschine , welche die Abgangsfäden der
Yorspinn- und Spinnmaschinen auflockert, so dass sie als Beimengung der Boh-
baumwolle wieder mit verarbeitet werden können.
Fadenspannung, Padensprung, s. Nähmaschine.
Fadenwächter, Yorrichtung an Textilmaschinen, die bei Fadenriss ein
selbsttätiges Stillsetzen der Maschine bewirkt.
Fadenzähler, Weberglas, Lupe zur Besichtigung der Webstoffe und zum
Abzählen der auf einen bestimmten Baum kommenden Fäden. Die Grund-
platte eines solchen Yergrösserungsglases enthält einen quadratischen Ausschnitt,
um die Fäden pro Quadratzentimeter zählen zu können.
Faenza, Hauptstadt der ital. Provinz Bavenna: Seidenspinnereien und
Webereien.
Fahne, besteht aus dem Fahnenblatt oder Fahnentuch und dem Fahnen-
stock oder der Fahnenstange. In früheren Zeiten pflegte man zu unterscheiden:
1. Das Beichsbanner, das stets länger als hoch war und das landesherr-
liche Wappen enthielt. 2. Das einfache Banner, die Fahne des Banner-
herren mit quadratischem Fahnenblatt. 3. Bennfahne hiess die Fahne der
Bitter, die wenigstens 20 Mann ins Feld führen konnten. 4. Spitzfahne
die Fahne der einfachen Bitter. 5. Bundbanner, eine nach aussen ab-
gerundete Fahne, die namentlich bei Begräbnissen verwendet wurde. 6. Stan-
darte, jene Fahne, die an einem Querholz befestigt erscheint und namentlich
bei der Beiterei gebräuchlich ist; früher Messen diese Fahnen Cornette. Auch
für kirchliche Zwecke waren sie an einem Querholz befestigt.
Faido, deutsch Pfaid, Flecken und Hauptort des Bezirks Livinen (Leven-
tina) im Schweiz. Kanton Tessin: Fremdenindustrie und Seidenzucht.
Failine, eine Art wollene Serge, die aus Frankreich kommt.
Failles (franz.), einfarbige gerippte Seidengewebe. Der Ausdruck stammt
von dem ebenso genannten langen und weiten Kopftuch aus schwarzer Seide,
welches zur Tracht der brabanter Bürgerfrauen gehört.
Failsworth , Stadt in der englischen Grafschaft Lancaster : bedeutende
Textilindustrie.
Faja, in der span. Nationaltracht eine breite rote Wollschärpe , welche
zweifach um den Leib geschlungen wird ; sie wird sowohl vom Yolk, als auch
vom Militär getragen.
Fajüm, Fayüm, auch Faijum, Fayjum (El-), Provinz in Oberägypten:
Baumwollenbau; in neuer Zeit bekannt durch die hier gemachten Grabfunde
(s. koptische Funde).
Fa-lag-nel, s. Flanell.
184 Falaise— Farbtuch.
Falaise, Stadt im Arrond. F. des franz. Depart. Calvados: bedeutende
Spinnerei, Woll- und Baumwollweberei, Färberei.
Falaises sind SergenstofFe, die in dem Bezirk von Alengon gewebt werden.
Fa-lan-jin, s. Flanell.
Falbala nannte man früher die breiteste Seite der mit Silber durch-
wirkten Gazestoffe, ebenso goldene oder silberne Spitzen.
Falbeln heissen gewöhnlich breite in Falten gelegte Besätze von Frauen-
kleidern, Mänteln oder Kragen.
Falkenau, Stadt in Böhmen a. d. Eger: bedeutende Spi^nereien.
Falkenberg, Marktflecken im bayer. Eeg.-Bezirk Oberpfalz: Lein-
weberei und Grarnhandel.
Falkenburg, Stadt im preuss. Reg.-Bezirk Köslin: Kgl. Webeschule;
drei Tuchfabriken.
Falkenstein, in Sachsen: ausgedehnte Baumwollweberei (deutsche und
englische Gardinen, Kongressstoffe), Schiffchen- und Handmaschinenstickerei,
zwei grosse chemische Bleich- und Appreturanstalten für Gardinen und Sticke-
reien, fünf englische Gardinen- und Spitzenfabriken (Falkensteiner Gardinen-
weberei und -Bleicherei, Aktiengesellschaft).
Faltenlegmaschine, eine Einrichtung, die bestimmt ist, das Legen von
Falten oder Tollen in Stoffen oder Geweben auf mechanischem Wege selbst-
tätig zu verrichten. Besondere Verwendung findet die F. bei der Fabrikation
gefältelter Hemdeneinsätze und der Herstellung von Rüschen, Plisses u. s. w.
Faltenwurf, s. Gewand.
Famis, eine Art seidener mit Goldfäden durchwirkter Stoffe, die in
Italien und Frankreich für die Levante gewebt wurden (s. a, Lüster).
Fanchon (franz.), Bezeichnung einer leichten Kopfbedeckung für Damen.
Fancy-Artikel ist der englische Ausdruck für alle Modewaren.
Fancy-net (engl.), Bobbinnet oder gemusterter Spitzengrund.
Fangschnur, Cordon, eine Schnur, die mit dem einen Ende an der Kopf-
bedeckung (deren Verlorengehen sie verhindern soll), mit dem anderen Ende
an der Uniform des Soldaten befestigt oder auch nur um seinen Hals ge-
schlungen ist. Früher zur Ausrüstung der deutschen Kavallerie gehörig, wird
die F. jetzt mehr zum Zierat und auch als Schützen ab zeichen verwendet.
Fangstuhl, ein Wirkstuhl, welcher ausser der gewöhnlichen Nadelreihe
noch eine zweite, der ersteren entgegenstehende Nadelreihe enthält, zur Her-
stellung von Bechts- und Bechtsware.
Fano (lat.), (franz.: fanon; engl.: fanon), leichtes Tuch, Gewebstreif,
daher auch Bezeichnung für Manipel. Ferner Fahnenblatt, auch Fahne und
Kirchenfahne. Das althochdeutsche Wort, aus welchem Fahne entstanden ist,
bedeutet überhaupt ein Zeugstück, wurde aber im Mittelalter speziell für das
Nastuch gebraucht, welches der amtierende Priester über den linken Arm
gehängt hatte.
Fanon (franz.), Bezeichnung für das sonst Manipel (s. d.) genannte Ge-
wandstück der kath. Priester, auch das Schultervelum , unter dem bei der
feierlichen Messe der Subdiakon die Patene hält und ein vom Papste bei der
feierlichen Messe getragenes seidenes Humerale (auch Orale genannt). Ferner
bezeichnet F. den Bandstreifen (sudarium) an den einwärts gebogenen Stäben
der Aebte und die zu beiden Seiten der Krone der deutschen Kaiser herab-
hängenden Bänder (s. a. Fano).
Fan-palk, s. Flanell.
Fanta, leichter Taffet von der Insel Korea. ''
Fantaisie nennt man in Frankreich die bourre de soie, wenn sie, wie
Baumwolle, auf Maschinen gekrämpelt und gesponnen worden ist. Man braucht
sie zu Strumpfwaren und Shawls.
Färberei, s. Zeugdruck.
Färberei- und Appreturschulen, s. Webeschulen.
Farbtuch, auch Drucktuch, nennt man beim Zeugdruck dasjenige aus
Wolle oder Baumwolle bestehende endlose Gewebe, welches bei den Walzen-
Farnworth — Federmosaik. Xg5
druckmaschinen die Unterlage für das zu bedruckende Gewebe bildet, und
letztere gleichzeitig in die Trockenkammer leitet.
Farnworth, Stadt in der engl. Grafschaft Lancaster: wichtige Baumwoll-
industrie.
Fars, persische Seidenmanufaktur, welche im Mittelalter durch Atlasstoffe
und Sammete berühmt war.
Faserstoffe sind: 1. Pflanzenfasern: Baumwolle, vegetabilische Seide,
Flachs, Hanf, Jute, Chinagras, Ramie, Abelmoschusfaser, Gambohanf, Nessel-
faser, Sum, Agavefaser, Aloehanf, Co'ir, Manilahanf, neuseeländischer Flachs,
Tillandsinfaser, Kitulfaser, Piassava, Esparto. 2. Tierische Fasern: Schaf-
und Ziegenwolle, Alpaka- und Kamelwolle, Tierhaare im allgemeinen, Muschel-
seide. 3. Mineralische Fasern: Metallfäden, Glaswolle, Schlackenwolle,
Asbestfäden. (Vergi. die Artikel im eiüzelnen und „Gespinstfasern".)
Fassa, Fesa oder Basa, Stadt in der pers. Provinz Farsistan, im Süd-
osten von Schiras: hat ihren alten Glanz gänzlich eingebüsst, ist jedoch durch
ihre Goldstickereien und Brokate noch jetzt berühmt.
Fassonierte, fagonierte, figurierte, gemusterte Stoffe nannte man früher
die verschiedenen Gewebe, bei welchen die Figuren nicht mit dem Zampel-
oder Kegelzug eingewirkt, sondern nur mit vielen Schäften und Fusstritten
hervorgebracht wurden. Nach der Erfindung der Jacquardmaschine und der
ihr ähnlichen Trittmaschine hat diese Unterscheidung aufgehört; man bezeichnet
jetzt gemusterte oder figurierte Stoffe im Gegensatz zu den glatten Zeugen,
unter welche man nur die leinwand- oder taffetartig und geköperten Gewebe
rechnen kann. Gewöhnlich sind in fassonierten Stoffen dem Muster oder der
Farbenstellung nach entsprechende Streifen eingewebt, welche in anderer Weise
binden, als der Grund oder die daneben befindlichen Streifen. Es ist dem-
nach eine Bindung in die andere gestellt, weshalb man sich auch des Aus-
drucks „zusammengestellte Bindungen" (s. Bindungen) bedient. Trotz der
Vielseitigkeit in der Ausführung lassen sich die so erzeugten Stoffe in sechs
Klassen einteilen: Langgestreifte Stoffe (raye's); quergestreifte St. (travers);
karierte St., würfelige St., mehrteilige St. (s. a. Armure und Bildgewebe).
Fastentuch, Hungertuch, (lat.: cortina qudraginta dierum, circitorium
oder velum quadragesimale; franz.: tenture de careme; engl.: tenten veil.)
grosser Teppich aus weisser, grauer oder violetter Leinwand, mit biblischen
Darstellungen bemalt, bestickt oder bedruckt, welcher in der Fastenzeit vor
dem Allerheiligsten aufgehängt wird. Im Mittelalter liebte man für derartige
Tücher die Weissstickerei, wohl mit Rücksicht darauf, dass das Licht, welches
durch die Hochfenster für den Beschauer von hinten auf den Vorhang
fiel, die gestickten Figuren und Sprüche dunkel auf hellem Grunde er-
scheinen lässt.
Fa-U-tunn (chines.), ein broschierter Kamlott aus Seide und Wolle, der
in China gewebt und zu welchem das karte Kammgarn zum Schuss aus Eng-
land eingeführt wird.
Faveur (franz.), eine Gattung farbiger schmaler Bänder aus Etienne.
Fayetteville, Hauptort des County Cumberland im nordamerik. Staate
Nordcarolina: Baumwollmanufaktur und -Fabrikation.
Fecamp, Hauptort im Arrond. Havre des Depart. Seine-Inferieure :
Kaliko- und Segeltuchfabrikation; Baumwollspinnerei.
Fechenheim, Dorf im preuss. Reg.-Bez. Kassel: Litzenweberei.
Federkielstickerei, s. Stickerei.
Federköper, s. v. w. Federleinwand.
Federleinwand nennt man eine Gattung sächsischer Barchente, worin
die Kette von gebleichtem Leinengarn, der Einschlag aus feiner Baumwolle
besteht. Sie unterscheiden sich von anderen Barchenten dadurch, dass nach
der Breite wechselweise ein Streifen geköpert, der andere ungeköpert ist.
Federmosaik, aus natürlich oder künstlich gefärbten Vogelfedern zu-
sammengesetzte Muster oder Bilder. Bei den Indianern Südamerikas hat sich
der Gebrauch erhalten und von ihnen auf die Eingewanderten übertragen.
186 FederriteQ— Ferahan.
bunte Federn in Decken einzuwirken, eine Art und "Weise der Musterung, der
schon im Altertum in China Erwähnung geschieht.
Federriten, gewöhnlicher, blaugestreifter Bettzwillich. Die Streifen sind
meistens blau und grau von ungebleichtem Grarn. In Mähren nennt man auch
eine rohe Leinwand F.
Federtapeten, Federteppiche, Decken oder Teppiche, in welche bunte
Yogelfedern eingewirkt sind (s. Federmosaik).
Feine, die, oder Höhe des Blattes (s. d.) eines Seidengewebes drückt
man nach den Hunderten von Riethstäben (Blattrohren) aus, welche sich auf
einem bestimmten Masse befinden.
Feinspinnen, der Spinnprozess, welcher den fertigen Faden aus dem
Yorgespinst herstellt.
Feinspinnmaschinen ziehen die Fäden bis zur gewünschten Feinheit aus
und drehen sie gleichzeitig zusammen: Watta- und Mulmaschinen.
Felbel, Felpel, Felper odel Yelpel, auch Pelzsammet, ein sammetartiges
Gewebe, dem die langen, durch Bürsten nach dem Strich niedergelegten
Florfäden ein pelzähuliches Aussehen geben; dient zum TJ eberkleiden der
Zylinderhüte.
Feldbinde, die im 13. Jabrh. aufgekommene Militärschärpe. Sie bestand
zuerst aus einem breiteren Schmuckgürtel, in welchen häufig Wappen oder
andere Bilder eingestickt waren. Später, so im dreissigj ährigen Kriege,
wurde sie in den Landesfarben von der rechten Schulter zur linken Hüfte ge-
schlungen.
Feldkirch, Stadt in Yorarlberg: Baumwollspinnereien.
Felixdorf, Dorf in Oesterreich bei Wien: Baumwollspinnereien, Baum-
wollweberei mit Appretur und Bleicherei.
Felletin, Hauptort im Arrond. Aubusson des franz. Depart. Creuse:
bedeutende Teppichfabrikation, Wollspinnerei.
Fellmaschine, Pelzkrempel, in der Streichgarnsj)innerei eine Bezeich-
nung für die zweite Krempel, welche die Wolle in Form einer breiten pelz-
artigen Fläche empfängt.
Felpel, Felber, s. Felbel.
Fenny-Stratford, Stadt in der engl. Grrafschaft Buckingham: Spitzen-
klöppelei.
Feradsche, Kleidungsstück der türk. Frauen, wird ausserhalb der Woh-
nung getragen und besteht aus einem den ganzen Körper von den Schultern
bis auf die Knöchel einhüllenden L^eberwurf aus Seide oder feinem Wollstoff,
in Aegypten und Syrien auch aus Baumwolle mit einem breiten Kragen, an
den sich oberhalb der den Hals und Kopf bedeckende Schleier (Jaschmak)
anschliesst. Xeuerdings wird statt des F. vielfach der Tscharschaf (s. d.)
getragen.
Ferahan, persische Provinz, nach welcher ein am meisten in Europa
verbreiteter kurz geschorener Knüj^fteppich benannt wird, der hauptsächlich in
der Stadt Suitanabad vom Ende des 18. bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts
erzeugt wurde. Der Ferahanteppich galt früher als eines der vorzüglichsten
Produkte persischer Teppichindustrie. Ohne Anspruch auf besondere Feinheit
oder besonderen Materials erheben zu können, stellte derselbe in den guten
Sorten einen überaus fest gearbeiteten, unverwüstlichen, durch seine ruhigen
Farben und das geschmackvolle Muster wohltuend wirkenden Bodenbelag dar,
der auch durch seine Grrössenverhältnisse den europäischen Bedürfnissen ^am
meisten zusagte. Gewannen ihm alle diese Eigenschaften bald einen Weltruf,
so ging infolge der massenhaften Ausfuhr seine Qualität immer mehr herunter,
so dass es schwer ist, heut noch ein wirklich gutes Stück seiner Art im Orient
zu erhalten; es kommen nur noch gröbere Arten in den Handel. Der ver-
breitetste Typus des F. -Teppichs ist durch das Heratimuster (s. d.) gekenn-
zeichnet, dem sich auch seine Borte anpasst. Eine andere Gattung von F.-
Teppichen zeigt im Inneren zwei Systeme von geflammten Panken, ein verti-
kales und ein horizontales, die einander unter dem rechten Winkel kreuzen
Ferandine — Fibrom. 187
und sich zu ausgeschweiften spitzovalen Feldern zusammeDschliessen. Ein
drittes Motiv ist das unter dem Namen Gule Hennai (s. d.) bekannte Muster,
das aus in gelblicher Farbenstimmung dargestellten, symmetrisch an einen Stengel
gereihten Narzissenblüten besteht. Die Hauptplätze für F. -Teppiche sind
Täbris und Terahan, von wo aus dieselben über Trapezunt durch Karawanen
in den europäischen Handel gelangen (s. a. den Artikel „Teppiche").
Ferandine, Ferrandine, früher ein leichter, halbseidener Stoff, dessen
Kette ganz von Seide, der Einschlag von Wolle, Baumwolle, Leinen oder auch
von Kamelhaar war. Er ähnelte dem Chaly, der Barege, der Alepine. Der
Stoff wurde in Frankreich gefertigt.
Ferda (arab.), TJmhüllungstuch der Orientalen.
Fere, La, Hauptort des Kantons F. im Arrond. Laon des franz. Depart.
Aisne: Drillich- und LeinwandhanSel.
Fernambuk, südamerik. Baumwollsorte.
Ferraschen heissen in Persien in den Häusern der Grrossen jene Leute,
welche die Aufsicht über die Teppichbestände haben: so genannt vom persischen
Fersch, der Teppich.
Ferte-Bernard, La, Hauptort im Arrond. Mamers des franz. Depart.
Sarthe: Leinwandindustrie.
Fes, Fez, (Fäs), eine der beiden Haupt- und Residenzstädte des Sultanats
Marokko. Hauptsitz der marokkanischen Industrie: man fertigt wollene Be-
duinenmäntel, Grürtel, wollene Decken, Sättel, seidene Tücher, rote wollene
Mützen, Leinen; war einst Hauptsitz der Teppich erzeugung in Marokko (s.
Marokkanische Teppiche).
Fes, türkische Kappen, rot und weiss, in verschiedenen Sorten unter
den Bezeichnungen Abas, Nisam, Servianen, albanesische, griechische u. s. w.,
bonnets de Turquie, estamets casquettes, sind die aus feiner Schafwolle ge-
strickten oder gewirkten, dann fest gewalkten runden Mützen, das Hauptstück
des Kopfputzes in der Türkei, welches die Stelle des Hutes vertritt und daher
einer von den einträglichsten und bedeutendsten Artikeln im levantiner Handel
ist, von den Griechen ohne alle Verzierung getragen, von den Türken in roter
Farbe mit einem Turban umgeben, von den Weibern in weisser Farbe, mit
Tüchern, Schleiern, Eransen und anderem Kopfschmuck verziert wird. Seit
1826 ist der Fes ein Uniformstück der türkischen Armee: Nisam. Gefertigt
werden diese Kappen seit uralten Zeiten in Fes ; seit dem 18. Jahrhundert
macht man sie aber in grossen Mengen auch in Italien, Frankreich, Deutsch-
land, Oesterreich und Böhmen.
Festenberg, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Breslau: Tuchfabrikation.
Festonnierapparat, Maschine der Stickindustrie zum Einfassen von aus-
geschlagenen Zacken u. dergl.
Festonstich, s. Maschinenstickerei.
Festonstressen heissen die doppelten, ausgebogten, gemusterten und an
der einen Kante oder an beiden durchbrochenen Tressen.
Fetabrun (filix) wächst auf Malta: Ersatzmittel für Baumwolle.
Feuchtwangen, Bezirksstadt in Mittelfranken: Leinen-, Woll- und Damast-
fabrikation.
Feuerhemd, in früheren Seekriegen angewandtes Kampfmittel: Leinwand-
stücke u. s. w., die, mit brennbaren Stoffen getränkt, an den feindlichen Schiffen
befestigt wurden, um sie in Brand zu setzen.
Feuersteinleinwand, Flintleinwand, mit grob oder fein gemahlenen Kiesel-
steinen bestreutes Gewebe, vorher mit Leimlösung bestrichen: Schleif- und
Putzmittel.
Fibroin, flüssiges Sekret der Seidenraupe, eigentlich die Seidensubstanz
der eigentlichen Seidenfaser, wurde in vorgeschichtlicher Zeit in Fadenform
ausgezogen und zur Herstellung von Saiten und Angelschnüren verwendet.
Indessen sollen nur die Chinesen (3000 v. Chr.) im Besitze dieses Materials
gewesen sein. Ein scheinbar ähnliches Produkt wird japanisch als Tengusu,
engl.: silkworn-got, franz.: fil de Florence genannt.
188
Fife— Filet.
Abb. 69.
Fife, Grafschaft in Schottland: bedeutend sind die verschiedenen Zweige
der Leinenmanufaktur; ausserdem Tuchfabrikation.
Figures de Chimay nennt man niederländische Spitzen, welche zu Henne-
gau verfertigt werden.
Figuriert (franz.: figure; engl.: figured), gemustert, verziert, namentlich
von Stoffen; s. fassoniert.
Filatomaschine , in der Seidenfabrikation eine Vorrichtung zum Auf-
drehen des Probefadens, das den Zweck hat, für irgend ein Seidengespinst die
Anzahl von Drehungen zu finden, welche auf eine bestimmte Länge sowohl
den einzelnen ßohseidenfäden als beim nachherigen Zwirnen dem Granzen
gegeben worden sind.
Filatorium (lat.), Seidenzwirnmühle oder auch Spinnmühle, Maschine,
auf der das Zwirnen oder Zusammendrehen mehrerer Kokonfäden zu einem
Fadenbündel (Rohseidenfaden) erfolgt.
Filatrice hat in Frankreich zweierlei Bedeutung: 1. die Florettseide;
2. einen Stoff, dessen Kette aus Seide, der Einschluss von Florett ge-
macht wird.
Fil d'Epreuve, eigentlich Toiles fil d'Epreuve, mittelfeine, bunte fran-
zösische Leinen, ganz aus Flachsgarn, blau und weiss gewürfelt, blau und
weiss gestreift, zuweilen auch in anderen Farben kariert und gestreift.
Fil de Forez, s. Leinengarn.
Fil de Sayette, s. Wollengarn.
Filet , ein durch Knüpfen aus Fäden hergestelltes Netz, das mittels eines
runden, glatten Holzstabes entsteht — dessen
Umfang die Grösse der Maschen bestimmt —
und der sogen. Filetnadel, einem dünen Metall-
stäbchen, das an beiden Enden gespalten ist
und in dem sich der streifenartig aufgewickelte
Fadenvorrat befindet. Der weiteren Ausbildung
der Technik liegt wohl das einfache Fischernetz
zugrunde, dessen Heimat kaum festzustellen sein
möchte; doch kann auch das Ausziehen von
Fäden, wodurch quadratischer Netzgrund ge-
schaffen wird, zur Vervollkommnung geführt
haben. Die ältesten Netzarbeiten (s. d.) sind
uns als Mützen aus den koptischen Gräbern des
5. — 7. Jahrh. erhalten, deren Herstellung aber
nicht immer auf dem einfachen Filetknoten be-
ruht. (Abb. 69.) Kopfnetze aus farbiger Seide
mit entsprechender Musterung kommen aus dem
13. — 14. Jahrh. und sind als rheinische Ar-
beiten bekannt. Als spitzenartige Decken und
Borten, meistens in weissem Garn, kommt die
eigentliche Filetarbeit gleichzeitig in Italien,
Spanien, Deutschland und Frankreich im An-
fange des 17. Jahrhs. vor; sie bildet bis ins
18. Jahrh. hinein eine der beliebtesten textilen
Kunstfertigkeiten und findet weite Verbrei-
tung durch Musterbücher. Die Musterung an und für sich schliesst sich
infolge der quadratischen Grundlage derjenigen für Leinenstickerei streng ''an
(Abb. 70) ; freiere Ausbildung erfahren die Muster durch den Filetguipüre und
die Filetstickerei (s. d.). Auch der Orient hat die Filetarbeit in Shawls und
dergl. aufgenommen, wo sie aber nur in bunter Seide zur Ausführung gelangt.
(Abb. 71.) Gewebte Filetstoffe, welche den klaren Gazestoflfen
ähnlich sind, erscheinen im Anfang des 17. Jahrhs. in Spanien und Italien,
man bediente sich ihrer für Durchzugarbeiten und Stickereien in farbiger
Seide (s. a. die Netzarbeiten unter Aegypten).
Filet de Cluny — Filetguipüre.
189
Abbildungen:
69. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Teil einer Mütze, in filetartiger Netzarbeit aus gelblichem Garn. Aus einem koptischen
Grabe 5. — 7. Jahrh.
70. Darstellung aus : Ornamentale und kunstgewerbliche Sammelmappe (Serie V)
des Kunstgewerbemuseums zu Leipzig. Tafel XXII. Decke in Filetarbeit aus weissem
Garn mit Darstellung von Tieren und Blütenzweigen in Umrandung einer Ranke mit
stilisierten Blütenpalmetten. Italien 17. Jahrh.
71. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerberauseum in Stuttgart:
Endigung eines Shawls, Filetarbeit in farbiger Seide, im Grunde Streumuster aus ßlüten-
zweigen, die Borte mit stehenden Bäumchen. Tärkei 18. — 19. Jahrh.
Abb. 70.
Filet de Cluny, französische Netzarbeiten aus dem 15. — 17. Jahrh. Sie
zeichnen sich durch einen sehr engen Netzgrund aus und durch dichtgestellte
Muster, die mit einem starken Faden umnäht sind.
Filetdurchzug, s. Filetguipüre und -Stickerei.
Filetguipüre nennt man die auf einem Filetnetz hergestellten Arbeiten,
deren Musterung sich nicht an die quadratische Grundfläche binden, sondern
in rundlichen Linien durch weitergeführte Fäden gebildet werden. (Abb. 72.)
Mit- dem Guipüre (s. d.) in passementerieartiger Ausführung hat die Technik
niißhts gemein.
190
Filetstickerei.
Abbil düng:
72. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Borte, sogen. Filetguipüre in weissem Garn: welliges Rankenmuster. Deutschland
Ende 17. Jahrh.
Filetstickerei, Durchzug von Fäden durch die Maschen eines geknüpften
oder gewebten Netzes ; erscheint im XIY. Jahrhundert als rheinische Kloster-
Abb. 71.
arbeit, im XYI. Jahrhundert in Italien (Abb. 73) und (Abb. 74) Spanien für
profane Zwecke reich in farbiger Seide ausgeführt. Als eine andere Art der
Abb. 72.
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Filetstickerei ist diejenige zu bezeichnen, wenn das gröbere Netz als Auflage
für ein aus Leinen ausgeschnittenes Muster dient, dessen Ränder in farbiger
Seide bestickt: sie wurde im 17. Jahrh. in Italien und Spanien geübt. (Abb. 75.)
Abbildungen:
73. Originalauf nähme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Borte in Filetstickerei aus gelblichem Garn auf weissem Netz, mit eckig gelegtem
Rankenmuster, das in distelartige Palmettenblüten endigt. Italien Ende 16. Jahrh.
Filieren — Fillingmaschine .
191
74. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Borte in Filetstickerei aus bläulichem Garn auf weissem Netz mit Muster aus Blüten
und schrägen Balken. Spanien Ende 16. Jahrb.
75. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Borte,
Aufnäharbeit aus weissem Leinen mit farbiger Seidenstickerei auf grossmaschigem grün-
seidenem Filetnetz. Italien 17. Jahrb.
Abb. 73.
Abb. 74.
Abb. 75.
auf
Filieren, in der Seidenfabrikation, s. v. w. Zwirnen.
Filierte Seide, der aus mehreren Kohseidenfäden gezwirnte Seidenfaden,
Filik-Teppiche werden orientalische Teppiche aus Ziegenhaar genannt.
Filla (lat.), Schnur, mit der ein Spiegel befestigt wurde.
. Fillingmaschine, bei der Verarbeitung der Florettseide eine Maschine,
der das Material in ein Vliess verwandelt und sodann in gleiche Längen
192 -Filo ad un dente — Finsterwalde.
zerschnitten wird, um die Arbeiten des Dressierens (Kämmens) und Spinnens
zu ermöglichen.
Filo ad un dente, in Neapel eine Art Taffet, der von sog. Scomiglia-
seide gewebt und einem seidenen Schleier ähnlich ist, weshalb ihn die Ita-
liener auch Yelo sengro nennen.
Filo d'Angora, in Italien und Oesterreich das gesponnene Ziegenhaar.
Filoschegardine, s. Filousche.
Filoselle, Filosello (ital.), Florettseide, d. s. Abgänge von Grespinstresten,
w^elche das Rohmaterial zur Florettindustrie abgeben (s. d,).
Filousche, Filouche, Filosch, ein dünner durchsichtiger Baumwollenstoff
mit Lein wandverbindung; man rechnet ihn unter die Musseline oder Gazestoffe.
Filtrierstoffe, s. Filtriertuch.
Filtriertuch, Filtertuch, Filtrierbeutel, ein dicker loser Wollstoff, der
entweder durch Weberei aus gedrehtem Grarn oder auch durch Filzen herge-
stellt wird. In allen Teilen muss der Stoff hinreichend lose sein, um Flüssig-
keiten schnell durchzulassen, und hinreichend feinporig, um auch sehr feine
feste Körper zurückzuhalten. Wolle ist nach ihrer natürlichen Beschaffenheit
hierzu besonders geeignet.
Filtrum (lat.), Filz; filtreus: aus Filz gemacht.
Filure (franz.), Gespinst.
Filz ist ein Stoff aus Wolle und Tierhaaren, die man mit Hilfe von
Wärme und Nässe auf einer Filztafel mit einem Filzeisen oder Filzblech von
Eisen oder Kupfer über Kohlenfeuer derartig ineinandertreibt , dass sich die
kurzen Härchen erst locker ineinanderschlingen, worauf man sie in einem
AVaschkessel mit warmem Wasser und Weinsteinlösung ineinander walkt.
Filzgarn, gefilztes Grarn, ein zu den Kunst- oder Ziergarnen (Effekt-
garnen) gehöriges Garn. Als E-ohmaterial ist nur filzfähiger Faserstoff, wesent-
lich also Streichwolle anwendbar. Die Herstellung geschieht nach dem gewöhn-
lichen Spinnverfahren bis zum Vorgarn. Der Yorgarnfaden aber wird nicht
auf dem üblichen Wege durch Strecken und Drehen in fertiges Garn ver-
wandelt, sondern durch Yerfilzung der Haare des Yorgarnbündels. Der Filz-
prozess ist derselbe wie bei gefilzten Stoffen. F. ist weicher und glätter als
gedrehtes Garn uad besitzt einen matten Glanz. Verwendung findet es ver-
einzelt als weiches Schussgarn, sowie zu Posamentierartikeln u. a.
Filzmaschine, eine in der Filz- und in der Tuchfabrikation gebrauchte
Maschine, auf welcher eine vorbereitete Fache oder ein Haarverliess die Be-
schaffenheit des Filzes erhält (s. Filz).
Filzmühle oder Walkmühle, eine Art Filzmaschine (s. Tuchfabrikation).
Filzteppiche werden nicht gewebt, sondern gestampft und kommen vor-
züglich in Yezd, Ispahan, Khain u. a. 0. in Persien vor. Es gibt drei Sorten,
die sich nach der Stärke unterscheiden (s. Nemed).
Filztuch, im gewöhnlichen Sinne ein Wollstoff, der durch Filzen der auf
den Yorspinnmaschinen erzeugten Decken oder Pelze hergestellt wird und zu
Fussdecken, Pantoffeln, Bieruntersätzen u. a. dient. — Dann auch ein aus
kräftiger Streichwolle hergestelltes dickes Gewebe, das durch Walken stark
verfilzt ist; es wird als Zylinderüberzug in der Papierfabrikation benützt,
Fimbria (lat.), goldgestickter Saum, Franse, auch Halskrause ; fimbriatus,
mit Goldstickereien oder Fransen eingefasst.
Finastre, eine der schlechtesten Sorten Ardassinseide aus Smyrna.
Finette, eine Art der französischen Serge.
Finishing, der englische Ausdruck für die Schlussoperationen der Appre-
turverfahren, welche den Zweck haben, die Ware verkäuflich zu machen.
Fin trait, eine Gattung Segeltücher aus Abbeville.
Fiocchi (ital.), Quasten von Leinenschnüren, die sich im 17. Jahrhundert
im Zusammenhange mit den Spitzen entwickelt haben.
Fior di Francia heissen in Italien die broschierten Atlasse.
Finsterwalde, Stadt im Kreis Luckau des preuss. Eeg.-Bezirks Frank-
furt: Tuchfabrikation (21 Fabriken mit 5 — 600 mechanischen Stühlen und
Fischtücher— Flachs. 193
12 — 1300 Arbeitern). Das hier hergestellte fast ausschliesslich schwarze Tuch
wird auf Messen in Leipzig, Frankfurt a. 0. und Braunschweig abgesetzt,
sowie nach Schweden und der Schweiz versandt.
Fischtücher, eine Gattung wollener Tücher für den levantiner Handel,
welche in Sachsen, Schlesien und Böhmen gewebt und in den orientalischen
Farben gefärbt werden, Ihren Namen haben sie von den zwei Fischen, welche
auf ihrem Bleistempel den Namen der Fabrik umgeben.
Fischu, Fichu (frauz.), kleine Frauenhalstücher, welche durch Maria An-
toinette in Mode gekommen sind und zuerst aus einer den Malines (s. d.) ähn-
lichen Spitzen bestanden.
Fitze, s. G-arn.
Fixe (franz.), kleines Bild auf Leimvand oder Seidenstoff, bedeckt von
einer Glasplatte, wie sie früher zur Ausschmückung der Möbel angewendet
wurden.
Flachdraht, s. Lahn.
Flachs, Lein, der allgemeine Name für mehr als 24 verschiedene Pflanzen,
die sich durch den fünfblättrigen Kelch, durch die fünfblättrige Blumenkrone
und durch die fünfschaligen Samenkapseln, die in jedem ihrer zehn Fächer
einen einzelnen Samen enthalten, auszeichnen. Eine dieser Arten ist der be-
kannte gemeine Flachs, gemeine Lein, Linum ussitatissimum, dessen eigent-
liches Yaterland imbekannt ist; doch findet man ihn in einigen südlichen
Ländern, in Aegypten , in Spanien und auch in der Schweiz, wild ohne alle
Pflege wachsen. Der Flachsbau ist über ganz Europa verbreitet, doch mehr
im nördlichen, als im südlichen. Lein heisst eigentlich die ganze Pflanze,
Flachs aber das daraus zum Garnspinnen vorbereitete Material. (Vgl. die
Artikel Byssus und Lein.)
Ln Handel kommen folgende Sorten von Flachs vor:
Aegyptischer Flachs, ungewöhnlich lang und von rötlicher Farbe;
meistens sehr stark, daher nur zu grober Leinwand brauchbar.
Archangeler Flachs, lang, weich, grau in der Farbe; man schätzt ihn
dem Petersburger gleich.
Böhmischer Flachs wird unter den deutschen Sorten nächst den lüne-
burger am meisten geschätzt, er ist rein und von langem glänzenden Haar.
Danziger Flachs kommt in 6 Sorten in den Handel; die beste Sorte ist
rigaischer Rakitzer, dann folgt podolischer und als dritte Sorte oberländischer.
Paternoster ist gering. Zweiband und Dreiband sind unrein.
Finn ländischer Flachs ist von grüner Farbe.
Flandrischer Flachs, eine der besten und feinsten Sorten, welcher den
irländischen besten Arten gleichkommt. Die Einwohner verarbeiten hiervon alles
selbst für Batist-, Spitzen- und Leinwandwaren, so dass kaum etwas in den Handel
kommt.
Französischer Flachs ist gleich dem flandrischen fein und wird auch zu
den feinsten Geweben und Spitzen verarbeitet. Man erhält daraus die unter den
Bezeichnungen Ramie und Lin de fin bekannten Sorten; Lin de gros dient nur zu
mittelfeinen und starken Gespinsten.
Holländischer Flachs wird wegen seines feinen und glänzenden Fadens,
seiner Länge und Güte dem flandrischen gleichgeschätzt.
Irländischer Flachs ist unter allen bekannten Sorten der feinste und beste ;
er kommt aber nicht in den Handel, weil man nur so viel baut, als in den englischen
Spinnereien gebraucht wird.
Königsberger Flachs kommt in verschiedenen Sorten nicht allein aus Ost-
und Westpreussen , sondern aus Polen und den angrenzenden russischen Provinzen
nach Königsberg. Man unterscheidet unter folgenden Namen: Feiner oder Königs-
berger Rackitzer, Kaydans R. , Drujaner R., Podolischer R.; Kettenflachs in Weiss,
Blau, Grau und Silberfarbig; Oberländischer, Paternoster, Liebstädter, Bauerband;
Flachsdos nennt man den verwirrten Flachs.
Libauer Flachs sind im Kürland erbaute Sorten von geringer und un-
reiner Art.
Lüneburger, braunschweiger, hannoveraner Flachs rechnet man
unter die besten deutschen Flachssorten; er wird meist aus dem sogen. Schiesslein
erzeugt.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 13
194 Flachsgarn — Flandrische Leinwand.
Memeler Flachs wird in fünf Sorten geteilt unter gleichen Bezeichnungen
wie Königsberger.
Xarwaer Rein flachs ist eine gute und rein gehechelte Ware, die nicht
häufig vorkommt,
Neuseeländer Flachs wird aus den Blättern einer auf den Inseln von
Neuseeland wild wachsenden Pflanze, Phormium tenax, die zur Familie der Lihaceen
gehört, gezogen. Man bezeichnet diese Art des Flachses auch oft Manilahanf, doch
mit Unrecht, da dieser (auch Abaka genannt) von der Musa textilis gewonnen wird.
Beide haben aber sehr viel Aehnlichkeit miteinander.
Oesterreichischer, kärntner und tiroler Flachs ist von geringerer
Qualität als der böhmische und mährische.
Peru auer Flachs enthält viel Werg, die beste Sorte ist der sogen, geschneide.
Petersburger Flachs wird sehr geschätzt, seine Farbe ist naturbräunlich,
er wird indessen bald weiss.
Riga er Flachs kommt unter allen Grattungen im Handel am häufigsten und
in grossen Mengen vor, weil R. der wichtigste Stapelplatz für diesen Artikel ist.
Sächsischer und lausitzer Flachs ist dem böhmischen an Güte gleich;
man ist im übrigen seit lange in Sachsen bemüht, die belgische Methode des Flachs-
baues einzuführen.
Schlesischer Flachs ist fein, fest und rein gehechelt; man hält ihn nächst
dem böhmischen und mährischen für eine der besten Sorten.
Thüringischer Flachs; man baut in Thüringen, wie in Hannover und
Braunschweig zwei Arten von Flachs: Klängellein, Klanglein und Springflachs.
Ausserdem wird der Flachsbau in allen Gegenden Deutschlands betrieben:
Bayern, Württemberg, Hessen, Baden, Westfalen u. s. w.; er kommt aber in
Mengen nicht in den Handel, weil er in den ihn erzeugenden Ländern zu Leinwand
verarbeitet wird.
Flachsgarn, s. Leinengarn.
Flachsspinnerei, s. Spinnerei.
Flachstich, s. Plattstich und Stickerei.
Flachswolle, aus der rohen Flachsfaser durch wiederholtes Behandeln
mit Sodalösung und nachfolgendes Neutralisieren durch Schwefelsäure dar-
gestelltes Surrogat für Baumwolle , das bisher aber noch wenig praktische
Verwertung gefunden hat.
Flackmaschine, veraltete Bezeichnung für Schlagmaschine.
Flaggentücher oder Schiffsfahnen werden von leichtem Wollenzeug her-
gestellt, das man Fahnentuch nennt (s. Fahne).
Flaine, eine Art Coutils oder Bettzwilliche.
Flämisch Leinen, Ylämisch Leinen, ist einfache, gedrungen gewebte
russische Leinwand von sächsischem Garne, welche in den südlichen Gegenden
des Reiches gefertigt, ungebleicht nach Holland, England und Amerika ver-
kauft werden.
Flammes, französische, buntgeflammte, auf Leinwandart gewebte Zeuge,
deren Kette aus Leinengarn, der Einschlag aus Baumwolle besteht.
Flammierte, geflammte, chinierte oder jaspierte Stoff'e heissen diejenigen
tuchartigen Gewebe, welche flammige Streifen oder gesprenkelte, lange Linien haben.
Man färbt dazu bestimmte Garne so, dass mehrere Stellen weiss bleiben, die übrigen
aber die beliebige Farbe behalten, daher man die zur Kette oder zum Ein-
schlag bestimmte Garnstrehne mit Bindfaden so umbindet , dass die Farbe die
bewickelten Stellen nicht berühren kann und diese deshalb weiss bleiben.
Auch mehrere seidene oder reiche Stoff'e, sowde Bänder, auch genähte oder gestickte
Arbeiten, die ein flammenartiges Muster oder gleichsam einen geflammten Glanz
haben, nennt man flammiert oder flammig.
Flamski Polotno oder Plotno, Polotno heisst auf russisch die flächsene
Leinwand ; man versteht darunter alle auf niederländische oder flandrische Art
gewebte Leinwand; insbesondere begreift man darunter in Petersburg die beste
Sorte der sogenannten flämisch Leinen (s. d.).
Flandrische Garne, s. Leinengarn.
Flandrische Leinwand werden im allgemeinen die besten und feinsten
Leinengewebe genannt, die in den ehemaligen französischen und österreichischen
Niederlanden gefertigt wurden.
Flandrische TextilerzeugDisse — Flanell.
195
Flandrische Textilerzeugnisse älterer Zeit siehe unter Wandteppiche,
Weberei und Spitzen.
Flanell oder Flonell, Franella, Fa-lan-jin, Fa-lag-nel, Faupak, ein leichtes,
Abb. 76.
Abb. 77.
tuchartiges Gewebe aus Wollengarn, welches entweder gar nicht oder nur sehr
wenig gewalkt (gewaschen), dann gerauht, aber nicht geschoren wird, und mit
verschiedenen Abänderungen, glatt, gepresst,
frisiert , geköpert , gedruckt und gestreift, in
verschiedener Feinheit in den Handel kommt.
Bei allen Grattungen wird zur Kette aus zwei-
schüriger Wolle fest gesponnenes Grarn genommen,
zum Einschlag Streichwolle. Vielfach wird auch
Fl. mit baumwollener Kette gemacht, den man zu-
weilen Hemderflanell o der Bolivarflanell nennt.
Bei einigen bunten gestreiften Gattungen ist die
Kette Leinengarn, und der Einschlag Schafwolle.
Man webt den F. wie Tuch, doch da er nur die
Wäsche mit Seife bekommt, so wird er etwas
dicht geschlagen , wodurch er sich vom Boy
unterscheidet, der stärker gewalkt wird. Das
Rauhen geschieht nur einmal; nach demselben
wird er geschwefelt und nass in die Rahmen
gespannt. Die feinsten Sorten erhalten einen
Köper, wie Kersey, und sind unter dem Namen
Gesundheitsflanell, geköpert er Fl. be-
kannt. Die Herstellungsorte in Deutschland sind
Sachsen, Thüringen, Württemberg, Preussen,
Hannover, Hessen. In grossen Mengen findet
Fl. zu Frauenunterröcken Verwendung. lieber
gedruckten oder türkischen Flanell vgl. den
Artikel Golgas. In früherer Zeit wurden vor-
zugsweise in Flandern feine Flanelle hergestellt,
später auch in England und Nordfrankreich,
heut stehen die deutschen Fabrikate den fremdländischen nicht nach. lieber
flanellartige Zeuge wie Moltons, Boy, Fries, Lamas, Bajetas vgl. die einzelnen
Artikel.
196
riatted wire — Flechtbänder.
Fiatted wire (engl.), s. Lahn.
Flaus (Fries, Coating), tuchartiges, zuweilen geköpertes Grewebe, ist
dicker und hat längeres Haar als gewöhnliches Tuch.
Flechtbänder oder Bandmuster sind als Begrenzung deckender Flächen
Abb. 78.
aus Produkten der textilen Kunst durch Flechten, "Weben oder Sticken hervor-
gegangen und in dieser Bedeutung auch auf die allgemeine Formensprache des
Kunstgewerbes übertragen worden. Die ersten schmückenden Formen derselben
gingen aus dem technischen Yerfahren hervor, welche bei ihrer Herstellung
Flechtbänder.
197
stattfand: d. s. Reibungen von Flecbtmotiven, deren älteste Beispiele uns scbon
aus dem alten Aegypten und Assyrien (Abb. 76) bekannt sind, von wo sie das
Abb. 79.
Abb. 80.
klassische Altertum übernahm (Abb. 77) und weiter künstlerisch ausbildete.
Tom Besatz- oder Bortenmotiv, für welches in der Textilkunst eine eigene
Technik (s. Brettchenweberei) von frühesten Zeiten an nachgewiesen ist, welche
198
Flechtbänder.
der Bortenwirkerei (s. d.) zugrunde liegt, geht das Flechtbandmuster über als
reine Grundfüllung (Abb. 78), wozu der arabische Einfluss (s. arabischer Stil)
beiträgt, welcher es bis zum 13. Jahrh. immer mehr selbständig erscheinen
lässt. (Abb. 79 u. 80.) Auch in China und Japan wird das Motiv des Flecht-
bandes aus der Technik heraus entwickelt, wobei als Ausgangspunkt einesteils
der Mäander (Abb. 81), aber auch jene Flechtart wahrzunehmen ist, welche
auf breiten Knotenverschlingungen beruht, die sich als Flachmuster aus-
dehnen. (Abb. 82.) Yom Orient aus nehmen die Flechtbandmuster mit den
übrigen Motiven der Textilkunst ihren Weg nach Europa, wobei seit dem
16. Jahrh. in Spanien, Italien und Deutschland eine Umwandlung zu erkennen
ist, welche die ursprüngliche Bedeutung derselben hinten anstellt (Abb. 83 u. 84)
und vielmehr auf die geflochtene Matte als die Entstehung derartiger breiter
angelegter Flechtbandmuster hinzudeuten scheint.
Abb. 81.
Abbildungen:
76. Darstellung aus: Semper, Der Stil u. s. w. Bd. 1, Taf. XII. München 1878:
Doppelborte mit Flechtband und Palmeiten; von einer assyrischen Wandmalerei.
77. Darstellung aus: Margarethe Lehmann-Fühes, üeber Brettchenweberei.
Berlin 1901: Bandornament auf einem römischen Mosaikfussboden.
78. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Aufsatzstück
eines Gewandes, gobelinartige Stopfarbeit in violetter Wolle, darauf in feinem weissen
Garn gestickt: Muster aus Flechtband und Rosetten. Original aus einem koptischen
Grabe 5. — 8. Jahrh.
79. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Bl. 2, Fig. 1. Leipzig 1896: R(/sette
aus Flechtbandwerk in Umrahmung von zwei durchsteckten Quadraten. Original auf
einem spanisch-maurischen Seidenstoff des 13. — 14. Jahrh. in der Stoffsammlung des
Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin.
80. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Bl. 2, Fig. 2. Leipzig 1896: Rosette
aus Kelchpalmetten im Yierpass, in Umrahmung eines rund gelegten doppelten Flecht-
bandes, Original auf einem arabisch-indischen Seidenstoff des 13. — 14. Jahrh. in der
Stoffsammlung des König]. Kunstgewerbemuseums zu Berlin.
81. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Bl. 100, Fig. 1. Leipzig 1896:
.Flechtbänder.
199
Rosette aus Flechtbandwerk mit stilisierten Blütenranken. Original aus einer Weberei
in farbiger Seide im Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin. China 18. — 19. Jahrh.
v^l
E.^
Abb. 83.
Abb. 84.
82. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidengewebe, Grund blassgrün, Muster gelb, die runden Felder Goldpapier: Rauten-
felder aus Flechtbandwerk enthalten eingerahmte Rundbilder mit Drachen. Japan
um 1800.
200 Flechtenstich— Flockentuch.
83. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Leichtes Seiden-
gewebe, Grund grün, Muster gelb: In Keihen versetzte Gruppen von Flechtbandwerk.
Deutschland (?) 16. Jahrh.
84. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stickerei auf Kanevas in farbiger "Wolle und etwas Seide, Muster aus Flechtbandwerk.
Süddeutschland 16.— 17. Jahrh.
Flechtenstich, s. Zopfstich.
Flechtspitze ist die einfachste Form der Klöppelarbeit, sie wird haupt-
sächlich in der sogen. Vierflechte ausgeführt, bei der sich die Fäden bald
gerade, bald schräg bewegen und mit den entgegenkommenden verkreuzen
(s. Spitzen\
Flechtwerk, s. Flechtbänder.
Fleecy-Hosiery (engl.), gefüttertes Strumpfzeug aus Baumwolle, auf der
einen Seite glatt, auf der anderen aber durch die eingelegte, fest in die Maschen
eingewirkte offene Schafwolle völlig rauh wie ein Pelz, und je nach den Be-
dürfnissen von verschiedener Dicke. In Deutschland wird der Artikel für
Mützen, Strümpfe, hauptsächlich aber für Jacken, gefertigt.
Flems (engl.), flämische Leinen (s. d.).
Flensburg, Stadtkreis im preuss. Beg.-Bez. Schleswig: Tuch- und "Woll-
warenfabrikation.
Flers, Hauptort im Arrond. Domfront des franz. Depart. Orne : Spinnerei
und "Weberei.
Fleurance, Hauptort des Kantons F. im Arrond. des franz. Depart Grers:
Baumwollspinnerei.
Fleur de lis, s. Lilie.
Fleuret ist Florett (s. d.) auch Florettseide.
Fleurets nannte man früher die ausgesuchten und besten B,ouen blancards,
eine aus halbgebleichtem Garn gewebte Leinwand, welche von Bouen und
Morlair nach Holland und England ging, und dort besser gebleicht und appre-
tiert nach Amerika und Westindien gesandt wurde. Heut ist der Name Fleuret
veraltet, man nennt den Artikel Blancard.
Fleurier, Ort in der Schweiz: Erzeugung von Spitzen seit dem 17. Jahr-
hundert.
Fleuron, ein leichter französischer Stoff von Seide, Leinen und Wolle,
der früher in Amiens gewebt wurde.
Fliess, Yliess, s. v. w. Schafwolle.
Flinder, s. v. w. Flitter (s. d.); daher die Flinderhaube, mit Groldplättchen
behängte Staatshaube der Frauen im Mittelalter.
Flittern, Flinkem, Flinder, Pailletten, (engl.: spangles) Plättchen, sind
kleine dünne Scheiben von Messing-, Tombak- oder Silber- und Golddraht
geschlagen. Man verwendet sie seit dem frühesten Mittelalter zu (echten und
unechten) Stickereien. Hier waren es oft grössere in Relief getriebene leichte
Platten, die im Sinne der Brokatweberei als Vorläufer der Aufnäharbeit
gelten.
Flixcourts, französische Leinen, die in der Gegend von Amiens gewebt
werden.
Flocard (franz.), quastenähnlicher Zierat am Pferdeharnisch.
Flocart, floquart (franz.), der Schleier, welcher von der Spitze der bur-
gundi sehen Haube (hennin) herabhing.
Floches, dünne Näh-, Posamentier- und Fransenseide.
Flocken, s. Wolle.
Flockenleinwand oder Fockenleinwand sind die aus dem geringen, groben
Werggarn gewebten Packleinen, welche aus Sachsen anter dem Namen Barras
in den Handel kommen.
Flockentuch, ein in früherer Zeit sehr gangbares grobes und starkes
Tuch aus Abgängen der Wolle in der Spinnerei. Statt desselben fertigt man
in England Tuch aus Shoddy wool.
Flockseide— Florenz. 201
Flockseide, (franz.: Frisons), Abfall vom äusseren unregelmässig ge-
sponnenen Teil der Kokons, welcher in der Florettindustrie Verwendung
findet. In Japan kommen Frisons meistens in Wattenform in Verkehr.
Flocktapeten, Leinentapeten, auf welchen das Muster durch Auftragen
von pulverisierter Flockenwolle (d. i. Abfall beim Scheren des Tuches) auch
Seidenstaub hergestellt worden ist. Dieselben wurden zuerst im Anfange des
17. Jahrhunderts von Audrian in Paris aus Wachstuch gemacht. Nach Beck-
mann (Geschichte der Erfindungen, Leipzig 1784) ist das Alter der Herstel-
lungsart fraglich). Derselbe schreibt sie dem Engländer Lanyer (1644) oder
dem Franzosen Frangois (1620) zu. Sie waren auch unter dem Namen Tapisserie
de tonture en laine bekannt.
Flockwolle ist Scherwolle.
Flocone ist der dicke, weiche und flockige Paletotstofi"; sein eigentüm-
liches Aussehen wird ihm mittels verschiedener Arten der Appretur erteilt.
Seine Herstellung geschieht, indem nach 1 oder 2 Grundschüssen 1 mehrfacher
Grundschuss erfolgt, der auf der rechten Seite der Ware stellenweise flottiert
und dann in Tuch verbindet. Die ungebundene Stelle dient zur Bildung
des Flors.
Flohteppiche, Händlerbezeichnung für eigentümliche persische Knüpf-
teppiche: sie zeigen eine kleine stilisierte Palmettenmusterung auf rotem Grunde.
Flor, allgemeine Benennung für ein dünnes, durchsichtiges oder netz-
artiges Gewebe, bei welchem die Fäden der Kette und die Einschlagfäden
merklich voneinander abstehen, in vielen Sorten und verschiedenem Material.
Ein wesentlicher Unterschied ist nicht zwischen Flor und Gaze, auch der
Musselin hat ein gleiches Gewebe. Im allgemeinen ist die Bezeichnung Flor
für offene oder klare Gewebe veraltet, statt seiner ist der Ausdruck Gaze
(s. d.) für dergleichen gebräuchlicher.
Flor nennt man auch bei der Sammet- , Felbel- und Manchester-
weberei die in die Grundkette eingeschlagenen Fäden, welche über erstere
hinaustreten.
Florence, ein glatter in Leinwandbindung hergestellter Seidenstoff, zu
welchem nur die feinen Gattungen der Seide verwendet werden und welcher
an die Stelle des Taffets getreten ist. Er unterscheidet sich von diesem durch
einen grösseren Glanz, der teils durch die dazu genommene ganz gekochte
Seide (tout cuit), teils durch eine sorgfältige Appretur entsteht. Man machte
den Stoff zuerst in Florenz, woher er seinen Namen hat.
Florentiner Rasch, Haso di Firenze, eine eigene Gattung feiner bunt-
farbiger Hasche, welche in Florenz aus dem feinsten und zartesten Wollengarn
gewebt und in Ballen zu Anzugsstoffen für Männer verarbeitet werden; man
nannte den Stoff sonst auch Finette.
Florentines, Florentins, nennt man feine, geköperte Wollenzeuge aus den
Wollenmanufakturen von Norwich und Halifax.
Florenz (ital.: Firenze; lat. : Florentios), Hauptstadt gleichnamiger ital.
Prov. ; Die Seidenverarbeitung wird um das Jahr 1204 eingeführt und erreicht
ihre Blütezeit im 14. Jahrh. Gegen Ende des 13. Jahrh. kommt durch süd-
deutsche Mönche die Tuchweberei hierher und die Fabrikate sind im 14. und
15. Jahrh. im Orient wie im Abendlande stark begehrt. Der steigende Reich-
tum in der Residenz der Medicäer, die in grosser Anzahl arbeitenden Web-
stühle und die handfertigen Weber waren der Einführung der Seide günstig.
Man besitzt einen interessanten Aufsatz der florentinischen Seidenweber des
14. und 15. Jahrb., der meist in Form eines Dialogs gehalten, aber genaue
Angaben über Technik und Webekunst der Seidenstoffe liefert. (Vgl. Silber-
mann, die Seide. Dresden 1897. Bd. I, S. 81.) Vom Ende des 15. Jahrh. an
entstehen Sammet-, Gold- und Silberbrokate, welche die bis dahin in den be-
rühmten Herstellungsorten Lucca, Pisa und Genua gefertigten Stoffe über-
trafen. Im 16. Jahrh. ging die Textilindustrie infolge innerer Kämpfe schon
zurück; nur die Herstellung genähter Spitzen erhielt sich länger. Auch in
neuerer Zeit ist die Industrie nicht bedeutend.
202 Floret— Fontange.
Floret, riorets, Spiegeldamast, ein glänzender, figurierter Wollenstofi"
s. Droguet.
Floret, s. Florett und Seide.
Floreteades, im spanis<jlien Handel die Popeline.
Florettas ist der Name feiner weissgebleichter flandrischer Leinen, welche
durch das feine ausgesuchte flächsene Garn und durch die sorgfältige Arbeit
einem starken Batist ähnlich sehen.
Florettband, Frisoletband; im allgemeinen eine geringe Bandsorte von
Florettseide, welche nur aus einem schmalen leinwandartig verbundenen Ge-
webe besteht und in bunten Farben einfach und gestreift und auf Bandmühlen
oder Mühlenstühlen mit vielen Gängen gefertigt wird. Es hat nicht das glatte,
glänzende Ansehen des ganz seidenen Bandes, weil die Knoten der ungleichen
Fäden der Florettseide sich bei aller Appretur doch nicht völlig wegbringen
lassen.
Florettindustrie, Zweig der Seidenabfall Verarbeitung, welche im Anfang
des 18. Jahrhunderts besonders in der Schweiz und im Elsass zur Entwick-
lung gelangte. Sie beruht auf der Nutzbarmachung aller Abgänge von wirren
Gespinstresten und dergl. , welche sich bei der Baupenzucht und Gewinnung
der Seide aus den Kokons ergeben; man ist bemüht, ihre Leistungsfähigkeit
durch chemische und maschinelle Erfindungen fortgesetzt zu verbessern (s.
Seidenabfälle und Florettspinnerei). Die Grossindustrie des Floretts , d. i.
mechanische Seidenspinnerei, beginnt erst um 1860, hat sich aber, wie kein
anderer Zweig der Textilindustrie, schnell entwickelt. In der Schweiz hatte
die Florettindustrie als Hauptgewerbe schon im Jahre 1555 bestanden und war
im 18. Jahrhundert namentlich an den Ufern des Yierwaldstädter Sees rege
betrieben worden. Die erste mechanische Florettspianerei entstand 1830 in
Basel. In Frankreich war das Florettgewerbe schon im 13. oder 14. Jahr-
hundert im Betrieb, doch war die Qualität der Gespinste gering. (Vgl. Silber-
mann, die Seide. Dresden 1897. Bd. II, S. 1 ff.)
Florettleinwand, s. Florleinwand.
Floretts, ein dem Satin ähnlicher glänzender wollener damaszierter Stofi"
aus englischen Manufakturen, für Landleute bestimmt. Man nennt ihn auch
Spiegeldamast.
Florettspinnerei, s. Florettindustrie.
Florida (Pensacola), nordamerikanische Baumwollsorte, weiss ins Grau-
gelbe, minder glänzend und kräftig im Faden.
Florleinwand oder Florettleinwand nennt man Gewebe, die sich von der
gewöhnlichen dünnen Leinwand darin unterscheiden, dass sie aus glatten, feinen
Fäden ganz locker geschlagen sind, so dass der Einschlag wie die Kette von-
einander abstehen und dass bei gleicher Breite die Kette dazu weit weniger
Fäden hat, als die Kette zur gemeinen Leinwand; ferner, dass der Schuss
nicht mit der Lade festgeschlagen, sondern jeder neu eingeschossene Faden
genau in dem gehörigen Abstand von dem vorhergehenden bleiben, wozu man
sich des sogen. Regulators (s. Webemaschinen) zu bedienen pflegt.
Flottliegend heissen bei atlasartigen Geweben die oben aufliegenden, die
BinduDgen verdeckenden Kettenfäden.
Flüchtige, flüchtig stehende oder geschossene Zeuge nennen die "Weber
diejenigen, welche weit im Blatt stehen und locker geschossen werden.
Foes, ein leinwandartiges Baumwollengewebe.
Folie ist das zu dünnen Blättern oder Blechen geschlagene Metall,
welches in verschiedenen Formen (Sternen, Blattrosetten u. dgl.), in ähnlicher
"Weise wie Flittern (s. d.) , namentlich in bäuerlichen Stickereien Ver-
wendung findet.
Fond, le, das Einnähen der Schlingstiche für Nähspitzen.
Fond d'or ist Goldstoff".
Fontange (franz.), hohe, über ein Drahtgestell aus Spitzen oder Flor
aufgebaute Frauenhaube, getragen bis etwa 1720. Die Herzogin von Fon-
tanges soll diesen Kopfputz zum Schutze gegen die Sonne erfunden haben.
Fontenay-le-Comte — Frankenberg. 203
Fontenay-le-Comte , Hauptstadt des gleichnamigen Arrond. im franz.
Depart. Yendee: Tuch- und Leinwandindustrie.
Forcalquier, Hauptstadt des Arrond. F. im franz. Depart. Basses-Alpes :
Seidenspinnerei.
Forchheim, Stadt im bayer. B,eg.-Bezirk Oberfranken: Spinnereien und
Webereien.
Fordingbridge, Stadt in der engl. Grafschaft Hampshire: Leinenmanu-
faktur und Kattundruckerei.
Forenza, Ort in der ital. Provinz Potenza: Leinwandindustrie.
Forestieri (drappi), im italienischen und levantinischen Handel die fran-
zösischen Tücher, welche den niederländischen nachgemacht sind,
Forets-whites, auch Penistones, sind englische wollene Tücher.
Forfar, Hauptstadt gleichnamiger schottischer Grafschaft: Leinwand-
industrie.
Forillos crudos nennen die Spanier die beste Sorte der schlesischen
ungebleichten Platilles.
Formen- oder Leinenschlagspitze bemüht sich durch gobelin- und leinen-
artige Bindung breitere Flächen herzustellen; der einfachere Flechten schlag
wird dabei fast nur für die Yerbiadungen angewendet.
Fossano, Stadt in der ital. Provinz Cuneo: Seidenspinnerei und -Weberei;
Tuchfabrikation, bedeutender Handel.
Fossombrone, Stadt in der ital. Provinz Pesaro e TJrbino : bedeutende
Seidenindustrie (Seta della Marca), s. d.
Fossys sind eine Art ostindischer baumwollener Zeuge von verschie-
dener Farbe.
Fotalongees, ostindische, von Baumbast und Seide gemalte Stoffe mit
Streifen.
Fotas, Fottes, Foras (franz.: phottes), eine Gattung baumwollener, bunt-
gewürfelter und buntgestreifter Tücher, welche die Franzosen früher von der
Küste Coremandel und aus Bengalen und an den afrikanischen Küsten in den
Handel brachten.
Fougeres, Hauptstadt im gleichnamigen Arrond. des franz. Depart. Illa-
et-Yilaine : Wollspinnerei und -Wirkerei.
Fougeres, Namen verschiedener Sorten französischer Leinen. Fougeres
d'Emballage : starke hänfene Packleinen; F. halles : flächsene ungebleichte Leinen;
de menage: eine weiss gebleichte, gedrungene Leinwand.
Foulard, Foulas (franz.), leichter Seidenstoff, Kette von ungezwirnter
Rohseide und Schuss von Florettseidengarn. Foulards werden auch ostindische
seidene Basttücher genannt , welche schwer , aber sehr ungleich im Gewebe
sind, zuweilen glatt, meistens aber auf rotem und braunem Grunde, mit weissen
oder gelben, auch dunkeln Mustern bedruckt. Als die Zeugdruckerei sich in
Europa vervollkommnet hatte, wurden die Foulards von Indien eingeführt und
in Manchester, Nimes, Elberfeld, Berlin, Chemnitz u. s. w. bedruckt.
Fourmies, Stadt im Arrond. Avesnes des franz. Depart. Nord: Woll-
kämmerei, Baumwollspinnerei, Garnbleichen, Strumpfwirkerei.
Fourrivu (franz.), Pelzwerk, Pelzmantel.
Fraises (franz. = Kalbsgekröse), ein gefältelter kurzer Spitzenkragen,
der nur bis an die Schultern reicht, dagegen rund um den Hals gleich-
förmig liegt oder gesteift absteht; er wurde in Frankreich Mode zur Zeit
Heinrich IL, der wegen einer Narbe am Halse zum Tragen desselben ge-
zwungen war.
Franella, s. Flanell.
Frange (franz.), Fadensaum, Franse (s. d.), frangieren, mit Fransen
besetzen.
Frankenberg, Stadt in Sachsen : Fabrikation von wollenen, halbwollenen
und seidenen Webereien (Teppiche, Portieren, Cheviot u. s. w.), Steppdecken.
Fernör Appreturanstalten und Färbereien, Kattundruckerei: das grösste In-
stitut Sachsens dieser Art.
204 Frankreich.
Frankreich, Republik und Grossmacht Europas. Unter den einzelnen
Zweigen der Industrie kommt an Bedeutung keiner der Textilindustrie gleich
(1897 : 6713 Betriebe), deren Produktion auf 3 Milliarden geschätzt wurde.
Davon entfielen etwa 1200 Mill. auf Woll- , 500 Mill. auf Seiden-, 600 Mill.
auf Baumwoll- und 350 Mill. Frcs. auf die Hanf-, Leinwand- und Jutemanu-
faktur. Als wichtigster Zweig der Textilbranche ist die Seidenindustrie
hervorzuheben, die seit dem 8. Jahrhundert durch Yermittelung der Friesen
nachweisbar ist; im 18. Jahrhundert befestigte sich der Seidenbau namentlich
im Süden; doch gab die Widerrufung des Ediktes von Nantes (1685) der bis
dahin in stetigem Wachstum begrifPenen Industrie einen heftigen Stoss: über
80 000 geübte Handwerker siedeln nach England und Deutschland über. Lud-
wig XVI. führt die vorzügliche weisse Originalrasse „Sina" der Seide direkt aus
China ein, während bis dahin die gelben, grünlichen und weisslichen ßassen kulti-
viert wurden. F. ist für den Seidenbau das zweitwichtigste europäische Land,
besondere Bedeutung haben die Departements der Rhone: G-ard, Ardeche, Drome
und Vaucluse sind die am meisten erzeugenden Provinzen. Die bedeutendsten
Sammelpunkte sind Alais, Uzes, Nimes, Yalena, Chomerac, Viviers, Cavaillon,
Avignon, Joncquieres, Hochemaure u. a. Der Verbrauch an roher Seide (1899 :
4,7 Mill. kg), der sich in den letzten Jahren fast immer gleich geblieben ist, ver-
langt gegenüber der Produktion (1890 etwa 650000 kg, hergestellt in 1400 Roh-
seidenfabriken durch 45500 Arbeiter, 1899: 566000, 1900: 736000 kg) eine
bedeutende Einfuhr von Kokons roher und filierter Seide. 1897 gab es : 1028
Spinnereien und Webereien mit 78000 Arbeitern, 1400000 Spindeln und
61200 mechanischen Webestühlen, während die Zahl der Handstühle zurück-
gegangen ist. F. fabriziert in der Hauptsache Ganzseidenwaren und übertrifft
darin alle übrigen Länder. Die französischen Seidenwaren zeichnen sich vor
allem durch Feinheit des Geschmacks und vollendete technische Ausführung
aus. Der Wert der Ausfuhr belief sich 1900 auf 263, der der Einfuhr auf
61,5 Mill. Fr. In der Schafwollenindustrie zählte man 1885: 3266000
Spindeln, 46 300 mechanische Webstühle und 112000 Arbeiter in 1882 Be-
trieben, 1897: 3500000 Spindeln, 72000 mechanische Webstühle und 160000
Arbeiter in 2100 Fabriken. Sie ist am meisten entwickelt in den Depart.
Nord (etwa 300 Manufakturen), Ardeche (230), Tarn (150), Marne (100), Aisne(50),
Seine-Inferieure (50), Sonne (50). Die Zahl der Handstühle betrug 1873 : 60000,
hat sich aber bis 1897 auf 23000 vermindert. Der Einfuhr von Schafwollen-
geweben im Werte von 42,2 Mill. Fr. stand 1900 eine Ausfuhr von 220,2 Mill. Fr.
gegenüber. Einen besonderen Ruf haben die Tuche und Weichgarngewebe
von Elbeuf, Sedan und Louviers, die Kammgarn- und Damenkleiderstoffe von
Le Cäteau-Cambresis, Ronen, Reims, Tourcoing, und Roubaix und die Shawls
von Paris, Nimes und Lyon. Schliesslich nimmt F. in der Verfertigung von
Wandteppichen (s. Gobelins und Savonnerieteppiche) di« erste Stelle uuter den
europäischen Ländern ein; Mittelpunkte sind Paris, Aubusson und Beauvais.
Die einheimische Wollproduktion (1899: 43 Mill. kg) reicht für den Bedarf
nicht aus; es werden noch (1900) für 374,1 Mill. Fr. Rohwolle und für 29
Mill. Fr. Wollabfälle (meist aus Argentinien, Australien und denl Kapland)
eingeführt; dagegen wird auch (1900 für 219 Mill. Fr.) Wolle wieder aus-
geführt. Die Baumwollenindustrie wurde 1773 zuerst in Amiens ein-
geführt und hat seit dieser Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen.
1900: 5,29 Mill. Spindeln, 95000 Webstühle und 450000 Arbeiter. Die Haupt-
sitze sind die Depart. Nord, Seine-Inferieure, Vosges, Pure und Aube. Als
Hausindustrie wird sie hauptsächlich noch in den Depart. Rhone, Somme,
Aisne, Ome, Loire und Isere betrieben. Die Einfuhr von Baumwolle war
1900 auf 168,3 Mill. Fr. angewachsen. Die Einfuhr von Baumwollgeweben
belief sich im Spezialhandel 1900 auf 47, die Ausfuhr auf 152,4 Mill. Fr.
Von grosser Bedeutung ist in F. auch die Leinenindustrie, welcher sich
die Hanf- u. Jutemanufaktur anschliesst. Mittelpunkte für die Flachsspinnerei
sind die Städte Amiens und Lille, für Hanfspinnerei Mezidon (Calvados) und
Angers, für Jutegespinste Ailly (Somme) und Dünkirchen. Die Leinenweberei
Frankstadt — Frasnes-lez-Buissenal. 205
wird namentlich in Lille, Cambrai , Valenciennes und Armentieres betrieben ;
Hanfstoffe liefern besonders Diinkirchen und Angers, Jutegewebe einige nörd-
liche Departements. Anfang 1898 zählte die Leinwandindustrie (ohne Jute)
550000 Spindeln, 17000 Maschinenstühle und 20000 Handstühle. Der Ge-
samtverbrauch von Rohstoffen beläuft sich auf etwa 2100000 Zentner. Die
Einfuhr an Leinenwaren betrug 1900 (Grewebe und Garn, incl. Hanf und
Ramie) 17,1, die Ausfuhr (einschliesslich Jute) 41,5 Mill. Fr. Die Weiter-
verarbeitung der Webstoffe ist im hohen Grade entwickelt, und hier kommt
der französischen Lidustrie sehr zu statten, dass Paris noch heute der ganzen
Welt die Moderichtung diktiert, sowohl was die Stoffe selbst, deren Farben
und Muster, als auch deren Fasson und Bearbeitung betrifft. In der Spitzen-
industrie haben sich einige Gegenden ihren europäischen Ruf erhalten.
Solche sind die Depart. Orne (Alengon), Calvados (Bayeux und Caen), Nord
(Valenciennes und Lille), Oise (Chantilly), Pas de Calais (Calais und Arras),
Haute-Loire, Puy-de-D6me und Cantal, ferner die Städte Paris, Lyon, St.
Quentin u. s. w. Eingeführt werden die Spitzen zuerst im Jahre 1653 von
Italien; aus Venedig kommen Arbeiterinnen, um Technik und Musterung der
Kadelarbeiten (point de Venise) unter dem Namen „point de France" nach-
bilden zu lassen. Die Posamentenfabrikation wird vorzugsweise in
Paris, Lyon, St. Etienne, Nimes, Amiens und Nantes betrieben.
Frankstadt, 1. Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Mistett in
Mähren : bedeutende Leinen- und Baumwollenindustrie. 2. Stadt in der österr.
Bezirkshauptmannschaft Schönberg in Mähren : grosse Leinenindustrie ; Webschule.
Franse, Franche, Frange, Franze (franz.: frange , engl.: fringes; span.:
flecos) , Saum oder Endigung aus dicht herabhängenden Fäden , entsteht zu-
nächst aus den an der Qaerseite stehen bleibenden losen Kettfäden jedes ge-
webten Stoffes, woraus sich die weitere Arbeit der Bortenwirker uad Posa-
mentierer entwickelt hat, auch stilistisch schon im frühen Altertum daher seine
Ableitung findet, wie es die Endigungen der Binden und Tücher aus dem alten
Aegypten zeigen. Künstlerische Ausbildung reichen Fransenbesatzes an den
Gewändern der Assyrer (vgl. Abb. 28). Das Mittelalter lässt die Franse aus
verschiedenfarbigen lang herabhängenden losen Seidenfäden als Besätze der
Kirchenausstattung und Gewänder selbständig werden, zu welcher Zeit der
Halter aus Bergkristallkugeln entsteht, dem später ein solcher in Holz ge-
drechselt folgt (s. Quasten). Am Ende des 16. Jahrhunderts entsteht die Knopf-
franse (s. d.). Die weiteste Ausbildung erfährt die F. als Möbelbesatz im 17. und
18. Jahrb., als die feste gewirkte Borte in Posamentierarbeit übergeht (s. d.).
Fransengewebe sind Stoffe, deren Ketten- oder Schussfäden als Fransen
stehen geblieben sind, ohne dass sie eine weitere Knüpfung erhalten haben.
Franzleinen sind gestreifte, im Garn gefärbte schwäbische Leinen.
Franzosentuch, s. Tuch.
Französische Leinen waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die
gesuchtesten ihrer Art, erst durch die Verbesserung der Baumwollspinnerei
und die damit verbundene grössere Herstellung von Baumwollgev/eben in den
meisten Provinzen des Reichs, ferner durch das Emporkommen der irländischen
und schottischen Leinweberei, endlich aber auch durch die wohlfeileren irischen
und deutschen Leinen hat der Ruf derselben abgenommen. Nur die Toiles
de Mulquinerie, d. h. die Batiste , Cambrays , Linons , Claires und die ihnen
verwandten feinen Gewebe, sowie mehrere Gattungen Segelleinen, haben sich
unter der allgemeinen Bezeichnung in alter Güte erhalten.
Französische Stilarten nehmen in der Textilkunst besonders seit der
Regierung Ludwig XIIL (1614 — 1643) ein Interesse in Anspruch, weil F. von
da ab auch die Führung im Flachmuster übernimmt. Die Stilepochen werden
nach den ehemals regierenden Königen genannt, so dass man im Lande selbst
nicht vom Barock-, Rokoko-, Zopf- oder Empirestil spricht, sondern die Stil-
arten Louis XIII., XIV. u. s. w. unterscheidet (s. unter Stil im Einzelnen).
. Frasnes-lez-Buissenal , Hauptort des Kantons F. der belg. Provinz
Hennegau: Strumpfwirkerei.
206 Frastanz— Fries.
Frastanz, Gemeinde in Vorarlberg : Baumwollspinnerei, Weberei, Eot-
und Blaufärberei.
Fredersdorfer oder Friedersdorfer Leinen sind im Handel bekannte
Namen für solche , welche in dem gleichnamigen Dorfe der Lausitz ge-
webt werden.
Freiberg, Stadt in Mähren: Schafwollindustrie, besonders starke Tuch-
weberei, Fesfabrikation.
Freiburg, 1. im Breisgau (Baden): grosse Seidenzwirnerei (Firma Carl
Mez und Söhne), mit neun auswärtigen Zweiggeschäften und bedeutender Aus-
fuhr. Sitz der 4. Sektion der Süddeutschen Textil-, der 2. Sektion der Seiden-
Berufsgenossenschaft. 2. in Schlesien : Aktiengesellschaft für schlesische Leinen-
industrie (früher Kramsta und Söhne).
Freistadt, 1. Stadt im preuss. ßeg.-Bezirk Liegnitz : Spinnerei, Jute- und
Teppichweberei (Fabrikation und Hausindustrie). 2. Stadt in Oberösterreich:
Leinweberei, Zwirnfabrikation.
Freiwaldau, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien : bedeutende Leinen- und
Baumwollindustrie ; Flachsgarnbleicherei.
French apret wird eine besondere Appretur genannt, welche auf glatte,
weisse Baumwollwaren zur Anwendung kommt und wodurch der französische
Batist nachgeahmt wird.
French cambric, englische Bezeichnung für französischen Batist.
Fresnoy-le-Grand, Stadt im franz. Depart. Aisne : Fabrikation von
Gaze, Kaschmirshawls und Foulards.
Freudenberg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Arnsberg: Färbereien, Filz-
und Kunstwollfabrik.
Freudenfahne, Fahne in glänzenden Farben, im Mittelalter bei Begräb-
nissen hoher Personen zwischen dem Freudenpferd und dem Trauerpferd getragen,
um anzudeuten, dass man mit dem Verstorbenen alle Freuden zu Grabe trägt.
Freudenstadt, Stadt im württ. Schwarzwaldkreis: Woll- und Flachs-
spinnereien.
Freudenthal in Oesterreichisch-Schlesien : bedeutende Textilindustrie
(Leinen, Damast, Tuch und Kotzen). Webschule.
Fridingen, Stadt im württ. Schwarz waldkreis: mechanische Wollspinnerei
und Kunstwollfabrik.
Friedeberg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Liegnitz: Flachsgarnspinnerei
(über 5000 Spindeln) grosse Bleicherei; Fabrikation von Strumpfwaren.
Friedland, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Breslau : mechanische Webereien,
Garnbleiche.
Friedland in Böhmen: Wollwarenwebereien und Spinnereien, zwei Baum-
wollspinnereien, Druckerei, Färberei und Appretur von Wollwaren, Feintuch-
und Zwirnfabriken.
Friedländer Leinen, eine rohe Sorte schlesischer Leinwand von grober
Art, die zu Friedland häufig verfertigt und besonders über Hamburg aus-
geführt wird.
Friedrichroda, Stadt im Herzogtum Sachsen -Koburg-Gotha: Drillich-
weberei, Bleicherei und Wäscherei.
Friedrichshagen, Dorf im preuss. E.eg.-Bez. Potsdam: wurde 1753 durch
Friedrich d. Gr. als Spinnerkolonie gegründet.
Friedrichshof, Marktflecken im preuss. Eeg.-Bez. Königsberg: bedeutender
Grenzhandel mit seidenen Zeugen aus Frankreich und der Schweiz.
Fries, ein grober und starker, nicht sehr fest geschlagener und nur laicht
gewalkter Wollenstoff, mit starkem langem Haar auf der oberen Seite, welcher
einfach und geköpert aus geringer Wolle und grobem Kämmling gewebt wird.
Das Garn ist gewöhnlich zum Einschlag noch einmal so stark als zur Kette.
In der Walke wird F. nur mit guter Seife ausgewaschen, dann mit Karden
gerauht, am Rahmen gestrichen und entweder meist geschwefelt oder bunt ge-
färbt ohne weitere Presse in den Handel gebracht; Breite und Länge ist so
verschieden, als die Qualität.
Frigidines — Frocs.
207
Frigidines, s. Haartuch.
Frigium, (lat.) statt phrygium, goldgestickter Saum, auch goldgestickte
Mitra.
Frise, Toile de Frise, friesische Leinen, die beste unter allen holländischen
Leinen, weshalb man auch die feinste Sorte der niederländischen Gewebe nur
mit dem Namen F. bezeichnet.
Frisette, ein geringer Stoff aus Wolle und Baumwolle, der in Holland
gewebt wird.
Frisierte Stoffe sind tuchartige Gewebe mit langhaariger Decke, welche
man durch eine eigene Maschine (Frisiermühle) in kleine Knötchen gedreht hat.
Leichte Boys und Droguets werden auf diese Weise eingerichtet und als Futter-
stoffe verwendet.
Frison (franz.) nennt man 1. einen schlechten Fries, 2. einen gekräuselten
warmen weichen Fries, 3. eine gewisse Art gekräuselter Gold- und Silberfäden
oder Kantillen, welche zu Stickereien, sowie auch zu reichen Geweben angewandt
werden, 4. dasjenige Produkt, das nach dem Aufweichen der Seidenkokons im
heissen Wasser und leichter Behandlung mit Bürsten oder den gebräuchlichen
Besen sich zuerst vom Kokon loslöst. Es ist die äussere Hülle der Kokons,
„die erste Arbeit der Seidenraupe" von ungleicher Stärke.
Frisonnets, Seidenabfälle für die Florettindustrie, welche sich beim
Abhaspeln der Kokons ergeben, wenn dieselben ungeschlagen verarbeitet werden.
Frivolitäten heissen spitzenartige Handarbeiten, welche mittels ein oder
zwei den Faden tragenden Schiffchen durch Schlingen und Knoten hergestellt
werden. Sie wurden zuerst im 17. Jahrhundert gemacht und haben sich bis
in die Neuzeit als häusliche Kunstarbeit erhalten. In Irland werden F. Occi-
arbeiten genannt. (Vgl. Abb. 28.)
Abb. 85.
Abb ildung :
85. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Teil
eines Kragens, Frivolitäten- oder Occischiffchenarbeit in weissem Garn. Irland 19. Jahrh.
mandie.
Frocs, Froks, grobe geköperte Wollenstoffe aus der ehemaligen Nor-
208 Frohburg— Futtertuche.
Frohburg, Stadt in Sachsen: Plüsch web er ei, Kattundruckerei.
Frome, Stadt in der engl. Grrafschaft Somerset: Wollfabrikation, Be-
kleidungsindustrie.
Frottiertücher, s. Badehandtuch.
Frührenaissance, (franz.: renaissance primär; engl.: first revival-style)
s. Renaissance.
Frulloni, im ital. Handel das Beuteltuch.
Frutigen, Marktflecken im Schweiz. Kanton Bern: Fabrikation von Tü-
chern; Spitzenklöppelei.
Fukusa, kleine japanische gestickte und gedruckte Decke, welche zum
Verhüllen von Geschenken dient, aber Eigentümer des Spenders bleibt.
Fulda, Stadt im preuss. Reg. -Bez. Kassel: Leinen-, Sackleinen- und
Baumwollweberei, Kammgarnspinnerei, Farberei ; Fabrikation von Plüsch, Filz-
tuch und Schuhstoffen.
Fuldische Leinen, s. hessische Leinen.
Full-chints (engl.), echte, krapprot ausgefärbte gedruckte Kalikos.
Füllstoffe heissen die in der Grewebeappretur zum Füllen verwendeten
pul verförmigen, meist weissen Stoffe, wie Gips, Stärke, Schwerspat u. s. w.,
welche für Leinenzeug in Gebrauch kommen.
Fulneck, Stadt in Mähren: Seiden-, Tücher- und Modewarenfabriken.
Fulnecker Tücher, eine sehr gute und beliebte Art "Wollentuch aus
gleichnamiger Stadt iu Mähren, welche in Europa und im Orient starken Ab-
satz finden.
FÜnfbindig, s. Bindungen.
Fünfkirchen, Stadt in Ungarn: bedeutende Webereien.
Furie, ursprünglich ein ostindischer und chinesischer Seidenstoff, taffet-
artig gewebt, auf dunklem Grund, mit grotesken aufgemalten oder gedruckten
Figuren in auffallenden hellen Farben; derselbe wurde auch in Holland und
Frankreich nachgemacht.
Fürstenberg, Stadt im Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin: Woll-
spinnerei, Tuchmacherei.
Fussarbeit, (franz.: armüre) ein technischer Ausdruck in den Wollen-,
Leinen- und Baumwollmanufakturen, um die durch verschiedene Fusstritte und
Schäfte im Webestuhl, und durch deren mancherlei Verbindung untereinander
hervorgebrachten Muster und Figuren in den Stoffen, zu bezeichnen.
Fussdecken, s. Teppiche.
Fussdroguet ist Kalmank.
Fustagno (ital.), s. Barchent.
Fustanella, das weit herabreichende, weisse, baumwollene Gewand der
Neugriechen.
Fustian (engl.), s. Barchent.
Futaine (franz.), s. Barchent.
Futterkattune, s. Sarsenettes.
Futterleinwand, 1. verschieden starke, rohe und gebleichte Leinen,
2. buntgefärbte Glanzleinen und Steiffutter, 3. in Frankreich grobe rohe Werg-
leinwand zum Beschlagen der Stühle, Sofas u. s. w. unter dem Namen toiles
d'embourrure.
Futtertaffet, s. Taffet.
Futtertuche, Futterzeuge, sind zum Unterfutter bestimmte leichte Streich-
garne und kammgarne Zeuge.
Gabans — Gransbauch. 209
Gabans, Mäntel von Filz oder grobem Tuch, die gegen den ßegen
schützen sollen. Sie werden hauptsächlich in der Türkei getragen ; die be-
liebtesten sind diejenigen, welche mit einem roten oder gelben Kreuze be-
zeichnet sind.
Gabes, Stadt in der marrokk. Regentschaft Tunis: Teppicherzeugung.
Gafsa, Stadt im mittleren Tunis: Fabrikation von Burnussen, Ha'iks und
"Wolldecken.
Gänseaugendrell , Gänseaugenmuster, ein derber grauer oder weisser
Leinenstoff, der zu Handtüchern Verwendung findet und in köperartiger Bin-
dung mit kleinen spitzovalen Feldern gemustert ist.
Gaia, Yilla Xova de, Stadt in Portugal: Fabrikation von Seidengeweben.
Gaillac, Hauptstadt im franz. Depart. Tarn: Spinnerei, Fabrikation von
Tuchen, Haus- und Packleinen; Färberei.
Gaillon, Hauptort im Arrond. Louviers des franz. Dep. Eure : Tuch- und
Plüschfabrikation, Strumpfwirkerei und Baumwollspinnerei.
Gala (altfranz.), reiches, prächtiges Gewand; galabrunus (lat.) frz: gale-
iDrun, Tachsorte ; im allgemeinen festlicher Schmuck, im besonderen die Hoftracht.
Galans, Bandschleifen als Putz.
Galashiels, Municipalborough im südl. Schottland: Hauptsitz der schotti-
schen Wollweberei und wichtige Manufakturen von Tweedtuch und Shawls.
Galetta (von Gallette -Kokon) sind durchlöcherte, flockige oder besonders
dünne Kokons, welche als Seidenabfälle für die Florettspinnerei verwandt werden.
Galletseide sind gesponnene Seidenabfälle.
Gali-Farss heissen in Persien die geschorenen sammetartigen Teppiche.
Galizien, Kronland der Oesterr. -Ungar. Monarchie: in neuerer Zeit hat
sich die Tuchindustrie entwickelt und in Biala (s. d.) ihren Hauptsitz genommen.
Dieser zunächst steht die Leinenindustrie, welche in den Karpathen als Haus-
weberei betrieben wird , dann die Hausweberei von Schafwollstoffen im öst-
lichen G.
Galletame (ital.), s. Bassinas.
Galliate, Ort in der ital. Prov. Novara : Seidenspinnerei, Kattunfabrikation,
Baumwollweberei.
Gallieren, am Jacquardwebstuhl die Schnüre mit den Plattinen, flachen
Metallstäben, verbinden.
Gallipoli, Baumwollsorte von den Inseln des Archipels.
Galons, Galonen, allgemeine französische Bezeichnung für Tressen, daher
kommt die Benennung Galonen, womit man in Deutschland eine Gattung leichter,
durchsichtiger Tressen bezeichnet, bei denen der Aufzug oder die Kette aus Ge-
spinst oder Lahn, der Einschlag aus Gespinst besteht; auch hat man G. ohne
Gold und Silber. Galonperle, perlenbesetztes Band ; g a 1 1 o n n e , mit solchen
Streifen versehen (s. a, Tressen).
Gambohanf, auch Bombayhanf, Bastfaser der Hibiscus canabinus.
Gammadion, byzantinische Bezeichnung, welche sich auf ein aus vier
Buchstaben (Grossgamma) kreuzförmig gebildetes Motiv in Stoffmustern bezieht.
Gänge ist die Bezeichnung für die Dichtenbestimmung eines Gewebes;
man spricht daher von einer 6^24gäDgigen "Ware. Beim Seidenweben berechnet
man die Höhe der Ware nicht nach Gängen, sondern nach Fein.
Ganges, Hauptort im franz. Depart. Herault : Fabriken für Seiden-
strümpfe, wichtige Seideuhaspeleien, Filet- und Handschuhfabriken und Baum-
wollspinnereien.
Gansbauch, ein Wams, das sich vorn in eine Spitze tief herabsenkte, nach
der Mitte zu mit Baumwolle oder Pferdehaaren ausgestopft war und wie ein
Polster vor Brust und Bauch herabhing. Die Mode kam am Hofe Heinrich III.
von Frankreich auf.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 14
210 Ganses — Garnprüfungen.
Ganses, in Frankreicli eine Art runder oder eckiger schmaler Sclinüre^
die von Gold, Silber, Seide und Zwirn geklöppelt oder auf dem Bandstuhle ge-
macht werden.
Gantes, starke Sorte Leinwand, welche von den Landleuten in der Gegend
von Gent und Brügge gewebt wird.
Garas, Garats, Gueras, Gerras, Gerraes, Gorras, Guerleys, unter diesen
verschiedenen Namen kamen ehemals aus Ostindien gewöhnliche starke Baum-
wollenzeuge, welche zum Druck und zu Gebrauchsstücken (Hemden, Tischzeugen ^
Handtüchern) in Europa Verwendung fanden.
Gardelegen, Stadt im preuss. ßegbez. Magdeburg: Lein- und Baumwoll-
weberei, Zeugdruckerei.
Gardinen, d. s. Behangstoffe für Betten und Fenster, bilden in allen
Arten textiler Kunstfertigkeiten einen bedeutenden Artikel. Die Entstehung-
der eigentlichen Gardine geht mit der Entwickelung des Tafelglases für die
Fensterscheiben Hand in Hand. Man verwendet zunächst zur Dämpfung des
Lichtes leichte Musselinstoffe oder helle bedruckte Kattune, bis durch die Er-
weiterung der Maschinentechnik für die Spitzen- und Tüllindustrie ein Produkt
gegeben ist, das den modernen Ansprüchen in jeder Weise gerecht zu werden
sucht. (Vgl. Spachtelstickerei, Spitzen- und Tüllstoffe.)
Gargurans, Gorgorans, Gourgurans, schwere ostindische und chinesische
Seidenzeuge, welche früher die holländisch-ostindische Compagnie nach Europa
brachte.
Garlix, aus weissgebleichtem Garn dicht gewebte Hausleinwand 5 in Böhmen
nennt man sie Butzelleinwand.
Garn, in der Spinnerei das Erzeugnis der Spinnmaschine. Es entsteht
durch Drehung einer Anzahl parallel gelegter Fasern um ihre gemeinschaftliche
Achse. Die Unterbegriffe : Kettgarn, S chus sgarn, Stick- und Strick-
garn, Eisengarn, beziehen sich auf die Verwendung des gesponnenen Fadens
als Kette oder Schuss für Gewebe, Faden zum Sticken, zum Stricken, zur Her-
stellung von "Weberflügeln (Geschirre) von starken Nähfaden, und muss der Faden
für jeden dieser Zwecke bestimmte Eigenschaften aufweisen, welche sich namentlich
auf die Drehungen per Längeneinheit beziehen, dann aber auch auf die Qualität
des verwendeten Bohmaterials. Bei der Haspelung der Garne erfolgt die Auf-
wickelung des Fadens in Form der Strähne, Strenge auf dem Haspel,
Garnhaspel, der Weife. Man teilt, nach hergebrachter Gewohnheit oder
nach gesetzlichen Vorschriften, den Strähn in eine bestimmte Anzahl kleinerer
Abteilungen, welche durch das Unterbinden (Fitzen) mittels eines quer durch-
geflochtenen Fadens (Fitzfaden) von einander geschieden werden. Eine solche
Abteilung heisst ein Gebinde, Bind, Unterband, Wiel oder Wiedel,
eine Fitze, und muss eine festgesetzte Anzahl von Fadenumgängen (Fäden^
Haspelfäden) von bestimmter Länge enthalten.
Garndruckmaschine, dient zum Bedrucken aller Fasermaterialien in
Strangform. Man baut solche Maschinen, um 1 — 16 Farben gleichzeitg zu
drucken.
Garnpresse, Pack- oder Bündelpresse, eine Maschine, welche dazu dient^
die zu Strähnen gehaspelten Garne in sog. Packe oder Bündel von möglichst
geringem Umfang zu formen, deren jedes ein Gewicht von 10 bis 20 kg besitzt.
Diese Maschinen sind verschieden, als Hebel-, Schrauben-, Hydraulische Pressen
u. s. w. konstruiert und immer so eingerichtet, dass sie gleichzeitig das Einbinden
der zusammengedrückten Bündel ausführen.
Garnprüfungen erstrecken sich auf die Bestimmungen des verarbeiteten
E,ohmaterials , der Feinheit des Garnes, dessen Drehungsgrad, Fettgehaltes,
Feuchtigkeitsgrades, sowie Festigkeit und Dehnbarkeit.
Literatur: Wiesner, die Rohstoffe des Pflanzenreiches, Leipzig 1870;
Herzfeld, die technische Prüfung der Garne und Gewebe, Wien 1895;
Budeloff, Untersuchungen über Einfluss des Materials und der Konstruktion
auf die Festigkeit von Hanfseilen; Mitteilungen aus den Königl. Techn. Ver-
suchsanstalten zu Berlin, 1893; desgl. 1894.
Garnsorten. 211
Garnsorten werden nach der Feinheit oder Dicke des Garnes bestimmt:
a) durch unmittelbaren Vergleich mit Garnen bestimmter Feinheit, wozu die
letzteren einzeln mit der Probe verflochten werden oder b) zahlenmässig durch
die für ein bestimmtes Gewicht erforderliche Garnlänge. Nach der zugrunde
gelegten Masseinheit unterscheidet man das metrische, oder das englische
Numerierungssystem mit dem Yard als Masseinheit. Die handelsübliche
Numerierungsweise ist für die Garne aus verschiedenem Material verschieden.
Das metrische Numerierungssystem ist bislang nur von der gesamten Kamm-
garnspinnerei (ausschliesslich England) und einem grossen Teil der Seiden-
industrie (Rohseide, Organsine, Trama) angenommen, sowie von einigen weniger
bedeutenden Gespinstarten (Ramie, Ziergarne u. s. w.); ausserdem werden
Streichgarne und Shoddygespinste vielfach nebenher auch metrisch numeriert.
Dass sich bislang, trotz der unzweifelhaften Vorzüge, das metrische System
so wenig Bahn gebrochen hat, liegt in der Hauptsache in dem Mangel an ge-
setzlichen Mitteln zur Einführung und an dem Widerstände der englischen
Produzenten.
TJebersicht der Numerierung der Garne:
1. Baumwollgarne. Englische Numerierung (üblich im grössten Teile von
Europa und Nordamerika). Die Garnnummer benennt die Anzahl Schneller, welche
1 Pfd. eng], wiegen (1 Pfd. engl. = 0,4536 kg.) Haspelung: 1 Faden oder Weifen-
umfang = 1,5 Yards (1,3714 m); 80 Faden = 1 Gebind; 7 Gebinde = 1 Schneller
= 560 Faden = 840 Yard = 768 m Fadenlänge. Verpackung: 10 Schneller bilden
eine Kaute oder Docke; in einem Bündel sind so viele Kauten, als die Nummer
angibt, somit ist ein Bündel = 10 Pfd. engl. — Frankreich hat die doppelte metrische
Numerierung, d. h. die Garnnummer gibt an, wie viel Strähne zu je lOOO m Faden-
länge auf V2 kg' gehen. Haspelung: Haspelumfang = ],43 m ^ 1 Faden; 70 Faden
= 1 Gebind = 100 m; 10 Gebinde = 1 Strähn = 1000 m. Die Verpackung ist
in 5kg-Bündeln. — Vigognegarne numerieren vielfach metrisch.
2. Flachsgarne. (Leinengarne.) Englische Numerierung (üblich in Gross-
britannien und Deutschland , z. T. in Frankreich und Belgien). Die Garnnummer
gibt an, wie viel Gebinde zu je 300 Yards 1 Pfd. engl, wiegen. Haspelung in
Schottland und Deutschland: 1 Gebind (leas) = 120 Faden ä 2'/^ Yards = 300 Yards
=^ 274 m. In England auf 1 Gebind = 100 Faden ä 3 Yards. — Oesterreichische
Numerierung: Nummer = Anzahl Strähne ä 3600 Wiener Ellen (=: 2800 m) auf
10 Pfd. engl. — Hanfgarne werden wie Leinengarne nach engl. Numerierung be-
stimmt.
3. Jutegarne. Englische Numerierung wie bei Leinen. — Schottische oder ßel-
faster Numerierung : Nummer- Anzahl engl. Pfd. , welche 1 Spindel = 14 400 Yards
= 13 160 m Fadenlänge wiegen. Haspelung: Haspelumfang = 2 Yg Yards ; 120 Faden
= 1 Gebind (cut) = 300 Yards = 274 m ; 2 Cut = 1 Heer = Schneller = 600 Yards
= 548 m; 6 Heer = l Haspel oder Strähn = 3600 Yards = 3290 m; 4 Haspel =
1 Stück oder Spindel = 14400 Yards oder 13160 m.
4. Nesselgarn, Chinagras, Ramiegarne haben entweder die engl. Numerierung
und Haspelung der Flachsgarne oder international-metrische Numerierung.
5. Kammgarn. A. Weiches Kammgarn (Moosgarn u. s. w.): Metrische oder
internationale Numerierung. Die Nummer gibt an wie viel Strähne zu je 1000 m
auf 1 kg gehen. Haspelung entweder 70 Faden zu je 1,43 m oder 73 Faden zu je
1,37 m oder 80 Faden zu je 1,25 m = 1 Gebind = 100 m; 10 Gebinde = 1 Strähn
= 1 Fitze := 1000 m. Verpackung: 5 Strähn = 1 Docke; im 5kg-Bündel sind so
viele Docken, als die Nummer angibt. — Französische Numerierung : Nummer-Anzahl
der Strähne, welche y, ^g wiegen. 1 Strähn (echeveau) = 600 Annes (Pariser Ellen)
= 720 m. — Englische Numerierung: a) Kurze Weife: Nummer- Anzahl Schneller auf
1 Pfd. engl. Haspelung: 1 Faden = 1 Yard = 0,914 m; 80 Faden = 1 Gebind;
7 Gebinde = 1 Schneller = 560 Yards = 512 m. — b) Mittlere Weife ist genau so,
wie für Baumwollgarne. — c) Lange Weife: Nummer- Anzahl der Strähne auf 1 Pfd.
engl. Haspelung : 1 Faden = 2 Yard ; 80 Faden = 1 Gebind ; 7 Gebinde = 1 Strähn
= 1120 Yards = 1024 m, — B. Hartes Kammgarn (Weft, Mohair, Alpaka, Cheviot)
hat engl. Numerierung und letzteres auch metrische.
6. Streichgarn (auch Shoddy, Mungo, Vigogne) hat ausserordentlich verschiedene
Numerierungs- und Haspelsysteme. Aus der grossen Zahl sollen nur folgende an-
geführt werden: Die metrische Haspelung und Numerierung ist wie bei weichem Kamm-
garn angegeben. — Die englische Numerierung und Haspelung ist wie bei hartem
Kammgarn kurzer Weife. 1 Strähn =: 560 Yards = 512 m; Nummer gibt an An-
212 Garn wage.
zahl der Strähne auf 1 Pfd. engl. — Französische Numerierung, Sedaner: 1 Faden
(fil) = 1,3 Aunes (Pariser Ellen) = 1,543 m; 1 Gebind (maque) = 44 Faden;
1 Strähn (echeveau) = 22 Gebinde = 1256 Aunes = 1492 m. Sedaner Nummer-
Anzahl der Strähne (ä 1492 m) auf Yg kg. — Französische Numerierung, Elboeufer :
1 Faden ^ 1,666 Aunes = 2 m; 1 Gebind (sou) = 45 Faden; 1 Strähn (quart) =
10 Gebinde ; 1 Stück (echeveau) = 4 Strähne = 3000 Aunes == 3600 m. Elboeufer
Nummer- Anzahl der Stücke (ä 3600 m) auf 7. kg. — Preussische oder deutsche Nume-
rierung, auch in Oest erreich noch gebräuchlich: 1 Faden = 2 Y2 Berliner Ellen
(1 ßerl. Elle = 0,667 m); 1 Gebind = 44 Faden; 1 Strähn (fitze, ^zahle) = 5 Ge-
binde; 1 Stück = 4 Strähne. — Nummer- Anzahl der Stücke (ä 2200 Berl. Ellen =
1467 m) auf 1 Zollpfund (500 g). — Alte Berliner oder Belgische, auch Cockwillsche
Haspelung und Numerierung: 1 Strähn = 2240 Berl. Ellen (1494 m). Nummer-
Anzahl der Strähne auf 1 Zollpfund (500 g). — Preussische Numerierung für Shoddy-
garne: 1 Stück = 2040 Berl. Ellen (= 1360 m). Nummer-Anzahl der Stücke auf
1 Zollpfund. — Alte österreichische oder Brünner Numerierung: 1 Faden == 2 Wiener
Ellen (= 1,552 m); 1 Klapp (Wiedel, Gebind) = 44 Faden; 1 Zahle (Strähn) = 20 Klapp.
Nummer- Anzahl der Strähne (ä 1760 Wiener Ellen = 1369 m) auf 1 Wiener Pfd.
(560 g). — Als weitere österreichische Nummer kommt vor auch Anzahl der Strähne
zu 2112 Wiener Ellen (= 1642 m) auf 1 Wiener Pfd. — Alte Wiener Numerierung:
1 Faden = 2 Wiener Ellen (= 1,55 m) ; 1 Gebind = 50 Faden; 1 Fitze oder Strähn
= 4 Gebinde; 1 Stück = 4 Strähne. Nummer- Anzahl der Stücke zu je 1600 Wiener
Ellen (=: 1240 m) auf 1 Wiener Pfund. — Sächsische Numerierung: Weife entweder
2 ellig (= 1,132 m) oder 3 ellig (^ J,7 m). Nummer (bei 2 elliger Weife) = Anzahl
der Zahlen (ä 800 Leipziger Ellen = 452,8 m) auf 1 Zollpfund, oder (bei 3 elliger
Weife) = Anzahl der Stücke (ä 1200 Leipziger Ellen = 679,2 m) auf 1 Zollpfund
oder auch 1 engl. Pfd. — Sämtliche sind im Fett gewogen und verlieren durch das
Wasser etwa 8— 12"/o des Gewichts.
7. Sächsisches Vigognegarn. 1 Faden = 2,375 Leipziger Ellen (= 1,344 m);
1 Gebind = 80 Faden ; 1 Strähn = 4 Gebinde = 760 Leipziger Ellen (= 430 m).
Nummer-Anzahl der Strähne (ä 760 Leipziger Ellen oder auch ä 480 Yards) auf
1 Zollpfund.
8. Chappeseide (Florettseide, Bourrette, Spunsilk) hat grösstenteils Numerierung
wie engl. Baumwolle, stellenweise auch metrisch, in folgender Art: Nummeranzahl
der Schneller zu je 500 m auf Y2 kg. — 1 Faden = 1,25 m; 1 Gebind = 100 Faden;
1 Schneller (Strähn) = 4 Gebinde (= 500 m).
9. Rohe und filierte (gehaspefte) Seide (Grege, Organsin, Trama). Der Titor
(Titolo, Nummer) gibt an, wie viele Gewichtsteile 1 Gebind oder 1 Strähn „Seide"
wiegt. Als Gewicht wird der Denier oder die Gräne verwendet. — Internationaler
oder metrischer Titor = Anzahl der Gramme, welche 1 Strähn von 10 000 m Fadenlänge
wiegt oder auch Anzahl der Gräne (0,05 g) , welche 1 Gebind = 500 m wiegt. —
Alter Lyoner Titor = Anzahl der Gräne (= 0,0531 g), welche 1 Gebind von 400 franz.
Ellen wiegt. — Turiner Titor (ital. : legale Titolo) = Anzahl der Gräne (= 0,0533 g),
welche 1 Gebind von 450 m Länge wiegt, oder auch = Anzahl der Gramme, welche
1 Strähn von 9000 m Fadenlänge wiegt. Auch wird beim Turiner Titor von 450 m
der Grän zu 0,05 g genommen. —
Mehrfache Garne werden durch einen Bruch bezeichnet, z. B. ^^/^', doch herrschen
auch hierbei wieder verschiedene Auffassungen bezüglich der Auslegung. ^^2 kann
bedeuten, dass das fertige Gezwirn Nr. 20 entsprechen soll; das einfache Garn ist
dann nicht Nr. 40, sondern mit Rücksicht auf die Einzwirnung etwas feiner (in Deutsch-
land übliche Auffassung, massgebend für die deutsche Kammgarnindustrie angenommen);
*72 kann auch bedeuten, dass einfaches Garn Nr. 40 zweifach gezwirnt ist, das fertige
Gezwirn ist dann der Zwirnung entsprechend etwas stärker (in England mehrfach
üblich); ^^/2 bedeutet ferner (in England für Chappe, in der Schweiz für Tussah-
seide) , dass das fertige Gezwirn die Nr. 40 aufweist, dabei aber aus 2 Fäden be-
steht. — (Vgl. Kutzer, Garnnumerierungen, Haspelungen u. s. w. Wien 1901.).
Garn wage, Sortierwage, eine Vorrichtung, mittels deren man die Nummer
eines Garnsträhns (Schneller) von bestimmter Länge ohne Anwendung von Ge-
v^^ichten feststellen kann. Die G. sind entweder kleine Schnellwagen, bei welchen
das verschiebbare konstante Laufgewicht auf der Einteilung des Balkens die
Nummer angibt, oder Zeigerwagen, bei denen durch Anhängen des Garnstrangs
an den einen Arm das konstante Gewicht des andern Arms mehr oder weniger
gehoben wird und die dadurch bewegte Zunge (der Zeiger) auf der Skala eines
Gradbogens die Nummer anzeigt. Die letztere Konstruktion ist die am meisten
gebräuchlichste.
Garn\yinde — Gebetteppiche. 213
Garnwinde, eine Vorrichtung, um das fertige Garn gleichmässig auf-
zureihen, in sogen. Strähne zu verwandeln, Avelche einen sicheren Transport des
Gespinstes ermöglichen, auch später zum Verkauf oder zur weiteren Verarbeitung
auf Spulen oder in Knäuel verteilt werden. Der Apparat gleicht in seiner
Konstruktion dem Garnhaspel mit dem Unterschied, dass nicht, wie bei diesem,
eine Zählvorrichtung zum selbsttätigen Messen der aufgewundenen Fadenlänge
vorhanden ist, und bestellt aus einer leichten Trommel, die von vier oder mehr
gehobelten, durch entsprechende Streben miteinander verbundene Latten gebildet
ist und mittels Handkurbel oder Riemenscheibe um ihre Achse gedreht wird.
Die Trommel hat, je nachdem ein Faden oder mehrere Fäden zugleich auf-
gewunden werden sollen, verschiedene Breite.
Garrovillas, Stadt in der span. Prov. Caceres: Tuchfabriken.
Gaschenzeuge nennt man in einigen Gegenden die leichten und rauhen
Wollenzeuge, wie Coatings, Lamas, Moltons u. s. w.
Gattieren, in der Baumwollspinnerei das Mischen verschiedener Baumwoll-
sorten, wodurch ein gleichförmiges Fabrikat erzielt werden soll.
Gaudivis sind gewöhnliche ostindische Kattune.
Gaufrieren (von gaufrer, in Falten presssen), das Aufprägen von Mustern
auf glatte Gewebe und das Pressen in mehr oder weniger feine Falten, welches
durch erhitzte Metallplatten, Walzen oder dazu hergerichtete Maschinen aus-
geführt wird.
Gaze, ursprünglich nach der Stadt Gaza benannt, (franz.: gaze; engl.:
gauze) , wo diese Art Gewebe zuerst verfertigt wurde , ein dünn und offen ge-
webter, durchsichtiger Stoff, mit oft mannigfacher Verbindung der Schuss- mit
den Kettfäden, wodurch viele Muster und Namen entstehen. Je nach Verbindung
der Schuss- und Kettfäden unterscheidet man Donna Maria- G. , G. de soie, G.
de Paris, G. d'ete, G. Iris. Spitzengaze ist fassonierte oder broschierte Gaze,
welche mit der Jacquardmaschine genadelt und durch den Nadelstab erzeugt
wird. Man hat Gaze in Seide, Baumwolle und Leinwand. Technisch unter-
scheidet sich das Gazegewebe vom Flor- und Musselingewebe dadurch, dass die
Kettenfäden paarweis zwischen je zwei Einschussfäden um einander herum-
geschlungen oder gekreuzt sind (vgl. Bindungstafel XXVL), während die Schuss-
fäden gerade und einzeln liegen. Eine eigene Gattung der Gaze ist der Marly.
Baumwollene Gaze wird unter dem Namen Tarlatan oder Tirletan gewebt.
Damastgaze ist eine Nachahmung des eigentlichen Damasts, indem man durch
eine Einrichtung des Jacquards damastartige Blumen und andere Muster webt;
derartige Zeuge kommen viel in China und Japan vor. Eine andere Gattung
Gaze ist der Krepp (s. d.) ; auch gehören dazu die Etamine- und Beutel-
tuchstoffe.
Gaze nennt der Bortenwirker eine Art Tressen, deren Kette Seide, der
Einschlag von Gold- oder Silbergespinst und von starkem Lahn ist.
Gebetteppiche (persisch : Tschanemaz ; türkisch : Nemazi) haben den Namen
davon erhalten, dass sie für Decken in Verwendung kommen, welche dem
Mohammedaner als Fussteppiche während der Verrichtung seines Gebetes dienen;
mit Bücksicht auf die religiöse Vorstellung des Muselmannes, dabei das Gesicht
gegen die heilige Stadt Mekka gekehrt zu haben, wird in das Teppichmuster
gewöhnlich eine, Mihrab genannte Nische von giebelartiger Form eingewirkt, an
der Stelle, wo dann bei den Verbeugungen stets der Kopf des Betenden zu
ruhen kommt. Diese Flächenmusterung aus der Gebetnische mit Darstellung
der Säulen als Träger des spitzbogigen Gebälkes (vgl. Abb. 86), an welchem
oft noch die hängende Ampel das Originalbild vervollständigt, findet auch An-
wendung in gewebten und gestickten Vorhängen des Orients. (Vgl. Abb. 26.)
Abbildung:
86. Darstellung aus: Rigl, Ein orientalischer Teppich vom Jahre 1202 n. Chr.
und die ältesten orientalischen Teppiche, Berlin 1897: Knüpfteppich (sogen. Gebet-
teppich) in farbiger Wolle. In Mitte auf rotem Grunde das von Säulen getragene
Gebälk, welches die Gebetnische darstellt.
214
Gebildleinen — Geelong.
Gebildleinen, Zwillich, welcher auf beiden Seiten das Muster gleich zeigt.
Gebweiler, Stadt im Bezirk Oberelsass: Seidenband-, Flanell-, und Tuch-
fabriken, Baumwollspinnereien und -Webereien; Färberei.
Abb. 86.
Gedenktücher sind T. mit aufgemalten oder aufgedruckten, auch gestickten
Sprüchen oder Darstellungen, die an eine Persönlichkeit, ein Ereignis erinnern
sollen. Die Sitte, derartige Tücher zu fertigen, lässt sich bis ins Mittelalter
zurück verfolgen.
Geelong, Seestadt in der brit. Kolonie Victoria in Australien: Kamm-
garnspinnerei, Weberei und Wollwäscherei.
Geertsberger — Genua. 215
Geertsbergen, Hauptstadt im Arrond. Aelst der belg. Prov. Ostflandern :
Fabrikation von Spitzen, Baumwoll- und WolJzeug.
Geflammte Garne, welche innerhalb bestimmter Abstände andersfarbige
Faserbüschel eingesponnen besitzen, werden entweder dadurch erzeugt, dass auf
den Krempeln durch Einstreuen der Faserbüschel oder durch Aufstreichen des
andersfarbigen Spinngutes in Querstreifen durch mit Kratzen beschlagene Walzen
an eine Krempelwalze die Faserbüschel hineingebracht, oder dadurch, dass
Stücke fertiger andersfarbiger Vorgarnfäden in bestimmten Abständen quer über
eine Krempelwalze aufgelegt werden.
Geflammte Gewebe sind chinierte G-ewebe (s. a. flammierte Stoffe).
Gegittert heisst ein gewebter Stoff mit rechtwinkelig sich kreuzenden
Streifen, welche grössere Quadrate in der Grundfarbe einschliessen. Wechseln
dagegen Streifen von gleicher Breite mit einander ab, so ist der Stoff gewürfelt
oder quadrilliert.
Gehänge, in der Weberei die Schnuren nebst Rollen und Wippen, an
welchen die Schäfte des Webstuhls hängen.
Geisshaar nennt man die spitzigen, rauhen und spröden Haare, die sich
unter der abgeschorenen Wolle befinden und auch Flocken heissen.
Geköpert s. Köperbindung.
Geldern, Stadt im preuss. B;eg.-Bez. Düsseldorf: Seidenweberei.
Gemischte Bindungen entstehen in der Weberei aus Ableitungen von
Leinwand-, Köper- und Atlasbindegraden (s. Bindungen). Da nun die Ab-
leitungen und Mischungen sehr verschiedener Art sein können, so ist auch die
Bindungsanzahl eine grosse.
Gemischte Gewebe entstehen, wenn Kette und Schuss von verschiedener
Farbe sind.
Gemusterte Stoffe s. Damast, Bildweberei.
Genähte Spitzen s. Nadelspitzen im Artikel Spitzen.
Genappes-Garn, auch Ispahan-Gam, ist ein mindestens zweifädiges, scharf
gedrehtes Gezwirn aus Alpalkahaaren, Mohair oder den ungekräuselten langen
Haaren des Landschafes, welche man, um eine glatte Oberfläche zu erhalten,
sengt.
Genoa, ein technischer Ausdruck in den englischen Wollen- und Baum-
wollenmanufakturen, welcher bei vielen Fabrikaten einen geköperten Grund an-
deutet, wenn von schweren Stoffen die Bede ist; dahin gehören Genoa Backs,
Oenoa Tiksets, Genoa Cords u. s. w.
Gent, Hauptstadt der belg. Prov. Ostflandern : bedeutende Textilindustrie.
Es bestehen (1900) über 210000 Spindeln für Flachs-, Werg-, und Jutespinnerei,
690000 für Baumwollspinnerei; ferner Spitzenmanufaktur. Im Anfange des
17. Jahrh. erscheint hier eine Klöppelspitze in Nachahmung derjenigen aus
Brüssel. Eine grosse Leinenweberei beschäftigt 3000 männliche und weibliche
Arbeitskräfte.
Genua, Hauptstadt gleichnamiger Provinz des Königreichs Italien: be-
deutende Textilindustrie ; erzeugt ausser glatten Stoffen in Seide, Sammete und
Plüsche (9 Seidenfabriken), Bänder, Wollwaren, Baumwollwaren (17 Spinnereien
und 15 Webereien), Damast, Stickereien u. s. w. — Schon im 13. Jahrh. kommen
genuesische Stoffe unter dem Namen „pannus" vor und finden zu kirchlichen
Zwecken Verwendung. Zu Ende des 13. Jahrh. berichtet Marco Polo über das
Auftreten der Genueser in Tauris, auf dem Kaspischen Meere und dessen Süd-
gestaden: „und von daher kommt die ghilanische Seide", ein Beweis, dass die
persische Seide von den Italienern bezogen wurde. Während des 15. Jahrh.
teilt Genua mit Venedig die Führerrolle in der italienischen Webekunst. Be-
züglich der Spitzen gilt Genua als eigenth'che Erzeugungsstätte italienischer
Klöppelarbeiten. Hier wollte man sie schon (nach Dr. Dreger, Entwickelungs-
geschichte der Spitze, Wien 1901) um 1400 nachweisen; indessen betreffen alle
älteren Nachrichten nur Goldposamenten und Stickereien, Erst im 16. und 17.
Jahrh. kommen dieselben in Verzeichnissen und Nachlassen häufiger vor. Be-
sonders scheinen in G. Goldspitzen gemacht worden zu sein (s. Spitzen).
^16 Geoktschaj — Geschlitzte Stoffe.
Geoktschaj, Kreisort im russ. Gouvernement Baku in Transkaukasien :
Seidenzucht, Teppich- und Seidenweberei.
Georg, der Heilige, in der röm. Kirche gewöhnlich Ritter Sankt G., in
der griechischen G. der Siegbringende genannt, stammte nach der Legende aus
einer vornehmen Familie in Kappadocien, trat ins römische Heer und stieg unter
Diocletian rasch empor. Als der Kaiser die Christenverfolgung begann, verwies
ihm G. seine Grausamkeit und erlitt deshalb 303 den Märtyrertod. Er wird
gewöhnlich als Jüngling, in antiker ritterlicher Küstung. auf E,oss, mit der Lanze
einen Drachen durchbohrend, dargestellt und es ist die Annahme nicht un-
gerechtfertigt, dass ähnliche Darstellungen in byzantinischen Stoffmustern inner-
halb der Kreise (vgl. Abb. 1 aut Taf. U) darauf zurückzuführen sind. (Vgl. auch
B,eitermuster.)
Georgia, Carolina oder IJpland, nordamerikanische Baumwollsorte.
Georgswalde, Stadt in Böhmen, an der sächs. Grenze : mechan. Webstuhl-
fabrik, Baumwollwarenfabriken.
Gepresster Sammet, s. Pressen.
Gera, Haupt- und Residenzstadt im Fürstentum E-euss j. L. : den Haupt-
zweig der bedeutenden Industrie, die sich besonders seit 1873 entwickelt hat,
bildet die 1595 durch den aus Flandern eingewanderten Nikolaus de Smit be-
gründete Wollwarenweberei (etwa 12 000 mech. Webstühle in 65 Fabriken;
jährlicher Umsatz etwa 60 Mill. M., direkte Ausfuhr nach den Vereinigten
Staaten von Amerika etwa 8 IMill. M.), Kammgarnspinnerei (4 Fabriken),
Teppichweberei (6), Färberei; ferner bestehen Appretur- und Blanchieranstalten.
Näh- und Strickschule.
Gerardmer, Hauptort im Arrond. St. Die des franz. Depart. Yosges:
Hanf- und Leinweberei.
Geringswalde, Stadt in Sachsen : Fabrikation von Strümpfen und Chenille-
artikeln.
Gerippter Sammet, wird als solcher bezeichnet, wenn seine Maschen um
dicke, darinbleibende Baumwollenfäden, anstatt um Nadeln geschlungen werden
und demnach als E-ippen erscheinen (s. Sammet).
Gerissener Sammet wird als solcher bezeichnet, wenn seine Maschenreihen
(Noppen) aufgeschnitten sind.
Germanisches Museum s. Nürnberg.
Germusets, ein buntgemusterter Halbseidenstofif, der auf Damastart mit
doppelter Kette, die eine von Seide, die andere von Baumwolle, in Brussa und
Aleppo gewebt wird.
Gerona, Stadt in Spanien: Spinnerei und Weberei.
Gersau im Schweiz. Kanton Scliwyz : drei Seidenfabriken (Florettspinnereien
und Zwirnereien).
Gerstenkornmuster kommt in geklöppelten Spitzen, namentlich in denen
aus Genua vor und wird der Frucht entsprechend genannt.
Gerus, Landschaft an der Grenze von Kurdistan : Erzeugung von Teppichen^
welche sich in Persien eines besonderen Ansehens erfreuen. Sie enthalten
4 — 5000 Noppen auf 100 EU cm. Das alte Gerusmuster bestand in gross-
blumigen Motiven.
Geschlitzte Stoffe werden im 16. Jahrh. hergestellt, meistens in Atlas-
geweben, indem mit Messern oder Eisen ein Muster aus reihenweis versetzten
länglichen oder runden Tupfen eingeschlitzt wird. (Vgl. Abb. 87.) Entstanden
sind diese Musterungen im 16. Jahrh. aus der Mode, die bauschigen Aermel des
Obergewandes aus doppeltem Stoff zu bilden , wobei der obere so weit aus-
geschnitten wurde, um den unteren hervorquellen zu lassen.
Abbildun g:
87. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Atlasstoff, rotbraun, mit Muster aus reihenweis versetzten Tupfen in geschlitzter Arbeit.
Spanien Ende 16. Jahrh.
Geschnittener Sammet — Gespinstfasern.
217
Geschnittener Sammet s. v. w. gerissener Sammet (s. d.).
Geschorener Sammet wird derjenige Velour genannt, dessen Noppen
aufgeschnitten sind, im Gegensatz zu dem ungeschorenen, welcher aus un-
geschnittenen Noppen besteht (s. Sammet).
Gespinste oder gesponnenes Gold oder Silber werden Seidenfäden genannt,
welche mit Gold- oder Silberdraht umsponnen sind, je nach der Beschaffenheit
des Metalls: echte und unechte G. (s. Brokat).
Abb. 87.
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Gespinstfasern (franz.: fibres textiles; engl.: textil-fibres) bilden das
Bohmaterial der Textilindustrie und werden vom Pflanzen- oder Tierreich ge-
liefert. Einzellige Haare sind : Baumwolle , vegetabilische Seide. Bast-
fasern sind: Flachs, Hanf, Jute, Chinagras, Bamie, Abelmoschusfaser, Gambo-
hanf, Nesselfaser, Sunn; monokotyle Gefässbündel sind: Agavefaser,
Aloehanf, Cuir; monokotyle Sklerenchj^mfaserbündel: Manilahanf,
neuseeländischer Flachs; Gefässbündelgruppen: Tillandsiafasern (Crin
Abb. 88.
Abb. 89.
vegetal), Kitulfaser (Caryota), Piassave (Attalea); Blätter: Esparto. — Tie-
rische Faserstoffe sind die feinen Haare und Seide. Zu ersteren gehören :
die Wolle der Schafe, die Haare der Kaschmirziege (Kaschmirwolle), der An-
goraziege (Mohairwolle), des Lama (Lamawolle), des Alpaka (Alpakawolle), des
Yicunä (Yicufiawolle) und des Kamels (Kamelwolle). Die Seide ist ein
Sekret der Kopfdrüsen verschiedener Schmetterlingsraupen; die echte Seide
218
Gespinstfasern.
stammt vom Maulbeerspinner (Bombyx mori); Mus ch eise ide ist ein Grespinst
von gewissen Arten der Steckmuscheln. Künstliche Seide besteht aus
verschiedenen Substanzen, z. B. aus künstlichen Kollodiumfäden. Mineralische
Abb. 90.
Abb. 91.
G. haben geringere Bedeutung; zu diesen gehören: die Metallfäden, die bei den
Brokatstoffen und Tressen verwendet werden; Asbestwolle und Grlasseide. Die
Abb. 92.
Unterscheidung der G-espinstfasern voneinander wird durch die mikroskopische
Untersuchung ermöglicht, im verarbeiteten Zustande durch chemische Beageiitien.
(Vgl. die Yergrösserungen in den Abbildungen 88 — 94.)
Abb ildungen:
88 — 94. Darstellungen aus: Buch der Erfindungen, Leipzig u. Berlin. Bd. 6.
S. 314—316:
88, Wollfaser, 400 mal vergrössert.
89. Baumwollfaser, 400 mal vergrössert.
Gespinstfaser.
219
90. Leinenfaser, 400 mal vergrössert.
91. Hanffaser, „ „
Abb. 93.
Abb. 94.
92. Seidenfaser, 400 mal vergrössert.
93. Feine unverfälschte Leinwand, 100 mal vergrössert.
94. Feiner Baumwollbatist, „ „
220 Gestäubte Tapeten— Gimborn.
Gestäubte Tapeten, Papiertapeten, auf welchen das Muster durch Wollen-
staub ein sammetartiges Ansehen erhält : Sammet- oder Velourtapeten (vergl.
Flocktapeten).
Getee , Getel (engl. : getee fibre) , die aus dem Bast der in Ostindien
heimischen Marsdenia tenacissima gewonnene Spinnfaser von grosser Festigkeit
und schönem seidenartigen Glänze.
Gewand nannte man früher in Niedersachsen häufig jede Art Wollenzeug,
besonders aber Wollentuch ; daher Messen Gewandschneider, Gewandausschneider
damals diejenigen Kaufleute und Fabrikanten, welche das Tuch eilen- oder teil-
weise verkauften oder ausschnitten. Gewandhaus war in vielen Städten Sachsens
ein besonderes Gebäude, das jenen Verkäufern als Niederlage eingeräumt war.
Gewässerte Stoffe oder moirierte Zeuge heissen solche seidene oder wollene
Stoffe, deren rechte Seite glänzende wellenförmige, jedoch nicht eingewebte Streifen
hat. Oberflächlich geschieht die Wässerung dadurch, dass man die Zeuge mit
Wasser einsprengt und dann mangelt oder mit heissen Metallplatten presst;
diese Wässerung verschwindet aber in der Nässe. Eine zweite Wässerung, die
man besonders bei seidenen und Kammgarnen, dicht gerippten Zeugen anwendet,
stellt man dadurch her, dass man die Zeuge, die rechten Seiten zugekehrt, auf-
einander legt und dann durch zwei heisse, scharf aufeinander drückende Walzen
langsam durchlässt, nachdem man die Zeuge vorher mit einer entsprechenden
steifen Appretur behandelt hat. Eine dritte Wässerung auf Zeuge, die nicht
rippig sind, wie z. B. dünne baumwollene Stoffe, erfolgt dadurch, dass man sie
zuerst steift, dann glänzt, darauf durch fein gerippte Metallwalzen gehen lässt,
wodurch sie fein gerippt werden und dann wie bei zwei verfährt. In England
heisst das Verfahren to make coarse goods fine.
Gewebe, s, Weberei.
Gewirkte Stoffe sind im Gegensatz zu den gewebten solche, deren Fäden
bei den Verschlingungen Maschen bilden; sie stehen in nächster Verwandtschaft
zu den gestrickten und gehäkelten Waren.
Gewürfelt heissen die Muster von Geweben, wenn sie quadratische
Teilungen in Art des Schachbrettes enthalten.
Gezogen heisst Sammet, dessen Noppen nicht aufgeschnitten sind.
Gezogene Zeuge nannte man vor Einführung der Jacquardmaschine alle
diejenigen, in die mittels des Zugstuhles, des Kegel-, Zampel- oder Walzenstuhles
kleine und grössere Muster durch das entsprechende Heben und Senken ver-
schiedener Kettenfäden eingewebt wurden.
Ghenaaltapat, Faserstoff der Kapselmusspflanze in Ostindien, der zu
groben Geweben Verwendung findet. In Bengalen nennt man die Fasern
Malta jute.
Ghilams, seidene Zeuge, welche in der Provinz Nanking in China ge-
fertigt und durch die Holländer nach Japan weiter ausgeführt werden.
Ghilan, auch Gilän, pers. Provinz am Südwestufer des Kaspischen Meeres,
mit der Hauptstadt Rescht (s. d.), gehörte im 16. und 17. Jahrh. zu den reichsten
seidenproduzierenden Gegenden Asiens und war der Sitz eines schwunghaften
Seidenhandels nach West und Ost.
Ghile nannten die Genuesen die Seide, welche sie im 16. Jahrh. von den
Ufern des Kaspischen Meeres bezogen: der Name stammt von der pers. Prov.
Ghilan (s. d.).
Giessen, Hauptstadt der Hess. Prov. Oberhessen: mechan. Baumwoll-
weberei (Homberger u. Söhne), Spinnerei, Weberei.
Gifhorn, Kreisstadt im preuss. Reg. Bez. Lüneburg: WoU- imd Baum-
wollspinnereien.
Gigerl, im Oesterreichischen eine Gattung Bettleinen.
Gilets sind Westenzeuge.
Gilgenmodel s. v. w. Lilienmuster in der Klöppelspitze. Der Ausdruck
kommt vor in dem Züricher Musterbuch von 1561/62.
Gimborn, Gemeinde im preuss. Keg.-Bez. Köln: Kunstwollenfabriken,
Wollspinnerei im Leggethal.
Gimians — Glanzleinwand. 221
GimianSt im levantiner Handel die ganz feinen und grossen Stubenteppiche,
welche in Kleinasien gefertigt werden und den englischen Shag-carpets und Pile-
carpets ähnlich sehen ; indessen nicht mit denen der hohen Preise wegen kon-
kurrieren können.
Gimpen, G-orl, (franz.: guipure, guimpure; engl.: gimps), mit farbiger
Seide übersponnene Baumwollfäden, welche dadurch das Ansehen von glänzenden
seidenen Fäden und eine gewisse Steifheit erhalten, welche sie geeignet macht,
in allerlei Mustern zu Kleiderbesätzen, Möbelverzierungen geklöppelt (Klöppel-
gorl) , genäht (Nähgorl) oder gewebt (Stuhlgorl) zu werden (s. a. Posa-
menten).
Gimpenspitze, nachgeahmte Reliefspitze. Die um die Konturen der
Formen genähte Gimpe soll eine dicke Nadelarbeit ersetzen ; sie wird oft in
Seide gefertigt.
Gingan, Gingham, Guingan, Gingas, unter diesem Namen kamen früher
im Handel mehrere Sorten ostindischer, französischer, englischer und sächsischer
Gewebe vor, welche teils aus Seide, aus Baumwolle und Bast, aus Baumwolle
und Seide, aus Baumwolle und Leinen, bunt gestreift oder bunt gewürfelt ver-
fertigt wurden; später gab man den Namen G. lediglich den bunten leinwand-
artigen Baumwollstoffen von mittlerer Feinheit, die feineren Sorten pflegt man
Indiennes zu nennen. In alten Zeiten gingen ganz leinene Gingans unter dem
Namen teile rigata nach Italien. Im spanischen und südamerikanischen Handel
werden die G. unter dem Namen caranclones genannt.
Gingerline, zu Marseille eine Bastardsorte der carmenischen Wolle.
Gingham s. Gingan.
Ginghamets sind gestreifte und geblümte Musselinets.
Gingiras, eine Art ostindischer seidener Zeuge.
Ginsterfasern (von Genester hispanica) werden zu Leinwand, Segeltüchern
und Tauwerk verwendet; in Dalmatien kommen sie in grosser Menge vor.
Giordes, Hauptsitz der Erzeugung einer beliebten Art von sogen. Smyrna-
teppichen in Vorder-Kleinasien , welche in hellen Farben gehalten sind. Es
kommen viel derartige Gebetteppiche vor, ihre E,andborte setzt sich gewöhnlich
aus schmalen Streifen mit Streublumen zusammen (s. Teppiche).
Gisors, Hauptort im Arrond. Les Andeyls des franz. Depart. Eure : Baum-
wollspinnerei, Spitzen- und Tuchfabrikation.
Glaceband, atlasartiges, steifes und glänzendes, einfarbiges, seidenes Band,
welches am meisten in Basel hergestellt wird.
Glace d'argent, Glace d'or (franz.), mit Silber- und Goldfäden oder Lahn
durchwirkte seidene Stoffe.
Gladbach (München- Gladbach), Hauptsitz der rheinischen Baumwoll-
industrie: über 30 Spinnereien mit etwa 160 000 Spindeln, darunter die grosse
Aktienspinnerei und -weberei, zahlreiche mechanische Webereien, Färbereien und
Druckereien, Appreturanstalten, Bleichereien und Bauhereien, Fabriken für
Halbseiden-, Woll- und Halbwollwaren. König 1. Preuss. Fachschule für
Baumwollindustrie. G. ist Sitz der Bheinisch- Westfälischen Textil-Berufs-
genossenschaft und ihrer 2. Sektion. Schon im Mittelalter waren Flachsbau und
Leinwandhandel sehr bedeutend; die Baumwollweberei wurde gegen Ende des
18. Jahrb., die Baumwollspinnerei 1807 eingeführt. (Vgl. F. W. Strauss, Ge-
schichte der Stadt M.-Gladbach ; Gladbach 1895. Ders. Beiträge zur Geschichte
der Stadt M.-G. ebd. 1898.)
Glanzetamin, veralteter Name für einen leichten, leinwandartig gewebten
Seidenstoff mit einer geglätteten Oberfläche, der in Amiens verfertigt wurde.
Glanzgaze, dünne baumwollene G., welche man mit Hausenblase galert
oder mit Collodium überzieht, sodass kein Staub durchdringt, um sie als Schutz-
decken für Bilder, Stickereien u. s. w. zu verwenden.
Glanzleinwand, locker gewebte L., welche teils im rohen Zustand, teils
gebleicht oder im Stück bunt gefärbt in den Handel kommt. Nach der Mangel
wird das Gewebe mit Stärke und Gummi überstrichen und dann mit einem
geschliffenen Kiesel so geglättet, dass es spiegelglatt wird.
222 Glanztaffet— Gobelins.
Glanztaffet ist ein leichter Taffet, der stark mit Grumini appretiert und
geglättet ist.
Glanzzwirn, baumwollener Nähzwirn, der durch äusserst regelmässiges
Aufspulen und Glätten auf einer besonderen Maschine einen ziemlich starken
Glanz erhalten hat.
Glarus, Hauptort im gleichnam. Schweiz. Kanton: Zwirnerei, Weberei,
Buntweberei, Zeugdruckerei (besonders Handdruck, welcher türk. Turbane und
Schleier liefert).
Glasgow, grösste und wirtschaftlich die bedeutendste Stadt Schottlands:
seit 1870 entwickelte sich die Baumwollspinnerei und Weberei, die Bleicherei,
die Jute- und Seidenindustrie, die Fabriken von Shawls, Musselinen und ge-
druckten Kalikos, sowie von Garnen und Zwirnen. G. ist Handelsmittelpunkt
des industriellen Teiles von Schottland und vertreibt auch einen grossen Teil der
Erzeugnisse der irischen Leinenmanufaktur.
Glasleinwand, zum Polieren weicher Metalle dienender Baumwollstoff,
auf welchem durch ein Klebemittel Glaspulver befestigt ist.
Glasperlen s. Perlstickerei.
Glasseide s. Glasspinnerei.
Glasspinnerei, das von J. de Brunfaut ausgebildete Verfahren, Glas in
lange, biegsame Fäden zu verwandeln und web- und flechtbare Gespinste (Glas-
seide) herzustellen. Man verfertigt daraus Quasten, Gürtel u. s. w., ausserdem
benutzt man das Gespinst als Einschlag für seidene Zeuge, die dadurch, je nach-
dem das Glas gelb oder weiss ist, den Glanz und das Aussehen von Gold- oder
Silberbrokat erhalten.
Glastonbury, Stadt in der engl. Grafschaft Somerset: Seidenindustrie.
Glaswolle, mittels eines heissen Eisens gekräuselte und verfilzte Glasseide
(s. Glasspinnerei), die als plüschartiger Auszug, als Filtriermaterial verwendet wird.
Glauchau, Stadt im Königreich Sachsen ; für die Fabrikation von wollenen
und halbwollenen Stoffen einer der wichtigsten Plätze Deutschlands: 9 mech.
Webereien (Damenkleiderstoffe) mit bedeutendem Export, 25 Färbereien, Appre-
turanstalten, Garnwäschereien und -druckereien, 2 Spinnereien, mehrere Muster-
zeichnereien und Jacquardkartenschlägereien, eine Jacquardmaschinen- und Web-
utensilienfabrik.
Glizzum, glizum, glisdum (lat.), im Altertum kostbares glänzendes Gewebe.
Gloggnitz, Marktflecken in Niederösterreich : Baumwollspinnerei, Filz- und
Wollwarenfabriken.
Gloria ist ein köperbindiges , glattes Gewebe mit Kette aus Baumwolle
und Einschlag aus Florettseide.
Glossaret, veralteter englischer halbseidener Stoff aus feiner Schafwolle
und Seide.
Glossop, Stadt in der engl. Grafschaft Derby : Mittelpunkt der Baumwoll-
industrie der Gegend, hat auch Bleicherei, Tuchfabrikation und Färberei.
Glyzine, Pflanzengattung der Schmetterlingsblütler, von denen es ver-
schiedene Arten gibt ; es sind Schlingpflanzen mit wohlriechenden, lang herunter-
hängenden Blüten, die in China und Japan für Kunstformen der Weberei und
Stickerei reichlich Anwendung finden. (Vgl. Abb. 95.)
Abb ildung :
95. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Seiden-
stoff, Grund weisser Atlas, Muster bläulich weiss aus reihenweis versetzten rundlich
gelegten Glyzinenblüten (Daimiowappen?); dazwischen Blattranken und einzelne hängende
Blüten derselben Pflanze. Japan Anfang 19. Jahrh.
Gobelins werden in Paris einzig und allein jene Wandteppiche genannt,
welche in der Fabrik gefertigt sind, welche im 15. Jahrh. die Familie Gobelin
inne hatte. Der Stammvater derselben, Gilles Gobelin, betrieb eine Färberei
daselbst. Im Jahre 1630 wird die französische Staatsanstalt zur Herstellung der
Wandteppiche in dieses Gebäude verlegt und die Bezeichnung Gobelin ist all-
gemein geworden für alle auf Haute-lisse- und Basse-lisse-Stühlen gewirkten
Gobelinstoffe — Goldstoff.
223
Teppiche oder Vorhänge. (Vgl. die Artikel Bildwirkerei, Kilim, Schlitzwirkerei,
Tapisserie und Wandteppiche.
Gobelinstoffe werden im modernen Handel alle derartigen Gewebe für
Möbel, Vorhänge ii. dgl. genannt, deren stärkere Schussfäden die schwächeren
Kettfäden in der AVeise binden, dass der Stoff gerippt erscheint.
Abb. 95.
Godovabli (altslavisch) s. Gotaweppi.
Godwob (altfriesisch) s. Gotaweppi.
Göggingen in Bayern: die grösste Zwirnerei und Nähfadenfabrik
Deutschlands.
Goldbrokat s. Brokat.
Goldfäden sind in Brokatgeweben (s. d.) und Stickereien zu verschiedenen
Zeiten und bei verschiedenen Völkern auf mancherlei Art bereitet worden. Die
Orientalen belegten sehr feine Tierhäute mit Blattgold, schnitten sie in ganz
schmale Streifen und zogen diese entweder so in das Gewebe ein oder umwickelten
mit demselben Leinenfäden. Später bediente man sich des Golddrahtes oder der
mit Golddraht umsponnenen Eäden (Goldgespinst). In China und Japan benützt
man Goldpapier für Gewebe und Stickereien.
Goldgespinst s. Gespinste.
Goldmodel werden in alten Spitzenmusterbüchern Vorlagen für Passemen-
terien aus Goldfäden genannt.
Goldspinnerei, das Verfahren, Seidenfäden mit Golddraht zu umwickeln,
s. Brokat und Goldfäden.
Goldspitzen und Silberspitzen, Spitzenarten, die ganz oder teilweise aus
Gold- oder Silberfäden genäht, meistens geklöppelt sind. Sie kommen im
17. Jahrh. zuerst in Spanien und Italien vor, es gingen ihnen wahrscheinlich die
maurischen Gold- und Silberpassementerien voran (s. Spitzen).
Goldstickerei s. Stickerei.
Goldstoff, auch Goldstück (Drap d'or, auch Fond d'or), heissen diejenigen
broschierten weichen Stoffe, deren schimmernder und glänzender Grund ganz
aus reichem Gold- und Silbergespinst oder aus Goldlahn besteht, wodurch sie
sich von dem Brokat unterscheiden , bei welchem die Muster z. T. aus feiner
Seide bestehen. — Sie dienen zur Tracht der Orientalen und zu Kirchenornaten,
mit leonischem Gold zu Theater- und Maskeradenaufzügen. Eine neuere Art
von G. sind die Cirsaccas-Zeuge, eine Zusammensetzung von Atlas, Tissu d'or
und Fond d'or, welche den ostindischen und chinesischen Sirfakas oder Sersukers
nachgemacht sind. Die Manufakturen von Lyon und Tours liefern die meisten und
224 Golgas— Gotischer Stil.
schönsten Goldstoffe; doch werden sie auch in Paris, Genua, Florenz und
Venedig gemacht. Leichtere derartige Stoffe liefert auch Deutschland.
Golgas, gedruckte Flanelle, auch türkische Flanelle genannt, welche durch
Model- oder Walzendruck doppelseitig gemustert sind.
Golgasdruck, der auf Wolle angewendete Bandanadruck (s. d.); die
wollenen Zeuge werden, ehe sie zwischen die Platten kommen, mit Alaun oder
Weinstein gebeizt.
Golsch, eine Art Barchent aus den Webereien in Ulm und anderen
Gegenden Schwabens.
Goole, Stadt in der engl. Grafschaft York: Woll- und Baum wollwaren -
fabrikation.
Goor, Stadt in der niederl. Prov. Oberyssel: Webereien, Bleichereien und
Färbereien.
Göppingen, Oberamtsstadt im württemb. Donaukreis: bedeutende Baum-
wollwebereien.
Gorillagarn, eine Art Noppengarn, dessen Grundfaden aus langem,
schlichtem Rohmaterial (Kamelhaar, Alpaka, Angorahaar, schlichter Schafwolle,
auch Pflanzenfasern) gebildet wird. Zur Erzielung der Baubeiten und Knötchen
setzt man Seidenabfälle zu.
Gorl s. Gimpen.
Gorlice, Stadt in Galizien : bedeutende Märkte für Leinwand 5 in der Um-
gebung Leinen- und Wollzeugwebereien und Leinwandbleichen.
Görlitz, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Liegnitz: der Hauptindustriezweig ist
die Tuchfabrikation (10 Fabriken mit über 2000 Arbeitern), ferner die Fabri-
kation von Gloriastoff (z. T. in der Umgegend).
Gortinia, Stadt in Griechenland: erzeugt Knüpfteppiche.
Görz, Stadt in Oesterreich: die Fabriken der Herren von Bitter gehören
zu den grossartigsten der Monarchie, sie besteben aus Baumwollspinnereien und
-Webereien, mechanischen Florettspinnereien, Seidenspinnereien und -Webereien.
Gossau, Dorf und Hauptort im Schweiz. Kanton St. Gallen : Zeugdruckerei,
mehrere Stickereien und Weberei.
Gössnitz, Stadt im Herzogtum Sachsen-Altenburg: Spinnerei, mechan.
AVeberei, drei mechan. Stickereien.
Gotaweppi (althochdeutsch), godwob (altfriesisch), godowabli (altslavisch),
hedbav (tschechisch), hodbab (slowakisch), jedwab (polnisch), unter diesen all-
gemeinen Namen kamen im ganzen germanisch-slavischen Norden Europas die
Seidengewebe in Aufnahme, und da sie in erster Linie wohl zu kirchlichen Zwecken
Verwendimg gefunden haben, so kam man zu der wohl annehmbaren Vermu-
tung, dass die Bezeichnung von „Gottesgewebe" abzuleiten sei.
Göteborg oder Got(h)enburg, Stadt in Schweden: bedeutende Baumwoll-
spinnerei und -Weberei, Färberei, Herstellung von Gardinen und Möbelstoffen,
Stickereien.
Gotischer Stil bezeichnet in Deutschland und Frankreich die Kunstweise
der Zeit von 1200 bis 1500, in Italien bis 1400, welche in der Baukunst durch
die Ausbildung des Spitzbogens gekennzeichnet ist, dessen gebrochene Linien,
Fialen, Krabben u. s. w. während dieser Zeit auch in der Kleinkunst vor-
herrschen, wozu später für das Flachmuster Bosetten und Passfelder (s. d.),
die Böse als solche, der Wein (Abb. 96), die Distel (Abb. 97) in Erscheinung
treten. Das Gewebemuster , im Anfange der Periode noch vollständig von
sarazenischer Kunstweise beeinflusst, weil die europäische Kunstweberei und
ihre Formensprache erst allmählich selbständig werden, lässt vom 14. Jahrh.
ab Elemente erkennen, welche sich als spätere Gotik bezeichnen lassen, wobei
früher und später die Mustergebung für kirchliche Stoffe (s. d.) auffällt, welche
die Italiener nach gegebenen orientalischen Vorbildern in ihrem Geiste um-
gestaltet haben, in welcher Beziehung ihnen schon die Araber vielfach vor-
gearbeitet hatten (s. arabischer Stil). Am Ende des 14. Jahrh. hat sich in
Italien die arabische Ueberlieferung verloren (vgl. die Abb. auf Tafel III) ; die
Tiermuster sind verdrängt, die Arabesken haben sich in Blattwerk verwandelt,
Gotischer Stil.
225
welches deutliche Spuren des gotischen Stils trägt: knorriges Astwerk (Abb. 98),
das zackige Distellaub (Abb. 97), halb naturalistische Blätter und Blüten, ver-
einzelt die Lilie (Abb. 99), bis im 15. Jahrh. das sogen. Grranatapfelmuster (s. d.)
einsetzt und das Stoffmuster bis in die E^enaissancezeit hinein beherrscht. —
Abb. 96.
Technisch ist im frühgotischen Zeitalter für die Kunstweberei wenig
^eues zu verzeichnen ; erst im 15. Jahrh. entfaltet sich die grösste Pracht des
Damastes und des Groldbrokates, vor allem aber des Sammets, welcher uns bis
dahin nur wenige Beispiele hinterlassen hatte. Ergiebiger gestalten sich eih-
Abb. 97.
zelne G-ebiete der Kunsthandarbeiten , welche zumeist noch in Kirchenwerk-
stätten für das Gotteshaus entstehen, wobei zu bemerken ist, dass sich in
manchen Gregenden die Muster hierfür lange bis ins 16. Jahrh. hinein halten.
Zahlreich vorhanden sind Stickereien auf grobem Segeltuch und aus späterer Zeit
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 15
226
Gotisclier Stil.
Abb. 98.
Abb. 99.
Gotischer Stil.
227
Leinenstickereien (s. d.). Von letzteren gibt es unzählige Altardecken, welche
in weissem und braunem Garn Ranken mit reizvollen stilisierten Blüten ent-
halten, deren Flächen in allerlei Ueberfangstichen belebt sind. Ein ganz be-
sonders schönes Stück eigener Art bewahrt das Germanische Museum in Nürn-
berg. (Vgl. Abb. 100.) Kirchlichen Zwecken dienstbar gemacht ist ferner das
weite Gebiet der Bild- und Goldstickerei, meistens für Kaselkreuze und -Stäbe
verwendet. Die Musterung besteht in Streifen aus biblischen Figuren, welche
unter Spitzbogenstellungen abwechseln. Aufgelegte Goldfäden werden in roter
Seide in korbilechtartiger Musterung übernäht, die Gewänder der Heiligen sind
mit farbigen Seidenfäden emailartig lasiert überstickt und die Gesichter und
auch oft andere Teile in malerischer Art in farbigem Plattstich ausgeführt. —
Abb. 100.
Eine gröbere Art von Stickerei auf schwarzem Tuch, deren Technik an Auf-
näharbeit erinnert, kommt in quadratischen Feldern zur Geltung, die zu Bück-
laken für Chorgestühle zusammengesetzt sind. Auch hier hat man bunte aufgelegte
Fäden in Flächen überstickt, wobei vergoldete Lederriemchen , und als Unter-
lagen der Blütenformen, Pergamentfolien Verwendung gefunden haben. (Abb. 101.)
In die frühgotische Zeit gehört die Technik der Aufnäharbeit in Perlen und
getriebenen Goldplättchen ; auch eine Art der Tamburierarbeit (s. d.) auf Lein-
wand lässt sich in Deutschland um diese Zeit nachweisen. Schliesslich kommt
auch hier in Aufnahme die Technik der sog. Gobelinwirkerei für Eücklaken und
Wandteppiche (s. d.), deren Arbeiten mit Figurendarstellungen, Spruchbändern
und verschiedenartigem Ornament in dunklen TJmrisslinien merkwürdig in gleicher
Wirkung stehen zu den bunten Glasfenstern mit Bleiverglasung derselben Zeit,
(lieber Einzelheiten vergl. die Sx^ezialartikel.)
Ab bildungen :
'96. Darstellung aus: Heiden, Motive, Leipzig, 1890, BI. 221. Stickerei auf
Leinen in farbiger Seide mit Darstellung zweier Bundfelder, um die sich Rosen und
228
Gotisierend — Grains grossiers.
Weinreben ranken ; in den Feldern Rosenstauden anderer Stickereien. Original : Deutsch-
land 15. Jahrb.
97. Darstellung aus Heiden, Musteratlas, Leipzig, 1896: Kissen, Stickerei
auf Leinen in farbiger Seide : Darstellung von Distelzweigen an gewundenem Astwerk.
Original : Deutschland 15. Jahrb.
98. Darstellung aus: Brinckmann, das Hamburgische Museum für Kunst und
Gewerbe. Leipzig, 1894, S. 25. Seidenbrokatgewebe, Grund blau, Muster Gold:
Schräg aufsteigende wellige Aeste, welche von Ranken aus breiten Blättern mit kleinem
Zweigwerk umschlungen sind. Italien 14. Jahrb.
99. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum' in Stuttgart:
Wollenstoff, grün, mit hellroter Seide und etwas Gold broschiert: Rauten aus ver-
schlungenen Bändern enthalten Wappenlilien. Deutschland 14. — 15. Jahrb.
100. Darstellung aus dem Katalog des Germanischen Nationalmuseums in München,
daselbst 1901, Tafel XV. Leinendecke, in verschiedenen Sticharten in Seide und Gold
gestickt mit Darstellung eines Liebespaares zwischen einem Spruchband. Schweiz (?) 1548,
Abb. 101.
'•^^
101. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Bl. 9. Quadratisches
Feld eines Rücklakens, Stickerei auf schwarzem Tuch in farbiger Seide und Leder-
riemchen (übernähte Fäden und mit Pergament unterlegte Teile): einem rundlich ge-
legten Ast entsteigen nach den vier Ecken und Mittelpartien stiUsierte Blütenzweige,
deren Einzelformen an die Passionsblume erinnern. Deutschland 15. Jahrb.
Gotisierend, zur Gotik sich hinneigend, also entweder spätromanische,
oder auch Renaissanceformen, in denen einzelne gotische Elemente vorkommen.
Göttingen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Hildesheim : Fabrikation von Tuch-
und Wollwaren.
Gradeis, Gradls, Grateis, Demi-Coutils, bunte Halbdrilliche oder Köper-
leinen, welche in Sachsen und Böhmen gewebt werden.
Graines (franz.), (jap.: Tane), Ausfuhrartikel aus der Seidenzucht : Seiden-
raupeneier.
Grains grossiers, Coutils de Brin (franz.), gewöhnlicher einfacher Zwillich
aus starkem Garn.
Grramasia — Granatapfelmuster.
229
Gramasia, gramata, gramatia (lat.), gemusterter Bortenbesatz.
Granada, Hauptstadt der gleichnara. Prov. im KöDigreich Spanien : Fabri-
kation von Tuchen und Geweben.
Granatapfelmuster (franz.: Grenada; pomme d'amour; engl.: pomme
granate) nennt man die Bildung einer Kunstform in der Weberei der Spätgotik
aus gleichnamiger Frucht in Vereinigung mit Motiven des Spitzbogens. Die
Verwendung des Granatapfels als Muster kommt schon im Altertum vor und
ist hier wohl auf symbolische Bedeutung zurückzführen , wie er auch über-
gegangen ist in die Ornamentik der koptischen Gewandreste. (Vgl. Abb. 3.)
Weiterhin als Frucht erkennbar ist der
Abb. 102.
Granatapfel in Geweben des 14. Jahrh.,
welche in Italien unter arabischem Ein-
tluss entstanden sind. (Vgl. Abb. 45.)
Daneben geht als ähnliche, aber weniger
naturalistisch wiedergegebene Schmuck-
form der Pinienzapfen, der auch schon
in Assyrien bekannt war. (Vgl. Abb. 30
u. 76.) Verwandt in der Blütenbildung
nähert sich diesen Formen auch die
Distel (vgl, Abb. 56 u. 57) und end-
lich ist den Genannten wiederum in der
Frucht ähnlich die Ananas (vgl. Abb. 18);
beides aber erst später vorkommende
Motive. Alle diese Blüten-, Blatt- und
Fruchtformen haben dem Stile der Zeit
entsprechend zu dem gleichartigen sogen. .
Granatapfelmuster Anregung gegeben,
das vom 15. Jahrh. bis ins 16. Jahrh.
hinein im Orient, in Europa, vornehm-
lich in Italien, Spanien und Flandern,
zu Hunderten von verschiedenen Ab-
wechselungen erscheint. Das Grund-
motiv zu demselben wird also dem
Orient entstammen, woselbst auch schon
im 12. und 13. Jahrb. verwandte spitz-
ovale Blütenformen vorkommen, die
aber, wenn sie überhaupt in Zu-
sammenhang damit zu bringen sind und
nicht viel eher auf eine allgemeine Pal-
mettenform der altchinesischen und
persischen lotosähnlichen Blüte zurückzuführen sind, mehr an die Bildung des
Pinienzapfens erinnern.
An der selbständigen 'Ausbildung des Granatapfelmusters in Europa hat
entschieden der gotische Stil mit den ihm charakteristischen Spitzbogenmotiven
den grössten Anteil; denn die hieraus gebildete Umrahmung der Blüte oder
Frucht ist in gleichzeitigen orientalischen Stoffmustern niemals so streng wahr-
zunehmen wie hier; wenngleich dem gegenüberzustellen ist, dass dem Araber
die spitzige Bogenstellung durch seine Architektur natürlich auch sehr geläufig
war. Aber man dürfte nicht fehlgehen, nur jene Granatapfelmuster nach dem
Orient zu setzen, welche die einfachere Spitzbogenumrahmung der Blüte oder
Frucht in nochmaliger Einschliessung eines spitzovalen Feldes zeigen (vgl. Abb. 4
auf Tafel IV), das mit dem 16. Jahrh. auch von Italien für das Stoffmuster
einsetzt, im Orient aber schon im 13. Jahrh. allgemein geworden ist. Orien-
talisierende Einflüsse machen sich, wie in allen Geweben Venedigs (s. d.), natür-
lich auch beim Granatapfelmuster bemerkbar ; als Fabrikationsstätte des Orients
dürfte in dieser Zeit schon Skutari (s. d.) genannt werden. Die ältesten Granat-
apfelmuster erscheinen an breiten welligen Aesten, welche sich schräg über die
ganze Fläche winden (Abb. 6 auf Tafel IV); unsymmetrisch gelangen sie auch
230
Granatapfelmuster.
noch zur Darstellung, wenn die Bogenfelder durch schlanke oder gerollte
Blätter unterbrochen sind, deren Anordnung dem vorigen Typus entspricht.
Eine grosse Vielseitigkeit im Granatmuster ist in jener Grruppe von Damast-
oder einfarbigen Sammetstoffen wahrzunehmen, die das Kernstück als kleine
Blüte oder Frucht in einer Bogenumrahmung zeigen, welche sich einer grossen
Palmettenform nähert (vgl. Abb. 1, 3, 7, 11 auf Tafel IV), worin die gotische
Linienführung deutlich zum Ausdruck gelangt. Ebenso weisen die in feinen
Linien geschorenen Muster (vgl. Abb. 12 auf Tafel TV) auf rein europäische
Herkunft hin. — Je mehr man sich der Benaissancezeit nähert, um so kleiner
wird die Spitzbogenumrahmung des Hauptmotivs. (Vgl. Abb. 9 auf Tafel IV.)
Ein dichter Blütenkranz umgibt dieselbe und dieser ist wiederum durch Bänder
eingerahmt, den Kronen verbinden. Im Anfange des 16. Jahrh. erscheint dann
der Grranatapfel mit den herausquellenden Fruchtkernen noch einmal in seiner
Abb. 103.
ältesten Gestalt und die Spitzbogenumrahmung ist abgelöst durch eine spät-
gotische Rose. (Vgl. Abb. 102 u. 103.) Zwischen diesen Ausläufern des
Granatapfelmusters liegen die Damaste der Frührenaissance, welche das ehe-
malige einfache Motiv in reichster Entwicklung und durch Kronen verbunden
zeigen (vgl. Abb. 8 auf Tafel IV), woran sich anschliessen die gleichzeitigen
spanischen Stoffe mit abwechselnder Granatapfelblüte und dem Pinienzapfen,
die schon in spitzovale Felder eingeschlossen sind, also den Anfang des Penais-
sancemusters darstellen. Deutlicher tritt der Pinienzapfen in der unter Abb 104
dargestellten Sammetbrokattapete in Erscheinung, dessen Umrahmung aus
Cypressenblättern und dem aus kleinen Tulpen- und Nelkenblüten bestehenden
Beiwerk den orientalischen Typus solcher Muster veranschaulichen. Völlig auf-
gelöst erscheint dann in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. in Spanien die
Granatapfelblüte (Abb. 105), deren gewürfelte Einzelheiten an frühere arabische
spitzovale Formen erinnern. In gleicher Weise werden in späterer Zeit ähnliche
Muster auch im Orient freier, wodurch der Zusammenhang mit der europäischen
Formenwelt noch augenscheinlicher wird. (Abb. 106.) — Ein dem Granatapfel-
Granätaptelmuster.
231
Abb. 104.
Abb. 105.
^
Abb. 106.
232
Granatap f elmuster.
muster verwandtes Motiv tritt noch einmal in Erscheinung, als am Ende des
17. Jahrh. sich der französische Barockstil unter dem Einfluss italienischer
Kunstformen bildet; indessen liegt diesem Stoffmuster lediglich die Frucht der
Ananas zu Grunde. (Vgl. Abb. 107 u. 18—20.) Hinsichtlich des Gebrauchs
der grossmusterigen Granatstoffe ist es bemerkenswert, dass dieselben nicht nur
zu Tapeten oder für sonstige Innendekoration Verwendung fanden, sondern auch
zu Gewändern verschnitten wurden, wofür die Bilder jener Zeit die inter-
essantesten Beispiele aufweisen. (Vgl- Abb. 108.)
Abb. 107.
Abbildungen : ^
102. Original aufnähme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum inBerhn: Sammet-
brokat, Grund hellviolette Seide, Muster rot, geschnitten und mit or frisee : Bänder
mit eingefügten Verschlingungen bilden spitzovale Felder, in welchen abwechselnd
Granatapfel mit Krone und gotische Rose in gebuckelter Vase. ItaHen Anf. 16. Jahrh.
103. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, N. F. III, S. 84, Leipzig 1891: Sammet-
Stoff (moderne Nachbildung), rot, Grund glatt, Muster geschnitten: In Reihen geordnete
und durch herzförmig geschwungene Bänder mit Kronen verbundene gotische Rosen und
kleinere Blüten. Original von einer venetianischen Dogenstola, Anfang 16. Jahrh.
104. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin: Sammet-
Granatapfelmuster.
233
brokattapete , Grund rot , Muster mit Silbertaden durchwirkt : Reihenweis versetzte
Pinienzapfenblüten sind von gefüllten Cypressenblättern umgeben und mit kleinem
Blütenwerk besetzt. Persien 16. Jahrb.
105. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Sammetstofif^ Grund weisser Atlas, Muster rot, geschnitten : Aeste, durch Knäufe ver-
bunden, bilden spitzovale Felder, in welchen je eine granatapfelartige Blüte. Spanien
16. Jahrh.
106. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stickerei auf Baumwolle in roter Seide im Webstich, Muster in Art gewebter Tapeten :
Abb. 108.
Aeste, mit Blättern besetzt und durch Knäufe verbunden, bilden spitzovale Felder, in
denen je eine Palmettenblüte, die an granatapfelartige Gestaltung erinnert. Türkei
17.-18. Jahrh.
107. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Jahrgang 1890, Leipzig: Sammetbrokat,
Grund Gold, Muster schwarz geschnitten: Eine wellige Blütenranke, durch Rosetten
verbunden, bildet Felder, in welchen je eine Palmettenblüte aus dem Fruchtkolben der
Ananas in Umrahmung von schlanken Blattfeldern. Frankreich Ende 17. Jahrh. Ori-
ginal :. Berlin und Leipzig.
108. Originalaufnahme nach einem Gemälde aus der Galerie der Königl. Museen
in Berlin: Brustbild einer Yenetianerin von Crivelli (1412—1486).
234 Grand-Lion — Greif.
Abbildungen auf der Tafel IV. (Webereien der Gotik und
Frührenaissance.)
Originalaufnahmen aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
1. Sammetstoff, rot, Muster aus feinen Linien des Atlasgrundes auf geschnittener
Fläche: Granatapfelmuster. Italien 15. Jahrh. Der Stoff ist im 17. Jahrh. mit einem
anderen Muster gepresst.
2. Seidendamast, hellblau, Muster (nicht ganz vollständig): Aeste mit Blättern
besetzt, bilden Felder, in welchen abwechselnd je eine granatapfel- und eine pinien-
zapfenartige Blüte. Spanien Anfang 16. Jahrh.
3. Seidendamast, rot, mit Granatapfelmuster in feinen Taffetlinien auf Atlas-
fläche. Italien 15. Jahrh.
4. Sammetbrokat, rot und etwas Gold, Muster : Bänder bilden spitzovale Felder,
in welchen je eine granatapfelartige Füllung in Spitzbogeneinrahmung. Skutari (?)
16. Jahrh.
5. Granatapfelmuster des 15. Jahrh. nach einem venetianischen Bilde.
6. Sammetbrokat, rot und Gold, mit Goldnoppen und or frisee: Wellig auf-
steigenden Aesten entsteigen grosse und kleine Granatapfelblüten. Flandern 15. Jahrh.
7. Sammetstoff, rotbraun, Grund Atlas, Muster geschnitten : Reihenweis wechselnde
Blütenfelder mit Füllung einer Granatapfel blute. Venedig 15. Jahrh.
8. Seidendamast, weiss: Granatapfelmuster. Italien Anfang 16. Jahrh.
9. Sammetstoff, Grund gelb, Muster hellblau, geschnitten : Rundliche Felder aus
Blütenkränzen enthalten Granatapfelblüten und sind von Bändern eingeschlossen, die
durch Kronen verbunden werden; dazwischen Granatäpfel. Italien Anf. 16. Jahrh.
10. Seidenstoff, rot, bunt und Gold: Rosenranken bilden spitzovale Felder, in
welchen je eine spitzovale Bogenstellung mit Granatapfelblüte. Italien Ende 15. Jahrh.
11. Sammetbrokat, olivgrün, Grund Atlas, Muster geschnitten und mit etwas
Gold: Wechselnde Blütenfelder mit Kernstück aus Granatapfelblüte und -Frucht. Italien
15. Jahrh.
12. Sammetstoff, grün, Muster in feinen Linien auf geschnittener Fläche: Granat-
blüten in Bogenstellungen. Italien 15. Jahrh.
Grand-Lion (franz.), gemusterter Zwillich zu Tischzeugen und Handtüchern.
Grande-Venise oder Grande-rose (franz.), feine Leinen, damastartig mit
Blumen gemustert, besonders im franz. Depart. des Calvados gewebt.
Grands-lez, weisswollener Stoff aus Dreux in Isla de France, zu Mänteln
für die Truppen.
Grandurels, fein geflammter Baumwollstoff in Art der Nankings, der für
Italien und die Levante gefertigt wird.
Granit- oder Cannelebindung wird nur in vereinzelten Fällen als alleinige
Warenbindung angewandt; umsomehr benutzt man sie zur Herstellung kräftig
hervortretender Streifen in Kleider-, Buckskin- und anderen Stoffen.
Grasleinen oder China-grass-cloth heissen die aus Chinagras hergestellten
Gewebe.
Graslitz, Stadt in Böhmen : Baumwollspinnerei, WoU- und Sammetweberei,
Färberei, zwei Bleichereien, 7 Stickerei- und Konfektionsfabriken (darunter eine
staatliche). G. ist Hauptsitz der Weiss warenstickerei und Konfektion, sowie
Mittelpunkt der Spitzenklöppelei des Erzgebirges,
Great-Yarmouth, Stadt in der engl. Grafschaft Norfolk: Seiden-, Woll-
und Baumwollmauufakturen.
Grebenau, Stadt in der hess. Prov. Oberhessen: Leinweberei, besonders
Packleinwand.
Grecque-Muster s. Mäander.
Grega, schmale Leinwand für Portugal.
Grege, allgemeine Bezeichnung für ungezwirnte Rohseide.
Gregegarn ist ein aus Wolle und Seide erzeugtes Gespinst von grosser
Haltbarkeit und in Feinheit dem engl. Baumwollengarn Nr. 60 gleich; es dient
als Kette zur Herstellung der feinen Longshawls und ist erst in neuer Zeit
eingeführt.
Greif (lat. : griphus; franz.: griff un; engl.: griffin), ein fabelhaftes Tier
des Altertums, das an Grösse und Stärke einem Löwen gleich, mit dem Leib
eines solchen und vier Krallenfüssen, aber mit zwei Flügeln und dem krummen
Greiffenbersf — Grezseide.
235
Schnabel eines Raubvogels versehen ist. Als Kunstform verdankt er seine Ent-
stehung dem Orient, von wo aus ihn der Grieche übernimmt und in seiner "Weise
idealisiert. Als Stoffmuster ist der G. erhalten auf einem sassanidischen Gewebe
des 6. Jahrh. (vgl. Abb. 2 auf Tafel II), unter chinesischem Einfluss ist der
G. dargestellt auf einem orientalischen Stoff des 10.— 11. Jahrh. (vgl. Abb. 7
auf Tafel II). Ebenso wird er als Stoffmuster in gleichzeitigen Geweben von
Sicilien übernommen (vgl. Abb. 109) und erscheint bis in das 13. Jahrh. hinein
mit anderen Tierfiguren auf sarazenischen Geweben.
Abbildung:
109. Darstellung aus: Paul Schulze, Ueber Gewebemuster früherer Jahrhunderte,
Leipzig 1893, S. 23. Seidenbrokat mit Darstellung von Greifenparen in reihenweis
geordneten Kreisen; dazwischen Sterne. Sicilien 10. — 12. Jahrh.
Abb. 109.
Greiffenberg in Schlesien: Leinweberei, Leinwanddruckerei und Färberei;
Bleichen.
Greiz, Haupt- und Residenzstadt des Fürstentums Keuss ä. L. : nimmt in
der Kammgarn Weberei die erste Stelle in Deutschland ein. Es befinden sich hier
12 500 mechan. Webstühle, welche Tibets, Kaschmirs, Wollwaren aller Art,
Decken, Shawls, feine Kammgarnstoffe herstellen ; ausserdem arbeiten eine grosse
Anzahl auswärtiger W oll Warenfabriken für Greizer Firmen; ferner bestehen be-
deutende Färbereien, Wollzeugdruckereien, Appreturanstalten und Kammgarn-
spinnereien. Höhere Webeschule.
Grenada, westindische Baumwollsorte ; auch eine spanische Baumwolle wird
so benannt.
Grenade (franz.), 1. Gemusterte Tischzeuge aus damastartig gewebter
Leinwand. 2. Sehr feiner Berkan von Wolle und Seide aus Abbeville.
Grenadine, 1. Im 18. Jahrh. schwarze Seidenspitzen, deren Material in
Lyon gefärbt wurde. 2. Das feinste aller stark mulinierten Seidengespinste, das
für Spitzen und Posamenten ausgedehnte Verwendung findet. 3. Franz. Seiden-
zeug. 4. Damastartige Leinwand.
Greven, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Münster: Baumwollspinnereien.
Grevenbroich, Stadt im preuss. Reg. -Bez. Düsseldorf: Baumwollspinnerei
und -Weberei, Halbwollwebereien.
Grezseide (franz. greze oder grege), s. v. w. Rohseide.
236
Griechenland— Griechenland und Rom.
Griechenland, Königreich, hat trotz der hohen Schutzzölle keine bedeu-
tende Industrie. Nennenswert ist die Textilindustrie, besonders Seidenfabriken
(37 Betriebe mit 8 — 9 Mill. kg jährlicher Produktion). Bedeutend ist auch die
Erzeugung von Teppichen, deren Hauptproduktionsorte Tripolitza, Leonidi,
Athen, Argos, Korinth, Atalanti, Gortinia, sowie Yolo und Makrenitza in der
Provinz Thessalien. Atalanti ist derjenige Platz , wo die moderne Teppich-
erzeugung zuerst aufgenommen wurde, Tripolitza jener, welcher an Leistungs-
fähigkeit obenan steht mit allein ein Fünftel der Gresamtproduktion im Werte
von etwa jährlich 200000 Drachmen (= 150 000 M.). Die meisten Teppiche
werden in der Hausindustrie erzeugt, nur vereinzelt gibt es berufsmässige
Teppichweber. Ein Haupterzeugungsort derselben ist eine Frauenarbeitsanstalt:
eine Schöpfung des griechischen Bankiers Syngros, welche in ihren inneren Ein-
richtungen fast vollkommen unseren Frauenerwerbsvereinen entspricht. Mehr
als 400 Frauen und Mädchen der ärmeren Bevölkerungsklasse erlernen hier
ausser anderen weiblichen Handarbeiten insbesondere die Teppichweberei. Die
bei der Teppicherzeugung zur Verwendung gelangenden Rohstoffe sind fast
ausschliesslich inländischen Ursprungs. Auch der Bedarf an Mineral- (Anilin-)
und Pflanzenfarben wird in Athen gedeckt, welches dieselben aus dem Aus-
Abb 110.
lande, vornehmlich aus England, Frankreich, Belgien, Deutschland und Italien
bezieht. Die Musterung griechischer Teppiche scheint nach einem Bericht von
Richard Oppenheimer, welchen derselbe im Jahre 1891 für die in Wien statt-
gefundene Teppichausstellung erstattet, auf künstlerischen Wert keinen Anspruch
zu haben. „Sie ist einfach in der Komposition, wenn auch mannigfaltig variiert.
Die einzelnen Motive haben eigene Benennungen. Man unterscheidet die eigent-
lichen griechischen Muster und solche Zeichnungen, welche sich an die Muster
der Smyrna-Teppiche anlehnen. In neuester Zeit werden in der Fabrik einer
Athener Firma Teppiche mit eingewebten Ansichten von Athener Bauwerken
und Denkmälern und Sujets aus der altgriechischen Geschichte hergestellt."
Seit einiger Zeit werden übrigens ausser den gewebten Teppichen auch ge-
knüpfte Teppiche gefertigt. Aus der Zeit der Antike haben uns
Griechenland und Rom wenige Originalstoflfe hinterlassen. Einige Ueber-
reste von Wollwirkereien sind in den Gräbern pontischer Griechen der helle-
nistischen Zeit (etwa vom 3. — 1. Jahrh. v. Chr.) gefunden (vgl. Compte rendu
de la commission archeologique de St. Petersburg [für die Jahre 1878/79], 134
Tafel Y), welche naturalistische Muster mit Enten, Hirschköpfen und Blättern
zeigen. Mit Recht betont Alois Riegl (Altorientalische Teppiche, Leipzig 1891,
S. 15), dass „die gesamte Textilkunst des Altertums augenscheinlich unter der
Griechenland und Rom.
237
Führung der "Wirkerei stand und dass erst mit der Verbreitung der Seiden-
kunstweberei neue Verhältnisse geschaffen, die allmählich das Zurücktreten der
"Wirkerei und ihre Ersetzung durch die Seidenweberei und Stickerei zur Folge
Abb. 111.
hatten." Einen Beweis dafür haben wir nicht nur in der Abbildung des auf
einem antiken Vasenbild im Berliner Museum sich befindlichen Hautelisse-Stuhles
(vgl. -Abb. 110), sondern auch in vielen Gesängen der Odyssee und Iliade
werden uns Gewänder und ihre Musterungen beschrieben, die auf keine andere
Abb. 112.
Technik, als die der Wirkerei hindeuten, wobei auch an Durchzugarbeiten» in
farbiger AVolle auf Leinen oder Baumwolle gedacht werden kann, wie sie uns
die koptischen Grabfunde zutage gefördert haben (vgl. Abb. 111), welche,
238
Grimma — Griphaticus.
Abh. 113.
wenn sie auch nicht direkt auf griechischem Boden entstanden sein mögen, so
doch wahrscheinlich auf hellenistischen Yorbildern beruhen, die wohl in Mosaik-
fussböden zu suchen sind. Die Musterung griechischer Gewänder haben wir
uns so einfach wie möglich vorzustellen, da der Grieche viel mehr Gewicht
auf die Fältelung seiner weissen wollenen oder leinenen uTeberwürfe legte und
sie höchstens mit einem Saum verzierte. Die antiken Yasenbilder, welche
reiches Material für dergleichen Studien bieten, zeigen nur selten in kleinen
Quadraten mit einfachen Sternen und Rosetten gemusterte Kleider, von denen
man annimmt, dass orientalische Personen gekennzeichnet sein sollen, oder es
handelt sich um Stücke jener Periode, in welcher Griechenland noch nicht völlig
frei von orientalischen Einflüssen war.
Während des 7. — 10. Jahrh. bemächtigen
sich die Griechen der Seewege und führen
den Gebrauch der Seide bei den Völkern
und wilden Stämmen ein, mit denen sie in
dieser Periode in politischen Verkehr traten:
es handelt sich hier sowohl um Seide aus
dem Orient und aus Spanien. Rom besass
unter den ersten Päpsten schon Seiden-
stoffe : einige wenige daher erhaltene Ori-
ginale (eines im Königl. Kunstgewerbe-
museum zu Berlin, ein anderes wird in
Sitten aufbewahrt [vgl. Abb. 112]) zeigen
Musterungen, welche vollständig in dem
Geiste klassischer Pormensprache gehalten
sind. Akanthusranken — auf dem Original
in Berlin befinden sich dazwischen kleine
Rosetten aus je vier herzförmigen Feldern,
die auch auf byzantinischen Geweben wieder-
kehren — und wie die Ergänzung Sempers
wohl richtig vermuten lässt, bilden diese
die Umgebung von menschlichen Gestalten
mit ornamentalen Tierfiguren. Ein drittes
römisches Original, aus Grabfunden her-
rührend (vgl. Abb. 113), weist mehr auf
das Pormengebiet hin , welches auf den
Gewandfiguren römischer Mosaiken wahr-
zunehmen ist.
Abbildungen:
110. Darstellung aus: Eugene Müntz, La tappisserie, Paris, A. Quantin, S. 31:
Darstellung eines griechischen Webestuhles (le metier de Penelope) nach einer antiken
Vase aus dem Antiquarium der Königl. Museen in Berlin.
111. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Rundes Feld, Muster in durchzogenen farbigen Wollfäden auf Leinwand : Darstellung
eines antiken Kriegers mit Schild und Speer in Umrahmung des Wogenbandes (sogen,
laufender Hund). Aus einem koptischen Grabe des 5. — 7. Jahrh.
112. Darstellung aus: Semper, Der Stil u. s. w., München 1878, S. 180: Rö-
misches Seidengewebe, Grund rot, Muster gelblich: Darstelluog einer Jungfrau auf
einem phantastischen greifenartigen Seepferd zwischen Akanthusranken. Original im
Domkapitel der Valeriakirche zu Sitten in der Schweiz. 3. Jahrh. n. Chr.
113. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart
(Originalgrösse) : Seidengewebe, Grund weiss, Muster blau, gelb und rot: In Rauten-
feldern aus quadrierten Linien wechseln schalenartige Gefässe und geometrische Fül-
lungen ab. Römisch (?) 5. Jahrh. n. Chr. Aus einem koptischen Grabe.
Grimma, Stadt in Sachsen: ehemals bedeutende Tuchindustrie, welche ein-
gegangen ist; zwei Wäsche- und Garnbleichen, Färberei und mehrere Druckereien
für leinene und wollene Stoffe.
Griphaticus (lat.), mit Greifen bestickter Altarvorhang.
Grisaille — Gruayanilla, 239
Grisaille, franz. Bezeicliming eines leichten Seidenstoffes, der aus schwarzen
und weissen Fäden locker gewebt ist.
Griset, Grisette, ursprünglich ein französischer, leinwandartig gewebter
WollenstofP, eine Gattung Etamine, nur mit stärkeren Fäden; später wurde er
in allen Farben, teils ganz aus Wolle, oder diese mit Seide oder Baumwolle
vermengt, teils ganz aus Seide gefertigt. Jetzt ist der Name im Handel dafür
ein anderer geworden.
Grisettas nennen die Spanier eine leicht gewebte ungebleichte Leinwand.
Grödek, Stadt in Galizien: Flachsbauschule und ein wichtiger Markt
für Lein.
Grodno, Hauptstadt im gleichnamigen russischen Gouvernement : Tuch-,
BaumwoU- und Seidenfabriken.
Gronau, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Münster: 6 Baumwollspinnereien,
2 Webereien mit Druckerei und Färberei, je eine Bleicherei und Warpstärkerei.
Groningen, Stadt im Königreich der Niederlande : Maschinenflachsspinnerei,
Fabrikation wollener Strickwaren, Färberei und Wollkämmerei.
GroppO oder grupo (ital.), Bezeichnung für eine Schnürtechnik : daher
punto a groppo d. i. geflochtene Spitze oder marcramee; ursprünglich der Aus-
druck für verschlungene , gerade oder geschwungene Linien (s. Macramee und
Spitzen).
Gros de Berlin, Naples, Tours, aus starken Fäden taff'etartig gewebte
Seidenstofi'e.
GrOS-forts, Mortagnes, Toiles-pour-meubles, gewöhnliche, aus starkem
Hanfgarn, fest und gedrungen gewebte Leinwand, welche in Frankreich von den
Landleuten gefertigt wird ; sie findet zu Tapezierarbeiten Verwendung.
Gros-grains, Grobgrän, veralteter berkanartiger Wollenstoff.
Gros point de Venise, italienische Guipürespitze, deren Musterumrisse
stark unterlegt und im Innern fein durchbrochen genäht sind (s. Spitzen).
Grossarias, in Spanien der allgemeine Name der gewöhnlichen Sack- und
Packleinwand.
Grossbritannien und Irland s. England und Irland.
Grosschönau, Dorf in Sachsen : Fabrikation von baumwollenen, leinenen
und halbleinenen Stoffen, Bleicherei, Färberei und Appreturanstalten. Die früher
hier blühende Damastweberei ist zurückgegangen; doch liefern die noch vor-
handenen 480 Stühle jährlich etwa 50 t der feinsten Damasttischzeuge.
Grossenhain, Stadt in Sachsen: Woll- und Seidenspinnerei, Fabrikation
von Tuch und Buckskin (10 Fabriken), Strumpf- und Wollwaren.
Grosshartmannsdorf in Sachsen: Maschinenstrickerei, Weberei.
Grossröhrsdorf in Sachsen: bedeutende Leinen- und Baumwollenweberei,
Bleicherei, Färberei, Fabrikation von Kanevas, Zwirn, Bändern und Litzen.
Grosssachsenheim, Stadt in Württemberg: Bandfabrik.
Gros-trait pour Prelat, starke Leinwand, welche in Frankreich in der
Gegend von Abbeville für Segeltuch gewebt wird.
Gros-Zeuge sind in der Begel seidene, immer aber leinwandartig gewebte
Stoffe. Man hat eine Fülle von Bezeichnungen für Stoffe in der Zusammen-
stellung mit dem französischen Gros, obgleich dieselben nicht alle franz. Ur-
sprungs sind. Die Unterscheidungen der verschiedenen Seidenzeuge mit „Gros"
werden hervorgebracht durch den Wechsel stärkerer oder schwächerer Ketten-
oder Schussfäden.
Grünberg, Stadt in Schlesien: Fabriken für Tuch und halbwollene Waren:
18 Betriebe, darunter die englische Wollwarenmanufaktur mit 1500 Arbeitern.
Grund heissen bei gemusterten Stoffen diejenigen Flächen, von welchen
sich die Muster durch Farbe oder Fadenlage abheben.
Grundnetz der Spitzen s. Netzarbeiten und Spitzen.
Guarnellum (lat.), weisser Stoff, aus Flachs und Baumwolle gewebt, daher
auch für das daraus gefertigte Hemd gebraucht.
Guayanilla, Baumwollsorte aus Westindien, weiss, glänzend, kräftig im
Faden.
240 Gruben — Gynäceen.
Guben, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Frankfurt: Tuchfabrikation, Streich-
garnspinnereien und Färbereien.
Guerleys, Gattung ostindischer Kattune.
Gueuse, im franz. Handel 1. Art dünner, geklöppelter Zwirnspitzen, die
einen sog. Eeseau- oder netzartigen Grund und blinde Blumen haben. 2. Geringer
"Wollenstoff, der früher in Flandern auch unter dem Namen Picotte gewebt wurde.
Guianabaumwolle s. südamerik. Baumwollen.
Guibert, in Frankreich eine gut und gedrungen gewebte Leinwand aus
gebleichtem Garn.
Guibray (fil de), in Frankreich ein weisses Dochtgarn, welches zu "Wachs-
stöcken, Wachslichtern u. dergl. Verwendung findet.
Guilladores, Gattung baumwollener Tücher aus Ostindien.
Guimpe (fraoz.), Brust- oder Yortuch der Nonnen: ärmelloses Leibchen
unter dem Kleid.
Guineas, Namen verschiedener Kattune aus Afrika.
Guinget, in Frankreich die geringste Sorte des gehechelten Hanfs und
eine daraus gewebte Leinwand.
Guingets, eine Art leichter Kamelotte aus Amiens.
Guingets, Sorte russischer Hanf.
Guipüre, (vom altfranz. guimpure; neufranz. heisst guipor s. v. w. mit
Seide überspinnen), nannte man schon in älterer Zeit besonders kräftige, aus
seiden- oder metallumsponnene Schnüren (Gimpen) hergestellte Geflechte, die
meist als Kleiderbesätze verwendet wurden und im ganzen schon den Posamenten
sehr verwandt sind. Da für dergleichen Arbeiten dann seit dem 16. Jahrh.
der Ausdruck guipüre üblich wurde, bezeichnete man allmählich auch die daraus
gefertigten Spitzen mit diesem "Worte und später, als die Spitze mit durch-
gehendem Grunde vorherrschend geworden, blieb die Bezeichnung an dem Barock-
typus der Spitze haften.
Gul buda dusta, persischer Teppich mit Blumenmuster, womit nur der
Name gemeint ist.
Gulbani, leichter gazeartiger mit Seide und Goldlahn durchwehter Stoff
aus Ostindien.
Gule Hennaimuster, im Ferahanteppich vorkommend, besteht aus symmetrisch
an einem Stengel gereihten Narzissenblüten, meist in gelblichen Tönen gehalten.
Gumbinnen, Stadt im gleichnamigen preuss. Beg.-Bez. Gumbinnen: "Woll-,
Baumwoll- und Leinwebereien; Strumpfwirkerei.
Gummersbach, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Köln: "Wollgarnspinnerei,
KunstwoU- und "Wolljackenfabrikation.
Gur, weisse Kattune aus Ostindien.
Gurte sind dicke bandförmige Gewebe, die als Tragbänder, als elastische
Unterlage für die schneckenförmigen Stahlfedern der Kissen beim Polstern der
Möbel Verwendung finden. Bessere Sorten dienen für den Grundsitz der Reit-
sättel (Sattelgrundgurte) und zu gepolsterten Wagenarbeiten (Wagengurte), feinere
und weichere Sorten zu Hosenträgern, Halftern, sowie zu eigentlichen Sattel-
gurten (Bauchgurte). Tragbänder und Tapezierergurte werden aus sehr grobem
Hanf- oder Werggarn angefertigt und sind glatt gewebt. Die Sattelgrundgurte
und Wagengurte stellt man aus Hanfgarn, Hanf- oder Leinenzwirn her oder
auch aus zweidrähtigem Bindfaden, sie sind entweder glatt oder zweiseitig ge-
köpert. Sattelgurte und Halfter bestehen ganz aus Kammwollgespinst und
sind immer geköpert, oft auch mit kleinen Mustern durchwebt. In derselben
Weise w^erden Hosenträger gefertigt. Die gewöhnlichen G. aus Hanfgarn u. s. w.
werden vom Seiler am Schlagstuhl (G.-Schlagstock) gemacht, die G. aus Zwirn
oder Wolle von dem Bortenwirker am Handstuhl.
Gustarda, indische Bezeichnung für Teppiche.
Gütersloh, Stadt im preuss. Reg.-B.z. Minden: mechan. Baumwoll-
webereien und Bandfabrik ; Fabrikation von Seidenzeugen.
Gynäceen, sogen. Frauenhäuser, in welchen in B3^zanz sich Seidenmanu-
fakturen befanden, die unter Justinian im 6. Jahrh. gegründet wurden.
Haan — Haidaraur. 24 1
H.
Haan, Gremeinde im preuss. E,eg.-Bez. Düsseldorf: Zanellafabrikation,
8eiden- und "Wollweberei.
Haarbeutel, ehemals ein gewöhnlich schwarzes Säckchen von Seide oder
auch Taffet, das sich glatt auf den Oberteil des Rückens legte, das Nackenhaare
enthielt und noch mit seidenen Bändchen gebunden und verziert war. Er
schützte die Kleider vor dem Puder und verdrängte wohl deshalb ungefähr
seit der Mitte des 18. Jahrh. neben dem Zopfe die grosse Staatsperücke, ging
von Frankreich aus, wo von 1710 ab das Militär diese Tracht annahm und
für den Strassenanzug modisch machte. Seit der franz. Revolution hörte diese
Mode auf.
Haardecken, Haartuch, Haarzüchen, grobe Gewebe von Pferde-, Ochsen-,
Kuh-, Beh- und anderen Haaren, welche man, nach vorheriger Reinigung in
"Wasser, wenn sie getrocknet sind, wie Wolle kartätscht oder krempelt, auf
einem Rade spinnt, nachdem doubliert und zwirnt, dann aber nach Leinwandart
mit zwei Schäften webt. Haarzüchen dienen zum Einpacken, zum Belegen
der Fussböden im Winter, zu Pferde- und Schiffsdecken u. dergl. Auch in
Nordamerika macht man unter dem Namen Taurinotuch einen Stoff aus Rinder-
haaren, der zu Regenmänteln und Teppichen verbraucht wird.
Haardraht, der feinste Grolddraht, den man zu Greweben und Stickereien
l)enutzt.
Haaren im Rheinland, Dorf im preuss. Reg.-Bez. Aachen: "Wollspinnerei
und Tuchfabrikation.
Haargewebe, Fabrikate aus Pferdehaaren und den Abfallhaaren der
Gerbereien. Die kürzeren Haare werden gesponnen und als sogen. Haarzüchen
zu Presstüchern, Decken, Möbelstoffen u. dergl. verwendet.
Haarhaube s. Calotte.
Haarlem, Hauptstadt der niederl. Prov. Nordholland: früher blühende
Industrie; jetzt sind die Fabriken in Seide, Leinwand, Zwirn u. s. w. herab-
gekommen, wichtig ist noch die Rotfärberei, Baumwollbleicherei und Druckerei,
Spinnerei und Maschinenweberei. Im 18. Jahrh. ist H. berühmt wegen der
vorzüglichen Bleiche des Leinenfadens zur Spitzenerzeugung.
Haarseide nennt man in den Seidenmanufakturen einen einzelnen Faden
roher, um sich selbst gedrehter Einschlagseide, die man zum Yerheften beim
"Weben reicher Stoffe gebraucht.
Haarsiebe, Haarsiebboden, aus Pferdehaaren geflochtene oder durchsichtige
Gewebe.
Haartreibriemen bestehen aus festen dichten Geweben von grobem Woll-
garn mit Baumwolleinschlag, in ein- oder mehrfachen Lagen auf besonderen
Stühlen hergestellt.
Haartuch, (franz.: etoffes de crin), Rosshaarstoffe nennt man im all-
gemeinen die Gewebe in Verbindung mit Haar, insbesondere die feinen Stoffe
dieser Art aus Rosshaaren in Verbindung mit anderen Fäden.
Haberkorn oder Gerstenkorn (Motiv des grains de nullet) kommt in den
älteren Genueser Klöppelspitzen häufig vor.
Hadern, Lumpen, Fetzen, Strazzen, Allgemeinbezeichnung für Gewebe
aller Art, welche durch den Gebrauch für persönliche und häusliche Zwecke
unbrauchbar geworden sind.
Hadmersleben, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Magdeburg: Wollspinnereien.
Häfel, Bezeichnung der gefirnissten Zwirnfäden, welche die Schleifen bei
den Schäften der Webstühle bilden.
Hagen, Kreisstadt im preuss. Reg.-Bez. Arnsberg: Baumwollspinnerei
und -Weberei, Färberei und Bleicherei.
Haidamur, bedeutendes Dorf in Syrien, welches Teppiche erzeugt.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 16
242 Haidarabad— Häkelarbeiten.
Haidarabady 1. Hauptstadt im gleichnamigen Vasallenstaat des Indo-
britischen Reiches: bedeutende Baumwollmanufakturen. 2. Hauptstadt von
Sindh: Seide und Baumwollmanufakturen.
Haindorf, Dorf in Böhmen: Baumwollspinnerei, mechan. Webereien.
Hainewalde, Dorf in Sachsen bei Zittau: Haarsiebbodenweberei.
Hainichen, Stadt in Sachsen : Chenillefabrik, Fabrikation von Flanell und
Wollphantasiewaren. Städtische AVebeschule.
Hairasgarn ist eine Art von wollenem Kammgarn, das aus dickhaarigen
orientalischen Schafwollen gesponnen wird. Von dem englischen Schussgarn
ist es besonders durch einen geringeren Grlanz zu unterscheiden. Das Material
wird vor dem Krempeln, wie vor dem Verspinnen reichlich gefettet, vor dem
Färben wird es ausgewaschen; es findet für Teppiche und Posamenten Ver-
wendung.
Hairbims, Harbins, veralteter wollener kamelotartiger Stoff, dessen Kette
halb von Seide und halb von Baumwolle ist.
Haircords (engl. Haarstrick), sind ganz feine weisse Baumwollenzeuge,
mit kleinen dichten Streifen, die sich dadurch auszeichnen, dass in gewissen
Abständen durch gefärbte dickere Kettfäden hervortretende Längsstreifen sicht-
bar sind.
Häkelarbeiten werden mit der Häkel- oder Tambouriernadel , dem
„crocher" der Franzosen meist aus weissem Baumwollengarn gefertigt, einem
Abb. 114.
Stift aus Metall, Holz, Elfenbein oder dergl. an dessen etwas stumpfer Spitze
sich ein Widerhaken befindet, mit welchem die Maschen geschlungen werden.
Das Alter der Technik ist mit Bestimmtheit nicht nachzuweisen. Man darf
nach erhaltenen koptischen Gräberfunden annehmen, dass sie in Gremeinschaft
mit der Strickerei und Filetarbeit schon im 5. Jahrh. geübt wurde; eine all-
gemeinere Aufnahme findet das Häkeln erst im Anfang des 19. Jahrh., be-
sonders in Irland, wo man sich bemüht, die venetianische Beliefspitze nierin
nachzubilden. (Vgl. Abb. 114 u. 115.) Zur selben Zeit verbreitet sich die
Technik auch in Nachahmung von flachen genähten und geklöppelten Spitzen
über Deutschland (namentlich Sachsen und Preussen). Die grösste Vielseitigkeit
gewinnt das Häkeln durch die Aufnahme von Oesenbändchen (Mignardisen), russ.
Börtchen, Pointlaceband, Gimpen u. s. w., welche als fertige durchgehende Borten
dem Häkelmuster als belebender Zwischensatz dienen. Vgl. Heine, Die
Schule des Häkeins (4. Aufl. Lpzg. 1891); Hochfelde n, Das Häkeln (Ber-
lin 1892),
Hakirs — Halblakea.
243
Abbildungen :
114. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Teil einer Borte, Häkelarbeit in Eelief in gelblichweissem Grarn : Muster aus einem
Zweig, dessen Blüten die Zacken bilden. Irland 19. Jahrh.
115. Originalaufnahme aus dem königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Teil eines Kragens, flache Häkelarbeit in weissem Garn : Muster aus grossen und kleinen
runden Scheiben auf unregelmässigem Maschengrund. L-land 19. Jahrh.
Abb. 115.
Hakirs werden Demi-cottons genannt.
Halagia (lat.), Teppich oder Vorhang; anch Tischtuch.
Halbau, Stadt im preuss. E/eg.-Bez. Liegnitz : Banmwoll- und Damast-
weberei.
Halbborten, Borten, deren Kette aus Seide und deren Einschlag ab-
wechselnd aus Seide und anderem Material besteht (s. a. Bortenwirkerei).
Halbenglische Naht, diejenige für TTirkware verwendete überwendliche
Naht, bei welcher der Xähfaden die äussersten Henkel oder halben Maschen
zweier "Warenstücke miteinander verbindet.
Halberstadt, Stadt im preuss. ßeg.-Bez. Magdeburg: Der Domschatz
enthält Gewänder des Mittelalters und kostbare Bruchstücke von Geweben und
Stickereien. Unter Friedrich dem Grossen im Jahre 1749 Ausdehnung in der
Seidenzucht.
Halbflorence, Gewebe in Leinwandbindung aus seidener Kette und
baum^vollenem Schuss.
Halbkammgarne (Sagetten- oder Sayettegame, Strick-, Stick- oder
Tapisserie- und Strumpfwirkergarne, fil corde-peigne, Knittingyarn, Stocking-
yarn, hosiery-yarn, mock-worstev) werden aus mittellangen Wollen meist ähn-
lich wie Kammgarn mit Hinweglassung der das Spinnen sehr verteuernden
Kämmmaschine, oder ähnlich wie Streichgarn, jedoch unter Fortfall des ge-
kreuzten Auflegens, erzeugt. Dadurch, dass die in der Wolle enthaltenen
kurzhaarigen Teile mit verarbeitet werden, erhält der alsdann gesponnene Faden
eine weniger glatte und feste Beschaffenheit als eigentliches Kammgarn; ist
jedoch glatter und glänzender als eigentliches Streichgarn.
Halblaken, Halbtuche nennt man ein dünnes und leichtes Tuch, welches
aus fein gesponnenem Garn und feiner "Wolle gewebt, nicht fest gewalkt, aber
mit besonderer Sorgfalt appretiert wird. Es dient zur Sommerkleidung und
zu Frauenmänteln , und ist besonders nach den wärmeren Ländern , Italien,
nach der Levante und nach Südamerika gangbar. Xach den verschiedenen
Gegenden, wohin es bestimmt ist und nach der Qualität und Appretur erhält
es besondere Namen, wie z. B. Drap de dames, Mahouts, Serails, SjDanish
Striges, Kronentücher u. s. w. In England wird das feinste Halbtuch in
244 Halbmond — Hamilton.
Saddleworth gemacht. Die französischen Halbtücher kommen unter den Be-
zeichnungen: Carcassonnetücher, Demi-Draps, Demi-Londres, Draps de Langue-
doc in den Handel.
Halbmond als Musterung in türkischen Webereien und Stickereien so-
wohl als Bedeutung des AVappens, aber auch lediglich zur Flächenfüllung von
den ältesten Zeiten her nachweisbar. (Vgl. Orientalische Grewebe und Stickereien.)
Halb-Perses sind holländische Kattune, die früher dort viel gebraucht
und in Art persischer Muster bedruckt wurden.
Halbsammet ist ungeschnittener oder nur teilweise geschnittener Sammet.
Halbseidener Damast (franz.: damas-caffard, damassin; engl.: half
damask), Gewebe aus Seide und anderen Faserstoffen.
Halbseidene Stoffe sind alle Gewebe, in denen seidene Fäden mit denen
anderer Faserstoffe gemischt vorkommen.
Haifa s. Alfa.
Halifax, Stadt in der engl. Grafschaft York: nächst Leeds und Bradford
Hauptsitz der Woll- und Wollgarnindustrie. Ausserdem fertigt man Baum-
wollwaren und Seidenplüsche. In Crossley's Teppichfabrik sind gegen 5000
Arbeiter beschäftigt.
Haiina oder Hallina sind langhaarige, grobe, wollene, gewürfelte Decken
oder Kotzen, welche in Oesterreich, Ungarn und Siebenbürgen gewöhnlich aus
ungarischer Zackelwolle gefertigt werden.
Hall, Stadt in Tirol: Fabrikation von Loden, Tuch und Zwirn.
Hallencourts sind Tischzwilliche, welche bei Abbeville gewebt werden.
Halles-crues, Halles de Dinan, eine französische starke flächsene Leinwand.
Halluin, in Frankreich eine Art grober Serge oder sogenannte Trikots,
die früher besonders zu Montierungsstücken für die Truppen gebraucht wurden.
Halskrause s. Fraise.
Hamadam, Hamadan, Stadt in der pers. Prov. Irak-Adschemi: Her-
stellung von Filzteppichen, welche besonders leicht und durch Anwendung des
Ziegenhaares sehr schmiegsam sind. Sie werden bezüglich der Güte mit denen
von Brussa verglichen.
Hamah, Stadt in Syrien: Woll-, Baumwoll- und Seidenwebereien, Ver-
fertigung arabischer Mäntel.
Hamans, Hamas, sind feine, weisse, dicht gewebte, ostindische Baum-
wollzeuge, eine Gattung ganz feiner weisser Kattune, welche früher nach
Europa kamen; jetzt aber durch englische Shirtings, Sheetings- und Cambriks
ersetzt werden.
Hambel heissen in Marokko die gewirkten Teppiche (s. Kilim).
Hamburg, Freie und Hansestadt, Bundestaat" des Deutschen Beichs :
Norddeutsche Jutespinnerei und -weberei (in Schiffbeck), Jutespinnerei und
-Weberei (H.-Harburg), Wollgarnfärberei, Hanfgarnspinnereien, Pferdehaar-
spinnereien, Fabrikation von Hauswäsche und Anzügen. Die Anfänge der
Seidenindustrie lassen sich bis zum Ende des 16. Jahrhs. verfolgen, wo nieder-
ländische Beformierte die Sammet- und Taffetfabrikation nach der in Ant-
werpen bekannten Art eingerichtet haben. Der dreissigj ährige Krieg, welcher
das übrige Deutschland wirtschaftlich zurückbrachte, berührte die Hamburger
Industrie nicht oder kam ihr vielmehr zugute, weil gerade infolge des Krieges
die Ausfuhr nach den übrigen deutschen Ländern einen bedeutenden Auf-
schwung erhielt; in das Ende des 17. und die erste Hälfte des 18. Jahrh. fällt
die Zeit ihrer höchsten Blüte. Im Anfang des 18. Jahrh. werden in H. 4uch
Spitzen erzeugt, nachdem in Frankreich ihre Fabrikation zurückgegangen ist.
Ferner im 17. Jahrh. Erzeugung von Bildwirkereien (s. Wandteppiche).
Das Museum für Kunst und Gewerbe, gegr. 1869, seit 1877
Staatsanstalt (Direktor: Prof. Dr. Justus Brinckmann) enthält eine umfangreiche
Sammlung von Stoffen, Stickereien und Spitzen aller Zeiten. Gewerbeschule
für Mädchen: Zeichnen und Kunststicken.
Hamilton, Stadt in der schottischen Grafschaft Lanark: Weberei und
Musselinstickerei.
Hamiltonspitzen — Hardangerarbeit. 245
Hamiltonspitzen (auch schottische Spitzen), einfache Klöppelspitzen, die
um die Mitte des 18. Jahrh. durch eine Lady Hamilton in Aufnahme kamen.
Hanau, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Kassel: Teppich- und Strumpfwaren-
fabrikation. In der Königl. Zeichen-Akademie eine Fachklasse für Kunst-
stickerei.
Handspitze, durch Handarbeit, ohne Zuhilfenahme mechanischer Ein-
richtung hergestellte genähte, geklöppelte, gehäkelte, gestrickte oder geknüpfte
Spitzen, die im Gegensatz zu den Maschinenspitzen auch echte Spitzen genannt
werden.
Handtuch (franz.: serviette de toilette; engl.: towel); s. Leinenstickerei.
Handtuchdrell s. Drell.
Handy-WarpS, sind weisse englische Tuche.
Hane-Caatjes sind weisse Musseline, welche ehemals die Holländer aus
Ostindien brachten.
Hanf, eine zur Familie der TJrticaceen gehörige zweihäusige Pflanze.
Die Grösse der einzelnen Arten ist sehr verschieden, man unterscheidet danach
in der Landwirtschaft den grösseren und in freierem Stande erwachsenen
Riesen-, Schleiss- oder Schlichthanf von dem feineren und niedrigen Spinnhanf.
Die Bearbeitung des H. stimmt mit derjenigen des Flachses im wesentlichen
überein, er gleicht im spinnfähigen Zustande dem Flachs, ist aber von mehr
gelblicher Farbe, dabei gröber, härter und steifer, daher zu feinen Gespinsten
nicht verwendbar. Verhältnismässig wenig H. wird zu Geweben (Hanfleinwand
oder Segeltuch) oder zu Zwirnen, der meiste zu Seilerwaren verbraucht.
Hänfene Gewebe sind schwerer und fester als solche aus Flachs. In Japan
ist Hanf die älteste kultivierte Textilpflanze und wird, mit Indigo gefärbt, der
gewöhnlichste Bekleidungsstoff der Landbewohner; s. Leinenindustrie.
Hanfheede, Torse, der grobe verworrene Abfall von Hanf, welcher beim
Hecheln desselben an der Hechel hängen bleibt. Die verschiedenen Sorten
Hanfheede werden gesponnen und zu grober Leinwand, Packtuch u. dergl.
verwebt, teils von den Seilern zu geringen Stricken verarbeitet, oder, wie die
Wolle gekardet, als eine Art Watte verbraucht.
Hanfleinwand, Hanftuch werden alle feinen, einfachen oder gemusterten,
sowie die gewöhnlichen Gewebe, welche ganz aus hänfenem Garn gefertigt werden,
genannt. Die vornehmsten Arten sind die tecklenburgischen, die polnischen,
die französischen Brins, Beauforts, Combourgs, Zwillich, Grosforts
u, s. w.; die russischen Brans, Calamink, Chrätsch, Guingets; die
niederländischen Kanevas st off e und viele Sorten Segelleinwand. Im all-
gemeinen soll die Hanfleinwand dauerhafter sein als die flächsene, jedoch ist
sie nicht so geschmeidig und braucht längere Zeit zum Bleichen.
HangingS (engl.), der Behang, das Behänge, bes. Wandteppiche; hangings
of Arras, die Arrazzi, Tapeten aus Arras.
Hang-tschou(-fu), Hauptstadt der chines. Prov. Tsche-kiang: bedeutende
Seidenmanufakturen (7000 Webstühle, 28000 Arbeiter); Goldstickerei. Stoffe
dieser Art werden hier in grösseren Mengen und zugleich schöner und besser
hergestellt als in einer anderen chines. Stadt. Auch eine Baumwollspinnerei
mit über 15000 Spindeln liegt in der Nähe von H.
Hanos, früher die von der holländisch- ostindischen Compagnie ein-
geführten sogen, zehndrähtigen Atlasse mit Blumen.
Hanovilles, Gattung wollener Serge, welche ehemals über Beauvais und
Amiens Absatz fanden.
Harami, grosser, indischer Teppich. Die Bezeichnung bezieht sich nur
auf das Format. Doch scheint es, dass die so genannten Teppiche haupt-
sächlich für Moscheen gefertigt werden. Die Muster sollen stets religiös-
symbolische Bedeutung haben.
Hardangerarbeit, eine in neuerer Zeit nach gleichnamiger Landschaft im
norwegischen Amt Sönder-Bergenhus benannte Leinendurchbrucharbeit auf
Kongressstoff mit umstickten Rändern und Figuren, wie sie vorbildlich in den
orientalischen Korandecken erhalten sind (s. d.).
246 Harir — Heidenheim.
Harir, arabische Bezeichnung für entbastete Ibrisams: d. i. die mittel-
alterliche Bezeichnung für Seide.
Harlekins, ehedem eine Art englischer wollener Stoffe, welche bunt
chinierte Muster hatten.
Harlekynen, gewöhnliche flächsene Leinen mit blauen, roten, gelben und
anderen Streifen, welche früher aus Holland kamen.
Harlemer Cheks, eine Sorte blau und weiss, oder rot und weiss ge-
gitterter Leinen aus Harlem.
Harnisch, Vorrichtung am Webstuhl, woselbst es die Anordnung der
Schnüre, Harnischlitzen, bezeichnet, welche am Musterwebstuhl die Kett-
fäden in die Höhe ziehen.
Harras nennt man in Oesterreich und Bayern doppelfädiges gedrehtes
Garn aus einschüriger gekämmter Wolle. Harrasware ist ein aus der-
gleichen Garn raschartig gewebter Stoff, welcher früher zu Tapeten und
Möbelbezügen gebraucht wurde.
Hartenstein, Stadt in Sachsen: Weberei, Weisswaren- und Strumpfwaren-
fabrikation.
Hartha, Stadt in Sachsen: Leinen- und Barchentweberei.
Hartmannsdorf in Sachsen: Fabrikation von baumwollenen, ganz- und
halbseidenen Handschuhen und Strumpfwaren, Färbereien, Bleicherei, Appretur-
anstalten.
Haspel oder Trommel wird eine Winde genannt, welche in grösseren
Webereien dazu dient, die Kette vor dem Bäumen aufzunehmen und dieselbe
zu spannen.
Hausleinwand ist im Gegensatz zur Kaufleinwand eine solche, welche
die Hausfrauen auf dem Lande aus selbstgesponnenem Garn für ihren Gebrauch
bei Webern weben lassen. Auch versteht man darunter eine recht dichte feste
Leinwand.
Haute-lisse (franz.), auch haute-lice; (lat.: lichia alta; engl.: high-warp-
tapestry) gewirkte Tapete mit Figuren u. s. w., deren Kette aus Wolle oder
Seide lotrecht in den Stuhl gezogen wird (s. Bildwirkerei, Tapisserie).
Hautelissestuhl, ein insbesondere zur Herstellung von Teppichen und
Gobelins dienender Webstuhl mit wagerecht gespannter Kette, im Gegensatz zum
Basselissestuhl.
Havre, Hauptstadt des gleichnam. Arrond. im franz. Depart. Seine-
Inferieure: Baumwollspinnerei, Färberei und Weberei.
Hawick, Stadt in der schott. Grafschaft Roxburgh: Hauptsitz der schott.
Strumpfwarenmanufaktur; bedeutende Fabrikation von wollenen Zeugen, be-
sonders von Plaids und Decken.
Hayti (St. Domingo), Baumwollsorte aus Westindien, weiss ins Gelbliche,
oft matt, ziemlich kräftig im Faden.
Hechingen, Stadt im preuss. B.eg.-Bez. Sigmaringen: Strickgarnfabrik,
Buntweberei, Baumwollfärbereien und Trikotwebereien.
Hedbav (tschechisch), s. Gota weppi.
Hedebo, eine Art dänischer Weissstickerei, welche auf grobem weissem
Leinen meistens im Plattstich ausgeführt und in Durchbrucharbeit gemustert ist.
Heedebaumwolle, ein aus roher, grober und grauer Flachsheede be-
reiteter Spinnstoff.
Heedeleinen, Heeden, im deutschen Leinenhandel gewöhnliche Gewebe,
welche aus dem Werg des Flachses und Hanfes gewebt werden.
Heedewerg, die kurzen verworrenen Fasern, beim Hecheln von Flachs
und Hanf, welche sich zwischen den Zähnen der Hechel ansammeln und zu
Gespinsten, zum Verpacken u. s. w. verwendet werden.
Heidelberg, Stadt im Grossherzogtum Baden: grosse Kunstwollfabrik.
Heiden, Flecken im Schweiz. Kanton Appenzell- Ausserrhoden : Baum-
wollindustrie, Weberei und Stickerei.
Heidenheim, Oberamtsstadt in Württemberg: Fabrikation von Baumwoll-
waren, Tuch, Strickgarn; E-ot- und Blaufärbereien, chemische und Naturbleichen;
Heiliger Baum — Hermanstadt. 247
bedeutende württ. Kattunmanufaktur mit etwa 800 Arbeitern. Frauenarbeits-
und Webeschule.
Heiliger Baum wird der Baum des Paradieses genannt, welcher als Kunst-
form zunächst in Assyrien (s. d. u. Abb. 31) erscheint und das ganze Mittel-
alter hindurch sowohl im Orient, als auch in Europa auf Stoffmustern zu ver-
folgen ist (s. Baum als Stoffmuster).
Heiliger Rock, der Rock, den Christus auf dem Wege zum Kreuze trug
und von dem es bei Job. 19, 23 heisst, dass er ohne Kaht war. Wie bei
anderen Reliquien, so streiten sich auch verschiedene Kirchen um den Besitz;
in neuerer Zeit hat man nachzuweisen gesucht, dass die Reliquie in der Dom-
kirche zu Trier die echte sei. Die sachverständige Untersuchung dieses Stückes
hat ergeben, dass es sich um ein Bruchteil eines Byssusstofies handelt, welches
in Seidengewebe des 8. Jahrb. gehüllt ist, die Yogelmuster enthalten. (Vgl-
Abb. 8 auf Tafel II.) Letztere Stoffe wurden früher für Reste des Gewandes
gehalten. (Vgl. Wilmowski, Der heilige Rock in Trier, 1889. Willems,
La sainte robe de Treves et la relique d'Argenteuil. (Par. 1894.)
Heiratswappen (franz.: armes d'alliance; engl.: arms of alliance), Doppel-
-wappen von Eheleuten, kommt auf Stickereien seit dem 15. Jahrb. vor.
Helenienne, früher ein schwerer, kleingemusterter einfarbiger Seidenstoff,
der unter die Gattung der Armüren gehört.
Hemdentuch ist ein Baumwollenstoff in Leinwandbindung.
Henderson, Hauptort des gleichnam. County in Kordamerika: Baumwoll-
und Wollfabriken.
Henequen s. v. w. Agavefaser (s. d.).
Hengelo, Gemeinde in der niederl. Prov. Oberyssel: Textilindustrie.
Herat, Stadt im nordöstlichen Afghanistan, bis 1715 persisch^ auch später
noch öfters (zuletzt 1856) von den Persern erobert, früher der Sitz einer weit
und breit berühmten Teppichindustrie, w^elche im Jahre 1838 der Vernichtung
anheimfiel.
Heratimuster, nach gleichnamiger ehemals durch Teppicherzeugung be-
rühmter Stadt genannt, kommt am meisten im Ferahanteppich (s. d.) vor und
zeigt ein dichtes, scheinbar unregelmässig hingeworfenes Gemenge von Blüten
und gekrümmten Lanzettblättern. Bei genauerer Betrachtung gewahrt man in
dem Gewirre aus geraden Stäben gebildete Rautenfiguren, worin eine Rosette
sitzt. (Vgl. Teppiche.)
Herculeslitze, ein schmales Geflecht, dessen Dehnbarkeit in der Richtung
der Länge dadurch abgemindert ist, dass man einige starke gestreckt gelassene
Eäden (Mittelendfäden) eingeflochten hat.
Herenthals, Stadt in der belg. Prov. Antwerpen: Spitzen- und Woll-
stofffabrikation.
Herford, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Minden: die Industrie erstreckt sich
auf Fabrikation von Leinen und Wäsche, Kleidern (Herforder Konfektion mit
bedeutendem Export); ferner bestehen 2 Spinnereien, 2 mechan. Webereien
und mechan. Teppichwebereien.
Hericourt, Hauptort im Arrond. Lure des franz. Depart. Haute-Saone:
Baumwollspinnerei, Kattunfabriken und Strumpfwirkerei.
Heris, Ortschaft in der Prov. Azerbeidschan im nordwestlichen Teil
Persiens: in neuester Zeit wird hier auf Bestellung von Agenten europäischer
Handelshäuser eine Art von Kamelhaarteppichen hergestellt, welche in den
Massen, der Dichte und EjQÜpfung den gröberen Sorten der Ferahanteppiche
gleicht; in den Mustern aber alte, sonst selten gebräuchliche Phantasieformen
nachahmt. Im Handel fälschlich Iris genannt: ihr Grundton ist gewöhnlich
braun, dunkler als die Naturfarbe der Kamelhaare.
Herisau, Marktflecken und im Schweiz. Hauptort Kanton Appenzell-
Austerroden : mehrere Fabriken für Baumwollindustrie , Musselinweberei,
Stickerei, Bleicherei und Färberei. H. ist Mittelpunkt des Handels und der
Industrie des Kantons.
Hermanstadt, Hauptstadt des Grossfürstentums Siebenbürgen: die Indu-
248 Hermelin — Hirschberg.
strie erstreckt sich auf Fabrikation von Tuch, Kotzen und Wolldecken; mehrere
Wollwebereien.
Hermelin (lat. : hermoniae, armineae; franz.: hermine, ermine, erm; engl.:
ermine), nur von fürstlichen Personen getragenes Pelzwerk aus dem Pell des-
sibirischen weissen Hermelinwiesels ; in dasselbe werden in regelmässigen Ab-
ständen die schwarzen Schwanz spitzen eingesetzt. Findet in der Weberei in
Sammet- und Seidenstoffmustern seit dem Anfang des 18. Jahrh. häufig Nach-
ahmung.
Herrenhut, Flecken in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: die
Arbeiten der Textilarbeiter finden grossen Absatz, besonders Leinwand, weib-
liche Handarbeiten und Paramenten. Auch besteht eine Dampf- uiid Maschinen-
bleicherei (Abraham Dürninger u. Co.). H. wurde 1722 von mährischen Aus-
wanderern erbaut.
Herrissons s. Werg- und Seidenspinnerei.
Hersfeld, Kreisstadt im preuss. Peg.-Bez. Kassel : bedeutende Tuch- und
Baumwollspinnerei, Färberei.
Herve, Stadt in der belg. Prov. Lüttich: Wollspinnerei.
Herzogenaurach, Stadt im bayr. Eeg.-Bez. Oberfranken: Wollspinnerei,
Tuch-, Flanell-, Filz Schuhfabrik.
Herzogenbuchsee, Dorf im Schweiz. Kanton Bern: Seidenweberei.
Hesdin, Hauptort im Arrond. Montreuil des franz. Depart. Pas de Calais:
Fabrikation von Strümpfen, Leinenweberei.
Hessen, ein zum Deutschen Reich gehöriges Grossherzogtum. Textilindustrie
besonders in den Kreisen Alsfeld, Lauterbach, Schotten, Griessen und im Odenwald.
Hessians sind feine Jutestoffe.
Hetaika, gefärbte russische Leinen von gelber und blauer Farbe.
Hexamitum, in sechsfarbiger Musterung gefertigte Seidengewebe, deren
Herstellung im 12. Jahrh. in Palermo von gleichzeitigen Schriftstellern ge-
schildert wird.
Hexenstich s. Nähen und Sticken.
HiapU, chinesisches Sommerzeug, wozu man in China die gesponnenen
Fasern der Urtica nivea und in England Chinagras verwendet.
Hildburghausen, Kreisstadt im gleichnamigen Kreise: Wollspinnerei.
Hilden, Stadt im preuss. !Reg.-Bez. Düsseldorf: Fabrikation von Sammet,
Seide und Teppichen; auch Erzeugung von Druckstoffen.
Hildesheim, Hauptstadt des gleichnamigen Beg.-Bez. : Drell- und Baum-
wollwebereien, Wollwaren; Handel mit Wolle, G-arn und Leinwand.
Hilo retorcido, im Handel nach Spanien das Garn von Pennes in
Bretagne oder der Eil retors.
Hilsenheim, Dorf im Kreis Schlettstadt : Weberei.
Hilverzum, Ort in der niederl. Prov. Nordholland.- Kattunfabrik, Teppich-
weberei.
Himmelfahrt Christi, Himmelfahrt Maria, s. kirchliche Stoffe und
Stickereien.
Hinterstich oder Pückstich gehört zu den vier Grundsticharten in der
Näherei, er wird hergestellt, indem man die Nadel in den Stoff einführt und
6 Fäden weiter herausführt, dann legt man den Faden von links nach rechts^
führt die Nadel zwei Fäden hinter dem Ausgangspunkt ein, um sie sechs Fäden
weiter vor demselben wieder herauszuziehen.
Hirsch, nach Psalm 42, 2, Sinnbild der Seele und der Taufe, als welches
er auf Geweben des 15. Jahrh. dargestellt wird.
Hirschberg in Schlesien: Mittelpunkt der schles. Leinwandindus^ie,,
welche seit Ende des 18. Jahrh. stark zurückgegangen ist. Namentlich war
H. ehedem der Sitz der sogen. Schleierweberei, welche 1570 aus den Nieder-
landen hierher verpflanzt, 1806 aber fast gänzlich vernichtet wurde. Heut be-
stehen noch Kammgarnspinnereien. Bedeutende Spitzenindustrie, welche auch
die umliegenden kleinen Ortschaften beschäftigt.
Hirschberg a. d. Saale, Stadt im Fürstentum Reussj. L.: Baumwollweberei»
Hirschfelde— Hohlstoffe. 249
Hirschfelde, Flecken in der sächs. Kreishaiiptmannschaft Bautzen: grosse
Flachsspinnerei, Lein- und "Wollweberei, Blaulärberei.
Hirschhäute (Häute des Edel- und Damhirsches, auch des nordamerik.
Wapitihirsches, der die grössten liefert), dienen gegerbt zu Beinkleidern,
Handschuhen, Kissen und Bettdecken.
Hlinsko, Stadt in Böhmen : bedeutende Möbelstoff-, Weisswaren- und
Teppichfabriken (von Haas in Wien).
Hoboken, Stadt im nordamerik. Staate Neujersey: bedeutende Seiden-
fabriken.
Hochflorsammet s. Sammet.
Hochrenaissance s. Renaissance.
Hochstickerei nennt man in der Weissstickerei das TJebersticken von
stark unterlegten Formen mit geradem oder schrägem Plattstich, welche quer
zu den Stichen der vorgestochenen Unterlage ausgeführt ist; sie findet bei
Blüten und Blättern, besonders aber bei Buchstaben und Monogrammen die
häufigste Anwendung.
Hodbab (slovakisch) s. Grotaweppi.
Hof, wend. Begnizi, Hauptstadt des gleichnam. bayr. Bezirkamts H. an
der Saale: Mittelpunkt der oberfränkischen Woll- und Baumwollindustrie, sie
nimmt in der Textilindustrie eine hervorragende Stelle in Bayern ein. Es
bestehen etwa 2000 Betriebe und Gewerbe, darunter 3 mechan. Baumwoll-,
1 Schafwollspinnerei (zusammen etwa 200000 Spindeln), 7 mechan. Webereien
(1500 Stühle), 13 Fabriken für baumwollene und wollene Stoffe, 9 Appretur-
anstalten. H. ist Sitz der 2. Sektion der Süddeutschen Textilberufsgenossen-
schaft.
