Skip to main content

Full text of "Handwörterbuch der textilkunde aller zeiten und völker für studierende, fabrikanten, kaufleute, sammler und zeichner der gewebe, stickereien, spitzen, teppiche und dergl., sowie für schule und haus"

See other formats


•'/ 


HANDWÖRTERBUCH 

DER 

TEXTILKUNDE 

ALLER  ZEITEN  UND  VÖLKER 

FÜR 


STüWEREmE,  FABRIKANTEN,  KAUFLEÜTE,  SAMMLER  UND  ZEICHNER 

DER  GEWEBE,  STICKEREIEN,  SPITZEN,  TEPPICHE  UND  DERGL., 

SOWIE  FÜR  SCHULE  UND  HAUS 


BEARBEITET  VON 


Max  Heiden, 

BERLIN. 


MIT  16  TAFELN  UND  356  IN  DEN  TEXT  GEDRUCKTEN  ABBILDUNGEN. 


STUTTGART 

VERLAG  VON  FERDINAND  ENKE 
1904. 


rl  w 


WS  ^ 


m  24  1945 

Druck  der  Hoffinaunschen  Buchdruckerei  in   Stuttgart. 


Vorrede. 


In  der  Industrie  und  Kunstindustrie  nehmen  die  textilen  Gebiete 
die  erste  Stelle  ein,  weil  sie  nächst  der  Ernährung  den  Bedürf- 
nissen des  täglichen  Lebens  unentbehrlich  sind.  Sobald  die  eigene 
Person  dabei  ihre  notwendige  Berücksichtigung  gefunden  hat,  stellt 
das  Leben-  für  die  Umgebung,  für  "Wohnung  und  Haus  weitere  Auf- 
gaben, deren  Lösung  im  einzelnen  sowie  in  der  Gesamt ersch einung 
eine  vielseitige  Tätigkeit  künstlerischen  Schaffens  und  mechanischer 
Massenerzeugung  in  sich  schliesst. 

Je  nach  Ort  und  Zeit  sind  von  alters  her  in  der  Weberei, 
Wirkerei,  Stickerei,  im  Zeugdruck  und  im  Bereiche  der  Spitzen-  und 
Teppichindustrie  zahlreiche  Gruppen  solcher  Erzeugnisse  entstanden, 
deren  technische  und  stilistische  Bestimmung  mit  der  kunstgewerb- 
lichen Bewegung  der  letzten  Jahrzehnte  zu  einer  besonderen  Wissen- 
schaft geworden  ist. 

Ein  Nachschlagebuch  dieser  Art  fehlte  bisher  darüber.  Man 
findet  Notizen  in  den  allgemeinen  Wörterbüchern,  und  im  einzelnen 
gibt  die  Fachliteratur  reichlich  Aufschluss,  indessen  ist  es  nicht 
leicht,  sich  im  Zusammenhange  schnell  darüber  zu  unterrichten. 

Der  Herausgeber  konnte  während  seiner  nahezu  dreissigj ährigen 
früheren  Tätigkeit  als  Verwalter  der  Stoffsammlung  des  Könighchen 
Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin  beobachten,  welche  Unklarheiten  im 
Bereiche  des  Textilwesens  herrschen  und  hat  es  unternommen, 
weiten  Kreisen  des  kunstsinnigen  Publikums,  dem  Künstler,  dem 
Kaufmann  und  Industriellen  eine  Darstellung  zu  bieten,  welche  allen 
derartigen  Fragen  gerecht  zu  werden  versucht. 

Gesammelt  und  eingetragen  sind  alle  grösseren  Orte  der  Welt, 
die  sich  mit  der  Herstellung  textiler  Erzeugnisse  befassen,  wobei  auch 
auf  ihre  historische  Bedeutung  Wert  gelegt  worden  ist;  ferner  die 
gebräuchlichsten  Fachausdrücke  der  Technik  aller  gewebten,  ge- 
druckten, gewirkten,  gestickten,  geklöppelten,  genähten  und  geknüpften 


JY  Vorrede. 


Waren  und  schliesslich  erstrebt  das  Ganze  dadurch  etwas  Nutzbringen- 
des, dass  die  Stilkunde  im  Bereiche  aller  dieser  Arbeiten  nicht 
unberücksichtigt  blieb,  was  auch  zur  Verfolgung  einzelner  Kunst- 
formen führte,  welche  im  Flächenmuster  von  Bedeutung  sind. 

Wertvolles  Studienmaterial  stand  dem  Herausgeber  dabei  durch 
frühere  Arbeiten  zur  Verfügung.  Eine  besondere  Bereicherung  erfuhr 
das  Buch  durch  die  Genehmigung  des  Königlichen  Landesgewerbe- 
museums in  Stuttgart,  dessen  bisher  noch  wenig  bekannte  reichhaltige 
Stoffsammlung  benützen  zu  dürfen,  wofür  ich  an  dieser  Stelle  Seiner 
Exzellenz  dem  Präsidenten  a.  D.  Herrn  Staatsrat  Dr.  v.  Gaupp 
meinen  besonderen  Dank  auszusprechen  mir  erlaube.  Von  grösstem 
Werte  für  meine  Arbeiten  war  mir  auch  die  Einführung  in  die  um- 
fangreiche Bibliothek  der  Königlichen  Zentralstelle  für  Gewerbe  und 
Handel  durch  Herrn  Hof  rat  Petzendorfer  daselbst. 

In  technischen  Fragen  bezüglich  der  Weberei  stand  mir  Herr 
Ernst  Flemming,  I.  Lehrer  an  der  Städtischen  Höheren  Webeschule 
in  Berlin  hilfreich  zur  Seite,  der  auch  die  Zeichnungen  einiger  Tafeln 
freundlichst  übernahm. 

Die  Bitte  um  Zusammenstellung  einer  grossen  Sammlung  mo- 
derner Stoffproben  für  technische  Zwecke  gewährte  mir  die  Firma 
Rudolph  Hertzog  in  Berlin,  welcher  ich  gleichfalls  für  die  Auf- 
nahmen der  orientalischen  moderneren  Teppichmuster  zu  Dank  ver- 
pflichtet bin. 

Die  Wiedergabe  alles  Dargestellten  in  zweckentsprechender 
Weise  danke  ich  einer  verständnisvollen  Mitarbeit  des  Verlages 
Ferdinand  Enke,  sowie  den  trefflichen  Ausführungen  der  chemi- 
graphischen  Anstalt  von  ilugust  Schul  er  in  Stuttgart. 

Steglitz-Berlin,  Oktober  1904. 

Max  Heiden. 


InhaltsYcrzeichnis  der  Tafeln 

dereu  einzelne  Nummern  in  verschiedenen  Artikeln  besonders  erwähnt  und  im 
Zusammenhange  nach.  Angabe  der  Seitenzahlen  beschrieben  sind: 

Seite 

Tafel       I.     AVirkereien  und  "Webereien  aus  koptischen  Gräbern     ......  306 

„         ir.     Webereien  des  frühen  Mittelalters 539 

„       IIT.     Webereien  des  späteren  Mittelalters 540 

„        IV.     Webereien  der  Gotik  und  Friihrenaissance 234 

„          V.     Webereien  der  Renaissance 430 

„        VI.     Webereien  aus  China  und  Japan 275 

„      VII.     Webereien   aus  Indien,  Persien  und  der  Türkei       . 383 

„    VIIT.     Europäische  Textilmuster  der  Neuzeit 541 

„        IX.     Aufnäharbeiten  der  Renaissance 430 

„         X.     Genähte  Spitzen  des  16.  und  17.  Jahrhdts 515 

„        XI.     Genähte  und  geklöppelte  Spitzen  des  18.  Jahrhdts 516 

„      XII.     Spitzen  des  18.  und  19.  Jahrhdts 517 

„    Xlir.     Orientalische  Knüpfteppiche  des  18.  und  19.  Jahrhdts 584 

„    XIV.     Orientalische  Teppiche  des  19.  Jahrhdts 584 

„      XV.     Darstellungen  von  Bindungen  in  der  Weberei 88.  624 

„    XVI.     Darstellungen  von  Gewebebindungen  und  Knüpftechnik 629 


Berichtigungen. 


38,  Z.   1   V.  u.  statt  print  lies :  point. 
135,  Z.  18  V.  0.  statt  Contil  lies:  Coutil. 
Dijou      „      Dijon. 
Spanien  lies  Spinnen. 
18.  Jahrhdt.  lies:  13.  Jalirhdt, 
XXVI  lies:  XYI. 
furtion     „      fustian. 
„  389,  im  Artikel  Palmwipfelmuster,    ist   nicht  die  nach  vorn  überschlagende 

Cypressenblüte,  sondern  der  "Wipfel  gemeint. 
„    400,  bei  Abbildung  234,  statt  sine  lies:   sive. 

Die  nicht  im  einzelnen  wiederholten  Verweisungen  sind  in  den  grösseren 
Artikeln  der  Technik,  des  Materials  und  des  Stils  berücksichtigt. 


154, 

5? 

8  V. 

0. 

159, 

?? 

5    Y. 

0. 

204, 

55 

8  V. 

0. 

213, 

55 

32  V. 

0. 

346, 

55 

1    V. 

0. 

A. 

Aachen,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Regb.  der  preuss.  Rheinprovinz : 
Hauptsitz  der  Tuch-  und  Buckskinfabrikation  in  Deutschland.  Aus 
überseeischer  Wolle  (vom  Kapland,  Buenos-Aires  u.  s.  w.)  werden  in  mehr  als 
40  Anstalten  etwa  100  000  kg.  Grarn  gesponnen,  in  138  Betrieben  zu  A.  und 
Burtscheid  bei  A.  mit  80  Dampfmaschinen  von  3000  Pferdekräften  und  13  300 
Arbeitern  jährlich  200000  Stück  Tuch  im  Werte  von  36  Mill.  Mark  erzeugt, 
wovon  für  7 — 8  Mill.  Mark  bisher  auf  amerikanischen  Märkten  Absatz  fand. 
Die  Tuchfabrikation  wurde  schon  im  12.  Jahrhundert  betrieben;  berühmt  ist  das 
sogen.  Kardinaltuch  (s.  d.),  das  für  sämtliche  hohe  Würdenträger  der  katholischen 
Kirche  hier  gewebt  wird  und  dessen  Herstellungsweise  (besonders  das  Färbeverfah- 
ren) ein  Geheimnis  der  Firma  Erckens  Söhne  in  Burtscheid  sein  soll,  sodass 
dieser  seit  Jahrhunderten  die  Lieferungen  für  den  Vatikan  übertragen  werden. 

A.  erzeugt  auch  Sammet-,  Leinen-  und  Posamentierwaren. 

Spitzen  und  verwandte  Nadelarbeiten,  zum  grossen  Teil  aus  Filet- 
arbeiten in  weissem  Leinen  bestehend,  sieht  A.  schon  im  Mittelalter  in  Nonnen- 
klöstern für  den  kirchlichen  Gebrauch  entstehen;  erhalten  sind  auch  durch- 
zogene seidene  farbige  Filetnetze  aus  dem  13.  und  14.  Jahrh. ,  wozu  Material 
und  Musterung  durch  die  zu  jener  Zeit  bestehenden  regen  Handelsbeziehungen 
A.s  mit  Venedig  über  Antwerpen  überführt  sein  werden. 

Für  Studien  älterer  Textilien  sind  von  Bedeutung  die  in  den  Be- 
liquienschreinen  der  älteren  Kirchen  A.s  als  Umhüllung  der  Gebeine  von  Hei- 
ligen aufbewahrten  Gewebe,  und  auch  vereinzelt  Stickereien,  welche  zur  Zeit 
Karls  des  Grossen  und  in  späterer  Zeit  aus  dem  Morgenlande  kamen.  Die 
wichtigsten  im  Domschatz  sich  befindlichen  Stoffe  sind  gelegentlich  ihrer 
öffentlichen  Schaustellung,  welche  alle  sieben  Jahre  (zuletzt  10. — 24.  Juli  1902) 
stattfindet,  im  Interesse  des  Studiums  für  Museen  gezeichnet  worden:  die 
besten  Abbildungen  hiervon  im  Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin.  (Heber 
Einzelheiten  dieser  Gewebemuster  vgl.  den  Artikel  Weberei,  frühes  Mittelalter 
und  Tafel  IL) 

Literatur:  Käntzeler,  Der  die  Gebeine  Karls  d.  Gr.  enthaltende 
Behälter.  Aachen,  1859;  Bock,  Der  Beliquienschatz  des  Liebfrauen-Münsters 
zu  A.  Aachen  1860;  Ders.,  Das  Heiligtum  zu  A.  Köln  1867;  Ders.,  Karls 
d.  Gr.  Pfalzkapelle  und  ihre  Kunstschätze.  Köln  1866 — 67;  Kessel,  Ge- 
schichtliche Mitteilungen  über  die  Heiligtümer  der  Stiftskirche  zu  A.    Köln  1874. 

Das  Suermond-Museum  (Direktor:  Dr.  A.  Kisa)  enthält  eine  reiche 
Sammlung  älterer  Gewebe,  Stickereien  und  Spitzen,  welche  durch  das  Ver- 
mächtnis des  Dr.  Franz  Bock  im  Jahre  1899  einen  bedeutenden  Zuwachs  er- 
hielt.    (Führer:  herausgegeben  1902.) 

Die  Preussische  Höhere  Fachschule  für  Textilindustrie 
(Direktor:  Dr.  Sigmund  Kapff")  seit  1884  bestehend,  bildet  in  ihren  verschiedenen 
Abteilungen  für  Spinnerei,  Weberei,  Färberei,  Appretur  und  Stopferei 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  1 


Aalen — Abfälle. 


Fabrikanten,  Fabrikdirektoren,  Dessinateure,  Spinner,  Färberei-  und  Textil- 
tecliniker,  AVerkmeister,  Einkäufer  und  Verkäufer  aus,  wobei  vorwiegend  die 
AVollen-  und  Halbwollenindustrie  bevorzugt  wird.  Der  Lehrplan  ist  in 
jüngster  Zeit  derart  erweitert  worden,  dass  die  Weberei  von  den  ersten  An- 
fangsgründen bis  zur  selbständigen  Fabrikation  erlernt  werden  kann.  Die  ge- 
samte Ausbildung  in  der  Weberei  ist  auf  drei  voneinander  getrennte  halbjährige 
Kurse  verteilt  worden.  Das  Schulgeld  für  einen  halbjährigen  Kursus  beträgt 
für  Deutsche  100  Mk.,  für  Ausländer  500  Mk.  Ermässigungen  und  Stipendien 
werden  bedürftigen  und  befähigten  Schülern  gewährt. 

A.  ist  der  Sitz  des  Vereins  deutscher  Seidenzucht,  der  6.  Sektion  der 
Eheinisch-AVesttälischen  Textil-Berufsgenossenschaft  und  eines  Vereins  deutscher 
Nadelfabrikanteu. 

Aalen,  Stadt  in  Württemberg:  Herstellung  von  Tuch-  und  Wollwaren, 
Druckerei,  Färberei  und  Spinnerei. 

Aarau,  Hauptstadt  im  Schweiz.  Kanton  Aargau :  bedeutende  Fabrikation 
von  Seidenstoffen,  Baumwollen-  und  Konfektionswaren. 

Aarhus,  dän.  Amt  im  östl.  Teil  der  Halbinsel  Jütland:  Baumwollen- 
manufakturen. 

Aba,  Abba  oder  Abajeh  (arab.),  grosse  Tücher,  weite  ßöcke  ohne  Aermel, 
auch  Beinkleider,  von  einfarbigen  blauen,  braunen  oder  roten  Baumwollenzeugen, 
welche  Smyrna  und  Salonichi  nach  den  Häfen  des  schwarzen  Meeres  in  Mengen 
versenden;  sie  werden  namentlich  in  Albanien  und  Mazedonien  gefertigt,  in 
neuerer  Zeit  auch  aus  Wolle.  Die  gewöhnlicheren  Stoffe  dieser  Art  benützen 
die  Grosshändler  zur  Verpackung  von  Tabak.  Auf  der  Sinaihalbinsel  heisst 
die  Ware  Grhasiz,  in  Nubien  Ahk,  in  den  Gattaländern  Moyasa, 

Abaca  (in  der  Botanik  musa  textilis,  d.  i.  Gewebe-Pisang),  Name,  welchen 
die  Eingeborenen  auf  Luzon  einer  Abart  des  wilden  oder  Affenpisangs  geben, 
die  Fasern  heissen  Manilahanf  (s.  d.). 

Abat-chauvee,  eine  französische  Ausschusswolle. 

Abats,  starke  braune  Wollengewebe,  welche  in  Mazedonien  für  Kleidung 
und  zur  Verpackung  von  Tabak  gewebt  werden. 

Abatzi,  ostindische  Baumwollenzeuge,  welche  früher  die  asiatisch-dänische 
Kompagnie  nach  Europa  einführte. 

Abbeville,  Arrondissementshauptstadt  im  franz.  Dep.  Somme :  Sammet-, 
Damast-,  Segeltuch-  und  Teppichfabriken;  erhielt  durch  Colbert  1665  die  erste 
Tuch-,  1667  die  erste  Teppichfabrik.  Vor  der  Aufhebung  des  Ediktes  von 
Nantes  hatte  A.,  infolge  seiner  Wollenindustrie  und  des  ansehnlichen  Handels, 
für  die  Textilindustrie  eine  grosse  Bedeutung. 

Abbinden,  1.  in  der  Weberei  das  Niederhalten  einzelner  Ketten-  oder 
Schussfäden  durch  andere  rechtwinkelig  darüber  geführte  Fäden.  —  2.  Ein- 
schnürung eines  Gewebes,  wenn  es  für  eine  bestimmte  Art  des  Z  eugdruckes 
vorbereitet  wird,  welche  namentlich  in  China  und  Indien  gebräuchlich  ist.  (s.  d.) 

Abdecken  heisst  das  Auflegen  von  Wachs  auf  Flächen  des  Stoffes,  welche 
ein  ausgespartes  Muster  bilden  (s.  Zeugdruck). 

Abdullah  Kani,  moderner  in  Lyon  für  Abessinien  und  Marokko  gewebter 
gestreifter  Seidenstoff. 

Abelmoschusfaser,  in  Indien  Rai  bhenda  genannt,  eine  der  Jute  ähn- 
liche   Gespinstfaser,    als    solche    verkauft    und    für  Webereizwecke    verwendet. 

Abenberg,  Stadt  im  bayr.  Regb.  Mittelfranken:  Fabrikation  von  Spitzen 
aus  Gold-  und  Silberdraht. 

Aberdeen,  Stadt  im  nördl.  Schottland :  Bedeutende  Fabriken  in  Wollen-, 
Baumwollen-  und  Leinenstoffen. 

Abergavenny,  Stadt  in  der  engl.  Grafsch.  Monmouth :    Flanellwebereien. 

Abertham,  Stadt  in  Böhmen:  Spitzenklöppelei. 

Abessinien,  Ländergebiet  in  Ostafrika:  Baumwollenweberei  und  Anfer- 
tigung von  Teppichen  aus  Wolle  und  Ziegenhaaren. 

Abfälle  (franz.:  dechets ,  engl.:  wasts;  ital. :  viatagli),  welche  sich  von 
Rohstoffen  oder  Fabrikaten  ergeben,  bilden  in  der  Textilindustrie  eine  grosse 


Ahfallspinuerei — Acantlius. 


Gruppe  wichtiger  Handelsartikel ;  A.  von  Geweben  tierischen  Ursprungs  (Fetzen 
von  Wollenzeug)  geben  das  Material  zur  Kunstwolle  (s.  d.),  woraus  die  sog. 
Shoddj's  (s.  d.)  hergestellt  werden,  üeber  A.  der  Seidenindustrie  s.  Bourrette- 
uud  Florettindustrie. 

Abfallspinnerei,  auch  Barchentspinnerei  genannt,  weil  aus  dem  Produkt 
derselben  Barchentstofi'  gewebt  wird.  Die  A.  stellt  auch  Garne  von  No.  1 — 8 
her,  mit  Verwendung  von  ostindischer  Bengal-Baumwolle  oder  aus  Mischungen 
besserer  oder  schlechter  Baumwollabfälle  (s.  a.  Florettspinnerei). 

Abgebeizte  Wolle  (franz. :  pelade,  pelure),  durch  Behandlung  mit  Kalk 
von  den  Schaffellen  losgelöste  AVolle,  in  einigen  Gegenden  auch  Gerberwolle 
genannt,  wird  zu  Flanellen  und  leichten'  Wollenzeugen  verwendet  und  ist  na- 
türlich nicht  so  fest  wie  die  von  lebenden  Tieren  geschorene  Wolle. 

Abgepasst  heissen  gemusterte  Stoffe,  wenn  sich  die  verzierte  Fläche  der 
gegebenen  Form  für  den  Gebrauch  anschliesst. 

Abhaspeln  (franz.:  devidoir;  engl.:  to  reel),  in  der  Spinnerei  die  Vorrich- 
tung, wodurch  das  Rohmaterial  von  Kötzern  oder  Spulen  in  Form  von  Strähnen 
gebracht  wird. 

Abheben  s.  Strickerei. 

Abingdon,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Berkshire:  Fabrikation  von 
Packleinen,  wollenen  Zeugen  und  gewebten  Flurteppichen. 

Ablaque  oder  Perlseide,  welche  in  Persien  erzeugt,  aber  wenig  gebraucht 
wird,  weil  sie  beim  Abwinden  kein  warmes  Wasser  verträgt. 

Abnehmen  s.  Netzarbeit. 

Abojas,  syrische  Mäntel  aus  Seide,  erfreuen  sich  in  Europa  grosser  Be- 
liebtheit. 

Abouchouchon,  eines  der  geringsten  französischen  Wollentücher,  welche 
in  den  Manufakturen  von  Carcassonne,  Nimes,  Narbonne,  Sedan,  Grenoble  für 
den  levantiner  Handel  gewebt  werden;  nach  den  bestehenden  Vorschriften 
mussten  sie  früher  1600  Kettenfaden  halten  und  schwarz  und  weisse  Salleisten 
haben:  sie  gingen  in  Mengen  über  Marseille  nach  Smyrna  und  Konstantinopel. 

Abrohany,  Name  sehr  dünner  Baumwollengewebe ,  welche  in  Ostindien 
angefertigt  werden,  s.  Mallemolles. 

Abrowahanf,  (engl. :  perennial  Indian  hemp)  stammt  von  den  zu  den 
Sterculiaceen  gehörigen  Abranaarten  A.  angustata  (Indien  und  Philippinen), 
A.  fastuosa  (xAustralien)  und  A.  mollis  (Molukken),  aus  dessen  Bastfasern  grobe 
Gewebe  und  Stricke  gefertigt  werden. 

Abruzzen,  benannt  von  Abruzzo,  nördlichster  Teil  des  ehem.  König- 
reichs Neapel:  Seidenzucht,  Herstellung  von  Stickereien  auf  weissem  uud  ge- 
färbtem (gewöhnlich)  roten  Baumwollenstoffe. 

Abschnüren  s.   Schnurschlag. 

Absetzen,  in  der  Weberei  eine  Zeichnung  in  die  Carta  rigata  bringen  (s.d.). 

Absetzen  der  Wolle  ist  die  Bezeichnung  für  das  Fehlerhafte  derselben, 
d.  h.  wenn  die  Haare  des  Vliesses  teilweise  abgestorben  sind,  M^ährend  ein 
anderer  Teil  wieder  zu  wachsen  anfängt,  oder  wenn  jede  Wollfaser  aus  zwei 
verschieden  starken  und  dicken  Teilen  besteht. 

Abtafeln,  ein  fertig  gewebtes  Stück  Zeug  vom  Webstuhl  nehmen. 

Acanthus,  auch  Bärenklaue  genannt,  eine  in  südlichen  Gegenden  wild 
wachsende  Staude,  von  welcher  es  14  Arten  gibt  (s.  Abb.  1  u.  2).  Ihre  Schön- 
heit veranlasste  den  griechischen  Architekten  Kallimachus  zur  künstlerischen 
Nachahmung,  er  benutzte  Blatt-  und  Blütenform  zur  Ausstattung  des  korinthi- 
schen Kapitals.  Von  Griechenland  aus  fand  die  Blattform  allgemeine  Verbrei- 
tung, sie  ging  auch  auf  alle  Gebiete  der  Kleinkunst  über  (s.  Abb.  3)  und  spielt 
in  den  nachfolgenden  Stilarten  eine  grosse  Bolle.  Die  europäische  Textilkunst 
bevorzugt  das  Motiv  eigentlich  nur  zur  Zeit  der  Benaissance:  sie  bringt 
Acanthusblattwerk,  Banken  u.  s.  w.  in  abwechselnder  Darstellung  für  Weberei, 
Stickerei,  Spitzennäherei  u.  a.  m.  unter  strenger  Beobachtung  der  Stilistik  des 
Flächenmusters  zur  herrlichen  Entfaltung  (s.  Abb.  4).  Aber  schon  in  Stoffen 
der  Spatrenaissance  sieht  man  den  A.  weniger  berücksichtigt,  bis  er  im  18.  Jahrh. 


4 


Acanthus. 


in  kleineren  Flächenmustern  zurücktritt;  in  der  Zwischenzeit  aber  durch  Meister 
des    französischen   Klassizismusses    für    architektonische   Innendekoration   Yer- 


Abb.  1. 


Abb.  2. 


Abb.  3.  Wendung    findet    (s.  Abb.  5).      Die 

Empirezeit  und  die  Periode  Schin- 
kels  nimmt  den  A.  mit  den  übrigen 
klassischen  Motiven  wiederum  auf 
(s.  Abb.  6)  und  er  kommt  dann 
noch  einmal  in  der  modernen  Renais- 
sance der  Jahre  nach  1873  in  Nach- 
bildung der  altitalienischen  Vor- 
bilder zur  G-eltung  (s.  Abb.  7).  In 
neuester  Zeit  ist  der  A.  mit  dem 
Studium  der  Naturformen  und  ihrer 
Nutzbarmachung  für  die  Fläche 
Gregenstand  eingehender  Betrach- 
tung geworden  (s.  Abb.  8). 

Abb  il  düngen: 

1.  Acanthus  satinus,  nach  einem 
Holzschnitt  aus:  Lobelius,  plantarum 
sev  stirpium  icones,  Antwerpen    1581, 

2.  Acanthus  mollis  aus  demsel- 
ben Werk. 

3.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbe-Museum  in  Stuttgart: 
Quadratisches  Aufsatzstück  eines  Gewandes,  gobelinartige  Stopfarbeit  in  violettem  und 
weissem  Garn  mit  Darstellung  einer  Reiterfigur  über  einem  Löwen ;  im  Rande  Acanthus- 
ranke  mit  Blüten  und  Früchten.     Aus  einem  koptischen  Grabe,  5. — 7.  Jahrhundert. 


Acanthus. 


Abb.  4. 


Abb.  5. 


Ih^ 


■  i  '"^^.^^ 


ffjil^^^^^g;: 


JWIilillliiir  


Abb.  6. 


Acanthus. 


Abb.  7. 


Abb.  8. 


Accrington — Adler. 


4.  Acanthusrankenmotiv  nach  einer  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Blatt  102, 
Leipzig  18&6 :  Borte  aus  aufgenähter  Silberschnur  auf  rotem  Sammet;  dazwischen 
Candille  und  Füttern;  Italien,  16.  Jahrhundert.  Original:  Königl.  Kunstgewerbe- 
Museum  Berlin. 

5.  Gobelinborte  mit  Acanthusblattwerk ,  Ranken  und  Eierstableiste  nach  einer 
Darstellung  aus:  L'Art  pour  Tous,  XIV.  Jahrg.,  Blatt  358.  Original  aus  der  Zeit 
Ludwig  XIV.  (1643—1715.) 

6.  Acanthuskelch  mit  Blattwerk  und  Blüten  nach  einer  Darstellung  aus:  Heiden, 
Musteratlas,  Blatt  41,  Leipzig  1896:  Abgepasste  Bildweberei  in  farbiger  Seide  für 
den  Stuhlbezug  einer  Rücklehne ;  nach  Zeichnung  von  Karl  Friedrich  Schinkel,  Berlin 
1781 — 1841.     Original :  Königl.  Kunstgewerbe-Museum  Berlin. 

7.  Ecke  einer  Leinendamasttischdecke  mit  Borte  aus  Acanthusrankenwerk  nach 
einer  Darstellung  aus:  Grewerbehalle  1891,  Blatt  24, 

8.  Gepresster  Sammet  mit  Muster  aus  volutenartig  geschwungenen  Acanthus- 
ranken,  nach  einer  Darstellung  aus :  Kunstgewerbeblatt  1893 ;  Original  aus  der  Fabrik 
von  Th.  Wardle  in  London,  1892. 

Literatur:  Ebe,  Handbuch  der  ornamentalen  Acanthusformen  aller 
Stilarten.  Berlin  1893;  M eurer,  Die  TJrsprungsformen  des  griechischen 
Acanthusornaments.     Berlin  1896. 

Accrington,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  bedeutende  Baum- 
wollfabrikation ;  Kattundruckereien. 

Achmim  (El-Achmim,  auch  El-Echmin,  koptisch  Schmin  genannt)  das  alte 
Chemins  oder  Panopolis,  Stadt  in  Oberägypten :  in  neuerer  Zeit  viel  genannt 
infolge  der  Aufdeckung  alter  Grrabstätten,  welche  Mumien  enthielten  mit  reichen 
Gewändern,  die  in  Wirkerei  verziert  und  mit  Seidengeweben  besetzt  sind. 
(Ygl.  koptische  Textilfunde.)    In  neuer  Zeit  Fabrikation  von  Seidenstoffen. 

Literatur:  Forrer,  die  frühchristl.  Altertümer  aus  dem  Gräberfelde 
von  A.     (Strassb.  1893.) 

Acireale,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Catania  an  der  Ostküste  Siciliens : 
Fabrikation  von  Seidenstoffen,  Leinen-  und  Baumwollengeweben. 

A^ores,  graue,  ungebleichte  Leinen,  welche  in  verschiedener  Feinheit 
im  franz.  Depart.  der  unteren  Charente,  hauptsächlich  zu  Barbesieur  gewebt 
werden.  Die  feiner  gewebten  Sorten  kauften  früher  die  Holländer  für  ihre 
Bleichen  und  die  gröberen  Arten  gingen  über  Cadiz  nach  Südamerika. 

Acri,  Name  einer  syrischen  Baumwollenart. 

Acupictus,  acupictilis  (lat.)  gestickt,  mit  der  Nadel  gestickt;  acupic- 
tura,  die  Stickerei. 

Acupingere  (lat.)  sticken,  von  acus :  die  Nähnadel,  Sticknadel. 

Adamaschus  (lat.),  der  Damast  (s.  d.). 

Adapangia,  Handelsname  für  bengalische  Hohseide. 

Adatais,  Addatis;  holländ.:  Adathys,  feine  Baumwollenzeuge,  eine  Art 
Musselin  aus  Ostindien;  die  besten  werden  in  Bengalen  erzeugt,  die  Sorten 
aus  Pondichery  sind  weniger  geschätzt. 

Aden,  seit  1839  eine  den  Engländern  gehörende  Halbinsel  mit  gleich- 
namiger Stadt,  an  der  Südwestküste  Arabiens,  schon  im  Altertum  berühmt; 
wird  von  dem  vielgereisten  Mukkadasi  (985)  als  die  Vorhalle  Chinas  (Dehliz-a  sin) 
bezeichnet  und  behält  seine  besondere  Bedeutung  als  Eingangspunkt  in  das 
rote  Meer  für  den  Seidenhandel  auf  dem  Seewege. 

Adena,  levantinische  Baumwollsorte  aus  Karamanien. 

Adenos,  Seebaumwolle  (franz. :  coton  de  marine),  die  feinste  unter  allen 
Arten  levantinischer  Baumwolle,  welche  zuerst  von  Aleppo  über  Marseille  in 
den  Handel  kommt. 

Adersja,  veraltete  Sorte  indischer  Kattune. 

Adjectivfarben,  s.  Zeugdruck. 

Adler  (lat.:  aquila;  franz.:  aigle ;  engl. :  eagle) ;  erscheint  bei  den  meisten 
vorchristlichen  Völkern  als  heiliger  Vogel,  später  in  allgemeiner  Deutung  als 
Symbol  des  Sieges,  der  Macht  und  Herrschaft;  als  Stoffmuster  schon  im  frühen 
Mittelalter  in  vortrefflicher  Stilisierung  dargestellt,  jedoch  ohne  heraldische  Be- 
ziehungen,   die    überhaupt   nur    vereinzelt   nachweisbar    sind.     Im    14.    Jahrb., 


Adler. 


Abb.  9. 


Abb.  10. 


als  das  Stoffmuster  sich  kirchlichen  Zwecken 
dienstbar  zeigt,  erscheint  der  A.  darin  als 
Symbol  göttlicher  Macht  zum  Schutze  be- 
drängter Wesen,  welche  Auffassung  her- 
geleitet werden  kann  aus  dem  für  die 
Italiener  unverständlichen  sarazenischen 
Tierwerk  der  s.  Z.  ihnen  zugehenden  orien- 
talischen Gewebe ,  das  sie  im  Sinne  der 
biblischen  Mystik  umzugestalten  suchten. 
(Yergl.  Weberei,  Mittelalter.)  Die  Dar- 
stellung des  Doppeladlers  auf  früh- 
mittelalterlichen G-eweben  hat  zu  der  An- 
nahme geführt,  dass  dieser  durch  den 
symmetrischen  Musterumschlag  entstanden 
sei,  wie  ihn  die  Technik  der  Weberei  mit 
sich  bringt;  indessen  erscheint  diese  Auf- 
fassung fraglich  bei  der  Betrachtung  des 
zweiköpfigen  Adlers,  welcher  eingemeisselt 
ist  an  dem  Pilasterpfosten  zu  Oejuk,  aus 
der  Zeit  der  Hethiter  (etwa  950  v.  Chr.), 
woselbst  diese  Darstellung  als  Vogel  des 
Donnergottes ,  ursprünglich  der  geflügelte 
Blitz  oder  Donnerkeil,  wie  ihn  nach  Justi 
(Geschichte  der  orientalischen  Völker  im 
Altertum  S.  184  ff.)  der  babylonische  Me- 
rodoch  führt  und  wie  er  auch  auf  grie- 
chischen Münzen  (Elis  und  Sicilien)  dar- 
gestellt ist. 


Adorf — Aofnaux  de  Tartarie. 


Abb.  11. 


Abbildungen: 

9.  Adler  nach  einer  Darstellung  aus:  Heiden,  Motive,  Blatt  114,  Leipzig  1891. 
Original  in  einem  orientalischen  Seidengewebe  des  10.  bis  11,  Jahrhunderts  im  Königl. 
Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin. 

10.  Doppeladler  nach  einer  Darstellung  aus:  Heiden,  Motive,  Blatt  17,  Fig.  1. 
Original  wie  vorher. 

11.  Doppeladler  nach  einer  Darstellung  aus:  Justi,  Geschichte  der  orientalischen 
Völker  im  Altertum,  Berlin  1884.  Original  an  dem  Pilasterpfosten  eines  hethitischen 
Grabes  bei  Oejnk  (etwa  950  v.  Chr.). 

Adorf  in  Sachsen,  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  Kunstwebereien,  me- 
chanische Baumwollenwebereien  und  Spinnereien,  Weissstickerei. 

Adrianopel,  Hauptstadt  des  türk.  VilajetsA. ;  in  den  Vorstädten  Kara- 
kabsch  und  Hdyrym  blüht  Seiden-,  Woll-  und  Baumwollweberei,  sowie  Teppich- 
fabrikation. 

Affe,  im  christlichen  Mittelalter  als  Symbol  des  Teufels ;  auf  arabisch- 
italischen Seidengeweben  (s.  d.)  des  XIV.  Jahrh.  ohne  besondere  Bedeutung  (?) 
nachweisbar. 

Afghanen  werden  Teppiche  aus  Afghanistan  genannt,  die  sich  im  Muster 
an  die  Turkmenen  (s.  d.)  anlehnen;  auch  Khiwa. 

Afghanistan,  der  pers.  allgemein  gebräuchliche  Name  des  Landes  der 
Afghanen:  Fabrikation  von  Teppichen,  Seiden-  und  Filzwaren.  Jährliche  Aus- 
fuhr von  Wolle  nach  Indien  für  etwa  12  Mill.  Mk. ;  auch  Baumwollenstoffe 
werden  nach  Indien  ausgeführt. 

Afiun-Karahissar,  Hauptstadt  im  türk.  Vilajet  Khodawendikjar  in 
Kleinasien:  Teppich-  und  Wollenstofferzeugung. 

Agen,  Hauptstadt  des  Arond.  A.  des  Depart.  Lot-et-Garonne,  sowie  der 
ehem.  Landschaft  Agenois :  Fabrikation  von  Kattun,  wollenen  und  leinenen 
Zeugen,  besonders  Segeltuch;  berühmte  Färbereien. 

Agenois,  unter  diesem  Namen  wurden  früher  in  Bordeaux  die  unge- 
bleichten Flachsleinen  verkauft,  welche  im  Depart.  des  Lots  und  der  Garonne, 
besonders  in  der  Gegend  von  Agen  gewebt  werden. 

Aggonedbunder,  in  Bengalen  die  Bezeichnung  für  die  beste  E^ohseide, 
welche  in  Indien  und  Japan  in  grossen  Mengen  verkauft  wird ;  in  Europa 
kommt  sie  unter  dem  Namen  Tanny  oder  Tani  in  den  Handel. 

Agnaux  de  Tartarie,  Agnaux  de  Perse,  im  franz.  Handel  die  feinen, 
gekräuselten  Baranken  oder  Lammfelle,  die  aus  Taurien  und  Persien  gebracht 
werden,  z.  B.  Astrachan,  Krim. 


1 0  Agnelins — Aegypten. 


Agnelins,  ältere  Bezeichnung  für  die  in  Amsterdam  verkaufte  feinge- 
kräuselte AVoile  der  kleinen  gleichnamigen  dänischen  Landschaft. 

Agnus  Dei,  lat.  deutsch :  Lamm  Gottes  (franz. :  agneau  pascal,  agneau 
de  Dieu;  engl:  lamb  of  God;)  eine  dem  Ausspruche  Johannis  des  Täufers  (Joh.  1,  29) 
entnommene  Bezeichnung  Jesu  Christi.  Als  bildliche  Darstellung  Christi  unter 
dem  Symbol  eines  Lammes,  in  der  Begel  mit  dem  Kreuz  oder  der  Siegesfahne, 
auf  italienischen  Geweben  des  15.  Jahrh.  (s.  d.) ;  mehr  gebräuchlich  ist  die 
Darstellung  auf  kirchlichen  Stickereien  in  Leinen.  In  der  griech.  Kirche  nennt 
man  A.  D.  das  mit  einem  Lammesbilde  versehene  Tuch,  mit  dem  beim.  Abend- 
mahl der  Kelch  zugedeckt  wird. 

Agra,  Hauptstadt  des  Distrikts  A.  in  den  indobritischen  sog.  Nordwest- 
provinzen: bedeutende  Fabrikation  von  Goldlitzen. 

Agram,  Hauptstadt  im  Königreich  Kroatien  und  Slavonien:  Teppich- 
wirkerei, Fabrikation  von  Seidenwaren. 

Aguilles,  glatte,  gewöhnliche  Baumwollenzeuge,  welche  in  Syrien  gewebt 
und  über  Aleppo  in  den  Handel  gebracht  werden. 

Aegypten  erzeugt  scbon  vor  dem  vierten  vorchristlichen  Jahrtausend 
AYebereien  (vgl.  Georg  Steindorff,  Das  Kunstgewerbe  im  alten  Aeg.,  Lpz. 
1898).     In  den  Gräbern  haben  sich  steinerne  Spinn wirtel  (s.  d.)  und  kupferne 

Nadeln  zum  Zusammennähen  der 
Abb.  12.  Kleider,  sowie  Reste  von  Stoffen  ge- 
funden,  welche  aus  Leinwand  her- 
gestellt sind.  Am  meisten  Verwen- 
dung fanden  dieselben  in  Gestalt 
von  schmalen  und  breiten  Binden 
zur  Um  Wickelung  der  Mumien :  sog. 
Mumienleinwand,  deren  älteste  Pro- 
ben nach  den  Untersuchungen  von 
Aug.  Braulik  (Altägyptische  Ge- 
webe, Stuttg.  1900)  mindestens  4600 
Jahre,  die  jüngsten  1500  Jahre  alt 
geschätzt  werden.  Die  allermeisten 
dieser  Gewebe  bestehen  aus  Flachs- 
garnen und  zwar  aus  dem  mittelfeinen 
Handgespinst  der  Pflanze  linum  usi- 
tatissimum,  welche  in  Unter-  und 
Oberägypten  mit  Sorgfalt  angebaut  wurde.  Den  feinsten  und  teuersten  derartigen 
Stoff,  der  an  Wert  dem  Purpur  gleichkam  (s.Byssus),  stellte  man  aus  den  zartesten 
Fäden  einer  Leinpflanze  her,  die  nur  im  Delta  Aegyptens  wuchs:  aus  ihm  wurden 
Kleider  von  solcher  Feinheit  gewebt,  dass  sie  sich  durch  einen  Siegelring  ziehen 
Hessen.  Dass  die  "Wolle  in  frühester  Zeit  gar  nicht  und  später  nur  seltener  Ver- 
wendung fand,  erhellt  schon  daraus,  dass  Braulik  bei  350  untersuchten  Ge- 
webebruchstücken nur  ein  einziges  aus  Wolle  fand.  Auch  aus  Gründen  der 
Temperatur  und  der  Sauberkeit  wird  man  leinene  Kleider  den  wollenen  vor- 
gezogen haben.  Ferner  darf  nicht  unbeachtet  bleiben,  dass  der  Widder  den 
alten  Aegyptern  ein  geheiligtes  Tier  gewesen  ist,  so  dass  also  in  früher  Zeit, 
als  die  Priesterkaste  noch  den  bedeutendsten  Einfluss  auf  Sitten  und  Gebräuche 
des  ägyptischen  Lebens  ausübte,  das  Verbot  der  Wolle  als  Bekleidung  des 
Körpers  wohl  auch  auf  religiösen  Anschauungen  beruht.  Indische  Baum- 
wolle lernten  die  Aegypter  nach  J.  Engelmann  (Geschichte  des  Handels- 
und AVeltverkehrs,  Leipz.  u.  Berl.  1881)  zuerst  etwa  um  2000  v.  Chr.  durcji 
die  Völker  des  südlichen  Arabiens  und  die  Phönizier  kennen;  dagegen  scheint 
ihnen  die  Seide  erst  in  der  Zeit  nach  Chr.  bekannt  geworden  zu  sein:  ge- 
wiss durch  den  Verkehr  mit  den  Völkern  des  fernen  Ostens.  (Vgl.  Seidenstoffe 
aus  den  koptischen  Funden.) 

Ueber  das  Spinnen  und  AVeben  der  alten  Aeg.  geben  uns  bildliche  Dar- 
stellungen Aufschluss ,  aus  denen  hervorgeht,  dass  diese  Arbeiten  nicht  viel 
anders  aber  umständlicher  ausgeführt  wurden,  als  es  heute  zu  geschehen  pflegt. 


Aegypten. 


11 


Die  Webestühle,  mit  wagerecht  oder  senkrecht  aufgespannter  sehr  langer  Kette, 
waren  einfacher  Art,  Frauen  und  Männer  webten  an  ihnen  in  hockender  Stel- 
lung. (Vgl.  Abb.  12.)  Das  Mühsame  dieser  Handfertigkeit  wird  uns  in  einem 
Papyrus  geschildert,  der  Ermahnungen  und  Vorstellungen  eines  Abenteurers  an 
seinen  Sohn  enthält,  welcher  eine  Zeitlang  am  Hofe  des  Königs  Amenemhat  I. 

Abb.  13. 


lebte  (12.  Dynastie:  nach  Justi,  Geschichte  der  orientalischen  Völker  im 
Altertum,  Berl.),  um  ihm  jedes  andere  Greschäft  als  das  eines  Schreibers  zu 
verleiden.  In  dieser  Schrift  heisst  es:  „Der  Weber  im  Innern  der  Häuser 
ist  viel  unglücklicher  als  eine  Frau.  Seine  Kniee  sind  bis  zur  Höhe  des 
Herzens    heraufgezogen;    er    geniesst   keine    frische   Luft.     Versäumt    er    einen 


Abb.  14. 


Abb.  15. 


s 

^ 

ä 

tllllll 

^ 

lllll||lll|il|l!l!l 

iillliiiliiil 

^ 

il 

1 

-^ 
^ 

1 

/6 
y6 

mm 

i 

ilililllltllillll 

1 

m 

1 

Tag,  die  ihm  vorgeschriebene  Quantität  Zeug  zu  machen,  so  bindet 
man  ihn  krumm ,  wie  den  Lotos  der  Sümpfe.  Nur  wenn  er  den  Türhütern 
Brot  gibt,  gelingt  es  ihm,  das  Tageslicht  zu  sehen."  Wenn  auch  hier  die 
Tätigkeit  eines  ägyptischen  Webers  in  etwas  grellen  Farben  geschildert  sein 
mag,  so  erscheint  die  Notiz  bezüglich  des  feuchten  Arbeitsraumes  insofern 
nicht  unwichtig,  als  ein  solcher  die  Dichte  der  Fadenfügung  des  Leinengewebes 
bekanntlich  günstig  beeinflusst;  zum  Vergleich  mit  dem  zarten  altägyptischen 
Byssusleinen  erinnere  ich  daran,  dass  auch  von  den  feinsten  Valenciennesspitzen 
(s.  d.)  des  18.  Jahrh.  berichtet  wird,  sie  seien  im  feuchten  Kellerraum  ge- 
klöppelt.    Ausser  den  glatten  Leinenstoffen,  die  in  einfachen  und  gemusterten 


12 


Aegypten. 


Farbenstreifen  abschliessen ,  führt  Braulik  aus  der  Stoffsammlung  des  k.  k. 
Oesterreicliischeu  Museums  in  Wien  noch  Fransengewebe  (s.  d.)  an,  ferner  macht 
uns  derselbe  Forscher  bekannt  mit  Produkten  der  altägyptischen  Kunstweberei  : 


Abb.  16. 


m.'m^vm 


Oll       lia«<BC#2l 


s^^^^^p  "SS  €^  "f^^sR 


^ma  '%  "S§^;3_"ggS'  c^-^  «r^"  oi^^i 


Abb.  17. 


das  sind  Bändchen,  welche  als  Grewandborten  aufgenäht  waren ;  ihre  Musterung 
ist  geometrisch,  ein  anderes  Beispiel  erinnert  darin  an  den  antiken  Zinnigen- 
abschluss  (s.  d.).     Im  Grundstoffe    gemusterte  Kleider   wurden   von    den    alten 

Aegyptern  nicht  getragen ;  wenn  wir 
solche  auf  Wandmalereien  abgebildet 
finden,  so  handelt  es  sich  um  Darstel- 
lungen fremder  Völkerschaften  (siehe 
Abb.  13) ;  ebenso  bevorzugten  die  Ein- 
geborenen weisse  G-ewänder,  bei  deren 
Anlegung  sie  den  Anschauungen  der 
Griechen  huldigten,  in  die  Schlichtheit 
des  ungemusterten  Stoffes  dui'ch  reiche 
Fältelung  Abwechselung  hineinzubringen, 
um  die  ümrisslinien  des  menschlichen 
Körpers  vorteilhaft  in  Erscheinung  tre- 
ten zu  lassen.  Neben  den  einfachen  in 
Taffetbindung  gewebten  Stoffen  waren 
in  Aeg.  broschierte  Gewebe  bekannt; 
auch  nahtlose  Kleider  wurden  durch  sog. 
Schlauchweberei  (s.  d.)  erzeugt.  Für 
Leichentücher  und  andere  Decken,  Zelt- 
behänge u.  s.  w.  stellte  man  Stoffe  in 
Färberei,  Malerei  und  Zeugdruck  (s.  diese 
Artikel  im  einzelnen)  her,  denen  in 
manchen  Fällen  eine  stuckähnliche  Masse 
zu  Grunde  liegt  (s.  Abb.  14  u.  15).  Wie 
weit  man  an  Teppiche  des  alten  Aeg. 
denken  kann,  wird  dadurch  ungewiss, 
dass  im  Altertum  darunter  nicht  aus- 
schliesslich Fussbodenbeläge  in  unserem 
Sinne  verstanden  werden,  sondern  auch  geflochtene,  gemalte  oder  gestickte 
Decken  für  die  Wände  in  Betracht  kommen.  An  sonstigen  altägyptischen  Tex- 
tilien müssen  noch  die  Netzar  beiten  erwähnt  werden,  welche  sich  als  oberster 


Ahaus — Aire-sur-la-Lys.  13 


Belag  der  eingewickelten  Mumien  finden ;  die  Verzierung  derselben  besteht 
innerhalb  der  Maschen  aus  farbigen  Perlen. 

Die  Mustergebung  der  altägyptischen  Behangstoffe  haben  wir  uns 
im  allgemeinen  als  eine  geometrische  vorzustellen,  wie  sie  sich  aus  der  Technik 
heraus  entwickelt  (s.  Abb.  16) ;  erst  in  spcäterer  Zeit  erscheinen  mit  der  fort- 
schreitenden Fertigkeit  in  Weberei ,  AYirkerei  und  Stickerei  Ornamente ,  in 
welche  Reminiszenzen  der  altägyptischen  Formensprache  hineinklingen,  wde  sie 
uns  aus  den  Denkmälern  der  Architektur  und  Malerei  bekannt  sind  (s.  Abb.  17). 
Wichtige  Aufschlüsse  geben  uns  hierfür  die  seit  dem  letzten  Jahrzehnt  in 
Oberägypten  gemachten  Gräberfunde  (s.  koptische  Textilfunde). 

Die  moderne  Textilindustrie  Aegyptens  ist  unbedeutend,  jedoch  im  Auf- 
schwung begriffen.  Man  fertigt  in  Kairo  u.  a.  0.  grobe  Baumwollenstoffe  für 
die  Soldaten,  halbwollene,  blau  gefärbte  Stoffe  für  die  Fellahweiber;  wollene 
Decken  und  grobe  Tücher  liefert  das  Fayum.  Die  ehemals  so  bedeutende 
Leinenfabrikation  in  Unter-  und  Oberägypten  hat  aufgehört,  ebenso  ist  die 
Fabrik  der  roten  Mützen  zu  Fuah  im  Verfall. 

Abbildungen: 

12.  Aegyptischer  Webstuhl  nach  einer  Darstellung  aus:  Aug.  Braulik,  Alt- 
ägyptische Gewebe,  Stuttgart  1900.  Original  auf  einem  Wandgemälde  in  Beni-Hasan. 
Die  mit  a  und  b  bezeichneten  Stäbchen  dienen  zur  Fachbildung. 

13.  Wandmalerei  aus  einem  Grabe  zu  Beni-Hasan:  Semitische  Familie ^  in 
Aegypten  Einlass  begehrend  (uach  Lepsius),  nach  einer  Darstellung  aus  Justi,  Ge- 
schichte der  orientalischen  Völker  im  Altertum,  Berlin  1884. 

14.  Bemaltes  Leinwandgewebe  nach  einer  Darstellung  aus  :  Braulik,  Altägyptische 
Gewebe,  Stuttgart  1900.  Die  Buchstaben  a  und  b  beziehen  sich  auf  leichtere  (a)  und 
dunklere  (b)  Stellen  der  braungrauen  Farbe. 

15.  Bemaltes  Leinwandgewebe  wie  Abbildung  14.  Originale  von  14  und  15 
im  k.  k,  Oesterreichischen  Museum  in  Wien. 

16.  Dekomponiertes  ägyptisches  Stoffmuster  aus  einer  Wandmalerei  nach  einer 
Darstellung  aus:  Braulik,  Altägyptische  Gewebe,  Stuttgart  19.00.  Die  Dekomposition 
ist  so  dargestellt,  dass  die  schwarzen  vollen  Quadrate  für  Schwarz,  die  Kreuze  in  den- 
selben für  Indischrot,  die  Punkte  für  Zinnobergrün  und  die  Kreise  darin  für  Chrom- 
gelb gelten  sollen.  Das  Muster  besteht  nach  Angabe  von  Braulik  aus  sechs  ver- 
schiedenen Schussfäden,  die  sich  in  der  Ordnung  1,  2,  3,  4,  5,  6,  5,  4,  3,  2;  1,  2,  3, 
4,  5,  6,  5,  4,  3,  2  u.  s    w.  im  Gewebe  wiederholen.     Original  wie  vorher. 

17.  Altägyptisches  Flächenmuster  aus  Lotos  und  Spiralen  mit  Handwerkszeichen 
in  Feldern,  nach  einer  Darstellung  aus :  Friedrich  Fischbach,  Ursprung  der  Buchstaben 
Gutenbergs,  Mainz  1900,  Tafel  V,  Fig.  4. 

Ahaus,  Stadt  im  preuss.  Peg. -Bez.  Münster:  Jutespinnerei  und  Weberei. 

Ahle,  Pfriemen  (franz.:  alenes*  engl.:  elsins,  prickers);  Werkzeug  aus 
einem  Messingheft  mit  eingeschraubter  Nähnadel;  wird  bei  Stickereien  auf 
harten  Stoffen  (Brokat,  Plüsch,  Leder)  gebraucht,  um  der  Sticknadel  für  den 
Durchzug  des  Fadens  vorzustechen. 

AhmedpOOr,  Stadt  im  Vasallenstaat  Bahawalpur  des  indo-brit.  Peiches : 
Seiden-  und  Baumwollenwebereien. 

Aicha,  Stadt  in  Böhmen:  Spinnereien  und  Kattunfabrik;  Wollstoff- 
druckereien. 

Aida,  Bezeichnung  eines  modernen  Grewebes  für  Tisch-  und  Grartendecken. 
Die  Musterung  wird  hervorgebracht  durch  zwei  straminartige  Oewebe,  die 
übereinander  liegen  und  nach  Form  des  Musters  bald  auf  die  rechte,  bald  auf 
die  linke  AVarenseite  gebracht  werden,  das  ihre  doppelseitige  Benützung  er- 
möglicht (s.  Bindungen). 

Aiguillette  (franz.),  die  Nestel,  Nestelschnur,  der  Schnürsenkel,  auch  be- 
schlagene Achselschnüre  für  Militär. 

Ain-Tab,  Stadt  in  der  Türkei :  Fabrik  von  Seiden-  und  Baumwollenwaren. 

Airdrie,   Stadt  in  der   schott.  Grrafschaft  Lanark :    Baumwollenwebereien. 

Aire-sur-la-Lys ,  Hauptstadt  des  Kantons  Aire  im  Arrond.  St.  Omer  des 
franz.  Dep.  Pas  de  Calais  :  bedeutende  Fabrikation  von  Wolle. 


14  Ajamis — Albigeois. 


Ajamis,  bunte  Kattune,  welche  ehemals  aus  der  Levante  nach  Frankreich 
gebracht  und  von  dort  wieder  nach  Afrika  ausgeführt  wurden. 

A-jour-Arbeit  (franz.),  s.  Durchbruch. 

A-jour-Stoffe,  durchsichtige,  durchbrochene  Gewebe  aus  Seide  oder  feinen 
Baumwolleugarneu,  mit  leinwandartigem  Grund,  während  auf  den  durchsichtigen 
Stellen  vier  Fäden  zusammendrehen,  sodass  Löcher  im  Gewebe  entstehen;  die 
Musterung  ist  gestreift   oder  karriert  (s.  Bindungen). 

Akhmyn  s.  Achmim. 

Akscher,  Stadt  in  der  asiat.  Türkei :  Teppichfabrik,  Handel  mit  '\\''ollen- 
waren  und  Seidentapeten. 

Aksu,  Stadt  in  Ost-Turkestan  oder  der  kleinen  Bucharei:  fabriziert  Baum- 
wollenzeuge von  erster  Güte,  die  nach  allen  Orten  Ost-Tiirkestans  abgesetzt  werden. 

Ala,  Stadt  in  Tirol:  Sammet-  und  Seidenwebereien. 

Alabama,  einer  der  Vereinigten  Staaten  im  östlichen  Teile  von  Amerika  : 
Erzeugung  von  Baumwolle,  jährlich  bis  auf  2  Millionen  Ballen,  welche  nach 
dem  Gewinnnungsort  benannt  wird. 

Aladjas,  schwere  ostindische  TafFete ,  die  früher  von  Surate  durch  die 
ostindischen  Kompagnien  in  den  Handel  gebracht  wurden:  es  gibt  gestreifte 
und  geblümte  Muster  mit  Ranken  u.  s.  w. 

Aladscha,  buntgemusterte  Baumwollenstoffe,  ursprünglich  nur  im  Orient 
angefertigt,  jetzt  aber  auch  in  Deutschland  und  der  Schweiz  gemacht,  von  wo 
sie  nach  dem  Orient   ausgeführt  werden. 

A-la-fougere,  eine  Gattung  Kniebänder  von  Zwirn,  die  in  der  Auvergne 
gewebt  werden. 

Alagia,  im  Levantehandel  die  auf  Morea,  Prevesa  und  Arta  dichtgewebten, 
bunten  Baumwollenzeuge,  die  auch  mit  Seide  vermischt  werden. 

Alagoas,  Staat  und  frühere  Hauptstadt  in  Brasilien :  Haupterzeugnis  in 
Baumwolle,  welche  nach  ihrem  Ge^^-innungsort  benannt  wird. 

A  la  grecque  (franz.),  unpassende  Bezeichnung  für  Mäanderborte  (s.  d.), 
weil  wörtlich :   auf  griechische  Art. 

•  Alais,  das  alte  AJesia,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  im  franz.  Dep.  Gard: 
bedeutende  Seidenindustrie ;  beträchtlicher  Handel  mit  Seidenstoffen  und  Bän- 
dern; Maulbeerbaumzucht. 

Alamba,  nordamerikanische  Baumwollsorte  (aus  Mobile),  weiss,  glänzend, 
kräftig  im  Faden. 

Alatri,  Stadt  im  Kreis  Frosinone,  im  Südosten  der  ital.  Prov.  Kom:  hat 
viele  Tuchfabriken. 

Alaunieren,  Alaunen,  in  der  Färberei,  namentlich  in  der  Türkischrot- 
färberei, die  Behandlung  der  zu  färbenden  Stoffe  zum  Zwecke  der  Aufnahme 
und  Fixierung  des  zu  applizierenden  Farbstoff'es. 

Alba,  Albe  (Jat.  alba;  franz.  aube;  engl,  alb) ;  das  unterste  Amtsgewand 
des  Priesters  der  alten,  der  heutigen  katholischen  und  der  angelikan.  Kirche. 
Es  besteht  aus  weisser  Leinwand  und  hängt  faltig  bis  auf  die  Füsse. 

Albaida,   Stadt   in   der  span.  Prov.  Valencia :  Leinenwebereien. 

Albanesische  Fransen  s.  Fransen. 

Albanesische  Stickerei,  nach  ihrer  Herkimft  bezeichnete  Technik  auf 
Leinen  im  Kreuz-,  Strich-  und  Gobelinstich  in  Bot,  Blau  und  Grün,  mit 
Mustern  aus  streng  stilisierten  Blütenformen  oder  geometrischen  Figuren  (s. 
Leinen>tickerei\ 

Albarazine,  spanische  AVolIe  aus  Albaracia  in  Aragonien. 

Albernus,  orientalischer  Stoff  wie  Kamlott ,  der  über  Marseille  in  den 
Handel  kommt.  ^ 

Albi,  Hauptstadt  des  franz.  Dep.  Tarn  und  Arrond.  A. :  Fabriken  von 
Wollen-.  Leinen-   und  Baumwollzeugen. 

Albigeois,  eine  im  Handel  von  Toulouse,  Montpellier,  besonders  aber  auf 
der  Messe  von  Beaucaire  vorkommende  Sorte  grauer  ungebleichter  Leinwand 
von  verschiedener  Länge  und  Feinheit,  sie  wird  in  Languedoc,  meistens  in  der 
Gegend  von  Albi  verfertigt. 


Albisola — Alessandria.  15 


Albisola,  Flecken  in  der  ital.  Prov.  Genua:  fertigt  Spitzen  aus  ver- 
schiedenfarbigen Seiden-  oder  Leinenfäden,  welche  nach  ihrer  Fabrikationsstätte 
benannt  werden  (s.   Spitzen). 

Alcala,  Bezirksstadt  in  der  Prov.  Madrid :  Leinengarnspinnerei  und  ver- 
schiedene "Webereien. 

Alcantara,  Stadt  in  Brasilien:  Seidenzucht. 

Alcantaraorden  s.  Lilienkreuz. 

Alcatifas  de  Persia,  Alcatifs,  im  spanischen  Handel  die  feinen  orien- 
talischen Tapeten  und  Teppiche. 

Alcatquen,  reiche  mit  Gold  durchwirkte  persische  Teppiche ,  welche  zu 
Divandecken  verwandt  werden. 

Alcazar  de  San  Juan,  Bezirksstadt  in  der  span.  Prov.  Ciudad-Peal: 
"Wollwebereien. 

Alcira,  Bezirksstadt  der  span.  Prov.  Valencia:  bedeutende  Seidenzucht, 
welche  jedoch  gegen  frühere  Zeiten  sehr  zurückgegangen  ist;  die  Blütezeit  von 
A.  fällt  in  die  maurische  Zeit. 

Alcoba^a,  Stadt  in  der  portug.  Prov.  Estremadura:  Seiden-,  Baumwollen- 
und  AVollenindustrie. 

Alconcher,  in  England  eine  Art  wollener  Bayette  (s.  d.)  für  Spanien  und 
Amerika  gefertigt. 

Alcoy,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Alicante :  grosse  Anzahl  von  Walken, 
Tuch-,  "Wollenstoff-  und  Leinenwebereien,  welche  während  des  blutigen  Auf- 
standes im  Jahre  1873  gelitten  haben. 

Aldekerk,  Dorf  im  preuss.  Peg.-Bez.  Düsseldorf:  Sammet-  und  Seiden- 
bandweberei. 

Alderney  (franz.  Anrigny),  drittgrösste  der  normannischen  Inseln :  wich- 
tiger Erwerbszweig  ist  die  Strumpfwirkerei. 

Alemanetis  nannte  man  ehedem  zu  Marseille  die  deutsche  Schocklein- 
M'and,  welche  besonders  ans  Augsburg  dort  eingeführt  wurde. 

Alen^on,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Orne :  lebhafte  Industrie  in  Lein- 
wand, Picjue-  und  Barchentweberei,  feinen  Wollenzeugen,  Stickerei-  und  Posa- 
mentierwaren. Die  einst  so  bedeutende  Erzeugung  von  Nadelspitzen,  zuerst 
(1666)  auf  dem  Schlosse  Louray  beiA.,  wohin  der  Minister  Colbert  Arbeiterinnen 
aus  Venedig  berufen  hatte,  beschäftigt  nebst  der  Musselinestickerei  noch  immer 
an  2000  Personen,  welche  gewöhnlich  in  der  Spitzenschule  zu  A.  vorgebildet 
werden.     (Vgl.    den  Artikel  Spitzen.) 

Alen^On,  ein  leichter  Stoff  aus  Seide  und  Baumwolle,  welcher  zu  Anfang 
des   19.  Jahrhunderts  modern  war. 

Alen^onnes  oder  toiles  d'Alencon,  halbweisse  Hausleinwand,  welche  in 
der  Xiedernormandie  in  verschiedener  Feinheit  gewebt  wird. 

Alepine,  ein  nach  seiner  Hauptfabrikationsstätte  Aleppo  in  Syrien  be- 
nannter geköperter  Stoff,  dessen  Kette  von  weicher  Seide,  der  Einschlag  von 
weichem  feinem  Kammgarn,  ursprünglich  nur  in  schwarzer,  später  in  allen  Farben 
gebräuchlich;  wird  auch  in  Frankreich  (Paris,  Beauvais,  Amiens)  und  in  Deutsch- 
land (Gera,  Pochlitz)  erzeugt,  in  England  von  härterem  Kammgarn  nachgeahmt. 

Alepper  oder  aleppische  Seide ,  welche  die  Europäer  zu  Aleppo  in 
Syrien  kaufen  und  über  Alexandrette  ausführen. 

Aleppo,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  asiatisch-türkischen  Vilajets:  die 
Lage  im  Knotenpunkt  aller  Handelsstrassen,  die  vom  Mittelmeer  nach  Osten 
führen,  machte  A.  schon  vor  Jahrhunderten  zu  einem  Haupthandelspunkt  des 
Orients  und  bildet  seither  den  Stapelplatz  für  europäische,  levantinische,  indische 
und  persische  Textilwaren.  Am  schwunghaftesten  war  der  Handel  A.'s  vor 
der  Auffindung  des  Seeweges  nach  Indien,  während  und  nach  der  Zeit  der 
Kreuzzüge,  wo  die  Genuesen  und  Venezianer  ihre  Hauptniederlagen  hier  hatten. 

Aleppo,  Name  syrischer  Baumwollenart. 

Alessandria,  Hauptstadt  der  Prov.  A.  in  Oberitalien:  bedeutende  Fabri- 
kation von  Leinen-  und  "Wollen Stoffen.  Für  den  Handel  wichtig  als  Mittel- 
punkt des  Verkehrs  zwischen  Genua,  Turin  und  Mailand. 


16  Alexandrette — Aloehanf. 

Alexandrette,  Name  syrischer  Baumwollenart. 

Alexandria,  Stadt  in  der  schott.  Grafschaft  Dumbarton:  Kattundrucke- 
reieu  und  Färbereien. 

Alexandria,  moderner  halbwollener  gemusterter  Damenkleiderstoff.  A. 
ist  auch  Bezeichnung  einer  ägyptischen  Baumwollenart,  von  kurzem  Stapel, 
der  gewöhnlichen  smyrnischen  ähnlich,  jedoch  unrein  und  schmutziger  als  diese. 

Alexandrien,  Alexandria,  331  v.  Chr.  von  Alexander  d.  Grr.  gegründet, 
von  den  Türken  und  Arabiern  Iskanderijeh  oder  Skanderijeb  genannt,  Seestadt 
an  der  Mittelmeerküste  Aegyptens.  Hauptsitz  der  Seidenindustrie  im  frühen 
Mittelalter,  auch  bis  zum  Zeitalter  der  mamelukkischen  Sultane  noch'  besonders 
tonangebend  in  der  Herstellung  reicher  orientalischer  Brokatgewebe. 

Alexandrine  nannte  man  früher  feine  Stoffe  aus  Baumwolle  und  Leinen- 
garn, welche  durch  Appretur  ein  seidenartiges  Aussehen  erhielten;  sie  wurden 
in  Neuchätel  und  E-ouen  in  bunten  Mustern  auf  weissem  Grunde  gewebt. 

Alfa,  (Haifa,  Sparto,  Espartogras)  Faserstoff  aus  der  in  Nordafrika  hei- 
mischen und  kultivierten  Grasart  stipa  tenacissima  von  grüngelber  Farbe,  ohne 
Glanz,  rauh  und  steif,  wird  zu  Geweben  für  Militär-  und  Matrosenkleidung 
verwendet. 

Alfeld,  Kreisstadt  im  Kreise  A.  a.  d.  Leine :  Fabrikation  von  Drell  und 
Barchent ;  Handel   mit  Leinwand. 

Algerienne,  ein  ursprünglich  nur  in  Algier  hergestelltes  Wollengewebe 
mit  bunten  Qnerstreifen  für  Zelte,  Vorhänge  u.  dergl.,  wird  jetzt  auch  in 
Europa  vielfach  in  leichterer  Ware  nachgemacht  und  nach  dem  Orient  ausgeführt. 

Algier,  Hauptstadt  des  Depart.  A.  zugleich  erster  Handelsplatz  von  Al- 
gerien :  Erzeugung  von  Teppichen,  Seidengazen,  goldgestickten  Musselinstoffen, 
Haiks  und  anderen  Wollwaren. 

Alicante,  Hauptstadt  der  Prov.  A.  in  Spanien:  beträchtliche  Baumwollen- 
fabriken und  Leinwandwebereien. 

Alizari,  (ital.:  Krapp)  die  Krappwurzel,  welche  den  roten  Farbstoff  liefert, 
der  bei  der  auf  Smyrna  geübten  Teppichindustrie  eine  grosse  Bolle  spielt. 

Alkmaar,  Stadt  in  der  niederl.  Prov.  Nordholland:  bedeutende  Segel- 
tuchwebereien. 

Allabatis,  Allibalis,  Alliabat,  Alliabally,  Allibanis,  Bezeichnungen  für  ost- 
indische Baumwollenzeuge,  teils  glatt,  teils  broschiert  und  gestickt,  welche  am 
Anfange  des  19.  Jahrhunderts  durch  Holländer  und  Dänen  nach  Europa  ge- 
bracht wurden.  Die  holländischen  Sorten  waren  mit  Kanten  aus  Golfäden, 
die  dänischen  meist  gestickt. 

Alla  Tolosa,  in  Italien  eine  Gattung  seidener  Halstücher,  welche  aus 
feiner  Organsinseide  gewebt  werden. 

Allegeas,  Allegias,  Allejars,  mehrere  Arten  ostindischer  Stoffe,  teils  ganz 
aus  Baumwolle,  teils  gemischt;  die  baumwollenen  Sorten  dieses  Namens  sind 
Musselin:  sie  kommen  auch  unter  der  Bezeichnung  Bethilles  vor. 

Allemagnettes  oder  Alemanetis  hiess  früher  in  Italien  die  weissgebleichte 
Württemberger  bezw.  TJlmer  Leinewand,  welche  in  Livorno,  Genua,  Marseille 
u.  s.  w.  grossen  Absatz  fand;  sie  wurde  in  Fadenbreile  von  1600 — 3600  Kett- 
fäden gewebt. 

Allenstein,  Kreisstadt  im  Beg.Bez.  Königsberg :  bedeutender  Leinenhandel. 

Alliabably,  feines  Baumwollengewebe  (Musselin)  von  Dacca  in  Ostindien. 

Alliancewappen  s.  Heiratswappen. 

Almeria,  Hauptstadt  der  Prov.  A.  in  Spanien,  verdankt  seine  Bedeutung 
den  Mauren,  die  dort  im  Mittelalter  erzeugten  Seidenstoffe  waren  durch  ihre 
Schönheit  sprichwörtlich  geworden.  Im  13.  Jahrhundert  nimmt  hier  die  Seiden- 
industrie einen  solchen  Aufschwung,  dass  die  inländische  Bohseidenproduktion 
nicht  mehr  ausreicht. 

Aloehanf,  Aloefaser  (franz.:  chauvre  d'alves ;  engl.:  Mexican  grass),  starke, 
lange,  von  spinnbarer  Feinheit  glänzend  gelblicliweisse  Faser,  deren  Länge  bis 
auf  50  cm,  die  gehaspelte  Faser  auf  20  —  38  cm  kommt,  in  Mexiko,  Südamerika 
und  Algier  aus  den  Blättern  einiger  Agavearten  gewonnen ;  in  fein  zubereitetem 


Alpaka— Altkirch.  17 


Zustande  zu  Geweben  (Aloetüchern),  auf  den  Philippinen  zu  Nadelspitzen  ver- 
arbeitet. Ein  sehr  ähnliches  Produkt  ist  der  Pitehanf  in  Peru  und  Neugranada 
(s.  a.  Lisal). 

Alpaka,  moderner  glänzender  Damenkleiderstoff  in  Leinwandbindung 
aus  Kette  von  Baumwollenzwirn  und  Alpakaschuss. 

Alpakawolle,  das  Haar  der  drei  in  Südamerika  heimischen  Schafkamel- 
arten:  Lama,  Alpaca,  Yicuna  oder  Vicogna,  zeichnet  sich  aus  durch  seiden- 
artigen Grlanz.  Sie  ist  nur  schwach  gewellt,  ziemlich  schlicht  und  liefert  ein 
sehr  geschätztes  Kammgarn,  dessen  Rohware  über  England  nach  Europa  kommt. 
Bis  zum  xAnfang  des  19.  Jahrh.  ist  die  A.  für  Europa  wertlos,  bildet  jetzt 
einen  der  vorzüglichsten  Ausfuhrartikel  von  Peru  und  Chile.  In  England  wird 
die  A.  seit  etwa  1830  versponnen,  in  Frankreich,  Belgien  und  Deutschland  hat 
diese  Industrie  viel  später  Eingang  gefunden.  Am  häufigsten  wird  A.  mit 
mehreren  anderen  Fasern  versponnen  (Baumwolle,  Mohair,  Kammgarn  oder  auch 
Seide),  solche  Alpakagarne  nennt  man  Mixed  garns  (gemischte  Garne).  Die 
Farbenmischung  im  Einschuss  wird  auch  durch  Zwirnen  verschiedenartiger 
Alpakagarne  bewirkt;  solche  Gewebe  nennt  man  Twisted  Alpaka.  Die  Alpaka- 
gewebe dienen  zu  Anzugsstoffen,  Möbelbezügen  und  Besätzen. 

Alsfeld,  Kreisstadt  in  Oberhessen:  Erzeugung  von  Leinen-,  Halbleinen- 
iind  Baumwollenwaren. 

Altarausstattung,  Altarbekleidung,  Altarzeug  (lat. :  vestis  altaris,  vesti- 
mentum;  franz.:  ornament  d'autel ;  engl.:  altar-ornament).  Zur  Altarbekleidung 
sind  zu  rechnen  a)  in  der  katholischen  Kirche :  der  Altarbehang,  die  Altartücher, 
das  A^esperale,  das  Corporale,  das  Frontale  oder  Antependium,  b)  in  der 
evangelischen  Kirche:  der  Altarbehang,  die  Vorhaltetücher,  die  Altartücher: 
Corporale  oder  Leibtuch,  die  Fallen,  und  in  englischen  Kirchen  das  Yelum 
(s.  die  Artikel  im  Einzelnen).  (Yergl.  über  katholische  A.  Bock,  Geschichte 
der  liturgischen  Gewänder,  3  Bde.  Bonn  1859  —  1871,  über  evangelische  A. 
M  eurer,  Altarschmuck,  ein  Beitrag  zur  Paramentik  :!  i  der  evangelischen  Kirche, 
Leipzig  1867.) 

Altarbehang,  Altarbehänge,  Altargewand,  Altarverhüllung  (lat. :  pallium, 
palla,  palliota;  franz.:  nappe,  d'autel;  engl.:  pallium);  so  heissen  in  ihrer 
Gesamtheit  alle  die  Teile  der  Altarbekleidung,  welche  an  den  Altar  angehängt 
werden. 

Altartuch,  Altartwele  (lat. :  mappa,  tobaleum,  tuella,  linteamen ;  franz. : 
linge  d'autel ,  nappe,  touaille ;  engl. :  towel ,  altar-cloth).  Jeder  katholische 
Altar  soll  mit  drei  Leinentüchern  bedeckt  sein.  Die  beiden  unteren  bedecken 
nur  die  Altarplatte ,  das  oberste  aber  muss  noch  zu  beiden  Seiten  bis  zum 
Sockel  des  Altartisches  herabhängen;  unter  dem  untersten  liegt  noch  das 
Chrismale,  ein  wachsgetränktes  Linnen.  lieber  das  oberste  wird  das  Yesper- 
tuch  (s.  d.)  ausser  der  Messe  gebreitet.  Diese  Yorschriften  datieren  vom 
Papst  Pius  I.  (142 — 157).  Anderen  Stoff  als  Leinwand  zu  nehmen  ist  streng 
verboten.  Im  Mittelalter  wurden  diese  Leinentücher  mit  farbigen  Streifen 
gewirkt  oder  gestickt  oder  auch  mit  strengen  Mustern  im  Stile  der  Zeit  bedeckt 
und  in  bescheidener  Weise  mit  Fransenabschluss   versehen  (s.  Leinenstickerei). 

Altchemnitz,  Ortsgem.  in  Sachsen:  Baumwollen-  und  Kammgarnspinne- 
reien; Kattun-  und  Jutedruckereien  (s.   Chemnitz). 

Altdeutsche  Leinenstickerei  s.  Leinenstickerei. 

Altdeutsche  Stoffmuster  s.  Deutschland. 

Altdeutscher  Knüpfstich  s.  Leinenstickerei. 

Altdeutsches  Leinen  s.  Leinen. 

Altenburg,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Herzogtums  Sachsen-A. :  Fabri- 
kation von  wollenen  Garnen  und  Leinenwaren. 

Altertumskonservierung  s.  konservieren,  reinigen  u.  s.  w. 

Altes  Land,  Marschebene  im  Kreis  Jork  des  preuss.  Beg.-Bez.  Stade 
a.  d.  Elbe:  Leinenstickerei,  Baumwollen-  und  Tuchwebereien  älterer  Zeit. 

Altkirch,  Hauptstadt  im  Oberelsass  bei  Mülhausen:  Baumwollspinnerei, 
Kattunweberei. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde,  O 


18  Altona — Amerika. 


Altona,  Stadt  im  preuss.  B>eg.-Bez.  Schleswig:  Wollspinnerei,  Fabrika- 
tion von   Wollgarn;  Posamentierwaren. 

Altorientalische  Teppiche  s.  Teppiche. 

Altstadt,  Stadt  in  Mähren:  bedeutende  Leinenindustrie. 

Alumnatzeug,  ein  starker,  dicht  gewebter,  meistens  schwarz  ge- 
färbter Wollenstotf,  welcher  in  mehreren  böhmischen  Fabriken  gemacht 
und  meistens  zu  Kleidern  für  Ordensgeistliche  und  Alumnen  verbraucht    wird. 

Alvellos,  Stadt  in  Brasilien :   Seidenwebereien. 

Alzey,  Kreisstadt  der  hessischen  Provinz  E,heinhessen,  bei  Mainz:  ältere 
Webereien. 

Amabouks  nennt  man  die  in  den  nördlichen  Gegenden  Irlands  verfer- 
tigten, gewöhnlichen,  halbgebleichten  Leinwandstoffe;  sie  werden  ungebleicht  zu 
Warensäcken,  halbgebleicht  zu  Matrosenhemden  und  Sklavenkleidung  gebraucht. 

Amamee,  ein  glattes,  festgeschlagenes  Baumwollengewebe  aus  Bengalen; 
die  feinere  Sorte  führte  auch  den  Namen  Bissuti,  die  gröbere  Tissuti.  Sie 
wurden  ehedem  zum  Kattundruck,  auch  zu  Hemden,  Betttüchern,  Vorhängen 
u.  8.  w.  gebraucht,  später  aber  durch  nordamerikanische  baumwollene  Zeuge, 
die  sog.  Domestiks  verdrängt. 

Amanblucee,  ältere  Sorte  von  Baumwollenzeug,  die  man  über  Aleppo  bezog. 

Amand-les-Eaux ,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Nord,  Arrond.  Valen- 
ciennes:   Spitzenfabrikation. 

Amanouri,  eine  der  feinsten  levantinischen  Baumwollen. 

Amarant,  Name  einer  Zeugfarbe,  welche  der  des  gleichnamigen  Pali- 
sanderholzes ähnlich  ist  (s.  Zeugdruck). 

Amazones,  moderne  Bezeichnung  eines  Wollenstoffes,  der  zur  Anfertigung 
von  Frauenkleidern  dient. 

Ambelakia,  Stadt  in  der  Türkei,  Vilajet  Janina:  Baumwollenbau, 
Türkischrotfärberei. 

Amberg,  Stadt  im  bayer.  Beg.-Bez.  Oberpfalz :  bedeutende  Fabrikation 
in  Woll-  und  Leinenzeugen. 

Amberien-en-Bugey,  Hauptort  im  franz.  Depart.  Ain,  Arrond.  Belley: 
Tuch-  und  Deckenfabriken;  Baumwollenspinnereien. 

Ambert,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  franz.  Arrond.  im  Deport.  Pay- 
de-D6me:  Band-,  Segeltuchfabrikation;  lebhafter  Handel  mit  Kamelotts,  Beutel- 
tuch u.  s.  w. 

Amboise,  Hauptort  im  franz.  Depart.  Indre-et-Loire :  Fabrikation  von 
Teppichen  und  Tuchstoffen ;  bedeutender  Handel. 

Ambras,  Dorf  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Innsbruck  in  Tirol: 
berühmt  durch  die  s.  Zt.  dort  aufbewahrten  Sammlungen,  worunter  auch  einige 
Stoffe  und  Stickereien ,  welche  sich  gegenwärtig  im  kunsthistorischen  Hof- 
museum in  Wien  befinden.  Vgl.  Hg  und  Böheim ,  Führer  durch  die  K.  K. 
Ambraser  Sammlung,  Wien  1879. 

Ambrieres,  Hauptort  im  franz.  Depart.  Mayenne :  Kalikofabriken. 

Amens,  Amiens,  ein  fester  geköperter  Wollenstoff,  welcher  aus  feinem 
hartem  Kammgarn,  den  Lastings  gleich,  aber  von  besserer  Qualität,  in  Schott- 
land, England,  Frankreich  und  Deutschland  gewebt  wurde;  er  kam  in  allen 
Farben,  gestreift  und  gemustert,  in  den  Handel:  man  fertigte  ihn  zuerst  in 
Amiens,  s^Däter  in  Yorkshire  und  zuletzt  in  Deutschland;  ersetzt  wurde  A. 
später    durch    die  im  Gewebe  und  Garn  ähnlichen  Merinos  und  Tibets  (s.  d.). 

Amerika.  Die  ersten  Versuche,  Seidenband-  und  Stoffweberei  in  den 
Vereinigten  Staaten  Amerikas  einzuführen,  fallen  in  die  50er  Jahre  des  19.;Jahrh., 
wenn  auch  schon  früher  (1836)  kleinere  Betriebe  bestanden  haben.  Hohe 
Schutzzölle  und  die  Freilassung  der  Einfuhr  von  Bohseide  verhalfen  der  jungen 
Industrie  bald  zu  raschem  Aufschwung.  Das  Material  bezog  A.  von  Anfang 
an  aus  China.  Die  wichtigsten  Sitze  der  Seidenindustrie  befinden  sich  aus- 
schliesslich in  den  nordöstlichen  Staaten,  namentlich  Neu-Jersey,  Pennsylvanien, 
Neu-York,  Connecticut  (South  Manchester)  und  Massachusetts,  weniger  in 
Maine    und  Virginien.      Das    Charakteristische    amerikanischer   AVebereien  ist, 


Amertis — Amsterdam.  19 


dass  die  meisten  keine  Spezialartikel  liefern,  sondern  neben  den  Sammeten  auch 
Atlasse ,  neben  den  Bändern  Besatzartikel  anfertigen  u.  s.  w.  Die  meisten 
betreiben  ferner  zugleich  die  Zwirnerei  und  stellen  ihren  Bedarf  an  Organsine 
und  Trame  selbst  her.  Infolge  der  teueren  Handarbeit  verwendet  die  Weberei 
fast  ausschliesslich  die  mechanischen  Stühle.  Der  Charakter  der  amerikanischen 
Seidenmanufaktur  ist  von  dem  der  europäischen  in  vieler  Hinsicht  verschieden. 
Infolge  hoher  Arbeitslöhne  werden  aus  ökonomischen  Rücksichten  gröbere 
Gespinstnummern  verwendet;  es  wird  auch  weniger  dicht  gewebt.  Die  zeit- 
raubende Operation  des  Stoffreibens  wird  nur  selten  ausgeübt.  Die  Stoffe 
werden  stark  gummiert,  wodurch  sie  an  Gefühl  und  Schönheit  des  Faltenwurfs 
verlieren.  Die  Gespinste  werden  in  der  Regel  nicht  unbeträchtlich  erschwert. 
Die  Qualität  der  Arbeit  selbst  ist  weniger  sorgfältig,  als  in  Europa;  im  all- 
gemeinen sind  die  Fabrikate  von  ziemlich  guter  Qualität,  aber  unverhältnis- 
mässig hohem  Preise.  (Yergl.  Silbermann,  die  Seide,  Dresden  1897,  Bd.  1 
S.  137  ff.)  lieber  Baumwollenindustrie  in  Amerika  vergl.  den  Artikel  Baum- 
wolle.    (Vergl.  auch  über  Altertümer  in  A.  den  ^Artikel  Peru.) 

Amertis,  Amiertjes,  im  holländisch-ostindischen  Handel  feste  Baumwollen- 
zeuge oder  Kalikos  für  Druckstoffe,  welche  die  Holländer  früher  aus  Bengalen, 
vornehmlich  aus  Patua,  nach  Europa  brachten. 

Amiant  s.  Asbest. 

Amictus  (lat.),  Ornatstück  der  abendländischen  Kirche,  gleichbedeutend 
mit  Humerale,  Schultertuch. 

Amiens,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Somme:  Fabrik  von  Kamelotts, 
Wollenstoffen,  Utrechter  Sammet,  Teppichen,  Tüll-  und  Leinenstoffen  und  be- 
deutender Handel  mit  diesen  Erzeugnissen.  Schon  im  Mittelalter  hatte  A.  als 
eine  der  bedeutendsten  Fabrik-  und  Handelsstädte  Frankreichs  einen  Ruf.  Im 
Jahre  1492  führten  Arbeiter  aus  Tournai  die  Tuchfabrikation  daselbst  ein; 
Colbert  brachte  die  Textilindustrie  hier  zu  grosser  Berühmtheit,  indem  er  1666 
holländische  Fabrikanten  kommen  liess.  Jetzt  ist  A.  besonders  wichtig 
durch  Leinen-,  Hanf-,  Jute-,  Woll-,  und  Seiden  ab  fallspinnereien.  Fabriken 
für  Manchestersammet  mit  7000  Arbeitern,  Plüsch  (4500),  Kleiderkonfektion 
(4000). 

Amita,  Bezeichnung  für  Taffetgewebe,  welche  nach  einem  Geschichts- 
schreiber (Ende  des  12.  Jahrh.)  unter  diesem  Namen  in  der  Kgl.  Manufaktur 
zu  Palermo  gefertigt  wurden. 

Amoer,  in  vielen  Gegenden  Italiens  der  sog.   Gros  de  tours. 

AmorgOS,  griechische  Insel,  die  östlichste  der  Cykladen,  hatte  im  Alter- 
tum drei  Städte :  Minoa,  Arkesine  und  Aegiale,  die  berühmt  waren  durch  eine 
Art  feinen  Flachses,  aus  dem  feine  durchsichtige  Gewänder  hergestellt  wurden. 

Amour,  Hauptort  im  franz.  Jura:  Sammetstofffabrikation. 

Amour  oder  Lacs  d' Amour,  ein  sog.  Drell,  damastartig  mit  runden 
oder  ovalen  Mustern,  welcher  im  Depart.  des  Calvados,  in  Caen  und  der  Um- 
gegend, für  Servietten  hergestellt  wird. 

Amritsar,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Division  und  des  Distrikts  in 
Indien :  bedeutendste  Handelsstadt  des  Pandschab  und  Mittelpunkt  des  Transit- 
verkehrs für  den  Handel  mit  Kaschmir.  Zu  den  Haupteinfuhrartikeln  gehören 
Baumwolle,  Stückwaren,  echte  Kaschmirshawls,  Seide.  Ausgeführt  werden  die 
einheimischen  Fabrikate:  Wolle  und  Seidenwaren,  Goldfäden  und  besonders 
unechte  Kaschmirshawls,  die  hier  aus  dem  Seidenhaar  der  tibetanischen  Ziege 
gestickt  werden.  Seit  1871  nimmt  dieser  Industriezweig  ab  ;  doch  ist  A.  noch 
immer  der  Hauptmarkt  für  Kaschmirshawls.  Der  Gesamtwert  der  nach  Europa 
ausgeführten  Shawls  beträgt  jährlich  durchschnittlich  4  Mill.  Mark,  von  denen 
IV2  Mill.  Mk.  auf  die  in  A.  hergestellten  Nachahmungen  entfallen.  A.  ist  1574 
gegründet  und  wurde   1846  britisch. 

Amsterdam,  Hauptstadt  des  Königreichs  der  Niederlande:  Seide,  Ta- 
peten, Wolle.  A.  hatte  früher  einen  wichtigen  Seidenhandel ;  man  kaufte  dort 
alle  Sorten  roher  ostindischer,  persischer,  levantinischer  und  italienischer  Seide, 
sowie  gesponnene  Organsine  und  Trame  von  Piemont,  Mailand  u.  s.  w. 


20  Amsterdam — Ananasmuster. 

Amsterdam,  Stadt  im  County  Montgomery  des  nordamerik.  Staates  Nen- 
York:   Strickwaren-  und  Teppichfabriken. 

Anabasses,  blau-  und  weissgestreifte  wollene  Decken  oder  Tücher,  welche 
im  Depart.  der  niederen  Seine  zu  ßouen,  Dartenal  und  in  den  umliegenden 
Ortschaften  gemacht  werden;  auch  die  niederländischen  Fabriken  zu  Leyden, 
Brügge,  Ypern  u.  s.  w.  webten  diese  Stoffe  in  Nachahmung  der  französischen, 
welche  meistens  nach  dem  Senegal,  nach  der  Küste  von  Gruinea  und  Angola 
ausgeführt  wurden. 

Anacoste  oder  Anacote,  moderner  geköperter  Wollenstoff  aus  hartem  Kamm- 
garn, eine  Art  Serge.  In  Frankreich  machte  man  ihn  aus  ganz  feiner  Wolle,  be- 
sonders inBeauvais;  die  niederländischen  Fabriken  zu  Leyden,  Brügge,  Arschoet 
und  Ypern  liefern  diesen  Artikel  noch.     In  Deutschland  lieferten  ehemals  gute 

A.  Penig,  Gotha,  Bochlitz,  Gera,  Linz,  Elberfeld,  Breslau  und  Berlin  für  den 
auswärtigen  Handel.  Schwarz  gefärbt  und  ganz  weiss  geschwefelt  ging  die 
AYare  in  Menge  nach  Spanien ;  in  harter  Wolle  und  weniger  guter  Ausführung 
liefern  den  Stoff  die  Holländer  nach  Japan,  wo  er  unter  dem  Namen  „Saaij" 
bekannt  ist. 

Ananashanf  (franz.  fibre  de  pine;  engl,  pine  applehemp),  Gespinstfaser 
aus  den  Blättern  der  Ananaspflanze.  A.  ist  sehr  fein,  weiss  und  seidenartig 
glänzend,  die  daraus  gefertigten  Gewebe  scheinen  stark  durch,  weil  Schuss- 
uud  Kettfäden,  die  unmittelbar  aus  dem  Blatt  entnommen,  nur  an  den  Enden 
durch  Andrehen  oder  Yerknoten  vereinigte  Bastfaserbündel  sind,  welche  der 
Verdrehung  gewöhnlicher  Gespinstfäden  entbehren:  Ananasbatist,  auf  den 
Philipx^inen  Pinas ,    malayisch    Tagais.      Ananas    sativa,    Bromelia   lucida    und 

B.  semierata  liefern  die  feinsten  Fasern;  die  gröberen  Fasern  anderer  Arten, 
z.B.  Bromelia  karatas ,  B.  silvestris ,  B.  sagenavia,  werden  als  Silk-grass  zu 
Tauen  u.  s.  w.  verwendet. 

Ananas-Leinen,  aus  den  Gespinstfäden  der  trockenen  Blätter  einer  Ana- 
naspflanze (Bromelia  Pigmaea)  und  Mischung  mit  Baumwolle  gefertigtes  Ge- 
webe. Die  feinen  A. -Tücher,  welche  in  Manila  gewebt  werden,  nennt  man  Pinas. 
'      g Ananasmaschine  s.  Wirkerei. 

■  ^  1.:  Ananasmuster  haben  infolge  des  spitzovalen  rautenförmig  gerippten  Frucht- 
kolbens mit  dem  oben  auswachsenden  Blattbüschel  in  ornamentaler  Auffassung 

Abb.  18. 


etwas  Verwandtes  mit  den  aus  Pinienzapfen,  Granatäpfeln  und  Distelblüten- 
köpfen gebildeten  Stofimustern  des  gotischen  Zeitalters.  Alle  diese  botanischen 
Motive    haben    aber    eher    eine    künstlerische    Verwertung    gefunden,    als    das 


Ananasmuster. 


21 


Ananasgewächs ,  welches  allein  in  Amerika  seine  Heimat  hat  (s.  Abb.  18). 
Das  erste  Erscheinen  desselben  in  Europa  fällt  in  die  Zeit,  wo  in  Gewändern 
und  Tapetenstoffen  das  sogenannte  Granatapfelmuster  (s.  d.)  in  Italien  und 
Spanien  zu  voller  Entfaltung  gelangt  ist  und  schon  anfängt ,  sich  von  dem 
ursprünglichen  Grundmotiv  zu  entfernen,  bis  es  allmählich  übergeht  in  Blüten- 

Abb.  19. 


formen,  wofür  uns  die  sichere  botanische  Bezeichnung  fehlt.  Bei  dieser  Um- 
gestaltung eines  allgemein  herrschenden  palmettenartigen  Blütenmotivs,  dem 
wir  besonders  in  italienischen  und  spanischen  Stoffmustern  begegnen  und  das 
dort  bis  spät  in  das  17.  Jahrb.  die  verschiedenartigsten  Wandlungen  durch- 
macht, scheint  der  Körper  derA  nanasfrucht  in  geschlossenem  und  offenem  Zu- 
stande von  bedeutendem  Einfluss  gewesen  zu  sein  (s.  Abb.  19).  In  Frankreich 
setzt  die  eigentliche  fruchtbringende  Tätigkeit  der  Prachtweberei  erst  am 
Ende  des  15.  Jahrb.  ein ;  man  ist  also  bei  den  Entwürfen  der  folgenden  Stoff- 
muster frei  von  Ueb erlief erungen  alter  eigener  Kunstformen.  Daher  sehen 
wir  den  französischen  Zeichner  die  ihm  über  Holland  zugehenden  tropischen 
Pflanzen  in  ihrer  möglichst  natürlichen  Erscheinung  für  die  Fläche  nutzbar 
machen,  wobei  selbst  der  schwere  Ananaskolben  als  neigendes  Glied  eines 
grossen  palmettenförmigen  Strausses  dem  typisch  gewordenen  Barockmuster 
in  getreuer  Wiedergabe  nicht  fehlt  (s.  Abb.  20). 

Ab  bildungen  : 

18.  Ananaspflanze   nach   einer   Darstellung    aus:    lUustriertes    Crartenbaulexikon, 
begründet   von  Th.  Rümpler,  Berlin  1902. 

19.  Originalaufnahme   aus    dem   König].   Landesgewerbe- Museum    in    Stuttgart: 


22 


Ananasmuster — Andrichau. 


Halbseidenstoff,  Grund  blassrot,  symmetrisches  Muster  gelblicb  und  weiss:  Blatt- 
gewinde, durch  Knäufe  verbunden,  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  je  eine  grosse 
palmettenförmige  Blüte.     Italien,  17.  Jahrhundert. 

20.  Origiualaufnahme   aus   dem   Königl.   Landesgewerbe-Museum    in   Stuttgart: 


Abb.  20. 


Borte  eines  Frauenkleides,  Grund  dichter,  roter,  geschnittener  Sammet,  symmetrisches 
Muster  aus  gezogenen  Goldfäden:  Spitzengehänge,  welche  nach  oben  den  Bogen- 
abschluss  der  Borte  bilden,  umschliessen  auf  wechselnd  gemustertem  Grunde  palmetten- 
artige  Blütensträusse ,  in  denen  der  Ananas  besonders  vorherrschend  ist.  Frankreich, 
Ende  17.  Jahrhundert. 

Ananasware  s.  Wirkerei. 

Anatolische  Teppiche,  türkische  Bezeichnung  für  T.  aus  Kleinasien, 
zum  Unterschied  von  den  ebenfalls  in  Anatolien  erzeugten  eigentlichen  Smyrna- 
teppichen  (s.  Teppiche). 

Ancelia,  moderner  halbwollener,  durch  Bindung  gemusterter  Damenkleider- 
stoff aus  Kette  von  Baumwollenzwirn  und  Schuss  von  Weft. 

Ancona,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  ital.  Prov.,  nach  Venedig  die 
wichtigste  Seestadt  am  Adriatischen  Meer:  Fabrikation  von  Seidenwaren, 
Segeltuch. 

Andalusia,  eine  mittelfeine  spanische  Wolle. 

Andeyls,  Hauptstadt  des  franz.  Arrond.  A. :  Fabrikation  von  feinem^Tuch, 
Strumj)fwaren  und  Leinwand stoffen. 

Andreasberg,  Stadt  in  der  preuss.  Prov.  Hannover :  Spitzenklöppelei, 
mechanische  Webereien. 

Andreasknoten  s.  Knüpfarbeit. 

Andreaskreuz,  Bezeichnung  für  ein  Spitzenmuster  in  Klöppelarbeit, 
welches  im  Züricher  Musterbuch  von  1561   erscheint  (s.   Spitzen). 

Andrichau,  polnisch  Andrychow,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmann- 


Andro — Annaberg.  23 


Schaft  Wadowice  inGalizien:  bedeutende  Leinwand-,  Tuch- und  Zwillichwebe- 
reien, Blaudruckfärberei  mit  starker  Indigoeinfuhr. 

Andro,  Hauptstadt  auf  der  gleichnamigen  Insel  im  griechischen  Archi23el: 
Seidenzucht  und  Spinnerei,  Tapetenweberei. 

Angebinde,  (franz.:  faveur;  engl.:  favor,  favour)  eine  Bandschleife,  die 
der  Ritter  als  Zeichen  der  Zuneigung  von  einer  Dame  empfing. 

Angelica  vestis  (lat.),  das  Mönchskleid. 

Angers,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Maine-et-Loire :  Segeltuchfabrik, 
Baumwollenspinnerei,  Taschentuch,  Kattun-  und  Zwirnstrumpfwarenmanufakturen. 

Angleterre,  Bezeichnung  für  einen  in  Frankreich  gewebten  seidenen 
Glanztaffet. 

Angola,  moderner  roter  Baumwollenstoff  in  Köperbindung. 

Angora,  moderner  glänzender  Damenkleiderstoff  in  Leinwandbindung  aus 
Kette  von  Baumwollenzwirn  und  Schuss  von  Mohair.  A.  heissen  auch  Nach- 
ahmungen der  Angorafelle  (s.  Mohairplüsch,  Lamskin). 

Angoratuch,  Bezeichnung  einer  älteren  Ware  aus  "Wolle  und  Seidenfaser- 
haar, welche  durch  weiches  glänzendes  Aussehen  auffiel,  aber  nicht  dauerhaft 
war;  man  fertigte  sie  in  Buttstädt  und  Züllichau. 

Angorawolle,  Angorahaar,  Kämelhaar,  Kamlot,  —  fälschlich  Kamelhaar 
genannt  —  (franz.:  poil  de  chevre ;  engl.:  mohair,  ice  wool;  span. :  mohair; 
türk. :  tiftik) ;  vom  Arabischen  Chamal  =  Ziege,  aber  auch  „zart"  „fein",  eine  seit 
alter  Zeit  (vergl.  Moses  II,  25,  4  und  35,  6)  wegen  ihrer  bedeutenden  Länge 
(30  cm  und  mehr),  Dauerhaftigkeit  und  ihres  Seidenglanzes  hoch  angesehene 
Spinnfaser :  das  Haarkleid  der  Angoraziege,  welche  auf  den  Höhen  von  Angora 
und  Konieh  in  Kleinasien  gezüchtet  wird.  Die  feinste  Wolle  stammt  von 
einjährigen  Ziegen;  die  der  älteren  Tiere  wird  auffallend  grob  und  verliert 
stark  an  Wert.  Die  geringste  Sorte  führt  den  Kamen  Wickelwolle  (pelotage 
oder  pellotini),  dieser  ist  die  persische  Ziegenwolle  (laine  de  perse)  sehr  ähnlich. 
Die  Angorawolle  ist  reinweiss,  seltener  grau  und  schwarz,  daher  am  meisten 
geschätzt.  Ausser  dieser  ersten  Angorawolle  kommen  auch  noch  andere  Wollen 
unter  gleicher  Bezeichnung  in  unserem  Handel  vor,  die  auch  von  Ziegen 
stammen;  aber  sich  von  diesen  unterscheiden  durch  den  reichlichen  Grehalt 
dicker  markhaltiger  Haare.  Die  Angoraziege  ist  auch  in  Frankreich,  Spanien 
und  Australien  akklimatisiert  worden,  doch  hat  die  von  dort  kommende  Wolle 
einen  gelblichen  Schein.  Ferner  sind  in  Kalifornien,  Nevada,  Arizona  und 
Neu-Mexiko  bedeutende  Herden  dieser  Ziege. 

Anhalt,  Fürstentum,  besitzt  beträchtliche  Schafherden,  welche  im  all- 
gemeinen eine  gute  Wolle  geben,  die  in  Menge  nach  Hamburg,  Holland  und 
Frankreich  ausgeführt  wird,  der  Handel  damit  hat  seinen  Hauptsitz  in 
Cöthen. 

Animalisieren  nennt  man  die  für  Zwecke  der  Färberei  und  des  Zeug- 
druckes häufig  erforderliche  Vorbereitung  der  Baumwolle,  welche  dazu  dient, 
derselben  eine  der  Schafwolle  ähnliche  Anziehungskraft  für  gewisse,  andernfalls 
an  der  Baumwollfaser  nicht  haftende  Farbstoffe  zu  erteilen. 

Animetta  (lat.),  das  Tuch  zur  Bedeckung  des   Abendmahlskelches. 

Anlegetechnik,  in  der  Stickerei  das  einfache  Aufnähen  der  Groldfäden 
oder  Schnüre,  welche  entweder  unsichtbar  oder  sichtbar  mit  Ueberfangstichen 
in  gleicher  oder  abstechender  Farbe  festgehalten  werden  und  in  Umrissen 
(nach  italienischen  und  spanischen  Vorbildern  der  Renaissance)  oder  auch  in 
ganzen  Flächen  (nach  Stickereien  des  Orients,  vornehmlich  China)  das  Muster 
bilden.    (Vergl.  den  Artikel  Goldstickerei.) 

Anmaschen  s.   Strickerei. 

Annaberg,  Stadt  in  Sachsen:  Mittelpunkt  der  sächs.  Spitzenklöppelei 
und  Posamentier  Warenfabrikation,  von  denen  die  erstere  1561  durch  Barbara 
Uttmann  (-|-  1575),  die  andere  im  nahen  Buchholz  im  Jahre  1590  durch  prote- 
stantische Belgier  (Einenkel)  begründet  ward ;  ferner  Fabrikation  von  seidenen 
Stoffen,  unechten  Gold-  und  Silbertressen  (sog.  Leonische  Ware).  Gewerbliche 
Fachschiilen  für  Frauen    und  Mädchen.     Lehranstalt    für   erzgebirgische  Posa- 


24 


Annecy — Antependium. 


mentierindustrie,  mit  der  früheren  Posamentierlehrlingsschule  verbunden.  Posa- 
raentenexport  nach  den  Vereinigten  Staaten  jährlich  etwa   für  45  Mill.  Mark. 

Annecy,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Haute-Savoie:  Baumwollen-, 
Wollen-Spinnereien  und  Webereien;  Seidenfabriken. 

Annina,  römische  weisse  Baumwolle. 

Annonay,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  des  franz.  Depart.  Ardeche:  Tuch- 
und  Strumpfwaren-Fabriken;  Handel  mit  Seidenwaren. 

Anreihen  s.  Knüpfarbeit. 

Ansbach,  Stadt  im  bayr.  Reg.-Bez.  Mittelfranken:  Wollspinnerei;  Fa- 
briken von  Woll-  und  Posamentierwaren,  Nähseiden,  Goldstickereien,  Tapeten 
und  Teppichen;  Frauenarbeitsschulen. 

Anschlag  s.  Häkeln. 

Anschlagen,  1.  in  der  Weberei  die  eingeschossenen  Querfäden  mittels 
der  Lade  am  Webstuhl  zusammenschieben;  2.  das  Umwickeln  der  Nadeln  eines 
Wirkstuhles  zur  Bildung  der  ersten  Schleifenreihe. 

Anschlagmaschen  s.  Strickerei. 

Anspach,  Stadt  am  Taunus :  Fabrikation  von  Wollwaren  und  Herstellung 
von  Strumpfwirkstühlen. 

Anstreckzeug  s.  Webstuhl. 

Antependium  (lat.),  (franz.  nappe;  engl,  frontal  cloth),  gestickter,  gewirkter 
oder  gewebter  Zierbehang  für  die  Vorderseite  des  Altars  zum  Schutz  oder  an  Stelle 

Abb.  21. 


des  Frontale.  Die  Anwendung  des  A.  ist  seit  dem  frühesten  Mittelalter  gebräuchlich. 
Die  ersten  Altarbehänge  scheinen  aus  leichten  faltigen  Stoffen  bestanden  zu 
haben,  welche  mit  Bingen  oder  Oesen  zum  Abnehmen  eingerichtet  waren,  es 
wird  eines  solchen  aus  dem  4.  Jahrh.  von  einem  Altar  Erwähnung  getan,  auf 
welchem  in  der  Unterkirche  von  Cosmas  und  Damian  in  Bom  schon  Papst 
Felix  IL  zelebriert  haben  soll.  Der  Bibliothekar  Anastasius  erzählt  von  einer 
golddurchwirkten  Decke,  die  Kaiser  Konstantin  unter  dem  Pontifikat  Vitalians 
(657 — 672)  für  den  Altar  des  heil.  Petrus  gestiftet  habe;  ferner:  Papst  Leo  IIL 


Anterits — Apolda.  25 


(795 — 816)  habe  für  denselben  Altar  eine  Bedeckung  anfertigen  lassen,  ge- 
schmückt mit  Weinranken  aus  reinstem  Golde,  mit  Edelsteinen,  Palmen,  in 
deren  Mitte  das  Antlitz  des  Erlösers,  der  Maria  und  der  Apostel  dargestellt 
war.  Anfangs  waren  die  Antependien  jedenfalls  ohne  Rücksicht  auf  Betonung 
der  Elächengliederung  aus  gemusterten  Stoffen  der  Zeit  genommen,  erst  in 
der  romanischen  Epoche  erscheint  das  A.  in  gewisser  Teilung,  die  sich  späterhin 
bis  zur  architektonischen  Linienführung  steigert  (s.  Abb.  21).  Das  gestickte 
A.  ist  dem  gewebten  stets  vorgezogen ;  sobald  die  Technik  der  Goldstickerei 
entwickelt  ist,  wird  diese  in  reichem  Masse  dekorativ  verwendet,  dann  aber 
nimmt  die  Aufnäharbeit  einen  breiten  Raum  für  derartige  Zwecke  ein,  die 
auch  in  neuester  Zeit  wieder  dafür  in  Anwendung  gekommen  ist  (s.  kirchliche 
Stoffe  und  Stickereien). 

Abbildungen. 

21.  Originalaufnahme  aus  dem  Dom  in  Xanten:  Teil  eines  Antependiums,  in 
Gold-  und  Bildstickerei  mit  Darstellung  von  Apostelfiguren  in  Bogenstellungen,  Frank- 
reich Ende  15.  Jahrhundert. 

Anterits  nannte  man  früher  "Westen  von  sogen.  Bourre  de  Magnesie, 
einem  floretseidenen  Zeuge,  das  im  Orient  gewebt  wird. 

Antik  s.  Griechenland  und  Bom. 

Antikisierend,  den  antiken  Kunstformen  nachgebildet,  sich  an  solche  an- 
lehnend, nicht  unmittelbar  kopiert. 

Antiochien,  im  frühen  Mittelalter  Besidenz  der  Seleuciden  in  Syrien, 
erzeugt  nach  Berichten  römischer  Schriftsteller  schon  frühe  prächtige,  glatte, 
moirierte  Gewebe  und  Goldbrokate  und  ist  der  Hauptsitz  der  Seidenindustrie  wäh- 
rend der  Kreuzzüge.  An  der  Stelle  des  alten  A.  liegt  das  heutige  A.,  dessen 
Einwohner  Seidenzucht  und  Handel  mit  Seide  treiben. 

Antrim,  nordöstliche  Grafschaft  Irlands  in  der  Prov.  Ulster :  Flachsbau, 
Spinnerei  und  Weberei  in  Leinen  bilden  die  Hauptindustriezweige ;  daneben 
wird  auch  Baumwolle  und  Schafwolle  gesponnen  und  verwebt. 

Antwerpen,  Hauptstadt  gleichnamiger  Provinz  im  Königreich  Belgien: 
Tuch-,  Wollen-  und  Baumwollenwebereien.  Fabrikation  von  Spitzen,  deren 
Erzeugnisse  in  die  erste  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  zurückgehen  (s.  Spitzen). 
Für  den  Seidenhandel  ist  A.  im  Mittelalter  wichtig;  es  stand  im  13.  Jahrh. 
in  lebhaften  Beziehungen  mit  den  Yenetianern  und  war  im  14.  Jahrh.  einer 
der  besuchtesten  Stapelplätze  für  Bohseide.  Im  16.  Jahrh.  hat  A.  den  leb- 
haftesten Handelsverkehr  mit  der  ganzen  Welt,  besonders  aber  mit  Amerika. 
Unter  der  spanischen  Herrschaft  der  Niederlande  und  während  der  niederländ. 
Freiheitskämpfe  wurde  der  Handel  dieser  Stadt  völlig  zerrüttet  und  1648 
durch  die  Sperrung  der  Scheidemündung  von  Seiten  Hollands  aufs  neue  unter- 
bunden. Infolge  der  Eroberung  der  Niederlande  durch  die  Franzosen  wurde 
die  Scheideschiffahrt  wieder  frei  und  A.s  Hafen  von  Napoleon  wieder  her- 
gestellt und  vergrössert.  Ueber  die  Stoffsammlung  in  A.  vergl.  Catalogue  du 
musee  d'antiquites  d'Anvers  par  P.  Genard.  A.  1894. 

Anzugsstoffe,  zu  Anzügen  benützte  Gewebe,  besonders  Tuche,  Buckskin, 
Loden,  Cheviot,  Kammgarnstoffe. 

Aeolian,  moderner,  ganz  leichter,  halbseidener  Stoff  für  Ballkleider  mit 
Kette  aus  Kettengarn  und  Schuss  aus  Seide. 

Apartadores  heissen  in  Spanien  die  sachkundigen  Leute,  welche  die 
Wolle  sortieren. 

Apfelbaum,  als  symbol.  Darstellung  des  Baumes  der  Erkenntnis ;  in  guter 
Stilisierung  häufig  auf  deutschen  und  italienischen  Leinenstickereien:  nament- 
lich Mustertüchern  des  17.  und  18.  Jahrhunderts. 

Apolda,  Stadt  in  Sachsen-Weimar-Eiseuach:  Hauptort  für  Fabrikation 
von  Strumpfwaren  (gegründet  von  Zimmermann  1759 — 1843)  im  Deutschen 
Beich,  die  in  A.  und  Umgegend  in  mehr  als  70  Fabriken  8000  Arbeiter  be- 
schäftigt.     Auch   Posamentierwaren    werden    erzeugt,    ferner    bestehen    Woll- 


26  Apostelfigureu — Arabesken. 


Spinnereien  und  Färbereien.  Der  jährliche  Gesamtumsatz  der  Wollwaren  be- 
trägt über  20  Mill.  Mk.  (Yergl.  Kornfeld,  Geschichte  und  Beschreibung 
der   Fabrik-   und  Handelsstadt  A.,  Apolda  1871.) 

Apostelfiguren  bilden  namentlich  in  der  Gotik  und  Frührenaissance  eine 
beliebte  Darstellung  in  kirchlichen  Stickereien,  wo  sie  in  sogen.  Bildstickerei 
einzeln  so  ausgeführt  sind,  um  sie  als  Füllung  oder  unter  Bogenstellungen 
ornamental  und  als  Symbol  zu  verwenden.  lieber  die  erste  derartige  Verwen- 
dung vgl.  koptische  Wirkereien  (s.  Abb.  21). 

Appenzell,  Schweizer  Kanton,  ganz  vom  Kanton  St.  Gallen  umschlossen : 
bedeutende  Fabrikation  von  AVeissstickereien:  137  Werkstätten  mit  2000  Ar- 
beitern. 

Applikation   s.  Aufnäharbeit. 

Applikationsfarben  (s.  Zeugdruck),  sog.  Tafel-  oder  Körperfarben,  welche 
ohne  vorherige  Beize  direkt  auf  den  Stoff  gedruckt  werden. 

Appretur  (franz.:  appret;  engl.:  finishing),  Zurichtung,  Ausrüstung  des 
Gewebes,  um  es  in  Farbe,  Glanz,  Griff  und  Dichte  in  der  äusseren  Erschei- 
nung und  im  inneren  Gefüge  für  den  Handel  besser  zu  veransehnlichen,  schöner 
und  auch  preiswürdiger  zu  gestalten,  welches  je  nach  der  Art  und  Beschaffen- 
heit des  Stoffes  geschieht:  Wollene  Gewebe  werden  gewalken,  gerauht,  ge- 
schoren, genoppt,  gebürstet  oder  gepresst;  Kammgarnstoffe  sind  meistens 
fertig,  wenn  sie  aus  dem  AVebstuhl  kommen ;  baumwollene  Gewebe  werden, 
wenn  sie  den  Leinenwaren  ähnlich  sehen  sollen,  gesengt,  um  die  Fasern  zu 
entfernen,  dann  gebleicht,  gestärkt,  gemangelt  oder  kalandriert,  moiriert  u.  s.  w. 
Leinene  Gewebe  werden  mit  Ausnahme  des  Sengens  ebenso  behandelt.  Auch 
die  Seidenstoffe  sind  grösstenteils  fertig;  nur  leichtere  Sorten  von  Atlas 
und  Taffet  werden  mit  Kleb-  oder  aus  x4.usfüllstoffen  bestehender  Masse  be- 
strichen, zylindriert,  moiriert  u.  s.  w. 

Literatur:  Meissner,  Die  Maschinen  der  A.  Berl.  1872;  ders.. 
Der  praktische  Appreteur.  1875;  Grothe,  Die  A.  der  Gewebe.  Berl.  1882; 
E/Omen,  Bleicherei,  Färberei  u.  A.  Berl.  1879  —  85;  Depierre,  Die  A.  der 
Baumwollengewebe  (aus  dem  Franz.).  Wien  1888;  Polleyn,  Die  Appretur- 
mittel, ebd.  1886;  B.  eis  er,  Die  A.  der  wollenen  und  halbwollenen  Waren. 
Leipzig  1898. 

Appreturschulen  s.  Färberei-  u.  A.-Schulen. 

Apt,  Hauptstadt  des  franz.  Arrond.  A.  in  der  Provence :  Fabrikation 
von  Seidenfilaturen. 

Aptä  (Malvo),  Bast  der  Stämme  mehrerer  ostindischer  Bausiniaarten ; 
wird  zur  Herstellung  von  Tauen,  Seilen,  Fischernetzen  und  gröberen  Geweben 
benützt.  Die  Bausiniafasern  haben  grosse  Festigkeit  und  Widerstandskraft 
gegen  Wasser  und  sind  sehr  biegsam;  ihre  Farbe  ist  tiefbraun. 

Arabeshi  werden  in  spanischen  und  französischen  Musterbüchern  des 
17.  Jahrhunderts  gewisse  Spitzen  genannt,  deren  Bezeichnung  sich  aber  nur 
auf  die  Zeichnung  (in  arabischem  Stil)  bezieht. 

Arabesken  (auch  Mauresken  genannt),  ein  von  den  Arabern  erfundenes 
Flachornament,  das  sich  in  geradlinig- geometrischer,  kreisförmig  und  spiralig 
gewundener  Linienführung  unter  Hinzuziehung  vegetabilischer  Kunstformen 
bewegt.  Dasselbe  fand  bei  allen  Völkern  des  Islam,  denen  die  religiösen 
Vorschriften  das  Abbilden  von  Menschen  und  Tieren  nicht  gestatteten,  die 
weitgehendste  Ausbildung  und  kommt  in  der  Zeit  der  Renaissance  in  Europa 
(Italien,  Frankreich  und  Spanien),  in  Deutschland  namentlich  bei  Ornament- 
stechern (Peter  Flötner,  A.  Hirschvogel  u.  a.)  zur  reizvollen  selbständigen 
Entwickelung.  Der  Textilkunst  ist  besonders  die  geradlinige  Arabeske  tech- 
nisch sehr  zur  Hand ;  aber  auch  die  feinen,  rundlich  gelegten  Banken  weiss 
der  Araber  der  Technik  seiner  hochentwickelten  Seidenweberei,  sowie  der  in 
feinstem  Material  geübten  Stickerei  und  Teppichknüpferei  anzupassen  (s.  ara- 
bischer Stil).     (Vgl.  Abb.  22.) 


Arabias — Arabischer  Stil. 


27 


Abb.  22. 


Abbildun  g: 

22.  Arabeskenmuster  nach  einer  Darstellung  aus :  Kumsch,  Stofimuster  des 
16.— 18.  Jahrhdrts.  Serie  IV,  Tafel  151;  Leipzig  1888— 95.  Original:  Sammetbrokat, 
Spanien  16.  Jahrhdrt. 

Literatur:  Pris  d'Avennes,  L'art  Arabe  ;  Dier  cks  ,  Das  arabische 
Ornament,  Leipzig  1883;  Licht wark,  Der  Ornamentstich  der  deutschen 
Frührenaissance,  Berlin  1888. 

Arabias,  Arabiennes,  eine  ältere  Sorte  bunter  Halbleinwand,  welche  aus 
Baumwollen-  und  Flachsgarn  in  der  Oberlausitz  (Lauban,  Sebnitz)  gewebt  und 
nach  Südamerika  versandt  wurde. 

Arabischer  Stil,  die  von  dem  Auftreten  Mohammeds  bis  gegen  das  Ende 
des  9.  Jahrhunderts  vorzugsweise  in  Spanien  herrschende  Richtung  der  Mo- 
hammedaner, aus  welcher  sich  später  der  während  der  ganzen  Blütezeit  des 
Mittelalters  herrschende  maurische  Stil  entwickelte.  Die  Araber  entbehrten 
einer  nationalen  Kunst.  Die  Religion,  welche  sonst  überall  die  Grrundlagen 
für  die  Architektur  und  alle  anderen  Künste  bildet,  konnte  es  dort  nicht 
werden,  weil  weder  der  ursprüngliche  einfache  Gestirnkultus,  noch  der  spätere 
Götzendienst  dem  wandernden  Nomadenvolke  Gelegenheit  zu  bedeutenden 
Tempelbauten  gab  und  auch  die  geringfügigen  Bedürfnisse  des  Lebens  keine 
Veranlassung  zur  Ausbildung  eines  etwaigen  Kunsttriebes  boten.  Ihre  stets 
regen  Handelsbeziehungen  zu  Aegypten,  Phönizien,  Persien  und  Indien  und 
später  zu  China  und  Japan  machten  sie  mit  allen  Kostbarkeiten  der  alten 
Welt  und  ihren  Kulturen  bekannt,  indessen  liess  ihr  kriegerischer  Geist  und 
die  Interessen  für  den  Handel,  ebensowenig  die  Prachtliebe  für  die  Benutzung 
der  fremden  Artikel,    als  auch    das  Streben    zur  Nachahmung    bei    ihnen  auf- 


28 


Arabischer  Stil. 


Abb.  23. 


kommen.  Es  nehmen  demnach  die  Araber,  als  sie  dem  Gebote  Mohammeds 
(im  7.  Jahrhdrt.  n.  Chr.)  folgend,  den  Islam  in  alle  Welt  trugen,  aus  ihrer 
Heimat  keine  nennenswerte  Kultur  mit,  sondern  fanden  solche  überall  vor  und 
machten  sie  ihren  Zwecken  nutzbar.  Die  hochentwickelten 
Kunstformen,  welche  sie  auf  ihren  gemachten  Eroberungen 
in  Aegypten,  Syrien,  Mesopotamien,  Persien  und  Indien 
kennen  lernten,  wurden  ihnen  nicht  nur  zu  eigen,  sondern 
sie  förderten  deren  Fortentwickelung  in  ihrem  Geiste,  und 
wurden,  wo  sie  ihre  Herrschaft  befestigt  hatten,  eifrige 
Pfleger  der  Künste  und  Wissenschaften.  So  entwickelte  sich 
aus  einem  Gemisch  verschiedener  Elemente  erst  allmählich 
der  arabisch-maurische  Stil  in  dem  maurischen  Spanien  und 
den  unter  seinem  Einfluss  stehenden  Ländergebieten  in  Nord- 
afrika und  Sizilien,  der  im  13.  Jahrhundert  seinen  Höhepunkt 
erreicht  und  im  15.  Jahrhundert  allgemein  zurücktritt.  Der 
eigentliche  Grundzug  des  arabischen  Ornaments  beruht  auf 
einer  gesetzmässigen  geometrischen  Linienführung  (s.  Ara- 
besken) ,  die  den  nüchternen  berechnenden  Anschauungen 
des  arabischen  Handelsmannes  am  meisten  entspricht,  wozu 
er  auch  durch  den  Gestirnkultus  und  die  daraus  ent- 
springende Yorliebe  für  Astronomie  am  meisten  hinneigt 
(s.  Abb.  23).  Gefördert  wird  dieses  Streben  noch  durch 
den  nach  dem  Verbot  Mohammeds  gänzlichen  Ausfall  bild- 
licher Darstellungen.  Wo  der  Araber  solche  im  Flächen- 
muster vorfindet,  beraubt  er  sie  ihres  natürlichen  Wesens, 
stilisiert  mit  gleicher  Meisterschaft  die  reichlich  benutzten 
Blätter  und  Blüten  des  Ornaments  und  schafft  so  eine 
einzig  dastehende  Formenwelt  der  reizvollsten  Erscheinungen, 
die  sich  nirgends  eindrucksvoller  offenbart,  als  in  den 
reichen  seidenen  und  golddurchwirkten  Prachtstoffen  des 
13.  und  14.  Jahrhunderts  (vergl.  die  Darstellungen  auf 
Tafel  III).  Sehr  frühzeitig  kam  zu  alledem  noch  die  Nei- 
gung des  Arabers  zur  Sj^mbolik  (vergl.  den  Artikel  Adler 
und  Baum)  und  die  Yorliebe  für  Spruchbildung,  welche 
letztere  in  den  steifen  geradlinigen  kufischen  Schriftzügen 
und  dem  späteren  sogenannten  Neschi,  der  flüssigen  Kursiv- 
schrift, ihren  Ausdruck  findet  (s.  Abb.  24 — 25).  Diese 
Inschriften  geben  einen  Anhalt  für  das  Alter  des  Gewebes, 
wenn  sie  den  Namen  des  jeweiligen  Herrschers  oder  Trägers 
des  Gewandes  enthalten,  für  welchen  der  Stoff  gewebt 
#^^-2%'"®©'^*-%^  wurde ;  oft  drücken  sie  aber  nur  Segenssprüche  aus  dem 
^i;^*t^j*5fc<»w»->^^^        Koran    aus,    zuweilen    sind    die  Schriftzüse    wiederum   nur 


schriftunkundigen   Arabers    rein    als    Verzierung   behandelt 
sind,  werden  natürlich  später  in  Europa  gänzlich  zu  Band- 
mustern, wie  dies  schon  an  späteren  orientalischen  Teppichen 
wahrzunehmen  ist.    Ein  Zeichen  seiner  ursprünglichen  ein- 
fachen Auffassung   hat    uns    der  Araber    noch    in  den  Vor- 
hängen   und    sogen.    Gebetteppichen    (s.    d.)    hinterlassen,    wo    er    Säulen    und 
Bogenstellung  seiner  Gebetnische,  oft  mit  der  hängenden  Ampel  (vergl.  Abb.  26), 
in  das  Flachmuster  hinübergenommen  hat. 

Abbild  ungen: 
23.   Arabisches    Stoffmuster    nach    einer  Darstellung   aus:    Portefeuille   des    arts 
decoratifs  tissus,  PL  256.     Original :  Seidenstoff  in  Bunt  auf  rotem  Grunde ;    spanisch- 
maurisch  15.  Jahrhdrt. 


Arabischer  Stil — Araoonien. 


29 


24.  Arabisches  Stoffmuster  nach  einer  Darstellung  aus :  Paul  Schulze ,  lieber 
Gewebemuster  früherer  Jahrhunderte,  Leipzig  1893,  S.  25.  Original:  Alexandrien  (?) 
12. — 13.  Jahrhundert  in  der  Köcigl. 


Gewebesammlung  Krefeld.  Der 
Stoff  wechselt  in  farbigen  Seiden- 
streifen ab,  auf  welchen  in  Gold 
broschiert  spitzovalePalmetten,kleine 
Tiere  and  Halbmonde;  die  Inschrift 
auf  dem  zweiten  breiteren  Streifen 
lautet:  „assulthan  alam"  oder  ,,el 
Sultan  el  alim" ,  d.  h.  der  weise 
Sultan. 

25.  Originalaufnahme  aus  dem 
Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig : 
Endigung  eines  Leinenhandtuches, 
mit  querlaufender  Borte  in  vio- 
lettem Garn  im  sogen.  Strichstich 
doppelseitig  gestickt  (s.  Holbein- 
technik) ,  Muster  aus  Bäumchen 
(s.  Bäumchenmuster)  mit  paarweise 
zu  einander  gekehrten  Vögeln  ;  dar- 
unter Felder  mit  arabischen  In- 
schriften in  ornamentaler  Behand- 
lung.    Arabisch  15.  Jahrhdrt. 

26,  Arabische  Bogenstellung 
nach  einer  Darstellung  aus :  Kumsch, 
Muster  orientalischer  Gew^ebe  und 
Druckstoffe,  Tafel  7,  Leipzig  1893. 
Original  in  einem  Seidenvorhang, 
Türkei  17.  Jahrhundert. 


Abb.  24. 


Abb.  25. 


V 


Arabische  Technik,  iu  der  modernen  Stickerei  eine  Bezeichnung  für 
jene  Arbeiten,  deren  breite  Flächenmusterung  in  Anlehnung  an  orientalische 
Vorbilder  aus  überstickten  Fäden  gebildet  und  von  Schnur  umrandet  ist 
(vgl.  den  Artikel  Goldstickerei). 

Arabisch-italisch  w^erden  Seidenstoffmuster  bezeichnet,  die  im  13.  Jahr- 
hundert durch  die  Verschmelzung  arabischer  Kunstformen  mit  denen  Italiens 
entstanden.    (Vgl.  Abbildungen  auf  Tafel  III  und  den  Artikel  arabischer  Stil.) 

Aragonien,  Generalkapitanat  im  nordöstl.  Spanien  mit  dem  Titel  eines 
Königreiches :    leistet    in    der    Wollproduktion    Spaniens    verhältnismässig    das 


30 


Arains — Arbon. 


meiste ;  es  zeichnen  sich  darin  die  Städte  Saragossa,  Alcaniz  und  Tarazona 
aus.  Flachs-  und  Hanfbau  am  bedeutendsten  in  Borja  und  Calatayud.  Aus- 
fuhr besteht  in  wenigen  Leinen-  und  Wollenfabrikaten. 

Abb.  26. 


Arains,  eine  Art  gestreifter  und  würfelich  gemusterter  Taffet  aus  Ostindien. 

Arassa  (lat.),  ein  Teppich  aus  Arras. 

Arbascio,  starke  braune  Tücher  aus  grober  Schafwolle  und  Ziegenhaar, 
welche  in  Albanien  und  Mazedonien  gewebt  und  nach  Italien  und  Spanien, 
besonders  nach  Neapel  und  Sizilien  zu  Capots,  Capotti  (Regenmänteln)  fi^r  die 
Matrosen  und  Landleute  verkauft  werden. 

Arbeit  (lat.  opus;  franz.  ouvrage,  m. ;  oeuvre ;  engl,  work) ,  Art  und 
Weise  der  Bearbeitung,  der  AnfertiguDg  u.  s.  w.,  daher  immer  im  Zusammen- 
hange mit  der  Bezeichnung  einer  Technik  (namentlich  im  Lateinischen  und 
Englischen)  gebräuchlich. 

Arbon,  Hauptort  im  Schweiz.  Kanton  Thurgau :  im  Schloss  wird  eine 
Seidenbandfabrik  betrieben. 


Arbroath — Arkade.  31 


Arbroath,  Seestadt  in  Forfarshire  (Schottland) :  bedeutende  Fabrikation 
von  Leinwand  und  Segeltuchen. 

Arcazabo,  moderner  Seidenbrokatstoff,  der  in  Lyon  für  Abessinien  und 
Marokko  hergestellt  wird. 

Archi-Imperiale,  eine  Art  italienischer  Serge,  die  zu  Livorno  u.  a.  0. 
für  den  Handel  nach  Tunis  gemacht  wird. 

Architektur  im  textilen  Ornament  kommt  im  13.  Jahrhundert  in  jenen 
Seidengeweben  zur  Darstellung,  welche  unter  dem  Einfluss  der  arabischen 
Mustergebung  im  Orient  oder  in  Italien  gefertigt  worden  sind.  (Vgl.  Ab- 
bildungen auf  Tafel  III.) 

Arcis-SUr-Aube,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  im  franz.  Depart.  Aube: 
Seiden-  und  Baumwollenspinnerei,  Baumwollenweberei,   Strumpfwirkerei. 

Ardamu,  persische  Seidenart  aus  Ghilan. 

Ardasse,  geringe  Sorte  persischer  Seide,  welche  nach  Italien,  Frankreich 
und  Deutschland  geht  und  hier  zu  Näh-  und  Stickseide  verarbeitet  wird. 

Aredas  oder  Aridas,  eine  Art  ostindischer  leichter  Stoffe  aus  glänzenden 
Fasern  oder  Fäden  gewebt,  die  man  von  einigen  seidenartigen  Kräutern  und 
Pflanzen  gewinnt.     Sie  werden  auch  Grastaffet  oder  Grasaridas  genannt. 

Arenys  de  Mar,  Bezirks-  und  Hafenstadt  der  span.  Prov.  Barcelona: 
Wollen-  und  Baumwollenwebereien,  Spitzenfabrikeu. 

Arequipa,  Hauptstadt  des  Depart.  A.  in  Peru,  eine  der  am  besten  ge- 
bauten Städte  Südamerikas  :  Baumwollenmanufakturen.  Ausfuhrartikel :  xAlpaka- 
wolle,  gewaschene  Schafwolle,  Baumwolle. 

Arezzo,  Hauptstadt  der  Prov.  A.  in  Mittelitalien.  Die  ehemalige  In- 
dustrie ist  gesunken;  es  bestehen  noch  Seidenstoff-  und  Tuchfabriken. 

Argent  (trait),  im  Französischen  so  viel  als  fil  d'argent  oder  Silberdraht. 
Argent  en  lame,  Lahnsilber,  auch  argent  trait  et  applati.  Man 
unterscheidet  dies  in  argent  en  lame  fin  und  en  lame  faux.  Argent 
file  ist  über  Seide  gesponnen  und  heisst  auch  file  d'argent.  Das  Material 
wird  in  der  Weberei  zu  Brokatstoffeu,  in  der  Stickerei  zu  Tressen,  in  der 
Spitzennäherei  (poiut  d'Espagne)  und  Klöppelei  verwendet  (s.  a.  Goldfäden). 

Argentan,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  rechts  von  der  Orne :  am  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  bedeutende  Fabrikation  von  Nadelspitzen,  die  denjenigen 
von  Alencon  gleichen,  mit  sechseckigem  Netzgrunde  und  am  Bande  gezähnten 
Blümchen,  geht  um  1708  fast  zu  Grunde ;  erlangt  aber  unter  Ludwig  XY. 
und  XYI.  durch  Mme.  Du  Barry  wieder  hohe  Blüte,  bis  sie  1810  gänzlich  in 
Verfall  gerät.     Heute  bestehen  in  A.  noch  Stickereifabriken  (s.  a.  Spitzen). 

Argentat,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  im  Arrond.  Tülle  des  franz.  De- 
part. Correze  a.  d.  Dordogne :  Wollspinnerei,  Spitzenfabrikation. 

Argenteuil,  Flecken  im  franz.  Depart.  Seine-et-Oise,  Arrond.  Versailles, 
in  dem  Beliquienkästchen  einer  romanischen  Kirche  wird  ein  sog.  heiliger  Bock 
(s.  d.)   aufbewahrt. 

Argentifrigium  (lat.),  silberne  Fransen. 

Argentine  croisee,  ältere  Bezeichnung  für  einen  französischen  Stoff, 
dessen  Kette  aus  Seide,  der  Einschlag  aus  Baumwolle  ist ;  er  wurde  am  meisten 
in  der  Prov.  Limoisin  in  allen  Farben  gefertigt  und  auch  zu  Männerkleidern 
verarbeitet. 

Argenton-SUr-Creuse,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  im  Arrond.  Chäteau- 
roux  des  franz.  Depart.  Indre :  AVollspinnereien,  Tuchfabrikation. 

ArgOS,  Stadt  in  Griechenland,  erzeugt  durch  Hausindustrie  Teppiche, 
welche  zumeist  über  die  Türkei  in  den  Handel  kommen  (s.  Griechenl.). 

ArgOUges,  ältere  Sorten  festgewebter ,  weissgarniger  Leinwand ,  welche 
im  franz.  Depart.  der  Ille  und  Vilaine.  besonders  zu  St.  Malo,  vorschriftsmässig 
25  X3ariser  Zoll  breit,  nur  aus  festgedrehtem,  ausgesuchtem  Garne  gemacht 
wurde  und  zwar  durfte  die  geringste  Sorte  nicht  weniger  als  1300  Faden  in 
der  Kette  enthalten. 

Arkade,  Eeihe  von  Bogenstellungen,  die  auf  Säulen  oder  Pfeilern  ruhen; 
in    der  romanischen    und  gotischen  Kunstepoche    sehr    beliebt    als    Einrahmung 


32  Arkaden — Arrazzi. 


für  figürliche  Darstellungen  auf  kirclilichen  Stickereien  in  Seide  und  Grarn  auf 
Leinwand,   Segeltuch  u.  a.  m.  (vergl.  Abb.  21). 

Arkaden,  die  Schnüre,  welche  am  Jacquardwebstuhl  die  Verbindung  der 
Platinen  der  Jacquardmaschine  mit  den  Litzen  herstellen  und  somit  das  Hoch- 
ziehen der  einzelnen  Kettfäden  ermöglichen. 

Arlane,   Stadt  im  franz.  Depart.  Puy-de-Donn:   Spitzenfabrikation. 

Arles,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  im  franz.  Depart.  Bouches  du  Rhone,  in 
der  Provence,  eine  der  ältesten  Städte  Frankreichs  :  Fabrikation  von  Seidenwaren. 

Armagh,  Hauptstadt  der  Grafsch.  A.  in  der  Irland.  Prov.  Ulster :  Haupt- 
industriezweige :  Spinnerei  und  Weberei  in  Leinen.  Leinwand-  und  Grarnhalle, 
in  der  jährlich  fünf  Märkte  für  den  Verkauf  von  Leinenwaren  abgehalten  werden. 

Aermel  (franz :  manche ;  span. :  mancha),  der  die  Arme  umgebende  Teil 
des  Unter-  und  Obergewandes;  aus  ihm  hat  sich  die  Mancha  (s.  d.),  eine  für 
kirchliche  Zwecke  benutzte  Stickerei,  entwickelt. 

Armenisehe  Spitze  s.  Nadelspitzen. 

Armentieres,  Stadt  im  franz.  Depart.  Nord:  bedeutende  Baumwollen- 
und  Leinwandfabrikation ;  Bleicherei. 

Armiak,  eine  Art  russ.  Kamelott,  den  die  astrachanischen  Tartaren  aus 
Kamelhaar  anfertigen  und  Biaza  nennen. 

Armins  (engl.),  Bedeckungen  (aus  Leder,  Tuch  oder  Sammet)  für  den 
Handgriff  der  Pike. 

Armoisin  (ital. :  Ermesino),  dünner  leichter  Futtertaffet ,  der  zuerst  am 
Ende  des  17.  Jahrh.  in  und  um  Lucca  gewebt  worden  ist,  später  aber  in  Lyon, 
Avignon,  Nimes  und  Tours  in  grossen  Mengen  nachgemacht  wurde.  In  Avignon 
webte  man  auch  Halb-Armoisins,  die  ganz  leicht  und  dünn  ausfielen.  Dickere, 
doppelte  oder  dreidrähtige  Sorten  (Ermesini  rinforzati)  wurden  in  Florenz, 
Mantua,  Neapel  und  Turin  zu  Vorhängen,  Decken  und  Bettzeugen  verbraucht. 
Die  Muster  der  A.s  bestanden  aus  Streifen  und  geometrischen  Mustern,  auch 
„leicht  getüpfelte"  werden  beschrieben.  Aus  Ostindien  kommen  zuweilen  heute 
noch  A.s  in  zwei  Sorten,  nämlich  Damaras  oder  geblümte  und  Arains  oder 
gestreifte  und  gewürfelte  in  allen  Farben. 

Armure  (franz.).  Webzettel,  in  der  Weberei  die  zur  Vorrichtung  eines 
Schaftwebstuhles  übliche  schematische  Darstellung  der  Greschirreinrichtung. 
Aus  der  A.  muss  mindestens  zu  ersehen  sein :  die  Art,  wie  die  Kettenfäden  in 
die  vorhandenen  Schäfte  verteilt  werden  sollen  (Einpassierung),  die  Bewegungs- 
folge der  Trittschemel  (Tretweise)  und  die  erforderliche  Verbindungsart  der  Tritt- 
schemel mit  den  Schäften  (An schnür ung). 

Armure  ist  übertragen  worden  auf  diejenigen  kleingemusterten  G-ewebe, 
deren  Herstellung  noch  mittels  Kontermarsches  (d.  h.  ohne  Jacquardgetriebe) 
möglich  ist ,  höchstens  (unter  Beibehaltung  der  Schäfte)  eine  Schaftmaschine 
erfordert.  Die  A.  fallen  also  zwischen  die  glatten  (ungemusterten)  und  die 
grossgemusterten  Waren  (sog.  Damaste),  zu  deren  letzteren  Herstellung  auf 
die  ausschliessliche  Benutzung  von  Schäften  verzichtet  werden  muss. 

Army  Cloth  (engl. ,  Armeetuch) ;  gewöhnliches  graues  Kommistuch,  wird 
meist  in  Bradfort  und  Leeds  für  Kleinasien,  Syrien  und  Palästina  hergestellt. 

Arnau,  Stadt  in  Böhmen,  im  14.  Jahrh.  Eigentum  des  Herrn  von  Turgan: 
hier  und  in  benachbarten  Ortschaften  werden  jährlich  auf  3300  Stühlen  etwa 
165  400  Stück  Leinen-  und  Halbleinenstoffe  gewebt;  ausserdem  Seidenwarenfabrik. 

Arnswalde,  Kreisstadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Frankfurt  i.  d.  Neumark, 
zuerst  1629  erwähnt:  Fabrikation  von  Tuchstoff'en.    Abhaltung  von  Wollmärkten. 

Arpino,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Caserta,  schon  303  v.  Chr.  eryähnt: 
Tuch-  und  Leinenstofffabriken. 

Arras,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Pas  de  Calais :  Fabrikation  von 
Spitzen ,  welche  seit  1666 ,  zuerst  nach  italienischen  Vorbildern,  die  man 
point  de  France  nennt;  erreicht  darin  1804 — 1811  seine  höchste  Entwickelung 
und  erzeugt  dann  Spitzen  in  der  Art  des  gemusterten  Tülls  (s.  Spitzen). 

Arrazzi  heissen  die  in  Arras  oder  überhaupt  in  Flandern  gewirkten 
Wandteppiche   (s.  Bildwirkerei). 


Arrindy-Seide — Assemblage.  33 


Arrindy-Seide,  S.  der  Eria-Seidenranpe  aus  Indien,  welche  sehr  dauer- 
haft ist. 

Arsamas,  Kreisstadt  im  russ.  Grouvern.  Xishnij  Nowgorod :  Leinwand- 
fabriken, bedeutender  Handel  mit  Leiuenwaren:  in  den  Klöstern  Anfertigung 
von  Grold-  und  Silberstickereien. 

Arschot,  Kantonsstadt  im  Arrond.  Löwen  der  belg.  Prov.  Brabant,  seit 
dem  Mittelalter  bekannt:  SjDitzenfabrikation. 

Arscot,  Serge  d'Arscot,  geköperter,  feiner  AVollenstoff,  welcher  in  Süd- 
brabant,  vornehmlich  in  der  Gegend  von  Aerschot,  Löwen,  Mecheln  gefertigt  wird. 

Arta,  Ortschaft  im  nordöstl.  Teile  der  span.  Insel  Mallorca:  Seidenzucht, 
BaumwoJlenbau. 

Artificial  leather,  englisches  künstliches  Leder.  Mehrere  Lagen  von 
starkem  rauhen  Baumwollenstoff  durch  mit  Kautschuk,  Gruttapercha  u.  s.  w. 
bereitete  Tirnisse  untereinander  verbunden.  Es  dient  vornehmlich  zum  Ersatz 
des  Leders  bei  Krämpelbeschlägen  (Kratzen)  (s.  d.) 

Asbach,  Dorf  im  Kreis  Neuwied  des  preuss.  Eeg.-Bez.  Koblenz :  Seiden- 
weberei als  Hausindustrie. 

Asbest,  Erdflachs  (lat. :  Amianthus  s.  Alumen  plumosum;  franz.:  amiante 
ou  asbeste).  Ton  den  vielen  Arten  der  Fossilien,  welche  man  mit  dem  gemein- 
samen Namen  A.  bezeichnet,  ist  der  Amiant  oder  biegsame  A.  für  die  Textil- 
industrie von  Bedeutung,  weil  seine  30 — 40  cm  langen  Fasern  sich  zu  Grarn  ver- 
spinnen lassen,  aus  welchem  unverbrennliche  Grewebe  hergestellt  werden.  Die 
vorzüglichsten  Fabrikate  derart  lieferte  einstmals  Mad.  Lena  Perpenti  zu  Como, 
sie  machte  daraus  auch  Sj)itzen  von  solcher  Feinheit  und  Weisse,  die  man  von 
mittelfeinen  Zwirnspitzen  kaum  zu  imter scheiden  vermochte.  Auch  wurden 
Versuche  mit  G-eweben  aus  Asbest  zur  Schützung  des  Körpers  gegen  die  Flammen 
gemacht,  die  nur  zum  Teil  gelangen,  weil  die  Fasern  des  Stoffes  durch  wieder- 
holtes Glühen  brüchig  wurden. 

Asch,  Stadt  in  Böhmen :  bedeutende  Fabrikation  von  halbseidenen,  halb- 
uud  ganzwollenen  Kleiderstoffen,  Strumpf-  und  anderen  wollenen  und  baumwollenen 
AVirkwaren  (6—7000  Webstühle  und  14  000  Arbeiter).    Wirk-  und  AVebschule. 

Aschabad,  Hauptstadt  des  transkaspischen  Gebietes  im  russ.  Zentralasien: 
Seidenbau. 

Aschenti,  Xegerreich  an  der  Goldküste  in  Afrika :  Herstellung  gemusterter 
Kattune;  Baumwollenbau. 

Aschersleben,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Magdeburg:  Fabrikation  von 
Wollwaren  (Decken  und  Flanelle). 

Aschkali,  quadratisches  sog.  Drehmuster  (s.  d.)  persischer  Teppiche, 
das  aus  einfach  aufgefassten  Pflanzen-  und  Tierformen  neben  geometrischen 
Elementen  und  streng  stilisierten  Pauken  besteht:  Einzelbilder  darin  sind  vor 
allem  die  Cypresse.     Im  Kaschkai-Teppich  (s.  d.)  vorkommend. 

Aschraf,  Stadt  in  der  persischen  Prov.  Masenderan:  Baumwollenbau; 
Seidenzucht  bedeutend. 

Ascoli  Piceno,  Hauptstadt  der  Prov.  A.  in  Mittelitalien:  Fabrikation 
von  roher  Seide,  Flachs-  und  Hanfbau,  Tuchfabrikation. 

Ashborne,  Stadt  in  der  engl.  Grafsch.  Derby:  Baumwollenstoff'-  und 
Spitzenfabrikation. 

Ashford,  Stadt  in  der  engl.  Grafsch.  Kent :  Leinwand-  und  Damast- 
fabrikation. 

Ashton-in-Makerfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafsch.  Lancaster :  Fabrikation 
von  BaumwoUeuwaren. 

Assagiatore  (ital.),  Seidenprobierer,  dessen  Beruf  in  Oberitalien  es  ist. 
die  Seidenballen  auf  Mass  und  Gewicht  zu  prüfen,  bevor  sie  in  den  Handel 
gehen.  Nach  seinen  Ergebnissen  wird  dann  die  Seide  numeriert  und  ihr  Preis 
bestimmt. 

Assam,  Distrikt  in  Britisch-Indien,  in  welchem  reger  Betrieb  von  Seideu- 
zucht. 

Assemblage  (franz.).  Zusammensetzen  der  einzelnen  Teile  einer  Nadelspitze. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  3 


34 


Assemble — Assyrien  und  Babylon. 


Assemble,  do^Dpeltes  (sog.  dubliertes)  in  Frankreich  hergestelltes  Chappegarn. 

Assorcebunder,  Name  für  die  schlechteste  bengalische  Kohseide,  welche 
in  Indien  und  Japan  in  grossen  Mengen  verkauft  wird. 

Assouplieren  (assouplissage),  das  Biegsammachen  der  geschälten  und 
gebleichten  Seidenfaser  durch  wiederholtes  Behandeln  mit  kochendem  "Wasser, 
dem  auch  etwas  Weinstein  zugesetzt  wird. 

Assyrien  und  Babylon  haben  keine  Originalproben  von  Stoffen  hinter- 
lassen; doch  legen  die  Trümmerfunde  des  alten  Niniveh  (zerstört  606  v.  Chr.) 

Abb.  27. 


Zeugnis  ab  von  der  textilen  Kunstfertigkeit  seiner  früheren  Bewohner.  Die 
dort  seit  1840  durch  Botta,  Layard,  Ojopert,  Smith  u.  a.  wieder  aufgedeckten 
Alabasterplatten  dienten  als  Wandbelag  der  Tempel  und  sind  zum  grossen 
Teil  getreue  Nachahmungen  schwerer  Stoffbehänge  und  Teppiche,  wie  sie  bei 
festlichen  Einzügen  als  Schmuck  der  Hallen  Verwendung  gefunden  hatten. 
Oder,  wie  Gottfried  Semper  (der  Stil  u.  s.  w.  München  1878.  S.  323) 
darüber  bemerkt:  ,,Zur  Verewigung  denkwürdiger  Siegesfeste  wurden  jene 
Gelegenheitsdekorationen  in  den  Steinstil  umgewandelt."  Diese  Platten  zeigen 
in  flachem  Belief  und  farbiger  Bemalung  Darstellungen  von  Figuren:  si«  ver- 
gegenwärtigen Szenen  aus  dem  Leben  der  Könige  und  Taten  der  Jagd-  und 
Kriegshelden  (s.  Abb.  27).  Alle  Personen  erscheinen  in  langen,  festanliegenden, 
wenig  gefältelten,  reich  gemusterten  und  befransten  Gewändern  (s.  Abb.  2^),  die 
erkennen  lassen,  dass  man  es  jedenfalls  mit  solchen  aus  schweren  und  mit  Borten 
(s.  Abb.  29)  in  Gold  gestickten  Stoffen  zu  tun  hat.  Auch  Teppichmuster  (s. 
Abb.  30)  mit  geometrischer  Felderteilung  lassen  sich  nach  eingemeisselten  Dar- 
stellungen rekonstruieren. 

Alle  die  uns  hierdurch  bekannt  gewordenen  assyrisch-babylonischen  Kunst- 
formen: der  Cherub,  der  heilige  Baum  (s.  Abb.  31),  der  Granatapfel,  die 
Palmette  (s.  d.)  sind  von  besonderer  Bedeutung :  sie  geben  den  Ausgangspunkt 


Assyrien  und  Babylon. 


35 


Abb.  28. 


für  die  Entwickelung  der  meisten  späteren  Stilarten,  woran  die  Textilkunst  den 
grössten  Anteil  hat. 

Abbildungen: 

27.  Assyrisches  Steinrelief  nach  einer 
Darstellung  aus :  Kunstgewerbeblatt  1 893.  S.  154. 

28.  Assyrischer  Krieger  nach  einer  Dar- 
stellung aus:  Semper,  Der  Stil  in  den  techni- 
schen und  tektonischen  Künsten;  München  1878. 
S.  22. 

Abb.  29. 


29.  Borte  von  der  Gewandfigur  eines 
assyrischen  Reliefs  nach  einer  Darstellung  aus: 
Fischbach ,  Ursprung  der  Buchstaben  üuten- 
bergs,  Mainz  1900.    Tafel.  II,  Fig.  13. 

30.  Assyrisches  Teppiclamuster,  mit  Rand 
und  Füllungen  aus  Lotospalmetten,  nach  einer 
Darstellung  aus :  Semper,  Der  Stil  in  den  tech- 
nischen und  tektonischen  Künsten;  München 
1878.     S.  51. 


Abb.  30. 


Abb.  31. 


31.  Assyrischer  Baum  nach  einer  Darstellung  aus:  Fischbach,  Ursprung  der  Buch- 
staben Gutenbergs,  Mainz  1900.     Tafel  II,  Fig.  15. 


36  Astar— Atlas. 


Astar,  eine  Gattung  Musselin,  welche  in  Kleinasien  gefertigt,  über  Smyrna 
und  Konstantiuopel  in  den  Handel  kommt  und  von  den  Türken  zu  Unterkleidern 
und  Turbans  verwendet  wird ;  man  hat  hiervon  drei  Sorten :  Dagbezi,  die  beste, 
Thadirbezi,  die  mittlere  und  Churumbezi,  die  schlechteste. 

Asti,  Kreisstadt  der  ital.  Prov.  Alessandria:  Seidenmanufakturen,  zwei 
stark  besuchte  Messen  und  ansehnlicher  Handel  mit  Wollenwaren. 

Astorga,  Bezirkshauptmannschaft  der  span.  Prov.  Leon:  Leinenspinnerei 
und  AVeberei. 

Astrabah,  Ort  für  Seidenerzeugung  in  Persien. 

Astrachan,  1.  Baranken,  Baranjen,  die  nach  der  gleichnamigen  Stadt 
in  Pussland  benannten  fein-  und  kraushaarigen  Lammfelle  von  grauer  oder 
schwarzer  und  weisser  Farbe,  welche  aus  dem  südl.  Pussland  (Krim)  der  Tatarei, 
Persien  und  Polen  in  den  Handel  kommen.  Dem  krausen  Wuchs  des  Haares 
wird  an  Ort  und  Stelle  dadurch  nachgeholfen,  indem  das  eben  zur  Welt  ge- 
kommene Lamm  in  grobe  Leinwand  genäht  und  diese  täglich  mit  warmem 
Wasser  befeuchtet  wird,  wonach  man  mit  der  flachen  Hand  in  gewissen  Pich- 
tungen einige  Male  am  Tage  darüberfährt.  Diese  Behandlung  wird  vier  Wochen 
lang  fortgesetzt.  2.  Hiernach  gefertigtes  und  benanntes,  weiches,  flaumig  und 
eisblumenartig  aussehendes  Plüschgewebe,  dessen  Orundkette  aus  Water,  die 
Polkette  aus  Mohair  und  der  Schuss  aus  Mule  besteht.  (Bindung  wie  Plüsch; 
s.  d.)  Wird  im  Stück  gefärbt  und  zur  Bildung  des  pelzartigen  Aussehens 
griff'weise  in  dichten,  geiälligen  Längs-  und  Querfalten  zusammengedrückt  (ge- 
knautscht), mit  Bindfaden  fest  umschnürt  und  gekocht  oder  gedämpft. 

Astwerk  (lat. :  ramagium;  franz.:  bois  mort,  branchage;  engl.:  ramage,  ra- 
mification),  das  in  der  Spätgotik  beliebte  Ornament  aus  dürren,  knorrigen 
Aesten,  erscheint  in  italienischen  Seidengeweben  des  15.  Jahrh.  als  Gehege 
für  Tierfiguren  dargestellt ;  überhaupt  ist  das  A.  in  der  gotischen  Zeit  ein 
beliebtes  Motiv  im  Stoffmuster  (s.  auch  Dornenkranz).  (Ygl.  Abbildungen  auf 
Tafel  III.) 