Hof, Stadt in Mähren: Leinwandindustrie.
Hohenelbe, Stadt in Böhmen: Flachsgarn- und Baumwollgarn Spinnerei,
5 mechan. Webereien, Yerbandstofffabrik, 6 Kunstbleichen und 4 Färbereien.
Fachschule für Weberei, 1873 gegründet. An H. anstossend das Dorf Ober-
Hohenelbe mit Kunstbleiche, Flachsgarn- und Jutespinnerei.
Hohenems oder Hohenembs, Marktflecken in Vorarlberg: Baumwoll-
spinnereien, Webereien, Druckereien und Botfärbereien; Fabrikation von Ge-
spinsten, Bändern und Stickereien.
Hohenleuben,. Flecken im Fürstentum Beuss j. L. : Strumpfwaren-
fabrikation und Weberei.
Hohenlimburg oder Limburg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Arnsberg:
Webereien, Leinweberei und Tuchfabrikation.
Hohenstadt in Mähren: Türkischrotfärberei und Baumwollspinnerei.
Hohenstein-Ernstthal, Stadt im sächs. Erzgebirge: Jacquardwebereien
(Waffeldecken u. s. w.), Strümpfe- und Trikotagenfabriken, Seiden- und Möbel-
stoffweberei, Woll-, Baumwoll-, und Seidenfärberei; Strumpfstuhl- und Nadel-
fabriken.
Hohlnaht, Hohlsaum, Bandverzierung von Leinwand u. s. w., hervor-
gebracht durch das Herausziehen mehrerer nebeneinander liegender Schussfäden
aus dem Gewebe und Zusammenheften der freiliegenden Kettfäden, sodass sich
Muster bilden.
Hohlstoffe sind Doppelgewebe, welche durch regelmässiges Zusammen-
weben zweier Zeuge entstehen, wobei durch die Art der Verbindung beider
Stoffe die Musterung entsteht. Die Art und Weise der Technik, in neuerer
Zeit sehr in Mode, ist älteren Ursprungs und schon in Stoffen aus Seide und
Baumwolle des 16. und 17. Jahrhs. erkennbar (vgl. Abb. 116).
Abbildung:
116. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stoff aus roter Seide und weisser und gelblicher Baumwolle als Hohlgewebe hergestellt,
Muster aus Blütenpalmetten an vasenartigem Unterteil in Rautenfeldern aus Vögeln,
Kronen und Zweiten. Italien 16. — 17. Jahrh.
250
Hoike — Hohlbeinteppiche.
Hoike, kurzer Mantel von weiter, glockenförmiger Form, der entweder
geschlossen war und dann über den Kopf geworfen werden musste, oder auf
der rechten Schulter, oder wie in England vorn mit vielen Knöpfen zu schliessen
war. Dieses Kleidungsstück, das mit Pelz, Seide oder "Wolle gefüttert, wurde
im 14. Jahrh. von Mann und Frau getragen.
Holbeck, Stadt in der engl. Grrafschaft York: bedeutende Tuch-
fabrikation.
Abb. 116.
Holbeinstich, Modename für den aus dem 16. Jahrh. stammenden und
in der Leinenstickerei ein- und doppelseitig ausgeführten Strichstich, abgeleitet
von Gemälden der altdeutschen Schule, besonders Holbeins, auf welchen die
Borten der Gewänder in dieser Technik dargestellt sind (s. Abb. 117). Der Ur-
sprung der sogen. Holbeintechnik ist im Orient zu suchen, woher die Technik
nach Europa überführt wurde (s. Leinenstickerei [vgl. auch die Abb. 25]).
Abbildung:
117. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin: Borte,
Stickerei auf Leinen im Strichstich in violettem Grarn, Muster abwechselnd aus Feldern
mit Flächenmusterung und schreitenden Löwen. Arabisch 16. Jahrh.
Abb. 117.
Holbeinteppiche, moderne Bezeichnung für kleinere vorderasiatische
Knüpfteppiche des 16. Jahrh., deren Musterung aus zwei quadratischen Stern-
feldern mit reichen Borteneinfassungen besteht. Diese Originale kopierten die
Maler der Frührenaissance für den Hintergrund, Boden oder Stufenbelag ihrer
figürlichen Darstellungen und die besonders treue Wiedergabe eines solchen
Holitz — Holland.
251
Teppichs im Bilde der Holbeiiischen Madonna zu Darmstadt (vergl. Abb. 118)
gab dieser Gattung den Namen. Auf Grrund der Kekonstruktion solcher
Teppichmuster nach Bildern der Meister des 16. Jahrh. veröffentlichte Julius
L es sing das erste derartige Werk über „Alt o rientalis che Teppich-
muster«. (Berlin 1877.)
Abbild ung:
118. Darstellung aus: Klassischer Bilderschatz, Jahrg. 1894, Bl. 725: Bild der
Madonna von Hans Holbein, Original in Darmstadt.
Holitz, Stadt in Böhmen: Weberei.
Holland, im weiteren Sinne das Königreich der Niederlande, im engeren
Abb. 118.
die alte Grafschaft H. : die noch aus dem 14. Jahrh. stammende Seidenmanu-
faktur stand bis zum Ende des 18. Jahrh. in Blüte ; ist aber durch Konkurrenz
überflügelt und beschäftigt kaum noch 500 Stühle. Auf der Höhe steht die
Seidenindustrie am Ende des 16. Jahrhs. Sie trägt in ihrer Technik und ihren
Benennungen so unverkennbar die Züge derjenigen von Antwerpen, dass man
sie bei einer grossen Auswanderung von Beformierten aus dieser Stadt für
einen Abkömmling derselben wird halten dürfen. Amsterdam, Antwerpen,
Harlem und Utrecht wurden die Hauptsitze dieser Industrie. Nach einer viel-
versprechenden politischen und wirtschaftlichen Entwickelung sanken die ver-
einigten Niederlande seit der Mitte des 17. Jahrhs. im wesentlichen auf den
alten stadtwirtschaftlichen Standpunkt zurück. Der Handel wurde vor der
Industrie in dem Grade bevorzugt, als die ostindische Compagnie nicht nur
252 Hollandas — Honiton.
massenhaft ostindische Stoffe einführen durfte, sondern sich sogar ihrer ursprüng-
lichen Verpflichtung, rohe Seide in bestimmter Menge mitzubringen, im
18. Jahrh. einfach entziehen konnte, weil dieser Artikel weniger gewinnbringend
war, als der Import von Fabrikaten. Schon seit der Mitte des 17. Jahrhs.
wird über den Verfall der Manufakturen geklagt; aber ein weiteres Wachstum
ist doch noch unverkennbar, und namentlich die Einwanderung der französischen
ßefugie's brachte einen bedeutenden Aufschwung. Seit 1730 aber sind sie in
einen unaufhaltsamen Verfall geraten, und die mit dem Jahre 1782 eintretende
wirtschaftliche Katastrophe der Niederlande hat sie vollends vernichtet. Spitzen-
erzeugung seit dem 17. Jahrh. (Vgl. Spitzen.)
Hollandas» Olandas, nennt man in Spanien und Portugal die feinen weiss-
gebleichten niederländischen Leinen.
HoIIandillas sind locker gewebte schlesische und böhmische Futterleinen.
Holländische Languetten sind feine Leinenbänder.
Holleschau, Stadt in Mähren: Tuch- und Leinenweberei; Handel mit
Wolle.
Holmgrens (engl.), s. v. w. Wollprobe.
Holol, äusserst dünnes Gewebe, welches im Mittelalter in Almeria als
berühmtes Fabrikat gilt.
Holosericum, holoserica (lat.), (vom grch. holos = ganz und serikon = Seide),
mittelalterliche Bezeichnung des ganz seidenen Stoffes, im Gregensatz zu sub-
sericum = halbseiden.
Holzgewebe, ein Grewebe, das aus zylindrischen Holzstäbchen (Holzdraht)
mit einer Kette von Seide oder Baumwollzwirn gebildet ist, wobei die Ketten-
fäden, einzeln oder zu mehreren angeordnet, in weiten Zwischenräumen stehen.
Solche Gewebe werden mit der Hand, meist aber auf schmalen, kurzen Web-
stühlen hergestellt. Zu den H., die ganz aus Holzdraht verfertigt sind, ge-
hören die sogen. Siebplatten. Eine andere Art von H, bildet die sogen.
Sparterie, die aus feinen, sehr dicht nebeneinander liegenden Holzstreifen be-
steht und zur Verfertigung von Hüten dient.
Holzwolle, ist gemahlenes Holz, welches zum Bestäuben von Papier-
tapeten und als Verpackung, Verbandmittel (statt Charpie) und gefärbt zur
Anfertigung von Matten und Flechtwerk verwendet wird. Sie wurde zuerst
in Amerika hergestellt.
Holzzeug (franz. : matiere de bois, päte de bois ; ital. : lignito ; engl. :
wood pulp), gleichbedeutend mit Holzstoff, Holzgewebe.
Homespunes (engl. d. h. zu Hause, mit der Hand gesponnen), ein meist
in allen Tönen des Braun gefärbtes, aus Streichgarn ziemlich rauh erzeugtes,
tuchartiges, zu Paletots verwendetes Gewebe, welches ursprünglich nur in der
schottischen Hausindustrie gemacht wurde.
Honate oder Onete ist eine seidenartige Pflanzenwolle von der Insel
Mauritius, welche als Ersatz der Baumwolle gilt.
Hondschoote, Hauptort im Arrond. Dünkirchen des franz. Depart. Nord:
Leinwandindustrie. H. war vom 11. Jahrh. an eine wichtige Stadt mit Tuch-
und Sergefabriken.
Honey-Combs, ein auf englischen Maschinenspitzenstühlen gefertigter
offener Spitzengrund, dessen Maschen die Form von Bienenzellen haben: es ist
der Ausdruck für die sogen. Waffeldecken.
Hong-chew Silks, ein für die Ausfuhr von Canton und Shanghai (China)
nicht unwichtiger glatter, farbiger Seidenstoff.
Hong-ki-poun, chinesische Taschentücher, welche in der Gegend von
Canton gemacht werden.
Hongrie (Points d') wurden halbseidene gemusterte Tapeten, eine S^rte
der Bergames aus Pouen genannt.
Honigwabenmuster s. Bienenzellenmuster.
Honiton, Ort in der englischen Grafschaft Devonshire : erzeugt Klöppel-
spitzen auf Brüsseler Grund und in Guipüreart. Das Muster besteht aus ziem-
lich naturalistisch gezeichneten Blumen und Blättern. Die alte Honitonspitze,
Horbury — Hyacinthe.
253
häufig in Seide, ist geklöppelt und, da sie von ausgewanderten Niederländern
gefertigt wurde, den vlämisclien Spitzen nahe verwandt.
Horbury, Stadt in der engl. Grafschaft York: Fabrikation von Woll-
tüchern und Flanell; auch Garnspinnerei.
HormÜZ-Syräf, im 7. und 8. Jahrh. eine vielbesuchte Stätte für Seiden-
verkehr an der Westküste Indiens; beeinfl.usste als Hafenplatz s. Z. den ge-
samten europäischen Seidenverkehr.
Horstmar, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Münster : Seidenweberei im Hand-
betrieb.
Huckabacks nennt man in England einen starken Zwillich, den man zu
Tischzeugen, Handtüchern u. dergl. verwendet.
Hückeswagen, Stadt im preuss. E-eg.-Bez. Düsseldorf: Wollspinnerei
und Tuchfabrikation.
Huddersfield, Ort in der engl. Grafschaft York: Hauptsitz der Woll-
industrie, insbesondere für Shawls, Velours, gemischte Gewebe, Seidenplüsche,
leichte Tuche und feine Damenkleider ; auch
Leinen- und Seidenwaren werden gefertigt. Abb. 119.
Hüls, Flecken im preuss. Reg.-Bez.
Düsseldorf: zwei Sammet- und Seiden-
fabriken, Sammet- und Seidenweberei (Haus-
industrie); Hadern, Frottierstoffweberei.
Humpoletz, Stadt in Böhmen: 5 Tuch-
fabriken ; czechische Webeschule.
Humums, glatte, baumwollene, ost-
indische Zeuge.
Hund, in der Weberei Bezeichnung
der Vorrichtung am Trommelstuhl, um eine
Drehung der Trommel zu bewirken; am
Jacquardstuhl zwei eiserne Haken, um —
bei einem gestürzten Muster — das Prisma
abwechselnd in der einen und in der ent-
gegengesetzten Richtung zu drehen.
Hund, laufender, s. Wogenband.
Hungertuch s. Fastentuch.
Hunia, ein dem Galina (s. d.) ähn-
liches, grobes Tuch (Wollengewebe), welches
besonders in Brunn aus groben, namentlich
ungarischen Schur- und Gerberwollen er-
zeugt wird. Die Hauptmasse der H.-
Erzeugung dient zur Herstellung von Schuhen
für die südslavische Bevölkerung.
Hüsseren-Wesserling, Ort im Ober-
elsass : grosse Baumwollspinnereien und
-Webereien, sowie Kattundruckereien und
Bleichereien.
Hüttenheim, Dorf im Unterelsass : bedeutende Baumwollspinnerei und
-Weberei (1200 Arbeiter).
Huysdoek, ist der holländische Name geringer Sorten hessischer und
westfälischer Hausleinen.
Hyacinthe, bekannte Pflanzengattung der Liliaceen. Eine in vielen
Spielarten gepflanzte Gattung ist die orientalische H. (H. orientalis) (Abb. 119),
welche auch dort seit dem 16. Jahrh. vielfach Gegenstand der Flächenmusterung
auf Geweben und Stickereien geworden ist. Mit den orientalischen Stoffen wurde
diese Musterung auch nach Venedig und Spanien übertragen und wird im
17. Jahrh. in Italien mit Tulpen allgemein. Im 18. Jahrh. kommen von Holland
nach Frankreich und Italien die schönsten H. ihrer Art und finden weiterhin
reichlich Verwendung für Flachmuster. (Vgl. Abb. 86 und Orientalische
Stickereien.)
254 Hydrophiler Verbandstoff — Indien.
Abbildung:
119. Darstellung aus: Lobelius platarum Sev Stirpium icones, Antwerpen 1581:
Hyacinthus orientalis purpurae rubeus.
Hydrophiler Verbandstoff, Verbandmull, locker gewebtes Baumwollzeug,
dient an Stelle der Charpie zu Verbandzwecken.
l.
Ibischfasern, aus den Stengeln mehrerer Hibiskusarten, zu Stricken und
Geweben verwendbar.
Ibrisam, arabische Bezeichnung für Seide, worunter die mittelalterlichen
Quellen entweder die einfache oder die gezwirnte E-ohseide verstehen ; auch für
gehaspelte, wie für die aus den Abfällen gewonnenen Seidengarne scheint der
Ausdruck gegolten zu haben.
Iglau, Stadt in Mähren, bedeutende Tuchindustrie, zahlreiche Werkstätten,
Spinnereien, Färbereien und Wollzeugwebereien; bedeutender Handel mit den
Erzeugnissen.
Igualada, Stadt in der span. Prov. Barcelona: Baumwollspinnerei,
Fabrikation von Leinwand, Sammet und Wollstoffen.
I. H. S. s. Christusmonogramm.
Ilkeston, Stadt in der engl. Grafschaft Derby: Fabrikation von Seiden-
waren, Strümpfen und Spitzen.
Imitatgarn, aus Baumwolle bestehendes Garn, dessen Herstellung wie die
des Streichgarnes erfolgt ; es wird das Spinngut gefärbt und vor dem Krempeln
findet das Mischen und Färben der Sorten statt. Von dem I. ebenso wie vom
Vigognegarn verlangt man das gekräuselte und moosige Aussehen, was dem
Streichgarn eigen ist; es ist in dieser Beziehung stark abweichend von dem
glatten Baumwollgarn.
Imperial, 1. Veraltetes, sergenartiges Wollenzeug, eine Gattung von ge-
köpertem Flanell. 2. Unter dem Namen Imperiales oder Toiles imperiales
wurde in Flandern ein baumwollener, auf Taffetart gewebter Stoff, eine Gattung
ganz feiner Gingans, bunt gestreift und bunt quadrilliert , gewebt. 3. Auch
eine Gattung leichter ostindischer Zeuge von Baumwolle mit eingewebten Blumen,
Zweigen und vergoldeten Tüpfelchen führte den Namen Imperiales.
Imst, Hauptort in Tirol: 2 Baumwollwebereien, Druckerei und Färberei.
Incompable, Serge, eine veraltete Art seidener Croises.
India Goods, im engl. -asiatischen Handel die in Ostindien vorkommenden
dort gewebten Baumwollzeuge.
Indien erzeugt in heutiger Zeit einige moderne Stoffarten, die hinsichtlich
ihrer Technik nicht ohne Interesse sind. Die reichen, mit edlen Metallfäden durch-
wirkten Seidenstoffe Bengals werden in Benares, Ahmedabad und Delhi (Stickereien)
erzeugt und kommen öfters unter der Bezeichnung „trinkhalls" auf den euro-
päischen Märkten vor. Die bedruckten Gewebe „sari" (surah), „patolo", „ban-
dannas" u. a. sind zuweilen von musterhafter Ausführung. In Lahore und Multan
werden fassonierte Gewebe angefertigt. Die Tussahweberei hat in Ilai|>ore,
Godavery und Sambalpore ihre industriellen Sitze. Nach Europa werden vor-
zugsweise die Corahs, Surahs, Choppahs, Bomals und Tussores exportiert, nur
wenig bestechende und einfache, taffetartige, aber sehr dauerhafte Gewebe, die
übrigens in Europa durch Färben und Bedrucken weiter veredelt werden.
(Vgl. Silbermann, die Seide, Dresden 1897, Bd. 1, S. 134.); über Seidenkultur
Indien.
255
Indiens ebd. S. 263 fF., Gregeproduktion 419 fF., Mulinierindustrie 482.) lieber
die Technik und Musterung moderner indischer Gewebe ist man genau unter-
richtet durch das im Jahre 1877 vom South Kensington Museum in London
unter Leitung von J. Forbes-Watson herausgegebene Sammelwerk indischer
Gewebe, das 16 Bände umfasst, in welchem 854 Muster und Originalproben
enthalten sind. Die schweren Seidenbrokate, meist auf Atlasgrund in Gold-
und Silberfäden gewebt, zeigen dichte Muster aus stilisiertem Pflanzenwerk und
kleinen Tieren, worunter einige fast noch an ältere orientalische Typen erinnern
(vgl. Abb. 120 u. Abb. 10 u. 11 auf Tafel VII). Auch Streifenmuster und
solche aus zierlichen Banken, ganz im Sinne allgemeiner orientalischer Flächen-
musterung kommen darunter vor (vgl. Abb. 2 u. 4 auf Tafel VII). Einen
anderen Charakter der mehr an Webereien der Türkei des 17.— 18. Jahrhs.
erinnert, zeigt der moderne Brokat in Abb. 5 auf Tafel VII. Er stellt reihen-
Abb. 120.
weis versetzte Blütenstauden dar, deren hängende kleine Knospen in stilisierter
Palmettenform auch wieder an mittelalterliche Formen erinnern, so dass man
wohl annehmen kann, dass einige Muster sich durch Ueberlieferung von alters
her erhalten haben, was auch von dem in Abb. 12 auf Tafel VII abgebildeten
Brokat der Fall sein dürfte. Eine etwa dem Ende des 18. Jahrhs. angehörige
Gruppe von leichteren gestreiften BrokatstofiPen ist vertreten in dem als Abb. 6
auf Tafel VII dargestellten Gewebe, das im ganzen auch die Erhaltung älterer
Muster bestätigt. lieber die Musterung ganz alter Seidengewebe Indiens ist
man nicht völlig unterrichtet, da die Kunstformen des Landes frühzeitig von
fremden Elementen beeinflusst wurden. Sind es nicht chinesische oder persische
Muster, welch letztere jenen so verwandt wie möglich sind, so bringt schon im
frühen Mittelalter der arabische Stil eine Gleichartigkeit in der Verzierungsart
mit andern orientalischen Völkern hervor^ welche die genaue Bestimmung noch
mehr erschweren. Wie Silbermann (Die Seide, Dresden 1897) berichtet,
besass Indien nach zuverlässigen Quellen bereits in den frühesten Zeiten eine
einheimische gelbe Maulbeerraupenrasse und ebenso wird auch von der Verar-
256
Indien,
beitung wilder Kokons durch Spinnen zu Fäden und zu Greweben geschrieben,
welche in Indien (Bengal) seit Urzeit im Betriebe gewesen sein soll, indessen
ist. von Beschreibungen der Muster keine Eede. Das ganze Mittelalter hin-
durch war Indien an dem Seidenhandel sehr beteiligt und löst darin des öfteren
die Chinesen ab, besonders erlangt das südliche Indien im neuen Zeitalter
Interesse für die Geschichte des Seidenhandels, so dass im 13. Jahrh. China
als Vermittler für den Handel mit Europa vollständig ausgeschaltet ist. Die
Blütezeit der mongolischen Dynastie in China (Ende 13. und Anfang 14. Jahrh.)
war eine Periode des regsten kommerziellen Verkehrs zwischen China und
Vorderindien; zu dieser Zeit ist wahrscheinlich auch die regelmässige Zucht
des Maulbeerspinners nach Indien eingeführt worden. Die Seestädte der
Malabarküste wurden zu Stapelplätzen chinesischer Rohseide und kostbarer
Grewebe. Das damalige Calicut führte einen ausgedehnten Seidenhandel, einer-
Abb. 121.
seits mit China, andererseits mit Alexandrien und Byzanz. Die ersten Euro-
päer, welche 1496 nach Calicut gelangten, fanden zu ihrem Erstaunen lucche-
sische Damaste und Sammete vor. Kambaye betrieb lebhaften Handelsverkehr
mit China und den Molukkeninseln. Aber neben der kommerziellen Grösse
besass Kambaye auch Manufakturen für Taffete und andere reiche Seidenstoffe.
Die Stickereien Indiens (vergl. orientalische Stickereien) haben in Technik
und Musterung auch mit denen Persiens und anderer orientalischer Völker
grosse Verwandtschaft, eine Ausnahme hiervon machen die sogen. Kashmirs (s. d.).
Die Teppicherzeugung in Indien wird zuerst am Ende des 16. Jahrh.
erwähnt, aus welcher Zeit Berichte erhalten sind, welche mitteilen, dass es
mehreren Werkstätten gelungen sei, vorzügliche Imitationen persischer Teppiche
zu erzielen, welche den ausländischen Erzeugnissen völlig ebenbürtig waren. Ob
diese Notizen richtig sein mögen, ist nicht mit Sicherheit festgestellt; denn
zwischen den dort genannten Teppichen und den heutigen Erzeugnissen, die kaum
älter sein dürften als aus dem Anfang des 19. Jahrh., besteht eine grosse histo-
rische Lücke. Es wurden Teppiche geknüpft in der Provinz Scind mit der Stadt
Multan, woselbst auch solche aus Baumwollsammet gemacht w^erden. In Labore
bestand eine der ehemaligen königlichen Teppichfabriken; heute verdankt die
Indien — Indiennes.
257
Stadt den Eiif ihrer Teppiche den Webern in ihrem Gefangenhause, während
in Kashmir und Amritsar die ältere Ueberlieferung von Muster und Farbe
verloren gegangen ist , weil europäische Shawlmuster die alten Formen ver-
drängt haben. Die jüngste Nachfrage nach indischen Teppichen in Europa
stammt erst aus der grossen 1851er Ausstellung in London. In moderner Zeit
liaben namentlich die indischen Gefangenhauswerkstätten zur Wiederbelebung
der besseren Teppichgattungen beigetragen; indessen kam die Industrie erst
wieder vollkommen zur Entfaltung, als grosse Pariser Häuser Kenner des
orientalischen Teppichwesens nach
Abb. 122.
Indien sandten, um in den grösseren
Gefangenhäusern die Herstellung von
Kopien alter turkestanischer und persi-
scher Teppiche zu überwachen. Der
•erste offizielle Yersuch, diese in der
Entwickelung begriffene Industrie zu
unterstützen, ging im Jahre 1890 von
der Regierung in Madras aus , indem
die Anfertigung von Kopien sämtlicher
alter Teppiche im Londoner „India
Museum" verfügt und jedes dieser
Muster in den indischen Teppich-
h)ezirken umgesandt wurde. Die Her-
stellung indischer Knüpfteppiche ge-
schieht auf demselben primitiven Web-
stuhl, wie bei den Nomadenstämmen
kaukasischer Völker (Abb. 121). Zwei
einfache Balken bilden den Halter für
den Querbaum, von welchem die Kette
herabhängt. An derselben sitzen die
Arbeiter und knüpfen nach Zeichnung
— oft auch aus dem Gedächtnis —
das Muster aus farbigen kurzen Woll-
fäden ein. Nach jeder vollständigen
!Reihe solcher eingeknoteter Fäden wird
ein Schussfaden mit. dem Kamme an-
geschlagen. Auch der Zeugdruck
(s. d.) wird in Indien schon in frühen
Zeiten geübt, (s. Batik), ferner ist be-
kannt die Musterung von Krepp stoffen
durch Färben mit vorheriger Abbindung, wie sie in Japan (s. d.) gebräuchlich
ist. In neuerer Zeit kommen aus Indien viele gedruckte Wandbekleidungen
aus Kattun, welche mit typischen Mustern in Art von Teppichen oder gestickten
Decken gefüllt sind (Abb. 122).
Abbildungen :
120. Darstellung aus: Das Kunsthandwerk ^ Jahrg. 1873. Blatt 18. Seiden-
"brokat (sogen. Kinkob), Grund rot, Borteijmuster Gold: Symmetrisch geordnete Ranken
und Rosetten ; dazwischen kleine Blüten , Vögel und Fische. Untere Abschlussborte
mit Zackenmuster, die obere mit Palmetten. Darüber Ansatz des karierten Grund-
stoffes. Indien 1873.
121. Darstellung aus Porte folio of Indian art, Heft 3, Bl. 33: Indischer
Knüpfteppichwebstuhl.
122. Wandbekleidung aus Kattun, in vorwiegend Blau, Rot und Braun be-
druckt mit Cypressen zwischen Blumenranken in Umrahmung von fein gemusterten
Blütenrändern; dazwischen steigende Löwen und Pfauen, welche auf mittelalterliche
Ueberlieferung schliessen lassen. Indien 19. Jahrh.
Indiennes ist eine Bezeichnung für: 1. Feine, dichte, gedruckte Kattune,
welche aus den französischen, deutschen und schweizer Zeugdruckereien kommen
"Heiden, Handwörterbuch der Textilknnde. 17
258 Indische Palmetten — Isolierteppich.
und früher auch Zitze Messen; sie werden vielfältig gebraucht. Die I. von
Orange in Provence und von Trojes in Champagne kommen oft unter dem
Namen Toiles d'Orange, Orangeleinen vor. 2. In neuerer Zeit heisst auch I.
ein leichter dünner Baumwollstoff mit eingewebten bunten Streifen, zuweilen
zwischen den Streifen mit Mustern bedruckt, eine Art feiner Gingan, der zu
Sommerkleidern für Frauen verwendet wird.
Indische Palmetten, s. Palmwipfelmuster.
Infantadowolle (wörtlich Prinzenwolle), spanische Merinowolle.
Inful (lat. : infula; franz.: infule; engl.: infula), die von der Mitra (s. d.)
herabhängenden Hückenbinden ; man braucht den Ausdruck daher auch f. M.
Initialen s. Monogramm.
Injira, kolumbische Baumwollsorte.
Inlet ist die sächsische Bezeichnung für Bettleinwand, Federleinwand^
Federritten oder Bettziechen.
Innendekoration hat in neuerer Zeit für die Textilkunst besondere Be-
deutung dadurch gewonnen, dass man bestrebt ist, alle Teile der stofflichen
Zutaten den Hauptgegenständen der Bäume stilistisch anzupassen. Es kommen
dabei weniger technische Bücksichten in Betracht, als äusserliche, durch Stil,
Form und Farbe gegebene Werte, wobei die Tätigkeit des Dekorateurs unter
Leitung des Architekten beansprucht wird.
Literatur: Luthmer, Werkbuch des Dekorateurs (Stuttgart 1896); ders.
Malerische Innenräume aus Gregenwart und Vergangenheit (ebd. 1888). Hirth, Das
deutsche Zimmer (München 1886); ders. Formenschatz 1879. Gurlitt, Im Bürger-
hause (Dresden 1888). Dupont-Auberville, Sammlung von D. (deutsch, Stutt-
gart 1881). Schwinghammer, Moderne D. (Ravensb. 1891—93). W. Schützl,
Moderne Dekorationsmotive (I, Hamb. 1895).
In ramo, im italienischen Warenhandel bezeichnet man damit die rohe,
ungesponnene Baumwolle, wofür die Franzosen den Ausdruck en rame haben.
Insignien s. Beichskleinodien.
Irisch Leinen (spanisch: Irlandas), weissgarnige, fest und gedrungen ge-
webte Leinen aus flachs enem Garn, welche seit vielen Jahren in Irland als-
Nachahmung des sonst aus Sachsen und Schlesien häufig nach England und
Amerika begehrten Dowlas verfertigt. Diese Ware ist so fein, dass sie die
deutschen Dowlas fast gänzlich verdrängt hat, obgleich sie dieser an innerer
Güte und Dauerhaftigkeit nicht gleichkommt.
Irisdruck (Fondus), Bezeichnung für eine Art Zeugdruck, wodurch ver-
schiedene Farben nebeneinander und so aufgedruckt werden, dass sie sich ab-
schattieren, wie es bei den Farben des Begenbogens der Fall ist.
Iris-Popleens sind leinwandartig gewebte Wollenzeuge in buntschillernden
Farben, welche früher sehr beliebt waren.
Irland, s. Allgemeines unter England. Berühmt sind die hier seit dem
Anfange des 19. Jahrh. gefertigten Häkelarbeiten, welche in Nachahmung der
Belief spitzen aus Venedig entstanden sind (s. Häkelarbeiten).
Isabel, Name eines feinen Köperstoffes aus weichem Kammgarn, aus
Bochlitz in Sachsen 1845 zuerst auf den Markt gebracht.
Iseghem, Stadt in der belg. Provinz Westflandern: Leinen- und Woll-
weberei.
Iskalaton gilt im Mittelalter als berühmtes Seidengewebe von Almeria.
Isle, Hauptort im Arrond. Avignon des franz. Depart. Yaucluse : Seiden-
haspeleien und -Spinnereien, Wollspinnereien, Fabrikation von Wolldecken und
Hüten.
Isle de France nennt man eine in den Umgebungen von Paris von
Tausenden von Familien geübte Spitzenindustrie, die unter Heinrich lY. (l58^
bis 1610) gegründet sein soll; inidessen ist es nicht klar, ob in den darüber
erhaltenen Notizen nicht Posamenten gemeint sein können.
Isolierteppich, grobes Gewebe aus tierischem Haar, insbesondere aus
Wollabfällen und Kuhhaar. Es wird auf einer Unterlage von dickem Pack-
papier mit heissem Teer oder Asphalt durch Aufpressen befestigt. In dieser
Isp ahan — Italien .
259
Form benutzt man das Präparat im Hochbau als schalldämpfendes und wärme-
schützendes Mittel in Fussböden.
Ispahan, auch Isfahan (das alte Aspadana), Hauptstadt der pers. Prov.
Irak-Adschemi : bedeutende Erzeugung von Filzteppichen.
Ispahn gilt im Mittelalter als berühmtes Seidengewebe von Almeria.
Issum^ Flecken im preuss. Peg.-Bez. Düsseldorf: Seidenweberei.
Italian CUtwork kommt in England nach Jakob I. (1603 — 25) in In-
ventarien als Bezeichnung für italienischen Durchbruch vor, womit bewiesen ist,
dass England aus Italien Spitzen bezog.
Italien, Land und Königreich im südl. Europa : die wichtigsten Industrie-
zweige sind Spinnerei und Weberei. Unter den europäischen Staaten, welche
die Seidenraupenzucht betreiben und Seidenkokons, sowie rohe und filierte
(gesponnene) Seide erzeugen, steht I. obenan. Seit dem 16. Jahrh. ist die
Abb. 123.
Seidenzucht allmählich zu einem nationalen Gewerbe herangewachsen, das be-
rufen ist, eine immer grössere Ausdehnung und in den wirtschaftlichen A^er-
hältnissen Italiens eine bedeutende Polle zu gewinnen. Die Anfänge der Seiden-
zucht Italiens fallen in das 9. Jahrh. zurück; durch Dandalo sind dann 1204
griechische Rassen hinzugekommen. (Ygl. Silbermann, Die Seide, Dresden 1897.
Bd. I, S. 223.) Im 15. Jahrh. werden schon vielfache Passen der grünen, gelben
und weissen Kokons gezogen ; später Avandte man sich vorzugsweise der gelben
Passe zu, welche auch im Laufe des 17. und 18. Jahrh. (ausser einigen Gegenden
in Piemont und Ligurien) ausschliesslich kultiviert worden ist. Am bedeutendsten
260
Italien.
ist die Seidenzuclit in der Lombardei, Piemont, Yenetien, den Marken und in
Toskana. Die Zuckt der Seidenwürmer beschäftigt 571 222, die Seidenfabrikation
172 356 Menschen, darunter 7io Frauen und Mädchen. Die Produktion von
Pohseide, die in den 80er Jahren infolge der Seidenraupenkrankheit bis auf
2\'2 Million kg jährlich gesunken war, ist 1896—99 wieder beträchtlich gestiegen
(3,723 Millionen kg). 1899 zählte man 1 824 604 Spindeln. Die Seidenspinnerei
hat ihren Hauptsitz in der Lombardei, namentlich in der Provinz Como, auch
in Piemont. Die Seidenweberei ist am blühendsten in Como, Grenua, Caserta,
Turin und Neapel; sie arbeitet fast nur für den Export. Im ganzen leidet dieser
wichtigste Zweig neuerdings unter japanischer und chinesischer Konkurrenz.
Das Seidengewerbe soll bereits im 8. Jahrh. in Pom geübt worden sein durch
die zur Zeit des Bildersturmes in ßyzanz brotlos gewordenen griechischen
Seidenweber. Sie gründeten hier hauptsächlich der Herstellung von kirch-
Abb. 124.
liehen Paramenten gewidmete Kunstwebereien. Aber die eigentliche Einfüh-
rung der Seidenindustrie von Griechenland nach Italien vollzieht sich erst im
Jahre 1146, als der Normannenkönig Poger I. von einem Kriegszuge grie-
chische Seidenweber aus Korinth, Athen und Theben mit sich führte und zu
Palermo ansiedelte. Dazu wird bemerkt, das s dort eine mit dem königlichen
Palast verbundene Fabrikationsanstalt, vielleicht auch mit Anknüpfung an den
Tiraz der sarazenischen Emire von Palermo, den die Normannenkönige beibe-
halten hatten; aber die byzantinische Art der Weberei behielt die Oberhand.
Seit dem 13. Jahrh. findet sich die Seidenindustrie in ober- und mittelitalie-
nischen Städten, namentlich in Venedig und Genua, in Florenz und Lufcca,
wobei es sich aber schwerlich um eine direkte TJebertragung von Palermo
handelt, sondern um eine solche aus dem Orient selbst, und entstehen dann
jene Muster, welche man mit der Bezeichnung „arabisch-italisch" versieht, um
auszudrücken, dass dieselben in Italien, aber noch nicht frei von orientalischen
Einflüssen erfunden wurden (Abb. 123) im Gegensatz zu den rein italienischen,
Izarins — Jaconets. 261
welche der späteren Zeit angehören (Abb. 124). Venedig war neben Amalfi
schon Jahrhunderte vorher der Hauptstapeljolatz für die Seidenwaren des
Ostens, die nach dem Abendlande gingen. Am bedeutendsten war im 13.
Jahrh. die Seidenindustrie in Lucca, das eine berühmte Messe hatte, und dessen
Kaufleute mit ihren Seidenwaren in alle Welt gingen. Parteikämpfe zwischen
Guelfen und Ghibellinen veranlassten zu Anfang des 14. Jahrh. eine Menge
Luccheser Bürger zur Auswanderung, darunter besonders viele, die dem Seiden-
gewerbe angehörten. Die meisten gingen nach Venedig und nach Florenz.
An beiden Orten bildeten sie eine eigene Kolonie und hoben die Seidenindustrie
daselbst im Laufe des 14. — 15. Jahrh. auf ihren Höhepunkt, sodass die orien-
talischen Waren überflüssig wurden: Italien versorgte mit seinen glatten und
gemusterten Zeugen, seinen Sammeten und Brokaten fast den gesamten abend-
ländischen Markt. Im 15. und 16. Jahrh. entstanden dann nach dem Vor-
bilde der Manufakturen in Venedig, Genua u. s. w. solche in Neapel, Mailand
und Turin. Zu Mitte des 15. Jahrh. tritt Frankreich als Konkurrent an die
Seite Italiens (s. a. die einzelnen Städte). Für die Hanf- und Jute-
industrie sind etwa 60 000 Spindeln und 750 mechanische Webstühle
tätig, deren jährliche Produktion einen Wert von 70 — 80 Mill. Lires erreicht.
Sie hatte seit 1885 erhebliche Fortschritte gemacht; ist aber in den letzten
Jahren hinter den Fortschritten der Baumwollindustrie zurückgeblieben. Wolle
verarbeiteten hauptsächlich in Piemont und in den Provinzen Mailand, Vicenza
und Caserta (1894) 346 000 Spindeln, 10 300 Webstühle (wovon 6 500 mecha-
nische) und 42 000 Arbeiter. Die Baumwollindustrie, deren Hauptsitze
die Lombardei, Ligurien und Salerno sind, beschäftigt im ganzen (1897)
1 900 000 Spindeln (gegen 500 000 im Jahre 1870) ; auch hier nimmt nur die
Einfuhr von Rohstoffen zu, während einzelne Fabrikationszweige erhebliche
Ausfuhrziffern aufweisen. (lieber Spitzenindustrie s. d. Artikel Spitzen, über
weitere Techniken die betreffenden Artikel und diejenigen der Stilarten.)
Abbildungen:
123. Darstellung aus : Flachornamente, Verlag Engelhorn, Stuttgart, Blatt 102 :
SeidenbrokatstofP aus dem Provinzialmuseum in Stralsund, Grund rot, Muster Gold:
Reihenweis abwechselnd nach rechts und links gekehrte Darstellungen eines Hundes
am stilisierten Blütenbaum : in der einen Reihe auf Halbmond , in der andern mit
Spruchband. Lucca, arabisch-italisch 18. — 14. Jahrh.
124. Darstellung aus demselben Werk^ Blatt 133 : Italienisches Seidenstoffmuster
aus dem Ende des 14. Jahrhs. nach einer bemalten Figur in der Benediktiner- Abtei
Comburg in Württemberg.
Izarins sind baumwollene, ostindische Gewebe, welche ehedem die dänisch-
asiatische Kompagnie lieferte.
J.
Jabots (franz.), die Spitzenbesätze der Brustöffuung des Manneshemdes,
die aus der nicht völlig zugeknöpften Weste hervortreten mussten. Die Mode
kam um 1650 auf; nach 1730 war das J. ein Spitzenbehang, der, an dem
schmalen, das Halstuch vertretenden schwarzen Bändchen befestigt, die weite
Oeffnung der Weste ausfüllte. In der modernen Frauenmode bezeichnet man
mit J. einen mit Spitzen und dergl. besetzten Brustlatz.
Jackmaschine, Spulenmaschine, eine veraltete Konstruktion der Baum-
wollvorspinnmaschine.
Jaconets sind feine Baumwollzeuge, eine xA.rt leichter Cambrik, mit festen
runden Fäden, ein Gewebe, welches zwischen Hamau oder Cambrik und Musselin
262
Jacquardweberei — Japan.
die Mitte hält, deshalb auch häufig unter dem Namen Bastard vorkommt. Ur-
sprünglich lieferten es nur die englischen Manufakturen, während die Fabrikation
jetzt allgemein geworden ist. Man hat einfache, glatte, weisse und auch farbig
gestreifte in Weberei und Druckerei.
Jacquardweberei, Jacquardstuhl u. s. w., s. Weberei.
Jägerleinen, grünlicher Stoff aus L. für Jagdanzüge.
JagOStoffe, moderne Leinenstoffe.
Jahnsdorf in Sachsen: Strumpf- und Trikotwarenfabrikation.
Jamaica, westindische Baumwollsorte.
Jamavarteppiche, persische Bezeichnung für Teppiche mit Streifenmuster.
Jamavas, veralteter, ostindischer, leichter Seidenstoff, taffetartig gewebt
und mit broschierten und eingestickten Mustern.
Jamdami, Jamdanis, Jamedanis, feine broschierte Musseline aus Bengalen,
welche mit Blumen in Gold, Silber und farbiger Seide gemustert sind.
Jamestown, Stadt im Staate Neu York: lebhafte Industrie, darunter
Fabrikation von BaumwoU-, Woll- und Kammgarnwaren.
Jamkhana, indischer Baumwollteppich, dessen Muster aus parallelen oder
sich kreuzenden Streifen besteht.
Janina, Stadt in der Türkei: besonders berühmt durch die daselbst auf
Leinwand in roter Seide im Webstich hergestellten Stickereien (Abb. 125),
welche dadurch eigenartig erscheinen, dass ihre geometrischen Muster in dichten
Abb. 125.
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Stichen und zwar so ausgeführt sind, dass in verschiedenen Teilen abwechselnd
die Fadenlage umsetzt, wodurch die Fläche reizvoll schattiert ist.
Abbildung:
125. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stickerei auf Leinen in roter Seide im Webstich in abwechselnder horizontaler und
wagerechter Fadenlage: Eauten aus gezackten Balken enthalten Sterne, ßegleitborte
und Franse. Janina 17. — 18. Jahrh.
Jannequin oder Gennequin (franz.), ein grobes, baumwollenes Hand-
gespinst in Smyrna.
Japan, Liselreich in Ostasien: Seidenzucht und die Verarbeitung der
Rohseide stehen obenan. Die Einführung der Seidenzucht in Japan wird in
die zweite Hälfte (289) des dritten Jahrh. verlegt und koreanischen, sowie
chinesischen Einwanderern zugeschrieben; ihre Befestigung und Ausbreitung
findet gleichzeitig mit der des Buddhismus statt. Wie der Teebau, so hat auch
Japan.
263
die Seidenzucht in Japan während der letzten 30 Jahre einen neuen Auf-
schwung genommen. In Japan ist die Seidenzucht auf Hondo oder Honshiu, die
grösste der Inseln beschränkt. Sie bildet hier die verbreitetste und wichtigste
Hausindustrie, die in den meisten Fällen neben anderen landwirtschaftlichen Be-
schäftigungen herläuft, in der Hegel jedoch Haupterwerbsquell der Bewohner ist;
nur für fassonierte Stoffe kommen Jacquardmaschinen bereits stark in Anwendung.
Die technische Unvollkommenheit der Werkzeuge, wie sie namentlich der dort
noch gebräuchliche Zampelstuhl (vgl. die Abb. 126 auf einem Seidengewebe) mit
sich bringt, wird jedoch aufgewogen durch die Hingabe, mit welcher die Weber
Abb. 126.
ihrem Handwerk obliegen und die ihnen ermöglicht, die Ausführung der
schwersten und kompliziertesten Werke der Kunstweberei zu bewältigen. Die
erste Stelle in der japanischen Seidenindustrie nimmt seit vielen Jahrhunderten
Xioto ein; hier werden nach „Bavier, Japans Seidenzucht, Seidenhandel und
8eidenindustrie, Zürich 1874" von etwa 18 000 Seidenwebern auf etwa 6 000
Webstühlen gegen 6 000 Ballen von je 50 kg Rohseide jährlich verarbeitet. Den
Wert der daraus gewonnenen Gewebe aller Art schätzt man auf 80 Mill. Mark.
Nächst Kioto hat Kiriu, eine kleine Stadt in der Prov. Joshiu, bedeutendere
264
Japan.
Seidenweberei. Unter den Erzeugnissen der japanisclien Seidenindustrie haben
folgende ein besonderes Interesse, weil sie von den europäischen wesentlich ab-
weichen und sich durch hervorragende Schönheit und Güte auszeichnen:
Habutaye oder Kabe habutai, eigenartig geripptes Seidengewebe von weisser
Farbe, gehört zu den prächtigsten ungemusterten Seidenstoffen, welche Japan auf-
weisen kann. Es ist wellig gerieft, ein Mittelding zwischen Krepp und Eips. Kette
und Einschlag sind viel dicker als bei glatten und geköperten Stoffen. Die Schuss-
fäden sind eigenartig locker gedreht. Ein dünnerer Faden, aus zwei Haspelfäden be-
stehend, umwindet in langgestreckter Spirale einen dickeren, der aus 6 Gregefäden
zusammengesetzt ist. Dies bedingt nicht bloss die eigenartige wellige Rippung des-
Stoffes, sondern auch seine grössere Fülle und Geschmeidigkeit. Nach Dicke und
"Weichheit erinnert Habutai an Sammet, von dem er jedoch sonst durchaus abweicht.
Dieses Gewebe war in Japan immer für Festkleider des Adels sehr beliebt; aucK
pflegte der Hof oft Geschenke damit zu machen.
Chirimen oder Krepp ist der beHebteste, rauhe, glanzlose Seidenstoff der Japaner^
den sie sowohl einfach als in verschiedener AVeise gemustert darstellen. "Weicht auch,
wie das Aussehen, so die Anfertigung der verschiedenen Sorten ansehnlich voneinander
ab, so findet sich doch bei allen ein gemeinsamer Zug. Er besteht darin, dass man
zur Kette wie zum Schuss ziemlich gleich starke Fäden nimmt, von denen aber die
Einschlagfäden auf der Zwirnmaschine noch besonders teils rechts, teils links gezwirnt
wurden. Beim Einschlag dieser doppelt gedrehten Fäden wechselt man mit den beiden
Sorten ab. Ist das Stück fertig, so kommt es in ein Bad, erleidet dabei ein starkes-
Zusammenschrumpfen, namentUch in der Breite, wird darauf in Wasser ausgesüsst und
vor völligem Trocknen über eine hölzerne Walze gerollt und gestreckt, dann an der
Abb. 127.
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Sonne vollends getrocknet. Solche Kreppseide, bei der die Anwendung einer sogen.
Kreppmaschine unbekannt ist, kann nur im Stück gefärbt werden. Die einfache
Chirimenweberei wird viel in Takajama betrieben.
Mon-Chirimen ist ein Bildkrepp, der mit glänzenden Fäden aus Yama-ma'i-Seide
gewebt wird, welche die Eigenschaften des höchsten Glanzes hat. Dieser feinste Kr^p-
stoff findet dann Anwendung als Grundstoff für Stickereien , welche abgepasst zu den
Fukusa's, d. s. Geschenktücher, dienen. (Abb. 127.)
Kanoko, Kanoko-shibori oder Kanoko-sha-chirimen (Kanoko: a) ein junger
Hirsch; b) gefleckt wie ein solcher. Shibori, gebunden, geknüjDft, sha , Seiden-
gewebe oder Gaze mit einfacher Kette , Chirimen , Krepp) wird ein eigentümliches
leichtes, hügel- und wellenförmig gekräuseltes Seidenfabrikat genannt^ das von den
Japan.
265
japanischen Frauen als Haarschmuck,, aber auch zu Halsbinden verwendet wird, wobei
man es in die Form einer Rolle bringt, die man an beiden Enden mit Quasten ver-
sieht. In beiden Fällen bringt Kanoko die beste Wirkung hervor. Es ist fast immer
prächtig rot oder violett gefärbt, mit grösseren oder kleineren, runden, w^eissen Flecken
besät. Man fertigt es nur in Kioto wie folgt : Zwei Bahnen einer sehr leichten Xrepp-
seide werden gesteift und aufeinandergeklebt. Nach dem Trocknen zeichnet man das
Muster, gewöhnlich ein Netz gerader, rechtwinklig sich schneidender Linien, darauf
und reibt dann den Stoff mit den Händen gründlich durch, um ihn wieder weich und
geschmeidig zu machen. Hiernach erfolgt das Unterbinden. Man bedient sich dazu
eines Stativs, an welchen ein zugespitzter Messinghaken befestigt ist. An diesen wird
das Gewebe bei jeder Durchschnittsstelle zweier Linien der Zeichnung, der Reihe nach
angehakt und etwas emporgezogen, sodann mit einem Hanffaden in mehreren Win-
dungen fest unterbunden. Ist das Unterbinden beendet, so folgt das Baden, Färben^
Trocknen und Strecken des stark zusammengeschrumpften Stoffes. Hierbei lösen sich
die Bindfäden auf und werden entfernt. Die unterbundenen Stellen liefern das weisse
Muster auf dem türkisch roten, pfirsichblütfarbigen oder violetten Grunde.
Die Obi oder Gürtel, mit welchen japanische Damen ihre langen Kleider
(Kimono) um die Lenden befestigen, w^erden auf besonderen Webstühlen aus bester
Seide verfertigt. Es sind verschiedenartige, glatte und gemusterte Gewebe von 16 bis
24 cm Breite und 3 bis 47, m Länge, mit Rücksicht auf die langen Schleifen, in
welche sie auf den Rücken gebunden werden.
Gewänder aus Brokat, japanisch Nishiki, d. h. aus schwerem gemustertem, mit
Gold und Silber durchwirktem Seidengewebe, den reichsten und kostbarsten, welche
die Textilindustrie überhaupt liefert, gehörten immer zu den Zeremoniekleidern der
chinesischen und japanischen Fürsten, sowie zur Ausstattung der reicheren Theater
(vgl. Abb. 128 u. 7 u. 9 auf Tafel VI) und buddhistischen Tempel. Man unterscheidet
Abb. 128.
in Kioto Ito-nishiki, Goldfadenbrokat und Aya-nishiki d. h. Seidendamastbrokat oder
mit Blumen durchwirkten Brokat. Bei den japanischen Brokaten hat namentlich die Ver-
wendung des Gold- und Silberpapiers in hohem Grade das Interesse der europäischen
Seidenfabrikanten wachgerufen. Dabei wird dieses Papier in schmale Streifen zer-
schnitten und dient dann entweder zum LTmspinnen von Seidenfäden oder es wird für
sich zu Fäden gedreht und eingewoben. Die Gewebe erhalten dadurch ganz das Aus-
sehen, als seien sie mit echten Gold- und Silberfäden durchwirkt, zeichnen sich aber
daneben durch grössere Geschmeidigkeit und Billigkeit aus.
Tsudzu-re-no-nishiki, d. h. stückweise Brokatarbeit, wurde zuerst im Jahre 1875
in Kioto nach einem eigentümlichen Verfahren dargestellt. Kette und Einschlag be-
266
Japan.
standen aus starken, gezwirnten Seidenfäden und Goldpapierfäden. Dabei fehlte den
"Webstühlen die Lade; es fand deshalb kein eigentliches Anschlagen statt, die Quer-
fäden wurden vielmehr mit den Fingern eingelegt und mit Hilfe eines Kammes aus
freier Hand beigeschoben, wie dies in alter Zeit allgemein geschah. Das auf Papier
aufgezeichnete Muster lag unter der Kette. Die gefärbten Schussfäden werden danach
gewählt, gehen nicht durch die ganze Bahn, sondern nur soweit, als man ihrer für
die betreffende Figur bedarf; während daneben liegende Teile mit anderen Farben
später oder früher ausgefüllt werden. Auf diese Weise wurden Tischdecken, auch
Fukusa, d. h. Gewebe zum Einhüllen und Bedecken, z. ß. von Geschenken,
feinen Lackwaren und anderen Gegenständen, dargestellt. — In der Darstellung von
Fig. 129.
Birödo oder Sammet ist man über das einfache, glatte oder gerippte Fabrikat
nicht hinausgekommen. Die dazu dienende Vorrichtung entspricht unserem fri^eren
Handwebstuhl für Sammet. Der Flor der Polkette umschlingt parallel laufende Kupfer-
stäbe als Nadeln. Ist das Gewebe fertig, so werden die Noppen oder Maschen mittels
eines Messers aufgeschnitten, das zwischen zwei Führern geht, und die Nadeln dann
herausgezogen. Sammetbildtafeln werden hergestellt, indem man vor dem Heraus-
nehmen der Kupferdrähte das Muster auf dem gefärbten Grunde aufmalt und je nach
beabsichtigter Wirkung Teile der naturalistischen Darstellung aufschneidet. Ist der
Japan.
267
Grund dann, wie dies in Abb. 129 der Fall ist, mit Goldpapier durchwirkt, so ergibt
sich eine prächtige malerische Wirkung.
Nui-mono oder Nui-haku, Stickerei, vornehmlich mit Seide auf
Seiden- oder Wollstoffe, schliesst sich der Seidenweberei an. Es ist ein hoch-
entwickelter Zweig des japanischen Kunstgewerbes, bei dem sich wiederum die
vorherrschenden Züge des japanischen Arbeiters, die Freude und Befriedigung
an dem mit grosser Sorgfalt, viel Geschick und bewundernswertem Geschmack
hervorgerufenem Produkte ojffenbart. Durch eine vortreffliche Abwechselung
und Verbindung von Plattstickerei mit Federstich, aufgenähten Kordeln u. dgl.,
und durch eine mustergültige Auswahl — Zusammenstellung und Abtönung der
Farben — ruft man überraschende Wirkuns^en hervor und haucht den Blumen,
Abb. 130.
Vögeln, Schmetterlingen und anderen Gegenständen, welche man nachbildet,
mit der Nadel gewissermassen Leben ein. Die Stickerei wird in den japani-
schen Häusern von alten Zeiten her geübt; ist aber kein Erwerbszweig der
weiblichen Bevölkerung geworden, sondern in ihren höchsten Leistungen schon
seit langem Männerarbeit. Oft wird in geschickter Weise die Stickerei auf
Seide mit dem Bemalen oder Bedrucken des Gewebes verbunden, wie sie denn
auch bei den gemusterten Seidenstoffen, einschliesslich der Brokate, als ein
weiteres Verzierungsmittel in Relief erscheint. (Vgl. J. J. Pein, Japan nach
Peisen und Studien, Leipzig 1886.) Die Exaktheit in der japanischen Platt-
stichstickerei wird dadurch erzielt, dass man statt des vorgezeichneten Musters
dünne gestanzte Papierschablonen auflegt, die die genaue Einhaltung aller
Umrisslinien und auch das bis zur hohen künstlerischen Wirkung sich steigernde
Absetzen der Fäden innerhalb breiterer Flächen ermöglicht, wodurch den Einzel-
formen eine Art Stilisierung gegeben ist. Ein ferneres Hilfsmittel der Japaner
beim Sticken, Färben und Bemalen von Stoffen ist die Anwendung der in
268
Japanische Kunstformen.
Papier geschnittenen Schablonen, deren reizvolle naturalistische Muster aus
freier Hand eingeschnitten sind. (Abb. 130 u. 131.)
Japanische Kunstformen haben ihren Ursprung, wie die ganze auf hoher
Stufe stehende Kunstindustrie des Landes, in China. Japan hat viele Jahr-
hunderte seinen Nachbar als mustergültiges Vorbild betrachtet, bis es schliesslich
durch seinen entwickelten Natur- und Schönheitssinn einen selbständigen For-
menkreis sich zu eigen gemacht hat, von dem vor allem das streng Konservative
der Chinesen vollkommen abgestreift ist und sich zu einer feineren auf liebe-
vollen Naturstudien beruhenden Richtung entwickelt hat. Man muss bei der
Abb. 131.
Betrachtung der Kunstformen in China und Japan von vornherein einen
anderen Massstab als bei anderen Völkern anlegen, weil diese einer eigent-
lichen Architektur entbehren, welche sonst der Kleinkunst vorangeht und dieser
ihre Grundformen diktiert. "Was wir in China und Japan an alten Architek-
turen sehen, sind Tempelbauten mit den schwersten ungefügigen Einzelheiten
von massigen Tierfiguren, die als Säulenträger geschweifter Dächer dastehen:
nirgends eine durchgehende gerade Linie, die dem Auge einen gleichmässigen
Ruhepunkt gestattete. Und wie die Architektur, so zeigen auch viele kunst-
gewerbliche Erzeugnisse für sich, dass die konstruktive Kunst in Japan viel
weniger entwickelt ist, als die dekorative. In der lebensvollen, getreuen Nach-
bildung gegebener Naturgegenstände^ insbesondere von Pflanzen, Vögeln, In-
sekten und Meerestieren, sowie verschiedener Vierfüssler, in der Darstellung
von "Wolken, Fels- und Wasserpartien hat der Japaner eine grosse Fertigl^eit.
Scharf und bestimmt dem Muster entsprechend erscheint die Zeichnung in
Ausdruck und Bewegung und fesselt dadurch, wie nicht minder durch die
Leichtigkeit und Zartheit der vollendeten Ausführung den Beschauer (Abb.
132). In der allgemeinen Flächendekoration treten Arabesken und andere Kurven-
ornamente gegenüber den geradlinigen Verzierungselementen (vergl. Tafel VI)
Japanisclie Kunstformen.
269
entschieden zurück. Von letzteren spielen namentlich der Mäander und das
sogen. Henkelkreuz (Abb. 133) eine grosse Rolle. Wie bei uns, so wendet
der Japaner den Mäander als Borte oder abschliessende Randverzierung an;
aber auch als Füllung einer ganzen Mäche wird er gebraucht. Viele japanische
Kunstformen lassen noch immer den chinesischen Ursprung erkennen. Päonie
und Chrysanthemum (Abb. 134), Iris und Lotosblume, das schlanke
Bambusrohr (Abb. 127) und krüppelhafte, bizarre Kiefern, blattlose
blühende Zweige der Magnolie, be-
Abb. 182.
blätterte der wilden Kirschbäume
(Abb. 135), die schlingende Grlycine
mit ihren hängenden Blütentrauben,
Vögel und Insekten im Fluge und in
der Ruhe : diese und noch viele andere
Naturformen verwendet der Japaner
gleich dem Chinesen für seine Flächen-
dekoration gern an, ihnen schliessen
sich Glücks- und Fabeltiere, der Phö-
nix, der Drache , das Einhorn , die
Schildkröte an. Der Drache ist be-
kanntlich das "Wappentier Japans, das
auf gestickten Gewändern hoher Be-
amten und Prinzen als Hauptdekora-
tiousmotiv auftritt (vergl. Abb. 9 auf
Tafel VI). Alle diese von China über-
nommenen Formen fand der Japaner
in der herrlichen Natur seines Landes
wieder, die ihm von seinem westlichen
Nachbar verzerrt und plump vorgeführt
wurden. Viele derselben, namentlich
aber die seinen Bergen fehlenden, ver-
pflanzte er in seine Gärtchen und
Tempelhaine. Was er hier so oft
und mit so viel Wohlgefallen beschaut
und bewundert, die mancherlei Erzeug-
nisse der Natur seines Landes, sind
seine Kunstformen. Dieser Natur sich
zu erfreuen, still zu ihren Füssen
sitzend sie in ihrem Leben und Treiben
zu belauschen und das leichte und ge-
fällige Bild warm und treu, wie es
empfunden und aufgenommen wurde,
mit geübter, sicherer Hand wieder-
zugeben: dies ist das Geheimnis, das
sich allmählich zur Grundlage der
japanischen Kunst im Gewerbe ausbildete. (Näheres darüber in J. J. Rein,
Japan nach Reisen und Studien, Leipzig 1886, Bd. II, S. 373 ff., woher viele
der obigen Notizen entnommen sind.)
Abbildungen :
126. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Seidenbrokat, Grund hellblauer feiner Rips, Muster ^elb, weiss und mit Goldpapier:
Reihenweis versetzte Darstellung eines japanischen Webstuhles , der sich in Tätigkeit
befindet. Japan etwa 1740.
127. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Fu-
kasa, Tuch zum Einwickeln von Geschenken , Stickerei in farbiger Seide und Malerei
auf rötlich gefärbtem Kreppstoff: Darstellung von Sperlingen im ßambusfelde.
Japan 1875.
128. Originalaufnahme wie 126: Seidenbrokat von einem Theatergewande.
270
Japanische Kunstformen.
Grund braun mit ausgesparten Zackenlinien in Groldpapier, Muster in flotter farbiger
Seide broschiert: Wechselnde Kirschblüten und Blätter. Japan etwa 1680.
129. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Blatt 61: Bild-
tafel, Sammetweberei mit Goldpapiergrund , gemalt und durch Aufschneiden einzelner
Abb. 133.
Noppen schattiert: Darstellung von Lotosblumen und einem Paar von Reihern am
Wasser. Japan 1880.
130. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Blatt 58: Ge-
schnittene japanische Schablonen für Zeugdruck: Farrenkrautblattwerk,
131. Desgleichen: Weiden im Regen.
Abb. 134.
132. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidengewebe, Grund hellblau, Muster bunt ianziert : Reihen von Stauden aus Nelken
und Gräserwerk ; dazwischen Schmetterlinge. Japan etwa 1780.
133. Originalaufnahme wie vorher: Seidenbrokatgewebe, Grund dunkelgrün,
Japanische Teppiclie — Japanische Webemuster. 271
Muster Goldpapier: Zwischen Rautenfeldern, welche in schrägen Reihen abwechselnd
mit dem Henkelkreuz und Rosetten gemustert sind, stehen reihenweis versetzte Kreise
mit je einem Hund in Wolken. Japan etwa 1780.
134 Originalaufnahme wie vorher: Seidenbrokat, Grund grün, Muster bunt:
Abb. 135.
Reihenweis abwechselnd versetzte Päonien- und Chrysanthemumblüten sind durch feine
Ranken mit kleinen Blüten verbunden. Japan Anfang 19. Jahrh.
135. Original aufnähme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Fukusa,
Tuch zum Einwickeln von Geschenken, Stickerei mit Malerei auf gefärbter Kreppseide:
Darstellung eines blühenden Kirschbaumzweiges, der einen Birkenstamm streift, und
Vögel. Japan 1880.
Japanische Teppiche werden in minderwertiger Ausführung aus Baum-
wolle geknüpft.
Japanische Wappen erscheinen zahlreich in gewebten und gedruckten
Stoffen als Musterung. (Vgl. Abb. 12 auf Tafel YI.) Sie bestehen aus rund-
lich gelegten Blütenformen und Rosetten und gehören in dieser Ausführung
den Familien der Daimios an. (Abb. 136 u. 137.)
Abbildungen:
136. Darstellung eines japanischen Daimiowappens in Form eines rundlich ge-
legten Blütenstrausses, von einem Seidengewebe. Japan 18 — 19. Jahrh.
137. Desgleichen aus blattartig gezacktem Kreis und Wolkenmuster.
Japanische Webemuster nach historischer Folge zu bestimmen,
erfordert mehr als irgend eine andere Gruppe älterer Stoffe ein ganz be-
sonderes Studium. Die hier gegebenen Bezeichnungen der aus der reichen
Sammlung japanischer Erzeugnisse des Königl. Landesgewerbe-Museums in
Stuttgart stammenden Gewebe , welche der als Arzt des japanischen Kaisers
in Tokio weilende Prof. Dr. Erwin Balz an Ort und Stelle gesammelt hat,
sind nach dessen Aufzeichnungen wiedergegeben. (Vgl. die Abbildungen im
Artikel Japan und Tafel VI.)
Wenn nun auch bekanntlich die Japaner ihre ganze kunstindustrielle
272
Japanische Webemuster,
Tätigkeit und damit die Kunstformen in den ältesten Zeiten von China über-
nommen haben, so muss doch bei der Beurteilung ihrer Gewebemuster der
früheren Epochen des Umstandes gedacht werden, dass ihnen die frühmittel-
alterlichen StoflFe persischen Ursprunges nicht unbekannt geblieben sind. Auf
Grund einer Eeihe — etwa um 1880 — in Japan veröffentlichten Bändchen
mit farbigen Gewebemustern gelang es den eifrigen Forschungen des Direktors
am Berliner Kunstgewerbemuseum Prof. Dr. Lessing — worauf an Ort und
Stelle selbst auch andere Gelehrte geführt wurden — nachzuweisen, dass sich
in altjapanischen Tempeln Originalstoffe der sassanidischen und frühbyzantini-
Abb. 136.
Abb. 137.
sehen Periode befinden: ähnlich, wie sie in vielen rheinischen Kirchen auf-
bewahrt werden, wohin dieselben während der Kreuzzüge als Hüllen der Ge-
beine von Heiligen in grosser Anzahl gekommen sind. Solche Muster haben
die Japaner in ihrer Anschauungsweise gezeichnet (vgl. Abb. 138) und mit
Zeitbestimmungen veröffentlicht, die sich mit jenen decken, welche für den
Ursprung der westasiatischen Muster des frühen Mittelalters mit Sicherheit
nachzuweisen sind. Da nun viele der älteren japanischen Gewebe bezüglich
ihrer allgemeinen Einteilung und auch sonst sehr viele verwandte Einzelheiten
aufweisen, so bleibt die Frage offen, ob damalige Muster auch schon von China
übernommen wurden, oder ob die Zeichnungen in dieser Gruppe von Stoffen
auf selbständigen Eindrücken jener fremden Gewebe beruhen, welche sich in
den Tempeln befinden. Dass man die mit Tierfiguren gefüllten Kreismuster,
wie sie in Abb. 138 enthalten sind, nicht ohne weiteres nachbildete, liegt wohl
in dem auch von den Buddhisten in früheren Zeiten befolgten Vorschriften,
Menschen- und Tierfiguren von jeglicher Darstellung auszuschliessen ; um so
mehr scheint man sich aber in den rein geometrisch behandelten Flächen nach
westasiatischen Vorbildern gerichtet zu haben. Es sind augenscheinlich hier-
nach jene Muster entstanden, welchen der strenge romanische Charakter nicht
abzusprechen ist. (Vgl. Abb. 2, 4, 5, 6 auf Taf. VI.) Die spätere Datierung
derselben durch Prof. Balz kann deshalb doch zu Kecht bestehen, da sich be-
kanntlich gewisse Typen von Mustern in Japan und China Jahrhunderte lang
und noch bis in unsere Tage hinein erhalten haben. Auf frühen chinesischen
Ursprung ist auch das unter 1 auf Taf. VI abgebildete „Shippo" -Muster, so-
wie das daselbst unter 3 wiedergegebene „Shokko "-Muster zurückzuführen.
Diese bestimmten Bezeichnungen für gewisse Arten von Mustern, wie sie in
Japan üblich sind, ist auch eine Bestätigung für ihre dauernde Erhaltung.
Aelteren Ursprungs ist natürlich auch das oft wiederkehrende Drachenmuster,
Japanische Webemuster.
273
in welchem das AYappentier auf rotem oder schwarzem Atlasgrimde in Hund-
l)ildern oder hochaufgerichtet erscheint. Prof. Balz setzt es in die Zeit um
1500. Diese und die beiden vorher bezeichneten geometrischen Muster können
übrigens ebenso gut chinesisch wie japanisch sein und auch den der späteren
Abb. 138.
Zeit angehörenden Mustern (vgl. Abb. 139 u. 140) haftet noch der schwer-
fällige Zug des Chinesischen an, worin auch westasiatische Elemente, besonders
Abb. 139.
Abb. 140.
in den Palmettenformen, nicht zu verkennen sind. Ferner ist noch ganz im
Sinne chinesischer Art und "Weise der Mustergebung das feste Einschliessen
und Gliedern der Formen innerhalb ihrer einzelnen Flächen, das sie wie die
Zeichnungen in Email cloisonne erscheinen lässt. (Abb. 141.) Ein freierer
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. \Q
274
Japanisclae Webemuster.
Abb. 141.
Abb. 142.
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Abb. 143.
Geist beherrscht erst die rormensprache der japanischen Stofiinuster am Ende
des 17. Jahrhunderts, wenngleich auch die Zeichnungen früherer Epochen
nebenher beibehalten werden. Besonders fallen dabei jene Gewebe auf, welche
Japanische Webemuster. 275
für Theatergewänder gearbeitet worden sind, deren Herstellung auch technische
Fortschritte im Färben des Grundstoffes und in der Art der Broschierung er-
kennen lassen, die nur dem Japaner eigen sind. (Vgl. Abb. 7 u. 9 auf
Tafel YI.) Fast europäisch hingegen erscheint das auf derselben Tafel unter
11 dargestellte Muster, dessen Farbengebung — blau auf weiss schattiert —
fast den Eindruck eines Eokokomusters in Meissener Porzellan hervorruft.
Künstlerische Verwertung lässt der Chinese und Japaner — letzterer direkt
mit der Bezeichnung „Buchstabenmuster" — auch seinen Schriftzeichen zuteil
werden, die hier noch einen breiteren Raum als bei den Arabern einzunehmen
berechtigt sind, weil ihre einzeln abgeschlossenen Züge zugleich Bedeutung
für Glück- und Segeussprüche ausdrücken. (Vgl. Abb. 142.) Im 19. Jahr-
hundert bringen unter älteren beibehalteneu Typen von japanischen Stoff-
mustern, wie das in Abb. 143 mit spitzovalen Feldern dargestellte , besonders
die für die Obi's (d. h. Gürtel) gewebten Stoffe neue kleinere Muster aus
Blättern und Blütenranken (Abb. 10 u. 13 auf Tafel VI), worin auch Abwechse-
lung eintritt durch meisterhafte Stilisierung von Vogelgestalten. (Abb. 8 auf
Tafel VI.)
Abbildungen:
138. Darstellung aus : Ethnologisches Notizblatt des Königl. Museums für Völker-
kunde in Berlin. Bd. II, Heft 1, S. 11 : Sassanidisches Stoffmuster des 6. Jahrb., gezeichnet
nach einem im japanischen Werke „Die Kokkwa" abgebildeten Originalstoff, welcher
sich im Horynji, dem ältesten Tempel Japans, befindet. Die Darstellung des Musters
gibt nach japanischer Anschauung in grossen Kreisen Abkürzungen des heiligen Baumes
(Palmettenkrone und Keimblätter), dem ein Paar von Löwen zu den Seiten sitzt.
Zwischen den Kreisen Steinböcke und Rosetten.
139. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidengewebe, Grund blau (lose Bindung), Muster gelbbraun mit Goldpapierschattie-
rungen: Reihenweis geordnete Ranken, welchen Palmettenblüten entsteigen. Japan
um 1580.
140. Originalaufnahme wie vorher: Seidenbrokat, Grund zinnoberroter Atlas,
Muster Goldpapier: Wellig aufsteigenden Ranken erwachsen reihenweis wechselnde
Palmetten- und Rosettenblüten. Japan um 1750.
141. Originalaufnahme wie vorher : Seidenbrokat, Grund Goldpapier, Muster mit
Hellblau und Braun ; Reihenweis nach rechts und links geschwungene Päonienblüten
und fliegende Vögel. China (?) um 1800.
142. Originalaufnahme wie vorher: Seidengewebe, Grund hellblauer Taffet,
Muster (sogen. Buchstabenmuster) hell- und dunkelbraun: Reihenweis wechselnde und
versetzte Schriftzüge. Japan (?) um 1810.
143. Originalaufnahme wie vorher: Seidengewebe, Grund hellbraun, Muster:
Bänder bilden spitzovale Felder, in welchen je eine dunkel- oder hellrote Blume in
grüner Umrahmung. Japan um 1810.
Abbildungen auf der Tafel VI: Webereien aus China und Japan:
Originalaufnahmen aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
1. Seidenbrokat, Grund tiefblau, sogen. „Shippo -Muster" in Grün, Gelb und
Blau, mit ümrisslinien von Goldpapier: Vierpassfelder sind durch geschweifte Kreis-
felder mit Rosetten verbunden, welche von geraden Bändern und Sechsecken quadratisch
eingefasst werden; dazwischen Mäanderwerk. Japan um 1760.
2. Seidenbrokat, Grund blau, Muster weiss und mit Goldpapier durchwirkt:
Kreise, welche durch glatte Knäufe verbunden sind, enthalten runde Scheiben mit einem
Paar von gegenständigen Drachen ; in den Zwickeln zwischen den Kreisen Rosetten.
Japan um 1750.
3. Seidenbrokat, Grund blau, sogen. „Shokko-Muster", Muster weiss, in Reihen
bunt und mit Goldpapier durchwebt : Reihenweis versetzte wechselnde Rosetten sind
durch schräge Bänder mit Sternen verbunden und stehen in sechseckigen Feldern mit
dazwischen liegenden kleinen Quadraten ; eine Reihe der Sechsecke klein gemustert mit
Rautenfeldern. Japan um 1800.
4. Seidenbrokat, Grund hellblauer Atlas, Muster Goldpapier und braun: Reihen-
weis versetzte rundliche Sechspassfelder, welche je drei verschlungene Kreise auf ge-
fülltem Blütengrund enthalten. Japan um 1800.
5. Seidenstoff, Grund hellblau, gerippt, Muster gelb : Bänder aus Schneckenlinien
276 Japergonsi —Jenny.
bilden spitzovale Felder, in welchen reihenweise abwechselnd je ein Kreis mit rundlich
gelegtem Drachen und eine doppelseitige Blütenpalmette. Japan um 1750.
6. Seidenbrokat, G-rund tiefblau, Muster Goldpapier: Kreise aus gemusterten
Bändern sind durch kleinere runde Felder mit Rosetten verbunden und enthalten je
in fester Umrahmung einen rundlich gelegten Drachen ; dazwischen geometrisches Füll-
muster. Japan um 1730.
7. Seidenstoff von einem Schauspielergewand, Grund hellblau und braunviolett
gefärbt, Muster in flottliegenden Seidenfäden broschiert: auf einem Gehege aus geometrisch
verschlungenem Gitterwerk zackige Blätter und längliche Blütenbüschel. Japan um 1750.
8. Seidenbrokat, Grund blau, fein gerippt, Muster Goldpapier: Reihenweis ver-
setzte und abwechselnd nach oben und unten gekehrte Reiher, welche als Rautenfelder
stilisiert sind. Japan um 1780.
9. Seidenstoff, Grund blau, Muster gelb : Reihenweis versetzte, sechseckige Felder
mit Blattsternen, dazwischen in bunten flott liegenden Seidenfäden broschiert: rundlich
gelegter Drache. Japan um 1750.
10. Seidenbrokat, Grund blauer Atlas, Muster Goldpapier: Weinblätter und feine
Rebenranken. Japan um 1800.
11. Seidenbrokat, Grrund bläulich- weiss, fein gerippt, Muster blau und mit Gold-
papier durchwirkt: Wellig aufsteigende feine Ranken, welchen in Reihen geordnete
phantastische Blüten entsteigen ; dazwischen regelmässig abgesetzte Felder aus Gitter-
werk. China (?) um 1800.
12. Seidenstoff, Grund tiefblauer Atlas, Muster reihenweis in Bunt abwechselnd:
Versetzte und abwechselnde rundliche wappenähnliche Blüten an Volutenranken auf
einem Gehege aus schräg aneinander gereihten länglichen Rechtecken. Japan Mitte
18. Jahrh.
13. Seidenstoff, Grund schwarzer Atlas, Muster gelblich, rot und blau: Feine
Ranken mit regelmässig verteiltem Blatt- und Blütenwerk sind zu Voluten aufgerollt.
Japan um 1780.
Japergonsi, im dänisch- ostindischen Handel feine, glatte Musseline mit
goldenen Leisten; es ist eine Gattung der ostindischen Terindams.
Japons, ostindische seidene Zeuge zu Kleidern, welche früher die dänisch-
asiatische Gesellschaft lieferte.
Japrak (Blattmuster), Bezeichnung für Smyrnateppiche in roter, grüner,
blauer und orangefarbener Wolle, welche in England viel Abnehmer finden.
Jaquenolle, ein ostindischer Musselin, sowohl glatt als gestreift.
Jarretieres (franz.), Kniebänder von Zwirn.
Jaroslawl, Jaroslaw, Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements in
Russland: Mittelpunkt der sogen. Jaro slawischen Manufaktur, hat eine Baum-
wollspinnerei (7 277 Arbeiter), Produktion 8 Mill. Rubel.
Jaschmak, der Schleier der Türkinnen.
Jaspierte Gewebe sind geflammte oder flammierte Stoffe (s. d.).
Jastrow, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Marienwerder: Wollspinnerei und
Tuchfabrikation.
Jauer, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Liegnitz : Fabrikation von Buckskin,
Teppichen, Handschuhen u. s. w. Auch das Jauersche Leinen geniesst eines
bedeutenden Rufes.
Java s. Batikfärberei.
Jeannets, Jennets, sind ursprünglich dichte, englische, baumwollene
Köperzeuge, teils weiss, teils gemustert und bunt gedruckt. Die böhmischen
Fabriken führen eine gleiche Ware unter dem Namen Orientais.
Jeans, den Jeannets ähnliche, einfach geköperte Baumwollzeuge, welche
sich von den Denims dadurch unterscheiden, dass der Köper auf der rechten
Seite ist, weshalb man sie häufig im Deutschen auch einfache Denims nennt.
Jedwab (polnisch) s. Gotaweppi.
Jegorgewsk, Stadt im russ. Gouvernement Rjasan: Baumwollspiiinerei
(Produktion etwa 5 Mill. Rubel), Weberei und Färberei.
Jellinge, Ort auf Jütland: fanden sich um das Jahr 950 in den Königs-
gräbern u. a. kostbare, meist in köperartiger Bindung hergestellte Seidenstoffe
mit Gold- und Silberfäden.
Jenny, eine im Jahre 1767 in England von James Hargreaves erfundene
Jesuitenzeug— Jüterbog. 277
und nach seiner Tochter benannte Feinspinnmaschine für Baumwolle, jetzt durch
die verbesserte Mulemaschine (Seifaktor) vollständig verdrängt, (s. Baumwoll-
spinnerei.)
Jesuitenzeug, ein schwarzes, rauhes, leinwandartig gewebtes Wollenzeug
aus stark gedrehtem und beim AVeben stark geschlagenem Garn ; es ist etwas
leichter als Alumnatzeug und wird zur Kleidung der Ordensgeistlichen, vor-
nehmlich der Jesuiten gebraucht. Oesterreich und Frankreich liefern die Ware.
Jircaza nannte man ganz feine baumwollene Zeuge zu Frauenkleidern,
welche die englischen Manufakturen ehedem als Nachahmung eines ostindischen
Grewebes dieses Namens lieferten. Es ist feiner Cambrik mit eingewirkten
bunten Blumen.
Jöhstadt, ehemals Josephstadt in Sachsen, dicht an der böhm. Grrenze:
Königl. Klöppelschule. Spitzenklöppelei und Fabrikation von Weisswaren,
Wäsche, Posamenten und Strumpfwaren.
JÖnkÖping, Stadt in Schweden: Damast- und Drillichwebereien ; Dampf-
färbereien.
Jonzac, Hauptort im gleichnamigen iVrrond. des franz. Depart. Ch. In-
ferieure: WoU-, Leinwand- und Hanfindustrie.
Joree, Seidenraupe (Bombyx religiosa), welche in Assam auf dem heiligen
Feigenbaume lebt und einen Kokon von sehr feinem, stark glänzendem Faden
erzeugt.
Jours werden in der Spitzennäherei die offenen Stiche zum Füllen der
Blumen genannt.
Jüchen, Flecken im preuss. ßeg.-Bez. Düsseldorf: Baumwollspinnerei,
Weberei, Färberei und Kieiderfabriken.
Judenstich kommt als Spitzenstich in altdeutschen Musterbüchern des
16. Jahrh. vor.
Jumel, ägyptische Baumwollsorte.
Juncus effusus, die Binse : Ersatzmittel für Baumwolle.
Jungbunzlau, Stadt in Böhmen: Wollspinnerei und Färberei; Baum-
wollwarenfabriken.
Jungle, eine Gattung ostindischer Nessel.
Juponstoff, modernes Baumwollgewebe zu Futterzwecken.
Jute, Dschut, Juthanf, Pahthanf, Gunni (franz.: jute, chamore de Gal-
cutta; ital. : jute; engl.: jute, gunny), Gespinstfaser aus Calcuttahanf (s. d.).
Sie wurde zuerst in Dundee 1832, in Deutschland (Yechelde, Braunschweig)
1861 und etwa zehn Jahre später in Oesterreich zur Yerspinnung gebracht.
Das System der Jutespinnerei lehnt sich an das des Flachses resp. des Hanfes
an mit dem Prinzip der Trockenspinnerei. Die Jutefaser kommt in einem
Zustande auf den europäischen Markt, welcher sofort deren Yerspinnung ge-
stattet, also gereinigt, ohne feste Holzteile; die Entholzung und Böste der
Faser erfolgt schon am Gewinnungsplatze. Die hauptsächlichsten Gewebe daraus
sind: Baggins, ein ziemlich loses, grobes Gewebe; Tarpawlings, ein
festeres, stärkeres, grobes Gewebe; Twilled-Sackings, ein Zwillich- oder
Drillichgewebe von sehr grosser Festigkeit und Dauerhaftigkeit zum Yerpacken
schwerer Güter; Hassians ist das feinste und schönste derartige Gewebe,
verwendet zu Säcken für Salz, Zucker u. s. w. Die Jutefaser kann auch ge-
färbt werden und findet in neuerer Zeit eine sich immer mehr ausbreitende
Yerwendung zur Anfertigung von Möbel- und Yorhangstoffen. Ein Nachteil
des Jutegewebes liegt in der Feuergefährlichkeit, indem die augenblickliche
Berührung mit einem brennenden Körper genügt, um ein aus Jute gefertigtes
Zeug sofort in Flammen zu setzen. Durch ein Imprägnieren mit einem Flammen-
schutzmittel ist daher diesem Uebelstand abzuhelfen.
Jüterbog, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Potsdam: Bedeutende Spinnerei
und Tuchfabrikation, Färberei; ansehnliche Flachsmärkte.
278 Kabes— Kaipak.
K.
Kabes, Provinz in Arabien, von der im 11. Jahrh. das blübende Ge-
deihen der Seidenzucht geschildert wird, und selbst Italien soll gleichzeitig
dieselbe durch Vermittlung von K. erhalten haben. Ebenso wurde von den
Arabern aus dieser Provinz die Seide nach Sizilien übertragen.
Kabristan, Ort der Teppicherzeugung in Schirwan im Kaukasus.
Kaffiehs, Kopfbedeckung aus Kleinasien.
Kaftan (türk.), schlafrockähnliches baumwollenes oder seidenes, häufig
mit kostbarem Pelzwerk gefüttertes Kleidungsstück der orientalischen Völker.
Kairuan, Stadt in der marokk. Regentschaft Tunis: Teppicherzeugung.
Kaiserslautern, Stadt im bayr. Eeg.-Bez. Pfalz : Die bedeutende Industrie
erstreckt sich auf Kammgarnspinnerei (Aktiengesellschaft mit 61 000 Fein- und
14000 Zwirnspindeln und 1500 Arbeitern); Baumwollspinnerei (Lampertsmühle
mit 1650 Arbeitern). Im Jahre 1858 wurde hier eine grosse Seidenweberei
gegründet, welche Atlasse und geblümte Zeuge anfertigte.
Kakamusch, im Oesterreichischen ein veralteter, aus gewöhnlicher, zwei-
schüssiger Wolle gewebter Plüsch.
Kakeda, eine aus Japan in den Handel kommende Sorte feiner Seide.
Kakemono, japanische Malerei auf Papier oder Grewebe, die zum An-
hängen und Aufrollen bestimmt, also für Fenstervorhänge, Türverschlüsse usw.
verwendbar sind. Die Bezeichnung bezieht sich nur auf das Format, das be-
deutend höher als breit ist.
Kalabrien (Landschaft am Fusse Italiens) ist schon im 11. Jahrh. im
Besitz des Seidenbaues, welcher dahin durch Morgenländer eingeführt worden war.
Kalander, Glander, eine Appreturmaschine, mittels deren Gewebe grössere
Dichte, Glätte und Glanz erhalten.
Kalasiris ist ein altägyptisches Gewand.
Kalemkar ist ein persisches bedrucktes Kattunzeug.
Kaliko oder Calicot (benannt nach der ostindischen Hafenstadt Calicut,
woher der Stoff zuerst nach Europa gelangte), die feinen engl. Druckkattune
oder sog. Druckperkaie, welche aus glatten, d. h. leinwandbindig gewebten
Baumwollstoffen dichterer Art bestehen und zu Büchereinbänden benützt werden.
Kaiisch, Stadt in E-ussland: Tuch-, Band- und Lederfabriken.
Kalkirleinwand , Pauseleinwand, besteht aus einem sehr dünnfädigen
und lockeren Baumwollgewebe, welches mit Stärkekleister, dem etwas Gummi
zugesetzt ist, imprägniert und dann zwischen glatten V^alzen gepresst wird.
Kalkutta, durch das engl. Calcutta entstandener unrichtiger Name der
Hauptstadt Kalkatta des Britisch-Ostindischen Peichs. Wichtige Ausfuhrwaren
sind : Jute bis zu '^j^ IVIill. t und Jutesäcke, rohe Baumwolle. In der Einfuhr
stehen: Baumwollwaren, Garne, "WoUwaren, Kleider usw. in erster Peihe. —
Ein bedeutender Industriezweig ist die Jutespinnerei.
Kalmank, Kalamank, Calmang (franz. : calmande, satin turc), der alte
Name für die in neuerer Zeit vorkommenden Lastings (s. d.).
Kalmuk, Bezeichnung von locker aus Streichgarn in Köperbindung ge-
webten AVollstoffen, welche dicht gewalkt, stark gerauht sind und langhaarig
aussehen. Die K. werden vorzugsweise zu Winterkleidern verwendet und ge-
hören in eine Kategorie mit den sog. Biberstoffen ; geringere K.-sorten werden
aus starkem Baumwollgarn gewebt, aber genau so appretiert, wie die wollenen.
Bei allen K.-sorten ist die Länge und Feinheit der Haare an den Geweben
für die Qualität derselben entscheidend.
Kalmükenteppiche werden jene gewirkten Teppiche genannt, welche von
den unter russischer Herrschaft in Ostturkestan und im russischen Zentrafasien
wohnenden Kalmüken erzeugt worden sind.
Kalotaszeg, Landstrich in Siebenbürgen, dessen Bewohner sich durch
malerische Tracht und kunstvolle Stickereiarbeiten auszeichnen. Hauptort ist
Bänffy-Hunyad.
Kaipak, die im Orient und von den Ungarn getragene Pelzmütze.
Kambrik — Kammgarnspinnerei. 279
Kambrik s. Cambrik.
Kamelgarn, Kämelgarn (franz. : laine filee de Chevron oder fil de Turque,
Caramanie ; engl. : Mobairgarn ; ital. : filo d'Angora oder filo di Capra) ; die
gesponnenen Haare des Kamels, der Angoraziege und anderer asiatischer
Ziegenarten, welche zu verschiedenartigen Textilzwecken Verwendung finden.
Kamelhaar, das lange, wollige Haar vom Rücken, Hals und Bauch des
gemeinen (einhöckerigen) und des zweihöckerigen Kamels. Es ist je nach dem
Alter des Tieres von verschiedener Feinheit, von gelbgrauer bis braungrauer
Färbung und wird nach der Feinheit sortiert und versponnen. Das Gewebe
aus dem feinen, echten K.-garn liefert den echten Kamlottstoff, der sich durch
grosse Leichtigkeit und Weichheit auszeichnet ; grobes K.-garn wird zu groben
Decken, zu Stricken usw. verarbeitet.
Kamelhaarteppiche werden ausser in Heris (s. d.) noch von verschiedenen
AVanderstämmen türkischer Herkunft verfertigt, welche sich bis in die Provinz
Zendjan und Hamadan südlich von Azerbeidschan verbreiten; sie heissen, nicht
sehr langhaarig, in gewöhnlichster Art Chersek.
Kamelott, Camelot (franz.), (lat.: camoca, camocatus; [im 16. Jahrh.] :
engl. : camlet = Stoff aus Wolle und Seide) ist der Name für verschieden
gewebte Stoffe aus Kamel- und Angoraziegenhaar. Der eigentliche K. ist ur-
sprünglich Leinwandbindung aus Angoragarn, dann aber auch aus gewöhnlichem
Kammgarn gewebt, hat in der Kette gezwirnte, im Einschlag einfache Fäden.
Unter dem Namen Seiden-K. kommt ein leichter Gros de Naples vor, bei
welchem in der Kette je zwei Fäden von verschiedener Farbe und mit schwacher
Drehung zusammengezwirnt sind, während der Einschuss von einer dritten
Farbe ist. Der halbseidene K. unterscheidet sich hiervon dadurch, dass der
Einschuss statt aus Seide, aus gezwirntem Baumwollgarn besteht.
Kamenz, Stadt im Königreich Sachsen: ein bedeutender Industriezweig
ist Tuchfabrikation ; Dampffärberei.
Kamisol (franz. vom mittellat. camisia, Hemd), ein über dem Hemd ge-
tragenes Wams, Unterjacke.
Kamka, im Mittelalter ein persisches oder griechisches Damastgewebe.
Kamm, in der Weberei das Kietblatt.
Kammertuch, Cambrick oder Cambric, eine niederländische Leinwand,
die ursprünglich aus Camerich (Cambrai Cameracum) in den Handel kam;
gegenwärtig heisst K. ein feiner Hemdenkattun und auch ein starkes, leinwand-
artiges Gewebe aus Baumwolle, das unter dem Namen Baumwolltaffet zu Eegen-
schirmen verwendet wird.
Kammgarn ist ein Wollgarn, bei dessen Herstellung man durch Kämmen
■die kurzen Haare ausscheidet und durch wiederholte Streckprozesse eine ge-
streckte Lage der Haare und eine glatte Oberfläche des Fadens herbeiführt
Tind das zu glatten Stoffen (Merino, Tibet, Kamlott^ Wollmusselin, Cheviot
X18W.) verwendet wird. Das Streichgarn dagegen ist aus den kurzen und feinen,
dabei stark gekräuselten, durch Kratzen oder Streichen unter Vermeidung des
Streckens und Doublierens vorbereiteten Wollhaaren gesponnen und wird zu
"tuchartigen Stoffen verwendet.
Kammgarnspinnerei. Zum Zwecke des Yerspinnens muss die Kamm-
^volle gleich der Streichwolle zunächst sortiert, dann z. T. durch Klopfen oder
im Wolfe aufgelockert und gereinigt, jedenfalls aber immer der Wäsche mit
Seife oder dergleichen unterworfen werden, um den Schweiss zu entfernen.
Das Wolfen kann bei guten, reinen Wollen, namentlich bei den besseren Losen
deutscher E,ückenwäsche, unterbleiben. Gefärbt pflegt K. nicht zu werden,
ausgenommen in dem Falle, dass man meliertes Garn erzeugen will, wozu die
Wermengung verschiedenfarbiger Wollen vor und bei dem Kämmen stattfinden
muss. Hierbei kann man entweder die lose Wolle oder den Kammzug in
Bobinenform färben. Im übrigen färbt man wieder entweder die Garne oder
die aus denselben verfertigten Waren. Das Einfetten vor dem Kämmen ist
namentlich für die groben, langen Kammwollen allgemein gebräuchlich. Die
eingefettete Wolle spinnt sich nicht ganz so leicht, als gefettete. Es ist gut,
280 Kammgarnstoff — Xanevasstickerei.
wenn die "Wolle in einem etwas feuchten Raum aufbewahrt wird, wodurch sie
sich besser auf den Maschinen bearbeiten lässt; die Feuchtigkeit macht sie
geschmeidiger und ersetzt so einigermassen das Fett.
Kammgarnstoff, ein aus Kammgarn hergestelltes Grewebe, das im Gregen-
satz zu den tuchartigen Stoffen die Fadenbindung klar zum Ausdruck bringt
und meist aus wertvollerem Fasermaterial erzeugt wird.
Kämmlinge (franz. : dechet, engl. : noils). Bezeichnung der kurzen Woll-
fasern, welche bei der Gewinnung des Kammgarns übrig bleiben und zu Streich-
garn Verwendung finden.
Kammwolle, die zu Kammgarn verwendete Schafwolle; weiterhin jedes.
Gespinstmaterial, welches zur Herstellung von Kammgarn geeignet ist. Be-
dingung hierzu ist, dass es lang und schlicht, d. h. möglichst wenig ge-
kräuselt ist.
Kammzug, Handelsbezeichnung für gekämmte Wolle, welche in eigenen
Kämmereien hergestellt wird und als Halbfabrikat in Form von lockeren Bän-
dern mit parallel liegenden Fäden an die Kammgarnspinnereien abgegeben wird
und heute einen sehr bedeutenden Handelsartikel bildet; es erzeugen Frank-
reich 60, Belgien 2, England 50, Deutschland 25 Mill. kg.
Kanfu, Ort am Ostgestade des chinesischen Meeres, in welchem die
Araber im Mittelalter einen Handelsverkehr mit Seide zustande brachten, der
bedeutend war. Hier wurde 795 ein neuer Stapelplatz für überseeischen
Seidenverkehr gegründet; 878 fällt er aber der Rachsucht chinesischer Rebellen,
zum Opfer.
Kanevas oder Canevas (franz.), (engl. : canvass, lat. : canevacium), weit-
maschiges, offenes Gewebe aus Leinen, Halbleinen oder auch nur aus reiner
Baumwolle; erstere dienen zur Anfertigung von Leibwäsche, letztere, welche
gewöhnlich sehr stark appretiert und geglänzt sind, als Futterstoffe. Locker
(gitterartig) gewebte Stoffe dieser Art dienen zur Anfertigung von Fliegen-
gittern, ähnlich gearbeitete, aber mit dickeren Fäden, werden unter der Be-
zeichnung Stramin als Grundstoff für Wollstickerei verwendet.
Kanevasstickerei ist seit dem romanischen Zeitalter nachweisbar für
kirchliche Ausstattungen ; sie wird allgemeiner im 16. Jahrb., als das Kissen und
die Möbelbezüge aus Leder abgelöst werden durch gewebte und gestickte Stoffe ;
auch Decken und Vorhänge entstehen in gleicher Technik. Die am meisten
dafür in Anwendung kommende Stichart ist der Kreuzstich, dessen Art
und Weise am ehesten dafür geboten erscheint, sobald man sich darin inner-
halb der stilgemässen Flächenmusterung bewegt, da der offene, quadratisch ab-
geteilte Grund das Abzählen der Fäden für das dem einzelnen Stich zustehende
Viereck ohne Weiteres ermöglicht. Auch der halbe Kreuzstich — sogenannter
petit-point-Stich — findet schon im 13. Jahrhundert auf feiner geteiltem
Grundstoffe Aufnahme. — Die Musterung in der K. bewegt sich zunächst in
geometrischen Figuren ; erst im Anfange des 16. Jahrhunderts, als noch spät-
gotische Formen das Gebiet der Kunststickerei beherrschen, werden Tisch-
decken in freierer Linienführung gemustert : Blütenranken, Tiere und figürliche
Darstellungen in strenger Stilisierung sind in farbiger Wolle, auch mit etwas
Seide, in breiten Flächen auf ausgefülltem Grunde ausgeführt, wobei der
Flechtenstich abwechselnd auftritt. (Abb. 144.) Wie die Leinendecken mit.
ähnlichen Mustern zu gleicher Zeit besonders in der Schweiz gebräuchlich
waren , so sind auch diese Kanevasstickereien gleicher Herkunft. Gute vor-
bildliche Straminarbeiten, wie man die K. noch zu bezeichnen pflegt, werden
zur Zeit der Spätrenaissance bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts im Süd-
deutschen in farbiger Wolle, auf weissem oder rot ausgefülltem Grunde her-
gestellt, deren Muster im Stile der Zeit aus Band- und gerolltem Blattwerk
bestehen. (Abb. 145 u. 146.) Einen besonderen Reiz erhalten derartige Ar-
beiten, wenn diese Musterung zwischen verschieden gefüllten Grundflächen in
Seide und mit Anwendung von Goldfäden ausgeführt ist. (Abb. 147.) Im
Bereiche der Technik und des gegebenen Materials liegen auch noch die etwas-
später vorkommenden sogenannten geflammten Muster aus bunten, ineinander
Kanevasstickerei.
281
Abb. 144.
Abb; 145.
Abb. 146.
282
Kanevasstickerei.
Abb 147,
greifenden Palmettenformen (Abb. 148) und Streifen;
bald aber geht man im 18. Jahrb. davon aus, die
Kanevas Stickerei für plastisch hervortretende Muster
(Abb. 149) anzuwenden, was sich von bunt schattierten
grossen Blumen und Erüchten bis zu landschaftlichen
und figürlichen Darstellungen, im Stile der gewirkten
Wandteppiche steigert, so dass Arbeiten entstehen,
welche im 19. Jahrh. als Handfertigkeiten des Un-
Abb. 148.
geschmackes bezeichnet werden müssen, die auf dem
weiten Gebiete der Flächenmusterung innerhalb häus-
licher Kunstpflege viel Unheil angerichtet haben. Seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden auch Grlas-
perlen für die Kanevasstickerei verwendet.
Abb. 149.
Abbildungen:
144. Darstellung nach einer Photographie im Kunst-
handel: Tischdecke, Stickerei auf Segeltuch (Kanevas) in
farbiger Wolle im Kreuz- und Flechtenstich : In Mitte Rund-
bild in Umrahmung von stilisiertem Rankenwerk mit iSpät-
gotischen Blüten ; d«,zwischen springende Tiere. Am Rande
Darstellung der zwölf Monate. Schweiz 16. Jahrh.
145. Originalaufnahme aus dem Königl. Landes-
gewerbemuseum in Stuttgart : Stickerei auf Kanevas in farbiger Wolle im Kreuzstich
in Bunt auf weissgefülltem Grunde: Reihenweis versetztes Muster aus gerolltem
Blattwerk, das ineinander verbunden ist. Süddeutschland um 1700.
Kante— Kardieren. 283
146. Originalaufnahme wie vorher: Stickerei auf Kanevas in farbiger "Wolle im
Kreuzstich in Bunt auf weissgefülltem Grunde : Muster aus volutenartig geschwungenen
Bändern mit Blattwerk, welche dui'ch Knäufe verbunden sind und herzförmige Felder
bilden. Süddeutschland um 1700.
147. Darstellung aus : Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Blatt 77 : Aufsteigende
Borte, Stickerei auf Kanevas in violetter Seide und Gold im Kreuz- und petit-point-
Stich: Pilasterartiger Aufbau aus gerolltem Blattwerk, das durch Knäufe verbunden
und in den Grundflächen verschiedenartig gemustert ist. Süddeutschland Anfang
18. Jahrh.
148. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Stickerei auf Kanevas in farbiger Wolle im Kreuzstich- Ineinandergreifende Blüten-
palmetten , deren innere Flächen flammig schattiert sind. Süddeutschland Anfang
18. Jahrh.
149. Originalaufnahme wie vorher: Stickerei auf Kanevas in farbiger Wolle im
Kreuzstich: Darstellung einer Borte aus hängenden Quasten. Süddeutschland Anfang
18. Jahrh.
Kante, Rand, Saum, Besatz eines Kleidungsstückes, im Niederdeutschen
namentlich für gehäkelte, geklöppelte u. dergl. Besätze gebräuchlich und daher
auf Spitzen im allgemeinen übertragen ; auch im Holländischen und Ylämischen
heisst die Spitze Kant. In der Weberei auch so viel wie Leiste = Webekante.
Kanter s. v. w. Spulengestell.
Kantille s. Bouillon.
Kanton (Canton), Hauptstadt der chinesischen Südprovinz Kwang-tung,
ist im 4. Jahrh. das Ziel persischer Seefahrer für überseeischen Seidenverkehr,
der bis zum Jahre 795 dauert. K. ist heute Hauptsitz der chinesischen Seiden-
w^eberei und -Stickerei, Baumwollweberei, -färberei und ihrer Nebengewerbe.
Kan-tschen, Ort im Westen Chinas, der im Mittelalter durch Seiden-
handel sehr bedeutend ist.
Kapelle s. Capelle.
Kappenleinwand, eine leicht gewebte dünne flächsene Leinwand, in
welche die Tuchhändler ihre Ware einschlagen (Wandkappen), um sie vor
Staub zu schützen.
Kappnaht s. Uebernaht.
Kapuze (mittellat. : caputium)^ eine am Mantel oder Schulterkragen be-
festigte Haube, gab dem Orden der Kapuziner den Namen.
Karadagh, Distrikt der persischen Provinz Azerbeidschan, deren Haupt-
stadt Täbris (das alte Tauris) ist : Erzeugung von Knüpf- und Wirkteppichen
gleichen Namens. Ihre Wolle ist unrein, vielfach mit Kamel- und Ziegen-
haar, sowie anderen Fasern vermischt. In den Farben ist rosa charakteristisch,
die Grrundfarbe ist die des Kamelhaares (s. Teppiche).
Karamani, eine Art Kilimteppich, der in Karaman (Stadt in der Türkei)
erzeugt wdrd.
Karankas ist ein schwerer und weicher Seidenstoff' aus Ostindien, mit
broschierten, goldenen, silbernen und bunten Blumen auf Atlasgrund ; derzeit
wird er nur in der Levante und Amerika abgesetzt.
Karbonisierverfahren wird angewandt, um mit Hilfe von Säuren wieder-
gewonnene Fasern des Seidenshoddy, sowie der Kunstwolle zu erhalten, d. h.
auch entkletten von den pflanzlichen Bestandteilen. Es wird also bei Seiden-
shoddy alles , was nicht Seide ist, deshydratiert, d. h. in Kohle verwandelt
und dadurch spröde gemacht, um dann leicht zerrieben und entfernt werden
zu können.
Kardendistel, Karden, Weberdisteln, sind die stachligen Blütenköpfe
eines skabiosenartigen Gewächses (Dipsacus fullonum), welches im südlichen
Europa einheimisch ist. Karden sind von der Grösse und Gestalt eines Hühner-
eies und mit harten, in gekrümmte Borsten übergehenden Spreublättchen besetzt
und kommen getrocknet im Handel vor. Die Tuchbereiter gebrauchen die
Karden zum Bauhen oder Auflockern des gewalkten Tuches.
Kardieren, von Karde (Kardendistel), eine dem Wollkrempeln ähnliche
Einrichtung ; sie bewirkt ein w^eiteres Auflockern und Parallellegen der Fasern.
284 Kardinaltuch — Kaschmir.
Kardinaltuch, ein für die höhere katholische Geistlichkeit in Aachen
(s. d.) hergestelltes rotes Tuch.
Kardusgarn nennt man in einigen Gregenden einen starken Hanfzwirn.
Kareien, kämm wollenen Zeugen dadurch eine glatte Oberfläche geben,
dass man die Haare absengt.
Karkassendraht, Haubendraht, ein mit ungezwirnter Seide besponuener
und ganz bedeckter schwacher Draht. Durch das Bespinnen mit weisser Seide
eignet er sich zum G-ebrauch für weiblichen Kopfputz ; man fertigt daraus
die sogenannten eigentlichen Karkassen, welche als Unterlage der Hauben ge-
braucht werden.
Karrel Op Karrel, Karreldoek, Klaverdoek Karltuch, ist die zweite Haupt-
gattung der holländischen Segelleinwand.
Karrierte Stoffe sind verschiedenartige G-ewebe mit gewürfelten Mustern.
Kars, Stadt in Kaukasien: Weberei grober wollener Zeuge, Herstellung
von Teppichen und Filzen.
Karschi, das alte Nachscheb, Stadt in Zentralasien: Fabrikation von
Wollwaren und Teppichen; Handel mit Seidenstoffen.
Karte, an der Jacquardmaschine ein an gewissen Stellen durchlöcherter
Streifen Pappe, welcher das regelmässig abwechselnde Heben der Kettfäden
bewirkt.
Kartecken, der, im Mittelalter ein tuchartiger Stoff.
Kas, eine wild wachsende Baumwollsorte in Nubien.
Kasak — im engeren Sinne Karabak — heissen kaukasische Knüpf-
teppiche, — sie haben im Grunde gewöhnlich mehrere grössere Felder, bei
denen sich als Muster eine Figur wiederholt, die zwei mit dem Bücken an-
einandergestellten runden Doppelhaken am meisten ähnlich sieht.
Kaschan, Stadt in der pers. Prov. Irak-Adschemi: Erzeugung seidener
Knüpfteppiche mit baumwollenem Einschlag.
Kaschgar, Stadt in China : Bedeutende Fabrikation von Gold- und Silber-
stoffen ; Leinen, Baumwolle, Teppiche und Seidenzeuge.
Kaschkai, Provinz in Persien: Erzeugung von Knüpfteppichen, die im
Handel Kirmanschah oder Schiraz , wohl auch Mekka genannt werden. Sie
kommen in verschiedenen Qualitäten und Mustern vor und sind stets ganz in
Wolle gearbeitet. Ausser der Charakteristik des einheitlichen Webstoffes und
der phantastischen Zeichnung ist der seidenartige Glanz bemerkenswert; auch
wird ihre echt persische Färbung gerühmt. Die verschiedenen Namen dieser
Art von Teppichen sind, wie das vielfach der Fall ist, dem internationalen
Handel zuzuschreiben: sie kommen von den Oertlichkeiten, über welche sie
in das Ausland gehen, sind also nur Handelsbezeichnung. Bei den Kaschkai-
teppichen ist dies um so erklärlicher, als das Produktionsgebiet ein sehr aus-
gedehntes ist. Hinsichtlich der Bezeichnungen des K.-Teppichs ist zu er-
wähnen, dass die Händler, schon nach dem Format derselben, diejenigen, weiche
länger und schmäler sind, als Kirmanschah, wenn kürzer und breiter, als Schiraz
bezeichnen. Bis zum Jahre 1850 hat man in Schiraz tatsächlich die schönsten
persischen Teppiche geknüpft ; sie wurden schon zur Benaissancezeit für die
Person des Herrschers oder als Geschenke für Würdenträger gefertigt. Noch
heute gilt in Persien der K. -Teppich als eines der schönsten Erzeugnisse
dortiger Teppichindustrie. Als typische Musterung der K.-Teppiche ist zu-
nächst das Ascbkali-Muster zu nennen. Es besteht aus primitiv aufgefassten
Pflanzen- und Tierbildern neben geometrischen Elementen und streng stilisierten
Ranken. Die Einzelbilder sind vor allem die Cypresse (Selw), welche zwischen
Bauten und Zacken steht; Bilder aus dem Tierreich, welche dazwischen vor-
kommen, ist das Kamel (Schutur), der Vogel (Murgh), der Hund (Tazi)''und
das Pferd (Esp.). Das Bortenmuster des Kaschkai-Teppichs besteht aus Acht-
ecken, welche mit Haken gerändert sind. Ein zweites Muster dieser Gattung
von persischen Knüpfteppichen ist das sogen. Palmwipfelmuster. (\^gl. Tafel
Teppiche.)
Kaschmir, Staat in Ostindien unter Britischer Oberhoheit : Die Industrie
Kaschmiratlas — Kaukasische Teppiche. 285
ist namentlich berühmt durch die Verfertigung der vorzüglichen Kaschmir-
shawls (s. d.). Die Teppicherzeugung ist heruntergekommen durch eingeführte
europäische Shawlmuster.
Kaschmiratlas ist ein geschmeidiges und glänzendes Wollengewebe als
Kleiderstoff: Kette und Schuss aus Kammwolle, wovon der Schuss feiner und
schwächer gedreht und auf der Rechtseite flott liegt.
Kaschmiret, ein tuchartiger geköperter Stoff, der in der Kette aus Florett-
seide, im Einschlag aus Streichwolle besteht.
Kaschmirmusselin, Wollenmusselin (franz. : mousseline de laine), ist aus
feinem und schwach gedrehtem Kettengarn, wird locker gewebt und ist
daher weich.
Kaschmirshawls (franz. cachemire, engl, cashmere), werden teils aus den
Haaren der feinhaarigen Kashmirziegen, teils aus dem Unterhaar der wilden
Ziegen Tibets gewebt und farbig gestickt ; der Hauptmarkt dafür ist Amritsar
(s. d.), von wo aus auch unechte in Mengen in den Handel kommen. Die
Kaschmirwolle wird auch zu indischen Shawls verarbeitet. Kashmiratlas
ist Wollenatlas, Kashmirmusseline = Mousseline de laine oder Wollen-
musselin. (S. Shawls.)
Kaschmirwolle (persische oder tibetanische Ziegenwolle), ist das feine,
wollige Flaumenhaar der Ziegen von Kaschmir und Kaschmara ; sie kommt in
weisser, grauer und bräunlicher Farbe in den Handel und ihr Name dient auch
als Stoffbezeichnung.
Kasemir, Kasimir, veraltete Bezeichnung für feine Schafwollgewebe von
tuchartiger Beschaffenheit, welche geköpert und nicht gerauht sind, so dass
der Köper sichtbar bleibt. Besteht die Kette aus Kammgarn und der Ein-
schlag aus Streichgarn, so ist das Grewebe einfacher K. ; die Doppel- oder ge-
strichenen K. sind ganz aus Streichwolle gewebt und wie Tuch gewalkt. Man
variiert gegenwärtig die K. durch Einmischen von Baumwolle und Leinen und
gibt diesen Geweben sehr verschiedene Bezeichnungen: z. B. Circassienne,
Cassinet usw. Sie dienen hauptsächlich zur Anfertigung von Sommerkleidern.
Kassel, Hauptort der preuss. Prov. Hessen-Nassau, Jutespinnerei und
-Weberei.
Kassinet s. Cassinet.
Kastor s. Castortuch.
Kaswin (Kazwi.n), Stadt in Persien: Brokat-, Sammet- und Baumwoll-
webereien.
Katscher, Stadt im preuss. E,eg. -Bezirk Oppeln : WoU-, Leinen- und
Plüschweberei.
Kattun (aus dem italienischen cotone, das vom arabischen Koton, d. i.
Baumwolle, abstammt), leinwandbindig, aus ungefärbtem Baumwollgarn gewebt,
welcher hauptsächlich für den Druck bestimmt ist, zum geringeren Teile weiss,
als Shirting, Nessel und Futterleinw^and oder auch einfarbig als Futterkattun
in den Handel kommt. Auch andere glatte, etwas steif und glänzend appre-
tierte Baumwollzeuge, wie Kittay, Nanking, Perkai, nennt man bisweilen K.
K. im engeren Sinne heissen in Frankreich Indienne, im englischen Kaliko.
Durch ein besonderes Appreturverfahren, das Graufrieren, erhält man die
moirierten, geköperten und klein gemusterten Futter- und Möbelkattune, sowie
die mit verschiedenen Mustern versehenen, stark appretierten Buchbinderkattune.
Feine K. mit fünf- oder mehrfarbigen Mustern auf weissem oder hellfarbigem
Grrund wurden früher Zitze genannt. Die Kattunfabrikation ist einer der
wichtigsten Industriezweige in England, Deutschland, Frankreich und der
Schweiz.
Katze, in der Weberei der Fadenführer am Scherrahmen.
Kaufbeuren, Stadt im bayr. Eeg.-Bez. Schwaben: Baumwollspinnerei
und Weberei (800 Arbeiter).
Kaukasische Teppiche werden allgemein im Handel Daghestan genannt
(s. d.), trotzdem auch ausserhalb dieser Provinz in den verschiedensten Gregen-
den des Kaukasus Teppiche erzeugt werden, welche alle ihre eigene Benennung
286 Kautschukgewebe — Kempten.
haben. Es gibt ganz wollene und halbwollene K. Teppiche ; sie sind meist
niedrig geknüpft und durch lebhaftes Farbenspiel ausgezeichnet. Bezüglich
der Musterung bieten die K. ein sehr mannigfaltiges Bild, besonders gegen-
über den persischen; trotzdem ist man imstande, bestimmte ornamentale
Gruppen scharf von einander zu trennen. In der Regel kommen geometrische
oder doch geometrisch stilisierte Pflanzenmotive vor, die dann in der buntesten
AYeise abwechseln. Die E>aumteilung geschieht anstatt durch fortlaufende
Ranken häufig durch vielseitige geometrische Felder, in und zwischen denen
die kleinen Füllmotive zerstreut sind. Eine einfachere Art der Baumteilung
zerlegt die Innenfläche entweder in ein Netz von Bauten oder in schmale
Längsstreifen, in denen lose nebeneinander gereiht die Einzelmotive in reicher
Abwechselung angebracht sind. Eine weitere Eigentümlichkeit der kaukasischen
Teppiche ist die Neigung, Menschen- oder Tierfiguren anzubringen, und zwar
nicht die historischen Tiere des persischen Teppichs (Löwen, Stiere u. dgl.)
sondern einfache Haustiere, wie Pferde und Ziegen, natürlich in strenger geo-
metrischer Stilisierung. Nach der geographischen Lage am nördlichen und
südlichen Abhänge der Hauptkette des Kaukasus werden die K. Teppiche in
jene von Ciskaukasien oder Daghestan und in jene von Transkaukasien ein-
geteilt, welche in die grossen Abteilungen der Karabagh und Shirwan zer-
fallen. Jede dieser Gattungen zerfällt wieder in mehrere Unterabteilungen,
die nach den Erzeugungsorten benannt , deren Merkmale aber nicht immer
genau festzustellen sind. Zu den Karabagh's gehören die aus Gendsche,
Kasak und Lesghi, zu den Shirwans werden gezählt die aus Baku, Mogan,
Tschetschen, Karbistan. Zu den Daghestans gehören: jene aus Derbent und
Kuba. Die Sumakhteppiche (s. d.), auch zu der kaukasischen Hauptgruppe
gehörig, sind broschierte Gewebe ; es sind dahin auch die Yerne's zu rechnen.
Derselben Gattung gehören an die aus Schede und Sile. (Vgl. Tafel Teppiche.)
Kautschukgewebe, s. Elastiks.
Kaysersberg, Stadt im Elsass : Baumwollspinnereien und -Weberei.
Kebes sind wollene Bettdecken aus Bumelien, welche teils in Plüsch oder
ungeplüscht gewebt werden,
Kedis, leinwandartige, einfache starke Baumwollstoffe aus dem Orient,
welche zu Hemden, Unterfutter usw. gebraucht werden.
Kegelstuhl, durch das Jacquardgetriebe verdrängter "Webstuhl zur Her-
stellung von gemusterten Stoffen, bei dem die Kettenfäden durch Ziehen mit
der Hand an den sogen. Kegelschnüren gehoben werden.
Kelchtuch, Kelchdecke, Kelchpalla, ursprünglich nur der eine, beim
Zusammenlegen nach innen kommende Zipfel des Corporale, darum filiola
genannt; später aber (etwa von 1400 ab) ein selbständiges Leinentuch, auch
Schweisstuch, das zur Bedeckung des Kelches und der Patene dient, welches
anfangs nur am Band fingerbreit rot bestickt sein durfte. Nach 1560 wurde
gestattet, das K. mit Seide in Farbe des Messgewandes zu überziehen. Kelch-
tücher der Benaissancezeit haben in ihren verschiedenartigen Stickereien auf
Leinen und Seide einen grossen Schatz beachtenswerter Muster aufzuweisen,
welche der neueren Zeit auch für profane Zwecke viel Anregung gegeben
haben. Yor allem ist die instruktive Einteilung des Mittelfeldes mit Ecken,
mittleren Zwischenteilen auf verschiedenartig herumgeführten Borten für kleinere
und grössere Tischdecken des gewöhnlichen Gebrauches jenen älteren Beispielen
nachgeahmt. Auch die verschiedenartigsten Besatzborten in genähten oder ge-
klöppelten Spitzen sind daher übernommen.
Kelt, ein in Schottland aus schwarzer Wolle gewebter Friesstoff.
Kemeas, ostindische seidene Taffete mit Blumen.
Kempen in Bheinland, preuss. Stadt im Beg.-Bez. Düsseldorf: I^abri-
kation von Seiden-, Sammet-, Woll- und Baumwollzeugen (3 Webereien).
Kempten, Stadt im bayr. Beg.-Bez. Schwaben. In K. und der nächsten
Umgebung besteht eine lebhafte Industrie, besonders mechan. Baumwollspinnerei
und -Weberei (3 Aktiengesellschaften mit je 45 — 52 000 Spindeln und 1000 bis
1200 Webstühlen), Zwirnerei, Bunt- und Leinenweberei.
Kenari— Kettenstich. 287
Kenari heissen in Persien, die zwei schmalen langen Laufteppiche,
welche sich im dortigen Wohnraum an den Seitenwänden bis zum Eingange
hinziehen.
Kendal-COttons, grobe Wollenstoffe zu Matrosenjacken und zur Neger-
kleidung, die zu Kendale in Westmoreland gemacht werden. Der Name Cottons
scheint eine Yerstümmelmig von Coating zu sein.
Kennet, grobes englisches Tuch, das in Wales gemacht wird.
Rentings, eine Gattung dünn und durchsichtig gewebter schlesischer
Flachsleinen, welche früher in Mengen nach England gingen, jetzt aber durch
die irische Leinwand verdrängt worden sind.
Kentucky Jeans, ein halbwollener geköperter Stoff, den Cassinets ähnlich
aber gröber, der in England gewebt wird.
Keper, Gewebe, s. Köper.
Kerman oder Kirman, im Altertum Karmania, Stadt in Persien: man
verfertigt Seidenstoffe, namentlich Atlas, Shawls aus Schafwolle und besonders
aus Ziegenhaar, AVolldecken und Teppiche.
Kermis sind ostindische Schnupftücher.
Kerntuch, eine der besseren Sorten märkischer oder brandenburgischer
Tuche, welches aus guter Kernwolle (Sommer- und Winterwolle durcheinander)
mit rechts gedrehten Kett- und links gedrehten Einschlagfäden gewebt wird.
Kersey (engl.) oder Kirsey, ein tuchartiger Stoff aus grober Wolle zu
Mänteln. Da bei demselben der Wärmeschutz die Hauptsache ist, wird er lose
gewebt, stark gerauht, aber nur wenig oder gar nicht geschert. Statt Wolle
wird neuerdings auch anderes Material, besonders Kuhhaar benutzt. Der Name
stammt von dem Ort K. in der Grafschaft Kent.
Kersymire, im engl. Handel gedruckte Wollenstoffe.
Kesmärk, Stadt in Ungarn: Kunstwebereischule; ferner Tuchweberei,
Leinwandweberei und -handel, sowie Flachsbau.
Kestenholz (franz.: Chätenois), Dorf in TJnterelsass : Fabrikation von
Baumwoll-, Woll- und Seidenstoffen.
Ketsches, leichte Wollfilze in der Krim, zur Verpackung der Wolle und
als Zeltbekleidung.
Kette ist das Fadensystem, welches auf dem Webstuhl mit dem Schuss
zu einem Gewebe durch Kreuzung verbunden wird.
Kettenbaum, hölzerner am Webstuhl, der den x\.ufzug oder die Kette für
das herzustellende Gewebe enthält.
Kettendruck ist eine Abart des Zeugdruckes, bei welchem die passend
verdickten Farben mittels Maschinen auf die Ketten ein- oder mehrfarbig auf-
gedruckt werden. Die bedruckte Kette wird mit weissem, farbigem oder auch
bedrucktem Garn verwebt, wodurch solche Effekte erzielt werden, wie sie durch
normale Buntweberei nicht oder nur schwer zu erreichen sind. Das Verfahren
des K. ist in Seidenstoffen zur Mitte des 18. Jahrh. nachweisbar; eine aus-
giebige Verwendung findet es in der Anfertigung Brüsseler Teppiche.
Kettengaze s. Gaze.
Kettengranit wird öfter als der Schussgranit angewendet und zu Lang-
streifen^ wobei eine bedeutende Kettendichte vorhanden sein muss, da der Ein-
schlag nicht sichtbar werden darf. Benützt man den K. als Grundbindung, so
entsteht ein quer geripptes Gewebe.
Kettenknötchenstich besteht aus einzeln gearbeiteten Kettenstichen, die
eine dem gewundenen Knötchenstich ähnliche Wirkung hervorrufen; er dient
gleich diesem zur Füllung kleiner Flächen, (s. Stickerei.)
Kettenrips hat neben 1, 2, 3 oder 4 einfachen Fäden einen 2-, 3- oder
4fachen Faden, welcher durch seine Stärke mehr als die einfachen Fäden
heraustritt und eine E,ippe in der Warenlänge herstellt. Die Schussfäden
haben einerlei Stärke.
Kettenstich entsteht in der Stickerei durch Fadenschlingen, in welche
hinein die Nadel zum nächsten Stich wieder an die Ausgangsstelle zurück-
geführt und so ein Verketten der Schleifen gebildet wird (s. Stickerei).
288 Kettwi^— Kiew.
Kettwig, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Düsseldorf: Woll- und Kammgarn-
spinnerei, ansehnliche Tuch- und Zanellafabrikation, sowie Färberei.
Khabb-i-bulend, persische Bezeichnung für langhaarige Knüpfteppiche,
wozu die Erzeugnisse aus der Gegend von Schiraz (Kaschkai), Hamadan,
Zendjan, Khorassan und die zentralasiatischen gehören.
Khabb-i-kutah heissen in Persien kurzhaarige Ejiüpfteppiche ; hierzu
gehören diejenigen aus: Ferahan, Serabend, Kurdistan, Grherus, Khain und
Biredschend; dann die turkmenischen (Tekke und Yomud), sowie die feinsten
Khiva- und afghanischen Teppiche. Zu den bestgeschorenen gehören die
Kurdistan-T. (Senne und Gherus), Kirman und Turkmenen.
Khain, Distrikt in der persischen Provinz Khorassan: Erzeugung von
Teppichen mit grellen, unangenehm wirkenden, vielfach unechten Farben, welche
der Dauerhaftigkeit entbehren. Hier werden auch Filzteppiche gemacht, die
zu den feinsten und teuersten Sorten gehören.
Khaki (pers., d. h. staub- oder erdfarbig), der Stoff und die Farbe (ursprüng-
lich nur diese) der in den Tropenländern benutzten graugelben Uniformen.
Khali (Khalitsche), persische Bezeichnung für einen Teppich, welcher
2 m lang und 3 m breit ist. Dazu gehören besonders die Bokhara und
turkmenischen T., sowie alle über die genannten Grössen hinausreichenden T.
Eine Grenze ist dabei durch die einfache Art der Technik gezogen, so dass
die meisten persischen Teppiche zwar nach Belieben lang, aber nur mit grosser
Schwierigkeit sehr breit gemacht werden können.
Kharput, Stadt in der Türkei: Teppicherzeugung.
Khersek, persische Bezeichnung für zottige und schwere Teppiche.
Khi-lin (chinesisch), phantastische Tierfigur, welche den Leib vom Hirsch,
den Schweif vom Ochsen und ein Hörn hat.
Khiwa, Khiva, Khanat in Turkestan (Zentralasien): Erzeugung von
Knüpfteppichen, welche sich im Muster an die Turkmenen anlehnen ; sie werden
auch Afghanen genannt.
Khorassan oder Chorasan, persische Gebirgslandschaft im östlichen Iran
mit der Hauptstadt Meschhed: Ehemals Erzeugung sehr guter alter Teppiche
mit Tierfiguren und ein dem Heratimuster verwandtem Grunddessin ; auch das
Palmwipfelmuster (s. d.) ist darin vertreten. Die alten K.-Teppiche sind meist
in Blau und Hellrot gehalten; der moderne Geschmack wendet sich entweder
den hergebrachten geometrisch-vegetabilischen oder grossblumigen Mustern zu.
Khotan, Stadt in der chinesischen Provinz Thianschau-nanlu (Ostkurdistan)
am Khotanfluss, wohin im 4. Jahrb., als K. noch nicht zu China gehörte, durch
eine chinesische Prinzessin die E,aupeneier des Maulbeerspinners überführt
w^orden sind, deren Ausfuhr aus China bei Todesstrafe verboten war. Dieses
Ereignis ist für die Entwicklung der Seidenkultur von Bedeutung, weil sich
von K. aus die Seidenzucht allmählich über Zentralasien und von hier nach
Europa verbreitete. Es wird angenommen, dass die beiden Perser, angeblich
Mönche vom Orden des heil. Basileus, für Kaiser Justinian (s. Byzanz) im
Jahre 552 die E-aupeneier aus K. brachten.
KiangSU, im chines. Depart. Kiang-nin-fu (Nankin) : erzeugt broschierte
und fassonierte Seidengewebe besonderer Art.
Kichorkay ist die Bezeichnung für gewisse ostindische Baumwollzeuge,
die aus Bengalen in den Handel gebracht werden.
Kidderminster, Stadt in der englischen Grafschaft Worcester : Berühmte
Teppichfabrikation. Diese Teppiche, die Kidderminsterkarpets oder kurz K.
genannt, haben ähnlich dem Doppelflanell, zwei Ketten, die beim Kreuzen
mit dem Schuss ihre Stelle austauschen. Die Kreuzung ist Leinwandbindung,
so dass die Stellen, die auf der einen Seite des Gewebes die Effekte, Figuren
u. s. w. zum Vorschein kommen lassen , auf der anderen Seite den Grund
bilden. Doch werden jetzt in K. hauptsächlich Brüsseler Teppiche hergestellt.
Kiew, Hauptstadt im gleichnamigen russischen Gouvernement : soll bereits
im 6. und 7. Jahrh. ein Stapelplatz für orientalische und byzantinische Gewebe
gewesen sein.
Kilim— Kirchliche Stoffmuster. 289
Kilim ist die allgemeine Bezeichnung für jene "Wand- oder Fussdecken,
deren Herstellung in farbiger Wolle auf hoch- oder auch wagerechtstehender
Kette die einfachste Art der "Wirkerei darstellt und deren Technik seit den
ältesten Zeiten bei allen Völkern als der erste Anfang textiler Kunstfertigkeit
eingetroffen wird. Am meisten verbreitet ist der K. bei den Nomadenvölkern
des Orients, da er ihnen als Zeltbehang ein steter Begleiter sein muss; doch
kommt er als einfaches Dekorationsstück auch im Südslawischen, in Serbien,
Bulgarien, Ruthenen und Rumänien vor. Wie A. Riegl, „Altorientalische
Teppiche'*, Leipzig 1891, mitteilt, wird uns aus dem Altertum von Zeugen
^us der Wolle der kilikischen Ziegen berichtet, die man cilicia (Kilikia) nannte,
und es wäre nicht unwahrscheinlich, dass hiernach der K. benannt ist. Die
Musterung der gröberen Kilims, welche sich in Europa für Portieren u. dergl.
grosser Beliebtheit erfreuen, besteht gewöhnlich aus bunten Streifen, welche
zackig abgesetzte geometrische Felder enthalten, deren einzelne Teile durch
schlitzartige Oeffnungen getrennt sind, weil die Farben nicht ineinander gezogen,
sondern an bestimmten Kettfäden hin und her geführt werden, wodurch eine
doppelseitige Arbeit entsteht. Die stärksten und festesten K.s sind die der
turkmenischen Nomaden und die baumwollenen von Yed ; die feinsten kommen
in Schuschter und Kurdistan vor. Letztere enthalten alle Arten von stilisierten
Blumen- und anderen Mustern, welche an die schönsten antiken Wirkereien
erinnern, die aus ägyptischen Grräbern kommen. Kis-kilims (Frauenarbeit
oder Mädchenteppich) heissen Teppiche oben beschriebener Art, welche in
•Syrien von den jungen Mädchen für ihre Aussteuer gewirkt werden, in die sie
zur Erinnerung eigene Haare flechten.
Kilimki s. v. w. Kilim (s. d.).
Kilrnarnock, Stadt in der schottischen G-rafschaft Ayr : Teppichweberei,
Fabrikation wollener Shawls.
Kitnka (Kim-chä), unter diesem Namen kam aus China lange Zeit hin-
durch ein damastartiges Gewebe in den Handel, das später sowohl in persischen
und bagdadischen, wie alexandrinischen und griechischen Manufakturen mit
vielem Geschick nachgeahmt wurde und sich im Abendlande grossen Verbrauchs
erfreute. Als Camocato gelangte K. nach West-, als Kamka nach Osteuropa,
namentlich Russland. Seiner Webart nach scheint dieser Stoff am ehesten mit
Atlas verwandt gewesen zu sein.
Kinik, türkische Baumwollsorte.
Kinishem, Kinishemski, sind russische gewöhnliche Zwilliche ; gemustert
sind sie die geringste Sorte der russischen Serviettenleinen.
Kinkale, ostindische Seidenzeuge, eine Art leichter, mit Goldfäden, Lahn
und Seide broschierter Atlas aus Surate, die in Asien sehr gesucht sind.
Kinkob sind indische Gewebe mit reicher Verwendung von Metallfäden.
Kioto, Stadt in Japan auf der Insel Honshiu oder Hondo : die erste
Industriestadt in Japan, besonders durch Seidenindustrie. (Vgl. Japan.)
Kio-tonan, eine Art chinesischer damaszierter Atlas.
Kirchberg in Sachsen, Stadt im sächsischen Kreis Zwickau : Streichgarn-
und Kunstwollspinnerei, Wollwäschereien, Walkereien, Fabrikation von Tuch
und Wollzeug.
Kirchen, Dorf im preuss. Reg.-Bez. Koblenz: Baumwoll- und Kunstwoll-
spinnerei.
Kirchenfahne s. Fahne.
Kirchenspitzen werden nach ihrer Verwendung für den Altarbehang oder
für die Gewandung des katholischen Geistlichen (meistens an der Alba) benannt.
Es wurden in alter Zeit besonders solche in Nadel- und Klöppelarbeit ver-
wandt, welche durch ihre gröbere Technik weithin sichtbare Muster enthielten.
Kirchliche Stoffmuster sind aus älterer Zeit nur vereinzelt nachzuweisen.
Erst gegen Ende des 13, Jahrh. kommen sarazenische Gewebe vor, auf
welchen Darstellungen vorhanden sind, deren Inhalt man mit den Psalmen
Davids, welche auch vom Islam übernommen wurden, in Uebereinstimmung zu
bringen sucht. Oft wiederkehrend ist die Musterung in Gold und roter Seide
Seiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 19
290
Kirchliche Stoffmuster.
oder in Grrün auf rotem Grunde mit den Buchstaben Y und S (als Abkürzung-
von Jesus Salvator), die in E-eihen abwechselnd um einen Pfau und um einen
Abb. 150.
Abb. 151,
springenden Panther geschlungen sind. (Vgl. die Abb. auf Tafel III.) Etwas später
entstanden sind die Stoffmuster mit dem zur Sonne schreienden Hirsch, das
Kirchliche Stoffmuster.
291
sogen. Schwalbenmuster mit den im Neste liegenden Jungen (Abb. 150), und
viele andere, welchen eine Bedeutung im biblischen Sinne nicht abgesprochen
werden kann. Im 15. Jahrh. werden in Italien die Grewebemuster mit Dar-
stellungen aus der christlichen Legende allgemeiner, selbst die Personen Christi
(Abb. 151) und der Jungfrau Maria (Abb. 152) werden bildlich wiedergegeben.
Hierher gehören auch die bekannten Stoffe gleicher Zeit mit der streifen-
förmig angeordneten Wiedergabe der Verkündigung, sowie das in einigen
Sammlungen vorhandene leichte Seidengewebe mit einem Muster aus reihen-
weis wechselnden schwebenden Engelsfiguren, welche Opfergeräte oder die
Leidenswerkzeuge Christi tragen. Noch im 16. Jahrh. werden, besonders in
Florenz, die Aufsatzborten für Kasein und Chormäntel mit Darstellungen der
Abb. 152.
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Himmelfahrt Maria, der Grrablegung Christi u. s. w. gewebt; dann aber ver-
lieren sich kirchliche Muster in der Weberei vollständig, weil die Stickerei
dafür sorgt; auch nimmt man Stoffe des gewöhnlichen Gebrauchs und zer-
schneidet sie für Kirchen gewänder. Im 18. Jahrh. ist es Sitte, dass die Braut-
kleider aus reich gemusterten Seidenstoffen der Kirche gestiftet werden und
aus diesen fertigt man Chormäntel, Kasein und dazu gehörige Ornatstücke.
Am Anfange des 19. Jahrh. entstehen am Rhein eigene Werkstätten, welche
abgepasste Muster für die Zwecke der katholischen Kirche herstellen und aus
solchen Heb erlief erungen hat sich in neuester Zeit, besonders in Krefeld und
Köln eine eigene Industrie für Kirchenparamentik entwickelt. (S. Kirchen-
werkstätten.)
Abbildungen:
150. Darstellung aus : Katalog der Gewebesammlung des Germanischen National-
museuras in Nürnberg; ebd. 1896: Seidenbrokat, Grund rot, Muster Gold und etwas
292
KirchKche Wirk- und Stickmuster.
Weiss , reihenweis geordnet : Junge Schwalben im Neste , denen die Alte einen auf
einem Zweig sitzenden Schmetterling fangen will; dazwischen Eichenzweige und Wolken
in Strahlen. Italien 15. Jahrh.
151. Darstellung aus gleichem Werk: Seidenbrokat, Grrund rot, Muster Grold
mit etwas Grün: Christus und die Jungfrau im Garten. Italien 15. Jahrh.
152. Darstellung wie vorher : Seidenbrokat, Grund rot (verschossen), Muster Gold
mit Weiss, Blau und Grün: Darstellung der Madonna mit dem Kinde, als Himmels-
königin in strahlender Sonne und auf dem Monde stehend, in hochovalem Felde, das
aus Aesten mit Granatapfelblüten werk gebildet wird. Italien 15. Jahrh.
Kirchliche Wirk- und Stickmuster, welche nicht, wie diejenigen der
Weberei, an eine mechanische Massenherstellung gebunden sindj nehmen natur-
gemäss von frühester Zeit an das Interesse der beteiligten Kreise in Anspruch
und werden nach besonderen Vorschriften in eigenen Klosterwerkstätten ge-
arbeitet. Im Mittelalter hat für dergleichen die Leinen Stickerei besonderen
Abb. 153.
Vorzug, wobei zunächst der baumwollene Kanevasstoff oder das lose gewebte
sogen. Segeltuch als Grundstoff gewählt ist. Stickereien auf Seide und Sammet,
mit Benützung echter Perlen, goldenen Plättchen und Flittern kommen für
einzelne Prachtstücke in Betracht (s. liturgische Grewänder). Im gotischen
Zeitalter enthalten gestickte Kaselkreuze, -Stäbe und andere Aufsatzborten
der grossen Chormäntel, die Mitra, Stola und Manipel, in farbiger Seide
und Goldfäden einzelne biblische Figuren und Darstellungen aus dem Leben
Kirchliche AVirk- und Stickmuster.
293
des Heilandes und der Maria. Kirchengewänder aus gewebten Sammet- und
Seidenstoffen werden mit gewirkten und gestickten Borten aus den Kölner
Werkstätten besetzt. — Die Zeit der Renaissance macht die dekorative
Technik der Aufnäharbeit (s. d.) kirchlichen Zwecken dienstbar; aus Spanien
und Italien sind uns die herrlichsten Antependien und Behänge erhalten,
womit an hohen Festtagen Altäre und Säulen geschmückt wurden. Kasein,
Levitenröcke und Chormäntel enthalten schwere Sammetborten , breite Auf-
schläge und rechteckig abgepasste Felder (vgl. Tafel IX) , deren Zweck oft
nur durch Symbole, kleine Kreuze oder Monogramme gekennzeichnet ist,
weil die ganze Anlage dieser aus breiten ruhigen Flächen bestehenden Muster,
vereint durch stimmungsvolle Farben, in vornehmer Pracht die ernste Be-
stimmung der Gregenstände ohne weiteres darstellt. In hoher Blüte steht zur
selben Zeit auch die Goldstickerei, welche zusammen mit der in farbiger Seide
Abb. 154.
Abb. 155.
ausgeführten Plattstichstickerei geeignete Flächen des Altars köstlich belebt
(vgl. Abb. 153), wobei die vornehme Stilisierung von Blatt- und Blütenformen
den Eindruck des Granzen erhöht. Das sklavische Nachbilden kirchlicher
Motive hört auf, die Kunstformen werden lebendiger und freier : veraltete Ele-
mente weichen einer vornehmen Linienführung, wovon selbst das Kreuz der
Kasel, früher als aufgesetztes Kruzifix behandelt, nicht unberührt bleibt. (Vgl.
Abb. 154.) Das Figürliche tritt vollkommen zurück und weicht dem Orna-
ment der Zeit. Selbst noch im 18. Jahrb., als das übrige Flachmuster schon
nicht mehr strengen Pegeln der Stilgesetze folgt, erscheinen in kirchlichen
Stickereien noch künstlerisch bedeutende Arbeiten, welche den "Werkstätten
in Süddeutschland (Würzburg) entstammen. (Vgl- x\bb. 155.) Hier bewahrt
die Handarbeit noch lange Zeit hindurch erlernte Kunstformen älterer Epochen,
bis allmählich, wie alle übrigen Grebiete der Kunstindustrie, auch die kirch-
liche Stickerei dem Ungeschmack anheimfällt. Für katholischen Kultus hat
294
Kirchliche "Wirk- und Stickmuster.
mau seit den 50er Jahren, besonders am Rhein, Sorge getragen, Gewänder
und Kirchenausstattung besseren Vorbildern zuzuführen, indem man alte Stoffe
nachwebte und für die Stickerei von neuem "Werkstätten errichtete, die gleich-
falls nach älteren Beispielen arbeiten. Den ersten Anstoss dazu gab der
katholische Geistliche Dr. Franz Bock durch Schriften: „Geschichte der
liturgischen Gewänder", „der Musterzeichner des Mittelalters", „die kirchliche
Stickkunst ehemals und heute" und Herausgabe von Mustern, dem sich Pfarrer
Versteyl anschloss. Bestimmte Regeln über den stilistischen Schmuck der
evangelischen Kirche schrieb zuerst im Jahre 1867 der Pfarrer Lic. Mor.
M eurer „Altar schmuck, Paramentik in der evangel. Kirche" nieder; im
Jahre 1889 folgte diesem Schriftchen ein weiteres vom evangelischen Diakonus
Wilhelm Johnsen in Hannover. Die Schrift von Meurer begleiten Muster-
blätter von M. E. Beck in Herrnhut und diejenige von Johnsen Vorlagen
aus der "Werkstatt St off regen in Hannover. Das Berliner Kunstgewerbe-
museum veranstaltete im Jahre 1891 eine Ausstellung kirchlicher Stoffe und
Stickereien beider Konfessionen (vgl. darüber ausführlichen Bericht mit Ab-
bildungen im Kunstgewerbeblatt N. F. III) , welche die Tätigkeit der neu ge-
gründeten Paramentenvereine trefflich veranschaulichte, sie zeigte auch für
das evangelische Gotteshaus den Beginn einer neuen Epoche der Muster-
gebung kirchlicher Stickereien nach alten Vorbildern. (Vgl. Abb. 156.) Lite-
ratur: Bennhold, über die innere Ausschmückung evang. Kirchen. (Vortrag,
Dessau 1894.) Hoefling, Sammlung von Initialen, Ornamenten, Paramenten
u. s. w. aus dem Mittelalter, Bonn 1855. Oslander, Geschw., Ravensburg.
Kunststikerei und Paramentenfabrik : Illustrierter Katalog. Versteyl, die
kirchliche Leinwandstickerei, Düsseldorf 1878. 1880.
Abbildungen:
153. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Bl. 12. Hälfte eines
Antependiums, Stickerei auf weissem Atlas in Gold und farbiger Seide im Plattstich:
Rosengehege, durch Knäufe verbunden. Italien 16. Jahrh. Original im Kgl. Kunst-
gewerbemuseum, Berlin.
154. Darstellung wie vorher. Bl. 208. Kaselkreuz, Stickerei in Gold- und
farbigen Seidenfäden auf rotem Seidengrunde in Art der Aufnäharbeit: Palmetten-
formen aus stüisierten Blüten und Ranken.
155. Darstellung wie vorher, ßl. 278. Entwurf für zwei Kaselhälft^ aus
einer im Anfange des 18. Jahrh. bestandenen "Werkstatt zu Würzburg. Die Aus-
führung ist in Gold und violett schattierter Seide gedacht.
156. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1891. N. F. III, S. 116.
Antependium im romanischen Stil, in farbiger Wolle gestickt : Im Halbkreis an-
geordnete Symbole der vier Evangelisten mit dem Agnus Dei und dem Zeichen Christi
als Mitte; ringsherum Borten aus romanischem Blattwerk mit Vögeln. Original nach
Kirchenwerkstätten — Klosterleinwand. 295
alten Vorbildern für die romanische Stiftskirche in Königslutter von dem Nieder-
sächsischen Paramenten verein im Kloster St. Marienberg bei Helmstädt gestickt.
Kirchenwerkstätten waren schon im Mittelalter auch für textile Kunst-
fertigkeiten üblich und haben noch im 18. Jahrh. viel zur Hebung der Kunst-
stickerei und Spitzennäherei u. dergl. beigetragen. Man hat seit neuerer Zeit
wieder begonnen, auch solche für den evangelischen Kultus einzurichten.
(Vgl. Kirchliche Wirk- und Stickmuster.)
Kirkagatsch, Baumwollsorte aus Natolien.
Kirman, Namen für persische Knüpfteppiche, welche dort erzeugt werden.
Einst war K. der Mittelpunkt des Reichtums und Luxus, wovon schon Marco
Polo zu berichten weiss ; nur seinen Ruf als Zentralpunkt für Textilerzeugnisse
aus ausgezeichneter Wolle hat es noch bewahrt. Diese Wolle stammt von
einer in der gebirgigen Umgegend lebenden weissen Ziegenart, deren Flaum-
wolle, als die zarteste, für die Herstellung von Shawls und in besonderen Fällen
auch der feinsten Teppiche verwendet wird. Die moderne Teppichindustrie
ist entsprechend dem vorhandenen guten Material im allgemeinen nicht auf
der Höhe der Vollkommenheit. Die Farben sind grell und unruhig. Um
dieses etwas zu verdecken, gefallen sich die dortigen Teppichweber in der
Erfindung von Mustern , welche dem europäischen Greschmack entsprechen
sollen, die aber als eine Geschmacksverirrung bezeichnet werden können. Erst
in allerneuster Zeit macht sich ein Fortschritt in der Farbentechnik be-
merkbar.
Kirmenschah werden Kaschkaiteppiche genannt, wenn sie länger und
schmäler sind.
Kissen (lat. : coussinus, franz. : coussin, engl. : cushion) entstehen im
Mittelalter zunächst für kirchliche Zwecke, zum Auflegen des Missale, von
Seide oder feinem Leder mit Fransen und Quasten, auf einer Seite weiss, auf
der anderen violett, zum Knien (lat.: lectus) oder zum Sitzen auf den Sitz-
brettern der Stühle, insbesondere der Chorstühle, sowie als Hücklehnen auf
Ruhebetten u. dergl. Bemerkensv^^ert erscheinen an den Kissen der E/enaissance-
zeit die Verbindung des oberen und unteren Bezuges durch Ziernähte, ge-
klöppelte und genähte Spitzen mit eingefügten Knöpfen und Quästchen zur
Vereinigung. (S. Ziemähte.)
Kissmess sind ostindische Kattune.
Kitay: 1. in Böhmen rohe ungebleichte feine Kattune; 2. chinesische
Stoffe von Seide und Baumwolle, bunt gefärbt; 3. chinesischer E-olldamast.
Kiteika, Kitaika, Kitaik, russischer Baumwollstoff, der als Futter für
die Kaftans dient. Die K. -Fabrikation besteht in Russland einzig und allein
in Kasan, wo sie viele Menschen beschäftigt. Der K. wird in drei Farben
(blau, rot, grün) auch dort für China gewebt.
Klarwerk s. v. w. reseau = Spitzengrund.
Klöppel s. Klöppeln.
Klöppelbrief, Klöppelkissen, s. Klöppeln.
Klöppeln ist eine Art der Herstellung von Spitzen durch den „Klöppel",
einem hölzernen Kegel mit einem Knopf an dem einen und einem breiten E,ande
an dem anderen Ende. Er dient als Spule für das Garn. Das K. beruht nun
auf bestimmten Handbewegungen, „Schlägen", durch welche nach feststehenden
Hegeln die auf den Klöppel aufgewickelten Fäden verflochten werden. Die
Arbeit geschieht auf einem Klöppelkissen, das die verschiedensten Formen an-
genommen hat, nach der Aufwinde oder dem Klöppelbrief , auf welchem
zur Befestigimg der Fäden und zur Bezeichnung der Kreuzungspunkte Nadeln
stecken (s. Spitzen).
Klöppelschnüre sind nach einem Zürcher Musterbuch im Jahre 1536 aus
Venedig nachw^eisbar.
Klöppelspitzen s. Spitzen bezw. Klöppeln.
Klosterleinwand, Klostertuch, ist eine Gattung feiner westfälischer Leinen,
die früher in grosser Menge nach Frankreich gingen und zur Kleidung der
296
Kloster-Merino — Knötchensticli.
Abb. 157.
Nonnen verwendet wurden. Jetzt wird sie meist als Bielefelder Leinwand ver-
kauft, obwohl diese leichter und lockerer gewebt ist. Eine Art Mittelware der
K. liefern auch Lauban und Friedersdorf.
Kloster-Merino ist schwarzer Tuchstoff für die Kleidung barmherziger
Schwestern.
Knaps nennt man in England ein grobes blaues Wollenzeug für Matrosen-
jacken.
Knaufbildungen an den TJeberschneidungen von
Bändern haben sich am Anfang des 16. Jahrhunderts,
als das Stoffmuster die spitzovale Teilung annahm, zu
einer vielseitigen Kunstform entwickelt. Am meisten
haben die Flechtbänder (s. d.) (Abb. 157) Motive dazu
hergegeben ; aber auch andere Formen , wie der Akan-
thus (vgl. Abb. 158) und die Krone (Abb. 159) sind
in Italien und Spanien dafür künstlerisch verwertet
worden.
Abbildungen:.
157 — 159. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leip-
zig 1896, Bl. 27 : Knaufbildungen aus Flechtband-, Akanthus-
und Kronenmotiv, von italienischen und spanischen Greweben
des 16. Jahrhunderts.
Abb. 158.
Abb. 159.
Kneipp'sches Leinen, sogen. Gesundheitsleinen, das seinen Namen vom
Pfarrer Kneipp hat, der es für Packungen des erkälteten Körpers einführte.
Es ist ein in Taffetbindung hergestelltes Gewebe aus starken Fäden , welche
die Feuchtigkeit gut aufnehmen und lange erhalten.
Knieband (franz.: j arretiere; engl.: gart er), in alter Zeit getragen sowohl
bei kurzen, wie bei langen engen Strumpfbeinkleidern. Im 14. Jahrhundert
bei den Damen oft mit Seide gestickt, auch unter der Kniekehle gekreuzt
und über dem Knie festgebunden ; im 15. Jahrhundert häufig mit Devisen
versehen.
Knopflochstich (franz. : point de boutonniere), wird zunächst angew^ndt^
um die Einschnitte für das Knopfloch in besonderer Art zu umsäumen, als-
dann wendet man ihn an in der Technik genähter Peliefspitzen (point de Venise,
point de France usw.).
Knötchenstich wird verschieden ausgeführt, am einfachsten durch zwei
nebeneinander und über die gleichen Stofffäden gelegte Steppstiche (s. Stickerei).
Knotenverschlingungen — Konstantinopel. 297
Knotenverschlingungen s. Flechtband und Knaufbildungeu.
Knoterei (Nopperei), in der Tuchfabrikation alle diejenigen Arbeiten,
welche zur Entfernung der im Gewebe vorhandenen Garnknoten und sonstigen
Unreinlichkeiten dienen.
Knüpfen persischer Teppiche s. Teppiche.
Knüpfen von Spitzen s. Macramee.
Kochen des Tuches (Heisswasser-Dekatur), eine in der Tuchfabrikation
angewendete Art der Dekatur, bei welcher jedoch nicht ein direktes Kochen
des T., sondern nur eine Behandlung desselben mit Wasser von 40 — 70^ R
zur Ausführung kommt.
Koische Gewänder s. Coae vestis.
Kokosnussfaser, Coir, Coirhanf, ist der rotbraune Faserstoff, welcher
die Schale der Nüsse (C. =: Palme = Cocos nucifera) äusserlich umhüllt; er
wird gesponnen und zu Teppichen, Flechtwerk u. dgl. verarbeitet.
Kollodiumseide s. künstliche Seide.
Köln, Hauptstadt des gleichnamigen Reg. -Bez. der preuss. ßheinprovinz :
in heutiger Zeit keine nennenswerte Textilindustrie. Im 14. Jahrhundert eine
Werkstatt: „Fabrices capparum et clipeorum colonienses", welche Seidengewebe
und Stickereien herstellte, worin man cyprische Goldfäden anwandte. Ferner
bestand eine Seidenfärberei und Zeugdruckerei^ welche unter Aufsicht der Be-
hörde arbeitete, (s. Zeugdruck.) Berühmt sind die Arbeiten der Borten-
und Bildwirker, welchen sich Stickereien für Kirchengewänder anschliessen.
(s. Stickerei und Wirkerei im IVüttel alter.) Das Städtische Kunstgewerbe-
museum, gegründet 1887 (Direktor Dr. Otto von Falke), enthält eine Samm-
lung von Stoffen, Stickereien und Spitzen aller Völker und Zeiten, von zu-
sammen etwa. 4000 Stück. In den Kirchen St. Ursula, St. Gereon und St.
Cunibert werden frühmittelalterliche sassanidische und byzantinische Seiden-
gewebe aufbewahrt. Yon Bedeutung ist ferner die Stoffsammlung des Dom-
herrn Prof. Dr. A. Schnütgen.
Kölnische Fäden, veralteter Name für Leinengarn zu Strümpfen und
Stoffen, welches aus Morlaix kam.
Kölnische Seidengewänder, mittelalterliche Messgewänder rheinischer
Herkunft, pflegen gröberen Stoffes zu sein, als die italienischen und zeichnen
sich durch die Anwendung von Blau aus.
Kölsch, ein blau und weiss gestreiftes , auch gedrucktes Zeug aus
Schwaben.
Kolter ist eine Steppdecke.
Kongressstoff, baumwollenes oder wollenes, im Grunde leinwandbindiges,
weitmaschiges Gewebe aus starkem Garn, das besonders als Grundstoff für
Stickereien benützt wird und häufig durch durchbrochene, mit Hilfe von Dreher-
bindungen erzeugte Streifen (ä jour = Streifen) verziert ist.
Königinhof an der Elbe, Stadt in Böhmen: Baumwollwarenfabriken,
Färbereien und Flachsgarnspinnerei; eine Webschule.
Königsberg, Stadt in Böhmen: Baumwollspinnerei und -weberei.
Königsberg, Stadt in Preussen: z. Zt. Friedrichs des Grossen Weberei
von Seidenbändern.
Konopeion, griech., ein dünnes Zeug zum Abhalten der Mücken.
Konstantinopel, Hauptstadt des türk. Reiches : die Grossindustrie fehlt
fast völlig, dagegen ist das Kleingewerbe hoch entwickelt. Zur Ausfuhr
kommen Teppiche aus Kleinasien, Persien, Turkestan, Mohair (Angora),
namentlich nach England, Frankreich, Oesterreich und Deutschland, Lammfelle
und vor allem Schafwolle ; ferner Seide, Kokons und Stickereien, meist ein-
heimischen Ursprungs. — In der Zeitperiode vom 7. — 11. Jahrhundert be-
hauptete K. bezüglich des Handels die weltberühmte Rolle des Stapelplatzes
für Seidengewebe und war der Platz für den bedeutendsten Seidenmarkt, im
Austauschhandel des Abend- und Morgenlandes. K. betrieb einzig und allein
den Welthandel zur Zeit, als die eindringenden Goten und Araber überall
den Verkehr unmöglich machten. Aber man bedurfte trotzdem noch der Ein-
298 Konstanz— Koptische Textilfande.
fuhr orientalischer Produkte, welche vorzugsweise benützt wurden , um die
Paläste auszuschmücken. Uebrigens ist K. auch während der Kreuzzüge Haupt-
sitz der Seidenindustrie gewesen.
Konstanz, Stadt am Bodensee ; Hauptzweige der Industrie sind : Leinen-,
Baumwollweberei und -Druckerei, fertige Kleider, Stickereien usw.
Köper, in der Wirkerei ein Pressmuster, das aus glatten und versetzt
gegeneinander liegenden Einnadelfäden zusammengesetzt ist.
Köperbindung s. Bindungen.
Köpergewebe (Keper, Kieper), sind solche, bei welchen mehrere Kett-
fäden abwechselnd über und unter dem Schussfaden liegen und ebenso mehr
als zwei verschiedene Lagen des Schusses miteinander abwechseln (s. Bindungen).
Eine Eingentümlichkeit und ein Kennzeichen des K. besteht darin, dass in jedem
nachfolgenden Schuss stets der nächstfolgende Kettfaden des in vorhergegangenen
Schusses gebundenen Kettfadens bindet. Durch diese fortgesetzte Bindung der
Fäden werden im Gewebe erhabene und schräge Linien hervorgebracht. Man
unterscheidet einseitigen (s. Levantine) und zweiseitigen (s. Batavia oder Kasemir)
Köper. Die Bindungslinien, welche jeder K. verursacht, können in der Bich-
tung von links nach rechts und umgekehrt angewendet werden. Unter dem
Köpergewebe versteht man eine Anzahl der verschiedensten Stoffarten, welche
alle auf G-rund der Köperbindung hergestellt werden. (Vgl. Abb. 2, 5 — 8 auf
Tafel XV.)
Köper-Nanking oder Nankinett ist dreibindiger Köper oder fünfbindiger
x\.tlas von verschiedenen Farben, oft mit melierter Kette.
Köprülü oder Yeles, Stadt in der Türkei: Handel und Fabrikation von
Seiden und Wollgeweben.
Koptische Textilfunde wurden zuerst im Anfange des 19. Jahrhunderts
auf den Totenfeldern von Sakkarah und Akhmim in Oberägypten gemacht
und von den Museen im Louvre, in Turin und in London übernommen, ohne
dass man diesen vereinzelten Proben besonderes Interesse entgegengebracht
hätte. Erst seitdem im Jahre 1881 der Wiener Kaufmann Theodor Graf,
angeregt durch den berühmten Orientalisten Prof. Karabacek, die Forschungen
danach systematisch fortsetzte und es diesem gelang, die für das K. K. Oester-
reichische Museum für Kunst und Industrie in Wien erworbene grosse Samm-
lung derartiger Textilien zusammenzubringen, welche dann Alois Biegl „die
ägyptischen Textilfunde im K. K. 0 e sterr eichi s chen Museum"
(Wien 1889) beschrieb, hat sich die Aufmerksamkeit mehr und mehr jenen
Denkmälern der Textilkunst zugewandt, welche ihre Geschichte des frühen
Mittelalters in neue Bahnen lenkte. Die Kopten sind die christlichen Nach-
kommen der alten Aegypter; der Name ist eine Verstümmelung aus Aegypti,
die Araber nennen sie heute Kopt. Die Bestattung ihrer Toten erfolgte in voller
Gewandung des Lebens. Die einbalsamierten Körper finden sich in bemalten
Holzsärgen und sind bekleidet mit mehreren (gewöhnlich drei) jackenartigen,
kurz- und langärmeligen Kitteln (Abb. 160), andere Mumien sind mit langen
Böcken bestattet. Ebenso wie der Hauptanzug der Toten vollständig erhalten
ist, finden sich auch alle Einzelheiten der Ausstattung der zu jener Zeit üblichen
Tracht : genau wie sich die Sitte der alten Aegypter erhalten hatte, dem Toten
auch andere Dinge mitzugeben, welche ihm im Leben lieb und wert waren. —
Die Bohstoffe dieser Kostüme bestehen vorwiegend aus Leinen; Wolle
kommt als Grundstoff und in der Musterung vor, Baumwolle findet sich in
einigen gedruckten Mustern, dagegen ist die Seide, wenn auch an einigen Ge-
wändern nur als Besatzstreifen, reichlich vertreten. Die Technik der Gewebe
in den Leinenstoffen ist einfache Taffetbindung, die Wollenstoffe enthalten Bips-
bindung und scheinen in den meisten Fällen auf einer Art von Wirkerei zu
beruhen; seidene Gewebe sind in Taffet- und Atlasbindung hergestellt.
Die Muster der Tuniken — die wollenen Kleider sind meistens ein-
farbig — bestehen zunächst aus in farbiger Wolle eingewirkten oder aufgesetzten
bortenartigen sogen. Spangen, welche von den Schultern her bis etwa zur
Gurthöhe, seltener — wie in Abb. 160 — durchlaufen und in spitzovale oder
Koptische Textilfunde.
299
Abb. 160.
Abb. 161.
blattförmige Felder endigen: eine Yerzierungsart , welche als Vorläufer der
Stola des katholischen Priesterornates bezeichnet werden kann. Die gemusterte
Halspasse ist durch runde Schulterstücke abgeschlossen. Solche „Lati clavi",
wie man letztere zu bezeichnen pflegt, ursprünglich Abzeichen der alten
römischen Senatoren und Ritter, wiederholen sich in runder und quadratischer
Form auf dem Vorderteil der Gewänder. (Vgl. Abb. 3, 44, 111.) Die Technik
300
Koptische Textilfunde.
Abb. 162.
Abb. 163.
Koptische Textilfuiide.
301
der Musterung auf dem leinenen GrundstoflP ist verschiedenartig. Die am
meisten vertretene bezeichnet man gewöhnlich als eine gobeliaartige Wirkerei
oder Stopfarbeit, wovon die eine Art so hergestellt ist, dass Grrund und ein
verschiedenfarbiges Muster zugleich, eine zweite, in welcher zuerst der purpur-
farbene gewirkte Wollengrund und später das Muster durch Einsticken weissen
Grarnes entstand. (Vgl. Abb. 78.) In vielen Fällen ist der Leinengrund für
derartige Musterungen so vorbereitet, dass die Schussfäden, an den Stellen,
wo' nur Kettfäden zur Aufnahme der Wirkerei notwendig sind, beiseite ge-
schoben wurden oder man hat den Haum für die Musterung ausgespart, d. h.
Abb. 164.
der Schuss ist mit Unterbrechung eingetragen. Unter den Grrundstoffen finden
sich auch Grewebe mit losen Maschen oder Noppen, welche unseren modernen
Frottierstoffen nicht unähnlich sind; dieselben kommen sowohl in Gewändern
— wohl für den Winter berechnet — als auch in farbig gestickten Tüchern
als Zwischenteile vor. (Abb. 164.) Die Muster jener zumeist angewandten
Wirktechnik, in der übrigens auch grosse Behänge mit figürlichen Darstellungen
gearbeitet w^urden, beruhen grösstenteils auf antiken griechisch-römischen Aus-
läufern, seltener verraten sie den entfernten Charakter altägyptischer Ueber-
lieferung, wie das in Abb. 160 wiedergegebene Gewand, oder klingen an streng
orientalische Motive an. Die meisten der in grosser Zahl vorkommenden
302
Koptische Textilfunde.
figürlichen Muster haben Bezug auf heidnisch-mythologische und christlich-
biblische Darstellungen, welche von griechischen oder koptischen Inschriften
begleitet sind. Rein ornamental sind gewöhnlich jene Muster gehalten, welche
in der beschriebenen Art auf violettem Grunde ausgeführt sind. — Hier er-
scheinen die verschiedenartigsten Flecht-, Blatt- und Blütenmuster, welche in
ihrer ungezwungenen reizvollen Stilisierung gute Zeichenvorlagen abgeben.
Bemerkenswert unter den vorkommenden Einzelheiten in den koptischen Muste-
rungen ist ferner die öftere Wiederholung des Akanthusblattwerkes (Abb. 3,
Abb. 6 auf Tafel I), das der antiken Urne entstammende Vasenmotiv (Abb. 44),
das Weinblatt (Abb. 1 auf Tafel I) und zwischen rein ornamental behandeltem
vegetabilischem Ornament die Darstellung verschiedener Tiergestalten als Sym-
bole: wie der Löwe, der Leopard, der Hund, der Hase, der Hirsch, die Ente,
der Papagei u. a. m. Yon Interesse ist die Musterung in jener Grruppe
Wirkereien, welche fast genaue Kopien frühorientalischer und byzantinischer
Seidengewebe darstellen. Einer fast noch an sassanidischen Ursprung erinnern-
den Zeichnung begegnen wir in dem auf Tafel I, Abb. 2 dargestellten runden
Felde, das in -Umrahmung eines Kreisbandes zwei Löwen an dem Baum zeigt.
Deutlicher noch als laufendes Stoffmuster zeigt sich die in Abb. 4 auf Tafel I
dargestellte Wirkerei, worin Kreisfelder mit Menschen- und Tierfiguren und
Zwischenrosetten enthalten sind, welche genau den Typus von Mustern des
YIII. — X. Jahrhunderts wiederzugeben
Abb. 165.
scheinen, wie denn auch die Beiter-
figur und das Bosettenmuster in Abb. 3
gleicher Tafel denselben Ursprung
ohne weiteres erkennen lassen. Letz-
teres Stück gewinnt durch die Dar-
stellung der Beiterfigur noch beson-
dere Bedeutung, dass dabei an eine
solche des heil. Georg (s. d.) gedacht
werden kann, wofür die auf die Schlange
geführte Lanze . und der über dem
Jüngling schwebende Engel eine Be-
stätigung sein könnten. Solche Beiter-
figuren haben auch als Bortenmusterung
in Wirkerei Anwendung gefunden.
(Ygi. Abb. 161 u. Abb. 7 auf Tafel L)
Bein ornamentale laufende Gewebe-
muster in Wirkerei zeigen die Abb.
163 und Abb. 5 auf Tafel I. In
ersterem ist zu beobachten das früh-
zeitige Vorkommen der Flächenteilung in spitzovale Felder, mit der palmetten-
artig angeordneten Füllung.
Ausser den Wirktechniken finden sich unter den koptischen Textilien
als Musterung der Leinenstoffe noch einige Arten von Durchzugarbeiten, welche
der Stickerei verwandt sind. Sie wurden direkt in den farbigen Leinengrund
hineingearbeitet und zwar so , dass die gemusterte Fläche aus Beihen farbiger
Wollfäden gebildet ist, wobei die als Xoppen einzeln dastehenden Maschen den
Eindruck eines ungeschnittenen Teppichflors hervorrufen (vgl. Abb. 111 u. 164),
aber auch bei dem Gedanken an den L^rsprung der Technik die Wirkung
einer antiken Mosaikmusterung dieser am nächsten stellen, wofür dann die
Darstellung des gewappneten Kriegers in Abb. 111 eine Bestätigung finden
würde. Nahe verwandt den Durchzugarbeiten ist das eigentliche Gebiet/der
Stickerei, die hier in einfacheren Arten erscheint. Weitgehendere Techniken,
wie die der sogen, ä jour- Stickerei, Arten von Aufnäharbeit, Leinenstickereien
in sogen. Holbeintechnik (Abb. 25 u. 117), welche auch in den koptischen
Grabfunden vorkommen , gehören der arabischen Periode des 13. — 15. Jahr-
hunderts an, man kann sie, ebenso wie einige Arten der hier vertretenen
W^irkereien, nicht mehr als ortsangehörige Techniken bezeichnen. Andere
Koptische Textilfunde.
30B
Abb. 166.
Abb. 167.
Arten koptischer Handfertigkeiten sind aber die zu den Mützen verfertigten
Netzarbeiten (Abb. 69. 165) , welche in phrjgischer Form getragen wurden
und denen verwandte filetartige Stickereien. Vorgefundene Werkzeuge be-
weisen, dass solche Netzwerke mit einfachen Holznadeln hergestellt wurden.
304
Koptische Textilfunde.
Schliesslich gehören auch Fransen und kunstvoll gearbeitete Quasten zu den
Funden, welche aus koptischen Grräbern stammen.
Das Wichtigste unter den koptischen Textilien bilden die Seiden-
gewebe. Wie sehr die Seide zu jener Zeit an Ort und Stelle geschätzt
wurde , geht daraus hervor , dass man gewebte Stoffe aus diesem Material in
Streifen zerschnitt und sie an Gewändern hervorragender Personen zu Be-
sätzen verwendete. Nicht immer ist von den Seidenstoffen mit Sicherheit an-
zugeben, ob man es mit Erzeugnissen eigener Industrie oder mit solchen aus
Persien und Byzanz eingeführten Waren zu tun hat. Dass den Kopten die
Technik der Erzeugung von Greweben aus der Seide, welche ihnen als Boh-
material auch von dort her zugegangen sein wird, nicht unbekannt war, ist
durch Originale mit eigenartiger Musterung festgestellt ; aber von einer Massen-
produktion konnte keine Bede sein, weil die Seide zu teuer und deshalb auch
nur gewissen höheren Ständen erlaubt war. Wir sahen daher auch in den
Wirkereien und einigen Stickereien Muster der Seidengewebe in geringerem
Material nachgebildet, und zu
Abb. 168.
gewebten Stoffen die Seide mit
AVoUe oder Baumwolle vermischt.
Die sparsame Verwendung von
Seide beweist auch das Vor-
handensein von abgepasst ge-
webten Grewandaufsätzen, die für
Leinengewänder besonderer Art
benutzt wurden. Das in Abb. 166
dargestellte Bundfeld aus dem
germanischen Museum in Nürn-
berg ist z. B. an anderen Stellen
als Endigung einer Spange er-
halten. In der Musterung des-
selben fallen die indisch-persi-
schen Palmwipfelblüten an dem
baumartigen Mittelstamm auf,
während die Bandborte mit dem
Wellenband und den kelchartigen
Blüten vollständig auf Byzanz
hinweisen. Merkwürdig erscheint
das Vorkommen von Seiden-
geweben hier mit den typischen
Darstellungen der sassanidischen
und byzantinischen Beiterfiguren
(Abb. 167), bei denen die ägyp-
tische Herstellung in koptischer
n wird man es bei
Periode noch zweifelhaft erscheinen möchte
einfacheren Geweben und Mustern, wie die in Abb. 8 u. 9 auf Tafel I dar-
gestellten Stücke, mit koptischen Arbeiten zu tun haben: in letzterer ist die
herzförmige Blütenbildung von Interesse. Dieselbe kehrt auch auf koptischen
Wirkereien (Abb. 160 und Abb. 5 u. 7 auf Tafel I) häufig wieder und ent-
stammt den Bandeinfassungen orientalischer und byzantinischer Kreismuster.
(Vgl. Abb. 1 u. 3 auf Tafel IL) Abweichend in der Musterung von den er-
wähnten Typen koptischer Formen ist das unter Abb. 113 als griechisch-
römisches (?) Original dargestellte Seidengewebe, das auch diesen Funden ent-
stammt, (lieber bedruckte Stoffe dieser Funde s. unter Zeugdruck.) /
Die Sitte des Altertums, Verstorbene in voller Gewandung zu bestatten,
scheint sich bei den Kopten lange erhalten zu haben, so dass uns aus späteren
Perioden, als der arabische Einfluss sich aller Kunstformen des Orients be-
mächtigt hatte, noch überaus wertvolle Stoffe erhalten sind. Der in Abb. 168
dargestellte Stoff ist für ein tunikartiges koptisches Gewand zerschnitten und
gehört als arabisches Fabrikat, das in Alexandrien hergestellt sein wird, dem
Koptische Textilfunde.
305
11. — 12. Jahrh. an. Der gleichen Periode entstammen die in Mengen daher
kommenden seidenen sogen. Schlitzwirkereien (s. d.). Späterer Herkunft sind
auch die bunt gestreiften und karierten Seidenstoffe (Abb. 169). Merk-
würdig erscheint hier das Vorkommen chinesischer Gewebe mit Drachenmustern
Abb. 169.
in farbiger Seide und Goldpapier; wie weit man darin und noch mit anderen
Textilien, deren Herkunft den dortigen Funden zugeschrieben wird, den Angaben
der Händler trauen darf, dazu müssen die Ergebnisse langjähriger Forschungen
abgewartet werden. (Literatur : s. unter „"Weberei" : Geschichtliches.)
Abbildungen:
160. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Leinen-
gewand mit gewirkten Mustern in farbiger Wolle ; durchgehende Spangen- und Aermel-
borten aus spitzovalen Blütenformen, welche sich auch wiederholen in der als hängen-
der Schmuck dargestellten Halsmusterung, die in Form und Anordnung an ägyptischen
Perlen-Behang erinnert. Koptisch 5. — 7. Jahrh.
161. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin : Bruchstück
von dem Vorderteil eines gestreiften Leinengewandes, an dem die Halsborte und schmale
heruntergeführte Spangen in Wirkerei aus farbiger Wolle erhalten sind; abwechselnde
Darstellung einer E,eiterfigur und eines Mannes im Kampf mit einem Löwen , in Art
der antiken Muster auf byzantinischen Seidengeweben. Die Spangen enthalten Rosetten
und längliche Felder mit Quadraten. Koptisch 5. — 7. Jahrh.
162. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Rundes Auf-
satzstück eines Gewandes, Wirkerei auf Leinwand in purpurvioletter Wolle und weissem
Garn: In Mitte kniender Zirkuskämpfer in antiker Tracht, im äusseren breiten Rande
Darstellung gebändigter Löwen. Koptisch 5. — 7. Jahrh.
163. Originalaufnahme aus dem König]. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Quadratisches Aufsatzstück eines Gewandes , Wirkerei in farbiger Wolle : Auf rotem
Grunde abgesetztes Stück aus einem laufenden Flächenmuster, das besteht aus weissen
Bändern mit bunten Ranken, welche durch kleine aufgesetzte runde Kreise mit Kreuzen
verbunden sind und spitzovale Felder büden, darin Blüten- und Fruchtformen in
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 20
306 Koptische Textilfunde.
palmettenartiger Anordnung. In der Randborte in Gelb auf Violett kleine Blüten-
formen, welche an das altägyptische Henkelkreuz erinnern. Koptisch 5. — 7. Jahrh.
164. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig : Teil eines
Tuches , Stickerei auf Leinengrund — welcher mit Noppen durchwirkt ist — in farbiger
Wolle. Quadratisches Mittelfeld mit Tupfen, in Einrahmung einer Eck- und Abschluss-
borte, letztere mit Zackenmusterung. Fransenendigung. Koptisch 5. — 7. Jahrh.
165. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Teil einer phrygischen Mütze, Netzarbeit in gelblichem Grarn , Musterung aus Streifen
mit Spitzbogenstellungen, in welchen je ein Kreuz. Koptisch 5. — 7. Jahrh. *
166. Darstellung aus : Katalog der Gewebesammlung des Germanischen National-
museums in Nürnberg, ebd. 1896. S. 56 : Rundes Aufsatzstück in violetter und gelb-
licher Seide gewebt, Muster mit Darstellung eines Baumes, welchem Blüten in Art der
indischen oder persischen Palmwipfel entsteigen. Die Randborte enthält wellige-
Bänder und Palmetten. Koptisch 5. — 7. Jahrh. Gleiche Felder sind als Endigung^
von Spangen ganzer Gewandbesätze erhalten im Kaiser Friedrich-Museum und im
Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
167. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin : Rundes
Aufsatzstück eines Gewandes, in roter und gelblicher Seide gewebt mit symmetrischer
Darstellung zweier gegeneinander gekehrten Reiter in antiker Tracht auf geschirrten
Rossen und mit Pfeil und Bogen, auf einen Löwen schiessend. Randborte mit spitz-
ovalen Blutenformen^ welche auch in den vier aufgesetzten Halbkreisen enthalten sind..
Das Muster stammt von sassanidischen Seidenstoffen des 6. Jahrhunderts und scheint
dem loseren Gewebe und dem dazu verwendeten Material nach eine koptische Nach-
ahmung eines solchen Originales zu sein. Die abgeschlossenen Ränder der äusseren
Kante weisen auf ein abgepasst gewebtes Feld hin, wie solche auch in Wirkerei als-
Aufsatzstücke von Gewändern dort kopiert wurden.
168. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin : Seiden-
gewebe, das zu einem koptischen Gewände zerschnitten worden ist, Grund rot (ver-
schossen), symmetrisches Muster blau mit weiss: Gewürfelte Bänder mit aufgesetzten
runden Scheiben, welche in arabischen Schriftzügen den Namenszug eines Sultans-
tragen, bilden spitzovale Felder, in welchen je zwei gegeneinander gekehrte steigende
Löwen in Umrahmung aneinander gereihter Kreise mit Halbmond und Spruch in
arabischer Schrift. Alexandrien (?) 11. — 12. Jahrh. Aus einem koptischen Grabe.
169. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin: Seiden-
gewebe, Grund rot, Muster aus klein gemusterten bunten Streifen. Orient 13. (?) Jahrh .
Aus einem koptischen Grabe.
Abbildungen auf Tafel I: Wirkereien und Webereien des
5.-7. Jahrhunderts aus koptischen Gräbern.
(Originalaufnahmen aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin.)
1. Borte, Wirkerei auf Leinwand in farbiger Wolle: Darstellung einer wellig-
gelegten Weinranke mit Blattwerk und Reben.
2. Rundes Aufsatzstück eines Gewandes, Wirkerei auf Leinen in farbiger Wolle :
Darstellung eines stilisierten Baumes , unter welchem zueinander gekehrt ein Paar
von Löwen. Das Kreisband mit welliger Ranke. Die Muster erinnern an sassanidisch&
Vorläufer.
3. Länglich rechteckiges Aufsatzstück, Wirkerei in roter Wolle und weissem
Garn: Darstellung zweier Kreise, in einem derselben zwei Reiter in antiker Tracht,,
welche je mit einer Lanze nach der am Boden liegenden Schlange stechen (heiliger
Georg ?) , darüber schwebender Engel , daneben das Kreuz ; im zweiten Kreise
Rosette. Zwischen den Kreisen, deren Ränder durch wellige Bänder gefüllt sind^
halbe Zwickelrosetten und kleines rundes Feld mit Kreuz, Dem Ganzen liegt ein
laufendes Stoffmuster orientalischen oder byzantinischen Ursprungs zugrunde.
4. Wirkerei in roter Wolle und weissem Garn mit Darstellung eines laufenden
Stoffmusters orientalischen oder byzantinischen Ursprungs : Reihenweis geordnete
Kreise mit Darstellung eines stilisierten Baumes, an welchem Menschen- und Tier-
figuren abwechseln ; dazwischen kleine und grössere Zwickelrosetten.
5. Rundes Aufsatzstück eines Gewandes, Wirkerei auf Leinen in farbiger Wolle
und weissem Garn: Darstellung eines laufenden Stoffmusters mit herzförmigen und
spitzovalen gefüllten Blütenformen in Rautenfeldern aus Kreuzen und spatenförmigen
Blättern. Rand mit Blattranke.
6. Borte eines Tuches, Wirkerei in Violett und Weiss auf einem Leinenstoff,,
der mit Noppen durchwirkt ist: Darstellung von springenden Hirschen in Umrahmung
einer kreisförmig gelegten Akanthusranke.
Korallen — Kratzau. 307
7. Borte, Wirkerei in farbiger Wolle: Darstellung von Reiterfiguren in antiker
Tracht, mit spitzer Mütze in der Rechten, auf geschirrten Rossen. Oberer und unterer
Abschlussrand mit spitzovalen Blütenformen.
8. Gewebe aus Seide und Wolle in Schwarz und Rotviolett: Bänder mit antikem
Flechtmuster sind durch kleine Kreise mit Palmetten verbunden und bilden Rauten-
felder, in deren jedem eine pinienzapfenartige (?) Blüte an geradem Schaft mit aus-
wachsenden Blättern und Beeren , als Abkürzung des im frühen Mittelalter im Orient
und in Byzanz gebräuchlichen Baummotivs.
9. Seidenstoff, festes Gewebe, Grund roter Atlas, symmetrisches Muster weiss,
in Köperbindung : Doppelranken aus Blattwerk , durch kleine Kreise mit Sternen ver-
bunden, bilden Rautenfelder, in welchen je eine herzförmige Blütenform, die an
byzantinischen Ursprung erinnert.
Korallen finden in den wertvollen mittelalterlichen deutschen Kirchen-
stickereien oft Verwendung und werden in Verbindung mit Perlen aufgenäht.
Auch in Japan ist die K. ein beliebtes Stickmaterial.
Korandecken, d. s. Tücher zum Einhüllen des türkischen Grebetbuches,
kommen in Mengen auf den europäischen Markt und werden als Kunst-
stickereien sehr geschätzt. Sie erinnern an die sogen. Hardanger Arbeiten
(s. d.) ; sind aber viel feiner in der Ausführung, wozu das Material namentlich
beiträgt. Die Stickerei in geometrischer Zeichnung, aus Sternen und ver-
schieden durchbrochenen Feldern ist in weisser Seide im Plattstich auf Leinen
ausgeführt. Der rechteckigen oder ganz quadratischen Mitte ist oft die Ein-
teilung der Gebetnische (s. Gebetteppich) mit dem spitzen Bogenfelde gegeben.
Korathes, Korotes, grobe und starke Kattune aus Surate und Pondichery.
Kord (engl. : cord), eine Art Sammet (s. d.).
Korde (franz.) oder Kordel, Schnur, Bindfaden ; in der Musterweberei die
Zugschnur am Jacquardstuhl (s. Weberei).
Kordonnierte Seide, Kordonnet, ein zu gestrickten, gehäkelten Arbeiten
usw. verwendetes, scharf gedrehtes, daher rundes und glattes, schnurähnliches
Seidengezwirn, das in der Stärke der groben Nähseide oder der gewöhnlichen
Strickseide vorkommt, beide Arten jedoch in der Schönheit des Aussehens
übertrifft.
Korinth, Stadt in der griech. Monarchie Argolis und Korinth, ist im
11. Jahrhundert als byzantinische Seidenmanufaktur sehr berühmt; in neuer
Zeit Erzeugung von Knüpfteppichen.
Kortrijk, franz. : Courtrai, Stadt in der belg. Provinz AFestflandern : be-
rühmt durch die Fabrikation von Leinwand, Spitzen, Zwirn, Tafel- und Baum-
wollzeugen. In der Umgegend wird der feinste niederländische Flachs gezogen.
Kostromä, Stadt in Russland: Spinnerei und Weberei ; Handel mit Lein-
wand und Flachs.
Kotzen, s. v. w. grobes Deckenzeug (s. Decken). Li Franken s. v. w.
grober zottiger Bauernrock. Das böhmische Kozig, Pelzrock, Koza, Pelzwerk,
das sächsische Kutte, Kittel, franz. cotte, engl, coat, hängen damit zusammen.
Kötzer, in der Spinnerei das birnenförmig aufgewundene Garn.
Kou-jong, feiner geköperter W^ollenstoff aus China, der weich und
seidenartig im Griff ist, aus welchem Tücher von etwa 2 m Länge getragen
werden.
Kraftstuhl (Maschinenwebstuhl) , durch AVasser- und Dampf kraft ge-
triebener W^ebstuhl.
Krain, Herzogtum und Kronland der österreichisch-ungarischen Monarchie:
Die Leinenweberei und Anfertigung grober Spitzen ist weit verbreitet. Ferner
werden hergestellt: Wollzeuge, Flanelle, grobe Tücher und AVollwaren.
Krämpeln s. Krempeln.
Krappitz, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Oppeln: Smyrna- und Perser-
Teppichfabrik.
Krasch, russische Bezeichnung für gewebte Tafelzeuge.
Kratzau, Stadt in Böhmen : Grosse Tuch- und Schafwollfabriken, Baum-
wollspinnereien, Webereien, Rotgarnfärbereien, Makospinnerei.
308 Krausbouillon — Krefeld.
Krausbouillon, soviel w. Kantillen (s. d.).
Krawatte (franz. : cravate), Halstuch, Halsbinde für Herren, angeblich so
genannt nach den Kroaten, die unter Ludwig XIY in Frankreich ein Fremden-
regiment bildeten und eine eigenartige, in Frankreich dann nachgeahmte Hals-
bedeckung trugen, (s. a. Cravate.)
Krefeld, Stadt im preuss. Reg. -Bez. Düsseldorf: Sitz der deutschen
Seiden- und Sammetindustrie. Es bestanden hier 1900: 26 Sammetfabriken,
84 Seidenstofffabriken, 7 Betriebe, die sowohl Seide als auch Sammet her-
stellen, und 39 Färbereien. In der Sammetindustrie waren 846 Hand- und
2076 mechanische Stühle in Betrieb. In der Stoffweberei waren 1900: 5834
Hand- und 7151 Kraftstühle, in Stoff- und Sammetband 483 Hand- und 427
Kraftstühle, zusammen 16 817 Webstühle im Betrieb. Der Gresamtwert der ver-
kauften eigenen Fabrikate betrug 82 232 939 M., wovon auf Sammet 24 943 044 M.,
auf Seide 57 289 895 M. entfallen. Hergestellt werden in K. reinseidene und
gemischte Stoffe, bedruckte Zeuge, Fassonnets auf Jacquards, glatte und ge-
musterte Sammete und Plüsche, alle Gattungen Bänder, sowie Möbel- und
Kirchenstoffe.
Geschichtliches: Im 15. Jahrhundert wird die Leinenweberei als ein
landwirtschaftliches Nebengewerbe geübt, deren Produkte meistens nach Haarlem
gingen und dort als holländische Ware verkauft wurden. In der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte dieses Gewerbe einen bedeutenden Auf-
schwung genommen durch die Einwanderung einiger mennonitischer Familien
aus den Niederlanden. Eine derselben — die Familie von der Leyen — be-
gründete die Seidenindustrie. 1668 erwarb Heinrich v. d. L. das Krefelder
Bürgerrecht, er betrieb anfangs ein Kaufmannsgeschäft, welches mit holländischen
Manufaktur war en^ wie Leinwand, Seidenband und Tressen handelte. Mit diesem
Handel verband sich bald nach holländischem Vorbild die eigene Fabrikation^,
namentlich von Sammet- und Seidenband, Tressen, Borten und anderen Posa-
mentierartikeln, von schwarzem glattem Stücksammet und von Zwirn- und Näh-
seide. Die Seide zu den Geweben bezog man meist in gezwirntem Zustande
aus Italien, zur Nähseide, die man selbst zwirnte, besonders asiatische Seiden
von der holländisch-indischen Kompagnie. Eine eigene Färberei wurde in K.
zuerst 1724 eingerichtet; vorher hatte man in den Kölner Färbereien oder in
Holland oder Frankfurt färben lassen. Die Leinenfabrikation und der Zwischen-
handel mit fremden Waren traten nun mehr und mehr zurück; denn schon in
den Jahren von 1720 — 1731 haben sich aus den verschiedenen teilweise mit-
einander zusammenhängenden Unternehmungen der einzelnen Familienmitglieder
drei besondere Geschäfte herausgebildet: Peter v. d. L.^ vorzugsweise Fabrik
von Nähseide mit grosser Zwirnerei ; Johann v. d. L. zusammen mit seinem
Schwager Peter Jentges, namentlich für Sammet und Sammetband; Friedrich
und Heinrich v. d. Leyen, namentlich für seidene Bänder und Tücher. Die
Färberei in Leyenthal blieb noch längere Zeit gemeinschaftliches Eigentum
der Brüder. Die Fabrikanten wurden angesehene Leute; als König Friedrich
Wilhelm I. 1738 auf seiner Heise an den Niederrhein Krefeld besuchte, war
er bei ihnen zu Gaste. Die Stadt hatte sich 1740 in der Einwohnerzahl seit
25 Jahren mehr als verdoppelt; die Fabrikation beschränkte sich schon nicht
mehr allein auf die Stadt und ihr Gebiet, sondern auch in der Umgegend, im
Kölnischen, in Mors und in Xanten wurde bereits für Krefeld gearbeitet. Der
Betrieb war in der Hauptsache ein hausindustrieller; nur die Zwirnerei,
Färberei und Appretur fanden in grösseren geschlossenen Bäumen statt. Der
Verfall der Seidenindastrie in Holland brachte der Krefelder einen grossen
Vorteil. Ganz im Gegensatz zu Preussen beruhte hier die Industrie, /ohne
staatliche Unterstützung, auf privaten Unternehmungen und verfügte über aus-
gedehnte Verbindungen im Auslande, besonders in Holland und Polen. Während
der Regierung Friedrichs des Grossen gewann das Geschäft der Brüder
Friedrich und Heinrich v. d. Leyen eine alle anderen weit überragende Be-
deutung. Beide Inhaber, von denen der eine 1778, der andere 1782 starb,
sind als die eigentlichen Begründer des Weltrufes der Krefelder Industrie
Krempeln — Krepon. 309
anzusehen. Sie verfertigten nicht nur Seiclenzeuge, sondern bemächtigten sich
auch der seidenen Halstücher und Schnupftücher nach Mailänder und ostindischer
Art. Daneben wurde auch die Anfertigung seidener Strümpfe begonnen.
Neben den verschiedenen Unternehmungen aus dem Familienverbande der
V. d. Leyen gab es noch seit etwa 1750 zwei andere Firmen^ die sich zunächst
nur mit der Herstellung von Sammet und Sammetband beschäftigten : die von
Lingen & Comp., begründet durch den früheren Nadelmacher Gerhard Lingen
in Gemeinschaft mit einem früheren Buchhalter Johannes v. d. Leyen, seit
Ende der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts in den Händen der Gebrüder
von Beckerath, und die von Preyers & Comp., begründet durch Paulus Preyers.
Des öfteren wurde der Versuch gemacht, das Privileg der v. d. Leyen zu
durchbrechen, aber ohne Erfolg; sie haben hier bis zum vorläufigen Ende der
preussischen Herrschaft das Monopol behauptet. (Vgl. aus Acta Borussica :
.,Die preussische Seidenindustrie im 18. Jahrhundert" usw. Berlin 1892,
Bd. III, S. 81 £f. und 262 ff.)
Die hier bestehende Preussische höhere Fachschule für Textil-
industrie (Direktor Lembke) teilt sich in die höhere Webe schule und
in die Färberei- und Appreturschule, mit ersterer ist verbunden eine
Musterzeichenschule, Nähschule und Stickschule. Die Webeschule bildet
Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Musterzeichner, Ein- und Verkäufer vor ; ebenso
wird die Hand- und Maschinenstickerei, Weiss- und Krawattennäherei gelehrt.
Beim Unterricht wird vorwiegend die Seiden-, Halbseiden- und Sammetindustrie
(Konfektions-, Schirm-, Möbelstoffe, Tücher, Decken, Bänder und sonstige Be-
satzartikel) berücksichtigt. Der Kursus dauert 1^2 Jahr. Das Schulgeld
(Vollschüler) beträgt für Deutsche 200 Mk. , für Ausländer 1000 Mk. pro
Jahr. Die Färberei- und Appreturschule verfolgt den Zweck, Studieren-
den der Chemie eine möglichst vollständige Ausbildung zu gewähren und
Chemiker, Färber, Bleicher, Zeugdrucker und Appreteure für ihren Beruf
auszubilden. Der vollständige Kursus dauert 2 Jahre. Das Schulgeld für
ordentliche Schüler beträgt die gleiche Summe wie in der Webeschule.
Die Königl. Gewebesammlung in Krefeld (Conservator Paul
Schulze) ist im Gebäude der vorhergenannten Fachschule aufgestellt. Sie
enthält etwa 8000 Nummern von Geweben, Stickereien, Spitzen, Teppichen
und Posamenten aller Zeiten und Völker. Moderne Textilerzeugnisse von
besonderem Wert sind daran angeschlossen. Ein Teil der Sammlung ist in
geschichtlicher Folge unter Glas und Pahmen aufgestellt und für Interessenten
zugänglich.
Der Verein zur Förderung der Textilindustrie in Krefeld
(Vorsitzender: Kaufmann Arthur Leysner, Geschäftsführer: Conservator
Paul Schulze) hat den Zweck, Fabrikanten und Musterzeichner bezüglich
der Neuheiten auf dem Gebiete der Textilindustrie auf dem Laufenden zu er-
halten. Es liegen hierzu französische Abonnements von allen Neuheiten auf,
ferner werden jährlich moderne Anschaffungen von Originalstoffen und Vor-
lagen gemacht, welche an die Mitglieder (jährlicher Beitrag 50 Mark) ver-
liehen werden.
Krempeln, Krämpeln (Streichen, Kratzen, Kardieren, Kardätschen) der
Wolle stimmt im wesentlichen mit dem K. der Baumwolle überein (s. Baum-
wollspinnerei), doch spielt das K. besonders bei der Verarbeitung der Streich-
wolle noch eine wichtigere Solle als bei der Verarbeitung der Baumwolle,
Heede, .Täte und der Kammwolle. In der eigentlichen Streichgarnspinnerei
findet ein Strecken und Doppeln gar nicht und ein besonderes Vorspinnen
nur selten statt und durch das Krempeln allein muss die nötige Gleichförmig-
keit des der Feinspinnmaschine vorzulegenden Garnes erreicht werden. Man
kratzt deshalb die Wolle mehreremal hintereinander, meist auf einem Satz von
drei, zuweilen auch von zwei oder vier Maschinen (s. Streichgarnspinnerei),
meist unter Benutzung des Kreuzungsverfahrens (s. Kreuzung).
Krempelwolf s. Wollspinnerei.
Krepon s. Crepon.
310 Krepp — Kreuzstich.
Krepp (franz. : crepe, vom lat. crispus = kraus), Kreppflor, ist ein
leichter, durchsichtiger und gekreppter Seidenstoff, sowohl weiss und schwarz
als buntfarbiger , wovon der schwarze besonders zu Trauerkleidern starke
Verwendung findet. Er wird aus der feinsten Seide verfertigt : zum Einschlag
nimmt man einen dreifach doublierten und stark gedrehten Faden, der nach
dem Zwirnen nicht stärker als der einfache Kettfaden sein darf und der des-
halb auf der grossen Zwirnmühle (Moulinage) mit eigens dazu eingerichteten
Scheiben so gezwirnt wird, dass die eine Hälfte rechts, die andere links ge-
dreht ist. Bei dem Weben werden die Eäden der Kette und des Einschlags
so auseinander gehalten, dass sie, wie bei dem Flor oder der Graze^ netzförmige
x^ugen und kleine durchsichtige Quadrate bilden. Es gibt mehrere Arten
doppelten und einfachen K.'s, die sich sowohl im Gewebe selbst und in der
Qualität, als auch in der Länge und Breite unterscheiden. Bezüglich der Breite
hat man 18 Sorten, die von 2 zu 2 steigen, indem sie von Nr. 2, als der
schmälsten, anfangen und bis Nr. 36, als der breitesten, hinaufgehen. Der
Bologneser, welcher schwarz Crespo, weiss Yelo heisst, wird von der aller-
feinsten Seide wie gewöhnlicher Flor sehr dünn und locker gewebt, aber nicht
durch heisses Wasser gekreppt, sondern auf eine ganz besondere Art zubereitet.
Eine besondere Sorte der Kreppstoffe sind die ganzseidenen Etamine mit Krepp-
gaze, welche man auch Etamines facon de Crepon nennt. (Ygl. unter Japan
den Artikel „Chirimen".)
Kreppbilder, Bilder die auf weisser Seide mit feinen seidenen, aus Krepp
gezogenen schwarzen Fäden gestickt werden und Kupferstichen ähnlich sind.
Kreszentin oder Chappe, s. Seide.
Kreuz (lat. : crux, franz. : croix, engl. : cross), als Symbol des Opfertodes
Christi und somit des Inbegriffs des Christentums seit dem frühesten Mittel-
alter auf kirchlichen Stoffen und Stickereien angewandt. In der romanischen
und gotischen Periode kommt das K. selten allein zur Anwendung, sondern
im Zusammenhange mit der Darstellung der KreuzigungChristi, besonders
auf Kasein und Antependien. Erst die Renaissance verziert die Bückseite der
Kasel wieder mit dem Kreuz allein, zu welcher Zeit es als kirchliche Kunst-
form in trefflicher Ausführung erscheint. (Vgl. kirchliche Wirk- und Stick-
muster und Abb. 154.)
Kreuzfach, die Kreuzung der Kettenfäden beim gazeartigen Grewebe.
Kreuz- oder gebrochener Köper (Serge brise), allgemein bekannt unter
dem Namen vierbindiger Atlas, trotzdem er nicht zu letzteren, sondern unter
die Abarten der Köper gehört. Die Eigentümlichkeit der Ware besteht darin,
dass ein Teil des Rapportes entgegengesetzte Richtung einnimmt, so dass, wenn
der erste Teil von links nach recbts laufend, der zweite Teil von rechts nach links
laufend seine Bindestellen hat. Die Kreuzköper wendet man meistens in Mode-
artikeln oder halbwollenen Kleiderstoffen, Kammwollstoffen (Shawls) u. dergl. an.
Kreuznaht s. Nähen.
Kreuzsteppstich kommt in der Weissstickerei auf sehr klaren Geweben
zur Verwendung. Er bildet auf der Kehrseite eine dichte Kreuznaht und
gleichzeitig eine Art Untergrund, welcher der Figur einen matten Ton verleiht.
In der Ausführung hat der K. Aehnlichkeit mit dem Steppstich; auch findet
er in Abwechselung mit der Durchbrucharbeit und Spitzenstickerei Verwendung.
Kreuzstich, in der Stickerei, am häufigsten auf Leinen, aus zwei schrägen
Stichen bestehend, welche quer übereinander gelegt, ein Kreuz bilden. Grestattet
der Grundstoff das Zählen der Gewebefäden, so wird der Kreuzstich direkt
auf demselben ausgeführt; bei dichten Stoffen bedient man sich einer Unter-
lage aus Kanevas, dessen Fäden nach Vollendung der Stickerei ausgezogen
werden. Man kennt einen einfachen oder einseitigen und einen doppelseitigen
Kreuzstich, und in letzterem hat die moderne Technik nach der Herkunft ge-
eigneter Vorbilder verschiedenartige Sticharten im Kreuzstich benannt, die
z. T. auch Abarten des Flechten-, Kästchen- und Zopfstiches sind (s. Leinen-
stickerei). Eine ausgedehnte Verwendung findet der Kreuzstich auch in der
sog. Kanevasstickerei (s. d.).
Kreuztüllgewebe — Kulieren. 311
Kreuztüllgewebe, gazeartiger Stoff aus feinen Baumwoll- und Seiden-
fäden, nach der Hauptstadt des franz. Depart. Correge, TuUe, benannt (s. Tüll).
Kreuzung. Beim Uebertragen der Wolle von EJrempel zu Krempel wird
in der Streicligarnspinnerei das Erzeugnis der ersten Krempel (in Pelz- [oder
Vlies-] oder Bandform) der nächsten Krempel entweder so vorgelegt, dass die
Haare, welche sich nahezu gleichlaufend zur Längsrichtung der Watte einge-
lagert haben, wieder in der Längsrichtung der Maschine verlaufen oder senk-
recht dazu : Uebertragung ohne und mit Kreuzung. In letzterem Falle erzielt
man ein rauheres Garn, aber innige Mischung, und man arbeitet deshalb für
Farbe- (Melangen) und Kunstwollmischungen mit Kreuzung, für Herstellung
glatter G-arne (Halbkammgarn) aber ohne Ej^euzung. (Vgl. Müller, Handbuch
der Spinnerei, Leipzig 1892.)
Kreuzzuchtwolle s. Crossbredwolle.
Krimmer s. Astrachan.
Krimpen s. Dekatieren.
Krimpkraft (Krumpkraft, Krümpkraft, Krümmkraft, Krumpfkraft) nennt
man die Eigenschaft der G-ewebe, beim Trocknen .,einzugehen" — zu schrumpfen.
Es ist dies keine Kraft, sondern nur eine Eigenschaft, die besser durch .,Krumpf-
fähigkeit" auszudrücken wäre.
Kristiania, Hauptstadt von Norwegen, bewahrt im Industriemuseum die
älteste, ziemlich genau datierbare Bildwirkerei mittelalterlich europäischen
Ursprungs, welche im 12. Jahrh. in Korwegen hergestellt ist (s. Norwegen).
Krone (lat. : corona, franz. : couronne, engl. : crown) erscheint als Stoff-
muster selten in heraldischer Bedeutung, sondern scheint sich vom x4.nfange
des 16. Jahrh. ab lediglich als künstlerische Knaufbildung einzuführen, (siehe
Knauf bil düngen.)
Kronenleinwand, Kronentücher (Lienzos de tres Coronas), gewebte Hanf-
stoffe aus Westfalen, welche mit drei Kronen gestempelt unter dem Namen
Löwentlinnen in den Handel kommen.
Krullhaar oder Krollhaar, gekräuseltes Bosshaar, das als feineres Polster-
material für Sitzmöbel verwendet wird.
Krumau (KJrummau), Stadt in Böhmen: Flachsspinnerei, Fabrikation von
Tuch und Kaschmir.
Krüseler, auch Hülle, eine Frauenhaube, die in der Mitte des 15. Jahrh.
in Mode kam. Sie rahmte das Gesicht durch eine Menge eng gefalteter Striche
von weissem, überaus feinem Leinen ein; auch war manchmal der untere Band
der kapuzenartigen Haube mit solchen Strichen versehen.
Kuba, Stadt in Bussland: Seiden- imd Teppichwebereien. (Hauptort der
Teppicherzeugung in Daghestan.)
Kuchen, Dorf im Oberamt Geislingen des württ. Donaukreises : Baum-
wollspinnerei und -Weberei.
Kufische Schrift, die von der Stadt Kufa (Provinz Irak Arabi), wo die
meisten Abschreiber waren, so benannte arabische Schrift, erscheint im Mittel-
alter auf Geweben nicht nur als Bezeichnung des Ortes der Herstellung oder
'des Zweckes, sondern auch lediglich als Ornament, weil die Technik der Weberei
durch den gewünschten symmetrischen Umschlag die Bedeutung des Schrift-
zeichens aufhebt. Schon der Araber macht auf diese Weise im 13. Jahrh.
seine Koransprüche dem Flachmuster nutzbar (s. arabischer Stil). Diese
Schriftborten übernimmt dann Spanien und Italien mit der Technik und den
Mustern der Seidenweberei vom Orient, so dass Nachklänge in den europäischen
Stoffen des 14. — 15. Jahrh. mit Spruchbändern und gotischen Minuskeln damit
in Zusammenhang gebracht werden können. In der Musterung der Knüpf-
teppiche des Orients lassen sich ähnliche Ueberlieferungen kufischer Schrift
durch die Technik verfolgen, welche im 16. Jahrh. zur Ausbildung eines breiten
arabischen Bandmusters führen.
Kula, Stadt in der türkischen Provinz A'idin : Erzeugung von Knüpf-
teppichen, welche im Handel als Smyrna-T. gelten.
Kulieren s. Wirkmaschine.
312 ' Kulierplüsch — Kunstwolle.
KulierplÜSCh s. Wirkwaren.
Kuniatstuch, grobes Wollentucli aus Siebenbürgen.
Kunstleinen, leinwandartige Stoffe, zu deren Herstellung Leinenlumpen,
abgenutztes Tauwerk usw. zerfasert werden und das Produkt nach Art der
Baumwolle gekrempelt und versponnen wird.
Künstliche Seide zu erzeugen bat in neuerer Zeit viele Techniker und
Chemiker beschäftigt. Frühere Versuche, eine Faser herzustellen, die den
Eigenschaften der Seide ähnlich war, schlugen fehl. (Vgl. Silbermann, Die
Seide usw. Dresden 1897. Bd. II. S. 115 ff.) Noch im Jahre 1879 erregte
die sog. Similiseide in Lyon grosses Aufsehen, entpuppte sich aber als Betrug.
Ein gutes Ersatzmittel für die echte S. ist in der wilden S. gegeben; auch
wurde versucht, die Ramie (Chinagras) ihres Glanzes halber als Surrogat der
S. zu verwenden, ebenso versuchte man aus der Bastfaser des Maulbeerbaumes
ein der Seide gleichkommendes Rohmaterial herzustellen. Als Grundstoff für
das Surrogat der künstlichen S. wählte man die durch Behandlung mit Salpeter-
schwefelsäure aus der Zellulose (Baumwolle oder Holzstoff) gewonnene Nitro-
zellulose, die sog. Schiessbaumwolle oder das Pyroxylin in verschiedenen Stufen
der Nitrierung. Nach Silbermann kannte man 1897 folgende Arten der künst-
lichen Seide: ein im Jahre 1885 von Graf de Chardonnet erfundenes
Verfahren, das seither neue Vervollkommnungen erfahren hat; ein im März
1889 als Patent angemeldetes Verfahren von Du Vivier; das im November
gleichen Jahres angemeldete Verfahren von Dr. Lehner in Augsburg und
endlich die neuesten Verfahren vonCadoreh und Langhans. — Künstliche
Seide wird auch aus gefärbten oder metallglänzenden Kollodiumfäden her-
gestellt.
Kunststickereifachschulen, Anstalten zur Ausbildung in der Weiss- und
Buntstickerei für das weibliche Geschlecht. In Preussen liegt die Leitung der-
selben, welche mit den Webe- und sonstigen Schulen für Textilindustrie ver-
bunden sind, in Händen der Kgl. Zentralstelle (s. Berlin, S. 82); ferner besteht
eine Abteilung an der Kunsthandarbeitsschule des Lettevereins zu Berlin und eine
mit der Königl. Zeichenakademie zu Hanau verbundene Fachschule für Kunst-
stickerei mit zweijährigem Unterrichtsgang. Sachsen besitzt zwei vom Staate
beaufsichtigte Privatinstitute für Kunststickerei, die Fachschule des Frauen-
erwerbvereins zu Dresden (seit 1877) und eine Abteilung an der höheren Fach-
und weiblichen Gewerbeschule, sowie Handarbeitslehrerinnenseminar zu Leipzig
(seit 1875). Besondere Sorgfalt hat man in Oesterreich diesem Unterricht zu-
gewendet. Dort besteht die Fachschule für Kunststickerei zu Wien (1874),
die Kunststickerei zu Laibach (1891) und die mit der k. k. Staatsgewerbe-
schule verbundene Fachschule für Kunststickerei zu Triest.
Kunstwolle, Lumpenwolle (franz. : laine artificielle, engl. : Shoddy, Mungo),
Ersatzstoff für Naturwolle, der durch das Zerfasern wollener Lumpen, sowie
von Garnabfällen aus Spinnerei und Weberei oder auch von Tuchlumpen ge-
wonnen wird (im letzteren Fall Mungo genannt). Die K. wird meist mit natür-
licher Wolle gemischt, als Einschlag zu wohlfeilen Tuchen von feinem Aus-
sehen, aber geringerer Haltbarkeit gearbeitet. Die Verarbeitung der Lumpen
geschieht in der Weise, dass man dieselben zuerst wäscht, dann sortiert und
jene, welche neben Wolle auch noch Baumwolle enthalten, dem sog. Karboni-
sieren unterwirft, d. h. mit Dämpfen von Salzsäuren behandelt, wodurch die
Baumwolle zerstört wird. Die sortierten und genügend gereinigten Lumpen
werden auf dem Wolf, einer mit Stahlspitzen besetzten Trommel, welche in
einem ebenfalls mit Stahlspitzen besetzten Gehäuse rasch umläuft, zerrissen.
Die sich ergebenden Fasern werden mit Hilfe von Krempelmaschinen gfleich
gerichtet, so dass man eine lockere Watte erhält, die dann zu Bändern gestreckt
wird, welche immer länger und dünner ausgezogen werden, bis man endlich
spinnbare Fäden bekommt, die zu Geweben verarbeitet werden. Die sog.
Schneiderlumpen, d. h. Abfälle von neuen Tuchen, sind für den Zweig der
K.-Fabrikation das beste Material und werden die aus demselben dargestellten
Fabrikate gewöhnlich als Mungo bezeichnet. Die K.-Garne werden in vielen
Kurdistan — Lachorias. 313
Fällen mit neuen Wollfäden zu billigerer Ware versponnen. Manche Grewebe^
der eigentliche Shoddy, bestehen aber nur aus K. und haben daher auch nur
eine geringe Festigkeit und Haltbarkeit. Die K. -Industrie ist zwar ein Ge-
werbe, durch welches grosse Mengen von Abfällen, welche sonst wertlos wären,
wieder in brauchbare Waren übergeführt werden, und man hat es soweit ge-
bracht, solche Waren derart herzurichten, dass sie vom Nichtkenner für feine
Schafwollstoffe gehalten werden; sie wird aber leider auch vielfach missbraucht,
indem ein grosser Teil angeblich neuer Schafwollgewebe eine sehr beträchtliche
Beimengung von K, enthält und hierdurch bei schönem Aussehen an innerem
Wert verliert.
Kurdistan, umfasst das Gebiet der Kurden, die türkischen Provinzen
Diabekr, Erzerum, z. T. Bagdad, sowie die persischen Provinzen Kurdistan
oder Ardilan mit der Hauptstadt Kirmanschah. Die Wanderstämme der Kurden
erzeugen die besten Teppiche, welche bei der grossen Ausdehnung des Gebietes
unter verschiedenen Bezeichnungen in den Handel kommen.
Kurdistan-Kilims sind die feinsten glatten Teppiche, welche Persien jetzt
produziert. Dieselben sind nicht geknüpft, sondern in feiner Schlitz Wirkerei
hergestellt; sie zeigen entweder ein Heratimuster und Palmwipfel, oft haben
sie auch im Innern ein ovales Medaillon (s. Kilim).
Kurk ist die teuerste (Flaum-) Wolle in persischen Teppichen: das sind
die kleinen feinen unteren Haare, welche eine besondere Ziegenart (bei Kirman)
im Frühjahr verliert. Mit K. gewebte Teppiche gehören zu den grössten
Seltenheiten und werden nur auf Bestellung hergestellt, da K. viel teurer als
Seide zu stehen kommt. Bei den Nomadenvölkern werden daraus Teppiche
für die Aussteuer gemacht; auch sind die berühmten Kirmaner Shawls daraus;
gefertigt.
Kurvenstil ist die allgemeine Bezeichnung im Bereiche der Kunstformen
des französischen Barockstils, welche von Daniel Marot (1650 — 1712), Jean
Berain (1638-1711), Charles Boulle (1647— 173?!) ausgebildet wurden und sich
aus volutenartig geschlungenen Bandornamenten zusammensetzen. Für das'
Flachmuster sind namentlich die Entwürfe von Marot von Bedeutung ge-
worden und als Bandaufnäharbeit verwendet. (Vgl. Abb. 35.)
Kusir, Nähseide (s. Seide).
Kutil, modernes festes Gewebe aus grober Baumwolle.
Kutte, der weite, bis auf die Füsse herabreichende, um die Hüften durch
einen Strick oder Gürtel zusammengehaltene Hock der Mönche, der am Nacken
mit einer Kapuze versehen ist.
L.
Lace, im Englischen „die Spitze", dessen Abstammung wohl im italie-
nischen „laccio oder lacetto" zu suchen ist: dort ist es die Bezeichnung
für eine Yerschlingung aus Fäden oder wie es in alten Musterbüchern wörtlich
übersetzt wird „geschlungenes oder verstricktes Werk", womit also die innere
Zeichnung gemeint war. In England versteht man unter L. im allgemeinen
eine geklöppelte Spitze, in welchem Sinne die Ableitung des Wortes auch
mit der Bedeutung für Litze, Tresse, Borte usw. im Zusammenhange stehen
kann, so dass man von einer point lace, oder von einer Spitze mit eingenähter
geklöppelter Litze spricht, (s. Litzenspitze.)
Lacerna, ein IJebergewand der ßömer, leichter als die Toga (s. d.), wurde
über beide Schultern gelegt und vorn mit einem Knopf geschlossen.
Lacet (franz.), Schnürband, Schnürsenkel.
Lachorias sind ostindische Baumwollzeuge von Patna, welche im ost-
indischen Handel vorkommen.
314 Lacieren — Lambrequins.
Lacieren (franz.), einschnüren, zuschnüren, mit Band durchflechten.
Lacis (franz.), netzförmiges G-ewebe, Netzarbeit.
Lacovries, baumwollene ostind. Gewebe, welche die Dänen früher brachten.
Lade, in der Weberei der den Weberkamm einschliessende Rahmen mit
dem L a d e n b a u m , dem unteren schweren Querholze, dem Ladenstock oder
oberen Querholze, welches auf den Balken des Webstuhlgestelies ruht, und dem
Ladendeckel, ebenfalls einem Querholze, welches den Weberkamm festhält.
Die L. dient dazu, um den Einschlagfaden, der quer durch die Kette gelegt
wird, anzuschlagen, d. h. den zuletzt eingetragenen Schussfaden glatt an das
Gewebe zu drücken. Es gibt je nach der Art des herzustellenden Gewebes
verschiedene Arten von L. : die Handlade, Schnelllade, Broschierlade, Wippchen-
lade, Wechsellade, Lanzierlade. In der Flachsspinnerei nennt man L. den un-
beweglichen Teil der Handbreche.
Ladik, eine Art von Smyrna-Kuüpfteppichen.
Ladines, ein veralteter geköperter Wollenstoff, der buntgestreift oder
getupft gewebt wird und durch die Heissmange (Glossing maschine) eine glänzende
Appretur erhielt.
Lady-Coating, der feinste, leichteste Fries, eine Art Tuchgewebe.
Laguary, kolumbische Baumwollsorte.
Lahn (franz. la lame, engl, finsel, ital. lame) heisst der dünne, geplättete
Metalldraht, der entweder über Seide gesponnen oder allein zu Spitzen, Zeugen,
Borten und dergl. verarbeitet wird. Es gibt Goldlahn, Silberlahn, leonischen
oder unechten Lahn. Er ist auf kleinen BöUchen von einer halben oder ganzen
Unze im Gewicht. Man bezieht ihn von Augsburg, Berlin, Wien, Nürnberg
und Freiberg. Lahnbänder (Lahn und Seide zusammengewebt) werden noch
in Annaberg gefertigt und für gewisse Yolkstrachten gebraucht. Lahnzeuge
für Maskeraden- und Theateranzüge webt man in Chemnitz. Die Fabrikation
von Lahntressen wird in Freiberg betrieben, sie unterscheidet sich in
Ga Ionen, Gaze und Korallenarbeit. Lahnarbeit in echter Ware
wird in vielen Städten Deutschlands, namentlich Nürnberg und Leipzig, ge-
macht; höchst bedeutend ist die Fabrikation aber in Moskau (Bussland).
Lahnborten, die aus Lahn hergestellten Gold- und Silberborten.
Lahore oder Lahaur, Hauptstadt in der indobritischen Gouverneurs chaft
Pandschab : Fabrikation von Baumwollstoffen, Flanellen, Seidenstoffen, Gold-
und Silberlitzen. In früherer Zeit Fabrikation von Teppichen : Ende der 80er
Jahre sind solche aus dem 16. Jahrhundert entdeckt, welche im Jeyporemuseum
untergebracht wurden, (s. Indien.)
Laibach, Stadt im österreichischen Kronlande Krain: Baumwollspinnerei,
Tuchfabrikation. Fachschule für Kunststickerei, Spitzenindustrie.
Lamas, 1. flanellähnliche Stoffe aus Streichwolle, schlicht gewebt, doch
zuweilen auch geköpert und gemustert; sie haben eine schwache Haardecke,
durch welche das Gewebe sichtbar ist , sind einfarbig oder bunt, gestreift,
kariert oder geflammt und dienen als Futter für AVinterkleider, zu Mänteln usw.
Mitunter gibt man den Namen auch besseren Stoffen, die gewöhnlich Napoli-
taine heissen. 2. in Italien glatte, reiche und halbreiche Stoffe. Der Aufzug
ist von Organsinseide, der Einschuss von Tramseide, das Gold und Siber echt.
Die ganz reichen nennt man tutta lama, die halbreichen mezza lama. Sie
w^erden zu Neapel, Messina und Venedig gewebt.
Lambrecht, Stadt des bayer. Beg.-Bez. Pfalz : Bedeutende Tuchfabrikation,
Watte und Wollfilz. Seit 1900 höhere Webschule.
Lambrequins sind ausgezackte Behänge für Bortenabschlüsse über
Fenstern, Türen und dergl., sowie an Decken- und anderen Behangsto^en.
Ihre Entstehung wird mit der Entwickelung des Zackenmusters zusammen-
hängen, das wiederum durch die genähte und geklöppelte Spitze eine Aus-
bildung erhielt. Allmählich sind die Bogenfelder auch als Musterung für ge-
webte und gestickte Stoffe als abgepasste Streifen allgemein geworden , ohne
dass man sie ausschneidet. (Vgl. die Abb. 38, 39, 41 u. 3 auf Tafel IX.)
Eine besondere Art von lambrequinartigen Feldern in glatten Borten ist ge-
Lametta — Lanciert.
315
Abb. 170.
bildet durch das IJmsclilagen des arabischen Spitzbogens, dessen Motiv auf
persischen und indischen Teppichen und Decken oft wiederkehrt. (Vgl-
Abb. 170.)
Abbildung:
170. Darstellung aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Blatt 17. Borte in
farbigem Zeugdruck mit gefüllten Lambrequinfeldern. Indien 19. Jahrh.
Lametta, feine Metallfäden, die durch Ziehen von versilberten Kupfer-
stangen hergestellt und mit denen Stoffe zu Gewändern durchwebt werden.
Laminieren, soviel wie zwischen Walzen strecken, z. B. die für den
Spinnprozess vorzubereitende Baumwolle auf dem Laminierstuhl oder der
Streckmaschine.
Lamm Gottes, s, Agnus Dei.
Lampas, ursprünglich ostind. gemalte Seidenstoffe , welche durch die
Holländer nach Europa kamen, und jetzt noch zuweilen über Kopenhagen in
den Handel gebracht werden. Gegenwärtig versteht man unter dem Namen
Lampas reich gemusterte Seidenstoffe zu Möbeln und Tapeten, Kirchenornaten
und dergleichen.
Lampendocht, s. Docht.
Lamskin, streichwollnes Plüschgewebe, Nachahmung von kurzem Lammfell.
Lanark, Stadt in Südschottland : Baumwollspinnerei und Strumpfwirkerei.
Lanas churras, s. Wolle.
Lana SUCida nennt man auf allen italienischen Handelsplätzen jede un-
gewaschene und unreine Schafwolle, besonders aber die aus der Levante,
Berberei, Morea, Dalmatien usw. kommenden Sorten.
Lancashire oder Lancaster, engl. Grafschaft: bedeutendstes textiles
Industriegebiet Englands (s. d.). Schon unter Heinrich VIII (1509 — 47) be-
ginnt hier die Verarbeitung der Baumwolle, welche durch protestantische
Flüchtlinge von Italien dahin gebracht wird.
Lanciert, (franz.) lanziert, heissen gemusterte Gewebe, welche ausser
dem Grundschuss noch einen Figurenschuss haben , dessen Fäden aber nicht,
wie bei den broschierten Stoffen, nur in der Breite der Figur, sondern in der
ganzen Breite des Gewebes hinlaufen und auf der unrechten Seite öfters flott
liegen.
316 Laiicut — Lappets-Musseline.
Lancut, Stadt in Galizien: rachwerkstätten für Weberei; Tuchfabriken,
Leinwandbleicherei; Handel mit Flachs.
Landeck in Westpreussen, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Marienwerder:
Tuchweberei und Wollspinnerei.
Landserge, buntgefärbte geköperte Wollenstofife, welche ehedem in Hof
und in Weiden in der Oberpfalz verfertigt und von den Landleuten getragen
wurden.
Landtücher, diese Bezeichnung gibt man sowohl im allgemeinen den aus
inländischer Wolle, als auch besonders den in den Landstädten verfertigten wollenen
Tüchern.
Langenberg, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Düsseldorf: Bedeutende Seiden-
und Halbseidenstoff- sowie Seidenbandfabrikation; Färbereien.
Langenbielau, Dorf im preuss. Reg.-Bez. Breslau: Bedeutende mechan.
Webereien für Baumwoll- und Leinenwaren (Firma Christ. Dierog mit 3000
Arbeitern), grosse Grarnfärbereien und -Bleichen.
Langensalza, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Erfurt : Kammgarnspinnerei,
Baumwollweberei, Nessel-, Strickgarn- und Tuchfabrikation. Um 1670 wurden
hier Halbseidenmanufakturen gegründet; die Baschmacher Formfeist und
Schreiber kamen im Jahre 1668 von ihren Wanderungen aus der Schweiz
zurück und verwerteten ihre Kunst in L. durch Herstellung von geblümten
Taffeten, Atlassen und anderen Seidenzeugen, mit baumwollenem oder leinenem
Einschlag. Schüler und Nachkommen errichteten im 18. Jahrhundert weitere
Manufakturen und so kam das Gewerbe zu immer höherer Blüte. Im Jahre
1720 war hier die Zahl der Seidenwirker so gross, dass sie von Kurfürst
August III ein Innungsstatut erhielten. Gottlieb Gräser führte daselbst auch
die Fabrikation reinseidener Gewebe ein.
Langenthai, Marktflecken des Schweiz. Kantons Bern : Fabrikation von
Leinen-, Woll- und Halbwollwaren.
Langnau im Emmental, Dorf im Schweiz. Kanton Bern: Gerbereien,
Bleichen, Tuchfabriken und Leinenindustrie.
Languenane oder Bourriere, eine aus dem besten und reinsten Flachs
gewebte französische Leinwand, die ihrer Güte und Dauer wegen sehr gesucht
wird. Vorzüglich schön macht man sie im Departement der Nordküsten, zu
Dinan, St. Brieux und den umliegenden Dörfern.
Languetten- oder Schlingenstich, eine in der Weissstickerei übliche
Stichart (s. Stickerei).
Langwaren nannte man früher alle die Gewebe, welche im Kleinhandel
nach der Elle gemessen wurden.
Lanilla de Colores ist eine Handelsbezeichnung an der Westküste von
Südamerika für eine Gattung mittelfeiner englischer Sergen von hartem
Kammgarn.
Lanipendium (lat.), Baum in den Nonnenklöstern für die Wollenspinne-
reien und die wollenen Gewänder der Nonnen.
Lannoy, eine Gattung Tripp (s. d.), die in der Gegend bei Byssel ge-
webt wird.
Laon, Stadt im franz. Depart. Aisne : Fabrikation von Leinwand, Strumpf-
waren, Wolldecken, Tuch.
Lapisdruck, in der Zeugdruckerei eine Methode zur Erzielung von
bunten Mustern auf Küpengrund, die darin besteht, dass man auf weisse Baum-
wolle eine Beservage, die eine Beize (Tonerde = Eisenbeize) enthält, auf-
druckt, dann mit Indigo färbt und schliesslich mit einem Beizenfarbstoff, der
dann nur an den bedruckten Stellen fixiert wird; die Erzeugnisse hassen
Lapisartikel.
Lappets-Musseline nennt man auf beiden Seiten rechts broschierte oder
figurierte Musseline, meistenteils mit erhabenen Streifen, zwischen welchen die
runden durchbrochenen Muster sich befinden ; die Kette ist Muletwist und der
Einschlag Weftgarn. Sie werden auf einem eigenen dazu erfundenen Stuhle
gewebt, den man Lappet-Stuhl nennt.
Lappingmaschine — Leggen. 317
Lappingmaschine, soviel wie Doubliermaschine.
Las pointas, Bezeichnung der Spitzen von le Puy durch die spanischen
Bewohner.
LastingS sind ^ollatlasse, d. h. nach Atlasart dichtgewebte Zeuge aus
hartem Kammgarn, die meist nur in schwarz und andern dunkeln Farben vor-
kommen und als Möbelstoffe, zu Schuhen, Halsbinden und Kleiderstoffen dienen.
Häufig ist der Stoff ein gemischter, mit Kette von Baumwollzwirn, und heisst
dann zuweilen Paramatta.
Latisclavus (lat.), breiter Purpurstreifen an den Grewändern des frühen
Mittelalters. (Vgl. Koptische Textilfunde.)
Lauban, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Liegnitz : Leinen- und Baumwoll-
weberei, Grarnbleiche, Kattundruckerei und Färberei.
Lauenburg in Pommern: Mechan. "Webereien und Wollspinnerei.
Laufen, Stadt im Schweiz. Kanton Bern: Leinwand- und Grarnweberei,
Seidenindustrie.
Laufenburg, Stadt des bad. Kreises Waldshut: Baumwollweberei, Seiden-
zwirnerei und Seidenstoffweberei.
Laufender Hund, s. Wogenbaud.
Lauffäden der Gimpenspitzeu werden aus ganz feiner Seide oder anderen
feinen Fäden gebildet; sie treten gegenüber den starken Schnüren zurück:
s. Kissfäden.
Laufmasche, ein in Wirkware bisweilen als Fehler entstehendes, bis-
weilen aber auch zur Musterbildung absichtlich hergestelltes breites Platinen-
maschenstäbchen.
Laval, Stadt des franz. Depart. Mayenne : Sehr bedeutend sind Fabri-
kation von Leinwand, Zwillich, Kattun und andern Baumwollwaren.
Lavalsche Leinen, Toiles de Laval, ist der allgemeine Name verschie-
dener Sorten franz. Flachsleinwand, welche im Depart. der Mayenne und im
LTmkreis von mehreren Meilen verfertigt werden und die ihren Namen von der
Stadt Laval, wohin sie die Weber zum Verkauf bringen, erhalten haben, weil
sie von dort aus appretiert und sortiert weiter verschickt werden.
Lavoro di maglio (ital.), s. v. w. Maschenarbeit.
Lawn, ist die englische Benennung der schlesischen Schleierleinwand.
— Die Bezeichnung L. wird gegenwärtig in England und Schottland auch
für baumwollene Stoffe ähnlicher Art wie die leinenen gebraucht, (s. a.
Linon.)
Lea (engl.), Grebinde von Grarn.
Lebensbaum, heiliger Baum, s. Baum als Stoffmuster.
Lecco, Hauptort der ital. Provinz Como : Seidenbau, Seiden- und Baum-
wollfabriken.
Leck, Dorf des preuss. Peg.-Bez. Schleswig: Wollspinnerei, Tuchfabrik
mit Färberei und Walkerei.
Lectoure, Stadt des franz. Depart. Grers : Wollspinnerei, Fabriken für
Wollzeuge und grobes Tuch.
Lederleinwand, s. Creas und Coram.
Ledertuch, ein nach Wachstuchart mit Leinölfirnis unter Zusatz von
Erdfarbe überzogener Baumwollstoff, häufig Barchent, welchem man durch
Pressen zwischen gravierten Walzen die dem Saffian oder andern feinen Leder-
arten eigentümlichen Narben gibt. Es wird zu Tischdecken, zum Beziehen von
Stühlen, Sofas u. dgl. verwendet.
Leeds, Stadt in der engl. Grafschaft York: Unter den Industriezweigen
sind Flachsspinnerei, die Anfertigung von Kleidungsstücken, vor allem die von
Mützen und Damenkonfektion, und die Grerberei hervorzuheben. Schon im
17. Jahrh. Sitz der Wollmanufaktur.
Leek, Stadt in der englischen Grafschaft Stafford: Seidenspinnerei;
Fabrikation von Borten.
Leggen, die in einzelnen Webereidistrikten vorhandenen amtlichen An-
stalten zur Kontrolle der Leinenwaren nach Länge und Breite der Stücke so-
318
Lehrte — Leinendamast.
wie nacli Qualität; sie wurden in den Provinzen Westpreussen, Hannover und
Hessen 1875 aufgehoben.
Lehrte, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Lüneburg: zwei Wollgarnspinnereien.
Leichentuch, (lat. pallium emortuale; franz.: drap mortuaire ; palle
funeraire; engl: funeral pall); zur Bedeckung eines Leichnams oder Sarges
dienendes Tuch. Schon seit dem frühen Mittelalter gebräuchlich : Viele
derartigen Tücher kommen als Hülle vollständig bekleideter Toten in koptischen
Grräbern des 5. — 7. Jahrh. vor. Seidene gewebte Sargdecken sind auch im
Orient üblich und mit Koransprüchen gemustert; sie kommen aus der Türkei
(Skutari) in rot und Aveissem Atlasgewebe.
Leichlingen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Rotfärberei, Woll-
spinnereien, median. Webereien und Färbereien, Hausindustrie in Plüsch-
weberei.
Leiden oder Leyden, Stadt in der niederländ. Provinz Südholland: Be-
trächtlichen Erwerbszweig bildeten im 18. Jahrh. die Tuchfabriken. Nach
einer Zeit des tiefsten Verfalls (besonders seit der franz. Herrschaft) hat L.
sich in den letzten 50 Jahren wieder erholt, es fabriziert Tuche, Kattun,
Decken und treibt Wollhandel.
Lein, (lat.: linum usitatissimus ; franz.: lin; ital. : lino ; engl.: linum).
Die L. -Pflanze wird seit alter Zeit in verschiedenen Arten gepflanzt und teils
ihrer G-espinstfasern , teils ihrer ölreichen Samen
wegen gebaut. Die Gespinstfasern, welche als ^]j\^ ^rj^
Halbpro duckt den Namen Plachs (s. d.) führen,
sind von Bedeutung zur Anfertigung von Leinen-
garn, aus Avelchem die Leinwand erzeugt wird. _.^.,«?^
\^ Jf' n
Abbildung:
171. Darstellung aus : Buch der Erfindungen,
Leipzig und Berlin 1879. Bd. 6: Leinpflanze.
Leinendamast, (franz.: linge damassee; engl.:
linnen-damask) ; wird in den besten Arten aus
feinsten Leinengespinsten, auch mit Seide, in ge-
wöhnlicheren Sorten mit Vermischung von Baum-
wolle gewebt. Das Gewebe selbst ist wie jeder
andere Damast durchweg ein fünf- bis achtbindiger,
in den feinsten Sorten zwölfbindiger Köper oder
Atlas. Leinendamast zeigt von allen D. die grösste
Mannigfaltigkeit mit Bücksicht auf Muster, Fein-
heit und Breite ; er wird gegenwärtig fast nur noch
abgepasst, d. h. nach bestimmtem Mass mit Ein-
fassung, Mittelstück und Ecken gearbeitet und zu
Tafeltüchern, Servietten und Handtüchern ver-
wendet. Derselbe ist ganz weiss, indem das Muster
auf der einen Seite glänzend in mattem Grunde,
auf der anderen matt in glänzendem Grunde er-
scheint, oder weiss und gelblich (naturfarbig), in-
dem die Figur auf der einen Seite hell in dunk-
lerem Grunde, auf der anderen dunkel in hellerem
Grunde erscheint. Der älteste Leinendamast wird
in Nachahmung des italienischen Seidendamastes
im 16. Jahrhundert in Deutschland (Augsburg) ^
erzeugt , die Musterung ist anfangs geometrisch : schachbrettartig , mit Sternen
oder aus sogen, versetzten Steinmustern , die auch in ältesten sizilianischen
Seidendamastgeweben erscheinen. (Vgl. Abb. 55.) Im 17. Jahrhundert wird
Sachsen in der Leinendamastweberei berühmt, ihre Musterung folgt dem Stile
der Zeit (Abb. 172), woselbst das geknickte Band vorherrschend ist; später
aber das Blumenmuster bevorzugt. (Abb. 173.) Böhmen und Schlesien werden
Leinendamast.
319
im 18. Jahrh. für Leinendamastw-eberei bedeutend; aus Schlesien und Sachsen
kommen in vielen Beispielen die sogen. Friedensdecken (Abb. 174), welche
Abb. 172.
zur Erinnerung an die Friedenschlüsse von Breslau (1742), von Dresden (1745)
und von Hubertsburg (1763) gewebt worden sind. — Vgl. E. Kumsch,
Leinendamastmuster des 17. und 18. Jahrh. Dresden 1891.
Abb. 173.
Abbildungen:
172. Darstellung aus Kumsch, Leinendamastmuster, Bl. VI: Borte eines Leinen-
damasttuches mit Ornament aus Band- und Blattwerk. Sachsen Anf. 18. Jahrh.
173. Darstellung wie vorher^ Blatt VI: Teil einer Leinendamastdecke, rot und
weiss mit Rand aus Früchten und Blumen, in Mitte Blumenkorb. Sachsen Mitte
18. Jahrh.
174. Darstellung aus der Zeitschrift : „Sammler-Daheim", 1902, Nr. 20: Leinen-
damasttischdecke , zur Erinnerung an den Frieden von Hubertsburg gewebt. Rand
320
Leinengarn.
Abb. 174.
mit Jagdscenen, in Mitte Darstellung der Herrscher mit dem Alliancewappen und dem
Schloss Hubertsburg. Sachsen 1763.
Leinengarn. Der aus der Faser des Machses gesponnene Faden wird
Flachsgarn, häufiger Leinengarn genannt; bei den daraus gefertigten
Geweben hingegen greift die Bezeichnung Leinen ausschliesslich Platz.
"Während in alter Zeit die Anfertigung des L. aus Flachs vornehmlich Gegen-
stand der Hausindustrie war und der Flachs durch Handarbeit zu Garn ver-
sponnen wurde , ist dieser Industriezweig gegenwärtig ganz in den Hinter-
grund getreten und wird L. sowie Gewebe aus demselben jetzt meistens unter
Anwendung von Maschinen hergestellt. Die Handspinnerei auf dem E,ade wird
in den Webereidistrikten z. Z. noch gewerbsmässig von den armen Familien
betrieben und die Garne werden entweder durch Aufkäufer gesammelt und
den AYebereien übermittelt, oder, wie namentlich in Böhmen, an bestimmten
Plätzen (Trautenau) zu Markte gebracht. Die Yerspinnung des Flachses auf
Maschinen nahm schon im Anfange des 19. Jahrh. in England ihren Anfang,
indessen hat man erst seit etwa 50 Jahren damit befriedigende Erfolge erzielt,
wozu die Engländer in der Ausbildung der dazu erforderlichen Hilfsmittel
am meisten beigetragen haben. Es bestehen zwischen Maschinen- und Hand-
gespinst wesentliche Unterschiede, indem jede der beiden Arten ihre be-
sonderen Vorzüge und Mängel hat, welche für die Verwendung massgebend
sind. Nicht durch die Preisverschiedenheit hat ersteres das letzte verdrängt,
sondern durch die grössere Gleichmässigkeit des Fadens. Derselbe ist beim
Maschinengarn immer gleichmässig voll und gerundet, das Handgarn dagegen
häufig stellenweise dünner oder dicker, kantig und nicht frei von Knötchen.
Dagegen ist es weit glatter als jenes, was durch hervorstehende feine Härchen
rauh und wollig erscheint. Hiernach besonders unterscheiden sich beide Arten
von Garnen. Das fadengleiche Maschinengarn wird überall dort angewendet,
Leinengewebe. 321
wo auf seine Eigenschaft etwas ankommt, oder bei Zwirn, glatten Bändern
und Leinen. Die Gewebe daraus entbehren aber des eigentümlichen Leinen-
glanzes, sie erscheinen nach der Bleiche rauh und reiben sich beim Tragen
noch wolliger, unterliegen daher auch schneller der Abnützung. Wenn also
der Leinenglanz (d. i. der sogen. Spiegel) zur G-eltung kommen soll, ist das
Handgarn nicht zu verdrängen. Es kann sich überhaupt um so eher gegen
die Maschine behaupten, je besser gesponnen wird. — Die Leinengarne werden
je nach ihrer Bestimmung, ob sie zum Verweben oder zu Zwirnen dienen
sollen, schon beim Spinnen verschieden fest gedreht. Das Kettgarn erhält
mehr Drehung als das mehr lockere Schussgarn ; das zu Zwirn bestimmte wird
ebenfalls weniger fest gesponnen. — Leinenzwirn entsteht durch Zusammen-
drehen von 2, 3 oder 4 einzelnen Garnfäden zu einem ganzen; und zwar ge-
schieht diese Drehung entgegengesetzt derjenigen, unter welcher das Garn
entstand. Das Zwirnen erfolgt auf Zwirnrädern oder zusammengesetzten Zwirn-
maschinen, die in der Konstruktion Aehnlichkeit mit einer Waterspinnmaschiue
haben. Berühmt sind die belgischen Zwirne , die zu den vorzüglich feinen
Spitzen dienen. Von solcher Ware wird das Kilo bis zu 1700 Mark bezahlt.
Englische und schottische Zwirne sind besonders fest und von schönem Aus-
sehen. Auch Frankreich liefert gute Sorten, u. a. den Liller Glanzzwirn. In
Böhmen, Mähren, Sachsen werden gleichfalls gute Zwirne gefertigt. — (S. a.
Garn und Garnsorten.)
Leinengewebe , Leinwand oder Linnen (franz. : toile ; engl. : linen) sind
aus Flachs, Hanf oder Heede hergestellt; ihre Bindung ist typisch für die
glatten Gewebe. Die Kette ist in zwei gleiche Abteilungen geordnet, welche
die Fäden 1, 3, 5 bezw. 2, 4, 6 enthalten und werden diese beim Weben ab-
wechselnd nach oben und unten gezogen, so dass nur zwei Tritte am Web-
stuhl nötig sind. Nach dem verwendeten Material unterscheidet man Flachs-
leinen (aus reinem gehechelten Flachs), Hanfleinen (aus reinem Hanf oder mit
hänfener Kette und Einschlag von Flachsgarn), Heede- oder Wergleinen, halb-
flächsene oder Halbheedeleinen, Halblaken (mit Kette von Flachsgarn und Ein-
schlag von Heedegarn), halbbaumwollene L. oder Halbleinen (mit Kette von
Baumwollgarn und Einschlag von Flachsgarn oder umgekehrt). Die stärkste
der zahlreichen Leinensorten ist das Segeltuch, das in besseren Qualitäten
aus reinem Hanfgarn, in geringeren aus unreinem, Knoten enthaltenem Werg
hergestellt wird. Dann schliessen sich an die verschiedenen Arten der Sack-
und Pack-L. — Zu den guten, dicht gearbeiteten Sorten der L. sind zu
rechnen: Das Hausleinen, die böhmischen und schlesischen Creas. Zu den
leichteren Sorten gehören die böhmischen und schlesischen Schockleinen,
die sogen. Futterleinen, welche stark appretiert und entweder ungebleicht
oder schwarzgrau u. s. w. gefärbt und marmoriert sind; im ersteren Falle
heissen sie Franzleinen, im letzteren Moorleinen; das Steifleinen, sehr
lose gewebt und durch starke Appretur steif gemacht. — Ausser dem weissen
Leinen gibt es bunte und farbige Sorten, welche entweder aus gefärbtem Garn
streifig oder kariert gewebt oder in Stücke gefärbt , oder wie Kattun ge-
druckt sind. Andere Gewebe aus Leinengarn sind Damast, Drell, Batist,
Linon und Gazen. Ein neuer Artikel in der Leinenbranche ist Leinenplüsch,
der sich durch Haltbarkeit auszeichnet. Um das Leinen auf seine Echtheit
zu prüfen, wird ein Streifen des Gewebes an einer Ecke ausgefasert, einen
Augenblick in eine Lösung von Fuchsin in gewöhnlichen Spiritus getaucht,
dann so lange mit Wasser übergössen , bis dasselbe ungetärbt abläuft. Noch
feucht wird die Probe 1 — 2 Min. in eine Salmiaklösung getaucht; sobald die-
selbe an der Luft trocken geworden ist, werden etwaige Baumwollfäden weiss
erscheinen, während die Flachsfäden die Farbe behalten haben. —
Die Herstellung von Leinengeweben ist uralt, schon im alten
Aegypten und anderen Ländern des Morgenlandes wurden im Altertum Ge-
wänder daraus getragen, deren feinste aus dem sogen. Byssus (s. d.) be-
standen. Auch die alten Griechen und Bömer trugen leinene Kleider. Wie
die aus koptischen Textilfunden (s. d.) stammenden Leinengewebe zeigen,
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 21
322 Leinenindustrie — Leinenstickerei.
waren solche schon im frühen Mittelalter bunt gewürfelt und kariert. In
späterer Zeit ist die Verwendung der Leinwand zu Kleiderstoffen zurück-
gegangen und vielfach durch baumwollene Stoffe ersetzt.
Die Leinenindustrie war im 15. und 16. Jahrh. nirgends so entwickelt
als in Deutschland; indessen schädigte der dr eis sigj ährige Krieg und die
späteren Kriege dieselbe aufs schwerste. Die lange Friedenszeit von 1815 ab
Hess zwar die Leinenweberei in Westfalen, Schlesien, der Lausitz, in Württem-
berg neu aufblühen ; aber die inzwischen erstarkte ausländische Konkurrenz
machte sich doch stärker als zuvor geltend, zumal da man in England, Frank-
reich und Belgien sowohl in der Spinnerei , als auch in der Weberei früher
zum Maschinenbetriebe gelangte.
An der Spitze der Leinenindustrie steht Grossbritannien, vor allem
Irland. Hauptsitze der Spinnerei von Leinengarnen sind Leeds , Breadford,
Dundee, Belfast, Huddersfield , Manchester; die Weberei hat auch in Irland
ihren Hauptsitz. Die Bleichereien gelten als mustergiltig.
In Frankreich ist das Depart. Nord der Hauptsitz der seit 1834 er-
richteten mechanischen Flachsspinnerei ; doch werden die Garne, die sich zum
Teil durch besondere Feinheit auszeichnen, meist in Irland verbraucht. Die
Dauphine fertigt vorwiegend Hanfleinwand; besseres Flachsleinen liefern die
nordöstlichen Provinzen, die übrige Weberei meist Mittelware für den in-
ländischen Bedarf.
In Deutschland vermag die Spinnerei den einheimischen Bedarf nicht
ganz zu decken, doch ist dies mit jedem Jahre besser geworden: 1893 betrug
die Ausfuhr von Leinengarnen 2,473, von Leinen- und Seilerwaren 30,021;
1901 : 4,9 bez. 22,82 Mill. Mark.
Oesterreich hat in Böhmen, Oesterreich-Schlesien und Mähren zahl-
reiche Spinnereien, in denen meist gröbere Nummern gesponnen werden. Dort
ist auch die Weberei konzentriert, die zum grossen Teil noch Hausindustrie
ist. Mehr und mehr vollzieht sich auch hier der Ueb ergang zum Fabrik-
betrieb.
Belgien verfügt mit 250000 Spindeln über eine Flachsspinnerei, die
im Verhältnis zur Bevölkerung die aller anderen Länder übertrifft. Auch die
billigeren Artikel der Weberei können sich auf dem Wollmarkte neben den
englischen und deutschen gut behaupten.
Die Schweiz ist in ihrer Leinenindustrie nicht auf der Höhe des
16. und 17. Jahrh. (St. Gallen und Appenzell) geblieben. Nur in den feinsten
Geweben, den Batisten, Taschentüchern u. drgl. findet noch jetzt eine Aus-
fuhr statt.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben der L. noch keine
besondere Aufmerksamkeit zugewendet. In Italien, Spanien, unter den
slav. Völkerschaften, besonders in Bussland, in den skandinavi-
schen Ländern, wie in den Donaustaaten werden Leinengewebe, teils
in Fabriken, teils auf Handstühlen hergestellt, der eigene Bedarf aber nicht
gedeckt.
Leinenschlagspitze oder Formenschlagspitze ist eine vervollkommnete
geklöppelte Flechtenspitze, sie stellt durch leinenartige Bindung breitere Flächen
her; das einfachere Flechten wird dabei fast nur für die Verbindungen an-
gewendet.
Leinenstickerei bezeichnet im weiteren Sinne jede auf einem leinenen
Grundstoff gefertigte Stickerei, welche seit den ältesten Zeiten zur Musterung
von Kleidern und anderen textilen Gegenständen gebräuchlich ist. Zunächst
ersetzte die Leinwand nur andere Unterlagen und es wurden die Muster pbenso
wie auf Seide und Wolle in farbigem Material ausgeführt, das mit Bücksicht
auf die Waschbarkeit kaum einer besonderen Auswahl bedurfte, da die Farben
der älteren Zeiten sich grosser Haltbarkeit erfreuten (Abb. 96 und 97). So
finden sich noch aus dem 15. Jahrh. namentlich viele kirchliche Leinenstickereien,
Antependien, Kelchtücher u. dgl., welche in bunter Seide im Plattstich mit
Apostelfiguren, gotischem Rankenwerk und Blüten bestickt sind. Aus etwas
Leinenstickerei.
323
späterer Zeit sind ferner Leinendecken (schweizer Arbeiten) für kirchliche
Zwecke erhalten, deren kostbarste in Seide und Gold (Abb. 100), die meisten
in bräunlichem und weissem Garn im Stielstich gearbeitet wurden. Diese Art
der Leinenstickerei mit Mustern in beliebiger, freier Linienführung findet in
Sticharten und in der Yerzierungsweise die gleiche Entwickelung wie die übrige
Kunststickerei. Eine besondere Art der L., und diese wird in engerem Sinne
darunter verstanden, ist jene, welche in der Mustergebung den quadratisch teil-
baren Grund berücksichtigt und dementsprechend auf Sticharten beschränkt ist,
welche sich dem Netzfach anpassen lassen. Die am meisten dafür in An-
wendung kommende Technik ist die des Kreuzstiches , dem sich viele andere
Sticharten und Ziernähte in einfacher und doppelseitiger Ausführung anschliessen.
Dieser eigentlichen Leinenstickerei, bei welcher der Grund die Ausführung und
Wirkung des Musters wesentlich beeinflusst, gingen in älterer Zeit die ver-
wandten Arbeiten auf offenen Geweben, den sog. Kanevas-Stramin- oder
Abb. 175.
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Segeltuchstoffen voraus, welche in Material, Technik und Musterung ihren
eigenen Entwickelungsgang genommen haben; bezüglich der Mustergebung ent-
halten schliesslich etwas Gleichartiges noch die in Weiss und Bunt ausgeführten
Eiletarbeiten. (Vgl. hierüber die betreffenden Artikel im Einzelnen.)
Die Leinenstickerei auf abgezählten Fäden hat im 16. Jahrh.
in Italien und Deutschland eine w-eite Verbreitung gefunden, wozu besonders
dafür erschienene Stickmusterbücher (s. d.) beitrugen. Für unsere Zeit wurde
das Gebiet der „altdeutschen Leinenstickerei" neu belebt am Ende der 1870er
Jahre durch die Veröffentlichung älterer Muster, wie sie sich auf Mustertüchern,
Tisch- und Bettzeug erhalten haben ; altitalienische Leinenstickereimuster
schlössen sich daran an.
Der Ursprung der L. ist im Orient zu suchen, woselbst sie in gleicher
Art wie in Italien und Deutschland schon früher von den x^rabern geübt wurde :
Beispiele davon im Kreuzstich (Abb. 175), im Webstich (Abb. 176) und mit
Durchb rucharbeit in farbiger Seide (Abb. 177), wie sie im 16. Jahrh. in Spanien
erscheint, fanden sich in koptischen Gräbern der späteren arabischen Periode.
Auch Mustertücher für Leinenstickerei (Abb. 178) entstammen diesen Funden;
zahlreiqh vertreten sind darin die Borten im sogen. Holbeinstich, Kästchen-
324
Leinenstickerei.
Uebrigens bedinoi schon der Grebraucb der
oder Strichstich (Abb. 25 u. 117)
vielen Kopftücher, Shawls u. dgl. im Orient eine bei weitem grössere Aus-
bildung der Leinenstickerei, wozu auch das Tragen von leichteren Leinen- und
Baumwollengewändern Yeranlassung gibt. Die grösste Vielseitigkeit ist nanient-
Abb. 176.
lieh in den überaus zahlreich vorkommenden gestickten Shawls und Festüchern
wahrzunehmen, welche auch auf Baumwolle gearbeitet werden. Diese der
neueren Zeit angehörigen Stücke enthalten in farbiger Seide, Groldfäden und
-lahn die reizvollsten Blumen- und Flächenmuster (Abb. 179), welche sich genau
dem quadratischen Fadensystem des Grrundstoffes anpassen. Einfarbige Leinen-
Abb. 177.
Stickereien in roter und blauer Seide ausgeführt, oft so , dass die ausgesparte
weisse Leinwand das Muster bildet, kommen aus Fez in Marokko (Abb. 180);
dieselben haben den Weg über die griechischen Inseln genommen, sind dort
und in Italien nachgebildet worden und gaben zur vielseitigen Ausbildung-
weitere Anregung, wobei auch die Technik des einfachen Kreuzstiches abgelöst
wurde durch den AVebstich (Abb. 181), der als deckende Flächenfüllung in der
Türkei (Janina; vgl. Abb. 125) in reichen Mustern vertreten ist. Italien
Leinenstickerei.
325
Abb. 178.
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Abb. 179.
Abb. 180.
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326
Leinenstickerei.
bevorzugt im 16. Jahrb. in vornehm stilisierten geknickten Rankenmustern
(Abb. 182) eine Stichart, welche filetartig durchbrochen erscheint (Abb. 183).
Etwas anders gestaltet sich die Leinenstickerei in Deutschland und in
den slawischen Ländern. Zunächst wird der AYaschbarkeit des Materials da-
Abb. 181.
Abb. 182.
Abb. 1S3.
durch mehr Kechnuug getragen, dass statt der Seide blaues und rotes Grarn
zur Stickerei Verwendung findet. Aber auch der gegebenen klaren weissen
Grundfläche ist dadurch mehr künstlerische Wirkung zugedacht, dass die streng
stilisierten Muster derartig darauf verteilt sind, um die Leinwand dabei mit
Leinenstickerei.
327
zur Geltung kommen zu lassen. ' Vor allem hat man darin jegliche Kurven-
bildung vermieden, die doch der taffetartige Grund schwer hergibt (Abb. 184).
Literatur: Lessing, Muster altdeutscher Leinenstickerei, Bd. 1 — 3,
Berlin 1878—90; Lipperheide, Muster altitalien. L., Bd. 1 u. 2, ebd. 1881
und 83; Originalstickmuster der Renaissance, herausgegeben v. k. k. Oesterr.
Museum, Wien 1874; Hans Sibmacher, Stick- und Spitzenmusterbuch nach
der Ausgabe vom Jahre 1597, herausgegeben wie vorher, AYien 1866; der-
selbe, nach der Ausgabe vom Jahre 1604, herausgegeben von Dr. Georgens,
Berl. 1874; Cocheris, Patrons de broderie et de lingerie (Paris 1872), hat
vier der ältesten französischen Bücher veröffentlicht; Drahan, Stickmuster,
Abb. 184.
Wien 1873; Lay und Pischbach, Südslawische Ornamente, Budapest 1878
und 1879; Fischbach, Vorlagen für Stickerei und Häkelei, Göppingen; Lay,
Ornamente südslawischer nationaler Haus- und Kunstindustrie, Wien 1875 — 85 ;
Teschendorff, Kreuzstichmuster für Leinenstickerei, Berlin 1879, 84 u.v.a.
Abbildungen:
175. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Borte eines
Leinentuches mit Stickerei in farbigem Garn in Kreuzstich : arabisches Palmettenmuster.
Aus einem Koptischen Grabe des 15. Jahrhunderts.
176. Originalaufnabme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin: Stickerei
auf Leinen im Webstich in rotem Garn : Darstellung reihenweis versetzter Doppel-
enten. Aus einem Koptischen Grabe des 15. Jahrhunderts. Arabisch.
177. Originalaufnabme wie vorher: Borte eines Leinentuches mit Stickerei in
328 Leinwand- oder Taffetbindung — Lennep.
weisser und blauer Seide; dazwischen Durchbruch: geometrische Felder. Herkunft
wie vorher.
178. Originalaufnahme wie vorher : Mustertuch für Leinenstickerei in blauem
Garn im Webstich. Herkunft wie vorher.
179. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Endigung eines Turbantuches, Stickerei auf loser Baumwolle in farbiger Seide und
Gold: Streng stilisiertes Rosenmuster. Türkei 19. Jahrhundert.
180. Originalaufnahme wie vorher: Borte, Stickerei auf Leinen in blauer Seide
im Zopfstich ; stilisiertes Rankenmuster mit Palmetten, welches durch den ausgesparten
Grund gebildet ist. Marokko 18. Jahrhundert.
181. Originalaufnahme wie vorher i Borte eines Leinentuches mit Stickerei in
rotem Gain im AYebstich : Streng stilisierte , zackig geformte Blattformen und FüU-
werk zwischen Begleiträndern. Schmale Franse in roter und weisser Seide. Griechische
luseln 17. — 18. Jahrhundert.
182. Originalaufnahme wie vorher: Leinenborte, in roter Seide gestickt: Eckig
gelegte Ranke mit Palmettenbäumchen. Italien 16. Jahrhundert.
183. Originalaufnahme wie vorher: Leinenborte, in roter Seide gestickt: Eckig
gelegte, schräg umbiegende stilisierte Blütenzweige. Italien 16. — 17. Jahrhundert.
184. Originalaufnahme aus dem Kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Borte aus
Leinwand, in farbigem Garn gestickt: Rautenfelder und Bäumchen aus Xelken. Slawisch
18.— 19. Jahrhundert.
Leinwand- oder Taffetbindung, s. Bindungen.
Leinwandtapeten, s. Flocktapeten.
Leipnik, Stadt in Mähren : Tuch- und Flanellweberei ; Handel mit Flachs
und Leinwand.
Leipzig, Stadt im Königreicli Sachsen: Bedeutende Textilindustrie in
Kammgarnspinnerei, Baumwollspinnerei, "Wollkämmerei; mechanische Jute-,
Leinen- und Segeltuchweberei; sächsische Wollgarnfabrik usw. Aus älterer
Zeit sind nachweisbar die Zünfte der Tuchmacher und Färber; aus dem Jahre
1557 bewahrt das Kunstgewerbemuseum in L. einen Wandteppich, der daselbst
gewirkt ist. (Abgebildet im Artikel Wandteppiche.) Im Anfange des 17. Jahrhs.
bestanden 5 Werkstätten für Spitzenklöppelei. Am Anfange des 18. Jahrhs.
wurde in L. von Arel und Böttcher die erste grosse Seidenmanufaktur errichtet.
(S. weiteres unter Sachsen.)
Das Kunstgewerbemuseum (im Grassi-Museum), gegr. 1873 (Direk-
tion: Dr. Richard Graul) enthält eine umfangreiche Stoffsammlung, worin
sich mittelalterliche (koptische) Textilien, Gew^ebe, Stickereien und Spitzen der
anderen Epochen bis zur Neuzeit in besonderem Ausstellungssaal befinden.
Leisnig, Stadt der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: Wollspinnerei
und Tuchfabriken.
Leith, Hafenstadt in der schott. Grafschaft Mid-Lothian: Die Industrie
erstreckt sich auf Herstellung von Segeltuch, Tauwerk usw.; Waren der Ein-
fuhr sind: Wollgarn, Flachs, Leinengarn, Wollwaren. Zur Ausfuhr kommen
Erzeugnisse der Baumwoll- und Leinenindustrie, Wollgarn_, Jutewaren u. a.
Leitomischl, Stadt in Böhmen: Leinenweberei, Tuch- und Schuhfabri-
kation.
Le Mans, Stadt des franz. Depart. Sarthe: Die Einwohner fertigen
Segeltuch, Hanfleinwand, ausserdem Wachstuch, Musselin, Spitzen, Strumpfe
waren ; ferner bestehen Leinwandbleichen.
Lemineas sind dunkelblaue Gewebe von Baumwolle mit weissen Dessins,
die hier und da in Schwaben und in der Schweiz, besonders zu Kaufbeuren
verfertigt werden.
Lengefeld, Stadt der sächs. Kreishauptmannschaft Chemnitz : Baumwoll-,
Chenille- und Lamaweberei. /
Lengenfeld, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau : Streich-
garnspinnerei^ Färberei, Weissstickerei, Fabrikation von Tuch, Weisswareji
•und Flanell.
Lennep, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Kammgarn- und Streich-
garnspinnereien, bedeutende Tuch-, Jacken- und Filzfabriken. L. ist Sitz der
5. Sektion der Rheinisch-Westfälischen Textilberufsgenossenschaft.
Lenzb urg — Levantin.
329
Lenzburg, Stadt im Schweiz. Kanton Aargau: BaumwoU- und Seiden-
industrie, Bleichen, Färberei, Appretur, Litzenweberei.
Leobschütz, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Oppeln: Fabrikation und Haus-
industrie in AYollwaren.
Leonidion, Stadt in Griechenland: Teppicherzeugung.
Leonische Blumen sind aus Folie, unechtem Gold- und Silberblech
(Lahn) sog. leonischem Gold gefertigt.
Leonische Waren oder lyonische "Waren auch als Bouillon und Cantillen
bezeichnet, Fabrikate aus versilberten oder vergoldeten Kupferdrähten und sog.
,,Platten", d. h. bandartig platt gewalzten Drähten. Es werden Borten, Draht-
flittern, Frise oder Krausgespinst daraus gefertigt. Das letztere ist eine Art
Borte, die dadurch entsteht, dass man einen Seidenfaden zuerst mit einem
Abb. 185.
L^
.¥
^^y^J^lbBte..
anderen feineren Seidenfaden in weit auseinander liegenden Windungen, dann
aber in entgegengesetzter Richtung mit Lahn überspinnt. Der Name L.-W.
kommt von der spanischen Stadt Leon oder von der franz. Stadt Lyon, wo-
selbst solche Waren in grossen Mengen hergestellt werden.
Lesghier, Kaukasisches Yolk, meist in Daghestan, Mohammedaner, den
Bussen ganz unterworfen: erzeugen Teppiche, die unter dem Namen Lesghi
in den Handel kommen. Man rechnet dieselben zu der kaukasischen Sorte
und innerhalb derselben zur Art der Karabaghs.
Leutkirch, Stadt im württemb. Donaukreis : Leinwand- und Strumpf-
webereien.
Leuze, Stadt in der belg. Provinz Hennegau: Leinenweberei, Strumpf-
wirkerei, Kammgarnspinnerei.
Levantin, ein glatt geköperter Seidenstoff, eine Art seidener Serge.
Man hat auch gestreiften, bei welchem die Verbindung der Fäden in dem
330 Levantische Tücher — Ligature.
Köper nur zur Hälfte bearbeitet wird. Er dient vornehmlich zu Damenkleidern
und Mänteln, zu Unterfutter in Herrenkleidern usw.
Levantische Tücher. Unter diesen Namen begreift man die aus den
deutschen, niederländischen und französischen Tuchmanufakturen nach der
Levante, nach Griechenland und nach Aegypten gehenden verschiedenen Tuch-
sorten, als : Serails, Mahouts, Saglies, Cherins, Draps de dames usw.
Levieren (franz.), in der Weberei den Kegelstuhl vorrichten.
Levroux, Stadt des franz. Depart. Indre : Wollspinnerei, Tuchfabrikation,
Handel mit Wolle.
Lezajsk, Stadt in Galizien: Tuchweberei, Wollfärberei.
Liage (franz.), eine eigene Zeugkette, welche dazu dient, in broschierten
oder lanzierten Stoffen die Schussfäden zu binden.
Libellenmuster, im Jahre 1900 für die Weltausstellung in Paris ge-
webt, das im Stile der Empirezeit entworfen ist.
Abbildung:
185. Sammetbrokat , Grund weiss, Muster tief liegend in Blau und etwas
Gold auf geschnittener Fläche : Perlschnüre sind durch Posetten verbunden und bilden
breite, spitzovale Felder, in welchen je eine Libelle dargestellt. Frankreich 1900.
Liber (franz.), s. Bast.
Liberty, eine Art Tussahseide aus Indien, welche in Europa bedruckt wird.
Librets sind grobe, flächsene Leinen, welche von den Landleuten in der
Gegend Damiate in Aegypten verfertigt und nach den türkischen Provinzen,
nach Marseille und Livorno verschickt werden ; sie sind teils halbweiss gebleicht,
teils hellblau gefärbt. Ihren Namen haben sie von den Franken erhalten, da
man sie viereckig in Buchform zusammengeschlagen zum Yerkauf bringt.
Librillo (span.), s. Bast.
Libro (ital.), s. Bast.
Lichterveide, Dorf in der belg. Provinz Westflandern: Wollweberei und
Spitzenklöppelei.
Lieben, Dorf in Böhmen: Mechan. Webereien, Spinnereien und Spitzen-
weberei.
Liebenau, Stadt in Böhmen: Leinen- und Baumwollwebereien, Woll-
weberei mit Färberei und Druckerei.
Liebenzeil, Stadt in AVürttemberg : Wollspinnerei, Kettenfabrikation.
Liek oder Leik, das Tauwerk, womit die Kanten der Segel besäumt
werden, um sie haltbarer zu machen. Nach den Kanten, an denen das L. sitzt,
wird es Ober-, Seiten- oder Unterliek genannt.
Lien^OS, Lienzos, im spanischen Handel die Leinen. Der Spanier nennt
z. B. Liengos de Breslao verschiedene Sorten roher, weisser, glatter und ge-
streifter, schlesischer Leinwand, die von Breslau nach Cadiz gehen. So wird
auch in Macao das chinesische Grastuch von Mä unter dem Namen Lienzo
verkauft. Im spanischen Amerika pflegt man auch überhaupt alle Schnittwaren
Lienzos zu nennen.
Lier (franz. Lierre), Stadt der belg. Provinz Antwerpen: Seiden- und
Spitzenfabrikation.
Liestal, Stadt des Schweiz. Kantons Basel-Land: Florettspinnerei, Seiden-
weberei, AVollwarenfabrikation.
Ligature, Legature, Legatine, ein dichter und fester Stoff aus Wolle und
Leinen, oder aus Floretseide und Leinen, zuweilen auch aus Baumwolle und
Seide, mit erhabenen und broschierten, grossen Blumen, Mustern und Gittern,
welcher früher häufig zum Ueberziehen der Möbel, zu Tapeten und Vorhängen
gebraucht wurde. — Ligature, galons ä livree, nennt man auch eine Art
Borten oder Tressen, auf deren rechte Seite nur Gold und Silber eingewebt
ist, die aber auf der unrechten Seite aus Seide bestehen, sie werden auf ver-
schiedene Art, glatt, gemustert, matt, mit Lahn, ausgebogen usw. gemacht und
zu Livreen, Möbelbeschlägen u. dgl. verwendet.
Ligtdoek— Lilie.
331
Ligtdoek, eine leichte und schmale Sorte der holländischen Segellein-
wand, welche zu Bramsegeln und andern kleinen Segeln verbraucht wird.
Lilailas nannte man in Spanien und Portugal eine Sorte weissgebleichter
Haueleinwand, welche aus Thüringen und Hessen, über Bremen dorthin ver-
sandt wurde.
Lilie (lat. : lilia, flor-decilium; franz. und engl.: fleur de lis), Pflanzen-
gattung aus der Familie der Liliaceen, mit 45 bekannten, in den gemässigten
Kegionen der nördlichen Erdhälfte verbreiteten Arten (Abb. 186 u. 187); vom
13. Jahrh. an ornamental verwendet, wozu wohl ihre i^utzbarmachung als Wappen
beigetragen hat, als welches sie zuerst von König Ludwig YII von Frankreich
1137 — 1180 benutzt worden ist. Unter seinem Nachfolger Philipp II (1180
— 1223) begann man bereits, die Krönungsgewänder, Kreuze und Kirchen-
geräte mit Lilien zu bestreuen, dieselben auch im Wappenschilde in willkür-
licher Zahl zu führen, bis König Karl YI 1380—1422 die Zahl der Lilien
Abb. 186.
Abb. 187.
auf drei beschränkte. Seit dieser Zeit führte das französische Wappen drei
blaue Lilien in Grold. In der Symbolik ist die weisse L. das Sinnbild der
Unschuld und Heinheit der Seele. In diesem Sinne trägt auf den Darstellungen
der Verkündigung (s. d.) der Erzengel Grabriel gewöhnlich einen weissen Lilien-
stengel, oder neben der Jungfrau steht ein Gefäss mit weissen Lilien. Auf
Geweben und Stickereien erscheint die L. weniger in Bedeutung als Wappen,
wie als Ornament, in letzter Beziehung namentlich im gotischen Zeitalter
(Abb. 99), welche Weise auch die Renaissance übernimmt (Abb. 190), worin
die L. schliesslich zur blütenförmigen Palmette geworden ist (Abb. 188). Als
halb naturalistische Kunstform ist die L. oft in den älteren Stickereien ange-
wendet, wobei die aufgelegten breiteren Blattflächen im gegebenen Beispiel
(Abb. 189) durch Malerei gefüllt sind.
Abbildungen:
186/187. Darstellung zweier Lilien aus: Lobelius, plantarum sev stirpium icones.
Antwerpen 1581.
332
Lilienkreuz,
188. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Seidenstoff, Grund rotbrauner Atlas, Muster gelb geköpert: Reihenweis versetzte,
lilienblütenartige Palmetten und Flammen. Italien 17. Jahrhundert.
Abb. 188.
189. Darstellung aus : Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Blatt 104 : Ecke einer
Kammtasche, Aufnäharbeit aul weissem Atlas in farbiger , z. T. bemalter Seide , mit
Umrandung von Goldschnur: Blütenzweig mit Lilien, Randborte aus Ranke mit ver-
schiedenartigen stilisierten Blüten. Original aus dem sogen. Pommerschen Kunstschrank
im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin. Augsburg 16. Jahrhundert.
Abb. 189.
Lilienkreuz stammt als Alcantaraorden von dem 1156 in Spanien ge-
stifteten geistlichen Ritterorden zur Pflege der Kranken und zum Schutz der
Pilger; findet sich daher (seit 1411) häufig in Stickerei oder Aufnäharbeit dar-
gestellt aut geistlichen Gew^andstücken. (Vgl. Abb. 12 auf Tafel IX.)
Lilienmuster— Linon. 333
Lilienmuster in geklöppelter Spitze kommt als „Clilgen" im Züricher
Musterbuch vor.
Lille, Hauptstadt des franz. Depart. Nord, flämisch E,yssel : Bedeutende
Textilindustrie, darunter Baumwollspinnerei und -Weberei, dagegen ist die
frühere blühende Fabrikation von Spitzen, Zwirn und Tüll in Abnahme ; ausser-
dem liefert L. Posamentierarbeiten und Strumpfwaren. Die alte Spitze von
Lille war im 18. Jahrhundert als eine Klöppelarbeit von grosser Feinheit be-
kannt; sie gehörte zu den sogen. Beseauspitzen, deren Musterung auch mit
der Kadel ausgeführt wurde. Daneben fertigte man billigere Ware, wie sie
sonst auch Arras herstellte. 1788 beschäftigte L. noch 18 000 Arbeitskräfte
darin; man trug nur noch mehr Tüll und ganz duftige Spitzen.
Lima, peruanische BaumwoUsorte.
Limerick, Stadt in der irischen Provinz Munster : Die Industrie erstreckt
sich vornehmlich auf Flachsspinnerei und Spitzenfabrikation. Früher waren
die Handschuhe von L. (Limerick gioves) besonders berühmt.
Limoges, man hat im Leinenhandel zwei unter sich sehr verschiedene
Gewebe dieses Namens : 1. Eine Gattung buntgestreifter Bettleinwand, welche
halb von baumwollenem, halb von flächsenem Garne in den Kantonen Aargau
und Luzern verfertigt und meistens nach Italien verkauft wird. 2. Eine grobe
rohe Pack- oder Sackleinwand aus starkem Hanfgarn, die im Departement der
obern Yienne gewebt wird.
Limoux, Stadt im franz. Depart. Aude: Tuchfabriken, AYollspinnerei
und Färberei.
Linden, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Hannover : Mechan. Weberei, Teppich-
knüpferei, Baumwollspinnerei und -Weberei.
Lindsay, Linsay, ein veralteter, englischer, geköperter Stoff, dessen
Kette aus Leinengarn, der Einschlag aber aus Wollengarn besteht und weicher
in den Manufakturen von Wiltshire verfertigt wurde.
Line, auch Long Line, engl, der lange Flachs, eine Bezeichnung im
engl. Leingarngeschäft für Garn aus Flachs, im Gegensatz von Tow: Garn
aus Werg.
Linets sind leinene Gewebe, die vornehmlich in und um Abbeville ver-
fertigt werden.
Linge de table ist in Frankreich die allgemeine Bezeichnung der ver-
schiedenen im Handel unter eigenen Namen vorkommenden Servietten-, Zwillich-
und Damastleinen, wobei man Linge plein, glattes, und Linge ouvre, gemustertes
Tischzeug unterscheidet.
Lingettes nennt man in England 1. die feinen Sorten der Flanelle,
welche Salisbury in sehr schöner Ware liefert; 2. nennt man L. eine dünne
und schlechte Sorte von Sergen, die auch unter den Namen Flavets vor-
kommen.
Links- und Linksware, auch Strickware genannt, wird auf den Kulier-
stühlen erhalten, wenn man abwechselnd eine Beihe nur zu rechts ab-
geschlagenen und die andere nur zu links abgeschlagenen Maschen ver-
arbeitet. Beim Stricken wird die Ware erzeugt, wenn man abwechselnd
eine Beihe glatt und eine verwendet strickt. Die AVare zieht sich
im umgespannten Zustande so zusammen, dass nach beiden Seiten die
Bogen der Maschen heraustreten, während die geraden Stücke verdeckt in der
Tiefe liegen ; sie zeigt auf beiden das Ansehen der linken Seite der glatten
Kulierwaren und ist namentlich in der Höhenrichtung sehr elastisch.
Linnen-Checks heissen in England und Nordamerika die gewöhnlichen
blau- und weissgestreiften oder blau- und weissgegitterten Matrosenleinen,
welche ganz aus flächsenem Garne gewebt sind, zum Unterschiede von den
Mixted-Checks, die halb aus Baumwolle, halb aus Leinen, und den Cotton-
Checks, welche ganz aus baumwollenem Garn gemacht werden.
Linon (franz. linon, engl, lawn), Schleierleinwand, ist ein feines, weisses,
leichtes und locker gewebtes Leinenzeug, welches die Mitte zwischen Batist
und Schleier hält und auch mitunter Batistlinon genannt wird. Man fabriziert
334 Linostimus — Liturgische Gewänder.
es gleich den Batisten in Frankreich, Belgien, Bielefeld, Böhmen und Schlesien.
Bei der bestehenden Nachahmung der meisten LeinenstofFe in Baumwolle gibt
es natürlich auch baumwollnen Linon und Batistlinon. Solche Stoffe werden
sowohl glatt als gestreift, gegittert, geblümt usw. in England, der Schweiz,
Deutschland, besonders im sächsischen Yogtlande gearbeitet.
Linostimus, linostima oder linistema vestis (lat.), ein im Mittelalter aus
leinener Kette und wollenem Einschlag gewebter Stoff.
Linthwaite, Stadt in der engl. Grafschaft Yorkshire : Wollspinnerei und
Tuchfabrikation.
Linz, Hauptstadt von Oberösterreich: Wollwarenfabriken,, Handel in
Wollzeug, Teppichen, Baumwollwaren, Tuch, Leinen und Zwirn.
Lisal, s. Sisal.
Lisere, ein schwerer seidener Stoff, der früher in Lyon, Tours und Paris
gemacht wurde, auf welchem sich zwischen den broschierten Blumen und
Mustern im Grunde grosse damastartige Muster befinden, die durch die Jac-
quardmaschine mit den Kettfäden erzeugt werden.
Lisiere ist das Sahlband.
Lisieux, Stadt des franz. Depart. Calvados : bedeutende Woll-, Baumwoll-
und Leinenindustrie.
Lisieux nennt man in Frankreich mehrere Gattungen Leinen, welche im
Departement des Calvados in der Gegend von Lisieux verfertigt, auf die be-
deutenden Wochenmärkte dieses Orts zum Verkauf gebracht, dort gebleicht
und appretiert und über Bouen und Caen nach Spanien und den Kolonien
weiter verkauft werden.
Lisire sind offene, im besonderen gazeartige Kanten an Bändern, Franzen,
mit eingewebten oder einbroschierten Blumen; im allgemeinen aber jede be-
sonders hervorgehobene Kante an allen Langwaren und Tüchern.
Lissabon, Hauptstadt des Königreichs Portugal: Leinwand-, Tuch- und
Baumwollfabriken, Spinnereien und Webereien für Seidenwaren.
Lisse (franz.) heisst die Kette in der Weberei.
Lisseuse (franz. „Glätterin"), in der Kammgarnspinnerei Name für die
Wasch- und Plättmaschine, welche die in Bänder verwandelte Wolle mit
Seifenwasser wäscht, um das vor dem Kämmen hineingebrachte Oel zu ent-
fernen, dann spült und schliesslich im gestreckten Zustande trocknet, so dass
den Wollhaaren auch die Kräuselung genommen wird. Um dem Kammzug
den gelblichen Stich zu nehmen, wird er in der L. wohl nach dem Waschen
auch durch sog. Bleichfarben leicht gebläut.
Listados, Listaos, eine der gangbarsten Sorten buntgewirkter Leinen,
welche in Frankreich, in den Niederlanden und Deutschland, besonders in der
Oberlausitz und im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf verfertigt werden. Am gang-
barsten sind blau und weiss, oder rot und weiss gegitterte, doch werden sie
auch lila und weiss und in verschiedenen andern Farben gewürfelt hergestellt.
Früher verfertigte man sie ganz aus flächsenem Garn, allein seit Jahren werden
sie fast allgemein halb aus Baumwoll-, halb aus Leinengarn gemacht.
Listones, Bibetillos im spanisch-amerikanischen Geschäft, Bänder von
Seide und Sammet. Guimhas sind Bänder von Leinen, Baumwolle oder
Wolle; Cintas, Bänder im allgemeinen.
Liturgische Gewänder (lat. : vestes sacerdotales ; franz. : vetements
sacerdotaux ; engl. : sacerdotal vestments) , die von den Priestern bei Aus-
übung ihres Amtes getragenen Gewänder: sie begannen im YI. Jahrh. sich
auszubilden und bestehen ohne wesentliche Veränderung bei der griechischen
wie der römischen Geistlichkeit aus folgenden Teilen: 1. Strümpfe (tibiAlia,
caligae) ; 2. Schuhe (sandalia, socculi, calceamenta) ; 3. Schultertuch (amictus,
superhumerale) ; 4. Alba (alba, camisia, poderis, tunica talaris); 5. Gürtel
(baltheus, zona, cingulum) ; 6. Stola (orarium) ; 7. Manipel (phanon, mappula) ;
8. zwei Ueberziehhemden (dalmatica oder tunica major und tunicella, subtile,
subucula), je nach dem Bange; 9. Messgewand (paenula, planeta, casula);
10. Handschuhe; IL Bing; 12. Kopfbedeckung (mitra, tiara, phrygium, Corona
Litze— Litzenspitze.
335
sacerdotalis , cidaris und cuphia) ; 13. Hirtenstab; 14. ein Band (pallium, p.
archiepiscopale, entsprechend dem omophorion) ; 15. ein Schulterkleid (ami-
culum episcoporum, nur vom XII. — XYI. Jahrh. im Gebrauch); 16. das Rationale
(pectorale, rationale episcoporum); 17. Mantel (pluviale, kappa); 18. Chorrock
(rocchetum, super-pelliceum) ; 19. Barett. (Hierzu sind die betr. einzelnen
Artikel zu vergleichen und für die Anwendung derselben Abb. 190.)
Abb. 190.
Abbildung.
190. Darstellung nach einer Photographie aus dem Kunsthandel: Madonnenbild
von Crivelli (1412 — 1486). Original in der Gemäldegalerie der Kgl. Museen. (Vgl.
Chormäntel aus g-ewebten und gestickten Stoffen der Madonna, des Petri und der beiden
Päpste ; die zu Füssen Petri stehende Tiara, die Mitra und die Hirtenstäbe, sowie die
Alben, Stolen und Manipeln der Päpste.)
Litze, (franz.: lice, lisse; engl.: lace) ; Schnur, Borte, Tresse, aus Leinen,
Baumwolle, Wolle, Silber- oder Groldfäden gewirkt, welche als Besatz an
Kleidern, besonders Militäruniformen, getragen wird.
Litzen, (vom lat. : licium, Gewebfaden), dünne Schnur, Tresse u. dgl. ;
am "Webstuhl die senkrecht gespannten Fäden zur Fachbildung, durch deren
Schlingen (Litzenhäuschen) die Kettenfäden gezogen sind, um gehoben oder
gesenkt werden zu können , wenn ein Schussfaden durchgebracht werden soll.
Litzenspitze, (allgemeine Bezeichnung : point lace;) eine zuerst in Italien
im 17. Jahrh. erzeugte Spitze aus gewebtem schmalem Leinenband, welches
in ein.en Brides-Grund eingenäht wurde (s. Spitzen).
336 Liverpool — Lomnitz.
Liverpool, Stadt in der engl, (xrafschaft Lancashire. Hervorragend ist
die Stellung L.s im Baumwollhandel. 1899 kamen nach dem Vereinigten
Königreich "für 27,7 Mil). Pfd. St rohe Baumwolle; davon über L. für 22,6 Mill.
Pfd. St. — In der Ausfuhr stehen die Fabrikate der Baumwoll- , AVoll-,
Leinen- und Juteindustrien obenan, allein die von BaurawoUstückwaren er-
reicht alljährlich "Werte von über 30 (1899: 35,5) Mill. Pfd. St.
Livorno, Hauptstadt der Provinz L. im Königreich Italien und nach
Genua der bedeutendste Handelsplatz Italiens. Bedeutende Ausfuhr von Baum-
wolle, Wolle, roher Seide nach der Levante.
Livree (franz.), (engl. : liverj^), so nannte man schon im XII. Jahrh. die
Kleidung, welche die Lehensherren ihren Untergebenen als eine Art von Gnaden-
geschenk gaben ; sie war besonders für feierliche Gelegenheiten bei allen diesen
Personen in Stoff und Schnitt gleich. Ursprünglich ist L. die Bezeichnung
der Kappen- oder Pelzmäntel, die ehedem in Frankreich der König an den
grossen Jahresfesten den Bannerherren und Rittern darreichte.
Lizardes, Lizales, Lisards, sind flächsene Leinen, welche die Landleute
in der Gegend von Kairo und Hosette weben. Ausser diesem kommt auch
ein Baumwollstoff aus Persien und Ostindien unter dem Namen Lisardes im
Handel vor.
Llerena, Stadt der span. Provinz Badajoz : Tuchfabriken und vorzüg-
liche Schafzucht.
Löbau, Stadt in der sächs. Kreisbauptmannschaft Bautzen : Potgarn-
färberei, bedeutender Handel mit Garnen, Leinwand und Strumpfartikeln.
Lobberich, Dorf im preuss. Peg.-Bez. Düsseldorf: Bedeutende mechan.
Webereien, Appreturen und Färbereien; Erzeugung von Seidenbändern.
Loches, Stadt des franz. Depart. Indre-et-Loire : Wollspinnerei und
Tuchfabrikation .
Lochreas ist eine irländische rohe und auch weisse Leinwand. Sie hat
den Namen von der Stadt Lochrea, wo sie am meisten gemacht wird.
Locrenan, eine dichte ungebleichte Leinwand, aus grobem hänfenen
Garn fest und gedrungen gewebt. Sie hat ihren Namen von dem Flecken L.,
im Depart. Finisterre, wo sie ursprünglich verfertigt wurde; jetzt wird sie in
mehreren andern Orten der Umgegend gemacht und zu Schiffssegeln ver-
braucht.
Loden, in vielen deutschen Tuchfabriken das rohe Wolltuch ohne alle
Zubereitung, wie es vom Stuhle kommt. In Bayern und Württemberg heisst
L. ein gewöhnlicher starker Wollenstoff, ein ungewalktes Tuch, das zwischen
Boy oder Fries und zwischen Tuch steht und zu Mänteln und Kleidern dient.
In Augsburg heisst L.-Weberei auch das Weben der Fussdecken.
Lodeve, Stadt im franz. Depart. Herault: Tuchfabrikation (Militärtuche),
Wollkämmerei und Seidensj)innerei.
Lodz, Stadt des russ.-poln. Gouvernements Petrikau: MitteljDunkt der
russ.-poln. Baumwoll- und Wollindustrie; 400 Fabriken mit 40000 x4rbeitern
und 68,2 Mill. Pubel Produktion. Von letztern bearbeiten 47 baumwollene
Stoffe (42,6 Mill. Pubel Produktion), 138 wollene (21,5 Mill.), 51 halbwollene
(5,6 Mill.), 9 seidene und halbseidene (0,6 Mill.), 3 leinene und hänfene (0,2
Mill. Rubel Produktion) ; dazu 37 Färbereien und Appreturanstalten (3,6 Mill.
Pubel Produktion). — L. war noch Anfang des 19. Jahrh. unbedeutend;
1835 wurde das erste grössere Etablissement, eine Baumwollspinnerei, errichtet.
Loire, franz. Departement, die alten Grafschaften Forez und Beaujolais
und Teile von Lyonnais umfassend: Hoch entwickelt ist die Seidenmanufaktur,
Spinnerei, Weberei, Fabrikation von Leinen, Batist, seidenen Bändern, Posa-
menten usw.
Lokeren, Stadt in der belg. Provinz Ostflandern: Berühmte Kattun-
und Baumwollfabriken, Handel mit Flachs, Leinwand und Stoffen.
Lomnitz, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Semil in Böhmen:
k. k. AVebschule; grosse mechan. Spinnerei, mehrere Fabriken für farbige
Baumwollwaren und bedeutende Leinenindustrie.
London — Lothringisclie Spitzen. 337
London, Hauptstadt des britischen Reiches : Textilindustrie s. England.
Das South Kensington Museum enthält die zweitgrösste StofFsammlung meist
der Periode vom 10. — 18. Jahrh. angehörender Seidenstoffe, sowie grosse
Sammlungen von Stickereien, Spitzen und Teppichen, über deren Inhalt be-
sondere illustrierte Kataloge herausgegeben sind.
Londoner Tücher. Darunter verstand man früher sehr feine märkische
Tücher, welche dem Bealtuch fast gleich kamen und vornehmlich in dem Lager-
hause zu Berlin aus der Prima Segoviana verfertigt wurden. Es war eine
Nachahmung der feinen engl. Tücher von Bradfort in AYiltshire, die über
London ausgeführt wurden.
Londres und Londrins sind leichte gewebte und gewalkte AYolltücher,
welche sehr häufig nach der Levante gehen, wo sie von den Türken zu Herbst-
und Frühlingskleidern getragen werden, die aber auch in andern Farben assor-
tiert in Italien, Portugal und Amerika Absatz finden.
Abb. 191.
i
^•t-^ - _ -^
Long-Cloth, s. Domestics.
Long-Ells, eine Grattung geköperter, blau, grün, rot oder schwarz ge-
färbter, häufig auch weiss gewaschener engl. Flanelle, welche in Exeter und
in mehreren Manufakturen von Devonshire, Sommerset und Cornwall verfertigt
werden.
Longeria, (lat.) langes Leinentuch, Tischtuch.
Long line, s. Leinengarn.
Longuis, eine Art gewürfelten ostind. Taffets.
Lorbeer war bei den Griechen dem Apollo geweiht. Er galt als Symbol
der Sühne ; Sänger und singende Helden wurden mit ihm geschmückt ; in ähn-
lichem Sinne gilt er bis heute als Symbol des Buhmes. Auch als Kunstform
fand der L. hier eine vielseitige Anwendung, besonders im Laubbandmotiv.
Als solches übernimmt ihn der Empirestil (s. d.) neben dem Epheu und Akan-
thus im Stoffmuster. (Ygl. Abb. 62 und 191.)
Abbildung.
191. Darstellung aus: Cox, l'art de decorer les tissus d'apres les coUections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon. Paris 1900. PI. CXVIII:
Gewebte Seidenstoffborte mit Darstellung des Lorbeer- und Akanthusbandmotivs.
Frankreich um 1810.
Lörrach, Stadt im Grossherzogtum Baden : Woll- und Baumwolldruckerei,
Tuchfabrik, Seidenband-, Woll- und Baumwollweberei und -Spinnerei.
Lössnitz, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau : Fabrikation
von Hüten, AYäsche, Strumpf-, Baumwoll- und Seidenwaren.
Lothringische Spitzen, gewöhnliche Spitzen von Zwirn, die um St.
Michel verfertigt werden.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 22
338
Lotos — Löwe.
Lotos, indische Wasserrose mit schildförmigeu Blättern und weisslich
rötlich schattierten Blüten, war den Indiern, Assyriern und Aegyptern heilig.
Blätter und Blüten fanden in der ornamentalen Kunst vielfach Verwendung.
In neuerer Zeit hat den Lotos als Kunstform die moderne Bichtung Englands
von Japan übernommen (vgl. Abb. 129), woselbst er von alters her auch von
symbolischer Bedeutung ist.
Loudeac, Stadt des franz. Depart. Cötes-du-Nord: Bedeutende Fabri-
kation von Bretagne-Linnen.
Loudun, Stadt im franz. Depart. Yienne : Fabriken von Spitzen und
Posamentierwaren.
Loughborough, in der engl. Grrafschaft Leicester: Färberei, Baumwoll-
waren-, Strumpfwaren- und Spitzenfabrikation.
Louisiana, nordamerikanische Baumwollsorte. r-
Louth, in der engl. Grrafschaft Lincoln : Teppichfabrikation.
Louviers, Stadt des franz. Depart. Eure : Zahlreiche Tuchfabriken (billige
Stoffe und Modeartikel), Wollspinnerei, Walkmühlen, Bleichen ; auch baut man
Maschinen zur Tuchfabrikation
Abb. 192. und treibt lebhaften Handel mit
feinen Manufakturen. Hier wurde
1681 die erste Tuchfabrik und
1789 die erste Baumwollspinnerei
Frankreichs errichtet.
Lovver Leinen oderLover-
leinen sind nachgemachte, irlän-
dische Leinen, die in grosser
Menge nach Amerika ausgeführt
werden.
Löwe, erscheint als Kunst-
form im Mittelalter in verschiede-
ner Bedeutung. Zunächst als
König der Tiere und Sinnbild
der Stärke, daher in späterer
Zeit Symbol Christi als des Löwen
vom Stamm Juda (Offenb. Joh.
5,5u. l.Mos. 49,9). Bein orna-
mental, vielleicht auch im Sinne
der ersten Deutung, spielt der
L. im Stoffmuster der sogen, ro-
manischen Periode eine grosse
Bolle. Er kommt in orienta-
lischen und byzantinischen Ge-
weben des 10. — 12. Jahrhs. in
verschiedener Darstellung vor.
Eine der ältesten ist diejenige
in grosser vollständiger Erschei-
nung mit geringem ornamen-
talem Beiwerk. In vornehmer
stilisierter Zeichnung ist seine schreitende Figur in Beihen übereinander wieder-
holt ; der Ursprung seiner ornamentalen Verwendung aus dem Altertum (s.
Abb. 27 im Artikel Assyrien) ist angedeutet durch einen hinter ihm aufwachsen-
den Baum: eine Wiedergabe, an welche noch in Stoffmustern des 13. — 14. Jahrhs.
erinnert wird (Abb. 192). Einen anderen Charakter nimmt das Löwenm^ster
an, wenn es in gedrungener Form symmetrisch so dargestellt wird, dass sich
die Tiere aufgerichtet und paarweis einander gegenüberstehen. Wenn man auch
geneigt ist, das bekannteste dieser Muster (Abb. 193) für eine deutsche Arbeit
(Begensburg?) zu halten, so weisen doch allerlei Einzelheiten darauf hin, dass
man es mit der genauen Nachahmung eines frühmittelalterlichen orientalischen
oder byzantinischen Musters zu tun hat. Auffallend ist zunächst die chinesische
Löwe.
339
Kopfbildimg der Löwen, wie auch der nuter denselben hockende Drache chine-
sischen Ursprung verrät. Die spitzovale Blütenform, wohl den letzten Rest
einer Baumkrone andeutend, erinnert an Byzanz , während die blattförmigen
Schwanzquasten der Löwen und die kleinen Yogelpaare zwischen denselben
wiederum auf etwas anderen und späteren Ursprung hinzuweisen scheinen.
Dass die Stellung der Löwen, paarweis mit der Vorderseite zu einander ge-
kehrt, eine grosse Verwandtschaft mit der Bekrönung des Löwentores von
Mykene zeigen, darauf wies schon Grottfried Semper (der Stil u. s. w., Frank-
furt a. M. 1878, Bd. I. S. 155) hin; er führt dies als Belegstück dafür an,
dass die Griechen ihre ornamentalen Tiere vom Orient übernommen und sie
in ihrem Geiste umgestaltet und idealisiert haben. Die gleiche Stellung der
steigenden Löwen wird beibehalten, wenn dieselben in geschlossenen quadra-
Abb. 193.
.tischen (vgl. Abb. 6 auf Tafel I) oder rautenförmigen Feldern (Abb. 194) er-
scheinen. In letzterem Stoff, der schon dem 12. Jahrh. angehört, ist in den
mit dem Torusband belegten Balken auch wieder der antike Einfluss unver-
kennbar. Andrerseits ist in dem vollständig dargestellten Baum des Tafel-
bildes I, 6 die lange Erhaltung des frühorientalischen Elements gekennzeichnet,
das sich mit chinesischen Anklängen zwischen den drachenartig umgestalteten
Löwen wiederholt im Tafelbilde I, 7. Das sarazenische oder sogen, arabisch-
italische Stoffmuster des 13. Jahrhs. stellt neben dem Adler auch den Löwen
zwischen reichen Ranken- und Palmettenmustern dar (Abb. 192) , bis er im
14. Jahrh. mit dem Ueberhandnehmen der pflanzlichen Motive gleich den
anderen Tiergestalten zurücktritt. (Zu den frühmittelalterlichen Löwenmustern
vgl. das Prachtwerk : „Die Gewebesammlung des königl. KunstgeAverbemuseums
zu Berlin", P. Wasmuth, Berlin 1900 ff.)
Ab bildungen:
192. Darstellung aus: Paul Schulze, Ueber G-evvebemuster früherer Jahr-
hunderte. Leipzig 1893 , S. 29 : Seidenbrokat^ Grund blauer Atlas, Muster in Gold
und Damast streifenförmig angeordnet : Bogenlinien erwachsen Blütenpalmetten und
feine Ranken, an ersteren ein Löwe, auf den Ranken ein Kakadu ; dazwischen Gold-
borten, mit arabischem Ornament und gleichen Schriftfeldern. Orient 13. Jahrhundert.
340
Löwenberg— Luftspitzen.
193. Darstellung aus : Müntz, La Tapisserie, Paris, S. 65 : Seidenbrokat, Grund
rot, symmetrisches Muster Gold : Paarweis in Keihen geordnete steigende Löwen ; da-
zwischen kleine Drachen, spitzovale Palmetten und Yo gelpaare. Orient oder Byzanz(?)
10. — 11. Jahrhundert.
194. Darstellung aus: Justus Brinckmann, Das Hamburgische Museum für
Kunst und Gewerbe, Leipzig 1894, S. 21. Seidenbrokat, Gold, blauschwarz, weiss und
rot : Rautenfelder aus gemusterten Balken enthalten reihenweis abwechselnd je ein Paar
steigender Löwen mit Resten eines Baumes und Doppeladler. In den Bändern antiker
Torus, in den kleinen, runden Feldern abwechselnd kleine Drachen und Vögel. Byzanz (?)
12, Jahrhundert.
Abb. 194.
Löwenberg, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Liegnitz : Leinen- und Baum-
wollweberei, Kattun- und Leinwanddruckerei, Bleicherei und Wollspinnerei.
Lübbecke, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Minden : Trikotweberei, Strickerei
und Seilerei.
Lüben, Stadt im preuss. Reg. Bez. Liegnitz: Wollspinnerei und Tuch-
fabrikation.
Lucca, Hauptstadt der Provinz L. im Königreich Italien : Seiden, Sammet,
Baumwoll- und Tuchfabriken.
Lucka, Stadt des Herzogtums Sachsen-Altenburg: Handschuhmacherei,
Teppich- und Portierenweberei.
Luckenwalde, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Potsdam: 32 Tuchfabriken,
darunter eine der grössten Preussens, 8 Hutfabriken, Wollspinnereien. ^
Ludhiana (Ludihama), Stadt im indobrit. Gouvern. Paudschab : Be-
deutende Industrie, besonders in Kaschmirshawlsj Baumwollzeugen, Schärpen
und Turbans.
Ludwigshafen am Rhein, Stadt im bayer. Reg.-Bez. Pfalz: Trikotweberei,
Jutespinnerei und -Weberei.
Luftspitzen, s. Aetzspitze.
Lukas — Lyon. 341
Lukas, Evangelist, erscheint als Kunstform in symbolischer Darstellung
eines Ochsen.
Lumpen, s. Hadern.
Lumpenwolle, s. Kunstwolle.
Luneville, Stadt im franz. Depart. Meurthe-et-Moselle : "Woll- und
Baumwollspinnerei, Manufakturen in Leinwand, Tüllstickerei.
Luquoise heissen seidene und reiche Stoffe, welche ursprünglich zu Lucca
in Italien gewebt, später aber auch in andern Gregenden Italiens nachgemacht
wurden.
Lurgan, Stadt in der irischen Grafschaft Armagh: Fabrikation feiner
Leinwand.
Lüster heisst ein leinwandartig gewebter, stark glänzend appretierter
Stoff, bei dem die Kette aus Baumwolle, der Einschlag von hartem Kammgarn
besteht, in besseren Sorten von Alpaka- oder Mohairgarn. L. hat einen feinen
matten Grlanz und ein schillerndes, changierendes Aussehen, weil Kette und
Schuss verschiedene Farbennüancen haben und zwar so, dass die erstere stets
dunkler gefärbt ist. Sie sind teils glatt, teils mit eingewirkten damastartigen
Blumen und andern kleinen Mustern, wie auch quadrilliert und chiniert; am
meisten begünstigt sind die einfachen, schillernden Stoffe in verschiedenen
grünen, grauen und braunen Modefarben. — L. oder Lüstergarn heisst ein
Garn, das aus der groben, langen und schlichten, stark glänzenden Wolle des
engl. Landschafes hergestellt wird (s. a. Brillantgarn).
Lustrati, in Italien die Glanztaffete; die meisten liefert Florenz.
Lüstrieren (franz.), Glanz geben, ein Appreturverfahren für Garn.
Lustrinos de Lino nennen die Spanier die leicht und locker gewebten
schlesischen Leinen, welche in verschiedenen bunten Farben, im Stück gefärbt
und geglättet zu Hutfutter und dgl. dienen.
Lüstrins (franz. lustrines) sind glänzende, figurierte, atlasartige Stoffe,
sowohl aus Seide als auch von Kammgarn. Die seidenen L. haben auf der
rechten Seite Muster oder Blumen, die durch die Figurkette gebildet werden,
auf der linken Seite aber nur einen glatten Grund. Der zweifache Einschuss
verbindet sowohl den Grund als auch das Muster in den Kettfäden, die über
dem Grunde liegen, und bringt dadurch auf der linken Seite den glatten Grund
hervor. Sie werden in Frankreich und Italien gefertigt. — Zeuge ähnlicher Art
und unter gleichen Namen, worunter man aber grösstenteils einen glatten Stoff
versteht, werden in den deutschen Seidenmanufakturen ganz vorzüglich gewebt.
Lüttich, franz. Liege, fläm. Luik, Stadt im Königreich Belgien: Be-
deutende "WoUzeugfabriken, Flachsspinnerei und Weberei.
Lüttringhausen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Bedeutende
Tuchfabriken, Bandwirkerei, Streich- und Eisengarnspinnerei.
Luzern, franz. Lucerne, Kanton der Schweiz : Die Industrie erstreckt
sich auf Baumwollzwirnerei, Florettseidenspinnerei, Seidenzwirnerei, -Winderei
und Weberei, Halbleinen- und Wollwarenfabrikation.
Lyma, Baumwollsorte aus Peru, schmutzig weiss, matt, ziemlich kräftig
im Faden.
Lyon, Stadt des franz. Depart. Bhone : Die Seidenindustrie ist die
wichtigste in L. und die Seidenstoffe sind weltberühmt. Im Anfang des 19.
Jahrhunderts zählte man ungefähr 4000 Webstühle. Aber nach Erfindung des
Jacquardstuhles stieg die Zahl schnell. 1894 arbeiteten 85 000 Webstühle für
die Seidenfabrikanten, darunter 16 000 in L.^ die andern in der LTmgebung.
Ausserdem bestehen auch 25 000 mechan. Webstühle in 230 Fabriken in dem
Departement Bhone und den angrenzenden Departements , welche, wie die
Handwebstühle, für die Seidenfabrikanten von L. arbeiten. Man erzeugt alle
Arten von Seidenstoffen; in den letzten Jahren sind Schnürungen, gemusterte
und einfarbige Stoffe, Surrah-, Moire-, Sammet- und Atlasstoffe, chines. Kreppe
und Musseline besonders wichtig geworden. Seidenweber gibt es etwa 95 000 ;
rechnet man die Spuler, Zettler und Arbeiter in Färbereien, Appreturanstalten
usw. dazu, so beschäftigt die Seidenindustrie in und um L. 210 000 männliche und
342
Mä — Mäander.
weibliche Arbeiter. Fabriken bestehen 310; Ein- und Verkäufer der Seiden-
waren werden 320, Seidenhändler etwa 70 gezählt. Die Fabrikate gehen vor-
nehmlich nach Nordamerika (etwa für 50, vor den hohen Eingangszöllen
100 Mill. Eres.), nach England, China, Japan und Indien. Die Exportziffern
betragen 250 Mill. Eres, für die Seidenstoffe und 120 bis 150 Mill. Eres, für
verarbeitete Stoffe, wie Modewarenstoffe, Kleider- oder Regenschirmstoffe usw.
Man zählt über 75 Appreturanstalten, 89 Färbereien mit 6000 Arbeitern.
Die Gold- und Silberwirkerei beschäftigt 1000 Arbeiter in 70 Fabriken, 27
Fabriken bestehen für Seiden- und WoUposamenterien. — Neben dem Seiden-
handel ist auch der Handel mit Baumwolle und Schafwolle (5 — 6 Mill. kg jähr-
lich), mit Tüchern und Zeugen bedeutend. Im Börsenpalais eine bedeutende
Stoffsammlung : C o x , l'art de decorer les tissus d'aprös les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon, Par. 1900.
Abb. 195.
M.
Mä, Thou-mä, Chinagras, ist ein chinesischer Spinnstoff, der aus den Stengeln
einer Pflanze, welche den botanischen Namen Urtica nivea (schneeweisse Nessel)
führt, verfertigt wird.
Mäander, auch ä la greque, ist die Bezeichnung für ein sehr häufig in
Anwendung gebrachtes Band, dessen Muster aus einem einfachen, geradlinig hin-
und herlaufenden Streifen oder aus mehreren ineinander verschlungenen schmalen
Bändern zusammengesetzt ist. Die Zwischenräume der oft sehr künstlichen spi-
ralischen Windungen oder rechtwinkligen
Banddurchschlingungen sind zuweilen mit
Quadraten oder Bechtecken, sowie mit Blu-
men, Blattrosetten, Sternen u. dergl. aus-
gefüllt.
Das Mäanderschema ist eines der älte-
sten Motive der ornamentalen Kunst; es
findet sich sowohl in den Ueberresten der
uralten ägyptischen, indischen und chinesi-
schen Erzeugnisse, als auch in den Werken
der griechischen und römischen Kunst. „Sein
Ursprung aus der Weberei leidet kaum
einen Zweifel", sagt C. Bötticher, „und es
kann deshalb regelrecht auch nur mittelst
eines Netzes von Quadraten verzeichnet wer-
den ; daher das rechtwinklig organisierte aus
lauter Quadraten, Würfeln, Platten gebildete
Wesen desselben." (Vgl. Matthias, die
Formen spräche des Kunstgewerbes, Liegnitz
1875.) Der Ursprung dieser Kunstform
aus dem Geflecht und der Weberei erklärt
ohne Weiteres das gleichzeitige Erscheinen
derselben bei allen Völkern, sobald sie
beginnen textile Erzeugnisse zu schaffen.
Man kann deshalb dem Mäander keine eigentliche Heimat zuschreiben. Die
vielseitigste und vornehmste Ausbildung erfuhr der M. im alten Griechenland,
wo er die Grundlage abgibt für die verschiedenartigsten Flechtbänder ; indessen
ist an chinesischen Geweben und Stickereien nachzuweisen, dass auch hier das
Motiv in den erdenklichsten Variationen als Borte (Abb. 52 u. 81) oder Flächen-
muster (Abb. 195) erscheint und andrerseits erklären die Funde aus Peru
(s. d.) zur Genüge (Abb. 196) , dass eben die Bildung des Grundelementes
ohne Weiteres durch die Technik entsteht.
Macaio — Madapolam.
343
Abbildungen:
195. Mäandergrundmuster von einem chinesischen zweifarbigen Seidengewebe
des 18. Jahrhs.
196. Mäanderborte von der Wirkerei in Leinen mit farbiger Wolle ; aus einem
Grabfunde in Peru des 16. Jahrhs.
Abb. 196.
Macaio, südamerik. Baumwollsorte.
Macclesfield, Stadt in der engl. Grafschaft Chester: bedeutende seit 1756
betriebene Seidenmanufaktur. Es bestehen ausserdem BaumwoU-, Zwirn- und
Knopffabriken.
Maco, ägyptische Baumwollsorte.
Macrame (vom arabischen mucharram = gegittert, Gitterwerk), eine zu
Spitzen und Fransen verwendete Technik der Knüpfarbeit, dem der sogen, point
noue verwandt ist. Letztere erscheint indessen mehr als eigentliche Besatz-
spitze in weissem Garn, während die Macrame-Arbeit sich zu breiter Franse
197.
in farbigem Garn ausgebildet hat (Abb. 197). Die Technik wird, wie der
Name, aus dem Orient stammen, die Musterung entbehrt der sonst in Spitzen-
arbeiten geschätzten Leichtigkeit. In neuerer Zeit ist die Macrame-Arbeit,
besonders durch Handarbeitswerkstätten in Hamburg und München, wieder
sehr in Aufnahme gekommen. (S. Spitzen.)
Abbildung:
197. Darstellung aus Kunstgewerbeblatt, Leipzig N. F. IV. S. 130: Franse,
Macramearbeit in farbiger Seide, Muster aus ßautenfeldern mit Knöpfenbildung.
Italien (?) 16.— 17. Jahrh.
Madapolam (ostind.), ursprünglich ein grobes, geköpertes Baumwollgewebe;
jetzt ein dem beschwerten Shirting ähnliches, glattes Baumwollgewebe zu Wäsche,
344 Madeirastickereien — Mähren.
bedruckt auch zu Kleidern u, a. In Frankreich zuweilen Bezeichnung für die
feinsten Ivalikots; im allgemeinen aber weit gebräuchlicher für grobe geköperte
Kattune.
Madeirastickereien sind doppelte Durchbrucharbeiten in kleinen geome-
trischen oder stark stilisierten Pflanzenmustern. Solche ganz durchbrochen ge-
arbeiteten Stickmuster wurden einst als englische Stickereien bezeichnet; heute ist
diese Benennung dafür so ziemlich in Vergessenheit geraten, um dem von der
Insel stammenden Namen Platz zu machen, welche sich durch grosse Sauberkeit
der Ausführung auszeichnen. Sie kommen gewöhnlich nur als Besatzspitzen vor ;
meist sind darin nur die Schnittränder umstickt, seltener noch die Flächen mit
Mustern gefüllt. Der Stoff ist stets bei allen Bindlöchern ganz unter die Stiche
eingearbeitet, sodass sich auch auf der Kehrseite niemals ein Fäserchen loslösen
kann. Als Stickgarn kommt gewöhnlich solches in hellblauer Farbe zur Anwendung.
Madonna, (franz.: Madone; engl.: Madonna); die heil. Jungfrau als Ge-
genstand der Verehrung und Anrufung, und als solcher bildlich dargestellt: (Vgl.
kirchliche Stoffmuster: Abb. 152.)
Madrapas, eine Art grober ostindischer Musselin.
Madras, Hauptstadt der Präsidentschaft des Indobritischen Beiches: die
Industrie ist nicht bedeutend; wichtig ist nur Baumwollfabrikation (Musseline,
Tücher, sogen. Madrastaschentücher) ; eingeführt werden engl. Baumwollwaren
(Shirtings, Kattune) und Grarne.
Madras, ostindische Baumwollsorte.
Madrastücher, buntgegitterte, baumwollene Tücher. Sie werden wegen
ihrer echten, glänzenden Farben und ihrer Feinheit in Asien und Afrika sehr
geschätzt und kamen durch den Handel auch nach Europa.
Madrid, Hauptstadt des Königreichs Spanien: Teppichknüpf er ei.
Maff ersdorf, Fabrikort bei Beichenberg in Böhmen : Wollspinnerei, Decken-
und Teppichfabriken.
Magdeburg, Stadt der preuss. Provinz Sachsen: Fabrikation von "Woll-
und Baumwollwaren, Handschuhe, Band.
Magnanerie (franz.), Seidenbau, Maulbeerbaumpflanzung; Magnanier,
Seidenzüchter.
Magnesia, griechisch- türkische Baumwollsorte.
Magnettes, mittelfeine flächsene Leinen, welche grösstenteils aus "Westfalen,
Schlesien und Belgien roh nach Holland gehen, dort gebleicht und appretiert,
und unter dem obigen Namen für wirkliche holländische Leinwand wieder ver-
kauft werden.
Magrabines, Maugnerbines, gewöhnliche flächsene Leinen, welche in Ober-
ägypten von den Landleuten gewebt, roh oder halbgebleicht nach Kairo zu
Markte gebracht werden.
Mahomiennes sind baumwollene Gewebe, die man früher in Elberfeld
verfertigte.
Mahouds, Mahous auch Mahons genannt, eine der gangbarsten Sorten
europäischer Tücher für den levantin er Handel^ welche sich durch ihre schöne
Appretur, Feinheit und Leichtigkeit auszeichnen und in der ganzen Türkei zu
Frühlings- und Herbstkleidern in grosser Menge verbraucht werden. Es ist eine
Gattung dicht gewalkter Halbtücher von ganz feinem Garn aus feiner Wolle
gesponnen.
Mähren, Markgrafschaft und Kronland der Oesterr. -Ungar. Monarchie:
Obenan steht die Schafwollwarenindustrie, deren Mittelpunkt besonders Brunn
ist, das mit seinen tuchartigen Modestoffen fast den ganzen österr. Markt ver-
sorgt und einen beträchtlichen Handel selbst mit dem Orient und Amerika toeibt.
Von grosser Bedeutung ist ferner die Flachsspinnerei und Leinenweberei, die
ihre Hauptsitze in den Bezirken Bömerstadt, Schönberg, Stemberg, Mährisch-
Trübau, Zittau u. s. w. hat, sowie, ebenfalls in den nördl. Gegenden, die Ver-
fertigung verschiedener Baumwollwaren. Es bestanden (1890) in M. 62 Streich-
garnspinnereien mit 187840 Feinspindeln, 58 Streichgarnwebereien mit 1337
Hand- und 1903 mechan. Stühlen, 30 Kammgarnwebereien mit 991 einfachen
Mailand — Manchester. 345
und 950 Jacquardstühlen, 3 Baumwollspinnereien mit 98000 Spindeln, 16 Webe-
reien mit 2000 mechan. Stühlen, 153 Handwebereien mit 10000 Stühlen, 5 Flachs-
spinnereien und 40 Leinenwebereien mit 5700 Hand- und 300 Jacquardstühlen.
Mailand (ital.: Milano; lat.: Mediolanum), Stadt im Königreich Italien:
Hauptzweig der Industrie ist Fabrikation von Seide und Seidenstoffen, Garnen
und Geweben in Baumwolle, Wolle und Leinen.
Mailänder Gold, zu Stickereien verwendeter, nur auf einer Seite vergol-
deter platter Silberdraht.
Mailänder Spitzen sind Nadelspitzen (s. d.).
Maillon, Binge (Zeugringel) am Webstuhl.
Maine-et-Loire, Depart. im nordwestl. Frankreich. Die Industrie be-
schäftigt sich mit Segeltuch-, Leinwand- und Wollzeugfabrikation ; ebenso werden
Baumwollspinnerei und -Weberei betrieben.
Mainz, Hauptstadt der hess. Prov. Bheinhessen: Einer der wichtigsten
Verkehrsplätze am Bhein und Stapelplatz für die von den niederländ. und belg.
Häfen den Bhein heraufkommenden Waren.
Majebashi, Hauptstadt des Japan. Ken Guma (Provinz Kotsuke), ist Mit-
telpunkt der bedeutendsten Seidenzucht und liefert die beste Japan. Bohseide.
Majo (Jumel), ägypt. Baumwolle.
Makats sind leichte geköperte Wollenstoffe, einfarbig in allen hellen Farben,
welche in der Türkei zu Decken gebraucht werden. Es ist eigentlich eine Art
von doppelt geköperter feiner Serge, welchen die Manufakturen in Languedoc
über Marseille nach der Levante liefern.
Ma-Kien, die chinesische Bezeichnung für gewöhnliche europäische Tuche;
gesucht sind in China hauptsächlich die dunkelblauen und himmelblauen, nächst-
dem die roten, braunen und schwarzen Tuche.
Malboroughs, ein bunter geköperter älterer Wollenstoff, dessen Kettfäden in
der Farbe von den Einschlagfäden verschieden sind und welcher durch Kalandrieren
eine glänzende Appretur erhält; die feineren Sorten haben zuweilen auch zur
Kette einen mit Seide zusammengedrehten Wollenfaden.
Malerleinwand ist eine besonders fest und glatt gearbeitete grundierte
Leinwand.
Malines, der franz. Name für die Stadt Mecheln und für die dort ge-
fertigten Spitzen (s. d.).
Malines, ein fester, melierter Stoff aus Kammgarn, dessen Gewebe lein-
wandartig ist ; dabei ist der einfache Einschlagfaden von anderer Farbe, als der
zwei- oder dreifach gezwirnte Kettfaden.
Mallemolles, Malmoles, ist eine Gattung feiner ostindischer Musseline aus
Bengalen, welche sich vornehmlich durch ihre Weichheit auszeichnen. Sie werden
in Ostindien häufig mit Gold- oder Silberlahn bestickt. Im europäischen Handel
kommen sie jetzt nur noch selten vor.
Maltuch, s. Malerleinwand.
Mamers, Stadt im franz. Depart. Sarthe: Fabriken für Leinwand und
Baumwollzeug, Flachsspinnerei.
Mamoudies, Mamodies ; unter diesem Namen hat man im Handel einige
Gattungen feiner baumwollener Gewebe, welche früher sehr gesucht waren. Die
M. aus der Levante sind eine Art fest gewebter Cambresine (s. d.), jedoch
feiner im Gespinst und roh von gelber Farbe. Eine andere Sorte heissen die
Engländer und Franzosen Chits Mamoudies; diese sind ebenfalls roh, man nimmt
sie in den Kattunfabriken zum bunten Druck. Die dänisch-ostindischen M. sind
bunt gedruckte baumwollene Stoffe von verschiedener Qualität.
Mancha (lat.), franz. : manche = Aermel), Umkleidung für den Arm beim
Tragen des Kreuzes im Zuge der Prozession.
Manchester, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : ist Mittelpunkt der
engl. Baumwollindustrie und als Stapelplatz ihrer Erzeugnisse in unmittelbarer
Handelsverbindung mit allen Handelsplätzen der Erde. Die Baumwollbörse von
M. beherrscht den Weltmarkt. Es bestehen Baumwollspinnereien und -Webereien,
Färbereien und Druckereien.
346 Manchester — Manufaktur.
Manchester (franz. manchester, velours color; engl, fartion), sammetartige
Zeuge aus Baumwollgarn, welche als Nachahmungen des eigentlichen seidenen
Sammets (s. d.) wie dieser glatt und als Köper gewebt und weiter behandelt
sind. Sie haben ihren Namen von der englischen Stadt Manchester, wo sie
zuerst gemacht wurden und wo noch jetzt, in Stadt und Umgegend, der Haupt-
sitz der Fabrikation ist. In England heissen derartige Stoffe auch Velvets, Yel-
verets und Velveteens, Namen, die auch bei uns gangbar geworden sind und die
alte Benennung etwas verdrängt haben. Sammetmanchester heissen die schwersten
und feinsten Stoffe, welche den echten Sammet am besten nachahmen. Die
unechten Sammete werden jetzt in Frankreich und Deutschland ebenfalls fabri-
ziert, hier namentlich zu Seifhennersdorf, Deuben und Chemnitz in Sachsen, in
Berlin und Elberfeld, zu Kornthal und Ehingen in Württemberg, auch in meh-
reren Ortschaften Böhmens.
Mandrenaque ist ein auf den Philippinen angefertigter Stoff, dessen
Kette aus Baumwollgarn, der Einschlag aber aus Fäden von Palmblättern ge-
nommen ist.
Manila, Hauptstadt der Philippinen in Ostasien: ein Hauptzweig der In-
dustrie ist die Verarbeitung von Manilahanf (s. d.) zu Geweben, Spitzenstickereien
und auch zu Tauwerk. Ausserdem verfertigt man Nanking, Flechtarbeiten und
Teppiche. Bedeutende Einfuhr von Baumwollgeweben, Garnen und Wollwaren.
Manila, ostindische Baumwollsorte.
Manilahanf, Bananenfaser, Abaca (franz. chanope de manille; engl, siam-
hemp), ist die gelblichweisse oder bräunlichgelbe Bastfaser der Blätter von dem
Affenpisang (Musa textilis). Die weisseste, aus den innersten Blattscheiden prä-
parierte Sorte, welche rein ausgehechelt einen seidenartigen Glanz zeigt, wird zu
Glockenschnüren und allerlei Flechtwerk verarbeitet, zuweilen auch als Einschlag
in seidenen und baumwollenen Möbeldamasten verwendet. Die sehr festen
Fasern sind verholzt. Geringere Sorten und gröberes Material stammen von
anderen Musa- Arten, besonders von der überall in den Tropen gebauten gewöhn-
lichen Banane oder Paradiesfeige.
Manipel, (lat.: manipulus; franz.: manipule; engl.: maniple); anfänglich
(seit Gregor d. Gr.) ein feines leinenes Tuch, das der amtierende Priester zum
Abtrocknen des Gesichtes und der Hände, sowie zur Säuberung der heil. Gefässe
gebrauchte; seit dem 9. Jahrh. hier und da als Zierrat bald rechts bald links
über dem Arm oder in der Hand getragen, aber nach 1115 als Schweisstuch
erwähnt, wird es im 12. Jahrh. allmählich zum blossen Schmuck, und in dieser
Eigenschaft als breites Band, in Farbe, Muster und Ausstattung durch Fransen,
Glöckchen u. s. w. sich der Stola anschliessend, vom Priester über dem linken
Unterarm getragen. Bis zum 14. Jahrh. war die M. ziemlich lang, nachher all-
mählich kürzer.
Manisocks, ein glattes Baumwollgewebe besserer Art, gewöhnlich aus
Garnen No. 32 — 50 hergestellt.
Manissa, das alte Magnesia, Stadt im asiat.-türk. Wilajet Aidin : Weberei
baumwollener JStoffe.
Manresa, Stadt in der span. Provinz Barcelona: Grosse Spinnereien und
Tuchfabriken.
Mansfield, Stadt in der engl. Grafschaft Nottingham: Grosse Strumpf-
wirkereien, BaumwoU waren und Spitzenfabriken.
Mantelzeug, in Oesterreich wurde früher ein glatter Stoff aus gezwirntem
Wollgarn unter diesem Namen gefertigt.
Mantilla (Mantille) , in Spanien der grosse Frauenschleier , der auf dem
Kopf befestigt wird und den Oberkörper umhüllt; danach Bezeichnung für/ ein
kleines, leichtes Frauenmäntelchen, das für die Sommertoilette ungefähr um 1730
in Frankreich Mode wurde.
Manufaktur (vom lat. manu factum, d. i. mit der Hand gemacht), be-
zeichnet besonders die Werkstätten der Handarbeit, im allgemeinen die Yer-
edlungsgewerbe , im Gegensatz zu der Bohproduktion und dem Handel. Unter
Manufakturwaren versteht mau jetzt besonders Erzeugnisse der Textilindustrie.
Marabuseide — Marokko. 347
Marabuseide, aus drei bis vier nicht entschältea Rohseidenfäden stark
gezwirnte, daher sehr steife Seide von blendender Weisse.
Maragnon, südamerik. Baumwollsorte.
Maranham, Baumwollsorte aus Brasilien, weiss ins gelbliche, glänzend und
kräftig im Faden.
Marceline und Marcelinette, einfache, glatte , taftartig gewebte Seiden-
stoffe, eine Art double florence, aber schwerer, fester und glänzender als dieser;
in allen Farben, vorzüglich aber in schwarz sehr im Gebrauch zu Frauenkleidern
und Mänteln, Der Name stammt wohl von der französ. Stadt St. Marcellin
(Depart. Isere).
Marchais, Marchey, ostindische, buntgegitterte und buntgestreifte Baum-
wollzeuge, eine Sorte Gingans, bei welcher die vielfarbigen, abstechenden Muster
nicht wie bei den gewöhnlichen leinwandartig eingewebt, sondern aufgemalt und
eingefärbt werden.
Marguerite, ein halbseidener Stoff von Wolle und Zwirn, mit etwas Seide
vermischt, der in Hautelisse gewebt, früher zu Amiens sehr viel verfertigt wurde.
Marienberg in Sachsen, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Chem-
nitz: Baumwollspinnerei, Flachsbereitungsanstalt, Spitzen- und Häkelindustrie.
Markirch, franz. Saint Marie -aux-Mines, Stadt im Kreis Bappoltsweiler
des Bezirks Oberelsass: Baumwollspinnerei und -Weberei, Woll- und Seiden-
weberei, Färberei, Bleicherei und Appreturen. Die Baumwollgewebe, welche als
Articles de Saint Marie-aux-Mines einen Weltruf erlangten , wurden Mitte des
18. Jahrh. durch Johann Georg ßeber von Mülhausen eingeführt.
Märkische Tuche waren früher alle in der Provinz Brandenburg ver-
fertigten Wollentücher, von welchen es viele Sorten gab, worunter solche im
Doppelschlag besonders berühmt waren. Gegenwärtig versteht man darunter
Tuche aller Art aus Luckenwalde, Cottbus, Crossen, Züllichau, Schwiebus,
Sommerfeld u. s. w.
Marklissa, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Liegnitz: Kammgarnspinnerei,
Kattun- und Baum Wollweberei.
Markt-Redwitz, Eedwitz, Marktflecken im bayi-. Reg.-Bez. Oberfranken:
Woll-, Baumwoll- und Buntweberei.
Marlotte, ein vorn offenes Kleid mit Stehkragen, meist kürzer als der
Bock, eine Art Schaube, welche die Damen zur Zeit Franz I. zuerst trugen,
die aber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. allgemein wurde und sich all-
mählich zam blossen Mäntelchen verkürzte. Rabelais erwähnt die M. und Berne
(M. ohne Aermel) zuerst im „Gargantua".
Marly, verschiedene Sorten grossmaschiger Gaze , grösstenteils aus Zwirn
oder Leinengarn gewebt, zum Teil auch mit Baumwolle, Wolle oder Seide. Es
gibt schwarzen, weissen, eng- und weitmaschigen, groben, mittein, feinen, mehr
oder weniger steif appretierten. Nach seinem verschiedenen Gebrauch richten
sich seine Nebenbenennungen, als: Fenstermarly oder Fenstergaze, meist grün
oder blau gefärbt und steif appretiert ; Putzmarly zu Unterlagen in Damenhüten ;
gestreifte und broschierte M.; Steifpetinett, Marlyflor und Marlygaze. Letztere
beiden sind entweder ganz seidene oder bestehen aus Seide und Baumwolle, sind
fassoniert und gestreift, meistens schwarz (vgl. unter Point p. de Marly).
Marocs, Raz de Maroc, ist ein sergeartiger, etwas langhaariger Wollen-
stoff, der in Rheims, Rethel, Chalons u. s. w. geköpert und ungeköpert in allen
Farben von verschiedener QuaUtät verfertigt wird. Die feinsten aus spanischer
Wolle bezeichnet i^an mit Segovies.
Marokkanische Teppiche werden als solche schon Knüpfarbeiten aus dem
16. Jahrh. bezeichnet, welche geometrische Muster in meistens Grün und Rot
enthalten. Moderne Teppiche aus Marokko erfreuen sich ihrer grellen Farben
und lockeren Technik keiner grossen Beliebtheit in Europa (s. Teppiche).
Marokko oder Maghreb al-akssä (d. h. der äusserste Westen), Sultanat
in Nordafrika: Der Gewerbefleiss ist verschwindend klein und befasst sich mit
der Verfertigung von roten Mützen (Fes), Seidenweberei und Teppichfabrikation.
Die ältere Industrie in Seidengeweben und Teppichen ist bedeutender gewesen.
348 Marsch — Matrosentuch.
Die Stoffmuster waren streifig (vgl. Abb. 7 u. 9 auf Tafel VII) oder bewegten
sich in rein geometrischer Linienführung.
Marsch heisst in der Weberei die Gesamtheit aller Schussfäden in der
Höhe des Musters.
Marseille, Hauptstadt des franz. Depart. Bouches-du-Hhone: erzeugt
werden Baumwolle, Seidenabfälle, Wolle; während Tuche, Merino und Baum-
wollgewebe französischen und fremden Ursprungs ausgeführt werden.
Marseiller Arbeit ist eigentlich eine erhabene ausgenähte Arbeit, indem
man auf dichtem, weissem Baumwollzeug, feiner Leinwand oder einem andern
festen und feinen Gewebe, welches mit Watte ausgefüttert wird, durch sogen.
Steppstiche verschiedene Figuren und Blumenwerk bildet. Die auf diese Art
durchnähten Bettdecken hatten früher einen starken Absatz nach Spanien, Italien,
der Levante u. s. w., sind aber gegenwärtig durch die wohlfeileren Pikeedecken
beinahe ausser Gebrauch gekommen. Wegen der Aehnlichkeit dieser genähten
Arbeit mit dem Pikee gibt man diesem Stoff in Frankreich häufig den Namen
Marseille.
Mascades nennt man im spanisch- amerikanischen Handel seidene Kopf-
tücher; Mascades de mano, Taschentücher.
Mascarets, ein dem Satin ähnlicher, aber nicht so fester und starker Stoff
von hartem Xammgarn, glänzend, mit eingewebten atlasartigen Mustern.
Maschinennähen wird zuerst um die Mitte des 18. Jahrh. geübt. Im
Jahre 1755 nahm der Engländer F. Weisen thal ein Patent auf einen Apparat,
welcher mit einer zweispitzigen Nähnadel versehen war, die in der Mitte durchlöchert,
den Stoff durchstach, ohne gewendet werden zu müssen. Von 1755 — 1846 verfolgten
Thomas Saint, J. Duncan, J. A. Dodge, B. Thimonnier und Walter Hunt mit Aus-
dauer das Studium zur Vervollkommnung der Nähmaschine. Sie nahmen verschiedene
Patente und trugen auch viel zur Lösung dieses schwierigen Problems bei, ohne
aber grosse praktische Resultate zu erzielen. Erst gegen 1850 wurde nach zahl-
reichen Versuchen durch Thomas Howe und J. M. Singer die neue Maschine
ein brauchbares Werkzeug, und seit der Zeit haben zahlreiche Vervollkomm-
nungen die einfache Maschine abgeändert und daraus ein fast vollkommenes
Werkzeug gemacht, das heute fast unentbehrlich geworden ist (s. Nähmaschine).
Maschinenspinnerei, die erste englische wird in Deutschland (Kromford)
Bheinland 1784 errichtet, von wo aus sich diese Art der Spinnerei im Bheinland
und in Sachsen verbreitete.
Maschinenspitzen, auf der Klöppelmaschine, dem Wirkstuhl oder der
Bobbinetmaschine hergestellte Spitzen (s. Spitzen).
Maschinenstickerei, s. Stickerei.
Maschinenstickerschulen, Fachschulen zur Ausbildung der in der Ma-
schinenstickerei beschäftigten Arbeiter. In Vorarlberg, wo ungefähr 3000 Stick-
maschinen und fast ebensoviel Kettenstichmaschinen in Tätigkeit sind, besteht
eine solche Schule seit 1891 in Dornbirn. Sie steht unter einem Ausschuss aus
staatlichen, kommunalen, Handelskammer- und Industrievertretern. Alle zwei
Jahre findet eine Ausstellung statt.
Maskat, Hauptstadt des Sultanats Oman an der Nordostküste Ostarabiens :
Bedeutender Handel mit Baumwollwaren.
Massachusetts, einer der Vereinigten Staaten von Nordamerika: hervor-
ragende Fabrikation von BaumwoU-, Woll- und anderen Textilwaren.
Massiru, ein leichter, einfacher Seidenstoff, eine Art Demi florence, wel-
cher in Ostindien, vorzüglich in Surate, viel verfertigt wird. Die Mongolen und
Mohammedaner in ganz Asien tragen von diesem Zeuge lange Beinkleider.
Matabies ist in Ostindien der Beiname aller derjenigen dichten und leicjaten
Baumwollzeuge, welche mit Mustern oder Zeichnungen von Gold und Silber
gearbeitet werden. Diese Dessins sind teils mit Gold- und Silberlahn eingewebt
oder gestickt, zum Teil auch nur leicht aufgedruckt.
Matrosenleinen, s. Bonten.
Matrosentuch, Singonne, Agneline, eine Gattung langhaariger, zottiger
Tücher, gewöhnlich schwarz gefärbt, welche wie grober Plüsch, allein sehr fest
Matrosentücher — Melbourne. 349
gewebt und so dicht gewalkt werden, dass das Wasser nicht durchdringen kann.
Es ist eine Nachahmung der türkischen Capots von Zagora, hat das Ansehen
eines schwarzen behaarten Schaffells und dient zur "Winterkleidung für die ärmeren
Volksklassen, sowie auch als Satteldecken bei der Kavallerie als Ersatz der ge-
bräuchlichen Schaffelle. Man verfertigt es in Böhmen, Mähren und in österr,
Schlesien.
Matrosentücher, gewöhnliche, blau und weiss , rot und weiss , auch rot,
blau und weiss gegitterte Hals- oder Taschentücher, welche in der Oberlausitz
verfertigt und nach Hamburg, Bremen, Amsterdam für den spanischen und
amerikanischen Handel verkauft werden. Früher waren sie ganz aus Leinengarn,
jetzt werden sie halb von Baumwolle und Leinen oder ganz aus Baumwollgarn
verfertigt.
Matte, ein Flechtwerk oder Gewebe aus Stroh, Bast, Binsen, Rohr u. s. w.,
das zur Verpackung von Waren, zu Teppichen, Fussabstreichern u. s. w. dient.
Maulbeerseide, weisse chinesische Seide, im Gegensatz zur gelben, welche
aus Westasien kommt.
Maureske, s. v. w. Arabeske (s. Arabischer Stil).
Maurisch (franz. moresque, engl, moorish) , die Kunstweise der Araber,
welche die westliche Nordküste Afrikas und vom Anfange des 8. bis Ende des
15. Jahrh. einen grossen Teil Spaniens beherrschten, enthält ursprünglich arabische
und byzantinische Elemente (s. Arabischer Stil).
Mawata, s. Flockseide.
Mayenne, Stadt im franz. Depart. Mayenne: Baumwoll- und Wollspinnerei,
Leinwand-, Kaliko- und Taschentuchfabrikation, Hemden- und Hosenfabrikation.
Mayennes, im franz. Handel eine weissgebleichte Leinwand von feinem
ausgesuchten Hanfgarn, welche im Depart. der Mayenne an mehreren Orten ver-
fertigt wird. Ausserdem versteht man unter diesem Namen mehrere Sorten
flächsener Leinwand, welche in der Nähe der Stadt Mayenne gewebt, wie die
lavalschen Leinen gebleicht, appretiert und assortiert werden und welche dann
als lavalsche Leinen in den Handel kommen.
Mazamet, Kantonsstadt im südfranz. Depart. Tarn: Bedeutende Woll-
spinnerei, Fabrikation von Flanell.
Mazankury Muga ist eine Assamsche Seidenraupe (Saturnia assamensis),
welche auf dem Adakurrybaume lebt und eine fast weisse Seide erzeugt.
Mecheln, franz. Malines, Stadt in der belg. Provinz Antwerpen : Wichtige
Manufakturen in Spitzen , Hüten , Wollwaren , Teppichen , Flachs- und Hanf-
spinnerei.
Mechelner Grund, eine Grundbindung der Beseauspitzen.
Mechlinet, ein feines Westenzeug von Leinen und Baumwolle, das früher
in Gloucestershire verfertigt wurde.
Medaillon (franz. medaillon, engl, medallion), s. v. w. Bundbild.
Medietas (lat.) (franz. ferandine), aus Leinen und Seide bestehender Stoff.
Mediotwist, Garn, s. Twist.
Meerane, Stadt der sächs. Kreishauptmannschaft Chemnitz: ist einer der
wichtigsten deutschen Plätze für die Fabrikation von wollenen, halbwollenen und
aus Wolle, Baumwolle und Seide gemischten Kleiderstoffen (9 mechan. Webereien
und Hausindustrie in- und ausserhalb der Stadt), ferner eine Kammgarnspinnerei.
Webeschule.
Mehun-Sur-Yevre, Stadt im franz. Depart. Cher: Wollenstoff- und Lein-
wandfabriken.
Meklenburghs, ein glänzend appretierter wollener Stoff in England, eine Art
von geblümtem Wolldamast, bei welchem der leinwandartige Grund aus bunten
Streifen besteht, zwischen welchen mehrfarbige Blumen einbroschiert sind. Die
Kettfäden, mit welchen die Streifen angelegt werden, sind doppelt und dreifach
gezwirnt, wodurch das Gewebe fest und steif wird.
Melangegarn, s. Moulineegarne.
Melbourne, Hauptstadt und Haupthandelsplatz der brit. Kolonie Victoria :
die grösste Stadt Australiens: Textilwarenfabrikation.
350 Melieren— Metzingeii.
Melieren (vom franz. meler mischen), das Vermischen verschiedenfarbiger
"Wolle vor dem Spinnen zur Herstellung melierter Gespinste und melierter Tuche.
Melsungen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Kassel: Webereien u. Tuchfabriken.
Membran, heisst das Pergament, welches im Mittelalter dazu benutzt
wurde, vergoldet oder versilbert, um einen Leinen- oder Baumwollfaden gesponnen,
den gezogenen Metallfaden zu ersetzen.
Memmingen, Stadt im bayr. B;eg.-Bez. Schwaben: Tuch- und Leinen-
weberei, Flachs- und Wollspinnerei, Fabrikation von Bindfaden und Jacquard-
decken.
Mende, Hauptstadt des franz. Dep. Lozere : Wollspinnerei, Tuchfabrikation.
Mengen, Stadt im württemb. Donaukreis: Tuchfabrikation, Weissstickerei
und Strickwaren.
Menin, Stadt in der belg. Provinz Westflandern: Spinnerei und Weberei.
Mensale (lat.), leinenes Tischtuch, Tafeltuch.
Merida, Stadt der Bepublik Venezuela: Teppichfabrikation, Handel mit
Baumwollstoffen.
Merino (engl, merino, marrino), heissen leichte geköperte Zeuge aus Kamm-
wolle mit dreifädigem, auch vierfädigem, auf beiden Seiten rechtem Köper. M.
kommen in allen Farben und gemustert vor und waren eine Zeitlang beliebt zu
Frauenkleidern und TJmschlagetüchern. Die Stoffe, durch Sengen, Scheren und
heisses Pressen mit Glanz appretiert, kamen ursprünglich aus England und
wurden dann auch in Deutschland und Frankreich fabriziert. Gegenwärtig ist
die Ware nicht mehr in Kurs, und an ihre Stelle sind die in Deutschland zuerst
gefertigten Thibets getreten : vollere und weichere Stoffe ohne glänzende Appretur.
Eine wohlfeilere hierher gehörige Ware ist halbwollener M. mit baumwollener
Kette und Kammgarneinschlag, dreifädig geköpert; sie heisst Paramatta.
Merinogarn ist ein Garn aus feiner, kurzer Wolle; auch halbwollene
Strumpfwirker- und Strickgarne werden so genannt.
Merinowolle ist eine sehr feine, stark gekräuselte, feste, aber weiche und
elastische Wolle, die man zu besseren Stoffen (Tuchen) verarbeitet, sie stammt
von den Merinoschafen.
Merkbänder, Buchzeichen, wurden im Mittelalter zu kostbaren Buchein-
bänden hergestellt, und bestanden aus einem, der Ausstattung des Einbandes
entsprechend reichen, selbst goldenen und mit Edelsteinen und Perlen besetzten
Halter, an welchem Seidenschnüre zum Einlegen zwischen die Blätter hingen.
Später traten an ihre Stelle die am Buchrücken befestigten Bänder.
Merw, Hauptort der Oase im S.O. der Turkmenischen Wüste: Herstellung
von Teppichen und Seidenstoffen.
Meschede, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Arnsberg: Wollspinnerei, Fabri-
kation von Wollwaren und Kunstwolle.
Meschhed (d. h. Grabmal), Hauptstadt der pers. Provinz Chorassan:
liefert ausgezeichnete Teppiche, Shawls nach Kaschmirmustern (Meschhedi), Filz,
Seidenstoffe und gedruckte Baumwollzeuge.
Messgewand (lat. : paratura missatica ; franz. : habit de choeur ; s. litur-
gische Gewänder) , im gewöhnlichen Sprachgebrauch nennt man die Casula (s. d.)
Messgewand.
Messina, Stadt im nordöstl. Teile der Insel Sizilien: die Industrie ist
gering, es besteht Seidenspinnerei; eingeführt werden Woll-, Baumwoll- und
Seidenwaren, Decken, Teppiche, Kattun und baumwollene Tücher.
Messolan, Masselan, auch Miselane (aus dem italienischen Mezzolana, Halb-
wolle), ist ein gewöhnlicher, sehr haltbarer Stoff, halb aus Leinengarn, halb aus
Schafwolle gewebt. In Sachsen, Schlesien, Böhmen wurde dieses Zeug ein/ach
und doppelt, glatt, geköpert, gedruckt und meliert angefertigt.
Metaxa (lat.), Bezeichnung für Bohseide im römischen Zeitalter.
Metier (franz.). Web- oder Wirkstuhl, Stickrahmen.
Mettmann, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Seiden- und Baum-
wollwarenindustrie.
Metzingen, Stadt im württemb. Schwarzwaldkreise : Wollspinnereien, Tuch-,
Mexiko— Mitra. 351
Woll- und Strumpfwaren, Woll- und Baumwollfärberei, Baumwollzwirnerei und
Bandweberei.
Mexiko, Föderativrepublik : der wichtigste Zweig der rasch wachsenden
Industrie ist die Baumwollmanufaktur, besonders in Guadalajara und Puebla,
die sich auf grobe weisse Kattune (mantas), die landesüblichen Shawls (rebözos),
Tischdecken und Bettdecken erstreckt, aber dem Bedarf nicht genügt, sodass
trotz des hohen Zolls Baumwollfabrikate den Haupteinfuhrartikel bilden. Die
125 Fabriken mit 14759 Webstühlen und 491443 Spindeln verbrauchten (1899)
26,5 Mill. kg Baumwolle und produzierten 10,2 Mill. Stück Tuch und 1,9 Mill.
kg Garn. 1900/1 arbeiteten in 153 Fabriken 26709 Arbeiter. Geringer ist die
Wollmanufaktur.
Mezzetta ist eine Sorte sizilianischer Seide.
Miava, Hauptort im ungar. Komitat Neutra: Tuch- und Leinenweberei.
Michelstadt, Stadt in der hess. Provinz Starkenburg: Baumwoll- und
Tuchweberei.
Mi-fil ist die feinste, aber auch die klarste und dünnste Sorte, der im
franz. Handel unter dem Namen Quintins oder Quintes vorkommenden fläch-
senen Leinen.
Mi-florence (Halbflorence, Halbtaffet) , ein leichter, taffetartig gewebter
Seidenstoff, welcher sich von dem dünnen Taffet durch einen vorzüglichen Glanz
unterscheidet und fast ausschliesslich zu Unterfutter verwendet wird.
Mignardise (franz., d. i. Zierlichkeit), zur Verzierung dienende Litzen
oder Gimpen, besonders schmale leinene oder baumwollene Börtchen, mit seitlich
hervorragender Fadenschlinge (Picots) , die als Grundlage für anzuhäkelnde
Spitzen zur Herstellung von Wäschebesätzen u. dgl. dienen.
Mignonetten, 1) eine Gattung zarter, geklöppelter weisser Zwirnspitzen,
nicht über 5 — 8 cm breit. 2) Kattune mit kleinem Muster. 3) Baumwollene,
gemustert gewebte oder broschierte feine Halstücher, eine Nachahmung der
Linontücher.
Migot, im Handel von Languedoc die Brack- oder Ausschusssorte der
span. Wolle.
Milanese (ital. : mailändisch), ehemals Benennung der Schnur, mit welcher
die Figuren der Beliefstickerei eingefasst wurden.
Milanesstuhl, eine Wirkmaschine; Milaneswaren, die damit hergestellten
Wirk waren.
Mille-Points, ein englischer geköperter, atlasartiger, ganz klein gemusterter
Wollenstoff, eine Art glänzend appretierter Kalmank.
Millräyes, Tausendstreifige, nennt man die feinen, ganz kleingestreiften,
ostind. Musseline, und die ihnen nachgemachten, schmalgestreiften, weissen und
Junten Baumwollzeuge.
Mina-Cloths, ein dichter, geköperter Stoff aus Wolle und Baumwolle,
ähnlich dem Doppel-Casimir, der aber dicker und fester ist. Sehr häufig wurden
auch von diesem Gewebe Hals- und Umschlagtücher für Frauen, einfarbig oder
gedruckt verwendet.
Minas geraes, siidamerik. Baumwollsorte.
Minas novas, südamerik. Baumwollsorte.
Minorka, ein geköperter, halbseidener Stoff von Seide und Flachsgarn.
Mirecourt, Hauptstadt des gleichnamigen Arond. im franz. Depart. Yosges:
Spitzenindustrie, die schon im 16. Jahrh. nachweisbar. Anfänglich Klöppel-,
später Nadel arbeiten nach italienischen Vorbildern mit geometrischen und stilis.
Blumenmustern.
Mirfield, Stadt in der engl. Grafschaft York : bedeutende Wollspinnereien.
Mistek, Stadt in Mähren: Woll-, Baumwoll- und Leinenindustrie.
Mitra (lat. : mitra; franz.: mitre; engl.: mitre) , Band, Kopfbinde, Mütze,
wird im 14. Jahrh. fast allgemein von vornehmen Leuten getragen und später
von den höheren christlichen Priestern übernommen, statt der vorher üblichen
Bundkappe oder Stirnbinde (lat. : Corona). Die Bischöfe der griechischen Kirche
trugen dagegen schon in frühester Zeit den noch jetzt üblichen kegelförmigen
352 Mittelalterliche Weberei— Mohn.
Hut in Gestalt der Sidaris des jüdischen Hohenpriesters, eine Form, die der
päpstlichen Tiara (s. d.) zu Grrunde liegt. Seit dem 9. Jahrh. wurde mit Aus-
nahme geringer Schwankungen jene Gestalt der Mitra gebräuchlich, welche aus
2 cornua (aufsteigenden Spitzen) besteht, die den Vorder- und Hinterkopf über-
ragen und durch ein Zwischenfutter verbunden sind. Alle Teile, der untere
breite Saum, welcher sich aus der Stirnbinde gebildet hat, die nach oben stei-
gende Borte (titulus), welche die cornua vertikal durchschneidet, sowie die Enden
der Corona (infulae) werden reich in Grold, Perlen und Seide gestickt. (Vergl.
Abbild. 190.)
Mittelalterliche Weberei, s. Weberei, Geschichtliches.
Mittelalterliche Stickerei, s. Stickerei, Geschichtliches.
Mitteltuch heisst das in den brandenburgischen und schlesischen Manu-
fakturen aus guter Mittelwolle verfertigte Tuch, welches nur einen Schlag mit
der Lade erhält, aber doch dicht und fest gewebt und gut gewalkt wird.
Mittweida, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: Baumwoll-
webereien und -Spinnereien.
Mixed-Checks, im engl. Handel die in England und Schottland verfertigten
gewöhnlichen Matrosenleinen, bei welchen die weissen Eäden von flächsenem
Garne, die bunten Fäden aus Baumwolle bestehen; sie sind meistens blau und
weiss gestreift oder gegittert.
Möbelleinen nennt man die feineren und dichtgewebten Listados , eine
gangbare, in verschiedenen Mustern buntgewürfelte Leinwand, welche teils halb
aus Leinen und halb aus Baumwolle, teils ganz aus Baumwolle, in verschiedenen
Gegenden Deutschlands und in den Niederlanden fest und gedrungen gewebt werden.
Model heisst die erhabene Druckform für Zeugdruck.
Modeldruck, s. Zeugdruck.
Modeltuch, s. v. w. Mustertuch für Stickerei.
Modesne, in Frankreich ein halbseidenes dünnes Zeug, das von Florett-
garn, Zwirn oder Baumwolle, mit Wolle vermischt, gewebt wird.
Modica, sizilianische Baumwollsorte.
Modigliana, Stadt in der ital. Provinz Florenz: Seidenspinnerei.
Modugno, Stadt in der ital. Provinz Bari: Baumwollmanufaktur.
Mogdischu (Mogduschu, Makdischu, Madischa, ital. Mogadiscio), Ortschaft
an der Küste von Italienisch- Somalland in Ostafrika: Wichtiger Handelsplatz für
die Produkte des Somallandes. Die berühmten Gewebe wurden früher bis nach
Arabien und Persien verkauft.
Mogg oder Mock-QuiltingS, ein gemusterter Baumwollstoff in Manchester
und Glasgow, welcher wie Pikee gewebt wird, allein nicht so fest und dicht,
wie dieser ist, deshalb auch Halb-Pikee genannt wird.
Mohair, die engl. Bezeichnung für Angorawolle (s. d.). Die daraus ge-
webten Stoffe, wie auch solche, in denen die Ziegenwolle nur einen Bestandteil
neben andern bildet, führen jetzt ebenfalls häufig den Namen Mohairs, obschon
ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen und den Kamelotts nicht besteht,
da auch diese vielfach als Mischgewebe auftreten. Das Mohairgarn wird jetzt
häufig als Schussgarn verwebt und durch seine Verbindung mit Kammgarn,
Baumwolle, Alpaka und Seide eine grosse Mannigfaltigkeit von Stoffen erzeugt.
Am stärksten wird die Fabrikation derselben in England (Bradford, Manchester)
betrieben, in Frankreich besonders in Boubaix und Lille, in Deutschland in
Chemnitz und Umgegend, Schlesien, Berlin, Gera, Weida , in Oesterreich im
Beichenberger Bezirk. — Mohairspitzen sind schwarze Wollspitzen. Mohair-
plüsche sind Wollenplüsche.
Mohn, Pflanzengattung der Payaveraceen, mit zweiblättrigem, hinfälligem
Kelch, vielblättriger Blume, zahlreichen Staubgefässen und einer Fruchtkapsel,
in neuer Zeit durch die englische moderne Richtung für Flachmuster, nament-
lich bedruckten Baumwollstoffen und Velveteen's.
Abbildung:
198. Darstellung einer Mohnstaude aus : Lobelius, plantarum sev stirpium icones.
Antwerpen 1581.
Mohr — Montaocnana.
353
Mohr, Moir, Moor, moiriert heissen dichtgewebte seidene Zeuge mit damast-
artigen Blumen, die einen Atlasköper haben, auf einem Grunde von Gros-de-tour,
doch gibt es auch halbseidene Mohrs, deren Kette von Seide, der Einschlag von
Kamelhaar, Wolle oder Baumwolle ist, und ganz wollene (s. Moreens). Das Gewebe
hat den Namen von dem Mohr, d. h. der
geflammten und gewässerten Oberfläche (s. Abb. 198.
gewässerte Stoffe). Die eingewebten Blumen
sind von verschiedener Grösse, wie bei dem
Damast; es bleibt aber viel freier Grund
zwischen und neben den Mustern, denn nur
dieser nimmt den eigentlichen Mohr oder die
Wässerung an, nicht aber die atlasartigen
Blumen , die wegen des Atlasköpers weich
sind.
Mok-Satins sind starke, steife, glän-
zende Wollenstoffe, eine Art wollener Damast,
dessen Einschlag, wie bei dem Satin, wechsel-
weise über vier Kettfäden geht, wodurch
das Gewebe ein atlasartiges Ansehen erhält;
die Muster und Blumen sind jedoch dunkler
und nicht so bunt wie bei dem Satin.
Moldgarn, in Westfalen die Benennung
für ein ziemlich grobes Leinengespinst, das
als Einschlag für Leinwand verwendet wird.
Moleskin, soviel wie Englisches Leder.
(s. d.). Beim halbwollenen M. besteht die
Kette aus Baumwolle, der Einschlag aus
Streichgarn; ferner in England Bezeichnung
für feine Westenstoffe, die auf baumwollenem
Grunde Muster aus feinster Wolle haben, in
Oest erreich ein feiner, dichter, rauher, ge-
schorener und gefärbter Barchent.
Molinos, Baumwollsorte aus Mexiko,
weiss, ins gelbe, glänzend im Eaden.
Moll, Molton, Multon (franz.: molleton), ein weiches, langhaariges Gewebe
aus guter Mittel wolle. Es wird entweder wie das Tuch glatt, leinwandartig oder
geköpert gewebt, auf beiden oder nur einer Seite gerauht und mit einem Schnitt
geschoren. In der Dichtheit und Walke steht der Stoff zwischen Flanell und
Fries, ist lockerer wie dieser und dichter wie jener. M. ist aus feiner kurzer
Wolle gefertigt. Man gebraucht dieses warmhaltende und leichte Zeug zu Unter-
kleidern; die Farbe ist meist weiss, doch wird es auch gefärbt. —
In neuerer Zeit sind auch baumwollene M. häufig fabriziert ; es ist dies eine Art
dicker baumwollener Barchent, der auf beiden Seiten stark gerauht, welcher
dadurch eine weiche, langhaarige Oberfläche erhält.
Mollet, im franz. Handel eine Sorte ganz schmaler Fransen von Zwirn,
Seide, Gold und Silber.
Mollicia (lat.), gestickter Teppich, mit opus plumarium (s. d.) geschmückt.
Molton, s. Moll.
Mondovi, ehemals Montevico oder Monreale, Hauptort in der ital. Provinz
Cuneo: Fabriken in Seide und Kattun.
Monfalcone, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Gradisca: Seiden -
zucht, Seiden- und Baumwollspinnerei.
Monogramm (griech.) oder Handzeichen (lat. signum).
Monogrammstickerei, s. Weissstickerei.
Mons, vläm. Bergen, Hauptstadt der belg. Provinz Hennegau: Woll- und
Baumwollspinnerei.
Montagnana, Hauptort in der ital. Provinz Padua : Seidenindustrie, Woll-
spinnerei.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 23
354 Montagnetücher — Moskau.
Montagnetücher sind gewöhnliche Sorten franz. Tücher, die aus "Wolle ge-
webt werden; sie gingen früher meist in die Provence und nach Italien.
Montauban, Hauptstadt des franz. Depart. Tarn-et-Garonne : WoU-, Baura-
woll- und Seidenspinnereien, zahlreiche Fabriken für Beuteltuch, Mitteltuche
(Cadis de M.) u. s. w.
Montbeliard nennt man in Frankreich eine dicht und gedrungen gewebte,
blau und weiss gestreifte oder blau und weiss gegitterte flächsene Leinwand zu
Matratzen und Bettinleten; sie wurde zuerst in der Gegend von Montbeliard,
Stadt im franz. Depart. Doubs, verfertigt.
Montcahiard, Montcayer, ein feiner halbseidener berkanartiger Stoff, ge-
wöhnlich in schwarzer Farbe, dessen Kette von gezwirnter Seide und der Ein-
schlag von doppelt oder dreifach gezwirntem Kammgarn, und welcher sowohl
glatt leinwandartig, als auch geköpert gewebt wird.
Montelimar, Stadt im franz. Depart. Drome : Bedeutende Fabrikation von
Seidenwaren. Handel mit Kohseide.
Montjoie, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Aachen: Kunstwoll-, Tuchfabriken,
Streichgarn Spinnereien und Seidenweberei.
Montrose, Parlamentsborougb der schott. Grafschaft Forfar: Flachsspin-
nerei, Maschinen Weber ei und grosse Bleichen; eine Leinwandhalle.
Montserrat, westindische Baumwollsorte.
Moosgarn, persisches Garn, ein namentlich zu Wollenstickereien ver-
wendeter, zweifädiger Wollenzwirn, aus verhältnismässig grober Wolle, welcher
ein geperltes Aeussere zeigt und der Stickerei ein moosiges Ansehen verleiht.
Moquette, Mocades, früher Bezeichnung für ausgezogene Sammetteppiche
(Brüsseler Teppiche), jetzt für buntgemusterten Doppelplüsch, welcher dadurch
entsteht, dass zwei Stück Plüsch übereinander liegend gewebt werden (mittels
zweier Grundketten und mehrerer Polketten), wobei die Polkettenfäden beim
Arbeiten wechselweise von den unteren in das obere und von dem oberen ili das
untere Gewebe übergehen. Durch Zerschneiden der zwischen den beiden Grund-
geweben liegenden Polkettenfäden in der Mitte erhält man beim Abziehen zwei
mit dem Flor gegeneinander gerichtete Plüschstücke. Die Grundkette ist ge
wohnlich von Hanf- oder Leinengarn, während die Polkette entweder von Baum
wolle und Wolle oder ganz von Wollgarn gebildet ist.
Morano Calabro, das antike Muranum, Stadt in der ital. Provinz Cosenza
Seiden- und Wollweberei.
Moratalla, Stadt in der span. Provinz Murcia : Tuch- und Leinenweberei
Moravian heisst das englische achtfädige baumwollene Stick- und Nähgarn
Mordant, s. Beize.
Morea, griechisch-türk. Baumwollsorte.
Moreas, ursprünglich ein atlasartiger halbseidener Stoff, welcher, wie die
Lüstrine , droguetartig gewebt wurde und gewöhnlich bunt gestreift in Frank-
reich und Deutschland vorkam ; später wurde er ganz aus Baumwolle gemacht
und das glänzende Aeussere bei demselben durch die Mangel hervorzubringen
gesucht; jetzt kommt er wieder mehr in Halbseide unter dem Namen, aber ein-
farbig vor. Die Kette ist Baumwolle.
Moreen ist ein Stoff mit Kette und Einschlag aus starkem englischem
Kammgarn, bei billigen Sorten mit Einschlag aus Jute ; die kräftige Moirierung
wird in der Presse unter starkem Druck erzeugt (s. gewässerte Stoffe) ; M. dient
zu Unterröcken.
Morella, Hauptstadt in der span. Provinz Castellon in Valencia: Tuch-
weberei und Färberei.
Morenos oder Lien^os Morenos nennt man in Spanien und Südaqaerika
mehrere Sorten französischer ungebleichter Leinwand, meistens von billiger Qua-
lität, welche in Frankreich unter dem Namen Toiles bises, Toiles brunes be-
kannt sind.
Moresken (franz.: mauresques; engl.; moresques), fast gleichbedeutend mit
Arabesken (s. d.). Vgl. auch den Artikel „Arabischer Stil".
Moskau, Generalgouvernement mit gleichnamiger Hauptstadt im russischen
Moskowiter Gespinste — Mozambique. 355
Reich: bedeutende Textilindustrie, 38 Tuchfabriken, 29 Wollwebereien, 329 Baum-
wollspinnereien und -Webereien, 247 Seidenwebereien, 123 Färbereien und 27
Kattundruckereien, s. a. Hussland.
Moskowiter Gespinste sind gewisse Sorten Grold- und Silbergespinste,
welche aus Russland nach Asien und der Türkei gehen.
Moskowitischer Damast, ein durch den russisch-chinesischen Handel nach
Europa gekommener Seidenstoff, der häufig mit Florett- oder anderer geringerer
Seide gemischt ist und auch unter dem Namen ßolldamast vorkam.
Mossley, Municipalborough in der engl. Grafschaft Lancashire: Baumwoll-
industrie, Färberei und Bleichen.
MOSS Side, Fabrikstadt in der engl. Grafschaft Lancashire: bedeutende
Baumwollspinnereien.
Mosul (Mossul), Hauptstadt des asiat.-türk. Wilajets M. : früher blühende
Fabrikstadt, Stapelplatz für Orient. Waren, namentlich waren Baumwollwaren
und feine Lederstoffe berühmt. So hat von M. der Musselin (s. d.) seinen Namen.
Einzelne Färbereien bestehen noch heute. Mossulstickerei wird Stickerei
auf Baumwolle in farbigem Garn genannt, welche Blütenformen in bogiger Linien-
führung aus losen Stichen zeigt, die dem sogen. Hexenstich ähnlich sehen.
Motril, spanische Baumwollsorte, weiss, ins rötliche Gelbe, glänzend, kräftig
im Faden.
Mouchoirs, im franz. die allgemeine Benennung der im Handel vorkom-
menden Hals- und Taschentücher aus Seide, Baumwolle, Leinen, Wolle und Bast.
Moulinage, die (franz.), das Zwirnen der Seide; moulinierte Seide =
filierte, gezwirnte Seide.
Moulineegarne, Moulinetgame, besonders zur Herstellung von Damen-
kleiderstofifen verwendete Zwirne, welche durch Zusammenzwirnen von verschie-
denfarbig gefärbten Wollengarnen entstanden sind, oder bei welchen ein Baum-
wöil- und ein Wollfaden zusammengezwirnt sind, die sich durch das Ausfärben
verschieden färben. Andere ähnliche Effekte ergebende Garne sind die Melange-,
Beige-, Jaspee-, Yigoureux- und Zibelinegarne. Die Melangegarne entstehen
durch Zusammenmischen von gefärbter und ungefärbter, bezw. verschieden ge-
färbter Wolle, die gemeinschaftlich versponnen werden ; die Beigegarne, wenn
von Natur aus verschieden farbige Wollen gemischt und zusammen versponnen
werden; bei Yigoureuxgarnen wird der Kammzug verschiedenfarbig bedruckt,
dann gedämpft, gewaschen und versponnen. Jaspeegarne sind Zwirne aus Nop-
pengarnen (Effektgarnen), und bei den Zibeliuegarnen sind der gefärbten Wolle
ungefärbte lange andere Tierhaare (beinahe ausschliesslich das glänzende Mohair-
haar) beigemengt, welche nach der Appretur der Stoffe längere ungefärbte Haar-
enden bilden.
Moulins, Hauptstadt des franz. Depart. AUier: Woll- und Baumwollspin-
nerei, Seidenweberei.
Mouscron, Gemeinde in der belg. Provinz Westflandern: Woll- und Baum-
wollweberei.
Mousquets sind feine und sehr dichte, wollene Teppiche mit bunten, sehr
lebhaften und abstechenden Zeichnungen; sie kommen aus Kleinasien über Smyrna
und Saloniki in verschiedener Grösse und Feinheit nach Marseille, Livorno und
Triest. Demi-M. Messen diejenigen, bei welchen die Pole oder das aufgeschnittene
Haar kürzer ist und welche mit weniger Festigkeit gewebt sind.
Mousselin de laine, s. Wollmuslin.
Moustiquaire, leichte und durchsichtige Zeuge, eine Gattung dichter Sei-
dengaze, welche in China und Bengalen glatt, geblümt und gestreift aus der so-
genannten Moque-Seide gewebt, und in ganz Asien zu Bettvorhängen und Som-
merkleidern verbraucht werden.
Mozambique, Flocconne, Perle, Sadowa, sind wollene Doppelstoffe, bei
welchen der Oberstoff flott liegt und auf der Rauhmaschine durchgerissen wird,
wodurch ein meist aus Vierecken gebildetes Muster hervortritt. Geringe Waren
dieser Gattung bestehen, ähnlich wie Manchester, nur aus Grund- und Polschuss
(Effekt- oder Flocconneschuss), bessere Sorten jedoch aus Grund-, Futter- und
356 Mozartteppich — Münstereifel.
Pol- oder Fiocconneschuss. Der lose gedreht und flottliegeude Polschuss wird
durch das Rauhen zerrissen und die verbleibenden Schussstückchen treten durch
die weitern Zurichtungsarbeiten (Klopfen u. s. w.) nach oben und bilden auf-
rechtstehende Flocken.
Mozartteppich (Royal- Axminster-Teppich) , Modenamen für einen in
neuester Zeit in den Handel gekommenen Teppich, welcher als maschinelle Nach-
ahmung des Smyrnateppichs aufzufassen ist. Auf einem sogenannten Röhrchen-
stuhl (von den Amerikanern Alexander Smith und Skinner erfunden) sind die
einzuknüpfenden farbigen Fäden auf Rollen gewickelt, nebeneinander aufgereiht
und werden in einer dem Rapport in der Schussrichtung entsprechenden end-
losen Kette über die Einbindungsstellen weggeschaltet; durch besondere Greifer
werden sie von den Spulen abgezogen, an die Kettenfäden angeknüpft und schliess-
lich durch Zirkularmesser abgeschnitten.
Mühlhausen in Thüringen, Stadt im preuss. Reg. -Bez. Erfurt: Königl.
Web- und Wirkschule, Fabrikation von wollenen, halbwollenen und baumwollenen
Waren, Kamm-, Streich- und Strumpfgarn.
Mühltroff, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau: mechan.
Kammgarn web er ei, Chenillevorarbeitenweberei, Strickerei.
Mule-Twist (Mulegarn), das weiche, besonders als Einschuss dienende
Baumwollgarn, welches auf der Mulemaschine (Halb- oder Ganz -Seifaktor) fein
gesponnen wird.
Mülhausen , Stadt im Bezirk Oberelsass : Schulen für Spinnerei und We-
berei. M. ist Mittelpunkt eines der bedeutendsten Bezirke der festländischen Baum-
wollindustrie. Die Fabriken liegen teils in M. meist in Dornach und zwischen
beiden Orten. 1746 führten Sam. Köchlin, Job. Jab. Schmaltzer und Joh. Heinr.
Dollfus die Fabrikation bedruckter Baumwollgewebe (sog. Indiennes) ein. Jetzt
bestehen 14 Baumwollspinnereien, zahlreiche Webereien, Druckereien mit über
80000 Arbeitern ; ferner Zwirnereien, Woll- und Kammgarnspinnereien. M. ist
Sitz der Textil-Berufsgenossenschaft für Elsass-Lothringen.
Mülheim am Rhein, im preuss. Reg.-Bez. Köln : Fabrikation von Sammet,
Seide, Leinen und Segeltuch. Webschule.
Mülheim a. d. Ruhr, im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Woll- und Baum-
wollspinnerei, Kattunweberei.
Mulinieren (franz.), s. Moulinage und Moulineegarne.
Mull, ein klarer, feiner, weisser und weicher Musselin, namentlich zur
Frauenkleidung verwendet. Ursprünglich ein aus Ostindien kommendes Fabrikat,
das aber gegenwärtig in Europa überall erzeugt wird, wo feine Baumwollwaren
gefertigt werden.
Müllerbeuteltuch, s. Beuteltuch.
Müllergaze, Müllertuch, s. Beuteltuch.
Mülsen, Mülsen-St. Jakob , Mülsen-St. Michael , Mülsen - St. Niklas , drei
Fabrikdörfer in der sächs. Kreishauptmannschaft Chemnitz : Webschule ; Hand-
weberei in Woll- und Baumwollwaren.
Multan, Hauptstadt in der indobrit. Lieutenant- Gouverneurschaft Pand-
schab: Seiden-, Teppich-, Brokat- und Zitzmanufakturen.
Mumienleinwand, s. v. w. ägyptische Leinwand.
Münchberg, Stadt im bayr. Reg.-Bez. Oberfranken: vier mechan. Bunt-
webereien, mechan. Zwirnerei, bedeutende Handweberei und Färberei. Webeschule.
München, Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern : Gold-Silber-
stickereigeschäfte. Handel mit Möbelstoffen, Portieren und Teppichen (s. a. Bayern).
Münchengrätz, Stadt in Böhmen: Fransen-, Seidenzeug- und Teppich-
fabrikation. /
Münster, Hauptstadt der preuss. Provinz Westfalen: Fabrikation von
Leinwand und Baum wollzeugen.
Münster im Elsass: grosse Spinnereien und Webereien, im 18. Jahrb.
gegründet.
Münstereifel, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Köln : Streichgarnspinnerei, Tuch-,
Wollzeug- und Leinenweberei.
Münsterleinen — Muster. 357
Münsterleinen. Nicht alle Sorten der aus dem preuss. Reg.-Bez. Münster
kommenden Leinen versteht man unter diesem Namen, sondern nur ein grobes
graues Hanfleinen, zu Segel- und Packtuch, aus den Gegenden an der Ems
hinab, welches meistens nach Bremen und Holland geht.
Muschelseide, Lana penna, auch Pinna marina (ital. : Bisso, Bissus, lana-
pesce pelodi nacchera, pelo d'astura) sind die glänzenden, seidenartigen Fäden
mehrerer Gattungen Seemuscheln, wie Kammmuschel, Pecten, Miesmuschel,
Mytilus u. s. w., die mit 4 — 6 cm langen Haarbüscheln (Byssus) im Meere sich
an die Felsen ansetzen. Die nützlichste Muschel dieser Gattungen ist die sogen.
Steckmuschel oder Schinkenmuschel (Pinna nobilis L.) auch Seidenmuschel, Hol-
stenmuschel und Pistolenholster. Die Fäden werden nach gehöriger Reinigung
verarbeitet. Die Anwendung der Steckmuschel für AVebereizwecke war schon
im Altertum bekannt : besonders zur Herstellung von Reitermänteln ; die feinsten
Muschelseidengewebe wurden in Indien angefertigt und dann nach Griechenland
gebracht; die Araber nannten die Muschelseide Meereswolle.
Musseline (franz.: musseline; engl.: murlin), ein feiner, locker gewebter,
halbdurchsichtiger Baumwollstoff, zu welchem man Garn nimmt, dessen Fäden
beim Spinnen wenig gedreht werden, wodurch dessen Oberfläche fast niemals
ganz glatt ausfällt, sondern immer mit kleinen rauhen Faser chen, wie mit einem
zarten Flaum bedeckt ist. Die einfachen glatten Musseline werden mit einfacher
Leinwandbindung gewebt, wobei es nach den verschiedenen Graden der Feinheit
auf einen sehr gleichen, fein und locker gesponnenen Faden, auf gute Schlichterei
und Behandlung der Ketten ankommt. Man verwendet Garn von No. 70 bis
No. 300. M. wurde ursprünglich in Ostindien und im Orient gefertigt und von
dort eingeführt, wird aber schon seit langer Zeit in England, Frankreich, Deutsch-
land und der Schweiz ebenso gut und durch Fabrikbetrieb bedeutend billiger
hergestellt. Die Ware kommt in ausserordentlicher Verschiedenheit, einfach,
glatt, gestreift, durchbrochen, geblümt, gestickt und gedruckt in den Handel. —
Die Musselin web er ei und die Ausfuhr von Geweben nach dem Orient wurde in
der Schweiz und Deutschland (im Vogtland) schon lange vor Einführung der
Spinnmaschinen auf Grund von Handspinnerei betrieben. Mit der Ausbildung
der Maschinenspinnerei ging die Garnerzeugung vollständig an diese über, wäh-
rend die "Weberei dem Handstuhl verblieb , weil für den Maschinenstuhl zu
zart. Sie wird meistens in Kellerräumen betrieben, da die Arbeit in trockener
Luft nicht gut gelingt. Durch Präparieren des Garnes mit Glyzerin scheint
man sich jetzt übrigens dieser Notwendigkeit überheben zu können. — Ver-
schiedene Einzelsorten der Musselingewebe werden mit besonderen Namen be-
zeichnet, z. B. Vapeur, ein feinerer und lockerer gewebter; Zephyr, der alier-
feinste M. aus den höchsten Garnnummern. An der Herstellung dieser Web-
waren beteiligen sich alle europäischen Fabrikländer; am stärksten ist die Pro-
duktion und Ausfuhr Englands mit den Hauptsitzen Manchester und Glasgow.
Die engl. Waren sind besonders wohlfeil; die französischen behaupten immer
einen Vorzug durch Schönheit und Mannigfaltigkeit ihrer Dessins. Die Schweiz
liefert in gewissen Branchen Vorzügliches und ihre gestickten Waren sind ebenso
schön als wohlfeil. In Deutschland hat die Musselinweberei und -Stickerei ihren
Sitz von lange her im sächs. Vogtlande. In verschiedenen Städten Württem-
bergs, Bayerns und Oesterreichs ist die M. -Fabrikation ebenfalls im Gange. '
Musselinets sind feine baumwollene, musselinartige Gewebe mit einem
glatten Boden, eine Nachahmung der ostindischen Doreas (s. d.), aber glatt ge-
streift, atlasstreifig gemustert und bunt gestreift. Sie kommen unter wechseln-
den Modenamen zu allen Zeiten vor.
Mustardevelin oder mustardvillars (engl.), grauer Wollenstoff des 15. u.
16. Jahrh. wahrscheinlich so benannt von Montiguliers bei Harfleur.
Muster (lat. : patronus; franz. : dessin ; engl. : pattern) ; ornamentale Zeich-
nung, bes. auf einer Fläche, zu deren Füllung verwendet und wiederkehrend.
Man unterscheidet besonders gerades, wiederkehrendes M. mit geradem oder
schrägem Ansatz (rapport), von gestürztem oder Spitzenmuster (franz. dessins ä
retour, ä regard) ; ferner einfach wiederkehrendes, von mit dem Wechsel wieder-
358 Muster ausnehmen — Nähen.
kehrenden, endlich auf Streifen laufendes (franz. : dessin courant) vom Reihungs-
muster; s. a. Ramage und Streumuster.
Muster ausnehmen, aussetzen, die Zeichnung für die Musterweberei an-
fertigen.
Musterbrief, die auf dem Klöppelpolster befestigte und mit Nadeln be-
steckte Vorzeichnung einer Klöppelspitze.
Musterweberei, s. Bildweberei.
Mutterkiste nannte man früher beim Leinwandhandel eine kleine Kiste
mit einzelnen Leinwandstücken, als Muster oder Proben. Sie gingen mit den
grossen Ballen, damit man beim Verkauf nicht nötig hatte, diese zu öffnen.
N.
Nacteur (franz.), in der Wollkämmerei oft gebrauchter Ausdruck für den
Vorstech- und Vorsteckkamm der Kammmaschine.
Nadelfertigmachen, in der Tuchfabrikation die Tätigkeit, durch welche
das Eingehen des Gewebes, das sogen. Krimpen, Krumpfen, ein Schmälerwerden
nach vollendeter Appretur oder im Kleidungsstücke verhindert wird und die
meist aus einer Behandlung des Gewebes mit Dampf besteht.
Nadelmalerei heisst die durch Plattstichstickerei hergestellte künstlerisch
vollendetste Bildstickerei, weil sie dem Gemälde in der Wirkung am nächsten
kommt. Eine besondere Art der Bildstickerei wird als N. bezeichnet, wenn
über ripsartiger Fläche aus starken Fäden in farbig schattierter Seide und feinem
Gold und Silber gestickt ist, so dass die Fläche wie emailartig lasiert erscheint
(s. spätgotischer Stil S. 227). Aehnliche Wirkungen werden in der sogen.
Gobelinstickerei erzielt, so dass man die feinsten ihrer Art auch mit N. be-
zeichnet.
Nadelmasche nennt man jede Masche einer Wirkware, welche auf einer
Nadel des Wirkstuhles gehangen hat.
Nadelspitzen heissen im Gegensatz zu geklöppelten oder auf der Maschine
hergestellten Spitzen alle diejenigen, welche mit Hilfe von Unterlagen aus tra-
cierten Vorzeichnungen auf Papier und Stoff genäht werden (s. Spitzen).
Nageum, nugium (lat.), dünner Kleiderstoff, besonders leichter Schleier.
Nagold, Oberamtsstadt im württemb. Schwarzwaldkreis : Wollspinnerei und
Tuchf abrikation .
Nagpur, engl. Nagpore, Stadt in Vorderindien: Man fertigt grobe und
feine Baumwollzeuge, Zitze, Turbane, Seiden- und Brokatstoffe, Decken und
andere Wollwaren, Zeltleinwand.
Nähen, mit Hilfe von Nadel und Faden Stoffteile oder Flächen zu einem
Ganzen zu verbinden oder verzieren, wonach man die Verbindungsnaht oder
kurzweg Naht und die Verschönerungsnaht oder Ziernaht unterscheidet, die je
nach ihrer Herstellungsweise Hand- oder Maschinennähte sind. Das Bezeichnende
für die Handnäherei besteht darin, dass ein Faden mittels Nadel in solcher
Weise in die Stoffteile eingeschlungen wird, dass sowohl auf der Ober- als Unter-
seite derselben flott liegende Fadenlagen (Stiche) entstehen, die sich linienartig
aneinanderreihen und die Naht bilden. Herstellung und Gestalt geben den
Stichen und Nähten den Namen und bedingen die Festigkeit der letzteren. Die
verschieden benannten Nähte beruhen auf vier Sticharten: d. i. der Vorstich,
der Rück- oder Hinterstich, der Saumstich, der Ueberwindlings-
oder Ueberwendlingsstich. — Der Vorstich, oder die Reihnaht ge-
nannt, wird zu einfachen Nähten, zur Vereinigung leichter Gewebe, zu gelegten
Säumen und zum Ziehen gelegter Falten verwendet, er ist der erste und ein-
Nähfaden — Nähmaschine. 359
fachste aller Stiche und stellt eine lose Naht her. Der Rück- oder Hinter-
stich, meistens mit der Maschine hergestellt, wird über sechs Fäden heraus-
geführt, dann legt man den Faden von links nach rechts, führt die Nadel zwei
Fäden hinter dem Ausgangspunkt ein, um sie sechs Fäden weiter vor demselben
wieder herauszuziehen. Granz eng aneinandergereihte Hinterstiche ergeben den
Saum- oder Steppstich, der zu Einfassungen dient. Er gibt die festeste
Naht und erfordert eine grosse E/egelmässigkeit. Um die Steppnaht fadengerade
zu machen, wird ein Faden des Grewebes herausgezogen, den man durch Stepp-
stiche ersetzt. Für "Wäschegegenstände, wo der Saum nicht nur als E,and-
befestigung , sondern auch als Verzierung dienen soll , wird derselbe entweder
mit bunten Garnen überstickt oder auch in Durchbrucharbeit ausgeführt (s.
Leinenstickerei und Ziernähte) . Mit überwendlichen Stichen kann man nur
entweder zwei Webekanten oder zwei . gesäumte Schnittkanten verbinden. Man
legt beide Kanten aufeinander und sticht, ein bis zwei Fäden tief, durch beide
hindurch : es findet diese Art des N. für Wäschegegenstände und Kleiderkonfektion
Anwendung. Aus Naht und Saum zusammengesetzt sind die französische
und die Kappnaht. Bei beiden werden erst zwei Schnittkanten durch Stepp-
stiche miteinander verbunden, dann beide Schnittkanten nach derselben Seite
umgebogen, bei der französischen Naht eingebogen und mit Steppstichen, bei
der Kappnaht fest eingerollt und mit Saumstichen auf den einen Stoffteil genäht.
Die Flanell- oder Hexennaht gebraucht man zum Nähen und Flicken von
Flanell, sowie zum Herunternähen umgelegter Teile in tuchähnlichen Stoffen;
die holländische, Gregenstich- oder Kreuznaht findet Anwendung zum
Flicken in Leinen- und grobem Baumwollenzeug, weil sie dem Grewebe ganz
ähnlich ist und nicht eine so scharfe Kante bildet, wie die überwendliche Naht.
Die Seitenstichnaht kommt besonders beim Ausbessern der Wäsche vor.
Mit Stiel-, Fischgräten-, Hexen- und Kettenstich werden besonders
Yerschönerungs- und Ziernähte ausgeführt. Auch durch Aufnähen von Soutache
bildet man letztere. —
In der Maschinennäherei wird der Nähfaden von Spulen entnommen.
Die zwangläufige Führung der Nadel erfordert die Anwendung anderer Stiche
und Nahtarten, als die in der Handnäherei üblichen. Man kann mit Hilfe sogen.
Einfaden- und Zweifadennähten den Ketten- und den Steppstich ausführen ;
ersterer wird mehr für gewisse Stickereien und Ziernähte, letzterer, der doppel-
seitig ist, in der Kleiderkonfektion und Weissnäherei verwendet und dient auch
in letzter Zeit für verschiedene Arten von Flachstickerei (s. a. Stickerei). (Vgl.
Hillardt, Handarbeitskunde, Teil 3, Wien 1895; Th. de Dillmont, En-
cyklopädie der weiblichen Handarbeit.)
Nähfaden, häufig gebrauchter Ausdruck für alle zum Nähen verwendeten
Gespinste und Zwirne.
Nähmaschine, mechanische Vorrichtung zur Herstellung von Nähten in
Textilstoffen , Leder und anderen Materialien (s. Maschinennähen und Nähen).
Nachdem vorher verschiedene Systeme der N. patentiert worden waren, deren
Anwendung mehr oder weniger auf dem Prinzip der Handnäherei beruhten, war
es die von Barthelemy Thimonnier im Jahre 1829 erfundene, welche in
grösserer Anzahl benutzt wurde, die mittels einer Hakennadel und eines fort-
laufenden Fadens den einfachen Kettenstich herstellte. Darauf folgte die
im Jahre 1836 von Walter Hund in New York erfundene N., die den Doppel-
steppstich ausführte, der jetzt von den N. fast ausschliesslich gemacht wird,
indem er eine Nadel mit an der Spitze befindlichem Oehr für den Oberfaden
und eine dem Weberschiffchen ähnliche Vorrichtung für den TJnterfaden an-
wendete. Diese Konstruktion, welche die Grundlage der heutigen Schiffchen-
maschine bildet, blieb lange Zeit fast unbekannt, weil der Erfinder aus Mangel
an Selbstvertrauen unterliess, sie der Oeffentlichkeit zu übergeben. Als der eigent-
liche Schöpfer der N. gilt daher gewöhnlich Elias Howe aus Spencer (Massa-
chusetts). Der eifrigste seiner Konkurrenten und zugleich derjenige, der sich
das grösste Verdienst um die Einführung der N. erwarb, war J. M. Singer
(gest. 1875). Die Zahl der Patente auf N. beträgt gegenwärtig mehrere Tausende.
360 Naht— Nanking.
Die gebräuchlichsten Systeme sind Singer, "Wheeler & "Wilson, Willcox & Gibbs,
Grover & Baker. Die wichtigsten der mit der N. hergestellten Sticharten sind
der Ein- und Zweifadenkettenstich, sowie der Doppelsteppstich (s. Nähen). Die
Sicherheit der Stichbildung wird ausser von dem genauen Zusammenspiel von
Nadel, Schiingenfänger und Stoffschieber durch geeignete Anspannung und Lei-
tung der Fäden bedingt. Das richtige Mass der Fadenspannung während
der Stichbildung und des Fadenanzuges am Ende derselben ist für die Festigkeit
der Naht und die Verhinderung des Fadenbruchs während der Arbeit bestimmend.
Die Anspannung der Fäden vermitteln kleine Schrauben (Reibungsbremsen), die
sich an der Seite der Maschine befinden. Den Fadenzug bewirkt der Faden-
sprung, ein Teil der Fadenleitung, dem eine, dem Bewegungsgesetz der Näh-
werkzeuge entsprechende springende Bewegung erteilt wird, so dass er kurz vor
Beendigung eines Stiches den für diesen überflüssigen Fadenteil aufnimmt und
ihn als Reserve für die nächste Stichbildung zurückhält (s. a. Stickmaschine).
Literatur: Daul, Die Nähmaschine, Hamburg 1865; Herzberg, Die N.,
ihr Bau und ihre Bedeutung, Berl. 1863; Derselbe, Die N.-Industrie in Deutsch-
land, Berl. 1862; Lind, Das Buch von der N., Berl. 1891; Eichard, Die
N., Hannover 1876 ; Wolter, Die N., ihr Nutzen und ihre Bedeutung, Berl. 1865.
Naht, hat die Aufgabe, zwei Flächen zu einem Ganzen zu verbinden;
ursprünglich auf Stoffe für Gewänder und Decken angewendet, ist sie als Symbol
auch auf andere Werke der Kunst übergegangen, woselbst sie von grosser stili-
stischer Bedeutung ist. (Vgl. hierüber die Kapitel § 18 — 21 in Semper, Der
Stil U.S.W. Frankfurt a.M. 1878.)
Nähwaren, Näherei. Darunter versteht man im allgemeinen alle mit der
Nähnadel genähte Arbeiten, gewöhnlich Kleidungsstücke, insofern sie keine zunft-
mässigen Schneiderarbeiten sind.
Naila, Stadt im bayer. Beg.-Bez. Oberfranken : Mechan. Buntweberei und
Teppichweberei.
Nainsook, Nainsuch, häufig auch Nansouques, sind feine ostindische Musse-
line, welche in Bengalen gewebt und früher nach Europa gebracht wurden. Die
holländischen, welche vorzugsweise häufig vorkamen, waren die feinsten und unter-
schied man davon zwei Sorten. Die englisch-indischen wurden in einfache, glatte
und gestickte eingeteilt, auch gab es Nansouquestücher ; die gestickten sind mit
Gold, Silber und Seide sehr fein gearbeitet und werden in Indien sehr oft in zwei
Hälften geschnitten, welche man in Bengalen Adasari nennt. Im dänisch-ostind.
Handel kamen glatte weisse Nainsuchs Chaunpore mit goldenen Leisten, bor-
dierte Nainsuchs mit Gold oder Silber in verschiedenen Sorten vor. Für den
europäischen Markt werden Musseline dieser Art unter dem Namen Linons in
eigenen Fabriken angefertigt.
Nämets sind sehr feine persische Teppiche.
Nancy, deutsch Nanzig, Hauptstadt des Depart. Meurthe- et-Moselle : Seit
1871 hat N. in Bezug auf Gewerbe und Handel bedeutende Fortschritte gemacht.
Es gibt 38 Fabriken von weltberühmten Stickereien aller Art, 10 Tuchfabriken;
in der Umgegend Fabriken für Wollzeuge, Musselin, Watte, Strumpfwaren;
ausserdem Baumwollspinnerei und -weberei.
Nanking (franz. nanquin), Nankin^ in echter Ware ein chinesischer Stoff, der
seinen Namen nach einer dortigen Provinzialhauptstadt hat, die aber in Wirklich-
keit Kiangning heisst. Es ist ein leinwandartig gewebter, fester und dichter Stoff
aus stärkerem Garne, als Kattun, früher sehr beliebt zu Sommerkleidern wegen
der Echtheit seiner gelbrötlichen Farbe, die beim Waschen fast noch schöner
wurde. Dieses Nankinggelb ist eine Naturfarbe; die Stammpflanze, Gossypium
religiosum, trägt gelbe Wolle. Die Chinesen verstehen auch weisse Baumwoll-
zeuge ganz wie echt zu färben, aber die Haltbarkeit der Farbe ist nichlf die
gleiche. Die Bezeichnung ostindischer N. bezieht sich nur auf die chinesische
Ware und man behauptet sogar, dass alle Versuche, diesen echten Nankingbaumwoll-
strauch auch in andern Provinzen zu ziehen, selbst in den nächstgelegenen, inso-
fern misslungen sein sollen, dass er bald ausartete. In Europa wurde der Stoff
bald nachgeahmt und fast überall, wo Baumwolle verarbeitet wird, gefertigt.
Nanquinbaum woU e — Nap olitaines.
361
Die dazu benützten weissen, mit Eisenlösungen gefärbten Stoffe trafen aber doch
meistens den echten Farbenton nicht so genau, dass sie nicht leicht zu unter-
scheiden gewesen wären, und die Farbe ging bei jeder Wäsche mehr aus. Auch
an Haltbarkeit des Stoffes blieben die echten N. unerreicht. — England liefert
diese unter dem Namen Nankeens in mancherlei Abänderungen mit besonderen
Nebenbenennungen. Der Hauptsitz ihrer Verfertigung ist Manchester und die
umliegende Gegend. — In Deutschland hatte die Fabrikation in Sachsen und
Böhmen, namentlich in der Oberlausitz ihre Hauptsitze. Man fertigte bald auch
den Stoff in andern Farben, grau, grün, blau, bunt gestreift, geflammt gewürfelt,
meliert usw., ferner neben glatten auch verschiedene Köpernankings, so dass die
Benennung N. sich über eine ganze Klasse starker baumwollener Sommerstoffe
verbreitete. Gegenwärtig hat der Bezug der chinesischen Ware so gut wie auf-
gehört, und auch an Stelle der europäischen Fabrikate sind schönere Stoffe mit
anderen Namen getreten,
Nanquinbaumwolle, s. ostindische Baumwollen.
Nanquinett, Nankinet, sind leichte Baumwollenzeuge, welche, wie der
Nanking, jedoch aus feinerem Garn und nicht so dicht gewebt werden ; gewöhn-
lich nimmt man zur Kette Garn von Nr. 30 und zum Schuss Nr. 60. Oft ver-
kauft man auch unter diesem Namen feine buntgefärbte Perkaie.
Nantes, Hauptstadt des franz. Depart. Loire-Inferieure : Fabriken für
Kattun, Tuch- und andere Wollstoffe.
Napoleontaschentuch bezeichnet man eine besondere Art von gedruckten
Tüchern aus dem Anfang des 19. Jahrhs.
Napolitaines (franz. oder ital. Napolitano), nach der Stadt Neapel benannte
weiche, feinwolhge Stoffe zu Frauenkleidern, Mänteln und Tüchern, ursprünglich
Abb. 199.
Abb. 200.
aus Streichwollengarn, jetzt meistens mit Kette von Baumwollzwirn und Ein-
schuss von Streichgarn. Die ganz wollenen, welche eine Art feiner Flanell sind,
heissen auch Lama (s. d.). Man hat sie in bunten Farben, gestreift und karriert,
362
Narwa — Naturwolle.
geflammt, mit eingewebten Mustern, häufig bunt gedruckt. In Deutschland
werden derartige Stoffe im sächsischen Erzgebirge, in Berlin und. anderen Orten,
in Oesterreich namentlich in Böhmen und Mähren fabriziert.
Narwa, auch Narva, Hafenstadt im Kreis Jamburg des russ. Gouvernem.
Petersburg : grosse Tuchfabrik, Flachsspinnerei und auf der Narowainsel Krän-
holm (zu Esthland gehörig) die Kränholmer Manufaktur (Baumwollspinnerei-
Aktiengesellschaft mit 402 086 Spindeln).
Narzisse, Pflanzengattung aus der Familie der Amaryllidaceen mit gegen
20 Arten, vorzugsweise im mittleren Europa und in den Mittelmeerländern ein-
heimisch. Es sind blühende Zwiebelgewächse. Am bekanntesten sind die in
Süddeutschland einheimischen N. mit gelben Blüten (Abb. 199) und mit weissen
Blüten (Abb. 200). Als Kunstform erscheint die N. auf Geweben und Sticke-
reien der späteren Renaissance und der Barockzeit, oft zusammen mit der Nelke
(vgl. Abb. 203) und mit anderen in dieser Zeit als Streumuster verwendeten
Blumen. In neuerer Zeit ist sie als Druckmuster und dgl. gebraucht.
Abbildungen:
199 u. 200. Darstellungen der Narzisse aus: Lobehus, plantarum sev stirpium
icones, Antwerpen 1581.
Nate, moderner, mercerisierter Baumwollenstoff.
Natte (franz.), (lat. : natta; engl.: mah), Strohseil, Matte; daher: nattes
entrelacs, engl. : matwork, Flechtwerk als Ornament; moulure nattee (franz.) mit
Flechtwerk verziert.
Abb. 201.
Abb. 202.
Naturwolle ist ungefärbtes, braunes oder graues Wollgarn, das gewöhn-
lich als Strickgarn, neuerdings auch vielfach als Material für Webwaren (dem
Licht ausgesetzte Vorhangstoffe u. s. w ) verwendet wird. N. ist auch Bezeich-
nung für neue, noch nicht als Gewebe gebrauchte Schafwolle im Gegensatz zu
Kunstwolle.
Naumburg — Nelke .
363
Naumburg an der Saale, Stadt im preuss. ßeg.-Bez. Merseburg: Fabri-
kation von Wollwaren.
Nay, Stadt im franz. Depart. Basses-Pyrenees : Spinnereien, Barett- (Kopf-
bedeckung der Pyrenäenbewohner), Fes-, Tuch- und Wollstofffabrikation.
Neapel, Provinz mit gleichnamiger Hauptstadt im Königreich Italien:
Bedeutende Seidenindustrie, Woll- und Baumwollspinnerei und -weberei, Posa-
mentenindustrie, Spitzen-, Schleier- und Weisswarenfabrikation.
Neapolitanische Baumwolle, s. Baumwollsorten.
Nebula (lat.), dünner durchsichtiger Kleiderstoff und das daraus be-
stehende Kleid.
Necanias, Nicanias, Necanees, sind blau und weiss gestreifte, ostindische
Kattune. Die Engländer unterscheiden breite Ware, Necanees broad, und
schmale Ware, Necanees narrow; die europäischen Gingans haben diese Ware
fast ganz verdrängt.
Abb. 203.
" ««rr-^sässsarit,'^-'^
Abb. 204.
mg^
1SK5,
j«Sfefe.- ■ AJK^Ä^iB
Needle-work (engl.) Nadelarbeit, Stickerei.
NeganepOS, sind ursprünglich bunte, baumwollene Zeuge, in verschiedenen
einfachen Farben, welche zum Handel nach Afrika gebraucht wurden. Sie sind
später in E-ouen nachgemacht worden.
Negrepelisses, ein langhaariger, stark gerauchter Barchent aus einigen
Gegenden der französischen Landschaft Quercy, welcher meistens schwarz gefärbt,
zum Teil auch weiss, grün, gelb, blau über Bordeaux in den Handel kommt,
jedoch grösstenteils nur in Frankreich verbraucht wird.
Nelsse, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Oppeln : Spitzenfabrikation.
Nelke, Pflanzengattung aus der Familie der Caryophyllaceen. Es sind
schön blühende krautartige Gewächse, die grösstf^nteiis in der nördlichen ge-
mässigten Zone vorkommen. Die bekannteste Art ist die Gartennelke (Dianthus
caryophyllus L. = Abb. 201 u. 202), die im südl. Europa, vorzugsweise in Dal-
matien zu Hause ist, sich aber auch, z. T. wohl verwildert, durch Norditalien
und die Schweiz, j« selbst in England auf Mauern und Felsen findet. Die
364
Nelson.
Blumen sind fleischfarbig rosa, auch vom reinsten Weiss bis zum dunkelsten
Purpur. Ihre Anwendung als Kunstform lässt sich besonders in Italien seit dem
17. Jahrh. auf Geweben verfolgen, woselbst sie sowohl in halbnaturalistischer
Auffassung (Abb. 203), als auch in strenger Stilisierung palmettenförmig (Abb. 204)
neben Tulpen und Kaiserkronen im sogen. Streumuster (s. d.) erscheint. Auch
in späteren orientalischen Kunstwebereien und Stickereien (s. d.) wird die N.
gern als Musterung gewählt , sie kommt darin als Strauss neben der Hyacinthe
und Tulpe vor: bevorzugt ist sie in Persien; aber auch Indien nimmt sie als
Motiv für die Flächendekoration auf (Abb. 170). In Deutschland und den
slawischen Ländern kommt häufig eine nelkenartige Blume zur Darstellung,
welche sich aber eher der Kornblume zu nähern scheint, mit welcher die N.,
namentlich in der Stilisierung, viel Verwandtes zeigt (Abb. 184). In bekannter
naturalistischer Auffassung kommt die N. in Japan auf Geweben und Stickereien
vor (Abb. 205).
Abb. 205.
Abbildungen:
201 u. 202. DarstelluDgen der Gartennelke aus: Lobelius, plantarum sev stir-
pium icones, Antwerpen 1581.
203. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Brokatstoff, weiss und Silber: Streumuster aus stihsierten Nelkenzweigen. ItaHen
17. Jahrh.
204. Originalaufnahme wie vorher: Halbseidenstoff, ohne Rücksicht auf das
Muster farbig durchschossen mit Darstellung von nelkenartigen Palmettenblütenzwdlgen
in symmetrischer Anordnung. Italien 17. Jahrb.
205. Darstellung aus : Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Bl. 58. Geschnittene
Papierschablone mit Darstellung blühender Nelkenzweige. Japan 19. Jahrh.
Nelson, Municipalborough in der engl. Grafschaft Lancashire : Bedeutende
Baumwollspinnereien .
Nema sericum — NetzarbeiteD. 365
Nema sericum (lat.), wurde im alten Rom gezwirnte Seide genannt.
Nemazi, türkischer Name für Gebetteppich (s. d.).
Nemeds heissen in Persien Filzteppiche ; dieselben werden aus vermengten
Wollen gestampft, und zwar so lange, bis sie das haarige Gefaser verlieren.
Das Muster wird (meist in farbiger "Wolle) in besonderer Art eingepresst.
Nerechta, Stadt im russ. Gouvernem. Kostroma: Baumwollspinnerei und
-Weberei, Handel mit Flachs und Garn.
Neri, Haspelseidenabfälle, s. Bassinas.
Nesselfaser heisst die mit Flachs zubereitete Bastfaser der grösseren
Brennesselarten, welche vor der Einführung der Baumwolle zur Erzeugung von
Garnen, Nesselgarn und Geweben (Nesseltuch) diente. Das Spinnen von Nessel-
fasern ist keineswegs neu; denn höchst wahrscheinlich wurden deren bereits im
16. Jahrhundert gesponnen. Ein Schriftsteller, der zur Zeit der Königin Elisabeth
lebte, berichtete schon, dass man in Ostindien zu Kalikut und Goa aus dem
Baste verschiedener Nesseln sehr feine Stoffe verfertige. Gewiss ist, dass man
später in Holland und Belgien Nesselfäden zum "Weben leinwandartiger Gewebe
anwendete. Diese scheinen von der Urtica utilis, welche in Java den Namen
Kamie führt, gewesen zu sein. Die utilis gibt perlmutterweisse Fasern, während
die Urtika nivea grünlichweisse liefert. Diese sind steif, jene sehr weich an-
zufühlen.
Nesseltuch ist meist ein ungebleichtes leinwandbindiges Gewebe aus dem
zarten feinen Garn, welches man aus den Stengeln der grossen Brennessel ge-
winnt. Diese Fabrikation ist aber jetzt durch baumwollene Stoffe verdrängt.
Häufig versteht man heut unter N. raittelfeine und gröbere, ungebleichte Baum-
wollzeuge, welche meist zu Leibwäsche und zu TJnterfutter in Kleidern benützt
werden.
Nestel, Nestelschnur (lat.: nastula; franz.: aiguillete; engl.: aiglets), eine
zum Zusammenschnüren von Kleidungsstücken dienende Schnur, an den Enden
mit einer metallenen Spitze, Nestelstift, Schnürsenkel (franz. : f er d'aiguil-
lette; engl.: tag), zum Durchstecken durch Löcher.
Nestelverzierung (franz.: lacet; engl.: strapwork), Verzierung in Gestalt
schmaler, sich kreuzender, aber nicht geflochtener, sondern verknoteter Bänder.
Netz (franz.: canevas; engl.: canvass), ein aus Maseben bestehendes Gestrick.
Netzarbeiten sind im weiteren Sinne alle durch Flechten oder Knoten
entstandene Maschenwerke , wozu diejenigen Fadengebilde vom einfachsten
Fischernetz bis zum feinsten Grundnetz der Nadel- oder Klöppelspitzen und
auch verwandte Stickereien, Häkeleien und Knüpfereien zu rechnen wären ; die
moderne Handarbeit versteht aber darunter die durch Netzschützen hergestellten
sogen. Filets (s. d.), deren Musterung durch Auf- oder Abnehmen der Maschen
entstehen, welches in ein und derselben Reihe oder auch nur bei bestimmten
Reihen geschehen kann: je nachdem wird der Fadendurchbruch verschieden
Abb. 206.
sein, wodurch sich diese Art der N. besonders von der eigeutlichen Filetarbeit
unterscheidet. Noch weiter gehen sie davon ab, wenn kreisförmige Netze mit
langen und kurzen Maschen auf diese Weise gebildet werden, welche als Vor-
läufer der sogen. Solspitzen (s. d.) gelten können. Zum eigentlichen Netzwerk
366
Netzschkau — Neudeutsche Stickerei.
Abb. 207.
führte die uralte Anwendung des Knotens. Bei den Alten war der spanische
Hanf zu Netzen der beste. Man machte Netze, worin Eber gefangen wurden,
von so grosser Feinheit, dass ein einziger Mann so viel davon auf seinem Rücken
tragen konnte, als hinreichte, um einen ganzen Wald damit zu umstellen. Das-
selbe Geflecht diente in dichteren Maschen auch als Brustharnisch, wozu der
Faden, obschon an sich fein, dennoch aus
3 — 400 Einzelfäden zusammengezwirnt war.
Diese Industrie scheint — wie Gottfried
Semper nach Plinius und Herodot berichtet
— besonders in Aegypten geblüht zu haben,
wovon die Ziernetze aus Glasperlenschnüren,
welche uns noch an Mumien erhalten sind,
^ ^^^ _ ^ _ Zeugnis ablegen. Dieser Schmuck war auch
S****^il'''^^'i^W^^^%^iiil^*J'*'^ ^^^ ^^^ Griechinnen, sowie bei den hetruski-
Wlil^^'^\*Mh^*^K^tß9^^^^^^*^$Si sehen und römischen Damen gebräuchlich. In
L^ii.ik\.«yJi!®^;.\«^A;.*-Vm^.»l Ij,^[qj^ dient das Netz als reiches Motiv für
Kopfbedeckungen und Halsbänder , wobei
grosser Geschmack entwickelt wird. Des-
gleichen für Gewänder und Behänge in Ja-
pan, woselbst das Motiv des Netzes als
köstliche Flächen Verzierung Verwendung
gefunden hat (Abb. 206). Das Mittelalter
liebte in Deutschland und Spanien das zier-
liche Netzwerk als Schmuck des Haupthaares
und leichteste Körperhülle; auch aus den
koptischen Textilfunden (s. d.) sind Kopf-
netze und Mützen aus ähnlichem Geflecht
erhalten (Abb. 207). (lieber den durch Nähen und Klöppeln hergestellten Spitzen-
netzgrund vergl. den Artikel Spitzen.) In neuerer Zeit werden die Netzarbeiten
durch alle möglichen Schlingstiche in sogen. Spinnen-, Würfel- und anderen
-Mustern belebt, welche Art der Handarbeit dann schliesslich in die allgemeine
Filetarbeit (s. d.) übergeht.
Abbildungen:
206. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Sammetstoff von einem Obi (Gürtel), blau, Grund ungeschnitten, Muster geschnitten :
Darstellung von Netzwerk, in das sich Schwalben gefangen haben. Japan 19. Jahrh.
207. Originalaufnahme wie vorher: Teil einer Mütze, Netzarbeit in gelblichem
Garn. Aus einem koptischen Grabe des 5. — 7. Jahrhs.
Netzschkau, Stadt in der Amtshauptmannschaft Plauen: Spinnerei und
bedeutende Textilindustrie.
Netzstrickmaschinen (Filetmaschinen), dieselben stellen das Netzwerk
mechanisch mit rhombischen Maschen her. Der geschlungene Knoten ist dem
durch Hand geschlungenen Filetknoten ganz gleich ; nur erfolgt die Netzbildung
durch das Zusammenwirken zweier Fadensysteme.
Neubistritz, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft in Böhmen:
Webschule, Tuch- und Baumwollindustrie.
Neudeck, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Graslitz in Böhmen :
Spitzen- und Handschuhfabrikation, AVoll Spinnerei. Die hier erzeugten Spitzen
enthalten geometrische oder stilisierte Blumenmuster aus starkem Faden.
Neudeutsche Stickerei bezeichnet Prof. Dr. jur. Frh. v. Weissenbach in
Leipzig eine von ihm kürzlich erfundene Technik, welche auf abgezählten I^den
verschiedene Sticharten herstellt, die auf Grund der Permutations-(Versetzungs-)
lehre entstehen. Der Ausgangspunkt ist eigentlich der Kreuzstich und die der
Leinenstickerei angepassten Arten des Flechten-, Holbein- und Kästchenstiches,
indessen bietet die N. St. interessante Abwechselungen, welche auch eine Erwei-
terung des bisher beschränkten quadratischen Formengebietes ermöglichen. Die
Bildung der Muster geschieht lediglich aus Schlingen und Knoten, welche dem
Neuendorf — Newcastle-under-Lyme. 367
Arbeitsfaden charakteristisch eigentümlich sind und sich tunlichst den verschie-
denen Bindungen des Gewebes anschliessen , so dass damit eine Uebertragung
der Bindungslehre auf die Stickerei ermöglicht ist. Eine Reihe von Stoffen sind
auf Anregung des Erfinders entstanden, welche der betreffenden Arbeiterin es
wesentlich erleichtern, selbstschöpferisch in leichter, rascher Weise völlig neue
Formen, insbesondere Sterne, Rosetten, Kränze und andere Bortenmotive, zu
schaffen. Vgl. Theorie und Praxis der Neudeutschen Stickerei von Prof. Dr. jur.
Hamas Frh. v. Weissenbach, Verlag der „Deutschen Modenzeitung", Aug.
Polich in Leipzig (s. Stickerei).
Neuendorf bei Potsdam im Kreis Teltow: Baumwoll-, Kammgarn- und
Seidenspinnerei ; Hausweberei.
Neuffen, Stadt im württemb. Schwarzwaldkreis: Decken- und Gurten-
weberei, mechan. Strickerei.
Neugersdorf bei Löbau, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen :
Bedeutende Fabrikation von Baumwoll- und HalbwoUwaaren, Strumpfstrickerei.
Neuhaus, Stadt in Böhmen: Tuch- und Wollwarenfabrikation, Färbereien.
Neuhückeswagen, Landgemeinde im Kreis Lennep des preuss. Reg.-Bez.
Düsseldorf: Wollspinnereien, Tuch- und Seidenwebereien, Band Wirkereien und
Filzfabrik.
Neukirchen im Rheinland, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Plüsch-
weberei (Hausindustrie).
Neukirchen bei Ziegenhain, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Kassel: Spitzen-
klöppelei.
Neumünster, Stadtkreis im preuss. Reg.-Bez. Schleswig: Tuch-, Woll- und
Halbwollindustrie .
Neunkirchen, Marktflecken und Sitz der Bezirkshauptmannschaft in Nieder-
österreich : Zitz- und Kattundruckerei, Spinnereien.
Neuötting, Stadt im bayer. Reg.-Bez. Oberbayern: Wollspinnerei und
Tuchfabrikation.
Neurode, Stadt im preuss. Reg.-Bez, Breslau: Mechan. Weberei und
Färberei, Spinnerei und Handweberei, Handel mit Decken, Teppichen, Tuch-
schuhen und Bändern. Die früher sehr bedeutende Tuchfabrikation ist zurück-
gegangen.
Neuruppin, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Potsdam : Wollspinnerei und Tuch-
fabriken.
Neusalza, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: Chemische
Bleichen und bedeutender Handel mit Leinengarn.
Neuseeländischer Flachs (Blattfaser für Weberei), eine in Neuseeland
einheimische Pflanze. Das Material ist dem gewöhnlichen Hanfe ähnlich und
erzielt haltbarere Gewebe.
Neuss, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Kunstwollfabriken, mechan.
Weberei von baumwollenen und halbwollenen Zeugen.
Neustadt in Oberschlesien: Teppich-, Leinen- und Damastweberei.
Neustadt an der Orla im Grossherzogtum Sachsen- Weimar : Fabrikation
von Tuch, Flanell, Instrumententuch.
Neustadt an der Mettau, Stadt in Böhmen: Weberei und Leinenhandel.
Neustädtel in Sachsen, Stadt in der Kreishauptmannschaft Zwickau:
Spitzenklöppelei und Stickerei.
Neustadtl, Stadt in Mähren: Leinen-, Baumwollweberei und Flachsbau.
Neutitschein, Stadt in Mähren: Fachschule für Weberei, Wollindustrie,
Hutfabriken.
Neuwerk, Dorf im Kreis Gladbach des preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf:
Vereinigte vormals Pougssche Spinnereien und Webereien, Sealskinfabrik (Broich-
mühle), Baumwollwaren- und Kunstwollfabrikation.
New-Bedford, Hauptort des County Bristol im nordamerik. Staat Massa-
chusetts: Bedeutende Baumwollspinnereien.
Newcastle-under-Lyme, Municipalborough in der engl. Grafschaft Stafford :
Fabriken für seidene und baumwollene Waren.
368 New-Hampshire — Niederzwönitz.
New-Hampshire, einer der Neuenglandstaaten der Vereinigten Staaten
von Amerika: Wichtig ist die Fabrikation von BaumwoU-, WoU- und Strick-
waren.
Newkerry, südamerik. Baumwollsorte.
New-Orleans, nordamerikanische Baumwollsorte , weiss, minderglänzend,
sehr kräftig im Faden.
Newton, Stadt im County Middlesex in Massachusetts : BaumwoU-, Kamm-
garn- und Seidenspinnereien.
Newtown and Llanllwchaiarn, Stadt im engl. Fürstentum Wales : Mittel-
punkt der Flanellfabrikation der Grafschaft.
Newtownards, alte Fabrikstadt in der irischen Grrafschaft Down . Flachs-
spinnerei, Leinen- und Musselinweberei.
Niederlande, Nederland, Königreich. Berühmt sind die Segeltuchfabriken
und die Werkstätten für Tauwerk in Rotterdam, Amsterdam, Gouda. Vorzüg-
liche Leinenwaren werden in Leiden und Brabant fabriziert. In der Tuch-
fabrikation, mit deren Erzeugnissen die N. einst das stärkste Geschäft in Europa
machten, sind dieselben von Belgien längst überflügelt; doch liefern Leiden, Delft,
Utrecht, Tilburg, Maastricht und Boermond immer noch ausgezeichnete Waren.
Auch die Baumwollmanufaktur hat sich seit 1830 mehr entwickelt, namentlich
in Nord- und Südholland, Brabant und besonders in Oberyssel.
Das Seidengewerbe brachten französische Auswanderer nach den N.
und erhoben es in kurzer Zeit zu hoher Blüte, Zwar wurde schon früher (1682)
in Amsterdam eine Weberei mit hausindustriellem Betrieb errichtet, doch
gelaug es erst mit Unterstützung der Befugie's^ in Utrecht eine Fabrik anzu-
legen, welche 1816 einging. In Haarlem wurden grosse Seiden-, Halbseiden-
Gazefabriken, in Utrecht und Staarden Sammet Webereien angelegt. (Vgl.
die Auszüge von Silbermann, Die Seide u. s. w. Dresden 1897, S. 113.) „Die
Holländer," sagt Davenant (1697), „haben eine solche Seidenmanufaktur in ihrem
Lande, dass wir von dort mehr Seide importieren, als wir von Indien hierher-
bringen; .... der grösste Teil der Sammete kommt aus Holland." Auf dem
spanischen Markt vermochten die holländischen Seidenstoffe sogar die französischen
Fabrikate zu verdrängen. Die Gewerbeverfassung hat durch strenge Gesetze
auf die Güte der Fabrikate hingearbeitet; u. a. mussten die Seidenfärber in
Amsterdam die Versicherung abgeben, dass sie die Seide nicht erschweren würden.
Die Gewebe wurden amtlich untersucht und mit dem Stadtsiegel versehen, welches
bei der vorzugsweise entwickelten Hausindustrie dem Käufer dieselbe Garantie
bot, wie ein renommierter Firmenstempel in heutiger Zeit. Aber schon im
ersten Viertel des 18. Jahrhs. lassen sich sichere Anzeichen des bevorstehenden
Verfalls der Seidenmanufakturen wahrnehmen. Es wurden auch Mittel in Vor-
schlag gebracht, um die untergehende Seidenindustrie zu heben, indessen zu spät,
um mit der von Frankreich, England und dem Niederrhein erwachsenen Kon-
kurrenz einen aussichtsreichen Kampf aufnehmen zu können.
Die Spitzenindustrie hat im 17. Jahrh. in den Niederlanden eine be-
deutende Stellung eingenommen, doch scheint man zuerst vorzugsweise nach
italienischen Vorbildern gearbeitet zu haben. Auffallend ist in dieser Zeit die
dichte Musterung der vornehmlich erzeugten Klöppelspitzen. Im 18. Jahrh.
erhalten die niederl. Städte Brabant, Haarlem und vor allem Mecheln das
Uebergewicht in der Spitzenindustrie, wozu besonders der feine Leinenfaden bei-
trägt, der damals in keinem andern Lande in solcher Güte erzeugt wurde.
Niederoderwitz, Dorf in der Amtshauptmannschaft Zittau: Bedeutende
Leinwandweb erei und -bleicherei.
Niederösterreich, meist gebräuchlicher Name für das Erzherzogtum Oester-
reich unter der Enns : Baumwollspinnereien und -Webereien, Jutefabriken, Baum-
wolldruckereien und -färbereien, Appreturanstalten und Bandfabriken, Seiden-
weberei, Kammgarnspinnerei, Erzeugung von Teppichen, Decken und Kotzen,
Posamentierwaren, Wäsche und Kleidern.
Niederzwönitz, Dorf in der sächsisch. Amtshauptmannschaft Chemnitz:
Buntweberei, Strickereien, Weberei und Spitzenfabrikation.
Niemes— Nordische Kunstwebereieu. 369
Niemes, Stadt in Böhmen: Fabrikation von Leinen-, Baumwoll- und
Tuchwaren.
Nikerie, südamerik. Baumwollsorte.
Nillas, chinesische und ostindische Zeuge, welche aus Baumbast mit Seide
gemischt gewebt werden; sie kamen durch die Franzosen nach Europa.
Nilsaris, Nilsarias , dichte und festgeschlagene ostindische Kattune aus
Surate, mit grossen runden, blauen Flecken, welche in Streifen, Ranken oder
schachbrettartig geordnet sind.
Nimes, Hauptstadt des franz. Depart. Gard: Die Textilindustrie ist zurück-
gegangen, dagegen werden jetzt Florett-, Stick- und Nähseide, Teppiche, Tisch-
decken, Möbelstoffe, Shawls und Tartans, Foulards und Schnüre fabriziert. Das
Seidengewerbe wird 1411 eingeführt; unter Ludwig XII erhielt N. 1498 durch
grosse Fabriken bedeutenden Zuwachs.
Nims, Draps de Nims; eine Gattung mittelfeiner Halbtücher aus den
franz. Manufakturen von Carcassonne, Lodeve, Clermont u. s. w. Sie werden
aus feiner Boussillon- und LanguedocwoUe gewebt, sollen vorschriftmässig 2200
Kettfäden haben und im Stück gut gefärbt sein.
NingpO, Stadt in China: Erzeugung von Atlasstoffen und Krepps.
Nismer Shawls sind gewöhnliche, halbwollene Umschlagtücher in ver-
schiedener Weise fassoniert. In Deutschland wird das Fabrikat ebenfalls vor-
züglich schön und billig hergestellt.
Nivelles, Stadt in der belg. Provinz Brabant: "Wollspinnereien, Woll- und
Baumwollweberei, Leinwandindustrie.
Nobilta ist in Italien, besonders im Toskanischen, eine Art breiter Moor
oder glatter Tabin, von Seide mit Baumwolle vermischt.
Noeud COUlant (franz.), gleitender Knoten beim Stricken und Häkeln.
Nomadenteppiche unterscheidet man innerhalb der persischen Knüpf-
teppiche besonders ; die Ornamentik ist eine sehr einfache ; ältere Beispiele davon
mit zuverlässiger Datierung sind kaum nachweisbar. Eine besondere Gruppe
der N. erscheint durch die wohlbekannten Motive der Wirktechnik charakterisiert,
(vgl. Alois Biegl, Altorientalische Teppiche, Leipzig 1881. S. 53 u. 66&.).
Nonpareille, im franz. Warenhandel unterscheidet man durch die Be-
zeichnung im allgemeinen die feinsten oder ausgesuchtesten Sorten mehrerer
Artikel von den mittleren oder geringeren, z, B. die ersten Sorten von Seiden-
band aus den Manufakturen von Lyon, St. Etienne und Chaumont. Insbesondere
versteht man darunter einen leinenen kamelotartigen Stoff (s. Camelatin).
Noppen heissen die kleinen Maschen des Sammets oder sammetartigen
Gewebes, welche aufgeschnitten den Flor bilden. Sie bleiben unaufgeschnitten
bei dem sogenannten ungerissenen Sammet. Auch einzelne auf Geweben liegende,
mit gewebten, kleinen, manchmal geknoteten Schlingen werden N. genannt; die-
selben können auch in Brokatstoffen aus Metallfäden gebildet sein.
Nordhorn, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Osnabrück: Baumwollspinnerei, drei
Baumwollwebereien.
Nordische Kunstwebereien, unter dieser allgemeinen Bezeichnung kommen
seit dem Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrhs. Wirkereien und Knüpfarbeiten
aus Schweden und Norwegen, welche in Nachahmung der altnordischen Weberei
entstehen, die sich in jenen Ländern vom frühesten Mittelalter bis in das
19. Jahrh. als Hausindustrie erhalten hatte, aber allmählich durch die Maschinen-
arbeit verdrängt und zuletzt ganz in Vergessenheit geraten war. Museen, Ver-
eine und Fachschulen sorgten dafür, dass zur Wiederbelebung dieser verloren
gegangenen Handfertigkeit vor allem ältere Arbeiten beschafft wurden, nach
welchen man die Technik in entsprechenden Mustern lehren konnte. Dieselben
bestehen in frühester Zeit lediglich aus geometrischen Figuren (Abb. 208), welche
in Art des orientalischen Kilim's (s. d.) streifenförmig geordnet sind; erst um
1500 wurde die Technik durch Einführung der vlämischen Wirkerei, welche sich
später den nördlichen Gegenden Deutschlands mitteilte (Abb. 209), erweitert
und beweglicher gemacht, wobei auch moderne Entwürfe im Stile japanischer
Muster (Abb. 210) entstanden. Trotz der systematischen Pflege dieser alten
"Heiden, Handwörterbuch der Textilktinde. 24
370
Nordische Kunstwebereien.
Abb. 208.
Abb. 209.
Nordische Kunstwebereien.
371
Abb. 210.
Webe- und Knüpftechnik (Abb. 211), worin zunächst der „Handarbetets Yänner"
in Stockholm, ein anderer aus Lund in Schweden eifrig tätig war, wollte es
nicht gelingen, den dort erzeugten Arbeiten ein grösseres Absatzgebiet zu er-
schliessen und man begann deshalb in dem nordschleswig'schen Dorf Scherebek
unter Leitung des Pastors Jakobsen, später in H a m b u r g (F r 1. B r i n c k-
mann), in Berlin (Fabrikant P. Lindhorst, der Lette-Verein, da-
selbst) u. a. 0. der nordischen Kunstweberei erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Technik der Wirkerei ist einfacher Art, besonders zur Herstellung der rein
geometrischen Muster (s. Kilim). E-eicher ist die vlämische Wirkerei ausgestattet,
die das ganze Gewebe mit bunten
unregelmässigen Mustern bedeckt,
die dadurch entstehen, dass man auf
baumwollener Kette lediglich den
Einzugsfaden verwendet, der sich
auf kleinen, schiffchenartigen Spulen
befindet und nun nach buntem
Musterblatt, das auf kleinkariertem
Musterzeichenpapier vorgezeichnet
ist, ausgeführt wird. Dabei sind so
viele Spulen in Arbeit, wie das Bild
Farben enthält. Bei einer dritten
Technik erscheinen die Figuren in
hochflorigem Plüsch, der eingeknüpft
ist und geschoren wird (Abb. 211).
Ausser Webereien nach nordischen
Mustern werden auch solche nach
romanischen, gotischen und mau-
rischen, sowie in modernen Stilarten
ausgeführt, wobei man sich allmäh-
lich von fremden Elementen unab-
hängig machte und nach Entwürfen
arbeitete, die von 0. Eckmann,
W. Leistikow, van de Velde,
HansThoma,Mohrbutteru. a.
hergestellt wurden, wobei neben
rein geometrischen auch figürliche
und pflanzliche Motive, oft zu gros-
sen zusammenhängenden Darstel-
lungen vereinigt, geboten wurden.
Hierbei ist das Hauptgewicht auf
klare , energische Zeichnung und kräftig wirkende Farben gelegt. (Vgl. die
Artikel: Kilim, Bildwirkerei, Wandteppiche.)
Abbildungen:
208. Darstellung aus : Extrablätter der Illustrierten Frauenzeitung, Berlin, Jahr-
gang 1 900, Heft 9 : Nordische Kunstweberei in Stopfarbeit aus farbiger Wolle ; Nach-
ahmung eines gewebten sogen. „Karamany". Moderne Arbeit.
209. Darstellung aus: Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst
und Gewerbe , Leipzig 1894. S. 97 : Stuhlkissen, Arbeit eines niederelbischen Bild-
wirkers der ersten Hälfte des 17, Jahrhs. in farbiger Wolle : auf schwarzem Grunde
Darstellung eines Papagei's auf schwerem Blumengehänge.
210. Original aufnähme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Schlitzwirkerei in farbiger Seide auf hellblauem Grunde , Kirschblütenzweig und ein
Paar von Schwalben. Japan, Anfang 19. Jahrb.
211. Darstellung wie 209: Stuhlkissen in Knüpfarbeit auf dunkelblaugrünem
Leinen, die Noppen in gelber, weisser, roter und dunkelblauer Wolle, mit geometrischer
Musterung. Schleswig'sche Hausindustrie 18. Jahrh.
372
Nördlingen — Norwich.
Abb. 211.
Nördlingen, Stadt im bayer. E,eg.-Bez. Schwaben: Teppich- und Loden -
tuchfabriken.
Normandie, in der Spitzenindustrie repräsentiert durch Caen, le Havre,
Bayeux und Dieppe: hier bildet seit dem 16. Jahrhundert die Spitzenklöppelei
die alleinige Beschäftigung der Fischerfrauen und Mädchen.
Norrköpping, Stadt im schwed. Län Oestergötland : Bedeutende Baum-
wollspinnerei und Fabriken für Wollwaren. Ausgeführt werden seewärts nament-
lich "Woll- und Baumwollgewebe.
North-Bierley, Stadt in der engl. Grafschaft York: Bedeutende Woll-
spinnerei.
Norwegen (norweg., schwed. und dän.: Norge), Königreich auf der West-
seite der Skandinavischen Halbinsel: Die Industrie im engeren Sinne hat nur
eine geringe Entwickelung ; das Textilgewerbe beschäftigte 1899 etwa 9000 Per-
sonen. Seit dem Mittelalter wird als Hausindustrie geübt die einfache Wirkerei
in farbiger Wolle, worin Wandteppiche mit figurenreichen Darstellungen und
Decken mit geometrischen Mustern erzeugt werden. Besondere Aufmerksamkeit
hat hierauf gerichtet und erhaltene Beispiele veröffentlicht der Direktor des
Kunstindustriemuseums in Christiania H. G-rosch: vgl. Altnorwegische Teppich-
muster, Berlin 1888, und Altnorwegische Bildteppiche im Kunst-
industriemuseum zu Christiania, Berlin 1901.
Norwich, Municipalborough in der engl. Grafschaft Norfolk: Sch^n seit
13B6 war N. wegen seiner wollenen Zeuge, die nach dem 19 km entfernten
Orte Worsted auch Worstedstuffs hiessen, berühmt. Hier legten 4000 flamländ.
Flüchtlinge im 16. Jahrhundert den Grund zur Industrie von Tuch, wollenen
Zeugen und Strümpfen in England. Wichtig sind noch die Fabrikation wollener
und seidener Shawls , ausserdem Fransen, Gaze und Krepp, Mousselin-de-Laine,
Damentuch und Damast.
Nor wich — Überkette. 373
Norwich, Hauptort des Cöunty New London im südöstl. Teile von Connec-
ticut: Vier grosse Baumwollwerke und Fabriken von Wollvvaren.
Nottingham, abgekürzt Notts, Hauptstadt der Grafschaft N. im mittleren
England: Ist Mittelpunkt der Bobbinet- und Spitzenmanufaktur, insbesondere
der Seiden- und Baumwollstrumpfwirkerei.
Nouveautes ist in Frankreich die Bezeichnung für die neuesten Modeartikel.
Novara, Hauptstadt der Provinz N. im Königreich Italien: Leinwand-
weberei und Handel mit Seide.
Novi, Stadt in der ital. Provinz Alessandria: Ssidenzucht und Seiden-
spinnerei, bedeutender Handel.
Nowawes, Dorf im Kreis Teltow des preuss. E,eg.-Bez. Potsdam: ehemals
Königl. Fachschule für Plüschweber ; Plüsch- und Baumwollweberei. — N. wurde
1751 von Friedrich d. Grr. für evang. Böhmen angelegt.
Nowgorod, Hauptstadt des gleichnamigen russischen Gouvernements. Der
Seidenverkehr über N. ist von Wichtigkeit. Schon zur Zeit von Swätoslaw
(981 — 1015) und Wladimir (9. Jahrh.) kamen skandinavische Kaufleute nach N.,
um sich mit Seidenzeugen zu versehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bereits
im Jahre 1060 eine Ansiedelung deutscher Kaufleute in N. bestanden hat, die
schon eine eigene Kirche besassen. Die Vermittlerrolle russischer Handelsstädte
erreichte während der genuesisch-venetianischen Fehden im 13. Jahrhundert
ihren Höhepunkt.
Noyales, starke und dichte Leinen, welche aus reinem, ausgelesenem Hanfe,
fest und gedrungen, mit besonders starken S ihlleisten zu Noyale, Janze, Piree, im
Depart. der Ille und Vilaine gewebt und zu Schiffssegel n verbraucht werden.
Ausser diesem Segelleinen nennt man in Frankreich auch noch N. ein feines
und mittelfeines Halbleinen, welches im Depart. der Oise zu Noyon nach Art
der Lavallinnen gebleicht und appretiert wird.
Numerotage ist die Numerierung der Garne.
. Nuneaton, Stadt in der engl. Grafschaft Warwick : Bandfabrikation und
Baumwollspinnerei.
Nürnberg, Stadt im bayer. Reg.- Bez. Mittelfranken: Im 14. Jahrhundert
Seidenweberei; 1573 zog N. italienische Seidenfärber in seine Mauern. Im Jahre
1718 gehören die Spitzenweber N.'s noch zur Zunft der Posamentierer.
Das Germanische Nationalmuseum, gegründet 1852, enthält eine
umfangreiche Stoffsammlung , über welche Kataloge erschienen sind : I. Teil :
Katalog der Gewebesammlung, verfasst von Dr. Theodor Hampe, 1896, ent-
haltend Gewebe und Wirkereien, Zeugdrucke. 11. Teil: Stickereien, Spitzen
und Posamentierarbeiten, verfasst von Dr. Hans Stegmann, 1901.
Nürtingen, Stadt im württemb. Schwarzwaldkreis: Baumwollspinnerei,
Strumpf- und Gurtenwebereien, Tuchfabrik, Seegrasspinnerei und mechanische
Strickereien.
o.
Oberbaum, der Kettenbaum am senkrechten Webstuhl.
Oberehnheim , franz. Obernai, Stadt im Kreis Erstein des Bezirks
Unterelsass : Baumwollindustrie, Fabrikation von Decken und Teppichen.
Oberfach (Obergelese) heisst in der Weberei die Gesamtheit der Kett-
fäden, welche am Webstuhl durch die Schäfte oder die Tritte nach oben ge-
zogen werden; die nach unten gezogenen Fäden heissen Unterfach.
Oberkette, bei sammetartigen Geweben die zweite, den Flor hervor-
bringende Kette.
374 Oberleutensdorf — Oelsnitz.
Oberleutensdorf , Stadt in Böhmen: Baumwollspinnerei und Weberei,
Tuchfabrikation.
Oberlitze, am Muster web stuhl die Schnur, welche die Schleife oder das
Auge trägt, durch welche ein Kettenfaden gezogen ist.
Oberlungwitz, Landgemeinde in der sächs. Kreishauptmannschaft Chemnitz :
Handschuh-, Trikotagen- und Strumpfwarenfabriken.
Oberoderwitz, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: be-
deutende Leinwandweberei.
Oberösterreich, meist gebräuchlicher Name für das Erzherzogtum Oester-
reich ob der Enns : bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie , zumeist in
Kleinmünchen bei Linz. Es bestehen 9 Baumwollspinnereien mit 1467 Ar-
beitern und 128000 Spindeln, 4 Baumwollwebereien, 1 Flachsspinnerei (10700
Spindeln), 3 Leinenwebereien, 1 Schafwollweberei. Als Rausindustrie wird
die Leinenweberei im Mühlviertel nördlich von der Donau betrieben.
Oberstdorf, Marktflecken im bayr. Eeg.-Bez. Schwaben: bedeutende
Baumwollindustrie.
Obi, japanischer Gürtel (s. Japan).
Ocana, Bezirksstadt der span. Provinz Toledo: Leinen-, Flanell- und
Seidenfabrikation.
Occischiffchenarbeit, s. v. w. Frivolitäten (s. d.).
Odaliske (vom türk.) , frühere Handelsbezeichnung feiner orientalischer
Wollenstoffe für Kleider und Turbane, nach den Haremsbewohnerinnen.
Odenkirchen, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Baumwoll- und
Kammgarnspinnereien, Seiden-, Baumwoll- und Halbwollwebereien, Baumwoll-
druckerei, Fabriken für Kunstwolle, Lampendocht und Watte.
Oederan, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Chemnitz : Fabrikation
von Teppichen, Decken, Flanell und Tuch.
Odrau, Stadt in Oesterreich-Schlesien: Fabrikation von Tuch, Woll-,
Baumwoll-, Leinen- und Seidenwaren.
Oedt, Marktflecken im Kreis Kempen des preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf:
Fabrikation von Sammet- und Seidenwaren, Zwirn, Leinenweberei, Färberei
und Bleicherei.
Offenbach, Stadt in der hess. Provinz Starkenburg : Trikot- und Börsen-
weberei, Grold- und Silberspinnerei.
Offenburg in Baden, Hauptstadt des gleichnamigen Kreises : Baumwoll-
spinnerei und -Weberei, Leinwandweberei und Bleiche, Färbereien, Seiden-
färberei.
Oeffner, s. Biet.
Oggersheim, Stadt des bayr. Beg.-Bez. Pfalz : grosse Baumwollspinnerei
und -Weberei.
OhligS, Stadt im preuss. E.eg.-Bez. Düsseldorf: Fabrikation von Seiden-
waren.
Olbersdorf, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: Bleicherei,
Weberei, Jutespinnerei und Säckefabrik, mechan. Spitzenklöppelei.
Oldenburg, ein zum Deutschen Beiche gehöriges Grossherzogtum: Er-
wähnenswert sind: die Leinenindustrie (als Hausindustrie) des Ammerlandes,
die Strumpfstrickerei im Amte CloppenlDurg.
Oliva, Stadt der span. Provinz Valencia: Seidenraupenzucht und Leinen-
weberei. 2. Ort beiDanzig: im Kloster daselbst werden ältere gewebte und
gestickte Gewänder aufbewahrt.
Olona, eine in neuerer Zeit auf den Hawai-Inseln entdeckte nesselartige
Pflanze, deren gespinstartige Fasern für Textilzwecke verwendbar erscheinen.
Oloron-Sainte Marie, Stadt im südwestfranz. Depart. Basses-Pyrenees :
AYollspinnerei und Herstellung von Decken, Strümpfen und Strumpfwaren.
Olot, Stadt in der span. Provinz Gerona: Baumwollspinnereien und
Fabrikation von Seiden-, Woll- und Baumwollwaren.
Oelsnitz im Vogtland, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau:
Bedeutende Fabrikation von Axminsterteppichen (Firma Koch und te Kock
Oelsnitz — Opus pulvinarium. 375
mit über 1000 Arbeitern, die grösste derartige Fabrik Deutschlands), Kamm-
garnstoffen, engl. Grardinen und Kongressstoffen, Drellstoff, Tischdecken und
Tüchern; Jutewebereien und Druckereien, Färbereien und Appreturanstalten.
Oelsnitz im Erzgebirge, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Chem-
nitz: Weberei und Strumpfwarenfabrikation.
Oeltuch, ein wasserdichtes Leinen- oder Baumwollengewebe, das mit Oel-
firnis oder Harzlösungen getränkt ist und zu Schutzkleidern für Seeleute, sowie
als Verpackungsmaterial verwendet wird.
Ombres (ombrierte Zeuge) , "Wollstoffe mit farbigen Streifen , deren
Ränder verwaschen erscheinen. Die farbigen Streifen sind in der Mitte am
dunkelsten; zwischen je zwei derselben liegt ein hellerer, vom Dunkeln in das
Hellere allmählich übergehend. Diese Färberei geschieht auf einer Maschine,
in der sich mit wollenem Zeuge überzogene Scheiben in einem Farbenkessel
drehen. lieber diese Scheiben hin, unter stattfindendem Druck, passiert das
zu ombrierende Zeug zu wiederholten Malen, zieht dadurch die Farbe an, so-
weit es von den in gewissen Entfernungen aneinander stehenden Scheiben
berührt wird, während eben diese Farbe seitwärts in die Fasern abnehmend
ausfliesst und dadurch die Abstufung hervorgebracht wird. Wolkige oder
marmorartige 0. erhält man dadurch, dass man das Grarn beim Färben bereits
ombriert, indem man dasselbe an verschiedenen Stellen mit Fäden oder sonstwie
umbindet, sodass hier weniger Farbe dazwischen gelangen kann als an den
freiliegenden Partien. Doch nur bei Wollwaren ist das Verfahren anwendbar;
baumwollene Zeuge sind gedruckt, wenn sie ombriert erscheinen.
Oncegarn ist eine Art Baumwollgarn.
Ondes nennt man im allgemeinen in Frankreich die gewässerten Seiden-,
Wollen- und gemischten Zeuge; insbesondere aber versteht man darunter ein
leichtes Wollengewebe von Amiens.
Onteniente, Bezirksstadt in der span. Provinz Valencia: Tuch- und
Leinenweberei.
Oost-Roosebeke, Marktflecken in der belg. Provinz Westflandern : Sjoitzen-
fabrikation und Weberei.
Opladen, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Düsseldorf: Wollspinnerei, Türkisch-
rotfärbereien und Seidenappreturanstalten.
Oporto, Hauptstadt der portug. Provinz Minho : Fabriken für Baum-
wolle und Seide.
Opus acu pictum (lat.), Nadelmalerei, Stickerei.
Opus Alemannicum (lat.), vielfarbige Stickerei.
Opus anglicanum (lat.), ein Kunstwerk, an welchem Weber und Grold-
schmied miteinander gearbeitet haben.
Opus anglicum (lat.), englische Stickerei im Mittelalter, welche in einer
Art Kettenstich ausgeführt wurde. Sie war so hergestellt, dass von einem
Punkte aus eine Linie spiralförmig aufgewunden war, die je nach der Zeichnung
die Farbe wechselte: eine Art der Darstellung, welche später einige Kupfer-
stecher wieder aufnahmen. Oft waren diese Arbeiten in sehr kostbarem
Material, auch unter Verwendung von Edelsteinen u. s. w. ausgeführt, weshalb
die Bezeichnung o. — a. für sämtliche prächtige Stickereien üblich wurde ;
besonders scheinen diejenigen Arbeiten, bei welchen grössere Flächen mit Grold-
oder Silberblech belegt waren, im 13. Jahrhundert so bezeichnet worden zu sein.
Opus araneum (lat.), durchbrochene Weissstickerei.
Opus breudatum (lat.), Bortenstickerei.
Opus cypricum (lat.), kostbare Stickarbeit.
Opus pectineum (lat.), eine Art broschierten Grewebes, bei welchem die
Kette über einen Kamm (pecten) lief.
Opus phrygicum, racamatum (lat.), Buntstickerei.
Opus plumarium (lat.), Federstickerei, Plattstich.
Opus polymitarium (lat.), bunte Teppichweberei.
Opus polymitum (lat.), vielfädige oder mehrfarbige Arbeit in Stickerei.
Opus pulvinarium (lat.), Stickarbeit im Kreuzstich.
376
Opus textile — Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.
Opus textile (lat.), Weberei.
Opus theotonicum (lat.), Nadelarbeit.
Orange, Stadt im südfranz. Depart. Yaucluse: Seidenspinnerei, Hand-
schuhfabrikation, TToll- und Baumwollwebereien.
Orange, Toiles d'Orange, eine veraltete Art feiner, bunter, echtfarbiger
Kattune, welche im Depart. Yaucluse, zu Orange und im Depart. der Aube,
zu Troyes angefertigt wurden,
Orarium (lat.,' franz. u. engl.), 1. Tuch zum Reinigen des Mundes,
Taschentuch, Schweisstuch, Tellertuch. 2. Bezeichnung für die Stola bis zum
9. Jahrhundert. 3. Schweisstuch am Abtstab. 4. Langschleppendes Gewand.
Orditura (lat.), G-ewebe, Weberei.
Ordonnance (franz.), Bezeichnung für die Verteilung des Blumenwerkes
in der Spitze.
Orfroi (franz.), (lat.: orfra, orfrea, orfredum, orfresium = aurifrigia),
Goldgewebe.
Organdis (franz.: organdie, engl.: book muslin, book); lockere, feine und
glatte Baumwollgewebe, weiss oder farbig, etwas dichter gewebt als Musselin,
aber ebenso fein im Faden, nur etwas steifer appretiert. Der Stoff kam früher
aus Ostindien, wird aber schon längst in allen europäischen Musselinwebereien
gefertigt.
Organsinseide (Kettenseide, frz. : organsin ; ital. : organzino ; engl. : or-
ganzine) ; die gezwirnte, aus den besten Kokons gewonnene Seide , die in den
Geweben die Kette, den Aufzug bildet. Man unterscheidet zweifädige (o. ä
deux bouts) und dreifädige (o. ä trois bouts). Jeder Faden besteht aus drei
bis acht Kokonfäden.
Organzin, ein heute noch üblicher Name für Seide (s. Organsin) : stammt
vom Seidenmarkt TJrgendsch in China, der in Europa im Mittelalter als 0.
bekannt war.
Orientales, Satin, ein baumwollener Croisee oder köperartig gewebter
Stoff älterer Zeit, der den Jeans entspricht ( s. d.).
Orientalische Kunstwebereien und Stickereien, unter dieser allgemeinen
Bezeichnung pflegen in Europa alle diejenigen west- und vorderasiatischen
Textilien zu erscheinen, w^elche dort nach dem späteren Mittelalter bis zum
Anfange des 19. Jahrhs. entstanden sind,
deren bestimmte Herkunft wir im ein-
Abb. Li 2. zelnen aber nicht mit Sicherheit anzu-
geben vermögen. Ausgeschlossen davon
sind die Produkte aus China und Japan ;
nur diejenigen der Türkei werden noch
dahin gerechnet. Bei der Herstellung
dieser Arbeiten ist Persien zunächst
reichlich beteiligt ; indessen kommen auch
andere Länder dabei in Frage , vor allem
die Türkei mit Konstantinopel, der
Hauptstadt des Islam, wo seit alters her
Prachtstoffe und Stickereien hergestellt
wurden. Ferner ist Brussa zu nennen,
das auch seine alte Seidenzucht und
-Weberei bewahrt hat, so dass selbst
Lyon noch heut Seide daher bezieht. Auf
gleicher Höhe ist lange Zeit Skutari mit
seinen prächtigen Sammeten geblieben,
ebenso waren Städte wie Damaskus und
Aleppo durch ihre älteren Arbeiten zu
berühmt, als dass sich diese Industrie
so schnell dort verloren hätte, wenn
auch nicht zu verkennen ist, dass die ge-
samte orientalische Weberei und Stickerei
Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.
377
durch die Maschinen und durch die europäische Anilinfärberei ihren Haupt-
reiz eingebüsst hat.
Die sichere geographische Bezeichnung dieser orientalischen Textilien
wird erschwert durch den ihnen innewohnenden gemeinsamen Zug der Flächen-
teilung und ihre Einzelheiten. Vorherrschend ist zunächst das spitzovale Feld,
Abb. 213.
das als Decke in einer Spitzbogenfüllung abgeschlossen ist und als laufendes
Muster sich aus gefüllten Bändern ins Unendliche fortsetzt: ein Typus der
Raumeinteilung, der dort schon im frühen Mittelalter erscheint (Abb. 163 u.
168) und seit dem 16. Jahrh. sowohl in Persien (Abb. 212) und Indien
(Abb. 213), als auch in der Türkei (Abb. 214) allgemein wird. Daneben
waren im Orient von jeher Streifenmuster in allen Richtungen und bunten
378
Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.
Abwechselungen gebräuchlich, welche zuerst glatt oder geometrisch gemustert
(Abb. 169), später mit Blütenwerk gefüllt sind (Abb. 215 u. 216). Die Fül-
lung der spitzovalen Felder innerhalb der laufenden Stoffmuster gleicht im
16. Jahrh. denjenigen der Renais-
Abb. 214. sancegewebe aus Italien und Spanien,
was hinsichtlich der Palmettenformen
auf eine TJeberführung derselben vom
Orient nach Europa schliessen lässt,
wobei die Wahrnehmung interessant
ist, dass der Orientale niemals die
Kunstformen des Abendlandes ko-
pierte, wozu doch in jener Zeit vor
allem die aus der Antike übernom-
mene Yase gehörte. Im G-egenteil.
Die granatapfelartige Blüte macht
im Orient alle möglichen Variationen
selbständig und in vornehmer Ent-
wickelung durch (vgl. Abb. 4 auf
Taf. lY), welcher sich der Pinien-
zapfen anschliesst (Abb. 104) und zu
dem die Tulpenblüte ihre graziöse
Formenbildung hergibt (Abb. 106 u.
217). So sehr man nun geneigt sein
wird, gerade diese oft wiederkehren-
den Palmetten nach Persien zu setzen,
so lehrt doch der Vergleich der spitz-
ovalen Kernbildung, innerhalb der
letztgenannten tulpenähnlichen Blüte,
mit Flächenmustern auf Metallen und
Porzellanen aus Indien, dass der-
gleichen Kunstformen Allgemeingut
des Orients waren und geblieben sind.
Auch das schlank aufwachsende Cy-
pressenmuster (Abb. 122), dessen
Heimat wir in Indien vermuten, kehrt
in Kleinasien und in anderen Gregen-
den des Morgenlandes wieder. Frag-
lich erscheint auch die persische Herkunft jener Stoffmuster, welche innerhalb
der spitzovalen Felder auf blattzackiger Fläche zierliche Blütenranken enthalten,
die an Fliesenbeläge erinnern und in der Türkei entstanden sein können (Abb. 218).
Ebenso wie in Europa
im 17. Jahrh. die Stoffmuste-
rung übergeht zu kleineren
Dessins, so hat auch der Orien-
tale zu derselben Zeit seine
sogen. Streumuster (Abb. 216
u. 219) aus ganz leicht ge-
zeichneten Blütenzweigen, de-
ren zierliche Bewegungen auf
liebevollenNaturbeobachtungen
beruhen, die denselben einen
eigenen Peiz verleihen und
mit zu den schönsten Produk-
ten gehören, welche die Kunst-
weberei überhaupt zu erzeugen
vermag. Hierzu kommt aller-
dings die Leichtigkeit und
Güte der Seide und die meister-
Abb. 215.
m^^^m
^?
Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.
a79
hafte Schattierung unter Anwendung feiner Gold- und Silberfäden im Grrunde,
zwischen dessen schmiegsamen Falten diese lieblichen Kinder der köstlichen
Flora des Orients sich gleichsam wie leicht aufgestreut abheben. Und dabei
ist jede plastische Erscheinung dieser zu Kunstformen gestalteten Blumen ver-
mieden. Der Orientale benützt dieselben als Vorbilder, er entlehnt den Blättern
derselben die zierliche Zeichnung, die harmonische Farbenzusammenstellung
des Rot und Grün, Blau und Gelb ; er nimmt aber aus der ganzen Erscheinung
nur soviel heraus, als sich in der Fläche darstellen lässt, ohne dass der Cha-
rakter derselben unterbrochen wird. Auf dieser einzig dastehenden Kunst-
weise in der Stilisierung seiner Naturformen beruht denn auch die Gleich-
mässigkeit der Formensprache in allen älteren orientalischen Erzeugnissen der
Kleinkunst. Wie der Orientale an der Pflanze Zweig auf Zweig, Blatt auf
Abb. 216.
Blatt, Blume auf Blume sich entwickeln sieht, so ordnet er auch den Stamm
und die Zweige des Ornaments, das sich ohne weiteres der Fläche jeden Belags,
der Form jeden Gerätes, vor allem jeder Technik im Bereiche des Flächen-
musters anpassen lässt.
Die Ornamente der Gewebe des 18. Jahrhs. erscheinen vom europäischen
Einfluss nicht mehr ganz unberührt, sie enthalten Palmettenformen, breitere
Banken und Blumen, die nicht frei von italienischen und französischen Ele-
menten sind (vgl. Abb. 8 auf Taf. YII), wozu der verstärkte Verkehr mit
Venedig, Genua und Lyon beitrugen, so dass sich Originalmuster nur noch
in den gewöhnlichen Stoffarten erhalten haben. In Indien (s. d.) werden Brokat-
stoffe mit kleineren Mustern nach alten Vorbildern heut noch gewebt. Sonst
hat sich nur an wenigen Stellen im Orient eine Art bäuerlicher Weberei und
Stickerei erhalten, selbst die entferntesten Ortschaften in Aegypten, Syrien und
Marokko sind europäisch beeinflusst. Viele der grossen Handelsplätze in der
Levante erhalten schon seit Jahrzehnten die für ihren Geschmack gefertigten
Seiden- und Brokatstoffe aus Elberfeld, Krefeld und von anderen deutschen,
französischen oder englischen Manufakturen, so dass wir oft moderne Waren
330
Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.
aus dem Orient erhalten, welche schon vor 50 Jahren bei uns angefertigt
wurden. Als tunesische AVebereien der neueren Zeit werden bunt und in Oofd
gestreifte Halbseidenstoffe mit geometrischen Mustern bezeichnet (Abb. 7 u. 9
auf Taf. VII), welche aber ebensogut auf Bestellung in Europa gemacht sein
konneu, dasselbe gilt von den in Weiss, Gold und Blau gewebten Brokatstoffen,
welche mit Sternen und Halbmonden als für Aegypten oder die Türkei gelten
können (Abb. 1 u. 3 auf Taf. YII). ^
Die Musterung der Sticker eien des Orients schliesst sich den Ge-
weben an; auch sie werden meistens als persische Arbeiten bezeichnet, wäh-
Abb. 217.
rend man es vielfach mit solchen aus der Türkei, aus Indien, Syrien, Marokko,
Nordafrika u. s. w. zu tun hat. Sehr häufig finden wir in einfachen Leinen-
stickereien im sogen. Webstich die Muster der gewebten Prachtstoffe kopiert
(Abb. 106), wobei es sich um Arbeiten aus Gegenden handelt, deren Bevölke-
rung auf geringer geistiger Ausbildung stehen geblieben ist. Hingegen ent-
wickelte sich an Stätten höherer Kultur eine selbständige, reichere und freiere
Darstellung in vielseitiger Technik. Unter grösseren Arbeiten fallen zunächst
jene aus Persien und aus der Türkei in Mengen zu uns kommenden Pracht-
vorhänge auf, welche auf leichter Seide oder dünnem Kaschmir in ein oder
zwei Farben im Tamburierstich bestickt sind mit einem einzigen grossen
Baum, der unten in Wurzeln endigt, seine Zweige nach beiden Seiten aus-
Orientalische Kunst Webereien und Stickereien.
381
breitet und reichen Blüteuschmück enthält. Da der ganze orientalische Hausrat
und sein Schmuck mehr auf Beweglichkeit angelegt ist, als der europäische, so
ist man bemüht, Decken und sonstige textile Ausstattung leichter und falten-
reich zu gestalten, weshalb man nicht, wie bei uns, an Techniken für feste,
brettsteife Stücke gebunden ist. Daher ist der Plattstich wenig, die Aufnäh-
arbeit gar nicht gebräuchlich, während die Groldstickerei nur vereinzelt für
der Mo-
Abb. 218.
glatte Prachtvorhänge
scheeii in hohem Pelief und sonst
in aufgenähten Fäden, dem Lahn
oder der Kantille, Verwendung
findet. Schon die viel leich-
teren Grrundstoffe, welche man
aus Seide, feinem Leinen, Batist
oder Baumwollengeweben wählt,
bedingen eine weniger schwere
Füllung durch die Stickerei. Ein
Ersatz für die Aufnäharbeit be-
züglich der Wirkung ist dem
Orientalen gegeben in der Tuch-
mosaik, wobei die Verbindungen
durch den sehr reichlich verwen-
deten Tamburierstich herge-
stellt sind. In dieser Tuch-
mosaik fertigte man im Orient
ganze Zelte: es sind solche ans
dem 16. Jahrh. von der Be-
lagerung Wiens als Beutestücke
dort zurückgeblieben. Auch Tep-
piche und vollständige Wand-
behänge werden in Stickerei aus-
geführt; ganz besonders aber für
Türbehänge , weil sowohl die
Moschee, als auch die Wohn-
räume im Innern einer hölzernen
Tür entbehren, hier vertritt
der Türteppich oder gestickte
Vorhang den Zimmerabschluss.