Atalanti,  Stadt  in  Griechenland:  erzeugt  durch  Hausindustrie  Teppiche, 
(hier  zuerst  in  neuer  Zeit  aufgenommen),  welche  zumeist  über  die  Türkei  in 
den  Handel  kommen  (s.  Griechenland). 

Atchiabanes,  ältere  ostindische  Kattune,  welche  die  Holländer  auf  den 
Markt  brachten. 

Ath,  Hauptstadt  der  belg.  Prov.  Hennegau :  bedeutende  Leinwandindustrie, 
Kattundruckereien,  Färbereien,  Sx^itzenfabrikation  und  lebhafter  Handel. 

Athen,  Hauptstadt  des  Königreichs  Griechenland:  erzeugt  durch  Haus- 
industrie Teppiche,  welche  zumeist  über  die  Türkei  in  den  Handel  kommen. 
Im  11.  Jahrh.  wird  A.  als  byzantinische  Seidenmanufaktur  gerühmt. 

Athlone,  Stadt  in  der  irischen  Grafsch.  Westmeath:  Leinenwebereien. 

Atina,  Stadt  im  Kreis  Sora  der  ital.  Prov.  Caserta:  Fabrikation  von 
Wollendecken. 

Atitlan,  Santiago  de,  Indianerort  des  mittelamerik.  Staates  Guatemala: 
Baumwollenweberei. 

Atlas  (franz.:  ras ;  engl.  :rash;  ital.:  raso ;  span.  raso),  Gewebe,  welches 
durch  seine  wenig  gebundenen  Kettfäden  (s.  Atlasbindung)  eine  glänzende  Ober- 
fläche darstellt,  die  künstlerisch,  am  ehesten  in  der  Seide  zur  Geltung  kommt. 
Letzteres  berechtigt  zu  der  Annahme  und  findet  Bestätigung  in  erhaltenen 
älteren  Schriften,  dass  der  Atlas  seinen  Ursprung  in  der  Heimat  der  Seide 
(China  oder  Indien)  hat,  woselbst  er  im  frühen  Altertum  in  mechanischer  Nach- 
ahmung der  Plattstichstickerei  auf  dem  Webstuhl  entstanden  sein  wird.  Persische 
Seidenstoffe  des  6.  bis  8.  Jahrh.  beweisen,  dass  der  Atlasgrund  in  de-n  mit 
grossen  Tierfiguren  und  Jagdszenen  gemusterten  Geweben  bevorzugt  ist.  Die 
Aufnahme  des  Atlasstoffes  in  Europa  fällt  mit  der  Einführung  der  Seidenkultur 
zusammen.  Im  Altertum  scheint  mit  dem  Atlas  der  Name  Blattin  gleichbe- 
deutend gewesen  zu  sein;  auch  Pfellel,  dessen  Wolfram  von  Eschenbach  er- 
wähnt, der  so  heiss  an  Glanz  war,  „dass  ein  Strauss  seine  Eier  darin  hätte 
ausbrüten  können,"  wird    für   gleichbedeutend  mit  A.  gehalten.     L^rsprünglich 


Atlasbindung — Aetzbeitzen.  37 


war  der  A.  in  den  weitverzweigten  Absatzländern  des  Orients  nur  als  dibädsch 
bekannt :  die  arabisierte  Form  des  persischen  dibah  von  dip  =  glänzen.  Im 
christlichen  Europa  ist  dieser  Name  von  den  Venetianern  nur  für  ihre  reichen 
Goldstoffe  angenommen  worden.  Der  französische  Name  für  den  A.  (Satin) 
scheint  zuerst  im  16.  Jahrh.  vorgekommen  zu   sein. 

Atlasbindung  ist  neben  der  Leinwand-  und  Köperbindung  eine  Grund- 
bindung in  der  Weberei  (s.  Bindungen).  Die  Hochgänge  der  Kettfäden, 
die  Bindungspunkte,  sind  derartig  im  Bindungsrapport  regelmässig  verstreut, 
dass  nie  zwei  Punkte  aneinanderstossen.  Die  ßapportgrösse  schwankt  je  nach 
Feinheit  des  Materials  und  der  Dichte  der  Fadeneinstellung  zwischen  5  bis 
20bindig.  Als  vierbin diger  Atlas  wird  häufig  der  vierbindige  Kreuzköper 
bezeichnet.  Die  A.  ermöglicht  durch  das  lange  Flottliegen  der  Fäden  die 
höchste  Glanzentfaltung  des  Materials.  Man  unterscheidet  der  Bindung  nach 
Kettatlas  und  Schussatlas:  je  nachdem  mehr  Kette  oder  mehr  Schuss  an  der 
Oberseite  des  Gewebes  liegt.  Für  die  am  meisten  oben  liegende  Fadensorte 
verwendet  man  das  glänzendste  Material.  (lieber  weitere  Einzelheiten  s.  Bin- 
dungen in  der  Weberei.)  Man  hat  Atlas  von  allen  Faserstoffen.  Der  Seiden- 
atlasist natürlich  der  ammeisten  glänzende,  weil  man  hierzu  weiches  Fadenmaterial 
für  den  Einschlag  und  zur  Kette  die  feinsten  Gespinste  wählt.  Um  dem  Stoff 
in  leichteren  Qualitäten  Halt  zu  geben  und  zugleich  den  Glanz  zu  erhöhen, 
werden  die  Atlasse  in  der  Regel  appretiert  und  zwar  um  so  stärker,  je  leichter 
der  Stoff  ist;  den  gelinden  Appret  wendet  man  nur  bei  schweren  Gattungen 
an  und  nur  die  schwersten  Atlaszeuge,  wo  die  Menge  der  dazu  verwendeten 
ganz  feinen  Kettenseide  dem  Stoff  Festigkeit  und  Glanz  zugleich  verleiht, 
können  den  Appret  entbehren:  Satins  sans  appret.  Diese  ungesteiften 
oder  unzugerichteten  Atlasstoffe,  welche  sich  beim  Anschnitt  an  den  E-ändern 
wie  Sammet  rollen,  werden  deshalb  E,ollatlas  genannt. 

Der  schönste  glatte  oder  einfache  Atlas  wurde  zur  Zeit  der  Renaissance 
in  Italien,  vorzüglich  in  Florenz ,  Lucca ,  Genua ,  Turin  und  Venedig  ge- 
fertigt ;  unter  diesen  ist  wieder  der  Florentiner  der  schönste.  Gegenwärtig 
werden  in  Frankreich,  England  und  Deutschland  nicht  minder  schöne  Atlas - 
Stoffe  gewebt,  welche  man  je  nach  ihrer  Musterung  ebenso  wie  andere 
schwere  Taffet-  und  Köperzeuge,  mit  den  Zusätzen  raye  (gestreift),  ä  cadrille 
(gegittert),  ä  fleurs  (mit  Blumen),  chine  (geflammt)  u.  s.  w.  bezeichnet.  (Vergl. 
hierüber  die  einzelnen  Artikel.) 

Ausser  seidenem  Atlas  werden  auch  halbseidene,  wollene  und  leinene 
Stoffe  in  gleicher  Bindung  hergestellt.  In  China  wird  ein  atlasartiger  Stoff 
von  Seide  und  Baumwolle  oder  von  Florettseide  und  Leinen  gewebt,  der  unter 
dem  Namen  Sirsakas  in  den  Handel  kommt.  Der  türkische  A.  ist  ein  halb- 
seidener Stoff,  in  welchem  die  Kette  Baumwolle,  der  aufliegende  Köper  Seide 
ist.  Der  Brügges  che  A. ,  nach  gleichnamiger  Stadt  in  Flandern  benannt, 
hat  eine  Kette  von  Seide ,  einen  Einschlag  von  Wolle,  er  wurde  zuerst  für 
Tapeten  und  Möbelbezüge  verwendet;  jetzt  liefern  ihn  alle  grösseren  europä- 
ischen Fabriken  unter  dem  Namen  von  Satins,  Sateens,  glattem  Damast  u.  s.  w. 
Atlas-Brokat  ist  ein  dichtes,  schweres  wollenes  Zeug  auf  Atlasart,  mit  er- 
habenen bunten  Blumen,  welche  durch  den  Einschlag  mit  kleinen  Schüssen 
hervorgebracht  werden.  Der  achtbindige  Atlas  kann  wie  in  Seide,  so  auch  in 
glatter  und  glänzender  Wolle  (Kammgarn),  in  Baumwolle  und  Leinen  gefertigt 
werden:  man  hat  darum  Atlasdrell,  Sateens  in  Baumwolle  und  Leinen. 

Atlastrikot,  eine  Kettenwirkware ,  mit  zwei  Reihen  Kettenfäden  ge- 
arbeitet. 

Atlastuch,  moderner  leichter  Wollenstoff  aus  Streichgarn,  gewalkt,  ge- 
rauht und  geschoren.- 

Atri,  im  Altertum  Adria,  Atria,  Hadria,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Teramo : 
Seidenfabrikation. 

Attalische  Teppiche  s.  Bildwirkerei. 

Attincta  (lat.)  heissen  im  römischen  Zeitalter  gefärbte  Stoffe. 

Aetzbeizen,  Aetzfarben  s.  Zeugdruck. 


38  Atzgersdorf — Aufnäharbeit. 


Atzgersdorf,  Dorf  in  Niederösterreich  :  Kattun-  und  Jutedruckerei,  Fabri- 
kation von  Seidenzeug,  Schnüren  und  Borten. 

Aetzspitzen  (auch  Luftspitzen  genannt),  Nachahmung  von  Nadelsp.  durch 
Stickerei  in  Baumwolle  auf  ^\^ollengrund  ausgeführt,  welch  letzterer  durch 
flüssiges  Aetzmittel,  das  die  Stickfäden  nicht  angreift,  zerstört  wird.  Bei  ge- 
eigneter Wahl  des  Grundstoffes  und  der  Aetzmittel  können  auch  Ae.  in  Leinen, 
Wolle  und  Seide  hergestellt  werden.  Die  Ae.  wurden  zuerst  1883  durch  Gebr. 
Wetter  in  St.  Gallen  gemacht. 

Aubagne,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  im  Arrond.  Marseille  des  franz. 
Depart.  Bouches-du-Bhone :  Baumwollenweberei,  Tuch-    und  .Shawlfabrikation. 

Aubenas,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  im  Arrond.  Privas  des  franz.  De- 
part. Ardeche:  Fabrikation  von  Seiden-,  Woll-  und  Baumwollenwaren,  Färbe- 
reien ;  berühmte  Messen  für  Seide. 

Aubusson,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  im  franz.  Depart.  Creuse:  seit 
dem  15.  Jahrh.  bedeutende  Fabrikation  von  Teppichen.     (Vgl.  Bildwirkerei.) 

Auch,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Gers :  Leinwand-  und  Baumwollen- 
webereien. 

Aucube,  eine  Art  Zimmerteppich  aus  Flandern. 

Aue,  Stadt  im  sächs.  Erzgebirge:  mechanische  Baumwollenwebereien, 
Fabrikation  von  Wäsche ;  Klöppelschule. 

Auerbach.  1.  Stadt  im  sächs.  Yoigtland:  bedeutende  Fabrikation  von 
Weiss-  und  Konfektionswaren,  fertiger  Wäsche,  engl.  Gardinen ;  ferner  Spitzen- 
klöppelei, Wollwebereien  und  Herstellung  von  Maschinenstickereien.  2.  bei 
Thum :   Strumpfwirkerei. 

Aufbäumen  (franz.:  plier;  engl.:  beaming),  in  der  Weberei  das  Aufwickeln 
der  gescherten  und  geschlichteten  Kette  auf  den  Kettenbaum  des  Webstuhles ; 
bei  der  Appretur  der  Gewebe  das  Aufrollen  des  in  halber  Breite  zusammen- 
gelegten Stückes  auf  die  Walzen  der  Mange. 

Aufgeschweiftes  Muster,  in  der  Weberei  ein  Muster,  welches  durch  ver- 
schiedenfarbige Kette  entsteht. 

Aufkrempeln,  aufkratzen  (franz.  recarder ;  engl,  to  card  again),  bezeichnet 
die  Auflockerung  von  Wolle,  Bosshaaren  u.  s.  w.  mittels  der  Krempeln  durch 
Hand-  oder  Maschinenarbeit. 

Aufnäharbeit,  Verzierung  von  Stoffen  (Geweben  und  Leder)  durch  Aufnähen 
ausgeschnittener  Muster  (vgl.  Taf.  IX).  Letztere  bestehen  aus  breiten  Flächen  belie- 
biger anderer  weicher  Stoffe  und  erhalten  zur  Verhütung  des  Ausspringens  der 
Kanten  eine  Papierunterlage,  welche  gleichzeitig  den  sicheren  Halt  für  das  Auf- 
kleben auf  den  zu  musternden  Stoff  abgibt.  Die  Verbindung  von  Muster  und 
Grundstoff  geschieht  dann  durch  Aufnähen  von  Seiden-  und  Metallschnürchen 
oder  auch  durch  breite  Ziernähte,  welche  zur  reizvollen  einheitlichen  Belebung 
der  Fläche  beitragen.  Einzelne  Teile  des  Musters  erhalten  durch  Malerei  oder 
Plattstichstickerei  eine  Vervollständigung  in  der  Zeichnung.  Der  Vorläufer 
der  Aufnäharbeit  ist  schon  im  frühen  Mittelalter  zu  suchen,  wo  man  zuerst 
aus  Gold  getriebene  Platten  und  Figuren  als  Ersatz  für  die  Brokatweberei  zur 
Verzierung  von  Kirchengewändern  benutzte.  Aufnäharbeiten  in  Leder  sind 
aus  dem  5.  bis  7.  Jahrh.  erhalten:  sie  stammen  aus  koptischen  Gräberfunden 
(s.  d.).  Zur  höchsten  Vollendung  gelangt  die  Aufnäharbeit  als  Schmuck  der 
Kirchenausstattung  und  Gewänder  in  Italien  und  Sj^anien,  im  Zeitalter  der  Be- 
naissance,  woselbst  sie  in  den  Ornamenten  viel  Verwandtes  mit  denen  der  Holz- 
intarsien zeigt:  ein  Umstand,  der  sich  aus  der  Gleichartigkeit  beider  Ver- 
zierungsarten ergibt.  Zur  Herstellung  der  Muster  bedient  man  sich  nicht  nur 
der  aus  dem  Stoff  ausgeschnittenen  Formen,  sondern  es  kommen  auch /die  im 
Ausschnitt  stehen  gebliebenen  Teile  des  entstandenen  Negativs  zur  Verwertung: 
(vgl.  die  Abb.  9  und  10  auf  Tafel  IX)  hieraus  entstehen  dann  in  schmalen 
Borten  die  umschlagenden  Arabeskenränder  aus  Palmetten  oder  kleinen  kelch- 
artigen Blütenformen.  In  der  Zeit  der  Spätrenaissance ,  als  in  Italien  und 
Spanien  die  genähte  Spitze  das  Bereich  der  verzierenden  Künste  erweitert, 
gibt  der  sogen,  print  de  Venise  (s.  d.)  Veranlassung,  breite  Bankenmuster  aus 


Aufnähspitzen — Augsburg.  39 


Leinwand  auszusclineiden  und  diese  auf  farbigen  Sammet,  auf  glatte  oder  ge- 
musterte Seide  zu  applizieren,  wobei  für  das  Aufnähen  und  zur  Füllung  der 
offenen  Blütenflächen  feine  Groldschnürchen  Verwendung  finden  (s.  Abb.  11  auf 
Tafel  IX).  Bleibt  das  reliefartige  Muster  in  Weiss  gehalten,  so  hat  man  den 
Eindruck  einer  aufgelegten  venetianischen  E,eliefspitze,  welcher  Technik  die 
neuere  Zeit  den  Namen  Elfenbeinstickerei  (s.  d.)  beigelegt  hat.  Yon  höchster 
Schönheit  kommen  solche  Arbeiten  älterer  Zeit  in  grossen  Decken  oder  Borten 
aus  lachsfarbenem  Atlas  und  E,ips  vor,  welche  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
in  Deutschland  gemacht  wurden.  Allmählich  vereinfacht  man  die  Technik  der 
Aufnäharbeit  noch  mehr,  indem  gewebte  Litzen  oder  breitere  Bänder  aufgenäht 
werden  (vgl.  Abb.  3  auf  Tafel  IX).  Eine  Bereicherung  des  Formenkreises  für 
solche  Bandmuster  ist  gegeben  in  der  Verzierungsart  des  französischen  Orna- 
mentstechers Daniel  Marot  (1650 — 1712),  nach  dessen  Entw-ürfen,  im  sogen. 
Kurvenstil  (s.  Abb.  35),  verschiedene  derartige  Arbeiten,  grosse  Bettdecken  und 
Vorhänge,  entstanden  sind.  Der  Orientale  kennt  die  europäische  Art  der 
Aufnäharbeit  nicht.  Man  stellt  in  Indien  und  Persien  Stickereien  in  breiten 
Flächen  her,  indem  Gold-  oder  Seidenfäden  aufgelegt  und  in  Belief  übernäht 
werden  oder  man  bedient  sich  der  sog.  Tuchmosaik  (s.  d.). 

Aufnähspitzen,  durch  Aufnähen  genähter  oder  geklöppelter  Muster  auf 
einen  Maschinentüllgrund  hergestellte  Spitzen  (s.  d.);  sie  kommen  um  1780  in 
Paris  auf. 

Aufnehmen  s.  Netzarbeit. 

Aufranken  (franz.:  lainer,  garnir;  engl.:  to  raising,  torowing);  rauhen, 
kardätschen,  aufkratzen,  in  der  Tuchfabrikation  angewendet,  um  diesen  Stoffen 
eine  gleichmässige  rauhe  nnd  haarene  Aussenseite  zu  geben. 

Aufstossen,  in  der  Wirkerei  das  Aufhängen  der  Wirkware  auf  die  Nadel- 
reihe des  Wirkstuhles. 

Aufstricken  s.  Strickerei. 

Aufwinde  oder  Klöppelbrief,  das  auf  Papier  gezeichnete  Muster,  welches 
jeder  Klöppelspitze  als   Grundlage  dient. 

Aufzug  (franz.:  chaine;  engl.:  chain),  s.  v.  w.  Kette  eines  Gewebes. 

Auge,  Häuschen  u.  s.  w.  (franz.:  oeillet,  coulisse;  engl.:  eye);  eine  Schleife 
ziemlich  in  der  Mitte  der  Litzen,  oder  ein  Bingelchen  (maillon,  mail)  durch 
welches  je  ein  oder  mehrere  Kettfäden  gezogen  werden  (s.  Weberei). 

Augsburg,  Hauptstadt  des  bayerischen  Beg.-Bez.  Schwaben:  die  erste 
Stelle  nimmt  die  Baumwollen  Industrie  ein,  die  sich  sowohl  auf  mecha- 
nische Baumwollenspinnerei  als  auf  mechanische  Weberei,  Zwirnerei  und  Näh- 
fadenfabrikation erstreckt.  In  10  bedeutenden  Anstalten:  u.  a.  Spinnerei  am 
Stadtbacb,  Feinspinnerei  A.  (von  Wertach) ,  Spinnerei  am  Senttelbach ,  Bunt- 
weberei vorm.  Biedinger,  Weberei  am  Fichtelbach,  am  Sparrenlech  und  von 
Müller  &  Keidel  —  mit  7200  Webstühlen,  380000  Spindeln;  die  Kattun- 
druckerei, Färberei  und  Appretur,  Seidenzwirnerei,  Nähfaden- 
fabrik,  Kammgarnspinnerei  mit  3000  Arbeitern  und  2^2  Mill.  Mark 
Aktienkapital.  A.  ist  Sitz  der  süddeutschen  Textilberufsgenossenschaft  und 
deren  erste  Sektion. 

Im  Mittelalter  schon  durch  Erzeugung  aller  Arten  von  Geweben  berühmt, 
gelangt  die  Zunft  der  Weber  aber  erst  im  14.  Jahrh.  zu  besonderer  Bedeu- 
tung, die  ihren  Höhepunkt  am  Ende  des  16.  Ja,hrh.  erreicht  hat.  Schon  vorher 
wird  A.  ein  Stapelplatz  des  deutschen,  italienischen  und  levantiuischen  Handels 
durch  die  Familien  der  Fugger,  Welser  und  Betten:  im  Jahre  1504  fuhren 
die  Schiffe  der  Augsburger  Welser  als  die  ersten  deutschen  Schiffe  nach  West- 
indien: der  Leineweber  Fugger  war  Stammherr  eines  mächtigen  Fürsten- 
geschlechtes geworden  !  Nach  dem  Stande  der  Weberei  wurde  —  wenn  auch 
nicht  immer  mit  Becht  —  (vergl.  die  Studien  darüber  in  „Grassmann,  Die 
Entwickelung  der  Augsburger  Industrie  im  Neunzehnten  Jahrhundert" ,  das. 
1894)  das  wirtschaftliche  Gedeihen  der  Stadt  bemessen;  die  Weberzunft  hatte 
schon  im  Jahre  1368  den  grössten  Einfluss  und  ausschlaggebende  Bedeutung 
sich  errungen,  so  dass  sie  die  zahlreichste  war  und  gleich  nach  den  Kaufleuten 


40 


Augsburg. 


rangierte.  Im  Jahre  1466  zählte  sie  746  Meister,  im  Jahre  1600  etwa  2900 
Meister  mit  3500  Gesellen,  überhaupt  11031  in  der  Weberei  beschäftigte  Per- 
sonen, Av eiche  auf  3670  AVebstiihlen  jährlich  nahezu  eine  halbe  Million  Stücke 
Leinwand  zu  der  obrigkeitlich  eingeführten  Geschau  brachten.  Die  Lein- 
weberei schloss  natürlich  auch  die  Entwickelung  von  Bleichereien,  Färbereien 
und  Handdruckereien  in  sich.  An  hauptsächlichen  "Webewaren  aus  dem  Ende 
des  14.  und  Anfang  des  15.  Jahrh.  werden  (nach  Paul  von  Stetten  d.  j.:  Kunst- 
gewerbe- und  Handwerksgeschichte  der  Reichsstadt  Augsburg,  das.  1779  und 
1788)  Barchets  —  Gewebe  aus  Leinen  und  Baumwolle  —  Golschen 
oder  Kölsch  —  gemusterte,  blau  und  weiss  gestreifte  gröbere  Leinenzeuge  — 

Abb.  32. 


zu  Bett-,  Hauszeug-  und  Tüchern  genannt:  „deren  starker  Absatz  reiche  und 
mächtige  Leute  machte,  aus  denen,  welche  teils  arbeiteten,  teils  den  auswärtigen 
Verschleiss  der  Waren  besorgten''.  Aus  dem  Jahre  1513  wird  berichtet,  dass 
wegen  der  Kriege  in  den  Niederlanden  und  in  Italien  die  Baumwolle  .,auf 
einen  ungeheuren  Preis  stieg",  was  den  Absatz  verminderte.  Allein  man  er- 
holte sich  bald  wieder,  so  dass  im  folgenden  Zeitraum  ausser  den  schon  ge- 
nannten Waren  auch  Zwillich,  Schnurtuch,  Krontuch,  Dicken,  Ochsen,  Trauben, 
Brabanterlein,  Vierer,  Dreyer  (vergl.  diese  Artikel  im  Einzelnen)  in  grossen 
Mengen  erzeugt  wurden.  „Ungeachtet  zu  dieser  Zeit  schon  die  Handlung  mit 
diesen  Waren,  welche  durch  Venedig  wichtig  geworden,  aber  durch  den 
neuen  AVeg  nach  Ostindien  einen  gewaltigen  Stoss  erlitten,  so  war  sie  dennoch 
sehr  ahnsehnlich."  TJ.  a.  wird  nach  Pechnungen  aus  dem  Ende  des  16.  Jahrh.. 
berichtet,  „dass  in  einem  Jahre  350  000  Stück  allerlei  Barchet  gefertigt,  wovon 
über  70000  gebleichet,  ja,  dass  man  noch  im  Jahre  1610  sogar  475184  allerlei 
Barchet  hier  gewirkt  und  dass  sich  vor  Ausbruch  des  dreissigjäbrigen  Krieges 


Augsburg. 


41 


gegen  6000  Meister  von  Barchet  nncl  anderen  Webern,  ohne  Weiber,  Kinder 
und  Gesinde  hier  befinden,  deren  Zahl  aber  nach  dem  Ende  desselben  bis  auf 
500  Meister  zusammengeht." 

Gegen  Ende  des  17.  Jahrh.  kommen  zu  den  vorher  erwähnten  Stoffen 
die  bedruckten  „Kotton-  und  Zilz waren"  (s.  d.),  die  mit  den  aus  Ostindien 
eingehenden  auf  gleicher  Höhe  stehen,  bis  endlich  eine  abermalige  Teuerung 
der  Baumwolle,  Wohlfeilheit  der  ostindischen  Waren.  Sperrung  und  Stockung 
der  Handlung,  „aber  auch  Eigennutz  und  Nachlässigkeit  eine  neue  betrübte 
Epoche  herbeibrachten." 

Xener    ist    die    Seidenweberei    in    A.      Tom     Gebrauch     der     Seide 

Abb.  33. 


Bn 

ffTTT 

ons 

im 

rrrm 

3Q 

z& 

WFfW 

ITTT 

■■•11 

■>■• 

m 

m 

•r-:H 

:.  .:.  . 

.  .:.^.:.  .;.,.:. 

.!..:.  ..■,..;. . 

•1 

■•• 

■;"■ 

■r-":^:--^ 

• . 

■.':.!'  . 

:m 

:-:. 

••;:  •  : 

?.?!.!.:?.L . !? 

.r.'. 

"•"  •  :••: 

y/A 

"■: 

•'• 

V  ":.! 

1" ' 

f- 

"i.r 

tüinjitnraitPv 

■uWMLnJI 

•:. 

::.  .:'•! 

... «. . 

V 

,  ...  .. 

•  •:•  T  •!■  ■!' ".'  ".»»:'.•  •;•.*:■ 

...  .j. , 

lOiiri 

Ifi 

iiilMl 

nins 

äi»^«^ 

ffi 

kk: 

l'il 

ifl" 

"•::: 

::: 

1+1+ 

äSS'SS  ■ 

.    '.' 

M: 

s:: 

•H:: 

iniiür  •..•'': 

\vli:-;liiiS 

siii!'* 

••■Vsj:!!|._' 

:i     ;;Ü:;lHi^ 

■i" 

."•! 

fHiHll 

■•..•«! 

•S*'  • 

-•iiill 

s;    !!:::::!:i  - ..- 

»si: 

iS:?.!slf 

"/ 

P. 

ilisli-: 

;:":.;:::;HjiKNi 

i]         IUI..! 

..::  ..^,... 

.  !;'•'• 'SI  ■ 

...  ".j:::;:::k:!::    :.  ■: 

:::  s;::    i;t:t 

¥  hiilllj  i|.  lljir. 

•■•■•XlB.  i 

!•*     i"5«; 

i    '::.  "üäfnv-----  ••:!•::«•  .:"     i 

i::S«'l   i":: 

l:v:!!i 

!;'• 

,    ■!..      .«■..... .^      ..::**  . 

"iV  '•/'    i 

Li. 

«•;«?.': 

!«•::. 

il-s:    ■•• 

:  i  1 !  a 

::i 

!:;•'•:! 

1 ! 

iii  ■•; 

ll  ■ 

H 

;::: 

...    :   ::  :  : 

J  : 

s: 

:•::!••  ^    - »' 

ifl  fijjjlj ; 

:  ü    . 

1  :  ;: 

1::: 

iii 

•  :i      :.   -•   .i-K   :  i 

:  :=::•:■  r?    V"- 

iJi'i*]"  <  Hin         m 

.•::".:•: 

jiFyUüllj,/., 

mm. 

1 

issi' 

...     ••.ia>....  1  .    ,'     , 

iiiiiii  11 

i 

11 

llpliillii: 

*  .!  llisllit'li 
!i!i'i!l:lil!! 

IIS;- 

s::Ki;r:::;i:: 

Ifll 

. 

!.".;  K 

•j  :i"nn»:Si 

:::s:!.:.!.!i::!iit:ij::!!::i:i:{;:;:: 

iiil 

1 

Uli  "' 

si 

V.-«i:: 

V'JHi " 

siv 

.jjjjjj............ 

llgl 

i 

,:i::i!ifi 

iiüiüKk: 

.;:.. 

diu 

fei 

'Iii 

iü::: 

■III 

Iii 

und  Seidenzeuge  ist  schon  früher  die  Rede  —  man  spricht  im  Bürgerbuche 
und  in  Steuerregistern  schon  im  Jahre  1453  von  „Sydenäer"  —  auch  gab  es 
schon  Sammet-  und  Seidenweber,  „auch  Felbaweber  und  Brocatmacher-,  die 
aber  bald  gänzlich  eingingen.  „Um  das  Jahr  1720  wollte  der  Seideniärber 
Dieterich  zu  Helle  noch  eine  Florfabrik  anlegen,  die  keinen  langen  Bestand 
hatte."  Erst  seit  1755  fingen  einige  Seidenweber  an  u.  a.  Johann  Simon 
Eaitmair,  aus  Nürnberg  gebürtig,  ihre  Industrie  zu  pflegen,  sie  machten  „nicht 
nur  halbseidene,  sondern  auch  ganzseidene  Zeuge,  ja  sogar  Sammetzeuge,  von 
welchen  man  sich  bei  fortdauerndem  Eifer  immer  besseren  Wachstum  zu  ver- 
sprechen, und  ihm  dessen  Belohnung  in  reichlicher  Abnehmung  seiner  Arbeit 
zu  wünschen  hat."  Seit  1789  wird  nach  den  Berichten  von  Grassmann  die 
Seidenindustie  mit  besonderem  Eifer  von  der  Begierung  gefördert.  1827  werden 
6  Lot  „Maulbeersamen"  dem  Magistrat  von  A.  zur  Verteilung  gesendet;  einige 
Jahre  später  wird  in  Begensburg  eine  königliche  Seideninspektion  errichtet. 
Im    Jahre    1813    führt    Aug.    Brentano    Mezzegra    den   Jacquardstuhl  und  eine 


42 


Augsburg. 


Abb.  34. 


Seidenfärberei  ein:  verarbeitet  wurde  italienische  Seide.    Ende  der  60er  Jahre 
wird  der  Betrieb  eingestellt. 

Die  vorhandenen  Keime  des  Gredeihens  der  Kattund ruckerei  brachte 
Joh.  Heinrich  Schule  aus  Künzelsau,  welcher  1745  nach  A.  kam  und  zehn  Jahre 

später  ein  erledigtes  Druckerzeichen  (s.  d.)  erhielt, 
zu  hoher  Entfaltung;  aber  dennoch  überflügelten 
ihn  schliesslich  die  Engländer:  er  stirbt  1785. 
Im  Jahre  1687  brachten  Jeremias  und  Greorg 
Neuhofer  die  Kenntnis  der  Krapprotfärberei 
hierher,  welche  durch  sie  eine  solche  Vervoll- 
kommnung erfuhr,  dass  sie  die  Leistungen  der 
Holländer  bald  überflügelten ;  hierzu  kamen  die 
Vollendung  der  Eormschneidekunst  und  die  Zu- 
nahme der  Baumwollenspinnerei.  Im  Jahre  1821 
wird  die  erste  Kirschrotfärberei  hier  errichtet. 
Die  einzige  Verbindung  dieser  älteren  Periode 
hoch  entwickelten  industriellen  Schaffens  mit 
der  Neuzeit  vermittelt  die  Kattunfabrik  von 
Schöppler  &  Hartmann,  welche  im  Jahre  1780 
aus  der  vom  Tischler  Johannes  Apfel  gegrün- 
deten Kattunmanufaktur  hervorgegangen  war. 

Der  Untergang  des  Augsburger  Grewerbes 
ward  durch  die  französische  Revolution  und  die 
ihr  folgenden  französischen  Kriege  vollständig 
besiegelt.  1835  wurde  eine  Weberschule  mit 
reichen  Mitteln  gegründet,  ging  aber  nach  drei 
Jahren  ein  und  wurde  übernommen  von  der 
Firma  Frisch  &  Co. 

Im  Jahre  1844  führte  die  Firma  Schöp- 
pler &  Hartmann  die  Weberei  und  den  Druck 
der  Wollenmusseline  als  die  erste  im  Zoll- 
verein ein,  rasch  entwickelte  sich  auch  in  Sachsen 
und  Preussen  eine  rührige  Konkurrenz,  um 
Frankreich  zu  verdrängen.  1861  wird  das  Weber- 
haus in  A.  verkauft,  die  Innung  löst  sich  auf; 
durch  die  amerikanischen  Wirren  kommt  die 
Verteuerung  der  Baumwolle.  Als  der  letzte 
Handweber  wird  in  A.  der  im  Jahre  1882  ver- 
storbene Meister  David  Knäule  genannt.  — 
lieber  Augsburger  Muster  der  Penaissance- 
zeit  sind  wir  unterrichtet  durch  ein  daselbst  im 
Jahre  1534  erschienenes  Modelbuch:  vgl.  Abb.  32 
u.  33.  Es  zeigt,  dass  mit  dem  italienischen  Weber 
auch  seine  Muster  nach  Augsburg  gingen  und 
hier  Verwendung  fanden.  Sehr  verbreitet  ist  das 
verschlungene  Bandmotiv,  das  auch  für  die  in 
Süddeutschland  im  16.  und  17.  Jahrh.  geübte 
Kanevasstickerei  (s.  d.)  Aufnahme  gefunden  hat.  Der  streng  stilisierte  Adler 
(Abb.  33)  weist  auf  die  Benützung  alter  Muster  hin,  ebenso  die  in  Abb.  34 
dargestellte  Handtuchborte,  in  der  wir  ein  italienisches  Original  erblicken,  nach 
welchem  in  Augsburg  bis  ins  17.  Jahrh.  hinein  Muster  älteren  Stils  gewebt 
wurden.  ' 

A  bb  i  1  düngen: 

32.  Augsburger  Palmettenmuster  in  Feldern  aus  Bandverschi  ingungen  nach  einer 
Darstellung  aus  :  Kunstgewerbeblatt  1887.    Original  im  Augsburger  Modelbuch  von  1534. 

33.  Augsburger  Muster  nach  derselben  Quelle :  Darstellung  eines  Adlers,  Ränder 
mit  verschlungenen  Bandmotiven. 

34.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:    Borte 


^M^M 


;i«Ä»z:i-:,-_/.- 


Augusta — Avignon.  43 


eines  Leinenhandtuches  mit  blau  gewebten  glatten  Querstreifen  und  gemusterten  Borten, 
welche  zwischen  gefüllten  Zickzackbändern  streng  stilisierte  Vögel  an  wappenlilien- 
artigen  Blüten  enthalten.     Sizilien  16.  Jahrhundert. 

Augusta,  Hauptstadt  des  County  E-ichmond  in  Georgia:  Grosse  Baum- 
wollenfabriken, überhaupt  ein  Mittelpunkt  des  Handels  für  dergleichen  Waren. 

Augustine,  ältere  Stoffart  aus  Frankreich,  von  Baumwolle  und  Seide,  die 
besonders  in  und  um  Eouen  gewebt  wurde. 

Augustusburg,  Stadt  in  Sachsen  bei  Chemnitz :  Maschinenstickerei  und 
Herstellung  von  wollenen  und  baumwollenen  Stoffen. 

Auma,  Stadt  in  Sachsen-lYeimar-Eisenach:  Weberei,  Strickerei,  Strumpf- 
wirkereien, Tuchschuhfabrik  und  Herstellung  mechanischer  Webstühle. 

Aumale,  im  Mittelalter  Albamaria,  Hauptstadt  des  Kantons  A.  im  Arrond. 
Neuchätel  des  franz.  Depart.  Seine-Inferieur :  Herstellung  von  Blonden,  groben 
Tüchern  und  Serge;  Wollspinnerei. 

Aumales,  ältere  Sorte  französischer  Sergen  aus  A.,  die  zu  Futterstoffen 
Verwendung  fand. 

Auquili,  grobe  Sackleinwand,  in  Syrien  gefertigt,  kommt  über  Aleppo  in 
den  Handel;  die  feineren  Gattungen  sind  blau  gefärbt,  teils  auch  halb  weiss, 
jedoch  immer  mit  Baumwolle  gemischt. 

Aurangabad,  Stadt  in  Haidarabad,  Ostindien :  fertigt  schöne  Seidenstoffe, 
Gold  und  Silberbrokate;  lebhafter  Handel  in  Baumwolle. 

Aureria  (lat.),  der  Saum,  die  Borte,  Bordüre  von  Gold  oder  Goldgespinst. 

Aures,  eine  Art  Cadis  (s.  d),  die  in  Frankreich  unter  dem  Namen  Fleurets 
bekannt  sind ;  werden  zu  Montauban  gefärbt  und  zugerichtet :  sie  bestehen  aus 
einem  der  dauerhaftesten  Wollenstoffe. 

Aurifilum  (lat.),  Stickerei  mit  Goldfäden. 

Aurillac,  Stadt  in  der  Auvergne,  soll  angeblich  schon  im  14.  Jahrhun- 
dert Spitzen  erzeugt  haben.  Seit  dem  17.  Jahrhundert  Spitzennäherei  nach 
italienischen  Vorbildern,  die  allgemein  points  de  France  genannt  wurden.  Um 
1708  geht  diese  Industrie  zurück,  bis  sie  mit  der  Revolution  überhaupt  er- 
lischt (s.  Spitzen). 

Auriphrygium  (lat.)  hiess  bei  den  Römern  die  Goldstickerei. 

Aurisamitum  (lat.),  ein  goldgestickter  Seidenstoff. 

Aurotextilis  (lat.),  in  Gold  gewebt,  gewirkt. 

Ausbessern  s.  Konservierung,  Stopfen  und  Einsetzen. 

Ausfallmuster,  Ausfallprobe,  Muster  einer  durch  Vermittler  zu  kaufenden 
oder  auf  Bestellung  zu  erzeugenden  Ware,  die  dem  Käufer  die  Beschaffenheit 
derselben  zeigt. 

Aussetzen  s.  Carta  riga. 

Aussig,  Stadt  in  Böhmen:  Fabriken  von  Modestoffen  in  Seide,  Baum- 
wolle und  Schafwolle. 

Aussparen,  die  Flächen  um  die  Figuren  herum  ausfüllen,  so  dass  der 
Grund  eines  Stoffes  das  Muster  bildet,  wie  es  z.  B.  im  Zeugdruck  und  auch 
oft  in  altitalienischen  Leinenstickereien  geschehen,  aber  auch  in  jeder  anderen 
Technik  möglich  ist. 

Austria,  moderner  Schirmstoff. 

Ausziehspitzen  (ital.  punto  tirato;  franz.  point  tire ;  engl,  drawn  work). 
Durch  Ausziehen  von  Fäden  aus  einem  Leinwandstoff  wird  ein  Netzgrund  her- 
gestellt, dessen  zurückbleibende  Fadengruppen  umrandet  werden.  Muster  in 
breiten  Flächen  können  darin  entstehen  durch  grössere  erhalten  gebliebene  Stoff- 
reste und  durch  Füllung  des  Netzgrundes,  in  Art  der  Filetarbeiten.  (S.  Spitzen 
und  Durchbrucharbeit.) 

Autun,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Saone-et-Loire :  Tuch-  und  Fass- 
teppichfabriken. 

Auxy  (L'aine  d'Auxy)  s.  Wolle  von  Abbeville. 

Avantagee  heisst  in  Frankreich  die  feinste  Sorte  der  Nankinseide  (s.  d.). 

Ave  Maria  (Angelica  salutatio,  Engelsgruss)  s.  Verkündigung. 

Avignon,  Stadt  im  franz.  Depart.  Vaucluse  a.  d.  Rhone:  hier  wird  zuerst 


44  Avila — Azuay. 


(las  franz.  Seidengewerbe  betrieben,  veranlasst  durch  Papst  Gregor  X.  (gebürtig 
aus  Piacenza  (war  bis  1271  Archidiakonus  in  Lüttich,  regierte  1271 — 76), 
welcher  italienische  AVeber  berief.  Zur  Bedeutung  gelangt  die  Industrie  erst 
im  15.  Jahrhundert  unter  Ludwig  XL  von  Frankreich.  Heute  beschäftigt  die 
Seidenindustrie  12 — 14000  Arbeiter,  welche  jährlich  Waren  im  Werte  von 
IY2  Mill.  Pres,  herstellen.  Ausserdem  Fabrikation  von  Posamentierwaren, 
Sammetstoffen  u.  a.  ni.  Die  Gewinnung  des  Krapps  zur  Färbung  roter  Tuch- 
stofi'e  verdankt  A.  einem  landesflüchtigen  Perser,  Jean  Althen,  dessen  Vater 
Gesandter  des  Schahs  Thamas  Kuli  Chan  war,  der  1774  in  Armut  starb.  Nach 
A.  wird  auch  ein  leichtes  Seidengewebe  benannt,  sogen.  Indiennes. 

Avila,  spanische  Wolle  aus  der  Provinz  gleichen  Namens,  welche  wegen 
ihrer  guten  und  feinen  Qualität  sehr  geschätzt  wird. 

Avio,  Ortsgem.  in  Tirol:  Seiden-  und  Sammetmanufakturen. 

Avivieren,  ein  Verfahren,  der  Seide  (Strangseide)  nach  dem  Färben 
wieder  ein  gutes  Aussehen  zu  geben:  Vornahme  des  „Schönens"  und  „Be- 
lebens" ;  es  geschieht  mit  Hilfe  eines  Bades,  welches  aus  verdünnter  Säure 
besteht. 

Avouet,  persische  Wolle  von  dreijährigen  Schafen. 

Avranches,  Hauptstadt  des  Arrond.  A.  in  der  Normandie :  Fabrikation 
von  Spitzen,  Kattun;  grosse  AVebereien  und  Spinnereien. 

Axminster,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Devon  :  Tuch-  und  Bandfabri- 
ken; die  berühmte  Teppichfabrik  befindet  sich  seit  1835  zu  Wilton  in  Wilt- 
shire  bei  A. 

Axminster-Teppich,  eine  Art  weicher  Sammetteppich  mit  langem,  auf- 
geschnittenem Flor,  die  als  Nachahmung  der  Smyrnateppiche  gelten  kann.  Der 
Flor  kommt  dadurch  zustande,  dass  man  zuerst  (auf  einem  Handwebstuhl)  eine 
besondere  Ware  herstellt:  die  Vorarbeit,  deren  Kettenfäden  nicht  in  gleicher 
Dichte,  sondern  gruppenweise  in  regelmässigen  Abständen  angeordnet  sind,  und 
deren  Einschlag  aus  farbiger  Wolle  nach  einem  gezeichneten  Muster  ein- 
getragen wird.  Indem  man  diese  Vorarbeit  der  Länge  nach  in  Streifen  schneidet, 
die  je  eine  Kettenfadengruppe  in  der  Mitte  enthalten,  und  diese  Streifen  auf 
einer  besonderen  mit  Pinnen  versehenen  Sengmaschine  derartig  sengt,  dass  die 
erst  nach  beiden  Seiten  abstehenden  wollenen  Einschlagiäden  nach  oben  ge- 
presst  werden,  erlangt  man  die  eigentlichen  Florschussfäden,  die  nun  abwechselnd 
mit  festen  Grundschussfäden  in  die  Teppichkette  eingeschossen  werden.  Diese 
Teppichkette  besteht  meist  aus  einer  Leinen-  oder  Jutekette  zur  Bildung  eines 
festen  Grundgewebes,  und  einer  dünnen,  weitgestellten  Baumwollkette  zur  Be- 
festigung der  mehr  an  der  Oberseite  des  Teppichs  liegenden  Florschüsse,  die 
in  ihrer  genauen  Zusammenstellung  das  vorher  entworfene  Muster  geben  müssen. 
Die  Appretur  des  A.  besteht  in  Dämpfen,  Bürsten  und  Scheren  (s.  a.  Che- 
nilleteppich). 

Aylanthusseide  (A.  Cynthia),  S.  des  gleichnamigen  Spinners  (s.  Seide). 

Ayr,  Hauptstadt  der  Grafsch.  A.  in  Südschottland:  Segeltuch-,  Baum- 
wollen-, Wollen-,  Seidenwaren-  und  Teppichfabriken. 

Azara  oder  Azera,  feine  ostindische  Musseline,  welche  die  Franzosen 
aus  Pondichery  brachten. 

Azerbeidschan,  Prov.  in  Persien:  erzeugt  Knüpf-  und  Wirkteppiche, 
jedoch  meist  von  geringerer  Sorte:  dazu  gehören  die  von  Karadagh,  Heris, 
Zendian  und  Hamadan  (s.  d.). 

Azores,  locker  gewebte,  dicke  und  sehr  langhaarige  Wollenstoffe:  eine 
Gattung  starker  Biber  mit  glänzendem  Haar,  welcher  in  mehreren  böhmischen 
und  tiroler  Fabriken  gewebt  wird.  ^ 

Azuay,  Assuay,  eine  der  südl.  Provinzen  der  südamerik.  Pepublik  Ecua- 
dor: Industrie  von  Geweben. 


Baar— Bagdad.  45 


B. 

Baar,  Dorf  im  Schweiz.  Kauton  Zug,  im  9.  Jahrhundert  erbaut:  eine 
der  grössteu  Baumwollspinnereien  der  Schweiz;  die  Sj)imierei  an  der  Lorze 
seit  1855  im  Betrieb. 

Babenhausen  in  Bayern:  mechan.  Spinnerei. 

Babylon,  s.  Assyrien  und  Babylon. 

Babylonica,  s.  Baldachin. 

Babylonicum  (lat.)  gestickte  Arbeit,  Stickerei;  babylonica  texta  und  stra- 
gula  werden  in  mittelalterlichen  Inventarien  erwähnt. 

Babylonische  Teppiche,  s.  Assyrien  und  Babylon. 

Backfischseide  heisst  im  modernen  Handel  ein  heller  leichter  Seiden- 
stoff, der  zu  Kleidern  für  junge  Mädchen  Verwendung  findet. 

Backnang,  Stadt  in  AYürttemberg :  AVollspinnerei,  Strumpfstrickerei, 
Tuchmacherei. 

Badehandtücher,  Frottierstoff,  G-ewebe  aus  Leinen  oder  Baumwolle, 
welches  zu  beiden  Seiten  zahlreiche  Noppen  hat  und  dadurch  geeignet  wird, 
Wasser  in  sich  aufzunehmen,  daher  zu  Handtüchern,  Bademänteln  u.  s.  w. 
Verwendung  findet.  Die  Herstellung  ist  der  eines  Plüschgewebes  ähnlich. 
Auf  dem  leinwand-  oder  ripsartigen  Grrund  erheben  sich  nach  beiden  Seiten 
unaufgeschnittene  Schleifen  (oder  Noppen),  die  mittels  zweier  Polketten  mit 
loser  Spannung  entweder  durch  eingelegte  Nadeln  oder  durch  ein  eigentüm- 
liches Verfahren  beim  Anschlagen  der  Lade  (schwache  und  starke  Schläge) 
hervorgebracht  werden.  Die  nicht  sehr  dicht  stehenden  Noppen  geben  dem 
Gewebe  eine  rauhe  Oberfläche. 

Bad  Elster,  Dorf  in  Sachsen :  Seiclensammetweberei. 

Baden,  zum  Deutschen  Reiche  gehöriges  Grossherzogtum.  Vor  dem 
1835  erfolgten  Anschluss  an  den  deutschen  Zollverein  nur  ein  ackerbauender 
Staat.  Seitdem  hat  die  Gewerbtätigkeit  so  zugenommen,  dass  B.  jetzt  an  der 
industriellen  Gesamt|3roduktion  des  Deutschen  Peiches  einen  namhaften  und  in 
einzelnen  Zweigen  einen  hervorragenden  Anteil  hat,  wovon  auf  die  Textil- 
industrie, besonders  in  Baumwolle  und  Seide,  auch  Wolle,  Leinen  und  Hanf, 
nicht  die  geringste  Tätigkeit  entfällt,  mit  dem  Hauptsitz  im  "Wiesental  und 
oberen  Peintal,  sodann  in  Freiburg,  Waldkirch  und  Ettlingen,  auch  in  Offen- 
burg, Lahr  und  Konstanz.  (Vgl.  Dietz,  die  Gewerbe  im  Grossherzogtum  B.. 
ebd.   1863.) 

Badia  Polesiue,  Hauptstadt  des  Distrikts  B.  in  der  ital.  Prov.  Povigo  : 
Seidenspinnerei. 

Bafel  (Bavel,  vom  ital.:  bavella,  Abfall-,  Flock-,  Florettseide),  Ausschuss, 
schlechte  Ware. 

Baffetas,  Baftas,  ostindische,  glatte  und  dichte  Baumwollenzeuge  von 
verschiedener  Feinheit,  welche  früher  in  Mengen  nach  Europa  gebracht  und 
in  Holland,  England,  Hamburg,  Kopenhagen  häufig  gedruckt  wurden.  Sie  sind 
jetzt  von  der  europäischen  und  nordamerikanischen  Maschinenware,  unter  dem 
Namen  calicoes,  printers,   domestics  u.  s.  w.,  fast  ganz  verdrängt. 

Bagdad,  im  Mittelalter  in  der  abendländ.  Form  auch  Baldach  genannt. 
Hauptstadt  des  asiat.-türk.  Vilajets  B.,  763  gegründet;  im  9.  Jahrh.  erhob  sie 
Harun-al-Paschid  zu  hohem  Glänze.  AVar  seither  eine  Hauptniederlage  für 
arabische,  indische  und  persische  Erzeugnisse,  sowie  für  europäische  Manufaktur- 
A\aren,  und  versah  Kleinasien,  Syrien  und  einen  Teil  Europas  mit  indischen 
AVaren,  die,  zu  Basra  eingeführt,  den  Tigris  in  Booten  stromaufwärts  und  in 
Karawanen  weiter  nach  Konstantinopel,  Haleb,  Damaskus  und  in  die  westlichen 
Teile  Persiens  gebracht  wurden.  B.  selbst  bringt  AVoile  zur  Ausfuhr.  Erzeugt 
werden  seidene,  baumwollene  und  wollene  Stoffe,  besonders  Musseline,  Taöete, 
Teppiche  und  Shawls.  AA^ann  der  Anfang  zu  der  im  Mittelalter  so  mächtig 
aufoeblühten  Seidenindustrie    in  B.  ofeleot  wurde,    ist  nicht  sicher  bekannt;  es 


46  Bagdalin — Baldachin. 


lässt  sich  mir  aus  einigen  erhaltenen  biographischen  Daten  (nach  Karabacek: 
lieber  einige  Benennungen  mittelalterlicher  Gewebe)  auf  eine  Bagdader  Ko- 
lonie tusterischer  Seidenweber  schon  im  10.  Jahrhundert  schliessen.  (Kremer, 
Kulturgeschichte  des  Orients.     Bd.  2.  AVien  1877.) 

Bagdalin,  früher  ein  in  bunten  Mustern  gewebter  Baumwollenstoff  in 
persischem  (xeschmack,  jetzt  ausser  Mode. 

BaggingS  (engl.)  oder  Sackings,  nach  der  Bezeichnung  der  schottischen 
Spinnereien,  die  groben  Jutesäcke  zur  Verpackung  von  Baumwolle,  während 
die  feineren  Hessians  genannt  werden.  Die  Bezeichnung  ist  auch  auf  die 
rohen  (noch  nicht  zu  Säcken  verarbeiteten)  Jutestoffe  übertragen  worden. 

Bagirmi,  mohammedanischer  Negerstaat  im  mittleren  Sudan,  dessen  Ein- 
wohner als  AVeber  und  Färber  sehr  geschickt  sind. 

Bagneres-de-Bigorre,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Departement 
Hautes-Pyrenes :  AVoUfabriken  für  Baregestoff,  der  hier  vor  alter  Zeit  seinen 
eigentlichen  Ursprung  hatte. 

Bagnols-SUr-Ceze,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Uzes  des 
französischen  Departements  Gard:  Seidenspinnerei  (jährlich  für  600000  Frcs.), 
sowie  Handel  mit  Seide. 

Baguette,  s.  Bay. 

Bahama,  westindische  Baumwollsorte. 

ßahia,  Hauptstadt  des  Staates  B.  in  Brasilien:  Baumwollenwebereien, 
(seit  1867  ist  hier  die  bedeutendste  Spinnerei  Brasiliens) ;  Fabrikation  von 
Jutewaren.  B.  ist  auch  Handelsname  einer  südamerikanischen  Baumwoll- 
sorte. 

Bahn  (franz. :  lisse,  auch  le  =  Blatt,  Bahn),  ein  in  vollständiger  Breite 
vorliegendes  Stück  Zeug. 

Baigues,  geköperte  Wollenzeuge  aus  Flandern. 

Bailleul,  Hauptstadt  der  2  französischen  Kantone  B.:  Fabrikation  von 
Spitzen,  Zwirn  und  Leinwand. 

Baindix,  türkische  Baumwollsorte. 

Baize,  s.  Flanell. 

Bajaderen,  französische  allgemeine  Bezeichnung  für  kleine  leichte  shawls- 
artige  Tücher;  auch  leichte  gemischte  Zeuge  für  Frühlings-  und  Sommertracht. 

Bajota,  grobe  weisse  Baumwollenzeuge,  welche  früher  durch  die  hollän- 
disch-ostindische Kompagnie  in  den  Handel  kamen. 

Bakewell,   Stadt  in   der  englischen  Grafschaft  Derby;  Baumwollweberei. 

Baku,  Hafenstadt  in  Transkaukasien  auf  dem  Landstrich  Schirwan,  un- 
weit des  kaspischen  Meeres,  nach  welcher  die  in  dem  benachbarten  Dorfe 
Amer-Adschan  gefertigten  Knüpfteppiche  benannt  werden;  sie  zeigen  in  der 
Borte  meist  schräg  gestellte  farbige  Parallelstreifen.  (Vgl.  kaukasische  Teppiche.) 

Balassoratücher,  Balassores,  Balazores ;  unter  diesem  Namen  kannte  man 
im  englischen  Handel  einen  zu  Balassor  in  Ostindien  aus  dem  Bast  eines 
Baumes  gewebten  Stoff. 

Balastri  heissen  die  besten  in  Venedig  gewebten  Draps-d'or. 

Balbriggan,  Stadt  in  der  irischen  Grafschaft  Dublin:  Fabrikation  von 
baumwollenen  Strümpfen,  Kattun  und  gesticktem  Musselin. 

Balch,  Stadt  in  der  Landschaft  B.  im  südlichen  Turkestan :  Hauptindustrie 
in  Seidenstoffen. 

Baldachin  (lat.:  baldakinus;  franz.:  baldaquin ;  ital. :  baldachino;  engl.: 
baldachin),  nach  dem  orientalischen  Brokatstoff  Baldacs  (s.  d.),  woraus  im  frühen 
Mittelalter  die  Thronhimmel  gebildet  wurden,  benannter  Prachtüberhang  für 
einen  Altar,  Thron  u.  dergl.  Im  gotischen  Zeitalter  findet  der  B.  als  -fester 
von  Säulen  getragener  Altarüberbau  in  der  Architektur  Verwendung  und  er- 
scheint auch  in  kleinerem  Massstabe  an  Strebepfeilern  als  Schutzdach  über 
Heiligenfiguren :  Diese  Darstellungen  nimmt  um  1500  die  deutsche  Bildstickerei 
und  Bortenwirkerei  zur  Verzierung  von  Kaselstäben,  Besätzen  von  Chormänteln 
u.  s.  w.  auf.  In  das  allgemeine  Ornament  geht  der  Baldachin  zur  Barockzeit 
über ,    wo  er ,    ohne  Säulen-  oder  Bogenstellungen ,    wieder  aus  dem  Behangstoff 


Baldachin — Baldacs. 


47 


dargestellt  erscheint  und  auch  als  Wehe-  und  Stickmuster  an  Tapetenstoffen  und 
Pfeilerbehärgen  beliebt  ist  (s.  a.  Betthimmel).     (Vgl.  Abb.  35). 


Abb.  35. 


Abbildung: 
35.  Bettdecke  nach  einer  Darstellung  aus:  Ornamentation  Usuelle,  I.  anne,  cahier  15- 
u.  16,  Grrundstoff  Damast,  Muster  aus  breitem  und  schmalem  Band-  und  Litzenwerk  auf- 
genäht: Symmetrischer  Aufbau  in  Art  einer  UmrahmuDg,  aus  breiten  Bändern,  welche 
zu  Voluten  aufgerollt  sind;  darin  die  Darstellung  eines  aus  Stoff  gerafften  Baldachins,, 
dessen  Entwicklung  in  Zusammenhang  gebracht  ist  mit  dem  halbrunden  Bogenabschluss 
der  ganzen  Umgebung.     Frankreich  Anfang  18.  Jahrh.     (Stil  Marot:  1650—1712.) 

Baldacs  (baldachino),  meist  mit  Gold  durchwirkter  reicher  Seidenstoff,  im 
Mittelalter  in  Bagdad  und  Damaskus  gemacht ;  aber  auch  aus  Lucca  kamen  zahlreiche 
Nachbildungen. 


4S  Balingen — Bandanadruck. 


Balingen,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Fabrikation  von  Trikots. 

Ballanca,  schwarzwollener,  mit  Ziegenhaar  vermischter  Stoff  aus  Steier- 
mark zu  Linz  im  Oesterreichischen. 

Ballen,  Zähl-  oder  Stückmass :  im  Tuchhandel  12  Stück ;  auch  eine  gewisse 
Yerpackungsform,  z.  B.  bei  Baumwolle. 

Ballenstedt,  Stadt  in  Anhalt:  Teppichfabrik. 

Ballonstoffe  bestehen  aus  sehr  feinen  und  dichten  Seiden-  und  Baum- 
wollengeweben von  möglichst  gleicher  Fadenzahl  in  Schuss  und  Kette.  Sie 
werden  in  vier  bis  neun  Lagen  über  einander  geklebt,  damit  sie  die  erforder- 
liche Dichtigkeit  und  Festigkeit  erhalten. 

Balsthal  im  schweizerischen  Kanton  Solothurn:  Fabrikation  von  Baum- 
wollenzeugen und  Posamentierwaren. 

Balzorins,  franz.  Bezeichnung:  1.  für  leichte  mit  Ultramarin  gedruckte 
Kattune  und  Musseline,  2.  im  allgemeinen  eines  offenen^  gedruckten  Gewebes 
mit  seidener  Kette  und  Kammgarnschuss. 

Bambagine,  im  italienischen  Handel  die  Basinzeuge  und  die  baumseidenen 
Gewebe. 

Bamberg,  Stadt  in  Bayern:  eine  der  grössten  Baumwollenspinnereien 
Deutschlands  mit  2400  Arbeitern,  125000  Spindeln,  2000  Stühlen,  und  Weberei, 
Seidenzwirnerei;  Fabrik  für  Tuch,  Wollzeug.  Der  Domschatz  enthält  wert- 
volle Reliquien  (Mäntel)  von  Heinrich  IL  und  seiner  Gemahlin.  Vgl.  Pfister, 
Dom  zu  Bamberg  (ebd.   1896). 

Bananenfaser,  s.  Manilahanf. 

Band  (franz. :  ruban ;  engl. :  ribbon  •,  span. :  cinta,  ruban ;  ital. :  fettucie), 
Gewebe,  welches  sich  durch  geringe  Breite  im  Verhältnis  zur  Länge  auszeichnet 
und  zum  Binden,  zum  Besatz,  zur  Einfassung  oder  zum  Aufputz  dient.  Der 
Qualität  nach  gehen  die  Bänder  vom  Einfachsten  bis  zur  höchsten  Luxus-  und 
Modeware  und  sie  werden  aus  Seide,  Wolle,  Kamelhaar,  Baumwolle,  Leinen  und 
Gemischen  dieser  Stoffe  hergestellt.  Man  webt  die  Bänder  teils  auf  Posamentier- 
oder Bandwirkstühlen  (an  manchen  Orten  auch  Borten  wirkerstuhl),  teils  auf  dem 
sogenannten  Mühlenstuhl  oder  der  Bandmühle  mit  Schnellschützen,  wobei  eine 
grössere  Anzahl  von  Bändern,  auch  in  verschiedenen  Mustern  und  Farben, 
gleichzeitig  gewebt  werden  können.  Für  bunt  gemusterte  Bänder  w^erden  die 
Stühle  auch  mit  der  Jacquardvorrichtung  versehen;  dann  aber  können  alle 
Gänge  nur  gleichartig  gewebt  werden.  Viele  Bänder  werden  noch  zylindriert, 
moiriert  und  gauffriert  (s.  d.).  Die  Namen  der  Bänder  richten  sich  nicht  allein 
nach  dem  Material ,  aus  welchem  sie  gemacht  werden ,  sondern  auch  nach  ihrer 
Breite^  teils  nach  der  Art  des  Webens,  glatt  oder  gemustert,  schliesslich  auch 
nach  ihrem  Gebrauch.  Die  Hauptfabrikationsplätze  für  Bänder  sind  die  Her- 
stellungsorte für  Seidenwaren  überhaupt:  so  werden  seidene  Bänder  namentlich 
in  Paris,  Lyon,  St.  Etienne,  am  Niederrhein  (besonders  Sammetbänder),  in  Krefeld, 
Basel,  Wien,  leinene,  baumwollene  und  wollene  besonders  in  und  um 
Elberfeld  und  Barmen,  im  sächsischen  Erzgebirge,  in  Böhmen  und  dem  übrigen 
Oesterreich  gefertigt.  (Vgl.  Beiser  u,  Beintgen,  Handbuch  der  Weberei,  Bd.  III : 
Bandweberei.) 

Bandagenstoffe,  s.  Verbandzeug. 

Bandanadruck,  Bandaaasdruck,  Bandanendruck  (franz. :  bandannes;  engl.: 
bandanoes) ,  ein  Verfahren  des  Zeugdruckes ,  bei  welchem  hellere  Muster  auf 
dunkelm  Grunde  durch  stellenweise  Zerstörung  des  Farbstoffes  mittels  bleichend 
wirkender  Agentien  hergestellt  werden.  Dem  Bandanadruck  liegt  dasselbe  Prinzip 
zu  Grunde,  das  in  Ostindien  und  Japan  für  die  Herstellung  weisser  Muster  auf 
gefärbten  Zeugen  angewendet  wird  und  darin  besteht,  dass  die  Stellen  des  Zeuges, 
die  nicht  gefärbt  werden  sollen,  vor  dem  Einbringen  in  die  Farbbrühe  mit  Bind- 
faden fest  zusammengebunden  und  nachher  gepresst  werden,  in  welchem  Zustande 
sie  nichts  von  der  Farbe  aufnehmen.  Das  zuerst  von  Monteih  in  Glasgow  zur 
Anwendung  gebrachte ,  die  Nachahmung  der  berühmten  Bandanastücher  be- 
zweckende Verfahren  (vgl.  Brandes  Jour.  1823)  unterscheidet  sich  von  der 
einfachen   orientalischen  Methode  im  wesentlichen  nur  darin,    dass  die  Pressung 


ßandannos — Barbadoes.  49 


der  von  der  BerühruDg  mit  Flüssigkeit  freizuhaltenden  Stellen  der  Zeuge  durch 
bequem  zu  handhabende  Pressapparate  besorgt  wird  (vgl.  Bandannos), 

Bandannos,  Bandanoes,  Bandanas,  ostindische  seidenartige  Zeuge,  welche 
aus  den  glänzenden  Fäden  einiger  indischen  Pflanzen  verfertigt  werden,  die  man 
wie  den  Flachs  zubereitet;  gewöhnlich  sind  sie  dunkelgelb,  braun  oder  rot  gefärbt 
und  mit  hellgelben  Mustern  bedruckt  (vgl.  Bandanadruck).  Bandannos  heissen 
auch  ostindische  Schnupftücher  von  gleichem  Stoff,  welche  auf  braunem,  rotem 
oder  gelbem  Grund  mit  weissen ,  gelben  oder  blauen  Mustern  gedruckt  sind ; 
ferner  gibt  es  sogenannte  türkischrote,  baumwollene  Bandanoestücher,  geköperter 
Grund  mit  blauen  und  gelben  Mustern,  wie  auch  bunte,  welche  in  den  englischen 
Manufakturen  nachgeahmt  werden.  Ehemals  wurden  letztere  auch  in  sächsischen, 
preussischen  und  österreichischen  Fabriken  gemacht. 

Bändchenspitze  s.  Litzenspitze. 

Bändchenstickerei  wurde  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  Deutschland, 
Sjjanien  und  Frankreich  geübt:  sie  besteht  aus  ganz  schmalen  Seidenbändchen,  welche 
aufgenäht  oder  auch  durchzogen ,  in  feinen  bunten  Streu-  oder  Bankenmustern 
die  Flächen  seidener  weisser  Tücher,  Handtäschchen,  Kostümteilen  u.  s.  w.  ver- 
zieren.    In  neuerer  Zeit  findet  die  Technik  wieder  vielfach  Verwendung. 

Bandelier  (lat. :  baldrellus;  franz.:  bandouliere;  engl.:  baldier,  baldrick), 
in  früherer  Zeit  das  über  die  Schultern  gehende  Wehrgehänge,  an  welchem  ein 
Schwert,  Dolch,  Jagdhorn  oder  auch  die  Pulverfläschchen  hingen;  heute  beim 
Militär  der  Ledergurt,  woran  der  Säbel  getragen  wird,  auch  der  Postillon  trägt 
sein  Hörn  am  Bandelier:  einer  geflochtenen,  wollenen,  dicken  Schnur.  Das 
Wort  soll  durch  Pyrenäenräuber  des  16.  Jahrhunderts,  die  sich  Bandouliers 
nannten,  in  Gebrauch  gekommen  sein. 

Banderoles,  s.  Beuteltuch. 

Bandes,  Bandelettes,  in  Frankreich  leinene  oder  Garnbänder. 

Bandmacherstuhl  (franz.:  metier  älabarre;  engl.:  bar-loom),  Bandmühle, 
Mühlstuhl,  ein  zur  gleichzeitigen  Herstellung  einer  grösseren  Zahl  von  Bändern 
benutzter  Webstuhl.  Die  Erfindung  der  Bandmühle  wurde  von  einem  Holländer 
gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  gemacht,  in  verschiedenen  Ländern  anfangs 
verboten,  um  die  Handarbeit  nicht  zu  verdrängen,  allein  nach  und  nach  immer 
mehr  benutzt  und  vervollkommnet. 

Bandmühle,  s.  Bandmacherstuhl. 

Bandmuster  s.  Flechtband. 

Bandwirkerrahmen,  Bandrahmen,  ist  ein  Bahmen  am  Bandstuhl,  in  dem 
die  zur  Aufwickelung  der  fertigen  Bänder  dienenden  Bandrollen  liegen. 

Banjaluka,   Hauptstadt  des  Kreises  B.  in  Bosnien:  Tuchfabrikation. 

Banner  (lat.:  banneria;  franz.:  banniere :  engl.:  banner) ,  im  Mittelalter 
jede  quadratische  Fahne  mit  Wappen  als  Feldzeichen  der  Ritter;  später  entsteht 
das  Banner,  indem  der  Stoff  (sog.  Fahnentuch)  an  einer  mit  dem  Schaft  ver- 
bundenen Querstange  befestigt  wird.  Banner  und  Fahnen  haben  für  die  Textil- 
kunst  eine  Bedeutung  wegen  der  auf  ihnen  von  frühester  Zeit  an  dargestellten 
Zeichen  oder  Muster  in  Weberei  oder  Stickerei,  worin  sich  besonders  diejenigen 
für  kirchliche  Zwecke  (Prozessionsbanner),  Zunft-  und  Städtebauner  auszeichneten. 
In  der  Benaissancezeit  wählte  man  zur  Darstellung  der  Muster  gewöhnlich  die 
Technik  der  Aufnäharbeit  (s.  d.),  weil  die  durch  sie  geschaffenen  breiten  Flächen 
am  ehesten  weithin  dekorativ  wirken ;  auch  heut  wird  die  Applikation  meistens 
zum  Banner-  und  Fahnenschmuck  verwendet. 

Bantine,  (sede),  Rohseide  aus  Genua. 

Bapaume,  Hauptstadt  des  französischen  Departements  Pas  de  Calais  im 
Arrond.  Arras:   bedeutende  Textilindustrie. 

Baquiers,  geringste  Gattung  des  Baumwollengarns,  welches  von  Smyrna 
in  den  Handel  kommt. 

Baranjen,  Baranken,  s.  Astrachan. 

Baras  oder  Bapper,  geringe  Packleinwand  aus  Wergflocken,  die  in  Böhmen 
und  auch  im  Erzgebirge  gemacht  wird. 

Barbadoes,  westindische  Baumwollsorte. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  A. 


50 


Barbe — Barege. 


Abb.  36. 


Barbe  oder  Barbet  (von  barbe  =  Bart) ,  ältere  Spitzengarnitur ,  welche 
an  den  Seiten  des  Gesichts  bis  an  das  Kinn  und  darunter  ging.    (Vgl.  Abb.  36.) 

Abbildung: 

36.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Barbe,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen.   Frankreich  (Alengon)  zweite  Hälfte  18.  Jhrdts. 

Barbezleux ,  Hauptstadt  im  französischen 
Depart.  Charente:    Leinwandfabrikation. 

Barcelona,  Hauptstadt  der  spanischen 
Provinz  B. :  wichtigster  Hafen-  und  Handelsplatz 
von  Spanien ,  schon  im  Mittelalter  bedeutend 
für  den  Handel  im  Mittelmeer.  Hauptzweig  der 
Industrie  ist  die  Verarbeitung  der  Baumwolle 
(jährlich  250000  Ballen).  Ausserdem  bestehen 
1400  Webstühle  für  Seide,  etwa  2000  für 
Schafwolle;  Färbereien,  Druckereien.  Im  Mittel- 
alter ist  Barcelona  der  Hauptsitz  spanischer 
Seidenweberei,  es  tritt  mit  dem  1282  eroberten 
Sizilien  in  regen  Verkehr  und  bezieht  von  ihm 
das  Rohmaterial  in  grösseren  Mengen. 

Barcelona,  Baumwollsorte  aus  Columbia. 

Barcelonnette,  Hauptstadt  des  Arrond. 
B.  im  franz.  Depart.  Basses  Alpes:  Manu- 
fakturen für  Tuch-  und  Seidenwaren. 

Barchent,  Barchet,  Parchent,  (franz.: 
fataine ;  ital. :  fustagno ;  engl. :  fustian  und 
dimity),  dichtes,  festes  Köpergewebe  aus  Baum- 
wolle oder  aus  Leinen  und  Baumwolle.  Je 
nach  der  Beschaffenheit  der  die  rechte  Seite 
bildenden  Oberfläche  des  Gewebes  unterscheidet 
man  glatte  und  gerauhte  B.'s.  Die  ersteren  sind 
so  belassen,  wie  sie  vom  Stuhl  kommen,  bei 
den  anderen  werden  die  freiliegenden  baum- 
wollenen Einschussfäden  gerauht  und  nach  einer 
Richtung  gestrichen,  wodurch  eine  faserige 
flaum-  oder  wollartige  Oberfläche  entsteht,  die 
den  Stoff  wärmehaltender  macht.  Der  glatte 
B.,  Bett-  oder  Futterbarchent,  kommt 
roh  und  gebleicht  vor,  weiss  oder  mit  Schuss 
von  gefärbtem  Baumwolleugarn ;  rauher  B. 
(franz.:  futaine  ä  poil;  engl.:  top),  roh, 
gebleicht  oder  schwarz  gefärbt,  dient  zu 
"Wachstuchdecken  mit  weicher  Unterseite; 
Kleider-  oder  Pelzbarchent,  meist  ganz 
Baumwolle,  mit  weicherer  Haarschicht,  in  ver- 
schiedener Feinheit  und  Schwere.  Schnür- 
barchent ist  geriffelt;  Piquebarchent 
sieht  wie  mit  würfligen  oder  anderen  Mustern 
gesteppt  aus. 

Bardwan,  Distrikt  der  Division  B.  in 
der  indobrit.  Präsidentschaft  Bengalen :  Erzeug- 
nisse von  Baumwolle  und  grober  Seide.  / 

Barege,  ursprünglich  halboffener  musselinartiger  Stoff  in  Kette  und  Ein- 
schlag von  Wolle,  hat  seine  Entstehung  in  dem  Dörfchen  Auzons  in  den  oberen 
Pyreuäen.  Schon  vor  Jahrhunderten  trugen  dort  die  Frauen  bei  einer  Taufe 
oder  Trauung  eine  Kappe  davon,  die  bis  an  die  Ferse  in  Gestalt  eines  Sackes 
herunterhing.  Als  die  Bewohner  des  Tales  Bagneres  de  Bigorre  sich  dieses 
Industriezweiges  bemächtigten,  gaben  sie  dem  Zeuge  den  Namen  Bagnos ;  allein 


Bareges — Barockstil.  51 


diese  Bezeichnung  wich  später  dem  alten  Barege.  Der  beste  Stoff  dieser  Art 
wurde  im  Dorfe  Luz  im  Tale  von  Barege  verfertigt.  Vor  der  hohen  Ausbildung 
der  Kammgarnspinnerei  auf  Maschinen  blieb  der  B.  ziemlich  teuer.  In  Paris 
wurde  er  ziemlich  früh  nachgeahmt;  aber  die  Kette  war  Seide  und  der  Ein- 
schlag Kammgarn.  In  Nimes  wurde  B.  noch  billiger  hergestellt  durch  Ver- 
wendung von  baumwollener  Zwirnkette  und  später  wird  er  in  vielen  Fällen  durch 
den  Musselin  ersetzt.  In  neuester  Zeit  besteht  B.,  als  sehr  leichter  Kleider- 
stoff, gazeartig  gewebt,  aus  feiner  Bohseidenkette  und  Kammgarnschuss. 

Bareges,  Ort  im  Kanton  Luz  im  Arrond.  Argeies  des  franz.  Depart. 
Hautes-Pyrenees  mit  wichtigen  Fabriken  von  Baregestoffen. 

Baret,  Barret,  ist  der  Name  von  ursprünglich  gestrickten  und  festgewalkten, 
wollenen  Mützen,  welche  im  15.  und  16.  Jahrhundert  die  Batsherren  und  Geist- 
lichen der  meisten  deutschen  Städte  trugen  und  welche  später  aus  Seide  und 
anderen  Stoffen  gemacht  wurden.  Die  Anfertigung  eines  solchen  Baretts  von 
runder  Form  mit  einem  breiten  runden  oder  achteckigen  Deckel  gehörte  früher 
zu  den  Aufgaben  für  das  Meisterstück  eines  Strumpfwirkers. 

Barfoul,  baumwollener  StofP,  der  im  afrikanischen  Handel  vorkommt  und 
von  einigen  Negerstämmen  durch  die  Europäer  gegen  Stangeneisen  und  Kurzwaren 
eingetauscht  wird. 

Barhana,  schlechteste  Sorte  von  Smyrnateppichen ,  welche  in  Uschak 
erzeugt  werden ;  die  Echtheit  ihrer  Farben  ist  zweifelhaft. 

Bariga,  s.  Seide. 

Barking,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Essex:  Jutefabrikation. 

Bar-le-Duc,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Meuse:  Grosse  Baumwoll- 
spinnereien. 

Barmen,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf;  eine  der  grössten 
Industriestädte  Deutschlands.  Die  Hauptindustrie  (Herstellung  von  Bändern, 
Kordeln,  Litzen,  Spitzen  aller  Art  und  aus  allen  Stoffen:  „Barmer  Artikel") 
beschäftigt  in  etwa  900  Betrieben  rund  20000  Arbeiter.  Ferner  bestehen 
Färbereien  und  Appreturanstalten,  Garnbleichen,  Türkischrotgarn-  und  Stück- 
färberei, Garnfabriken,  mechan.  Webereien,  Fabriken  für  Tapisserie-,  Möbel- 
und  Dekorationsfransen  und  Besätze ,  Trikotwaren ,  seidene  und  halbseidene 
Tücher,  Schnürlochaugen,  Teppiche,  Zanella,  Lastings  und  andere  Futterstoffe. 
Die  Zahl  der  Band-  und  mechan.  Webstühle  für  breite  Waren  beträgt  mehr 
als  10  000.  Die  Seidentrocknungsanstalt  von  Elberfeld-Barmen  konditioniert  jährlich 
etwa  600  000  kg.  Seide.  B.  wird  zuerst  im  11.  Jahrhundert  als  Barmont  erwähnt; 
bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts  bestand  es  nur  aus  Bauernhöfen,  deren 
Bewohner  sich  aber  seit  dem  15.  Jahrhundert  schon  mit  der  Bleicherei,  dem 
ersten  Anfange  industrieller  Betriebsamkeit  im  Tale  beschäftigten;  1606  bestan- 
den 77  Bleichen;  Band-  und  Leinwandbereitung  fand  nachweislich  im  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts  statt.  Seit  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  kam 
Färberei  und  Verwendung  von  Wolle,  1750  Spitzen-  und  Kantenweberei,  Seiden- 
fabrikation u.  s.  w,  hinzu,  welche  die  unter  Ludwig  XIV.  verfolgten  französischen 
Protestanten  hier  heimisch  machten.  Von  grossem  Einfluss  für  die  Entwicklung 
der  Textilindustrie  B.'s  war  die  1821  erfolgte  Einführung  der  Jacquardwebereien 
und  die  zu  Anfang  der  fünfziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  erlangte  Vervoll- 
kommnung der  Flechtmaschinen,  die  Erfindung  des  Eisengarns  u.  s.  w.  Die 
Preussische  Höhere  Fachschule  für  Textilindustrie  (Direktor:  Albert 
Oettel),  seit  1900  bestehend,  bildet  in  ähnlicher  Weise  wie  Aachen,  Kräfte  für 
Weberei,  Klöppelei,  Spitzenfabrikation,  Stickerei  und  Besatzkonfektion  aus.  Sie 
enthält  Fachateliers  für  Musterzeichnen  u.  s.  w.  sowie  eine  Abteilung  für  Färberei. 
B.  ist  Sitz  der  4.  Sektion  der  Rheinisch -Westfälischen  Textil-Berufsgenossenschaft. 

Barnsley,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Hauptsitz  der  Leinen- 
fabrikation ;  Bleichen  und  Färbereien. 

Barnstaple,  Municipalborough  der  engl.  Grafschaft  Devon :  Fabrikation 
von  Serge,  grobem  Tuch  und  Spitzen.  Der  Handel  und  die  Wollwarenfabrikation 
ist  in  neuerer  Zeit  zugunsten  von  Bideford  zurückgegangen. 

Barockstil    bezeichnet  in  der  allgemeinen  Kunstrichtung  die  Zeit  des  17. 


52 


Barockstil. 


und  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  und  zwar  nicht  einen  Hauptabschnitt  in  der 
Entwicklungsgeschichte  ihrer 'Formenwelt,  sondern  eine  Kunstweise,  in  welcher 
die  auf  Grundlagen  griechisch-römischer  Anschauungen  aufgebaute  Renaissance 
ausklingt  in  eine  Entartung  zum  Naturalismus.  Der  Ausgangspunkt  ist  Italien, 
wo  schon  nach  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  sich  eine  freiere  E,ichtung  Bahn 
bricht,  die  im  Zusammenhange  steht  mit  dem  Bestreben  der  Zeit,  den  alten  Bann 
der  Ueberlieferung  zu  sprengen  und  den  Blick  auf  die  unendliche  Mannigfaltig- 
keit des  wirklichen  Lebens  zu  lenken.  Die  Architektur  bringt  das  Wesen  dieser 
Epoche    dadurch   zum  Ausdruck,    dass  sie  die  früher  knapp  bemessenen  Grund- 

Abb.  37. 


formen  des  Gesamtaufbaues  allmählich  auflöst  und  sich  in  Einzelheiten  begibt, 
wodurch  das  Ganze  in  breiteren  Linien  an  malerischer  Wirkung  gewinnt.  Die 
Formensprache  der  Kleinkunst  schliesst  sich  später  dieser  Richtung  an,  das 
Bereich  des  Flächenmusters  erweitert  sich  dementsprechend.  Im  textilen  Orna- 
ment bleibt  für  das  Tapetenmuster  Italiens  zunächst  noch  das  Motiv  der 
Vase  (s.  d.)  geltend  (vgl.  Abb.  37),  welcher  ein  Blütenstrauss  entsteigt.  Auch 
die  EinSchliessung  dieser  Mittelfigur  in  ein  annähernd  spitzovales  Feld  geschieht 
noch  durch  Blattwerk,  welches  Kronen  verbinden;  aber  dem  Ganzen  fehlt  doch 
der  feste  bestimmte  Grundzug  einer  Flächenteilung  der  eigentlichen  Benaissünce. 
Haltbarer  im  Zusammenhange  erscheinen  in  der  Zackenspitze  (Abb.  38)  durch 
die  Technik  der  Klöppelarbeit  dieselben  Motive,  welche  übrigens  auch  in  Spanien 
Eingang  gefunden  hatten;  doch  wie  weit  haben  sich  die  Einzelheiten  von  ihrem 
ehemahgen  ornamentalen  Wert  entfernt!  (Vgl.  den  Artikel  Kronen  im  Stoff- 
muster.) Das  Motiv  der  Zackenspitze  an  sich  wird  wiederum  aufgenommen  zur 
Bildung  lambrequinartiger  Felder  (Abb.  39),    in  demselben  Stoff  ist  das  Vasen- 


Barockstil, 


53 


Abb.  38. 


Abb.  39. 


54 


Barockstil. 


motiv  an  den  Sträussen  mit  Vögeln ,  welche  Borten  bilden ,  kaum  noch  erkenn- 
bar, und  so  verflachen  sich  selbst  in  Italien  die  Muster,  welche  ehedem  den 
feinsinnigsten  Beobachtungen  antiker  Elemente  ihre  Entstehung  verdanken.  In 
Spanien  vollzieht  sich  der  Uebergang  zum  Naturalismus  im  Stoffmuster  lang- 
samer. Die  im  ganzen  strenger  angelegte  Pormenwelt,  mehr  oder  weniger  noch 
mit  maurischen  Elementen  durchsetzt,  lässt  sich  nicht  so  ohne  weiteres  in  neue 
Bahnen  lenken,  wie  die  weicher  behandelten  italienischen  Motive.  (Vgl.  Abb.  40.) 
Wenn  auch  die  breit  angelegten  Flächen  im  Blattwerk  und  in  den  palmetten- 
förmigen  Blüten  dem  malerischen  Zuge  der  Zeit  zu  folgen  scheinen,  so  zeigen 
die  gewürfelten  dicken  herzförmigen  Blätter  und  das  Umschalten  zwischen  Grund 
und  Muster  in  der  AViedergabe  der  Zeichnung,  wie  man  bei  allem  Streben  barock 
zu  erscheinen,  doch  noch  am  Alten  hängt.    Selbst  die  seitliche  Begleitborte  ver- 

Abb.  40. 


mag  ihre  alte  arabische  Herkunft  nicht  gänzlich  abzustreifen.  Schneller  folgt 
die  Handarbeit  einer  neuen  Mustergebung ,  so  dass  z.  B.  die  spanischen  Platt- 
stichstickereien jener  Zeit  schon  schwer  von  den  italienischen  und  deutschen 
Arbeiten  zu  unterscheiden  sind;  nur  ganz  bestimmte  technische  Merkmale  (vgL 
den  Artikel  Stickerei)  können  da  den  Ausschlag  geben.  D  eutschland  schliesst 
sich  zunächst  dem  italienischen  Charakter  dieser  Zeit  an.  Vortreffliche  Muster 
jener  Art  finden  sich  in  der  Kanevas  Stickerei  (s.  d.) ,  welche  am  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  für  grössere  Schutzdecken,  Stuhlkissen  und  -Bezüge  gearbeitet 
wurden.  Dem  hier  gegebenen  Beispiel  (vgl.  Abb.  42)  ist  der  Ausdruck  der 
Zeit  deutlich  aufgeprägt.  Den  Bändern,  welche  die  Felder  bilden,  ist  eine 
dezente  Schattierung  gegeben:  sie  erinnern  an  das  beliebte  breite  ßahmenwerk. 
Der  palmettenartigen  Füllung  haftet  nur  noch  weniges  der  B-enaissance  an:  breite 
Kelchformen  und  gerolltes  Blattwerk  geben  ein  selbständiges  Motiv  ab,  das  dem 
geteilten  Grundstoff  in  jeder  Weise  angepasst  ist.     Frankreich  macht  sich  in 


Barockstil. 


55 


dieser  allgemeinen  Bewegung  der  Barockzeit  unabhängig.  Unter  Ludwig  XIII. 
(1610 — 1643)  fallen  zwar  italienische  Einflüsse  allgemeiner  Art  auf;  indessen 
schlägt  die  Textilkunst  bald  andere  Wege  ein,  welche  zum  vollständig  freien 
Naturalismus  führen,  wozu  die  holländischen  Verbindungen  wesentlich  beitrugen, 

Abb.  41. 


H 

t 

^«^       . 

1                  '"•# 

m 

;    'N 

'^^ 

m^^klÄM 

iHl 

M' 

^^-■4      ■    'i  ■  \ 

^^^M 

:  /  %,'', ""-:' 

Abb.  42. 


weil  durch  sie  die  Vermittelung  exotischer  Pflanzen  möglich  wird,  deren  Formen 
und  Farbenreize  derartig  begeistern,  dass  mit  ihrer  Verwendung  eine  neue  Art 
der  Mustergebung  für  die  Textilkunst  einsetzt  und  auch  in  der  späteren  fort- 
schreitenden  Entwickelung   massgebend   wird.      (Vgl.    den   Artikel  Ananas   und 


f)ß  Barr — Barroches. 


und  Abb.  20.)  Die  Bezeichnung  der  Stilarten  geschieht  von  dieser  Epoche  ab 
in  Frankreich  nach  den  regierenden  Königen,  so  dass  der  sogen.  Barockstil  unter 
Louis  Treize  und  Louis  Quatorze  (1643 — 1715)  fällt.  Yon  grossem  Einfluss  für 
das  allgemeine  Ornament  der  Zeit  wird  die  Tätigkeit  der  französichen  Zeichner: 
Jean  Lepautre  (1618—1682),  Le  Brun  (1619—1690),  Jean  Berain  (1638—1711), 
Daniel  Marot  (1650—1712),  Charles  Boulle  (1647—1732),  doch  bleibt  das  Ge- 
webemuster davon  unberührt,  vielmehr  erstreckten  sich  deren  Entwürfe  nur  auf 
Erzeugnisse  der  "Wirkerei  und  Stickerei  grösserer  Art ,  welche  mit  der  Innen- 
dekoration im  Zusammenhange  stehen:  wie  der  Grobelin  mit  Grotesken  (s.  d.)  von 
Berain,  grosse  Decken  mit  Aufnäharbeit  (s.  Abb.  35)  im  sogen.  Kurvenstil  (s.  d.) 
von  Marot  u.  s.  w.  (Vgl.  darüber  auch  die  Artikel  der  Techniken  im  Einzelnen 
und  den  Artikel  Frankreich.) 

Abbildungen: 

37.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Gewebte  Seidentapete,  Grund  gelbgrüner  Atlas,  symmetrisches  Muster  blaugrüner  Rips : 
hochstehende  acanthusartige  Blätter  sind  durch  Kronen  verbunden  und  bilden  Felder, 
in  welchen  je  eine  gebuckelte  Vase  mit  einem  Strauss  aus  Blattwerk  und  Blüten ;  da- 
zwischen Vögel.     Italien  Ende  17.  Jahrh. 

38.  Geklöppelte  Zackenspitze  nach  einer  Darstellung  aus:  Dr.  M.  Dreger,  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  Spitze,  Wien  1901,  Blatt  27.  Das  Muster  besteht  aus  Vasen 
mit  einem  Blütenstrauss ;  dazwischen  Kronen.  Italien  oder  Spanien  17.  Jahrh.  Original 
im  K.  K.  Oesterreichischen  Museum  für  Kunst  und  Industrie  in  Wieu. 

39.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidenbrokatgewebe,  Grund  grüner  Rips,  abgepasstes  Muster  gelblich  weiss,  leicht  mit 
Silberlahn  durchwirkt:  Borten,  abwechselnd  mit  lambrequinartigen  Feldern  aus  breitem 
Blatt-  und  Blütenwerk  und  mit  Blütensträussen  und  Vögeln  am  vasenartigen  Unterteil ; 
dazwischen  Borte  mit  Nelkenrosetten  an  welliger  Ranke.  Randborte  aus  gewebten 
Bogenf eidern.     Italien  17.  Jahrh. 

40.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Ge- 
webte Seidentapete  auf  Baumwollkette  (sogen.  Brokatelle),  Grund  gelb,  in  Köper- 
bindung, symmetrisches  Muster  Atlas:  Breites  Blattwerk  und  Palmettenblüten  sind  in 
dichten  Reihen  geordnet ;  innerhalb  einzelner  Formen  ausgesparte  Flächen  mit  ge- 
würfeltem Muster.  Seitliche  Abschlussborte,  welche  kennzeichnet,  dass  der  Stoff  als 
Tapete  in  einer  Bahnbreite  benutzt  wurde,  welche  mit  Holztäfelung  abwechselte.  Spanien 
Anfang  17.  Jahrh. 

41.  Plattstichstickerei  nach  einer  Darstellung  aus :  Musterblätter  für  künstlerische 
Handarbeiten,  Nr.  63.  Illustrierte  Frauen-Zeitung,  Berlin  1895.  XXII.  Jahrg.  Heft  13. 
Das  Muster,  auf  grünem  Seidengrunde  in  bunter  loser  Seide  ausgeführt,  besteht  aus 
Blütenranken ,  welche  symmetrisch  geordnet  in  Bogenstellungen  abgeschlossen  sind. 
Spanien  Ende  17.  Jahrh. 

42.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  "Wolle  und  etwas  Seide,  Muster  auf  weissem  Grunde 
aus  Bändern,  welche  Felder  bilden,  in  deren  je  eine  palmettenartige  Füllung  aus  Blatt- 
werk.    Süddeutschland  17.  Jahrh. 

Barr,  Stadt  in  Elsass-Lothr. :  Fabrik  von  Haarnetzen,  Socken,  Kunstwolle ; 
grosse  Färbereien. 

Barrage,  gemusterte  Leinewand  zu  Tischzeug,  welche  in  Frankreich 
gewebt  wird. 

Barragones,  dichter  geköperter  Baumwollenstoff,  eine  Art  glatter  Man- 
chester, mit  ganz  schmalen  Streifen,  welcher  sowohl  weiss  gebleicht  als  schwarz 
gefärbt,  zu  Beinkleidern  verbraucht  wurde.  Der  Stoff  wird  heut  nach  Buckskin- 
mustern  hauptsächlich  in  der  sächsischen  Lausitz  und  Böhmen  unter  dem  Namen 
Hosenzeuge  gemacht. 

Barrakan,  (arab.)  s.  Berkan.  '' 

Barrangan  (Barakan,  Bakeram);  wollenes  Gewebe,  das  im  Mittelalter  sehr 
gebräuchlich  war  und  besonders  gut  in  Regensburg  hergestellt  wurde. 

Barras,  s.  Packleinwand. 

Barroches,  feine  rohe  Kattune,  eine  der  besonderen  Sorten  ostindischer 
Baftas,  welche  die  Engländer  und  Franzosen  aus  Surate  nach  Europa  brachten ; 
sie  haben  ihren  Namen  von  der  Stadt  Baroche  oder  Baroach. 


ßar-sur-Aube — ßastancini.  57 


Bar-SUr-Aube,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  in  der  Champagne:  Baum- 
wollenweberei; lebhafter  Hanf-  und  Wollhandel. 

Bärteltuch,  das  dem  ersten  Scheren  unterzogene  Tuch. 

Barutine,  Barutinseide,  eine  Art  levantinischer  Seide,  die  man  von  Barut 
über  Smyrna  und  Said  nach  Livorno  und  Marseille  bringt.  Sie  wird  zu  Trame 
und  meistens  in  Tressenfabriken  verarbeitet. 

Basane  (franz.),  ein  pelzähnliches  Gewebe. 

Basel,  Hauptstadt  des  Halbkantons  Basel-Stadt:  seit  Jahrhunderten  eine 
der  wichtigsten  Eabrikstädte  und  die  erste  Handelstadt  der  Schweiz.  Die 
Seidenbandweberei,  welche  seit  etwa  200  Jahren  fabrikmässig  betrieben  wird, 
beschäftigt  in  der  Stadt  allein  8000  Arbeiter  und  1600  Stühle.  Auch  Seiden- 
spinnerei, -Zwirnerei  und  -Färberei  werden  betrieben. 

Basford,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Nottingham:  Hauptplatz  der 
Spitzen-  und  Strumpffabrikation  aus  Baumwolle ;  Spinnerei  und  Bleicherei. 

Basin,  Bazin,  ein  ganz  aus  Baumwollengarn  mehrschäftig  gewebter  oder 
geköperter  weisser  Stoff,  der  dem  sogen.  Dimity  ähnlich  und  entweder  glatt 
oder  mit  kleinen  schmalen  Streifen,  teils  ohne  Streifen  und  auf  der  einen  Seite 
aufgekratzt,  teils  piqueartig  wie  Barchent  gemustert  ist. 

Basin  royal,  feiner  weiss  gestreifter  Zwillich,  ganz  aus  Leinengarn 
gefertigt,  meist  sächsisches  Fabrikat. 

Basmas,  dichter,  feiner  leinwandartiger  Stoff  aus  der  Türkei. 

Basra  oder  Bassora,  jetzige  Hauptstadt  des  asiat.-türk.  Yilajets  B., 
635  n.  Chr.  angelegt,  um  den  Persern  die  Verbindung  mit  dem  Meere  ab- 
zuschneiden, sowie  um  einen  Hafenort  und  Schlüssel  zum  Euphrat  und  Tigris 
zu  gewinnen;  gelangte  als  Handelsplatz  indischer  und  arabischer  Waren  für  die 
Kalifenstadt  Bagdad  zu  grossem  Wohlstande.  B.  wird  als  vielbesuchte  Stätte 
für  den  Seidenverkehr  im  7.  und  8.  Jahrhundert  genannt:  hier  war  es  zuerst, 
dass  gegen  das  deutlich  ausgesprochene  Verbot  des  Propheten  ein  Araber 
seidene  Kleider  anzulegen  wagte.  (Vgl.  Karabacek.  lieber  einige  Benen- 
nungen mittelalterlicher  Gewebe,  Wien  1882.     S.  18.) 

Basselissestuhl,  im  weiteren  Sinne  ein  Webstuhl  mit  nahezu  horizontaler 
Kette,  im  Gegensatz  zum  Hautelissestuhl  (s.  d.),  bei  dem  die  Kette  in  vertikaler 
Richtung  aufgespannt  ist ;  daher  Basselisse-  (niederschäftige)  Weberei,  im  Gegen- 
satze zur  Hautelisse-  (hochschäftige)  Weberei.  Im  engeren  Sinne  ein  zur 
Herstellung  von  Teppichen,  Gobelins  und  dergl.  gebräuchlicher  Webstuhl  (s.  Bild- 
wirkerei.) 

Bassinas,  bassiaes,  pelettes,  tetelettes,  heisst  in  Frankreich  der  Abfall 
beim  Abhaspeln  der  Seide,  der  die  innere  pergamentartige  Haut  der  abgehaspelten 
Kokons  darstellt,  woraus  später  die  Florettseide  gemacht  wird;  er  kommt  unter 
den  Namen  ricotti,  wading,  neri,  Galletame,  Basinetto  u.  s.  w.  in  den  Handel 
und  wird  von  Italien,  China  und  Japan  geliefert. 

Bassines  nennt  man  in  Frankreich   die  Taffetbänder. 

Bast  (franz.:  liber;  engl.:  hast;  ital.:  libro;  span. :  librillo),  Baumbast, 
die  dünne  und  zähe  Haut  oder  Schale  der  Bäume,  welche  sich  zwischen  dem 
Splint  und  der  äusseren  harten  Hinde  befindet.  In  Ostindien  wird  B.  zu  feinen 
Geweben  benützt,  nachdem  man  ihn  wie  Flachs  geschlagen,  geröstet  und 
gesponnen  hat.  Diese  Zeuge  haben  wegen  des  starken  Glanzes  der  Bastfasern 
viel  Aehnlichkeit  mit  der  Seide;  sie  kommen,  meistens  braun  und  dunkelgelb 
gefärbt,  auch  mit  Seidenfäden  vermischt,  unter  verschiedenen  Benennungen  nach 
Europa ;  die  bekanntesten  Arten  sind  Biambonnees ,  Cherquemolles ,  Foulas, 
Fontalonges,  Nillas,  Pinasses,  Romais.  B.  heisst  auch  ein  gestreiftes  oder 
gewürfeltes  Zeug,  dessen  Kette  aus  ungekochter  Seide  und  dessen  Einschlag 
aus  Baumwolle  besteht.  Ausserdem  kommt  unter  B.  ein  geköperter,  sehr 
glanzreich  appretierter  Baumwollenstoff  vor,  auf  dessen  rechter  Seite  die  Kette 
zu  drei  Vierteln  über  dem  viel  gröberen  Einschlag  frei  liegt. 

Bastancini,  feine  und  dünn  gewebte,  weiss  gebleichte  Leinen  aus  Böhmen 
und  Schlesien,  welche  früher  für  den  italienischen  Handel  gefertigt  wurden: 
sie    sind    den    klaren   Schleiern   ähnlich   appretiert,    steif   gestärkt   und  gebläut. 


58  Bastard-Atlas — Batist. 


Bastard- Atlas  ist  fünfbindiger  A. 

Bastarde  oder  Batarde,  in  Frankreich  eine  unechte  Sorte  der  Yigogne- 
wolle.  Die  schwarze  Wolle  welche  von  Aleppo  nach  Marseille  gebracht  wird, 
führt  denselben  Namen. 

Bastard-Sammet,  früher  Bastersammet  genannt,  Mittelgattung  des  S.,  der 
feiner  als  Plüsch  und  gröber  als  kurzer  S.  ist. 

Bastband,  in  der  Weberei  ein  bandförmiges  Fadengebilde,  das  durch 
Zusammenkleben  von  baumwollenen,  nach  Art  der  Kettenfäden  in  der  Weberei 
angeordneten  Gespinstfäden  gebildet  ist;  diese  Fäden  haften  also  nur  durch 
ein  Klebemittel  zusammen,  nicht  durch  Einscblagfäden.  Das  B.  zum  Zusammen- 
binden verwendet,  ersetzt  so  die  aus  natüi-lichem  Bast  hergestellten  Streifen,  die 
Bindfäden  und  andere  biegsame  Gebilde. 

Bastseide,  ostindische,  s.  Tussah. 

Bataloni,  im  levantiner  Handel  die  in  Xatolien  gefertigten  gemischten  Ge- 
webe, deren  Kette  von  Hanf-,  der  Schuss  von  Baumwollengarn  ist;  meistens 
sind  sie  hellblau  gefärbt. 

Batavia  oder  Kasimir,  gleichseitiger,  zweiseitiger  oder  Doppelköper;  er 
nimmt  seinen  Anfang  bei  dem  Vierbinder  und  kann  nur,  da  stets  die  Hälfte 
Kette  und  die  Hälfte  Schuss  auf  jeder  Warenseite  liegen  muss,  in  allen  geraden 
Zahlen  als  Bindung  ausgeführt  werden :  die  Webart  findet  in  allen  Stoffarten 
Anwendung  und  es  gibt  ausser  dem  glatten  ungemusterten  B.  auch  solchen  mit 
Streumuster  in  Broschierung. 

Batik  (malayisch),  (Batek-  oder  Battik-Sarongs,  Battik druck,  Baktinieren), 
ein  seit  alter  Zeit  auf  Java  heimisches  Verfahren ,  Baumwollen stoff  zu 
mustern.  Der  Arbeiter  träuft  aus  einem,  etwa  wie  ein  winziges  Teekännchen 
geformten  Instrument  flüssiges  Wachs  nach  Vorschrift  der  Patrone  auf  den 
weissen  Stoff,  welcher  dann  in  die  Farbenküpe  kommt  und  die  Farbe  nur  aut 
den  ungedeckten  Stellen  annimmt;  das  Wachs  wird  hierauf  ausgeschmolzen. 
Das  Verfahren  kann  mehrmals  ausgeführt  werden,  doch  kommen  in  der  E-egel 
nur  die  Farben  Blau  und  Braun,  in  neuerer  Zeit  auch  Orange,  zur  Anwendung. 
In  neuester  Zeit  ist  diese  Technik  durch  Arts  and  Grafts,  im  Haag,  weiter  aus- 
gebildet worden.  In  den  Werkstätten  zu  Apeldoorn  werden  B.  in  Seide,  Sammet^ 
Baumwolle ,  Leder  u.  dgl.  hergestellt.  Man  überträgt  die  Zeichnung  auf  den 
Stoff,  gibt  die  Umrisse  mit  Wachs  an,  füllt  die  Teile,  die  ungefärbt  bleiben 
sollen,  in  der  alten  Weise  mit  warmem  Wachs  und  bringt  den  Stoff  ins  Farben- 
bad. Dieses  Verfahren  wird  so  oft  wiederholt,  bis  alle  gewünschten  Farben  an- 
gebracht sind.  Zuletzt  wird  das  Wachs  durch  eine  Flüssigkeit  entfernt.  (Vgl. 
Houffaer  u.  Juynboll,  die  indische  Batikkunst  und  ihre  Geschichte.  Haar- 
lem  1899.) 

Batist  (franz. :  batiste ;  ital.  und  span. :  battista ;  engl. :  cambric ;  veralteter 
Name  Kammertuch),  (nach  Einigen  von  dem  indischen  Wort  Baftas  (s.  d.),  nach 
Anderen  von  dem  Namen  des  angeblichen  Erfinders  Baptiste  Chambray,  eines 
flandrischen  Leinwebers  im  13.  Jahrhundert,  herzuleiten),  die  feinste  Leinwand, 
halb  durchsichtig  und  doch  dicht  aus  dem  feinsten  Flachsgarn  (rame)  gewebt^ 
das  für  die  besten  Sorten  nur  mit  der  Hand  gesponnen  wird  aus  Garnen  des 
schönsten  und  längsten  belgischen  Flachses.  Die  Verarbeitung  des  möglichst 
fein  und  gleichmässig  gesponnenen  Garnes  geschieht  ungebleicht  auf  gewöhnlichen 
Leinwebstühlen.  Es  geschah  früher  in  kühlen ,  feuchten  ßäumen ,  um  den 
Faden  geschmeidig  zu  erhalten ;  jetzt  erreicht  man  jedoch  durch  Schlichten  das 
gleiche  Resultat  mit  Vermeidung  jeder  gesundheitschädlichen  Wirkung.  Man 
unterscheidet  drei  Arten  von  Batist:  den  klaren  oder  leicht  gewebten  (batiste 
claire),  die  zweite  Sorte,  fester  geschlagen  (demi  claire)  und  von  stärkerem 
Garn,  die  dritte  Sorte  (batiste  hollande  e)  dicht  und  kernig  gewebt,  sodass 
die  Fäden  fest  anschliessen.  Eine  verwandte  Art  ist  die  sogenannte  Batist- 
leinwand, die  durch  stärkere  Fäden  und  grössere  Dichtheit  den  Uebergang 
zur  gewöhnlichen  Leinwand  bildet.  Seit  Jahrhunderten  wird  die  eigentliche 
Batistweberei  in  Frankreich  und  im  heutigen  Belgien  betrieben.  Den  schönsten 
B.    von    ausserordentlicher  Feinheit   liefern    noch   heute    die  französischen  Städte 


Batist  ä  libret — Baum  als  Stoifmuster.  59 


Arras,  Bapaume,  Cambrai,  Lille,  Peronne,  St.  Quentin,  Troyes,  Valenciennes, 
sowie  die  Provinz  Brabant,  besonders  Nivelles ;  indes  hat  der  echte  B.  durch  die 
zunehmende  Fabrikation  ähnlicher  Gewebe  in  Baumwolle  beträchtlich  an  Bedeu- 
tung verloren,  während  Batistleinwand  grösseren  Absatz  findet  und  ausser  in 
Frankreich  und  Belgien  auch  in  England  und  Irland,  Böhmen,  Schlesien,  Sachsen, 
und  Westfalen  (Bielefeld)  hergestellt  wird.  Der  schottische  B.  (Batistmusselin), 
so  genannt,  weil  die  Fabrikation  desselben  von  Schottland  ausging,  ist  ein  feiner, 
batistartig  gewebter  BaumwollenstofP,  jetzt  vorzüglich  in  England,  Frankreich, 
der  Schweiz,  in  Böhmen  und  im  sächsischen  Vogtland  erzeugt,  der  infolge  der 
Gleichmässigkeit  des  Maschinengespinstes  ein  schöneres  Aussehen  als  selbst  der 
echte  B.  hat,  weniger  haltbar,  aber  auch  weit  wohlfeiler  als  dieser,  daher  sehr 
beliebt  ist  und  als  Kleiderstoff  mit  feinen  Mustern  bedruckt  wird. 

Batist  ä  libret,  s.  Schleier. 

Batist  Läppet,  feines  Baumwollengewebe,  im  Grunde  mit  Leinwand- 
bindung. Dasselbe  wird  mit  Sticklade  gemustert,  d.  h.  es  werden  stärkere  Fäden 
hin  und  her  geführt  und  nach  Plan  des  Musters  in  das  Grundgewebe  eingebunden. 

Batiststickereien  als  ausgenähte  Nachahmungen  von  Pokokospitzen,  wurden 
im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  im  ganzen  Norden  Deutschlands,  besonders  in 
Dänemark,  hergestellt  und  erhielten  sich  bis  ins  19.  Jahrhundert.  In  abweichen- 
den Mustern  der  Spitze  enthalten  sie  auf  dreieckigen  Kopf-  oder  Nackentüchern 
die  reizvollsten  Blütenformen  und  Banken,  welche  für  Gardinenweberei  und  son- 
stige transparente  Füllungen  gutes  Material  bieten.      (Vgl.  Abb.  43.) 

Abbildung: 

43.  Batiststickerei  nach  einer  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Blatt  13, 
Leipzig  1896.  Borte  eines  dreieckigen  J^ackentuches,  weiss  in  Weiss,  z.  T.  durchbrochen 
gestickt.  Deutschland  Anfang  des  18.  Jahrhdts.  Original:  Königl.  Kunstgewerbe- 
museum, Berlin. 

Batley,  Fabrikstadt  in  der  englischen  Grafschaft  York:  Hauptsitz  der 
Shoddymanufaktur  und  der  Fabrikation  grobwollener  Stoffe. 

Batnas,  dreifarbige  Kattune  aus  Oesterreich;  wahrscheinlich  ist  die  Be- 
zeichnung aus  Patnas,  einer  kalikoähnlichen  Sorte  Stoff,  entstanden. 

Baubayna  (lat.),  alte  Bezeichnung  für  eine  Art  Baumwollenstoff,  vielleicht 
gleichbedeutend  mit  dem  modernen  Bombasin  (s.  d.). 

Bäuchen,  Bücken,  Bauchen,  Buchen,  das  Abkochen  leinener  und  baum- 
wollener Garne  als  vorbereitende  Prozedur  für  das  Bleichen  in  schwachen  Laugen, 
Seifenlösungen,  behufs  Entfernung  der  Protein-  und  Eiweissstoffe,  der  Fette; 
überhaupt  das  Bleichen  siedender  Substanzen. 

Bauderoux,  eine  Art  gemalter  ostindischer  Schnupftücher,  welche  die 
Franzosen  früher  nach  Europa  brachten. 

Bauernstickerei,  s.  Volkskunst. 

Bauge,  Hauptstadt  des  Arrond.  im  franz.  Depart.  Maine- et-Loire.  Woll- 
und  Leinenfabrikation. 

Bauhiniafaser  =  Aptä,  Bast  der  Stämme  mehrerer  ostindischer  Bauhinia- 
arten,  tief  rotbraun,  sehr  fest  und  zähe,  biegsam :  Material  für  Seile,  Taue,  Netze 
und  grobe  Gewebe. 

Baum  als  Stoffmuster  ist  im  frühen  Mittelalter  mit  den  ornamentalen 
Tierformen  aus  dem  Altertum  übernommen,  wo  die  Assyrer  das  Motiv  als  Baum 
des  Lebens  schon  künstlerisch  verwertet  haben.  (Abb.  31.)  Eine  symbolische  Be- 
deutung des  heiligen  Baumes  liegt  auch  noch  der  Darstellung  zugrunde  in  dem 
unter  Nr.  44  abgebildeten  runden  Aufsatzstück  eines  koptischen  Gewandes,  worin 
nach  christlicher  Anschauung  der  Baum  einer  Aschenurne  entsteigt,  über  welcher 
sich  zwischen  den  Zweigen  der  auferstandene  Genius  erhebt.  Die  zu  den  Seiten 
der  Vase  (s.  d.)  stehenden  Hirsche  (vgl.  den  Artikel  Tiere  im  Stoffmuster) 
dürften  auch  in  Nachahmung  orientalischer  Vorbüder  des  6. — 8.  Jahrhunderts, 
aber  im  biblischen  Sinne  zu  deuten  sein.  Die  orientalisch-byzantinische  Kunst 
des  frühen  Mittelalters  fasst  den  Baum  vollständig  als  Ornament  auf,  lässt  ihn 
indessen   noch  in    ganzer   Darstellung   hinter    den    grossen  Tierfiguren,    inmitten 


60 


Baum  als  Stoffmuster. 


Abb.  43. 


eines  grossen  Kreises  oder  frei  dahinter  aufwachsen:  also  wieder  in  ähnlicher 
Weise  wie  auf  den  uns  erhaltenen  assyrischen  Reliefs  (vgl.  Abb.  27).  In 
gleicher  ornamentaler  Darstellung  erscheint  der  Baum  als  Mitte  eines  grossen 
Kreisfeldes  auf  frühmittelalterlichen  Geweben  des  Orients  oder  solchen  aus  Byzanz, 

(vgl.  die  Abbildungen  4,  7  auf  Tafel  I,  Abb.  2  auf 
Tafel  II)  und  als  gleichzeitige  Nadelarbeit  das  kleine 
runde  Aufsatzstück  eines  koptischen  Gewandes  (Tafel  I, 
Abb.  2) ;  ferner  als  Vorläufer  dieser  Muster  die  nach 
assyrischen  Heliefs  abgebildete  Borte  in  Abb.  29. 
Schon  als  nebensächlicheres  Motiv  eirscheint  der 
Baum  auf  den  sassanidischen  und  byzantinischen 
Seidenstoffmustern  mit  den  ileiterfiguren  (s.  d.)  (in 
der  Abb.  1  auf  Tafel  II,  wo  von  ihm  nur  noch 
die  als  Palmette  ausgebildete  Spitze  und  die  um- 
gestalteten Keimblätter  des  Fusses  übrig  geblieben 
sind.  Beide  Motive,  namentlich  die  Palmette  (s.  d.) 
geben  zu  gleicher  Zeit  (vgl.  Abb.  8  auf  Tafel  I)  selb- 
ständige kleinere  Stoffmuster  ab.  Der  Baum  in 
seiner  ganzen  Darstellung  erscheint  dann  nur  noch 
im  früheren  Mittelalter,  in  den  sogenannten  Regens- 
burger  Stoffen  (s.  d.)  des  10. — 12.  Jahrhunderts, 
(vgl.  Abb.  6  auf  Tafel  II)  zu  einer  Zeit,  wo  er  in 
Sizilien  schon  zu  einem  durchgehenden  Blütenschaft 
umgebildet  und  in  Abwechslang  höchstens  noch 
in  spitzovale  Felder  als  schlankes  Baummotiv  ein- 
gezwängt ist,  wo  ihm  Papageien,  Adler  und  Gazellen 
zur  Seite  stehen.  (Vgl.  Abb.  10  auf  Tafel  IL)  Im 
13.  Jahrhundert  wird  die  Kunstweberei  durch  die 
Araber  von  Spanien  über  Sizilien  (Palermo)  nach 
Italien  überführt  und  mit  ihnen  orientalische  Muster, 
die  unter  dem  Einfluss  des  Islam  umgebildet  sind. 
(Vgl.  den  Artikel  Arabischer  Stil.)  Die  Muster- 
gebung  besteht  aus  Pflanzen-  und 
Tierformen  und  dazwischen  er- 
scheint das  Baummotiv  in  reiz- 
vollster Stilisierung  jener  Zeit  (vgl. 
Abb.  45).  Da  den  Mustern  dieser 
sogenannten  arabisch  -  italienischen 
Periode  eine  gewisse  symbolische 
Bedeutung  im  biblischen  Sinne 
nicht  abgesprochen  werden  kann, 
so  wird  man  nicht  fehlgehen,  hier  noch 
einmal  der  Darstellung  des  Baumes 
die  ehemalige  Bedeutung  zuzuweisen. 
(Vgl.  den  Artikel  Weberei  im 
Mittelalter.)  Ob  dann  schliesslich 
auch  in  den  Stoffmustern  der  Re- 
naissance (s.  d.)  mit  dem  beliebten 
Vasen-  und  Blütenstraussmotiv  noch 
ein  entfernter  Nachläufer  des  der 
antiken  Urne  entsteigenden  Baumes 
zu  erblicken  ist,  wird  schwerlich 
nachzuweisen  sein.  In  neuerer  Zeit 
hat  von  England  aus  (durch 
Walter  Grane  u.  a.)  das  Baummotiv  als  Flächendekoration  glückliche  Ver- 
wendung gefunden,  das  im  Sinne  desjenigen  auf  den  persischen  und  türkischen 
Stoffen  und  Stickereien  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  (s.  d.)  rein  ornamental 
behandelt  ist. 


Baum  als  Stoffmuster. 


61 


Abb.  44. 


Abb.  45. 


52  Bäumchenmuster — Baumwolle. 

Abbildungen: 

44.  üriginalaufDabme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Rundes  Auf- 
satzstück eines  Gewandes ,  gobelinartige  Stopfarbeit  in  farbiger  Wolle  (vorwiegend 
dunkel  violett)  mit  etwas  Stickerei  in  feinen  weissen  Fäden;  Muster:  Einer  gebuckelten 
urnenförmigen  Yase,  der  zur  Seite  ein  Paar  von  Hirschen  steht,  entsteigt  in  breiter 
Entwickelung  ein  Baum,  zwischen  welchem  sich  ein  Grenius  erhebt.  Aus  einem  kopti- 
schen Grabe.     5. — 7.  Jahrh. 

45.  Brokatgewebe  nach  einer  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  Ueber  Gewebe- 
muster früherer  Jahrhunderte,  Leipzig  1893,  S.  35.  Grund  schwarze  Seide,  Muster 
Gold:  Ein  Adler,  als  Symbol  götthcher  Macht,  führt  in  einem  Nachen  auf  Wellen  mit 
Ente  und  Schwänen  das  Ruder,  vor  ihm  sitzt,  an  der  Kette  gefesselt,  «in  Hund  (Ver- 
sinnbildlichung der  menschlichen  Seele).  Hinter  dem  Xachen  steigt  ein  Baum  mit 
reicher  Palmettenbekrönung  auf,  dem  auch  Granatapfelzweige  (Symbol  der  Liebe)  er- 
wachsen. Originale  in  den  Sammlungen  des  Königl.  Kunstgewerbemuseums  Berlin, 
■der  Königl.  Gewebesammlung  in  Krefeld  u.  a.  a.  0.     Arabisch-Italienisch  14.  Jahrh. 

Bäumchenmuster,  moderne  Bezeichnung  für  die  auf  Leinenstickereien 
vorkommenden  Abschlüsse  und  äusseren  Begleitbörtchen  in  Gestalt  von  aufrecht 
oder  schräg  stehenden  kleinen  stilisierten  einzelnen  Blüten.  (Vgl.  Abb.  25.) 
in  gleicher  Weise  bezeichnet  man  die  freiliegenden  kleinen  geklöppelten  oder  ge- 
nähten Zacken  in  Form  von  Pflänzchen  als  Bäumchenspitze. 

Bäumenheim,  Dorf  in  Bayern:  Elachs-,  Hanf-,  Werg-  und  Baumwoll- 
spinnerei und  -Weberei. 

Baumhaar,  vegetabilisches  Hosshaar  =  Caragatas. 

Bäummaschinen,  am  Webstuhl  in  Gestellen  lagernde  grosse  Holzwalzen 
oder  hohle  Eisenwalzen,  auf  welche  vom  Färben,  Appretieren  u.  s.  w.  unmittelbar 
kommende  Gewebe  aufgewickelt  werden. 

Baumontiafaser,  s.  Gespinstfasern. 

Baumseide,  Bohmsiede,  Boomsiede,  starkes  und  dichtes,  aus  Baumwolle 
und  Wolle  gewebtes  Zeug,  welches  früher  sehr  im  Gange  war,  jetzt  aber  nur 
im  Westfälischen  in  geringem  Masse  verfertigt  wird.  Der  StofP  wurde  zur 
Arbeiterkleidung  verwendet. 

Bäumstuhl,  wird  zum  Aufbäumen  der  Kette  bei  Webstühlen  mit  Jacquard- 
vorrichtung benutzt. 

Baumwollblau,  Neublau,  Meldolas  Blau:  blauer,  den  Oxazinen  angehören- 
der Teerfarbstoff  für  vorgebeizte  Baumwolle. 

BaumwollcopS,  durch  den  Selfactor  gelieferte  Baumwollgarne. 

Baumwolldruck,  s.  Zeugdruck. 

Baumwolle  (franz. :  coton ;  engl. :  cotton) ,  besteht  aus  den  Samenhaaren 
der  Fruchtkapsel  verschiedener  zur  Familie  der  Malvaceen  gehörigen  Gossy- 
piumarten,  welche  zur  Spinnfaser  Verwendung  finden  (s.  a.  Gespinstfasern).  Die 
Grundformen  der  Baumwollpflanzen  sind:  Gossypium  herbaceum :  die  krautartige 
(vgl.  Abb.  46),  und  Gossypium  arboreum:  die  strauch-  oder  baumartige.  Beide 
wachsen  im  tropischen  Asien,  Ostindien  und  Afrika  wild,  während  eine  dritte 
Sorte,  Gossypium  barbedense,  als  in  Amerika  heimisch  betrachtet  werden  muss; 
eine  besondere  Art  ist  die  Gossypium  religiosum,  die  namentlich  in  China  und 
Ostindien  gebaut  und  deren  rötlichgelbe  Faser  zu  den  echten  Nankingstoffen  ver- 
arbeitet wird. 

Das  Einsammeln  der  Fruchtkapseln  erfordert  grosse  Aufmerksamkeit 
und  eine  grosse  Zahl  von  Arbeitern,  da  ihr  Aufspringen  an  verschiedenen  Tagen 
der  Erntezeit  erfolgt  und  ein  längeres  Verweilen  der  Wolle  in  den  aufgesprungenen 
Kapseln  derselben  schädlich  ist.  Die  rohe  Baumwolle  wird  einige  Tage  der 
Sonne  ausgesetzt  und  dann  mittels  besonderer  Maschinen  egreniert,  d.  h.  von 
den  Samenkernen  befreit.  Von  der  bei  dem  Egrenieren  (s.  d.)  angewendeten  Soi^gfalt 
hängt  es  ab,  ob  man  reine,  unreine  oder  ganz  minderwertige  Sorten  von  Baum- 
wolle erzielt.  Nachdem  die  Baumwolle  dann  noch  nach  Farbe  und  Feinheit 
sortiert  worden  ist,  wird  sie  handelsmässig  verpackt:  gewöhnlich  durch  Zusammen- 
pressen stark  verdichtet  und  in  Ballen  zusammengeschnürt,  in  Nordamerika  in  Band- 
eisen gelegt,  verschiedentlich  auch  in  Säcke  aus  Jute,  Hanf  oder  Haartuch  genäht. 

Die   Güte    der    sehr   vers  chiedenen  Handel  s  Sorten   von  Baum- 


Baumwolle,  nord-,  südamerikanische.  63 

wolle  riclitet  sich  nach  der  Länge  der  Faser  (lang-  oder  kurzstaplig),  Feinheit 
(geringer  Faser querschnitt),  Farbe,  Festigkeit,  Weichheit  und  dem  Glanz ;  auch 
kommt  hierbei  in  Betracht,  ob  die  Faser  frei  von  Knötchen  (Finnen)  ist.  Be- 
züglich der  Farbe  sind  die  farblosesten  Sorten  die  geschätztesten ,  dann  folgen 
die  bläulichen,  rötlichen  und  zuletzt  die  gelblichen  und  bräunlichen. 

Die  Einteilung  der  Handelssorten  geschieht  zunächst  nach  der 
Herkunft  des  Produktes ,  alsdann  werden  sie  nach  ihrer  aus  obigen  Merkmalen 
beurteilten  Güte  in  mehrere  Klassen  oder  Marken  eingeteilt;  in  England  unter- 
scheidet man  gewöhnlich:  fine,  good,  good  fair,  middling  fair,  good  middling, 
good  ordinary,  ordinary,  inferior.  Hamburg  bezeichnet:  A,  AB,  B,  BC,  C, 
CD,  D,  DE,  E,  EF.    (lieber  weitere  Einteilungen  siehe  den  Artikel  Garnsorten.) 

Im  allgemeinen  teilt  man  die  im  europäischen  Handel  vorkommenden 
Baumwollsorten  wie  folgt  ein: 

Nordamerikanische  Baumwollen: 

Sea  Island  oder  Georgia,  an  den  Küsten  des  Staates  Georgien  und  auf  den 
benachbarten  Inseln  St.  Simon  und  Cumberland  erbaut;  man  teilt  sie  in  feine,  mittlere 
und  geringere,  oder  in  lange  und  kurze.  Von  Ansehen  weiss,  mit  einem  Schimmer 
in  Gelb  fallend;  Haar  lang:,  zart,  kräftig  und  glänzend,  finnenfrei,  liegt  in  lockeren 
Flöckchen.  Eine  Sorte  dieser  Art  fällt  ins  Kostgelbe ,  sie  wird  fleckig  genannt. 
Faserlänge:  35 — 42  mm, 

Louisiana,  Stapelplatz  Neu  Orleans ;  man  unterscheidet  nach  Prima-,  Sekunda- 
und  Terza-Qualität ,  kommt  nach  der  Sea  Island.  Haar  zart ,  kräftig ,  finnenfrei, 
glänzend,  bläulichweiss.  Die  Prima  frei  von  Schalen  und  Samen,  die  anderen  Quali- 
täten sind  unreiner,  oft  finnig  und  weich.  Faserlänge:  21—28  mm,  die  gewöhn- 
liche 18 — 25  mm. 

Alabama,  oder  auch  nach  dem  Verschiffungsplatz  Mobile  genannt,  ist  von 
gleicher  Güte  als  Louisiana;  gewöhnlich  aber  schmutziger  und  mit  Samenkörnern 
vermischt,  deshalb  auch  immer  um  10  "/o  wohlfeiler  als  diese.  Haar  in  grossen  Vliessen 
glänzend  weiss.     Faserlänge  :  16 — 22  mm. 

Tenessee,  ihre  Ausfuhr  findet  statt  über  Mobile-  und  über  New  Orleans ;  sie  hat 
ein  trockenes  und  starkes  Haar,  das  auch  oft  finnig,  weiss,  zuweilen  graublau,  matt, 
und  im  Angriff  wergig  ist.  Vieles  davon  bleibt  im  Lande  und  wird  zu  geringen 
Stoffen  verarbeitet.     Faserlänge:  16 — 22  mm. 

Georgia,  Carolina,  Upland  sind  gleiche  Sorten;  Stapelplatz  Savannah,  werden 
in  Prima-,  Sekunda-,  Terza-  und  Quartaqualität  eingeteilt;  die  Prima,  welche  man 
zum  Unterschied  von  Sea  Island  auch  Upland  oder  lange  Georgia  nennt,  hat  einen 
sehr  feinen,  weissen  und  langen  Flaum,  der,  obwohl  nicht  so  zart  und  glänzend  wie 
Louisiana,  bei  guter  Ware  doch  kräftig  und  finnenfrei  ist.  Die  zweite  bis  vierte 
Qualität  kommen  auch  unter  dem  Namen  kurze  Georgia  oder  Bowed  vor  und  sind 
um  20  7o  wohlfeiler  als  die  ersten ,  weil  sie  durch  Schlagen  gelitten  haben ,  leicht, 
schwach  und  meistens  unrein  geworden  sind.     Faserlänge :  16 — 22  mm, 

Virginia  ist  der  Georgia  ähnlich;  das  Haar  ist  aber  ungleicher,  doch  kräftig: 
es  liegt  in  grossen  Flauschen  locker  beisammen.     Faserlänge:  16 — 22  cm. 

Molinos  kommt  aus  Mexiko,  enthält  dunkle  Flocken  und  ist  finnig.  Faserlänge  : 
18—25  mm. 

Ausserdem  gibt  es  noch  Baumwollen  aus  Mississippi  (gute  Sorte) ,  Arkansas 
(ziemlich  gut),  Missouri  (ziemlich  gut),  Kentucky  (mittelmässig),  Texas  gut  mittel). 
Alle  diese  Sorten  werden  über  Neu  Orleans  ausgeführt  und  gehen  unter  dem  Namen 
von  Mobile  oder  Tennessee. 

Südamerikanische  Baumwollen: 

Fernambuk  oder  Pernambuk  hat  ein  feines,  weiches  und  langes  Haar,  ist  rein 
und  liegt  in  grossen ,  festzusammenhäno^enden  Vliessen.  Die  Farbe  ist  durchweg 
mattglänzend.  Sie  wird  zu  den  feinsten  Zeugen  verarbeitet  und  unter  allen  anderen 
Baumwollensorten  am  teuersten  bezahlt.     Faserlänge:  28 — 30  mm. 

Ceara  oder  Siara  ist  der  ebengenannten  Art  (in  runden  Ballen)  beinahe 
gleich,  doch  gibt  es  auch  hiervon  eine  zweite  am  meisten  vorkommende  Sorte,  deren 
Flaum  kürzer  und  stärker  ist.     Faserlänge :  21 — 27  mm. 

Bahia,  das  Haar  ist  fein,  lang  und  weich,  allein  nicht  so  weiss  wie  Fernambuk 
und  -oft  mit  unreifen  Flocken  vermischt;    ihr  charakteristisches  Kennzeichen  ist  das 


64  Baumwolle,  südamerikanische. 

Vorkommen  von  Schalen  und  Samen ,  der  entweder  einzeln  oder  in  zwei  Reihen 
erscheint,  die  aus  6 — 10  Körnern  bestehen,  welche  fest  zusammengewachsen  sind. 
Faserlänge :  27 — 36  mm. 

Alagoas,  aus  der  Provinz  gleichen  Namens,  weissgelb  wie  Fernambuk,  aber 
nicht  so  rein.     Faserlänge  20 — 38  mm. 

Maranham  oder  Maragnon  kommt  in  drei  verschiedenen  Sorteu  vor,  deren 
erste  der  Bahia  gleich  ist,  die  zweite  und  dritte  Qualität  ist  schmutzig  und  meistens 
mit  solchen  Flecken  vermischt,  deren  Kapseln  auf  dem  Strauch  nicht  aufplatzten  und 
welche  unreif  abgenommen  wurden,  weshalb  sie  bei  der  Verarbeitung  viel  Abgang  gibt. 

Minas  novas  kann  wie  Bahia  verwendet  werden;  Haar  lang,  zart  und  seiden- 
artig, liegt  in  kleinen  Flauschen  zusammen,  ist  aber  unrein  und  mit  unreifen  Flöckchen 
vermengt.     Faserlänge;  21 — 27  mm. 

Sertaro,  im  allgemeinen  wie  Minas  novas:  das  Haar  ist  schmutzigweiss,  ver- 
mengt mit  unreifen  Stellen,  Schalen  und  zusammengewachsenem  Samen.  Faser- 
länge: 21 — 27  mm. 

Minas  geraes  ist  geringer  als  die  vorigen  Sorten;  das  Haar  ist  zwar  lang, 
aber  stark  und  hart,  und  die  Farbe  ungleich  blassgelb  mit  dunklen  Flammen  und 
matten  Stellen.     Faserlänge:  21 — 27  mm. 

Rio  Janeiro  ist  sehr  unrein,  gewöhnlich  mit  gelben  Flecken  und  Samenkörnern 
vermischt;  das  Haar  ist  stark  und  grob;  doch  gibt  es  noch  eine  bessere  Sorte, 
welche  gleichmässig  und  frei  von  Schalen  ist. 

Para  ist  glänzend  weiss,  etwas  gelblich,  gut  im  Haar,  aber  sehr  unrein  und 
nicht  so  gut  anwendbar  wie  Bahia.     Faserlänge:  21—27  mm. 

Magaio  oder  Mageio,  wie  Para:  das  Haar  liegt  nur  in  grösseren  Flauschen. 
Faserlänge  :  21 — 27  mm. 

Parahyba  verhält  sich  ähnlich  wie  Minas  geraes. 

Guianabaumwolle  wird  fast  mit  gleicher  Sorgfalt  geerntet  als  in  Nordamerika, 
und  wenn  sie  auch  im  Haar  den  brasilianischen  Sorten  nachsteht,  so  wird  sie  wegen 
ihrer  Reinheit  sehr  geschätzt.     Sorten  sind : 

Surinam,  kommt  in  geschlagenem  oder  ungeschlagenem  Zustande.  Im  ersteren 
besteht  sie  in  grossen  Vliessen  und  ist  ganz  rein ,  in  letzterem  in  kleinen  Flocken 
und  unrein ;  das  Haar  ist  glänzend,  weiss,  kräftig,  aber  nicht  so  fein  als  Fernambuk. 
Faserlänge:  25 — 30  mm. 

Newkerry  oder  Nikerie  (niederländische  Kolonie)  von  Surinam.  Ansehen 
blassgelb,  das  Haar  in  kleinen  Flauschen  weich  glänzend  ohne  Finnen,  nicht  ganz 
rein,  ziemlich  im  Wert  wie  Surinam.  Es  kommen  auch  schlechte  Sorten  vor,  welche 
grob,  wergig  und  sehr  unrein  sind. 

Demerary  (englische  Kolonie),  je  nach  ihrer  Qualität  geschätzt;  die  beste  wird 
über  Pernambuko  gestellt ,  die  schlechteste  unter  Newkerry ;  ihr  Haar  ist  zart  und 
kräftig,  es  liegt  locker.     Faserlänge:  25  —  30  mm. 

Berbioe  (englische  Kolonie),  verhält  sich  der  Demerary  sehr  ähnlich,  aber  nicht 
so  lang  und  rein  im  Haar,  daher  sie  unter  Demerary  zu  setzen  ist.  Faserlänge: 
20—25  mm. 

Essecebo  (englische  Kolonie),  wertloser  als  Demerary  und  Berbice,  weil  sie 
weniger  zart  und  lang  ist. 

Cayenne  (französische  Kolonie),  die  schlechteste  Guineasorte,  ungleich  kurz  und 
lang,  wenn  auch  im  Haar  kräftig  und  weich.  Mit  ganzen  und  zerquetschten  Samen- 
körnern vermengt,  welches  letztere  natürlich  für  die  Spinner  eine  sehr  üble  Eigen- 
schaft ist.     Faserlänge:  20 — 25  mm. 

Columbische  Sorten  sind  die  im  Norden  von  Südamerika  erzeugten: 

Varinas  (Provinz  Apura),  ähnlich  der  Surinam:  blassgelb,  rein,  aber  im  Haar 
kurz  und  hart;  steht  unter  Sertaro. 

Barcelona,  schmutzig  weiss  mit  gelbem  Scheine,  höchst  unrein;  der  Abgang 
beim  Verspinnen  beträgt  20 — 30  7o-     ^^^  Haar  wie  Minas  novas. 

Porto-Cavallo  oder  Porto-Cabello,  wie  Barcelona,  doch  härter  im  Haar;  eine 
andere  Gattung   ist  geschlagen,    daher  rein,    aber  sehr  ungleich  im  Haar  und  finnig. 

Caracas,  Laguayra,  Valencia,  Cumana  und  Injira  sind  von  gleicher  Beschaffenheit: 
höchst  unrein,  so  dass  die  Abgangsprozente  zwischen  20 — 50  7o  wechseln.         / 

Carthagena  oder  St.  Martha.  Erstere  kennzeichnet  sich  durch  einzelne  lange, 
fest  zusammenhängende  Lunte ,  sie  ist  mattglänzend ,  gelblichweiss ,  hart ,  kurz  und 
lang  im  Haar,  ungleich  und  unrein;  steht  unter  der  schlechtesten  nordamerikanischen. 
Die  zweite  Sorte  ist  mattglänzend,  schmutzigweiss,  hat  schönes  Haar  in  Flauschen, 
aber  höchst  unrein  und  finnig.     Beim  Spinnen  Abgang  bis  zu  20  7o- 

Peruanische  Sorten:  Lima,  weissgraues  Haar,  kurz  und  lang,  hart,  unrein; 
nicht  mehr  wert  wie  Carthagena. 


Baumwolle,  west-,  ostindische.  65 

Payta  oder  Paita,  kennzeichnet  sich  durch  dünne,  zusammengeschlagene  Tliesse, 
der  Abgang  beträgt  20  7o-  ^^^  Haar  schmutzig  weiss,  kräftig,  aber  hart  und  liegt 
fest  zusammen.  Sie  ist  nur  zu  groben  Gespinsten  verwendbar  und  wird  in  England 
und  Frankreich  mit  Wolle  zusammen  versponnen. 

Piara  oder  Piuara  ist  gleichartig  blassgelb,  ziemlich  rein  und  gleich  lang,  doch 
grob  im  Haar. 

Cariaco,  weiss,  lang  und  glänzend,  gleicht  der  Surinam. 
-     Orinoco  wie  Cariaco,  doch  gelblich. 

Cumana  ist  fein  und  lang,  hat  aber  viel  Abgang. 

Peru,  schön,  zart  und  lang,  wird  der  ßahia  gleich  geschätzt. 

Westindische  Baumwollen 

haben  ein  langes,  zartes,  kräftiges  und  finnenfreies  Haar,  was  sie  über  die  nördlich- 
südamerikanischen und  südlich-nordamerikanischen  mit  Ausnahme  von  Sea  Island 
stellt.  Leider  wird  auf  ihre  Ernte  und  ßeinigung  wenig  Sorgfalt  verwendet;  daher 
stehen  sie  im  Verhältnis  zur  Schönheit  ihres  Haares  unter  dem  Preise.  Die  Haupt- 
arten sind : 

Domingo,  ungeschlagen  von  blassweissgelber  Farbe;  bei  guter  Qualität  wird 
sie  einer  Prima-Georgia  vorgezogen.  Die  beste  Sorte  heisst  smal  seed  und  wächst 
in  Gonare  und  Artibonite.     Faserlänge  :  25 — 30  mm. 

Portorico,  der  Domingo  ähnlich,  aber  reiner.  Eine  zweite  Sorte  unter  dem 
Namen  Guayanilla  ist  von  schönem  Haar  und  steht  in  der  Regel  ziemlich  mit  Minas 
novas  in  einem  Range. 

Cuba  wird  in  Prima  und  Sekunda  geteilt:  erstere  blassgelb,  gemischt,  stark 
im  Faden,  letztere  sehr  unrein  und  unansehnlich.  Ist  mit  Porto-Cabello  in  Vergleich 
zu  stellen.     Faserlänge:  24 — 28  mm. 

St.  Martin,  blassgelb,  lang  und  zart,  aber  sehr  unrein. 

Curassao,  wie  St.  Martin,  aber  im  Haar  hart  und  gemischt;  nicht  soviel  wert 
wie  Domingo. 

Jamaica,  ungeschlagen,  daher  etwas  unrein;  Haar  lang  und  zart,  aber  schmutzig 
gelb,  doch  ist  sie  wertvoll,  weil  sie  sich  gut  spinnt.  Die  englischen  Pflanzer  be- 
zeichnen zuweilen  Arten  hiervon  als  green  seed,  coton  und  shrub  coton,  von  denen 
die  erste  die  beste  ist;  eine  andere  Sorte  ist  die  Common  Jamaica  von  untergeordneter 
Beschaffenheit. 

Barbadoes,  gleicht  der  Guayanilla,  doch  merklich  unreiner. 

Grenada,  wie  Barbadoes,  doch  mehr  mit  dunkelgelben  Flammen  unterbrochen, 
daher  wertloser. 

Trinidad,  wie  Barbadoes,  das  Haar  aber  zart  und  kräftig  und  gleichartiger  als 
Domingo. 

Tortola  und  Montserrat  wie  Trinidad. 

Cariacou,  von  kurzem  und  langem  Haar,  hart,  sehr  unrein  und  noch  schlechter 
als  Curassao.     Die  bessere  Sorte  geht  nach  England. 

St.  Vincent,  ähnelt  in  jeder  Beziehung  der  Cariacou.    Faserlänge:  24 — 28  mm. 

Bahama,  Erzeugnis  der  lucayischen  Inseln,  zwar  weiss  und  lang,  aber  hart  und 
trocken  und  sehr  unrein. 

Barthelemy,  die  beste  der  westindischen  Wollen.  Das  Haar  ist  lang  und 
seidenweich   und  spielt  ins  Rötliche.     Die  ganze  Ernte  erhält  Schweden. 

Ostindische  Baumwollen 

stehen  den  amerikanischen  an  Güte  im  allgemeinen  nach ;  für  den  deutschen  Handel 
sind  die  wichtigsten: 

Bengalische,  zur  Ausfuhr  über  Kalkutta.  Die  geringste  Sorte  ist  matt  weiss- 
gelblich,  kurz  und  trocken  im  Haar,  eignet  sich  daher  nicht  für  Maschinenspinnerei. 
Man  unterscheidet  im  Ausfuhrorte  vier  Qualitäten :  Panda,  Jallona,  Faria  und  Cat- 
chowra;  die  schlechteste  letzte  kommt  zum  Versand  nach  China.  Auf  europäischen 
Bezugsplätzen  unterscheidet  man  sie  in  ord.,  gut  ord.,  f.  ord.,  mittel,  gut  m.,  f.  m., 
f.  und  Prima.  Diese  Ordnung  bezieht  sich  nicht  auf  inneren  Gehalt,  sondern  auf 
äusseres  Ansehen  und  Reinheit.     Faserlänge  6 — 16  mm. 

Madras  oder  Tinevelly,  wie  Bengal,  aber  gleicher  und  reiner;  kann  jedoch 
nur  zu  Matten  und  Dochtgarn  gebraucht  werden.  Ihre  Qualitäten  sind  f.,  ord.,  mittel 
und  fein.     Faserlänge:  12 — 20  mm. 

Western,  schmutzig  gelb,  Haar  kurz,  aber  noch  weich  und  kräftig.  Quali- 
täten: ord,,  gut  ord.,  f.  ord.     Faserlänge  12 — 20  mm. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  S 


ßQ  Baumwolle,  persische,  von  China,  der  Türkei  und  Griechenland. 

. ^ 

Surate  oder  Bombay  ist  im  Haar  wesentlich  von  Madras  und  Bengal  ver- 
schieden ;  es  ist  länger,  zarter  und  liegt  in  lockeren  Flöckchen  und  Flauschen.  Diese 
Baumwolle  ist  daher  auf  Maschinen  spinnbar.  Die  Farbe  ist  leicht  graugelbweiss. 
Ihre  Primaware  wird  in  England  Toomel  genannt,  ist  frei  von  allem  Laub  und 
Samen :  sie  wird  daher  vorzugsweise  zu  Dochtgarn  verwendet.  Eine  gute  Surate 
muss  in  Flauschen  zusammenliegen  und  nicht  in  einzelnen  langen  Fäden  bestehen. 
Das  beigemischte  Laub  muss  orangegelb  und  nicht  schwarz  aussehen  und  die  Samen- 
körner dürfen  nicht  mit  der  Wolle  verbunden  sein.  Diese  Eigenschaften  haben  sämtlch 
Bezug  auf  Verminderung  des  Abgangs  beim  Spinnen. 

Manila,  Haar  glänzend  weiss,  aber  kurzlang,  zart  und  warzig,  zwar  ganz  rein, 
aber  nicht  ohne  unreife  Flöckchen,  daher  in  der  Regel  nicht  mehr  wert  als  Georgia. 

Nanquinbaumwolle  oder  Bhangulpore  (vom  krautartigen  Gossypium  rehgiosum), 
ist  hellbraun  oder  bräunlich  gelb,  das  Haar  ist  stark,  spröde  und  trocken;  man 
kulti\Tert  sie  am  meisten  in  China  und  Ostindien  und  verfertigt  daraus  Xanquin. 

Siam,  in  zwei  Sorten  gewonnen :  weisse  und  rötliche ;  beide  haben  ein  schönes, 
langes ,  seidenartiges  Haar ,  das  sich  leicht  verspinnen  lässt.  Man  verarbeitet  sie 
grösstenteils  im  Lande  selbst  und  nur  "Weniges  kommt  nach  England. 

Persische  Baumwolle 

ist  sehr  fein,  glänzend  w^eiss  und  weich;  sie  kommt  der  langen  Georgia  am  nächsten. 
Das  Meiste  davon  wird  in  Persien  selbst  verbraucht  und  als  Zeug  in  den  benachbarten 
Ländern  verkauft.  Russland  erhält  etwas  Weniges  roh  über  Astrachan  und  Orenburg. 
Faserlänge:  15 — 20  mm. 

China-Baumwolle 

kommt  in  drei  Arten  vor:  rötliche,  gelbe  und  weisse,  welche  sämtlich  ein  feines,  jedoch 
kurzes  und  trockenes  Haar  haben.  Nach  Europa  kommt  davon  gar  nichts,  denn  so 
bedeutend  auch  die  Kultur  der  B.  in  China  ist,  so  kann  das  Erzeugte  doch  nicht 
für  den  Verbrauch  im  Lande  selbst  hinreichen  und  es  werden  noch  jährlich  grosse 
Mengen  von  Madras,  Kalkutta,  Manila  und  Nordamerika  nach  Canton  gebracht. 
Faserlänge  der  ziemlich  reinen:  20 — 27  mm,  der  unreinen  17 — 22  mm. 

Baumwollen  der  Türkei  und  Griechenland 

sind  schon  seit  längerer  Zeit  durch  die  w^ohlfeileren  und  besseren  ostindischen  und 
amerikanischen  Gattungen  etwas  vom  europäischen  Markte  verdrängt.  Der  Anbau 
ist  infolgedessen  sehr  beschränkt  worden.  Die  im  Handel  noch  vorkommenden 
Sorten  sind: 

Alta-Sabugia,  die  vorzüglichste  Sorte,  welche  in  Natolien  gebaut  und  über 
SmjTna  ausgeführt  wird.  Sie  ist  weiss ,  glänzend ,  ganz  rein  im  Haar ,  das  ebenso 
lang,  aber  härter  wie  das  der  Georgia  ist.     Faserlänge  20 — 25  mm. 

Uso-Sabugia,  wie  die  erstere,  aber  ungleicher  und  härter  von  Haar.  Faser- 
länge 16 — 20  mm. 

Kirkagatsch,  wie  erstere,  aber  matt  grauweiss,  kurz  und  lang,  hart  und  nur 
mit  einer  Prima  Madras  gleichzustellen.     Faserlänge  15 — 18  mm. 

Cassaba  wie  Kirkagatsch,  zuweilen  weicher  im  Haar. 

Adena  aus  Karamien,  wie  Cassaba,  aber  weicher. 

Salona  aus  Rumelien,  weissgelblich,  lang,  zart  und  kräftig ;  da  sie  aber  laubig 
und  filzig  ist,  so  steht  sie  hinter  der  Alta-Sabugia  zurück. 

Kassaba,  Kirkagatsch  und  Arar  kommen  auch  unter  dem  Namen  Natolia  vor. 

Ehmich  oder  Kinik  und  Baindir,  beide  sind  im  Flaum  der  Cassaba  gleich, 
jedoch  unreiner  und  deshalb  wohlfeiler. 

Gallipoli-  oder  Seewolle  ;  unter  diesem  Namen  verkauft  man  allgemein  die  auf 
den  Inseln  des  Archipels  gebaute  Baumwolle,  welche  der  Kirkagatsch  gleichkommt. 

Smyrnlsche,  gemeine  oder  commune  und  Magnesia-,  beide  sind  unreiner  als 
Cassaba  und  daher  wohlfeiler  als  diese. 

Acri,  Aleppo,  Said,  Alexandrette  sind  die  Namen  der  syrischen  Baumwollen, 
die  sehr  schön  weiss  und  feinhaarig  ausfallen;  man  unterscheidet  Prima-,  Sekiinda- 
und  Tertiaqualität. 

Cyprische  Baumwolle  war  früher  die  schönste  und  gesuchteste  Wolle  der 
ganzen  Levante,  allein  sie  hat  an  Güte  sehr  verloren,  wie  sich  auch  der  Anbau  sehr 
vermindert  hat;  denn  als  die  Venetianer  im  Besitz  der  Insel  waren  (15.  Jahrb.),  wurden 
30  000  Ballen  ausgeführt,  jetzt  beträgt  die  ganze  Ausfuhr  jährlich  nicht  mehr  als 
1000  Ballen.  Auf  der  Insel  unterscheidet  man  die  an  Bächen  und  Flüssen  gebauten 
Baumwollen    von    der   auf  trockenen,    bergigen  Gegenden  gepflanzten  und  gibt  der 


Baumwolle,  ägyptische,  europäische.  67 


ersteren  den  Vorzug;  im  Handel  teilt  man  sie  in  Fior  oder  Prior,  welches  die  beste 
ist  und  der  Sabugia  gleich  geachtet  wird,  in  Prima-,  Sekunda-  und  Tertiaqualität; 
die  Prima  heisst  auch  buon  mercantile;  die  Sekunda  heisst  passabile  und  die  Tertia 
commune.  Die  cyprische  Baumwolle  ist  im  allgemeinen  länger  und  weicher  als  die 
smyrnischen  Sorten,  aber  unreiner  und  nicht  so  weiss,  sondern  ins  Bötliche  fallend. 
Faserlänge  15 — 18  mm. 

Tschesma  ist  die  reinste  und  beste  von  sogen,  macedonischen  "Wollen,  weil 
sie  aus  der  Mitte  der  Kapsel  genommen  und  mit  Sorgfalt  gereinigt  ist. 

Uxur,  Uschur,  gehört  auch  zu  den  besten  maced.  Sorten,  es  ist  die  sogen. 
Zehntwolle,  welche  die  Beamten  aus  den  Vorräten  der  Bauern  gleich  nach  der  Ernte 
aussuchen  lassen  und  für  Rechnung  der  Begierung  verkaufen. 

Salonica  oder  Saloniki  ist  von  gleicher  Qualität  wie  Uxur.  Faserlänge: 
16—20  mm. 

Tricala  ist  eine  vorzüglich  schöne  und  gut  gereinigte  Sorte. 

Cantar  heisst  die  B. ,  welche  auf  den  Feldern  der  Agas  gewonnen  und  auf 
deren  Anbau  und  Reinigung  mehr  Fleiss  verwendet  wird,  als  bei  der  auf  den  Feldern 
der  Bauern.     Im  Handel  wird  sie  „Primat  Qual"  genannt. 

Taxili  ist  der  Name  der  B.,  welche  von  den  Dörfern  für  Strafgelder  oder 
rückständige  Abgaben  in  die  öffentlichen  Magazine  abgeliefert  werden  muss ;  sie  ist 
geringer  als  Cantar  und  lässt  sich  nicht  höher  als  bis  Nr.  30  verspinnen. 

Cira  ist  der  Name  aller  übrigen  B. ,  welche  nicht  zu  den  obigen  Sorten 
gehört ,  die  Qualität  ist  gering  und  man  kann  sie  nur  zu  niedrigen  Nummern  ver- 
spinnen. 

Morea  ist  eine  schöne  Baumwolle,  w^elche  glänzend  weiss,  fein  und  rein  und 
der  Sabugia  gleichgeschätzt  werden  kann. 

Aegyptische  Baumwollen : 

Alexandria  oder  ordinäre  ägyptische  ;  sie  ist  von  kurzem  Stapel,  der  gewöhnlichen 
aus  Smyrna  ähnlich,  jedoch  unreiner  und  schmutziger  als  diese,  die  wohlfeilste  aller 
levantischen  Baumwollen.  Man  unterscheidet  fior  oder  prima,  mitteilgut  oder  secunda 
und  ordinär  assortiert.  Der  Anbau  dieser  Gattung  wird  von  Jahr  zu  Jahr  ein- 
geschränkt. 

Maco  oder  Jumel,  wurde  1820  von  dem  Franzosen  Jumel  angebaut  und  bildet 
seitdem  einen  bedeutenden  Ausfuhrartikel ;  sie  ist  aus  Fernambuksamen  gezogen.  Das 
Haar  ist  zwar  hart  und  kräftig,  aber  kurzlang,  finnig,  selten  frei  von  dunkelgelben 
Flöckchen  und  Laub  und  deshalb  der  Fernambuk  keineswegs  ähnlich.  Sie  wird  daher 
nicht  nach  Qualität  geschätzt,  zumal  die  aus  ihr  gefertigten  Gewebe  erst  gebleicht 
werden  müssen,  ehe  sie  gefärbt  werden  können,  weil  sonst  die  Ware  sich  nicht 
gleichmässig  ausfärbt. 

Sea  Island  mako,  setalunga,  ist  besser  aber  lange  nicht  so  gut  wie  Sea  Island, 
da  sie  unrein  und  nicht  ohne  Finnen  ist.  Die  Ernte  ist  im  September  und  Oktober 
und  man  bringt  sie  im  November  und  Dezember  zu  Markte.  Der  Vizekönig  hat 
davon  den  Alleinhandel  und  bestimmt  den  Preis  frei  ab  Kairo. 

Europäische  Baumwollen: 

Die  Kultur  der  krautartigen  Baumwollstaude  (Gossypium  herbaceum)  ist  zu 
verschiedenen  Zeiten  in  Italien,  Sizilien,  Spanien,  im  südl.  Frankreich,  in  Kärnten 
und  im  österreichischen  Kronlande  (Banate)  versucht  worden.  Ausser  in  Italien 
und  Spanien  haben  diese  Versuche  jedoch  keinen  bleibenden  Erfolg  gehabt.  Im 
allgemeinen  liefert  auch  hier  ein  sandiger,  trockener  Boden  eine  bessere  Qualität 
als  ein  gutes,  fettes  Erdreich.     Folgende  Gattungen  kommen  im  Handel  vor: 

Spanische,  als:  Motril,  Sevilla,  Grenada:  diese  Sorten  sind  sämtlich  fein, 
schmutziggelb,  weich  und  lang.     Sie  werden  den  südamerikanischen    gleichgeschätzt. 

Neapolitanische.  Von  dieser  gibt  es  verschiedene  Gattungen,  die  besten  sind 
Castellamare  und  Deliatorre,  welche  ein  feines,  weisses  Haar  haben,  doch  ist  es 
ungleich  und  kraftlos  und  steht  daher  der  Georgia  nach.  Die  Puglieser,  welche  in 
der  Gegend  von  Bari  und  Lecce  erbaut  wird,  ist  geringer,  weil  auf  ihre  Kultur  und 
Reinigung  nicht  soviel  Fleiss  verwandt  wird  als  bei  den  ersteren.  Die  Calabresische 
und  die  blassrote  von  Tarent  sind  die  geringsten  und  werden  der  gewöhnlichen 
Salona  gleichgeachtet.  Sie  gehen  grösstenteils  nach  der  Schweiz  und  nach  Frank- 
reich ;  eine  gewisse  Menge  verarbeiten  die  Einwohner  selbst. 

Sizilianische,  unter  den  besonderen  Namen  Bianca  villa,  IVIodica  und  Terra 
mova  vorkommend;  auf  der  Insel  verkauft  man  sie  unrein  (lordo),  wie  sie  aus  der 
Kapsel  kommt  und  noch  nicht  von  dem  Samen  gereinigt  ist,    oder  gereinigt  (maga- 


68 


Baum\Yol]e,  Ersatzmittel. 


lugio),  d.  h.  von  den  Samenkörnern  gesäubert  und  in  Bündel  geschlagen,  oder  fein 
ausgesucht  (fior  di  roba  i ,  welche  aus  der  IMitte  der  Kapseln  genommen  wird.  Die 
erstere  verbrauchen  die  Einwohner;  die  beiden  letzteren  haben  einen  feinen,  langen, 
weichen,  etwas  gelblichen  Elaum. 