Daher können wir uns die aus
dem Orient kommenden geweb-
ten und gestickten Decken mit
dem portalartigen Abschluss erklären (Abb. 26), der gleichsam die Architektur
darstellt. Eine genauere Betrachtung solcher Stücke wird aber bald lehren,
wie geistvoll die Nachahmung wirklicher Architektur vermieden ist und die-
selbe in Textilformen übersetzt ist. TJeberhaupt bieten die feinen Stickereien
des Orients eine ebensolche Fülle reizvoller Motive, wie die Webereien, wobei
die Tamburierarbeiten gerade in dem Masshalten der Farbengebung die edelsten
Muster zeigen (Abb. 220).
Eine unabsehbare Menge orientalischer Stickereien ist in den schmalen
shawlartigen Tüchern nach Europa gekommen, welche an Ort und Stelle zu
Handtüchern als Schmuck des Turbans (Peschkir) oder des Grürtels (Schalwar)
dienen. Der Grrundstoff dieser Tücher besteht aus weissem Baumwollen- oder
Leinengespinst: vom gröbsten bis zum feinsten Batistgewebe, das dann oft eine
weiche kreppartige Struktur zeigt. Die zu Handtüchern verschnittenen Stoffe
sind in Schuss und Kette aus verschieden starkem Material gewebt, wodurch
eine ungleichmässige, rauhe Oberfläche entsteht, wie auch wir sie von unseren
Frottiertüchern her kennen. Peizvoll und geradezu vorbildlich ist die Stickerei
an diesen Tüchern, welche in breiten, gieichmässig gemusterten Endborten mit
darunter stehendem Abschlussrand Anwendung gefunden hat (Abb. 179). Das
382
Orientalische Kunst Webereien und Stickereien.
Material zur Stickerei besteht aus farbigen, gedrehten, feinen Seidenfäden und
Gold, weniger in Benützung kommt Silber. In der Technik verdient neben
der mühevollen oft doppelseitigen Arbeit die Aaelseitigkeit innerhalb eines
Tuches bemerkt zu werden. Die feineren derartigen Tücher (Tschewre) sind
im sogen. Gobelinstich ausgeführt, welcher über den Kett- oder Schussfäden
des Grundstoffes so gearbeitet wird, dass die Stickerei den Grund auf beiden
Seiten völlig bedeckt und die Flächen in den farbigen Schattierungen den Ein-
druck einer abgetönten Malerei hervorrufen; diese Stichart ist hierbei dem
Muster so angepasst, dass Blatt- und Blütenflächen ihrer organischen Ent-
Abb. 219.
Abb. 220.
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Wickelung entsprechend gerippt erscheinen. Oefter sind die Blumen durch
flaches Modellieren und Schattieren mit Nadel und Faden wie in einer Lack-
malerei dargestellt. Der Goldfaden greift hier und da, wie mit dem Pinsel
hineingewischt, als Darstellung der Gliederung durch eine Blattrippe vermit-
telnd in die Seidenfäden ein ; Kernstücke der Blüten und einige Ausläufer der
Blätter sind wieder in breitem Lahn gestickt — und so bildet das Ganze in
seiner künstlerischen Vielseitigkeit eine Musterkarte für Stickerei, die mit
einem Namen gar nicht zu bezeichnen ist.
Vielseitig ist auch die Leinenstickerei (s. d.) des Orients, die vielfach
zu Kostümen Anwendung findet: reich gestickt mit gefüllten Blüten streifen
und Streumustern sind die sogen, persischen Frauenbeinkleider, die in gewebten
Stoff'en nachgebildet werden (Abb. 216). Viel Verwendung zur Stickerei finden
im Orient neben Stanioleinlagen auch Muscheln und Perlen. Vorbildlich ist
die in Abb. 213 wiedergegebene Kastenauflage aus Indien, welche aus braunem
Sammet besteht, auf welche weisse und bunte Perlen aufgenäht sind.
Orientine — Orleans. 383
Abbildungen:
212. Darstellung aus : Portefeuille des arts decoratifs tissus, PI. 256 : Seiden-
brokat , Grund roter Atlas, symm. Muster weiss , blau , gelb und Gold : Bänder mit
Blattzacken bilden spitzovale Felder , in welchen je drei Palmettenblüten an gemein-
samer Endigung. Persien 16. Jahrh.
213. Darstellung aus Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Bl. 89: Ober- und
Seitenteil eines Kästchens, brauner Sammet, mit farbiger Perlenstickerei. Spitzovales
geschweiftes Feld mit Blütenrosette und -Ranken, Palmettenrändern und Vögeln. Indien
17. — 18. Jahrhundert. Original im Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
214. Darstellung aus C o x , l'art de decorer les tissus d'apres les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon. Paris 1900. PI. LXII.: Kleiner
Sammetteppich, rot und gelb. In der Mitte spitzovales Feld, umgeben von einem Rande
aus Tulpen und Nelken ; obere und untere Abschlussborte mit Lambrequinfeldern.
Skutari (?) 16.— 17. Jahrh.
215. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Teil einer Schärpe, aus farbiger Seide gewebt : Querstreifen mit Ornament und Blüten-
nelken, in der Längsborte wiederholen sich die letzteren. Persien 17. Jahrh.
216. Darstellung aus Kunstgewerbeblatt, N. F. II, S. 2: Seidenbrokat, Gold
und bunt: in breiten und schmalen schrägen Streifen Streumuster aus Blütenzweigen.
Persien oder Türkei 17. — 18. Jahrh. Original im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
217. Darstellung wie 213, Blatt 111 : Stilisierte Tulpenblüte von einem orien-
talischen Seidenstoff des 16. — 17. Jahrhs. aus dem Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
218. Originalaufnahme wie 215 : Seidenbrokat, Grund roter Atlas, symmetrisches
Muster: Bänder in Weiss und Gold mit Maureskenornament bilden spitzovale Felder,
in welchen auf goldener blattartig abgeschlossener Fläche ein spitzovales Kernstück
mit stilisiertem Strauss aus Tulpen und Nelken, umgeben von reichem Rankenwerk.
Persien oder Türkei 16. Jahrh.
219. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin: Seiden-
stoff, Grund hellgrün, Muster bunt und etwas Gold: Reihenweis nach rechts und links
gewendete Blütenstauden. Türkei 17. — 18. Jahrh.
220. Originalaufnahme wie 219: Teil einer Decke, Tamburierarbeit auf rot-
braunem Kaschmir in gelblichgrüner Seide: Zu spitzovalen Feldern geordnete Lihen-
ranken. Persien 17. Jahrh.
Abbildungen auf der Tafel VII ( W ebereien aus Indien, Persien und
der Türkei). Originalaufnahmen aus dem Königl. Landesgewerbe-
museum in Stuttgart:
1. Seidenbrokat, weiss blau, in Damast und Gold: Zwischen schrägen festen
Bändern mit Stern und Halbmond Rosenranken und gleiche Wappenzeichen. Türkei?
19. Jahrh.
2. Seidenbrokat, weiss und Gold : feine aufsteigende Blütenranken. Indien 1867.
3. Seidenbrokat wie Nr. 1 : gestreift und mit welligen Blumenranken.
4. Seidenbrokat, rot, Gold und bunt : Streifen mit dichten Blütenranken. In-
dien 1867.
5. Seidenbrokat, rot, Silber nnd Gold mit etwas Dunkelgrün : Reihenweis ver-
setzte Blütenstauden. Indien 1867.
6. Seidenbrokat, rot, Gold und bunt : Streifen mit Blütenranken. Indien 18. Jahrh.
7. Gestreifter Seidenbrokat mit geometrischen Mustern. Tunis 19. Jahrh.
8. Seidenstoff, Grund und Muster farbig: durch Bogenstellungen verbundene
Blütenpalmetten. Persien? 19. Jahrh.
9. Gestreifter Seidenbrokat wie Nr. 7.
10. Seidenbrokat, rot, Gold, etwas Silber und Dunkelgrün: dichte Blütenranken.
Indien 1867.
11. Seidenbrokat, farbige Streifen, darauf schräge Goldstreifen mit dichten Blüten-
ranken und Palmetten. Indien 1867.
12. Seidenbrokat, rot, Gold und Silber: dreiteilige Bänder mit Sternen. Indien 1867.
Orientine, ein starker, barchentartiger Stoff, welcher früher aus Ost-
indien kam, später aber allgemein in Europa verfertigt wurde.
Orinoco, peruanische Baumwollsorte.
Orleans, Hauptstadt des Depart. Loiret : Fabrikation von Strumpfwaren,
Tuchen und Posamenten. Im 16. Jahrhundert Anfertigung von Seidenwaren,
durch Mailänder Weber eingeführt.
384 Orleans — Oesterreicil-Ungarn.
Orleans, halbwollene, glattgewebte Stoffe mit Baumwollgarnkette und
Schuss aus Kammgarn. Die 0. kommen in allen Farben gefärbt oder bedruckt,
meliert, moiriert, auch mit Seidenstreifen hergestellt vor und gehören zu den
wichtigsten Geweben zur Anfertigung von Frauenkleidern. Auch moderne
Gazestoffe werden 0. genannt.
Orlinghausen , Dorf im Fürstentum Lippe: Plüsch- uud Leinenweberei
(Hausindustrie), Wäschefabrikation.
Ormusinus (lat.) (franz. : armoisin, taffetas), dünner, leichter Seidenstoff.
Ornament (lat.: ornamentum; franz.: ornement; engl.: ornament), Ver-
zierung, Schmuck.
Ornat (vom lateinischen), Schmuck, Amtstracht des Geistlichen und der
Mitglieder vom Ritterorden (s. a. liturgische Gewänder).
Ornis, eine Gattung feiner Musseline von Brampur, mit eingewebten
goldenen oder silbernen Streifen, welche im Innern Asiens viel gebraucht
werden, seltener nach Europa kommen.
Orraye ist ein schwerer, dichter Seidenstoff mit erhabenen, eingewirkten,
goldenen Blumen und Mustern auf Atlasgrund, welcher auf beiden Seiten recht
ist. Man verfertigjb diesen Stoff hauptsächlich in Persien.
Orsoyseide s. v. w. Organsin.
Ortigues sind franz. Packleinen aus Languedoc, die besonders nach
Marseille und andern Häfen in der Provence gehen.
Oschatz, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: Fabrikation
von Tuch- und Filzwaren, gehäkelte Wollwaren.
Osimo, Stadt in der ital. Provinz Ancona: Florettseidenfabrikation und
Handel.
Osmanisches Reich s. Türkei.
Osnabrück, Hauptstadt des gleichnamigen ßeg. -Bezirks der preuss.
Provinz Hannover: Flachsspinnereien und Baumwollwebereien, Handel mit
Tuch, Manufaktur- und Weisswaren.
Osnaburghs, cotton, sind feste, starke, baumwollene Zeuge (amerik.
Domestiks), long cloth im engl. -asiatischen, im spanisch-amerikanischen Hände]
elefautes genannt. Sie sind den Osnabrücker Leinen so ähnlich als möglich in
Griff, Zurichtung und Aufmachung nachgebildet.
Osörkow, Stadt im russ.-poln. Gouvernement Kaiisch: Baumwoll- und
Wollspinnereien.
Ossett, Stadt in der engl. Grafschaft Yorkshire : Tuchfabriken und
Wollspinnerei.
Ostada (lat.), ein feiner Wollenstoff.
Ostade, ein veralteter, geköperter, fest gewalkter Wollenstoff, eine Art
Kasemir, der auf der rechten Seite einigemal gerauht, nach dem Färben im
Pahmen ausgespannt, dann mit einem Schnitt geschoren und endlich in eine
warme Presse gesetzt wird.
Osterode am Harz, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Hildesheim: Woll-, Leinen-
und Baumwollfabriken, Garnspinnereien.
Osteroder Zeuge, im allgemeinen versteht man darunter verschiedene
in dieser hannoverschen Fabrikstadt verfertigte Wollenzeuge, als mehrere Sorten
weisser, gestreifter und gedruckter Flanelle, Chalons, Tamis, Lüstrins u. s. w.,
insbesondere aber die einfarbigen und bunten, ganzen und halben Kamelotte,
welche dort vorzüglich angefertigt wurden und daher zu ihrer Zeit starken
Absatz fanden.
Oesterreich-Ungarn. In Oesterreich beschäftigt die Textilindustrie
2287 Fabriken mit 3058 Maschinen und 154194 Pferdestärken, 296481 Ar-
beitern und 425 Mill. Gulden Produktionswert, insbesondere Baumwollweberei,
sowohl fabrikmässig (194 Fabriken mit 48 384 Arbeitern), als Handweberei
(28 319 Arbeiter), vorzugsweise in Böhmen^ Mähren, Schlesien, Niederösterreich
und Vorarlberg, Baumwollspinnerei (153 Fabriken mit 32 815 Arbeitern), ebenda
Spinnerei von Streichgarn (187 mit 6977) und Kammgarn (10 mit 4621), Weberei
von Streichgarn (199 mit 20 654) und Kammgarn (126 mit 34526), Vorzugs-
Ostheim— Paina. 385
weise in Böhmen (Heichenberg), Mähren (Brunn, Iglau), Schlesien, in Biala
(Galizien) und Niederösterreich, dann Seidenweberei (65 Fabriken mit 11724
Arbeitern, in Niederösterreich, Böhmen und Mähren, Flachsspinnerei (42 Fabriken,
315 000 Spindeln und 17 195 Arbeitern) in Böhmen^ Mähren und Schlesien, Leinen-
weberei (75 Fabriken mit 20828 Arb.) ebenda, Jutemanufaktur (20 mit 5941)
hauptsächlich in Niederösterreich, Mähren und Böhmen, Bandfabrikation (37
mit 3795), Wirkwaren (83 mit 8652) ebenda, dann 212 Appreturanstalten mit
8373 Arbeitern (s. Wien).
Ostheim vor der Rhön, Stadt im Grrossherzogtum Sachsen-Weimar-
Eisenach: Weberei, Fabrikation von Plüsch.
Ostritz, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: Fabrikation
von Jutegarnen und -geweben, Schirm- und Kleiderstoffen, Militärtuch.
Oswestry, Municipalborough in der engl. Grrafschaft Salop : Weberei
von Baumwollzeug, Leinwand und Wollstoffen.
Oudenaarde, Stadt in der belg. Provinz Ostflandern: Leinen- und Baum-
wollfabriken.
Ourvilles nennt man eine gewisse Sorte Leinen, die zu Ourville in der
ehemaligen Normandie gewebt werden.
Ouvrages moresques werden in spanischen und französischen Muster-
büchern des 17. Jahrhunderts Spitzen betitelt, deren Bezeichnung sich nur
auf das Muster bezieht.
Ouvree, Seide, Rohseide.
Oxford, moderner, hell gestreifter Baumwollstoff für Sporthemden.
Pabanizy, Stadt im russ.-poln. Grouvernement Petrikau : Woll- und Baum-
wollfabriken, Leinweberei.
Pabellones sind spanische, wollene Decken.
Packleinwand, Packtuch, ist die geringste und gröbste aller Leinwand-
sorten; man webt sie aus dem kurzen, schlechten Werg oder der Heede des
Flachses und des Hanfes, in Westindien aus geringer Baumwolle, in Südamerika
und Brasilien aus Baumbast und kommt unter verschiedenen Namen in den
Handel. Man gebraucbt sie zum Einpacken, zur äusseren Bedeckung der Waren,
Kisten, Packen, Körbe u. dgl. Ein gangbarer Artikel der P. war früher in
Sachsen und auch im sonstigen Handel unter Barras bekannt.
Packloden, lockere Werggarne in Schlesien.
Padua, Provinz mit gleichnamiger Hauptstadt im Königreich Italien:
Seiden-, Woll- und Baumwollweberei, Hanf- und Leinengewebe. Das Seiden-
gewerbe ist im 14. Jahrhundert eingeführt.
Paeaukas, Pautkas, eine Sorte geringer, ostindischer Kattune, sowohl
weiss als bunt.
Paenula, grosse, weite Kapuze mit langem Schulterkragen, von den
Römern der Kaiserzeit getragen.
Pagetstuhl, eine vom Engländer Paget erfundene flacbe, mechanische,
regulär arbeitende Kulirwirkmaschine mit wagrecht liegenden Nadeln.
Pagne, Panicos, baumwollene Schürzen, welche afrikanische und indische
Völkerschaften zur Bedeckung der unteren Teile des Körpers tragen. In Ost-
indien bestehen sie aus feinen Kattunen. Eine eigne Sorte dieser P. hat hoch-
rote Streifen und heisst Panossares.
Pahthanf, soviel wie Jute (s. d.).
. Paina, Panha, ist brasilianische Baumwolle.
Heiden, Handwörterbuch der Textükunde. 25
380
Paisley — Palermo.
Paisley, Stadt iu der engl. G-rafscliaft Renfrew : liefert vor allem Zwirne,
dann Modewaren in Seiden-, Halbseiden- und Baumwollz engen ; ferner bestehen
Twist- und Leinengazefabriken, Bleicherei und Färberei.
Paita, peruanische Baumwollsorte.
Paka, Neupaka, Stadt in Böhmen : mechan. Weberei und Wollwarenfabrik.
Abb. 221.
A
/
h
^.f'-''
:#1
lang,
sehr
Al-
Abb. 222.
Pako, Wolle von der Lamaart Auchenia pakos Tschudi (Alpaka)
ausserordentlich fein, meist einfarbig, weiss oder schwarz (s.
pakawoUe).
Palampores, grosse, bis auf die Erde hängende, gesteppte oder ausgenähte
Bettdecken, welche aus dem Orient kommen.
Palanche, in Frankreich ein grober Stoff
aus Wolle und Leinen; man braucht ihn zum
TJnterfutter.
Palas heissen Teppiche in Zentralasien,
welche von Turkmenen gewebt werden : es sind
dies ausserordentlich widerstandsfähige Ealims.
Palermo , Hauptstadt der Insel Sizilien
in gleichnamiger Provinz: im Jahre 1146 über-
führt König Boger I hierher die besten Seiden-
weber aus Theben und Korinth und richtet
staatliche Seidenmanufakturen unter dem Namen
„thirazza" oder „hotel de Tiraz" ein.
Dieselben zerfielen in einzelne Werkstätten,
von denen sich die eine mit der Herstellung
der einfachsten Gewebe, der glatten und bunt-
farbigen Taffete (amita, dimita, trimita) abgab;
eine andere fertigte Sammete und Atlasse; die
dritte geblümte Zeuge von grüner Farbe,
die vierte Brokate, Goldstoffe und reiche/Bunt-
gewebe. Besonders gewann die Sammetweberei
hier eine grosse Ausdehnung; auch die Paler-
mitaner Borten, in Gold und farbiger Seide auf
fester Leinenkette gewebt, sind berühmt; von
hier aus verpflanzt sich diese Bortenwirkerei nach
Köln. Thieräz bedeutet ursprünglich eine Borte
Paliacattücher— Palmette.
387
mit Schriftzeiclien, gleichviel in welchem Stoff ausgeführt, soclami das Schrift-
ornament als Kleiderbesatz, Stickerei, auch — mittelalt. tiraz — einen kost-
baren Stoff. AVichtige Beläge für die Fabrikation in Palermo sind uns erhalten
in den Fürstengräbern daselbst (Abb. 221 u. 222.). Die Muster bewegen sich
vollständig im arabischen Formenkreis : Kufische Schriftbänder mit Koran-
sprüchen u. s. w. In den laufenden Stoffmustern erscheint die orientalische
Tierwelt noch weiter aufgelöst, Eheste von Bäumen mit geraden Blütenschaften
deuten auf alte Uebertragungen hin. Von Palermo aus wird die Kunstweberei
des Orients weiterhin nach Europa verpflanzt.
Abb ildung en :
221. Darstellung aus: J regali selpolcri del duomo di Palermo, Neapel 1784.
Endiguug eines Aermels mit aufgesetzten gewirkten Goldborten, welche kufische
Schriftzüge, Ornamentbänder und Rosetten enthalten. Sicilien (Palermo) 12. Jahrh.
222. Darstellung wie vorher : Seideugewebe, Grund rot, symmetrisches Muster
gflb : Zwischen geradschaftigen Blütenbäumen wechseln in Reihen Paare von Gazellen
und Adlern ab. Sicilien (Palermo) 12. Jahrh.
Paliacat-, Pulicattücher, feine baumwollene Schnupftücher aus der Levante.
Palla, bei den alten Römern das gewöhnlich wollene, weisse, später bunt-
farbige, bei Trauer schwarze, weite Obergewand der Frauen, das beim Aus-
gehen über die Tunika (s. d.) und Stola (s. d.) geworfen wurde.
Pallium (lat.), ein etwa handbreiter, weisser, wollener Streifen, den die
Erzbischöfe über die Schultern um den Hals anlegen. Vorn und hinten hängt
von ihm ein gleicher, ursprünglich langer, später kürzerer Streifen aus gleichem
Material herab. Ursprünglich war das P. mit schwarzen, später mit dunkel-
roten Kreuzen besetzt.
Palmat (palmät side), im Mittelalter, besonders in Deutschland gangbares
Gewebe; kommt viel in Minnegedichten vor u. a. als Bettzeug; nach den Be-
schreibungen scheint es ein sehr weicher Stoff gewesen zu sein.
Palmette, eine aus dem Altertum stammende Kunstform, welche gebildet
ist aus einer meist symmetrisch gestalteten Blüte, deren Kelch fächerförmig
gelegte Blätter entsteigen. Die älteste solcher Formen ist entstanden aus dem
Lotos, den die Aegypter und Assyrer schon
in dieser Weise ornamental verwendeten (vgl.
Abb. 29 — 31); als gleiche Kunstform wird
dort auch schon der Pinienzapfen gebraucht.
Aus der Plastik, worin die P. als Stelen-
bekrönung bei den Griechen die vielseitigsten
Bildungen erfährt, geht dieselbe auf alle
Gebiete der Flächenmusterung über und
macht zu allen Zeiten die verschiedensten
Stilwandelungen mit, weshalb in der Textil-
kunst wohl die meisten Abwechselungen der
P. erscheinen.
Die ersten Entwicklungen beginnen für
die P. als Bekrönung des Baumes, der im
frühmittelalterlichen Stoffmuster vom Alter-
tum her (s. den Artikel Baum als Stoffmuster)
übernommen wird und sich in sarazenischen
Geweben bis zum 13. Jahrh. (Abb. 223) er-
hält. Ein strenger orientalischer Typus
solcher Baumpalmette kommt auch im per-
sischen Knüpfteppich vor (Abb. 224); sie gleicht fast den Formen die aus
sassanidischen Stoffen bekannt sind. Die Selbständigkeit der P. entwickelt
sich im Stoffmuster aus verschiedenartigen Blütenformen, wozu die chinesische
und die persisch-arabische Kunst im Mittelalter Motive hergibt (Abb. 24. 48 — 50).
Ein neues Element erscheint für das Wesen der P. im 15. Jahrh. im Granat-
apfelmuster (s. d.), dessen vielseitige Umgestaltung sowohl im Orient (Abb. 106),
ABb. 223.
388
Palmette.
als auch in Europa zu frisclien Bildungen reiner Palmettenformen der Eenais-
sauce (s. d.) führt, wozu freilich in Italien der Geist der Antike mithilft, in
strengen Grenzen zu bleibeD, die auch in Spanien noch durch arabischen Ein-
fluss innegehalten werden (Abb. 105 u. 225). Aber schon die Spätrenaissance,
in der das Yasenmotiv mit den daraus entsteigenden Tulpen-, Nelken- und
Abb. 224.
Abb. 225.
Narzissenblüten vorherrscht (Abb. 37. 38), gibt in letzteren neue Anregung
zur Bildung von P. — Italien und Spanien hinterlässt in den sogen. Streu-
mustern (s. d.) des 17. Jahrhs. kleine Blütenpalmetten, die sich zu Anfang des
18. Jahrhs. noch als grössere Zweige erhalten (Abb. 20 u. 226), bis fast gleich-
zeitig in Frankreich neue grössere Formen der P. entstehen, welche dieselbe
erst selbständig (Abb. 107), dann aber in Zusammensetzung einzelner Blüten
und Blätter zur Darstellung bringen. (Abb. 227.) Mit dem französischen
Klassizismus erscheint die Palmette wieder im Sinne der Antike (Abb. 63).
Abbildungen:
228. Darstellung einer Palmettenform von der Bekrönung des auf einem sara-
zenischen Seidenbrokatstoffes erscheinenden Baumes. 13. — 14. Jahrh.
224. Darstellung aus Heiden, Motive, Leipzig 1890. Bl. 291: Palmettenform
von dem auf einem altp«-rsischen Knüpf teppich erscheinenden Blütenbaum. ^
225. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Sarametstoff, braun, Grund grippt, Muster geschnitten und ungeschnitten: In sechs-
eckigen Feldern aus geraden Bändern wechseln nach oben und unten gekehrt Pal-
raetten ab. Italien oder Spanien Ende 16. Jahrh.
226. Originalaufuahme wie vorher: Seidenstoff, Grund blau, Muster bunt
schattiert : Zweige aus welli.s: geschwungenen feinen Blattranken mit reihenweis nach
rechts und links o-ewandten Palmettenbliiten. Italien Anfanof 18. Jahrh.
Palmwipfel-Muster.
389
227. Originalaufnahme wie voi-her : Abb. 226.
Seidenstoff, Grund weiss, Muster bunt:
Zwischen wellig aufsteigenden Blumen-
ranken sind in spitzovalen Feldern Blumen
und Blätter zu Palmetten geordnet. Frank-
reich Anfang 18. Jahrb.
Palmwipfel-Muster , persisch
Miri Bota, auch als indische Palmette
bezeichnet, ist eine im Orient, am
meisten in Persien und Indien vor-
kommende Flächenfüllung, die gebildet
ist aus spitzovaler Cyprcssenblüte
mit nach vorn überhängendem Wipfel.
Sie wird wegen ihrer häufigen Wieder-
kehr auf Tüchern auch Shawimuster
(schalnumä) genannt, in welchem Falle
ihre Innenfläche aus vielen kleinen
Blüten besteht. Als in Seide gewebtes
Muster ist die Form schon im frühen
Mittelalter bekannt (Abb. 166), von
wo aus es sich in späterer Zeit oft
wiederholt, auch als Druckmuster im
Orient (Abb. 228) und in Europa erscheint. In Persien gibt es besondere
Arten von Teppichen (Chorassan, Serabend) welche das Palmwipfel-Muster
als Füllung des Innengrundes tragen.
Abb. 227.
390
Pamiers — Panriffes.
Abbilldung:
228. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Baumwollenstoff, auf rotem Grunde in Bunt gedruckt mit Darstellung des Palmwipfel-
musters. Orient 19. Jahrb.
Abb. 228.
Pamiers, Stadt im franz. Depart. Ariege : T^^oll- und Baumwollspinnereien.
Panamabindung, Mattenbindung, englische Tuchbindung, Abart der Lein-
wandbindung, bei welcher Ketten- und Schussfäden in gleichgrosse G-ruppen
zusammengefasst sind, so dass im Gewebe kleine Quadrate („Würfel") von ab-
wechselnden Ketten- und Schussfäden entstehen.
Panamaloden, moderner Kleiderstoff aus gemischter Wolle, daher stärker
wie die Panamas (s. d.), aber in gleicher Bindung.
Panamas, halbwollene Stoffe, die mit baumwollener Kette und doppeltem
w^ollenen Schuss gewebt werden, so dass die Ware ein den geflochtenen Pa-
namahüten ähnliches Aussehen erhält.
Pangfil, eine Gattung seidener Zeuge aus China.
Panha oder Paina ist eine Baumwolle in Brasilien.
Panicos, Leinwand aus Portugal.
Paniston, Peniston, eine Sorte englischer Molton, die sich durch den
feinen Köper und ihre Weichheit auszeichnen.
Panne, sammetartiger Stoff, der wie Plüsch gewebt wird. Die Grund-
kette ist Organsinseide, die Pole, welche die glänzende sammetartige Oberfläche
bilden, von feiner Wolle. Der Stoff kommt aus Frankreich, wird aber auch
in den Niederlanden (Utrecht und Toumay) verfertigt.
Panno-Canari-Comis, veralteter, leinwandartig gewebter Baumwollstoff.
Panno-Combrido, ostind. Kattune, welche es in verschiedenen Arten für
Druckstoffe gibt.
Panno de algodao cruliso, ungebleichte, glatte BaumwollgeweJ3e aus
Brasilien.
Pannos de Ferros, feine Leinenstoffe, besonders Oberlausitzer Dowlas,
welcher für das Ausland gewebt wird.
Pannus, pannum(lat.), im Mittelalter Gewebe, Gewand; pannum diarodhinum,
dunkelroter Kleiderstoff; p. tartaricus, schweres Seidengewebe aus dem Orient.
Panriges sind geblümte, ostind. Seidenzeuge.
Eantalon — Paramatta.
391
Abb. 229 a.
Pantalon, die lange Hose,- wurde 1794 in Paris erfunden und blieb dann
allgemein in Grebraucli.
Panuelos sind in Spanien Tücher aller Art: P. de olon bodardos, engl,
embroidered cambric handkerchiefs = gestickte Batisttaschentücher, welche nach
Süd- und Nordamerika gehen: estampados (printed boraers) mit gedruckten
Kanten, Gannuelos de olansito (engl. Maculipatam handkerchiefs) sind Taschen-
tücher von baumwollenem Kamlot.
Päonie, Pfingst- oder Grichtrose, zur Familie der Ranunkulaceen gehörige
Pflanzengattung mit nur wenigen Arten. Als Zierpflanze von Bedeutung ist
die aus China stammende. Sie bildet meistens grosse Büsche mit etwas bläulich-
grünen Blättern und enthält dicke, runde, kugelige Blumen vom reinsten AVeiss
bis zum purpurvioletten Rot. Diese kommt in China und Japan, sowohl als
gewebtes, wie ausgemaltes und gesticktes Stoffmuster reichlich in Anwendung
in verschiedenartiger Stilisierung, sowie in naturalistischer Auffassung, letztere
namentlich in Ausführung des Plattstiches.
Papelines (Popelins , engl, poplin) , ein ziemlich leichter , halbseidener
StofP, welcher taff'etartig gewebt wird, dessen Kette aus Seide, der Einschlag
aber aus glänzendem Kammgarn oder aus Baumwolle besteht. Dem P. ist ein
gewisser Glanz eigen, der, wenn er den Grespinsten fehlt, durch die Appretur
ergänzt wird. Die Stoffe erscheinen in allen
Farben, glatt oder fassonniert. Popeline de
laine, besteht halb aus englischem oder fran-
zösischem , halb aus deutschem Kammgarn.
Papiermuster als Unterlage oder Yor-
zeichnung werden gestanzt und in China und
Japan als Hilfsmittel in der Plattstich-
stickerei verwendet, das die gezeichnete Vor-
lage ersetzt und auf den zu bestickenden
Grund aufgeklebt wird. Dies hat den Vorteil
einer klaren Zeichnung mit scharfen Um-
risslinien ; natürlich bleiben die P. nur auf Ein-
zelformen, wie Vögel, abgeschlossene Blumen
und kleine Rankenmuster (Abb. 229 a u. b)
beschränkt, deren letztere namentlich für
Gewandkragen und. Aufschläge Verwendung
finden.
Abbildungen:
229 a. Originalaufnahme aus dem Kgl. Kunstgewerbemuseum in'^Berlin : Papier-
muster als Vorzeichnung für die Plattstichstickerei zu einem Gewandkragen : Chry-
santhemumblütenranke. China 19. .Jahrh.
229b. Darstellung wie vorher mit Abb. 229 b
Ranke aus Sternblüten.
Papierspitzen, mit Stahlpunzen in
Spitzenmusterung ausgeschlagene Papiere
als Hülle für Blumensträusse, zum Aus-
legen von Kartons u. dgl.
Papierstramin, ein an Stelle des
Stramin oder Kanevas (s. d.) zum Sticken
bestimmtes Kartonpapier, das mit reihen-
weise angeordneten Löchern oder Vertiefungen versehen ist.
Papierzeug, der Brei aus zermahlenen Hadern u. s. w. und Wasser,
Papiermasse.
Para, südamerikanische Baumwollsorte.
Paraguay, Republik Südamerikas: erzeugt Spitzen wie Spanien.
Parahyba, südamerikanische Baumwollsorte.
Paramatta, ein dreibindiges Köpergewebe mit baumwollener Kette und
Einschlag von Kammgarn.
392 Parament — Passfeld.
Parament (lat. : p ar amen tum ; franz.: parement; engl.: parament). Para-
mente heissen sämtliche zu einer Kirche gehörige Prachtgewänder der Geist-
lichen, Bekleidungen der Altäre, Kanzeln u. s. w. Paramentik ist die Lehre
von der Gestaltung dieser Gegenstände. Für das "Weisszeug fordert die Kirche
nur Linnen und Hanf, Baumwollenstoffe sind ausdrücklich verboten, Wolle
tunlichst zu vermeiden, Seide mit Vorzug anzuwenden (s. Altarausstattung,
liturgische Gewänder, kirchliche Stoffe und Stickereien).
Parangon, ein im levantinischen Handel vorkommendes Seidenzeug.
Parat Messen früher einfarbige, schwarze Zeuge aus Wolle und Seide,
aus welchen man in Niedersachsen Umschlagetücher und Begenmäntel fertigte.
Parchent, s. Barchent.
Parchim, Stadt im Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin: Tuchfabriken
mit Walkerei und Spinnerei.
Paris, Hauptstadt Frankreichs: ein Hauptzweig der Industrie ist die
Weberei mit 60000 Spindeln (1575 Betriebe), Fabrikation von Kleidungs-
und Toilettegegenständen (34246 Betriebe). Im Jahre 1523 erhält P. von Mai-
länder Seidenwebern Zuzug (s. Frankreich).
Parisienne, ein kleingemustertes Seidengewebe.
Parketten nennt man im Oesterreichischen die gewöhnlichen Fussteppiche.
Parma, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Königreich Italien:
Seiden- und Wollengewebe, seidene und baumwollene Spitzen. Im Juni findet
eine Messe für Seidenhandel statt.
Part (vom lat.), Teil, in der Weberei = Patrone.
Parterre, Partor, veralteter Seidendamast, den man als „leichten Stoff"
bezeichnete.
Parthenay, Stadt im franz. Depart. Deux-Sevres : Wollspinnerei und
Zeugweberei.
Partinico, Stadt in der ital. Provinz Palermo auf Sizilien: Seiden- und
Wollmanufakturen.
Parura (Plaga, lat.), die durch Stickerei oder reiche Stoffaufsätze ge-
schaffene Ausschmückung liturgischer Gewänder, namentlich der Alba.
Parusnoe Polotno, russisches Segeltuch, einer der beträchtlichsten Aus-
fuhrartikel Hu sslands, aus gutem 'Hanf und Fiachsheede ; man verbraucht es für
die rassische Marine. In Nordamerika geht diese Ware unter dem Namen
ßussia Sail Duk.
Passament, das (ital.: passamano; franz.: passement; engl.: passement;
passemente (franz.), passemented (engl.) = mit Posamenten besetzt). Borten-,
Tressenarbeit, Goldstickerei u. s. w. Daraus im 18. Jahrh. entstanden: der
Posamentier, Bortenwirker. Die ältesten Arbeiten gehen zusammen mit der
Entwickelung der Fransen aus stehen gebliebenen Kettfäden^ woraus sich auch
die erste Saumverzierung mit der Spitz enknüpfung (macrame) bildete.
Passements, dieser älteste Terminus für Spitze, den wir in früheren Ur-
kunden und Inventaren antreffen, bezeichnet in älterer Zeit vorzugsweise das
Produkt einer Fabrik und beweist dadurch den frühen Ursprung desselben.
Dieser Ort ist Mirecourt in der Landschaft von Lorraine.
Passepoil (franz.), Paspel, eingenähte 1 — 2 mm breite Streifen anders-
farbigen Tuchs in den Nähten, besonders der Uniformen.
Passerformen, bei mehrfarbigem Druck die verschiedenen Model, Formen
oder Steine, die je eine Farbe aufdrücken, namentlich beim Zeugdruck ge-
bräuchlicher Ausdruck, der darauf zurückzuführen ist, dass beim Herrichten
sehr genau darauf geachtet werden muss, dass jede Form in das Muster passt.
Passfeld, eine im romanischen Stil aus der Architektur entstandene
Kunstform, welche im gotischen Zeitalter für das Flachmuster eine weitere
Ausbildung erfuhr. Zur Hand lag die Form der spitzbogigen Umrahmung
des Granatapfelmusters (s. d.) und es steigern sich die Teile eines solchen
Feldes vom Dreipass (Abb. 230 u. 231) bis auf das Sechsfache in dieser
Periode, wozu namentlich auch die fünfblättrige gotische Böse (s. d.) Verwen-
dung findet.
Paterson — Päwlowskij Possäd.
393
Abbildung-en:
230 u. 231. Darstellung zweier Dreipassfelder von italienischen Seidengeweben
des 15. Jahrb. aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Bl. 29.
Abb. 231.
Abb. 230.
Paterson, Stadt im nordamerik. Staate Neujersey: bedeutende Fabriken
von Seidenwaren, Seidenfärberei und Flachsspinnerei.
Patissoies sind chinesische, teils glatte, teils broschierte seidene Zeuge.
Patnas, verschiedene ältere Artikel buntgedruckter, halb- und ganz
feiner Kattune oder Kalikos aus Oesterreich.
Patole, leichter, ostind. Seidenstoff, welcher gedruckt, gemalt oder gestickt
wird und zu Leibgürteln von den Eingebornen Verwendung findet.
Patron d'Hollande, holländische Patronen, Name eines damastartigen
Zwillichs von verschiedener Feinheit zu Tischtüchern und Servietten , welche
früher nur in Holland gewebt, jetzt aber auch in Sachsen gefertigt werden.
Patrone, in der Weberei die auf kariertem Papier entworfene Zeichnung
eines Musters.
Patronieren, vermittelst der Patrone malen, oder ein Muster in die Carta
riga eintragen.
Pattes et quennes nennt man in einigen Provinzen Frankreichs die
schlechteste und kürzeste Sorte unter der Schafwolle.
Pau, Hauptstadt des franz. Depart. Basses-Pyrenees sowie der ehemaligen
Grrafschaft Bearn : die Industrie erstreckt sich auf Leinwandweberei (Mouchoirs
de Bearn), Flachsspinnerei und Färberei.
Pausa, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau: Strumpf-
wirkerei, Wollweberei und Kattun druckerei.
Pausleinwand, Bausleinwand, Bausmusselin, Bauskattun, Zeichenkattun,
Kalkierleinwand, weisser Baumwollbatist, der durch Bestreichen mit aufgelöstem
Alaun und mit verschiedenen, teils harzigen, teils öligen Substanzen, sowie
durch nachfolgendes Stärken und schliessliches Glätten mittels erhitzter Druck-
walzen des Grlanzkalanders mit einer durchscheinenden Appretur versehen ist
und sich zum Durchzeichnen von Zeichnungen eignet.
Pautkas, eine Art ostindischer, teils weisser, teils gefärbter Kattune
verschiedener Art.
Pavie, ein gemusterter, weisser Zwillich zuTischzeugeu, ähnlich dem Patron
d'Hollande.
Pavillon-Etamine sind E. -zeuge von allerlei Farbe, welche besonders zu
Schiffsflaggen verbraucht werden und auch unter dem Namen P. -leinen vor-
kommen.
Päwlowskij Possäd, Flecken im russ. Gouvernement Moskau : bedeutende
Fabrikation von Seiden-, Baumwoll- und Wollstoffen, Färbereien.
394 Pawoloki — Pelzzeug.
Pawoloki, im Mittelalter ein Seidenstoff aus Kiew.
Pawtucket , Stadt im nordamerik. Staate Khode-Island : bedeutende
Fabriken von Zwirn, Garn, Kattun, ferner Bleichereien, Färbereien und Zeug-
druckerei.
Payta, peruanische Baumwollsorte, schmutzig-weiss , matt und ziemlich
kräftig im Faden.
Pazac, s. Baza.
Pearlin-Spitzen sind solche aus Schottland.
Peau de Gant, moderner Kleiderstoff aus weissem Seidendamast.
Peau de Poule, ein veralteter, einfarbiger Seidenstoff mit punktierten
Mustern aus Lyon und Tours.
Peau de SOie, moderner, seidener Kleiderstoff in fünfbindigem Atlas.
Pechtmals heissen mehrere im levantiner Handel vorkommende Sorten
Badetücher oder Servietten, welche meist in der Türkei verfertigt werden. Sie
sind aus Leinen- und Baumwollgarn gewebt, in der Begel kornblumenblau
gefärbt und roh. Eine bessere Sorte mit schmalen, roten Seidenstreifen aus
Saloniki heisst Kirckalems. Aus Kairo kommt eine Sorte P. von weissem
Leinengarn mit seidenem Rand und Streifen; man braucht sie zu Bart- und
Waschtüchern. Die feinste und grösste Sorte heisst Photas, ist ganz Seide,
rot mit kleinen, farbigen Strichen und einem blauen E,and, und dient zur Bade-
zeremonie der Bräute bei den Griechen, Armeniern und Juden.
Peebles, Hauptstadt der gleichnamigen Grafschaft im südl. Schottland:
Fabrikation von Strümpfen und Wollzeugen, Kattun und Leinwand.
Peilau, Dorf im preuss. E,eg.-Bez. Breslau : Fabrikation von Leinen- und
Baumwollwaren.
Peitz, Stadt im preuss, Beg.-Bez. Frankfurt: acht Tuchfabriken, Kamm-
garnspinnerei und Kunstwollfabrik.
Pekinstreifen, bezeichnet im feinsten Elsässer Satin, d. i. der festeste
Leinenstoff, Streifen in Köperbindung.
Peking, Haupt- und Residenzstadt des chines. Beichs: erzeugte seidene
Teppiche.
Pelache, eine Gattung starker und gewöhnlicher französischer Plüsche,
deren Grundkette von gezwirntem Leinengarn, die Polkette von Baumwolle ist.
Pelams, Belangs, Pelings, glatte, atlasartige Seidenstoffe aus China.
Pelikan, Vogel, welcher der Sage nach seine Brust mit dem Schnabel
öffnet und seine Jungen mit seinem Blut tränkt, daher häufig Symbol der
Selbstaufopferung und des Opfertodes Christi. Die Darstellung kommt wieder-
holt auf italienischen Geweben aus dem Ende des 14. Jahrh. vor.
Pelleton heisst im levantiner Handel eine Sorte der asiatischen Ziegen-
haare oder die sogenannte Wickelwolle, welche man meistens in der Hut-
macherei gebraucht.
Pelo, geringe Seide, gewöhnlich zu Gold- und Silbergespinsten benutzt
(s. Pelseide).
Pelo di Diavolo, ein ganz fester, doppelt geköperter Baumwollstoff,
satinartig appretiert, aus Oesterreich, der in Italien zu Sommerkleidern für
Männer Verwendung findet.
Pelotage, die geringste Sorte der aus Peru und Buenos Aires kommenden
Vigognewolle.
Pelote, ein Beiname der rohen und unzugerichteten Seide, die Messina
liefert.
Pelseide (Pelo), Bezeichnung der Bohseidenfäden, welche, aus 8, 10 oder
mehr Kokonfäden gedreht, als Grundlage zu den Gold- und Silbergespinsten
benutzt werden. "
Pelzpikee ist auf einer Seite gerauhter Pikee.
Pelzzeug, im allgemeinen mehrere Sorten dichter, einfach oder geköpert
gewebter Wollenstoffe, welche zum Ueberziehen der Pelze gebraucht werden;
insbesondere aber die aus England unter dem Namen Fleecy Hosiery (s. d.)
kommenden wollenen Stoffe, welche auf einem Strumpfwirkerstuhl so gewirkt
Penig — Persennige. 395
werden, dass sie auf der einen Seite glatt, auf der andern aber durch die ein-
gelegte und fest in die Masche eingewirkte offene Wolle, langhaarig und völlig-
rauh, wie ein Pelz ausfallen.
Penig, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: Wollwebereien
und Zeugdruckereien.
Penistons, Panistons sind engl. Wollenstoffe, eine Gattung ganz starker,
gewöhnlicher Tücher oder ungeköperter Molton von geringer Wolle, welche in
der Nähe von Halifax gewebt werden.
Peplos, der (griech.), das Zeugstück, welches die griechischen Frauen
sich als Chiton anlegten und mit Spangen befestigten.
Pequins, Pekings, glatte und gestreifte chinesische Seidenstoffe, die unter
gleichem Namen auch in Europa gemacht werden. Früher verstand man darunter
auch gemalte oder gedruckte Leinentapeten.
Perches heissen mehrere Sorten gewöhnlicher Leinen aus der gleich-
namigen ehemaligen Provinz im jetzigen Departement der Orne, welches von
den Landleuten in der Gegend von AlenQon aus starkem Hanfgarn gewebt wird.
Perfilum (lat.), gewebtes, durchwirktes Gewand.
Periclysis (lat.), ringsum laufender, gestickter Saum eines Kleides.
Perie-Moeunemolam-Caatjes sind weisse, ostindische Druckkattune.
Perkai, Perkales, Paracals sind ursprünglich ostindische, feine leinwand-
artig gewebte Baumwollzeuge, dichter als Musselin, fast ganz wie die Cambriks,
weshalb sie auch häufig so genannt werden. Gegenwärtig sind nur noch euro-
päische P. am Markte, da unsere Baumwollwebereien ihn ebenso gut und
billiger liefern. Es kommen aber bei diesen dichten Webstoffen viele ver-
schiedene Feinheitsgrade vor, und man verwendet dazu Garn Nr. 36 — 120.
Die aus den stärkeren Garnen Nr. 40 — 60 gewebten, zum Druck bestimmten
P. sind einerlei mit Kaliko und werden Druckperkais genannt. Die feinsten
hierher gehörigen Stoffe werden auch Batistmusselin genannt. Die Stoffe werden
glatt und gestreift, gefärbt und gedruckt hergestellt.
Perkalin heisst das gepresste baumwollene Zeug für Buchbinder.
Perkan, s. Berkan.
Perlkantille ist solche von halbrundem, gepresstem Draht.
Perlenstickerei findet in Europa seit dem Mittelalter in kirchlichen
Textilien Anwendung. Die Perle wird in Begleitung von Goldstickerei oder
aufgelegten Plättchen dazwischen aufgenäht; nur besonders hervorragende
Kirchengewandstücke des 12. u. 13. Jahrhunderts sind damit ausgestattet. Die am
meisten dem Material und dementsprechend der Stilistik angepasst ist die P.
des Orients, woselbst jene der wilden Völker sogar ungewöhnlich schöne Bei-
spiele bezüglich der Schattierungen aufzuweisen haben. Die Anwendung des
vorhandenen Meeresproduktes ist auch in den kultivierteren Teilen Indiens
(Abb. 213) und Persiens sehr gebräuchlich: aus verschiedenfarbigen auf-
genähten Perlen werden der Stickerei Begleitränder gegeben, die sich den
dort vorhandenen schmiegsam anfügen.
Perlenstrickerei wurde in Deutschland seit der Mitte des 18. Jahrh. für
kleine Täschchen und sonstige Damengebrauchsartikel angewendet. Man zog
die Perlen nach dem in Carreaus aufgezeichneten Muster auf den Faden auf
und sie wurden wie die übrigen Fäden mit Hilfe der Nadeln zu einer ge-
musterten Fläche verschlungen.
Perlis, veralteter, geköperter Wollenstoff.
Perljava, moderner Stoff aus Baumwolle für Stickerei.
Pernambuk, südamerik. Baumwollsorte.
Perpetuane, Perputelle, Perpetuel, Sempiterne, feiner, geköperter Wollen-
stoff aus Kammgarn, eine Art feiner und dicht gewebter Serge, welche zuerst
aus England kam und später auch in Frankreich gewebt wurde. Im Elsass
und in Sachsen fertigte man P. unter dem Namen Imperiale.
Perrotine wird nach ihrem Erfinder Perrot in ßouen eine Zeugdruck-
maschine genannt.
Persennige (Persening) , Bezeichnung für alle wasserdicht gemachten
396
Perses— Peru.
Grewebe aus Leinen-, Hanf- oder Jutegarn, die zu Wagenplanen, Kahndecken
u. s. w. verwendet werden. Früher führte diesen Xamen nur geteertes Segeltuch.
Perses, Persiennes wurden früher in Frankreich die mehrfarbig ge-
druckten und ausgemalten Baumwollenstoffe genannt , welche als Nachahmung
der gemalten, ostindischen Chites gemacht wurden, die über Persien nach
Europa kamen. Der Name ist heut noch für österreichische feinere Kattune
dieser Art gebräuchlich.
Persien, der westliche Teil des iran. Hochlandes in Westasien: Baum-
wolle gedeiht bis zu 2000 m besonders um Ispahan, Kerman, Jezd, sowie im
Norden. Die kaspischen Provinzen sind Sitz des Seidenbaues , ferner auch
Chorassan. Die Yiehzucht ist die Hauptbeschäftigung des nomadischen Teils
der Bevölkerung, sie erstreckt sich auf Schafe und Ziegen, zur Erzeugung der
feinsten Wollen, in Kurdistan, Kerman, Chorassan, Luristan u. s. w. An Indu-
strie besteht Filz- und Flanellarbeit, Shawl, Teppich- und Seidenweberei. Yon
der Begierung und den Grrossen des Beichs nicht weiter unterstützt, bringt
Gewerbe und Kunst keinen lohnenden Erwerb mehr, da die Konkurrenz mit
den eingeführten europäischen Waren unmöglich ist, für die der Perser grosse
Vorliebe zeigt. Daher kommt es , dass die ehemals berühmten Erzeugnisse
der Seiden-, Sammet- und Teppichweberei jetzt in geringer Qualität und grosser
Menge ausgeführt werden. (Vgl. den Artikel „Orientalische Kunstwebereien
und -Stickereien".)
Die erste Seide hat P. von den Chinesen erbalten, unwahrscheinlich
ist die Ueberführung derselben aus Indien. Die Sassaniden (250 — 650)
bringen das neupersische Beich zur Blüte, zu dieser Zeit in der Hauptstadt
Ktesiphon, welche im frühen Mittelalter für Europa eine ähnliche Bedeutung
gewinnt wie Babylon für das klassische Altertum , reiche Entwickelung der
Seidenindustrie, aus welcher Periode uns durch Beliquienhüllen Gewebe er-
halten sind (s. Weberei, Geschichtliches). Seit dem 9. Jahrh. tritt persische
Bohseide in solchem Ueberfluss auf den Seidenmärkten auf, dass sie der chine-
sischen Konkurrenz macht. P. , welches bald gänzlich unter dem arabischen
Einfluss steht (s. arabischer Stil) , produziert die weltberühmt gewordenen
Atlas- und Sammetgewebe (s. orientalische Kunstwebereien).
Persische Baumwolle, s. Baumwollsorten.
Persische Stickereien, s. orientalische Kunstwebereieu und Stickereien.
Persische Teppiche, s. Teppiche.
Pertes sind französische Leinen, welche nacli gleichnamigem Ort benannt sind.
Peru, nach ihrem Ursprung benannte Baumwollsorte.
Abb. 232.
Peru (span. El Peru), südamerik. Bepublik. Für die Textilkunst sind von
Bedeutung die auf dem Totenfeld von Ancon in P. gemachten Funde, worüber
von Beiss und Stübel (Berlin 1887) ein Prachtwerk mit illustrierten Abbil-
dungen erschienen ist. Die alten Peruaner pflegten ihre Toten bekleidet und
Peruanische Wolle— Petit fin. 397
in zusammengekrümmter Stellung, in Tierfelle oder Matten gehüllt, als Ballen
zu bestatten. Neben den Toten findet man Waffen und Grerät, bei den Frauen
Spindel, Webeutensilien und Arbeitskästchen. Aus diesen Funden wissen wir,
dass die Textilindustrie bei den Peruanern einen ganz hervorragenden Platz ein-
nahm, zu welcher ihnen in der feinen
Wolle des Lama, Alpaka und Yicuiia j^-^^ 233
ein ganz vorzügliches Material zu Ge-
böte stand ; auch Baumwolle wurde in
reichem Masse verwendet. Technik und
Musterung dieser dort herstammenden
Gewebereste (Abb. 232 u. 233) erinnern
lebhaft an die koptischen Textilfunde
(s. d.), wenngleich alles etwas einfache-
rer Art ist, als in jenen, weil sie frei — ^^— ^— ^^^^— — ^—— ^^—
von fremden Einflüssen und vor allem
die Muster sich lediglich aus der Technik heraus entwickeln, somit auch interes-
sante Beispiele geben für die Entstehung einfachster linearer Ornamentik, sowohl
in Wirkerei, in gewebten und genetzten spitzenähnlichen Arbeiten; auch bemalte
Stoffe wurden gefertigt. (Vgl. die Artikel Baumwollengewebe, s. S. 69, und
Zeugdruck.)
Abbildungen :
232 — 233. Darstellungen aus : Fischbach, Ornamente des Feuerkultus im
Werke Ursprung der Buchstaben Grutenbergs, Mainz 1900. Peruanische Wirkereien in
Wolle und Baumwolle mit Mustern aus Hakenborten und stilisierten Vogelkörpern.
Peruanische Wolle, Peruvianische Wolle heisst in der Begel die feine,
seidenartige Wolle des in Chili und Peru vorkommenden Chili-Hueque (Ca-
melus Arancanus Mol.) oder des peruanischen Schafkamels. Die schöne W^olle
desselben, von welcher die weisse am besten ist, wird teils in Südamerika zu
feinen Stoffen verarbeitet, teils nach Europa gebracht. Häufig heisst auch so
die Pacos- und die Yigogna- (Yicuiia) Wolle, obwohl diese von der P. W. sich
bedeutend unterscheidet.
Perugia, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Königreich Italien:
Fabriken für Seidenzeuge, Sammet und Leinwand.
Perugino oder Perugini, veralteter, mehrfarbiger Wollenstoff aus Gera.
Peruvienne, auch Droguet lisere oder lustrine genannt, früher ein schwerer,
bunt gemusterter Seidenstoff, dessen mehrfarbige Blumen durch die Liserie-
arbeit hervorgebracht wurden.
Pesaro, das alte, umbrische Pisaurum, Hauptstadt der ital. Provinz Pe-
saro-IJrbino : Fabriken für Seiden-, Hanf- und Wollgewebe.
Pessots, Paisseau, ein geköperter Wollenstoff aus Frankreich, eine Art
Serge, welcher früher an mehreren Orten des Depart. du Gard gemacht wurde.
Petenuche, auch sonst Galette de cocon, in Frankreich eine Art seidenen
Wergs, welche noch geringer als Florettseide ist. Doch findet sie nach gehöriger
Reinigung und Färbung ihre nützliche Verwendung zu geringen Stoffen : Bändern
und Livreetressen.
Petermann, s. Beederwand.
Petersburg, Hauptstadt des russ. Beichs : Sehr wichtig sind die Baum-
wollfabriken (26 mit 32,4 Mill. Rubel Produktion), ferner 16 AYollwarenfabriken.
(s. Bussland).
Peterswaldau, Dorf im preuss. Reg. -Bez. Breslau: Baumwollspinnereien
und -Webereien, Färbereien und Zeugdruckereien.
Petins sind gemischte Zeuge aus Kamelgarn und Wolle.
Petit bordure, ein französisches, schmales Wollenband.
Petit drap, ein Wollenstoff in Taffetbindung aus Frankreich; unter petit
draperie versteht man in Frankreich die einfachen und geköperten leichten
Wollenstt)ffe, als die Berkane, Kamelotts, Etamines, Serge, Merinos u. s. w.
. Petit fin, eine Sorte des flandrischen Sayetteocarns.
398 I'etit grain— Phoras.
Petit grain, ein Seidenstoff in Art des Grosdetours.
Petit pied nannte man früher eine geringe Sorte von SjDitzen aus Va-
lenciennes, welche als Besätze zu Manschetten verbraucht und auch Tiers-basse-
hauteur genannt wurde.
Petit Velours in Frankreich dasselbe, was die Engländer Velveret, einen
leichten Sammet, nennen.
Petit point-Stich ist halber Kreuzstich.
Petit toile, eine gute, fest und dicht gewebte Leinwand, weiss und blau
oder rot und weiss gestreift, auch in diesen Farben klein gegittert. Der Stoff
kommt aus Ronen.
Pettinet (Petinet) , leichte , durchsichtige oder gazeartig gewirkte , mit
vielen regelmässigen, netzartigen Oeffnungen versehene Grewebe , welche aus
Seide, feinem Leinenzwirn oder Baumwolle auf besonderen Stühlen hergestellt
werden; früher benutzte man dazu nur den Kulierstuhl, während später der
eigentliche Kettenpettinetstuhl aufkam und jenen grösstenteils vertrat, mit
Ausnahme bei starker, wollener Ware. Glatter P. als Grund zu genähten
Spitzen und Stickereien kommt nur noch in Seide vor, indes die aus Zwirn
bestehende AYare jetzt auf der Bobbinetmaschine gearbeitet wird. Auf dem
Pettinetstuhl arbeitet man in den verschiedensten Mustern spitzenähnliche
Tücher, Shawls, Schleier u. dgl. und in England in grosser Menge die Ma-
schinenspitzen.
Pezenas, Stadt im franz. Depart. Herault: Seidenspinnerei und Fabri-
kation von Leinwand.
Pezetta da tingere, P. di Levante, s. Bezetten.
Pfäffikon, Dorf im Schweiz. Kanton Zürich: Baumwoll- und Seiden-
industrie, Hosshaarspinnerei.
Pfaidlerwaren sind genähte weisse, baumwollene und leinene Waren, wie
Hemden , Kragen , Böcke , Leibchen u. s. w. ; der Ausdruck ist im Oester-
reichischen gebräuchlich.
Pfauengewebe, mittelalterliche Bezeichnung eines orientalischen Seiden-
stoffes, wahrscheinlich wegen der Yielfarbigkeit.
Pfellel, im Mittelalter so benannter Seidenstoff von rein arabischer Her-
kunft, welcher mit dem franz. vielerwähnten paile identisch ist. Pf., der im
Grunde so viel wie Atlas war, hiess auch Salamander.
Pfersee, Dorf im bayr. Beg.-Bez. Schwaben: Spinnerei, Weberei, Bunt-
weberei, Färberei und Bleicherei, Fabrikation von Putzwolle und Trikotwaren.
Pflanzenseiden, vegetabilische Seiden, die in der Technologie ver-
wendeten glänzendweissen Samenhaare, ausser der Baumwolle. Sie entstammen
zumeist den Asklepiadeen , hier besonders der afrik.-ind. Calotropis gigantea
B. Br. (Mudar). Auch die zu den Apocynaceen gehörige Beaumontia grandi-
flora Wall. (Indien) liefert eine Seide. Meistens besitzen dieselben aber nicht
die zu weiterer Verwendung genügende Festigkeit und werden daher von den
glänzenden Bastfasern (Manilahanf, Bamie u. a.) an Wert übertroffen.
Pfriemen oder Besenpfriemen (Spartium scoparium L.), zu Besen und
Zeugen verwendet. Die Bauern in den Cevennen (Frankreich) weben Leinen-
tücher und Hemden daraus, die weniger rauh sind als solche aus Werg.
Pfuclien, in einigen Gegenden Deutschlands das Abwerg, Werg oder die
Hemden von Flachs oder Hanf.
Pfullingen, Stadt im württemb. Schwarzwaldkreise: Baumwollspinnerei
und -Weberei, Tuch- und Zwirnfabrikation.
Pheide oder Pheit, im späteren Mittelalter ein rohes Wollentuch.
Philadelphia, die bedeutendste Stadt im nordamerik. Staate Peijnsyl-
vanien: P. ist nach NeAvyork die bedeutendste Lidustriestadt der Vereinigten
Staaten, namentlich in Textil- und Manufaktur waren.
Phoenicium (lat.), scharlachrotes Gewebe.
Phoras, eine Art baumwollener Nesseltücher, welche ehedem aus Ost-
indien kamen, jetzt aber in Frankreich für die afrikanische Küste gewebt
werden.
Photas — Pinasses. 399
Photas, Phottes , gewöhnliche Baumwollzeuge aus Indien. Ph. heissen
auch die seidenen, carmoisinroten Badetücher mit blauem Band und kleinen,
bunten Strichen, welche in der Türkei die Griechen, Armenier und Juden bei
den Badezeremonien ihrer Bräute gebrauchen.
Phrygien in Kleinasien, war zur Bömerzeit so berühmt wegen seiner
Leistungen in der Kunstweberei und Stickerei, dass jemand, der das Gewerbe
der Stickerei betrieb, Phryio, Phrygier, und verzierte Gewänder phrygische
genannt wurden.
Phrygienne, ehemals ein seidener Modestoff mit kleineu Broschüren auf
Atlasgrund.
Phrygische Mütze, Beutelmütze, deren Zipfel nach vorn getragen wird.
Phrygische Stoffe wurden im Altertum gestickte Stoffe genannt.
Phrygium heisst die hohe, spitze Mütze aus weisser Seide mit einem
Goldreifen, welche der Papst bis ins 14. Jahrh. hinein trug.
Piara, peruanische B aumw oll s orte.
Picot, le, das Häkchen, Zähnchen, Knöpfchen, namentlich die kleine
Masche , welche sich bei Nadelspitzen reihenförmig an den Bändern findet.
Picots werden auch ganz schmale, gewebte Zwirnkanten genannt.
Pieds COUrts, eine geringere Sorte der französischen Moquettes oder
sammetartigen Möbelzeuge, Decken oder Teppiche aus Abbeville, Lille und
Tournay.
Pielles Cabrados und negros werden im spanisch-amerikanischen Handel
leichte wollene Hosenzeuge (Sommerbuckskins) genannt.
Pikee (franz.: pique ; engl.: guilting, marseille; ital. : trapuntino) , ein
dichtes, schweres Baumwollgewebe, welches infolge von erhöhten und vertieften
Stellen, die auf der Oberfläche miteinander abwechseln, wie gesteppt (pique)
erscheint. Es gehört zu den Doppelgeweben, d. h. es werden bei seiner Her-
stellung zwei übereinanderliegende Ketten verwendet, von denen jede besonderen
Einschuss erhält. Die Verbindung beider Ketten geschieht dadurch, dass zeit-
weise einzelne Eäden der einen Kette in die andere verlegt und durch die
Einschussfäden dieser Kette mit gebunden werden. Das obere Gewebe bildet
die rechte Seite, die untere Kette bildet den Grund der unrechten Seite, wozu
ein stärkeres Garn genommen wird, sodass man zu dieser Garn Nr. 16 nimmt,
wenn jene aus Garn Nr. 32 besteht. Die P. sind entweder ganz weiss oder
einfarbig und mit verschiedenen Mustern bedruckt, oder durch verschieden-
farbige Einschlag- und Kettfäden gegittert, gestreift oder broschiert. Die Ware
w^urde zuerst in England hergestellt, die Fabrikation ist dann auch in Frank-
reich und Deutschland heimisch geworden.
Pikeestickerei bezeichnet eine Art der Weissstickerei, in welcher grösser
angelegte Figuren mit verschiedenen Füllstichen auf grobem Stoffgrunde, deren
Umrisslinien aus aufgenähten Schnürchen bestehen, s. Weissstickerei.
Pillows sind gewöhnliche , englische Bettbarchents aus Baumwolle und
Leinen. Häufig werden sie auch ganz aus Baumwolle gewebt und man unter-
scheidet: Shoren-P., deren Oberfläche geschoren ist, Beaverd-P., mit einer durch
Karden aufgerauhten Oberfläche, und Printed-Beaverd , eine Art Manchester,
ganz von Baumwolle, mit buntfarbigen Mustern bedruckt,
Pilouw, englischer, gemischter, geköperter Stoff aus Schafwolle und
Leinengarn, mehrfarbig und in mannigfaltigen Mustern, wurde früher zu
Herren- und Frauenkleidern getragen.
Pinara, peruanische Baumwollsorte.
Pinasses heissen alle die braunen und dunkelgelben ostindischen Stoffe,
welche ohne alle Beimischung ganz von Baumbast gewebt werden und die nicht
so weich und glänzend ausfallen, als andere Gewebe dieser Art, die aus Seide
und Bast bestehen, namentlich die ostindischen Guingans, Stillas und Cherque-
molles. Auch ein geköpertes, in der Kette aus blauem, im Einschlag aus
weissem Baumwollengarn bestehendes Gewebe nennt man Pinas oder Pi-
nassa, dasselbe kam auch ursprünglich aus Ostindien und wurde später in
Europa nachgeahmt.
400
Pinatuch — Plagulae.
Pinatuch (vom span. pina, die Ananas), auf der Insel Manila gewebter,
durchsichtiger Muselin aus Ananasfasern.
Pinchina, Pinchinat heissen im allgemeinen verschiedene Sorten tuchartig
gewebter französischer Droguets, die für Italien, Küsten der Berberei, die
Levante und Griechenland gewebt werden.
PincopS, die von der Spinnmaschine fertig gelieferten Kötzer von baum-
wollenem Schussgarn, welche direkt in die Schützen des mechanischen Web-
stuhls eingelegt werden.
Pinerolo, Stadt in der ital. Provinz Turin: Fabrikation von Seiden-,
Baumwoll- und Wollwaren.
Pinienzapfen (lat. : piniolus; franz.: pomme de pin; engl.: pine apple),
eine seit dem Altertum vorkommende Kunstform, welche neben dem Lotos
schon bei den Assyriern erscheint
Abb. 234. (vgl. Abb. 30. 31) und ebenso wie
der Granatapfel im 15. Jahrhundert
zwischen dem gotischen Spitzbogen-
feld im Stoffmuster in Aufnahme
kommt (s. die Artikel gotischer Stil,
Granatapfelmuster, Abb. 104 u. 2
auf Tafel lY).
Abbild ung:
234. Darstellung aus: Lobelius,
plantarum sev stirpium icones, Antwerpen
1581, Palma pinnus sine conifera.
Pinna (lat.),rranse, Borte eines
Gewandes.
Pinna Marina ist der ital.
Name der Muschelseide. In den
niederl. Fabriken wurde früher auch
unter diesem Kamen ein feines, oliven-
farbiges, in Gold spielendes Tuch
angefertigt, das die Farbe der Mu-
schelseide nachahmen sollte und zu
Kleidungsstücken verwendet wurde.
Pintados sind ostindische, ge-
malte Kattune.
Pioscanski kilims heissen die
in Pirot (Bulgarisch-Serbien) in Wirktechnik gearbeiteten FusstepjDiche. Pirot
ist das Zentrum der Teppichindustrie des Balkans.
Pita, in Amerika die Fasern einer Agaveart (Agave foetida L.), welche
dort ihrer Feinheit und Geschmeidigkeit wegen den anderen A. -Arten zu den
sogen. Aloezeugen vorgezogen werden. Schon in Amerika nennt man letztere
auch pita ; allein in Eurojoa, namentlich in Frankreich, nennt man den Manila-
hanf (s. Abaca) auch pita, franz.: pite oder pitte.
Pitehanf, s. Aloehanf und Pita.
Pittsfield, Stadt des nordamerik. Staates Massachusetts : Fabriken für
Woll-, Baumwoll-, Seiden- und Strickwaren.
Pizzi d'Italia, eine Art Zwirnspitzen, welche in Oberitalien geklöppelt
werden.
Placardieren (vom franz.), einen Zeugstoff mit verschiedenen Beizen so
vorbereiten, dass er in der Küpe die Farbe nur für den Grund annimmt, das
Muster aber weiss bleibt.
Plagulae sind die kleinen Stücke höchst kostbaren, gewebten oder ge-
stickten Stoffes, die man der Dalmatica zwischen Borten auf Brust oder Bücken,
der Alba vorn und hinten über dem Fusssaum und auf die Aermelränder auf-
nähte. Die P. der Alba bestehen gewöhnlich aus dem Stoffe der Kasel.
Plaids— Plüsch. 401
Plaids oder Plaidings sind gewürfelte buntfarbige Zeuge von hartem
Kammgarn, die vorzüglich in Schottland gewebt werden. Der Artikel dient
zu Umschlagetüchem, Bettvorhängen, Tapeten, Schlafröcken und hauptsächlich
aber zur schottischen Nationaltracht, wobei der Plaid (oder Tartan),
eine Art Mantel, charakteristisch ist.
Planeta (lat.), mittelalterliche Bezeichnung für Kasel.
Plasch, feiner Lahn zu Gespinsten, Passamentarbeiten u. s. w.
Platilles, Platillas, eine der gesuchtesten und gangbarsten Sorten fran-
zösischer flächsener Leinwand, welche in gleicher Güte auch in Schlesien und
Böhmen und auch in England gemacht wird.
Platinen (franz.), die Hebehaken der Jacquardmaschine ; auch hakenförmige
Teile am Strumpfwirker stuhl.
Plattseide, Stickseide, welche aus nur einem Bohseidenfaden besteht und
sehr schwach gezwirnt ist.
Plattstich, die Art der Stickerei, auch als Flachstich bezeichnet, welche
sich in keiner Weise an die Textur des gegebenen Grundstoffes bindet, sondern
lediglich nach der Vorschrift des Musters die Fäden neben- oder übereinander
legt. Wegen der ursprünglichen Anwendung der Federn für die Plattstich-
stickerei hiess sie im Altertum opus plumarium, arabisch rekhameh, wovon
das italienische ricami (s. Stickerei).
Plan, Stadt im Grossherzogtum Mecklenburg- Schwerin: Tuchfabrik mit
AVollspinnerei.
Plauen im Vogtland in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau : Mitte
der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts trat zu der Weberei weisser Baum-
wollwaren (Mull, Gardinen u. s. w.), der sogen. Plauenschen Waren, und der
Weissstickerei als Handstickerei die mechan. Stickerei (Heilmannsche Stick-
maschine) hinzu und P. wurde auch Mittelpunkt der sächs. Stickereiindustrie
(Einsätze, Kragen, Taschentücher). 1881 wurde die Fabrikation der gestickten
Tüllspitzen (dentelles de Saxe, dentelles orientales) und darauf der Luftspitzen
(Aetzstickerei) mit solchem Erfolge eingeführt, dass die vogtländische Spitzen-
industrie sich auch hierin rasch den Weltmarkt eroberte und die altberühmte
S^Ditzenindustrie in England, Frankreich und Belgien ernstlich bedrohte. Die
Zahl der in P. vorhandenen Handstickmaschinen stieg (1872 — 92) von 1300
auf 4200, sank aber wieder durch die Einführung der Schiffchenstickmaschine
mit Ki-aftbetrieb auf (1900) 1500 Handmaschinen, dafür aber waren etwa 3500
Schiffchenmaschinen vorhanden. In P. sind 50 — 60000 vielfach hausindustriell
beschäftigte Arbeitskräfte in diesen Zweigen der Textilindustrie tätig. Der
Wert der hergestellten Artikel ist zu 50 — 60 IMill. M. anzunehmen, von denen
für etwa 35 — 40 Mill. M. nach dem Auslande gehen. In den letzten Jahren
ist ferner die Tamburierindustrie (Bonnaz' Tamburiermaschine für Gardinen,
Spitzen u. s. w.) aufgenommen worden, ebenso die Bandnäherei (Pointlace-
Artikel). Es bestehen ferner eine bedeutende BaumwoU-, Streichgarn-, Vigogne-
spinnerei, 16 Färbereien, 13 Bleich- und Appreturanstalten, 5 Zwirnereien.
Pleures, in Frankreich die Wolle, welche von verreckten Schafen ab-
genommen worden ist; man bezieht von derselben viel aus Deutschland.
Pliat, s. Blyant.
Plisse (franz., d. i. gefältelt), eine bei der Damenkleidung beliebte Gar-
nierung, die aus regelmässig gefalteten Zeugstreifen besteht.
Plocdecken, in Frankreich eine Art schlechter Fussdecken, die von
Kuhhaaren gemacht sind.
Plochingen, Dorf im württemb. Keckarkreis : Baumwollspinnerei, Hadern-
sortieranstalt.
Pluie, in Frankreich eine Gattung Droguet, in dem die Kette von Seide
oder Kamelhaar, der Einschlag z. T. von Gold- oder Silberfäden gemacht ist.
Der Stoff sieht wie brillantiert aus.
Plunkets-Azures, englische, blau gefärbte Tücher aus Essex, Suffolk u. s.w.
Plüsch (franz.: peluche; engl.: plush, shag; ital.: peluzzo, felpa; span. :
felpa), ist ein sammetartiger Stoff, und unterscheidet sich von diesem nur durch
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 26
402 Flüssen— Point.
bedeutend längere Behaarung. P. wird sowohl ganz in Seide, als ganz in
Wolle, in Baumwolle und neuerdings in Leinen hergestellt. Die Güte dieser
Gewebe besteht hauptsächlich darin, dass sie dicht und fest geschlagen sind
und die ganz egale, nicht gar zu lange Pole den Grund ganz bedeckt. Doppel-
plüsch hat Behaarung auf beiden Seiten, doch auf der inneren kürzer, in ver-
schiedenen Farben.
PlÜSSen, in der Appretur des Tuches soviel wie Fertignoppen, hat den
Zweck, alle durch Zufall in das Gewebe gekonunenen fremdartigen Körper
(Stroh- oder Holzsplitterchen u. s. w.), vorstehende Fadenenden, die durch An-
knüpfen gebrochener Fäden entstandenen Knoten u. dgl. zu entfernen; es ge-
schieht mit dem Nopp- oder Plüsseisen, der Noppzange u. s. w.
Pluviale (lat. : pluviale; franz.: pluvial; engl.: pluvial, cope), eigentlich
Regenmantel und ursprünglich auch als solcher für die Geistlichkeit bei Pro-
zessionen und im Winter in der Kirche gebraucht ; erst von etwa 1250 an als
reichgeschmücktes Festgewand für allgemeine kirchliche Zwecke als Chorgewand,
Chormantel. Anfangs ist das Pluviale mit Aermeln ausgestattet, wogegen Inno-
cenz III. ein Verbot erlässt. Die in der Mitte der geraden Seiten des halb-
kreisförmig geschnittenen Stoffes zum Ueberziehen über den Kopf aufgenähte
Kapuze (cappa) wird mit der Zeit zu einem aufgesetzten Schilde (clipeus) oder
zu einem geschweiften Kragen umgewandelt. (Yergl. Abb. 5 auf Tafel IX.)
Poches, in den Städten am Schwarzen Meere schwarzseidene Turbane,
die zu Bagdad und Pru gewebt und häufig nach Konstantinopel gebracht werden.
Poil (franz.), Haar, die haarige Oberfläche, der Flor sammetartiger Ge-
webe. (Vgl. Pol.) A trois poils, ä quatre poils u. s. w. = dreidrähtig, vier-
drähtig u. s. w.
Poil de chevre (franz.), d. i. Ziegenwolle, nennt man einen Stoff mit
einem Einschlag aus Kammwolle und Kette aus Baumwolle ; öfter werden dem-
selben auch Wolle und Seide eingewirkt. P. de eh. wird auch Angorawolle
genannt.
Point (franz.), Stich, Nadelstich, Naht; gros point, weiter Stich; point
de boutonniere, Knopflochstich; point de chainette, Kettenstich; point de
Chine, chinesische ausgenähte Tapete ; point croise, Kreuzstich ; point noue,
Schlingstich.
Die Bezeichnung von point ist im Französischen für Spitze allgemein;
man nennt demnach die Arten von Spitzen:
Point ä ecailles, eine vereinzelt zur Rokokozeit noch vorkommende Steg-
spitze.
Point ä l'aiguille, jede Nadelspitze.
Point ä la reine, scheint eine ELlöppelspitze gewesen zu sein, man nimmt
an, dass sie in den Niederlanden erzeugt wurde und zwar von Arbeiterinnen,
die des besseren Verdienstes wegen aus Alengon dorthin ausgewandert waren.
Point ä la vierge, am Ende des 18. Jahrhunderts in der Normandie erzeugte
Spitze aus einem Netzgrunde mit ganz einfachen Rosetten.
Point clair, eine glänzende Spitze aus Seide.
Point Colbert, werden franz. Spitzen genannt, welche in der Art gearbeitet
sind, wie man in Alencon, Argentan, Bayeux u. s. w. kurz nach 1665, d. h.
dem Jahre, in welchem auf Betreiben Colberts die Spitzenindustrie daselbst
aufgenommen wurde, arbeitete. Man bemühte sich darin, Stücke in der Art
der italienischen Vorbilder, besonders der venetianischen Relief spitze, zu
fertigen.
Point conte heisst eine Netzspitze in Musterbüchern, weü die Anzahl der
darin vorkommenden Felder an dem Netze der Zeichnung abgezählt werden
musste.
Point coupe, Durchbruch, auf dessen Grundlage die Anfertigung der Spitzen
von Venedig und Alengon beruht.
Point d'AleuQon, genähte Spitzen in Nachahmung der venetianischen Re-
liefspitzen; in Alengon hat man aber auch schon vorher Spitzen in Art der
Filetarbeiten gefertigt.
Point d'Angleterre; über die Bedeutung dieser Spitze gehen die Meinungen '
auseinander. Viele wollen darin eine ganz bestimmte Art erkennen, andere
erbhcken ein niederländisches Erzeugnis, welches so genannt wurde, weil es
Pointas— Polen. 403
für England angefertigt. ■ Es wird z. T. ein Handelsnamen für geklöppelte
niederländische Spitzen mit Rankenmuster sein. Auch eine Rokokospitze
„eine Art gemischter Grund und Netzspitze" bezeichnet man als P. d'A.
Point de Bourgoigne, Klöppelspitze, schon im 16. Jahrhundert berühmt,
mit feinem Reseau, auf welchem die breiten Ornamente und Blumenranken
mit durchlöcherten Umrisslinien und mit einer Art Füllung aufliegen, welcher
diese Teile erscheinen lässt, als wären sie aus dem allerzartesten Batist
appliziert.
Point de France heissen alle seit 1665 in Frankreich nach italienischen
Vorbildern genähten Spitzen. Es bildet sich im selben Jahre eine eigene
Gesellschaft, mit einem ausschliesslichen Privilegium für 10 Jahre, zur Er-
zeugung der P. de Fr. Es werden 1666 für diese Art der Spitze folgende
Erzeugungsorte bestimmt: Le Quesnoy, Arras, Reims, Sedan, Chäteaux-
Thierry, Loudun, AlenQon, Aurillac. 1675 erlischt das Vorrecht dieser Ge-
sellschaft und der Name point de France bleibt besonders den Erzeugnissen
von Alengon haften ; dennoch bezeichnet man aber die hier gemachten als
points d'Alencon.
Point de Marly bildet den Uebergang von der Grundspitze mit Muster zum
reinen Tüll. Einen dem Tüll verwandten Stoff liebten die Damen des 17.
Jahrhdts. zur Herstellung der hohen, haubenartigen Kopfbedeckung. Es
war eine Art Kanevas, ganz durchsichtig wie Gaze, worauf erst die Blumen
mit der Nadel ausgeführt wurden. Diese Spitzenart wurde in Leinen und
Seide gearbeitet, sie entstand 1760 und 1770, wurde zwei Jahrzehnte in
Spanien, England, besonders aber in Bayeux ausgeführt.
PointdeMilan ist eine den niederländischen Grundspitzen verwandte Klöppel-
arbeit aus Mailand.
Point de rose, die feinste Art der point de Venise, deren Grund mit kleinen
Sternen in Form von Rosen gefüllt ist.
Point de ruccroc, Glücksspitze, wird die schwierigste und mühevollste
Technik einer Brüsseler Spitze genannt.
Point d'Espagne, eine Art Stickerei mit ausgeschnittener Arbeit, woran
Gold- und Silberfäden in Form von Oesen die Ränder umsäumen und die
inneren Leinenflächen in farbiger Seide gestickt sind; daneben scheinen sie
auch in schwarzer Seide vorgekommen zu sein.
Point d'esprit führt der point de Lille, wenn er die Erzeugnisse von Malines
und Alengon nachahmt.
Point de Venise heisst die genähte Relief spitze aus Venedig.
Point lace, die in Nachahmung der venetianischen Relief spitze gearbeitete
Litzenspitze, auf genähtem und später auf geklöppeltem Grunde. Das Muster
ist aus gewebtem Bändchen gebildet.
Point noue, Bezeichnung für den italienischen punto a gropo, d. i. eine
geflochtene Spitze, die auch unter dem Namen Macramee erscheint.
Point plät, aufgelegte Tüllspitze.
Point royal soll eine Nachahmung des niederländischen Typus sein (point
ä la reine), der um 1700 in Alengon erzeugt wurde.
Pointas oder Puntas sind flandrische Spitzen.
Point long, eine Art flandrischer Tapeten.
Points (franz.), Mehrzahl von point (s. d.) Spitze.
Point sarrasin, in Frankreich die auf türkische Art gewebten Tapeten,
welche in der Savonnerie zu Chaillot verfertigt werden.
Poisdamast wurden früher ein- und zweifarbige SeidendamaststofFe mit
Kantenstreifen genannt, welche vom Orient kamen.
Poken (Boken), eine Vorarbeit der Flachsspinnerei.
Pol (vom franz. poil), der Sammetflor, daher Polfaden, Polkette, Pol-
schuss u. s. w. Vgl. Sammet und Polfäden.
Polackenleinwand nennt man in den böhmischen Fabrikdörfern längs
der schlesischen Grenze eine gewöhnliche starke Leinwand, welche als Segeltuch
verbraucht wird.
Polamit, Polemit, Polomit, s. Kamlot.
Polen, früher eigenes Königreich, bildet seit 1874 das russ. (xeneral-
gouvernement Warschau mit den 10 Weichselgouvernements: Textilindustrie
(besonders Woll- und Baumwollfabriken), namentlich in Lodz (s. d.) ; ausgeführt
werden Baumwolle, Rohseide und Seidenstoffe. — Die ältere Kunstweberei wurde
404
Polen.
durch Perser und Türken eingeführt, besonders beeinflussten diese anfangs die
Muster. Nach Notizen aus Kotaczkowski , Wiado mösci, fabrykach i rekod-
zielach w dawnej Polsce, Warschau 1881. (Nachrichten über die Fabriken
und Handwerke im alten Polen) gründete ein polnischer Edelmann (Fürst
RadziM-ill) am Ende des 17. Jahrh. eine Seidenfabrik in Sluck, welche Gürtel
und Brokatstoffe fertigte; alsdann geschieht in demselben Buche einer in
Krakau errichteten Seidenmanufaktur Erwähnung: im Zusammenhange hiermit
werden als Leiter dieser "Werkstätten Mazarski (für Sluck) und Maslowski
(für Krakau) genannt. Uebrigens brachten die Händler zur Glitte der 1880er
Jahre die meisten polnischen Stoffe aus der Gegend von Warschau, so dass
auch hier eine Fabrik bestanden haben wird.
Die Schärpe (Abb. 235 u. 236), ein Hauptstück der polnischen National-
tracht, entspricht dem persischen Gürtel (Abb. 215) und ist gleich diesem in
Abb. 235.
m
Querstreifen und Längsborten gemustert, die Ab schlus senden enthalten Blumen-
stauden oder Sträusse in Yasen. Der persische Gürtel ist im Material weicher
als jener, man merkt den polnischen Fabrikaten das Schwerfällige in der Hand-
fertigkeit an, infolgedessen findet ein verschwenderisches Umgehen mit Metall-
fäden statt, so dass manche Stücke brettsteif in glänzender Silberfläche er-
scheinen. Auch trägt hierzu bei die für doppelseitige Verwendung bere(ftinete
Ausführung; man hat z. B. auf einer Seite blaue, auf der anderen Silberstreifen;
selbst in einer Fläche wechseln rechts und links die Grundfarben derselben,
um je nach Bedarf in Erscheinung zu treten. Die Musterung an und für sich
ist unbeholfen, zum Teil in linearer Ausführung; doch stehen diese polnischen
Schärpen in hohem Werte. Die Fabrikationsstätte ist gewöhnlich auf dem
Polen.
405
Stücke vermerkt (wie hier in Abb. 235); aucli kommen Bezeichnungen des
Verfertigers vor. Wie übrigens allmählich die Musterung sich befreit von
orientalischem Einfluss, das zeigt die Füllung der Endigung in Abb. 236, worin
sich gebuckelte Yasen mit Blumensträussen befinden. Grieiches lässt sich auch
bei anderen Stoffen wahrnehmen. So sind z. B. streng orientalische Elemente
in den spitzovalen ausstrahlenden Blütenformen auf dem in Abb. 237 dar-
gestellten Brokat nicht zu verkennen; aber die unbeholfene Anordnung der-
selben an gewundenen welligen E-ankenstreifen lassen darauf schliessen, dass
das Muster keiner formensicheren Hand des Orientalen entsprungen ist; auch
zeugen dafür die fast hebräisch anklingenden schriftartigen Zeichen, welchen
einzelne Blüten auf dem sterngefüllten Grunde entsteigen. Feineres Empfinden
Abb. 236.
einer — wenn auch barocken — Formensprache verrät das in Abb. 238 dar-
gestellte Stoffmuster, dessen Blüten im Geiste einer gewissen Chinoiserie fast
einen französischen Anstrich hab(
dem sich noch mehr die feinen Ranken
im Stile der Regencezeit anzuschliessen scheinen; indessen sprechen Farben
— weiss ist in Polen als Grundfarbe beliebt — und vor allem das Material
dafür, dass man es mit einem Fabrikat des Ostens zu tun hat. Auf dem Wege
zwischen dem Osten und Westen Europas liegt scheinbar auch die Anfertigung
des in Abb. 239 wiedergegebenen Tapetenstoffes, welcher bezüglich des darauf
befindlichen polnischen Adlers mit sächsischem Kurhut und der Krone ver-
muten lässt, dass er für den im Jahre 1697 zum König von Polen erwählten
Kurfürst Friedrich August von Sachsen gewebt wurde. Wenn auch wiederum
der Goldfaden und seine Behandlung den Meister des Orients verraten, so
haben doch bei der Komposition des Musters Europäer die Hand geführt, ver-
mutlich französische Weber , welche schon zur Zeit des Grossen Kurfürsten
aus Preussen nach Sachsen übergesiedelt waren.
Abbildungen:
235 — 239. Darstellungen aus dem Kunstgewerblatt N. F. II. Leipzig (Verlag
E. A. Seemann), nach Originalen aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin :
•235. Endigung einer polnischen Schärpe, in roter, blauer Seide und Silber ge-
406
Polenteppiche.
wirkt : ungemusterte Querstreifen sind eingefasst von Borten mit ßlütenranken in eckiger
Linienfüliruag ; im Felde zwei streng stilisierte Blütenstauden in persischem Geschmack.
Polen, bezeichnet Sluck, Ende 17. Jahrh.
236. Desgl. zur Hälfte auf Silber- und Groldgrund gewirkt und in Streifen auf
rot und grün oder blau und rot mit Eanken gemustert; im Felde zwei Blumensträusse
in gebuckelten Vasen. Polen, bezeichnet F. S., Anfang 18. Jahrh.
237. Seidenbrokat, derber weisser Ripsgrund, Muster in Grün und Gold:
zwischen wellig aufsteigenden Blattranken, welchen strahlende Blüten, kleines Blatt-
Abb. 237.
werk und Früchte entsteigen, wechseln reihenweis nach rechts und links gewendet
einzelne Blütenstauden an einer Art von schriftartigem Gehege ab; dazwischen kleine
Sterne. Polen, Anfang 18. Jahrh.
238. Seidenbrokat , Grund weisser Rips , symmetrisches Muster in Rot und
Gold: Palmettenförmige Blüten wechseln zwischen feinen geschwungenen Blattranken
reihenweis ab. Polen? Anfang 18. Jahrh.
239. Seidenbrokattapete, Grund rot, Muster in Damast und Gold: Zwischen
wellig aufsteigenden Blütenranken sind goldene Ranken durch Kronen verbunden, welche
ein Wappenschild mit polnischem Adler und dem sächsischen Kurhut einschliessen ;
seitliche Abschlussborten. Polen? Ende des 17. Jahrhs.
Polenteppiche werden mit Unrecht geknüpfte Perserteppiche aus Seide,
Silber- und Groldfäden genannt (Abb. 240). Nach ,,Alois Rieg] , Altprien-
talische Teppiche, Leipzig 1891", ist die falsche Bezeichnung dafür vielleicht
dadurch entstanden, dass dem Wiener Hof einstmals von Peter dem Grrossen
von Russland ein derartiges Stück zum Greschenk gemacht worden ist. Die
eigentlichen in Polen (s. d.) in der Fabrik von Mazarski in Sluk gearbeiteten
Teppiche sind in grober Wolle geknüpfte, kleine Stücke, welche in hohen
Noppen auf weissem Grunde ein bescheidenes farbiges Bortenmuster haben,
Polföden — Polnische Leinen.
40^
das in seiner eckigen Zeichnung," ähnlich den Quer- und Längsborten der in
Abb. 235 wiedergegebenen Schärpe, an Kreuzstichmuster erinnert: also unvoll-
kommene x4.nfänge der Knüpfarbeit darstellen. Einer der mir aus dem Königl.
Kunstgewerbemuseum in Berlin bekannten Teppiche dieser Art trägt die ein-
geknüpfte Marke M. und bestätigt seine Herkunft aus der Mazarskischen
Fabrik.
Abb. 238.
Ab bildung:
240. Darstellung aus C o x , l'art de decorer les tissus d'apres les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon. Paris 1900. PI. LXI : Knüpf-
teppich in farbiger Seide, Gold und Silberfäden: Im Felde stilisierte Blütenranken in
symmetrischer Anordnung, am Rande Ranke mit Palmettenblüten. Persien 17. Jahrb.
Polfäden, in der Gazeweberei diejenigen Kettenfäden, welche über allen
Scbussfäden liegen; in der Sammetweberei die Kettenfäden, aus denen der
Flor, die Haardecke, gebildet wird.
Politz, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannscbaft Braunau in Böhmen:
Leinen- und Baumwollweberei.
Polizeaux, starke gewöbnliche Hanfleinwand aus Frankreich, von der die
besseren Sorten halb gebleicht nach den Kolonien gehen.
Polledavys, Pouldavids, französisches Segeltuch aus Hanf und Heede-
garn ; welches seinen Namen vom Flecken Bouldavid, dem Verfertigungsort, hat.
Polnische Leinen werden diejenigen genannt, welche in den Provinzen
des ehemaligen Königreiches und in Galizien gewebt werden. Es sind ver-
408
Polpra — PoD dichery .
schiedene Sorten starker Hausleinwand, sowie Sack- und Packleinen, Zwillich
und Drell, die nach Königsberg, Danzig und Elbing gehen.
Polpra (lat.), Purpurgewand.
Polymita, bunt gemusterte Gewebe, deren Fabrikation im Mittelalter
in Alexandrien geblüht hat.
Pomedelbindungen verschiedener Art werden zu einzelnen Streifen in
Kleiderzeugen angewendet, um Ketten-Kanneles zu erzeugen.
Pommeri heissen die gemusterten, seidenen, ganz zugeschnittenen, aber
nicht zusammengenähten, mit bunter Seide gestickten Schlafröcke, zu welchen
Abb. 239.
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die Europäer die Muster nach China gebracht haben und welche durch die-
selben nach anderen Gegenden Asiens weiter verkauft werden; im europäischen
Handel kommen sie nicht vor.
Pommersche Leinen werden mehrere Sorten guter mittlerer Hausleinen
genannt, welche längs der Küsten der Ostsee in Schwedisch-Pommern und auf
der Insel Rügen von den Landleuten gewebt und nach Bergen, Stralsund,
Stettin n. s. w. zum Verkauf gebracht werden.
Pompadour, Bezeichnung für einen zierlichen Strickbeutel. Pompadour-
muster, moderne Bezeichnung für Streifen mit kleinen Blümchen und anti-
kisierendem Beiwerk. /
Pompons (franz.), Zieraten von Passementeriearbeit, namentlich Bällchen
aus Seide und "Wolle (s. Posamentierarbeit).
Poncho (span.), ein in Südamerika gebräuchlicher Mantel indian. Ur-
sprungs, früher nur ein Stück Tuch mit einem Schlitz in der Mitte, durch
welchen der Kopf gesteckt wird.
Pondichery, Hauptstadt des gleichnamigen franz. Gouvernements auf
Pongeeseide — Populus canadensis.
409
Vorderindien: eine Musterspinnerei, Manufakturen für Tischleinwand und Baum-
wollgewebe.
Pongeeseide liefert der Ailanthus-Spinner, es werden besonders viel
Zeuge daraus aus China eingeführt.
Pontivy ist eine französische Leinwand.
Abb. 240.
Ponto in arcato (ital.), kleine unscheinbare Bogensäumchen an genähten
Spitzen aus Italien.
Popeline, s. Papelines.
Poperinghe, Stadt in der belg. Provinz "Westilandern : Baumwollspinnerei
und Leinwandbleicherei.
. Populus canadensis, die kanadensische Pappel: Ersatzmitfel für Baumwolle.
410 Populus nigra — Posamentier waren.
Populus nigra, die schwarze Pappel: Ersatzmittel für Baumwolle.
Populus tremula, die Aespe: Ersatzmittel für Baumwolle.
Porte-epee, das (franz.), eigentlich Degengehenk, jetzt Degenquaste.
Portiere, s. v. w. Türvorhang.
Porto-Cabello, kolumbische Baumwollsorte.
Porto-Cavallo, kolumbische Baumwollsorte.
Portorico, westindische Baumwollsorte; weiss, ins Gelbliche, wenig-
glänzend, ziemlich kräftig im Faden.
Portugal, Königreich auf der Pyrenäischen Halbinsel: in neuerer Zeit
grosse Fortschritte in der Textilindustrie. Wichtig ist die WoU- und Seiden-
industrie (letztere in Lissabon und Oporto), die Leinenweberei, Spitzenfabri-
kation (Erzeugnisse, welche teils den spanischen ähnlich, teils in der Art der
Malines gefertigt und grösstenteils nach Südamerika gehen) in Peniche, Villa
do Conde, Yianna und die Anfertigung von Segeltuch.
Porzellanspitzen, durchbrochenes Porzellan : mit Porzellanmasse getränkte,
gewebte Spitzen, welche durch den Brand verzehrt werden, so dass das Spitzen-
muster in Porzellan übrig bleibt.
Posament (franz.: passement), Besetzung mit Schnüren, Borten und
anderer
Posamentierarbeit (franz. : passementerie ; engl. : trimming).
Posamentierwaren, Passamenten begreifen die Era,nzosen unter dem
Namen passementerie, wovon die boutonnerie, d.h. Knöpfe aller Art,
ein Nebenzweig ist. Sie umfassen eine grosse Menge verschiedener Artikel,
w^elche teils zu Möbelbesätzen, teils zum Besatz von Kleidungsstücken aller
iVrt dienen. Die vorzüglichsten sind die Tressen, Fransen, Schnüre, Gorl oder
Gimpen (Agrements), Borten, Bänder und Troddeln. Das Material dazu ist
Zwirn, Baumwolle, Wolle, Seide, echtes und unechtes Gold und Silber. Die
Herstellung der P. geschieht teils durch Hand-, teils durch Maschinenarbeit.
Der Posamen tierstuhl oder Bortenwirkers tu hl enthält die
wesentlichen Teile des gewöhnlichen Webstuhles meist in etwas abgeänderter
Form und ist zur Herstellung von Mustern mit entsprechenden Vorrichtungen
versehen, oft auch mit dem Jacquardgetrieb verbunden. Aeusserlich unter-
scheidet sich derselbe durch seine geringe Breite, da er nur zur Herstellung
schmaler Arbeiten bestimmt ist. Ein Hilfsmittel der P. ist auch die Klöppel-
arbeit. Der Ursprung der Posamenten sind die aus stehengebliebenen Ketten-
oder Schussfäden gebildeten Fransen (s. d.), der später die gewirkte Besatz-
borte gegeben wurde, wodurch teilweise auch eine Vereinigung von Fransen-
borte und Quaste hergestellt wird, wie sie schon die geschmückten Figuren
auf assyrischen Reliefs aufweisen (Abb. 28). Die freihängende Quaste,
welche im Mittelalter an kirchlichen Gewändern erscheint, besteht dort zu-
nächst aus losen, längeren farbigen Seidenfäden, denen zur Beschwerung und
Vermeidung von Verwickelungen eine Kugel aus Bergkristall, Bernstein oder
Metall als oberer beweglicher Körper eingezogen wurde : die erste Entstehung
des später gedrechselten, übersponnenen und überklöppelten Halters, dem der
sogen. Mantel folgt. Die Quaste erfährt in der Benaissancezeit als Ecken
der Kissen, für den Griff des Klingelzuges, als Schmuck der Möbel, als Zierat
des Gespannes eine reiche Ausbildung. Die zierlichsten Quasten entstehen
aus weissem Leinen in Italien; sie werden mit der Zeit grösser und schwerer
aus Seiden- und Goldfäden hergestellt, ohne dass dann im Charakter wesent-
liche Veränderungen eintreten. Vielseitiger gestaltet sich die Quaste an der
gewebten, geknüpften oder gewirkten Borte in Form der Franse. Im Mittel-
alter hängen die losen Seidenfäden lang in bunten Farbengruppen an ^anz
schmaler Borte herunter. Das 16. Jahrh. entwickelt an der breiteren Borte
schmale Fransen aus langen Noppen, die sich lange, auch als oberer Abschluss
erhalten (Abb. 241); bei länger herunterhängenden Fädenbüscheln kommt die
sog. Knopffranse mit Zuhilfenahme der Knüpfarbeit (s. Macrame und Abb. 197)
zur Geltung; sie wird im 17. und 18. Jahrh. abgelöst durch Netzwerk, das
geknüpfte Bällchen und Fransen dazwischen vereinigt und erweitert, wodurch
Potsdam.
411
ein den Spitzen ähnliches Maschenwerk mit Fransen entsteht (Abb. 241 u. 242),
bis sie fast in Schnürborten und Grehänge gesetzt (Abb. 243) ihren Charakter
als hängende Begleitborte aufgegeben hat. Im Orient ist die P. im allgemeinen
mit der Netzarbeit (s. d.) verbunden, als selbständiges Produkt aber nicht so
Abb. 241.
vielseitig als in Europa ausgebildet. Schnur- und Bandposamenten werden in
China und Japan als Behang der Tabakstäschchen , auch für Vorhänge des
Hauses und der Tempel geknüpft und geflochten. (Vgl- Siegel, Zur Ge-
schichte der Posamentiergewerbes [Annaberg 1892] ; Dornbrach, Das Posa-
mentierkunstgewerbe [Dresden 1894]).
Abb. 242.
Abbildungen:
241 — 243. Originalaufnahmen von Fransenborten des 17. und 18. Jahrhs. aus
der Sammlung des königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin.
Potsdam, Hauptstadt des gleichnamigen preuss. Reg.-Bez., erhält unter
Friedrich Wilhelm I. (1713—40) Privilegien für Maulbeeranpflanzungen und
Seidenindustrie, welche unter Friedrich dem Grossen erweitert werden, es ar-
412
Pottendorf— Pressen.
beiteu 1749 in Xowawes bei P. gegen 200 Stühle für Seiden- und Sammet-
weberei, deren Zahl sich noch bis 1780 ziemlich erhält; später geht die In-
dustrie für Sammet und Seide zurück und bleibt beschränkt auf gewöhnliche
Artikel.
Pottendorf, Marktflecken in der österr. Bezirkshauptmannschaft Mödling,
in Xiederösterreich : Baumwollspinnerei und Zwirnerei (die erste der Monarchie,
1804 gegründet).
Abb. 243.
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Pottenkanten, Pöttges-Kanten , geklöppelte Spitzen aus Antwerpen
von 1600 bis um die Mitte des 18. Jahrhdts., auch dentelles de pot ä fleurs
genannt, weil ein Blumentopf das immer wiederkehrende den Tulpenliebhabern
symx^athische Ornament bildete; in A. erschien davon ein Musterbuch, das zu
den grössten Seltenheiten gehört.
Pottuch, eine Art russischer Leinen, die über Petersburg in den Handel
kommen.
Poulangis, ein gewöhnlicher, geköperter Stoff aus Flachs- oder Hanfgarn
und Wolle, welcher in Frankreich auch unter den Namen Berluche, Burn,
Bellinges, Tiretaine u. s. w. verfertigt werden.
Poult de SOie, seidener Pou oder Pout, ein schwerer, grosdetourartiger
Seidenstoff mit einem erhabenen kleinen Korn, welcher zuerst in Holland,
später in Krefeld, Berlin und "Wien gewebt wurde. Pou de la reine ist ein
ganz schwerer Seidenstoff.
Poussin wird ein Muster der Spitzen von Dieppe genannt.
Prag, Hauptstadt Böhmens : Baumwollspinnereien und Druckereien. Im
Jahre 1767 wurde hier eine Spitzenschule gegründet, welche niederländische
Ware nachahmte, ging aber bald wieder ein.
Prato, Stadt in der ital. Provinz Florenz : Woll- und Baumwollspinnerei.
Precieuse, moderner seidener Kleiderstoff in Taffetbindung, gestreift.
Preetz, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Schleswig: Woll- und Baumwoll-
weberei.
Prerau, Stadt in Mähren: bedeutende Tuchweberei, Fabrikation von
Seilerwaren.
Prescot, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : Baumwollspinnerei
und Fabrikation von Segeltuch. /
Pressein, die Schnüre an Urkunden zum Anhängen des Siegels.
Pressen von Zeugen geschieht in älterer Zeit durch heisse Metallmodel,
jetzt durch gravierte kupferne Walzen. Das P. des Sammets wird im 16. Jahrh.
in Italien und Spanien zuerst bekannt und von dort nach den Niederlanden
überführt. Die Muster, auf Holz geschnitten, werden nach gewebten Stoffen
kopiert, als Grundstoff nimmt man nicht selten die auf weiter geschnittener
Pressnitz — Punto. 413
Fläche gerissenen roten Sammete mit Granatmuster und presst, ohne Rück-
sicht auf dasselbe das der spcäteren Zeit darauf. (Vgl. Abb. 1 auf Tafel IV.)
Pressnitz, Stadt in Böhmen: Spitzenklöppelei.
Preston, Municipalborough in der Grafschaft Lancashire : ist seit dem
Aufkommen der Baumwollindustrie (1777) Fabrik- und Handelsstadt. Es gibt
hier und in der nächsten Umgebung über 200 Fabriken, meist Baumwollfabriken,
dann Leinwandindustrie, ausserdem eine Tuchhalle.
Preussen, Königreich : die Hauptsitze der Baumwollspinnerei und -weberei
finden sich im Bheinland und Schlesien, für Wolle bei Aachen und in der
Niederlausitz, für Leinen bei Bielefeld und in Schlesien, für Seide in Krefeld
und Elberfeld-Barmen. lieber die Einführung der Seidenindustrie s. Berlin.
Prexillas, Pressilles, spanischer Name einer gewöhnlichen Leinwand,
welche aus der ersten Heede des Flachses gewebt wird.
Printers (engl.), sind Drucktücher, d. h. baumwollener, glatter, ungebleich-
ter Kattun, worauf später gedruckt wird.
Prints ist der im überseeischen Handel gebräuchliche englische Ausdruck
für alle feineren gedruckten glatten Baumwollwaren, die sonst auch Zitse, von
dem ostindischen Chits stammend, genannt wurden: es sind heut bedruckte
KattunstofPe.
Promenettes sind wollene Bänder aus Frankreich.
Prossnitz, Stadt in Mähren: bedeutende Baumwoll-, Woll- und Leinen-
industrie.
Prunel, Prunelle (franz.), ein fester, atlasartiger Kammgarnstoff, ur-
sprünglich aus Abbeville, Amiens und anderen Orten des Departements der
Somme, in der B-egel schwarz, zu Frauenschuhen und Möbelbezügen. (Ygl.
Lasting, der dem P. ähnlich ist.)
Prünell, Wollenstoff, woraus die Chorröcke der Geistlichen im Mittel-
alter gemacht wurden.
Prusciin, älterer gestreifter Wollenstoff, dessen Grund kamelottartig ist.
Prussian-Shawls, englische Bezeichnung für die in bunten türkischen
Mustern auf baumwollenem Köper gedruckte Tücher mit Fransen.
Prussienne, älterer bunt gemusterter Seidenstoff mit damastartigen
Blumen aus Berlin, Krefeld, Wien u. s. w. In Frankreich kam der Stoff in
besserer und schwererer Art unter dem Namen Peruvienne in Mode.
Puglieser, s. neapolitaner Baumwollsorten.
Pulvinar, das (lat.), ursprünglich das Götterpolster, der vor den Statuen
und Altären der Götter bereitete, mit kostbaren Teppichen bedeckte Sitz der-
selben, dann Lagerstätte oder Sitz der Kaiser und Kaiserinnen; im Mittel-
alter Polster.
Pungees sind chinesische Tücher von unappretiertem Taffet.
Punta de lana, im spanischen Handel ein geringer Wollenstoff.
Puntas, im spanischen Handel die Kanten oder Spitzen. Die Puntas
Gantes, welche Gent in grossen Mengen nach Spanien schickt, sind, sowie die
Amberes, Encaxes de hilo de Alemania, oder erzgebirgische Spitzen (diese in
älterer Zeit) ein dort beliebter Artikel. Puntas coxas nennt der Spanier
die gröberen Sorten, Puntas de Lieja, die aus Lüttich. Puntas d e M o s-
quito sind holländische, maschenartig gewebte Zwirnspitzen.
Punto (itarl.), Stich, Spitze; hiernach, wie im Französischen (s. point),
die Bezeichnungen folgender Arten:
Punto, in alter Zeit im Italienischen nicht Spitze, sondern ein Fadenkreuz
bei gezählter Fadenstickerei.
Punto a fogliami, eine Art der venetianischen Relief spitze mit Ranken und
Blättern in weitem Netze.
Punto agropo ist die geflochtene oder geknotete Spitze, welche der Macrame-
arbeit gleicht.
Punto areticella, genähte und geklöppelte' Sternspitze des 16. und 17.
Jahrhdts.
Punto a rilevio, die venetianische Relief spitze.
Punto a Spina, Name für Dorne oder Picots.
414 Purl — Pyroxylin.
Punto a vermicelli, grobe Art der venetianischen Relief spitze, so benannt
nach den AVülsten der Ränder, welche mit kleinen AVürmchen zu verglei-
chen sind.
Punto burato ist eine grobe Spitze auf Kanevasgrund.
Punto disfilato ist eine Xetzspitze.
Punto di Spagna wird in Italien eine Spitze bezeichnet, welche entweder
in Spanien gemacht und nach Italien eingeführt oder umgekehrt.
Punto fiamengo ist eine flämische Spitze.
Punto in arcato, späterer Xame der einfachen Bogensäumchen.
Punto in aria, wörtlich Luftspitze, weil die Formen auf weitem Grunde frei
liegen. Die Muster bestehen aus pflanzlichen oder auch figürlichen Orna-
menten.
Punto reale ist eine wirkliche Stickerei.
Punto tagliato, eine in Doppeldurchbruch hergestellte Spitze, d. h. die
Fäden werden in beiden Richtungen des Gewebes ausgezogen; die so ent-
standenen Muster sind meist geometrischer Art, andere weiter ausgeführte
nähern sich denen des point coupe, mit dem p. t. überhaupt gleich ist.
Punto tagliato a fogliami, s. v. w. punto a rilevio.
Punto tirato, einfacher Durchbruch, d. h. die Fäden werden nur in einer
Richtung des Gewebes ausgezogen.
Purl (engl.), s. Bouillon.
Purle oder perlle werden in England im Anfange des 17. Jahrhunderts
schmalere Zackenbesätze in Leinen, auch solche mit Grold und Silber genannt.
Purpurstoffe und daraus gefertigte Grewänder behaupten im frühen
Mittelalter unter allen farbigen G-eweben die hervorragendste Rolle. Der Purpur
ninmit in der Geschichte der Seide eine besondere Stelle ein. Als Erfinder
der Purpurfärberei gelten die alten Phönizier, welche den Farbstoff aus drei
Schneckenarten gewannen. Den P. nahm man übrigens nicht nur für einen
bestimmten Farbenton an, sondern es waren dreizehn verschiedene Schattie-
rungen davon bekannt ; darunter werden ausser dem Violett und Rot auch
Grün und Gelb genannt. Yerschiedentlich, z. B. nnter Konstantin, wurden die
teuersten Arten des P., purpura blatta, oxyblatta, hyacinthina (Amethysty,
Janting) und t3'rica (doppelt gefärbter), den TJntertanen verboten. In Byzanz
gelangte die Purpurfärberei seit dem 9. Jahrhdt. zur neuen weltberühmten
Blüte. Die Körperschaft der Purpurfärber (murile-guli) genoss weitgehende
Privilegien, ihre Gewerbe waren indessen, was das echte Purpurverfahren an-
langt, verstaatlicht und das Geheimnis des letzteren streng bewahrt. Infolge
der strengen Massnahmen und des durch das Regal beschränkten Absatzes
verliert die byzantinische Purpurfärberei nach nnd nach an Umfang und Be-
deutung, um schliesslich im 12. Jahrhdt. gänzlich zu erlöschen.
Put-Teppiche sind indische Knüpfteppiche aus feiner, weisser Unterwolle.
Puttou, ein grobes tibetanisches, unweit Lhassa gefertigtes wollenes
Tuch für China.
Puy, Le, Hauptstadt des franz. Depart. Haute-Loire: berühmte Fabriken
für Blonden und Spitzen, Handel mit Spitzen und Seidenwaren. P. ist be-
züglich der Spitzenanfertignng schon in alter Zeit berühmt. Man vermutet,
dass solche hier schon im 16. Jahrhdt. nach italienischen Vorbildern gearbeitet
wurden. Sie wurden als Blonden aus Seide, sowohl schwarz als weiss, auch
von Wolle, farbig und in Gold 'oder Silber hergestellt, endlich ahmte man auch
die points de France mit dem doppelten Grunde gern nach. Die Bezeich-
nungen der Spitzen von P., welche teils geklöppelt, teils genäht waren, sind
sonderbarer Art, wie z. B. l'Ave Maria, les Serpents, l'Echelle, le Pater u. s. w.
In Le Puy wird nach Xotizen von Semper und Silbermann eine wert-
volle Sammlung mittelalterlicher Gewebe in Form von Schontüchern aufbe^wabrt
(Bibel des Theodulfus), aus dem 9. — 12. Jahrhdt., welche 55 chinesische,
arabische und griechische, seidene und halbseidene Gewebe enthält.
Pye, Pylaken, ein grobes, dicht gewalktes AVoUentuch, welches in West-
falen gewebt und in Sachsen und Holland von den Landleuten getragen wird.
Pyroxylin ist Schiessbaumwolle.
Quadriga — Quinte?. 415
Q.
Quadriga (lat.), vierspänniger Triumphwagen der alten Homer, als Stoff-
muster dargestellt auf einem im Dom zu Aachen sich befindlichen Seiden-
gewebe aus der byzantinischen Kunstepoche des 5. — 8. Jahrhs. (Abgebildet
auf Tafel II in Fig. 3.)
Quadrillen-Atlas, früher ein vielfarbig gewürfelter Seidenatlas.
Quadrillen-Taffet, ältere Bezeichnung für die heutigen sogen, schotti-
schen Waren, d. s. Seidenzeuge mit karierten Mustern.
Quadrilliert heissen gewebte Stoffe mit quadratischem Muster, dessen
quadratische Felder von durchgehenden Längs- und Querstreifen gebildet
werden, sowohl bei gegitterten als bei gewöhnlichen Stoffen (s. schottische
Muster).
Quadruples Silesias, im spanischen Handel eine weissgebleichte flächsene
Leinwand aus Böhmen und Schlesien; ungebleicht heisst sie Brown-Qua-
druples.
Quarantains, feine franz. Wollentücher, deren Kette nach alter Regel
aus 4000 oder 40 mal 100 Fäden bestehen muss, wovon sie den Namen haben;
sie werden auch Quarantecentes genannt.
Quartos nennt der Spanier den Ausschuss der feinen Wolle, die ge-
wöhnlich nur halb so viel als Seguengas gilt; man nennt sie auch wohl
Terceiras.
Quast, meist Quaste (lat.: auriculus, bolhetus, floccus, honpeta, pendile,
tasselus; franz.: boufette, campane, houppe; engl.: tassel, dag), ein durch Posa-
mentierarbeit hergestelltes Gehänge aus büschelförmig zusammengebundenen
Fäden oder zusammengerollten Fransen (s. Posamentierwaren).
Quatre fils, mehrere Sorten franz. Segelleinen, welche wegen ihrer
Grüte und Haltbarkeit sehr geschätzt und auf den französischen und spanischen
Kauffahrteischiffen verbraucht werden.
Quedlinburg, Stadt im preuss. Peg.-Bezirk Magdeburg: Fabrikation
von Tuch. In der Schlosskirche Teile eines deutschen Knüpfteppichs aus dem
11. Jahrh. Vgl. hierüber den Artikel Teppich.
Queen-Cords, sind veraltete, gerippte, schwere, baumwollene Zeuge, eine
Art Manchester, die meistens nur zu Beinkleidern getragen wurden; man
hatte davon im englischen Manufakturhandel viele Sorten.
Quehle, altdeutsche Bezeichnung für Handtuch.
QuezaltenangO, Stadt in der mittelamerik. Republik Guatemala: Leinen-,
Baumwoll- und Wollweberei.
Quinet, Quinette, ein kamelottartiger Stoff, teils ganz aus Wolle, teils
von Wolle und Ziegenhaaren, der zu Frauenröcken, Kamisolen und Futter ver-
wendet wird.
Quintain nannte man früher in Frankreich einen Leinwandgrund im
point coupe.
Quintes, Quintins, im französischen Handel die beste Leinwand aus Bre-
tagnes. Qu int in hiess auch im Mittelalter ein feiner netzartiger Stoff aus
Leinenfasern, er wurde als Grundlage für Netzarbeiten verwendet.
416 Rabat — Ramie.
R.
Rabat, Rebat, Rbät oder Arbet, Hafenstadt an der Westküste Marokkos :
nächst Fez Hauptsitz der Industrie des Landes ; es werden viel Tej)piche,
Mäntel (Haiks), Wollen-, Baumwollen- und Seidenstoffe gefertigt. Die hier
erzeugten Kjiüpfteppiche (Zrbia) haben indessen keinesfalls die Bedeutung der-
jenigen, welche vom 14. — 17. Jahrh. in Marokko hergestellt wurden: sie ent-
halten in grellen Farben und mittelmässigen Wollen geometrische Muster,
welche in der Anordnung den Arbeiten aus Bochara und Turkmenen ähnlich
sind, indessen durch ihre Unruhe sehr verlieren.
Rabatue (toile) , eine Gattung Leinwand aus Lyon , welche sehr leicht
und dünn gewebt ist.
Racconigi, Stadt in der ital. Provinz Cuneo: Seidenkultur und Spinne-
rei, Wollfabrikation.
Raccort nennt man das Anschlussverhältnis mehrerer Rapporte.
Rack, in der Tüllweberei die StofPiänge , die einer bestimmten Anzahl
Schussbewegungen entspricht. Der R. zählt bei Tattings-Maschinen 240 Yor-
und Rückwärtsbewegungen der Schlitten, bei den Maschinen für glatten Tüll
720, bei den Twist-Lace-Maschinen 960 solcher Spiele.
Radcliffe , Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : Baumwollweberei
und Kattundruckerei.
Radevormwald, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: 5 Woll- und
Baumwollspinnereien und Tuchfabriken.
Rädlemodel in alten Musterbüchern s. v. w. Radmuster, womit die Reti-
cellaspitze (s. d.) gemeint ist.
Radzimir, moderner Stoff aus Seide in festem Taffetgewebe.
Raffaels Tapeten werden die Arrazis oder Wandteppiche genannt, welche
Papst Leo X. nach Kartons von Raffael in Brüssel für die Sixtinische Kapelle
in Rom anfertigen Hess. Die Bordüren dazu komponierte Giovanni da TJdine.
Die im Vatikan in einer eigenen Galerie aufgehängten Teppiche sind 22, aber
nur 11 nach den Entwürfen R.s (7 von seinen Kartons kamen nach Schloss
Hamptoncourt bei London und befinden sich jetzt im South Kensington-Museum);
die Teppiche wurden 1527 nach der Plünderung Roms durch das Heer Karls
von Bourbon und 1798 von den Franzosen genommen, 1555 und 1808 aber
wieder zurückgekauft (s. Wandteppiche).
Ragusa, Hauptstadt gleichnamiger Bezirkshauptmannschaft in Dalmatien :
war im Mittelalter bis zum 17. Jahrh. IVIittelpunkt einer bedeutenden Industrie
und Handelsplatz. Die Spitzen aus R. werden schon frühe neben veneziani-
schen und genuesischen Arbeiten genannt; indessen ist eine bestimmte Art
heute nicht mehr festzustellen.
Rahmen (lat. : coronix; franz.: cadre, encadrement; engl.: frame), zur
Renaissance und Barockzeit in Nachahmung der plastischen Arbeiten vielfach
in Reliefstickereien und Aufnäharbeiten (s. d.) vorkommend.
Ramagemuster, in der Weberei Bezeichnung für kleine Streumuster aus
verschiedenartigen geometrischen Figuren.
Ramassierschnur, Gavasinschnur, Vorrichtung am Seidenwebstuhle.
Ramen, Coton de Rames, gewöhnliche oder starke Baumwollgarne, die
ihren Kamen von der Stadt Ramiah in Palästina haben und welche früher
nach Marseille in den Handel kamen.
Ramie, auch Rame, s. Chinagras. In China wird die R. noch heute auf
eine den Europäern resp. Fremden nicht zugänglich gemachte, aber manuelle
Art zu feinen Gespinsten und Geweben verarbeitet. In Europa bot früher die
Verspinnung grosse Schwierigkeiten, die erst allmählich durch Erfindung von
Maschinen gehoben sind. (Vgl. Michotte , Traite scientifique et industriel de
industriel de la ramin, Paris 1891.)
Rammeldamast — Ravenna. 417
Rammeldamast (franz. : damasquette ; engl. : Yenetian-stuff). Seidenstoff
aus dem 16. Jahrh.
Ränderstuhl, Wirkstuhl, welcher ausser der gewöhnlichen Nadelreihe noch
eine zweite, der ersteren entgegenstehende, Nadelreihe enthält zur Herstellung
von Ränderwaren.
Rappoltsweiler, Stadt im Bezirk Oberelsass : BaumM'ollwebereien und
Kattunfabriken.
Rapport (vom franz.) , die regelmässige AYiederkehr einer Figur oder
Figurengruppe in einem gewebten, gestickten, gedruckten Muster ; beim Zeug-
druck auch das richtige Aufeinandertreffen der verschiedenen nacheinander
abgedruckten Formen, für welches die Rapportstifte dienen. (Vgl. Passer-
formen.)
Rasch (franz.: rass oder raz ; ital. : raso), im allgemeinen mehrere Sorten
gewöhnlicher^ geköperter Kammgarn-, auch Streichgarnzeuge, welche entweder
glatt gepresst sind und keine Haare auf der Oberfläche haben, teils aber wollig und
ungeschoren sind, auch keine Walke erhalten und je nach ihrer Zurichtung ver-
schieden benannt werden. Früher war R. sehr gangbar zu eigentlichen Kleidungs-
stoffen, worin er jetzt durch andere wollene und halbwollene Stoffe, wie Merino,
Neapolitaine, Bombasin, Kassinet u. s. w. ersetzt wird. Sogen. Tuchrasch oder
Krämpelrasch heisst auch Cadis oder Cadis ras. In Frankreich kennt man
auch seidene und halbseidene Rasche. Florentiner R. ist ein ganz
feiner geköperter Wollenstoff. Velours raz heisst an vielen Orten der unauf-
geschnittene Sammet. Raso ist in Italien die allgemeine Bezeichnung für
den seidenen Atlas. Razetto ist halbseidener italienischer Tapetenatlas.
Rasetti di Cipro die leichten, dünnen A. aus Cypern, Der Name, früher
auch arras, arrasium lautend, ist von Arras abzuleiten. Zur Zunftzeit bildeten
die Raschmacher eine eigene Grruppe der Wollenweber.
Raschau, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau: Spitzen-
klöppelei und Posamentenfabrikation.
Rasenleinen, feines weisses L., das seinen Namen davon hat, weil es
auf dem Rasen gebleicht ist.
Ratines (Ratines, Rateens), sind friesartige, geköperte Wollenzeuge,
deren Haar nicht nach dem Strich gelegt, sondern auf besonderen Maschinen
frisiert, d. h. gekräuselt oder gekhötelt worden ist. Ratines drapees, R.
appretees en drap heissen die franz. wie Tuchrasch, aber fester gewalkten
R.-Stoffe.
Ratiniermaschine oder Frisiermühle, mechan. Vorrichtung zum Rati-
nieren (franz.), d. h. zum Zusammenknoten der Härchen bei tuchartigen Stoffen,
welche als Ratine bezeichnet werden.
Rationale (lat.) Pastorale, ein Prachtstück bischöfl. Messkleidung. Ein
Brust- und Rückenstück von kostbarem gesticktem Stoff ist durch Schulter-
stücke verbunden. Das R. ist nicht mehr in Gebrauch.
Ratti-Coatings sind gewöhnliche, geköperte Wollenzeuge.
Ratzebuhr, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Köslin: Tuchfabrikation und
Wollspinnereien.
Rauf wolle ist Sterblings- oder GrerberAvolle, d. i. Schafwolle von
toten Tieren.
Raumois sind gewöhnliche ungebleichte französische Zwilliche aus der
ersten Heede des Flachses.
Raupenseide, geringe, aus dem G-espinst anderer Raupen als des Seiden-
wurmes gewonnene Seide.
Rauschen, den Golddraht für Gewebezwecke durch die Walzen gehen
lassen.
Rauschtaffet, moderner Kleiderstoff aus Seide und Baumwolle in schrägen,
abgesetzten feinen Köperstreifen gemustert.
Rautenstich, ein Stickstich, welcher kleine Vierecke bildet.
Ravenna, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Königreich Italien:
Seidenbau, Seidenspinnerei und -weberei.
Heiden, Handwörterbuch der Testilkunde. 27
418 Ravensberger Leinen — Regensburg-.
Ravensberger Leinen sind mehrere Gattungen westfälischer fester L., die
unter den Namen bielefelder, herforder, holländische und waren-
dorfer L. nach allen Ländern versandt werden.
Ravensburg, Stadt im württemb. Donaukreis : Flachs- und Hanfspinne-
reien, Baumwoll- und Leinenwebereien, Färbereien und Bleichereien.
Ravenstuch, Ravendoek, eine starke, dicht gewebte, ungebleichte Lein-
wand, welche in verschiedenen Provinzen Russlands gemacht und über Peters-
burg in den Handel gebracht wird. Sie ist leichter und feiner als gewöhn-
liches Segeltuch und daher nur zu Topp-, Boots- und anderen kleinen Segeln
brauchbar. Der Name kommt vom Reö'en oder Zusammenbinden des Segels;
die breite gewöhnliche Sorte heisst in Petersburg Wlamek.
Rayiert (vom franz. raye, gestreift) sind Garne, die streifenweise in ver-
schiedenen Farben gefärbt sind , dementsprechend gibt es seidene Modestoffe
mit Rayestreifen.
Raypour, ostindische Seide.
Reading, Stadt in der engl. Grafschaft Berkshire: Fabriken von Segel-
tuch, Sackleinwand, Sammet imd seidenen Bändern.
Reading, Stadt im nordamerik. Staate Pennsylvanien : Woll- und Baum-
wollindustrie.
Realtuch, Royaltuch, ältere Bezeichnung der feinsten Sorten breiter
märkischer Tuche.
Rechen, Vorrichtung am Webstuhl, welche den Schützen hin und her treibt.
Recouvees (tolles crues), eine Art roter Creas aus Bretagne.
Redekamm, s. Riet.
Redo (lat.), dicker Wollenstoff für die Sattelunterdecke der Pferde.
Redordiendi (ital.) , seidene Strähnen zu entzwimen , wie es nach den
Berichten von Plinius die Frauen im alten Rom an chinesischen Gewändern
taten, um die Fäden neu zu verweben.
Reels sind bunt gestreifte sächsiche Zwilliche. Gewöhnlich ist diese
Ware blau und rot gestreift, auf einem hellen oder dunklen Grunde; die
blauen und roten Streifen sind teils von Baumwolle, teils von Seide, das
übrige Leinen.
Refe, im italienischen Handel der Zwirn.
Refin, im franz. Wollhandel die allerfeinste Sorte Wolle einer besonderen
Gattung, z. B. R. Segovie, die feinste Segoviana u. s. w.
Refleuret, im franz. Wollhandel die Sorte Wolle, welche auf die sogen.
Prime folgt. Doch gilt dies nur in Ansehung der kastilischen und aragoni-
schen W. Bei der aus Roussillon versteht man die feinste Sorte.
Reformees, Toiles reformees, eine Gattung gesuchter Segelleinen aus
Frankreich.
Regatta, moderner Anzugstoff, drellartig, aus Leinen und Baumwolle
gewebt, gewöhnlich blau und weiss gestreift.
Regencestil , in Frankreich unter der Regentschaft des Herzogs von
Orleans (1715 — 1723) ein Uebergangsstil , welcher die etwas steifen älteren
Formen lockert, aber noch nicht der völligen Willkür des Rokoko verfällt.
Von grossem Einfluss auf seine Ausbildung ist die Tätigkeit des Hofbaumeisters
Gilles Marie Oppenort, der seine Studien in Rom machte. Das Stoffmuster
wird wenig davon berührt: nur vereinzelt kommen Gewebe vor, deren Zeich-
nung an jene zierlichen Ornamente erinnert, wie sie in vielen Holzschnitzereien
dieser Zeit auf uns gekommen sind. (Abb. 244.)
Abbildung:
244. Darstellung aus: Cox, l'art de decorer les tissus d'apres les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon PI. LXX: Seidenbrokat, Grund
weisser Atlas, Muster Silber und etwas Gold: Zierliche Ranken sind zu Zickzack-
bändern gelegt, dazwischen Palmetten. Frankreich Anfang 18. Jahrh.
Regensburg, Hauptstadt des bayr. Reg.-Bez. Oberpfalz : war im 2. Jahrh.
n. Chr. Handelsplatz. Unter den Agilolfingern wurde es Hauptstadt Bayerns.
Reggio neir Emilia— Reichenberg. 419
Nach der Entsetzung dieser Dy-nastie (788) erhielt es die Benennung einer
Kgl. Stadt. 739 wurde das Bistum R. durch Bonifacius gestiftet. Vom 11.
bis 15. Jahrh. war R. eine der blühendsten und volkreichsten Städte Süd-
deiitschlands. Die Handelsstrassen nach R. nehmen von Venedig aus unter
Heinrich II. (1000) und dem Schutzrecht Papst Urban II. (1095) ausserordent-
liche Belebtheit an. Seit dem 10. Jahrh. fördern die Züge Otto des G-rossen
die Beziehungen mit Italien, wie den reichen Zufluss von Seidengeweben nach
Deutschland. Im Jahre 1314 soll R. von Lucca aus die Seidenweberei er-
halten haben; doch wird angenommen, dass in R. schon im 10. Jahrh. Halb-
seidengewebe nach orientalischen Mustern hergestellt wurden.
Abb. 244.
yj'
h ..V.
'i/ \;^
Reggio nell* Emilia, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im König-
reich Italien: ansehnliche Seiden- und Bandweberei und Handel mit solchen
Erzeugnissen.
Regnie, Regny, Reygnie, sind gute und dauerhafte Leinen, die im
gleichnamigen Dorfe im franz. Depart. der Rhone aus feinem Hanf gewebt
werden.
Regulator, Vorrichtung am Webstuhl ; er besteht aus einem Räderwerke,
das mit dem Brustbaum in Verbindung steht und durch welches das Auf-
wickeln des Zeuges entsprechend der Geschwindigkeit des Webeprozesses be-
wirkt wird.
Rehna, Stadt in Mecklenburg-Schwerin: 2 Tuchfabriken.
_ Reichenau, Dorf in Sachsen (Amtshauptmannschaft Zittau) : bedeutende
Textilindustrie.
Reichenau, Stadt in Böhmen: k. k. Webeschule; Tuch-, Baumwoll- und
Leinenfabriken, Streichgarnspinnerei.
Reichenbach, im Vogtland (Amtshauptmannschaft Plauen) : Hauptzweige
der Industrie sind Fabrikation wollener und baumwollener Waren, Bleicherei,
Appretur, Färberei, Kammgarn- und Streichgarnspinnerei, AVollkämmerei und
-Wäscherei (zus. etwa 150 Firmen).
Reichenberg, Stadt in Böhmen: Hauptgegenstand der Industrie der Stadt
und ihrer Umgebung (die Dörfer Rochlitz, Katharinenberg, Proschwitz, Maffers-
dorf u. s. w.) ist Fabrikation von Tuchen, Schafwollwaren, Teppichen und
Wollwaren. Die Tuchfabrikation war schon zu Anfang des 15. Jahrh. ein-
gebürgert; 1605 wurde die erste Färberei errichtet. Die Schafwollindustrie
hob sich schnell, seit J. G. Berger 1798 die erste Fabrik erbaute und 1806
420 Reichskleinodien — Reinigen.
die ersten Maschinen aufstellte, hauptsächlich aber durch die Errichtung der
J. Liebiegschen Fabrik. R. liefert jährlich Tuch im Wert von mehreren Mil-
lionen Grulden. Fachschule für Weberei, 1852 errichtet.
Das Nor dböhmische Gewerbemuseum, gegründet 1873, Direktor:
Dr. Gustav Pazurek, besitzt eine umfangreiche geordnete Stoffsammlung.
Reichskleinodien, die bei der Krönung der römisch-deutschen Kaiser
gebrauchten Abzeichen der Kaiserwürde, ursprünglich in der Krönungsstadt
Aachen, später teilweise in Nürnberg verwahrt, seit 1797 in der k. k. Schatz-
kammer in Wien, worunter sich das priesterliche Krönungsomat befindet, dessen
Gewänder reich gestickt sind. Die einzelnen Stücke stammen aus verschiedenen
Zeiten , die gewebten und gestickten Stoffe sind Arbeiten von ' Sarazenen auf
Sizilien (s. Palermo und Stickerei). Das prächtigste Stück darunter ist der
Krönungsmantel von halbrunder Form, der auf purpurroter Seide in Gold und
Perlen gestickt ist und eine symbolische Darstellung von Tierfiguren unter dem
heiligen Baum enthält; derselbe ist 1133 gearbeitet. Vgl. Bock, die Kleinodien
des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, Wien 1860.
Reihenweis versetzt ist ein Stoffmuster, wenn seine Figuren so abwech-
seln, dass unter der Mitte von Endigungen derselben sich die Achsen der
nächsten Reihe befinden.
Reims, Hauptstadt des gleichnamigen Arrond. im franz. Depart. Marne:
bedeutende Textilindustrie in sogen. Reimser Artikeln: Tuch, Flanelle, Meri-
nos, Decken, Strümpfe und andere Wollwaren. In R. und Umgegend richtete
Colbert die Spitzenindustrie mit Hilfe flamändischer und venezianischer Ar-
beiterinnen ein; man arbeitete bis etwa 1675 nach italienischen Vorbildern,
die point de France genannt wurden.
Reinerz, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Breslau: 2 private Webeschulen
und Handweberei.
Reines Fach nennt man es in der Weberei, wenn Ober- und Unterfach
zwei vollständige Ebenen bilden und keine Fäden des oberen in das Unterfach
hineinhängen.
Reinigen , konservieren von älteren Textilien hat Museen und Sammler
sehr beschäftigt, seitdem die Grabfunde aus Oberägypten (s. koptische Textil-
funde) das wertvollste Material für die Geschichte der Textilkunst zutage
fördern, welches ohne vorherige gründliche Säuberung nicht zu bearbeiten ist.
Nicht nur der durch Einbalsamierung und Zersetzung des Leichnams entstandene
süsslich-widerliche Geruch macht den Umgang damit unerträglich, sondern auch
der mit Feuchtigkeiten durchsetzte Staub lassen die den Stoffen erhaltenen
Muster gänzlich unkenntlich erscheinen. Mehr oder weniger haben auch die
Stoffe selbst darunter gelitten: Leinen und Baumwolle weniger, Wolle infolge
seiner Aufnahmefähigkeit aller feuchten Elemente am meisten, und Seide seiner
Zartheit wegen nicht minder. Alle diese Textilien reinigt man am besten ohne
alle Ausnahme mit kaltem Wasser, das je nach dem Zustande der Gegen-
stände mit Karbol, Benzin, Salmiak oder Lysol in geringem Masse ver-
mischt werden kann. Die Reinigung der Seidenstoffe hat natürlich mit
grösster Vorsicht und im einzelnen zu geschehen, während man für die
gröberen und grösseren Stücke ein gemeinsames ordentliches Wannenbad be-
reiten kann, das durch Zu- und Abfluss verbrauchten und reinen Wassers
regulierungsfähig sein muss. Mit dem Abtrocknen verbindet man am besten
das Glätten der Stoffe zwischen grobem Fliesspapier. Aufhängen und Wasser-
ablauf ist dem Zustande der Stücke nicht förderlich; grössere Tücher oder
Gewänder können vor der Behandlung mit Fliesspapier durch weiche Frottier-
stoffe abgetrocknet werden. Seidene Zeuge werden am zweckmässigsten auf
einer stumpfen Glasplatte mit dem Betupfen durch einen Schwamm behandelt;
erträgt es die Faser, so ist dienlich, dem Wasser etwas Seifen- oder Fettgehalt
zuzuführen, um den Stoff für das Ziehen nach der Achse beweglicher zu
machen. Zur Ablösung des Schmutzes muss das Gewebe der Bindung nach
mit dem weichsten Schwamm bestrichen werden. Die Unterlage der Glasplatte
wird die Abspülung durch klares Wasser wesentlich erleichtern, sie ist bei
Reiterfiguren im Stoffmuster — Renaissance. 421
Seidenstoffen um so wichtiger, als dadurch das spätere Ausschwitzen des Salz-
gehalts vermieden wird. Allen gereinigten Stoffen ist ein einmaliges festes
Anpressen und leichtes Plätten zwischen Papier und Leinenstoffen von grossem
Nutzen, indessen soll das Trocknen derselben nur mit leichter Bedeckung ge-
schehen. Festere Stoffe bewahren die Museen gewöhnhlich aufgenäht auf Leinen
in leichten Holzrahmen auf, ebenso leichtere Grewebe, welchen man zum Schutz
der rechten Seite Gelatinepapier überlegt. Sehr brüchige Seidenstoffe bewahrt
man am besten zwischen zwei dünnen Glasplatten. Ygl. auch: Fr. Rathgen,
Die Konservierung von Altertumsfunden, Berlin 1898, S. 13L Die Reinigung
grösserer Textilien, wie der Wandteppiche und dergleichen künstlerische
Ausstattungen des Wohnraumes steht oft im Zusammenhange mit einer Aus-
besserung derselben, die am besten von sachkundiger Hand geschieht. Für
Gobelins und Verwandtes hat in neuer Zeit die besten Erfolge aufzuweisen die
Berliner Gobelinmanufaktur von Ziesch & Co., welcher u. a. auch die Wieder-
herstellung der berühmten Wandteppiche (s. d.) aus den kgl. preuss. Schlössern
in vorzüglicher W^eise gelungen ist. A^gl. W. Ziesch & Co., Berlin SO.,
Anleitung zur sachgemässen Behandlung alter echter Gobelins und Paul
Hirschfeld, lieber die Kunst der Gobelinweberei, zur Erinnerung an das
25jährige Bestehen der Berliner Gobelinmanufaktur W. Ziesch & Co., Berlin
1904. — lieber das Reinigen und x\.usbessern von Spitzen vgl. Tina Frau-
berger, Handbuch der Spitzenkunde, Leipzig 1894, S. 199 ff.
Reiterfiguren im Stoffmuster erscheinen im frühen Mittelalter, besonders
auf Geweben der sassanidischen Periode des 6. — 8. Jahrb.; gleichzeitig auch
anf Wirkereien, die aus koptischen Funden (s. d.) stammen. Zunächst sind
es Könige, welche dargestellt werden, deren Bezeichnung nach bestimmten
Perioden möglich ist durch den Kopfschmuck im Vergleich mit sassanidischen
Münzen. Andere R. sind durch beigegebene Attribute auf Darstellungen von
Märtyrern zurückzuführen. (Vgl. den Artikel Georg und die Abb. 1 auf Taf. II,
3 und 7 auf Taf. I, ferner Abb. 167.)
Reliefspitzen (ital. : punti a rilievo), venezianische Spitzen mit erhabenen
oder auch völlig frei gearbeiteten Blumen.
Reliefstickerei, s. Stickerei.
Reliquienhüllen, d. s. Umwickelungen von Knochenresten heilig ge-
sprochener Märtyrer , haben für die Geschichte der Textilkunst insofern Be-
deutung, als uns in ihnen gewöhnlich die Muster jener Zeit der Heiligsprechung
enthalten sind: viele der frühmittelalterlichen Beläge für Kunstweberei ver-
danken wir ihrer Erhaltung.
Remise, le (franz.), am Webestuhle die Gesamtheit der Schäfte ein-
schliesslich der Vorrichtung zum Aufhängen derselben.
Rempli, le (franz.), das Herstellen der Füllmuster in den Hauptformen
der Nähspitzen.
Renaissance (franz.), (ital. : il rinascimento ; engl. : renaissance , revival
style) , die Wiederaufnahme oder „Wiedergeburt" der antiken Kunstformen.
In der allgemeinen Kunstgeschichte als die „Kunst der neueren Zeit" be-
zeichnet, beginnt in Italien bereits im Anfange des 15. Jahrb., in Deutschland
erst 100 Jahre später. Mit der Wiederaufnahme des Quellenstudiums der ur-
sprünglichen Werke antiker Kunst kehrt man gleichzeitig zur Beobachtung
der Gebilde in lebender Natur zurück, und diese Vereinigung beider Elemente
führt zu einem höchst geistvollen Ganzen, dessen Wesen sich in knapp be-
messenen und dem Gegenstand zierlich angepassten Formen äussert. Der
eigentliche Ursprung dieser Umbildung der Formensprache in der Kunst ist
in allgemeinen äusseren Zuständen jener Zeit zu suchen, worauf zunächst die
Kirche von bedeutendem Einfluss war. Um die Wende vom 12. zum 13. Jahrh.
hatte die religiöse Begeisterung ihre stärkste Machtentfaltung erreicht: sie
erfüllt alle Gemüter und bestimmt alle Handlungen , sie findet in den Kreuz-
zügen — deren letzter in das Jahr 1270 fällt — ihren deutlichsten Ausdruck.
Eine Gegenströmung macht sich zunächst seitens der weltlichen Herrscher
geltend, welcher die geistige Auflehnung Einzelner folgt als Vorboten jenes
422
Renaissance.
Abb. 245.
tiefereu ernsteren Umschwunges, der auf eine Erneuerung des religiösen Lebens
drang und schon im späten Mittelalter anfängt, sich auch im künstlerischen
Leben zu äussern. Der Trieb nach Freiheit und Selbstbestimmung findet aber
noch weitere Nahrung durch andere grosse Ereignisse, wie sie in der Erfindung
der Buchdruckerkunst, in der Entdeckung Amerikas, sowie auch in der Erobe-
rung Konstantinopels durch die Türken die Zeit bewegten, welche einen Strom
griechischer Bildung nach dem Abendlande führte, der dem dort lebhaft er-
wachten Sinn für die Antike reiche Nahrung zutrug.
In Italien, wo die nordische Grotik geleistet hatte, was sie zu leisten ver-
mochte, bedurfte es keiner übergrossen Begeisterung für die Antike, um mit
den mittelalterlichen Traditionen zu brechen, denn — wie Wilhelm Lübke
sagt — „so tief lag der Greist der antiken Kunst noch immer im Genius des
Volkes, so eindringlich predigten die Denkmäler, selbst in arger Verstümme-
lung, ihre unvergängliche Schönheit."
Die erste Periode der neu erstandenen Kunst, die italieni s che Fr üh-
renaissance (1420 — 1 500), ist in der Architektur charakterisiert durch freie
Aufnahme antiker Formen und Vermischen mit mittelalterlichen Elementen:
es ist die Zeit der ungebundenen Schaff'ens-
lust, die sich durch Frische und Unmittel-
barkeit auszeichnet.
Die italienische Hochrenais-
sance (1500 — 1550) basiert auf einem
gesichteten Studium der Antike; letztere
wird streng nachgeahmt. Das Ornament
bekommt einen grösseren Massstab und
ein besseres Verhältnis zum Ganzen, ver-
liert aber an Frische und Zierlichkeit;
es strebt mehr nach lebhaftem Ausdruck
und malerischer "Wirkung.
Die deutsche Renaissance
bildet sich in dieser Zeit zugleich mit
der französischen, indem um das Jahr
1520 die Formen der italienischen Re-
naissance einen allgemeinen und schnellen
Eingang finden.
Die Spätrenaissance (1550
bis 1700) geht in allen Kulturländern
ziemlich gleichartig weiter in dem Be-
streben, durch Fülle und Pracht starke
Eindrücke hervorzubringen, und entwickelt
sich im 17. Jahrh. zum Barockstil (s. d.).
Die technische Ueb erlief er ung des
Mittelalters bildet die Renaissance in allen
Zweigen des Kunsthandwerks zur höch-
sten Vollkommenheit aus, wobei den tex-
tilen Künsten hinsichtlich der gänzlich
neuen Umgestaltung der Innenräume
grosse Aufgaben zufielen. Vor allem gibt neben dem Holzgetäfel in be-
scheidener Höhe der AVand einen Teil des Schmuckes der gewebte Stofi".
Genua, Venedig und Florenz stellen Tapeten aus Sammet, Seide, Gold- und
Silberfäden her, welche als Füllung zwischen die Pilaster mit kleinen Säulchen
eingelassen werden; ihre Muster sind zu diesem Zwecke eigens ohne seitlichen
Ansatz komponiert, weil ihre Wirkung nur auf eine Bahnbreite berechnet ist
(Abb. 245). Ueber dem Getäfel erheben sich in grösseren Prachträumen
herrliche Teppiche in Hautelisseweberei, deren Musterung im Sinne altpompe-
janischer Wandmalereien den Blick weit aus dem begrenzten Raum hinaus-
führen in blumenbekränzte Hallen (Abb. 246). Ebenso dienten Gobelins,
Stickereien und gewebte Stoffe als Vorhänge vor Türen und Fenstern, in welcher
Renaissance.
423
Verwendung sie oft nur eine Fortsetzung der Wandbekleidung waren. Auch
sonst wurde mit Teppichen und allerlei Geweben im vornehmen Hause ein
grosser Luxus getrieben. Reich gestickte Decken in Stramin und Aufnäharbeit
aus Tuch, Sammet und Seide (Abb. 247) hingen von einfacheren Tischplatten
bis auf den Boden hinab. Die Yerbinduno- der italienischen Seestädte mit dem
424
Renaissance.
Orient kam der V^orliebe für orientalische Knüpfteppiche und Textilien anderer
Art zn Hilfe. Wenn auch die oberitalienischen Städte kostbare Artikel in
Sammet, Seide und Brokat lieferten, welche als Handelsartikel durch alle
Lande gingen, so konnten doch dem echt künstlerischen Geschmack, wie er
dem 16. Jahrh. eigen war, die dekorativen Vorzüge der orientalischen Original-
stoffe nicht entgehen. Derselbe Oeschmack ging auch nach dem Norden hinüber;
wie sehr er hier blühte, zeigen uns die Bilder Holbeins und holländischer
Maler dieser Zeit. Die Sitzmöbel, welche im Mittelalter nur mit Decken oder
losen Kissen belegt waren, erhielten eine feste Polsterung, die nächst dem Leder
auch aus gewebten und gestickten Ueberzügen bestand. Die Kissen kamen
Abb. 247.
dabei aber nicht aus der Mode, sondern finden auf Bänken und Truhen noch
reichlich Verwendung. Gelegenheit zur textilen Ausstattung bot das Bett der
Renaissance, das im vornehmen Haus als ein Kunstwerk und Schmuck der
Wohnung betrachtet wurde. Es behielt seine Gestaltung als Himmelbett von
früher her; nur die Ausbildung war freier und künstlerischer. Ein aus Sammet
und Seide bestehender Baldachin, der auf der unteren Seite bestickt war, r^hte
auf vier karyatidenartig oder als Säulen gestalteten Pfosten; schwere Vorhänge
schlössen rings die vier Seiten ab und waren mit Eransen oder Gold- und
Silberspitzen garniert. Gestickte Decken lagen über den Kissen, seit dem
Ende des 16. Jahrh. aber auch Spitzendecken der kostbarsten Art von der
ganzen Länge und Breite des Bettes. —
Das Webemuster der Frührenaissance bleibt von antiken Elementen
Renaissance.
425
so gut wie unberührt, es behält vielmehr das Grranatapfelmuster (s. d.) Greltung,
das sich erst am Anfange des 16. Jahrh. allmählich zur gebundenen Palmetten-
bildung schliesst (Abb. 105), dem sich vereinzelt, wenn die spätgotische Eose
mit Blattwerk und Strauss aufwächst (Abb. 102), die Vase in spitzovalen Feldern
einordnet (Abb. 5, Taf V). Die spitzovalen Felder werden zunächst gebildet
aus breiteren Flechtbändern, welche durch Ejiäufe verbunden sind. Dieser
allgemeine Typus des RenaissancestofFmusters macht bis zum Barockstil viele
AYandlTingen durch, worin bald die Vase mit reich entwickeltem Strauss aus
orientalisierenden Blumen (Tul-
pen, Nelken) vorherrscht und die Abb. 248.
früher festere Bandeinschliessung
sich lockerer aus Blättern und
Ranken gestaltet (Abb. 248), eine
x^rt der Mustergebung, die gleich-
zeitig in Italien und Spanien ver-
treten ist. Daneben sind Stoffe
erhalten, deren Zeichnung auf freie-
ren, rein italienischen Ursprung
schliessen lässt, denn ihre Einzel-
hei.ten; die Maske (Abb. 249), der
Delphin (Abb. 250), der Akanthus
(Abb. 6 auf Taf. Y), die gebuckelte
Yase, dazwischen Grreifen und ge-
flügelte Yogelgestalten (Abb. 245)
verraten das antike Element. "Wie
weit bei diesen Stoffen der Re-
naissance neben Italien andere
europäische Länder, wie Frank-
reich, die Niederlande u. s. w. an
der Fabrikation beteiligt sein mö-
gen, wird kaum mit Sicherheit
festzustellen sein, weil Material,
Technik und Musterung zu dieser
Zeit mehr oder weniger auf ita-
lienische Einführung zurückzufüh-
ren sind.. Eine Ausnahme hiervon
macht Spanien, das seine mauri-
schen Elemente lange Zeit hin-
durch im Stoffmuster ' bewahrt.
Auch technisch ist eine Grruppe
von Geweben beson(^rs gekenn-
zeichnet. Dieselben bestehen ge-
wöhnlich aus festem rotem (seltener grün) Seidengrund, der mit feinen ge-
zogenen Gold- und Silberfäden durchwirkt ist; das Muster selbst ist weiss
mit Silber und gelb mit Gold und enthält in spitzovalen Feldern aus ge-
schuppten Bändern (Abb. 251) oder spitzigen Blättern (Abb. 252), spitzovale
Palmettenblüten, die den frühorientalischen Ursprung nicht verleugnen können.
Ferner sind Yerbindungsranken und das Füllwerk im Charakter der Arabesken,
sowie einzelne gewürfelte Flächen innerhalb der klar abgesetzten Figuren
bezeichnend für die spanische Herkunft. In gleicher Technik sind aus Spanien
wieder Muster mit der Blumenvase in geschlossenem spitzovalem Felde erhalten;
immer aber wird die strengere Formengebung darin sich unterscheiden vcfn der
weichen Linienführung des italienischen Zeichners.
Eine durchgreifende Aenderung im Stoffmuster vollzieht sich nach der
Mitte des 16. Jahrhts., wozu die Einführung der spanischen Tracht beiträgt.
Während man früher keinen Unterschied zwischen dem Muster für die Tapete
und dem des Gewandes machte — noch Crivelli malt eine Yenezianerin im eng
anschliessenden Kostüm, das aus grossem Granatapfelmuster geschnitten ist;
426
Renaissance.
vgl. Abb. 108 — scheidet man jetzt zwischen Kleider- und Tapetenstoff. An-
fangs gestalten sich die bisher üblichen Muster aus spitzovalen Feldern mit
Yasen (Abb. 253) oder Palmettenblüten (Abb. 58 u. 225) kleiner; nur dass in
Abb. 249.
letzteren öfter die Mittelfiguren in der Richtung wechseln, in stilistischer Erkennt-
nis, dass das Muster des Kostüms nicht an ein Oben und Unten gebunden ist.
Gegen Ende des 16. Jahrh. hört die Teilung in den Kleiderstoffmustern auf,
es erscheinen kleine Palmetten (Abb. 1,
Abb. 250.
yj-' %
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3, 11 auf Taf. V) und geometrische
Figuren,, die reihenweis versetzt sind,
und im 17. Jahrh. beherrscht das Streu-
muster aus kleinen Blütenzweigen dieses
Gebiet (Abb. 254 u. 255) der textilen
Fläche.
Die Technik der Sammet-
Weberei steht in der Penaissancezeit
auf höchster Stufe. Sowohl die Tapeten-
stoffe mit ungeschnittenen und geschnit-
tenen Flächen auf Atlas- und geripptem
Seidengrund, wie auch die kleinmusteri-
gen Zeuge bringen in vielseitiger Ab-
wechselung reizvolle Muster zur Dar-
stellung. Die Verwendung von Gold-
und Silbergespinst in gezogenen ^nd
übersponnenen Fäden erhöht die Wir-
kung, wobei jedoch nirgends durch über-
mässige Vergeudung des glänzenden Ma-
terials die Grenzen der Vornehmheit im
Charakter des Ganzen überschritten sind.
Auch die stumpfen Grundgewebe der
JRenaissance.
427
Abb. 251.
Abb. 252.
Abb. 253.
Abb. 254.
428 Renaissance.
Trachtenstoffe sind durch leichten Durchschuss aus schmalem Grold- und Silber-
lahn wirksam belebt. In Spanien werden Seidenstoffe mit kleinen geometrischen
Mustern erzeugt, die inmitten ungeschnittener Noppen lose Fädenbüschel aus
Seide hängen lassen: d. i. velours ä moustaches (Schnurrbartsammet).
Als neues Dekorationsmittel kommt die Sammetpressung auf, durch
welche der Musterung in scharfen TJmrisslinien noch weniger Grrenzen gezogen
sind, als in der Weberei (Abb. 8 auf Taf. Y); man benutzt hierzu mit Vor-
liebe auch die Sammete der gotischen Zeit, auf deren weit geschnittene Fläche,
ohne Rücksicht auf die darin enthaltenen grossen Bogenlinien der Granatapfel-
umrahmungen, das Muster des neuen Stils gesetzt wird. (Abb. 1 auf Taf. lY.)
Die Damastweberei in Seide stellt prächtige Tapetenstoffe und
Kleiderzeuge aus dem besten Material her, indessen bleiben die darin möglichen
Effekte erst der späteren Zeit vorbehalten. Auch das Broschieren in Seiden-
Abb. 255.
und Goldfäden wird in dieser Periode nicht übermässig ausgenützt, weil grössere
Muster auf Gesamtwirkung in breiteren Linien angelegt sind und den Kostüm-
stoffen unnützes Beschweren ihrem Gebrauch hinderlich wäre. Den weichen
Atlas Stoffen, die nur durch die Güte ihres Materials und durch die Leuchtkraft
ihrer Earbe im eng anschliessenden Gewände wirken sollen, gibt man eine
künstlerische Belebung durch das Schlitzen, welches mittels Eisen oder
scharfer Messer geschieht: es entstehen längliche oder quadratische Bisse, die
durchgehen oder die obere Fadenschicht des Gewebes nur lockern, wodurch
der Stoff in ähnlicher Weise gemustert wird, wie der gewebte velours ä mou-
staches (Abb. 87).
Gewebe aus Leinen, Baumwolle und Wolle, z. T. mit S^ide
gemischt, erscheinen zur Benaissancezeit in gleicher Musterung wie die Stoffe
aus edlerem Material, und man wird hierbei am ehesten geneigt sein, viele der-
selben für Erzeugnisse ausserhalb Italiens und Spaniens zu halten. An be-
sonders grossmusterige Stoffe ist dabei nicht zu denken, es handelt sich um
solide Webwaren, die in den nördlichen und nordwestlichen Ländern Europas
für den eigenen Bedarf hergestellt und dort verwendet wurden, wo die Mittel
Renaissance. 429
versagten , in dem Masse die Häuslichkeit und eigene Person auszustatten,
wie es in Italien und Spanien geschah. (Vgl. Abb. 9, 10, 12 auf Taf. Y.)
Und doch hat auch diese Gruppe von Stoffen ihren eigenen Reiz, die selbst,
wie die vorkommenden Hohlgewebe aus Seide und Baumwolle zeigen (Abb. 116),
technischer Eigentümlichkeiten nicht entbehren. Dazu gehört auch jene Art
der Gewebe, deren durchgehendes Muster, durch wechselnde Schussfarbe an
beliebigen Stellen in Streifen unterbrochen wird (Abb. 204).
Einen breiten B,aum nehmen die Stickereien der Renaissance
ein. Da tritt zunächst die vornehme Pracht der Kirchenausstattung in den
Vordergrund (s. kirchliche Wirk- und Stickmuster), wozu die Aufnäharbeit
(s. d.) Muster von höchster Schönheit erstehen lässt, die den dekorativen Sinn
der Zeit so recht zum Ausdruck bringen. (Vgl. Taf. IX.) Stickereien in
aufgenähten Goldfäden und im Plattstich auf Sammet-, Atlas- und Seidenstoffen
schliessen sich diesen gleichwertig an, wobei in Rücksicht auf die ungebundene
Freiheit der Handarbeit im Zusammenhange mit edlem Material und Farben-
sinn die wunderbarsten Werke der Kleinkunst geschaffen werden, die unüber-
trefflich erscheinen, deren gefällige Art und Weise sich überträgt auf das
weite Gebiet der Leinenstickerei (s. d.) und vor allem auf die zartesten Schöp-
fungen italienischer Renaissance: die Spitzen (s. d.). Die Mustergebung
in den Handarbeiten der Renaissance ist deshalb eine so vielseitige und lehr-
reiche, weil hiermit neue Gebiete der verzierenden Künste erschlossen, ältere
erweitert werden und beides unter vornehmer Berücksichtigung des Zweckes
geschieht, dem sie dienen sollen.
Abbildungen:
245. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Tapeten-
stoff, Grund gelbe gerippte Seide, ehemals mit Goldlahn durchwirkt, symmetrisches
Muster aus Akanthusranken, welche zu Voluten aufgerollt sind; dazwischen gebuckelte
Vasen, Greifenköpfe und Vögel. Italien 16. Jahrb.
246. Darstellung eines in Haute-lisge- Arbeit gewirkten Wandteppichs nach einer
Photographie aus dem Kunsthandel; Original: Brüssel 16. Jahrb., im Besitz der spa-
nischen Krone. .^
247. Originalaufnahme wie 245: Viertel einer Tischdecke, Aufnäharbeit auf rotem
Tuch in gelbem Sammet und weissen Schnüren: Bänder mit Ranken aus Akanthus-
blattwerk büden einen Mittelstern, welcher nach den vier Ecken in volutenartig ge-
schwungenen Ranken mit Blüten ausläuft. Die Aufnäharbeit ist durch überstickte
Flächen unterbrochen. Venedig ^16. Jährh.
248. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Seidenstoff, Grund rot, symmetrisches Muster gelb : Verschlungene Blätter, durch Knäufe
verbunden, bilden spitzovale Felder, in deren jedem eine gebuckelte Vase mit Blüten-
strauss. Spanien 16. Jahrh.
249. Darstellung aus: Cox, l'art de decorer les tissus d'apres les collections du
musee historique de chambre de commerce de Lyon, Paris 1900, PI. XLIV: Seiden-
stoff, Grund roter Atlas, symmetrisches Muster gelblich und mit Gold und Silber durch-
wirkt: Bänder und geschwungene Blätter, durch Masken und Knäufe verbunden, bilden
Felder, in welchen abwechselnd eine Blumenvase und ein Palmettenstrauss , über dem
letzten aufsteigende geflügelte Drachen. Italien 16. Jahrh.
250. Darstellung wie vorher, PI. XLV: Seidenstoff, Grund weiss, symmetrisches
Muster rot, reihenweis geordnet: Paarweis verbundene Delphine bilden herzförmige
Felder, in welchen je eine Vase mit palmettenförmig geordneten Aehren: dazwischen
kleine Blütenpalmetten Italien 16. Jahrh.
251. Originalaufnahme wie 248: Seidenbrokat, Grund rot, symmetrisches
Muster weiss, gelb und rot, mit gezogenen Metallfäden durchwirkt: Schuppenbänder
und Knäufe bilden spitzovale Felder, in welchen herzförmig spitzovale Palmetten und
Arabeskenranken. Spanien 16. Jahrh.
252. Originalaufnahme wie 248 : Seidenbrokat, Grund rot, symmetrisches Muster
gelb mit Gold durchwirkt: Spitziges Blattwerk und breite Arabeskenbänder, durch
Fnäufe verbunden, bilden Felder, in welchen spitzovale Palmetten. Spanien 16. Jahrh.
253. Originalaufnahme wäe 248: Sammetstoff, Grund w^eiss, ehemals leicht mit
Silberlahn durchwirkt, symmetrisches Muster grün, geschnitten und ungeschnitten:
Gewürfelte Bänder, durch Knäufe verbunden, bilden gedrungene spitzovale Felder, in
deren jedem eine Vase mit Blüten. Spanien Ende 16. Jahrh.
430 Renaissance.
254. Originalaufnahme wie 248: Sammetstoff, grün, Grund ungeschnitten, darauf
geschnitten und uDgeschnitten: Streumuster aus reihenweis versetzten und wechselnden
ßliitenzweigen. Italien 17. Jahrh.
255. Originalaufnahme wie 248: Seidenstoff, Grund rot, Cluster gelb: reihenweis
wechselnd nach oben und unten gekehrte ßlütenzweige. Spanien 17. Jahrh.
Abbildungen auf Tafel V (Webereien der Renaissance). Original-
aufnahmen aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
1. Sammetstoff, violett, Grund ungeschnitten, symmetrisches Muster geschnitten:
Kelchförmige Palmetten in spitzovalen Feldern aus geschwungenen Palmetten. Italien
oder Spanien Ende 16. Jahrh.
2. Sammetstoff, blau, Grund Atlas, symmetrisches Muster geschnitten und un-
aeschnitten: Doppelbänder mit Flechtwerk, durch Knäufe verbanden, bilden spitzovale
Felder, in welchen je ein palmettenartiger Blütenstrauss. Spanien 16. Jahrh.
3. Sammetstoff, Grund weisser Atlas, wodurch das Muster auf höher liegender
Fläche in geschnittenem rotem Sammet mit ungeschnittenen Umrisslinien gebildet wird :
Kleine Palmetten an geknickten Bändern. Italien Ende 16. Jahrh.
4. Sammetbrokat, blau, Grund gerippt, mit Silberfäden durchwirkt, Muster ge-
schnitten und un geschnitten: Rundlich gelegte Schuppenbänder bilden Felder, welche
durch stilisierte ßlütenzweige gefüllt werden. Frankreich (?) 16, Jahrh.
5. Seidenstoff, Grund grün, symmetrisches Muster rötlich weiss: Flechtbänder
bildep. Felder, in welchen abwechselnd je eine gebuckelte Vase mit stilisiertem ßlüten-
strauss. Italien oder Spanien 16. Jahrh.
6. Sammetstoff braun, Muster gerippt, symmetrisches Muster geschnitten und
ungeschnitten: Zu Voluten geschwungene Akanthusranken endigen in Blüten. Italien
16. Jahrh.
7. Seidendamast , hellblau , Muster aus reihenweis nach rechts und links ge-
schwungenen grossen und kleinen ßlütenzweigen. Italien 17. Jahrh.
8. Sammetstoff, grün, Muster gepresst: Schräg gelegte Aeste bilden Rauten-
felder, in welchen je eine Blütenpalmette. Utrecht (?) 17. Jahrh.
9. Stoff aus Leinen und Baumwolle, weiss und blau: Zu Voluten aufgerollte
Ranken enthalten stilisierte Blüten. Süddeutschland 17. Jahrh.
10. Stoff aus ßaumw^olle und Wolle, weiss, rot und grün: Wellig aufsteigenden
Ranken entsteigen in Reih^ geordnete Rosettenblüten. Süddeutschland 17. Jahrh.
11. Sammetstoff, braun, Grund Atlas, symmetrisches Muster geschnitten und
ungeschnitten: ßlütenpalmetten in Rautenfeldern aus Zweigen und Sternen. Italien
17. Jahrh.
12. Stoff aus Baumwolle und Wolle, weiss, grün und rot: Reihen weis versetzte
kleine Blüten. Süddeutschland 17. Jahrh.
Abbildungen auf Tafel IX. (Aufnäharbeiten der Renaissance.) Original-
aufnahmen aus der Sammlung der Städtischen Höheren Webeschule in
• Berlin:
1. Querlaufende Borte, Aufnäharbeit auf gelbem Atlas in farbigem, vorwiegend
violettem Sammet und weisser loser Seide als Umrandung: Von einem Ast ausbiegendes
Blattwerk und Ranken. Gelbseidene geknüpfte Franse als unterer Abschluss. Italien
16. Jahrh.
2. Querlaufende Borte, Aufnäharbeit auf weisser Seide in bunter Seide und
Goldschnur: symmetrische Ranke aus Kelchpalmette, Blattwerk und Blüte. Spanien
16. Jahrh. ' ^ : :
3. Geschweiftes Feld eines Lambrequins, Aufnäharbeit auf rotem Tuch in weissem
Seidenband: Herzförmiges Feld aus geschwungener Ranke. Deutschland um 1700.
4. Rechteckiges Feld, Aufnäharbeit auf Seide in. farbigem Sammet, Gold und
Silber: Breiter Rand aus rundlich gelegter Ranke mit stilisiertem Blattwerk. Italien
17. Jahrh.
5. Kragen eines Kirchengewandes, Aufnäharbeit auf rotem Sammet in gelbem
Seidenbrokat mit silberübersticktem Leinenrips und Goldschnur: Einer MittelpaMette
entsteigen Blattranken. Franse und Schnur als Abschlusskante. Spanien 16. Jahrh.
6. Rechteckiges Feld als Aufsatzstück eines Levitenrockes, Aufnäharbeit auf
gelbem Atlas in rotem Sammet und bunten Atlasstoffen, mit Goldschnurumrandung:
I H S (Abkürzung von „jhesus") im Dornenkranz und von Blattwerk und Arabesken
umgeben. Italien oder Spanien 16. Jahrh.
7. Aufsteigende Borte, Aufnäharbeit auf grünem Sammet in gemustertem Brokat-
Renaissancestickerei — Reutlingen. 431
Stoff, Silber- und Groldschnüren : Symmetrisch verbundenes Rankenwerk; dazwischen
Vasen und Vögel. Italien 16. Jahrh.
8. Aufsteigende Borte, Aufnäharbeit auf weissem Atlas in farbigem Atlas und
braunen und gelben Schnüren als Umrandung! Zu kelchartigen Blattpalmetten sym-
metrisch verbundene Ranken. Italien 17. Jahrh.
9. Querlaufende Borte, Aufnäharbeit auf weissem Seidendamast in hellbraunem
Sammet, mit Umrandung von gelber Schnur. Umschlagendes Rankenmuster in sym-
metrischer Anordnung, wobei einmal der Sammet, das andere Mal der weisse Grund
als Negativ des ausgeschnittenen aufliegenden Stoffes. Spanien 16. Jahrh.
10. Querlaufende Borte, Aufnäharbeit auf blauem Atlas in gelbem Goldbrokat-
stoff, mit Umrandung von Goldfäden: Nach oben und unten gekehrte Palmetten, wo-
bei einmal der Brokat, das andere Mal der unterlegte blaue Atlas als Negativ des
ausgeschnittenen aufliegenden Stoffes das Muster bildet. Die Abschlusskante aus flecht-
werkartig gestickten Goldfäden. Spanien 16. Jahrh.
IJ. Querlaufende Borte, Aufnäharbeit auf schwarzer Seide in weissem Leinen
und Goldstickerei in Anlehnung an venezianische Reliefspitzen: Rankenwerk und Blüten,
dazwischen Vögel. Italien (Venedig?) 17. Jahrb.
12. Rechteckiges Feld als Aufsatzstück eines Levitenrockes, Aufnäharbeit auf
rotem Sammet in gelbem Brokat und Goldschnur: Cartoucherahmen und Arabesken-
blattwerk, in Mitte eingesetztes Lilienkreuz. Spanien 16. Jahrh.
Renaissancestickerei, moderne Bezeichnung für eine Art der Weiss-
stickerei, deren Muster, aus ausgeschnittenem Leinen, nach allen Seiten mit
Languettenstichen begrenzt und wieder untereinander mit glatten, geschlungenen
Stäbchen verbunden sind: es ist eine Nachahmung von Spitzenarbeit, die an
Madeirastickerei erinnert.
Rendsburg, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Schleswig: Wollspinnereien und
Baumwollweberei.
Renforce, Teile r., eine starke und dichte Leinwand aus Frankreich für
Segeltuch. Elsasser R. , auch Madapolam genannt , ist dicht gewebte feine
Leinwand.
Rentoilieren (vom franz.), auf neue Leinwand bringen.
Reppen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Frankfurt a. 0.: Wollspinnereien
und Tuchmacherei.
Repsgewebe, s. Rips.
Requets (franz)., sind weisse Leinen zu Betttüchern, groben Handtüchern
u. s. w. aus Vitre. .
Rescht, Hauptstadt der persischen Provinz Grhilan : umfangreiche Seiden-
weberei und Stickerei, Erzeugung von Tuchmosaiken.
Reseau (franz.), Netzwerk, Maschengrund; der Ausdruck soll sich in
den Archiven von Alen§on im Jahre 1717 zum erstenmal befinden.
Reservage (Reservepapp), bezweckt im Zeugdruck auf mechanischem und
chemischem Wege das Eindringen des Farbstoffes oder des Beizmittels in
das ungefärbte oder gefärbte Gewebe an denjenigen Stellen zu verhindern,
welche von ihm bedeckt sind.
Rete (lat.), netzförmiges, seidenes Ornament.
Rethel, Hauptstadt im gleichnamigen Arrond. des franz. Depart. Ar-
dennes: Kammgarnspinnerei, Shawls- und Tuchfabriken, welche die feinsten
Merinotuche liefern. .
Reticeila (ital.) , Stern- oder Netzspitze von reticello = Netzarbeit , als
Verkleinerungswort von rete = Netz (s. Spitzen).
Reticulum (lat.), Netz, Netzarbeit, Häkelwerk, das Haarnetz der alten
Römerinnen. Daher franz. reticule, umgestaltet in redicule, Arbeitsbeutel der
Frauen, Strickbeutel.
Reuss, Stadt in der span. Prov. Tarragona: 80 Baumwollspinnereien,
5000 Webstühle, Seidenspinnerei und -weberei, Leinen- und Bandfabriken.
Reutlingen, Haupt- und Oberamtsstadt in Württemberg : Textilindustrie
in allen Zweigen; es bestehen sehr grosse Baumwollenwebereien, Trikotwebe-
reien, Wolle- und Baumwollspinnereien, Zwirnereien, Webereien für wollenen
Schuhstoff, Plüsch u. dgl., Färbereien, Fabrikation von Strickmaschinen, Rund-
432 Reveche— Riffel.
stuhlwaren, Tuch- und Metalltuch. Fachschule für Spinnerei, Weberei und
Wirkerei. Frauenhandarbeitsschule.
Reveche, auch Reverse, ein dem Flanell oder Fries ähnlicher, starker,
ungeköperter, ganz locker gewebter Wollenstoff, lang gerauht, der in vielen
Gegenden Frankreichs gewebt und für ärmere Klassen zur Kleidung ver-
braucht wird.
Revennes, eine starke zu Segeltuch gebräuchliche schlesische und böh-
mische Leinwand.
Rheahanf (Kanthura- oder Kalluihanf). Die Faser der in Ostindien
heimischen Pflanze Rhea (Urtica) tenacissima, dem Ramiehanf ähnlich, aber
als Gespinstfaser weniger wertvoll als dieser.
Rheine, Stadt im preuss. Reg.-Bezirk Münster: 6 Baumwoll- und 1 Jute-
spinnerei.
Rheineck, Rheinegg, Stadt im Schweiz. Kanton St. Gallen: Baumwoll-
industrie (Stickerei, Zwirnerei) und Fabrikation von Seidenbeuteltuch.
Rheinische Wolle nennt man eine einschurige , gewöhnliche langhaarige
W. aus den Rheingegenden, die für französische, englische und holländische
Manufakturen aufgekauft und zu verschiedenen Zeugen verarbeitet wird.
Rheinisch Garn, aus einschuriger langer, gekämmter Wolle gesponnenes
Garn, welches früher nur am Rhein gemacht wurde, jetzt aber auch aus Thü-
ringen und Sachsen kommt.
Rheonin, ein aus Auramin dargestellter, braungelber künstlicher Farb-
stoff, welcher im Kattundruck Verwendung findet.
Rheydt, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Seiden- und Sammet-
fabriken, Baumwollspinnereien und Webereien, Färbereien.
Riabauls, smals, grobe weisse Kattune, welche früher die Engländer aus
Ostindien brachten.
Ribben ist eine Behandlung, welcher man in einigen Gegenden den Flachs
unterwirft, entweder nach dem Schwingen oder anstatt desselben; es geschieht
mit dem sogen. Ribbemesser.
Ribdelüre war früher in Frankreich als ein ripsartiger Stoff bekannt.
Ribe (Ripen), Hauptstadt des gleichnamigen dänischen Amts: Dampf-
baumwollweberei, Leinenweberei.
Ribetillos ist die Bezeichnung an der Westküste Amerikas für Seiden-
und Sammetbänder.
Ricamere (ital.), und recamar (span.) = sticken.
Richelieustickerei, moderne Bezeichnung für eine Art der Weiss Stickerei
mit Reliefumrandung, deren Ursprung auf eine Nachahmung der venezianischen
Reliefspitzen zurückzuführen ist (s. a. Elfenbein- und Renaissancestickerei).
Ricotti (ital.), s. Bassinas.
Rideau (franz.), Vorhang für Fenster, Bett, Bühne u. s. w.
Ride-Cords, ein fester, dauerhafter Wollenstoff zu Reitbeinkleidern mit
schmalen Rippen auf Köpergrund, der zuerst in England, heut aber überall
gewebt wird.
Ried, Stadt in Oesterreich: Lein- und Tuchweberei,
Riedlingen, Oberamtsstadt im württemb. Donaukreis: Fabrikation von
Wollwaren und Eisengarn.
Riesenburg, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Marienwerder : Tuchweberei und
Färberei. Webeschule.
Riet, Rietblatt, Rietkamm, Redekamm, Scheidekamm, Oeffner oder Teiler,
am Webestuhl ein Rahmen, welcher mit feinen Stäben von Rohr (Riedgras,
daher der Name) oder Metall quer überspannt ist und dazu dient, die djirch-
gezogenen Kettenfäden in der Ebene gleichmässig auszubreiten und jeden ein-
geschossenen Schussfaden an den vorhergehenden hinzuschieben.
Riffel, ein eiserner Kamm, durch welchen die getrockneten Lein- oder
Flachsstengel gezogen werden, um die an ihnen sitzenden Samenkapseln zu
entfernen, die Stengel parallel zu legen und etwaiges Unkraut zu beseitigen.
Der R. wird dazu auf einem Block befestigt.
Riffy— Robozos. 433
Riffy oder Risty, eine Gattung levantinischer Baumwolle, die man aus
Alexandrien in Aegypten nach Marseille bringt.
Riflart oder Rifflart beisst im franz. Handel die langhaarigste Schafwolle.
Rio Janeiro, südamerik. Baumwollsorte.
Riom, Hauptstadt des Arrond. K. im franz. Depart. Puy-de-D6me : Woll-
spinnerei, Fabrikation von Leinwand, Plüsch, Garn; Flachsbau.
Rips (ßibs, E,eps, Rippen, franz. und engl, reps), sind dicht gewebte,
dauerhafte Stoffe, deren gerippte Oberfläche durch die starken, zwei- und drei-
fädig gezwirnten Kettfäden hervorgebracht wird, in welche ein Einschlag
von viel feinerem gezwirnten Garn gewoben und fest angeschlagen wird. Die
Stoffe, die zuerst in England gefertigt und früher nur in Baumwolle hergestellt
wurden, werden jetzt überall fabriziert und namentlich mit Baumwoll- oder
Wollkette und wollenem Einschlag zu Damenkleidern, Möbelbezügen, Türvor-
hängen u. s. w. verwendet. Eine ganz feste und dichte Sorte heisst Rips-
Satin, sie ist auf der einen Seite gerippt, auf der andern Seite atlasartig.
Auch webt man die Stoffe in Seide und werden sie dann hauptsächlich für
Damenkleider verwendet. Die Wollripse kommen mit Querrippen vor, welche
durch abwechselndes Einschiessen eines schwachen und eines starken Fadens
erhalten werden; dieser wird Repsflanell genannt.
Ripsbindung ist eine Abart der Leinwandbindung, welche dadurch ent-
steht, dass in Kette oder Schuss neben feinen Fäden starke Fäden abwech-
seln, wodurch entweder im Schuss oder in der Kette Rippen hergestellt werden,
so dass man von Kettenrips oder Schussrips spricht. Eine dritte Art
ist der volle Rips, bei welchem starke und schwache Fäden in Kette und
Schuss zugleich vertreten sind.
Rise, Rizee-Leinen, auch Leinwand von Trapezunt, eine Flachsleinwand,
welche im türkischen Handel Paschalik Trabesun, in der Stadt Rise oder Irisch in
grosser Menge gefertigt und nach allen Gegenden ausgeführt wird. Die feinste
Sorte geht nach Konstantinopel, nach Aegypten und der Nordküste von Afrika,
wo man sie zu grossen Schleiern für die Frauen beim Ausgehen gebraucht ;
die gewöhnliche Sorte wird von den Arabern zu Hemden verwendet.
Rissfäden oder Hauptfäden der Gimpenspitze werden aus gröberem
Material gebildet.
Ritzer, ungeschnittener Sammet. Ritz er na d ein, die zum W^eben der-
selben gebrauchten Sammetnadeln.
Rive de Gier, Stadt im Arrond. St. Etienne des franz. Depart. Loire:
bedeutende Seidenindustrie, Kurzwaren.
Rives-SUr-Fure , Stadt im franz. Depart. Isere, Arrond. St. Marcellin:
Fabrikation von Seidenzeug (Foulards) und Flor; Seidenhandel.
Rivoli, Stadt in der ital. Prov. Turin: W^olle, Leinen- und Seidenzeug-
weberei.
Rizon, ein älterer reicher Stoff, bei welchem die Arabesken von Gold,
die Blumen von Silber broschiert waren, der in Lyon gemacht wurde.
Rizzato, gerissener Sammet in Italien.
Roanne, Hauptstadt des Arrond. R. im franz. Depart. Loire : bedeutende
Baumwollspinnereien und -Webereien, Strumpfwirkerei.
Roannes, in Frankreich verschiedene Arten gemischter Gewebe aus
Leinen- und Baumwollengarn aus Roanne im Depart. der Loire und den um-
liegenden Ortschaften ; sie werden zu Betttüchern gebraucht.
Robe (franz.), früher im franz. Handel die zu einem Kleide abgemessenen
Stücke ganz seidener Zeuge, welche aus Ostindien nach Europa kamen; all-
mählich wurde der Ausdruck üblich für alle zu einem Frauenkleide abgepassten
Stücke. Auch für lang herabreichendes Damenkleid (namentlich mit Schleppe) ;
ferner Amtstracht von Magistratspersonen, Rechtsgelehrten, Geistlichen, jetzt
besonders Hauptbestandteil der richterlichen Amtstracht.
Robozos sind in Mexiko lange Tücher, sogen. Long Shawls. Ihr Ver-
brauch ist ein grosser, so dass Millionen Piaster darin jährlich umgesetzt wer-
den, da jede Frau und jedes Mädchen ihren Shawl zugleich als Mantel, Kopf-
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 28
434 Rocaille — Rokoko.
putz und zuweilen sogar als Oberkleid gebraucht: in ihren Robozo hüllt sich
die Mexikanerin für ihr Negligee, seinen malerischen Faltenwurf sieht man
überall.
Rocaille (franz.), Grotten-Muschelwerk, welche Bezeichnung mit der Bil-
dung des AVortes Rokoko (s. d.) im Zusammenhange steht.
Roccetto (ital.), röchet (franz.), Chorhemd.
Rochdale, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire: ein Hauptsitz der
engl. Baumwollweberei, Flanell- und A¥ollindustrie (über 100 Fabriken), sowie
auch Spinnereien.
Rochelles sind gute hänfene Leinen, welche im Depart. der Mayenne und
Loire, zu Angers, Saumur, besonders aber zu Beaufort gewebt, nach den Kolo-
nien ausgeführt und zu Hemden und Betttüchern verwendet werden.
Rochlitz, Marktflecken in Böhmen: AVebeschule ; mechan. und Baumwoll-
webereien (15 AYebereien mit Handbetrieb).
Rock, heiliger, s. heiliger Bock.
Rockville, Ort im nordamerik. Staate Connecticut: bedeutende Textil-
warenfabriken.
Rodez, Hauptstadt des franz. Depart. Aveyron: Fabrikation von Serge^
Trikot, Tuch, AVolldecken.
Rodondos , spanisch Liencos rodondos , weisse flandrische Leinen für
Spanien, die ihren Namen von der walzenförmigen Zusammenlegung der Stücke
haben.
Roemals, Romais oder Roumals, bunt gegitterte und gestreifte Baum-
w^ollentücher, welche ehedem aus Ostindien kamen, jetzt aber in England und
Deutschland nachgemacht werden. Sie dienen zu Kopftüchern.
Rohleinen ist ungebleichte, graue feste L.
Rohseide, s. Seide.
Rokoko (franz.), (abgeleitet von roc = Felsen; oder rocaille = Grotten-
und Muschelwerk), der im 18. Jahrh. unter französischem Einfluss herrschende
Kunststil, w^elcher die breiten kräftigen Linien des Barockstils (s. d.) bis zur steifen
Eleganz mit Hinneigung zu antiken Formen mässigt. Der eigentliche TJeber-
gangsstil tritt nach Ludwig XIY. unter der Regentschaft des Herzogs von
Orleans (1715 — 1723) ein (s. Regencestil) ; erst im zweiten Drittel des 18. Jahrh.
— in Frankreich unter Louis XY. (1723—1774) beginnt jene völlige, mit
allen architektonischen Formen spielende AYillkür, welche als R. bezeichnet wird.
Dieser Stil Louis Quinze herrscht in Frankreich bis um 1755, in Deutschland
bis gegen 1770. Das Kennzeichen desselben ist die Auflösung aller symmetrischen
Formenbildungen in leichte, geschweifte. Linien aus flüssigen vegetabilischen
Elementen, die alle struktiven Forderungen überwuchern, gleichsam als ob die
Unregelmässigkeit zum Gesetz erhoben zu sein scheint. Und dennoch herrscht
innerhalb einer gewissen Launenhaftigkeit eine anmutige schöpferische Kraft,,
welche in der scheinbaren Unordnung der ungleichmässigen Teile das rhyth-
mische Gleichgewicht wiederherstellt. Als der eigentliche Schöpfer dieser Stil-
art wird der Ornamentstecher Juste Aurele Meissonier (1693 — 1750) angesehen.
wozu indessen auch andre Zeichner und Maler : Francois Cuvillies (1698 — 1768),
Antoine Watteau (1684—1721), Francois Boucher (1703—1770), Pillement
(1727 — 1808) u. a. beigetragen haben. Im allgemeinen ist die Bezeichnung
Rokoko nur zutreff'end anwendbar auf die Schöpfungen der dekorativen Künste,
das eigentliche AYesen dieser Stilart kommt in der Bauweise nicht zum Ausdruck.
Im Textilmuster spielen in dieser Zeit neben den geschnörkelten und
muschelartigen Einzelheiten (Abb. 256) die naturalistisch behandelten Blumen
in reicher Schattierung eine grosse Rolle (Abb. 257), welche man dem gemalten
Dekor des Porzellans nachzuahmen sucht: in der AYeberei durch die auf
höchster Stufe stehende Technik des Broschierens über gefülltem Damastgrund
(Abb. 258), in der Stickerei durch feinste Ausführung des Plattstiches (Abb. 259).
Blütenzweige gehen über zu breiteren Blumenstücken, die immer noch flach
und dekorativ behandelt sind; Bänder, Spitzen (Abb. 260), Nachahmungen des
Pelzbesatzes (Abb. 261) sind in wellig aufsteigende Ranken eingeflochten.
Rokoko.
435
zarte abgedämpfte Farbentöne verbinden das Granze und erzeugen jene graziöse,
kokette Wirkung, die dem üppigen Charakter jener frivolen Zeit entspricht.
Abb. 256.
Abb. 257.
Yor der Mitte des 18. Jahrh. macht sich in französischen Stoftmustern ein
chinesischer Einfluss geltend, der auf die in Massen von dort nach Europa
436
Rokoko.
gelaugenden Porzellane zurückzuführen ist und bisweilen in Darstellungen von
phantastischen Architekturen und Genreszenen ausartet. Seit etwa 1745 finden
in Frankreich Kunst und Wissenschaft eine Förderin in der Marquise de
Pompadour. Als Anhängerin der Antike gewann sie grosses Interesse an den
zu ihrer Zeit (1748) beginnenden Ausgrabungen in Pompeji, denen die Fran-
zosen überhaupt mehr Teilnahme als selbst die Italiener entgegenbrachten. Auf
das Betreiben dieser mächtigsten Frau am französischen Hofe entsendet man
einige Künstler, damit sie an Ort und Stelle die ersten Zeugen des klassischen
Altertums studieren. Und mehr und mehr werden die Formen des Pokoko
Abb. 258.
mit griechisch-römischen Elementen durchsetzt, die später den Stil Louis Seize
charakterisieren (s. Zopfstil) und zur Zeit der Herrschaft des Empire (s. d.)
in einen gekünstelten Klassizismus ausklingen, worauf in der Pestauration noch
einmal das alte abgelebte Pokoko den Geschmack reizt. Aber es kam/ nicht
mehr mit dem graziösen Zauber seiner Jugend, sondern es war welk und
altersschwach geworden; man verstand die Formen nicht mehr, die Beweglich-
keit jener Zeit war verloren gegangen.
Für gewebte Stoffe mit Mustern im Stile Louis Quinze tritt als
Dekoration der vornehmen Päume die Seide in den Vordergrund, wo in
Damasttapeten grosser Luxus getrieben wird. Durch die aus Ostindien ein-
Rokoko.
437
geführten leichteren Musseline erhält man einen billigeren Ersatz für AYandbeklei-
dungen der Boudoirs und intimeren Salons, dem die chinesischen Papiertapeten
folgten. Schon vorher hatte man angefangen, Stoffmuster auf Leinwand auf7Ai-
Abb. 259.
drucken; man versuchte dasselbe Abb. 260.
jetzt mit der Baumwolle imd ^
indem man einen künstlichen ^ _.
Glanz hinzufügen lernte, er-
hielt man im Zits (s. Chits)
das gewünschte Surrogat der
Seide, das sich jeder Musterung,
jeder Färbung, selbst dem zar-
testen Blumenschmuck gerecht
erwies. Für luxuriösen Wand-
schmuck wurden wahre Kunst-
werke in Cxobelinwirkerei nach
Zeichnungen berühmter Maler
geschaffen , die in kleineren
abgepassten Stücken auch für
Möbelzüge Verwendung fanden.
Der orientalische Fussboden-
teppich mit seinen kräftigen
Farben und seiner strengen
Linienführung passt nicht mehr
in Umgebung des tändelnden
(jreschmackes der Zeit, er wird
ersetzt durch den sogen. Sa-
vonnerieteppich (s. d.) , der in
Knüpftechnik bunte Blumen und
antikisierendes Ornament ent-
hält, das ihn zum Spiegelbilde
des gemalten Plafonds werden
lässt.
. - Der Bedarf an Stoffen
für das Trachtenwesen hat sich
erweitert durch die Aufnahme
des Eeifrockes der Frau und den langen Rock des Mannes mit seinen grossen
Aufschlägen, Taschen und Patten. Beide erhalten durch Stickerei reichen
Schmuck, wenngleich für das weibliche Kostüm auch grossgeblümte gewebte
438
Rokoko.
Abb. 261.
Abb. 262.
ßokokospitze — RoUand-Chaine. 439
lielle Seidenstoffe verbraucht werden. Herrenrock, Weste und Kniehose be-
stehen aus klein gemusterten Sammetstoften (Abb. 262). Zum Schmuck des
"Kostüms gehört als Besatz und als selbständiges Stück die Spitze (Abb. 263),
deren Form und Wesen ohne weiteres dem Charakter der Zeit entsj)richt.
Abb. 263.
Abbildungen :
256. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Seidenstoff, Grund braun, Muster gelblich: Blattranken und wechselnde verschobene
Felder. Frankreich erste Hälfte des 18. Jahrh.
257. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin: Seiden-
gewebe, für einen Stuhlbezug abgepasst, Grund hellblau, darauf in weissem Felde
Blumenstrauss in Umrahmung eines Kranzes aus leichten Kanken. Mitte 18. Jahrh.
258. Originalaufnahme wie 256: Seidenbrokat, Grund weiss in Damast gemustert,
Muster in Bunt und Gold broschiert: Federartig geschwungenen Blattranken entsteigen
reihen weis nach rechts und links geschwungene Blumenzweige. Frankreich erste Hälfte
des 18. Jahrh.
259. Darstellung nach einer im Kunsthandel erschienenen Photographie: Ante-
pendium, Stickerei auf weisser Seide in Gold und bunter Seide: In Mitte Darstellung
der Kreuzigung Christi in Umgebung eines Rahmenwerkes mit umwundenen Blumen-
gehängen. Würzburg Mitte 18. Jahrh.
260. Originalaufnahme wie 256: Seidenstoff, Grund weiss, Muster bunt: Ueber
Streifen aus gemusterten Bändern steig:en feine wellige Blumenranken auf. Lyon 18. Jahrh.
261. Originalaufnahme wie 256: Seidenstoff, Grund weiss, Muster farbig:
Zwischen Streifen aus durchbrochenen Bändern mit welliger pelzbesetzter Auflage
steigen leichte Blumenranken auf. Frankreich 18. Jahrh.
262. Originalaufnahme wie 256: Sammetstoff, geschnitten und ungeschnitten,
rötlich braun und weiss: Felder aus raupenartigen Bändern enthalten Blütenzweige.
18. Jahrh.
263. Originalaufnahme aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin: Spitze,
Klöppelarbeit in weissem Leinen mit Rankenmuster aus Schnörkelwerk und Blumen.
Valenciennes 18. Jahrh.
Rokokospitze. Das Zeitalter des R. hat der Spitze der Farblosigkeit
Avegen eine Bedeutung verliehen ; , allerdings nur unter der Bedingung, dass sie
sich dem neuen Gedanken unbedingt unterwarf. Sie behält länger die Sym-
naetrie, als andere Kleinkünste, was indessen durch die Falte aufgehoben wird;
später findet der ^Naturalismus ein freies Feld. Besondere Bedeutung erlangen
die frei gemusterten Grundflächen, die sogen. Reseauspitze kommt zur un-
bedingten Vorherrschaft. Die Nähspitze tritt immer mehr in den Hinter-
grund; schon 1729 ist von einer Spitze die Rede, „ohne geringste Erhebimg
in der Arbeit" (Abb. 263).
Rolette oder auch Rollette, eine Art grober Batistleinen aus dem Fland-
rischen.
Rolland-Chaine, ein älterer feiner, geköperter Stoff, ganz aus Wolle
oder auch mit Baumwolle gemischt, mit vollen und kettenartigen erhabenen
Streifen; er wird in England gefertigt.
440 Rollatlas — Romanischer Stil.
Rollatlas, s. Atlas.
RoUdamast wurden früher ostindische Seidendamaststoffe genannt und
von den Holländern und Dänen nach Europa gebracht.
Rolle, ein dünnes wollenes Zeug mit einer langhaarigen Oberfläche, eine-
Art Flanell, welcher geköpert und ungeköpert in Frankreich gewebt wird.
Rolles, Rolls, Weissrollen, im englisch-amerikanischen Handel eine mittel-
feine, weissgebleichte Leinwand, eine Art der Casserillos, welche in Westfalen,
Schlesien und in der Oberlausitz gewebt wird.
Rollgrosdetour nennt man einen ostindischen Seidenstoff, der nach Art
der Grosdetour mit achtdrähtigen Kettfäden und einfachem Einschlag gewebt ist.
Rollsaum findet Verwendung anstatt einfach gezogener Falten bei leichten
Geweben. Man rollt hierzu die Stoff kante wie zu einem Schnürchen auf und
hebt dieses Röllchen gleich auf die Nadel, die immer beim Daumen in den
Stoff und beim Zeigefinger aus demselben geführt wird. Der Faden wird erst
nach mehreren Stichen angezogen; in dem mit dex linken Hand auf die Nadel
gebrachten Stoff entstehen von selbst die Falten.
Rom, Hauptstadt des Königreichs Italien : Fabrikation von Seidenwareu^
Seidenstoffen für Möbel.
Zur Zeit des Bildersturmes in Byzanz (8. Jahrh.) kamen brotlos ge-
wordene griechische Seidenweber hierher und gründeten Kunstwebereien zur
Herstellung von Kirchengewändern. Der Anfang der Seidenverarbeitung auf
römischem Boden kann in das 4. Jahrh. n. Chr. gesetzt werden; schon in dem
Zeitraum vom 2. — 4. Jahrh. sollen die Römer durch die Provinz Mesena mit
der Hauptstadt Schiraz, am Küstenlande des persischen Golfs, die Seide direkt
von China bezogen haben (s. auch den Artikel Griechenland und Rom).
Romals sind Corahs aus Indien.
Romanischer Stil (franz.: style roman, engl.: romanesque style), die
vom Jahre 1000 — 1200 in Europa herrschende Kunstweise, welche sich bildet
aus altchristlichen Formen im Zusammenhange mit byzantinischen und orien-
talischen Elementen, die der germanische Geist zu einem Ganzen verbindet,
in dem ein Stil zum Ausdruck gelangt von rastlos reicher Erfindung, aber ge-
bunden durch strenges Festhalten an einfachen klaren Gesetzen. Der Charakter
dieser Epoche, deren Anfang, das 10. Jahrh., als Ausgangspunkt des Mittel-
alters betrachtet wird und welche etwa bis zur Mitte des 13. Jahrh. reicht,,
ist dem aller früheren Entwickelungs stufen entgegengesetzt. Während in der
antiken Welt die einzelnen Völker sich selbständig neben- und nacheinander
entfalteten, jedes seine Sonder kultur, bedingt durch geistige Anlage und die
äussere Naturumgebung, durch den Charakter des Landes, die Einflüsse des
Klimas, für sich entwickelte, treten jetzt alle Nationen in ein Verhältnis ge-
meinsamer, gleichartiger Kulturtätigkeit. Das Christentum gab allen dieselbe
Richtung, das gleiche Ziel, die nämliche Grundlage, aber — wie Wilhelm
Lübke sagt — seine Herrschaft wollte nicht die Eigentümlichkeit der Ein-
zelnen in Fesseln schlagen, sondern dem Individuum innerhalb der allgemeinen
Schranken eine freie Betätigung seines Könnens und Wollens gewähren. Die
Kirche war aber in dieser Epoche die ausschliessliche Trägerin der Bildung,
und mit dem Christentum verbreitete sich Gesittung und geistiges Leben durch
ihre klösterlichen Ansiedelungen überallhin. Diese waren in einer Zeit wilder
Gärung und roher Kämpfe ein Asyl für jede höhere Kultur, und von ihnen
aus drang allmählich jede Kunst und Wissenschaft in weitere Kreise.
Das alles gilt vor allem von der Architektur, die während des ganzen
Mittelalters, alle höhere Tätigkeit beherrschend, den Reigen anführt. Und trotz-
dem die Baukunst vorherrschend auftritt und alle anderen Künste in ihren
Dienst drängt, so pflegt man doch im Bereiche der Kleinkunst von einer roma-
nischen Periode weniger zu si^rechen. Am schwierigsten wird es, die Werke
der textilen Kunst ohne weiteres in diesen Begriff einzuordnen; hier ist die
Zeit des Mittelalters (vgl. Weberei Geschichtliches) noch vielmehr als sonstwo
abhängig vom Orient und von Byzanz, deren Ornamentik unter dem Einfluss
des Islam steht (s. arabischer Stil). Zu Beginn der romanischen Kunst-
Romanisierend — Ronneburg.
441
weise ist besonders das geometrische Element im Stoffmuster vorherrschend:
Quadrate, Rauten oder ovale Felder sind mit Palmetten, Sternen und Rosetten
gefüllt, wobei die Anwendung von Tierfiguren zurücktritt. Es erhalten sich
ähnliche Muster am längsten in Spanien (s. d.), wo die Kunst des Islam mehr
als in anderen Ländern zur Entwickelung gelangte und vom 8. Jahrh. an
sieben Jahrhunderte das Wesen des Flachmusters beherrschte (Abb. 264 und
auf Tafel II und III). Anders sieht es auf dem Gebiete der Stickerei (s. d.)
aus : sie befreit sich als selbständige Handarbeit im Dienste der Kirche am ehe-
sten von morgenländischen Einflüssen (s. a. Kirchliche Wirk- und Stickmuster).
Abb. 264.
Abbildung:
264. Darstellung aus Paul Schulze: lieber Gewebemuster früherer Jahrhun-
derte, Leipzig 1893. S. 27: Seidenstoff, Grund rotviolett, symmetrisches Muster gelb :
Gefüllte Bänder bilden spitzovale Felder^ in welchen je eine achtteilige Rosette mit
Palmettenendigungen. Spanien 13. Jahrh.
Romanisierend heisst frühgotisch, aber noch mit Nachklängen des Ro-
manischen.
Römerstadt, Stadt in Mähren: Webeschule, bedeutende Leinweberei,
Bleicherei, Woll- und Seidenindustrie; bedeutender Flachsbau.
Romorantin, Hauptstadt des Arrond. R. im franz. Depart. Loir-et-Cher :
Fabrikation von Tuch für das Militär.
Romsey , Stadt in der engl. Grafschaft Hampshire : Sackleinwand- und
Sergefabrikation.
Rondelette, im französischen Handel eine schlechte Florettseide, die
auch den Namen Bourres, Strasses u. s. w. führt; ferner eine Gattung Leinwand.
Ronneburg, Kreisstadt im Herzogtum Sachsen- Altenburg : Streichgarn-
spinnerei, Wollkämmerei, Färberei, namentlich aber Woll- und Halbwollstoff-
fabrikation ; AYebeschule.
442
Konsdorf — Roselinnen.
Ronsdorf, Stadt im preiiss. Eeg.-Bez. Düsseldorf: Seidenwarenfabrikation,
insbesondere von Bändern.
Roquetin, eine Art Goldfäden, die im Fürstentum Dombes gemacht und
häufig in den Grold- , Silber- und Seidenfabriken zu Paris , Lyon und Tours
verarbeitet wird.
Rose-cran, eine Gattung gemusterter Tischzeuge aus Frankreich.
Rose (ßosa), die tyj)ische Gattung der Familie der Rosaceen mit zahl-
Abb. 265.
Abb. 266.
reichen, über die ganze nördliche Erdhälfte verbreiteten und mehreren in
Deutschland einheimischen Arten. Für die Ornamentik ist besonders die sog.
Heckenrose von Bedeutung (Abb. 265 u. 266), deren einfache fünf blätterige
Blume zur künstlerischen Darstellung in der Fläche , besonders im gotischen
Zeitalter, Anregung gab, wozu der herrschende Spitzbogenstil beitrug, der im
Granatapfelmuster (s. d). zur fünfblätterigen Umrahmung des Kernstückes und
auch als Passfeld ausgebildet ist (Abb. 103). Auch die Renaissance wendet
sich der Pose als Kunstform zu; hier gibt das Astwerk Motive zur Bildung
des spitzovalen Feldes im Webemuster her (Abb. 267) und die italienische
Stickerei des 16. Jahrb. bringt dasselbe in vollendetster Form zum Ausdruck
(Abb. 153). Eine vortreffliche Stilisierung weiss der Orientale dem Motiv der
Pose zu geben (Abb. 179), dieselbe Auffassung ist auch im modernen englischen
Flachmuster vorherrschend.
Abb ildungen:
267 und 268. Darstellungen zweier Heckenrosen aus: Lobelius, plantarum sev
stirpium icones, Antwerpen 1581. /
229. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Sammetstoff, Grund goldgelber Atlas, symmetrisches Muster grüner geschnittener
Sammet: Doppelt gelegte Aeste sind zu spitzovalen Feldern verschlungen und ent-
halten Rosenzweige. Italien um 1500.
Roselinnen, im bremer Leinwandhandel die gewöhnlichen und mittel-
feinen L. aus dem Osnabrückschen.
Rosenberg — Rotellaarbeit.
443
Rosenberg, 1. G-rossgemeinde im ungar. Komitat Liptau: Baumwoll-
spimierei und -weberei. — 2. Stadt in der österr. Bezirkshauptmamischaft
Kaplitz in Bömen: Tuch- und Flanellfabrikation (Haadbetrieb) , AYollspinne-
reien, Flachshandel.
Rosenspitze (ital. : punto rosalino; franz.: pointe de rose), Rankenspitze
der Barockzeit: Nachahmung des point de Yenise in feinster Ausführung.
Rosenthal, Dorf im Gerichtsbezirk Reichenberg in Böhmen: Yigogne-
und Schafwollspinnerei, Tuchfabriken.
Rosettas hiessen früher feine wollene Zeuge mit einfachem Köper aus
besserem Material, sie wurden von den Bombasins und den Orleans verdrängt.
Abb. 267.
Rosette, eine Kunstform, die einer aufgeblühten Rose entspricht, d. h.
aus einem um einen Kern gruppierten Kreis von Blättern oder mehreren
solchen besteht.
Rosshaargewebe, s. Haartuch.
Rosswein, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig: Woll-
spinnereien, Tuchfabriken (eine Innungsfabrik mit eigener Spinnerei, Walkerei
und Appretur), Strumpfwirkereien, Färbereien; Fabriken für Filzwaren, Haar-
und "Wolldecken, Lama- und Militärtuche; im nahen Bö bringen eine be-
deutende Wollwarenfabrik.
Rostbeize, s. Beize.
Rotellaarbeit bezeichnet eine in neuerer Zeit aufgekommene weibliche
Handfertigkeit, bestehend in dem Aufnähen rund zugeschnittener kleiner Stoff-
444 Rothenburg — Rücklaken.
teile, die zusammengefaltet und in der Mitte tütenartig auf einen festen Kane-
vasstoff gelegt werden. Eine grosse Farbenmannigfaltigkeit gestattet die Her-
stellung vieler Muster, die zu Teppichen, Decken, Kissen u. dgl. Verwendung
finden können.
Rothenburg a. d. Tauber: im Jahre 1598 Seidenbau.
Rotondos, Rodondos, in Spanien und Amerika mehrere Sorten nieder-
ländischer und deutscher gebleichter Flachsleinen Liengos rodondos.
Rottenburg, Oberamtsstadt in Württemberg : Leinwandweberei, Strickerei
und Färberei.
Rouanes , Rouans , sind weiss gebleichte Leinen aus Schlesien , Böhmen
und der Oberlausitz als eine Nachahmung der Teile de menage aus Ronen.
Roubaix, Fabrikstadt im Arrond. Lille des franz. Depart. Nord: Mittel-
punkt eines bedeutenden Industriebezirks mit vier Fünfteln der Textilfabrika-
tion Nordfrankreichs, und hat selbst 350 Fabriken, wovon 275 mit Weberei
beschäftigt sind (jährlich werden bis 17 000 t Gewebe durch die Bahn ver-
sandt), welche die verschiedenen Roubaixartikel (Seiden-, Woll-, Baumwoll-
und Leinenstoffe) als Tuche, Shawls, Kleider- und Möbelstoffe, Teppiche,
Tafelleinen u. a. herstellen; bedeutende Woll- (Kammgarn-) und Baumwoll-
spinnerei, Fabrikation von Zwirn, Kammblättern u. s. w. ; Webeschule.
Ronen, Hauptstadt des franz. Depart. Seine-Inferieure : bedeutende Textil-
industrie. Die hier erzeugten Ro nenn eri es sind feine Baumwollwaren (auch
Taschentücher) , die aus gefärbten oder doch z. T. aus gefärbten Garnen ge-
webt sind ; es gibt an 160 Baumwoll- und Leinenspinnereien ; ausserdem Tuch-
und Seidenfabriken.
Rouens, Toiles de Ronen, Rouenneries, ist die allgemeine Benennung
der mannigfachen Gewebe, welche in gleichnamiger Stadt und im Umkreise
von 10 Meilen derselben gefertigt werden. Es gehören dazu zunächst alle
Arten von Leinenstoffen, deren jede wiederum unter anderer Bezeichnung mit
dem Beinamen R. in den Handel kommt; auch bedruckte Baumwollengewebe
werden dazu gerechnet.
Rouge-Waren werden in Oesterreich die türkischrot gefärbten und ge-
druckten Zeuge genannt.
Rouleaux (vom franz. roufer, rollen), sind Fenstervorhänge, Rollvor-
hänge, welche nach oben aufgezogen und aufgerollt werden können, im Gegen-
satz zu den Vitragen, die seitlich zurückgezogen werden und welche die
ersteren nach und nach verdrängen. Ferner bezeichnet man als R. Walzware,
d. h. auf Walzendruckmaschinen gedruckte Zeuge.
Rouleaux de Beaujeu, in Frankreich verschiedenartige Gewebe, welche
im Depart. der Rhone, zu Tarare, Forez, Beaujeu und anderen nahegelegenen
Orten in Mengen gefertigt werden, namentlich sind es ungebleichte dichte
Leinen.
Roustet oder Rouzet, französischer starker, grober Wollenstoff aus ge-
ringerem Material oder auch aus dem Abfall der besseren und der Scherwolle,
zur Kleidung der ärmeren Yolksklassen verwendet.
ROUX-NOUX, Name von Shawls in hellen Farben auf roter Kette, welche
1839 in Wien sehr gangbar waren.
Roveredo, Stadt in Tirol, am Leno : Hauptsitz der Seidenindustrie und
des Seidenhandels , hat zahlreiche Seidenhaspeleien (Filanden) , Seidenzwirne-
reien (Filatorien), Der Seidenhandel entwickelte sich im 16. Jahrh. und hatte
seine grösste Blüte im 18. Jahrhundert.
Royale , Handelsname für verschiedene französische Stoffe , sowohl aus
Seide, als auch aus Baumwolle. /
Roybons, eine Sorte des franz. Kasemirs.
Rubanets, veraltete englische Westenstoffe aus Wolle und Kammgarn.
Rübelizeug ist ein grober, grauer Barchent, der in der Schweiz ge-
webt wird.
Rücklaken (lat. : dorsale; franz.: dossier; engl.: dosel, dorsel), Rukke-
laken (flämisch), Rückenteppich, im Mittelalter ein Tuch, ein Behang, kleiner
Rückstich — ßussland. 445
Teppich, welcher als Wandbedeckimg über der Bank oder im Chorgestühl
dienten, aber nicht fest mit der Wand verbunden, sondern „gerückt" werden
konnten.
Rückstich, s. Nähen.
Rüg (engl.), grober Wollenstoff aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.
Rumänien, Königreich an der unteren Donau: die Industrie ist erst im
Werden: es bestehen zwei Tuchfabriken. Vielfach hat sich die Hausindustrie
verbreitet, die in Gebirgsorten zahlreiche Webereien und Stickereien erzeugt.
Rumänische Teppiche sind auf gewöhnlichen Handstühlen gewebt;
geknüpfte oder gefilzte T. werden nicht erzeugt. Sie sind an Ort und Stelle
unter dem Namen „Yelintze" bekannt und gleichen den serbischen, bulgari-
schen Erzeugnissen, jedoch ohne die zarten Muster und die Farbenstellung.
In letzter Zeit verwendet man nur Anilinfarben; die Musterung besteht aus
geometrischen Figuren und Streifen in Art der Kilims.
Rumburg, Ort in Oesterreich: Webeschule.
Rummelsburg, 1. Kreisstadt im preuss. Reg. -Bez. Köslin: Werkmeisterei
für Weberei; Wollspinnereien und Tuchfabriken. — 2. Kolonie bei Berlin:
Plüsche und Wollwarenfabriken, Appretur und Färberei.
Rundschnüre (franz. : les cordons), sind von Gold, Silber, Seide, Kamel-
haar, Wolle, Zwirn u. dergl. rund und stark gedreht, und werden besonders
zu Besätzen für Kleider gebraucht.
Rupfen, moderner kanevasartig gefärbter Baumwollenstoff.
Russeis, fester, geköperter, atlasartiger Wollenstoff, gewöhnlich schwarz,
zu Westen und Beinkleidern in England, auch in Sachsen und Böhmen gewebt.
Russia-Duck, russisches Segeltuch, das in England nachgemacht ist;
doch wird die echte Ware wegen ihrer Geschmeidigkeit und Dauer höher
geschätzt.
Russische Leinen aus verschiedenen Garnen, welche mit der Hand auf
Spindeln gesponnen werden, bilden eine wichtige Industrie in R. Am meisten
wird darin in den Gouvernements Archangel, Kasan, Kaluga, Jaroslaw, Tam-
bow, Tula, Wladimir, Moskau u. s. w. gearbeitet. Die gangbarsten Sorten
sind: Flämisch Leinen, Parussnoe Polotno oder Segeltuch, Pavenstuch, Cala-
minken, Kinisheim, Bran , Chrätsch, Deringa, Krasch oder Serviettenleinen;
ausserdem liefert der russische Handel: weissgebleichte Hausleinen, die aber
wegen der sorglosen Behandlung den deutschen nicht gleichkommen. Der rus-
sische Landmann schlichtet nämlich zumeist die rohen Gewebe in Bottige mit
Asche und Kalk, übergiesst sie mehrmals mit siedender Lauge, wickelt diese
Leinen in Pollen und steckt sie in einen warmen Backofen ; sobald sie erkaltet
und abgewickelt sind, werden sie horizontal in der Luft schwebend wiederholt
mit Wasser 'begossen, wonach sie dann in einigen Tagen ganz weiss erscheineu.
Diese Geschwindigkeit des Bleichverfahrens schadet aber der Haltbarkeit.
Verschiedene Benennungen sind für: gefärbte Leinen ^= Kraschenina, Wams-
tuch; gestreifte L. = Pestrada, gedruckte = Naboika; Glanzleinen = Loscht-
schenoije ; Steif leinwand = Woschtschanka. Ausserdem kommen gemusterte
Sorten unter den Namen Konowat, Deburet und Tscheschnika vor.
Russischer Stich, schmale durchbrochene Querstreifen in Geweben, welche
durch verschiedene Arten der Fädenverkreuzung hervorgebracht werden und
besonders als A'^erzierung baumwollener Gardinen- und Kleiderstoffe, wie Mull,
.Jaconnet dienen.
Russland, Kaisertum- und Grossmacht. In P. findet sich von altersher
eine bedeutende Hausindustrie, die von der bäuerlichen Bevölkerung neben der
Landwirtschaft betrieben wird, doch ist stellenweise (in den Gouvernements
Nishnij Nowgorod, Wladimir, Kaluga, Tula u. s. w.) auch schon die landwirt-
schaftliche Tätigkeit zurückgetreten und die gewerbliche fast ausschliesslich
geblieben. Die Zahl der in der Hausindustrie beschäftigten Personen wird auf
8 Mill., der Wert ihrer Produkte auf 20 Mill. geschätzt , welche Zahlen sich
auf die Textilindustrie im Jahre 1891 etwa wie folgt verteilten : Wollwaren:
1044 Fabriken mit 95 313 Arbeitern und einer Produktion von 106 Mill. Pubel;
446 Russland.
BaumwollAvaren: 912 Fabr. mit 255310 Arb. Prod. = 346 Mill. Rubel;
Seidenwaren: 259 Fabr. mit 18435 Arb. Prod. = 13 Mill. Rubel; Flachs-
waren: 174 Fabr. mit 46 313 Arb. Prod. = 41 Mill. Rubel. Im Jahre 1897
produzierten 4582 Fabriken für 851218 000 Rubel Faserstoffe.
Die Baumwollfabrikation spielt eine wichtige Rolle und wird vom
Staate besonders unterstützt; ihr Ursprung reicht bis Anfang des 18, Jahrh,
zurück. Jetzt werden verarbeitet gegen 20,25 Mill. Pud Baumwolle, wovon
gegen 2,11 Mill. Pud aus Amerika, Aegypten, Ostindien und Persien kommen,
die übrigen 18,14 Mill. aus Turkestan, Kaukasien, Chiwa, Buchara und Kanada.
Der jährliche Umsatz der Baumwollindustrie erreicht 459 Mill. Rubel. Es
gibt 245 Fabriken , darunter 91 Spinnereien und 154 Webereien mit 80 Mill.
Spindeln und 300 000 mechan. Webstühlen, wovon die Arbeitszeit auf 300 Tage
im Jahre und 10 Stunden des Tages bestimmt ist. Die Zahl der Arbeiter
beträgt gegen 225100, darunter 111200 in den Spinnereien. Die Baumwollen-
industrie ist besonders entwickelt in den Grouvernements Moskau, Wladimir
und Petersburg. Es werden hergestellt gegen 13,4 Mill. Pud Garn. Die her-
gestellten Gewebe sind: Mitkai, Zitz, Kattun und Barchent. Der heimische
Bedarf wird fast vollständig durch die russische Produktion gedeckt, wie das
Sinken der Einfuhr von Garn zeigt: in den 70er Jahren = 422 130 Pud zu
15,61 Mill. Rubel, im Jahre 1901 = 135 618 Pud zu 4,72 Mill. Rubel. Die
Einfuhr von Baumwollwaren ist sehr massig, während die Ausfuhr fortwährend
steigt, besonders nach der Türkei, Persien und China; 1900: 4,91 und 1901:
4 Mill. Rubel.
Zur Wollfabrikation legte Peter d. Gr. (1682—1725) den Grund,
um Tuch für das Militär herzustellen. 1830 gab es schon 390 Fabriken mit
67 000 Arbeitern und einer Produktion von gegen 7 735 000 Arschinen (= 0,7 m)
Tuch; 1900: 1284 Fabriken mit 98360 Arbeitern und einer Produktion von
114,3 Mill. Rubel Wert. Ausgeführt werden gewöhnliche Wolle, Merinowolle,
Wollabfälle und Wollwaren: 1892 für 13 345 230, 1893. für 8 747960, 1894 für
8935418, 1895 für 8865 390, 1900 für 7,43 und 1901 für 7,14 Mill. Rubel.
Auch das Seidengewerbe wurde — wie Silbermann, Die Seide,
Dresden 1897, Bd. 1 S. 113 berichtet — durch das Beispiel Preussens an-
geregt, von Peter dem Grossen ausserordentlich gefördert und von Katharina,
Paul und den späteren Regenten fortgesetzt. Man legte grosse Maulbeer-
plantagen an, die russischen Bauern zeigten jedoch für die da,zu notwendige
Tätigkeit kein Verständnis. Auch zur Belebung der Seidenmanufaktur zog
Peter d. Gr. französische Kräfte heran, sodass 1714 eine stattliche Anzahl von
Sammet- und Brokatwebereien in Moskau, Wladimir und Jaroslaw im Betrieb
war, 1809 waren 194 mit 4996 Stühlen tätig und erzeugten 7110 000 If. Arschin
(1 Arschin = 0,71 m) Seidenstoffe, 505 Stück andere kostbare Gewebe,
400 000 If. Arschin Seidenbänder, 6400 Stück Tüllgewebe und 12 000 Paar
Handschuhe. 1812 ist die Anzahl der Webereien infolge der Kriegswirren
auf 105 herabgesunken, um jedoch 1818 wieder auf 210 zu steigen. 1823 fand
der Jacquardstuhl Eingang. In der Zeitperiode 1826 — 29 erzeugte man jähr-
lich etwa 5 Millionen If. Arschin Stoffe und 115 000 Stück Goldbrokate, 1845
belief sich der Produktionswert auf 6, 1850 auf 6^/2 Mill. Rubel. In neuer
Zeit bestehen in Moskau, St. Petersburg, Riga, Bialy stock, Warschau und
Lodz, meist unter französischer Leitung bedeutende Stoff-, Tüll-, Spitzen- und
Bandfabriken. Moskau allein besitzt 15 000 Stühle und erzeugt neben anderem
auch reiche Brokate und golddurchwirkte Gewebe.
Wie alt die Erzeugung von Seidengeweben in Russland sein mag, dar-
über ist man nicht unterrichtet. Hingegen gibt Silbermann nach verschiedenen
Quellen Nachrichten über den Seidenverkehr in Russland während des Mittel-
alters an (vgl. Die Seide, Bd. T, S. 61 ff.), wonach im 4. — 6. Jahrh. in Kiew
und Nowgorod Märkte mit Seidenwaren aus Byzanz und dem weiteren Orient
stattgefunden haben. „Die Vermittlerrolle russischer Handelsstädte zwischen
dem extremen Orient und AVesteuropa — schreibt Silbermann — - erreicht
während der genuesisch- venezianischen Fehden im 13. Jahrh. ihren Höhepunkt;
Russland.
447
während jedoch die Bedeutung. der südlichen Städte mit der endgültigen Be-
festigung der venezianischen Herrschaft und der Invasion der Mongolen zu
Abb. 268.
Ende war, bleibt Nowgorod unter dem Schutze der mächtigen Hansa in seiner
kommerziellen Wichtigkeit fortbestehen."
Abb. 269.
lieber die Musterung älterer russischer Grewebe ist man wegen der Vn-
kenntnis der Originale natürlich wenig unterrichtet, die hier in Abb. 268 bis
448
Russland.
271 wiedergegebenen Stoffe werden über die Zeit um 1700 nicht hinausgehen,
doch kann hinsichtlich ihrer Herkunft kaum ein Zweifel bestehen. Yon der
allgemeinen Ornamentik Russlands ist bekannt, dass im Laufe des 10. Jahrh.
mit dem Christentum byzantinische Kunstformen Eingang finden, die aber all-
mählich eine innige Verbindung mit dem Orientalismus in seinen ausschweifend-
sten Launen erkennen lassen. Die bald verwilderten Formen vermischen sich
im Laufe der Zeit mit denen des abendländischen Mittelalters und später mit
den Einzelheiten der italienischen Renaissance, wozu seit dem Anfang des
18. Jahrh. französischer Einfluss kommt. Man würde also dementsprechend
in dem unter Abb. 268 dargestellten Brokat eine sehr späte Hinterlassenschaft
des Byzantinismus erkennen können, die Eeldereinteilung in dem unter Abb. 269
abo"ebildeten Stoff erinnert an Kassettenmus-ter der Renaissance, in welchen
Abb. 271.
Abb. 270
noch weinblattartige spät gotisierende Blattrosetten sich befinden. Einzelheiten
von Weinreben, Blattwerk und Trauben umrahmen auch die halbitalienische,
halbfranzösische Barockblütenpalmette des in Abb. 270 wiedergegebenen Musters
und von allen aus jüngster Zeit — vielleicht um 1820 — verrät der mit
Chenille durchwirkte Brokat (Abb. 271) den französischen Einfluss. Auffallend
bei drei dieser dargestellten Gewebe — auch von anderen mir bekannten
russischen Stoffen ist es mir erinnerlich — erscheint die weisse Grrundfarbe und
die reiche Verwendung eines (Kupfer)vergoldeten Metallfadens, im übrigen sind
keine besonderen äusseren Kennzeichen wahrzunehmen. (lieber russische
Spitzen, s. Spitzen.)
Abbildungen:
268. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidenbrokat j Grund weiss, geometrisch in Damast gemustert, dazwischen in Rauten
Kreuzbilduncren in Gold. Russland 18. Jahrh.
Ruten — Sachsen. 449
269. Originalaufnahme wie vorher: Diagonalen, durch Quadrate verbunden,
bilden Rauten, in welchen je eine Blattrosette. Russland 17. — 18. Jahrb.
270. Originalaufnahme wie 269. Grund blau , Muster gelblich grün schattiert :
"Weinblätter und Trauben an geknickten Ranken bilden spitzovale Felder, in welchen
eine Blütenpalmette. Russland um 1700.
271. Originalaufnahme wie 269. Seidenbrokat, Grund weisser Atlas, Muster
Gold mit bunter Chenille: Kelchartige Palmetten aus antikisierendem Blattwerk mit
Strauss aus Sternblumen und Gehängen aus solchen. Russland Anfang 19. Jahrh.
Ruten, die Messingstäbchen, um welche die den Flor des Sammet-
gewebes bildenden Noppen geschlungen werden, mit einer Längsrinne zur Er-
leichterung des Aufschneidens des Flors oder einem scharfen Haken an einer
Seite, welcher beim Herausziehen der Rute die Noppen zerschneidet.
Rya nennt man in Schweden eine Technik des Knüpfens, wobei jeder
Wollbüschel nur einfach um den Kettfaden herumgelegt (nicht geknotet) wird,
also eigentlich gar nicht Knüpfarbeit genannt werden kann. Die Hinterseite
wird gewöhnlich geleimt.
Ryen heissen die in Norwegen plüschartig hergestellten Teppiche oder
Kissenbezüge.
Ryssler Leinen, Toiles de Lille, werden alle Sorten gemusterter Tisch-
zeuge genannt, welche in Lille gefertigt sind; besonders auch eine Gattung
bunt gegitterter Flachsleinwand, welche dort in feinster Güte hergestellt wird.
Saaij, s. Anacoste.
Saalburg, Stadt im Fürstentum Reuss j. L. : "Woll- und Baumwollweberei.
Saaralben (Saaralbe), Stadt in Elsass-Lothringen: Seidenfärberei.
Saargemünd, , Stadt in Elsass-Lothringen: Fabrikation von Seiden- und
Plüschwaren.
Saarunion, Stadt im Bezirk IJnterelsass : Fabrikation von Seilerwaren
(die grösste Seilfabrik der Reichslande), seidenen Haarnetzen und Handschuhen.
Sabanum (lat.), langfaserig gewebtes Tuch aus Leinen, Byssus oder
Baumwolle, als Badetuch, Leichentuch, sowie auch in alter Zeit gebraucht, um
das Haupt des Täuflings abzutrocknen.
Sacadizos, der ganz geringe Ausschuss der spanischen Wolle.
Sachette, in Italien eine feine weissgebleichte und geglättete Leinwand
aus Deutschland und Oesterreich. *
Sachsen, ein zum Deutschen Reiche gehöriges Königreich : den wichtigsten
Industriezweig bildet die Textilindustrie mit 85 428 Betrieben und 266 683 be-
schäftigten Personen. Zu den ältesten Gewerben gehört die
Leinenweberei, sie wird besonders in den an Schlesien und Böhmen
grenzenden Teilen der Lausitz betrieben. Trotz des Rückganges gegen das
letzte Jahrzehnt des 18. Jahrh. sind die vortrefflichen Fabrikate der 1666 in
Grossschönau eingeführten Damastweberei noch sehr geschätzt. Hauptsitz
der Zwillichmanufaktur ist Waltersdorf bei Zittau; leinenes Band
wird hauptsächlich in Grossröhrsdorf und Pulsnitz gefertigt. Unter „Säch-
sische Leinen" werden im Handel alle möglichen Arten von Creas, Dowlas,
Damastleinen, Serviettenleinen, Buchleinen u. v. a. Artikel verstanden, die hier
gefertigt sind.
Die grösste Wollkämmerei besitzt Leipzig, die grössten Kamm-
garnspinnereien Leipzig, Chemnitz, Harthau bei Chemnitz, Schedewitz,
■ Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 29
450 Sachsen — Saddleworth.
Liebschwitz, Wilkau und Arnsdorf bei Penig, die gros sten Streichgarn- und
Vigognespinnereien Crimmitschau, Werdau und Reichenbach, die grössten
Baumwollspinnereien Leipzig, Chemnitz, Fürth, Scharfenstein, Zschopau,
Hohenfichte, Witschdorf, Mohsdorf und Oberlautersdorf. Hauptsitze der
Tuchfabrikation sind Grossenhain, Bischofswerda, Kamenz, Kirchberg mit
Umgebung und Leisnig. In Bosswein, wo bereits 1376 eine Tuchmacher-
innung begründet wurde, ging die Tuchmacherei seit der Mitte des 19. Jahrh.
zurück und hat vor mehreren Jahren ganz aufgehört. In Crimmitschau mit
Umgebung und Werdau werden vorzugsweise Buckskins, halbwollene und
leichte tuchartige Stoffe, in Oederau, Hainichen, Beichenbach und Mylau
Flanelle gefertigt. Glauchau und Meerane liefern Kleider- und Möbel-
stoffe, Zittau und Beichenau Orleans. Hauptsitze der Baumwollen- und
Halbbaumwollweberei sind das Vogtland, die Chemnitzer Gegend und
ein Teil der Lausitz. Die Seidenweberei wird in Frankenberg, Elster-
berg, Hohenstein-Ernstthal und Callnberg betrieben ; man hatte im Jahre 1864
Versuche angestellt, die Seidenzucht in grösserem Massstabe einzuführen, allein
die Hoffnung wurde bald aufgegeben. Seidenspinnereien gibt es in
Grossenhain, Bodewisch und Cunnersdorf bei Kirchberg. Bad Elster fertigt
Seidensammet. Erwähnenswert sind noch die bedeutende Jutespinnerei
und Weberei in Meissen und die Nesselweberei in Zittau.
Für die Fabrikation von Strumpfwaren (Strickerei und Wirkerei)
sind die Hauptsitze Chemnitz, Hohenstein, Limbach, Lössnitz und Burgstädt
mit Umgebung. Die Spitzenklöppelei im oberen Erzgebirge (Annaberg,
Schneeberg, Eibenstock) beschäftigt immer noch eine Anzahl weiblicher Hände,
hat aber unter der Konkurrenz der mechan. Stickerei schwer zu leiden. Doch
ist durch eine Anzahl Klöppelschulen im oberen Erzgebirge die Kunstfertigkeit
der Klöpplerinnen sehr gefördert worden. Die Stickerei und Spitzen-
fabrikation (Nadelarbeiten) hat einen bedeutenden Aufschwung genommen,
der Hauptplatz dafür ist Plauen, ferner Eibenstock, Schneeberg, Auerbach und
Falkenstein. Die Posamentenfabrikation blüht im Obererzgebirge und
im Vogtland. Für die Veredelung der Gespinste und Gewebe, Spitzen
und Stickereien, Strumpf- und Strickwaren bestehen bedeutende Anlagen, in
welchen namentlich auch das Ausland Fabrikate veredeln lässt. Die Haupt-
plätze dafür sind Plauen, Chemnitz und Beichenbach. Die Wäsche-
fabrikation ist vertreten in der Gegend von Plauen und Schneeberg;
Büschen fabriziert Leipzig, Korsetts Oelsnitz i. V. In Freiberg und
Umgegend blüht die Fabrikation leonischer Waren.
Sachsen, Provinz des preuss. Staates: die Textilindustrie ist vertreten
durch Wollspinnereien in Mühlhausen und Langensalza, Baumwoll-
spinnereien in Magdeburg und bei Halle, Wollwebereien in Magde-
burg, Burg, Barby, Langensalza und Zeitz, Leinenweberei in und bei
Nordhausen und in Worbis (Eichsfeld), Baumwollweberei ebenda und in
Mühlhausen, Wirkerei und Strickerei, Häkelei und Stickerei,
Färbereien und Veredelungsanstalten für Garn und Gewebe mit im
ganzen etwa 23 000 Gewerbtätigen.
Säckingen, Stadt im bad. Kreis Waldshut: bedeutende Seidenband- und
Seidenstofffabrikation, Baumwollwebereien, Kattundruckereien, Seiden- und
Baumwollfärbereien.
SackingS, Baumwollverpackung, s. v. w. Baggings (s. d.).
Sackleinwand, grobe, aber feste und dichte Gewebe zu Säcken für Ge-
treide, Mehl u. s. w. In Sachsen fertigt man sie teils aus starkem flächsenen
Game, teils aus Flachs- und Hanfhede. Aus Westfalen, Hannover, Br^un-
schweig kommen die besseren Sorten der Hemdelinnen und die gewöhnlichen
Löwentlinnen, welche viel nach den Nordseehäfen verschickt werden. In den
Niederlanden, Frankreich und Bussland bildet S. einen grossen Handelsartikel.
Vielfach wird jetzt S. aus Jute verfertigt.
Saddlewortll, Stadt in der engl. Grafschaft York: bedeutende Baum-
wollweberei und Fabrikation feiner Tücher.
Saffrou-Waldau — Saint Nicolas. 451
Saffrou-Waldau, Stadt in' der engl. Grafschaft Essex : Leinwandweberei
und Garnspinnerei.
Saga, auch sagum, saia, sagia, saium (lat.), (franz. : saye, serge, sayette) ;
halb geschorener Wollenstoff, Flanell, feines Wollengewebe (saia drappata),
Wollsammet, Plüsch, Sieneser Sammet; (franz.: saiere) Seidensammet; Saignetus
(franz.: sayette, saignette) blutroter Stoff, Scharlachstoff (s. a. Saye).
Sagan, Hauptstadt des Fürstentums Sagan : ein Hauptzweig der Indu-
strie ist die Tuchfabrikation; ferner bestehen Wollspinnerei, Fabrikation von
wolleneu Phantasie- und Strumpfwaren ; in der Umgebung Flachsspinnerei.
Sagathis ist ein geköpert gewebter, sergeartiger Wollenstoff, der früher
viel in allen Farben für Sommerkleider getragen wurde, jetzt aber durch die
Orleans und die Circassias verdrängt ist; nur in China findet er noch Absatz.
Sagettengarne, s. v. w. Halbkammgarne (s. d.).
Said, syrische Baumwollsorte.
Saida (das alte Sidon), Stadt in Syrien, Hafen von Damaskus : bedeutender
Seidenhandel.
Saint Afrique, Stadt im Arrond. A. des franz. Depart. Aveyron : Fabri-
kation von AVoUstoffen und Decken ; BaumwoU- und Wollspinnerei.
Saint Antonin, Stadt im franz. Depart. Tarn-et-Garonne: Wollspinnerei
und Sergeweberei.
Saint Brieuc, Hauptstadt des franz. Depart. Cotes-du-Nord : Woll- und
Leinenspinnereien, Fabrikation von Leinwand und grobem Halbwollzeug
(tir etaine).
Saint Calais, Stadt im franz. Depart. Sarthe : Fabrikation von Tuch,
Serge und gestreiften Baumwollzeugen.
Saint Chamond, Stadt im franz. Depart. Loire: Fabrikation von Bändern,
Spitzen, Posamenten und Kautschuckgeweben; Handel mit Seide.
Saint Die, Stadt im franz. Depart. Vosges in Lothringen: Fabrikation
von Musselin , Tüll, Kirchenschmuck, Leinwand, Teppichen und Strumpfwaren ;
Färberei, Bleicherei.
Saint Etienne, Stadt im franz. Depart. Loire : Fabrikation von Bändern
(vier Fünftel aller in Frankreich gefertigten) und viele mannigfaltige Seiden-
waren.
Saint Gaudens, Stadt im franz. Depart. Haute-Garonne : Fabrikation
von Leinenband , Wollspinnerei und -Weberei ; Handel mit AVolle , Häuten
und Tuch.
Saint Georges sind rohe flächsene Leinen von mittlerer Feinheit, welche
im Depart. der niedern Seine verfertigt und von den Webern auf den AVochen-
märkten des Fleckens St. George zum Verkauf gebracht werden. Meistens
werden sie von den Kaufleuten aus Pouen und Lisieux aufgekauft, welche sie
bleichen und appretieren lassen, und dann unter dem Namen Blancards nach
Spanien und Amerika verschicken.
Saint James, eine Art französischer Leinen, die den Bretagnes ziemlich
gleicht und besonders nach Spanien ausgeführt wird.
Saint Jean, grobe Leinwand, die in Beaujolais gewebt wird. Sie ist
aus Hanf und wird roh verhandelt.
Saint Junien, Stadt im franz. Depart. Haute- Yienne : Fabrikation von
Hüten, Wolldecken und Leinwand.
Saint Lucie, eine der vorzüglichsten Sorten franz. Seide, die zweimal
über die Mühle geht und zu den schönsten Stoffen verwendet wird.
Saint Maixent, Stadt im franz. Depart. Deux-Sevres in Poitou: Woll-
spinnerei, Fabrikation von Serge, Trikots und Handel mit Leinwand.
Saint Marcellin, Hauptstadt im gleichnamigen Arrond. des franz. Depart.
Isere: Musteranstalt für Seidenzucht.
Saint Maur, franz. sergeartiges geköpertes Zeug aus Seide, Florettseide
oder mit feiner Wolle gemischt.
Saint Nicolas, eine Art wollener Sergen, die zu Troyes und Suippes ge-
webt werden. Man braucht sie besonders zu Montierungsstücken für die Trupi3en.
452 Saint Omer — Sammet,
Saint Omer, Stadt im franz. Depart. Pas-de-Calais : rabrikation von
Tuch, Stickereien, Wolldecken und Posamenten; femer eine Strumpfwirkerei.
Saint Quentin, Stadt im franz. Depart. Aisne: bedeutende Industrie in
Woll- und Baumwollspinnerei, grosse Tüllfabriken, Stickereien und Weberei
von Tafelleinen, Leinen und Baumwollwaren, Posamentenfabriken.
Saint Rambert sind rohe franz. Leinen, die über Lyon und Marseille
nach Spanien und Portugal ausgeführt werden.
Saint Remy, eine Sorte Seide, welche um Arles erbaut, gesponnen und
gezwirnt wird und in verschiedenen Sorten zu Beaucaire in den Handel kommt.
Salamine ist ein älterer, einfarbiger, in allen Farben gefertigter Seiden-
stoff, der zu den Armüren gehört, und bei welchen die mehrfachen Kettfäden
von Gros noir oder trame double von kohlschwarzer Seide sich mit zweifachem
Einschuss von bunter Seide abwechselnd dergestalt verbinden, dass auf der
rechten Seite ganz kleine Pünktchen in schiefer Linie hervorragen und die
Oberfläche ein schillerndes Aussehen erhält.
Salampores, Salempuris, Salempours, Serampores sind ostind. Kattune,
welche sich durch sorgfältige Arbeit und Biegsamkeit auszeichnen und welche
aus mehreren Gregenden der Küste Coromandel und aus Bengalen nach Europa
kommen. Den Namen haben sie von der Stadt Salamporis auf Coromandel.
Salampori, ein veralteter Modestoff, von ganz feiner Wolle, glatt und
geköpert, mit einbroschierten bunten Mustern; die ganz feinen waren von
angoraischem Ziegenhaar und die Muster von Seide, wodurch der Stoff sehr
schöne und glänzende Falten bildete.
Salendang, buntgewebter Baumwollstoff für den ostindischen Markt.
Salerno, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Hallen: grossartige,
von Schweizern angelegte Fabriken, Baumwollspinnerei, -weberei, -druckerei;
grosse Seidenweberei.
Salford, Vorstadt von Manchester: Tuch-, Seide-, BaumwoU- und Leinen-
fabrikation; Bleichen und Färbereien.
Salisbury, Hauptstadt der engl. Grrafschaft Wiltshire : Wollspinnerei und
Spitzenfabrikation.
Salisbury-White ist ein leichter Wollenstoff mit gerauhter und ge-
schorener Oberfläche, eine Art weisser dichter Flanell oder weisses Halbtuch.
Salleiste, auch Leiste, Salband, Salende genannt, die Webkante, die
längs der Oewebe zu beiden Seiten hinlaufende schmale Einfassung, die von
stärkeren oder andersfarbigen Kettenfäden und den mit ihnen verschränkten
Schussfäden gebildet ist.
Salona, Baumwollsorte aus Rumelien.
Salonica, mazedonische Baumwollsorte.
Saloniki, mazedonische Baumwollsorte.
Salubratapete, wasch- und desinfizierbare Wandbekleidung, bestehend
aus Baumwollgewebe, das mit einer 0 elf arb schiebt überzogen ist.
Saluzzo, Stadt in der ital. Provinz Cuneo : Seidenspinnerei und -Weberei.
Salzwedel, Stadt im preuss, Peg.-Bez. Magdeburg: Fabrikation von
Tuch, Woll- und Baum wollwaren, Leinwand und Damast.
Samenwolle der Bäume Munguba und Simauna oder Samauba, werden
als Ersatzmittel der Baumwolle verwendet.
Sämling, slovakischer Hanf aus Ungarn von der zweiten Einsammlung;
der der ersten Sammlung heisst Bösling.
Sammet (lat. : sametum, samit, samis examitum ; franz. : velours ; engl. :
velvet; ital.: velluto ; span. terciopelo); ein Oewebe, das wie Velpel oder
Plüsch aus zwei Ketten besteht, von denen die erste die Grrund- ^nd
IJnterkette, die zweite die Flor-, Poil-, Pol-, oder Sammetkette
genannt wird. Durch die Grundkette mit dem Einschlage entstehen die ge-
wöhnlichen AVebarten : Taffet, Köper oder Atlas, wonach der Sammet zunächst
technisch unterschieden wird. Die darüber auf besonderem Baum sich be-
findliche Polkette^, deren Fäden durch die Schaftlitzen und das Riet ganz
gieichmässig zwischen die Grundfäden verteilt sind, wird durch einen beson-
Sammet. 453
deren Tritt aufgehoben und in das so gebildete Fach legt man eine Nadel oder
Rute. Ist hiernach die Polkette niedergezogen, d. h. wieder unter die G-rund-
kette gebracht, so haben sich sämtliche Polfäden in Schleifen um die Ruten
gelegt, wodurch die Noppen entstehen. Hat man die Polkette durch mehrere
Schussfäden wieder mit der Grrundkette gebunden, so legt man eine neue Rute
ein und so entstehen je nach der Zahl der eingelegten Ruten die einzelnen
Reihen der Noppen. Die Entfernung der Ruten aus dem Gewebe geschieht
entweder dadurch, dass sie herausgeschnitten oder herausgezogen werden, wo-
nach man den Sammet als geschnittenen (Velours coupe) und ge-
zogenen oder ungeschnittenen (Velours frises) bezeichnet. Die
Ruten unterscheiden sich in Sammet- und in Setzruten; letztere sind im Ver-
hältnis zu ersteren dünner und höher und werden gewöhnlich bei sehr hohem
Plor (Moleskin), bei fassoniertem Sammet und bei leichten Sammetbändern mit
Schlingfaden angewandt. Das Aufschneiden der Noppen geschieht mit dem
Dreget, einem zugespitzten, hakenförmigen Messer, das in der Vertiefung
der Rute entlang gezogen wird. (Vgl. hierzu Fig. 11 — 18 auf Tafel X^T^.)
In Ansehung der einfachen und künstlichen Art des Grewebes unter-
scheidet man glatten einfachen, fassonierten einfachen mit Tritt-
mascbine oder Schäften, gemusterten S. mit Jacquardmaschine, doppelten
und reichen S. Der einfache glatte S., von welchem der gerissene oder
geschorene am gangbarsten ist, wird in sehr verschiedener Güte angefertigt
und hiernach in Kiep er und Bastard (früher Baster) unterschieden:
Plüsch, mit den nämlichen Handgriffen gewebt, mit langhaariger Oberfläche,
ist hiervon die geringste Art. Zum Kiepersammet, den man auch italienischen
oder genueser S. nennt, nimmt man bessere Seide und mehr Fäden als zum
Bastard: man spricht hiernach von so und so viel fädigem oder drähtigem S.
Der fassonierte oder gemusterte S. wird auf dem Stuhl des glatten S. her-
gestellt; aber es gehören dazu nach der Verschiedenheit der Muster und
Farben zwei und mehrere Polbäume mit ebenso viel Polketten. Zuweilen hat
man auch Gröld- und Silberfäden eingewebt und reiche Muster erzeugt : es ist
das Velours or frisees. Ein reiches gemustertes Sammetgewebe, bei dem
die Polfäden durch den Harnisch regiert werden müssen, und das wegen der ver-
schiedenen Einarbeitung viele Polbäume nötig macht, wird hergestellt, indem
die Polbäume durch Rollen oder Klötzchen ersetzt werden. Der Doppel-
sammet (Velours ä double face) hat auf beiden Seiten eine Pole oder
haarige Oberfläche; gewöhnlich ist dabei die eine Seite anders in der Farbe.
Pelzsammet (Panne) hat ein höheres Haar als der gewöhnliche und ist
mehr eine Art Velpel, man hat ihn glatt, gemustert, gedruckt und gepresst.
Gemalter S. (mit Wasserfarben) wurde im 18, Jahrh. in England erzeugt,
der sich auch nach Frankreich und Deutschland verpflanzte, ebenso ge-
druckter S. zu Tapeten, Kleidern, Möbeln und "Westen: eine besondere
Art von Bildern wurde am Ende des 18. Jahrh. in Sammetkettendruck
hergestellt. Gepresster S. hat Muster, welche mit heissem Eisen ein-
gedrückt Averden, wobei man dasselbe Verfahren anwendet wie bei dem ge-
druckten Plüsch, es kommt diese Art oft unter dem Namen TJtrechter S.
in den Handel.
Der S. wurde ursprünglich nur aus Seide gewebt, jetzt besteht bei dem
eigentlichen echten S. zumeist nur der Flor aus Seide, der Grund aus Baum-
wolle ; selbst die teuersten Sorten besitzen einen solchen aus geringwertiger
Seide. Die Nachahmungen des S. in Wolle und Baumwolle gehören der
neueren Zeit und die in Leinen der neuesten Zeit an. Der im Handel unter
dem Namen Manchester (franz. : manchester velours coton ; engl. : fustian,
velvet, velveteen, cord) auftretende Baumwollsammet besteht aus der Kette,
dem Grund und Polschuss. Grundschicht und Kette bildet einen glatten,
leinwandartigen oder geköperten Grund. Der Polschuss legt sich zwischen
den Grundschuss und läuft so über die Kette, dass mindestens ^/4 desselben
auf der rechten Gewebeseite in parallelen Streifen flott liegen. Diese Streifen
bilden mit dem Grunde flache Schläuche und werden nach dem Weben mit
454 Sammetbänder.
einem feinen Messerchen aufgeschnitten. Die so entstandenen Faserenden
bürstet man auf der Maschine auf, wodurch der den Grrund deckende Flor
entsteht. Hierauf folgt noch Färben, Scheren und Sengen, letztere Arbeiten,
um einen gleichmässigen Flor zu erzielen. Die Höhe des Poles ist bei Man-
chester eine sehr beschränkte. Langer Flor kann nur durch weiten Stand der
einzelnen Büschel erzielt werden, was zu einer geringeren Deckung des Grrundes
führt. Wie bei dem echten S. unterscheidet man auch bei M. geschnittenen
und ungeschnittenen; ferner gestreiften, welcher entweder dadurch entsteht,
dass man die Pole nur streifenweise aufschneidet, oder dadurch, dass schon bei
dem Weben zwischen den Polstreifen breitere Grundstreifen stehen bleiben.
Zu den letzteren Geweben gehören der Kord (franz.: velours ä c6tes, cordelet;
engl. : cord).
Das Alter des Sammets ist nach erhaltenen Stoffen nicht mit Be-
stimmtheit nachzuweisen, man stützt sich dabei auf die Beschreibung in älteren
Schriften und kommt zunächst auf die verschiedensten Benennungen und Um-
schreibungen des Gewebes. Gottfried Semper (Der Stil u. s. w., Bd. I, § 44)
möchte die Etymologie des Wortes velours, welches im 13. Jahrh. aufkam,
nicht von velum und ursus herleiten, sondern mit dem englischen velvet
und dem deutschen Felbel in Zusammenhang bringen, und dabei an Weif, an
das glatte Fell des jungen Hundes oder Löwen denken. Henri Silbermann
(Die Seide u. s. w.) teilt nach Prof. Karabacek (Heber einige Benennungen
mittelalterlicher Gewebe, Wien 1882) und nach Fr. Michel (Becherches sur le
commerce etc. des etofPes de soie etc. en France pendant le moyen äge. Paris
1852) für^Sammet einige arabische Bezeichnungen mit — als catifah, scia-
mito u. s. w. — und berichtet, dass ausser dem echt arabischen Sammet von
Beyrut, Damaskus und Alexandrien auch andere unter der Bezeichnung „Samis
de Bomanie" im Handel vorkamen. Als Abart des Sammets wird Timit ge-
nannt und des öfteren erwähnt, dass die grüne Farbe des S. sich im Mittel-
alter besonderer Beliebtheit zu erfreuen hatte. Die ältesten, dem Plüsch ähn-
lichen Stoffe, waren nach Semper solche aus Atlas von vielfädigem Einschlag,
dessen Fäden zur Hälfte oder zum Teil zerschnitten wurden, damit sie als
lose Enden ein weiches langhaariges Ylies bildeten. Dergleichen Stoffe in Wolle
sind bereits den alten Bömern bekannt gewesen und werden als Spezialität
der damaligen gallischen Wollenindustrie von Plinius und anderen alten Autoren
oft erwähnt. Der Textur des Sammets verwandt sind auch die aus koptischen
Gräbern gekommenen Leinengewebe mit hängenden Noppen, ferner die daher
stammenden Durchzug- und Knüpfarbeiten in farbiger Wolle. Dem Sammet
noch näher stehend ist im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin ein violetter
ungemusterter langhaariger Seidenstoff aus koptischen Grabfunden, 12. — 13.
Jahrh. (?), vielleicht auch älter (?), welcher bezüglich des Alters dem aus dem
Pergament-Codex des Theodulf (9. — 12. Jahrh.) zu Le Puy in Frankreich gleich-
käme; letzterer wird als das älteste erhaltene Beispiel von S. genannt. Der
Orient, der alte Sitz aller Seidenkultur, war auch der Sitz der Sammetmanu-
faktur und alle Dichter und Chronisten lassen ihn unter orientalischen Fabri-
kationsnamen von dort kommen. Auch unter den Geschenken des Harun-al-
Baschid an Karl den Grossen sollen sich schon Sammetstoffe befunden haben.
Eigentümlich bleibt die Erscheinung, dass unter den der heutigen Zeit ver-
hältnismässig zahlreich erhaltenen frühmittelalterlichen und mittelalterlichen
Seidenstoffen die Gewebe in Sammet sich aus diesen Epochen nur nach zwei
bis drei Stücken zählen lassen und sie führt zu der Frage, ob diese paar der
ältesten Beispiele von Sammet nicht dicke gerauhte Atlasstofife sein können. (?)
Die eigentliche Aufnahme des Sammets fällt erst in die Zeit des 14. bis^lö.
Jahrh., woher sich sowohl aus dem Orient, als auch aus Italien und Spanien
die schönsten Stücke in Mengen erhalten haben. (Sammettapeten s. Tapeten).
Sammetbänder sind in ihrer Herstellung dem Stücksammet als Web-
ware gleich und werden auf dazu eingerichteten Bandstühlen wie dieser her-
gestellt. Man unterscheidet S. in „mit" und „ohne" feste Kanten, von denen
die ersteren einer besonderen Lade bedürfen. Das Weben der S. ohne feste
Sammetbrokat— Sankt Wendel. 455
Kanten ist einfacher, indem sie als Stücksammet dargestellt und durch Schling-
fäden getrennt werden.
Sammetbrokat, s. Brokat und Broschieren.
Sammetspitzen Averden solche aus Chenille genannt.
Sammetstuhl, der mit einem zweiten Kettenbaum für die Polkette ver-
sehene Webstuhl.
Sammettapeten, s. Tapeten.
Sana, Stadt in der Türkei im gleichnamigen Wilajet: die Industrie
liefert grobe Mäntel, dicke Baumwollzeuge und kostbare Silberstoffe.
Sandalina, gewöhnlicher, glatter WoUenstoff^ der in Oberitalien gewebt
und über Livorno nach Spanien ausgeführt wird.
Sandais sind gestreifte Taffete, oder auch mit Sandelholz rot gefärbte
seidene Gewebe, die von Konstantinopel nach den Handelsplätzen in der
Levante gebracht werden.
Sandbach, Stadt in der engl. Grafschaft Chester: Seidenspinnerei und
Wollweberei.
Sandow, Dorf im preuss. B;6g.-Bez. Frankfurt: Wollspinnerei, Teppich-
und Tuchfabrikation.
Sandschak-Scherif (türk. „die edle Fahne"), die Fahne des Pro-
pheten, die heiligste Reliquie der Türken, die der Sage nach aus den ersten
Kriegen des Propheten stammt, später in den Besitz der Omaj jaden, Abassiden
und Fätimiden und bei der Eroberung Aegyptens in den des Sultans Selim I
überging. Der S. wird in der kaiserlichen Schatzkammer zu Konstantinopel
aufbewahrt, aus der er nie herauskommt. Diejenige Fahne, welche gelegentlich
in Gebrauch genommen wird, ist eine ebenfalls sehr alte Nachbildung von
grünem Seidenzeug mit goldenen Fransen, die, ohne Aufschrift und Zeichen,
nur an der Spitze der Stange das einzige Wort 'alem (Fahne) trägt. Bei
grossen Kriegen sowie bei schweren inneren Unruhen wird der S. auf der
Sophienmoschee oder dem Serail aufgepflanzt, worauf dann jeder waffenfähige
Mann sich dem Sultan zur Verfügung stellen muss. Nur wenn der Sultan
persönlich mit ins Feld zieht, oder wenn bei dem Islam und dem Osmanen-
reich drohender äusserster Gefahr die Entzündung fanatischer Kampflust not-
wendig erscheint, wird der S. ins Lager gebracht und vom Mufti oder vom
Sultan persönlich enthüllt.
Sandwolle, die Wolle von Schafen aus sandigen Gegenden, von der in-
folge grosser Sandbeimengungen bei der Fabrikwäsche oft 40 — 50% vom Ge-
wicht verloren geht.
Sangales, Sangalettas, Zangalettas, sind leichte, dünn gewebte flächsene
Leinen, welche weissgebleicht und roh, besonders aber in verschiedenen bunten
Farben gefärbt aus Böhmen, Schlesien, Sachsen und St. Gallen nach Spanien,
Italien, Westindien und Amerika gehen.
Sangles, im franz. Handel die aus Hanf geflochtenen Gürtel, Tragbänder
und Sattelriemen, welche vornehmlich in Paris, Chalons, Carbonne usw. grau,
weiss, gestreift, in verschiedenen Breiten von den Seilern verfertigt werden.
Sankt Blasien, Flecken im bad. Kreis Waldshut : Baumwollspinnerei im
ehemaligen Klostergebäude.
Sankt Gallen, Hauptstadt im gleichnamigen Schweiz. Kanton: Sitz der
Yorarlb ergischen Stickerei- und Weiss war enindustrie mit Stickereibörse.
Sankt Martha, columbische Baumwollsorte.
Sankt Martin, westindische Baumwollsorte.
Sankt Michel, Hauptstadt im südöstl. Teil Finnlands : Herstellung grober
Woll- und Leinenwaren.
Sankt Tonis, Flecken im preuss. E,eg.-Bez. Düsseldorf: Seiden- und
S ammetweb er ei.
Sankt Vincent, westindische Baumwollsorte.
Sankt Wendel, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Trier: Wollspinnereien und
Tuchfabrik.
456 Sannas — Satinade.
Sannas oder Sanas^ leinwandartige, weisse und blaugefärbte baumwollene
Gewebe, welche früher in Mengen aus Ostindien nach Europa kamen und in
den Kattundruckereien verarbeitet wurden.
Sans Nuance, ein reicher Seidenstoff mit eingewirkten goldenen Blnmen
auf Grosdetours-, auf Atlas-, auf Lisere, auf Fondd'or- oder anderem Grunde,
welchen die Manufakturen von Lyon zu Staatskleidern und Westen lieferten.
Santiago de CompOStela, Stadt in der span. Prov. Corußa: Fabrikation
und Handel mit Leinwand, Seide und Garn.
Saracenicum, im Mittelalter ein Seidenstoff, welcher von Sarazenen
(Arabern) in Spanien und Sizilien hergestellt wurde; es ist hieraus der Name
Saracenet, Sarsenet entstanden.
Sarepta, deutsche von Herrnhntern gegründete Kolonie im russ. Gou-
vernement Ssaratow: Weberei in Seide, Wolle und Leinen.
Sargues, eine Art Serge, halb aus Leinen und halb aus kardätschter
Wolle, die in Oberlanguedoc gewebt wird.
Sarong, Bezeichnung für in Ostindien gangbare bunte Webewaren. Auch
die auf Java in Batik (s. d.) hergestellten Zeuge für Frauenröcke werden S.
genannt.
Sarpinka, russischer Baumwollstoff aus Sarepta.
Sarsche (vom franz. Serge), leichtes wollenes, halbseidenes Zeug. Kron-
sarsche, von feiner Wolle, geköpert; Doppelsarsche, auf beiden Seiten
gleich; Tuchs arsche, derber, wollen, nicht geköpert.
Sarsenet (engl.), eigentlich ein seidener (s. Saracenicum), jetzt aber ein
baumwollener, leinwandartig dicht gewebter, glatter Stoff, im Stück gefärbt
und stark appretiert. Einfarbig versteht man darunter im allgemeinen die
farbigen Futterkattune, welche öfter durch AValzen so gepresst sind, dass sie
ein geköpertes oder klein gemustertes Gewebe nachahmen. Im spani-cjchen
Handel heissen S. Zangalete.
Sasch (arab.), Nesseltuch, ^ Turbanstoff.
Sassanidische Seidengewebe des 5.— 8. Jahrhunderts sind als Eeliquien-
hüllen (s. d.) in Barchen erhalten geblieben. Sie zeigen in kräftiger Struktur
Muster aus Kreisen oder quadratischen Feldern, auch in Streifen geordnet mit
dem heiligen Baum, neben demselben Paare von Tieren : Greifen, Löwen,
Steinböcke, Gazellen, ferner Darstellung von Fürsten auf der Jagd in antiker
und reicher persischer Kleidung. Die Webereien dieser Periode sind von
höchster Seltenheit und zugleich von grösster Wichtigkeit als Schlüssel für
die TJebertragung der Formen aus dem Orient nach dem mittelalterlichen Europa.
(Vgl. Abbildungen 1, 2 auf Tafel II.)
Satin (franz.), (lat.: cetinus) ; Atlas oder Pasch. Die Araber nannten
im Mittelalter den Atlasstoff nach dem chinesischen Handelsplatze Tseu-thung
(jetzt T'swan-tscheu-fu am Kaiserkanal, Provinz Kiang-fu) Zeitunijj, mit dem
Artikel Aszeitunijj, woraus in Europa Acetuni, Aceituni, Setuni, Satin usw.
geworden ist. S. ist ein seidenes Gewebe mit glänzender Oberfläche ; indessen
kommt S. auch für die verschiedenartigsten Zeuge aus Wolle oder Baumwolle
in Anwendung, welche durch die Art ihrer Herstellung und Appretur Glanz
zeigen: wie Englischleder, Jeanet, Oriental usw. Eine Abart des S. sind die
sogen. Satinets, gewöhnlich leichter gewebte, meist halbseidene Atlasse.
Die Baumwollsatins heissen in England Sateens; Wollsatins werden Satins
de laine genannt. Satin d'Amerique, gemischte Gewebe, in denen die
Faser der Agave Americana mit eingewoben wird. Satin Delhi heisst ein
vorzugsweise in Garn aus Kammgarn gefertigter feiner Wollenstoff; aber auch
ein sächsischer Halbwollenstoff führt diesen Namen. Satin striped ^ind
Alpakazeuge, welche in der Baumwollkette breitere Seidenstreifen und Alpaka
als Einschuss erhalten. Satin trame coton, ein Atlasgewebe aus Seide und
Baumwolle.
Satinade (franz.), leichter und dünner Stoff mit Seidenkette und Wollen-
oder Leinenschuss und gewöhnlich Atlasstreifen auf Taffetgrund; auch ein
leichter gestreifter Atlas.
Satine — Scarf. 457
Satine (franz.), eine Abart des Satin, atlasartiges mehrfarbiges Seiden-
zeug, vornehmlich in Krefeld gewebt.
Satinet ist Englischleder.
Satingarn hiess früher das harte Kammgarn.
Satinieren, glänzend machen, von Satin, der Atlasstoff.
Satin uni et ä dents heissen die seidenen Atlasbänder, welche ins-
besondere aus Basel kommen.
Satterpori, bunt karierte baumwollene Schnupftücher, welche ehedem
im dänischen Handel vorkamen.
Saulganshi, ostindische Kattune ven Trankebar.
Saum (lat. : parura, paratura ; franz. : bord) , der durch Nähen eines
schmalen umbrochenen Streifens gefertigte, oft mit Stickerei oder anderem
Schmuck verzierte Hand eines Grewebes.
Saumstich wird die den Saum herstellende Naht genannt.
Sauvagagi, ältere ostindische Kattune, die auch als Sauvaguzeen, Soua-
guzen, Savogessen nach Europa kamen; man unterschied darin S. brown =
ungebleichte; dougtys = dichte und starke; white = weisse oder gebleichte;
S. balazees ^ gebleichte, feine u. s. w.
Sauwabund, Sewaudbund, die dritte Sorte ostindischer Seide.
Savannah, Hauptort im nordamerik. Staate Georgia : Baumwollfabrik, der
Haupthandel ist Baumwolle.
Saved list-cloth oder Bocking ist ein grobes Tuch, welches die Eng-
länder für den ostindischen Markt führen und die Eingeborenen tragen. Man
sieht sehr darauf, dass die Leiste des Tuches, wie die Engländer es nennen,
saved ist, d. h, weiss, ohne Farbe, so dass also das Tuch in der Wolle ge-
färbt sein muss.
Savonnerie, die (franz.: Tapis veloutes haute lisse), so werden die in
einem Hospice de la S. im Dorfe Chaillot, nächst Paris, nach orientalischer
Art geknüpften Teppiche genannt. Die Muster entsprechen der Stilart des
frühen antikisierenden Bokoko (s. d.): es sind schwere Akanthusranken, bunte
Blumengehänge und Palmetten in Bronzefarben, auf schwarzem Grunde dar-
gestellt. Seit 1825 ist die S. mit der Manufacture des Gobelins vereint.
Sawn, ostindisches Baumwollgewebe.
Saxonnienne, veralteter, klein gemusterter, einfarbiger, zu den Armüren
gehöriger Seidenstoff, bei welchem die einfachen bunten Fäden der Kette so
durchschossen wurden, dass Muster und Bibben erhaben erschienen.
Saybusch in Galizien: Tuchfabriken.
Saye (auch Soye, Soy), 1. ein festes, wasserdichtes, ganz feines Zeug,
das in der ital. Prov. Venedig verfertigt und nach der Levante verschickt wird.
2. ein Zeug von hartem Kammgarn (vgl. Chalon).
Sayegarn (Sayetgarn, Eil de Sayette), ein aus feiner Kammwolle ge-
sponnenes Garn, welches mehrdrähtig, zuweilen auch mit Seide gemischt, in
den Handel kommt; man unterscheidet hartes und weiches S. und verfertigt
es nach der Stärke in verschiedenen Nummern bis zu einem hohen Grade
von Feinheit. Das harte dient zu verschiedenen Geweben, während man das
weiche zu Posamentierarbeiten, Strümpfen (Sayetstrümpfe), Stickereien u. s. w.
gebraucht.
Sayette nennt man in Frankreich allgemein alle aus langer Kammwolle
verfertigten Zeuge, insbesondere die verschiedenen geköperten und einfachen
Wollenzeuge, als Sergen, Berkane, Kamelotts, Pasche und Etamine, wie sie in
Amiens gefertigt werden. Sodann werden S. die englischen, holländischen und
flandrischen Patinen oder Paveschen genannt, sowie auch die leichten, halb-
seidenen und seidenen Sergen.
Scafati, Stadt in der ital. Prov. Salerno: Baumwollkultur, Woll- und
Baumwollindustrie.
Scapulierzeug, schwarzer oder weisser Kamelott zur Kleidung für Kloster-
geistliche in katholischen Ländern (s. a. Skapulier).
Scarf (engl.) in England wollene schmale Schärpe.
458
Schablone — Schal.
Schablone (vom mitteluiederl. cbampeliven), (franz.: champion: Kämpe,
Vorbild, auch carton ; engl.: stencil), Modell, Muster, starkes, geöltes Papier
oder Blecb, aus welchem Muster ausgeschnitten sind, um sie auf die Fläcbe
zu bringen, auch Patrone genannt. In Japan (s. d) ist die Anwendung der
Schablone in der Textilindustrie
Abb 272 ^®^^ ausgebildet, wozu in erster
Heibe das dortige Verfahren des
Zeugdruckes (s. d.) und gewisser
Arten von Zeugfärberei Gelegen-
heit bieten. Perner spielt die Vor-
zeichnung des Musters für Stickerei
in Verbindung mit Malerei auf
Grund der Schablone in Japan
eine grosse ßolle: die Fertigkeit
in der künstlerischen Darstellung
solcher Muster steht daher dort auf
höchster Stufe. (Vgl. Abb. 272.)
Abbildung:
272. Darstellung aus: Heiden,
Musteratlas, Leipzig^ 1895, Bl. 58:
Schablone mit Fächerpalmenbaum-
muster. Japan 19. Jahrb.
Schablonenstechmaschine
oder Stüpfelmaschine, eine maschi-
nelle Einrichtung zur Herstellung
solcher Papierschablonen zum Vor-
zeichnen von Stickmustern u. dgl.,
bei denen die Muster linien durch
dicht aneinander gereihte Nadel-
stiche dargestellt sind, so dass die
Musterung nach dem Auflegen der
Schablone auf das Arbeitsstück
durch Aufreiben eines farbigen
Harzpulvers auf dieses übertragen
imd durch Erhitzen befestigt werden kann. Auch für Vorzeichnungen von
Spitzenmustern (Nadelarbeiten) finden Seh. Verwendung.
Schabracke (türk.), die aus Tuch, Fell oder dergl. gefertigte, meist ver-
zierte Sattelüberlegedecke, die zum Schutz des Sattels dient. Auch werden
Decken, die mehr als blosse Paradestücke unter den Sattel gelegt werden,
S. genannt.
Schabrunke, die über die Pistolenhalter oder Packtaschen des Kavallerie-
gepäcks gelegte Decke.
Schachwitz nennt man bei denen im Handel nach dem Auslande unter
dem Namen Breslauer Ballen vorkommenden Geweben, diejenige Sorte, welche
aus weissgebleichtem gemustertem Zwillich oder Drell zu Servietten, Hand-
tüchern und Bettüberzügen besteht. Auch kommt unter Seh. eine rot- und
weissgestreifte oder ebenso gegitterte Leinwand zu Tischdecken vor, die man
„steingemustert'' nennt.
Schaff hausen, Hauptstadt des gleichnamigen Schweiz. Kantons : Fabri-
kation von Verbandstoffen und Bindfaden, Trikotweberei, Kammgarn- und
Wollspinnerei.
Schafwolle s. Wolle.
Schag, ein dichtes laughaariges Tuch, welches von den Einwohnern der
Orkneys- und Schottlandinseln aus der groben Wolle der dortigen Schafe ge-
fertigt und vorzugsweise nach Schottland verkauft wird.
Schal, Umschlagetuch, s. Shawl.
Schalkau — Scherwolle. 459
Schalkau, Stadt im sachs.-meining. Kreis Sonneberg: Wollspinnerei,
Zeug- und Bandweberei, Strumpfwirkerei.
Schaly, leinwandartig gewebter, feiner wollener Kleiderstoff.
Schang-hai, bedeutendste Handels- und Hafenstadt Chinas: ausgedehnte
Baumwoll- und Seidenindustrie.
Schappe s. Chappe.
Scharmbeck, Flecken im preuss. B-eg.-Bez. Stade: Wollspinnerei, Tuch-
fabrikation.
Schärpe (lat. : escerpa; franz.: echarpe; engl.: scarf, sash) ; als Tracht
einiger Völker eine breite, gewebte oder gestickte Binde aus seidenen, halb-
seidenen und wollenen Stoffen; als Dienstzeichen der Offiziere ein Band aus
Wolle oder Seide in den Landesfarben, mit Silber- und Goldfäden durchwirkt
und meist mit Quasten verziert (s. a. Shawls).
Scharpie s. Charpie.
Scharzen, eine Art wollener Decken.
Schässburg, Stadt in Siebenbürgen: WoU-, Leinen- und Baumwollweberei.
Schaube, Oberrock im 16. Jahrh., mit Pelz gefüttert oder verbrämt, vorn mit
senkrechter Oeffnung und mit breit ausgelegtem Pelzkragen. In der E^eformations-
zeit ist die S. das charakteristische Kleidungsstück des Mannes, aus Brokat,
Sammet und Atlas, für den niederen Stand auch aus einfachen Stoffen gefertigt.
Schecke, gleichbedeutend mit Jacke, auch ein enger Rock mit kurzen
Schössen; sie erscheint in der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Scheckel, im Oesterreichischen die Bettleinwand.
Schecken nennt man in den Weberdörfern der Oberlausitz und in den
böhmischen Grrenzorten die gewöhnlichen blau- und weissgestreiften oder ebenso
gegitterten Leinen, welche im Handel nach dem Auslande unter dem Namen
Buchleinen vorkommen.
Schedewitz, Dorf in Sachsen, bei Zwickau : Kammgarnspinnerei und
Weberei halbwollener Futter- und Kleiderstoffe mit Färberei.
Scheibenberg, Stadt in Sachsen, bei Annaberg: Fabrikation von Spitzen
und Posamenten.
Schelklingen, Stadt im württ. Oberamt Blaubeuren: in der 1806 auf-
gehobenen Benediktinerabtei ist Baumwollweberei.
Schellentracht, eine im 16. Jahrh. aufgekommene Mode, die Kleider,
namentlich die Mäntel, mit Schellen zu behängen.
Schemacha, Stadt im russ. Gouvernement Baku in Transkleinasien: die
früher bedeutende Seidenweberei ist infolge der Erdbeben 1859 und 1872
zurückgegangen : auch 1902 wurde S. durch ein Erdbeben verwüstet.
Schendi , eine der Hauptstädte des altägyptischen Reiches : Kattun-
w^eberei, Färberei.
Schenectady, Stadt im nordamerik. Staate Neuyork: Fabrikation von
Strick- und Posamentierwaren.
Scherbaum, Vorrichtung am Webstuhl.
Scherbrief, die Vorschrift, wie beim Scheren (s. d.) der Kette für einen
bestimmten Stoff vorzugehen ist.
Scheren der Kette, das Abmessen und Ordnen der für eine Zeugkette
erforderlichen Fäden.
Scherflocken = Scherwolle.
Scherkanter, Scherlatte = Scherbank.
Schermaschine, in der Tuchfabrikation eine Appreturmaschine, in der
Weberei soviel wie Kettenschermaschine; auch eine Maschine der Filzhut-
fabrikation.
Scherrahmen, Schweifrahmen, Zettelrahmen, eine Art Haspel, auf w^elchen
der Weber die zur Kette gehörige Zahl Fäden von den Spulen der Scherbank
aufwindet.
Scherung, die Kette eines Gewebes.
Scherwolle, die beim Tuchscheren abfallenden Härchen, zum Velutieren
von Tapeten, Wollmosaik.
460 Schetterleinwand — Schirgiswalde.
Schetterleinwand oder Schotterleinwand (lat.: ristatela; franz.: bougran;
engl.: buckram) ; grobe, der Graze ähnlich gewebte, dabei ziemlich steife
Leinwand.
Schettertaffet, Zindeltaffet, ein sehr leichter und durchsichtiger Taffet.
Schiavina, dichtes starkes AYollentuch, lang geschoren, welches an
mehreren Orten in Dalmatien und Slavonien aus schwarzer und brauner Land-
wolle verfertigt und zu Kapuzen oder kurzen Matrosenmänteln verbraucht wird.
Schichtweberei ist eine moderne Bezeichnung für die gobelinartige
AVirkarbeit, in welcher heut die nach Art der orientalischen Kilims (s. d.)
erzeugten Decken, Teppiche u. s. w. hergestellt werden. Der Ausdruck hat
seinen Ursprung nach den sich durch die Technik ergebenden geraden Schlitzen,
deren äussere Wirkung dem „Schichtensystem" der Bauweise entspricht, wonach
zwei sich parallel begrenzende Flächen „Schichtenflächen" genannt werden.
(Vgl. auch Schlitz Wirker ei.)
Schiemannsgras, seemännischer Ausdruck für die aus altem Tauwerk
aufgelösten Garnfäden, die, nach Bedürfnis geteert und zusammengedreht, zum
Verbinden und Umwickeln der Taue dienen.
Schiertuch, in "Westfalen ein leichtes Segeltuch.
Schiessbaumwolle, Schiesswolle oder Pyroxylin, (franz.: coton explosible
ou coton fulminant), eine durch Umwandlung gewöhnlicher Baumwolle mittels
Einwirkung rauchender Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure sich
bildende Trinitrocellulose, die in der Sprengtechnik eine grosse Rolle spielt.
Schiessspule, in der Weberei = Schütze.
Schiesswolle s. Schiessbaumwolle.
Schiff, als symbolische Darstellung Christi oder der christlichen Kirche
überhaupt, erscheint im Webemuster des 14. Jahrhdts. nicht selten; es wird
als kleiner Nachen (Abb. 45), häufig auch als Segelschiff dargestellt, welches
der Aufnahme bedrängter Wesen dient.
Schiff, in der Weberei := Schütze.
Schildkröte, in China und Japan dargestellt als Symbol des Glückes
und langen Lebens, auf Geweben und Stickereien vorkommend, namentlich in
Japan auf dem „Fukusa", d. i. ein Geschenktuch (s. d.).
Schilfleinen, braun und grün gesprenkelter kräftiger Modestoif.
Schillertaffet, deutsche Bezeichnung für changeant taffetas. Schillernde
Zeuge sind im allgemeinen diejenigen, welche, je nachdem das Licht darauf
fällt, in einer oder zwei Farben schillern, was dadurch entsteht, dass die Kette
des Stoffes eine andere Farbe hat, als der Schuss. Erfordernis zur beabsichtigten
Wirkung ist es^ dass die Fäden viel Glanz haben. In neuerer Zeit stellt man
auch schillernde Stoffe dar, bei denen das Schillern durch die eigentümliche
Beschaffenheit der Teerfarbstoffe, mit denen sie gefärbt sind, hervorgebracht wird
(s. a. Changeant und Lüster).
Schillingsfürst, Marktflecken im bayr. E.eg.-Bez. Mittelfranken: Seiden-
bandweberei.
Schiltach, Stadt im badischen Kreis Offenburg: Tuch- und Lodenstoff-
fabrikation.
Schiniert = chiniert.
Schinkel, Dorf im preuss. E,eg.-Bez. Osnabrück: Baumwollweberei.
Schio, Haupt ort in der ital. Provinz Vicenza: bedeutende Tuchfabriken,
Streichgarnspinnerei und Färberei.
Schiptücher, gewöhnliche Tücher, welche in Schlesien und Polen aus
grober Wolle gewebt, im Stück gefärbt und von den Landleuten getragen werden.
SchiräS, Schiraz, ehemals blühende Stadt der pers. Provinz Farsi^tan:
Industrie in Baumwolle, Wolle und Seide, Teppichfabrikation. S. ward nach
der Vertreibung der Sassaniden Hoflager der Chalifen in der IMitte des 7. Jahrb.,
erreichte seine höchste Blüte unter dem Mongolenkaiser Hulagu im 13. Jahrh.
bis auf Timur, der es 1387 und 1392 eroberte.
Schirgiswalde, Stadt in Sachsen, bei Bautzen : mechan. und Handweberei
in Leinen und Barchent; Strumpfwirkerei.
Schivelbein — Schleier. 461
Schivelbein, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Köslin: Damast-, Tuch- und
E,aschweberei ; Fabrikation von AVolhvaren.
Schlackenwerth, Stadt in Böhmen: Spitzenfabrik.
Schlackenwolle, ein aus Hochofenschlacke erzeugtes Kunstprodukt, das
zwischen Drahtplatten gepresst als "Wandbekleidung für provisorische Bauten
Verwendung findet.
Schlag, in der Weberei die Lade des Webestuhles, auch die Bewegung
des Blattes gegen eingeschossene Fäden, um ihnen die rechte Lage zu geben,
in der Spitzenklöppelei entstehen durch Fadenkreuzungen „Schläge" ver-
schiedener Art, je nachdem die Klöppelpaare bewegt oder gedreht werden,
sodass es Halbschläge und Ganzschläge gibt (s. Spitzen).
Schlaggarne, Wand, die auf dem Yogelherd verwendeten Netze, die zwei
Flügel bilden und durch eine Bückleine rasch zusammenschlagen, dass sie ihrer
ganzen Länge nach deckend wirken.
Schlagholz, das messer- oder kammförmige hölzerne Werkzeug, welches
bei manchen Arten der Handweberei, z. B. der Teppichweberei der Asiaten,
zum Anschlagen des Schlussfadens gebraucht wird.
Schlagmaschine, Schlag- und Wickelmaschine, Maschinen der Baum-
wollenspinnerei und der Wergspinnerei; auch eine Maschine zum Zusammen-
drehen (Schlagen) der Litzen von Hanfseilen.
Schlagwolf, Vorrichtung zur Wollspinnerei.
Schlan, Stadt in Böhmen: grosse Baumwollspinnerei.
Schlangen- oder Zickzackköper entsteht, wenn der Weber nicht immer
die Tritte der Beihe nach, d. h. geradedurch, tritt, sondern abwechselnd vor-
wärts und rückwärts (im Spitz) arbeitet. Da beim Rückwärts arbeiten der
Köpergrat ebenfalls rückwärts laufen wird, so entstehen im Muster Zickzack-
oder Schlangenlinien, die in der Bichtung der Kette verlaufen.
Schlangenlahn ist Kantille, welche etwas ausgedehnt und geglättet wurde,
so dass sie wellige Biegungen behält.
Schlauchkops wird beim Spulen der Grarnkörper genannt, Avenn das
Garn ohne eine Unterlage auf die blanke Spindel der Spulmaschine aufgespult
worden ist.
Schlauchweberei stellt Hohlgewebe her, im modernen Sinne auf dem
Bundwirkstuhl entstandene Schläuche (s. Wirkwaren), in welcher Art nach
Notizen von Braulik, Altägyptische Gewebe, Stuttgart 1900, die alten
Aegypter schon nahtlose Kleider fertigten.
Schlawe, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Köslin : Leinwandweberei, Woll-
spinnerei, Färberei, Leinwandmarkt.
Schleier, Schlier, Schier, Klar, Nonnenschier, (lat. : faciale, velum,
galumna, jugale, pallium umbrale; franz.: claire, linon, batist ä libret, voile;
engl. : lawn, veil muffler ; span. : estopillas), leinwandartig und auf Battistart
locker gewebter, daher halbdurchsichtiger Baumwollen- oder Leinenstoff, schon
bei den alten Völkern (s. Byssus) von den Frauen getragen, teils um das Ge-
sicht zu verhüllen, teils als Kopfputz. In der Karolingerzeit wurde ein runder
Seh. von etwa IY2 ^^ Durchmesser aus weisser, oft gestickter Leinwand ge-
tragen; später (im 12. Jahrh.) war er kleiner, oft aus feinem Seidengewebe,
und wurde unter den Stirnreif gelegt; im 13. und 14. Jahrh, wurde er be-
deutend länger und dünner besonders von der Jugend benützt. Im Abend-
lande gehört der Seh. zur Tracht der Nonnen und zum Schmuck der Bräute.
Die heutigen Orientalinnen legen ihn ausser dem Hause in Gestalt zweier
Binden um Stirn und unteren Teil des Gesichtes, so dass nur die Augen
freibleiben.
Technisch unterscheidet man dichte oder dicke, klare oder dünne Seh.
Die dichte Art unterscheidet sich von der Batistleinwand darin, dass der
Faden weicher, ihr Einschlag etwas feiner als die Kette, und das Gewebe
demnach dünner ist, und dass sie nach der Bleiche gestärkt und geplättet wird;
die klare Art unterscheidet sich durch ihre zarten Fäden im Einschlag wie
im Aufzug, welche um ein merkliches voneinander entfernt sind.
462 Schleieretamin — Schlitz Wirkerei.
Schleieretamin (franz. : etamine ä voile), leinwandartig gewebter Wollen-
stoff aus Kammgarn, der ähnlich dem Wollmusselin ist; meist weiss oder
schwarz, der besonders in Frankreich gefertigt und zu Priesterkleidern, Hals-
binden, Halstüchern, Trauerkleidern, sowie zu TJnterfuttern gebraucht wird
und für Italien und Spanien ein sehr gangbarer Handelsartikel ist.
Schleierleinwand s. Linon.
Schleiertuch, ein wenig oder gar nicht gestärkter, sehr locker gewebter,
feiner leinwandartiger Baumwollstoff, ähnlich dem Linon (s. d.).
Schleim nennt man klare und dünne Schleier aus feinem Flachsgarn,
welche glatt, weiss gestreift oder weiss gewürfelt verfertigt, und unter dem
Namen Kavensburger Leinen in den Handel kommen.
Schleitheim, Stadt im Fürstentum Reuss j. L. : WoU- und Baumwoll-
weberei, Strumpfwirkerei.
Schlema (Ober-S.) in Sachsen, bei Zwickau: Maschinenstickerei, Shoddy-
spinnerei, Färberei, Bleicherei, Appreturanstalt.
Schlesien, ein ehemals zur Krone Böhmens gehöriges Herzogtum:
I. Preussisch-Schlesien: bedeutende Textilindustrie , wovon die
Flachsspinnerei und Leinenweberei die grossartigste im ganzen Staate
ist ; sie hat ihre Sitze in den Kreisen Lauban, Hirschberg, Löwenberg, Landes-
hut, Waidenburg, Glatz, Habelschwerdt, ferner in Leobschütz, Neisse und Neu-
stadt in Oberschlesien. Die Baumwollspinnerei und -web er ei ist ver-
breitet auf dem platten Lande der Kreise E-eichenbach, Neurode, Glatz,
Schweidnitz und einigen anderen. Tuchfabrikat ion und Wollspinnerei
findet sich ausschliesslich in Görlitz, Sagan, Grünberg, Breslau, Frankenstein
und Liegnitz ; Stickerei und Spitzenklöppelei in den Kreisen Hirsch-
berg, Liegnitz, Fraustadt, Breslau, Leobschütz, Batibor u. a. Die Veredelung
von Garnen und Geweben zählt umfangreiche Betriebe.
IL Oesterreichi seh- Schlesien: Das wichtigste Erzeugnis der
Textilindustrie sind die Tuche und Wollwaren von Bielitz, Troppau,
Jägerndorf und Teschen usw. In der Zahl der Dampfwebstühle für Streich-
garn überragt das Land sogar Böhmen. Nächstdem sind zu nennen die D amast-,
Leinen- und Zwillichwaren von Freiwaldau, Zuckmantel, Würbenthai,
Engelsberg, Freudenthal, Wigstahl u. a. Baumwollwaren besonders in Friedek
und Umgebung.
Schlesische Leinwand, die in der Prov. Schlesien meist auf Handstühlen
gefertigten Leinengewebe, welche trotz der Ueberhandnahme des Verbrauchs
baumwollener Ware anstatt der leinenen und der Fortschritte in der Maschinen-
flachsspinnerei und -Weberei im Leinenhandel noch einen bedeutenden Bang
einnehmen.
Schleswig-Holstein, Provinz im preuss. Staate: Wollweberei in Kiel,
Leinenweberei in den Kreisen Tondern, Hadersleben u. a.
Schlettau, Stadt im sächsischen Erzgebirge: Posamentenfabrikation und
Spitzenhandel.
Schlichtbürsten, zwei Bürsten zum Auftragen der Schlichte auf beide
Seiten der Kette des Gewebes.
Schlichten, das Tränken der Kettenfäden mit Mehl- oder Stärkekleister,
damit sie glatt und steif werden und beim Weben nicht reissen.
Schlichtmaschine, Dressingmaschine, besorgt in der Weberei das Schlichten
und zugleich das Aufbäumen der Kette.
Schlingfäden erteilen den Sammetb ändern, welche ohne feste Kanten
gewebt werden, die Bänder.
Schlitzwirkerei kann man ihrer äusseren Erscheinung nach die älifeste
der eigentlichen Weberei voraufgegangene Technik im Bereiche der Textil-
kunst bezeichnen, welche auf hoch- oder wagerecht gespannter Kette durch
Hin- und Herverflechten bestimmter Fadengruppen derselben eine sich in
Schlitzen absetzende Musterung herstellt. Die älteste, gröbste und einfachste
Art derselben ist uns erhalten im orientalischen Kilim (s. d.). Die feinsten
Schlitzwirkereien in Seide und Goldfäden haben die koptischen Textilfunde
Schlipse.
463
gebracht, welche nach den darauf be- Abb. 273.
findlichen arabischen Inschriften dem
12. — 15. Jahrh. angehören, aber wohl
auch heute noch im Orient gemacht
werden. Hier sind schmale und breitere
Borten als Endigung von feinen Leineu-
tüchern in dieser Art eingewirkt, deren
Farben und Musterung lebhaft an alt-
ägyptischen Einfluss erinnern (Abb. 273).
Der Entwicklungsgang dieser Technik
führt durch viele Vorstufen schliesslich
zur sogenannten Gobelinarbeit (s. Wand-
teppiche) ; ältere orientalische Arbeiten
in Wolle sind erhalten u. a. in dem aus
St. Grereon in Köln stammenden Wand-
behang des XI. Jahrh dts. mit Kreisen,
in welchen die Darstellung von Fabel-
tieren in Umrahmung romanischer Orna-
mentborten (vgl. Abbildungen in Müntz,
La Tapisserie u. a. a. 0. — Original-
stücke in den Museen zu Berlin und
Lyon — ) an frühmittelalterliche Stoff-
muster erinnern. Eines der prächtigsten
Beispiele dieser Wirkereien in Seide ist
die aus Bamberg stammende Arbeit (ab-
gebildet in C ahi e r & Martin, Melange s
d'archeologie Bd. II, S. 251) mit ßeiter-
figuren in Kreismustern auf kleingemu-
stertem Grrunde aus herzförmigen Blät-
tern, die für frühbyzantinische Kunst-
formen bezeichnend sind. Welcher me-
chanischen Hilfsmittel man sich bei der
Herstellung dieser feinsten textilen Kunst-
fertigkeit damals bediente, in der auch
heute noch in China und Japan Uner-
reichbares geleistet wird (Abb. 210 u. 274),
ist schwer zu sagen. (Tgl. Weberei.)
Abbil düngen:
273. Originalaufnahme aus dem Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin: Teil der Endiguüg eines feinen LeineLtuches, bestehend
aus zwei breiten und einer schmalen Borte in farbiger Sei den Wirkerei. Arabisch
13. Jahrh. Aus einem Koptischen Grabe.
274. Originalaufnahme nach einer sich im Kunsthandel befindlichen Decke (äusserer
Abschluss eines Be-
hanges) in farbiger Abb. 274.
Seidenwirkerei : flie-
o-ende Reiher in
Wolken. China 18.
bis 19. Jahrh.
Schlipse, Kra-
watten oder Hals-
binden wurden frü-
her vorzugsweise
aus Frankreich be-
zogen ; seit lan-
gem aber werden
sie in allen be-
deutenden Städten
464 Schluckenau — Schonen.
Deutschlands gefertigt und für diesen Artikel in neuerer Zeit eigens Seiden-
stoife mit abgepassten Mustern gewebt. (Vgl. Tafel YIII, Abb. 6, 8, 10.)
Schluckenau, Stadt in Böhmen: bedeutende Leinen-, Schafwoll-, Baum-
wollwaren-, Sammetfabrikation und Baumwollspinnerei.
Schmallenberg, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Arnsberg: Wollspinnereien,
-Wirkereien und -Färbereien.
Schmiedeberg im Eiesengebirge : Seiden-, Plüsch-, Chenille- und Leinen-
weberei, Wollspinnerei, Leinen- und Kattundruckerei, Bleicherei und Appretur,
sowie Fabrikation von Teppichen und Nadelspitzen.
Schneeberg, Stadt in Sachsen, bei Zwickau: die früher hier blühende
Stickerei und Spitzenklöppelei ist durch die Einführung der Maschinen zurück-
gedrängt ; weitverbreitet ist die Maschinenstickerei, die Weissstickerei, die An-
fertigung von Blonden und Konfektionen, von Korsetten und Tüll. Spitzen-
klöppelmeisterschule zur Ausbildung von Klöppelschullehrerinnen, Klöppel- und
Stickerfachschule.
Schneiderzeugleinen, derber ungebleichter Leinenstoff zu Futterzwecken.
Schneller, in der Spinnerei s. v. w. Strähn ; am Webstuhl s. v. w. Treiber
oder Vogel (engl, picker).
Schnellschütze am Webstuhl s. Schütze.
Schnellzeug heisst die Schnurenverbindung, mittels welcher die aus Holz
gefertigten Treiber den Schützen (Schnellschützen) in Bewegung setzen.
Schnupftücher s. Taschentücher.
Schnürbrett s. Chorbrett.
Schnürchen, Schnürl, Musterung eines Grewebes durch einzelne dickere
Kettenfäden in regelmässigen Abständen, daher Schnürchenperkai und
S chnür chenmus selin.
Schnüre (franz.: cordeaux; engl.: cords), aus mehr oder weniger zahl-
reichen gedrehten Fäden bestehende Grezwirne oder Geflechte ; auch eine be-
stimmte Anzahl an eine S. gereihter Dinge, z. B. Perlen. Erstere werden
eingeteilt in Bund- und Plattschnüre oder Litzen und wellige S. und aus
Leinengarn, Baumwolle, Wolle und Seide, teils von Posamentierern, teils in
besonderen Fabriken, wie in Barmen, Elberfeld, Badeberg, Pulsnitz, Annaberg,
Schneeberg u. s. w. gefertigt und bilden einen wichtigen Handelsartikel ; Gold-
nnd Silberschnüre liefern die Grold- und Silberspinnereien.
Schnurenmaschinen mit im Klreise laufenden Spulen oder Klöppeln
werden zur Verfertigung aller Arten von Schnüren benutzt.
Schnurrad, in der Posamentiererei ein fahrbares Holzgestell, das oben
an einem Kreisbogen eine Anzahl von Haken trägt, mittels welchen durch
Drehung aus einzelnen Fäden die Schnüre hergestellt werden.
Schnurschlag, abschnüren, das Schnellen einer gefärbten angespannten
Schnur zur Vorzeichnung gerader Linien.
Schnürstrümpfe werden aus starker Leinwand oder Leder gefertigt und
finden in der Chirurgie Anwendung.
Schnürung, das Verbinden der Schäfte mit den Tritten des Webestuhles.
Schocke, Schockleinwand hiess man in Böhmen und Schlesien im all-
gemeinen jede Leinwand, welche nach dem Stück, das 60 Ellen in der Länge
hielt, verkauft wurde.
Schoddy s. Shodd}-.
Schönau, Stadt im badischen Kreis Lörrach: Baumwollspinnereien und
-Webereien.
Schönau, Dorf in Böhmen: Fabrikation von Posamentier- und Band-
waren, Wäsche, Borten, G-urten. /
Schönberg, Stadt in Mähren: bedeutende Leinenindustrie, Seiden- und
Baumwollwarenfabrikation; eine Webeschule.
Schöneck, Stadt in Sachsen: Clardinenweberei, Weissstickerei, Korsett-
fabrikation.
Schonen, schwedische Landschaft: bedeutende Wollspinnerei und
-Weberei.
Schönen — Schuschter. 465
Schönen, einen gewebten StofiP nach dem Färben noch mit einer Säure,
einem Salz oder Alkali behandeln, um die Nuance der Farbe zu verändern.
Schönheide, Marktflecken in Sachsen : Hand- und Maschinenstickerei, Fabri-
kation von Weiss- und Konfektionswaren, Wollweberei mit Druckerei und Färberei.
Schönlanke, Stadt im preuss. Heg.-Bez. Bromberg : Streichgarnspinnerei,
Tuchweberei.
Schönlinde, Stadt in Böhmen: "Woll- und Baumwollwebereien, Strumpf-
und Zwirnfabriken, Bleichereien und Färbereien; Fachschale für Wirkerei.
Schopfheim, Hauptstadt im bad. Kreis Lörrach : Baumwollspinnerei und
-Weberei, Bleicherei und Färbereien.
Schop-Romals, eine Sorte baumwollener, buntgewirkter ostindischer
Schnupftücher.
Schotte-Buttadar, feine musselinartige ostindische Grewebe mit goldenen
Leistenbändern.
Schottisches Garn, bunt geflammtes Garn.
Schottisches Leinen ist Gingan.
Schottische Spitzen s. Hamiltonspitzen.
Schottische Teppiche (engl. : scotch carpets), Fussteppiche, gewöhnlich
mit aufgeschnittener, sammetartiger Oberfläche, welche aus drei Geweben be-
stehen, die nach Art der Kidderminsterteppiche die Plätze wechseln, so dass
die Zeichnung auf beiden Seiten gleich ist, aber in verschiedenen Farben. Die
Ware wird auch in Frankreich und Deutschland erzeugt.
Schottische Zeuge, Gewebe mit bunten und lebhaften Farben in Streifen,
vorzüglich aber in gewürfelten (schottisch karierten) und gegitterten.
Mustern. Sie gehören bei den Schottländern zur Nationaltracht und es unter-
scheiden sich die Angehörigen der verschiedenen Stämme (Clans) durch her-
gebrachte feststehende Farbenzusammenstellungen.
Schottland, früher selbständiges Königreich, seit 1707 die nördl. Hälfte
des vereinigten Königreiches Grossbritannien: Baumwollfabrikation in
Lanarck und Benfrew; Seiden- und Baum wollwaren in Glasgow und
Paisley, sowie die Kattundruckerei, namentlich der Shawls. Einen Stapel-
artikel bilden Leinwand und andere Fabrikate aus Flachs. Diese Industrie
ist über das ganze Land verbreitet, zum Teil als Nebenbeschäftigung. Fabrik-
massig betrieben wird sie vornehmlich in Dundee, nächstdem in Forfar, Dum-
fries, Perth, Aberdeen und Inverary. Seit der Mitbewerbung Irlands und dem
vermehrten Verbrauch wollener Stoff'e beschränkt sich jedoch S. vorzugsweise
auf gröbere Gewebe, zu denen Bussland den Hanf, die Niederlande und
Deutschland den Flachs liefern. In der Erzeugung von Plaids, Tartans und
Tweeds steht S. unübertroff'en da. Hauptsitz der Industrie sind die Distrikte
von Dundee, Glasgow und Arbroath.
Schrägfachmaschine, solche Schaft- und Jacquardmaschinen, bei welchen
die hinteren Platinen mehr gehoben bezw. gesenkt werden, so dass man ein
reines Schrägfach erhält.
Schriftbänder, Spruchbänder im Webeornament s. kufische Schrift.
Schubstuhl, Webstuhl, auf welchem eine grössere Anzahl Bänder gleich-
zeitig nebeneinander gewebt werden können.
Schuja, Stadt im russ. Gouvernement Wladimir: Baumwollspinnerei,
Färberei, Druckerei.
Schultertuch, Schultervelum, liturgisches Gewand, s. v. w. Amictus,
s. a. Velum.
Schuppenmuster, von der Hautbildung des Fisches stammende Kunst-
form, welche auch in der Textilkunst vielfach Verwendung gefunden hat.
Schürze (lat. : fauda, tablerium ; franz.: tablier; engl. : apron), als blosses
Schutzmittel bei der Arbeit schon im frühen Mittelalter, als Kleidungsstück
von Frauen und Jungfrauen seit Mitte des 16. Jahrhunderts, oft nur als Zierde
getragen.
Schuschter (Schuster), Stadt in der pers. Prov. Chusistan: bedeutende
Baumwoll-, Woll- und Seidenindustrie ; Teppicherzeugung.
Heiden, Handwörterbuch der Textilknnde. 30
466 Schuss — Schweidnitz.
Schuss, in der Weberei die in der Breite laufenden Fäden, auch die
Bewegung, welche diese Fäden durch die Fäden der Kette hinführt: daher
Schussfaden, Schussgarn, Schussspule.
Schusslizere, Seidenzeug mit stark flottliegenden Schussfäden.
Schüttorf, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Osnabrück: Baumwollspinnerei,
5 Webereien in Leinen und Nessel, 5 Färbereien.
Schütze, der, AYeberschiff, Schussspule, schiffförmiges, in der Grösse
zwischen 5 und 20 cm haltendes Werkzeug aus Holz, Bein oder Elfenbein,
welches die Garnspule aufnimmt und den durch ein Loch an der Seite ab-
laufenden Schussfaden durch die Kette hinführt. Früher wurde der Seh. mit
der Hand geschleudert, jetzt durch eine eigene Vorrichtung (s. Schnellzeug)
geschnellt: daher Schnelllade, Schnellschütze.
Schwabach, Stadt im bayr. Beg.-Bez. Mittelfranken: Goldspinnerei;
Fabrikation von sogen. Schwabacher Nadeln: Nähnadeln mit grossen Oehren
zur Goldstickerei, ferner von Nähnadeln feinster Sorte.
Schwaben, Begierungsbezirk des Königreichs Bayern: die Industrie
erstreckt sich auf Baumwollspinnerei , Woll- und Leinenweberei und Kattun-
druckerei.
Schwäbische Leinwand heissen die aus dem Königreich Württemberg
und dem bayr. Oberdonaukreise in den Handel gebrachten Leinengewebe, welche
meist nach der Schweiz, Italien und Frankreich verschickt werden. So wird
in Augsburg eine Hemdenleinwand (Tele di Cotone) gefertigt, welche zur Hälfte
aus flächsenem, zur andern Hälfte aus Baumwollengarn gewebt, sehr schön
gebleicht und wie die holländische Leinwand zugerichtet wird. Kempten und
Kaufbeuren liefern gewöhnliche und mittelfeine flächsene Hemdenleinwand,
weisse imd buntgefärbte Futterleinwand, leinene Schnupftücher u. s. w. Nörd-
lingen bringt ausser Bettdrillichen eine Menge halb aus Baumwolle, halb aus
Leinen gefertigte Stoffe, ferner rohen Zwillich und Sackleinwand zu Markte.
Auch die Ulmer Ware wird viel begehrt. Die dortigen Leinwandhändler haben
den grössten Teil des Handels mit schwäbischer Leinwand an sich gebracht
und besorgen den Versand ins Ausland.
Schwabmünchen, Marktflecken im bayr. Beg.-Bez. Schwaben: mechan.
Weberei, Strumpf- und Baumwollwarenfabrikation.
Schwanenboy, ein weicher flanellartiger Baumwollenstoff, der trotz seiner
Leichtigkeit dick und warm ist und daher häufig zu Unterröcken, Bettdecken,
Nachtkleidern usw. verwendet wird. Es gibt einfachen S., der eine auf-
gekratzte, langhaarige Oberfläche hat, und doppelten, der auf beiden Seiten
aufgekratzt und gewöhnlich weiss ist, jedoch auch farbig und bunt gestreift
mit eingewirkter oder gedruckter Kante vorkommt.
Schwanenordengewand, ein Mantel der Bitter des Schwanenordens,
welcher 1440 vom Kurfürsten Friedrich 11 von Brandenburg gestiftet ward.
Derselbe wird aufbewahrt im Dom zu Brandenburg; er besteht aus einem
Sammetbrokatstoff, der in Gold (mit or frisee) und Bot mit prächtigem, schräg
aufwachsendem Granatapfelmuster (ähnlich der Abb, 6 auf Tafel IV) bedeckt.
Der Stoff ist italienisches oder burgundisches Fabrikat.
Schwarzburg-Rudolstadt, ein zum Deutschen Beiche gehöriges Fürsten-
tum: Spinnereien, Fabrikation von Mull- und Tuchwaren.
Schwarzenbach, 1) an der Saale, Stadt im bayr. Beg.-Bez. Oberfranken :
zwei Baumwolhvebereien, Türkischrot- und andere Färbereien; 2) am AVald,
Flecken das. : Baumwollweberei, Weiss-, Filetguipüre- und Spitzenstickerei.
Schwarzwurzeln zur Aufzucht der Seidenraupen werden in nördlichen
Gegenden verwendet, wo der Maulbeerbaum nicht gedeiht. Vgl. Dr. ^do
Damm er, Ueber die Aufzucht der Baupe des Seidenspinners mit den Blättern
der Schwarzwurzeln. Frankfurt a. 0. 1897.
Schweden, Königreich: 188 Garnspinnereien; die Textilindustrie als
häuslicher Erwerb von hoher Bedeutung.
Schweidnitz, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Breslau: bedeutende Streich-
garnspinnereien, Tuch-, Woll- und Leinwandwebereien und -Färbereien.
Schweif — Schweiz. 467
Schweif, in der AVeberei = Kette; daher schweifen, anschweifen, die
Kette scheren.
Schweifen, in der Bleicherei die Zeuge im Wasser spülen. In der
Spinnerei die Yereinignng der Fäden von einer Anzahl im Schweifgestell
aufgesteckten Kettengarnspulen und Aufwickeln auf einen grossen senkrechten
oder wagerechten Haspel, Schweifrahmen, Scherrahmen zur Bildung der Kette.
In der Schnürefabrikation und Seilerei wiederholtes Führen, Anschirren
oder Aufziehen eines Fadens von einem Haken zu einem andern Haken und
zurück, bis die zu einem Strange bezw. einer Litze erforderlichen Fäden auf-
gewickelt sind.
Schweisstuch (lat.: sudariolum; franz.: suaire; engl.: sudary), 1) Kopf-
tuch, von Herrschern unter die Krone aufs Haupt gelegt; aus den herab-
hängenden Zipfeln entstanden die Infulen. Ein solches gehört zu dem Krönungs-
ornat der deutschen Kaiser; 2) ein zur Zeit Grregor I getragenes leinenes
Tuch, woraus später der Manipel hervorging, es dient zum Anfassen des Kelches,
des Bischofstabes usw. (s. Veronikatuch). Bei den Juden das Tuch zur Um-
hüllung des Kopfes eines Leichnams oder auch des ganzen Leichnams. 3) Als
Taschentuch (Faciletlein) seit dem 16. Jahrh. eingeführt.
Schweiz, die Anfänge der Textilindustrie — Woll- und Leinenindustrie
— lassen sich bis ins 13. Jahrh. zurückverfolgen ; auch die Züricher Seiden-
manufaktur ist so alt. Im 16. Jahrh. begann die Seidenindustrie allgemeiner
zu werden, ebenso die Sammet-, Seidenweberei und Passementerie ; im 17. Jahrh.
folgte die Musselinmanufaktur, Stoffdruckerei, Bleicherei, Strumpfweberei
und Spitzenklöppelei. Das 18. Jahrh. brachte die Baumwollspinnerei und
Stickerei. Die Spitzenklöppelei ist inzwischen fast ganz eingegangen, wesent-
lich zurückgegangen ist die Leinenmanufaktur, vorübergehend auch die Woll-
fabrikation.
In 1099 Betrieben für Baumwolle waren 1901: 49 023 Arbeiter be-
schäftigt; für Seide 235 Betriebe mit 33 506 Arbeitern; für Wolle 65 Be-
triebe mit 4166 Arbeitern; für Leinen 13 Betriebe mit 956 Arbeitern; für
andere Textilwaren 322 Betriebe mit 9542 Arbeitern. Die Stickerei-
industrie beschäftigt in 130 Fabriken etwa 16000 Stickmaschinen, 2600
Schifflimaschinen mit 6000 Arbeitern. Ausserdem arbeitet der österr. Vorarl-
berg lediglich für den Platz St. Grallen.
Die Pohseidenerzeugung und Seidenspinnerei ist in Tessin
bedeutend, während Seidenstoffe besonders in Zürich, Bern, Basel, Schaff-
hausen, Aargau, Grlarus, Thurgau, Grraubünden und für Zürichs Rechnung
in Zug, Schwyz und Hnterwalden erzeugt werden ; Seidenbänder besonders
in Basel, dann im bernischen Jura und in Solothurn. Ungenügend für den
Bedarf ist die Wollwarenindustrie, welche in Zürich, Bern, Glarus, Schaffhausen
und Solothurn durch Fabriken vertreten ist ; sehr bedeutend aber die Industrie
in Baumwolle, in der die Schweiz unter den Staaten Europas den vierten
Pang einnimmt. Die erste Stelle behauptet Zürich, dann Aargau, Glarus und
St. Gallen. iSlur vier Kantone betreiben diese Spinnerei nicht. Der Export
geht nach Deutschland, Oesterreich, Frankreich und Italien. Die Baumwoll-
weberei, in allen Kantonen betrieben, ist am bedeutendsten in Zürich, Aargau,
Glarus, St. G-allen, Appenzell, Zug und Thurgau; Fabrikate sind glatte und
fassonierte Gewebe, Buntweberei und Pikeeweberei für Tischdecken, Bett-
überwürfe u. dgl., billige Pock- und Hosenstoffe für die Levante, Indien und
Afrika; berühmte Musseline kommen aus Appenzell (Herisau), St. Gallen
und Zürich für Amerika und England. Nachahmungen von indischen
Geweben mit Seide und Metallfäden werden in St. Gallen (Toggenburg und
Nieder-Uzwyl) für Nord- und Südamerika, Afrika, Türkei und Asien gefertigt;
Leinenweberei treibt man im Emmenthal in Bern (Burgdorf und Langenthai),
genügt jedoch dem Bedarf keineswegs. In der Färberei wird Grosses ge-
leistet, die schweizer roten Garne, Adrianopeler und krapp violetten Tücher
werden nirgends in Güte und Farbe übertroffen, und die bedruckten Foulards
sind weit berühmt. Hauptsitze für Stoffdruckerei sind Glarus, Zürich, Aargau,
468 Schweizer Leinen — Sedjazek.
Appenzell, Bern und Neuenburg. Die Spitzenklöppelei wird nur in
Waadt und Neuenburg in grösserer Ausdehnung betrieben.
Schweizer Leinen bildeten früher für Italien, für Südfrankreich und die
Levante einen wichtigen Handelsartikel, der infolge der zunehmenden Baum-
wollweberei von seiner Bedeutung verloren hat. In geringer Menge kommen
aus der Schweiz nach den genannten Ländern noch verschiedene Grattungen
flächsener und hänfener Gewebe, die in einigen Kantonen der Schweiz teils aus
dort selbst erzeugtem Flachs oder Hanf verfertigt, oder aus Maschinengarn
gewebt werden, teils roh aus Schlesien, Böhmen und Schwaben bezogen, dort
gebleicht oder bunt gefärbt und appretiert und als Schweizer Fabrikat ver-
kauft werden.
Schwelm, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Arnsberg : Leinenwarenfabrikation,
Damast, Band und Litzen.
Schwenningen, Fabrikdorf in Württemberg : Fabrikation von Posamentier-
waren und Florettseide.
Schwiebus, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: bedeutende Tuch-
fabrikation.
Schwillieren, das Verfahren, Nähzwirn, Seidenfäden u. dgl. dadurch zu
glätten und ihnen Grianz zu erteilen, dass man die über ein Windehakenpaar
gehängten Grarnsträhne zusammenwindet und hierauf die einzelnen Fäden
durch wiederholtes Auf- und Zusammendrehen der Strähne aneinanderreiht.
Die zur Ausübung dieses Verfahrens dienenden Maschinen, die oft eine grössere
Anzahl Windehakenpaare enthalten, heissen Schwilliermaschinen.
Schwyz, Kanton der Schweiz : die wichtigsten Industriezweige sind Baum-
woll- und Seidenspinnerei und -weberei.
Sciali heisst das schwere Gewebe des Kamelottstoffes im Gegensatz zu
dem leichten, welches den Namen Soff führt.
Scigliano, Stadt in der ital. Prov. Cosenza: Seidenspinnerei und -Weberei;
Wolldeckenfabrikation.
Scoffino, italienische Bezeichnung für Lüstrin.
Score heisst in England ein Wollgewicht von 20 Pfd.
Scotsch carpets (engl.), schottische Teppiche (s. d.).
Scutari s. Skutari.
Sea Island, 1) nordamerik. Baumwollsorte (lange Georgia), weiss, mit
Stich ins Gelbliche, seidenglänzend, sehr kräftig im Faden ; 2) ägyptische Baum-
wollsorte: maco.
Sealskin, unter diesem Namen (seal = Pobbe, Seehund ; skin = Fell)
kommen zwei verschiedene Stoffe vor : der eine wird nach Art der Putenplüsche
aus Mohairgarn gewebt, während der andere aus Kuhhaar- und Kälberhaar-
garnen hergestellt wird. In letzterem Fall wird der Flor wie bei den Streich-
garngeweben durch Pauhen und Klopfen bezw. durch Aufbürsten erzeugt.
Sebnitz, Stadt in Sachsen, bei Pirna: mechan. Webereien: Leinenweberei,
deren Erzeugnisse sich unter Sebnitzer Leinen eines bedeutenden Pufes
erfreuen, man webt dort alle Arten feinster nnd gewöhnlicher Stoffe.
Sechsteilig werden Teppiche genannt^ deren Muster sechs Farben haben.
Secreton, mittelfeiner, ostindischer weisser Kattun aus französischen
Kolonien.
Sedan, Hauptstadt des gleichnam. Arrond. im franz. Depart. Ardennes:
bedeutende Fabrikation berühmter feiner Tuche, sowie Strumpfwirkerei und
Wollspinnerei. Die Spitzenerzeugung in S. im 18. Jahrb. beschränkte
sich auf Nadelarbeiten im Stil derjenigen von Argentan; seit der Revolution
lag der Erwerbszweig darnieder. /
Sedansche Tücher aus gleichnamiger Stadt werden in verschiedenen
Sorten von feiner spanischer Wolle, auf holländische Art gearbeitet und
appretiert ; man hat draps fin in premiere et seconde qualite. Auf diese folgen
die entresins aus weniger feiner Wolle. Ausser diesen Sorten liefert S. auch
viele Londres und Demi-Londres für den Levantiner Handel.
Sedjazek, im levantiner Handel eine Gattung kleiner wollener Teppiche,
Seebaumwolle — Seide. 469
auf denen die Türken ihre Gebete verrichten; auch Nemazi genannt (siehe
Grebetteppiche).
Seebaumwolle, s. Adenos.
Seelandy Provinz im Königreich der Niederlande : Kalikofabriken.
Seerbands, ostindische Musseline von verschiedenen Sorten.
Seerhandconat, ostindische Musseline in verschiedener Feinheit.
Seewolle oder Gallipoli, Baumwollsorten von den Inseln des Archipels.
Segelkaliko, grober, starker Kattun, der in Ostindien für Segeltuch ge-
braucht wird.
Segeltuch, Segelleinwand, Duck (franz. : toile ä volle Bonnettes ; engl. :
sail cloth); eine grobe, fest gewebte Leinwand, welche zu Segeln verbraucht
wird. Das niederländische S. wird wegen seiner Dauerhaftigkeit am meisten
geschätzt, das beste und schwerste davon ist der sogen, holländische
Kanevas, auf dieses folgt Karltuch. Leichtere Arten von S. werden zu
Stickereien (s. Kanevas- und Leinenstickerei) verwendet.
Segovia, Hauptstadt der span. Provinz S. : Wollwäschereien, welche die
berühmte Segoviawolle liefern, und bedeutende Tuchfabrikation, die zur
Maurenzeit 60 000 Arbeiter beschäftigt haben soll.
Segoviatuch, drap Segovie, ein feines Wolltuch^ das in den niederländ.
Fabriken zu Eupen, Montjoie, Stolberg u. a. 0. gemacht wird; es ist eine Art
doppeltes Halbtuch und dient zu Damenmänteln und Sommerröcken.
Segovienne, Segovia-Etamine, feiner Stoff aus spanischer "Wolle, welchen
die englischen Manufakturen in verschiedenen Sorten liefern.
Seide (lat. : serica; griech.: ßöfußv^', franz.: soie; engl.: silk; ital. : seta;
span.: seda ; holländisch: zijde; dänisch: silke; ungarisch: selyem; polnisch:
jedwab; böhmisch: hedväbi; schwedisch: silke; russisch: szeolk), besteht aus
sehr feinen Fäden, welche die sogen. Seidenraupe spinnt, die nach mehreren
Verwandlungen zu einem Schmetterling (Phalaena Bombyx mori) wird, der zu
den spinnenden Nachtfaltern gehört. Obgleich es noch viele andere Seiden-
spinner gibt, versteht man unter S. üblicherweise nur das Produkt der gewöhnlichen
Maulbeerraupe : Bombyx mori. (Abb. 275.) Er ist mit ausgebreiteten Flügeln
etwa 4 cm breit und höchstens 2,06 lang, seine Flügel sind schmutzig- oder
gelblichweiss, mit drei blassbraunen Streifen und einem mondförmigen, oft kaum
sichtbaren Fleck; seine kurze Lebensdauer ist ausschliesslich dem Geschäft der
Fortpflanzung gewidmet. Das Männchen stirbt bald nach der Begattung; das
Weibchen legt einige Tage nacheinander 300 — 500 Eier und stirbt dann eben-
falls. Die Eier entwickeln sich bei einer Wärme von 10^ Celsius, wozu in
warmen Ländern die Sonnenwärme hinreicht, in kühlen Gegenden aber künst-
liche Abwartung zu Hilfe genommen werden muss. In Asien, dem eigentlichen
Vaterlande dieses Insektes, bleiben die Eier den Winter über an den Bäumen
sitzen und die kleinen Paupen entschlüpfen im Frühling ihrer Hülle, sobald
die Sonnenwärme den Knospen des Maulbeerbaumes die Blätter entlockt, in
Europa hebt man sie in bestimmter Temperatur den Winter über auf und lässt
sie nicht eher auskommen, als bis Nahrung für sie da ist. Die in Europa
allgemein benutzte Bombyx mori, deren Nahrung die Blätter des weissen Maul-
beerbaumes sind, ist ausserordentlich gefrässig und dabei sehr empfindlich gegen
Kälte, Nässe und Wind. Zu ihrem Gedeihen gehört warme, trockene, heitere
Luft und Puhe, trotzdem erkranken und sterben viele. Die kleinen Paupen
sehen anfangs schwarz aus, häuten sich aber viermal während ihres 6 — 7 Wochen
langen Lebens und verändern bei jeder Häutung die Farbe: nach der letzten
erscheint die Paupe weisslich oder braun mit dunklerem Kopfe, woraus man
schliessen kann, dass die Zeit der Verwandlung nahe ist; sie hört jetzt auf
zu fressen, wie vor der Häutung, wird unruhig, läuft schnell umher und sucht
einen bequemen Platz, um sich einzuspinnen. Sie klebt nun zwei Tropfen des
klebrigen Saftes (Fibroin), der ihr aus zwei Oeffnungen neben dem Maule
hervorquillt, an den Gegenstand an, wo sie sich einspinnen will, bewegt den
Kopf hin und her und haspelt dabei einen dünnen, klebrigen, an der Luft
rasch erhärtenden Faden hervor, den sie mit den Vorderfüssen um sich wickelt.
470
Seide.
Abb. 275.
Den ersten Tag spinnt sie nur ein unordentliches, weitläufiges, unzusammen-
hängendes Gewebe, das dem eigentlichen Grehäuse als Befestigung dient, über
welches sie ein Zickzack mit strafferen Fäden spinnt, bis nach 7 — 8 Tagen ein
ovaler Schlauch (C o c o n) von der Grösse eines Taubeneies fertig ist, der sie
unsichtbar macht und aus dem sie nach 2 — 3 Wochen als Schmetterling durch-
bricht. Der Cocon besteht aus einem einzigen Faden von durchschnittlich
400 — 500 m Länge. Das äussere, lockere Gespinst, die Flockseide — franz.
bourre, engl, floss-silk — besteht aus viel dünneren und darum schon
viel weniger wertvollen Fäden. Der
Querschnitt einer Coconwand zeigt,
wenn vergrössert, 5 — 10 Seidenschich-
ten , die fest oder locker zusammen-
hängen. 7 — 9 Tage nach dem Ein-
spinnen der Raupen werden die Cocons
von ihren Trägern genommen und von
der sie umgebenden Flockseide ge-
trennt. Man wählt die besten zur
Zucht aus und tötet die Puppen der
anderen, indem man sie der Sonne
aussetzt, aber auch durch "Wasser-
dampf und geheizte Luft, trocknet sie
hierauf und bewahrt sie zum Ab-
haspeln auf oder verkauft sie an fabrik-
mässig eingerichtete grössere Haspel-
anstalten oder Filandas. Die sogen.
Doppelcocons, franz. douppions,
ital. doppioni, sind weder zum Ab-
haspeln noch zur Zucht geeignet. Sie
entstehen dadurch, dass zwei oder drei
Haupen denselben Winkel aufsuchen
und ihre Fäden beim Einspinnen
kreuzen und verstricken. Um dieses
zu verhüten , bedient man sich be-
sonderer Vorrichtungen : dem „appareil
cellulaire isolateur". Auch die spitzen
Cocons (pointus), sowie die sehr grossen
lockeren (cocalons) sind schwer abzuhaspeln. Geringwertig sind auch die
chaquettes und calcines, d. h. solche Cocons, in denen das Insekt starb,
bevor es den Faden vollendete. Alle die fehlerhaften Cocons, wozu noch die
durchlöcherten C. perces, ferner die C. piques, C. tarmate, C. rugginose, welche
in allen möglichen Gattungen, Rassen und Namen auf den Markt gebracht
werden, bilden ein geschätztes Material der Florettspinnerei (s. Florett-
industrie.)
Das Abhaspeln der Cocons geschieht erst, nachdem man sie in
heisses Wasser getan hat, um die harzigen Teile auflösen zu lassen, durch
welche die Fäden miteinander vereinigt sind. Nach dem Kochen erfolgt das
Schlagen der Cocons, welches die Entfernung des äusseren Flaumes und der
Flockseide bezweckt, die den Cocon umgeben, welches auch in einem Wasser-
bade geschieht. In vielen Betrieben wird dem Schlagen der Cocons mit den
Händen vor dem maschinellen Verfahren der Vorzug gegeben. Das Seiden-
haspeln geschieht mittels einer mechanischen Vorrichtung und hängt die Güte
der Seide zum Teil mit von der Sorgfalt des Abhaspeins ab; denn nun erst
kommt das Zwirnen oder Filieren der aufgehaspelten E, oh- oderGreze-
seide, franz.: soie ecrue, ital.: seta grezza. Soll die Seide gefärbt werden,
so wird sie locker gezwirnt ; soll sie zum Einschlag beim Weben dienen und
wird der Faden aus zwei oder mehr rohen, locker gedrehten Seidenfäden ge-
macht, so heisst sie Trama-, Tram- oder Einschlagseide; dagegen ent-
steht die Ketten- oder Orsfansinseide, wenn man vier und mehr Fäden
Seide. 471
zu einem zusammenzwirnt, nachdem man zwei und zwei je zu einem Faden
zusammengedreht hat. Die Einrichtung der Filier- und Zwirnmaschinen
war lange Zeit ein Geheimnis der Piemontesen und ein Engländer, John Lombe,
setzte sein Leben aufs Spiel, um sich in Piemont eine genaue Kenntnis der-
selben zu verschaffen. Bei seiner Rückkehr legte er in Derby eine Seiden-
mühle an, von wo sich dieser Industriezweig weiter ausbreitete und sich nach
Frankreich, Deutschland und der Schweiz verpflanzte, wo früher alles mühsam
durch Händearbeit gesponnen wurde.
Das Mulinieren (moulinage) der Pohseide bezweckt die Vereinigung
mehrerer Grrezefäden unter gleichzeitiger Verbindung derselben vermittelst der
Drehung und Zwirnung. Nach dem Putzen der Pohseide folgt das Dub-
lieren, Es besteht in der Vereinigung mehrerer einfacher nur gereinigter
Fäden anf einer einzigen Bobine. Die fertig gezwirnte rohe Seide wird, um
sie in den Handelsverkehr bringen zu können, aus der Bobinenform in die
übliche Strangform übergeführt. In England hat ein Strang von 48 Zoll engl,
einen Umfang von 1,219 m mit 2496 Fäden, oder einer von 44 Zoll == 1,118 m
mit 818 Fäden. In Frankreich hat der Strang 1 m Umfang, 1 Strang = 4 Gre-
binde zu 3000 Fäden, also 12 000 m. Zur Anfertigung solcher Stränge be-
dient man sich einer Win de maschin e. Die gezwirnte Seide kommt in die
Färberei, wo sie zunächst durch Kochen in einem Seifenbade von dem
gummösen Stoffe, der bastartig den Faden umgibt, befreit wird. Diese Operation
ist nötig einmal, weil ohne sie die Färbung nicht so gut gelingt, andrerseits
aber anch deshalb, weil erst durch sie das Material die volle Elastizität er-
langt, von w^elcher die Dauerhaftigkeit der Grewebe abhängt. (Vgl. Knecht,
Pawson & Löwenthal, Handbuch der Färberei, Berlin 1895 ; Steinbeckj
Bleichen und Färben der Seide und Halbseide, Berlin 1895. Silber mann,
die Seide u. s. w. Bd. II, S. 280.) In den Seidenfärbereien werden die ein-
zelnen Strähne, nachdem sie gefärbt, gewaschen und aufgewunden sind, bis
zu einem gewissen G-rade gestreckt, wodurch sich die getrennten Fasern
wiederum fester an den Faden anschliessen, so dass dieser ein Ganzes bildet.
Durch das Strecken gewinnt die Seide nicht nur an Glanz, sondern auch an
Dauerhaftigkeit. Unter dem Konditionieren der Seide versteht man die
Feuchtigkeitsbestimmung derselben, d. h. man ermittelt ihren Wassergehalt
gegenüber dem wirklichen Handelswert. Aus den der Trocken anstalt über-
gebenen Seidenballen werden einzelne Probestränge gezogen, deren genaues
Gewicht man durch doppelte Wägung findet, welche kontrolliert und auch
doppelt notiert wird. Die hierauf stattfindende Trocknung dieser Probebündel
erfolgt bei einer Temperatur von 105 — 108^ Celsius, bei welcher die Seide
während einiger Stunden in dem durch Dampf geheizten Trocknungsapparate
verbleibt und wobei deren abnehmendes Gewicht durch die unmittelbar darüber
befindliche Wage mehrmals genau bestimmt und registriert wird. Nach dem
so gefundenen Gewicht wird das des ganzen Ballens berechnet. Ausser dem
Konditionieren wird die Seide noch einer Prüfung unterworfen, das ist die
Bestimmung der Faserfeinheit, welche man als Titrieren (s. d.) bezeichnet.
Geschichtliches: Die Seidenindustrie wird im frühen Altertum
in China, dem Heimatlande derselben, zuerst getrieben; von dort hat sich
dieselbe in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung über Indien
und Persien bis nach Vorderasien verbreitet, trotzdem jedes Land sie als einen
kostbaren Besitz für sich zu bewahren suchte. Als im 6. Jahrh. in Byzanz
(s. d.) unter Justinian der Seidenbau eingeführt wurde, bestand dort schon
eine Industrie, welche den Pohstoff von den persischen Händlern bezog: die
Industrie selbst hatte ihren Schwerpunkt in den kaiserlichen Gynäceen (s. d.),
in welchen für Rechnung des Staates und zumeist für die Bedürfnisse des
Hofes gearbeitet wurde; die Privatindustrie war daneben nur in beschränktem
Masse vertreten. Der Import vom Orient war noch immer sehr bedeutend;
der Export nach dem Abendlande, besonders der von kostbaren Stoffen, zeit-
weise beschränkt. Erst im 12. Jahrh. ist die Fabrikation in Griechenland
bedeutend geworden, neben Byzanz wurden Korinth, Athen und Theben die
472 Seide.
Hauptstätten derselben. Früher als in Griechenland blühte die S. in Syrien,
das im 8. Jahrh. an die Araber verloren ging. Diese eigneten sich das Ge-
werbe an und verbreiteten es über die Nordküste von Afrika bis nach Spanien
und Sizilien. Jeder Emir hatte bei seinem Palaste einen „Tiraz", in dem für
seinen Bedarf seidene und goldgestickte Zeuge gewebt wurden: die Stadt
Almeria zählte zu Evrisis Zeiten (Mitte 12. Jahrhdts.) 800 Stühle. Von
Griechenland aus erfolgte die Einführung der S. nach Italien, indem König
E-oger I. 1146 von einem Kriegszuge griechische Seidenweber nach Palermo
brachte. (Vgl. Palermo und Italien.)
In Frankreich war schon infolge der Kreuzzüge die S., im 13. und
14. Jahrh. in Uebung gewesen, namentlich in Paris und im Süden, auch durch
die ITebersiedlung des päpstlichen Hofes nach Avignon (s. d.); aber erst unter
Lud^\dg XI. (1461 — 83) gewinnt das Gewerbe dauernden Bestand, wozu die
Berufung von Seidenarbeitern aus italienischen Städten besonders beitrug.
Im Jahre 1466 wird die Manufaktur in Lyon, und 1470 jene in Tours ge-
gründet. Letztere kam eher in Blüte als Lyon, dessen grosse Messen anfangs
mehr dem Handel mit italienischen Waren dienten. Es hatte in der Mitte des
16. Jahrhdts. schon eine beträchtliche Anzahl Stühle im Gange, an denen neben
den Italienern viele einheimische Arbeiter tätig waren, und fertigte Brokate
und SeidenstojßPe, die sich wohl mit den Produkten von Florenz vergleichen
konnten. Franz I. (1515 — 47), der durch italienische Einflüsse der Industrie
die künstlerische Bichtung zu geben verstand, wurde der zweite Begründer
der Manufaktur von Lyon, teils durch das Privilegium, das er 1536 zwei
Genueser Unternehmern erteilte, teils durch den grossen Vorzug des Stapel-
rechts auf alle in das Königreich eingeführte Bohseide, welches er der Stadt
1540 gewährte. Heinrich IV. (1589 — 1610) führte den Seidenbau als einen
allgemeinen Zweig der Landeskultur auch in den nördlichen Provinzen ein
und förderte die Manufakturen, namentlich in Paris. Unter seiner Begierung
fand ein Plan von Barthelmy Laffemas zur Förderung von Handel und Gewerbe
Annahme, in welchem auch die S. eine hervorragende Stelle einnahm und
welcher später von Colbert erweitert und von Pontchartrain und Chamillart
im Jahre 1700 umgebildet wurde. Colbert erhob die S. in Frankreich auf den
Gipfel ihrer Blüte; ihre Erzeugnisse übertrafen an Geschmack und Solidität
die der Italiener, die sie nicht nur von dem inländischen Markt vollständig
ausgeschlossen, sondern auch auf den fremden Märkten erfolgreich bekämpften.
Lyon gewann jetzt vor der alten Nebenbuhlerin Tours und vor den übrigen
Fabrikationsstädten, unter denen namentlich Paris, Avignon und Nimes zu
nennen sind, einen bedeutenden Vorsprung. Trotz seines hochentwickelten
Seidenbaues muss Frankreich im 18. Jahrh. doch fast zwei Drittel seines
Bedarfs an Bohseide von auswärts beziehen, besonders aus Italien.
In Spanien knüpft die S. unmittelbar an diejenige der Mauren an,
welche im Laufe der mittelalterlichen Jahrhunderte zu hoher Blüte gelangt war.
Ihre Gesetze und Verordnungen Hessen die katholischen Könige nach der
Eroberung von Granada (1492) bestehen; im übrigen suchten sie das Gewerbe
auf alle Weise zu fördern. In Kastilien wurden Seidenmanufakturen zu Toledo
begründet; neue Manufakturen entstanden auch in der grossen Hafenstadt
Sevilla, deren Betriebsstärke 1650 auf 3000 Stühle angegeben, während das
alte Granada 1540 etwa 1000 beschäftigte. Während der Begierung Ferdinands
und Isabellas (1479 — 1504) wird schon viel zum Schutze der bedeutenden
Seidenzucht des Landes getan und die Einfuhr fremder Fabrikate und fremden
Materials verboten. Karl V. (1519 — 56) schaffte das Einfuhrverbot für fremde
Fabrikate ab, während die Ausfuhr des Bohmaterials erlaubt blieb ; die Italiener,
namentlich Genuesen, kauften massenhaft spanische Seide auf und führten ihre
Fabrikate auf den spanischen Markt. Seit dieser Zeit ist die spanische S.
in raschem Verfall begriffen; erst im 18. Jahrh. kam sie wieder zu grösserer
Bedeutung, so dass Valencia am Ende desselben als Nebenbuhlerin von Lyon gilt.
Auch die Niederlande sind im Besitze einer alten S. gewesen, welche
ihren Ursprung auf die mittelalterlichen Handelsbeziehungen zurückführt.
Seide. 473
Brügge war schon im 13. Jahrh. eine Station der Lucchesischen Kaufleute;
im 15. Jahrh., vielleicht auch schon früher, besteht dort in dem Gewerk der
cultensteckers eine eigenartige Seidenindustrie. Das Gewerk verfertigte alle
Sorten von Wämsern, "Westen, Schleuder ärmeln und dergleichen Luxus-
gewändern, fütterte die Kleider mit Seide und machte — wovon es den Namen
führt — die prächtigen seidenen Bettdecken, die man im Mittelalter Culten
nannte. Seidenweber und Seidenbereiter (Zwirner und Winder) bildeten samt
den Gold- und Seidenstickern und den B orten wirkern eine Unterabteilung des
Gewerks, das mit dem der eigentlichen Kleidermacher wegen der Befugnis
zur Verarbeitung von Sammet und Seide in beständigem Streit lebte, bis der
Magistrat 1552 auch den Kleidermachern diese Befugnis verlieh. Auch in Gent
haben im 14. und 15. Jahrh. die Weber seidene Waren neben den wollenen
gefertigt; die Hauptstätte der S. aber war Antwerpen, das schon im 13. Jahrh.
in lebhaften Handelsbeziehungen mit den Yenetianern stand und im 14. Jahrh.
als grosser Stapelplatz für Seidenwaren bekannt war. Noch 1550 verbot eine
Kleiderordnung Karls Y. den Bürgern das Tragen seidener Gewänder; aber
schon seit dem 16. Jahrh., wo die Verlegung der Handelswege aus dem Orient
vom Mittelmeer an die atlantischen Küsten einen allgemeinen Aufschwung der
wirtschaftlichen Tätigkeit hervorbrachte, bestand dort eine bedeutende Industrie
von selbständigem Charakter, die Satin, Sammet, Cassa- und Trippsammet (mit
Wolle oder Leinen vermischt), Burate (aus Seide und Wolle), leichte Taffete,
Damaste und Brokate fertigte. Im 18. Jahrh. erreichte die S. ihren Höhepunkt,
seit dem Ende desselben ist sie gänzlich in Verfall geraten.
Die weitere Ausbreitung der S. steht im Zusammenhang mit der im
16. Jahrh. beginnenden und bis ins 18. Jahrh. hinein sich fortsetzenden Gegen-
reformation, die 1685 in der Aufhebung des Edikts von Nantes gipfelte.
Aus Italien, aus den spanischen Niederlanden, aus Frankreich wandern nament-
lich in der zweiten Hälfte des 16. und am Ende des 17. Jahrhdts. Ströme von
Flüchtlingen, um ihren Glauben zu bewahren, in die benachbarten Länder aus :
nach der Schweiz und nach Deutschland, nach Holland und England, nach
Dänemark und Schweden, selbst nach Amerika. Sie sind unter anderem auch
die Träger und Verbreiter der Seidenindustrie gewesen. Aber, wie in dem
Werke : „Die Preussische Seidenindustrie im 18. Jahrh. u. s. w., Darstellung
von 0. Hintze, Berlin 1892, Bd. III", dem diese (nach unten angegebenen
Quellen ausgearbeiteten) Notizen entnommen sind, ausgesprochen wird, ist die
landläufige Vorstellung, als ob Holland und England, Deutschland und die
nordischen Beiche erst durch die französischen Befugies den Anstoss zur Ein-
führung der S. erhalten hätten, nicht haltbar; „es handelt sich in den meisten
Fällen nur um eine Stärkung der Industrie, um die Einführung neuer Artikel,
eines besseren Geschmackes, einer vollkommeneren Technik; die Franzosen
haben in dieser Beziehung für Europa gewirkt wie die Lucchesen für Italien.
Andererseits ist die Schädigung der französischen Manufakturen wohl kaum
eine so starke gewesen, wie gewöhnlich angenommen wird."
Nach Hamburg (s. d.) kam die S. über Antwerpen, es waren Dänemark,
Schweden und Bussland, dazu ein grosser Teil von Deutschland ihre Abnehmer.
In England beruht die Einführung der S. in der Hauptsache auf der
bewussten Initiative der Regierung nach dem Muster Frankreichs. Es bestand
schon Mitte des 15. Jahrhdts. in London ein Zweig des Seidengewerbes ;
aber es handelte sich dabei nur um Bänder, Borten, Gürtel, Haarnetze und
dergleichen seidene Posamentierarbeit, nicht um die eigentliche Stoffweberei;
aber noch das 16. Jahrh. hindurch herrschte das Bestreben, durch Luxusedikte
den gewöhnlichen Leuten den Gebrauch von seidenen Kleidungsstücken zu
verwehren ; erst im Anfange des 17. Jahrhdts. reizten die Erfolge Heinrich IV.
von Frankreich zur Nachahmung. Eine epochemachende Bedeutung für die
englische Industrie hatte die Ansiedlung der französischen Befugies. Sie führten
die schweren kostbaren Modestoffe, die schwarzen lüstrierten Taffete und andere
Gattungen von Zeugen ein, die man bisher in England nicht gefertigt hatte,
und -verliehen der Industrie erst den universalen Charakter und die Möglichkeit,
474 Seide.
deu Bedarf des Landes an Waren zu decken. Den Rohstoff bezog man aus
Italien, aus China (durch die ostindische Compagnie) und aus Persien. Es
handelte sich dabei zum grossen Teil um wirkliche Rohseide (Grrege), die erst
im Lande selbst gezwirnt wurde. Den eigenen Seidenbau, der durch Jakob I.
seit 1608 eingeführt worden war, scheint England im 18. Jahrh. ganz auf-
gegeben zu haben ; doch suchte man ihn in den Kolonien Karolina und Greorgia
heimisch zu machen.
In Schweden bemühte sich die Regierung seit dem westfälischen
Frieden (1648) Seidenmanufakturen nach französischem Muster anzulegen: die
erste ward 1649 in Stockholm gegründet, andere folgten.
Auch in Dänemark wurden auf Anregung der Regierung Seidenfabriken
nach französischem Muster in der Hauptstadt begründet; 1735 wurde ein
KommerzienkoUegium als besondere Behörde zur Beförderung der Manufakturen
geschaffen.
In Russland bestand ein alter Seidenhandel von Persien her. Now-
gorod mit seinen Messen und seinem Stapelrecht war der Mittelpunkt für den
Betrieb der orientalischen Stoffe. Auch bestand schon im 17. Jahrh. eine
Seidenindustrie, die aber im wesentlichen nur Posamentierweberei war; erst
Peter der Grosse führte die grosse S. nach dem Vorbilde der westeuropäischen
Staaten ein.
In der Schweiz wurden schon im 13. und 14. Jahrh. florartige Seiden-
gewebe aus harter, ungekochter Seide, namentlich zu Schleiern und Kopftüchern,
und vorzugsweise für den Export nach dem Norden und Osten verfertigt; im
15. Jahrh. ist diese Industrie wieder untergegangen ; ihre Neubegründung knüpft
sich an die Einwanderung der „Locarner" um 1550, protestantischer Elücht-
linge aus allen Teilen Italiens. 'Während des 17. Jahrhdts. kam es zu einem
lebhaften Aufschwung der Industrie; man fertigte besonders Sammet und flor-
artige Grewebe und betrieb auch die Tramezwirnerei und Florettspinnerei.
Die eigentliche Stofffabrikation, die noch in den Anfängen war, wurde dann
durch die französischen Refugianten in der Zeit von 1681 — 1717 eingeführt
und hob sich bis zum Ende des 18. Jahrhdts. zu hoher Blüte. Auch nach
Basel brachten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhdts. protestantische Flücht-
linge aus Italien, den Niederlanden und Frankreich die S. Hier handelte es
sich vorzugsweise um Sammet- und Bandweberei; namentlich in der letzteren
gewann Basel durch Einführung der Maschinenstühle seit dem letzten Drittel
des 17. Jahrhdts. eine hervorragende Bedeutung.
Deutschland begann die S. mehr und mehr einzuführen, nachdem
Ulmer Kaufleute die am Comersee erlernte Sammetweberei um das Jahr 1515
in ihre Yaterstadt übertrugen. In Augsburg (s. d.) machte man um 1541
Versuche mit Goldzieherei und Brokatweberei. Nüraberger Handelsherren
legten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhdts. Seidenzüchtereien und Filaturen
in Italien, namentlich in Verona und Roveredo, an und Hessen in ihrer Heimat-
stadt selbst Atlas und andere Zeuge weben. Um dieselbe Zeit soll sich nach
älteren Angaben der Kurfürst (Joachim IL ?) dem Beispiele des Kurfürsten
von Sachsen folgend, durch einen Locarner Flüchtling eine Sammetweberei haben
anlegen lassen. Der dreissigj ährige Krieg brachte die Entwicklung der S.
in Deutschland sehr zurück. In Augsburg, Frankfurt, Köln bestanden auch
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhdts. noch Seidenmanufakturen; doch handelte
es sich nur um Zwirnerei, Färberei, Bandweberei und Herstellung leichter
halbseidener Stoffe, und der Umfang des Grewerbes war nicht bedeutend; nur
in Hamburg war ein Aufschwung erfolgt. Von grossem Einfluss für die
spätere Entwicklung der S. ist die Tätigkeit des bekannten Johann JoacKim
Becher, der nicht nur durch seine Schriften, sondern mehr noch durch eine
rührige Agitation bei Fürsten und grossen Herren die wirtschaftlichen Fort-
schritte, die er namentlich in Holland kennen gelernt hatte, in Deutschland
auf die Bahn zu bringen suchte. In seinen Plänen spielt auch die Einführung
der Seidenmanufaktur eine grosse Rolle. Auf seine Veranlassung wurden 1664
Versuche in Mannheim und Heidelberg gemacht, die sich aber zerschlugen;
Seidenabfälle — Seidenband. 475
doch waren von Erfolg begleitet die Maulbeerpflanzungen bei Würzburg und
später in München und Wien. In Oesterreich übernahm Becher 1666 die
Leitung solchen Werkes selbst, doch fehlte es sowohl hier wie da immer noch
an der richtigen Unterstützung seitens der Regierungen. Besser gelang nachher
die Begründung der S. in Sachsen, wo sie in den 70er Jahren des 17. Jahrhdts.
der Kommerzienrat Daniel Crafft betrieb. Auch Langensalza wird um diese
Zeit genannt, woselbst von Schweizer Webern eine Manufaktur von Stoffen
aus Seide und Baumwolle in Betrieb war; seit 1700 wurde der grosse Mess-
platz Leipzig Hauptsitz der sächsischen Sammet- und Seidenindustrie. An
diesen allgemeinen Bestrebungen zum Wohle der Volkswirtschaft nimmt auch
der Grosse Kurfürst von Brandenburg teil. (Vgl. Berlin u. Krefeld.)
Literatur:
a) Werke, woraus die geschichtlichen Notizen entnommen sind:
Paris et, Histoire de la soie (Paris 1862, 2 Bde.); ders. : Les industrie de la soie
(Lyon 1890); Francique-Michel, Recherches sur le commerce, la fabrication et
l'usage des etoffes de soie, d'or et d'argent et autres tissus precieux en occident,
principalement en France pendant le moyen-äge (Paris 1852, 2 Bde.); Heyd, G-eschichte
des Levantehandels, Bd. II, 683 ff. ; Clement van Cauwenberghs, L'industrie de
la soie a Anvers depuis 1532 jusqu'a nos jours (Bulletin de la societe royale de
geographie dAnvers depuis 1887, p. 105 — 146)-, Bertholon, Du commerce et des
mauufactures distinctives de la ville de Lyon, Montpellier 1787; Bürkli-Meyer,
Geschichte der Zürcherischen Seidenindustrie, Zürich 1884; Caesar Moreau, Rise
and progress of the silketrade in England, London 1826; Anderson, Origin of
commerce etc., London 1801, 4 Bde.; Bartolomeo Cechetti, Dell' introduzione
deir arte della seta in Venezia (Venezia 1866) ; lieber Florenz : Pagnini, Della decima
. . . della moneta e della mercatura de' Fiorentini fino al secolo XVI. Lisbona e Luca
17Ö5— 66, II. 106—124 u. 240 ff. und Pöhlmann, Die Wirtschaftspolitik der Floren-
tiner Renaissance; von Justi, Von Manufakturen und Fabriken (Kopenhagen 1757,
S. 107). Für Russland: von Ordega, Gewerbepolitik Russlands (Tübingen 1885);
Storch, Historisch-statistisches Gemälde des russischen Reiches am Ende des 18. Jahr-
hunderts, 4 Bde. (Riga 1797, Bd. III, 238 ff.); Geering, Handel und Industrie der
Stadt Basel (ebd. ]886).
b) Allgemeine Werke: Acta Borussica, Denkmäler der preuss. Staats-
verwaltung im 18, Jahrh. u. s. w. : Seidenindustrie und ihre Begründung durch Fried-
rich d. Gr., 3 Bde., Berlin 1892; Arles-Dufour, Exposition universelle de 18ö2.
Coüsiderations generales sur les soies, les soieries et les rubans; Bavier, Japans
Seidenzucht, Seidenhandel und Seidenindustrie, Zürich 1874; Bolle, Der Seidenbau
in Japan, Wien 1898; Bozzi, Notes sur l'industrie serigene, Bagnols 1861; Broglio
dAjano, Die venetianische Seidenindustrie und ihre Organisation bis zum Ausgang
des Mittelalters, Stuttgart 1893; Bujatti, Geschichte der Seidenindustrie Oesterreichs,
Wien 1893; Udo Dammer, lieber die Aufzucht der Raupe des Seidenspinners
(Bombyx Mori L.) mit den Blättern der Schwarzwurzel, Frankfurt a. 0. 1897; Dolder,
Die Fabrikation von Seidenstoffen im Kanton Zürich, ebd. 1851; Dumas, Rapport
sur l'amehoration des races de vers ä soie, Paris 1857; Dunder, Anleitung zur Seiden-
zucht. 3 Bde., Wien 1854; Duseigneur-Kleber, le cocon de soie, Paris 1875;
Rondot, l'enseignement necessaire ä l'industrie de la soie, Lyon 1877; derselbe,
L'art de la soie, 2 Bde., Paris 1885 — 87; Silbermann, Die Seide, ihre Geschichte,
Gewinnung und Verarbeitung, 2 Bde., Dresden 1897; Yoshida, Eutwicklung des
Seidenhandels und der Seidenindustrie vom Altertum bis zum Ausgang des Mittel-
alters, Heidelberg 1895; lieber künstliche Seide: Cadoret, deutsch von Heil,
Krefeld; Süvern, Berlin 1900.
Abbildung:
275. Darstellung der Verwandlung der Seidenraupe bis zum Schmetterling aus
dem „Buch der Erfindungen", Leipzig und Berlin 1879, Bd. H, S. 310.
Seidenabfälle, die Seidenfäden, welche beim Einsammeln des Kokons
hängen bleiben, oder die von Kokons iierrühren, welche bereits durchbohrt
oder sonst beschädigt sind, endlich der innerste Teil des Kokons; sie werden
Galetseide genannt und zu Florettseide, Chappe u. s. w. verwendet.
Seidenband wird entweder auf den gewöhnlichen Posamentierstühlen,
auf der Jacquardmaschine oder auf dem sogen. Mühlenstuhl oder der Band-
mühle verfertigt und kommt in ausserordentlicher Verschiedenheit vor; wenn-
476 Seidenberg — Seidenwaren.
gleich man zunäclist nach glatten und gemusterten und diese Sortennach
Güte und Breite unterscheidet (s. Band).
Seidenberg in der Oberlausitz , Stadt im preuss. ßeg.-Bez. Liegnitz :
Seidenweberei, Fabrikation von Tuch und Schirmstoffen.
Seidenbiber werden im Handel fälschlich die zugerichteten Seehundsfelle
genannt, denen die langen Haare ausgezogen sind, so dass sie einen graubraunen
weichen, gekräuselten Pelz bilden.
Seidengarne aus Florettseidengespinsten (franz.: soie filee; engl.: silk
yarn) kommen unter verschiedenen Benennungen in den Handel als: Crescentin
(Kreszentine), Chappe (chape, Schappe), Galettam, Gallet, Fiorettino, Sambatella,
Fantaisie u. s. w. und zwar je nach dem Zeuge, aus dem sie erzeugt worden
sind, in verschiedenen Güten und Sorten. Die besseren Sorten der Gespinste
werden als Einschlag bei verschiedenen Seidenstoffen, als Kette bei mancherlei
Halbseidenzeugen, zu Hutvelpel, groben Bändern und Schnüren und als Stick-
seide, zum Stricken und zur Strumpfwirker ei gebraucht; aber selbst die schönsten
erreichen an Feinheit, Glätte, Glanz und Festigkeit nicht die gute, gehaspelte
und filierte Seide. Für die Erzeugung gewisser Waren ist Florettseide, in
geringeren mit Baumwolle oder Wolle versponnen.
Seidengaze, Seidenstramin, lockeres leinwandartiges Gewebe aus stark
gedrehten Bautnwollfäden, welche mit wenig gedrehten Seidenfäden um-
wickelt sind.
Seidenindustrie, s. Seide.
Seidenkamelott, leinwandartiges Seidengewebe, dessen Kettenfäden aus
zwei Seidenfäden verschiedener Farbe gezwirnt sind, während die Schussfäden
eine dritte Farbe haben.
Seidenleinen, gazeartiges Gewebe aus feinen Leinenfäden mit Streifen
aus Seide.
Seidenmuschel, s. Muschelseide.
Seidenpflanze, syrische, Beidelsär, Asclepias syriaca Lin. , eine aus
Amerika nach Europa verpflanzte Zierpflanze, welche von der sogen. Seiden-
wolle verschieden, in den kälteren, nördlichen Gegenden sehr gut fortkommt
und deren Samenwolle vermischt mit anderer Baumwolle zu verschiedenen
Stoffen verarbeitet werden kann.
Seidenshoddy wird hergestellt aus seidenen Lumpen. Aus ihnen wird
in der Art wie es die Shoddyfabriken an wollenen Lumpen üben (s. Kunst-
wolle), schönes und dauerhaftes Garn hergestellt. Die erste Seidenshoddy-
spinnerei wurde bei Chemnitz eröffnet.
Seidentapeten, s. Tapeten.
Seidenteppiche werden im Orient seit alter Zeit geknüpft. Erhalten sind
die schönsten aus der persischen Dynastie der Safiden (1502 — 1736) (s. Teppiche);
die in neuer Zeit aus Ispahan, Kaschan und Suitanabad kommenden (Abb. 329^
S. 576) sind künstlerisch nicht von Bedeutung.
Seidenwaren, bei denen die S. ganz oder nur zum Teil das Material
bilden, sind ein umfangreiches Gebiet der Textil- und Textilkunstindustrie ; die
Menge dieser Waren ist nicht allein ungemein gross, sondern auch so wechselnd,
einzelne Artikel so kurz von Dauer und die ihnen beigelegten Namen so will-
kürlich, dass ihre Aufstellung kaum nützlich erscheint, zumal die meisten unter
besonderen Artikeln aufgeführt sind. Nach der Art ihrer Herstellung unter-
scheiden sich die Seidengewebe wie andere in glatte, geköperte, gemusterte,
Gaze und Sammete. Unter den glatten und leinwandartig gewebten Stoffen
sind die gewöhnlichsten die T äffet e, leichtere und schwerere Zeuge aus
entschälter S. mit Organsinkette und Einschlag von Tramseide. Ganz leichte
Gewebe bilden den Futt ertaffet: Avignon, Florence, Halbtaffet — Demi —
Florence, etwas schwerere den Kleidertaffet. Bei diesen ist die Kette ein-,
der Einschuss ein- bis dreifädig. Doppeltaffet (Marcelline) hat durchaus
zweifädige Kette und zwei- bis dreifädigen Schuss. Die dichtesten taffet-
artigen Zeuge heissen Gros mit vielen Beinamen: de Naples, de Tours,
d'Orleans u. s. w., sie haben zweifädige Kette und zwei- bis sechsfädigen
Seidenweberei — Selims. 477
Schuss, sind daher zum Teil sehr stark im Faden mid zeigen deshalb eine Art
von regelmässiger Körnung auf der Oberseite oder erscheinen gerippt, wenn
dicke mit dünnen Fäden wechseln. Zu den geköperten Stoffen gehören die
verschiedenen Sergen (Croise, Levantin, Drap de Soie, Bombasin u. s. w.),
der Atlas oder Satin. Gemusterte Zeuge kommen in der grössten
Mannigfaltigkeit und unter den verschiedensten Namen vor und es gehören
dahin alle gewürfelten, gestreiften, geblümten Gewebe. Zu den Seiden-
sammetstoffen gehört der echte, geschnittene und ungeschnittene S.,
sowie Plüsch und Yelpel. Gazeartige Gewebe kommen als Gaze, Flor,
Marly, Krepp, Stramin, Barege, Beutelgaze vor. Die gemischten
Stoffe zeigen grosse Yerschiedenheit in der Zusammenstellung des Materials,
der Farben und Muster und es geht darin die Seide in Verbindung mit AVolle,
Alpaka, Mohair, Baumwolle und Leinen ein, entweder als Kette oder als Schuss.
Bei den Mischgeweben hat besonders auch das Garn aus Abfallseide Verwendung.
Seidenspinnerei s. Spinnerei.
Seidenweberei s. Weberei.
Seidenwirkerschnur, eine aus mehreren Schnüren zusammengesetzte und
demnach als 8-, 12-, 24- u. s. w. schnürig benannte Seilerware zum Gebrauche
für Seidenwirker.
Seidenwolle, die Samenwolle des von der Baumwollenstaude sehr ver-
schiedenen Seidenwollenbaums, von welchem es mehrere Arten gibt, die in
Ostindien und in Amerika wild wachsen. Die Frucht besteht aus einer Samen-
kapsel, die einem Gänseei ähnlich ist. Die darin enthaltene seidenartig
glänzende "Wolle wird mit vieler Mühe und Sorgfalt gesponnen und mit Baum-
wolle untermengt verarbeitet.
Seidenzeuge, s. Seidenwaren.
Seihtuchleinen, locker gewebter weisse L., welche zum Durchgiessen
von Flüssigkeiten gebraucht wird, um sie von unreinem Beiwerk zu säubern.
Seile, Stricke, Taue, Tauwerk (franz.: cordes; engl.: rips cordage),
werden bekanntlich von den Seilern oder, wie man sie in den deutschen
Städten nennt, von den Reepsschlägern verfertigt, in neuerer Zeit aber auch
sehr viel auf Maschinen mehrfacher Konstruktion, diese heissen Patenttaue,
die am meisten in England aus russischem Material hergestellt werden.
Stricke und Taue, besonders die Ankertaue, werden aus gutem Hanf, oft
mehrere hundert Meter lang, armdick und stärker gedreht und mit Teer ge-
tränkt. Am meisten geschätzt werden die Sorten aus gutem, festem, livländi-
schen oder kurischen Hanf. Auch die alten, abgenützten Seilerwaren bilden
noch einen Handelsartikel, indem man sie auseinanderzupft und das Werg zum
Kalfatern der Schiffe braucht. Unter den verschiedenen Sorten in der Seilerei
hergestellten Waren ist der Bindfaden am dünnsten, meist aus dem Zusammen-
drehen zweier Fäden gebildet; das Sackband hat stärkeren Draht, noch
stärkeren haben die Schnuren. Die Korden bestehen aus zwei oder drei
Fäden mit sehr starkem Draht; die Stricke nehmen nach beiden Enden zu
ab und bilden die geringste Sorte; die Stränge sind aus besserem Material,
da sie beim Fuhrwesen verwendet werden, wobei sie haltbarer sein müssen;
die Leinen teilen sich in Pack-, Wasch- und Fangleinen und sind in den
stärkeren Sorten aus vier, in den schwächeren aus drei Litzen gedreht.
Seizains sind französische mittelfeine, im Stück gefärbte Wollentücher,
die in den Fabriken des Depart. des Ardeche, der Aude, des Gard, der oberen
Garonne z. T. mit spanischer Wolle vermischt, für den Handel nach der
Türkei, Aegypten und Persien verfertigt werden.
Seifaktor, Selbstspinner, eine Mulmaschine, bei welcher das Ein- und
Ausfahren des Wagens und die Aufwickelung des Gespinstes selbsttätig durch
einen besonderen Mechanismus erfolgt und welche beim regelmässigen Gange
menschlicher Beihilfe nicht bedarf. Der S. wurde 1825 zuerst von Poberts
in Manchester erfunden und in neuer Zeit haben viele Verbesserungen des-
selben stattgefunden.
Selims heissen Demikottons (s. d.).
478 Selimskaja — Serge chevron.
Selimskaja, verschiedenfarbiger Baumwollstoff aus der Bucharei.
Semees (franz.), die über den Grund der Alen§onspitze verstreuten
Blümchen und Blätter, Streublumen.
Semil, Stadt in Böhmen: Baumwollspinnerei und -weberei.
Semiramis, älterer, geschmeidiger, glänzender und leichter Seidenstoff.
Sempiterne (span.), Name einer feinen, wollenen Serge, welche aus
Frankreich und England nach Spanien kommt.
Sempiternelle, die gröbere Art von Sempiterne.
Semur-en-Auxois , Hauptstadt im gleichnamigen x4.rrond. des franz.
Depart. Cote d'Or: "Wollspinnerei und Tuchfabrikation.
Senble, älterer, leichter, damastartig gemusterter Stoff von feinem Kamm-
garn aus den französischen Manufakturen.
Sendel, Zendal, Sindel, Zindel, (franz. cendal), ein im Mittelalter viel
gebrauchter Seidenstoff (s. Cendal), aus welchem man im 13. Jahrh. die sogen.
Sendelbinde um den Helm, dann besonders im 15. Jahrh. um irgend eine
Kopfbedeckung trug, die auch Schapel genannt wurde.
Sennheim, Stadt im Kreis Thann des Bezirks Oberelsass: Kammgarn-
und Baumwollspinnerei und -weberei, Stoffdruckerei und Färberei.
Senoues, Stadt im Arrond. St. Die des franz. Depart. Yosges; Baum-
w^ollspinnerei und -weberei in einer Benediktinerabtei.
Sensburg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Gumbinnen: Flachsbau und
Leinenweberei.
Sera, in der alten Geographie die Hauptstadt des Seidenlandes Serica.
Serabend, Teppichfabrikationsort in Persien, wo eine Gattung nach Art
des modernen Ferahanteppichs geknüpft wird, die aber steifer und spröder im
Gefühl ist und zu den dichtgewebte'sten des Landes gehört. Kette und Einschlag
sind aus Baumwollgarn oder -zwirn, der Flor aus Schafwolle. Das Muster ist
ziemlich gleichbleibend und besteht aus Palmwipfeln (s. d.), Bordüre aus Streifen.
Serafins, alte englische Wollenzeuge, auf weissem Grunde mit bunten
Blumen so gedruckt, dass die Muster erhaben erscheinen.
Serails, Serailtücher, aus feinem Garn, nur locker gewebte und ganz
leicht gewalkte Tücher aus feiner zweischüriger Wolle mit hellblau und weissen
Salleisten, gewöhnlich im Stück gefärbt. Sie kommen aus Frankreich und
gehen in Mengen nach der Türkei und Aegypten.
Serajewo, Hauptstadt von Bosnien: Teppichweberei.
Serapes, wollene Decken aus Mexiko, welche im engl. Handel unter dem
Namen Blankets allgemein bekannt sind. Sie dienen in M. zur Bekleidung
eines grossen Teiles der männlichen Bevölkerung und werden an Ort und
Stelle von einem Indianerstanim gefertigt.
Serasses oder Sarasses, weisse Baumwollenzeuge aus Bengalen oder von
der Küste Coromandel.
Serbattes, Serbettes , feine ostindische Musseline mit goldenen Leisten-
bändern : sie kamen früher durch die Holländer aus Dacca nach Europa ; unter
dem Namen Serbars oder Schurbars lieferte später die Musselinweberei zu
Schwanenstadt in Oberösterreich eine der ostindischen nachgemachte Sorte
halbdichter Musseline von verschiedener Feinheit.
Serbien, Königreich der Balkanhalbinsel : Tuchfabriken in Belgrad, Uzie
und Paracin. Die Hausindustrie ist am bedeutendsten in der Herstellung
eigenartig bunter, dauerhafter Teppiche ; berühmt sind die Teppiche von Pirot.
Serge, Sersche oder Sarsche (franz.), (engl.: serge) ; Benennung von mehreren
Arten seidener, halbseidener, wollener und gemischter Gewebe, die mit drei
oder vier Schäften geköpert oder mit fünf oder siebenbündigem Atlas u. s./W.
gewebt sind und hauptsächlich als Futterstoffe Verwendung finden; doch gibt
es auch wollene S. aus festem Kammgarn, die durch Bauhen und Scheren
ganz halbtuchmässig appretiert sind. Die bekannteste aus sehr glattem guten
Kammgarn ist die S. de Berry.
Serge chevron wird mit Schlangenköper der Kette und auf Spitzmuster
gewebt.
Serge Diamant e — Shaub. 479
Serge Diatnante entsteht aus Spitzreihen und Treten zugleich.
Sergette, schmale wollene Serge aus verschiedenen französischen Manu-
fakturen, gewöhnlich weiss oder grau; auch nennt man S. einen tuchartigen
Droguet.
Sericin wird der Seidenleim oder Bast der Seidenkokonfaser genannt,
der sich vom tierischen Leim durch seine Unlöslichkeit in heissem Wasser
unterscheidet.
Sericum (lat.) : die Seide.
Serikien wird um das Jahr 46 v. Chr. China bei den Griechen genannt,
das Volk aber Serer, weil die Seide dort herkam.
Serikojs (hebräisch), erinnert an die chinesische Bezeichnung der Seide
und war einer ägyptischen Webekaste beigelegt, scheint (nach Silbermann, Die
Seide, Dresden 1897, Bd. I.) mehr die Operationen des Kämmens oder
Hecheins zu bedeuten, oder, wie Andere haben wollen, eher auf bunte Lein-
wand, und überhaupt auf sehr feines Leinen, als auf die Seidenfaser zurück-
zuführen zu sein.
Serimeter, der Seidenmesser, welcher dazu dient, die Festigkeit (Zug-
festigkeit) oder das Grewicht des Seidenfadens festzustellen.
Serinda, nach dem alexandrinischen Greographen Ptolemaeus (um 125
n. Chr.) die Hauptstadt des Seidenlandes.
Serino, Stadt in der ital. Prov. Avellino : Seidenbau und Seidenweberei.
Serpillieres, grobe, aus hänfenem Werg locker gewebte Packleinen aus
Frankreich.
Sersche, s. Serge.
Sertaro, südamerikanische Baumwollsorte.
Servianen, s. Fes.
Serviette (lat. : servieta ; franz. : serviette ; ital. : salvietta ; engl. : doily,
table-napkin) ; Tellertuch, kam schon unter den späteren römischen Kaisern
auf, wurde im Mittelalter nur von Vornehmen, z. B. schon von Karl dem
Grrossen, benützt, für Bürger aber wohl erst gegen das Ende des 16. Jahrh.
allgemein gebräuchlich. Die Trincierbücher des 17. Jahrh., in denen die S.
auch als Fatscheinlein bezeichnet wird, enthalten Anweisungen, der S. durch
kunstreiches Zusammenfalten die Gestalt von Fächern, Schiffen u. s. w. zu
geben, um Tafeln damit zu schmücken. Das Kunstgewerbemuseum in Berlin
bewahrt ein Tischtuch aus dem Anfang des 17. Jahrhdts., an dem die Servietten
(für 12 Personen) angewebt sind, d. h. sie hängen, jede für sich, an den Seiten
getrennt vom Tuch als Borte herunter.
Serwing, dicke, aus alten Kabelgarnen geflochtene glatte Taue zur Be-
kleidung der Ankertaue u. dgl.
Seta della marca, eine in Rom so benannte mittelmässige Seidenart.
Seta Ghella hiess bei den Florentinern die Seide im 14. Jahrh., welche
sie von den Ufern des Kaspischen Meeres bezogen. Der Name stammt von
der persischen Provinz Ghilan.
Setangula, ägyptische Baumwollsorte.
Sevilla, Hauptstadt in gleichnamiger spanischer Provinz : Schon im
Mittelalter bedeutende Seidenindustrie; noch aus dem 17. Jahrh. wird berichtet,
dass in S. Tausende von Menschen mit Seidenweberei beschäftigt wurden, die
heute sehr zurückgegangen ist. (Vgl. Spanien.)
Sevilla, spanische Baumwollsorte.
Seydavi, eine Gattung levantinischer Seide, welche von Seyd, dem alten
Sidon, nach Marseille zu Markte gebracht wird.
Sgersh, Stadt im russ. Gouvernement Petrikau : Baumwollspinnereien
und Wollfabriken.
Shag, s. Plüsch.
Shallons, s. v. w. Chalon.
Shantung Pongee, moderner seidener Kleiderstoff.
Shaub, eine Art ostindischer halbseidener Bastas.
480 Shawl— Siam.
Shawl (engl.), franz. : chale, vom indischen und persischen schäl, welches
einen Umhang, Mantel, ärmellosen Rock aus feiner Ziegemvolle bedeutet, und
nach Angabe des Arabers Ibn Batuta von dem Namen einer indischen Stadt
— Schälitat — hergeleitet sein soll. Grosses, viereckiges Tuch (Longshawl), aus
der Yliesswolle der tibetanischen Hausziege gewebt und im Orient gürtelartig um
den Leib gewunden, in Europa als Umhängetuch getragen, ist ostindischer Her-
kunft. In Kaschmir soll die Industrie im 16. u. 17. Jahrh. 40000 Shawl web stuhle
mit etwa 120000 Arbeitern beschäftigt haben; gegenwärtig ist die Industrie
infolge der politischen Verhältnisse und der Konkurrenz der Maschinenarbeit
sehr gesunken. Die tibetanische Wolle wird in Kaschmir erst mit Reiswasser
gebleicht und dann gefärbt; G. W. Leitner teilt in seinem Account of shal-
weawing (Labore 1882) 58 Farbenschattierungen mit. Die Zeichnung entwirft
der Obershawlarbeiter (Dushawlawaller) in Umrissen, der Shawlmeister über-
setzt dieselbe in eine schriftliche Anweisung, in welcher jedes Zeichen eine
Farbennüance oder eine Zahl bedeutet; mit diesem Blatte in der Hand nimmt
er neben dem Weber Platz und liest ihm die Zeichen der Reihe nach vor,
wonach dieser arbeitet ohne zu wissen, welches Muster er webt. Anstatt eines
AYeberschiffs bedient man sich hölzerner Nadeln. Es werden immer zwei
Shawls nach einem Muster gewebt, die man nach Beendigung der Arbeit durch
Zerschneiden der (doppeltlangen) Fransen trennt. Für den Spiegel ist das
sogen. Palmwipfelmuster (s. d.) besonders beliebt, die Borte setzt sich aus
geometrischen und kleinen Pflanzenmotiven zusammen.
Der L^rsitz der Shawlweberei ist das grosse Hochtal Kaschmir im
Himalajagebirge. Niemals bringen die "Weber ihre Stoffe anderwärts in gleicher
Farbenschönheit zustande wie in »der Heimat; man erklärt dies auch aus der
grossen Reinheit von Luft und Wasser in Kaschmir. Nachgeahmt werden die
Kaschmirshawls in Aroritsar (s. d.)
Die eurojoäische Nachahmung der Sh. sind mit Hilfe besonderer Ein-
schlagfäden nach Art der broschierten und lanzierten Stoffe nur aus Kamm-
garn oder aus Wolle mit baumwollener Kette und Einschlag von Kammgarn.
Die Hauptorte der europäischen Shawlfabrikation sind Paris, Lyon, Nancy,
Nimes, Norwich, Edinburgh, Wien, Zürich, Basel, Berlin.
Shawlmuster werden besonders die aus Palmwipfeln gebildeten Palmetteu
(sogen, indische P.) genannt, deren Bildung auf umgebogene Cypressenblätter
zurückzuführen ist.
Shepton-Mallet, Stadt in der engl. Grafschaft Somerset: Industrie in
Sammet, Tuch, Strümpfen und Flor.
Sherborne, Stadt in der engl. Grafschaft Dorset : Leinwand- und Seiden-
industrie.
Sherbwoke, Stadt in kanad. Provinz Quebec: Woll- und Baumwollindustrie.
Shipley, Stadt in der engl. Grafschaft York: bedeutende Wollindustrie.
Shirting, Sheeting (engl.), weisses Baumwollengewebe, ganz oder halb
gebleicht, von sehr verschiedener Feinheit, ursj^rüngiich zu Hemden bestimmt.
Beide Artikel kommen in England auch als Long-cloth, in Amerika als
Domestik vor.
Shoddy, shoddy-wool (engl.), (franz.: chiffons de laine) ; Ausdruck für
die wieder brauchbare Wolle, die man mittels kramp elartiger Maschinen aus
bereits getragenen Wollzeugen, sogen. woUene Hemden, Abfälle oder Lumpen,
reisst und die unter Yermischung von etwas guter Wolle oder auch ohne solche,
wenn man zum Zerreissen Lumpen aus Kammgarn und locker gewirkte Y'are,
z. B. Tibets, Flanelle. Strumpfzeug u. s. w. verwendet, zum Wiederverspinnen
dient. In England, Frankreich und Deutschland werden aus Shoddygarn An^ugs-
stoffe hergestellt, die ihrem Aussehen nach den feinsten Wollstoffen gleichen,
indessen hinter diesen an Haltbarkeit weit zurückstehen (s. a. Kunstwolle).
Shrewsbury, Stadt in der engl. Grafschaft Shropshirn: Flachsspinnerei,
Seidenbandweberei, Leinwandfabriken. Bedeutend ist der Handel mit walisi-
schen Wollenzeugen.
Siam, ostindische Baumwollsorte.
Siamoise — Siklät. 481
Siamoise (franz.), Modename bunter französischer Seiden-, Halbseiden-,
Wollen- und LeinenstoflPe. Früher wurde eine Art der S. in Frankreich als
Basin pour meubles, cotonade, verkauft. Bostous heissen die festen
und dichten, aus gezwirntem Garn gefertigten Zeuge dieser Art.
Siamskönigstoff, Seidenstoff mit eingewirkten farbigen, goldenen und
silbernen Blumen.
Siapalens, Sjappolens, feine bunt gemalte Baumwolienzeuge, die aus der
Xievante kommen.
Siara, südamerikanische Baumwollsorte.
Sibirienne ist ein starkes Köpertuch.
Sibirischer Lein, Linum sibiricum, von dem gewöhnlichen Lein ab-
weichendes Gewächs, das in den südlichen und östlichen Steppen Busslands
teils wild wächst, teils angebaut wird. Die Stengel wachsen und reifen un-
gleich, daher erfordert die Einsammlung mehr Mühe; auch braucht das Auf-
lösen der Bastrinde im Wasser mehr Zeit, doch wird ein starkes, haltbares
Gespinst daraus erzeugt.
Sibisienne, s. Düffel.
Sibmachermuster werden Stickmuster genannt, welche auf Leinen im
Kreuzstich nach dem von S. herausgegebenen und wieder von neuem veröffent-
lichten Musterbüchern gearbeitet sind. S. lebte bis 1611 in Nürnberg.
Sicilianische Baumwolle, s. Baumwollsorten.
Sicilien, die grösste Insel des Mittelmeeres, gelangte durch die Sarazenen
in den Besitz des Seidengewerbes, welche 878 dieselbe vollständig beherrschten.
Als im 12. Jahrh. S. durch die Normannen erobert wird, finden diese eine
wohl eingerichtete maurische Seidenmanufaktur, welche vom König Boger sehr
gefördert wurde, so dass dadurch selbst der byzantinische Handel in eine
Krisis gerät und einen Krieg zwischen den Normannen und den mit den
neidischen Venetianern verbundenen Griechen zur Folge hat. Boger geht aus
demselben siegreich hervor und nimmt (1146) die besten Seidenweber aus
Theben und Korinth nach Balermo (s. d.). Heut ist die Seidenweberei sehr
zurückgegangen und nur bei Messina von Belang.
Sicilienne, modernes Seidengewebe.
Sicyonienne, älteres Haargewebe, das zu Schuhstoffen Verwendung fand.
Sidschillat (arab. von dem lat. sigillatus), bunter mit kleinen Figuren
gemusterter bedruckter Leinenstoff.
Siebenbürgen, ungar. Grossfürstenium : Textilhausiudustrie.
Siebleinwand, s. Beuteltuch.
Siebmacherstuhl, Siebstuhl, ein Webstuhl, auf welchem gewebte Sieb-
böden hergestellt werden.
Siebtuch, s. Beuteltuch.
Siena, Hauptstadt der gleichnam. ital. Provinz: Seidenwebereien, Fabri-
kation von Wollstoffen, Leinen und Hanfgeweben. Die Seidenindustrie wurde
1438 durch Nello di Francesco eingeführt und gelangte bald zu einer derartigen
Blüte, dass S. mit Florenz in Konkurrenz treten konnte. S. ist im 16. Jahrh.
auch ein Hauptort für Spitzen gewesen, wovon ein Musterbuch „Blumen der
Nadelarbeit, von Matteo Florini, 1593" Zeugnis gibt. Die Sj)itze selbst ist
ein aus genähten Bändern hergestelltes Produkt, das vornehme Muster in
Bosetten und Blütenformen darstellt.
Siget, in Westfalen das Mollengarn (Leinen), welches so fein als möglich
gesponnen, auch gut gezwirnt ist und zu Schnürriemen und Band verarbeitet wird.
Siglaton, s. Siklät.
Signach, Stadt im russ. Gouvernement Tiflis : Seidenzucht.
Signaculum, s. v. w. Merkbänder (s. d.).
Signoria, in Italien ein glattes schwarzes Seidenzeug.
Sigtermann, früher im holländ. -ostindischen Handel feine, glatte Musse-
line mit goldenen Leistenbändern.
Siklät, siglät, siglaton, sigilot, cyclät, cisclato, syclatowne, chekelatoun
u. s. w., in allen Schriften des mittelalterlichen Orients und Occidents sehr
Heiden, Handwörterbnch der Textilkunde. 31
482 Silassen — Siriusseide.
verbreitet, nach Prof. Karabaceks Erklärung sämtlicli aus dem mittellateiniscben
cyclatus (Stoff, aus welchem die cyclas genannten, unten rund geschnittenen
Frauenkleider gemacht wurden) entstandene Bezeichnung von Seidenstoffen,
welche bereits im 9. Jahrh. in Tebris, Bagdad und anderen orientalischen
Städten, im 11. Jahrh. auch in Almeria in Spanien gemacht wurden: ur-
sprünglich nur einfarbige, in vertieften Umrisslinien gemusterte, dann mehr-
farbige, endlich auch im 12. Jahrh. broschierte Stoffe. Die früheste Art des
S. scheint eine Art Vorläufer des Damastes gewesen zu sein, was auf seinen
Ursprung aus China hinweist. Er war durch grosse Festigkeit und Dauer-
haftigkeit ausgezeichnet; häufig bestand die Kette aus ungebleichtem Leinen,
der Einschlag aus Seide. Siklatun ist nach Einigen kein mustergewebtes,
sondern ein nach dem Zeugdruckverfahren hergestelltes Grewebe.
Silassen Messen früher buntgedruckte Schnupftücher aus Paliacat.
Silberfäden, cyprische, s. Brokat.
Silbergespinst, Seidenfäden mit ganz dünnem Silberdraht umwickelt.
Silberspitzen, s. Spitzen.
Silberstoff, Seidengewebe mit geplättetem Silberdraht oder mit Silber-
gespinst broschiert (s. Brokat).
Sile, Stadt im türk.-kleinasiat. Sandschak Amasia der Provinz Siwas :
Erzeugung einer Art Sumakhteppiche, d. h. gewirkte oder broschierte kau-
kasische Gewebe. Es gibt darin nur ein Muster, das aus einem geradlinigen S
besteht, dessen breite weisse Bänder mit S-förmigen Motiven gefüllt sind,
während die zwischen den Bändern freigebliebenen rechteckigen Felder breit
zugespitzte Hakenfiguren enthalten.
Silesias, allgemeiner spanisclier und portugiesischer Name einiger Sorten
schlesischer Leinwand.
Silesies, leichte französische Tuchstoffe.
Silk (engl.) Seide.
Silk-Cotton nennen die Engländer die Samenwolle des in Ostindien und
Amerika wachsenden Wollbaumes ; s. Seidenwolle.
Silkeen, eine Grattung schmal gerippter Manchester von seidenartigem
Ansehen, auf farbigem Grund bunt gedruckt, aus den englischen Manufakturen.
Silk-Nankeens, halbseidener englischer Nankin, in verschiedenen Mustern
mit atlasartigen Seidenstreifen auf einem Baumwollgrund.
Silouette, gemischter, leinwandartig gewebter Stoff mit Baumwollkette
und Leineneinschlag von verschiedener Farbe, so dass das Gewebe ein schillerndes
Aussehen erhält. Die Ware kommt aus Frankreich.
Silver-Cords, englischer, schmal gerippter Manchester.
Silveret, veralteter, geköperter Halbseidenstoff.
Similiseide, erregte im Jahre 1879 als künstliches Surrogat aus Lyon
grosses Aufsehen. Ein Baumwoll- oder Flachsfaden ging in einen geheimnis-
vollen Apparat hinein und sollte auf der andern Seite in Form eines pracht-
vollen Seidenfadens heraustreten. Dies Verfahren stellte sich aber als ein
Betrug dar (s. künstliche Seide).
Sinaseide ist chinesische S.
Sindelfingen, Stadt in Württemberg: Seiden-, Teppich- und Leinen-
weberei ; Baumwollindustrie.
Sindones, durchsichtige, aus Leinen gewebte Stoffe des Mittelalters.
Sinesische Kangam, eine Sorte grober und feiner Nankin von blauer
Farbe, in China gefertigt.
Sirica, siricella (lat.), zunächst syrischer, dann auch anderer seidener
Stoff (s. Sirische Gewebej. ^
Sirische Gewebe, sirica, panni di sirico, hochrote Seidenstoffe, im Orient
und später in Spanien und Italien gemacht, welche ihren Namen von siricum,
Mennige, Gelbrot, führten, also nicht von dem Lande Syrien. Vgl. Siklät.
Siriusseide, Glanzstoff, Pauliseide, eine Art der Kunstseide, die durch
Auflösung von Cellulose in Kupferoxydammoniak und Füllung mit verdünnter
Essigsäure gewonnen wird. S. zeigt hohen Glanz und grosse Weichheit (daher
Sirsakas — Skutari.
483
ihre Verwendung als Ersatz für Menschenhaar), aber nur geringe Festigkeit,
besonders in feuchtem Zustande.
Sirsakas, Sersukers, Cirsacas, Cirsacca, ursprünglich ostindische atlasartige
Zeuge, bei welchen auf einem Köpergrunde von Baumwolle bunte Streifen und
Würfel von Seide oder von Florettseide mit gedecktem Köper gewebt sind. Auch
einem reichen, zusammengesetzten Gewebe von Atlas, Tissu d'or und Fond d'or
gab man in Frankreich den Namen Sirsacca.
Sisal (Grashanf) ist Aloehanf (s. d.), kommt aber von einer besonderen
Art von Agave aus Yukatan (Agave Sisal), so genannt, weil sie zuerst bei der
gleichnamigen Stadt in Yukatan zur Gewinnung des Faserstoffes benutzt wurde.
Das Gewächs kommt übrigens in allen Gegenden des tropischen Amerika vor.
Sisteron, Stadt im gleichnam. Arrond. des franz. Depart. Basses-Alpes :
Baumwoll- und Seidenspinnerei.
Sistresay, bunt gestreifter Halbseidenstoff, der auf Damastart mit
doppelter Kette, die eine von Seide, die andere von Baumwolle, und mit einem
Einschlag von Florettseide gewebt wird. In der Türkei, wo S. sehr gangbar
ist, unterscheidet man zwei Sorten: die bessere aus Ostindien und Damaskus,
die geringere aus Aleppo, Konstantinopel und Brussa.
Sittaras, baumwollene rohe Kattune von Patna.
Siwas, Hauptstadt des gleichnam. türk. Wilajets : Baumwollweberei und
Färberei, Teppicherzeugung.
Sjadra, gewöhnliche, ostindische rohe Kattune.
Sjewsk, Stadt im russ. Gouvernement Orel : Hanfspinnerei und Weberei.
Skandinavien, Halbinsel im Norden Europas: durch Vermittlung der
Friesen gelangt man hier im 8. Jahrh. in den Besitz der Seide. Die Ueber-
reste des Skandinavier - Königs
Olaf II (gegen 1030 f ) wurden in ^^b. 276.
purpurseidene Gewänder gehüllt.
Skapulier (lat. : scapularium
= Schulterkleid), ein als Ueber-
wurf zur Schonung des Haupt-
gewandes dienender Teil der
Mönchskleidung.
Skernewizy, Stadt im russ.-
poln. Gouvernement Warschau :
zwei Tuchfabriken.
Skipton, Stadt in der engl.
Grafschaft York: Woll- und
Baumwollindustrie .
Skotschau, Stadt in Oesterr.-
Schlesien : Streichgarnspinnerei,
Tuchfabrikation.
Skutari, Hauptort des gleich-
namigen türkischen Wilajets:
Seiden-, Baumwoll-, Woll- und
Sammetwebereien. Heber ältere
Webereien aus S. ist man nicht
völlig unterrichtet; doch lassen
Sammet Stoffe mit leichtem Atlas -
grund auf Baumwollkette der
neueren Zeit (Abb. 276) im Vergleich mit früheren derartigen orientalischen
Geweben darauf schliessen, dass hier die Kunstweberei schon im 16. Jahrh.
in hoher Blüte stand. (Vgl. Orientalische Kunstwebereien und Stickereien.)
Abbildung:
276. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Sammetstoff, Grund weisser Atlas auf Baumwollkette, symmetrisches Muster roter
geschnittener Sammet: Spitzovale Felder aus Blättern, darin Rosetten. Skutari An-
fang- 19. Jahrh.
484 Skutsch— Solisooty.
Skutsch, Stadt iu Böhmeu: ausgedehnte Wäschestickerei.
Slawische Hausindustrie, s. Volkskunst.
Slivno, Stadt iu Bulgarien: Tuchfabriken.
Slonim, Stadt im russ. Grouvernement Grodno : 9 Tuchfabriken.
Sluck, Stadt im russ.-poln. Gouvernement Warschau: Ende des 17. Jahrh.
AVeberei für seidene Schärpen; s. Polen.
Smalkens, dünne Leinen-, Florett-_, auch Seidenstoffe mit Gold und Silber
durchwebt, die früher besonders zu Amsterdam und Haarlem gewebt wurden.
Smerio s. v. w. Festonstich in der Spitzennäherei.
Smichow, Gemeinde in Böhmen : zwei Kattunfabriken.
Smyrna, uralte griech. See- und Handelsstadt im türk. Wilajet A'idin,
an der Westküste Kleinasiens : Fabrikation von Seiden- und Halbseidenstoffen ;
Spitzen. Teppiche s. Smyrnateppiche.
Smyrnaspitzen werden nicht nur diejenigen Erzeugnisse aus S. selbst,
sondern auch solche, welche sich an den Trachten der Frauen von Brussa,
Manissa u. s. w. befinden, genannt (s. Spitzen).
Smyrnateppiche oder „türkische Teppiche" sind Knüpfarbeiten, sie
stammen zum allergeringsten Teile aus Smyrna selbst, sondern grösstenteils
aus dem Innern Yorder-Kleinasiens, von woher sie aus entlegenen Städten
und Dörfern nach der Küste gebracht werden. Als Hauptsitze der Erzeugung
der beliebtesten Sorten von S. -Teppichen werden heute genannt: TJschak,
Giordes, Kula, Demirdschik, Sparta, Ladik, Bergamos und
Melas. Während die drei letztgenannten Orte schon seit alten Zeiten der
Teppichfabrikation obliegen, haben sich Demirdschik und Sparta erst in neuer
Zeit diesem Industriezweige hingegeben: von namhafter Bedeutung aber sind
die Erzeugnisse von Uschak, Giordes und Kula, weil sie verschiedene Er-
scheinungsformen repräsentieren: Uschak arbeitet türkische Dessins, in Giordes
werden persische Muster nachgeahmt und Kula liefert sogenannte Khorassan-
Imitation. (Vgl. Teppiche.)
Snowdoners, veraltete farbige Baumwollenstoffe aus Berliner Manu-
fakturen.
Sochs, eine Gattung levantischer Baumwolle, welche besonders nach
Marseille geht.
Socorro, Stadt in dem zur südamerik. Föderativrepublik Kolumbien
gehörigen Staat Santander : Baumwollplantagen, Baumwollspinnerei und -Weberei.
Soesjes, Susjes, Süsses, leichte ostindische Baumwollstoffe, eine Art Flor,
verschiedenfarbig und weiss gestreift, in verschiedener Feinheit als Kopfbinden
für Judenfrauen. Unter gleichem Namen versteht man auch die blau und weiss
gestreiften seidenen chinesischen Krepptücher.
Sof, eine Art feiner leichter, teils changierender, teils mit broschierten
Mustern versehener Kamelott, welcher in Kleinasien verfertigt und von den
Franzosen unter dem Namen „Chalys" nachgeahmt wird.
Söflingen, Dorf im württ. Oberamt Ulm : Weberei, Erzeugung von Kunst-
baumwolle, Baumwollweberei.
Sohland, Dorf in Sachsen^ bei Bautzen, nahe der böhm. Grenze : Leinen-
und Baumwollweberei, Webwarenfabrik.
Soie, s. Seide.
Sole de France s. Vivierseide.
Soie plate, grobe Stickseide, welche zur Verfertigung seidener persischer
Teppiche verwendet wird.
Soie vegetale, franz. Bezeichnung der Agavefaser.
Soje, ein glattes Wollenzeug. ^
Soldin, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: die in früherer Zeit
blühende Tuch-, Wollzeug- und Strumpffabrikation ist gegenwärtig unbedeutend.
Solesmes, Stadt im Arrond. Cambrai des franz. Depart. Nord : Weberei
von Batist, Linon (Schleierleinwand), Taschentüchern und Baumwollwaren.
Solisooty, musselinartiges Baumwollgewebe aus Bengalen, dessen Kette
und Einschlagfäden nicht fest und rund gedreht, sondern locker und glatt sind.
Sologesses — Sourbassis. 485
daher das Gewebe, wenn auch dichter als Musselin, so doch weich und dünn
ausfällt.
Sologesses, feine ostindische Musseline.
Solspitze oder Sonnenspitze, Bezeichnung für eine filetartig gearbeitete
Nadelspitze mit Mustern aus runden Scheiben, die im 17. Jahrh. zuerst in
Spanien und später in Brasilien, Venezuela usw. gemacht wurden (s. Spitzen.)
Soltau, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Lüneburg: Filz- und Teppichfabriken,
Handel und Wolle.
Somain, Stadt im Arrond. Douai des franz. Depart. Nord : Wollkämmerei
und -Spinnerei, Handel mit Tuch und Leinwand.
Sommerfeld, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: bedeutende Tuch-
fabriken, deren Artikel auf den Frankfurter und Leipziger Messen sehr gesucht
sind; Färberei und Appreturen. Werkmeisterschule für Weber.
Sommerhausen, Marktflecken im bayr. Beg.-Bez. IJnterfranken : Seiden-
bandfabrikation, Schlauchwebereien.
Sommerieres, französischer, geköperter und leicht gewalkter Wollen-
stoff, der sich, von der Serge dadurch unterscheidet, dass er auf beiden Seiten
lang gerauht und auf der rechten Seite mit einem Schnitt geschoren^ so dass
er zu den franz. Molton gerechnet wird. Die Bezeichnung stammt vom gleich-
namigen franz. Fabrikationsort.
Sommerspitzen heissen Klöppelarbeiten aus Mecheln, so genannt wegen
ihrer vorwiegenden Verwendung für Toiletten dieser Jahreszeit.
Sommertressen, durchbrochene Borten, deren Anschweif ganz aus Seide
besteht, die aber zum Einschlag sowohl Seide, als auch einen starken Gold-
und Silberlahn erhalten, den man groben Riegel nennt und womit die Blumen-
muster gebildet werden; broschierte Sommertressen nennt man sie,
wenn einzelne Teile der Blumen oder die Mitte derselben aus Bouillon oder
Cantille gemacht sind, in welchem Falle man sie mit 3 Schützen webt. In
der Werkstatt des Bortenwirkers sind S. mit Gallonen gleichbedeutend.
Sommerwolle heisst die im Herbst oder zum zweitenmal abgeschorene
Wolle.
Sonnenburg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: Fabrikation von
Plüschwaren und Teppichen; Seidenweberei.
Soots Romals, bunt gegitterte und gestreifte ostindische Baumwolltücher.
Sopra Calici, italienische seidene Tücher aus Organsinseide mit Florett-
eins chuss.
Sorau, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Frankfurt: Bedeutende Tuch- und
Leinenfabrikation. Königliche Webeschule mit dazu gehöriger Muster-
sammlung.
Soria, die Wolle aus der span. Provinz Soria, welche durch das Waschen
im kalten Wasser eine Härte erhält, die sie von Natur nicht hat, weshalb sie
zu den geringeren Sorten mitgerechnet wird.
Sorkroten, ein ostindischer Kattun.
Sorrento, Stadt in der ital. Prov. Neapel: Seidenzucht und -fabrikation.
Sorting-Cloths sind englische Tücher, Sorting-Pack-Cloths solche
gewöhnlicher Art.
Sorting-Pennistone, gewöhnliches Tuch aus geringer und Ausschuss-
wolle aus Halifax.
Sosie, s. V. w. Soejes (s. d.).
Sotteville les Ronen, Stadt im franz. Depart. Seine Inferieure, Arrond.
Ronen: Maschinenspinnerei und -Weberei in Baumwolle und Leinen.
Sou-cha, chinesisches Beuteltuch, Seidengaze; auch ein blau gestreifter
seidener Crepon aus China.
Soumak, s. Sumakh.
Souple, weichgemachte Seide, welche eine Faser darstellt, deren Bast
nur teilweise entfernt wurde, weshalb sie auch den Namen „halbgekochte"
Seide (mi-cuit, mezzo-cotto) führt.
. Sourbassis, eine feine Sorte weisser oder gelblicher persischer Seide.
486
Soutaclie — Spanien.
Soutache , schmales , seidenes , wollenes oder baumwollenes gewebtes
Börtchen, das als verzierender Besatz auf Nähten gebraucht wird, auch mit
Gold durchwirkte Plattschnur oder Litze, die zum Sticken verwendet wird.
Soutane (franz.), ein langer, mit engen Aermeln versehener Leibrock der
katholischen Greistlichen , der als Untergewand unter der liturgischen Amts-
tracht getragen wird.
Southampton, Hauptstadt in gleichnamiger engl. Grrafschaft: Seiden-
industrie, Teppichweberei.
Sowerby, S. Town und S. Bridge, zwei zusammenhängende Städte in
der engl. Grafschaft York : Baumwoll- und Worstedspinnerei, Fäi^berei, Fabri-
kation von "Wachstuch.
Soygarn ist Sayetgarn, s. Kammgarn.
Spachtelstickerei, mit der Hand oder mechanisch hergestellte sogen.
Spinnenmuster zwischen dem Gitterwerk von Gardinen und Spitzen.
Spaichingen, Oberamtsstadt in Württemberg: Baumwoll-, Florettseiden-
und Seidenspinnerei; Fabrikation von Halbseidenwaren.
Spaliere Messen früher Gewebe von verschiedenem Material, welche
statt der Tapeten zum Ausschlagen von Wohnräumen gebraucht wurden ; mau
fertigi;e sie aus Wolle, Leinen und Seide.
. Spanien, Königreich : Textilindustrie in den Provinzen Katalonien,
Valencia, Murcia, Galizien und Asturien, vornehmlich Baumwolle, Leinen und
Anfertigung von Geweben daraus. Woll- und Seidenindustrie in Sevilla; auch
die baskischen Provinzen haben von jeher regen Betrieb im Textilgewerbe.
In ältesten Zeiten werden besonders erwähnt die Leinenstoffe von Soetabis
(Jativa), ferner Wollenstoffe, die in 'dem heutigen Katalonien und Kordvalencia,
hauptsächlich in Tarraco, gewebt wurden. In letzterer Stadt stellte man auch
Abb. 277.
fertige Gewänder her, die in grossen Massen nach Italien exportiert wurden.
In Galizien wurden die lacernae, Soldatenmäntel, gemacht, die ebenfalls über
das ganze Reich Verbreitung fanden.
In der Blütezeit des Kalifats (9. Jahrh.) beschäftigte die Textilindustrie
Spanien.
487
Millionen von Menschen. Die maurischen Schleiergewebe, die Seiden-, Brokat-
und Damaststoffe Andalusiens waren überall auf das höchste geschätzt und
VRirden im 10. und 11. Jahrh. in grossen Massen exportiert. In Cordova allein
sollen sich unter Hakem 11. (961 — 76) 130 000 Menschen von Seidenweberei
ernährt haben, in Sevilla waren 16 000 Seidenwebstühle in Tätigkeit. Einer der
Hauptorte für Seidenfabrikation war Almeria. In den Alcaicerias, den Seideustoff-
lagern der grossen Handelsplätze, waren Stoffmassen im Werte von vielen Millionen
Dinaren aufgehäuft. Die Wollenweberei wurde übrigens von den Eingeborenen,
die Leinen- und Baumwollweberei von den Sj^rern und Aegyptern betrieben.
Die Eroberung Granadas (1492) trug Kastilien die reiche Seidenindustrie
dieses letzten muhammedanischen Staates ein und Isabel war darauf bedacht,
Abb. 278.
sie ebenfalls auf ihrer bisherigen Höhe zu erhalten ; die Seidenfabrikation blieb
daher zunächst auch denselben Gresetzen unterworfen, welche die maurischen
Könige für sie geschaffen hatten. Auch die Tuchindustrie hatte sich imter
Isabel rasch entwickelt und beide Gewerbtätigkeiten fanden grosse Verbreitung,
deren Haupterzeugungsstätten ausser Granada, Sevilla, Barcelona und Valencia
noch Toledo, Segovia, Avila, Valladolid, Burgos, Medina des Campo und Cuenca
wurden. In Sevilla waren Zehntausende von Arbeitern mit der Herstellung
von Seidenstoffen und Wolltüchern beschäftigt; in Toledo wurden von mehr
als 560 Mützenmachern Millionen der unter dem jSTamen „Fes" bekannten Kopf-
bedeckungen angefertigt, die über Cadiz nach Nordafrika ausgeführt wurden.
Toledo war neben Sevilla auch der hauptsächlichste Fabrikationsort für Seiden-
stoffe, und etwa 40 000 Menschen waren zeitweise in diesem Zweige beschäftigi:.
488
Spanien,
Abb. 279.
Unter Karl Y. (1519 — 1556) befand sich Spanien auf dem Gipfel seiner
politischen Macht und besass eine ungemein leistungsfähige Industrie ; indessen
führte das Eegierungssystem seines Sohnes, Philipp II. (1556 — 1598) einen Yer-
fall der materiellen Kultur herbei, der sich so schnell vollzog, dass nach Philipps
Tod schon grosse Zweige der gewerblichen Tätigkeit ihre Lebenskraft fast
eingebüsst hatten. Zum Zwecke der Förderung der Leinenindustrie war der
riachsbau, namentlich im Norden Spaniens , mit so gutem Erfolge eingeführt
worden, dass bereits 1535 der Import ausländischer Leinwand verboten werden
konnte. Aber auch dieser Industriezweig vermochte sich auf die Dauer, unter
der wachsenden Ausbeutung der gesamten nationalen Industrie seitens der in.
ewiger Finanznot befindlichen Regierungen und infolge der teuren Löhne wie
der hohen Produktionskosten der spanischen Manufakturen, der Konkurrenz des
Auslandes gegenüber nicht
zu halten. Hatte die spa-
nische Industrie um die
Mitte des 16. Jahrhdts. nicht
nur die Iberische Halbinsel
und die grossen Kolonien
ganz ausschliesslich mit ihren
Erzeugnissen versehen, son-
dern auch im Auslande star-
ken Absatz gefunden, so
war das Land im 17. Jahrh.
mehr und mehr auf die
fremden Waren angewiesen
worden ; ganze Industrie-
zweige waren eingegangen,
die noch vorhandenen be-
schäftigten höchstens ein
Zehntel der Kräfte, die ein
Jahrh. früher in ihrem Be-
trieb tätig gewesen waren.
Mehr als drei Viertel der
G-esamtbevölkerungSpaniens
kleidete sich unter Karl II.
(1665—1700) in fremdlän-
dische Stoffe, die einheimi-
schen Fabriken lieferten nur
noch Stoffe geringster Qua-
lität. Wo sich um diese Zeit
noch Reste von Industrie-
tätigkeit erhalten hatten, da
waren es fast nur Ausländer,
die sie betrieben ; eine rühm-
liche Ausnahme machten ausschliesslich die Katalanen, die auch in den
Zeiten des tiefsten Verfalls der Industrie immer eine gewisse Pflege zuteil
werden liessen. —
Die Musterung der ältesten spanischen Seidenstoffe beruht natürlich voll-
ständig auf Eingebungen des Islam (s. arabischer Stil), worin geometrische
Figuren mit stilisierten Blättern und Blütenansätzen, dazwischen arabische
Inschriften, die Elemente bilden, aus deren Verbindungen die „Märchen der
Linie", die Arabesken, geschaffen wurden (Abb. 79, 80, 264, 277 — 78). Auch
in späterer Zeit bleibt eine solche Flächenteilung vorherrschend (Abb. 23) ;
selbst zur Zeit der Renaissance, als im Bereiche der spanischen Textilkunst
der italienische Einfluss unverkennbar ist, herrscht die orientalische Formenwelt
vor, die über Venedig von neuem Nahrung erhalten hatte und Muster daher
mit denen Spaniens verwandt erscheinen lässt (Abb. 279). Bezeichnend für
spanische Brokatstoffe des 16. Jahrhs. ist ferner das Vorkommen von gezogenen
Spanien — Spanische Spitzen.
489
Gold- und Silberfäden in denselben, deren erste Erscheinung' hier mit der Ent-
wicklung der Filigranarbeit im Zusammenhange steht (vgl. Spanien im Artikel
Eenaissance S. 425, dazu Abb. 251 — 52).
Granz frei von orientalisierenden Elementen mit einem Streumuster -im
Stile italienischer Spätrenaissance ist der unter Abb. 280 dargestellte Silber-
brokat, der den spanischen Doppeladler und die Wappenzeichen der unter ihm
vereinigten Reiche Leon und Kastilien, zwischen Namenszügen (Karl Y. [?]
und Philipp n. [?]) enthält. Ueber
die Gewebemuster Spaniens aus Abb. 280.
dem 18. Jahrh. ist man zweifel-
haft. Es wird versucht, eine
Gruppe von Seidenstoffen als solche
zusammenzustellen, welche grosse
phantastische, schräg aufsteigende
und ge^vundene frucht- und blatt-
artige Gebilde enthalten, die von
feinen Ranken mit orientalisieren-
den Blüten verbunden sind; eine
verwandte Gruppe solcher Stoffe
hat reiche Broschierungen in Gold
und Silber : es gehen die Meinun-
gen darüber auseinander, ob beide
Arten als spanische Erzeugnisse,
oder ob eine von ihnen vene-
tianischen Ursprunges sein möchte
(vgl. Venedig).
Heber spanische Teppich-
muster älterer Zeit ist man durch
einige geknüpfte Originale des
16. Jahrhdts. (s. Teppiche) unter-
richtet: sie schliessen sich im we-
sentlichen den orientalischen Vor-
bildern an; ebenso wie die heute
in Madrid bestehende Manufaktur
gute alte persische Knüpfteppiche nachahmt (Abb. 281). Ueber Spitzen und
Stickerei s. die betreffenden Artikel.
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Abbildungen:
277. Originalaufnahme aus dem königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidenstoff, leichtes Gewebe, Grund blau, Muster weiss, aus geometrischen Sternfeldern.
Spanisch-maurisch 13. — 14. Jahrh.
278. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin : Seiden-
damast blau, symm. Muster: Blattrosetten sind durch Ranken mit spitzigen Blättern
verbunden. Spanisch-maurisch 13. Jahrh.
279. Originalaufnahme aus der königl. Gewebesammlung in Krefeld : Seiden-
stoff, Grund roter Atlas, symm. Muster: gelb, grün und weiss. Uebereinander auf-
wachsende grosse orientalisierende gefüllte Blüten und Blattwerke entsteigen einem
brunnenartigen Becken ; dazwischen kleine Tiere und Zweige. Spanien 16. Jahrh.
280. Originalaufnahme wie 277 : Silberbrokatstoff, weiss und bunt : Streumuster
aus Zweigen mit Blüten und Früchten; dazwischen Namenszüge (Karl V. [?] und
Phüipp II. ['?]), der spanische Doppeladler und die Wappeczeichen von Leon und
Kastihen. Spanien Ende 16. Jahrh.
281. Darstellung nach einer Photographie aus dem Kunsthandel : Knüpfteppich
aus der Fabrik in Madrid nach einem persischen Original des 16. — 17. Jahrhs.
Spanische Kette ist gekräuselter Lahn von geglätteter Kantille.
Spanischer Weber, veralteter Name der Tuchmacher, welche feine Tuche
machten.
Spanische Spitzen, s. Spitzen.
490 Spanish stripes — Spinnen.
Spanish stripes, ein im Orient vielfach verwendetes leichtes dünnes
Tuch aus Zephyrwolle in vorzugsweise hellen Farben ; es wird in Deutschland,
besonders in Sachsen, lediglich für den levantinischen Handel erzeugt.
Spannkreuz, Fadenkreuz, im Kettenwirkstuhl ein ^Rahmen mit Leitungs-
rolle für die Kettenfäden.
Spannrahmen, in der Appretur Rahmen, auf welchen die gerauhten
Stücke vor dem Scheren zum Trocknen aufgespannt werden.
Spannstab oder Sperrrute, besteht aus zwei Latten, die an den äussern
Enden mit Stiften besetzt sind, welche beim Weben in die Kanten des Stoffes
gesetzt werden, um eine etwaige Verminderung der Breite desselben zu ver-
hindern.
Sparseide, ein feiner flächsener Zwirn, der in Barmen, Elberfeld u. s. w.
verfertigt und statt der Seide an nicht in die Augen fallenden Stellen ge-
braucht wird.
Sparterie, s. Holzgewebe.
Spätrenaissance, s. Renaissance.
Speculation, veraltete Bezeichnung für einen glatten ungeköperten Stoff
aus Baumwollen- oder Leinenkette mit seidenem Schuss, welcher durch Appre-
tur ein Aussehen wie Moiree erhielt.
Speicher, Dorf im Schweiz. Kanton Appenzell- Ausserrhoden : Stickerei
und Baumwollindustrie.
Spelden, im holländ. Handel die Nadeln; sowie Speldewerk oder
Speldevers: die Spitzen und Zwirnbänder.
Spenal, Spinal, veraltete Bezeichnung für schweizer oder österreichische
Baumwollenstoffe zu Frauenkleidern.
Speyer, Stadt im bayr. Beg.-Bez. Pfalz: bedeutende Baumwollspinnerei.
Spidernet, Tricot de Berlin, hiess ehemals ein weisses, durchsichtiges,
gemustertes Gewebe, welches auf dem gewöhnlichen Strumpfstuhl durch TJeber-
legen der Maschen von einer Nadel auf die andere aus einfachem feinem Baum-
wollengarn erzeugt wurde. Der Bobbinnet verdrängte das Fabrikat.
Spiegeldamast wird auch Droguet genannt (s. d.).
Spiegeltaffet nennt man T. wenn er kleine glänzende Muster in Atlas-
bindung hat.
Spindel (franz. : fuseau ; engl. : spindle) ; langer dünner ein- oder zwei-
seitig zugespitzter kreiselartiger Körper, über der kürzeren Spitze von einer
metallenen Scheibe (Wirbel oder Spinnwirte 1) umfasst, von altersher —
schon bei den alten Aegyptern — zum Spinnen gebraucht, bis das Spinnrad
erfunden wurde. Das Wort ist übertragen auf die zu gleichem Zweck am
Spinnrade und an den Spinnmaschinen angebrachte Walze, dann auf Achsen,
Wellen und ähnliches. Auch der Klöppel zur Anfertigung von Spitzen wird
Spindel genannt: daher im Französischen point au fuseau = Klöppelspitze.
Spindelguipürearbeiten, s. Teneriffaarbeiten.
spinnen, Fasern zu einem Faden zusammendrehen; davon übertragen
auf das Abhaspeln der Seidenkokons. Das Sp. mittels der Handspindel ist
uralt; es wurde zunächst durch das im Jahre 1530 von Johann Jürgen in
Wolfenbüttel erfundene Spinnrad auf eine, wenn auch sehr unvollkommene,
höhere Stufe gebracht. Nur langsam fand diese noch in der Jetztzeit benutzte
mechanische Vorrichtung Verbreitung, denn es gibt gewisse Arten von Batist
und Spitzengarnen, zu deren Herstellung die Spinnmaschine nicht hinreicht.
Man hat daher auch die Verbesserung der Spinnräder nicht vernachlässigt;
insbesondere hat der Franzose Lebec in Nantes 1832 das Spinnrad so herzu-
richten verstanden, dass dasselbe zur Erzeugung der feinsten Garne zu ver-
wenden ist. Ein gewaltiger Umschwung vollzog sich durch die Einführung
der Spinnmaschinen für Wasser- und Dampfbetrieb, deren Entwicklung zu
Anfang des 18. Jahrhs. begann. Indem man auf die Verarbeitung grosser
Mengen eines Faserstoffes ausging, wies man die Vorarbeiten der mechan. und
ehem. Reinigung besonderen Maschinen zu, bewirkte die erste Umordnung der
Fasern zu einem endlosen Flor auf der Krempel und gelangte von diesem
Spinnen.
491
Abb. 281.
492 Spinnen.
bandförmigen Fasergebilde zu der fadenförmigen Vorstufe des Feingespinstes
(V o r g a r n) durch schrittweises Strecken (wie es in der Baumwoll-, Kamm-
garn-, Chappe-, Seiden-, Jute- und Wergspinnerei üblich ist) oder durch
Längsteilung (wie in der Streichgarnspinnerei) , worauf die auf eine Vielzahl
von Fäden berechneten Feinspinnmaschinen durch die Arbeitsvorgänge des
Streckens und Drehens die erforderliche Feinheit und Festigkeit begründeten,
unter geeigneter Aufstapelung des fertigen Fadens auf Spindeln bezw. Spulen.
Die Maschinenspinnerei verfügt zur Zeit über zwei Hauptarten von Feinspinn-
maschinen: den Seifaktor und die Drosselmaschine. Beim Seifaktor,
der aus der Cromptonschen Mulef einspinnma s chine hervorging, wechseln
(wie bei der Handspindel) das eigentliche Spinnen und (Strecken und Drehen)
und das Aufwinden miteinander ab , indem die zur Aufnahme des Gespinstes
bestimmten Spindeln auf einen Wagen so angeordnet sind, dass sie bei dessen
Entfernung von dem Streckwerk (Wagenausfahrt) die Zusammendrehung (Ver-
dichtung, Festigung) des verdünnten Vorgespinstes und bei dessen Ajinäherung
an das Streckwerk (Wageneinfahrt) die geordnete Aufwindung des Feingespinstes
bewirken. Erst nachdem es Celans', alle erforderlichen Bewecfungen der zu-
s ammenwirkenden Organe automatisch von der Maschine selbst bewirken zu
lassen, rechtfertigte sich die üblich gewordene Bezeichnung „Seifaktor", die aus
dem englischen selfacting-mule entstand. Den Abschluss des hier angedeuteten
Gedankens erreichte 1872 0. Wolf in Vöslau durch Gestaltung einer Vorrich-
tung, die den Stillstand der Maschine bewirkt , sobald die Spindeln eine vor-
geschriebene Fadenlänge aufgenommen, haben. Bei der Drosselmaschine
(Drosselstuhl), deren erste Gestaltung R. Arkwight 1775 zuzuschreiben
ist, erfolgt wie bei dem Handspinnrad das Spinnen und Aufwinden gleichzeitig,
womit neben Baumersparnis und grösserer Lieferung sogleich die Möglichkeit
des vollständig automatischen Betriebes mittels elementarer Betriebskraft (z. B.
Wasser, daher auch Wat er mas chine) gegeben ist; die Aufwindung der
fertigen Fäden erfolgt hier nicht unmittelbar auf Spindeln , sondern mittels
rotierender Flügel auf Spulen, die durch die auflaufenden Fäden nachgezogen,
durch Beibung auf ihren Stützflächen in gewissem Masse zurückgehalten werden,
also unter Beanspruchung der Festigkeit des Fadeugebildes; deshalb ist die
Herstellung der feinsten und schwächsten Garne auf dieser Maschine aus-
geschlossen, die vielmehr dem Seifaktor verblieben ist. Am meisten ist in
dieser Beziehung eine als Bingmaschine bekannte Umgestaltung der Drossel-
maschine dem Seifaktor nahe gerückt worden, bei welcher nicht die Spule,
sondern ein beliebig leicht zu machender Fadenleiter (Läufer) auf einer ring-
förmigen Bahn durch den auflaufenden Faden nachzuziehen ist.
Die Feinheit der Gespinste wird allgemein durch eine Vergleichung^
zwischen Länge und Gewicht eines gewissen Fadenstückes festgestellt, indem
man z. B. (bei der internationalen Numerierung) angibt , wieviel Meter des
Fadens auf 1 g gehen; hat also ein gewisses Fadenstück L Meter Länge und
G Gewicht, so ist die metrische Feinheitsnummer X = -^^. — Auf die
G
Prüfung der Feinheit folgt in allen Fällen, wo die Verwendung der Garne
anderwärts geschieht, noch die geeignete Verpackung derselben, sei es in Form
der Cops, wie sie der Seifaktor liefert, oder in Form geweifter Strähne, die
zu Docken und Paketen von abgerundetem Gewicht zusammengelegt und durch
scharfes Pressen auf den kleinstmögiichen Baum gebracht werden (s. Garne
und Garnsorten).
Je nach dem Spinnmaterial unterscheidet man als wichtigste Arten der
Spinnerei die Flachs-, Hanf-, Jute-, Seiden-, Baumwoll- und Wollspinnerei.
Die Flachsspinnerei (s. a. Flachs) ist eines der ältesten Gewerbe: schon die
alten Aegypter haben uns in den Gräbern die einfachsten Spinngeräte hinter-
lassen. 1865 wurden in Pfahlbauten der Schweiz 40 Spindeln neben Bruch-
stücken leinener Gewebe aufgefunden, deren Alter auf wenigstens 3000 Jahre
geschätzt werden muss. 1787 wurden in Darlington in England die ersten
Spinnversuche auf Maschinen angestellt. Der eigentliche Begründer der
Spinnen. 493
mechanisclien Flachsspinnerei ist Philippe de Girard, welcher 1810 in Frank-
reich das erste Patent auf Flachsspinnereimaschinen nahm. 1829 wurde die
erste mechanische F. in Leeds durch Dampfkraft in Betrieb gesetzt. Für 1902
ist die Anzahl der Spindeln in Tausenden: für Grrossbritannien mit 1600,
Frankreich 550, Oesterreich-Ungarn 350, Deutschland 360, Belgien 250, E-uss-
land 240, Italien 80, Schweiz 12, Holland 10, Schweden 10, ganz Europa 3600,
Nordamerika 120, Ostindien 160, die ganze Erde 4000 anzunehmen. Deutsch-
land liefert vorzugsweise die Flachsgarnnummern 8 bis 60 und die Werggarn-
nummern bis 30. Zur Fasergewinnung im grossen dient hauptsächlich die
Bastfaser der Spezies Linum usitatissimum L. oder des gemeinen Leins (s. Lein,
Leinenindustrie und Flachs). Die in sogen. Kapellen getrockneten Lein-
pflanzen werden durch Hiffeln oder Reffeln von den Samenkörnern befreit:
die Samenkapseln und Blätter streift man von den Stengeln ab. Es folgt das
Rösten, Rotten oder Weichen, um den Bast und die Fasern zu trennen
und zu lösen. Die Flachsdarren dienen zum Trocknen des gerösteten
Flachses. Das Botten geschieht mittels des Botthammers oder Bleuels,
mit welchem der Flachs gleichsam gedroschen wird; in einigen Gegenden wendet
man dafür das Boken an als Hilfsarbeit des Brechens. Der einfachste zum
Brechen verwendete, von Hand bewegte Apparat ist die Handbreche oder
Brake; man nimmt hierzu auch Brechmaschinen in Gebrauch, bei welchen
der Flachs durch ein paar geriffelte Walzen geht. Um noch vorhandene Holz-
teilchen zu entfernen, bedient man sich der Schwingmaschinen. Durch den
nun folgenden Hechelprozess geschieht die Zerteilung und Zerlegung des
Flachses unter gleichzeitiger Absonderung der kürzeren Fasern. Zur Bildung
eines gleichmässigen Bandes des gehechelten Flachses und zu dessen allmäh-
licher Ueberführung durch Yorgespinst zum Feingarn, welches in der Arbeit
des Streckens und Anlegens besteht, dient die Anlegemaschine. Von da
aus kommt das Band zum Strecken und Duplieren auf die Flachsstreck-
und Dupliermaschine oder den Durchzug. Das letzte Duplieren und
Strecken, sowie die Bildung des Yorgarns erfolgt auf der Spindelbank,
Yorspinnmaschine oder Flyer. Das Feinspinnen erfolgt meist auf der
sogen. Watermaschine: man verspinnt das Yorgarn unter Anwendung von
heissem Wasser (Nassspinnerei). Die Trockenspinnmaschine enthält in
den Einzieh- und Streckwalzen noch besondere Yorrichtungen zur Bildung
des Fadens. In der Nassspinnerei für Flachs und AYerg hat in neuester Zeit
die Ringspindel der Baumwollspinnerei Eingang gefunden. Die Nach- und
Yollendungsarbeiten sind die gleichen wie bei der Wergspinnerei.
Die Werg- oder Heedesj) inner ei umfasst die Yerarbeitung der beim
Hecheln des Flachses ausgekämmten kürzeren, verworrenen und vielfach ver-
schlungen durcheinander liegenden Fasern; das erzeugte Garn wird Werg oder
Heedegarn genannt. Zur Reinigung der Heeden dienen Oeffner oder Schlag-
oder Wickelmaschinen; Karden oder Krempeln gleichen den Baum-
wollkrempeln. Die Wergstrecke und Yorspinnmaschine sind von ent-
sprechender Konstruktion als diejenigen zur Flachsbearbeitung, ebenso die
Wergfeinspinnmaschinen. Das Haspeln der Flachs- und Werggarne
findet auf der Garnhasp el oder Weife statt. Zur Yollendungsarbeit gehört
das Trocknen der nass gesponnenen und gehaspelten Garne, wozu sie sofort
in Trockenkammern kommen. Um Garn direkt in die zum Weben erforder-
liche Form zu bringen , wird dasselbe oft schon in den Spinnereien mittels
sogen. Schussspulmaschinen gespult. — (Ygl. Pfuhl, Weitere Fortschritte
in der Flachsgewinnung, Riga 1895 ; Kuhnert, Der Flachs, seine Kultur und
Yerarbeitung, Berlin 1897.)
Die Hanfspinnerei stimmt im wesentlichen mit der Flachsspinnerei
überein, nur dass die Maschinen, der stärkeren Hanffaser entsprechend, kräftiger
gebaut sind.
Die Jutespinnerei findet nach zwei Methoden statt. Das eine, nur
in England gebräuchliche Verfahren zerschneidet oder zerreisst die Fasern und
sie werden darauf wie Flachs verarbeitet: das so erzeugte Garn heisst ge-
494 Spinnen.
bedieltes oder Jute-Hechelgarn (engl, jute-line-yarn). Bei der zweiten,
in Deutschland und Oesterreich ausschliesslich üblichen Methode werden die
zerrissenen Fasern auf Krempeln verarbeitet und ähnlich wie Flachs gesponnen ;
dies liefert das kardierte Garn oder Jute-Werggarn (engl.: jute-tow-yarn)
genannte Gespinst.
Unter Seidenspinnerei ist nur die Verarbeitung der Florettseide
(s. Florettindustrie) zu verstehen, da bei der Behandlung der gehaspelten Seide
(s. d.) ein wirklicher Spinnprozess nicht stattfindet. Denn der Hohseidenfaden
besteht aus einer Anzahl nebeneinander liegender Fäden, während die unter
dem Namen Florett- oder Galetteseide zusammengefassten Materialien als Ge-
spinste im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sind, da jeder Faden aus vielen ein-
zelnen kurzen Fasern durch Zusammendrehen derselben gebildet wird. In den
Florettspinnereien wird zunächst der Klebstoff aufgelöst, worauf man die
durch Auswaschen und Stampfen bearbeitete Masse trocknet und die Fasern
sortiert. Die nachfolgenden Operationen sind, je nachdem dasselbe eine fein-
faserige, mehr oder weniger dichte Masse oder ziemlich lange, nur lose zu-
sammenhängende Fäden darstellt , entweder der Kammgarn- und der Werg-
spinnerei oder der Baumwollspinnerei entnommen, indem als Vorarbeit des
Spinnens in dem einen Fall ein Kämmen oder Hecheln, im andern ein
Krempeln stattfindet. Obwohl die schönsten Florettgarne an Feinheit, Glätte
und Glanz niemals den besseren Sorten der gehaspelten und filierten Seide
gleichkommen, finden dieselben ihrer Wohlfeilheit wegen ausgedehnte Verwen-
dung (s. Seidengarne). Das Spinnen der Florettseide geschieht teils auf Spinn-
rädern, teils auf Maschinen. Im erstem Falle bedient man sich des früher
auch für die Wollspinnerei gebräuchlichen Handrades, wenn die Fasern kurz
sind, während die langen Fasern auf dem Trittrade versponnen werden. Ebenso
sind bei der Maschinenspinnerei für kurzes und für langes Material verschie-
dene Methoden in Anwendung. Das erstere wird ganz wie Baumwolle be-
handelt, indem man die von der Krempelmaschine gelieferten Bänder auf der
Streckmaschine zusammenlegt (dupliert) und auszieht, dann auf eine Vorspinn-
maschine bringt und das erhaltene Vorgespinst auf einer Mulemaschine dem
Feinspinnprozess unterwirft. Dagegen sind für lange Florettseide die in der
Kammgarn- und Flachsspinnerei üblichen Maschinensysteme im Gebrauch. Die
beim Kämmen der Florettseide sich ergebenden Seidenabfälle (Bourrette,
Stumba) bilden das Material einer weiteren Industrie, der Bourrette-
spinnerei (s. d.), die im wesentlichen nach dem Verfahren der Kammgarn-
spinnerei arbeitet. Die Abgänge werden nicht versponnen, sondern als Watte,
die geringsten als Polster- oder Packmaterial oder als schlechte Wärmeleiter
zur Umhüllung von Dampfleitungen u. s. w. verwendet. Aehnlich der Kunst-
wolle (s. d.) wird auch die durch Zerfasern seidener Lumpen gewonnene Seide
(Seidenshoddy) zu geringwertigen Stoffen verwendet. —
Die Wollspinnerei, die Vorbereitung der sogen. Streichwolle und das
Verspinnen derselben war bis gegen Ende des 18. Jahrhdts. reine Handarbeit.
In England hat die Entwickelung der Streichgarnspinnerei ungefähr gleichen
Gang mit der Baumwollspinnerei (s. d.) genommen, bis man allmählich die in
der letzteren Industrie benutzten Maschinen passend umänderte, um sie der
Natur des animalischen Faserstoffes auf das vorteilhafteste anzupassen. Be-
züglich der Kammwollspinnerei ging die Einführung von Maschinen an
Stelle der Handarbeit wegen der sich in den Weg stellenden Schwierigkeiten
nur langsam vor sich und es wurde noch bis in das Jahr 1850 viel mit der
Hand gesponnen. Auch zur Herstellung der Flachsspinnmaschinen gaben die
Baumwollspinnmaschinen die Grundlage ab, auf welcher nach den gewonnenen
Erfahrungen allmählich Zweckentsprechenderes geschaffen wurde. Ebenso üben
auf das uralte Geschäft des Seilers die im Gebiete der Spinnerei errungenen
Vorteile der Maschinenarbeit ihren Einfluss aus und bemühte man sich mit
Erfolg, das Sjoinnen der Taugarne auf Maschinen zu bewerkstelligen. (S. a.
Baumwollspinnerei und Kammgarnspinnerei in bes. Artikeln.)
Literatur: Brügge mann. Die Spinnerei, ihre Kohstoffe, Entwickelung
Spinnenköpfe — Spitzen. 495
und heutige Bedeutung, Leipzig 1899; ders., Theorie und Praxis der rationellen
Sp., Stuttgart 1897/8; Hennig, Die Streichgarn- und Kunstwollsp. in ihrer
gegenwärtigen Gestalt, Berlin 1894; Hentschel, Prakt. Lehrbuch der Kamm-
garnsp., Stuttgart 1900; Johannsen, Studien über den Wickelkörper des
Seifaktors, Leipzig 1895; Müller, Handbuch der Sp., Leipzig 1892; Beiser,
Lehrbuch der Spinnerei, Weberei und Appretur, ebd. 1901; Zipser, Tech-
nologie der Sp., Wien 1902.
Spinnenköpfe (ital. : grimelli) werden Abfälle der Florettseide genannt,
wenn beim Spinnen derselben Bisse entstehen, die man auskämmt und grobe,
sogen. Knüpfseide daraus spinnt.
Spinnenseide, aus Spinnenfäden bestehender Ersatz für Seide. Nach
Silbermann (Die Seide, Dresden 1897, Bd. I, S. 333 ff.) verwertet man die
faserigen Produkte der Spinnen zu Textilzwecken seit den ersten Jahren des
18. Jahrh. Während man jedoch früher die Kokons der ausgeschlüpften jungen
Spinnen sammelte, zerzupfte und verspann, haspelt man in neuerer Zeit nach
einem vom Missionar Pater Gambone erdachten Verfahren die Fäden von den
lebendigen Spinnen ab, indem man diese auf einem Bahmen in kleine Schlitze
einklemmt, mit den Fingern die Fäden abzieht und deren 12 bis 24 zu einem
Gregefaden vereinigt. Es werden hierzu namentlich die Spinnen Madagaskars
(Nephila madagascarensis), an Ort und Stelle Halabe genannt, verwendet. Trotz
der ausserordentlichen Feinheit besitzt die Spinnenseide grössere Festigkeit
als die Maulbeerseide.
Spinnereischulen, Anstalten, die Spinner in ihrem Fache ausbilden sollen.
Früher bezog sich das nur auf das Handspinnen, jetzt ausschliesslich auf das
Maschinen spinnen. Die 1850 gegründeten 3 Spinnschulen in der sächs. Lausitz,
sowie 5 Spinnschulen in Hessen, welche Schulkinder im Flachs- und Werg-
spinnen unterrichteten, sind wieder eingegangen. Andererseits hat man in den
bereits 1755 in Oesterreich gegründeten Spinnschulen, die aber schon Anfang
des 19. Jahrhs. unter dem Einfluss des Maschinenspinnens wieder aufgegeben
worden sind, wohl die ältesten Fachschulen überhaupt oder die Anfänge zu
unserem jetzigen Fachschulwesen zu erblicken. Spinnereischulen für Maschinen-
spinnerei gibt es in Mülhausen (Elsass) seit 1861 und in Beutlingen (Württem-
berg), beide in der Hauptsache für Baumwollspinnerei bestimmt und als Ge-
sellschaftsunternehmungen mit Staats- und Gemeindeunterstützung verwaltet
und mit Webschulen verbunden. Beide haben einjährigen Lehrgang und ver-
langen eine Vorbildung, welche ungefähr dem Einj ährig-Frei willigenzeugnis
entspricht, sowie ein Alter von 16 oder 17 Jahren. Die Arbeitsschulen sind
mit sämtlichen zur Baumwollspinnerei verwendeten Arbeitsmaschinen ausgestattet.
In beiden Schulen wird der Unterricht über die gesamte Spinnereitechnologie
ergänzt durch Unterricht in technischer Mechanik und allgemeine Maschinen-
kunde. Zu den Sp. ist auch die Abteilung für Spinnerei an den höheren Fach-
schulen für Textilindustrie (s. Webeschulen) zu rechnen.
Spinnewebenmuster werden die in den durch Klöppel- und Nadelarbeit
hergestellten Kreise und Sterne der Solspitzen und Belicellaspitzen genannt.
Spinnmaschinen, s. Spinnerei.
Spinnmühle, s. Filatorium.
Spinnpläne, Erläuterung des üblichen Ganges der Florettverarbeitung.
Spinnrad (franz.: rouet ä filet, filoir; engl.: spinning-wheel) ; wurde
1530 vom Bildschnitzer Johann Jürgen in Wolfenbüttel erfunden. Vorher spann
man mit der Spindel. Jürgen setzte an deren Stelle die Flügelspindel oder
Drossel (franz. : broche), auf welcher die Spule (franz. : bobine ; engl. : pirne)
locker sitzt und den von der Drossel geführten Faden aufnimmt.
Spinnwirtel, s. Spindel.
Spitzen (franz.: dentelles, points ; engl.: laces ; span.: enoajes; ital.: punti);
Kanten, Zacken, Besätze, als Endigung, Abschluss oder Einsatz und Verbindung
von Stoffen, auch selbständige grössere Arbeiten, deren durchscheinend ge-
musterte Flächen darauf angelegt sind, einen gegebenen Untergrund wirkungs-
voll zu beleben. Sie M^erden gefertigt aus Fäden der Leinen-, Baumwoll-,
496 Spitzen.
AVoll-, Seiden-, Gold- und Silbergespinste und entstehen durch Knüpfen,
Stricken, Häkeln, Filieren, Sticken, Nähen, Klöppeln und Weben. Der Leinen-
faden ist darin in älterer Zeit bevorzugt, seine Faser ist lang und zäh, deshalb
widerstandsfähiger gegen Kälte, Hitze, Feuchtigkeit und Trockenheit als andere
Fadenarten. Der Gebrauch von Spitzen ist im Anfang gekennzeichnet durch
die technische und stilistische Entwickelung. Die Besatzspitze ist zurückzuführen
auf eine Verbindung von Endigungen der Ketten- oder Schussfäden eines zur
Bedeckung dienenden Stoffes, worin sie den Anfängen der Franse gleichkommt;
die Füllspitze ist entstanden einesteils aus dem Durchbruch in Leinen, anderer-
seits aus dem Netz. — Nach den am meisten vorkommenden Gattungen von
Sp. unterscheidet man im allgemeinen Nadel-, Klöppel- und Maschinen-
spitzen.
In dem technischen Ent wickelungsgange der Nadelspitze
erscheint der einfache Durchbruch: punto tirato (wenn die Fäden in
einer Richtung des Gewebes ausgezogen sind), und der doppelte Durchbruch :
punto tagliato (Abb. 282) (wenn die Fäden in beiden Bichtungen des Gewebes
ausgezogen sind), als erste und älteste Art, von denen sich Beispiele schon an
Abb. 282.
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Leinentüchern der koptischen Textilfunde (s. d.) finden. Das Vorkommen
von Fransen und Netzen (Abb. 69, 165, 207) daselbst weist darauf hin, dass
die aus Flechten gebildete Art von Spitzen zu derselben Zeit ihre Vorläufer
hat. Beide Arten der Durch bruchspitze — auch point coupe genannt —
haben im 16. Jahrh. vielseitige Ausbildung erfahren: es entstehen als fort-
laufende Bänder und Füllungen aus ausgezogenen quadratischen Feldern in
Leinendecken geometrische und auch streng stilisierte Muster aus Tier- und
Fflanzenformen, die häufig von Stickerei in weissem Garn begleitet sind (Tafel X,
Abb. 1). Als weitere Entwickelung in ausgeschnittenen Bändern und Feldern
solcher Decken, deren Füllung dann wieder durch Benähen der gespannten
Netzfäden im Knopflochstich (point de boutonniere) in Sternmustern geschieht,
ist der punto di reticella (Netz- oder Sternspitze) entstanden (Tafel X,
Abb. 4). Mit der Steigerung des Bedarfs an Spitzen macht man sich von
der Leinwand insofern unabhängig, als man das quadratische Vorwerk für die
Beticellaspitze auf Pergament herrichtet, womit der Musterung der genähten
Spitze die volle Freiheit für die weitere Entwickelung gegeben wurde. Sie
ist nun nicht mehr an eine geometrische Linienführung gebunden, es entstehen
rundliche Formen, deren Verbindung durch sogenannte Stege (brides) herge-
stellt wird, und man nennt das Erzeugnis: punto in aria, d. i. Luftspitze
(Abb. 283, 284 u. Tafel X, Abb. 9). Diese technische Erweiterung führt
allmählich immer mehr zur Aufnahme geschwungener Linien und die Nadel-
spitze erreicht in dem punto a relievo (Abb. 285), der BeliefsjDitze Venedigs,
einen künstlerischen Höhepunkt. Ihre Herstellungsweise ist eine unendlich
Spitzen.
497
müLievolle infolge der ganz frei verlaufenden, an gar kein festes Grundgefüge
gebundenen Ranken mit den reizvollsten arabeskenähnlichen Blättern- und
Blütenformen aus Tausenden von winzigen in ä jour gearbeiteten Füllstichen
Abb. 283.
Abb. 284.
Abb. 285.
in den Innenflächen , deren Ränder sich kräftig in mehreren Abstufungen er-
heben, die nach aussen hin durch zierliche strahlende Ansätze (picots) gemildert
werden. Die Eeliefspitze, welche die Italiener je nach der äusseren Gestaltung
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 32
498
Spitzen.
auch punto a fogliami (mit Laubwerk) und punto a vermicelli (Würmchen-
spitze) nennen, ist auch am Ende des 16. Jahrhs. und Anfang des 17. Jahrhs.
in Spanien erzeugt worden, jedoch ohne die erhabenen Ränder und in fast
noch ungebundenerer , freierer , edler Zeichnung , die besonders in Zacken mit
stilisierten Blütenformen zu reicher Entfaltung gebracht wird (Abb. 38). —
Am Ende des 17. Jahrhs. gewinnt für die genähte Spitze neben Italien
und Spanien auch Frankreich an Bedeutung. Im Jahre 1666 berief Colbert
Abb. 286.
Abb. 287.
venetianische Spitzennäherinneu nach Alengon, der Hauptstadt des franz.
Depart. Orne, woselbst schon früher den Spitzen verwandte Arbeiten gemacht
^vurden: eine wertvolle Arbeit über diesen Ort ist vorhanden in dem Buche
von Mme. Despierres: „Histoire du point d'Alen^on". Die ersten nach
italienischen Vorbildern in Frankreich genähten Spitzen gehen sämtlich unter
dem Namen point de France in den Handel; erst als sich die vom Staate
privilegierte Gesellschaft im Jahre 1675 auflöst, die in vielen Städten des
Reichs arbeiten liess, wird der point d'Alengon wieder selbständig. In dem
Buche der Mme. Despierres sind über die Technik der älteren genähten Alencon-
Spitzen. 499
spitzen die ersten näheren Aufschlüsse gegeben. Hiernach hat eine der-
artige Nadelspitze bis zu ihrer Fertigstellung 12 Vorgänge durchzumachen,
deren Folge, die hier mit einigen Erläuterungen, welche Frau Tina Frauberger
in ihrem „Handbuch der SiDitzenkunde", Leipzig 1894, dazu gibt, auch für
verwandte Arten solcher Spitzen der heutigen Zeit von Interesse ist:
1) Le dessin, das Muster, das sich in der Alen^onspitze im Anfange an das
der Relief spitze Venedigs anlehnt, später aber natürlich dem französischen Geschmack
der Zeit folgt, wird auf das Papier — früher auf Pergament — aufgezeichnet.
2) Le picage, das Vorstechen: das bis zum Rapport vorgezeichnete Muster
wird mit der Pikiernadel auf einer weichen Unterlage in regelmässigen Abständen
durchstochen.
3) La trace, das Vornähen: stellt das Gerüste für die einzunähenden Formen
oder FülluDgen her, nachdem ein Teil des durchstochenen Papiers auf Leinwandstreifen
genäht ist.
4) Le fond oder l'entoilage, das Einnähen der Schlingstiche: der
Schling- oder Knopflochstich, durch welchen das Ausnähen der Hauptformen des
Spitzenmusters geschieht, ähnelt in seinem Aussehen der Leinwand. Kleine Lücken
in solchem dichten Grunde nennt der Franzose „portes" oder „jours" und ein Muster,
das in kleinen Rautenfeldern abgesttzt ist „quadrilles".
5) Le rempli, die Füllmuster: sie vermehren die Unterabteilungen der Arbeit,
deren Zahl je nach dem Reichtum der Motive des Spitzen musters wechselt. Bei den
Reliefspitzen kommen weniger derselben in Anwendung als in den Grundspitzen ; erstere
müssen, den kräftigen Formen entsprechend, ziemlich fest und dicht gearbeitet werden,
während die Gestaltung der anderen Grundmotive fein und luftig geschieht. Einzelne,
viel angewendete Füllmuster haben eigene Namen, die nicht nur in Frankreich und
Belgien, sondern zum Teil auch heut noch, wo Nadelspitzen gemacht werden, in Ge-
brauch sind: gaze serree oder ordinaire, gaze claire, gaze quadrillee, point dArgentan,
point mignon, point ä trou u. s. w.
6) Les brides, der Steggrund des Musters besteht aus sechseckigen Feldern,
zu welchen sich die locker angeordneten Schlingstiche gebildet haben, die hierbei zu
einer grossen Masche auseinandergezogen sind. Er wird heut auf die verschiedenste
Art ausgeführt, die zum Teil nicht völlig der Herstellungsweise des Steggrundes an
den Spitzen des 18. Jahrhs., bei denen er sehr viel und auch als Ziermuster angewendet
wurde, entspricht. Es gibt drei Arten des Steggrundes : a) brides ä picots : Stege mit
Zähnchen, b) brides bouclees : geschlungene Stege, c) brides tortillees : gezwirnte Stege.
7) Le reseau, der Maschengrund, von welchem es drei Arten gibt: a) ge-
wöhnlicher = reseau. ordinaire, hergestellt mittels eines doppelt gedrehten Schling-
stiches, b) kleiner =; petit reseau, aus gleichem Stich in hin und her gehenden Reihen
gearbeitet, c) getupfter = reseau mouche , eine Spielart des vorigen , die zusammen
häufig auch als Füllmuster verwendet werden.
8) Les modes, die Zierstiche, welche erst mit dem Aufkommen des Maschen-
grundes erscheinen, werden zwischen Gerüstfäden ausgeführt, welche den Halt der
einzunähenden Muster bilden, sie lassen eine grosse Mannigfaltigkeit der Ausführung
zu, ihre Grundlage bildete ursprünglich der einfache und der gezähnte Steggrund.
9) La brode, die Stickerei dient dazu, dem Muster Halt und festen Umriss
zu geben, der es wirkungsvoller , klarer und mit schönen Formen hervortreten lässt,
Sie besteht darin, durch Annähen von Fäden an den Umrisslinien die letzteren z. T.
reliefartig zu verstärken und dabei beschädigte Formen auszugleichen.
10) L'enlevage, das Herabnehmen der Spitze von dem Papier wird be-
werkstelligt, indem die Fäden, welche zum Aufnähen der Tracierfäden dienten, zwischen
den zwei Leinwandstreifen zerschnitten werden.
11) L'eboutage, das Ausbessern der Spitze bevor sie mit den anderen einzeln
gearbeiteten Stücken zusammengesetzt wird.
12) L'assemblage, das Zusammensetzen einzelner Teile.
Der Point d'Argentän weist in technischer Beziehung mit der Spitze
aus Alengon keinen Unterschied auf (Taf. XI, Abh. 7). Auch die Brüsse-
ler Nadelspitzen sind den französischen derselben Zeit darin nahe ver-
wandt (Abb. 287); ebenso wie diejenigen, welche früher in Burano erzeugt
wurden. Ueber die Entwickelung der Nadelspitze in den Niederlanden
ist man nicht genügend unterrichtet, obwohl dort den Klöppelspitzen ent-
sprechend auch mit der Nadel gefertigte Arbeiten entstanden sein werden.
Die moderne belgische Spitzenfabrikation verfügt, wie in dem Buche
500
Spitzen.
von Tina Frauberger weiter ausgeführt wird, über die ganze Stufenleiter der
Nadelspitzenarten :
„Das Bild, das die Industrie jedoch auf den ersten Blicken bietet, ist keineswegs er-
freulich. Erst beim Eindringen in die Werkstätten grosser Fabrikanten, bei Durchsicht der
auf Bestellung oder für Ausstellungen gearbeiteten Spitzen erhält man eine Vorstellung
von dem regen, vorwärts drängenden Geist, dem Kunstverständnis, der technischen
Leistungsfähigkeit der heutigen belgischen Spitzenfabrikation, welche mit der fran-
zösischen Hand in Hand geht. Tatsache ist, dass französische Häuser ihre Spitzen z. T.
in Belgien herstellen lassen , Belgien selbst die besten Muster von Paris erhält. Hier
wie dort kann das Beste, Vollkommenste erzeugt werden, wenn ein tüchtiger mit
künstlerischem Verständnis begabter Leiter die Arbeit überwacht."
Zu den Spitzen in verschie-
Abb. 288, den er Herstellungsart kann mau
rechnen die sogen. Band- oder
Litzenspitze, welche auch wohl
in Nachahmung venetianischer Ar-
beiten in Italien (?) entstanden,
aber insofern von Wichtigkeit ist,
als sie der Vorläufer einer grossen
Gattung von geklöppelten Spitzen
zu sein scheint, indem das plan-
los auf genähtem Steggrund sich
windende Rankenmuster aus ge-
webter Einlage später in Leinen-
schlag geklöppelt wurde (Tafel XIL
Abb. 1).
Eine netzartige Nadelarbeit
ist die sogen. Solspitze, welche
aus Spanien stammt (Tafel X,
Abb. 3) und deren Industrie sich
in neuer Zeit in den Südamerika -
nischen Ländern sehr verbreitet
hat (xAbb. 288), auch bei uns zu
einer neuen Technik (s. Teneriffa-
arbeiten) mit verwandter Muster uug
führte.
Zu den im Orient überhaupt wenig erzeugten Spitzen in Nadelarbeit
gehört die sogen. „Smyrna'-- oder „Armenische Spitze'-, welche aus
bunter und auch ganz aus weisser Seide hergestellt werden, sie kommen als
Besätze, Kostümauflagen u. dergl. vor, ihre Musterung besteht aus Hanken
mit frei herausstehenden Blüten, welche die Zacken bilden (Abb. 289).
Die Technik der Klöppelspitzen (franz.: faits au fuseau ; ital. :
dentelli a piombini ; engl. : pillow laces) beruht auf einer Drehung und
Kreuzung von Fäden, durch welche nach Massgabe eines auf dem Klöppel-
kissen befindlichen Klöppelbriefes mittels der das Material enthaltenden
Klöppel nach den durch vorgesteckte Nadeln geleiteten Schlägen Grund
und Muster zugleich entstehen. Diese wie offene und dichte Gewebeflächen
erscheinenden Fadengebilde haben ihre technische Entwickelung in der Her-
stellung von Grundmustern, welche nach bestimmten Arten der Verschlingung
sich äusserlich unterscheiden, ihnen voran geht der einfachste Flechten-
schlag, der durch 2 Klöppelpaare Börtchen herstellt, die gleichlautend be-
zeichnet werden; breitere in dieser Art geklöppelte Spitzen, heissen Flecht-
spitze:
folgen als Grundmuster: 1. einfacher Löcherschlag mit
4 Klöppelpaaren, 2. Löcherschlag mit dopj^elt gedrehten Fäden
mit 6 Klöppelpaaren, 3. Netzschlag mit 4 Klöppelpaaren, 4. Leinenschlag
mit 4 Klöppelpaaren, 5. Tüllgrund mit 6 Klöppelpaaren, 6. Brüsseler
Grund mit 6 Klöppelpaaren, 7. Fond ä la vierge mit 8 Klöppelpaaren,
8. Eternellegrund mit 8 Klöppelpaaren, 9. Ro sengrund mit 10 Klöppel-
paaren, 10. Z i e rg r u n d aus Löcherschlag mit Flechtenschlägen mit 10 Klöppel-
Spitzen.
501
paaren, 11. Yalenciennes - Grund, aus Flechten mit 2 Klöppelpaaren, im
ganzen mit 10 Klöppelpaaren.
Die Einteilung der Klöppelspitzen nach Herkunft und Zeit ist noch
schwieriger, als bei den Nadelspitzen; der Versuch, es auf Grund der ange-
führten technischen Verfahren zu ermöglichen, dem auch das Handbuch der
Spitzenkunde von Tina Frauberger folgt, scheint noch am ehesten zum Ziele
zu führen. Es lassen sich demnach unterscheiden : Flechtspitz en, Formen-
schlagspitzen, Leinen schlag spitzen, Leinenschlagspitzen mit
Netzgrund, Ziernetzspitzen, denen sich solche anschliessen , welche
durch Vereinigung von Klöppel- und Nadelarbeit hergestellt wurden.
Die Fl echt spitze darf ihrer einfachen Technik entsprechend als die
älteste gelten; sie ist seit dem Ende des 15. Jahrh. nicht nur in Italien,
sondern auch in Spanien, den Niederlanden und Deutschland hergestellt und
Abb. 289.
besteht gewöhnlich aus Zacken, die sich am ehesten als Besatz eiscnen
(Abb. 290).
Die FormenschlagsjDitze zeigt Muster in breiteren Einzelheiten
als die Flechtspitze (xAbb. 291), ihre bandartigen Flächen bilden Kreise und
Rosettenfelder in Quadraten und halbrunden Zacken, die im ganzen an den
italienischen Typus der Reticeilaspitze erinnern. Die Zwischenteile sind ge-
wöhnlich durch ein ovales Blättchen, das man Haberkorn, Gerstenkorn,
auch wohl mouches nennt, gefüllt. Diese Art der Formenschlagspitze soll
im 17. Jahrh. hauptsächlich in Genua gemacht worden sein , woselbst auch
dergleichen Arbeiten in Metallfäden hergestellt wurden (Tafel XII, Abb. 6).
Die Leinenschlag spitze tritt mit der Aufnahme geschwungener
Formen mehr und mehr in den Vordergrund (Abb. 292, 293). Als Heimat
dieser Gattung von Klöppelspitzen wird Flandern, Brabant und Schleswig an-
genommen, woselbst sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. erscheinen; im
Erzgebirge, in Hussland (Abb. 294) und in sonstigen slawischen Ländern haben
sie sich in einfacheren Mustern bis zum heutigen Tage erhalten. Man be-
zeichnet solche Spitzen auch noch als Leinenrissspitzen, Spitzen mit
502
Spitzen.
unterbrochenem Riss oder mit geteiltem Riss und nach der Art des
Musters und eigentümlicher technischer Varianten als Klo ste r arbeit, sowie
nach der Yerwendungsart als Kirche n spitz en. In bunter Seide kommen
übrigens dergleichen Muster
Abb. 290.
auch in mährischen Aermel-
besätzen, in Verbindung mit
Stickereien auf Leinen vor. Als
Abart gehört zu dieser Gruppe
auch die Gruipür e-, Grimpen-
oder Posamen tierspitze,
deren Aussehen infolge des
Materials und der dadurch be-
dingten technischen Eigentüm-
lichkeit ein von den Leinen-
spitzen grundverschiedenes ist,
trotzdem hat das Wort Guipür«
(s. d.) auch für solche Auf-
nahme gefunden (Tafel XH,
Abb. 6).
Die Leinenschlag-
spitzen mit Netzgrund
sind in technischer Beziehung
der vorigen Gruppe verwandt;
nur dass die Verbindungen aus
einem regelmässig gestalteten
Netz g€bildet werden (Tafel XI
u. Abb. 292). Die Musterung
innerhalb desselben scheint sich ganz den Nadelspitzen Italiens anzupassen. Zu
Voluten aufgerollte wellig gelegte Ranken endigen in Zweige und Blüten, die
teilweis schon mit einem Ziernetz durchbrochen sind. Der Ausgangspunkt für
diese Art der Klöppelspitzen
Abb. 291.
scheint die ReliefspitzeVenedigs
gewesen zu sein, der das Ranken-
muster aus gewebter Litze mit
genähtem Grunde folgte. Diese
Spitzen sollen, wie die der
vorigen Gruppe, meist in Flan-
dern und Brabant hergestellt
worden sein; von einigen wird
auch Mailand (?) als Herstel-
lungsort einer gleichen Art ge-
nannt.
Die Gruppe der Zier-
netzspitzen steht bezüglich
der technischen Vollkommenheit
in der Kunst des Klöppeins
auf gleicher Höhe wie in ihrer
Weise die gleichzeitigen Nadel-
arbeiten des 18. Jahrh. , mit
denen auch die Muster zu wett-
eifern scheinen. Mit der vorigen
Art von Klöppelspitzen haben
nur noch die ziemlich allgemein
bezeichneten Valencienne s-
Spitzen die meiste Ver-
wandtschaft (Tafel XII u. Abb. 295), unterscheiden sich aber, wie auch die noch
folgenden Arten , durch den überaus feinen Faden , mit dem sie hergestellt
sind, und die etwas lockere Bildung des Leinenschlages, aus dem das
Spitzen.
503
Muster besteht (Abb. 295). Unter der grossen Gruppe von Yalenciennes-
Spitzen erscheinen besonders feine Klöppelarbeiten, die man für Erzeugnisse
aus Bin che hält und zwar in Nachahmung der point d'Angleterre (?); auch
Spitzen aus Ypern sollen von ähnlichem Charakter sein. Die in Ma-
lines und Umgegend erzeugten Spitzen (Abb. 296) gehören zu den wenigen
Arten von Klöppelarbeiten, welche am ehesten richtig erkannt werden wegen
des stärkeren Arbeitsfadens, der das im Leinenschlag hergestellte Muster um-
Abb. 292.
gibt (Tafel XI, Abb. 296). Eine verwandte technische Eigenart wohnt auch
den sogen. Brüsseler Spitzen inne (s. Abb. 287), das in einer einzigen
Bändchenauflage der E,änder einzelner Teile des Musters besteht und durch das
Zurückführen des Fadens gebildet wird.
In die Gruppe der Spitzen mit vereinigter Klöppel- und Nadelarbeit
gehören zunächst die Aufnähspitzen, deren Eormen geklöppelt und ent-
Abb. 293.
weder auf einen echten Klöppelgrund oder auf Tüll aufgenäht werden. Man
ordnet auch den viel umstrittenen point d'Angleterre hier hinein, um
dessen Erzeugung sich auch Frankreich und die Niederlande streiten. Zu den
kombinierten Spitzen werden ferner die seidenen Spitzen, sogen. Blonden
(Abb. 297), dann die in mehreren Orten Frankreichs (Bayeux, Le Puy
u. s. w.) erzeugten Chantilly- Spitzen und endlich die als Torchon-
spitzen vorkommenden Arten, deren geometrische Muster aus den einfachsten
Verflechtungen gebildet werden.
504
Spitzen.
Unter den drei Arten von Maschinenspitzen sind die auf Grund
der im Jahre 1809 von Heathcoat erfundenen Bobbinnetmaschine (s. d.) ent-
standenen Erzeugnisse die ältesten. Der erste Vorschlag zur Einführung der
Abb. 294.