Malta  liefert  eine  gelbliche  und  eine  weisse  Wolle ;  beide  haben  einen  feinen, 
langen  und  weichen  Elaum,  welcher  die  schönsten  Garne  liefert.  Es  kommt  davon 
nichts  zur  Ausfuhr,  denn  die  Malteser  verspinnen  Alles,  was  sie  erbauen,  selbst  und 
verkaufen  ihre  Garne  in  Triest  und  Livorno. 


Afrika  liefert  mit  Ausnahme  der  ägyptischen  so  gut  wie  keine  Baumwolle 
zur  Ausfuhr.  Man  kennt  die  hochgelbe  vom  Whida  und  die  vom  Senegal.  An  der 
Westküste  wächst  sehr  viele  wild,  sie  wird  aber  auch  fast  überall,  wo  es  der  Boden 
gestattet ,  angebaut.  Die  an  den  östlichen  Küsten  Afrikas  liegenden  beiden  Inseln 
Bourbon  und  Mauritius  erzeugen  eine  sehr  feine,  weisse,  seidenartige,  aber  unreine 
und  gemischte  Baumwolle. 

Abb.  46. 


Ersatzmittel  für  die  Baumwolle 

hat  man  zu  verschiedenen  Zeiten  vorgeschlagen ;  bis  jetzt  ist  aber  kein  Material 
erfunden  worden,  welches  sich  besser,  stärker  und  feiner  verarbeiten  Hesse  und  dabei 
zugleich  so  wohlfeil  und  in  den  erforderlichen  Massen  zu  erhalten  wäre.  Genannt  werden: 

Populus  nigra,  die  schwarze  Pappel,  und 

Populus  tremula,  die  Aespe,  liefern  einen  Elaum,  dem  nur  die  Biegsam- 
keit fehlt; 

Juncus  effusus,  die  Binse; 

Eriophorum  alpinum,  triquetrum,  vaginatum,  angustifoiium :  verschiedene  Arten 
des  Woll-  oder  Dungrases; 

Populus  canadensis.  die  kanadensische  Pappel: 

Epilobium  angustifoiium  (ung. :  Keskeny  Tsöverits),  der  Sumpfweideri(^,  und 
Epilobium   hirsutum,  der  grosse,  rauhe  und  zottige  Weiderich; 

Tamarix  Germanica,  die  deutsche  Tamariske; 

Disteln  und  Graswolle:  AgTostis: 

Seidenpflanze:  Asclepias  syriaca: 

Wollähnlicher  Stoff  der  Rohrkolben:  Typha  argustifolia  und  latifolia; 

Fetabrun  (filix)  auf  Malta; 

Samenwolle  der  Bäume  Munguba  und  Simauna  oder  Samuuba. 


Baumwollgarn — Baum  vvoUge  webe.  ß9 

Abbildung: 

46.  Baumwollpflanze  nach  einer  Darstellung  aus:  Buch  der  Erfindungen,  Leipzig 
und  Berlin  1879.     Bd.  6,  S.  301. 

(Literatur  s.  hinter  dem  Artikel  Baumwollspinnerei.) 

Baumwollengarn  (twist)  wird  für  Webezwecke  in  Kett-  und  Schussgarn 
unterschieden  und  nach  der  Herstellung  benannt.  Das  Ketten-  oder  Water- 
garn  ist  stark  gedreht  und  auf  der  Watermaschine,  das  Schuss  oder  Mule- 
garn  ist  schwächer  gedreht  und  auf  der  Mulemaschine  gesponnen;  hiernach 
auch  die  Bezeichnungen:  mule  twist  und  water  twist.  Für  die  Watergarne,  welche 
aus  den  Spinnereien  oder  Schlichtanstalten  als  fertig  gescherte  und  geschlichtete 
Ketten  bezogen  werden,  bedient  man  sich  vorzugsweise  des  Ausdruckes  Warps. 
Die  zum  Einschuss  bestimmten  Mulegarne,  welche  für  die  Spulen  aufgewickelt, 
aus  den  Spinnereien  hervorgehen,  werden  dementsprechend  einfach  Wefts  oder 
Pincops,  Kötzer  oder  C  o  p  s  genannt. 

Baumwollengewebe  werden  schon  im  frühen  Altertum  hergestellt;  man 
nimmt  an,  dass  in  Indien,  der  Heimat  der  Baumwolle,  diese  Grespinstpflanze 
auch  zuerst  praktisch  verwertet  wurde.  In  den  ältesten  sanskritischen  Schriften 
werden  Baumwollengewebe  erwähnt,  welche  schon  so  fein  waren,  dass  die  Dichter 
von  ihnen  als  von  „gewebtem  Wind"  sprechen,  wobei  aber  in  Frage  zu  stellen 
ist,  ob  damit  nicht  jene  musselinartigen  Byssusstoffe  (s.  d.)  gemeint  sind,  welche  aus 
Flachsfasern  bestanden,  deren  erste  Gewinnung  und  Verwendung  im  Altertum 
den  Aegyptern  zugeschrieben  wird.  Von  Indien  verbreitete  sich  mit  dem  Anbau 
auch  die  Verarbeitung  der  Baumwolle  nach  China,  Vorderasien  und  Aegypten, 
durch  Phönizier  und  Karthager  nach  Griechenland,  Malta,  Sizilien  und  Spanien. 
In  welche  Zeiten  diese  Ueberführung  zu  setzen  ist,  darüber  hat  man  die  uns 
überkommenen  Notizen  der  Schriftsteller  des  Altertums  wiederum  mit  Vorsicht 
aufzunehmen,  da,  wie  gesagt,  mit  der  Beschreibung  aller  dieser  hochgeschätzten 
durchsichtigen  Gewänder  auch  solche  aus  Leinwand  gemeint  sein  können.  Den 
Bewohnern  von  Amerika  war  die  Kultur  der  Baumwolle  und  ihre  Verarbeitung 
zur  Zeit  der  Entdeckung  bereits  bekannt.  Unter  den  Geschenken,  die  Columbus 
von  den  Einwohnern  von  Guanahani  erhielt,  befand  sich  auch  Baumwolle;  es 
wird  berichtet,  dass  die  Bewohner  des  Innern  von  Hispania  ihm  alle  3  Monate 
25  Pfund  als  Tribut  lieferten  und  auf  Cuba  fand  man  grosse  Vorräte  von 
Rohstoff  und  allerlei  Fabrikaten.  In  Südamerika  bestanden  die  bunten  Kopf- 
tücher und  Schürzen  der  wilden  Indianer  aus  Baumwolle ,  die  Brasilianer 
fertigten  ihre  Hamaks  (Jagdgarne)  daraus,  die  Peruaner  ihre  ärmellosen  Hemden 
und  Mäntel.  Bei  den  Mexikanern  war  die  Baumwolle  fast  das  einzige  Be- 
kleidungsmaterial. Unter  den  Geschenken,  die  Montezuma  dem  Cortez  bot,  be- 
fanden sich  30  der  feinsten  baumwollenen  Mäntel,  ausser  Tej^pichen  u.  s.  w.,  von 
denen  Cortez  einige  dem  Kaiser  Karl  V.  sandte,  an  dessen  Hofe  diese  Neuheiten 
die  grösste  Bewunderung  erregten.  Auf  weissen  Baumwollenstoffen  entwarfen  auch 
die  Maler,  die  sich  unter  den  Gesandten  Montezumas  befanden,  Zeichnungen  aller 
der  Merkwürdigkeiten,  die  sie  bei  den  Spaniern  gesehen  hatten.  (Vergl.  hierüber 
die  Artikel  Peru  und  Zeugdruck.)  In  das  nördliche  Amerika  ist  die  Kultur  und 
die  Verarbeitung  der  Baumwolle  erst  durch  die  Europäer  eingeführt  worden. 
Wie  die  Araber  den  Anbau  der  Baumwolle  nach  Europa  brachten,  so  fingen 
sie  auch  zuerst  an,  dieselbe  zu  verarbeiten,  indem  sie  Baumwollenmanufakturen 
in  Spanien  gründeten.  Abu  Abdallah  sandte  an  Karl  den  Grossen  als  Geschenk 
baumwollene  Zeuge,  die  in  Spanien  verfertigt  worden  waren.  Unter  Abdar- 
rhaman  entwickelte  sich  diese  Industrie  noch  weiter  und  gelangte  im  12.  Jahr- 
hundert zu  hoher  Blüte;  im  14.  Jahrhundert  wurde  sie  in  Granada  schwung- 
haft betrieben.  Die  Christen  aber  hatten  schon  im  13.  Jahrhundert  bedeutende 
Baumwollenmanufakturen  in  Barcelona.  Sizilien  verdankt  die  Einführung  der 
Baumwollenweberei  gleichfalls  den  Sarazenen.  In  Italien  führte  Venedig  zuerst 
die  Baumwollenmanufaktur  ein ;  hier  blühte  sie  im  Anfang  des  14.  Jahrhunderts 
und  verbreitete  sich  bald  über  die  benachbarten  italienischen  Städte.  Florenz 
glänzte  um  diese  Zeit  durch  seine  ausgezeichnete  Weberei,  Appretur  und  Färberei. 


70  ßaumwollengewebe — Baumwollspinnerei. 

Yon  Italien  kam  die  Baumwollenindustrie  nach  der  Schweiz,  und  zwar  haupt- 
sächlich nach  Zürich,  wo  im  14.  und  15.  Jahrhundert  der  Handel  mit  Baum- 
wolle und  baumwollenen  Zeugen  ein  sehr  lebhafter  war.  Um  dieselbe  Zeit 
gelangte  die  Baumwolle  von  Venedig  nach  Augsburg  (s.  d.);  durch  den  regen 
Handelsverkehr  zwischen  diesen  beiden  Städten  fing  Augsburg  bald  an,  sehr 
beträchtliche  Mengen  von  Geweben  nach  den  Niederlanden  auszuführen,  von  wo 
es  später  den  Rohstoff  bezog.  Denn  den  Engländern  und  Niederländern  wurde 
zwar  schon  zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  Baumwolle  durch  Genuesen  und 
Venetianer  zugeführt,  indes  verwandte  man  dieselbe,  soweit  bekannt,  nur  zu 
Licht-  und  Lampendochten.  Protestantische  Flüchtlinge  brachten  die  Baum- 
wollenspinnerei und  -Weberei  nach  England.  Unter  Heinrich  VIII.  (1509 — 47) 
begann  die  Verarbeitung  der  Baumwolle  in  Lancashire,  und  eine  Parlamentsakte 
seines  Sohnes  Eduard  VI.  spricht  schon  von  Baumwollenwaren  aus  Manchester, 
Lacashire  und  Chefhire.  Manchester  wurde  der  Hauptplatz  der  Fabrikation 
baumwollener  Gewebe  (Kanevas,  Barchent,  Fustian,  Dimity  u.  a.)  und  lieferte 
bald  baumwollene  Sammete  und  Velvetins.  Aber  erst  durch  die  Einführung 
des  Kattundrucks  und  die  gesetzliche  Beschränkung  der  Einfuhr  ostindischer 
Zeuge  (1700  und  1721)  gelangte  die  englische  Baumwollenindustrie  zu  stärkerer 
Entfaltung,  und  als  dann  gegen  die  zweite  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  die 
Spinnmaschinen  in  England  erfunden  wurden,  vermöge  welcher  das  Baumwollgarn 
so  wohlfeil  wie  in  seiner  Güte  vollkommen  geliefert  wurde,  da  hatte  man  hier 
den  Markt  erobert.  Hierzu  kam  die  Verbesserung  der  Webevorrichtungen,  u.  a. 
der  im  Jahre  1738  von  dem  Engländer  John  Kay  erfundene  Schnellschütze, 
mit  dem  ein  Weber  doppelt  so  viel  zu  weben  vermochte,  als  mit  dem  Wurf- 
schützen. In  Deutschland  war  Sachsen  eines  der  ersten  Länder,  und  Plauen 
die  erste  Stadt,  wo  Kattunfabriken  im  Grossen  angelegt  wurden,  und  noch 
immer  ist  Sachsen  das  Hauptland  für  die  deutsche  Baumwollweberei.  Als 
Ware  lassen  sich  die  modernen  Baumwollengewebe,  deren  Zahl  und 
Mannigfaltigkeit  eine  sehr  grosse  ist,  in  gewisse  Hauptgruppen  einteilen,  ohne 
dass  dabei  auf  die  stets  wechselnden  Modenamen  Bücksicht  genommen  werden 
kann.  Bei  den  meisten  Baumwollgeweben  spielt  die  Appretur  eine  grosse 
Bolle,  um  ihnen  schönes,  leinwandartiges,  glattes,  glänzendes  oder  auch  ein 
rauhes,  wollartiges  Ansehen  zu  geben:  1)  Einfache,  glatte  und  dichte  Baum- 
wollenzeuge, aus  rohem  weissem  oder  gefärbtem  Garn,  einfarbig,  gestreift, 
gewürfelt,  gemalt,  bedruckt  u.  s.  w.,  deren  vornehmste  Gattungen  sind:  Nanking, 
Shirting,  Gingan,  Kattun,  Kaliko,  Kambrik,  Perkai,  Sarsenet, 
Chiffon;  dann  halbdichte,  wie  Jakonett,  Musselin  oder  Baumwollen- 
batist, die  aber  auch  buntgewebt,  gefärbt  oder  bedruckt  werden;  endlich 
klare  und  offene  Gewebe  ohne  Köper  und  Muster,  wie  Mull  oder  Organdy, 
Tarlatan,  Kanevas,  Bobbinet  u.  s.  w.  2)  Schwere,  glatte,  geköperte 
oder  gemusterte  Baumwollenzeuge,  von  starkem  Garn  fest  gewebt,  meistens 
ungefärbt  oder  einfarbig;  die  vorzüglichsten  sind:  a)  geköperte:  Drell  oder 
Drill,  Satin  (Englischleder,  Jeanet,  Oriental),  Molton,  Merino  (dem 
Woll-M.  nachgebildet),  Bar  chent,  Biber;  b)  gemusterte:  Pique,  Zwillich, 
Dimity,  Wallis,  Domestik,  Basin;  3)  Sammetartige  oder  sogenannte 
geschnittene  Baumwollenzeuge,  als:  Manchester  (oder  unechter  Sammet), 
Velvet,  Velveteen,  Fustian,  Pillow;  4)  durchbrochene,  broschierte, 
gestickte  und  fassonierte  Baumwollenzeuge,  deren  vorzüglichste  sind:  genadelte 
und  broschierte  Gaze,  Tüll,  Musselin,  und  broschierte  Gar  di  neust  offe  ^ 
5)  Gemischte  Baumwollenzeuge,  teils  mit  Seide,  teils  mit  Schafwolle  oder 
Leinen  untermengt,  unter  den  verschiedensten  Namen :  vergl.  hierüber  die  ein- 
zelnen Artikel ,  wie  auch  die  oben  genannten  Stoffarten  dort  überalK  näher 
beschrieben  sind. 

Baumwollspinnerei.  Noch  im  letzten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts  wurde 
alles  baumwollene  Garn  auf  der  Spindel,  wie  in  Ostindien ,  oder  auf  dem 
gewöhnlichen  Handrade  gesponnen^  wobei  man  das  Rohmaterial,  in  Ostindien 
durch  den  Fachbogen,  in  Europa  durch  die  Handkratze,  auflockerte.  Die 
Wohlfeilheit    der  Handarbeit   in  Ostindien  hatte  zur  Folge,    dass  die  Baumwoll- 


Baumwollspitzen — Baum  wollwaren- Appretur.  7 1 

Spinnerei  und  -weberei  in  Europa  nicht  in  die  Höhe  kommen  konnte.  Sowohl 
öarne  als  Gewebe  wurden  hauptsächlich  aus  Ostindien  eingeführt.  In  Europa 
verwendete  und  spann  lüan  zum  Teil  auch  baumwollenes  Garn,  aber  nur  zum 
Schuss.  Zur  Kette  nahm  man  Leinengarn,  weil  das  baumwollene  Handgarn 
nicht  haltbar  genug  war.  In  England  fühlte  man  zuerst  das  Bedürfnis  einer 
Vermehrung,  Verbilligung  und  Verbesserung  des  Baumwollengarns  und  es 
gelang  dort  nach  vielen  Versuchen,  diesen  Anforderungen  durch  Maschinen 
gerecht  zu  werden.  Schon  1762  wurden  in  England  die  Zylinderkrämpeln 
(umlaufende  Kratzen  zum  Auflockern  der  Baumwolle)  erfunden.  Bobert  Peels 
Grossvater  nahm  sie  zuerst  in  Gebrauch.  James  Hargreaves  konstruierte  1767 
seine  Spinnmaschine  mit  einer  Beihe  Spindeln.  Eine  Anzahl  Baumwolle-Locken 
wurden  eingeklemmt,  die  Spindeln  steckten  auf  einem  Wagen,  und  wenn  man 
diesen  herauszog,  so  drehten  die  Spindeln  die  Locken  zu  Faden.  Der  Erfinder 
nannte  diese  Maschine  Jenny,  nach  seiner  Tochter.  Hargreaves  ging  von  der 
ostindischen  Spindel,  Bichard  Arkwright  (1769),  ein  Barbier,  von  dem  deutschen 
Flachsspinnrade  mit  Spule  und  Fliege  aus.  Deshalb  musste  der  erstere ,  den 
Faden  spinnend,  ausziehen  und  aufwickeln.  Arkwright  konnte  dies  aber  nicht, 
da  seine  Spulen,  wie  im  Handrade,  sich  nur  um  sich  selbst,  nicht  aber  fort- 
bewegten; die  Spulen  mussten  aber  spinnen  und  aufwickeln,  ohne  auszuziehen 
(Drosselmaschine).  Die  grosse  Erfindung  Arkwrights  bestand  nun  darin,  dass  er 
die  Locke ,  Lunte ,  den  erst  leicht  zusammengedrehten  Baumwollfaden ,  durch 
zwei  Walzengarne  (Zylinder)  auseinanderzog  oder  -streckte,  Walzengarne  die 
dicht  hintereinander  lagea  und  von  denen  das  vordere  Paar  geschwinder  umlief 
als  das  hintere.  Crompton  verband  die  Zylinder  Arkwrights  mit  der  aus- 
ziehenden drehenden  Spindel  Hargreaves  und  nannte  seine  Maschine  „Mule" 
(daher  muH  twist).  Diese  scheinbar  einfache  Erfindung  führte  zum  Gelingen 
der  Maschinenspinnerei,  durch  welche  so  grosse  Umwälzungen  in  Handel  und 
Industrie  entstanden.  In  Deutschland  begann  die  Baumwollspinnerei  zu  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts.  Gegenwärtig  nimmt  die  Baumwollspinnerei  und  -weberei, 
w^as  Umfang  der  Anstalten,  Verbrauch  des  Rohmaterials,  Zahl  der  beschäftigten 
Hände  und  Anwendung  maschineller  Hilfsmittel  anbelangt,  unter  allen  Zweigen 
der  Textilindustrie  die  erste  Stelle  ein.  Sie  hat  zuerst  von  den  Erfindungen 
der  neueren  Zeit  im  Fache  des  Maschinenwesens  Gebrauch  gemacht;  die  Spinn- 
maschine, der  mechanische  Webstuhl  fanden  in  der  Baumwollenindustrie  zuerst 
Anwendung,  sie  verdanken  derselben  ihre  Erfindung  und  konstruktive  Entwicklung; 
Druck-  und  Appreturmaschinen  nahmen  von  ihr  den  Weg  in  andere  Gebiete 
der  Faserstofftechnik. 

Literatur:  Niess,  Baumwollspinnerei  in  allen  ihren  Teilen;  Weimar  1885. 
Kuhn,  Die  B. ,  ihre  Kultur,  Struktur  und  Verbreitung;  Wien  1892.  Kar- 
marsch-Fischer, Handbuch  der  mechan.  Technologie;  Leipzig  1892.  Spenn- 
rath,  Materiallehre  für  die  Textilindustrie ;  Aachen  1899.  Zipser,  Die  textilen 
Bohmaterialien ,  I.  Teil,  2.  Aufl.;  Wien  1899.  Wiesner,  Die  Bohstoffe  des 
Pflanzenreichs,  Bd.  2,  2.  Aufl.;  Leipzig  1902.  Johannsen,  Handbuch  der 
Baumwollspinnerei  u.  s.  w.,  3.  Aufl.;  Leipzig  1902. 

Baumwollspitzen  stellt  man  seit  1830  besonders  in  Frankreich  der 
Billigkeit  wegen  her;  aber  nur  mit  geringem  Erfolg. 

Baumwolltaff  et ,  schwarzes,  leinwandartiges,  appretiertes,  glänzendes 
Baumwollgewebc. 

Baumwollteppiche  kommen  als  Knüpfarbeit  im  Orient  nicht  vor;  es 
wird  die  B,  nur  zur  Kette  verwendet ,  und  da  die  persische  Baumwolle  für 
diesen  Zweck  sich  nicht  eignet,  ist  man  geneigt,  Teppiche  mit  Baumwollkette 
für  indische  Ware  zu  halten.  Geknüpfte  B. -Teppiche  kommen  in  sehr  geringer 
Qualität  aus  Japan. 

Baumwollwaren-Appretur,  die  Ausrüstung  der  Baumwollgewebe  mit 
besonderen,  ihnen  von  Haus  aus  nicht  zukommenden  äusserlichen  Eigenschaften 
durch  Behandeln  mit  Appreturmitteln  und  geeigneten  Vorrichtungen  (Mangen, 
Kalandern,  Pressen  u.  s.  w.);  hauptsächlich  bezweckt  sie  den  leinwandartigen, 
kalten,   glatten  Griff  und   runden   Faden    durch  Stärkekleister,   mit   Zusatz  von 


72  Baumwollzwillich — Bayern. 


Leim,  Dextrin,  Pflanzenschleimen,  Fetten,  Stearin  u.  s.  w.  Die  Appretmasse 
wird  beiderseits  (voll)  aufgetragen,  getrocknet,  eingesprengt,  gar  nicht  oder 
kalt  mit  schwachem  Druck  kalandert  oder  sonst  speziell  behandelt,  und  die 
Appretmassen  sind  je  nach  dem  zu  erzielenden  Effekt  besonders  zusammen- 
gesetzt. So  gibt  es  Leinen-,  Damast-,  Shirting-,  Chiffon-,  Glace-,  Kaliko-, 
knirschende,  hochglänzende  und  andere  Appreturen. 

Baumwollzwillich,  für  Syrien  bestimmtes  Gewebe,  wird  im  Rheinland,  in 
Böhmen  u.  a.  0.  hergestellt. 

Bausmusselin,  feines,  weisses,  stark  appretiertes  Baumwollengewebe  zum 
Durchzeichnen,  namentlich  für  Zeichnungen  von  Bauplänen. 

Bautsch,  Stadt  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Sternberg  in  Mähren: 
die  ehemals  bedeutende  Leinwandindustrie  ist  zurückgegangen. 

Bautzen,  Hauptstadt  der  sächs.  Kreis-  und  Amtshauptmannschaft: 
wichtige  Industrie-  und  Wollspinnerei  nebst  bedeutender  Tuchfabrikation, 
Flachsspinnerei,  Leinen-  und  Strumpfweberei,  Bleicherei,  Färberei;  Herstellung 
von  Strickmaschinen. 

Bavari  war  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  Italien  ein  gebräuchlicher 
Name  für  Halskrausen;  der  Ausdruck  soll  nach  einem  Schriftsteller  dieser  Zeit 
von  dem  ital.  "Worte  für  die  Bewohner  Bayerns,  wegen  der  bei  ihnen  üblichen 
Pelzkragen  abgeleitet  sein. 

Bave  (franz.),  die  erste  Faser  des  Seiden wurms. 

Bavella,  Bafel  ist  Abfall-  oder  Florettseide. 

Bavolet,  (franz.)  schleierartiger  Kopfputz  normannischer  Bäuerinnen; 
Nackenschleier  bei  Damenhüten. 

Bay,  Bayes,  Bayettes,  Baguettes,  ein  ungeköperter,  sehr  locker  gewebter 
"Wollenstoff,  eine  Art  grober  Flanell;  auf  der  einen  Seite  langhaarig  gerauht, 
etwas  geschert,  gewöhnlich  nach  dem  Weben  nur  ausgewaschen,  seltener  etwas 
gewalkt,  gewöhnlich  weiss,  oft  aber  auch  schwarz,  rot  oder  grün  gefärbt.  In 
Frankreich  (Departement  des  Nords)  fertigt  man  dergleichen  Stoffe  unter  dem 
Namen  Baigue  für  den  Handel  nach  Spanien,  wo  man  sie  Baetas  nennt. 
In  vielen  anderen  Orten  werden  flanellartige  lockere  Wollenstoffe  unter  dem 
Namen  Boy  hergestellt,  die  im  auswärtigen  Handel  auch  Bayettes  heissen. 
(Siehe  Boy.) 

Bayazid,  Stadt  in  Kleinasien,  erzeugt  durch  Hausindustrie  Teppiche  nach 
persischen  Mustern  unter  dem  Namen  Khali,  welche  als  anatolische  T.  in  den 
Handel  kommen. 

Bayern,  Königreich,  hat  bedeutende  Baumwollenspinnereien  und  -Webereien. 
Die  Textilindustrie  beschäftigt  32  767  Betriebe  mit  60  460  Personen,  wovon  auf 
Augsburg  (s.  d.)  14  :  8650  kommen.  Einen  bedeutenden  Aufschwung  hat  die 
Webindustrie  genommen.  Sie  ist  in  Schwaben  sehr  verbreitet,  wo  Augsburg  der 
Hauptsitz  für  Kammgarn-  und  Tuchfabrikation,  Baumwollspinnerei  und  -Weberei 
ist;  ferner  in  der  Pfalz  (Zweibrücken,  Kaiserslautern)  und  in  München,  dann  als 
Hausindustrie  in  Niederbayern  und  bei  Hof.  Garnfärbereien  und  Bleichereien 
gibt  es  in  Schwaben  und  Oberfranken;  Leinspinnerei  und  -Weberei  in  Bäumen- 
heim bei  Donauwörth  und  Memmingen  u.  s.  w.  Kunststickerei,  insbesondere 
Gold-  und  Silberstickerei  in  München,  Nürnberg  und  Weissenburg  a.  S. 

lieber  ältere  Textilindustrie  vgl.  Augsburg.  Für  Seidenindustrie 
gibt  Silbermann  (Die  Seide  u.  s.  w. ;  Dresden  1897,  Bd.  1,  S.  104  u.  105) 
folgende  Notizen:  Unter  Kurfürst  Maxi.  (1598 — 1651)  werden  ausgedehnte  Maul- 
beerplantagen angelegt.  Verheerende  Kriege  verhindern  aber  weitere  Ausdeh- 
nung. Schon  zu  Zeiten  Wilhelms  VI.  (1508—1559)  und  Albrecht  Y.  (1550—1579) 
sind  Gartenrechnungen  vorhanden,  in  denen  Maulbeerbäume  erwähnt  sind.  Heiter 
dem  Kurfürsten  Ferdinand  Maria  (1651 — 1679)  war  man  wieder  bestrebt,  die 
Seideuzucht  zu  heben.  1664  entsteht  unter  Joachim  Becher  ein  ausgedehnter 
Seidenbauverein,  der  aber  bald  auseinander  geht.  Erst  unter  Max  III.  (1455 
bis  1777)  begann  eine  allgemeine  Verbreitung  des  Seidengewerbes.  Nach  1760 
geht  die  Seidenzucht  herunter,  weil  die  Ernten  des  Seidenbaues  misslingen.  Eine 
neue  Periode   für  Bayern   beginnt    erst  1823 — 1834  unter    der  Regierung  Maxi- 


Bayetas  de  Pellon — Beaujolais.  73 

milians  I.  und  baut  sich  unter  König  Ludwig  I.  weiter  aus.  Im  Jahre  1832  sollen 
in  Bayern  über  4  Millionen  Maulbeerbäume  gestanden  haben;  gehen  aber  1838 
auf  400  000  zurück. 

Webeschulen  bestehen  in  Bayern  zu  Münchberg,  Lambrecht  und  Passau; 
eine  Stickschule  zu  Euchenreuth,  eine  Klöppelschule  zu  Stadlern. 

Bayetas  de  Pellon  oder  de  cien  hilos,  grobe  Köperflanelle  für  den 
Chinamarkt,  welche  z.  T.  noch  in  Spanien  gemacht  werden  und  über  Manila 
zur  Einfuhr  nach  China  kommen.  Unter  demselben  Namen  kommen  sie  auch 
im  spanisch- amerikanischen  Handel  vor. 

Bayetones  ingleses  heissen  im  spanisch- amerikanischen  Handel  die  eng- 
lischen Coatings  (s,  d.). 

Bayettes,  s.  Bay. 

Bayeux,  Hauptstadt  das  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Calvados :  ansehnliche 
Spitzenfabriken  und  Baumwollspinnereien.  Erstere  stammen  aus  dem  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts;  es  wird  vom  Jahre  1709  berichtet,  dass  sich  hier  eine 
Industrie  für  Mignonette,  eine  Art  seidener  Blonde,  und  der  point  de  Marly 
bildeten,  die  zu  jener  Zeit  eine  Berühmtheit  erlangt  hatten. 

Bayeux-Teppich ,  ein  in  der  Stadtbibliothek  zu  B.  in  der  ersten  Hälfte 
des  18.  Jahrhunderts  von  dem  Archäologen  Montfaucon  wieder  aufgefundener 
Wandteppich,  sogen,  tappisserie  de  Bayeux.  Er  ist  gestickt  auf 
einer  Leinwandfläche  von  63  m  Länge  und  0,46  cm  Höhe  in  farbiger  Seide  im 
Plattstich  mit  verschiedenen  Richtungen  des  Fadens.  Dargestellt  ist  darauf  in 
72  Szenen  mit  530  Figuren  und  vielen  beigefügten  Inschriften  die  Eroberung 
Englands  durch  Wilhelm  den  Eroberer:  für  die  Kultur-  und  Kostümgeschichte 
eines  der  wichtigsten  Belegstücke  aus  dem  Bereiche  der  Textilkunst.  Die 
Arbeit  wird  von  Einigen  der  Königin  Mathilde,  Gemahlin  Wilhelms,  von  Anderen 
der  Mathilde,  Tochter  Heinrich  I.  von  England  zugeschrieben;  sie  ist  etwa  um 
das  Jahr  1100  entstanden.  Vgl.  Beschreibung  in  „Thierry,  Histoire  de  la 
€onquete  de  l'Angleterre  (Bd.  I) ;  The  Bayeux-Tapestry  reproduced  in  autotype- 
plates  with  historic  notes  by  Frank   Bede  Fowke-London  Ar unvel- Society  1875. 

Bayonne,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Basses-Pyreuees : 
Leinwandfabrikation. 

Bayreuth,  Stadt  in  Bayern :  grosse  mechanische  Baumwollen-  und  Flachs- 
spinnereien ;    Fabrik  für  Baumwollenwaren. 

Bays  (engl.),  ein  grober  englischer  Wollenstofi^,  getragen  von  den  Land- 
leuten zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth. 

Bayutapauts,  Bayutapaux,  grober  Baumwollenstoff,  gewöhnlich  blau  und 
weiss,  oder  rot  und  weiss  gestreift,  zuweilen  auch  blau  und  rot  gefärbt,  zum 
Handel  nach  den  afrikanischen  Küsten  bestimmt:  es  gibt  ostindische  und  fran- 
zösische B.s. 

Baza,  Pazac  oder  Bazar,  eine  Sorte  levantinischen  Baumwollengarns. 

Bazin,  s.  Basin» 

Beaucaire,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Nimes  des  franz. 
Depart.  Card.  In  früheren  Zeiten  von  Kaufleuten  und  Fabrikanten  aus  allen 
Ländern  Europas,  aus  der  Levante  und  selbst  aus  Persien  und  Armenien  besucht, 
verringerte  sich  schon  im  17.  Jahrhundert  ihre  Bedeutung  durch  die  Aufhebung 
der  Abgabenfreiheit  seit  1632,  die  Kriege  mit  dem  Auslande,  sowie  die  Waren- 
lager zu  Marseille,  Lyon  u.  s.  w.  Seit  der  Revolution  beschränkt  sich  der 
Handel  auf  Seide  und  Seidenfabrikate,  NimesShawls,  Leinen,  Tuch,  Wolle  und 
Baumwolle.  Immerhin  wird  die  Messe  noch  von  etwa  50000  Personen  besucht 
und  der  Warenumsatz  beläuft  sich  auf  20  Mill.  Eres. 

Beaufort-en-Vallee,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Bauge  des 
franz.  Depart.  Maine  et-Loire :  Segeltuchfabrikation. 

Beauforts,  festgewebtes  Segeltuch  aus  Hanf,  welches  im  franz.  Depart. 
der  Mayenne  und  Loire,  in  der  Gegend  von  Angers,  besonders  aber  zu  Beaufort 
gemacht  wird. 

Beaujolais  heissen  Stoffe  aus  Leinen  und  Baumwolle,  welche  in  dem 
Dürfe  Gours  nahe  bei  Beaujeu,  im  franz.  Depart.  Hhone  gefertigt  werden. 


74  Beaumont — ßeidrecht. 


Beaumont,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Castelsarrasin  des 
franz.  Depart.  Tarn-et-Garonne :   Tuch  Fabrikation. 

Beaumont-le-Roger,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Bernay  des 
franz.  Depart.  Eure :  Leinwand-  und  Tuchfabrikation. 

Beaune,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Cote  d'Or: 
Fabrikation  von  Tuch,  Sergen.  Yor  der  Aufhebung  des  Edikts  von  Nantes 
(1683)  beschäftigten  200  prot.  Eamilien  über  2000  Arbeiter  in  Manufakturen 
aller  Art;  seitdem  geriet  die  Stadt  in  Verfall  und  hat  sich  nie  wieder  zu  ihrer 
früheren  Höhe  erhoben. 

Beaupreau,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Cholet  des  franz. 
Depart.  Maine-et-Loire :  Wollen-  und  Leinenfabrikation  (Choletstoffe),  s.  d. 

Beauvais,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Oise  und  des  Arrond.  B., 
bedeutende  Fabrik-  und  Handelsstadt.  Sie  besitzt  eine  grosse,  1664  von  Colbert 
begründete  Wandteppich-  (Gobelins-)  Manufaktur,  Fabriken  für  Woll-  und 
Baumwollwaren  aller  Art;  ausserdem  Spinnereien,  Wollkämmereien,  Bieichen 
und  Färbereien.  (Vergl.  Lab  an  de,  Histoire  de  B.  et  de  ses  institutions 
communales;  Paris  1892.) 

Beavers ,  Beaverteeus ,  englische ,  wie  Tuch  gewebte ,  auch  gedruckte 
BaumwolleDstoife,  dem  Kalmück  ähnlich,  die  zu  Wiuterkleidungen  dienen.  Man 
bezieht  sie  von  Manchester  und  Norwich.  Sie  sind  den  Velvets  ähnlich,  auch 
so  breit  als  diese.  Auch  deutsche  Manufakturen  liefern  B.'s.  Die  Beaverteens 
sind,  da  sie  fester  gearbeitet  als  die  Beavers,  dauerhafter  als  diese.  Aus 
feiner  Wolle  in  derselben  Weise  angefertigte  Stoffe  heissen  Castorins  oder 
Yelpel. 

Beby,  baumwollene  Tücher,  welche  in  Syrien  gemacht  werden  und,  ge- 
wöhnlich blau  gefärbt,  über  Aleppo  und  Said  in  den  Handel  kommen;  das 
Meiste   geht  nach  den  türkischen  Provinzen. 

Bedarieux,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  im  Arrond.  Beziers  des  französi- 
schen Departements  Herault :  Fabrikation  von  Tuch  und  Kattun. 

Bedburdyk,  Gemeinde  im  preuss.  E-egbez.  Düsseldorf:  Sammetweberei. 

Bedburg,  Stadt  im  preuss.  Begbez.  Köln:  grosse  Wollweberei,  Woll- 
spinnerei, Kunstwollfabrik. 

Bedford,  Hauptstadt  der  englischen  Grafschaft  B. :  Anfertigung  von  ge- 
klöppelten Spitzen. 

Beederwand  (nach  Beeder  [Bidar],  Distriktshauptstadt  in  Dekan),  Beider- 
wand,  Bedermann,  Beiermann,  Beilwand,  Petermann;  unter  diesen  verschiedenen 
Namen  kam  sonst  ein  gewöhnlicher  Stoff,  halb  aus  Schafwolle,  halb  aus  Leinen- 
garn, fest  und  dauerhaft  gewebt,  gewöhnlich  braun,  schwarz  oder  dunkelblau 
gefärbt,  in  den  Handel,  welcher  von  den  deutschen  Landleuten  und  von  den 
ärmeren  Yolksklassen  viel  getragen  wurde.  Auch  jetzt  wird  dieses  Gewebe  teil- 
weis noch  im  Lüneburgschen,  Schaumburgschen,  in  Westfalen  und  in  Thüringen, 
von  den  Landleuten  zum  eigenen  Yerbrauch,  von  den  Zeugwebern  zum  Handel 
gefertigt.  Den  Namen  beiderlei  Gewand  erhielt  der  Stoff,  weil  er  halb 
aus  Wolle  und  halb  aus  Leinen  gemacht  wird.  Hieraus  entstanden  wiederum 
durch  die  verdorbene  Aussprache  der  verschiedenen  deutschen  Provinzen  die 
obigen  Benennungen.  Jetzt  ist  B.  gewöhnlich  eine  Art  Halbwollenlama,  d.  h. 
ein  in  der  Kette  aus  Baumwollengarn,  im  Einschlag  aus  Streichgarn  bestehender, 
leinwandartig  gewebter,  zuweilen  aber  auch  geköperter  Stoff,  der  nicht  gewalkt, 
daher  auch  nicht  gerauht,  sondern  nur  glatt  geschert  und  meist  ein-  oder  mehr- 
farbig, gestreift  oder  kariert  in  den  Handel  gebracht  wird. 

Beggars-Lace,  s.  Webkanten. 

Behaar,  Sorte  ostindischer  Cassas  oder  baumwollener  Gewebe.  ^ 

Beibazar  heisst  zu  Marseille  und  in  der  Levante  die  zweite  Sorte  des 
Ziegenhaares,  welche  zu  Webezwecken  verarbeitet  wird. 

Beidelseide,  syrische  Seidenpflanze. 

Beiderwand,  s.  Beederwand. 

Beidrecht  (franz. :  etoffe  ä  double  face),  jedes  ungemusterte  Gewebe,  bei 
welchem    auf  jeder    Seite   von    dem   Kett-    und    Schussfadenmaterial    gleich   viel 


Beiersdorf  in  der  Oberlausitz — Belgien.  75 

sicMbar  ist.  Alle  leinwandbindigen  Gewebe  sind  B.  Andere  fassen  den  Begriff 
weiter  auf  und  verstehen  alle  jene  Stoffe  darunter,  welche  auf  beiden  Seiten 
ihres  gleichen  Aussehens  und  der  gleichen  Appretur  wegen  getragen  werden 
können. 

Beiersdorf  in  der  Oberlausitz :  Bleicherei,  Leinen-  und  Wollwarenfabrik. 

Beiertheim,  Dorf  in  Baden :  Seidenbandfabrikation. 

Beige,  in  Poitou  eine  graue,  braune  oder  schwarze  Serge,  die  von  natur- 
farbener  Wolle  (Kammgarn)  gewebt  ist;  im  allgemeinen  Bezeichnung  für  einen 
naturfarbigen,  oft  jedoch  melierten  Damenkleiderstoff  in  Köperbindung. 

Beilik  nennt  man  im  Orient  die  groben  Tücher  von  Saloniki,  welche  zu 
Montierungen  der  Janitscharen  dienten. 

Beilwand,  s.  Beederwand. 

Beirut,  Hauptstadt  eines  asiatisch-türkischen  Vilajets :  Neben  starker  Seiden- 
und  Baumwollenweberei  wird  Gold-  und  Silberdrahtfabrikation  betrieben.  Ausser- 
dem verfertigt  man  hier  die  in  ganz  Syrien  und  Aegypten  berühmten,  mit  Nägeln 
verzierten  bunten  Koffer  für  Leinenzeug,  die  namentlich  zu  Brautgeschenken 
dienen.  Die  Umgegend  gewinnt  ausgezeichnete  Seide  und  Baumwolle.  B.  war 
schon  im  Mittelalter  durch  seine  Seidenindustrie  berühmt. 

Beize,  in  der  Färberei  und  dem  Zeugdruck  ein  wichtiger  Artikel:  ge- 
wöhnlich Mordant  genannt.  In  vielen  Fällen  läuft  die  Wirkung  darauf  hinaus, 
dass  sie  die  Farbstoffe  aus  ihren  Lösungen  auf  die  Gespinstfasern  niederschlägt, 
indem  ihre  Bestandteile  unlösliche  Verbindungen  mit  den  Farbstoffen  eingehen. 
Die  Gewebe  werden  entweder  in  die  Beizlösung  eingetaucht  oder  mit  derselben 
gekocht.  In  einigen  Fällen  (z.  B.  bei  den  Eisenoxydulbeizen)  wird  die  B.  auf 
der  mit,  ihr  imprägnierten  Faser  durch  „Hängen"  an  der  Luft  oxidiert;  in  an- 
deren Fällen  wird  sie  durch  Zusatz  von  Salzlösungen  (Fixiermittel)  auf  der 
Faser  unlöslich  abgeschieden;  die  Methode  des  Dämpfens  besteht  darin,  dass 
ein  Gemenge  von  polygenetischem  Farbstoff  und  Metallsalzbeize  auf  das  Gewebe 
aufgedruckt  und  dieses  nach  dem  Trocknen  in  einem  geschlossenen  Kasten  dem 
Einfluss  von  Dämpfen  ausgesetzt  wird,  wodurch  das  durch  Zersetzung  entstandene 
basische  Salz  gleichzeitig  mit  dem  Farbstoff  aus  der  Faser  fixiert  wird.  Vgl. 
„Stübling,  Die  Beiz-  und  Färbekunst"   (Berl.  1898). 

Bejar,  Bezirksstadt  in  der  spanischen  Provinz  Salamanca:  Wollhandel  und 
Tuchfabrikation,  die  etwa  8000  Menschen  beschäftigt. 

Belchette,  s.  Wolle. 

Belelacs,  seidene,  taffetartige  gewebte  ostindische  Zeuge,  welche  durch  die 
Engländer  nach  Europa  gebracht  werden. 

Belesmes,  auch  Kanevas,  eine  Art  grobes  Hanfleinen,  das  zu  Perche  in 
Frankreich  gewebt  und  besonders  zu  Strohsäcken  verbraucht  wird. 

Belfast,  Hauptstadt  in  der  irischen  Grafschaft  Antrim :  Hauptsitz  der 
irischen  Linnenfabrikation;  die  Baumwollenfabrikation  geht  zurück. 

Belgamire  (franz.),  ein  früher  in  Eouen  gefertigter  Leinenstoff  mit  ein- 
gewebten seidenen  Blumen. 

Belgaon(g),  Hauptstadt  des  Distriktes  B.  der  indobritischen  Präsident- 
schaft Bombay:  Auf  300  Webstühlen  werden  Baumwollenzeuge  angefertigt. 

Belgien,  Königreich.  Zu  den  Hauptindustriezweigen  gehört  die  Leinen-, 
Woll-  und  Baumwollfabrikation.  Die  durch  Verbreitung  des  mechan.  Gespinstes 
gesunkene  Leinenmanufaktur  hat  sich  seit  1850  durch  zweckmässigere  Organi- 
sation emporgeschwungen,  namentlich  in  den  beiden  flandrischen  Provinzen. 
1880  bestanden  1863  diesbezügliche  Anstalten  mit  33  048  Arbeitern.  Die  Weberei 
wird  vorzüglich  in  den  beiden  Flandern,  in  einigen  Orten  Brabants,  des  Henne? 
gaus  und  der  Provinz  Antwerpen  betrieben.  Die  Zahl  der  Webereien  betrug 
(1880)  236  mit  11940  Arbeitern;  die  Ausfuhr  (1895:  16  010  954  Frcs.)  ist  im 
Sinken.  Das  belg.  Handgespinst,  hauptsächlich  von  den  Armen  in  Flandern 
geliefert,  konnte  die  Konkurrenz  mit  den  Maschinen  nicht  aushalten.  Die  Bra- 
banter  oder  Brüsseler  Spitzen  (s.  d.)  werden  am  besten  in  und  um  Brüssel,  sowie 
in  Mecheln  geklöppelt.  Den  Hauptzweig  der  Spitzenindustrie,  die  gegen  140  000 
Menschen  beschäftigt,  bilden  die  sogenannten  Valenciennes  (s.  d.),  die  am  meisten 


76  Belgrad — Bendarabbas. 


in  Westflandern  verfertigt  werden  (Ausfuhr  1895:  2  201371  Frcs.).  Für  die 
AVoUenmanufaktur  ist  Verviers  und  Umgebung  der  wichtigste  Ort.  Die  Woll- 
spinnereien fertigten  (1880j  7  391246  kg  im  Werte  von  41513  785  Frcs.  (Aus- 
fuhr 1898:  38  226  Mill.  Frcs.)  Grosse  Teppichfabriken  bestehen  zu  Brüssel, 
Mecheln,  Ingelmünster  und  Tournai.  Viele  Strümpfe  und  Strickwaren  werden 
in  Leuze,  Peruwelz,  Tournai  und  A.elst  (Alost)  gewebt.  Die  vorzüglichsten 
Baurawollenmanufakturen  befinden  sich  in  Gent,  Aelst,  Kortrijk,  Brüssel  und 
dessen  Vorstadt  Anderlecht  und  Tournai  (Ausfuhr:   1898:  23  235  Mill.  Frcs.). 

Literatur:  Van  Bruyssel,  Histoire  du  commerce  et  de  U  marine  en 
Belgique  (3  Bde.,  Brüssel  1861—1864);  Meulemans,  La  Belgique,  ses  res- 
sources  agricoles,  industrielles  et  commerciales  (Gent  1865);  van  Bruyssel, 
L'industrie  et  le  commerce  en  Belgique  (Brüssel  1868). 

Belgrad,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Königreichs  Serbien:  Tuchfabrik. 

Bellac,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Haute-Vienne : 
Fabrikation  von  Tuch,  Decken,  Leinen  und  Hüten. 

Bellacosa  oder  Bellcosse  sind  seidene  broschierte  Stoffe,  mit  etwas  Gold 
und  Silber  durchwirkt,  die  als  Nachahmung  der  venetianischen  reichen  Zeuge 
auf  der  Insel  Scio  für  den  Levantehandel  gewebt  werden. 

Bellchester,  Duchester,  verschiedene  Sorten  des  englischen  Manchesters 
oder  des  Velvets. 

Belley,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Ain :  Seidenspinnerei, 
Indienne-  und  Musselinfabrikatiou ;  beträchtlicher  Handel  mit  Seide. 

Beliings,  der  allgemeine  Name  mehrerer  Sorten  englischer  gemischter  Zeuge 
von  Flachs-  und  Hanfgarnen  in  der  Kette  und  Wollengarn  im  Einschlag,  zu- 
weilen ganz  von  Wolle.  Man  fertigte  auch  in  Frankreich  viele  Sorten  davon 
und  brachte  sie  unter  Bailanges,  Bellinges  fagon  de  Bouracan,  Tiritaines,  Bre- 
luches,  Berluches,  Bure  u.  s.  w.  in  den  Handel.  In  neuer  Zeit  ist  dieser  Artikel 
durch  andere  Stoffe  in  den  Hintergrund  gedrängt  worden. 

Belluno,  Hauptstadt  der  Provinz  und  des  Distrikts  B. :  Seidenspinnereien. 

Belutschistan,  (Balutschistan,  auch  Beludschistan;  engl.:  Beloochistan), 
das  Gedrosia  der  Alten,  das  südöstlichste  Fürstentum  des  Hochlandes  von  Iran: 
Erzeugung  von  Knüpfteppichen  gleichen  Namens,  deren  ältere  Sorten  sehr  selten 
und  hoch  im  Preise  sind.  Sie  unterscheiden  sich  von  anderen  ostpersischen 
und  zentralasiatischen  Teppichen  durch  ihre  düstere  und  verschwommene  Färbung, 
wozu  das  tiefdunkle  Blau  und  das  schwärzliche  Braun,  ebenso  wie  das  eigen- 
tümliche Bot,  beiträgt,  das  zwischen  Rosa  und  Indischrot  etwa  die  Mitte  hält. 
Ganz  unvermittelt  findet  sich  dann  in  diesem  düsteren  Fond  ein  kleines  weisses 
(seltener  gelbes)  Motiv,  ein  Kreuzchen,  eine  punktierte  Baute  oder  dergleichen 
hingesetzt.  Die  Baumeinteilung  wie  die  Einzelmotive  sind  fast  immer  geome- 
trischer Natur.  Die  Muster  sind  so  dicht  gestellt  und  in  der  Pegel  von  so  all- 
gemein geometrischem  Inhalt,  dass  man  in  den  meisten  Fällen  zweifelhaft  bleibt, 
auf  welche  Farbe  das  Muster  und  auf  welche  der  Grund  zu  beziehen  ist.  Der 
Belutschistanteppich  ist  ganz  aus  Wolle,  welche  sehr  weich  und  ziemlich  lang 
geschoren  ist,  weshalb  die  Teppiche  dick  und  schwer  sind.  Die  Knüpf ung  ist 
keine  besonders  dichte.  Die  Querseiten  haben  den  kilimartig  angewebten  farbig 
gestreiften  Vorstoss,  wie  diese,  und  geknüpfte  Fransen.     (Vgl.  Teppiche.) 

Belvedere,  s.  Seide. 

Belzamire,  ein  franz.  Stoff  mit  seidenem  Blumenmuster  auf  einem  Grunde 
von  Leinengarn,  der  ehedem  in  Pouen  gefertigt  wurde. 

Beizig.    Kreisstadt  im  preuss.  Pegbez.  Potsdam:    Weberei,   Wollspinnerei. 

Benares,  Hauptstadt  der  Division  und  des  Distrikts  B.  im  indobritischen 
Reiche:  berühmt  sind  die  hier  gefertigten  Gold-  und  Silberbrokate,  Sammite, 
seidene  und  baumwollene  Stoffe. 

Benares,  ein  ostindischer  Silberstoff. 

Benau,  Dorf  im  preuss.  Regbez.  Frankfurt:    Flachsspinnerei,  Leinweberei, 

Bendarabbas,  Hafenort  der  pers.  Prov.  Kerman:  Handel  und  Bedeutung 
des  Ortes  ist  gegen  früher  sehr  gesunken;  besonders  werden  Baum  wollwaren, 
Tuche  und  Teppiche  auf  den  Markt  gebracht. 


ßendorf — Berkan.  77 


Bendorf,  Stadt  im  preuss.  Eegbez.  Koblenz:  Wollspinnereien. 

Benfeld,  Hauptstadt  im  Kreis  Erstein  in  Elsass-Lothringen :  grosse  Baum- 
wollenspinnerei, Bandweberei,  Färberei,  Hanfbau, 

Bengalen,  Präsidentschaft  des  Indobrit.  Reiches :  die  inländische  Industrie 
hat  durch  die  massenhafte,  stets  zunehmende  Einfuhr  englischer  Manufakturwaren 
ausserordentlich  gelitten.  Die  früher  berühmten,  ausgebreiteten  Musselinwebereien 
in  Dhaka  sind  gleich  den  Baumwollwebereien  zu  Balasor  fast  gänzlich  zugrunde 
gegangen.  In  und  um  Kalkutta  bestehen  jedoch  noch  ziemlich  bedeutende  Fa- 
briken von  groben  Baumwollstoffen  und  (1896/97)  9  Baumwollspinnereien,  Segel- 
tuchwebereien und  Seilereien ;  die  Juteindustrie  stellt  in  hoher  Blüte.  Die  Aus- 
fuhr an  Baumwolle  betrug  1898/99  6,769,920  Rupien. 

Bengaline,  moderner  Halbseidenstoff  für  Damenkleider;  auch  bedruckte 
halbseidene  helle  Ballstoffe. 

Bengalische  Leinewand  heisst  ein  seidenartiges,  ostindisches  Gewebe, 
dessen  Fäden  aus  den  Samenkapseln  eines  Krautes  gesponnen  und  zu  verschie- 
denen, zwar  glänzenden,  aber  wenig  haltbaren  Stoffen  verarbeitet  werden.  Der 
Stamm  dieses  Krautes  trägt  am  Gipfel  einen  Büschel  gelber  Blumen,  nach  deren 
Verblühen  die  Fäden  in  Gestalt  von  Flocken  erscheinen,  welche  von  den  Frauen 
des  Landes  versponnen  werden. 

Bennington,  Ort  im  County  B.  im  südwestlichen  Teile  des  nordamerika- 
nischen Staates  Vermont:  Fabriken  von  Strickwaren. 

Bentheim,  Kreisstadt  im  preuss.  Begbez.  Osnabrück :  Baumwollweberei. 

Berams,  Berampaats,  auch  Berupates,  ein  grobes  einfaches  Baumwollen- 
gewebe, welches  früher  in  Mengen  aus  Surate  nach  England  gebracht  wurde, 
jetzt  aber  nicht  mehr  vorkommt. 

Berbice,  Baumwollsorte  aus  Guyana. 

Berck-SUr-Mer,  Hafenort  im  Arrond.  Montreuil  des  franz.  Depart.  Pas-de- 
Calais: Segeltuch  fabrikation. 

Berditschew,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Kiew :  Färbereien,  Band- 
fabriken. 

Berg,  vormals  ein  selbständiges  Herzogtum,  (Ducatus  Montensis),  jetzt 
ein  Teil  der  preuss,  Bheinprovinz :  wichtigstes  Fabrikland  Deutschlands,  worin 
sich  namentlich  das  Wuppertal  mit  Elberfeld  und  Barmen  (s.  d.)  durch  seine 
textilindustrielle  Tätigkeit  auszeichnet.  Unter  Ludwig  XIV.  (1643 — 1715)  führten 
die  Verfolgungen  der  Protestanten  viele  gewerbliche  Ansiedler  nach  B.,  die  dort 
den  franz.  Geschmack  in  Seide  und  Baumwolle,  im  Bleichen,  in  Spitzen,  feinen 
Leinen  u.  s.  w.  heimisch  machten. 

Berga,  Bezirksstadt  in  der  span.  Prov.  Barcelona:  Mechanische  Webereien» 

Bergamees  (franz.)  oder  Bergamotatapeten,  in  Bergamo  erfunden_,  grobe 
gewebte  Tapeten,  welche  dann  auch  in  Bouen,  Leboeuf,  Antwerpen,  Brüssel, 
sowie  in  Böhmen  und  Mähren  verfertigt  wurden.  Das  Material  dazu  ist  ver- 
schieden :  die  Kette  gewöhnlich  Hanf  oder  Leinen,  der  Einschlag  von  Flockseide, 
Baumwolle,   Wolle,  Kuh-  oder  Ziegenhaar. 

Bergamo,  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  B. :  Seiden-  und  Tuchwebereien, 
erstere  im  14.  Jahrhundert  eingeführt. 

Berge  in  Hannover:  Teppich-  und  Kattunweberei. 

Bergisch-Gladbach,  Stadt  im  preuss.  Begbez.  Köln:  Merino- und  Streich- 
garnspinnerei. 

Bergseide  ist  Asbest  (s.  d.). 

Berilldruck,  ein  Verfahren  des  Zeugdrucks  auf  Wolle,  nach  dem  erhabene 
farbige  Muster  durch  Aufdrucken  mit  Stücken  verdickter  Tafelfarben,  ohne  nach- 
herige Beseitigung  des  Verdickungsmittels  hergestellt  werden.  Gegenwärtig  selten 
mehr  üblich. 

Berkan,  Perkan,  Parkan,  Barakan,  Barrakan  (ursprünglich  arabisch),  (in 
Frankreich  auch  bouracan)  ein  aus  Ziegenhaar  und  Wolle  oder  aus  Kamelhaar 
gewirktes  Zeug;  jetzt  allgemein  ein  sehr  dichter  und  schwerer,  leinwandartig 
gewebter  Stoff  mit  Kette  aus  festem,  zweifädigem  und  Einschlag  aus  drei-  bis 
sechsfädigem  Kammwollzwirn,  der,  mittels  des  Kalanders  (s.  Appretur)  mit  einem 


78  Berlin. 


wellenartigen  Schimmer  (Moirierung)  versehen,  namentlich  als  Möbelstoff  Anwen- 
dung findet;  doch  kommen  unter  dieser  Benennung  auch  leichtere,  aus  unge- 
zwirntem Kammgarn  verfertigte  und  selbst  baumwollene  Gewebe  vor.  In  Frank- 
reich bezeichnet  man  mit  baracan  grosgrain  jenen  B.,  bei  dem  der  Einschlag  stärker 
und  dicker  als  die  Kette  ist  im  Gegensatz  zu  Camelot  baracane,  in  welchem  die 
Kette  stärker  als  der  Schuss  ist. 

Berlin.  Die  Anfänge  der  Seidenindustrie  in  Berlin  beginnen  unter  der 
Regierung  des  Grossen  Kurfürsten  (1640 — 1688) ,  nachdem  Sachsen  nach  den 
Beispielen  in  Frankreich ,  England  und  Holland  vorangegangen  war.  (Vgl. 
Schmoller  und  Hintze,  Die  Preussische  Seidenindustrie  im  18.' Jahrhundert, 
aus:  Acta  Borussica,  Denkmäler  der  Preussischen  Staatsverwaltung  im  18.  Jahr- 
hundert. 3  Bde.  Berlin  1892.)  Die  ersten  Versuche  der  Einführung,  welche 
mit  Dresdener  Unternehmern  gemacht  wurden,  gelangen  nicht;  erst  die  Einwande- 
rung der  französischen  Befugies,  unter  denen  sich  Hunderte  von  Familien  aus 
Seidenmanufakturen  befanden,  führten  zu  befriedigenden  Ergebnissen.  Eine  ganze 
Beihe  der  verschiedensten  Fabriken  entstanden  in  kurzer  Zeit.  Man  fertigte 
Tuch  und  feine  Wollenzeuge,  ihr  schloss  sich  die  Strumpfwirkerei  auf  den 
neuen  mechanischen  Stühlen  an,  wie  sie  französische  Kunstschlosser  in  den  branden- 
burgischen Landen  zu  verfertigen  begannen.  Berlin  kommt  zunächst  für  die 
Seidenindustrie  ausschliesslich  in  Betracht.  Der  Erste,  welcher  eine  Seiden- 
manufaktur anlegte,  war  Jean  Biet,  ein  Unternehmer  aus  Paris.  Eine  Gaze- 
manufaktur ward  1686  begründet;  zu  gleicher  Zeit  entstehen  Bandmanufakturen. 
Von  besonderer  Bedeutung  war  die  Gobelinmanufaktur,  welche  Pierre 
Mercier  1686  einrichtete.  Seit  1647  gab  es  in  Berlin  und  Colin  eine  Zunft  der 
Posamentierer.  Im  Jahre  1697  wurde  Strumpfwirkern  und  Barettmachern 
(s.  Barett),  aus  vertriebenen  Heidelbergern  und  Schweizern  bestehend,  ein  Privi- 
legium bewilligt.  Bei  den  Seidenfabriken  entsprach  der  Fortgang  nicht  ganz 
den  glücklichen  Anfängen  der  ersten  Jahre.  Mangel  an  Kapital  war  die  Haupt- 
ursache daran;  denn  die  kurfürstlichen  Vorschüsse  allein  reichten  nicht  aus,  das 
genügende  Rohmaterial  zu  beschaffen.  Aber  auch  zollpolitische  Verhältnisse 
spielen  hinein,  welche  den  fertigen  Stücken  den  Absatz  nach  aussen  hin  er- 
schweren. So  geht  die  Industrie  allmählich  zurück.  1690  kommt  die  Manufaktur 
von  Biet  zum  Stillstand;  die  Seidenweberei  von  Müller  und  Koppisch  in  Spandau 
bei  B.  geht  1693  ein.  Eine  Berufs  Statistik  von  1700  weist  nur  noch  12  Seiden- 
arbeiter auf.  Der  Karmoisinsammet  zum  Krönungsfeste  konnte  noch  in  B.  ge- 
arbeitet werden;  bald  danach  verfiel  dieser  Fabrikationszweig  gänzlich.  Besser 
haben  ihr  Fortkommen  die  Seidenstrumpf-  und  Bortenwirkerei,  die  Seidenstickerei, 
vor  allem  die  Fabrikation  halbseidener  Zeuge.  Letztere  fand  einen  Halt  an  der 
mehr  und  mehr  aufblühenden  Wollenindustrie,  in  der  neben  französischen  Flücht- 
lingen, Schweizer  und  andere  Kolonisten,  wie  Wegeli  und  Orelli  tätig  waren; 
um  das  Jahr  1710  sind  in  B.  mehr  derartige  Arbeiter,  als  sich  ernähren  können. 
Hofseidensticker  finden  sich  in  B.  seit  dem  16.  Jahrhundert  in  stetiger  Folge: 
nur  Fremdlinge,  wobei  selbst  ein  Türke  ist.  Dann  nehmen  französische  Künstler 
diese  Stelle  ein,  wie  Elie  Pally.  Schon  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  bestand 
in  B.  ein  besonders  privilegiertes  Gewerbe  der  Gold-  und  Silber-,  Perlen-,  Seiden- 
Tind  Wollsticker.  In  enger  Beziehung  zur  Seidenindustrie  steht  auch  die  Manu- 
faktur goldener  und  silberner  Fäden,  Tressen  und  sonstigen  Zierats,  welche  1686 
begründet  worden  war  und  im  ersten  Jahrzehnt  des  18.  Jahrhunderts  unter  allen 
verwandten  Manufakturen  den  glänzendsten  Aufschwung  nahm.  Dieser  Industrie- 
zweig hing  mit  der  Einwanderung  der  französischen  Befugies  nicht  zusammen. 
Inzwischen  ist  in  B.  und  Umgegend  der  Seidenbau  eifrig  betrieben,  welcher  unter 
der  Begierung  Friedrich  Wilhelms  I.  mit  besonderem  Nachdruck  gepflegt  wi/rde. 
Auch  der  Wollen-  und  Leinwandmanufakturen  nimmt  sich  der  König  an.  Von 
den  französischen  Sammet-  und  Seidenstoffmanufakturen  war  damals  nur  noch 
eine,  die  1709  begründete  von  Bourgnignon,  in  Betrieb,  die  auf  10 — 15  Stühlen 
arbeitete  und  ihren  Absatz  zum  guten  Teil  im  Auslande,  namentlich  auf  den 
Messen  zu  Frankfurt  und  Leipzig,  fand.  Für  Halbseidenstoffe  wird  1709  die 
Gutbiersche  Fabrik  begründet,  Delon  (seit  1709)  und  Duchesne  (seit  1713) 


Berlin.  79 


gelten  als  Vertreter  der  Seidenstrumpfwirkerei.  Die  Jahre  1728—35  bezeichnen 
den  Höhepunkt  der  industriellen  Entwickelung  Preussens  unter  Friedrich  Wil- 
helm I.  1732  kommt  der  bisher  in  Dresden  tätige  Seidenfabrikant  Claude 
Pitra  aus  Lyon  nach  B.  und  gründet  auf  Veranlassung  des  Königs  eine  Manu- 
faktur. Mit  dem  Jahre  1735  beginnt  wieder  eine  Handelsstockung,  welche  sich 
bis  in  den  Anfang  der  Regierung  Friedrichs  II.  ausdehnte.  Friedrich  der  Grosse 
schuf  schon  in  den  ersten  Wochen  seiner  Pegierung  eine  neue  Abteilung  im  Ver- 
waltungswesen, das  sogenannte  „Fünfte  Departement",  welchem  die  Sorge  für 
Handel  und  Industrie  im  ganzen  Gebiete  der  Monarchie  übertragen  ward:  unter 
den  näheren  Aufgaben  dieser  Behörde  stand  die  Förderung  der  Seidenindustrie 
obenan.  Zunächst  beschränkte  man  sich  darauf,  das  Vorhandene  vor  dem  Ver- 
fall zu  bewahren.  Bis  zum  Jahre  1748  blieb  die  Geschäftslage  eine  sehr  schwierige. 
Der  Fabrikant  Pitra  beschäftigte  1740  von  seinen  32  Stühlen  nur  noch  6  und 
musste  unterstützt  werdei? ,  um  seinen  italienischen  Seidenhändlern  bezahlen  zu 
können;  seit  1743  hört  mau  nichts  mehr  von  ihm.  1742  hatte  sich  einer  seiner 
Gesellen,  Cuissart  aus  Lyon,  selbständig  gemacht,  musste  aber  wegen  Nieder- 
gang des  Geschäftes  entweichen.  Am  schwersten  litt  unter  der  langen  Absatz- 
stockung die  grosse  Gobelinsmanufaktur  von  Charles  Vigne,  welche  bisher 
meistens  für  das  Ausland,  auch  viel  für  den  russischen  Hof  geliefert  hatte.  Der 
König  selbst  war  der  beste  Abnehmer  im  Lande:  unter  den  Geschenken,  welche 
den  fremden  Gesandten  gegeben  wurden,  sollte  sich  jedesmal  eine  Tapete  von 
Vigne  im  Werte  von  1500  Talern  befinden.  Aber  die  Bedeutung  dieser  Ber- 
liner Industrie  geht  dahin.  Im  scharfen  Gegensatz  dazu  stehen  die  Sammet-  und 
Seidenmanufakturen  in  Potsdam  (s.  d.).  Nach  dem  Dresdener  Frieden  (1745) 
bricht  eine  neue  Zeit  für  die  gesamten  wirtschaftlichen  Unternehmungen  an.  Um 
die  Entwickelung  des  Seidengewerbes  macht .  sich  der  Minister  Marschall  sehr 
verdient.  Als  dieser  1749  stirbt,  übernimmt  Friedrich  der  Grosse  persönlich  die 
Leitung.  In  Berlin  war  damals  der  Gesamtbetrieb  in  allen  Zweigen  der  Industrie, 
mit  Einschluss  der  Halbseiden-,  Seidenstrumpf-  und  Seidenbandfabrikation,  auf 
900 — 1000  Stühle  gebracht  worden,  wovon  4 — 500  auf  Sammet-  und  Seidenzeug- 
manufakturen kamen.-  Die  Arbeiter  stammten  aus  allen  Ländern:  Meister  und 
Gesellen  aus  Italien  und  Oesterreich,  aus  Leipzig  und  Dresden,  aus  Hamburg, 
Amsterdam  und  Kopenhagen,  aus  Basel  und  Zürich,  namentlich  aber  aus  Frank- 
reich und  zwar  vorzugsweise  aus  Lyon,  wo  die  preussischen  Agenten  besonders 
rührig  warben.  In  besonderer  Gunst  beim  König  stand  die  Berliner  Sammet- 
fabrik  von  Gotzkowsky,  welche  aus  derjenigen  von  Blume  hervorgegangen 
war:  sie  beschäftigte  1753  bereits  145  Stühle.  Auch  Girard  und  Michelet 
werden  erwähnt,  als  eines  der  ersten  Handlungshäuser  das  Unternehmen  von 
Fr,  W.  Schütze.  Bernhard  Is'aac  wird  unter  den  jüdischen  Seiden- 
händlern als  einer  der  ersten  genannt.  Viel  Mühe  gab  sich  der  König  schon 
damals  um  die  Einführung  der  Seidenbandfabrikation,  welche  in  Holland,  in 
Basel  und  Krefeld  so  ausserordentlich  grosse  Erfolge  aufzuweisen  hatte:  be- 
sonders bezeichnet  werden  die  Posamentierer  Moses  Ulff  und  Büchling. 
Der  Seidenbau  lag  hauptsächlich  in  den  Händen  der  Geistlichen  und  Schulmänner. 
1750  setzte  der  König  besondere  Preise  aus  für  die  besten  Leistungen  in  und 
um  Berlin.  Eine  hervorragende  Musteranstalt  für  den  Seidenbau  wurde  die  in 
B.  begründete  Königliche  Pealschule,  die  der  Pastor  Heck  er  von  der  Dreifaltig- 
keitskirche leitete.  Der  Seidenertrag  hob  sich  stetig  und  betrug  1754  2637  Pfund, 
wovon  die  Kurmark  allein  1835  Pfund  lieferte.  Um  die  Seidenzwirnerei  zu  fördern, 
liess  man  1748  einige  Seidenzwirner  aus  Lyon  kommen;  die  bedeutendsten  waren 
die  Gebrüder  Fonrobert;  trotzdem  aber  konnte  der  Bezug  des  gezwirnten  Materials 
aus  Italien  nicht  aufgegeben  werden.  —  Der  siebenjährige  Krieg  bildet  den 
U ebergang  zu  einer  neuen  Epoche  auch  für  die  Seidenindustrie  in  B.  Mangel 
an  Arbeitskräften  verteuern  den  Arbeitslohn.  Der  auswärtige  Absatz  geriet 
gänzlich  ins  Stocken.  Als  Gotzkowsky  1756  die  Leipziger  Herbstmesse  bezog, 
konnte  er  statt  deren  sonst  für  40000  Tal  er ,  nur  für  200  Taler  verkaufen. 
Trotzdem  machte  sich  eine  fühlbare  Betriebsstockung  zunächst  nicht  bemerkbar; 
erst  nach    dem  Friedensschlüsse   traten   die  Wirkungen  des  Krieges  in  Handels- 


80  Berlin. 


krisen  hervor.  Der  Erste,  welcher  der  Katastrophe  zum  Opfer  fiel,  war  Gotz- 
kowsky:  er  legte  neben  den  eingegangenen  Seidenfabriken  eine  Porzellanfabrik 
an:  Gr.  nahm  übrigens  in  den  Jahren  von  1746 — 1756  in  der  Geschichte  der 
preussischen  Seidenindustrie  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Trotzdem  dann  in 
den  Jahren  von  1763 — 66  eine  ganze  Peihe  von  Unternehmungen  begründet 
wurden,  sind  erneute  Krisen  nicht  zu  vermeiden.  Man  sucht  im  einzelnen  zu 
helfen,  um  wenigstens  einen  völligen  Stillstand  der  Fabrikation  zu  vermeiden. 
Yon  1766 — 1786  macht  sich  wiederum  ein  lebhafter  Aufschwung  bemerkbar,  der 
namentlich  in  den  70er  Jahren  durch  Massnahmen  des  Königs  erreicht  ist.  Als 
Massstab  hierfür  kann  gelten ,  dass  von  1770 — 1780  der  Absatz  an  allerhand 
Seidenwaren  einheimischer  Fabrikation  (d.  h.  in  Preussen  überhaupt)  auf  den 
Frankfurter  Messen  von  2—300  000  Taler  im  Jahr  auf  7—800  000  Taler  stieg. 
Der  König  ordnet  Verbesserung  der  Fabrikate  an.  Die  Appretur  wurde  durch 
Einführung  der  französischen  Zylindriermaschine  vervollkommnet;  das  Moirieren 
(s.  d.)  der  Zeuge ,  welches  mit  Hilfe  einer  englischen  Maschine  versucht  worden 
war,  wurde  durch  die  Gebr.  Massonneau  wieder  aufgenommen.  Die  in  Mode 
kommenden  chinierten  Zeuge,  bei  welchen  das  Muster  durch  gefärbte  Kette  ge- 
bildet wird,  werden  von  einem  eigens  aus  Frankreich  verschriebenen  Seiden- 
arbeiter gemacht;  auch  auf  gute  Musterzeichner,  Musterleserinnen,  Färber  und 
Färberinnen  wird  Bedacht  genommen.  Im  Jahre  1781  beginnt  wieder  ein  Rück- 
gang, der  indessen  nicht  lange  anzuhalten  scheirt.  Zu  den  bisher  genannten  Er- 
zeugnissen kommt  1769  eine  nach  Pariser  Muster  und  mit  Pariser  Arbeitern 
angelegte  Blondenfabrik.  Ferner  wird  in  demselben  Jahre  eine  Fabrik  künst- 
licher Blumen  nach  italienischer  Art  begründet.  Diese  Artikel  werden  hergestellt 
aus  den  feinen  Häuten  der  Kokons,  bunten  Seidenfäden  u.  s.  w.  Man  beschäftigt 
auch  hier  meist  Pariserinnen.  1773  wurde  die  Manufaktur  an  den  Berliner 
Kaufmann  Friedel  verkauft,  der  mit  150 — 200  Arbeiterinnen  jährlich  für  über 
24000  Taler  an  Wert  herstellt.  Die  Pflege  des  Seidenbaues,  welcher  sich  Fried- 
rich der  Grosse  nach  dem  siebenjährigen  Kriege  wieder  mit  grosser  Fürsorge 
annimmt,  wird  nach  seinem  Tode  vernachlässigt.  Diese  Industrie  hatte  über- 
haupt bald  nach  dem  Regierungsantritt  Friedrich  Wilhelms  IL  eine  schlimme 
Zeit  durchzumachen,  wobei  die  ungünstige  Seidenernte  in  Italien  (1787)  einen 
grossen  Einfluss  hatte.  Der  Preis  des  Materials  stieg  um  mehr  als  40%  und 
die  Fabrikation  wird  eingeschränkt.  In  Berlin  gingen  über  300  Stühle,  etwa 
der  neunte  Teil  der  bisher  betriebenen,  ein;  1791  ist  die  Krisis  wieder  vorüber. 
In  den  Jahren  1794  und  1795  ist  die  Zahl  der  Stühle  in  B.  auf  3  700  und 
4200,  1796  auf  4500  Stühle  gewachsen,  worunter  2800  in  reinseidenen  Stoffen 
beschäftigt  waren.  Auf  den  glänzenden  Aufschwung  der  Berliner  Seidenindustrie 
folgte  ein  Rückgang:  die  Stühle  für  ganzseidene  Waren  gingen  um  1000  herunter. 
Indessen  erhält  sich  das  Seidengewebe  in  bezug  auf  die  Güte  der  Waren  auf 
der  Höhe.  Die  grosse  Katastrophe,  welche  im  Jahre  1806  das  ganze  altpreussische 
Yerwaltungssystem  umstürzte,  hat  auch  die  Berliner  Seidenindustrie  an  den  Rand 
des  Unterganges  geführt.  Im  Jahre  1807  sank  der  Betrieb  auf  523  Stühle,  hob 
sich  noch  einmal  auf  1481,  ging  in  der  Kriegszeit  aber  wieder  stark  herab,  um 
1819  abermals  auf  1122  zu  steigen.  Bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  fabriziert 
Berlin  noch  die  ganzseidenen  und  namentlich  auch  die  gemusterten  kostbaren 
Modestoffe.  Die  Zahl  der  Jacquardstühle  betrug  im  Jahre  1846  für  B.  372 
und  noch  1861  zählte  man  deren  208.  Auch  in  den  gemusterten  Seidenbändern 
"zeichnet  sich  B.  um  diese  Zeit  aus.  Aber  im  Laufe  der  50er  und  60er  Jahre 
sieht  man  sich  gezwungen,  wie  die  übrigen  Fabriken  anderer  Städte,  zu  der 
Herstellung  leichter,  glatter  Stoffe  überzugehen.  Neben  der  eigentlichen  Weberei 
entwickelte  sich  die  Seidenzwirnerei  samt  der  Fabrikation  von  Näh-  und  Stick- 
seide und  namentlich  die  früher  noch  sehr  unvollkommene  Seidenfärberei  zu 
bedeutenden  Gewerbszweigen.  1871  betrug  die  Menge  der  gefärbten  Seide 
320000  Pfd.  und  noch  heut  ist  dieser  Zweig  der  Seidenindustrie  von  Bedeutung. 
Das  eigentliche  Seidenwebergewerbe  ging  aber  immer  mehr  herunter.  Die  Gewerbe- 
zählung von  1875  wies  in  der  Stadt  nur  noch  203  Seidenweber,  einschliesslich 
der    Lehrlinge    auf,    während    überhaupt    im    ganzen    Seidengewerbe    (Spinnerei, 


Berlin.  81 


Zwircerei  u.  s.  w.)    686  Arbeiter  beschäftigt   waren.     (lieber   die  Musterung  der 
älteren  Gewebe  vergl.  den  Artikel  Deutschland.) 

Die  moderne  Textilindustrie  in  B.  erstreckt  sich  besonders  auf 
gewebte  Wollwaren;  sie  umfasst  in  neuester  Zeit  auch  die  Fabrikation  von  Orleans, 
Shawls,  Teppichen  und  Strumpfwaren.  Die  Seidenindustrie  ist  so  gut  wie  ganz 
zurückgegangen,  dagegen  haben  sich  Färberei  und  Druckerei  in  Wollgarn,  Seide 
und  Baumwolle,  sowie  das  Konfektions-  und  Modewarengeschäft  zu  grosser  Blüte 
entfaltet.  —  An  Sammlungen  von  älteren  Textilien  besitzt 

das  König  1.  Kunstgewerbe- Muse  um  (Direktion:  Geh,  Keg.-Kat 
Prof.  Dr.  Lessing  [Sammlung],  Prof.  Ernst  Ewald  [Unterrichtsanstalt],  Dr. 
P.  Jessen  [Bibliothek]),  die  in  geschichtlicher  Beziehung  bedeutendste  der  Welt. 
Sie  verdankt  seit  dem  Jahre  1873  sachgemässe  Anlage  und  weiteren  Ausbau  der 
Tätigkeit  Geh.  Pat  Lessings.  Ein  im  Jahre  1890,  gelegentlich  der  Gesamt- 
ausstellung dieser  Stoffsammlung,  herausgegebener  kleiner  Führer  zählt  11  055  Stücke 
verschiedener  Gruppen  auf,  wovon  6079  auf  die  Gewebe  und  innerhalb  dieser 
1472  auf  solche  Stoffe  kommen,  die  vor  der  gotischen  Periode  liegen.  Eine  aller- 
neueste  Notiz  gibt  12  000  Gesamtnummern  dieser  Sammlung  an  und  es  ist  wohi 
anzunehmen,  dass  unter  den  seit  1890  gemachten  Neuerwerbungen  sich  meistens 
Stoffe  der  älteren  Epochen  befinden.  Den  Hauptschatz  bilden  die  frühmittel- 
alterlichen Stoffe  vor  dem  Erblühen  der  Webereien  in  Aegypten  und  Sizilien. 
Während  das  eine  oder  das  andere  Museum  davon  nur  vereinzelte  Stücke  besitzt, 
finden  sich  hier  Hunderte  z.  T.  vorzüglich  erhaltene  Muster.  Ueberaus  zahlreich 
sind  die  arabischen  Seidengewebe  verschiedener  Perioden  und  ihre  italienischen 
Nachahmungen,  meist  in  grossen  Stücken  vertreten,  ebenso  die  italienischen  des 
15.  und  16.  Jahrhunderts.  Grössere  Gruppen  bilden  die  chinesischen  und  japa- 
nischen Stoffe,  denen  sich  kostbare  Stickereien,  eine  Spitzensammlung  und  orien- 
talische Teppiche  anreihen.  In  Arbeit  befindet  sich  zur  Zeit  die  Veröffentlichung 
dieser  „Gewebesammlung  des  Königlichen  Kunstgewerbe-Museums  zu 
Berlin"  (Verlag  E.  Wasmuth,  Berlin),  welche  auf  400  Tafeln  (200  farbig, 
200  schwarz)  angelegt  ist.  Das  Werk  wird  im  Auftrage  der  Preussischen  Staats- 
regierung mit  erheblichem  Zuschuss  von  Staatsmitteln  herausgegeben;  es  hat 
nicht  nur  den  archäologischen  und  kunsthistorischen  Zwecken  des  Unterrichts  in 
Webeschule  und  Zeichensaal  zu  dienen.  Für  die  Perioden,  in  denen  das  Material 
reichlicher  vorhanden  ist,  dem  späteren  Mittelalter  und  der  Renaissance,  wird 
keine  Vollständigkeit  angestrebt,  es  werden  aber  ausgesucht  schöne  und  typische 
Exemplare  gegeben.  Aehnliche  Publikationen  hat  sowohl  Geh.  Pat  Lessing  per- 
sönlich, als  auch  die  Verwaltung  der  König].  Museen  in  Berlin  als  solche,  über 
Stickereien  und  altorientalische  Teppiche  veranstaltet:  vgl.  hierüber  die  einzelnen 
Artikel.  In  der  Unterrichtsanstalt  des  Museums  bestehen  Zeichenklassen 
für  Flächenmuster,  insbesondere  für  Weberei  und  Stickerei;  auch  wird  eine  be- 
sondere Fachklasse  für  ausführende  Kunststickerei  unterhalten.  Die  Bibliothek 
enthält  alle  Vorlagenwerke,  welche  im  Bereiche  der  Textilkunst  erschienen  sind; 
ein  für  Studienzwecke  höchst  wertvoller  Apparat  ist  die  reiche  Vorbildersamm- 
lung, welche  Photographien  und  sonstiges  Abbildungsmaterial,  in  Mappen  histo- 
risch und  nach  Techniken  geordnet ,  enthält  und  den  Besuchern  zur  freien  Be- 
nützung im  Lesesaal  zur  Verfüg^ang  steht.  Die  Ornamentstichsammlung 
bewahrt  wertvolle  alte  Stick-  und  AVebemusterbücher.  Der  Bibliothek  angeschlossen 
ist  die  (für  sich  aufgestellte)  Freiherrlich  Lipperheidesche  Kostüm- 
bibliothek, welche  für  Trachtenstudien  das  wertvollste  Material  bietet.  — 
Von  anderen  Abteilungen  der  Königl.  Museen  in  Berlin  enthält  diejenige  der 
ägyptischen  Altertümer  [Direktor:  Prof.  Dr.  Ermann]  eine  reiche  Samm- 
lung von  Textilien,  welche  in  den  letzten  Jahren  durch  die  koptischen  Grab- 
funde eine  wertvolle  Bereicherung  erfahren  hat.  Für  Studien  im  Bereiche 
altchristlicher  Kunst  ist  in  Vorbereitung  eine  Sammlung  derselben  Grabfunde, 
welche  im  Kaiser  Friedrich-Museum  [Direktor:  Geh.  Peg.-Pat  Dr.  Bode] 
aufgestellt  werden  wird. 

Das  Museum   für    deutsche  Volkstrachten  und  Erzeugnisse 
des  Hausgewerbes,    im  Jahre  1888  errichtet,    enthält  für  Studien  über  ge- 
Heiden, Handwörterbuch  der  Textilknnde.  6 


82  Bern — Bettdecken. 


webte  und  gestickte  Bauerntrachten  und  damit  zusammenhängende  Einzelheiten 
ein  reiches  Material.     (Führer  herausgegeben  1895.) 

Die  Städtische  Höhere  Webeschule,  (Direktor:  Gr.  Weber), 
zerfällt  in  eine  Tages-,  eine  Abend-  und  Sonntagsschule;  es  wird  in  der  Weberei 
Wirkerei,  Posamentierer  ei  und  Färberei  unterrichtet ,  wobei  die  Be- 
dürfnisse der  Berliner  Textil-  und  Konfektions-Industrie  Berücksichtigung 
finden.  Eingeschlossen  sind:  kaufmännische,  Musterzeichnen-,  Hand-  und  Maschinen- 
stickerei-Kurse,  die  nach  Bedürfnis  erweitert  werden.  Die  Dauer  derselben  ist 
je  nach  Bedarf  und  den  Verhältnissen  bemessen ;  der  jährliche  Kursus  kostet  für 
Schüler  des  preussischen  Staates  60  Mark. 

Zum  Zwecke  des  Unterrichts  in  der  Stilkunde  ist  eine  umfangreiche  Stoff- 
sammlung angelegt,  welche  Gewebe,  Stickereien,  Si3itzen  und  Teppiche  älterer 
Zeit  enthält,  woran  sich  Musterkollektionen  der  modernen  Industrie  anschliessen. 

Die  König].  Preussische  Zentralstelle  für  Textilindustrie, 
(Direktor:  Professor  Max  Gürtler),  übt  die  Aufsicht  über  die  Preussischen 
Fachschulen  für  Textilindustrie  im  Auftrage  des  Ministeriums  für  Handel 
und  Gewerbe  aus.  Sie  fertigt  Lehrmittel  für  die  Fachschulen,  übernimmt 
chemisch-technische  Untersuchungen  aller  in  das  Textilfach  schlagenden  Mate- 
rialien und  vermittelt  die  Arbeitsverteilung  an  die  Königl.  Preussischen  Stick- 
schulen. 

Bern,  Hauptstadt  des  Schweiz.  Kantons  und  Bezirks  B. :  Woll-,  Seiden- 
und  BaumwoUwarenfabrikation.     (Vgl.  Burgundische  Tapeten.) 

Bernau  in  der  Mark,  Stadt  im  preuss.  Eegbez.  Potsdam:  Woll-,  Baum- 
woll-  und  Seidenweberei,  Posamentenfabriken. 

Bernay,  Hauptstadt  des  Arrond.  im  franz.  Depart.  Eure :  Woll-  und  Baum- 
wollspinnereien, Garnbleichen.     Wichtig  ist  die  Leinwandmesse. 

Berneck,  Stadt  im  bayr.  Regbez.  Ostfranken :  Baumwollenweberei,  Leinen- 
fabrik. 

Bernstadt,  Stadt  in  Schlesien:  Tuchweberei. 

Berthelsdorf  bei  Hainichen,  in  der  Amtshauptmannschaft  Döbeln  der 
sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  bedeutende  Flanellfabrik,  Wollspinnerei 
und  Bleichen. 

Berthelsdorf  bei  Herrenhut   in  der  Oberlausitz:   Baumwolldamastweberei. 

Berwer,  abgeleitet  von  berbicinus,  im  Mittelalter  Name  eines  Wollenstoffes. 

Besan^on,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Doubs  und  des  Arrond.  B. : 
bedeutende  Fabriken  liefern  Leinwand,  Woll-,  Baum  woll-  und  Seidenzeuge; 
Tuchhandel. 

Besatztuch,  aus  Streichwolle  hergestelltes  T. ,  gewalkt,  gerauht  und  ge- 
schoren. 

Besigheim,  Oberamtsstadt  im  württ.  Neckarkreis :  Fabrikation  von  Band- 
und  Trikotwaren. 

Besooty,  eine  Sorte  Cassas  (s.  d.)  welche  die  Dänen  ehemals  aus  Ost- 
indien brachten. 

Bestaubte  Tapeten,  s.  Flocktapeten. 

Bethilles,  Betilles,  ein  lockeres,  baumwollenes,  meistens  weissgestreiftes 
oder  weissgegittertes  Gewebe,  welches  in  vielen  Gegenden  Ostindiens  häufig  ver- 
fertigt und  nach  allen  Gegenden  Asiens  kommt ;  früher  brachten  es  die  Holländer, 
Franzosen  und  Dänen  auch  nach  Europa,  allein  schon  seit  Jahren  wird  der  Stoff 
hier  durch  die  schottischen,  sächsischen  und  schweizerischen  Musseline  verdrängt. 

Bethune,  Hauptstadt  des  Arrond,  B.  im  franz.  Depart.  Pas-de-Calais : 
Leinwandbleichen  und  ansehnlicher  Handel  mit  Leinwand. 

Bettbarchent,  Bettdrell,  s.  Barchent.  '' 

Bettdecken  als  abgepasste  Ware,  Schlafdecken  (franz.:  couvertures 
de  lit),  bilden  in  allen  Stoff-  und  Webarten  einen  bedeutenden  Handelsartikel. 
Es  sind  gewöhnlich  dichte  festgewebte  Zeuge  aus  Schafwolle,  Baumwolle,  Seide 
und  aus  sonstigen  gemischten  Stoffen,  die  in  deutschen,  niederländischen,  fran- 
zösischen und  englischen  Manufakturen  verfertigt  werden.  Die  schafwollenen 
Decken    sind    hierunter    am    gangbarsten ,    besonders    die    sogenannten    Burger- 


Betthimmel.  83 


decken,  welche  im  früheren  Herzogtum  Berg  (s.  d.),  in  und  um  Burg,  und  die 
Neumünster-Decken  in  Holstein,  gewöhnlich  aus  B,auh-  oder  Pelzwolle  der 
Weissgerber,  die  man  aus  den  benachbarten  Provinzen  bezieht,  in  grosser 
Menge  verfertigt  und  von  da  nach  allen  Gegenden,  wo  die  Decken  von  Federn 
nicht  in  Gebrauch  sind,  verkauft  werden.  Obenan  stehen  eigentlich  die  ge- 
wöhnlichen Sorten ,  welche  nicht  nur  zu  Lagerdecken  für  die  Soldaten  und 
Krankenhäuser,  sondern  auch  für  die  Kavallerie  unter  die  Sättel  der  Pferde 
gebraucht  werden.  In  denselben  Werkstätten  bei  Burg  u.  s.  w.  werden  auch 
die  sogenannten  Baumwollendecken  gemacht,  deren  Kette  gewöhnlich  von  Leinen- 
garn, der  Einschlag  von  Baumwolle  ist  und  welche  nicht  gewalkt,  sondern  nur 
trocken  gerauht  und  aufgekratzt  werden  und  zwar  mit  Karden.  Ausser  diesen 
Burgerdecken  macht  man  auch  solche  in  Bayern,  Hannover,  Sachsen  u.  s.  w., 
ebenso  werden  sie  im  Böhmischen,  Mährischeu  und  Schlesischen  in  den  ver- 
schiedensten Sorten  gefertigt.  Die  englischen  Manufakturen  liefern  eine  grosse 
Menge  von  Bettdecken  in  allen  möglichen  Arten  von  Geweben  und  Stoffen  unter 
den  verschiedensten  Bezeichnungen :  Pose  Blankets  (weisse,  wollene),  Parish  Man- 
tels (langhaarige,  bunte),  Cots  oder  Cuts  (gewöhnliche  für  die  Hängematten  in 
den  Schiffen),  Hykes  (ganz  dichte  und  festgewebte)  u.  s.  w.  Torringtons  sind 
geköperte  Decken.  Baumwollene,  barchentartig  gewebte  und  auf  der  einen  Seite 
gerauhte  Decken  liefern  namentlich  die  Manufakturen  von  Manchester  unter  dem 
Namen  Counterpanes  (vgl.  Palampores).  Dergleichen  kommen  auch  aus  Sachsen : 
aus  der  Gegend  von  Hohenstein.  In  Frankreich  werden  wollene  Decken,  meistens 
ungeköpert,  mit  und  ohne  eingewirkte  Streifen  gewebt :  Canadas  (festgewebte, 
dicht  gewalkte,  weisse),  deren  grösster  Teil  nach  Nordamerika  geht;  die  besten 
macht  man  in  Pouen  und  Darnetal  aus  spanischer  Wolle.  Castalognes  oder 
Castelognes  sind  feine  weisse  Decken,  welche  ursprünglich  aus  Barcelona  und 
Umgegend  in  den  Handel  kamen,  später  aber  auch  in  Frankreich  nachgemacht 
wurden.  Haardecken  (thibandes)  werden  viel  im  franz.  Depart.  Calvados  gefertigt 
und  als  Pferdedecken  nach  der  Schweiz,  Belgien  und  i^merika  geliefert.  Bett- 
decken verschiedener  Grösse  aus  Kattun,  Pique,  Seidenzeug  u.  s.  w.  werden 
auch  zum  Verkauf  genäht;  man  pflegt  sie  mit  Baumwolle,  Watte  oder  Florett- 
seide auszustopfen  und  dann  in  Mustern  zu  übersteppen,  damit  das  dazwischen 
wattierte  Material  sich  nicht  verschiebt.  Einige  Sorten  dieser  doppelten  oder 
gesteppten  Decken  kommen  unter  dem  Namen  Courte  pointe  oder  Contre  pointe 
aus  Frankreich.  In  Italien  sind  die  Corperte  per  Letto  als  Bettdecken  ein  sehr 
guter  Artikel. 

Gestickte  Bettdecken  gehören  in  neuerer  Zeit  oft  zu  den  selbst- 
gefertigten Gegenständen  der  Aussteuer.  Man  näht  Bahnen  des  am  breitesten 
liegenden  Kongress-  oder  Kanevas-,  Leinen-  oder  Baumwollenstoffes  zusammen 
und  stickt  breite  Borten-  oder  geeignete  Streumuster  in  rot  und  blauem 
waschbarem  Garn  darauf.  In  vornehmeren  Häusern  sind  neben  den  Filetbett- 
decken, deren  Untergrund  aus  schwerer  farbiger  Seide  besteht,  auch  solche  mit 
aufgenähtem  breitem  Seidenband  in  der  Linienführung  des  sogenannten  Kurven- 
stils (s.  d.)  in  Aufnahme  gekommen,  wobei  nur  eine  Decke  für  zwei  zusammen- 
stehende Betten  eingerichtet  wird ,  in  der  Art ,  wie  solche  in  früheren 
Zeiten  für  die  breiten  ,  sogenannten  Himmelbetten  üblich  waren,  (Vgl. 
Abb.  35). 

Betthimmel  (lat. :  celura,  coelum;  franz.:  ciel  de  lit;  engl.:  sperver, 
esperver),  als  Bekrönung  der  breiten,  reichgeschmückten,  sogenannten  „Parade- 
betten" hatten  sich  in  der  Penaissancezeit  allmählich  aus  dem  in  geschwungenem 
Giebel  abgeschlossenen  Kopfblatt  des  Bettes  entwickelt,  wo  man  diesen  von  der 
bisher  mit  der  übrigen  Architektur  zusammenhängenden  Wandbekleidung  loslöste. 
Ein  auf  vier  Säulchen  ruhendes  Gebälk  enthält  in  leichtem  Pahmen  einen  glatten 
oder  drapierten  Umhang  aus  reich  gemusterten  gewebten,  gestickten  oder  be- 
malten Stoffen,  welche  als  Lambrequinstreifen,  oberer  Fries  oder  Behang,  den 
herüberhängenden  Abschluss  bilden.  Im  17.  Jahrhundert  fallt  die  vollstän- 
dige Ueberdachung  des  Bettes  weg  und  der  B.  erscheint  von  der  Wand  her  als 
krönender  Baldachin  (s.  d.)  über  dem  Kopfende  des  Lagers. 


34  Bettleinwand — Biambonnees. 

Bettleinwand,  eine  bunte,  gewöhnlich  rot  und  weiss  oder  auch  blau  und 
weiss,  in  verschiedenen  Mustern  karierte  Leinwand,  in  welcher  häufig  die  bunten 
Fäden  Baumwollengarn  und  nur  die  weissen  Leinen  sind,  die  sich  aber  durch 
ihr  festes  dichtes  Gewebe  auszeichnet  und  deshalb  zu  gewöhnlichen  Bettüber- 
zügen verbraucht  wird.  Die  Art  des  Stoffes  mit  der  karierten  Musterung  ist 
schon  im  frühen  Mittelalter  bekannt  gewesen :  es  haben  sich  zahlreiche  Beispiele 
hiervon  in  koptischen  Gräbern  gefunden  (s.  d,). 

Bettlersammet  (franz.:  velours  de  gueux),  ein  französischer  Stoff,  dessen 
Kette  von  Leinengarn,  der  Einschlag  von  Baumwolle  gemacht  wird;  man  webt 
ihn  besonders  in  der  Gegend  von  Lyon. 

Bettstout  (engl.),  Bettdrell,  Inlett,  einfarbig  oder  gestreifter,. dicht  gewebter 
Baumwollenstoif  in  Bindung  von  vierschäftigem  Köper. 

Betzingen,  Dorf  in  Württemberg :  Baumwollspinnerei  und  -weberei ;  Fa- 
brikation von  Nähzwirn  aus  Leinen,  und  von  Weberuten süien ;  eigene  Volkstrachten. 

Beuchen  (Bäuchen,  Büken),  Wäsche,  Garne,  Gewebe  zur  Wäsche  in  Lauge 
(Beuche)  einweichen. 

Beuel,  Dorf  im  preuss.  E,egbez.  Köln :  Jutespinnerei  und  -weberei,  Gurten - 
fabrik  und  Rosshaarspinnerei. 

Beuteltuch,  Siebtuch,  Siebleinwand,  Müllertuch,  Müllergaze  (franz. :  toile  ä 
bluteau,  toile  ä  moulin,  toile  ä  tamis,  toile  ä  sas,  etamine  ä  bluteau ;  engl.:  bolding 
cloth) ;  durchsichtige ,  fein  netzförmige ,  aber  aus  starken ,  fest  gedrehten  Fäden 
gewebte  Stoffe,  welche  sowohl  zum  Durchsieben  oder  Durchbeuteln  des  Mehls  in 
den  Mühlen,  als  auch  za  Sieben,  Fensterrahmen  u.  s.  w.  gebraucht  werden.  Die 
verschiedenartige  Anwendung  macht  dieses  Gewebe  zu  einem  bedeutenden  Han- 
delsartikel. Man  webt  den  Stoff  meistens  aus  Wollengarn,  doch  kommt  er  auch 
aus  Leinen,  Baumwolle,  roher  Seide  und  aus  Haaren  in  Verwendung  (s.  a. 
Haartuch). 

Bevagna,  Stadt  im  Kreis  Spoleto  der  ital.  Prov.  Perugia:  Handel  mit 
den  berühmten  Hanf-  und  Leinengeweben. 

Beveren  (Beveren-Waes),  Dorf  in  der  belg.  Prov.  Ostflandern:  bedeutende 
Spitzenklöppelei. 

Beyrut,  s.  Beirut. 

Bezane,  Bezans,  heissen  in  Frankreich  verschiedene  weisse  oder  gestreifte, 
auch  mannigfaltig  gefärbte  bengalische  Kattunsorten. 

Bezetten,  Bezetta,  Tournesolläppchen,  mit  Farbstoffen  verschiedener  Art 
imprägnierte  Leinwandläppchen,  die  vorzugsweise  zum  Schminken  benutzt  werden. 

Beziers,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Herault :  Woll- 
spinnereien, Seiden-  und  Wollmanufakturen ;  Handel  mit  Seide. 

Bhamo,  Bhamr,  Bhamar,  Bamo  oder  Bhanmo ;  birman.  Bhamaw ;  chines. 
Sin-kai  (Neumarkt),  bedeutendste  Handelsstadt  in  Birma  in  Hinterindien.  Der 
sehr  belebte  Ort  ist  Hauptsitz  des  birman. -chines.  Handels.  Alljährlich  treffen 
hier  vom  Oktober  bis  Mai  (nur  die  Regenzeit  unterbricht  den  Verkehr)  die  mit 
Seide  und  Manufakturwaren  beladenen  Karawanen  chines.  Kaufleute,  zunächst 
aus  der  Prov.  Jün-nan  und  die  flachen  Boote  der  Birmanen  mit  ihren  Baum- 
wollballen zusammen.  Der  IJeberwert  der  Baumwollausfuhr  findet  seine  Aus- 
gleichung zum  Teil  durch  Einfuhr  von  Sammet-  und  Seidenzeugen,  russ.  Tuch 
u.  s.  w.  Versuche  der  Engländer,  von  hier  aus  den  Handel  mit  Südwestchina 
zu  leiten,  sind  an  der  Landesnatur  gescheitert,  da  zwischen  B.  und  Jün-nan  hohe 
schneebedeckte  Ketten  zu  übermüden  sind.  (Vgl.  Kreitner,  Im  fernen  Osten, 
Wien  1885.) 

Bhangulpore,  ostindische  Baumwollsorte. 

Bharotsch,  Hauptstadt  des  Distrikts  B.  der  Prov.  Gudschrat  in  d^r  indo- 
britischen Präsidentschaft  Bombay:  bedeutende  Baumwollpflanzungen. 

Biala,  Stadt  in  Galizien :  bedeutende  Leinwandweberei  und  Hauptsitz  der 
galizischen  Tuchfabrikation,  deren  Produkte,  insbesondere  bunt  gefärbtes  Tuch, 
nach  dem  Orient,  schwarzes    nach  der  Schweiz  und  Amerika  ausgeführt  werden. 

Biambonnees,  ostindische  Zeuge,  welche  ganz  aus  Baumbast  gefertigt  und 
gewöhnlich  dunkelbraun  oder  dunkelgelb  gelärbt  werden  (s.  Bast). 


Biancavilla — Biella.  85 


Biancavilla,  das  alte  luessa,  Stadt  in  der  Prov.  Catania  auf  Sizilien: 
alle  Baumwollengewebe  dieses  Teiles  von  Sizilien  heissen  Biancavilla-Zeuge. 

Bias,  bucharisch  und  kalmückisch  Bös,  weisser  baumwollener  Stoff  in  drei 
Sorten,  dem  Tschaldar  (s.  d.)  ähnlich.  Er  kommt  häufig  im  russischen  Handel 
mit  den  Biicharen  und  Kalmücken  vor,  am  meisten  in  Astrachan,  Orenburg  und 
einigen  sibirischen  Gegenden. 

Blasse,  rohe,  levantinische  Seide. 

Biaza,  russ.  Armiak,  eine  Art  Kamlot,  von  den  astrachanischen  Tataren 
aus  Kamelhaar  gefertigt. 

Biber  (engl.:  Beavers),  in  einzelnen  feinen  Sorten  nach  dem  Französischen 
Castorin  und  nach  dem  Englischen  Beaver  genannt,  ein  beidrecht  geköpertes  Woll-, 
jetzt  meist  Baumwollgewebe  mit  feiner,  stark  gedrehter  Kette  und  grobem,  schwach- 
gedrehtem Einschlag,  das  auf  beiden  Seiten  sehr  stark  gerauht  ist  •  hiernach  bilden 
die  in  der  Längenrichtung  des  Stücks,  nacb  dem  Strich  liegenden  Härchen  des 
Einschlags,  eine  dichte  Decke,  wodurch  der  Stoff  das  Aussehen  eines  dicken 
langhaarigen  Tuches  gewinnt. 

Biberach  in  Württemberg,  Stadt:  Posamentierwarenfabriken. 

Bicester,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Oxford :  Spitzen-  und  Sackleinwand- 
fabrikation. 

Biddeford,  Stadt  im  County  York  des  nordamerik.  Staates  Maine:  Baum- 
wollspinnereien . 

Bideford,  Hafenstadt  in  der  engl.  Grafschaft  Devon:  Spitzen-  und  Segel- 
tuchfabrikation. 

Biedenkopf,  Kreisstadt  im  preuss.  ßegbez.  Wiesbaden:  "Wollweberei. 

Biel,  Hauptstadt  im  Schweiz.  Kanton  Bern:  Baumwollspinnereien. 

Bielefeld,  Stadt  im  preuss.  Pegbez.  Minden :  einer  der  wichtigsten  Plätze 
Deutschlands  für  Leinweberei  und  Flachsspinnerei.  Erstere  wird  schon  im  An- 
fang des  14.  Jahrhunderts  erwähnt,  jedoch  erst  durch  Einwanderer  aus  den 
Niederlanden  im  16.  Jahrhundert  gefördert,  die  in  und  um  B.  die  Fabrikation 
der  Schleier,  der  sogenannten  klaren  Leinewand,  und  die  Flachsspinnerei  ein- 
führten. Der  neue  Erwerbszweig  blühte  besonders  seit  den  Zeiten  des  Grossen 
Kurfürsten  rasch  auf.  Die  Batist-  und  Damastweberei,  worin  B.  ebenfalls  einen 
Puf  geniesst,  kam  seit  dem  Siebenjährigen  Krieg  in  Aufnahme.  Gegenwärtig 
liefert  B.  besonders  feinere  Sorten  Leinen,  ausserdem  fertige  Wäsche,  wobei 
über  160  Firmen  arbeiten  (zum  Teil  mit  Dampf  getriebene  Nähmaschinen)  und 
über  3500  Personen  beschäftigt  sind.  Von  Bedeutung  sind:  die  Pavensberger 
Spinnerei  mit  der  Filiale  in  Wolfenbüttel  (30  200  Spindeln),  die  Spinnerei  Vor- 
wärts (10  850  Spindeln),  die  beide  zusammen  für  9  Mill.  Mk.  jährlich  fertig 
stellen,  und  die  1863  begründete  mechanische  Weberei  (950  Stühle  und  200  000 
Stück  Jahresproduktion).  Die  grossartigen  Bleichen  um  B.  sind  meist  nach 
irländischem  und  belgischem  System  eingerichtet.  In  neuerer  Zeit  wird  auch 
Seiden-,  Sammet-  und  Plüschweberei  betrieben.  Unter  dem  Namen  Biele- 
felder Leinwand  versteht  man  eines  der  besten  deutschen  Leinen;  durch 
ihr  dichtes,  gleiches  Gewebe,  durch  die  Gleichheit  der  Fäden,  welche  durch  den 
Gebrauch  nicht  dicker  werden,  wie  es  bei  der  anderen  Leinwand  häufig  der 
Fall  ist,  und  durch  ihre  Haltbarkeit  steht  sie  der  holländischen  L.  wenig  nach ; 
die  feinste  kommt  dem  niederländischen  Batist  nahe.  Früher  wurden  die 
Stücke  der  B. -Leinwand  an  beiden  Enden  mit  einem  Adler  gestempelt,  da  die 
verpflichteten  Schau-  oder  Leggemeister  jedes  Stück  auf  den  „Leggen"  genau 
untersuchten  und  dasjenige,  welches  nicht  für  fehlerfrei  erkannt  wurde,  weder  ge- 
stempelt, noch  auf  den  Bleichen  zugelassen,  auch  nicht  ausser  Landes  verkauft 
werden  durfte. 

Bielitz,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien :  bedeutende  Schafwollindustrie, 
ausserdem  Flachsgarn-  und  Jutespinnerei.  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  der 
Handel  des  Ortes  in  Tuch  waren  nach  dem  Orient.  (Vgl.  Haase,  Die  Bielitz - 
Bialaer  Schafwollwarenindustrie  Teschen-Bielitz  1874). 

Biella,  Hauptstadt  der  ital  Prov.  Navarra :  viele  Manufakturen  in  Tüchern, 
Leinwand;  Handel  mit  Seide. 


8()  Bienenzellenmuster — Bildwirkerei. 

Bienenzellenmuster  (franz.:  dessin  alveolaire;  engl.:  cellular  pattern),  ein 
aus  sechseckigen  Feldern  bestehendes  Muster,  das  im  Füllgrund  gewisser  fran- 
zösischer Spitzen  des  18.  Jahrhunderts  vorherrscht;  aber  auch  schon  am  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  in  spanischen  Sammetstoffen  sehr  beliebt  ist,  wo  es  auf 
Grund  geometrischer  Konstruktion  entstand.     (Vgl.  auch  Bobbinnet.) 

Bietigheim,  Stadt  in  Württemberg :  grosse  Kammgarnspinnerei  5  Färbereien. 

Biggleswade,    Stadt    in  der  engl.  Grafschaft  Bedfort:    Spitzenfabrikation. 

Bilbao,  Hauptstadt  der  span.  Provinz  Biscaya:  Baumwollfabrik,  Tuch- 
fabriken; bedeutende  Ausfuhr  von  Wolle. 

Bildgewebe  (franz.:  etoffes  faconnees;  engl.:  fancy  cloth) ,  gemusterte, 
fassonnierte,  dessinierte;  figurierte  Stoffe;  diejenige  Art  von  Geweben,  in  denen 
durch  Benützung  verschiedenartiger  Kett-  und  Schusseffekte,  mit  oder  ohne 
Farbenverschiedenheit,  eine  Zeichnung  (Muster,  Dessin,  Figur)  hergestellt  ist : 
daher  Bildweberei  s.  v.  w.  Musterweberei.  Die  Zeichnung  kann  entweder  in 
regelmässiger  Anordnung  auf  der  ganzen  Fläche  wiederholt,  oder  in  Form  und 
Grösse  dem  Gebrauch  des  Stoffes  entsprechend,  gleichsam  architektonisch 
innerhalb  eines  bestimmt  abgegrenzten  Raumes  mit  Borte  oder  Einfassung, 
Mittelstück,  Eckstücken  u.  s.  w.  angeordnet,  also  nur  einmal  ausgeführt  werden. 
Stoffe  der  letzten  Art  werden  abgepasst  genannt;  zu  ihnen  gehören  Tafeltücher, 
Servietten ,  Handtücher ,  gewebte  Teppiche  u.  s.  w.  Der  Grund  wird  bei 
einfachen  Stoffen  meist  in  glatten  Bindungen:  leinwand-,  köper-,  atlas-,  zuweilen 
auch  wohl  gazeartig  gewebt;  die  Flächen  des  Musters  werden  meist  durch  flottere 
Bindungen  gebildet,  z.  B,  Leinwandgrund  mit  fünf-  oder  sechsbindigen  Atlas- 
figuren, oder  fünfbindiger  Schussatlasgrund  mit  Figuren  in  acht-  oder  zehn- 
bindigem  Atlas;  oder  man  lässt  nur  den  Kett-  und  Schusseffekt  bei  gleichen 
Bindungszahlen  wirken,  wie  bei  Damast.  Bei  Doppelgeweben  mit  mehreren 
Ketten  und  Schüssen  besteht  das  auf  glattem  Grund  gebildete  Muster  aus  lang- 
flottenden  Kett-  oder  Schussfäden,  die  nur  an  passenden  Stellen  abgebunden 
werden,  oder  es  arbeitet  wohl  auch  ein  glattes  Untergewebe  mustermässig  durch 
ein  glattes  Obergewebe,  z.  B. :  baumwollene  Garten-  und  Kaffeetischdecken.  Um  das 
Muster  möglichst  hervortreten  zu  lassen,  wird  dasselbe  öfters  in  feinem,  glänzen- 
dem, lebhaft  farbigem,  sogar  von  dem  Stoff  des  Grundes  verschiedenem  Material 
hergestellt,  namentlich  aber  wird  das  Sichtbarw^erden  der  Zeichnung  durch  Frei- 
liegen (Flotten)  der  musterbildenden  Fäden  erreicht.  Prinzipiell  soll  die  Faden- 
verbindung des  Musters  eine  wirkungsvollere,  gefälligere  als  die  des  Grundes  sein, 
mindestens  darf  sie  dieser  in  Glanz  und  Farbe  nicht  nachstehen.  In  manchen 
Fällen  kommt  ein  glatter  Grund  überhaupt  nicht  zum  Vorschein,  indem  das 
Muster  mit  seinen  mannigfaltigen  Formen,  aus  verschiedenen  Ketten  und  Schüssen 
gebildet,  die  Fläche  des  Gewebes  vollständig  deckt:  z.  B.  bei  Gobelinimitationen. 

Bildwirkerei  bezeichnet  eine  Handfertigkeit,  welche  auf  senkrecht  oder 
Avagerecht  gespannter  Kette  durch  Einziehen  farbiger  Fäden  bildartige*  Flächen 
herstellt.  Die  Technik  an  und  für  sich  reicht  in  ein  hohes  Altertum  zurück 
und  darf  als  eine  Vorstufe  der  eigentlichen  Weberei  gelten:  wir  sehen  sie  bei 
allen  Völkern  entstehen,  sobald  es  sich  um  Anfänge  einer  Stoffmusterung  handelt» 
Hatten  dies  schon  früher  vereinzelt  vorkommende  Proben,  sowie  die  Mumien- 
stoffe von  Peru  (s.  d.)  gezeigt,  so  wurde  die  volle  Bestätigung  dafür  gegeben 
durch  die  seit  etwa  zwei  Jahrzehnten  aus  den  sogen.  Koptischen  Gräbern  (vgl. 
den  Artikel  Koptische  Funde)  zu  uns  gelangenden  Wirkereien.  Die  künstlerische 
Ausbildung  der  B.  hat  je  nach  dem  Stande  der  Kultur  stattgefunden.  Für  die 
gröbste  Art  solcher  Wirkereien  geben  uns  die  sogen.  Kilims  (s.  d.)  der  asiatischen 
Völker  ein  Beispiel.  Ihre  zackig  absetzende  Musterung  ist  entstanden,  indem 
man  bunte  Wolle  durch  bestimmte  Gruppen  von  Kettfäden  hin  und  her  ^führte, 
ohne  dabei  in  andere  Farben  oder  nebenliegende  Grundfäden  überzugreifen.  Durch 
diese  Art  der  Mustergebung  ist  es  bedingt ,  dass  an  den  Kanten  der  einzelnen 
Farbenflecken  die  Kettfäden  auseinanderfallen  und  Schlitze  gebildet  werden.  Der 
Orientale  kennt  aber  keine  andere  Art  der  Bildwirkerei,  sie  hat  bei  ihm  sogar 
seit  altersher  im  feinsten  Material,  in  Seide  und  Goldfäden,  die  vollendetste 
Ausbildung  erfahren.    (Vgl.  den  Artikel  Schlitzwirkerei.)    Es  wohnt  den  Völkern 


Billardtuch — Bindungen.  87 


des  Orients  das  Gefühl  inne,  die  Art  der  Nadelmalerei,  wie  sie  die  auf  höchster 
Stufe  stehende  Technik  der  B.  erzeugt,  durch  die  Stickerei  darzustellen.  (Vgl.  orien- 
talische Stickereien.)  In  Europa  führen  uns  die  ersten  Bildwirkereien  nach  den 
nördlichen  Ländern,  mit  ihnen  setzt  eine  andere  Art  ihres  Gebrauchs  ein  und 
auch  die  Technik  erweitert  sich.  (Vgl.  nordische  Kunstweberei.)  Fanden  im 
Orient  die  gewirkten  Arbeiten  Verwendung  zur  Ausstattung  der  Kostüme,  und 
gröbere-  Kilims  zu  Behängen  der  Zelte  u.  dgl.,  so  nimmt  die  B.  in  Europa  unter 
den  verschiedensten  Benennungen  die  Gestalt  des  Wandteppichs  (s.  d.)  an,  dessen 
Musterung  und  Technik  sich  mit  der  Zeit  so  vervollkommnet,  dass  sie  sich  in 
Frankreich  unter  dem  Namen  Gobelin  (s.  d.)  als  Tapisserie  (s.  d.)  in  die  Reihen 
der  ersten  Kunstwerke  einordnet. 

Billardtuch,  aus  Streichwollen  hergestelltes  T.,  roh  gewebt  und  im  Stück 
gefärbt  (grün),  in  Bindung  von  dreischäftigem  Köper. 

Billerbeck  in  Westfalen:  Leinwandweberei. 

Binche,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Hennegau,  nach  welcher  man  ver- 
schiedene Arten  von  älteren  Klöppelspitzen  bezeichnet,  die  aber  nicht  alle  ihren 
Ursprung  hier  haben.  Die  eigentliche  B.  ist  eine  geklöppelte  Spitze  der  Kokoko- 
zeit,  welche  sich  durch  ihre  unendliche  Feinheit  in  der  Textur  auszeichnet:  ihre 
Blütezeit  geht  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts,  die  Musterung  bewegt  sich 
in  Ranken  aus  breitem  Blatt-  und  Blütenwerk ,  welche  der  sogenannten  point 
d'Angleterre  ähnlich  sieht.  Schon  seit  dem  Ende  des  18.  Jahrhunderts  werden 
in  B.  die  sogenannten  Fleurs  ä  plat  für  die  in  Brüssel  auf  Tüll  „applizierten 
Spitzen"  gefertigt.  (Vergl.  Artikel  und  Tafel  Klöppelspitzen,  sowie  das  Werk: 
Lejeune,  Histoire  de  la  ville  de  B.   [Binche  1890].) 

Bindelli  nennt  man  in  Italien  die  seidenen,  goldenen  und  silbernen  Borten, 
die  besonders  in  Mailand  auch  unter  dem  Namen  venetianische  Borten  verfertigt 
werden;  in  früherer  Zeit  wurden  sie  auch  in  Wien,  Berlin,  Hamburg  und 
Leipzig  gewirkt. 

Bindfaden,  Spagen,  Spagatfaden  (franz. :  ficelle ;  engl. :  string,  pack  thread ; 
ital. :  spago) ,  eine  aus  Flachs  oder  Hanf  gesponnene  dünne  Schnur ,  die  aus 
zweifach  oder  dreifach  zusammengesetzten  Fäden  besteht,  welche  bald  stärker, 
bald  schwächer,  bald  fester,  bald  lockerer  gedreht  sind.  Die  feinste  Art  ist  der 
sogenannte  Kanzleibindfaden,  die  gröbste  Art  der  Zuckerbindfaden.  (Vergl.  die 
Artikel  Schnüre  und  insbesondere  Seilerei.) 

Bindlöcher  werden  in  der  Weissstickerei  runde  ausgeschnittene,  durch 
Knopflochstiche  übernähte  Durchbrüche  genannt. 

Bindungen  heissen  in  der  Weberei  die  Verkreuzungen  der  Kettfäden  mit 
den  Schussfäden.  Man  unterscheidet  drei  „Haupt-  oder  Grundbindungen"  und 
unzählige  davon  „Abgeleitete  Bindungen".  Erstere  sind:  a)  die  Leinwand-,  Tuch- 
oder Taffetbindung;  b)  die  Köperbindung;  c)  die  Atlasbindung.  Zu  einer  Bin- 
dungseinheit, dem  Bindungsrapport,  gehören  bei  der  Leinwandbindung  zwei  Kett- 
und  zwei  Schussfäden,  die  wechselweise  hoch  oder  tief  liegen;  bei  der  Köper- 
bindung mindestens  drei  Kett-  und  drei  Schussfäden,  von  denen  bei  jedem  Schuss- 
faden ein  Kettfaden  hoch  oder  tief  liegt;  bei  der  Atlasbindung  mindestens  fünf 
Kett-  und  fünf  Schussfäden.  (Vgl.  Bindungstafel  XV,  Abb.  1 — 3.)  Die  Leinwand- 
bindung stellt  sich  als  ein  schachbrettartiges  Muster  dar;  bei  den  Köperbindungen 
zeigen  sich  auf  der  Fläche  des  Gewebes  schräg  laufende  Grade  (Bindungsgrade), 
während  beim  Atlas  die  Bindungspunkte  (Hoch-  oder  Tiefgänge  der  Kettfäden) 
regelmässig  über  den  Rapport  verteilt  sind,  ohne  sich  gegenseitig  zu  berühren. 
Die  „Abgeleiteten  Bindungen"  entstehen  auf  die  verschiedensten  Weisen:  z.  B. 
durch  Verdoppelung  der  Kett-  oder  Schussfäden,  durch  Hinzufügen  einzelner 
Bindungspunkte  oder  ganzer  Gruppen ,  durch  Umordnen  der  Fäden  u.  s.  w. 
Gewebe  mit  einer  Bindungsart  über  die  ganze  Breite  nennt  man  „glatte",  solche 
mit  wechselnden  Bindungen  nebeneinander  werden  als  „fassonierte  Gewebe"  be- 
zeichnet. (Ueber  Atlas  [Satin] ,  gemischte  und  weitere  Bindungen  vgl.  die  Stoff- 
arten im  Einzelnen.) 

Literatur:  Denk,  Bindungslehre  für  Gewebe,  Altona  1883/86;  Jos. 
Vincenz,    Lehrbuch    der    Bindungslehre    und    Dekomposition,    Dresden  1895; 


3g  Bionde — Bischweiler. 


Fr.  Donat,  Methodik  der  Bindungslehre  und  Dekomposition ,  Wien  1892; 
Oelsner,  Die  deutsche  Webeschule,  Altona  1891;  E^eiser  und  Spenn- 
rath,  Handbuch  der  Weberei,  Bd.  II,  Die  Kompositionslehre. 

Abbildungen  auf  der  Bindungstafel  XV : 

1.  Leinwand-,  Tuch-  oder  Taffetbindung. 

2.  Köperbindung:  vierbindiger  Schussköper. 

3.  Atlasbindung:  fünf  bindiger  Schussatlas. 

4.  Panamabindung:  dreifädige  und  dreischüssige  Taffetbindung. 

5.  Achtbindig  gleichseitiger  Köper. 

6.  Achtzehnbindiger  Mehrgradköper. 

7.  Sechsbindig  gebrochener  Schussköper. 

8.  Zickzackköper  von  vierbindigem  Kettköper  (Drell). 

9.  Zweifädiger  füuf bindiger  Atlas. 

10.  PanamaAtlas. 

11.  und  12.  Kreppbindungen. 

18.  Doppelgewebe:  eine  Kette,  zwei  Schuss;  oben  und  unten  vierbindiger  Köper. 

14.  Doppelgewebe:  eine  Kette,  zwei  Schuss;  oben  achtbindiger,  gleichseitiger 
Mehrgradköper,  unten  achtbindiger  Kettköper. 

15.  Doppelgewebe:  zwei  Ketten,  ein  Schuss;  oben  und  unten  vierbindiger  Köper. 

16.  Doppelgewebe:  zwei  Ketten,  ein  Schuss;  oben  vierbindiger  Köper,  unten 
achtbindiger  Atlas.     Oben  und  unten  Taffet  mit  taffetartiger  Anbindung. 

17.  und  18.  Verbundene  Hohlgewebe:  zwei  Ketten,  zwei  Schuss;  oben  vierbindiger 
gleichseitiger  Köper,  unten  achtbindiger  Atlas  mit  köperartiger  Atlasbindung. 

(Die  linke  untere  Ecke  auf  den  Einzelbildern  zeigt  die  Darstellung  der  wirk- 
lichen Fädenlage:  schwarz  =  Schuss,  weiss  =  Kette.  Rechts  von  der  Bindungs- 
darstellung  ist  Schnitt  in  Kettrichtung,    unten  ist  Schnitt  in  Schussrichtung  angeben.) 

Bionde  (ital.)  s.  Blonden. 

Biredschend  oder  Birdschan ,  Stadt  in  der  pers.  Provinz  Khorassan : 
erzeugt  Knüpfteppiche,  welche  sich  durch  grosse  Festigkeit  und  Dichte  des 
Gewebes  auszeichnen,  so  dass  3000  bis  zu  8000  Knüpfungen  auf  100  qcm  kommen. 
Dagegen  fühlen  sie  sich  bei  aller  sammetartigen  Weichheit  der  Oberfläche  des  Flors 
sehr  steif  an  und  sind  wenig  schmiegsam.  Die  Musterung  der  Biredschend-Teppiche 
ist  sehr  wechselnd.  Eines  der  gewöhnlichsten  Motive  ist  das  der  aneinander 
gereihten  Palmwipfel  oder  des  Shawlmusters  (s.  d.). 

Biret  (lat. :  biretum,  birretum) ,  Kopfbedeckung  der  römisch-katholischen 
Geistlichkeit. 

Birma,  zum  indobritischen  Heiche  gehörendes  Land  in  Hinterindien: 
Herstellung  grober  Baumwollenstoffe  und  Zeuge  aus  inländischer  Seide; 
Zeugfärberei. 

Birrus  (lat.),  (franz.  bureau),  ursprünglich  ein  leinenes  Gewand,  bei  den 
Kömern  auch  der  Name  für  eine  bestimmte  Gewandform :  das  älteste  Bischofs- 
gewand. Später  ein  derber  flockiger  Stoff,  sowie  ein  Mantel  daraus;  auch  zu 
Mützen  verwandt,  woraus  die  Namen  Birretum,  Baret  u.  s.  w. 

Bischofsornat,  dasselbe  besteht  (nach  Bock,  Geschichte  der  liturgischen 
Gewänder,  Bd.  II.  S.  222)  aus  folgenden  Teilen:  1.  die  bischöflichen  Strümpfe, 
2.  die  Sandalen  oder  Schuhe,  3.  der  Amictus  oder  das  Schultertuch,  4.  die  Alba, 
5.  der  Gürtel  zur  Aufschürzung  der  Alba,  6.  die  Stola,  7.  die  Tunika,  8.  die 
Dalmatika,  9.  die  Casula  oder  Planeta,  10.  die  Handschuhe,  11.  die  Mitra  oder 
Infula,  um  welche  die  gefürsteten  Bischöfe  einen  kronenartigen  Kj?anz  zu 
tragen  pflegen,  12.  der  Manipulus.  (Yergl.  über  diese  textilen  Einzelheiten  die 
betreffenden  Artikel.)  Dazu  kommen  als  metallische  Insignien:  13.  der  Bing, 
14.  das  Brustkreuz  oder  Pektorale;  15.  der  Bischofsstab  und  endlich  als  besonders 
auszeichnende  Ornate  für  den  Bischof  und  den  Erzbisch. :  16.  das  gallikanische 
Pallium,  17.  das  erzbischöfliche  Pallium. 

Bischofsmütze  s.  Mitra. 

Bischweiler,  Hauptstadt  des  Kantons  B.  in  Elsass-Lothringen :  die  vor 
1870  bedeutende  AVoUgarn-  und  Tuchfabrikation  ist  infolge  der  veränderten 
Absatzverhältnisse    zurückgegangen;    zwei    neuerdings    gegründete   Aktiengesell- 


Bisette — Blattstechen.  89 


Schäften  haben  die  Fabrikation  wieder  aufgenommen.    Ferner  bestehen  Fabrikation 
von  Leinwand,  bedeutende  Jutespinnerei  und  -Webereien. 

Bisette  (franz.),  gestickte  Tresse ;  auch  Bezeichnung  für  eine  leinene 
Bauernspitze,  welche  die  Landleute  im  franz.  Depart.  der  Seine  und  Oise  aus 
weissem  Garn  klöppeln. 

Biskra  oder  Biskara,  Stadt  im  Arrond.  Batna  im  südl.  Algerien :  Burnus- 
und  Teppichfabrikation. 

Bislint,  eine  sehr  schmale  Bandsorte  aus  Westfalen. 

Bisonhaar,  Büffelwolle.  Der  amerikanische  Büffel  oder  Bison  hat  zwischen 
seinen  langen  groben  Haaren  eine  feine  Wolle,  welche  der  Merinowolle  und  dem 
Yicunnahaar  ähnelt:  sie  wird  zu  Filzarbeiten  und  anderen  groben  Textilwaren 
verarbeitet. 

Bissonata^  grobe  Wollenstoffe,  tuchartig  gewebt,  braun  oder  schwarz 
gefärbt,  vornehmlich  in  Frankreich  für  Ordensgeistliche  gefertigt. 

Bitlis  oder  Bedlis,  Hauptstadt  des  asiat.-türk.  Vilajets  B. :  E,otfärberei 
und  Baumwollzeugweberei;  Ausfuhr  von  Wolle,  Einfuhr  von  Baumwolle  aus 
Persien.  Durch  Hausindustrie  Erzeugung  von  Teppichen  nach  persischen  Mustern. 
(Yergl.  Anatolische  Teppiche). 

Bitre  ist  eine  Art  der  Brabanter  Leinewand. 

Bjela,  Kreisstadt  im  russ.-poln.  Gouvernement  Sjedlez:  Flachsbau  und 
Leinenweberei. 

Bjelosersk,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Nowgorod:  Spitzenklöppelei. 

Bjelostök,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Grodnow:  19  Woll-  und 
Tuchfabriken. 

Blanc  (franz:  le  blanc,  das  Weisse),  bei  den  französchen  Manufaktur- 
warenhändlern alles  das  von  ihrer  Ware,  was  gebleicht  worden  ist:  Lein- 
wand, Batist,  Kalicot,  Perkai,  Musselin.  Manche  dieser  Kaufleute  teilen 
ihr  blanc  wieder  in  blanc  de  coton  (Baumwollenweiss)  und  in  blanc  de  fil 
(Leinenweiss). 

Blanc,  Le,  Hauptstadt  des  Arrond.  Le  B.  im  franz.  Depart.  Indre : 
Woll-  und  Leinenweberei,  Tuchmacherei. 

Blancards  oder  Bouen  blancards  ist  der  Name  einer  der  gangbarsten 
französischen  Leinenstoffe,  welcher  in  den  beiden  Departements  des  Calvados 
und  der  Oise  aus  halbgebleichtem  Flachsgarn  gewebt  und  halbgebleicht  verkauft 
wird.  Früher  suchte  man  die  besten  und  feinsten  Stücke  aus  und  verkaufte  sie 
unter  dem  Namen  Fleurets  oder  Floretas  nach  Spanien;  jetzt  kennt  man  im 
Handel  nur  B.'s  von  verschiedener  Qualität. 

Blankets  s.  Bettdecken. 

Blaquets  (franz.),  Druckwalzentücher,  starke,  gewalkte  wollene  Tücher, 
welche  eine  gewisse  Dichte,  Zurichtung  und  Breite  haben  müssen,  entsprechend 
den  Verhältnissen  der  Druckwalze,  für  die  sie  gebraucht  werden  und  in  der  sie 
dienen,  die  zu  bedruckenden  Stoffe  unter  die  Walze  durchzugleiten  und  die 
erforderliche  Unterlage  zu  gewähren. 

Blatt,  Teil  des  Webstuhls,  dasselbe  besteht  aus  zwei  horizontalen  Leisten, 
zwischen  welchen  aufrechtstehende,  glatt  abgerundete  Stäbchen,  die  Bohre 
(Bieth,  Biede)  von  Teichrohr,  Messing  oder  Stahl,  befestigt  sind.  Das  B., 
welches  in  der  Fuge  des  Ladendeckels  und  der  des  Ladenklotzes  befestigt  wird, 
dient  dazu ,  die  von  dem  Kettbaum  durch  das  Geschirr  (Schäfte)  kommenden 
Kettfäden  aufzunehmen  und  dieselben  über  die  ganze  Breite  der  Ware  in  regel- 
mässigen und  paralellen  Abständen  von  einander  zu  halten,  andererseits  dient  es 
auch  dazu,  die  Schussfäden,  welche  in  die  Fachöffnung  der  Kette  eingetragen 
werden ,  gegen  die  fertige  Ware  zu  drücken  und  somit  die  Dichtheit  der  Ware 
herzustellen. 

Blattgang,  derselbe  bezeichnet  in  der  Dichtenbestimmung  eines  Gewebes 
die  Summe  von  20  Bohren;  nach  Blattgängen  wird  die  Blatthöhe  (Blattdichte) 
bemessen.     (Yergl.  Blatt.) 

Blattstechen  gehört  zu  den  Vorbereitungen  der  Webematerialieu,  im  engeren 
Sinne  wird  das  Einziehen  der  Kettfäden  in  die  Riethlücken  (Bohre)  darunter  ver- 


90  ßlaubeuren — Bleichtücher. 


standen.  Das  B.  wird  von  zwei  Personen  ausgeiührt.  Die  eine  sticht  mit  dem 
Eiuziehhcäkchen  oder  Blattstecher  durch  die  Oeffnung  zweier  Bohre,  während 
die  andere  so  viel  Kettfäden ,  als  in  dieselbe  kommen  sollen ,  abzählt  und 
auf  den  Einschnitt  legt.  Die  erste  Person  zieht  dann  den  Blattstecher  zurück 
und  hält  die  Fäden  mit  der  linken  Hand  fest.  Die  Zahl  der  ins  Bohr  zu 
ziehenden  Fäden  ist  je  nach  dem  herzustellenden  Stoff  verschieden  (s.  a.  Blatt). 

Blaubeuren,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Leinenweberei,  grosse  Blei- 
chereien.    Sitz  der  1.  Sektion  der  Leinenberufsgenossenschaft. 

Blaue  ostindische  Leinwand  nennt  man  zuweilen  eine  Art  Baftas  (s.  d.). 

Blaumachen  ist  ein  um  das  Jahr  1832  in  die  Schwarzfärberei  der  Seide 
eingeführtes  Verfahren,  das  darin  besteht,  das  auf  der  Faser  fixierte  Eisenoxyd 
in  sogenanntes  Berlinerblau  überzuführen :  einerseits ,  um  die  Erschwerung 
(s.  d.)  zu  erhöhen,  andererseits  um  den  Ton  des  Schwarz  ins  Bläuliche  scheinen 
zu  lassen. 

Bleichen  (franz.:  blanchiment;  engl.:  to  bleach),  heisst  in  der  Technik 
die  Zerstörung  oder  Umwandlung  der  organischen  Farbstoffe,  mit  denen  viele 
Bohmaterialien  aus  dem  Pflanzen-  und  Tierreich  in  der  Art  behaftet  sind,  dass 
durch  dieselben  das  Aussehen  der  daraus  hergestellten  Fabrikate  beeinträchtigt 
wird.  Je  nach  der  Art  der  zu  bleichenden  Stoffe  und  ihrem  Verhalten  den 
bleichenden  Mitteln  gegenüber,  sind  verschiedene  Arten  des  Bi.  zu  berücksichtigen. 
Im  Allgemeinen  unterscheidet  man  zwischen  ISJatur-,  Kunst-  oder  ehem.  Bleiche. 
Die  Naturbleiche  ist  ein  von  alters  her  angewandtes  Verfahren  und  beruht 
darauf,  dass  die  in  Betracht  kommenden  färbenden  Substanzen  fast  sämtlick 
unter  der  Einwirkung  von  Luft,  Feuchtigkeit  und  Sonnenlicht,  wahrscheinlich 
infolge  der  Bildung  von  Ozon  oder  Wasserstoffsuperoxyd,  zerstört  werden.  Es 
erfolgt  dies  um  so  leichter  und  vollkommener,  je  vollständiger  alle  sonstigen 
fremden  Stoffe  vorher  durch  Waschen  und  Beuchen  (Büken)  (s.  d.)  u.  s.  w. 
beseitigt  sind.  Die  vorbereiteten  Stoffe  werden  so  in  feuchtem  Zustande  der 
Wirkung  des  Sonnenlichts  ausgesetzt,  indem  man  sie  auf  ebener  Unterlage,  am 
besten  und  einfachsten  auf  dem  Basen  (Basenbleiche)  ausbreitet.  Der  dem 
Boden  entsteigende  Wasserdampf,  der  sich  niederschlagende  Tau  trägt  zur  Er- 
haltung der  nötigen  Feuchtigkeit  bei,  die  aber  bei  trockener  Luft  und  hoher 
Wärme  durch  Besprengen  zu  vermehren  ist.  Allmählich  tritt  dann  eine  Ver- 
änderung im  Aussehen  der  Stoffe  ein,  das  ursprüngliche  Grau  schwindet  mehr 
und  mehr,  bis  nach  einiger  Zeit  das  reine,  schneeige  Weiss  hervortritt.  Gegen- 
wärtig ist  die  Naturbleiche,  die  sich  wegen  der  langen  Zeit,  die  sie  erfordert, 
für  die  Grossindustrie  nicht  eignet,  durch  die  ehem.  B.  oder  Kunstbleiche  fast 
gänzlich  verdrängt.  Zum  B.  von  Baumwolle,  Leinen-  und  Papierzeug  findet 
der  Chlorkalk  Verwendung,  dagegen  nie  bei  Wolle  oder  Seide,  weil  er  diese 
Fasern  zerstören  würde.  Letztere  werden  gewöhnlich  so  gebleicht,  dass  man  sie 
im  nassen  Zustande  in  einem  geschlossenen  Baume  aufhängt,  in  dem  man  durch 
Verbrennen  von  Schwefel  gasförmige ,  schweflige  Säure  erzeugt.  Diese  wird 
von  dem  den  Stoff  durchtränkenden  Wasser  aufgesogen  und  zerstört  die 
Farbstoffe. 

Literatur:  Hummel,  Färberei  und  Bleicherei  (deutsch  von  Knecht, 
Beil.  1891);  Herzfeld,  das  Färben  und  B.  (ebd.  1890);  Frey,  Anlage, 
Konstruktion  und  Einrichtung  von  Bleicherei-  und  Färbereilokalitäten  (ebd.  1888) ; 
Joclet,  Vollständiges  Handbuch  der  Bleichkunst  (2.  Aufl.  Wien  1895);  Herz- 
feld, das  Färben  und  B.  (Tl.  1,  Berl.  1900). 

Bleicherode,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Erfurt:  Fabrikation  von  Leinen- 
waren (26  Fabriken  mit  258  Stühlen),  in  der  Umgegend  Handweberei,  im  Orte 
selbst  zwei,  im  nahen  Oberdorf  eine  mechanische  Weberei  für  leinene  und  'baum- 
wollene Waren,  ausserdem  Bleicherei  und  ausgezeichnete  Flachsbereitungsanstalten.. 

Bleichtücher,  unter  diesem  Namen  wurden  in  Hamburg  und  Bremen  eine 
Sorte  westfälischer  Leinwand  verkauft,  welche  aus  grobem  Flachs-  und  Hanfgarn 
halb  gebleicht  oder  ganz  roh  vorkommt.  Nach  Südamerika  gingen  sie  unter 
dem  Namen  Augule  millas ,  nach  Portugal  und  Brasilien  unter  der  Benennung 
Brins    de    festo ;    in  jenen  Gegenden   wurden  sie   zu   Säcken ,    Decken   und  Ver- 


Bloemfontein — Bobbinnetm  aschine.  9 1 

packung  verbraucht ,  auch  dienen  sie  zu  Unterlagen  für  die  zu  bleichenden 
dünnen  Schleier  u.  s.  w. 

Bloemfontein,  Hauptstadt  des  OraDJe-Freistaates:  lebhafter  Handel  mit 
Wolle. 

Blonden  (franz.:  blondes;  engl.:  blonds-laces ;  ital. :  blondes),  geklöppelte 
oder  genähte  Spitzen  aus  starker,  weicher  und  offener  Hohseide ,  in  der  Regel 
weiss  (nach  ihrem  gelblichen  Schimmer  B.  genannt) ,  selten  schwarz  oder  bunt, 
deren  weiter,  netzartiger  Grund  mit  Blumen  und  anderen  Figuren  gefüllt  ist. 
Zuerst ,  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts ,  in  Frankreich  (besonders  Caen, 
Bayeux  und  Chantilly)  meist  geklöppelt,  nach  der  Farbe  blondes  ecrus  oder 
nach  Herkunft  des  Fadens  nankings  genannt,  später  unter  verschiedenen  Be- 
zeichnungen und  Arten  bekannt:  blondes  de  fantasie  oder  Modeblonden, 
leichte  seidene  Spitzen,  deren  Grund  mit  der  Bobbinnet-  oder  Pelinetmaschine,  das 
Muster  hinein  genäht  oder  gehäkelt  wurde;  seidene  sogen,  points  d'Espagne 
wurden  geklöppelt,  dahin  gehören  auch  die  Schmelzspitzen  der  Chenillenblonden, 
ferner  die  blondes  en  persil,  d.  h.  diejenigen,  welche  in  ihrem  Grunde  kleine 
Blätter  in  Form  der  Petersilie  haben,  endlich  gibt  es  auch  blondes  des 
d'application:  Applikationsblonden,  welche  früher  teils  mit  der  Maschine 
und  in  Verbindung  von  Klöppelei  und  Stickerei  hergestellt  wurden.  Fausses 
blondes  nennt  man  im  allgemeinen  die  mit  offener  Seide  ausgenähten  Seiden- 
tüllstoffe oder  auch  solche  mit  eingewirkten  Mustern,  wobei  die  Bobbinnetm  aschine 
Anwendung  findet.  Die  italienischen  B.  werden  am  häufigsten  in  Venedig  und 
Genua  gefertigt;  Spanien  bezieht  B.  in  grossen  Mengen  aus  Paris  und  Le  Puy; 
an  deutschen  B.  sind  namentlich  die  des  Sächsischen  Erzgebirges  zu  nennen 
(vgl.  Spitzen). 

Bludenz,  Stadt  in  Vorarlberg :  Baumwollenspinnereien,  Bleicherei,  mechan. 
"Weberei. 

Blumlyleinwand  ist  der  schweizer  Name  der  früher  im  Kanton  Bern 
gewebten  und  durch  Modeldruck  gemusterten  Zwilliche  mit  ausgesparten  weissen 
oder  blauen  und  roten  Blumen. 

Blyant,  blyat  oder  pliat,  Name  eines  Seidenstoffes,  der  in  einem  deutschen 
Wörterbuche  aus  dem  Jahre  1482  als  „byssus  jacinthus,  edel  seyden  gewandt" 
aufgeführt  und  in  den  späteren  Kommentaren  der  Minnegedichte  kurzweg  als 
„kostbarer  Seidenstoff"  bezeichnet  wird. 

Bobbinnet  (franz. :  tulle  anglais ;  engl. :  bobbin  net) ,  Bobinet ,  Spitzen- 
grund, Bobinetspitzen,  englischer  Tüll,  Bezeichnungen  für  spitzenartige  Gewebe, 
welche  auf  der  Bobbinnetmaschine  (s.  d.)  hergestellt  sind;  sie  geben  eine  Nach- 
ahmung des  geklöppelten,  auch  genähten  Spitzengrundes  in  dem  sogen.  Waben- 
oder Bienenzellenmuster  wieder,  welches  aus  sechseckigen  Löchern  oder  Maschen 
besteht.  B.  erscheint  platt  oder  gemustert  in  den  verschiedensten  Arten;  die 
glatte  Ware  nennt  man  auch  Quillings  oder  Plaitings;  gemusterte  B.  ahmen 
täuschend  die  points  d'Alencon  nach.  B.  hat  die  Eigenschaft,  durch  Heraus- 
ziehen von  Kettenfäden  in  Streifen  zu  zerfallen,  welche  dichte  Kanten  und 
Zäckchen  haben  und  dadurch  zu  Besatzspitzen  werden.  Der  bedeutende  Handel 
in  B.  erklärt  sich  dadurch,  dass  er  den  grössten  Teil  der  früher  gebräuchlichen 
Baumwollengaze^  der  handgeklöppelten,  gewebten  und  gewirkten  Spitzen  verdrängt 
hat.  B.  wird  vorzüglich  in  England  (seit  Anfang  des  19.  Jahrhunderts)  und 
Frankreich,  jetzt  auch  in  Oesterreich  und  Belgien  hergestellt. 

Bobbinnetmaschine,  die  künstlichste  Webmaschine,  ist  für  glatten  Bobbinnet 
(s.  d.)  zuerst  in  den  Jahren  1808  und  1809  von  John  Heathcoat  in  Nottingham 
konstruiert  und  wurde  1816  oder  1820  im  franz.  Depart.  Calais  nachgeahmt.  In 
Sachsen  hatte  sich  der  Weber  Schönherr  in  Plauen  und  die  Wirker  Pupf  und 
Berthold  zu  Neukirchen  Mitte  der  zwanziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  selbständig 
mit  der  Erfindung  und  dem  Bau  einer  B.  beschäftigt  und  es  wurde  auch  mit 
Unterstützung  der  sächsischen  Regierung  im  Jahre  1830  in  Harthan  bei  Chemnitz 
ein  grosser  Betrieb  für  Herstellung  von  Bobbinnet  eingerichtet;  aber  schon  im 
Jahre  1838  musste  das  unter  der  Firma  Sächsische  Bobbinnetm anufaktur  um- 
gewandelte  Aktienunternehmen   der    englischen   Konkurrenz    weichen.      Erst    im 


92  Bobine — Bochara. 


Herbst  1879  hat  die  Herstellung  von  gemustertem  Bobbinnet  (engl.  Tüllgardinen) 
in  Sachsen  wieder  Aufnahme  gefunden. 

Literatur:  A.  TJre,  Cotton  Manufacture  of  Great  Britain  (2  Bd., 
Lond.  1836;  neue  Aufl.  1861;  deutsch  Weim.  1837;  2.  Ausg.  1842);  S.  Fer- 
guson, Histoire  du  tulle  et  des  dentelles  mecaniques  en  Angleterre  et  en  France 
(Par.  1862);  W.  Felkin,  A  history  of  the  machine-wrought  hosiery  and  lace 
manufactures  (Cambridge  1867);  C.  Müller,  lieber  Bobbinnetmaschinen  mit 
Jacquard  (im  „Civilingenieur"  1884);  M.  Kraft,  Studien  über  mechan.  Bobbinnet- 
und  Spitzenherstellung  (Berl.  1892). 

Bobine  (franz.:  bobbine ;  engl.:  bobbin),  die  Spule  in  der  Maschinen- 
spinnerei ;  auch  soviel  wie  Kötzer :  der  birnförmige  Körper,  der  aus  dem  G-arn 
beim  Aufwickeln  auf  die  Spindeln  der  Mulemaschine  gebildet  wird. 

Bobinoir,  Vorspinnmaschine  für  Kammgarn  und  Seide;  in  der  Weberei 
das  Spulrad  oder  die  Spulmaschine  zum  Aufwickeln  der  Kette. 

Böblingen,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Spinnerei,  mechan.  Trikot- 
weberei, Fabrikation  von  Tuch,  halbwollenen  und  halbleinenen  Zeugen. 

BÖbrka,  Stadt  in  Galizien :  Kunstweberei,  Leinenhandel. 

Boccadillos,  spanischer  Name  einer  aus  Schlesien  nach  Spanien  und  Süd- 
amerika versandten  weissgebleichten  Leinwand ,  die  auch  unter  dem  Namen 
Platilles  simples,  einfache  Platilles  vorkommt  und  in  Schlesien  jauerische  Lein- 
wand hiess.  Sie  ist  sehr  dünn  gewebt,  durchsichtig  und  daher  billig,  steif  gestärkt ; 
dient  in  den  Kolonien  zu  Negerhemden,  Totentüchern  u.  dergl. 

Boccage,  eine  Gattung  Leinwand,  damastartig,  welche  zu  Servietten  im 
franz.  Departement  des  Calvados  gewebt  wird. 

Boccassini,  weisse,  ziemlich  feine  baumwollene  Zeuge,  musselinartig  leicht 
gewebt,  in  Natolien  und  Morea  gefertigt. 

Bochara,  Bokhara,  Buchara,  Khanat  in  Turkestan,  mit  gleichnamiger 
Hauptstadt,  welche  früher  unter  der  arabischen  Herrschaft  als  Mittelpunkt 
orientalischer  Wissenschaften  galt.  Bisher  nur  Hausindustrie,  jetzt  aber  Ver- 
wertung der  Seide  in  grösseren  Spinnereien  an  Ort  und  Stelle ;  es  werden  Stoffe 
und  Teppiche  erzeugt.  Der  Handel  durch  Karawanen  von  jeher  stark  entwickelt; 
namentlich  kommen  Baumwolle  und  Seide  zur  Durch-  und  Ausfuhr,  Baumwollgarn 
und  Baumwollwaren ,  Seidenzeuge ,  gefärbte  Lämmerfelle  aus  Bussland  zur 
Einfuhr.  Bochara-  oder  Bokharateppiche  kommen  in  grösster  Mannig- 
faltigkeit nach  Europa.  Dem  von  E.  v.  Kuczynski  für  den  Katalog  der  Teppich- 
ausstellung in  Wien  1891  gegebenen  Bericht  entnehmen  wir: 

Im  Grundtone  (rot  oder  rotbraun,  sehr  grell)  stimmen  sie  alle  mehr  oder 
weniger  überein,  die  Einzelheiten  der  Zeichnung  wechsein  jedoch  fast  in  jedem  Stück. 
Dennoch  lassen  sie  sich  von  den  eigentlich  turkmenischen  (s.  d.)  dm'ch  das  fast 
durchweg  reichhch  vorkommende  Ockergelb,  durch  den  langhaarigen  Flor,  sowie  in 
der  Zeichnung,  endlich  durch  die  Menge  von  phantastischen  Figuren  auseinanderhalten, 
welche  nach  Simakoff  (L'Art  de  l'Asie  Centrale,  St.  Petersbourg,  1883)  sämtlich  auf 
die  in  den  dortigen  Steppen  lebenden  giftigen  Insekten,  den  Skorpion  und  die  Tarantel, 
zurückzuführen  sind.  Im  Gegensatz  zu  den  übrigen  orientalischen  Teppichbezeichnungen 
heissen  die  langhaarigen  bokharischen  Teppiche  mit  weicher  Oberfläche  in  den  dortigen 
Gegenden  Kilim  (s.  d.) ;  z.  T.  werden  dieselben  von  den  in  der  2sähe  des  Urmitan- 
passes  überwinternden  Oezbegen  hergestellt.  Die  B.  sind  ganz  aus  Wolle  in  Wolle 
geknüpft  und  haben  vielfach  auch  einen  seidenartigen  Glanz;  „die  Oezbegen  ziehen," 
wie  Robinson  TEastern  carpets,  London  1882  u.  1893)  erwähnt,  ..die  schönste  Wolle, 
da  sie  ihre  Schafe  mit  grosser  Sorgfalt  pflegen,  sie  unter  Obdach  halten  und  sie  sogar, 
wenn  sie  der  Witterung  ausgesetzt  sind,  in  Kotzen  (das  sind  starke,  wollene  Decken) 
einhüllen  wie  wir  die  Pferde."  Das  Gewebe  dieser  Teppiche  ist  ziemlich  locker:  es 
kommen  ungefähr  6 — 700  Knüpfuugen  auf  100  qcm;  die  Knüpfung  geht  nach  Schema  IV 
und  auch  nach  Schema  III  (vgl.  den  Artikel  Knüpfteppiche :  ,, Technisches ")(  Die 
bokharischen  T,  kommen  in  allen  Grössen  vor ,  auch  Gebetteppiche  (s.  d.)  sind 
vorhanden.  Die  Raumeinteilung  im  Innengrunde  ist  in  der  Regel  eine  geometrische. 
Auch  erscheint  sie  durch  abgetreppte  Zickzackbänder  hervorgebracht,  die  von  Schmal- 
seite zu  Schmalseite  laufen  und  in  ihrer  helleren  Eärbung  auf  dem  indischroten 
Grunde  dem  Ganzen  ein  geflammtes  Aussehen  geben ,  das  unmittelbar  an  die  ähnlich 
gemusterten  Seidenstoffe  von  Samarkand  (s.  d.)  erinnert.  Die  Motive  sind  teils  geo- 
metrischer Xatur,    teils    vegetabilischen  Ursi^rungs,    aber   auch   in   letzterem  Falle  von 


Bocholt— Böhmen.  93 


geometrischer  StihsieruDg.  Oft  hält  es  schwer,  die  Bedeutung  einzelner,  besonders 
phantastisch  gestalteter  Motive  zu  ergründen.  Mit  den  von  langstieligen  Haken  um- 
ränderten oblongen  Motiven  pflegt  der  dortige  Arbeiter,  wie  schon  bemerkt,  die  Vor- 
stellung von  Skorpionen  und  Taranteln  zu  verknüpfen.  Charakteristisch  für  bokharische 
Gebetteppiche  ist  die  Gestalt  der  JsTische.  Diese  schliesst  nämlich  mit  dem  Spitzgiebel 
nicht  definitiv  ab ,  sondern  setzt  sich  in  Form  eines  schmalen  Halses ,  dann  aber  in 
einem  annähernd  kreisrunden  Anhängsel  nach  oben  fort.  Dieses  Anhängsel  lässt  sich 
historisch  aus  dem  Hufeisenbogen  (s.  arabischer  Stil)  ableiten,  der  dann  als  Bekrönung 
der  Nische  zu  denken  wäre.  Die  Gesamtsilhouette  dieser  bokharischen  Gebetnischen 
erinnert  aber  auch  an  die  türkischen  Grabsteine  mit  dem  aufgesetzten  Turban.  Ueber 
letzteren  erhebt  sich  ferner  in  der  Regel  eine  Doppelvolute ,  die  an  Insektenfühler 
erinnert  und  vielleicht  mit  jenen  oben  erwähnten,  der  Phantasie  der  dortigen  Teppich- 
knüpfer  vorschwebenden  Tieren  in  Verbindung  gebracht  werden  darf.  Von  den  Farben 
ist  insbesondere  das  Indischrot  für  ßokharateppiche  charakteristisch ;  als  Grundfarbe 
erscheint  es  regelmässig  verwendet.  In  den  Motiven  findet  sich  häufig  ein  Englischrot 
und  dann  ein  Ockergelb ;  alle  diese  drei  Farben  zusammen  erzeugen  eine  gewisse 
Gesamtwirkung.  Der  gewirkte  Verstoss  an  den  Schmalseiten  der  B.  ist  in  der  Regel  in 
blossen  Streifen  gemustert.     (Vgl.  Teppiche.) 

Bocholt  oder  Bochold,  auch  Bockholt  geschrieben,  Stadt  im  preuss.  Keg.- 
Bez.  Münster :  bedeutende  Baumwollenspinnereien,  berühmte  Barchent-  und  Baum- 
wollwebereien, Fabrik  grober  Wollzeuge;  Färbereien  und  Bleichereien. 

Bocqueralen  hiessen  früher  die  zu  Hamburg  gefertigten  Futterleinen. 

Bodenwerder,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Hannover:  Kunstwollfabrik, 
"Wollgarnspinnerei. 