Jacquardmaschine in Bobbiunetweberei ging einem französischen Patent zufolge
im Jahre 1824 von Colas et Delompues in Lyon aus ; doch erst zu Anfang
der 1840 er Jahre gelang es Samuel Draper in Nottingham, die praktische An-
Abb. 295.
Wendung der Jacquardmaschine in der Tüllspitzenfabrikation mit Erfolg zu er-
zielen. Den Hauptanteil in der Maschinenspitzenfabrikation nehmen England
und Frankreich; neben diesen kommen Oesterreich und in neuester Zeit, be-
züglich der Anfertigung von Tüllgardinen, das Königreich Sachsen in Betracht.
Spitzen.
505
Abb. 296.
Den Hauptsitz der englischen Fabrikation bildet Nottingham und Umgebung;
in Frankreich ist es vorzugsweise Calais und Saint-Pierre les Calais , welche
ausgezeichnete Tüllspitzenfabrikate liefern.
Die Tüllspitzen sind zusammengesetzte, teils leinwandbindige , teils
gazebindige, gobelinartige Gewebe, bestehen also aus zwei Fadensystemen, der
Kette und dem Schuss. Die Kettenfäden laufen geradlinig oder im Zickzack
der Spitze entlang und bilden in letzterem Falle das Gerippe für die zu er-
zeugenden Grundmaschen. Die Schussfäden erstrecken sich stets nur über den
von 1 — 3 Kettenfäden begrenzten ßaum.
Geklöppelte Maschinenspitzen sind vornehmlich solche Arten,
die wie die Torchonspitze, sich durch ein-
fache Bindungsweise des Grundes aus-
zeichnen, und einfach gemusterte schmale
Valenciennes. In den Jahren 1872 bis
1873 versuchte der Franzose Halbere
grössere Mannigfaltigkeit in die Erzeug-
nisse der Klöppelmaschine zu bringen, in-
dem er jedem einzelnen Klöppel die Tätig-
keit und den Weg durch eine Jacquard-
maschine vorschrieb , so dass sämtliche
Klöppel einer Maschine ebenso unab-
hängig voneinander bewegt werden können,
wie dies von der Klöpplerin bei der Füh-
rung der Handklöppel geschieht. Mangel-
hafte Ausführung der Maschine verhinderte
jedoch die praktische Verwertung.
Die Luft- oder Aetzspitzen
werden auf Plattstichstickmaschinen er-
zeugt; man fertigt hierauf die Muster
durch Stickerei auf Zeug oder Papier an
und entfernt durch xAusätzen die zwischen
den Figuren stehen gebliebenen Teile.
Nach dem älteren Verfahren sind das
Grundgewebe und die Stickfäden von ver-
schiedenem Material (z. B. Baumwolle und
Wolle), so dass ihre Zerstörung ver-
schiedene chemisch wechselnde Mittel er-
fordert; in neuerer Zeit werden zu dem
Grundgewebe und den Stickfäden gleiche
Materialien verwendet und das erstere vor
dem Besticken durch Behandeln mit ver-
dünnter Schwefelsäure oder Salzsäure so
vorbereitet, dass es nach dem Besticken
beim Erhitzen zerstört wird oder es wer-
den die Stickfäden mit Salmiakgeist oder
alkalischer Lauge durchtränkt und das
Grundgewebe nach dem Besticken durch
ein Säurebad entfernt (s. Stickerei S. 525).
lieber den geschichtlichen Entwickelungsgang der Spitze
ist man trotz einer Reihe guter literarischer Arbeiten (Mrs. B. Palliser,
History of lace, London 1902; ältere Auflage von 1875 in franz. Ueber-
setzung: Histoire de la dentelle, 1890; J. Seguin, La de nt eile, Paris
1875; Mme. Despierres, Histoire du point d'Alengon, Paris 1886;
Tina Frauberger, Handbuch der Spitzenkunde, Leipzig 1894; Dr.
M. Dreger, Entwickelungsgeschichte der Spitze, Wien 1901) nicht
völlig unterrichtet, da die Bearbeitung des Materials hinsichtlich der Gleichartigkeit
und TJebertragung, ferner durch missverstandene Ausdrücke der Technik, Muste-
rung usw. eine der schwierigsten ist, welche sich den Forschungen hierdurch eröffnet.
506
Spitzen.
Spitzen im engeren Sinne erscheinen erst mit dem 16. Jahrh. ; die
Nadelspitze als pnnto tagliato , die Klöppelspitze gleichzeitig in Form einer
Flechtenspitze. Beide Arten können ihren Ursprung in Italien haben: die
Nadelarbeit jedenfalls; für die Klöppelspitze kommen auch die Niederlande in
Frage. Bestimmtere Daten über die Industrie in den einzelnen Ländern und
Orten hat man versucht zu ermitteln aus Bildern, aus Musterbüchern und aus
erhaltenen Urkunden in Inventar en u. dgl.
Italien nimmt zunächst ein besonderes Interesse in Anspruch, woselbst
Venedig als die gerühmteste Erzeugungsstätte genannt wird. Dr. Dreger
führt u. a. das für die Entwickelung der Spitze überhaupt höchst wertvolle
„New Modelbuch" an, das zwischen 1561 und 62 bei Christoff Froschower in
Zürich erschienen ist und „allerlei Art Klöppelschnüre, wie sie derzeit in Ober-
Deutschland gang und gäbe sind" . . . „die jetzt von 25 Jahren in unseren
Landen aufgekommen und gebräuchlich sind", enthalten. „Sie wurden nämlich
im Jahre 1536 zum erstenmal durch Kaufleute aus Venedig und aus Italien
gebracht." Dieses Buch macht uns auch mit den in jener Zeit gebräuchlichen
Benennungen von Spitzen bekannt, die nach italienischen NaSelarbeiten in
Deutschland geklöppelt wurden. So z, B. eine Borte mit Andreaskreuz (sechs-
eckige Felder mit gekreuzten Balken in Ikiuten), ganz in Art des geometrischen
Abb. 297.
Doppeldurchbruchs, ferner ähnliche mit eckigem S mid 0, auch „Bädlemodle"
mit ovalen Bosetten aus grösseren und kleineren Löchern u. a. m. Bei jedem
dieser Muster ist die Zahl der Klöppel angegeben, mit welchen die Arbeit
herzustellen ist. Ausser den Durchbrucharbeiten und berühmten Beliefspitzen
müssen in Venedig auch Groldspitzen erzeugt sein; denn es wird erwähnt, dass
im Jahre 1574 sich Heinrich III bei einem Besuche daselbst über dergleichen
Arbeiten ausspricht. Auch in Mailand und Genua werden Metallspitzen
erzeugt, doch sind die Klöppelarbeiten in Leinen verbreiteter. Vor dem
17. Jahrh. wird Genuesische Spitze wenig erwähnt, seit 1639 ist sie all-
gemein in Gebrauch unter dem Namen point de Genes und bildet einen be-
deutenden Handelsartikel. 1764 heisst es bei Palliser: „In Genua werden viele
Spitzen erzeugt, die jedoch im Vergleich zu flandrischer Arbeit minderwertiger
Art sind. Die Industrie geht, wie die venetianische, durch die vielen Edikte
und Einfuhrverbote des Auslandes schliesslich zugrunde. Spitze wird dort
„pizzo" genannt, es werden nur Elöppelspitzen a piombini oder a mazetta ge-
macht. Die Spitzenerzeugung ist der Küste entlang von Albisola bis Santa
Margherita bekannt. Spitzen von Albisola, schwarz oder weissfarbig,
bildeten einst einen ansehnlichen Ausfuhrgegenstand nach Cadiz, Madrid und
Sevilla. In den Kirchen der Stadt werden Spitzen aufbewahrt, die um 1600
dort angefertigt worden sind; auch Spitzen aus Aloefasern werden dort er-
zeugt. Burano erzeugt etwa Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhdts.
Spitzen : über ihre Nadelarbeit nach flandrischer Art scheint man sich nicht
Spitzen. 507
klar zu sein, eine Nachahmung des point d'Alen^^on enthält auf dichtem Grunde
Streumuster, die wie gestickt erscheinen.
Spanien erscheint in Italien als „punto di Spagna'- schon zurzeit der
Renaissance, seine Erzeugnisse sind aber wohl, mit Ausnahme der sogen. Sol-
spitze, auf italienische Nachahmungen zurückzuführen ; dieselben gelangen erst
später zu grösserer Bedeutung. Eine Vereinigung von geschnittener Spitze in
Leinen, mit Stickerei in farbiger Seide und mit Umrandung von Goldösen ist
nur in wenigen Beispielen aus Spanien erhalten (Abb. 298), hingegen war die
Filetarbeit in Weiss und solche mit bunter Stickerei im 17. Jahrh. sehr
ausgebildet. Nach Angaben von Palliser fasst man unter „point d'Espagne"
allgemein Gold- oder Silberspitzen und jene in Farben gestickte Spitzen zu-
sammen, die während der Begierung Louis XIV viel in Frankreich getragen
wurden. In spanischen Dokumenten aus Toledo und Sevilla aus dem 15.
und 16. Jahrh. und aus Granada im 16. und 17. Jahrh. wird nichts von
Spitzen erwähnt. Erst bei der Auflösung spanischer Klöster im Jahre 1830
lernt man dort angefertigte Nadelspitzenarbeiten kennen. Ferner führt Tina
Frauberger aus Palisser an: „Im 17. Jahrhundert sollen in Spanien viele
Frauen mit der Erzeugung von Gold-, Silber- und Leinenspitzen beschäftigt
gewesen sein, die, was Schönheit der Arbeit betrifft, Aehnlichkeit mit der
Abb. 298.
Spitze aus Flandern gehabt habe. Dagegen heisst es 1634, Spanien beziehe
viele Spitzen aus Isle de France, während die Franzosen flandrische Spitzen
vorziehen. Von Antwerpen wurden Spitzen über Cadiz nach Spanien gebracht
unter dem Namen: puntos de mosquito e de transillas. Gegen die Mitte des
18. Jahrhdts. scheint die Spitzenindustrie in Verfall geraten zu sein. Gold-
und Silberspitzen werden in Barcelona, Talavera de la Beyna, Valencia und
Sevilla gemacht. In Catalonien, besonders in Barcelona, werden seidene Spitzen,
Blonden, erzeugt."
Portugal erzeugt Nadelarbeiten, jedoch nicht als Industrie. 1726
wird Portugues point erwähnt. Nach 1755 gründet der Marquis de Pombal
eine Spitzenmanufaktur in Lissabon. In Madeira, Brasilien, Venezuela, Chile,
Paraguay werden schmale Klöppelspitzen und solche in Nachahmung der alten
spanischen Solspitzen angefertigt.
In Frankreich steht als Spitzenerzeugungsstätte Alengon obenan,
woselbst nach der Mitte des 17. Jahrhdts. eine Manufaktur errichtet wird,
die nach Vorbildern aus Venedig arbeitet. Eine Nadelspitze velin wird im
Zusammenhange mit point de coupe zum erstenmal 1639, dieser zuletzt 1662
genannt (Abb. 299 und Tafel XI, Abb. 4). lieber die hier gegründete Gesell-
schaft s. S. 403 unter point de France; über Technik, Muster usw. S. 4980". lieber
andere französische Spitzenmanufakturen berichtet Seguin: In Arge nt au
wdrd 1665 von der Königl. Manufaktur ein Bureau errichtet, das bis 1675 be-
stand. Dann hört man nichts mehr davon bis zum Jahre 1708, von welcher
Zeit an wieder Spitzen fabriziert werden und zwar meist Spitzen mit reseau
de brides, 1810 war die Fabrikation hier zu Ende. Die Spitzenmanufaktur
in Lille beginnt mit den ersten Jahren des 17. Jahrhdts.; man machte
508
Spitzen.
Klöppelspitzen fa^on Malines oder facon Valenciennes. Die heute unter diesem
Namen bekannte Spitze hat Aehnlichkeit mit der Malines, unterscheidet sich
jedoch im reseau, der viel feiner ist. Ar ras arbeitete wie Lille; im vorigen
Jahrh. schätzte man die Spitzenarbeiterzahl von Lille und Arras auf
30000, heute sind es nur noch wenige Hundert. Le Puy wird unter den
französischen Städten als diejenige betrachtet, die zuerst Spitzen erzeugte; man
machte Klöppelspitzen: Blonden, seidene Spitzen, solche von Leinen in allen
Farben, wollene Spitzen und guipures modernes. Anfänglich ahmte man die
.,guipures gothiques, italiennes" nach, die einzigen im 16. Jahrh. bekannten
Spitzen; später unterwirft man sie der Mode, ändert die, Muster und
nimmt als Vorbild die Malines- und alten Valenciennesspitzen. Aurillac
war ein wichtiger Mittelpunkt der Spitzenerzeugung, die sich von dort in
Murat bis Limousin ausbreitete. Man weiss nichts über den Anfang dieser
Industrie, die sich gegen die Mitte des 17. Jahrhdts. entwickelt, wo die
Erzeugnisse dieser Stadt gesucht sind. Ende des 17. Jahrhdts. sollen auch
hier Metallspitzen gefertigt sein. Unter point d' Aurillac sind stets Klöppel-
arbeiten zu verstehen. Die Industrie ist vor 1789 zu Ende. In Tülle
wurden gewöhnliche Spitzen gemacht. Man verfertigte auch Streifen einfachen,
geklöppelten Netzwerkes, das man den Spitzen anzusetzen pflegte, um sie zu
Abb. 299.
verbreitern. Als man die Spitzen gefältelt zu tragen begann und sie in Eeihen
übereinandersetzte, wurden solche Streifen sehr wichtig. Im besonderen be-
schäftigte sich Tülle mit der Herstellung solcher ungemusterter Netzstreifen.
Mirecourt gilt als eine der ältesten Spitzenfabriken Frankreichs; man machte
dort Klöppelspitzen. Im 17. Jahrh. befand sich in Dijon eine Spitzen-
manufaktur, wo man Klöppelarbeiten fertigte; sie war gegründet, um Findel-
kindern Beschäftigung zu geben. Gegen die Mitte des 18. Jahrhdts. wird
ihrer nicht mehr erwähnt. In Auxerre gründete Colbert eine Manufaktur
des points de France, deren Betrieb aber bald eingestellt wurde. Sedan er-
zeugte Nadelspitzen unter gleichem Namen, die sich in der Musterung denen
von Argentan anschliessen. Die Manufaktur von Lyon ist gegen die Mitte
des 17. Jahrhdts. für Grold- und Silberspitzen die bemerkenswerteste von
Frankreich. Saint Etiennes Spitzen gleichen den Yalenciennesarten ; Saint
Bonnet le Chäteau ist jetzt Mittelpunkt dieser Fabrikation. Bourg Argental
scheint ehemals eine Fabrik für Blonden gehabt zu haben; um 1778 war die
Fabrik schon 20 Jahre alt; auch in Sassen ages in der Dauphine wurden
Blonden angefertigt, ebenso in Pont de Beauvoisin, wo die Manufaktur
bei Ausbruch der Eevolution 1789 aufhörte. Chantilly wird weder im
17. noch im 18. Jahrh. erwähnt, während sich die nächste Umgebung von
Spitzen. 509
Paris mehr und mehr der Spitzenarbeit begab , späterhin der Mittelpunkt
für die Spitzenindustrie der Isle de France. Man fertigte Klöppelspitzen
an, besonders seidene. Die weissen Leinenspitzen von Isle de France waren
zuerst point coupe und passements aux fuseaux ou guipures gothiques. Dann
kamen die blumigen Muster unter Louis XIV ; welche points de France, gleich-
viel ob Nadel- oder Klöppelarbeit, genannt werden, dann die points de Malines
und d'Angleterre. Die Spitzenarbeit von Dieppe erscheint zuerst Ende des
17. Jahrhdts. In Caen und Bayeux haben sich die jüngeren Industrien
sehr entwickelt; Caen wird zum erstenmal 1705 genannt, es werden zuerst
dort Leinen-, dann schwarze Seidenspitzen und Blonden gemacht. Bayeux's
Spitzenmanufaktur, die heute hohes Ansehen geniesst, entstand 1709. Man
fertigte weisse und schwarzseidene Spitzen an. Seit einigen Jahren hat
M. A. Lefebure dort die Nadelspitzenarbeit eingeführt und entwickelt.
Die Niederlande nehmen im Bereiche der Spitzenindustrie, besonders
der Klöppelarbeiten, eine hervorragende Stelle ein, so dass man sogar annimmt,
die Technik der letzteren wäre hier, unabhängig von Italien, aus den Arbeiten
der Posamentierer heraus entstanden. Jedenfalls geben niederländische Bilder
aus dem Anfange des 16. Jahrhdts. Beweise dafür, dass hier durchbrochene
Leinenarbeit nicht unbekannt war, wenngleich Spitzenmuster auf einen Zu-
sammenhang mit Italien hinweisen. Peiche Ausbildung erfahren die Zacken-
besätze der Kragen, deren geometrische Klöppelmuster auf Peticellavorlagen
zurückgehen. Neben den rein geometrischen Durchbruch- und Zackenarbeiten,
die, nach den Bildern zu schliessen, bis in die Mitte des 17. Jahrhdts.
vorherrschen, gewahren wir auch die Blumen-, Panken-, Schnörkel- und Yasen-
motive, die wir bereits in den italienischen Musterbüchern fanden; nur ist der
Eindruck, da die Arbeiten meist in Klöppeltechnik ausgeführt sind und auf
die Peinheit der Form weit weniger Wert gelegt ist, ein einigermassen anderer.
Vgl. Dr. M. Dreger, Entwickelungsgeschichte der Spitze, Wien 1901, S. 63.
der sich darüber noch weiter ausspricht:
„Wenn Holland selbst vielleicht auch weniger Spitzen erzeugte, obgleich es
wenigstens um 1660 — 1670 sogar nach England und Italien ausführen konnte, so
richteten sich jedenfalls viele Orte der Niederlande nach diesem Absatzgebiete und
waren ihm ja auch geistig in mancher Beziehung nahe verwandt. Durch ihre Dicht-
heit scheint die ganze Spitze viel glatter, ruhiger; die kräftige Form geht allerdings
verloren, das Ganze erscheint mehr als einheitlicher, duftiger Stoff. So wie die
holländische Malerei gegenüber der italienischen Linearverkürzung mehr die Luft-
perspektive betont, so sind auch hier mehr Tonwerte als scharfe Formen gegeben.
Das ist nicht mehr die klare Renaissance des Südens; es liegt im Ganzen ein gewisser
Dämmerschein, wie er die Natur des Nordens und die Seelen des Nordländers immei'
durchzieht. Es ist darum auch nicht zu verwundern, dass diese Art der Spitze von
Holland bis Schleswig hin gepflegt wurde und, wie wir aus englischen Bildnissen er-
sehen, auch in England besonders beliebt war. Es kann aber auch nicht befremden,
dass die nordische Spitze mit ihrer sozusagen gemilderten Renaissancerichtung in den
Ländern, die der Barocke erst zustrebten, gleichfalls Absatz fand und später auch auf
das halb barocke, halb klassizistische Frankreich wieder Einfluss erlangte. Jedenfalls
nimmt die niederländische Spitze, wie wir aus dem Kampfe der Nachbarstaaten gegen
ihre Einfuhr deutlich erkennen, bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhdts. einen
ganz besonderen Rang ein ; für die südlichen Niederlande, insbesondere für Antwerpen,
Brügge, Gent, Ypern und Lüttich — Brüssel tritt erst später mehr in den Vorder-
grund — bildet die Klöppelarbeit bereits eine Hauptquelle des Reichtums."
Als Erzeugnis aus Antwerpen werden die sogen. Pottenkanten
(Tafel XI, x4.bb. 12, 13) bezeichnet, die bis zum 18. Jahrh. in Klöppelarbeit
hergestellt wurden. Das darin vorherrschende Vasenmotiv erscheint als Nadel-
arbeit schon früher und ist auch in anderer Form in einer aus Italien
stammenden Klöppelspitze des 17. Jahrh. vorhanden (Abb. 300).
England ist in der Spitzenerzeugung zunächst auch vom Auslande ab-
hängig: schon im Jahre 1463 verbietet Eduard IV. die Einfuhr von Spitzen-
arten, womit aber mehr Borten, Besätze und Schnüre in Art von Posamentier-
arbeiten gemeint sind; auch bei einem 1556 beschriebenen Hemd, welches der
Königin Mary als Neujahrsgeschenk überreicht wird, heisst es „mit weisser floren-
510
Spitzen.
tinisclier Arbeit", woraus nicht ersichtlich, ob dies Spitze war; aber sicher
weisen auch hier die Bilder auf italienische Arbeiten hin. Ferner werden
Verbote erlassen gegen die Einfuhr flanderischer Spitzen, die später aufge-
hoben sind. (Vgl. die von Tina Frauberger gesammelten Auszüge aus dem
Werke der Palliser.) Unter der Königin Anna (1702 — 1714) erscheinen die
Mechelner und Brüsseler Spitzen in den Eechnungen des Hofes. 1711 wird
die Einführung von Grold- und Silberspitze verboten. Unter Georg IL (1727
bis 1760) sind Brüsseler Spitzen sehr beliebt. Anlässlich der Hochzeit des
Prinzen von Wales (1736) trägt der Hof gleichwohl Spitzen englischer Her-
kunft ; nur der Herzog von Marlborough erscheint in point d'Espagne. Georg III.
(1760 — 1820) ordnet 1764 an, dass bei der Hochzeit seiner Schwester mit dem
Herzog von Braunschweig alle Stoffe und Spitzen, die getragen werden, eng-
lischer Herkunft sein sollen. Man achtet des Befehls wenig. Drei Tage vor
der Hochzeit wird bei der Modistin des Hofes Nachforschung gehalten und
beinahe alle Spitzen, Silber- und Goldstoffe werden beschlagnahmt. In Frank-
reich werden um 1788 englische Spitzen getragen, während man in England
immer noch flanderisches Fabrikat bevorzugt. Im 16. und 17. Jahrh. scheinen
sich Klöppelspitzenmanufakturen in verschiedenen englischen Grafschaften be-
funden zu haben ; doch hat es nur Devonshire zu einem B.uf von Dauer ge-
Abb. 300.
bracht, unter ihnen sind die von Honiton am bekanntesten. Im Jahre 1623 werden
die Klöppelspitzenarbeiten aus Buckinghamshire erwähnt ; auch in Bedfordshire
wurden Spitzen erzeugt, in beiden Orten wurde nach Vorbildern von Lille und
Arras gearbeitet, so dass jene Erzeugnisse oft mit der Bezeichnung Englisch
Lille vorkommen. Gegen Ende des 18. Jahrb., seit dem Ausbruch des Krieges
mit der französischen Bepublik und dem ihm folgenden Zollkriege nahm die
Spitzenmanufaktur in England neuen Aufschwung. Man deckte den Bedarf
an Spitzen durch heimatliche Fabrikate. Mit bestem Erfolge wurden fran-
zösische Spitzen nachgeahmt, die mit Hausse Valenciennes oder French ground
bezeichnet werden. Seit 1815 beginnt sich die englische Spitzenarbeit wieder
lebhafter zu entwickeln, 1862 (Weltausstellung) ist schon ein grosser Fort-
schrittbemerkbar. Ueber den Point d'Angleterre äussert sich Dr. Dreger
in seinem Spitzenwerke (S. 97) folgendermassen :
„Was der p. dA., der auch sonst häufig vorkommt, eigentlich ist, darüber geben
die Meinungen der Forscher allerdings sehr auseinander. Viele wollen, mit Seguin,
in ihm eine ganz bestimmte Art erkennen ; andere wie Frau Palliser nehmen an, dass
der Point dAngleterre überhaupt ein niederländisches Erzeugnis ist, dass nur deshalb
so genannt wurde, weil es insbesondere für England angefertigt wurde; im Kauder-
welsch der Geschäftswelt bezeichnet man wieder einige bestimmte Arten mit diesem
Namen, doch ohne anzuerkennenden Grund. Ich glaube, dass die Hauptursache der
Spitzen. 511
Meinungsverschiedenheit wieder darin beruht, dass man urkundliche Erwähnungen aus
den allerverschiedensten Zeiten durcheinanderbringt und nicht bedenkt, dass in manchen
Erwähnungen der Ausdruck „d'Angleterre" tatsächlich den Erzeugungsort, in anderen
einen Typus bezeichnen soll. Bei dem engen Zusammenhange, den wir bisher immer
zwischen den Niederlanden und England sahen, bin ich übrigens überzeugt, dass man
die Spitzenarten der beiden Länder überhaupt nicht klar auseinanderhalten kann,
" u. s. w.
In Schottland heisst die Spitze pearlin; 1621 wird angeordnet,
dass nur pearlin, welche in Schottland erzeugt wurde, getragen w^erden darf.
Um die Mitte des 18. Jahrb. bringt die Herzogin von Hamilton Spitzen-
arbeiterinnen vom Kontinent nach Schottland, um mit deren Hilfe diese Arbeit
einzuführen. 1754 und 1778 heisst es, dass die Unternehmung der Herzogin
Fortschritte macht; nach dem wird der Spitzenarbeit in Schottland nicht mehr
erwähnt.
In Irland bildet sich am Anfange des 18. Jahrh. die Dublin Society,
w^elche patriotische Unternehmungen fördert; seit 1773 wdrd derselben nicht
mehr gedacht. Im Jahre 1846, avo Irland von der Hungersnot heimgesucht
wurde, sucht man den Armen durch Einführung der Spitzenarbeit Verdienst
zu verschaffen. Lady de Vere ist die erste, die Unterricht in der Schule in
Curragh erteilen lässt. Die Arbeit ist unter Irish oder Curragh point bekannt.
Vorbild war Brüsseler Applikationsspitze. Bekannt ist Irish lacet. Der
Grund ist crochet (Häkelarbeit), in \velchen das Muster eingesetzt ist, das mit
Spitzenstichen gefüllt ist.
Ueber die Einführung der Spitzen in Deutschland gibt das auf S. 506
Abb. 301.
erwähnte Züricher Modelbuch die beste Auskunft. Von italienischen Mustern
hat zunächst die Reticellaspitze die weiteste Ausbildung und L^mgestaltung
erfahren; auch die italienische Rankenspitze erfährt in Deutschland eine w^enig
künstlerische Verwertung, welche derjenigen in den slawischen Ländern gleich-
kommt. Auf eine nicht unbedeutende Spitzenerzeugung in den Hheinlanden
weist ein 3Iusterbuch mit Originalproben hin, welches im Königl. Kunstgewerbe-
museum zu Berlin aufbewahrt wird. Dasselbe stammt aus Köln und enthält
Filetarbeiten und Klöppelspitzen des 17. Jahrb., von denen einige den italie-
nischen Ursprung verraten (vgl. Abb. 290, 291), andere aber (Abb. 301, 302)
wohl als selbständige Erzeugnisse gelten können, worauf namentlich das
Wolkenband in Abb. 302 hindeutet, das auch in früheren rheinländischen
Wirkereien erscheint. Die Spitze des sächsischen Erzgebirges
(Abb. 303, 304), durch Barbara Uttmann, geb. v. Elterlein (geb. 1514,
gest. 1575) eingeführt — vgl. hierüber das Werk von Emil Finck, Barbara
Uttmann, die Begründerin der Spitzenindustrie im Erzgebirge. Annaberg 1886,
Rudolph & Dieterici — hat unzweifelhaft ihre Entstehung in der Borten-
wirkerei und Schnurwerken der Posamentierer, was mir bestätigt wird durch
einige Blätter aus einem Musterbuch mit Originalarbeiten, welche das Museum
in Breslau besitzt. Auf Grimd solcher Arbeiten hat Barbara Uttmann unter
der Mithilfe protestantischer Brabanterinnen die Klöppelarbeit dort eingeführt.
512
Spitzen.
welche sich bald in der Umgegend verbreitete, worüber eine im Jahre 1827
von Heinrich Eepmann erschienene Schrift berichtet:
„Anfangs hatte das Spitzenklöppeln bloss zu Annaberg seinen Sitz und war
noch kein Gegenstand der sächsischen Gesetzgebung geworden. Bald verbreitete es
sich aber auch in die benachbarten Städte und überhaupt in die Aemter Wolkenstein,
Grünhayn, Schwarzenberg, Wiesenburg und Lauterstein und in das Voigtland und in-
sonderheit auch auf die Dörfer. Da man anfangs das Spitzenklöppeln für eine städtische
Nahrung ansah, so mussten diejenigen, welche es auf dem Lande betrieben, schon vor
dem Jahre 1609 gleich anderen Handwerkern auf den Dörfern Schutz- und KlÖppel-
geld entrichten. So wie sich nun das Spitzenklöppeln immer mehr ausbreitete, ebenso
Abb. 302.
entstanden auch von Seiten der Spitzenherren Klagen über den Betrug ihrer Klöppel-
leute. Sie beklagten sich vorzüglich darüber, dass die Klöppelmägde von verschiedenen
Spitzenherren Zwirn und Geld zugleich aufnähmen und nachgehends die daraus und
die dabei gefertigten Spitzen anderwärts verkaufen "
1713 kommen neue Klagen der Klöppelherren, 1717 wird von den Spitzen-
verlegern in Schneeberg über den Betrug der Klöppelleute Beschwerde ge-
führt, welche sich in den folgenden Jahren wiederholen. 1818 wird die Königl.
Klöppelschule zu Ehrenfriedersdorf errichtet. Nach Mrs. Palliser wurden in
Hamburg Spitzen erzeugt, die Hamburg-Point heissen und wahrscheinlich
eine Sorte vom drawn work war, wie der „Dresden point". In Berlin siedeln
Abb. 303.
Abb. 304.
sich infolge eines Ediktes des Grossen Kurfürsten (29. Oktober 1685) zugunsten
flüchtiger Arbeiter französische Protestanten an, welche die Spitzenarbeit ein-
führen. Nach Verlauf mehrerer Jahre besitzt Berlin allein au 450 Spitzen-
werkstätten und man liefert Spitzen nach Polen und Pussland. Als Berliner
Arbeit ist durch den preussischen Adler gekennzeichnet die unter Abb. 305
dargestellte Klöppelspitze (Tafel XI, Abb. 16). Auch in Hannover, Leip-
zig, Ansbach und Elberfeld sollen Spitzenmanufakturen bestanden haben.
In Halle wurde sog. „Hungarium" lace, Point de Hongrie gemacht, eine
Bezeichnung, die für Stickerei um 1632 in Anwendung war. 1604 erscheint
das Musterbuch für Durchbrucharbeit bezw. Spitzen von Sibmacher in Nürn-
Spitzen.
513
berg. Nach Süddeuts chl and setzt Mr. Palliser Klöppelarbeiten in der Art,
wie sie unter Abb. 306 wiedergegeben ist. Auch gröbere Klöppelarbeiten
wurden in Süddeutschland und Tirol erzeugt. (Tafel XII, Abb. 4, 5.) Dass in
Tondern (Schleswig) Spitzen angefertigt wurden, bestätigt der dänische König
Christian TV. in seinen Aufzeichnungen über die Reisen in seinem (damaligen)
Lande zwischen 1619 — 1625. Nach Dr. Dreger sollen im Jahre 1712 Brabanter
Frauen zur Hebung der Spitzenerzeugung nach Tondern berufen sein; man
stellte eine der niederländischen nahestehende Art her. Später wurden im
Abb. 305.
ganzen Norden, besonders in Dänemark, auf Batist gestickte und ausgenähte
Nachahmungen von Hokoko spitzen sehr beliebt und erhielten sich bis in unser
Jahrhundert. (Ygl. Abb. 43.)
Oesterreich ist besonders mit böhmischen Erzeugnissen seit dem An-
fange des 19. Jahrh. an der Spitzenfabrikation beteiligt; in neuerer Zeit macht
sich durch dife in "Wien gegründeten staatlichen Spitzenschulen ein
wohltuender Einfluss hinsichtlich des Geschmackes in Nadel- und Klöppel-
Abb. 306.
arbeiten bemerkbar, welcher davon ausgeht, die Mustergebung derselben in
neue freiere Bahnen zu lenken. (Abb. 307 und Tafel YIII, Abb. 3.)
Im Orient ist die Spitzenerzeugung nie zu einer besonderen Entfaltung
gekommen. Ziernähte und breitere Säume werden in flechtwerkartigen Spitzen-
ßtichen ausgeführt, eine besondere Ausbildung haben derartige Arbeiten in der
schon erwähnten sogen. Smyrna- oder armenischen Spitze (Abb. 289) erfahren;
Goldspitzen und Tressen von einiger künstlerischer Bedeutung werden auch
in der Türkei gefertigt. (Abb. 308, 309.) Spitzenartige Durchbrucharbeiten
werden in den Korandeckchen (s. d.) hergestellt.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde.
33
514
Spitzen.
Literatur: Dietrich, Die SiDitzenindustrie in Belgien und Frankreich zu
Ende des 19. Jahrh. , Leipzig 1900; Dreger, Entwickelungsgeschichte der Spitze mit
besonderer Rücksicht auf die Spitzensammlung des K. K. österr. Museums für Kunst
und Industrie, Wien 1901-, Fischer, technologische Studien im sächs. Erzgebirge,
Leipzig 1878; Tina Frauberger, Handbuch der Spitzenkunde (Seemanns Kunst-
handbücher), Leii)zig 1894; G-orbunoff, lieber russische Spitzenindustrie, Wien 1886;
Abb. 307.
Abb. 308.
Abb. 309.
Jamnig und Richter, Die Technik der geklöppelten Spitze, AVienl886; II g, Ge-
schichte und Terminologie alter Spitzen, Wien 1876; Kraft, Studien über mechanische
Bobbinet- und Spitzenherstellung, Berlin 1892; Lipperheide, Das Spitzenklöppeln,
Berlin, 1898; Palliser, A history of lace, London 1902; Rasmussen, Klöppel-
buch, Anleitung zum Selbstunterricht, Kopenhagen 1884; Schneider, Die Spitzen-
fabrikation im sächs. Erzgebirge, Schneeberg 1860; Seguin, La dentelle, Paris 1875;
Voshage, Das Spitzenklöppeln, Leipzig 1894.
Spitzen. 515
Abbildungen:
282. Mexikanische moderne Diirchbrucharbeit aus: Sammler-Daheim 1900^ S. 1160.
283. Genähte spanische Spitze, 17. Jahrh., aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig
1896, Bl. 23.
284. Desgleichen.
285. Genähte venetianische Spitze (Haubendeckel), 17. Jahrh., wie vorher, Bl. 144.
286. Genähte Spitze, wie Nr. 283.
287. Geklöppelte Spitze, Brüssel Anlang 18. Jahrh. Original: Königl. Kunst-
gewerbemuseum Berlin.
288. Mexikanische Solspitze, 19. Jahrh. Original : Königl. Landesgewerbemuseum
in Stuttgart.
289. Teil eines Kragens, Xadelarbeit in farbiger Seide; sogen. Smyrna- oder
armenische Spitze des 19. Jahrh. Original: Kunstgewerbemuseum in Leipzig.
290. Geklöppelte Flechtspitze aus einem Kölner Musterbuch, Italien (?) 17. Jahrh.
Original im Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin; dargestellt im Kunstgewerbeblatt,
Leipzig 1888, S. 215.
291. Geklöppelte Formenschlagspitze, wie vorher.
292. Geklöppelte Leinenschlagspitze, niederländisch 17. Jahrh. Original im
Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin; dargestellt im Handbuch der Spitzenkunde
von Tina Trauberger, Leipzig 1894.
293. Geklöppelte Leinenschlagspitze, Flandern Anfang 18. Jahrh. Original im
Kunstgewerbemuseum zu Leipzig.
294. Endigung eines russischen Handtuches mit geklöppelten Spitzen Anfang
19. Jahrh. Original und Darstellung wie Nr. 292.
295. Geklöppelte Valenciennesspitze, 18. Jahrh. Original und Darstellung wie vorher.
296. Teil einer Barbe, geklöppelte Malinesspitze, 18. Jahrh. Original und Dar-
stellung wie vorher.
297. Geklöppelte Seidenblonde, Chantilly Anfang 19. Jahrh. Original wie 289.
298. Geschnittene und farbig gestickte Leinenspitze, Spanien 17. Jahrh. Original
wie Nr. 292.
299. Genähte Alengonspitze , um 1800. Original und Darstellung wie Nr. 292.
300. Geklöppelte niederländische (?) Spitze, 17. Jahrh. Original wie Nr. 292.
301. Geklöppelte Spitze, wie Abb. 290.
302. Desgleichen.
303. Geklöppelte sächsische Blonde, 19. Jahrh.
304. Desgleichen,
305. Geklöppelte Spitze, Berlin Ende 17. Jahrh. Original wie Nr. 292.
306. Geklöppelte süddeutsche (?) Spitze, 18. Jahrh. Original wie Nr. 289.
307. Türkische Goldtresse, 19. Jahrh. Original im Königl. Landesgewerbe-
museum Stuttgart.
308. Desgleichen.
309. Geklöppelte Spitze (Muster gesetzlich geschützt), ausgeführt im K. K.
Zentral-Spitzenkurs in Wien, 1900. Dargestellt in „Dekorative Kunst, IV, I."
Abbildungen auf der Tafel X. Nadelspitzen des 16. und 17. Jahrh.
1. Borte aus Leinwand, in Durchbrucharbeit und Stickerei aus weissem Garn
gemustert : Geteilte Rautenfelder aus kleinen Quadraten und Spitzensternen ; dazwischen
gestickte stilisierte Wappenlilienblüten. Italien Ende 16. Jahrh. Original im Kunst-
gewerbemuseum zu Leipzig u. a. a. 0.
2. Darstellung aus : Dr. M. Dreger, Entwickelungsgeschichte der Spitze u. s. w.,
Wien 1901, Bl. 22: Durchbruchspitze, Nadelarbeit in weissem Garn: geometrische
Felder mit entsprechender Füllung aus Sternen und Rosetten. Italien (?) um 1600.
3. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze (sog. Solspitze) in weissem Leinen,
filetartige Nadelarbeit, Muster : In quadratischen Feldern abwechselnde rundliche Stern-
füUungen. Spanien 16. — 17. Jahrh.
4. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Teil eines Mustertuches für Durchbrucharbeit
und Spitzennäherei: Borten in Doppeldurchbruch und sog. Reticeilamuster. Italien
Ende 16. Jahrh.
5. Originalaufnahme aus dem Kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin: Borte,
Nadelarbeit in weissem Leinen, auf den breiten genähten Flächen ist zwischen Durch-
bruch gestickt; die Begleitborte mit ausgeschnittenen Feldern. Spanien Ende 16. Jahrh.
6. Darstellung wie Abb. 2: Teil der Randborte eines Leinentuches, Nadelarbeit
(sog. punto in aria), Muster in quadratischer Teilung mit Sternen auf den Kreuzungs-
punkten, dazwischen gedrungene Volutenbänder. Italien Ende 16. Jahrh.
7. Originalaufnahme wie Abb. 5: Einsatzspitze, Nadelarbeit in weissem Leinen
516 Spitzen.
(sog. punto in aria), Muster auf geraden und schrägen Netzfäden aus glatten und auf-
gerollten kleinen Bändern mit Zacken; schmale Begleitränder. Italien um 1600.
8. Originalaufnahme wie Abb. l: Geschnittene Zackenspitze mit Nadelarbeit in
weissem Leinen (sog. point coupe), Muster aus breiter Ranke mit stilisierten Blüten;
Zacken aus aufgerollten Bändern. Spanien oder Italien Ende 16. Jahrh.
9. Darstellung wie Abb. 2, Bl. 24: Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen.
Muster aus wellig gelegter Ranke mit wechselnden Blüten, deren einzelne die Zacken
bilden. Spanien 17. Jahrh.
Abbildungen auf der Tafel XI: Nadel- und Klöppelspitzen
des 18. Jahrh.
1. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Spitze,
Nadel- und Klöppelarbeit in weissem Leinen auf regelmässigem Netzgrund: In sym-
metrischer Anordnung wachsen rechts und li4ks zu den Seiten eines vasenartigen Ge-
fässes Zweige und Blumen aus, deren innere Flächen Füllstiche in wechselnder Muste-
rung enthalten. Französisch? um 1750.
2. Originalaufnahme wie Abb. 1: Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen, in
breiten Flächen auf Netzgrund, mit verschiedenartigen Füllstichen innerhalb der Einzel-
formen des Musters aus Zweigen mit stilisierten Blüten, welche als Zackenbildungen
frei auslaufen. Französisch 18. Jahrh.
3. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Spitze,
Nadelarbeit in weissem Leinen: Muster in breiten Flächen aus Blattwerk und Blüten.
Frankreich 18. Jahrb.
4. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen mit
rundlich gelegten Ranken aus Blattwerk und Blüten auf wechselndem Grunde aus ver-
schiedenartigen Füllstichen. Französisch, erste Hälfte 18, Jahrh.
5. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen mit
einem Muster aus phantastischem Blatt- und Muschel werk mit verschieden gemusterten
Flächen iu wechselnden Füllstichen auf genähtem Wabengrund. Französisch. Erste
Hälfte 18. Jahrh.
6. Darstellung aus Dr. M. Dreger: Entwickelungsgeschichte der Spitze, Wien
1901, Bl. 80, 81 a : Spitze , Nadelarbeit in weissem Leinen auf regelmässigem Netz-
grund: wellig verschlungenen Bändern entsteigen feine Ranken und Blütenzweige.
Frankreich, Stil Louis XVI.
7. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen auf
regelmässigem Netzgrund, Muster aus Ranken mit phantastischen Blüten, welche füll-
hornartigen Bildungen entsteigen; innerhalb der Flächen Musterung aus wechselnden
Füllstichen. Französisch. Erste Hälfte 18. Jahrh.
8. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen (Teil
einer Barbe), Muster aus geschweiften Feldern, welche durch ein welliges Band gebildet
werden, darin abwechselnde Blumenzweige.
9. Darstellung wie Abb. 3 Bl. 79 b : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen
im Leinenschlag auf Netzgrund (Teil einer Barbe): In Feldern aus welligem Bande
mit Rosetten und Blattwerk wechseln Blütenzweige ab. Valenciennes um 1750.
10. Darstellung wie Abb. 6 Bl. 77: Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen
im Leinenschlag: Teil einer Barbe, Klöppelarbeit in weissem Leinen: Dem aus Ranken
und Feldern bestehenden Rande entsteigen Blütenzweige. Niederländisch, gegen Mitte
des 18. Jahrh.
11. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen
(Teil einer Barbe), Muster im Leinenschlag mit Faden um den Kontur: Zwischen
Rändern aus bogigen gemusterten Zackenfeldern, Blatt- und Blütenwerk wechseln
übereinander ab: Amor mit Schwänen, Blumenvase und Füllhorn mit Vogel. Brüssel
oder Malines 18. Jahrh.
12. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig: Spitze, Klöppel-
arbeit in weissem Leinen im Leinenschlag auf Netzgrund: Symmetrisches Muster aus
volutenartig geschwungenen Ranken, welche einer kelchartigen Blütenpalmette ent-
steigen. Niederländisch 18. Jahrh.
13. Originalaufnahme wie Abb. 12: Spitze (sog. Pottenkant), Klöppelarbeit in
weissem Leinen im Leinenschlag auf Netzgrund: Symmetrisches Muster aus Blumen-
ranken, welche einem vasenartigen Gefäss entsteigen. Niederländisch 18. Jahrh.
14. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen im
Leinenschlag auf verschieden gemustertem Netzgrunde, Muster aus wellig gelegten
Blättern, welche von einem Bande durchschlungen werden. Valenciennes 18. Jahrh.
15. Original aufnähme wie Abb. 1 : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen im
Leinenschlag mit Faden um den Kontur auf wechselndem Netzgrund: Muster aus
Spitzenmaschine — Spremberg. 517
wellig geschwungenen und gezackten Blattfeidern ; dazwischen kleine Blütenzweige.
Malines 18. Jahrh.
16. Originalaufnahme wie Abb. 1 : Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen im
Leinenschlag mit Faden um den Kontur auf regelmässigem Netzgrund, Muster: Unter
einem bogigen Rande aus Blatt- und Blütenwerk sind Amoretten mit Pfeil und Bogen
zwischen fliegenden Vögeln dargestellt. Deutschland 18. Jahrh.
17. Darstellung wie Abb. 3. Bl. 77: Grewundene Blätter und Blüten mit ver-
schieden gefülltem Grrunde. Niederländisch, gegen Mitte des 18. Jahrh.
Abbildungen auf der Tafel XII: Nadel- und Klöppelspitzen
des 18. und 19. Jahrh.
1. Originalaufnahme aus dem kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin : Spitze aus
gewebter Litze auf einem Grunde aus Nadelarbeit, Muster aus wellig gelegter Bänke
mit Blütenansätzen an den volutenartig geschwungenen Endigungen. Italien 17. Jahrh.
2. Originalaufnahme aus dem Kunstgewerbemuseum in Leipzig : Spitze aus ge-
webter Litze auf geklöppeltem Grunde, Muster aus wellig gelegter Ranke mit stili-
sierten Blütenformen, deren innere Flächen in Nadelarbeit durch wechselnde Füllstiche
belebt sind. Italien 17. Jahrh.
3. Darstellung aus Dr. M. Dreger, Blatt 60: Spitze, Klöppelarbeit in weissem
Leinen auf regelmässigem Netzgrund: zu Voluten aufgerollte Ranken und Tiere.
Oberitalienisch oder niederländisch 17, — 18. Jahrh.
4. Originalaufnahme wie Abb, 2 : Geklöppelter Spitzenbesatz an gewebter Leinen-
borte. Süddeutschland 17. Jahrh.
5. Originalaufnahme wie Abb. 2: Geklöppelte Spitze in weissen groben Leinen-
fäden. Süddeutschland 17. Jahrh.
6. Darstellung wie Abb. 2: Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen : rundHche
Zacken mit Rosettenfeldern, die durch Bogenlinien verbunden sind; offener Grund
aus dem sogen. Gerstenkornmuster. Cluny 19. Jahrh.
7. Darstellung wie Abb. 2: Spitze, Nadelarbeit in weissem Leinen: fächer-
förmige Zacken an Bogenlinien; darüber Blütenwerk. Brüssel, modern.
8. Darstellung wie Abb. 2: Spitze, Klöppelarbeit in weissem Leinen: Muster
aus Blattwerk und Trauben. Brügge (?) modern.
9. Darstellung wie Abb. 2: Spitze, Nadel- und Klöppelarbeit: Zacken aus
rundlichen Bändern mit Kelchblüten und Rosetten. Brüssel, modern.
(Anmerkung: Die auf den Tafeln X — XII abgebildeten Spitzen aus der
Sammlung des Kunstgewerbemuseums in Leipzig sind entnommen den „Ornamentalen
und kunstgewerblichen Sammelmappen" Serie IV und V, Leipzig 1893.)
Spitzenmaschine oder Klöppelmaschine, eine zur Spitzenfabrikation und
zu Posamentierarbeiten benützte Vorrichtung, mittels deren die Yerfl.echtung
der auf stehenden Spulen (Klöppel) aufgewundenen Fäden dadurch erzielt wird,
dass, während diese Fäden an der Bildungsstelle des Greflechtes strahlenförmig
zusammenlaufen, die Klöppel in Kurvenschlitzen einer Stützplatte derartig
mechanisch verschoben werden, dass die zur Bildung des Geflechtes erforder-
liche Kreuzung und Verschlingung der Fäden entsteht. Je nach den darauf
herzustellenden Waren enthält die S. verschiedene Vorrichtungen, die als
Gang-, Haupt-, Zwischen- und Nebenteller bezeichnet werden. Bei
den zur Anfertigung geflochtener Schnuren, Litzen oder Borten, sowie zum
Umflechten von Stäben (Peitschenstielen), Fäden und Knöpfen verwendeten
Flechtmaschinen ist der Gang unmittelbar ein Abbild des Fadenlaufs in
dem fertigen Geflecht. Besondere Einrichtungen der Maschinen, die eine
Aenderung der Kurvengestalt und damit auch des Klöppellaufs sowie die zeit-
weilige Ausschaltung gewisser Klöppel gestatten, ermöglichen sowohl die Her-
stellung gemusterter Geflechte, als auch einen Wechsel von Flechtung und
Zwirnung der Fäden, wie derselbe den Handklöppelwerken eigentümlich ist.
Spitzenmusterbücher, s. Stickmusterbücher.
Spitzenstich, s. unter Nadelarbeiten der Spitzen.
Spitzmuster, s. Weberei.
SpOglie di Serpe, früher in Mode gewesenes buntes italienisches
Seidenzeug.
Spolier, veraltetes, gestreiftes, aus Leinengarn und Seide gemischtes
Gewebe zu Tapeten.
Spremberg, Kreisstadt im preuss. Reg.-Bez. Frankfurt: Hauptindustrie-
518 Spreyen — Stehende Schnürung.
zweig ist die Tuchfabrikation (40 Fabrik- und 14 Lohnwebereigeschäfte mit
etwa 4000 Arbeitern und einer Jahresproduktion von 170 000 Stück Tuch im
"Werte von 20 ]\lill. Mark). Königl. Webeschule.
Spreyen, Spreyten, baumwollene, bunt bedruckte und ausgemalte Bettdecken,
welche früher über Holland von der Küste Coromandel nach Europa kamen.
Springe, Stadt in Hannover : Flachsspinnerei, Fabrikation von Wollgarn,
Teppichen und Watte.
Springfield, Stadt in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika.
1. Hauptstadt von Illinois: Woll- und Teppichfabrikation; 2. Hauptstadt des
County Hamyden in Massachusetts: Fabrikation von Woll- , , Baumwoll- und
Strickwaren.
Sprottau, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Liegnitz : Fabrikation von Strumpf-
waren und Chemisetts.
Spruchband, (lat. : legendarium , rotulum ; franz. : banderole, pancarte,
rouleau; engl.: label, srol, banderole;) Band mit umgerollten Enden zur Auf-
nahme einer Inschrift. Die A'^erwendung der Schrift als Ornament stammt aus
dem Orient (s. kufische Schrift) und hat sich von dortigen Greweben, besonders
im gotischen Zeitalter, auch auf deutsche gewirkte und gestickte Wandbehänge
und Decken übertragen (vgl. Abb. 100).
Sprung, die geteilte Kette am Webstuhl; s. Fach.
Spulen, auch Leere oder Ledge genannt, in der Spinnerei ein rohr-
förmiger Körper zur Aufwickelung von Gespinsten.
Spulmaschine, eine zum Aufwickeln von Fäden auf Spulen dienende
Maschine, und Spulrad.
Square-net oder rhombischer Grrund heisst eine Art von Tüllspitzen-
grund, der durch die Maschine hergestellt wird.
Ss'-tschuen, Stadt in China: erzeugt Sammetstoffe von grossem W^ert.
Stäbchen oder Stäbchenleiter als Randbesatz in Weissstickerei ist eine
Vorstufe der genähten Spitze, welche durch Schlingstiche auf vorgezogener
Kandbogenlinie entstehen.
Stadthagen, Stadt im Fürstentum Schaumburg-Lippe: mechan. Leinen-
und Damastweberei.
Stadtoldendorf, Stadt im Herzogtum Braunschweig: mechan. Weberei
für Leinenwaren nebst Appreturanstalt.
Staerleinwand, s. Steif leinwand.
Stäfa, Gemeinde im Schweiz. Kanton Zürich: Seidenweberei und -Zwirnerei.
Stalybridge, Stadt in der engl. Grafschaft Chester: blühende Fabrikation
von Baumwoll zeugen.
Stambul, ältere Bezeichnung für einen Anzugsstoff aus Wolle und
Baumwolle.
Stambul-Chaly, ein in Garn gefertigter Musselin, dessen Muster grössere
und kleinere Blumen bilden, dient zu Damenkleidern und wird viel in den
Donaufürstentümern und der Türkei verbraucht.
Stamin, (lat.: staminea; franz.: etamine; engl.: tammy) auch Etamin,
Tamis, starker leinener Stoff.
Stangenleinwand heisst besonders im Oesterreichischen ein locker ge-
webter weisser Zwillich mit doppelt überschlagenen Fäden, der zu Servietten
und Handtüchern Verwendung findet.
Staniol, Stanniol, ist eine Zinnfolie, die in bäuerlichen Stickereien^ ge-
wöhnlich rot oder grün gefärbt, zum Aufnähen gebraucht wird.
Starkenbach, Stadt in Böhmen: bedeutende Leinen- und Baumwoll-
fabrikation, Kattundruckerei; Leinwandhandel. K. K. Webeschule.
Stauten, Stadt im bad. Kreis Freiburg: Tuchfabrikation.
Stauracis (lat.), Stickerei mit Kreuzen; stauracin, mit solchen Kreuzen
in regelmässiger Wiederkehr bestickt, meist als Streumuster.
Stechseide, gezwirnte Seide.
Stegelstich, durchbrochener Querstich in Geweben.
Stehende Schnürung ist eine Verbindung der Schäfte mit den Tritten
Steif lein wand — Stickerei. 519
des Webstuhls, welche bewirkt, dass beim Treten nur ein Oberfach, kein
TJnterfach gebildet wird.
Steifleinwand, Staerleinwand, Staarleinwand, Steifschetter, ein lockeres,
ganz durchsichtiges Gewebe von Flachs- oder Hanfgarn, bei welchem die Fäden
der Kette und des Einschlages etwas von einander entfernt sind, und das, mit
Leim oder Grummi überzogen, mehr oder weniger gesteift wird. Es dient zu
Unterfutter der Kragen, Aermel, Knopflöcher, zum Ausstaffieren der Mützen
u. s. w, und kommt in verschiedener Feinheit, teils roh, teils ungebleicht,
schwarz oder braun gefärbt vor.
Steiglade, eine Webstuhllade mit zwei Schützenkästen übereinander.
Steinarbeit oder Schach witz, Würfelmuster oder auch Steinmuster in
Leinenzeugen, bestehend aus rechteckigen Feldern, welche durch den regel-
mässigen Wechsel von Ketten- und Schussköper gebildet werden.
Steinflachs, s. v. w. Asbest.
Steinhänger Leinen, eine dichte, feine und weissgebleichte Hausleinwand
aus gleichnamigem Kirchspiel bei Bielefeld, wegen ihrer Grüte sehr geschätzt.
Steinkerkers, gestreifte und gegitterte Halstücher von Musselin aus
Bengalen, welche früher in Europa mit Gold und Silber ausgestickt wurden.
Stendal, Stadt im preuss. ßeg.-Bez. Magdeburg: Tuchfabriken.
Steppmaschine, Steppstichmaschine, s. Nähmaschine.
Steppnaht, Steppsaum, Steppstich, entsteht durch eng aneinander ge-
reihte Hinterstiche: s. Nähen.
SterblingSWOlle, wenig haltbare, morsche und matte Wolle von kranken
und gefallenen Schafen.
Sternberg, Stadt in Mähren: Webereifachschule; zwei mechan. Webereien,
Baumwollenindustrie, Leinen-, Seiden-, Baumwollwaren- und Segeltuchfabrikatian.
Die hier und in der Umgegend erzeugten Leinen- und Baumwollenzeuge sind
unter dem Namen Sternberger waren bekannt.
Stettin, Hauptstadt der preuss. Prov. Pommern: zur Zeit Friedrich
des Grossen Seidenbandweberei, heute keine Textilindustrie.
Stich, die Art der Führung und Lage der Fäden beim Nähen und
Sticken; s. Nähen und Stickerei.
Stickerei (lat.: opus acu pictum, phrygicum, racamatum, Alemannicum,
acupictura, ricamum; franz.: broderie, oeuvre ä l'aiguille; engl.: embroidery,
needle-work); das Erzeugnis eines Arbeitsverfahrens, welches aus einem An-
einanderreihen von Fäden besteht, die man mit Hilfe eines spitzen Instrumentes
auf eine natürliche oder künstlich geschaffene geschmeidige und weiche Fläche
in geraden Linien oder mannigfach gestalteten Schleifen heftet. Die Elemente
der auf diese Weise entstandenen Linien- oder Flächenmuster heissen Stiche,
w^elche Gottfried Semper stilistisch mit den Einheiten vergleicht, womit die
Mosaiken zusammengesetzt sind, wenn man die Stickerei als eine Art der
Mosaik in Fäden bezeichnet, wodurch im künstlerischen Sinne ihr allgemeiner
Charakter und ihr Verhältnis zur Malerei und Skulptur festgestellt ist.
Die Einteilung der Stickereien kann erfolgen nach Art des
Grundstoffes und dem zu diesem verwendeten Material: Seiden-, Woll-,
Leinen-, Gold- und Silber Stickereien, Mull-, Stramin-, Tüllstickereien u. s. w.,
nach Farbe des Grundstoffes: Weiss- und Buntstickerei, nach der
Stich art: Kreuzstich-, Plattstich-, Kettenstich-, Strichstichstickerei u. s.w.,
nach der Mustererzielung: Flach-, Belief-, Applikations stickerei u. s. w.,
nach der technischen Ausführung: Hand- und Maschinenstickerei.
Die einfachste Art der Stickerei ist diejenige im Kreuzstich, der
durch Ausfüllen von kleinen Quadraten , welche in Kette und Schuss des
Grundgewebes vorgezeichnet erscheinen, Muster entstehen lässt, die von Ursprung
an auf geometrische Figuren angewiesen sind, aber auch sonst aus keinen
anderen Elementen als quadratischen hervorgehen können. Nächst dem Baum-
wollen- oder Leinenstoff (s. Leinenstickerei) ist das offene Gewebe des Kanevas
(s. Kanevasstickerei) der geeigneteste Grund dafür; Stoffe aus feineren dicht-
gewebten Fäden werden im Kreuzstich mit Hilfe von Kanevasauflage bestickt.
520 Stickerei.
die man wieder auszieht. Der halbe Kreuzstich oder petit-point
wird auf ganz fein geteiltem Grunde gearbeitet.
Zu den Stickereien auf abgezählten Fäden gehören viele Arten
von Stichen, welche zum Teil erst in neuer Zeit auf Grund von älteren
europäischen und orientalischen Vorbildern entstanden und willkürlich be-
nannt worden sind; als die gebräuchlichsten kann man bezeichnen:
Zopf- oder Flechtenstich, welcher aus dem Kreuzstich entsteht,
wenn sich die Stickfäden nicht ganz im Quadrat, sondern über einen oder zwei
Grundfäden weiter kreuzen und so die Darstellung einer Flechte oder eines
Zopfes hervorrufen. Strich-, Linien- oder Ho Ib eins tich (s. d.), welcher
in eckigen TJmrisslinien Stern- und Hankenmuster in ein- und doppelseitiger
Ausführung selbständig oder Einzelheiten als Erweiterung im Kreuzstichmuster
darstellt. Werden durch ihn Muster aus umrandeten kleinen Quadraten
gebildet, so erscheint er als Kästchenstich. In geraden und dicht neben-
einander überstochenen Fäden aus quadratisch abgesetzten Flächen gebildete
Muster sind im Flach- oder Gobelinstich gestickt, der sich auf dicht
gewebtem Leinengrund und in breiteren Flächen als Webstich kennzeichnet,
weil er das Aussehen eines Gewebes, wie es durch den Durchschuss des
Einschlags durch die Kette entsteht, nachzuahmen weiss.
In der Kanevas- oder Straminstickerei führt die Encyklopädie
der weiblichen Handarbeiten von Therese de Dillmont (Dornach im
Elsass) nahezu an 50 Stichweisen auf, welche durch die verschiedensten Ver-
setzungen der immer wieder wechselnden Fadenlagen entstehen; davon sind
Hauptarten :
Blattstich, Ausführung in getrennten Reihen über 2 Doppelfäden nach der Breite
und nach der Höhe. Der Faden geht unter den mittleren Fäden wagerecht durch,
greift nach rechts aufwärts schräg über zwei Doppelfäden. Darstellung: Gerade
Reihen in der Mitte zusammengeschlossener Schrägstiche, in Gestalt von Blattrippen.
Byzantinischer Stich zum Ausfüllen grosser Flächen, dessen erste Reihe aus sechs
Schrägstichen nach der Höhe und Breite über zwei Doppelfäden, die zweite in gleich
vielen Stichen über einen Doppelfaden besteht. Darstellung: Ineinandergeschobene
schräge Reihen gleich breiter Zackenlinien in stufenförmigen Absätzen.
Flammen- oder Wasserstich, in verschiedenen zackig abgesetzten geometrischen
Grundmustern im Flachstich ausgeführt, bei denen die einzelnen Figuren mit einer
Farbe, aber in vielen Schattierungen regelmässig abgetönt erscheinen.
Florentiner Stich, wird abwechselnd über einen und über zwei Doppelfäden des
Stramins in schräger Richtung ausgeführt. Darstellung: Schräge Reihen aus inein-
ander geschobenen kurzen und längeren schrägen Stichen, in ähnlicher Wirkung eines
Köpergewebes.
Grätenstich, in der Wirkung dem Stengelstich gleich: ein über drei senkrechte
und drei wagerechte Fäden nach abwärts geführter Arbeitsfaden wird mit einem Rück-
stich über die letzte Straminkreuzung festgehalten. Diese Rückstiche laufen abwechselnd
je nach der Lage der langen Stiche nach rechts oder links. Darstellung: Auf- und
abwärts schräglaufende Stiche, deren Teilung durch kleine Mittelstiche die Wirkung
grätenförmig erscheinen lässt.
Griechischer Stich, wie der gewöhnliche Kreuzstich über vier Fäden nach der
Höhe und ebensoviel nach der Breite beginnend, der darauf folgende Deckstich wird
gleich über acht Fäden nach der Breite geführt; in der Erscheinung einem unregel-
mässigen Zopfstich ähnlich.
Jacquardstich, zur Ausfüllung grösserer Flächen ; die erste Stichreihe besteht aus
sechs Schrägstichen nach der Höhe und Breite über je zwei Doppelfäden, die zweite
in gleich vielen Stichen über einen Doppelfaden. Darstellung: Ineinander ge-
schobene schräge Reihen abwechselnd schmale und breite Zackenlinien in stufenförmigen
Absätzen.
Kaschmirstich, in T»]'achahmung des gleichnamigen Gewebes, entsteht durch einen
Schrägstich über ein Straminkreuz und zwei Schrägstiche über zwei Fäden nach der
Höhe und Breite.
Kettenstich, in Nachbildung von orientalischen Arbeiten: Füllung von dicht an-
einander stehenden von oben nach unten laufenden Schlingstichen, welche in verschie-
denen Farben die Fläche diagonal streifen.
Mailänder Stich, in der ersten Reihe läuft der Hinterstich in nach abwärts aus-
geführter Reihe abwechselnd über eine und vier schräge Straminkreuzungen, in der
Stickerei. 521
zweiten nach aufwärts zu arbeitenden Reihe über drei und zwei, in der dritten, wieder
nach abwärts führenden Reihe abermals über drei und zwei, in der vierten, wieder
nach aufwärts gerichteten Reihe wieder über eine und vier Straminkreuzungen. Die
folgenden langen Stiche sind unter die letzten kurzen, die kurzen auf die Mitte des
nächsten langen Stiches zu stellen.
Maltastich, mit dem Quästchenstich (s. d.) verwandt; wird auch auf grobem ge-
teilten Leinenstoff ausgeführt und greift je nach der Stärke des Materials über vier
bis sechs Webefäden. Ein wagerechter Querstich hält gewisse Fadenbüschel zusammen,
die über einen Stab eingezogen werden.
Maurischer Stich als Würfelmuster, das sich stufenartig aufbaut und aus schrägen
Stichen über ein, zwei, drei, zwei und einen Doppelfaden gebildet.
Mosail<Stich, dessen erste Reihe aus einem kurzen und einem längeren Schräg-
stich, die zweite zurückgehende Reihe aus kurzen Stichen gebildet, deren letztere die
erste ergänzen. Darstellung: Schräge köperbindige Reihen aus abwechselnd langen
und kurzen Stichen.
Muschelstich aus einem Faden, der auf- und abwärts über sechs Doppelfäden
nach der Höhe und unter einem nach der Breite geführt wird. Wenn der vierte
Faden gespannt ist, wird die Nadel zwischen dem dritten und vierten wagerechten und
rechts vom dritten überlegten Längsfaden herausgeführt. Die vier gespannten Fäden
sind nun mit einem Hinterstiche über einen Doppelfaden des Kanevas zu binden. In
diese Hinterstiche wird dann ein Faden in abstechender Farbe zweimal eingezogen
und so kleine runde Muscheln gebildet. Wagerechte Steppstiche über zwei Doppel-
fäden verdecken den Grrund zwischen den langen Stichreihen. Darstellung: Auf
Reihen von Stichbündeln sind ovale Felder aneinander geschlossen.
Orientstich : schräg gestellte Stiche über einen, zwei, drei und vier Doppelfäden
bilden Dreiecke. Der erste Stich des zweiten Dreieckes kommt unter und in die Mitte
des vorhergehenden. Gobelinstiche füllen die durch die Dreiecke leer gelassenen Stellen
an den Rändern aus.
Osmanischer oder Trikotstich, der Technik in orientalischen Sumakhteppichen
nachgebildet : man arbeitet eine Reihe schräger Stiche über vier senkrechte und wage-
rechten Stofffäden und rückt hierbei bei jedem Stiche um zwei senkrechte Stofffäden
weiter. Die zweite Reihe wird in entgegengesetzter Richtung gestickt und vollendet
den Stich. Darstellung: Eng aneinander geschlossene wagerechte Reihen von
Flechten.
Pariser Stich, stellt ein Grrundmuster aus geraden, einfachen, abwechselnd langen
und kurzen Fäden dar, die über drei und einen Faden des Grrundgewebes gestickt sind.
Perlstich, wird aus der ersten Reihe des Kreuzstiches gebildet, gleicht also einem
groben sog. petit-point.
Plüschstich zur Nachahmung orientalischer Knüpftechnik, besteht aus Schlingen,
welche durch einen Kreuzstich festgehalten werden. Man arbeitet diese Schlingen am
besten über einen schmalen Holzstab oder über ein breites Fischbein, wodurch das
Gleichhalten sämtlicher Schlingen bedeutend erleichtert wird. Sobald die den Noppen
eines Plüschgewebes ähnlichen Schlingen aufgeschnitten werden, erhält man eine samt-
artige Fläche.
QuästChenstich zur Nachahmung von Knüpfteppichen mit kurz geschorenem
Vliess, der mit dem einfachen Maltastich (s. d.) verwandt ist. Jeder Stich verlangt
in der Breite zwei Stofffäden und je zwei Stofffäden bleiben zwischen den einzelnen
Reihen frei. Die dicht gestickte Fläche macht in geschorenem Zustande den Eindruck
eines geknüpften Teppichs.
Reissstich entsteht, indem zuerst der ganze auszufüllende Grund mit grossen
Kreuzstichen über vier Fäden nach der Höhe und Breite überarbeitet wird, dann
werden diese mit vier Stichen übernäht, welche über die ersten Fäden nach rechts und
Hnks über je zwei Straminfäden gemacht werden und sich im Kreuzungsraum des
Stramins begegnen. Sie bilden über den ersten Kreuzstichen wieder ein Kreuz.
Renaissancestich, besonders geeignet für grösser angelegte quadratische Muster.
Man arbeitet einen wagerechten Stich über zwei Doppelfäden und überfängt diesen
mit einem senkrechten, über einen Doppelfaden reichenden Stich an seinem Ausgangs-
punkte und mit einem zweiten gleichen Stiche in seiner halben Länge. Anschliessend
an den wagerechten Stich führt man dicht darunter einen zweiten wagerechten Stich
über zwei Doppelfäden aus und überfängt ihn abermals mit zwei kurzen senkrechten
Stichen. Darstellung: Je vier gerade Stiche über zwei Fäden bilden ein Quadrat.
Ripsstich in Nachahmung des gleichnamigen Gewebes, über zwei senkrechte und
einen wagerechten Faden in senkrechten Reihen ausgeführt.
Rokokostich, in schrägen Reihen gearbeitet, indem der Faden über vier einfache
oder zwei Doppelfäden gelegt ist, die Nadel nach links gewendet und unter einem
522 Stickerei.
Doppelfaden durchgeführt wird. Darstellung: Reihenweis durch wagerecht liegende
Stiche gebundene Schleifen.
Schottischer Stich für Würfelmuster, besteht aus schrägen Stichen über ein,
zwei, drei, zwei und einen Doppelfaden, die nur durch halbe .Kreuzstichreihen vonein-
ander getrennt sind. Darstellung: Je vier quadratische Felder aus schrägen Stichen
sind einzeln von Perlstichen eingerahmt, so dass ein kariertes Muster entsteht.
Smyrna-Knüpfstich zur Nachahmung langhaariger orientalischer Knüpfteppiche
wird, gleich dem doppelten Maltastich (s. d.), aus vier Stichen bestehend, auf grob-
fädigem Leinenstoff nach gezählten Fäden in wagerechter Reihe gearbeitet. Jeder,
als kleines Quästchen erscheinende Knüpfstich reicht über vier Stofffäden, und vier
Fäden werden stets in der Höhe zwischen den Reihen freigelassen. Nach der reihen-
weisen Vollendung wird jede Stichreihe sogleich geschoren.
Smyrna-Kreuzstich entsteht, wenn ein einfacher Kreuzstich über vier Fäden nach
der Breite und vier Fäden nach der Höhe ausgeführt werden. Darüber arbeitet man
einen zweiten gerade stehenden Stich, ebenfalls über vier Fäden nach der Höhe und
vier Fäden nach der Breite. Ueber sechs bis acht Fäden lässt sich der gleiche Stich
ausführen.
Stengelstich wird schräg über zwei Doppelfäden nach der Höhe und Breite und
unter einem Doppelfaden ausgeführt, der wieder in die Reihe des Ausganges der Stiche
zurückgeführt ist; zwischen den langen Stichen liegen Steppstiche. In der Wirkung
ähnlich dem Grätenstich.
Sternchenstich, dessen einzelne Figuren aus acht Stichen bestehen, die einem
gemeinsamen Mittelpunkte zustreben. Man beginnt mit einem schrägen Stiche über
zwei Fädenkreuzungen von rechts nach links abwärts, wobei man den Faden in die
als Mittelpunkt dienende Webelücke führt, sticht unter zwei Fäden senkrecht nach
aufwärts, arbeitet auf der Rechtseite zum Mittelpunkt zurückkehrend, einen ebenfalls
gleichseitigen, nach links aufwärts weisenden Stich über zwei Fadenkreuzungen, worauf
man mit einem wagerechten Stich nach links die sich so bildende Sternchenfigur
fortsetzt.
Ungarischer Stich wird — als Füllmuster einfarbig — in unterbrochenen Reihen
so gearbeitet, dass immer eine Reihe in die andere zurückgreift, diese ergänzt und
dadurch den Grundstoff vollkommen bedeckt. Man arbeitet einen senkrechten Stich
über zwei Fäden, daneben einen senkrechten Stich über vier Fäden, der den ersten
nach oben und unten um je einen Faden überragt und wieder einen kurzen senkrechten
Stich über zwei Stofffäden in gleicher Höhe mit dem ersten kurzen Stiche.
Ein Hauptelement im Bereiche der Stickerei ist der Plattstich,
welcher, indem er seine Fäden über die Fläche hinlegt, nicht wie der Kreuz-
stich mosaikartig zusammengesetzt, sondern seine Muster durch eine Reihung
von einzelnen Stichen entstehen lässt, welches so geschieht, dass die Enden
derselben zusammentreffen und sich die Fäden, wie in einer gewebten Atlas-
fläche, ganz oder zum Teil ihrer Länge nach berühren. Auf diese Weise ist
die Möglichkeit der Darstellung jeder Figur gegeben: mag die vorgeschriebene
Zeichnung in geraden oder geschwungenen Linien begrenzt sein. Durch
dichtes Nebeneinanderlegen und durch das Doppeln der Fäden, ferner durch
Unterlagen, die von Fäden übersponnen werden, erlangt man mehr oder weniger
relief artig hervortretende Muster, welche die Stickerei in das schon erwähnte
verwandte Verhältnis zur Malerei und Skulptur bringen. „Der Plattstich ist
darum auch — wie Jacob von Falke sagt — in jenen Zeiten, wo die Stickerei
eine Kunst war, die am meisten geübte Technik gewesen." (S. Geschichtliches.)
Dem Plattstich zur Seite steht der Stielstich für die Ausführung
dünnerer Verbindungslinien; man arbeitet ihn steil und schräg, ersteren durch
Ueberstechen eines vorgezogenen Fadens von links nach rechts, letzteren ohne
Vorziehen, so dass die Nadel von rechts nach links über ein bis zwei wage-
rechten und vier bis sechs senkrechte Fäden geführt und der lezte Stich bis
zur Hälfte des vorletzten zurückgreift.
Für Weiss- und Buntstickerei kommen nach den Ausführungen
von Therese de Dillmont noch folgende Sticharten in Betracht:
Languetten- oder Schlingenstich, von links nach rechts über einem
vorgezogenen Faden gearbeitet.
Schnurstich, von links nach rechts über eine in Vorstichen angegebene
Linie gearbeitet, und um demselben ein reliefartiges Aussehen zu verleihen, wird noch
Stickerei. 523
ein starker, runder Faden beim Arbeiten eingelegt. Die Xadel wird unter dem vor-
gezogenen Faden herausgeführt, und man arbeitet, nach aufwärts stehend, dicht anein-
ander gereihte , senkrechte Stiche. Der Stich findet hauptsächlich in der Buchstaben-
stickerei Anwendung. .
Steppstich, besteht aus ziemlich kleinen, dicht aneinander gereihten gewöhn-
lichen Steppstichen (s. Nähen), die von rechts nach links ausgeführt werden. Man
verwendet diese Stichart vorzugsweise zum Füllen von Buchstaben, Blättern und
Blumen.
Sandstich nennt man verstreut angebrachte Steppstiche.
Kreuzsteppstich, nur bei* sehr klaren Greweben anwendbar; er bildet auf
der Kehrseite eine dichte Kreuznaht und gleichzeitig eine Art Untergrund , welcher
der Figur einen matten Ton verleiht. Zur Ausführung dieses Stiches führt man die
Nadel wie zum gewöhnlichen Steppstich in den Stoff ein, hierauf unter dem Stoff in
schräger Richtung nach der entgegengesetzten gleichlaufenden Linie der Musterung
und dort heraus. Nachdem wird die Nadel wieder wie zum gewöhnlichen Steppstich
in den Stoff ein- und in schräger Richtung ebenfalls unter dem Stoff nach der ersten
Linie und an der für den nächsten Stich geeigneten Stelle herausgeführt. Es findet
diese Stichart auch Anwendung für die Spitzenstickerei.
Einfacher Knötchenstich entsteht durch 2 nebeneinander und über die
gleichen Stofffäden ausgeführte Steppstiche.
Kettenknötchenstich besteht aus einzeln gearbeiteten Kettenstichen , die
eine dem gewundenen Knötchenstich ähnliche Wirkung hervorrufen; er dient gleich
diesem zur Füllung kleiner Flächen.
Wickelstich, zur Ausführung von Mustern in Weissstickerei, die erhaben
sind und schnell ausgeführt werden sollen. Man windet den Faden um die Spitze der
durch den Stoff geführten Nadel so viele Male, als es die Länge des Stiches erfordert,
hält dann die Faden Windungen mit dem Daumen fest, zieht die Nadel und den rest-
lichen Teil des Fadens durch den gewickelten Faden, sticht hierauf die Nadel an der
Stelle, wo sie zuerst durch den Stoff geführt wurde, wieder hinein und zieht sie an
der für den nächsten Stich bezeichneten Stelle heraus.
Bilderstich, in Nachahmung mittelalterlicher Stickereien (s. Geschichtliches),
wird mit ziemlich dickem Material über ausgespannten Fäden ausgeführt , die mit
Ueberfangstichen festgehalten werden.
Altdeutscher Knüpfstich, meist auf Leinen gearbeitet und nach aus-
wärts ausgeführt, indem die Nadel wagerecht unter dem Stoff den Faden fest anzieht
und denselben von links nach rechts legend unter dem ersten Stich durchgezogen und
der Knoten zugeschürzt wird.
Romanischer Stich; man führt die Nadel je nach dem zur Verwendung
kommenden Material zwei bis drei Fäden links von der Zeichnung heraus und rechts
hinter ebenso vielen Stofffäden ein, unter diesen etwas schräge durch und ein wenig
nur von der beizubehaltenden Linie heraus. Nach Anziehung des Arbeitsfadens führt
man einen Stich über denselben aus, indem man die Nadel wieder gerade neben der
gezeichneten Linie ein- und weiter nach links zum nächsten Stich gehen lässt.
Mossulstich, nach orientalischen Vorbildern geübte Stichart^ welche mit dem
doppelseitigen Steppstich verwandt ist. Die Blattformen sind dazu vorher mit kurzen
Stielstichen oder feinen Schnürchen einzufassen.
Arabische Technik oder orientalische Stickstiche, für grössere Arabesken
und Füllstichformen, welche man ausführt, indem gezogene Längsfäden durch üeberleg-
stiche festgehalten und dadurch Flechtenmuster verschiedener Art dargestellt werden.
Tamburierarbeit tritt an Stelle des genähten Kettenstiches bei grösseren
Stickereien, wo letzterer mit Hilfe einer besonderen Häkelnadel, der Tamburiernadel.
durch Bildung von Maschen entsteht.
Eine besondere Stelle unter den Handarbeiten nimmt die Groldstickerei
ein. Man unterscheidet darin:
Die Anlegetechnik, welche besteht in einfachem Aufnähen der Metallfäden
oder Schnüre, welche entweder unsichtbar oder sichtbar mit Ueberfangstichen in gleicher
oder abstechender Farbe festgehalten werden.
Die Kordeltechnik, in der Ausführung der vorigen verwandt, doch werden
sämtliche Formen über gespannte Schnureinlagen — Kordeln — angelegt. Bei beiden
Arten werden die Fäden nur auf der Arbeitsseite geführt.
Das Stechen, wenn die Muster mit geraden oder schrägen Plattstichen be-
deckt werden: die einzige Technik, bei welcher der Goldfaden auch auf die Kehrseite
geführt wird.
Das Sprengen, wobei der Goldfaden über die zu stickenden Formen, welche
eine dichte steife Unterlage erfordern, hin- und zurückgeführt und nach jedem Legen
524
Stickerei.
mit ein oder zwei Stichen festgehalten wird. Bei dieser Technik kommt die Spindel
in Anwendung, auf welcher der Metallfaden aufgewunden ist.
Phantasiestickereien mit Kantille und Flitter werden hier jene
Arbeiten genannt, bei denen die Muster durch verschiedenartiges Aufnähen von Kan-
tillen, Flitter, Folien, bunten Steinen u. s. w. gebildet werden.
lieber Aufnäharbeiten siehe den besonderen Artikel.
Als Hauptsticharten für die Maschinenstickerei kommen in Betracht
der Plattstich und der zur Nachahmung desselben abgesonderte Doppel-
steppstich, der Kreuzstich, der
Abb. 310. Ketten- oder Tamburierstich
und der aus diesem hervorgegangene
Fes ton- oder Languettenstich.
Der Plattstich wird auf Maschinen er-
zeugt, welche mit kurzen, der Ketten-
undDoppelsteppich auf Maschinen, welche
mit sogen, endlosen Fäden arbeiten, wie
die gewöhnliche Nähmaschine. In fast
allen Fällen ist dabei der zu bestickende
Stoff in einen Hahmen ausgespannt,
welcher nach Massgabe des Musters be-
wegt wird, während die Nähmaschinen
an ihrer Stelle bleiben. Der umgekehrte
Fall, bei welchem der Stoff festliegen
bleibt und die Maschinen bewegt werden,
kommt seltener vor. Die Bildung des
Kettenstiches erfolgt entweder durch eine
Hakennadel in Verbindung mit einem
Schiingenleger oder durch eine Oehrnadel
in Verbindung mit einem schwingenden
Haken (Schnepper) oder durch eine Oehr-
nadel in Verbindung mit einem sich
drehenden Greifer. Die Bildung des
Doppelsteppstiches erfolgt durch die
Verschlingung zweier Fäden. Der Ober-
faden wird mittels der Nadel durch
den Stoff nach unten hindurchgeführt
und durch die hierbei gebildete Schlinge
wird der Unterfaden in seiner ganzen
noch freien Länge hindurchgezogen, zu
welchem Zwecke er auf einer Bolle
aufgehaspelt ist. Wird hierauf der
Unterfaden wieder nach oben gezogen,
so ist er durch den unteren Faden
verbunden. Die von der Nadel auf die
gewöhnliche Art gebildete Schlinge ist
nicht weit genug; sie muss erweitert
werden, um den gesamten Unterfaden
hindurchzulassen. Dies geschieht ent
weder durch ein Gehäuse, das sogen.
Schiffchen, welches die walzenförmige
Spule in sich selbst vollständig aufnimmt
und mitsamt der Spule durch die Schlinge,
dieselbe erweiternd hindurchgeht, oder
es geschieht durch einen besonderen
Greifer, welcher die Schlinge des Ober-
fadens erfasst und über die feststehende Scheibenspule des Unterfadens hinüber-
zieht, ohne selbst durch die Schlinge durchzugehen. Eine besondere Art, den
Doppelsteppstich zu bilden, besteht darin, dass ein sich im Kreise bewegendes
Stickerei. 525
Schiffchen nach Art der Greifer die Schlinge erweitert, sie über die im Innern
des Schiffchens befindliche Spule hinüberzieht und selbst durch die Faden-
schlinge hindurchgeht. Solchen Schiingenfängern kommen Eigenschaften zu,
welche teils dem Schiffchen, teils dem Grreifer eigen sind. (S. a. Stickmaschinen.)
Bei den in neuester Zeit auf der Schiffchenmaschine hergestellten Aetz-
oder Luft spitzen werden die baumwollenen oder leinenen Muster entweder
auf Wolle (Crepe lisse) (Abb. 310) oder bei feineren Mustern auf Seide ge-
stickt, während die seidenen Muster dann auf baumwollenem Gewebe gestickt
werden. Die Spitzen sind, damit kein Verspannen u. s. w. eintritt, auf
Porzellanzylinder gewickelt. Wo Pflanzenfasern, tierische Stoffe, Metalle u. s. w.
gemischt auftreten, wird Guttapercha als Stickgrund genommen, welches dann
durch ein geeignetes Lösungsmittel (Schwefelkohlenstoff, Benzin u. drgl.) auf-
gelöst wird. Das Aussehen der Spitze wird mit von der Wahl des Stiches
abhängig sein. Im allgemeinen verfährt man auf der Plattstichstickmaschine
in der Weise, dass man auf den Grundstoff zunächst ein Halt und Zusammen-
hang gebendes Gerippe hervorruft und dann zwischen dieselben Spachtelstiche
legt und zu den gewünschten Ziergebilden verschlingt. Die Steppstichstick-
maschine wird besonders angewendet, wenn es sich um die Herstellung netz-
artiger Luftspitzen handelt. Man verfährt hierbei im allgemeinen in der Weise,
dass man auf den Grundstoff sich kreuzende Steppstiche stickt und diese wieder
an den Knotenpunkten, wo sich die einzelnen Fäden überdecken, so um stickt,
dass gewisse Arten von Yerknotungen entstehen, welche die Steppstiche nach
dem Zerstören des Grundstoffes in ihrer gegenseitigen Lage halten. —
Geschichtliches: Von den textilen Schwesterkünsten, der AVeberei
und Stickerei, wird die Stickerei als die ältere bezeichnet, weil ihre ersten
Erzeugnisse der Flechterei am nächsten liegen, aus welcher beide hervorgingen.
Gottfried Semper bezeichnet den Plattstich als den älteren, da er den meisten
wilden Völkern schon geläufig ist, die ihn benützen, um teils mit den Barten,
teils mit den gespaltenen Spulen der Yogelfedern oder anderen natürlichen
buntfarbigen Fäden auf Tierhäuten und Baumrinden allerhand bunte, meistens
geschmackvolle Muster auszuführen. „Wahrscheinlich wegen der ursprünglichen
Anwendung der Federn für die Plattstichstickerei heisst sie bei den Lateinern
opus plumarium, arabisch rekameh, wovon das italienische ricamo." Jacob
von Falke deutet in seinem Vortrage „Geschichtlicher Gang der Stickerei", in
der Zeitschrift für bildende Kunst, Bd. III, S. 63, darauf hin, dass man bei
diesem Federstich, welcher die Fäden von einer Mittellinie schräg nach rechts
und links legte, ungefähr wie sich der Bart an den Federkiel ansetzt, ebenso
gut an einen Vergleich des bunten, schillernden Eindrucks der Stickerei mit
den Vogelfedern denken kann. Das Alter des Kreuzstichs führt man auf die
Darstellungen ägyptischer Wandmalereien zurück, die nicht nur Nachahmungen
gewirkter Teppiche (Abb. 16, S. 12), sondern auch ausgeführte Stickereien
dieser Art mit allen stilistischen Eigentümlichkeiten aufweisen.
Dass die Stickerei neben der Wirkerei auch bei den alten Assyrern in
hoher Blüte stand, beweisen die ausgegrabenen Alabasterplatten ihrer Tempel
(s. Assyrien und Babylon), und auch die Beschreibung über die Ausstattung
der Stiftshütte (s. dieselben im 2. Buch Mose u. a. a. 0.) deuten darauf hin,
dass Wirkerei und Stickerei schon im Altertum zu hoher Kunst entfaltet
waren, zumal die Weberei in ihrem Entwicklungstadium noch nicht im stände
sein konnte, diesen Zwecken in solcher Weise vollkommen zu genügen. Homer
führt in verschiedenen Stellen der Iliade auf die Kunstfertigkeiten der Nadel
hin; auch Virgil und Ovid erwähnen in ihren Werken reicher Stickereien;
Plinius schreibt die Kunst des Stickens den Phrygiern zu, woselbst König
Attalus der erste gewesen sein soll, der stickte : man bezeichnete daher
während der Glanzperiode des alten Boms die Nadelwirkerei als phrygische
Arbeit — opus phrygium und die Sticker phrygiones. Diese Phrygier waren
als Ausländer nach römischer Auffassung barbari, und aus solcher Bezeichnung
hat dann mittelalterliches Latein barbaricarii oder auch brambaricarii gemacht,
eine Korruption, die in dem deutschen Verbrämen sich erhalten zu haben
526 Stickerei
scheint. (Vgl. die Stickkunst im Mittelalter von Richard Freiherr v. Mansberg,
Illustrierte deutsche Monatshefte LXV. 388. Januar 1889).
lieber die Arten der Stickereien des Altertums lassen sich nach den
literarischen Quellen nur Vermutungen aufstellen; sehr wahrscheinlich ist es,
dass es sich dabei mehr um gewirkte Arbeiten handelt, bei denen die Stickerei
höchstens als Ergänzung auftritt. Von bedeutenderen Kunstwerken der Stickerei
konnte doch überhaupt erst die Rede sein, als das geeignetste Material, die
Seiden- und Goldfäden, in grösserem Umfange dazu bereit standen. Die in
den koptischen Grräbem (s. koptische Textilfunde) gefundenen Grewandreste
beweisen, wie in spätrömischer Zeit die Stickerei auf Leinen und Baumwolle
in den dafür gebräuchlichen Techniken geübt wurde (s. Leinenstickerei), wobei
eine Art Durchzugarbeit in farbigen Wollfäden auf gewebtem Grundstoff einen
TT ebergang von der Wirkerei auf die Stickerei am besten darstellt (Abb. 111,
S. 237), gleichzeitig auch vom stilistischen Standpunkt aus die Nachahmung
der antiken Mosaikarbeiten durch Xadel und Faden deutlich erkennen lässt.
In dieser Durchzugarbeit, welche als Vorläufer des späteren Webstiches an-
zusehen ist, sind übrigens nicht nur Gewandteile, sondern auch Wandbehänge
mit antikisierenden figürlichen Darstellungen erhalten (s. Teppich).
Weitere Belagstücke für die Stickereien vor dem ersten Jahrtausend sind
kaum nachzuweisen. Auch aus Byzanz (s. d.), dem letzten Hort antiker Kultur,
wissen wir darüber nichts Bestimmtes. Es ist anzunehmen, dass dort, als dem
Hauptsitz der Seidenweberei, auch Stickereien angefertigt wurden; die Gynäceen
(s. d.) Justinians werden sicher auch gestickte seidene Kleider angefertigt
haben, indessen konnten sich Beispiele aus dieser Zeit schwer erhalten. (Vgl.
hierüber das kürzlich erschienene Werk : Dr. M. Dreger, Künstlerische Ent-
wickelung der Weberei und Stickerei u. s. w. AVien 1904.) Eines der ältesten
Werke mittelalterlicher Kunststickerei ist der Krönungsmantel des hl. Stephan
von Ungarn und seiner Gemahlin Gisela, im Kronschatz zu Ofen befindlich.
Diese kostbare Arbeit ist inschriftlich als Stiftung des genannten Fürsten-
paares bezeichnet und vom Jahr 1031 datiert. Das halbrunde Gewand besteht aus
dunkelviolettem Purj)urseidenstoff und ist bedeckt mit Bildstickerei mit Gold-
fäden, wie sie für die Technik des ganzen Mittelalters bezeichnend ist. In der
Mitte die Darstellung Christi, die Füsse auf bezwungene Ungetüme setzend,
von ihm ausgehend nach rechts und links in mehreren Beihen die Apostel,
die Propheten, viele Heilige, die Geschenkgeber selber und vielerlei Figuren;
dazwischen geflügelte Engel, symbolisches Getier und ornamentales Laubwerk.
Dem ungarischen Krönungsmantel zur Seite steht der kaiserliche Mantel
Heinrich II im Domschatz zu Bamberg, doch ist dessen Herkunft zweifelhaft, wie
es auch mit einigen anderen Gewändern in Bamberg und München der Fall ist,
welche gleichfalls auf den Kaiser Heinrich und seine Gemahlin Kunigunde zurück-
geführt werden. Die Technik der Bamberger Stickereien ist die gleiche wie die
vom ungarischen Krönungsmantel. Als Arbeit der Königin Mathilde, Gemahlin
Wilhelms I von England, gilt der um das Jahr 1100 entstandene sogen. Bayeux-
teppich (s. d.). Nach den Werkstätten von Palermo (s. d.) führen die Kunststicke-
reien, welche zu den Beichskleinodien (s. d.) gehören und im 12. Jahrh. angefertigt
wurden, sie bezeichnen den Höhepunkt künstlerischer und technischer Voll-
endung in der Stickerei romanischer Periode, welche vornehmlich in der An-
wendung von Goldfäden, getriebenen Silberplättchen, echten Perlen und anderen
Edelsteinen als Prachtstücke für den Gebrauch in Kirchen, für Fürsten und
Vornehme in Klosterwerkstätten, Burgen und Schlössern hergestellt wurden.
Eine strenge Scheidung der Herkunft solcher hervorragenden Beispiele der
Kunststickereien des früheren JMittelalters ist nicht möglich, da ausser den
Hauptstätten in Byzanz und Sizilien, auch Italien, besonders Norditalien, Deutsch-
land, England und Frankreich seit dem 12. Jahrb. in Konkurrenz treten.
Im 13. Jahrh. kommen für weniger kostbare Stücke die Stickereien auf
Leinewand und geteiltem Stramingrund in Gebrauch, es erscheinen dabei auch
Bildstickereien in Tamburierarbeit, die den Grund völlig bedecken und den
Eindruck einer Mosaik oder Glasmalerei hervorrufen. Altarbekleidungen,
Stickerei.
527
Kircheugewänder und Decken anderer Art enthalten in bunter Seide auf ab-
gezählten Fäden reiche Darstellungen mit geometrischen Musterungen ; auch die
Weissstickereien im Webstich für Schleier und Yelen gehören dieser Zeit an.
Die bedeutenderen Gewänder der romanischen Periode sind abgebildet bei
Dr. Franz Bock, Die Reichskleinodien des heil, römischen Reiches deutscher
Nation, AVien 1860, wozu man vergleiche von demselben Verfasser : „Geschichte
der liturgischen Gewänder des Mittelalters, 3 Bde., Bonn 1856 — 71". Inter-
essante Studien darüber veröffentlicht Dr. Moriz D reger in dem Werke:
„Künstlerische Entwickelung der Weberei und Stickerei, Wien 1904". Die
Zusammenstellnng dieser Stücke mit gleichzeitigen Mosaiken, Miniaturen und
anderen Werken der Kleinkunst enthält für die Datierung solcher Denkmäler
die sichersten Hinweise.
Im 13. und 14. Jahrh. stellt sich die Kunsstickerei die Aufgabe, mit
der Malerei zu wetteifern, man kommt auf eine Technik der Bildstickerei, die
eine freiere Behandlung des Figürlichen ermöglicht, wobei eine besondere Art
der Goldfadenverwendung (brode ä or battu) Aufnahme findet, deren Ursprung
aus Arras hergeleitet wird. Eine goldige Unterlage, welche aus dicht neben-
einander liegenden und mit zarter Seide auf Leinwand gehefteten Fäden, wird
mittels Ueberfangstiche so fein schattiert, dass die Wirkung mit dem Ausdruck
Abb. 311.
Abb. 312.
„Nadelmalerei" treffend bezeichnet ist. Diese Technik hat sich durch das
ganze 15. Jahrh. erhalten und wurde nach Entwürfen berühmter Maler aus-
geführt. Ein Maler aus der Schule Giottos schreibt in seinem Buche über
die Kunst: „dass es eine Gattung Meister gäbe — ricamatori, Sticker —
welche sich von den Malern auf die Gewebe, die sie in Bahmen gespannt
haben, die Entwürfe zeichnen Hessen, um sie dann in Seide und Gold höchst
kunstreich auszuführen." Diese Art der Kunststickerei kam auch in Deutschland
und den Niederlanden zu glänzender Entfaltung, sie stand im 14. Jahrh. in
engster Beziehung mit den Malerschulen zu Köln und Prag, im 15. Jahrh. mit
der niederländisch-burgundischen Schule, aus welcher Zeit die prächtigsten
Schöpfungen dieser Art stammen: wie das Antependium aus Pirna, jetzt im
Museum des Kgl. sächsischen Altertumsvereins, und vor allem die in der
K. K. Schatzkammer zu Wien aufbewahrten sogen. Burgundischen Gewänder
(s. d.). Ein Hauptsitz solcher Stickereiwerkstätten war das gewerbreiche Köln,
woselbst sich im 14. Jahrh. eine eigentliche Zunft der Kunst- und Wappen-
sticker gebildet hatte, welche sowohl für die Kirche, wie für den übrigen
Bedarf arbeitete. (Vgl. Joh. Jac. Merlo, Nachrichten von dem Leben und
dem Wirken Kölnischer Künstler, Köln 1852.) Diese Innung nahm so sehr
die Stickerei als ihr Hecht in Anspruch, dass sie es den Nonnenklöstern be-
stritt, diese selbst mit Gewalt an der Arbeit hindern wollte. Merlo berichtet
528 Stickerei.
auch die Namen verschiedener Stickerinnen, die das Greschäft gewerblich mit
besonderen Spezialitäten betrieben haben, wie aus den Beisätzen „factrix
mitrarum, factrix stolarum, factrix casularum" ersichtlich ist. Bei diesen
Kölner Arbeiten, die in kaufmännischem Export durch alle Länder verbreitet
wurden, gingen Weberei und Stickerei Hand in Hand , die Weberei arbeitete
vor und die Stickerei führte einzelne Teile vollkommener aus. Der Bedarf
war mannigfach. Einen Hauptgegenstand bildeten die "Wappen, daher auch
die Zunft ihren Namen führte, einen anderen die goldgewirkten mit Figuren
und reizvollem Kankenornament (Abb. 311 und 312) verzierten Borten, aus
welchen Kreuze und Stäbe der Kasein gebildet wurden.
Der AVetteifer der Stickerei mit der Malerei und Plastik führte bisweilen
zu einer Entartung; es wurde das Mass dessen überschritten, was mit Nadel
und Faden stilgemäss erreichbar ist und es mochte dies wohl erkannt worden
sein, indem man das Streben nach derartigen malerischen EfPekten gänzlich
der Gobelin Wirker ei überüess und die Beliefstickerei nur für solche Stücke
verwendete, deren Bestimmung es w^ar, in ebenen Flächen zu erscheinen.
Das Zurückdrängen kirchlicher Elemente durch die Formensprache der
Benaissance (s. d.) lenkte auch die Kunststickerei in andere Bahnen. Ihre
Aufgaben wurden vor allem erweitert durch die Umgestaltung der Innen-
räume fürstlicher und bürgerlicher Häuser. Neue moderne Bedürfnisse, ge-
boten durch Veredlung der Sitten und Grebräuche, forderten der Zeit ent-
sprechende Befriedigung und ein weites Feld öffnete sich gerade hier, prak-
tischen Sinn mit künstlerischem Empfinden zu vereinigen. Was allein hat uns
diese Zeit an Leinenstickereien (s. d.) gebracht, wozu der erweiterte Gebrauch
von Tischzeug und anderer waschbaren Austattungsstücke Anregung gab !
Als ganz neue Technik erscheint die Aufnäharbeit (s. d.) ; das Aufnähen von
Goldfäden auf Seide, Sammet und Leinwand ist in bescheidene Grenzen
zurückgekehrt, nicht, wie in alter Zeit, um mit schweren Brokatwebereien in
Konkurrenz zu treten und durch die Fülle des Gegebenen zu prunken, sondern
weite eintönige Flächen w^erden vornehm belebt und passen sich in Zeichnung
und Ausführung abwechselnd dem Ganzen an. Auch das Kostüm bedarf bis-
weilen der Hilfe einer in Kunststickerei geübten Hand, obgleich schon der
gewebte Stoff und Spitzenschmuck das Gewand vornehmer Leute kennzeichnen.
Das Bestreben nach malerischer Wirkung scheint übrigens noch einmal seine
Befriedigung gefordert zu haben in der Anwendung reich gemusterter Seiden-
stoffe zur Aufnäharbeit und wo dies nicht reichte, in der Bemalung einfarbiger
Gewebeauflagen, was allerdings nur inmitten der Stickerei als Schattierung
einzelner Flächen geschah. Malerisch erscheinen auch die der Spätrenaissance
angehörigen grossen Decken in petit-point auf leichtem Kanevas, welche grosse
Bankenmuster mit buntem Blütenschmuck enthalten, sowie ihn die Plattstich-
stickerei in naturalistisch werdender Auffassung erstehen lässt. Anregung zur
Nachahmung in der Stickerei (s. Elfenbeinstickerei) geben die genähten
venetianischen Spitzen, deren Muster in ausgeschnittener Leinwand und mit
Spitzenstichen belebt einen lachsfarbigen Atlasgrund füllen. Im übrigen ist
die Musterkarte für europäische Kunststickerei der Renaissance und folgenden
Periode keine allzu ergiebige, sie kann sich bei weitem nicht messen mit der
Fülle von technischen Abwechselungen, wie sie die orientalischen Stickereien
(s. d.) von alters her bewahrt haben. Geläufige Sticharten gehen mit den
Bändern und Alphabeten der Sticktücher (s. d.) aus Italien und Spanien nach
Deutschland und den übrigen europäischen Ländern, für Verbreitung guter
Zeichnungen wurde auch durch Stickmusterbücher (s. d.) reichlich gesorgt.
Die Perioden des Barock-, Bokoko-, Zopf- und Empirestils (s. d. ein-
zelnen Artikel) bringen der Stickerei in technischer Beziehung keine wesent-
lichen Neuerungen. Bemerkenswert erscheint die Erweiterung der Aufnäharbeit
mittels gewebter Bänder (Abb. 35), wozu der französische Ornamentstecher
Marot (1650 — 1712) Entwürfe für grosse Decken im sogen. Kurvenstil herstellt.
Unabhängig hiervon kam im 18. Jahrh. für kleinere Arbeiten die Bändchen-
stickerei (s. d.) auf. Für die Ausstattung der entwickelten Polstermöbel tritt
Stickerei.
529
die Kanevasstickerei (s. d.) in den Vordergrund. Eine besondere Tätigkeit
wird in der Kostümstickerei entfaltet: zunächst für Einsätze u. dgi. (Abb. 313)
der Erauentracht ; nocb ausgedehnter aber um die Mitte des 18. Jahrh. für
den reich gestickten Gralarock und seinen Zubehör des vornehmen Mannes.
Grosser Luxus für Wäscheausstattung (Tauf kleidchen u. s. w. in Piquestickerei)
wird in der Weissstickerei getrieben, vforin auch die eine Zeitlang alles be-
herrschende Spitze (Abb. 43, S. 60) in Nachahmung der Stickerei erscheint.
Aus kirchlichen Werkstätten dieser Zeit sind die Würzburger Arbeiten
Abb. 813.
Abb. 314.
(Abb. 155, S. 293) erwähnenswert. Am Ende des 18. Jakrh. erscheinen in
vornehmen Häusern und Schlössern die gestickten Tapeten nicht selten (Abb. 314),
wozu die aus China kommenden Wandbekleidungen Anregung gaben, die auch
der europäischen Plattstichstickerei in farbig schattierter Seide zu neuem Auf-
schwünge verhalfen ; daneben erhielten sich bis in die Empirezeit hinein Borten
in Aufnäharbeit für Zimmerausstattung. (Abb. G4, S. 175.)
Im Anfange des 19. Jahrh. setzt die Haupttätigkeit der Stickerei mit
den Arbeiten auf Kanevas- und Grazegrundstoffen ein. Am meisten geschätzt
wird zuerst der holländische Leinenkanevas, den auch wohl die dort gemalten,
sehr beliebten Blumenmuster dazu begleiteten. Als Haupterzeugungsstätte jener
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 34
530 Stickerei.
Zeit wird Berlin genannt, woselbst ein Fräulein Henriette Jügel die Mode
des Kreuzsticlis auf Kanevas und Gaze von neuem eingeführt haben soll. Ein
grosses Absatzgebiet der Verleger bildeten die Berliner Stickmuster-
vorlagen, welche nach gemalten Originalen auf Zinkplatten geätzt wurden,
so dass jeder Farbeton sein eigenes Zeichen im Quadrat erhielt, besondere
Koloristen setzten dann die Farben mit der Hand ein. Die fabrikmässige
Anfertigung von Stickmustern zu jener Stickerei in Stramin mit Wolle und
Seide förderte hauptsächlich die Gattin des Kunsthändlers Wittich in Berlin
vom Jahre 1809 an. Um das Jahr 1850 beschäftigten in Berlin gegen 20
Stickmusterverleger 800 — 1000 Koloristen, welche jährlich gegen 100 000 ver-
schiedene Einzelmuster in Unmengen von Auflagen in die Welt gehen
Hessen. Es wird berichtet, dass einzelne Handlungen für ,,30—40 000 Taler"
Abb. 315.
Stickmuster fortwährend auf Lager hatten. Zu dieser Massenerzeugung sind
noch zu rechnen die auf Kanevasgrund „angefangenen Stickmuster",
welche die Frauen im eigenen Hause für ihren Bedarf vollendeten, um ein
Bild zu gewinnen, welche Fülle von Erzeugnissen des Geschmackes oder Un-
geschmackes über sechs Jahrzehnte hindurch den Weltmarkt überflutete. In
stilistische Bahnen wurde die Kreuz stichstickerei eigentlich erst wieder zurück-
geführt durch die am Ende der 1870er Jahre erschienenen altdeutschen Muster
für Leinenstickerei (s. d.). Die in dieser Zeit in allen europäischen Ländern
herrschende kunstgewerbliche Bewegung hat auch anderen Gebieten der Kunst-
stickerei auf Grund älterer Vorbilder neue Wege gewiesen und wenn darin,
hier wie überall, die Maschine der Handarbeit ein unliebsamer Gehilfe ward,
so blieb dieser dennoch ein grosses Feld zur Betätigung selbständigen Schaffens
als eigene Kunst im Hause. — Die neueste Zeit gibt keiner Technik einen
besonderen Vorzug, es sei denn, dass dieser oder jener Fabrikant einen Spezial-
artikel in bestimmter Ausführung als Modesache erscheinen lässt. Im all-
gemeinen passt man den wechselnden Formenkreis aus zierlichen naturalistischen,
wilden oder gebändigten, geschwungenen und linearen Elementen (Tafel VIII)
Stickerei.
531
einer zwanglosen Stickweise an; in grösseren Arbeiten für dekorative Zwecke
wechseln Aufnäharbeit mit einer Musterkarte von Sticharten ab, die Malerei
tritt helfend zur Seite. Für kleinere Gebrauchs- oder Zierstücke ist der
Grundstoff mit abzählbaren Fäden noch immer bevorzugt, erst vor kurzem ist
in der „neudeutschen Stickerei" (s. d.) eine Abwechselung von Sticharten
dafür erschienen. (Abb. 315.) Für die Musterung in freierer Linienführung
wird immer der Plattstich in Verbindung mit dem Stiel stich die gegebene
Technik bleiben. (Abb. 316 a u. b.)
Abb. 316 a.
Abb.
316b.
Al:)bildungen:
310. Darstellung aus der Leipziger Illustrierten Monatsschrift für Textilindustrie,
Jahrgang 1890: Maschinenstickerei von Adolf Xaef & Cie. in St. G-allen.
311 und 312. Darstellungen aus: Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896, Bl. 132:
Stilisierte Rosenranke mit Blüten und Bäumchen, von gewirkten Kölner Borten des
Ib. Jahrb.
313. Darstellung aus: Heiden, Motive, Leipzig 1892, Bl. 211: Einsatz von
einem Frauenkleide, Stickerei auf gelbem Rips in schwarzer Seide im Plattstich, Italien
Anf. 18. Jahrh, Original im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
314. Darstellung wie Abb. 311, Bl. 117: Tapete, Stickerei auf weissem Atlas
in farbiger Seide im Plattstich : Ranken, in Palmetten, Akanthus und Blüten endigend,
mit Gehängen aus Perlschnüren, bilden spitzovale Felder, in welchen Kelch mit Blumen-
strauss, zu den Seiten Adler. Berlin um 1780. Original wie Abb. 313.
315. Darstellung aus: Neudeutscbe Stickerei von Prof. Dr. jur. Hanns Frhr.
V. Weissenbach, Verlag der Deutschen Modenzeitung, Leipzig 1904, S. 31 : Borte mit
532 Stickerei.
Sternen an Bogenlinien, auf geteiltem Grrundstoff in umgedrehtem Kettenstich aus-
geführt.
316. Darstellung wie Abb. 311: a) abgepasste Stickerei für ein Kissen, auf
dunkelgrünem Atlas in hellgrüner und weisser Seide im Platt- und Stilstich : Stilisierter
Myrtenzweig, b) Borte, auf grünem Tuch, in grüner, gelber und weisser Wolle im
losen Platt- und Stilstich: Löwenzahnstauden. Arbeiten aus der Royal shool of art
needle work, London 1885. Originale wie Abb. 313.
Literatur: a) Greschichte und Technik:
Alford, M., Needlework as art, London 1886; Alvin, L., Les anciens patrons
de broderies, de dentelle et de guipure, Brüssel 1863 ; Bach, Emilie, Die weibliche
Handarbeit, Vortrag, Reichenberg 1880; Baumberger, G., Greschichte des Zentral-
verbandes der Stickereiindustrie der Ost-Schweiz und des Vorarlbergs, St. Gallen 1891 ;
Bock, Dr. F., Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters, 3 Bde., Bonn
1856 — 71; Braun, Jos., Winke für die Anfertigung und Verzierung der Paramente.
Freiburg i.|B. 1904; Day und Mary Buckle, Art in needlework, London 1900;
Dillmont, Therese de, Encyklopädie der weiblichen Handarbeiten, Dornach (Elsass) ;
D r e g e r , M., Entwickelung der Weberei und Stickerei u. s. w., Wien 1904 ; Drei-
dax, Therese, Der gute Geschmack in weiblichen Handarbeiten u. s. w., Gera 1897;
Falke, J. von, Geschichtlicher Gang der Stickerei, 1869; Fischer, H., Technolo-
gische Studien im sächs. Erzgebirge, Leipzig 1878 ; Georgens, Die Schulen der weibl.
Handarbeiten, Leipzig 1884, 12 Hefte; Gremiich, G., Kurzer Abriss des Maschinen-
stickens, St. Gallen 1893; Hohenheim, Klara v., Praktische Anweisung zu Tapisserie-
arbeiten, Berlin 1900; Lefebure, Les broderies et dentelles, Paris 1887; Lipper-
heide, Frieda, Dekorative Kunststickerei, Berlin 1888 — 96; Marshall, Frances
and Hugh, Old English embroidery: is technique and symbolism., 1894; Martin,
F. R., Stickereien aus dem Orient, Stockholm 1899; Moser, R. & Sohn, Anleitung
zur Monogrammstickerei u. s. w., Leipzig 1889; Motivenalbum für moderne Hand-
arbeiten der „Wiener Mode", Wien 1901; Ob ermay er- W allner , Die Technik der
Kunststickerei, Wien 1896; Paulson Twonsend, W. G., Embroidery or the craft
of the needle, with preface by Walter Grane, London and New York, 1899; Saint-
George, A. v.. Die Kunst der Goldstickerei, Wien ; Schinnerer, Luise, Lehrgänge
für Weissstickerei und Knüpfarbeit, Stuttgart 1893; Taurel, Ed. C, Die Aesthetik
der Frauenhandarbeiten, deutsche Bearbeitung von K. Maiss, 1891; Tikkanen, J. J.,
Finnische Textil Ornamentik, Leipzig 1901.
b) Vorlagenwerke :
Bach, Emilie, Muster stilvoller Handarbeiten, Wien 1879 — 81; dieselbe,
Neue Muster im alten Stil, Wien 1887; Bender, Elise, Moderne Kunststickereien,
1890 — 93; Braunmühl, C. v.. Das Kunstgewerbe in Frauenhand, München 1884;
Clasen-Schmid, Mathilde, Musterbuch für Frauenarbeiten, Leipzig 1881 ; Dill-
mont, Th. de, Album de broderies au point de croix, Dornach 1885; dieselbe,
Alphabete und Monogramme, 1889; dieselbe. Koptische Stickereien; dieselbe,
Die Stickerei auf Netzkanevas ; dieselbe, Vorlagen für die Plattstichstickerei; die-
selbe, Die Soutage und deren Verwendung, 1891 ; D r e g e r , Wiener Kunststickereien,
Wien 1900 — 02; Farcy, L. de, La broderie de 11 siecle jusqu'a nos jours, Paris
1892; Fröhlich, W., Neue Borden u. s. w., Berlin 1888; derselbe, Neue farbige
Kreuzstichmuster, Berlin 1888; Gnant, Monogrammalbum u. s. w,, Stuttgart 1889;
Hirth, G., Album für Frauenarbeit, 1880; Hochfelden, B. u. H.Wahl, Muster
im Sezessions- und Jugendstil für Kreuz- und Holbeinstich, Leii)zig 1900; Hofmann,
R., Muster für Gardinenfabrikation in Hand- und Maschinenstickerei, Plauen 1883;
Kabilka, P. u. J., Kreuzstichmuster im neuen Stil, Wien 1900; Kick, W., Preis-
gekrönte Stickereiarbeiten der württ. Handarbeitsschulen, Stuttgart 1892; Koch, A.,
Moderne Stickereien, Darmstadt 1900; K um seh, E., Spitzen und Weissstickerei,
Leipzig 1889 ; Lay &Fischbach, Südslawische Ornamente, Esseg und Hanau 1880 ;
Lessing, J., Muster altdeutscher Leinenstickerei, Berlin 1878 — 92; Lipperheide,
Frieda, Musterblätter für künstlerische Handarbeiten, Berlin 1889 — 95; dieselbe,
Muster altitalienischer Leinenstickerei, Berlin 1881 — 93; Mantel, Mechanische Sticke-
reien, St. Gallen 1897; Müller, C. H., Almanach, Stickereimustervorlagen für Schul-
und Hausgebrauch, Berlin 1875; Originalstickmuster der Renaissance, k. k.
österr. Museum in Wien, 1874; Prignot, E., La broderie moderne, Liege, Paris
1884; Rassmussen, S., Oollection Nora, Altnordische Stickereien auf wollenem
Javagewebe, Kongreskanevas oder Segeltuch, Kopenhagen 1897; Redtenbacher,
M., Farbige Stickereivorlagen, Karlsruhe 1891; derselbe, Vorlagen für Stickerei
in Leinen, Seide und Gold, Karlsruhe 1895; Reitz, A. u. E., Farbige Flachstich-
Stickereifachschulen — Stick- und Spitzenmusterbücher. 533
muster, Hamburg 1891 ; Schaffers, A., Mustervorlagen für farbige Kreuzstichstickerei,
Leipzig 1887; Schmidt, C, Vorlagen für Litzennäherei, Stuttgart; Steffahny,
Stickereimuster, Leipzig 1892; Stuhlmann, A., Stickmuster für Schule und Haus,
Stuttgart 1890—93; Teschendorff, Toni, Kreuzstichmuster für Leinenstickerei,
Berlin 1879, 84; Versteyl, H. A., Die kirchliche Leinwandstickerei, Düsseldorf
1878 — 80; Volksstickereien, russische, aus der Sammlung von W. A. SoUergub.
Stickereifachschulen, s. Kunststickereifachschulen.
Stickertressen, Borten mit Kette von Seide und Schuss aus Metall-
gespinst.
Stickmaschine, Einrichtung zur mechanischen Herstellung von Stickerei.
Es werden je nach der mit denselben hauptsächlich erzeugten Sticharten be-
sonders zwei Arten von St. unterschieden: die Plattstichstick- und die
Kettenstichstick- oder Tambourierm aschine. Bei den Plattstich-
stickmaschinen wird die Leistungsfähigkeit durch die grosse Zahl der gleich-
zeitig nach demselben Muster hergestellten Einzelstickereien, bei den Tam-
bouriermaschinen durch die hohe Arbeitsgeschwindigkeit bedingt. Die erste
brauchbare Plattstichstickmaschine erfand Josua Heilmann in Mülhausen im
Elsass 1828. Sie beruht auf der unmittelbarsten Nachahmung der Handarbeit ;
doch findet nicht das Fortsetzen der Nadeln von Stichpunkt zu Stichpunkt
statt, sondern die entsprechende Einstellung des Stoffes in die fest bleibende
Laufbahn der Nadeln. Der Stoff ist hierbei auf einem senkrecht stehenden
Rahmen aufgespannt, der in seiner Ebene allseitig verschiebbar ist. Die dem
zu stickenden Muster entsprechende Verschiebung des Rahmens erfolgt mittels
eines Panthographen oder Storchschnabels in der Weise, dass ein Stift an dem
längeren Arm desselben auf eine Schablone, die das meist sechsfach vergrösserte
Muster darstellt, und zwar auf die Endpunkte des jedem Stickfaden ent-
sprechenden Schraffier Strichs aufgesetzt wird, während der kürzere Arm die
auf das wirkliche Mass des Stickfadens reduzierte Bewegung auf den Pahmen
überträgt.
Bei den Schiffchenstickmas chinen befindet sich die Nadel auf
der Vorderseite, der Unterfadenführer auf der Rückseite des Stoffes, welcher,
wie bei Heilmann, in einem senkrecht stehenden, durch einen Storchschnabel
bewegbaren, bezw. einstellbaren Rahmen ausgespannt ist. Die Kettenstich-
stickmaschine wendet für die Stichbildung sowohl die Oehrnadel wie die
Hakennadel an. Bei der mit Kettenstich arbeitenden Bonnaz- oder Tam-
bouriermaschine erfolgt die Steuerung der Transportvorrichtung und der
stichbildenden Werkzeuge durch eine von der Hand der Arbeiterin bewegte
Kurbel, weshalb dieselbe auch vielfach Kurbelstickmaschine genannt
wird. Zur Herstellung von sogen, glatten und hohlen Waren auf einer
Maschine hat man kombinierte Maschinen, die je nach dem Gebrauch
vereinigte Apparate enthalten. (Vgl. Erni, Leitfaden für Maschinenstickerei,
Dornbirn 1901; Fischer, H. , Die Stickmaschine, im „Civilingenieur",
Bd. 23 — 25; Jäk, J., Die rationelle Behandlung der Stickmaschine und ihrer
Apparate im Betriebe, Leipzig 1886; Müller, Neuerungen an St. im Dingler-
schen „Polytechn. Journal", Bd. 254. 265.)
Stick- und Spitzenmusterbücher erscheinen zuerst in der ersten Hälfte
des 16. Jahrh. in Deutschland; sie enthalten in älterer Zeit vornehmlich
italienische Arbeiten und bilden für den geschichtlichen und technischen Ent-
wickelungsgang vieler Nadelarbeiten ein wichtiges Studienmaterial. (Vgl- über
Modelbücher und ihren kunstgeschichtlichen Wert: „Lichtwark, Der
Ornamentstich der deutschen Frührenaissance, 1888. Derselbe, Das Model-
buch des Peter Quentel, Leipzig 1885.) Eines der ältesten aller bekannten
Stickmusterbücher erschien in Zwickau im Jahre 1525 unter folgendem Titel :
Eyn Model Buchleyn Darauss leychtlich das gewurck dises nach angetzeygten
Formen erlernet werden mag. Gedruck yn der Fürstlichen Stadt Zwickaw
durch Jörg Gastel 1525. (Vgl. E. Kumsch, „Das älteste aller bekannten
Modelbücher" in der Zeitschrift „Kunst und Handwerk", Jahrgang 1903.)
Dem Alter nach folgt das nur in dem einen Exemplar des k. k. Oesterr.
534
Stickperlen — Stickseide.
Museums in AVien bekannten sogen. Züricher Musterbuches von Christoff
Froschower vom Jahre 1561 — 62, das für die Bestimmung von Spitzen eines
der wichtigsten ist. (Ygh im Artikel Spitzen, S. 506.) Es folgen hiernach
eine lange Reihe solcher Bücher, die in Deutschland, Italien und Frankreich u. s.w.
erschienen und zum Teil in neuerer Zeit auf Veranlassung von Museen u. a.
neu aufgelegt sind. Als die wichtigsten sind zu nennen:
Beckers, Matthes, Frankfurt a. M., 1601; Bei in, Antoine, Lyon 1537 und
1555; Bindoni, Giovanni Antonio, „II monte", Venedig 1559; Bock, Joh. G-ottfr.,
Augsburg 1762; Brettschneider, Andr. , Neues Modelbuch, Leipzig 1619, mit
einem Vorwort von P. Jessen, neu erschienen Berlin 1892; Calepino, Francesco,
Venedig 1563; Ciotti, Venedig, 1591, Xeuausgabe Berlin 1891 ; C o cheris , Hyppo-
lite, Patrons de broderie et de lingerie du XVI. siecle, enthaltend: Nourry, Claude,
dict lePrince, 1530 — 33; Saincte Lucie, Pierre de, 1537; Belin, Antoine;
Crivellari, Gasparo, Padua; Crophius, Mart. Gottfr., Augsburg um 1750; D a-
nielli, Barthol., Bologna um 1610; Egenolff, Christ., Frankfurt a. M. 1533;
Foillet, Jacques, 1598, Neuausgabe:
Abb. 317.
Berlin 1891; Franco, Giac, Venedig
1596, Neuausg:abe: 1876; Fürst, Bo-
sina, Helena, Nürnberg 1666; Gargano,
Lucchino , "Pretiosa gemma", Venedig
1600; Glen, Jan de, nach Vorbildern
von Vinciolo, Lüttich 1597; Hoffmann,
W., Frankfurt- a. M. 1604, Neuausgabe:
Berlin 1891 ; derselbe, Frankfurt a. M.
1607, Neuausgabe: k. k. österr. Museum
Wien 1876; Lathomus, Sigismund,
Frankfurt a. M. 1607; Mignerak,
Paris 1605; Netto, Joh. Friedr., Wasch-,
Bleich-, Platt- und Nähbuch u. s.w., Leip-
zig 1799; desgl. der Jüngere: ,,Neue
Originaldessins für die neu erfundene
Stickerei über Stricknadeln" u. s. w.,
Dresden 1809 ; Ostaus, Giov., „La vera
perfettione", Venedig 1567; Pagan,
Matthias, Venedig 1558, Neuausgabe:
1884; Paganino, Aless., Venedig 1527,
Neuausgabe : 1 878 — 80 ;Parasole, Isa-
bella Catanea, „Studio delle virtuose
dame", Rom 1597; „Pretiosa gemma",
Rom 1600; „Teatro delle nobili et vir-
tuose donne"; Rom 1616; Parasole,
Ehsab., Catanea, Rom 1616, Neuausgabe :
Berlin 1891; Le Pompe, Venedig 1569,
Neuausg'abe : k. k. österr. Museum Wien
1879; Quentel, Pet., Köln 1527—29,
Neuausgabe : Leipziger Kunstgewerbe-
museum 1878 (?); Romana, Lucrezia,
Venedig 1625, Neuausgabe: 1876; Sandt; Joh. Friedr. v., Leipzig um 1729;
Schartzemberger, Augsburg 1534; Sera, Domenico da, Venedig 1546, Neu-
auso^abe: 1879; Serena, Venedig 1564; Sibmacher, Job., Nürnberg 1604; der-
selbe, 1601, Neuausgabe von Dr. Georsrens, Berlin 1874; derselbe, 1597, Neu-
ausgabe: k. k. österr. Museum Wien 1866; Tagliente, Giov. Ant., Venedig 1531,
Neuausgabe : 1879 ; Unverzagt, J. G., Augsburg^ 1703 ; Vavassore, Giov. Andrea,
Venedig 1531; Vecellio, Cesare, Venedig, 1600, Neuausgabe: 1876; derselbe,
„Corona delle nobili et virtuose donne", Venedig 1592 und 1601, Neuausgabe: BerHn
1891; Vinciolo, Federico de, Paris 1587; Zoppino, Nicolo, Venedig 1530, Neu-
ausgabe: 1878.
Stickperlen sind farbige Glasperlen, abgerundet oder aus ganz kurzen,
feinen Röhrchen.
Stickrahmen, ein unveränderlicher oder stellbarer, auf Füssen ruhender
Holzrahmen, auf welchen der zu bestickende Stoff gespannt wird.
Stickseide, s. Seide und Seidengarne.
Sticktüclaer — Stil. 535
Sticktücher waren in alter Zeit statt der Musterbücher als „Model-
tüclier", auch für Spitzennäherei, gebräuchlich. Die meisten stammen, sowie
jene, aus dem 16. Jahrb., sie erhielten sich als Familienerbstücke und trugen
wesentlich zur Weiterführung der Muster bei. Tücher gleicher Art fanden
auch im Orient Verwendung, es haben sich dergleichen in koptischen G-räbern
gefunden, welche aus dem 15. Jahrh. stammen. (Abb. 317.)
Abbildung:
317. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Berlin : Teil eines
Musterbuches für Leinenstickerei im "Webstich. Orient 15. — 16. Jahrh.
Stiegen heissen in Hamburg die gewöhnlichen Halbflachsleinen aus Flachs
und Heedegarn.
Stielstich, a) der schräge, wird ohne Vorziehen in der Weise aus-
geführt, dass man die Nadel von rechts nach links schräg unter einen bis zwei
wagrechte und vier bis sechs senkrechte Fäden führt, so zwar, dass der letzte
Stich bis zur Hälfte des vorletzten zurückgreift; b) der steile, wird auf
vorgezogenem Faden von links nach rechts ausgeführt und zwar oberhalb des
vorgezogenen Fadens hinein- und unterhalb desselben herausgeführt. Bei feinen
Zeichnungen wird nur so viel vom Stoff gefasst, als der Einlagfaden deckt
(s. Stickerei).
Stil (lat: stilus; franz. und engl.: style), das in einem Werke der Kunst
oder des Kunstgewerbes hervortretende bestimmte künstlerische Formensystem,
dem die textilen Arbeiten in engerem Sinne eigentlich nur in der Musterung
unterworfen sind. Diese ist aber nicht allein zu verstehen in der nach Land
und Zeit sich unterscheidenden Kunstweise, sondern wie der Stoff seinem
Gebrauche nach und im Verhältnis der Technik zur Musterung einen Gegenstand
künstlerisch belebt, unterliegt auch gewissen Stilgesetzen, die in der Lage oder
E-ichtung der zu bekleidenden Fläche gegeben sind. (Vgl. Matthias, die
Formensprache des Kunstgewerbes, Liegnitz 1875.) Eine wagerechte Fläche wird
den Forderungen des Schönheitssinnes genügen, wenn sie eine Einteilung nach
Grund, Spiegel oder Plan hat, dessen Mitte betont ist und dessen E,and ein den
Verhältnissen des Ganzen angemessener Saum umgibt. Von grossem Einfluss auf
die Art der schmückenden Elemente wird es sein , ob eine wagerechte Fläche
tiefer oder höher als das Auge des Beschauers liegt. Es müssen also alle plasti-
schen Gestaltungen für die Fussbodenfläche ungeeignete Motive sein, da körper-
lich dargestellte Kunstformen nur für die Zimmerdecke zweckentsprechend und
als stilgerecht zu bezeichnen sind. Ebensowenig dürfen figürliche Darstellungen
dazu angewandt werden, die Fussbodenfläche zu schmücken. Um die Darstellungs-
weise der Pflanzenformen stilgerecht in der Fussbodenfläche erscheinen zu lassen,
d. h. dieselbe unter allen Umständen als eine von Erhebungen und Vertie-
fungen gänzlich freie Fläche zu charakterisieren, werden die Naturformen
stilisiert, d. h. flächenartig in Umrissen angedeutet: man zeichnet die pflanz-
lichen Motive so, wie sie in der Natur gesehen werden, nämlich in der Ansicht
von oben, so dass man in das Innere der geöffneten Blume sieht. (Vgl. orien-
talische Stoffe und Stickereien.) Die schmückenden Formen der senkrechten
Flächen textiler Gegenstände müssen in ihrer Entwickelung von unten nach
oben gerichtet sein; die Falten der schlichten Flächen eines Vorhanges sind
nach dem Gesetze der Massensymmetrie geordnet und laufen in senkrechter
Richtung abwärts. In Beziehung auf den Saum der hängenden Fläche gilt
die Regel, dass der unteren Umsäumung derselben der grössere Formenreich-
tum zuerteilt werden muss im Gegensatz zu einer senkrecht stehenden Wand,
bei welcher auf den Schmuck des oberen Saumes besonderes Gewicht zu legen
ist. Eine abwärts gerichtete Flächenmusterung ist nur am Platze, wenn sich
dieselbe aus der Anordnung der deckenden, verhüllenden oder raumabschliessen-
den Flächen von selbst ergibt, d. h. wenn ein Teil derselben über die be-
kleideten Glieder hinausragt, durch eigenes Gewicht nach unten fällt und einen
Ueberhang bildet, wobei natürlich die sonst senkrecht aufgerichteten Ausläufer
536 Stil.
der Schmuckforinen ebenfalls hinabfallen und so, von vorne gesehen, den Ein-
druck machen , als wenn diese nachträglich angenommene Richtung von oben
nach unten eine absichtlich herbeigeführte sei. Es gilt dies von überhängenden
Tischdecken und anderen Möbelbekleidungen, vom Spitzenschmuck an den
Gewändern der Damen, welcher vom Hals und Nacken abwärts fällt, und von
vielen anderen Verwendungen der Erzeugnisse textiler Kunst, bei denen man
sich wohl zu hüten hat, den TJeberhang oder TJeberfall in seinem Wesen mit
dem eigentlichen Vorhange zu verwechseln.
Ein weites Gebiet in der Stilkunde ist die Behandlung der Naturformen
in der Ornamentik und die Gestaltung derselben in den verschiedenen Zeiten
und Ländern, woran zunächst die vegetabilischen Schöpfungen einen Haupt-
anteil haben. Alle uns aus hervorragenden Kunstepochen überkommenen
textilen "Werke legen Zeugnis davon ab , dass man die aus der Pflanzenwelt
in diese Kunst aufgenommenen Typen einer Verwandlung unterworfen hat, bevor
sie als Schmuckform in Erscheinung traten. Die Art der in Betracht kom-
menden Blätter und Blüten war durch die dem betreffenden Lande eigentüm-
lichen Gewächse, teils durch gewisse religiöse Gebräuche, teils durch strenge
Forderungen der Symbolik bedingt. Der Grad der Stilisierung und die Art
und Weise der Umgestaltung solcher Pflanzen ist je nach dem Charakter der
werktätigen Nation und je nach ihrer Kulturfähigkeit, sowie auch nach den zu
Gebote stehenden Materialien ein sehr verschiedener. Aber auch in einem und
demselben Kunststile werden in der Begel verschiedene Grade der Stilisierung
pflanzlicher Motive wahrgenommen, und zwar tritt die eigentümliche Erschei-
nung ein, dass die frühesten der technischen Produkte eines Volkes oder einer
ganzen Periode meistens ganz streng stilisiert, die späteren dagegen freistilisiert
und die letzten mehr oder weniger naturalistisch dargestellt sind.
Im Stile der alten Aegypter (S. 12) erscheinen als Pflanzenornament
die Lotosblüte (Abb. 17), der Papyrus und die Palme. Die Lotosblüte bildet
den Urtypus für alle Palmettenformen (S. 387). Die gleichen pflanzlichen
Motive finden sich in den erhaltenen Kunstwerken Assyriens und Baby-
lons (S. 34), erweitert ist der Eormenkreis durch den Pinienzapfen und
Granatapfel und in voller Gestaltung erscheint der Baum des Lebens (Abb. 31).
Diese Kunstformen Aegyptens und Assyriens übernehmen die Griechen
(S. 236), wandeln sie aber ganz in ihrem Geiste noch einmal um. Es werden
ihre Ornamente streng nach den Naturgesetzen für die Pflanzenbildung ge-
staltet und man gelangt dadurch zu den Typen jener Formensprache, die heute
noch im Bereiche aller Künste verstanden wird. Zu den bereits gebräuch-
lichen Pflanzenformen kommen noch hinzu : der Akanthus (S. 3), der Lorbeer-
zweig (S. 337), die Weinrebe mit Blatt und Traube (s. d.), der Efeu (S. 177).
Für alle diese Einzelformen schaffen die Griechen jene Kankenbildung, deren
Vorbild man früher irrtümlich am Akanthus suchte, die aber lediglich als eine
selbständige Formenbildung bezeichnet werden muss. Die Kunst der Pömer,
welche ursprünglich die ornamentalen Motive der griechischen Kunst aufnahm,
schuf in ihrer letzten Zeit wieder mehr nach den Vorbildern, welche die Natur
ihr bot, ihre Ornamente erscheinen daher in freier, fast halbnaturalistischer
Auffassung. Nach dem Auftreten des Christentums übernahm und verwertete
die byzantinische Kunst (Tafel I u. LT) die Formenelemente des grie-
chischen und römischen Stils. Für die textile Kunst ordnen sich hier ein die
uns aus koptischen Gräbern überkommenen Gewandreste mit den spätantiken
Ornamenten (S. 298). Alle bisher vorgekommenen vegetabilischen Formen
wiederholen sich in zum Teil feiner und zierlicher Ausführung und frischester
Farbengebung : der Akanthus (Tafel I, 6), die Weinranke mit Blattwerk und
Beben (Tafel I, 1), der Granatapfel (Tafel I, 8), die Palme (S. 303) und vor
allem der Baum des Lebens (S. 59) in vollständig christlicher Symbolik: wie
er der Aschenurne entsteigt in Umgebung der zu neuem Leben erwachten
Geister (Abb. 44, S. 61). Der romanische Stil (S. 440), welcher sich
zunächst an die starre byzantinische Weise anschloss, näherte sich später mehr
und mehr den Typen der natürlichen Gebilde. Seine Ornamentik zeichnet sich
Stil. 537
aus durch ihren bedeutenden . Formenreichtum, durch die eigenartige Umge-
staltung und Durchbildung der überkommenen oder neu aufgenommenen vege-
tabilischen Elemente (Tafel II u. III), deren Verbindungslinien in Schwung
und Kühnheit den Einfluss des Islam verraten. Die arabisch-maurische
Kunstweise (S. 27) stand in ihren Anfängen zu der römischen und byzan-
tinischen Kunst in inniger Beziehung. Sie nahm die Typen dieser Stile auf,
entwickelte sie in ihrer Weise und fügte neue, der Natur entlehnte, aber streng
stilisierte Elemente zu den alten vorgefundenen hinzu. Ihre Hauptstärke zeigt
die arabische Kunst in der nach ihr benannten Arabeske, deren Entwickelung
eine Umgestaltung und weitere Durchbildung der Flächendekoration zur Folge
hat. Dieses Ornament besteht aus einer fein berechneten Zusammenstellung,
Verschlingung und Durchflechtung vegetabilischer und geometrischer Gebilde,
welche die ganze Fläche nach festen, richtigen Kunstgesetzen überziehen und
deshalb, ungeachtet ihres ausserordentlichen Formenreichtums, eine vollständige
Klarheit aller Teile, die Harmonie aller Farben und Formen zeigen. Zu diesen
Motiven tritt die Anwendung der Schrift als Ornament (S. 29 u. 311 und
Tafel III). Der gotische Stil (S. 224) Hess die herkömmlichen Motive
der vorangegangenen Kunstweisen zum grössten Teile unberücksichtigt und
näherte sich nach richtigen Grundsätzen wieder den Vorbildern, welche die
Natur ihm bot. Man suchte für den ornamentalen Schmuck der gewerblichen
Schöpfungen die Motive meistens in der nächsten Umgebung und bediente sich
namentlich der Blätter der Eiche, der Distel (S. 225) , des Efeus , der Bebe
(S. 225), der Rose (S. 225 u. 442), des Klees, des Hopfens, der Platane, der
verschiedenen Ahornarten, sowie einiger Blumen, insbesondere der B;Osen —
die Rosettenbildung war stets ein hervorragendes Motiv — der Lilien (S. 226
u. 331) und mancher Früchte, worunter namentlich der Granatapfel (S. 229
u. Tafel IV) die weitgehendste Bedeutung erlangt hat. Schon während der
gotischen Kunstweise kehrte man in Italien zu dem Studium und zu der An-
wendung der griechischen und besonders der römischen Kunstformen zurück,
um eine Wiedergeburt der antiken Kunst zu erlangen. Die Renaissance
(S. 421) erreichte zwar nicht die hohe organische Durchbildung, d. h. den aus
dem innersten Wesen eines Werkes hervorgehenden Ausdruck in ihren orna-
mentalen Formen, zu welcher sich z. B. die erste Zeit der Gotik empor-
geschwungen hatte;, allein sie steht durch die lebensvolle Darstellung ihrer
schmückenden Mittel, durch den grossen Reichtum, die hohe Schönheit und
die harmonische Durchbildung ihrer dekorativen Formen unter allen Kunst-
weisen auf der höchsten Stufe. Die ornamentalen Motive der sogen. Früh-
renaissance waren meistens den Dekorationen der römischen Kunstwerke ent-
nommen und bestanden grösstenteils aus vegetabilischen Elementen. Aber auch
eine feine Beobachtung der natürlichen Gebilde und eine direkte Aufnahme
von Vorbildern aus dem Pflanzenreiche lässt sich vielfach nachweisen. Diese
der organischen Natur entliehenen Motive tragen alle die Merkmale einer stil-
gerechten Behandlungsweise an sich. Sie sind von allen Kleinigkeiten und
Zufälligkeiten, mit denen sie in der Pflanzenwelt vorgefunden werden, frei-
gemacht, nach den Gesetzen der Symmetrie und der Proportionalität auf den
gegebenen Flächen angeordnet und mit den ausgesuchtesten technischen Hilfs-
mitteln zur Darstellung gebracht. In der Hochrenaissance zeigen die vege-
tabilischen Elemente eine noch blühendere Gestalt und üppige Anordnung,
Das Hauptmotiv des antiken Ornamentes, das Akanthusblatt fand wieder all-
gemeine Verwendung. Die Spätrenaissance verwendete orientalische Blätter-
und Blütenformen: die Tulpe (s. d.), die Nelke (S. 363), die Hyacinthe
(S. 253), die Narzisse (S. 362) — sie alle entsteigen als palmettenförmig an-
geordneter Strauss der antikisierenden urnenförmigen Vase und werden frei
im Streumuster (s. d) des 17. Jahrh. Der Barockstil (S. 51) lässt in
Italien das antike Element in breiter malerischer Auffassung ausklingen, in
Frankreich dagegen beginnt man schon unter Ludwig XIII. die klassischen
Originale von neuem in Italien zu studieren und im Stile Louis XIV. ist man
bereits auf die antike Formenwelt zurückgekommen. Der Akanthus mit seinen
538 Stil.
vollen Ranken und dem breiten Laubwerk wird das Lieblingsmotiv; aber es
bleibt zumeist den grösseren Flächen der Innendekoration vorbehalten, für
Stoffmuster geben exotische Pflanzen die Formen her, welche als grosse Pal-
mettensträusse in Erscheinung treten (S. 22 u. 232). Im Zeitalter des Ro-
koko, dem Stile Louis XY. (S. 434), ist man bemüht, diese Palmetten in
lockere Blumensträusse aufzulösen, sie erscheinen in Reihen abwechselnd nach
rechts und links gekehrt und durch Bänder und zarte Spitzenornamente ver-
bunden; bald macht sich aber auch hier in Einzelheiten der antike Einfluss
geltend, welcher im Stil Louis XYI. (s. Zopfstil) mehr und mehr hervor-
tritt, bis der Empirestil (S. 173) vollends im Akanthus, im Lorbeer und
in allen sonstigen Elementen die römische Kaiserzeit nachzuahnien sich be-
strebt. In Deutschland versucht Karl Friedrich Schinkel den Klassizismus in
die alten Bahnen zurückzuführen, allein nur kurze Zeit vermag er sich zu be-
haupten, um einem vollständigen Naturalismus in der Wiedergabe pflanzischer
Formen die Oberhand zu lassen. In den 1870 er Jahren ist es wieder die
italienische Renaissance, unter welcher ein neuer Stil im Sinne antiken G-eistes
sein Bauner erhebt. Doch das sklavische Kopieren alter Vorbilder hatte bald
seine Reize verloren und man begann von neuem die Naturformen zu studieren,
um dem Flachmuster aus der heimischen Pflanzenwelt frische Kunstformen zu-
zuführen : ein Beginnen, in dem wir heute noch stehen und dessen Schöpfungen
an phantastischen Rankengebilden mit dem „Jugendstil" oder als „Sezession"
(Tafel YIII) in Erscheinung treten, während das übrige Kunstgewerbe, be-
sonders die Möbelformen, sich der sogen. Biedermaierzeit zuwenden,
d. i. die Zeit in Deutschland um die I^Iitte des 19. Jahrh., zu der die Menschen,
von idyllischer Selbstzufriedenheit beseelt, auch an bescheidenen Freuden ihr
volles Grenüge fanden.
Aelter als die Anwendung von Kunstformen aus der Pflanzenwelt sind
aber jene Ornamente, welche sich aus der Linie selbst entwickelt haben: Zick-
zack, Dreieck, Raute und Quadrat aus der geraden, die Wellenlinie, das Oval,
die Spirale, der Kreis aus der gekrümmten. Die Verwendung solcher Gebilde
in der Zusammensetzung über die Fläche hinweg bezeichnet man als den
geometrischen Stil. Da nun den Anfängen der Textilkunst, der Flechterei,
Wirkerei und Weberei, die geradlinigen Kunstformen technisch am nächsten
liegen, so folgert man hieraus, dass dieser Teil der Ornamentik sich überhaupt
aus den Halm-, Grräser- und Fadenverflechtungen entwickelt habe. Auch die
TJebertragung dieses geometrischen Stils als Verzierung für die keramischen
Körper schien gegeben in den geflochtenen Körben, die als Formen für Ton-
gefässe dienten und deren Struktur nach dem Brande des Tons auf der Aussen-
seite des Grefässes Flechtenmuster hinterlassen musste.
Gregenüber dieser allgemein verbreiteten Theorie Gottfried Sempers
— Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, Bd. I: „Die Textile
Kunst"; 2. Aufl. München 1878 — vertritt Alois Riegl — Stilfragen. Grund-
legungen zu einer Geschichte der Ornamentik, Berlin 1893 — einen anderen
Standpunkt, indem er das plastische Kunstschaffen dem in der Fläche bildenden
voranstellt und so dem Entwickelungsgange des Ornaments einen anderen Aus-
gangspunkt gibt. Die Semperschen Lehren von der Stilistik der textilen
Künste werden davon nicht berührt.
Die weitgehendste Ausbildung hat der geometrische Stil in der arabischen
Kunst gefunden: beide Elemente, das geometrische wie das pflanzliche, sind
in unerschöpflich wechselnder Weise in der Arabeske vereinigt.
Die Tiersymbolik des Altertums und Mittelalters hat auch in der Textil-
kunst zu figuralen Darstellungen geführt, die besonders den orientalischen
G-eweben und älteren Teppichen eigen sind. Vom stilistischen Standpunkt aus
sind dergleichen Musterungen, besonders auf Fussbodenflächen, natürlich zu
verurteilen; aber die Meisterschaft des Orientalen in der Stilisierung hilft uns
ohne weiteres über diese Bedenken hinweg. Der Koran verbietet dem Islam
ja ohnedies die getreue Nachbildung aller beseelten Gestalten und so führt uns
die ausgebildete Phantasie des muhammedanischen Künstlers Menschen- und
Stil. 539
Tiergebilde in der Fläche vor, die ihre natürliche Form vollkommen ausschliesst,
welche in sicher geführten Umrissen, gleich der Pflanze, zum Ornament ge-
worden sind (Tafel II u. III). Diese bis in das 14. Jahrh. hinein sich geltend
machenden figürlichen Stoffmuster haben in ihrer Zeit auch religiös-symbolische
Bedeutung gewonnen ^ die dem Araber durch den ihm bekannten Psalter ver-
ständlich war. Andererseits haben die Abendländer, als sie die ihnen über-
kommenen sarazenischen Stoffe kopierten, sich diese orientalischen Tierfiguren
nach ihrem Sinne zu eigen gemacht, so dass man verschiedenen Erklärungen für
die gleichen Darstellungen begegnet. Der schreitende oder ruhig stehende
Löwe (S. 339) bezeichnet nach Karabacek „Die persische Nadelmalerei Susand-
schird, Leipzig 1881", S. 137 ff., in der muhammedanischen Symbolik gleich
dem Adler den Herrscher, sultän, melik, oder die Herrschaft, mulk. Den
unwiderleglichen textilen Beweis bringt der Wiener Grelehrte in einer arabischen
Groldborte des 12. Jahrh., auf der abwechselnd die Figuren eines stehenden
Löwen und Adlers sich aneinanderreihen. Eine gleiche Symbolik spricht sich
auf dem S. 338 dargestellten Stoffmuster aus. Es erscheint auf demselben der
schreitende Löwe mit einem sitzenden Wiedehopf (fälschlich als Kakadu bezeichnet)
in wechselnder Folge. Letzterer gilt für einen Weisen und die Symbolik in
dieser Zusammenstellung wird nach Karabacek durch die unter jedem Löwen-
bilde auf einem Bande laufende Unterschrift als „der Sultan, der Weise"
erklärt. Ein anderes sarazenisches Muster in italienischer Nachbildung des
14. Jahrhdts. zeigt den Löwen, wie er einem Adler zuvorkommend, dessen
Vogelbeute beim Halse erhascht, während der Adler, zornig die Flügel schlagend,
das Nachsehen hat. Die Symbolik geht hier auf einen hochgestellten sehr
tapferen Mann, Fürsten oder Feldherrn, zu dessen Eigenschaften die Kühnheit
des Löwen gehört. Der Symbolik des Todes wird die Darstellung eines Adlers
zugeschrieben, wenn er aus stilisierten Wolken und Sonnenstrahlen hervorbricht
und darunter ein vor Begierde nach seinem Opfer lechzender Löwe wie zum
Angriff schreitet. Nach christlicher Legende werden die Darstellungen des
Löwen auf den königlichen Löwen vom Stamme Juda bezogen, der den Heiland
repräsentiert. Ein von China in den muhammedanischen Tierkreis übertragenes
Symbol ist das Khi-lin: ein Wesen, das vom Hirsche den Leib, vom Ochsen
den Schweif und ein Hörn hat. Die europäische Formensprache hat damals
das Einhorn (S. 168) geschaffen. Vom frühen Mittelalter an bis zur spät-
italienischen Epoche des 14. Jahrhdts. enthalten die Seidengewebe Darstellungen
von Jagdhunden und Jagdleoparden. Diese hängen nach Karabacek mit der
Vorliebe der Muhammedaner für das Weidwerk zusammen. Das Jagen mit
dressierten Hunden und Leoparden haben die Araber von den Sassaniden:
(vgl. die Darstellungen Tafel II, 1 u. Tafel III). Die textile Bedeutung dieser
zur Jagd abgerichteten Tiere ist eine wechselnde. Grewöhnlich ist es „das
Treiben des Wildes", arabisch „thardwachsch", welcher Ausdruck als Name
auf eine derartig gemusterte Gattung von Grewänden überging. Dann wieder
erscheinen Hasen, Grazellen oder Pehe vom Jagdhunde oder Leoparden angefallen.
Diese Darstellungen in einem Grehege deuten die Kirchensymboliker „als den
Garten der Kirche, wo der von inneren und äusseren Feinden bedrängte Christ,
durch das aufgescheuchte Peh versinnbildlicht, Schutz sucht und findet".
Das Vorkommen von Tierdarstellungen in symmetrischer Wiederholung,
wie es schon auf den assyrischen Alabasterplatten der Fall ist, und später in
Griechenland auf Vasenbildern sich oft wiederholt, führte bei den Vertretern
der Semperschen Textilornamentik zu den Bezeichnungen „Teppichstil" und
„Waj)penstil" , dem Alois Piegl in seinem schon angeführten Werk ein
besonderes Kapitel widmet. Der Wappenstil erschien bestätigt durch den
symmetrischen Musterumschlag des Adlers, wodurch er sich zum Doppeladler
(S. 8) gestaltete.
Abbildungen:
Tafel II: Webereien des frühen Mittelalters:
1. Zeichnung nach einer Darstellung aus : Friedrich Pischbach, Die wichtigsten
Webeornamente bis zum 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1902, Tafel 6: Seidengewebe^
540 Stil.
Grund blaugrün, symm. Muster: In Reihen geordnete Kreise, von Bändern aus herz-
förmigen Blüten gebildet, enthalten unter einem Baum zwei sich gegenüber gestellte
Reiter in antiker Tracht, welche mit Pfeil und Bogen auf Tiere schiessen, die vom
Jagdleoparden gepackt sind; zwischen den Kreisen Zwickelrosetten. Original an einem
Altar im Dom zu Mailand. Sassanidisch 6. Jahrh.
2. Zeichnung wie Abb. 1, Tafel 12: Seidengewebe, Grund grün, verschossen, symm.
Muster: Kreise aus Bändern mit Blättern und Blüten, durch achteckige Rosettenfelder
verbunden, enthalten je einen geflügelten Greif mit Pfauenschweif; in den Zwickeln
Rosetten. Original im South Kensington-Museum, London (?). Sassanidisch 6. Jahrh.
3. Zeichnung nach einer Darstellung aus: Paul Schulze, lieber Gewebemuster
früherer Jahrhunderte, Leipzig 1893, S. 18: Seidengewebe, Grund purpurblau, symm.
Muster gelblich: Grosse Kreise aus Bändern mit herzförmigen Blüten sind durch
kleine Vielecke verbunden und enthalten die Darstellung einer antiken Quadriga mit
Rosselenkern und Diskoswerfern, davor Opferaltar; dazwischen Steinbänke. Original
im Domschatz zu Aachen. Byzanz 8. Jahrh.
4. Zeichnung wie Abb. 1, Tafel 17: Seidengewebe, Grund rot, symm. Muster
bunt: Grosse Kreise aus Bändern mit antikisierendem Ornament enthalten je einen
aufgeschirrten Elefanten, dem hinter seinem Rücken ein Baum aufwächst; zwischen
den Kreisen Rosetten. Original im Domschatz zu Aachen mit einer griechischen In-
schrift, wodurch der Herstellungsort des Gewebes, trotz seines streng orientalischen
Inhaltes, nach Byzanz (5 — 8. Jahrh.) datiert ist.
5. Zeichnung wie Abb. 1, Tafel 3: Seidengewebe, Grund rötlichbrauner Purpur,
symm. Muster violett: In Reihen versetzte Adler; dazwischen Rosetten. Original im
Dom zu Brixen. Orient oder Byzanz 8. — 10. Jahrh.
6. Zeichnung nach einer Darstellung aus: Julius Lessing, Gewebesammlung
des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin, 1901: SeidengewelDe auf Leinenkette,
Grund grün, symm. Muster mit umwickeltem Membran: Qudratische Felder aus Bändern
mit antikisierendem Ornament , welche durch kleine Kreise verbunden sind , enthalten
je ein Paar gegenständig gekehrter Löwen, welche auf einen Drachen treten; dazwischen
ein Baum. Regensburg (?), nach orientalischen Vorbildern 10. — 11. Jahrh.
7. Zeichnung wie Abb. 1: Seidengewebe (ergänztes Bruchstück), Grund grün,
symm. Muster gelblichbraun: Kreise aus einem Band mit Pfauen, kleinen Adlern und
Palmetten enthalten je ein Paar sitzender geflügelter Löwen, dazwischen Baum mit
chinesischem Laubwerk. Original: Königl. Kunstgewerbemuseum Berlin. Orient unter
chinesischem Einfluss 10. — 11. Jahrh.
8. Zeichnung wie Abb. 1, Tafel 6: Seidengewebe, Grund purpurrot, symm.
Muster gelblichbraun: Quadratische Felder aus Balken mit Rautenteilung enthalten je
ein Paar von zu einander gekehrten Enten. Original im Domschatz zu Aachen. Byzanz
6.-8. Jahrh.
9. Zeichnung wie Abb. 1, Tafel 5: Seidengewebe, Grund rot, symm. Muster
weiss: Rautenfelder aus Bändern mit Spaten und Kreuzen, welche durch vierteilige
Sterne verbunden sind , enthalten je einen Kreis mit zackigem Stern. Original aus
einem koptischen Grabe des 5. — 7. Jahrh.
10. Zeichnung nach einem Original aus dem Kaiser Friedrich-Museum in Ber-
lin: Seidengewebe, Grund rot, symm. Muster grün: Wellige Bänder mit Zickzacklinien
bilden spitzovale Felder, in welchen reihenweis abwechselnd je ein Paar von Greifen
und Adlern zwischen Palmetten. Sizilien 10. — 11. Jahrh.
Tafel III: Webereien des späteren Mittelalters:
1. Darstellung aus: Jahrbücher der Königl. Preuss. Kunstsammlungen, Berlin
1880, S. 6 : Leinenstofi mit aufgedrucktem Goldmuster nach einem Seidenbrokatgewebe :
Ranken mit reihenweis geordneten spitzovalen Blütenfeldern mit federartigem Rande,
dazwischen ein Kranich im Kampf mit einem Löwen. Original im Berliner Gewerbe-
museum. Das Muster ist orientalischen Ursprungs, im 14. Jahrh. in Italien nach-
gewebt und in Deutschland gedruckt.
2. Darstellung aus* Dupont-Auberville, L'ornement des tissus, Paris 1877:
Seidenbrokatgewebe, Grund rot, Muster grün mit etwas Weiss und Blau und Gold:
In Streifen geordnete Jagdtiere und Schwäne zwischen Blütenzweigen und Rosetten.
Arabisch-italienisch 14. Jahrh.
8. Darstellung aus: Paul Schulze, U eher Gewebemuster früherer Jahrhunderte,
Leipzig 1898, S. 81 : Seidenbrokatgewebe, Grund blau, symm. Muster Gold, reihenweis
versetzt: Adler und Jagdtiere zwischen Baumkronen, geraden und schräg liegenden
Schrifttafeln. Arabisch-italienisch 14. Jahrh.
Stilisieren — Stippelarbeit. 541
4. Darstellung aus: GewerbeÜalle , Jahrof. 1876, Bl. 12: Seidengewebe, Grund
rot, symm. Muster grün, mit etwas Weiss und Blau; Reihenweis versetzte Blattkronen,
welche in Ranken mit Blüten endigen und spitzovale Felder bilden, in deren jedem
eine Löwenmaske; dazwischen kufische Schrift in Blattornament. Arabisch-italienisch
14. Jahrh.
5. Darstellung aus: Katalog der Gewebesammlung des Germanischen National-
museums, I. Teil, Nürnberg 1896, S. 84: Seidenbrokatgewebe, Grund grün, Muster
Gold : In drei Reihen übereinander abwechselnd ein Adler, Löwe und Hund mit Krone,
je an einer Blütenranke, dazwischen kleine Vögel. Orient 13. Jahrh.
6. Darstellung wie Abb. 3, S. 30: Seidenbrokatgewebe, Grund blau, Muster Gold
mit etwas Bunt, reihenweis versetzt: Taube mit aufgerolltem Spruchband mit Krone:
dazwischen Strahlenrosetten. Arabisch-italisch 14. Jahrh.
7. Darstellung wie Abb, 5, S. 86 : Seidenbrokatgewebe, Grund rot, Muster Gold,
reihen weis versetzt: Einem Füllhorn entsteigender Löwe, der von einem geflügelten
Drachen angegriffen wird, welcher auf einem Spruchbande steht, dazwischen ein fliegender
Drache. Arabisch-italisch unter chinesischem Einfluss 14, Jahrh.
8. Darstellung wie Abb. 5 , S. 89 : Seidenbrokatgewebe , Grund schwarzgrün,
symm. Muster Silber, reihemveis versetzt: Paare von pelikanartigen Vögeln stehen auf
dem Teile einer Palmette mit Spruchband, die in feinen Ranken mit Blattwerk herz-
förmig nach oben geschwungen sind; dazwischen kleine Tiere, Orient 13. Jahrh.
9. Darstellung wie Abb. 5, S. 94: Seidenbrokatgewebe, Grund rot, ' symm. Muster
Gold, reihenweis versetzt: Baumkronen sind mit hängenden Granatäpfeln durch Ast-
werk verflochten, auf welchem Panther an strahlender Sonne ruhen, zu der ein Adler
fliegt. Italien 14. — 15. Jahrh.
10. Darstellung wie Abb. 5, S. 96: Seidenbrokatgewebe, Grund rot, Muster
Gold, reihenweis wechselnd: Pelikan mit eingeschlungenem Y und springender Hund
mit eingeschlungenem S in Abkürzung von Yesus Salvator. Arabisch-italisch 14. Jahrh.
11. Darstellung wie Abb. 5, Tafel VI: Seidengewebe, Grund rot, symm. Muster
grün, reihenweis abwechselnd; Palmenbäume, an welchen Jungfrauen abwechselnd
Löwen und Hunde an der Kette halten; dazwischen Blütenranken und Palmetten.
Orient 13. Jahrh.
12. Darstellung wie Abb. 3, S. 33: Seidengewebe, Grund rot, symm. Muster
grün: Dichtes Zweigwerk und kleine Tiere, Italien 15. Jahrh.
Tafel VIII: Europäische Textilmuster der Neuzeit:
1. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1903, Heft 7: Entwurf zu einer
Aufnäharbeit von C. Schlotke in Barmen.
2. Darstellung aus : Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1902, Heft 9: Stickerei im Platt-
und Stilstich nach Entwurf von Prof. 0. Gussmann, ausgeführt von Frl. A. Angermann
in Dresden.
3. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1902 ^ Heft 11: Fächer mit ge-
klöppelter Spitze, Entwurf und Ausführung aus dem K. K. österr. Spitzenkurs in Wien.
4. Darstellung wie Abb. 3 ; Gesticktes Kissen, Entwurf und Ausführung aus der
K. K. österr, Kunstgewerbeschule in Wien.
5. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1903, Heft 1: Gedrucktes Stoff-
muster nach Entwurf von Erich Kleinhempel ausgeführt von Franz Geisberg, Chemnitz,
6. Darstellung aus: Deutsche Kunst und Dekoration, Darmstadt, Juni 1900, S. 424;
Krawattenstoffmuster nach Entwurf von Adolf Simon in Krefeld ausgeführt von Audiger
& Meyer daselbst.
7. Darstellung wie Abb. 4: Seidenstoffmuster nach Entwurf von Fräulein Elise
Unger in Berlin.
8. Darstellung wie Abb. 6, S. 419: Krawattenstoffmuster nach Entwurf von Karl
Meyer ausgeführt von E. Vogelsang in Krefeld.
9. Darstellung wie Abb. 6, S. 423: Möbelstoffmuster nach Entwurf von H. E.
Berlepsch-Valendas in München ausgeführt von Wellmann & Mink, Krefeld.
10. Darstellung wie Abb. 6, S. 419: Krawattenstoffmuster.
Stilisieren heist Naturformen für künstlerische Darstellung nicht in
voller Naturtreue, mit allen Zufälligkeiten der G-estaltung und Färbung, sondern
auf ihre G-rundformen zurückgeführt, benutzen.
Stippelarbeit, Stippelformen, Druckformen, insbesondere für Zeugdruck,
in deren Oberfläche Messingstifte, Stippelmodel, eingeschlagen sind, welche
entweder das Muster gänzlich oder doch einen Teil desselben bilden.
542 Stirliüg — StoffprüfuDgen.
Stirling, Hauptstadt gleichnamiger Grrafschaft in Schottland: Baumwoll-
und AVollwarenfabrikation ; besonders Teppiche.
Stockach, Stadt im bad. Kreis Konstanz: Zwirnerei- und Trikot web er ei.
Stockinet, veralteter geköperter Baumwollenstoff.
Stockport, bedeutender Fabrikort in der engl. Grrafschaft Chester: Baum-
wollspinnerei und Baumwollzeugfabriken; Garn-, Musselin und Seidenmanu-
fakturen.
Stoff (franz.: etoffe; engl.: stuff) nannte man früher die schweren Seiden-
zeuge, welche mit Taffet- oder Atlasgrund teils gemustert, teils broschiert,
teils auch mit Grold- und Silberfäden durchwirkt waren. Gegenwärtig begreift
man unter St. alle gewebten oder gewirkten Zeuge und spricht von leichten,
schweren, feinen, groben, weichen Kleider-, Sommer- oder Winter-, Möbel-,
Tapeten-, Gardinen- und dergleichen Stoffen.
Stoff etta, in Italien seidener Sammetstoff mit broschierten Blumen-
mustern im Taffetgrund.
Stoffprüfungen sind für ältere Textilien hinsichtlich ihrer Herkunft oft
von besonderer Wichtigkeit, für moderne Erzeugnisse sind sie dem gewissen-
haften Kaufmann, namentlich zur Beurteilung der gemischten Gewebe, unent-
behrlich; sie finden durch das Mikroskop oder durch chemische Beagen-
tien statt.
Die Leinen faser (Abb. 90) charakterisiert sich durch ihre walzen-
förmige, niemals platte oder stark um sich selbst gedrehte Gestalt, ferner durch
ihre schmale, oft nur als eine Längslinie erscheinende' Innenhöhle.
Als Hauptkennzeichen der Baumwolle (Abb. 89) dient deren zu-
sammengesunkene, glatte, bandförmige Beschaffenheit ; die lange Zelle ist in
der Begel pfropfenzieherartig um sich selbst gewunden. Während die Leinen-
faser eine sehr enge , häufig nur als Längslinie sichtbare Innenhöhle besitzt,
zeigt die Baumwollfaser, mehr oder weniger deutlich, eine breite Innenhöhle;
auch die schief gestreifte oder gegitterte Beschaffenheit der Zellwand ist für
die Baumwolle charakteristisch, ausserdem ist sie viel biegsamer und deshalb
mehr gekräuselt als die Leinenfaser.
Die Bastfaser der gemeinen Nessel (s. Nesseltuch) gleicht unter dem
Mikroskop der Baumwollzelle ; doch ist sie durch abwechselnde Erweiterungen
und Verengerungen von ihr zu unterscheiden.
Die Bastfaser des Hanfes (Abb. 91) ist lang und walzenförmig, aber
ungleich starrer als die Bastfaser des Leins. Die Innenhöhle der Zelle ist in
der Begel ziemlich weit, die Wand ist stark verdickt, die Yerdickungsschichten
treten meistens als Längsstreifen der Wand deutlich hervor, auch zeigen sich
hier und da etwas schiefgestellte Querlinien und die Porenkanäle.
Die Bastzellen des neuseeländischen Flachses sind sehr lang,
glänzend, weiss, seltener gelblich gefärbt. Gleich der Leinenfaser ist sie walzen-
förmig und wie diese stark verdickt; ihre Innenfläche erscheint in der Begel
als einfache Längslinie, es fehlt jede Streifung irgend einer Art.
Das Chinagras, welches das sogen. Grasleinen (gras-cloth) liefert, ist
durch den Glanz seiner Fäden und seine Stärke ausgezeichnet. Die Faser ist
sehr lang, starr und bandförmig wie die Baumwolle, aber nicht wie diese, der
sie an Breite gleichkommt, um sich selbst gewunden.
Die Wolle (Abb. 88) ist ein röhrenförmiges, aus zahlreichen, ver-
schieden gebauten Zellen zusammengesetztes Gebilde, welches aus der sogen.
Haarwurzel, die in der Haut des Tieres eingebettet liegt, hervorwächst. Unter
dem Mikroskop erscheint die W. als eine walzenförmige Bohre, welche mit
dachziegelförmig sich deckenden Schuppen bekleidet ist. Die Haarröhre selbst
wird von zahlreichen faserartigen, dicht aneinander liegenden Längszellen ge-
bildet, welche ein zentrales Mark, aus kleineren, meistens undeutlichen Zellen
bestehend, umgeben.
Der Seidenfaden (s. Seide) ist glatt, walzenförmig, strukturlos, ohne
eigentliches Ende und ohne Innenhöhle; die Breite des Fadens ist nach der
Seidenart verschieden; in der Hegel ist die Breite des Fadens überall dieselbe.
Stoffprüfungen. 543
Die Oberfläche ist glänzend, nur in seltenen Fällen erblickt man kleine Un-
ebenheiten oder Eindrücke.
Die P r ü f XT n g der Leinwand besorgt der erfahrene Händler zunächst
durch das Auge und das Gefühl; aber nicht jede Ware ist von gleicher Glätte
und gleichem Glanz. Schon die Leinwand aus Handgespinst ist glänzender,
als das aus Maschinengarn gefertigte Gewebe. Auch eine aus gebleichtem
Garn gewonnene Leinwand ist nicht so glatt, als das im Stück gebleichte Leinen.
Das Mikroskop oder die Weberlupe zeigt die Ursachen der grösseren oder
geringeren Glätte des Fadens : das feine Handgespinst ist weniger gedreht als
der Faden des Maschinengarns , die Oberfläche des Fadens aus ersterem ist,
wie es scheint, mehr angegriff'en, die Fasern sind rauher, der Faden erscheint
deshalb nicht so glänzend. Eine mit Baumwolle untermischte Leinwand hat
selten ein so glattes, glänzendes Ansehen als die reine, feine Leinwand. Der
Baumwollfaden erscheint unter der Lupe rauher und weniger abgerundet, das
gemischte Gewebe ist deshalb häufiger scheinbar feiner als die reine Leinwand.
Üebrigens verändert die Art der Appretur das Ansehen der Gewebe: eine
stark mit Kleister appretierte Leinwand ist natürlich glänzender und steifer
als ein schwach appretiertes Leinengewebe. Je gleichmässiger der Leinenfaden
unter der Lupe erscheint und je glatter, länger und gleichmässiger die Bast-
zellen der einzelnen Fäden sind, um so vorzüglicher ist die aus diesen Fäden
gewebte Leinwand (Abb. 93). So selten nun ein gemischter Faden aus Baum-
wolle und Leinen vorkommt, so häufig enthält die Leinwand, neben aus der
Leinenfaser bestehenden Fäden, solche aus Baumwolle : dahin gehört z. B. die
sogen. Halbleinwand.
Die wichtigeren Prüfungsmethoden zur Erkennung der Baumwolle
in Leinengeweben, denen eine Entfernung jeglicher Appretur durch Auswaschen
vorangehen muss, sind folgende :
Die Oelprobe für ungefärbte Gewebe. Man taucht ein Stückchen der
zu prüfenden Leinwand in Baumöl oder Büböl, welches vom Gewebe alsbald
aufgesogen sein wird. Durch gelindes Pressen zwischen Löschpapier entfernt
man das überflüssige Oel. War das Gewebe gemischt, so erscheint dasselbe
gestreift: der Leinenfaden wird durchsichtig, der Baumwollfaden bleibt un-
durchsichtig.
Die Yerbrennungsprobe. Ein Leinfaden, in senkrechter Stellung
angebrannt, erscheint nach dem Erlöschen der Flamme am angebrannten Ende
in glatter, zusammenhängender Form verkohlt, während ein Baumwollfaden,
ebenso behandelt, sich pinselförmig auseinanderspreizt. Auch mit gefärbter
Ware gelingt der Versuch, wenn das Gewebe frei von Chromgelb ist.
Die Kaliprobe. Aus Leinfasern bestehende Gewebe sollen in einer
kochenden konzentrierten Kalilauge innerhalb zwei Minuten tiefgelb gefärbt
erscheinen, während aus Baumwolle bestehende Gewebe eine nur schwach-
gelbe Färbung annehmen; gemischte Gewebe sollen nach dieser Methode ge-
streift erscheinen.
Die Schwefelsäureprobe. Nachdem man eine Probe des Stoffes
ein bis zwei Minuten in gewöhnliches englisches Vitriolöl getan hat, legt man
sie zur Entfernung der Säure in Wasser, welches die aus der Baumwolle er-
zeugte gummiartige Masse auflöst. Zur schnelleren Beförderung der Säure
tut man den Stoß" noch in Salmiakgeist und wäscht ihn nochmals aus. Nach
Abpressen der Feuchtigkeit mittels Löschpapiers ist das Resultat festzustellen.
War Baumwolle vorhanden, so fehlen dieselben in dem Gewebe.
Die Farbeprobe mit rotfärbenden , weingeistigen Tinkturen. Beine
Leinengewebe färben sich beim Eintauchen in einer Viertelstunde gleichförmig
orangerot, reine Baumwollgewebe gleichförmig gelb; ist das Gewebe gemischt,
so erscheinen die Leinenfäden gelbrot, die Baumwolle gelb, das Ganze gestreift.
Leinenfaser in Salpetersäure getaucht, färbt sich nicht.
Beine Baum wollengewebe wird man nicht mit reinen Leinengeweben
verwechseln können. Mit Jod oder Schwefelsäure behandelt, quillt die Faser
auf, sie verkürzt sich dabei, färbt sich schön blau und windet sich hin und
544 Stoffsammlungen.
her und es erscheinen dunkelblaue Ringe oder Spiralen, ähnlich wie bei der
Leinenfaser. Englische Schwefelsäure löst die Baumwollfaser etwas schneller
als die Leinenfaser; Jodlösung für sich färbt sie gelber als die L.
Die äusseren Schichten der Nesselfaser quellen unter Jod und
Schwefelsäure als breite, die inneren Schichten dagegen als sehr dicht ge-
wundene zarte Spiralbänder auf. In englischer Schwefelsäure wird die N.
nicht so schnell aufgelöst als die Baumwolle.
Die Hanffaser wird durch Jod und Schwefelsäure blau gefärbt, die
Säure wirkt nicht so schnell als auf die Baumwolle oder Leinenfaser, auch
winden sich die aufquellenden Schichten selten spiralförmig. Gregen Aetzkali
und gegen Salpetersäure u. s, w. verhält sich die Hanffaser ähnlich wie die
Leinenfaser; doch färbt sie sich, wahrscheinlich wegen ihres grösseren Gehaltes
an Holzstoff, in kochender Kalilauge ungleich gelber.
Neuseeländischer Flachs wird von Jod und Schwefelsäure in der
Kegel erst blau gefärbt und quillt dann ähnlich wie die Leinenfaser auf.
Das Chinagras wird von Schwefelsäure viel langsamer als die Baum-
wolle und Leinenfaser angegriffen; kochende Aetzkalilösung färbt dieselbe
hellbraun, Jod und Schwefelsäure blau, sie quillt dabei langsamer als
Leinen auf.
Die "Wolle verbreitet beim Verbrennen den Greruch einer verbrannten
Feder; Zucker und Schwefelsäure färben sie rosenrot, letztere zerlegt das
Haar in seine einzelnen Teile, greift sie aber nur sehr langsam an. Kalte
Aetzkalilösung wirkt auch nur langsam auf das Haar, kochende dagegen löst
es rasch und vollständig auf. Jod und Schwefelsäure färben das Wollenhaar
niemals blau.
Der Seiden faden wird von der englischen Schwefelsäure sehr schnell
gelöst und in eine klebrige, schleimige, fadenziehende, sich mit Wasser schwer
vermischende, halbflüssige Masse verwandelt ; während das Wollenhaar derselben
Schwefelsäure lange widersteht. Das Aufquellen der Seide in der Schwefel-
säure erfolgt von aussen nach innen, die innerste Partie erhält sich bisweilen
für einige Minuten als festes walzenförmiges Stäbchen, während die äusseren
Teile, ohne deutliche Schichtung zu zeigen, bereits aufgequollen sind. Zucker-
und Schwefelsäure färben den sich rasch auflösenden Seidenfaden schneller als
die Wolle rosenrot; Jod und Schwefelsäure bewirken, wie bei der Wolle,
keine blaue Färbung. Von kochender Aetzkalilösung wird die Seide rasch
und vollständig aufgelöst. Verbrennende Seide riecht wie eine verbrannte Feder.
Bei Vermischung von Wolle und Baumwolle prüft man, indem
die zerzupften Fäden des farblosen Gewebes mit Jodlösung angefeuchtet
werden und man einen Tropfen Schwefelsäure damit in Verbindung bringt, wo-
durch im Falle des Vorhandenseins von Baumwolle eine schöne blaue Fär-
bung hervortritt, während die vorhandene Wolle kaum bemerkbar ange-
griffen wird.
Als chemische Probe auf Wolle und Seide genügt die Anwendung
englischer Schwefelsäure. Taucht man ein reines Seidenzeug dahinein, so löst
sich dasselbe in wenigen Sekunden zu einer weichen, klebrigen, in Wasser,
wie es scheint, schwer löslichen Masse auf. Waren Seide und Wolle durch-
einander gewebt, so verschwindet die Seide, während letztere ziemlich unver-
ändert zurückbleibt; ist auch Baumwolle dabei, so verschwindet auch diese,
aber ungleich später als die Seide. Ist ein seidenes Gewebe mit Baum-
wolle vermischt, so bleibt die letztere, wenn man dasselbe mit Aetzkali-
lösung kocht, unvörändert zurück; die Seide sowohl als die Wolle, wenn solche
vorhanden ist, sind durch das Aetzkali vollständig verschwunden,
Stoffsammlungen entstanden um die Mitte des 19. Jahrhs., zunächst im
Interesse der kirchlichen Ornate, welchen mittelalterliche Vorbilder zugrunde
gelegt werden sollten. Der Kanonikus Dr. Franz Bock aus Aachen war einer
der ersten, welcher die Aufmerksamkeit auf die in alten Kirchen befindlichen
Textilien (s. textile Kirchenschätze) lenkte und auch ihre Muster modernen
Zwecken dienstbar machte. Mit der Gründung von Kunstgewerbemuseen zur
Stoffsammlungen. 545
Förderung des allgemeinen Geschmackes musste auch der Pflege textiler Künste
besonders gedacht werden* denn wohl nirgends waren die bescheidensten
Grenzen des Schönheitssinnes so verletzend überschritten, als gerade auf diesem
Gebiete der Kunstindustrie, dessen notwendige Erzeugnisse in der persönlichen
Bekleidung und häuslichen Umgebung am meisten verbreitet sind. Das Be-
dürfnis der Benutzung älterer Vorbilder hat im Laufe der Zeit dahin geführt,
dass bei der Anlage von Fachschulen der Textilindustrie auch direkt daran
angeschlossene Stoffsammlungen für technische und künstlerische Studien ein-
richtet wurden, und nicht allein aus Liebhaberei nennen Textilfabrikanten einen
kleinen Originalmusterschatz ihr eigen. So haben die letzten fünf Jahrzehnte
ein erstaunliches Material an Geweben, Stickereien, Spitzen und Teppichen
aller Zeiten und Völker aus Gräbern, Kirchen und Schlössern zutage gefördert
und einen gewaltigen Umschwung in Geschmack und Technik aller textilen
Künste herbeigeführt. Aber nicht minder sind diese Stoffsammlungen ein un-
entbehrliches Hilfsmittel geworden zur Darstellung wichtiger Gebiete innerhalb
der Geschichte der Menschheit. Von öffentlichen Stoffsammlungen besonderen
Inhalts (s. Ausführliches bei den einzelnen Städten) sind bekannt:
Aachen: Städtisches Suermondt-Museum, Führer von Dr. Kisa, 1902. —
Amsterdam: Niederländisches Museum, vgl: Kalf, Catalogus van de textile
Kunst weefsels, gobelins, tapyten, borduurwerk in het Nederlandsch Museum voor
Geschiedenis en Kunst te Amsterdam, 1903. — Barmen: Preussische höhere
Fachschule für Textilindustrie: alte und neue Gewebe, Stickereien, Spitzen und
Posamenten. — Berlin: Königl. Kunstgewerbemuseum, Führer von Julius Lessing,
1890; vgl. auch: Gewebesammlung des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin,
Herausgegeben von Julius Lessing, Abbildungswerk von 400 Tafeln. Vorbilder-
hefte (Nr. 13) aus dem Kunstgewerbemuseum zu Berlin, Herausgegeben von
Jul. Lessing, Berlin 1891: Orientalische Teppiche. — Königl. Museum für
Völkerkunde, vgl. den allgemeinen Führer. — Kaiser Friedrich-Museum:
Wirkereien, Gewebe und Stickereien der altchristlichen Zeit. — Abteilung
für ägyptische Altertümer der Königl. Museen: altägyptische und koptische
Stoffe. — Städtische höhere Webeschule : alte und neue Gewebe ; Stoffsammlung
Grunow: vornehmlich Stickereien, Katalog von Max Heiden, 1901. — Samm-
lung des Museums für Deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Haus-
gewerbes, vgl. allgemeinen Führer, 1895. — Bern: Historisches Museum;
vgl. auch: Der Paramentenschatz im historischen Museum zu Bern, 1895. —
Bologna: Städtisches Museum, allgemeiner Führer. — Braunschweig:
Herzogliches Museum: mittelalterliche Messgewänder; vgl. H. Biegl, die
SammJuDg mittelalterlicher Gegenstände, 1879 u. 1884. — Breslau: Museum
schlesischer Altertümer: Gewebe, Stickereien, Spitzen u. s. w. aller Zeiten und
Völker. — Brunn: Mährisches Gewerbemuseum: Textilien, vornehmlich der
mährischen Hausindustrie. — Brüssel: Museum am Porte de Hai: Lyoner
Gewebe des 17. u. 18 Jahrh. — Sammlung Errera, vgl. Collections d'anciennes
etoffes, 1901. — Budapest: Kunstgewerbemuseum: Weberei und Stickerei
südslawischer Hausindustrie. — Chemnitz: Gewerbemuseum des Handwerker-
vereins. — Städtische Vorbildersammlung: Aeltere und neuere Gewebe, Tapeten,
Stickereien und Teppiche. — Darmstadt: Textilsammlung der Grossherzog-
lichen Zentralstelle für Gewerbe. — Dortmund: Städtisches Museum. —
Dresden: Kgl. Kunstgewerbemuseum; vgl. die Veröffentlichungen aus dieser
Sammlung von E. Kumsch: 1. Stoffmuster des 16. — 18. Jahrh., Leipzig 1888
bis 1895; 2. Spitzen und Weissstickereien des 16. — 18. Jahrh., Leipzig 1889;
3. Leinendamastmuster des 17. u. 18. Jahrh., Leipzig 1891 ; 4. Muster orienta-
lischer Gewebe und Druckstoffe, Leipzig 1893. — Dortmund: Städtisches
Museum. — Dublin: Gewerbemuseum. — Düsseldorf: Kunstgewerbe-
museum; vgl.: Wegweiser durch die Textilsammlung des Herrn Dr. F. Bock,
1884; Bock, Katalog frühchristlicher Textilfunde, 1886; Orientalische Stoffe
und frühitalienische Stoffe für den Orient, 1890. — Edinburgh: Gewerbe-
museum. — Florenz: Textilmuseum; vgl. Catalogue of textile fabrics at the
gallery of tapestries in Florence, 1891. — Fr ankfurt a. M. : Sammlung der
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 35
546 Stoffsammlungen.
Kimstgewerbeschule: Stoffe, Stickerei und Spitzen. — St. Gallen: Kunst-
gewerbeschule. — Genf: Kunst- und Gewerbemuseum. — Hamburg: Museum
für Kunst und Gewerbe ; vgl. Justus Brinckmann, Das Hamburgische Museum
für Kunst und Gewerbe, Leipzig 1894, S. 17 — 97. — Hannover: Kunst-
gewerbemuseum: Stoffe, Stickereien und Spitzen, grösstenteils von Dr. Bock
zusammengebracht. — Hirschberg i. Schi. Gewerbeverein: Erzeugnisse der
heimischen Leinenindustrie und Spitzen. — Jena: Städtisches Museum:
Stickereien und Kostüme. — Kaiserslautern: Pfälzisches Gewerbemuseum. —
Karlsruhe: Grossherzogl. Sammlung für Altertums- und Völkerkunde: Samm-
lung Badischer Trachten im Kunstgewerbemuseum : Stoffe, Stickereien, Spitzen
und Posamenten. — Kiel: Thaulow-Museum, Kunstgewerbemuseum der Prov.
Schleswig-Holstein: Renaissancestickereien, Bauernwebereien. — Köln: Städti-
sches Kunstgewerbemuseum : Stoffe, Stickereien, Spitzen u. s. w. aller Zeiten
und Völker. — Erzbischöfliches Museum: Mittelalterliche Gewebe und
Stickereien. — Sammlung des Domherrn Prof. Dr. Schnütgen: Kirchliche
Gewänder, mittelalterliche Gewebe, Stickereien u. s. w. — Krefeld: Königl.
Gewebe Sammlung; vgl. lieber Gewebemuster früherer Jahrhunderte, von Paul
Schulze, Krefeld, Leipzig 1893. — Kristiania: Kunstindustriemuseum; vgl.
den allgemeinen Führer und die Veröffentlichungen vonH. Grosch, Altnorwegische
Teppichmuster, Berlin 1888; Altnorwegische Bildteppiche im Kunstindustrie-
museum zu Kristiania, Berlin 1901. — Landsberg i. Bayern: Geschicht-
liches Museum: Webeindustrie und Trachten. — Leipzig: Städtisches Kunst-
gewerbemuseum; vgl. Künstlerische Nadelarbeit und" Handweberei, Führer
durch eine Ausstellung, 1902; Ornamentale und Kunstgewerbliche Sammel-
mappen, Serie IV u. V, Leipzig 1893: Spitzen des 16. — 19. Jahrh. aus der
Sammlung des Kunstgewerbemuseums in Leipzig. — Lindau: Städtisches
Museum: Stickereien, Kostüme und Hauben aus heimischen Familien. —
London: South Kensington Museum ; vgl. Rock, Textile fabrics ; a descriptive
catalogue of the collection of church — vestments, dresses, silk stuffs, needle-
works and tapestries, forming that section of the S. K. M. London 1870; Cole,
A descreptive catalogue of the collection of tapestry and embroidery in the
S. K. M. London 1888; Porte folio of industrial arts u. s. w., London; Art hand-
books: Textil fabrics, illustrated, 1876. — Lyon: Textilsammlung im Börsen-
palais ; vgl. Armbruster, Specimens de soieries et tissus faisant partie des
collections du mussee (Lyonais) d'art et l'industrie; Cox, l'art de decorer les
tissus d'apres les collections du musee historique de chambre de commerce de
Lyon. Paris 1900. — Magdeburg: Städtisches Kunstgewerbemuseum. —
Manchester: Städtisches Museum. — Mailand: Museum Poldi Pezzoli:
Spätitalienische Gewebe. — Mülhausen i. Elsass: Museum für industrielles
Zeichnen: Stoffe, Musterproben aller Perioden der Müblhauser Industrie seit
ihrer Begründung 1746, in Foliobänden nach Jahrgängen geordnet. — München:
Bayrisches Nationalmuseum: Fachsammlung von Textilarbeiten und Volks-
trachten in der Abteilung für allgemeine Kulturgeschichte. — Münster:
Bischöfliches Museum für christliche Kunst: Beiche Sammlung von alten
Kirchengewändern, Erzeugnisse der frühen Textilarbeiten und Stickereien. —
Nottingham: Museum von Castle: Spitzensammlung. — Nürnberg:
Germanisches Museum; vgl. Hampe, Katalog der Gewebe, Wirkereien und
Zeugdrucke, 1896; Stegmann, Katalog der Stickereien, Spitzen und Posa-
mentierarbeiten, 1901; Bayrisches Kunstgewerbemuseum: Mittelalterliche und
Benaissancegewebe. — Paris: Musee pour l'art et industrie; Musee du Louvre;
Textilsammlung im Hotel Cluny. — Petersburg: Nationalmuseum; Museum
für Volksindustrie. — Prag: Sammlung des Kunstgewerbemuseums. —
Beichenberg i. Böhmen: Nordböhmisches Gewerbemuseum: reiche Samm-
lung aller Textilien. — Bom: Museum für Kunst und Industrie. — Sig-
maringen: Fürstl. Hohenzollernsches Museum; vgl. Verzeichnis der Textil-
arbeiten, 1874. — Stuttgart: Königl. Landesgewerbemuseum: Führer durch
die Stoffsammlung von Max Heiden (in Arbeit). — Trier: Bischöfliches
Museum. — Turin: Kunstgev^rerbemuseum: mittelalterliche Stoffe. — Wien:
Stola— Stradellas. 547
K. K. Oesterreich. Museum für Kunst und Industrie; vgl. die mit besonderer
Hücksicht auf die Sammlungen dieses Museums herausgegebenen Werke von
Dr. M. Dreger: Entwickelungsgescbichte der Spitzen, Wien 1901 und Künst-
lerische Eutwickelung der Weberei und Stickerei, Wien 1904. — Zürich:
Sammlung der Webeschule: Spätes Mittelalter, Renaissance, Epoche Louis
XIV. u. XV. —
Stola (lat.: stola; franz.: etole; engl.: stole); bei den Byzantinern ein
langwallendes Erauengewand mit langen Aermeln, meist aus Seide, auch von
den Kaisern (in weisser Seide) getragen, ebenso von Beamten und Priestern.
St. in der katholischen Kirche ein (aus dem Schweiss- und Mundtuche, orarium)
entstandener Zeugstreif, welchen der Priester um den Hals legt und mit beiden
Enden vorn bis zum Knie hängen lässt, je nach der AVürde frei, oder auf der
Brust oder an der rechten Hüfte verschlungen. St. heisst auch ein Achsel-
band, vom italienischen Adel bis zum 17. Jahrh. je nach dem Rang, über der
rechten oder linken Schulter, vorn oder hinten herabhängend getragen. Ein
der St. ähnliches Grewandstück tragen auch die älteren französischen und eng-
lischen Könige, ähnlich bei der englischen reformierten Greistlichkeit ; ebenso
legten sich die Dogen Venedigs im 16. Jahrh. über die reich gestickten Seiden-
oder Sammetgewänder Streifen prächtiger Stoffe, die man Stolen nannte.
Stollberg in Sachsen bei Chemnitz: mechan. Weberei und Zwirnerei,
Damastweberei, Fabrikation von Strumpfwaren, Strumpfmaschinen, Strumpf-
stuhlnadeln und Watte.
Stonehaven, Hauptstadt der schott. Grrafschaft Kincardine: Leinweberei.
Stopfen, eine Nadelarbeit zur Ausbesserung von G-eweben oder Stricke-
reien, mittels welcher die fehlenden oder zerrissenen Fäden durch neue ersetzt
werden. Je nach Art des Grewebes kann man die Schussfäden desselben zum
St. verwenden, sonst wählt man am besten ausgefaserte Fäden eines neuen,
dem alten entsprechenden Stoffes. Es gibt vier Stopfarten: die Leinwand-
stopfe, Atlas- oder Köperstopfe, Damaststopfe und die ver-
lorene oder unsichtbare Stopfe. Alle Stopfarten sind nach eingezogenen
Längen oder Kettenfäden auf der linken Seite des auszubessernden Gewebes
auszuführen. Das St. selbst erfolgt möglichst nach der Textur des Gewebes,
man hat hierfür besondere Stiche. Beim Strumpfstopfen wird unterschieden:
die gewöhnliche Gitterstopfe mit rechtwinklig sich kreuzenden Fäden
und die weit mühsamere Maschen- oder Strickstopfe, durch welche die
Textur des gestrickten Strumpfes nachgeahmt wird. In neuerer Zeit hat man
versucht, für das Strumpfstopfen Maschinen (Stopfmaschinen) zu konstruieren,
doch sind dieselben bis jetzt ohne praktische Bedeutung. In der Tuchfabri-
kation heisst St. speziell das Zunähen der beim Scheren des Tuchs entstandenen
kleinen Löcher, das durch besondere Arbeiterinnen geschieht.
Stoppgarn, Plattgarn, fil plat oder fil au grelot, eine Sorte französischer
und holländischer weissgebleichter Garne, wird in Nummern 14 — 20 assortiert
und zum Steppen und Sticken der Linons, Cambrics und Batiste verkauft.
Store (franz.), (ital.: stora); Rollvorhang , insbesondere die reicher ge-
musterten Gardinen in voller Fensterbreite; die Bezeichnung ist auch über-
tragen auf die chinesischen und japanischen Papiervorhänge.
StÖSSel, die horizontal liegenden Nadeln der Jacquardmaschine.
Stösselleinwand, Tele Carolina, eine mittelfeine, weiss gebleichte Lein-
wand, welche früher in Italien sehr begehrt war: sie kam aus Schlesien.
Stossnaht nennt man die durch besondere Stichart verbundenen Webe-
kanten von Leinenstoffen, sie findet namentlich da Anwendung, wo die Breite
des Gewebes unzulänglich ist.
Stout, modern^ Stoffart; s. v. w. Nessel.
Strabane, Stadt in der irischen Grafschaft Tyrone: bedeutende Leinen-
weberei.
Stradella, Stadt in der ital. Prov. Pavia: Seidenraupenzucht, Seiden-
weberei, Tuchmanufaktur.
Stradellas nennt man die aus den franz. Manufakturen kommenden
548 Straelen — Streichgarnspinnerei.
wollenen Shawls mit Damastmuster. Die schönsten kommen aus Paris und
Lyon, leichtere und wohlfeilere aus Nismes, ßeims und Roubaix.
Straelen, Flecken im preuss. E,eg.-Bez. Düsseldorf: Sammet- und Seiden-
weberei.
Stragulum (lat.), Decke, Teppich; stragalatus pannus, buntgestreifter
Stoff; stragula vestis, aus solchem gefertigtes G-ewand; stragulum funebre,
Leichentuch; stragula heisst auch das Yespertuch, welches zum Schutz über
den Altartüchern liegt.
Strähn, Strehn (franz.: echeveau; engl.: hank), ein Grarnmass : 1) Im Königr.
Sachsen zu 2 Zaspel ä 20 Gebind ä 20 Faden ä 3 Ellen (2 m) für ^j^ baum-
woll. Garn oder ä 4 EUen (2% m) = 2400 Ellen = 1359,312 m resp.
3200 Ellen = 1812,416 m. 2) In England ist 1 St. baumw. Garn = 840 Yards
= 768 m, 1 St. Maschinengarn = 3000 Yards = 2742 m, 20 St. = 1 Bündle
oder Bündel. 3) In Frankreich hat der St. 10 echevettes oder Gebinde
a 1000 m Länge, d. h. 70 Fäden ä 14^/7 m Länge.
Straits, im englischen Tuchhandel die geringen und schmalen Tücher aus
der Grafschaft Cornwall.
Strakonitz, Stadt in Böhmen: Wollspinnerei, bedeutende Fabrikation
der türkischen Feskappen (seit 1805).
Stralau, Dorf im preuss. Eeg.-Bez. Potsdam: Jutespinnerei und -Weberei;
Fabrikation von Teppichen.
Stramin (lat.: estramen; franz.: canevas, auch etamine = Siebtuch,
Beuteltuch, Haartuch; engl.: canvass; holländ. : stamijnj; sehr weitläufiges und
so aus kleinen offenen Quadraten bestehendes Gewebe von stark gezwirntem
Garn, als Grundstoff für Stickerei, besonders Kreuzstich (s. d.), s. v. w. baum-
wollener oder seidener Kanevas (s. d.). Schuhstramin oder Schuhkord heisst
ein namentlich zu Pantoffeln verwendeter Stoff, der teils aus grobem Kamm-
garngespinst, teils aus Baumwolle besteht und auf einfarbigem Grunde kleine
bunte Muster zeigt.
Strasses heisst die gewöhnliche Florettseide, welche zu Westenzeugen
und anderen Geweben verwendet wird.
Straussberg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Potsdam: Fabrikation von
groben Tuchen, Federplüsch, Kammgarnstoffen, Flanell und Teppichen.
Strazza (vom ital. straccia), die Abfälle beim Mulinieren der Bohseide
und bei der Bearbeitung der Florettseide.
Strazzen, s. v. w. Lumpen, Hadern.
Strecken, in der Spinnerei die Fasern recken und parallel legen.
Strehlen, Kreisstadt im preuss. Beg.-Bez. Breslau: bedeutende Weberei
als Hausindustrie.
Streichbaum, am Webstuhl eine unbeAvegliche vierkantige Latte, über
welche das gewebte Zeug von dem Brustbaum auf den Zeugbaum geht; oder
an kurzen Webstühlen ein unbeweglicher senkrechter Baum unter oder über
dem Kettenbaum, von dem kommend die Kette sich um den Streichbaum fast
rechtwinkelig nach dem Brustbaum wendet.
Streichgarn, s. Wollengarne.
Streichgarnspinnerei. Die Herstellung des Streichgarnes, d. h. des
Gespinstes aus Streichwolle, erfordert einige Yorbereitungsarbeiten, welche
wesentlich in dem Waschen der Wolle, dem Färben, der Ausscheidung etwa
anhängender Kletten, dem Auflockern durch den sogen. Wolf und dem Ein-
fetten bestehen; die unmittelbare Yorbereitung zum Spinnen wird aber durch
das Krempeln oder Streichen gleich dergestalt bewirkt, dass die letzte Krempel
auch das Yorgarn bildet, woran sich unmittelbar das Feinspinnen reiht. Die
St. hat in neuerer Zeit für fast alle Faserstoffe Anwendung gefunden, so für
alle Schafwollsorten, für Baumwolle, Tierhaare verschiedenster Art, für Abfälle
der Kammgarn-, Baumwoll-, Hanf-, Flachs- und Seidenspinnerei, für durch Auf-
lösen von Lumpen und Fäden wiedergewonnener Kunstwolle, für Asbest u. s. w.
Der Unterschied des Streichgarnspinnverfahrens gegenüber den unter sich
ziemlich gleichartigen Spinnverfahren (s. Spinnen) der Kammgarn- und Baum-
Streichköper — Strickerei. 549
Wollspinnerei besteht darin, dass die besonderen Maschinengattungen für
Strecken und Doppeln und für Yorspinnen in Wegfall kommen. (Vgl. Otto
Luegers Lexikon der gesamten Technik u. s. w. Bd. 7, S. 561 und die dazu
angegebene vielseitige Literatur.)
Streichköper nennt man häufig den Cassinet, dessen Schuss aus Yigogne-
garn besteht , wodurch dieser ein feineres , glatteres Aussehen und einen
weicheren Grrifif erhält.
Streichriegel, Vorrichtung am Webstuhl zwischen dem Brust- und
Warenbaum, über welchen die fertige Ware geht.
Streichserge, Strichserge, ein geköperter, tuchartiger Wollenstoff, eine
der Hauptarten aller S.-stoffe, deren Kette aus Kammgarn, der Schuss aus
Streichgarn besteht. Er wird nach dem Färben am Rahmen mit der Bürste
stark gestrichen.
Streichwolle, s. Wolle.
Strepsikeroswolle, Schafwolle von der Insel Gandia, länger aber gröber-
als die unserige.
Streublumen , kleine Blumen und Blätter, welche regelmässig oder un-
regelmässig über eine Fläche ausgestreut sind, sie sind als Stoffmuster der
Spätrenaissance in Italien beliebt (s. a. Semees und Streumuster).
Streumuster (franz.: dessin de jeter; engl.: aspersed pattern), ein
solches Muster, welches auf freiem Grund einzelne Figuren, namentlich Blumen,
Sterne oder dergl. in Abständen — ohne Zusammenhang untereinander —
enthält. St. aus Blumensträussen (Eichenzweigweik und Nelken) werden im
17. Jahrh. für die sogen, spanische Tracht gebräuchlich (s. E,enaissance und
Abbildungen auf Tafel V) ; Muster im gleichen Sinne, dazwischen mit kleinen
Tieren, erscheinen in Italien schon einmal am Anfange des 15. Jahrhdts.
(vgl. Abb. 12 auf Tafel LEI).
Strichstich, s. Holbeinstich.
Strickerei (franz.: tricotage, estame; engl.: knitting; ital. : far lavori
a magli, far calze ; span. : hazer media) ; Nadelarbeit, bestehend in dem Flechten
oder in der künstlichen Verschlingung eines einzigen Fadens in Maschen ohne
Knoten, wodurch die Arbeit das Ansehen eines gewebten Stoffes erhält, dessen
Faden sich aber wieder aufziehen oder auffädeln und von Neuem bearbeiten
lässt, der sich auch, ohne zu zerreissen, ausdehnt und sich wieder zusammen-
zieht. Das Stricken wurde um 1550 erfunden; es wird berichtet, dass Hein-
rich VIII. von England um 1547 ein Paar „Tricots" aus Spanien bekommen
habe; in Frankreich erschien Heinrich IL zuerst 1559 in Tricots; William
ßider war 1564 der erste Stricker in England. 1589 hatte William Lee in
Cambridge den Strumpfstrickstuhl (s. Wirkerei) erfunden, musste aber vor
den Handstrickern nach Frankreich fliehen, wo er sich zu Houen niederliess
und dort mehrere Jahre mit Glück arbeitete, starb aber zu Paris in einer sehr
dürftigen Lage. Zwei seiner Leute blieben in Frankreich, die übrigen kehrten
nach England zurück, um den ersten Grund zur Strumpfwirkerei zu legen,
welche lange Zeit dort allein heimisch war. Im Jahre 1614 Hess der veue-
tianische Gesandte heimlich den ersten Stuhl nebst Arbeitern nach Venedig
schaffen und 1664 wurde die erste Strumpfmanufaktur auf einem Schlosse im
Gehölze von Boulogne, nahe bei Paris errichtet. Nach Deutschland wurde
(zuerst in Sachsen) der Strumpfwirkstuhl durch David Esche von Limbach zu
Anfang des 18. Jahrh. eingeführt. Die Strickerei besteht aus Schlingen, auch
Maschen genannt, die mittels Fadens und zweier Nadeln gebildet werden.
Zur Ausführung kreis- oder zylinderförmiger Gegenstände nimmt man 4 oder
5 Nadeln. Mit einer auf linker Handnadel durch Knüpfen dargestellten Masche
wird durch die in Jer rechten Hand befindlichen Nadel eine neue Masche ge-
bildet und von einer zur andern Nadel abgehoben. Man nennt „Maschen
anlegen" oder „anschlagen" das Bilden der Grundmaschen, auf welchen die
Arbeit dann ausgeführt wird. Der Faden wird in Deutscialand hierbei über
die linke Hand gelegt und zwischen dem fünften und vierten Finger, von aussen
nach der inneren Hand, zwischen dem vierten und dritten Finger, aus und
550 Strickgarn — Strümpfe.
zweimal um den kleinen Finger laufen gelassen. In Frankreich, England und
Italien läuft der Faden einfach über die linke Hand. Es gibt vier Arten,
die Maschen anzuschlagen: der Kreuzanschlag auf viererlei Weise, das Auf-
stricken, das Aufschleifen auf zweierlei Weise und den Oehrenanschlag. Durch
viele Fadenverschlingungen entstehen auch verschiedene Maschen : d. h. glatte
oder rechte Maschen, wonach man von Glattstricken und E,echtsstricken
spricht, verkehrte oder linke Maschen, womit Krausstrickerei oder Links-
strickerei ausgeführt wird. Das Abwechseln beider Verfahren heisst
Verdrehen. Durch Hohlmaschen werden Löcher in festgestrickten
Flächen beim Musterstricken gebildet, sie entstehen, indem dqr Faden über
die Nadel gelegt und die so entstandene Schlinge bei der nächsten E-eihe als
Masche abgestrickt wird. In Verbindung mit anderen Maschen werden auch
Knötchen oder Knöpfchen maschen gebildet, die wie Schnürmuster auf-
liegen. Kettenmaschen werden am E,ande solcher Arbeiten angeblendet,
die man streifenweise ausführt: sie bilden eine Kette, welche den Kanten der
Strickerei mehr Festigkeit und Gleichheit gibt; auch werden sie zum Zwecke
des leichteren Auffassens der Endmaschen gemacht. Eine Masche von der
linken Nadel auf die rechte gleiten lassen, ohne sie abzustricken, heisst ab-
heben; je nach dem Zusammenfassen der Maschen spricht man von glatt,
verkehrt, glatt verkehrt oder verkehrt v e r d r e h t abnehmen. Unter
Zunehmen für Erweiterung eines Strumpfes versteht man das Fassen nur
einer Masche und das Anknüpfen mehrerer daran; ebenso gehören das Auf-
nehmen oder Maschen fallen lassen zur Strickweise für Strümpfe.
Das Ausbessern einer Strickerei geschieht durch Stopfen (s. d.) ; ist ein
Teil der Strickerei durch neue zu ersetzen, so werden die Maschen des neuen
Stückes mit jenen des alten mit der Nähnadel und dem Faden der Strickerei
verbunden : man bezeichnet dies Verfahren als das Anmaschen. Zum Stricken
grosser, sich nicht schliessender Stücke sind auch 50 cm lange Nadeln im
Gebrauch, welche an einem Ende in einen Knopf auslaufen, um das Hinab-
gleiten der Maschen zu verhindern. Bei Benützung von Bahmen werden durch
solches Handstricken selbst grosse, breite und lange Decken angefertigt; die
Strumpfstricker bedienten sich auch eines Strumpfbrettes. Im Anfang des
19. Jahrhdts. waren gestrickte Spitzen sehr modern. Vgl. Dillmont,
Encyklopädie der weibl. Handarbeiten, S. 229 — 286 ; August Demmin,
Die Wirk- und Webekunst, Wiesbaden, S. 143 — 148 ; Georgens, Das Stricken,
Leipzig 1882 — 85 ; Obermayer-Wallner, Die Technik der Kunststrickerei,
Wien 1896.
Strickgarn , Strickzwirn , nennt man die zum Stricken verwendeten,
mehrfädig zusammengedrehten, wollenen und baumwollenen Garne, welche zu-
meist mehrere sächsische Fabriken zu Chemnitz, Burgstädt, Penig u. s. w.
in vorzüglicher Güte liefern.
Strickkord ist ein wollener Bockstoff.
Strickmaschine, s. Wirkmaschine.
Strickstopfe, s. Stopfen.
Strohdünntuch, seidenes Gazegewebe, in das einfache Muster von feinen
Strohstreifen einbroschiert sind.
Stroma (griech.), Polster, Teppich, Lager; daher Stromatik =
Teppichwebkunst.
Stromberg in Westfalen, Flecken im preuss. Beg.-Bez. Münster: Leinen-
und Baumwollweberei, Bandfabrikation.
Strond, Stadt in der engl. Grafschaft Gloucester : bedeutende Fabrikation
von Tuch, Kasemir und Garn; Wollspinnerei, Scharlachfärberei und Walk-
mühlen.
Strümpfe (franz.: bas; bonneterie = Strumpfwaren; engl.: stockings,
hose; span. : medias); bereits im Altertum bekannte Fussbekleidung, welche
im Mittelalter bei den Bömern bis über die Schenkel reicht; im 13. Jahrh.
wurden sie zu Hosen vereinigt, im 16. Jahrh. aber Avieder am Knie von den-
selben getrennt. Für die Frauentracht sind die St. gleichzeitig gebräuchlich.
Strumpfwaren — Sukkerdon. 551
Anfangs genäht, seit dem 7. Jahrh. auch schon gewebt, später gestrickt (s.
Strickerei). Seidene St. kommen im 16. Jahrh. auf; Königin Elisabeth von
England widmete der Strumpfwirkerei grosse Aufmerksamkeit.
Strumpfwaren, s. Wirkwaren.
Strusi (ital.), (franz.: frisons), Seidenabfälle, welche beim Haspeln ge-
wonnen werden; man unterscheidet: st. ä feu und st. ä vapeur (bessere
Gattung), je nachdem die Haspelbecken mit direktem Feuer oder mit Dampf
geheizt werden.
Strussa, Watte, welche beim Zerreisen der Doppelkokons gewonnen und
zur Florettindustrie verwertet wird.
Stückkette, bei gazeartigen Greweben die Gesamtheit der Kettenfäden,
welche immer im Oberfach bleiben.
Stuhl, s. Webstuhl.
Stuhlmatt, früher ein für Stuhlüberzüge gefertigtes Leinengewebe mit
Würfeln von farbiger Baumwolle.
Stuhlmühle, ein durch mechanische Kraft getriebener Webstuhl, wie die
Bandmühle.
Stuhlweissenburg, Stadt in Ungarn: die Einwohner fertigen Tuch,
Flanell und Kattun.
Stumba, s. Seide.
Stumpen ist Seidenwerg (ital.: pettenuzzi stumba), der beim Kämmen
der verschiedenen Florettseiden in den Werkzeugen zurückgeblieben.
Stuttgart, Haupt- und B,esidenzstadt des Königreichs Württemberg:
Trikotweberei. Als Abteilung der Königl. Württ. Zentralstelle für Gewerbe
und Handel das Landesgewerbemuseum, gegründet 1849, darin eine
neuerdings umgeordnete grosse Stoffsammlung, enthaltend: koptische Gräber-
funde, Gewebe, Stickereien, Spitzen, Zeugdrucke u. s. w. aller Zeiten und
Völker. Auch auf die Neuzeit ist der Inhalt der Sammlung ausgedehnt. Li
Sammelbänden werden 285 000 Musterproben der seit 1849 in Paris u. s. w.
erzeugten Gewebe aufbewahrt. Von chinesischen und japanischen Geweben
und Stickereien besitzt das Museum die grösste Sammlung in einem Vermächtnis
und Ankäufen durch Prof. Bältz. Ein Führer durch die Stoffsammlung ist
in Vorbereitung.
Styl, s. Stil.
Stybolines, aus Wollen- und Leinengarn bereitete Filztuche, werden
zumeist in Frankreich gefertigt und statt der Leder als Krempelbeläge benutzt.
Subserica (Stamoserica), frühmittelalterliche Stoffe, welche seidene Kette
und leinenen und baumwollenen Einschlag enthalten. Der Gebrauch derselben
war nach der Aussage von Amurianus Marcelinus ihres bedeutend billigen
Preises wegen ein sehr ausgedehnter.
Subucula (lat.), die untere der beiden Tuniken (tunica intima), auch die
Tuniceila der liturgischen Gewänder.
Süchteln, Stadt im preuss. B.eg.-Bez. Düsseldorf: Sammet Weberei, zwei
Sammet- und Sammetbandfabriken, je zwei Seidenfärbereien, Zeugdruckereien
und Appreturanstalten.
Sudanstoffe, die aus Zentralafrika kommenden mit Indigo gefärbten
Baumwollstoffe, die sorgfältig bearbeitet werden und ein stark begehrter Artikel
sind; sie kommen auf die Märkte von Marokko.
Südslawische Stickereien, s. Volkskunst.
Sujewö-Orjechowo, zwei einander gegenüberliegende Fabrikdörfer, das
eine im russ. Gouvernement Moskau, das andere im Gouv. Wladimir: sie
bilden den Mittelpunkt des sogen. Sujewschen Fabrikbezirks, wo sich zahlreiche
Fabriken befinden, darunter die Nikolsche Baumwollmanufaktur mit 9 Mill.
Bubel Umsatz und 18 000 Arbeitern, ferner die Ponceauf ärberei der Bogorod-
sko-Gluchowschen Manufaktur mit 5. Mill. Eubel Produktion und 10 400 Ar-
beitern, 4 Seidenwebereien u. a. Daneben hat sich bedeutende Hausweberei
entwickelt: in Sujewö allein werden 400 Betriebe mit 4200 Webstühlen gezählt.
Sukkerdon sind ostindische Musseline.
552 Sultanabad — Suzeni.
Sultanabad, Stadt in der pers. Provinz Irak Adschmi: Schaf- und
Ziegenzucht, Teppichfabrikation; besonders werden geknüpfte Seidenteppiche
mit baumwollenem Einschlag hergestellt.
Sulz, auch Ober-Sulz, Stadt im Bezirk Oberelsass: Baumwoll- und Seiden-
spinnerei ; Seidenbandweberei.
Sulzmatt, Dorf im Bezirk Oberelsass : Baumwollspinnerei und -Weberei ;
Seidenspinnerei.
Sumakhteppiche jeder Art sind broschierte Grewebe, bei welchen die
Schussenden entweder kurz am Gewebe auf der Bückseite abgeschnitten sind
oder lose auf letzteren hängen. Es gibt zwei Arten von S,, die in Daghestan
gearbeitet werden: die feinere Sorte in Derbent, die gröbere in dem Orte
Küre. Der Grund der S. , wozu die Yerne- und Sileteppiche gehören,
ist am häufigsten ziegelrot, seltener dunkelblau, das Muster gewöhnlich geo-
metrisch (s. Teppiche).
Sunnhanf (Sunn, ostind. Hanf, engl.; sunn hemp, janapan) ist eine der
Jute ähnliche Spinnfaser, welche von der ostindischen, zu den Hülsenfrüchtlern
gehörigen Pflanze, Crotalaria juncea (binsenähnliche Klapperhülse), gewonnen,
auch auf Java und Borneo kultiviert wird. Die Faser ist blassgelblich und
zeigt einen lebhaften, doch etwas schwächeren Glanz als Jute, ist etwa 500 mm
lang, besitzt geringere Festigkeit als Hanf, aber grössere als Jute.
Superfin broad Cloths, ein breites, feines, starkes Tuch, wird in den
englischen und französischen Fabriken für den Export .nach China gefertigt.
Surahs sind einfache Taffete aus Indien, die in Europa durch Färben
und Bedrucken veredelt werden.
Surate, Baumwollsorte aus Ostindien, weiss ins Graugelbe, matt, ziemlich
kräftig im Faden.
Suraf sehe Atlasse, s. v. w. Cotonis (s. d.).
Suraf sehe Taffete, s. v. w. Aladjas (s. d.).
Sureot (franz.), auch Sorcos, Sorquaine, Sobrecot, ein Ueberkleid des
Mittelalters für beide Geschlechter.
Surepaehs oder Surbands sind ostindische Musseline.
Sürfilieren (Zweimalspinnen), wird in der Streichgarnspinnerei angewendet,
um aus grobem Yorgarn höhere Nummern zu spinnen, falls für einmaliges
Spinnen der Verzug zu hoch wird. Dabei wird so verfahren, dass das Garn
auf der ersten Maschine Bechtsdraht erhält, wenn es auf der zweiten links
gesponnen wird, und umgekehrt.
Surinam, Baumwollsorte aus Guyana, weiss ins Gelbliche, glänzend,
ziemlich kräftig im Faden.
Surtout (franz.), Ueberrock, Ueberzieher.
SÜS, persische Seidenmanufaktur, welche im Mittelalter durch Atlas und
Sammet berühmt war.
Süsa in Tunis lieferte im Mittelalter sehr zarte und kostbare Seiden-
zeuge.
Susandsehird, ein zu Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrh. vom Kauf-
mann Graf in Wien erworbener seidener Knüpfteppich, der dadurch berühmt
ward, dass ihn Prof. Karabacek für mittelalterlich hielt. Die Wiener Aus-
stellung von Teppichen im Jahre 1891 brachte indessen mehrere solcher Stücke
jüngeren Datums, wodurch jene Datierung erschüttert wurde. (Vgl. Dr. Joseph
Karabacek, Die persische Nadelmalerei Susandsehird, Leipzig 1881 ; Biegl,
Altorientalische Teppiche, Leipzig 1891, S. 84 ff.)
Susees, leinwandartige, leichte Seidenzeuge aus Bengalen.
Susjes, s. Soesjes.
Su-tsehou, Su-tschau, Hauptstadt der chines. Prov. Kiang-su: die Be-
wohner zeichnen sich von alters her durch ihren Gewerbefleiss, Erzeugung und
Färben von Seiden- und anderen Zeugen aus.
Sutton-in-Ashfield, Stadt in der engl. Grafschaft Nottingham: Baum-
wollindustrie und Spitzenklöppelei.
Suzeni (pers.: Nadelwerk), Stickerei, bei welcher die Fäden von Gold,
Svila— Ta-jong. 553
Seide u. s. w. nicht selbst durch den Stoff durchgezogen, sondern, ähnlich wie
Litzen, mit feinen Stichen aufgenäht werden.
Svila = Seide (von svivat = winden, abgeleitet), ein alter, im Mittel-
alter weit verbreiteter, noch jetzt im Serbischen üblicher und durchaus un-
verfälschter Ausdruck.
Swandowns sind gemusterte englische Westenzeuge. Köper-S., eine be-
sondere Art Barchent mit vierfädigem beidrechtem Köper.
Swanskin (engl.), eine Art Flanell.
Symmetrisch ist ein Stoffmuster, dessen beide Hälften übereinstimmen,
wenn man es durch eine Senkrechte im Augenpunkt geteilt denkt.
Syndonus war im Mittelalter die vorzüglichste Grattung des Cendals
(s. d.), wahrscheinlich indischer Herkunft, wogegen dieser Ausdruck nach
Anderen nicht ein bestimmtes Textil, sondern ohne Unterschied mantelartige
Kleidungsstücke bezeichnete.
Syräf, im 7. und 8. Jahrh. eine vielbesuchte Stätte für Seidenverkehr
an der Westküste Indiens.
Tabis, Tabin, Tabinet heissen moirierte Zeuge; später verstand man
darunter zwei verschiedene Arten von Geweben: 1) einen glatten, dünnen ge-
wässerten Taffet zu Futter, Vorhängen u. dgl. 2) halbseidene, gewässerte
Kamelotts oder englische Tabins.
Tabor, Stadt in Böhmen: Baumwollwarenfabrikation , Tuchmanufaktur
und Kunststickerei; Streichgarnspinnerei.
Tabourets, Taborets, veralteter buntgemusterter, glänzender Wollen-
stoff zu Möbelbezügen; auch in manchen Gegenden heut zu Röcken für Bauern-
frauen verwendet.
TäbriS (Tebris, Täbriz oder Tauris), Hauptstadt der pers. Provinz
Azerbeidschan: bedeutende Baumwollweberei, Seidenwirkerei, Färberei und
Druckerei. T. war während der Kreuzzüge Hauptsitz der Seidenindustrie.
Tafeldruck, Zeugdruck mit hölzernen Formen und mit bereits fertigen
(also nicht erst durch einen chemischen Prozess hervorgerufenen) Farben.
Tafelseide, Organsinseide aus vier bis fünf Fäden.
Tafetan heisst im Spanischen der Taffet.
Taffet, Tafft (im 17. Jahrh. Daffat, im 18. Taffent; franz.: taffetas, vom
ital. taffetä, das wieder aus dem pers. tafteh entstanden; engl.: taffeta; lat. :
taffata); glatter auf Leinwandart gewebter Seidenstoff, zu welchem nur die
feineren Gattungen der Seide verwendet werden, und welcher bald leichter,
bald schwerer oder dichter, je nachdem er mehr oder weniger feinere oder
stärkere Kettenfäden enthält, in grosser Verschiedenheit in den Handel kommt.
Die schweren T. mit zweifädiger Kette und zwei- bis zehnfädigem Einschlag
heissen Gros; Marcellin oder Doppelt äffet steht im Aussehen und in
der Schwere zwischen Gros und eigentlichem Taffet. Futter taffet, Florence
und Milflorence oder auch Halbflorence, letzterer mit seidener Kette und
baumwollenem Einschlag, sind leichtere Taffetarten. Ein leichter, aus Florett-
seide hergestellter T. heisst Faille.
Taffetgrund heisst der leinwandartige Grund bei geblümten Seidengeweben.
Taffetspiegel, glänzende Streifen mit Kette von Organ sinseide in Gaze-
geweben.
Taillure (franz.), Stickerei auf Besätzen; Applikation.
Ta-jong ist Tuch für China.
554 Takata-Tanta.
Takata, Stadt auf der Japan. Insel Nipon (Hondo): bedeutende Baum-
wollweberei.
Talanche, grober und gewöhnlicher Stoff aus hänfenem oder flächsenem
Garn und gewöhnlicher Schafwolle, glatt oder farbig gestreift, in Frankreich
zur Kleidung für die ärmeren Volksklassen.
Talar, (lat. talaris), eine lange Tunika der spät-röm. Zeit; dann das
Privatkleid der kath. und das Amtskleid der prot. Geistlichkeit.
Talavera de la Reina (lat. Talabriga), Bezirksstadt in der span. Provinz
Toledo in Neukastilien : früher berühmt wegen seiner heute fast verschwundenen
Seidenweberei; jetzt Herstellung von Tuch, Hüten u. s. w.
Taled, Taledot heisst man die weissen Tücher aus feiner gekämmter
Wolle, mit einer blauen Kante, welche die Juden beim Gebet über den Kopf
schlagen; die gesuchtesten waren früher die, welche in Tunis verfertigt und
über Livorno nach Europa gebracht wurden.
Ta-li-tan oder Hai-mian, chinesische baumwollene Teppiche mit aus-
genähtem E,and, welche den Chinesen als Bettdecken dienen und in der Provinz
Kouang-tong gewebt werden.
Tama-ito (aus dem Japanischen), Bezeichnung für ein polsterähnliches
aus durchbrochenen Doppelkokons hergestelltes Material für die Florettindustrie.
Tamarix Germanica, die deutsche Tamariske: Ersatzmittel für Baumwolle.
Tambourierarbeiten werden mit der Tambouriernadel, einem Häkchen,
feiner Häkelnadel (franz.: crochet, engl.: hook) gestickt. Das T. ist eine Art
des Kettenstichs, der durch ineinandergreifende Schlingen gebildet wird; man
stellt ihn auch durch Maschinen her. Eine ausgedehnte künstlerische Ver-
wertung findet die T. im Orient (s. orientalische Stoffe und Stickereien), wo-
selbst grosse Decken in einfarbiger Seide mit breit angelegten Flächenmustern
gefüllt werden (Abb. 220). In Deutschland und England war die T. schon
im Mittelalter für grosse kirchliche Stickereien auf Leinwand gebräuchlich:
s. opus anglicum.
Tamettes, ostindische baumwollene Schnupftücher.
Tamis, Tammys, (franz.: Damy), Wollenstoff in Leinwandbindung, der
sich von Etamin nur durch die Appretur unterscheidet; er führt den Namen,
weil er früher zu Siebböden diente.
Tamise (Temsche), Marktflecken in der belg. Prov. Ostflandern: Flachs-
und Baumwollspinnerei, Kattundruckerei, Leinwandbleichen, Fabrikation von
Segeltuch.
TammagUSta, Hauptsitz der Seidenindustrie während der Kreuzzüge.
Tämmerfors (Ann. : Tampere), Stadt im Ann. Län Tawastehus : zahlreiche
Fabriken, darunter BaumwoU- und Leinenspinnerei und -Weberei, Tuchfabriken.
T. ist die bedeutendste Fabrikstadt Finnlands.
Tamworth, Stadt in der engl. Grafschaft Stafford: Tuchweberei und
Baumwollspinnerei.
Tananariva, Hauptstadt der Insel Madagaskar: Fabrikation gesuchter
Teppiche von Seide und Baumwolle und wasserdichter Zeuge.
Tandems Messen früher schlesische und böhmische weissgebleichte Leinen
von mittlerer Feinheit.
Tandschur (engl.: Tanjore), Hauptstadt der indobrit. Präsidentschaft
Madras: Seiden-, Musselin- und Kattunweberei.
Tang, ostindischer Musselin aus Bengalen.
Tanjebs, Tansjebs, Tangebs, ostindische Sorten gewöhnlicher, mittelfeiner
und feiner Musseline, glatt, gestickt und mit goldenen Leistenbändern.
Tann an der Phon, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Kassel: Fabrikation von
Leinen-, Woll-, Baumwoll- und Plüschwaren.
Tannhausen, Dorf im preuss. Peg.-Bez. Breslau: grosse Baumwollwaren-
fabrik. Bleichen.
Tannwald, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Gablonz in
Böhmen : Baumwollspinnerei und -Weberei.
Tanta, Hauptstadt der Prov. Garbie in Unterägypten: der Umsatz um
Tapalos — Tarlatan. 555
fasst u. a. Seidentüclaer, Stickereien und Mützen, welche von den WallMirern
als Erinnerung gekauft werden , während die Manchestergüter , welche früher
die wichtigste Rolle hier spielten, fast ganz unberücksichtigt bleiben.
Tapalos sind im mexikanischen Handel englische und französische Shawls
in bunten Farben.
Tapestry (engl.), gewirkte Tapete, eine Art Teppich (s. d.).
Tapete (griech.: tapes, tapeta; lat. : tapes, tapetia, tapecius, tapicium,
tapesium; pers.: tanbese, tabeste; arab.: thanfise; ital. : tappeto; franz.: tapis;
engl.: tapet), Decke zum Ueberbreiten, Behang oder Bekleidung der Wände,
bestand schon im Altertum aus gewebten oder gewirkten Stoffen: die Stein-
platten der assyrischen Tempel (s. Assyrien und Babylon) geben Beweis dafür,
wie solche Wandbekleidungen in den Steinstil umgesetzt wurden. Griechen
und Römer übernahmen die Sitte von den Asiaten, in Byzanz und im Abend-
lande erhielt sie sich, durch den Handelsverkehr mit den Arabern immer neu
aufgefrischt für Kirchen und Paläste. (Vgh Bildwirkerei, Wandteppiche,
Rukkelaken, Tapisserie.) Neben den aus Wolle oder Seide oder beiden, auch
mit Grold und Silber gewirkten oder gestickten Tapeten erhielten sich die auf
Leinwand oder Seide gemalten, für welche der Greschmack wieder allgemeiner
wurde, als man in Europa dergleichen chinesische Arbeiten kennen lernte.
(Ygl. die Seiden- und Sammetgewebe in den einzelnen Artikeln über die
Stilarten.)
Tapiau, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Königsberg: in der Besserungsanstalt
werden Decken, grobes Tuch (Want), Baumwollzeuge (Nessel), Strohmatten und
Fischernetze angefertigt.
Tapis, franz. (lat.: tapes; engl.: tapet), Teppich, bes. Wandteppich (s. d.),
tapis ä personnages, Teppich mit eingewirkten menschlichen Figuren; tapis
sarrasinois, lat.: tapisseria Sarracenorum, Sarazenenteppich, mit orientalischen
Mustern; tapis velu, rauher sammetartiger Teppich, Fussteppich.
Tapis werden an einigen Orten gewisse Sorten bunter orientalischer
Tücher genannt.
Tapis fa^on d'Ecosse, s. schottische Teppiche.
Tapis veloutes haute lisse, s. Savonnerieteppiche.
Tapisserie (franz.), Teppichwirkerei, Teppichstickerei, besonders die
Kunst des Wirkens von Teppichen und Tapeten mittels Handarbeit,
dann auch übertragen auf die Herstellung solcher auf dem mechanischen
Webstuhl (s. Teppich und hierin Wandteppiche).
Tapisseriestickerei ist die allgemeine Bezeichnung für Arbeiten auf
Kanevas in den darin üblichen Sticharten.
Tappart, Tappert (vom mittelalt. tabardum), im 15. Jahrh. ein Mantel
aus grobem Wollenstoff.
Tappissendis, ostindische Kattune, gemalt und auf beiden Seiten ge-
druckt, zum Beschlagen der Wände, zu Bettdecken, Hals- und Taschentüchern.
Tapsel oder Tapsels sind gewöhnliche, blau und bunt gestreifte Kattune
für den Negerhandel.
Taquis oder Toiles ä taquis sind baumwollene Stoffe von Aleppo.
Taranto (Tarent), Stadt in der ital. Prov. Lecce: Woll-, Leinen- und
Baumwollweberei, Fabrikation von Strumpfwaren und Handschuhen.
Tarantola, ein zu Taranto im Königreich Neapel gewebtes blaues Tuch.
Tarare, Stadt im franz. Depart. Rhone: ist Mittelpunkt eines wichtigen
Industriebezirks mit über 60 000 Arbeitern und berühmt durch seine glatten
und gestickten Musseline und Seidenplüsche für Hüte ; Seidenfabrikation.
Tarares, in Frankreich verschiedene Arten guter Leinwand, auch mit
Baumwolle gemischt, besonders zu Fenstervorhängen, aus der Stadt Tarare.
Tarlatan (franz.: tarlatane), der leichteste baumwollene Kleiderstoff,
welcher gazeartig erscheint, aber Leinwand besitzt. Er ist weiss oder ein-
farbig, liegt einfach oder doppelt breit und dient meist zu Ballkleidern, doch
auch als Material zu Ausputz. Die Stoffe sind sehr wohlfeil, vertragen aber
nicht das Waschen.
556 Tarliscetti— Taus.
Tarliscetti, auch Stramazetti, italienischer Name für die in Oberschlesien
gewebte bunt gestreifte Leinwand.
Tarnatane, ursprünglich ostindische, sehr klare und dünne Baumwoll-
musseline, die später in Europa nachgemacht und unter dem Xamen Tarlatans
oder Tirletans in den Handel kommen.
Tarne et Garonne, Depart. in Südfrankreich: Seidenspinnereien und
-Webereien ; Leinenweberei.
Tarnobrzeg, Marktflecken in Galizien: Leinenweberei.
Tarnow, Stadt in Österreich. Galizien: Damast- und Leinenweberei.
Tarragona, Hauptstadt der gleichnamigen span. Provinz : Seidenweberei
und Garnspinnerei; Herstellung von Blonden und Spitzen.
Tarrasa, Bezirksstadt der span. Provinz Barcelona in Catalonien: Tuch-,
Baumwoll- und Wollzeugweberei.
Tartan, Tartan-Plaid, bunt gewürfelter Wollenstoff, auch mit baum-
wollenem oder seidenem Einschlag, der in Schottland gewebt wird. Eine Nach-
ahmung dieses Stoffes sind die wollenen und baumwollenen gross gegitterten
Merinos (s. d.).
Tartaricus pannus (lat.), (engl.: tartarium), im Mittelalter schwerer
Seidenstoff aus dem Orient (nach anderen aus Tortona in Oberitalien); er war in
Gold gestreift und wurde in Italien und England für kirchliche Zwecke verwendet.
Tartenete oder Trina ist der älteste italienische Name, welcher in Ur-
kunden für Spitzenarten erscheint; er bezeichnet eigentlich dort weniger die
Sache als den Zweck, auf ähnliche Weise wie man im Französischen den Namen
passement findet.
Taschentuch, Schnupftuch, Sacktuch, Facilletlein (franz.: mouchoir;
engl. : pocket handkerchief ) ; der Gebrauch desselben kam, vermutlich aus
Italien, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. auf und gab sehr bald zu grossem
Luxus an Stickereien Anlass. Der Stoff war Kammertuch oder feiue Lein-
wand, gewöhnlich weiss, doch auch farbig, mit Besatz aus kostbaren Spitzen;
auch hohle, durchbrochene Nähte fassten das T. ein und an den Ecken hingen
kleine Quasten; in heutiger Zeit in grosser Mannigfaltigkeit hergestellt aus
Leinen, Baumwolle und Seide, weiss, einfarbig, bunt gedruckt und gemustert.
Die weissen leinenen und batistenen T. werden viel in Frankreich (Cambray,
Valenciennes u. s. w.), Böhmen, Westfalen, Schlesien und der Oberlausitz,
weisse baumwollene aber im sächsischen Yoigtlande, im sächs. Erzgebirge u. s. w.
gefertigt, welche beiden Gattungen man häufig mit Stickereien versieht. Bunt-
gedruckte leinene mit rotem Grunde und schwarzen und weissen Mustern,
teils ganz von Leinengarn, teils mit Baumwolle gemischt, teils ganz von Baum-
wolle kommen meist aus Sachsen und Böhmen, während andere gedruckte in
allen Kattunfabriken zu billigen Preisen zu haben sind. Buntgedruckte seidene
T. kommen aus Ostindien, die in Elberfeld, Barmen, Wien u. s. w. nach-
geahmt werden.
Taugarn, das zu den schwersten Seilerarbeiten benutzte grobe Hanf-
gespinst.
Taunton, Stadt in der engl. Grafschaft Somerset: Fabrikation von Tuch
und Seidenzeugen.
Taunton, einer der beiden Hauptorte des County Bristol im nordamerik.
Staate Massachusetts: eine Anzahl Fabriken für Baumwollwaren, namentlich
Garne.
Tauntons heissen in England die mittelfeinen und gewöhnlichen Wollen-
tücher, welche in der Stadt Taunton und Umgebung gewebt werden.
Taurinotuch, ein aus Binder- und anderen Tierhaaren, mit Wolle ver-
mischt, gewebter tuchartiger Stofi", welcher in Amerika zu Fussteppichen und
auch zu Kleidungsstücken für Matrosen, sowie für ärmere Yolksklassen ver-
braucht wird.
Tauröste, ein Bö st verfahren bei der Flachs- und Hanfbereitung.
Taus, Stadt in Böhmen : Leinen- und Baumwollweberei, Fabrikation von
Bändern, Zwirn und Wirkwaren.
Tauwerk— Templin. 557
Tauwerk, Taue, im Seewesen alle Seile, sie mögen stark oder schwach,
von Hanf, Manilagras oder Draht gefertigt sein.
Taxilit mazedonische Banmwollsorte.
Tazi heisst persisch der Himd, welcher im Aschkalimuster des Knüpf-
teppichs eine Rolle spielt.
Tbik (koptisch: Sperberstadt; arab.: Dabik), Städtchen in Aegypten,
rm 13. . Jahrh. aber zum Dorf herabgesunken; einst berühmt wegen seiner Gre-
webe und Stickereien.
Tcheuse, Tscheuze oder Tscheutse, ein chinesischer Taffet von dichtem
Gewebe, weich und geschmeidig, so dass er ohne Falten bleibt, auch wenn
man ihn noch so oft zusammenlegt und mit den Händen reibt oder drückt;
er lässt sich wie die Leinwand waschen und wird deshalb in Asien za langen
Beinkleidern, Unterkleidern und Hemden verbraucht.
Tearing gOOds nennt man in England die für den Export nach Afrika
bestimmten flächsenen und baumwollenen Zeuge.
Tebris, Stadt in Persien, s. Täbris.
Tecong ist ein Negerzeug von grobem Flachsgarn, das früher im spani-
schen Mittelamerika vorkam.
Teiken heissen in Westfalen alle Arten von Drillich oder Zwillich.
Teil, bei gemusterten Stoffen das Muster in seiner einmaligen vollen
Ausdehnung, Rapport.
Teiler, s. Eiet.
Teke-Teppiche, s. Turkmenen
Tek-Iplik, feinster Smyrnateppich aus IJschak.
Tekko, eine seit 1800 eingeführte Stofftapete, besteht aus einem mit
Oelfarbe überzogenen und bedruckten Baumwollstoff, dem durch Graufrierung
Seiden- oder Damasteffekte verliehen werden.
Tela (lat.), Gewebe; T. cellulosa, Bindegewebe; T. cornea, Horngewebe;
T. depurata, gereinigter Mull.
Tela Carolina, s. Stösselleinwand.
Tela de lana (span.), s. Circassias.
Tela tinta nennen die Italiener die leichten dünnen Futterleinen, bunt
in verschiedenen Farben im Stück gefärbt, welche aus Schlesien, Böhmen und
aus der Schweiz kommen.
Tele cavalline, s. Cavailhos.
Tele COrame (Corame, Lederleinwand), in Böhmen und in der Lausitz
(besonders in Georgswalde, Warnsdorf, ßumburg, Bautzen, Zittau, Löbau,
Herrnhut) aus weissgebleichtem flächsenen Garn fest und gedrungen gewebte
Leinwand, welche dadurch, dass zur Werfte stärkeres Garn genommen wird,
sich von der Creas unterscheidet.
Tele d'ArgOvi, in Italien bunt gedruckte Leinen aus dem Kanton Aar-
gau in der Schweiz.
Tele di Colone, s. Schwäbische Leinwand.
Tele greggie, in Italien leichte Leinenstoffe aus der Oberlausitz und Böhmen.
Tele rigate, in Italien bunte Leinen aus Schlesien und Böhmen.
Telfs, Dorf in der österr. Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in Tirol:
grosse Baumwollspinnerei.
Telgte, Stadt im preuss. E.eg.-Bez. Münster: Baumwoll-, Leinen- und
Wollweberei.
Telläro ist die auf Kreta übliche Bezeichnung des Hand web estuhls für
Teppiche.
Telon, in Frankreich eine Art Droguet.
Teltsch, Stadt in Mähren : Wollwaren-, Tuch- und Hutfabrikation, Baum-
wollweberei und Färberei.
Temesvär, Hauptstadt des ungar. Komitats Temes : Fabrikation von
Tuch und Seidenstoffen.
Templin, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Potsdam: Tuch-, Leinwand- und
Baumwollweberei.
558 Teneriffa- Arbeit — Teppich.
Teneriffa-Arbeit Lezeichnet Frau von Reuthe-Fink, Jena, die von
ihr erfundene Technik, welche mit Hilfe der Ornamentenspindel Solspitzen-
Imitationen herstellt. Das hölzerne Werkzeug, wonach man auch von Spindel-
guipüre arbeiten spricht, ist ein auf Fuss runder, drehbarer Apparat und
dient an Stelle des bisher gebräuchlichen Kissens oder der Wachstuchunterlage
als Grundform für die über Nadeln hin und her zu leitenden Fäden und
Bänder. Durch das beliebige Einstecken der Nadeln, die man in den ver-
schiedenen Lochkreisen versetzen kann, ist es möglich, auf einer Spindel
Sterne und Blütenformen verschiedener Grösse herzustellen. Die reichliche
Auswahl von Löchern ermöglicht auch die Anwendung des feinsten Faden-
materials und grosse Mannigfaltigkeit der Muster. Je nach Art des Musters
wird die Nadel wie beim Filetstopfen durch Wickelfäden geleitet oder als
abschürzender oder verzierender Faden benutzt. Die Verwendung ganz un-
gleichen Materials für einen Apparat, die Möglichkeit, die Nadeln nach Bedarf
zu versetzen und dadurch Vielseitigkeit der Muster zu erzielen, sind besondere
Vorzüge. Durch eine einfache Drehung des Apparates kann man das fertig-
gearbeitete Ornament von den Spindeln streifen. Die Ornamente können je
nach dem verwendeten Material, Seide, Leinen und Perlgarn, Schnur, Pelzbise,
Tresse, Bast, Wolle, Chenille, Goldfäden, Band u. s. w. zur Verzierung mannig-
faltiger Handarbeiten benutzt werden. Die Muster entsprechen vollkommen
denjenigen der im 16. Jahrh. in Spanien hergestellten Solspitzen. (Vgl. Abb. 3
auf Tafel X.)
Tenessee, nordamerikanische Baumwollsorte, weiss, ins Graublaue, matt,
ziemlich kräftig im Faden.
Tennis, moderner leichter Anzugs stoff aus Wolle, geköpert und mit
schmalen farbigen Streifen.
Tepis, geringe, ostindische ^ baumwollene, mit Florettseide vermischte
bunt gestreifte Zeuge.
Teplitz, Stadt in Böhmen: Baumwollweberei, -Färberei und -Druckerei,
Fabriken für Posamentierwaren, Strumpfwaren, Web- und Wirkwaren.
Teppich (franz.: tapis; ital.: tappeto; lat.: tapete); stammt vom griech.
täpes: Sammelnamen für T.;. der Engländer hat für drei Hauptgattungen von
T. bestimmte Bezeichnungen geschaffen: carpet = Fussteppich, hanging =
Wandteppich, rüg = Möbelteppich; ferner tapestry für Wirkerei (Gobelin-
technik), das dem franz. tapisserie entspricht.
Je nach dem Gebrauch unterscheiden sich die Teppiche zur Bedeckung
der wagerechten Fläche im Gegensatz zu solchen für die Wand nicht nur sti-
listisch (s. Stil), sondern auch mehr oder minder technisch voneinander. Nach
allgemeinen Begriffen entspricht der Fussbodenteppich seiner Verwendung,
"wenn er durch besondere Dicke, neben dem Zweck des Schmuckes, auch noch
den des wärmenden Schutzes erfüllt, während der Wandteppich, lediglich nur
das künstlerische Bedürfnis befriedigend, auch aus leichterem Material bestehen
kann. Im Orient, dem Ursprungslande beider Arten, machen Klima und Be-
hausung derartige Unterschiede nicht zur Bedingung, wir finden daher auch
dort den schweren Teppich an der Wand oder als Türvorhang oder auch um-
gekehrt, die leichtere Decke für den Fussboden verwendet.
Wandteppiche oder sogen. Gobelins, im Orient Kilims, be-
zeichnet man als gewirkte Teppiche ; sie entstehen auf wagerecht oder senk-
recht ausgespannter Kette, wonach der Webstuhl Basselisse oder Haute-
lisse genannt wird. Das Einziehen der Schussfäden, durch welche das
Muster gebildet wird, geschieht mittels kleiner Spulen aus freier Hand, das
Anschlagen mittels eines Kammes. Der Karton oder eine ausgemalte sogen.
Patrone befindet sich unter der Kette, so dass sie dem Arbeiter beständig vor
Augen ist , um Auswahl und Anordnung der Farben einrichten zu können.
Die rechte Seite ist bei der Arbeit unten resp. hinten, wenn ein senkrechter
Stuhl benutzt wird. Der das Muster bildende Einschlag erstreckt sich auf
einmal nur über eine kleine Anzahl von Kettenfäden, welche mit dem Finger
genommen werden, um die Schussspule darunter durchstecken zu können. Das
Teppich. 559
Inein anderarbeiten der auf diese "Weise gebildeten Gewebestücke — bei gröberen
Arbeiten bleiben die entstandenen Schlitze offen (vgl. Tafel XYI, Abb. 33)
— erfolgt durch Einschlingen eines besonderen Nähfadens oder das Muster
ist überhaupt, wie eine Nadelmalerei, durch Fäden ineinander so fein schattiert,
dass innerhalb desselben keine Randleisten entstanden.
Fussbodenteppiche werden als sogen. Florteppiche mit der
Hand geknüpft oder in Art der Sammetstoffe gewebt.
Knüpfteppiche — Smyrna-, türkische oder Savonnerie-Teppiche —
werden auf einem Stuhle mit aufrecht gespannter Kette ohne Hilfe einer künst-
lichen mechanischen Einrichtung angefertigt (S. 256), indem die einzelnen Woll-
fäden (im Sinne der Weberei als Florschussfäden oder Noppen bezeichnet) einzeln
durch je zwei Kettfäden geknüpft werden, so dass die beiden Fadenenden als
Büschel auf der rechten Seite herausstehen (Tafel XVI, Abb. 28), also den
Schnittflächen von Noppen gleich sind. Diese Knüpfmethode oder Knotenart
kommt bei den meisten orientalischen Knüpfteppichen vor, sie wird auch bei
allen europäischen Erzeugnissen verwendet. Seltener erscheint der Knoten
nur um einen Kettenfaden geschlungen, wie ihn Abb. 27 auf Tafel XVI zeigt,
hingegen sind die Verschlingungen der Fäden je nach Herkunft des orienta-
lischen Erzeugnisses oft verschieden: vgl. Abb. 29 — ^31 auf Tafel XVI zu den
später aufgeführten einzelnen Arten. Die Bildung der Noppen, welche den
Flor erzeugen, geschieht durch ein Stäbchen, das man quer über die Kette
legt und den Faden um dasselbe herumschlingt. Nachdem eine Beihe von
Knoten oder Noppen über die ganze Breite des Teppichs gebildet ist, werden
zwei bis vier Schussfäden, je nach der Dicke des Knotens und Schussmaterials
eingetragen, welche die Kette leinwandartig verbinden. Die Zahl der Noppen,
welche eine Knüpferin täglich nach der gebräuchlichsten orientalischen Art
knüpfen kann , beträgt etwa 7000. Auf zehn D cm kommen in grobem Ma-
terial 144, in mittlerer Feinheit 225 und in feinster Ausführung 376 Knoten.
Mechanisch hergestellte, also gewebte Florteppiche, unterscheiden sich
in Schussflorteppiche und in Ketten florteppiche^ je nachdem das
eine oder andere die Noppen erzeugt. Als einfachstes Gewebe, bei welchem
der Flor vom Schussfaden gebildet wird und welches als Teppich Verwendung
finden könnte, ist der Manchester- oder der unechte oder Baumwollsammet zu
nennen, sobald er farbig bedruckt wird. Doch der aus der Ebene eines Ge-
webes herausstehende Flor als Schuss wird fast ausnahnaslos dadurch gebildet,
dass ein besonderer Schussfaden eingetragen wird, hierher gehören die gewebten
Chenilleteppiche und Axminsterteppiche: s. beide Arten in beson-
deren Artikeln und die Abbildungen auf Tafel XVI. Zu den Kettenflor-
teppichen zählen: 1. Brüsseler Teppiche (franz.: moquette, m. bouclee,
m. epinglee; engl.: Brüssel carpets), d. s. alle farbig gemusterten Kettflor-
teppiche, bei denen die Polfäden nicht bedruckt (also nur gefärbt) und die
Noppen nicht aufgeschnitten sind; 2. Tournay-Velourteppiche (franz.:
tapis de Tournay, moquette veloutee ; engl. : Wilton-carpets), d. s. alle farbig
gemusterten Kettflorteppiche, bei denen die Polfäden nicht bedruckt (also nur
gefärbt) und die Noppen aufgeschnitten sind; 3. Tapestry ist jeder farbig
gemusterte Kettflorteppich, bei dem bedruckte Pohäden verwendet und die
Noppen nicht aufgeschnitten sind; 4. Tapestry-Velourteppiche sind
alle farbig gemusterten Kettflorteppiche, bei denen bedruckte Polfäden ver-
wendet und die Noppen aufgeschnitten sind.
Der Typus der Kettenflorteppiche ist in der Bindungsart der echte
Sammet (s. d, und den Artikel Weberei). Für den Fall, dass Dicke und
Farbenmuster des Teppichs mit Hilfe eines besonderen nach Länge und Arbeits-
richtung verlaufenden Kettenfadensystems (Polkette) erzielt werden, verfügt
die Technik über eine gewisse Mannigfaltigkeit von Möglichkeiten der Her-
stellung, welche zu den genannten vier Hauptarten geführt hat.
Eine orientalische Art von T. sind die Filzteppiche, welche in der
Weise hergestellt werden, dass ein der beabsichtigten Dicke des Teppichs ent-
sprechend tiefer Bahmen gebildet oder im Fussboden ein solcher Baum aus-
560
Teppich.
gehoben wird , in welchen vermengte Wollen gebracht und so lange mit
Schlägeln geklopft werden, bis sie das haarige Gefaser verlieren und als formen-
lose Masse sich dem Rechteck des Rahmens anpassen, hiernach wird ein Muster
aus farbigen Fäden in die Oberfläche eingepresst.
Gestickte Teppiche erscheinen sowohl als Wand- wie als Fuss-
teppiche in verschiedenster Technik (s. Stickerei). In Europa werden solche
schon seit älterer Zeit auf Kanevas in farbiger Wolle im einfachen oder
doppelten Kreuzstich hergestellt und wirken in den quadratisch abgesetzten
Umrisslinien wie die orientalischen Knüpfteppiche. In Nachahmung der
letzteren entstehen in neuerer Zeit auch im Malta-, Quästchen- und Smyrna-
knüpfstich auf Stramin gearbeitete Fussbodendecken und Kissen.
Das Material ist bei allen Arten von Teppichen heut ausschliesslich
Wolle, d. h. die Musterung, während das Grundgewebe aus Baumwolle oder
sonstigen Stoffen bestehen kann. Im Orient unterscheidet man als Knüpf-
arbeit Schafwoll-, Ziegenhaar-, Kamelhaar- und Filzteppiche. Seidenteppiche
mit Gold- und Silberfäden wurden in alter Zeit als besondere Prachtstücke
hergestellt, die heut in Seide geknüpften orientalischen Teppiche haben wenig
künstlerischen Wert. Auch europäische Wandteppiche enthalten neben der
Wolle Seiden- und Metallfäden.
Die geschichtliche Darstellung führt uns für beide Haupt-
gruppen von Teppichen wieder nach dem Orient, dem Ursprungslande aller
textilen Künste. Hinsichtlich des gewirkten Wandteppichs war man,
infolge seiner weitgehenden technischen und künstlerischen Ausbildung in
Europa, lange im Zweifel darüber, ob derselbe nicht von Anfang an eine
selbständige Entwickelung von hier aus genommen habe, da ja doch die Tech-
nik der Wirkerei allenthalben als Vorläufer einer regulären Weberei aus der
Flechterei hervorgegangen ist, also auch die weitere Gestaltung derselben im
Abendlande ohne weiteres erfolgt sein kann. Diese Folgerungen erscheinen
jetzt hinfällig durch die Grabfunde in Oberägypten, welche figurenreiche
Teppich.
561
Wandbehänge in Wirkerei, Stickerei und Zengdrack zu Tage gefördert haben,
•die der spätantiken Zeit angehören (s. die einzelnen Artikel). Von ihnen ist
einzunehmen, dass sie die Brücke bilden für die später sich entwickelnde
europäische Bildwirkerei. Aber schon vorher war ein Beweisstück gegeben
für die Anfänge abendländischer Wirkerei nach orientalischen Mustern in dem
in einzelnen Teilen zu Lyon, Nürnberg und Berlin aufbewahrten Wandteppich
-aus farbiger Wolle mit Tieren und Kreisen aus antikisierenden Bandstreifen,
Abb. 319.
aufgesetzten runden Feldern und romanischen Ornamentzwickeln, in welchen sich,
wie in derbreiten Abschlussborte mit Arabeskenranken, Löwenmasken wiederholen
(Abb. 318) : Darstellungen, welche deutlich den auch in sarazenischen seidenen
Schlitzwirkereien (s- d.) sich wiederholenden Grundtypus eines orientalisch-byzan-
tinischen Webemusters erkennen lassen, das mit nordisch-abendländischen
Elementen durchsetzt ist. Diese Arbeit wird dem 10. — 11. Jahrh. zugewiesen.
Aus dem 12. und 13. Jahrh. sind weitere europäische Wandteppiche erhalten
in einer Wirkerei aus Norwegen (veröffentlicht: „Altnorwegische Teppichmuster
im Kunstindustriemuseum zu Christiania von H. Grosch, Berlin 1889") und in
H e i d e n , Handwörterbuch der Textilkunde. 36
562 Teppich.
einem in Streifen erhaltenen Knüpfteppich, welcher in der Schlosskirche zu
Quedlinburg aufbewahrt wird: vgl. Wandteppiche und Decken des Mittelalters
in Deutschland, herausgegeben von Julius Lessing, Berlin 1899, Heft 1. In
einem zweiten Heft dieser Yeröffentlichung wird ein gewirkter Wandteppich
aus dem Dome zu Halberstadt dargestellt, welcher in Deutschland am Ende
des 12. Jahrh. gemacht ist. Diesen wichtigen Stücken der romanischen Periode
mit figuralen Darstellungen schliessen sich verschiedene europäische Wand-
behänge und Decken in gestickter Arbeit an: der Teppich von Bayeux u. v. a. Aus
Frankreich ist vom Jahre 1277 eine Notiz über tapis sarrasinois erhalten, aus
welcher nicht recht ersichtlich, ob man es mit orientalischen .Originalen zu
tun hat oder ob von Wirkereien die Rede ist, welche dort nach sarazenischen
Vorbildern gearbeitet wurden (vielleicht wie das in Abb. 318, S. 560 dargestellte
Stück?), womit der Anfang der im 16. Jahrh. glänzend entwickelten franzö-
sischen Tapisserie-Manufakturen bestimmt wäre. Im 14. Jahrhundert hat sich
die Kunst der Wirkerei für Wandteppiche in Flandern entwickelt (Abb. SO
S. 169), von der Stadt Ar ras, dem ältesten Hauptsitz derselben heissen diese
Arbeiten in Italien bis heute Arrazzi; daneben werden die Manufakturen von
Brügge, Gent, Ypern, Löwen u. a. genannt. Die Sitte, die Wände in Kirchen
und Palästen mit Rukkelaken (d. h. bewegliche Tapeten) zu bekleiden, auf
welchen mythologische, biblische (Abb. 319), historische oder ßomanszenen mit
reichen Bordüren, oft Kopien nach Miniaturen oder Gemälden der berühmten
Maler der Zeit, dargestellt waren, verbreitete sich über ganz Europa. Als
Arras von den Franzosen im Jahre 1479 zerstört worden war, wurde Brüssel
der Hauptsitz dieser Industrie, doch blieb derselben der gewohnte Name. In
Brüssel erreichte sie ihren Höhepunkt, woselbst die Arrazzi für Papst Leo X»
nach Kartons von Baffael hergestellt wurden. Als Kennzeichen der Fabrikations-
stätten hat man am Rande Marken eingewirkt: Anfangsbuchstaben der Stadt,
Wappenzeichen u. dgl. (s. Teppichmarken). Die Herzöge von Mantua, Florenz
u. s. w. Hessen grosse Bildteppiche in Brüssel herstellen; Karls V. Siege und
Eroberungen wurden auf dieselbe Weise verherrlicht. Zahlreiche solcher Teppich-
folgen mit biblischen oder antiken Historien in reichen Umrahmungen von
Grotesken oder üppigen Frucht- und Blumengehängen (Abb. 246, S. 423) be-
finden sich u. a. an den Höfen von Wien, Madrid, viele im Privatbesitz. Die
Blütezeit der Tapisserie-Manufakturen von Frankreich datiert von der
Begierungszeit Franz I. (1515 — 47) her, welcher 1535 (nach anderen 1516)
mit flanderischen Arbeitern in Fontainebleau eine Fabrik gründete. Dieselbe
wurde anfangs von Philibert Babou, später von dem Architekten Sebastian
Serlio geleitet, und arbeitete vielfach nach Zeichnungen der Maler der Schule
von Fontainebleau. Auch die Nachfolger Franz I. begünstigten diese Industrie
und es wurden gegründet von Heinrich II. (1547 — 59) La Trinite, Bue de
Denis, von Karl IX. (1560 — 74) eine Manufaktur in Tours; dann jene im
Faubourg St. Antoine (1597, nach dem Louvre und den Tuillerien im Jahre
1603 übertragen) und im Palais les Tournelles (1607 nach dem Faubourg
St. Morceau übertragen), eine Schöpfung Heinrich lY. (1589 — 1600) und
La Savonnerie (1627 und 1825 nach den Gobelins übertragen) von Ludwig XIII.
(1616 — 43) errichtet, dessen Sohn Ludwig XIV. diese Manufaktur dauernd
begründete, und zwar der Beihe nach in den Gobelins (1662) , zu Beauvais
(1664) und zu Aubusson (1665). Den flanderischen Arbeitern wurden 1630 die
Gebäude der Färber Gobelin (s. d.) überwiesen und seit jener Zeit führen die
französischen Wandteppiche oder Tapisseries den Namen Gobelins, welcher
dann fälschlich für alle in Schlitz Wirkerei und verwandter Technik hergestellten
Textilien üblich geworden ist. In Aubusson hatte sich infolge der Einwanderung
protestantischer Arbeiter aus den Niederlanden die reformierte Kirche ziemlich
ausgebreitet und es wanderten von hier aus nach der Aufhebung des Edikts
von Nantes (1685) Scharen von Angehörigen derselben aus und verpflanzten
die Teppichwirkerei nach England und Deutschland. Die Bedeutung Aubussons
verlor sich nunmehr und an seine Stelle wurde von Ludwig XIV. die Fabrik
von Beauvais begünstigt und ging förmlich in die Staatsregie über. Hervor-
Teppich.
563
ragende Künstler wie Jul. Hardouin Mansard, Fran(:ois Boucher, Souflet n. a.
wurden im Laufe der Zeit mit der obersten Leitung dieses Instituts betraut.
Unter Ludwig XV. (17L5 — 74) erholte sich auch Aubusson wieder; in jener
Zeit kopierte man vorwiegend Gemälde von Poussin, Lebrun, Watteau, Boucher,
Cochin u. a., aber auch rein ornamentale Entwürfe im Stile der Zeit wurden
berücksichtigt. Mehr als durch die revolutionären Ereignisse und die Kriege
des 18. u. 19. Jahrh. wurde die französische Bildwirkerei durch den Wechsel
der Mode beeinträchtigt, welche sich den gemalten Tapeten zuwandte und die
Tapisserie auf Möbelbezüge beschränkte. Während der Revolution war die
Manufakture des Grobelins in ihrem Bestehen bedroht. Marat, einer der Häupter
der französischen Bewegung , verlangte die Auflösung dieser Staatsfabrik,
Abb. 820.
indessen begnügte man sich, Tapisserien mit bourbonischen Lilien, mit Zeichen
des Königtums und seiner Verherrlichung im Jahre 1793 zu verbrennen und
im folgenden Jahre aus den vorhandenen 321 Vorlagen für Gobelins 121 als
„antirepublikanisch, fanatisch oder unmoralisch" auszuscheiden, darunter auch
Entwürfe aus dem griechischen Sagenkreise. Napoleon L erklärte 1804 die
Fabrik wieder zum Kroneigentum und gab ihr umfangreiche Aufträge zur
Verherrlichung seiner Regierung, welche bei seinem Sturz erst zum Teil aus-
geführt waren. Nicht wenige davon sollen 1814 und 1815 zerstört worden
sein, wie 1848 solche mit Ansichten königlicher Schlösser u. s. w.; doch haben
seit dem ersten ICaiserreich alle Regierungen der Fabrik ihre Fürsorge
zugewendet. —
In den übrigen Ländern steht die Kunst der Teppichwirkerei natürlich
in der technischen Ausführung zuerst unter dem Einfluss Flanderns und der
Niederlande und später unter der Führung Frankreichs. So im 15. u. 16. Jahrh.
die Fabriken in Rom, Florenz, Madrid u.a.m. Auch in Deutschland wurde die
564
Teppich.
Bildwirkerei schon im 15. Jahrh. geübt und aus der Blütezeit des 16. Jahrh.
sind allenthalben noch Stücke erhalten: so der im Leipziger Kunstgewerbe-
museum befindliche daselbst 1551 gearbeitete Teppich mit dem Urteil Salomonis
(Abb. 320), der sogen. Croy-Teppich (s. d.) von 1566 aus Stettin, aus dem Ende des
Abb. 321.
16. Jahrh. die Hamburger Arbeiten im dortigen Kunstgewerbemuseum (vgl. Abb.
209, S. 370) u. V. a. Zu Anfang des 17. Jahrh. zog Maximilian 1. flandrische Bild-
wirker nach München und unter dem Grossen Kurfürsten und unter Friedrich I.
wirkten französische und flandrische Teppichwirker für die preussischen Schlösser.
Ueber die Herstellung von "Wandteppichen in Berlin berichtet Dr. Paul
Seidel im Jahrbuch der Königl. Preuss. Kunstsammlungen des Jahres 1891.
In der dort enthaltenen Kolonieliste von 1699 der aus Frankreich vertriebenen
und vom Grossen Kurfürsten aufgenommenen französischen Protestanten wird
Teppich.
565
in der Reihe von 15 Tapisseristeii , deren 7 allein aus Aubusson stammten,
auch Pierre Mer ci er genannt, welcher Berliner Arbeiten mit seinem Namen
zeichnete. Der Grosse Kurfürst ernannte ihn durch Bestallung vom 7. No-
vember 1686 zum „Tapeten Würker". Welche Aufgaben seiner harrten, da-
von legen u. a. Zeugnis ab die heut noch im Schlosse Monbijou erhaltenen
6 Wandteppiche aus einer Folge, die nach dem Plane des Grossen Kurfürsten
die bedeutendsten kriegerischen Leistungen seiner Regierungszeit in dieser
Abb. 322.
Weise zu verewigen bestimmt waren. Mercier verlässt Berlin 1714 als „In-
spectenr des Tapisseries" in Dresden, wo König August IL ein Atelier für
Tapetenwirkerei eic^erichtet hatte, das aber 1756 aufgegeben wurde. Unter
der Regierung König Friedrich Wilhelm I. gelangte die Manufaktur von Charles
Yigne noch zu einiger Bedeutung, indessen vermag man der französischen
Konkurrenz nicht stand zu halten. Eine Yorstellung von dem grossen Be-
darfe des Berliner Hofes an Wandteppichen gibt der Seideische interessante
Bericht in einer Inhaltsübersicht der Inventare von 1691 und 1G99. Daraus
666 Teppich.
geht hervor, dass sich in den Schlössern von Potsdam damals 106 vollständige
Garnituren und 47 einzelne Tapisserien befanden. Da bei den Garnituren im
Inventar immer die Stückzahl angegeben ist, ergibt sich, dass im Jahre 1699
sich in den Stadtschlössern von Berlin und Umgegend über 800 AVandteppiche
befanden.
„Von diesem ungeheuren Schatz," heisst es weiter, „hat sich leider nicht der
25. Teil in den Schlössern erhalten, davon abgesehen, was noch im 18. Jahrh. zum
Bestände hinzugekommen, aber auch fast vollständig wieder verschwunden ist. Man
könnte auf den Gedanken kommen , dass geringe Haltbarkeit der Teppiche dieses
Verschwinden verursacht hat ; aber das ist nicht der Grund, denn gute Wandteppiche,
wenn sie nicht zu schlecht behandelt werden, sind ausserordentlich dauerhaft. Dieser
Wandschmuck ist vielmehr der Mode zum Opfer gefallen, da er mit seinen kräftigen
Farben und energischen FormengebuDgen dem Geschmack vom Ende des vorigen
Jahrhunderts nicht mehr zusagte. In den Jahren 1789 und 1793 sind auf dem Hofe
des Berliner Schlosses in öffentlicher Auktion allein 110 Stück Wandteppiche verschleu-
dert worden, von denen der teuerste mit 36 Talern und der billigste mit 16 Groschen
bezahlt wurde. Was in dieser Zeit nicht für die Schlösser verloren gegangen ist, dem
hat die Schinkelsche Kunstperiode den Best gegeben , um uns dafür kalte weisse
Stuckwände zu lassen."
Heute werden natürlich solche hier noch vorhandenen Denkmäler der
Kunst- und Kulturgeschichte sorgsam gepflegt; die Berliner Gobelinmanufaktur
von Wilhelm Ziesch & Co. ist mit der Konservierung derselben beauftragt :
die Stücke werden gereinigt , sachgemäss ausgebessert und die ausgefallenen
oder durch Brand beschädigten Teile neu eingearbeitet. Der genannten Hof-
kunstweberei von Ziesch ist es überhaupt nach grossen Opfern und Anstrengungen
gelungen, in ihren neuen Schöpfungen den französischen Wandteppichen tech-
nisch und künstlerisch gleichzukommen (s. Abb. 321).
Abseits von der in den Niederlanden und in Frankreich sich zu hoher
Kunst entwickelnden Bildwirkerei hatte seither in Erzeugnissen bäuerlicher
Hausindustrie sich an einzelnen Stellen die Technik der sogenannten Schicht-
weberei (s. d.) erhalten, welche der Herstellungsw^eise jener Gobelins voran-
gegangen war. Diese erfuhr in neuer Zeit als nordische Kunstweberei (s. d.)
eine weitere Ausbildung, indem man die bisher darin geübte geometrische
Mustergebung erweiterte und der Technik freiere Kunstformen diktierte, welche
sie neben der Verwendung zu Kissen, Schutzdecken und leichten Möbelteppichen
auch an dekorativen Wandbehängen teilnehmen Hess. Namhafte Künstler stellten
Teppich.
567
Entwürfe dazu her, die teils in Anlehnung an ältere Motive, gotisches Distel-
Mattwerk (Abb. 322) , reizvolle Blütenstauden in Art der Yerdürenmuster
(Abb. 323) enthalten oder den figuralen Stil der Neuzeit (Abb. 324) zur Gel-
tung kommen lassen. Die dafür eingerichteten Werkstätten in Scherebek,
Lund in Schweden, in Berlin und Hamburg mussten aber ihre Tätigkeit auf-
geben, weil der Bedarf für dergleichen zum Kostenaufwand in keinem Verhält-
nis steht.
Was wir in geschichtlicher Folge über die Wirkerei und den Wandteppich
durch Schriften und erhaltene TJeberreste darzustellen vermochten^ ist bei der
Knüpftechnik nnd dem Fussteppich nicht ohne weiteres möglich. Dass
Abb. 324.
in Europa Ansätze des letzteren vor dem 16. Jahrh. nicht zu finden sind, er-
scheint in der späten Ueb erlief erung vom Orient her begreiflich, weniger auf-
geklärt dagegen ist das Fehlen frühmittelalterlicher Fus steppiche aus der
Heimat selbst. Wenn auch nicht zu verkennen ist, dass die Völker des Alter-
tums im Grebrauch sowohl, als auch in den Beschreibungen von Textilien schon
keinen strengen Unterschied machten zwischen Teppichen und anderen Greweben,
geschweige denn in den Arten von Belagdecken , so bleibt die Erscheinung
doch merkwürdig genug, dass unter so vielen uns durch Grrabfunde über-
kommenen W^irkereien und Stickereien nicht ein einziges Stück vorhanden ist,
welches dem Fussteppich entspricht. Auch die Knotenbildung der orientalischen
Knüpfung ist nirgend wahrzunehmen. Eine plüschartige Wirkung, deren reihen-
und stichweise abgesetzte Musterung scheinbar den Mosaiken nachgeahmt ist.
568 Teppich.
wird nur erzielt in vorhandenen Durchzugarbeiten auf leinenen Grundgeweben
(vgl. Abb. 164, S. 301 u. 111, S. 237). Die in Abb. 164 dargestellte Decke
mit quadratischen Feldern und geometrischer Borteneinfassung stammt von
einer jener Umhüllungen, welche den in voller Gewandung bestatteten Leich-
nam als äusseres Tuch umgab. Ein solches ist gewöhnlich nur in den vier
Ecken derartig gemustert, kann also unmöglich als Fussbodenbelag gedient
haben. Es erscheint gewagt, das Aufkommen der Knüpftechnik des orienta-
lischen Fussteppichs erst in eine Zeit rücken zu wollen, die der ersten Er-
scheinung der mechanisch gebildeten Sammetfläche nicht fern liegt und doch
müssen Belagstücke älterer Zeit noch erwartet werden. Denn, die in dem
schon erwähnten Quedlinburger Teppich vorhandene Knüpftechnik, über einen
und zwei Fäden, bleibt bis jetzt als einziges und ältestes Beispiel ihrer Art
bestehen ; sie hat aber sicher ältere Vorläufer gehabt.
Die Datierung der altorientalischen Knüpftepiche, auch nur
nach der Zeit ihrer Entstehung, ist sehr schwer: fast die einzige Handhabe
bot bisher ihr Vorkommen auf europäischen Bildern, worauf Julius Lessing^
in seinem Werke „Altorientalische Teppichmuster nach Bildern und Originalen'^
im Jahre 1877 zuerst hinwies. Er konnte nach ihrer genauen Darstellung
niederländischer, venezianischer und deutscher Meister (vgl. den Artikel Holbein-
teppich mit Abbildung S. 251) mit ziemlicher Sicherheit Teppiche des 15..
16. und 17. Jahrhs. vorführen. Demselben Verfasser folgt Alois Biegl in dem
geschichtlichen Gange seines Buches „Altorientalische Teppiche, Leipzig 1891 '^
und auch Wilhelm Bode in seinem Aufsatze „Altorientalische Tierteppiche" in
dem Werke „Teppich-Erzeugang im Orient, Wien 1895", sowie in seiner
Monographie „Vorderasiatische Knüpfteppiche, Leipzig 1900" , greift bei den
Datierungen auf Bilder zurück; bringt aber ausserdem Originale von orien-
talischen Knüpfteppichen des 14. und 13. Jahrhs. bei. Auf Grund morgen-
ländischer Quellen glaubte Prof. Karabacek einen im Jahre 1880 aufgefundenen
orientalischen Florteppich in Seide auf einem Gewirke aus Metallgeflecht als
eine persische Nadelmalerei „Susandschird" (s. d.) aus dem 14. Jahrh. be-
zeichnen zu sollen ; indessen erschien diese Datierung zweifelhaft, als später ein
zM^eites Stück ganz gleicher Art und Ausführung gefunden wurde, dessen Ent-
stehungszeit in die Jahre 1865 — 1877 gesetzt werden musste. Ein Irrtum in der
Datierung durch eine orientalische Inschrift scheint auch vorzuliegen in dem
von Alois E,iegl veröffentlichten Gebetteppich: „Ein orientalischer Teppich
vom Jahre 1202 n. Chr.", Berlin 1895. (Vgl. Abb. 86, S. 214.)
Nach allem, was bisher über dieses Gebiet morgenländischer Kunst er-
forscht worden ist, scheinen sich die Muster der älteren orientalischen Knüpf-
teppiche in ähnlicher Weise der Zeit nach zu gestalten, wie in den übrigen
Werken textiler Erzeugnisse; nur dass ihre Folge etwas später einsetzt, als
in den Geweben und Stickereien. Im Mittelalter erscheint das Motiv de&
Lebensbaumes, an dem Palmettenblüten übereinander aufwachsen (vgl. Abb. 224.
S. 388) ; darauf folgen Teppichmuster mit Tieren in achteckigen Feldern,
welche zwischen sich noch die Abkürzung des Baumes haben: beides in Ver-
wandtschaft mit den sarazenischen Stoffmustern des 8. — 12. Jahrhdts. (Vgl.
die Webemuster Abb. 8 und 10 auf Tafel II). Den Baumteppich setzt Geheim-
rat Bode in das 13. Jahrb., mehrere Stücke, mit Paaren von Tieren, nach
Bildern in das 14. Jahrh. und ein Original, das in der Drachenfigur chinesischen
Einfluss erkennen lässt, in dieselbe Periode. Von solchen altorientalischen
Tierteppichen führt er auch vom Bilde Giottos im St. Peter in !Rom ein Bei-
spiel mit Adlern an, dem sich romanische Webemuster zur Seite stellen lassen,
(Vgl. Abb. 9 und 10 und Tafel II, Abb. 5.) Aus dem 15. Jahrh. ist zunächst
eine ganze Eeihe von Teppichen mit grosser geometrischer Musterung erhalten,
welche den Anforderungen der Technik, als auch der Bestimmung des Knüpf-
teppichs zum Fussbodenbelag am natürlichsten entspricht : dem Stilgesetz nach-
kommend , das im griechisch-römischen Mosaik allgemein vorherrscht und den
Ursprung solcher Ornamentik bis in das Altertum zurück bestimmen lässt, zu
welchem Beweise Geheimrat Lessing die in Alabaster umgesetzten Fussboden-
Teppich.
569
teppiche aus Niniveh (Abb.' 30, S. 35) herauziebt. Die Datierung der mit den
verschiedenartigsten Sternfüllungen gemusterten kleinasiatischen Teppiche hat
geschehen können nach dem im Jahre 1526 von Holbein gemalten Bilde (Abb.
118, S. 251), welchem ein Intarsiabild mit fast gleichem Teppich aus S. Maria
in Organo zu Verona des Jahres 1499 gegenübergestellt werden kann. Eine
Abb. 325.
zweite Gruppe derselben Zeit enthält ähnliche geometrische Elemente, die
durch Bandyerschlingungen vereinigt sind, woraus sich dann ein Muster aus
streng stilisierten, geknickten Eankenverästelungen gebildet hat: Typen, welche
sich in arg verstümmeltem Zustande bis auf den heutigen Tag in der Smyrna-
fabrikation erhalten haben. (Vgl. den Eand in Fig. 13 und Abb. 10 auf
Tafel Xin.) In der folgenden Zeit des 16. und 17. Jahrh. erscheinen alt-
570 Teppich.
orientalische Teppiche, welche sowohl im Material, als auch in der Feinheit
der i^usführung, das Schönste darstellen, was orientalische Textilkunst zu
leisten vermochte, wenngleich in der Musterung alle Stilgrenzen der Knüpf-
technik weit überschritten sind. Aeusserlich zeichnen sie sich aus durch ein
kurz geschorenes, dichtes, sammetartiges Yliess von feinstem Korn; als Material
erscheint neben der Wolle oder auch nur allein Seide, häufig Gold und Silber
verwendet, wodurch allein schon diese Gruppe als die reichste, vielfach nur
für Luxuszwecke bestimmte, sich kennzeichnet. Diese Teppiche werden als
persische Erzeugnisse bestimmt, im Hinblick auf die Musterung wird eine
dahin gehörende Art als Jagd- oder Tierteppich genannt. Der weite innere
Plan enthält, vielfach auf rotem Grunde, durch ein rundes oder spitzovales
Feld die Betonung der Mitte und in den vier Ecken je einen Zwickel: eine
Teilung, wie sie den meisten abgeschlossenen ebenen Flächen in orientalischen
Kunstwerken eigen ist, in welcher sich die Füllungen aus zierlich durch-
gebildeten Einzelheiten auf wechselndem Grunde sternförmig einordnet. Die
Musterung besteht aus feinen stilisierten Ranken mit lotosartigen Palmetten-
blüten, deren Formensprache chinesisch anklingt, Avie denn überhaupt dem
ganzen Dekor der ostasiatische Einfluss innewohnt, den das stilisierte Wolken-
ornament dazwischen vollends bekräftigt. Inmitten dieser dicht gefüllten
Ebene, die einer bunten Wiese gleicht, ist eine Jagd dargestellt. Die Jäger
erscheinen hoch zu E,oss zwischen Löwen, Tigern, Panthern, Steinböcken u. a. m.,
in anderen Prachtteppichen überwiegen wieder die Darstellungen reizvoller
Paradiesvögel, Wiedehopfe, Kraniche u. dgl. ; die E^andborten enthalten ge-
schweifte Felder mit arabischer Schrift und Blütenrosetten, in einem anderen
wechseln zierliche geflügelte Engelsgestalten zwischen Arabesken ab, und so
gestaltet sich ein Kunstwerk immer schöner als das andere, unvergleichlich in
seiner Art. Das Ganze erinnert den Eingeweihten in etwas an die gemalten
Flächenfüllungen der Fliesenwände oder an die geschnittenen Lederdecken der
farbig bemalten und vergoldeten Koraneinbände ; aber hier scheinen alle Ge-
stalten lebendig geworden zu sein im Glänze schillernder Seide, goldener und
silberner Gespinste, deren köstliche Gesamtwirkung uns gleichsam die Pracht
einer orientalischen Märchenwelt vergegenwärtigen möchte, Yiele wunderbare
Stücke dieser Art vereinigte im Jahre 1891 die Teppichausstellung des K. K.
Oesterreichischen Handelsmuseums in Wien, von denen die schönsten in dem
von dieser Stelle aus veröfi'entlichten Prachtwerke „Orientalische Teppiche,
Wien 1894" farbig dargestellt sind. (Vgl. auch das Vorbilderheft Nr. 13 des
Kgl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin : Julius Lessing, Orientalische Teppiche.)
In der Zeit fast gleich und jenen im Charakter verwandt sind verschiedene
Teppiche erhalten, wie die Abb. 325 ein Beispiel darstellt. Es herrschen
darin vor die Palmettenblüten an feinen Banken und mit Wolkenmustern
durchsetzt, einzelne Vögel beleben die Zwischenräume und die Innenfläche ist
seltener geteilt (Abb. 326), sondern durchgehend gemustert. Für die Zeit der
Entstehung dieser Arten von Prachtteppichen gibt Geheimrat Bode die Dynastie
der Saflden (1502 — 1736) an, welche die persische Kunst zu hoher Blüte führte,
nachdem sie sich durch eine Beihe schwerer Kämpfe befestigt hatte. Diese
Datierung sollen auch die Inschriften auf einigen dieser Stücke bekunden ; ihre
Bestätigung findet sie aber auch in dem Vorkommen chinesischer Motive im
Dekor. „Diese — so äussert sich der Gelehrte weiter darüber — erklärt sich
nicht etwa aus dem Mangel an schöpferischer Begabung für die Kunstsprache oder
aus der Entlehnung und Verarbeitung fremder Motive, die ja für die Perser wie
für die sarazenische Kunst überhaupt bezeichnend sind: es ist vielmehr gerade
charakteristisch für die Zeit der Safiden, welche — voran Schah Abbas der
Grosse — für die blühende chinesische Kunst ihrer Zeit eine besondere Vorliebe
hatten." Dieser Gruppe von Seidenteppichen mit Silber- und Goldfäden ordnen
sich technisch die sogen. Polenteppiche (s. d.) an, deren Muster in der ganzen
Linienführung strenger gehalten ist; aber in allem durchaus persischen Ursprung
verrät. Die Teilung des Mittelfeldes in älteren orientalischen Teppichen durch
grosse spitzovale Felder oder Sterne ist auch noch einer vorderasiatischen Art
Teppich.
571
von grösserem Umfange eigen, die sich darin etwas der geometrischen Grruppe
des 15. Jahrhdts. anschliesst, sonst aber in übrigen Teilen zwischen diesen
Hauptfiguren aus arabeskenartigen Einzelheiten eine Füllung aus Palmetten-
blütenranken enthält, die bis in das 17. Jahrh. hinein vorkommen. Dieselben
erscheinen auch in einem gleichzeitigen Teppich (Abb. 327), dessen Grund-
teilung aus umschlagenden ausgesparten arabischen Kelchformen besteht. Dieses
Stück enthält überhaupt eine Reihe von Motiven, welche aus anderen Gruppen
zusammengetragen erscheinen: so die alte Grundform der arabischen Palmette
(x\.bb. 224, S. 388), die durch Bänder vereinigten strengen Blütenformen, das
chinesische Wolkenornament u. v. a. Für geometrische Teppichmuster, die
sich bis heutigen Tages fortsetzen, ist als Urtypus hinzudeuten auf das spanisch-
maurische Element des späten Mittelalters (Abb. 23, S. 28), das nicht allein
die mannigfachen Sternbildungen aus Bändern enthält, sondern auch in den
schmalen Begleitborten auf die zum reinen Ornament gewordene kufische
Schrift hinweist, welche noch im Schirwanteppich des vorigen Jahrhunderts
erscheinen (Abb. 13, Tafel XIII).
Abb. 326.
Gleichwie die Wiener Ausstellung von 1891 für die Geschichte der älteren
orientalischen Teppiche von grösster Wichtigkeit war, so hat sie auch wert-
volle Beiträge geliefert für die näheren Ortsbestimmungen der modernen Er-
zeugnisse, die enthalten sind in dem der damaligen Ausstellung beigegebenen
Katalog. Man kann hiernach das Charakteristische besonderer Arten allgemein
zusammenfassen :
Die Einteilung aller orientalischen Teppiche erfolgt zunächst nach dem
Webstoffe: s. Material S. 560. Nach der Verfertigung unterscheidet
man kurzhaarige (persisch Khabb-i-kutah) und langhaarige (Khabb-i-
bulend) Teppiche ; wenn zottig und schwer, werden sie Khersek genannt. Zu
den ersteren gehören die Eerahan-, Serabend-, Kurdistan-, Gerus-, Khain-
und Biredschend-, dann die turkmenischen (Tekke und Yomud) sowie die
feinsten Khiva- und afghanischen Teppiche; langgeschoren sind die Erzeug-
nisse aus der Gegend von Schiraz (Kaschkai), Hamadan, Zendjan, Khorassan
und die zentralasiatischen. Zu den bestgeschorenen gehören die Kurdi-
staner (Senne und Gerus) , Kirmaner und turkmenischen Teppiche. Sehr
Di
Teppich.
ungleich, stufenförmig geschoren sind die Ferahanteppiche. Nach dem Gre^vebe
teilen sich die T. in glatte und plüschartige: die ersteren Kilims genannt.
Die stärksten und festesten sind die der turkmenischen Nomaden und die
Abb. 327.
baumwollenen von Yezd ; die feinsten kommen in Schuschter und Kurdistan
vor. Die plüschartigen T. werden nach verschiedenen Knüpfsystemen her-
gestellt: vgl. Tafel XVI, Abb. 27—31 und Beschreibungen 8. 559. Nach
Teppich. 573
Umfang und Format teilen sich die T. in Khali (Kalitsche), Sedschade und
Dschanemaz (Gebetteppiche). Khalis sind Teppiche von 2 m Länge und
3 m Breite. Eine Grrenze ist dabei durch die Art der Herstellung gezogen,
so dass die meisten Stücke zwar nach Belieben lang, aber nur mit grosser
Schwierigkeit sehr breit gemacht werden können, so dass solche zu den ge-
suchten Seltenheiten gehören. Die Masse der orientalischen T. sind den
dortigen Wohnräumen angepasst. lieber das obere, dem Eingange entgegen-
gesetzte Ende derselben ist ein die ganze Breite des Raumes einnehmender,
meist filzartiger Teppich (Serendaz) gelegt, von dem aus sich den Seiten-
wänden entlang schmale lange Laufteppiche (Kenari) hinziehen. Der grössere
jNIittelteppich kommt, wie in einem Bilderrahmen ruhend, so viel mehr zur
Geltung, und bleibt auch dadurch besser erhalten. Die Nomadenteppiche,
ursprünglich für das Zeltinnere bestimmt, sind sehr selten lang und propor-
tionierter als die alten, von den sesshaften Einwohnern erzeugten Teppiche.
Eine kleinere Gattung Khali heisst Khalitsche. Seitdem gewisse Gattungen
orientalischer Teppiche sich in Europa eingebürgert haben, wird bei der An-
fertigung solcher Stücke bezüglich der hier gebräuchlichen Grössen Bücksicht
genommen. Teppiche in den Massen von 1:2m lang heissen Sedschade,
grössere dieser Gattung Tscharpai (vierfüssig). Dschanemaz heissen die Gebet-
teppiche (s. d.). Auch nach Farben und Muster werden natürlich die orien-
talischen T. unterschieden, wobei in älteren Stücken die Symbolik eine hervor-
ragende Kolle spielt.
Die Bezeichnungen der orientalischen Knüpfteppiche erfolgt nun meistens
nach dem Herstellungsorte. Da aber dieser nicht immer mit Sicherheit anzu-
geben ist, so erscheinen im Handel dafür auch die Namen der Häfen, von
wo aus sie nach Europa gelangten. Das bringt natürlich eine grosse Ver-
wirrung in die Unterscheidung der vielen Arten, welche erweitert wird durch
mündliche falsche Heb ertragungen.
Persien erzeugt in der im nordwestlichen Teile des Reiches gelegenen
Provinz Azerbeidschan, deren Hauptstadt Täbris (das alte Tauris) ist.
Knüpf- und Wirkteppiche, meist jedoch in geringerer Sorte. Aus dem Distrikte
von Karadagh kommen T., in welchen das Bosa vorherrscht, die Grundfarbe
entspricht derjenigen des Kamelhaares. Wolle unrein, Dichte verschieden.
Knüpfung: 85—120 Knoten auf 10 qcm nach Abb. 30, Taf. XYI. Sie unter-
scheiden sich schwer von den in der kaukasischen Provinz Karabagh geknüpften
Arten. Ferner kommen aus Heris, Ortschaft nahe der Provinz Gilan,
Kamelhaarteppiche auf Bestellung europäischer Häuser, ähnlich dem gröberen
Ferahan, im Handel fälschlich His genannt. Aus den Provinzen Zendjan
und Hamadan, südlich von Azerbeidschan; Material: grobe Wolle oder
Kamelhaar, in gewöhnlicher Form heissen sie Khersek. In dem Distrikte von
Hamadan erzeugen die Karagözlu-Nomaden derartige Teppiche: vgl. ik-bb. 1.
Taf. XIII. — Ferahan (s.d.), persische Provinz, erzeugte früher die besten
Sorten der Knüpfteppiche. Die Haupter zeugungs statte derselben ist die Stadt
Suitanabad, halben Wegs zwischen Hamadan und Ispahan, jetzt fabrikmässiger
Betrieb für europäische Handelshäuser ; aber heut noch Handarbeit von Frauen
auf aufrechtstehendem Webstuhl. Die Grössen, abgesehen von besonderer
Bestellung: 4 — 6 m Länge, 2 — 3,70 m Breite, bei den älteren Stücken über-
trifft die Länge die Breite um das 3 — ^4fache ihres Masses. Material des Ge-
webes: Baumwolle in Kette und Einschlag, der Knüpfung: Wolle eigener
Zucht; mit der Flaumwolle werden die ganz feinen kleinen Teppiche von
grosser Weichheit erzeugt; Knüpfung: Abb. 29 Taf. XVI, bei einigen auch
nach Abb. 30. Der verbreitetste Typus des Ferahanteppichs ist durch das
Heratimuster (s. d.) (Abb. 1 Taf. XIV) gekennzeichnet, das aus der Stadt
gleichen Namens (Herat) stammt, diesem schliesst sich die Heratiborte aus
Palmetten an. Die Hauptstapelplätze für Ferahanteppiche sind Täbris und
Teheran, von wo aus dieselben über Trapezunt in den Handel kommen, nach
welcher Hafenstadt sie auch häufig genannt werden. Serabend, eine Teppich-
gattung nach Art des modernen Ferahan, nur viel steifer und spröder, ge-
574
Teppich.
hört zu den dichtgewebtesten des Landes. Knüpfung auf 10 qcm 1000 bis
1500 Knoten nach Schema 29 und 30, Tafel XYI. Haupteigentümlichkeit im
Dessin ist das Palmwipfelmuster: vgl. Abb. 8, Tafel XIII. Kurdistan, mit
diesem Gesamtnamen wird die längs der türkischen Grenze vom Umrisse
bis hinab gegen Kirmanschah sich hinziehende^ von zahlreichen Wanderstämmen
von Kurden durchzogene Hochgebirgslandschaft, welche von jeher zu den vor-
züglichsten teppicherzeugenden Gegenden Irans zählte, bezeichnet. Es haben
sich dort mehrere Zentralstellen der Industrie selbständig entwickelt, die
auch in der Eigenart der Erzeugung von Kennern unterschieden werden : d. s.
Senne als Hauptart des Distriktes von Ardilan und Ger,us. Ersterer
ist ein im Gewebe sehr feiner Teppich, er gilt als der zierlichste der mo-
dernen Knüpfarbeiten; er wird wegen seiner geringen Grösse und Dicke
in Europa mehr als Zierteppich für Diwan und Tisch benutzt. Die Dichte
seines Flors ist so eng, dass beim Umbiegen die Fäden der Kette nicht
Abb. 328.
sichtbar werden. Eine Untersuchung der Textur hat als Grösstzahl der
Ejiüpfungen auf 100 qcm die Summe von 7200 Knoten ergeben. Diese
Noppenzahl geht bei den gröbsten Stücken auf 3000 lierab. Die Knüpfungs-
art ist nach Abb. 29, Tafel XYI. Hier ist wieder das Heratimuster typisch,
dem sich eine einfache Borte anschliesst ; auch das Palmwipfelmuster ist darin
oft vertreten. Die von dem nur wenige Tausend Familien zählenden Kurden-
stamme der Gerus herrührenden Teppiche sind in Ausführung dem Senne-
teppich ähnlich, nur noch etwas rauher als dieser. Kurdistan-Kilims
werden die feinsten glatten Teppiche genannt, welche Persien erzeugt. Sie
sind gobelinartig gewirkt, von grösster Feinheit und enthalten auch das Herati-
muster, welches häufig in der Mitte von einem Pautenfeld unterbrochen wird.
Kaschkai heissen im europäischen Handel Kirmanschah oder Schiraz,
wohl auch hier und dort unter dem Namen Mekka bekannt. Es ist ein in
den verschiedensten Sorten und mehreren Mustern vorkommender Knüpf-
teppich, welcher von den über den südwestlichen Teil Persiens ausgebreiteten
Teppich. 575
Nomadenstämmen der Kaschkai ganz in Wolle gearbeitet wird und dessen
Charakteristik ausser dem einheitlichen WebstofF noch in dem seidenartigen
Luster zu suchen ist. Die verschiedenartige Benennung desselben beruht auf
Handelsnamen (s. den bes. Artikel Kaschkai). Dieser Teppich gilt in Persien
heut noch als der schönste neben dem Senne aus Kurdistan. Die Oberfläche
desselben ist in der Regel nicht kurz geschoren, die Knüpfung keine beson-
ders dichte, sie schwankt zwischen 1000 und 1500 auf 100 qcm bei einer
Technik nach Abb. 29 und 30 auf Tafel XYI. Die Musterung besteht aus
kleinem Streuwerk und Rosetten (Aschkali genannt), in einer anderen Art
erscheinen die Palmwipfel mit der E,andborte aus einem Wellenband, das mit
kelchförmigen Blüten durchsetzt ist: vgl. Abb. 328 und Abb. 3 und 7 auf
Tafel XIII, Abb. 7 auf Tafel XIY. Kirman (s. d.) ist eine aus gleichnamiger
im Südosten Persiens gelegenen Stadt stammende Teppichart von geringer
Feinheit, dessen beliebteste Musterung im kaschmir oder kirmaner Shawlmuster
besteht. Khorassan (s. d.) soll früher die besten Erzeugnisse Persiens
geliefert haben, was durch heutige Arbeiten kaum noch bestätigt wird. Dahin
gehören die in dem Distrikte von Kha'in erzeugten Teppiche mit grellen,
vielfach unechten Farben, welche auch der Dauerhaftigkeit entbehrten. Die
Khorassanteppiche sind mit wenigen Ausnahmen in Wolle auf baumwollener
Kette geknüpft, der Einschlag ist gleichfalls Baumwolle. Auch die Erzeug-
nisse der Stadt Biredschend gehören zu dieser Gattung.
Persische Filzteppiche (Nemeds) werden in der Gegend von Yezd
in dem Dorfe Taft gefertigt, auch diejenigen von Ispahan sind berühmt,
gleiche Fabrikate kommen aus Kha'in und Biredschend. Sie erreichen oft
eine Dicke von 4 cm. Eine Sorte, welche besonders leicht und durch An-
wendung des Ziegenhaares sehr schmiegsam ist, wird in Hamadan verfertigt.
Persische Seidenteppiche kamen früher aus den berühmten Staats-
teppichwebereien und wurden in der Hegel aus dem Produkte der Seidenraupe
erzeugt, deren Kultur im Mittelalter und bis in die jüngste Zeit nicht nur
über das chinesische Turkestan, die Ländergebiete des Oxus und Jaxartes und
die Oase von Merw, sondern auch in Khorassan, Mazenderan und Ghilan all-
gemein verbreitet war, von wo aus sie ihren Weg nach dem Kaukasus fand.
In neuer Zeit werden Seidenteppiche nur in der Stadt Kaschan und in
Suitanabad erzeugt. In letzterem Orte ist diese Industrie auf europäische
Anregung entstanden. Im wesentlichen ist die Textur der einen und der
anderen Gattung dieselbe : Seidenkette, Baumwolleinschlag und Seidenflor ; nur
sind die Sultanabader Teppiche spröder und steifer, was hauptsächlich von der
grösseren Stärke des zur Verwendung kommenden Seiden- und Baumwollgarns
herrührt: 2 Einschüsse zu je 16 und 8 Faden gegen fünffach bei dem Kaschaner.
Bei beiden Arten wird grobe Stickseide (soie plate) verwendet. Die Zahl der
Knüpfungen beträgt bei Kaschan etwas über 4000, bei Suitanabad 3600 — 4000
auf 100 qcm. Die Knüpfung ist nach Abb. 29 auf Tafel XYI. Die Musterung
ist dem europäischen Geschmack angepasst. (Ygl. Abb. 329.) Im vorliegenden
Teppich hat man den Teil einer Galerie mit Chinoiserien zu einer Art von
Gebetteppichfüllung umgestaltet. Die Farben sind sehr brillierend.
Zu den zentralasiatischen Teppichen gehören die Turkmenen,
die Khiva, die Belutschistan und Bokhara.
Turkmenen werden in Zentralasien Dschujnabe genannt und im Handel
irrtümlich Bokhara (s. d.), mit welchen sie nur die eigentümliche rotbraune
Farbe gemein haben, die dem Indischrot am nächsten kommt; sie gehören zu
den dauerhaftesten, dichtesten und bestgeschorenen Teppichen Zentralasiens.
Das Gelb, das den Bokharas so eigentümlich ist, kommt in den turkmenischen
nur selten vor. Neuerdings kommt auch ein Zinnoberrot darin zur Ver-
wendung, das auf den Verfall des Farbensinnes hindeutet. Auf allen Turk-
menen begegnen wir im wesentlichen einer und derselben Art der Paum-
einteilung: zwei Motive von geometrischer Grundform wechseln in versetzten
Peihen miteinander ab, das eine kreuzförmig aus vier Balken, an deren jedem
ein Doppelhaken ansetzt, das zweite von achteckiger Form mit Stern, der in
576
Teppich.
der Regel durch vier ins liegende Kreuz gestellte Motive gefüllt ist. Charak-
teristisch für den Yomudteppich sind die Achtecke mit äusserem Rahmen,
der in vier Teile zerlegt ist. An den Teketeppichen (Abb. 5, Tafel XI Y)
erfahren die Achtecke durch mehrfache Aus- und Einsprünge ihrer TJmriss-
linien eine weitere Entwickelung, oft bis zu einem Zweiunddreissigeck. Eine
etwas abweichende Art der Raumteilung findet sich an solchen Knüpfteppichen
befolgt, die ganz bestimmten Sonderzwecken zu dienen haben : d.s. die Grebet-
Abb. 329.
Vü
teppiche der Yomud (Abb. 330), deren Nischen durch ein klar gezeichnetes
Netzmuster ausgefüllt sind. Eine besondere Eigentümlichkeit dieser turk-
menischen Teppiche liegt noch darin, dass ihre Borten nicht an allen Seiten
gleich behandelt sind. Oft wechselt das Muster nicht nur an Lang- und
Schmalseite, sondern auch an den beiden Schmalseiten untereinander. Grewirkte
Vorstösse kommen häufig vor; in anderen Fällen treten geknüpfte Fransen an
ihre Stelle. Die Wolle dieser Teppiche ist oft sehr fein und hat namentlich
Teppich.
577
nach längerem Gebrauche ein sammetartiges Lustre. Hier und da werden auch
Seidenfäden eingewebt. Bei einem ganz neuen Teppich wurde beobachtet,
dass die weissen Musterfelder in Baumwolle gewebt waren. Der turkmenische
T. gehört zu dem kurzhaarigen Typus. Neben dem Florteppich wird von den
Turkmenen auch ein sumakh artiger, sehr derber, aber ausserordentlich wider-
standsfähiger Kilim gewebt, welcher an Ort und Stelle Palas heisst. iVn die
turkmenischen Teppiche lehnen sich im Muster die im Handel bald Khiva,
Abb. 330.
I i
(f^- . -.IS'
h:^\i
bald Afghanen genannten Teppiche an, welche gewöhnlich mit gröberer oder
langhaariger Wolle gewebt sind; doch kommen auch sehr feine und dichte
Arbeiten vor, die sorgfältig geschoren und in ihrer ziegelroten Gresamtfärbung
durch prächtigen Grianz sowie Geschmeidigkeit ausgezeichnet sind. Selten sind
die Teppiche aus Belutsch istan (s. d.). Auch über Bokhara siehe den
besonderen Artikel. Nach den von dort kommenden Berichten ist anzunehmen,
dass die heut im Handel als M o s u 1 bezeichneten Knüpfteppiche (vgl. Abb.
4 und 5 auf Tafel XIII) aus Bokhara stammen; es würde sich in den hier
abgebildeten Stücken um neuere Erzeugnisse handeln. lieber kaukasische
Teppiche vgl. den besonderen Artikel.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde.
Dazu gehören die Karabagh
37
578
Teppich.
und G-endsche; eine Abart hiervon sind die Kasaks (vgl. Abb. 6 anf
Tafel XIY) und die Lesghi. Eine besondere Gattung der kaukasischen
Teppiche sind die aus dem im Osten zwischen den unteren Lauf des Kur und
die Halbinsel von Apscheron eingekeilten Landstriche Schirwan (vgl. die
Abb. 9 — 13 auf Tafel XIII), die sich wiederum unterscheiden nach den Er-
zeugnissen der Ortschaften Baku, Mogan und den Arten Tschet sehen
und Kabristan. Die Teppiche der Landschaft Daghestan (s. d.) werden
unterschieden nach solchen aus Derbent (ganz aus Wolle, Knüpfungsart 29
Abb. 331.
auf Tafel XYI) und den feineren dieser Art aus Kuba. Die Sumakh-
teppiche jeder Art sind broschierte G-ewebe (vgl. Abb. 8 auf Tafel XIV),
bei welchen die Schussenden entweder kurz am Grewebe, auf der Rückseite
abgeschnitten sind, wie bei den Yerne und Sile, oder lose auf letzteren
hängen, wie bei den eigentlichen Sumakhs. (Vgl. Bindungstafel XVI,
Abb. 31.)
Anatolische Teppiche, auch Smyrna- oder türkische Teppiche im
Handel genannt, vertreten eine uralte Industrie der Knüpftechnik in Klein-
Teppich.
579
asien. Als Hauptsitze der Erzeugung beliebter Sorten werden heute genannt:
Uschak, Giordes (Abb. 6 auf Tafel XIII), Kula (Abb. 331), Demird-
schik, Sparta, Ladik (Abb. 332), Pergamos (Abb. 2 auf Tafel XIII)
und Melas (s. den Artikel Smyrnateppiche). Die Industrie trägt überall die
Merkmale häuslicher Tätigkeit, die Teppicharbeit wird wie ein Geheimnis ge-
hütet, um der im Lande einzig blühen-
den Industrie keine fremdländische Abb. 332.
Konkurrenz zu schaffen. Der grösste
Teil der zu verarbeitenden Wolle
stammt von den eigenen Schafen und
wird im Hause gesponnen, sie ist von
fettiger Sorte, doch glaubt man, dass
sie nicht immer gewaschen wird, da
gewisse Farben, wie blau und gelb, in
der ungewaschenen "Wolle schöner er-
scheinen. Das Färben derselben be-
sorgen die Männer während der Regen-
zeit überall im Hause, doch gibt es in
Kula und Uschak auch eigentliche
Färber. Es wird hier die im Lande
gebaute Krappwurzel viel zum E.ot-
färben verwendet, weniger Cochenille.
Indigo gibt die blaue, die Kreuzbeere
die grüne und gelbe, der Gallapfel
die schwarze und Yalonea die weisse
und braune Farbe ; zur Hervorbringung
hellerer und dunklerer Farbentöne
dienen verschiedene Holzgattungen, und
von chemischen Produkten werden nur
solche verwendet, die, wie Vitriol,
Alaun, Zinn, zur Färberei durchaus
notwendig sind. Der Billigkeit halber
und auch um der Mode, welche zur
Zeit des Sultans Abdul Asis (1830
bis 1876) an gelben Farben Gefallen
fand, ein Zugeständnis zu machen, be-
diente man sich einige Zeit lang der
Anilinfarben; doch da man merkte,
dass darunter die Güte und Dauer-
haftigkeit der Teppiche litt , kehrte
man wieder zum alten Gebrauche der
vegetabilischen Farbstoffe zurück. Die
Webstühle sind die ältesten ihrer Gattung. In Uschak ist die Teppicherzeugung
am ausgedehntesten und vollendetsten. Von 2000 Webstühlen sind (nach dem
Berichte Boutiers aus dem Jahre 1885) 600 in Tätigkeit, und versehen 4000
iVrbeiter und Arbeiterinnen das Knüpfen und Weben der Teppiche und das
Waschen und Färben der Wolle. Die Muster der heute hier erzeugten
Teppiche sind türkisch und werden alten Teppichstücken, die entweder in der
Familie vererbt oder von einer anderen Familie entlehnt sind, nachgebildet.
In Giordes werden hauptsächlich persische Muster nachgeahmt. Kula liefert
sogenannte Khorassanimitationen. Auf Bestellung w^ird aber überall Alles ge-
arbeitet und kein Ort beschränkt sich heut auf bestimmte Erzeugnisse.
In Hinsicht auf die Güte lassen sich die Smyrnateppiche in dicke,
mittlere und dünne teilen. Die dicken sind die geschätztesten, und die besten
davon stammen aus Uschak. Die schlechteste Sorte, die ebenfalls hier erzeugt
wird, heisst Barhana, und wird für die Echtheit ihrer Farben nicht garantiert.
Die mittleren Sorten stammen aus Kula, Giordes und Demirdschik. Der
Unterschied zwischen diesen und denen von Uschak besteht auch noch darin,
580 Teppich.
dass iu Kula Hanf, in Giordes und Demirdschik Baumwolle zur Kette ver-
wendet wird, während Uschak Wolle nimmt. Die feinste Qualität aus Uschak
führt den Namen Tek-Iplik. Muster und Textur sind hierbei ausser-
ordentlich fein.
Sj^rische Teppiche sind aus dem Anfange des 18. Jahrh. bekannt.
Ihre Erzeugung ist übertragen von einer Anzahl Familien aus Brussa nach
Dörfern in den Distrikten Hakkar, Hossu, Safita und Hazzur im Mutessariflik
Tripolis in Syrien. Das bedeutendste dieser Dörfer — etwa ein Dutzend —
ist Haidamur, etwa 30 Meilen östlich von Tripoli; es scheint alle anderen
in Bezug auf Güte, Dauerhaftigkeit und Zeichnung der Teppiche zu übertreffen.
Eine Gattung guter Teppiche wird auch im Dorfe Eiki oder F'akeh erzeugt.
Die Hauptfarben solcher syrischen Teppiche sind rot und schwarz, öfter
karminrot und schwarz, mit schwarzen oder dunkelbraunen Figuren an den
beiden Enden. In einem etwa 10 Meilen von Haidamur entfernten Dorfe sind
die Hauptfarben der Teppiche rot und grün mit weissen Borten und das
Muster zeigt weisse Kreise mit roten und grünen Mittelpunkten.
Vom Orient her hatte sich die Teppichindustrie auch nach Bosnien
und der Herzegowina verpflanzt; aber sie war sehr in Verfall geraten und
wurde von der österreichisch-ungarischen Regierung in neuer Zeit wieder
gepflegt, so dass man nach gegebenen j^Iustern gute Ware zu arbeiten im
stände ist.
Bulgarische Teppiche kamen früher aus der Stadt Pirot, die
heute zu Serbien gehört. Hier wurden gewöhnliche Sorten kleinen Formats
zu sehr billigen Preisen erzeugt, unter dem Namen Pirocanski-Kilim.
Auch Ciporovica wird als Teppicherzeugungsstätte genannt.
Rumänische Teppiche sind unter der Bezeichnung Velin tze be-
kannt, sie gleichen den serbischen, bulgarischen und similaren Torontaler Er-
zeugnissen, indessen ohne die feineren Muster und Farbenzusammenstellungen.
Serbien nimmt unter den Teppich erzeugenden Ländern der Levante
keinen unbedeutenden Platz ein, den es durch das frühere bulgarische Pirot
erobert hat. Zurzeit der Türkenherrschaft, als die Teppiche nicht nur beim
reichen Landadel, sondern bis nach Konstantinopel lohnenden Absatz fanden,
beschäftigte sich fast die ganze weibliche Bevölkerung der etwa 10 000 Seelen
zählenden Stadt Pirot mit der Herstellung von Teppichen, doch nachdem der
wohlhabende Adel, überhaupt alle Mohammedaner das Land verlassen haben,
finden nur etwa 1000 Personen noch ihre Beschäftigung. Die Teppichweberei
ist immer Hausindustrie gewesen, umgeben von einem Sagenkreise mit Märchen
und Volksliedern, welche sich von Mutter auf Tochter übererbte. Man hält
daher fest an wenigen hergebrachten Ornamenten, die jeder Weberin beim
Namen bekannt sind und ohne jede Vorlage unter ihren Fingern entstehen.
Erst in neuester Zeit hat man sich gegen gute Bezahlung herbeigelassen, auch
nach angegebenen Mustern in Zeichnung und Farbe zu arbeiten. Die älteren
Stücke haben einen schwarzen, die der neueren Zeit einen roten Grund, alle
Muster schliessen sich der geometrischen Formengebung an.
lieber indische Teppiche siehe den Artikel Indien. Vgl. auch den
Aufsatz „Indische Teppiche" von Vincent J. Robinson in dem Werk: „Teppich-
erzeugung im Orient", herausgegeben vom K. K. Oesterr. Handelsmuseum in
Wien, 1895.
Die Erzeugung von Teppichen im nördlichen und westlichen China ist
eine verbreitete Hausindustrie. Man erzeugt gewirkte, geknüpfte und Filz-
teppiche : alle drei Gattungen werden mehr zur Bedeckung der Betten und als
Reise- und Satteldecken, weniger aber als Bodenbelag verwendet. In Peking
werden für die kaiserlichen Paläste einzelne Teppiche von besonderer Schön-
heit in Seide und mit Goldfäden durchwirkt hergestellt, wiewohl die grösste
Zahl der im Besitze des Hofes befindlichen Teppiche dieser Art zentral-
asiatischen Ursprungs sein soll. Die Kette der gewöhnlichen Teppiche ist
meist Baumwolle, der Einschlag und die Knüpfung Schaf- oder Kamelwolle.
Die meisten chinesischen Teppiche zeigen eine ganz feste, organische Raum-
Teppich. 581
gliederung. Die Mitte wird betont durch eine Blütenrosette, die Ecken durch
Mäanderwerk, das auch in den Abschlussrändern eine Rolle spielt ; dazwischen
Streumuster in regelmässigen Abständen aus stilisiertem Blütenwerk, Rosetten,
auch Fledermäusen, Schmetterlingen u. a. m. angebracht. Der Farbenreichtum
ist mit den übrigen orientalischen Teppichen nicht zu vergleichen. Der Grrund
ist gewöhnlich weiss, namentlich in kleineren Stücken, in grösseren, ist Rot
und viel Gelb als kaiserliche Farbe vertreten. Typische Beispiele für gute
Erzeugnisse kommen aus S a m a r k a n d in Chinesisch-Turkestan. (Vgl. Abb. 4
auf Tafel XIV.)
Japanische Teppiche sind in älteren Zeiten völlig unbekannt. In
den Wohnräumen der höheren Stände vertreten dort die Felle der auf der
Jagd erlegten Tiere ihre Stelle. Erst vor etwa zwei bis drei Jahrhunderten
begann man in Japan selbst Teppiche zu erzeugen, welche Nabeshima ge-
nannt wurden ; diese Fabrikation geriet aber gänzlich in Verfall. Seit der
Eröffnung des Landes und der Zunahme des Verkehrs hat sich der Gebrauch
von Teppichen verbreitet und man ahmt seit der Mitte des 19. Jahrh. chinesische
und europäische Teppichmuster nach. In Kishiu und den angrenzenden Pro-
vinzen, wo früher eine Art Flanell, Mompa genannt, erzeugt wurde, fertigte
man Teppiche aus Baumwolle, Hanf und Seide an, die in Tokio usw. einen
starken Absatz fanden. Baumwollteppiche werden jetzt in Sakai bei Osaka
in der Provinz Idzumi hergestellt. Die Teppicherzeugung wird als Haus-
industrie betrieben und beschäftigen die Kaufleute, welche sich mit dem Handel
des Artikels befassen, die Arbeiter. Hanfteppiche werden in Fusimi bei Kioto
in der Provinz Yamasiro, in Mikage, zwischen Osaka und Kobe, und in Koma-
gasaki bei Hiogo erzeugt.
Aus Marokko sollen Teppiche des 14. — 17. Jahrh. stammen, welche
grosse Sternmuster in Art der vorderasiatischen Knüpfarbeiten enthalten, die
zum grössten Teil in Rot und Grün gehalten sind. Andere setzen diese Art
von Knüpfteppichen nach Damaskus (?). Als einstige Hauptsitze der Teppich-
weberei in Marokko werden Fez und Marokko bezeichnet, heute hat sich die
Industrie in Rabat und El Baida (Casa blanca) aufgetan. In Rabat werden
die Knüpfteppiche (Zebia), in Casa blanca die gewirkten Teppiche (Hambel)
erzeugt. Eine Spezialität der marokkanischen Teppiche sind die Tuarek-
teppiche, welche die Frauen arbeiten; sie kommen seltener in den Handel,
sondern werden dem Eigentümer bei seinem Tode als Leichentuch ins Grab
mitgegeben.
Die älteren in Europa erzeugten Fussteppiche in Knüpf-
arbeit stammen aus Spanien, wohin die Industrie im 16. Jahrh. von den
Sarazenen verpflanzt worden ist. Die Muster lehnen sich an orientalische
Typen gleicher Zeit an, doch kommen auch andere vor, die darin im Sinne
der Gewebe Tapetenstoffen gleichen.
Die moderne Nachahmung orientalischer Knüpfteppiche-
in Europa begann in Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhdts. Nachi
Berichten von Julius Lessing (Altorientalische Teppiche, Berlin 1877) wurden
im Jahre 1853 von der preussischen Regierung zwei Techniker aus Kottbus;
und Schönberg in Schlesien nach Giordes, Kula und Uschak in Kleinasien
gesandt, um die Smyrnatechnik zu studieren und man fing dann an, genau
nach der orientalischen Art mit Hilfe von Haute-lisse-Webstühlen zu arbeiten :
zuerst in der Gevers & Schmidt sehen Teppichfabrik in Schmiedeberg in
Schlesien, derselben folgten Schütz & Juel in Würzen bei Leij)zig, die heute
als „Vereinigte Smyrna-Te23pichfabriken" bekannt sind. In Oesterreich
traten zuerst Philipp Haas & Söhne aus Wien, J. Ginzkey in Maffersdorf bei
Reichenberg, Jos. Dierzer in Kleinmünchen, Gebr. Schaumann in Stockerau
mit Erzeugnissen dieser Art auf. Belgien fertigte Smyrnateppiche bei
Stevens Michel & Co. in Brüssel, aus Holland kamen dergleichen aus der
Kgl. Teppichfabrik in Deventer und von Jan Henkensfeldt in Delft. Die
neuere Zeit hat in allen grösseren Textilindustriezentralen Europas Werk-
stätten für Teppichknüpferei entstehen lassen. lieber das Kopieren nach
582 Teppich.
orientalischen Vorbildern ist man längst hinaus, man folgt auch hierin dem
Geschmacke der Neuzeit; doch der gute alte Teppich des Morgenlandes ist zu
widerstandsfähig, als dass er schon gänzlich vergessen worden wäre.
Literatur (ausser den im Text angeführten AVerken) :
a) Wandteppiche und ältere verwandt e T echnik: Bock, F., Kunst-
geschichtliche Beiträge über die vielfarbigen Gobelin Wirkereien und Purpurstickereien
der spätrömischen und frühbyzantinischen Kunstepoche, Hannover 1886; Böttiger,
J., Svenska statens samling af säfda tapeter historic och beskrifvande förteckning,
Stockholm 1895—98; Boucher, Fr., Fac-Simile d'apres, 1882; Boyer deSte.
Suzanne, Les tapisseries Frangaises, 1879; Castel, A., Les tapisseries, Paris 1876;
Champeaux, A. de, Tapestry, South Kensington Museum, Art handbook, London
1878; Deyroll, L., Notice sur l'art de la tapisserie dans ses rapports avec la pein-
ture et sur les moyens d'execution dont peut disposer l'artiste tapissier dans les manu-
factures des Gobelins et de Beauvais, Paris 1878; Dillmont, Th. de. Koptische
Stickereien, Muster altchristlicher Kunst in Aegypten, Dornach 1887; Duhamel du
Monceau, Die Kunst, türkische Tapeten zu weben, welche unter dem Namen der
Tapeten von Savonnerie bekannt sind, Leipzig und Königsberg 1768; Dupont, P.,
La stromatourgie. Documents relatifs ä la fabrication des tapis de Turquie en France
au 17. siecle; 1882; Egyptian art, Teil 5 der Portefolios of South Kensington Mu-
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drale d' Angers, 1890; Fenaille, M., Etat general des tapisseries de la manufacture
des gobelins depuis son origine jusqu'a nos jours (1600 — 1900), Paris 1903; Forrer,
Die Gräber- und Textilfunde von Achmim-Panopolis, 1891; Gentili, P., Arazzi
antichi e moderni, Roma 1897; Gerspach, E., La manufacture nationale des gobe-
lins, Paris 1892; Derselbe, Les tapisseries coptes, Paris 1890; Graft, J., van der,
De Tapijtfabrieken der 16. en 17. eeuw, Middelburg 1869; Guichard, E. et A.
Darcel, Les tapisseries decoratives du Garde-meuble , Paris 1877; Hankiewicz,
C, V., Die Kilimweberei und die Kilimwebeschule des A¥. R. v. Fedorowiez in Okuo,
Wien 1894; Hauser y Menet, Tapices de la corona d'Espana, Madrid 1903; Jubi-
nal, Achille, Les anciennes tapisseries historiees, ou collection des monuments les plus
remarquables de ce genre du moyen äge ä partir du 11. siecle au 16. s. incl. gravures
d'apres les dessins de Victor Sansonetti, Paris 1838; Kawashima, J,, Art fabrics
exhibited at worlds Columbia exposition at, Chicago 1893; Les sing, J., Die Wand-
teppiche aus dem Leben des Erzvaters Jakob, Vorbilderhefte (25) Berlin 1900; Der-
selbe, Der Croy-Teppich im Besitz der Kgl. Universität Greifswald, Berlin 1902;
Mann er s, Victoria, Descreptive notes on the tapestry in Haddonhall, London 1899;
Maple, Conceming carpets and art decoration of floors, Bradford 1886; Mayer,
Joh. Ulrich, Königliche Französische Tapezereyen u. s. w., Augsburg 1690; Müntz,
E., La tapisserie, Paris 1888; Derselbe, Tapisseries, broderies et dentelles, Paris
1890; Derselbe, Les tapisseries de Raphael au vatican, Paris 1897; ßecuil de
313 peintures et tapisseries de la manufacture nationale de Beauvais (sous l'admini-
stration de) M. Badin etc., Paris 1904; Begensburg, Gobelins aus dem 14. Jahrh.
im Bathaus, 1875; Riegl, A., Die ägyptischen Textilfunde im K. K. Oesterr. Museum,
Wien 1889; Seelig, Frau, Leitfaden für den Unterricht in der Kunst- und Haus-
weberei nach den Erfahrungen der Kieler Kunstgewerbeschule, Kiel 1904; Seil, E.,
Les tapisseries de Touruai, 1892; Stammler, J., Die Burgunder Tapeten im hi-
storischen Museum zu Bern, 1865; Tapisseries anciennes et modeles de ta-
pisseries en 16. — 18. siecle, Paris 1891; Tarabulini, D., L'arte degli arrazzi e la
nuova galleria dei gobelins al Vaticano, Roma 1884; Turgan, Les grandes usines
de France, 1 — 3 gobelins, Paris 1860; Villaamit, G., Cruzada — Los tapices de
Goya, Madrid 1870; Wauters, A., Les tapisseries bruxelloises, Essai historiqne sur
les tapisseries et les tapisseries de haute et de basse-lisse de Bruxelles , Br. 1878;
Ziesch, W. & Co.; Anleitung zur sachgemässen Behandlung alter echter Gobelins
und Ueber die Kunst der Gobelinweberei u. s. w., Berlin 1904.
b) Orientalische Knüpfteppiche u. s. w. : Coxon, H., Oriental car-
pets, how they are made and conveyed to Europe, London 1884; Eckmann, 0.,
Moderne Knüpfteppiche nach eigenen Entwürfen, ausgeführt durch die Vereinigten
Smyrna-Teppichfabriken Schmiedei)erg, Cottbus, Hannover, Linden, Berlin 1901; Fröh-
lich, W., Orientalische Teppiche, Berlin 1890; Holt, Rosa, Belle, Rugs, Oriental
and Occidental antique and modern, Chicago 1901; Jäck, Eug., Der Einfluss der
Orientalen auf unsere Teppichfabrikation; Janitsch, J., Der orientalische Teppich
als Vorbild, 1891; Lipperheide, F. & Clara M arg g raff, Die Smyrnaarbeit, Berlin
Teppich. 583
1886; Mumford, J., Oriental rugs, London 1901; Orientaux, Ornements,
tapis, toiles peintes etc., 1892; Riegl, A., Aeltere orientalische Teppiche aus dem
Besitze des Allerhöchsten (Oesterreichischen) Kaiserhauses, Wien 1895; Robinson,
V. J., Eastern carpets, London 1882, 1893; Stebbing, E., The holy carpet of the
mosque at Ardebil, London 1893; Teppiche des Orients und der unreelle Handel
damit, Stuttgart 1900; Turkey carpets and their manufacture , London 1884;
AVierzbicki, L. v., Decken, Teppiche u. s. w., Ser. III, lY, X von „Ornamente der
Hausindustrie Ruthener Bauern", Lemberg 1883 — 89.
Abbildungen:
318. Darstellung aus: Müntz, La Tapisserie, Paris 1888, S. 93: Teil eines
Wandteppichs, Wirkerei in farbiger Wolle, weiss und bunt: Muster aus verbundenen
Kreisen mit antikem Elechtband, darin phantastische Tiergestalten in symbolischer Be-
deutung ; Randborten aus romanisierendem Arabeskenwerk mit Löwenköpfen. Fran-
zösische oder nordische Arbeit unter dem Einfluss eines gewebten orientalischen Seiden-
stoffes, 10.— 12. Jahrh.
319. Darstellung nach einer Photographie aus dem Kunsthandel : W^andteppich,
Wirkerei in farbiger WoUe mit Darstellung der Verkündigung Maria. Flandern,
15. Jahrh.
320. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1892. S. 49. Wandteppich,
Wirkerei in farbiger Wolle mit Darstellung des Urteils Salomonis. Leipziger Arbeit
des Webers Seger Bombeck, 16. Jahrh.
321. Originalaufnahme nach der Kopie eines im Kgl. Schlosse zu Berlin vor-
handenen Wandteppichs mit Zeichnung von Boucher: Mädchen mit Korb. Original
Frankreich Ende 18. Jahrh., Kopie von der Berliner Gobelinmanufaktur W. Ziesch
& Co., 1903.
322. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, Juli 1898: S. 184. Wandteppich
„Flora" gezeichnet und gewirkt von William Morris ; die Figur von Edward Burne
Jones. Aus dem Werke „Aymer Vallance, William Morris, London, George Bell
and Sons".
323. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, September 1902, X. F. XIII. H. 12:
Wandteppich mit Muster aus stilisierten Blumenstauden in Art der gotischen Yerdüren,
in Nordischer Bildwirkerei gearbeitet von Ida und Carlotta Brinckmann für das Ham-
burger Museum für Kunst und Industrie.
324. Darstellung nach einer Photographie : Wandteppich, Entwurf von Walter
Leisticow, gewebt im Lettehaus für die Nordische Kunstweberei, Inhaber P. Lind-
horst, Berlin.
325. Darstellung aus Porte folio of art, South Kensington Museum, London :
Knüpfteppich in farbiger Wolle und Seide, Grund rot, Muster bunt : stilisierte Blüten-
ranken, chinesische Wolken und Vögel. Persien 17. Jahrh.
326. Darstellung nach einer Photcgraphie aus dem Kunsthandel: Knüpfteppich
in farbiger Seide, Grund rot, Muster bunt: Ranken und Blüten in Palmettenform.
Persien 16. — 17. Jahrh.
327. Darstellung aus: Julius Lessing^ Orientalische Teppiche, Vorbilderheft 13,
Berlin 1893: Knüpfteppich in farbiger Wolle, rot, blau und bunt: Ausgesparte arabische
Palmetten greifen als umschlagendes Muster ineinander und enthalten wechselnde sti-
lisierte Blütenranken: am Rande Bänder und stilisierte Wolken. Persien 16. bis
17. Jahrh.
328. Originalaufnahme aus den Beständen des Hauses Rudolph Hertzog in Ber-
lin: Hälfte einer persischen Satteltasche, Knüpfarbeit in farbiger Wolle: im Felde
Sterne in Rauten, Rand mit Wellenband. Kaschkai 19. Jahrh.
329. Originalaufnahme wie Abb. 328: Geknüpfter Seidenteppich mit Darstellung
einer Gebetnische aus zusammengestellten chinesischen Formen. Persien (Ispahan)
19. Jahrh.
330. Originalaufnahme wie Abb. 328 : Gebetteppich , Knüpfarbeit in farbiger
Wolle, vorwiegend rot, weiss und mit Blau: Kreuz, verschieden gemusterte Zacken-
ränder mit Mäanderansätzen u. s. w. Turkmenische Arbeit der Yomuden, 19. Jahrh.
331. Originakufnahme wie Abb. 328: Knüpfteppich in farbiger Wolle : In Mitte
spitzes Feld auf gelblich-braunem Grunde, Randborten bunt, gestreift mit Streublumen.
Kula in Anatolien Ende 18. Jahrh.
332. Original aufnähme wie Abb. 328 : Schmaler Gebetteppich, Knüpfarbeit in
farbiger Wolle : Die Nische kupferrot^ Füllmuster bunt, vorwiegend auf HeUblau,
Ränder aus schrägen gefüllten Bändern. Ladik in Anatolien Ende 18. Jahrh.
584 Teppich — Teppichgrund.
Abbildungen auf der Tafel XIII : Orientalische Knüpf t eppi che des
18. und 19. Jahr h. (Originalaufnahmen aus den Beständen des Hauses
Rudolph Hertzog in Berlin):
1. Muster: Rauten in länglich spitzen gezackten Feldern mit Grrundfüllung in.
Weiss und Grelblichbraun, die Zwickel und in den Rändern bunte Rosettenfüliung
u. dgi. auf vorherrschend naturfarbenem Kamelhaargrund, Hamadan im Teppichbezirk
Azerbeidschan.
2. Rotbraunes spitzes Feld mit aneinander gereihten Blütenrosetten und länglich
gezogenen tulpenähnlichen Formen; die Zwickel auf blauem Grrunde. Pergamos (das
alte Bergama), Provinz Mysien in Anatolien.
3. Grezackte Rauten mit symmetrischer Füllung aus geraden Bändern in Um-
rahmung von zackig abgesetztem Grrunde mit buntem Fdllwerk auf tiefblau-schwarzem
Grrunde; in den Zwickeln gestreift. Schiraz im Teppichbezirk Kaschkai, Persien.
4. Rötlichgelber Grund mit reihenweis versetzten i^elkenblüten ; Borte auf
weissem Grunde. Mosul (?) in der Provinz Bagdad, nächst der Landschaft Kurdistan.
5. In gleicher Färbung und derselben Herkunft wie Abb, 4.
6. Gebetteppich mit blaurotem Giebelfeld. Giordes in Anatolien.
7. Dunkelblauer Grund mit buntem Muster aus Palmwipfeln, Schiraz im Teppich-
bezirk Kaschkai, Persien.
8. Dunkelblauer Grund mit kleinem Palmwipfelmuster, Ränder im rötlichen Ton
mit buntem Füllwerk. Serabend im Teppichbezirk Ferahan, Persien.
9. Blauer Grund mit weissem Eckfeld, bunte Rosettenblüten. Tschetschen (?)
im Teppichbezirk Schirwan, Kaukasus.
10. Blaugrüner Grund, bunte Füllung und Ränder. Baku (?) im Teppichbezirk
Schirwan, Kaukasus,
11. Blauer leuchtender Grund mit sechseckigen Feldern und stilisierten Blüten.
Weisser Mittelrand mit geflochtenen stilisierten Blättern ; Begleitborten mit Nelken-
blüten. Schirwan im Kaukasus.
12. Hellblau und bunt, Vielecke, dem Aschkalimuster ähnlich, mit geometri-
schem Füllwerk und Hakenrauten. Mogan (?) im Teppichbezirk Schirwan, Kaukasus.
13. Tiefes Schwarzblau mit zackigen Rautenfeldern ; Rand mit Bandornament
aus Motiven der kufischen Schrift. Kabristan im Teppichbezirk Schirwan, Kaukasus.
Abbildungen auf der Tafel XIV: Orientalische Teppiche des 18.
und 19. Jahrh. (Originalaufnahmen aus den Beständen des Hauses
Rudolph Hertzog in Berlin):
1. Blauer Grund mit Heratimuster in Bunt, Ecke auf weissem Grunde, Rand-
borte grün. Eigentlicher Ferahan. der über Trapezunt in den Handel kommt und da-
her oft fälschlich so genannt wird.
2. Ineinandergreifende Rautenfelder und Zackenlinie in Bunt auf verschieden-
farbigem Grunde. Pergamos (das alte Bergama), Provinz Mysien in Anatolien.
3. Verschiedenfarbige Sechsecke mit Füllung aus geometrischen Figuren und
Darstellung der Webekämme. Kasak im Teppichbezirk Karabagh, Kaukasus.
4. Roter Grund, im Muster ist das Gelb vorherrschend. Samarkand in Chine-
sisch-Turkestan,
5. Braunroter Grund, weiss, blau und gelb: Geometrische Teilung und Muste-
rung. Turkmenischer (Teke-) Teppich, Zentralasien; im Handel Bokhara,
6. Rötlicher Kupfergrund mit dem sogenannten Spinnenmuster. Kasak im
Teppichbezirk Karabagh, Kaukasus.
7. Blauer Grund mit buntem Muster; Randborte mit gewundenem Band. Schiraz
im Teppichbezirk Kaschkai, Persien.
8. Verschiedene Vielecke auf rotem Grunde ; im Rande Zackenband und Wpgen-
band (sogen, laufender Hund). Sumakh, Kaukasus.
9. Weisser Grund, buntgestickte Palmetten in Reihen ; darunter Mäanderbänder.
Im Handel Zell.
10 — 12. Drei Kilimwirkereien in Weiss und Bunt, Kaukasus.
Teppichbaum, die hölzerne Walze am Teppichwebstuhl zum Aufwickeln
des fertigen Stückes.
Teppichgrund, zu Ende des XIV. Jahrh. begannen die Maler vielfach
den Grund der Tafelbilder mit orientalischen Teppichmustern zu versehen oder
durch Teppiche direkt zu ersetzen. Auch schwere Sammetbrokattapeten, be-
sonders jene in Rot und Gold aus Burgund und Italien, waren zur Vorlage
'Teppichmarken — Textile Kirchenschätze, 585
als Hintergrund beliebt, so class die Bilder, noch bis zur Spätrenaissance,
häufig ein gutes Studienmaterial für gleichzeitige Teppich- und sonstige Flach-
muster abgeben (s. Holbeinteppich und Teppich).
Teppichmarken enthalten die Wandteppiche (s. unter Teppich) bedeu-
tender Fabriken, wonach ihre Bestimmung erfolgt. So tragen diejenigen aus
Amiens ein A oder auch eine französische Wappenlilie, aus Antwerpen
gleichfalls A, aus Beauvais ein rotes Herz, einen weissen Stab oder zwei B;
in späterer Zeit wurde der Name des Yerfertigers eingewirkt. Brüssel
trägt die Anfangsbuchstaben B in verschiedensten Anordnungen, häufig mit
Wappenschild dazwischen. Florenz F oder Lilie. Paris P und Wappen-
lilie. Tournai zeigt einen Turm mit Mauerkrone.
Terciopelo liso, glatter, seidener Yelpel im mexikanischen Handel.
Terindans, Terindains, Terrindaines sind feine ostindische Musseline.
Terlices, Tarlices, Terlizzi, Terliggi sind feine, bunt gestreifte Drilliche,
welche in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland früher für den
italienischen und spanischen Handel gewebt wurden.
Termalam ist ein russischer SchlafrockstoiF.
Ternauxshawls, französische, aus Kaschmirwolle gewebte Shawls, die
ihren Namen nach dem Fabrikanten Guillaume Louis Ternaux, geb. 1763 zu
Sedan, gest. 1833, haben, welcher die Zucht tibetanischer und anderer Ziegen
ZTi Grünsten der Shawlfabrikation in Frankreich einführte.
Terra mova, sizilianische Baumwollsorte.
Teschen, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien: eine Flachsbereitungsanstalt
und Spinnerei.
Tesser-Garen, im alten holländischen Handel die Webgarne.
Tetelettes (franz.), Bassinas.
Teufen, Dorf im Schweiz. Kanton Appenzell- Ausserrhoden: Musselin-
fabrikation und Stickerei.
Tewkesbury, Stadt in der engl. Grrafschaft Grloucester: Baumwollweberei
und Strumpfwirkerei.
Texendi (lat.) nannten die Bömerinnen es, wenn sie die entworrenen
Seidenfäden aus fertigen chinesischen GTew ändern von neuem verwebten.
Textil-Berufsgenossenschaften : 1. Norddeutsche für die preuss.
Provinzen Hessen-Nassau, Hannover, Schleswig-Holstein, Sachsen, Pommern,
Brandenburg, Ost- und Westpreussen, Posen; für die beiden Mecklenburg,
Sachsen-Weimar, Oldenburg ohne Birkenfeld, Braunschweig, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Grotha, Anhalt, die beiden Schwarzburg,
Waldeck und Pyrmont ;, die beiden Peuss, Schaumburg-Lippe, Lippe, Bremen
und Hamburg. Sitz ist Berlin ohne Sektionsbildung. 2. Süddeutsche für
Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und die Hohenzollernschen Lande. Sitz
ist Augsburg, Sitz der 4 Sektionen: Augsburg, Hof, Stuttgart, Freiburg i. Br.
3. Schlesische für die Provinz Schlesien. Sitz ist Breslau, ohne Sektions-
bildung. 4. Textilberuf sgenoss enschaft für Eis as s-L othringen:
Sitz ist Mühlhausen im Elsass; ohne Sektionsbildung. 5. Bheinisch-
Westfälische für die Provinzen Pheinland und Westfalen, sowie für das
Fürstentum Birkenfeld. Sitz ist M.-Grladbach ; Sitz der 7 Sektionen: Düssel-
dorf, M.-Gladbach, Elberfeld, Barmen, Lennep, Aachen, Münster in Westfalen.
6. Sächsische für das Königreich Sachsen. Sitz ist Leipzig; ohne Sektions-
bildung.
Textile Kirchenschätze haben sich seit dem frühen Mittelalter an-
gesammelt, zunächst aus orientalischen Stoffen und Stickereien, welche während
der Kreuzzüge aus dem Morgenlande als Peliquien mitgebracht wurden, dann
aber dadurch, dass die allmählich ausser Gebrauch gesetzten liturgischen Ge-
wänder aufbewahrt wurden. Auch Stücke der weltlichen Tracht sind der
Kirche überwiesen worden, und man verwendete dieselben zur Anfertigung
von Caseln u. dgl. Die Stoffe der späteren Zeit sind zumeist vom Kunst-
handel in Musterabschnitten für die Stoffsammlungen der Museen zerlegt;
ältere und kostbare Textilien, namentlich solche, welchen eine gewisse religiöse
586 Textile Kirchenschätze.
Bedeutung anhängt, bilden noch immer ein wertvolles Studienmaterial an ihrer
Stelle und sind zum Teil gelegentlich kunstgewerblicher Ausstellungen ver-
öffentlicht worden. An solchen sind zu nennen : (vgl. auch die einzelnen Städte
für die Literatur.)
Aachen, Domschatz: grössere Anzahl mittelalterlicher Webereien und
Stickereien vom 8. — 15. Jahrh. — Andechs, Bayern: Schatz der ehemaligen
Kloster-, nunmehrigen Wohlfahrtskirche: bemerkenswert das sogen. Brautkleid
der hl. Elisabeth, ein Seidengewebe des 11. — 12. Jahrh. und andere Gewebe;
vgl. P. Emmeran Heindl, der heil. Berg A. in seiner Geschichte, seinen Merk-
würdigkeiten und Heiligtümern, München 1895. — Aschaffenburg, Schloss-
kapelle: Mittelalterliche Gewänder. — Augsburg, Dom: mittelalterliche Ge-
wänder aus frühorientalischen Seidenstoffen. — Bamberg, Domschatz:
Prachtgew^änder aus der Zeit Kaiser Heinrich II und seiner Gemahlin Kuni-
gunde. Dieselben sind grösstenteils beschrieben und abgebildet in dem Pracht-
werke „Die Kleinodien des heiligen römischen Reiches deutscher Nation" von
Dr. Franz Bock, Wien 1864. — Ehemalige Abtei und Stiftskirche Michels-
berg zu Bamberg: Gewänder und Stickereien des Mittelalters. — Benedict-
b euren im bayr. Beg.-Bez. Oberbayern: Purpurstoff des 12. Jahrh. mit der
Darstellung Samson den Löwen erwürgend, in mehreren Sammlungen und Ab-
bildungen vorhanden. — Brandenburg a. d. Havel, Dom: Beichhaltige
Sammlung mittelalterlicher Gewänder (14. — 15. Jahrh.), darunter das Gewand
des Schwanenordens (s.d.). — Brauweiler, ehemal. Abteikirche : Frühmittel-
alterliche Stoffe und Gewänder, darunter die Casel des hl. Bernhard. —
Breslau, Maria Magdalena-Kirche : Aeltere Paramente und Stickereien, z. T.
im Museum schles. Altertümer. — Brixen in Tirol: Beiche Sammlung ge-
wirkter und gestickter geistlicher Ornate, darunter das sogen. Adlergewand:
vgl. die Abb. 5 auf Tafel IL — C am min in Pommern, Domschatz: Pracht-
gewänder; vgl. E,. Spuhrmann, der Camminer Dom in Pommern. — Cornely-
münster bei Aachen: Gestickte Messgewänder und Ornate des 15. — 17. Jahrh.,
darunter eines in Genueser Sammet, zweihöhig gewebt. — Dan zig, Samm-
lung der Oberpfarrkirche zu St. Marien: Sammlung von Paramenten; vgl.
A. Hinz, Die Schatzkammer der Marienkirche zu Danzig, das. 1870. —
Düsseldorf, Schatz der Andreaskirche: Prachtgewänder von schweren
Seiden- und Sammetbrokatstoffen mit Silberstickereien; vgl. P. Giemen, Die
Kunstdenkmäler der Bheinprovinz III, 1, S. 29. — Schatz der Lambertus-
kirche: Paramente; vgl. Giemen, III, 1, S. 45. — Essen, Schatzkammer der
Münsterkirche: Paramente; vgl. Giemen, LT, 3, S. 42. — Fritzlar, Schatz
der St. Petrikirche : Paramente u. s. w., darunter bedeutende romanische und
gotische Stücke ; vgl. Beissel, Stadt und Stift F. in : Stimmen aus Maria Laach
1895, S. 378. — Fulda, Domschatz: Mittelalterliche Gewebe und Mess-
gewänder, Antependium. — Füssen bei Hohenschwangau : Gewand aus altem
orientalischen Seidenstoff. — Halberstadt, Gither der ehemal. Domkirche:
Beiche Sammlung mittelalterlicher Gewänder. Yon besonderem Interesse jene
Textilien, welche Bischof Konrad von Halberstadt als Beute aus dem durch
die Lateiner eroberten Byzanz 1208 mit nach H. brachte und sie seiner Kathe-
drale zum Geschenk machte ; vgl. E. Hermes, Der Dom zu Halberstadt u. s. w.
Festschrift, 1896; J. Lessing, Wandteppiche und Decken des Mittelalters III,
Berlin 1903. — Hasselt in Belgien, Kirche zu: Sammlung flandrischer und
brabanter Spitzen des 17. und 18. Jahrh. ; liturgische Gewänder des 16. — 18.
Jahrh. — Helmstedt, Klosterkirche Marienberg : Gestickte Vorhänge, Wand-
teppiche, Leinenstickereien ; vgl. P. D. Meier, Die Bau- und Kunstdenkmäler
des Grh. Braunschweig I, S. 43. — Hildesheim, Dom: Reich gestickte und
gewebte Paramente. — Köln, Domschatz; vgl. Bock, Das heil. Köln u. s. w.
Leipzig 1858—61. — St. Gereon: frühmittelalterliche Gewänder und Stoffe.
— Limburg a. L., Domschatz: Kostbare Messgewänder, Mitra aus der
Benaissancezeit aus der Kurtrierschen Hofkapelle stammend. — Maaseyk in
Holland, Sakristei der ehemaligen Stiftskirche : Frühmittelalterliche Gewebe aus
Beliquienschreinen. — Maestricht, St. Servatiuskirche : Reichhaltige Samm-
Textilkunst— Thielt. 587
luug frühmittelalterlicher Gewebe. — Mainz, Dom: Mehrere Ornate vom
16. — 18. Jahrb., Bildwirkereien, flämische Grobelins des 16. — 17. Jahrb. —
Pfarrkirche St. Stephan: Casel des Erzbischofs Williges von Mainz. Zahl-
reiche Stickereien des Mittelalters, Byssusgewebe u. s. w. — Metz, Dom:
Mantel, angeblich von Kaiser Karl dem Grrossen, bestickt mit grossen Adlern.
— München, Frauenkirche: Aeltere Paramente; vgl. Gr. v. Bezold und
B. E,iehl, Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern I, S. 1002. —
St. Cajetan: Liturgische Gewänder; vgl. Bezold I, S. 962. — Münster; vgl.
über die in den verschiedenen Kirchen der Diözöse M. aufbewahrten Textilien
den Katalog der „Ausstellung westfälischer Altertümer und Kunsterzeugnisse,
Juni 1879". — Prag, Dom von St. Veit: Grosse Anzahl von Prachtgewändern
des Mittelalters. — Quedlinburg, Schlosskirche: 5 Streifen eines europäischen
Knüpfteppichs des 12. Jahrb.; mehrere mittelalterliche Stoffe u. s. w. ; vgl.
J. Lessing, Mittelalterliche Wandteppiche und Decken I, Berlin 1901. —
E-egensburg, Domschatz: Grössere Anzahl älterer Ornate und Stickereien.
— Schotten- Abteikirche Emmeram : Casel und 2 Dalmatiken mit Besätzen aus
alexandrinischen Stoffen des 13. Jahrh. — Siegburg, Sakristei der Pfarr-
kirche: Byzantinische Gewebe in Peliquienschreinen, darunter dasjenige mit
grossen schreitenden Löwen. — Speyer, bischöfliches Domkapitel: Mittel-
alterliche Gewänder. — Stralsund, Kirche der Calandsbrüder: Zahlreiche
Gewänder und Stickereien des Mittelalters. — Tongern in Belgien: Reiche
Sammlung frühmittelalterlicher Webereien und Stickereien, desgl. eine grosse
Zahl von Prachtgewändern des Spätmittelalters und der Penaisancezeit. —
Trier, s. den Artikel „Heiliger Rock". — Xanten, Domschatz: Paramente
aus dem 11. — 12. Jahrb., gotische Wandteppiche. — Yburg, Diözöse Osna-
brück: Casel des Bischofs Benno von Osnabrück.
Mit den Aufnahmen solcher textilen Kirchenschätze für das Kgl. Kupfer-
stichkabinett der Kgl. Museen in Berlin, wurde in den 1850 er Jahren der
Grundstock zu der im dortigen Kunstgewerbemuseum befindlichen Stoffsammlung
gelegt. Unter der Leitung von Geheimrat Lessing ist derartigen Zeichnungen
die grösste Aufmerksamkeit zugewandt worden zur Benützung für das Werk :
Gewebesammlung des Kgl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin 1900 ff. Eine
Sammlung photographischer Aufnahmen der in Kirchen befindlichen Stoffen
und Stickereien veranlasste in den 1880er Jahren der Konservator Paul
Schulze in Krefeld durch den Hofphotographen Anselm Schmitz in Köln.
Vgl. auch Bock, Dr. F., Geschichte der liturgischen Gewänder, 3 Bde, Bonn
1856 — 1871, ebenso den Katalog der Ausstellung kirchlicher Gewänder und
Stickereien in Krefeld 1887." —
Textilkunst vom lateinischen textilis, das etwas bezeichnet, was durch
Yerschlingung oder Verknüpfung von Fäden entstanden ist. Dementsprechend
rechnet man zur T. das Flechtwerk, das Gespinst, das Gewebe,
Wirkarbeit, Stickerei, Netzwerk, Spitzen, Knüpf arb eit u, dgl.,
aber auch die Musterung der Textilstoffe durch Weben, Sticken, Färben
und Drucken u. s. w.
Textilpflanzen, Gespinstfasern (s. d.) liefernde Pflanzen.
Textur (vom lat.), Gewebe, dem Gewebe ähnliches Gefüge.
Thalheim im Erzgebirge, Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft
Chemnitz: Flachs-, Streichgarnspinnerei, Strumpfwirkerei (19 Fabriken), Mantel-
fabriken.
Thann, Stadt im Bezirk Oberelsass: Baumwollspinnerei, Bleichereien
und Färbereien.
Theben wird im 11. Jahrh. als byzantinische Seidenmanufaktur genannt.
Thepois (Thebois), ostindische Kattune.
Thibandes, s. Bettdecken.
Thibet, s. Tibet.
Thielt, Stadt in der belg. Provinz Westflandern: früher bedeutende
Tuchindustrie von der noch die Tuchhalle Zeugnis ablegt. Jetzt wird Spitzen-
klöppelei und Leinenweberei getrieben.
588 Thiene — Tischdecken.
Thiene, auch Tiene, Stadt in der ital. Provinz Yicenza in Yenetien:
Wollzeug- und Tuchweberei.
Thiengen, Stadt im bad. Kreis Waldshut: Baumwollspinnerei und
-Weberei.
Thikset heissen die aus den englischen Manufakturen stammenden ge-
streiften oder gerippten Manchesterstoffe mit aufgedruckten bunten Mustern.
Thiräz (arab.), Staatsfabrik von Webereien; eine solche bestand z. B. in
Tuster. Am bekanntesten ist das sogen. Hotel de Thiräz, die von Boger II.
in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. eingerichtete, mit dem Palast verbundene
Weberei in Palermo (s. d.).
Thomär, Stadt im portug. Distrikt Santarem in Estremadura: Baum-
wollspinnerei und Seidenweberei.
Thurgau, Kanton der Schweiz : die Industrie erstreckt sich auf Stickerei
(1901: 3471 Arbeiter, Weissweberei (786), Buntweberei (763), Seidenweberei
(585), Baumwollspinnerei (209), Strickerei (458).
Thyatira, nördlichste Stadt in Lydien : im Altertum durch seine Purpur-
webereien berühmt.
Tiara, ursprünglich s. v. w. Mitra (s. d.), die hohe päpstliche Kopf-
bedeckung, zuerst weiss ohne Kronenrand^ dann gestreift mit einem Stirnreif
und titulus und geradlinig kegelförmig. Bonifacius YIII. (1294 — 1303) gab
dem Stirnreif die Gestalt einer Krone und setzte darüber noch einen zweiten
goldenen Kronreifen; seit Papst Paul II. (gest. 1471) besteht die T. aus pur-
purnen, blauen und grünen Streifen mit dreifachem Beif darum (vgl. Abb. 190).
Tibet (Thibet), feine, geköperte ganzwollene Zeuge, die sich nur durch
grössere Weichheit und den Mangel glänzender Appretur vom Merino (s. d.)
unterscheiden. England und in Deutschland besonders Crimmitschau und Grera
produzieren T.
Tiere im Stoffmuster, siehe Fabeltiere und deren einzelne Artikel,
sowie Stil.
Tiffany (engl.), dünner halbdurchsichtiger Seidenstoff.
Tiflis-Portieren werden die im gleichnamigen russ. Gouvernement ge-
wirkten kilimartigen Türvorhänge genannt.
Tigrine, älterer Stoff aus Seide und feiner Kammwolle, geköpert und
chiniert.
Tilburg, Fabrikstadt in der niederländ. Provinz Nordbrabant: sehr be-
deutende Tuch- und Wollzeugfabriken.
Tinevelly, ostindische Baumwollsorte.
Tino (Tinos, Tenos), eine der Kykladeninseln im griech. Archipel:
Seidenweberei, Fabrikation von seidenen Borten, Bändern, Strümpfen.
Tireh, Tire, im Altertum Tyrrha in Lydien, Stadt im türk. Wilajet
Aidin in Kleinasien: Teppichfabrikation, Baum Wollweberei und Handel.
Tiretains, französische und englische Stoffe aus Wolle oder mit Kette
von Leinen oder Hanfgarn.
Tirlemont, Stadt in der belg. Prov. Brabant: Wollspinnerei, Fabrik,
von Flanell, Baumwollzeug und wollenen Strümpfen.
Tirol, eine zum cisleithanischen Teile der Oesterreichisch-Ungarischen
Monarchie gehörige gefürstete Grafschaft: am bedeutendsten ist entwickelt in
Nordtirol die Baumwollspinnerei mit 7 Fabriken, 1 118 Arbeitern und 109 636
Feinspindeln, die Streichgarnspinnerei (8 Fabriken, 6 710 Feinspindeln), die
Streichgarnweberei (8 Fabriken, 120 mechan. Stühle), die Baumwollweberei
(8 Fabriken, 1 767 mechan. Stühle) und in Südtirol die Erzeugung von Boh-
seide (33 Fabriken lieferten 1890: 71605 kg), die Seidenspinnerei (12 Fabriken,
die mit 22 662 Spindeln 20000 kg Seide spannen) und die Seidenwebereien (5).
Die Spinnerei und Weberei von Flachs und Schafwolle ist Hausindustrie.
Tischdecken, allgemeine Bezeichnung für Gewebe zu bekannten Zwecken
in den verschiedensten Stoffen. Man hat leinene und halbseidene Damast-T.,
dann baumwollene, halbwollene, wollene in allen Farben und Mustern; ferner
buntgedruckte Circassia- und Kaschmirdecken, gedruckte Wachstuchdecken
Tischnowitz— Toilettes. 589
u. dgl. m. Fabrikationsorte sind Chemnitz, Gera, Grlauchau, Grossschönau,
Leipzig, Penig, Reichenbach u. s. w.
Tischnowitz, Stadt in Mähren: Tuch- und Wollzeugfabriken, Türkisch-
rotfärbereien und Baumwollwebereien.
Tissu (franz.), (engl.: tissue) Grewebe; cloth of tissue wurde besonders
für gold- oder silberdurchwirktes seidenes Gewand gebraucht. T. or oder t.
argent war früher auch nur für einen geblümten und mit Gold- oder Silber-
fäden broschierten Seidendamast gebräuchlich.
Tissu-Kaschmir, ein dreibindig geköpertes Tuch aus feinem Kammgarn,
in Tücherform oder in ganzen Stücken, für Deutschland einfarbig mit grell-
farbiger Kante, für den Orient buntfarbig und mit Blumenmustern, wird
namentlich in Gera in Menge gefertigt.
Titre ist die Stärke der Seidenfäden, welche man zu einem Gregefaden
vereinigt.
Titrieren, titrage, Seide sortieren, entweder nach der Feinheit des Fadens
oder nach dem Verhältnis des Gewichts zur Länge.
Tiverton, Stadt in der engl. Grafschaft Devon: Wollzeugweberei und
eine grosse Spitzenfabrik.
Tlemsen, Stadt in der alger. Provinz Oran: Teppich-, Decken- und
Wollzeugmanufakturen und bedeutender Handel.
Tocouy, Leinengewebe aus Buenos-Ayres.
Tocuyos werden in Valpareso die ungebleichten Domestiks genannt.
Todmordon, Stadt in der engl. Grafschaft Lancaster : Baumwoll-, Seiden-
und Worstedfabriken.
Todtnau, Stadt im bad. Kreis Lörrach: Baumwollspinnerei und -Weberei.
Toile (franz.), Blümchen in Spitzen.
Toilerie, in Frankreich allerlei Weisszeug von Baumwolle, zuweilen mit
Seide vermischt.
Toiles ist im Französischen der allgemeine Name eines jeden leinwand-
artigen Zeuges, im engeren Sinne versteht man darunter nur die flächsenen
und hänfenen ungemischten Gewebe vom feinsten Linon bis zum stärksten
Packtuch und man bezeichnet die Sorten durch Beinamen, welche sich teils
auf den Stoff beziehen, woraus sie gemacht sind, oder auf den Fabrikationsort,
teils auf ihre Appretur und äussere Gestaltung oder auf ihren Gebrauch:
Toiles ä chapeaux ^ (janzleinwand.
Toiles ä sas, ä bluteau = Beuteltach.
Toiles ä tamls, bläulich gefärbte, stark gestreifte Schetterleinen; auch
ein lockeres durchsichtiges Gewebe zum Nähen der Tapeten und zu Modeltüchern
in Art von Kanevas.
Teiles ä veste, Kleiderfutterstoffe^ Staubrockstoffe.
Toiles ä voiles = Segelleinen.
Toiles beau blanc sind Lavaische Leinen.
Teiles blanches non battues wie vorher.
Toiles bleues en reserve ist feines, bläulich gefärbtes Leinen.
Toiles de chasses, damastartige Tischzeuge.
Teiles de coffre, Kofferleinwand, Kuffertuch, eine gute mittelfeine franz.
Hausleinwand.
Teiles de Coton, mit Baumwolle gemischte, bunt gefärbte und gedruckte
Steife in Art der Indiennes.
Tolles de Halles assorties = ßrins.
Toiles de laines, Stoff aus Streichgarn.
Toiles de Lille = Rysseler Leinen.
Toiles d'emballage = Packleinen.
Toiles d'embourrure = Futterleinen.
Toiles de mulquinerie heissen die feinsten Leinenbatiste, Claires, Cambrays,
Linons u. a.
Toiles d'ortie = Nesseltuch,
Teiles ecrues heissen alle Rohleinen, welche gebleicht sind.
Toilettes heissen in einigen französischen Gegenden die rohen Linons,
Claires und Batiste, wenn sie noch ungebleicht und ohne Appretur sind.
590 Toilinet— Tours.
Toilinet, Toilinets oder Eubanets sind gewebte Westenzeuge.
Tokät, Tokäd, Stadt im türk.-kleinasiat. Wilajet Siwas: einst blühende
Manufakturen in Teppichen, Seiden-, WoU- und Baumwollstoffen.
Tokio (Yedo, Yeddo), Haupt- und Residenzstadt Japans: Strumpf-
warenfabriken, baumwollene Unterhosen und Unterjacken, für welche schweizer,
und amerikanische Wirkmaschinen in Tätigkeit sind, ferner gestrickte Hand-
schuhe, Filz, Türkische Handtücher.
Tomäschow, Fabrikstadt im rass.-poln. Grouvernement Petrikau: zahl-
reiche Wollstoff-, besonders Tuchfabriken mit etwa 6 Mill. Eubel Produktion.
Tondern in Schleswig, nach hier wurden 1712 brabanter Frauen zur
Hebung der Spitzenindustrie berufen; man stellte eine Sp. in niederländischer
Art her.
Tonkin, Stadt in China: spielt im 3. Jahrh. eine Eolle als Ziel der
persischen Seefahrer, welche Seide holen.
Topische Färberei, s. Zeugdruck.
Toque, Tocque, ostindische, musselinartige Baumwollgewebe.
Toraglie heissen in Italien die Tischtücher.
Toro, Bezirksstadt der span. Provinz Zamora in Leon: Tuch- und
Wollzeugweberei.
Torres Novas, Stadt im portug. Distrikt Sentarem in Estremadura:
Leinen und Baumwollweberei.
Tortins sind gewöhnliche französische wollene Tapetenzeuge.
Tortola, westindische Baumwollsorte.
Tottori, Stadt auf der Japan. Insel Nipon (Hondo): Baumwol!- und
Seidenindustrie.
Tou, ein feines Tuch aus Tibet, das nach China verkauft wird.
Toul, Arrond. -Hauptstadt im franz. Depart. Yonne, Arrond. Auxerre:
Fabrikation von Leinwand, Baumwollzeugen, Wirkwaren, Stickereien, Hüten
und Mützen.
Toulon, Stadt im franz. Depart. Yar in der Provence: Fabrikation von
Stickereien, Baumwollgarn und Segeltuch.
Toulouse, Hauptstadt des franz. Depart. Haute Caronne : Fabriken für
Baumw^ollgarn, Seiden-, Wollen-, Leinen- und Baumwollwaren, Posamenten
und Strümpfen.
Tour (franz.), Umlauf, in der Weberei Marsch; die Gesamtheit der
Schussfäden in der Länge oder Höhe des Musters eines gewebten Stoffes.
Tourangestes, gewöhnliche franz. Sergen aus Landwolle.
Tourcoing, Fabrikstadt im franz. Depart. Nord in Flandern: Woll-,
Baumwoll- und Leinenspinnerei, Fabrikation von Tafelleinen, Teppichen und
Baumwollbändern .
Tourka, Kendyie, russische Jute, Spinnfaser aus der abgeschälten Binde
der Schösslinge von Apocynum venetum L. (Südeuropa, Kleinasien, Sibirien,
nördl. Ostindien, Mandschurei, Japan). T. wird von den Turkomanen zur
Herstellung von Bindfaden und Tauen, auch zur Anfertigung von Sackleinwand
benutzt. Die Faser ist von brauner, gelber bis weisser Farbe und weich im
Griff, ähnlich wie Wolle.
Tournay, Stadt in der belg. Provinz Hennegau: die Industrie erstreckt
sich auf Herstellung wollener Stoffe, Strumpfwaren, sehr geschätzter Teppiche,
Leinwand und Band.
TournesoUäppchen, s. Bezetten.
Tournon, Arrond.-Hauptstadt im franz. Depart. Ardeche : Seidenspinnerei,
Foulardsdruckerei, Seidenzucht.
Tours, Stadt im franz. Depart. Indre-et-Loire: Fabrikation von Tuch,
Teppichen, Seidenwaren, Wolle, Posamenten und Leder. Im Jahre 1340 soll
T. die ersten Seiden- Webestühle besessen haben; im Jahre 1470 zog Ludwig XI.
italienische Seidenweber an sich und errichtete in seinem Schlosse Plessis-les-
Tours eine bedeutende Seidenmanufaktur. Aus T. kommen die berühmten
Gros-de-Tours- und Gros-de-Naplas-Seidenstoffe in den Handel.
Tow — Tricotbindung. 591
Tow, die englische Bezeichnung für A¥erg oder Heede. Die in allen
deutschen Handelsnotizen vorkommenden Towgarne sind solche aus Flachswerg.
Tow-linen ist Leinwand aus Heedegarn, Hedeleinen.
Toy (engl,), ein meistens blau und schwarz gewürfelter Wollenstoff.
Trace, la, tracieren, das Vornähen des Musters für Nadelspitzen.
Tracticium aurum (lat.), gezogene Goldfäden.
Trama (ital.), Trame (franz.), Tramseide, Seide von mittlerer Güte und
Stärke, als Schuss verwebt; vgl. Organsinseide.
Trames (lat.), gestickter ornamentaler Streifen.
Tramoserica (Dramio serica), frühmittelalterliche Stoffe, in denen Leinen-
kette mit seidenem Einschlag verwoben war.
Trapezunt in Kleinasien, nach Smyrna der wichtigste Handelsplatz der
asiat, Türkei; schon im 8. bis 10. Jahrh. hat T. Bedeutung für Seidenmärkte,
wonach sich die chinesischen Kaufleute richten müssen. Die Hauptartikel
nach und aus Persien bestehen in Baumwoll- und Schaf wollmanufakturen,
Seidengeweben, Teppichen und Shawls, Seidenkokons.
Trautenau, Stadt in Böhmen: Garn- und Machsspinnereien, Leinen-
webereien^ eine Garnbörse. T, ist Mittelpunkt der Leinenspinnerei im böhm.
Riesengebirge.
Travers (quergestreift) sind die im Schuss gestreiften verschiedenfarbigen
Modestoffe.
Treillis (franz.), Gegitter, Drill, Treillis d'Allemagne, Name eines im
16. Jahrh. am franz. Hofe getragenen Putzes; scheint Spitzen bedeutet zu haben.
Treillis wird gewöhnlicher Drillich zu groben Mehlsäcken und grobem
Soldatenzeug genannt.
Trentaines heissen in französischen Manufakturen die roben, mittelfeinen
IVollentücher, deren Kette mit 3000 Fäden angelegt wird.
Treppen in gewebten Stoffen sind Streifen von ungleicher Dichtigkeit.
Tres de COres heissen in Portugal die bunt gestreiften und geflammten
Zwilliche.
Tresquille, eine Art ungewaschener Wolle, die nach Marseille geht.
Tresse (vom franz.), Borden mit seidener Kette und Schuss von mit
echtem oder unechtem Gold- oder Silberdraht übersponnenen Seidenfäden, oder
auch von Lahn, Gold- oder Silberdraht.
Tressenseide ist eine Art Flockseide.
Treuen, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau: Handweberei
von seidenen und halbseidenen, baumwollenen, halbwollenen und wollenen
Stoff'en, besonders von Tüchern; Streichgarn- und Yigognespinnereien, Färbe-
reien, Flanellfabrikation, Bleicherei; mechan. Webereien; grosse Fabrik für
baumwollene Treibriemen und Seilerwaren, Appretur; Karbonisierungsanstalt
von Wolle; Weissstickerei.
Treue Wolle ist W., deren Haare in ihrer ganzen Länge gleichen Durch-
messer haben.
Treviglio, Stadt in der ital. Prov. Bergamo (Lombardei): Tuchweberei
und Seidenspinnerei.
Treviso, Hauptstadt gleichnamiger ital. Provinz: Seidenraupenzucht und
-Spinnerei; Fabrikation von Tuch und Seidenzeug.
Tricala, mazedonische Baumwollsorte.
Tricot (franz.), Trikot, gestrickter oder gewirkter elastischer Stoff aus
Wolle, Seide, Baumwolle für anliegende Kleidungsstücke. Das Wort, sowie
tricoter, stricken u. s. w. scheint neueren Ursprungs und aus dem deutschen
Stricken gebildet zu sein. In Frankreich führt man es auf den Ort Tricot
im Depart. Oise zurück, wo aber nur Sergefabrikation im 17. Jahrh. nach-
zuweisen ist, oder auf trique, hölzerner Stab.
Tricotage (franz.), die gewirkten und gestrickten Strumpfwaren.
Tricotbindung entsteht durch Ober- und Futterschuss vierbindiger Köper
bei 2 und 2 Schuss Wechselung. Um sehr feine Hippen zu erzielen, schiesst
man nach 2 Oberschuss 1 Futterschuss ab.
592 Tricot de laine — Tscharschaf.
Tricot de laine neünt man im franz. Handel eine Art gewöhnlicher
wollener Tücher für Matrosen, Soldaten u. s. w.
Tricotine, einfarbiger, klein gemusterter Seidenstoff mit dunstschwarzem
Einschlag.
Tricots, Tricotes nennt man die auf dem Strumpfwirkerstuhl gewebten
Zeuge aus Wolle, Baumwolle oder Seide.
Trieges sind bunt gestreifte Drilliche aus der Schweiz.
Trient, Stadt in Tirol: Seidenzeug- und Tuchfabrikation.
Trift, das Schwungrad am Spinnrad.
Trikala, Stadt in Griechenland: Woll- und Baumwollindustrie.
Tringles (engl.: Leisten, Federn), Hilfs Vorrichtung, um beim Weben
aufgeschweifter Muster auf dem Jacquardstuhl einzelne Eäden der Figurenkette
zu heben; sie besteht aus hölzernen Linnolen, welche parallel zu den Schuss-
fäden in die Schleifen der Litzen gesteckt sind.
Trinidad, westindische Baumwollsorte.
Trinkhalls (engl.) sind reiche mit Metallfäden durchwirkte und gestickte
Seidenstoffe, die in Benares, Ahmedabad und Delhi in Indien erzeugt werden.
Triomphante (franz.), früher ein schwerer Seidenstoff mit Grros-de-Tours-
Grrund und damastartigen Blumen.
Trip, Tripp, Tripsammet, ein sammetartiger Stoff, der fast wie Plüsch
gewebt wird.
Tripes de alfombra, spanisch-mexikanische Teppiche.
Triplieren nennen die Weber bei leichten wollenen Zeugen die Ketten-
fäden nicht in 2, sondern in 4 Schäfte einlegen, damit sich die Fäden nicht
aneinander reiben und nicht so leicht zerreisen.
Tripolis oder Tripolitza, Stadt in Grriechenland: Teppicherzeugung.
Trittmaschine, Vorrichtung am Webstuhl, welche dem Weber ermög-
licht, mit einem und demselben Tritt der Beihe nach die verschiedenen Fach-
bildungen der Kette hervorzurufen.
Trittweberei, die Musterweberei mittels Schäften und Tritten.
Troddeln, s. Quasten und Posamenten.
Trogen, Flecken im Schweiz. Kanton Appenzell- Ausserrhoden: Baum-
wollindustrie und Stickerei.
Trois-quarts-fournis, franz. Creasleinen.
Trolly, englische Klöppelspitzen.
Trommelköper, moderner, dicht gewebter Baumwollstoff.
Trommelstuhl, ein Musterwebstuhl mit einef Walze (Trommel), auf
welcher nach Massgabe der Platinen Klötzchen (Prisen) angebracht sind, welche
bei der Umdrehung der Trommel die Platinen umlegen.
Tropea, Stadt in der ital. Prov. Catanzaro : Leinwand-, Damast-, Atlas-
weberei; Fabrikation von Baumwolldecken.
Troppau, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien: Wollstofffabrikation, Jute-
spinnerei und Tuchweberei.
Trowbridge, Stadt in der engl. Grafschaft Wiltshire: Fabriken für
Kasemir, Tuch und andere Wollzeuge.
Troyes, Hauptstadt des franz. Depart. Aube: wichtig ist die Strumpf-
wirkerei (Handschuhe, Trikots, auch aus Florettseide), Baumwoll- und Woll-
spinnerei.
Trübau, Mährisch-Trübau, Stadt in Mähren: Fabriken für Seidenwaren,
mech. Baumwollweberei, Schön- und Schwarzfärberei.
Trüffettes, feine, weissgebleichte, flächsene Leinen aus Beauvais.
Tschaider, weisser, gewöhnlicher, starker Baumwollenstoff, den die
Bucharenweiber weben.
Tscharhadd heissen in Persien ganz quadratische, kleine Teppichflecke.
Tscharschaf, der Mantel den die islamit. Frauen ausserhalb des Hauses
als TJeberwurf tragen, ähnlich dem Feradsche (s, d.), von dem der T. sich da-
durch unterscheidet, dass er um. die Taille enger anschliesst. Den Haupt-
unterschied zwischen T. und Feradsche bildet jedoch der Schleier, der beim
Tschekmen— Tuch. 593
T. das Gesicht nur leicht verhüllt und sich vom Schleier der Europäerin kaum
unterscheidet. Der T. ist daher eine wesentliche Neuerung der türk. Frauen-
kleidung.
Tschekmen sind moltonartige Wollenstoffe aus Circassien und Kuban;
die daraus gefertigten Beinkleider heissen Chalwars.
Tschembert, lange Musselintücher aus Konstantinopel.
Tschesma, mazedonische Baumwollsorte.
Tschimberts, weisse und bunte Musseline aus Konstantinopel.
Tschina amsuta (China's Seide), Ausdruck der in Sakuntala (ein indi-
sches Gedicht?) vorkommt, welcher in Indien lediglich der chines. Seide bei-
gelegt wurde zum Unterschied von dem weniger bestechenden einheimischen
Produkt.
Tschusan, buntfarbig gemusterter Stoff aus Baumwolle und Kammgarn.
Tuanse, atlasartiger chinesicher Stoff.
Tuarekteppiche, eine in Europa fast ungekannte Art aus Marokko.
Tuariks, Tuareg (?) sind die Bewohner der mittleren Sahara, zum Berberstamm
gehörig.
Tuch (franz.: drap; engl.: cloth, woolen cloth; ital. : panno lano),
ein dichtes, wolliges, gewalktes oder gefilztes Gewebe von Streichgarn, welches
in den meisten europäischen Ländern, sowie in Nordamerika und in einigen
Gegenden Asiens teils von einzelnen Webern gefertigt und grösstenteils zu
Anzugsstoffen verbraucht wird. Durch fortwährende Vervollkommnung der bei
der Herstellung des T. erforderlichen Vorrichtungen und Maschinen ist dieselbe
erleichtert, verbessert und wohlfeiler geworden. Das Spinnen der Wolle,
das Weben, Walken, E-auhen, Bürsten, Scheren, Dekatieren und Pressen wird
durch Maschinen bewerkstelligt. Nicht allein die Feinheit der zweckmässig
sortierten Wolle und die Gleichheit des daraus gesponnenen Garns bestimmen
die Güte des Tuches, sondern auch das mehr oder minder dichte Gewebe, das
mit ein, zwei und drei Schlägen der Lade gearbeitet wird, sowie die Farbe und
endlich die Aj)pretur. Die Anzahl der Kettfäden gilt als Massstab der Feinheit.
Das Garn zu den Tuchen war vor dem Aufkommen der Spinnmaschinen natürlich
Handgespinst, jetzt dient dazu die Sorte von Maschinengespinst, welche Streich-
garn genannt wird (s. Wollgarn). Die Anfertigung des gewöhnlichen Tuches
kommt ganz mit der Leinenweberei überein und geschieht mit zwei Tritten oder
Schäften, welche die in zwei Hälften geteilte Kette von jedem Einschuss ab-
wechselnd kreuzen. In neuerer Zeit wird auch viel Köpertuch gemacht, das unter
dem Namen Croise in den Handel kommt. Es ist dies der gewöhnlichere Stoff
zu leichteren Mannsröcken und zeigt, ausser etwa durch einen geschmeidigeren
Angriff, keinen äusseren Unterschied von anderem T., da bei beiden die Fäden-
bindung durch die nachfolgende Bearbeitung unsichtbar gemacht ist und erst
durch Abtragen als Fadenscheinigkeit wieder zum Vorschein kommt. Das
gute Tuch besteht ganz aus Wolle ; Ware mit Baumwollkette und Wolleinschuss
ist Halb tu eh. Beim Aufbäumen der Kette verwendet man zu beiden Seiten
eine Anzahl grober Fäden, um die Salleiste oder den Anschrot zu erhalten,
welcher bei Bestimmung der Breite des Stoffes nicht mitgerechnet wird.
Letztere berechnet man nach Hunderten von Ketteniäden: schmale Tuche ent-
halten 14 — 22, breite bis zu 48 Hunderten. Für den Handel dient die Breiten-
angabe nach Vierteln, d. h. Viertelellen. Es muss aber die Länge und Breite
des Stückes, die es im fertigen Zustande haben soll, auf dem Webstuhl be-
trächtlich überschritten werden, da das Gewebe durch das Walken bedeutend
eingeht. Die Kettfäden sind vor dem Aufziehen mit warmem Leimwasser ge-
tränkt und wieder getrocknet, sind also glatt, hart und steif; die Einschuss-
fäden dagegen werden im feinsten Zustande verarbeitet. Wenn das Tuch-
gewebe vom Webstuhl kommt, sieht es wie ein rohes grobes Leinengewebe
aus und wird Loden genannt. Das filzige Wesen, welches die Fäden ver-
deckt, wird ihm erst durch das Walken und Pauhen gegeben. Zunächst wird
der Loden genoppt, d. h. mit kleinen Stahlzangen oder auf einer Maschine
werden Knötchen, Fadenenden u. dgl. sowie Spänchen und Strohteile entfernt.
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 38
594 Tuchartige Stoffe — Tuchscherer.
Der Loden hat entweder schon die für das Tuch bestimmte Farbe, indem
bereits die Wolle für das Grarn gefärbt wurde, oder er empfängt sie nach dem
Weben oder auch erst nach dem Walken. Hiernach gibt es in der Wolle, im
Loden und im Stück gefärbtes Tuch und das letztere ist daran kenntlich^
dass es an einem Durchschnitt im Innern die Farbe in hellerem Ton zeigt als
auf der Aussenseite, weil durch das Walken das Eindringen der Farbenbrühen
erschwert worden ist. Die wollgefärbten Loden kommen vom Webstuhl direkt
in die Walke^ die noch weissen dagegen in die Farbe, der aber erst eine
gründliche Wäsche in der Waschmaschine vorhergeht (s. Walken). Das ge-
walkte und gewaschene Tuch wird zum Trocknen auf einen Rahmen gespannt
und dabei gerade gezogen und gereckt. Hierbei dienen die Webekanten als
Anhängepunkte und Handhaben: es ist dies ihre hauptsächliche Bestimmung.
Zur Verschönerung der durch das Walken entstandenen Filzdecke des Tuches
wird dasselbe gerauht und dann geschoren. Alle Bearbeitungen des Tuches
erfolgen nur auf der einen Seite, indessen die spätere Links seite so bleibt,
wie sie aus der Walke kommt. Oefter wird das T. gewöhnlich noch deka-
tiert, um ihm einen weniger grellen, aber dauerhaften Glanz zu erteilen.
Man wickelt dasselbe zu diesem Zweck auf einen kupfernen, an den Enden
offenen, im Mantel mit vielen feinen Löchern versehenen Zylinder, bringt
diesen in einen geschlossenen Raum und lässt heisse Wasserdämpfe eintreten,
welche das T. durchdringen. Es erhält dadurch Grlanz und verhindert das
Einlaufen. Zuletzt wird das T. gepresst, wodurch es noch an Glanz und
gutem Aussehen gewinnt. Die Abteilungen, in denen das T. dann in den
Handel kommt, heissen Stücke, welche eine Länge von etwa 30 m haben.
Bei den feinen Tuchen sind die Stücke in Kappen von Ganzleinwand ein-
gebunden, während gewöhnliche T. nur zusammengeschnürt werden. Das Ende
des Tuchstückes, welches die Aussenseite bildet, heisst das Mantelende,
und das durch einen Saalbandstreifen abgegrenzte halbe oder dreiviertel ist der
Spiegel; auf ihm werden die Signaturen angebracht, wenn sie nicht auf einer
angehangenen Marke mitgegeben sind (s. Tuchsorten und den Artikel Wolle).
Anfänglich war T. ein dicker und rauher Stoff, allmählich wurde das Gewebe
verfeinert und derjenigen Beschaffenheit zugeführt, in der wir es heute kennen.
Deutsches T. war schon im 10. Jahrh. berühmt, und von hier aus verpflanzte
sich das Gewerbe nach Flandern und den Niederlanden, wo es vorzüglich auf-
blühte, nach der Schweiz und Italien. Von den Niederländern erhielten die
Engländer anfangs ihren Tuchbedarf gegen Wolle, bis sie selbst zu fabrizieren
anfingen. Durch das ganze Mittelalter waren T. ein Hauptmarktartikel auf
den deutschen Märkten (s. Aachen).
Tuchartige Stoffe heissen diejenigen Gewebe von Streichgarn, welche
nach Art der Tuche gewalkt, gerauht, geschoren und appretiert werden, wie
z. B. E,atine, Kirsey, Biber, Sergen, Droguets und Rasche.
Tuchbaum, die hölzerne Walze am Tuchwebstuhl zum Aufwickeln des
fertigen Gewebes.
Tuchmosaik, eine in Persien, Indien und in der Türkei zu besonders
künstlerischer Entfaltung gelangende Stickerei, deren Muster aus kleinen Teilen
ausgeschnittener Tuchstücke zusammengesetzt ist. Durch Tambourierstiche in
farbiger Seide werden Ziernähte auf den aneinanderstossenden Stoffrändern
gebildet, wodurch die in der Art gemusterten Decken und Behangstoffe der
dekorativen Wirkung einer Mosaikarbeit gleich kommen. Besonders gerühmt
werden die älteren Tuchmosaiken aus Rescht in der persischen Prov. Ghilan
(s. a. orientalische Kunstwebereien und Stickereien).
Tuchrasch, ein aus Streichgarn gewebter und tuchartig weiter behandelter
und zugerichteter Rasch.
Tuchschere, eine der gewöhnlichen Schafschere ähnliche, nur viel grössere
Schere, die vor der allgemeinen Einführung der Schermaschine zum Scheren
des Tuches gebraucht wurde.
Tuchscherer, auch Appreteur genannt, derjenige, der die Zurichtung von
Tuchen und tuchartigen Stoffen einschliesslich des Fressens und Dekatierens besorgt.
Tuchsorten. 595
Tuchsorten oder tuchartige Gewebe gibt es sehr viele und die oft eigen-
tümlichen Benennungen durch Rohstoff, Bindungsgesetze, durch die damit vor-
genommenen Prozesse, sowie durch Aehnlichkeit mit anderen Produkten, durch
das Land, in dem, oder das Volk, von dem sie hergestellt wurden, begründet,
oft auch ganz willkürlich gewählt. Die wichtigsten sind: (s. Näheres bei den
betreffenden Artikeln.) (Vgl. auch Otto Luegers Lexikon, Bd. 7).
Alpaca, Angora, Kaschmir: Gewebe mit laughaariger , velourartiger
Oberfläche.
Beaver, stark gewalktes und gerauhtes Gewebe.
B o i , Boy, aus Baumwollkette und WoUschuss hergestellte Futterstoffe.
B u c k s k i n , meist gemustertes zu Beinkleidern verwendetes Gewebe.
Cachemirette, aus gezwirntem Garn in Köperbindung mit zarter Haardecke.
C a s s i n e t , dreibindig geköpertes Halbwollgewebe.
Cheviot, gemustertes Halbwollgewebe mit Köperbindung.
Circassienne, ein dem Kaschmir ähnliches Gewebe, aber wenig gewalkt.
Coating, Fries, Flaus, langhaariges Gewebe, stark gewalkt.
Coutil gehört den Buckskinge weben an.
C r o i s e , in Köperbindung hergestelltes Gewebe, meist zu Böcken verwendet.
Decken (wollene und halbwollene) werden in ausserordentlich mannigfacher
"Weise, fein und grob, ungefärbt, einfarbig und gemustert hergestellt.
Döskin, auch Winterbuckskin, ein dem sogen. Satin ähnliches Gewebe.
Doppeltuch, Doppelcassinet, Doppelflanell, schwerere, dichte
Gewebe aus zwei übereinander liegenden Ketten oder aus einer Kette in Atlas-
bindung.
Double oder Eskimo, ein in Köperbindung hergestelltes, namentlich zu
Ueberziehern verwendetes Gewebe.
Drap auch Köpertuch, mit feinem Schuss und gröberer Kette ausserordent-
lich dicht hergestelltes Köpergewebe.
Düffel, ein fünfbindiges, mattglänzendes Köpergewebe.
Edredon oder Ei der dun, geköpertes, sehr weiches Gewebe.
Flanell, leichtes, sehr weiches in Köperbindung hergestelltes Gewebe, an
einer Seite haarige Fläche.
Floconne, dickes , weiches , zu Winterröcken und Mänteln verwendetes
Doppelgewebe.
H a 1 1 i n a , grobes kotzenartiges Gewebe.
Homespunes, meist braun gefärbtes, in der schottischen Hausindustrie ge-
fertigtes, ziemlich rohes Gewebe.
Imitierte Kammgarnstoffe aus Streichgarn werden aus leicht verfilzter,
gewaschener und gut gerauhter Ware hergestellt, die ganz glatt geschoren und um-
ständlich dekatiert ist.
Kalmuck, langhaarig hergestelltes ungeschorenes Gewebe.
K a s t o r , Halbwollgewebe , das viele Prozeduren des Rauhens , Scherens,
Fressens, Dämpfens u. s. w. durchzumachen hat.
Kirsey, dickes, grobes, ungemustertes Gewebe, meist zu Soldatenmänteln
verwendet.
Lady-Coating, eine Art Fries, feines, leichtes Damentuch, das in einer
Sorte auch Kastorin genannt wird,
Lama, ein mit Leinwand- oder Köperbindung, flanellähnliches Gewebe, an
einer Seite gerauht.
Linsey-Wollsey, ein in England besonders für Damenkleider verwendetes,
in Leinwandbindung sehr dicht gewebtes Halb wollge webe.
Matelasse, ein dem Pikee ähnliches Wollgewebe.
Melton oder Molton, ein oft aus gezwirntem Garn hergestelltes Gewebe
mit sogen, gemischter Dekatur, d. h. wechselnder Wasser- und Dampfdekatur.
TMozambique , schweres doppel-, auch dreifaches, meist mit Quadratmuster
hergestelltes Gewebe.
Paupeline, zu den Buckskins gehörig.
Perle, ein dem Mozambique verwandtes, schweres Gewebe.
Presidents. zum Teil ganz aus Kunstwolle gefertigtes Gewebe, das genoppt ist.
Ratine, dickes, weiches, zu Winterröcken verwendetes Gewebe, dessen
Härchen, ähnhch wie beim Perle, zu Knötchen und Knöpfchen zusammengedreht
werden.
Ratine-velour, Qualität und Bindung wie vorher ; nur dass die Oberfläche
mit langem, sammetartigem Haar besetzt ist.
596 Tuckeries— Tulpe.
Sadowa, ein dem Perle und Mozambique ähnliches Gewebe.
Satins, mit Atlasbindung gewebte, sonst aber dem Melton, Beaver ver-
wandte Gewebe.
Sealskin, weiches, zartes, geschmeidiges Gewebe aus Mohairgarnen oder aus
Kälber- oder Kuhhaaren.
Toile nattee, Treillis, den Buckskins verwandte Gewebe.
Tricots, häufig in Kreuzköperbindung, manchmal schwere, oft auch leichtere,
gemusterte Gewebe, ähnlich dem Buckskin appretiert.
Tuchrasch, grobes, schwach gewalktes Köpergewebe.
Union-Cloth, ein dem Presidents verwandtes und gleich appretiertes
Gewebe.
Velour, dem Coating ähnliches ~\Voll- oder Halbwollgewebe, dessen Härchen
nicht verstrichen, sondern frei aufrecht wie beim Sammet stehen gelassen werden, zu
Mänteln und Winterröcken verwendet.
Welline, ein dem Ratine vollkommen ähnliches Gewebe; nur dass die Här-
chen zu wellenartigen Gebilden zusammengearbeitet sind , sodass das Gewebe ein
baumrindenartiges Aussehen zeigt. Je nachdem diese Wellen zur Kette oder zum
Schuss verlaufen, werden sie W. ä longue, travers, diagonale^ genannt. Diese Gewebe
werden mit Vorliebe zu Winterröcken verwendet.
Wellington, dichtgewebter Stoff zu wasserdichten Regenmänteln verwendet
und zu diesem Behuf e mit Alaunlösungen imprägniert.
Tuckeries, ostindische Baumwollzeuge.
Tudorsiil, der seit dem Regierungsantritt der Könige aus dem Hause
Tudor (1485 — 1603) in Aufnaiime gekommene Stil der Englischen Kunst, die
Zeit der engl. Spätgotik.
Tuf (franz.) , grobes Zeug aus starker Hanfwergkette und Einschuss
von Kuh- und Hundehaaren. Es wird zu geringen Fussdecken u. dgl.
gebraucht.
Tufts, gemusterte und bunt gedruckte Manchester aus englischen Manu-
fakturen; sie werden jetzt ersetzt durch die Velvets und Velveteens.
Tülle, Hauptstadt des franz. Depart. Correze: bedeutende Fabrikation
von Spitzen (Plisses de T.), Woll- und Baumwollzeugen.
Tüll (franz.: tull), durchsichtiges, lockeres, mit netzartigen, regelmässigen
Oeffnungen versehenes Grewebe aus Seide oder feinem Baumwollengarn, das
auf dem Petinet-, oder Bobbinnetstuhl gewebt wird und dadurch bezüglich seiner
Maschenverbindung eine Verschiedenheit in der Art erhält. Die W'are, welche
auf dem Petinetstuhl gefertigt wird, nennt man maille de france und eine
Sorte derselben mit sehr fester dichter Verbindung maille fix. Der auf
dem Bobbinnetstuhl gewebte T. heisst maille anglaise oder tulle anglais,
weil jener Stuhl in England erfunden wurde. Der Xame Tüll ist entstanden
von der Stadt Tulle im Depart. Correze in Frankreich, wo man den Stoff zu-
erst wirkte (s. Bobbinnet und Petinet).
Tüllmaschine, besondere Art von Deckmaschineu am Wirkstuhl.
Tulpe (Tulipa Gesneriana), in Kleinasien und Südrussland heimische, im
16. Jahrh. nach Europa gebrachte Blume (Abb. 333 a — c), wird in vielen
Varietäten bes. in Holland kultiviert. Als Kunstform im Stoffmuster des
Orients ist die T. vor dem 16. Jahrh. kaum erkennbar^ wozu wohl beiträgt
die ähnliche ornamentale Gestaltung der Lotosblüte (Abb. 30, S. 35) und
anderer im Orient erscheinenden vegetabilischen G-ebilde. Persien und Indien
(s. orientalische Kunstwebereien und Stickereien) enthalten in Stoffen und
Stickereien die T. vortrefflich stilisiert (vgl. Abb. 214, 217, 218, S. 378, 380,
381), in derselben Auffassung geht sie über in spanische Gewebe des 16. Jahrh.
(Abb. 279, S. 488) und ward zur Zeit der Spätrenaissance allgemein in Sträussen,
welche mit Nelken, Xarzissen u. s. v,\ den Vasen (s. d.) entsteigen, die selbst
zu Spitzenzacken ausgebildet sind (Abb. 38, S. 53).
Abbildung:
333a— c. Drei Darstellungen von Tulpa Gesneriana L. aus: Lobelius, plantarum
seu stirpium icones, Antwerpen 1581.
Tunica — Türkische Spitzen.
597
Tunica (lat.), das enge ärmellose Unterkleid der Römer, im Mittelalter
mit langen oder kurzen xlermeln, jetzt ein Bestand des geistlichen Ornats. Auf
der Tunica der römischen Amtspersonen war der Clavus angebracht, ein senk-
rechter Streif vom Halse abwärts, und zwar ein breiter, latus clavus, oder
zwei schmale, angustus clavus, später, wie neue Funde (s. Koptische Textil-
funde) wahrscheinlich machen, ein oder mehrere gewebte oder gewirkte runde
oder viereckige Felder.
Tunis, Regentschaft in Marokko: Teppicherzeugung, deren Erzeugnisse
auf ziemlich niedriger Stufe stehen.
Turban (vom türk. tulbend), die nationale Kopfbedeckung der Türken
und anderer Mohammedaner, aus einem um den Fes wulstig gewundenen
Muslin- oder Seidenstreif, von den Nachkommen Mohammeds in grüner Farbe
getras:en.
Turin, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz: Fabriken für Seiden-
waren, in welchen teure Kleiderstoffe, Paramenten, Möbelstoffe und Wirkereien
erzeugt werden.
Türkei. Osmanisches Reich in Südeuropa, Westasien und ^Nordafrika.
Bedeutende Seidenspinnereien und Teppichwebereien. Weltberühmt sind die
Teppiche von Uschak u. s. w. (s. Teppiche), die meist über Smyrna als sogen,
Smyrnateppiche ausgeführt werden; ferner Seidenstoffe und andere Webwaren
aus Brussa und Biredschik. Am Ansehnlichsten ist die Industrie in Kon-
stantinopel, welches Kleider, Stickereien, Posamenten und Teppiche liefert.
Gewerbefleissig ist auch das Gebiet von Adrianopel mit Fabrikation von
Schafwollwaren, Decken, Säcken, Strümpfen und Geweben aus Ziegenhaaren
(besonders in Philippopel). Das Wilajet Saloniki fertigt besonders Manu-
fakturwaren aus Seide und Baumwolle, Leinwand und Seidengarn, während
.Janina (mit den industriellen Hauptplätzen in Janina, Yolo, Tirnowa, Larissa,
Arta) vorzugsweise leichte Seidenstoffe und Kattune aus englischem Baumwoll-
garn, Haiinatuch, Gewebe und Espartogras, Garne, Flanelle, Abbastuch, weisse
Kappen, Säcke und Decken aus Ziegenhaaren fertigt. Monastir ist hervor-
ragend in Seidenweberei, Teppich- und Leinwandfabriken, welche Artikel auch
das Wilajet Sofia erzeugt, ausserdem Schnüre, Strümpfe und Shawls. Un-
bedeutend ist die heutige Lidustrie in Skutari und auf den Inseln, dagegen
erzeugt Kreta besonders Seidenstoffe.
Türkische Flanelle, s. Golgos.
Türkische Kappen, s. Fes.
Türkische Naht, s. Wirkerei.
Türkische Spitzen, s. Spitzen.
598 Türkisch-Rotgarn— Twist.
Türkisch Rotgarn, ein Baumwollengarn von überaus haltbarer und vor-
züglich schöner roter Farbe, das früher nur aus der Levante nach Europa kam,
Avo dessen Zubereitung lauge Zeit unbekannt blieb, bis man das Gi-eheimnis
durch Ansiedelung griechischer Färber in Triest, Wien, Marseille näher kennen
lernte, von da es bald weiter in Frankreich, England und in Deutschland (am
stärksten in Elberfeld und Umgegend) sich so ausbreitete, dass jetzt fast in
allen Ländern, wo die Baumwollweberei heimisch ist, auch Färbereien ange-
legt sind, w^elche die rote Farbe in gleicher Güte und bei dem wohlfeilen
Maschinengespinst auch weit billiger liefern, wodurch die Einfuhr aus der
Türkei ganz aufgehört hat. — In der Levante befanden sich die beträchtlichsten
Grarnfärbereien in Grriechenland und Thessalien und zwar zu Boba, Kaphanii,
Turnovo, Larissa, Saloniki, Pharsala, Arta, Janina und in allen Dörfern,
welche am Fusse des Ossa und Pelion liegen.
Turkmenische Teppiche, erzeugt von den Turkmanen (Turkomanen,
Turkmenen oder Truchmenen), einem türk.-tartar. Volk auf der Ostseite des
Kasp. Meeres , z. T. den Russen unterworfen , werden in Zentralasien
Dschujnabe genannt und heissen im Handel irrtümlich Bokhara, mit welchen
sie nur die rotbraune Farbe gemein haben. Sie gehören zu den dauerhaftesten,
dichtesten und bestgeschorenen Teppichen Zentralasiens (s. Teppich).
Turkomanische Seide kommt seit dem 7. Jahrh. in allgemeinen Gebrauch.
Der Volksstamm Hakas steht als eine Rohseide erzeugende Nation im 9. Jahrh.
mit den Arabern in regem Verkehr. Die zwischen Khorassan und China
ihren Wohnsitz einnehmenden, kulturell vorgeschrittenen Stämme der ITiguren
(Hei-hu) betrieben sowohl die Seidenzucht wie die Seidenweberei, besonders
Fabrikation kostbarer Brokate. Sie stand in ihrem Lande auf hoher Stufe
der Vollkommenheit, als es im 10. Jahrh. durch den Gesandten Chinas be-
reist wurde.
Turnhout, Stadt Inder belg. Provinz Antwerpen: bedeutende Fabrikation
von Zwillich, Leinwand und Tuchen.
Turquoise, älterer, französischer, halbseidener, auf Atlasart gewebter
Stoff, bei welchem der Grund aus Baumwolle, die Streifen aus Seide be-
stehen.
Turschiz, Ort in der pers. Prov. Khorassan: Teppicherzeugung.
Tussahseide liefert der indische Eichenspinner in Assam und Bengalen;
auch gibt es chinesische wilde T. Die T. -Weberei hat in Baipore, Godavery
und Sanibalporo in Indien ihre industriellen Sitze. Die T. lässt sich bleichen
und färben und findet vielfach Verwendung zur Herstellung gefärbter Seiden-
plüsche ; ihr Preis ist zwei- bis dreimal so niedrig als der gewöhnlichen
Seide.
Tussores sind Corahs aus Indien; es werden darunter Gewebe aus
gelblicher Bohseide in TaiFetbindung verstanden, welche man zu Kleiderstoffen
verwendet.
Tuster, Schuster, Stadt in Persien (Chusistan), im Mittelalter berühmter
Fabrikationsort für Atlas und Sammet. Während das pers. Süs zugleich mit
seiner politischen Bedeutung auch die seidengewerbliche Tätigkeit verlor, be-
hauptete T. seinen Buhm auch dann noch, als bereits der grösste Teil seiner
Atlasarbeiter nach Bagdad verzogen war. Die Bedeutung T. dauert fort bis
in die Mitte des 14. Jahrh. Im 10. Jahrh. legten Arbeiter aus T. in Bagdad
eine Seidenkolonie an.
Twele, besonders grob gewebtes Handtuch.
Twilled Domestiks ist der Gattungsname in Nordamerika für alle
stärkeren baumwollenen geköperten Stoffe amerikanischer Erzeugung.
Twine ist ein dem Burnus oder Paletot ähnlicher Heberwurf ohne Taille
mit Aermeln, für Männer- wie für Frauentracht; für den Sommer von leich-
terem Stoff.
Twist, der auch im deutschen Handel gebräuchliche engl. Name für
baumwollenes Maschinengarn, d. h. auf Maschinen gesponnenes Garn (von
to twist, d. i. drehen, spinnen). Je nachdem die Feinspinnmaschinen dem
Tyrium— Uni. 599
System der Water- oder dem der Mulemaschinen angehören, unterscheidet man
Water- und Muletwist, jenes derber, dieses loser gedreht; eine zwischen beiden
stehende, auf Mulemaschinen erzeugte Gattung heisst Mediotwist.
Tyrium (lat.), Purpurstoff von der Stadt Tyrus, welche während der
Kreuzzüge Hauptsitz der Seidenindustrie ist.
u.
lieber Kreuz gearbeitet = Köper.
Ueberriegeln, eine starke Schnur mit einer schwächeren in weitläufigen
Schraubenlinien umwinden.
Ueberschuss, ein Fehler an Geweben, wenn der Schussfaden öfter, als
er sollte, über dieselben Kettenfäden geht (vgl. Unterschuss).
Ueberspinnen = überriegeln.
Uddevalla, alte schwedische Stadt im Län Göteborg und Bohus: grosse
Baumwollspinnerei und Weberei.
Udine, Hauptstadt in gleichnamiger ital. Prov. der Landschaft Yenetien :
bedeutende Seidenindustrie und Handel mit Flachs und Hanf.
U-lang, auch U-ling, chinesische Bezeichnung für Lastings.
Ulanka^ der im Schnitt der polnischen Nationaltracht nachgebildete Uni-
formsrock der Ulanen. An Nähten und Säumen ist die U. mit Passepoils (s. d.)
in der Kragenfarbe besetzt; die Brustklappe ist rabattenartig geschnitten und
mit zwei Knopfreihen besetzt; bei Paraden wird an dieselbe eine der Farbe
des Kragens entsprechende Rabatte angeknöpft; ein Zubehör der U. ist die
Leibbinde von Tuch mit Besatz in der Kragenfarbe. Auf den Schultern be-
finden sich Passanten für die Epauletten.
Ullersdorf im preuss. Beg.-Bez. Breslau: eine grosse Flachsspinnerei.
Ulm, Hauptstadt des württembergischen Donaukreises: bedeutende Leinen-
industrie; grosser Tuchmarkt. U. hat im 14. Jahrh. Seidenweberei.
Ulmer Leinwand heissen alle im Württembergischen gewebten Leinwand-
sorten, da U. im Besitze des Haupthandels dieser Fabrikate ist.
Ulverston, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire: Wollspinnerei,
Baumwollweberei.
Uelzen, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Lüneburg: Tuch- und Wollwaren-
fabriken: Handel mit Wolle und Flachs.
Umgekehrter Köper, Gewebe, in welchem teils die Kette, teils der
Schuss flott liegt.
Umlauf, im 16. Jahrh. gestickter Behang an Schenktischen.
Umspinnen = überriegeln.
Unentschälte Seide hat noch ihren natürlichen gummiartigen Ueberzug.
Ungarn, Königreich: Spinnen und Weben ist in einigen nördlichen
Komitaten verbreitet, Leinenweberei am meisten in der Zips; gedruckte Lein-
wand liefert die Umgegend von Eperies ; im ganzen Lande, namentlich aber in
Nordungarn, werden wollenes Grobtuch, Feintuch, grobe Decken, Teppiche,
Haiinatücher (Bauernmäntel) , grobe Zwirnspitzen , Seiler- und Siebmacher-
waren hergestellt. Die Seidenindustrie hat sich sehr entwickelt.
Ungarische Tapeten sind Ledertapeten.
Ungekochte Seide = unentschälte Seide.
Ungerissen oder ungeschnitten ist Sammet (s. d.), dessen Noppen
nicht aufgeschnitten sind.
Uni (franz.), einfarbig, ungemustert; Ueniton, der einfarbige, die ge-
musterte Tapete einer Wandfläche ganz oder teilweise umrandende Farbenton.
600 Union carpets — Vaihingen.
Union carpets (eng!.), Doppelteppiche, deren beide Gewebe auf ihrer
ganzen Ausdehnung zusammenhängen, da in gewissen Zwischenräumen Binde-
schüsse durch beide Ketten geschossen sind.
Unreines Fach heisst in der Weberei ein Fach (s. d.), wenn die ge-
hobenen Kettenfäden nicht sämtlich genau in einer Ebene liegen.
Unterbaum, -Zeugbaum, die hölzerne Walze am Webstuhl, welche zum
Aufwickeln des fertigen Gewebes dient.
Unterfach, TJntergelese, in der Weberei das Fach, welches durch Herab-
ziehen eines Teiles der Kettenfäden gebildet wird.
Unterkette, die das Grundgewebe bildende Kette sammetartiger Gewebe.
Unterschuss, 1. Fehler bei Geweben, wenn ein Schussfaden öfter als er
sollte unter denselben Kettenfäden hingeht (vgl. Ueberschuss). 2. wird an-
gewandt, um einen Stoff dichter zu machen. Derselbe kann aus bedeutend
geringerer Qualität bestehen; die Hauptsache bei seiner Anwendung ist die
Bindung: es werden halbwollene Double, E,atine und ähnliche Stoffe damit
hergestellt.
Untertuch, das Stück Zeug, welches der Weber an der eingezogenen
Kette befestigt, um sie über den Brustbaum zum Zeugbaum zu führen.
Untreue Wolle ist W., deren Haare nicht in ihrer ganzen Länge gleiche
Dicke haben.
Unverbrennliche Leinewand, leinwandartiges Asbestgewebe (s. Asbest).
Upland, nordamerikanische Baumwollsorte.
Urach, Oberamtsstadt in Württemberg: Baumwoll- und Flachsspinnerei,
Baumwollweberei, Bleicherei, Färberei; Leinwandfabrikation.
Urbeis, Dorf in Oberelsass: Baumwoll- und Seidenweberei.
Urmia, Stadt in der pers. Prov. Azerbeidschan : Erzeugung von Baum-
wollgeweben und Seiden wirkwaren.
Uschak, Stadt im türk. kleinasiat. Sandschak Kutahia: seit Alters her
berühmter Erzeugungsort für sogen. Smyrnateppiche (s. den Artikel Teppich).
Uschur, mazedonische Baumwollsorte.
Uso-Sabugia, Baumwollsorte aus Natolien.
Uster, Marktflecken im Schweiz. Kanton Zürich: Baumwollspinnereien
und -Webereien, Färbereien.
Utrecht, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Königreich der
Niederlande: bedeutende Woll- und Tuchindustrie. Im 17. Jahrh. gelingt es,
mit Unterstützung der Hefugies eine Seidenfabrik anzulegen, es werden darin
500 Arbeiter beschäftigt; 1816 geht dieselbe ein.
Utrechter Sammet (franz. : velours d'Utrecht), eine ursprünglich in den
franz. Manufakturen zu Amiens und Abbeville nach holländischer Weise,
gegenwärtig auch in deutschen Fabriken nachgeahmte langhaarige Art Plüsch,
welche besonders zu Möbelbezügen verwendet wird.
Uxur, mazedonische Baumwollsorte.
Uzel, eine in gleichnamigem Ort im franz. Depart. der Nordküsten ge-
fertigte gute Leinwand.
Vaals, Dorf in der niederl. Provinz Limburg : Tuchfabrikation.
Vacha, Stadt in Sachsen-Weimar-Eisenach : Wollkämmerei und -Spinnerei.
Vaels, Gemeinde in der niederl. Provinz Limburg: Tuch- und Woll-
weberei; Näh- und Stricknadelfabrik.
Vaihingen auf den Fildern, Dorf im württembergischen Neckarkreis :
Trikotweberei.
Vaisoa — Vasen im Stoffmuster. 601
Vaison, Stadt im franz. Departement Yaucluse, Arrond. Orange : Seiden-
spinnerei, Baumwollweberei.
Vajus (lat.), goldenes Gewebe, goldgestickte Decke.
Valdobbiadene, Stadt in der ital. Provinz Treviso (Venetien) : bedeutende
Seidenzucht und -Spinnerei.
Valence, Hauptstadt des franz. Departements Drome : Fabrikation von
Seidenwaren, Leinen- und AYollzeugen, mit Kattundruckerei.
Valencia, ehemaliges Königreich in Spanien: Hanf- und Flachsbau.
Seidenweberei.
Valencia, kolumbische Baumwollsorte.
Valencias, verschiedene dauerhafte bunte Winterwestenzeuge, deren Kette
aus Baumwollzwirn und Einschlag aus feiner Kammwolle, mit oder ohne Seide
durchwebt, gefertigt werden, kommen meist aus englischen und französischen
Manufakturen, seltener aus sächsischen und böhmischen.
Valenciennes, Hauptstadt des gleichnamigen Arrond. im französischen
Departement Nord: bedeutende Fabrikation von Batist, Linon und Gaze.
Valenza, Stadt in der ital. Provinz Alessandria: Tuchfabrikation.
Valladolid, Hauptstadt der gleichnamigen span. Provinz : Wollweberei.
Fabrikation von Tuch, Seidenzeug und Band.
Valladolid, Stadt im mexikanischen Staate Yucatan: bedeutende Baum-
wollindustrie.
Valleraugne, Stadt im Arrond. Yigan im franz. Depart. Gard: Seiden-
manufakturen, Strumpfwirkerei und Seidenraupenzucht.
Valls, Stadt in der span. Provinz- Tarragona : Baumwoll- und W^oll-
spinnereien, Leinenweberei.
Vanes heissen in Frankreich die wattierten Bettdecken von Pikee oder
Kattun, welche besonders in Marseille verfertigt und unter dem Namen Courte-
pointe nach Italien, Spanien, Amerika und der Levante gehen.
Vannes, Hauptstadt im gleichnamigen Arrond. des franz. Departements
Morbihan: Baumwollzeug- und Leinwandfabrikation, Fabrikation von Spitzen.
Vans, Les, Stadt im franz. Departement Ardeche. Arrond. Largentiere:
Fabrikation von Seide und Leinwand, sowie bedeutender Handel mit Waren
daraus.
Vapeur (franz.), dem Musselin (s. d.) ähnliches Gewebe.
Varel, Stadt in Oldenburg: Baumwollspinnereien und -Webereien.
Varese, Stadt in der ital. Provinz Como : Seidenspinnerei und -weberei^
Seidenraupenzucht; Fabrikation von Baumwollwaren.
Varinas, kolumbische Baumwollsorte, weiss ins Gelbe, minderglänzend,
ziemlich kräftig im Faden.
Vasen im Stoffmuster erscheinen nach einem bis jetzt bekannten Bei-
spiel (Abb. 44, S. 61) in Nachahmung der griechischen Aschenurne als Flach-
ornament zuerst in koptischen Gewandresten, und zwar vermutlich in gleicher
Bedeutung; denn im gegebenen Beispiel entsteigt einer solchen der Baum des
Lebens als Umgebung auferstandener Geister. Dass eine ornamentale Yer-
wendung der Yase hier in anderem Sinne gemeint sein könnte, ist unwahr-
scheinlich angesichts der in Abb. 163, S. 300 dargestellten koptischen Wirkerei,
auf welcher ein palmettenartig angeordneter Strauss dargestellt ist an der aus
Aegypten stammenden Yolutenendigung der Lotosblüte. Ueberhaupt ist sonst
im Mittelalter an Stoffmustern des Orients und aus Byzanz die Entwickelung'
von vegetabilischen Kunstformen immer nur an Gebilden wahrzunehmen, welche
den gerollten Keimblättern ähnlich sehen: so an den zwischen Tiergestalten
aufwachsenden Bäumen oder an einzelnen Palmetten (Abb. 4, 6, 7, 10 auf
Tafel II), welche Stilisierung sich übrigens im Orient erhält bis ins 16. Jahrh.
hinein (Abb. 218, S. 381), bis dann die Blütenbüschel als gewundener Zweig
oder als Staude die Fläche beleben (Abb. 219, S. 382). Die Yase erscheint
somit aus den orientalischen Stoffmustern ausgeschlossen; finden wir ähnliche
Formen, so sind diese auf Ampeln oder Bäuchergefässe zurückzuführen, sonst
liegt ein orientalisches Muster vor, das in Yenedig oder Spanien europäisiert
602
Vasen im Stoffmuster,
wurde (Abb. 26, S. 30), wie denn auch hier der orientalische Ziehbrunnen zum
urnenförmigen Gefäss geworden ist (Abb. 279, S. 488). Etwas anders ist es
in China und Japan, wo die Räucherbecken und Vasen aus Bronze und Por-
zeüan ein weites Gebiet künstlerischen Schaffens darstellen, dessen Erzeugnisse
Abb. 336.
Abb. 334.
derartig begeistern, dass man ihre wechselnden Formen in schwere Gold-
stickerei übersetzt als Musterung breiter Prachtvorhänge aus hellblauem oder
rotem Atlas, sie in Massen über weite Flächen verstreut oder auch vereinzelt
den Elefanten als Träger eines
Abb. 335. Blumenkübels darstellt (Abb. 53,
S. 127). Und dennoch wird man im
chinesischen oder japanischen AVebe-
muster, das sich im Stücke unzählige
Male wiederholt, die Vase gar nicht
oder selten finden. —
Das europäische Stoffmuster
der Renaissance (s. d.) gibt in der
AViederbelebung verschiedener antiker
Elemente frühzeitig die A^ase zu er-
kennen, sie wird unmittelbar nach
dem Granat apfelmuster ein wesent-
liches Bindeglied in der Flächen-
teilung, natürlich lediglich als Kunst-
form aus der Plastik heraus, wo sie
dem Pilasterstreifen im organischen
Aufbau so vieler pflanzlicher Gebilde
unentbehrlich geworden ist. Auch
hier helfen Keramik und Metall neue
Körper schaffen, die in geistvoller
AVeise dem Flachmuster angepasst
sind (Abb. 334). Sobald die gotische
Bogeulinie das Stoffmuster verlassen
hat und sich aus dem Kernstück des
Granatapfels allmählich der Blüten-
strauss im spitzovalen Felde ent-
wickelte, kommt die Vase zur Geltung:
anfangs noch als Träger gotischer Posen oder der in natürlicher Gestaltung wieder-
kehrender Granatäpfel (Abb. 5 auf Tafel V und Abb. 102, S. 229), später.entsteigen
ihr leichte Schnittblumen aus Nelken, Tulpen und Narzissen. Die gedrungene,
j'T'-yMt^ WMä^j i^K/KMB/B^b^'^^^^W^^I^^
* *^lll% ♦^
Vasen im Stoffmuster.
603
lieukellose, gebuckelte Urne nimmt dann im
italienischen und spanischen Stoffmuster der
Renaissance als Yase auf hohem Fuss mit
erhöhtem Hals, reichen Henkelansätzen und
Verzierungen (Abb. 248, S. 425) eine fast
selbständige Stellung innerhalb des freier ge-
wordenen Feldes ein und behauptet diese noch
als Streumuster des 17. Jahrh. (Abb. 335).
In der Zeit der Spitzenentwickelung teilt sie
sich selbst der Leinwand als Nadel- und
Klöppelarbeit mit (Abb. 336 und Abb. 38,
S. 53) und noch das barocke Tapetenmuster
Italiens bietet Vasenmotive in reicher Ab-
wechselung (Abb. 337 und Abb. 37, S. 52).
Das französische Stoffmuster bedarf für seine
neue G-estaltung aus gross entwickelten Ananas-
palmetten (Abb. 107, S. 232 und 19, S. 21)
der Vasen nicht mehr, sie kommen auch im
18. Jahrb. nicht wieder in Aufnahme, höch-
stens dass man sich vereinzelt aus dem Füll-
horn einen ähnlichen Blumenhalter entwickelt
hat (Abb. 314, S. 529) und dass die Empire-
zeit auch hierin das antike Element von neuem
auffrischt (Abb. 64, S. 175). Bescheiden
treten vasenartige Gefässformen im textilen
Ornament noch auf in den sogen. Pottenkanten
Hollands (Abb. 12 und 13 auf Tafel XI),
auch der bäuerlichen Kunst dienen Darstel-
lungen von Topfformen als Ausgangspunkt
stilisierter Blütensträusse (Abb. 338) ; in-
dessen hat die eigentliche Vase mit der
italienischen Spätrenaissance ihre ornamen-
tale Bedeutung für das Stoffmuster ver-
loren.
Abb. 337.
Abb. 838.
Abbildungen:
334. Darstellungen aus Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896. Blatt 140 : Vase als
Kunstform von einem italienischen Seidengewebe des 16. Jahrhts., aus der Sammlung
des Königl. Kunstgewerbemuseums in Berlin.
335. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
604
Vegetabilische Seiden — Veloursteppiche.
Seidenstoff, Grund rotbraun, symmetrisches Muster bunt : In Reihen versetzte Vasen
mit Blütensträussen ; dazwischen kleine Blüten und Eidechsen. Italien, 17. Jahrh.
336. Darstellung wie Abb. 1, Blatt 23: Zacken einer Spitze, Nadelarbeit in
weissem Leinen, mit Darstellung einer Vase zwischen Blattranken mit Blüten. Italien
oder Spanien, 17. Jahrh.
337. Darstellung wie Abb. 335. Seidenstoffborte, Grund grün, Muster gelb :
Uebereinander gestellte Vasen mit Blütenpalmetten. Italien, 17. Jahrh.
338. Darstellung aus: Kunstgewerbeblatt, März 1900, Seite 115: Gewebter
Brustlatz in geschnittenem Sammet: Blütenstrauss und Vögel an zweihenk eligem
Topf. Vierlanden, 19. Jahrh.
Vegetabilische Seiden, s. Pflanzenseiden.
Veilchen (viola), Pflanzengattung aus der Familie der Violaceen mit
gegen 100 fast über die ganze Erde verbreiteten Arten (Abb. 339). Als
Kunstform in symbolischer Bedeutung im Orient sehr häufig verwendet, be-
sonders im Mittelalter (Abb. 4, Tafel III) in
Abb. 339. strenger Stilisiernng, aber blauer Farben-
gebung. Der persische Dichter spricht von
ihr: „Bekümmert und niedergebeugt vom
Schmerze der Trennung, beklagt es seufzend
das Greschick und fordert, indem es vom
Gram gebeugt, im blauen Gewände der Trauer
erscheint, zur Betrachtung auf. (Blau ist bei
den Persern die Farbe der Trauer.) Seinem
qualvollen Zustande gegenüber ist derjenige
beneidenswert, der das Leben des Glücklichen
gelebt und als Märtyrer gestorben ist" u. s. w.
(Vgl. Karabacek, Susandschird, S. 158 fi".)
Abbildung:
339. Darstellung einer Viola canina L.
aus Lobelius a. a. 0. Antwerpen 1581.
Velar ium, s. Velum.
Velez Rubio, Bezirksstadt der span.
Provinz Almeria: Tuch- und Leinenweberei.
Velin heissen nach 1675 die in Alengon
nach italienischen Mustern gearbeiteten
Nadelspitzen, ein Name, der von dem Per-
gamentuntergrunde entlehnt ist, auf dem
man schon die Venezianer Spitze zu arbeiten
pflegte.
Vellutini, italienische Bezeichnung der
leichten Sammetstoffe.
Velours ä deux poils (franz.), zweidrähtiger Sammet, ä trois p. = drei-
drähtiger Sammet usw.
Velours ä moustaches (franz.), Schnurrbartsammet, welcher am Ende
des 16. Jahrhunderts namentlich in Spanien für Kleiderstoffe hergestellt wurde;
der Name entstammt den innerhalb der Figuren über den Noppen hoch heraus-
hängenden Seidenbüscheln.
Velours cisele oder COUpe = gerissener Sammet.
Velours de gueux (franz.), s. Bettlersammet.
Velours du nord, moderner Sammet.
Velours figure (franz.), gemusterter Sammet.
Velours plein (franz.), glatter Sammet.
Velours ras (franz.), ungeschnittener Sammet.
Velours rayes (franz.), lang gestreifter Sammet.
Velours russe (franz.), russischer Sammet.
Velourstapete, s. Tapeten und Sammetstoffe.
Veloursteppiche, s. Teppiche.
Velour travers — Venedig-. 605
Velour travers nennt man 1. ein quergestreiftes, halbwollenes Zeug zu
Damenkleidern ; 2. einen Seidenstoff zu AVesten aus Elberfeld ; 3. einen Rock-
stoff, der aus den Tuchfabriken zu Krimitzschau und Brunn kommt; 4. ein
aus Kammgarn gefertigtes Kleiderzeug aus Grlauchau.
Veloute, ein halbseidener Westenstoff, der kariert oder einfarbig aus
den Fabriken zu Elberfeld kommt.
Veloutine, leichter moderner Sammetstoff.
Velpel, Felbel, s. Sammet.
Velum, das (lat.), Schleier, Nonnenschleier (Weihel), Tuch, Decke;
Altarvelum ist ein viereckiges gemustertes Seidentuch, welches über einen
E,ahmen gespannt während des Grottesdienstes vor die auf dem Altar stehende
Hostie gestellt wird; Kelchvelum, Kelchtuch, in der Mitte mit einem Kreuz
bezeichnet, wird über den Kelch gedeckt; Schultervelum, Schultertuch,
der lange Stoffstreifen, welcher um den Hals des segnenden Priesters gelegt
wird und mit dessen Enden derselbe die Monstranz hält,
Velutiert (vom franz. velours), sammetartig gemacht.
Velverets sind sammetartige Zeuge aus Baumwollgarn, welche als Nach-
ahmungen des eigentlichen seidenen Sammets mit denselben Handgriffen wie
dieser gewebt und weiter behandelt sind. Sie haben Bippen und zuweilen
farbige, aufgedruckte Muster, kommen viel aus Manchester in England, werden
aber auch in sächsischen und preussischen Fabriken hergestellt. Die Velvets
und Velveteens sind auch buntgedruckte man ehester artige Zeuge, von denen
das erstere die bessere Qualität anzeigt, liegen aber schmäler als die V., be-
sitzen Köpergrund und ihr Einschlag geht nur über einen Kettenfaden, nicht
über zwei, wie bei den V.
Velvet (engl.), s. V. w. Sammet (s. d.).
Velveteen, s. v. w. unechter Sammet (s. Yelverets).
Venedig (Yenezia), Provinz mit gleichnamiger Hauptstadt im König-
reich Italien : Baumwollspinnerei und -weberei, Woll- und Seidenwaren, Spitzen
und Stickereien. Für die ältere Seidenindustrie Haliens ist Venedig neben
Grenua einer der bedeutendsten Hauptorte. Zunächst ist es der Handel, durch
welchen die Aufmerksamkeit auf orientalische Erzeugnisse des Seidengewerbes
gelenkt wird. Schon zur Zeit Karls des Grossen sollen venetianische Kauf-
leute Seidenstoffe aus dem Orient nach Pavia befördert haben. In den ersten
Jahrhunderten des Mittelalters machte hauptsächlich die Kirche von Seiden-
gewändern Grebrauch und die Venetianer versorgten den römischen Markt mit
arabischen und griechischen Waren. Vom 11. — 13. Jahrh. lässt sich durch
Urkunden verfolgen, dass venetianische Seidenfabriken in Konstantinopel und
Tyrus bestanden haben; deren Erzeugnisse nach Italien gelangten. Hierdurch
ward allmählich die Grundlage geschaffen zur Nachahmung der Seidenzeuge
des Orients, zumal das Sinken der arabischen Kultur im 13. Jahrh. das
Wachsen der italienischen Städte begünstigte. Die älteste Ueb erlief er ung über
die Seidenindustrie in Venedig stammt aus dem 11. Jahrh. Das Gewerbe wird
als Hausindustrie betrieben; ein Statut der Seidenweberzunft ist aus dem
Jahre 1265 erhalten. Die Seidenweber werden darin als Samitarii bezeichnet:
der Samit, sogen. Examitum oder Sciamitum war das wertvollste und. ver-
breitetste Seidenzeug dieser Zeit. Auch technische Bestimmungen sind in
diesem Statut enthalten. Für jede Art der Seidengewebe war die Breite, die
Zahl der Fäden im ganzen und Zahl derselben pro Zahn des Weberkammes
vorgeschrieben, somit die Dichtigkeit des Stoffes bestimmt ; auch war die Länge
jedes Stückes angegeben. Es war verboten, Baumwolle in Seidengewebe hin-
ein zu verweben, das Sahlband musste in bestimmter Weise und Farbe ge-
fertigt werden; endlich musste in den Geweben dieselbe Qualität Seide und
Gold anfangs, in der Mitte und am Ende gebraucht werden. (Vgl. Bomolo
Graf Broglio d'Ajano, Die venetianische Seidenindustrie und ihre Organisation
bis zum Ausgang des Mittelalters, Stuttgart 1893.) Eine neue Phase der
Entwickelung trat in Venedig mit Einwanderung von Kaufleuten und Seiden-
arbeitern aus Lucca ein, wodurch erst die Industrie ganz zur Entfaltung ge-
(306 Venetianerstickerei — Verlegen.
langte ; zugleich trat das kaufmännische Element mehr in den Vordergrund.
Es wurde bestimmt, dass kein Weber Kaufmann sein durfte, aber auch kein
Kaufmann die AVeberei treiben konnte. lieber die Musterung dieser ältesten
Gewebe Venedigs ist kaum etwas Bestimmtes zu ermitteln. Wir haben uns
die Stoffe, für welche anfangs die Kirche der alleinige Abnehmer war, im
Mittelalter zunächst vorzustellen mit Darstellungen von stilisierten vegetabi-
lischen Elementen und Tiergestalten (vgl. Tafel III und die Beschreibungen
im Artikel Italien) und später dem allgemeinen Geschmack der Zeit folgend,
wobei immer der orientalische Einfluss mehr als sonst in Stoffen aus Italien
vorherrschend bleibt.
Ebenso wie für Gewebe gilt Venedig auch für die Spitzenindustrie im
Anfange ihrer Entstehung als die erste tonangebende Stadt Italiens, von wo
aus dieselbe ihre weitere Laufbahn vermöge der venetianischen Handels-
verbindungen genommen hat. (Vgl. Spitzen und Stickerei, auch den Artikel
Benaissance.)
Venetianerstickerei ist eine moderne Bezeichnung für jene Weissstickereien,
welche nach Vorlagen von Beliefspitzen aus Venedig gefertigt werden, sich im
Muster und der Technik vollständig denen anschliessen.
Venetienne, ein aus der feinsten italienischen Seide gewebtes, grosdetour-
artiges, glattes oder gemustertes Seidenzeug, welches in italienischen und
französischen Manufakturen gefertigt und besonders nach der Levante ver-
schickt wird. Auch nennt man V. einige leicht gewalkte und gerauhte Wollen-
stoffe aus Streichgarn.
Venezuela, Bundesrepublik im Norden Südamerikas : Herstellung von
Stickereien und Spitzen, Fabrikation grober Baumwollenstoffe für die ländliche
Bevölkerung.
Venise (Grande- V. oder Grande-Bose), feine Flachsleinen, damastartig
mit eingewirkten Blumen, mit und ohne Borten zu Tafeltüchern und Servietten,
in den niederländischen Manufakturen zu Gent, Brügge, Cortryk usw., sowie
im franz. Departement Calvados in der Gegend von Caen verfertigt. Petit-V.
(Bosette, B. perlee) heissen die an denselben Orten gefertigten gleich feinen
Leinen, mit kleineren Mustern, häufig ohne Blumen, nur gewürfelt.
Verbandzeug, Bandagenstoffe, s. Charpie.
Verbindungsnähte, s. Ziernähte.
Verbindungsstege, s. brides und Spitzen.
Vercelli, Stadt in der ital. Provinz Novara : ausgedehnter Hanf-, Elachs-
und Seidenbau, Seidenspinnerei und Handel.
Verdun sur Meuse, Arrond.-Hauptstadt im franz. Departement Maas :
Leinwand-, Spitzenfabrikation; Stickereien, Wäsche und Posamenten.
Verdüren werden die mit stilisiertem Blütenwerke gemusterten Wand-
teppiche in Wirkarbeit genannt, die in der gotischen Periode erscheinen. Die
Bezeichnung stammt von dem französischen Tapis de verdure, d. i. Basen-
teppich (vgl. Abb. 323, S. 566.)
Verfilzen ist eine Eigenschaft der Wollhaare, die sich unter dem Ein-
flüsse des Druckes, der Wärme und Feuchtigkeit vermöge ihrer rauhen Ober-
fläche unlösbar miteinander verwirren, worauf die Herstellung von Filzen und
Tuchen beruht. Vgl. Walken, s. a. Filzteppiche.
Verla, türk. Karaferin, Stadt im türk. Wilajet Saloniki: Textilindustrie
(Badetücher).
Verkündigung Maria durch den Engel Gabriel (franz.: annonciation ;
engl. : annunciation ; lat. : annunciatio), auch englischer Gruss, sehr häufig seit
der frühgotischen Zeit Gegenstand bildlicher Darstellung in der Kunst,
namentlich in Bildern, von wo aus dieselbe auch auf die Wirkerei in Wand-
teppichen überging. (Vgl. Abb. 319, S. 561); auch die Stoffmusterung für
kirchliche Gebrauchsstücke (s. kirchliche Stoffe und Stickereien) hatte zur
gleichen Zeit dieses Motiv aufgenommen.
Verlegen, die Kettenfaden für gestreifte Zeuge in gehöriger Ordnung
auf den Webstuhl bringen.
Verneteppich— Vierlande. 607
Verneteppich, s. Sumakhteppiche.
Verneuii, Stadt im franz. Departemeut Eure des x^rrond. Evreux : Woll-
spinnerei, Leinen-, Baumwoll- und Wollzeugweberei; Fabrikation von Bändern.
Vernoux, Stadt im franz. Departement Ardeche : Seidenspinnerei, Tuch-
und Seidenfabrikation und bedeutender Tuchhandel.
Verona, Hauptstadt gleichnamiger ital. Provinz : Seidenspinnereien und
bedeutende -farbereien; das Seidengewerbe ist im 14. Jahrhundert eingeführt.
Veronicatuch, Schweisstuch der heil. Yeronica, der Legende zufolge das
Tuch, mit welchem die Heilige dem kreuztragenden Christus das Gresicht
trocknete, wobei sein Abbild auf dem Tuche zurückblieb : vera icon, das wahre
Bild. Ein solches Tuch mit dem blutüberlaufenen Antlitz Christi mit der
Dornenkrone wird in den Darstellungen entweder von der Heiligen selbst oder
von Engeln gehalten.
Versailles, Arrond.-Hauptstadt im franz. Departement Seine et Oise :
Baumwollspinnerei, Fabrikation von Kaschmirshawls.
Versecz, Stadt in Ungarn : Seidenraupenzucht.
Verseidigungsverfahren gehen davon aus, die vegetabilische Faser mit einer
die Seidensubstanz in gelöstem Zustande enthaltenden Flüssigkeit zu behandeln
und nachträglich den Fibroinniederschlag auf der Faser selbst hervorzubringen.
Versmold, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Minden: Leinenweberei, Segel-
tuchfabrik.
Verviers, Stadt in der belg. Provinz Lüttich: bedeutende Tuchfabriken,
Walkmühlen und Färbereien, Woll- und Baumwollspinnereien, Bandfabrikation.
Vervins, Arrond.-Hauptstadt im franz. Departement Aisne : Leinen-,
Baumwoll- und Schafwollweberei, Wollspinnfabrik und Leinwandhandel.
Vezelise, Stadt im franz. Departement Meurthe et Moselle: Tuch- und
Seidenweberei, Fabrikation von Stickereien.
Vicenza, Stadt in gleichnamiger ital. Provinz : bedeutende Seidenspinnerei,
Fabrikation von Seidenzeugen.
VicunnawoUe, s. Yigognewolle.
Vienne, Arrond.-Hauptstadt im franz. Depart. Isere: bedeutende Tuch-
fabrikation (besonders von wohlfeilen Zeugen zu Beinkleidern und Paletots),
Fabriken für Baumwollwaren und Leinwand, Seidenweberei.
Vierbindig heisst ein Köpergewebe, wenn jeder Schussfaden über je
drei Kettenfäden flott liegt und erst vom vierten gebunden wird.
Vierdraht, ein älterer, dem Berkan ähnlicher dichter Wollenstoö'.
Vierlande, Teil des hamburgischen Staates, wo sich noch heutigen Tages
die volkstümlichen Arbeiten behaupten, welche von bäuerischen Stickerinnen für
die eigene Tracht oder den Schmuck des Hauses angefertigt werden. Der
Zusammenhang mit den allgemeinen Wandlungen des Stiles ist darin unver-
kennbar, doch haben sie eigenartige , durch Jahrhunderte üb erlief er ungs weise
festgehaltene Kunstformen des nationalen Geschmackes bewahrt. Neben ge-
stickten Handtüchern und leinenen Bettzeugen sind es auch eigentümliche
Spitzenarbeiten in weissen Leinenfäden, guipüreartig^ auf schrägem Filet her-
gestellt (Abb. 340), welche erhalten sind. Ein besonderes Schmuckstück der
Tracht bilden die gewebten (Abb. 338) und gestickten Brustlatze (Abb. 341)
mit abgepasstem Muster. Letztere bestehen aus strengen Palmettenformen,
Blumenranken und kleinem Getier. Die Technik der Stickereien ist ausge-
dehnt auf Arbeiten aus reliefartig behandelten Auflagen von Seidenfäden,
Goldlahn und Füttern. E-eich verziert sind die gestickten seidenen Nacken-
tücher. Für Rücklaken und sonstige Behangstoffe fertigte man ausser den
gobelinartig gewirkten Arbeiten (Abb. 209, S. 370) Gewebe aus Leinen und
Wolle an, in welchen sich historische und biblische Darstellungen mit eigen-
artigen ornamentalen Pflanzen und Tiergestalten vereinigen ; auch eine beson-
dere Technik der Knüpfarbeit (Abb. 211, S. 372) hat sich erhalten. Eine
reichhaltige Sammlung solcher Erzeugnisse nordischen Hausfleisses bewahrt
das Hamburgische Museum für Kunst und Industrie: vergl. den von Justus
Brinckmann in Leipzig 1894 erschienenen Führer S. 49 ff.
608
Viersen — Vigognewolle.
Abbildungen:
340. Darstellung aus : Kunstgewerbeblatt, Leipzig 1900 : Zwischensatz zu einem
Kopfkissen, Filetdurchzugarbeit in weissem Leinen auf schrägem Grunde, Muster aus
Blütenranken und Vögeln. Vierlande, 18. — 19. Jahrh.
341. Darstellung wie vorher: Brustlatz, Stickerei und Bortenwirkerei in Seide,
Goldlahn und Füttern auf Sammet : palmettenartige Blütenformen und Banken. Vier-
lande, 18.— 19. Jahrh.
Viersen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Fabriken für Seiden-
und Sammetwaren, sowie Well-, Baumwoll- und Leinenweberei, Zwirnerei und
Bandfabriken, Bleichereien und Färbereien und lebhafter Handel ; in der Um-
gegend Flachsbau. lieber Sammetbandweberei in Y. finden sich aus dem Jahre
1786 Nachrichten; als 1812 das Sammetband aus der Mode kommt, zerstreuen
sich die dahin aus Frankreich eingewanderten Arbeiter.
Abb. 340.
^4:-*'\Tr- -'^^'riifii
m
Vierzon, Stadt im franz. Depart. Cher des Arrond. Bourges: Fabrikation
von Leinen-, Woll- und Seidenwaren.
Vigan, Stadt im franz. Depart. Gard: Seidenbau, Seiden- und Baumwoll-
spinnerei, Strumpfwirkerei.
Vigans, eine grobe Tuchsorte, zu gewöhnlichen Unterkleidern, Regenmänteln
u. dgl., die in Languedoc verfertigt und nach der Levante ausgeführt wird.
Vigevano, Stadt in der ital. Provinz Pavia: Fabriken für Seidenzeuge,
Baumwollgespinste; Handel mit Seidenraupeneiern.
Vigognewolle, Vicognewolle, feine seidenartige W. des in Südamerika
auf den Cordilleras heerdenweise lebenden Schafkamels oder Vicogna, Vicuüa,
Yicunha. Im Handel werden die Sorten von Peru, Chili und Buenos-Ayres
unterschieden, wovon die letztern weniger als die ersten geschätzt werden.
Von jeden dieser Sorten hat man feine und gewöhnliche Qualitäten. Pelotage,
d. h. Wickel- oder Flockwolle, die geringsten, sich schwer zum Verspinnen
eignenden Haare. Eine Mittelgattung ist die Bastardwolle, Carmeline, vicufia
Vig-ognia — Vimoutiers.
609
bastarda, welche häufig mit der besseren Y. vermischt wird. Das sogen.
Yigognegarn führt nur einen geborgten Namen, denn es besteht lediglich
aus feiner Schafwolle mit ^5 Baumwolle.
VigOgnia nennt man im englischen Handel ein Strumpfgarn, das aus
feiner Schafwolle und der Wolle von verschiedenen Wolle tragenden Pflanzen
gesponnen wird.
Vigoureux, moderner geköperter feiner Wollenstofi".
Vigoureuxgarne, s. Moulineegarne.
Villafranca di Verona, Stadt in der ital. Provinz Verona: bedeutende
Seidenzucht.
Villarobledo, Stadt in der span. Provinz Albacete; Leinen- und Woll-
webereien.
Abb. 341.
_ Villedieu, Stadt im franz. Depart. Manche des Arrond. Avranches:
Fabrikation von Leinwand und Spitzen.
Villefranche, Stadt im franz. Depart. Ehone : Fabrikation von Baumwoll-
geweben, Kattun, Leinen- und Tischzeugen, hat Bleichereien.
Villers-Bretonneux, Stadt im franz. Depart. Somme, Arrond. Amiens:
sehr bedeutende Wo 11- und Baumwollspinnerei, Fabrikation von Flanell-, Woll-
und Baumwollstrumpfwaren.
Vilvorde, Stadt in der belg. Provinz Brabant : Baumwollweberei, Spitzen-
klöppelei; Verfertigung von Eosshaarzeugen und Posamentierwaren.
Vimoutiers, Stadt im franz. Depart. Orne, Arrond. Argentan: mechan.
Flachsspinnerei, bedeutende Leinwandmanufaktur, Spitzenklöppelei, Fabrikation
von Posamentenwaren und Bosshaarzeugen.
Vimoutiers , grobe, locker gewebte franz. Hanfleinen, die zuweilen auch
Kameras genannt werden, roh in der natürlichen Hanffarbe oder safran-
H ei den, Handwörterbuch der Textilkunde. ßg
610 Vintilizzi —Volkskunst.
gelb gefärbt, werden in der Stadt Y., zu Dromfort und in der Umgegend
(Depart. Orne) verfertigt.
Vintilizzi, in Italien eine Art seidener Zeuge, die auch den Namen classi
di seta führen; sie haben einen leinwandartigen rauhen Grund.
Vire, Arrond.-Hauptstadt im franz. Depart. Calvados: Baumwoll- und
AVollspinnerei, Wollkrämpelei, Färberei; bedeutende Fabrikation von Tuch.
Virginia, Staat der nordamerikanischen Union: Baumwollbau und Baum-
woll- und Wollstofffabriken.
Virginia, nordamerikanische Baumwollsorte.
Virginia, älterer auf Atlasart gearbeiteter Seidenstoff mit breitem Köper,
sowohl einfarbig, als in zwei abstechenden Farben.
Viterbo, Stadt in der ital. Provinz E,om: Tuchfabriken.
Vitragen, s. Rouleaux.
Vitre, Arrond.-Hauptstadt des franz. Depart. Ille et Yilaine: Fabrikation
von Leinwand, AVollzeugen, Flanell, Segeltuch, Zwirn- und Strumpfwaaren.
Unter Franz I werden Florentiner Seidenwebereien angelegt, denen man 1476
ausgedehnte Privilegien bewilligt.
Vitrees heissen in Frankreich die in und um Vitre gefertigten Sorten
Leinwand als 1. meist gebleichte flächsene Hausleinen, 2. Vitrees brin
sur brin, feste und gedrungene, aus bestem Hanf gewebte Leinen, welche zu
Servietten und Handtüchern dienen, 3. Toiles renforcees, dichte breite
Hanfleinen zu Segeltüchern. Die V. gehen meist über E-ennes und St. Uterlo
nach den überseeischen Kolonien.
Vitry, Arrond.-Hauptstadt im franz. Depart. Marne: Fabrikation von
Baumwollstoffen und Wirkwaren.
Vitrys heissen die in und um Vitry gefertigten ungebleichten Leinen.
Vittoria, Stadt in Sizilien: bedeutender Seidenbau.
Vivierseide, genannt Soie de France, wird in Nanterre bei Paris gemacht.
Vizille, Industriestadt im franz. Depart. Isere: Baumwollspinnerei und
Zeugdruckerei.
Vlies nennt man die Wolle, wie sie auf den einzelnen Fellen im natür-
lichen Zusammenhang ist und beim Scheren stets erhalten wird.
Vodena, Stadt im türk. Wilajet Saloniki: Woll- und Baumwollweberei.
Vogel, in der Weberei der Treiber zum Bewegen des Schnell schützen.
Vogelfedern, werden im 13. Jahrhundert in China als Schmuck in
Seidenstoffe gewebt.
Vogtland (Vogelland), Landschaft im Königreich Sachsen: zeichnet sich
vorzüglich aus durch seine Industrie in Woll- und Baumwollwaren, Zwirnereien,
Musselinfabriken und Stickereien. Der Hauptort und Hauptsitz derselben ist Plauen.
Vohwinkel, Dorf im preuss. Peg.-ßez. Düsseldorf: mechanische Webe-
reien und Färberei.
Voile nennt man in Frankreich verschiedene, aus Bengalen in den Handel
gebrachte baumwollene Gewebe, sowie dünne und durchsichtige, den ostindischen
Geweben nachgeahmte wollene Zeuge: beide Arten werden zu Schleiern verwendet.
Voiron, Stadt im franz. Depart. Isere^ Arrond. Grenoble: Webereien
von Hanfleinwand, sogen. Toiles de Voiron (auch in der Umgegend), Lein-
wand, Bleichen, Seidenwebereien, Färbereien und Handel mit den Industrie-
produkten, namentlich Leinwand.
Voirons, die in und um Voiron gefertigten verschiedenen feinen Hanfleinen.
Volant (franz.), fliegend; breiter, lose aufgesetzter Besatz an Damen-
kleidern, welche zur Pokokozeit, als der Pock in Mode kam, in Posamenterie,
bunter oder weisser Spitze angewendet wurden.
Volkskunst bezeichnet eine der ersten Stufen auf dem Wege künst-
lerischer Entwickelung im Bereiche jener Handfertigkeiten, zu welchen der
Hausfleiss aus eigenem Bedürfnis heraus Anregung gibt. Ob eine solche zur
Befriedigung des Schmückens oder der notwendigen Bekleidung des eigenen
Körpers und seiner Behausung vorliegt, immer werden textile Erzeugnisse
dabei in den Vordergrund treten. Das ursprüngliche Wesen einer Volkskunst
Vollgarn — Wachstuch. QU
ist im Laufe der Jahrhunderte so gut wie ganz verloren gegangen , da die
fortschreitende Kultur andere Lebensgewohuheiten , Yerkehrsverhältnisse und
Arbeitsteilung bedingt, womit die ITeberlieferung von Traditionen verwischt,
der Sinn des Greschmackes einem steten Wechsel unterworfen ist. Inmitten
der modernen kunstgewerblichen Bewegung der letzten Jahrzehnte haben die
in den Museen erhaltenen älteren Werke des Hausfleisses nordischer und süd-
slavischer Völker oft genug Anstoss gegeben zu neuen Ansätzen einer volks-
tümlichen Kunstweise, indessen führten solche Versuche nur teilweis zum
Ziele. Erst wenn diese wichtige Frage, welche sie namentlich vom Stand-
punkte der Volkswirtschaft aus geworden ist, noch mehr mit dem Wesen des
Schulunterrichts und den Fortbildungsschulen im Allgemeinen verbunden sein
wird, kann man vielleicht auf bessere Erfolge rechnen.
Vollgarn nennt man das bessere und feinste Leinengarn, besonders das
in Westfalen verfertigte.
Volos, Volo, Hauptstadt des griech. Nomos Magnesia, Haupthafenplatz
für Thessalien: Teppicherzeugung.
Voltri, Stadt in der ital. Provinz Grenua: Baumwollspinnerei, Tuchfabrikation.
Vorarlberg, der westliche Teil von Tirol, früher selbständiges Kronland,
mit der Hauptstadt Bregenz: die ziemlich rege Industrie beschäftigt sich
namentlich mit Baumwollspinnerei (17 Spinnereien mit 179 000 Spindeln und
1872 Arbeitern) und AVeberei (22 Betriebe mit 3168 Webstühlen und 2294
Arbeitern), Flachsspinnerei, Färberei, Druckerei, Bleichereien und Appreturen
mit 1092 Arbeitern, Musselinweberei, Weissstickerei, Botfärberei, Spitzen-
klöppelei, deren Produkte nach der Schweiz ausgeführt werden.
Vorderbaum, in der Weberei der Brustbaum.
Vordergeschirr, die Schäfte am Jacquardwebstuhl, durch welche die
Bindungen für das Grundgewebe gebildet werden.
Vorst, Marktflecken im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Fabrikation von
Seidenzeug und Sammetband.
Vorstoss (an Uniformen u. dgl.), soviel wie Passepoil (s. d.).
Vorstechmaschine dient zum Herstellen der durchlöcherten Karten für
die Jacquardmaschine.
Vorstich, s. Nähen.
Vourine, im französischen und levantiner Handel die feinste Gattung
der persischen Legisseide.
Vreden, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Münster: Plüsch-, Nessel- und Bunt-
weberei.
Vukovar, Stadt in Ungarn: Seidenzucht und Seidenzwirnfabriken.
w.
Wachsbarchent, s. Wachstuch.
Wachsleinwand, s. Wachstuch.
Wachstaffet (Gesundheitstaffet, Taffetas ciree), Taffet oder Leinwand
mit einem aus Leinöl, Bleiglätte, Terpentin, Kolophonium, Mennigen und einem
Farbstoff zusammengesetzten Firnis auf beiden Seiten überzogen, ist gewöhn-
lich grün, braun oder schwarz. Er wird zum Umwickeln rheumatischer Glieder
gebraucht, sowie zu Schweissblättern in Frauenkleidern, Hutüberzügen usw.
und kommt besonders aus Paris und Lyon, sowie auch aus einigen grösseren
Städten Deutschlands.
Wachstuch ist ein verhältnismässig neuer Artikel mit einem nicht mehr
passenden alten Namen. Das alte W. oder die W.rLeinwand hatte in der Tat
t5l2 "Wad, Wadmal— Waldheim.
wächserne Ueberzüge, die aber schon längst passenderem Material gewichen
sind. Die heutigen Stoffe, welche in besonderen Fabriken, je nach den ver-
schiedenen Bestimmungen, in grosser Mannigfaltigkeit hergestellt werden, sind
leichtere oder schwerere Baumwoll- oder Leinengewebe, z. T. auch solche aus
Werg oder Jutegarn, die mit einer biegsamen farbigen Firnisschicht überzogen,
oft auch lackiert sind. Die Stoffe werden in Rahmen eingespannt und zunächst
mit einer Leim- oder Kleisterschicht grundiert, um die Poren des Gewebes
zu schliessen. In den meisten Fällen wird auch die Unterseite grundiert und
erhält eine schwache Firnisdecke, ausgenommen die geringe, nur zu Packtuch
u. dgl. dienende Ware, sowie den zu den Möbeldecken bestimmten Wachs-
barchent, dessen weiche Unterseite unverändert bleibt. Die auf den Unter-
grund getragene erste Schicht von Firnisfarbe wird nach dem völligen Aus-
trocknen mit Bimsstein eben geschliffen und ebenso wird mit jeder folgenden
verfahren. Wie viel Schichten aufgetragen sind, hängt von der Art und Stärke
der Ware ab. Den Beschluss macht ein Glanzfirnis oder eine Lackierung;
gedruckte Sachen werden erst nach dem Drucken geglänzt. Die einfarbigen
Waren sind meist schwarz oder sonst dunkelfarbig und die feinen Sorten
nehmen sich wie lackiertes Leder aus und dienen auch häufig an dessen Stelle
da, wo nicht die volle Festigkeit des Leders erforderlich ist. Das meiste
wird gedruckt oder sonst farbig figuriert und dient dann zu Fussboden- und
Wandtapeten, Möbeldecken, zum Ausschlagen von Wagen und ähnlichen
Zwecken. Das Drucken geschieht auf Tafeln mittels Druckblöcken in Art
des Tapetendrucks. Daneben dient zur Ausstattung das Maserieren^ eine
Nachahmung von Nutzhölzern. Es dienen dazu besonders hölzerne Walzen
mit erhaben geschnittener Musterung. Ein Hauptsitz der Fabrikation von W.
ist Leipzig ; ausserdem gibt es Fabriken in Offenbach, Frankfurt a. M., Berlin,
Wien, Chemnitz, Breslau, Hannover, Altona. In Frankreich bestehen in Paris
und E-ouen bedeutende Fabriken, die ihren Absatz meist in Spanien und den
Kolonien haben.
Wad, Wadmal (engl, wadmoll) , dicker , aber weicher Wollenstoff des
16. Jahrhunderts; feiner als Loden, schon im 10. Jahrhundert bekannt.
Wädenswyl, Gemeinde im Schweiz. Kanton Zürich : Seidenweberei,
Fabrikation von Tuch und Baumwollwaren.
Wading, s. Bassinas.
Wadmal, s. Wad.
Waffelstoff, Stoff mit waffelähnlichen, erhaben scheinenden Mustern, in
Wolle, Halbwolle und Baumwolle für Anzugsstoffe und Damenmänteln (aus
Glauchau), sowie in Seide und Halbseide.
Wagstadt, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien : Fabrikation von Tuch
Umhängetüchern und Bändern.
Waiblingen, Oberamtsstadt in Württemberg: Seidenweberei, Tuch-
macherei und Tapisserie.
Waidhofen, an der Thaya, Stadt in Osterreich: bedeutende Band- und
Wollzeugweberei, Färberei.
Wakefield, Stadt iu der engl. Grafschaft York: Garnfabrikation, Tuch-
und Strumpfwarenmanufaktur.
Wald, Dorf im Schweiz. Kanton Zürich : Seiden- und Baumwollindustrie,
Stickerei.
Waidenburg, 1) in Schlesien: Flachs-, Leinwand- und Bleichschau,
Flachsspinnerei, Leinwand- und Garnmärkte. — 2) in Sachsen: bedeutende
Strumpfwirkerei, Fabrikation von wollenen, baumwollenen und leinenen Stoffen
und Posamenten. — 3) Stadt im Schweiz. Kanton Basel-Landschaft: Seiden-
bandweberei und Seidenabgangkrempelei.
Waldhaar, eine Art Segge oder Bietgras, das in Süddeutschland, be-
sonders in Baden und am Oberrhein wächst und zu Polstermaterial, Matten
und geflochtenen Fussteppichen Verwendung findet.
Waldheim, Stadt in Sachsen: Fabrikation von Baumwollwaren, Lein-
wand, Barchent^ Flanell und Tuch, Strumpfwaren und Trikotagen.
"VValdkirch — Walzenglättpresse. ßl3
Waldkirch, Stadt im bad. Kreis Freiburg : Baumwoll- und Seidenspinnerei,
Leinwand-, Baumwoll- und Seidenweberei ; Fabrikation von Seidenband.
Waldmünchen, Stadt im bayer. ßeg.-Bez. Oberpfalz : Spinnerei und
Tuchfabrikation.
Waldshut, Stadt im Grossherzogtum Baden: Baumwollspinnerei und
-Weberei, Seidenzwirnereien und -Webereien, Färbereien und Bleichereien.
.Waldwolle, ein aus den Nadeln der Kiefer (Pinus sylvesti-is), seltener
der Fichte, bereiteter Faserstoff, der als Ersatz für Kuh-, Kälber- und Boss-
haare zum Polstern von Möbeln usw. verwendet wird und sich deshalb sehr
dazu eignet wegen des Nadelholzgeruches. Man hat auch versucht die W. zu
verspinnen und daraus sehr gute, feste Fäden erhalten. Mit Wolle oder Baum-
wolle vermischt, verfertigt man daraus eine Art Gesundheitsflanell. Die W.
wurde zuerst 1840 durch J. Weiss in Ziegenhals (Oberschlesien) dargestellt;
einen kräftigen Aufschwung hat diese Industrie namentlich durch die Fabrikate
von L. und E. Lairitz in Bemda (Thüringen) genommen.
Wales, ein mit dem Königreich England vereinigtes Fürstentum: AVoll-
garn-, Flanell- und andere Wollstofffabrikation.
Walkblaue Tuche sind solche, welche nach dem Waschen blau gefärbt
und dann erst völlig gewalkt werden. Sie färben besser durch, als die nach
der Walke gefärbten, und kosten doch nicht so viel Farbe, als die woll-
blauen Tuche.
Walken nennt man in der Tuchfabrikation die Bearbeitung des Woll-
gewebes, um eine Verfilzung der Wollhärchen auf beiden Oberflächen zu
bewirken, was durch Schlagen, Quetschen, Schieben bezw. Walzen des
durchnässten , in Seifenwasser eingeweichten Gewebes erreicht wird. Das
Walken wird in Maschinen verschiedener Konstruktion ausgeführt; in den
sogen. Hammerwalken (Walk-, Dick-, Filzmühlen, Lochwalken) bearbeiten
niederfallende schwere hölzerne Hämmer das Gewebe. In einer verbesserten
Konstruktion, der Patentwalke (Druck- und Kurbelwalke), wirken leichtere,
auf- und niedergeschobene Hämmer durch Stoss und Druck. In den Walz-
walken, die weniger Seife und Arbeitszeit erfordern und eine schöne Filzdecke
hervorbringen, wird das Gewebe mittels Walzen bearbeitet.
Walkrasch (Cadis ras), geköperte Wollenzeuge, welche tuchartig ge-
walkt, geschoren und warm appretiert sind und meist im allgemeinen Cadis (s. d.)
heissen.
Walkringen, Hauptsitz der Leinenindustrie des Schweiz. Kantons Bern.
Wallis, Baumwollstoff, s. v. w. Dimity (s. d.).
Waltersdorf, Fabrikdorf bei Grossschönau in Sachsen : Fabrikation von
Damasttischzeugen, Baumwoll- und Halbwollenstoffen, Garnbleicherei usw.
Walzendruck, ein in der Kattundruckerei von Christian Philipp Ober-
kampf 1780 erfundenes Druckverfahren mittels Walzen druckmaschinen oder
Walzenpressen, welches später auch in der Typographie und im Tapetendruck
Anwendung fand. Nach anderen Angaben soll der W. in Schottland erfunden
und zuerst mit Erfolg um das Jahr 1785 in der Druckerei von Livesey, Har-
greaves. Hall & Komp. zu Mosney bei Preston in Anwendung gebracht worden
sein; jedenfalls aber ist dieses Verfahren zuerst in England zur Ausführung
gelangt. Die Ersparnis gegenüber dem Handdruckverfahren ist so gross, dass
eine einzige W.-Maschine, bei der zwei Arbeiter und ein Knabe zum Nach-
füllen der Farbe angestellt sind, dieselbe Arbeit verrichtet, die 200 Männer
und ebenso viel Knaben durch gewöhnlichen Handdruck zustande bringen. Ein
Stück von etwa 20 m kann mit der Maschine in einer Minute gedruckt werden,
indem eine jede der drei oder vier Walzen einen Teil des Musters auf das
bei beständiger Drehung der Bäder forteilende Zeug aufdruckt.
Walzenglättpresse, eine Art Walzwerk, d. h. eine mit zwei oder drei
in einem Gestell gegeneinander gelagerten horizontalen Walzen versehene
Maschine, mittels deren Gewebe glatt gepresst werden. In der Gewebe-
zurichtung oder Appretur führt die W. die Bezeichnung Kalander oder
Walzenmange; derartige Maschinen mit drei hölzernen Walzen waren schon
614 Walzentempel — Wasserdiclite Gewebe.
gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts gebräuchlich, welche im Laufe der Zeit
mannigfaltige Verbesserungen erfahren haben.