Bodiasse,  chinesische,  gewöhnliche  Seide. 

Bodmin,  Hauptstadt  der  engl.   Grafschaft  Cornwall :  Wollindustrie. 

Bogensaum  oder  Ziersaum ,  entsteht  an  leichten  Stoffkanten  durch  Ein- 
biegen derselben  um  2 — 3  cm  nach  innen;  zieht  man  die  dann  nach  auf-  und 
abwärts  gemachten  Vorstiche  zusammen,  so  bilden  sich  kleine  Bogen  im  Stoffe, 
welche  noch  ornamentaler  wirken,  wenn  man  zu  den  Stichen  andersfarbige  Seide 
oder  Garn  als  die  des  Grundstoffes  wählt  (s.  Ziersaum  bezw.  Ziernaht). 

Bogorösdsk,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Moskau;  grosse  Woll-  und 
Seidenfabriken ;  Anfertigung  von  Tuchen,  Baumwollstoffen. 

Bohain,  Hauptstadt  im  Arrond.  St.  Quentin  des  franz.  Depart.  Aisne: 
Seidenfabrikation,  Färbereien,  Kaschmir-,  Gaze-  und  Baregesfabriken. 

Böhmen.  Die  Textilindustrie  lieferte  1890  Waren  im  Werte  von 
212  685  Mill.  Guld.  In  der  Leinenindustrie  haben  die  Spinnereien  besonders  in 
Trautenau  beträchtlich  zugenommen.  1890  standen  in  B.  22  Spinnereien  mit 
243  000  Spindeln  in  Betrieb,  welche  490  000  Schock  Garne  im  Werte  von 
18,65  Mill.  Guld.  erzeugten.  Die  Zahl  der  Webestühle  für  Leinen-  und  Halb- 
leinenindustrie betrug  in  48  Fabriken  8305  Hand-  und  996  mechan.  Stühle  mit 
einer  Produktion  von  9,65  Mill.  Guld.  Die  Tuch-  und  Schafwollenindustrie^ 
vornehmlich  in  und  um  Reichenberg,  hat  im  fabrikmässigen  Betriebe  eine  grosse 
Ausdehnung  erlangt,  ist  aber  als  Handwerk  dem  Verschwinden  nahe.  Eine 
Spezialität  bilden  die  türkischen  Kappen  (Fes),  welche  zu  Strackonitz  fabriziert 
werden.  In  gemischten  Stoffen  ragen  insbesondere  Asch,  Aussig  und  Warnsdorf, 
ersteres  zugleich  in  der  Strumpfwirkerei,  hervor.  Die  Zahl  der  Streichgarn- 
spinnereien betrug  1890:  90  mit  150  000  Feinspindeln  und  einer  Produktion  im 
Werte  von  16  Mill.  Guld. ;  jene  der  Kammgarnspinnereien  6  mit  127  984  Spindeln 
und  9  949  500  Guld.  Die  Streichgarnweberei  beschäftigte  69  Fabriken  mit  6244 
Arbeitern  und  2093  mechan.  Stühlen,  welche  für  13,23  Mill.  Guld.  erzeugten;  die 
Kammgarnerzeugnisse  62  Fabriken  mit  26  313  Arbeitern,  9713  einfachen  und 
3523  mechan.  Jacquardstühlen  und  26,63  Mill.  Guld.  Produktion.  In  der  Baum- 
wollenindustrie ist  die  Spinnerei  (1890)  in  81  Fabriken  mit  17  067  Arbeitern 
und  1  255  931  Spindeln  vertreten,  welche  27  790  t  Garne  und  Zwirne  im  Werte 
von  28,12  Mill.  Guld.  erzeugten.  Die  Baumwollabfallspinnerei  (31  Fabriken 
mit  52  752  Spindeln)  erzeugte  7840  t  im  Werte  von  3,54  Mill.  Guld.  Die  Baum- 
wollenweberei hat  nunmehr  zum  grossen  Teil  den  Maschinenbetrieb  aufgenommen 
und  beschäftigt  in  274  Fabriken  50  085  Arbeiter,  14  800  Hand-  und  35  000  mechan. 
Stühle  mit  einer  Produktion  von  3,72  Mill.  Stück  und  420  000  m  im  Werte  von 


94  Böhmische  Schocke — Bombasin. 

57,12  Mill.  Guld.  Durch  den  Appreturverkehr  gewann  letztere  einen  Markt  in 
Deutschland,  da  es  deutschen  Druckereien  gestattet  war,  die  aus  Oesterreich 
bezogenen  Gewebe  in  bedrucktem  Zustande  zollfrei  nach  Oesterreich  einzuführen. 
Was  die  Weberei  hierdurch  gewann,  hat  die  Druckerei  eingebüsst,  die  nach  dem 
Eingehen  der  kleinen  Fabriken  nur  noch  19  allerdings  bedeutende  Etablissements 
zu  Prag  und  Kosmanos  mit  4016  Arbeitern  zählt.  Ausserdem  haben  in  der 
Textilindustrie  noch  einige  Bedeutung  die  Seidenweberei  (1890 :  20  Fabriken 
mit  2  124  000  Guld.  Produktion) ,  die  Jutemanufaktur  (10  Fabriken  mit  3000 
Arbeitern  und  1,43  Mill.  Guld.),  53  Färbereien  mit  3129  Arbeitern,  76  Appretur- 
anstalten mit  3880  Arbeitern  und  die  Wirk-  und  Strickwarenerzeugung  (61  Fabriken 
mit  6330  Arbeitern  und  3,96  Mill.  Guld.).  Die  Hausindustrie  des  böhmischen 
Erzgebirges  liefert  Spitzen  aus  Graslitz  und  Grossengrün,  Wirk-  und  Posamentier- 
waren aus  Weipert;  einzelne  Zweige,  wie  die  Spitzenindustrie,  sind  durch 
Fachschulen  gehoben  worden.  Neu  hinzugetreten  ist  die  Sammetweberei  in 
Schmiedeberg. 

Böhmische  Schocke,  gewöhnliche  Leinwand  aus  Böhmen,  welche  für  den 
Druck  in  Stücken  von  60  Ellen  verkauft  wurde. 

Böhmisch-Leipa,  Stadt  in  Böhmen:  Flachsgarnspinnerei,  B,otgarnfärberei, 
Sammetweberei. 

Böhmisch-Skalitz,  Stadt  in  Böhmen :  Baumwollspinnerei,  mechan.  Färberei. 

Böhmisch-Trübau ,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutender  Flachsbau,  Flachs- 
spinnerei, Leinenweberei  5  Leinwand-  und  Garnhandel. 

Bohnerfries,  eine  wohlfeile  Sorte  Fries  (s.  d.),  welche  infolge  der  härteren 
Wolle,  aus  welcher  sie  hergestellt,  zum  Auffrischen  für  Fussböden  verwendet  wird. 

BojanÖWO ,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Posen :  Tuchfabriken ,  Flachs- 
h  ereitungsanstalt, 

Bokas,  Gattung  baumwollener  blauer  und  weisser  Tücher  aus  Surate. 

Bolbec,  Hauptstadt  im  Arrond.  Le  Havre  des  franz.  Depart.  Seine- 
Inferieure:  Baumwollspinnerei  und  -druckerei,  Kattun-  und  Wollweberei,  Plüsch- 
und  Spitzenfabriken ;  Cretonne-  oder  Leinwandniederlagen.  Beträchtlicher  Handel 
mit  Baumwoll-  und  Seidenwaren. 

Bolbees,  rohe  und  weissgebleichte  Leinen  aus  der  Normandie;  denselben 
Namen  führt  auch  eine  Art  bläulich  gefärbtes  Leinen,  welches  in  Frankreich  als 
toiles  bleues  en  reserve  bekannt  ist. 

Bolchen,  Hauptstadt  in  Lothringen :  Flanell  Webereien,  Färbereien. 

Boldus  sind  holländische  Bänder,   welche  zum  Verpacken  benützt  werden. 

Bolhetus  (lat.),  der  Quast,  die  Troddel. 

Bolivarflanell,  s.  Flanell. 

Bolkenhain,  Kreisstadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Liegnitz:  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei  (1  mechan.  Weberei  mit  500  Stühlen  und  350  Pferdestärken), 
Leinenweberei  (Aktiengesellschaft). 

Bologna,  Hauptstadt  der  oberital.  Prov.  B.:  Fabrikation  von  Seiden-, 
Leinen-  und  Hanfgeweben.  Im  13.  Jahrhundert  sind  hier  wichtige  Kokonmärkte 
und  Seidenhaspelanstalten  nachweisbar  und  schon  im  12.  Jahrhundert  wird  von 
l)lühender  Seidenindustrie  berichtet,  die  durch  Vervollkommnung  auf  dem  Gebiete 
der  Spinnerei  weltberühmt  war. 

Bologneser  Flor  oder  bononischer  Flor,  eine  Art  Kreppflor  von  der  alier- 
feinsten  Seide,  der  gewöhnlich  schwarz  ist  und  dann  zu  Trauerflor  dient.  Man 
hat  auch  eine  milchweisse  Sorte  (ital. :  Velo),  die  von  den  Italienerinnen  zu 
Schleiern  Verwendung  findet. 

Bombanasfaser,  Bippen  und  Blätterfasern  der  Panamapalme;  Flecht- 
material  für  feine  Hüte  u.  s.  w. 

Bombar,  s.  Baumwolle. 

Bombasin  (franz.)  (engl. :  bombazet,  vom  lat.  bombycinus ,  seidenartig), 
Bombaset ,  Bombasine ,  Bomesine ,  Bombazeen ;  unter  diesem  Namen  kommen 
mehrere,  unter  sich  sehr  verschiedene  Gewebe  in  den  Handel;  ursprünglich  ist 
es  ein  seidener,  ungeköperter  Stoff,  welcher  in  Mailand,  Como  u.  a.  0.  Ober- 
italiens verfertigt  und  zu  Unterfutter  verbraucht  wurde ;   nach  und  nach  machte 


'  Bombast — ßonteet  rooke  Streep.  95 

man  denselben  aus  Kamelhaar,  aus  Wolle  und  Seide  und  jetzt  wird  er  fast 
allgemein  nur  aus  Schafwolle  als  glattes  oder  geköpertes  Zeug  gewebt.  Es 
gehören  eigentlich  auch  die  Alegines,  Caschirairiennes  und  die  Pondicherys  dazu, 
der  Unterschied  besteht  nur  darin,  dass  die  Organsinkette  für  letztere  Arten 
ausgekocht  (purgiert)  wird.  TJebrigens  sind  die  Bombasinstofife  vielfach  durch 
die  sog.  Tibets  verdrängt  worden. 

Bombast  (engl.,  vom  mittelalterlichen  bombax,  d.  h.  Baumwolle),  ursprüng- 
lich Zeugstoif  zum  Auswattieren. 

Bombax,  L.  Wollbaum,  Pflanzengattung  aus  der  Familie  der  Malvaceen 
mit  10  tropischen  Arten.  Wird  in  Südamerika  und  Westindien  zu  Polstern 
verwendet.  In  den  europäischen  Handel  kommt  B.  als  Pflanzendunen  oder  Ceiba- 
wolle  und  dient  zum  Ausstopfen  von  Betten. 

Bombay,  Hauptstadt  der  Präsidentschaft  des  Kaiserreichs  Indien:  be- 
deutende Baumwollenindustrie. 

Bombayhanf,  s.  Gambohanf. 

Bombazet,  in  Frankreich  ein  glatter  Stoff"  von  hartem  grobem  englischem 
Kammgarn. 

Bombykien  (bombycinae  vestes),  durchscheinende  feine  Gewebe  wie  coae 
vestes  (s.  d.),  welche  im  frühen  Mittelalter  aus  heimischer  Seide  in  Rom  ge- 
macht wurden, 

Bombykometer  (griech.:  Seidenmesser),  Garntafel,  eine  zur  Ermittelung 
der  Feinheit,  insbesondere  der  Baumwollengespinste  dienende  Tabelle,  nach  der 
die  betreffende  Garnnummer  aus  dem  Gewicht  eines  Strähns  oder  Schnellers  be- 
stimmt wird.  Die  Garnnummer  gibt  an,  welche  Länge  des  betreff"enden  Garns 
genommen  werden  muss,  um  die  Gewichtseinheit  zu  erfüllen :  bei  dem  gegen- 
wärtig allerwärts  angestrebten  metrischen  Numeriersystem,  wieviel  Meter  auf 
ein  Gramm,  oder  wieviel  Kilometer  auf  ein  Kilogramm  gehen. 

Bombyx,  Seidenspinner,  s.  Seide  und  Seidenzucht. 

Bomesine,  s.  Bombasin. 

Bonefize  (Bohnseiss,  Knochenschlichte),  flüssig  bleibende  Schlichte  für  Garn 
bei  der  Tuchweberei ;  wird  aas  Tierkadavern  durch  Auskochen  mit  Wasserdampf 
in  verschlossenen  Apparaten  erhalten  und  besteht  aus  leimhaltigem  Fleischextrakt. 

Bone  lace  (engl.),  Knochenspitze,  in  Inventarien  der  Königin  Elisabeth 
(1558 — 1603)  erwähnt,  wo  der  Ausdruck  als  Klöppelarbeit  aufzufassen  ist,  weil 
vor  Erfindung  des  Holzklöppels  dünne  Knochen  zum  Aufwickeln  des  Garns  ver- 
wendet wurden. 

Bonitur  (vom  lat.  bonus,  gut),  im  Wollhandel  die  kunstgerechte  Beur- 
teilung eines  Yliesses  mittels  technischer  Ausdrücke  und  Zeichen. 

Bonndorf,  Hauptstadt  im  bad.  Kreis  Waldshut:   Musselinstickerei. 

Bonne-femme  (taff'etas-ä  la),  besondere  Art  französischer  Taö'et,  schwarz, 
ohne  Glanz  und  Appretur. 

Bonnetable,  Hauptstadt  im  Arrond.  Mamers  des  franz.  Depart.  Sarthe : 
Baumwollweberei,  Fabrikation  von  Beuteltuch  und  Taschentüchern. 

Bonnet  de  Turquie,  s.  Fez. 

Bonnetterie  nennt  man  in  Frankreich  alle  gestrickte  und  gewirkte  Waren, 
sowohl  von  Seide,  als  auch  von  Wolle,  Baumwolle  und  Leinen;  bonnetier  = 
Mützenmacher,  Strumpfwirker. 

Bonnettes,  s.  Segelleinen. 

Bonneval,  Hauptstadt  im  Arrond.  Chäteaudun  des  franz.  Dep.  Eure-et- 
Loire :  Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Bönnigheim,  Stadt  in  Württemberg:  Seidenzwirnerei  und  -färberei  (über 
500  Arbeiter). 

Bontaues,  baumwollene  Decken  oder  Schürzen  mit  roten  Streifen,  welche 
die  nach  Afrika  handelnden  Völker  früher  im  Königreich  Kantor,  am  Gambia, 
tauschten  und  wieder  vertauschten ;  später  wurden  sie  von  europäischen  Fabriken 
in  den  afrikanischen  Handel  gebracht. 

Bonteet  rooke  Streep,  eine  Gattung  streifiger  Bettleinen,  welche  in  Fries- 
land gewebt  und  besonders  nach  Amerika  und  Westindien  ausgeführt  wurden. 


96  Bonten — Bosnien. 


Bonten,  Handelsname  für  sogenannte  Matrosenleinwand:  grobe  Ware, 
gewöhnlich  blau-  und  weissgewürfelt  oder  kariert;  auch  gleiche  Musterung  in 
rot  und  weiss. 

Bookjes,  s.  Bockleinen. 

Books  oder  Bückmusselin,  englische,  leichte  und  durchsichtige  Gewebe 
von  ganz  feinem  Baumwollengarn,  eine  Nachahmung  der  französischen  Linons. 

Bordat,  starker  und  grober  Baumwollenstoff  aus  Kairo,  Alexandrien  und 
Damiette,  zur  Kleidung  der  ärmeren  Bevölkerung. 

Bordati  heisst  eine  Art  Gewebe,  von  Seide  und  Baumwollengarn  aus 
Genua;  es  gibt  glatte,  geblümte,  atlasartige,  gestreifte  u.  s.  w.  Eine  Sorte 
dieser  Zeuge  brauchen  die  Orientalen  zu  Gürtelstoffen. 

Bordeaux,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Gironde :  Woll-  und  Baumwoll- 
spinnereien, Fabrikation  in  Decken  und  Teppichen. 

Borden,  Borten  (franz. :  bordures,  galons,  passements ;  engl. :  welts,  edges, 
trimming,  laces;  span. :  bordes;  ital. :  galloni),  sind  gleich  den  Bändern  (s.  Band) 
schmale  Gewebe  verschiedener  Gattung.  Die  Grenze  zwischen  beiden  ist  stilistisch 
kaum  scharf  zu  ziehen ;  indessen  unterscheidet  man  im  Sprachgebrauch  gewöhnlich 
nach  der  Beschaffenheit  der  Ware  so,  dass  zu  Bändern  leichtere  Gewebe  und 
zu  den  Borten  solche  Besätze  gerechnet  werden,  welche  aus  dickerem  Material, 
besonders  aber  aus  Metallgespinsten  gefertigt  sind :  sie  gehören  daher  mehr  oder 
weniger  zu  den  Posamentierarbeiten,  welche  zum  Besetzen  von  Kleidungsstücken, 
gewebten  Tapeten,  Polstermöbeln  u.  s.  w.  Verwendung  finden. 

Bordürenstoffe  werden  im  Handel  Gewebe  mit  abgepassten  Mustern  für 
Behangstreifen,  Lambrequins  u.  dergl.  genannt. 

Borghorst,  Dorf  im  preuss.  E-egbez.  Münster:  zwei  grosse  Baumwoll- 
spinnereien (55  600  Spindeln),  6  Baumwollen-  und  Halbleinenwebereien  (1400 
Stühle) ;  Färberei. 

BorgO  di  Val  Sugana,  Marktflecken  und  Hauptort  im  Suganatale :  Seiden- 
filaturen. 

BorgO  San  Donnino,  Hauptort  in  der  ital.  Prov.  Parma:  Seiden-  und 
Hanfspinnereien. 

Borken,  Kreisstadt  in  Westfalen:  4  mechanische  Webereien  (300  Stühle, 
275  Arbeiter,  50000  Stück  jährliche  Produktion). 

Borowitschi,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Nowgorod:  Leinwand- 
färberei und  -druckerei;  Handel  mit  Leinwand. 

BÖrowsk,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Kaluga:  Seiden-  und  Segel- 
tuchfabrik. 

Borrat,  schwarzer  Baumwollenstoff,  ehedem  in  Sachsen  gefertigt,  dem  Berkan 
ähnlich. 

Borre,  eine  Art  ostindischer  baumwollener  Gewebe  oder  Nesseltücher. 

Borte,  s.  Borden. 

Bortenwirkerei,  s.  Bandwirkerei  und  unter  Köln  und  Palermo. 

Bortenwirkstuhl,  s.  Bandmacherstuhl  und  Posamenterie. 

Boskowiz,  Stadt  in  Mähren:  Woll-  und  Baumwollindustrie, 

Bosnien,  mit  der  Herzegowina  nominell  das  nordwestlichste  Yilajet  des 
Osmanischen  Reiches  in  Europa:  einheimische  Industrie  von  Leinen-  und  ge- 
wöhnlichen Wollenzeugen,  welche  im  eignen  Lande  verbraucht  werden.  Hin- 
gegen hat  es  sich  die  österreichisch-ungarische  Verwaltung  angelegen  sein  lassen, 
die  aus  dem  Orient  herübergekommene  Teppichindustrie,  welche  einst  hier  ein 
blühender  Zweig  kunstgewerblicher  Tätigkeit  war,  zu  einem  neuen  Aufschwünge 
zu  verhelfen.  Der  alte  bosnische  Teppich  ist  auf  äusserst  einfachen  Web- 
stühlen gewirkt,  die  nur  eine  Breite  von  etwa  40  cm  haben,  so  dass  ^ur  Her- 
stellung breiterer  Teppiche  dieselben  aus  Streifen  zusammengenäht  wurden,  was 
die  bosnischen  Arbeiterinnen  nicht  ohne  Geschick  zu  machen  verstanden.  Bos- 
nische Teppiche  wurden  übrigens  früher  nicht  nach  dem  Mass,  sondern 
nach  dem  Gewicht  verkauft.  Die  Musterung  der  bosn.  Teppiche  besteht  aus 
geradlinigen  Motiven,  wie  sie  die  grobe  Schlitzwirkerei  zur  Darstellung 
bringt  (s.  Kilim). 


Boston — Bourrette-Industrie.  97 


Boston,  Hauptstadt  des  nordamerikanischen  Staates  Massachusetts  und  des 
County  Sutiolk:  nach  Neuyork  der  bedeutendste  Ein-  und  Ausfuhrhafen  der 
Union:  bedeutender  Handel  mit  Asien.  Ein-  und  Ausfuhrartikel,  besonders 
Baumwolle;  Herstellung  von  Männerkleidern:  jährlich  etwa  für  24  Mill.  Doli. 

Bota,  Betsche  bota,  persische  Bezeichnung  für  das  auf  den  Knüpfteppichen 
vorkommende  Palmwipfelmuster  (s.  d.). 

Boublins,  Bublins ,  dichter  geköperter  Baumwollenstoff,  blau  und  grün 
changierend,  welcher  in  Böhmen  zu  Sommerkleidern  für  Polen  und  Galizien  ge- 
webt wird. 

Boucassine,  französische  Steifleinwand  und  ein  grober  Zwillich. 

Bouche,  französischer  leinwandartig  gewebter  feiner  Wollenstoff,  ungefärbt, 
in  der  natürlichen  gelben  Farbe,  für  den  Handel  nach  Spanien  und  Italien  ver- 
fertigt, wo  er  von  den  Geistlichen,  die  nach  ihrer  Ordensregel  keine  Hemden 
tragen  dürfen,  gebraucht  wird. 

Bougrams,  Bougran  oder  Bougassin,  eine  Art  grober  Steifleinwand, 
welche  man  in  die  Kleider  unterfüttert,  um  denselben  einen  Grad  von  Haltung 
zu  geben. 

Bouillon  oder  Cantille  (franz.:  bouillon,  canntelle ;  engl.:  bullion,  purl;) 
ein  zu  Stickereien,  Borden,  Fransen,  Epaulettes  u.  dergl.  verwendetes  Fabrikat, 
w^elches  aus  feinem,  spiralig  gedrehtem  Gold-  und  Silberdraht  besteht.  Ein  ver- 
wandtes Stickmaterial  ist  der  geglättete  Draht  oder  das  Lahn  (franz. :  lame  d'or 
ou  d'argent;  engl.:  tinsel,  flatted  wire),  woraus  man  auch  die  sogenannten  Glanz- 
kantillen  herstellt. 

Boulanges  de  Campos,  eine  Art  Serge,  die  in  Frankreich  gewebt  wird; 
sie  führt  den  Namen  von  der  spanischen  Camposwolle  und  wird  auch  Carise 
oder  Tiretaine  genannt. 

Boulogne-Sur-Mer,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Pas-de- 
Calais :  Flachsspinnereien,  Posamentenfabriken. 

Boulogne-Sur-Seine,  Stadt  im  Arrond.  St.  Denis  des  franz.  Depart.  Seine : 
Leinwandbleichen  mit  400  Waschhäusern. 

Bouloires  heissen  einige  Sorten  französischer  Leinenstoffe  nach  dem  gleich- 
namigen Dorfe  im  Departement  der  Sarthe,  wohin  sie  die  Landleute  aus  der 
umliegenden  Gegend  zu  Markte  bringen. 

Bourbon,  afrikanische  Baumwollsorte. 

Bourdaloue,  französische,,  gemusterte  Leinwand  oder  Zwillich,  mit  ver- 
schiedenen geometrischen  Mustern,  oft  auch  damastartig  gezogen;  sie  wird  zu 
Tischtüchern  und  TJeberzügen  verbraucht. 

Bourdonys,  Wollenstoffe,  welche  ehemals  aus  Gera  kamen. 

Bourg-de-Peage,  Hauptstadt  im  Arrond.  Valence  des  franz.  Depart. 
Drome:  Seidenindustrie. 

Bourg-en-Bresse,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Ain :  bedeutender  Handel 
mit  Spitzen. 

BourgOgne,  berkanartiges  glattes  Zeug  von  Abbeville. 

Bourgoin,  Hauptstadt  im  Arrond.  La  Tour-du-Pin  des  franz.  Depart.  Isere: 
Seidenfilaturen,  Stoffdruckerei;  Handel  in  Leinen-  und  Wollwaren. 

Bourme,  eine  Sorte  persischer  Rohseide. 

Bourre,  beste  Gattung  der  Abfallseide,  welche  beim  Haspeln,  Spulen, 
Putzen  und  Mulinieren  der  Rohseide  gewonnen  wird;  sie  kommt  namentlich  in 
englischen  Spinnereien  zur  Verarbeitung.  Bourszeuge  werden  hiernach  in  Frank- 
reich mehrere  Gattungen  unter  sich  verschiedener  Gewebe  genannt,  deren  Güte 
durch  Nebenbenennungen  unterschieden  ist.  Auch  weiss  gestreifte  Baumwollen- 
zeuge aus  Kleinasien  kommen  unter  dieser  Bezeichnung  in  den  Handel. 

Bourrette  (franz.),  flockiger  Stoff'  aus  Seidenabfällen  für  Tischdecken  u.  s.  w. 
bedruckt. 

Bourrette-Industrie  wird  jener  Zweig  der  Seidenspinnerei  genannt,  bei 
welcher  die  in  der  Florettspinnerei  (s.  d.)  erhaltenen  Abfälle  (Bourette,  Werg, 
Stumba)  als  Rohmaterial  Verwertung  finden.  Sie  besteht  seit  1855,  die  eigent- 
liche Entwickelung  fällt  in  die  letzte  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts;    ihre  Bedeu- 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  7 


98  Bourrettemasse — Brasilien. 


tung  und  Grösse  bleibt  von  der  Ausdehnung  der  Florettspinnerei  abhängig. 
(Ygl.  Silbermann,  Die  Seide,  Bd.  II.  S.  90  £f.  Dresden  1897.) 

Bourrettemasse,  Abfall  aus  der  Bourretteindustrie  (s.  d.),  findet  als  Packungs- 
und Isoliermaterial  Verwendung;  auch  als  Füllung  für  die  Pujffer  der  Eisen- 
bahnwaggons. 

Bourrette-Seide  oder  -Garn  dient  als  Ersatzmittel  für  die  Florettseiden 
(s.  d.)  und  findet  hauptsächlich  als  Einschlag  für  alle  bilhgeren  Artikel  Ver- 
wendung, wie  für  Möbelstoffe,  Decken,  Kleiderstoffe,  Druckfabrikate  u.  s.  w. 
Ferner  wird  dieses  Material  für  Stückpatronen  der  Geschütze  und  in  Frankreich 
für  das  Artillerie-Asbestzeug  als  Einschlag  benützt  (s.  a.  Bourrette-Industrie). 

Boutanes,  eine  Art  Dimiti  oder  geköperter  Baumwollenstoffe,  die  von  den 
Inseln  Cypern  und  Ohio  nach  Marseille  gebracht  werden. 

Boutonniere,  point  de  (franz.),  Knopflochstich,  durch  den  der  Grund  in 
Nadelspitzen  hergestellt  wird. 

Boy,  Boi,  Boie,  grober  und  tuchartiger  lockerer  Flanell  aus  "Wolle  und 
Kämlingen. 

Boyau,  moderne  Zeugart:  abwechselnd  glatte  Streifen  aus  geköpertem  Atlas 
und  Kipsstreifen,  zwischen  welchen  Musterung  auf  Taffetgrund. 

Braban^onnes,  werden  Spitzenkanten  von  Antwerpen  genannt. 

Brabant,  Landschaft  des  holländisch  belgischen  Tieflandes :  von  alters  her 
blühende  Industrie,  besonders  in  der  Fabrikation  von  Leinen-  (Brabanter  Spitzen), 
Baumwoll-  und  Tuchwaren. 

Brabanter  Spitzen,  s.  Spitzen. 

Brabantes,  spanischer  Name  verschiedener  Sorten  brabanter  Leinwand, 
welche  in  Flandern,  namentlich  in  der  Gegend  von  Gent,  von  den  Landleuten 
wöchentlich  jeden  Markttag  zum  Verkauf  in  die  Stadt  gebracht  und  unter  dem 
Namen  Blaams  Linnen  verkauft  werden. 

Brabantine  nennt  man  in  Italien  eine  weiss  gebleichte  Leinwand  von 
verschiedener  Feinheit,  welche  aus  Holland  kommt. 

Bradford,  Stadt  in  der  englischen  Grafschaft  York :  Herstellung  von  Woll- 
garn und  Ötoffwaren.  Die  Industrie  beruhte  im  Mittelalter  auf  Tuchmanufaktur ; 
gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  wurde  die  Kammgarnspinnerei  eingeführt,  die 
seit  Erfindung  der  Dampfmaschine  alle  anderen  Betriebszweige  in  den  Hinter- 
grund drängte.  Seit  1833  ist  durch  Sir  Titus  Salt  das  Alpaka,  bald  darauf 
auch  das  Mohair  eingeführt.  Die  Saltaire-,  Alpaka-  und  Mohairspinnerei  an 
der  Aire,  5  km  von  B.,  beschäftigt  über  3000  Arbeiter.  Durch  S.  C._  Lister 
nahm  auch  die  Seiden-  und  Velvetfabrikation  grossartigen  Aufschwung.  Die 
von  ihm  errichteten  „Mauningham  Mills"  gehören  zu  den  bedeutendsten  Englands. 

Braga,  Hauptstadt  in  der  portug.  Prov.  Minho :  bedeutende  WoU-  und 
Leinenwebereien. 

Bragan^a,  Hauptstadt  in  der  portug.  Prov.  Traz  oz  Montes :  viele  Taffet- 
und  Sammetwebereien. 

Braintree,  Stadt  in  der  englischen  Grafschaft  Essex:  bedeutende  Seiden- 
manufaktur. 

Bramsche,  Ort  im  preuss.  Regbez.  Osnabrück:  Baumwoll-,  Wollwaren  und 
Leinwan  dfabrikation. 

Bran,  eine  Sorte  russischer  Schetterleinwand ;  auch  Kleanka  im  russischen 
Handel  genannt. 

Brand,  Stadt  bei  Freiberg  in  Sachsen:  Gold-  und  Silberspitzenklöppelei; 
seit  1887  eine  Klöppelschule. 

Brandenburg,  Stadt  im  preuss.  Regbez.  Potsdam:  Fabrikation  von  Woll- 
und  Seidenwaren;  Tuchmanufakturen.  Die  Domkirche,  um  1170  erbaut,^  enthält 
eine  grosse  Sammlung  mittelalterlicher  Messgewänder,  darunter  das  Gewand  des 
Schwanenordens  (s.  d.). 

Brandeum  (lat.) ,  ein  seidenes  oder  leinenes  Tuch,  insbesondere  zum  Ein- 
hüllen und  Angreifen  der  Reliquien. 

Brasilien,  ausgedehnter  Staat  in  der  östlichen  Hälfte  von  Südamerika: 
bedeutende  Baumwollenindustrie;  fertigt  Spitzen  in  ganz  selbständigem  Stil  nach 


Brauls — Brettchenweberei.  99 


den    aus   Portugal    uud    Madeira    eingeführten   Waren    (s.  Spitzen ,  insbesondere 
Solspitzen). 

Brauls,  Brawels,  auch  Chiadder-Boraals,  baumwollene,  weiss-  und  blau- 
gestreifte ostindische  Tücher  oder  locker  gewebte  Kattune,  im  Handel  nach  den 
afrikanischen  Küsten,  wo  sie  die  Bewohner  zum  Einhüllen  des  Kopfes,  sowie 
zum  Ueberzug  des  Turbans  gebrauchen,  weshalb  sie  oft  unter  dem  Namen 
Turbans  (s.   d.)  vorkommen. 

Braunau,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutende  Tuchmacherei,  Wollindustrie;  in 
der  Nähe  zwei  Baumwollwarenfabriken. 

Braunsberg,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Königsberg:  ehemals  wurde 
viel  Garn  erzeugt,  auch  Tuch-  und  Leinenweberei  getrieben. 

Braunsberg,  Stadt  in  Mähren:  bedeutende  Schafwollindustrie. 

Braunschweig,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Herzogtums  B. :  Fabrikation 
von  Wollwaren.  Das  Herzogliche  Museum  in  B.  (Direktor:  Prof.  Dr.  P.  Meier), 
gegründet  1755,  enthält  eine  Reihe  frühmittelalterlicher  Messgewänder,  Stoffe 
und  Stickereien  (etwa  300  Nummern).  (Vgl.  Stoffsammlungen.)  Das  Vater- 
ländische Museum,  gegründet  1890  im  Anschluss  an  die  Ausstellung  vater- 
ländischer Erinnerungen  aus  den  Jahren  1806 — 15,  enthält  Trachten  und  sonstige 
Textilien  kirchlicher  und  profaner  Art. 

Brauweiler,  Dorf  im  preuss.  Reg. -Bez.  Köln:  In  der  romanischen  Kirche 
werden  frühmittelalterliche  Gewänder  aufbewahrt;  bekannt  ist  das  Gewand  des 
beil.  Bernward. 

Breannes,  eine  französiche,  locker  gewebte,  weissgeb leichte  Leinwand, 
die  wie  die  Brionner  zugerichtet  ist  und  als  solche  verkauft  wird. 

Brechin,  Stadt  in  der  schottischen  Grafschaft  Eorfar:  Segeltuch-  und 
Leinenindustrie. 

Breda,  Stadt  in  der  niederl.  Provinz  Nordbrabant :  bedeutende  Tuch-  und 
Teppichfabriken. 

Bregenz,  Hauptstadt  von  Vorarlberg:  Baumwollspinnerei  und  -weberei, 
Fabrikation  von  Seidenfoulard. 

Bremen,  freie  Hansestadt :  Jutespinnerei  und -weberei;  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei. 

Bremergarn,  s.  Leinengarn. 

Bremer  Linnen  .  werden  im  Handel  mehrere  Sorten  westfälischer  Lein- 
wand genannt,  welche  roh  nach  Bremen  geliefert,  dort  appretiert  und  als 
Rosenlinnen,  Cannamosas,  Casserillos  nach  Spanien  und  Amerika  verkauft  werden. 

Brenne,  leichter  AVollenstoff,  zuweilen  mit  seidenen  Streifen,  welcher  früher 
aus  Frankreich  kam. 

Breslau ,  Hauptstadt  der  preuss.  Provinz  Schlesien :  Baumwoll-  und 
Kammgarnfabriken;  Teppichindustrie.  Schlesisches  Museum  für  Kunst- 
gewerbe und  Altertümer,  gegründet  1891,  (Direktion:  Prof.  Dr.  K.  Massner, 
Dr.  Hans  Seger)  enthält  eine  umfangreiche  Stoffsammlung,  deren  mittelalter- 
liche Gewebe  und  Stickereien  den  dortigen  Kirchen  entstammen. 

Breslauer  Ballen  wurden  früher  sehr  verschiedene  Sorten  schlesischer 
Leinwand  genannt,  deren  Hauptmarkt  Breslau  war. 

Brest,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Finistere :  Fabrikation  von  wasser- 
dichter Leinwand;  Wollhandel. 

Bretagnes,  eine  der  gangbarsten  Sorten  weissgebleichter  Leinwand  nach 
gleichnamiger  französischer  Provinz ,  wo  sie  ursprünglich  vorzüglich  und  in 
grossen  Mengen  gefertigt,  seit  langem  aber  auch  in  Deutschland  und  England 
nachgemacht  wird. 

Brettchenweberei,  eine  in  neuester  Zeit  (zuerst  durch  Geheimrat  Jakobs- 
thal) wieder  belebte  uralte  Technik,  welche  schmale  Bänder  und  Fransenborten 
aus  Fäden  herstellt,  deren  Kreuzung  durch  das  Drehen  von  Brettchen  vermittelt 
wird,  in  welche  die  Längsfäden  (also  die  eigentliche  Kette)  gezogen  sind.  Der 
das  Muster  bildende  Faden  befindet  sich  auf  einer  schiffchenartigen  Spule  und 
wird  mit  der  Hand  geführt  (vergl.  Margarethe  L  ehmann-Filhes ,  „lieber 
Brettchenweberei",  Berlin  1901).     (Näheres  siehe  unter  „Flechtband".) 


100  ßriangon— Brodequins. 


Brian90n,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Hautes- Alpes: 
die  Seidekrempelanstalt  in  einem  ehemaligen  Kloster  zählt  mehr  als  600  Arbeiter; 
ausserdem  Fabrikation  von  Trikots  und  Strumpfwaren.  Durchfuhrhandel  nach 
Italien. 

Brides  heissen  die  Yerbindungsstege  in  Nadelarbeiten  der  Spitzen,  welche 
zwischen  den  verschiedenen  Einzelfiguren  des  Musters  liegen:  daher  Bride-Grund 
jeder  unregelmässige  Grund  in  Nadelspitzen ;  bride  picotee  heisst  ein  solcher 
Stegfaden,  wenn  er  mit  Zähnchen  aus  kleinen  Maschen  besetzt  ist. 

Bridgeport,  Stadt  und  Hafen  des  nordamerikaniscben  Staates  Conecticut : 
bedeutende  Fabrikation  von  Strickwaren  und  Teppichen. 

Bridgewaters  sind  englische  leichte  Tücher. 

Brieg,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Breslau;  Wollspinnerei,  Flanell- 
weberei ;   Fabrikation  von  Tuch-  und  Posamentierwaren. 

Briegische  Leinwand,  oberschlesische  Hausmacherleinwand ,  die  zwischen 
Brieg  und  Oppeln  von  Landleuten  gewebt  und  gebleicht  wird. 

Brighouse,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York :  Woll-,  Baumwoll-,  Kamm- 
garn-, Seiden-  und  Tapetenfabrikation. 

Brihuega,  Bezirksstadt  in  der  span.  Provinz  Guadalajara  in  Neukastilien : 
eine  aus  den  Zeiten  Ferdinands  VI.  ( — 1759)  und  Karls  III.  ( — 1788)  stammende 
Tuchfabrik. 

Brillantgarn,  ein  zu  Stickereien  verwendetes  gezwirntes  Wollgarn,  das  in 
lebhaften  Farben  gefärbt  und  hierauf  mit  Gold-  oder  Silberlahn  so  weitläufig 
übersponnen  wird,  dass  zwischen "  den  Windungen  der  Grundfaden  deutlich 
sichtbar  ist.  In  China  (s.  d.)  und  Japan  stellt  man  gleiches  Material  für  Weberei 
und  Stickerei  aus  farbigen  Seidenfäden  her,  um  die  das  Metall  (Lahn  oder 
gezogenes  Drahtgespinst)  so  gewunden  wird,  dass  die  Farbe  der  Seide  die 
malerische  Wirkung  des  dargestellten  Musters  erhöht:  je  nach  der  Schattierung 
des  Unterfadens  erhält  also  das  Gold  einen  grünen,  roten  oder  bläulichen  Schein. 
(S.  a.  Brokat.)  lZ4P^S'i 

Brillants,  englische  Bezeichnung  eines  älteren  AVollenstofi'es,  der  früher 
zu  Beinkleidern  Verwendung  fand. 

Brillantstoff,  geblümter  Seidenstoff,  in  welchen  Brillantgarn  (s.  d.)  verwebt 
worden  ist, 

Brillanttaffet  nannte  man  früher  einen  gemusterten  Taffet  mit  Quadraten 
und  Steinen,  in  einer  Schlangenlinie  zusammengesetzt,  gleichsam  einen  Wetter- 
strahl bildend. 

Brins  heissen  mehrere  Sorten  festgewebter  roher  Leinwand,  welche  in 
Frankreich  gewebt  und  nach  Amerika  verkauft  werden. 

Brionnes,  beliebte  französische  Leinwand,  locker  und  dünn  gewebt,  am 
meisten  in  gleichnamiger  Stadt  gefertigt. 

Brioude,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Haute-Loire:  Manufakturen  in 
Passem enterie,  Tüll  und  Wollstoffen. 

Brisbane,  Hauptstadt  der  brit.-austral.  Kolonie  Queensland:  starke  Aus- 
fuhr von  Wolle  und  Baumwolle. 

Britannias,  unter  diesem  Namen  werden  aus  der  Lausitz  und  aus  Schlesien 
dicht  gewebte  Leinenwaren,  teils  gebleicht,  teils  roh,  nach  Westindien,  besonders 
nach  der  Havannah  verschickt. 

Britisches  Museum,  s.  London. 

Brive-la-Gaillard,  Hauptstadt  des  Arrond.  B.  im  franz.  Depart.  Correze: 
Musselinwebereien ;  Wollhandel. 

Brixen,  Stadt  in  Tirol:  im  Dom  werden  frühmittelalterliche  Stoffe  und 
Gewänder  aufbewahrt;  bekannt  ist  das  sogen.  Adlergewand:  abgebildet  auf 
Tafel  II,  5. 

Brjansk,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Orel :  beträchtlicher  Handel 
mit  Hanf  und  Hanfgespinsten. 

Broad-Cloth  nennt  man  in  England  die  feinsten  wollenen  Tücher,  welche 
dort  für  den  chinesischen  Markt  gefertigt  werden. 
Brodequins  (franz.)  sind  gestickte  Strümpfe. 


Broderie— Brügge.  101 


Broderie  (franz.),  Stickerei,  gestickte  Arbeit,  la  brode,  die  in  der 
Reliefspitze  vorkommende  Stickerei. 

Brody,  erste  Handelsstadt  in  Galizien:  Geschäfte  in  "Wolle  aus  Russland, 
Baumwoll-  und  Seidenwaren. 

Brokat  (von  brocatto,  ital.,  gestickt;  franz.:  brocart;  engl:  brocarde) , 
ein  Seidengewebe,  dessen  Grund  und  Muster  ganz  oder  teilweis  aus  Gold-  oder 
Silberfäden  besteht ;  auch  schwere  glatte  Seidenstoffe  mit  farbigem  einbroschiertem 
Muster  werden  B.  genannt.  Die  Verwendung  von  Metallfäden  zur  Weberei 
stammt  aus  dem  Orient  (China  ?),  ihr  ging  die  Goldstickerei  und  das  Aufnähen 
von  goldenen  Streifen  und  Plättchen  vorauf  (s.  Goldstickerei).  Anfangs,  im 
11.  Jahrhundert  n.  Chr.,  werden  schmale  vergoldete  Lederhäutchen  verwandt, 
welche  im  13.  Jahrhundert  durch  den  sogen,  cyprischen  Goldfaden  (s.  d.)  ersetzt 
sind,  der  als  Umwickeluug  eines  Leinengespinstes  (s.  Membran)  dient.  Der 
gezogene  Metallfaden  kommt  im  16.  Jahrhundert  aus  Spanien  und  zwar  hier 
und  in  Italien  (Genua,  Florenz,  Venedig)  auch  in  prächtigen  Sammettapeten 
(Sammetbrokat)  und  Gewändern  als  hochstehende  Oesen  (s.  Noppen)  in  An- 
wendung (s.  or  frisee).  In  China  und  Japan  braucht  man  in  der  Weberei 
heut  noch,  so  wie  in  alter  Zeit  die  Lederriemchen,  vergoldete  schmale  Streifen 
aus  festem  Papier;  nur  bessere  Seidenbrokate  enthalten  gezogene  Metallfäden 
als  spiralig  umwickelte  Hülle  eines  farbigen  Seidenfadens :  eine  Art,  die  überall 
Eingang  gefunden  hat  (s.  Brillantgarn).  B.  wird  auch  als  Drap  d'or  oder  Drap 
d'argent  bezeichnet.     (Vgl.  den  Artikel  Broschieren.) 

Brokatelle,  Brocardelle,  ein  geringerer  dicker  Stoff,  früher  aus  grober 
Seide  und  Baumwolle,  jetzt  häufiger  nur  aus  Baumwolle,  welcher  zu  Tapeten, 
Vorhängen  und  Decken  Verwendung  findet.  Im  17.  Jahrhundert  wurde  B. 
gewöhnlich  einfarbig  aus  Seide  und  Baumw^olle  mit  grossblumigem  Damastmuster 
besonders  in  Italien  (Venedig,  Mailand  und  Genua)  gewebt;  dasselbe  hebt  sich 
infolge  der  Verschiedenheit  des  Materials  reliefartig  vom  Grunde  ab  (s.  Abb.  40). 

Bromsgrove,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Worcester:  bedeutende  Grob- 
leinenfabrikation. 

Bromsia,  eine  Sorte  levantinischer  Rohseide. 

Bronnizy,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Moskau:    Baumwollweberei. 

Broschieren  (vom  franz. :  brocher,  mit  Seide,  Gold  oder  Silber  durchwirken) 
(engl. :  to  stitch),  in  der  Weberei  ein  Verfahren  anderer  Musterbildung,  als  sie 
durch  den  Grund-  und  Lanzierschuss  entsteht.  Der  hiernach  benannte  Broschier- 
schuss  findet  Anwendung,  wenn  Stellen  des  Musters  durch  oft  wechselnde  Farben, 
auch  durch  besseres  Material  (in  Wolle  oder  Baumwolle  durch  Seide,  in  Seide 
durch  Gold-  oder  Silberfäden)  besonders  hervorgehoben  werden  sollen.  Damit 
nun  diese  Broschierschüsse,  wie  beim  Lanzieren  (s.  d.)  unter  den  anderen  Stellen 
des  Gewebes  nicht  flottieren,  bedient  man  sich  der  sogen.  Broschierlade,  die  den 
Schützen  nur  so  weit  führt,  als  die  Broschierstelle  gross  ist.  Hierdurch  wird 
auch  bedeutendes  Material  erspart.  B.  ist  also  in  der  Weberei  ein  durch  den 
sogen.  Figurschuss  gleichmässig  fortschreitendes  Sticken;  jede  Broschierung 
besteht  nur  aus  einem  Schussfaden,  der  über  die  Breite  des  Broschiermusters, 
nicht  aber  über  die  ganze  Ware  läuft  und  so  in  der  technischen  Ausdrucksweise 
des  Webers   „besondere  Effekte"   herstellt. 

Brossage  (franz.),  das  Bürsten  (z.  B.  in  der  Tuchfabrikation)  bei  Ge- 
weben, meist  maschinell  ausgeführt. 

Brown  Osnabrughs  sind  rohe  ungebleichte  Leinen  aus  starken  Hanf- 
und Flachsfäden,  welche  in  Irland  und  Schottland  gefertigt  und  ohne  Appretur 
nach  Amerika  gehen,  sie  sind  den  westfälischen  sogen.  Osnabrücker  Leinenstoffen 
nachgemacht. 

Brown  Silesia,  ungebleichte  feste  schlesische  Leinwand. 

Bruges  (engl.),  schwerer  Seidenstoff,  so  genannt  von  Brügge  in  Flandern. 

Brügge,  Hauptstadt  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Haupterzeugnisse 
sind  Leinen-,  Woll-  und  Baumwollenerzeugnisse.  Die  Spitzenindustrie,  seit  dem 
Anfang 'des  17.  Jahrhunderts  durch  Klöppelei  geübt,  ist  heut  noch  im  Betrieb. 


102  ßruieren— BuchleineD. 


Spitzen  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  werden  in  Paris  unter  dem  Namen 
Malines  (s.  d.)  verkauft;  es  waren  dies  weniger  feine  grossblumige  Muster. 
B.  war  im  14.  Jahrhundert  Mittelpunkt  des  Welthandels  im  nördl.  Europa; 
seinen  Beziehungen  zu  Italien  verdankte  es  zu  dieser  Zeit  schon  die  Einführung 
der  Seidenindustrie  —  Yenetianer  und  Florentiner  legten  hier  den  ersten  Grund 
dazu.  Im  16.  Jahrhundert  zur  Zeit  Karls  V.  erlangte  die  Weberei  der  Seiden- 
atlasse, Sammete  und  Goldbrokate  ihren  Höhepunkt  (s.  Flandern). 

Bruieren  (franz.),  von  bruir,  das  ist  durchdämpfen,  von  Dampf  durch- 
dringen lassen,  ein  technischer  Ausdruck  für  Dämpfen  oder  Ausdämpfen ;  derselbe 
wird  nur  für  die  Methode  der  Befestigung  auf  Geweben  gebraucht,  wobei  die 
gefärbten  oder  bedruckten  Stoffe  der  Wirkung  heisser  Wasserdämpfe  ausgesetzt 
oder  bruiert  werden. 

Bruneta,  brunetum  (lat.),  (franz.:  brünette),  gefärbter  Wollenstoff  des 
Mittelalters. 

Brtinn,  Stadt  in  Mähren,  wichtigste  Fabrikstadt  der  österreichisch-unga- 
rischen Monarchie,  daher  das  österr.  „Manchester"  genannt,  für  Schafwollen- 
industrie, besonders  Tuche,  die  europäischen  Ruf  haben.  Yon  Bedeutung  ist 
auch  die  Fabrikation  von  Spinnerei-  und  Webereimaschinen ;  ferner  Segeltuch- 
fabrikation. 

Das  Mährische  Gewerbemuseum  (Direktor:  Julius  Leisching),  im 
Jahre  1873  zur  Hebung  der  Kunstindustrie  vom  Mährischen  Gewerbeverein  ge- 
gründet, enthält  eine  grosse  Sammlung  von  Stoffen  und  Stickereien,  deren  letztere 
zum  grossen  Teil  aus  modernen  Erzeugnissen  des  Landes  bestehen. 

Brunnen  in  ornamentaler  Darstellung  kommen  auf  sarazenischen  Geweben 
des  13.  Jahrhunderts  vor,  sie  erscheinen  in  der  Form  von  Ziehbrunnen. 

Brussa,  Hauptstadt  des  Vilajets  Khodawendikjar  in  Kleinasien:  Haupt- 
erwerbszweige sind  Seidenzucht,  -Spinnerei  und  -weberei.  Die  Seide  wird  haupt- 
sächlich nach  Lyon  ausgeführt.  Auch  die  Baumwollkultur  hat  in  neuester  Zeit 
Fortschritte  gemacht.  Berühmt  sind  die  seidenen  Burnusse  und  die  baumwollenen 
Bademäntel  von  B. ;  Hafen  der  Stadt  ist  Mudania.  Brussaleinen,  ein  in  B. 
gewebter  lockerer,  halbseidener  Schleierstoff,  welcher  infolge  der  Verschiedenheit 
von  Kette  und  Schuss  eine  wellige  Textur  hat. 

Brüssel,  Hauptstadt  des  Königreichs  Belgien,  zugleich  Hauptstadt  der 
Provinz  Brabant  und  der  ehemaligen  österr.,  früher  span.  Niederlande :  seit  dem 
16.  Jahrhundert  Hauptort  für  Spitzenindustrie,  welche  nach  eingeführten  Mustern 
aus  Italien  und  Spanien  entstand.  Es  werden  Klöppel-  und  Nadelspitzen  her- 
gestellt, erstere  erstreben  durch  den  breiteren,  glänzenden  Leinenfaden  der  Umriss- 
linien eine  ähnliche  Wirkung  wie  die  in  Mecheln  hergestellten.  Im  18.  Jahr- 
hundert werden  Spitzen  mit  vereinter  Nadel-  und  Klöppelarbeit  verfertigt 
(s.  Spitzen). 

Brustbaum,  vorderer  Querbaum  am  Webstuhl,  festliegend  oder  drehbar 
angeordnet.  Ueber  dem  B.  geht  die  fertige  Ware  auf  den  Warenbaum  (s.  a. 
Webstuhl.) 

BrzozÖW,  Stadt  in  Galizien :  Tuch-  und  Leinenweberei,  Bleicherei ;  Flachs-, 
Garn-  und  Leinwandhandel. 

Bucharischer  Kattun  ist  Basmas. 

Buchau,  Stadt  in  Württemberg:  Trikot-  und  Baumwollwarenfabriken. 
Buchbinderleinwand,  soviel  wie  Kaliko  (s.  d.). 

Buchholz,  Stadt  in  Sachsen:  die  Hauptindustrie  bildet  die  1589  durch 
Georg  Einenkel  eingeführte  Posamentierarbeit  mit  etwa  80  Fabriken  und  Ver- 
legern, 500  Arbeitern  und  30  grossen  Posamenten-,  Spitzen-  und  Perl^nhand- 
lungen. 

Buchleinen  (franz.:  toiles  ä  librets;  engl.:  book  linnen;  span. :  libretas ; 
holländ. :  bookjes)  nennt  man  nach  ihrer  Legeart  eine  gewöhnliche,  bunte  Leinwand, 
leicht  gewebt,  blau  und  weiss  oder  rot  und  weiss  gewürfelt,  gestreift  oder 
kariert,  welche  meist  nur  in  der  Oberlausitz  und  in  den  böhmischen  Grenzorten 
gewebt  wird  und  nach  Amerika  geht. 


Bucioche — ßurano.  103 

Bucioche,  eine  der  gewöhnlichen  Sorten  französischer  Wollentücher,  welche 
dort  für  den  Orient  gewebt  werden. 

Buckingham,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  B.:  Spitzenklöppelei,  Seiden- 
spinnerei, 

Buckskin  (vom  englischen  buck-skin  =  Bockfell),  ein  mit  verschieden- 
artigen Köperstreifen  oder  anderen  einfachen  Dessins  gemusterter  wollener  Stoff 
zu  Beinkleidern,  nicht  gerauht,  aber  auf  der  rechten  Seite  glatt  geschoren.  Die 
Kette  ist  in  der  Regel  ein  feines  festgedrehtes  Gespinst,  öfters  gezwirnt.  Der 
Wohlfeilheit  wegen  werden  auch  halbwollene  B.  gefertigt:  mit  gezwirnter,  baum- 
wollener Kette  und  einfachem  streichwollenem  Schuss.  B.  zerfällt  deutlich  unter- 
scheidbar in  zwei  Arten,  die  man  Winter-  und  Sommerbuckskin  nennt.  Erstere 
sind  in  Weberei  und  Zurichtung  ganz  wie  Tuch  behandelt ;  durch  den  geköperten 
Grund  erhalten  sie  dann  eine  grössere  Beweglichkeit  als  Tuch  und  haben  aber 
nicht  das  gedeckte,  glänzende  Ansehen  desselben,  dessen  Mangel  aber  durch  die 
Weberei  bedingt  ist.  Sommerbuckskin  wird  von  gezwirnter  Streichgarn- 
werfte, oft  auch  ganz  von  Streichgarnzwirn,  zuweilen  mit  Seide  dubliert,  ge- 
fertigt, und  es  begreift  sich,  dass  man  dazu  eines  sehr  feinen  Streichgarns  bedarf; 
die  Ware  fällt  daher  auch  dünner  und  noch  beweglicher  als  der  Winterbucks- 
kin  aus. 

Buckskinbindungen  sind  eigene  Arten  von  Diagonalbindungen,  die  auf 
Köperbindung  beruhen.  Grösstenteils  fertigt  man  Demistoffe  (s.  d.)  damit  an, 
welche  zu  Sommerüberziehern  dienen. 

Bücktücher ,  Bikkerntücher ,  superfeine  Tücher :  die  beste  und  feinste 
Gattung  der  sog.  märkischen  Wollentücher ,  welche  früher  in  Berlin  und  a.  0. 
im  Brandenbui'gischen  vorschriftsmässig  nur  aus  Kernwolle,  und  zwar  Winter- 
und  Sommerwolle  untereinander  genommen,  mit  rechts  gedrehten  Kettenfäden 
und  links  gedrehten  Einschlagiäden  von  zartem,  gleichem  Garn,  dicht  gewebt, 
nur  mit  Karden  gerauht  und  sehr  gut  geschoren. 

Budapest,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Königreichs  Ungarn:  11  Fabriken 
der  Textilindustrie  (Wollwäscherei,  Jutespinnerei,  3  Blaufärbereien  und  Kattun- 
druckereien). Seidenerzeugung  durch  Fütterung  der  Eaupenmit  Schwarzwurzeln  (s.  d.). 

Büffelwolle,  kanadisches  Büffel-  oder  Bisonhaar;  ein  äusserst  feinwolliges 
Flaumhaar,  welches  der  amerik.  oder  kanad.  Büffel  (Bos  Bonassus)  zwischen  den 
langen  und  starken  Haaren  hat;  es  wird  zu  feinen  Filzhüten,  auch  zu  Shawls 
und  anderen  Geweben  verarbeitet. 

Buffin  (engl.) ,  großes  Tuch  für  Frauenkleider  in  der  Zeit  der  Königin 
Elisabeth  von  England. 

Buffline,  halbleinenes  Hosenzeug. 

Bühl  im  Kreis  Gebweiler  des  Bezirks  Oberelsass:  grosse  Wollkämmerei, 
Spinnerei  und  Weberei  (33  000  Spindeln,  900  mechan.  Webstühle),  Baumwoll- 
spinnerei und  -Weberei. 

Bührenzeug,  s.  Barchent. 

Bujalance,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Cordova:  Tuch-  und  Wollenzeug- 
manufakturen. 

Bukarest,  Hauptstadt  des  Königreichs  Bumänien:  Herstellung  von  Tuch-, 
Flanell-,  Leinwand-  und  Wollwaren. 

Bulgarien,  Fürstentum  der  Balkanhalbinsel :  Fabrikation  von  Wollgeweben 
und  Teppichen  (in  Grabovo).    Erzeugung  von  bunten  Leinenstickereien  für  Kostüme. 

Bundfäden,  Bindefäden,  in  der  Weberei  die  (Ketten-  oder  Schuss-)  Fäden, 
welche  die  das  Muster  bildenden  flottliegenden  Fäden  niederhalten. 

BuntingS  (franz. :  etamine) ,  englische  Leinengewebe ,  zu  Flaggentüchern 
hergestellt,  meist  in  Weiss,  Königsblau  und  Scharlachrot  gefertigt. 

Burail,  französischer  Stoff,  eine  Art  Ferrandine  (s.  d.),  in  dem  die  Kette 
aus  Florett-  oder  anderer  Seide,  der  Einschlag  aus  Baumwolle,  Wolle,  Ziegen- 
haar u.  s.  w.  gemacht  wird. 

Burano,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  und  im  Distrikt  Venedig:  erzeugte  seit 
dem  Ende  des  18.  Jahrhunderts  genähte  Spitzen,  welche  Aehnlichkeit  mit  denen 


104  Burat — Burkhardtsdorf. 


von  Alencon  hatten.  Dieselben  erhielten  sich  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts. Was  heute  in  den  Spitzenschulen  von  B.  gemacht  wird,  hat  moderne, 
französische  Arbeiten  zum  Muster. 

Burat,  in  Frankreich  ein  leichter,  aus  Florettseide  und  Kammgarn  gewebter 
Stoff,  der  in  Fr.  selbst  und  auch  in  Italien,  Spanien  und  Portugal  sehr  gebraucht 
wird.     Die  in  E-heims  gewebten  Burats  ä  gros  grains  sind  etaminartig. 

Burates,  in  Frankreich  hergestelltes ,  leichtes ,  gewöhnliches  Wollenzeug, 
das  leinwandartig  gewebt  und  stärker  als  Schleieretamin  ist,  es  dient  (schwarz 
gefärbt)  zur  Kloster-  und  Trauerkleidung. 

Buratine,  Name  eines  älteren  Stoffes,  dessen  Kette  Seide,'  der  Schuss  feines 
Kammgarn  ist. 

Buratiner  Seide,  eine  Sorte  persischer  E^ohseide. 

Buratto ,  in  Italien ,  besonders  zu  Neapel  und  in  Sizilien,  ein  seidener 
Buratstoff,  zu  dem  die  Kette  von  bologneser  Seide,  der  Schuss  von  Trameseide 
genommen  wird. 

Bure,  grober,  leinwandartiger,  langhaariger  Wollenstoff,  der  seinen  Namen 
wahrscheinlich  von  Bourre  (s.  d.),  WoUabgang,  schlechte  Wolle,  die  man  dazu 
nimmt,  erhalten  hat.     Er  wird  in  der  ehemaligen  Normandie  gefertigt. 

Bureau  (franz.),  grober  Wollenstoff. 

Burg  bei  Magdeburg :  10  bedeutende  Fabriken  für  Tuch,  die  meist  Militär- 
tuch liefern;  ferner  bestehen  Flanellwebereien,  Färbereien,  Wollwäschereien. 

Burgau,  Stadt  im  bayr.  ßeg.-Bez.  Schwaben:  Baumwoll-  und  Woll- 
fabrikation. 

Burgdorf,  Hauptstadt  im  Schweiz.  Kanton  Bern :  Seidenband-  und  Damast- 
weberei, Woll-  und  Flachsspinnerei,  -weberei,  Färberei;  Fabrikation  von  Kunstwolle. 

BurgOS,  Hauptstadt  der  span.  Prov.  B.:  Wollwebereien;  Handel  mit 
Schafwolle  und  groben  Wollgeweben. 

BurgOS,  blaugefärbte  und  in  Farben  gedruckte  Tücher  aus  Ostindien,  eine 
Art  Kattun,  welche  früher  die  Holländer  nach  Europa  brachten;  später  wurden 
sie  hier  nachgemacht. 

Burgstädt,  Stadt  in  Sachsen  bei  E,ochlitz;  bedeutende  Fabrikation  von 
Strumpfwaren;  1750  die  erste  Kattunfabrik,  1787  die  erste  Seidenweberei  in 
Sachsen. 

Burgsteinfurt,  Kreisstadt  im  preuss.  Keg.-Bez.  Münster:  Leinenweberei, 
Zeugdruckerei,  Färberei,  grosse  Baumwollspinnerei. 

Burgund  (franz. :  Bourgogne),  der  Name  bezeichnete  früher  ein  bei  weitem 
grösseres  Gebiet  als  heute,  wo  er  auf  das  frühere  Herzogtum  B.  beschränkt  ist. 
Für  Handel,  Gewerbe  und  Kunst  beginnt  die  glänzendste  Periode  B.s,  an  der 
auch  die  Textilkunstindustrie  grossen  Anteil  hat,  mit  der  Regierung  Philipp  des 
Kühnen,  Herzog  von  B.  (1363 — 1404),  dem  Stifter  des  jüngeren  Hauses  Burgund. 
Seine  Heirat  mit  Margarete  von  Flandern  ist  darauf  nicht  ohne  Einfluss  ge- 
blieben. Die  schönsten  Denkmäler  der  Kunststickerei  jener  Zeit  sind  die  heute 
noch  erhaltenen  sog.  Burgundischen  Gewänder ,  bestehend  aus  dem  Messornat 
des  Ordens  vom  goldenen  Yliess,  welches  im  Auftrage  Herzog  Philipps  für  diesen 
angefertigt  wurde.  (Vgl.  Die  Burgundischen  Gewänder  der  K.  K.  Schatz- 
kammer. Messornat  für  den  Orden  vom  goldenen  Yliess.  Herausgegeben  vom 
Oesterreichischen  Museum  für  Kunst  und  Industrie,  Wien  1864.) 

Burgunder  Tapeten,  unter  diesem  Namen  bewahrt  das  historische  Museum 
in  Bern  neun  grosse  Wandteppiche  auf,  welche  zum  Teil  der  Bürger-,  zum  Teil 
der  Einwohnergemeinde  der  Stadt  gehören.  Sie  stammen  aus  der  Beute,  welche 
die  Schweizer  dem  Herzog  Karl  dem  Kühnen  von  Burgund  abgenommen  haben. 
(Vgl.  Jakob  Stammler,  Die  Burgunder  Tapeten  im  historischen  Museum  zu 
Bern.     Bern  1882.) 

Burhanpur,  Stadt  in  Ostindien :  Handel  und  Fabrikation  von  Musselin  und 
kostbaren  Seidenstoffen. 

Burkhardtsdorf,  Marktflecken  in  Sachsen:  Fabrikation  baumwollener 
Strumpfwaren  (16  Fabriken  mit  1000  Strumpfmaschinen). 


Burnley — Byssus.  105 


Burnley,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  grosse  Baumwollen- 
spinnereien,  sowie  Druckereien  und  Bleichen. 

Burnus  (arab.) ,  ein  aus  einem  dichten  Wollstoff  gearbeiteter ,  mit  einer 
Kapuze  versehener  Mantel,  das  allgemein  gebräuchliche  Oberkleid  der  mohammed. 
Bevölkerung  in  ^ordafrika.  Der  B.  ist  meist  weiss,  doch  tragen  Vornehme 
ihn  auch  farbig. 

Burrom  Sannah,  ostindische  baumwollene  Zeuge,  welche  die  dänisch- 
asiatische Gesellschaft  nach  Europa  brachte. 

Bursa  (lat.) ,  Tasche  zur  Aufbewahrung  des  Corporale  oder  eine  solche 
für  Beliquien. 

Burscheid,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Düsseldorf:  3  mechan.  "Webereien, 
1  mechan.  Spinnerei,    5  Färbereien,   4  Schäftchenfabriken ,    sowie  Plüschweberei. 

Bürstmaschine,  Aufsatzbürste,  Vorrichtung  zum  Aufstellen  der  Fasern 
an  Tuchen  mittels  Walzenbürsten. 

Burtscheid,  ehemalige  Stadt  im  preuss.  B,eg.-Bez.  Aachen:  bedeutende 
Industrie  (über  5000  Arbeiter) ,  erstreckt  sich  auf  Fabrikation  von  Tuch 
(20  Fabriken),  Kratzen  (2);  ferner  bestehen  4  Spinnereien,  8  Webereien,  4  Kamm- 
garnspinnereien und  8  Färbereien. 

Burudschird,  Stadt  in  der  pers.  Prov.  Iräk-Adschmi :  beträchtliche  Industrie 
in  BaumwoU-  und  Filzartikeln. 

Burundjuk  sind  zu  Konstantinopel  und  Asien  seidene  Hemden,  die  in  K. 
gemacht  werden. 

Busca,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Cuneo :  Seidenzucht  und  -weberei. 

Bütow,  Kreisstadt  im  preuss.  B-eg.-Bez.  Köslin:  Wollspinnereien  mit  Dampf- 
und Wasserbetrieb. 

Butzelleinwand ,  ein  früher  sehr  gangbarer  Artikel,  unter  welchem  man 
eine  einfache,  dicke  Leinwand  in  grosser  Verschiedenheit  begreift. 

Byssus  (griech.:  byssus),  durchschimmernde  Gewebe  verschiedener  Feinheit 
aus  weissen  und  gelblichen  Leinenfäden.  Der  altorientalische  B.  hat  hinsichtlich 
der  Feinheit  verschiedene  Arten  aufzuweisen.  Zu  den  einfachsten  Sorten  des  B. 
sind  jene  feinen  Leinengewebe  zu  zählen,  in  welche  die  Mumien  Aegyptens  aus 
der  Pharaonenzeit  eingewickelt  wurden.  Diese  Mittelsorte  ist  aus  einem  mittel- 
feinen Handgespinst  der  Pflanze  linum  usitatissimum  gewonnen,  welche  in  Unter- 
und  Oberägypten  mit  Sorgfalt  angebaut  wurde.  Die  feinste  und  teuerste  Abart 
des  B.,  die  an  Wert  dem  königlichen  Purpur  gleichstand,  wurde  aus  den  zartesten 
Fäden  jener  Leinpflanze  angefertigt,  die  nur  im  Delta  Aegyptens  wuchs.  Diese 
Sorte  des  B.  war  im  klassischen  Altertum  und  in  den  frühesten  christlichen 
Zeiten  sehr  gesucht  und  bekannt  unter  der  Bezeichnung  „alexandrinischer 
Byssus".  Ihm  stand  an  Feinheit  und  Höhe  des  Preises  der  syrischeByssus 
nahe ,  welcher  in  der  Nähe  von  Antiochien  wuchs  und  daselbst  unter  der  Be- 
nennung autiochenischer  B.  gewebt  wurde  und  durch  Karawanen  meist  auf 
orientalischen  Märkten  Absatz  fand.  Der  alexandrinische  B.  fand  vorzugsweise 
als  sudarium  (suaire)  zur  Umhüllung  des  Hauptes  hoher  Verstorbener  Verwendung. 
Die  Zartheit  des  Gewebes  gestattete  es,  die  Züge  des  Verstorbenen  zu  erkennen. 
Dieser  Eigenschaften  wegen  wurde  er  auch  von  hochstehenden  Frauen  und  Ma- 
tronen als  Kopfhülle ,  überhaupt  als  leichtes  Obergewand  (velamen  peplon)  in 
Gebrauch  genommen.  Seiner  Zartheit  wegen  nannte  man  den  B.  auch  linea 
nebula  oder  opus  araneum ,  weil  er  in  seiner  Textur  wie  Nebel  oder  wie  ein 
leichter  Anhauch  des  Spinngewebes  sich  darstellte.  Die  Sitte  verbot  es  aber  im 
Altertum,  nur  in  Byssus  zu  erscheinen,  er  blieb  ein  Privilegium  für  hochstehende 
Personen  und  Würdenträger.  Gemusterte  Byssusstoffe  mit  geometrischen  Figuren, 
aus  der  römischen  Cäsarenzeit  bis  zum  Sturze  des  weströmischen  Kaiserreiches, 
sind  nachweisbar.  Als  Marktplatz  der  Byssusstoffe  nennen  die  Schriftsteller  des 
Altertums,  seit  den  Tagen  der  ägyptischen  Pharaonen  bis  auf  die  Zeiten  der 
Ptolemäer  und  die  Herrschaft  der  arabischen  Kalifen,  Alexandrien  als  Hauptort, 
desgleichen  Antiochien ,  Damaskus  und  Palmyra  für  weniger  durchscheinende 
Gewebe.  (Vgl.  F.  Bock,  Die  textilen  Byssusreliquien  des  christlichen  Abend- 
landes, aufbewahrt  in  den  Kirchen  zu  Köln,  Aachen,  Cornelimünster   und  Prag. 


106  Byssus  jacinthus — Byzanz. 


Aachen  1895.)  Je  mehr  die  Kultur  und  Industrie  nach  den  Kreuzzügen  an 
Ausdehnung  gewannen,  auch  die  indischen  und  persischen  Baumwollenstoffe 
Eingang  fanden,  desto  seltener  wurde  der  Byssus,  bis  er  im  15.  Jahrhundert 
überhaupt  nicht  mehr  erscheint.     (Vgl.  auch  Muschelseide.) 

Byssus  jacinthus,  s.  Blyant. 

Byzantinischer  Stich  wird  in  neuerer  Zeit  in  der  Straminstickerei  jene 
Stichart  genannt,  wenn  über  einer  gewissen  Anzahl  von  Fäden  des  Grundstoffes 
(gewöhnlich  sechs)  Schrägstiche  gelegt  werden,  die  in  weiterer  Fortsetzung,  nach 
oben  und  seitwärts,  ein  dichtes  Zackenmuster  bilden.  Mit  einer  mittelalterlichen 
Technik  hat  der  Stich  nichts  gemein. 

Byzanz,  Byzantinisches  B-eich,  auch  Oströmisches ,  Morgenländisches^ 
Griechisches  Beich  genannt, 

entstand,  als  Theodosius  I.  bei  seinem  Tode  (395  n.  Chr.)  das  Römische  Reich  unter 
seine  beiden  Söhne  Arcadius  und  Honorius  teilte,  und  umfasste  die  Piäfektar  des 
Orients  und  den  grössten  Teil  von  Illyricum ,  nämlich  alle  asiatischen  Provinzen,  in 
Afrika,  Aegypten,  Marmarica  und  Kyrene^  in  Europa  die  Halbinsel  südlich  der  Donau, 
die  in  die  Diözesen  Thrazien  (nebst  Mösien  und  Scythien)  und  Makedonien  (nebst 
Achia,  Epirus,  Thessalien  und  Kreta)  zerfiel.  Hauptstadt  war  Byzanz ,  wonach  das 
Reich  seinen  Namen  führte ;  sie  wird  196  n.  Chr.  zerstört,  bald  aber  wieder  aufgebaut, 
erhebt  sich  zu  neuer  Blüte  und  wird,  als  Konstantin  der  Grosse  sie  330  unter  dem 
Namen  Neu-Rom  und  Konstantin opel  zur  Hauptstadt  des  Römischen  Reiches  gemacht 
hatte,  eine  der  bedeutendsten  Städte  der  Welt.  Im  Jahre  1453  wird  das  Byzantinische 
Reich  unter  Konstantin  XI.  von  den  Türken  unterjocht:  auf  seinen  Trümmern  erhob 
sich  das  Osmanische  Reich. 

Für  die  Geschichte  der  Textilkunst  ist  Byzanz  von  gleicher  vielseitiger 
Bedeutung,  wie  für  die  übrige  Entwickelung  der  Kunst  im  allgemeinen.  Byzanz 
wird  im  5.  u.  6.  Jahrhundert  als  Residenz  des  Reiches  die  leitende  Stadt  in 
Europa ,  nachdem  Rom  längst  zur  Bedeutungslosigkeit  herabgesunken  ist.  Im 
4. — 6.  Jahrhundert  findet  ein  starker  Import  von  orientalischen  seidenen  Ge- 
wändern nach  B.  statt.  Die  byzantinischen  Schriftsteller  jener  Zeit  sprechen  von 
modischen  Gewändern ,  die  auch  ser^.©che  genannt  werden :  die  Serer  sind  die 
Chinesen.  Aber  auch  die  chinesische  Rohseide  musste  Byzanz  über  Persien  be- 
ziehen und  der  Bedarf  an  Rohmaterial  für  die  bj-zantinischen  Seidenmanufakturen, 
welche  Justinian  (527 — 565)  von  Staats  wegen  eingerichtet  hatte  (s.  Gynäceen), 
war  eine  Hauptursache  der  häufigen  Kriege,  welche  das  Reich  mit  den  Parthern 
zu  führen  genötigt  war.  Diese  fingen  die  aus  China  kommende  Seide  ab ,  um 
sie  für  sich  selbst  zu  verbrauchen  oder  an  die  Byzantiner  mit  hohem  Aufgeld 
zu  verkaufen.  Auch  die  Versuche  Justinians,  die  Seide  durch  Yermittelung  der 
befreundeten  Aethiopier,  in  deren  Besitz  sich  die  alten  Handelswege  über  das 
Rote  Meer  befanden,  aus  indischen  Häfen  zu  beziehen,  schlugen  grösstenteils  fehl, 
weil  die  Perser  dazwischen  kamen.  Der  sehnliche  Wunsch  Justinians,  sich  hin- 
sichtlich der  Rohseide  nicht  nur  von  Persien,  sondern  auch  von  China  unabhängig 
zu  machen,  wird  ihm  erfüllt  durch  das  Angebot  zweier  Perser,  angeblich  Mönche 
vom  Orden  des  heil.  Basileus,  welche  erbötig  waren,  die  Eier  der  Maulbeerraupe 
nach  Byzanz  zu  bringen.  Nach  den  Notizen  von  Silbermann  (Die  Seide,  Dresden 
1897  S.  30  fP.)  ist  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt,  woher  diese  beiden  Mönche 
eine  grosse  Menge  Raupen  in  hohlen  Bambusstöcken  nach  Byzanz  brachten ; 
Procop  bezeichnet  das  Land  als  Serindia,  worunter  Forster  mit  Recht  Kleinthibet 
(Khotan)  vermutet,  wo  zu  jener  Zeit  nach  chinesischer  Art  betriebene  Seiden- 
zucht in  voller  Blüte  stand.  Natürlich  verging  noch  geraume  Zeit,  bis  es  Justinian 
gelang,  den  gewaltigen  Bedarf  ganz  durch  heimische  Rohseide  zu  decken;  aber 
er  hatte  es  doch  dahin  gebracht,  dass  Byzanz  schon  vom  Ende  des  6.  Jahr- 
hunderts ab  eine  der  Hauptexportstellen  von  Seide  für  Europa  geworden  war, 
welchen  Standpunkt  es  bis  zum  11.  Jahrhundert  behauptete.  Mit  dem  Material 
erhielten  die  Griechen  in  den  fertigen  Gewändern  aber  auch  die  Muster  der 
Seidenstoffe  aus  dem  Orient  und  hier  ist  es  oft  schwer,  von  den  in  zahlreichen 
Beispielen  erhaltenen  Originalen  jener  Zeit  zu  sagen,  ob  sie  nach  persischen 
Mustern  in  Byzanz  oder  in  Persien  selbst  entstanden  sind.  Auch  das  Umgekehrte 
tritt  in  den  Fällen  ein,  wenn  die  infolge  des  durch  Justinian  eingeführten  Staats- 


Caballeros — Cäceres. 


107 


monopols  nach  Persien  ausgewanderten  Griechen  ihre  Muster  dahin  mit  über- 
nahmen. Einen  sicheren  Anhaltspunkt  geben  hierfür  nur  die  in  einigen  Geweben 
angetroffenen  Inschriften.  Die  eigentlichen  b3'zantinischen  Stoffmuster,  d.  h.  jene, 
welche  vom  orientaUschen  Einfluss  nicht  berührt  sind,  enthalten  noch  vollkommen 
antike  Elemente.  So  der  auf  Tafel  II  in  Fig.  3  abgebildete  Seidenstoff  aus 
dem  Münster  in  Aachen,  in  welchem  die  Darstellung  einer  von  griechischen 
Zirkusspielern  gelenkten  Quadriga.  Noch  mehr  in  das  byzantinische  Anschauungs- 
gebiet  hinein  gehen  die  kleineren  Stern-  und  Eosettenmuster,  welche  den  antiken 
Mosaiken  ähnlich  sind  (vgl.  Abb.  47).    Anders  verhält  es  sich  mit  dem  auf  Tafel  II 

Abb.  47. 


in  Fig.  4  dargestellten  Elefantenmuster  von  einem  Seidengewebe  aus  dem 
Münster  in  Aachen.  Hier  würde  Niemand  an  Byzanz  denken,  wenn  dem  Stoff 
nicht  eine  griechische  Inschrift  eingewebt  wäre.  (Weiteres  s.  Artikel  Weberei: 
Geschichtliches.) 

Abbildung: 

47.  Byzantinisches  Stoffmuster  nach  einer  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  Ueber 
Gewebemuster  früherer  Jahrhunderte.  Leipzig  1893,  S.  20.  Original  im  Domschatz 
zu  Aachen. 


c. 


Caballeros,  oder  Cavalleros,  eine  Gattung  spanischer  Wolle. 

Cabans  nennt  man  wollene  ßegenröcke  aus  Saloniki,  die  in  Asien 
häufigen  Absatz  finden.  Sie  sind  entweder  langhaarig  (wie  Plüsch)  oder  ge- 
schoren. Zu  Marseille  versteht  man  unter  C.  Capotröcke  für  Schiffsleute  von 
Pinchinat-  oder  Peveche-Geweben.  Eine  Art,  Zagora  genannt,  ist  von  schwarzer 
Wolle  und  ohne  Kapuze.     Halbe  C.  sind  diejenigen  ohne  Aermel. 

Cabesa,  eine  Art  spanischer  Wolle  aus  Estremadura. 

Cabra,   Stadt  in  der  span.  Prov.  Cordoba  in  Andalusien :  Leinenindustrie. 

Cabuya,  eine  Art  amerikanischer  Hanf,  welcher  in  Peru  und  Columbien, 
besonders  in  den  ehemaligen  Provinzen  Panama  und  Yeragua  wächst.  Das 
aus  demselben  gesponnene  starke  Garn  wird  zu  Stricken,  Matten  und  Säcken 
von  grosser  Dauerhaftigkeit  verarbeitet. 

Cäceres,  Provinz  im  Königreich  Spanien  mit  gleichnamiger  Hauptstadt : 
in  beiden  ist  die  Industrie  gegenüber  der  Viehzucht  wenig  entwickelt.    Merino- 


1Q3  Caceres — Cajantes. 


schafe  mit  vorzüglicher  Wolle,  so  dass  letztere  die  Hauptausfuhr  bildet.  In  der 
Hauptstadt  C.  Gerbereien,  AYalkmühlen  und  Wollfärbereien.  Letztere  wurde 
47  V.  Chr.  von  den  B;ömern  begründet. 

Caceres,  geringe  Sorte  spanischer  Wolle,  die  auch  unter  dem  Beinamen 
de  Blassas,  de  Truxillo  und  d'Alcantara  im  Wollhandel  Spaniens  vor- 
kommt. 

Cadas,  Carda  oder  Carduus  war  im  Mittelalter  ein  wahrscheinlich  aus 
Seidenabfällen  hergestellter  Stoff  geringerer  Qualität,  der  für  Priestergewänder 
Verwendung  fand. 

Cadene,  die  geringste  und  stärkste  Sorte  der  wollnen  Fussteppiche, 
welche  in  Yorderasien  nach  Art  der  Hautelissen,  jedoch  von  längerem  Flor 
und  nur  in  einzelnen  Teilen  gewebt  und  dann  zusammengesetzt  werden. 

Cadicee,  Cadizee,  Facon  de  Cadis,  veralteter  geköperter  Wollenstoff, 
eine  Art  Droguet  (s.  d,). 

Cadillons,  eine  Art  wollener  Cadiszeuge  aus  Bhodez  in  Frankreich. 

Cadis,  Caddis  (engl.),  ein  ehedem  sehr  gangbarer,  geköperter,  dicker 
Wollenstoff,  der  wie  Tuch  geschoren  und  zugerichtet,  in  verschiedenen  Farben 
-zu  Winterkleidern,  schwarz  gefärbt  zur  Kleidung  für  die  Greistlichen  in  Menge 
verbraucht  wurde.  Die  Cadis  von  Montauban  waren  Scharlach  oder  schwarz 
gefärbt,  sowie  die  von  Bagneres  (s.  d.)  und  die  von  Castres  (s.  d.)  schätzte 
man  am  meisten.  Eine  sehr  dauerhafte  starke  Sorte  kommt  in  Frankreich 
unter  dem  Namen  Aures,  Fleurets  von  Aures  oder  auch  Cordelats  ä  fil  gros 
und  ä  fil  fin  vor. 

Cadricat,  s.  carta  rigata. 

Caen,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  und  des  Depart.  Calvados:  Ver- 
fertigung berühmter  Blonden  (s.  d.)  und  Spitzen,  BaumwoU-  und  Woll- 
spinnerei, Fabrikation  von  Watte,  Stickereien,  damaszierten  Leinen-  und 
Strumpfwaren.  Die  Blonden  aus  C.  werden  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhdrts. 
erwähnt.  Man  verwendete  dazu  chinesische  Seide  aus  Nanking,  bei  ver- 
schiedenen dieser  Spitzen  waren  Grund  und  Blumen  aus  verschiedener  Seide 
hergestellt.  Sie  übertrafen  jene  von  Chantilly  (s.  d.)  an  Qualität  des  Materials 
und  Güte  der  Technik,  standen  ihnen  aber  in  künstlerischem  AYert  der  Zeich- 
nung nach. 

Caens,  im  franz.  Handel  eine  Gattung  Serge,  die  in  der  Gegend  von 
Caen  gewebt  wird;  auch  gemusterte  Leinwand  zu  Tischzeugen,  die  unter  dem 
Namen  Barrage  vorkommt. 

Caffas,  ostindische,  bunt  gemalte  Baumwollzeuge,  welche  früher  aus 
Bengalen  nach  Europa  kamen.  Li  Deutschland  wurde  ehemals  unter  der  Be- 
zeichnung Caffa  ein  mit  Blumen  gemusterter  wollener  Plüsch,  Sammet  oder 
Felbel  zu  Wagen-  und  Möbelkissen  gefertigt,     (s.  a.  Batik.) 

Cage-work  (engl.),  Gitterwerk,  durchbrochene  Arbeit. 

Cagli,  Stadt  im  Kreis  Urbino  der  ital.  Prov.  Pesaro  e  Ilrbino :  Seiden- 
fabrikation. 

Cagliari,  Hauptstadt  der  Prov.  C.  und  der  Insel  Sardinien :  Fabrikation 
von  Baumwollzeugen  und  Wollmützen. 

Cahors,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Lot:  Tuch- 
fabrikation. 

Caimancanis,  musselinartig  feine  Baumwollgewebe,  welche  in  der  Türkei, 
vornehmlich  zu  Smyrna,  zum  Umbinden  der  Turbane  gebraucht  werden.    . 

Cairens,  ganz  feine  türkische  Wollenteppiche,  welche  sowohl  als  Fuss-, 
als  auch  in  kleinem  Massstabe  zu  Tisch-,  Sola-  und  Bettdecken  in  Verwen- 
dung kommen.  ' 

Cajamarca,  Hauptstadt  in  der  südamerik.  Republik  Peru:  Fabrikation 
von  AVoli-  und  Baumwollstoffen. 

Cajantes,  eine  Gattung  Berkan,  welcher  in  Frankreich  (Lille  und  Um- 
gegend) gewöhnlich  aus  Kammgarn,  zuweilen  auch  aus  Seide  und  Kammgarn, 
verfertigt  wird.  C.  kommt  auch  unter  dem  Namen  Calandres,  Plemates, 
Plummates,  Gros-Grains  im  Handel  vor. 


Calabrien— Calotte.  109 


Calabrien,  Halbinsel  des  Köiiigreichs  Italien.  Gewinnung  von  Flachs 
und  Hanf ;  die  Seide  wird  besonders  gerühmt.  Aus  dem  Schilfrohr  (Sarrachio) 
fertigen  die  Bewohner  SchifFstaue,  Körbe,  Matten,  Seile  und  Netze. 

Caladaris,  rot  oder  schwarz  gestreifte  Kattune,  die  in  Ostindien,  vor- 
nehmlich in  Bengalen,  verfertigt  werden. 

Calais,  wichtige  Seestadt  im  Arrond.  Boulogne  des  franz.  Depart.  Pas 
de  Calais-:  Bedeutende  Industrie  von  Spitzen  und  Baumwolltüll ;  ferner  Her- 
stellung ven  Seiden-  und  Leinenstoffen ;  Flachsspinnerei.  In  der  Verarbeitung 
der  E-ohseide  zu  Tüllgazen  und  Spitzengeweben  findet  C.  seine  besondere 
Eigenart. 

Calamacho  (ital.),  seidener  atlasartiger  Stoff  aus  Genua. 

Calamatta,  Calamata,  eine  Art  italienischer  Seide,  welche  unzugerichtet 
von  Genua  in  den  Handel  kommt.     Man  nennt  sie  auch  Calamatta  senz'  anima. 

Calamink  oder  Calminken,  grober  russischer  Zwillich,  einfach,  ohne 
Muster,  welcher  aus  einer  geringeren  Sorte  des  Hanfes  gewebt  und  rob  von 
Petersburg  und  Archangel  grösstenteils  nach  Holland  verschifft  wird. 

Calancard,  Calanca,  ostindische  Kattune,  welche  früher  in  Europa  be- 
druckt wurden. 

Calatayud,  Bezirkshauptstadt  der  span,  Prov.  Saragossa:  Seiden- 
fabrikation. 

Calbe,  an  der  Saale,  im  preuss.  Heg. -Bez.  Magdeburg:  Fabrikation  von 
Tuch-  und  Wollwaren ;  Wollspinnerei. 

Calcar,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Sammetweberei. 

Calcuttahanf,  Sumpfhanf,  Pant,  Sanchu-Pant,  Fäden  der  Kohlmusspflanze 
(Corchorus  olitorius),  die  man  in  Bengalen  Jute  nennt.  Man  verfertigt  Stricke 
und  Zeuge  davon,  verfälscht  aber  auch  die  Leinwand  damit,  w^elche  zu 
Matrosenhemden  verarbeitet  wird. 

Calico,  s.  Kaliko. 

Calicut,  Kalikut,  Seestadt  in  der  ind.  Präsidentschaft  Madras,  führt  im 
Mittelalter  einen  ausgedehnten  Seidenhandel  einerseits  mit  China,  andrerseits 
mit  Alexandrien  und  Byzanz.  Die  ersten  Europäer,  die  1496  nach  C.  ge- 
langten, fanden  zu  ihrem  Erstaunen  lucchesische  Damaste  und  Sammete  vor 
(vgl.  Silbermann,  Die  Seide,  Bd.  1,  S.  86).  Aus  C.  stammt  auch  der  sog. 
Kaliko  (s.  d.). 

Callamancoes,  geköperte  Baumwollzeuge,  w^elche  die  Manufakturen  von 
Yorkshire  liefern.  Die  Ware  ist  eine  Art  Kalmank,  aber  von  besserer  Wolle 
als  dieser.  Man  hat  sie  sowohl  einfarbig  und  changierend,  als  auch  gemustert 
und  fassoniert  ohne  Köper,  in  welchem  Falle  sie  auch  zu  den  wollenen  Damast- 
stoffen gerechnet  werden. 

Callies,   Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Köslin:  Tuchfabrikation. 

Callnberg,  Stadt  in  Sachsen:  Webereien,  Strumpfwirkereien. 

Calmande,  franz.  Bezeichnung  für  Kammgarnstoffe,  welche  die  Eng- 
länder Lastings  nennen.  C.  wurde  ursprünglich  in  Amiens  verfertigt;  später 
nannte  man  den  Stoff  auch  Satin  ture. 

Calmucs,  Kalmucks,  1.  eine  Art  wollener  langhaariger  Stoffe,  welche 
aus  starkem  Streifgarn  locker  gewebt,  aber  dicht  gewalkt  und  in  verschiedenen 
Farben  gefärbt  in  den  Handel  kommen  und  zu  Winterkleidern  verbraucht 
werden.  Im  allgemeinen  versteht  man  darunter  die  geringeren  Sorten  von 
Biber  (s.  d.).  2.  Eine  Gattung  der  franz.  sogen,  wollenen  Londres-  oder 
Halbtücher. 

Calotte  (franz.),  (lat. :  calota;  engl.:  callot,  callote)  netzartige  Haube 
aus  wollenen  oder  seidenen  Schnüren,  die  durch  Stickerei  auch  mit  Gold  und 
Perlen  verziert  wurde  und  das  Haar  beinahe  ganz  einhüllte.  Sie  kam  am 
Ende  des  15.  Jahrhdrts.  mit  dem  Barett  (s.  d.)  auf,  um  dem  oft  wie  ein 
Teller  ganz  auf  der  einen  Seite  des  Kopfes  sitzenden  Barett  die  Befestigung 
zu  ermöglichen.  Mitte  des  16.  Jahrhdrts.  kommt  die  C.  ausser  Mode.  Die 
goldene  und  silberne  C.  sollten  nach  der  Beichsordnung  von  1530  nur  Fürsten 
und    dem    Adel,    den   Geschlechtern    nur    die    seidenen    zustehen.      Später    ver- 


wo  Oalquiers— Camelatin, 


stand  man  unter  C.  besonders  das  Scheitelkäppclien  der  kath.  Greistlichen, 
dann  auch  die  Narrenkappe. 

Calquiers,  eine  Gattung  ostindischer  Taffete  und  Atlasse. 

Calüire-et-Cuire,  Ort  im  Kanton  Neuville-sur-Saone,  Arroud.  Lyon: 
Zeugdruckereien  und  Färbereien. 

Calw,  Oberamtsstadt  in  Württemberg :  Fabrikation  von  Wolldecken  und 
Trikotwaren;  Baumwollspinnerei,  Schönfärberei.  (Vgl.  Stätlin,  Geschichte 
der  Stadt  C,  Stuttgart  1888 ;  Tröltsch,die  Calwer  Zeughandlungskompagnie 
und  ihre  Arbeiter,  Jena  1897.) 

Calwap,  Callewappen,  baumwollner  ostindischer  Stoff,  welchen  früher  die 
Dänen  aus  Tranquebar  nach  Europa  brachten. 

Camayeux,  veralteter  bunter  Seidenstoff,  dessen  farbige  Kette  mit  dem 
dunstschwarzen  Einschlag  leinwandartig  so  verbunden  wird,  dass  bei  dem 
letzteren  ein  einfacher  Faden  mit  einem  doppelten  abwechselt  und  dadurch 
ganz  schmale  Streifen  entstehen;  man  hat  denselben  einfarbig  und  klein  geflammt. 

Cambay,  verkommener  Hauptort  des  gleichnamigen  mohammed.  Vasallen- 
staates der  indobrit.  Präsidentschaft  Bombay:  berühmt  wegen  seiner  Baum- 
wollwebereien, Manufakturen  von  Seide,  Gold-  und  Silberbrokat. 

Cambayes,  eine  starke  und  gewöhnliche  Sorte  ostindischer  Kattune, 
welche  ehedem  nach  Europa  gebracht  wurden,  gegenwärtig  aber  nur  im 
Zwischenhandel  und  den  philippinischen  Inseln  und  Ostindien  vorkommen. 

Camblets,  Camlets,  engl.  Bezeichnung  für  eine  Art  Kamlots:  glatte 
Wollenzeuge  aus  starkem,    hartem  Kammgarn,  gewässert  wie  Moreens  (s.  d.). 

Cambraetas,    im  portugiesischen  Handel  die  schlesischen  Schleierleinen. 

Cambrai,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Nord:  seit  alter 
Zeit  bedeutende  Indastrie  in  Batistleinwand,  den  sogen.  Cambricstoffen  oder 
Kammertuch  (s.  d.),  feinen  Baumwollengeweben,  baumwollenen  Spitzen  und 
Tülls  (jährlich  für  8^2  Mill.  Frcs.);  ferner  Leinen-  und  Baumwollspinnereien. 
Dem  angeblichen  Erfinder  der  Batistleinwand,  Baptiste,  ist  hier  eine  Statue 
errichtet. 

Literatur:  Bouly,  Histoire  de  C.  et  du  Cambresis  (2  Bde.  Cambrai 
1843);  Lecluselle,  Histoire  de  C.  depuis  1789  (2  Bde.  ebd.  1875);  Dieck- 
meyer,  die  Stadt  C.  (Bielef.  1890). 

Cambre  heissen   im  italienischen  Handel  die  schlesischen  Schleierleinen. 

Cambresine,  Cambrasine  nennen  die  Franzosen  alle  diejenigen  baum- 
wollenen Stoffe,  w^elche  aus  feinem  Garn  dicht  und  fest,  leinwandartig  gewebt 
werden  und  den  Cambrays  ähnlich  sehen,  und  von  welchen  ehemals  mehr  als 
20  Sorten  von  verschiedener  Länge  und  Breite  aus  Ostindien  eingeführt  wurden; 
im  engeren  Sinne  versteht  man  darunter  die  dichtgewebten,  weissen,  baum- 
wollenen Zeuge,  welche  aus  mehreren  Gegenden  Asiens,  aus  Persien,  Aegypten, 
Natolien  über  Smyrna,  Kairo  und  Alexandrien  in  den  Handel  kommen.  C. 
haben  in  neuerer  Zeit  mehr  die  Namen  Cambrics,  Shirtings,  Percals  u.  s.  w. 
angenommen. 

Cambre  velate,  italienische  Benennung  für  Schleierleinwand. 

Cambric,  Cambray,  Cambrik  (engl.),  locker  gewebte  dünne  Batistlein- 
wand, welche  man  auch  Kammertuch,  und  in  Frankreich  Claires  nennt;  sie 
wird  zu  Lille,  Yalenciennes,  besonders  aber  zu  Cambrai  gemacht,  woher  sie 
ihren  Namen  hat  und  hier  schon  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth  eingeführt 
sein  soll.  C.  erscheint  in  ausserordentlich  verschiedenen  Sorten;  die  Fort- 
schritte in  der  Baumwollspinnerei  führten  bald  zur  Nachahmung  des  Stoffes  in 
England,  Frankreich  und  Deutschland. 

Camden,  Hauptstadt  im  amerik.  Staate  Neujersey:  bedeutende  Fabif'ikation 
von  Wollwaren. 

Camelatin,  Camelotine  ist  der  veraltete  Name  mehrerer  Gattungen  ge- 
ringer, auf  Kamelotart  gewebter  Stoffe  aus  hartem  Kammgarn,  welche  in  den 
ehemaligen  französischen  Niederlanden  und  an  mehreren  Orten  Flanderns  ge- 
Avebt  wurden.  Verschiedene  Sorten  dieses  Zeuges  sind  unter  anderem  Namen 
wieder    aufgekommen;    sie   werden    auch  unter  den  Bezeichnungen  Lamparilles 


Cameleon— Capelle.  Hl 


oder  Nonpareilles  nach  dem  Ausland  versandt.  Letzere  sind  entweder  ganz 
aus  Wolle,  teils  auch  mit  Leinengarn  und  Ziegenhaar  vermischt.  Andere 
Arten  von  C.  werden  auch  Polamit  genannt. 

Cameleon,  s.  Seidenwaren. 

Cameline  heisst  ein  gewöhnlicher  auf  Kamelotart  gewebter  Stoff  von  Amiens. 

Camelot,   s.  Kamelott. 

Campane  (ital.),  eine  Art  Fransen  von  Gold,  Silber  oder  Seide,  mit 
kleinen  Troddeln  oder  Flocken,  die  wie  Glöckchen  aussehen;  sie  werden  als 
Besatz  von  Kostümen  angewandt.  Auch  gewisse  Arten  von  Spitzen  aus  Seide 
oder  Zwirn  mit  halbrunden  Bogen  und  feinen  Zähnchen  werden  C.  genannt; 
letztere  wurden  im  18.  Jahrhundert  in  Puy  gemacht. 

Campania  (lat.),  das  Feld,  der  Fond  einer  •  Stickerei,  eines  gemusterten 
Stoffes. 

Campatillas,  eine  Gattung  wollener  Stoffe,  die  zu  Brügge  gewebt  und 
für  Spanien  bestimmt  wurden. 

Campes,  eine  Art  geköperter  Tuchrasche,  die  zu  St.  Pierre  du  chemin 
und  Chateigneray  in  Frankreich  gemacht  werden. 

Campobasso,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  ital.  Provinz  :  Fabrikation 
von  Tuch  und  Leinwand. 

CampOS,  eine  Gattung  Wolle  aus  Aragonien,  die  besonders  nach  Frank- 
reich zur  Verarbeitung  von  Stoffen  geht. 

Camwood,  in  der  Wollfärberei  für  braune  und  rotbraune  Farben  an- 
gewandte afrikanische  Holzart. 

Canadaris,  ostindische  und  chinesische  atlasartige  Stoffe  aus  Seide  und 
Baumwolle  oder  aus  Seide  und  Florettseide;  es  gibt  buntgestreifte  und  ge- 
gitterte C. 

Canadas,  französische  Bettdecken,  die  besonders  um  Dartenal  verfertigt 
werden. 

Cancanias,  eine  Art  ostindischer  Seidenatlasse. 

Candagang,   Spinfaser,  dem  Gambohanf  ähnlich,  von  Hibiscus  eriocarpus. 

Canevas,  s.  Kanevas. 

Cangette,   eine  Gattung  gewöhnlicher  Serge,  aus  der  Gegend  von  Caen. 

Cannamazos  ist  der  spanische  Name  aller  Sorten  gewöhnlicher  un- 
gebleichter Leinwand  aus  Deutschland.    In  Nordamerika  nennt  man  sie  Hessians. 

Cannequins  (franz.)  sind  weisse  Kattune  oder  lange  baumwollene  ost- 
indische Tücher,  welche  im  afrikanischen  Handel  vorkommen. 

Cannette  werden  einfädige  in  Frankreich  hergestellte  Chappegarne 
(s.  d.)  genannt;  assembles  heissen  die  dublierten. 

Cannos  heissea  die  feinen,  meist  gebleichten  Zwilliche,  welche  damast- 
artig  gestreift,  in  Spanien  und  Portugal  zu  Handtüchern  und  Ueberzügen  ver- 
braucht werden. 

Cannstatt,  Oberamtsstadt  in  Württemberg,  Baumwollweberei,  Färberei; 
Fabrikation  von  Korsetts,  Garne,  Baumwoll-  und  Strumpfwaren,  Wachstuch 
und  Watte. 

Canons  wurden  im  17.  Jahrhundert  in  Frankreich  englische  Spitzen- 
krausen genannt,  die  aus  den  Schäften  der  hohen  Stiefel  heraussahen. 

Canourges,    eine  französische  Serge,  w^elche  zu  Mende  verfertigt  wurde. 

Canques,  baumwollne  Gewebe,  wovon  die  Chinesen  Hemden  machen. 

Cantazaro,  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  C.    Seiden-  und  Sammetwebereien. 

Canterbury,  Stadt  der  engl.  Grafschaft  Kent:  bedeutender  Handel  mit  Wolle. 

Canterbury  (engl.),  halbseidenes,  buntgemustertes  Gewebe,  mit  seidener 
Kette  und  feinem  baumwollenem  Einschlag. 

Cantille,  s.  Bouillon. 

Cantillen  s.  Leonische  Waren. 

Canton,  Hauptstadt  in  den  Yereinigten  Staaten  von  Amerika:  Fabri- 
kation von  Teppichen  und  Wollwaren. 

Capelle,  capella  (lat.),  Diminutiv  von  capa  oder  cappa;  besonders  hiess 
so    der    abgeschnittene  Mantel    des  heiligen  Martin,    daher  auch  das  Kirchlein, 


112  Capicciola — Cardauzille. 


in  dem  er  verwahrt  ward  und  daher  die  Kapelle.  Nach  obigem  Begriff  be- 
deutete C.  ursprünglich  das  vollständige  Messornat  der  katholischen  Geistlichkeit. 

Capicciola  oder  Spicchetto  di  capicciola  heisst  in  Italien,  besonders  zu 
Xeapel  und  Messina,  ein  Seidenstoff  mit  Eiuschuss  von  Florettseide. 

Capitum  (lat.),  Kopfmütze,  ein  Verband  des  Kopfes,  der  mit  einem 
grossen  viereckigen,  zu  einem  Dreieck  zusammengelegten  Tuche  ausgeführt  wird. 

CapOC,  Capock  oder  Capuck,  s.  Seidenwolle. 

Capodistria,  Stadt  in  der  österr.  3Iarkgrafschaft  Istrien:  ^^ebereien 
und  Färbereien. 

Capottücher,  Matrosentuche,  Singonne,  ein  dunkelfarbiges,  gewöhnlich 
schwarz  oder  braun  gefärbtes,  auf  der  einen  Seite  zottiges  und  langhaariges, 
dicht  gewalktes  Wollentuch  zu  Mänteln  und  Ueberröcken  der  Seeleute,  welche 
die  Manufakturen  von  Lille  liefern.  Aehnliche  schwarze  Zeuge,  aber  dicker 
und  langhaariger,  die  fast  das  Ansehen  von  Schaffellen  haben,  sind  die  im 
Levantiner  Handel  bekannten  Capots  von  Zangora,  welche  wie  starker  Plüsch 
und  so  fest  gewebt  werden,  dass  das  Wasser  nicht  durchdringen  kann  und 
welche  in  Saloniki  ein  bedeutender  Handelsartikel  für  alle  diejenigen  Schiffer 
sind,  welche  die  türkischen  Häfen  besuchen.  In  England  wird  ein  ähnliches 
sehr  festes  und  dickes  Matrosentuch  gemacht,  das  Shoddy  clothe  heisst. 

Cappa,  capa  (lat.),  (c.  choralis,  der  Chormantel:  c.  missalis  =  dalmatica; 
c.  aqualifera,  pluvialis,  E^egenmantel,  Pluviale),  mittelalterliches,  halbrundes 
Grewand  mit  offenen  Halbärmeln,  im  14.  Jahrhundert  mit  Kragen  und  Kapuze; 
nimmt  unter  den  liturgischen  Gewändern  eine  wichtige  Holle  ein.  Die  Bischöfe 
tragen  sie  von  violetter  Farbe  mit  weissem  Pelzkragen  als  Kapuze,  bei  dem 
Gottesdienste  im  Chor,  wenn  sie  zur  Kirche  gehen,  um  selbst  Messe  zu  lesen 
und  beim  Weggehen  nach  beendetem  Amte.  Bei  der  ausschliesslich  dem 
Gottesdienst  geweihten  Pluviale  wurde  die  ursprüngliche  Kappe  des  Mantels 
zu  einem  reich  verzierten  in  tiefer  Halbbogenform  ausgeschnittenen  Schilde 
(clipeus),  das  heut  im  allgemeinen  als  Cappa  des  Chormantels  bezeichnet  wird 
und  schliesslich  als  Kragen  ausgebildet  ist.    (Vgl.  den  Artikel  Kirchengewänder.) 

Capuchon,  Kapuze,  Mönchskappe,  auch  ein  mit  einer  Kapuze  versehener 
Damenmantel. 

Capulla  de  seda,  im  spanischen  Handel  die  schlechtesten  Sorten  der 
levantinischen  Seiden. 

Caracolillo  heisst  ein  rotes  baumwollenes  amerikanisch-indianisches  Garn, 
das  mit  dem  Schleim  einer  gewissen  Schnecke  (Carocol)  gefärbt  ist. 

Caragach,  eine  feine  Sorte  baumwollnen  Garns  von  Smjrna. 

Carasee,  feine  und  dicht  gewalkte  Flanelle,  welche  an  mehreren  Orten 
in  Mähren  für  Italien  verfertigt  werden. 

Carbonisieren,  in  der  Wollwarenindustrie  ein  Verfahren,  das  bezweckt, 
die  Wolle  von  vegetabilischen  Stoffen  zu  befreien,  und  darauf  beruht,  dass  die 
Wolle  der  Einwirkung  von  Säure  widersteht,  während  die  vegetabilischen 
Körper  dadurch  zerstöst  werden. 

Carcami  (ital.),  Abfälle  bei  der  Seidenerzeugung. 

Carcanes,  ostindische  Baumwollzeuge,  welche  ehemals  die  dänisch- asia- 
tische Compagnie  nach  Europa  brachte. 

Carcassonne,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  und  des  franz.  Depart.  Aude : 
Bedeutende  Tuchfabriken,  AVoll  Spinnereien,  Manufakturen  in  Wolldecken 
und  Watte. 

Carcassone-Tücher  haben  den  Namen  von  ihrem  Verfertigungsort.  Man 
macht  hier  und  in  dem  umliegenden  Distrikt  mehrere  Sorten  leichter  Tücher, 
besonders  für  den  Handel  nach  der  Türkei,  nach  Aegypten  u.  s.  ^.  Die 
feinsten  aus  spanischer  Wolle  heissen  Mahouts,  eine  etwas  geringere  Sorte 
heisst  Londrins.  In  Carcassone  w^erden  noch  andere  feine  Tücher  unter  dem 
Namen  Draps  de  dame,  Fagon  d'Elboeuf,  Facon  de  Sedan  gewebt  und  nach 
Italien,  Spanien  und  den  Kolonien  verkauft. 

Carda,  s.  Cadas. 

Cardauzille,  geringer,  wollener,  auf  Paschart  gewebter  Stoff. 


Garden — Carrick-ma-cross.  113 


Garden,  s,  Kardendistel. 

Cardinaltuch,  s.  Kardinaltuch. 

Cardis,  Kardis,  veralteter  geköperter  AVollenstoff,  dem  Baye  oder  Boy 
(s.  d.)  ähnlich,  der  gewalkt  und  warm  gepresst  auch  Walk-  oder  Tuchrasch, 
und  in  doppelter  Breite  Landserge  genannt  wurde,  trotzdem  er  in  der  Wolle 
wie  in  der  Arbeit  besser  als  jener  war. 

Carduus,  s.  Cadas. 

Caredaris,  Carradarer,  Carradars,  sind  ostindische  Baumwollzeuge,  bunt 
undc  schmal  gestreift,  den  Ghingans  ähnlich ;  die  Dänen  brachten  sie  früher  unter 
dem  Namen  Donacolly  in  den  Handel. 

Carelles,  Carele,  ein  schwarzer  kamelhaariger  Stoff,  der  früher  zu  Westen 
und  Beinkleidern  gebraucht  wurde. 

Cargaisonleinen,  eine  gewöhnliche  Sorte  der  französichen  Bretagnes, 
welche  von  B,ennes  in  den  Handel  kommen. 

Carignan,  Hauptort  im  Arrond.  Sedan  des  franz.  Depart.  Ardennes : 
Tuchfabrikation. 

Cariguano,  im  früheren  Mittelalter  Carianum,  auch  Carinianum,  Stadt 
in  der  ital.  Provinz  Turin :  Seidenbau  und  Seidenindustrie. 

Cariset,  Karozet,  in  Frankreich  allgemeine  Bezeichnung  für  alle  dicht- 
gewalkten, auf  beiden  Seiten  geköperten  Flanelle,  sowie  auch  die  englischen 
Kirseys,  insbesondere  aber  eine  Gattung  Molton,  welche  im  Departement  der 
Yendee,  zu  Fontenay  le  Comte,  aus  Landwolle  gemacht  wird. 

Carisol  oder  Creseau,  in  Frankreich  eine  ganz  dünn  und  durchsichtig 
gewebte  Leinwand,  welche  so  gearbeitet  wird,  dass  sich  zwischen  den  Flächen 
kleine  viereckige  Zwischenräume  befinden  und  das  Gewebe  siebähnlich  ausfällt. 
Die  feinen  Sorten  werden  von  Flachs-,  die  ordinären  von  Hanfsamen  gewebt. 
C.  wird  wie  Kanevas  für  Stickereien  auf  abgezählten  Fäden  verwandt.  Haupt- 
beziehungsplätze sind  Alengon  und  Bennes. 

Carlisle,  Hauptstadt  der  engl.  Grafschaft  Cumberland :  Bedeutende  Baum- 
wollfabrikation, Färberei. 

Carmagnola,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Turin:  Fabrikation  von  Seiden-, 
Leinen-  und  Hanfstoffen. 

Carmeline,  in  Frankreich  die  Mittelsorte  der  Vigognewolle. 

Carmenische  Wolle,  laine  de  Carmenie,  in  Frankreich  das  persische 
Ziegenhaar. 

Carnet,  in  Frankreich  eine  Gattung  Leinen,  nach  Art  der  Bretagnes, 
welche  besonders  nach  Spanien  ausgeführt  werden. 

Carole,  ein  veralteter  bunter  Wollenstoff,  welcher  mittels  Schäften  ge- 
webt Avurde,  in  der  Kette  zwei  gezwirnte  Fäden,  im  Einschlag  nur  einen  ein- 
fachen Faden  hat  und  zu  Westen  und  Beinkleidern  diente. 

Caroline,  s.  Stösselleinwand. 

Carpentras,  Hauptstadt  im  Arrond.  C.  des  franz.  Depart.  Vaucluse: 
Bedeutende  Seiden-  und  Baumwollspinnereien. 

Carpet  (engl.) ,  (lat.  carpeta.  carpita)  Teppich,  Matratze ;  venetian-c. 
Treppenläufer;  scotch-c.  schottischer,  dreifacher  Teppich;  rug-c.  Sammetteppich. 

Carpettes  (franz.),  sind  ganz  geringe,  aus  den  Pocken  oder  dem  Werg 
des  Hanfs  und  des  Flachses  zwillichartig  gewebte  Packleinen,  ungebleicht,  je- 
doch häufig  gestreift.  Sie  werden  meistens  in  Amiens  und  Abbeville  ver- 
fertigt und  gehen  grösstenteils  nach  Spanien,  wo  sie  zu  Wollsäcken  ver- 
braucht werden. 

Carragheenmoos  ist  ein  Appretmittel. 

Carretine  changeant,  ein  früherer  gemusterter  Seidenstoff  von  ver- 
schiedenen Farben,  ganz  klein  gewürfelt ;  sie  wurden  so  gewebt,  dass  man  in 
der  farbigen  Kette  von  8  Fäden  zu  8  Fäden  einen  einfachen  schwarzen  Faden 
anlegte,  welchen  der  Einschlag  von  einer  anderen  Farbe,  die  dem  Stoff  ein 
schillerndes  Aussehen  gab,  ganz  deckte. 

Carrick-ma-cross  (engl.),  in  Irland  die  Bezeichnung  für  eine  aus  Lein- 
wand ausgeschnittene  und  gestickte  Spitze. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  8 


114  Carrick-on-Suir — Cassinets. 


Carrick-on-Suir,  Marktstadt  in  der  irischen  Grafschaft  Tipperary:  die 
frühere  Wollindustrie  ist  eingegangen,  in  neuerer  Zeit  hat  die  Leinen-  und 
Flachsmanufaktur  wieder  an  Bedeutung  gewonnen. 

Carrierte  Stoffe  werden  in  der  Weberei  solche  genannt,  in  welchen  ein 
Streifen,  der  sich  in  der  Kette  befindet,  auch  im  Schuss  vorkommt,  oder  in 
welchem  ein  Kettenstreifen  abgeschossen  wird;  man  fertigt  sie  in  allen  Grrund- 
bindungen  mit  Cannele-  Köper-  oder  Atlaskarrierung. 

Cartagena,  feste  Seestadt  der  span.  Prov.  Murcia:  Segeltuchfabrikation, 
Hanfweberei.     2.  ßaumwollsorte  aus  Columbia. 

Carta  rigata,  die,  (ital.)  liniertes  Papier,  insbesondere,  die  durch  wage- 
rechte und  senkrechte  Linien  in  kleine  Quadrate  geteilten  Papierbogen,  in 
welche  die  Muster  für  Weberei,  Stickerei  u.  s.  w.  in  vergrössertem  Massstab 
„ausgesetzt"  werden.  Jedes  Quadrat  (Auge)  vergegenwärtigt  eine  Stelle,  wo 
Kette  und  Schuss  einander  decken,  bezw.  ein  Kreuzstich  gestickt  werden  soll. 

Cartisane  (franz.),  eine  mit  Zwirn  oder  Metallfäden  zum.  Sticken  oder 
Spitzenmachen  umwickelte  kleine  Karte:  die  Palette. 

Carton  (franz.),  (engl.:  cartoon;  lat.  carto),  eine  auf  starkem  Papier  in 
beabsichtigter  Grösse  ausgeführte  Yorzeichnung  zu  einer  Malerei,  Stickerei, 
Bildwirkerei  u.  a.  m. 

Cartouche  (franz.),  (engl,  cartouch),  rahmenartige  Einfassung,  vornehm- 
lich aus  Bollwerk;  dazwischen  Blumen,  Laubwerk  und  sonstige  Figuren. 
Entsteht  in  der  Spätrenaissance  und  erscheint  im  textilen  Ornament  meist  als 
Umrahmung  eines  Namenszuges  oder  Bildes;  besonders  ausgenutzt  wurde  das 
Motiv  für  die  Zwecke  der  Stickerei  und  Aufnäharbeit  in  Italien  und  Spanien 
(s.  Abbild.  ^12,  Tafel  IX). 

Carvin,  Hauptort  im  Arrond.  Bethune  des  franz.  Depart.  Pas  des  Calais : 
Flachsspinnerei  und  Tüllfabrikation. 

Casa,  ein  ostindisches  baumwollenes  Gewebe,  welches  die  Franzosen  von 
Surate  zuführten. 

Casaque  (franz.),  weitärmeliger  Beisemantel,  Soldatenmantel. 

Caschemir,  s.  Kaschmir. 

Casel,  Caselkreuz,  Caselstab,  s.  Casula. 

Casemir,  s.  Kasemir. 

Caserta  (S.  Leucio),  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  C. :  erzeugt  Brokate, 
Damaste  und  andere  reiche  Möbelstofi'e.  L.  hat  eine  königliche  Seiden- 
spinnerei, verbunden  mit  Leinen-  und  Tapetenwebereien. 

Cassaimabad  sind  Cassas. 

Cassas,  Casses,  Cossas,  feine  baumwollne  musselinartige  Gewebe  aus 
Bengalen,  deren  Einschlag-  und  Kettenfäden  nicht  rund  gedreht  und  fest, 
sondern  locker  und  glatt  sind,  daher  der  Stoff,  wenngleich  dichter  als  Musselin, 
doch  weich  und  dünn  ausfällt.  Die  Cassas  kamen  ehedem  in  sehr  grosser 
Menge,  von  verschiedener  Länge  und  Breite,  unter  mancherlei  Beinamen,  die 
ihre  Arten  näher  bezeichneten,  nach  Europa,  sie  sind  aber  allmählich  durch 
die  europäischen  Musseline  und  leichten  Kattune  verdrängt  worden. 

Cassel,  s.  Kassel. 

Casserillos  oder  Cassarilles,  gewöhnlich  mit  dem  Zusatz  aplatillos  oder 
aplatillados,  ist  der  Name  mehrerer  Gattungen  weissgarniger,  deutscher  Haus- 
leinwand, aus  mittelfeinem  und  starkem  Leinengarn  fest  gewebt,  die  über 
Hamburg  und  Bremen  zur  überseeischen  Ausfuhr  gelangte. 

Cassinets  (engl.),  sind  geköperte  Stoffe  von  starker  baumwollener  Water- 
kette und  Streichgarnschuss,  festgeschlagen  und  leicht  gewalkt,  in  der  Wolle 
gefärbt  und  heiss  gepresst.  Sie  werden  vornehmlich  für  Beinkleider  verwendet. 
Man  hat  sie  in  vielen  Farben  meliert,  gestreift,  karriert  und  gemustert,  als 
Nachahmung  des  ganz  wollenen  Sommerbuckskins.  Der  sogen.  Doppel-Cassinet 
mit  zweierlei  Einschlag  ist  in  der  Art  hergestellt,  dass  wollene  und  baum- 
wollene Einschlagfäden  miteinander  abwechseln  und  auf  der  rechten  Seite  drei 
Viertel  des  wollenen,  auf  der  linken  drei  Viertel  des  baumwollenen  Einschlags 
freiliegen.      Durch    diese    entgegengesetzte    Bindungsweise    schieben    sich    die 


Castagnette — Catania.  115 


Einschlagfäden  sehr  dicht  zusammen,  wodurch  der  Stoff  seine  Schwere 
erhält. 

Castagnette  ist  eine  Zeugart,  die  auf  beiden  Seiten  geköpert  ist  und 
zu  Amiens  von  Seide,  Wollengarn  und  Leinen  gewebt  wird. 

Castalla,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Alicante:  Leinwandweberei. 

Castalogne,  Catalogne  (franz.),  eine  Art  feiner  wollener  Bettdecken  aus 
Catalonien,  die  auch  in  Frankreich  nachgemacht  werden. 

Castellamare,  Baumwollsorte  aus  Neapel. 

Castellamonte,  Ort  in  der  ital.  Prov.  Turin:  Seidenfabrikation. 

Castellane,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Basses-Alpes : 
Tuchfabrikation  und  Wollspinnerei. 

Castellaneta,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Lecce:  Gewinnung  von  Wolle  und 
Baumwolle. 

Castello  Branco,  Hauptstadt  in  der  portug.  Prov.  Beira:  Fabrikation 
von  Wollstoffen. 

Castello  de  Vide,  Stadt  im  portug.  Distrikt  Portalegre :  Tuchfabrikation. 

Castellön  de  la  Plana,  Hauptstadt  der  span.  Provinz  C:  Hanfbau, 
Segeltuch-   und  Leinweberei,  sowie  lebhafter  Handel  mit  diesen  Erzeugnissen. 

Castelnandary,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Aude: 
Fabrikation  von  Tuch  und  Leinwand;  lebhafter  Wollhandel. 

Castelvetrano,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Grirgenti  auf  Sizilien :  Seide-, 
Leinen-  und  Baumwollfabrikation. 

Castiglione  Fiorentino,  Ort  in  der  ital.  Prov.  Arezzo :  bedeutender  Seidenbau. 

Casting  of  draperies  (engl.),  Faltenwurf. 

Castorin  (franz.),  s.  Biber  (Gewebe). 

Castortapeten,  s.  Velourstapeten. 

Castortuch,  Castorin,  nennt  man  das  allerfeinste,  aus  spanischer  Wolle 
gefertigte  Tuch,  dessen  Aeusseres  durch  ganz  vorzügliche  Appretur  glänzend 
und  seidenartig  geworden  ist.  Im  allgemeinen  werden  auch  unter  C.  gewisse 
langhaarige,  weisse  Wollenzeuge  darunter  verstanden,  welche  als  Nachahmung 
von  Pelzwerk  zum  Besetzen  von  Kleidern  Verwendung  finden  (s.  Biber). 

Castravane,  eine  Gattung  Seide,  die  von  Aleppo  in  den  Handel  kommt 
und  zu  Tressen  dient. 

Castres,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Tarn:  Bedeutende 
Fabrikation  von  feinen  und  groben  Tuchen,  Kasemir  und  anderen  Wollstoffen, 
Baumwoll-,  Seiden-  und  Florettseidenzeugen;  Färbereien. 

Casula,  Casel  (lat.:  casula,  casubula,  casubla;  franz.  und  engl. :  chasuble), 
das  eigentliche  Messgewand  des  katholischen  Bischofs  und  des  Priesters.  Anfangs, 
gleich  der  römischen  Pänula,  ein  weiter,  rings  geschlossener,  ärmelloser,  glocken- 
ähnlicher Mantel  aus  schwerem  Seidenstoff,  nur  mit  einem  Ausschnitt  für  den 
Kopf,  schon  im  frühen  Mittelalter  mit  gestickten  oder  gewirkten  Streifen  an 
den  Rändern  versehen.  Behufs  freierer  Bewegung  der  Arme  brachte  man 
später  Schnürenzüge  auf  den  Achseln  an,  wodurch  die  C.  über  den  Armen 
hinaufgezogen  wurde.  Gegen  das  Ende  des  Mittelalters  machte  man  für  die 
Arme  Seitenausschnitte,  die  sich  schliesslich  so  weit  ausdehnten,  dass  Vorder- 
und  Bückseite  der  C.  nur  noch  an  den  Schultern  einen  Zusammenhang  hatten. 
Die  Musterung  der  C.  legt  zunächst  Gewicht  auf  das  Kreuz  (s.  d.)  der  Bück- 
seite, die  bei  dem  Amtieren  der  Geistlichen  den  Gläubigen  zugekehrt  ist,  und 
den  Stab  (s.  d.)  der  Vorderseite.  Diese  sind  beide  reich  gestickt.  Der  Grund- 
stoff der  C.  ist  verschiedener  Art.  Bei  Musterungen  desselben  in  Weberei  fügt 
er  sich  dem  Schnitt  des  Gewandes ;  gestickte  C.  sind  abgepasst  gemustert.  (Vgl. 
Kirchengewänderstoffe  und  -Stickereien  und  die  Abbildung  zum  Artikel  Würzburg.) 

Cataclitus,  cataclyzomatis  ars  (lat.),  „phrygische  Kunst",  Edelsteine  und 
Glasperlen  in  Gold  zu  fassen  oder  auf  Stoff  zu  nähen;  daher  c.  opus,  ein  Werk 
dieser  Kunst,  phrygische  Arbeit;  c.  vestis  mit  Steinen  und  Perlen  besetztes  Gewand. 

Catania,  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  C. :  Fabrikation  von  Leinen-,  Baum- 
woll- und  Seidenzeugen.  —  Vgl.  Guida  letteraria,  scientifica,  artistica,  ammi- 
nistrativa"  e  commerciale  di  C.  (Catania  1881). 


Ilß  Cäteau-Cambresis — Cerise. 


Cäteau-Cambresis,  Le  Cäteau,  Hauptstadt  im  Arroncl.  Cambrai  des 
franz.  Depart.  Nord:  Bedeutende  TToll-  und  Baumwollspinnereien,  viele  Merino-, 
Shawl-,  AVollzeug-  und  Seidenfabriken. 

Cate-Caatjes,  ein  ostindischer  Baumwollenstoff,  welchen  die  Holländer 
ehedem  von  der  Küste  Coromandel,  in  verschiedener  Feinheit  nach  Europa 
brachten. 

Catifah  wurden  im  Mittelalter  Sammetstoffe  genannt,  welche  arabischer 
Herkunft  waren. 

Cattivella,  in  Italien  ein  seidener  Stoff  zu  Kleidungsstücken,  der  von 
gezwirnter  Florettseide  gefertigt  wird;  derEinschuss  ist  von  feinerer  Florettseide. 

Cattoene  Lywaten  nennt  der  Holländer  überhaupt  alle  Arten  baiun- 
wollener  Grewebe. 

Caudebec,  1.  Hauptort  im  Arrond.  Yvetot  des  franz.  Depart.  Seine- 
Inferieure:  Bleichen,  T\"oll-  und  Baumwollfabriken.  2.  Stadt  im  Arrond. 
Ronen  desselben  Depart.:  bedeutende  "Wollspinnerei,  Tuchfabrikation  und 
Färberei. 

Caudry,  Stadt  im  Arrond.  Cambrai  des  franz.  Depart.  Nord :  Fabrikation 
von  Musselin,  Tüll  und  Baumwollenwaren,  ebenso  rege  Seidenindustrie. 

Cavailhos,  sind  weissgebleichte,  dicht  gewebte  schlesische  und  Lausitzer 
Leinen,  welche  diesen  Namen  in  SiDanien  und  Portugal  von  den  auf  dem 
Papierumschlag  in  Silber  abgedruckten  zwei  Pferden  erhielten. 

Cavallinen,  im  italienischen  Handel  Tele  cavaline  oder  Possleinwand, 
sind  von  den  Cavailhos  (s.  d.)  hinsichtlich  der  Appretur  und  Legeart  ver- 
schieden; es  ist  eine  schöne  Mittelware,  sorgfältig  gebleicht,  welche  haupt- 
sächlich in  Böhmen  verfertigt  wird  und  über  Triest  nach  Hallen  geht. 

Cavarzere,  Ort  in  der  ital.  Prov.  Venedig:  Seidenindustrie. 

Cayenne,  eine  ungebleichte  französische  Leinwand;  es  ist  eine  leichte, 
locker  gewebte  Ware  von  verschiedener  Qualität,  die  auch  unter  dem  Namen 
Lavaische  oder  als  Bouloir  in  den  Handel  kommt.  C.  heisst  auch  eine  Baum- 
wollsorte aus  Guyana. 

Cayenne  ä  fond  chine  hiess  ein  halbseidener  Stoff,  der  heut  aus  der 
Mode  ist. 

Cazimir,  ein  dicker,  geköperter  Stoff  aus  gezwirntem  Baumwollgarn, 
welcher  zuerst  in  Lyon,  dann  auch  in  verschiedenen  Orten  Deutschlands  nach- 
gemacht wurde.  Der  Artikel  ist  ausser  der  Mode.  Ueber  wollenen  C.  s. 
unter  Kasemir, 

Ceara,  Baumwollsorte  aus  Mexiko. 

Ceibawolle  dient  zum  Polstermaterial. 

Celaya,  Stadt  im  mexik.  Kant.  Guanajuata:  Fabrikation  von  Wollstoffen. 

Celle,  Kreisstadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Lüneburg:  Wollgarnfärberei, 
Wachsbleicherei. 

Celloidinwolle,  reinste  Kollodiumwolle,  durch  Behandeln  reiner,  von 
organischen  nitrierbaren  Substanzen  freie  Baumwolle,  welche  für  photographische 
Zwecke  verwandt  wird. 

Cendal  (franz.),  (arab.:  zendado;  lat.:  cendalum,  cendalium,  cindalum, 
celdal  etc.),  Sendel,  Zindel,  ein  dünner,  leichter,  taffetähnlicher  Seidenstoff, 
chinesischen  Ursprungs,  der  im  Mittelalter  zuerst  in  Alexandrien  und  später 
in  Mailand  angefertigt  und  in  Europa  zu  Fahnen,  Decken  und  als  Futterstoff 
Verwendung  fand. 

Cendal  de  Bolonna,  im  spanischen  Handel  der  italienische  Krepp-  und 
Schleierflor. 

Cenedatücher  sind  wollene  Tücher,  die  in  feine  und  halbfeii^e  unter- 
schieden und  namentlich  im  Oesterreichischen  gewebt  werden;  sie  gehen  nach 
Bosnien,  Dalmatien  u.  s.  w. 

Cento,  Hauptstadt  in  der  ital.  Prov.  Ferrara:  bedeutender  Handel 
mit  Hanf. 

Cerignola,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Foggia:  Baumwollkultur. 

Cerise  (franz.),  Kirsche,  kirschrot. 


Cesena — Chamberguillas.  117 


Cesena,  Hauptstadt  in  der  ital.  Prov.  Forli:  Hanf-  und  Seidenbau. 

Ceuta  (lat.:  Septa,  mauriscli:  Sebta),  befestigte  span.  Stadt  an  der 
Nordküste  Afrikas,  in  Marokko:  war  unter  der  arab.  Herrschaft  eine  indu- 
strielle Stadt,  wo  von  einem  Araber  die  erste  Baumwollpflanzung  des  Occidents 
angelegt  wurde. 

Ceylon,  brit.  Insel  an  der  Südspitze  Vorderindiens:  Weberei  von 
Kattunstoffen  für  inländischen  Grebrauch ;  Ausfuhr  von  Coirgarn,  -seide  und 
-faser.  C.  war  im  frühen  Mittelalter  ein  wichtiger  Handelsplatz  für  Seide, 
welche  die  Araber  aus  China  bezogen;  dieser  Verkehr  erreichte  im  12.  Jahrh. 
seinen  Höhepunkt  (s.  Leinenstickereien  aus  C). 

Cha  ist  ein  sehr  leichtes  schlechtes  seidenes  Zeug,  das  in  China  ge- 
fertigt und  in  vielen  Teilen  des  Reiches  allgemein  zur  Sommer kleidung  ge- 
braucht wird.  Es  ist  dem  Taflet  ähnlich ;  aber  nicht  so  gut  gewebt  und  nicht 
so  glänzend. 

Chabnams,  ein  musselinartiges  baumwollnes  Gewebe,  das  ehedem  aus 
Ostindien,  besonders  Bengalen,  nach  Europa  gebracht  wurde. 

Chacarts,  eine  Art  gewürfelter  Kattune  von  allerlei  Farben,  welche  die 
Franzosen  von  Surate  nach  Europa  brachten. 

Chadderton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  lebhafte  Baum- 
wollindustrie. 

Chafer^onnes  heissen  ostindische  bemalte  Hals-  und  Schnupftücher,  die 
früher  die  Franzosen  von  Surate  brachten. 

Chagny,  Hauptort  im  Arrond.  Chalon-sur-Saone  des  franz.  Depart. 
Saone-et-Loire:  Wollstofl"-  und  Leinwandfabrikation. 

Chagrin  (franz.),  wird  ein  schmales  bandartiges  Gewebe  des  Borten- 
wirkers genannt,  dessen  Kette  und  Schuss  reiches  Gespinst,  auch  wohl  Can- 
tille  ist.  C.  heisst  auch  ein  Seidenstofl",  welcher  durch  eigentümliche  Schnü- 
rung eine  einigermassen  körnige  Oberfläche  erhalten  hat. 

Chagrintaffet  heisst  ein  getüpfelter  Taflet  von  allen  Farben,  der  früher 
besonders  zu  Unterfutter,  zu  Vorhängen  u.  dergl.  diente. 

Chainette,  ein  schwerer,  klein  gemusterter  Seidenstoff  mit  doppeltem 
Köper,  welcher  früher  grösstenteils  in  schwarzer  Farbe  zu  Westen  und  Bein- 
kleidern verbraucht  wurde. 

Chaise-Dieu,  La,  Hauptort  im  Arrond.  Brionde  des  franz.  Depart.  Haute- 
Loire :  Spitzenfabrikation. 

Chalat  (türk.),  Ehrenkleid,  s.  Chyl'at. 

Chalon,  Chalong,  ein  leichter  einfach  geköperter  Stoff  von  hartem 
Kammgarn,  der  ebenso  wie  der  Basch,  gewebt,  nur  feiner  und  auf  der  rechten 
Seite  durch  warme  Presse  geglänzt  wird,  gegenwärtig  aber  keinen  Absatz 
mehr  findet ;  nur  für  die  Bühne  und  einige  Nationaltrachten  macht  man  ihn  noch. 

Chalonnes-SUr-Loire,  Hauptort  im  Arrond.  Angers  des  franz.  Depart. 
Maine-et-Loire :  Sergefabrikation. 

Chälons-SUr-Marne,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart. 
Marne:  Fabrikation  von  Woll-  und  Baumwollzeugen. 

Chalons-SUr-SaÖne,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Saone- 
et-Loire :  Tuchfabrikation,  Spitzenindustrie;  bedeutender  Handel. 

Chaly,  Chalynette,  Chalinet,  ein  feiner  geköperter  musselinartiger  Stoff 
aus  dem  feinsten  weichen  Kammgarn  und  Seide,  gewöhnlich  auf  ganz  weissem 
Grunde,  mit  verschiedenen  lebhaften,  bunten  Farben  bedruckt.  Um  ihn 
billiger  zu  liefern,  machte  man  ihn  ganz  aus  Wolle,  ohne  Beimischung  von 
Seide,  allein  ebenfalls  nur  weiss  und  bunt  gedruckt, 

Cham,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Zug:  Fabrikation  von  Baumwollen- 
garn (Spinnerei  Hagedorn  mit  300  Arbeitern). 

Cham,  ein  schwarzer,  blauer,  grüner  oder  rosenroter  Baumwollenstoff, 
welcher  im  russisch-sibirischen  Handel  mit  den  Bucharen  und  Kalmücken  vor- 
kommt.    Die  besten  werden  nur  in  der  Stadt  Kaschkar  gemacht. 

Chamberguillas,  im  spanischen  Handel  eine  Sorte  schweizer  Taffet- 
bänder ;  engl.  :  hank  ribbons. 


118  Chambery — Chäteauroux. 


Chambery,  ital.  Ciamberi,  Hauptstadt  des  Depart.  Savoie  und  des 
Arrond.  C,  seit  1860  französisch:  Fabrikation  berühmter  Seidengaze,  Spitzen, 
Taffet,  Tuche. 

Chanduly  Faserstoff  aus  den  westlichen  Teilen  Ostindiens,  ist  der  Bast 
von  Lepuranda  succidora,  der  zur  Herstellung  von  Säcken,  Matten  u.  s.  w. 
benützt  wird. 

Changeant  (franz.),  1.  im  Handel  feiner  Kamelot,  den  man  häufig  zu 
Ryssel  fertigte,  2.  verschiedenartige  seidene,  kamelhaarene  oder  wollene  Zeuge, 
wo  Kette  und  Schuss  je  von  einer  anderen  Farbe  genommen  wird.  Das  Gre- 
webe  verändert  daher  auf  verschiedene  Art  seine  Farbe,  je  nachdem  das  Licht 
darauf  fällt. 

Chantilly,  Stadt  im  Arrond.  Senlis  des  franz.  Depart.  Oise:  Fabrikation 
von  Spitzen  •,  Wollspinnerei.  Die  Spitzenindustrie  wird  in  C.  gegründet  durch 
die  Herzogin  von  Longueville,  Caterine  de  Rohan:  sie  stiftete  zu  Beginn  des 

17.  Jahrhdrts.  Schulen    und   berief  Arbeiterinnen  aus  Havre  und  Dieppe;    im 

18.  Jahrhdrt.  wird  C.  besonders  durch  die  schwarzen  Spitzen  in  blonden- 
artigem Charakter  berühmt.  Die  Industrie  ging  während  der  Devolution  zu- 
grunde; Fabrikanten  und  Arbeiter  waren  verdächtig,  weil  sie  Spitzen  für  die 
„Tyrannen"  gearbeitet  hatten;  erst  um  die  Mitte  des  19.  Jahrhdrts.  ist  die 
Spitze  aus  Ch.  wieder  in  Aufnahme  gekommen  (s.  Spitzen). 

Chaperon  (franz.),  eine  den  Kopf  und  Hals  bedeckende  Kappe,  die  im 
Mittelalter  von  beiden  Geschlechtern  getragen  wurde. 

Chappe  (franz.),  Gespinste  aus  Seidenabfällen,   s.  Seidengarn. 

Charcanas  sind  ostindische  Zeuge  von  Baumwolle  mit  Seide  vermischt. 

Chardonnetseide,  eine  im  Jahre  1885  vom  Grafen  de  Chardonnet  er- 
fundene künstliche  Seide  aus  Zellulose  und  vielen  anderen  Bestandteilen  (vgl. 
Silbermann,  Die  Seide,  Bd.  II,  S.  116  ff.). 

Charkow,  Hauptstadt  des  russ.  Gouvernements  C. :  bedeutende  Woll- 
wäschereien und  Handel  mit  Wolle ;  es  besteht  eine  im  Jahre  1838  gegründete 
Wollhandelskompagnie. 

Charleston,  Hauptstadt  des  County  C.  in  Südkarolina,  an  der  Küste 
des  Atlant.  Ozeans :  Fabrikation  von  Strickwaren,  Baumwollkompressen. 

Charlieu,  Hauptort  im  Arrond.  Boanne  des  franz.  Depart.  Loire : 
Seiden-  und  Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Charlotte,  Hauptstadt  des  County  Mecklenburg  im  nordamerik.  Staate 
Nordkarolina:  Beträchtliche  Baumwollindustrie  und  -handel. 

Charlottenbrunn,  Marktflecken  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  Garn- 
handel, in  der  Umgebung  Leinen-  und  Baumwollwarenfabrikation. 

Charpie,  englische  (patent  linte),  ist  ein  leinenes,  gebleichtes,  lockeres 
Gewebe  mit  weit  auseinanderliegenden  Schussfäden.  Die  Bindung  ist  lein- 
wandartig, aber  jeder  Kettfaden  besteht  aus  vier  bis  fünf  Fäden.  Der  Stoff 
wird  barchentartig  aufgerauht  (s.  Verbandstoffe). 

Charput,  Hauptstadt  im  türk.-asiat.  Kurdestan :  Baumwollkultur. 

Chasselas,  baumwollene  Zeuge,  die  man  besonders  zum  Handel  auf  der 
gueneischen  Küste  braucht. 

Chasublerie  (von  chasuble  =  Messgewand),  hat  im  französischen  Handel 
zwei  Bedeutungen:  1.  für  alle  Waren  ohne  Unterschied,  welche  zum  Kirchen- 
schmuck bestimmt  sind:  s.  Bischofsornat  u.  s.  w. ;  2.  nur  die  Gewebe  für 
Kirchenzwecke. 

Chäteau  du  Loir,  Hauptort  im  Arrond.  St.  Calais  des  franz.  Depart. 
Sarthe:  Fabrikation  von  Leinwand  und  Watte;  Färberei. 

Chäteaudun,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Eure-e*-Loire : 
Fabrikation  von  Wolldecken ;  Tuchhandel. 

Chäteau-Gontier,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Mayenne : 
bedeutende  Leinwand-,  Wollzeugfabrikation  und  -Spinnerei.  In  Ch.  und  Um- 
gegend wird  eine  Art  Etamine  gewebt,  der  hiernach  seinen  Namen  hat. 

Chäteauroux,  Hauptstadt  des  Arrond.  Indre  und  des  Arrond.  C. :  be- 
deutende Fabrikation  von  Tuchen  und  Wollspinnerei;  Leinwandhandel. 


Chäteau-Thierry — Chemnitz.  1 19 


Chäteau-Thierry,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Aisne: 
Leinwandfabrikatioii,  Baumwollspinnerei  und  Färberei,  "Wollhandel.  Ch.  wird 
1666  als  Ort  der  Spitzenerzeugung  nach  italienischen  Yorbildern  erwähnt, 
deren  Fabrikate  man  point  de  France  nannte. 

Chätellerault,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Vienne: 
Eine    der  bedeutendsten  Industriestädte  Frankreichs,    u.  a.  Spitzenfabrikation. 

Chaumont-en-Bassigny,  Hauptstadt  des  Depart.  Haute-Marne :  Bevöl- 
kerung fabriziert  AVollzeuge. 

Chaussettes,  eine  Hauptsorte  der  weissen  franz.  Zwirnstrümpfe,  welche 
zu  Vitre  und  den  umliegenden  Ortschaften  von  den  Landleuten  gestrickt 
werden.  Sonst  nennt  man  C.  im  Französischen  auch  im  allgemeinen  einen  Unter- 
ziehstrumpf, eine  Art  Socken,  an  welchen  der  halbe  vordere  Fuss  fehlt. 

Chaux-de-Fonds,  Hauptort  im  Schweiz,  gleichntimigen  Bezirk,  wird  am 
Ende  des  18.  Jahrhdrts.  als  Hauptstätte  der  Spitzenindustrie  des  Landes 
erwähnt. 

Chaves,  das  Aquae  Flavieu  der  E,ömer,  Stadt  und  Festung  im  portug. 
Distrikt  Villa  Real:  Leinweberei  und  Seidenindustrie. 

Chavonnis,  dünne  ostindische  Musseline  von  Pondichery. 

Chazz  (arab.),  leichteres  Seidenzeug  des  frühen  Mittelalters,  das  aus 
seidener  Kette  und  wollnem  Einschlag  in  Armenien  erzeugt  wurde  und  der 
Beschreibung  nach  am  meisten  unserem  heutigen  Atlas  entsprochen  zu 
haben  scheint. 

Cheks,  Checks,  in  England  und  Nordamerika  versteht  man  darunter  die 
gewöhnlichen  blau-  und  weissgewürfelten  oder  blau-  und  weis sgestr elften 
Matrosenleinen,  welche  aus  den  Niederlanden  und  aus  der  Oberlausitz  in 
grosser  Menge  nach  Westindien  gehen.  Man  unterscheidet  je  nach  der  An- 
fertigung Linnen-Cheks,  Cotton-Cheks  und  Mired-Cheks.  Im  allgemeinen  be- 
zeichnet man  in  England  mit  C.  baumwollene  Zeuge  mit  kleingewürfelten 
Mustern. 

Chelos,  Chelasses,  Chelles,  Cheloes,  sind  buntgewürfelte  oder  gegitterte, 
ostindische  Kattune,  welche  in  vielerlei  Sorten  von  den  Holländern,  Franzosen 
und  Dänen  in  Bengalen,  Surate  u.  s.  w.,  wo  sie  zu  den  sogen.  Pagnes 
(Matrosenhemden)   dienen,  gekauft  werden. 

Chemille,  Hauptort  im  Arrond.  Cholet  des  franz.  Depart.  Maine-et-Loire : 
Woll-  und  Baumwollmanufaktur;  Färberei. 

Chemin  (franz.)  in  der  W^eberei  die  Zahl  der  Kettenfäden  in  der  Breiten- 
ausdehnung eines  Musters,  welches  sich  in  der  Breite  des  Stoffes  mehrmals 
wiederholt. 

Chemische  Wäsche,  s.  Fleckmittel. 

Chemisette,  Chemisettchen  (franz.),  die  bekannten  Yorhemdchen,  welche 
von  Seidenzeug,  Batist,  Ghingan,  Cambric,  Jaconet  u.  s.  w.  früher  mehr  in  Mode 
waren,  als  heute.  Man  fertigte  den  Stoff  zu  diesen  Yorhemdchen  mit  feinen 
Fältelungen  auf  dem  W^ebstuhl,  vornehmlich  um  Lichtenstein  und  Hohenstein 
im  Königreich  Sachsen.  Auch  Yorhemdchen  für  Damen  nennt  der  Franzose 
Chemisettes. 

Chemnitz,  erste  Fabrikstadt  Sachsens  und  eine  der  bedeutendsten  Deutsch- 
lands ;  HaujDtindustriezweige  sind:  Baumwoll-  und  Kammgarnspinnerei,  Weberei, 
hauptsächlich  von  Möbelstoffen,  Tischdecken,  Portieren,  Y^irkwarenfabrikation, 
besonders  Strumpf-,  Handschuh-  und  Trikotstofffabrikation;  Färbereien  und 
Appreturen.  Y^ebstuhlfabrik  und  Fabriken  von  Maschinen  für  Spinnerei, 
Wirkerei,  Strickerei  und  Appretur.  Eine  grosse  Anzahl  der  als  Chemnitzer 
geltenden  Fabriken  liegt  in  den  nahen  Ortschaften.  So  wird  die  Fabrikation 
von  Wirkwaren,  deren  Mittelpunkt  C.  ist,  imd  die  50000  Arbeiter  beschäftigt 
und  etwa  für  70  Mill.  Mark  Ware  fertigstellt,  vielfach  noch  immer  als  Haus- 
industrie in  der  Umgegend  von  C.  betrieben.  Die  meisten  der  sogen.  Fabri- 
kanten sind  jedoch  nur  Händler,  welche  die  Appretur  der  bezogenen  Waren 
und  die  mannigfaltige  Verpackung  besorgen.  Die  Möbelstofffabriken  beschäf- 
tigten   1895    etwa   5000   Arbeiter    und   lieferten   für   mehr    als   25    Mill.  Mark 


120  Chenebier — Chenilleteppiche. 


Waren,  die  anderen  "Webereien  bescbäftigten  300,  die  Färberei-  und  Appretur- 
anstalten 2300  Arbeiter.  Chemnitz  bestand  schon  als  Ort  zur  Zeit  Kaisers 
Lothar  (gest.  1138),  der  hier  ein  Benediktinerkloster,  jetzt  Schloss  C.  stiftete; 
im  Jahre  1414  erhielt  C.  sein  ältestes  Stadtrecht.  Neben  der  uralten  Lein- 
weberei und  einer  ausgedehnten,  durch  E/egierungsmonopole  geschützten 
Bleicherei,  erreichte  das  Tuchmachergewerbe  bald  einen  für  damalige  Zeiten 
grossartigen  Umfang,  und  als  die  Stadt  1485  bei  der  Teilung  Sachsens  an  die 
Albertinische  Linie  kam,  war  sie  eine  der  blühendsten  im  Meissnerlande.  Im 
dreissigj ährigen  Kriege  wurde  die  Stadt  (1633 — 1636)  fast  gänzlich  zerstört; 
erst  in  der  letzten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  erhob  sich  die  Baumwoll- 
weberei als  ein  neuer  Nahrungs zweig,  welcher  1739  schon  2000  Stühle  be- 
schäftigte und  20  Jahre  später  alle  deutschen  Konsumtionsplätze  mit  rohen 
Kattunen  versorgte.  C.  wurde  1765  Sitz  der  in  den  umliegenden  Dörfern  ver- 
breiteten Strumpfwirkerei.  Schlüssel  aus  Hamburg  legte  hier  1770  die  erste 
sächsische  Zeugdruckerei  an.  Die  englische  Piqueweberei  wurde  1775,  die 
englische  Handspinnmaschine  1790  durch  Forkel  und  Irmscher,  die  Baumwoll- 
mas chinenspinnerei  (s.  d.)  nach  Arkwright'schem  System  1799  durch  Whöler 
und  Whitfield  eingeführt.  Alle  diese  Gewerbe  erhoben  C.  während  der  Konti- 
nentalsperre zur  höchsten  Blüte,  die  aber  nach  dem  Pariser  Frieden  durch  die 
unglückliche  Handelspolitik  des  Landes  erheblich  beeinträchtigt  wurde,  bis  C. 
1834  nach  dem  Beitritt  Sachsens  zum  Zollverein,  besonders  durch  den  mäch- 
tigen Aufschwung  des  Maschinenbaues,  von  neuem  aufblühte.  —  Literatur: 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte  (Bd.  1  bis  10,  ebd.  1873 
bis  1899);  Urkundenbuch  der  Stadt  C.  (im  „Codex  diplomaticus  Saxoniae 
regiae",  II,  Bd.  9,  Leipzig  1879);  Zöllner,  Geschichte  der  Fabrik-  und 
Handelsstadt  C.  (Lpz.  1888);  S  träum  er.  Die  Fabrik-  und  Handelsstadt  C. 
Ein  Städtebild  (ebd.  1893). 

Chenebier,  Dorf  im  Kanton  Hericourt  im  franz.  Depart.  Haute-Säone: 
Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Chenille,  (franz.:  die  Baupe;  engl.:  chenille;  ital. :  ciniglia),  bandartige 
gedrehte  und  ausgefaserte  Schnur  von  sammet-  oder  raupenartigem  Ansehen, 
deren  Herstellung  auf  dem  Webstuhl  folgendermassen  geschieht:  Die  Kette 
besteht  aus  mit  regelmässigen  Abständen  eingestellten  Gruppen  von  Seiden- 
und  Zwirnfäden;  der  Einschuss  ist  Seide,  Wolle,  auch  Baumwolle,  die  Bindung 
Taffet.  Ist  das  Gewebe  fertig,  so  werden  Streifen  geschnitten,  bei  denen  die 
Streifen  in  der  Mitte  liegen,  während  rechts  und  links  die  Schussfäden  quer 
herausstehen.  Durch  Drehung  auf  dem  Schnurdrehrad  werden  die  ausgefaserten 
Streifen  bleibend  schraubenförmig  gewunden.  Feinere  Chenillen,  besonders 
einfarbige,  sowie  FaQonchenille  werden  auf  Ch. -Maschinen  hergestellt  (s.  Posa- 
menterie.)  Die  Ch.  wird  für  sich  allein  zu  verschiedenen  Posamentierarbeiten 
verwendet,  teils  dient  sie  als  Aufputz  für  Damenkleider.  Auch  als  eine  Art 
Spitzen  (Ch. -borten),  sowie  zu  sogen.  Ch. -blonden,  oder  auch  zu  weissen,  dicken 
Geweben  (Ch.-stoffe)  und  endlich  zu  sammetähnlich  aussehenden  Teppichen, 
Tischdecken  und  Portieren  wird  die  Ch.  angewandt.  Hauptsitz  der  Fabrikation 
in  Deutschland  ist  Chemnitz  und  weitere  Umgebung. 

Chenillenatlas,  brochierter  Sammet,  ist  ein  veralteter,  reicher,  seidener 
Stoff,  der  broschierte  Blumen  von  Chenillefäden  in  einem  Atlasgrunde  oder 
einem  anderen  Köpergrunde  enthält. 

Chenilleschneidemaschine,  eine  Maschine,  welche  zum  Zerschneiden  des 
bandartigen  Chenillegewebes  (s.  Chenille)  in  einzelne  Streifen  dient. 

Chenilleteppiche,  eine  Art  Teppiche,  die,  abweichend  von  der  gewöhn- 
lichen Art  der  Teppichweberei,  auf  beiden  Seiten  dasselbe  Farbenmtfster  in 
Flor  zeigen.  Zunächst  wird  ein  glattes  Gewebe  verfertigt,  dessen  Kette  aus 
einzelnen  gleichmässig  verteilten  Gruppen  leinener  oder  baumwollener  Fäden 
besteht,  während  der  sehr  dichte  Einschlag  in  den  durch  das  Muster  be- 
stimmten Farben  aus  Kammgarn  oder  Seide  hergestellt  ist.  Indem  man  dieses 
Gewebe  zwischen  je  zwei  Kettenfädengruppen  der  Länge  nach  durchschneidet 
und  die  so  erhaltenen  Streifen  auf  einem  Seilerrad  zusammendreht,  bilden  sich 


Cherasco — Chieri.  121 


behaarte  Schnürchen,  deren  feine  Kette,  durch  den  stärkeren  Einschlag  ver- 
deckt, diesem  nur  zum  Halte  dient  und  die  in  ihrer  Färbung  das  beabsichtigte 
Muster  darstellen.  Diese  Schnürchen  werden  in  das  eigentliche  Teppich- 
gewebe, dessen  Kette  aus  Leinengarn  besteht,  eingeschossen  und  dem  Muster 
entsprechend  sorgfältig  aneinander  gepresst,  worauf  durch  Aufbürsten  der 
Chenillefäden  auf  beiden  Seiten  ein  regelmässiger  Sammetflor  erzeugt  wird. 
Durch  dazwischen  eingetragene  leinene  Grundschussfäden  erhält  die  "Ware  den 
erforderlichen  Zusammenhalt.  Da  sämtliche  bei  der  Vorarbeit  gleichzeitig  er- 
haltenen Chenilletäden  dieselbe  Musterung  zeigen,  muss  zu  ihrer  vollständigen 
Verarbeitung  die  gleiche  Anzahl  Teppiche  von  einerlei  Muster  hergestellt 
werden.  Der  Mannigfaltigkeit  der  Nüancierung  ist  bei  dieser  Methode  volle 
Freiheit  gelassen,  da  die  Zahl  der  Farben  ausserordentlich  vermehrt  und 
der  Zeichnung  jeder  beliebige  G-rad  der  Feinheit  gegeben  werden  kann  (s.  a. 
Axminsterteppich). 

Cherasco,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Cuneo:  Seidenindustrie. 

Cherbourg,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  La  Manche: 
Fabrikation  von  gedruckten  Kattunen,  Strümpfen,  Blonden;  sodann  Spinnerei. 

Chercolee,  Cherconne,  ist  der  Name  von  gewissen  gestreiften  seidenen 
und  baumwollenen  Zeugen  aus  Indien. 

Cherquermolles,  ostindische  baumwollene  Stoffe,  welche  ehedem  die 
Franzosen  auf  den  Markt  brachten. 