Walzentempel, eine Vorrichtung an Webstühlen, welche mittels einer
rauhen AValze den Stoff während des Webens in die Breite zieht.
Walzenwalke, eine bei der Zurichtung wollener Gewebe benutzte Ma-
schine, welche die älteren Hammerwalken verdrängte.
Wand, ein gewöhnlicher dicker, tuchartiger StoflP, meist aus weisser und
schwarzer Wolle gemischt, daher grau meliert, welcher von den Landleuten
in Ostpreussen zum eigenen Gebrauch viel gewebt wird.
Wandkappen, s. Kappenleinwand.
Wangen, Oberamtsstadt im württembergischen Donaukreis : Baumwoll-
spinnerei.
Wanten, die seitlichen Haltetaue der Schiffsmasten und ihrer Verlänge-
rungen, der Stengen. Sie sind mit dünnen Tauen, Webeleinen, ausgewebt; so
dass sie Strickleitern bilden.
Warendorf, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Münster: bedeutende Leinwand-
und Damastweberei, Bleicherei und Leggeanstalt, Fabrikation von Woll- und
Baumwollwaren. Im Kreise W. wird viel guter Flachs und Hanf gebaut für
beträchtliche Weberei, welche Warendorfer Leinen liefert, eine der besten
und feinsten Sorten Flachsleinen, die aus dem besten Garne gewebt und ge-
bleicht werden, den Bielefelder Leinen gleich an Güte sind und meist auch
unter letzterem Namen in den Handel kommen. Ferner bestehen drei Tuch-
fabriken, Druckereien und Blaufärbereien.
Warmbrunn, Marktflecken im preuss. Beg.-Bez. Liegnitz : bedeutende
Leinweberei.
Warneton, Stadt in der belg. Provinz Westflandern: Leinweberei,
Fabrikation von Spitzen.
Warnsdorf, Stadt in Böhmen: bedeutende Fabrikation für Baumwoll-
waren (besonders Hosen- und Bockstoffen), Tischzeug und gemischte Waren
aus Leinen, Baumwolle und Wolle, Stoffdruckerei und Färbereien, Fabrikation
von Köper, Atlas, Sammet und Bips , sowie lebhafter Handel ; Garn- und
Warenbörse.
Warp (engl. = Kette), in der Spinnerei Bezeichnung für Kettenfäden,
Kettengarn ; Warpspinnerei, eine Spinnerei für Kettengarn.
WarpCOpS nennt man in der englischen Maschinenspinnerei die Kötzer
mit Garn, das nicht abgewickelt, sondern wie es auf den Spindeln gewunden
war, abgezogen ist. In das von der Spindel herrührende Loch wird gewöhn-
lich eine Papierhülse gesteckt und von dieser das Garn beim Verweben ab-
gewickelt.
Warrington, bedeutende Fabrikstadt in der engl. Grafschaft Lancaster:
Fabrikation von Baumwollgarn, Segeltuch und Leinwand.
Warschau, Stadt im gleichnamigen Gouvernement in Bussisch-Polen :
Leinweberei, Herstellung von WoUengam und Wollenwaren (jüdische Talasse
und Bauerntuch).
Waschen, s. Beinigen.
Washers (Wash-whithes), eine Sorte englischer gewöhnlicher Wollentuche,
welche besonders in York und Lancastershire gefertigt wird.
Wasselnheim, Stadt in Elsas s-Lothringen: Baumwoll- und Wollspinnerei,
Fabrikation von Kaliko, Baumwoll- und Strumpfwaren.
Wasserdichte Gewebe werden durch Imprägnieren oder Ueberziehen
mit bestimmten Stoffen hergestellt. Es dienen hierzu Paraffin, Wachs, Leinöl-
firnis usw., am häufigsten aber Kautschuk. Man wendet auch eine Maschine
dafür an, welche einen Kautschukteig völlig gleichmässig den Geweben auf-
trägt. Da diese dann auch zugleich luftdicht sind, wodurch sie für Kleidungs-
stücke ungesund, stellt man auch leinene wie wollene Gewebe wasserdicht,
aber nicht ganz luftdicht her, indem man sie mit gewissen Lösungen tränkt
oder überzieht, wobei schwefelsaure Tonerde, Seife, Soda, Alaun, Kupfervitriol,
Bleizucker, Leim, Wasserglas, Hausenblase u. dgl. Anwendung finden.
Wässern — Weberei. 615
Wässern, einem Gewebe Wasserzeichnung geben.
Watergarn, ein auf der Watermascbine hergestelltes Feingespinst, das
in Baumwolle zur Kette genommen wird.
Waterproof (engl. = wasserdicht), ein starkes, sehr fest geköpertes
wollenes Zeug, das ehedem aus England kam, jetzt aber in mehreren Fabriken
Deutschlands auch viel gefertigt wird und zu Männerröcken dient.
Waterspinnmaschine, Watermaschine.
Watertown, Stadt in New York: Fabrikation von BaumwoU- und
Wollwaren.
Watertwist, Watergarn, s. d.
Watte (franz. : ouate ; engl. : wad, wadding), FutterstofiP, grösstenteils aus
aufgelockerter und geschlagener Baumwolle von besonderen Geschäftsleuten
gefertigt und zwar auf der Wattmaschine, wie sie auch in der Baumwoll-
spinnerei als Yorarbeiterin gebraucht wird, welche die Y^are gleich in der be-
kannten Tafelform abliefert. Der Wattenmacher bestreicht sein Produkt zur
Förderung des Zusammenhalts noch auf beiden Seiten mit einer dünnen Leim-
oder Gummilösung. Für sanitäre Zwecke wird auch wollene Watte gefertigt,
welche etwas mehr Filzung hat und auf den Oberflächen nicht gummiert ist.
Wattierleinen = Schneiderzeugleinen.
Wattignies, Flecken im franz. Departement Nord, Arrond. Lille : Weberei,
Baumwollspinnerei und Posamentenfabrik.
Wattseide, spelaja, blaze, Handelsnamen für Seidenabfälle, welche sich
bei der Baupenzucht ergeben und zur Florettindustrie benutzt werden; ihre
Einführung geschieht vornehmlich aus China.
Wattwyl, Dorf im Schweiz. Kanton St. Gallen: Musselin- und Leinen-
weberei, Stickerei und Webschule; lebhafter Handel.
Webe, früher beim Leinwandhandel in Hamburg eine Länge von 72
Hamburger Ellen = 41,27 m.
Webeleinen, s. Y^anten.
Weberblatt, s. Eietblatt.
Weberei (franz.: tissage; engl.: weaving) : Herstellung flächenartig aus-
gedehnter Erzeugnisse: Gewebe (tissu-web), Zeuge, Stoff'e (etoff'es-clothes), welche
durch rechtwinkelig sich kreuzende Fadengruppen gebildet werden, deren eine
Kette, Aufzug, Zettel (chaine-warp) durch die ganze Länge des Gewebes,
die andere Fadengruppe Schuss, Eintrag, Einschlag (trame-weft, woof) in
der Querrichtung läuft. Durch die Umkehr des Schusses werden an den
äussersten linken und rechten Kettenfäden Bänder gebildet, die man Kante,
Leiste, als das Sahlband oder die Sahlleiste (lisiere-list) bezeichnet.
Die mannigfachen Yerkreuzungen von Ketten- und Schussfäden, die Bin-
dungen (s.d.) entstehen, indem ein Teil der ersteren über, ein anderer unter
die Schussfäden geführt wird, wobei die verschiedenen Kettfäden bei den auf-
einander folgenden Schüssen abwechseln. Das Weben geschieht von altersher
mittels mechanischer Yorrichtungen : der Webstühle (metiers-lormes) , die als
Handwebstühle (zum Betrieb durch Hand und Fuss) höchst einfach , als
mechanische Webstühle (für Kraftbetrieb) sehr verschieden eingerichtet sind.
Der Handwebstuhl besteht aus einem Gestell von vier senkrechten
Balken, die durch Querhölzer verbunden sind. Yorn und hinten befindet sich
je eine drehbare Walze: der Kettbaum zur Aufnahme der Kettenfäden und
der Y^arenbaum, auf welchen das fertige Stück Zeug aufgewickelt wird.
Die Breite der Bäume entspricht derjenigen der Ware und ist demgemäss
eine sehr verschiedene. Zur Yermittelung der Fadenkreuzungen (Bindungen)
müssen Kette und Schuss abwechselnd gehoben und gesenkt werden. Hierzu
ist die Bildung des Faches (pas-lease) mittels der Schäfte oder Flügel
(lames-leawes) notwendig. Jeder dersellDen besteht aus einem Holzstab, zwi-
schen welchen die Litzen (s. d.) oder Helfen (lisses-hedles) mit den Augen
(maillons) ausgespannt sind. Wird der Schaft gehoben oder nach unten ge-
senkt, so müssen alle durch seine Litzenaugen gezogenen Kettläden gehoben
bezw. gesenkt werden. Diese Bewegung der Schäfte nach oben und unten
616 Weberei.
wird durch die unter dem Sitze des AVebers drehbar gelagerten hölzernen
Hebel, Tritte oder Schemel bewirkt, welche an ihrem oberen freien Ende durch
Schnüre mit den unteren Schaftstäben verbunden sind. Je nach der Bindung
ist diese Schnürung verschieden. Zur Einführung des Schusses dient der
"Webschütze oder der Schützen (s.d.), welcher den Schussfaden durch
das Fach führt. Der eingetragene Schuss muss dann fest an die vordere
Spitze des Webfaches angeschlagen werden, wozu das Rietblatt, Riet (s.d.)
(peigne-reed) oder der Web er kämm dient, welcher in einem auf dem oberen
Balken des Stuhlgestelles pendelnden Rahmen, die Lade (chasse-lathe) ein-
gesetzt ist. Um das bei einfachen Webereien notwendige Werfen und Auf-
fangen der Schützen mit der Hand zu vermeiden, wurde das S chn e 1 1 z e u g (s. d.)
angebracht. Das regelmässige Aufwickeln der fertigen Zeuge auf den Waren-
baum vermittelt der Regulator (s.d.). Der Spannstab, in den ver-
schiedensten Formen gearbeitet (s. d.), dient zur Innehaltung der gleichen
Breite des Gewebes.
Die mechanische Weberei (tissage mecanique-pawersloom-weaving)
fertigt dieselben Stoffe wie die Handweberei, nur bedient sie sich zu ihrer
Herstellung mehr oder weniger selbsttätiger Maschinen. Im engeren Sinne
bezeichnet man damit das Weben mit Hilfe von selbsttätig arbeitenden
Webstühlen, mechanischen Webstühlen oder Kraftstühlen (metier ä tisser
mecanique-powerloom).
Ein Zwischenglied zwischen Hand- und mechanischem Webstuhl ist der
sogen, halbmechanische Webstuhl oder mechanische Hahdwebstuhl von Laeser-
son und Wilke , der durch einen Handhebel am Fusstritt vom Arbeiter be-
wegt wird. Die Fachbildung, Ladenbewegung, Schuss und Anschlag erfolgen
mechanisch. Trotz des Vorteils, diesen Stuhl im Hausbetrieb benützen zu
können und trotz der schnelleren Arbeit führte sich der Stuhl nicht ein, weil
die physische Kraft des Arbeiters nicht ausreicht, den Stuhl den ganzen Tag
zu bewegen.
Der mechanische Webstuhl besteht aus denselben Hauptteilen, wie
der Handwebstuhl; nur ist alles von Eisen, der grösseren Kräfte wegen, die
hier zur Anwendung kommen. Die Lade ist unten am Gestell drehbar an-
geordnet (Stehlade), wodurch der Aufbau des Stuhles niedriger wurde. Wie
am Handwebstuhle sind vorhanden: die Schäfte mit den Tritten, die Lade
mit Riet, Schützenkästen, Treibern und Schützen, sowie der Regulator, der
beim mechanischen Betrieb unbedingt erforderlich ist, um das bei jedem Schuss
gefertigte Stück Ware sofort aufzuwickeln, weil die Lade durch Mechanismus
getrieben, immer genau dieselbe Schwingung machen muss. Der Antrieb des
mechanischen Webstuhls geschieht durch eine in der Mitte des Stuhlgestells
drehbar gelagerte Welle (Hauptwelle), die an ihrem ausserhalb des Stuhles
liegenden Ende eine feste und eine lose Scheibe trägt. Soll der Stuhl in Be-
trieb gesetzt werden, so leitet der Weber den Transmissionsriemen, der wäh-
rend des Stuhlstillstandes auf der Losscheibe läuft, mittels einer Riemengabel
auf die Festscheibe und die Bewegung beginnt. Unter der Hauptwelle, durch
Zahnräder mit ihr verbunden ist eine zweite Welle angebracht, auf die soviele
Exzenterscheiben aufgesetzt werden, als Tritte für die Bewegung der Schäfte
vorhanden sind. Bei jeder Umdrehung der Welle drücken die Exzenter (s. d.)
genau wie die Fiisse des Webers die Tritte nach unten, wodurch die in ähn-
licher Weise befestigten und geschnürten Schäfte gehoben bezw. gesenkt werden.
Durch Spiralfedern werden die Tritte gegen die Exzenterscheiben angelegt.
Für die Schützenbewegung (den Schützenschlag) sind auf derselben Welle,
links und rechts, Schlagexzenter (kreisrunde Scheiben mit nasenartigem An-
satz) angebracht. Eine gegen diesen Schlagexzenter laufende konische Rolle
wird von dem Ansatz weggestossen und diese Bewegung wird durch Hebel
auf den Treiber im Schützenkasten übertragen, wodurch der Schützen aus dem
Kasten getrieben wird.
Die beschriebene Bauart der mechanischen Stühle ist die englisch e,
die am meisten Anwendung findet und vorbildlich geblieben ist. Bei breiteren
Weberei. 617
Stühlen, für schwere Waren sind verschiedene Abänderungen gemacht worden.
So wird z. B. beim Federschlagstuhl der Schlag nicht durch Schlagexzenter,
sondern durch eine starke Feder ausgeführt, die während des Stuhllaufes auf-
gezogen und zum Schlag plötzlich losgelassen wird. Diese plötzliche Be-
wegung des Zusammenziehens, die immer ganz gleichmässig erfolgt, wirkt
durch Hebel auf den Treiber des Schützen. Da aber bei diesem Federschlag
die Schnelligkeit des Ganges beschränkt ist , wird der Exzenterschlag vor-
gezogen.
Bei der Herstellung farbiger Querstreifen in Geweben, oder bei Ver-
wendung verschiedenen Schussmaterials für Ober- und Unterware , sowie bei
farbig gemusterten Stoffen, müssen mehrere Schützen abwechselnd arbeiten.
Dies erfordert die Anbringung von mehreren Schützenkästen an einer oder
besser noch an beiden Seiten des Webstuhls. Diese Schützenkästen werden
entweder übereinander oder wie in einem Revolver im Kreise angeordnet. Im
ersteren Falle erfolgt der AYechsel der Kästen durch Verschiebung in verti-
kaler Richtung, im zweiten Falle durch Drehung des Revolvers. Eine frühere
Anordnung der Kästen an Handwebstühlen nebeneinander mit vertikaler Ver-
schiebung (Schiebelade) ist bei mechanischen W^ebstühlen nicht angewandt
worden.
Für schmale Stühle und leichte, einfache AVare hat man neuerdings eine
Art des Schützenwechsels konstruiert, die es ermöglicht, dass die abgelaufene
Spule automatisch aus dem Schützen entfernt und durch eine frische Spule
aus einem mit gefüllten Spulen neben dem Webstuhl angeordneten Behälter
ersetzt wird, ohne Zutun des W^ebers und Stillstand des Webstuhls. In
Deutschland haben diese Versuche aber zu keinem nennenswerten Erfolge ge-
führt, während in Amerika vielfach damit gearbeitet wird, besonders für ein-
fachere Ware in billigerer Qualität.
Die Schützen (navettes-shuttles) haben für mechanische Webstühle stets
eine gerade Form, sind entweder aus Holz mit Eisenspitzen, oder ganz aus
Eisen oder Stahl hergestellt. Als Schleif schützen gleiten sie mit ihrer unteren
Fläche über die Kettfäden, während sie als Rollschützen mit Rollen versehen
sind, mit denen sie über die Bahn rollen, z. B. bei schweren Wollwaren. Die
einzulegende Spule ist entweder auf der Schützenspindel oder Seele festsitzend
durch eine Feder gehalten (Schleifspule) , dann muss der Faden in axialer
Richtung von der Spitze der Spule ablaufen ; oder die Spule ist drehbar auf-
gesetzt (Rollspule), sodass der Faden rechtwinklig zur Achse abläuft ; oder die
Garnspule ist in dem mit einem federnden Deckel versehenen Schützen fest
eingedrückt und ohne Hülse (Schlauchspule) , dann läuft der Faden aus dem
Innern der Spule ab. Als Breithalter kommen bei mechanischen Webstühlen
selten die Spannstäbe zur Anwendung, man verwendet vielmehr sogen, selbst-
tätige Tempel , die beim Abziehen der W^are sich drehen und das Gewebe
stets in gleicher Weise und an derselben Stelle spannen. Sie werden her-
gestellt als Walzen mit Riffeln oder Spitzen (Walzenbreithalter) oder als
Walzen mit exzentrisch eingesetzten Rädchen mit Spitzen (Rädchenbreithalter)
oder als Scheiben mit Spitzen (Scheiben- oder Sonnenbreithalter).
Die Bauart der mechanischen Stühle richtet sich nach den zu
erzeugenden Waren. Die mannigfaltigen Konstruktionen werden wie folgt
unterschieden, erstens nach den zu fertigenden Waren, in:
1. Schmale oder englische Webstühle für leichte Baumwoll-, Halb-
woll- und Wollwaren; für schwerere schmale Gewebe derselben Materialien, sowie für
Leinen und Jute, sowie für einfache Läufer, Teppiche schwerer gebaut.
2. Breite Webstühle, Tuch- oder Buckskinstühle , für Tuch, Wollstoffe^
schwere Baumwoll- und Leinenstoffe, gemusterte Teppich- und Möbelstoffe.
3. Teppichwebstühle für geschnittene und gezogene Teppiche (Brüssel-,
Velours-Tapestry) und ähnliche schwere Gewebe.
4. Seidenwebstühle für glatte und gemusterte Seidenzeuge.
5. Doppelsamtstühle, zur Herstellung billiger Sammete, in zwei überein-
anderliegenden durch die Polfäden verbundenen, nach dem Schneiden selbständigen
Geweben.
ßl8 Weberei.
6. Bandstühle oder Bandmülilen zur Herstellung von Bändern.
7. Rundwebstühle, Webstühle ohne Schützen.
Nach der Konstruktion in:
A. Kurbelstühle (engl.: crank-looms) mit Bewegung der Lade durch eine Kurbel.
B. Scheibenstühle (engl.: wiper-looms) mit Bewegung der Lade durch
unrunde Scheiben oder lN"utzylinder (nur für schwere Waren).
Nach der Anordnung der Lade:
1. Mit Stehlade mit Schwingung um eine unter der Kette gelagerte Achse,
wodurch die Lagerung sicherer und der Stuhl stabiler wird.
2. Mit Hängelade mit über der Kette gelagerter Schwingungsachse (fast
wie bei Bandstühlen) angebracht, bedingt höhere Bauart des Stuhles.
Nach der Art des Schützenschlags unterscheidet man:
1. Unterschläger, mit im unteren Teile des Webstuhls befindlicher Schützen-
schlagvorrichtung.
2. Mittelschläger, mit unten befindlichem Schlagexzenter und oben befind-
lichem Schlagarm und Peitsche.
3. Oberschläger, bei Hängeladen und Stühlen mit sehr langsamem Gang.
Nach den Einrichtungen für die Musterbildung werden die Webstühle
unterschieden in:
1. Trittstühle oder Exzenterstühle. Die Fachbildung erfolgt durch
Tritte und Exzenter ; für leinwandartige und andere glatte Stoffe.
2. Schaftmaschinenstühle, für einfache gemusterte Waren. Die Fach-
bildung erfolgt durch die Schaftmaschine,
3. Jacquardkraftstühle, für Musterware mit grösseren Dessins ; die Fach-
bildung erfolgt durch die Jacqardmaschine.
Diese drei Arten können mit Wechsellade versehen sein, um nachein-
ander verschiedenfarbige Fäden einschiessen zu können; sie heissen dann
Wechselstühle.
Die Kette sowohl als auch der Schuss verlangen vor dem Verweben
verschiedene Yorbereitungsarbeiten: für beide das Spulen, für die
Kette ausserdem das Scheren, Aufbäumen, Leimen oder Schlichten,
Einziehen der Kettfäden in die Litzen der Schäfte und in das Kiet. Bei
der Handweberei hat die Vorarbeiten der Weber selbst mit einfachem Appa-
rate zu besorgen, in der mechanischen Weberei werden dieselben, mit Aus-
nahme des Einziehens, durch besondere Maschinen ausgeführt.
Das Spulen (bobinage-spooling) , geschieht in kleineren Betrieben auf
dem bekannten Spulrad; regelmässiger und schneller geschieht die Arbeit auf
der Spulmaschine, welche eine Anzahl Spulen gleichzeitig bewickelt, und deren
Einrichtung in Nebenumständen mannigfach abgeändert werden kann. Die
Einrichtungen sind a^usserdem verschieden, je nachdem sogen. Laufspulen
oder Schleif spulen gebildet werden sollen. Oft werden auch die Kötzer
der Seifaktoren (s. den ^Artikel Spinnerei), direkt als Schleifspulen verwendet,
ebenso wie man neuerdings Kreuzrollen auf den Spinnmaschinen herstellt, die
als solche gleich beim Scheren der Kette gebraucht werden können. Das
Scheren oder Schweifen der Kette (curdir-warping). Kettaufschlagen oder
-Zetteln hat den Zweck, die Fäden von den Spulen zu sammeln und in gleicher
Länge unter gleicher Spannung nebeneinander auf den Kett- oder Scherbaum
zu bringen; es erfolgt mittels Schweif- oder Scherrahmens und des
Spulengestells (s. die einzelnen Artikel). In der mechanischen Weberei
geschieht das Kettenscheren auf Schermaschinen, Kettschermaschi-
nen, Zettelmaschinen (curdissoir-warping frame). Man unterscheidet bei
den Schermaschinen das englische und das sächsische (Schönherrsche) System.
Bei ersterem wdrd ein Teil der zur Webkette gehörigen Fäden auf die volle
Kettbaumbreite geschert, bei letzterem immer nur auf einen Teil der Baum-
breite, aber in der richtigen Webekettendichte. In neuerer Zeit ist eine zwi-
schen den beiden Maschinensystemen stehende Abart sehr in Aufnahme gekommen :
die Teil- oder Sektionsschermaschine (Konusscher und Bäummaschine).
Weberei. 619
Um ein Zerreissen der leichter gedrehten Garne aus Flachs, Baumwolle
und Wolle zu verhindern, werden die Kettfäden entweder im Webstuhl oder
vor dem Aufbäumen durch Bestreichen mit Klebstoffen gestärkt und glatt
gestrichen: es ist dies das Schlichten, Stärken oder Leimen (parer,
encoller-dressing). Im Webstuhl geschieht es, indem der Weber das jeweilig
zwischen Kettbaum und Geschirr befindliche Stück der Kette mittels Bürsten
mit der Schlichttnasse (Leim oder Kleister, Mehl-, Dextrin-, Moosschlichte)
bestreicht. Da hierbei die Gieichmässigkeit fast ausgeschlossen ist, so ge-
schieht das Schlichten meist vor dem Bäumen mittels Schlichtmaschinen. Man
unterscheidet darin die schottische Schlichtmaschine, die Zy linde r-Sizing-
maschine, die Lufttr ocken-Siz ingma s chine und die Strangschlicht-
maschine. Während bei der letzteren Art die Kette in Strangform ge-
schlichtet wird (ball warping and sizing), geschieht dies bei den ersten drei
Arten von den Scherbäumen in voller Breite (beam warping and sizing).
Das Aufbäumen (pliage-beaming) besteht im Aufwinden der gescherten
Kettfäden auf den Kettbaum derartig, dass die Breite der nebeneinander liegen-
den Fäden etwas grösser ist, als diejenige der zu webenden Ware, und alle
Fäden gleichmässige Entfernung von einander haben, welche mittels Scheide-
kammes geschieht, der aus zwei Leisten von der Länge des Kettbaumes be-
steht, zwischen die in gleichen Entfernungen Metallstäbchen eingesetzt sind.
In der mechanischen Weberei besorgen die Schlichtmaschinen das Trocknen
und Aufbäumen in einem Durchgänge der Fäden; indessen müssen für die
Ketten in Knäulform besondere Bäummaschinen (machine ä enrouler-
beaming machine) angewendet werden.
Ist die Kette aufgebäumt, so wird der Kettbaum in den Webstuhl ein-
gelegt und es beginnt das Einziehen der Kettfäden (passage-drawing)
durch die Litzenaugen der Schäfte, indem dieselben der ßeihe nach in Haken
der Einziehnadel gelegt werden. Die Verteilung der Fäden auf die einzelnen
Kämme richtet sich nach der Art der Bindung des anzufertigenden Stoffes.
Nachdem erfolgt in derselben Weise mittels des Einziehmessers das Ein-
ziehen der Kettfäden in das Rietblatt , wobei je nach der Dichte der Kette
zwei oder mehrere Fäden durch eine Lücke gezogen werden. Die durch-
gezogenen Kettfäden werden zunächst zusammengeknotet, um ein Zurück-
bleiben zu verhindern. Durch die entstehenden Schlingen wird ein Stab ge-
steckt, der durch Schnüren direkt mit dem Warenbaum oder über den Brust-
baum hinweg mit demselben verhunden ist. Ist auf dem Webstuhl vorher
dieselbe Ware gearbeitet worden, so fällt das Einziehen in Schäfte und E,iet-
blatt weg und wird durch einfaches Andrehen ersetzt. Hierzu bleiben von
der früheren Kette die durch Schäfte und Blatt laufenden Enden erhalten und
es werden die Fäden der neuen Kette angedreht, wobei kein richtiger Knoten,
sondern nur eine Umschlingung gebildet wird, die fest genug ist, um durch
Ziehen an der alten Kette ein Durchziehen der neuen durch Schäfte und
Hiet zu ermöglichen.
Vorarbeiten des Schusses. Das Spulen (devidage-spooling) be-
zweckt, soweit dies nicht schon auf der Spinnmaschine geschehen ist (wie
z. B. bei Baumwollgarn als Schusskötzer (pincops) , das Schussgarn in eine
für das Weben brauchbare Form zu bringen. BaumwoU-, feines Leinen- und
Streichgarn werden auf Holz- oder Blechspulen mit konischem Ansatz ge-
bracht ; weiches Kammgarn wird auf konische (canette) , hartes Kammgarn
(Weft) und Seide auf zylindrische Papierhülsen (tube) gewickelt. Starke Garne
werden in Schlauchspulen (Kötzer) ohne Spule oder Hülse gebracht. Die
Schussspulmaschinen (devidoir-pim winder) unterscheiden sich in solche mit
Reibungsrollen- und solche mit Trichtersystem. Die Herstellung der Schlauch-
spulen geschieht auf Kötzerspulmaschinen (cop winder). Um den Schuss beim
Weben weicher und nachgiebiger zu machen und dadurch ein dichteres Zu-
sammenschlagen zu bewerkstelligen, erfolgt ein Anfeuchten der Schussspulen
(trempe-wetting), entweder durch Einlegen in Wasser oder besser im An-
feuchtapparat, einem eisernen Kasten mit abhebbarem Deckel, der die
620 Weberei.
Spulen aufnimmt. Durch Einpressen von Wasser mittels einer Pumpe, oder
durch das Aussaugen der Luft und das dadurch bedingte Nachdringen des
Wassers werden die Spulen vollständig von Wasser durchdrungen. Hierauf
wird das überschüssige Wasser aus den Spulen durch eine Centrifuge entfernt.
Die Musterung der Gewebe geschieht innerhalb des Webestuhles
durch Kontermarsch, durch die Schaftmaschine oder durch die Jac-
quardmaschine.
In der Vorrichtung zur Fachbildung am Handwebstuhl ist der
Kontermarsch der am meisten gebräuchlichste. Jeder Schaft hängt andern
einen Ende eines oben im Stuhlgestell augebrachten zweiarmigen Hebels, von
dessen anderem Ende eine Schnur nach unten führt, die am Ende eines langen
unten quer im Stuhl über den Tritten angebrachten einarmigen Hebels, der
„langen Marsche" befestigt ist. Unter dem Schaft, ebenfalls über den
Tritten querliegend, ist ein kurzer einarmiger Hebel „die kurze Marsche"
angebracht und mit der unteren Querleiste des Schaftes verbunden. Wird an
der kurzen Marsche gezogen, so muss der Schaft gesenkt werden, durch Zug
an der langen Marsche wieder gehoben. Es muss daher jeder Tritt mit den
langen Marschen derjenigen Schäfte geschnürt werden, deren Kettfäden bei
dem betreffenden Schuss gehoben, und mit den kurzen Marschen der Schäfte,
deren Kettfäden bei demselben Schuss gesenkt werden sollen. Jeder Schaft
muss demnach mit sämtlichen Tritten teils durch die kurzen, teils durch die
langen Marsche verbunden sein, in welcher Weise wird durch die jeweilige
Schnürung nach dem Musterbilde bestimmt (s. Bindungen). Es ist ersichtlich,
dass die Zahl der Tritte und Schäfte nur eine beschränkte sein kann, und
dass nur kleinere Bindungsrapporte damit erzielt werden können. Zur Her-
stellung grösserer Bindungsrapporte, bei denen viele Schäfte und Tritte ge-
braucht werden, kommt
die Schaftmaschine in Anwendung, bei welcher die Tritte weg-
fallen. Sie steht auf Querpfosten über den Schäften. Letztere sind an die
Platinen angehängt, welche aus starkem Draht oder Holz bestehen. Durch
einen horizontalen Hebel (Messer genannt), vermitteln die Platinen das Hoch-
gehen der Schäfte (Hubplatinen). Die Senkplatinen ziehen den Schaft
nach unten. Zu jedem Schaft gehören zwei Platinen, die links und rechts
neben dem Messer stehend, die Haken diesen zukehren und mit Nadelkasten
und Nadelbrett verbunden sind. Je nachdem nun die durch Eedern nach
vorn gerückten Nadeln in das Loch eines vorgelegten Kartenblattes (s. S. 621)
treffen oder nicht, erfolgen die Hebungen oder Senkungen der Schäfte. Diese
Maschine wird vom Weber in Tätigkeit gesetzt, indem er einen unten, hinten
am Stuhl drehbar gelagerten, kräftigen einarmigen Hebel niedertritt. Dadurch
wird durch Schnur- und Hebelverbindung das Messer mit den Platinen ge-
hoben, ein Zylinder, der auf allen Seiten mit Löchern versehen ist, von dem
Nadelbrett entfernt und gewendet. Beim Hochlassen des Tritthebels senkt
sich das Messer (die Maschine fällt ein), der Zylinder wdrd mit der nächsten
Karte gegen das Nadelbrett gepresst und somit die Platinenstellung für den
nächsten Schuss vorbereitet. Während man bei der Musterbildung durch die
Schaftmaschine noch dadurch beschränkt ist, dass die auf einen Schaft ge-
zogenen Kettfäden immer gleichzeitig gehoben w^erden, ermöglicht
die Jacquardmaschine die Herstellung eines Musters, welches über
zahlreiche Kett- und Schussfäden gehen, sogar ohne Wiederholung des Bap-
ports die ganze Breite der Ware einnehmen kann. Sie wurde im Jahre 1805
von Charles Marie Jacquard in Lyon erfunden und verdrängte alle früheren
zur Herstellung zusammengesetzten Muster gebrauchter Apparate, als den
Kegelstuhl, Zampelstuhl, Trommelstuhl, die Leinwandmaschine u. v. a. (vgl.
Kar mar seh, Handbuch der mechanischen Technologie, Leipzig 1876; F. Kohl,
Greschichte der Jacquardmaschine, Berlin 1873).
Durch die Jacquardmaschine wird ermöglicht, dass innerhalb des Bap-
portes jeder einzelne Kettfaden unabhängig von dem anderen gehoben werden
kann. Er hat seine besondere Litze und den Heber, die Harnischschnur.
Weberei. 621
Der letztere ist diircli eine zweite Schnur, Korde oder Platinenschnur
an den Hebeliaken, Platine, geknüpft. Jede Platine, hier nur Hubplatine, ist
mit einer horizontalen, federnden Nadel derartig verbunden, dass ein Zurück-
drücken der Nadel ein Schiefstellen der Platine bewirkt, wie bei der Schaft-
maschine. Pur jede Eeihe der Platinen ist ein Messer vorhanden, die alle in
einem Rahmen befestigt sind und mit diesem gehoben werden können. Die
Ein- und Ausrückung der Platinen aus dem Bereich der Messer geschieht
durch die Nadeln, das Prisma oder Zylinder und die darüberlaufenden
Karten. Es erfolgt also ein Hub des betr. Kettfadens, wenn die zugehörige
Platine in ihrer Puhestellung senkrecht verbleibt , d. h. wenn die Nadel in
den Zylinder eintreten kann, wenn also in die Pappkarte für die Nadel ein
Loch geschlagen ist. Ist kein Loch geschlagen, so wird die Nadel und mit
ihr die Platine zurückgedrückt aus dem Bereich des Messers, kann somit nicht
an ihrem oberen Haken vom aufwärtsgehenden Messer erfasst werden und
bleibt auf dem Piatinenboden stehen, der Kettfaden wird nicht gehoben. Eine
Senkung der Fäden erfolgt nur bei beweglichem Platinenboden, besonders bei
der mechanischen AVeberei. Die Anzahl der Platinen ist bei den Jacquard-
maschinen sehr verschieden. Man hat solche mit 100, 200, 400, 600, 800 und
1200 Platinen bei sog. Grobstichmaschinen. Bei Feinstichmaschinen
steigt die Zahl der Platinen bis 2640.
Die Harnischschnüre werden auseinandergeführt und geordnet , durch
das sog. Harnisch- oder Chorbrett, Gallierbrett, entweder ein mit entsprechender
Bohrung versehenes Holzbrett, oder ein Kahmen, in dem durchlöcherte Por-
zellanplatten eingesetzt sind , oder ein aus sich kreuzenden Metallstäben ge-
bildetes Gitter. Durch die Löcher dieses Brettes werden die Harnischschnüre
nach der E/eihenfolge der Platinen gezogen , eingalliert. Die einmalige Ein-
ziehung der Schnüre sämtlicher Platinen nennt man Kurs oder Chemin;
bei den für mehrere Rapporte eingezogenen Schnüren spricht man von mehr-
teiliger, gleichlaufender Schnürung, oder von einer „Gallierung gerade-
durch". Ist das Muster symmetrisch, ohne sich zu ■ wiederholen, so erhält jede
Korde zwei Harnischschnüre und es werden diese so eingalliert, dass die
Schnüre der ersten Platine ganz aussen links und rechts im Chorbrett ein-
gezogen werden und die beiden Schnüre der letzten Platine in der Mitte des
Brettes dicht nebeneinander stehen. Es ist dies die einteilige zusammen-
laufende Schnürung oder „Gallierung einfach auf Spitz". Wiederholt
sich ein symmetrisches Muster mehrmals im Webstuhl, so muss jede Korde so-
viel Schnüre erhalten, als halbe Rapporte vorhanden sind und die Gallierung
erfolgt je einer Schnur von der ersten bis zur letzten Platine, dann rück-
wärts je eine von der letzten bis zur ersten; dann wieder vorwärts u. s. f.
Man nennt diese Gallierung, die mehrteilige zusammenlaufende Schnü-
rung, oder Gallierung mehrfach auf Spitz. Unterhalb des Chorbretts
werden an die Harnischschnüren die Litzen angeknüpft, die an ihrem unteren
Ende durch ein Gewicht zum Strammhalten der Schnüre, das Harnischeisen,
beschwert sind. Sämtliche Harnischschnüre zusammen mit dem Chorbrett und
der Eingallierung nennt man den Harnisch, und man unterscheidet je nach
der Stellung, wo sich die erste Platine in der Maschine, sowie die erste Har-
nischschnur im Chorbrett befindet, erstens einen Chemnitzer Harnisch, zweitens
einen Berliner und drittens einen englischen oder offenen Harnisch,
Der Ausführung eines Musters auf dem Webstuhle geht die Verfertigung
einer auf Papier gemalten Zeichnung desselben voraus. Diese Patrone, aus
welcher dann der Weber die jeweilige besondere Anordnung des Stuhles ab-
leitet, muss über den Lauf oder die Lage eines jeden Ketten- und Eintrag-
fadens Aufschluss geben und eine genaue vergrösserte Abbildung des gewebten
Stoffes darstellen. Hierzu bedient man sich verschiedener Linienpapiere,
die auch nach dem Italienischen Carta-rigata-Papiere genannt werden; sie
sind in eine bestimmte Anzahl von Quadraten oder Rechtecken von den ver-
schiedensten Verhältnissen der Breite zur Höhe eingeteilt : genau , wie sich
eben die Verhältnisse der Dicke der Kettenfäden zur Stärke der Schussfäden
622 Weberei.
herausstellen. Denn man muss sich vorstellen, dass der Zwischenraum von
einer Linie zur anderen die jeweilige Dicke des Kettenfadens bei den vertikal
laufenden oder die Dicke des Schuss- oder Eintragfadens bei den horizontal
laufenden Linien darstellt. Die für die Patrone notwendige Yergrösserung
der zuerst gemalten Skizze des Musters geschieht mittels Netzes; das älteste
mechanische Verfahren geschah durch den Storchschnabel, dann bediente man
sich optischer Apparate und in neuerer Zeit hat sich die Photographie dieses
Kunstzweiges bemächtigt, welches Verfahren aber noch nicht viel über Ver-
suchsanfänge hinausgekommen ist. Die Werkzeichnung oder Patrone ist also
der Plan, auf welchem die Verflechtung der Ketten- und Schussfäden fest-
gestellt wird und die Jacquardkarten sind das Endresultat aller vorangegangenen
Arbeiten.
Die Herstellung der Karten erfolgt durch Kartenschlagmaschinen,
deren vollständigste jene ist, bei welcher auf einen Schlag sämtliche Löcher
einer Karte hergestellt werden. Dem Kartenschlagen geht das Levieren,
Einlesen (lisage-reading) voraus. Man bedient sich hierzu eines Levier-
rahmens, aufweichen so viel senkrechte Schnüre eingespannt sind, als die
Jacquardmaschine, für die leviert wri'd, Platinen besitzt. Jede Schnur ent-
spricht einem bestimmten Kettenfaden des Musters. Der Levierer nimmt nun
nach der Patrone, mit der ersten Querreihe beginnend, alle Schnüre vor, deren
Kettfäden in der Patrone als Hochgang gezeichnet sind. Die Kartenschlag-
maschine, im Bau der Jacquardmaschine sehr ähnlich, enthält so viele Aus-
schlagstempel wie die Jacquardmaschine Platinen und der Zylinder Löcher
hat. Gregen diese Stempel wirkt eine gelochte Platte (Matrize), auf welche
die zu lochende Karte gelegt wird. Jeder Stempel stützt sich gegen ein be-
sonderes Blech (Platte) , die durch eine Schnur gehoben werden kann. Im
Ruhezustand steht dem Stempel ein Ausschnitt in der Platte gegenüber, sodass
der Stempel federnd zurückweichen kann. W^ird die Platte aber gehoben , so
wird der Stempel festgehalten und beim Anschlag der Matrize durch die davor
liegende Karte gedrückt. Die von den Platten nach oben gehenden Schnüre
sind mit den Schnüren des Levierrahmens verbunden, sodass die entsprechenden
Platten im Schlagwerk gehoben werden, wenn im Levierrahmen die einge-
schobenen Querschnüre angezogen werden. Durch einen Tritt auf einen Hebel
erfolgt der Anschlag der Matrize und das Durchlochen der Karte. Es gibt
auch Schlagwerke, bei denen nicht die ganze Karte auf einmal, sondern die
einzelnen Peihen einzeln geschlagen werden, wobei die Stempel entweder durch
Schnüre (Strippenmaschine) oder durch eine Klaviatur (Ciavismaschine) betätigt
werden. Auf besonderen Maschinen, den Jacquardkartenkopiermaschinen, lassen
sich die Pappkarten kopieren bezw. vervielfältigen.
In der mechanischen Weberei sind für die Vorrichtungen
zur Fachbildung noch von Wichtigkeit:
Das Geschirr (Schäfte oder Flügel) sind entweder (paarweise) über
Bollen aufgehängt oder frei an Hebelarmen. Die Bewegung erfolgt, wie beim
Handstuhl, durch Tritte, auf die hier Exzenter wirken (umwundene Scheiben,
die je nach der Art der Bindung verschiedene Form haben).
Bei der Anordnung der Tritte unterscheidet man Innentritte (innerhalb
des Stuhlgestells) und Aussentritte (ausserhalb) (Bradford-System, Bradford-
loom) ; bei schweren Waren und für eine grössere Zahl von Schäften und Tritten
wendet man die Bundscheiben (tappetwheels von Woodcroft) an. Bei mehr
als 12 — 16 Schäften verwendet man die Schaft- oder Trittmaschinen (ratiöre-
dobby) oder bei noch weitergehenden Musterungen die Jacquardmaschine
(machine jacquarde — Jacquard engine). Diese Maschinen können eingeteilt
werden 1. in reine Aufzugmaschinen (nur für oberes Fach) oder Auf- und
Niederzugmaschinen (für volles Fach) ; 2. in Einhub- und Doppelhiibmaschinen,
je nachdem ein oder zwei Messer angewendet werden. Bei den ersteren macht
das Messer per Schuss einen vollen Hin- und Hergang, bei den letzteren aber
einen Hin- oder Hergang und kommt abwechselnd das eine oder andere Messer
zur Wirkung. Die letzteren haben für jeden Schuss zwei Platinen (für jedes
Weberei. 623
Messer eine) oder, wie nur bei den Schaftmaschinen, statt dessen eine Doppel-
platine (mit 2 Haken). Die ersteren werden bei langsam gehenden Webstühlen
(breiten Musterstühlen , Buckskinstühlen) , letztere bei schnellgehenden Web-
stühlen (engl. System) angewendet und finden jetzt bei solchen ausschliessliche
Verwendung.
Die Schaftmaschinen werden noch eingeteilt in Ofi'enfach- und Geschlossen-
fach-Maschinen, je nachdem durch die Maschine diejenigen Schäfte, die beim
nächsten Schuss in derselben Stellung sein sollen wie beim vorhergehenden, in
dieser während des Ladenanschlags verbleiben oder nicht, also während der
Ladenbewegung das Fach offen oder geschlossen ist. Verschiedene Kon-
struktionen der seitlich am Stuhl angeordneten Schaftmaschinen für mechanische
Webstühle (Einhubmaschinen) sind: Die Schönherrsche Schaftmaschine, die
Crampton- Schaft- oder -Trittmaschine, die Schaftmaschine von Gülcher in
Biala, ferner die oben in der Mitte des Stuhls angeordnete Schaftmaschine
von Hutchinson & Hollingworth in Dobcross (Dobcross dobby), die Hattersley-
Einhubmaschine.
Doppelhubmaschinen sind die Hodgsonmaschine mit Zylinderwendung für
jeden Schuss, die Hattersleymaschine mit Zylinderwendung für je 2 Schuss,
die Tannwalder-Maschine, Maschine von Livesey (Blackburn dobby), bei denen
2 Zylinder abwechselnd zur Wirkung kommen, die eine für die geraden, die
andere für die ungeraden Schüsse.
Wesentlich verschieden von diesen mit Messern arbeitenden Schaft-
maschinen sind die von Knowles in Worcester, Mass. N. A. und die von G.
Hagdson in Bradfort, bei denen statt der Messer entweder ausschliesslich
Zahnräder oder Zahnräder und Zugstangen verwendet sind.
Die Schaftmaschinen können die Musterung bewirken mit Hilfe von
Karten (Papp- oder Metallkarten mit Löchern, Holz- oder Metallkarten mit
Stiften oder Daumen, Kartenketten mit !Rollen aus Gusseisen oder Hartgummi).
oder mit Hilfe von Trommeln (Stift-, Daumen- oder Löchertrommeln).
Die Jacquardmaschinen sind als Einhubmaschinen (für Halbfach) ganz in
gleicher Weise gebaut wie für die Handstühle, nur ist der Hebel zur Hebung
des Messerkastens seitlich angeordnet und erhält den Antrieb von der Haupt-
welle durch eine Kurbel oder einen Exzenter. Die Maschinen für Möbelstoffe,
Teppiche sind meist Auf- und Xiederzugmaschinen, mit abwärts gehender Be-
wegung des Platinenbodens. Um das Auswechseln der Karten bei Mustern
mit Spiegel und Bordüre bei Decken etc. zu vermeiden, sind zuweilen 2 Zy-
linder, der eine oberhalb, der andere unterhalb des Nadelbretts gelagert, an-
gebracht, jeder mit besonderen Karten. Während der ^Arbeit mit dem einen
Zylinder ist der andere ausgeschaltet. (Aug. Fröbel, Chemnitz.)
Bei den Jaquardmaschinen für Velour- und Brüsselteppiche ist stets die
Einrichtung getroffen, dass sich das Gallierbrett um einen halben Hub mithebt,
wodurch alle von der Maschine nicht gehobenen Polfäden halb so hoch gehoben
werden. Dadurch wird ein Doppelfach gebildet, welches gestattet, dass der
Schütze für das Grundgewebe durchlaufen kann, gleichzeitig aber auch die
Nadel zur Herstellung der Samm et schlinge durchgeschoben werden kann. Die
Harnischschnüre sind über dem Gallierbrett mit Knoten versehen.
Die Doppelhub-Jacquardmaschinen sind stets ganz aus Eisen mit je
2 Platinen für jede Litzenpartie. Die Platinenschnüre der beiden zusammen-
gehörigen Platinen sind mit den Hebern der betr. Litzenpartie verbunden.
Beide Platinen sind an gemeinsamer Nadel angeordnet. Jed« Platinengruppe
hat ihre besonderen Messer, diese abwechselnd für jeden Schuss eine Auf- oder
Herabbeweguug, sodass, je nach dem Muster, die Platine der einen oder der
anderen Gruppe für die betreffenden Litzen von dem heraufgehenden Messer
erfasst und gehoben wird.
Für gewisse Gewebe, bei denen eine Bindekette glatt durchbindet, oder
bei Damast, werden auch Jacquard- und Schaftmaschinen gleichzeitig, letztere
dann für das Vordergeschirr verwendet. Zur Vermeidung des dabei ent-
stehenden Kreuzfaches und der dadurch bedingten starken Beanspruchung der
624 Weberei.
Kettfäden werden auch besonders eingerichtete, aber sehr komplizierte Jacquard-
maschinen angewendet. (Patent Günther, Sachs. Webstuhlfabrik v. Schönherr.)
Die Yerkreuzungen der Ketten- und Schussfäden nennt man Bindungen,
welche unterschieden werden nach dem jeweiligen Kapp ort, d. i. : die regel-
mässige Wiederkehr einer Kett- und Schussfadengruppe, welche nach be-
stimmten Regeln unter einander verkreuzt sind. Der kleinste ßiüdungsrapport
umfasst zwei Kett- und zwei Schussfäden, derartig, dass der erste Kettenfaden
über den ersten Schuss und unter den zweiten Schuss geht, während der zweite
Kettfaden unter den ersten und über den zweiten Schuss zu liegen kommt.
Sie bildet die erste Gruppe der Grundbindungen (s. den Artikel Bindungen
und Tafel XV). Die auf d^r Patrone (s. S. 621) dargestellten senkrechten
Quadratreihen werden als Kettfäden, die wagerechten als die Schussfäden be-
trachtet und man bezeichnet den Hochgang des Kettenfadens über den Schuss durch
einen farbigen Punkt. Die Leinwandbindung, d.i. der einfachste Bindangs-
rapport, muss sich also bei regelmässiger Wiederholung als schachbrettartiges
Peld kennzeichnen (Abb. 1, Taf. XY). Zur Herstellung dieser Fadenkreuzung
bedarf es im Webstuhl nur zweier Schäfte, von denen der erste, der von den
vom Kettenbaum ablaufenden Fäden zuerst erreicht wird, die sämtlich ungerade
numerierten Fäden in seinen Litzen führt, während der zweite die geraden
Kettenfäden enthält. Da diese Bindung nur zwei verschiedene Schussfäden
enthält, so bedarf man zur Bewegung der Schäfte auch nur zweier Tritte, und
zwar ist die Verbindung der Schäfte mit den Tritten durch Bindfäden (die
Schnürung) derartig zu wählen, dass der 1, Tritt den 1. Schaft beim ersten
(untersten) Schusse tief zieht, den 2. dagegen hebt; beim 2. Schusse, für den
der 2. Tritt getreten wird, muss der 2. Schaft gehoben, der 1. dagegen gesenkt
werden. Die Anzahl der Schäfte richtet sich somit nach der Anzahl der ver-
schieden hebenden Kettfäden, die der Tritte nach der der verschieden bindenden
Schussfäden. Dem Weber wird für die Einrichtung des Stuhles der Einzug
der Kettfäden über der Patrone vorgezeichnet, indem man einige querliegende
Quadratreihen als Schäfte betrachtet und auf den ersten Schaft diejenigen Fäden
markiert, die dorthin gezogen werden sollen, auf den zweiten und folgenden
die jeweilig dahin zu ziehenden. Für die Anzahl der Tritte und die anzu-
gebende Reihenfolge, in der diese Tritte zu treten sind (Trittweise) , benutzt
man einige senkrechte Quadratreihen neben der Patrone , und markiert hier
für den jeweilig vorliegenden Schuss den zu tretenden Tritt ebenfalls durch
farbigen Punkt. An den KJreuzungsstellen der Schaftreihen, mit denen der
Tritte, wird für den Weber die Schnürung gezeichnet, indem man die Ver-
bindung für die Hochgänge ebenfalls durch Farbe markiert. Ist die Kette
sehr dicht eingestellt, sodass auf jeden Schaft auf 1 cm mehr als 10 Litzen
kommen, dann vermehrt man die Schäfte, so dass an Stelle jedes einzelnen
Schaftes zwei oder drei treten, die dann natürlich gleiche Hebungen haben
müssen. Eine Vermehrung der Tritte ist nur notwendig bei mehreren ver-
schiedenen Schüssen.
Die Köperbindung (s. Taf. XV, Abb. 2) (serge-regular tweel) ist die
zweite Grundbindung. Es sind mindestens 3 Schäfte und 3 Tritte notwendig.
Man benennt die Köper einesteils nach der Fadenzahl des Bindungsrapportes,
indem man von 3, 4, 5, 7, 8 oder 12 bdg. Köper spricht, andernteils aber
auch, je nachdem in der Hauptsache der Schuss oder die Kette, oder beides
gleichmässig an der Oberseite der Ware liegt, indem man von Schussköper,
Kettköper oder gleichseitigem (beidrechtem) Köper spricht. Der Köper
charakterisiert sich in Bindung als auch im Gewebe durch schräg über das
Gewebe laufende Grate (Diagonal).
Die Köperbindung entsteht, indem der Hochgang des 1. Kettfadens über
den ersten Schuss, der des 2. Kettfadens über den 2. Schuss, der des 3. über
den 3. Schuss erfolgt u. s. w. je nach Grösse des Bindungsrapports. Während
sowohl bei den Kett- als auch bei den Schussköpern nur ein Kettfaden bei
jedem Schusse hoch oder tief liegt, ist beim gleichseitigen Köper gleichviel
AVeberei. 625
Kette und Schuss oben, z. B. beim Sbindigen 4 Kettfäden oben und 4 unten.
Die Verschiebung der Bindung erfolgt in jedem weiteren Schusse um je einen
Paden nach links oder nach rechts, je nachdem dies die gewünschte Grat-
richtung verlangt.
Bei der Atlasbindung (satin — broken tweel) als dritte der Grund-
bindungen (Abb. 3, Taf. XY), sind die Bindungspunkte regelmässig über den
Bindungsrapport verstreut , ohne aneinander zu stossen. Der kleinste Atlas
ist der öbindige; 5 Kett- und 5 Schussfäden mit 5 Hochgängen im Bindungs-
rapport. Je nach der am meisten obenliegenden Fadensorte unterscheidet man
auch hier Kett- und Schussatlas. Man geht bei den Atlasbindungen nicht
über die löbindige hinaus und konstruiert sie , indem man die Bindungszahl,
z. B. 8, in zwei Teile teilt, die aber nicht gleich sein dürfen (4 : 4), und nicht
ineinander aufgehen dürfen (2 : 6) ; drittens nicht durch eine dritte Zahl
teilbar sein dürfen (z. B. beim 15bdg. 9:6); beim Sbindigen also in 3 und 5.
Diese Zahlen nennt man die Fortschreitungszahlen. Man arbeitet z, B.
mit 3, indem man von dem zuerst in die Patrone gesetzten Hochgang auf die
Kreuzung des nächsten Kett- und Schussfadens rückt und zählt von hier aus-
gehend auf dem Kettfaden nach unten 3 Punkte ab und markiert den ge-
fundenen farbig. Hat man beim 8bdg. Köper beim 1. Schuss den 1. Kettfaden
gehoben, so hebt also der 2. Kettfaden beim 4. Schuss, der 3. beim 7. Schuss,
der 4. würde beim 10. Schuss zu heben haben und zwar ist dies der 2. Schuss
des nächsten Papportes. Es gehört somit auch ein Hochgang auf den 2. Schuss
des 1. Papportes und wird dann von diesem mit 3 wie oben weitergezählt.
Es verteilen sich die Bindungspunkte im ganzen Papport nach der Peihe der
Kettfäden wie folgt auf die Schüsse: 1. 4. 7. 2. 5. 8. 3. 6. Schuss.
Der einzige unregelmässige Atlas ist der 6bdg., dessen Bindungszahl nur
in gleiche oder ineinander aufgehende Zahlen zu teilen ist. Man setzt die
Bindungspunkte entweder auf den 1. 3. 5. 2. 4. 6. Schuss oder besser, da
hierbei beim Ansetzen der weiteren Papporte der 1. and 6. köperartig an
einander stossen, auf den 1. 3. 5. 2. 6. 4. Schuss, wobei dieser IJebelstand
vermieden wird.
Abgeleitete Bindungen. Die einfachen Ableitungen erhält man durch
Veränderungen des Einzugs (Passierung), der Trittweise, oder auch der
Schnürung. Bei den Einzügen unterscheidet man: Gerade durch, wenn der
1. Kettfaden auf den 1. Schaft, der 2. Faden auf den 2. Schaft u. s. f. bis der
letzte auf den letzten Schaft passiert (eingezogen wird); springend, wenn
die Kettfäden der Peihe nach passiert werden: z. B. 1. 3. 2. 4. Schaft, oder
1. 3. 5. 2. 4. 6. Schaft; im Doppelspitz, d.h. gerade durch bis zum letzten
Schaft und von diesem rückwärts wieder bis zum ersten. Auf den letzten
und ersten Schaft stehen dann 2 gleich bindende Fäden nebeneinander. Um
dies zu vermeiden und eine scharfe Spitze zu bekommen, passiert man auf
Spitz 1. 2. 3, 4. 5. 6. 7. 6. 5. 4. u. s. f., so dass der erste und letzte Schaft
nur halb soviel Fäden erhalten als die übrigen; satzweise, indem man z. B.
die ersten 4 Schäfte 3- oder 4mal gerade durch passiert, dann die Schäfte
5 — 8 ebenfalls mehrmals gerade durch. Weiter gibt es noch eine Anzahl
Passierungen, die von der Spitzpassierung abgeleitet sind: gebrochen Spitz,
verlängert Spitz u. s.w., weiter ineinander geschobene Passierungen, satz-
weise Passierungen, mustermässige u. s. w. Aehnliche Veränderungen, wie in
der Passierung, kann man auch in der Trittweise machen, indem man die Tritt-
weise gerade durch umwandelt in Trittweise auf Spitz, oder satzweise, oder
kombinierte Trittweisen anwendet.
Ableitungen der Taffetbindung erreicht man zunächst, indem man 2
oder mehrere Kettfäden neben einander auf denselben Schaft passiert, also
gleich binden lässt. Man erhält dann mehrfädige Leinwand, Längsrips.
Mehrschüssige Leinwand, Schussrips, Gros de tours erhält man
bei einfädiger Passierung durch Verdoppelung der Schüsse in ein und
dasselbe Fach. Um ein Zurückgleiten des schon eingeschossenen Schusses
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 40
626 Weberei.
beim zweiten und den folgenden in dasselbe Fach gelegten Schüssen zu ver-
meiden, ist die Anordnung einer anders bindenden Leiste erforderlich, e&
genügt schon unter Umständen je ein Faden an jeder Seite. Weitere Um-
bildungen der E-ipsbindungen sind die Flecht- und Yersatzripse. (Taf. XY,
Abb. 4.) Eine dritte Ableitung der Taffetbindung ist die Panamabindung,
eine mehrfädige und mehrschüssige Leinwand, bei der ebenfalls wegen des-
Zusammenfallens mehrerer Schüsse in ein Fach besondere Leisten erforder-
lich sind.
Ableitungen der Köperbindung erhält man zunächst im Köper mit
verstärktem Grrat, indem man im Rapport mehrere Kettfäden' neben einander
hoch oder tief binden lässt; hierher gehören eigentlich auch die gleichseitigen
Köper. Taf. XY, Abb. 5. Yerteilt man bei grösseren Rapporten die Hoch-
gänge, dass wechselweise einzelne und mehrere Kettfäden nebeneinander hoch
oder tief binden, so erhält man die grosse Gruppe der Mehrgratköper, zu-
sammengesetzte Köper (Taf. XY, Abb. 6), im allgemeinen Diagonale
genannt. Diese können wieder einseitig oder gleichseitige sein, je nachdem
mehr Kette oder Schuss oder von beiden gleichviel an der Oberseite liegt.
Zu diesen treten die Zier- oder Phantasieköper, bei denen der Köpergrat
zwar beibehalten ist, deren weitere Ausschmückung aber in freier Weise ge-
schieht. Köper mit steilem oder flachem Lauf erreicht man entweder durch
Yerdoppelung der Schüsse oder der Kettfäden oder durch veränderte Tritt-
weisen bezw. Passierungen. Bei allen diesen Ableitungen bleibt die Grat-
richtung von links oben nach rechts unten, oder von rechts oben nach links
unten in der ganzen Gewebebreite erhalten. Aendert man aber die Passierung
eines 4bdg. Köpers um in eine gebrochene, also 1. 2. 4. 3. Schaft, oder bei
einem 6bdg. Köper in 1. 2. 3. 6. 5. 4. Schaft, so erhält man GelDrochene
Köper (serge brise). (Taf. XY, Abb. 7.) Wählt man für Köper eine Passierung
auf Spitz, so erhält man Schlangen- oder Zickzackköper in der Quer-
richtung (Taf. XY, Abb. 8), bei einer Trittweise auf Spitz dagegen einen solchen
in der Längsrichtung. Werden bei einer Passierung gerade durch einzelne
Kettfäden verdoppelt und verdreifacht, so entsteht Wellenköper (serge onde).
Wendet man bei einem auf Spitz passierten Köper eine Trittweise auf
Spitz an, so erhält man Augenköper (serge diamante), womit sich schon sehr
grosse Figuren erzielen lassen, die namentlich in der Musterung der Leinen-
gewebe vielfach Yerwendung finden. Beim Kristallköper werden die Köper-
grate sowohl in der Kett- als auch Schussrichtung unterbrochen, und dann in
der entgegengesetzten Richtung und gleichzeitig im entgegengesetzten Bindungs-
effekt fortgesetzt, so dass also gegen den Kettgrad ein Schussgrad stösst und
umgekehrt, wodurch scharf abgesetzte Steinchen entstehen. Endlich gibt es
Flecht köper, bei denen die Grade verschiedener Richtungen durch einander
geflochten erscheinen.
Ableitungen der Atlasbindung sind: Mehrfädiger Atlas (Taf. XY,
Abb. 9), bei dem mehrere Ketttäden nebeneinander gleichzeitig hochgehen,
d. h. es sind in der Patrone neben jeden Atlaspujikt ein oder mehrere Punkte
hinzugefügt; Mehrschüssiger Atlas, bei dem jeder Faden über mehrere
Schüsse hintereinander hochgeht, d. h. es sind jedem Atlaspunkt mehrere
Punkte darüber oder darunter hinzugefügt; Panamaatlas (Abb. 10), eine
Yereinigung der Methoden von 1 und 2; Atlasköper (Satinette) erzielt durch
köperartiges Ansetzen von Punkten an jedem Atlaspunkt; Phantasieatlas,
Ziergrundbindungen, Armures, Atlasbindungen, bei denen die Beifügung
in noch freierer Weise erfolgt, oder bei denen der Atlas nur zur Stellung
einzelner Figuren oder Schaffung gewisser Ruhepunkte Yerwendung findet.
Andere Ableitungen entstehen durch Aufeinanderlegen mehrerer Bindungen
(sog. Crepe, Sable), oder durch freies Aufzeichnen mehr oder weniger regel-
mässiger Figuren (Taf. XY, Abb. 11 u. 12), oder durch Umordnen von Fäden,
sowohl in der Kett- als auch Schussrichtung u. s. w.
Doppelgewebe und Hohlgewebe. Ist mittels einfacher Kette und
einfachem Schuss unter Anwendung der vorgenannten Bindungen und starkem
Weberei. 627
Material eine gewünschte Dicke des Gewebes nicht zu erreichen, so muss man
zu einer weiteren Verstärkung greifen. Diese kann bewirkt werden: 1. durch
Einfügung eines zweiten Schusses (TJnterschuss) oder 2. einer zweiten Kette
(Unterkette) oder 3. sowohl eines Unterschusses als gleichzeitig auch einer
Unterkette.
Gi-ewebe mit Ober- und Unterschuss (Taf. XY, Abb. 13 u. 14), meist
als Kleiderstoffe Verwendung findend, können auf Stühlen mit einfacher Kette
ohne weiteres gearbeitet werden, nur muss durch Hinzunahme neuer Tritte für
die Unterschüsse , sowie durch Aenderung der Schnürung die Bildung eines
Ober- und eines Unterfaches ermöglicht werden, die mit einander nach jedem
oder je 2 Schüssen jeder Sorte abzuwechseln haben. Man muss für die Ober-
und Unterbindung Bindungen wählen, deren Rapporte gleichzeitig oder ineinander
aufgehen, also wie in Abb. 13 z. B. einen 4bdg. Schussköper oben und einen
4bdg. Kettköper unten. Das Gewebe zeigt dann auf der E.ückseite bei
gleichem Schussmaterial das gleiche Aussehen. Dies ist aber weder notwendig,
noch immer erwünscht. Man wählt für Kleiderstoffe sehr gern für die Ober-
ware eine feinere Bindung, für die Unterware eine gröbere; schiesst wohl auch
zwei feine Oberschuss und einen dicken Unterschuss u. s. w. Vor allem ist
zu beachten , dass die Oberschüsse gut auf die dazu gehörigen Unterschüsse
aufrutschen können ; es kann also niemals ein Faden, der unter den Unterschuss
ging, über den dazu gehörigen Oberschuss gehen.
Bei Geweben mit Ober- und Unterkette (Taf. XV, Abb. 15 u. 16) ist
eine Vermehrung der Schäfte zur Aufnahme der Unterkette notwendig, während
die Trittzahl dieselbe bleiben kann. Auch hier müssen die Bindungszahlen
ineinander aufgehen. Man wählt für die Oberkette meist Kettbindungen, für
die Unterkette Schussbindung, damit auf der Rückseite auch die Kette sichtbar
wird. Hierbei ist ebenfalls zu beachten, dass ein Verkreuzen der zu einander
gehörigen Fäden der Ober- und Unterkette nicht eintritt. Die Unterseite kann
leichter gemacht werden, indem man für je 2 Oberkettfäden nur einen Unter-
kettfaden einstellt.
Erreicht man mittels Unterkette oder Unterschuss die gewünschte Stärke
nicht, oder verlangt die Musterung reichere Effekte (s. später), so wendet man
Hohlgewebe an, d. h. man schafft durch eine Unterkette und einen Unterschuss
ein zweites Gewebe, das fast stets mit dem Obergewebe fest verbunden wird.
Diese Verbindung geschieht entweder dadurch, dass ein Faden der Unterkette
über einen Oberschuss geht (Anbindung) oder, dass ein Faden der Oberkette
unter einen Unterschuss geht (Abbindung), oder beides gleichzeitig, oder man
wendet eine weitere Kette (Bindekette) an.
Als zusammengesetzte und besondere Bindungen sind folgende
Arten von Geweben zu bezeichnen: (Vgl. hierzu die Tafel XVI.)
Schlauchgewebe, offene Hohlgewebe, nur an den Leisten verbunden,
Verwendung bei Spritzenschläuchen, Hohldocht, Säcken ohne Naht, bei Rund-
tuch. Fischbeinband, hohlen Leisten an Bändern, Gurten, Borten u. dergl.
(Abb. 1.)
Gemusterte Hohlgewebe, Schlauchware, bei der die Oberware
mustermässig auch als Unterware arbeitet und umgekehrt. An den "Wechsel-
stellen der Ware entstehen feste Verbindungen. Verwendung bei Gartentisch-
decken, Vorhang- und Portiörenstoffen. (Abb. 2.)
Verbundene Hohlgewebe. Um die in Hohlgeweben mehrfach über
einander liegenden Gewebe fest zu verbinden, wird eine besondere Bindekette
angewendet. Verwendung meist bei Walkwaren, Kleiderstoffen, doch auch bei
Möbelstoffen etc. (Abb. 3 und 4.)
Piquebindungen, gesteppte Bindungen. Durch einen stark gespannten
Unterkettfaden werden mustermässig 2 Schussfäden der meist in Taffet ge-
bundenen Oberware tief geholt, wodurch das Gewebe einen gesteppten Effekt
erhält, der durch einen dicken Unterschuss noch gehoben werden kann. Soll
die Steppung noch kräftiger erscheinen, z. B. bei Piquebettdecken, so wird
noch ein dicker Futterschuss zwischen Ober- und Unterware gelegt. Zu
628 Weberei.
ireicherer Musterung werden aucli noch farbige Musterketten hinzugenommen.
(Abb. 5 und 6.)
Schusssammetbindungen , f ür Velvet (Baumwollsammet , unechter
Sammet) Manchester. Das Gewebe besteht aus einem festen Grundgewebe mit
Taffet-, Köper- oder Kreuzköper-, seltener Atlasbindung. Auf diesem Grund-
gewebe liegen die Sammet- oder Yelvetschüsse „atlasartig" eingebunden. Kachdem
die Ware vom Stuhl genommen und auf der B.ückseite gummiert worden ist,
werden die durch die Yelvetschüsse gebildeten ßöhrchen oder Schläuche mittels
langer, fast nadelartiger Messer an den in der Schnittzeichnung durch Pfeil
bezeichneten Stellen der Kettrichtung nach aufgeschnitten, wodurch sich die
sammetartige Oberfläche entwickelt (geschnittener Manchester); bleiben die
Schläuche auch für den Gebrauch des Stoffes bestehen: (ungeschnittener Man-
chester.)
Diese Yelvets oder Manchester werden teils im Stück gefärbt und wie
Sammet verwendet, teils werden sie in glattem oder geschnittenem Zustande
bedruckt und als Yorhang- und Möbelstoffe gebraucht. (Abb. 7.)
Eine Abart der Yelvets sind die Cords, Twils. Sie haben eine streifige
Beschaffenheit, indem die Einbindungen der Yelvetschüsse immer auf die
gleichen Kettfäden fallen und in weiteren Zwischenräumen neben einander
angeordnet sind. Werden dann die Schüsse an den durch Pfeil bezeichneten
Stellen aufgeschnitten, so geben die aufgeschnittenen Eäden mehr oder weniger
dicke Rippen auf dem Gewebe (siehe Schnitt, Abb. 8). Yerwendung zu
kräftigen Kleiderstoffen, Jagd- und Kutscheranzügen.
Chenille, eine Abart von Schusssammet, die aber nur als Yorarbeit
hergestellt wird. Man ordnet die Kettfäden zu je 4 oder 6 in 1 Pietlücke an
und lässt dann eine grössere Anzahl ßietlücken frei, so dass die Schussfäden
hier flott liegen. Die Bindung ist Taffet. Das fertige Gewebe wird an den
mit Pfeil bezeichneten Stellen in schmale Streifen zerschnitten und diese dann
auf einem Drehrad gedreht, so dass eine Paupe gebildet wird, oder auf einem
Brennapparat so gebrannt, dass die erst seitwärts stehenden Schussfäden nach
oben gerichtet werden. Diese Streifen finden dann als Schussmaterial Yer-
wendung bei Tüchern, Shawls, Posamenten, Damenkleiderstoffen, Westenstoffen,
Portieren, Tischdecken; die gebrannte Art besonders bei Teppichen (Ax-
minster), wobei die Yorarbeit durch mustermässiges Einschiessen bunter Schuss-
fäden besonders sorgfältig gewebt werden muss, um nach der Yerarbeitung als
Schussmaterial das gewünschte Muster zu ergeben. (Abb. 9.) Die Einbindung
der Chenille bei Axminster siehe Abb. 24. Es gibt auch eine Chenillebindung,
bei der, um ein Abgleiten der Eäden zu vermeiden und um dem Streifen
grössere Festigkeit zu geben, Schlingerfaden angeordnet sind. (Abb. 10.)
Kettsammetbindungen, Echter Sammet. Der eigentliche Sammet
besteht aus einem Grundgewebe, auf welchem, von einer zweiten Kette gebildet,
aufrecht stehende Eädenbüschel angeordnet sind, die als Flor, Elour oder Yelour
die ganze Oberfläche bedecken. Die Grundkette arbeitet mit dem Schuss Taffet,
doppelschüssigen Taffet, Köper, auch wohl Atlas, und ist sehr straff gespannt.
Die Anordnung der Grund- und Pol-(Sammet-)Fäden kann sehr verschieden, je
nach Qualität des herzustellenden Sammets, sein. Das Weben des Sammets
geht folgendermassen vor sich : Es werden zunächst zwei oder mehrere Grund-
schüsse verwebt, wodurch sowohl die Grundfäden als auch die Polfäden fest
eingebunden werden. Beim nächsten Tritt gehen nur die Polfäden hoch und
man legt nun eine dünne Metallrute ein (wie einen Schuss), worauf weitere Grund-
schüsse erfolgen, welche die Grund- und Polfäden wieder gemeinsam einbinden.
Die Polfäden bilden somit über die aufrecht stehenden Puten Schleifen, die
entweder bestehen bleiben können , „ungeschnittener Sammet" , „gezogener
Sammet", oder aufgeschnitten werden: „geschnittener Sammet"; bei sehr hohen
Ruten: „Plüsch". Die Ruten für geschnittenen Sammet (Schneideruten), Setz-
oder Stellruten sind unten schmal und haben an ihrer oberen breiten Seite
eine Rinne, in der das Schneidemesser geführt wird. Die Ruten für gezogenen
Sammet haben meist kreisrunden oder elyptischen Ausschnitt (Eriseruten).
Weberei. 629
Je nach Art der Einbindung der Polkette in das Grundgewebe unter-
scheidet man die Bindungen: „Pol auf" für gewöhnlichen Sammet und „Pol
durch" für bessere, feinere Sammete. Bei „Pol auf" geht der Polfaden, ehe
er über die Rute geht, schon über einen oder mehrere Grundschüsse hoch.
Bei „Pol durch" geht der Polfaden unter dem letzten Grundschuss vor der
Rute tief, kommt dann nur bei der Hute hoch und geht bei dem folgenden
Grundschuss wieder tief. (Abb. 11 — 13 u. Schnitte Abb. 14 — 17.) Auf me-
chanischen Webstühlen werden Sammete als Doppelsammete , meist aber nur
in billigen Qualitäten hergestellt. Die Ware ist eigentlich ein verbundenes
Hohlgewebe, wobei an Stelle der Bindekette die Polfäden treten, die durch ein
zwischen den beiden Waren laufendes Messer zerschnitten werden und den
Flor für die beiden dadurch entstehenden Stoffe geben. (Abb. 18.)
Bindungen für Frottierhandtücher, eine Art Sammet ohne Ruten. Die
Einstellung dieser Stoffe in der Kette ist meist: 1 Grund-, 1 Polfaden,
ersterer mit fester, letzterer mit elastischer Spannung. Grundbindung meist
taffetähnliche Bindungen. Nachdem in einer bestimmten Entfernung vom
fertigen Gewebe 3 — 6 Schuss mit kurzen Ladenanschlägen eingetragen sind,
erfolgt ein langer Ladenanschlag (in den Schnitten durch Pfeil bezeichnet), der
das fertig gestellte Gewebestückchen an das früher gewebte heranschiebt. Die
Schüsse gleiten auf der straffgespannten Grundkette fort, nehmen aber die ein-
gebundene, locker gespannte Polkette mit und bilden sich aus letzterer die
Schleifen. (Abb. 19 u. 20.)
Dreher-, Ajour- oder Gazebindungen. (Echte Gaze mit Drehung.)
Besonders eingerichtete Litzen (Dreherlitzen) ermöglichen es, einen Schlingerfaden
während der Fachbildung um einen Grundfaden mit halber oder auch ganzer
Drehung herumzuschlingen, so dass der Schlingerfaden wechselweise links oder
rechts vom Grundfaden zu liegen kommt. Erfolgt die Schlingung nach mehreren
Schüssen wie bei Abb. 22 u. 23, wobei auch grössere Zwischenräume zwischen
den einzelnen Kettfädengruppen gehalten werden, so werden die Schüsse dichter
zusammengezogen, wodurch grössere Oeffnungen im Gewebe entstehen. Ver-
wendung zu Kleiderstoffen , in Verbindung mit anderen Bindungen auch zu
Vorhangstoffen, Shawls etc. (Abb. 21—23.).
Teppichbindungen. Ausser mittels einfacher Bindungen (Läufer-
stoffe), oder als Doppel- oder Hohlgewebe (Germania-, bezw. Kidderminster-
teppiche), werden Teppiche als florige Gewebe hergestellt, indem man
1. auf ein festes Grundgewebe durch eine besondere Bindekette farbige
Chenillestreifen als Schussfäden aufwebt, in denen das Muster enthalten ist.
(Axminsterteppiche, Chenilleteppiche. Abb. 24.)
2. Durch Herstellung wie Sammet und Plüsch, indem man farbige oder
vorgedruckte Polfäden über Puten hochgehen lässt und entweder Zug- oder
Schnittware bildet. (Brüssel-, Brüssel- Velour-, Tapestry-Teppiche.) Die Pol-
fäden liegen bis zu 5 über einander , von denen einer in der gewünschten
Farbe über die Puten gehoben wird. (Abb. 25 u. 26.)
3. Durch Einknüpfen von farbigen Fadenstückchen in eine Kette, sO'
dass die Fadenenden nach oben stehen und den Flor des Teppichs bilden.
(Geknüpfte, Knüpf- oder Smyrnateppiche.) (Abb. 27 — 31.)
Bindungen für Schicht-, Schlitz- und Gobelingewebe (vergl.
Nordische Kunstwebereien), siehe den Text bei den Abbildungen 32 — 35.
Abbildungen auf der Tafel XVI:
Darstellungen von Gewebebindungen (II) und Knüpftechnik.
1. Schlauchgewebe; Ober- und Untergewebe Taffetbindung.
2. Gemustertes Hohlgewebe ; Ober- und Unterware Taffetbindung.
3. Verbundenes 2faches Hohlgewebe; Oberware 4bdg. Kettköper (vollschwarz
gezeichnet), Unterware 4bdg. Schussköper (als Kreuz gezeichnet); die Bindekette im
Schnitt und Patrone „punktiert" gezeichnet.
4. Verbundenes Sfaches Hohlgewebe; alle 3 Waren haben Taffetbindung. Eine
Bindekette (runde Punkte in der Patrone) verbindet diese 3 Waren zu einer geschlosse-
nen Masse; Verwendung zu gewebten Treibriemen.
ö30 Weberei.
5. Piquebindung für Halbpique (ohne Unterschuss). Die Hochgänge der Unter-
kette sind vollschwarz gezeichnet.
6. Piquebindung für volle Ware. Obergewebe Taffet, Untergewebe und Stepp-
eifekt Zickzackköper.
7. Velvet, Grundgewebe Tafifet (durch Kreuz bezeichnet). Velvetschüsse „atlas-
artig". Schussfolge: 1 Grund-, 3 Yelvetschuss.
8. Cordsbindung. Grundgewebe 4bdg. gleichseitiger Köper; Velvetschüsse
cannelebdg. Schussfolge: 1 Grund-, 2 Velvetschuss.
^9. Chenillebindung. 4 Fd. Kette binden mit den Schusstäden Taffet, zwischen
den Kettfädengruppen liegen die Schüsse frei.
10. Chenillebindung mit Dreherfaden. (Vgl. Abb. 21, Gazebindung.) Der Schnitt
zeigt die nach oben „gebrannten" Schussfäden.
11, 12 u. 13. Kettsamtbindungen. In den Patronen bedeuten die schrägschraf-
fierten Rechtecke links die E-utenfolge; die Punkte sind Hochgänge der Grundkette;
die Kreuze Hochgänge der Polkette über Grundschüsse, die schwarzen Quadrate sind
Hochgänge der Polkette (Schleifen, Noppen, Schnittstellen) über die Ruten. Ein-
stellung: 2 Grund-, 1 Polfaden.
11. Sammet- oder Plüschbindung „Pol auf". 8 Grundschuss, 1 Rute, hierzu
Schnitt Abb. 14.
12. Sammet- oder Plüschbindung „Pol durch". 3 Grundschuss, 1 Rute, hierzu
Schnitt Abb. 15.
13. Plüschbindung. Grundgewebe 4bdg. gleichseitiger Köper; 2 Grundschuss,
1 Rute; die Hochgänge der Polfäden über die Ruten sind taffetartig versetzt.
14 u. 15. Schnitte zu den Bindungen Abb. 11 u. 12.
Bei den Schnitten Abb. 16, 17 u. 18 sind die Grundketten nicht mit eingezeichnet.
16. Schnitt durch ein Plüschgewebe mit sehr hohen Ruten.
17. Schnitt durch ein Plüschgewebe „Pol auf" und taffetartiger Versetzung der
Polhochgänge über die Ruten.
18. Schnitt durch ein Doppelsamtgewebe.
19. Bindung für Frottierhandtücher mit Noppen auf nur einer Seite der Ware.
In den Patronen bedeuten die „Punkte" Hochgänge der Grundfäden, die „schwarzen
Quadrate" Hochgänge der Polfäden, In den Schnitten sind die (>rundfäden nicht
mitgezeichnet.
20. Bindung für Frottierhandtücher mit Noppen auf beiden Seiten der Ware,
für gemusterte Waren verwendbar, da je nach Bedürfnis die andersfarbigen Polnoppen
nach oben oder unten kommen können.
21. Dreher- oder Gazebindung mit gleichmässiger Fädenverteilung.
22. Dreherbindung mit gruppenweiser Stellung und symmetrischer Drehung der
Kettfäden.
23. Dreherbindung mit gruppenweiser Stellung der Kettfäden. Je drei Kett-
fäden schlingen sich um drei andere ; die zwischen je zwei Drehungen liegenden drei
Schuss binden mit den sechs Fäden jeder Gruppe Taffet.
24. Schnitt durch einen Axminster-, (Chenille-)Teppich. Der schwarze Faden
ist eine dicke feste Stopferkette, als Unterlage; die gezogene Kettfadenlinie ist eine
Grundkette, die die Schüsse (runde Punkte) fest mit der Stopferkette verbindet, die
Büschel sind Chenille Vorarbeit (s. Abb. 9 u. 10), die durch eine Bindekette (gestrichelt)
auf das Grundgewebe befestigt werden.
25. Schnitt durch einen Brüsselteppich (mit gezogenen Noppen). Eine Grund-
kette (in der oberen Hälfte der Zeichnung dünn gezeichnet) bindet taffetartig mit
den Grundschüssen, zwischen die eine dicke festgeleimte Stopferkette (dicker Strich)
mit eingebunden wird, dazu kommen 3 — 5 Polfäden verschiedenfarbig (bei Brüssel)
oder 1 Polfaden vorgedrückt (bei Tapestry) für die Polbindung (nur zwei gezeichnet).
Diese Polfäden werden bei Tapestry alle auf einen Baum gebäumt, müssen aber bei
Brüssel- und Brüssel- Velour des verschiedenen Verbrauchs wegen , jeder für sich auf
eine Rolle gewickelt sein.
26. Brüssel -Velour (mit aufgeschnittenen Noppen). Die Grundbindung muss
hierbei 3 schüssig werden, damit die aufgeschnittenen Fadenflocken nicht so leicht
herausgerissen werden können. Sonst wie Abb. 24. Die Ruten sind hierbei am Ende
mit einem Messer versehen, die beim mechanischen Herausziehen alle darüber liegen-
den Schleifen aufschneiden.
27 — 31. Verschiedene Knotenarten aus orientalischen Knüpf teppichen.
In Abb. 27 wird der Knoten nur um je einen Kettfaden geschlungen, kommt
sehr selten vor. Abb. 28 zeigt den in den meisten orientalischen Knüpfteppichen an-
gewandten Knoten, der auch nur bei allen europäischen Knüpfteppichfabrikanten im
Gebrauch ist. Abb. 8 findet sich in Teppichen aus Suitanabad. Abb. 9, das Gegen-
Weberei. 631
stück zum vorigen, bei chinesischen Teppichen und auch bei persischen aus Ferahan,
Serabend, Kaschkai, Kirman, Bokhara u. a. Abb. 10 bei indischen Teppichen und
persischen aus Bokhara, Belutschistan, Kam und Khorassan.
Nach jeder geknüpften Reihe Knoten folgen 2 — 4 Schuss, je nach Dicke des
Knoten und Schussmaterials. Das Grundgewebe ist fast stets taffetartig gebunden.
32. Schichtweberei , nordische Weberei. Nach je 2, 4, 6 oder 8 Grundschuss
{= 1 Schicht), werden mit der Hand die farbigen Musterfäden eingeflochten, der-
artig, dass die einzelnen farbigen Fäden nur soweit eingelegt werden, wie die be-
treffende Figur geht (wie bei Broschierungen). Aus der unteren Hälfte der Zeichnung,
die die Rückseite darstellt, ist zu ersehen, dass fast gar kein farbiges Material auf der
Rückseite unbenutzt liegt.
33. Gobelinbindung (Schlitzweberei). Die buntfarbigen Schussfäden werden
taffetartig, mustergemäss in die Kettfäden eingeflochten ; die einzelne Farbe liegt nur
soweit, als sie in der Figur gebraucht wird. Sind der Zeichnung nach in der Kett-
richtung längere oder kürzere gerade Linien, so entstehen im Gewebe Schlitze, die
keine "Verbindung haben (durch Pfeile bezeichnet). Diese müssen mittels besonderer
Fäden zugenäht werden.
Verwendung vor allen bei den französischen, deutschen und englischen Gobe-
lins (Bildteppichen), aber auch bei Kilims und anderen orientalischen Stoffen.
34. Bindung, wie sie in Norwegen und Schweden bei gobelinartigen Geweben
angewandt wird. Die aneinander stossenden farbigen Schussfäden werden ineinander
eingehängt, sodass keine Schlitze entstehen, sondern auch an langen Linien in der
Kettrichtung stets Verbindung vorhanden ist und ein Vernähen überflüssig wird.
35. Bindung der Schwedischen „Flossa"-Webereien. Eine Vereinigung von
Schichtweberei und Knüpfarbeit, indem mustermässig Knoten, ähnlich den persischen
in Abb. 28 nur gestürzt, in die Kette eingeknüpft werden, während der Grund von
glatter Taffetware gebildet wird, die aus Schichten von 2 — 6 Scbuss, je nach Stärke
des Materials, bestehen.
Die geschichtliche Darstellung der Technik in der Weberei
lässt sich an Originalproben nur zum geringsten Teile entwickeln; wohl aber
geben uns einige Abbildungen von Webstühlen über die älteste Art der me-
chanischen Anfertigung von Zeugen eine Darstellung. So ist uns der alt-
ägyptische Stuhl erhalten (Abb. 12, S. 10), an dem die Weber in hockender
Stellung arbeiteten, und auch ein griechischer Webstuhl mit hochstehender
Kette ist durch die Darstellung auf einer Vasenmalerei auf uns gekommen.
(Abb. 110, S. 236.) Im übrigen lässt sich vermuten, dass die gemusterten
Stoffe der ältesten Zeiten in Wirkerei hergestellt wurden, so wie uns noch
viele Originalproben in den Koptischen Textilfunden (s. d.) erhalten sind. Im
IMittelalter erreichte die Weberei einen hohen (jrrad der Vollkommenheit; erst
in späteren Jahrhunderten bildete sich dieselbe , bis dahin nur Hausindustrie,
allmählich zum Fabrikbetrieb aus. Die Weber arbeiteten nicht mehr auf eigene
Rechnung, sondern erhielten (rarn und Muster, zuweilen auch den Stuhl, von
einem Unternehmer, an welchen sie die fertige Ware gegen Stücklohn ab-
lieferten. Bis zum Anfang des 19. Jahrh. war die Herstellung von aus-
gedehnteren Webemustern mit grossen Schwierigkeiten verbunden, da bei einer
zu grossen Anzahl der anzuwendenden Schäfte und Tritte dieselben leicht in
Unordnung gerieten. Man ersetzte daher die Schäfte durch einfache Schnüre,
an welche die Litzen derart angebunden wurden, dass alle gemeinschaftlich zu
hebenden Kettfäden durch das Emporziehen einer Schnur ihre Bewegung er-
hielten. Diese Einrichtung war indes unvollkommen, solange man das Auf-
ziehen der Schnüre (Lätzen) in der nötigen Reihenfolge durch eine besondere
Person, den Latzenzieher oder Ziehjungen (vgl. den japanischen Webestuhl in
Abb. 126, S. 263) , mit der Hand verrichten lassen musste. Ausserordentlich
wichtig für die Leistungsfähigkeit der Webstühle in der Musterweberei war
daher die Erfindung Jacquards, durch dessen um 1805 praktisch ausgeführten,
sinnreichen Mechanismus diese Arbeit von demselben Mann besorgt wird, der
schon die Fachbildung und das Eintragen des Schussfadens bewirkt. Die
wesentlichste Umgestaltung erfuhr jedoch die gesamte Weberei durch die Ein-
führung der mechanischen Webstühle, bei welchen die einzelnen Teile derart
verbunden sind, dass die bewegende Kraft an einer Stelle eingeleitet werden
632 AYebergias — Webeschulen.
kann. Im Prinzip verwandte Maschinen (jedoch nur für Handbetrieb) waren,
zum Weben von Bändern schon zu Ende des 16. Jahrh. im Gebrauch. Der
erste Entwurf eines wirklichen Maschinenwebstuhls aus dem Jahre 1678 von
De Game in London kam nicht zur Ausführung, und auch die 1747 von Bau-
canson erfundene Webmaschine hatte keinen Erfolg. Vierzig Jahre später
konstruierte Cartwright eine derartige Maschine, die sich aber auch nicht all-
gemein einführte. Nachdem Horrocks in Stockport seinen 1803 patentierten.
Maschinenstuhl bis 1813 mechanisch verbessert hatte, gelang es ihm, demselben
in der Baumwollindustrie einige Bedeutung zu verschaffen, doch erst von 1822
an gelangte durch Boberts der mechan. Webstuhl zu allgemeiner Einführung.
Die Geschichte der Weberei nach Material und Mustergebung ist
in den einzelnen Artikeln Leinen, Baumwolle, Seide und Wolle behandelt und
in entsprechender Folge bei den Stilperioden in den Artikeln Stil, Bomanischer-,
Gotischer-, Benaissancestil u. s. w. ersichtlich ; auch unter den Angaben über
Technik und Musterung der Textilien in einzelnen Ländern ist die betreffende
TJebersicht gegeben.
Literatur: Earlow, A., The history and principles of weaving by hand and
by power, London 1879 ; Bona, iDie drei Grundbindungsarten in der Weberei u. s. w.,
Grünberg 1876; Braulik (s. unter Aegypten): Denk, R.. Die Bindungslehre für Ge-
webe, Altona 1883—86: Donat, F., Bindungslexikon für Schaftweberei, Wien 1897;
Ders. , Method. d. Bindungslehre, Dekomposition u; s. w., Wien 1892; Ders., Tech-
nologie der Jacquardweberei, Wien 1902; Fei dg es, Anleitung zur Kenntnis der
Seidenstoffe, Krefeld 1868; Finsterbusch, R., Die mechanische Weberei und die
Fabrikation der Kunst- und Figurendreher, Altona 1890; Fox, The mechanics of
waeving, London und Xewyork 1900 ; Gloor, F., Praktische Anleitung zur Erlernung
der Seidenbandweberei, Basel; Grand, P. , Notice sur la fabrication des etoffes de
soie pour meubles ä Lyon^ 1867; Grüner, A., Mechanische Webereipraxis, sowie
Garnnummerierungen u. s. w., Wien 1898; Jahnel, K., Die Webfehler, deren Ent-
stehung und Ursachen, Altona 1890; Kinzer & Fiedler, Technologie der Hand-
weberei, Wien 1893; Knorr, Elemente der Weberei, Chemnitz 1872; Kohl, F., Ge-
schichte der Jacquardmaschine, Berlin 1873; Lamoitier, Traite theorique et prati-
que de tissage, Paris 1900: Lembcke, E. R., Die Vorbereitungsmaschinen in der
mechanischen Weberei, Leipzig 1877; Ders., Mechanische Webstühle, Braunschweig,
1886—96; Mey, 0., Kraftbedarf mechanischer Webstühle, Dresden 1892; Müller, F.,
Handbuch der Weberei und Zurichtungsarbeiten, Leipzig 189Ö; Xübling, E., Ulms
Baumwollweberei im Mittelalter, Leipzig 1890; Oberholz er, Wegweiser für die Ein-
richtung und Behandlung des mechanischen Webstuhls, Lörrach 1900; 0 eisner. Die
deutsche Webschule, Altona 1899 ff.; Pfuhl, Die Jute und ihre Verarbeitung, Berlin
1891; Posselt, Recent improvements in textile machinery, London 1898; Reh, F.,
Lehrbuch der mechan. Weberei, Wien 1889; Ders., Der meehan. Seidenwebstuhl,
Weimar 1891; Reiser & Spennrath, Handbuch der Weberei, München 1885
bis 1900; Reiser, Ueber Fehler in Wollenwaren und die Verhütung, Aachen 1894;
Schams, J., Grundzüge der Theorie der Schaftweberei, Dresden; Ders., Handbuch
der gesamten Weberei, Weimar 1892: Sc hm oll er, G., Die Entwickelung und die
Krisis der deutschen Weberei im 19. Jahrh., Berlin 1873; Ders., Die Strassburger
Tucher- und Weberzunft, Strassburg 1879; Sconfietti, Der Schützenführer für
mechan. Webstühle, Chemnitz; Simon, Etudes analytiques des j)rincipaux tissus^
Paris 1897; Vinzenz, J., Lehrbuch der Bindungslehre und Dekomposition für Tuch-
und Buckskinwebereij Dresden 1895; Wenzel, Die Bindungslehre für Gazegewebe,
Glauchau.
Weberglas, soviel wie Fadenzähler (s. d.).
Web er kämm = Rietblatt.
Weberkarde, Weberdistel, s. Kardendistel.
Weberknoten, eine eigentümliche Verschliugung von zwei Fadenenden,
deren sich der Weber zum Anknüpfen abgerissener Fäden bedient.
Weberschiff = Schiff.
Webeschulen, Lehranstalten für theoretische und praktische Ausbildung
der Webereibeflissenen. Dieselben haben sich aus den Spinnereischulen ent-
wickelt, deren erste 1755 in Oesterreich gegründet wurde, indessen am Anfang
des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Maschinenspinnerei aufgegeben,
werden mussten. (S. Spinnereischulen). Auch eine im Jahre 1770 zu Hohen-
Webkante— Wechsellade. 633
elbe in Böhmen gegründete Lehrwerkstätte für AVeberei ging bald wieder ein.
Die erste lebensiähige Webeschule ward 1830 zu Reichenbach im Vogtland
errichtet, ihr folgten bedeutendere in Elberfeld (1844) und Mühlheim a. E.h.
(1852) in Preussen, Münchberg in Bayern (1855), Beutlingen in Württemberg
(1855) und Chemnitz in Sachsen (1857). Man unterscheidet zwischen höheren
W,, welche meist ein- oder zweijährige Kurse haben, vollen Tagesunterricht
erteilen und Fabrikleiter und Beamte für grössere Webereibetriebe heranbilden
und den einfachen W., welche vielfach nur bei einjährigem Kursus durch
Abend- und Sonntagunterricht Arbeitern oder Werkführern Gelegenheit zur
Fortbildung in ihren Fächern geben.
Nach einem vom Geheimen Oberregierungsrat und Vortragenden E,at im
kgl. preuss. Ministerium für Handel und Gewerbe 0. Simon herausgegebenen
TJ eberblick „lieber das gewerbliche Fortbildung s- und Fachschul-
wesen in Deutschland" Berlin 1903, sind zur Zeit die wichtigsten Textil-
fachschulen :
1. In Preussen: zu Aachen: (höhere Fachschule für die Wollen-
industrie, Abteilungen für Spinnerei, Weberei, Färberei, Appretur, Stopferei,
Dessinateure), Barmen: (höhere F. für Weberei, Klöppelei, Spitzenfabrikation,
Stickerei, Besatzkonfektion, Musterzeichnen, Färberei), Berlin: (höhere F. für
Weberei, Färberei, Wirkerei, Posamentiererei, Stickerei, Musterzeichnen, Wäsche-,
Kleider- und Mäntelkonfektion), Kottbus: (höhere F. für die Wollenindustrie,
Abteilungen für Weberei, Färberei, Appretur, Stopferei, Dessinateure), Kre-
feld: (höhere F. für die Seiden- und Sammetindustrie, Abteilungen für Spin-
nerei, Weberei, Färberei, Appretur, Stickerei, Musterzeichnen), München-
Gladbach: (höhere F. für die Baumwollenindustrie, Abteilungen für Spinnerei,
Weberei, Färberei, Appretur), Sorau: (höhere F. für die Leinenindustrie, Ab-
teilungen für Flachskultur, Spinnerei, Seilerei, Weberei, Färberei, Appretur,
Musterzeichnen, Handarbeiten, Wäsche- und Kleiderkonfektion), Forst: (F.
für die Wollenindustrie, Abteilungen für Weberei, Färberei, Stopferei, Dessi-
nateure), Sommerfeld und Spremberg: (F. für die Wollenindustrie, Ab-
teilungen für Weberei), Mühlhausen in Th.: (F. für die Wollen- und Halb-
wollenindustrie, Abteilungen für Weberei und Wirkerei), Bonsdorf: (F. für
Bandwirkereien), Langenbielau: (F. für die Leinen- und Baumwollenindu-
strie, Abteilungen für Weberei, Färberei, Stickerei und Wäschekonfektion),
Bramsche: (F. für die Leinenindustrie, Abteilung für Weberei), Eupen:
(F. für Wollenindustrie, Abteilung für Weberei). Ausserdem gibt es 7 Fach-
schulen für Handstickerei in Schlesien.
2. In Sachsen: 27 Fachschulen für Weberei, Wirkerei und Posamen-
tiererei , davon aber nur 5 Webe- und 1 Wirkschule mit Tagesunterricht
(Chemnitz, Grossschönau, Seifhennersdorf, Werdau, Zittau, Limbach). Ausser-
dem 28 Klöppelschulen und 1 Stickschule.
3. In Bayern: Webeschulen zu Münchberg, Lambrecht, Passau; Stick-
schule zu Enchenreuth; Klöppelschule zu Stadlern.
4. In Württemberg: Fachschule für Spinnerei, Weberei und Wirkerei
zu Beutlingen, Webeschulen zu Heidenheim, Laichingen, Sindelfingen; Strick-
schule zu Wolfschlugen.
5. In Hessen-Darmstadt: Webeschule zu Lauterbach.
6. In den Fürstentümern E, e u s s : Webeschulen zu Greiz und Gera.
7. In Elsass-Lothringen: „Spinn- und Webeschule zu Mül-
hausen".
Die Schweiz besitzt eine Seidenwebeschule zu Wattwyl. Zu den
ersten und auch bedeutendsten österreichischen Webeschulen zu Beichen-
berg in Böhmen (gegründet 1852), Brunn (1860), Wien und Bielitz sind
nach 1870 mehr als 20 andere derartige Fachschulen hinzugekommen.
Webkante, soviel wie Salleiste (s. d.).
Webstich, s. Stickerei.
Wechsellade, eine Webstuhllade, in welcher abwechselnd mit mehreren
Schützen gewebt werden kann.
634
Weckelsdorf — Weinlaub.
Abb. 342.
Weckelsdorf, Marktflecken in Böhmen: Leinen- und Baumwollweberei,
Leinwand- und Garnbleiche.
Weende, Dorf im preuss. Reg.-Bez, Hildesheim: Wollspinnerei und
-Weberei.
Wef el (engl. : weft = Webel) , Wefelspulen, Spulen zum Aufwickeln
der Scbussfäden.
Weft, in der Weberei baumwollenes Schussgarn.
Wegberg, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Aachen: mechanische Leinenweberei
und Flachsbau.
Wegscheid, Marktflecken im bayr. Reg.-Bez. Xiederbayern : Leinen-
industriegenossenschaft; Leinen- und Damastweberei, Seiden- und Madras-
tücherfabrikation.
Wehen, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Wiesbaden; Wollspinnerei und Woll-
ware nfabrik.
Wehr in Baden, Dorf im bad. Kreis Lörrach : Buntweberei, Zeugdruckerei
und Färberei, Wollplüschfabrikation.
Wehrsdorf, Fabrikdorf in Sachsen : bedeutende Leinenweberei, Jacquard-
weberei, Bleicherei usw.
Weida, Stadt in Sachsen- Weimar-Eisenach : Woll- und Baumwollwaren-
fabrikation, Teppichwebereien.
Weiden, Stadt im bayr. E,eg.-Bez. Oberpfalz : Fabrikation von Rasch.
Weife, ein Haspel zum Aufwinden, daher das W.eifen des Grarns.
Weihel, ein Stück Zeug, das die Nonnen über den Kopf legen, und das
den obern Teil des G-esichts fast ganz bedeckt.
Weil in Baden, Dorf im bad. Kreis Lörrach: Seiden- und Baumwoll-
färberei und -appretur.
Weilburg, Kreisstadt im preussischen
B,eg.-Bez. Wiesbaden: Wollspinnerei und
Färberei.
Weilderstadt, Stadt in Württemberg:
Wollzeugweberei, Kunstbleiche, Färberei;
Fabrikation von Teppichen und Decken.
Weiler im Allgäu, Marktflecken im
bayr. Heg.-Bez. Schwaben: Segeltuch- und
Leinenweberei.
Weiler bei Thann, Dorf im Bezirk
Oberelsass : Baumwollspinnereien und We-
bereien.
Weimar, Hauptstadt des Grossher-
zogtums Sachsen- Weimar-Eisenach : Kamm-
wollspinnerei, Fabrikation von Tuch und
Leinwand.
Weinfelden, Marktflecken im Schweiz.
Kanton Thurgau: mechanische Weberei
und Stickerei.
Weingarten in Württemberg, Stadt
im württ. Donaukreis: Leinen und Strumpf-
weberei, Flachs- und Hanfspinnerei.
Weinheim, Stadt im bad. Kreis Mann-
heim: Leinenweberei, Seidenzwirnerei und
-färberei.
Weinlaub, Weinornament (frnz. : vigne,
pampre; engl.: pampre), gebildet aus dem
edlen Weinstock oder der edlen Kebe
(vitis vinifera , Abb. 342), welcher der
Alten Welt angehört. Schon im Altertum sehr beliebt als Ornament
(Abb. 27, S. 34), in frühchristlicher Zeit in Andeutung der evangelischen
Gleichnisse vom Weinstock und der Bebe. In demselben Sinn wird auch
Weinlaub — Weipert.
635
Christus häufig als Weinstock dargestellt. Die frühchristliche Zeit bringt das
Motiv in koptischen Wirkereien häufig zur Darstellung als Kauke (Abb. 1 auf
Taf. I), sowie in selbständiger Erscheinung oder als Endigung der spitzovalen
Grewandauf Sätze (Abb. 78, S. 196). Das eigentliche Mittelalter lässt Wein-
stock und Rebe im Stoffmuster seltener hervortreten; erst die Gotik nimmt
dieselben wieder auf in den Kreis ihrer vegetabilischen Kunstformen, so dass
am Ende des 14. Jahrb., für kirchliche Zwecke angefertigt, eine ganze Reihe
von Geweben mit dem Weinblattmuster erscheinen, die in Italien ihren Ur-
sprung haben (Abb. 343). Gleichzeitig kommen in kirchlichen Leinenstickereien
Motive derselben Art vor (Abb. 96. S. 225), die wohl immer in Anlehnung an
die ursprüngliche christliche Symbolik Anwendung gefunden haben. Die fol-
Abb. 343.
genden Stilperioden nehmen daran keinen Anteil und das Vorkommen von
Weinranken und Trauben in der Empirezeit (Abb. 64, S. 175) ist auf die
Nachahmung derselben aus der Antike zurüchzuführen, wo diese Kunstformen
im Sinne bachantischer Deutung aufzufassen sind.
Abb il düngen:
342. Darstellung von vitis vinifera aus: Lobelius a. a. 0., Antwerpen 1581.
343. Darstellung aus: Gewerbehalle, Stuttgart 1882: Seidengewebe, Grund rot,
Muster grün: Feine Ranken bilden reihenweis versetzte herzförmige Felder, in welchen
je ein Weinblatt; dazwischen Trauben, Blattranken und Vögel. Italien 14. — 15. Jahrh.
Weipert, Stadt in Böhmen: Fabrikation von Spitzen, Posamentier-,
Wirk-, Seiden- und Halbwollwaren. W. ist Stapelplatz der Posamentenindustrie
(Hausindustrie) Oesterreichs.
636 Weissenburg — Werg.
Weissenburg, Stadt im bayr. Eeg.-Bez. Mittelfranken: Fabrikation von
Gold- und Silberdraht, Borten, Tressen und Tuch.
Weissenburg, Stadt im Bezirk Unterelsass: Strumpfwarenfabrikation,
Färberei.
Weissfärben, den von allen Verunreinigungen befreiten und gebleichten
Stoffen einen schwachen Farbenton zu geben; so färbt man Seide mit Orseille
pariserweiss und mit Blauholzkomposition periweiss, Tuche mit Schlämmkreide
weiss , während Wolle durch Bleichen und Bläuen eine schöne weisse
Farbe erhält.
Weisskirchen, Stadt in Mähren: Hanfspinnerei, Fabrikation von Tuch,
Seidenzeug, Flanell und Strumpfwaren.
Weissstickerei, weites Gebiet weiblicher Handarbeit, das als Wäsche-
ausstattung weiss in weiss in Erscheinung tritt und daher so bezeichnet wird.
Technisch und künstlerisch hat sich die W. aus den Vorläufern der Spitzen-
industrie auch für andere Zwecke erweitert ; in welchem Falle ihre Erzeugnisse
aber denjenigen der Leinenstickerei eingeordnet werden. Als die ältesten W.
sind wohl die in weissem Garn gestickten Schleier aus Byssus (s. d.) zu be-
zeichnen, deren farbloses Muster auf eine transparente Wirkung angelegt war.
Diesem Zwecke genügte die W. auch auf kirchlichen Vorhangdecken (Corpo-
rale und Velum) der romanischen Periode. Als aufgelegte Muster in dicken
Spitzenstichen erscheint die W. bis in das 15. Jahrh. hinein. Die Renaissance
lässt sie mit der Entwickelung der Spitze Hand in Hand gehen (vgl. Taf. X).
Im 18. Jahrh. beginnt die gestickte Spitze ihre Entwickelung, die Vorliebe
für dergleichen erweitert sich bis zu den breitesten Besätzen an Frauenröcken;
auch Nackentücher (Abb. 43, S. 60) mit den reizvollsten Phantasieblumen auf
Batist werden modern. Die Ausstattung des Täuflings wurde ganz und gar
in Weissstickerei (sogen. Pikeearbeit) ausgeführt, deren letzte Peste heut noch
bewahrt geblieben sind. Die neuere Zeit hat in der Madeira-, Venetianer-,
Pichelieu- und noch anderen Arten der W. neue Verzierungsarten zugeführt.
(Vgl. den Artikel unter Stickerei.)
Weisswaren ist der Sammelname für alle ungelärbten baumwollenen
Gewebe, wie Musselin, Gaze, Schirting, Drell usw., sowie die gemusterten,
broschierten usw. Gardinen- und anderen Stoffe und endlich für alle Weiss-
stickereien, -nähereien usw. Die Hauptsitze der Weiss Warenfabrikation sind
England, Schottland, Frankreich, die Schweiz, Württemberg, das sächsische
Vogtland und andere Gegenden von Deutschland. Die Weissstickereien
kommen besonders in grosser Menge aus dem sächsischen Vogtland, wo wieder
Plauen den ersten Pang einnimmt.
Wellbaum, am Posamentierstuhl die Holzwalze, auf welche das Fertige
aufgewickelt wird.
W^ellingborough, Stadt in der engl. Grafschaft Northampton: Seiden-
spinnerei, bedeutende Spitzenfabrikation.
Wells, Stadt in der engl. Grafschaft Somerset: Strumpfwirkerei, Fabri-
kation von Spitzen und Wollwaren.
Wenew, Stadt im russ. Gouvernement Tula : Seidenzeug- und Segeltuch-
fabrikation.
Werdau, Stadt in der sächs. Amtshauptmannschaft Zwi^jkau: Vigogne-
und Kammwollspinnerei, Streich- und Kamm garnweb er ei, Tuch- und Buckskin-
fabrikation, Appreturen für Wollwaren, Färberei. Webeschule.
Werden, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Düsseldorf: Streichgarnspinnerei,
Tuchfabriken,. Seiden-, Leinen- und Wollweberei, Färberei und Zeugdruckerei.
Werft, s. V. w. Kette eines Gewebes.
Werg, Werch, Werrig, Heede (franz.: l'etoupe; engl.: tow), sind die
wirren Fasern von Hanf oder Flachs, welche in den Hecheln zurückbleiben
und noch ein nutzbares Nebenprodukt abgeben, das zu Garn versponnen wird,
wobei es aber gleich der Baumwolle erst gekratzt oder kardiert werden muss.
Dieses Garn verwebt man zu groben Leinen wie Sack- und Packleinwand,
auch mischt man es häufig zu reinem Flachs- und Hanfgarn wie geringem
Werk-Wien. 637
Wollgarn, und in England spinnt man auf besonders konstruierten Maschinen
aus demselben das sogen. Towgarn. Die schlechteste Sorte AV. wird zum
Kalfatern von Schiffen benutzt, eine etwas bessere findet in der Seilerei
Verwendung.
Werk, in der Weberei s. v. w. Geschirr.
Werkseide = Wattseide.
Wermelskirchen, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Düsseldorf: Fabrikation
von BaumwoU- und Seidenband, Seiden-, Halbseiden- und Halbwollstoffen,
Plüsch, Lasting und Leibwäsche; Plüschfärberei.
Wernigerode, Stadt im preuss. B.eg.-Bez. Magdeburg: Wollzeug- und
Leinenweberei, Fabriken für Baumwollwaren.
Werther, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Minden : Flachsbau sowie lebhafter
Handel mit Flachs und Leinen.
Weserleinen nennt man die verschiedenen Sorten Flachsleinen, Halb-
flachsleinen und Hedeleinen, welche an den verschiedenen Ortschaften des
AYesergebietes in Hannover, Braunschweig, W^estfalen gefertigt und über Ham-
burg, Bremen, Amsterdam viel ausgeführt werden, besonders nach Amerika
und W^estindien.
Wesserling, Fabrikort in Elsass-Lothringen : Gresellschaft für Baumwoll-
spinnerei im Tal St. Amarin, Kattunfabrik.
Western, ostindische Baumwollsorte.
Westernhemd (vom lat. vestis ; althochdeutsch Wester), das weisse Kleid,
womit in der alten Kirche der Täufling bekleidet wurde ; in der protestantischen
Kirche ein weisses Tuch, das während des Taufgebets und Segens über den
Täufling ausgebreitet wird.
Westfalen, Provinz im preuss. Staate. Obenan stehen die Bearbeitung
des Flachses zu Grarn und Leinenzeugen und die sonstige Textilindustrie. Der
eigentliche Sitz der letzteren ist schon seit dem 14. Jahrh. zwischen der Lippe
und Weser. Im Ravensbergischen, in und um Bielefeld (s. d.), welches schon
damals der Handelssitz für Garn und Leinwand war, wird die berühmte feine
Leinwand gefertigt. Auch die Wollweberei, Strumpf- und Bandfabrikation,
Tuch- und Baumwollbranche ist bedeutend.
Westfälische Leinwand nennt man im Handel die in Westfalen und
der Eheinprovinz in Städten und Dörfern aus selbst erbautem Hanf und Flachs
gewebten Leinen, welche als Bielefelder, Tecklenburger, Steinhäger, Bavens-
berger, W^arendorfer, Osnabrücker, Essener, Münstersche, Lippesche, Pader-
borner, Phadener, Weserlinnen, Aarlinnen bekannt sind. Sie werden in ver-
schiedenen Sorten gefertigt und haben wegen ihrer inneren Beschaffenheit,
Güte und Preiswürdigkeit fast auf allen europäischen Märkten einen
guten Puf.
West-Houghton, Stadt in der engl. Grafschaft Lancashire : Seidenfabrik,
Druckerei und Baumwollspinnerei.
Wetteren, Stadt in der belgischen Provinz Ostflandern: Fabriken für
Leinen- und Wollzeuge und Spitzen. Musterwerkstätten für Jacquardweberei
imd Handel mit Flachs und Leinwand.
Wevel, in der mittelalterlichen Webersprache der Einschlag oder Schuss.
Wheeling, Hauptstadt des nordamerik. Staates Westvirginien : Fabriken
für Seiden- und Baumwollwaren.
Whitney, Marktstädtchen in der engl. Grafschaft Oxford: Wollweberei,
besonders von guten Wolldecken, Fabrikation von Filz und Handschuhen.
Wickelstich, s. Nähen.
Wickelwolle, s. Angorawolle.
Wickrath, Flecken im preuss. Peg.-Bez. Düsseldorf: Baumwollspinnerei
und Fabrikation von Leinen- und Baumwollwaren.
Wien, Hauptstadt des österreichischen Kaiserreichs : die Erzeugung von
Seidenwaren, besonders Modestoffen (82 Betriebe, 1041 Arbeiter), Bänder
(32 77Q)^ türkische Kappen, Betten und Wäsche, Schirmen, Kleidern (bedeutende
Ausfuhr nach dem Orient, 6172 Betriebe, 24991 Arbeiter).
638
Wi ener-Neustadt — Winzenlieim .
Aus dem 17. Jahrhundert wird über Seidenmanufakturen berichtet,
welche der Nationalökonom Becher ins Leben rief; deren Bestehen aber nur
von kurzer Dauer war. Auf dem Tabor in W., der 1676 angelegt wurde,
bestanden zwei Bandmühlen, von denen mit der Belagerung (1683) jede Spur
verloren ging. — Zur Förderung der Spitzenindustrie berief Kaiser Franz um
die Mitte des 18. Jahrhunderts Brüsseler Arbeiterinnen.
Das K. K. österr. Museum fürKunst und Industrie (Direktor:
Prof. Dr. V. Scala), gegründet 1864, enthält eine reiche Stoffsammlung, deren
Inhalt durch die Yeröffentlichungen von Dr. Moriz Dreger (s. u. Stoffsamm-
lungen) bekannt gegeben wird.
Wiener-Neustadt, Stadt im Erzherzogtum Oesterreich: Fabriken für
Sammet- und Seidenwaren.
Wilkau, Industriedorf in Sachsen : grosse Sammetgarn- und Streichgarn-
spinnerei, Buntstickerei.
Willich, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Seidenweberei, Yelvet-
schneiderei.
Wilmslow, Stadt in der engl. Grafschaft Chester: Seiden- und Baum-
woUwarenfabriken.
Wilton, Stadt in der engl. Grrafschaft Wiltshire : einst Hauptsitz der
Teppichfabrikation.
Wiltonteppiche sind Axminsterteppiche (s. d.).
Wilz, Stadt im Grossherzogtum Luxemburg: Wollspinnerei und Tuch-
fabrikation.
Wimborne Minster, Stadt in der engl. Grafschaft Dorset: Wollzeug-
und Strumpfweberei.
Winde, Pflanzengattung aus der nach
Abb. 344. ilir benannten Familie der Convolvulaceen
mit gegen 150 über die ganze Erde ver-
breiteten Arten. Die Blumenkrone ist trich-
terförmig (Abb. 344) , die Blüte erscheint
in weisser, rötlich oder bläulich schattierten
Farben an einem sich schlingenden Stengel
mit spiessförmigen Blättern. Blumen und
das mit ihnen verbundene Geranke haben
für die Plattstichstickerei und für die
Kunstweberei in Broschierarbeit am Ende
des 18. Jahrh. vielfach als Kunstform
Verwendung gefunden. Sie kommen häufig
als Bortenbesätze auf französischen oder
spanischen Kostümteilen vor, woselbst sie
sich den antikisierenden gewundenen Schnü-
ren und Gehängen anpassen. (Abb. 345.)
Abb ildungen:
844. Darstellung einer Winde aus Lobe-
lius, plantarum a. a. 0. . . .
345. Darstellung aus: Heiden, Muster-
atlas, Leipzig 1896, Blatt 107: Teil der ge-
stickten Borte eines Frauenrockes im Stile
Louis XVI. Spanien oder Frankreich, Ende
18. Jahrh.
Winterthur, Stadt im Schweiz. Kan-
ton Zürich: zu den wichtigsten Industrie-
zweigen gehören die Baumwollindustrie
(Spinnerei, Zwirnerei, Weberei, Bleicherei, Färberei), Seidenweberei und
Stickerei. Bedeutender Handelsplatz.
Winzenheim, Hauptort des Kantons W. im Bez. Oberelsass: Baumwoll-
spinnereien und Webereien.
AVipperfürth — AYirkwaren.
639
Wipperfürth, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Köln: vier Wollspinnereien,
drei Tuchfabriken, je eine Fabrik für Kunstwolle und Holzwolle.
Wippchenlade ist eine Broschierlade.
Wirkerei, s. Bildwirkerei, Kilim, Wandteppiche.
Wirkschulen, s. Webeschulen.
Wirksworth, Stadt in der engl. Grafschaft Derby : Baumwollmanufaktur,
Fabrikation von Gingans.
Wirkwaren, Gewirke, Strumpfwaren (engl. : knitted web, stocking hose ;
franz.: tricotage, bas, bonneterie; span. : medias) , eigene Arten von Zeugen,
welche nicht aus einem durch gekreuzte Fäden gebildeten Gewebe, sondern
aus ineinandergreifenden Maschen bestehen, wozu ein einziger Faden den Stoff
geliefert hat, und welche demnach auch durch blosses Ziehen an diesem Faden
wieder ganz aufgetan werden können; nach Art der Maschenbildung unter-
scheidet man Kuli er waren (fast genau so, wie beim Stricken mit der Hand)
und Kett en waren. Wirkwaren sind demnach Maschengewebe (tissu ä maile-
loqse fabrics), die durch E,eihen gleicher, nebenander liegender Fadenschleifen
gebildet und untereinander verschlungen sind. Derartige Stoffbildungen oder
Maschengewebe werden auch hergestellt durch Stricken und Häkeln. Aus dem
Abb. 345.
Stricken (s. d.) ging die Maschinenwirkerei hervor, indem Lee 1589 in Eng-
land hierzu eine sinnreiche Maschine, den gewöhnlichen Strumpfwirkerstuhl
erfand, welcher dasselbe Maschenwerk wie die Hand liefert, aber auf andere
Weise, ohne irgendwie die Handgriffe des Strickens nachzuahmen. Auf den
gewöhnlichen Strumpfstühlen können nur breite Flächen gewirkt werden, die
dann, wenn sie runde schlauchartige Stücke geben sollen, zusammengenäht
werden müssen. Man hat jetzt aber auch Strumpfmaschinen (von F. A. Eisen-
stuck in Chemnitz erfunden), welche selbsttätig hohle Stücke, wie Strümpfe,
Hosen, Socken, Mützen u. dgl. ganz fertig und richtig geformt abliefern
(reguläre Ware). Auch die Breitwirkstühle sind in Sachsen sehr vervoll-
kommnet worden. Ausserdem sind zu dem Maschinenapparat noch hinzu-
gekommen die Rund stuhle, welche hauptsächlich der Massenherstellung
wohlfeiler Baumwollstrümpfe dienen und zumeist von Stuttgarter Fabriken in
Mengen hergestellt werden. Dieselben erzeugen nur gleichweite Schläuche,
welchen durch Zerschneiden, Ausschneiden, Zusammennähen und endlich feuchtes
Ausarbeiten über hölzernen Formen eine dauerlose Strumpfform gegeben wird
(geschnittene Ware). Die französischen E-undstühle sind vorzüglicher und
leistungsfähiger als die englischen. Die Maschinenbauerei hat auch für Strick-
maschinen zum Hausgebrauch gesorgt, der früheren Goffeschen ist jetzt die
Lambsche gefolgt, deren Leistungen sehr gelobt werden. — Gute W. müssen
elastisch sein, sich dem Körper eng anschmiegen und dabei so dicht sein, dass
sie eine vollkommene Decke bilden; sie heissen in diesem Falle nicht ge-
schlossene, sondern gezwungene oder hungerige; ist der Faden zu
ß40 AVirkwaren.
stark und die ^'are infolgedessen zu dick und dicht, volle oder völlige.
Hinsichtlich des Materials , wie der Arten und Sorten von W. besteht eine
grosse Mannigfaltigkeit ; man verarbeitet Wolle, Baumwolle, Leinen und Seide,
letztere beiden Stoffe namentlich zu Strümpfen und Handschuhen; auch ver-
wendet man in neuerer Zeit viel Shoddygarne.
Die wesentlichen Teile des Kulie r s tuhle s , welche sich gegenseitig
ergänzen und die TTirkerei nach verschiedenen Methoden bewerkstelligen, sind:
die Nadel, die Platine und die Presse. Die Verrichtungen zur Bildung
einer neuen Maschenreihe bestehen in dem Ans chlagen, Orlet-Schlagen oder
dem Einschliessen. Ferner kommen hinzu: das Kulier en, das Verteilen
oder Partagieren, das Vorbringen der Schleifen, Ausstreichen des
Platinenwerks, Pressen der Nadeln, Auftragen der Ware, Ab-
schlagen der Ware. Vom Handwirkstuhl werden unterschieden: Böss-
chen-, Walzen- und Handkulier stuhl ohne Schwingen. Eeguläre
Kulierwaren erhalten ihre Gestalt als Grebrauchsgegenstand während des
Wirkens; als geschnittene Waren werden sie aus grossen Stoffstücken
herausgeschnitten, entweder mit der Hand, oder mittels Schneidstempel heraus-
geschlagen oder durch Schneidformen zwischen Pressen. Nach Art der Maschen-
form unterscheidet man : Grlatte und gemu st e r te Ware. Grlatte Kulier-
ware mit der einfachsten Maschenform wird bisweilen mit einer Futterdecke
versehen. (Eingekämmte AVare oder Pelz.) Auch können Farbmuster in
mannigfaltiger Weise erzeugt werden (Bingelware, langgemusterte, Jacquard-
ware, unterlegte Farbmuster), pattierte Ware und überdruckte und auf-
genähte Verzierungen durch Sticken, Brodieren oder Bordieren (broder —
embroider).
Gremusterte Kuli er waren mit Erhöhungen, Fadenanhäufungen oder
Oeffnungen in der Ware bedürfen zu ihrer Herstellung besonderer Maschinen,
der Maschinenstühle, und heissen daher auch Maschinenwaren. Die Bänder-
oder Fangmaschiue mit 2 Nadelreihen liefert: 1. sog. Bechts- und Bechtsware,
die man beim Handstricken erhält, wenn eine Masche glatt , die nächste ver-
kehrt gestrickt wird, auch Bänderware. 2. Fangware, bei der einzelne Doppel-
maschen gebildet werden, 3. Links- und Linksware, Strickware, 4. Fangplüsch.
Mittels der Pressmaschine, Blechmaschine werden Pressmuster erzeugt , unter
Anwendung verschiedener farbiger Fäden Farbpressmuster. Die Stech- oder
Petinetmaschine liefert durchbrochene Waren, ebenso in weitgehender
AVeise die Deckmaschine, Haken-, Kanten-, Bajonett-, Ananas- oder Tüll-
maschine. Durch Decken, oder Aufdecken, L'eberhängen einzelner Maschen auf
andere Nadeln mittels der Nadeln einer Deckmaschine werden dichtere Stellen
und lockere Stellen mit Oeffnungen abwechselnd erzeugt, sodass freie Muster
entstehen oder regelmässig wiederkehrende (Ananas).
Die Kettenwaren werden ebenfalls eingeteilt in glatte und gemusterte.
Zu den glatten Kettenwaren gehören: L Dichte Waren, mit nur einer Maschine
gearbeitet (halber, einfacher Trikot, einlegiger Atlas, Kettentuch und englisch
Leder), 2. Dichte Kettenwaren mit zwei oder mehreren Maschinen gearbeitet
(einfacher Trikot, Atlas [Atlastrikot], wollener Sammet, Plüsch, Pelz, Sammet
[seidener Sammet], Trikot mit Futter, Tuch mit Futter) ; 3. Plattierte Ketten-
waren; 4. durchbrochene Kettenwaren, Filetwaren; 5. Schusskettenwaren. Wirk-
muster in Kettenwaren sind zumeist Pressmuster.
Mechanische W irkerei. G-egenüber den Handwirkstühlen, bei denen
eine Beihe von Arbeiten durch den Arbeiter vorgenommen werden müssen,
werden die einzelnen Arbeiten an den mechanischen Stühlen durch Zusammen-
wirken der einzelnen Maschinenteile ohne Mithilfe des Arbeiters durchgeführt.
Die mechanischen Kulierstühle werden als Bundkulierstühle gebaut. Man unter-
scheidet nach der Nadelstellung französische und englische. Der Antrieb er-
folgt ausser durch Elementarkraft häufiof auch durch die Hand des Arbeiters.
Besonderer AVert ist auf selbsttätige Abstellung bei Eintritt von Fadenbrüchen,
Einlauf zu starker Fäden oder A^erbiegen von Nadeln gelegt. Durch Abände-
rung und besondere Zutaten an den Stühlen, wird die Herstellung der übrigen
Wirkwaren. 64 1
"Wirkwaren auch auf Rundstühlen ermöglicht. Es werden gebaut : Französische
Hundstühle für Plüschware und für Futterwaren; für Wirkmuster: die Rund-
Känder- oder ßund-Fangstühle (genau nach dem Vorbilde des Handränderstuhls
entstanden) ; Stühle für Links- und Linksware (auch Eundstrickstühle oder
Rundleiern genannt); E-undstühle zum Wirken von Pressmustern. Englische
ßundkulierstühle werden gebaut, teils mit feststehenden, teils beweglichen Nadeln
für glatte Waren; ferner Eundwirkstühle zur Herstellung von Wirkmustern,
Hechts- und Pechts- und Fangwaren, durch kleine Aenderung auch für Fang-
Perlware ; für Links- und Linksware und für Pressmuster. Flache mechanische
Kulierstühle gelangten erst zu häufigerer Einführung, nachdem sie mit selbst-
tätiger Windevorrichtung und zur Herstellung regulärer W^aren eingerichtet
wurden. Sie sind auch zur Herstellung von Wirkmustern als Pänder- und
Fangstühle, sowie für Links- und Linksw^are. Dagegen sind Pressmuster an
flachen mechanischen Stühlen nicht so leicht herzustellen als an E,undstühlen.
Yon Deckmaschinenmustern wird nur das Ananasmuster mechanisch her-
gestellt. (Vgl. Willkomm, Technologie der Wirkerei.)
Mechanische Kettenstühle zur Herstellung fast ausschliesslich grosser
Stoff'stücke sind fast nur als flache Stühle in Verwendung.
Flache mechanische Kettenstühle für glatte Waren ähneln in ihrer An-
ordnung ganz den Handstühlen, werden aber auch mit Jacquardgetriebe (Me-
chanismus wie in der Weberei) gebaut.
Von den flachen mechanischen Kettenstühlen zur Herstellung von Wirk-
mustern, Pänder- und Fangmustern hat der Fangkettenstuhl (Pasche 1- oder
Polkamaschine) weitgehende Verwendung gefunden.
Strickmaschinen sind Wirkmaschinen, bei denen die Maschenbildung
und die Vollendung der Produkte nach Art des Handstrickens geschieht.
Die Pundstrickmaschinen ermöglichen die Herstellung der Strumpflänge,
des Fusses und der Ferse auf maschinellem Wege. (Rundstrickmaschine von
Mac Narr}'-.) Eine Verbesserung der amerikanischen Tuttlemaschine ist die
Pundstrickmaschine von Biernatzki, beides Abänderungen der Bickfordmaschine
und zwar kann mit diesen Verbesserungen auch Pechts- und Pechtsware ge-
arbeitet werden. Am besten entspricht die Strickmaschine von S. W. Lamb
dem Bedürfnisse, Strümpfe mit Ferse und Spitze herzustellen, eine flache
Strickmaschine, l3ei der die Nadeln durch Schlossdreiecke oder Heber bewegt
v^erden. Mit ihr lassen sich Wirkwaren mannigfachster Art herstellen, ausser
P,ingelware auch Pänderware, Zwei- und Zweiränderware oder Patentränder,
sowie Fangware und Pressmuster.
Zur Herstellung von Links- und Linksware werden von M. Ulbricht und
Strickmaschinenfabrik in Kappel Maschinen mit Doppelhakennadeln hergestellt.
Nur in seltenen Fällen sind die als reguläre Ware benannten Gregen-
stände einteilig, sondern sie werden meist aus mehreren Teilen zusammen-
gefügt, die auf der Wirkmaschine so geformt sind, dass sie ohne Zerschneiden
mit ihren Kanten an einander genäht werden können. Die zu verwendenden
Nähte müssen hierbei, ebenso wie bei den geschnittenen Waren, ebenso elastisch
sein wie die Ware selbst. Derartige Nähte sind: die Halbenglische Naht oder
gewöhnliche Schlingennaht; die Polnische Naht; die Türkische Naht; die
Deutsche Naht und die Englische Naht.
Ein fabrikmässiger Betrieb der Wirkerei für den Export findet nament-
lich in England, einigen Gegenden Deutschlands und in Frankreich statt; in
England, als dem ältesten Sitze der Industrie, ist dieselbe sehr umfangreich
und ausgebildet. Frankreich zeichnet sich nur durch den speziellen Artikel
seidener Strümpfe, sowie Theatertrikots aus Seide und Baumwolle aus, worin
es unerreicht dasteht. In Deutschland wird hauptsächlich die Herstellung von
W. betrieben in Sachsen (Gegend von Chemnitz) ; es werden dort vorzugs-
weise baumw^ollene Strumpfwaren, sowie wollene, baumwollene, leinene und
seidene Handschuhe gefertigt. Aus Burgstädt kommen besonders feine sei-
dene, wollene und baumwollene Jacken, in welchen Artikeln auch Stuttgart
Hervorragendes leistet, ebenso Stollberg und Oelsnitz. Für Wollenartikel ist
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 41
642 AVischau— Wollbärte.
Apolda in Thüringen die bekannte Hauptstadt, ausserdem ist Zeulenroda zu
nennen, ferner Nürnberg, Erlangen, Calw und Reutlingen.
Wischau, Stadt in Mähren: Schaf- und Baum Wollindustrie.
Witney, ein englischer schmaler Calmucs.
Witney-blankets sind englische wollene Bettdecken.
Wittenberg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Merseburg : Fabrikation von
Strumpfwaren, Leinenwaren und Segeltuch ; die ehemals bedeutende Tuchfabrik
ist eingegangen.
Wittenberge, Stadt im preuss. B,eg.-Bez. Potsdam: Woll-, Tuch- und
Shoddyfabrikation.
Wittgensdorf, Dorf in der sächs. Amtshauptmannschaft Chemnitz :
Baumwollspinnerei, Fabriken für Strumpfwaren und Handschuhe, je zwei grosse
Bleichereien und Färbereien.
Wittstock, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Potsdam: drei Tuchfabriken,
Spinnereien und Färbereien.
Wladimir, G-ouvernement in Bussland: bedeutende Baumwollmanufak-
turen, Färbereien, Tuch- und Leinwandfabriken.
Wlamek, s. Ravenstuch.
Wogenband, Wasserwogenband, Wellenband, laufende Welle, laufender
Hund (vgl. Abb. 346 a), einer der griechischen Omamentränder , wie der
Zinnigenabschluss (b) , das Torusband (c) und die Perlschnur (d). Die Ent-
stehung der als freie, an einander gereihte Krönung erscheinenden laufenden
Welle ist wohl eine rein geometrische oder eine TJebersetzung der einfachen
Mäanderlinie ins Bunde. Nahe liegt auch die Bildung derselben in der
Flechterei und Wirkerei, woselbst das Ornament als Abschlussborte in den
einfachsten Arbeiten (Abb. 232, S. 396) aus der Technik heraus entwickelt
erscheint. In gleicher Entstehung kommt das W. vor auf gewirkten orienta-
lischen Teppichen, ganz besonders enthält eine Art von Sumakhdecken das
Motiv. (Vgl. auch die Bandborte in Abb. 111, S. 237.)
Abbildung:
346. Darstellung aus: Katalog der Grewebesaramlung des Germanischen National-
museums in Nürnberg, Teü I, Nr. 213: Bruchstück einer Wirkerei mit Bändern ab-
wechselnd bunt gemustert; frühmittelalterlich.
Woiloks, in Bussland aus Filz und Binderhaaren verfertigte Decken,
welche zum Belegen des Fussbodens in Zimmern dienen. Sie werden in ver-
schiedener G-rösse besonders um Kaluga und in Sibirien gefertigt und zumeist
über Archangel verschifft.
Wolf, Yorbereitungsmaschine der Spinnerei, kommt als Klopfwolf und
Beisswolf oder Oefifner in der Baumwollspinnerei vor. In der Wollspinnerei
wird auch ein Krempelwolf und ein Klettenwolf angewendet.
Wolkenmuster (lat. : nubiatum; franz.: nebule, nuees; engl.: nebuly),
als Kunstform auf orientalischen Greweben, Stickereien und Teppichen des 16.
und 17. Jahrh. sind keine seltenen Erscheinungen. Man setzt den Ursprung
derselben nach China, wo das Motiv schon frühzeitig im Flachmuster Ver-
wendung findet und sich auf die persische Kunst überträgt. Hier erfährt die
Form im Teppich oft eine besondere Gestaltung (Abb. 325, S. 569), die im
Webemuster (Abb. 347) sich einfacher darbietet. Auch die sog. buddhistischen
Kugeln, welche in Gruppen zu dreien das Wolkenmuster häufig begleiten, sind
von China her übernommen.
Abbildung:
347. Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart:
Seidengewebe, abweehselnd in weissen und bunten Streifen gemustert: die ersteren
mit den buddhistischen Kugeln, die anderen mit dem Wolkenornament. Persien oder
Türkei 17. Jahrh.
Wollbärte oder Barttuch ist ein tuchartiges, gewalktes Zeug mit sehr
langen glänzenden, gewalkten Wollfasern (Angorawolle) auf der Oberfläche.
Wolldecken — Wolle.
643
Abb. 347,
Es wird beim Gebrauch in etwa handbreite Streifen zerschnitten und an das
Schauende der Tuche genäht zur Verzierung.
Wolldecken werden aus Wollengarn und zuweilen auch mit baum-
wollener Kette in allen möglichen Farben, Mustern und Formen zu den ver-
schiedensten Zwecken fabrikmässig angefertigt.
Wolle (franz.: laine; engl.: wool; ,,
ital.: lana), die eigenartige Haardecke des
Schafes , ist schon vom Altertum her
(s. Geschichtliches) ein wichtiger Artikel a.
als Bekleidungsstoff gewesen und mit der
Zeit ein Weltartikel von grösster Bedeu-
tung geworden. Anfangs verarbeitete man
die W., wie sie die gewöhnlichen Schafe
gaben, doch bestanden schon Sortenunter- b.
schiede je nach den verschiedenen Län-
dern, wovon namentlich die englische W.
als die beste und längste galt, und es
wurden grosse Mengen davon für die nie- ^'
derländischen Tuchmachereien ausgeführt,
bis 1660 die Ausfuhr streng verboten
wurde, eine Massregel, die sich bis 1825
erhalten hat. Vor etwa anderthalb hun-
dert Jahren begann eine neue Periode in
der Wolleproduktion durch Einführung
der edlen spanischen Schafe, zunächst
nach dem Kurfürstentum Sachsen, wes-
halb die hier gezüchtete feine W. den
Namen Elektoralwolle erhielt. Die
edlen spanischen oder eigentlich mauri-
schen, aus Afrika stammenden Schafe
bilden zwei Rassen, die eigentlichen M e-
rinos, die Träger der Elektoralwolle,
und die Negrettis. Die ersten sind
Stallvieh und haben die feinste W. , in-
dessen die andere mit dichterem, kräf-
tigem und nicht ganz hochfeinem Yliess
aus jenen entstanden sind durch ein Wan-
derleben , indem sie im Sommer in den
Gebirgen von Altkastilien und Aragonien,
im Winter in den Ebenen von Estrema-
clura und der Mancha geweidet wurden.
Die W. der Schafe aus der Provinz Bur-
gos heisst Burgales as und ist meist
rosa, selten weiss; die Cuencaswolle
ist geringerer Qualität. Die W. der Ne-
grittaschafe nennt man in Spanien In-
fantadowolle und die aus Leon Leo-
nesas. Nach dem Vorgänge Sachsens
haben dann auch die übrigen Länder,
Oesterreich_, Ungarn, England, Frankreich,
spanische Schafe aus Spanien oderDeutsch-
land eingeführt und ihre Herden durch spanisches Blut veredelt, teils durch Me-
rinos, teils durch Negrettis. Alle wirklichen Schäfereien halten jetzt mehr oder
weniger veredeltes Vieh und man sucht durch Kreuzungen möglichst drei Ziele
zugleich zu erreichen: AVollfeinheit, Wollmenge und Körperschwere. Da die
Veredelung immer vom männlichen Tiere ausgeht, so sind edle Zuchtwidder
sehr teuere Gegenstände. In England wird hauptsächlich auf grossen Schafen
die lange, kräftige und glänzende Wolle gezüchtet, wie sie zu Kammgarn er-
b.
644 Wolle.
forderlich ist. Die Verpflanzung der spanischen Edelschafe ist nirgend besser
gelungen als in Sachsen und einigen anderen Gegenden Deutschlands, jedoch
nicht in allen. Hier ist die Merinowolle nicht nur ebenso gut, sondern meist
besser, weicher und zarter als in ihrem Yaterlande, so dass man also in Deutsch-
land tatsächlich die feinste W. antrifft und die Engländer, welche alle hoch-
feine W. kaufen müssen und sie früher von Spanien nahmen, jetzt nur das
Wenigste dort, sondern die Hauptmenge in Deutschland kaufen.
Greschichtliches. Die Verarbeitung der Wolle zu Kleidungsstücken
ist wohl in allen Ländern der gemässigten Zone der Verbreitung des Schafes
auf dem Fusse gefolgt; überall in Vorder- und Mittelasien, in Aegypten, in
Mittel- und Südeuropa finden wir Wollenweberei als uraltes Hausgewerbe.
Ebenso alt war gewiss auch das heute noch bei den Kalmücken tind Kirgisen
gebräuchliche Verfahren, die Wolle mittels der Einwirkung heissen Wassers
oder eines Leimes zu filzen. Die frühesten Nachrichten über die Wolle als
einen der Hauptartikel der Industrie und des Handels weisen auf Babylon und
Niniveh, woselbst die wichtigen Ausstattungen der W^ohnräume daraus be-
standen. Dass auch bei den Aegyptern die Wollenmanufaktur und die Teppich-
wirkerei in grossem Umfange seit den ältesten Zeiten betrieben ward , davon
geben uns die Nachrichten aus der Bibel Kenntnis. Babylonische Mäntel sollen
in Syrien schon im 2. Jahrhundert getragen worden sein. Von da hat sich
die Wollenweberei als ausgebildeter Industriezweig wahrscheinlich nach Phöni-
zien und Kleinasien verbreitet. Den Grriechen war die Wolle in der höchsten
Kulturperiode der beliebteste Kleidungsstoff; der volle Faltenwurf derselben
trat an die Stelle der gekniffenen und welligen Leinenzeuge. Besonderen Ruf
in der Herstellung von Wollenstoffen erlangten die Städte Milet, Samos, Korinth,
Karthago, Tarent, auch die spanischen Städte Cartagena, Tarragona u. s. w.
Ueberhaupt muss in den letzten Jahrhunderten des Altertums die Schafzucht
in Spanien auf einer sehr hohen Stufe gestanden haben , denn der römische
Geograph Strabo berichtet, dass ein ausgezeichneter Zuchtwidder mit 1 Talent,
d. s. etwa 4700 Mark, bezahlt worden sei. Besonders gesucht war die natur-
schwarze Wolle Spaniens. Nach den Berichten von „Dr. K. Weinhold, Nor-
disches Leben, Berlin 1856", war bei den Sachsen und Skandinaviern das
Wadmal, ein grobes hausgemachtes Wollenzeug, das gewöhnlichste Tauschmittel
und diente statt des Geldes. Man unterschied verschiedene Sorten, gewöhnliche
und feinere, darunter auch gestreifte Stoffe. Sehr stark und dick war der
Loden, dem ähnlich, wovon Plinius sagt, dass es dem Eisen und selbst dem
Feuer Widerstand geleistet hätte. Noch derber war das Flockenzeug oder der
Filz. Die Strickwolle wurde in den baltischen und Nordseeländern seit frühesten
Zeiten zum Stricken der meistens blauen grossen Strümpfe oder Hosen, der
gemeinsamen Tracht für Frauen und Männer, benützt. In Friesland musste
zu den Zeiten Karls des Grossen die Wollenweberei zu grösserer Vollendung
gediehen sein, da friesische Mäntel von ihm als Geschenke in das Ausland ge-
sandt wurden. Seit dem 10. Jahrh. wurden die deutschen Wollenmanufakturen
berühmt und lieferten die Modestoffe. Von Deutschland aus zog sich die feinere
Wollenweberei mehr nach Flandern und wurde durch den Schutz, den ihrBalduinlll
(gest. 1162) zu teil werden liess, besonders gepflegt. Er berief deutsche Weber
und Spinner in seine Staaten zur Bereitung der feinsten Tuche und vorzüg-
lich der fast ebenso hoch wie die Purpurseide geschätzten Scharlachtücher. Von
Flandern und Belgien verpflanzte sich dann die feine Tuchfabrikation zunächst
nach Florenz, dann auch nach den übrigen Städten Italiens, Mailand, Genua und
Neapel. In Florenz blühte die Wollenweberei bereits im Anfange des 14. Jahrh.
Nach Giov. Villani waren 200 Gewölbe für Wollenverkauf schon damals in
Florenz, wurden 70 — 80000 Stücke Tuch des Jahres gefertigt, während
zwanzig Appreturanstalten jährlich für 30000 Goldgulden ausländisches Tuch
verfeinerten. Während der bürgerlichen und darauffolgenden religiösen Un-
ruhen in Flandern und Brabant wanderten viele der geschicktesten Wollen-
weber nach fremden Staaten, die meisten nach England, ein Teil nach Deutsch-
land. Ihnen verdankt England den Flor seiner Wollenindustrie. In der Mitte
Wollendruck —Wollengarne. 645
des 16. Jahrb., zur Zeit Eduard III, flüchteten über 100 000 Wollenweber aus
Flandern, meistens nach England. Frankreichs Tuchmanufakturen brachte vor-
züglich Colbert in Aufnahme. In der Schweiz bestanden gleichfalls sehr alte
Fabriken, die besonders zu Zürich blühten. Die altberühmten deutschen Wollen-
manufakturen — so schreibt auch Gottfried Semper im § 41 seines Werkes :
„Der Stil" — wetteifern mit mehr oder weniger Vorteil mit den englischen und fran-
zösischen. Gewisse Fabrikate, z. B. das für Stickereien, Posamentierarbeiten
und Strickgewebe so notwendig lange Kammgarn, wird nirgends so schön bereitet
und gefärbt wie in Norddeutschland. Die langhaarigen angoraartigen Schafe der
Nordseeküste und der Haide liefern dazu den fast einzig geeigneten Kohstoff.
Wollendruck, d. h. das Bedrucken von Wollenstoffen mit Mustern, ist
erst gegen das Ende des 17, Jahrhunderts aufgekommen. Man legte den Stoff
zwischen zwei genau aufeinander passende Formen, in welche dasselbe Muster
ganz durchbrochen eingeschnitten war, goss auf die obere Form eine heisse
Farbenbrühe, welche an den durchbrochenen Stellen den mit Weinstein und
Alaun präparierten Stoff durchdrang und unten wieder abfloss (s. Golgas-
druck). Bei dem, früher besonders in Mülhausen im Elsass angewandten,
Berill druck (s. d.) bediente man sich heisser Messingformen und Farben,
welche mit Beizen und Stärke oder Gummi verdickt waren; da diese Yer-
dickungsmittel nicht wieder entfernt wurden, lagen die Farben erhaben auf:
erhabener Druck. Im Jahre 1810 fing man in Sachsen an, die auf-
gedruckten Farben durch Dämpfe zu fixieren, mittels heisser Walzen usw.,
später durch Wasserdampf. Diese Methode ist dann im Laufe der Zeit viel-
fältig ausgebildet und verbessert worden. S. Zeugdruck.
Wollengarne werden auf zwei Arten aus verschiedenen Wollsorten her-
gestellt, wonach man Streichgarn (engl.: woolen ; franz.: laine cardee) und
Kammgarn, auch Saye-, Sayet- oder Soyegarn genannt (engl.: worsted;
franz. : laine peignee) unterscheidet. Als Streichwolle dient kurze, stark ge-
kräuselte Wolle, als Kammwolle möglichst lange, nicht oder nur wenig ge-
kräuselt. Hiernach und infolge der verschiedenen Behandlung erscheint das
Streichgarn im Faden weich und rauh, wollig und dient zu tuchartigen ge-
walkten Stoffen, während das Kammgarn glatt , dichter an Körper ist und zu
glatten Zeugen, Tibets u. a. gebraucht wird. Für Streichgarn wird die ge-
reinigte, auf Maschinen gelockerte und mit Oel gefettete Wolle, weiss oder für
wollfarbige Tuche schon gefärbt, durch Krempelmaschinen zunächst in rollen-
artige Tafeln verwandelt und schreitet dann weiter in ähnlicher Weise wie
beim Verspinnen von Baumwolle (s. Baumwollengarn) zu Lunte, Vorgespinst
und Feingespinst vor.
Zum Belaufe der Kammgarnspinnerei wird dazu die geeignete lange Wolle
eingeölt und gekämmt, d. h. durch Beihen von heissen Stahlnadeln gezogen^
wodurch die kurzen Fasern (Kämmlinge) herausgehechelt und die langen in
parallele Lage zu einander gebracht werden, während die Hitze die Neigung
zum Kräuseln aufhebt. Die gekrümmte lange Wolle, der Zug, bildet klafter-^
lange, lockere Bänder, welche der Spinnmaschine übergeben werden. Neben
der Handkämmerei hat man verschiedene Kämmmaschinen, doch ist die erstere
nicht ganz entbehrlich. Die Weite und das Numerieren des Garns stimmt
meistens mit den beim Baumwollgarn üblichen überein. Je nach der Be-
stimmung der Garne im Webstuhl unterscheidet man auch bei der Wolle
Kettengarn und Schussgarn; das erstere erhält beim Spinnen stärkere
Drehung als das andere, und für Tuche und andere der Walke unterliegende
Stoffe haben beide auch entgegengesetzte Drehungen, das eine rechts, das
andere links. Frankreich, nimmt in Bezug auf die Qualität und die hohe
Feinheit seiner Streichgarne den ersten Bang ein, namentlich sind die W. von
Beims, Elboeuf und Sedan bisher als die feinsten anerkannt. Oesterreich gleicht
sich in den mittleren und niederen Sorten mit Frankreich und besitzt in
Brunn die grösste Streichgarnspinnerei Europas. Belgien liefert ebenfalls gute,
mittlere und gewöhnliche Sorte. Alle diese Länder versorgen England und
Deutschland mit Streichgarn.
646 AVoUenstoffe— Württemberg.
Woilenstoffe, s. Wolle und Wollenwaren.
Wollenwaren (Wollenzeuge) nennt man alle aus Schafwolle, allein oder
mit anderen Faserstoffen gemischt, hergestellten Gewebe, vornehmlich versteht
man aber unter Wollzeugen Stoffe, welche aus Kammgarn allein oder mit
Streichgarn, Seide, Baumwolle usw. gemischt angefertigt werden, wie z. B.
Kasemir, Fries, Kamlot, Lasting, Moltons, Merino usw., die alle unter den be-
treffenden Artikeln behandelt sind.
Wollfarbig heisst ein Stoff, wenn die dazu verwandte Wolle bereits
gefärbt war.
Wollindustrie, s. Wolle.
Wollkämme bestehen aus einem mit zwei Hornplatten belegten und mit
einem Stiele versehenen Brettchen mit zwei E-eihen langen Stahlnadeln (Zähne),
durch welche die zur Verfertigung von Kammgarn dienende Wolle gezogen
wird, nachdem die Zähne vorher erhitzt sind, wodurch der Wolle die Kräuse-
lung und das Bestreben, sich zu verfilzen, entzogen wird. Im Handel unter-
scheidet man die W. nach der Anzahl und dem weiteren Stand der Zähne in
24er, 26er, 28er und 30er und verkauft sie entweder paarweis oder nach dem
Dutzend. Uebrigens sind die W. immer mehr durch Maschinen verdrängt
worden, zumal die Wollkämmerei auch eine der Gresundheit schädliche Tätig-
keit ist.
Wollmolton, s. Barchent.
Wollmosaik, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Teppiche,
Tapeten u. dgl. gebräuchlich, entstand durch Aufstäuben verschiedenfarbiger
Scherwolle auf einem mit flüssigem Kautschuk getränkten Stoff.
Wollmusselin (franz. : mousseline de laine), ein leichter, locker gewebter
leinwandartiger Sommerstoff aus feinem Kammgarn zu Damenkleidern, meist
buntbedruckt mit weissem oder farbigem Grund^ wird in Deutschland, England
und Frankreich in Menge gefertigt. Eine wohlfeilere Sorte mit baumwollener
Kette heisst Milaine. (Vgl. auch Etamine und Flor.)
Wollspinnerei, s. Spinnerei.
Wolltapeten, s. Tapeten.
Wongshy (chinesische G-elbschoten) heissen die Samengefässe einer zu
den Gentianeen gehörenden, auf Batavia wachsenden Pflanze, welche zum Gelb-
färben von Seiden- und Wollenzeugen dienen und deshalb nach Europa ge-
bracht werden.
Worksop, Stadt in der engl. Grafschaft Nottingham: Woll- und Strumpf-
warenfabriken.
Worstead (engl.), wollener Stoff, so benannt von der Stadt Worstead
(Norfolk).
Worsted ist hartes Kammgarn.
Woylach (russ. = Filz), eine wollene Decke, die, mehrfach zusammen-
gelegt, als Sattelunterlage dient.
Wrapper (engl.), langer wollener Shawl.
Wünschelburg, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Breslau : Leinen-, Tuch- und
Wollweberei, Strumpfwirkerei.
WÜrbenthal, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien: bedeutende Spinnerei,
Zwirnerei und Weberei, Garn- und Zwirnbleichen, Fabrikation von Tischdecken
und Kaffeetüchern.
Württemberg, Königreich in Süddeutschland: die Textilindustrie ist sehr
ausgedehnt, besonders die Baumwollfabrikation; Spinnereien bestehen in
Metzingen, Esslingen, Kuchen, Betzingen, Unterhausen, Wangen, Heidenheim,
Brühl, Urach, Nürtingen, Bempflingen, Unterboihingen, Cannstatt, Calw. Die
Spinnerei hat bedeutend gelitten, da grosse Mengen von englischen Gespinsten,
auch von amerikanischen, auf den Markt kommen. Die B aum woll web er ei er-
zeugt namentlich Bunt- und Jacquardwebereien, aber auch glatte, rohe Ge-
webe, gestreifte farbige Hemdenstoffe. Eine grosse Verbandstofffabrik in
Heidenheim. Die früher sehr starke Handweberei geht mehr und mehr zurück.
Die S ch af Wollindustrie ist zum grossen Teil auf den Import schlesischer,
Würzburg — Xylolin. (547
ungarischer und englischer Wolle angewiesen; es werden Kammgarne zu
Bietigheim, Esslingen und Salach gesponnen, hier ist die Konkurrenz der
französischen Kammgarnspinnerei fühlbar. Kunstwolle wird in Cannstatt her-
gestellt; Tuch und Buckskin namentlich in Esslingen, Heidenheim,
Göppingen, Reutlingen, Backnang, Calw und Nagold; wollene Teppiche
und Flanelle in Heidenheim, Balgheim, Aalen, Ereudenstadt; Wollfilz in
Oingen a. Br. Leinengarne werden noch viel mit der Hand besonders
auf der Alb und den Eildern gesponnen, noch mehr aber auf diese Weise ge-
woben. In Laichingen und Umgegend, Blaubeuren und Stuttgart wird bessere
und Handelsleinwand, in Böblingen, Göppingen und Stuttgart Leinwanddrill,
in Stuttgart und Blaubeuren Tischzeug hergestellt. Der Hauptsitz der Leinen-
industrie ist Urach, besonders für Spinnerei. Seidenzwirnerei ist in
Bönnigheim und Jsny, Seidenweberei in Böblingen, Waiblingen, Sindel-
fingen, Gmünd u. a. Wollindustrie in Stuttgart, Heidenheim, Calw, Beut-
lingen, Nagold, Metzingen, Esslingen, Göppingen usw. Wollfilzfabrikation
in Giengen. Wollene und baumwollene Strumpfwaren in Ehingen,
Tuttlingen, Oberndorf, Calw, Beutlingen u. a. Leinene Gimpen und
Einsätze, geklöppelte Spitzen u. dgl. werden in grosser Menge zu
Nürtingen, Beutlingen u. a. 0. gefertigt. Die Weisswarenindustrie
(Stickerei in Ravensburg) hat besonders durch die Einfuhr englischer Artikel
zu leiden.
Würzburg, Hauptstadt des bayr. Beg.-Bez. Unterfranken: Im 18. Jahrh.
betrieb Kurfürst Johann Philipp von Mainz hier die Seidenzucht mit Erfolg.
Eine bedeutende kirchliche Stickereiwerkstatt wurde im Anfange des 18. Jahrh.
unterhalten, wovon noch Originale (vgl. Abb. 155, S. 293) vorhanden. Im
Kunstgewerbe-Museum zu Berlin Sammlung von Entwürfen aus derselben.
Würzen, Stadt in Sachsen: Weberei, Bleicherei, Teppiche und Eilz-
fabrikation.
Wüstegiersdorf, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Breslau: Wollspinnerei und
-Weberei, Leinwandfabrikation und Leinwandhandel.
Wüstewaltersdorf, Dorf im preuss. Beg.-Bez. Breslau: Leinwand- und
Baumwollweberei, Färberei, Bleicherei und Appreturanstalten.
Wyschnij Wolotschök, Stadt im russ. Gouvernement Twer: zwei Baum-
wollspinnereien und eine Weberei.
Xalisko, einer der Pacificstaaten der Republik Mexiko : Baumwollindustrie.
Xamitum, aus Hexamitum entstandene mittellateinische Bezeichnung
sechsdrähtigen Seidenstoffs, später des Sammets, welches Wort aus dem obigen
hervorgegangen ist.
Xanten, Stadt im preuss. Beg.-Bez. Düsseldorf: Sammetfabrikation,
Baumwoll- und Leinenweberei.
Xeres de los Cavalleros, Stadt in der span. Provinz Badajoz: Leinen-
industrie.
Xyloidin ist der schon früher von Braconnot durch Einwirkung von
Salpetersäure auf Stärkemehl, Holz, Baumwolle erzeugte Stoff; aus dem später
die Schönbeinsche Schiessbaumwolle und das Kollodium entstand.
Xylolin, billiger leinwandartiger, von Claviez & Co. in Leipzig-Plagwitz
und Adorf in den Handel gebrachter Webstoff, dessen Kette aus Baumwolle
und dessen Einschuss aus zylindrisch zusammengedrehten Streifen von dünnem
Holzstoffpapier besteht, und der zu Arbeitskleidern, Tischdecken, Handtüchern,
Unterkleidern usw. verwendet wird.
648 Yamamayseide — Zagori.
Y.
Yamamayseide (jap.), richtiger Yama-mayu, bedeutet Berg (Yama) oder
wildes Kokon (mayu), Produkt des Eichenspinners.
Yan-tioh, eine Sorte Manelle, die als Spanish stripes (s, d.) in Asien
auf den Weltmarkt gebracht werden.
Yapendjis, Filzmäntel mit Velpel aus Kaukasien, welche nach Russland
und der Moldau verkauft werden.
Yarkand, Stadt im chinesischen Ostturkestan, am Flusse Y. : Teppich-
erzeugung.
Yard, das englische, seit 1889 auch in Indien gesetzlich vorgeschriebene,
sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika geltende Ellenmass von
3 engl. Fuss = 0,9144 m.
Yarmouth, s. Great-Yarmouth.
Yeux de perdrix, in Frankreich ein halbwollenes, halbseidenes Zeug,
das die Hautelisseweber verfertigen. Man macht auch in Zittau gemusterte
Tischzeuge, die so benannt werden.
Yezd, Stadt in Persien: Erzeugung von Filzteppichen, welche zu den
feinsten und teuersten Sorten gehören. In allen Berichten wird als Eigen-
tümlichkeit darauf hingewiesen, dass es in Y. im 17. Jahrhundert Seidenweber
gab, welche es verstanden, in ihre Gewebe Figuren einzuwirken „und selbst
Schrift, so trefflich wie die beste Handschrift".
Yomudteppiche sind solche aus Turkmenen, der Grundton ist eisenviolett :,
neuerdings kommt auch ein Zinnoberrot zur Verwendung, das auf beginnenden
Verfall des Farbensinnes deutet. Der Name stammt von Yomnuden, einem
türkischen Stamme der um das alte Merv gelagerten Nomaden. S. Teppich.
Yonkers, Stadt im nordamerik. Staate New York : Woll- und BaumwoU-
warenfabrikation, Teppiche, Seidenwaren und Hüte.
Ypern, Stadt in der belg. Provinz "Westflandern: Spitzenfabrikation,
auch "Woll- und Leinenstoffe ; war einst Sitz der ausgebreitetsten Tuchfabri-
kation.
Yssengeaux, Arrond.-Hauptstadt im franz. Departement Haute Loire:
Fabrikation von Spitzen, Bändern, Blonden; Seidenzwirnerei.
Yu-cha-usa heissen in China die aus Frankreich und Deutschland ein-
geführten Kamelots.
Yu-Iing nennt man in China den Lasting. Yu-mau den holländischen
und Yu-sho den englischen Kamlot.
Yvetot, Hauptstadt des gleichnamigen franz. Arrond., Departement Seine
Inferieure : Fabrikation von Baumwollstoffen (grobes Garn, gewöhnliche Zeuge^
wohlfeile bedruckte Kattune), Leinwand, Sammet und Strumpfwaren.
Zabbara, Zappares, Zapara, Zappora, nennt man in den Mittelmeer-
ländern die Fasern der Agave, welche als Schuss zu verschiedenen Geweben
(Pferdedecken, Fischernetzen, Tressen, Spitzen, Halstüchern usw.) verarbeitet
werden, während zur Kette Seide dient.
Zackelwolle, die Wolle des ungarischen Zackelschafes.
Zagori, Hauptstadt eines kleinen unabhängigen Gebietes im türkischen
Vilajet Janina, deren Einwohner besonders Wollweberei und Seidenzucht treiben.
Zahl— Zeitz. 649
Zahl, ein Garnmass, welches auch Zaspel oder Haspel genannt wird =
1/2 oder Va Strähn = 10 oder 20 Gebind zu 9, 10, 18, 20 oder zu 40 Faden
zu 3 bis 4 Ellen (2 — 2^/3 m) Länge den Faden.
Zähne, am Webstuhl die Stäbe des Rietblattes.
Zamora, Hauptstadt gleichnamiger span. Provinz : Weberei und Färberei
von Wollenwaren.
-Zampel, Zampelzug, eine Vorrichtung am Zampelstuhl, einem ver-
alteten Webstuhl für grossmusterige Stoffe. Sie besteht aus einer Menge, an
der Seite des Stuhls vertikal befestigter Zampelschnüre oder Zampel-
karden, welche nach der Patrone des Musters in verschiedene Lätzen,
starke, teils vor den Z ampelschnüren hinlaufende Schnüre, gelesen sind. Durch
einen Zug an einer Latze werden die vor ihr liegenden Zampelschnüre ge-
spannt und dadurch wieder die Kettenfäden gehoben. Solche Zampelstühle
sind sowohl in Indien als auch in Japan noch im Gebrauch (s. Abb. 126, S. 263).
Zampelwebstuhl = Zampel.
Zampten sind Zampellatzen (s. Zampel).
Zanella, ein atlasbindiges Gewebe mit baumwollener Kette und kamm-
wollenem Schuss.
Zangalet, s. Sarsenets.
Zangalettes, s. Sangales.
Zante, Zankynthos, Hauptstadt gleichnamiger jonischer Insel: bedeutende
Baumwollspinnerei, Fabrikation von Haarteppichen, Seidenzeugen und Leinwand.
Zapara, s. Zabbara.
Zapparazeuge, s. Zabbara.
Zappares, Zappora, s. Zabbara.
Zara, Hauptstadt des österr. Königreiches Dalmatien : WoU- und Seiden-
w arenfabrikation.
Zarasasheissen im spanischen Handel die gedruckten Kattune oder Kalikos.
Zaspel, älteres Garnmass, s. Zahl.
Zatteltracht , auch Zaddeltracht, eine im 13. Jahrh. aufgekommene
Tracht, bei der die Ränder der männlichen Kleidung in lange Zacken oder
Streifen (Zatteln) zerschnitten oder mit Zatteln besetzt waren.
Zeesinge nennen die Seeleute die dünnen Taue aus ungeteertem Hanf,
welche zum E-effen der Segel dienen.
Zeger nannte man früher die aus dem Ziegenhaar von der griechischen
Insel Zia gefertigten, mit Seewasser gewalkten und wasserdichten Zeuge.
Zehnbindig, Köper, in welchem ein Schussfaden über neun Kettenfäden
flott liegt und erst den zehnten bindet.
Zehner (Dizaine), die stärkere Linie, welche je zehn kleine Quadrate
der Carta rigata (s. d.) begrenzt.
Zeichenkattun, soviel wie Pausleinwand (s. d.).
Zeidler, Dorf i. Böhm.: Wirk- u. Posamentierwaren, namentlich Zwirnknöpfe.
Zeitschriften für Textilindustrie: Leipziger Monatsschrift für
Textilindustrie, Leipzig, dazu Wochenberichte; Zeitschrift für die ge-
samte Textilindustrie, Leipzig - Gohlis ; Deutsche Tuchhalle, Forst
(Lausitz); Deutsche Teppich- und Möbelstoff-Zeitung, Darmstadt;
Das deutsche Wollengewerbe, Grünberg (Schlesien); Der deutsche
Leinenindustrielle, Bielefeld; Die Seide, Krefeld; Die Textilzeitung,
Berlin; Die deutsche Wirkerzeitung, Apolda-Berlin-Chemnitz ; Zeit-
schrift für Posamentenindustrie, Dresden-A.; Der Konfektionär,
Berlin; Färber-Zeitung, Berlin; Leipziger Färber-Zeitung; Zeit-
schrift für Farben- und Textil-Chemie, Karlsruhe in Baden; Zeit-
schrift für Musterzeichner, Adorf i. Y.; Deutsche Kunst und Deko-
ration, Darmstadt.
Zeitz, Stadt im preuss. Peg.-Bez. Merseburg: Wollspinnerei, Zeugdruck,
Färberei; Wäsche-, Flanell-, Wachstuch-, Wollen- und Halbwollwaren-, Pikee-,
Damast-, Bettdecken-, Vicognegarn-, Fries-, Handschuh-, Baumwollwaren- und
Kattunfabriken.
650 ^^le — Zeugdruck.
Zele, Flecken in der belg. Provinz Ostflandern: Weberei, Fabrikation
von Sack-, Segelleinwand und Bettdecken; Flachs- und Hanfbau.
Zell im Wiesental, Stadt in Baden: Baumwoll-, Seiden- und Kammgarn-
spinnerei, Buntweberei und Fabriken für Kunstwolle, Baumwollwaren.
Zeltleinwand, soviel wie Segeltuch.
Zempel, s. Zampel.
Zendeltaffet, leichtes leinwandartiges Grewebe aus gekochter Seide.
Zenia, ein starkes gestreiftes, aus Rindshaaren und grober Wolle ge-
webtes Zeug, dient in Italien zum Ausschlagen der Gondeln.
Zenica, Stadt im bosn. Kreis Travnik: Teppichfabrikatioji.
Zephyrgarne, ZephyrwoUe heissen die vielfädigen, locker gezwirnten,
weichen Kammgarne, welche, in allen gangbaren Farben gefärbt, zur Woll-
stickerei (Tapisserie) häufige Verwendung finden. Die sächsischen Kammgarn-
spinnereien liefern grösstenteils das Grarn, das hauptsächlich in Berlin, Ham-
burg und Altona gefärbt wird.
ZephyrwoUe, s. Zyphyrgarne.
Zerbase, persische gold- und silb er durchwirkte Zeuge; eine Art Orraye,
ist auf beiden Seiten rechtsseitig.
Zerbst, Stadt im Herzogtum Anhalt: Streichgarnspinnerei, Fabrikation
von Tuch, Plüsch und Seidenwaren.
Zetani (satin), ursprünglich aus China importiertes Atlasgewebe, wird
im Mittelalter in arabischen und griechischen Webereien zum wichtigen Er-
zeugnis. Seine Natur geht aus der italienischen Bezeichnung „Zetani raso''
hervor, was ein „glattes" Gewebe andeutet und dem arabischen „atlas" gleich-
bedeutend ist.
Zetel, Gemeinde im Amte Varel des Grossherzogtum Oldenburg: Leinen-
und Baumwollweberei.
Zethau, Dorf in Sachsen bei Dresden : bedeutender Flachsbau, Weberei.
Zettel (vom lat. schedula), in der Weberei s. v. w. Kette, auch Part
oder Patrone.
Zettelbaum, der Kettenbaum am Bandwebstuhl.
Zettelende, die beiden Längsenden eines gewebten Stückes, im Gegen-
satz zum Sahlband.
Zetteln, die Kette scheren.
Zettelrahmen = Scherrahmen.
Zettelrolle, Zettelspule, am Bandwebstuhl eine oder mehrere Spulen zum
Aufwickeln sehr schmaler Ketten (anstatt auf einen Kettbaum).
Zeug, gewebter Stofi"; am Webstuhl die Schäfte nebst Zubehör.
Zeugbaum = Unterbaum am Webstuhl.
Zeugdruck, ein Verfahren, um auf Zeugen durch teilweise Färbung
Muster hervorzubringen, dem die Färberei voraufging, jedoch auch schon uralt
ist (s. Geschichtliches). Anfangs druckte man nur auf Leinwand; die mit der
VerlDreitung der Baumwollstofi"e aufgekommene Kattundruckerei ist derjenige
Zweig, welcher am meisten zu Erfindungen und Verbesserungen auf diesem
Gebiete Anlass gegeben hat, indem die Baumwolle sich vorzüglich zur An-
nahme der Farben eignet. WoU- und Seidendruck haben sich erst später aus-
gebildet. Um einen Baumwollenstoff zur Aufnahme eines vollkommenen Druckes
vorzubereiten, wird er zuerst gebleicht (dies geschieht bei dem Auftragen von
Türkischrot jedoch nicht) und dann wird die Oberfläche durch Absengen von
allen feinen Fäserchen befreit, um nachher auf dem Kalander geglättet zu
werden. Hierauf werden die für den Walzendruck bestimmten Zeuge in einer
Anzahl Stücke zusammengeheftet und auf eine Walze aufgewunden, was mittels
eines besonderen Apparates geschieht, welcher alle Falten verhindert. Es gibt
fünf Methoden des Druckes für Muster und Figuren. Die erste wird mit der
Hand mittels viereckiger hölzerner Blöcke oder Druckformen (Model), auf
deren Oberfläche die Muster durch eingesetzte Messingstreifen und -stifte ge-
bildet sind, ausgeführt. Bei der zweiten Methode erfolgt er durch grössere
Holzformen, welche über die ganze Zeugbreite reichen und durch eine Maschine
Zeugdruck. 651
in Tätigkeit gesetzt werden, die nach ihrem Erfinder Perrot den Namen
Per rotine führt. Die dritte Methode, welche jedoch veraltet ist, bewirkt
den Druck durch gravierte Kupferplatten. Die vierte besteht in einem System
kupferner gravierter Zylinder oder Walzen, die in einer sehr zierlichen aber
auch sehr komplizierten Maschine angebracht sind, mittels deren 2, 3, 4 und
selbst 5 Farben schnell nacheinander durch blosse Drehung der durch Elementar-
kraft bewegten Maschine aufgedruckt werden können. Ein solcher automatischer
Drucker verrichtet das Greschäft mit solcher Greschwindigkeit, dass von einigen
Mustern ein Stück in einer Minute bedruckt werden kann. Die fünfte Methode
besteht in dem Bedrucken der Gewebe mit Hautereliefwalzendruckmaschine,
welche von Oberkampf 1780 erfunden worden ist und in welcher die E.elief-
walzen mit den erhaben in Holz geschnittenen oder mit aus Metallkomposition
durch Gruss hergestellten Mustern besetzt sind. Die Druckmaschinen sind in
der Neuzeit sehr verbessert worden und auch die Reliefwalzendruckmaschine
für den gleichzeitigen Druck mit mehreren Farben eingerichtet. Ausserdem
sind in chemischer Beziehung vielerlei verbesserte Yerfahrungs weisen iind
Farbezubereitungen erfunden worden; so anstatt des 1750 in der Schweiz er-
fundenen Kuhkotbades die Anwendung eines künstlichen Gremisches aus phosphor-
saurem Natron und phosphorsaurem Kalk; ferner die Anwendung des Blut-
albumins , anstatt des teuerem Eiweiss ; ferner der Grebrauch verschiedener
Verdickungsmittel (wie Salep, Tragant, Sirup, geröstete Stärke) und die Be-
festigung der Beizen auf dem Stoff durch Ammoniakgas; der 1811 erfundene
Lapisdruck stellt mittels Ausfärbens in der Blauküpe und im Krappkessel
mehrere Farben zugleich her : die Dampffarben auf Baumwolle und Seide, das
Griessen der Muster mittels Farbebrühe und das Aetzen weisser Muster mittels
Chlorkalks usw. Die oben erwähnte Zeugdruckmaschine von Perrot hat Ver-
breitung in Frankreich, in der Schweiz, in Belgien und Deutschland gefunden.
In dieser Maschine sind drei hölzerne Druckmodel von 0,75 — 1 m Länge und
5 — 12 cm Breite angebracht, die mit Birnbaumholz belegt und mit erhaben
geschnittenen oder gegossenen Metallmustern belegt sind. Diese Model sind
zueinander rechtwinkelig gestellt und können eine nach der andern so in Be-
wegung gesetzt werden, dass sie gegen die vordere, obere oder hintere Seite
eines vierseitigen Prismas treffen, welches mit Tuch überzogen ist und sich
um eine Achse zwischen den 3 Formen dreht. Der Kattun wird durch einen
Zylinder, auf den er sich aufwindet, über das Prisma hinweggezogen und
während dessen durch das Spiel der Formen bedruckt. Um den sanften
elastischen Druck der menschlichen Hand nachzuahmen, sind Federn vorhanden,
welche die Form gegen das Prisma drücken. Jede Form wird nach voll-
brachtem Drucke mit einem ausgespannten und mittels einer mechanischen
Bürste mit Farbe bestrichenem Tuche in Berührung gebracht, um zu einem
abermaligen Abdrucke bereit zu sein. Mittels der Perrotine lassen sich mehrere
Muster herstellen, welche die Walzendruckmaschine ohne Beihilfe der Relief-
walzen nicht zu drucken vermag. Die Walzendruckmaschine besteht aus einer
gravierten Kupferwalze, welche, sich drehend, gegen eine andere mit Tuch
überzogene Walze drückt und gehörig mit Farbe versehen wird, so dass sie
dem zwischen beiden Walzen durchlaufenden Stoff einen gefärbten Druck mit-
teilen kann. Das Muster wird entweder auf einen massiven oder auf einen
hohlen Zylinder von Kupfer, Messing oder Kanonenmetall graviert, welch
letzterer auf eine starke eiserne Welle aufgetrieben wird, die als Achse dient.
Die Erfindung des Amerikaners Jakob Perkins, Grravierung mittels stählerner
Prägewalzen von einer Oberfläche auf die andere zu übertragen, gab ein Mittel
ab, die Kattundruckwalzen auf weniger kostspielige Weise herzustellen. Perkins
Erfindung wurde zu dem Zwecke von Locket in Manchester 1808 benützt.
Es wird zuerst das Muster auf eine kleine 78 cm im Quadrat haltende Fläche
gezeichnet, so dass die Grrösse dieser Fläche in einer bestimmten Anzahl von
Wiederholungen genau der Fläche des Zylinders gleich ist, hierauf wird das
Muster auf eine Walze aus weichem Stahl übertragen und eingraviert und
dann diese Walze gehärtet. Die so hergestellte Matrize kommt nun in eine
652 Zeugdruck.
besonders konstruierte Presse, worin sie rotierend gegen eine andere weiche
Stahlwalze gedrückt wird, so dass sich auf letzterer das vertiefte Muster er-
haben darstellt. Auf diese Weise wird die Herstellung der Walzen viel billiger,
, als beim Gravieren mit der Hand. Für gewisse Muster werden die Kupfer-
walzen auf einer Art Guillochiernlaschine mittels einer Diamantspitze graviert.
Eine besondere Art des Walzendruckes besteht in der Anwendung hölzerner
Walzen, worauf die Zeichnung erhaben ausgeschnitten ist. Neuerdings werden
solche Reliefwalzen auch dadurch hergestellt, dass man glatte Holzwalzen mit
einem aus leichtflüssigem Metall gegossenen Mantel bekleidet, worauf das Muster
durch den Guss in eine Form hergestellt ist. Enthält einQ und dieselbe
Maschine Walzen mit vertieftem Muster und ßeliefwalzen zugleich, so heisst
sie eine vereinigte Druckmaschine.
Eine besondere Kenntnis erfordert es , die Bereitung und Zusammen-
setzung der im Zeugdruck zur Verwendung gelangenden Farben dem jeweiligen
Verfahren anzupassen. Sie hat sich zunächst nach den farbigen Wirkungen
zu richten, welche erzielt werden sollen, nach den Farbstoffen und Farbbildern
oder Beizen, welche zu fixieren sind, und nach der Natur des Gewebes, welches
dem Druck unterliegt. Es lassen sieh (nach Luegers Lexikon der gesamten
Technik, Bd. 7, S. 986) im allgemeinen dafür sieben Arten kennzeichnen:
1. Die Fixierung erfolgt im Baumwolldruck durch Dämpfen, wenn die
Druckfarbe im wesentlichen aus einer anorganischen Körperfarbe oder einem
Farblack und aus Albuminlösung besteht.
2. Enthält die Druckfarbe als wesentlichen Bestandteil einen organischen
Farbstoff und ist er ein substantiver und wasserlöslich, so sind neben der Ver-
dickung nur Substanzen wie Essigsäure und Glyzerin vorhanden, welche seine
Löslichkeit und seine Vereinigung mit der Faser befördern. Nach dem Auf-
druck führt ein Dämpfprozess die Fixierung mit dem Gewebe herbei. (An-
wendung im Woll- und Seidedruck). Ist der Farbstoff unlöslich und besitzt
er keine Verwandtschaft der Mitteilsamkeit zur Faser, wie Indulin oder In-
digo , so ist die Druckfarbe mit einem Lösungsmittel (Acetin) oder das zu
bedruckende Gewebe mit einem Reduktionsmittel (Traubenzucker) zu versehen,
welches während eines Dämpfprozesses seine lösende Wirkung auf ihn ausübt
und in die Faser einzudringen ermöglicht. (Anwendung im Baumwolldruck.)
3. Enthält die Druckfarbe neben der Verdickung eine farbbildende orga-
nische Substanz, so ruft diese im Moment des Aufdruckens die Farbe hervor
(Diazoverbindung auf mit Naphtol grundiertem Baumwollgewebe) oder sie liefert
erst durch Oxydation die Farbe, weshalb das Oxydationsmittel der Druckfarbe
beigefügt ist (Anilinschwarz aus Anilinsalz. Anwendung im Baumwolldruck).
4. Enthält die Druckfarbe Beize, so führt nach deren Fixierung und
nach Entfernung der Verdickung die Ausführung im Bade eines Beizenfarb-
stoffes zur Bildung farbiger Muster an den von der Druckfarbe vorher be-
deckten Stellen. (Kombination von Druckerei und Färberei, Herstellung ge-
musterter Färbeware im Kattundruck).
5. Enthält die Druckfarbe eine Mischung von Beize und Farbstoff, so
erfolgt die Fixierung beim Verhängen an der Luft oder beim Dämpfen, wobei
entweder die Bildung des unlöslichen Farblackes stattfindet, oder, wenn ein
solcher bereits vorhanden ist, dieser in Lösung geht und von der Faser auf-
genommen wird, um nach Verflüchtigung des Lösu.ngsmittels unlöslich in der
Faser zu bleiben (Genre vapeur et application, Anwendung im Baumwolldruck.)
6. Enthält die Druckfarbe teils mechanisch wirkende, (Harze, Fette, Ton,
Bleisulfat), teils chemisch wirkende Substanzen (Zuckeroxyd, Bhodankalium,
Calciumacetat, Kupfersulfat und -nitrat, Bleinitrat, Zinnsalz, Kaliumsulfid), so
verhindern diese das Eindringen des Farbstoffes oder des Beizmittels in das
ungefärbte oder gefärbte Gewebe an denjenigen Stellen, welche von ihnen be-
deckt sind. (Reserve, Schutzgang. Anwendung des Beservagedruckes im
Baumwoll- und Seidedruck.)
7. Enthält die Druckfarbe Substanzen, welche dazu dienen, einem bereits
gefärbten oder gebeizten Gewebe den Farbstoff oder die Beize auf chemischem
Zeugdruck. 653
AVege durch ITeberführung in lösliche Form stellenweise zu nehmen, wegzu-
ätzen, so benützt man gegenüber Beizen, die meist Metalloxyde sind, Alkali-
salze schwacher, die Faser nicht angreifender Säuren, wie Zitronens., Opals.,
Weins. , gegenüber Farbstoffen oxydierende Agentien , wie Kaliumbichromat
(mit Schwefelsäure), rotes Blutlaugensalz (mit Natronlauge) oder reduzierende
Substanzen, wie Zinnsalz, Zinnoxydulnatron, Zinkstaub (Aetze, Enlevage, An-
wendung in Baumwoll-, Woll- und Seidedruck),
Beim Baumwollendruck unterscheidet man in der Anwendung von
Beizenfarbstoffen, Tanninfarbstoffen, Küpenfarbstoffen, Entwickelungsfarben und
Albuminfarben; ferner im G-ebrauch von Reservagedruck, welcher be-
zweckt, die Aufnahme bezw. die Entwickelung einer Farbe, die durch Klotzen
oder Färben auf den Stoff gebracht wird, durch vorherigen Aufdruck gewisser
Substanzen an den bedruckten Stellen zu verhindern ; in der Anwendung des
Aetzdrucks, welcher gestattet, mit dem vorhandenen Walzenmaterial die
Zahl der Artikel bedeutend zu vermehren , indem mit derselben Walze , die
ein buntes Muster in weissem Grunde drucken würde, umgekehrt ein weisses
Muster in farbigem G-runde durch Zerstörung resp. Lösung der Farbe oder
Beize hervorgerufen wird. Die Herstellung gemusterter Färbe-
artikel, einer stets Weiss im Muster enthaltenden Ware, welcher zum Teil
auch die durch B,eservieren und Aetzen fabrizierten Artikel zuzurechnen sind,
besteht in einer Kombination von Druckerei und Färberei, insofern eine oder
mehrere Beizen auf das Gewebe aufgedruckt und nach deren Fixieren die
Farbe durch Ausfärben mit Beizenfarbstoffen entwickelt wird.
Der Wolldruck oder das örtliche Färben wollener Zeuge geht im
allgemeinen einfacher vor sich als der Druck der Baumwolle , da die Befesti-
gung der Farbstoffe, als welche hauptsächlich Säurefarbstoffe dienen, infolge
grösserer Verwandtschaft dieser zu der Wollfaser leichter zu bewerkstelligen
ist. Sie erfolgt durch blosse Anwendung von Wasserdampf, wozu das Gewebe
vorher sorgfältig gereinigt, unter Umständen auch gebleicht sein muss. Auch
das Chloren der Wolle vor dem Bedrucken derselben ist von Vorteil. Die
Aufnahmefähigkeit der Wolle für Farbstoffe wird ferner dadurch erhöht, dass
man sie mit Zinn präpariert: sie stannatiert. Auch Aetzeffekte lassen sich
im Wolldruck erzielen.
Der Seidendruck arbeitet mit denselben Hilfsmitteln wie der Woll-
druck; er gestaltet sich insofern noch einfacher, als ein Prägnieren des zu
bedruckenden Materials sich erübrigt.
Zur Geschichte des Zeugdruckes haben die im letzten Jahr-
zehnt immer mehr erforschten Koptischen Textilfunde (s. d.) , die wichtigsten
Beiträge geliefert; erst durch sie ist es möglich geworden, für gedruckte
Stoffe des frühen Mittelalters sichere Originalstücke beizubringen und von hier
aus nach dem Altertum hinauf Bückschlüsse über dieselben zu ziehen, wovon
uns vorher griechische und römische Geschichtsschreiber umständlich berich-
teten, ohne dass wir uns eine rechte Vorstellung davon machen konnten.
Plinius erzählt mit deutlichen Worten , dass die Aegypter die Kunst verstan-
den, durch verschiedene Beizen, die man auf die gewebten Stoffe auftrug, so
dass sie unsichtbare Muster bildeten, diese Stoffe so zu präparieren, dass sie
bunt und mehrfarbig gemustert aus dem Färbekessel, in den man sie nur einen
Augenblick eintauchte, herausgehoben wurden. Solche Stücke liegen uns nun
vor in den Funden aus Oberägypten. Es sind Wandbehangstoffe aus Lein-
wand, die auf rotem oder blauem Grunde ausgesparte grosse figurale Muster
zeigen. Einer derselben ist fast vollständig erhalten in der Sammlung des
Kunstgewerbemuseums in Berlin (s. Kgl. Pr. Kunstsammlungen 1900), auf welchem
dargestellt ist die Geschichte Daniels in der Löwengrube. Die Technik dieser
dem eigentlichen Zeugdruck voraufgegangenen Musterfärberei stimmt überein
mit dem heute noch in Indien gebräuchlichen Batik (s. d.), dessen Verfahren
durch Wachsabdeckung in Japan (Abb. 348) mittels Schablonen (s. d.) künst-
lerisch erweitert worden ist, in neuester Zeit auch in Holland und Frankreich
durch Anwendung chemischer Hilfsmittel noch mehr der Neuzeit entsprechend
654 Zeugdruck.
entwickelt ist. Der "Wachsmalerei mit Blau- oder Rotfärbung kam man in früher
Zeit für kleinere Muster bald in Anwendung von Formen zu Hilfe, die aus
Holz oder Ton bestanden und die wir uns zunächst im Sinne unserer grösseren
oder kleineren Stempel vorzustellen haben. Welche allgemeine Ausdehnung
diese Technik in den ersten Jahrhunderten v. Chr. schon genommen hatte,
weist Dr. E,. Forrer (Die Kunst des Zeugdruckes vom Mittelalter bis zur
Empirezeit, Strassburg i. E. 1898) nach durch ein in einem Grabe zu Achmim
gefundenes Kinderkleidchen, dessen Musterung aus einem gewellten Eautennetz
mit eingelegten Sternen besteht. Und zwar ist erwiesen, dass dieses Grewand
nicht im fertigen Zustande bedruckt, sondern aus einem im Stück behandelten
StofP geschnitten wurde. Hergestellt ist die Musterung mit Hilfe von drei
verschiedenen Stempeln. Einen sassanidischen Zeugdruck des 6. Jahrh. bildet
Geh.-E,. Lessing im Jahrbuch der Königl. Preuss. Kunstsammlungen, Jahrgang
1880 ab, der im Muster den Raub des Granymed (auffliegender Adler mit einem
Knaben in seinen Fängen) darstellt. Der feine BaumwoUenstofF ist in Schwarz,
Gold und E,ot mit Model bedruckt. Eine Reihe weiterer Zeugdrucke des
frühen Mittelalters veröffentlicht Dr. Forrer auch in dem Werke: Die Zeug-
drucke der byzantinischen, romanischen, gotischen und späteren Kunstepochen,
Strassburg 1894. Derselbe Forscher macht uns in dem zuerst genannten Buche
näher bekannt mit dem von Cennino Cennini um 1400 dargestellten Verfahren
zur Herstellung von Zeugdrucken in Italien mittels Holzmodel; er bringt
ferner „Eine Nürnberger mittelalterliche Anweisung zur Anfertigung von Zeug-
drucken" — alle diese wichtigen literarischen Quellen begleitet Forrer mit
persönlich gesammelten wertvollen Originalen.
Abb. 348.
Abbildung:
348. Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart :
Gedruckter Baumwollenstoff, Grund hellblau, Muster in Weiss ausgespart: Felder mit
Schrift. Japan 18. Jahrh.
Die Formengebung der gedruckten Stoffe weicht übrigens kaum von der-
jenigen der Gewebe ab ; man kann sogar nachweisen, dass sich Muster gewebter
Originalstoffe aus dem 13. Jahrh. als genaue Nachahmungen im Zeugdruck
wiederholen. (Vgl. Abb. 1 auf Tafel III). Und so haben auch die Koptischen
Funde andere Druckstoffe des 13. Jahrh. gebracht (Abb. 349), die sich ohne
Weiteres der arabisch-sizilianischen allgemeinen Formensprache in der Muste-
rung anschliessen. Frühzeitig tritt auch der Zeugdruck als Hilfsmittel für
Zeugdruck.
655
die Stickerei auf, wofür Julius Lessing im genannten Artikel des Jahrbuchs
den unter Abb. 350 wiedergegebenen Stoff beibringt, in welchem die kleinen
Rosetten um die sechseckigen Felder herum teilweis gestickt sind. Im 17. Jahrh.
erschienen auch Modelvordrucke auf Leinen für Spitzen. —
Abb. 349.
Abbildung:
349. Originalaufnahme aus dem Kaiser Friederich-Museum in Berlin: Leinen-
stoff, in Braunschwarz gedruckt mit einem Adler und Pfauen zwischen einer Borte
aus arabischem Ornament. Orient oder Sizilien (?) 12. — 13. Jahrh. (Aus einem
koptischen Grrabe).
Deutschland nimmt im Mittelalter in der Herstellung von Zeugdrucken
die erste Stelle ein und zwar kommt nach Dr. Forrer dafür in frühromanischer
Periode die Gegend am Niederrhein _, um Köln und Siegburg herum, in Be-
tracht, woher die meisten Beweisstücke gekommen sind. Die Muster zeigen
einfach gezeichnete Tiergestalten, Vögel, Greifen, Hasen, Hunde u. s. w., in
Kreisen oder spitzovalen Feldern , die reihenweis geordnet sind , andere mit
Bankenmotiven durchsetzt. Das Grundmaterial besteht aus Baumwolle oder
farbiger leichter Seide, welche sie mehr oder weniger als Futterstoffe charak-
terisieren, der Druck ist in Schwarz, Braun, Grün, Silber und Gold aus-
geführt. Vom Unterrhein führt Forrer den Zeugdruck rheinabwärts bis Mainz,
dann östlich durch Bayern (Nördlingen, Ulm und Nürnberg, später Begens-
burg, Augsburg u. s. w.) nach Oesterreich , südlich über Strassburg nach der
Schweiz. Eine westliche Linie führte von Köln aus nach Holland und von
dort nach Flandern und Frankreich. Gegen Mitte und Ende des 14. Jahrh.
erscheinen die Bild-Zeugdrucke: die Vorläufer der auf Papier und Pergament
abgedruckten Holztafeldruckbilder. Hierher gehört der von A. Essenwein im
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1872, abgebildete Stickereivordruck
mit Darstellung des Todes der Maria, woran sich viele erhaltene Beispiele
schliessen mit Bildern aus dem Leben Jesu, der Verkündigung Maria n. s. w.
656
Zeugdruck.
Im 15. Jahrh. wird das gewebte Grranatapfelmuster (s. d.) im Zeugdruck
wiederholt, die Renaissance verwendet die Kleider- oder Tapetenmusterung
seltener für das billigere Surrogat, erst im 17. Jahrh. werden die Drucke
wieder häufiger, namentlich in der zweiten Hälfte desselben sieht man den
Zeugdruck nicht allein in Deutschland, sondern auch in Holland, Frankreich,
Oesterreich u. s. w. an Ausdehnung gewinnen.
Abb. 350.
Abbildung:
350. Darstellung aus : Jahrbuch der Königl. Preuss. Kunstsammlungen, Berlin
1880 : Druck in Gold und Schwarz auf Baumwolle : In Reihen versetzte Sechsecke
aus einem Flechtband, darin je ein Adler; dazwischen kleine Blütensterne, welche
teilweise bestickt sind. Original im K. G.-M. zu Berlin. 11. — 12. Jahrh.
Am Ausgange des 15. Jahrh. wurde der Zeugdruck zumeist von den
Buchdruckern gehandhabt, womit in Uebereinstimmung steht, dass statt der
früher üblichen Anwendung verschiedener Farben eine Zeit lang alle Druck-
stoffe in Schwarz erscheinen. Erst als im 17. Jahrh. diesem Zweige der
Textilkunst wieder mehr Beachtung geschenkt wurde, benutzte man neben der
schwarzen Aufdruckfarbe auch rot, violett, blau, weiss und grün und es wur-
den, wie Dr. Forrer schreibt, diese Farben mit Oel angerieben. Neben dieser
Abart von Oelfarb endruck übte man als weitere Ueberlieferung aus der goti-
schen Periode den Sammet- oder "Wolldruck, wozu man ein grobes Flachs-
gewebe mit Kleister oder Leim bedruckte und darauf farbigen geschabten
Wollstaub streute. So erschienen solche Arbeiten als Nachahmungen von
Sammettapeten und gleichen Altarbehängen. Eine Konkurrenz ward gegen
Ende des 17. Jahrh. den deutschen sogen. Oeldrucken in den Fabrikaten aus
England und Holland, welchen ein besseres Yerfahren der Farbenverbindung
Zeugfdruck.
657
mit dem Gewebe zu Grunde lag. Eine neue Art „mit Wasserfarben nach
Schweizer Art" zu drucken , hing auch mit einer neuen Herstellungs-
weise zusammen „die gedruckte Ware nach dem Drucke zu färben." Diese
englisch-holländische Manier kam um 1690 in Benützung und begann sich
schnell zu entwickeln (s. im Artikel Augsburg). Das Verfahren glich jener
schon von Plinius erwähnten Technik der Wachsfärberei. Der Stoff wurde
unter Anwendung von Holzformen mit Wachs- oder Kleistermasse bedruckt, man
färbte ihn hierauf in Indigobottichen und wusch dann die Aufdruckmasse aus.
Ein solcher Dekor mit dem Streumuster der Zeit stimmte fast genau überein
mit den gleichzeitig gebräuchlichen, blau bemalten Geschirren aus chinesischem
Porzellan und Delfter Fayence und so wurde jene Zeugmusterung auch als
„Porzellandruck" bezeichnet. Interessante Einzelheiten teilt Dr. E,. Forrer
aus älteren Schriften in seinem 1898 erschienenen Werke mit. Neben den
Blumenmustern verstieg man sich auch wieder zu figuralen Darstellungen aus
der biblischen Geschichte, Darstellungen von Städten und dergleichen, ähnlich,
wie sie in das Damasttischzeug übergegangen sind, welches in jener Zeit
in Süddeutschland und Oesterreichisch- Schlesien gewebt wurde. (Abb. 174,
S. 320). Auf der Höhe der Fabrikation
im Zeugdruck standen in jener Zeit die Fig. 351.
Erzeugnisse von Neuhofer in Augsburg
(s. im Artikel Augsburg S. 42).
Abbildung:
351. Kattundruck aus einem Berliner
Musterbuch von 1830—1840.
Hamburg erhielt seine erste Zeug-
druckerei im Jahre 1737. In Sachsen
gründete G. Oehme die erste Druckerei
zu Zschopau, dann folgte 1741 Preussen,
woselbst unter Friedrich dem Grossen
ein Schweizer Kattundrucker Dup lau-
tier eine Druckerei in Berlin errichtete.
Ausläufer derselben haben sich mit be-
scheidenen Produkten noch bis in die
30er Jahre des 19. Jahrhdts. erhalten.
(Abb. 351). Auch in Breslau wurde
unter dem Protektorate Friedrich des
Grossen eine Kattunfabrik eingerichtet, welcher allenthalben ähnliche Anlagen
folgten. Alle solchen Gründungen überragten aber die Augsburger Manu-
fakturen bis zum Ende des 18. Jahrhdts. Um die Mitte des 18. Jahrhdts.
beginnen die Fabriken im Oberelsass sich zu entfalten, woselbst Mülhausen
ein bedeutender Mittelpunkt wird. Der Buhm elsässischer Druckindustrie
und der Weltruf ihrer Fabrikate beginnt mit der Einrichtung einer Fabrik
von Haussmann in Logelbach bei Kolmar, deren Begründer Chemiker in der
Augsburger Fabrik von Schule gewesen war. Mülhausen, ehedem eine freie,
zum Schweizer Bunde gehörige Stadt, wurde 1798 dazu gedrängt, sich unter
französische Staatsleitung zu stellen, wozu die gefürchtete Konkurrenz ihrer
Fabrikate den Anlass gegeben hatte. Nun stieg die dortige Kattunindustrie
zur höchsten Vollendung, derart, dass sie bald die vorher so grossartige
deutsche Fabrikation gänzlich hintenanstellte und im Weltmarkt neben der
englischen Industrie die erste Stelle einnahm. Von da ab macht diese Industrie
durch Erfindung des Walzendrucks (s. d.) und anderer maschineller und
chemischer Hilfsmittel gewaltige Fortschritte, woran auch die elsässischen
Fabrikanten sehr verdienstlich beteiligt sind, so dass ihre Erzeugnisse sich
stets auf der Höhe der Zeit erhalten haben.
In England soll erst im Jahre 1690 eine Zeugdruckerei zu Bichmond
von einem aus Frankreich vertriebenen Hugenotten angelegt worden sein.
Die englischen Seiden- und Wollweber widersetzten sich nicht nur der An-
Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde. 42
658 Zeugdruck.
fertigung gedruckter StofiPe im eigenen Lande, sondern aucli deren Einführung
aus Indien in der heftigsten Weise, jedoch wurden selbst trotz des Yerbotes
der E-egierung solche von der englischen und holländisch-ostindischen Kom-
pagnie durch Schmuggelhandel eingeführt, bis noch strengere Gesetze er-
lassen wurden, welche das Tragen solcher Stoffe durchaus verboten; auch in
Frankreich wurden ähnliche Gesetze erlassen. Um das Jahr 1735 wurde zwar
in England das letztere Gesetz aufgehoben und die Herstellung sogen, englischer
Kattune erlaubt, jedoch mit der Einschränkung, dass die Kette aus Leinen-
garn und nur der Einschuss aus Baumwolle bestehe und dass eine hohe Ab-
gabe entrichtet werde, so dass das Emporblühen dieser Industrie unmöglich
wurde, und es wird vom Jahre 1750 berichtet, dass nur 50 000 Stück ge-
mischter Stoffe gedruckt worden sind. Erst um das Jahr 1766 fasste die
Fahrikation in Lancashire festeren Euss, woselbst sie später einen ausser-
ordentlichen Aufschwung nahm. Im Jahre 1774 wurde die oben erwähnte
Beschränkung aufgehoben, die Abgaben vermindert und 1831 dieselben ganz
abgesetzt.
In Frankreich hob man diese Beschränkungen schon früher auf, jedoch
gegen den lebhaften Einspruch der "Weber in Lyon und Bouen, und blühte
daselbst diese Industrie kräftig auf, obschon sich die französischen Kattun-
drucker den englischen gegenüber insofern im Nachteil befanden, als sie die
Baumwollengewebe teuerer bezahlen mussten. Nach Otto v. Schorn, Die
Textilkunst, Leipzig 1885, beginnt hier die Entwickelung des Zeugdrucks zu
einer eigentlichen Industrie gegen Ende des 17. Jahrhdts., nachdem unter
Ludwig XIY eine siamesische Gesandtschaft mit farbigen Blumenmustern be-
druckte Kattune nach Frankreich gebracht hatte. Diese fanden Nachahmung
und kamen unter der Bezeichnung „Indiennes" in den Handel. (Siehe auch
die Artikel Bandanadruck, Batik, Berilldruck, Golgasdruck, Lapisdruck, Walzen-
druck, Wollendruck; auch unter Japan).
Literatur: Ben ade & Storck, Der Zeugdruck, Artikel in Karmarsch und
Heerens Technischem Wörterbuch, Prag 1890; Breyga, Handbuch des gesamten
Baumwollzeugdrueks, Leipzig 1881; Crookes, A practica! handbook of dyeing and
calico-printing, London 1874; Depierre, Traite de la teinture et de l'impression des
matieres colorantes artificielles, Paris 1892 ; Dingler, Xeues Journal für die Indienne-
oder Baumwolldruckerei, der Leinen-, Seiden- und Wollzeugdruckerei u. s. w., Augs-
burg 1815 — 1818; Duerr, Bleaching and Calico-Printing, London 1896; Forrer,
Die Zeugdrucke der byzantinischen , romanischen , gotischen und späteren Kunst-
epochen, Strassburg 1894; Derselbe, Les imprimeurs de tissus dans leurs relations
histor. et artist. avec les corporations, Strassburg 1898; Derselbe, Die Kunst des
Zeugdrucks vom Mittelalter bis zum Empirestil, Strassburg 1898: Georgiewics, von,
Lehrbuch der chemischen Technologie der Gespinn stfasern, Leipzig und Wien 1898 ;
Grothe, Färberei und Zeugdruck, Leipzig 1885 ; Joclet, Woll- und Seidendruckerei,
Wien 1879; Kielmayer^ Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei,
Augsburg 1879; Kurrer, von, Geschichte der Zeugdruckerei, Nürnberg 1840; Der-
selbe, Die Druck- und Färbekunst, Wien 1848 — 50; Derselbe, Das Neueste in dem
Gebiet der Färberei und des Kattundrucks, Berlin 1861; Laub er, Handbuch des
Zeugdrucks, Wien und Moskau 1887 — 98; Lehne, Tabellarische Uebersicht über die
künstlichen organischen Farbstoffe und ihre Anwendung in Färberei und Zeugdruck,
Berlin 1893, Ergänzungsband 1898 — 99; Meyer, Das Färben und Bedrucken der
Gewebe, Hamburg 1891; Möhlau, Organische Farbstoffe, welche in der Textil-
industrie Verwendung finden, Dresden 1890; Noelting und Lehne, Anilinschwarz
und seine Anwendung in Färberei und Zeugdruck, Berlin 1892; Persoz, Traite
theorique et pratique de l'impression des tissus, Paris 1846; Rouffaer und Juynboll,
Die indische Batikkunst und ihre Geschichte, Haarlem 1899; Sansone, Der Zeug-
druck, Berlin 1890; Schützenberger, Traite des matieres colorantes comprenant
leurs applicatious a la teinture et ä l'impression, Paris 1867; Derselbe, Die Farb-
stoffe mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung in der Färberei und Drucke-
rei, Berlin 1873; Seemann, Japanische Färbeschablonen, Leipzig 1899; Soxhlet,
Anilinfärberei und Druckerei auf ßaumw ollwaren, AVien 1890; Zipser^ Geräte und
Maschinen der Wäscherei, Bleicherei, Färberei und Druckerei, Wien 1894.
Zeulenroda — Znaim.
659
Zeulenroda, Stadt im Fürstentum Reuss a. L. : Fabrikation von wollenen
und baumwollenen Strumpfwaren und Zeugen, Färbereien und Leinwandliandel.
Zibelinegarne, s. Moulineegarne.
Ziegenhain, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Kassel : Strumpfwarenfabrikation
und Teppichknüpferei.
Ziegenhals, Stadt im preuss. Eeg.-Bez. Oppeln: Schafwollspinnerei,
Leinen- und Damcstweberei , Bleicherei und Fabriken für vStrumpf- und
Wollwaren,
Ziegenwolle, die Haardecke verschiedener Ziegenarten, dient zur Her=
Stellung von Schals, Teppichen u. dgl.
Zielenzig, Stadt im preuss. E,eg.-Bez. Frankfurt a. 0.: Streichgarn-
spinnerei, "Wollspinnerei, Tuchfabrikation.
Zierstiche, s. Nähen.
Ziesar, Stadt im preuss. Reg.-Bez. Magdeburg: Tuch-, Leinen- und
Strumpfweberei.
Ziesel, die Schnüre zum Ziehen der Lätzen am Zampelstuhl.
Zindeltaffet, ein sehr leichter Taffet.
Zinna, Ortschaft im preuss. E.eg.-Bez. Potsdam: bedeutende Leiuwand-
weberei, Plüsch- und Wollzeugfabrikation.
Zinnigenabschluss, Zinnigen, Mauerzinnen nannte man im 16. Jahrh. in
Deutschland die Spitzen, also dem italienischen merli entsprechend. Grottfried
Semper weist bei dem Zin-
nigenmuster als Umrand-
ung textiler Stoffe auf dessen
Ursprung aus der Baukunst
hin, woselbst schon in Aegyp-
ten und Assyrien als Sims-
bekrönungen Zinnen im sog.
Dreischlitz erscheinen, die in
erweiterter Form auch als
Borte antiker Mosaikfass-
böden wahrzunehmen sind.
Abb. 352 stellt eine kilimartig
gewirkte Decke aus Kaukasien
dar, in welcher ein solcher
Abschluss zur breiten linearen
Kunstform geworden ist, die
aus der Schichtweberei her-
aus sich weiter entwickelt hat
und in den orientalischen Ki-
lims auch als wechselnder Quer-
streifen charakteristisch ist.
Abb. 352.
Abb il düng:
352. Originalaufnahme einer gewirkten Decke aus blauer und weisser Wolle
mit Randborteu aus Zinnigen- Ab Schlüssen. Kaukasisch 19. Jahrh,
Zintenhof , in der Umgegend von Bernau in Livland liegendes Bittergut
mit einer grossen Tuchfabrik, welche jährlich 10 000 Stück Tuche und Trikot-
fabrikate von über 1 Million Bubel fertigt.
Zittau, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen: Baumwoll-
spinnerei, Kleiderstoffweberei (darunter die Aktiengesellschaft Mechanische
Weberei mit 750 Arbeitern). Handel mit Grarnen, Leinenwaren und Baum-
wollstoffen.
Zitz, Zitse, ein feiner, bunter Kattun; der Name kommt vom englischen
chits, chints, chintz, einem aus dem Indischen stammenden Wort, das soviel
wie chinesisch heisst.
Znaim, Stadt in Mähren: Tuchfabrikation und Baumwollweberei.
660
Zofingen — Zopfstil.
Zofingen, Stadt im Schweiz. Kanton Aargau: Seidenbänder-, Wirk-,
Halbwoll- und Baumwollwarenfabrikation, Färberei und Garnspinnerei; Lein-
wand- und Wachstuchfabriken.
ZÖlkiew, Stadt in Gralizien: Tuch- und Wollzeugweberei.
Zopfstil bezeichnet in Deutschland die Kunstweise der Zeit nach Friedrich
dem Grrossen, welche aus dem in Frankreich herrschenden Stil Louis XYI.
Abb. 353.
entstanden ist. Letzterer beginnt seine Entwickelung schon um die Mitte des
18. Jahrhdts., indem die antikisierende Richtung eine zierliche Verbindung
mit den Hesten des Rokoko (s. d.) eingeht. Und wie in den übrigen Stilarten
die französische Kunstweise im Kreise der Architektur keine Rolle spielt,
sondern mehr in der Dekoration der Innenräume auf dem Gebiete der Kunst-
industrie viel ausschliesslicher zur Geltung kommt, so auch hier. Inmitten
weisser glatter Flächen zwischen den immer knapper werdenden, geradlinig
sich gestaltenden plastischen Umrahmungen aus vergoldetem Stuck, dessen
Zopfstiel.
661
Dekoration auch die Möbel annehmen (Abb. 353), machen
sich die Erzeugnisse der textilen Künste geltend, um
möglichst zarte Farbentöne zur massigen Belebung des
Glänzen hineinzutragen. Gewebe und Stickereien, erstere
in Tapetenstoffen (Abb. 354), passen sich in ihren Zeich-
nungen den modellierten Einzelheiten aus ovalen Medail-
lons , Lernen , Perlengehängen u. dgl. an , die Muster
wiederholen sich im pilasterartigen Aufbau, genau so, wie
die italienische Renaissance die Antike kopierte, nur
dass hier jeder Linie etwas eigen ist, was den vorneh-
meren Zug der organischen Entwickelung von dort her
nicht hinübergenommen hat. Dieselbe Leichtigkeit in
der Auffassung überträgt sich auch stilistisch auf die
Technik. Die Tambourierarbeit muss genügen _, um mit
Zuhilfenahme einiger Malerei einen Lambrequinstreifen
mit Querstange und umwickelter Draperie plastisch dar-
zustellen (Abb. 345, S. 639 u. Abb. 355). Tnd dennoch hilft
das Graziöse, mit welchem solcher stilistische Leichtsinn
verübt ist, über jedes Bedenken hinweg: die geschickte
Vereinigung des Materials im Zusammenhange mit Ele-
ganz und Vornehmheit der Farbengebung bergen ihre
umvillkürlichen Reize. Aber der künstlerische Zauber
einer taufrischen Blütenlese antiker Formensprache aus
Klein-Trianon war gar bald verweht in der kalten nüch •
ternen Ausdrucksweise eines steifen Empire's (s. d.).
Abbildungen:
358. Darstellung aus : Heiden, Musteratlas, Leipzig 1896 :
ßl. 13L Lehnstuhl, Holz geschnitzt und vergoldet, gepolsterte
Rücklehne und Kissen mit gesticktem L'eberzug. Original
(aus dem Zimmer der Königin Maria Antoinette) im Königl.
Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, Frankreich um 1790.
354. Darstellung aus : L'art decorer etc. par ]\L.'. Cox,
Lyon 1900 Bl. CXI.: Seidenstofftapete, G-rund rot, Muster weiss:
Pilaster artiger Aufbau , von Blumenfeldern und Vasen zwischen
Gehängen in geraden Doppellinien. Frankreich um 1790.
Abb. 355.
Abb. 354.
602 Zoppot — Zweirechtiger Köper.
355. Darstellung wie 353: Behangstreifen, Stickerei auf weissem Atlas in far-
biger Seide im Tambouriersticli mit gemalten Zwischenteilen: Bogenfelder aus drapier-
ten Bändern und gewundenen Blatt- und Blütenranken. Frankreich um 1790.
Zoppot, Dorf im preuss. ßeg.-Bez. Danzig: Fabrikation von Shoddy-
z engen.
Zottelsammet, WollenstofF mit langen, herabhängenden Noppen, von den
Völkern des Nordens in Nachahmung des Tierpelzes gearbeitet, wahrscheinlich
identisch mit einem solchen Stofife, welcher in einem koptischen Grabe ge-
funden ist. (Vgl. Sammet, S. 454).
Zrbia heissen in Marokko die Knüpfteppiche.
Zschopau, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau: Streich-
garnspinnerei, Appreturanstalt, Baumwollspinnerei, Bleicherei, Zwirnerei, Fär-
berei, Kattundruckerei, Strumpfwirkerei, Fabriken für Buckskin, Kassinet,
Flanell, Baumwoll- und Leinenwaren.
ZÜchen, Züchenleinwand, weiss und bunt gestreifte, zwillichartig bezw.
rautenweise aus flächsenem Garn gewebte Zeuge, welche als Bettzeug verwendet
und an vielen Orten Deutschlands teils für den heimischen Bedarf, teils für
den Export nach Italien, Spanien, Portugal und Amerika gefertigt werden.
Zuckmantel, Stadt in Oesterreichisch-Schlesien: Baumwoll-, Leinen-,
Damast- und Seidenindustrie.
Zug, in der Musterweberei Vorrichtung zur Fachbildung durch Ziehen
anstatt durch Treten.
Zugnadeln, Zugruten werden die zur Anfertigung des gezogenen Sam-
mets erforderlichen Ruten genannt.
Zugstuhl = Kegel- oder Zampelstuhl.
Zürich, Stadt im gleichnamigen Schweiz. Kanton : bedeutende Baumwoll-
und Seidenspinnerei und -Weberei, Druckerei, Färberei.
Zurichten, bei Geweben appretieren.
Zurkamwolle, die lange, zottige und harte Wolle einer wallachischen
Schafrasse.
Zurückweben, fehlerhafte Stellen eines Gewebes wieder auflösen.
Zurzach, Marktflecken im Schweiz. Kanton Aargau: Stickerei, Leinwand-
und Wäschefabrikation.
Zusammengesetzte Bindungen werden bei fassonierten Stoffen
angewendet, während einfache und gemischte Bindungen, wenn sie als selb-
ständische Warenverbindung vorkommen, glatte Stoffe erzeugen, (s. Taf. XVI).
Zuschneidemaschinen, Maschinen zum gleichzeitigen Zuschneiden mehrerer
Lagen Tuch usw.
Zütphen, Stadt in der niederl. Provinz Gelderland: Fabrikation von
Leinwand, Tuch, Baumwollwaren.
Zu Wefel gedreht heisst links gedrehtes, zu Werft gedreht rechts
gedrehtes Garn.
Zwehle, Twehle (althochdeutsch: dwahilla von dwahom, waschen, daher
Tuch zum Abtrocknen), schmales Leinentuch, Handtuch, Tischtuch u. dgl.
Zweibrücken, Stadt imbayer. Heg.-Bez. Oberpfalz : mechanische Zwirnerei,
Stickerei ; Fabriken für Seidenplüsch, Herrenkleider, Strickwolle, Tuch und Flanell.
Zweichorig, Stoffe, welche so gewebt sind, dass die Schäfte in zwei
Partien oder Chore geordnet sind.
Zweifädig, aus zwei Fäden zusammengezwirnt, von Leinenzwirn, Organsin-
oder Tramseide; zweifädigen Grund hat ein Sammetgewebe, wenn immer
zwei Kettenfäden des Grundgewebes neben einem Faden der Sammetkette liegen.
Zweihändig heissen Tapeten, welche mit zwei Druckformen bedruckt,
also zweimal durch die Hände gegangen sind.
Zweimännig werden Handwebestühle genannt, auf welchen breite Stoffe
von zwei Arbeitern gewebt werden, die abwechselnd den Schützen werfen
oder auffangen.
Zweirechtiger Köper zeigt auf beiden Seiten gleich viel von Kette
und Schuss.
Zwettl— Zwillich.
663
Zwettl, Stadt in Niederösterreicli : Leinwand-, Baumwoll-, Tuch- und
Bandweberei ; Färberei.
Zwickau, Hauptstadt der gleichnamigen kgl. sächs. Kreishauptmannschaft:
Fabriken für Säcke und Tuch; Vigognespinnereien, Strumpfwirkereien.
Zwickau, Stadt in Böhmen : Baumw^ollwarenfabrikation, Bleicherei, Bunt-
färberei und Türkischrotfärberei.
Zwiebelmuster, für Damastweberei und Leinenstickerei in Nachahmung
sächsischen Porzellandekors als Tischzeug modern geworden. (Abb. 35G).
Abbildung:
356. Darstellung (aus
Modenwelt) des sogen.
gezeichnet
Kreuz- und
Zwilch ,
der
Zwiebelmusters ,
für Stickerei im
Strichstich.
Zwillich
Drell, Drill, Drillich, Tril-
lich (franz.: treilis, coutil;
engl. : treilis, ticking), ist
eine Gattung von Geweben,
welche , obwohl sie nicht
durchgängig einerlei bedeu-
ten , doch die genannten
Namen führen und welche
das gemein haben, dass sie
geköperte, und zwar teils
glatte , teils gemusterte
StofPe sind, in den meisten
Fällen mit einfacher, z. T.
auch reicherer Musterung
und geradlinigen Figuren,
doch auch, da man jetzt zur
Zwillichweberei selbt den
Jacquardstuhl benützt,
mit freieren Zeichnun-
gen, den eigentlichen
Damast nachahmend
und diesen sogar z. T.
verdrängend. Der Un-
terschied von Zwillich
und Drillich besteht
darin, dass der erstere
nur einen glatten, fort-
laufend vier schäftigen Köper ohne Musterung hat, der letztere dagegen ge-
mustert und mit so viel Schäften gewebt ist, als die Grösse der Muster er-
fordert. Ursprünglich webte man alle hierher gehörenden Artikel aus Leinen
und stärkere zuweilen aus Hanfgarn, während man jetzt neben solchen auch
viel halbleinenen mit baumwollener Kette oder solchem Einschlag, sowie ganz-
baumwollene und solche hat, bei denen mehr oder weniger Baumwolle in den
Leinenstoff eingeschmuggelt ist. Die Stoffe sind entweder roh belassen oder
weiss gebleicht, einige durch Hinzunahme farbigen Garns gestreift, quadrilliert,
meliert usw. Die Gewebe dienen in ihren verschiedenen Sorten zu mancherlei
Zwecken : als Bettzwillich, entweder ganz Leinen mit gestreiften Mustern, oder
rot-, blaustreifig mit baumwollenem Schuss. Die Qualität ist verschieden; die
besten Bettzwilliche kommen aus der Gegend von Zittau, Bautzen und Löbau,
dann aus Rumburg, Warnsdorf und überhaupt aus den böhmischen Gegenden
an der sächsischen Grenze, ferner aus dem Eisenachschen, Gothaischen usw.
und werden meist auf den Messen in Leipzig, Frankfurt und Wien verkauft
oder gehen über Hamburg und Bremen nach Amerika und Spanien. — Nach-
6ß4 Zwirn — Zwittau.
ahmungen der leinenen Z. in ganz Baumwolle heissen Bettdrell, Matratzen-
zwillicli, Coutils und bestehen nur aus fortlaufendem vier schäftigem Köper,
z. T. farbig gestreift und kariert und nur in gewöhnlichen Sorten vorkommend
und zu geringer Tischwäsche, Matratzen, Bouleaux und Strohsäcken verwend-
bar. Sebnitz in Sachsen ist der Hauptsitz dieser Industrie. Dann hat man
Tischzeug- und Handtuchdrell mit grösseren und kleineren rechtwinkeligen
Mustern (Baummuster, Kreuzdukatenmuster, Steinmuster, gebrochener Stab usw.)
oder das Tischzeug in damastähnlichen Figuren auf dem Jacquard stuhle gewebt.
Die Oberlausitz, namentlich Waltersdorf, Steinigtwolmsdorf, Sohland, liefert
eine schöne Ware dieser Art, dann auch in Böhmen, Schluckeuau, Bumburg,
Warnsdorf, Trautenau und dann besonders Sternberg, Zwittau, Janowitz, Olmütz,
sowie Brunn, in Preussen ist Düsseldorf, Elberfeld, Mettmann, die Halber-
städter Gegend, dann Marburg, Fulda usw. hervorragend in der Zwillich-
fabrikation. Wichtig ist schliesslich noch die Fabrikation von Hosendrell, von
Leinen und Baumwolle gemischt, gestreift, gemustert, geflammt und meliert,
namentlich in Zittau.
Zwirn heisst im allgemeinen jeder Faden, der durch Zusammendrehen
(Zwirnen) zweier oder mehrerer Fäden entstanden ist. Je nach der Zahl der
verwandten Fäden heissen die Z. 2-, 3-, 6-, 8-drähtig usw. Höhere Ziffern
verbundener Fäden (von 10 oder 12 ab) gehen über den Begriff von Z. hinaus
und bilden Kordeln. Zweifädiger Z. heisst Eisengarn und ist mit Stärke
appretiert. Je nach dem Material gibt es Leinen-, Wollen-, Baumwollen-,
Seiden- und Hanfzwirn. Häufig nennt man die gezwirnten Artikel dennoch
Garn, so namentlich die wollenen und baumwollenen Strickgarne, die alle ge-
zwirnt sind. Die Garne zu den Z. sind in neuerer Zeit hauptsächlich
Maschinengarne mit Ausnahme der feinsten Gespinste aus Flachs zu den hoch-
feinen Spitzen. In Böhmen, wo sehr viel Z. von jeher geliefert werden, hat
das englische Maschinengarn auch schon grossenteils das Handgarn verdrängt.
Das Z. selbst geschieht auf Maschinen (Zwirnmühlen) , die entweder Hand-
maschinen sind von 16 — 32 Spindeln oder grosse komplizierte Werke von
100 — 200 Spindeln, die von Wasser oder Dampf betrieben werden. Die Z.
kommen roh oder meist gebleicht in verschiedenen Farben und auch meliert
in den Handel und die verschiedenen Stärkegrade sind durch Nummern be-
stimmt. Das Material zum Nähzwirn, der immer stärker gedreht ist, als andere
Sorten, ist Leinen, Hanf oder Baumwolle, die letztere hauptsächlich durch die
Engländer eingeführt. Es werden in Deutschland vieler Orten, namentlich auch
in Sachsen, gute Zwirne geliefert; indessen besteht doch noch eine ansehnliche
Einfuhr von rohen, gebleichten und farbigen Leinenzwirnen aus England, wo
vorzügliche Qualitäten von Leith, Paisley, Aberdeen, Dundee und Dublin her-
gestellt werden. Z. werden ausser zum Nähen, Stricken, Sticken und Zeichnen
auch gebraucht zur Herstellung von Wirkwaren^ namentlich Handschuhen und
Strümpfen, zu Häkelarbeiten, als Kette zu gewissen Webereiwaren, zu Lampen-
dochten, die feinsten zu Spitzen. Der leinene Litzenzwirn ist eine besondere
zu den Litzen der Webegeschirre bestimmte AYare. Im sächsischen Yogtlande,
der Pflegstätte der Weisswaren und des Spitzenklöppelns, werden die hierzu
nötigen Baumwollzwirne und überhaupt alle Zwirnsorten von mehreren grösseren
und kleineren x^nstalten gefertigt, und es bilden darunter die Z. zur Maschinen-
stickerei einen starken Anteil. Böhmen liefert besonders im Leitmeritzer
Kreise jeden Z., ebenso Laubegast und Lockwitz bei Dresden; ferner West-
falen, Hannover, Hessen, Gotha usw.
Zwirnen, mehrere Fäden zu einem zusammendrehen.
Zwischensatz, Einsatz (franz. entre-deux), ungezackte Spitzen zum Ein-
setzen zwischen zwei Zeugstücke.
Zwittau, Stadt in Oesterreich: Schafwollspinnerei, Fabrikation von
Leinen- und Barchentwaren, Tuch, Jutewebstoffen ; Färberei und Flachshandel.
Tafel L
Wirkereien und Webereien aus koptischen Gräbern.
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OriginalaufnaJiinen aus dem Kaiser Friedrich Museuui in Berlin.
Webereien des frühen Mittelalters.
Tafol IL
Nach vorhandenen Abbildungen und Originalen gezeichnet von Ernst Flemming, Berlin.
Tafel IIL
Webereien des späteren Mittelalters.
Darstellungen nach vorhandenen Abbildungen.
Webereien der Gotik und Frührenaissance.
Tafel IV.
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Webereien der Renaissance.
Tafel V.
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Tafel VI.
Webereien aus China und Japan.
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Originalaufnahnien aus de))i Königl. Landes-Gewerbeinuseuvi' iu Stuttgart.
Tafel VIL
Webereien aus Indien, Persien und der Türkei.
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Originalaufnalimoi aus dem. Kört /gl. Laiidcs-Gewerboiniseu/n in Stuttgart.
Tafel VIIJ.
Europäische Textilmuster der Neuzeit.
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Dar Stellung eil nach vorhandenen Abbildungen.
Aufnäharbeiten der Renaissance.
Tafel IX.
Originalaufnahmen aus der Sammlung der Städtischen Höheren Weheschule in Berlin,
gezeichnet von Ernst Flemming , Berlin.
Tafel X.
Genähte Spitzen des 16. und 17. Jahrhunderts.
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Genähte und geklöppelte Spitzen des 18. Jahrhunderts.
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Darstellungen nach Originalen und vorhandenen Abbildungen.
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Spitzen des 18. und 19. Jahrhunderts.
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Darstellungen nach vorliandenen Abbildungen.
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Orientalische Knüpfteppiche des 18. und 19. Jahrhunderts.
Originalaiif nahmen aus den Beständen des Hauses Budolpli Hertzoci in Berlin.
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Orientalische Teppiche des 19. Jahrhunderts.
On'ginalaufnahmen aus den Beständen des Hauses Budolph Hertzog in Berlin.
Tafel XV.
Darstellungen von Bindungen in der Weberei.
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Orkjinalauf nahmen nach Zeichnungen von Ernst Flonming, Berlin.
Tafel XVL
Darstellungen von Gewebebindungen (II) und Knüpftechnik.
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Mitgeteilt von Ernst Flemming, Berlin.