Cherub,  (franz.:  cherubin;  engl.:  cherub),  Mehrzahl  Cherubim,  s. 
Engel. 

ehester,  Stadt  im  County  Delaware  des  nordamerik.  Staates  Pennsyl- 
vanien:  Bedeutende  Textilindustrie,  besonders  in  Baumwoll waren. 

Chesterfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Derby:  Fabrikation  von 
Seiden-  und  Baumwollstoffen  und  Passementerie. 

Chevillieren  der  Seide,  in  der  Seidenfärberei  ein  Verfahren  zur 
Steigerung  des  Glanzes  der  gefärbten  Faser.  Die  Arbeit  wird  nach  dem 
Färben  der  Strangseide  vorgenommen.  Besonders  wichtig  ist  das  Ch.  bei  der 
Soupleseide.  Das  Ch.  wird  in  der  "Weise  ausgeführt,  dass  die  Seidensträhnen 
mehrmals,  abwechselnd  nach  rechts  und  links,  um  sich  selbst  aufgedreht  werden, 
wodurch  sich  die  einzelnen  Fäden  durch  die  gegenseitige  E,eibung  und  den 
grossen  Druck  glätten.  Das  Ch.  geschieht  in  grösseren  Färbereien  durch 
Maschinen. 

Cheviot,  ein  aus  gröberer  "Wolle,  insbesondere  aus  Crossbredwolle  (s.  d.) 
hergestellter  Stoff,  der  zu  Anzügen  benutzt  wird.  Je  nachdem  das  Roh- 
material zu  Kammgarn  oder  zu  Streichgarn  verarbeitet  ist,  wird  der  daraus 
hergestellte  Stoff  mehr  oder  weniger  glatt.  Cheviotstoffe  fühlen  sich  hart  und 
rauh  an,  sind  auch,  da  die  gröbere  AVoile  nicht  walkt,  stets  verhältnismässig 
lose,  bieten  aber,  sofern  sie  ohne  Kunstwolle  oder  sonstige  Abfälle  hergestellt 
sind,  das  dauerhafteste  Material  zu  Kleidungsstücken.  Die  Fabrikation  der 
Cheviotstoffe  bildet  einen  der  wichtigsten  Teile  der  Wollindustrie,  insbesondere 
auch  in  Deutschland,  ist  aber  von  derjenigen  der  anderen  Wollstoffe  nicht 
wesentlich  verschieden. 

Chevron,  moderner  einfarbig  gestreifter  schwarzer  Kleiderstoff  aus  Wolle. 

Chiaak  sind  in  der  Türkei,  besonders  in  den  Gegenden  am  Schwarzen 
Meer,  Sofaüberzüge  von  feiner  wollener  Serge.  Die  Garnitur  hiervon  besteht 
aus  einem  Paar  von  Kissen  und  einer  grossen  Decke  (Makat). 

Chiari,  Hauptstadt  in  der  ital.  Prov.  Brescia :  Seidenspinnerei  und 
-Weberei. 

Chiasso,  Flecken  im  Schweiz.  Kanton  Tessin:  Seidenspinnereien. 

Chiavari,  Hauptstadt  in  der  ital.  Prov.  Genua:  Fabrikation  von  Seiden- 
waren und  Spitzen. 

Chiavenna,  deutsch  Cläven  oder  Clefen,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Sondrio: 
Seidenzucht,  -Spinnerei  und  -Weberei. 

Chieri,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Turin:  Leinwebereien,  Seiden-  und 
Baumwollspinnereien. 


122  Chieti— China. 


Chieti,  Stadt  in  Italien:  Tuchweberei,  Seidenbau  und  -handel. 

Chiffons  (franz.),  eine  Art  baumwollener  Zeuge,  eine  sogen,  weisse  Ware, 
glatt  und  nicht  geköpert. 

Chilime,  Bett-  und  Sofadecken  oder  Teppiche  von  Seide  und  Leinen- 
garn oder  aus  Wolle  und  Leinengarn,  bunt  gemustert,  welche  in  Slavonien 
gewebt  und  aus  zwei  Breiten  zusammengesetzt  sind. 

China  ist  das  Stammland  der  Seide  (s.  d.).  Henri  Silbermann  (Die 
Seide,  ilire  Geschichte,  Gewinnung  und  Verarbeitung,  Dresden  1897.)  be- 
richtet darüber  aus  den  verschiedensten  Quellen:  Der  chinesischen  Seidenstoffe 
findet  man  zuerst  im  Jahre  2225  v.  Chr.  Erwähnung  getan,  zu  welcher  Zeit 
sie  von  der  Provinz  Shantung,  die  auch  als  eigentliche  Heimat  der  Seide  be- 
trachtet wird,  als  Gabe  und  Huldigung  an  den  kaiserlichen  Hof  des  Shuntien 
geliefert  worden  sind.  Ln  Jahre  2200  erscheint  im  Buche  „Tschu-king"  die 
erste  Nachricht  über  Seidenfärberei,  in  welcher  die  Verwendung  gefärbter 
Seidenstoffe  beschrieben  ist;  auch  schildert  Konfucius  rote  und  schwarze  Seiden- 
zeuge, die  als  Tribut  an  den  Kaiser  Ju  (2022)  geliefert  wurden.  Die  Haupt- 
verwendung der  Seidengewebe  jener  Zeit  bestand  in  der  Anfertigung  von 
Fahnen  und  Schirmen,  welche  als  Abzeichen  der  Würde  dienten,  indem  ver- 
schiedene Farben  bestimmten  Rangstufen  entsprachen,  in  der  Art,  wie  es 
heute  noch  in  China  üblich  ist.  Das  Gelb  als  ausschliessliche  Farbe  des  Kaisers, 
das  Violett  die  seiner  Nebenfrauen;  Blau,  !R,ot  und  Schwarz  wurden  dem  ver- 
schiedenen Range  der  Ritter  beigelegt.  Aus  geschichtlichen  Schilderungen 
geht  hervor,  dass  in  China,  wie  auch  sonst  überall,  die  echten  Seidenstoffe  nur 
dem  Gebrauch  des  Hofes  und  der  Adeligen  dienen  durften.  Erst  durch  die 
liberalen  Verordnungen  des  weisen  Kaisers  Ju  (2205)  hat  die  Seidenkultur 
auch  unter  dem  chinesischen  Volke  Platz  gegriffen.  Mit  der  Zeit  entfaltet  das 
Seidengewerbe  einen  immer  höher  steigenden  Luxus:  es  erscheinen  im  8.  Jahrh. 
V.  Chr.  Goldbrokate  und  ähnliche  kostbare  Seidenstoffe,  in  welche  man  sogar 
bunte  Vogelfedern  einzuweben  und  einzusticken  pflegte.  Heber  zwanzig  Jahr- 
hunderte gingen  in  gleicher  Weise  dahin,  ohne  dass  das  Seidengewerbe  die 
Grenzen  seiner  Heimatstätte  Shantung  überschritten  hätte:  es  ist  im  grossen 
und  ganzen  auf  derselben  Höhe  geblieben,  wie  zur  Zeit  der  Einführung.  Der 
Seidenhandel  scheint  bis  zum  3.  Jahrh.  v.  Chr.  nicht  bestanden  zu  haben.  Die 
durch  natürliche  und  politische  Hindernisse  und  durch  sittliche  Originalität 
bedingte  Absonderung  Chinas  wurde  auf  die  Dauer  dadurch  bekräftigt,  dass 
die  mittelasiatischen  Barbaren  dem  weiteren  Umsichgreifen  der  fortschreitenden 
chinesischen  Kultur  unüberwindlichen  Widerstand  leisteten.  Erst  durch  eine 
infolge  politischer  Unruhen  entstandene  Auswanderung  der  chinesischen  Be- 
völkerung wurde  der  Seidenbau  durch  chinesische  Ansiedler  im  Jahre  200  v.  Chr. 
nach  der  Halbinsel  Korea  verpflanzt  und  etwas  früher  finden  sich  in  der  Hinter- 
lassenschaft der  Chinesen  die  ersten  Andeutungen  über  fremdländischen  Verkehr 
mit  den  Völkern  Westasiens.  Von  Mittelasien  kam  die  Seide  aus  China  durch 
Vermittelung  der  parthischen  Kaufleute  nach  Europa.  (Vgl.  den  Artikel  Seide.) 
Im  7.  Jahrh.  n.  Chr.  erhielt  die  Seidenkultur  und  -Weberei  in  China  einen 
solchen  Aufschwung,  dass  bis  zum  10.  Jahrh.  chinesische  Rohseide  und  Seiden- 
gewebe den  wichtigsten  Artikel  im  mittelasiatischen  Handel  bildeten,  so  dass 
vom  Jahre  819  berichtet  wird,  dass  einem  Kaiser  von  China  100000  Stück 
Seidengewebe  als  Huldigung  des  Volkes  dargebracht  worden  seien;  ein  Mandarin 
schenkt  im  Jahre  826  dem  Kaiser  King-Tsang  eine  Million  Seidenzeuge.  Dieses 
verschwenderische  Umgehen  mit  der  Seide  lässt  auf  ihre  unermesslichen  Vor- 
räte und  den  Luxus  damaliger  Zeit  schliessen,  da  die  Seidenzeuge  sowohl  beim 
hohen  Adel  wie  im  gemeinen  Volke  zu  etwas  Alltäglichem  geworden  sind.'^  Seit 
dem  13.  Jahrh.  wird  China  durch  Indien  im  Seidengewerbe  und  dessen  Ver- 
breitung durch  den  Handel  abgelöst;  zu  dieser  Zeit  ist  dann  wahrscheinlich 
auch  die  regelmässige  Zucht  des  Maulbeerspinners  nach  Indien  eingeführt 
worden.  (Vgl.  über  Weiteres  den  Artikel  Seide  und  Geschichtliches  der 
Weberei.)  Die  chinesische  Seidenindustrie  neuerer  Zeit  besitzt  eine  sehr  be- 
deutende Anzahl  Webestühle.     Besonders    im  Norden  blüht  die  Kunstweberei, 


China. 


123 


wo  in  Schen-si  und  Ss'-tschum  Sammete  von  hohem  AVerte  erzeugt  werden. 
Atlasse  und  Crepes  webt  man  in  Shanghai,  Houpch,  Hu-tschen-fu  undNingpo; 
Bänder  in  Houpch  und  Shanghai,  schliesslich  broschierte  und  fassonierte  Gewebe 
in  Kiangsu,  besonders  im  Departement  Kiang-nin-fu  (Nankin).  Die  meisten 
der  gefertigten  Grewebe  werden  im  Lande  selbst  verbraucht  und  zwar  am 
häufigsten  zu  den  von  alters  her  üblichen  Kleidern,  die  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten in  Mengen  nach  Europa  kamen,  so  dass  die  Museen  sich  mit  chinesischen 
Stoffen  reichlich  versorgen  konnten. 

Abb.  48. 


Chinesische  Kleider:  der  Anzug  besteht  im  "Wesentlichen  aus  vier  Stücken: 
Der  Po  ist  ein  weiter  Rock,  welcher  auf  der  Seite  zugeknöpft  wird  und  fast  bis  auf 
die  Spanne  hinabreicht,  mit  langen  und  weiten  Aermeln;  er  ist  entweder  von  Seide 
oder  Wolle.  Im  ersten  Fall  kann  die  Seide  gemustert  sein.  Die  Wolle  ist  aber  immer 
glatt:  entweder  Long-ell,  Spanisch-Strippe  oder  Broadcloth,  nach  Stand  und  Würden. 
—  Der  Theong-cham  ist  ein  Po  von  Baumwolle  oder  Mä.  Ihn  tragen  die  unteren 
Klassen.  —  Die  M  a  -  k  o  u  a  ist  eine  Art  Weste  mit  Aermeln,  aber  weit,  welche  vorn 
geknöpft  wird  und  bis  in  die  Gegend  der  Weichen  reicht.  Viele  Ma-kouas  sind  von 
seidenem  oder  wollenem  gemustertem  Kamelott,  entweder  chinesischer  oder  enghscher 
Fabrikation,  aber  auch  manche  von  Polamit  aus  Leyden,  von  Lasting,  Longells, 
Spanisch  Strippe  oder  Medium  Cloth.  —  Die  Tai-koua  ist  ein  üeberwurf,  fast  wie 
ein  Paletot  und  geht  bis  auf  die  Knie ;  sie  hat  weite  Aermel,  geschlitzt  zum  Zurück- 
schlagen. Oft  ist  sie  aus  Fa-n-tunn  (gemusterter  Stoff  aus  Seide  und  KamelwoUe)  ge- 
macht, aus  Polamit  oder  feinem  Tuch.  —  Die  Beinkleider,  oft  auch  nur  Unter- 
beinkleider, sind  von  leichtem  Flanell  oder  Baumwolle ,  die  sie  mit  einer  seideneu 
Schnur  unter  dem  Knie  festbinden.  Im  Sommer  trägt  man  sie  auch  von  Mientchao, 
eine  leichte  Popeline  von  Seide  und  Baumwolle,  die  in  Chuenn-te,  eine  Tagereise  von 
Kanton,  gewebt  wird.  —  Der  Po  wird  von  grauer  und  hellblauer,  die  Ma-koua  maza- 
rinblau  oder  violett,  die  Tai-koua  dunkelblau,  purpurrot,  violett  oder  feuerrot  getragen. 


124 


China. 


Die  arbeitende  Klasse  kennt  alle  diese  Kleidungsstücke  nicht;  der  Arbeiter  zieht  je 
nach  der  Witterung  1 ,  2,  3  Kittel  übereinander  von  blau-weissem  oder  weissem 
Baumwollenzeug  an.  Bei  der  Arbeit  trägt  er  eine  Art  Aermelweste  bis  auf  den 
halben  Leib  und  zur  Seite  geknöpft,  darunter  eine  weite  Hose  bis  zum  Knöchel,  oder 
auch  eine  Kniehose.  Die  Frauen  der  unteren  und  mittleren  Klassen  tragen  das  lange 
Beinkleid  und  den  Rock.  Diese  Röcke  sind  nach  Rang  und  Wohlhabenheit  von  ver- 
schiedenen Stoffen,  selten  aber  gemustert,  höchstens  mit  einem  Sammetstreifen  verziert. 
Das  Beinkleid  ist  weit  und  fällt  sehr  weit  herunter.  Der  Rock  ist  paletotartig,  reicht 
bis  ans  Knie  und  wird  auf  der  Schulter  und  an  der  Seite  geknöpft.  Die  vornehmen 
Frauen  tragen  ein  enges  Gewand  bis  auf  die  Fusspitze  von  Seide,  darüber  einen  Ueber- 
wurf,  Form  Paletot,  mit  weiten  langen  Aermeln;  er  reicht  zuweilen  etwas  über  die 
Taille,  zuweilen  bis  zur  Hälfte  des  Schenkels.  Im  Sommer  ist  er  von  gestickter  Seide, 
im  Winter  von  feinem  dunkelblauem  Tuch  mit  Goldstickereien  verziert. 


Abb.  49. 


Die  Musterung  der  Stoffe  in  China  wird,  wie  die  ganze  Kunst- 
weise des  Volkes,  schon  früh  von  Indien  her  durch  den  Buddhismus  beeinflusst, 
wozu  vom  13.  Jahrhundert  an  auch  islamitische  —  hauptsächlich  persische  — 
Elemente  kommen.  Die  Verschmelzung  gewisser  Kunstformen  dieser  Länder 
lässt  sich  im  Mittelalter  in  Stoffen  ebenso  beobachten,  wie  es  in  anderen 
Gebieten  des  Kunstgewerbes,  namentlich  im  Porzellan,  der  Fall  ist.  (Vgl. 
Geschichtliches  im  Artikel  Weberei.)  Und  man  kann  oft  nicht  mit  Sicherheit 
angeben,  ob  ein  Gewebe  dieser  Zeit  in  China  unter  persischem  oder  umgekehrt 
in  Persien  unter  chinesischem  Einfluss  entstanden  sein  mag.  In  Brokatstoffen 
ist  die  Natur  des  Goldgespinstes  nicht  entscheidend,  da  China  in  dieser  Zeit 
zunächst  auch  noch  vergoldete  Lederhäutchen  gebraucht,  bevor  das  Papier 
hierzu  in  der  Weberei  Verwendung  findet.  Schwer  ist  es  auch,  chinesische 
Gewebe    früherer    Zeit   von    denen    aus    Japan    zu   unterscheiden,    solange    die 


China. 


125 


Japaner  nach  chinesischen  Yorbildern  gearbeitet  haben.  Das  Charakteristische 
der  chineschen  Kunstformen  ans  der  Pflanzenwelt  ist  die  strenge  Stilisierung, 
welche  ihre  AViedergabe  ohne  Rücksicht  auf  das  Material  gleich  erscheinen 
lässt:  bevorzugt  sind  der  Lotos ,  die  Päonie  und  solche  Blüten,  welche  sich 
der  Palmettenform  anschliessen  lassen.  (Vgl.  Abb.  48 — 50.)  In  der  An- 
wendung von  Tiergestalten  kommt  zu  dem  Schwerfälligen  das  Symbolische, 
wobei  in  den  meisten  Fällen  der  indisch-buddhistische  Ursprung  nachzuweisen 
ist.  In  anderen  Darstellungen  erscheinen  die  Tiere  nur  als  Embleme  gewisser 
Eigenschaften  und  damit  als  Träger  bestimmter  Wünsche.  (Vgl.  M.  v.  Brandt: 
..Ein  Kapitel  aus  der  chinesischen  Kunstgeschichte-,  in  „AVestermanns  Monats- 
hefte" LXXXV,  508;    Januar  1899.)     Zu  den  ersteren  gehört  der  Löwe,    Shi 

Abb.  50. 


oder  Shix,  der  als  Sinnbild  der  Kraft  und  der  Stärke  unzweifelhaft  aus  Indien, 
wo  er  den  Thron  Buddhas  trägt  oder  Götter  und  Göttinnen  als  Sitz  dient,  nach 
China  übernommen  worden  ist;  er  findet  auch  Aufnahme  in  Japan,  wo  man  ihn 
irrtümlich  im  Volksmunde  als  Hund  Buddhas  nennt.  (Vgl.  Abb.  52.)  Auch  der 
Elefant  ist  das  Sinnbild  der  Kraft;  er  findet  sich  auch  als  Stütze  oder  Ver- 
zierung an  buddhistischen  Thronen  oder  als  Träger  von  Vasen  und  tribut- 
bringenden Personen  auf  Stickereien.  (Vgl.  Abb.  53.)  Die  vier  heiligen  Tiere 
der  Chinesen  sind:  Schildkröte,  Kilin,  Phönix  und  Drache.  (S.  die  Artikel  im 
Einzelnen.)  Landschaftliche  Darstellungen  im  chinesischen  Ornament  (vgl. 
Abb.  51)  des  18.  Jahrhunderts  haben  zur  selben  Zeit  (vgl.  den  Artikel  Bokoko) 
die  französische  Mustergebung  stark  beeinflusst. 

Die  Technik  in  Weberei  und  Stickerei  ist  in  China,  ent- 
sprechend der  Fülle  des  edelsten  Materials,  in  jeder  AYeise  ausgebildet;  doch 
geht  man  dabei  mehr  vom  Standpunkt  künstlerischer  "Wirkung  als  auf  Streben 
nach  Efi^kten  aus,  die  im  Bereiche  der  Technik  möglich  wären.  Hierzu  sind 
die  auf  einfachen  Grundlagen  beruhenden  Einrichtungen  der  Webe-  und  Stick- 


126 


China. 


apparate  nicht  angetan.  Es  sei  denn,  dass  in  neuester  Zeit  die  europäische 
Kultur  in  einigen  Gegenden  sich  Geltung  zu  verschaffen  gewusst  hat.  Die 
gewebten  Seidenstoffe  enthalten  Muster,  welche  durch  Lanzieren  und  Bro- 
schieren hergestellt  sind;  in  beiden  Eällen  ist  man  bemüht,  der  Fläche  eine 
Abwechslung  dadurch  zu  geben,  dass  die  Blumen-  oder  andere  Ornamente 
reihenweis  in  der  Farbe  abwechseln.  Die  grösste  Mannigfaltigkeit  ist  natürlich 
durch  die  Technik  des  Broschierens  (s.  d.)  gegeben ,  wobei  das  Material  in 
Ueppigkeit  verschwendet  wird,  so  dass  auf  der  Bückseite  solcher  Stoffe 
Strähnen  von  Seidenfäden  flottliegen,  die  an  der  Oberfläche  nur  an  wenigen 
Stellen  gebunden  sind:  eine  Art  und  Weise  der  Kunstweberei,  welche  auch  in 

Abb.  51. 


Japan  (s.  d.)  in  erhöhtem  Masse  Ausbildung  gefunden  hat.  Bei  notwendigen 
Goldeffekten  hat  das  aus  dem  Maulbeerstrauch  gewonnene  haltbare  Papier  reich- 
lich Verwendung  gefunden,  aus  dem  man  auch  im  gedrehten  Faden  Stoffe  zu 
Sommerkleidern  herstellt  (s.  die  Artikel  Brillantgarn,  Brokat,  Goldgespinste 
u.  s.  w.).  Eine  reiche  Ausbildung  hat  die  Stickerei  in  China  von  früher 
Zeit  an  erfahren.  Der  Plattstich  (s.  d.)  ist  bei  weitem  bevorzugt,  dessen  Yor- 
zeichnung  in  neuer  Zeit  durch  Auflegen  dünner  gestanzter  Papiermuster  (s.  d.) 
erleichtert  wird.     (Abb.  54.)     (Weiteres  s.  im  Artikel  Stickerei.) 

Abbildungen: 

48.  Originalaufnahme  eines  Seidengewebes  (im  Kunsthandel),  Grund  rot,  Muster 
grün:  reihenweis  versetzte  Lotos-  und  päonienartige  Blüten  an  Ranken  mit  schnör- 
keligem Blattwerk.     China,  alt. 

49.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Sammet- 


127 


Abb.  53. 


128 


China — Chinagras. 


gewebe,  Grund  hellblauer  Atlas,  Muster  schwarz,  geschnitten:  Wellig  gelegten  Ranken 
mit  gerolltem  Blattwerk  entsteigen  in  Reihen  abwechselnd  nach  oben  und  unten  ge- 
kehrt Palmettenblüten.     China  18.  Jahrhundert. 

50.  Originalaufnahme  eines  Seidengewebes  (im  Kunsthandel),  Grrund  grün,  Muster 
in  bunter  Seide  broschiert,  so  dass  die  Einzelfiguren  desselben  unter  sich  auch  innerhalb 
der  Reihen  in  den  Farben  wechseln:  Wellig  geschwungene  breite  Ranken  mit  Blüten 
in  Rosetten-  und  Palmettenform;  dazwischen  Blattwerk  und  Früchte.  China  18.  bis. 
19.  Jahrhundert. 

Abb.  54. 


51.  Originalaufnahrae  eines  Brokatgewebes  (im  Kunsthandel) :  Rundbild  aus 
einem  Gewände  mit  Darstellung  einer  Berglandschaft,  in  Gold  broschiert,  dessen  Grund- 
fäden aus  verschiedenfarbiger  Seide  bestehen,  wodurch  das  Metall  wechselnden  Schimmer 
erhalten  hat.     China  18. — 19.  Jahrhundert. 

52.  Originalaufnahme  einer  Goldstickerei  (im  Kunsthandel)  auf  roter  Seide  mit 
Darstellung  eines  Löwen.     China  19.  Jahrhundert. 

53.  Originalaufnahme  einer  Goldstickerei  (im  Kunsthandel)  auf  roter  Seide  mit 
Darstellung  eines  aufgeschirrten  Elefanten,  der  einen  Fruchtkübel  trägt.    China  19/Jhrhdt. 

54.  Originalaufnahme  von  einem  Gewände  (im  Kunsthandel),  Plattstichstickerei 
auf  gazeartigem  Seidenstoff  in  bunter  Seide,  mit  Darstellung  von  Schmetterlingen. 
China  19.  Jahrhundert. 

Chinagras,  chinesischer  Hanf,  in  England  China-grass  und  Cloth-grass, 
die  Bastfaser  von  Boehmeria  nivea.  Ramie  ist  ein  anderer  Name  für  die 
gleiche  Faser,    und    auch    die    von    der    sehr  nahe  verwandten  oder  besser  nur 


Chine— Chits.  129 


als  Rarität  zu  betrachtenden  Boehmeria  tenacissima  abstammende  Rheafaser 
besitzt  die  gleichen  Eigenschaften;  häufig  werden  sogar  die  Worte  ßhea,  Ramie 
und  C.  nebeneinander  für  dieselbe  Faser  gebraucht.  Diese  Fasern  liefern 
seidenartig  glänzende,  sehr  dauerhafte  Gewebe  und  Seilerwaren,  auch  halten 
sie  Farbe  und  lassen  sich  leicht  mit  anderen  Fasern  zusammen  verarbeiten. 
Das  C.  ist  eine  der  allerfeinsten  und  zugleich  stärksten  Fasern;  auch  ist  der 
mittlere  Durchmesser  der  Faser  dünner,  als  der  von  Jute,  Flachs  und  Hanf. 
Zum  Zwecke  der  Weberei  werden  die  Fäden  des  C,  im  eigentlichen  Sinne 
nicht  gesponnen,  sondern  durch  Aneinanderstückeln  einzelner,  Ende  bei  Ende 
gelöster  und  durch  Rollen  mit  der  Hand  vereinigte  Fasern  gebildet.  Das 
Material  erscheint  dadurch  nicht  rund,  wie  andere  Garne,  sondern  glatt  wie 
ein  sehr  schmales  Bändchen.  In  England,  wo  dieses  Material  erst  durch  die 
Londoner  Weltausstellung  von  1851  weiteren  Kreisen  als  Grasscloth  (Gras- 
leinen), wahrscheinlich  infolge  einer  Verwechselung  der  Stammpflanze  bekannt 
wurde,  werden  die  zur  Verarbeitung  dahin  verschifften  rohen  Stengel  einer 
ähnlichen  Behandlungsweise  wie  der  Flachs  unterworfen.  Der  Verbreitung 
der  Chinagrasfabrikate  ist  namentlich  die  durch  den  amerikanischen  Bürger- 
krieg veranlasste  Unterbrechung  der  BaumwoU einfuhr  förderlich  gewesen. 
Auf  der  Pariser  Weltausstellung  1867  trat  diese  Industrie  bereits  in  be- 
merkenswerter Weise  hervor,  und  seitdem  ist  dieselbe  in  stetem  Fortschritt 
begriffen. 

Chine,  Chinee,  chiniert,  nennt  man  in  Frankreich  jeden  auf  geflammte 
Art  oder  mit  flammigen  Mustern  gewebten  Stoff. 

Chiniert,  s.  Chine. 

Chin-tcheon,  s.  Foulards. 

Chints,  eine  Sorte  des  englischen  Kalikots;  man  unterscheidet  sie  in 
FuU-Chints,  d.  s.  solche,  die  im  Grunde  zwei  Farben  Krapp  haben,  und  in 
Half-Chints,  oder  solche,  die  nicht  in  Krapp  ausgefärbt  sind,  sondern  nur 
Aufdruckfarbe  haben. 

Chipping-Norton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Oxford:  Wollfabriken 
(600  Arbeiter). 

Chipping-Wycombe,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Buckingham:  Spitzen- 
fabrikation. 

Chiques,  in  Frankreich,  besonders  zu  Alais,  die  geringeren  Sorten  der 
Landseide,  welche  nur  zu  Nähseide  verarbeitet  werden  können. 

Chiroteken  (griech.),  eine  Art  Handschuhe;  sie  finden  sich  schon  im 
Altertum  bei  den  westasiatischen  Völkern,  von  kostbarem  Pelzwerk  bei  Persern, 
Griechen  und  Römern  (digitalia).  Im  Mittelalter  waren  sie  bei  den  meisten 
Kulturvölkern  im  Gebrauch.  Die  zu  den  noch  erhaltenen  Krönungsinsignien 
der  deutschen  Kaiser  (s.  Reichskleinodien  des  heil,  römischen  Reichs)  ge- 
hörenden C.  sind  aus  purpurfarbener  Seide  zusammengenäht,  ausserhalb  reich 
mit  Laubornamenten  in  Gold-  und  Perlstickerei  nebst  aufgesetzten  Email- 
plättchen  in  romanischem  Stile  bedeckt.  Als  Teile  des  geistlichen  Ornats  (mit 
gesticktem  Kreuz)  gehören  die  C.  ausschliesslich  der  abendländischen  Kirche 
an  und  erscheinen  als  bischöfl.  Würdenzeichen  hier  bereits  im  6.  Jahrh. 

Chitaboully,  s.  Baffetas. 

Chiton,  bei  den  alten  Griechen  das  von  Männern  und  Frauen  unmittel- 
bar am  Körper  getragene  Unterkleid.  Man  hat  den  dorischen  und  jonischen 
Ch.  zu  unterscheiden.  Ersterer,  als  Männergewand  eigentlich  Chlaina  genannt, 
war  ein  oblonges  Wolltuch,  so  angelegt,  dass  es  an  der  linken  Seite  des 
Körpers  gefaltet  und  daher  geschlossen  war,  während  es  an  der  rechten  offen 
blieb  und  an  beiden  Schultern  mit  Heftnadeln  genestelt  wurde.  Der  jonische 
C.  war  hingegen  aus  Leinwand,  sackartig  geschlossen  und  wurde  durch  das 
für  Hals  und  Kopf  gelassene  Loch  angezogen. 

Chits,  Zitse,  in  Frankreich  früher  auch  Perses  genannt,  veraltete  Be- 
zeichnung für  baumwollene,  dichte,  leinwandartige,  feine,  gedruckte  (früher 
auch  gemalte)  Stoffe,  die  ehedem  in  grosser  Mannigfaltigkeit  aus  Bengalen  und 
von    der  Küste  Coromandel    häufig    nach  Europa   gebracht  wurden,    dann  aber 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  9 


130  Chiwa— Chorhemd, 


bald  von  den  europäischen  Kattunen  und  verwandten  Zeugen  (s.  Augsburg) 
übertroffen  wurden. 

Chiwa,  Chanat  in  Turkistan  in  Mittelasien,  mit  gleichnamiger  Haupt- 
stadt: Erzeugung  von  Seide  und  Baumwolle.  Die  frühere  Atlas-,  Seiden-  und 
Sammetstoffweberei  ist  fast  nicht  mehr  vorhanden,  seitdem  die  Zentralasiatische 
Eisenbahn  im  Gange  ist. 

Chlamys,  ein  mantelartiges  Oberkleid  der  alten  Griechen.  Die  Ch.  war 
ein  unten  abgerundetes  Stück  Zeug,  das  über  die  linke  Schulter  geworfen  und 
auf  der  rechten  Schulter  mittels  einer  Spange  zusammengeheftet  wurde. 

Chloren  der  Wolle,  Behandlung  von  Schafwolle  nach  dem  Entfetten  mit 
Chlor,  wodurch  leichtere  Aufnahmefähigkeit  für  Farbstoffe  und  namentlich 
bei  Teerfarbstoffen  gleichmässige  Färbungen  erzielt  werden.     S.  a.  Seidenwolle. 

Chodschent,  Kreisstadt  im  russ.  zentral-asiat.  Generalgouvernement 
Turkestan:  Seidenweberei  und  -färberei,  Stickerei,  Anfertigung  baumwollener 
Stoffe;  auch  Baumwollbau. 

Cholet,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Maine-et-Loir: 
Fabrikation  von  Taschentüchern,  Leinen-  und  Baumwollzeugen,  Batist,  Flanell. 
C.  ist  Mittelpunkt  eines  Industriebezirks  mit  50000  —  60000  Arbeitern. 

Cholets,  auch  unter  dem  Namen  schlesisches  Kanevasleinen  bekannt; 
man  versteht  darunter  ungebleichte  Leinen,  leicht  gewebt,  nach  Art  der  grauen 
Platillas,  in  verschiedener  Feinheit.  Sie  werden  nach  ihrer  ganzen  Breite 
glatt  gelegt  und  erhalten  keine  andere  Appretur,  als  dass  sie  gut  gemangelt, 
stark  gepresst  und  genau  sortiert  werden,  wobei  man  darauf  sieht,  dass  kein 
gelbes  oder  rötliches,  sondern  durchaus  nur  silbergraues  oder  aschgraues  Garn 
im  Gewebe  ist.  Der  Name  kommt  von  der  Stadt  Cholet,  im  franz.  Depart. 
der  beiden  Sevres,  wo  sie  ursprünglich  verfertigt  wurden.  Unter  Cholets  in 
Farben  kommt  ein  ähnliches  Fabrikat  mit  schmalen  bunten  Streifen,  meist  blau 
und  rot  oder  blau  und  gelb  in  den  Handel.  Auch  bunte  Schnupftücher  sind 
in  Frankreich  unter  dem  Namen  Cholets  bekannt. 

Choppats,  leichte,  einfache  aber  dauerhafte  seidene  Taffetstoffe,  welche 
aus  Indien  kommen  und  in  Europa  durch  Färben  und  Bedrucken  weiter  ver- 
edelt werden. 

Choquettes  (franz.),    Puppen  und  Gespinste  von  kranken  Seidenraupen. 

Chor,  eigentlich  Korps,  in  der  Weberei  jede  der  Abteilungen  im  Web- 
geschirr (Harnisch)  des  Webstuhls  für  Bildgewebe  (s.  d.),  enthält  bei  Waren 
mit  einer  Kette  die  Harnischschnüre  für  je  einen  Bapport  des  Musters;  bei 
Waren  mit  mehreren  Ketten  die  Harnischschnüre  für  je  eine  Kette. 

Chorassan,  Landstrich  zwischen  den  Steppen  des  Tieflandes  Turan  und 
der  Salzwüste  im  Innern  des  Hochlandes  Iran:  Webereien  von  Teppichen, 
Schals  und  Kameltuch. 

Chorbrett,  am  Webstuhl  das  horizontale  Brett,  durch  dessen  Löcher  die 
Harnischschnüre  laufen,  welche  die  Litzen  für  die  Kettfäden  tragen. 

Chorgewänder  (franz.:  habits  de  choeur),  in  der  kath.  Kirche  die 
beim  Chordienst  von  den  Chorherren  zu  tragenden  Gewänder,  besonders 
die  Chorkappe,  auch  Chormantel  genannt:  s.  Pluviale ,  und  der  Chorrock: 
s.   Chorhemd. 

Chorhemd  (lat  :  superpelliceum ;  franz. :  surplis ;  engl. :  surplice),  das 
beim  Chordienst  und  verschiedenen  priesterlichen  Handlungen  nicht  nur  von 
der  kath.  Stifts-  und  Pfarrgeistlichkeit  über  dem  Talar,  sondern  auch  von 
Chorknaben  getragene  faltenreiche ,  weisse  Ueberkleid  von  feinem  Leinen 
oder  Batist ;  es  ist  vorn  geschlossen  und  hat  lange,  weite  Aermel.  Es  ent- 
wickelte sich,  wie  es  scheint,  im  12.  Jahrhdrt.  in  England  aus  der  Alba;  i^eichte 
im  14.  und  15.  Jahrhdrt.  bis  an  die  Waden  herab,  wurde  aber  später  etwas 
verkürzt,  auch  mit  engeren  Aermeln  versehen  und  hiess  dann  der  Chor- 
rock  (lat.:  rochettum;  franz.:  röchet,  rochette ;  engl.  rock).  Unter  den 
wenigen  aus  dem  Mittelalter  gebliebenen  Chorhemden  ist  eines  der  interessan- 
testen das  im  Schloss  Friedenstern  zu  Gotha  aufbewahrte :  mit  tamburiert 
Q'estickten  Mustern  im  orientalischen  Geschmack. 


Chorley— Ciciclia.  131 


Chorley,  Industriestadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  Fabriken 
von  Baumwollgarn,  Musselin,  Kaliko,  Indiennes  und  Putzwaren. 

Chormantel  s.  Pluviale. 

^hotzen,  Stadt  in  Böhmen:  Flachsspinnerei  mit  12  000  Spindeln  und 
600  Arbeitern. 

Chowtars,  ostindische  Musseline  von  Patna. 

Chrätsch,  eine  gewöhnliche,  aus  Hanfheede  gewebte  Packleinwand, 
welche  aus  Russland  meistens  nach  Norwegen,  Holland  und  den  Ostseehäfen 
verschifft  wird. 

Chrismale,  in  der  kath.  Kirche  ein  weisses  Tuch,  welches  den  zu 
Salbenden  um  die  Stirn  gebunden  wird,  damit  das  Salböl  nicht  herabfliessen  kann. 

Christiania  s.  Kristiania. 

Christianstadt,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Frankfurt:  Flachsgarn- 
spinnereien, Bleicherei. 

Christus,  Jesus  Christus  (franz. :  le  Christ,  Jesus-Christ)  ist  in  der 
Textilkunst,  namentlich  im  frühen  Mittelalter,  sehr  oft  Gegenstand  bildlicher 
Darstellung.  Bei  der  bekannten  Abneigung  der  ältesten  Christen  gegen  Ab- 
bildungen der  Gottheit  ist  es  begreiflich,  dass  Christus  zunächst  nur  durch 
Symbole  dargestellt  wurde.  Die  wichtigsten  davon  sind:  das  bedeutungsvolle 
Kreuz,  das  Lamm  (s.  Agnus  Dei),  der  Fisch,  der  Adler,  der  Weinstock  und 
die  Weinreben,  das  Schiff,  der  Hügel  mit  vier  Flüssen,  der  Pelikan  (s.  d.  betr. 
Artikel).  Mehr  allegorische  Andeutungen  waren  der  gute  Hirt,  der  Gärtner 
u.  s.  w. ;  dazu  treten  rein  äusserliche  Zeichen,  so  z.  B.  des  ^  und  P^  (Offenb. 
Joh.  1,  8.  11;  22,  13;  die  Buchstaben  LH.  S.  (s.  Christusmonogramm).  (Vgl. 
auch  die  Artikel  Kirchliche  Stoffe  und  Stickereien.) 

Christus-Monogramm,  Abkürzungen  des  Namens  Christus  in  dem  Aus- 
druck des  griechischen  Alpha  und  Omega  (d.  h.  Ich  bin  das  A  und  das  0) 
und  Jesus  (I  -j-  C  oder  J  H  S  u.  dergl.),  ersteres  in  der  frühesten  Zeit  der 
christlichen  Kunst,  letzteres  bis  zur  spätgotischen  Zeit  auf  kirchlichen  Stoffen 
und  Stickereien  in  ornamentaler  Verwendung  gebräuchlich.  (Vgl.  Abb.  6,  Tafel  IX.) 

Chromartikel,  im  Zeugdruck  die  mittels  Chrombeizen  hergestelltenDrucke. 

Chrysanthemum,  Goldblume,  Pflanzengattung  aus  der  Familie  der  Kom- 
positen, wovon  es   100  Arten  gibt.     (Vgl.  Japanische  Kunstformen.) 

Chrysidineus  (lat.),  mit  Gold  verwebt. 

Chrysoclavus  (lat.),  mit  Gold  durchwirkter  Purpurstreifen  am  Saum, 
namentlich  der  liturgischen  Gewänder. 

Chuquelas,  eine  Art  ostindischer  gestreifter,  baumwollener  und  sei- 
dener Stoffe. 

Chur  (ital. :  Coira;  roman. :  Cuara;  franz.:  Coire),  Haupstadt  des  Schweiz. 
Kantons  Graubünden:  Mittelalterliche  Stoffe  in  der  Sammlung  der  Kathedrale. 

Chusan  hiess  ein  Modestoff  aus  den  dreissiger  Jahren  des  vorigen  Jahr- 
hunderts, von  baumwollner  Zwirnkette  und  englisch  Kammgarnschuss,  mittels 
der  Jacquardmaschine  in  mehreren  Farben  geblümt  gemustert. 

Chüzistän  wird  im  frühen  Mittelalter  als  Ort  einer  persischen  Seiden- 
manufaktur genannt,  wo  unter  dem  Einfluss  der  Araber  Atlas-  und  Sammet- 
stoffe  hergestellt  wurden. 

Chyl'at  (Chilat,  Chalat),  im  Arabischen  so  viel  wie  Kleidungsstück,  be- 
sonders das  von  einem  Fürsten  dem  Günstling  verliehene  Ehrenkleid;  in  letz- 
terer Bedeutung  ist  das  Wort  zu  den  Persern,  Türken  und  anderen  islamit. 
Völkern  übergegangen.  Die  Verleihung  des  Ehrenkleides  als  Zeichen  höchsten 
Wohlgefallens  ist  im  Orient  uralt  und  hat  bestanden,  bis  im  19.  Jahrhdrt,  in 
Persien  und  der  Türkei  die  europäische  Form  der  Huldbezeugung  durch  Ver- 
leihung von  Ordensdekorationen  eingeführt  wurde. 

Ciciclia,  eine  in  der  Türkei  und  in  Griechenland  bekannte  Gattung- 
seidener  und  halbseidener  Zeuge,  welche  in  Aleppo  verfertigt  werden.  Es 
gibt  C.  aus  Seide  und  Baumwolle,  damastartig,  mit  eingewebten  einfachen 
Blumen  auf  Atlasgrund ;  die  anderen,  mit  dem  Zunamen  indische,  sind  reiche 
Stoffe  mit  einbroschierten  goldenen  und  silbernen  Blumen  auf  Grosdetourgrund. 


132  Cilicium— Clinton. 


Cilicium  (lat.),  bei  den  alten  ßömern  eine  grobe  Decke  aus  cilicischen 
Ziegenhaaren;  in  der  katli.  Kirche  das  Gewand  der  alten  Einsiedler  und 
Mönche,  auch  ein  unter  dem  andern  auf  blossem  Körper  von  den  Mitgliedern 
einzelner  Orden,  auch  von  frommen  Laien  getragenes  härenes  Hemd,  sowie  der 
in  ähnlicher  Weise  getragene  Bussgürtel  von  Draht. 

Cilimi  heissen  bei  den  Südslaven  die  Kilims  (s.  d.). 

Cinctus,  bei  den  alten  Römern  ein  kurzer  Rock,  der  den  Oberleib  nackt 
liess  und  durch  einen  Riemen  gehalten  wurde. 
^indacis  (engl.),  Seidenzeuge. 

Cingilum  (lat.),  Leibgürtel;  in  der  kath.  Kirche  die  weissleinene  oder 
baumwollene  Schnur  mit  Quasten,  die  dazu  dient,  das  Unterkleid  (Alba)  zu 
gürten.  Auch  über  den  geistlichen  Leibrock  (Soutane)  tragen  die  kath.  Geist- 
lichen ein  C,  das  in  einem  schärpenartigen,  an  der  Hüfte  zusammengesteckten 
Bande  besteht,  dessen  Enden  an  der  Seite  herabfallen.  Dieses  C,  ebenfalls 
von  Seide  oder  Wolle,  ist  in  der  Regel  schwarz. 

Cinque-Cento-Stil  (vom  itaL  cinque  cento  =  500,  abgekürzt  für  1500), 
italienischer  Renaissancestil  (s.  d.). 

Ciporovica,  auch  Ciporovci  undCiprovec  genannt,  das  Tschiprowatz  unserer 

Karten,    Flecken   in  Bulgarien,    der  durch  seinen  Teppichexport   berühmt  ist. 

Circassias,    Circassiennes,    Zirkas,    ein  kaschmirähnlicher  Stoff,    welcher 

sowohl  ganz  aus  Streichgarn,  wie  auch  aus  Baumwolle  und  Leinen  mit  Wolle 

gemischt,  geköpert  gewebt  wird. 

Cirencester,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Gloucester:  Sehr  bedeutende 
Wollmärkte. 

Cirkularstühle,  Wirkmaschinen  mit  kreisförmig  angeordneten  Nadeln. 
Cirsacca  sind  ostindische  und  chinesische  Atlasse  von  Seide  und  Florett- 
seide und  Baumwolle,  bunt  gestreift  oder  gegittert,  s.  Sirsakas. 

Ciudad-Real,  Hauptstadt  im  Königreich  Spanien:  Woll-  und  Zeugweberei. 
Ciudad-RodrigO,    Stadt  in  der  span.  Prov.  Salamanca:    Fabrikation  von 
Woll-  und  Leinenzeugen. 

Cividale  del  Friuli,  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  TJdine:  Die  Einwohner 
treiben  Kattun-  und  Leinweberei. 

Claires,  Clarines,  klare  Schleier,  eine  dünne,  offengewebte  Batistart,  von 
denen  die  feineren  Sorten  in  Valenciennes  und  St.  Quentin  gemacht  werden. 
Die  gewöhnlichen  macht  man  in  Schlesien  und  Böhmen ;  in  Amerika  und  West- 
indien kommen  sie  auch  unter  dem  Namen  klare  Estopillas  zu  Yelas  (Schleier) 
in  den  Handel. 

Claremont,  Ort  im  County  Sullivan  in  Nordamerika:  Strickwarenfabriken. 
Classi    di    seta,    auch   Yintilizzi,    nennt   man   in    Italien    glatte,    leichte, 
seidene  Zeuge. 

Clavus  (lat.),  der  purpurne  Streifen,  der  bei  den  römischen  Senatoren 
und  Rittern,  bei  jenen  breiter,  bei  diesen  schmäler,  an  der  Tunika  vorn  in 
der  Mitte  vom  oberen  bis  zum  unteren  Saume  hinablief. 

Cleckheaton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Fabrik  für  Krempeln, 
Tuch-  und  Spinnmaschinen. 

Clermont,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Oise:  Leinen- 
weberei, Strumpfwirkerei;  Leinenhandel. 

Clermont-Ferrand,  Hauptstadt  des  franz  Depart.  Puy  de  Dome :  Fabri- 
kation von  Baumwollgarn,  Tafelleinen;  beträchtlicher  Handel  mit  Landes- 
produkten. 

Clermont-rHerauIt,  Hauptstadt  im  Arrond.  Lodeve  des  franz.  Depart. 
Herault:  Fabrikation  von  Militärtuch,  Levantetuch;  Färbereien. 

Cleve,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Baumwollwebereien. 
Clichy-la-Garenne,    Hauptort    im  Arrond.  St.  Denis    des  franz.  Depart. 
Seine:  Stoffdruckereien  und  bedeutende  Bleichereien. 

ClinchampS  (franz.),  grobe  Hanfleinwand  zu  Bar. 

Clinton,  Stadt  im  County  Worcester  in  Massachusetts:  Teppich-  und 
Ginghamfabrik. 


Glisson— Colbertine.  133 


Glisson  lieisst  eine  Leinwand,  die  ihren  Namen  von  der  gleichnamigen 
französischen  Stadt  führt. 

Clitheroe,  Ort  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Baumwollwaren- 
fabrikation. 

Clochepied,  eine  zugerichtete  Seide  oder  Organsinsorte,  die  aus  3  Fäden 
besteht,  wovon  erst  zwei  zusammen  besonders,  hernach  diese  wieder  mit  dem 
dritten  Faden  noch  einmal  zusammengedreht  oder  gezwirnt  worden  sind.  Man 
gebraucht  diese  Seide  in  den  Gazefabriken. 

Cloth,  wollener  oder  halbwollener  Futterstoff  mit  Kammgarnkette  und 
Baumwollenschuss  oder  umgekehrt,  je  nachdem  als  Bindung  Atlas  oder  Köper 
gewählt  ist. 

Clouties,  englische  kleine  leinene  Tücher  für  Madagaskar. 

Clove,  Wollgewicht  in  England  =  3,5  kg. 

Cluny,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Säone-et-Loire :    Spitzenerzeugung. 

Coae  vestes  (lat.),  koische  Seidenstoffe  des  frühen  Mittelalters,  welche 
beinahe  durchsichtig  erscheinen.  Man  nimmt  an,  dass  sich  die  Bezeichnung 
auch  auf  diejenigen  Gewebe  bezogen  hat,  die  aus  den  serischen  Halbseiden- 
stoffen, durch  Trennung  der  Seide  von  der  Baumwolle,  und  nochmaliges  Ver- 
weben der  ersteren  erzeugt  wurden.  Nach  erhaltenen  Beschreibungen  sollen 
diese  byssusartigen  Stoffe  (s.  d.)  auch  mit  Purpur  oder  Scharlach  gefärbt  und 
mit  Gold  durchwirkt  gewesen  sein  (s.  Cos). 

Coast  Goods,  englische  Zeuge  von  der  Küste  Malabar. 

CoatingS  (engl.),  Fries,  Flaus  (franz. :  frise)  nennt  man  eine  Art  glatter 
oder  geköperter,  langhaariger  Wollenzeuge,  welche  sich  von  dem  Kalmuk  durch 
kürzere  Haare  und  dünneren  Körper  unterscheiden  und  deshalb  auch  häufig 
Halb-Kalmuk  genannt  werden.  Masquerade-Coating  ist  ein  im  Gemisch  von 
allerlei  Farben  gewebter  C. 

Coburg  (Koburg),  Hauptstadt  desHerzogstums  C:  Mechanische  AYebereien. 

Cocarde  (franz.),  die  Bandrosette  in  den  Farben  einer  Partei  oder  eines 
Landes. 

Cochabamba,  Hauptstadt  in  der  südamerik.  Pepublik  Bolivia:  Be- 
deutende Fabrikation  von  Woll-  und  Baumwollzeugen. 

Cochinchina,  Landschaft  in  Hinterindien:  Baumwollweberei,  Maulbeer- 
baumanpflanzungen zur,  Seidenzucht;  Anfertigung  grober  Seidengewebe. 

Cocon  (franz.),  das  Gespinst,  mit  welchem  sich  Schmetterligsraupen  be- 
hufs der  Yerpuppung  umgeben,  insbesondere  das  Gespinst  der  Seidenraupe. 
Cocons  werden  in  allen  möglichen  Gattungen  und  Namen,  nach  Art  der  E-assen 
und  Verwendung  des  Gespinstmaterials  auf  den  Markt  gebracht :  s.  hierüber 
Florettindustrie,  insbesondere  Seide. 

Coconshäute  nennt  man  die  nach  dem  Abhaspeln  der  Cocons  übrig- 
bleibenden Häute,  welche  man  zu  Wattseide,  Florettseide  und  zu  italienischen 
Blumen  benützt. 

COCOS,  s.  Kokos. 

Codille  wird  in  manchen  Gegenden  die  Heede  von  Flachs  und  Hanf 
genannt. 

Coeur  fleuri,  in  Frankreich  ein  feingebleichter  Zwillich  mit  eingewebten 
verschiedenen  kleinen  geometrischen  Mustern. 

Cohoes,  Stadt  im  County  Albany  des  nordamerik.  Staates  Neuyork  • 
Baumwollindustrie  und  bedeutende  Strickwarenfabriken. 

Cohrasdruck,  Bedrucken  der  Gewebe  mit  geschmolzenem  Harz-  und 
Wachsgemisch.  Färben  mit  beliebigen  Farbstoffen,  wobei  die  bedruckten 
Stellen  keine  Farbe  annehmen,  und  Entfernen  des  Aufdrucks  durch  heisses 
Wasser  (s.  a.  Batik). 

Coimbra,  Hauptstadt  in  der  portug.  Prov.  Beira:  Leinweberei. 

Coir,  Bezeichnung  der  Fasern  aus  den  Früchten  der  Kokospalme,  welche 
zu  textilen  Zwecken  Verwendung  finden. 

Colbertine  nannte  man  in  Frankreich  zur  Zeit  Colberts  nach  diesem 
eine  geklöppelte  Nachahmung  der  italienischen  Barockspitze,   welche  auf  Ver- 


134  Colchester — Compiegne. 


anlassung  von  C.  durch  venetianische  Arbeiterinnen  nach  Alencon,  Sedan  u.  s.  w. 
eingeführt  worden  war. 

Colchester,  grösste  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Essex:  Fabrikation 
von  Segeltuch,  Seide  und  Sammet,  letztere  seit  der  Ansiedelung  flüchtiger 
Flamänder  zur  Zeit  Albas  im  16.  Jahrh. 

Colitz,  Stadt  in  der  Prov.  Sachsen:  Baumwollspinnerei  und  Zwirnerei, 
Fabrikation  von  Trikotagen,  Watte,  Strickgarn  und  Docht. 

Collata  (Tele)  ist  die  italienische  Benennung  aller  aus  Deutschland  nach 
Italien  kommenden  Steif leinwand  oder  Schütter. 

Collette  ist  eine  ungebleichte  flächsene  Leinwand  von  mittlerer  Fein- 
heit, welche  im  Osnabrückschen  verfertigt  und  nach  den  canarischen  Inseln 
ausgeführt  wird. 

Collodiumfäden  als  Ersatz  für  Seidengespinste  sind  gefärbte  glänzende 
Fäden  aus  C,  sie  werden  nach  dem  Patent  E.  Breuer  dargestellt,  indem  eine 
Walze  von  Metall  oder  anderem  festem  Material  zuerst  mit  Collodium,  darauf 
mit  aufgelöstem  Leim,  dann  wieder  mit  C.  und  so  fort  überzogen  wird,  bis 
die  Schicht  die  gewünschte  Stärke  hat.  Diese  präparierte  Walze  wird  auf 
eine  Leitspindeldrehbank  gebracht  und  diese,  nachdem  man  einen  Schneide- 
stahl befestigt  und  so  weit  an  die  Walze  vorgeschoben  hat,  dass  er  die  Schichte 
durchritzt,  in  Bewegung  gesetzt.  Die  Schicht  wird  in  Fäden  zerteilt  und 
letztere  abgehaspelt.  Das  so  gefertigte  Material  ist  zwar  sehr  schön,  aber 
auch  wegen  seiner  grossen  Feuergefährlichkeit  kaum  zu  Webezwecken  an- 
wendbar. 

Colmar,  Hauptstadt  im  Oberelsass :  Baumwoll-,  WoU-  und  Seiden- 
spinnerei, -Weberei  und  Färberei;  Fabrikation  von  Tuch,  Jute,  Packleinwand 
und  Nähfaden.  Literatur:  Pathgeber,  C.  und  Ludwig  XIY.  (Stuttg.  1873). 
Hausbuch  von  Dominikus  Schmutz,  hg.  von  Julien  See  (Colm.  1878,  Bd.  6  der 
„Chroniques  d'Alsace") ;  Die  älteste  deutsche  Chronik  von  C,  hg.  von  Waltz 
(C.  1891);  Annalen  und  Chronik  der  Stadt  C.  (2.  Aufl.,  bearbeitet  von  Watten- 
bach, Bd.  75  der  „Greschichtschreiber  der  deutschen  Vorzeit",    Leipzig  1897). 

Colombianas  für  den  Markt  von  Manila:  ein  Lasting  oder  Calmande, 
im  Stück  gefärbt,  Kette  und  Schuss  von  hartem  Kammgarn. 

Col  rabattu,  ein  bis  auf  die  Achseln  herniederschlagender  Spitzenkragen, 
der  unter  Heinrich  III.  in  Frankreich  den  sogen  Gekrösekragen  (fraise)  ablöste. 

Columbia,  Hauptstadt  des  Staates  Südcarolina  von  Amerika:  Bedeuten- 
der Baumwollhandel. 

Columbus,  Name  von  Orten  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika, 
in  welchen  mehr  oder  weniger  bedeutender  Baumwollhandel  getrieben  wird  (s. 
Baumwollarten) . 

Comash  (amb.)  heissen  im  frühen  Mittelalter  broschierte  Gewebe  orien- 
talischer, d.  i.  rein  arabischer  Herkunft. 

Combourgs  ordinaires  nennt  man  in  Frankreich  die  groben  hänfenen 
Leinen,  welche  in  der  ehemaligen  Normandie,  meistens  im  Departement  der 
Nordküsten  verfertigt  werden  und  über  St.  Malo  und  Pouen  zur  Ausfuhr 
kommen. 

Comfortables  (engl.),  nach  Deutschland  übergegangene  Bezeichnung  für 
die  auf  Strumpf-  und  Kettenpetinetstühlen  gewirkten,  auch  gehäkelten  elasti- 
schen wollenen  Shawls  für  Herren,   zum  Warmhalten  des  Halses  imd  der  Brust. 

Comines,  Ort  im  Arrond.  Lille  des  franz.  Depart.  Nord:  Band-,  Baum- 
wollzeug- und  Zwirnfabriken. 

Commesso  (ital.),  eigentlich  lavoro  di  comesso ,  musivische  Arbeit, 
Applikationsstickerei.  ^ 

Como,  Hauptsadt  der  ital.  Prov.  C. :  Seidenspinnerei  und  -W^eberei, 
Baumwollspinnerei.  Die  zahlreichen  Seidenmanufakturen  liefern  Sammet,  Taffet, 
Handschuhe  und  Strümpfe,  und  der  Handel  mit  Graubünden,  der  Schweiz  und 
Oberitalien  beschäftigt  mehrere  grosse  Handelshäuser. 

Compiegne,  Hauptstadt  des  Arrond.  im  franz.  Depart.  Oise :  Fabrikation 
von  Hanfleinwand,  Seiler-  und  Strumpfwaren. 


Condeaux— Copsbleiche.  135 


Condeaux  ueunt  man  im  franz.  Leinenhandel  eine  halbgebleichte  hänfene 
Leinwand,  dicht  und  dauerhaft,  deshalb  in  Spanien  sehr  gesucht.  Sie  wird  in 
der  Gegend  von  Rennes,  im  Depart.  der  Ille  und  Vilaine,  verfertigt  und  über 
Ronen  nach  Spanien  verkauft. 

Condrien,  Hauptstadt  im  Arrond.  Lyon  des  franz.  Depart.  Khone : 
Seidenfabriken  und  Stickerei. 

Conegliano,  Hauptstadt  der  ital.  Prov.  Treviso :  Tuchfabrikation  und 
Seidenindustrie. 

Conshohocken,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Pennsylvanien:  Fabrikation 
von  Woll-  und  Baumwollwaren  und  Teppichen. 

Constanzer  Leinwand,  Tele  di  Constanza,  eine  feine,  dichtgewebte,  auf 
holländische  Art  gebleichte  und  zugerichtete  flächsene  Leinwand  von  ver- 
schiedener Qualität,  w^elche  im  Breisgau  und  im  Odenwalde  aus  ausgesuchtem 
gleichem  Grarn  gewebt,  in  Constanz  und  in  St.  Gallen  gebleicht  und  appretiert 
und  von  da  nach  Italien  und  dem  südl.  Frankreich  verkauft  wird. 

Contailles,  in  Frankreich  eine  Florettseide  von  geringer  Art,  die  man 
sonst  auch  Hondelettes  und  Strasses  nennt. 

Contil,  s.  Tuchfabrikation. 

Continue,  s.  Streichgarnspinnerei. 

Continuebleiche  ist  Baumwollstückbleiche. 

Contremarsch,  in  theoretischem  Sinne  die  Kenntnis  der  Einzugsweisen, 
der  Bindungen ,  der  Trittweisen  und  Schnürungen ,  sowie  der  Wirkungen, 
welche  durch  Kombination  der  Einzugs-  und  Trittweisen  mit  den  verschiedenen 
Schnürungen  entstehen.  C.  im  praktischen  Sinne  die  Bauarten  und  Zusammen- 
stellungen aller  zur  Bewegung  der  Kettfäden  notwendigen  Teile  an  sogenannten 
Trittwebstühlen,  ausschliesslich  der  Schaft-  und  Jacquardmaschinen. 

Conzentzeug,  veralteter  Name  für  einen  einfachen  gewöhnlichen  "Wollen- 
stoff,  welcher  leinwandartig  mit  gezwirnten  Kettenfäden  und  einfachen  Fäden 
im  Schuss  gewebt  wird  und  der  sich  von  dem  Etamin  nur  durch  diese  ge- 
zwirnten Fäden  unterscheidet;  man  hat  dieses  Gewebe,  dessen  Kettenfaden  oft 
drei-  bis  vierdrähtig  ist,  einfach  und  glatt,  verschieden  gefärbt,  gestreift,  ge- 
presst  und  meliert,  und  gebraucht  es  zu  Frauenüberröcken,  Sammetkleidern, 
ünterfutter,  Theatergarderobe,  den  schwarz  gefärbten  zu  Kleidungen  für  die 
Geistlichen.  Die  glatten  C.  kommen  auch  unter  Polamit,  die  gestreiften  unter 
Quinette  in  den  Handel. 

Cöpenick,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Potsdam:  Bedeutende  Färberei 
(Spindler  auf  Spindlersfeld),  Dampfwäscherei,  Fabrikation  von  Shoddy,  Lino- 
leum und  Wachstuch;  umfangreiche  Hauswäscherei. 

Copis,  Copees,  Cupis,  buntgewürfelte  oder  ginganartige  Baumwollzeuge 
aus  Bengalen,  welche  die  Holländer  und  Franzosen  von  dort  zum  Handel  nach 
den  afrikanischen  Küsten  holten,  wo  sie  zu  Turbans  und  Pagnes  (Hemden) 
verbraucht  werden.     Später  wurden  diese  Stoife  in  Kouen  nachgeahmt. 

CopOU,  ein  feines  musselinartiges  Gewebe,  welches  die  Chinesen  aus 
einer  Gattung  Hanf  verfertigen,  den  sie  aus  einer  Cos  genannten  Staude  ge- 
winnen. C.  kommt  sehr  selten  nach  Europa;  von  den  Chinesen  wird  der  Stoff 
wegen  seiner  Leichtigkeit  und  Kühle  sehr  geschätzt  und  zu  mancherlei 
Kleidung  verbraucht. 

Cops  ist  die  aus  dem  Englischen  auch  in  alle  Sprachen  übergegangene 
Bezeichnung  für  die  Aufwindungsform  des  gesponnenen  Fadens,  speziell  für 
die  zylindrisch,  mit  konischen  Enden  gewundenen  Erzeugnisse  der  Mule-Spinn- 
maschinen. 

Copsbleiche,  Baumwollengarne,  die  in  Form  von  Cops  (Kötzern),  Spulen 
u.  s.  w.  gefärbt  werden  sollen,  werden  auch  in  dieser  aufgewickelten  Form 
der  Bleiche  unterzogen.  Um  die  Form  des  C.  zu  schonen  und  ein  Verwirren 
des  Garnes  zu  vermeiden,  werden  dieselben  in  Weidenkörbe  gepackt  und  in  den 
Bleichkier  und  in  das  Chlorkalkbad  gebracht.  In  ähnlicher  Weise  wird  auch 
die  Copsfärberei  als  solche  benannt,  wenn  das  Färben  der  Garne  (beson- 
ders   der-  Baumwolle)    in    aufgewickelter  Form   geschieht.     Dieselbe   bietet    so 


136  Coquille  — Cordons. 


wesentliche  Vorteile  gegenüber  der  Garnfärberei,  dass  sich  diese  Art  der  Ver- 
edlung der  Baumwolle  sehr  rasch  eingebürgert  hat.  Vgl.  Knecht,  ßawson, 
Löwenthal,  Handbuch  der  Färberei  der  Gespinstfasern,  Berlin  1894.     S.  943. 

Coquille  oder  neige  (franz.)  bezeichnete  man  in  Puy  jene  Spitzen,  wenn 
an  ihrem  äusseren  Saume  statt  der  Zacken  muschelartig  sich  verbreiternde  oder 
fächerförmige  Ornamente  vorhanden  waren. 

Corahs,  einfache  Taffetseidenstoffe,  die  aus  Indien  kommen  und  in  Europa 
durch  Färben  und  Bedrucken  weiter  veredelt  werden. 

Coram,  Tele  Corame,  Lederleinwand,  eine  aus  weiss  gebleichtem  fläch- 
senem  Garne  fest  und  gedrungen  gewebte  Leinwand,  welche  in  der  Oberlausitz 
und  in  Böhmen  verfertigt  und  nach  Triest  und  ganz  Italien  exportiert  wird; 
gewöhnlich  wird  zur  Kette  stRrkeres  Garn  genommen  und  zum  Schuss  feineres 
eingeschlagen,  wodurch  die  Ware  schön  und  gleich  wird  und  sich  von  den 
Coras  nur  dadurch  unterscheidet,  dass  sie  dichter  und  kerniger  ausfällt  und 
andere  Legeart  hat. 

Coras  ist  der  willkürlich  gegebene  Name  einer  Art  sehr  billiger,  ge- 
wöhnlicher, gedruckter  Kattuntücher,  die  man  vorzugsweise  in  Sachsen  fertigt. 

Coras-Seide,  s.  Corahs. 

Corbeil,  Hauptstadt  des  Arrond,  C.  im  franz.  Depart.  Seine-et-Oise: 
Fabriken  von  Shawls  und  Damast. 

Corbie,  Hauptstadt  im  Arrond.  Amiens  des  franz.  Depart.  Somme :  Woll-  und 
Baumwollspinnereien,  Fabrik  von  Mützen,  Wollstoffen,  Sammet  und  Trikotagen. 

Cordaline  oder  Cordoline,  der  starke  Leinen-  oder  Seidenfaden,  welcher 
längs  jeder  Kante  oder  Leiste  eines  Seidengewebes  hinläuft  und  die  Gleich- 
mässigkeit  derselben  bewirkt. 

Cord,  Schuss cord,  Stramin,  Schuhstramin,  ein  dicker,  aus  groben  Ge- 
spinsten gewebter  Stoff  mit  kleinen  bunten  Mustern  auf  einfarbigem  Grunde, 
meist  nur  zum  kleinsten  Teile  aus  Wolle  bestehend.  Die  Muster  sind  ent- 
weder lanziert  oder  in  die  Kette  eingeschweift. 

Cordat  heisst  in  Frankreich  eine  Art  grober  geköperter  Tuchserge. 

Corde,  früher  ein  dichter,  schwerer  Seidenstoff,  einfarbig,  in  der  Hegel 
schwarz,  mit  ganz  schmalen  Rippen,  welche  dadurch  entstehen,  dass  in  der 
Kette  ein  zwei-  und  dreifach  gezwirnter  Faden  mit  einem  einfachen  abwechselt; 
zuweilen  ist  der  stärkere  Faden  auch  mit  Baumwolle  gezwirnt. 

Cordel,  Cordein,  Corden,  Cordelspitzen,  eine  Art  schmaler  Besätze  auf 
Kleidern,  die  in  den  Bandfabriken  und  von  den  Posamentieren  verfertigt  wurden. 
Man  machte  sie  von  Seide  (vergl.  Gorl). 

Cordelat,  Cordillat,  in  Frankreich  versteht  man  darunter:  1.  eine  Sorte 
grobes,  langhaariges  Wollentuch,  welches  an  mehreren  Orten  im  ehemaligen 
Languedoc  verfertigt  wird;  2.  ein  leichtes,  locker  gewebtes  Wollentuch,  eine 
Art  Flanell,  welches  man  in  Beauvais,  Puy  und  Bagneres  macht;  3.  eine  Art 
Cadis,  welche  zu  Mamaset,  Alby,  Bressar,  Castres  und  im  Tale  Aure  bei 
Montauban  in  verschiedenen  Sorten  gewebt  wird.  Man  unterscheidet  C.  refins 
aus  sehr  feiner  Wolle  von  C.  molton,  welche  viel  dicker  sind. 

Cordeliere,  s.  Rasch. 

Corderoy,  ein  schwerer,  baumwollener,  dem  Sammet  als  Manchester 
ähnlicher  Stoff. 

Cordet-dimiti,  eine  Art  englischer  Basins,  von  Ziegenhaar  gewebt. 

Cordettes  sind  schmale  Gewebe  von  hänfenem  Garne,  die  besonders  in 
Auvergne  gemacht  und  zu  Hauben  verarbeitet  werden. 

Cordonnet-en-laine,  eine  Art  Schnüre  von  Wolle  oder  Kamelgarn,  die 
besonders  zu  Ambut  und  Auvergne  gemacht  werden.  In  Deutschland  Werden 
sie  in  Annaberg  und  Umgegend,  Barmen,  wie  überhaupt  von  den  Posamen- 
tierern in  vielen  Städten  gefertigt  und  heissen  Schnüre  und  Litzen. 

Cordonnetseide  (franz.),  cordonnierte  Seide,  d.  i.  derb  gezwirnte,  schnur- 
ähnliche S.  zu  Häkel-  und  dergl.  Arbeiten. 

Cordons  (franz.)  werden  goldene  und  silberne  Besätze  aus  massiven 
Tressen  mit  Krepinen  u.  s.  w.  genannt. 


Cords— Cote.  137 


Cords  (engl.)  sind  manchesterartige  oder  dichte  nnd  streifig  gerippte 
Zeuge  ans  Schafwolle,  aus  Baumwolle  mit  Schafwolle  vermischt,  und  ganz  aus 
Baumwolle,  der  Schuss  ist  einfach,  die  Kette  bis  vierfach;  man  hat  viele  Sorten, 
welche  durch  eine  kleine  Veränderung  der  Streifen,  des  Köpers,  der  Breite, 
der  Mischung,  der  aufgeschnittenen  oder  glatten  Rippen  u.  s.  w.  entstehen 
und  denen  willkürliche  Beinamen  gegeben  werden.  Bei  den  gemischten,  welche 
die  ganz .  wollenen  verdrängt  haben,  ist  die  Kette  von  Baumwollen-,  der  ein- 
fache Einschlag  von  Wollengarn. 

Cordulatis  (lat.),  Stickerei  auf  den  Kleidern. 

Cordurvy  (engl.),  schwerer  Baumwollensammet  aus  Manchester. 

Cork,  Hauptstadt  der  irischen  Prov.  Munster,  drittgrösste  Stadt  Irrlands: 
Kattunfabrikation,  Woll-  und  Baumwollspinnerei. 

Corksrew,  (engl.)  Kammgarnstoff. 

Cornelimünster,  Flecken  im  preuss.  Reg.-Bez.  Aachen:  Wollspinnerei, 
Tuchfabrikation.  In  der  altgothischen  Kirche  werden  Reliquienhüllen  auf- 
bewahrt, u.  a.  das  Grab-  und  Schweisstuch  Christi. 

Coroot,  Corotte,  ein  ganz  geringer  grober  Kattun  von  verschiedenen 
Sorten,  welcher  durch  die  Holländer  aus  Ostindien  nach  den  afrikanischen 
Küsten  gebracht  wird. 

Corporale  (lat.),  im  frühen  Mittelalter  ein  grosses  feines  Leinentuch 
(linteamen),  welches  zum  Bedecken  der  Oblationen  und  des  Kelches  auf  die 
vordere  Kante  des  Altars  gelegt  wurde;  eines  der  ältesten  in  Weissstickerei 
aus  dem  7.  Jahrb.,  in  der  Schatzkammer  des  Domes  zu  Monza.  (Abgebildet 
bei  Bock,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder.)  In  späterer  Zeit  ist  das  C. 
durch  ein  Paar  von  Kleineren  ersetzt,  wovon  das  eine  (Leibtuch)  auf  den 
Altar,  das  andere  (Schweisstuch)  über  den  Kelch  gebreitet  wird.  Von  1300 
an  heisst  nur  das  erstere  C.,  das  zweite  wird  palla  benannt. 

Corsery,  ein  baumwollener  Stoff,  welchen  die  Dänen  aus  Ostindien 
brachten, 

Corsicaines,  älterer  Seidenstoff,  dessen  Muster  kleine  schiefliegende 
Vierecke  bilden;  die  Kette  ist  farbig,  der  Schuss  Grosnoir,  welcher  aber  von 
dem  ersteren  nur  insoweit  ganz  gedeckt  wird,  dass  nur  die  Streifen  des  Vier- 
ecks von  der  Farbe  der  Kette  erscheinen,  der  Grund  aber  schwarz  und  farbig 
rechtwinklig  verbunden  ist.     Diese  Stoffe  wurden  in  Lyon  und  Tours  gemacht. 

Cos  (Insel  Kos),  wird  im  frühen  Mittelalter  als  Ort  der  Seidenver- 
arbeitung genannt,  ja  es  wird  vermutet,  dass  die  Seide  schon  lange  v.  Chr. 
verpflanzt  worden  ist  und  dass  diese  der  ersten  Maulbeerseide  am  nächsten 
gestanden  haben  soll.  Wie  Silbermann  (Die  Seide,  Bd.  I.,  S.  25)  nach 
Movers  berichtet,  stand  die  Fabrikation  der  Bombykien  auf  der  Insel  Kos  im 
Zusammenhaug  mit  dem  daselbst  verehrten  phönizisch-assyrischen  Herakles, 
dem  die  Mythe  ein  aus  durchsichtiger  Bombykia  gefertigtes  Kleid  beilegte, 
und  denselben  sonst  in  mehrfacher  Weise  mit  der  Färbung  der  Gewänder  zu- 
sammenbrachte. Die  ersten  Nachrichten  über  die  Kosiche  Seidenindustrie  gibt 
uns  Aristoteles,  dessen  Angaben  von  Plinius  wiederholt  und  vervollständigt 
werden;  sie  berichten,  dass  das  Rohmaterial  zu  Fäden  abgewickelt  wurde,  um 
zu  feinen  Geweben  verarbeitet  zu  werden.  In  sprachlicher  Hinsicht  besteht 
unter  den  Gelehrten  noch  insofern  eine  Unsicherheit,  als  man  nicht  weiss,  ob 
das  besagte  Rohmaterial  Kokons  oder  fertige  serische,  d.  h.  chinesische  Ge- 
webe waren,    die  man  wieder  in  einzelne  Fäden  auftrennte.     (S.  Coae  vestes.) 

Cossack-Cords  (engl.),  ein  früher  sogenannter  dichter,  weissgebleichter 
Wollenstoff,  welcher,  wie  das  sogenannte  englische  Leder,  köperartig  gewebt, 
aber  zahlreich  gemustert  und  klein  gestreift  ist. 

Cossars,  eine  Gattung  roher  Kattune  aus   Ostindien. 

Cossas,  im  englisch-ostindischen  Handel  die  glatten  Kattune. 

Coswig,  Stadt  im  Herzogtum  Anhalt:  Tuchfabrikation. 

Cote  (franz.),  eigentlich  die  Rippe,  daher  cote  fine  =  fein  geripptes 
Seidenzeug;  cote  fort  glace  =  stärker  geripptes;  cote  satinet  =  Seiden- 
zeug mit  doppeltem  Köper. 


238  Coteline — Coutanees. 


Coteline,  moderner  leichter  Seidenstoff  für  Kleider. 

Cöte  paly,  ein  buntes  gazeartiges  Gewebe,  dessen  Kette  von  feinem 
Leinengarn,  der  Einschlag  von  harter  Seide  ist;  es  wird  steif  appretiert. 

Coton  (franz.),  Baumwolle,  Kattun;  Cotonnerie:  Baumwollpflanzung; 
Kotonieren:  mit  Baumwolle  füttern,  ausstopfen. 

Coton-Drill  (engl.),  ein  dichter,  geköperter  Stoff,  welcher  sowohl  ganz 
aus  Baumwolle,  wie  auch  aus  Baumwollen  und  Leinen,  in  vierbindigem  Kett- 
köper gewebt  wird.  Er  kommt  in  verschiedenen  Breiten  und  Längen,  weiss, 
bunt  gestreift  und  kariert  vor. 

Cotonis  sind  bunte  ostindische  Zeuge,  deren  Kette  von  Seide,  der  Schuss 
aus  feinem  Baumwollengarn  besteht:  denselben  Namen  führen  auch  bunte  halb- 
seidene Decken  und  eine  Art  ostindischer  Atlasse. 

Cotons,  Cotonnes,  Cottonias,  Cotonaden,  Cattunleinen,  bunt  geschossene,, 
glatte  baumwollene  Webware;  diese  verschiedenen  Namen  führen  leinwandartig 
gewebte  Stoffe  aus  Baumwolle  und  Leinengarn,  zuweilen  aus  beiden  Materialien 
mit  Seide  vermischt,  oder  ganz  aus  Baumwolle,  jedoch  immer  mit  bunten 
Streifen  und  Mustern.  Der  Artikel  stammt  ursprünglich  aus  Roannes  und 
Beaujeu,  Depart.  de  Loire,  von  Alby,  Depart.  des  Tarn,  und  von  ßouen,  St. 
Quentin  und  Boubaix.  Seit  Jahrhunderten  liefert  denselben  Stoff  auch  Deutsch- 
land und  die  Schweiz  unter  Namen  wie  Gingan,  Indienne  u.  s.  w. 

Cottbus,  Kreisstadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  Bedeutende  Kamm- 
garn- und  "Wollspinnereien,  Leinen-  und  Jutespinnerei,  sowie  Fabrikation  von 
Kammgarn,  Tuch  und  Buckskin,  Smyrnateppichen,  Läufern. 

Königliche  Höhere  Fachschule  für  Textilindustrie. 

Cotton  (engl.),  Baumwollenzeug. 

Cotton  de  frommages,  s.  Seidenwolle. 

Cottoni  d^AugUSta  ist  der  italienische  Name  der  Augsburger  Leinwand. 

Cottonines,  ein  dichter  und  starker  baumwollner  Stoff,  dessen  Kette  aus 
Baumwolle,  der  Schuss  von  Hanfgarn.  Er  wird  nicht  nur  in  der  Haushaltung, 
sondern  auch  zu  Segeltüchern  u.  dergl.  verbraucht  und  in  Frankreich  nament- 
lich für  Italien  und  Spanien  gefertigt. 

Cottonisieren,  Behandeln  von  Geweben  aus  Flachsfaser  oder  dieser  selbst 
mit  Aetznatron,  dann  mit  Schwefelsäure,  Auswaschen  und  Trocknen. 

Coupeuse  s.  Flachsspinnerei. 

Coupieren,  in  der  Zeugdruckerei  Versetzen  der  Stammfarben  mit  Yer- 
dickungsmitteln  zur  Erzielung  hellerer  Töne. 

Coupons  (franz.),  im  allgemeinen  versteht  man  in  Langwarengeschäften 
geteilte  Stücke  und  einzelne  Abschnitte;  in  den  Niederlanden  werden  damit 
feine  Bettzwilliche,  sowohl  weiss  und  bunt,  bezeichnet,  welche  gleich  zu  einem 
Bett  zugeschnitten  sind. 

Courbevoie,  Hauptstadt  im  Arrond.  St.  Denis  des  franz.  Depart.  Seine : 
Fabrikation  von  Leinenwaren  und  gepressten  Stoffen, 

Courpiere,  Hauptort  im  Arrond.  Thiers  des  franz.  Depart.  Puj-de- 
Dome:  Fabrikation  von  Wollband  und  Passementerie. 

Courseulles-SUr-Mer,  Flecken  im  Arrond.  Caen  des  franz.  Depart.  Cal- 
vados :  Blonden-  und  Spitzenfabrikation,  in  neuester  Zeit  Versuche  mit  solchen 
aus  bunter  Seide. 

Courtaille,  eine  französische  Art  grober  Hanfleinwand,  die  in  Maine 
und  Umgegend  gewebt  wird. 

Courte-pointe  (franz.),  gesteppte  Decke. 

Courtrai,  Fabrikstadt  in  der  belgischen  Provinz  Westflandern:  Erzeugt 
im  Anfange  des  18.  Jahrhdts.  Klöppelspitzen,  die  in  Paris  unter  dem  Nanfen 
Malines  Absatz  finden. 

Coutanees,  Hauptstadt  des  Arrond.  C.  im  franz.  Depart.  Manche :  Fabri- 
kation von  Spitzen,  Zwirnband  und  Baumwollzeugen. 

Coutanees  sind  einfache  Zwilliche  von  Hanfgarn  ohne  Muster,  welche 
die  Landleute  im  franz.  Departement  des  Cannes  fast  überall  weben  und 
die    ihren  Namen    von    der    Stadt    Coutanees    erhielten,     wo    sie    in  früheren 


Couteline — Creas.  139 


Zeiten  viel  gefertigt  wurden.  Sie  zeichnen  sich  durch  Güte  und  Dauerhaftig- 
keit aus. 

Couteline,  ein  dicker,  gewöhnlicher  Baumwollenstoff  oder  Zwillich, 
meist  blau  und  weiss  gestreift,  welchen  die  Franzosen  ehedem  aus  Surate 
nach  Europa  brachten. 

Coutellines,  Kutelinen,  ein  feiner  flächsener  Zwillich  oder  Matratzen- 
leinwand mit  breiten  und  mittelbreiten  Streifen  von  lebhaften  Farben;  ein 
Artikel,  der  an  vielen  Orten  der  ehemaligen  Normandie  verfertigt  wird.  In 
Deutschland  macht  man  es  in  leichterer  Ware. 

Coutils  oder  Coutis  ist  eine  allgemeine  Bezeichnung  für  die  in  der 
Bretagne  und  in  der  Picardie  gefertigten  verschiedenen  Zwillichsorten,  unter 
welcher  sie  auf  den  überseeischen  Markt  gehen.  Im  engeren  Sinne  versteht 
man  darunter  die  sächsische  Matratzenleinwand  oder  den  Bettdrill,  welcher 
blau  und  weiss,  oder  rosa,  blau  und  weiss  gestreift,  auch  in  verschiedenen 
Farben  geflammt,  aus  starkem  Garn  gewebt  wird.  Coutil  ist  auch  ein  der 
Buckskinkategorie  angehöriges,  aus  feinem  Streichgarn  erzeugtes,  einfach  ge- 
mustertes, meist  zu  Beinkleidern  verwendetes  Gewebe. 

Couvet,  Dorf  im  Schweizer  Kanton  Neuenburg:  blüht  im  18.  Jahrh. 
Spitzenindustrie. 

Coventry,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Warwick:  wichtig  ist  die  Fabri- 
kation von  Seide  und  Seidenband  5  auch  Wollstoffe,  Tuche  und  Trikots  werden 
gefertigt. 

Covilhao,  Stadt  im  portug.  Distrikt  Castello-Branco :  bedeutendste  Tuch- 
fabriken Portugals,  Färbereien  und  Walkereien. 

Cowert  COat,  engl.  Herren-  und  Damenkleiderstoff,  meist  modefarbig. 

Crabben,  Verfahren,  den  gemischten  Geweben  (Wolle  und  Baumwolle) 
ein  glattes  Ansehen  und  nicht  verschwindenden  Glanz  zu  geben  durch  Passieren- 
lassen von  Soda-  und  Seifenbädern,  Ausquetschen  zwischen  schweren  Walzen 
und  Dämpfen. 

Crailsheim,  Oberamtsstadt  in  Württemberg  :  Fabrikation  von  Baumwoll- 
und  Strumpfwaren. 

Crapaudaille,  auch  Crespodaille,  heisst  in  Frankreich  ein  sehr  zarter  und 
klarer  seidener  Crepon. 

Cravate,  Cravatte,  hat  ihren  Namen  von  den  französischen  Söldnern  der 
französischen  Könige  erhalten  und  war  ursprünglich  ein  Band  oder  Tuch  zum 
Festhalten  eines  um  den  Hals  getragenen  Amulettes,  daher  im  Französischen 
in  der  eigentlichen  Bedeutung  des  Wortes  eine  Halsbinde,  eine  Halskrause,  an 
der  in  der  europäischen  Tracht  die  Masche  und  insbesondere  der  Spitzenbesatz 
daran  zur  Hauptsache  wurde,  so  dass  sich  an  den  Cravatten  die  barocken 
Spitzen  noch  längere  Zeit  erhalten.  Man  verstand  aber  auch  früher,  als  diese 
Halstücher  von  den  Männern  getragen  wurden,  die  Einlagen  darunter,  welche 
von  starkem  Baumwollenzeug,  mit  eingenähten  Rosshaaren  oder  Borsten  ver- 
fertigt wurden,  um  dem  Stoff  die  nötige  Haltung  zu  geben.  Diese  Unterlagen 
bildeten  am  Anfang  des  19.  Jahrh.  einen  nicht  unbedeutenden  Handelsartikel 
(s.  a.  Schlipse).  In  älterer  Zeit  verstand  man  unter  C.  eine  Gattung  ost- 
indischer Musseline  aus  Bengalen,  welche  auch  zu  Halstüchern  und  Halskrausen 
Verwendung  fanden. 

Creas  (franz. :  eres ;  engl.  :  dowlas),  vom  spanischen  crea,  eine  der  gang- 
barsten und  wichtigsten  Leinwandsorten  aus  weissgarnigem ,  dichtgewebtem 
Stoff,  wozu  ein  durchaus  festes  und  wohlgedrehtes  Gespinst  genommen  wird 
und  zwar  zur  Kette  starkes  und  zum  Einschlag  feineres  Garn.  C.  stammt 
ursprünglich  aus  Frankreich,  wird  aber  seit  dem  17.  Jahrh.  in  den  Nieder- 
landen und  Deutschland  nachgemacht  und  geht  seit  dieser  Zeit  nach  Italien, 
Spanien,  Portugal,  nach  Nord-  und  Südamerika,  obgleich  die  irländischen 
Leinen  und  die  festen  Baumwollzeuge  den  Absatz  sehr  geschmälert  haben,  so- 
wie der  Betrug,  den  man  sich  hie  und  da  durch  Beimischung  von  Baumwolle 
erlaubt  hat.  Von  den  breiten  C.  (Crees  larges)  heissen  die  feinsten  Sorten 
Extroits,  die  mittleren  Fleurets,  die  geringeren  Crees  communes.     Mittelbreite 


140  Creguelas — Criminitschau. 


C.  heissen  C.  rosconnes,  C  entrelarges,  im  Spanischen  Creas  entreanchas :  sie 
sind  aus  geringerem  Garn  als  die  vorigen.  Crees  graciennes,  C.  etroites, 
schmale  C. ;  im  Spanischen  Creas  estrechas  oder  Creas  angostas.  Unter  Crees 
Morlaires  begreift  man  die  sämtlichen  obigen  Sorten,  denn  von  Morlair  aus 
wird  damit  der  stärkste  Handel  getrieben  (s.  a.  Dowlas). 

Creguelas,  Crehuelas,  ist  der  spanische  Name  von  gewöhnlichen,  halb- 
gebleichten, westfälischen  Leinen,  die  an  ihrem  Yerfertigungsort  auch  als 
Mittelkronleinwand  bezeichnet  werden. 

Crema,  Hauptstadt  in  der  ital.  Prov.  Cremona:  Seidenspinnerei  und 
Leinenweberei;  Erzeugung  der  besten  italienischen  Leinwand;  Spitzenfabrikation. 

Cremieu,  Hauptstadt  im  Arrond.  La-Tour-du-Pin  des  franz.  Depart. 
Isere :  Tuch-  und  Leinenfabrikation. 

Crepe,  s.  Krepp. 

Crepe  arophane,  s.  Seidenwaren. 

Crepe  de  Chine,  Tuch  oder  Shawl  aus  gelblich  weissem,  kreppartig  ge- 
webtem Seidenstoff  mit  gesticktem  Muster  in  gleichfarbiger  Seide  im  Platt- 
stich aus  breit  angelegten,  in  abgesetzten  Flächen  stilisierten  Blumen ;  als  Ab- 
schluss  gewöhnlich  breite,  geknüpfte  Franse.  C.  de  Chine-Tücher  kommen 
seit  dem  Anfang  des  19.  Jahrh.  in  den  verschiedensten  Grössen  bis  herunter 
zu  den  kleinsten  Kravatten  in  Mengen  aus  China  und  haben  in  Europa  viel 
Verbreitung  gefunden. 

Crepe  de  laine,  ein  dünner  und  feiner,  leinwandartig  gewebter  Wollenstoff, 
den  man  besonders  zu  Bagneies  in  Frankreich  webt. 

Crepe  de  sante,  s.  Seidenwaren. 

Crepe  lisse,  s.  Seidenwaren. 

Crepe  barchent,  s.  Seiienwaren. 

Crepe  Rachel,  ein  gemischter  Kleiderstoff  aus  Baumwollkette  und  Kamm- 
garnschuss,  bunt  gemustert. 

Crepine  (franz.),  ein  ganz  klein  gemusterter  Seidenstoff,  schwarz  und  in 
anderen  Farben.  Die  Kette  von  bunter  Seide  deckt  den  doppelten,  dunst- 
schwarzen Einschlag,  so  dass  auf  der  rechten  Seite  zwei  und  ein  sich  be- 
grenzende Pünktchen  erscheinen,  wodurch  der  Stoff  wie  getupft  aussieht.  C. 
werden  auch  Fransen  mit  langen  Fäden  genannt. 

Crepon,  dem  Krepp  ähnliches  Gewebe,  aber  dichter  gewebt.  Die  Kette 
besteht  aus  festgedrehtem  Kammgarn,  der  Schuss  aus  losem  "Wollgarn.  Nach 
der  Appretur  wird  die  AVare  kräuselig. 

Crepy,  Hauptstadt  im  Arrond.  Senlis  des  franz.  Depart.  Oise:  Fabri- 
kation von  Spitzen,  Leinwand,  Posamenterie. 

Crescentin,   Gespinst  aus  Seidenabfällen. 

Crescentino,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Novara :  Seiden-  und  Wollmanufaktur. 

Crespine,  crepine  (franz.),  Franse,  oben  spitzenartig  durchs chlungen. 
unten  gefranst. 

Crest,  Hauptstadt  im  Arrond.  Die  des  franz.  Depart.  Drome :  Seiden- 
spinnereien, Tuch-  und  Teppichfabriken. 

Cretonnes  (franz.),  weissgebleichte,  gedrungene  Leinwand,  bei  welcher 
die  Kette  von  flächsenem  und  der  Einschlag  von  hänfenem  Garn  ist;  sie  wird 
im  Depart.  des  Calvados,  in  der  Gegend  von  Lisieur,  in  sehr  verschiedener 
Feinheit  verfertigt.  Unter  C.  versteht  man  in  Frankreich  auch  dichte  Kalli- 
kots  von  starken  Numtuern. 

Crewkerne,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Somerset:  Leinwand-  und 
Segeltuchfabrikation. 

Crezleinwand  sind  leichte,  glatte  Leinen,  welche  von  Böhmen  i/ach 
Italien  gehen  und  dort  unter  dem  Namen  Tele  greggie  sehr  beliebt  sind;  sie 
werden  teils  aus  gebleichtem  Garn  und  teils  aus  rohem  Garn  gefertigt. 

Crimmitschau,  Stadt  in  Sachsen:  bedeutende  Industrie  erstreckt  sich 
hauptsächlich  auf  Spinnerei  und  Weberei.  80  Spinnereien  mit  210000  Spin- 
deln liefern  teils  wollene  Garne,  die  gleich  am  Orte  selbst  verwendet  werden, 
teils  (hauptsächlich  Vigognegarne)  zum  Export  nach  England,  E-ussland,  Skan- 


Crin-Cuba.  141 


dinavien,  Italien,  der  Schweiz  und  den  Rheinlanden.  Dann  folgt  die  Fabri- 
kation von  Herrenkleiderstoifen,  namentlich  Buckskins  und  Rohstoffen,  die 
auch  in  überseeischen  Ländern  sehr  gesucht  sind.  Auch  Cassinets,  Circasiennes 
und  Kasemirs  werden  in  bunten  Farben  für  Mexiko  und  andere  Tropenländer 
gefertigt.  Es  bestehen  etwa  50  Streichgarnspinnereien,  350  Handspinnmaschinen, 
130  Selfactors,  1000  Buckskinstühle,  70  mechanische  Stühle,  190  Stühle  für 
halbwollene  "Waren;  ferner  40  grosse  Färbereien. 

Crin  (franz.),  Bezeichnung  für  dicke  Seidenfäden,  die  man  aus  der  aus- 
gewachsenen Seidenraupe  dadurch  gewinnt,  dass  man  dieselbe  tötet,  den  Be- 
hälter der  Seidensubstanz  zerreisst  und  auszieht.  Da  der  so  erhaltene  Faden 
nach  seiner  Substanz  von  der  Rohseide  nicht  verschieden  ist,  so  zeigt  er  auch 
deren  Festigkeit  und  Zähigkeit.  Man  verwendet  die  C.  bei  der  Herstellung 
von  Fischangeln. 

Crinolin,  Gewebe  mit  Kette  aus  feinem  Baumwollenzwirn  und  Schuss 
aus  Pferdehaaren. 

Crisp  (engl.),  sehr  feines  leinenes  Gewebe,  feines  Leinentuch. 

Cristaline,  moderner  loser  Seidenstoff. 

Croccia  (ital.)  (lat. :  crocea),  die  rote  Kardinalskleidung. 

Croise  (franz. :  über  Kreuz  gearbeitet)  nennt  man  in  den  französischen 
Manufakturen  alle  Arten  geköperter  Stoffe.  Ausser  den  seidenen  Croisees 
mit  verschiedenen  Beinamen  kommen  im  Handel  auch  baumwollene  und  wollene 
C.  vor ;  die  ersteren  sind  gewöhnlich  dicht  gewebt,  entweder  bunt  gestreift 
oder  bunt  gedruckt.  Mehre  Arten  dieser  geköperten  Zeuge  kommen  unter 
dem  Kamen  Oriental  oder  Orientine,  meistens  bunt  gestreift,  in  den  Handel. 
Die  wollenen  C,  einfarbig,  gestreift  und  gedruckt,  eine  Art  Serge  werden 
Segovis  genannt:  sie  sind  meistens  aus  spanischer  Wolle  gemacht. 

Crompton,  Stadt  in  der  engl.   Grafschaft  Lancaster:  Baumwollindustrie- 

Cronberg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Wiesbaden:  Sammlungen  weiland 
Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  Friedrich,  in  welcher  sich  Stoffe  und  Stickereien 
der  Benaissance  und  orientalische  Teppiche  befinden. 

Crossbredwolle,  neuerdings  Kreuzzuchtwolle  genannt,  die  Wolle  einer 
Schafrasse,  die  durch  Kreuzung  grobhaariger,  insbesondere  engl.  Glanzwoll- 
schafe mit  den  in  Australien,  Südafrika  und  am  La  Plata  gezüchteten  fein- 
haarigen Merinoschafen  erzielt  wurde.  Sie  ist  erheblich  gröber  und  härter, 
als  die  feinhaarige  Merinowolle,  aber  ungleich  kräftiger,  besitzt  grosse  Länge 
und  starken  Glanz.  Ihre  Produktion  hat  die  Erzeugung  von  Merinowolle  stark 
zurückgedrängt.     C.  bildet  das  Hauptmaterial  zur  Herstellung  von  Cheviotstoffen. 

Crossen,  Kreisstadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  Tuchfabriken. 

Croy-Teppich,  ein  Gobelin,  1566  in  Stettin  gewirkt,  im  Besitze  der 
Universität  Greifswald,  wohin  ihn  Herzog  Ernst  Bogislav  1680  stiftete:  zur 
Erinnerung  an  seine  hier  innegehabte  Bektorwürde  und  zum  Gedächtnis  des 
letzten  direkten  Gliedes  aus  dem  alten  Herzoghause  von  Pommern,  der  1660 
verstorbenen  Herzogin  Anna  von  Croy.  Die  Darstellung  auf  dem  C.  bezieht 
sich  auf  die  Einführung  der  Beformation:  der  auf  der  Kanzel  predigende  Luther, 
Melanchthon  und  fürstliche  Persönlichkeiten. 

Crucifix  (lat. :  crucifixum ;  franz. :  crucifix ;  engl. :  crucifix),  Darstellung 
des  Gekreuzigten,  wird  im  frühen  Mittelalter  seltener  in  der  Kunst  dargestellt, 
noch  später  erscheint  sie  in  der  Textilkunst.  Hier  vereinzelt  in  der  romani- 
schen Zeit  als  Stickerei  für  die  Bückseite  der  Caseln  (s.  d.)  nachweisbar, 
später  aber,  namentlich  in  der  gotischen  Zeit,  aligemein  für  Caseln  und  andere 
kirchliche  Bildstickereien  sehr  verbreitet  (s.  Kirchenstoffe  und  Stickereien). 

Csaba,  Hauptgemeinde  in  L^ngarn:  Handel  mit  den  von  den  slowak. 
Frauen  gefertigten  Linnen-  und  Hanf  Webereien,  Strickarbeiten,  ferner  mit 
Säcken  und  Matratzen. 

Cuba,  die  grösste  der  grossen  Antillen,  ehemals  span.  Kolonie,  seit  1899 
unter  der  Verwaltung  von  Amerika  stehend:  Baumwolle  wurde  schon  früher 
gewonnen,  seit  1862  legte  man  aber  im  Osten  neue  Pflanzungen  an,  indem  die 
hohen   Preise    dieses   Produkts    manche    Pflanzer    verlockten,    ihre   Felder    für 


142  Cubica — Dacca. 


diese  Kultur  einzurichten.  C.  wird  auch  eine  Baumwollsorte  aus  Westindien 
genannt. 

Cubica  ist  eine  englische  Serge  aus  Kette  und  Schuss  von  hartem 
Kammgarn. 

Cuenza,  Hauptstadt  der  span.  Prov.  C. :  einst  berühmt  durch  ihr  Tuch. 

Cuggiono,  Ort  in  der  ital.  Prov.  Mailand:  Leinen-  und  Seidenstoff- 
fabrikation. 

Cuire  de  laine  (franz.),  willkürlicher  Name  eines  geköperten,  brettigen, 
tuchartigen  "VVollenstoffes  von  kurzer  Schur. 

Cuiteseide,  entschälte,  mit  Seife  abgekochte  Seide. 

Cunewalde,  Mittel-,  Nieder-  und  Ober-,  Dörfer  der  sächs.  Kreishaupt- 
mannschaft Bautzen:  Leinwandwebereien,  mechan.  Webereien,  Bleichereien. 

Cupar,  Hauptstadt  der  schott.  Grafschaft  Fife:  Spinnerei,  Leinen-  und 
Kattunweberei. 

Curley,  Haspelseidenabfälle. 

Curls  (engl.  =  locken),  wollene  Lockenstoffe  für  Damen- und  Herrenmäntel. 

Cusir,  Bezeichnung  für  Nährohseide. 

Cusirino,  feine  italienische,  zur  Herstellung  von  Spitzen  und  zarten  Ge- 
weben bestimmte  Seidenfäden. 

Cussidah  nannte  man  eine  Art  ostindischer  Musseline  im  dänischen 
asiatischen  Handel. 

Cuttny,  starker  Baumwollenstoff,  für  den  Orient  bestimmt,  mit  geblümten 
und  gerankten  Mustern. 

CUCZO,  Stadt  in  der  südamerik.  Republik  Peru:  Woll-  und  Baumwoll- 
manufakturen ;  Posamentierwaren. 

Cylindrieren,  Bearbeitung  mit  dem  Kalander  (s.  d.),  eine  Art  der 
Pressung  gewisser  Stoffarten. 

Cypern,  eine  zum  osmanischen  Beiche  gehörige,  seit  1878  unter  engl. 
Protektorat  stehende  Insel  am  östl.  Ende  des  Mittelmeeres :  Oewinnung  von 
Baumwolle,  Seidenzucht,  Verarbeitung  des  gewonnenen  Materiales  an  Ort  und 
Stelle  nur  unbedeutend.  Im  Altertum  durch  Kunstfertigkeiten  aller  Art  be- 
rühmt u,  a.  auch  durch  den  sog.  cyprischen  Goldfaden. 

Cyperrasch,  Bas  des  Cypre,  ein  schwarzer,  ungeköperter  Seidenstoff 
aus  starker,  gedrehter  Seide;  er  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  dem  Gros  de  Tours 
und  wird  zu  Lyon,  Tours  und  Paris  gemacht. 

Cyprische  Gold-  und  Silberfäden,  s.  Brokat-  und  Goldgespinst. 

Czemke  sind  baumwollene,  geblümt  gemusterte,  feste  Zeuge,  welche  für 
den  Orient  in  Böhmen  und  Niederösterreich  gewebt  werden. 

Czenstochau,  Kreisstadt  im  russ.-poln.  Gouvernement  Petrikan:  Baum- 
wolle- und  Tuchfabriken. 


D. 

Daba,  heisst  in  Bussland  weisser,  schmaler,  chinesischer  oder  bucharischer 
Kattun. 

Daba,  Ort  in  der  tibetanischen  Provinz  Ugari:  die  Mönche  treiben 
wichtigen  Handel  mit  vortrefflicher  Schafwolle. 

Dabouis,  eine  schmale  Sorte  weisser  ostindischer  Kattune,  welche  früher 
durch  die  Franzosen  nach  Frankreich  und  Holland  kamen  und  dort  gedruckt 
wurden. 

Dacca,  Hauptstadt  in  Bengalen,  nach  welcher  die  feinsten  ostindischen, 
oft  gestickten  Musseline,  genannt  werden.  Man  hat  den  Namen  D.  auch  einigen 
Sorten  gestreifter  und  kleinkarrierter  europäischer  Musseline  gegeben. 


Dag — Damassin.  143 


Dag  (engl.),  herabhängender  Quast;  dagsres,  Zaddeln. 

Daghestan,  Dagestan,  Landschaft  am  Nordostabhange  des  Kaukasus  bis 
zum  Kaspischen  Meere,  mit  der  Hauptstadt  Derbent,  nach  welcher  der  land- 
läufige, im  Handel  gebräuchliche  Name  für  die  im  Kaukasus  erzeugten  Teppiche. 
Er  hat  aber  nur  seine  Berechtigung  für  die  in  der  gleichnamigen,  am  west- 
lichen Ufer  des  Kaspischen  Meeres  gelegenen  Provinz ;  denn  es  werden  auch 
ausserhalb  derselben  in  den  verschiedensten  Gregenden  des  Kaukasus  Tep- 
piche verfertigt,  welche  alle  ihre  eigene  Benennung  haben.  Die  Hauptorte  für 
Teppicherzeugung  in  D.  sind  Derbent  und  Kuba,  mit  welchen  Namen  auch 
die  von  einander  verschiedenen  Hauptgattungen  bezeichnet  werden.  Die  aus 
Derbent  sind  ganz  in  "Wolle  gearbeitete  Teppiche  verschiedener  Grösse  von 
ziemlich  grobem,  eher  langhaarigem  Grewebe ;  das  Muster  trägt  den  Typus  der 
Nomadenteppiche  an  sich  (vgl.  die  Tafel  Teppiche).  Die  Farben  dieser  Teppiche 
sind  gewöhnlich  hell,  jedoch  nicht  grell:  weiss,  gelb,  licht,  braun  und  dergl. 
Für  feiner  als  die  eigentlichen  Derbent-Teppiche  gelten  diejenigen  aus  Kuba 
(s.  auch  Sumakh-Teppiche). 

Daglocks  (engl.),  ist  eine  Wolle,  die  schlecht  und  unrein  ist. 

DagUS,  lat.  (franz.:  dais;  engl.:  days),  Thronhimmel,  Betthimmel,  Bal- 
dachin, s.   d. 

Dahme,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Potsdam:  Tuchfabrikation. 

Daimiel,  Hauptstadt  in  der  span.  Prov.  Ciudad-Real:  Woll-  und  Lein- 
vveberei. 

Dais  (franz.),  (lat.:  dasium;  engl.:  dais),  hiess  ursprünglich  die  mit  einem 
Baldachin  versehene  Estrade,  bes.  am  oberen  Ende  eines  Speisesaales,  samt 
dem  dort  vorstehenden  Hochtisch  und  Thron;  später  sowohl  das  Teppichbe- 
hänge für  sich,  als  auch  der  Thron  u.  s.  w. ;  noch  später  kommt  dais  nur  für 
Thronhimmel,  Betthimmel,  Baldachin  mit  Seitenvorhängen  vor. 

Dajak,  Eingeborene  auf  der  Insel  Borneo:  fertigen  Batiks. 

Dallas,  Hauptstadt  im  nordamerik.  Staate  Texas :  Fabrikation  von  Baum- 
wolle und  AYollwaren. 

Dalmatica  (lat.),  (franz.  dalmatique ;  engl,  dalmatic) ,  das  von  den  alten 
Römern  bei  feierlichen  Gelegenheiten  getragene,  ursprünglich  in  Dalmatien 
übliche,  lange,  weisse  Oberkleid  mit  Aermeln.  Papst  Sylvester  I.  führte  es 
um  320  als  Amtskleid  der  Diakonen  ein.  Yom  14.  Jahrhundert  wird  die  D. 
aus  farbigem  Stoff  gefertigt,  allmählich  enger  gemacht,  so  dass  sie  mit  der 
Casula  (s.  d.)  Aehnlichkeit  hat,  nur  dass  sie  etwas  kürzer,  am  Saume  gerade 
geschnitten  und  mit  ofienen  Aermeln  versehen  ist.  Fast  gleichartige  Gewänder, 
aber  reicher  ausgestattet  in  Weberei  und  Stickerei,  tragen  auch  die  Bischöfe 
über  der  Alba  und  unter  der  Casula;  ebenso  gehörte  die  D.  zum  Krönungs- 
ornat der  deutschen  Kaiser  und  Könige.     (Vgl.  Kirchengewänder.) 

Dalry,    Industriestadt    in  der  schott.  Herrschaft  Ayr:    Baumwollweberei. 

Daman,  portug.  Stadt  an  der  Westküste  Ostindiens :  Baumwollspinnerei. 

Damanhur,  Hauptort  der  Prov.  Beherah  in  Aegypten:  wichtig  als 
Handelsmittelpunkt  und  Niederlage  der  im  Orient  berühmten  Baumwoll-  und 
Wollstofffabrikate. 

Damaras  oder  Damavars,  in  Frankreich  eine  Art  ostindischer,  leichter 
geblümter  Taffete. 

Damas,  franz.  Bezeichnung  für  Damast. 

Damaschello  (ital.),  werden  in  Italien  leichte  seidene  Damastsorten  ge- 
nannt; schmaler  liegende  D.  bezeichnet  man  als  Damaschetto  oder  Damasquett. 

Damas  Chine,  moderner  Seidenstoff  aus  Streifen  in  geflammten  Mustern, 
die  zum  Teil  durch  Kettendruck  hergestellt  sind. 

Damaschino,  s.  Damast. 

Damascierte  Gewebe,  s.  Damast. 

Damas  en  dorure,  französischer  Damaststoff  mit  Gold-  und  Silberblumen. 

Damassin,  reiche  Damastart  mit  Blumen  von  Gold  und  Silber,  welche 
vorzüglich  Lyon  und  Tours  liefern,  von  wo  aus  sie  früher  nach  katholischen 
Ländern  zu  Messgewändern  geliefert  wurden. 


144 


Damaskus — Damast. 


Damaskus,  türk.  und  arab.  Dimischk  esch-Scham,  Hauptstadt  des  türk. 
Wilajets  Syrien,  schon  zu  Davids  Zeiten  politisch  wichtig  als  Residenz  eines 
der  kleinen  Reiche,  in  welche  Syrien  damals  zerfiel.  Unter  der  Herrschaft 
Assyriens,  Babyloniens  und  Persiens  hatte  D.  nicht  geringe  Bedeutung  durch 
seinen  Handel.  Seit  Eröffnung  des  Suezkanals  sind  Handel  und  Wohlstand  der 
Stadt  sehr  zurückgegangen.  Der  früher  lebhafte  Tauschhandel,  dem  D.  seinen 
Reichtum  und  seinen  Ruf  als  Haupthandelsplatz  der  Levante  verdankte,  hat 
den  sichereren  und  billigeren  Seeweg  eingeschlagen,  so  dass  sich  der  heutige 
Karawanenverkehr  auf  den  Austausch  einiger  weniger  Erzeugnisse  des  syri- 
schen und  persischen  Grewerbefleisses  beschränkt.  Im  früheii  Mittelalter 
war  D.  ein  Hauptsitz  der  Seidenindustrie,  es  erzeugte  die  gemusterten  Seiden- 
stoffe seines  Namens  (vgl.  Damaschino,  Damast).  Die  heutige  Industrie  leistet 
noch  immer  Hervorragendes,  namentlich  in  feinen  gold-  und  siiberdurchwirkten 
Seidenzeugen,  wollenen,  baumwollenen  und  seidenen  Kleiderstoffen. 

Damast  (lat. :  damacius,  damassus ;  franz.:  damas ;  engl.:  damask;  ital.: 
damasco,  damaschino),  ursprünglich  ein  einfarbiges  Seidengewebe,  dessen  Grund 
glatt  oder  geköpert  ist,  in  welchen  man  Ranken,  Blumen  u.  s.  w.  einwebte. 
Nach  einigen  Angaben  soll  diese  Art  zu  weben  von  den  Einwohnern  von  Da- 

Abb.  55. 


maskus  in  Syrien  erfunden  worden  sein;  von  letzterer  Stadt  stammt  auch  der 
Name.  Die  älteste  Musterung  von  Damaststoffen  geht  davon  aus,  in  geo- 
metrischer Linienführung  Farbe  in  Earbe  die  Fläche  zu  teilen  (vgl.  Abb.  55) 
und  so  eine  Art  Grunddessin  zu  schaffen;  es  hat  sich  diese  Art  von  Webe- 
mustern aus  der  Technik  heraus  auch  für  die  älteste  Leinendamastweberei  (s.  d.) 
entwickelt.  Später  haben  zuerst  die  Italiener  und  Holländer  Damast  gewebt, 
die  Franzosen  und  Deutschen  ahmten  die  Verfertigung  bald  nach.  Die  Wir- 
kung der  Damaste  beruht  auf  dem  wechselnden  Lichteffekt  von  Kette  und 
Schuss,  indem  man  z.  B.  das  Muster  im  Kett-,  den  Grund  dagegen  im  Schuss- 
effekt arbeitet  oder  umgekehrt,  wobei  meist  Atlasbindungen  zur  Verwendung 
kommen.     Seidendamaststoffe    und    solche    aus  Halbseide    in    mehreren  Farben 


Damast  Cafifard — Dampffarben.  145 


haben  die  verschiedensten  Benennungen  und  werden  nach  anderen  Einrichtungen 
des  Webestuhles  hergestellt. 

Der  Wollendamast  ist  ein  geköperter  AVolienstoff,  worauf  das  Muster 
atlasartig  glatt  steht,  man  nannte  ihn  früher  auch  Florett  oder  geblümten 
Kalmank. 

Halbwollener  Damast  hat  in  der  Fabrikation  eine  bedeutende  Aus- 
dehnung; er  besteht  aus  Baumwolle  (hartem  Kammgarn)  und  ist  auch  zu- 
weilen mit  Seide  gemischt. 

Leinen  damast  (franz. :  linge  damasse ;  engl. :  linen-damask)  wird  zum 
Teil  aus  feinsten  Leinengespinsten  gefertigt  (s.  „Leinendamast"  als  besonderer 
Artikel.) 

Abbildung: 

55.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin:  Leichtes 
Seidendamastgewebe  rot,  Muster  in  Rautenfeldern  aus  abgesetzten  geometrischen 
Figuren.     Arabisch-sizilisch  13.  Jahrhundert. 

Damast  Caffard  (franz.),  (engl. :  half  damask),  nannte  man  früher  einen 
Tapetendamast,  eine  Nachahmung  des  seidenen  D.  von  verschiedener  Qualität 
und  Breite ;  einige  davon  haben  Ziegenhaare,  Florettseide,  Leinengarn,  Baum- 
wolle oder  Schafwolle  zum  Einschlag,  in  der  Kette  Seide,  Florettseide,  auch 
nur  Leinengarn  oder  Baumwolle;  durch  eine  vorzügliche  Appretur  erhalten 
sie  auf  der  rechten  Seite  ein  glänzendes,  seidenartiges  Aussehen. 

Damastflor  ist  eine  Nachahmung  des  eigentlichen  Damastes,  in  dem 
man  im  Florgrunde  mittels  eines  besonders  angebrachten  Harnisches  die  Ketten- 
fäden nach  Art  des  Damastes  einliest.  In  der  Begel  kommt  dieser  Stoff,  zu 
dessen  Einschlag  immer  rohe  ungekochte  Seide  und  zur  Kette  weiche  oder 
vorher  gekochte  Seide  genommen  wird,  nur  in  Schwarz,  Weiss  und  Grün  vor. 

Damastmaschine,  besondere  Vorrichtung  an  den  Webstühlen,  bestehend 
aus  einer  Jacquardmaschine,  welche  die  Kettfäden  mustermässig  in  Gruppen 
von  zwei  bis  acht  Fäden  herstellt,  während  die  abzubindenden  Kettfäden  durch 
besondere  Damastschäfte  hoch  oder  tief  gezogen  werden. 

Literatur:  Müller,  Handbuch  der  Weberei,  Leipzig  1884.  S,  609. 
Lembcke,  Mechanische  Webestühle.  5.  Forts.  Braunschweig  1883,  S.   130. 

Damentuch,  die  leichteren  Streich garngewebe,  die  gleich  den  eigentlichen 
Wolltuchen  die  Prozesse  des  Walkens,  Bauhens  und  Scherens  durchgemacht 
haben,  also  nicht  fadenscheinig  sind.     Gewicht  für  1    D  m  200 — 250  gr. 

Dameus  (lat.),  s.  Damast. 

Damicaster  (engl.),  kurzer  Mantel,  getragen  von  den  Frauen  im  16. 
Jahrhundert. 

Damiette,  arab.  Dimjat,  kopt.  Tamiati,  im  Altertum  Tamiathis,  Stadt 
in  Unterägypten:  Seit  dem  13.  Jahrhundert  ein  blühender  Ort  und  lange  be- 
rühmt durch  Fabrikation  der  gestreiften  Seidenzeuge;  ist  in  industrieller  Hin- 
sicht, mit  Ausnahme  der  Fabrikation  grober  Baumwollstoffe,  ganz  herabge- 
sunken und  auch  sein  Handel  hat  nicht  mehr  die  Bedeutung  früherer  Zeit, 
wo  er,  vor  dem  Aufblühen  Alexandriens  und  der  Anlage  des  Suezkanals, 
hauptsächlich  den  Handel  mit  Syrien  vermittelte. 

Damm,    Dorf    im    bayr.    Beg.-Bez.    TJnterfranken :    Kunstwollfabrikation. 

Dammartin-en-Goele,  Hauptstadt  im  Arrond.  Meaux  des  franz.  Depart. 
Seine-et-Marne :  Spitzenfabrikation. 

Dammerkirch,  Stadt  im  Oberelsass:  Baumwollweberei. 

Dämpfen,  im  Zeugdruck,  heisst  die  Behandlung  mit  Körperfarben  be- 
druckter Gewebe  mit  Wasserdampf. 

Dampffarben,  in  der  Zeugdruckerei  solche  Farben,  welche  mit  dem 
Beizmittel  (Mordant)  aufgedruckt  werden  und  dann  der  Einwirkung  von  Was- 
serdämpfen in  einem  geschlossenen  Kaum  ausgesetzt  werden,  wodurch  die 
Beizmittel  mit  den  Farben  in  die  Faser  tief  eindringen  und  letztere  befestigen. 
Die  Ware  wird  später  nur  ausgewaschen  und  appretiert.  Das  Verfahren 
findet  hauptsächlich  Anwendung  bei  wollnen  und  seidnen  Stoffen. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde,  10 


146  Dampfpresse — Decken. 


Dampfpresse,  eine  bei  der  Tiichfabrikation  zur  Erzeugung  eines  höheren 
Grianzes  auf  dem  Gewebe  in  Anwendung  gebrachte  hydraulische  Presse. 

Dänemark  erzeugte  im  Anfange  des  18.  Jahrh.  auf  Batist  gestickte 
und  ausgenähte  Nachahmungen  von  Rokokospitzen,  welche  sich  bis  in  das 
19.  Jahrhundert  erhalten  haben;  geklöppelte  Spitzen  aus  D.  gleichen  im  all- 
gemeinen den  schwedischen  (s.  Batiststickereien). 

Dänische  Weissstickereien,  s.  Hedebo. 

Dansafasern  von  der  Eobinia  cannabina  benutzt  man  in  Bengalen  zur 
Verfertigung  von  Stricken. 

Danudars,  gekräuselte  Astrachanfelle  aus  der  Tatarei. 

Danzig,  Hauptstadt  der  Prov.  AVestpreussen:  Tuchfabrikation.  Die 
Marienkirche,  erbaut  1353 — 1508,  enthält  eine  grosse  Sammlung  mittelalter- 
licher Stoffe_,  Stickereien  und  Gewänder.  (Vgl.  Hintz,  die  Marienkirche  in 
Danzig.) 

Danziger  Leinen,  nennt  man  im  allgemeinen  die  verschiedenen  groben 
hänfenen  Hemdlinnen,  welche  in  grossen  ungeregelten  Pollen  aus  Polen  die 
AVeichsel  herab  nach  Danzig  zu  Markte  gebracht  werden. 

Dardanell-Leinen  ist  türkische,  gewöhnliche  Leinwand  aus  den  Gegen- 
den um  die  Schlösser  bei  Konstantinopel,  welche  zu  Segeltüchern  und  zu 
Hosen  der  Laudieute  verbraucht  wird. 

Dariabanis,  eine  Sorte  weisser  Kattune  aus  Surate. 

Daridas  sind  bunte  ostindische  Zeuge,  welche  in  Surate  aus  den  glän- 
zenden Fäden  einiger  Pflanzen,  die  man  wie  Seide  behandelt,  gewebt  werden, 
die  jedoch  selten  in  den  grösseren  Handel  kommen,  weil  sie  ohne  Haltbarkeit 
sind  uüd  in  Falten  leicht  brechen. 

Darins  ist  eine  gewöhnliche  französische  Leinwand  aus  Hanfgarn. 

Daris  sind  glatt  gewebte  Baumwollenzeuge,  welche  ehedem  in  Indien 
Verwendung  fanden,  um  die  dort  berühmt  gewordenen  marmorglatten  Dielen 
zu  bedecken. 

Darlington,  Stadt  in  der  nord-engl.  Grafschaft  Durham:  Wollkämmerei 
und  Flachsspinnerei,  Baumwoll-  und  "Worstedfabrikation. 

Darnetal,  Hauptstadt  im  Arrond.  Pouen  des  franz.  Depart.  Seine-In- 
ferieure:  Baumwollspinnereien  und  -Webereien,  Tuch-  und  Wollstoff fabriken ; 
Färbereien. 

Darre,  Dörre,  Vorrichtung  zum  Trocknen  oder  schwachem  Posten  vege- 
tabilischer Stoffe:  Avie  z.  B.  des  Flachses. 

Darwen,  Over-,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Baumwoll- 
spinnereien. 

Dattel,  Bezeichnung  für  die  innerste  Schicht  des  Seidenkokons,  welche 
eine  pergamentähnliche  Schale  bildet.  Aus  den  Abfällen  (Stami)  wird  das 
Crescentingarn  gesponnen. 

Daunenperkal,  modernes  Bettunterzeug  zur  Einlage  der  Daunen. 

Dauphine,  veralteter,  in  andere  Artikel  übergegangener  leichter  Stoff 
aus  dünner  verschiedenfarbiger  Wolle,  Seide  und  Halbseide,  welcher  in  Lyon 
gemacht  wurde. 

Deanston,  Stadt  in  der  schott.  Grafschaft  Perth :  Baumwollindustrie. 

Debourreur,  s.   Seidenspinnerei. 

Debreczin,  königi.  Freistadt  in  "Ungarn:  bedeutende  Industrie  in  der 
Herstellung  von  wollenen  Zeugen,  Mänteln  u.   s.  ^v. 

Dechets  (franz.),  Seidenabfälle  aller  Art,  welche  zur  Darstellung  der 
Chappe-  und  Florettseide  dienen.  ^ 

Decken  (franz.:  couvertures,  tapis ;  engl.:  Covers,  carpets) ,  aus  Tuch, 
meist  aus  Baumwollkette  und  Streichwollschuss,  ausserordentlich  mannigfaltig, 
glatt  und  velourartig,  gemustert  und  ungemustert,  in  den  verschiedensten  Far- 
ben, in  verschiedener  Stärke,  weich  oder  härter  appretiert,  auch  kotzenartig 
hergestellte  Gewebe,  welche  als  Schlaf-,  Peise-,  Pferd-  und  Stubeudecken  und 
selbst  als  Mäntel  in  Verwendung  kommen;  s.  Tuchfabrikation  und  die  ein- 
zelnen Gattungen  von  Decken  (s.  a.  Bettdecken). 


Deckenzeug — Demi-cuite.  147 


Decken  mit  eingefügten  Leinwandbildern  (franz.:  plafond  maroufle) 
waren  in  der  Barockzeit  und  Zopfzeit  sehr  beliebt;  dieselben  waren  gemalt 
und  auch  in  Plattstichstickerei  hergestellt,  in  letzterem  Falle  von  aufgenähten 
Bänden  eingeschlossen. 

Deckenzeug  (Kotzen),  ein  aus  grobem  Streichgarngespinst  hergestellter, 
schwach  gewalkter,  nicht  gescherter  und  sehr  stark  gerauhter  Stoff  mit  pelz- 
artig dichtem  und  langem  Haar,  glatt  oder  geköpert  gewebt,  zu  Pferdedecken, 
Fuss-  oder  Bettdecken. 

Deckmaschine,  eine  Vorrichtung  an  Wirkmaschinen  zur  Herstellung 
von  Musterungen  in  glatter  Kulierware,  indem  mit  Hilfe  der  Decknadeln  ein- 
zelne Maschen  oder  Maschengruppen  seitlich  auf  andere  Nadeln  überschieben 
oder  aufdecken  (s.  Wirkerei).    (Vgl.  Franz  ßeh,  Fabrikation  der  ^V'irkwaren.) 

Decolorieren,  entfärben,  entbleichen. 

Deggendorf,  Stadt  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Niederbayern:  Tuchfabrikation, 
Leinwandhandel. 

Degommage,  im  Zeugdruck  die  Behandlung  der  "Ware  in  den  Fixier-  und 
Heinigungsbädern,  einerseits  vollständige  Fixierung  der  Beize,  andrerseits  Ent- 
fernung der  Verdickungsmittel  bewirkend. 

Degummieren,  die  Befreiung  der  Bohseide  von  dem  anhaftenden  Seiden- 
leim und  dem  Farbstoffe.  Das  Material  wird  erwärmt,  gewöhnlich  mit  Seifen- 
lösung, ausgepresst  und  dann  mit  schwächerer  Lösung  derselben  gekocht; 
schliesslich  gespült  und  getrocknet. 

Dehbid,  auf  einem  Hochplateau  gelegener  Ort  in  Persien,  wo  Teppiche 
erzeugt  werden,  welche  denen  aus  Kaschkai  (s.  d.)  in  der  Struktur  ähnlich, 
aber  in  geringerer  Qualität  ausgeführt  sind. 

Dehli,  Hauptstadt  im  indobrit.  Beich :  Handel  und  Industrie,  einst 
blühend  und  grossartig,  waren  in  Verfall  geraten,  haben  sich  aber  in  neuerer 
Zeit  wieder  gehoben.  Die  Bazare  von  D.  sind  ihrer  kostbaren  Shawls,  Gold- 
und  Silberstickereien  im  ganzen  Orient  bekannt. 

Dekatieren  (franz.:  decatir;  engl.:  to  steam),  Behandlung  wollener  und 
seidener  Oewebe  mit  Wasserdampf  oder  heissem  Wasser  durch  Eintauchen 
oder  Besprengen  behufs  Wiedererlangung  der  ursprünglichen  Form  und  Lage 
der  Fasern,  und  auch  behufs  Verminderung  des  Zusammenschrumpfens  (Ein- 
gehen) beim  späteren  Feucht-  und  Nasswerden. 

Dekomponieren  (iat.),  Zusammengesetztes  auseinandernehmen,  zerlegen, 
auflösen;  in  der  Weberei:  Absetzen  des  Musters  auf  die  Patrone  nach  einem 
vorliegenden  Grewebe. 

Dekoration,  s.  Innendekoration. 

Dekortikationsmaschine,  s.  Eamiespinnerei. 

Delft,  Stadt  im  Bezirk  Botterdam  der  niederl.  Prov.  Südholland:  nicht 
imbedeutend  ist  die  Fabrikation  von  Teppichen  in  der  Art  der  Smyrna- 
teppiche. 

Delineres  oder  Dalineres,  eine  mittelfeine,  gut  gewebte  Hausleinwand, 
welche  die  Landleute  im  franz.  Depart.  Finisterre  nach  Vannes  und  Nantes 
bringen,  wo  sie  gebleicht  und  verkauft  werden. 

Delmenhorst,  Hauptstadt  im  Verwaltungsbezirk  Oldenburg:  Wollkäm- 
merei und  Kammgarnspinnerei,  Jutespiunerei  und  -weberei. 

Delphin  (franz. :  dauphin) ,  in  der  altchristlichen  Sj^mbolik  Sinnbild  der 
Liebe,  der  ehelichen  Treue;  nach  anderen  ein  Führer  durch  das  Dunkel  des 
Totenreiches;  auch  Sinnbild  des  Christen  überhaupt.  Die  Benaissance  (s.  d.) 
übernimmt  den  D.  lediglich  als  Ornament  und  stellt  ihn  sowohl  in  der 
Weberei  wie  in  der  Stickerei  in  Umgebung  reichen  Blatt-  und  Blüten- 
werkes dar. 

Demas  sedas,  im  Handel  mit  Spanien  die  Organsinseide. 

Demerary,  Baumwollsorte  aus  Guayana. 

Demi-Cottons,  Demittons  (engl.),  sind  sehr  billige  starke  baumwollene 
Zeuge,  broschiert  und  geflammt,  welche  für  den  Orient  gewebt  werden. 

Demi-cuite,  s.  Seidenspinnerei. 


148  Demi-Draps — Dessin. 


Demi-Draps,  Halbtücher,  feine  leichte,  wenig  gewalkte  Wollentücher, 
in  Frankreich  auf  englische  Art  kurz  geschoren  und  stark  gepresst;  auch  die 
deutschen  Fabriken  liefern  den  Artikel. 

Demi-Florences,  s.  Seidenwaren. 

Demi-Hollandees,  in  Frankreich  eine  feine  weisse  Leinwand,  welche  auf 
holländische  Art  gebleicht,  appretiert  und  gelegt  wird. 

Demi-Londres,  geringe,  locker  gewebte  und  leicht  gewalkte  "Wollentücher 
aus  Frankreich,  teils  ungefärbt  und  ohne  Appretur. 

Demi-Musselines,  eine  Gattung  dünnen  Linons  aus  Frankreich,  meist 
aus  Leinen-  und  Baumwollengarn,  ganz  glatt,  gegittert  oder  gemustert. 

Demirdschik,  Fabrikationsort  in  Kleinasien  für  sogen.  Smyrnateppiche  (s.  d.). 

Demi-Torles,  eine  leicht  und  dünn  gewebte  Leinwand,  die  man  in  Frank- 
reich teils  roh,  teils  gefärbt,  zu  Futter  verbraucht. 

Demmin,  Stadt  im  preuss.  E-eg.-Bez.  Stettin:  Tuchfabrikation. 

Dendermonde,  Stadt  in  der  belg.  Prov.  Ostflandern:  Baumwollweberei 
(namentlich  Decken)  Seilerei  und  Leinwandbleicherei. 

Denier,  franz.  G-ewicht  =  1,275  kg,  bei  Seidengarn  nur  0,0531  g.  Bei 
der  Numerierung  des  Seidengarns  ermittelt  man,  wieviel  Deniers  ein  Strähn 
Seide  von  476  m  (ancien  titre)  oder  von  500  m  (nouveau  titre)  wiegt. 

Denims,  auch  Florentine,  englischer  Name  eines  leichten,  glatten  baum- 
wollenen Köperzeuges,  das  ursprünglich  zu  Nimes  gewebt  wurde. 

Dentelieren  (franz.),  auszahnen,  auszacken;  dentelierte  Arbeit  (franz.: 
dentelure),  ausgezackte  Arbeit,  Spitzen,  Kanten ;  dentelles,  Spitzen. 

Dentelle  duchesse,  eine  der  in  Brügge  gefertigten  Spitze  ähnliches  Pro- 
dukt, welches  dadurch  besonders  kenntlich  ist,  dass  an  den  Verb indungs Stäb- 
chen des  Grundes,  dem  bride,  zahllose  picots  oder  Dörnchen  angesetzt  sind. 
(Vgl.  Spitzen  19.  Jabrh.). 

Dentelles  (franz.),  Spitzen. 

Dentelles  de  pot  ä  fleurs  heissen  die  sogen.  Pottenkanten  aus  Ant- 
werpen (s.  d.). 

Dentelschnüre,  von  dentelli  (ital.),  Zähnchen,  dens  (lat.)  Zahn,  dent 
(franz.)  Zahn,  woraus  das  französische  dentelle,  das  bei  einer  Spitze  soviel 
wie  Klöppelspitze  heisst.  In  italienischen  Musterbüchern  kommt  dentelli  1549 
zum  erstenmal,  in  einem  Züricher  Musterbuch  „dentel arbeit,  dentelschnüre" 
im  Jahre  1561  vor.  Auf  D.  sind  die  ersten  Spitzen  in  Deutschland  zurück- 
zuführen. 

Derbent,  Derbend,  Hauptstadt  der  Landschaft  Daghestan  im  russischen 
Kaukasus:  erzeugt  Teppiche  (s.  unter  Daghestan). 

Derby,  Hauptstadt  der  engl.  Grafschaft  D. :  sehr  bedeutende  Seiden-  und 
Baumwollfabriken ;  Spitzenklöppeleien,  Kattun-  und  Strumpfwarenfabriken.  In 
D.  wurde   1718  die  erste  englische  Seidenmanufaktur  errichtet. 

Der-el-Kamar,  Hauptstadt  des  asiat.-türk.  Mutessariflik  Libanon  :  Seiden- 
zucht, Seidenweberei  und  Stickerei. 

Deribands,  eine  Sorte  weisser  ostindischer  Kattune. 

Deringa,  im  russischen  Handel  die  gewöhnliche  gelbe  Packleinwand. 

Desaignes,  Flecken  im  Arrond.  Tournon  des  franz.  Depart.  Ardeche: 
Seidenfabriken. 

Desintegrieren ,  d.  i.  Entbasten  des  rohen  Kokons  und  Seidenabfälle 
(Abfallseide),  bevor  sie  zur  Florettspinnerei  verwandt  werden. 

Des  Moines,  Hauptstadt  des  nordamerik.  Staates  Iowa:  Woll- und  Baum- 
wollmanufakturen; bedeutender  Handel. 

Desooksoys,  eine  Gattung  baumwollener  Zeuge  im  englisch-ostindischen 
Handel. 

Dessau,  Hauptstadt  des  Herzogtums  Anhalt:  Tuchfabrikation. 

Dessin  (franz.),  (engl.:  design,  pattern);  findet  vorzugsweise  Anwendung 
in  der  Textilkunst,  und  zwar  versteht  man  darunter  ebensowohl  die  Muster- 
zeichnung, nach  welcher  gewebt,  gestickt  oder  gedruckt  wird,  als  das  ausge- 
führte Muster,    und   nennt   man    daher    gemusterte  Stoffe    dessinierte   und  die 


Dessinateur — Deutschland.  149 


Vorrichtung  am  mechanischen  Webstuhl  zum  AVeben  solcher  Stoffe  Dessin 
machen.  Dessin,  le,  nennt  der  Franzose  auch  das  Herstellen  des  Musters 
für  Nähspitzen. 

Dessinateur  (franz.),  Musterzeichner. 

Dessiniermaschlne  (franz.:  machine  ä  piquer;  engl.:  punching  machine), 
in  der  Tuchfabrikation  Vorrichtung,  durch  die  auf  der  Oberfläche  von  Gre- 
weben  Muster  hervorgebracht  werden. 

Dettingen,  an  der  Erms,  Dorf  im  württ.  Oberamt  Urach:  Baumwoll- 
spinnerei und  -Weberei. 

Deuben,  Dorf  bei  Dresden:  Sammetstofffabrikation. 

Deutschbrod,  Stadt  in  Böhmen:  Tuchfabrikation. 

Deutsche  Naht  ist  diejenige  für  "Wirkwaren  verwandte  überwendliche 
Naht,  bei  welcher  der  Nähfaden  den  zweiten  und  dritten  Maschenhenkel  des 
einen  Warenstückes  mit  dem  zweiten  und  dritten  Henkel  des  anderen  Waren- 
teiles in  jeder  zweiten  Beihe  verbindet. 

Deutsche  Renaissance,  s.  Renaissancestil. 

Deutsches  Spinnverfahren,  Yorspinnverfahren  (Vorbereitung)  der  Kamm- 
garnspinnerei, welches  man  bei  dem  Verfeinern  der  Spindelbänke  (Flyer)  an- 
wendet. 

Deutschland.  Textil-  und  Bekleidungsindustrie:  1882  waren  1223  621 
Betriebe  mit  2169  880  beschäftigten  Personen,  dagegen  1895:  1054137  Be- 
triebe mit  2  383  861  Arbeitern  vorhanden.     Am  ältesten  ist  die 

Leinenweberei.  Das  Spinnen  des  Flachses  als  Beschäftigung  auf 
dem  Lande  hat  sehr  nachgelassen,  seitdem  die  Spinnmaschine  die  geübteste 
menschliche  Hand  überbietet.  Die  Flachsspinnerei  beschäftigt  gegenwärtig 
über  360000  Spindeln,  kann  jedoch  den  einheimischen  Bedarf  nicht  decken. 
Im  Jahre  1900  betrug  die  Einfuhr  von  Leinen-,  Jute-  und  Manilahanfgarn, 
sowie  von  Nähgarn  und  Zwirn  19171  t  (25,1  Mill.  Mk.) 

Hauptsitz  der  Leinenweberei  ist  das  schlesische  Gebirge  längs  der  böh- 
mischen Grrenze,  von  wo  sie  nach  der  sächs.  Lausitz  übertritt.  Namentlich  in 
Zittau  und  Umgebung  werden  vorzugsweise  feinere  Gewebe,  darunter  auch  die 
viel  gesuchten  Damaste,  hergestellt.  Sehr  bedeutend  für  die  Anfertigung  von 
Leinwand  ist  ferner  Bielefeld  (s.  d.)  mit  Umgebung  bis  in  die  Gegend  von 
Osnabrück  und  nach  der  Lippe  zu.  Hier,  wie  in  einzelnen  Bezirken  von 
Württemberg,  Franken,  Thüringen,  im  Rheinland,  Brandenburg  ist  die  Leinen- 
weberei hausindustriell  entwickelt;  es  mögen  etwa  90000  Webstühle  vorhanden 
sein,  die  indes  nur  bei  sehr  flottem  Geschäftsgange  voll  beschäftigt  sein  wer- 
den; die  Mehrzahl  der  Weber  ist  nebenher  landwirtschaftlich  tätig. 

Fertige  Wäsche  wurde  früher  vorzugsweise  in  Bielefeld  hergestellt, 
neuerdings  aber  auch  in  Berlin  und  anderen  grossen  Städten  mit  Erfolg. 

Seiler  waren  liefern  Westfalen,  die  Seestädte,  Oberschlesien,  das 
schwäbische  Bayern  und  das  Beg.-Bez.  Kassel ; 

Packleinwand  Ostfriesland  und  die  Gegenden  der  Ems  und  mittleren 
Weser. 

Die  Zwirnerei  erstreckt  sich  hauptsächlich  auf  das  Königreich  Sachsen, 
auf  Schlesien  und  die  Bheinprovinz.  Ausserdem  befinden  sich  bedeutendere 
Nähfadenfabriken  in  Augsburg  und  Heilbronn. 

In  der  Hausindustrie  wird  Hervorragendes  nicht  geleistet;  am  meisten 
ist  dieselbe  in  Baden  und  in  Schwaben  zu  Hause. 

Jutewaren  bezog  Deutschland  früher  aus  England.  Die  erste  Jute- 
weberei wurde  in  D.  im  Jahre  1861  in  Verhelde  bei  Braunschweig  gegründet. 
Seitdem  sind  in  Meissen,  bei  Hamburg,  Berlin  und  anderen  Orten  Jute- 
webereien und  -Spinnereien  entstanden,  deren  Erzeugnisse  steigende  Aufnahme 
gefunden  haben.  Da  der  Bohstofi"  eingeführt  werden  muss ,  so  lässt  sich  an 
den  Eiafuhrziffern  das  Wachstum  der  Industrie  am  besten  darlegen:  1880 
wurden  17  564  t  (6,7  Mill.  Mk.),  1896:  98  845,  1900:  97  106  t  Rohjute 
(30,1  Mill.  Mk.)  eingeführt. 

Für  Wolle    sind    etwa     1450000    Spindeln    für  Streichgarn,    und    etwa 


X50  Deutschland. 


600000  Spindeln  für  Kammgarn  tätig.  Die  Hauptsitze  der  Wollspinnereien 
sind  die  E-heinprovinz ,  das  Königreich  Sachsen  (namentlich  die  Gegend  von 
Werdau  bis  Plauen),  Württemberg  und  das  Oberelsass.  Diese  Bezirke  sind 
auch  die  Hauptsitze 

der  Tuchfabrikation,  denen  sich  noch  die  Niederlausitz  und  der 
südöstliche  Teil  der  Mark  Brandenburg  mit  den  Städten  Kottbus,  Forst, 
Spremberg,  Sorau,  Sommerfeld  zugesellen.  Besonders  feine  Tuche  liefern 
Aachen,  (Irossenhain  und  andere  sächsische  Städte.     In  Bezug  auf 

Kamm  w  oll  waren  zeichnen  sich  die  Bezirke  von  Chemnitz,  Glauchau 
bis  mit  Crimmitschau  und  Plauen,  von  Gera,  Greiz  (wollene  und  halbwollene 
Fraueukleiderstoffe:  sog.  „ Greiz-Gera" -Artikel) ,  Zeulenroda  und  Pössneck, 
Mühlhausen  i.  E.,  Gebweiler  und  Bischweiler,  auch  Württemberg  aus. 

Die  Kunstwollspinnerei,  vor  vier  Jahrzehnten  eingeführt,  wird 
hauptsächlich  im  Pheinland,  namentlich  in  Aachen  (82  Fabriken  mit  1  200  Ar- 
beitern), Düsseldorf,  Minden,  Liegnitz,  ferner  in  den  sächsischen  Industrie- 
orten Steingleis  bei  Zwichau,  Werdau,  Wilkau  u.  s.  w.  betrieben. 

Für  wollene  Strumpfwaren  sind  Chemnitz,  Apolda,  Zeulenroda 
sowie  einzelne  Bezirke  in  Württemberg  und  dem  Elsass  zu  nennen, 

für  Shawlweberei  Berlin, 

für  wollene  Plüsche  Berlin,  Barmen,  Hannover  und  Dresden, 

für  Teppiche  Berlin,  Barmen,  Schmiedeberg  (Schlesien),  AVurzen. 

Die  Einfuhr  von  Wollgarn  betrug  1880:  93,1,  1896:  114,1,  1900:  110,6 
Mill.  Mk.;  die  Einfuhr  von  Wollwaren  26,1  und  16,1,  1900:  20,5  Mill.  Mk.; 
dagegen  stieg  der  Wert  der  Ausfuhr  1888—1900  von  190  bis  auf  233,7,  Woll- 
garn von  44,6  auf  56,8  Mill.  Mk. 

Die  Kammgarnspinnerei  hat  ihre  Hauptsitze  im  Elsass  (Malmers- 
pach ,  Mühleisen ,  Erstein  und  Sennheim)  und  in  Sachsen.  In  S.  wurde  die 
Maschinenspinnerei  am  Ende  der  30er  Jahre  eingeführt.  Schon  1861  besass 
das  Land  15  Kammgarnspinnereien  mit  104600  Spindeln  und  einem  Gesamt- 
erzeugnis von  15  Mill.  Mark. 

Die  Entwickelung  der  deutschen  Baumwollindustrie  er- 
scheint um  so  beachtenswerter,  wenn  man  erwägt,  dass  der  Kohstoff  im  Hei- 
matlande nicht  erzeugt  wird;  sie  ist  konzentriert  im  Oberelsass  (Mülhausen, 
Gebweiler,  Thann,  Münster,  Markirch,  Wesserling),  in  Sachsen  (Chemnitz  und 
Umgebung ,  vorzugsweise  im  Zschoppau-,  Flöha-  und  Muldental) ;  im  Rhein- 
land (München-Gladbach,  Dülken,  Barmen,  Elberfeld  bis  nahe  zum  Rhein),  in 
Württemberg  (bei  Reutlingen),  im  nördlichen  Abfall  der  Rauhen  Alb  und  von 
hier  übergehend  bis  nach  Bayern ;  in  Baden  im  südlichen  Abfall  des  Schwarz- 
waldes;  in  Bayern  (Augsburg)  und  in  Oberfranken  (Bayreuth  bis  Hof);  in 
Schlesien  (Reg.-Bez.  Liegnitz  bis  zu  dem  Eulengebirge). 

Die  Einfuhr  von  roher  Baumwolle,  die  jetzt  statt  über  London  mehr 
und  mehr  über  Bremen  erfolgt,  belief  sich  1840  auf  rund  10  000  t,  1870  auf 
71000  t,  1900  auf  313155  t  (318,1  Mill.  Mk.).  Obgleich  die  Spinnereien 
(etwa  6  Mill.  Feinspindeln)  ihre  Erzeugung  zu  steigern  bemüht  gewesen  sind, 
kann  der  Bedarf  an  Baumwollengarn  doch  nicht  ganz  gedeckt  werden,  viel- 
mehr wurden  1900  noch  19969  t  (62,9  Mill.  Mk.)  eingeführt.  Erzeugt  werden 
die  gröberen  und  mittelfeinen  Garne  bis  zu  etwa  Nr.  80,  im  Oberelsass  bis 
zu  etwa  Nr.  100;  feinere  Garne  liefert  England,  Das  Oberelsass  nimmt  in 
Bezug  auf  die  Feinheit  der  Stoffe  den  ersten  Rang  ein,  dann  folgen  das  König- 
reich Sachsen  und  Rheinland. 

Für  Weisswaren  (Gardinen,  Mull,  Musselin)  ist  ausserdem  das  Vogt- 
land (Plauen)  zu  nennen,  für  baumwollene  Strumpfwaren  Chemnitz,  für  Bunt- 
stickerei Berlin,  Rheinland  und  Württemberg,  für  Posamentierwaren  Barmen, 
Elberfeld,  Annaberg  (Sachsen),  Isny  (Württemberg),  Brieg  (Schlesien),  Strass- 
burg  und  Kolmar,  für  Wachstuch  Berlin  und  Leipzig,  für  Schirm stoffe  Chem- 
nitz, Berlin,  Elsass  und  Rheinland.  Hausindustriell  entwickelt  ist  die  Spitzen- 
klöppelei und  Weissstickerei  im  Erzgebirge  (Eibenstock,  Schwarzenberg,  Schnee- 
berg bis  in  das  Vogtland),  letztere  auch  im  südlichen  AVürttemberg. 


Deutschland.  151 

Die  Haiiptbezirke  für  YeredeluDg  von  AVollwaren  sind  Zwickau,  Greiz- 
Gera,  Bautzen,  Frankfurt  a.  0.,  Oberfranken.  Unter  den  Hauptbezirken  für 
Baumwollveredelung  finden  sich  wieder  Zwickau,  ferner  Mühlhausen  und  Düssel- 
dorf. Mit  der  Veredelung  von  Seide  sind  in  Krefeld  und  Elberfeld  3900  Per- 
sonen in  Fabriken  und  3000  Personen  im  handwerksmässigen  Betrieb  be- 
schäftigt. 

Die  Einfuhr  von  Baurawollwaren  betrug  im  Jahre  1880:  1387  t  (14,9 
Mill.  Mk,  Wert),  1890:  1462  t  (11,8  Mill.  Mk.),  1900:  6302  t  (35,2  Mill.  Mk.). 
Dagegen  hat  die  Ausfuhr  stetig  zugenommen,  sie  betrug  1880:  21171t  (99,4 
Mill.  Mk.),    1890:  28190  t  (168  Mill.  Mk.),    1900:  40  865  t  (244,7  Mill.  Mk.). 

Für  die  S  eidenindu  strie  sind  Krefeld,  Barmen  und  Elberfeld  Mittel- 
punkte, ferner  Berlin,  Aachen,  Baden  und  Lothringen.  Der  Schwerpunkt  der 
deutschen  Seidenindustrie  liegt  auf  den  Halbseidenstofi'en  und  Sammeten,  in 
denen  sogar  die  berühmte  französische  Industrie  erreicht,  vielleicht  überholt 
ist,  während  in  den  schweren  Stoffen  Frankreich  noch  den  ersten  Platz  be- 
hauptet. 

Der  Gesamtwert  der  Einfuhr  (einschliesslich  E-ohseide)  ist  seit  1880  von 
148,5  auf  200,6  Mill.  Mk.  im  Jahre  1899  gestiegen;  im  Jahre  1900  jedoch 
auf  173,3  Mill.  Mk.  zurückgegangen;  der  Gesamtwert  der  Ausfuhr  (mit  Ein- 
schluss  der  Halbfabrikate)  dagegen  von  237,1  auf  166,6  Mill.  Mk.  gefallen, 
nachdem  sich  dieselbe  bis  in  die  neunziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  auf 
gleicher  Höhe  gehalten  hatte. 

Die  Bleicherei,  Färberei,  Druckerei  und  Appretur  der 
Garne  und  Webwaren  schliessen  sich  an  den  Webstoff  an,  dem  sie  zu  dienen 
bestimmt  sind,  und  finden  sich  in  denselben  Bezirken.  In  Zeugdruckerei  und 
Appretur  fand  Jahrzehnte  hindurch  ein  lebhafter  AYechselverkehr  mit  den 
Nachbarländern  statt,  die  ihre  Webstoffe  nach  Deutschland  sandten  und  hier 
im  Veredlungsverkehr  bearbeiten  Hessen.  Solche  Zeugdruckereien  finden  sich 
noch  in  Mühlhausen  i.  Eis.,  Berlin,  Augsburg,  Baden,  Sachsen,  doch  hat  dieser 
Veredlungsverkehr  durch  die  Erhöhung  der  Zölle  in  den  Nachbarländern  stark 
gelitten. 

Für  Spitzenklöppelei  sind  die  Hauptsitze  Annaberg,  Schneeberg 
(Hauptstadt  für  weissleineue  Sjjitzen),  Schwarzenberg,  Eibenstock  und  Schön- 
heide (Tambourierstickerei  für  Decken,  Gardinen,  Schleier).  Einer  der  grössten 
Betriebe  mechanischer  Spitzenfabrikation  befindet  sich  in  Leipzig-Lindenau. 

Für  die  Stickerei  sind  die  Hauptorte  Plauen  und  Zwickau ;  auch  in 
dem  württembergischen  Oberland  sticken  seit  einem  Jahrzehnt  mehrere  Tausend 
Personen,  aber  für  Pechnung  schweizerischer  Unternehmer.  Bedeutend  ist  die 
Stickerei  auch  in  Berlin,  wo  sich  mit  ihr  sowie  mit  Häkelei  2900  Personen 
befassen. 

Geschichtliches:  D,  sieht  geschichtlich  wie  dem  Umfange  des  Aussen- 
handels  nach  in  der  Textilindustrie  an  erster,  der  Zahl  der  beschäftigten 
Personen  nach  an  fünfter  Stelle.  Das  Verarbeiten  des  Flachses  und  der  Schaf- 
wolle war  hier  von  jeher  allgemein  verbreitet.  Beide  Gewerbe  wurden  vom 
frühen  Mittelalter  an  in  Schwaben,  Cleve ,  Jülich  und  Gelderland  als  land- 
wirtschaftliches Nebengewerbe  oder  handwerksmässig  betrieben.  Tuch  und 
Leinen  bildeten  im  Mittelalter  für  Augsburg,  LTlm,  Görlitz,  Köln,  Aachen  u.  s.  w. 
einen  Hauptexportartikel,  der  in  England,  Eussland  sowie  in  Italien  und  Spanien 
guten  Absatz  fand.  Die  Weberei  der  feineren  Wollzeuge,  die  bis  dahin  nach 
Deutschland  importiert  worden  waren,  wurde  1566  von  flüchtigen  Flamändern 
in  Hanau,  Gera,  Plauen,  1680  von  Hugenotten  in  Berlin,  Göttingen,  Kassel, 
Eisenach  eingeführt.  Erst  im  17.  Jahrhundert  kam  die  Konkurrenz  Englands 
auf.  Die  B  aum  wollen  web  er  ei  und  Kattundruckerei  wurde  in  Deutsch- 
land zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts  in  Augsburg  (s.  d.)  eingeführt  und  der 
geschlossene  Fabrikbetrieb  —  als  erste  Kattunmanufaktur  1750  durch  flüchtige 
Schweizer  in  Plauen  i.  V.  —  begründet.  Sachsen  wurde  neben  Ostindien  und 
der  Schweiz  zum  hauptsächlichsten  Produktionsland  für  Baumwollenwaren. 
Die"  Sc  hl  ei  er  webe  r  ei  aus  Baumwolle  wurde  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts 


152  Devants  de  corps — Diadem. 


von  niederländischen  Flüchtlingen  im  sächsichen  Yoigtlande,  dessen  Mittelpunkt 
die  Stadt  Plauen  bildet,  eingeführt  und  bis  1600  daselbst  für  E,echnung  Nürn- 
berger Kaufleute  betrieben.  Im  17.  und  18.  Jahrhundert  dehnte  sich  die 
neue  Manufaktur  (Musselin,  Kattun  u.  s.  w.)  immer  mehr  aus,  bis  sich  kurz 
vor  den  20er  Jahren  auch  hierin  der  Maschinenbetrieb  einzubürgern  begann. 
Die  Seiden  Industrie  kam  Ende  des  17,  Jahrhunderts  durch  niederländische 
und  französische  Flüchtlinge  nach  dem  linken  Rheinufer  (s.  Krefeld)  und  in 
■die  Mark  (s.  Berlin).  Die  Spitzenklöppelei  wurde  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  als  häusliche  Beschäftigung  (der  Bergmann sfamiljen)  aus  den 
Niederlanden  im  sächsichen  Erzgebirge  eingeführt.  Die  Po  s  am&ntierkuns  t 
wurde  1591  von  flüchtigen  Niederländern  in  das  mittlere  Erzgebirge,  die 
Strumpfwirkerei  ein  Jahrhundert  später  von  flüchtigen  Hugenotten  nach 
Württemberg,  Sachsen  und  Thüringen  verpflanzt.  Mit  der  Wirkerei  ist  die 
Korsettweberei  verwandt;  auch  sie  ist  eine  aus  Frankreich  herüber  ver- 
pflanzte Industrie  und  sie  wurde  im  Jahre  1848  nach  dem  Vorbild  der  Fabri- 
kation in  Bar  le  Duc  zuerst  in  Württemberg  eingeführt.  Die  Wirkerei 
mit  ihren  drei  Hauptzweigen :  der  Strumpfwaren-,  Handschuh-  und 
der  Trikotagen fabrikation  bildet  heute  in  D.  einen  Hauptzweig  der 
Textilindustrie.  Der  Manufakturbetrieb  kam  (speziell  in  der  Strumpfwirkerei) 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  18.  Jahrhunderts  auf;  eine  solche  „Strumpf-, 
Seiden-  und  Wollfabrique"  errichtete  damals  in  Limbach  David  Esche,  der 
Erfinder  des  deutschen  Strumpfwirkstuhls.  Die  Strumpfwirkerei  als  Hand- 
werk konnte  sich  aber  fast  noch  ein  volles  Jahrhundert  erhalten.  (Vgl.:  „Deutsch- 
land als  Industriestaat"  von  Dr.  F.  C.  Huber,  Stuttgart  1901.    S.  421  fi".) 

Devants  de  corps  werden  im  Französischen  die  vorderen  spitz  zulaufen- 
den Einsätze  der  Frauenkleider  genannt,  welche  in  Posamenterie ,  aber  auch 
in  bunter  oder  in  weisser  Spitze  ausgeführt  wurden. 

Deventer,  auch  Demter,  Stadt  in  der  niederländ.  Prov.  Oberyssel:  be- 
deutende Teppichfabriken,  darunter  die  königl.  Fabrik  von  Smyrnateppichen ; 
Kattundruckerei,  Leinwandhandel. 

Deville-les-Rouen,  Stadt  im  Arrond.  Pouen  des  franz.  Depart.  Seine- 
Inferieure:  Baumwollspinnerei  und  -weberei,  Bleichereien. 

Devisen  (lat.:  devisia;  franz.:  devises;  engl.:  devices),  Denk- oder  Wahl- 
sprüche, in  Worten  oder  durch  Sinnbild  dargestellt,  bilden  in  älteren  Stofi'mustern 
eine  beliebte  Darstellung,  wohin  sie  durch  die  arabischen  Sprüche  gekommen  sind. 

Devonshire-Plains  (engl.)  heissen  grobe,  einfarbige,  sehr  billige  Wollen- 
tuche, zum  Gebrauch  der  Schiffsleute  und  für  Negersklaven  in  Westindien. 

Dewsbury,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Fabrikation  von  Tep- 
pichen und  W^ollwaren;  Hauptsitz  der  Shoddymanufaktur. 

Deynze,  Stadt  in  der  belg.  Prov.  Ostflandern:  Fabrikation  von  Seiden- 
stoffen ;  Flachshandel. 

Dhaka,  Stadt  in  der  Gouverneurschaft  Bengalen  des  indobrit.  Reichs : 
bedeutende  Industrie  in  Musselinen,    gröberen  Kattunen  und  Silberstickereien. 

Dholera,  Ort  in  der  indobrit.  Präsidentschaft  Bombay:  Baumwollspinne- 
reien und  -Webereien.  Während  des  amerikanischen  Bürgerkrieges  (1862  bis 
1865)  war  D.  der  Hauptbaumwollhafen  von  Gudschrat  und  gab  einer  auf  dem 
europäischen  Markte  wohlbekannten  Baumwollsorte  den  Namen. 

Dhoties  heisst  Shirting  mit  farbigen  Streifen. 

Diablement-fort,  ein  französischer  Stoff,  dessen  Kette  Leinwand,  der 
Einschlag  Baumwolle  ist. 

Diadem  (lat.:  diadama;  franz.:  diademe;  engl.:  diadem),  ursprünglich 
ein  Band  zum  Zusammenhalten  des  Haupthaares;  es  findet  sich  schon  früh  als 
Zeichen  der  Würde  bei  hochstehenden  weiblichen  und  geistlichen  Persönlich- 
keiten der  Aegypter,  Assyrer,  Babylonier  und  Perser.  Das  Band  wurde  mit 
Symbolen  aus  Metall  geschmückt.  Im  frühen  Griechenland  findet  sich  das 
D.  wieder  als  direkte  Stirnbinde  und  machte  dann  die  gleiche  Wandlung  durch 
wie  in  seinen  Stammländern,  nur  erhält  sich  eine  mit  Perlen  besetzte  Binden- 
form.   Diese  hauptsächlich  wird  in  Pom  zuerst  nur  von  den  Frauen  als  Schmuck 


Diagonals — Dieppe.  153 

und  von  den  Priestern  als  Würdezeichen  angenommen.  Unter  Konstantin  d.  Gr., 
der  das  D.  reich  schmückte,  wurde  es  von  den  Fürstlichkeiten  Europas  überall 
angenommen.  Im  Mittelalter  trägt  man  es  als  einen  einfachen  goldenen  Reif 
oder  statt  seiner  die  Krone,  zu  der  es  durch  Justinian  ausgebildet  wurde. 

Diagonals  heissen  geköperte  Gewebte  mit  schräg  verlaufender  feiner 
Streifung. 

Diagonalstuhl  oder  Milanesstuhl  ist  ein  mechanischer  Kettenwirkstuhl, 
welcher  die  Kettenfäden  nach  und  nach  seitlich  über  sämtliche  Nadeln  der 
ganzen  Reihe  legt. 

Diamantines  ^  älterer  englischer  gemusterter  Köperstoff  von  hartem 
Kammgarn.  Er  zeichnet  sich  aus  durch  seine  gute  Appretur  und  glänzendes, 
atlasartiges  Ansehen. 

Diaper  (engl.)  (lat. :  diasprus) ,  ein  dichtes  geköpertes  Baumwollenzeug, 
eine  Art  Drell  (s.  d.)  mit  bunt  gewürfelten  eingewebten  Mustern,  welches 
zuerst  in  England  gemacht  wurde  und  nach  A.rt  dieser  Muster  to  diaper, 
diapering,  diaper-work  (engl.)  ein  aus  Blumen  u.  s.  w.  wiederkehrendes  Muster, 
das  eine  Fläche  völlig  bedeckt,  zunächst  auf  weichen  Stoffen,  dann  allgemein 
gebräuchlich  für  alle  in  TJmrisslinien  eingeschnittene  oder  reliefartige  Muster 
(s.  a.  Diaprer). 

Diapistis  wird  im  13. — 14.  Jahrh.  als  grünlicher  Stoff  bezeichnet,  der 
nach  dem  Schriftsteller  Hugo  Falcandus  in  Palermo  erzeugt  sein  soll. 

Diaprer,  Verbum  des  franz.  Substantivs  diaper  (s.  d.)  von  diaspre  (s.  d.), 
hiermit  bezeichnete  man  im  frühen  Mittelalter  bestimmte  Brokate.  Welcher 
Art  dieselben  waren,  ist  nicht  genau  zu  bestimmen,  doch  scheinen  es  Stoffe 
gewesen  zu  sein,  deren  Muster  ganz  oder  teilweis  in  Grold  gewebte  Tiere  dar- 
stellte. Das  spätere  Mittelalter  brauchte  den  Ausdruck  schon  in  demselben 
Sinne,  wie  jetzt  diaper  (s.  d.)  angewendet  wird. 

Diarbekir  oder  Diarbekr,  auch  Kara-Amid,  Hauptstadt  gleichnamiger 
asiat.-türk.  Prov.,  erzeugt  durch  Hausindustrie  Knüpfteppiche  nach  persischen 
Mustern. 

Diarrhodons,  Bezeichnung  mittelalterlicher  Grewebe;  von  einem  solchen 
feuerroten  Stoff  des  13. — 14.  Jahrh.,  der  in  Palermo  erzeugt  wurde,  spricht 
der  Schriftsteller  Hugo  Falcandus. 

Diaspre,  Bezeichnung  für  frühmittelalterliche  Seidengewebe  von  weisser 
Farbe.  Der  Name  ist  rein  griechischer  Abstammung.  D.  scheint  eine  Abart 
des  sogen,  „draps"  zu  sein,  welcher  in  Lyon  im  14.  Jahrh.  in  grossen  Mengen 
hergestellt  wurde. 

Dibadsch,  Dybäg,  mittelalterliche  arabische  Bezeichnung  für  Atlasstoffe 
und  Brokate,  welche  in  der  Tiraz  (Staatsweberei)  zu  Bagdad  gefertigt  wurden. 
Die  Bezeichnung  ist  später  sehr  verallgemeinert  worden  und  wird  jetzt  im 
Orient  auf  alle  schweren  seidenen  Stoffe  angewendet. 

Dichtenbestimmung  eines  Gewebes  wird  nach  der  Zahl  der  Kettenfäden 
gemacht  (in  Deutschland  1 — 10  cm) ,  sie  entbehrt  noch  eines  Normalsystems. 
Die  Dichte  der  Kette  wird  auch  nach  Gängen  ausgedrückt. 

Dickmühle,  auch  Walkmühle,  Filzmühle,  Hammerwalke  genannt,  eine  in 
der  Tuchfabrikation  zum  Filzen  der  Loden  verwendete  Vorrichtung,  in  welcher 
das  Gewebe  in  einem  eigentümlich  geformten  Holztrog  durch  fallende  Holz- 
hämmer bearbeitet  wird:  es  ist  die  älteste  Walke. 

Dickzüchen,  veralteter  Name  für  sächsische  bunte  Leinen,  welche  sehr 
fest  und  gedrungen  gewebt  und  zu  Bettinleten  und  Ueberzügen  gebraucht 
wurden.  Sie  waren  blau  und  weiss,  rot  und  weiss  gewürfelt  oder  gestreift, 
oder  blau  geflammt. 

Die,  Hauptstadt  im  Arrond.  D.  des  franz.  Depart.  Drome:  Seidenraupen- 
zucht, Fabrikation  von  Tuchen,  Seiden-  und  Baumwollspinnereien;  bedeutender 
Handel  mit  Seidenwaren  und  Tuchen. 

Dieppe,  Hauptstadt  des  Arrond.  D.  im  franz.  Depart.  Seine-Inferieure : 
Spitzenfabrikation,  welche  im  18.  Jahrh.  ihren  Ursprung  hat,  deren  Erzeugnisse 
oft    als    points  k   la    vierge    bezeichnet    werden.     Im    übrigen  arbeitete    man  in 


J54  Diessenhofen — Distel. 


der  Art  des  Valenciennes  (s.  d.),  ohne  die  Muster  an  Feinheit  zu  erreichen. 
Die  Herstellung,  im  17.  und  18.  Jahrh.  bedeutend,  ist  heute  nur  noch  sehr 
gering. 

Diessenhofen,  Hauptstadt  im  Schweiz.  Kanton  Thurgau:  Färbereien, 
Verbandstofffabriken. 

Digne,  Hauptstadt  im  Arrond.  D.  des  franz.  Depart.  Basses-Alpes : 
Färbereien,  Tuchmanufaktur  und  bedeutender  Tuchhandel. 

DijOU,  Stadt  im  franz.  Depart.  Cote  d'Or:  fertigte  am  Ende  des  17.  und 
in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrh.  Klöppelspitzen.  Man  findet  sie  oft  wegen 
ihres  schweren  Fadens  getadelt;  sonst  scheinen  sie  in  Technik  und  Muster 
nichts  Eigentümliches  gehabt  zu  haben. 

Dimantino,  ein  älterer  geköperter  Wollenstoff,  welcher  in  bunten  Farben 
zu  Möbel-  und  Kleiderstoffen  diente. 

Dimity  (engl.),  Dimitos,  Demittas,  Demittons,  vom  griech.  di-mitos,  d,  i. 
vom  doppelten  Faden,  zweidrähtig,  ein  englisches  geköpertes  Baumwollenzeug, 
auch  ein  gewöhnlich  sehr  dick  gewebter  Stoff  mit  streifigen  Mustern  auf  drei- 
oder  fünf  bändigem  Köpergrund,  wobei  die  Streifen  gewöhnlich  durch  einen 
Wechsel  von  Kettenköper  und  Schussköperstreifen  zustande  kommen.  D.  ist 
ursprünglich  ein  levantinisches  Gewebe,  welches  auf  den  Inseln  des  Archipels, 
auf  Cephalonia,  an  vielen  Orten  in  Kleinasien  gemacht  wird.  In  Holland  zu 
Amersfort  wurde  D.  zuerst,  dann  aber  überall,  in  England,  Frankreich  und 
Deutschland  nachgemacht. 

Dinan,  Hauptstadt  des  Arrond.  D.  im  franz.  Dep.  Cotes-du-Nord :  Flachs- 
bau, Hanfspinnereien,  Fabrikation  von  Flanell,  Leinwand,  Segeltuch  und  Baum- 
wollstoffen, sowie  bedeuteoder  Handel  mit  diesen  Artikeln. 

Dinkesbühl,  Stadt  im  bayr.  Reg. -Bez.  Mittelfranken:  Fabrikation  von 
Wollwaren;  Streichgarn  Spinnerei;  Wollmarkt. 

Dinklage,  Gemeinde  im  oldenb.  Amt  Yechta:  Baumwollweberei,  Färberei 
und  Druckerei. 

Diplax,  doppelter,  wollener  Mantel,  ein  glattes  Stück  Zeug,  das  im  frühen 
Griechenland  getragen  wurde. 

Discincta  (lat.),  loses,  ohne  Gürtel  und  Fibula  übergeworfenes  Gewand, 
Mantel. 

Diselset,  Disselset,  Distelset,  nach  der  Limburger  Chronik  von  1351 
Bezeichnung  für  Nesseltuch  (aus  Distel  und  sedum  [Mauerpfeffer]),  im  14.  und 
15.  Jahrh.  als  Kopftuch  der  Frauen  aus  dem  Bürgerstande  getragen. 

Diss,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Norfolk :  Flachsspinnerei  und  Mützen- 
fabrikation. 

Dissen,  Flecken  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Osnabrück:  bedeutende  Fabrik 
von  Segeltuch  und  Sackleinwand. 

Distel,  fast  jede  stachlige  oder  dornige  Pflanze,  vorzugsweise  solche, 
welche  kopfartige  Blütenstände  haben  und  deren  Blütenhüllen  aus  dornig  endi- 
genden Hüllblättchen  bestehen,  sämtlich  zur  Familie  der  Kompositen  gehörig 
(Abb.  56  u.  57.)  Als  Kunstform  erscheint  die  Distel  zuerst  im  gotischen  Zeit- 
alter (s.  d.)  gleichzeitig  mit  dem  Granatapfel  (s.  d.)  und  es  hat  den  Anschein, 
dass  in  den  Stoffmustern  jener  Zeit  beide  Motive  nebeneinander  zur  Ver- 
wendung gelangten;  während  aber  am  Ende  des  15.  Jahrh.  der  Granatapfel 
allmählich  verschwindet,  geht  die  Distel  noch  in  die  Renaissance  über  (vgl. 
Abb.  58)  und  findet  in  Italien  und  Spanien  für  Kleiderstoffmuster  Aufnahme. 
Der  Hebergang  dieser  Blatt-  und  Blütenform  in  das  16.  Jahrh.  ist  augen- 
scheinlich auf  die  Aehnlichkeit  des  krausen  Blattwerkes  mit  denen  des  Acanth<is 
(s.  d.)  zurückzuführen.  In  neuerer  Zeit  ist  die  D.  durch  Eugland  wieder  für 
die  Textilkunst  als  Kunstform  nutzbar  gemacht  worden. 

Abbildungen. 

56.  Distelstaude  nach  einem  Holzschnitt  aus:  Lobelius,  plantarum  sev  stirpium 
iconen,  Antwerpen  1581. 

57.  Distelstaude  aus  demselben  Werk. 


Distel 


155 


Abb.  56. 


Abb.  57. 


Abb.  58. 


58.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseuin  in  Stuttgart:  Sammet- 
brokat,  Grund  gelb,  mit  etwas  Goldlahn  durchwirkt,  symmetrisches  Muster  rot,  ge- 
schnitten und  uu  geschnitten:  Bänder,  durch  Knäufe  verbunden,  bilden  spitzovale  Felder, 
in  welchen  stilisierte  Distelblüte  mit  Blattwerk.     Spanien  Ende  16.  Jahrh. 


J56  Dittersbach — Doncherys. 


Dittersbach,  Dorf  in  Böhmen:  Zwirnfabrik,  Weberei. 

Divisa  (lat.),  zweifarbiges  Gewand. 

Dizaine  (franz.)  heissfc  die  stärkere  Linie  innerhalb  der  carta  riga  (s.  d.) ; 
sie  erleichtert  das  Abzählen  der  Quadrate  und  ist  auch  für  achtteiliges  Papier 
üblich. 

Djoule  heissen  glatte,  gewirkte  persische  Teppiche  (eine  Sorte  Kilim), 
welche  in  der  Gregend  von  Schuschter  angefertigt  werden.  Dieselben  sind  an 
der  Rückseite  zottig  uud  sehen  den  Jacquardgeweben  ähnlich. 

Dmitrow,  Kreisstadt  im  russ.  Gouvernement  Moskau :  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei,  Tuchfabriken. 

Dobby  (ßatiere),  s.  v.  w.  Schaftmaschine  am  Webstuhl. 

Döbeln,  Stadt  in  Sachsen:  bedeutende  Wollspinnereien. 

Dobruschka,  Stadt  in  Böhmen:  Weberei,  bedeutende  Märkte  für  Flachs 
und  Garn. 

Dochte,  Bezeichnung  für  einfach  zusammengedrehte  oder  durch  Flechten 
und  Weben  von  Baumwollfäden  hergestellte  Textilerzeugnisse,  platt  oder 
schlauchförmig,  dazu  bestimmt,  Leuchtstoffe  aufzusaugen  und  nach  dem  Ende 
hinzuleiten,  wo  sie  angezündet  werden,  ünverbrennliche  Dochte  stellt  man 
aus  Glaswolle,  Asbest  u.  a.  her. 

Docke,  in  der  Woll-,  BaumwoU-  und  Seidenspinnerei  ein  durch  Zusam- 
mendrehen und  Falten  von  Garnsträhnen  gebildeter  Zopf,  deren  eine  gewisse 
Anzahl  zu  einem  Bündel  vereinigt  werden. 

Dockenmaschine  s.  v.  w.  Klöppelmaschine. 

Dockenseide  ist  Seidengarn  in  Strähnen  gelegt. 

Doeskins  (engl.  =  ßehleder),  leichtes,  dünnes  Köpertuch  zu  E,ock-  und 
Hosenstoffen,  viel  leichter  als  Buckskin. 

Dogenstola,  s.  Stola. 

Doigtier,  doittier  (franz.),  leinenes  Tuch,  das  die  Domherren  in  Reims 
am  kleinen  Finger  der  linken  Hand  (als  eine  Art  von  Manipel)  beim  Cele- 
brieren  der  Messe  tragen. 

Dolman  (türk.),  ursprünglich  ein  Stück  der  ungarischen  Nationaltracht, 
eine  Jacke  ohne  Schösse,  auf  der  Vorderseite  mit  horizontalen  Reihen  von 
Schnüren  nnd  vertikalen  Reihen  von  Knöpfen  besetzt. 

Domestics  (engl.),  ein  nordamerikanisches  Baumwollzeug ,  auch  starke 
Futter-  oder  Hemdenkattune.  Man  hat  rohe,  ungebleichte  D.,  welche  die  Eng- 
länder brown  sheeting,  die  Spanier  und  Mexikaner  manta  triquena  nennen, 
und  weisse  D.  (white  sheeting  oder  shirting;  manta  blanca).  Die  schweren  D. 
werden  auch  cotton  osnaburghs  genannt.  Der  Hauptfabrikationsort  der  D.  in 
den  Vereinigten  Staaten  ist  Lowell,  unweit  Boston,  in  Massachusetts.  Im  all- 
gemeinen und  namentlich  wenn  sie  gebleicht  und  lang  gelegt  sind,  nennt  man 
diese  baumwollenen  Zeuge  Long  cloths ;  in  Mexiko  auch  einige  Sorten  Elefantes. 

Domingohanf,  einer  der  zahlreichen,  aus  den  Blattfasern  mehrerer 
Agavearten  sowie  anderer  zum  Teil  noch  nicht  botanisch  genau  bestimmter 
Gewächse  gewonnen,  gewöhnlich  unter  dem  Gesamtbegriff  Aloehanf  (s.  d.)  zu- 
sammengefasster  Spinnstoffe,  welcher  aus  Westindien  nach  Europa  gebracht  wird. 

Dominicale  (lat.),  das  in  der  alten  Kirche  den  Kommunizierenden  beim 
Genuss  des  Sakraments  untergehaltene  Abendmahlstuch. 

Dominiealis  (lat.),  weisser  Schleier,  welchen  die  Frauen  beim  Gottes- 
dienst,   besonders  beim  Abendmahl   trugen;    bis    zum  7.  Jahrh.   im  Gebrauch. 

Domino,    franz.,    engl.,    lat.,    Wintermantel    der  Geistlichen  mit  Kapuze. 

Donauwörth,  Stadt  im  bayr.  Reg.-Bez.  Schwaben:  Leinenweberei,  Flacts- 
und  Hanfbau. 

Doncaster,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York :  bedeutende  Spinnereien 
und  Webereien. 

Doncherys,  eine  Art  wollener  französischer  Sergen,  die  zu  Dongchery  an 
der  Maas,  eine  Meile  von  Sedan,  gewebt  werden.  Sie  sind  sehr  dicht  und 
dauerhaft  und  werden  deshalb  zu  Montierungen  für  die  Truppen,  zu  Kloster- 
kleidungen u.  dgl.  gebraucht. 


Dongchery — Doreas.  157 


Dongchery,  Stadt  im  Arroud.  Sedan  des  franz.  Depart.  Ardennes:  Fa- 
brikation von  Tuch-  und  Wollstoffen. 

Doppeladler,  s.  Adler. 

Doppelflanell,  ein  einst  als  Beinkleidstofi' beliebtes,  nach  Art  der  Kidder- 
minster-Teppiche  (s.  d.)  aus  Streichgarn  erzeugtes,  mit  kleinen  flammenartigen 
Zeichnungen  gemustertes,  der  Tuchfamilie  angehörendes  Gewebe. 

Doppelgewebe,  verschiedenartige  Stoffe,  wie  Pique  und  manche  Arten 
von  Teppichen,  die  durch  regelmässiges,  teilweises  Zusammenweben  zweier 
aufeinander  liegenden,  meist  glatten  Zeuge  hergestellt  werden,  wobei  durch  die 
Art  des  Zusammenwebens  das  Muster  hervorgebracht  wird.  (Vgl.  Tafel  XY, 
..Bindungen",  s.  a.  Hohlstoff.) 

Doppelkassinet,  aus  Baumwollketten,  zweifachem  Schuss,  abwechselnd 
Baum-  und  Streichwollgarn,  hergestelltes  atlasbindiges  Gewebe. 

Doppelleinwand,  die  aus  weissgebleichtem  Garn  gewebte  Leinwand,  wie 
Dowlas  u.  s.  w.,  an  manchen  Orten  die  bunte  gewebte  Leinwand,  welche  auf 
jeder  Seite  eine  andere  Farbe  hat. 

Doppelmaschen,  s.  Häkeln. 

Doppelnähte  werden  zur  Verbindung  zweier  Stoffe  angewendet,  welche 
leicht  ausfasern;  die  dazu  gebräuchliche  sogen,  französische  Doppelnaht 
entsteht,  indem  man  die  beiden  Stoffteile  mit  den  Schnittkanten  aufeinander 
legt  und  einige  Millimeter  durch  Vorstiche  verbindet.  Nach  Vollendung  dieser 
ersten  Naht  werden  die  Teile  so  gewandt,  dass  die  beiden  rechten  Seiten  der- 
selben nach  innen  liegen  imd  die  Schnittkanten  zwischen  zwei  Stofflagen  ein- 
geschlossen sind;  hiernach  wird  die  Naht  durch  eine  zweite  Vorstichreihe 
vollendet. 

Doppelperse,  in  Oesterreich  eine  Gattung  mehrfarbiger,  auf  dunklem 
Grunde  bunt  gedruckter  Zitze. 

Doppelsammet,  eine  Art  Sammet,  die  entweder  auf  beiden  Seiten  Flor 
hat,  so  dass  auf  einer  Seite  z.  B.  blauer  Sammet,  auf  der  andern  weisser  oder 
andersfarbener  zu  sehen  ist;  oder  auf  einer  Seite  Sammet,  auf  der  anderen 
Velpel;  oder  endlich  auf  einer  Seite  aufgeschnittener  Sammet,  auf  der  andern 
unaufgeschnittener  ist:  Velours  canneles  u.  s.  w.,  s.   Sammet. 

Doppelschlag,  ein  auf  Strumpfstühlen  gefertiges  spitzenartiges  Gewebe 
von  feinem  ßaumwollengarn,  das  auf  Spannrahmen  fein  appretiert  ist.  Wenn 
es  nass  wird,  geht  es  aber  in  den  Maschen  wie  ein  Strumpf  zusammen;  s.  a. 
Märkische  Tuche. 

Doppelseitige  Stickerei,  s.  Strich  stich. 

Doppelstäbchen,  heissen  in  der  Häkelei  Maschen,  die  durch  zweimaliges 
Umlegen  des  Fadens  um  die  Nadel  gebildet  werden. 

Doppelsteinlinnen,  eine  blau  und  weiss,  rot  und  weiss,  lila  und  weiss 
karrierte  Leinwand,  welche  im  Bheinland  gewebt  und  hauptsächlich  nach  den 
Nordseehäfen  zur  Ausfuhr  verkauft  wird. 

Doppeltaffet  oder  Marcellin,  glattes,  ziemlich  schweres  Gew^ebe  aus  Seide 
in  Leinwandbindung  mit  zweifädiger  Kette  und  zwei-  bis  dreifädigem  Schuss 
(s.  auch  Seidenwaren). 

Doppeltuch,  ein  zu  dicken  Winterkleidern  benutztes  tuchartiges  Doppel- 
gewebe, dessen  rechte  (obere)  Seite  gewöhnlich  feiner  als  die  linke  (untere) 
ist  und  dessen  Muster  meist  in  Bippen,  Bauten,  eine  Art  Moirieruug,  Wellen- 
linien u.  s.  w.  besteht.  Die  linke  Seite  ist  ziemlich  stark  gerauht,  aber  nur 
wenig  geschert,  um  den  Stoff  möglichst  warmhaltend  zu  machen. 

Doppelzinnen,  s.  Zinnigenmuster. 

Dorchester,    Hauptstadt   in    der  engl.  Grafschaft  Dorset:    Tuchfabriken. 

Dordrecht,  Handelsstadt  der  niederl.  Prov.  Südholland:  Leinen.  Im 
Mittelalter  die  reichste  und  wichtigste  Handelsstadt  des  Landes. 

Doreas,  Drurias,  Durias,  eine  Gattung  ostindischer  Musseline  oder  Nes- 
seltücher, welche  ehedem  durch  die  Engländer,  Franzosen,  Holländer  und 
Dänön  von  der  Küste  Coromandel  und  aus  Bengalen  in  grosser  Menge  nach 
Europa  gebracht  wurden,   später  aber  durch  englische,  schweizer  und  sächsische 


158  Dorelot — Doublieren. 


Musseline  verdrängt  worden  sind.  Aehnlich  sind  diesen  Zeugen  Bethilles 
(s.  dort). 

Dorelot,  (franz.),  Haarnetz  der  Frauen  und  Mädchen. 

Doreloterie  (vom  franz. :  doreloter,  verzärteln),  allerlei  Bandwaren  und 
Fransen. 

Dorfcaffard,  Bauerncaffard,  oder  wie  man  das  Gewebe  in  Frankreich 
nennt,  Caffard  de  village,  ein  grober  Stoff,  entweder  ganz  aus  Wolle,  oder  aus 
Wolle  und  Leinen;  er  dient  besonders  zur  Kleidung  für  Landleute. 

Dorlisheim,  Dorf  im  TJnterelsass :  Woll-  und  Baumwollfärberei,  Appre- 
turwerkstätten. 

Dornach,  Fabrikort  bei  Müblhausen  im  Oberelsass:  bedeutende  Baum- 
woU-  und  Wollspinnereien,  sowie  -Webereien,  Packleinwandfabriken;  Anferti- 
gung von  Garnen.  Eine  wertvolle  Sammlung  älterer  Gewebe,  Stickereien, 
Spitzen  und  Posamenten  besitzt  die  Firma  Dollfuss  Mieg  u.  Co. 

Dornbirn,  Marktflecken  in  Oesterreich  (Vorarlberg) :  bedeutende  Baum- 
wollspinnereien und  mechanische  Webereien,  Kattundruckereien.  K.  K.  Sticke- 
reischule. 

Dorneck,  Bezirk  im  Schweiz.  Kanton  Solothurn:  Seidenweberei. 

Dornenkranz,  Dornenkrone ,  (franz. :  couronne  d'epines ;  engl. :  thorn- 
crown),  als  Attribut  Christi  und  vieler  Heiligen. 

Dorniks,  eine  Art  Taffetleinen  aus  schottischen  Manufakturen,  eine 
Nachahmung  der  zu  Dornik  in  Holland  verfertigten  Tischtücher  oder  Damaste. 

Dorsal,  (franz.:  dorsal,  dossier;  engl.:  dorsel,  dosel;  lat. :  dorsale,  dos- 
sale,  dossile),  Bückenteppich,  das  Bücklaken  (s.  d.) ;  auch  Bückenkissen,  daher 
im  Lateinischen  gestickter  Teppich. 

Dorser  (engl.),  Bückenkissen. 

Dorsetteens,  gemischter  englischer  Stoff,  dessen  Kette  aus  Kammgarn,  der 
Einschlag  aus  Seide  besteht;  er  findet  in  Spanien,  Portugal  und  Südamerika 
Absatz. 

Dorsten,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster:  Garnbleichereien,  Fabri- 
kation von  Teppichen. 

Doruses  hat  im  französischen  Handel  verschiedene  Bedeutungen:  reiche 
Stoffe,  Spitzen,  Points  d'Espagne,  Bourdalones ;  Achselbänder  oder  Epauletten, 
Tressen,  reiche  Stickereien  und  dergl.  Dourure  fine  ist  die  echte  gold-  und 
silberreiche  Ware:  Dourure  fausse  die  unechte  oder  leonische. 

Dosia  oder  Mao-ma  sind  chinesische  wollene  gestrickte  Strümpfe,  ohne 
Fuss-  und  Wadenform. 

Dosinken,  Dogens,  werden  in  Hamburg,  Lübeck  und  Bremen,  die  Kir- 
seys  und  die  sogen.  Duzendlaken  aus  England  genannt,  womit  wollene  Tuch- 
stoffe gemeint  sind. 

Döskin,  Winterbukskin,  ein  mit  Satinbindung  und  Streichwolle  ge- 
webtes, tuchartiges  Gewebe,  welches  im  x4ussehen  zwischen  Tuch  und  Satin  steht. 

Dossal,  franz.  eine  Art  Mantel,  welcher  im  frühen  Mittelalter  von  den 
vornehmen  Ständen  getragen  wurde. 

Double  Atlas  ist  in  England  eine  Sorte  Papier  zum  Kupferdruck. 

Double  meches  (Reunion),   s.  Kammgarnspinnerei. 

Doublerie  oder  Doubles  oeuvres,  auch  Linge  ouvre  heisst  in  Frankreich 
durch  Modeldruck  gemusterte  Leinwand. 

Doublerium,  (lat.)  (franz.:  doubliere);  doppeltes  Tischtuch. 

Doublestoff,  s.  V.  m.  Doppelgewebe  (s.  d.),  besonders  auch  ein  zu  Da- 
menmäntelu  benutzter  sehr  dicker  Wollstoff. 

Doublet,  (franz.),  (lat. :  doubletus ;  engl.:  doublet);  urs^Drünglich  aus  dop- 
pelter Leinwand  oder  Baumwolle  bestehender,  von  beiden  Geschlechtern  ge- 
tragener Ueberwurf  oder  Bluse.  Im  16.  Jahrh.  scheint  der  Name  übertragen 
zu  sein  auf  eine  eng  anschliessende,  bis  auf  die  Hüften  herabreichende  Jacke 
mit  oder  ohne  Aermel. 

Doublieren,  (franz.)  verdoppeln,  aber  auch  im  weiteren  Sinne  verviel- 
fachen,   ein    dem  Zwirnen    des    Garns,    namentlich    der  Seide,    vorausgehendes 


Doubliermaschine — Drahtgewebe.  1 59 


Verfahren,  nach  welchem  so  viele  Fäden,  als  zusammengedreht  werden  sollen, 
zusammengeführt  und  parallel  nebeneinander  liegend  auf  eine  gemeinsame 
Spule  gewunden  werden;  auch  diejenige  Operation  der  Spinnerei,  durchweiche 
eine  Anzahl  von  AVatten  oder  Bändern  zu  einem  Ganzen  verarbeitet  werden 
(s.  Spanien). 

Doubliermaschine,  s.  Spinnerei  und  Seide. 

DoublingS  (engl.),   IJnterfutter  der  Staatskleider. 

Doublure  (franz.),  Futter,  Unterfutter  eines  Kleidungsstückes;  auch  Be- 
zeichnung für  Tapetenleinwand. 

Doublure,  ein  weisser  und  grober  Wollenstoff,  der  in  Frankreich  zur 
Kleidung  der  Truppen  dient. 

Douillon  (franz.),  die  geringste  Sorte  von  Schafwolle:  Ausschuss. 

Doullens,  Hauptstadt  des  Arrond.  D.  im  franz.  Depart.  Somme :  Baum- 
w^oUspinnereien. 

Doupions,  im  franz.  Handel  die  vierte  und  geringste  Sorte  der  Seide 
von  Alais,  welche  zu  Cordeline  oder  sogen.  Grenada  verarbeitet  wird. 

Dourdan,  Hauptstadt  im  Arrond.  Bambouillet  des  franz.  Depart.  Seine- 
et-Oise:  Baumwollspinnereien,  Fabrikation  von   Strumpfwaren. 

DouSOUtis,  Dussutus,  Doesootjes,  eine  der  besten  Sorten  weisser  ostin- 
discher  Kattune,  welche  ehedem  die  Engländer  in  Mengen  aus  Ostindien  brachten. 

Doutis,  Dotis,  Dutys,  gewöhnlicher  ostindischer  Kattun,  welcher  früher 
häufig  durch  den  englischen,  französischen  und  holländischen  Handel  nach 
Europa  kam. 

Douzaine  (draps  de)  heissen  in  Frankreich  die  Halbtücher, 

Dover,  Hauptstadt  des  County  Strafford  in  Amerika:  Fabrikation  von 
Kaschmirs. 

Dowlas,  werden  in  England  die  schAversten,  dicht  gewebten  Sorten  der 
Leinwand  aus  Deutschland  genannt,  welche  früher  in  grossen  Mengen  aus  der 
Lausitz  und  Schlesien  nach  England  gingen,  jetzt  aber  geringeren  Absatz  dort 
finden,  weil  die  Ware  in  Irland  gemacht  und  unter  der  Benennung  Irish 
Linnen  im  Handel  vorkommt.  Die  deutschen  Dowlasstoffe  entsprechen  fast 
der  nämlichen  Güte  wie  die  Creas  (s.  d.).  In  England  und  Nordamerika  wird 
dieser  deutsche  Artikel  noch  in  Loom  Dowlas,  den  schwersten,  in  SIeeked 
Dowlas,  den  etwas  leichteren  und  in  E,ough  Dowlas,  den  gröbsten  und  stärk- 
sten Stoff  dieser  Art  verwendet. 

Doxale  oder  doxallum  (lat.),  rotes  Altartuch. 

Drache,  (lat. :  draco  ;  franz. :  dragon ;  engl. :  dragon) ;  ursprünglich  die 
geflügelte  Riesenschlange:  das  Fabeltier  fast  aller  alten  Völker,  dem  auch  die 
geflügelte  Eidechse  zu  Grunde  zu  liegen  scheint.  Das  Stoffmuster  übernimmt 
den  D.  schon  im  frühen  Mittelalter  aus  China,  wo  er  zu  den  heiligen  Tieren 
gezählt  wird  und  mit  5  Krallen  vom  Kaiser  und  den  ihm  nächst  stehenden 
Prinzen  als  Wappen  geführt  wird.  Auch  Japan  (s.  d.)  übernimmt  den  D.  als 
Kunstform  und  Wappentier,  wo  er  als  letzteres  mit  3  Krallen  dargestellt  er- 
scheint.    (Abbildungen  s.  unter  Japan.) 

Draht,  s.  Drahtgewebe,   Goldgespinste. 

Drahtgewebe,  Metalltuch,  Metallgewebe,  ein  mit  w'enigen  Ausnahmen 
nur  aus  Eisen-  und  Messingdraht  in  Grössen  10  bis  30  und  noch  mehr  Meter 
Länge  und  220 — 1500  mm  Breite  liergestelltes,  meist  glattes,  selten  geköpertes 
Gewebe.  Je  nach  dem  Gebrauch  ist  das  Material  und  das  Gewebe  verschieden. 
Die  gewöhnlichste  Webart  ist  die  einfache  Siebform,  bei  welcher  die  Kett- 
fäden nicht  bloss  dieselbe  Stärke,  sondern  auch  denselben  Abstand  von  einander 
haben  wie  die  Einschussfäden ;  hierzu  gehören  die  Metallgewebe  für  die  Papier- 
fabrikation mit  Formdrähten  (ä  vergeure) ;  die  zweite  Form  zeigt  die  Kett- 
fäden stärker  als  die  Schussfäden,  sie  stehen  in  gleichen  Abständen  von  einander: 
die  Schussfäden  sind  nach  Art  der  Korbgeflechte  so  eingeschlagen,  dass  die 
Fäden  dicht  aneinander  liegen.  Sie  dienen  zu  den  sogen.  Waschscheiben. 
Die"  Herstellung  erfolgt  (bei  Eisendraht  in  durch  Ausglühen  erweichtem  Zu- 
stande) teils    auf  Stühlen,  sogen.    Siebmacherrahmen,    die    nur  die  Anfertigung 


\Q0  Drahtwebstuhl — Draps  de  Berry, 


von  2  m  Länge  nicht  übersteigenden  Stücken  gestatten,  teils  auf  solchen, 
mittelst  deren  man  endlose  Gewebe  zu  liefern  imstande  ist  und  die  meist  mit 
dem  gewöhnlichen  Leinweberstuhl  Aehnlichkeit  haben. 

Drahtwebstuhl,  s.  Drahtgewebe. 

Drama,  Hauptstadt  im  türk.  Wiiajet  Saloniki:  Baumwollbau  und -Spin- 
nerei.    D.  liegt  an  der  Stelle  des  alten  Drabeskos. 

Dramburg,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köslin:  Tuchfabrikation. 

Drammen,  Seestadt  in  Norwegen:  Baumwollspinnereien,  Weberei;  aus- 
gedehnter Handel  mit  England  und  Holland. 

Drap,  Draperie,  (franz.),  im  deutschen  eigentlich  Tuch  oder  Tuchwaren, 
im  englischen  cloth.  In  Frankreich  nennt  man  im  allgemeinen  verschiedene 
schwere  seidene  und  wollene  Gewebe  Draps,  im  engeren  Sinne  versteht  man 
darunter  aber  auch  Tuch  und  verschiedene  Arten  ähnlicher  Zeuge.  Dabei 
teilt  man  im  Handel  alle  Wollengewebe  in  die  grosse  und  in  die  petite  draperie 
und  sammetartige  Zeuge :  etoffes  veluntees.  Zur  grossen  Draperie  rechnet  der 
Franzose  sowohl  die  draperie  commune,  als  auch  die  draperie  fine;  die  beiden 
letzten  Arten  werden  nach  ihren  Fabrikation  Sorten  auseinandergehalten.  Die 
petite  draperie  wird  in  Frankreich  je  nach  der  Verarbeitung  des  Materials  in 
einfache  (unie)  und  geköperte  (croise)  eingeteilt.  Die  TJniesorten  bestehen  in 
gröberen  Kamelotten,  Berkanen  (wollenen  und  seidenen),  in  einfachen  und 
anderen  Etaminen,  und  sogen.  Damis  aus  verschiedenen  Fabriken.  Die  ge- 
köperten Sorten  bestehen  in  Sergen,  Minorquen,  Prünellen,  Kalamanken,  Tür- 
kisen, Merino,  Thibet,  Cassinet,  Circassia  u.  s.  w.,  aus  den  verschiedensten 
Fabriken. 

Drap  Imperial,  ein  ganz  feines  ungeköpertes  Halbtuch  aus  Aachen,  Mont- 
joie,  Eupen,  Verviers  u.  s.  w. 

Drap  Zephir,  eine  Gattung  feines  Damentuch,  sowohl  einfach,  als  auch 
geköpert;  die  geköperten  Sorten  sind  eine  stärkere  Ware  Kasemir ;  sie  ähnelt 
dem  Draps  Cachemirs. 

Draps  ampastelees  heissen  in  Frankreich  alle  die  wollenen  Tuche,  welche 
eine  Grundfarbe  mit  Waid  erhalten  und  dann  erst  mit  Indigo  gefärbt  werden. 

Draps  Cachemirs,  ein  feines  Halbtuch  zu  Damenmänteln  und  Sommer- 
kleidern; dasselbe  wird  zuweilen  geköpert  gewebt  und  ist  alsdann  eine  Art 
Doppel-Casimir. 

Draps  Cesar,  ebenfalls  feine  Halbtuche. 

Draps  chats  heissen  diejenigen  französischen  Tuche,  bei  welchen  die  Kette 
von  weisser,  der  Einschuss  aber  von  Wolle  der  braunen,  schwarzen  oder 
rötlichen  Schafe  genommen  wird;  sie  können  daher  nicht  anders  als  schwarz 
gefärbt  werden. 

Draps  croises  heissen  geköperte  Tuche  auf  holländische  Art,  die  zu  Viviers 
und  an  mehreren  Orten  im  ehemaligen  Languedoc  gefertigt  werden.  Ihr 
stärkster  Verbrauch  ist  zu  Truppenkleidungen,  da  der  Artikel  sehr  dicht 
und  dauerhaft. 

Draps  croises  double  broches  sind  wollene  Köpertuche ,  die  besonders 
in  der  ehemaligen  Dauphine  gewebt  werden. 

Draps  d'Abbeville,  Tuche  aus  Abbeville  gehören  sowohl  ihrer  Webart,  als 
auch  der  dauerhaften  Farbe  und  der  Appretur  wegen  zu  den  besten  fran- 
zösischen Fabrikaten  ihrer  Art;  die  Draps  fins  werden  ganz  aus  spanischer 
Leonesawolle  gewebt  und  mit  einem  blauen  Sahlbande  und  vier  Aurorafäden 
bezeichnet;  auch  ist  gewöhnlich  der  Name  des  Fabrikanten  eingestickt. 

Draps  d'A  1 1  i  a  n  c  e ,  eine  früher  gebräuchliche  Sorte  geflammter  Tuche,  welche 
in  Frankreich  und  Deutschland  gemacht  wurden. 

Draps  d'Amiens,  feine  Tuche  aus  den  Manufakturen  von  A. 

Drap  d'Andely,  franz.  Tuche  und  verwandte  Zeuge,  die  in  der  Normanäie 
gewebt  werden;  es  sind  teils  sehr  feine,  aber  auch  Halbtuche,  welche  auf 
englische  Art  gefertigt  und  zugerichtet  werden. 

Draps  d'argent  s.  ßrokatstoffe. 

Draps  de  baye  oder  boye  nennen  die  Franzosen  einen  schwarzen  fest- 
geschlagenen und  dichtgewalkten  Wollenstoff,  welcher  stark  gerauht,  nur 
wenig  geschoren  wird  und  wenig  Presse  erhält,  daher  ein  rauhes,  langhaariges 
Aussehen  hat  und  nur  zu  Trauerkleidern  verbraucht  wird. 

Draps    de  Berry    oder  Double  breche  sind  geköperte,   dicht  geschlagene 


Draps  de  Chateaux  roux — Draps  de  Sedan.  161 

und  festgewalkte  Halbtuche  oder  auch  eine  Art  Doppel-Casimir,  von  ver- 
schiedener Feinheit,  welche  vornehmlich  zu  Frauenüberröcken  und  Sommer- 
kleidern verbraucht  werden. 

Draps  de  Chateau  roux,  auch  Draps  de  chateau  du  Parc  genannt ,  nach 
gleichnamiger  Stadt  benannt,  sind  wegen  ihrer  Güte  und  ihrer  Dauerhaftig- 
keit sehr  geschätzt,  die  feinste  Sorte  (du  Parc)  ist  ganz  aus  spanischer  Wolle 
und  nach  Art  der  Tuche  von  Sedan  und  Elbeuf  gewebt. 

Draps  de  coton,  ein  brauner  wollener  Stoff  aus  Troyes. 

Draps  de  dames  sind  locker  gewebte  und  leicht  gewalkte  Tuche  aus  feiner 
zweischuriger  Wolle  und  feinem  Gespinst,  welches  zur  Kette  fest  und  links 
gedreht,  zum  Einschlag  aber  locker  und  rechts  gedreht,  genommen  wird. 
Früher  wurde  dieser  Artikel  nur  in  schwarzer  Farbe  zu  Trauerkleidern  ver- 
kauft. 

Drap  d'Elbeuf,  feine  Wollentuche  aus  der  Stadt  gleichen  Namens ;  sie  werden 
aus  drei  Teilen  spanischer,  mit  einem  Teil  Wolle  aus  Portugal,  Roussillon 
und  ßerry  vermischt,  gewebt,  auf  holländische  Art  appretiert.  Die  meisten 
dieser  Tuche  werden  in  Frankreich  selbst  verbraucht. 

Drap  d'Ete  ist  ein  Stoff  von  weichem  Garn,  der  in  Gera  gefertigt  wird. 

Draps  d'Evreux,  aus  den  gleichnamigen  Manufakturen,  nach  Art  der  von 
Louviers  gewebt  und  appretiert,  von  welchen  sie  sich  nur  durch  eine  blaue 
Sahlleiste  mit  weissem  Band  unterscheiden. 

Draps  de  Gobelins  nennt  man  in  Frankreich  die  feinsten  Scharlachtuche, 
welche  ehedem  in  den  vornehmsten  Tuchmanufakturen  zu  Sedan,  Louviers, 
Abbeville,  sowie  in  der  Gobelinfabrik  zu  Paris  aus  ganz  feiner  spanischer 
Wolle  gefertigt  wurden  und  vor  Zeiten  in  Menge  nach  England,  Italien  und 
Spanien  gingen. 

Draps  de  gros  bureau  sind  grobe  schwarze,  weisse  oder  graue  französische 
Tuche,  die  zur  Kleidung  der  Landleute  gebraucht  werden. 

Draps  des  hommes,  eigentlich  Drap  pour  homme,  schwarze  wollene  Tuche, 
die  den  Draps  de  dames  gleichen,  aber  gröber  sind,  und  den  Männern  zur 
Trauerkleidung  dienen.  / 

Draps  de  Juliemes  nennt  man  alle  Tuche  und  ähnliche  Stoffe,  die  in  den 
Gobelins  zu  Paris  verfertigt  werden. 

Draps  deLanguedoc.  Die  ehemalige  Prov.  L.,  welche  jetzt  die  Departements 
Ardeche,  Aude,  Gard,  Haute-Garonne,  Lozere,  Herault  und  Tarn  ausmacht, 
hat  sehr  wichtige  W^ollenmanufakturen,  von  welchen  besonders  die  Tuche  einen 
sehr  starken.  Absatz  nach  der  Levante,  nach  der  Berberei,  nach  Italien,  Spanien, 
Westindien  und  Amerika  haben.  Die  gangbarsten  unterscheidet  man  durch 
folgende  Namen:  Mahouds,  Londrines,  Seizaines  und  Nimes,  die  sich  durch 
Wolle,  Breite  und  Aufmachung  voneinander  unterscheiden. 

Draps  de  Louviers,  sehr  feine  französische  Tuche  aus  L.,  welche  denen  von 
Abbeville  gleichkommen  und  sich  durch  vorzügliche  Güte,  Dauerhaftigkeit 
und  schöne  Appretur  auszeichnen;  sie  werden  ganz  aus  spanischer  Segovia- 
Leonesawolle  gewebt  und  durchgängig  in  der  Wolle  gefärbt;  jedes  Stück  ist 
auf  beiden  Enden  mit  dem  Namen  des  Fabrikanten  und  der  Stadt  Louviers 
bezeichnet,  welche  dort  vor  der  Walke  des  Tuches  eingestickt  werden.  Die 
gelben  Leisten  der  Sahlbänder  haben  blaue  Streifen;  auf  alles  dieses,  sowie 
auf  den  Bleistempel,  welcher  auf  der  einen  Seite  die  Inschrift  Bureau  de 
Louviers,  Manufacture  reglee,  auf  der  anderen  Seite  das  Wappen  enthält, 
und  den  ganzen  Stücken  angehängt  wird,  ist  beim  Einkauf  genau  zu  achten, 
weil  andere  Fabrikanten  die  Louvierstuche  nachmachen  und  den  Namen 
Louviers  und  den  eines  bekannten  Manufakturisten  in  schon  gewalkte  und 
appretierte  Stücke  sticken  lassen. 

Drap  monstre,  engl.  Hammercloth ,  besonders  starke  und  dichtgewebte  und 
gewalkte  Tuche  zum  Ueberziehen  der  Fortepiano- Hämmerchen  als  Ersatz  der 
BelederuDg.     Aachener  Tuchfabriken  liefern  dieselbe  Ware. 

Draps  de  Montagne  sind  gemeine  französische  Tuche,  die  besonders  um 
Limour  gewebt  und  auf  den  Messen  zu  Beaucaire,  Pezenas  und  Bourdeaux 
abgesetzt  werden.  Das  meiste  davon  wird  in  verschiedenen  Gegenden  der 
ehemaligen  Provence  und  nach  Italien  ausgeführt. 

Draps  de  Sedan,  feine  französische  Tuche  aus  Sedan,  in  verschiedenen  Sorten, 
jedoch  alle  aus  feiner ,  spanischer  Wolle  auf  holländische  Art  gearbeitet  und 
appretiert.  Die  schwarzen  Tuche  von  Sedan  gehören,  sowohl  in  Rücksicht 
aut  die  Farbe,  als  auf  ihre  Dauerhaftigkeit,  zu  den  vollkommensten  Geweben 
dieser  Art;    man  verfährt  aber  auch  beim  Färben  mit  der  grössten  Vorsicht 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  .  II 


162  Draps  de  Silesie — Dreipass. 


und  kein  Stück  darf  verkauft  werden,  ehe  es  bei  der  Schauanstalt  aufs  ge- 
naueste untersucht  ist;  dies  gilt  auch  z.  T.  von  scharlachroten  und  blauen 
Tuchen,  welche  vormals,  wie  die  schwarzen,  häufig  nach  England  gingen. 
In  Schwarz,  Scharlachrot  und  Königsblau  hatten  überhaupt  vor  der  ersten 
Revolution  die  französischen  Tuche  einen  entschiedenen  Vorzug  vor  den  eng- 
lischen und  den  deutschen,  was  lange  aufgehört  hat. 
Draps  de  Silesie  sind  französische  Tuche,  die  den  schlesischen  nachgemacht 
werden.  Abbeville,  Rheims  und  umliegende  Ortschaften  liefern  diese  Ware. 
Drap  deSoie;  unter  dieser  allgemeinen  Benennung  begreift  man  meistens  alle 
schweren ,  in  der  Regel  geköperten  Seidenzenge  und  Armüren ,  welche  zu 
Kleiderstoöen  getragen  und  in  sehr  grosser  Mannigfaltigkeit  gefertio^t  werden, 
wenngleich  ihr  Verbrauch  durch  wollene  und  baumwollene  Stoffe  sie  ver- 
drängt haben.  Die  gewöhnhchsten  dieser  Draps  de  Soie  sind  Cote  satinee, 
Royale,  Serge  de  Rome,  Croisee  u.  s.  w. ;  auch  hierin  erscheinen  fortwährend 
neue  Artikel  unter  den  willkürlichstenBenennungen,  meistens  in  schwarzen  Stoffen. 
Draps  de   Vire,  eine  Art  geringer  Tuche,  die  in  Vire  in  der  ehemaligen  Nor- 

mandie  gemacht  werden. 
Draps  de  Wilton  sind  feine  englische  Tuche. 
Draps  petits,  petit  Draperie  s.  Draps. 
Drapier-Wolle,    im  holländischen  Handel  die  einschürige  Schafwolle,    welche 

zu  Tuchen  und  ähnlichen  Zeugen  dient. 
DrappO;  Drappi  heissen  in  Italien  die  wollenen  Tuche,  welche  zu  San  Severino, 

Pergola,  Narni,  Norcia,  Fabriano  u.  s.  w.  gewebt  werden. 
Drappi  di  seta  sind  in  Italien  allerlei  seidene  Zeuge. 

Drappi  spolinati  heissen  daselbst  broschierte  seidene  Stoffe  mit  echtem  Gold 

und  Silber  durchschossen,  bei  welchen  die  Kette  von  Organsinseide,  der  Schuss 

von  Trameseide  gemacht  wird ;  man  macht  sie  vorzüglich  zu  Neapel,  Venedig 

und  Messina. 

Drap  de  faim,    (franz.)    Hungertuch,    Fastentuch    (s.    d.);     d.   mortuaire 

(franz.),  Leichentuch. 

Draperie  (franz.),  (engl. :  drapery) ;  eine  Dekoration,   s.  Innendekoration. 
Drapieren,    (franz.),    mit  Stoffen    bekleiden,    Gewänder    künstlerisch    in 
Falten  legen. 

Draw-Boys,  ein  geköperter,  fagonierter  Wollenstoff,  eine  Sorte  geblümter 
Lasting  aus  den  Manufakturen  von  Yorkshire. 

Drebach,  Dorf  in  Sachsen  bei  Chemnitz :  Fabrikation  von  Spitzen  und 
Strumpfwaren. 

Dreget,  Sammetmesser  oder  Sammethaken,  ein  messerartiges  Werkzeug 
zum  Aufschneiden  der  Sammetmaschen  zur  Herstellung  des  geschnittenen  oder 
gerissenen  Sammets. 

Dreiband,  Driband,  s.  Flachs. 

Dreibindig  heisst  ein  Köpergewebe,  wenn  der  Einschlagfaden  unter  zwei 
Kettenfäden  hinweg  und  erst  über  den  dritten  hinwegläuft  (s.  Tafel  XY  und 
Artikel  „Bindungen"). 

Dreichorig  heisst  ein  gemusterter  Stoff,  dessen  Muster  durch  drei  ver- 
schiedene Figuren  gebildet  wird. 

Dreidraht  nennt  man  in  einigen  Gegenden  Deutschlands  die  geköperten 
flächsenen  oder  hänfenen  Zwilliche,  welche  mit  vier  Schäften  einfach,  ohne 
Muster,  gewebt  werden. 

Dreikronentücher,  heisst  eine  Sorte  mittelfeiner,  lockergewebter  und 
leichtgewalkter  Tuche,  welche  von  den  niederländischen,  sächsischen  und  böh- 
mischen Tuchfabriken  für  den  levantiner  Handel,  mit  weiss  und  blauen  Sahl- 
leisten,  meistens  in  hellen  Farben  verfertigt  werden.  Es  ist  eine  Gattung 
dicker  Mahouds,  gewöhnlich  aus  zweischüriger  Wolle,  im  Stücke  gefärbt,'^  auf 
dem  Spiegel  mit  drei  Kronen  in  Gold  oder  Seide  gezeichnet,  auf  dem  Blei- 
stempel gleichfalls  drei  Kronen  führend. 

Dreipass,  (franz. :  tierce-feuille,  rond-trefle ;  engl. :  round  trefoil,  clover), 
im  gothischen  Stil  drei  um  ein  gleichseitiges  Dreieck  gelegte  Dreiviertelkreise, 
die  in  einen  grossen  Kreis  gestellt  sind  und  dessen  Halbmesser  zum  Durch- 
messer haben.  Besteht  die  Figur  aus  vier  Bogen  und  vier  Ecken,  so  heisst 
sie  Vierpass.     Vergl.  den  Artikel  Passfelder  im  Stoffmuster. 


Dreischneuss — Droguet.  163 


Dreischneuss,  eine  gotische  Rosette,  die  aus  drei  in  einem  Kreis  neben- 
einander liegenden  Fischblasen  besteht. 

Dreissiger  nennt  man  die  wollenen  Tuche,  deren  Kette  aus  hundertmal 
30,  oder  überhaupt  aus  3000  Fäden  besteht. 

Drell,  Drill,  Drillich,  Zwillich,  (franz. :  treilhs ;  engl. :  drill) ,  hiessen  ur- 
sprünglich alle  gemusterten  Leinengewebe,  welche  mit  Trillen  (ohne  Zugstuhl 
und  Jacquardmaschine)  hergestellt  wurden.  Die  Muster  sind  einfach  und  klein 
und  durch  Köperbindung  erzielt.  Jetzt  benutzt  man  die  kleine  Jacquardein- 
richtung, wodurch  eine  an  Damast  erinnernde  Zeichnung  ermöglicht  wird. 
Der  Unterschied  von  Drillich  und  Zwillich  besteht  darin,  dass  ersterer  nur 
glatten,  fortlaufenden,  vierschäftigen  Köper  ohne  Muster  hat,  letzterer  gemus- 
tert und  mit  soviel  Schäften  gewebt  ist,  als  die  Grösse  der  Muster  erfordert. 
Die  D.  werden  aus  Leinen,  oder  aus  Leinen  und  Hanf,  jetzt  am  meisten  aus 
Leinen  und  Baumwolle  gemacht  und  kommen  in  verschiedenem  Zustande  in 
den  Handel,  sind  entweder  roh  oder  weiss  gebleicht,  durch  Hinzunahme  far- 
bigen Grarns  gestreift,  quadrilliert,  meliert  u.  s.  w.  Im  allgemeinen  ist  D.  ein 
dreibindiger  Köper,  auf  dessen  rechter  Seite  zwei  Drittel  der  besonders  faden- 
reichen Kette  sichtbar  sind.  Man  unterscheidet  Sackdrillich,  ein  grober 
ungebleichter,  drei-  oder  vierbindiger  Köper;  Bettdrillich,  gebleicht  oder 
ungebleicht,  bald  in  der  Art  des  fünfschäfrigen  Atlasses  gewebt  (Atlas-D.), 
bald  mit  Köperstreifen;  Tischdrell,  verschiedenartig  geköpert  oder  atlasartig 
gewebt;  Schachung  mit  schachbrettförmigen  Mustern,  sogen.  Steinmustern; 
Handtuchdrell,  meist  mit  Steinmustern  in  vierbindigem  Köper  (Zwillich- 
grund) oder  fünfschäftigem  Atlas,  auch  gestreift  oder  mit  allerlei  kleinen 
Mustern.  Ausserdem  nennt  man  D.  auf  zahlreiche  Arten  in  der  Kette  Baum- 
wolle, im  Einschlag  aus  Leinengarn  b^tehender  oder  auch  ganz  baumwollener 
Zeuge,  die  statt  leinenem  D.  zu  Tafelzeug,  Bettzeugen  u.  s.  w.  Verwendung 
finden.  Während  früher  die  Fabrikation  von  Drell  einen  besonderen  Zweig 
des  Webereihandwerks  bildete,  wird  sie  gegenwärtig  fast  nur  noch  im  Grossen, 
mit  Hilfe  von  Maschinen  ausgeführt. 

Dresden.  Das  Königl.  Kunstgewerbemuseum,  gegründet  1875  (Direktor: 
Geh.  Hofrat  Prof.  C.  Graff;  Yorst. :  Prof.  Dr.  Berling),  enthält  eine  be- 
deutende Sammlung  von  Geweben,  Stickereien,  Spitzen  und  Teppichen  aller 
Zeiten  und  Völker.  Die  hiermit  in  Verbindung  stehende  Königl.  Kunstgewerbe- 
schule (Direktion  wie  vorher)  legt  besonderes  Gewicht  darauf,  Musterzeichner 
für    die  Textilkunstindustrie  auszubilden.     (Semester  30  M.,  Ausländer  45  M.) 

Dressingmaschine,  eine  Art  Kämmmaschine  zur  Zubereitung  von  Florett- 
seide; in  der  Tuchfabrikation  Bürstmaschine  zum  Aufstellen  der  Fasern  vor 
dem  Scheren. 

Drieband,  s.  Flachs. 

Driesen,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Frankfurt  in  der  Neumark:  Tuch- 
und  Leinwandfabrikation. 

Driffield,  Ort  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Fabrikation  von  Baumwoll- 
und  Seidenwaren. 

Drill,  s.  V.  w.  Drell  (s.  d.). 

Drillich,  s.  v.  w.  Drell  (s.  d.). 

Drogheda,  Stadt  in  den  irischen  Grafschaften  South  und  Meath :  Flachs- 
spinnereien, eine  grosse  Baumwollfabrik. 

Droghetto,  in  Italien  der  Basch  und  Halbrasch,  welcher  aus  Deutsch- 
land, besonders  aus  Schlesien,  dem  Glazischen  und  aus  Mähren  bezogen  wird. 

Droguet  ist  der  allgemeine  Name  mehrerer  Gattungen  gemusterter  oder 
figurierter  Stoffe,  welche  teils  ganz  aus  Seide,  oder  halb  aus  Seide  und  halb 
aus  Baumwolle,  teils  ganz  aus  Schafwolle,  oder  von  Leinen,  von  Baumwolle 
und  Schafwolle,  geköpert  und  leinwandartig  in  Frankreich,  England,  Holland, 
Deutschland  und  in  der  Schweiz,  in  grosser  Menge  und  Verschiedenheit  ge- 
fertigt werden.  Demnach  ist  D.  ein  unendlich  weitschichtiger  Begriff,  unter 
den' sich  eine  grosse  Menge  von  Stoffen,  z.  B.  die  ganze  Fülle  der  gemischten 
Zeuge  einordnen  lassen. 


164  Dromore — Düffel. 


Dromore,  Stadt  in  der  irischen  G-rafschaft  Down:  Fabrikation  von 
Leinen  und  gestickten  Musselinen. 

Drosin,  ein  holländischer  Burat,  im  Volksmunde  einiger  Gegenden  auch 
Klütjenstoff  genannt,  welcher  häufig  von  den  Mennoniten  getragen  wird.  Die 
Blankeneser  unterhalb  Hamburgs  nennen  es  Wiederschall,  d.  i.  Wiederschein. 
Der  bunte  D.  heisst  holländisch  Monk. 

Drosselstuhl  ist  in  der  Spinnerei  eine  Watermaschine,  (Feinspinnmaschine). 

Drossen,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Frankfurt :  Wollspinnerei  und  Tuch- 
fabrikation. 

Drouero,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Cuneo:  Seidenbau,  Leinenweberei. 

Droylsden,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  Kattunweberei, 
Baumwollspinnerei  und  Färberei. 

Druckblau,  Handelsbezeichnung  für  einige  Induline,  d.  s.  Farben  für 
Zeugdruck. 

Drucken,  s.  Zeugdruck. 

Druckleinwand,  leicht  und  locker  gewebte  Leinenzeuge  für  den  Druck 
bestimmt,  die  auch  unter  dem  Namen  Druckschleier  in  den  Handel  kommen. 
Im  allgemeinen  jede  Leinwand,  die  kattunartig  mit  bunten  Farben  auf  dunkel- 
blauem Grunde  gedruckt  werden  soll.  Sie  wird  in  allen  Gegenden  Deutsch- 
lands gefertigt  und  auch  gedruckt. 

Druckstoffe,  s.  Zeugdruck. 

Druckwalke,  auch  Kurbelwalke,  jene  Art  der  in  der  Tuchfabrikation 
zum  Verfilzen  des  Loden  verwendeten,  Walken  genannten  Vorrichtungen,  bei 
welchem  die  Bewegung  von  einer  Kurbel  ausgeht  und  daher  ein  Druck  anstatt 
eines  Stosses  ausgeübt  wird. 

Dschabalpur,  Hauptstadt  des  Distrikts  D.  im  indobrit.  Reich:  bedeu- 
tende Baumwoll-  und  Teppichwebereien. 

Dschaipur,  Hauptstadt  des  Fürstentums  D.  im  indobrit.  Beich:  Mus- 
selin- und  Kattunfabrikation. 

Dschanemaz,  persischer  Name  für  den  Gebetteppich  (s.  d.). 

Dschedim,  gewöhnlicher  Kilim;  er  besteht  aus  schmalen,  gewirkten 
Streifen,  die  zusammengenäht  sind. 

Dschouschegan ,  Ort,  welcher  südwestlich  von  Kaschau  in  Kleinasien 
gelegen  ist ,  in  welchem  ehemals  Knüpfteppiche  erzeugt  wurden ,  welche  den 
besten  aus  Teheran  ähneln  (s.  d.).  Sie  stammen  aus  dem  Ende  des  18.  und 
Anfang  des  19.  Jahrh.  Ende  der  40er  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  ist 
D.  zu  Grunde  gerichtet. 

Dschubbe  (arab.),  das  aus  Tuch  oder  Wollstoff  angefertigte  Obergewand 
des  orientalischen  Mannes.  Es  wird  vorn  offen  getragen,  hat  enge,  nicht  ganz  an 
das  Handgelenk  reichende  Aermel,  aus  dem  die  Aermel  des  Unterkleides  Entari 
(s.  d.)  hervorragen,  und  reicht  bis  zu  den  Knöcheln  herab.  In  Syrien  ist  D. 
heute  ein  bis  auf  die  Füsse  herabreichender  europäischer  Mantel  mit  weiten  Aermeln. 

Dschujnabe  werden  in  Zentralasien  Knüpfteppiche  aus  Turkmenen  genannt. 

Dschut,  s.  V.  w.  Jute  (s.  d.). 

Dubliertes  Garn,  s.  Zwirn. 

Dublin,  Hauptstadt  von  Irland:  Leinenindustrie. 

Duchessespitzen ,  viel  in  den  Niederlanden,  besonders  in  Brügge  her- 
gestellte Spitzen,  deren  Figuren  einzeln  geklöppelt,  dann  mittels  picots- 
geschmückten  brides  zusammengesetzt  sind  und  deren  Grund  stellenweise  mit 
der  Nadel  ausgearbeitet  (s.  Spitzen).  ^ 

Duck  (engl.),  s.  Segeltuch. 

Duderstadt,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Hildesheim:  Fabrikation  von 
Flanell,  Woll-  und  Baumwollstoffen. 

Düffel,  Tüffel  (Sibisienne),  ein  dicker,  langhaariger  und  ungeschorener 
Wollenstoff,  eigentlich  eine  gewöhnliche  Sorte  Kalmuck,  von  welchem  er  sich 
nur  durch  etwas  kürzere  Haare  unterscheidet;  derselbe  wird  tuchartig  glatt, 
wie  auch  geköpert  gewebt  und  erhält  durch  eine  besondere  Appretur  eine 
glänzende  Oberfläche.     Der  Stoff  wird    in  England   und  Deutschland  gefertigt. 


Duisburg — Durchzug.  165 


Duisburg,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Düsseldorf:  Baumwollspinnereien 
und  Webereien,  Gazestofffabrikation,  Färbereien. 

Dukinfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Chester:  Baumwollspinnereien. 

Dukla,  Stadt  in  Galizien:  Tuch-  und  Leinwandfabrikation. 

Dulbend  (pers.)  oder  Tülbend,  Tüllbund,  der  Turbanbund,  ein  Streifen 
baumwollnen  oder  seidenen  Zeuges,  das  im  Orient  um  die  tassenförmige  filzene 
Kopfbedeckung,  die  Kappe  (Kank)  der  Männer  gewunden,  dieser  die  Turban- 
gestalt gibt.  Die  Dulbendmacher  (Dulbendschian)  stehen  unter  dem  Patronate 
des  Propheten,  welcher  vor  seiner  Verheiratung  in  Syrien  mit  D.  handelte. 
Grösse  und  Farbe  des  D.  bezeichnen  den  Unterschied  der  Stände,  doch  kommt 
derselbe  nach  Einführung  des  Fes  (s.  d.)  immer  mehr  ab. 

Dülken,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabrikation  von  Seiden- 
und  Sammetwaren,  Plüsch,  Zwirn  und  Leinenwaren;  Flachsspinnereien,  Baum- 
wollspinnereien, Färbereien  und  Appreturen. 

Dülmen,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster  in  Westfalen:  Leinwand- 
fabriken, Färbereien. 

Dumbarton,  Hauptstadt  der  schottischen  Grafschaft  D.:  Kattundruckereien, 
Bleichen. 

Dumfries,  Hauptstadt  der  schottischen  Grafschaft  D.:  Woll-  und  Strumpf- 
warenfabrikation. 

Dundee,  Stadt  in  der  schottischen  Grafschaft  Forfar:  Hauptsitz  der 
Leinenindustrie  und  des  Leinwandhandels  von  Grossbritannien.  Es  beschäftigt 
in  seinen  Leinwand-,  Drillich-,  Segeltuch-,  Beuteltuch-  und  Sacktuchfabriken 
gegen  25000,  in  der  Juteweberei  über  20000  Arbeiter,  hat  Seilereien  und 
Strumpffabriken. 

Dündtelmaschine ,  sie  stellt  durch  Uebereinanderflechten  einzelner  ge- 
drehter einfacher  Garne  Schnüre  her  im  Gegensatz  zu  der  gewöhnlichen  Bildung 
eines  Fadens  oder  einer  Schnur  durch  Drehen  eines  parallel  gelegten  Fasern- 
bün^els  um  seine  gemeinschaftliche  Achse.  Sie  dient  zur  Herstellung  von 
Schnüren  für  den  Antrieb  der  Spindeln  an  Spindelmaschinen. 

Dungännon,  Stadt  in  der  irischen  Grafschaft  Tyrone:  Fabrikation  von 
Musseline  und  Leinen;  Flachshandel. 

Dünkirchen,  (Dunkerque),  Seestadt  im  franz.  Dep.  Nord:  erzeugte  im  An- 
fange des  18.  Jahrh.  geklöppelte  Sx^itzen,  die  in  Paris  unter  dem  Namen 
Malines  Absatz  fanden. 

Dunkles  Zeug,  die  Jagdtücher  im  Gegensatz  zu  den  Netzen,  dem 
lichten  Zeug, 

Dünnstoff,  Dünntuch,  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  für  weitläufig  ge- 
webte und  daher  durchsichtige  gazeartige  Stoffe  aus  ungekochter,  halbgekochter 
oder  gekochter  Seide;  dieselben  können  glatt,  broschiert,  fassonniert  oder  mit 
spitzenartigem  Dessin  sein.     Sie  haben  ihren  Ursprung  im  Orient, 

Dunstable,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Bedford:  Spitzenfabrikation. 

Dunsters  sind  englische  wollene  Tuche  aus  Sommertshire. 

Duplieren,  s.  Doublieren. 

Dupliermaschine,  s.  Spinnerei. 

Durances,  englische  wollene  Zeuge  von  verschiedener  Farbe,  die  beson- 
ders nach  Spanien  ausgeführt  werden. 

Durant  wird  in  einigen  Gegenden  der  Kalmank  (s.  d.)  genannt. 

Durantini,  in  Italien  die  Cadiszeuge,  welche  daselbst  häufig  aus  Frank- 
reich eingeführt  und  verbraucht  werden. 

Durchbrucharbeit  (franz.:  ä  jour;  engl.:  cage-work;  lat.:  diacoptus,  durch- 
brochen gearbeitet,  unterschnitten),  sie  entsteht  im  gewebten  Stoff  durch  Aus- 
ziehen, Ausschneiden  und  Umsticken  von  Fäden;  ihre  künstlerische  Nutzbar- 
machung geht  vom  frühesten  Altertum  mit  der  Weiss-  und  Leinenstickerei 
(s.  d.)  zusammen,  daher  ist  sie  als  Vorläufer  der  Spitzennäherei  anzusehen: 
point  coupe  (s.  a.  Hohlsaum). 

Durchschuss,  s.  v.  w.  Einschlag. 

Durchzug,  s.  V.  w.  Flachsstreckmaschine. 


166  Durham — Echarpes. 


Durham,  Haupstadt  der  engl.  Grrafschaft  D.:  Fabrikation  von  Teppichen. 

Dürois  (franz.),  Bezeichnung  eines  glatten  Stoffes  von  hartem  Kamm- 
garn, eine  Art  Tamis,  dicht  geschlagen  und  geglänzt,  der  früher  in  Amiens  ge- 
fertigt, viel  nach  Spanien  ging,  wo  er  zu  Sommermänteln  verwendet  wurde. 

Dursley,  Ort  in  der  engl.  Grafschaft  Grloucester:  Wollindustrie  und 
Tuchfabrikation. 

Durujeh,  Duruje  (persisch)  :=  zweigesichtig,  werden  in  Persien  die 
nach  Art  der  Kilims  doppelseitig  gemusterten  Teppiche  genannt. 

Dushawalla  wird  in  Ostindien  der  oberste  Shawlarbeiter  gienannt. 

Düsseldorf,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  preuss.  Keg.-Bez.:  Das  Kunst- 
gewerbemuseum, gegründet  1882,  vom  Zentral-(xewerbeverein  erhalten  (Dir. : 
Heinrich  Frauberger)  enthält  eine  bedeutende  Stoffsammlung,  worin  sich 
wertvolle  Gewebe  des  frühen  IVlittelalters  befinden.  Auch  sind  die  folgenden 
Perioden,  sowie  Stickereien,  Spitzen  und  Teppiche  aller  Zeiten  reichlich  ver- 
treten. Die  Sammlung  ist  grösstenteils  durch  den  verstorbenen  Kaplan  Dr.  Franz 
Bock  zusammengebracht. 

Dutsch-BIankets,  s.  Bettdecken. 

Duxer  Strümpfe,  feine  wollene  Strümpfe  von  zwei-,  drei-,  vier-  und 
mehrdrähtigem  Garn  aus  einschüriger  Wolle,  dicht  gewalkt,  meist  geschwefelt 
oder  blau  gefärbt,  gut  geschoren,  welche  die  Meisterschaften  zu  Dux,  Ober- 
leutersdorf,  Töpplitz,  Grauppen  und  an  mehrere u  in  diesem  Teile  Böhmens 
liegenden  Ortschaften  verfertigen.  Vorzüglich  schätzt  man  die  aus  Dux  selbst, 
weil  sie  sehr  fein  sind  und  den   englischen  Strümpfen  nichts  nachgeben. 

Dybäg,  s.  Dibadsch. 


East-London,  Hauptort  in  der  östlichen  Provinz  der  Kapkolonie:  der 
zweitgrösste  Weltausfuhrplatz  derselben. 

Eau  Ciaire,  Hauptstadt  im  nordwestlichen  Teile  des  nordamerikanischen 
Staates  Wisconsin:  Fabrikation  von  Leinen-  und  Baumwollwaren. 

Ebersbach,  1.  Dorf  in  Württemberg:  Baumwollweberei  und  Spinnerei, 
Tuchfabrik.  2.  Dorf  in  Sachsen:  bedeutende  Baumwollwarenfabrikation  (über 
1200  mechanische  Stühle  in  mehreren  Betrieben,  450  Handwebstühle  im  Orte 
und  800  ausserhalb) ;  Appreturanstalten. 

Ebingen,  Stadt  in  Württemberg:  Fabrikation  von  Baumwollsammet  und 
Trikotwaren. 

Eboutage  (franz.),  eine  Bezeichnung,  die  im  Anfang  des  18.  Jahrh.  für 
das  Ausbessern  der  Nadelspitze  üblich  war. 

Ebuat,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  St.  Gallen:  Baumwollwebereien  (nament- 
lich Taschen-  und  Kattuntücher),  Färbereien  und  Stickereien. 

Ecailles  (franz.  =  geschuppt) ,  bezeichnet  in  Brüsseler  Spitzen  des 
18.  Jahrh.  eine  Füllform  des  Grundes  in  Art  des  Schuppenmnsters ,  wonach 
dieselben  s.  Z.  genannt  wurden.  ^ 

Ecce  homo,  Darstellung  Christi  mit  der  Dornenkrone.  E.  h.  sind  die 
Worte,  die  Pilatus  dem  Volke  zuruft,  als  er  ihm  Jesus  mit  der  Dornenkrone 
zeigt.     Ev.  Joh.   19,  5.     Häufig  auf  kirchlichen  Stickereien  dargestellt. 

Eccles,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  Baumwollindustrie. 

Echantillon  (franz.),  Stoffmuster  ab  schnitt. 

Echarpes  (franz.),  kleine  Shawls  oder  Schärpen,  welche  in  Seide,  halbseiden ; 
Baumwolle,  Wolle,  einfarbig  oder  mit  eingewirkten  und  aufgedruckten  Mustern 
und  Kanten  getragen  werden;  ähnlich  sind  die  englischen  wollnen  Scarfs  (s.  d.). 


Ecija— Eichenseide.  167 


Ecija,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Sevilla  in  Andalusien :  Tuch-,  Flanell-, 
Leinen-,  Schleier-  und  Seidenwebereien. 

Ecrues  (franz.),  ältere  Bezeichnung  für  Blonden  (s.  d.). 

Ecruseide,  ist  Seide  in  unentbastetem  rohen  Zustande,  sei  es  als  Grrege, 
Trame,  Cordonnets  u.  s.  w. 

EdgingS  (engl.),  sind  auf  Bobbinnetmaschinen  gearbeitete  schmale  Ansatz- 
spitzen. 

Edredon,  Gewebe  aus  feinem  Streichgarn  in  dreibindigem  Köper,  dessen 
Schuss  stärker  als  die  Kette  ist. 

Eecloo,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Ostflandern:  Spitzenfabriken,  Plachs- 
und  Wollspinnereien. 

Effekt,  Wirkung,  in  der  Stoffmusterung  ein  Ausdruck  für  besonders 
durch  Technik,  Musterung  oder  Farbe  erzeugte  Schönheitswerte. 

Effektzwirn,  s.  Zwirn  (s.  a.  Brillantgarn). 

Effilure  (franz.),  die  Ausfaserung  des  Randes  eines  gewebten  Stoffes. 

Egalisierungstuch ,  in  Oesterreich-Ungarn  das  zur  Unterscheidung  der 
Regimenter  für  Kragen,  Aufschläge  u.  s.  w.  in  28  Farben  verwendete  Tuch. 

Eger,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutende  Fabrikation  von  Woll-,  Baumwoll- 
und  sonstigen  Webwaren. 

Egrenieren  heisst  die  Reinigung  des  Samenhaares  der  Fruchtkapseln 
von  Baumwollpflanzen,  welches  an  Ort  und  Stelle  der  Gewinnung  durch  Ma- 
schinen (Mühlen  oder  Egreniermaschinen:  Cotton  gin,  saw  gin)  geschieht.  Die 
Hauptteile  solcher  E. -Maschine  sind  ein  mit  Sägeblättern  besetzter  liegender 
Zylinder  und  ein  Kasten,  vorn  mit  eisernem  Rost,  zwischen  dessen  ßtäbe  die 
Blätter  greifen,  die  Baumwolle  abstreichen  und  sie  dann  an  einem  Bürsten- 
zylinder wieder  abstreifen.  Jede  amerikanische  Baumwolle  ausser  Sea  Island 
wird  auf  der  sam  gin  egreniert.  Allein  da  die  Baumwolle,  wenn  sie  nicht 
gleich  der  Reinigung  unterworfen  wird,  bald  anfängt  zu  trocknen  und  dann 
fest  zusammenhängend,  sich  schwer  von  dem  Samen  trennt,  so  bleiben  ungeachtet 
der  E. -Maschine  immer  noch  viel  Samenkörner  zurück,  welche  nachher  durch 
Schlagen  der  Baumwolle  auf  Matten  entfernt  werden. 

Egyptienne,  veralteter  französischer  Stoff,  mit  Grosdetoursgrund  und 
schmalen  Atlasstreifen.  Man  gibt  diesen  Namen  auch  einem  Zeuge,  welches 
aus  Wolle,  Florettseide  und  Kamelhaar  gewebt  ist. 

Ehewappen,  s.  Heiratswappen. 

Ehewerken-Tuch  hiess  früher  in  Schwaben  eine  Art  Hausmacherleinen. 

Ehingen,  Amtsstadt  in  Württemberg:  Bleicherei;  Musselinstickerei. 

Ehrenfriedersdorf,  Stadt  in  Sachsen:  Fabrikation  von  Spitzen,  Posa- 
menten und  Strumpfwaren. 

Eibau,  Dorf  in  Sachsen:  mechanische  Webereien,  Färbereien  und 
Druckereien;  Appreturanstalten. 

Eibenstock,  Stadt  in  Sachsen:  Seiden-,  Tüll-  und  Mullstickerei  mittels 
der  Stickmaschinen,  sowie  Spitzenfabrikation  mittels  der  Näh-  und  Tambourier- 
nadel.  Letztere  wurde  1775  durch  Klara  Angermann  aus  Thorn  hier  eingeführt. 
Zweiganstalt  der  Königl.  sächs.  Industrieschule  zu  Plauen  i.  V. 

Eichenseide  ist  das  Produkt  einer  unter  dem  Namen  Antheraea  Pernyi 
bekannten  Seidenraupe  und  kommt  aus  jenem  Teile  Nordchinas,  von  welchem 
Tschifu  (Chefoo)  die  südöstlichste  Grenze  bildet.  Die  Eichenseide,  auch  chine- 
sische Tussahseide  genannt,  besonders  in  der  Provinz  Shantung  in  grossen 
Mengen  gewonnen,  wird  zum  Teil  ausgeführt,  teils  zur  Anfertigung  der 
„pongee"-Gewebe  verwendet.  In  Chefoo  besteht  ein  nach  europäischer  Art 
eingerichteter  Betrieb  zum  Haspeln  und  Zwirnen  der  für  den  Export  be- 
stimmten Eichenseide.  Shantung  stellt  jährlich  481280  kg  mulinierter  Eichen- 
seide her  und  gewinnt  im  ganzen  etwa  601  600  kg.  Ihrer  Herkunft  entsprechend 
werden  verschiedene  Arten  von  E.  unterschieden.  In  Japan  wird  die  Eichen- 
seide  von  der  Antheraea  Yamamay  (s.  d.)  erzeugt.  In  Europa  wurden  früher 
zahlreiche  Versuche  angestellt,  den  chinesischen  Eichenspinner  einzuführen,  so 
u.  a.  in  Italien  (A.  Fantoni)  Frankreich,  Spanien,  Belgien,  Oesterreich-Ungarn 


1 68  Eichenzweigwerk — Einhorn. 


und  Deutschland.  In  Reichenbach  (Schlesien)  wurden  in  letzterer  Zeit  auf 
40  Morgen  Eichenscliälwald  einige  Jahre  hindurch  sowohl  chinesische  wie 
japanische  Eichenspinner  gezüchtet,  welche  Gespinste  von  grosser  Weichheit 
und  Grleichmässiokeit  lieferten.  (Vgl.  Silbermann,  die  Seide;  Dresden  1897, 
Bd.  I,  303  ff.) 

Eichenzweigwerk  mit  Eicheln  kommt  in  italienischen  Stoffmustern  des 
17.  Jahrh.  häufig  vor  (s.  Streumuster);  das  Motiv  findet  auch  Aufnahme  im 
Bereiche  der  Leinenstickerei  (s.  d.)  und  in  Eiletarbeiten  der  E,enaissance  (vgl. 
Abb.  59)  wo  es  in  strenger  Stilisierung  zum  Ausdruck  gebracht  ist. 

Abbildung: 
59.    Originalaufnahme  aus  dem  Königl,  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart :  Borte, 
Durchzugarbeit    in   farbiger  Seide    auf  Filetgrund:    Darstellung   von    streng    stilisierten 
Eichenzweigen  mit  Blättern  und  Früchten.     Italien  Ende  16.  Jahrh. 

Abb.  59. 


Eiderdaunenstoffe.  Wirkwaren,  ganz  weich  appretierte  Flanelle;  auch 
allgemeine  Bezeichnung  für  leinenes  Inletzeug. 

Eierstab  (franz. :  goudron  ä  oves,  fusarolle ;  engl. :  eggmoulding),  auch  Eier- 
leiste, ist  eine  Bezeichnung  der  jonischen  Blattwelle,  die  ihre  Veranlassung  nur 
in  der  zufälligen  Aehnlichkeit  des  Hauptblattes  mit  einem  Ei  hat ;  ein  solches  ist 
keineswegs  als  das  ursprüngliche  Vorbild  dieser  Kunstform  anzusehen.  In  der 
griechischen  Kunst  wird  der  E.  gewöhnlich  plastisch  ausgeführt;  er  macht  sich 
aber  in  den  späteren  Zeiten  der  Benaissance  und  des  französischen  Klassizismus 
im  18.  Jahrh.  mit  der  Aufnahme  antiker  Elemente  auch  als  Flachmuster  in 
Begieitborten  bemerkbar,  die  bestimmt  sind,  nach  aussen  hin  kräftig  zu 
wirken.     (Vgl.  die  untere  Borte  in  Abb.  5.) 

Eilenburg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Merseburg:  Fabrikation  von  Tuch, 
Kattun,  Pique-  und  Webösen. 

Einbadfärberei,  Färben  von  Textilfasern  oder  Textilerzeugnissen  durch 
Eintauchen  in  die  fertige  Farbenflotte. 

Einbinden,  in  der  Weberei  die  Kettenfäden  durch  die  Schussfäden 
binden. 

Eindhoven,  Stadt  in  der  niederl.  Provinz  Nordbrabant:  Leinwand-, 
Damast-,  Tuch-,  Flanell-  und  Spitzenfabriken ;  reger  Handel  nach  Belgien. 

Eingekämmte  Ware  ist  Kulierwirkware,  in  welche  eine  Faserschicht ^als 
Futterdecke  eingewirkt  worden  ist. 

Einhorn  (griech. :  monokeros;  lat. :  unicornus ;  franz.:  licorne;  engl.: 
unicorn),  ein  fabelhaftes,  wildes,  unbändiges  Tier  von  Pferdegestalt,  welches  auf 
der  Mitte  der  Stirn  ein  gerades,  spitzes,  gewundenes  Hörn  als  mächtige  und 
gefährliche  Waffe  trägt.  Der  Grlaube  an  das  Vorhandensein  eines  solchen 
Tieres  war  schon  im  Altertum  sehr  verbreitet,  wo  es  besonders  in  ladien  und 
Persien  Gegenstand  symbolischer  Darstellung  gewesen  und  wohl  auch  mit  dem 
auf  frühmittelalterlichen    Greweben   vorkommenden    chinesischen    Khilin    (s.    d.) 


Einhubmaschine — Einkrimpen. 


169 


verwandt  ist.  Von  den  Christen  wurde  das  Einhorn  als  Bild  der  E,einheit, 
Keuschheit  und  Stärke  beibehalten,  weil  man  glaubte,  das  gew^altige,  unbezähm- 
bare Tier  (Hiob  39,  9  ff.)  lasse  sich  von  keinem  Jäger  einfangen ;  w^enn  es  aber 
eine  Jungfrau  sehe,  so  lege  es  sich  ruhig  in  deren  Schoss  und  schlafe  ein ;  so 
sei  auch  die  göttliche  Allmacht  im  Schoss  einer  Jungfrau  Mensch  geworden. 
In  dieser  Vorstellung  erscheint  daher  das  E.  noch  auf  kirchlichen  Stoffen,  Wand- 
teppichen und  Stickereien  bis  zum  Ende  des  15.  Jahrh.  in  Einzeldarstellungen 
mit  der  Jungfrau  Maria  oder  dem  Erzengel  Gabriel;  daneben  aber  kommt  die 
christliche  Anschauung  in  der  Szene  der  Einhornsj  agd  auf  Antependien  u.  s.  w. 
in  breiterer  Eorm  zur  Geltung.     (Ygh  Abb.  60.) 

Abb.  GO. 


Abbildung: 
60.    Darstellung   nach    einer   Photographie    (im   Xunsthandel) :    Teil    aus    einem 
"Wandteppich,    Gobelinarbeit    in  farbiger  WolJe,  darauf  Darstellung  der  heil.  Jungfrau 
mit   dem  Einhorn.     Original  in  den  Königl.  Sammlungen  zu  Madrid.     Flandern  Ende 
15.  Jahrh. 

Einhubmaschine,  Schaftmaschine,  bei  welcher  das  Messer  pro  Schuss 
einen  vollen  Hin-  und  Hergang  macht. 

Einkrimpen,  Einkrumpen,  Einkrumpfen,  auch  Krimpen,  Krimpfen, 
Krumpfen,  jene  Eigenschaft  der  aus  Wolle  hergestellten  Gew^ebe,  zufolge  welcher 


X70  Einläno-enstuhl — Eisengarn. 

dieselben  beim  Uebergange  aus  dem  feuchten  in  den  trockenen  Zustand  an 
Dimension  verlieren,  schrumpfen,  einschrumpfen  (s.  Tuchfabrikation). 

Einlängenstuhl  ist  ein  "Wirkstuhl  von  solcher  Breite,  dass  nur  ein  Waren- 
stück, z.  B.  eine  Strumpflänge,  auf  ihm  gearbeitet  werden  kann. 

Einlegstäbchen^  s.  Weberei. 

Einmennic,  im  deutschen  Mittelalter  das  von  einem  Manne  gewebte 
Tuch ;  bei  grösserer  Breite  hiess  es  Zweimennic ,  weil  zwei  Männer  am  Web- 
stuhl beschäftigt  waren. 

Einnädlig  wird  diejenige  Kulierwirkmaschine  genannt,  welche  nur  fallende 
Platinen  enthält,  also  beim  Kulieren  Schleifen  über  je  eine  Isladel  bildet. 

Einpassierung,  s.  v.  w.  Einzug, 

Einschiessen,  in  der  Weberei  den  Schussfaden  zwischen  den  Kettfäden 
hindurchführen:  daher  Einschluss,  Einschlag  oder  Schuss  eines  Gewebes. 

Einschlagapparat,  s.  Kammgarnspinnerei. 

Einschlägige  Leinwand  nennt  man  eine  nicht  dichte  Leinwand,  bei 
welcher  der  Weber  im  Weben  nur  einen  Schlag  mit  der  Lade  tut  zum  Unter- 
schied der  zweischlägigen  Leinwand. 

Einschlagseide,  s.  Zwirn. 

Einschliessen,  s.  Wirkerei. 

Einschürige  Wolle  ist  Wolle  von  Schafen,  die  nur  einmal  im  Jahre 
(um  Pfingsten)  geschoren  werden. 

Einschuss,  s.  v.  w.  Einschlag  oder  Kette  in  der  Weberei. 

Einschüttstoffe,  s.  Federleinen. 

Einspänen,  diejenige  beim  Pressen  des  Tuches  zur  Anwendung  gebrachte 
Arbeit,  durch  welche  zwischen  je  zwei  Lagen  des  zusammengefalteten,  zum 
Pressen  bestimmten  Gewebstückes  eine  sehr  glatte  Pappetafel,  der  sog.  Press- 
span, eingelegt  wird. 

Einspänmaschine,  eine  in  der  Tuchfabrikation  angewendete  Maschine, 
welche  das  sogen.  Einspänen,  das  bisher  grösstenteils  noch  der  Handarbeit  über- 
lassen ist,  durch  mechanische  Kraft  bewirkt. 

Einsprengmaschine  zum  oberflächlichen  oder  gründlichen  Benetzen  des 
Gewebstückes:  wird  für  einen  gewissen  Zeugdruckprozess  angewendet,  insbe- 
sondere für  die  verschiedensten  Handdruckartikel  und  für  das  Bedrucken  der 
Wolle  auf  der  Maschine ;  desgleichen  zur  Entwickeluug  der  Eigenschaften  der 
Appretur  leinener  und  baumwollener  Waren  durch  Zylinder,  Kalander,  Gau- 
frieren u.  s.  w. 

Eintrag,  s.  v.  w.   Schuss  eines  Gewebes. 

Einwalken  (Einlaufen),  in  der  Tuchfabrikation  diejenige  Erscheinung, 
welche  sich  beim  Verfilzen  der  Gewebe  (Walken)  durch  eine  Abnahme  der 
Breiten-  und  Längendimension  zu  erkennen  gibt  und  welche  gleichzeitig  als 
Mass  dieser  Arbeit  verwendet  wird. 

Einziehmesser,  s.  Weberei. 

Einziehwalze,   s.   Spinnerei. 

Einzug,  in  der  Weberei  das  Verfahren,  die  einzelnen  Kettfäden  in  die 
Augen  der  Geschirrlitzen  nach  einer  bestimmten,  für  die  verschiedenen  Ge- 
webebindungen aber  verschiedener  Ordnung  einzufädeln,  einzuziehen. 

Eipel,  Stadt  in  Böhmen:  zahlreiche  Leinenwarenfabriken,  grosse  Elachs- 
garn-  und  Jutespinnerei,  Zwirnfabrik  mit  Färberei  und  mechanische  Webereien. 

Eisenberg,  Stadt  des  Herzogtums  Sachsen-Altenburg:  Fabrikation  von 
Wollzeugen  und  Plüschwaren. 

Eisenbrod,  Stadt  in  Böhmen:  inihrer  Umgebung  grosse  Baumwollspinnereien. 

Eisenfilz,  aus  Wildwolle  hergestellter  Filz,  mit  hydraulischen  Pressen 
zusammengedrückt,  imprägniert  mit  Stearin,  Paraffin  und  mit  Chlorleim  be- 
handelt. Er  dient  als  Schalldämpfer  bei  Maschinen,  zur  Isolierung  und  als 
stark  abschwächende  Unterlagen. 

Eisengarn,  einfaches  oder  gezwirntes,  durch  ein  Appreturverfahren,  das 
sogen.    Lüstrieren  (s.   Garn),    mit    hohem  Glanz    versehenes  Baumwollgarn  von 


Eisfeld— Elemente.  171 


grosser  Festigkeit  des  Fadens.  Es  kommt  sowohl  gebleicht  als  verschieden  ge- 
färbt in  Strähnen,  auf  Spulen  oder  auf  Pappkästchen  gewickelt,  in  den  Handel, 
und  zum  Nähen,  aber  auch  in  der  AVeberei,  am  häufigsten  als  Kette,  verwendet. 

Eisfeld,  Stadt  im  Herzogtum  Sachsen-Meiningen :  AYoll-  und  Baumwoll- 
weberei; Flanell-  und  Tuchfabrikation. 

Eiswolle,  Bezeichnung  für  eine  zu  Strick-  und  Häkelarbeiten  verwendete 
Art  engl.  AVolle  von  langem,  glänzendem  Faden,  ähnlich  dem  Mohairgarn. 

Eitorf,  Dorf  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Köln:  Alizarinfabrik,  Türkischrot- 
färberei. Kammgarnspinnerei  und  Weberei. 

Eklipsmaschine,  Baumwollspinnmaschine,  bei  der  den  Faserbündeln  eine 
später  verschwindende  Drehung  erteilt  wird. 

Elastiks,  (franz.:  elastiques  ;  engl. :  elastics) ;  auch  Kaut  s  chukge  web  e 
genannt,  sind  leinene,  baumwollene,  wollene  oder  seidene  Gewebe,  die  entweder 
in  Kette  und  Einschlag  oder  meist  nur  in  der  Kette  Kautschukfäden  enthalten 
und  besonders  zu  Strumpfbändern,  Einsätzen  in  Halbstiefel,  Tragbändern 
(Hosenträgern)  u.  s.  w.  verwendet  werden.  Elastique  ist  auch  die  franzö- 
sische Bezeichnung  von  geköperten  Bock-  und  Hosenstoffen  aus  sehr  dehn- 
baren Streichwollzeugen. 

Elatsches,  leicht  gewürfelte,  ostindische  Zeuge,  reine  Baumwolle  und  Seide, 
welche  vormals  durch  die  Franzosen  aus  Pontichery  nach  Europa  gebracht  wurden. 

El  Baida  oder  la  Casa  blanca,  Erzeugungsort  der  gewirkten  marokka- 
nischen Teppiche :  Hambel  (s.  Marokko). 

Elberfeld,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf,  mit  Barmen  (s.  d.) 
bezüglich  ihrer  Industrie  auf  textilem  Gebiete  in  Deutschland  unerreicht. 
Baumwollene  Zeuge  wurden  hier  zuerst  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts 
gefertigt;  die  Seidenfabrikation  begann  durch  Einflüsse  französischer 
Einwanderer  im  Jahre  1760,  die  Türkisch rotfärberei  1784;  die  Man- 
schesterweberei 1807;  die  Kattundruckerei  1826.  Jetzt  ist  E.  der 
Hauptsitz  von  Baumwoll-,  AVoll-,  Seiden-,  und  aus  diesen  Stoffen  gemischten 
Waren:  glatte  seidene  und  halbseidene  Gewebe  und  Faconnes  für  Möbel,  wol- 
lene und  halbwollene  Kleiderstoffe,  Zanella  und  halbwollene  Konfektions stoffe  und 
aller  zum  Besatz  bestimmten  Knopfartikel ;  ferner  der  Kattundruckereien  und 
ihrer  den  Wollmarkt  beherrschenden  Erzeugnisse,  der  hoch  entwickelten  Webe- 
reien, Wirkereien,  Spinnereien,  der  Möbelstofffabriken,  Färbereien,  Appretur- 
anstalten. E.  ist  Sitz  der  3.  Sektion  der  Bheinisch- Westfälischen  Textil- 
Berufsgenossenschaft. 

Elberfelder  Leinwand  werden  im  allgemeinen  alle  die  im  Wuppertal 
angefertigten  Leinenzeuge  genannt,  welche  von  Elberfeld  nach  allen  Gegenden 
versandt  werden. 

Elbeuf,  Hauptstadt  im  Arrond.  Bouen  des  franz.  Depart.  Seine-Inferieure  : 
verdankt  ihre  Bedeutung  der  seit  Alters  her  dort  gepflegten  Tuchindustrie. 
Heut  bestehen  noch  Fabriken  in  Tuch  mit  91  Dampfmaschinen  von  1000 
Pferdestärken,  17  Färbereien  und  9  Wollspinnereien,  welche  jährlich  für  40 
bis  50  Mill.  Eres.  Wolle  verarbeiten,  Manufakturen  von  gewürfelten  Shawls 
und  von  verschiedenen  Modeartikeln.  E.  erzeugt  das  gebräuchlichste  Streich- 
garn.    Die  gesamte  Industrie  des  Ortes  liefert  jährlich  für  80 — 90  Mill.  Frcs. 

Electra,  moderne  Kleiderstoffe  aus  Baumwolle  mit  Seide. 

Elefant,  (Symbol  der  Beharrlichkeit,  Kraft  und  Stärke),  erscheint  als 
Stoffmuster  im  frühen  Mittelalter  auf  Geweben  des  Orients  und  wird  von  der 
byzantinischen  Kunst  übernommen  (s.  Abt.  4  auf  Tafel  I) ;  tritt  aber  in  der 
späteren  sarazenischen  Periode  selten  auf.  In  China  wird  der  E.  plastisch 
dargestellt  als  Träger  von  Leuchtern  und  Opfergeräten  und  in  gleicher  Nach- 
ahmung auf  schweren  Goldstickereien  grosser  Vorhänge  als  Musterung  ver- 
wertet.    (Vgl.  im  Artikel  China  die  Abb.  53.). 

Elefantes  sind  im  spanischen  und  mexikanischen  Handel  long  cloth, 
cotton  osnaburghs,  schwere  Domestiks. 

Elemente,  die  vier,  bisweilen  im  frühen  Mittelalter  als  alegorische  Ge- 
stalten: Zeugen  der  Kreuzigung  und  Verherrlichung  Christi  personifiziert  dar- 


3^72  Elfenbeinstickerei — Elsen. 


gestellt;  im  späteren  Mittelalter  auf  sarazenischen  Stoffen  in  symbolischer 
Ornamentik  aufgefasst,  ist  die  Burg  in  Bedeutung  der  Erde,  der  Adler  als 
Luft,  der  Drache  als  Feuer,  das  Wasser  als  solches  dargestellt. 

Elfenbeinstickerei  wird  in  neuerer  Zeit  eine  Technik  genannt,  die  ihren 
Ursprung  in  der  Nachahmung  der  genähten  venetianischen  Beliefspitzen  des 
17.  Jahrhunderts  hat  und  darin  besteht,  die  breiten  Bankenmuster  derselben 
aus  aufgenähtem  gewebtem  Leinenband  und  damit  vereinigten  Spitzenstichen 
auf  einem  farbigen  Seidengrund  nachzuahmen.  Die  Art  und  Weise  dieser 
Kunststickerei  wurde  im  17.  Jahrhundert,  fast  gleichzeitig  mit  dem  apäteren 
point  de  Yenise,  in  Deutschland  geübt:  (vgl.  Aufnäharbeit  und  die  Abb.  11 
auf  Tafel  IX). 

Elisabethstil,  die  in  England  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth  gebräuchlich 
gewesene  Bauweise,  ca.  1530 — 1600.  Dieser  Stil  charakterisiert  sich  durch 
ein  Vermischen  der  gotischen  Bauweise  mit  den  Formen  der  Benaissance,  ein 
Vorgang,  der  sich  in  ähnlicher  Weise  namentlich  in  Deutschland  (die  sogen, 
deutsche  Benaissance),  Holland  und  Dänemark  vollzog,  dennoch  aber  überall 
in  anderen  Erscheinungsformen  sich  äusserte.  Die  Textilkunst  lässt  derselbe 
ziemlich  unberührt. 

Elkhart,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Indiana:   Strickwarenfabriken. 

Eiland,  Stadt  in  der  engl.   Grafschaft  York:  Wollindustrie. 

Elmshorn,  Stadt  im  Beg.-Bez.  Schleswig:  mechanische  Lein-  und  Baum- 
wollweberei. 

Elsasser  Stoffarten,  Bezeichnung  für  die  verschiedensten  Arten  von 
Leinen,  Baumwollen-  und  anderen  Weisswarenstoffen. 

Elsass-Lothringen,  deutsches  Beichsland,  wird  hinsichtlich  der  gewerb- 
lichen Tätiorkeit  nur  von  wenigen  Staaten  des  deutschen  Beiches  übertroffen. 
Die  Textilindustrie  beschäftigt  nahezu  ein  Drittel  aller  Gewerbetätigen:  das 
sind  nach  der  Gewerbezählung  vom  Jahre  1895  rund  10  300  Betriebe  mit 
105  326  Bersonen,  dazu  kommen  in  dei  Hausindustrie  tätige  Arbeiter  und  Ar- 
beiterinnen:  2372  in  Weberei  (einschliesslich  Bandweberei)  2114  in  Xäherei 
und  Schneiderei,  860  in  Häkelei  und  Stickerei. 

Die  Haupt  sitze  der  Textilindustrie  sind  Mülhausen,  Colmar, 
die  Täler  der  Thur,  der  Lauch,  der  Fecht,  der  Leber,  deren  künstlich  gere- 
gelte Wasserkraft  Fabrikzwecken  dienstbar  gemacht  ist;  im  Fnterelsass  beson- 
ders das  Breuschtal. 

Die  Baumwollindustrie  ist  der  ausgedehnteste  Gewerbszweig  des 
Beichslandes.  Im  Oberelsass  gelangte  das  Gewerbe  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts zu  Bedeutung.  Aus  der  Herstellung  bedruckter  Baumwollenzeuge 
(Indienne)  entwickelte  sich  die  Baumwollweberei  (erster  fabrikmässiger  Betrieb 
1750  in  Sennheim;  erste  mechanische  Weberei  1821),  die  Baumwollspinnerei 
(erste  Fabrik  1803  in  Wesserling),  Färberei.  Baumwollweberei  findet  sich  als 
Fabrikbetrieb  hauptsächlich  in  Mülhausen,  als  Hausindustrie  namentlich  im 
ITnterelsass. 

Die  Wollindustrie  ist  gleichfalls  bemerkenswert  und  hat  den  Haupt- 
sitz im  L'nterelsass  (Tuchfabriken  von  Bischweiler),  die  Kammgarnspinnerei 
im  Oberelsass  (Mülhausen  und  Malmersbach) ;  die  Garnweberei  beschäftigt  mehr 
Arbeiter  im  TJnterelsass.  Wollfärberei,  -Druckerei  und  -Appretur  findet  sich 
ausschliesslich  im  Oberelsass. 

Von  der  Leinenindustrie  wird  Flachsspinnerei  hauptsächlich  in 
grösseren  Unternehmungen  (im  Oberelsass),  Weberei  viel  im  lOeinen  als  Haus- 
industrie (namentlich  in  Lothringen)  betrieben. 

Seidenspinnereien  sind  nur  im  Oberelsass,  grössere  Seidenwebereien 
daselbst  und  in  Lothringen.    Seidenplüschfabriken  inBüttlingen  und  Saargemünd. 

Literatur:  Kraus,  Kunst  und  Altertum  in  Elsass-Lothringen  (2  Bde. 
ebd.  1876  u.  1884).  —  Meyer,  G..  Elsass  und  Lothriugen,  eine  volkswirtschaft- 
liche Studie,  Bielefeld  1870. 

Elsen,  Dorf  im  preuss.  Beg-Bez.  Düsseldorf:  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei. 


Elstra — Empirestil. 


173 


Elstra,  Stadt  in  Sachsen:  Leinen-  und  Bandweberei. 

Eiterlein,  Stadt  in  Sachsen  bei  Chemnitz :  Königl.  Klöppelschule ;  Gorl- 
näherei,  Herstellung  von  Leonischen  Gold-  und  Silber-  sowie  Posamentierwaren. 
E.  ist  der  angebliche  Geburtsort  der  Barbara  Uttmann,  welche  sich  um  die 
Einführung  der  Spitzenindustrie  in  Deutschland  (Erzgebirge)  verdient  gemacht  hat. 

Elzach,  Stadt  an  der  Elz  in  Baden:  Seidenwarenfabriken,  zwei  mechanische 
Leinenwebereien, 

Embossd'ells  heissen  in  England  wollne  Zeuge,  die  auch  unter  dem 
Namen  Seraffins  bekannt  sind. 

Emertis,  Emmerties,  Amiertis  sind  ostindische  feste  Baumwollengewebe, 
zum  Buntdruck  bestimmt,  welche  früher  aus  Bengalen  und  Surate  nach  Europa 
kamen. 

Emmendingen,  Hauptstadt  im  badischen  Kreis  Ereiburg:  Hanf-  und 
B,amiespinnerei. 

Emortuale  (lat.),  Leichentuch. 

Empirestil  wird  jene  Ausdrucksweise  der    französischen  Kunst   genannt, 
welche    bestrebt    war,    die    römische   Kaiser- 
zeit  nachzuahmen.     Er   beherrschte    die    Zeit  Abb.  61. 

unter   Napoleon  I.    (1804—1815)    und   bildete  

den  Abschluss  der  Periode  des  sogen,  fran- 
zösischen Klassizismusses ,  der  unter  Lud- 
wig XIY.  seinen  Anfang  genommen  hatte.  Das 
Eindringen  rein  antiker  Elemente  in  die  fran- 
zösische Kunst  erfuhr  schon  eine  wesentliche 
Förderung  durch  die  seit  1748  in  Pompeji 
erfolgten  Ausgrabungen,  indessen  gelangen  sie 
zu  dieser  Zeit  mit  vollem  Verständnis  zur 
Anwendung;  in  der  Napoleonischen  Zeit  aber 
sinkt  die  edle  griechisch-römische  Ausdrucks- 
weise zur  vollen  Armseligkeit  herab.  Wie  die 
Erzeugnisse  des  übrigen  Kunstgewerbes  den 
Heiz  der  Farbenstimmung  und  die  Beweglich- 
keit der  Formensprache  aufgeben,  so  muss 
sich  auch  die  Textilkunst  der  Allgemeinheit 
fügen,  allenfalls,  dass  hier  und  da  technische 
Neuheiten  auffallen,  die  im  Zusammenhange 
stehen  mit  dem  Aufblühen  maschineller  Tätig- 
keit. (Vgl.  Abb.  61.)  Der  ehemalige  natür- 
liche Faltenwurf  wird  im  Webemuster  als 
Fläche  dargestellt  (vgl.  Abb.  62),  wobei  das 
Muster  sich  nur  in  einer  Farbe  vom  Grunde 
abhebt.  Die  Ornamentik  schliesst  sich  genau 
den  Einzelheiten  der  antiken  Kunst  an:  der 
Akanthus,  die  Palmette,  die  Urne,  das  Lorbeer- 
und  Epheublattrankenwerk ,  die  Weinranke 
u.  a.  m.  sind  charakteristisch  auch  für  die 
Erzeugnisse  der  Textilkunst  im  Empirestil. 
(Vgl.  Abb.  63  und  64).  Der  E.  geht  auch 
auf  die  anderen  Länder  über.  In  Deutschland 
weist  Karl  Friedrich  Schinkel  (gest.  1841)  auf 
die  ursprüngliche  Bedeutung  der  missbrauchten 

antiken  Elemente  hin   und    sucht    sie   als   ein  Lebendiges   weiter  zu  bilden,    so 
dass  man  auch   in  dieser  Zeit  noch  von  Empiremustern  spricht.    (Vgl.  Abb.  6.) 

Abbildungen : 

61.  Originalaufnahrae  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart :  Borte  in 
farbiger  Seide  und  Grold  auf  weissem  Grunde  gewebt  mit  verschiedener  Darstellung 
von  Grandeffekten  und  Blattwerk.     Frankreich  um  1800. 


174 


Empirestil. 


62.    Darstellung  aus :    C  o  x ,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon.   Paris  1900.  PI.  CXVIIT,  6.    Vor- 


Abb.  62. 


Abb.  63. 


hang,   in  farbiger  Seide  gewebt,  Muster  in  faltiger  Darstellung  mit  Borten  und  Streu- 
muster.    Frankreich  um  1800. 

63.   Darstellung  aus  demselben  Werk  (PI.  CXVIII,  1):  Gewebte  Seidenborte  mit 
wechselnden  Palmetten  und  Rosettenf eidern.     Frankreich  um  1800. 


Empoli — England. 


175 


64.  Darstellung  aus  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896.  Tafel  117,  2:  Borte, 
farbige  Tambourierarbeit  auf  grünem  Sammet,  Muster  aus  Weinranke,  Köcher  und 
Urne.  Kopie  im  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  nach  einem  Original  im  Schloss 
Monrepos  bei  Ludwigsburg. 

Abb.  64. 


Empoli,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Florenz:  Baumwollfabriken. 

Emsdetten,  Dorf  im  prenss.  Eeg.-Bez.  Münster:  8  Leinen-  und  Nessel- 
webereien, Jutespinnerei,  Färberei. 

Engel  (lat. :  angelus;  franz.:  ange;  engl.:  angel),  in  der  Bibel  die  über- 
irdischen Boten  Gottes  an  die  Menschen,  in  der  christlichen  Kunst  im  allgemeinen 
in  menschlicher  Gestalt  dargestellt,  jugendlich,  geflügelt,  von  körperlicher 
Schönheit,  ohne  besonderes  Merkmal  eines  Geschlechts.  In  der  Textilkunst 
auf  kirchlichen  Stoffen  des  15.  Jahrhunderts  vielfach  dargestellt  (s.  Figürliches 
im  Stoffmuster.) 

Engelsberger  Leinwand ,  eine  Art  deutsches  Leinen ,  nach  Art  der 
ßouennes,  die  in  der  schlesischen  Stadt  Engelsberg  ursprünglich  gemacht  wurde. 

Enger,  Dorf  im  preuss.  Reg  Bez.  Minden:  Garnspinnerei,  Leinweberei  und 
Leinbau. 

England,  Stammland  des  Yereinigten  Königreiches  Grossbritannien  und 
Irland :  Die  Textilindustrie  ist  bei  weitem  der  wichtigste  Gewerbszweig.  Die 
Ausfuhr  von  Textilfabrikaten  und  Garnen  stellt  beinahe  die  Hälfte  des  Wertes 
der  Gesamtausfuhr  des  Königreiches  G.  und  I.  dar.  Das  in  der  Herstellung 
baumwollener,  wollener  und  leinener  Produkte  angelegte  Kaj)ital  beträgt  etwa 
200  Mill.  Pfd.  St..,  der  jährliche  Wert  der  Produktion  "beläuft  sich  auf  190  Mill. 
Pfd.  St.  und  die  Anzahl  der  von  diesen  Industriezweigen  abhängigen  Personen 
beträgt  5  Mill.  Der  Betrag  der  jährlich  verbrauchten  Baumwolle  ist  jetzt 
40mal  grösser  als  zu  Anfang  des  19.  Jahrb.,  der  Wolle  beinahe  6mal,  des 
Flachses  mehr  als  2mal  grösser.  Die  Ausfuhr  von  Baumwolle  hat  14mal  mehr 
Wert  als  im  Jahre  1800,  die  von  Wolle  4mal,  vom  Flachs  6mal  mehr.  Im 
Jahre  1890  hatten  England  und  W^ales:  6180  Betriebe  mit  50  211216  Spindeln, 
357  848  männlichen,  500404  weiblichen  Arbeitern,  Schottland:  747  Betriebe 
mit  2  413  735  Spindeln,  46  386  männlichen,  108205  weiblichen  Arbeitern, 
Irland:  263  Betriebe  mit  1016111  Spindeln,  23  848  männlichen,  47940  weib- 
lichen Ajrbeitern. 

Fabriken  für  Baumwolle  bestehen  (1890)  2538,  für  Wolle  1793,  für 
Kunstwolle  125,  für  Wollgarn  753,  für  Flachs  375,  für  Hanf  105,  Jute  116, 
Borsten  42,  Kokosnussfasern  24;  für  Seide  623,  Spitzen  403,  Strümpfe  257, 
elastische  Gewebe  54.  Die  Anzahl  der  Spindeln  in  den  Baumwollspinnereien 
betrug  1899/1900:  45400.  Das  Hauptzentrum  der  Baumwollindnstrie  ist  die 
Grafschaft  Lancashire,  wo  allein  500  000  Webstühle  (gegen  560  955  im  Jahre 
1885)  vorhanden  sind ;  die  wichtigsten  Fabrikorte  sind :  Manchester,  Blackburn, 
Preston,  Ashton  -  under  -  Lyne ,  Stalybridge,  Bolton,  Bochdale,  Middleton, 
Heywood,  Stockport,  W^igan  und  Bury.  Für  Strumpfwaren  sind  Nottingham, 
Derby  und  Leicester  zu  nennen.  Die  Grafschaften  Wilts ,  Devon  und  Xots 
sind  für  Spitzenindustrie  wichtig;  besonders  berühmt  sind  die  Spitzen  von 
Honiton.  Ein  zweites  Zentrum  ist  Glasgow;  die  Grafschaften  Peesrew  und 
Lanark  sind  reich  an  Webereien  (s.  auch  Baumwollindustrie).  Von  den  etwa 
1800  W^ollfabriken  liegen  die  meisten  in  England.  Das  Wollgeschäft  ist  eine 
Stapelindustrie    Englands    und    hauptsächlich    in    Yorkshire    und    im  Westen 


176  Englische  Naht— Euguera. 


heimisch.  Die  wichtigsten  Plätze  für  die  Wollindustrie  sind  Bradfur-on-Avon, 
Frome,  Strond,  TroM'bridge;  sehr  bekannt  ist  auch  Worcester;  das  Haupt- 
zentrum aber  ist  Manchester,  und  in  Yorkshire  seine  Rivalen  Leeds,  Hudders- 
iield,  Bradford  und  Halifax.  Folgende  Zweige  werden  besonders  gepflegt: 
Feines  breites  Tuch  (Broadcloth)  in  Leeds,  Manchester,  Halifax,  Huddersfield 
und  Bradford;  Flanell  in  Halifax  und  Rochdale;  Wolldecken  in  AVilney  und 
Dewsbury;  Tepj)iche  in  Kidderminster ;  die  berühmten  „Schottischen  Tweeds" 
in  Aberdeen,  Gralashiels  und  Hawick.  Im  Flachs-  und  Leinwandgeschäft  stehen 
Irland  und  Schottland  obenan;  in  England  sind  zu  nennen  Leeds,  Barnsley, 
Halifax;  der  Wert  der  Jahresproduktion  beträgt  etwa  20  Mill.  Pfd.  St.  Yon 
den  Jutefabriken  sind  über  100  in  Schottland  (Dundee,  Arbroath);  in  Irland 
sind  für  Linnen  Newry,  Drogheda,  Louth  und  Dublin  wichtig,  vor  allem  aber 
Belfast  mit  seinen  niedrigen  Löhnen  und  langer  Arbeitszeit.  Das  Seiden- 
geschäft hat  seinen  Sitz  hauptsächlich  in  den  Grafschaften  Cheshire,  Somerset, 
Derby  und  Stafford.  W^ichtige  Plätze  sind  Macclesfield,  Congieton  (für  Seiden- 
garne und  Färbereien),  Glasgow,  Paisley  und  Manchester,  sowie  für  Seiden- 
bänder Coventry. 

Geschichtliches:  Die  Fabrikation  von  Wo  11  waren  war  bereits  zur 
Zeit  der  Homer  bekannt;  aber  es  gelang  erst  nach  Heranziehung  von  vlämischen 
AVebem  (seit  1665)  feinere  Tuche  zu  machen.  Mechanische  Webstühle  wurden 
bereits  1785  eingeführt,  doch  erst  seit  1807  ist  ihr  Gebrauch  gesetzlich  ge- 
stattet. Die  Baumwollenindustrie  hat  seit  der  Erfindung  der  SjDinn-Jenny 
(S.Baumwollspinnerei)  (1767)  einen  grossen  Aufschwung  genommen.  Die  Seide 
ist  schon  im  frühen  ^Mittelalter  bekannt,  das  Seidengewerbe  als  solches  wird 
im  14.  Jahrhundert  aus  Oberitalien  hierher  verpflanzt:  1455  ist  schon  von 
grossen  Londoner  Seidenwebereien  die  Bede.  Die  Seidenkultur  Englands 
ist  (nach  Silbermann,  Die  Seide,  Dresden  1897,  II,  235  ff.)  durch  einen  im 
Jahre  1608  datierten  Brief  Jakob  I.  an  den  Lord-Lieutenant,  in  welchem  er 
die  Seidenzucht  eingehend  behandelt,  jeder  Grafschaft  verbürgt. 

Englische  Naht,  diejenige  für  Wirkwaren  verwendete  Xaht,  bei  welcher 
der  Xähfaden  die  Bandmaschenstäbchen  zweier  Warenstücke  durch  Bückstiche 
miteinander  verbindet. 

Englischer  Gruss,  s,  Verkündigung  Maria. 

Englisches  Leder,  nach  der  Art  des  Gewebes  auch  Satin,  Sateen,  Satinet, 
Jeans  und,  namentlich  in  den  besseren  Sorten,  nach  dem  Englischen  Moleskin 
genannt,  ein  sehr  dichter,  atlasähnlich  geköperter  Baumwollstoff,  dessen  rechte 
Seite,  auf  Vv'elcher  der  im  Verhältnis  zur  Kette  etwas  feinere  und  sehr  dichte 
Einschlag  frei  liegt,  gerauht  und  geschoren,  während  die  linke  Seite  nur  gerauht 
ist.  In  Deutschland  liefern  diesen  Artikel  Plauen,  Zittau,  Erfurt,  Burscheid, 
Bocholt,  Ravensburg,  Ettlingen  u.  a.  m.  In  Italien  wird  dieser  dichte  atlas- 
artige Baumwollstoff  j^elle  del  diavolo  genannt. 

Englisches  Spinnverfahren,  Vorspinnverfahren  (Vorbereitung)  der  Kamm- 
garnspinnerei, welches  bei  dem  Verfeinern  Maschinen  mit  Flügelspindeln  ohne 
selbständige  Spulendrehung  (Water-Prinzip)  anwendet. 

Englische  Tuchbindung  besteht  aus  einem  Tuchgewebe,  bei  welchem  in  der 
Begel  zwei  Ketten-  und  zwei  Schussfäden  nebeneinander  gleich  binden.  Man  wendet 
sie  an  in  halbwollnen  und  wollnen  Kleiderstoffen,  sowie  auch  in  einigen  Bucks- 
kins ;  die  T.  erfordert  aber  eine  gehörige  Dichte,  weil  sonst  lappige  Ware  entsteht. 

Englische  Tüllgardinen,  s.  Bobbinnet. 

Englisch-Gras  sind  seidene  Angelschnüre,  welche  aus  den  Seidenraupen 
selbst ,  unmittelbar  bevor  sie  sich  einspinnen  wollen ,  hergestellt  werden.  Sie 
haben  das  Aussehen  von  Darmsaiten  und  sind  von  grosser  Festigkeit. 

Englisch  Leinen  wird  sowohl  eine  feine,  gestreifte  Leinwand,  als  auch 
der  für  Bucheinbände  benutzte  Kattun  genannt  (s.  Kaliko). 

Engrelure  (franz.),  Bandverzierung  mit  rundlichen  Zäckchen,  zackige 
Einfassung,   Spitzenrand. 

Enguera,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Valencia:  bedeutende  Leinen-  und 
Wollindustrie. 


Enlevage — Epheu. 


177 


Abb.  65. 


Enlevage  (franz.),  eine  Bezeichnung,  die  im  Anfang  des  18.  Jahrli.  für 
das  Abnehmen  der  Nadelspitze  vom  Pergamentgrunde  gebräuchlich  war. 

Entari,  das  Unterkleid  der  Männer  im  Orient.  Es  besteht  aus  Baum- 
wolle oder  Seide,  hat  bis  über  die  Eingerspitzen  hinausreichende,  von  der  Mitte 
des  Unterarms  ab  aufgeschlitzte  Aermel,  wird  unter  der  Brust  mittels  eines 
Shawlgürtels  zusammengehalten  und  reicht  bis  an  die  Knöchel.  Der  E.  ent- 
spricht in  der  europäischen  Tracht  der  Weste ,  die  ursprünglich  auch  lange 
Schösse  hatte. 

Entfärben  (franz. :  decolorer ;  engl. :  to  decolour),  technisches  Verfahren, 
das  die  Entfernung  vorhandener  Farbstoffe  bezweckt.  Gewebe  werden  durch 
das  Bleichen  entfärbt  (s.  d.). 

Entoilage  (franz.),  Bezeichnung  für  eine  Beihe  von  Spitzen  und  spitzen- 
ähnlichen Stoffen:  1.  im  Anfang  des  18.  Jahrh.  für  das  Einnähen  der  Schling- 
stiche in  Nadelspitzen  gebräuchlich,  2.  um  1770  eine  einfache  netzartige  Spitze, 
3.  in  späterer  Zeit  mehrere  Sorten  französischer  Zwirnspitzen  aus  Dieppe  und 
Bayeux,  welche  gleicher  Art  auch  im 
sächsischen  Erzgebirge  geklöppelt  wur- 
den ,  4.  spitzenartiges ,  durchbrochenes 
gazeähnliches  Gewebe,  5.  in  Streifen  ge- 
webter Bobbinnettüll  oder  Dünntuch  mit 
spitzenartigem  Muster. 

Entre-deux  (franz.), Spitzeneinsatz. 

Entre  larges  sind  in  Frankreich 
mittelbreite  Leinen. 

Entresins  heissen  in  Frankreich 
Mitteltuche. 

Entschälen  der  Seide,  die  Ent- 
fernung des  Seidenleims  (Sericine)  von 
der  Bohseide ,  um  die  Schönheit  des 
Seidenfadens  sichtbar  zu  machen.  Die 
Seide  wird  in  heisse  Seifenlösung  gelegt 
und  schwach  gekocht.  Der  hiermit  ver- 
bundene beträchtliche  Gewichtsverlust 
wird  durch  das  Assouplieren  (s.  d.) 
wieder  ersetzt. 

Entschlichten,  das  dem  Bleichen 
vorausgehende  Einweichen,  Waschen  und 
Spülen  der  Gewebe  zur  Beseitigung  der 
Weberschlichte. 

Enveloppes  (franz.),  im  Leinen- 
handel die  halben  Stücke  starker,  weiss- 
garniger  Leinwand  zur  Verpackung. 

Envers  (franz.),  die  linke,  un- 
rechte Seite  vom  Zeug. 

Enversins  sind  grobe,  wollene 
Sergestoffe,  welche  in  Frankreich  gewebt 
werden. 

Eolienne,  moderner  leichter  einfarbiger  Seidenripsstoff. 

Eosin,  ein  prachtvoll  roter,  besonders  zum  Färben  von  Seide  und  Wolle 
dienender  Farbstoff. 

Epheu,  (Hedera)  Pflanzengattung  der  Araliaceen  (vgl.  Abb.  65),  ein  im 
Orient,  in  Nordafrika,  Süd-  und  Mitteleuropa,  sowie  in  England  heimischer 
immergrüner  Kletterstrauch.  Er  war  im  Altertum  dem  Bacchus  geheiligt,  auch 
gilt  er  als  Symbol  der  Freundschaft.  Von  Griechenland  aus,  wo  man  ihn  als 
Laubband  verwendete  (vgl.  Abb.  66),  wird  er  in  spätere  Stilarten  übernommen, 
doch  macht  ihn  sich  im  romanischen  und  gotischen  Zeitalter  mehr  die 
Plastik,  als  das  Flachmuster  zu  eigen.  Erst  der  französische  Klassizismus  des 
18.  Jahrhundets  bringt    den   E.    hier   in   Weberei    und    Stickerei   lediglich   als 

Heiden,  Handwörterbucli  der  Textilkunde.  12 


I^YS  Epinal — Erschweren. 


Ornament    zur   Darstellung,    wo    er    nach    dem    Empirestil    (s.    hier   Abb.    62) 
zurücktritt. 

Abbild  ungen: 

65.  Epheuzweig  nach  einem  Holzschnitt  aus:    Lobelius,    plantarum  sev  stirpium 
icones,  Antwerpen  1581. 

66.  Originalaufnahme    eines  Epheulaubbandes   nach  einer  griechischen  Vase  aus 
dem  Besitze  der  Kgl.  Museen  in  Berlin. 


Abb.  66. 


Epinal,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Yosges  im  gleichnamigen  Arrond. : 
Leinwand-  und  Baumwollwarenfabriken. 

Epingle  (franz.)  wird  der  Ripsgrund  in  Seide  genannt. 

Epingline,  nach  E.  benannter  moderner  Seidenstoff,  gestreift  und  geblümt. 

Epitrachelion  (griech.)  (lat. :  epitrachelium),  ein  zur  Kleidung  der  griech.- 
kath.  Priester  gehöriges  breites  steifes,  mit  Kreuzen  besticktes,  in  der  Farbe 
verschiedenes  Band,  das,  um  den  Hals  getragen,  bis  über  den  Oürtel  mit  beiden 
Enden  herabhängt :  s.  v.  w.  Stola  der  griech.  Kirche. 

Epurateur  (franz.),  Reiniger,  in  der  Baumwollspinnerei  eine  von  Risler 
erfundene  Maschine,  welche  zuweilen  an  Stelle  der  Yorkratze  angewendet 
wird;  sie  zerstört  die  Anordnung  der  Fasern  in  Büscheln  und  liefert  das 
Material  in  Form  gleichmässiger  lockerer  Faserbänder  ab. 

Erbach,  im  Odenwald,  Stadt  in  Hessen:  Tuchfabriken. 

Erbisdorf,  Dorf  in  Sachsen  bei  Dresden:  Spitzenklöppelei. 

Erbstüll,  ein  grober  Tüll,  weiss,  creme  oder  mode  gefärbt,  für  Grardinen- 
stickerei  verwendet. 

Erdflachs,  s.  Asbest. 

Erding,  Stadt  im  bayr.  Reg.-Bez.  Oberbayern:  Wollspinnerei  und  Woll- 
zeugweberei. 

Erfurt,  Hauptstadt  in  der  preuss.  Provinz  Sachsen :  Webereien  für  Woll-, 
Baumwoll-  und  Leinenwaren ;  bedeutend  ist  die  Herstellung  von  Damenmänteln. 

Eriaseide  ist  das  Produkt  der  Pizinusspinner,  Attacus  ricini,  die  Kokons 
anfertigen,  welche  mit  wenigen  Ausnahmen  gänzlich  unentwirrbar,  weil  sie  offen 
und  unregelmässig  gesponnen  sind;  dagegen  eignen  sich  diese  wilden  Seiden- 
arten vorzüglich  als  Rohmaterial  für  die  Florettspinnerei.  Der  A.  ricini  ist 
in  Indien,  Assam  und  auf  Ceylon  teils  im  wilden,  meist  aber  im  halbgezüchteten 
Zustande  zu  finden;  er  stammt  aus  Assam,  wo  er  „eri"  genannt  wird. 

Eriophoronwolle,  s.  Gespinstfasern. 

Erlangen,  Stadt  im  bayr.  Reg. -Bez.  Mittelfranken:  bedeutende  Baumwoll- 
spinnerei. 

Ermeländische  Leinen :  gewöhnliche,  weissgebleichte  Flachsleinen,  welche 
in  Ostpreussen  gewebt  und  im  Auswärtigen  auch  Königsberger  Leinen  heissen. 

Ermines  sind  englische  farbige  Wollenzeuge,  die  nach  Spanien  und 
Portugal  gehen.  / 

Erschweren  der  Seide  heisst  sie  mit  fremden  Körpern  beladen  und  be- 
ruht auf  einem  chemischen  Prozess,  welcher  zur  Grewichtsvermehrung  bezw. 
Verfälschung  der  fertigen  AVaren  dient.  Auch  Posamentier-  und  Nähseiden, 
Cordonnets  u.  s.  w.  werden  zur  Yermehrung  ihres  G-ewichts  erschwert.  Das 
Verfahren  ist  oft  aus  technischen  Gründen  nicht  ungerechtfertigt,  um  den  Seiden- 
fasern mehr  Fülle  und  Ansehen  zu  geben.  Es  geschieht  durch  Metallsalze  und 
Zusatz  von  Oelen  und  Fetten,    welche  bei  längerem  Lagern  grösserer  Mengen 


Erstem— Estopillas.  179 


erschwerter  Seide  Selbstentzündmio-  hervorrufen  (s.  a.  Füllstoffe).    (Vgl.  Silber- 
mann, die  Seide,  Dresden  1897.  ^Bd.  n,  S.  369  ff.) 

Erstein,   Stadt  im  ITnterelsass :  grosse  Kammgarnspinnerei  und  Bleicherei. 

Erzerum  oder  Erserum,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  türk.  Prov.  in 
Armenien:   erzeugt  durch  Hausindustrie  Teppiche  nach  persischem  Muster. 

-  Erzinghian  erzeugt  durch  Hausindustrie  Teppiche  nach  persischen  Mustern, 

Escamis,  ein  dichtgewebter,  baumwollener  Stoff,  eine  Art  ungeköperter 
Barchent,  welcher  früher  aus  der  Levante,  insbesondere  aus  Smyrna  nach 
Europa  kam. 

Eschwege,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Cassel:  Woll-  und  Haarspinne- 
reien, AVollzeug-,  Flanell-  und  Leinweberei  in  grossem  Umfange. 

Escots  waren  ursprünglich  feine  geköperte  Zeuge  aus  gezwirntem  TTol- 
lengarn,  welche  in  Frankreich  gefertigt  wurden ;  in  Deutschland  machte  man 
diese  Zeuge  unter  dem  Namen  Scotts. 

Eskimo,  auch  Doubel,  Double  genannt,  ein  gewöhnlich  mit  vierbindigem 
Kreuzköper  aus  zwei  Streichgarnketten  gewebtes  Doppelgewebe,  welches  meist 
zu  Herrenüberziehern  verarbeitet  wird. 

Esp  heisst  persisch  das  Pferd,  welches  im  Aschkalimuster  (s.  d.)  eine 
B,olle  spielt. 

Espagnolettes,  eine  Gattung  ganz  wollener  Droguets,  teils  geköpert,  teils 
glatt  wie  Leinwand  gewebt,  und  zuweilen  auf  beiden  Seiten  gerauht  und 
langhaarig.  Sie  führen  den  Namen,  weil  die  echten  aus  spanischer  ^olle  ge- 
webt wurden.  In  Deutschland  haben  die  Moltonstoffe  damit  Aehnlichkeit ; 
Zeuge  derselben  Art  führen  auch  den  Namen  Castorin,  Lama,  Biber. 

Esparto,  Spartogras,  spanischer  Grinster  (Stipa  tenacissima),  das  zähe 
Pfriemengras,  wächst  in  Spanien,  auch  im  südlichen  Frankreich  und  in  Asien. 
Stengel  und  Aeste  werden  dem  Flachse  ähnlich  bearbeitet.  Das  feinere  Ge- 
spinst wird  zum  Weben  von  Packleinen,  Segeltuch,  auch  wohl  zuweilen  zu 
feineren  Geweben  verarbeitet. 

Esperver  (engl.),  Baldachin  aus  Stoff,  Betthimmel. 

Esseg,  bedeutendste  Industrie-  und  Handelsstadt  von  Slavonien:  grosse 
Seidenspinnereien. 

Essener  Linnen  werden  westfälische,  dicht  gewebte  Leinen  aus  gut  ge- 
drehtem Garne  genannt,  welche  in  der  Gegend  von  Essen  gefertigt  und  meistens 
roh,  zuweilen  auch  gebleicht,  ohne  weitere  Appretiu*  zur  Versendung  gelangen. 

Esslingen,  Oberamtsstadt  in  "Württemberg:  grosse  Kammgarn-  (1000 
Arbeiter)  und  Baumwollspinnerei  (41000  Spindeln). 

Essonnes,  Stadt  im  Arrond.  Corbeil  des  franz.  Depart.  Seine-et-Oise : 
Baumwollspinnerei,  Deckenfabriken. 

Essui-main  (franz.),  Handtuch. 

Estaires,  Stadt  im  Arrond.  Hazebrouk  des  franz.  Depart.  Nord:  Leinen- 
fabriken und  -Bleichen ;  Fabriken  von  Damasttafelzeug. 

Estalins,  bunt  gefärbte  Steifleinwand,  welche  in  Schlesien  für  den  Export 
nach  Spanien  und  Südamerika  gefertigt  wird. 

Estames  ist  in  Marseille  die  Benennung  der  dort  gefertigten  roten 
türkischen  Mützen,  Kappen  oder  des  Fez. 

Estcoupiers  COrdats,  von  Werg  gewebte  Packleinen,  die  aus  Frankreich 
kommen  und  über  Marseille  weiter  gehen. 

Esteras,  eine  Gattung  Matten,  welche  in  Spanien,  vorzüglich  in  Valencia, 
aus  den  Flatterbinsen  gemacht  und  nach  Holland,  England,  Frankreich  und 
ItaKen  verkauft  werden,  wo  man  sie  unter  dem  Namen  Tapis  d'Espagne  kennt. 
Es  gibt  davon  zwei  Sorten:  die  Estera  finas,  welche  auf  besonderen  dazu  ein- 
gerichteten Webstühlen  gewirkt  und  bunt  gefärbt  werden,  und  die  Esteras 
bastas,  welche  nur  geflochten  sind. 

Estopas  nennt  man  in  Portugal  teils  die  deutschen  Heedeleinen,  teils  die 

deutsche,    halb  von  Flachs,    halb  von  Hanf  gewebte  Leinwand,  s.  Heedeleinen. 

•    Estopillas,    eine    der    im  Auslande    bekanntesten    deutschen    Leinen   für 

den  Export,    welche    in  Sachsen  und  Böhmen,    hauptsächlich  aber  in  Schlesien 


180  Estramen — Evangelistenzeichen. 

batistartig  aus  feinem  Leinengarn  gewebt  werden.  Im  südlichen  Europa  und 
Amerika  werden  die  Yelas  (Schleier)  daraus  gemacht.  E.  unies  sind  dicht 
gewebte,  gedrungene  Schleier,  welche  dem  Batist  gleichen  und  die  man  deshalb 
auch  häufig  Battistes  nennt ;  sie  sind  bläulich  appretiert. 

Estramen  (lat.),  Stramin. 

Estras,  s.  Seide. 

Estremadura,  ursprünglich  ein  in  Spanien  erzeugtes  Baumwollengarn. 
Jetzt  bezeichnet  man  mit  E.  ein  meist  zum  Stricken  verwendetes  sechs  drähtiges 
Grarn  mit  rundem,  gleichmässigem  Faden. 

Etain,  Stadt  im  Arrond.  Yerdun-sur-Meuse  des  franz.  Depart.  Meuse : 
Fabrikation  von  Baumwollstoffen. 

Etaises  heisst  eine  Art  flandrischer  Leinen  oder  Tischzeuge,  die  über 
Merville  in  den  Handel  kommen. 

Etaleuse,  eine  Flachsspinnmaschine,  auf  welcher  der  gekämmte  Flachs 
ausgebreitet  wird,  um  in  endlose  Bänder  verwandelt  zu  werden. 

Etamin,  Estamin,  Stamin  (vom  franz.  etamine),  ein  sehr  dünnes  Graze- 
gewebe  (s.  d.),  meistens  aus  Baumwolle,  jedoch  auch  aus  Seide,  oder  von  Wolle 
und  Seide  in  den  verschiedensten  Gattungen  gewebt,  welches  wesentlich  als 
Futterzeug  in  Kleidungsstücken  Verwendung  findet.  Ganz  seidene  Etamin- 
stoffe werden  in  Lyon  und  Avignon  gewebt.  Die  holländischen  E.  aus  AYolle 
waren  wegen  ihrer  guten  Qualität  früher  sehr  geschätzt. 

Eten,  Stadt  der  Republik  Peru:  Baumwollindustrie. 

Eternel,  Eternelle,  ein  veralteter  französischer  Wollenstoff,  geköpert  und 
mit  Streifen. 

Etoffe  (franz.),  Stoif,  Gewebe. 

Etoffe  de  Verdun,  ein  wollener,  sergeartig  gewebter  Stoff  oder  ein  Halbtuch. 

Etoupes,   s.  Wergspinnerei. 

Etramee  heissen  zu  Abbeville  hänfene  Gewebe,  welche  später  weiss 
gebleicht  oder  auch  verschieden  gefärbt  werden. 

EtschigO  oder  Et-schi-go,  eine  Sorte  japanischer  Seide,  wenig  stark,  aber 
sehr  feinfadig ;  sie  kommt  auch  unter  der  Bezeichnung  Maibafi  im  Handel  vor. 

Etterbeeck,  Vorstadt  von  Brüssel :  Baumwollspinnereien  und  Färbereien. 

Ettlingen,  Stadt  in  Baden:  bedeutende  Aktien-Baumwollspinnerei  und 
Weberei  (1200  Arbeiter,  30  000  Spindeln),  Sammetfabrik,  Färberei,  Bleicherei 
und  Appreturanstalten. 

Eu,  Stadt  im  Arrond.  Dieppe  des  franz.  Depart.  Seine-Inferieure :  Fabri- 
kation von  Spitzen,  Segelleinwand  und  Wollstoffen;  Woll-  und  Baumwoll- 
spinnereien. 

Eufaule,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Alamba :  BaumwoUwarenfabrikation. 

Eupen,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Aachen:  Kammgarn-  und  Streich- 
garnspinnereien, Karbonisieranstalten,  Färbereien,  Walkereien,  Fabriken  von 
Tuch,  Buckskin,  Kaschmir  und  Trikot. 

Eurley,  Bezeichnung  für  chinesische  und  japanische  Frisons  (s.  d.),  unter 
welcher  dieselben  von  Engländern  zur  Florettindustrie  (Chappespinnerei)  auf- 
gekauft werden. 

Euskirchen,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Köln:  20  Tuchfabriken  und 
Wollspinnerei. 

Euxinet,  ein  nicht  mehr  gangbarer  halbseidener  englischer  Stoff  aus 
Schafwolle  und  Seide. 

Evangelisten,  die  vier,  gelten  als  Ausfluss  der  göttlichen  Weisheit;  in 
der  ältesten  Zeit  symbolisch  dargestellt  durch  vier  Schriftrollen  in  den  vier 
Ecken  eines  griechischen  Kreuzes  oder  als  vier  Bücher,  in  kirchlichen  Stoff- 
mustern später  unter  den  bekannten  Evangelistenzeichen  dargestellt  (s.  d.). 

Evangelistenzeichen  stellen  die  Evangelisten  in  der  christlichen  Kunst 
seit  dem  5.  Jahrhundert  symbolisch  dar:  Mattheus  als  geflügelter  Mensch, 
Markus  als  Löwe,  Lukas  als  Stier,  Johannes  als  Adler;  später  als  vier 
Menschengestalten  mit  dem  Kopf  des  betreffenden  Zeichens.  Auch  sind  den 
Gestalten  der  E.  jene  vier  Zeichen  als  Attribute  beigegeben. 


Everghem — Fächer  als  Flächenmusterung.  181 

Everghem,  Hauptort  im  Arrond.  Grent  der  belg.  Prov.  Ostflandern: 
Baumwoll-  und  Leinenindustrie. 

Everlasting,  ein  fester,  damastartig  gewebter  WollenstofF,  gewöhnlich 
mit  erhöhten  oder  aufliegenden  Rippen  oder  Streifen,  welche  durch  stärkere 
Kettenfäden  und  durch  Schemelarbeit  gebildet  und  nicht  aufgeschnitten  werden; 
unter  seinem  Namen  kommt  er  nicht  mehr  vor. 

Evora,  Stadt  der  portug.  Prov.  Alemtejo:  Fabrikation  von  Tuch-  und 
Baumwollwaren. 

Evreux,  Stadt  im  Arrond.  E.  des  franz.  Depart.  Eure :  Fabrikation  von 
Leinwand  und  Zwillich. 

Evron,  Stadt  im  Arrond.  Laval  des  franz.  Depart.  Mayenne:  Fabri- 
kation von  Leinwand  und  Tafelzeug;  Handel  mit  Wollwaren  und  Zwirn. 

Exametum,  examitum  (lat.),  ganzseidenes  Gewebe. 

Exarentasmas,  Exarentamas  (lat.),  werden  von  älteren  Schriftstellern 
Seidenstoffe  des  12.  Jahrhunderts  aus  Palermo  genannt,  welche  Kreismuster 
haben. 

Exeter,  Hauptort  der  engl.  Grafschaft  Devon:  Im  18.  Jahrhundert  war 
E.  Hauptsitz  der  Wollmanufaktur,  jetzt  ist  neben  der  Fabrikation  von  Haus- 
schuhen diejenige  der  Spitzen  (Honiton  lace)  wichtig. 

Exmouth,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Devon:  Spitzenfabrikation. 

Extergi  facium  (lat.),  Tuch  zum  Abwischen  des  Gesichts. 

Externa  (lat.),  Oberkleid,  im  Gegensatz  zu  interula,  Unterkleid. 

Exzenterstuhl,  Trittexzenterstuhl  nennt  man  Schaftwebstühle,  bei  denen 
die  Bewegung  der  Tritte  durch  die  an  der  Hauptwelle  befestigten  unrunde 
Scheiben  (Exzenter)  geschieht  (s.  Weberei). 

Eylau,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Königsberg:  Tuchfabrik. 


F. 

Fabelwesen  sind  phantastisch  gestaltete  Menschen  und  Tiere,  deren 
letztere  namentlich  in  sarazenischen  mittelalterlichen  Geweben  oft  vorkommen 
und  sich  verfolgen  lassen  bis  hinauf  zur  ägyptischen,  assyrischen  und  chine- 
sischen Kunst  des  Altertums;  es  gehören  dahin  die  Sphinx,  der  Greif,  der 
Drache,  das  Einhorn,  der  Phönix  u.  a.  m.,  welche  je  nach  Auffassung  der 
Zeit  in  verschiedener  Bedeutung  und  Stilisierung  erscheinen  (s.  d.  einzelnen 
Artikel).  Menschliche  Fabelwesen  kommen  im  Flachmuster  der  Textilkunst 
seltener  vor. 

Fach  heisst  in  der  "Weberei  die  Oeffnung,  welche  zwischen  den  Ketten- 
fäden hervorgebracht  wird,  um  den  Schuss  hin  durchzuführen :  in  diesem  Falle 
heisst  die  Kette  gespalten,  sonst  geschlossen. 

Fachapparat,  auch  Ablegeapparat,  nennt  man  eine  bei  den  in  der  Textil- 
industrie ,  insbesondere  in  der  Appretur ,  verwendeten  Maschinen  häufig  in 
Anwendung  stehende  Vorrichtung,  welche  das  aus  der  Maschine  tretende  Ge- 
webe in  regelmässiger  Weise  übereinander  zu  legen  hat. 

Fache,  s.  Gespinstfaser. 

Fächer  als  Flächenmusterung  finden  nirgends  so  vielseitige  Anwendung 
als  in  Japan,  wo  die  ausgedehnte  praktische  Verwendung  derselben  zur  Dar- 
stellung geführt  hat.  Es  werden  nicht  nur  die  TJmrisslinien  wiedergegeben, 
sondern  man  geht  soweit,  in  Geweben  und  Stickereien  auch  die  Musterungen 
innerhalb  derselben  zu  wiederholen,  wobei  die  allerfeinste  Ausführung  beob- 
achtet  wird.     (Abb.  67.)     Welche  Bedeutung   man  dem  Fächer  in  Japan  bei- 


182 


Fachschulen — Facta  da  ossi. 


misst,    geht    daraus   hervor,    dass    seine  Darstellung    selbst   als  "Wappen    einer 
Daimiofamilie  erscheint.     (Abb.  68.) 

Abbildungen: 

67.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidengewebe,  Grund  weiss,  mit  Fächermuster  (Kohaku)  in  blauen  Umrisslinien  und 
Goldpapier,     Japan  um  1800. 

68.  Darstellung  eines  Daimio Wappens  in  Form  zweier  Fächer,  von  einem  Seiden- 
gewebe aus  der  Sammlung  des  Königl.  Kunstgewerbemuseums  in  Berlin.     Japan,  alt. 

Abb.  67. 


^^i!  -'4S- 


Fachschulen,  s.  Webeschulen. 

Facilletlein  (lat.:  faciletum;  ital.:  fazzoletto),  Schweisstuch ,  Taschen- 
tuch. Der  Ausdruck  kommt  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  vor, 
in  welcher  Zeit  in  Italien  und  Frankreich  das  Taschentuch  in  Mode  kam,  mit 

Abb.  68 


dem  besonders  bei  Brautgeschenken  ein  solcher  Luxus  getrieben  wurde,  dass 
man  ihn  gesetzlich  zu  beschränken  suchte. 

Fa^onnerie  (franz.),  das  Modeln,  Blüm  ein  des  Zeugs;  fagonnieren: 
mustern;  faconniert:  gemustert;  geblümt;  Fagonneur:  Mustermacher. 

Fa^onnierte  Stoffe,  s.  fassonierte  Stoffe. 

Facta  da  ossi  werden  in  einer  alten  italienischen  Urkunde  Spitzen  be- 
zeichnet, wobei  der  Ausdruck  „ossi",  Knochen,  sich  auf  die  Klöppel  aus 
Bein  bezieht. 


Eaden— Fa-lag-nel.  183 


Faden  (in  älterer  Form  Fadem),  Längeumass;  als  Garnmass  die  Länge 
eines  Haspelumfangs  (s.  Garn),  also  sehr  verschieden;  eine  Anzahl  Fäden 
bilden  ein  Gebinde  (s.  d.). 

Faden  (Gespinstfaden),  s.  Gespinstfaser. 

Fadenbällchen,  s.   Gespinstfaser. 

Fadenführer  für  Spinn-  und  Yorspinnmaschinen ,  welche  unmittelbar 
hinter  dem  letzten  Zylinder  liegen,  sind  Eisenschienen  mit  gut  auspolierten 
Bohrungen  oder  Holzschienen  mit  Drahtschnecken  oder  Schienen  mit  trichter- 
förmigen Zinkeinläufen. 

Fadengang  bezeichnet  in  der  Dichtenbestimmung  eines  Gewebes  die 
Summe  von  40  Fäden. 

Fadengebilde,  s.  Gespinstfaser. 

Fadengold  ist  der  technische  Ausdruck  für  das  aus  Tressen,  Gold- 
wirkereien und  Goldgeflechten  ausgezupfte  Gold. 

Fadengras  (Pflanze),  s.  Gespinstfaser. 

Fadenmalerei,  s.  Stickerei, 

Fadenmaschen,  s.  Wirkwaren. 

Fadenmühle,  Spinnmühle,  TJeberspinnmaschine,  im  Posamentiergewerbe 
eine  Maschine,  welche  zum  TJeberspinnen,  d.  h.  schraubenförmigen  Umwinden 
eines  inneren  Kernfadens  (Seele  oder  Futter)  mit  Lahn  dient. 

Fadenreisser ,  eine  Oeffnungsmaschine ,  welche  die  Abgangsfäden  der 
Yorspinn-  und  Spinnmaschinen  auflockert,  so  dass  sie  als  Beimengung  der  Boh- 
baumwolle  wieder  mit  verarbeitet  werden  können. 

Fadenspannung,  Padensprung,  s.  Nähmaschine. 

Fadenwächter,  Yorrichtung  an  Textilmaschinen,  die  bei  Fadenriss  ein 
selbsttätiges  Stillsetzen  der  Maschine  bewirkt. 

Fadenzähler,  Weberglas,  Lupe  zur  Besichtigung  der  Webstoffe  und  zum 
Abzählen  der  auf  einen  bestimmten  Baum  kommenden  Fäden.  Die  Grund- 
platte eines  solchen  Yergrösserungsglases  enthält  einen  quadratischen  Ausschnitt, 
um  die  Fäden  pro  Quadratzentimeter  zählen  zu  können. 

Faenza,  Hauptstadt  der  ital.  Provinz  Bavenna:  Seidenspinnereien  und 
Webereien. 

Fahne,  besteht  aus  dem  Fahnenblatt  oder  Fahnentuch  und  dem  Fahnen- 
stock oder  der  Fahnenstange.  In  früheren  Zeiten  pflegte  man  zu  unterscheiden: 
1.  Das  Beichsbanner,  das  stets  länger  als  hoch  war  und  das  landesherr- 
liche Wappen  enthielt.  2.  Das  einfache  Banner,  die  Fahne  des  Banner- 
herren mit  quadratischem  Fahnenblatt.  3.  Bennfahne  hiess  die  Fahne  der 
Bitter,  die  wenigstens  20  Mann  ins  Feld  führen  konnten.  4.  Spitzfahne 
die  Fahne  der  einfachen  Bitter.  5.  Bundbanner,  eine  nach  aussen  ab- 
gerundete Fahne,  die  namentlich  bei  Begräbnissen  verwendet  wurde.  6.  Stan- 
darte, jene  Fahne,  die  an  einem  Querholz  befestigt  erscheint  und  namentlich 
bei  der  Beiterei  gebräuchlich  ist;  früher  Messen  diese  Fahnen  Cornette.  Auch 
für  kirchliche  Zwecke  waren  sie  an  einem  Querholz  befestigt. 

Faido,  deutsch  Pfaid,  Flecken  und  Hauptort  des  Bezirks  Livinen  (Leven- 
tina)  im  Schweiz.  Kanton  Tessin:  Fremdenindustrie  und  Seidenzucht. 

Failine,  eine  Art  wollene  Serge,  die  aus  Frankreich  kommt. 

Failles  (franz.),  einfarbige  gerippte  Seidengewebe.  Der  Ausdruck  stammt 
von  dem  ebenso  genannten  langen  und  weiten  Kopftuch  aus  schwarzer  Seide, 
welches  zur  Tracht  der  brabanter  Bürgerfrauen  gehört. 

Failsworth ,  Stadt  in  der  englischen  Grafschaft  Lancaster :  bedeutende 
Textilindustrie. 

Faja,  in  der  span.  Nationaltracht  eine  breite  rote  Wollschärpe  ,  welche 
zweifach  um  den  Leib  geschlungen  wird ;  sie  wird  sowohl  vom  Yolk,  als  auch 
vom  Militär  getragen. 

Fajüm,  Fayüm,  auch  Faijum,  Fayjum  (El-),  Provinz  in  Oberägypten: 
Baumwollenbau;  in  neuer  Zeit  bekannt  durch  die  hier  gemachten  Grabfunde 
(s.  koptische  Funde). 

Fa-lag-nel,  s.  Flanell. 


184  Falaise— Farbtuch. 


Falaise,  Stadt  im  Arrond.  F.  des  franz.  Depart.  Calvados:  bedeutende 
Spinnerei,    Woll-  und  Baumwollweberei,  Färberei. 

Falaises  sind  SergenstofFe,  die  in  dem  Bezirk  von  Alengon  gewebt  werden. 

Fa-lan-jin,  s.  Flanell. 

Falbala  nannte  man  früher  die  breiteste  Seite  der  mit  Silber  durch- 
wirkten Gazestoffe,  ebenso  goldene  oder  silberne  Spitzen. 

Falbeln  heissen  gewöhnlich  breite  in  Falten  gelegte  Besätze  von  Frauen- 
kleidern, Mänteln  oder  Kragen. 

Falkenau,  Stadt  in  Böhmen  a.  d.  Eger:  bedeutende  Spi^nereien. 

Falkenberg,  Marktflecken  im  bayer.  Eeg.-Bezirk  Oberpfalz:  Lein- 
weberei und  Grarnhandel. 

Falkenburg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bezirk  Köslin:  Kgl.  Webeschule; 
drei  Tuchfabriken. 

Falkenstein,  in  Sachsen:  ausgedehnte  Baumwollweberei  (deutsche  und 
englische  Gardinen,  Kongressstoffe),  Schiffchen-  und  Handmaschinenstickerei, 
zwei  grosse  chemische  Bleich-  und  Appreturanstalten  für  Gardinen  und  Sticke- 
reien, fünf  englische  Gardinen-  und  Spitzenfabriken  (Falkensteiner  Gardinen- 
weberei und  -Bleicherei,  Aktiengesellschaft). 

Faltenlegmaschine,  eine  Einrichtung,  die  bestimmt  ist,  das  Legen  von 
Falten  oder  Tollen  in  Stoffen  oder  Geweben  auf  mechanischem  Wege  selbst- 
tätig zu  verrichten.  Besondere  Verwendung  findet  die  F.  bei  der  Fabrikation 
gefältelter  Hemdeneinsätze  und  der  Herstellung  von  Rüschen,  Plisses  u.  s.  w. 

Faltenwurf,  s.  Gewand. 

Famis,  eine  Art  seidener  mit  Goldfäden  durchwirkter  Stoffe,  die  in 
Italien  und  Frankreich  für  die  Levante  gewebt  wurden  (s.  a,  Lüster). 

Fanchon  (franz.),  Bezeichnung  einer  leichten  Kopfbedeckung  für  Damen. 

Fancy-Artikel  ist  der  englische  Ausdruck  für  alle  Modewaren. 

Fancy-net  (engl.),  Bobbinnet  oder  gemusterter  Spitzengrund. 

Fangschnur,  Cordon,  eine  Schnur,  die  mit  dem  einen  Ende  an  der  Kopf- 
bedeckung (deren  Verlorengehen  sie  verhindern  soll),  mit  dem  anderen  Ende 
an  der  Uniform  des  Soldaten  befestigt  oder  auch  nur  um  seinen  Hals  ge- 
schlungen ist.  Früher  zur  Ausrüstung  der  deutschen  Kavallerie  gehörig,  wird 
die  F.  jetzt  mehr  zum  Zierat  und  auch  als  Schützen  ab  zeichen  verwendet. 

Fangstuhl,  ein  Wirkstuhl,  welcher  ausser  der  gewöhnlichen  Nadelreihe 
noch  eine  zweite,  der  ersteren  entgegenstehende  Nadelreihe  enthält,  zur  Her- 
stellung von  Bechts-  und  Bechtsware. 

Fano  (lat.),  (franz.:  fanon;  engl.:  fanon),  leichtes  Tuch,  Gewebstreif, 
daher  auch  Bezeichnung  für  Manipel.  Ferner  Fahnenblatt,  auch  Fahne  und 
Kirchenfahne.  Das  althochdeutsche  Wort,  aus  welchem  Fahne  entstanden  ist, 
bedeutet  überhaupt  ein  Zeugstück,  wurde  aber  im  Mittelalter  speziell  für  das 
Nastuch  gebraucht,  welches  der  amtierende  Priester  über  den  linken  Arm 
gehängt  hatte. 

Fanon  (franz.),  Bezeichnung  für  das  sonst  Manipel  (s.  d.)  genannte  Ge- 
wandstück der  kath.  Priester,  auch  das  Schultervelum ,  unter  dem  bei  der 
feierlichen  Messe  der  Subdiakon  die  Patene  hält  und  ein  vom  Papste  bei  der 
feierlichen  Messe  getragenes  seidenes  Humerale  (auch  Orale  genannt).  Ferner 
bezeichnet  F.  den  Bandstreifen  (sudarium)  an  den  einwärts  gebogenen  Stäben 
der  Aebte  und  die  zu  beiden  Seiten  der  Krone  der  deutschen  Kaiser  herab- 
hängenden Bänder  (s.  a.  Fano). 

Fan-palk,  s.  Flanell. 

Fanta,  leichter  Taffet  von  der  Insel  Korea.  '' 

Fantaisie  nennt  man  in  Frankreich  die  bourre  de  soie,  wenn  sie,  wie 
Baumwolle,  auf  Maschinen  gekrämpelt  und  gesponnen  worden  ist.  Man  braucht 
sie  zu  Strumpfwaren  und  Shawls. 

Färberei,  s.  Zeugdruck. 

Färberei-  und  Appreturschulen,  s.  Webeschulen. 

Farbtuch,  auch  Drucktuch,  nennt  man  beim  Zeugdruck  dasjenige  aus 
Wolle    oder  Baumwolle  bestehende  endlose  Gewebe,    welches  bei  den  Walzen- 


Farnworth — Federmosaik.  Xg5 


druckmaschinen    die    Unterlage    für    das    zu   bedruckende  Gewebe    bildet,    und 
letztere  gleichzeitig  in  die  Trockenkammer  leitet. 

Farnworth,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancaster:  wichtige  Baumwoll- 
industrie. 

Fars,  persische  Seidenmanufaktur,  welche  im  Mittelalter  durch  Atlasstoffe 
und  Sammete  berühmt  war. 

Faserstoffe  sind:  1.  Pflanzenfasern:  Baumwolle,  vegetabilische  Seide, 
Flachs,  Hanf,  Jute,  Chinagras,  Ramie,  Abelmoschusfaser,  Gambohanf,  Nessel- 
faser, Sum,  Agavefaser,  Aloehanf,  Co'ir,  Manilahanf,  neuseeländischer  Flachs, 
Tillandsinfaser,  Kitulfaser,  Piassava,  Esparto.  2.  Tierische  Fasern:  Schaf- 
und  Ziegenwolle,  Alpaka-  und  Kamelwolle,  Tierhaare  im  allgemeinen,  Muschel- 
seide. 3.  Mineralische  Fasern:  Metallfäden,  Glaswolle,  Schlackenwolle, 
Asbestfäden.     (Vergi.  die  Artikel  im  eiüzelnen  und  „Gespinstfasern".) 

Fassa,  Fesa  oder  Basa,  Stadt  in  der  pers.  Provinz  Farsistan,  im  Süd- 
osten von  Schiras:  hat  ihren  alten  Glanz  gänzlich  eingebüsst,  ist  jedoch  durch 
ihre  Goldstickereien  und  Brokate  noch  jetzt  berühmt. 

Fassonierte,  fagonierte,  figurierte,  gemusterte  Stoffe  nannte  man  früher 
die  verschiedenen  Gewebe,  bei  welchen  die  Figuren  nicht  mit  dem  Zampel- 
oder  Kegelzug  eingewirkt,  sondern  nur  mit  vielen  Schäften  und  Fusstritten 
hervorgebracht  wurden.  Nach  der  Erfindung  der  Jacquardmaschine  und  der 
ihr  ähnlichen  Trittmaschine  hat  diese  Unterscheidung  aufgehört;  man  bezeichnet 
jetzt  gemusterte  oder  figurierte  Stoffe  im  Gegensatz  zu  den  glatten  Zeugen, 
unter  welche  man  nur  die  leinwand-  oder  taffetartig  und  geköperten  Gewebe 
rechnen  kann.  Gewöhnlich  sind  in  fassonierten  Stoffen  dem  Muster  oder  der 
Farbenstellung  nach  entsprechende  Streifen  eingewebt,  welche  in  anderer  Weise 
binden,  als  der  Grund  oder  die  daneben  befindlichen  Streifen.  Es  ist  dem- 
nach eine  Bindung  in  die  andere  gestellt,  weshalb  man  sich  auch  des  Aus- 
drucks „zusammengestellte  Bindungen"  (s.  Bindungen)  bedient.  Trotz  der 
Vielseitigkeit  in  der  Ausführung  lassen  sich  die  so  erzeugten  Stoffe  in  sechs 
Klassen  einteilen:  Langgestreifte  Stoffe  (raye's);  quergestreifte  St.  (travers); 
karierte  St.,  würfelige  St.,  mehrteilige  St.  (s.  a.  Armure  und  Bildgewebe). 

Fastentuch,  Hungertuch,  (lat.:  cortina  qudraginta  dierum,  circitorium 
oder  velum  quadragesimale;  franz.:  tenture  de  careme;  engl.:  tenten  veil.) 
grosser  Teppich  aus  weisser,  grauer  oder  violetter  Leinwand,  mit  biblischen 
Darstellungen  bemalt,  bestickt  oder  bedruckt,  welcher  in  der  Fastenzeit  vor 
dem  Allerheiligsten  aufgehängt  wird.  Im  Mittelalter  liebte  man  für  derartige 
Tücher  die  Weissstickerei,  wohl  mit  Rücksicht  darauf,  dass  das  Licht,  welches 
durch  die  Hochfenster  für  den  Beschauer  von  hinten  auf  den  Vorhang 
fiel,  die  gestickten  Figuren  und  Sprüche  dunkel  auf  hellem  Grunde  er- 
scheinen lässt. 

Fa-U-tunn  (chines.),  ein  broschierter  Kamlott  aus  Seide  und  Wolle,  der 
in  China  gewebt  und  zu  welchem  das  karte  Kammgarn  zum  Schuss  aus  Eng- 
land eingeführt  wird. 

Faveur  (franz.),  eine  Gattung  farbiger  schmaler  Bänder  aus  Etienne. 

Fayetteville,  Hauptort  des  County  Cumberland  im  nordamerik.  Staate 
Nordcarolina:  Baumwollmanufaktur  und  -Fabrikation. 

Fecamp,  Hauptort  im  Arrond.  Havre  des  Depart.  Seine-Inferieure : 
Kaliko-  und  Segeltuchfabrikation;  Baumwollspinnerei. 

Fechenheim,  Dorf  im  preuss.  Reg.-Bez.  Kassel:  Litzenweberei. 

Federkielstickerei,  s.  Stickerei. 

Federköper,  s.  v.  w.  Federleinwand. 

Federleinwand  nennt  man  eine  Gattung  sächsischer  Barchente,  worin 
die  Kette  von  gebleichtem  Leinengarn,  der  Einschlag  aus  feiner  Baumwolle 
besteht.  Sie  unterscheiden  sich  von  anderen  Barchenten  dadurch,  dass  nach 
der  Breite  wechselweise  ein  Streifen  geköpert,  der  andere  ungeköpert  ist. 

Federmosaik,  aus  natürlich  oder  künstlich  gefärbten  Vogelfedern  zu- 
sammengesetzte Muster  oder  Bilder.  Bei  den  Indianern  Südamerikas  hat  sich 
der    Gebrauch    erhalten    und    von    ihnen    auf   die    Eingewanderten    übertragen. 


186  FederriteQ— Ferahan. 


bunte  Federn  in  Decken  einzuwirken,  eine  Art  und  "Weise  der  Musterung,  der 
schon  im  Altertum  in  China  Erwähnung  geschieht. 

Federriten,  gewöhnlicher,  blaugestreifter  Bettzwillich.  Die  Streifen  sind 
meistens  blau  und  grau  von  ungebleichtem  Grarn.  In  Mähren  nennt  man  auch 
eine  rohe  Leinwand  F. 

Federtapeten,  Federteppiche,  Decken  oder  Teppiche,  in  welche  bunte 
Yogelfedern  eingewirkt  sind  (s.  Federmosaik). 

Feine,  die,  oder  Höhe  des  Blattes  (s.  d.)  eines  Seidengewebes  drückt 
man  nach  den  Hunderten  von  Riethstäben  (Blattrohren)  aus,  welche  sich  auf 
einem  bestimmten  Masse  befinden. 

Feinspinnen,  der  Spinnprozess,  welcher  den  fertigen  Faden  aus  dem 
Yorgespinst  herstellt. 

Feinspinnmaschinen  ziehen  die  Fäden  bis  zur  gewünschten  Feinheit  aus 
und  drehen  sie  gleichzeitig  zusammen:  Watta-  und  Mulmaschinen. 

Felbel,  Felpel,  Felper  odel  Yelpel,  auch  Pelzsammet,  ein  sammetartiges 
Gewebe,  dem  die  langen,  durch  Bürsten  nach  dem  Strich  niedergelegten 
Florfäden  ein  pelzähuliches  Aussehen  geben;  dient  zum  TJ eberkleiden  der 
Zylinderhüte. 

Feldbinde,  die  im  13.  Jabrh.  aufgekommene  Militärschärpe.  Sie  bestand 
zuerst  aus  einem  breiteren  Schmuckgürtel,  in  welchen  häufig  Wappen  oder 
andere  Bilder  eingestickt  waren.  Später,  so  im  dreissigj ährigen  Kriege, 
wurde  sie  in  den  Landesfarben  von  der  rechten  Schulter  zur  linken  Hüfte  ge- 
schlungen. 

Feldkirch,   Stadt  in  Yorarlberg:  Baumwollspinnereien. 

Felixdorf,  Dorf  in  Oesterreich  bei  Wien:  Baumwollspinnereien,  Baum- 
wollweberei mit  Appretur  und  Bleicherei. 

Felletin,  Hauptort  im  Arrond.  Aubusson  des  franz.  Depart.  Creuse: 
bedeutende  Teppichfabrikation,  Wollspinnerei. 

Fellmaschine,  Pelzkrempel,  in  der  Streichgarnsj)innerei  eine  Bezeich- 
nung für  die  zweite  Krempel,  welche  die  Wolle  in  Form  einer  breiten  pelz- 
artigen Fläche  empfängt. 

Felpel,  Felber,  s.  Felbel. 

Fenny-Stratford,  Stadt  in  der  engl.  Grrafschaft  Buckingham:  Spitzen- 
klöppelei. 

Feradsche,  Kleidungsstück  der  türk.  Frauen,  wird  ausserhalb  der  Woh- 
nung getragen  und  besteht  aus  einem  den  ganzen  Körper  von  den  Schultern 
bis  auf  die  Knöchel  einhüllenden  L^eberwurf  aus  Seide  oder  feinem  Wollstoff, 
in  Aegypten  und  Syrien  auch  aus  Baumwolle  mit  einem  breiten  Kragen,  an 
den  sich  oberhalb  der  den  Hals  und  Kopf  bedeckende  Schleier  (Jaschmak) 
anschliesst.  Xeuerdings  wird  statt  des  F.  vielfach  der  Tscharschaf  (s.  d.) 
getragen. 

Ferahan,  persische  Provinz,  nach  welcher  ein  am  meisten  in  Europa 
verbreiteter  kurz  geschorener  Knüj^fteppich  benannt  wird,  der  hauptsächlich  in 
der  Stadt  Suitanabad  vom  Ende  des  18.  bis  zum  Anfange  des  19.  Jahrhunderts 
erzeugt  wurde.  Der  Ferahanteppich  galt  früher  als  eines  der  vorzüglichsten 
Produkte  persischer  Teppichindustrie.  Ohne  Anspruch  auf  besondere  Feinheit 
oder  besonderen  Materials  erheben  zu  können,  stellte  derselbe  in  den  guten 
Sorten  einen  überaus  fest  gearbeiteten,  unverwüstlichen,  durch  seine  ruhigen 
Farben  und  das  geschmackvolle  Muster  wohltuend  wirkenden  Bodenbelag  dar, 
der  auch  durch  seine  Grrössenverhältnisse  den  europäischen  Bedürfnissen  ^am 
meisten  zusagte.  Gewannen  ihm  alle  diese  Eigenschaften  bald  einen  Weltruf, 
so  ging  infolge  der  massenhaften  Ausfuhr  seine  Qualität  immer  mehr  herunter, 
so  dass  es  schwer  ist,  heut  noch  ein  wirklich  gutes  Stück  seiner  Art  im  Orient 
zu  erhalten;  es  kommen  nur  noch  gröbere  Arten  in  den  Handel.  Der  ver- 
breitetste  Typus  des  F. -Teppichs  ist  durch  das  Heratimuster  (s.  d.)  gekenn- 
zeichnet, dem  sich  auch  seine  Borte  anpasst.  Eine  andere  Gattung  von  F.- 
Teppichen zeigt  im  Inneren  zwei  Systeme  von  geflammten  Panken,  ein  verti- 
kales und  ein  horizontales,    die    einander   unter    dem   rechten  Winkel   kreuzen 


Ferandine — Fibrom.  187 


und  sich  zu  ausgeschweiften  spitzovalen  Feldern  zusammeDschliessen.  Ein 
drittes  Motiv  ist  das  unter  dem  Namen  Gule  Hennai  (s.  d.)  bekannte  Muster, 
das  aus  in  gelblicher  Farbenstimmung  dargestellten,  symmetrisch  an  einen  Stengel 
gereihten  Narzissenblüten  besteht.  Die  Hauptplätze  für  F. -Teppiche  sind 
Täbris  und  Terahan,  von  wo  aus  dieselben  über  Trapezunt  durch  Karawanen 
in  den  europäischen  Handel  gelangen  (s.  a.  den  Artikel  „Teppiche"). 

Ferandine,  Ferrandine,  früher  ein  leichter,  halbseidener  Stoff,  dessen 
Kette  ganz  von  Seide,  der  Einschlag  von  Wolle,  Baumwolle,  Leinen  oder  auch 
von  Kamelhaar  war.  Er  ähnelte  dem  Chaly,  der  Barege,  der  Alepine.  Der 
Stoff  wurde  in  Frankreich  gefertigt. 

Ferda  (arab.),  TJmhüllungstuch  der  Orientalen. 

Fere,  La,  Hauptort  des  Kantons  F.  im  Arrond.  Laon  des  franz.  Depart. 
Aisne:  Drillich-  und  LeinwandhanSel. 

Fernambuk,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Ferraschen  heissen  in  Persien  in  den  Häusern  der  Grrossen  jene  Leute, 
welche  die  Aufsicht  über  die  Teppichbestände  haben:  so  genannt  vom  persischen 
Fersch,  der  Teppich. 

Ferte-Bernard,  La,  Hauptort  im  Arrond.  Mamers  des  franz.  Depart. 
Sarthe:  Leinwandindustrie. 

Fes,  Fez,  (Fäs),  eine  der  beiden  Haupt-  und  Residenzstädte  des  Sultanats 
Marokko.  Hauptsitz  der  marokkanischen  Industrie:  man  fertigt  wollene  Be- 
duinenmäntel, Grürtel,  wollene  Decken,  Sättel,  seidene  Tücher,  rote  wollene 
Mützen,  Leinen;  war  einst  Hauptsitz  der  Teppich erzeugung  in  Marokko  (s. 
Marokkanische  Teppiche). 

Fes,  türkische  Kappen,  rot  und  weiss,  in  verschiedenen  Sorten  unter 
den  Bezeichnungen  Abas,  Nisam,  Servianen,  albanesische,  griechische  u.  s.  w., 
bonnets  de  Turquie,  estamets  casquettes,  sind  die  aus  feiner  Schafwolle  ge- 
strickten oder  gewirkten,  dann  fest  gewalkten  runden  Mützen,  das  Hauptstück 
des  Kopfputzes  in  der  Türkei,  welches  die  Stelle  des  Hutes  vertritt  und  daher 
einer  von  den  einträglichsten  und  bedeutendsten  Artikeln  im  levantiner  Handel 
ist,  von  den  Griechen  ohne  alle  Verzierung  getragen,  von  den  Türken  in  roter 
Farbe  mit  einem  Turban  umgeben,  von  den  Weibern  in  weisser  Farbe,  mit 
Tüchern,  Schleiern,  Eransen  und  anderem  Kopfschmuck  verziert  wird.  Seit 
1826  ist  der  Fes  ein  Uniformstück  der  türkischen  Armee:  Nisam.  Gefertigt 
werden  diese  Kappen  seit  uralten  Zeiten  in  Fes ;  seit  dem  18.  Jahrhundert 
macht  man  sie  aber  in  grossen  Mengen  auch  in  Italien,  Frankreich,  Deutsch- 
land, Oesterreich  und  Böhmen. 

Festenberg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Breslau:  Tuchfabrikation. 

Festonnierapparat,  Maschine  der  Stickindustrie  zum  Einfassen  von  aus- 
geschlagenen Zacken  u.  dergl. 

Festonstich,  s.  Maschinenstickerei. 

Festonstressen  heissen  die  doppelten,  ausgebogten,  gemusterten  und  an 
der  einen  Kante  oder  an  beiden  durchbrochenen  Tressen. 

Fetabrun  (filix)  wächst  auf  Malta:  Ersatzmittel  für  Baumwolle. 

Feuchtwangen,  Bezirksstadt  in  Mittelfranken:  Leinen-,  Woll-  und  Damast- 
fabrikation. 

Feuerhemd,  in  früheren  Seekriegen  angewandtes  Kampfmittel:  Leinwand- 
stücke u.  s.  w.,  die,  mit  brennbaren  Stoffen  getränkt,  an  den  feindlichen  Schiffen 
befestigt  wurden,  um  sie  in  Brand  zu  setzen. 

Feuersteinleinwand,  Flintleinwand,  mit  grob  oder  fein  gemahlenen  Kiesel- 
steinen bestreutes  Gewebe,  vorher  mit  Leimlösung  bestrichen:  Schleif-  und 
Putzmittel. 

Fibroin,  flüssiges  Sekret  der  Seidenraupe,  eigentlich  die  Seidensubstanz 
der  eigentlichen  Seidenfaser,  wurde  in  vorgeschichtlicher  Zeit  in  Fadenform 
ausgezogen  und  zur  Herstellung  von  Saiten  und  Angelschnüren  verwendet. 
Indessen  sollen  nur  die  Chinesen  (3000  v.  Chr.)  im  Besitze  dieses  Materials 
gewesen  sein.  Ein  scheinbar  ähnliches  Produkt  wird  japanisch  als  Tengusu, 
engl.:  silkworn-got,  franz.:  fil  de  Florence  genannt. 


188 


Fife— Filet. 


Abb.  69. 


Fife,  Grafschaft  in  Schottland:  bedeutend  sind  die  verschiedenen  Zweige 
der  Leinenmanufaktur;  ausserdem  Tuchfabrikation. 

Figures  de  Chimay  nennt  man  niederländische  Spitzen,  welche  zu  Henne- 
gau verfertigt  werden. 

Figuriert  (franz.:  figure;  engl.:  figured),  gemustert,  verziert,  namentlich 
von  Stoffen;  s.  fassoniert. 

Filatomaschine ,  in  der  Seidenfabrikation  eine  Vorrichtung  zum  Auf- 
drehen des  Probefadens,  das  den  Zweck  hat,  für  irgend  ein  Seidengespinst  die 
Anzahl  von  Drehungen  zu  finden,  welche  auf  eine  bestimmte  Länge  sowohl 
den  einzelnen  ßohseidenfäden  als  beim  nachherigen  Zwirnen  dem  Granzen 
gegeben  worden  sind. 

Filatorium  (lat.),  Seidenzwirnmühle  oder  auch  Spinnmühle,  Maschine, 
auf  der  das  Zwirnen  oder  Zusammendrehen  mehrerer  Kokonfäden  zu  einem 
Fadenbündel  (Rohseidenfaden)  erfolgt. 

Filatrice  hat  in  Frankreich  zweierlei  Bedeutung:  1.  die  Florettseide; 
2.  einen  Stoff,  dessen  Kette  aus  Seide,  der  Einschluss  von  Florett  ge- 
macht wird. 

Fil  d'Epreuve,    eigentlich    Toiles  fil  d'Epreuve,    mittelfeine,  bunte  fran- 
zösische Leinen,    ganz  aus  Flachsgarn,    blau   und    weiss  gewürfelt,    blau  und 
weiss  gestreift,  zuweilen  auch  in  anderen  Farben  kariert  und  gestreift. 
Fil  de  Forez,  s.  Leinengarn. 
Fil  de  Sayette,  s.   Wollengarn. 

Filet ,  ein  durch  Knüpfen  aus  Fäden  hergestelltes  Netz,  das  mittels  eines 

runden,  glatten  Holzstabes  entsteht  —  dessen 
Umfang  die  Grösse  der  Maschen  bestimmt  — 
und  der  sogen.  Filetnadel,  einem  dünen  Metall- 
stäbchen, das  an  beiden  Enden  gespalten  ist 
und  in  dem  sich  der  streifenartig  aufgewickelte 
Fadenvorrat  befindet.  Der  weiteren  Ausbildung 
der  Technik  liegt  wohl  das  einfache  Fischernetz 
zugrunde,  dessen  Heimat  kaum  festzustellen  sein 
möchte;  doch  kann  auch  das  Ausziehen  von 
Fäden,  wodurch  quadratischer  Netzgrund  ge- 
schaffen wird,  zur  Vervollkommnung  geführt 
haben.  Die  ältesten  Netzarbeiten  (s.  d.)  sind 
uns  als  Mützen  aus  den  koptischen  Gräbern  des 
5. — 7.  Jahrh.  erhalten,  deren  Herstellung  aber 
nicht  immer  auf  dem  einfachen  Filetknoten  be- 
ruht. (Abb.  69.)  Kopfnetze  aus  farbiger  Seide 
mit  entsprechender  Musterung  kommen  aus  dem 
13. — 14.  Jahrh.  und  sind  als  rheinische  Ar- 
beiten bekannt.  Als  spitzenartige  Decken  und 
Borten,  meistens  in  weissem  Garn,  kommt  die 
eigentliche  Filetarbeit  gleichzeitig  in  Italien, 
Spanien,  Deutschland  und  Frankreich  im  An- 
fange des  17.  Jahrhs.  vor;  sie  bildet  bis  ins 
18.  Jahrh.  hinein  eine  der  beliebtesten  textilen 
Kunstfertigkeiten  und  findet  weite  Verbrei- 
tung durch  Musterbücher.  Die  Musterung  an  und  für  sich  schliesst  sich 
infolge  der  quadratischen  Grundlage  derjenigen  für  Leinenstickerei  streng ''an 
(Abb.  70) ;  freiere  Ausbildung  erfahren  die  Muster  durch  den  Filetguipüre  und 
die  Filetstickerei  (s.  d.).  Auch  der  Orient  hat  die  Filetarbeit  in  Shawls  und 
dergl.  aufgenommen,  wo  sie  aber  nur  in  bunter  Seide  zur  Ausführung  gelangt. 
(Abb.  71.)  Gewebte  Filetstoffe,  welche  den  klaren  Gazestoflfen 
ähnlich  sind,  erscheinen  im  Anfang  des  17.  Jahrhs.  in  Spanien  und  Italien, 
man  bediente  sich  ihrer  für  Durchzugarbeiten  und  Stickereien  in  farbiger 
Seide  (s.  a.  die  Netzarbeiten  unter  Aegypten). 


Filet  de  Cluny — Filetguipüre. 


189 


Abbildungen: 

69.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Teil  einer  Mütze,  in  filetartiger  Netzarbeit  aus  gelblichem  Garn.  Aus  einem  koptischen 
Grabe  5. — 7.  Jahrh. 

70.  Darstellung  aus :  Ornamentale  und  kunstgewerbliche  Sammelmappe  (Serie  V) 
des  Kunstgewerbemuseums  zu  Leipzig.  Tafel  XXII.  Decke  in  Filetarbeit  aus  weissem 
Garn  mit  Darstellung  von  Tieren  und  Blütenzweigen  in  Umrandung  einer  Ranke  mit 
stilisierten  Blütenpalmetten.     Italien  17.  Jahrh. 

71.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerberauseum  in  Stuttgart: 
Endigung  eines  Shawls,  Filetarbeit  in  farbiger  Seide,  im  Grunde  Streumuster  aus  ßlüten- 
zweigen,  die  Borte  mit  stehenden  Bäumchen.     Tärkei  18. — 19.  Jahrh. 

Abb.  70. 


Filet  de  Cluny,  französische  Netzarbeiten  aus  dem  15. — 17.  Jahrh.  Sie 
zeichnen  sich  durch  einen  sehr  engen  Netzgrund  aus  und  durch  dichtgestellte 
Muster,  die  mit  einem  starken  Faden  umnäht  sind. 

Filetdurchzug,  s.  Filetguipüre  und  -Stickerei. 

Filetguipüre  nennt  man  die  auf  einem  Filetnetz  hergestellten  Arbeiten, 
deren  Musterung  sich  nicht  an  die  quadratische  Grundfläche  binden,  sondern 
in  rundlichen  Linien  durch  weitergeführte  Fäden  gebildet  werden.  (Abb.  72.) 
Mit-  dem  Guipüre  (s.  d.)  in  passementerieartiger  Ausführung  hat  die  Technik 
niißhts  gemein. 


190 


Filetstickerei. 


Abbil  düng: 
72.    Originalaufnahme    aus    dem    Königl.    Landesgewerbemuseum    in    Stuttgart: 
Borte,    sogen.    Filetguipüre   in   weissem    Garn:    welliges    Rankenmuster.      Deutschland 
Ende  17.  Jahrh. 

Filetstickerei,  Durchzug  von  Fäden  durch  die  Maschen  eines  geknüpften 
oder  gewebten  Netzes ;  erscheint  im  XIY.  Jahrhundert   als  rheinische  Kloster- 

Abb.  71. 


arbeit,  im  XYI.  Jahrhundert  in  Italien  (Abb.  73)  und  (Abb.  74)  Spanien  für 
profane  Zwecke   reich  in  farbiger  Seide  ausgeführt.     Als  eine  andere  Art  der 

Abb.  72. 


^^^^^^^1 

HHHII 

i^H 

Filetstickerei  ist  diejenige  zu  bezeichnen,  wenn  das  gröbere  Netz  als  Auflage 
für  ein  aus  Leinen  ausgeschnittenes  Muster  dient,  dessen  Ränder  in  farbiger 
Seide  bestickt:  sie  wurde  im  17.  Jahrh.  in  Italien  und  Spanien  geübt.    (Abb.  75.) 

Abbildungen: 
73.    Originalauf  nähme    aus    dem    Königl.    Landesgewerbemuseum    in    Stuttgart: 
Borte   in  Filetstickerei    aus    gelblichem  Garn   auf  weissem  Netz,   mit    eckig  gelegtem 
Rankenmuster,    das  in   distelartige   Palmettenblüten  endigt.     Italien   Ende    16.  Jahrh. 


Filieren — Fillingmaschine . 


191 


74.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Borte  in  Filetstickerei  aus  bläulichem  Garn  auf  weissem  Netz  mit  Muster  aus  Blüten 
und  schrägen  Balken.     Spanien  Ende  16.  Jahrb. 

75.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Borte, 
Aufnäharbeit  aus  weissem  Leinen  mit  farbiger  Seidenstickerei  auf  grossmaschigem  grün- 
seidenem Filetnetz.     Italien  17.  Jahrb. 


Abb.  73. 


Abb.  74. 


Abb.  75. 


auf 


Filieren,  in  der  Seidenfabrikation,  s.  v.  w.  Zwirnen. 

Filierte  Seide,  der  aus  mehreren  Kohseidenfäden  gezwirnte  Seidenfaden, 

Filik-Teppiche    werden    orientalische  Teppiche   aus  Ziegenhaar    genannt. 

Filla  (lat.),  Schnur,  mit  der  ein  Spiegel  befestigt  wurde. 
.  Fillingmaschine,    bei    der  Verarbeitung    der  Florettseide  eine  Maschine, 
der    das  Material  in  ein  Vliess  verwandelt  und  sodann  in  gleiche  Längen 


192  -Filo  ad  un  dente — Finsterwalde. 

zerschnitten  wird,  um  die  Arbeiten  des  Dressierens  (Kämmens)  und  Spinnens 
zu  ermöglichen. 

Filo  ad  un  dente,  in  Neapel  eine  Art  Taffet,  der  von  sog.  Scomiglia- 
seide  gewebt  und  einem  seidenen  Schleier  ähnlich  ist,  weshalb  ihn  die  Ita- 
liener auch  Yelo  sengro  nennen. 

Filo  d'Angora,    in  Italien    und  Oesterreich  das  gesponnene  Ziegenhaar. 

Filoschegardine,  s.  Filousche. 

Filoselle,  Filosello  (ital.),  Florettseide,  d.  s.  Abgänge  von  Grespinstresten, 
w^elche  das  Rohmaterial  zur  Florettindustrie  abgeben  (s.  d,). 

Filousche,  Filouche,  Filosch,  ein  dünner  durchsichtiger  Baumwollenstoff 
mit  Lein wandverbindung;  man  rechnet  ihn  unter  die  Musseline  oder  Gazestoffe. 

Filtrierstoffe,  s.  Filtriertuch. 

Filtriertuch,  Filtertuch,  Filtrierbeutel,  ein  dicker  loser  Wollstoff,  der 
entweder  durch  Weberei  aus  gedrehtem  Grarn  oder  auch  durch  Filzen  herge- 
stellt wird.  In  allen  Teilen  muss  der  Stoff  hinreichend  lose  sein,  um  Flüssig- 
keiten schnell  durchzulassen,  und  hinreichend  feinporig,  um  auch  sehr  feine 
feste  Körper  zurückzuhalten.  Wolle  ist  nach  ihrer  natürlichen  Beschaffenheit 
hierzu  besonders  geeignet. 

Filtrum  (lat.),  Filz;  filtreus:  aus  Filz  gemacht. 

Filure  (franz.),  Gespinst. 

Filz  ist  ein  Stoff  aus  Wolle  und  Tierhaaren,  die  man  mit  Hilfe  von 
Wärme  und  Nässe  auf  einer  Filztafel  mit  einem  Filzeisen  oder  Filzblech  von 
Eisen  oder  Kupfer  über  Kohlenfeuer  derartig  ineinandertreibt ,  dass  sich  die 
kurzen  Härchen  erst  locker  ineinanderschlingen,  worauf  man  sie  in  einem 
AVaschkessel  mit  warmem  Wasser  und  Weinsteinlösung  ineinander  walkt. 

Filzgarn,  gefilztes  Grarn,  ein  zu  den  Kunst-  oder  Ziergarnen  (Effekt- 
garnen) gehöriges  Garn.  Als  E-ohmaterial  ist  nur  filzfähiger  Faserstoff,  wesent- 
lich also  Streichwolle  anwendbar.  Die  Herstellung  geschieht  nach  dem  gewöhn- 
lichen Spinnverfahren  bis  zum  Vorgarn.  Der  Yorgarnfaden  aber  wird  nicht 
auf  dem  üblichen  Wege  durch  Strecken  und  Drehen  in  fertiges  Garn  ver- 
wandelt, sondern  durch  Yerfilzung  der  Haare  des  Yorgarnbündels.  Der  Filz- 
prozess  ist  derselbe  wie  bei  gefilzten  Stoffen.  F.  ist  weicher  und  glätter  als 
gedrehtes  Garn  uad  besitzt  einen  matten  Glanz.  Verwendung  findet  es  ver- 
einzelt als  weiches  Schussgarn,  sowie  zu  Posamentierartikeln  u.  a. 

Filzmaschine,  eine  in  der  Filz-  und  in  der  Tuchfabrikation  gebrauchte 
Maschine,  auf  welcher  eine  vorbereitete  Fache  oder  ein  Haarverliess  die  Be- 
schaffenheit des  Filzes  erhält  (s.  Filz). 

Filzmühle  oder  Walkmühle,  eine  Art  Filzmaschine  (s.  Tuchfabrikation). 

Filzteppiche  werden  nicht  gewebt,  sondern  gestampft  und  kommen  vor- 
züglich in  Yezd,  Ispahan,  Khain  u.  a.  0.  in  Persien  vor.  Es  gibt  drei  Sorten, 
die  sich  nach  der  Stärke  unterscheiden  (s.  Nemed). 

Filztuch,  im  gewöhnlichen  Sinne  ein  Wollstoff,  der  durch  Filzen  der  auf 
den  Yorspinnmaschinen  erzeugten  Decken  oder  Pelze  hergestellt  wird  und  zu 
Fussdecken,  Pantoffeln,  Bieruntersätzen  u.  a.  dient.  —  Dann  auch  ein  aus 
kräftiger  Streichwolle  hergestelltes  dickes  Gewebe,  das  durch  Walken  stark 
verfilzt  ist;  es  wird  als  Zylinderüberzug  in  der  Papierfabrikation  benützt, 

Fimbria  (lat.),  goldgestickter  Saum,  Franse,  auch  Halskrause ;  fimbriatus, 
mit  Goldstickereien  oder  Fransen  eingefasst. 

Finastre,  eine  der  schlechtesten  Sorten  Ardassinseide  aus  Smyrna. 

Finette,  eine  Art  der  französischen  Serge. 

Finishing,  der  englische  Ausdruck  für  die  Schlussoperationen  der  Appre- 
turverfahren, welche  den  Zweck  haben,  die  Ware  verkäuflich  zu  machen. 

Fin  trait,  eine  Gattung  Segeltücher  aus  Abbeville. 

Fiocchi  (ital.),  Quasten  von  Leinenschnüren,  die  sich  im  17.  Jahrhundert 
im  Zusammenhange  mit  den  Spitzen  entwickelt  haben. 

Fior  di   Francia  heissen  in  Italien  die  broschierten  Atlasse. 

Finsterwalde,  Stadt  im  Kreis  Luckau  des  preuss.  Eeg.-Bezirks  Frank- 
furt:   Tuchfabrikation    (21    Fabriken    mit    5 — 600    mechanischen  Stühlen    und 


Fischtücher— Flachs.  193 


12 — 1300  Arbeitern).  Das  hier  hergestellte  fast  ausschliesslich  schwarze  Tuch 
wird  auf  Messen  in  Leipzig,  Frankfurt  a.  0.  und  Braunschweig  abgesetzt, 
sowie  nach  Schweden  und  der  Schweiz  versandt. 

Fischtücher,  eine  Gattung  wollener  Tücher  für  den  levantiner  Handel, 
welche  in  Sachsen,  Schlesien  und  Böhmen  gewebt  und  in  den  orientalischen 
Farben  gefärbt  werden,  Ihren  Namen  haben  sie  von  den  zwei  Fischen,  welche 
auf  ihrem  Bleistempel  den  Namen  der  Fabrik  umgeben. 

Fischu,  Fichu  (frauz.),  kleine  Frauenhalstücher,  welche  durch  Maria  An- 
toinette  in  Mode  gekommen  sind  und  zuerst  aus  einer  den  Malines  (s.  d.)  ähn- 
lichen Spitzen  bestanden. 
Fitze,  s.   G-arn. 

Fixe  (franz.),  kleines  Bild  auf  Leimvand  oder  Seidenstoff,  bedeckt  von 
einer  Glasplatte,  wie  sie  früher  zur  Ausschmückung  der  Möbel  angewendet 
wurden. 

Flachdraht,  s.  Lahn. 

Flachs,  Lein,  der  allgemeine  Name  für  mehr  als  24  verschiedene  Pflanzen, 
die  sich  durch  den  fünfblättrigen  Kelch,  durch  die  fünfblättrige  Blumenkrone 
und  durch  die  fünfschaligen  Samenkapseln,  die  in  jedem  ihrer  zehn  Fächer 
einen  einzelnen  Samen  enthalten,  auszeichnen.  Eine  dieser  Arten  ist  der  be- 
kannte gemeine  Flachs,  gemeine  Lein,  Linum  ussitatissimum,  dessen  eigent- 
liches Yaterland  imbekannt  ist;  doch  findet  man  ihn  in  einigen  südlichen 
Ländern,  in  Aegypten ,  in  Spanien  und  auch  in  der  Schweiz,  wild  ohne  alle 
Pflege  wachsen.  Der  Flachsbau  ist  über  ganz  Europa  verbreitet,  doch  mehr 
im  nördlichen,  als  im  südlichen.  Lein  heisst  eigentlich  die  ganze  Pflanze, 
Flachs  aber  das  daraus  zum  Garnspinnen  vorbereitete  Material.  (Vgl.  die 
Artikel  Byssus  und  Lein.) 

Ln  Handel  kommen  folgende  Sorten  von  Flachs  vor: 

Aegyptischer  Flachs,  ungewöhnlich  lang  und  von  rötlicher  Farbe; 
meistens  sehr  stark,  daher  nur  zu  grober  Leinwand  brauchbar. 

Archangeler  Flachs,  lang,  weich,  grau  in  der  Farbe;  man  schätzt  ihn 
dem  Petersburger  gleich. 

Böhmischer  Flachs  wird  unter  den  deutschen  Sorten  nächst  den  lüne- 
burger am  meisten  geschätzt,  er  ist  rein  und  von  langem  glänzenden  Haar. 

Danziger  Flachs  kommt  in  6  Sorten  in  den  Handel;    die  beste  Sorte  ist 
rigaischer    Rakitzer,    dann    folgt    podolischer    und    als    dritte   Sorte    oberländischer. 
Paternoster  ist  gering.     Zweiband  und  Dreiband  sind  unrein. 
Finn  ländischer  Flachs  ist  von  grüner  Farbe. 

Flandrischer  Flachs,  eine  der  besten  und  feinsten  Sorten,  welcher  den 
irländischen  besten  Arten  gleichkommt.  Die  Einwohner  verarbeiten  hiervon  alles 
selbst  für  Batist-,  Spitzen-  und  Leinwandwaren,  so  dass  kaum  etwas  in  den  Handel 
kommt. 

Französischer  Flachs  ist  gleich  dem  flandrischen  fein  und  wird  auch  zu 
den  feinsten  Geweben  und  Spitzen  verarbeitet.  Man  erhält  daraus  die  unter  den 
Bezeichnungen  Ramie  und  Lin  de  fin  bekannten  Sorten;  Lin  de  gros  dient  nur  zu 
mittelfeinen  und  starken  Gespinsten. 

Holländischer  Flachs  wird  wegen  seines  feinen  und  glänzenden  Fadens, 
seiner  Länge  und  Güte  dem  flandrischen  gleichgeschätzt. 

Irländischer  Flachs  ist  unter  allen  bekannten  Sorten  der  feinste  und  beste ; 
er  kommt  aber  nicht  in  den  Handel,  weil  man  nur  so  viel  baut,  als  in  den  englischen 
Spinnereien  gebraucht  wird. 

Königsberger  Flachs  kommt  in  verschiedenen  Sorten  nicht  allein  aus  Ost- 
und  Westpreussen ,  sondern  aus  Polen  und  den  angrenzenden  russischen  Provinzen 
nach  Königsberg.  Man  unterscheidet  unter  folgenden  Namen:  Feiner  oder  Königs- 
berger Rackitzer,  Kaydans  R. ,  Drujaner  R.,  Podolischer  R.;  Kettenflachs  in  Weiss, 
Blau,  Grau  und  Silberfarbig;  Oberländischer,  Paternoster,  Liebstädter,  Bauerband; 
Flachsdos  nennt  man  den  verwirrten  Flachs. 

Libauer  Flachs  sind  im  Kürland  erbaute  Sorten  von  geringer  und  un- 
reiner Art. 

Lüneburger,  braunschweiger,  hannoveraner  Flachs  rechnet  man 
unter  die  besten  deutschen  Flachssorten;  er  wird  meist  aus  dem  sogen.  Schiesslein 
erzeugt. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  13 


194  Flachsgarn — Flandrische  Leinwand. 

Memeler  Flachs  wird  in  fünf  Sorten  geteilt  unter  gleichen  Bezeichnungen 
wie  Königsberger. 

Xarwaer  Rein  flachs  ist  eine  gute  und  rein  gehechelte  Ware,  die  nicht 
häufig  vorkommt, 

Neuseeländer  Flachs  wird  aus  den  Blättern  einer  auf  den  Inseln  von 
Neuseeland  wild  wachsenden  Pflanze,  Phormium  tenax,  die  zur  Familie  der  Lihaceen 
gehört,  gezogen.  Man  bezeichnet  diese  Art  des  Flachses  auch  oft  Manilahanf,  doch 
mit  Unrecht,  da  dieser  (auch  Abaka  genannt)  von  der  Musa  textilis  gewonnen  wird. 
Beide  haben  aber  sehr  viel  Aehnlichkeit  miteinander. 

Oesterreichischer,  kärntner  und  tiroler  Flachs  ist  von  geringerer 
Qualität  als  der  böhmische  und  mährische. 

Peru auer  Flachs  enthält  viel  Werg,  die  beste  Sorte  ist  der  sogen,  geschneide. 
Petersburger  Flachs   wird  sehr  geschätzt,    seine  Farbe  ist  naturbräunlich, 
er  wird  indessen  bald  weiss. 

Riga  er  Flachs  kommt  unter  allen  Grattungen  im  Handel  am  häufigsten  und 
in  grossen  Mengen  vor,  weil  R.  der  wichtigste  Stapelplatz  für  diesen  Artikel  ist. 

Sächsischer  und  lausitzer  Flachs  ist  dem  böhmischen  an  Güte  gleich; 
man  ist  im  übrigen  seit  lange  in  Sachsen  bemüht,  die  belgische  Methode  des  Flachs- 
baues einzuführen. 

Schlesischer  Flachs  ist  fein,  fest  und  rein  gehechelt;  man  hält  ihn  nächst 
dem  böhmischen  und  mährischen  für  eine  der  besten  Sorten. 

Thüringischer  Flachs;  man  baut  in  Thüringen,  wie  in  Hannover  und 
Braunschweig  zwei  Arten  von  Flachs:  Klängellein,  Klanglein  und  Springflachs. 

Ausserdem  wird  der  Flachsbau  in  allen  Gegenden  Deutschlands  betrieben: 
Bayern,  Württemberg,  Hessen,  Baden,  Westfalen  u.  s.  w.;  er  kommt  aber  in 
Mengen  nicht  in  den  Handel,  weil  er  in  den  ihn  erzeugenden  Ländern  zu  Leinwand 
verarbeitet  wird. 

Flachsgarn,  s.  Leinengarn. 
Flachsspinnerei,  s.  Spinnerei. 
Flachstich,  s.  Plattstich  und  Stickerei. 

Flachswolle,  aus  der  rohen  Flachsfaser  durch  wiederholtes  Behandeln 
mit  Sodalösung  und  nachfolgendes  Neutralisieren  durch  Schwefelsäure  dar- 
gestelltes Surrogat  für  Baumwolle ,  das  bisher  aber  noch  wenig  praktische 
Verwertung  gefunden  hat. 

Flackmaschine,  veraltete  Bezeichnung  für  Schlagmaschine. 
Flaggentücher  oder  Schiffsfahnen  werden  von  leichtem  Wollenzeug  her- 
gestellt, das  man  Fahnentuch  nennt  (s.  Fahne). 

Flaine,  eine  Art  Coutils  oder  Bettzwilliche. 

Flämisch  Leinen,  Ylämisch  Leinen,  ist  einfache,  gedrungen  gewebte 
russische  Leinwand  von  sächsischem  Garne,  welche  in  den  südlichen  Gegenden 
des  Reiches  gefertigt,  ungebleicht  nach  Holland,  England  und  Amerika  ver- 
kauft werden. 

Flammes,  französische,  buntgeflammte,  auf  Leinwandart  gewebte  Zeuge, 
deren  Kette  aus  Leinengarn,  der  Einschlag  aus  Baumwolle  besteht. 

Flammierte,  geflammte,  chinierte  oder  jaspierte  Stoff'e  heissen  diejenigen 
tuchartigen  Gewebe,  welche  flammige  Streifen  oder  gesprenkelte,  lange  Linien  haben. 
Man  färbt  dazu  bestimmte  Garne  so,  dass  mehrere  Stellen  weiss  bleiben,  die  übrigen 
aber  die  beliebige  Farbe  behalten,  daher  man  die  zur  Kette  oder  zum  Ein- 
schlag bestimmte  Garnstrehne  mit  Bindfaden  so  umbindet ,  dass  die  Farbe  die 
bewickelten  Stellen  nicht  berühren  kann  und  diese  deshalb  weiss  bleiben. 
Auch  mehrere  seidene  oder  reiche  Stoff'e,  sowde  Bänder,  auch  genähte  oder  gestickte 
Arbeiten,  die  ein  flammenartiges  Muster  oder  gleichsam  einen  geflammten  Glanz 
haben,  nennt  man  flammiert  oder  flammig. 

Flamski  Polotno  oder  Plotno,  Polotno  heisst  auf  russisch  die  flächsene 
Leinwand ;  man  versteht  darunter  alle  auf  niederländische  oder  flandrische  Art 
gewebte  Leinwand;  insbesondere  begreift  man  darunter  in  Petersburg  die  beste 
Sorte  der  sogenannten  flämisch  Leinen  (s.  d.). 
Flandrische  Garne,  s.  Leinengarn. 

Flandrische  Leinwand  werden  im  allgemeinen  die  besten  und  feinsten 
Leinengewebe  genannt,  die  in  den  ehemaligen  französischen  und  österreichischen 
Niederlanden  gefertigt  wurden. 


Flandrische  TextilerzeugDisse — Flanell. 


195 


Flandrische  Textilerzeugnisse    älterer  Zeit   siehe   unter  Wandteppiche, 
Weberei  und  Spitzen. 

Flanell  oder  Flonell,  Franella,  Fa-lan-jin,  Fa-lag-nel,  Faupak,  ein  leichtes, 


Abb.  76. 


Abb.  77. 


tuchartiges  Gewebe  aus  Wollengarn,  welches  entweder  gar  nicht  oder  nur  sehr 
wenig  gewalkt  (gewaschen),  dann  gerauht,  aber  nicht  geschoren  wird,  und  mit 
verschiedenen  Abänderungen,  glatt,  gepresst, 
frisiert ,  geköpert ,  gedruckt  und  gestreift,  in 
verschiedener  Feinheit  in  den  Handel  kommt. 
Bei  allen  Grattungen  wird  zur  Kette  aus  zwei- 
schüriger  Wolle  fest  gesponnenes  Grarn  genommen, 
zum  Einschlag  Streichwolle.  Vielfach  wird  auch 
Fl.  mit  baumwollener  Kette  gemacht,  den  man  zu- 
weilen Hemderflanell o der Bolivarflanell  nennt. 
Bei  einigen  bunten  gestreiften  Gattungen  ist  die 
Kette  Leinengarn,  und  der  Einschlag  Schafwolle. 
Man  webt  den  F.  wie  Tuch,  doch  da  er  nur  die 
Wäsche  mit  Seife  bekommt,  so  wird  er  etwas 
dicht  geschlagen ,  wodurch  er  sich  vom  Boy 
unterscheidet,  der  stärker  gewalkt  wird.  Das 
Rauhen  geschieht  nur  einmal;  nach  demselben 
wird  er  geschwefelt  und  nass  in  die  Rahmen 
gespannt.  Die  feinsten  Sorten  erhalten  einen 
Köper,  wie  Kersey,  und  sind  unter  dem  Namen 
Gesundheitsflanell,  geköpert  er  Fl.  be- 
kannt. Die  Herstellungsorte  in  Deutschland  sind 
Sachsen,  Thüringen,  Württemberg,  Preussen, 
Hannover,  Hessen.  In  grossen  Mengen  findet 
Fl.  zu  Frauenunterröcken  Verwendung.  lieber 
gedruckten  oder  türkischen  Flanell  vgl.  den 
Artikel  Golgas.  In  früherer  Zeit  wurden  vor- 
zugsweise in  Flandern  feine  Flanelle  hergestellt, 
später  auch  in  England  und  Nordfrankreich, 
heut  stehen  die  deutschen  Fabrikate  den  fremdländischen  nicht  nach.  lieber 
flanellartige  Zeuge  wie  Moltons,  Boy,  Fries,  Lamas,  Bajetas  vgl.  die  einzelnen 
Artikel. 


196 


riatted  wire — Flechtbänder. 


Fiatted  wire  (engl.),  s.  Lahn. 

Flaus    (Fries,    Coating),    tuchartiges,    zuweilen   geköpertes    Grewebe,   ist 
dicker  und  hat  längeres  Haar  als  gewöhnliches  Tuch. 

Flechtbänder  oder  Bandmuster    sind  als  Begrenzung   deckender  Flächen 

Abb.  78. 


aus  Produkten  der  textilen  Kunst  durch  Flechten,  "Weben  oder  Sticken  hervor- 
gegangen und  in  dieser  Bedeutung  auch  auf  die  allgemeine  Formensprache  des 
Kunstgewerbes  übertragen  worden.  Die  ersten  schmückenden  Formen  derselben 
gingen  aus  dem  technischen  Yerfahren   hervor,    welche    bei    ihrer  Herstellung 


Flechtbänder. 


197 


stattfand:  d.  s.  Reibungen  von  Flecbtmotiven,  deren  älteste  Beispiele  uns  scbon 
aus   dem  alten  Aegypten  und  Assyrien  (Abb.  76)  bekannt  sind,  von  wo  sie  das 

Abb.  79. 


Abb.  80. 


klassische  Altertum  übernahm  (Abb.  77)  und  weiter  künstlerisch  ausbildete. 
Tom  Besatz-  oder  Bortenmotiv,  für  welches  in  der  Textilkunst  eine  eigene 
Technik  (s.  Brettchenweberei)  von  frühesten  Zeiten  an  nachgewiesen  ist,  welche 


198 


Flechtbänder. 


der  Bortenwirkerei  (s.  d.)  zugrunde  liegt,  geht  das  Flechtbandmuster  über  als 
reine  Grundfüllung  (Abb.  78),  wozu  der  arabische  Einfluss  (s.  arabischer  Stil) 
beiträgt,  welcher  es  bis  zum  13.  Jahrh.  immer  mehr  selbständig  erscheinen 
lässt.  (Abb.  79  u.  80.)  Auch  in  China  und  Japan  wird  das  Motiv  des  Flecht- 
bandes aus  der  Technik  heraus  entwickelt,  wobei  als  Ausgangspunkt  einesteils 
der  Mäander  (Abb.  81),  aber  auch  jene  Flechtart  wahrzunehmen  ist,  welche 
auf  breiten  Knotenverschlingungen  beruht,  die  sich  als  Flachmuster  aus- 
dehnen. (Abb.  82.)  Yom  Orient  aus  nehmen  die  Flechtbandmuster  mit  den 
übrigen  Motiven  der  Textilkunst  ihren  Weg  nach  Europa,  wobei  seit  dem 
16.  Jahrh.  in  Spanien,  Italien  und  Deutschland  eine  Umwandlung  zu  erkennen 
ist,  welche  die  ursprüngliche  Bedeutung  derselben  hinten  anstellt  (Abb.  83  u.  84) 
und  vielmehr  auf  die  geflochtene  Matte  als  die  Entstehung  derartiger  breiter 
angelegter  Flechtbandmuster  hinzudeuten  scheint. 

Abb.  81. 


Abbildungen: 

76.  Darstellung  aus:  Semper,  Der  Stil  u.  s.  w.  Bd.  1,  Taf.  XII.  München  1878: 
Doppelborte  mit  Flechtband  und  Palmeiten;  von  einer  assyrischen  Wandmalerei. 

77.  Darstellung  aus:  Margarethe  Lehmann-Fühes,  üeber  Brettchenweberei. 
Berlin  1901:  Bandornament  auf  einem  römischen  Mosaikfussboden. 

78.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Aufsatzstück 
eines  Gewandes,  gobelinartige  Stopfarbeit  in  violetter  Wolle,  darauf  in  feinem  weissen 
Garn  gestickt:  Muster  aus  Flechtband  und  Rosetten.  Original  aus  einem  koptischen 
Grabe  5. — 8.  Jahrh. 

79.  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Bl.  2,  Fig.  1.  Leipzig  1896:  R(/sette 
aus  Flechtbandwerk  in  Umrahmung  von  zwei  durchsteckten  Quadraten.  Original  auf 
einem  spanisch-maurischen  Seidenstoff  des  13. — 14.  Jahrh.  in  der  Stoffsammlung  des 
Königl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin. 

80.  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Bl.  2,  Fig.  2.  Leipzig  1896:  Rosette 
aus  Kelchpalmetten  im  Yierpass,  in  Umrahmung  eines  rund  gelegten  doppelten  Flecht- 
bandes, Original  auf  einem  arabisch-indischen  Seidenstoff  des  13. — 14.  Jahrh.  in  der 
Stoffsammlung  des  König].  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin. 

81.  Darstellung    aus:    Heiden,    Musteratlas,    Bl.   100,   Fig.    1.     Leipzig    1896: 


.Flechtbänder. 


199 


Rosette   aus  Flechtbandwerk  mit  stilisierten  Blütenranken.   Original  aus  einer  Weberei 
in   farbiger  Seide  im  Königl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin.     China  18. — 19.  Jahrh. 


v^l 


E.^ 


Abb.  83. 


Abb.  84. 


82.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidengewebe,  Grund  blassgrün,  Muster  gelb,  die  runden  Felder  Goldpapier:  Rauten- 
felder aus  Flechtbandwerk  enthalten  eingerahmte  Rundbilder  mit  Drachen.  Japan 
um  1800. 


200  Flechtenstich— Flockentuch. 


83.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Leichtes  Seiden- 
gewebe, Grund  grün,  Muster  gelb:  In  Keihen  versetzte  Gruppen  von  Flechtbandwerk. 
Deutschland  (?)  16.  Jahrh. 

84.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  "Wolle  und  etwas  Seide,  Muster  aus  Flechtbandwerk. 
Süddeutschland  16.— 17.  Jahrh. 

Flechtenstich,  s.  Zopfstich. 

Flechtspitze  ist  die  einfachste  Form  der  Klöppelarbeit,  sie  wird  haupt- 
sächlich in  der  sogen.  Vierflechte  ausgeführt,  bei  der  sich  die  Fäden  bald 
gerade,  bald  schräg  bewegen  und  mit  den  entgegenkommenden  verkreuzen 
(s.  Spitzen\ 

Flechtwerk,  s.  Flechtbänder. 

Fleecy-Hosiery  (engl.),  gefüttertes  Strumpfzeug  aus  Baumwolle,  auf  der 
einen  Seite  glatt,  auf  der  anderen  aber  durch  die  eingelegte,  fest  in  die  Maschen 
eingewirkte  offene  Schafwolle  völlig  rauh  wie  ein  Pelz,  und  je  nach  den  Be- 
dürfnissen von  verschiedener  Dicke.  In  Deutschland  wird  der  Artikel  für 
Mützen,  Strümpfe,  hauptsächlich  aber  für  Jacken,  gefertigt. 

Flems  (engl.),  flämische  Leinen  (s.  d.). 

Flensburg,  Stadtkreis  im  preuss.  Beg.-Bez.  Schleswig:  Tuch-  und  "Woll- 
warenfabrikation. 

Flers,  Hauptort  im  Arrond.  Domfront  des  franz.  Depart.  Orne :  Spinnerei 
und  "Weberei. 

Fleurance,  Hauptort  des  Kantons  F.  im  Arrond.  des  franz.  Depart  Grers: 
Baumwollspinnerei. 

Fleur  de  lis,  s.  Lilie. 

Fleuret  ist  Florett  (s.  d.)  auch  Florettseide. 

Fleurets  nannte  man  früher  die  ausgesuchten  und  besten  B,ouen  blancards, 
eine  aus  halbgebleichtem  Garn  gewebte  Leinwand,  welche  von  Bouen  und 
Morlair  nach  Holland  und  England  ging,  und  dort  besser  gebleicht  und  appre- 
tiert nach  Amerika  und  Westindien  gesandt  wurde.  Heut  ist  der  Name  Fleuret 
veraltet,  man  nennt  den  Artikel  Blancard. 

Fleurier,  Ort  in  der  Schweiz:  Erzeugung  von  Spitzen  seit  dem  17.  Jahr- 
hundert. 

Fleuron,  ein  leichter  französischer  Stoff  von  Seide,  Leinen  und  Wolle, 
der  früher  in  Amiens  gewebt  wurde. 

Fliess,  Yliess,  s.  v.  w.  Schafwolle. 

Flinder,  s.  v.  w.  Flitter  (s.  d.);  daher  die  Flinderhaube,  mit  Groldplättchen 
behängte  Staatshaube  der  Frauen  im  Mittelalter. 

Flittern,  Flinkem,  Flinder,  Pailletten,  (engl.:  spangles)  Plättchen,  sind 
kleine  dünne  Scheiben  von  Messing-,  Tombak-  oder  Silber-  und  Golddraht 
geschlagen.  Man  verwendet  sie  seit  dem  frühesten  Mittelalter  zu  (echten  und 
unechten)  Stickereien.  Hier  waren  es  oft  grössere  in  Relief  getriebene  leichte 
Platten,  die  im  Sinne  der  Brokatweberei  als  Vorläufer  der  Aufnäharbeit 
gelten. 

Flixcourts,  französische  Leinen,  die  in  der  Gegend  von  Amiens  gewebt 
werden. 

Flocard  (franz.),  quastenähnlicher  Zierat  am  Pferdeharnisch. 

Flocart,  floquart  (franz.),  der  Schleier,  welcher  von  der  Spitze  der  bur- 
gundi sehen  Haube  (hennin)  herabhing. 

Floches,  dünne  Näh-,  Posamentier-  und  Fransenseide. 

Flocken,  s.  Wolle. 

Flockenleinwand  oder  Fockenleinwand  sind  die  aus  dem  geringen,  groben 
Werggarn  gewebten  Packleinen,  welche  aus  Sachsen  anter  dem  Namen  Barras 
in  den  Handel  kommen. 

Flockentuch,  ein  in  früherer  Zeit  sehr  gangbares  grobes  und  starkes 
Tuch  aus  Abgängen  der  Wolle  in  der  Spinnerei.  Statt  desselben  fertigt  man 
in  England  Tuch  aus  Shoddy  wool. 


Flockseide— Florenz.  201 


Flockseide,  (franz.:  Frisons),  Abfall  vom  äusseren  unregelmässig  ge- 
sponnenen Teil  der  Kokons,  welcher  in  der  Florettindustrie  Verwendung 
findet.     In  Japan  kommen  Frisons  meistens  in  Wattenform  in  Verkehr. 

Flocktapeten,  Leinentapeten,  auf  welchen  das  Muster  durch  Auftragen 
von  pulverisierter  Flockenwolle  (d.  i.  Abfall  beim  Scheren  des  Tuches)  auch 
Seidenstaub  hergestellt  worden  ist.  Dieselben  wurden  zuerst  im  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts  von  Audrian  in  Paris  aus  Wachstuch  gemacht.  Nach  Beck- 
mann (Geschichte  der  Erfindungen,  Leipzig  1784)  ist  das  Alter  der  Herstel- 
lungsart fraglich).  Derselbe  schreibt  sie  dem  Engländer  Lanyer  (1644)  oder 
dem  Franzosen  Frangois  (1620)  zu.  Sie  waren  auch  unter  dem  Namen  Tapisserie 
de  tonture  en  laine  bekannt. 

Flockwolle  ist  Scherwolle. 

Flocone  ist  der  dicke,  weiche  und  flockige  Paletotstofi";  sein  eigentüm- 
liches Aussehen  wird  ihm  mittels  verschiedener  Arten  der  Appretur  erteilt. 
Seine  Herstellung  geschieht,  indem  nach  1  oder  2  Grundschüssen  1  mehrfacher 
Grundschuss  erfolgt,  der  auf  der  rechten  Seite  der  Ware  stellenweise  flottiert 
und  dann  in  Tuch  verbindet.  Die  ungebundene  Stelle  dient  zur  Bildung 
des  Flors. 

Flohteppiche,  Händlerbezeichnung  für  eigentümliche  persische  Knüpf- 
teppiche:  sie  zeigen  eine  kleine  stilisierte  Palmettenmusterung  auf  rotem  Grunde. 

Flor,  allgemeine  Benennung  für  ein  dünnes,  durchsichtiges  oder  netz- 
artiges Gewebe,  bei  welchem  die  Fäden  der  Kette  und  die  Einschlagfäden 
merklich  voneinander  abstehen,  in  vielen  Sorten  und  verschiedenem  Material. 
Ein  wesentlicher  Unterschied  ist  nicht  zwischen  Flor  und  Gaze,  auch  der 
Musselin  hat  ein  gleiches  Gewebe.  Im  allgemeinen  ist  die  Bezeichnung  Flor 
für  offene  oder  klare  Gewebe  veraltet,  statt  seiner  ist  der  Ausdruck  Gaze 
(s.  d.)  für  dergleichen  gebräuchlicher. 

Flor  nennt  man  auch  bei  der  Sammet- ,  Felbel-  und  Manchester- 
weberei die  in  die  Grundkette  eingeschlagenen  Fäden,  welche  über  erstere 
hinaustreten. 

Florence,  ein  glatter  in  Leinwandbindung  hergestellter  Seidenstoff,  zu 
welchem  nur  die  feinen  Gattungen  der  Seide  verwendet  werden  und  welcher 
an  die  Stelle  des  Taffets  getreten  ist.  Er  unterscheidet  sich  von  diesem  durch 
einen  grösseren  Glanz,  der  teils  durch  die  dazu  genommene  ganz  gekochte 
Seide  (tout  cuit),  teils  durch  eine  sorgfältige  Appretur  entsteht.  Man  machte 
den  Stoff  zuerst  in  Florenz,  woher  er  seinen  Namen  hat. 

Florentiner  Rasch,  Haso  di  Firenze,  eine  eigene  Gattung  feiner  bunt- 
farbiger Hasche,  welche  in  Florenz  aus  dem  feinsten  und  zartesten  Wollengarn 
gewebt  und  in  Ballen  zu  Anzugsstoffen  für  Männer  verarbeitet  werden;  man 
nannte  den  Stoff  sonst  auch  Finette. 

Florentines,  Florentins,  nennt  man  feine,  geköperte  Wollenzeuge  aus  den 
Wollenmanufakturen  von  Norwich  und  Halifax. 

Florenz  (ital.:  Firenze;  lat. :  Florentios),  Hauptstadt  gleichnamiger  ital. 
Prov. ;  Die  Seidenverarbeitung  wird  um  das  Jahr  1204  eingeführt  und  erreicht 
ihre  Blütezeit  im  14.  Jahrh.  Gegen  Ende  des  13.  Jahrh.  kommt  durch  süd- 
deutsche Mönche  die  Tuchweberei  hierher  und  die  Fabrikate  sind  im  14.  und 
15.  Jahrh.  im  Orient  wie  im  Abendlande  stark  begehrt.  Der  steigende  Reich- 
tum in  der  Residenz  der  Medicäer,  die  in  grosser  Anzahl  arbeitenden  Web- 
stühle und  die  handfertigen  Weber  waren  der  Einführung  der  Seide  günstig. 
Man  besitzt  einen  interessanten  Aufsatz  der  florentinischen  Seidenweber  des 
14.  und  15.  Jahrb.,  der  meist  in  Form  eines  Dialogs  gehalten,  aber  genaue 
Angaben  über  Technik  und  Webekunst  der  Seidenstoffe  liefert.  (Vgl.  Silber- 
mann, die  Seide.  Dresden  1897.  Bd.  I,  S.  81.)  Vom  Ende  des  15.  Jahrh.  an 
entstehen  Sammet-,  Gold-  und  Silberbrokate,  welche  die  bis  dahin  in  den  be- 
rühmten Herstellungsorten  Lucca,  Pisa  und  Genua  gefertigten  Stoffe  über- 
trafen. Im  16.  Jahrh.  ging  die  Textilindustrie  infolge  innerer  Kämpfe  schon 
zurück;  nur  die  Herstellung  genähter  Spitzen  erhielt  sich  länger.  Auch  in 
neuerer  Zeit  ist  die  Industrie  nicht  bedeutend. 


202  Floret— Fontange. 


Floret,  riorets,  Spiegeldamast,  ein  glänzender,  figurierter  Wollenstofi" 
s.  Droguet. 

Floret,  s.  Florett  und  Seide. 

Floreteades,  im  spanis<jlien  Handel  die  Popeline. 

Florettas  ist  der  Name  feiner  weissgebleichter  flandrischer  Leinen,  welche 
durch  das  feine  ausgesuchte  flächsene  Garn  und  durch  die  sorgfältige  Arbeit 
einem  starken  Batist  ähnlich  sehen. 

Florettband,  Frisoletband;  im  allgemeinen  eine  geringe  Bandsorte  von 
Florettseide,  welche  nur  aus  einem  schmalen  leinwandartig  verbundenen  Ge- 
webe besteht  und  in  bunten  Farben  einfach  und  gestreift  und  auf  Bandmühlen 
oder  Mühlenstühlen  mit  vielen  Gängen  gefertigt  wird.  Es  hat  nicht  das  glatte, 
glänzende  Ansehen  des  ganz  seidenen  Bandes,  weil  die  Knoten  der  ungleichen 
Fäden  der  Florettseide  sich  bei  aller  Appretur  doch  nicht  völlig  wegbringen 
lassen. 

Florettindustrie,  Zweig  der  Seidenabfall  Verarbeitung,  welche  im  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  besonders  in  der  Schweiz  und  im  Elsass  zur  Entwick- 
lung gelangte.  Sie  beruht  auf  der  Nutzbarmachung  aller  Abgänge  von  wirren 
Gespinstresten  und  dergl. ,  welche  sich  bei  der  Baupenzucht  und  Gewinnung 
der  Seide  aus  den  Kokons  ergeben;  man  ist  bemüht,  ihre  Leistungsfähigkeit 
durch  chemische  und  maschinelle  Erfindungen  fortgesetzt  zu  verbessern  (s. 
Seidenabfälle  und  Florettspinnerei).  Die  Grossindustrie  des  Floretts ,  d.  i. 
mechanische  Seidenspinnerei,  beginnt  erst  um  1860,  hat  sich  aber,  wie  kein 
anderer  Zweig  der  Textilindustrie,  schnell  entwickelt.  In  der  Schweiz  hatte 
die  Florettindustrie  als  Hauptgewerbe  schon  im  Jahre  1555  bestanden  und  war 
im  18.  Jahrhundert  namentlich  an  den  Ufern  des  Yierwaldstädter  Sees  rege 
betrieben  worden.  Die  erste  mechanische  Florettspianerei  entstand  1830  in 
Basel.  In  Frankreich  war  das  Florettgewerbe  schon  im  13.  oder  14.  Jahr- 
hundert im  Betrieb,  doch  war  die  Qualität  der  Gespinste  gering.  (Vgl.  Silber- 
mann, die  Seide.     Dresden  1897.     Bd.  II,  S.   1  ff.) 

Florettleinwand,  s.  Florleinwand. 

Floretts,  ein  dem  Satin  ähnlicher  glänzender  wollener  damaszierter  Stofi" 
aus  englischen  Manufakturen,  für  Landleute  bestimmt.  Man  nennt  ihn  auch 
Spiegeldamast. 

Florettspinnerei,  s.  Florettindustrie. 

Florida  (Pensacola),  nordamerikanische  Baumwollsorte,  weiss  ins  Grau- 
gelbe, minder  glänzend  und  kräftig  im  Faden. 

Florleinwand  oder  Florettleinwand  nennt  man  Gewebe,  die  sich  von  der 
gewöhnlichen  dünnen  Leinwand  darin  unterscheiden,  dass  sie  aus  glatten,  feinen 
Fäden  ganz  locker  geschlagen  sind,  so  dass  der  Einschlag  wie  die  Kette  von- 
einander abstehen  und  dass  bei  gleicher  Breite  die  Kette  dazu  weit  weniger 
Fäden  hat,  als  die  Kette  zur  gemeinen  Leinwand;  ferner,  dass  der  Schuss 
nicht  mit  der  Lade  festgeschlagen,  sondern  jeder  neu  eingeschossene  Faden 
genau  in  dem  gehörigen  Abstand  von  dem  vorhergehenden  bleiben,  wozu  man 
sich  des  sogen.  Regulators  (s.  Webemaschinen)  zu  bedienen  pflegt. 

Flottliegend  heissen  bei  atlasartigen  Geweben  die  oben  aufliegenden,  die 
BinduDgen  verdeckenden  Kettenfäden. 

Flüchtige,  flüchtig  stehende  oder  geschossene  Zeuge  nennen  die  "Weber 
diejenigen,  welche  weit  im  Blatt  stehen  und  locker  geschossen  werden. 

Foes,  ein  leinwandartiges  Baumwollengewebe. 

Folie  ist  das  zu  dünnen  Blättern  oder  Blechen  geschlagene  Metall, 
welches  in  verschiedenen  Formen  (Sternen,  Blattrosetten  u.  dgl.),  in  ähnlicher 
"Weise  wie  Flittern  (s.  d.) ,  namentlich  in  bäuerlichen  Stickereien  Ver- 
wendung findet. 

Fond,  le,  das  Einnähen  der  Schlingstiche  für  Nähspitzen. 

Fond  d'or  ist  Goldstoff". 

Fontange  (franz.),  hohe,  über  ein  Drahtgestell  aus  Spitzen  oder  Flor 
aufgebaute  Frauenhaube,  getragen  bis  etwa  1720.  Die  Herzogin  von  Fon- 
tanges  soll  diesen  Kopfputz  zum  Schutze  gegen  die  Sonne  erfunden  haben. 


Fontenay-le-Comte — Frankenberg.  203 


Fontenay-le-Comte ,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Arrond.  im  franz. 
Depart.  Yendee:  Tuch-  und  Leinwandindustrie. 

Forcalquier,  Hauptstadt  des  Arrond.  F.  im  franz.  Depart.  Basses-Alpes : 
Seidenspinnerei. 

Forchheim,  Stadt  im  bayer.  B,eg.-Bezirk  Oberfranken:  Spinnereien  und 
Webereien. 

Fordingbridge,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Hampshire:  Leinenmanu- 
faktur und  Kattundruckerei. 

Forenza,  Ort  in  der  ital.  Provinz  Potenza:  Leinwandindustrie. 
Forestieri  (drappi),  im  italienischen  und  levantinischen  Handel  die  fran- 
zösischen Tücher,  welche  den  niederländischen  nachgemacht  sind, 

Forets-whites,  auch  Penistones,  sind  englische  wollene  Tücher. 
Forfar,    Hauptstadt    gleichnamiger    schottischer    Grafschaft:    Leinwand- 
industrie. 

Forillos  crudos  nennen  die  Spanier  die  beste  Sorte  der  schlesischen 
ungebleichten  Platilles. 

Formen-  oder  Leinenschlagspitze  bemüht  sich  durch  gobelin-  und  leinen- 
artige Bindung  breitere  Flächen  herzustellen;  der  einfachere  Flechten  schlag 
wird  dabei  fast  nur  für  die  Yerbiadungen  angewendet. 

Fossano,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Cuneo:  Seidenspinnerei  und  -Weberei; 
Tuchfabrikation,  bedeutender  Handel. 

Fossombrone,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Pesaro  e  TJrbino :  bedeutende 
Seidenindustrie  (Seta  della  Marca),  s.  d. 

Fossys  sind  eine  Art  ostindischer  baumwollener  Zeuge  von  verschie- 
dener Farbe. 

Fotalongees,  ostindische,  von  Baumbast  und  Seide  gemalte  Stoffe  mit 
Streifen. 

Fotas,  Fottes,  Foras  (franz.:  phottes),  eine  Gattung  baumwollener,  bunt- 
gewürfelter und  buntgestreifter  Tücher,  welche  die  Franzosen  früher  von  der 
Küste  Coremandel  und  aus  Bengalen  und  an  den  afrikanischen  Küsten  in  den 
Handel  brachten. 

Fougeres,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Arrond.  des  franz.  Depart.  Illa- 
et-Yilaine :   Wollspinnerei  und  -Wirkerei. 

Fougeres,  Namen  verschiedener  Sorten  französischer  Leinen.  Fougeres 
d'Emballage  :  starke  hänfene  Packleinen;  F.  halles  :  flächsene  ungebleichte  Leinen; 
de  menage:  eine  weiss  gebleichte,  gedrungene  Leinwand. 

Foulard,  Foulas  (franz.),  leichter  Seidenstoff,  Kette  von  ungezwirnter 
Rohseide  und  Schuss  von  Florettseidengarn.  Foulards  werden  auch  ostindische 
seidene  Basttücher  genannt ,  welche  schwer ,  aber  sehr  ungleich  im  Gewebe 
sind,  zuweilen  glatt,  meistens  aber  auf  rotem  und  braunem  Grunde,  mit  weissen 
oder  gelben,  auch  dunkeln  Mustern  bedruckt.  Als  die  Zeugdruckerei  sich  in 
Europa  vervollkommnet  hatte,  wurden  die  Foulards  von  Indien  eingeführt  und 
in  Manchester,  Nimes,  Elberfeld,  Berlin,  Chemnitz  u.  s.  w.  bedruckt. 

Fourmies,    Stadt   im  Arrond.  Avesnes    des  franz.  Depart.  Nord:    Woll- 
kämmerei, Baumwollspinnerei,  Garnbleichen,  Strumpfwirkerei. 
Fourrivu  (franz.),  Pelzwerk,  Pelzmantel. 

Fraises  (franz.  =  Kalbsgekröse),  ein  gefältelter  kurzer  Spitzenkragen, 
der  nur  bis  an  die  Schultern  reicht,  dagegen  rund  um  den  Hals  gleich- 
förmig liegt  oder  gesteift  absteht;  er  wurde  in  Frankreich  Mode  zur  Zeit 
Heinrich  IL,  der  wegen  einer  Narbe  am  Halse  zum  Tragen  desselben  ge- 
zwungen war. 

Franella,  s.  Flanell. 

Frange  (franz.),  Fadensaum,  Franse  (s.  d.),  frangieren,  mit  Fransen 
besetzen. 

Frankenberg,  Stadt  in  Sachsen :  Fabrikation  von  wollenen,  halbwollenen 
und  seidenen  Webereien  (Teppiche,  Portieren,  Cheviot  u.  s.  w.),  Steppdecken. 
Fernör  Appreturanstalten  und  Färbereien,  Kattundruckerei:  das  grösste  In- 
stitut Sachsens  dieser  Art. 


204  Frankreich. 


Frankreich,  Republik  und  Grossmacht  Europas.  Unter  den  einzelnen 
Zweigen  der  Industrie  kommt  an  Bedeutung  keiner  der  Textilindustrie  gleich 
(1897  :  6713  Betriebe),  deren  Produktion  auf  3  Milliarden  geschätzt  wurde. 
Davon  entfielen  etwa  1200  Mill.  auf  Woll- ,  500  Mill.  auf  Seiden-,  600  Mill. 
auf  Baumwoll-  und  350  Mill.  Frcs.  auf  die  Hanf-,  Leinwand-  und  Jutemanu- 
faktur. Als  wichtigster  Zweig  der  Textilbranche  ist  die  Seidenindustrie 
hervorzuheben,  die  seit  dem  8.  Jahrhundert  durch  Yermittelung  der  Friesen 
nachweisbar  ist;  im  18.  Jahrhundert  befestigte  sich  der  Seidenbau  namentlich 
im  Süden;  doch  gab  die  Widerrufung  des  Ediktes  von  Nantes  (1685)  der  bis 
dahin  in  stetigem  Wachstum  begrifPenen  Industrie  einen  heftigen  Stoss:  über 
80  000  geübte  Handwerker  siedeln  nach  England  und  Deutschland  über.  Lud- 
wig XVI.  führt  die  vorzügliche  weisse  Originalrasse  „Sina"  der  Seide  direkt  aus 
China  ein,  während  bis  dahin  die  gelben,  grünlichen  und  weisslichen  ßassen  kulti- 
viert wurden.  F.  ist  für  den  Seidenbau  das  zweitwichtigste  europäische  Land, 
besondere  Bedeutung  haben  die  Departements  der  Rhone:  G-ard,  Ardeche,  Drome 
und  Vaucluse  sind  die  am  meisten  erzeugenden  Provinzen.  Die  bedeutendsten 
Sammelpunkte  sind  Alais,  Uzes,  Nimes,  Yalena,  Chomerac,  Viviers,  Cavaillon, 
Avignon,  Joncquieres,  Hochemaure  u.  a.  Der  Verbrauch  an  roher  Seide  (1899 : 
4,7  Mill.  kg),  der  sich  in  den  letzten  Jahren  fast  immer  gleich  geblieben  ist,  ver- 
langt gegenüber  der  Produktion  (1890  etwa  650000  kg,  hergestellt  in  1400  Roh- 
seidenfabriken durch  45500  Arbeiter,  1899:  566000,  1900:  736000  kg)  eine 
bedeutende  Einfuhr  von  Kokons  roher  und  filierter  Seide.  1897  gab  es :  1028 
Spinnereien  und  Webereien  mit  78000  Arbeitern,  1400000  Spindeln  und 
61200  mechanischen  Webestühlen,  während  die  Zahl  der  Handstühle  zurück- 
gegangen ist.  F.  fabriziert  in  der  Hauptsache  Ganzseidenwaren  und  übertrifft 
darin  alle  übrigen  Länder.  Die  französischen  Seidenwaren  zeichnen  sich  vor 
allem  durch  Feinheit  des  Geschmacks  und  vollendete  technische  Ausführung 
aus.  Der  Wert  der  Ausfuhr  belief  sich  1900  auf  263,  der  der  Einfuhr  auf 
61,5  Mill.  Fr.  In  der  Schafwollenindustrie  zählte  man  1885:  3266000 
Spindeln,  46  300  mechanische  Webstühle  und  112000  Arbeiter  in  1882  Be- 
trieben, 1897:  3500000  Spindeln,  72000  mechanische  Webstühle  und  160000 
Arbeiter  in  2100  Fabriken.  Sie  ist  am  meisten  entwickelt  in  den  Depart. 
Nord  (etwa  300 Manufakturen),  Ardeche  (230),  Tarn  (150),  Marne (100),  Aisne(50), 
Seine-Inferieure  (50),  Sonne  (50).  Die  Zahl  der  Handstühle  betrug  1873 :  60000, 
hat  sich  aber  bis  1897  auf  23000  vermindert.  Der  Einfuhr  von  Schafwollen- 
geweben im  Werte  von  42,2  Mill.  Fr.  stand  1900  eine  Ausfuhr  von  220,2  Mill.  Fr. 
gegenüber.  Einen  besonderen  Ruf  haben  die  Tuche  und  Weichgarngewebe 
von  Elbeuf,  Sedan  und  Louviers,  die  Kammgarn-  und  Damenkleiderstoffe  von 
Le  Cäteau-Cambresis,  Ronen,  Reims,  Tourcoing,  und  Roubaix  und  die  Shawls 
von  Paris,  Nimes  und  Lyon.  Schliesslich  nimmt  F.  in  der  Verfertigung  von 
Wandteppichen  (s.  Gobelins  und  Savonnerieteppiche)  di«  erste  Stelle  uuter  den 
europäischen  Ländern  ein;  Mittelpunkte  sind  Paris,  Aubusson  und  Beauvais. 
Die  einheimische  Wollproduktion  (1899:  43  Mill.  kg)  reicht  für  den  Bedarf 
nicht  aus;  es  werden  noch  (1900)  für  374,1  Mill.  Fr.  Rohwolle  und  für  29 
Mill.  Fr.  Wollabfälle  (meist  aus  Argentinien,  Australien  und  denl  Kapland) 
eingeführt;  dagegen  wird  auch  (1900  für  219  Mill.  Fr.)  Wolle  wieder  aus- 
geführt. Die  Baumwollenindustrie  wurde  1773  zuerst  in  Amiens  ein- 
geführt und  hat  seit  dieser  Zeit  einen  gewaltigen  Aufschwung  genommen. 
1900:  5,29  Mill.  Spindeln,  95000  Webstühle  und  450000  Arbeiter.  Die  Haupt- 
sitze sind  die  Depart.  Nord,  Seine-Inferieure,  Vosges,  Pure  und  Aube.  Als 
Hausindustrie  wird  sie  hauptsächlich  noch  in  den  Depart.  Rhone,  Somme, 
Aisne,  Ome,  Loire  und  Isere  betrieben.  Die  Einfuhr  von  Baumwolle  war 
1900  auf  168,3  Mill.  Fr.  angewachsen.  Die  Einfuhr  von  Baumwollgeweben 
belief  sich  im  Spezialhandel  1900  auf  47,  die  Ausfuhr  auf  152,4  Mill.  Fr. 
Von  grosser  Bedeutung  ist  in  F.  auch  die  Leinenindustrie,  welcher  sich 
die  Hanf-  u.  Jutemanufaktur  anschliesst.  Mittelpunkte  für  die  Flachsspinnerei 
sind  die  Städte  Amiens  und  Lille,  für  Hanfspinnerei  Mezidon  (Calvados)  und 
Angers,  für  Jutegespinste  Ailly  (Somme)  und  Dünkirchen.     Die  Leinenweberei 


Frankstadt — Frasnes-lez-Buissenal.  205 

wird  namentlich  in  Lille,  Cambrai ,  Valenciennes  und  Armentieres  betrieben ; 
Hanfstoffe  liefern  besonders  Diinkirchen  und  Angers,  Jutegewebe  einige  nörd- 
liche Departements.  Anfang  1898  zählte  die  Leinwandindustrie  (ohne  Jute) 
550000  Spindeln,  17000  Maschinenstühle  und  20000  Handstühle.  Der  Ge- 
samtverbrauch von  Rohstoffen  beläuft  sich  auf  etwa  2100000  Zentner.  Die 
Einfuhr  an  Leinenwaren  betrug  1900  (Grewebe  und  Garn,  incl.  Hanf  und 
Ramie)  17,1,  die  Ausfuhr  (einschliesslich  Jute)  41,5  Mill.  Fr.  Die  Weiter- 
verarbeitung der  Webstoffe  ist  im  hohen  Grade  entwickelt,  und  hier  kommt 
der  französischen  Lidustrie  sehr  zu  statten,  dass  Paris  noch  heute  der  ganzen 
Welt  die  Moderichtung  diktiert,  sowohl  was  die  Stoffe  selbst,  deren  Farben 
und  Muster,  als  auch  deren  Fasson  und  Bearbeitung  betrifft.  In  der  Spitzen- 
industrie haben  sich  einige  Gegenden  ihren  europäischen  Ruf  erhalten. 
Solche  sind  die  Depart.  Orne  (Alengon),  Calvados  (Bayeux  und  Caen),  Nord 
(Valenciennes  und  Lille),  Oise  (Chantilly),  Pas  de  Calais  (Calais  und  Arras), 
Haute-Loire,  Puy-de-D6me  und  Cantal,  ferner  die  Städte  Paris,  Lyon,  St. 
Quentin  u.  s.  w.  Eingeführt  werden  die  Spitzen  zuerst  im  Jahre  1653  von 
Italien;  aus  Venedig  kommen  Arbeiterinnen,  um  Technik  und  Musterung  der 
Kadelarbeiten  (point  de  Venise)  unter  dem  Namen  „point  de  France"  nach- 
bilden zu  lassen.  Die  Posamentenfabrikation  wird  vorzugsweise  in 
Paris,  Lyon,  St.  Etienne,  Nimes,  Amiens  und  Nantes  betrieben. 

Frankstadt,  1.  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Mistett  in 
Mähren :  bedeutende  Leinen-  und  Baumwollenindustrie.  2.  Stadt  in  der  österr. 
Bezirkshauptmannschaft  Schönberg  in  Mähren  :  grosse  Leinenindustrie  ;  Webschule. 

Franse,  Franche,  Frange,  Franze  (franz.:  frange ,  engl.:  fringes;  span.: 
flecos) ,  Saum  oder  Endigung  aus  dicht  herabhängenden  Fäden ,  entsteht  zu- 
nächst aus  den  an  der  Qaerseite  stehen  bleibenden  losen  Kettfäden  jedes  ge- 
webten Stoffes,  woraus  sich  die  weitere  Arbeit  der  Bortenwirker  uad  Posa- 
mentierer entwickelt  hat,  auch  stilistisch  schon  im  frühen  Altertum  daher  seine 
Ableitung  findet,  wie  es  die  Endigungen  der  Binden  und  Tücher  aus  dem  alten 
Aegypten  zeigen.  Künstlerische  Ausbildung  reichen  Fransenbesatzes  an  den 
Gewändern  der  Assyrer  (vgl.  Abb.  28).  Das  Mittelalter  lässt  die  Franse  aus 
verschiedenfarbigen  lang  herabhängenden  losen  Seidenfäden  als  Besätze  der 
Kirchenausstattung  und  Gewänder  selbständig  werden,  zu  welcher  Zeit  der 
Halter  aus  Bergkristallkugeln  entsteht,  dem  später  ein  solcher  in  Holz  ge- 
drechselt folgt  (s.  Quasten).  Am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  entsteht  die  Knopf- 
franse (s.  d.).  Die  weiteste  Ausbildung  erfährt  die  F.  als  Möbelbesatz  im  17.  und 
18.  Jahrb.,    als    die  feste  gewirkte  Borte  in  Posamentierarbeit  übergeht  (s.  d.). 

Fransengewebe  sind  Stoffe,  deren  Ketten-  oder  Schussfäden  als  Fransen 
stehen  geblieben  sind,  ohne  dass  sie  eine  weitere  Knüpfung  erhalten  haben. 

Franzleinen  sind  gestreifte,  im  Garn  gefärbte  schwäbische  Leinen. 

Franzosentuch,  s.  Tuch. 

Französische  Leinen  waren  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  die 
gesuchtesten  ihrer  Art,  erst  durch  die  Verbesserung  der  Baumwollspinnerei 
und  die  damit  verbundene  grössere  Herstellung  von  Baumwollgev/eben  in  den 
meisten  Provinzen  des  Reichs,  ferner  durch  das  Emporkommen  der  irländischen 
und  schottischen  Leinweberei,  endlich  aber  auch  durch  die  wohlfeileren  irischen 
und  deutschen  Leinen  hat  der  Ruf  derselben  abgenommen.  Nur  die  Toiles 
de  Mulquinerie,  d.  h.  die  Batiste ,  Cambrays ,  Linons ,  Claires  und  die  ihnen 
verwandten  feinen  Gewebe,  sowie  mehrere  Gattungen  Segelleinen,  haben  sich 
unter  der  allgemeinen  Bezeichnung  in  alter  Güte  erhalten. 

Französische  Stilarten  nehmen  in  der  Textilkunst  besonders  seit  der 
Regierung  Ludwig  XIIL  (1614 — 1643)  ein  Interesse  in  Anspruch,  weil  F.  von 
da  ab  auch  die  Führung  im  Flachmuster  übernimmt.  Die  Stilepochen  werden 
nach  den  ehemals  regierenden  Königen  genannt,  so  dass  man  im  Lande  selbst 
nicht  vom  Barock-,  Rokoko-,  Zopf-  oder  Empirestil  spricht,  sondern  die  Stil- 
arten Louis  XIII.,  XIV.  u.  s.  w.  unterscheidet  (s.  unter  Stil  im  Einzelnen). 
.  Frasnes-lez-Buissenal ,  Hauptort  des  Kantons  F.  der  belg.  Provinz 
Hennegau:  Strumpfwirkerei. 


206  Frastanz— Fries. 


Frastanz,  Gemeinde  in  Vorarlberg :  Baumwollspinnerei,  Weberei,  Eot- 
und  Blaufärberei. 

Fredersdorfer  oder  Friedersdorfer  Leinen  sind  im  Handel  bekannte 
Namen  für  solche ,  welche  in  dem  gleichnamigen  Dorfe  der  Lausitz  ge- 
webt werden. 

Freiberg,  Stadt  in  Mähren:  Schafwollindustrie,  besonders  starke  Tuch- 
weberei, Fesfabrikation. 

Freiburg,  1.  im  Breisgau  (Baden):  grosse  Seidenzwirnerei  (Firma  Carl 
Mez  und  Söhne),  mit  neun  auswärtigen  Zweiggeschäften  und  bedeutender  Aus- 
fuhr. Sitz  der  4.  Sektion  der  Süddeutschen  Textil-,  der  2.  Sektion  der  Seiden- 
Berufsgenossenschaft.  2.  in  Schlesien :  Aktiengesellschaft  für  schlesische  Leinen- 
industrie (früher  Kramsta  und  Söhne). 

Freistadt,  1.  Stadt  im  preuss.  ßeg.-Bezirk  Liegnitz  :  Spinnerei,  Jute-  und 
Teppichweberei  (Fabrikation  und  Hausindustrie).  2.  Stadt  in  Oberösterreich: 
Leinweberei,  Zwirnfabrikation. 

Freiwaldau,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien :  bedeutende  Leinen-  und 
Baumwollindustrie ;  Flachsgarnbleicherei. 

French  apret  wird  eine  besondere  Appretur  genannt,  welche  auf  glatte, 
weisse  Baumwollwaren  zur  Anwendung  kommt  und  wodurch  der  französische 
Batist  nachgeahmt  wird. 

French  cambric,  englische  Bezeichnung  für  französischen  Batist. 

Fresnoy-le-Grand,  Stadt  im  franz.  Depart.  Aisne :  Fabrikation  von 
Gaze,  Kaschmirshawls  und  Foulards. 

Freudenberg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Arnsberg:  Färbereien,  Filz- 
und  Kunstwollfabrik. 

Freudenfahne,  Fahne  in  glänzenden  Farben,  im  Mittelalter  bei  Begräb- 
nissen hoher  Personen  zwischen  dem  Freudenpferd  und  dem  Trauerpferd  getragen, 
um  anzudeuten,  dass  man  mit  dem  Verstorbenen  alle  Freuden  zu  Grabe  trägt. 

Freudenstadt,  Stadt  im  württ.  Schwarzwaldkreis:  Woll-  und  Flachs- 
spinnereien. 

Freudenthal  in  Oesterreichisch-Schlesien :  bedeutende  Textilindustrie 
(Leinen,  Damast,  Tuch  und  Kotzen).     Webschule. 

Fridingen,  Stadt  im  württ.  Schwarz  waldkreis:  mechanische  Wollspinnerei 
und  Kunstwollfabrik. 

Friedeberg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Liegnitz:  Flachsgarnspinnerei 
(über  5000  Spindeln)  grosse  Bleicherei;  Fabrikation  von  Strumpfwaren. 

Friedland,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Breslau :  mechanische  Webereien, 
Garnbleiche. 

Friedland  in  Böhmen:  Wollwarenwebereien  und  Spinnereien,  zwei  Baum- 
wollspinnereien, Druckerei,  Färberei  und  Appretur  von  Wollwaren,  Feintuch- 
und  Zwirnfabriken. 

Friedländer  Leinen,  eine  rohe  Sorte  schlesischer  Leinwand  von  grober 
Art,  die  zu  Friedland  häufig  verfertigt  und  besonders  über  Hamburg  aus- 
geführt wird. 

Friedrichroda,  Stadt  im  Herzogtum  Sachsen -Koburg-Gotha:  Drillich- 
weberei, Bleicherei  und  Wäscherei. 

Friedrichshagen,  Dorf  im  preuss.  E.eg.-Bez.  Potsdam:  wurde  1753  durch 
Friedrich  d.   Gr.  als  Spinnerkolonie  gegründet. 

Friedrichshof,  Marktflecken  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Königsberg:  bedeutender 
Grenzhandel  mit  seidenen  Zeugen  aus  Frankreich  und  der  Schweiz. 

Fries,  ein  grober  und  starker,  nicht  sehr  fest  geschlagener  und  nur  laicht 
gewalkter  Wollenstoff,  mit  starkem  langem  Haar  auf  der  oberen  Seite,  welcher 
einfach  und  geköpert  aus  geringer  Wolle  und  grobem  Kämmling  gewebt  wird. 
Das  Garn  ist  gewöhnlich  zum  Einschlag  noch  einmal  so  stark  als  zur  Kette. 
In  der  Walke  wird  F.  nur  mit  guter  Seife  ausgewaschen,  dann  mit  Karden 
gerauht,  am  Rahmen  gestrichen  und  entweder  meist  geschwefelt  oder  bunt  ge- 
färbt ohne  weitere  Presse  in  den  Handel  gebracht;  Breite  und  Länge  ist  so 
verschieden,  als  die  Qualität. 


Frigidines — Frocs. 


207 


Frigidines,   s.  Haartuch. 

Frigium,  (lat.)  statt  phrygium,  goldgestickter  Saum,  auch  goldgestickte 
Mitra. 

Frise,  Toile  de  Frise,  friesische  Leinen,  die  beste  unter  allen  holländischen 
Leinen,  weshalb  man  auch  die  feinste  Sorte  der  niederländischen  Gewebe  nur 
mit  dem  Namen  F.  bezeichnet. 

Frisette,  ein  geringer  Stoff  aus  Wolle  und  Baumwolle,  der  in  Holland 
gewebt  wird. 

Frisierte  Stoffe  sind  tuchartige  Gewebe  mit  langhaariger  Decke,  welche 
man  durch  eine  eigene  Maschine  (Frisiermühle)  in  kleine  Knötchen  gedreht  hat. 
Leichte  Boys  und  Droguets  werden  auf  diese  Weise  eingerichtet  und  als  Futter- 
stoffe verwendet. 

Frison  (franz.)  nennt  man  1.  einen  schlechten  Fries,  2.  einen  gekräuselten 
warmen  weichen  Fries,  3.  eine  gewisse  Art  gekräuselter  Gold-  und  Silberfäden 
oder  Kantillen,  welche  zu  Stickereien,  sowie  auch  zu  reichen  Geweben  angewandt 
werden,  4.  dasjenige  Produkt,  das  nach  dem  Aufweichen  der  Seidenkokons  im 
heissen  Wasser  und  leichter  Behandlung  mit  Bürsten  oder  den  gebräuchlichen 
Besen  sich  zuerst  vom  Kokon  loslöst.  Es  ist  die  äussere  Hülle  der  Kokons, 
„die  erste  Arbeit  der  Seidenraupe"  von  ungleicher  Stärke. 

Frisonnets,  Seidenabfälle  für  die  Florettindustrie,  welche  sich  beim 
Abhaspeln  der  Kokons  ergeben,  wenn  dieselben  ungeschlagen  verarbeitet  werden. 

Frivolitäten  heissen  spitzenartige  Handarbeiten,  welche  mittels  ein  oder 
zwei  den  Faden  tragenden  Schiffchen  durch  Schlingen  und  Knoten  hergestellt 
werden.  Sie  wurden  zuerst  im  17.  Jahrhundert  gemacht  und  haben  sich  bis 
in  die  Neuzeit  als  häusliche  Kunstarbeit  erhalten.  In  Irland  werden  F.  Occi- 
arbeiten  genannt.     (Vgl.  Abb.  28.) 


Abb.  85. 


Abb  ildung : 

85.   Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Teil 
eines  Kragens,  Frivolitäten-  oder  Occischiffchenarbeit  in  weissem  Garn.    Irland  19.  Jahrh. 


mandie. 


Frocs,    Froks,    grobe   geköperte   Wollenstoffe   aus   der   ehemaligen   Nor- 


208  Frohburg— Futtertuche. 


Frohburg,  Stadt  in  Sachsen:  Plüsch  web  er  ei,  Kattundruckerei. 

Frome,  Stadt  in  der  engl.  Grrafschaft  Somerset:  Wollfabrikation,  Be- 
kleidungsindustrie. 

Frottiertücher,  s.  Badehandtuch. 

Frührenaissance,  (franz.:  renaissance  primär;  engl.:  first  revival-style) 
s.  Renaissance. 

Frulloni,  im  ital.  Handel  das  Beuteltuch. 

Frutigen,  Marktflecken  im  Schweiz.  Kanton  Bern:  Fabrikation  von  Tü- 
chern; Spitzenklöppelei. 

Fukusa,  kleine  japanische  gestickte  und  gedruckte  Decke,  welche  zum 
Verhüllen  von  Geschenken  dient,  aber  Eigentümer  des  Spenders  bleibt. 

Fulda,  Stadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Kassel:  Leinen-,  Sackleinen-  und 
Baumwollweberei,  Kammgarnspinnerei,  Farberei ;  Fabrikation  von  Plüsch,  Filz- 
tuch und  Schuhstoffen. 

Fuldische  Leinen,  s.  hessische  Leinen. 

Full-chints  (engl.),   echte,  krapprot  ausgefärbte  gedruckte  Kalikos. 

Füllstoffe  heissen  die  in  der  Grewebeappretur  zum  Füllen  verwendeten 
pul  verförmigen,  meist  weissen  Stoffe,  wie  Gips,  Stärke,  Schwerspat  u.  s.  w., 
welche  für  Leinenzeug  in  Gebrauch  kommen. 

Fulneck,  Stadt  in  Mähren:  Seiden-,  Tücher-  und  Modewarenfabriken. 

Fulnecker  Tücher,  eine  sehr  gute  und  beliebte  Art  "Wollentuch  aus 
gleichnamiger  Stadt  iu  Mähren,  welche  in  Europa  und  im  Orient  starken  Ab- 
satz finden. 

FÜnfbindig,   s.  Bindungen. 

Fünfkirchen,  Stadt  in  Ungarn:  bedeutende  Webereien. 

Furie,  ursprünglich  ein  ostindischer  und  chinesischer  Seidenstoff,  taffet- 
artig  gewebt,  auf  dunklem  Grund,  mit  grotesken  aufgemalten  oder  gedruckten 
Figuren  in  auffallenden  hellen  Farben;  derselbe  wurde  auch  in  Holland  und 
Frankreich  nachgemacht. 

Fürstenberg,  Stadt  im  Grossherzogtum  Mecklenburg-Schwerin:  Woll- 
spinnerei,  Tuchmacherei. 

Fussarbeit,  (franz.:  armüre)  ein  technischer  Ausdruck  in  den  Wollen-, 
Leinen-  und  Baumwollmanufakturen,  um  die  durch  verschiedene  Fusstritte  und 
Schäfte  im  Webestuhl,  und  durch  deren  mancherlei  Verbindung  untereinander 
hervorgebrachten  Muster  und  Figuren  in  den  Stoffen,  zu  bezeichnen. 

Fussdecken,  s.  Teppiche. 

Fussdroguet  ist  Kalmank. 

Fustagno  (ital.),   s.  Barchent. 

Fustanella,  das  weit  herabreichende,  weisse,  baumwollene  Gewand  der 
Neugriechen. 

Fustian  (engl.),  s.  Barchent. 

Futaine  (franz.),  s.  Barchent. 

Futterkattune,  s.  Sarsenettes. 

Futterleinwand,  1.  verschieden  starke,  rohe  und  gebleichte  Leinen, 
2.  buntgefärbte  Glanzleinen  und  Steiffutter,  3.  in  Frankreich  grobe  rohe  Werg- 
leinwand zum  Beschlagen  der  Stühle,  Sofas  u.  s.  w.  unter  dem  Namen  toiles 
d'embourrure. 

Futtertaffet,  s.  Taffet. 

Futtertuche,  Futterzeuge,  sind  zum  Unterfutter  bestimmte  leichte  Streich- 
garne und  kammgarne  Zeuge. 


Gabans — Gransbauch.  209 


Gabans,  Mäntel  von  Filz  oder  grobem  Tuch,  die  gegen  den  ßegen 
schützen  sollen.  Sie  werden  hauptsächlich  in  der  Türkei  getragen ;  die  be- 
liebtesten sind  diejenigen,  welche  mit  einem  roten  oder  gelben  Kreuze  be- 
zeichnet sind. 

Gabes,  Stadt  in  der  marrokk.  Regentschaft  Tunis:  Teppicherzeugung. 

Gafsa,  Stadt  im  mittleren  Tunis:  Fabrikation  von  Burnussen,  Ha'iks  und 
"Wolldecken. 

Gänseaugendrell ,  Gänseaugenmuster,  ein  derber  grauer  oder  weisser 
Leinenstoff,  der  zu  Handtüchern  Verwendung  findet  und  in  köperartiger  Bin- 
dung mit  kleinen  spitzovalen  Feldern  gemustert  ist. 

Gaia,  Yilla  Xova  de,  Stadt  in  Portugal:  Fabrikation  von  Seidengeweben. 

Gaillac,  Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Tarn:  Spinnerei,  Fabrikation  von 
Tuchen,  Haus-  und  Packleinen;  Färberei. 

Gaillon,  Hauptort  im  Arrond.  Louviers  des  franz.  Dep.  Eure :  Tuch-  und 
Plüschfabrikation,  Strumpfwirkerei  und  Baumwollspinnerei. 

Gala  (altfranz.),  reiches,  prächtiges  Gewand;  galabrunus  (lat.)  frz:  gale- 
iDrun,  Tachsorte ;  im  allgemeinen  festlicher  Schmuck,  im  besonderen  die  Hoftracht. 

Galans,  Bandschleifen  als  Putz. 

Galashiels,  Municipalborough  im  südl.  Schottland:  Hauptsitz  der  schotti- 
schen Wollweberei  und  wichtige  Manufakturen  von  Tweedtuch  und  Shawls. 

Galetta  (von  Gallette -Kokon)  sind  durchlöcherte,  flockige  oder  besonders 
dünne  Kokons,  welche  als  Seidenabfälle  für  die  Florettspinnerei  verwandt  werden. 
Galletseide  sind  gesponnene  Seidenabfälle. 

Gali-Farss  heissen  in  Persien  die  geschorenen  sammetartigen  Teppiche. 

Galizien,  Kronland  der  Oesterr. -Ungar.  Monarchie:  in  neuerer  Zeit  hat 
sich  die  Tuchindustrie  entwickelt  und  in  Biala  (s.  d.)  ihren  Hauptsitz  genommen. 
Dieser  zunächst  steht  die  Leinenindustrie,  welche  in  den  Karpathen  als  Haus- 
weberei betrieben  wird ,  dann  die  Hausweberei  von  Schafwollstoffen  im  öst- 
lichen G. 

Galletame  (ital.),  s.  Bassinas. 

Galliate,  Ort  in  der  ital.  Prov.  Novara :  Seidenspinnerei,  Kattunfabrikation, 
Baumwollweberei. 

Gallieren,  am  Jacquardwebstuhl  die  Schnüre  mit  den  Plattinen,  flachen 
Metallstäben,  verbinden. 

Gallipoli,  Baumwollsorte  von  den  Inseln  des  Archipels. 

Galons,  Galonen,  allgemeine  französische  Bezeichnung  für  Tressen,  daher 
kommt  die  Benennung  Galonen,  womit  man  in  Deutschland  eine  Gattung  leichter, 
durchsichtiger  Tressen  bezeichnet,  bei  denen  der  Aufzug  oder  die  Kette  aus  Ge- 
spinst oder  Lahn,  der  Einschlag  aus  Gespinst  besteht;  auch  hat  man  G.  ohne 
Gold  und  Silber.  Galonperle,  perlenbesetztes  Band ;  g a  1 1  o n n e ,  mit  solchen 
Streifen  versehen  (s.  a,  Tressen). 

Gambohanf,  auch  Bombayhanf,  Bastfaser  der  Hibiscus  canabinus. 

Gammadion,  byzantinische  Bezeichnung,  welche  sich  auf  ein  aus  vier 
Buchstaben  (Grossgamma)  kreuzförmig  gebildetes  Motiv  in  Stoffmustern  bezieht. 

Gänge  ist  die  Bezeichnung  für  die  Dichtenbestimmung  eines  Gewebes; 
man  spricht  daher  von  einer  6^24gäDgigen  "Ware.  Beim  Seidenweben  berechnet 
man  die  Höhe  der  Ware  nicht  nach  Gängen,  sondern  nach  Fein. 

Ganges,  Hauptort  im  franz.  Depart.  Herault :  Fabriken  für  Seiden- 
strümpfe, wichtige  Seideuhaspeleien,  Filet-  und  Handschuhfabriken  und  Baum- 
wollspinnereien. 

Gansbauch,  ein  Wams,  das  sich  vorn  in  eine  Spitze  tief  herabsenkte,  nach 
der  Mitte  zu  mit  Baumwolle  oder  Pferdehaaren  ausgestopft  war  und  wie  ein 
Polster  vor  Brust  und  Bauch  herabhing.  Die  Mode  kam  am  Hofe  Heinrich  III. 
von  Frankreich  auf. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  14 


210  Ganses — Garnprüfungen. 


Ganses,  in  Frankreicli  eine  Art  runder  oder  eckiger  schmaler  Sclinüre^ 
die  von  Gold,  Silber,  Seide  und  Zwirn  geklöppelt  oder  auf  dem  Bandstuhle  ge- 
macht werden. 

Gantes,  starke  Sorte  Leinwand,  welche  von  den  Landleuten  in  der  Gegend 
von  Gent  und  Brügge  gewebt  wird. 

Garas,  Garats,  Gueras,  Gerras,  Gerraes,  Gorras,  Guerleys,  unter  diesen 
verschiedenen  Namen  kamen  ehemals  aus  Ostindien  gewöhnliche  starke  Baum- 
wollenzeuge, welche  zum  Druck  und  zu  Gebrauchsstücken  (Hemden,  Tischzeugen ^ 
Handtüchern)  in  Europa  Verwendung  fanden. 

Gardelegen,  Stadt  im  preuss.  ßegbez.  Magdeburg:  Lein-  und  Baumwoll- 
weberei, Zeugdruckerei. 

Gardinen,  d.  s.  Behangstoffe  für  Betten  und  Fenster,  bilden  in  allen 
Arten  textiler  Kunstfertigkeiten  einen  bedeutenden  Artikel.  Die  Entstehung- 
der  eigentlichen  Gardine  geht  mit  der  Entwickelung  des  Tafelglases  für  die 
Fensterscheiben  Hand  in  Hand.  Man  verwendet  zunächst  zur  Dämpfung  des 
Lichtes  leichte  Musselinstoffe  oder  helle  bedruckte  Kattune,  bis  durch  die  Er- 
weiterung der  Maschinentechnik  für  die  Spitzen-  und  Tüllindustrie  ein  Produkt 
gegeben  ist,  das  den  modernen  Ansprüchen  in  jeder  Weise  gerecht  zu  werden 
sucht.     (Vgl.  Spachtelstickerei,  Spitzen-  und  Tüllstoffe.) 

Gargurans,  Gorgorans,  Gourgurans,  schwere  ostindische  und  chinesische 
Seidenzeuge,  welche  früher  die  holländisch-ostindische  Compagnie  nach  Europa 
brachte. 

Garlix,  aus  weissgebleichtem  Garn  dicht  gewebte  Hausleinwand  5  in  Böhmen 
nennt  man  sie  Butzelleinwand. 

Garn,  in  der  Spinnerei  das  Erzeugnis  der  Spinnmaschine.  Es  entsteht 
durch  Drehung  einer  Anzahl  parallel  gelegter  Fasern  um  ihre  gemeinschaftliche 
Achse.  Die  Unterbegriffe  :  Kettgarn,  S  chus  sgarn,  Stick-  und  Strick- 
garn, Eisengarn,  beziehen  sich  auf  die  Verwendung  des  gesponnenen  Fadens 
als  Kette  oder  Schuss  für  Gewebe,  Faden  zum  Sticken,  zum  Stricken,  zur  Her- 
stellung von  "Weberflügeln  (Geschirre)  von  starken  Nähfaden,  und  muss  der  Faden 
für  jeden  dieser  Zwecke  bestimmte  Eigenschaften  aufweisen,  welche  sich  namentlich 
auf  die  Drehungen  per  Längeneinheit  beziehen,  dann  aber  auch  auf  die  Qualität 
des  verwendeten  Bohmaterials.  Bei  der  Haspelung  der  Garne  erfolgt  die  Auf- 
wickelung des  Fadens  in  Form  der  Strähne,  Strenge  auf  dem  Haspel, 
Garnhaspel,  der  Weife.  Man  teilt,  nach  hergebrachter  Gewohnheit  oder 
nach  gesetzlichen  Vorschriften,  den  Strähn  in  eine  bestimmte  Anzahl  kleinerer 
Abteilungen,  welche  durch  das  Unterbinden  (Fitzen)  mittels  eines  quer  durch- 
geflochtenen Fadens  (Fitzfaden)  von  einander  geschieden  werden.  Eine  solche 
Abteilung  heisst  ein  Gebinde,  Bind,  Unterband,  Wiel  oder  Wiedel, 
eine  Fitze,  und  muss  eine  festgesetzte  Anzahl  von  Fadenumgängen  (Fäden^ 
Haspelfäden)  von  bestimmter  Länge  enthalten. 

Garndruckmaschine,  dient  zum  Bedrucken  aller  Fasermaterialien  in 
Strangform.  Man  baut  solche  Maschinen,  um  1 — 16  Farben  gleichzeitg  zu 
drucken. 

Garnpresse,  Pack-  oder  Bündelpresse,  eine  Maschine,  welche  dazu  dient^ 
die  zu  Strähnen  gehaspelten  Garne  in  sog.  Packe  oder  Bündel  von  möglichst 
geringem  Umfang  zu  formen,  deren  jedes  ein  Gewicht  von  10  bis  20  kg  besitzt. 
Diese  Maschinen  sind  verschieden,  als  Hebel-,  Schrauben-,  Hydraulische  Pressen 
u.  s.  w.  konstruiert  und  immer  so  eingerichtet,  dass  sie  gleichzeitig  das  Einbinden 
der  zusammengedrückten  Bündel  ausführen. 

Garnprüfungen  erstrecken  sich  auf  die  Bestimmungen  des  verarbeiteten 
E,ohmaterials ,  der  Feinheit  des  Garnes,  dessen  Drehungsgrad,  Fettgehaltes, 
Feuchtigkeitsgrades,  sowie  Festigkeit  und  Dehnbarkeit. 

Literatur:  Wiesner,  die  Rohstoffe  des  Pflanzenreiches,  Leipzig  1870; 
Herzfeld,  die  technische  Prüfung  der  Garne  und  Gewebe,  Wien  1895; 
Budeloff,  Untersuchungen  über  Einfluss  des  Materials  und  der  Konstruktion 
auf  die  Festigkeit  von  Hanfseilen;  Mitteilungen  aus  den  Königl.  Techn.  Ver- 
suchsanstalten zu  Berlin,   1893;   desgl.   1894. 


Garnsorten.  211 


Garnsorten  werden  nach  der  Feinheit  oder  Dicke  des  Garnes  bestimmt: 
a)  durch  unmittelbaren  Vergleich  mit  Garnen  bestimmter  Feinheit,  wozu  die 
letzteren  einzeln  mit  der  Probe  verflochten  werden  oder  b)  zahlenmässig  durch 
die  für  ein  bestimmtes  Gewicht  erforderliche  Garnlänge.  Nach  der  zugrunde 
gelegten  Masseinheit  unterscheidet  man  das  metrische,  oder  das  englische 
Numerierungssystem  mit  dem  Yard  als  Masseinheit.  Die  handelsübliche 
Numerierungsweise  ist  für  die  Garne  aus  verschiedenem  Material  verschieden. 
Das  metrische  Numerierungssystem  ist  bislang  nur  von  der  gesamten  Kamm- 
garnspinnerei (ausschliesslich  England)  und  einem  grossen  Teil  der  Seiden- 
industrie (Rohseide,  Organsine,  Trama)  angenommen,  sowie  von  einigen  weniger 
bedeutenden  Gespinstarten  (Ramie,  Ziergarne  u.  s.  w.);  ausserdem  werden 
Streichgarne  und  Shoddygespinste  vielfach  nebenher  auch  metrisch  numeriert. 
Dass  sich  bislang,  trotz  der  unzweifelhaften  Vorzüge,  das  metrische  System 
so  wenig  Bahn  gebrochen  hat,  liegt  in  der  Hauptsache  in  dem  Mangel  an  ge- 
setzlichen Mitteln  zur  Einführung  und  an  dem  Widerstände  der  englischen 
Produzenten. 

TJebersicht  der  Numerierung  der  Garne: 

1.  Baumwollgarne.  Englische  Numerierung  (üblich  im  grössten  Teile  von 
Europa  und  Nordamerika).  Die  Garnnummer  benennt  die  Anzahl  Schneller,  welche 
1  Pfd.  eng],  wiegen  (1  Pfd.  engl.  =  0,4536  kg.)  Haspelung:  1  Faden  oder  Weifen- 
umfang =  1,5  Yards  (1,3714  m);  80  Faden  =  1  Gebind;  7  Gebinde  =  1  Schneller 
=  560  Faden  =  840  Yard  =  768  m  Fadenlänge.  Verpackung:  10  Schneller  bilden 
eine  Kaute  oder  Docke;  in  einem  Bündel  sind  so  viele  Kauten,  als  die  Nummer 
angibt,  somit  ist  ein  Bündel  =  10  Pfd.  engl.  —  Frankreich  hat  die  doppelte  metrische 
Numerierung,  d.  h.  die  Garnnummer  gibt  an,  wie  viel  Strähne  zu  je  lOOO  m  Faden- 
länge auf  V2  kg'  gehen.  Haspelung:  Haspelumfang  =  ],43  m  ^  1  Faden;  70  Faden 
=  1  Gebind  =  100  m;  10  Gebinde  =  1  Strähn  =  1000  m.  Die  Verpackung  ist 
in  5kg-Bündeln.  —  Vigognegarne  numerieren  vielfach  metrisch. 

2.  Flachsgarne.  (Leinengarne.)  Englische  Numerierung  (üblich  in  Gross- 
britannien und  Deutschland ,  z.  T.  in  Frankreich  und  Belgien).  Die  Garnnummer 
gibt  an,  wie  viel  Gebinde  zu  je  300  Yards  1  Pfd.  engl,  wiegen.  Haspelung  in 
Schottland  und  Deutschland:  1  Gebind  (leas)  =  120  Faden  ä  2'/^  Yards  =  300  Yards 
=^  274  m.  In  England  auf  1  Gebind  =  100  Faden  ä  3  Yards.  —  Oesterreichische 
Numerierung:  Nummer  =  Anzahl  Strähne  ä  3600  Wiener  Ellen  (=:  2800  m)  auf 
10  Pfd.  engl.  —  Hanfgarne  werden  wie  Leinengarne  nach  engl.  Numerierung  be- 
stimmt. 

3.  Jutegarne.  Englische  Numerierung  wie  bei  Leinen.  —  Schottische  oder  ßel- 
faster  Numerierung :  Nummer- Anzahl  engl.  Pfd. ,  welche  1  Spindel  =  14  400  Yards 
=  13  160  m  Fadenlänge  wiegen.  Haspelung:  Haspelumfang  =  2  Yg  Yards  ;  120  Faden 
=  1  Gebind  (cut)  =  300  Yards  =  274  m ;  2  Cut  =  1  Heer  =  Schneller  =  600  Yards 
=  548  m;  6  Heer  =  l  Haspel  oder  Strähn  =  3600  Yards  =  3290  m;  4  Haspel  = 
1  Stück  oder  Spindel  =  14400  Yards  oder  13160  m. 

4.  Nesselgarn,  Chinagras,  Ramiegarne  haben  entweder  die  engl.  Numerierung 
und  Haspelung  der  Flachsgarne  oder  international-metrische  Numerierung. 

5.  Kammgarn.  A.  Weiches  Kammgarn  (Moosgarn  u.  s.  w.):  Metrische  oder 
internationale  Numerierung.  Die  Nummer  gibt  an  wie  viel  Strähne  zu  je  1000  m 
auf  1  kg  gehen.  Haspelung  entweder  70  Faden  zu  je  1,43  m  oder  73  Faden  zu  je 
1,37  m  oder  80  Faden  zu  je  1,25  m  =  1  Gebind  =  100  m;  10  Gebinde  =  1  Strähn 
=  1  Fitze  :=  1000  m.  Verpackung:  5  Strähn  =  1  Docke;  im  5kg-Bündel  sind  so 
viele  Docken,  als  die  Nummer  angibt.  —  Französische  Numerierung :  Nummer-Anzahl 
der  Strähne,  welche  y,  ^g  wiegen.  1  Strähn  (echeveau)  =  600  Annes  (Pariser  Ellen) 
=  720  m.  —  Englische  Numerierung:  a)  Kurze  Weife:  Nummer- Anzahl  Schneller  auf 
1  Pfd.  engl.  Haspelung:  1  Faden  =  1  Yard  =  0,914  m;  80  Faden  =  1  Gebind; 
7  Gebinde  =  1  Schneller  =  560  Yards  =  512  m.  —  b)  Mittlere  Weife  ist  genau  so, 
wie  für  Baumwollgarne.  —  c)  Lange  Weife:  Nummer- Anzahl  der  Strähne  auf  1  Pfd. 
engl.  Haspelung :  1  Faden  =  2  Yard ;  80  Faden  =  1  Gebind ;  7  Gebinde  =  1  Strähn 
=  1120  Yards  =  1024  m,  —  B.  Hartes  Kammgarn  (Weft,  Mohair,  Alpaka,  Cheviot) 
hat  engl.  Numerierung  und  letzteres  auch  metrische. 

6.  Streichgarn  (auch  Shoddy,  Mungo,  Vigogne)  hat  ausserordentlich  verschiedene 
Numerierungs-  und  Haspelsysteme.  Aus  der  grossen  Zahl  sollen  nur  folgende  an- 
geführt werden:  Die  metrische  Haspelung  und  Numerierung  ist  wie  bei  weichem  Kamm- 
garn angegeben.  —  Die  englische  Numerierung  und  Haspelung  ist  wie  bei  hartem 
Kammgarn  kurzer  Weife.    1  Strähn  =:  560  Yards  =  512  m;  Nummer  gibt  an  An- 


212  Garn  wage. 


zahl  der  Strähne  auf  1  Pfd.  engl.  —  Französische  Numerierung,  Sedaner:  1  Faden 
(fil)  =  1,3  Aunes  (Pariser  Ellen)  =  1,543  m;  1  Gebind  (maque)  =  44  Faden; 
1  Strähn  (echeveau)  =  22  Gebinde  =  1256  Aunes  =  1492  m.  Sedaner  Nummer- 
Anzahl  der  Strähne  (ä  1492  m)  auf  Yg  kg.  —  Französische  Numerierung,  Elboeufer : 
1  Faden  ^  1,666  Aunes  =  2  m;  1  Gebind  (sou)  =  45  Faden;  1  Strähn  (quart)  = 
10  Gebinde ;  1  Stück  (echeveau)  =  4  Strähne  =  3000  Aunes  ==  3600  m.  Elboeufer 
Nummer- Anzahl  der  Stücke  (ä  3600  m)  auf  7.  kg.  —  Preussische  oder  deutsche  Nume- 
rierung, auch  in  Oest erreich  noch  gebräuchlich:  1  Faden  =  2  Y2  Berliner  Ellen 
(1  ßerl.  Elle  =  0,667  m);  1  Gebind  =  44  Faden;  1  Strähn  (fitze,  ^zahle)  =  5  Ge- 
binde; 1  Stück  =  4  Strähne.  —  Nummer- Anzahl  der  Stücke  (ä  2200  Berl.  Ellen  = 
1467  m)  auf  1  Zollpfund  (500  g).  —  Alte  Berliner  oder  Belgische,  auch  Cockwillsche 
Haspelung  und  Numerierung:  1  Strähn  =  2240  Berl.  Ellen  (1494  m).  Nummer- 
Anzahl  der  Strähne  auf  1  Zollpfund  (500  g).  —  Preussische  Numerierung  für  Shoddy- 
garne:  1  Stück  =  2040  Berl.  Ellen  (=  1360  m).  Nummer-Anzahl  der  Stücke  auf 
1  Zollpfund.  —  Alte  österreichische  oder  Brünner  Numerierung:  1  Faden  ==  2  Wiener 
Ellen  (=  1,552  m);  1  Klapp  (Wiedel,  Gebind)  =  44  Faden;  1  Zahle  (Strähn)  =  20  Klapp. 
Nummer- Anzahl  der  Strähne  (ä  1760  Wiener  Ellen  =  1369  m)  auf  1  Wiener  Pfd. 
(560  g).  —  Als  weitere  österreichische  Nummer  kommt  vor  auch  Anzahl  der  Strähne 
zu  2112  Wiener  Ellen  (=  1642  m)  auf  1  Wiener  Pfd.  —  Alte  Wiener  Numerierung: 
1  Faden  =  2  Wiener  Ellen  (=  1,55  m) ;  1  Gebind  =  50  Faden;  1  Fitze  oder  Strähn 
=  4  Gebinde;  1  Stück  =  4  Strähne.  Nummer- Anzahl  der  Stücke  zu  je  1600  Wiener 
Ellen  (=:  1240  m)  auf  1  Wiener  Pfund.  —  Sächsische  Numerierung:  Weife  entweder 
2 ellig  (=  1,132  m)  oder  3  ellig  (^  J,7  m).  Nummer  (bei  2  elliger  Weife)  =  Anzahl 
der  Zahlen  (ä  800  Leipziger  Ellen  =  452,8  m)  auf  1  Zollpfund,  oder  (bei  3  elliger 
Weife)  =  Anzahl  der  Stücke  (ä  1200  Leipziger  Ellen  =  679,2  m)  auf  1  Zollpfund 
oder  auch  1  engl.  Pfd.  —  Sämtliche  sind  im  Fett  gewogen  und  verlieren  durch  das 
Wasser  etwa  8— 12"/o  des  Gewichts. 

7.  Sächsisches  Vigognegarn.  1  Faden  =  2,375  Leipziger  Ellen  (=  1,344  m); 
1  Gebind  =  80  Faden ;  1  Strähn  =  4  Gebinde  =  760  Leipziger  Ellen  (=  430  m). 
Nummer-Anzahl  der  Strähne  (ä  760  Leipziger  Ellen  oder  auch  ä  480  Yards)  auf 
1  Zollpfund. 

8.  Chappeseide  (Florettseide,  Bourrette,  Spunsilk)  hat  grösstenteils  Numerierung 
wie  engl.  Baumwolle,  stellenweise  auch  metrisch,  in  folgender  Art:  Nummeranzahl 
der  Schneller  zu  je  500  m  auf  Y2  kg.  —  1  Faden  =  1,25  m;  1  Gebind  =  100  Faden; 
1  Schneller  (Strähn)  =  4  Gebinde  (=  500  m). 

9.  Rohe  und  filierte  (gehaspefte)  Seide  (Grege,  Organsin,  Trama).  Der  Titor 
(Titolo,  Nummer)  gibt  an,  wie  viele  Gewichtsteile  1  Gebind  oder  1  Strähn  „Seide" 
wiegt.  Als  Gewicht  wird  der  Denier  oder  die  Gräne  verwendet.  —  Internationaler 
oder  metrischer  Titor  =  Anzahl  der  Gramme,  welche  1  Strähn  von  10  000  m  Fadenlänge 
wiegt  oder  auch  Anzahl  der  Gräne  (0,05  g) ,  welche  1  Gebind  =  500  m  wiegt.  — 
Alter  Lyoner  Titor  =  Anzahl  der  Gräne  (=  0,0531  g),  welche  1  Gebind  von  400  franz. 
Ellen  wiegt.  —  Turiner  Titor  (ital. :  legale  Titolo)  =  Anzahl  der  Gräne  (=  0,0533  g), 
welche  1  Gebind  von  450  m  Länge  wiegt,  oder  auch  =  Anzahl  der  Gramme,  welche 
1  Strähn  von  9000  m  Fadenlänge  wiegt.  Auch  wird  beim  Turiner  Titor  von  450  m 
der  Grän  zu  0,05  g  genommen.  — 

Mehrfache  Garne  werden  durch  einen  Bruch  bezeichnet,  z.  B.  ^^/^',  doch  herrschen 
auch  hierbei    wieder    verschiedene  Auffassungen  bezüglich  der  Auslegung.     ^^2  kann 
bedeuten,    dass    das   fertige  Gezwirn  Nr.  20    entsprechen  soll;    das  einfache  Garn  ist 
dann  nicht  Nr.  40,  sondern  mit  Rücksicht  auf  die  Einzwirnung  etwas  feiner  (in  Deutsch- 
land übliche  Auffassung,  massgebend  für  die  deutsche  Kammgarnindustrie  angenommen); 
*72  kann  auch  bedeuten,  dass  einfaches  Garn  Nr.  40  zweifach  gezwirnt  ist,  das  fertige 
Gezwirn    ist   dann    der  Zwirnung    entsprechend    etwas  stärker  (in  England  mehrfach 
üblich);    ^^/2   bedeutet    ferner    (in  England    für  Chappe,    in  der  Schweiz  für  Tussah- 
seide) ,    dass    das    fertige  Gezwirn    die  Nr.  40  aufweist,    dabei  aber  aus  2  Fäden  be- 
steht. —  (Vgl.  Kutzer,    Garnnumerierungen,    Haspelungen    u.  s.  w.     Wien  1901.). 
Garn  wage,  Sortierwage,  eine  Vorrichtung,  mittels  deren  man  die  Nummer 
eines  Garnsträhns  (Schneller)  von    bestimmter  Länge    ohne  Anwendung  von  Ge- 
v^^ichten  feststellen  kann.    Die  G.  sind  entweder  kleine  Schnellwagen,  bei  welchen 
das    verschiebbare    konstante    Laufgewicht    auf   der    Einteilung    des   Balkens    die 
Nummer  angibt,  oder  Zeigerwagen,  bei  denen  durch  Anhängen  des  Garnstrangs 
an    den  einen  Arm  das  konstante  Gewicht  des  andern  Arms  mehr  oder  weniger 
gehoben  wird  und  die  dadurch  bewegte  Zunge  (der  Zeiger)  auf  der  Skala  eines 
Gradbogens  die  Nummer  anzeigt.     Die  letztere  Konstruktion  ist  die  am  meisten 
gebräuchlichste. 


Garn\yinde — Gebetteppiche.  213 


Garnwinde,  eine  Vorrichtung,  um  das  fertige  Garn  gleichmässig  auf- 
zureihen, in  sogen.  Strähne  zu  verwandeln,  Avelche  einen  sicheren  Transport  des 
Gespinstes  ermöglichen,  auch  später  zum  Verkauf  oder  zur  weiteren  Verarbeitung 
auf  Spulen  oder  in  Knäuel  verteilt  werden.  Der  Apparat  gleicht  in  seiner 
Konstruktion  dem  Garnhaspel  mit  dem  Unterschied,  dass  nicht,  wie  bei  diesem, 
eine  Zählvorrichtung  zum  selbsttätigen  Messen  der  aufgewundenen  Fadenlänge 
vorhanden  ist,  und  bestellt  aus  einer  leichten  Trommel,  die  von  vier  oder  mehr 
gehobelten,  durch  entsprechende  Streben  miteinander  verbundene  Latten  gebildet 
ist  und  mittels  Handkurbel  oder  Riemenscheibe  um  ihre  Achse  gedreht  wird. 
Die  Trommel  hat,  je  nachdem  ein  Faden  oder  mehrere  Fäden  zugleich  auf- 
gewunden werden  sollen,  verschiedene  Breite. 

Garrovillas,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Caceres:  Tuchfabriken. 

Gaschenzeuge  nennt  man  in  einigen  Gegenden  die  leichten  und  rauhen 
Wollenzeuge,  wie  Coatings,  Lamas,  Moltons  u.  s.  w. 

Gattieren,  in  der  Baumwollspinnerei  das  Mischen  verschiedener  Baumwoll- 
sorten, wodurch  ein  gleichförmiges  Fabrikat  erzielt  werden  soll. 

Gaudivis  sind  gewöhnliche  ostindische  Kattune. 

Gaufrieren  (von  gaufrer,  in  Falten  presssen),  das  Aufprägen  von  Mustern 
auf  glatte  Gewebe  und  das  Pressen  in  mehr  oder  weniger  feine  Falten,  welches 
durch  erhitzte  Metallplatten,  Walzen  oder  dazu  hergerichtete  Maschinen  aus- 
geführt wird. 

Gaze,  ursprünglich  nach  der  Stadt  Gaza  benannt,  (franz.:  gaze;  engl.: 
gauze) ,  wo  diese  Art  Gewebe  zuerst  verfertigt  wurde ,  ein  dünn  und  offen  ge- 
webter, durchsichtiger  Stoff,  mit  oft  mannigfacher  Verbindung  der  Schuss-  mit 
den  Kettfäden,  wodurch  viele  Muster  und  Namen  entstehen.  Je  nach  Verbindung 
der  Schuss-  und  Kettfäden  unterscheidet  man  Donna  Maria- G. ,  G.  de  soie,  G. 
de  Paris,  G.  d'ete,  G.  Iris.  Spitzengaze  ist  fassonierte  oder  broschierte  Gaze, 
welche  mit  der  Jacquardmaschine  genadelt  und  durch  den  Nadelstab  erzeugt 
wird.  Man  hat  Gaze  in  Seide,  Baumwolle  und  Leinwand.  Technisch  unter- 
scheidet sich  das  Gazegewebe  vom  Flor-  und  Musselingewebe  dadurch,  dass  die 
Kettenfäden  paarweis  zwischen  je  zwei  Einschussfäden  um  einander  herum- 
geschlungen oder  gekreuzt  sind  (vgl.  Bindungstafel  XXVL),  während  die  Schuss- 
fäden gerade  und  einzeln  liegen.  Eine  eigene  Gattung  der  Gaze  ist  der  Marly. 
Baumwollene  Gaze  wird  unter  dem  Namen  Tarlatan  oder  Tirletan  gewebt. 
Damastgaze  ist  eine  Nachahmung  des  eigentlichen  Damasts,  indem  man  durch 
eine  Einrichtung  des  Jacquards  damastartige  Blumen  und  andere  Muster  webt; 
derartige  Zeuge  kommen  viel  in  China  und  Japan  vor.  Eine  andere  Gattung 
Gaze  ist  der  Krepp  (s.  d.) ;  auch  gehören  dazu  die  Etamine-  und  Beutel- 
tuchstoffe. 

Gaze  nennt  der  Bortenwirker  eine  Art  Tressen,  deren  Kette  Seide,  der 
Einschlag  von  Gold-  oder  Silbergespinst  und  von  starkem  Lahn  ist. 

Gebetteppiche  (persisch :  Tschanemaz ;  türkisch :  Nemazi)  haben  den  Namen 
davon  erhalten,  dass  sie  für  Decken  in  Verwendung  kommen,  welche  dem 
Mohammedaner  als  Fussteppiche  während  der  Verrichtung  seines  Gebetes  dienen; 
mit  Bücksicht  auf  die  religiöse  Vorstellung  des  Muselmannes,  dabei  das  Gesicht 
gegen  die  heilige  Stadt  Mekka  gekehrt  zu  haben,  wird  in  das  Teppichmuster 
gewöhnlich  eine,  Mihrab  genannte  Nische  von  giebelartiger  Form  eingewirkt,  an 
der  Stelle,  wo  dann  bei  den  Verbeugungen  stets  der  Kopf  des  Betenden  zu 
ruhen  kommt.  Diese  Flächenmusterung  aus  der  Gebetnische  mit  Darstellung 
der  Säulen  als  Träger  des  spitzbogigen  Gebälkes  (vgl.  Abb.  86),  an  welchem 
oft  noch  die  hängende  Ampel  das  Originalbild  vervollständigt,  findet  auch  An- 
wendung in  gewebten  und  gestickten  Vorhängen  des  Orients.     (Vgl.  Abb.  26.) 

Abbildung: 

86.  Darstellung  aus:  Rigl,  Ein  orientalischer  Teppich  vom  Jahre  1202  n.  Chr. 
und  die  ältesten  orientalischen  Teppiche,  Berlin  1897:  Knüpfteppich  (sogen.  Gebet- 
teppich) in  farbiger  Wolle.  In  Mitte  auf  rotem  Grunde  das  von  Säulen  getragene 
Gebälk,  welches  die  Gebetnische  darstellt. 


214 


Gebildleinen — Geelong. 


Gebildleinen,  Zwillich,  welcher  auf  beiden  Seiten  das  Muster  gleich  zeigt. 
Gebweiler,  Stadt  im  Bezirk  Oberelsass:   Seidenband-,  Flanell-,  und  Tuch- 
fabriken, Baumwollspinnereien  und  -Webereien;  Färberei. 

Abb.  86. 


Gedenktücher  sind  T.  mit  aufgemalten  oder  aufgedruckten,  auch  gestickten 
Sprüchen  oder  Darstellungen,  die  an  eine  Persönlichkeit,  ein  Ereignis  erinnern 
sollen.  Die  Sitte,  derartige  Tücher  zu  fertigen,  lässt  sich  bis  ins  Mittelalter 
zurück  verfolgen. 

Geelong,  Seestadt  in  der  brit.  Kolonie  Victoria  in  Australien:  Kamm- 
garnspinnerei, Weberei  und  Wollwäscherei. 


Geertsberger — Genua.  215 


Geertsbergen,  Hauptstadt  im  Arrond.  Aelst  der  belg.  Prov.  Ostflandern  : 
Fabrikation  von  Spitzen,  Baumwoll-  und  WolJzeug. 

Geflammte  Garne,  welche  innerhalb  bestimmter  Abstände  andersfarbige 
Faserbüschel  eingesponnen  besitzen,  werden  entweder  dadurch  erzeugt,  dass  auf 
den  Krempeln  durch  Einstreuen  der  Faserbüschel  oder  durch  Aufstreichen  des 
andersfarbigen  Spinngutes  in  Querstreifen  durch  mit  Kratzen  beschlagene  Walzen 
an  eine  Krempelwalze  die  Faserbüschel  hineingebracht,  oder  dadurch,  dass 
Stücke  fertiger  andersfarbiger  Vorgarnfäden  in  bestimmten  Abständen  quer  über 
eine  Krempelwalze  aufgelegt  werden. 

Geflammte  Gewebe  sind  chinierte  G-ewebe  (s.  a.  flammierte  Stoffe). 

Gegittert  heisst  ein  gewebter  Stoff  mit  rechtwinkelig  sich  kreuzenden 
Streifen,  welche  grössere  Quadrate  in  der  Grundfarbe  einschliessen.  Wechseln 
dagegen  Streifen  von  gleicher  Breite  mit  einander  ab,  so  ist  der  Stoff  gewürfelt 
oder  quadrilliert. 

Gehänge,  in  der  Weberei  die  Schnuren  nebst  Rollen  und  Wippen,  an 
welchen  die  Schäfte  des  Webstuhls  hängen. 

Geisshaar  nennt  man  die  spitzigen,  rauhen  und  spröden  Haare,  die  sich 
unter  der  abgeschorenen  Wolle  befinden  und  auch  Flocken  heissen. 

Geköpert  s.  Köperbindung. 

Geldern,  Stadt  im  preuss.  B;eg.-Bez.  Düsseldorf:  Seidenweberei. 

Gemischte  Bindungen  entstehen  in  der  Weberei  aus  Ableitungen  von 
Leinwand-,  Köper-  und  Atlasbindegraden  (s.  Bindungen).  Da  nun  die  Ab- 
leitungen und  Mischungen  sehr  verschiedener  Art  sein  können,  so  ist  auch  die 
Bindungsanzahl  eine  grosse. 

Gemischte  Gewebe  entstehen,  wenn  Kette  und  Schuss  von  verschiedener 
Farbe  sind. 

Gemusterte  Stoffe  s.  Damast,  Bildweberei. 

Genähte  Spitzen  s.  Nadelspitzen  im  Artikel  Spitzen. 

Genappes-Garn,  auch  Ispahan-Gam,  ist  ein  mindestens  zweifädiges,  scharf 
gedrehtes  Gezwirn  aus  Alpalkahaaren,  Mohair  oder  den  ungekräuselten  langen 
Haaren  des  Landschafes,  welche  man,  um  eine  glatte  Oberfläche  zu  erhalten, 
sengt. 

Genoa,  ein  technischer  Ausdruck  in  den  englischen  Wollen-  und  Baum- 
wollenmanufakturen,  welcher  bei  vielen  Fabrikaten  einen  geköperten  Grund  an- 
deutet, wenn  von  schweren  Stoffen  die  Bede  ist;  dahin  gehören  Genoa  Backs, 
Oenoa  Tiksets,  Genoa  Cords  u.  s.  w. 

Gent,  Hauptstadt  der  belg.  Prov.  Ostflandern :  bedeutende  Textilindustrie. 
Es  bestehen  (1900)  über  210000  Spindeln  für  Flachs-,  Werg-,  und  Jutespinnerei, 
690000  für  Baumwollspinnerei;  ferner  Spitzenmanufaktur.  Im  Anfange  des 
17.  Jahrh.  erscheint  hier  eine  Klöppelspitze  in  Nachahmung  derjenigen  aus 
Brüssel.  Eine  grosse  Leinenweberei  beschäftigt  3000  männliche  und  weibliche 
Arbeitskräfte. 

Genua,  Hauptstadt  gleichnamiger  Provinz  des  Königreichs  Italien:  be- 
deutende Textilindustrie ;  erzeugt  ausser  glatten  Stoffen  in  Seide,  Sammete  und 
Plüsche  (9  Seidenfabriken),  Bänder,  Wollwaren,  Baumwollwaren  (17  Spinnereien 
und  15  Webereien),  Damast,  Stickereien  u.  s.  w.  —  Schon  im  13.  Jahrh.  kommen 
genuesische  Stoffe  unter  dem  Namen  „pannus"  vor  und  finden  zu  kirchlichen 
Zwecken  Verwendung.  Zu  Ende  des  13.  Jahrh.  berichtet  Marco  Polo  über  das 
Auftreten  der  Genueser  in  Tauris,  auf  dem  Kaspischen  Meere  und  dessen  Süd- 
gestaden: „und  von  daher  kommt  die  ghilanische  Seide",  ein  Beweis,  dass  die 
persische  Seide  von  den  Italienern  bezogen  wurde.  Während  des  15.  Jahrh. 
teilt  Genua  mit  Venedig  die  Führerrolle  in  der  italienischen  Webekunst.  Be- 
züglich der  Spitzen  gilt  Genua  als  eigenth'che  Erzeugungsstätte  italienischer 
Klöppelarbeiten.  Hier  wollte  man  sie  schon  (nach  Dr.  Dreger,  Entwickelungs- 
geschichte  der  Spitze,  Wien  1901)  um  1400  nachweisen;  indessen  betreffen  alle 
älteren  Nachrichten  nur  Goldposamenten  und  Stickereien,  Erst  im  16.  und  17. 
Jahrh.  kommen  dieselben  in  Verzeichnissen  und  Nachlassen  häufiger  vor.  Be- 
sonders scheinen  in  G.  Goldspitzen  gemacht  worden  zu  sein  (s.  Spitzen). 


^16  Geoktschaj — Geschlitzte  Stoffe. 


Geoktschaj,  Kreisort  im  russ.  Gouvernement  Baku  in  Transkaukasien : 
Seidenzucht,  Teppich-  und  Seidenweberei. 

Georg,  der  Heilige,  in  der  röm.  Kirche  gewöhnlich  Ritter  Sankt  G.,  in 
der  griechischen  G.  der  Siegbringende  genannt,  stammte  nach  der  Legende  aus 
einer  vornehmen  Familie  in  Kappadocien,  trat  ins  römische  Heer  und  stieg  unter 
Diocletian  rasch  empor.  Als  der  Kaiser  die  Christenverfolgung  begann,  verwies 
ihm  G.  seine  Grausamkeit  und  erlitt  deshalb  303  den  Märtyrertod.  Er  wird 
gewöhnlich  als  Jüngling,  in  antiker  ritterlicher  Küstung.  auf  E,oss,  mit  der  Lanze 
einen  Drachen  durchbohrend,  dargestellt  und  es  ist  die  Annahme  nicht  un- 
gerechtfertigt, dass  ähnliche  Darstellungen  in  byzantinischen  Stoffmustern  inner- 
halb der  Kreise  (vgl.  Abb.  1  aut  Taf.  U)  darauf  zurückzuführen  sind.  (Vgl.  auch 
B,eitermuster.) 

Georgia,  Carolina  oder  IJpland,  nordamerikanische  Baumwollsorte. 

Georgswalde,  Stadt  in  Böhmen,  an  der  sächs.  Grenze :  mechan.  Webstuhl- 
fabrik, Baumwollwarenfabriken. 

Gepresster  Sammet,  s.  Pressen. 

Gera,  Haupt-  und  Residenzstadt  im  Fürstentum  E-euss  j.  L. :  den  Haupt- 
zweig der  bedeutenden  Industrie,  die  sich  besonders  seit  1873  entwickelt  hat, 
bildet  die  1595  durch  den  aus  Flandern  eingewanderten  Nikolaus  de  Smit  be- 
gründete Wollwarenweberei  (etwa  12  000  mech.  Webstühle  in  65  Fabriken; 
jährlicher  Umsatz  etwa  60  Mill.  M.,  direkte  Ausfuhr  nach  den  Vereinigten 
Staaten  von  Amerika  etwa  8  IMill.  M.),  Kammgarnspinnerei  (4  Fabriken), 
Teppichweberei  (6),  Färberei;  ferner  bestehen  Appretur-  und  Blanchieranstalten. 
Näh-  und  Strickschule. 

Gerardmer,  Hauptort  im  Arrond.  St.  Die  des  franz.  Depart.  Yosges: 
Hanf-  und  Leinweberei. 

Geringswalde,  Stadt  in  Sachsen :  Fabrikation  von  Strümpfen  und  Chenille- 
artikeln. 

Gerippter  Sammet,  wird  als  solcher  bezeichnet,  wenn  seine  Maschen  um 
dicke,  darinbleibende  Baumwollenfäden,  anstatt  um  Nadeln  geschlungen  werden 
und  demnach  als  E-ippen  erscheinen  (s.  Sammet). 

Gerissener  Sammet  wird  als  solcher  bezeichnet,  wenn  seine  Maschenreihen 
(Noppen)  aufgeschnitten  sind. 

Germanisches  Museum  s.  Nürnberg. 

Germusets,  ein  buntgemusterter  Halbseidenstofif,  der  auf  Damastart  mit 
doppelter  Kette,  die  eine  von  Seide,  die  andere  von  Baumwolle,  in  Brussa  und 
Aleppo  gewebt  wird. 

Gerona,  Stadt  in  Spanien:  Spinnerei  und  Weberei. 

Gersau  im  Schweiz.  Kanton  Scliwyz :  drei  Seidenfabriken  (Florettspinnereien 
und  Zwirnereien). 

Gerstenkornmuster  kommt  in  geklöppelten  Spitzen,  namentlich  in  denen 
aus  Genua  vor  und  wird  der  Frucht  entsprechend  genannt. 

Gerus,  Landschaft  an  der  Grenze  von  Kurdistan :  Erzeugung  von  Teppichen^ 
welche  sich  in  Persien  eines  besonderen  Ansehens  erfreuen.  Sie  enthalten 
4 — 5000  Noppen  auf  100  EU  cm.  Das  alte  Gerusmuster  bestand  in  gross- 
blumigen Motiven. 

Geschlitzte  Stoffe  werden  im  16.  Jahrh.  hergestellt,  meistens  in  Atlas- 
geweben, indem  mit  Messern  oder  Eisen  ein  Muster  aus  reihenweis  versetzten 
länglichen  oder  runden  Tupfen  eingeschlitzt  wird.  (Vgl.  Abb.  87.)  Entstanden 
sind  diese  Musterungen  im  16.  Jahrh.  aus  der  Mode,  die  bauschigen  Aermel  des 
Obergewandes  aus  doppeltem  Stoff  zu  bilden ,  wobei  der  obere  so  weit  aus- 
geschnitten wurde,  um  den  unteren  hervorquellen  zu  lassen. 

Abbildun  g: 

87.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Atlasstoff,  rotbraun,  mit  Muster  aus  reihenweis  versetzten  Tupfen  in  geschlitzter  Arbeit. 
Spanien  Ende  16.  Jahrh. 


Geschnittener  Sammet — Gespinstfasern. 


217 


Geschnittener  Sammet  s.  v.  w.  gerissener  Sammet  (s.  d.). 

Geschorener  Sammet  wird  derjenige  Velour  genannt,  dessen  Noppen 
aufgeschnitten  sind,  im  Gegensatz  zu  dem  ungeschorenen,  welcher  aus  un- 
geschnittenen Noppen  besteht  (s.  Sammet). 

Gespinste  oder  gesponnenes  Gold  oder  Silber  werden  Seidenfäden  genannt, 
welche  mit  Gold-  oder  Silberdraht  umsponnen  sind,  je  nach  der  Beschaffenheit 
des  Metalls:  echte  und  unechte  G.  (s.  Brokat). 

Abb.  87. 


m 

1^^ 

^Si 
^ 

Tl 

k 

'     i 

Pf    ^ 

K- 

M^ 

w  1 

^ 

'  -1 

^ 

*^ 

¥   **1 

^ 

^ 

V 

^  1 

w 

^ 
u 

t 

*  * 

%  ■ 

Gespinstfasern  (franz.:  fibres  textiles;  engl.:  textil-fibres)  bilden  das 
Bohmaterial  der  Textilindustrie  und  werden  vom  Pflanzen-  oder  Tierreich  ge- 
liefert. Einzellige  Haare  sind :  Baumwolle ,  vegetabilische  Seide.  Bast- 
fasern sind:  Flachs,  Hanf,  Jute,  Chinagras,  Bamie,  Abelmoschusfaser,  Gambo- 
hanf,  Nesselfaser,  Sunn;  monokotyle  Gefässbündel  sind:  Agavefaser, 
Aloehanf,  Cuir;  monokotyle  Sklerenchj^mfaserbündel:  Manilahanf, 
neuseeländischer    Flachs;     Gefässbündelgruppen:     Tillandsiafasern    (Crin 


Abb.  88. 


Abb.  89. 


vegetal),  Kitulfaser  (Caryota),  Piassave  (Attalea);  Blätter:  Esparto.  —  Tie- 
rische Faserstoffe  sind  die  feinen  Haare  und  Seide.  Zu  ersteren  gehören : 
die  Wolle  der  Schafe,  die  Haare  der  Kaschmirziege  (Kaschmirwolle),  der  An- 
goraziege (Mohairwolle),  des  Lama  (Lamawolle),  des  Alpaka  (Alpakawolle),  des 
Yicunä  (Yicufiawolle)  und  des  Kamels  (Kamelwolle).  Die  Seide  ist  ein 
Sekret   der   Kopfdrüsen   verschiedener    Schmetterlingsraupen;    die    echte    Seide 


218 


Gespinstfasern. 


stammt  vom  Maulbeerspinner  (Bombyx  mori);  Mus  ch eise ide  ist  ein  Grespinst 
von  gewissen  Arten  der  Steckmuscheln.  Künstliche  Seide  besteht  aus 
verschiedenen  Substanzen,  z.  B.  aus  künstlichen  Kollodiumfäden.   Mineralische 


Abb.  90. 


Abb.  91. 


G.  haben  geringere  Bedeutung;  zu  diesen  gehören:  die  Metallfäden,  die  bei  den 
Brokatstoffen  und  Tressen  verwendet  werden;  Asbestwolle  und  Grlasseide.   Die 

Abb.  92. 


Unterscheidung  der  G-espinstfasern  voneinander  wird  durch  die  mikroskopische 
Untersuchung  ermöglicht,  im  verarbeiteten  Zustande  durch  chemische  Beageiitien. 
(Vgl.  die  Yergrösserungen  in  den  Abbildungen  88 — 94.) 

Abb  ildungen: 

88 — 94.   Darstellungen   aus:   Buch    der  Erfindungen,    Leipzig  u.  Berlin.     Bd.  6. 
S.  314—316: 

88,  Wollfaser,  400 mal  vergrössert. 

89.  Baumwollfaser,  400  mal  vergrössert. 


Gespinstfaser. 


219 


90.  Leinenfaser,  400  mal  vergrössert. 

91.  Hanffaser,  „  „ 


Abb.  93. 


Abb.  94. 


92.  Seidenfaser,  400  mal  vergrössert. 

93.  Feine  unverfälschte  Leinwand,  100 mal  vergrössert. 

94.  Feiner  Baumwollbatist,  „  „ 


220  Gestäubte  Tapeten— Gimborn. 

Gestäubte  Tapeten,  Papiertapeten,  auf  welchen  das  Muster  durch  Wollen- 
staub ein  sammetartiges  Ansehen  erhält :  Sammet-  oder  Velourtapeten  (vergl. 
Flocktapeten). 

Getee ,  Getel  (engl. :  getee  fibre) ,  die  aus  dem  Bast  der  in  Ostindien 
heimischen  Marsdenia  tenacissima  gewonnene  Spinnfaser  von  grosser  Festigkeit 
und  schönem  seidenartigen  Glänze. 

Gewand  nannte  man  früher  in  Niedersachsen  häufig  jede  Art  Wollenzeug, 
besonders  aber  Wollentuch ;  daher  Messen  Gewandschneider,  Gewandausschneider 
damals  diejenigen  Kaufleute  und  Fabrikanten,  welche  das  Tuch  eilen-  oder  teil- 
weise verkauften  oder  ausschnitten.  Gewandhaus  war  in  vielen  Städten  Sachsens 
ein    besonderes  Gebäude,    das   jenen  Verkäufern  als  Niederlage  eingeräumt  war. 

Gewässerte  Stoffe  oder  moirierte  Zeuge  heissen  solche  seidene  oder  wollene 
Stoffe,  deren  rechte  Seite  glänzende  wellenförmige,  jedoch  nicht  eingewebte  Streifen 
hat.  Oberflächlich  geschieht  die  Wässerung  dadurch,  dass  man  die  Zeuge  mit 
Wasser  einsprengt  und  dann  mangelt  oder  mit  heissen  Metallplatten  presst; 
diese  Wässerung  verschwindet  aber  in  der  Nässe.  Eine  zweite  Wässerung,  die 
man  besonders  bei  seidenen  und  Kammgarnen,  dicht  gerippten  Zeugen  anwendet, 
stellt  man  dadurch  her,  dass  man  die  Zeuge,  die  rechten  Seiten  zugekehrt,  auf- 
einander legt  und  dann  durch  zwei  heisse,  scharf  aufeinander  drückende  Walzen 
langsam  durchlässt,  nachdem  man  die  Zeuge  vorher  mit  einer  entsprechenden 
steifen  Appretur  behandelt  hat.  Eine  dritte  Wässerung  auf  Zeuge,  die  nicht 
rippig  sind,  wie  z.  B.  dünne  baumwollene  Stoffe,  erfolgt  dadurch,  dass  man  sie 
zuerst  steift,  dann  glänzt,  darauf  durch  fein  gerippte  Metallwalzen  gehen  lässt, 
wodurch  sie  fein  gerippt  werden  und  dann  wie  bei  zwei  verfährt.  In  England 
heisst  das  Verfahren  to  make  coarse  goods  fine. 

Gewebe,  s,  Weberei. 

Gewirkte  Stoffe  sind  im  Gegensatz  zu  den  gewebten  solche,  deren  Fäden 
bei  den  Verschlingungen  Maschen  bilden;  sie  stehen  in  nächster  Verwandtschaft 
zu  den  gestrickten  und  gehäkelten  Waren. 

Gewürfelt  heissen  die  Muster  von  Geweben,  wenn  sie  quadratische 
Teilungen  in  Art  des  Schachbrettes  enthalten. 

Gezogen  heisst  Sammet,  dessen  Noppen  nicht  aufgeschnitten  sind. 

Gezogene  Zeuge  nannte  man  vor  Einführung  der  Jacquardmaschine  alle 
diejenigen,  in  die  mittels  des  Zugstuhles,  des  Kegel-,  Zampel-  oder  Walzenstuhles 
kleine  und  grössere  Muster  durch  das  entsprechende  Heben  und  Senken  ver- 
schiedener Kettenfäden  eingewebt  wurden. 

Ghenaaltapat,  Faserstoff  der  Kapselmusspflanze  in  Ostindien,  der  zu 
groben  Geweben  Verwendung  findet.  In  Bengalen  nennt  man  die  Fasern 
Malta  jute. 

Ghilams,  seidene  Zeuge,  welche  in  der  Provinz  Nanking  in  China  ge- 
fertigt und  durch  die  Holländer  nach  Japan  weiter  ausgeführt  werden. 

Ghilan,  auch  Gilän,  pers.  Provinz  am  Südwestufer  des  Kaspischen  Meeres, 
mit  der  Hauptstadt  Rescht  (s.  d.),  gehörte  im  16.  und  17.  Jahrh.  zu  den  reichsten 
seidenproduzierenden  Gegenden  Asiens  und  war  der  Sitz  eines  schwunghaften 
Seidenhandels  nach  West  und  Ost. 

Ghile  nannten  die  Genuesen  die  Seide,  welche  sie  im  16.  Jahrh.  von  den 
Ufern  des  Kaspischen  Meeres  bezogen:  der  Name  stammt  von  der  pers.  Prov. 
Ghilan  (s.  d.). 

Giessen,  Hauptstadt  der  Hess.  Prov.  Oberhessen:  mechan.  Baumwoll- 
weberei (Homberger  u.  Söhne),  Spinnerei,  Weberei. 

Gifhorn,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.  Bez.  Lüneburg:  WoU-  imd  Baum- 
wollspinnereien. 

Gigerl,  im  Oesterreichischen  eine  Gattung  Bettleinen. 

Gilets  sind  Westenzeuge. 

Gilgenmodel  s.  v.  w.  Lilienmuster  in  der  Klöppelspitze.  Der  Ausdruck 
kommt  vor  in  dem  Züricher  Musterbuch  von  1561/62. 

Gimborn,  Gemeinde  im  preuss.  Keg.-Bez.  Köln:  Kunstwollenfabriken, 
Wollspinnerei  im  Leggethal. 


Gimians — Glanzleinwand.  221 


GimianSt  im  levantiner  Handel  die  ganz  feinen  und  grossen  Stubenteppiche, 
welche  in  Kleinasien  gefertigt  werden  und  den  englischen  Shag-carpets  und  Pile- 
carpets  ähnlich  sehen ;  indessen  nicht  mit  denen  der  hohen  Preise  wegen  kon- 
kurrieren können. 

Gimpen,  G-orl,  (franz.:  guipure,  guimpure;  engl.:  gimps),  mit  farbiger 
Seide  übersponnene  Baumwollfäden,  welche  dadurch  das  Ansehen  von  glänzenden 
seidenen  Fäden  und  eine  gewisse  Steifheit  erhalten,  welche  sie  geeignet  macht, 
in  allerlei  Mustern  zu  Kleiderbesätzen,  Möbelverzierungen  geklöppelt  (Klöppel- 
gorl) ,  genäht  (Nähgorl)  oder  gewebt  (Stuhlgorl)  zu  werden  (s.  a.  Posa- 
menten). 

Gimpenspitze,  nachgeahmte  Reliefspitze.  Die  um  die  Konturen  der 
Formen  genähte  Gimpe  soll  eine  dicke  Nadelarbeit  ersetzen ;  sie  wird  oft  in 
Seide  gefertigt. 

Gingan,  Gingham,  Guingan,  Gingas,  unter  diesem  Namen  kamen  früher 
im  Handel  mehrere  Sorten  ostindischer,  französischer,  englischer  und  sächsischer 
Gewebe  vor,  welche  teils  aus  Seide,  aus  Baumwolle  und  Bast,  aus  Baumwolle 
und  Seide,  aus  Baumwolle  und  Leinen,  bunt  gestreift  oder  bunt  gewürfelt  ver- 
fertigt wurden;  später  gab  man  den  Namen  G.  lediglich  den  bunten  leinwand- 
artigen Baumwollstoffen  von  mittlerer  Feinheit,  die  feineren  Sorten  pflegt  man 
Indiennes  zu  nennen.  In  alten  Zeiten  gingen  ganz  leinene  Gingans  unter  dem 
Namen  teile  rigata  nach  Italien.  Im  spanischen  und  südamerikanischen  Handel 
werden  die  G.  unter  dem  Namen  caranclones  genannt. 

Gingerline,  zu  Marseille  eine  Bastardsorte  der  carmenischen  Wolle. 

Gingham  s.  Gingan. 

Ginghamets  sind  gestreifte  und  geblümte  Musselinets. 

Gingiras,  eine  Art  ostindischer  seidener  Zeuge. 

Ginsterfasern  (von  Genester  hispanica)  werden  zu  Leinwand,  Segeltüchern 
und  Tauwerk  verwendet;  in  Dalmatien  kommen  sie  in  grosser  Menge  vor. 

Giordes,  Hauptsitz  der  Erzeugung  einer  beliebten  Art  von  sogen.  Smyrna- 
teppichen  in  Vorder-Kleinasien ,  welche  in  hellen  Farben  gehalten  sind.  Es 
kommen  viel  derartige  Gebetteppiche  vor,  ihre  E,andborte  setzt  sich  gewöhnlich 
aus  schmalen  Streifen  mit  Streublumen  zusammen  (s.  Teppiche). 

Gisors,  Hauptort  im  Arrond.  Les  Andeyls  des  franz.  Depart.  Eure :  Baum- 
wollspinnerei, Spitzen-  und  Tuchfabrikation. 

Glaceband,  atlasartiges,  steifes  und  glänzendes,  einfarbiges,  seidenes  Band, 
welches  am  meisten  in  Basel  hergestellt  wird. 

Glace  d'argent,  Glace  d'or  (franz.),  mit  Silber-  und  Goldfäden  oder  Lahn 
durchwirkte  seidene  Stoffe. 

Gladbach  (München- Gladbach),  Hauptsitz  der  rheinischen  Baumwoll- 
industrie:  über  30  Spinnereien  mit  etwa  160  000  Spindeln,  darunter  die  grosse 
Aktienspinnerei  und  -weberei,  zahlreiche  mechanische  Webereien,  Färbereien  und 
Druckereien,  Appreturanstalten,  Bleichereien  und  Bauhereien,  Fabriken  für 
Halbseiden-,  Woll-  und  Halbwollwaren.  König  1.  Preuss.  Fachschule  für 
Baumwollindustrie.  G.  ist  Sitz  der  Bheinisch- Westfälischen  Textil-Berufs- 
genossenschaft  und  ihrer  2.  Sektion.  Schon  im  Mittelalter  waren  Flachsbau  und 
Leinwandhandel  sehr  bedeutend;  die  Baumwollweberei  wurde  gegen  Ende  des 
18.  Jahrb.,  die  Baumwollspinnerei  1807  eingeführt.  (Vgl.  F.  W.  Strauss,  Ge- 
schichte der  Stadt  M.-Gladbach ;  Gladbach  1895.  Ders.  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Stadt  M.-G.  ebd.  1898.) 

Glanzetamin,  veralteter  Name  für  einen  leichten,  leinwandartig  gewebten 
Seidenstoff  mit  einer  geglätteten  Oberfläche,  der  in  Amiens  verfertigt  wurde. 

Glanzgaze,  dünne  baumwollene  G.,  welche  man  mit  Hausenblase  galert 
oder  mit  Collodium  überzieht,  sodass  kein  Staub  durchdringt,  um  sie  als  Schutz- 
decken für  Bilder,  Stickereien  u.  s.  w.  zu  verwenden. 

Glanzleinwand,  locker  gewebte  L.,  welche  teils  im  rohen  Zustand,  teils 
gebleicht  oder  im  Stück  bunt  gefärbt  in  den  Handel  kommt.  Nach  der  Mangel 
wird  das  Gewebe  mit  Stärke  und  Gummi  überstrichen  und  dann  mit  einem 
geschliffenen  Kiesel  so  geglättet,  dass  es  spiegelglatt  wird. 


222  Glanztaffet— Gobelins. 


Glanztaffet  ist  ein  leichter  Taffet,  der  stark  mit  Grumini  appretiert  und 
geglättet  ist. 

Glanzzwirn,  baumwollener  Nähzwirn,  der  durch  äusserst  regelmässiges 
Aufspulen  und  Glätten  auf  einer  besonderen  Maschine  einen  ziemlich  starken 
Glanz  erhalten  hat. 

Glarus,  Hauptort  im  gleichnam.  Schweiz.  Kanton:  Zwirnerei,  Weberei, 
Buntweberei,  Zeugdruckerei  (besonders  Handdruck,  welcher  türk.  Turbane  und 
Schleier  liefert). 

Glasgow,  grösste  und  wirtschaftlich  die  bedeutendste  Stadt  Schottlands: 
seit  1870  entwickelte  sich  die  Baumwollspinnerei  und  Weberei,  die  Bleicherei, 
die  Jute-  und  Seidenindustrie,  die  Fabriken  von  Shawls,  Musselinen  und  ge- 
druckten Kalikos,  sowie  von  Garnen  und  Zwirnen.  G.  ist  Handelsmittelpunkt 
des  industriellen  Teiles  von  Schottland  und  vertreibt  auch  einen  grossen  Teil  der 
Erzeugnisse  der  irischen  Leinenmanufaktur. 

Glasleinwand,  zum  Polieren  weicher  Metalle  dienender  Baumwollstoff, 
auf  welchem  durch  ein  Klebemittel  Glaspulver  befestigt     ist. 

Glasperlen  s.  Perlstickerei. 

Glasseide  s.  Glasspinnerei. 

Glasspinnerei,  das  von  J.  de  Brunfaut  ausgebildete  Verfahren,  Glas  in 
lange,  biegsame  Fäden  zu  verwandeln  und  web-  und  flechtbare  Gespinste  (Glas- 
seide) herzustellen.  Man  verfertigt  daraus  Quasten,  Gürtel  u.  s.  w.,  ausserdem 
benutzt  man  das  Gespinst  als  Einschlag  für  seidene  Zeuge,  die  dadurch,  je  nach- 
dem das  Glas  gelb  oder  weiss  ist,  den  Glanz  und  das  Aussehen  von  Gold-  oder 
Silberbrokat  erhalten. 

Glastonbury,  Stadt  in  der  engl.   Grafschaft  Somerset:  Seidenindustrie. 

Glaswolle,  mittels  eines  heissen  Eisens  gekräuselte  und  verfilzte  Glasseide 
(s.  Glasspinnerei),  die  als  plüschartiger  Auszug,  als  Filtriermaterial  verwendet  wird. 

Glauchau,  Stadt  im  Königreich  Sachsen ;  für  die  Fabrikation  von  wollenen 
und  halbwollenen  Stoffen  einer  der  wichtigsten  Plätze  Deutschlands:  9  mech. 
Webereien  (Damenkleiderstoffe)  mit  bedeutendem  Export,  25  Färbereien,  Appre- 
turanstalten, Garnwäschereien  und  -druckereien,  2  Spinnereien,  mehrere  Muster- 
zeichnereien  und  Jacquardkartenschlägereien,  eine  Jacquardmaschinen-  und  Web- 
utensilienfabrik. 

Glizzum,  glizum,  glisdum  (lat.),  im  Altertum  kostbares  glänzendes  Gewebe. 

Gloggnitz,  Marktflecken  in  Niederösterreich :  Baumwollspinnerei,  Filz-  und 
Wollwarenfabriken. 

Gloria  ist  ein  köperbindiges ,  glattes  Gewebe  mit  Kette  aus  Baumwolle 
und  Einschlag  aus  Florettseide. 

Glossaret,  veralteter  englischer  halbseidener  Stoff  aus  feiner  Schafwolle 
und  Seide. 

Glossop,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Derby :  Mittelpunkt  der  Baumwoll- 
industrie der  Gegend,  hat  auch  Bleicherei,  Tuchfabrikation  und  Färberei. 

Glyzine,  Pflanzengattung  der  Schmetterlingsblütler,  von  denen  es  ver- 
schiedene Arten  gibt ;  es  sind  Schlingpflanzen  mit  wohlriechenden,  lang  herunter- 
hängenden Blüten,  die  in  China  und  Japan  für  Kunstformen  der  Weberei  und 
Stickerei  reichlich  Anwendung  finden.     (Vgl.  Abb.  95.) 

Abb  ildung : 

95.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Seiden- 
stoff, Grund  weisser  Atlas,  Muster  bläulich  weiss  aus  reihenweis  versetzten  rundlich 
gelegten  Glyzinenblüten  (Daimiowappen?);  dazwischen  Blattranken  und  einzelne  hängende 
Blüten  derselben  Pflanze.     Japan  Anfang  19.  Jahrh. 

Gobelins  werden  in  Paris  einzig  und  allein  jene  Wandteppiche  genannt, 
welche  in  der  Fabrik  gefertigt  sind,  welche  im  15.  Jahrh.  die  Familie  Gobelin 
inne  hatte.  Der  Stammvater  derselben,  Gilles  Gobelin,  betrieb  eine  Färberei 
daselbst.  Im  Jahre  1630  wird  die  französische  Staatsanstalt  zur  Herstellung  der 
Wandteppiche  in  dieses  Gebäude  verlegt  und  die  Bezeichnung  Gobelin  ist  all- 
gemein   geworden    für    alle    auf  Haute-lisse-    und  Basse-lisse-Stühlen  gewirkten 


Gobelinstoffe — Goldstoff. 


223 


Teppiche  oder  Vorhänge.    (Vgl.  die  Artikel  Bildwirkerei,  Kilim,  Schlitzwirkerei, 
Tapisserie  und  Wandteppiche. 

Gobelinstoffe  werden  im  modernen  Handel  alle  derartigen  Gewebe  für 
Möbel,  Vorhänge  ii.  dgl.  genannt,  deren  stärkere  Schussfäden  die  schwächeren 
Kettfäden  in  der  AVeise  binden,  dass  der  Stoff  gerippt  erscheint. 


Abb.  95. 


Godovabli  (altslavisch)  s.  Gotaweppi. 

Godwob  (altfriesisch)  s.  Gotaweppi. 

Göggingen  in  Bayern:  die  grösste  Zwirnerei  und  Nähfadenfabrik 
Deutschlands. 

Goldbrokat  s.  Brokat. 

Goldfäden  sind  in  Brokatgeweben  (s.  d.)  und  Stickereien  zu  verschiedenen 
Zeiten  und  bei  verschiedenen  Völkern  auf  mancherlei  Art  bereitet  worden.  Die 
Orientalen  belegten  sehr  feine  Tierhäute  mit  Blattgold,  schnitten  sie  in  ganz 
schmale  Streifen  und  zogen  diese  entweder  so  in  das  Gewebe  ein  oder  umwickelten 
mit  demselben  Leinenfäden.  Später  bediente  man  sich  des  Golddrahtes  oder  der 
mit  Golddraht  umsponnenen  Eäden  (Goldgespinst).  In  China  und  Japan  benützt 
man  Goldpapier  für  Gewebe  und  Stickereien. 

Goldgespinst  s.  Gespinste. 

Goldmodel  werden  in  alten  Spitzenmusterbüchern  Vorlagen  für  Passemen- 
terien  aus  Goldfäden  genannt. 

Goldspinnerei,  das  Verfahren,  Seidenfäden  mit  Golddraht  zu  umwickeln, 
s.  Brokat  und  Goldfäden. 

Goldspitzen  und  Silberspitzen,  Spitzenarten,  die  ganz  oder  teilweise  aus 
Gold-  oder  Silberfäden  genäht,  meistens  geklöppelt  sind.  Sie  kommen  im 
17.  Jahrh.  zuerst  in  Spanien  und  Italien  vor,  es  gingen  ihnen  wahrscheinlich  die 
maurischen  Gold-  und  Silberpassementerien  voran  (s.  Spitzen). 

Goldstickerei  s.  Stickerei. 

Goldstoff,  auch  Goldstück  (Drap  d'or,  auch  Fond  d'or),  heissen  diejenigen 
broschierten  weichen  Stoffe,  deren  schimmernder  und  glänzender  Grund  ganz 
aus  reichem  Gold-  und  Silbergespinst  oder  aus  Goldlahn  besteht,  wodurch  sie 
sich  von  dem  Brokat  unterscheiden ,  bei  welchem  die  Muster  z.  T.  aus  feiner 
Seide  bestehen.  —  Sie  dienen  zur  Tracht  der  Orientalen  und  zu  Kirchenornaten, 
mit  leonischem  Gold  zu  Theater-  und  Maskeradenaufzügen.  Eine  neuere  Art 
von  G.  sind  die  Cirsaccas-Zeuge,  eine  Zusammensetzung  von  Atlas,  Tissu  d'or 
und  Fond  d'or,  welche  den  ostindischen  und  chinesischen  Sirfakas  oder  Sersukers 
nachgemacht  sind.    Die  Manufakturen  von  Lyon  und  Tours  liefern  die  meisten  und 


224  Golgas— Gotischer  Stil. 


schönsten  Goldstoffe;  doch  werden  sie  auch  in  Paris,  Genua,  Florenz  und 
Venedig  gemacht.     Leichtere  derartige  Stoffe  liefert  auch  Deutschland. 

Golgas,  gedruckte  Flanelle,  auch  türkische  Flanelle  genannt,  welche  durch 
Model-  oder  Walzendruck  doppelseitig  gemustert  sind. 

Golgasdruck,  der  auf  Wolle  angewendete  Bandanadruck  (s.  d.);  die 
wollenen  Zeuge  werden,  ehe  sie  zwischen  die  Platten  kommen,  mit  Alaun  oder 
Weinstein  gebeizt. 

Golsch,  eine  Art  Barchent  aus  den  Webereien  in  Ulm  und  anderen 
Gegenden  Schwabens. 

Goole,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Woll-  und  Baum  wollwaren - 
fabrikation. 

Goor,  Stadt  in  der  niederl.  Prov.  Oberyssel:  Webereien,  Bleichereien  und 
Färbereien. 

Göppingen,  Oberamtsstadt  im  württemb.  Donaukreis:  bedeutende  Baum- 
wollwebereien. 

Gorillagarn,  eine  Art  Noppengarn,  dessen  Grundfaden  aus  langem, 
schlichtem  Rohmaterial  (Kamelhaar,  Alpaka,  Angorahaar,  schlichter  Schafwolle, 
auch  Pflanzenfasern)  gebildet  wird.  Zur  Erzielung  der  Baubeiten  und  Knötchen 
setzt  man  Seidenabfälle  zu. 

Gorl  s.  Gimpen. 

Gorlice,  Stadt  in  Galizien :  bedeutende  Märkte  für  Leinwand  5  in  der  Um- 
gebung Leinen-  und  Wollzeugwebereien  und  Leinwandbleichen. 

Görlitz,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Liegnitz:  der  Hauptindustriezweig  ist 
die  Tuchfabrikation  (10  Fabriken  mit  über  2000  Arbeitern),  ferner  die  Fabri- 
kation von  Gloriastoff  (z.  T.  in  der  Umgegend). 

Gortinia,  Stadt  in  Griechenland:  erzeugt  Knüpfteppiche. 

Görz,  Stadt  in  Oesterreich:  die  Fabriken  der  Herren  von  Bitter  gehören 
zu  den  grossartigsten  der  Monarchie,  sie  besteben  aus  Baumwollspinnereien  und 
-Webereien,    mechanischen   Florettspinnereien,    Seidenspinnereien    und    -Webereien. 

Gossau,  Dorf  und  Hauptort  im  Schweiz.  Kanton  St.  Gallen :  Zeugdruckerei, 
mehrere  Stickereien  und  Weberei. 

Gössnitz,  Stadt  im  Herzogtum  Sachsen-Altenburg:  Spinnerei,  mechan. 
AVeberei,  drei  mechan.  Stickereien. 

Gotaweppi  (althochdeutsch),  godwob  (altfriesisch),  godowabli  (altslavisch), 
hedbav  (tschechisch),  hodbab  (slowakisch),  jedwab  (polnisch),  unter  diesen  all- 
gemeinen Namen  kamen  im  ganzen  germanisch-slavischen  Norden  Europas  die 
Seidengewebe  in  Aufnahme,  und  da  sie  in  erster  Linie  wohl  zu  kirchlichen  Zwecken 
Verwendimg  gefunden  haben,  so  kam  man  zu  der  wohl  annehmbaren  Vermu- 
tung,   dass  die  Bezeichnung  von   „Gottesgewebe"   abzuleiten  sei. 

Göteborg  oder  Got(h)enburg,  Stadt  in  Schweden:  bedeutende  Baumwoll- 
spinnerei und  -Weberei,  Färberei,  Herstellung  von  Gardinen  und  Möbelstoffen, 
Stickereien. 

Gotischer  Stil  bezeichnet  in  Deutschland  und  Frankreich  die  Kunstweise 
der  Zeit  von  1200  bis  1500,  in  Italien  bis  1400,  welche  in  der  Baukunst  durch 
die  Ausbildung  des  Spitzbogens  gekennzeichnet  ist,  dessen  gebrochene  Linien, 
Fialen,  Krabben  u.  s.  w.  während  dieser  Zeit  auch  in  der  Kleinkunst  vor- 
herrschen, wozu  später  für  das  Flachmuster  Bosetten  und  Passfelder  (s.  d.), 
die  Böse  als  solche,  der  Wein  (Abb.  96),  die  Distel  (Abb.  97)  in  Erscheinung 
treten.  Das  Gewebemuster ,  im  Anfange  der  Periode  noch  vollständig  von 
sarazenischer  Kunstweise  beeinflusst,  weil  die  europäische  Kunstweberei  und 
ihre  Formensprache  erst  allmählich  selbständig  werden,  lässt  vom  14.  Jahrh. 
ab  Elemente  erkennen,  welche  sich  als  spätere  Gotik  bezeichnen  lassen,  wobei 
früher  und  später  die  Mustergebung  für  kirchliche  Stoffe  (s.  d.)  auffällt,  welche 
die  Italiener  nach  gegebenen  orientalischen  Vorbildern  in  ihrem  Geiste  um- 
gestaltet haben,  in  welcher  Beziehung  ihnen  schon  die  Araber  vielfach  vor- 
gearbeitet hatten  (s.  arabischer  Stil).  Am  Ende  des  14.  Jahrh.  hat  sich  in 
Italien  die  arabische  Ueberlieferung  verloren  (vgl.  die  Abb.  auf  Tafel  III) ;  die 
Tiermuster  sind  verdrängt,  die  Arabesken  haben  sich  in  Blattwerk  verwandelt, 


Gotischer  Stil. 


225 


welches  deutliche  Spuren  des  gotischen  Stils  trägt:  knorriges  Astwerk  (Abb.  98), 
das  zackige  Distellaub  (Abb.  97),  halb  naturalistische  Blätter  und  Blüten,  ver- 
einzelt die  Lilie  (Abb.  99),  bis  im  15.  Jahrh.  das  sogen.  Grranatapfelmuster  (s.  d.) 
einsetzt   und    das  Stoffmuster  bis   in    die  E^enaissancezeit  hinein  beherrscht.  — 

Abb.  96. 


Technisch  ist  im  frühgotischen  Zeitalter  für  die  Kunstweberei  wenig 
^eues  zu  verzeichnen ;  erst  im  15.  Jahrh.  entfaltet  sich  die  grösste  Pracht  des 
Damastes  und  des  Groldbrokates,  vor  allem  aber  des  Sammets,  welcher  uns  bis 
dahin   nur   wenige  Beispiele  hinterlassen  hatte.     Ergiebiger  gestalten  sich  eih- 

Abb.  97. 


zelne  G-ebiete  der  Kunsthandarbeiten ,  welche  zumeist  noch  in  Kirchenwerk- 
stätten  für  das  Gotteshaus  entstehen,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  sich  in 
manchen  Gregenden  die  Muster  hierfür  lange  bis  ins  16.  Jahrh.  hinein  halten. 
Zahlreich  vorhanden  sind  Stickereien  auf  grobem  Segeltuch  und  aus  späterer  Zeit 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  15 


226 


Gotisclier  Stil. 


Abb.  98. 


Abb.  99. 


Gotischer  Stil. 


227 


Leinenstickereien  (s.  d.).  Von  letzteren  gibt  es  unzählige  Altardecken,  welche 
in  weissem  und  braunem  Garn  Ranken  mit  reizvollen  stilisierten  Blüten  ent- 
halten, deren  Flächen  in  allerlei  Ueberfangstichen  belebt  sind.  Ein  ganz  be- 
sonders schönes  Stück  eigener  Art  bewahrt  das  Germanische  Museum  in  Nürn- 
berg. (Vgl.  Abb.  100.)  Kirchlichen  Zwecken  dienstbar  gemacht  ist  ferner  das 
weite  Gebiet  der  Bild-  und  Goldstickerei,  meistens  für  Kaselkreuze  und  -Stäbe 
verwendet.  Die  Musterung  besteht  in  Streifen  aus  biblischen  Figuren,  welche 
unter  Spitzbogenstellungen  abwechseln.  Aufgelegte  Goldfäden  werden  in  roter 
Seide  in  korbilechtartiger  Musterung  übernäht,  die  Gewänder  der  Heiligen  sind 
mit  farbigen  Seidenfäden  emailartig  lasiert  überstickt  und  die  Gesichter  und 
auch   oft   andere  Teile    in  malerischer  Art  in  farbigem  Plattstich  ausgeführt.  — 

Abb.  100. 


Eine  gröbere  Art  von  Stickerei  auf  schwarzem  Tuch,  deren  Technik  an  Auf- 
näharbeit erinnert,  kommt  in  quadratischen  Feldern  zur  Geltung,  die  zu  Bück- 
laken für  Chorgestühle  zusammengesetzt  sind.  Auch  hier  hat  man  bunte  aufgelegte 
Fäden  in  Flächen  überstickt,  wobei  vergoldete  Lederriemchen ,  und  als  Unter- 
lagen der  Blütenformen,  Pergamentfolien  Verwendung  gefunden  haben.  (Abb.  101.) 
In  die  frühgotische  Zeit  gehört  die  Technik  der  Aufnäharbeit  in  Perlen  und 
getriebenen  Goldplättchen ;  auch  eine  Art  der  Tamburierarbeit  (s.  d.)  auf  Lein- 
wand lässt  sich  in  Deutschland  um  diese  Zeit  nachweisen.  Schliesslich  kommt 
auch  hier  in  Aufnahme  die  Technik  der  sog.  Gobelinwirkerei  für  Eücklaken  und 
Wandteppiche  (s.  d.),  deren  Arbeiten  mit  Figurendarstellungen,  Spruchbändern 
und  verschiedenartigem  Ornament  in  dunklen  TJmrisslinien  merkwürdig  in  gleicher 
Wirkung  stehen  zu  den  bunten  Glasfenstern  mit  Bleiverglasung  derselben  Zeit, 
(lieber  Einzelheiten  vergl.  die   Sx^ezialartikel.) 

Ab  bildungen : 

'96.  Darstellung  aus:   Heiden,    Motive,  Leipzig,    1890,  BI.  221.     Stickerei  auf 
Leinen    in    farbiger  Seide  mit  Darstellung  zweier  Bundfelder,   um  die  sich  Rosen  und 


228 


Gotisierend — Grains  grossiers. 


Weinreben  ranken ;  in  den  Feldern  Rosenstauden  anderer  Stickereien.   Original :  Deutsch- 
land 15.  Jahrb. 

97.  Darstellung  aus  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig,  1896:  Kissen,  Stickerei 
auf  Leinen  in  farbiger  Seide :  Darstellung  von  Distelzweigen  an  gewundenem  Astwerk. 
Original :  Deutschland  15.  Jahrb. 

98.  Darstellung  aus:  Brinckmann,  das  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und 
Gewerbe.  Leipzig,  1894,  S.  25.  Seidenbrokatgewebe,  Grund  blau,  Muster  Gold: 
Schräg  aufsteigende  wellige  Aeste,  welche  von  Ranken  aus  breiten  Blättern  mit  kleinem 
Zweigwerk  umschlungen  sind.     Italien  14.  Jahrb. 

99.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum'  in  Stuttgart: 
Wollenstoff,  grün,  mit  hellroter  Seide  und  etwas  Gold  broschiert:  Rauten  aus  ver- 
schlungenen Bändern  enthalten  Wappenlilien.     Deutschland  14. — 15.  Jahrb. 

100.  Darstellung  aus  dem  Katalog  des  Germanischen  Nationalmuseums  in  München, 
daselbst  1901,  Tafel  XV.  Leinendecke,  in  verschiedenen  Sticharten  in  Seide  und  Gold 
gestickt  mit  Darstellung  eines  Liebespaares  zwischen  einem  Spruchband.    Schweiz  (?)  1548, 

Abb.  101. 


'•^^ 


101.  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896,  Bl.  9.  Quadratisches 
Feld  eines  Rücklakens,  Stickerei  auf  schwarzem  Tuch  in  farbiger  Seide  und  Leder- 
riemchen  (übernähte  Fäden  und  mit  Pergament  unterlegte  Teile):  einem  rundlich  ge- 
legten Ast  entsteigen  nach  den  vier  Ecken  und  Mittelpartien  stiUsierte  Blütenzweige, 
deren  Einzelformen  an  die  Passionsblume  erinnern.     Deutschland  15.  Jahrb. 

Gotisierend,  zur  Gotik  sich  hinneigend,  also  entweder  spätromanische, 
oder  auch  Renaissanceformen,    in    denen   einzelne   gotische  Elemente  vorkommen. 

Göttingen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Hildesheim :  Fabrikation  von  Tuch- 
und  Wollwaren. 

Gradeis,  Gradls,  Grateis,  Demi-Coutils,  bunte  Halbdrilliche  oder  Köper- 
leinen, welche  in  Sachsen  und  Böhmen  gewebt  werden. 

Graines  (franz.),  (jap.:  Tane),  Ausfuhrartikel  aus  der  Seidenzucht :  Seiden- 
raupeneier. 

Grains  grossiers,  Coutils  de  Brin  (franz.),  gewöhnlicher  einfacher  Zwillich 
aus  starkem  Garn. 


Grramasia —  Granatapfelmuster. 


229 


Gramasia,  gramata,  gramatia  (lat.),  gemusterter  Bortenbesatz. 

Granada,  Hauptstadt  der  gleichnara.  Prov.  im  KöDigreich  Spanien  :  Fabri- 
kation von  Tuchen  und  Geweben. 

Granatapfelmuster  (franz.:  Grenada;  pomme  d'amour;  engl.:  pomme 
granate)  nennt  man  die  Bildung  einer  Kunstform  in  der  Weberei  der  Spätgotik 
aus  gleichnamiger  Frucht  in  Vereinigung  mit  Motiven  des  Spitzbogens.  Die 
Verwendung  des  Granatapfels  als  Muster  kommt  schon  im  Altertum  vor  und 
ist  hier  wohl  auf  symbolische  Bedeutung  zurückzführen ,  wie  er  auch  über- 
gegangen ist  in  die  Ornamentik  der  koptischen  Gewandreste.  (Vgl.  Abb.  3.) 
Weiterhin  als  Frucht  erkennbar  ist  der 


Abb.  102. 


Granatapfel  in  Geweben  des  14.  Jahrh., 
welche  in  Italien  unter  arabischem  Ein- 
tluss  entstanden  sind.  (Vgl.  Abb.  45.) 
Daneben  geht  als  ähnliche,  aber  weniger 
naturalistisch  wiedergegebene  Schmuck- 
form der  Pinienzapfen,  der  auch  schon 
in  Assyrien  bekannt  war.  (Vgl.  Abb.  30 
u.  76.)  Verwandt  in  der  Blütenbildung 
nähert  sich  diesen  Formen  auch  die 
Distel  (vgl,  Abb.  56  u.  57)  und  end- 
lich ist  den  Genannten  wiederum  in  der 
Frucht  ähnlich  die  Ananas  (vgl.  Abb.  18); 
beides  aber  erst  später  vorkommende 
Motive.  Alle  diese  Blüten-,  Blatt-  und 
Fruchtformen  haben  dem  Stile  der  Zeit 
entsprechend  zu  dem  gleichartigen  sogen.  . 
Granatapfelmuster  Anregung  gegeben, 
das  vom  15.  Jahrh.  bis  ins  16.  Jahrh. 
hinein  im  Orient,  in  Europa,  vornehm- 
lich in  Italien,  Spanien  und  Flandern, 
zu  Hunderten  von  verschiedenen  Ab- 
wechselungen erscheint.  Das  Grund- 
motiv zu  demselben  wird  also  dem 
Orient  entstammen,  woselbst  auch  schon 
im  12.  und  13.  Jahrb.  verwandte  spitz- 
ovale Blütenformen  vorkommen,  die 
aber,  wenn  sie  überhaupt  in  Zu- 
sammenhang damit  zu  bringen  sind  und 
nicht  viel  eher  auf  eine  allgemeine  Pal- 
mettenform    der     altchinesischen     und 

persischen   lotosähnlichen  Blüte  zurückzuführen  sind,   mehr  an  die  Bildung  des 
Pinienzapfens  erinnern. 

An  der  selbständigen 'Ausbildung  des  Granatapfelmusters  in  Europa  hat 
entschieden  der  gotische  Stil  mit  den  ihm  charakteristischen  Spitzbogenmotiven 
den  grössten  Anteil;  denn  die  hieraus  gebildete  Umrahmung  der  Blüte  oder 
Frucht  ist  in  gleichzeitigen  orientalischen  Stoffmustern  niemals  so  streng  wahr- 
zunehmen wie  hier;  wenngleich  dem  gegenüberzustellen  ist,  dass  dem  Araber 
die  spitzige  Bogenstellung  durch  seine  Architektur  natürlich  auch  sehr  geläufig 
war.  Aber  man  dürfte  nicht  fehlgehen,  nur  jene  Granatapfelmuster  nach  dem 
Orient  zu  setzen,  welche  die  einfachere  Spitzbogenumrahmung  der  Blüte  oder 
Frucht  in  nochmaliger  Einschliessung  eines  spitzovalen  Feldes  zeigen  (vgl.  Abb.  4 
auf  Tafel  IV),  das  mit  dem  16.  Jahrh.  auch  von  Italien  für  das  Stoffmuster 
einsetzt,  im  Orient  aber  schon  im  13.  Jahrh.  allgemein  geworden  ist.  Orien- 
talisierende  Einflüsse  machen  sich,  wie  in  allen  Geweben  Venedigs  (s.  d.),  natür- 
lich auch  beim  Granatapfelmuster  bemerkbar ;  als  Fabrikationsstätte  des  Orients 
dürfte  in  dieser  Zeit  schon  Skutari  (s.  d.)  genannt  werden.  Die  ältesten  Granat- 
apfelmuster erscheinen  an  breiten  welligen  Aesten,  welche  sich  schräg  über  die 
ganze  Fläche  winden  (Abb.  6  auf  Tafel  IV);  unsymmetrisch  gelangen  sie  auch 


230 


Granatapfelmuster. 


noch  zur  Darstellung,  wenn  die  Bogenfelder  durch  schlanke  oder  gerollte 
Blätter  unterbrochen  sind,  deren  Anordnung  dem  vorigen  Typus  entspricht. 
Eine  grosse  Vielseitigkeit  im  Granatmuster  ist  in  jener  Grruppe  von  Damast- 
oder einfarbigen  Sammetstoffen  wahrzunehmen,  die  das  Kernstück  als  kleine 
Blüte  oder  Frucht  in  einer  Bogenumrahmung  zeigen,  welche  sich  einer  grossen 
Palmettenform  nähert  (vgl.  Abb.  1,  3,  7,  11  auf  Tafel  IV),  worin  die  gotische 
Linienführung  deutlich  zum  Ausdruck  gelangt.  Ebenso  weisen  die  in  feinen 
Linien  geschorenen  Muster  (vgl.  Abb.  12  auf  Tafel  TV)  auf  rein  europäische 
Herkunft  hin.  —  Je  mehr  man  sich  der  Benaissancezeit  nähert,  um  so  kleiner 
wird  die  Spitzbogenumrahmung  des  Hauptmotivs.  (Vgl.  Abb.  9  auf  Tafel  IV.) 
Ein  dichter  Blütenkranz  umgibt  dieselbe  und  dieser  ist  wiederum  durch  Bänder 
eingerahmt,  den  Kronen  verbinden.  Im  Anfange  des  16.  Jahrh.  erscheint  dann 
der  Grranatapfel  mit   den  herausquellenden  Fruchtkernen  noch  einmal  in  seiner 

Abb.  103. 


ältesten  Gestalt  und  die  Spitzbogenumrahmung  ist  abgelöst  durch  eine  spät- 
gotische Rose.  (Vgl.  Abb.  102  u.  103.)  Zwischen  diesen  Ausläufern  des 
Granatapfelmusters  liegen  die  Damaste  der  Frührenaissance,  welche  das  ehe- 
malige einfache  Motiv  in  reichster  Entwicklung  und  durch  Kronen  verbunden 
zeigen  (vgl.  Abb.  8  auf  Tafel  IV),  woran  sich  anschliessen  die  gleichzeitigen 
spanischen  Stoffe  mit  abwechselnder  Granatapfelblüte  und  dem  Pinienzapfen, 
die  schon  in  spitzovale  Felder  eingeschlossen  sind,  also  den  Anfang  des  Penais- 
sancemusters  darstellen.  Deutlicher  tritt  der  Pinienzapfen  in  der  unter  Abb  104 
dargestellten  Sammetbrokattapete  in  Erscheinung,  dessen  Umrahmung  aus 
Cypressenblättern  und  dem  aus  kleinen  Tulpen-  und  Nelkenblüten  bestehenden 
Beiwerk  den  orientalischen  Typus  solcher  Muster  veranschaulichen.  Völlig  auf- 
gelöst erscheint  dann  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrh.  in  Spanien  die 
Granatapfelblüte  (Abb.  105),  deren  gewürfelte  Einzelheiten  an  frühere  arabische 
spitzovale  Formen  erinnern.  In  gleicher  Weise  werden  in  späterer  Zeit  ähnliche 
Muster  auch  im  Orient  freier,  wodurch  der  Zusammenhang  mit  der  europäischen 
Formenwelt  noch  augenscheinlicher  wird.    (Abb.  106.)  —  Ein  dem  Granatapfel- 


Granätaptelmuster. 


231 


Abb.  104. 


Abb.  105. 


^ 


Abb.  106. 


232 


Granatap  f elmuster. 


muster  verwandtes  Motiv  tritt  noch  einmal  in  Erscheinung,  als  am  Ende  des 
17.  Jahrh.  sich  der  französische  Barockstil  unter  dem  Einfluss  italienischer 
Kunstformen  bildet;  indessen  liegt  diesem  Stoffmuster  lediglich  die  Frucht  der 
Ananas  zu  Grunde.  (Vgl.  Abb.  107  u.  18—20.)  Hinsichtlich  des  Gebrauchs 
der  grossmusterigen  Granatstoffe  ist  es  bemerkenswert,  dass  dieselben  nicht  nur 
zu  Tapeten  oder  für  sonstige  Innendekoration  Verwendung  fanden,  sondern  auch 
zu  Gewändern  verschnitten  wurden,  wofür  die  Bilder  jener  Zeit  die  inter- 
essantesten Beispiele  aufweisen.     (Vgl-  Abb.  108.) 

Abb.  107. 


Abbildungen  :  ^ 

102.  Original  aufnähme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  inBerhn:  Sammet- 
brokat,  Grund  hellviolette  Seide,  Muster  rot,  geschnitten  und  mit  or  frisee :  Bänder 
mit  eingefügten  Verschlingungen  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  abwechselnd 
Granatapfel  mit  Krone  und  gotische  Rose  in  gebuckelter  Vase.   ItaHen  Anf.  16.  Jahrh. 

103.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  III,  S.  84,  Leipzig  1891:  Sammet- 
Stoff  (moderne  Nachbildung),  rot,  Grund  glatt,  Muster  geschnitten:  In  Reihen  geordnete 
und  durch  herzförmig  geschwungene  Bänder  mit  Kronen  verbundene  gotische  Rosen  und 
kleinere  Blüten.     Original  von  einer  venetianischen  Dogenstola,  Anfang  16.  Jahrh. 

104.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin:  Sammet- 


Granatapfelmuster. 


233 


brokattapete ,  Grund  rot ,  Muster  mit  Silbertaden  durchwirkt :  Reihenweis  versetzte 
Pinienzapfenblüten  sind  von  gefüllten  Cypressenblättern  umgeben  und  mit  kleinem 
Blütenwerk  besetzt.     Persien  16.  Jahrb. 

105.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Sammetstofif^  Grund  weisser  Atlas,  Muster  rot,  geschnitten :  Aeste,  durch  Knäufe  ver- 
bunden, bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  je  eine  granatapfelartige  Blüte.  Spanien 
16.  Jahrh. 

106.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Stickerei  auf  Baumwolle  in  roter  Seide  im  Webstich,  Muster  in  Art  gewebter  Tapeten : 

Abb.  108. 


Aeste,  mit  Blättern  besetzt  und  durch  Knäufe  verbunden,  bilden  spitzovale  Felder,  in 
denen  je  eine  Palmettenblüte,  die  an  granatapfelartige  Gestaltung  erinnert.  Türkei 
17.-18.  Jahrh. 

107.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Jahrgang  1890,  Leipzig:  Sammetbrokat, 
Grund  Gold,  Muster  schwarz  geschnitten:  Eine  wellige  Blütenranke,  durch  Rosetten 
verbunden,  bildet  Felder,  in  welchen  je  eine  Palmettenblüte  aus  dem  Fruchtkolben  der 
Ananas  in  Umrahmung  von  schlanken  Blattfeldern.  Frankreich  Ende  17.  Jahrh.  Ori- 
ginal :.  Berlin  und  Leipzig. 

108.  Originalaufnahme  nach  einem  Gemälde  aus  der  Galerie  der  Königl.  Museen 
in  Berlin:  Brustbild  einer  Yenetianerin  von  Crivelli  (1412—1486). 


234  Grand-Lion — Greif. 


Abbildungen   auf  der    Tafel   IV.     (Webereien   der   Gotik  und 

Frührenaissance.) 

Originalaufnahmen  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 

1.  Sammetstoff,  rot,  Muster  aus  feinen  Linien  des  Atlasgrundes  auf  geschnittener 
Fläche:  Granatapfelmuster.  Italien  15.  Jahrh.  Der  Stoff  ist  im  17.  Jahrh.  mit  einem 
anderen  Muster  gepresst. 

2.  Seidendamast,  hellblau,  Muster  (nicht  ganz  vollständig):  Aeste  mit  Blättern 
besetzt,  bilden  Felder,  in  welchen  abwechselnd  je  eine  granatapfel-  und  eine  pinien- 
zapfenartige  Blüte.     Spanien  Anfang  16.  Jahrh. 

3.  Seidendamast,  rot,  mit  Granatapfelmuster  in  feinen  Taffetlinien  auf  Atlas- 
fläche.    Italien  15.  Jahrh. 

4.  Sammetbrokat,  rot  und  etwas  Gold,  Muster :  Bänder  bilden  spitzovale  Felder, 
in  welchen  je  eine  granatapfelartige  Füllung  in  Spitzbogeneinrahmung.  Skutari  (?) 
16.  Jahrh. 

5.  Granatapfelmuster  des  15.  Jahrh.  nach  einem  venetianischen  Bilde. 

6.  Sammetbrokat,  rot  und  Gold,  mit  Goldnoppen  und  or  frisee:  Wellig  auf- 
steigenden Aesten  entsteigen  grosse  und  kleine  Granatapfelblüten.   Flandern  15.  Jahrh. 

7.  Sammetstoff,  rotbraun,  Grund  Atlas,  Muster  geschnitten :  Reihenweis  wechselnde 
Blütenfelder  mit  Füllung  einer  Granatapfel  blute.     Venedig  15.  Jahrh. 

8.  Seidendamast,  weiss:  Granatapfelmuster.     Italien  Anfang  16.  Jahrh. 

9.  Sammetstoff,  Grund  gelb,  Muster  hellblau,  geschnitten :  Rundliche  Felder  aus 
Blütenkränzen  enthalten  Granatapfelblüten  und  sind  von  Bändern  eingeschlossen,  die 
durch  Kronen  verbunden  werden;  dazwischen  Granatäpfel.     Italien  Anf.  16.  Jahrh. 

10.  Seidenstoff,  rot,  bunt  und  Gold:  Rosenranken  bilden  spitzovale  Felder,  in 
welchen  je  eine  spitzovale  Bogenstellung  mit  Granatapfelblüte.    Italien  Ende  15.  Jahrh. 

11.  Sammetbrokat,  olivgrün,  Grund  Atlas,  Muster  geschnitten  und  mit  etwas 
Gold:  Wechselnde  Blütenfelder  mit  Kernstück  aus  Granatapfelblüte  und  -Frucht.  Italien 
15.  Jahrh. 

12.  Sammetstoff,  grün,  Muster  in  feinen  Linien  auf  geschnittener  Fläche:  Granat- 
blüten in  Bogenstellungen.     Italien  15.  Jahrh. 

Grand-Lion  (franz.),  gemusterter  Zwillich  zu  Tischzeugen  und  Handtüchern. 

Grande-Venise  oder  Grande-rose  (franz.),  feine  Leinen,  damastartig  mit 
Blumen  gemustert,  besonders  im  franz.  Depart.  des  Calvados  gewebt. 

Grands-lez,  weisswollener  Stoff  aus  Dreux  in  Isla  de  France,  zu  Mänteln 
für  die  Truppen. 

Grandurels,  fein  geflammter  Baumwollstoff  in  Art  der  Nankings,  der  für 
Italien  und  die  Levante  gefertigt  wird. 

Granit-  oder  Cannelebindung  wird  nur  in  vereinzelten  Fällen  als  alleinige 
Warenbindung  angewandt;  umsomehr  benutzt  man  sie  zur  Herstellung  kräftig 
hervortretender  Streifen  in  Kleider-,  Buckskin-  und  anderen  Stoffen. 

Grasleinen  oder  China-grass-cloth  heissen  die  aus  Chinagras  hergestellten 
Gewebe. 

Graslitz,  Stadt  in  Böhmen :  Baumwollspinnerei,  WoU-  und  Sammetweberei, 
Färberei,  zwei  Bleichereien,  7  Stickerei-  und  Konfektionsfabriken  (darunter  eine 
staatliche).  G.  ist  Hauptsitz  der  Weiss warenstickerei  und  Konfektion,  sowie 
Mittelpunkt  der  Spitzenklöppelei  des  Erzgebirges, 

Great-Yarmouth,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Norfolk:  Seiden-,  Woll- 
und  Baumwollmauufakturen. 

Grebenau,  Stadt  in  der  hess.  Prov.  Oberhessen:  Leinweberei,  besonders 
Packleinwand. 

Grecque-Muster  s.  Mäander. 

Grega,  schmale  Leinwand  für  Portugal. 

Grege,  allgemeine  Bezeichnung  für  ungezwirnte  Rohseide. 

Gregegarn  ist  ein  aus  Wolle  und  Seide  erzeugtes  Gespinst  von  grosser 
Haltbarkeit  und  in  Feinheit  dem  engl.  Baumwollengarn  Nr.  60  gleich;  es  dient 
als  Kette  zur  Herstellung  der  feinen  Longshawls  und  ist  erst  in  neuer  Zeit 
eingeführt. 

Greif  (lat. :  griphus;  franz.:  griff  un;  engl.:  griffin),  ein  fabelhaftes  Tier 
des  Altertums,  das  an  Grösse  und  Stärke  einem  Löwen  gleich,  mit  dem  Leib 
eines  solchen  und  vier  Krallenfüssen,    aber  mit  zwei  Flügeln  und  dem  krummen 


Greiffenbersf — Grezseide. 


235 


Schnabel  eines  Raubvogels  versehen  ist.  Als  Kunstform  verdankt  er  seine  Ent- 
stehung dem  Orient,  von  wo  aus  ihn  der  Grieche  übernimmt  und  in  seiner  "Weise 
idealisiert.  Als  Stoffmuster  ist  der  G.  erhalten  auf  einem  sassanidischen  Gewebe 
des  6.  Jahrh.  (vgl.  Abb.  2  auf  Tafel  II),  unter  chinesischem  Einfluss  ist  der 
G.  dargestellt  auf  einem  orientalischen  Stoff  des  10.— 11.  Jahrh.  (vgl.  Abb.  7 
auf  Tafel  II).  Ebenso  wird  er  als  Stoffmuster  in  gleichzeitigen  Geweben  von 
Sicilien  übernommen  (vgl.  Abb.  109)  und  erscheint  bis  in  das  13.  Jahrh.  hinein 
mit  anderen  Tierfiguren  auf  sarazenischen  Geweben. 

Abbildung: 

109.  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  Ueber  Gewebemuster  früherer  Jahrhunderte, 
Leipzig  1893,  S.  23.  Seidenbrokat  mit  Darstellung  von  Greifenparen  in  reihenweis 
geordneten  Kreisen;  dazwischen  Sterne.     Sicilien  10. — 12.  Jahrh. 

Abb.  109. 


Greiffenberg  in  Schlesien:  Leinweberei,  Leinwanddruckerei  und  Färberei; 
Bleichen. 

Greiz,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Fürstentums  Keuss  ä.  L. :  nimmt  in 
der  Kammgarn  Weberei  die  erste  Stelle  in  Deutschland  ein.  Es  befinden  sich  hier 
12  500  mechan.  Webstühle,  welche  Tibets,  Kaschmirs,  Wollwaren  aller  Art, 
Decken,  Shawls,  feine  Kammgarnstoffe  herstellen ;  ausserdem  arbeiten  eine  grosse 
Anzahl  auswärtiger  W  oll  Warenfabriken  für  Greizer  Firmen;  ferner  bestehen  be- 
deutende Färbereien,  Wollzeugdruckereien,  Appreturanstalten  und  Kammgarn- 
spinnereien.    Höhere  Webeschule. 

Grenada,  westindische  Baumwollsorte ;  auch  eine  spanische  Baumwolle  wird 
so  benannt. 

Grenade  (franz.),  1.  Gemusterte  Tischzeuge  aus  damastartig  gewebter 
Leinwand.     2.  Sehr  feiner  Berkan  von  Wolle  und  Seide  aus  Abbeville. 

Grenadine,  1.  Im  18.  Jahrh.  schwarze  Seidenspitzen,  deren  Material  in 
Lyon  gefärbt  wurde.  2.  Das  feinste  aller  stark  mulinierten  Seidengespinste,  das 
für  Spitzen  und  Posamenten  ausgedehnte  Verwendung  findet.  3.  Franz.  Seiden- 
zeug.    4.  Damastartige  Leinwand. 

Greven,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster:  Baumwollspinnereien. 

Grevenbroich,  Stadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Düsseldorf:  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei,  Halbwollwebereien. 

Grezseide  (franz.  greze  oder  grege),  s.  v.  w.  Rohseide. 


236 


Griechenland— Griechenland  und  Rom. 


Griechenland,  Königreich,  hat  trotz  der  hohen  Schutzzölle  keine  bedeu- 
tende Industrie.  Nennenswert  ist  die  Textilindustrie,  besonders  Seidenfabriken 
(37  Betriebe  mit  8 — 9  Mill.  kg  jährlicher  Produktion).  Bedeutend  ist  auch  die 
Erzeugung  von  Teppichen,  deren  Hauptproduktionsorte  Tripolitza,  Leonidi, 
Athen,  Argos,  Korinth,  Atalanti,  Gortinia,  sowie  Yolo  und  Makrenitza  in  der 
Provinz  Thessalien.  Atalanti  ist  derjenige  Platz ,  wo  die  moderne  Teppich- 
erzeugung zuerst  aufgenommen  wurde,  Tripolitza  jener,  welcher  an  Leistungs- 
fähigkeit obenan  steht  mit  allein  ein  Fünftel  der  Gresamtproduktion  im  Werte 
von  etwa  jährlich  200000  Drachmen  (=  150  000  M.).  Die  meisten  Teppiche 
werden  in  der  Hausindustrie  erzeugt,  nur  vereinzelt  gibt  es  berufsmässige 
Teppichweber.  Ein  Haupterzeugungsort  derselben  ist  eine  Frauenarbeitsanstalt: 
eine  Schöpfung  des  griechischen  Bankiers  Syngros,  welche  in  ihren  inneren  Ein- 
richtungen fast  vollkommen  unseren  Frauenerwerbsvereinen  entspricht.  Mehr 
als  400  Frauen  und  Mädchen  der  ärmeren  Bevölkerungsklasse  erlernen  hier 
ausser  anderen  weiblichen  Handarbeiten  insbesondere  die  Teppichweberei.  Die 
bei  der  Teppicherzeugung  zur  Verwendung  gelangenden  Rohstoffe  sind  fast 
ausschliesslich  inländischen  Ursprungs.  Auch  der  Bedarf  an  Mineral-  (Anilin-) 
und  Pflanzenfarben    wird   in  Athen    gedeckt,    welches   dieselben  aus  dem  Aus- 

Abb    110. 


lande,  vornehmlich  aus  England,  Frankreich,  Belgien,  Deutschland  und  Italien 
bezieht.  Die  Musterung  griechischer  Teppiche  scheint  nach  einem  Bericht  von 
Richard  Oppenheimer,  welchen  derselbe  im  Jahre  1891  für  die  in  Wien  statt- 
gefundene Teppichausstellung  erstattet,  auf  künstlerischen  Wert  keinen  Anspruch 
zu  haben.  „Sie  ist  einfach  in  der  Komposition,  wenn  auch  mannigfaltig  variiert. 
Die  einzelnen  Motive  haben  eigene  Benennungen.  Man  unterscheidet  die  eigent- 
lichen griechischen  Muster  und  solche  Zeichnungen,  welche  sich  an  die  Muster 
der  Smyrna-Teppiche  anlehnen.  In  neuester  Zeit  werden  in  der  Fabrik  einer 
Athener  Firma  Teppiche  mit  eingewebten  Ansichten  von  Athener  Bauwerken 
und  Denkmälern  und  Sujets  aus  der  altgriechischen  Geschichte  hergestellt." 
Seit  einiger  Zeit  werden  übrigens  ausser  den  gewebten  Teppichen  auch  ge- 
knüpfte Teppiche  gefertigt.     Aus  der  Zeit  der  Antike  haben  uns 

Griechenland  und  Rom  wenige  Originalstoflfe  hinterlassen.  Einige  Ueber- 
reste  von  Wollwirkereien  sind  in  den  Gräbern  pontischer  Griechen  der  helle- 
nistischen Zeit  (etwa  vom  3. — 1.  Jahrh.  v.  Chr.)  gefunden  (vgl.  Compte  rendu 
de  la  commission  archeologique  de  St.  Petersburg  [für  die  Jahre  1878/79],  134 
Tafel  Y),  welche  naturalistische  Muster  mit  Enten,  Hirschköpfen  und  Blättern 
zeigen.  Mit  Recht  betont  Alois  Riegl  (Altorientalische  Teppiche,  Leipzig  1891, 
S.   15),   dass  „die  gesamte  Textilkunst  des  Altertums  augenscheinlich  unter  der 


Griechenland  und  Rom. 


237 


Führung  der  "Wirkerei  stand  und  dass  erst  mit  der  Verbreitung  der  Seiden- 
kunstweberei neue  Verhältnisse  geschaffen,  die  allmählich  das  Zurücktreten  der 
"Wirkerei  und  ihre  Ersetzung  durch  die  Seidenweberei  und  Stickerei  zur  Folge 

Abb.  111. 


hatten."  Einen  Beweis  dafür  haben  wir  nicht  nur  in  der  Abbildung  des  auf 
einem  antiken  Vasenbild  im  Berliner  Museum  sich  befindlichen  Hautelisse-Stuhles 
(vgl. -Abb.  110),  sondern  auch  in  vielen  Gesängen  der  Odyssee  und  Iliade 
werden  uns  Gewänder  und  ihre  Musterungen  beschrieben,  die  auf  keine  andere 

Abb.  112. 


Technik,  als  die  der  Wirkerei  hindeuten,  wobei  auch  an  Durchzugarbeiten» in 
farbiger  AVolle  auf  Leinen  oder  Baumwolle  gedacht  werden  kann,  wie  sie  uns 
die    koptischen    Grabfunde    zutage    gefördert    haben    (vgl.  Abb.   111),    welche, 


238 


Grimma —  Griphaticus. 


Abh.  113. 


wenn  sie  auch  nicht  direkt  auf  griechischem  Boden  entstanden  sein  mögen,  so 
doch  wahrscheinlich  auf  hellenistischen  Yorbildern  beruhen,  die  wohl  in  Mosaik- 
fussböden  zu  suchen  sind.  Die  Musterung  griechischer  Gewänder  haben  wir 
uns  so  einfach  wie  möglich  vorzustellen,  da  der  Grieche  viel  mehr  Gewicht 
auf  die  Fältelung  seiner  weissen  wollenen  oder  leinenen  uTeberwürfe  legte  und 
sie  höchstens  mit  einem  Saum  verzierte.  Die  antiken  Yasenbilder,  welche 
reiches  Material  für  dergleichen  Studien  bieten,  zeigen  nur  selten  in  kleinen 
Quadraten  mit  einfachen  Sternen  und  Rosetten  gemusterte  Kleider,  von  denen 
man  annimmt,  dass  orientalische  Personen  gekennzeichnet  sein  sollen,  oder  es 
handelt  sich  um  Stücke  jener  Periode,  in  welcher  Griechenland  noch  nicht  völlig 

frei  von  orientalischen  Einflüssen  war. 
Während  des  7. — 10.  Jahrh.  bemächtigen 
sich  die  Griechen  der  Seewege  und  führen 
den  Gebrauch  der  Seide  bei  den  Völkern 
und  wilden  Stämmen  ein,  mit  denen  sie  in 
dieser  Periode  in  politischen  Verkehr  traten: 
es  handelt  sich  hier  sowohl  um  Seide  aus 
dem  Orient  und  aus  Spanien.  Rom  besass 
unter  den  ersten  Päpsten  schon  Seiden- 
stoffe :  einige  wenige  daher  erhaltene  Ori- 
ginale (eines  im  Königl.  Kunstgewerbe- 
museum zu  Berlin,  ein  anderes  wird  in 
Sitten  aufbewahrt  [vgl.  Abb.  112])  zeigen 
Musterungen,  welche  vollständig  in  dem 
Geiste  klassischer  Pormensprache  gehalten 
sind.  Akanthusranken  —  auf  dem  Original 
in  Berlin  befinden  sich  dazwischen  kleine 
Rosetten  aus  je  vier  herzförmigen  Feldern, 
die  auch  auf  byzantinischen  Geweben  wieder- 
kehren —  und  wie  die  Ergänzung  Sempers 
wohl  richtig  vermuten  lässt,  bilden  diese 
die  Umgebung  von  menschlichen  Gestalten 
mit  ornamentalen  Tierfiguren.  Ein  drittes 
römisches  Original,  aus  Grabfunden  her- 
rührend (vgl.  Abb.  113),  weist  mehr  auf 
das  Pormengebiet  hin ,  welches  auf  den 
Gewandfiguren  römischer  Mosaiken  wahr- 
zunehmen ist. 


Abbildungen: 

110.  Darstellung  aus:  Eugene  Müntz,  La  tappisserie,  Paris,  A.  Quantin,  S.  31: 
Darstellung  eines  griechischen  Webestuhles  (le  metier  de  Penelope)  nach  einer  antiken 
Vase  aus  dem  Antiquarium  der  Königl.  Museen  in  Berlin. 

111.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Rundes  Feld,  Muster  in  durchzogenen  farbigen  Wollfäden  auf  Leinwand :  Darstellung 
eines  antiken  Kriegers  mit  Schild  und  Speer  in  Umrahmung  des  Wogenbandes  (sogen, 
laufender  Hund).     Aus  einem  koptischen  Grabe  des  5. — 7.  Jahrh. 

112.  Darstellung  aus:  Semper,  Der  Stil  u.  s.  w.,  München  1878,  S.  180:  Rö- 
misches Seidengewebe,  Grund  rot,  Muster  gelblich:  Darstelluog  einer  Jungfrau  auf 
einem  phantastischen  greifenartigen  Seepferd  zwischen  Akanthusranken.  Original  im 
Domkapitel  der  Valeriakirche  zu  Sitten  in  der  Schweiz.     3.  Jahrh.  n.  Chr. 

113.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart 
(Originalgrösse) :  Seidengewebe,  Grund  weiss,  Muster  blau,  gelb  und  rot:  In  Rauten- 
feldern aus  quadrierten  Linien  wechseln  schalenartige  Gefässe  und  geometrische  Fül- 
lungen ab.     Römisch  (?)     5.  Jahrh.  n.  Chr.     Aus  einem  koptischen  Grabe. 

Grimma,  Stadt  in  Sachsen:  ehemals  bedeutende  Tuchindustrie,  welche  ein- 
gegangen ist;  zwei  Wäsche-  und  Garnbleichen,  Färberei  und  mehrere  Druckereien 
für  leinene  und  wollene  Stoffe. 

Griphaticus  (lat.),  mit  Greifen  bestickter  Altarvorhang. 


Grisaille — Gruayanilla,  239 


Grisaille,  franz.  Bezeicliming  eines  leichten  Seidenstoffes,  der  aus  schwarzen 
und  weissen  Fäden  locker  gewebt  ist. 

Griset,  Grisette,  ursprünglich  ein  französischer,  leinwandartig  gewebter 
WollenstofP,  eine  Gattung  Etamine,  nur  mit  stärkeren  Fäden;  später  wurde  er 
in  allen  Farben,  teils  ganz  aus  Wolle,  oder  diese  mit  Seide  oder  Baumwolle 
vermengt,  teils  ganz  aus  Seide  gefertigt.  Jetzt  ist  der  Name  im  Handel  dafür 
ein  anderer  geworden. 

Grisettas    nennen  die  Spanier  eine  leicht  gewebte  ungebleichte  Leinwand. 

Grödek,  Stadt  in  Galizien:  Flachsbauschule  und  ein  wichtiger  Markt 
für  Lein. 

Grodno,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  russischen  Gouvernement :  Tuch-, 
BaumwoU-  und  Seidenfabriken. 

Gronau,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Münster:  6  Baumwollspinnereien, 
2  Webereien  mit  Druckerei  und  Färberei,  je  eine  Bleicherei  und  Warpstärkerei. 

Groningen,  Stadt  im  Königreich  der  Niederlande :  Maschinenflachsspinnerei, 
Fabrikation  wollener  Strickwaren,  Färberei  und  Wollkämmerei. 

GroppO  oder  grupo  (ital.),  Bezeichnung  für  eine  Schnürtechnik :  daher 
punto  a  groppo  d.  i.  geflochtene  Spitze  oder  marcramee;  ursprünglich  der  Aus- 
druck für  verschlungene ,  gerade  oder  geschwungene  Linien  (s.  Macramee  und 
Spitzen). 

Gros  de  Berlin,  Naples,  Tours,  aus  starken  Fäden  taff'etartig  gewebte 
Seidenstofi'e. 

GrOS-forts,  Mortagnes,  Toiles-pour-meubles,  gewöhnliche,  aus  starkem 
Hanfgarn,  fest  und  gedrungen  gewebte  Leinwand,  welche  in  Frankreich  von  den 
Landleuten  gefertigt  wird ;  sie  findet  zu  Tapezierarbeiten  Verwendung. 

Gros-grains,  Grobgrän,  veralteter  berkanartiger  Wollenstoff. 

Gros  point  de  Venise,  italienische  Guipürespitze,  deren  Musterumrisse 
stark  unterlegt  und  im  Innern  fein  durchbrochen  genäht  sind  (s.  Spitzen). 

Grossarias,  in  Spanien  der  allgemeine  Name  der  gewöhnlichen  Sack-  und 
Packleinwand. 

Grossbritannien  und  Irland  s.  England  und  Irland. 

Grosschönau,  Dorf  in  Sachsen :  Fabrikation  von  baumwollenen,  leinenen 
und  halbleinenen  Stoffen,  Bleicherei,  Färberei  und  Appreturanstalten.  Die  früher 
hier  blühende  Damastweberei  ist  zurückgegangen;  doch  liefern  die  noch  vor- 
handenen 480  Stühle  jährlich  etwa  50  t  der  feinsten  Damasttischzeuge. 

Grossenhain,  Stadt  in  Sachsen:  Woll-  und  Seidenspinnerei,  Fabrikation 
von  Tuch  und  Buckskin  (10  Fabriken),  Strumpf-  und  Wollwaren. 

Grosshartmannsdorf  in  Sachsen:  Maschinenstrickerei,  Weberei. 

Grossröhrsdorf  in  Sachsen:  bedeutende  Leinen-  und  Baumwollenweberei, 
Bleicherei,  Färberei,  Fabrikation  von  Kanevas,  Zwirn,  Bändern  und  Litzen. 

Grosssachsenheim,  Stadt  in  Württemberg:  Bandfabrik. 

Gros-trait  pour  Prelat,  starke  Leinwand,  welche  in  Frankreich  in  der 
Gegend  von  Abbeville  für  Segeltuch  gewebt  wird. 

Gros-Zeuge  sind  in  der  Begel  seidene,  immer  aber  leinwandartig  gewebte 
Stoffe.  Man  hat  eine  Fülle  von  Bezeichnungen  für  Stoffe  in  der  Zusammen- 
stellung mit  dem  französischen  Gros,  obgleich  dieselben  nicht  alle  franz.  Ur- 
sprungs sind.  Die  Unterscheidungen  der  verschiedenen  Seidenzeuge  mit  „Gros" 
werden  hervorgebracht  durch  den  Wechsel  stärkerer  oder  schwächerer  Ketten- 
oder Schussfäden. 

Grünberg,  Stadt  in  Schlesien:  Fabriken  für  Tuch  und  halbwollene  Waren: 
18  Betriebe,    darunter   die    englische  Wollwarenmanufaktur  mit  1500  Arbeitern. 

Grund  heissen  bei  gemusterten  Stoffen  diejenigen  Flächen,  von  welchen 
sich  die  Muster  durch  Farbe  oder  Fadenlage  abheben. 

Grundnetz  der  Spitzen  s.  Netzarbeiten  und  Spitzen. 

Guarnellum  (lat.),  weisser  Stoff,  aus  Flachs  und  Baumwolle  gewebt,  daher 
auch  für  das  daraus  gefertigte  Hemd  gebraucht. 

Guayanilla,  Baumwollsorte  aus  Westindien,  weiss,  glänzend,  kräftig  im 
Faden. 


240  Gruben — Gynäceen. 


Guben,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Frankfurt:  Tuchfabrikation,  Streich- 
garnspinnereien und  Färbereien. 

Guerleys,  Gattung  ostindischer  Kattune. 

Gueuse,  im  franz.  Handel  1.  Art  dünner,  geklöppelter  Zwirnspitzen,  die 
einen  sog.  Eeseau-  oder  netzartigen  Grund  und  blinde  Blumen  haben.  2.  Geringer 
"Wollenstoff,  der  früher  in  Flandern  auch  unter  dem  Namen  Picotte  gewebt  wurde. 

Guianabaumwolle  s.  südamerik.  Baumwollen. 

Guibert,  in  Frankreich  eine  gut  und  gedrungen  gewebte  Leinwand  aus 
gebleichtem  Garn. 

Guibray  (fil  de),  in  Frankreich  ein  weisses  Dochtgarn,  welches  zu  "Wachs- 
stöcken, Wachslichtern  u.  dergl.  Verwendung  findet. 

Guilladores,  Gattung  baumwollener  Tücher  aus  Ostindien. 

Guimpe  (fraoz.),  Brust-  oder  Yortuch  der  Nonnen:  ärmelloses  Leibchen 
unter  dem  Kleid. 

Guineas,  Namen  verschiedener  Kattune  aus  Afrika. 

Guinget,  in  Frankreich  die  geringste  Sorte  des  gehechelten  Hanfs  und 
eine  daraus  gewebte  Leinwand. 

Guingets,  eine  Art  leichter  Kamelotte  aus  Amiens. 

Guingets,   Sorte  russischer  Hanf. 

Guipüre,  (vom  altfranz.  guimpure;  neufranz.  heisst  guipor  s.  v.  w.  mit 
Seide  überspinnen),  nannte  man  schon  in  älterer  Zeit  besonders  kräftige,  aus 
seiden-  oder  metallumsponnene  Schnüren  (Gimpen)  hergestellte  Geflechte,  die 
meist  als  Kleiderbesätze  verwendet  wurden  und  im  ganzen  schon  den  Posamenten 
sehr  verwandt  sind.  Da  für  dergleichen  Arbeiten  dann  seit  dem  16.  Jahrh. 
der  Ausdruck  guipüre  üblich  wurde,  bezeichnete  man  allmählich  auch  die  daraus 
gefertigten  Spitzen  mit  diesem  "Worte  und  später,  als  die  Spitze  mit  durch- 
gehendem Grunde  vorherrschend  geworden,  blieb  die  Bezeichnung  an  dem  Barock- 
typus der  Spitze  haften. 

Gul  buda  dusta,  persischer  Teppich  mit  Blumenmuster,  womit  nur  der 
Name  gemeint  ist. 

Gulbani,  leichter  gazeartiger  mit  Seide  und  Goldlahn  durchwehter  Stoff 
aus  Ostindien. 

Gule  Hennaimuster,  im  Ferahanteppich  vorkommend,  besteht  aus  symmetrisch 
an  einem  Stengel  gereihten  Narzissenblüten,  meist  in  gelblichen  Tönen  gehalten. 

Gumbinnen,  Stadt  im  gleichnamigen  preuss.  Beg.-Bez.  Gumbinnen:  "Woll-, 
Baumwoll-  und  Leinwebereien;  Strumpfwirkerei. 

Gummersbach,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Köln:  "Wollgarnspinnerei, 
KunstwoU-  und  "Wolljackenfabrikation. 

Gur,  weisse  Kattune  aus  Ostindien. 

Gurte  sind  dicke  bandförmige  Gewebe,  die  als  Tragbänder,  als  elastische 
Unterlage  für  die  schneckenförmigen  Stahlfedern  der  Kissen  beim  Polstern  der 
Möbel  Verwendung  finden.  Bessere  Sorten  dienen  für  den  Grundsitz  der  Reit- 
sättel (Sattelgrundgurte)  und  zu  gepolsterten  Wagenarbeiten  (Wagengurte),  feinere 
und  weichere  Sorten  zu  Hosenträgern,  Halftern,  sowie  zu  eigentlichen  Sattel- 
gurten (Bauchgurte).  Tragbänder  und  Tapezierergurte  werden  aus  sehr  grobem 
Hanf-  oder  Werggarn  angefertigt  und  sind  glatt  gewebt.  Die  Sattelgrundgurte 
und  Wagengurte  stellt  man  aus  Hanfgarn,  Hanf-  oder  Leinenzwirn  her  oder 
auch  aus  zweidrähtigem  Bindfaden,  sie  sind  entweder  glatt  oder  zweiseitig  ge- 
köpert. Sattelgurte  und  Halfter  bestehen  ganz  aus  Kammwollgespinst  und 
sind  immer  geköpert,  oft  auch  mit  kleinen  Mustern  durchwebt.  In  derselben 
Weise  w^erden  Hosenträger  gefertigt.  Die  gewöhnlichen  G.  aus  Hanfgarn  u.  s.  w. 
werden  vom  Seiler  am  Schlagstuhl  (G.-Schlagstock)  gemacht,  die  G.  aus  Zwirn 
oder  Wolle  von  dem  Bortenwirker  am  Handstuhl. 

Gustarda,  indische  Bezeichnung  für  Teppiche. 

Gütersloh,  Stadt  im  preuss.  Reg.-B.z.  Minden:  mechan.  Baumwoll- 
webereien und  Bandfabrik  ;  Fabrikation  von  Seidenzeugen. 

Gynäceen,  sogen.  Frauenhäuser,  in  welchen  in  B3^zanz  sich  Seidenmanu- 
fakturen befanden,  die  unter  Justinian  im  6.  Jahrh.  gegründet  wurden. 


Haan — Haidaraur.  24 1 


H. 


Haan,  Gremeinde  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Düsseldorf:  Zanellafabrikation, 
8eiden-  und  "Wollweberei. 

Haarbeutel,  ehemals  ein  gewöhnlich  schwarzes  Säckchen  von  Seide  oder 
auch  Taffet,  das  sich  glatt  auf  den  Oberteil  des  Rückens  legte,  das  Nackenhaare 
enthielt  und  noch  mit  seidenen  Bändchen  gebunden  und  verziert  war.  Er 
schützte  die  Kleider  vor  dem  Puder  und  verdrängte  wohl  deshalb  ungefähr 
seit  der  Mitte  des  18.  Jahrh.  neben  dem  Zopfe  die  grosse  Staatsperücke,  ging 
von  Frankreich  aus,  wo  von  1710  ab  das  Militär  diese  Tracht  annahm  und 
für  den  Strassenanzug  modisch  machte.  Seit  der  franz.  Revolution  hörte  diese 
Mode  auf. 

Haardecken,  Haartuch,  Haarzüchen,  grobe  Gewebe  von  Pferde-,  Ochsen-, 
Kuh-,  Beh-  und  anderen  Haaren,  welche  man,  nach  vorheriger  Reinigung  in 
"Wasser,  wenn  sie  getrocknet  sind,  wie  Wolle  kartätscht  oder  krempelt,  auf 
einem  Rade  spinnt,  nachdem  doubliert  und  zwirnt,  dann  aber  nach  Leinwandart 
mit  zwei  Schäften  webt.  Haarzüchen  dienen  zum  Einpacken,  zum  Belegen 
der  Fussböden  im  Winter,  zu  Pferde-  und  Schiffsdecken  u.  dergl.  Auch  in 
Nordamerika  macht  man  unter  dem  Namen  Taurinotuch  einen  Stoff  aus  Rinder- 
haaren,  der  zu  Regenmänteln  und  Teppichen  verbraucht  wird. 

Haardraht,  der  feinste  Grolddraht,  den  man  zu  Greweben  und  Stickereien 
l)enutzt. 

Haaren  im  Rheinland,  Dorf  im  preuss.  Reg.-Bez.  Aachen:  "Wollspinnerei 
und  Tuchfabrikation. 

Haargewebe,  Fabrikate  aus  Pferdehaaren  und  den  Abfallhaaren  der 
Gerbereien.  Die  kürzeren  Haare  werden  gesponnen  und  als  sogen.  Haarzüchen 
zu  Presstüchern,  Decken,  Möbelstoffen  u.  dergl.  verwendet. 

Haarhaube  s.  Calotte. 

Haarlem,  Hauptstadt  der  niederl.  Prov.  Nordholland:  früher  blühende 
Industrie;  jetzt  sind  die  Fabriken  in  Seide,  Leinwand,  Zwirn  u.  s.  w.  herab- 
gekommen, wichtig  ist  noch  die  Rotfärberei,  Baumwollbleicherei  und  Druckerei, 
Spinnerei  und  Maschinenweberei.  Im  18.  Jahrh.  ist  H.  berühmt  wegen  der 
vorzüglichen  Bleiche  des  Leinenfadens  zur  Spitzenerzeugung. 

Haarseide  nennt  man  in  den  Seidenmanufakturen  einen  einzelnen  Faden 
roher,  um  sich  selbst  gedrehter  Einschlagseide,  die  man  zum  Yerheften  beim 
"Weben  reicher  Stoffe  gebraucht. 

Haarsiebe,  Haarsiebboden,  aus  Pferdehaaren  geflochtene  oder  durchsichtige 
Gewebe. 

Haartreibriemen  bestehen  aus  festen  dichten  Geweben  von  grobem  Woll- 
garn mit  Baumwolleinschlag,  in  ein-  oder  mehrfachen  Lagen  auf  besonderen 
Stühlen  hergestellt. 

Haartuch,  (franz.:  etoffes  de  crin),  Rosshaarstoffe  nennt  man  im  all- 
gemeinen die  Gewebe  in  Verbindung  mit  Haar,  insbesondere  die  feinen  Stoffe 
dieser  Art  aus  Rosshaaren  in  Verbindung  mit  anderen  Fäden. 

Haberkorn  oder  Gerstenkorn  (Motiv  des  grains  de  nullet)  kommt  in  den 
älteren  Genueser  Klöppelspitzen  häufig  vor. 

Hadern,  Lumpen,  Fetzen,  Strazzen,  Allgemeinbezeichnung  für  Gewebe 
aller  Art,  welche  durch  den  Gebrauch  für  persönliche  und  häusliche  Zwecke 
unbrauchbar  geworden  sind. 

Hadmersleben,   Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Magdeburg:  Wollspinnereien. 

Häfel,  Bezeichnung  der  gefirnissten  Zwirnfäden,  welche  die  Schleifen  bei 
den  Schäften  der  Webstühle  bilden. 

Hagen,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Arnsberg:  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei,  Färberei  und  Bleicherei. 

Haidamur,  bedeutendes  Dorf  in  Syrien,  welches  Teppiche  erzeugt. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  16 


242  Haidarabad— Häkelarbeiten. 


Haidarabady  1.  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Vasallenstaat  des  Indo- 
britischen Reiches:  bedeutende  Baumwollmanufakturen.  2.  Hauptstadt  von 
Sindh:  Seide  und  Baumwollmanufakturen. 

Haindorf,  Dorf  in  Böhmen:  Baumwollspinnerei,  mechan.  Webereien. 

Hainewalde,  Dorf  in  Sachsen  bei  Zittau:  Haarsiebbodenweberei. 

Hainichen,  Stadt  in  Sachsen :  Chenillefabrik,  Fabrikation  von  Flanell  und 
Wollphantasiewaren.     Städtische  AVebeschule. 

Hairasgarn  ist  eine  Art  von  wollenem  Kammgarn,  das  aus  dickhaarigen 
orientalischen  Schafwollen  gesponnen  wird.  Von  dem  englischen  Schussgarn 
ist  es  besonders  durch  einen  geringeren  Grlanz  zu  unterscheiden.  Das  Material 
wird  vor  dem  Krempeln,  wie  vor  dem  Verspinnen  reichlich  gefettet,  vor  dem 
Färben  wird  es  ausgewaschen;  es  findet  für  Teppiche  und  Posamenten  Ver- 
wendung. 

Hairbims,  Harbins,  veralteter  wollener  kamelotartiger  Stoff,  dessen  Kette 
halb  von  Seide  und  halb  von  Baumwolle  ist. 

Haircords  (engl.  Haarstrick),  sind  ganz  feine  weisse  Baumwollenzeuge, 
mit  kleinen  dichten  Streifen,  die  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  in  gewissen 
Abständen  durch  gefärbte  dickere  Kettfäden  hervortretende  Längsstreifen  sicht- 
bar sind. 

Häkelarbeiten  werden  mit  der  Häkel-  oder  Tambouriernadel ,  dem 
„crocher"    der  Franzosen  meist  aus  weissem  Baumwollengarn  gefertigt,    einem 


Abb.  114. 


Stift  aus  Metall,  Holz,  Elfenbein  oder  dergl.  an  dessen  etwas  stumpfer  Spitze 
sich  ein  Widerhaken  befindet,  mit  welchem  die  Maschen  geschlungen  werden. 
Das  Alter  der  Technik  ist  mit  Bestimmtheit  nicht  nachzuweisen.  Man  darf 
nach  erhaltenen  koptischen  Gräberfunden  annehmen,  dass  sie  in  Gremeinschaft 
mit  der  Strickerei  und  Filetarbeit  schon  im  5.  Jahrh.  geübt  wurde;  eine  all- 
gemeinere Aufnahme  findet  das  Häkeln  erst  im  Anfang  des  19.  Jahrh.,  be- 
sonders in  Irland,  wo  man  sich  bemüht,  die  venetianische  Beliefspitze  nierin 
nachzubilden.  (Vgl.  Abb.  114  u.  115.)  Zur  selben  Zeit  verbreitet  sich  die 
Technik  auch  in  Nachahmung  von  flachen  genähten  und  geklöppelten  Spitzen 
über  Deutschland  (namentlich  Sachsen  und  Preussen).  Die  grösste  Vielseitigkeit 
gewinnt  das  Häkeln  durch  die  Aufnahme  von  Oesenbändchen  (Mignardisen),  russ. 
Börtchen,  Pointlaceband,  Gimpen  u.  s.  w.,  welche  als  fertige  durchgehende  Borten 
dem  Häkelmuster  als  belebender  Zwischensatz  dienen.  Vgl.  Heine,  Die 
Schule  des  Häkeins  (4.  Aufl.  Lpzg.  1891);  Hochfelde  n,  Das  Häkeln  (Ber- 
lin 1892), 


Hakirs — Halblakea. 


243 


Abbildungen  : 

114.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Teil  einer  Borte,  Häkelarbeit  in  Eelief  in  gelblichweissem  Grarn :  Muster  aus  einem 
Zweig,  dessen  Blüten  die   Zacken  bilden.     Irland  19.  Jahrh. 

115.  Originalaufnahme  aus  dem  königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Teil  eines  Kragens,  flache  Häkelarbeit  in  weissem  Garn :  Muster  aus  grossen  und  kleinen 
runden  Scheiben  auf  unregelmässigem  Maschengrund.     L-land  19.  Jahrh. 

Abb.  115. 


Hakirs  werden  Demi-cottons  genannt. 

Halagia  (lat.),  Teppich  oder  Vorhang;   anch  Tischtuch. 

Halbau,  Stadt  im  preuss.  E/eg.-Bez.  Liegnitz :  Banmwoll-  und  Damast- 
weberei. 

Halbborten,  Borten,  deren  Kette  aus  Seide  und  deren  Einschlag  ab- 
wechselnd aus  Seide  und  anderem  Material  besteht  (s.  a.  Bortenwirkerei). 

Halbenglische  Naht,  diejenige  für  TTirkware  verwendete  überwendliche 
Naht,  bei  welcher  der  Xähfaden  die  äussersten  Henkel  oder  halben  Maschen 
zweier  "Warenstücke  miteinander  verbindet. 

Halberstadt,  Stadt  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Magdeburg:  Der  Domschatz 
enthält  Gewänder  des  Mittelalters  und  kostbare  Bruchstücke  von  Geweben  und 
Stickereien.  Unter  Friedrich  dem  Grossen  im  Jahre  1749  Ausdehnung  in  der 
Seidenzucht. 

Halbflorence,  Gewebe  in  Leinwandbindung  aus  seidener  Kette  und 
baum^vollenem  Schuss. 

Halbkammgarne  (Sagetten-  oder  Sayettegame,  Strick-,  Stick-  oder 
Tapisserie-  und  Strumpfwirkergarne,  fil  corde-peigne,  Knittingyarn,  Stocking- 
yarn,  hosiery-yarn,  mock-worstev)  werden  aus  mittellangen  Wollen  meist  ähn- 
lich wie  Kammgarn  mit  Hinweglassung  der  das  Spinnen  sehr  verteuernden 
Kämmmaschine,  oder  ähnlich  wie  Streichgarn,  jedoch  unter  Fortfall  des  ge- 
kreuzten Auflegens,  erzeugt.  Dadurch,  dass  die  in  der  Wolle  enthaltenen 
kurzhaarigen  Teile  mit  verarbeitet  werden,  erhält  der  alsdann  gesponnene  Faden 
eine  weniger  glatte  und  feste  Beschaffenheit  als  eigentliches  Kammgarn;  ist 
jedoch  glatter  und  glänzender  als  eigentliches  Streichgarn. 

Halblaken,  Halbtuche  nennt  man  ein  dünnes  und  leichtes  Tuch,  welches 
aus  fein  gesponnenem  Garn  und  feiner  "Wolle  gewebt,  nicht  fest  gewalkt,  aber 
mit  besonderer  Sorgfalt  appretiert  wird.  Es  dient  zur  Sommerkleidung  und 
zu  Frauenmänteln ,  und  ist  besonders  nach  den  wärmeren  Ländern ,  Italien, 
nach  der  Levante  und  nach  Südamerika  gangbar.  Xach  den  verschiedenen 
Gegenden,  wohin  es  bestimmt  ist  und  nach  der  Qualität  und  Appretur  erhält 
es  besondere  Namen,  wie  z.  B.  Drap  de  dames,  Mahouts,  Serails,  SjDanish 
Striges,    Kronentücher   u.    s.   w.     In   England    wird    das    feinste   Halbtuch    in 


244  Halbmond — Hamilton. 


Saddleworth  gemacht.  Die  französischen  Halbtücher  kommen  unter  den  Be- 
zeichnungen: Carcassonnetücher,  Demi-Draps,  Demi-Londres,  Draps  de  Langue- 
doc  in  den  Handel. 

Halbmond  als  Musterung  in  türkischen  Webereien  und  Stickereien  so- 
wohl als  Bedeutung  des  AVappens,  aber  auch  lediglich  zur  Flächenfüllung  von 
den  ältesten  Zeiten  her  nachweisbar.   (Vgl.  Orientalische  Grewebe  und  Stickereien.) 

Halb-Perses  sind  holländische  Kattune,  die  früher  dort  viel  gebraucht 
und  in  Art  persischer  Muster  bedruckt  wurden. 

Halbsammet  ist  ungeschnittener  oder  nur  teilweise  geschnittener  Sammet. 

Halbseidener  Damast  (franz.:  damas-caffard,  damassin;  engl.:  half 
damask),  Gewebe  aus  Seide  und  anderen  Faserstoffen. 

Halbseidene  Stoffe  sind  alle  Gewebe,  in  denen  seidene  Fäden  mit  denen 
anderer  Faserstoffe  gemischt  vorkommen. 

Haifa  s.  Alfa. 

Halifax,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  nächst  Leeds  und  Bradford 
Hauptsitz  der  Woll-  und  Wollgarnindustrie.  Ausserdem  fertigt  man  Baum- 
wollwaren und  Seidenplüsche.  In  Crossley's  Teppichfabrik  sind  gegen  5000 
Arbeiter  beschäftigt. 

Haiina  oder  Hallina  sind  langhaarige,  grobe,  wollene,  gewürfelte  Decken 
oder  Kotzen,  welche  in  Oesterreich,  Ungarn  und  Siebenbürgen  gewöhnlich  aus 
ungarischer  Zackelwolle  gefertigt  werden. 

Hall,  Stadt  in  Tirol:  Fabrikation  von  Loden,  Tuch  und  Zwirn. 

Hallencourts    sind  Tischzwilliche,   welche  bei  Abbeville  gewebt  werden. 

Halles-crues,  Halles  de  Dinan,  eine  französische  starke  flächsene  Leinwand. 

Halluin,  in  Frankreich  eine  Art  grober  Serge  oder  sogenannte  Trikots, 
die  früher  besonders  zu  Montierungsstücken  für  die  Truppen  gebraucht  wurden. 

Halskrause  s.  Fraise. 

Hamadam,  Hamadan,  Stadt  in  der  pers.  Prov.  Irak-Adschemi:  Her- 
stellung von  Filzteppichen,  welche  besonders  leicht  und  durch  Anwendung  des 
Ziegenhaares  sehr  schmiegsam  sind.  Sie  werden  bezüglich  der  Güte  mit  denen 
von  Brussa  verglichen. 

Hamah,  Stadt  in  Syrien:  Woll-,  Baumwoll-  und  Seidenwebereien,  Ver- 
fertigung arabischer  Mäntel. 

Hamans,  Hamas,  sind  feine,  weisse,  dicht  gewebte,  ostindische  Baum- 
wollzeuge, eine  Gattung  ganz  feiner  weisser  Kattune,  welche  früher  nach 
Europa  kamen;  jetzt  aber  durch  englische  Shirtings,  Sheetings-  und  Cambriks 
ersetzt  werden. 

Hambel  heissen  in  Marokko  die  gewirkten  Teppiche  (s.  Kilim). 

Hamburg,  Freie  und  Hansestadt,  Bundestaat"  des  Deutschen  Beichs : 
Norddeutsche  Jutespinnerei  und  -weberei  (in  Schiffbeck),  Jutespinnerei  und 
-Weberei  (H.-Harburg),  Wollgarnfärberei,  Hanfgarnspinnereien,  Pferdehaar- 
spinnereien,  Fabrikation  von  Hauswäsche  und  Anzügen.  Die  Anfänge  der 
Seidenindustrie  lassen  sich  bis  zum  Ende  des  16.  Jahrhs.  verfolgen,  wo  nieder- 
ländische Beformierte  die  Sammet-  und  Taffetfabrikation  nach  der  in  Ant- 
werpen bekannten  Art  eingerichtet  haben.  Der  dreissigj ährige  Krieg,  welcher 
das  übrige  Deutschland  wirtschaftlich  zurückbrachte,  berührte  die  Hamburger 
Industrie  nicht  oder  kam  ihr  vielmehr  zugute,  weil  gerade  infolge  des  Krieges 
die  Ausfuhr  nach  den  übrigen  deutschen  Ländern  einen  bedeutenden  Auf- 
schwung erhielt;  in  das  Ende  des  17.  und  die  erste  Hälfte  des  18.  Jahrh.  fällt 
die  Zeit  ihrer  höchsten  Blüte.  Im  Anfang  des  18.  Jahrh.  werden  in  H.  4uch 
Spitzen  erzeugt,  nachdem  in  Frankreich  ihre  Fabrikation  zurückgegangen  ist. 
Ferner  im  17.  Jahrh.  Erzeugung  von  Bildwirkereien  (s.   Wandteppiche). 

Das  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe,  gegr.  1869,  seit  1877 
Staatsanstalt  (Direktor:  Prof.  Dr.  Justus  Brinckmann)  enthält  eine  umfangreiche 
Sammlung  von  Stoffen,  Stickereien  und  Spitzen  aller  Zeiten.  Gewerbeschule 
für  Mädchen:  Zeichnen  und  Kunststicken. 

Hamilton,  Stadt  in  der  schottischen  Grafschaft  Lanark:  Weberei  und 
Musselinstickerei. 


Hamiltonspitzen — Hardangerarbeit.  245 

Hamiltonspitzen  (auch  schottische  Spitzen),  einfache  Klöppelspitzen,  die 
um   die  Mitte  des  18.  Jahrh.  durch  eine  Lady  Hamilton  in  Aufnahme  kamen. 

Hanau,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Kassel:  Teppich-  und  Strumpfwaren- 
fabrikation. In  der  Königl.  Zeichen-Akademie  eine  Fachklasse  für  Kunst- 
stickerei. 

Handspitze,  durch  Handarbeit,  ohne  Zuhilfenahme  mechanischer  Ein- 
richtung hergestellte  genähte,  geklöppelte,  gehäkelte,  gestrickte  oder  geknüpfte 
Spitzen,  die  im  Gegensatz  zu  den  Maschinenspitzen  auch  echte  Spitzen  genannt 
werden. 

Handtuch  (franz.:  serviette  de  toilette;  engl.:  towel);   s.  Leinenstickerei. 

Handtuchdrell  s.  Drell. 

Handy-WarpS,  sind  weisse  englische  Tuche. 

Hane-Caatjes  sind  weisse  Musseline,  welche  ehemals  die  Holländer  aus 
Ostindien  brachten. 

Hanf,  eine  zur  Familie  der  TJrticaceen  gehörige  zweihäusige  Pflanze. 
Die  Grösse  der  einzelnen  Arten  ist  sehr  verschieden,  man  unterscheidet  danach 
in  der  Landwirtschaft  den  grösseren  und  in  freierem  Stande  erwachsenen 
Riesen-,  Schleiss-  oder  Schlichthanf  von  dem  feineren  und  niedrigen  Spinnhanf. 
Die  Bearbeitung  des  H.  stimmt  mit  derjenigen  des  Flachses  im  wesentlichen 
überein,  er  gleicht  im  spinnfähigen  Zustande  dem  Flachs,  ist  aber  von  mehr 
gelblicher  Farbe,  dabei  gröber,  härter  und  steifer,  daher  zu  feinen  Gespinsten 
nicht  verwendbar.  Verhältnismässig  wenig  H.  wird  zu  Geweben  (Hanfleinwand 
oder  Segeltuch)  oder  zu  Zwirnen,  der  meiste  zu  Seilerwaren  verbraucht. 
Hänfene  Gewebe  sind  schwerer  und  fester  als  solche  aus  Flachs.  In  Japan 
ist  Hanf  die  älteste  kultivierte  Textilpflanze  und  wird,  mit  Indigo  gefärbt,  der 
gewöhnlichste  Bekleidungsstoff  der  Landbewohner;  s.  Leinenindustrie. 

Hanfheede,  Torse,  der  grobe  verworrene  Abfall  von  Hanf,  welcher  beim 
Hecheln  desselben  an  der  Hechel  hängen  bleibt.  Die  verschiedenen  Sorten 
Hanfheede  werden  gesponnen  und  zu  grober  Leinwand,  Packtuch  u.  dergl. 
verwebt,  teils  von  den  Seilern  zu  geringen  Stricken  verarbeitet,  oder,  wie  die 
Wolle  gekardet,  als  eine  Art  Watte  verbraucht. 

Hanfleinwand,  Hanftuch  werden  alle  feinen,  einfachen  oder  gemusterten, 
sowie  die  gewöhnlichen  Gewebe,  welche  ganz  aus  hänfenem  Garn  gefertigt  werden, 
genannt.  Die  vornehmsten  Arten  sind  die  tecklenburgischen,  die  polnischen, 
die  französischen  Brins,  Beauforts,  Combourgs,  Zwillich,  Grosforts 
u,  s.  w.;  die  russischen  Brans,  Calamink,  Chrätsch,  Guingets;  die 
niederländischen  Kanevas  st  off  e  und  viele  Sorten  Segelleinwand.  Im  all- 
gemeinen soll  die  Hanfleinwand  dauerhafter  sein  als  die  flächsene,  jedoch  ist 
sie  nicht  so  geschmeidig  und  braucht  längere  Zeit  zum  Bleichen. 

HangingS  (engl.),  der  Behang,  das  Behänge,  bes.  Wandteppiche;  hangings 
of  Arras,  die  Arrazzi,  Tapeten  aus  Arras. 

Hang-tschou(-fu),  Hauptstadt  der  chines.  Prov.  Tsche-kiang:  bedeutende 
Seidenmanufakturen  (7000  Webstühle,  28000  Arbeiter);  Goldstickerei.  Stoffe 
dieser  Art  werden  hier  in  grösseren  Mengen  und  zugleich  schöner  und  besser 
hergestellt  als  in  einer  anderen  chines.  Stadt.  Auch  eine  Baumwollspinnerei 
mit  über  15000  Spindeln  liegt  in  der  Nähe  von  H. 

Hanos,  früher  die  von  der  holländisch- ostindischen  Compagnie  ein- 
geführten sogen,  zehndrähtigen  Atlasse  mit  Blumen. 

Hanovilles,  Gattung  wollener  Serge,  welche  ehemals  über  Beauvais  und 
Amiens  Absatz  fanden. 

Harami,  grosser,  indischer  Teppich.  Die  Bezeichnung  bezieht  sich  nur 
auf  das  Format.  Doch  scheint  es,  dass  die  so  genannten  Teppiche  haupt- 
sächlich für  Moscheen  gefertigt  werden.  Die  Muster  sollen  stets  religiös- 
symbolische Bedeutung  haben. 

Hardangerarbeit,  eine  in  neuerer  Zeit  nach  gleichnamiger  Landschaft  im 
norwegischen  Amt  Sönder-Bergenhus  benannte  Leinendurchbrucharbeit  auf 
Kongressstoff  mit  umstickten  Rändern  und  Figuren,  wie  sie  vorbildlich  in  den 
orientalischen  Korandecken  erhalten  sind  (s.  d.). 


246  Harir — Heidenheim. 


Harir,  arabische  Bezeichnung  für  entbastete  Ibrisams:  d.  i.  die  mittel- 
alterliche Bezeichnung  für  Seide. 

Harlekins,  ehedem  eine  Art  englischer  wollener  Stoffe,  welche  bunt 
chinierte  Muster  hatten. 

Harlekynen,  gewöhnliche  flächsene  Leinen  mit  blauen,  roten,  gelben  und 
anderen  Streifen,  welche  früher  aus  Holland  kamen. 

Harlemer  Cheks,  eine  Sorte  blau  und  weiss,  oder  rot  und  weiss  ge- 
gitterter Leinen  aus  Harlem. 

Harnisch,  Vorrichtung  am  Webstuhl,  woselbst  es  die  Anordnung  der 
Schnüre,  Harnischlitzen,  bezeichnet,  welche  am  Musterwebstuhl  die  Kett- 
fäden in  die  Höhe  ziehen. 

Harras  nennt  man  in  Oesterreich  und  Bayern  doppelfädiges  gedrehtes 
Garn  aus  einschüriger  gekämmter  Wolle.  Harrasware  ist  ein  aus  der- 
gleichen Garn  raschartig  gewebter  Stoff,  welcher  früher  zu  Tapeten  und 
Möbelbezügen  gebraucht  wurde. 

Hartenstein,  Stadt  in  Sachsen:  Weberei,  Weisswaren-  und  Strumpfwaren- 
fabrikation. 

Hartha,  Stadt  in  Sachsen:  Leinen-  und  Barchentweberei. 

Hartmannsdorf  in  Sachsen:  Fabrikation  von  baumwollenen,  ganz-  und 
halbseidenen  Handschuhen  und  Strumpfwaren,  Färbereien,  Bleicherei,  Appretur- 
anstalten. 

Haspel  oder  Trommel  wird  eine  Winde  genannt,  welche  in  grösseren 
Webereien  dazu  dient,  die  Kette  vor  dem  Bäumen  aufzunehmen  und  dieselbe 
zu  spannen. 

Hausleinwand  ist  im  Gegensatz  zur  Kaufleinwand  eine  solche,  welche 
die  Hausfrauen  auf  dem  Lande  aus  selbstgesponnenem  Garn  für  ihren  Gebrauch 
bei  Webern  weben  lassen.  Auch  versteht  man  darunter  eine  recht  dichte  feste 
Leinwand. 

Haute-lisse  (franz.),  auch  haute-lice;  (lat.:  lichia  alta;  engl.:  high-warp- 
tapestry)  gewirkte  Tapete  mit  Figuren  u.  s.  w.,  deren  Kette  aus  Wolle  oder 
Seide  lotrecht  in  den  Stuhl  gezogen  wird  (s.  Bildwirkerei,  Tapisserie). 

Hautelissestuhl,  ein  insbesondere  zur  Herstellung  von  Teppichen  und 
Gobelins  dienender  Webstuhl  mit  wagerecht  gespannter  Kette,  im  Gegensatz  zum 
Basselissestuhl. 

Havre,  Hauptstadt  des  gleichnam.  Arrond.  im  franz.  Depart.  Seine- 
Inferieure:  Baumwollspinnerei,  Färberei  und  Weberei. 

Hawick,  Stadt  in  der  schott.  Grafschaft  Roxburgh:  Hauptsitz  der  schott. 
Strumpfwarenmanufaktur;  bedeutende  Fabrikation  von  wollenen  Zeugen,  be- 
sonders von  Plaids  und  Decken. 

Hayti  (St.  Domingo),  Baumwollsorte  aus  Westindien,  weiss  ins  Gelbliche, 
oft  matt,  ziemlich  kräftig  im  Faden. 

Hechingen,  Stadt  im  preuss.  B.eg.-Bez.  Sigmaringen:  Strickgarnfabrik, 
Buntweberei,  Baumwollfärbereien  und  Trikotwebereien. 

Hedbav  (tschechisch),  s.  Gota  weppi. 

Hedebo,  eine  Art  dänischer  Weissstickerei,  welche  auf  grobem  weissem 
Leinen  meistens  im  Plattstich  ausgeführt  und  in  Durchbrucharbeit  gemustert  ist. 

Heedebaumwolle,  ein  aus  roher,  grober  und  grauer  Flachsheede  be- 
reiteter Spinnstoff. 

Heedeleinen,  Heeden,  im  deutschen  Leinenhandel  gewöhnliche  Gewebe, 
welche  aus  dem  Werg  des  Flachses  und  Hanfes  gewebt  werden. 

Heedewerg,  die  kurzen  verworrenen  Fasern,  beim  Hecheln  von  Flachs 
und  Hanf,  welche  sich  zwischen  den  Zähnen  der  Hechel  ansammeln  und  zu 
Gespinsten,  zum  Verpacken  u.  s.  w.  verwendet  werden. 

Heidelberg,  Stadt  im  Grossherzogtum  Baden:  grosse  Kunstwollfabrik. 

Heiden,  Flecken  im  Schweiz.  Kanton  Appenzell- Ausserrhoden :  Baum- 
wollindustrie, Weberei  und  Stickerei. 

Heidenheim,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Fabrikation  von  Baumwoll- 
waren, Tuch,  Strickgarn;  E-ot-  und  Blaufärbereien,  chemische  und  Naturbleichen; 


Heiliger  Baum — Hermanstadt.  247 

bedeutende  württ.  Kattunmanufaktur  mit  etwa  800  Arbeitern.  Frauenarbeits- 
und Webeschule. 

Heiliger  Baum  wird  der  Baum  des  Paradieses  genannt,  welcher  als  Kunst- 
form zunächst  in  Assyrien  (s.  d.  u.  Abb.  31)  erscheint  und  das  ganze  Mittel- 
alter hindurch  sowohl  im  Orient,  als  auch  in  Europa  auf  Stoffmustern  zu  ver- 
folgen ist  (s.  Baum  als  Stoffmuster). 

Heiliger  Rock,  der  Rock,  den  Christus  auf  dem  Wege  zum  Kreuze  trug 
und  von  dem  es  bei  Job.  19,  23  heisst,  dass  er  ohne  Kaht  war.  Wie  bei 
anderen  Reliquien,  so  streiten  sich  auch  verschiedene  Kirchen  um  den  Besitz; 
in  neuerer  Zeit  hat  man  nachzuweisen  gesucht,  dass  die  Reliquie  in  der  Dom- 
kirche zu  Trier  die  echte  sei.  Die  sachverständige  Untersuchung  dieses  Stückes 
hat  ergeben,  dass  es  sich  um  ein  Bruchteil  eines  Byssusstofies  handelt,  welches 
in  Seidengewebe  des  8.  Jahrb.  gehüllt  ist,  die  Yogelmuster  enthalten.  (Vgl- 
Abb.  8  auf  Tafel  II.)  Letztere  Stoffe  wurden  früher  für  Reste  des  Gewandes 
gehalten.  (Vgl.  Wilmowski,  Der  heilige  Rock  in  Trier,  1889.  Willems, 
La  sainte  robe  de  Treves  et  la  relique  d'Argenteuil.     (Par.   1894.) 

Heiratswappen  (franz.:  armes  d'alliance;  engl.:  arms  of  alliance),  Doppel- 
-wappen  von  Eheleuten,  kommt  auf  Stickereien  seit  dem  15.  Jahrb.  vor. 

Helenienne,  früher  ein  schwerer,  kleingemusterter  einfarbiger  Seidenstoff, 
der  unter  die  Gattung  der  Armüren  gehört. 

Hemdentuch  ist  ein  Baumwollenstoff  in  Leinwandbindung. 

Henderson,  Hauptort  des  gleichnam.  County  in  Kordamerika:  Baumwoll- 
und  Wollfabriken. 

Henequen  s.  v.  w.  Agavefaser  (s.  d.). 

Hengelo,  Gemeinde  in  der  niederl.  Prov.  Oberyssel:  Textilindustrie. 

Herat,  Stadt  im  nordöstlichen  Afghanistan,  bis  1715  persisch^  auch  später 
noch  öfters  (zuletzt  1856)  von  den  Persern  erobert,  früher  der  Sitz  einer  weit 
und  breit  berühmten  Teppichindustrie,  w^elche  im  Jahre  1838  der  Vernichtung 
anheimfiel. 

Heratimuster,  nach  gleichnamiger  ehemals  durch  Teppicherzeugung  be- 
rühmter Stadt  genannt,  kommt  am  meisten  im  Ferahanteppich  (s.  d.)  vor  und 
zeigt  ein  dichtes,  scheinbar  unregelmässig  hingeworfenes  Gemenge  von  Blüten 
und  gekrümmten  Lanzettblättern.  Bei  genauerer  Betrachtung  gewahrt  man  in 
dem  Gewirre  aus  geraden  Stäben  gebildete  Rautenfiguren,  worin  eine  Rosette 
sitzt.     (Vgl.  Teppiche.) 

Herculeslitze,  ein  schmales  Geflecht,  dessen  Dehnbarkeit  in  der  Richtung 
der  Länge  dadurch  abgemindert  ist,  dass  man  einige  starke  gestreckt  gelassene 
Eäden  (Mittelendfäden)  eingeflochten  hat. 

Herenthals,  Stadt  in  der  belg.  Prov.  Antwerpen:  Spitzen-  und  Woll- 
stofffabrikation. 

Herford,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Minden:  die  Industrie  erstreckt  sich 
auf  Fabrikation  von  Leinen  und  Wäsche,  Kleidern  (Herforder  Konfektion  mit 
bedeutendem  Export);  ferner  bestehen  2  Spinnereien,  2  mechan.  Webereien 
und  mechan.  Teppichwebereien. 

Hericourt,  Hauptort  im  Arrond.  Lure  des  franz.  Depart.  Haute-Saone: 
Baumwollspinnerei,  Kattunfabriken  und  Strumpfwirkerei. 

Heris,  Ortschaft  in  der  Prov.  Azerbeidschan  im  nordwestlichen  Teil 
Persiens:  in  neuester  Zeit  wird  hier  auf  Bestellung  von  Agenten  europäischer 
Handelshäuser  eine  Art  von  Kamelhaarteppichen  hergestellt,  welche  in  den 
Massen,  der  Dichte  und  EjQÜpfung  den  gröberen  Sorten  der  Ferahanteppiche 
gleicht;  in  den  Mustern  aber  alte,  sonst  selten  gebräuchliche  Phantasieformen 
nachahmt.  Im  Handel  fälschlich  Iris  genannt:  ihr  Grundton  ist  gewöhnlich 
braun,  dunkler  als  die  Naturfarbe  der  Kamelhaare. 

Herisau,  Marktflecken  und  im  Schweiz.  Hauptort  Kanton  Appenzell- 
Austerroden :  mehrere  Fabriken  für  Baumwollindustrie ,  Musselinweberei, 
Stickerei,  Bleicherei  und  Färberei.  H.  ist  Mittelpunkt  des  Handels  und  der 
Industrie  des  Kantons. 

Hermanstadt,  Hauptstadt  des  Grossfürstentums  Siebenbürgen:  die  Indu- 


248  Hermelin — Hirschberg. 


strie  erstreckt  sich  auf  Fabrikation  von  Tuch,  Kotzen  und  Wolldecken;  mehrere 
Wollwebereien. 

Hermelin  (lat. :  hermoniae,  armineae;  franz.:  hermine,  ermine,  erm;  engl.: 
ermine),  nur  von  fürstlichen  Personen  getragenes  Pelzwerk  aus  dem  Pell  des- 
sibirischen weissen  Hermelinwiesels ;  in  dasselbe  werden  in  regelmässigen  Ab- 
ständen die  schwarzen  Schwanz  spitzen  eingesetzt.  Findet  in  der  Weberei  in 
Sammet-  und  Seidenstoffmustern  seit  dem  Anfang  des  18.  Jahrh.  häufig  Nach- 
ahmung. 

Herrenhut,  Flecken  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  die 
Arbeiten  der  Textilarbeiter  finden  grossen  Absatz,  besonders  Leinwand,  weib- 
liche Handarbeiten  und  Paramenten.  Auch  besteht  eine  Dampf-  uiid  Maschinen- 
bleicherei (Abraham  Dürninger  u.  Co.).  H.  wurde  1722  von  mährischen  Aus- 
wanderern erbaut. 

Herrissons  s.  Werg-  und  Seidenspinnerei. 

Hersfeld,  Kreisstadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Kassel :  bedeutende  Tuch-  und 
Baumwollspinnerei,  Färberei. 

Herve,  Stadt  in  der  belg.  Prov.  Lüttich:  Wollspinnerei. 

Herzogenaurach,  Stadt  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Oberfranken:  Wollspinnerei, 
Tuch-,  Flanell-,  Filz  Schuhfabrik. 

Herzogenbuchsee,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Bern:  Seidenweberei. 

Hesdin,  Hauptort  im  Arrond.  Montreuil  des  franz.  Depart.  Pas  de  Calais: 
Fabrikation  von  Strümpfen,  Leinenweberei. 

Hessen,  ein  zum  Deutschen  Reich  gehöriges  Grossherzogtum.  Textilindustrie 
besonders  in  den  Kreisen  Alsfeld,  Lauterbach,  Schotten,  Griessen  und  im  Odenwald. 

Hessians  sind  feine  Jutestoffe. 

Hetaika,  gefärbte  russische  Leinen  von  gelber  und  blauer  Farbe. 

Hexamitum,  in  sechsfarbiger  Musterung  gefertigte  Seidengewebe,  deren 
Herstellung  im  12.  Jahrh.  in  Palermo  von  gleichzeitigen  Schriftstellern  ge- 
schildert wird. 

Hexenstich  s.  Nähen  und  Sticken. 

HiapU,  chinesisches  Sommerzeug,  wozu  man  in  China  die  gesponnenen 
Fasern   der  Urtica  nivea  und  in  England  Chinagras  verwendet. 

Hildburghausen,  Kreisstadt  im  gleichnamigen  Kreise:  Wollspinnerei. 

Hilden,  Stadt  im  preuss.  !Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabrikation  von  Sammet, 
Seide  und  Teppichen;  auch  Erzeugung  von  Druckstoffen. 

Hildesheim,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Beg.-Bez. :  Drell-  und  Baum- 
wollwebereien, Wollwaren;  Handel  mit  Wolle,  G-arn  und  Leinwand. 

Hilo  retorcido,  im  Handel  nach  Spanien  das  Garn  von  Pennes  in 
Bretagne  oder  der  Eil  retors. 

Hilsenheim,  Dorf  im  Kreis  Schlettstadt :  Weberei. 

Hilverzum,  Ort  in  der  niederl.  Prov.  Nordholland.-  Kattunfabrik,  Teppich- 
weberei. 

Himmelfahrt  Christi,  Himmelfahrt  Maria,  s.  kirchliche  Stoffe  und 
Stickereien. 

Hinterstich  oder  Pückstich  gehört  zu  den  vier  Grundsticharten  in  der 
Näherei,  er  wird  hergestellt,  indem  man  die  Nadel  in  den  Stoff  einführt  und 
6  Fäden  weiter  herausführt,  dann  legt  man  den  Faden  von  links  nach  rechts^ 
führt  die  Nadel  zwei  Fäden  hinter  dem  Ausgangspunkt  ein,  um  sie  sechs  Fäden 
weiter  vor  demselben  wieder  herauszuziehen. 

Hirsch,  nach  Psalm  42,  2,  Sinnbild  der  Seele  und  der  Taufe,  als  welches 
er  auf  Geweben  des  15.  Jahrh.  dargestellt  wird. 

Hirschberg  in  Schlesien:  Mittelpunkt  der  schles.  Leinwandindus^ie,, 
welche  seit  Ende  des  18.  Jahrh.  stark  zurückgegangen  ist.  Namentlich  war 
H.  ehedem  der  Sitz  der  sogen.  Schleierweberei,  welche  1570  aus  den  Nieder- 
landen hierher  verpflanzt,  1806  aber  fast  gänzlich  vernichtet  wurde.  Heut  be- 
stehen noch  Kammgarnspinnereien.  Bedeutende  Spitzenindustrie,  welche  auch 
die  umliegenden  kleinen  Ortschaften  beschäftigt. 

Hirschberg  a.  d.  Saale,  Stadt  im  Fürstentum  Reussj.  L.:  Baumwollweberei» 


Hirschfelde— Hohlstoffe.  249 


Hirschfelde,  Flecken  in  der  sächs.  Kreishaiiptmannschaft  Bautzen:  grosse 
Flachsspinnerei,  Lein-  und  "Wollweberei,  Blaulärberei. 

Hirschhäute  (Häute  des  Edel-  und  Damhirsches,  auch  des  nordamerik. 
Wapitihirsches,  der  die  grössten  liefert),  dienen  gegerbt  zu  Beinkleidern, 
Handschuhen,  Kissen  und  Bettdecken. 

Hlinsko,  Stadt  in  Böhmen :  bedeutende  Möbelstoff-,  Weisswaren-  und 
Teppichfabriken  (von  Haas  in  Wien). 

Hoboken,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Neujersey:  bedeutende  Seiden- 
fabriken. 

Hochflorsammet  s.  Sammet. 

Hochrenaissance  s.  Renaissance. 

Hochstickerei  nennt  man  in  der  Weissstickerei  das  TJebersticken  von 
stark  unterlegten  Formen  mit  geradem  oder  schrägem  Plattstich,  welche  quer 
zu  den  Stichen  der  vorgestochenen  Unterlage  ausgeführt  ist;  sie  findet  bei 
Blüten  und  Blättern,  besonders  aber  bei  Buchstaben  und  Monogrammen  die 
häufigste  Anwendung. 

Hodbab  (slovakisch)  s.  Grotaweppi. 

Hof,  wend.  Begnizi,  Hauptstadt  des  gleichnam.  bayr.  Bezirkamts  H.  an 
der  Saale:  Mittelpunkt  der  oberfränkischen  Woll-  und  Baumwollindustrie,  sie 
nimmt  in  der  Textilindustrie  eine  hervorragende  Stelle  in  Bayern  ein.  Es 
bestehen  etwa  2000  Betriebe  und  Gewerbe,  darunter  3  mechan.  Baumwoll-, 
1  Schafwollspinnerei  (zusammen  etwa  200000  Spindeln),  7  mechan.  Webereien 
(1500  Stühle),  13  Fabriken  für  baumwollene  und  wollene  Stoffe,  9  Appretur- 
anstalten. H.  ist  Sitz  der  2.  Sektion  der  Süddeutschen  Textilberufsgenossen- 
schaft. 

Hof,  Stadt  in  Mähren:  Leinwandindustrie. 

Hohenelbe,  Stadt  in  Böhmen:  Flachsgarn-  und  Baumwollgarn  Spinnerei, 
5  mechan.  Webereien,  Yerbandstofffabrik,  6  Kunstbleichen  und  4  Färbereien. 
Fachschule  für  Weberei,  1873  gegründet.  An  H.  anstossend  das  Dorf  Ober- 
Hohenelbe  mit  Kunstbleiche,  Flachsgarn-  und  Jutespinnerei. 

Hohenems  oder  Hohenembs,  Marktflecken  in  Vorarlberg:  Baumwoll- 
spinnereien, Webereien,  Druckereien  und  Botfärbereien;  Fabrikation  von  Ge- 
spinsten, Bändern  und  Stickereien. 

Hohenleuben,.  Flecken  im  Fürstentum  Beuss  j.  L. :  Strumpfwaren- 
fabrikation und  Weberei. 

Hohenlimburg  oder  Limburg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Arnsberg: 
Webereien,  Leinweberei  und  Tuchfabrikation. 

Hohenstadt  in  Mähren:  Türkischrotfärberei  und  Baumwollspinnerei. 

Hohenstein-Ernstthal,  Stadt  im  sächs.  Erzgebirge:  Jacquardwebereien 
(Waffeldecken  u.  s.  w.),  Strümpfe-  und  Trikotagenfabriken,  Seiden-  und  Möbel- 
stoffweberei, Woll-,  Baumwoll-,  und  Seidenfärberei;  Strumpfstuhl-  und  Nadel- 
fabriken. 

Hohlnaht,  Hohlsaum,  Bandverzierung  von  Leinwand  u.  s.  w.,  hervor- 
gebracht durch  das  Herausziehen  mehrerer  nebeneinander  liegender  Schussfäden 
aus  dem  Gewebe  und  Zusammenheften  der  freiliegenden  Kettfäden,  sodass  sich 
Muster  bilden. 

Hohlstoffe  sind  Doppelgewebe,  welche  durch  regelmässiges  Zusammen- 
weben zweier  Zeuge  entstehen,  wobei  durch  die  Art  der  Verbindung  beider 
Stoffe  die  Musterung  entsteht.  Die  Art  und  Weise  der  Technik,  in  neuerer 
Zeit  sehr  in  Mode,  ist  älteren  Ursprungs  und  schon  in  Stoffen  aus  Seide  und 
Baumwolle  des  16.  und  17.  Jahrhs.  erkennbar  (vgl.  Abb.  116). 

Abbildung: 

116.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Stoff  aus  roter  Seide  und  weisser  und  gelblicher  Baumwolle  als  Hohlgewebe  hergestellt, 
Muster  aus  Blütenpalmetten  an  vasenartigem  Unterteil  in  Rautenfeldern  aus  Vögeln, 
Kronen  und  Zweiten.     Italien  16. — 17.  Jahrh. 


250 


Hoike — Hohlbeinteppiche. 


Hoike,  kurzer  Mantel  von  weiter,  glockenförmiger  Form,  der  entweder 
geschlossen  war  und  dann  über  den  Kopf  geworfen  werden  musste,  oder  auf 
der  rechten  Schulter,  oder  wie  in  England  vorn  mit  vielen  Knöpfen  zu  schliessen 
war.  Dieses  Kleidungsstück,  das  mit  Pelz,  Seide  oder  "Wolle  gefüttert,  wurde 
im  14.  Jahrh.  von  Mann  und  Frau  getragen. 

Holbeck,  Stadt  in  der  engl.  Grrafschaft  York:  bedeutende  Tuch- 
fabrikation. 

Abb.  116. 


Holbeinstich,  Modename  für  den  aus  dem  16.  Jahrh.  stammenden  und 
in  der  Leinenstickerei  ein-  und  doppelseitig  ausgeführten  Strichstich,  abgeleitet 
von  Gemälden  der  altdeutschen  Schule,  besonders  Holbeins,  auf  welchen  die 
Borten  der  Gewänder  in  dieser  Technik  dargestellt  sind  (s.  Abb.  117).  Der  Ur- 
sprung der  sogen.  Holbeintechnik  ist  im  Orient  zu  suchen,  woher  die  Technik 
nach  Europa  überführt  wurde  (s.  Leinenstickerei  [vgl.  auch  die  Abb.  25]). 

Abbildung: 

117.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin:  Borte, 
Stickerei  auf  Leinen  im  Strichstich  in  violettem  Grarn,  Muster  abwechselnd  aus  Feldern 
mit  Flächenmusterung  und  schreitenden  Löwen.     Arabisch  16.  Jahrh. 

Abb.  117. 


Holbeinteppiche,  moderne  Bezeichnung  für  kleinere  vorderasiatische 
Knüpfteppiche  des  16.  Jahrh.,  deren  Musterung  aus  zwei  quadratischen  Stern- 
feldern mit  reichen  Borteneinfassungen  besteht.  Diese  Originale  kopierten  die 
Maler  der  Frührenaissance  für  den  Hintergrund,  Boden  oder  Stufenbelag  ihrer 
figürlichen  Darstellungen   und    die    besonders    treue  Wiedergabe    eines    solchen 


Holitz — Holland. 


251 


Teppichs  im  Bilde  der  Holbeiiischen  Madonna  zu  Darmstadt  (vergl.  Abb.  118) 
gab  dieser  Gattung  den  Namen.  Auf  Grrund  der  Kekonstruktion  solcher 
Teppichmuster  nach  Bildern  der  Meister  des  16.  Jahrh.  veröffentlichte  Julius 
L  es  sing  das  erste  derartige  Werk  über  „Alt  o  rientalis  che  Teppich- 
muster«.    (Berlin  1877.) 

Abbild  ung: 

118.    Darstellung  aus:  Klassischer  Bilderschatz,   Jahrg.  1894,  Bl.  725:  Bild  der 
Madonna  von  Hans  Holbein,  Original  in  Darmstadt. 

Holitz,  Stadt  in  Böhmen:  Weberei. 

Holland,  im  weiteren  Sinne  das  Königreich  der  Niederlande,  im  engeren 

Abb.  118. 


die  alte  Grafschaft  H. :  die  noch  aus  dem  14.  Jahrh.  stammende  Seidenmanu- 
faktur stand  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrh.  in  Blüte ;  ist  aber  durch  Konkurrenz 
überflügelt  und  beschäftigt  kaum  noch  500  Stühle.  Auf  der  Höhe  steht  die 
Seidenindustrie  am  Ende  des  16.  Jahrhs.  Sie  trägt  in  ihrer  Technik  und  ihren 
Benennungen  so  unverkennbar  die  Züge  derjenigen  von  Antwerpen,  dass  man 
sie  bei  einer  grossen  Auswanderung  von  Beformierten  aus  dieser  Stadt  für 
einen  Abkömmling  derselben  wird  halten  dürfen.  Amsterdam,  Antwerpen, 
Harlem  und  Utrecht  wurden  die  Hauptsitze  dieser  Industrie.  Nach  einer  viel- 
versprechenden politischen  und  wirtschaftlichen  Entwickelung  sanken  die  ver- 
einigten Niederlande  seit  der  Mitte  des  17.  Jahrhs.  im  wesentlichen  auf  den 
alten  stadtwirtschaftlichen  Standpunkt  zurück.  Der  Handel  wurde  vor  der 
Industrie  in  dem  Grade   bevorzugt,    als    die    ostindische    Compagnie    nicht  nur 


252  Hollandas — Honiton. 


massenhaft  ostindische  Stoffe  einführen  durfte,  sondern  sich  sogar  ihrer  ursprüng- 
lichen Verpflichtung,  rohe  Seide  in  bestimmter  Menge  mitzubringen,  im 
18.  Jahrh.  einfach  entziehen  konnte,  weil  dieser  Artikel  weniger  gewinnbringend 
war,  als  der  Import  von  Fabrikaten.  Schon  seit  der  Mitte  des  17.  Jahrhs. 
wird  über  den  Verfall  der  Manufakturen  geklagt;  aber  ein  weiteres  Wachstum 
ist  doch  noch  unverkennbar,  und  namentlich  die  Einwanderung  der  französischen 
ßefugie's  brachte  einen  bedeutenden  Aufschwung.  Seit  1730  aber  sind  sie  in 
einen  unaufhaltsamen  Verfall  geraten,  und  die  mit  dem  Jahre  1782  eintretende 
wirtschaftliche  Katastrophe  der  Niederlande  hat  sie  vollends  vernichtet.  Spitzen- 
erzeugung seit  dem  17.  Jahrh.     (Vgl.  Spitzen.) 

Hollandas»  Olandas,  nennt  man  in  Spanien  und  Portugal  die  feinen  weiss- 
gebleichten  niederländischen  Leinen. 

HoIIandillas  sind  locker  gewebte  schlesische  und  böhmische  Futterleinen. 

Holländische  Languetten  sind  feine  Leinenbänder. 

Holleschau,  Stadt  in  Mähren:  Tuch-  und  Leinenweberei;  Handel  mit 
Wolle. 

Holmgrens  (engl.),  s.  v.  w.  Wollprobe. 

Holol,  äusserst  dünnes  Gewebe,  welches  im  Mittelalter  in  Almeria  als 
berühmtes  Fabrikat  gilt. 

Holosericum,  holoserica  (lat.),  (vom  grch.  holos  =  ganz  und  serikon  =  Seide), 
mittelalterliche  Bezeichnung  des  ganz  seidenen  Stoffes,  im  Gregensatz  zu  sub- 
sericum  =  halbseiden. 

Holzgewebe,  ein  Grewebe,  das  aus  zylindrischen  Holzstäbchen  (Holzdraht) 
mit  einer  Kette  von  Seide  oder  Baumwollzwirn  gebildet  ist,  wobei  die  Ketten- 
fäden, einzeln  oder  zu  mehreren  angeordnet,  in  weiten  Zwischenräumen  stehen. 
Solche  Gewebe  werden  mit  der  Hand,  meist  aber  auf  schmalen,  kurzen  Web- 
stühlen hergestellt.  Zu  den  H.,  die  ganz  aus  Holzdraht  verfertigt  sind,  ge- 
hören die  sogen.  Siebplatten.  Eine  andere  Art  von  H,  bildet  die  sogen. 
Sparterie,  die  aus  feinen,  sehr  dicht  nebeneinander  liegenden  Holzstreifen  be- 
steht und  zur  Verfertigung  von  Hüten  dient. 

Holzwolle,  ist  gemahlenes  Holz,  welches  zum  Bestäuben  von  Papier- 
tapeten und  als  Verpackung,  Verbandmittel  (statt  Charpie)  und  gefärbt  zur 
Anfertigung  von  Matten  und  Flechtwerk  verwendet  wird.  Sie  wurde  zuerst 
in  Amerika  hergestellt. 

Holzzeug  (franz. :  matiere  de  bois,  päte  de  bois ;  ital. :  lignito ;  engl. : 
wood  pulp),  gleichbedeutend  mit  Holzstoff,  Holzgewebe. 

Homespunes  (engl.  d.  h.  zu  Hause,  mit  der  Hand  gesponnen),  ein  meist 
in  allen  Tönen  des  Braun  gefärbtes,  aus  Streichgarn  ziemlich  rauh  erzeugtes, 
tuchartiges,  zu  Paletots  verwendetes  Gewebe,  welches  ursprünglich  nur  in  der 
schottischen  Hausindustrie  gemacht  wurde. 

Honate  oder  Onete  ist  eine  seidenartige  Pflanzenwolle  von  der  Insel 
Mauritius,  welche  als  Ersatz  der  Baumwolle  gilt. 

Hondschoote,  Hauptort  im  Arrond.  Dünkirchen  des  franz.  Depart.  Nord: 
Leinwandindustrie.  H.  war  vom  11.  Jahrh.  an  eine  wichtige  Stadt  mit  Tuch- 
und  Sergefabriken. 

Honey-Combs,  ein  auf  englischen  Maschinenspitzenstühlen  gefertigter 
offener  Spitzengrund,  dessen  Maschen  die  Form  von  Bienenzellen  haben:  es  ist 
der  Ausdruck  für  die  sogen.  Waffeldecken. 

Hong-chew  Silks,  ein  für  die  Ausfuhr  von  Canton  und  Shanghai  (China) 
nicht  unwichtiger  glatter,  farbiger  Seidenstoff. 

Hong-ki-poun,  chinesische  Taschentücher,  welche  in  der  Gegend  von 
Canton  gemacht  werden. 

Hongrie  (Points  d')  wurden  halbseidene  gemusterte  Tapeten,  eine  S^rte 
der  Bergames  aus  Pouen  genannt. 

Honigwabenmuster  s.  Bienenzellenmuster. 

Honiton,  Ort  in  der  englischen  Grafschaft  Devonshire :  erzeugt  Klöppel- 
spitzen auf  Brüsseler  Grund  und  in  Guipüreart.  Das  Muster  besteht  aus  ziem- 
lich naturalistisch  gezeichneten  Blumen  und  Blättern.     Die  alte  Honitonspitze, 


Horbury — Hyacinthe. 


253 


häufig  in  Seide,    ist  geklöppelt  und,    da  sie  von  ausgewanderten  Niederländern 
gefertigt  wurde,  den  vlämisclien  Spitzen  nahe  verwandt. 

Horbury,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Fabrikation  von  Woll- 
tüchern und  Flanell;  auch  Garnspinnerei. 

HormÜZ-Syräf,  im  7.  und  8.  Jahrh.  eine  vielbesuchte  Stätte  für  Seiden- 
verkehr an  der  Westküste  Indiens;  beeinfl.usste  als  Hafenplatz  s.  Z.  den  ge- 
samten europäischen  Seidenverkehr. 

Horstmar,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Münster :  Seidenweberei  im  Hand- 
betrieb. 

Huckabacks  nennt  man  in  England  einen  starken  Zwillich,  den  man  zu 
Tischzeugen,  Handtüchern  u.  dergl.  verwendet. 

Hückeswagen,  Stadt  im  preuss.  E-eg.-Bez.  Düsseldorf:  Wollspinnerei 
und  Tuchfabrikation. 

Huddersfield,    Ort   in    der    engl.  Grafschaft  York:    Hauptsitz  der  Woll- 
industrie, insbesondere  für  Shawls,  Velours,  gemischte  Gewebe,  Seidenplüsche, 
leichte  Tuche  und  feine  Damenkleider ;  auch 
Leinen-  und  Seidenwaren  werden  gefertigt.  Abb.  119. 

Hüls,  Flecken  im  preuss.  Reg.-Bez. 
Düsseldorf:  zwei  Sammet-  und  Seiden- 
fabriken, Sammet-  und  Seidenweberei  (Haus- 
industrie); Hadern,  Frottierstoffweberei. 

Humpoletz,  Stadt  in  Böhmen:  5  Tuch- 
fabriken ;  czechische  Webeschule. 

Humums,  glatte,  baumwollene,  ost- 
indische Zeuge. 

Hund,  in  der  Weberei  Bezeichnung 
der  Vorrichtung  am  Trommelstuhl,  um  eine 
Drehung  der  Trommel  zu  bewirken;  am 
Jacquardstuhl  zwei  eiserne  Haken,  um  — 
bei  einem  gestürzten  Muster  —  das  Prisma 
abwechselnd  in  der  einen  und  in  der  ent- 
gegengesetzten Richtung  zu  drehen. 

Hund,  laufender,  s.  Wogenband. 

Hungertuch  s.  Fastentuch. 

Hunia,  ein  dem  Galina  (s.  d.)  ähn- 
liches, grobes  Tuch  (Wollengewebe),  welches 
besonders  in  Brunn  aus  groben,  namentlich 
ungarischen  Schur-  und  Gerberwollen  er- 
zeugt wird.  Die  Hauptmasse  der  H.- 
Erzeugung dient  zur  Herstellung  von  Schuhen 
für  die  südslavische  Bevölkerung. 

Hüsseren-Wesserling,  Ort  im  Ober- 
elsass :  grosse  Baumwollspinnereien  und 
-Webereien,  sowie  Kattundruckereien  und 
Bleichereien. 

Hüttenheim,  Dorf  im  Unterelsass :  bedeutende  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei  (1200  Arbeiter). 

Huysdoek,  ist  der  holländische  Name  geringer  Sorten  hessischer  und 
westfälischer  Hausleinen. 

Hyacinthe,  bekannte  Pflanzengattung  der  Liliaceen.  Eine  in  vielen 
Spielarten  gepflanzte  Gattung  ist  die  orientalische  H.  (H.  orientalis)  (Abb.  119), 
welche  auch  dort  seit  dem  16.  Jahrh.  vielfach  Gegenstand  der  Flächenmusterung 
auf  Geweben  und  Stickereien  geworden  ist.  Mit  den  orientalischen  Stoffen  wurde 
diese  Musterung  auch  nach  Venedig  und  Spanien  übertragen  und  wird  im 
17.  Jahrh.  in  Italien  mit  Tulpen  allgemein.  Im  18.  Jahrh.  kommen  von  Holland 
nach  Frankreich  und  Italien  die  schönsten  H.  ihrer  Art  und  finden  weiterhin 
reichlich  Verwendung  für  Flachmuster.  (Vgl.  Abb.  86  und  Orientalische 
Stickereien.) 


254  Hydrophiler  Verbandstoff — Indien. 

Abbildung: 

119.     Darstellung  aus:    Lobelius  platarum  Sev  Stirpium  icones,  Antwerpen  1581: 
Hyacinthus  orientalis  purpurae  rubeus. 

Hydrophiler  Verbandstoff,  Verbandmull,  locker  gewebtes  Baumwollzeug, 
dient  an  Stelle  der  Charpie  zu  Verbandzwecken. 


l. 

Ibischfasern,  aus  den  Stengeln  mehrerer  Hibiskusarten,  zu  Stricken  und 
Geweben  verwendbar. 

Ibrisam,  arabische  Bezeichnung  für  Seide,  worunter  die  mittelalterlichen 
Quellen  entweder  die  einfache  oder  die  gezwirnte  E-ohseide  verstehen ;  auch  für 
gehaspelte,  wie  für  die  aus  den  Abfällen  gewonnenen  Seidengarne  scheint  der 
Ausdruck  gegolten  zu  haben. 

Iglau,  Stadt  in  Mähren,  bedeutende  Tuchindustrie,  zahlreiche  Werkstätten, 
Spinnereien,  Färbereien  und  Wollzeugwebereien;  bedeutender  Handel  mit  den 
Erzeugnissen. 

Igualada,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Barcelona:  Baumwollspinnerei, 
Fabrikation  von  Leinwand,  Sammet  und  Wollstoffen. 

I.  H.  S.  s.   Christusmonogramm. 

Ilkeston,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Derby:  Fabrikation  von  Seiden- 
waren, Strümpfen  und  Spitzen. 

Imitatgarn,  aus  Baumwolle  bestehendes  Garn,  dessen  Herstellung  wie  die 
des  Streichgarnes  erfolgt ;  es  wird  das  Spinngut  gefärbt  und  vor  dem  Krempeln 
findet  das  Mischen  und  Färben  der  Sorten  statt.  Von  dem  I.  ebenso  wie  vom 
Vigognegarn  verlangt  man  das  gekräuselte  und  moosige  Aussehen,  was  dem 
Streichgarn  eigen  ist;  es  ist  in  dieser  Beziehung  stark  abweichend  von  dem 
glatten  Baumwollgarn. 

Imperial,  1.  Veraltetes,  sergenartiges  Wollenzeug,  eine  Gattung  von  ge- 
köpertem Flanell.  2.  Unter  dem  Namen  Imperiales  oder  Toiles  imperiales 
wurde  in  Flandern  ein  baumwollener,  auf  Taffetart  gewebter  Stoff,  eine  Gattung 
ganz  feiner  Gingans,  bunt  gestreift  und  bunt  quadrilliert ,  gewebt.  3.  Auch 
eine  Gattung  leichter  ostindischer  Zeuge  von  Baumwolle  mit  eingewebten  Blumen, 
Zweigen  und  vergoldeten  Tüpfelchen  führte  den  Namen  Imperiales. 

Imst,  Hauptort  in  Tirol:  2  Baumwollwebereien,  Druckerei  und  Färberei. 

Incompable,   Serge,  eine  veraltete  Art  seidener  Croises. 

India  Goods,  im  engl. -asiatischen  Handel  die  in  Ostindien  vorkommenden 
dort  gewebten  Baumwollzeuge. 

Indien  erzeugt  in  heutiger  Zeit  einige  moderne  Stoffarten,  die  hinsichtlich 
ihrer  Technik  nicht  ohne  Interesse  sind.  Die  reichen,  mit  edlen  Metallfäden  durch- 
wirkten Seidenstoffe  Bengals  werden  in  Benares,  Ahmedabad  und  Delhi  (Stickereien) 
erzeugt  und  kommen  öfters  unter  der  Bezeichnung  „trinkhalls"  auf  den  euro- 
päischen Märkten  vor.  Die  bedruckten  Gewebe  „sari"  (surah),  „patolo",  „ban- 
dannas"  u.  a.  sind  zuweilen  von  musterhafter  Ausführung.  In  Lahore  und  Multan 
werden  fassonierte  Gewebe  angefertigt.  Die  Tussahweberei  hat  in  Ilai|>ore, 
Godavery  und  Sambalpore  ihre  industriellen  Sitze.  Nach  Europa  werden  vor- 
zugsweise die  Corahs,  Surahs,  Choppahs,  Bomals  und  Tussores  exportiert,  nur 
wenig  bestechende  und  einfache,  taffetartige,  aber  sehr  dauerhafte  Gewebe,  die 
übrigens  in  Europa  durch  Färben  und  Bedrucken  weiter  veredelt  werden. 
(Vgl.  Silbermann,  die  Seide,  Dresden  1897,  Bd.  1,  S.  134.);  über  Seidenkultur 


Indien. 


255 


Indiens  ebd.  S.  263  fF.,  Gregeproduktion  419  fF.,  Mulinierindustrie  482.)  lieber 
die  Technik  und  Musterung  moderner  indischer  Gewebe  ist  man  genau  unter- 
richtet durch  das  im  Jahre  1877  vom  South  Kensington  Museum  in  London 
unter  Leitung  von  J.  Forbes-Watson  herausgegebene  Sammelwerk  indischer 
Gewebe,  das  16  Bände  umfasst,  in  welchem  854  Muster  und  Originalproben 
enthalten  sind.  Die  schweren  Seidenbrokate,  meist  auf  Atlasgrund  in  Gold- 
und  Silberfäden  gewebt,  zeigen  dichte  Muster  aus  stilisiertem  Pflanzenwerk  und 
kleinen  Tieren,  worunter  einige  fast  noch  an  ältere  orientalische  Typen  erinnern 
(vgl.  Abb.  120  u.  Abb.  10  u.  11  auf  Tafel  VII).  Auch  Streifenmuster  und 
solche  aus  zierlichen  Banken,  ganz  im  Sinne  allgemeiner  orientalischer  Flächen- 
musterung kommen  darunter  vor  (vgl.  Abb.  2  u.  4  auf  Tafel  VII).  Einen 
anderen  Charakter  der  mehr  an  Webereien  der  Türkei  des  17.— 18.  Jahrhs. 
erinnert,  zeigt  der  moderne  Brokat  in  Abb.  5  auf  Tafel  VII.    Er  stellt  reihen- 

Abb.  120. 


weis  versetzte  Blütenstauden  dar,  deren  hängende  kleine  Knospen  in  stilisierter 
Palmettenform  auch  wieder  an  mittelalterliche  Formen  erinnern,  so  dass  man 
wohl  annehmen  kann,  dass  einige  Muster  sich  durch  Ueberlieferung  von  alters 
her  erhalten  haben,  was  auch  von  dem  in  Abb.  12  auf  Tafel  VII  abgebildeten 
Brokat  der  Fall  sein  dürfte.  Eine  etwa  dem  Ende  des  18.  Jahrhs.  angehörige 
Gruppe  von  leichteren  gestreiften  BrokatstofiPen  ist  vertreten  in  dem  als  Abb.  6 
auf  Tafel  VII  dargestellten  Gewebe,  das  im  ganzen  auch  die  Erhaltung  älterer 
Muster  bestätigt.  lieber  die  Musterung  ganz  alter  Seidengewebe  Indiens  ist 
man  nicht  völlig  unterrichtet,  da  die  Kunstformen  des  Landes  frühzeitig  von 
fremden  Elementen  beeinflusst  wurden.  Sind  es  nicht  chinesische  oder  persische 
Muster,  welch  letztere  jenen  so  verwandt  wie  möglich  sind,  so  bringt  schon  im 
frühen  Mittelalter  der  arabische  Stil  eine  Gleichartigkeit  in  der  Verzierungsart 
mit  andern  orientalischen  Völkern  hervor^  welche  die  genaue  Bestimmung  noch 
mehr  erschweren.  Wie  Silbermann  (Die  Seide,  Dresden  1897)  berichtet, 
besass  Indien  nach  zuverlässigen  Quellen  bereits  in  den  frühesten  Zeiten  eine 
einheimische  gelbe  Maulbeerraupenrasse  und  ebenso  wird  auch  von  der  Verar- 


256 


Indien, 


beitung  wilder  Kokons  durch  Spinnen  zu  Fäden  und  zu  Greweben  geschrieben, 
welche  in  Indien  (Bengal)  seit  Urzeit  im  Betriebe  gewesen  sein  soll,  indessen 
ist.  von  Beschreibungen  der  Muster  keine  Eede.  Das  ganze  Mittelalter  hin- 
durch war  Indien  an  dem  Seidenhandel  sehr  beteiligt  und  löst  darin  des  öfteren 
die  Chinesen  ab,  besonders  erlangt  das  südliche  Indien  im  neuen  Zeitalter 
Interesse  für  die  Geschichte  des  Seidenhandels,  so  dass  im  13.  Jahrh.  China 
als  Vermittler  für  den  Handel  mit  Europa  vollständig  ausgeschaltet  ist.  Die 
Blütezeit  der  mongolischen  Dynastie  in  China  (Ende  13.  und  Anfang  14.  Jahrh.) 
war  eine  Periode  des  regsten  kommerziellen  Verkehrs  zwischen  China  und 
Vorderindien;  zu  dieser  Zeit  ist  wahrscheinlich  auch  die  regelmässige  Zucht 
des  Maulbeerspinners  nach  Indien  eingeführt  worden.  Die  Seestädte  der 
Malabarküste  wurden  zu  Stapelplätzen  chinesischer  Rohseide  und  kostbarer 
Grewebe.     Das  damalige  Calicut  führte  einen  ausgedehnten  Seidenhandel,  einer- 

Abb.  121. 


seits  mit  China,  andererseits  mit  Alexandrien  und  Byzanz.  Die  ersten  Euro- 
päer, welche  1496  nach  Calicut  gelangten,  fanden  zu  ihrem  Erstaunen  lucche- 
sische  Damaste  und  Sammete  vor.  Kambaye  betrieb  lebhaften  Handelsverkehr 
mit  China  und  den  Molukkeninseln.  Aber  neben  der  kommerziellen  Grösse 
besass  Kambaye  auch  Manufakturen  für  Taffete  und  andere  reiche  Seidenstoffe. 
Die  Stickereien  Indiens  (vergl.  orientalische  Stickereien)  haben  in  Technik 
und  Musterung  auch  mit  denen  Persiens  und  anderer  orientalischer  Völker 
grosse  Verwandtschaft,  eine  Ausnahme  hiervon  machen  die  sogen.  Kashmirs  (s.  d.). 
Die  Teppicherzeugung  in  Indien  wird  zuerst  am  Ende  des  16.  Jahrh. 
erwähnt,  aus  welcher  Zeit  Berichte  erhalten  sind,  welche  mitteilen,  dass  es 
mehreren  Werkstätten  gelungen  sei,  vorzügliche  Imitationen  persischer  Teppiche 
zu  erzielen,  welche  den  ausländischen  Erzeugnissen  völlig  ebenbürtig  waren.  Ob 
diese  Notizen  richtig  sein  mögen,  ist  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt;  denn 
zwischen  den  dort  genannten  Teppichen  und  den  heutigen  Erzeugnissen,  die  kaum 
älter  sein  dürften  als  aus  dem  Anfang  des  19.  Jahrh.,  besteht  eine  grosse  histo- 
rische Lücke.  Es  wurden  Teppiche  geknüpft  in  der  Provinz  Scind  mit  der  Stadt 
Multan,  woselbst  auch  solche  aus  Baumwollsammet  gemacht  w^erden.  In  Labore 
bestand   eine   der  ehemaligen  königlichen  Teppichfabriken;    heute  verdankt  die 


Indien — Indiennes. 


257 


Stadt  den  Eiif  ihrer  Teppiche  den  Webern  in  ihrem  Gefangenhause,  während 
in  Kashmir  und  Amritsar  die  ältere  Ueberlieferung  von  Muster  und  Farbe 
verloren  gegangen  ist ,  weil  europäische  Shawlmuster  die  alten  Formen  ver- 
drängt haben.  Die  jüngste  Nachfrage  nach  indischen  Teppichen  in  Europa 
stammt  erst  aus  der  grossen  1851er  Ausstellung  in  London.  In  moderner  Zeit 
liaben  namentlich  die  indischen  Gefangenhauswerkstätten  zur  Wiederbelebung 
der  besseren  Teppichgattungen  beigetragen;  indessen  kam  die  Industrie  erst 
wieder  vollkommen  zur  Entfaltung,  als  grosse  Pariser  Häuser  Kenner  des 
orientalischen      Teppichwesens       nach 


Abb.  122. 


Indien  sandten,  um  in  den  grösseren 
Gefangenhäusern  die  Herstellung  von 
Kopien  alter  turkestanischer  und  persi- 
scher Teppiche  zu  überwachen.  Der 
•erste  offizielle  Yersuch,  diese  in  der 
Entwickelung  begriffene  Industrie  zu 
unterstützen,  ging  im  Jahre  1890  von 
der  Regierung  in  Madras  aus ,  indem 
die  Anfertigung  von  Kopien  sämtlicher 
alter  Teppiche  im  Londoner  „India 
Museum"  verfügt  und  jedes  dieser 
Muster  in  den  indischen  Teppich- 
h)ezirken  umgesandt  wurde.  Die  Her- 
stellung indischer  Knüpfteppiche  ge- 
schieht auf  demselben  primitiven  Web- 
stuhl, wie  bei  den  Nomadenstämmen 
kaukasischer  Völker  (Abb.  121).  Zwei 
einfache  Balken  bilden  den  Halter  für 
den  Querbaum,  von  welchem  die  Kette 
herabhängt.  An  derselben  sitzen  die 
Arbeiter  und  knüpfen  nach  Zeichnung 
—  oft  auch  aus  dem  Gedächtnis  — 
das  Muster  aus  farbigen  kurzen  Woll- 
fäden ein.  Nach  jeder  vollständigen 
!Reihe  solcher  eingeknoteter  Fäden  wird 
ein  Schussfaden  mit. dem  Kamme  an- 
geschlagen. Auch  der  Zeugdruck 
(s.  d.)  wird  in  Indien  schon  in  frühen 
Zeiten  geübt,  (s.  Batik),  ferner  ist  be- 
kannt die  Musterung  von  Krepp stoffen 

durch  Färben  mit  vorheriger  Abbindung,  wie  sie  in  Japan  (s.  d.)  gebräuchlich 
ist.  In  neuerer  Zeit  kommen  aus  Indien  viele  gedruckte  Wandbekleidungen 
aus  Kattun,  welche  mit  typischen  Mustern  in  Art  von  Teppichen  oder  gestickten 
Decken  gefüllt  sind  (Abb.  122). 

Abbildungen : 

120.  Darstellung  aus:  Das  Kunsthandwerk ^  Jahrg.  1873.  Blatt  18.  Seiden- 
"brokat  (sogen.  Kinkob),  Grund  rot,  Borteijmuster  Gold:  Symmetrisch  geordnete  Ranken 
und  Rosetten ;  dazwischen  kleine  Blüten ,  Vögel  und  Fische.  Untere  Abschlussborte 
mit  Zackenmuster,  die  obere  mit  Palmetten.  Darüber  Ansatz  des  karierten  Grund- 
stoffes.    Indien  1873. 

121.  Darstellung  aus  Porte  folio  of  Indian  art,  Heft  3,  Bl.  33:  Indischer 
Knüpfteppichwebstuhl. 

122.  Wandbekleidung  aus  Kattun,  in  vorwiegend  Blau,  Rot  und  Braun  be- 
druckt mit  Cypressen  zwischen  Blumenranken  in  Umrahmung  von  fein  gemusterten 
Blütenrändern;  dazwischen  steigende  Löwen  und  Pfauen,  welche  auf  mittelalterliche 
Ueberlieferung  schliessen  lassen.     Indien  19.  Jahrh. 

Indiennes  ist  eine  Bezeichnung  für:  1.  Feine,  dichte,  gedruckte  Kattune, 
welche  aus  den  französischen,  deutschen  und  schweizer  Zeugdruckereien  kommen 

"Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilknnde.  17 


258  Indische  Palmetten — Isolierteppich. 

und  früher  auch  Zitze  Messen;  sie  werden  vielfältig  gebraucht.  Die  I.  von 
Orange  in  Provence  und  von  Trojes  in  Champagne  kommen  oft  unter  dem 
Namen  Toiles  d'Orange,  Orangeleinen  vor.  2.  In  neuerer  Zeit  heisst  auch  I. 
ein  leichter  dünner  Baumwollstoff  mit  eingewebten  bunten  Streifen,  zuweilen 
zwischen  den  Streifen  mit  Mustern  bedruckt,  eine  Art  feiner  Gingan,  der  zu 
Sommerkleidern  für  Frauen  verwendet  wird. 

Indische  Palmetten,  s.  Palmwipfelmuster. 

Infantadowolle  (wörtlich  Prinzenwolle),  spanische  Merinowolle. 

Inful  (lat. :  infula;  franz.:  infule;  engl.:  infula),  die  von  der  Mitra  (s.  d.) 
herabhängenden  Hückenbinden ;    man   braucht    den  Ausdruck    daher  auch  f.  M. 

Initialen  s.  Monogramm. 

Injira,  kolumbische  Baumwollsorte. 

Inlet  ist  die  sächsische  Bezeichnung  für  Bettleinwand,  Federleinwand^ 
Federritten  oder  Bettziechen. 

Innendekoration  hat  in  neuerer  Zeit  für  die  Textilkunst  besondere  Be- 
deutung dadurch  gewonnen,  dass  man  bestrebt  ist,  alle  Teile  der  stofflichen 
Zutaten  den  Hauptgegenständen  der  Bäume  stilistisch  anzupassen.  Es  kommen 
dabei  weniger  technische  Bücksichten  in  Betracht,  als  äusserliche,  durch  Stil, 
Form  und  Farbe  gegebene  Werte,  wobei  die  Tätigkeit  des  Dekorateurs  unter 
Leitung  des  Architekten  beansprucht  wird. 

Literatur:  Luthmer,  Werkbuch  des  Dekorateurs  (Stuttgart  1896);  ders. 
Malerische  Innenräume  aus  Gregenwart  und  Vergangenheit  (ebd.  1888).  Hirth,  Das 
deutsche  Zimmer  (München  1886);  ders.  Formenschatz  1879.  Gurlitt,  Im  Bürger- 
hause (Dresden  1888).  Dupont-Auberville,  Sammlung  von  D.  (deutsch,  Stutt- 
gart 1881).  Schwinghammer,  Moderne  D.  (Ravensb.  1891—93).  W.  Schützl, 
Moderne  Dekorationsmotive  (I,  Hamb.  1895). 

In  ramo,  im  italienischen  Warenhandel  bezeichnet  man  damit  die  rohe, 
ungesponnene  Baumwolle,    wofür  die  Franzosen  den  Ausdruck  en  rame  haben. 

Insignien  s.  Beichskleinodien. 

Irisch  Leinen  (spanisch:  Irlandas),  weissgarnige,  fest  und  gedrungen  ge- 
webte Leinen  aus  flachs enem  Garn,  welche  seit  vielen  Jahren  in  Irland  als- 
Nachahmung  des  sonst  aus  Sachsen  und  Schlesien  häufig  nach  England  und 
Amerika  begehrten  Dowlas  verfertigt.  Diese  Ware  ist  so  fein,  dass  sie  die 
deutschen  Dowlas  fast  gänzlich  verdrängt  hat,  obgleich  sie  dieser  an  innerer 
Güte  und  Dauerhaftigkeit  nicht  gleichkommt. 

Irisdruck  (Fondus),  Bezeichnung  für  eine  Art  Zeugdruck,  wodurch  ver- 
schiedene Farben  nebeneinander  und  so  aufgedruckt  werden,  dass  sie  sich  ab- 
schattieren, wie  es  bei  den  Farben  des  Begenbogens  der  Fall  ist. 

Iris-Popleens  sind  leinwandartig  gewebte  Wollenzeuge  in  buntschillernden 
Farben,  welche  früher  sehr  beliebt  waren. 

Irland,  s.  Allgemeines  unter  England.  Berühmt  sind  die  hier  seit  dem 
Anfange  des  19.  Jahrh.  gefertigten  Häkelarbeiten,  welche  in  Nachahmung  der 
Belief  spitzen  aus  Venedig  entstanden  sind  (s.  Häkelarbeiten). 

Isabel,  Name  eines  feinen  Köperstoffes  aus  weichem  Kammgarn,  aus 
Bochlitz  in  Sachsen  1845  zuerst  auf  den  Markt  gebracht. 

Iseghem,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Leinen-  und  Woll- 
weberei. 

Iskalaton    gilt   im  Mittelalter  als  berühmtes  Seidengewebe  von  Almeria. 

Isle,  Hauptort  im  Arrond.  Avignon  des  franz.  Depart.  Yaucluse :  Seiden- 
haspeleien  und  -Spinnereien,  Wollspinnereien,  Fabrikation  von  Wolldecken  und 
Hüten. 

Isle  de  France  nennt  man  eine  in  den  Umgebungen  von  Paris  von 
Tausenden  von  Familien  geübte  Spitzenindustrie,  die  unter  Heinrich  lY.  (l58^ 
bis  1610)  gegründet  sein  soll;  inidessen  ist  es  nicht  klar,  ob  in  den  darüber 
erhaltenen  Notizen  nicht  Posamenten  gemeint  sein  können. 

Isolierteppich,  grobes  Gewebe  aus  tierischem  Haar,  insbesondere  aus 
Wollabfällen  und  Kuhhaar.  Es  wird  auf  einer  Unterlage  von  dickem  Pack- 
papier  mit   heissem  Teer    oder  Asphalt  durch  Aufpressen  befestigt.     In  dieser 


Isp  ahan — Italien . 


259 


Form  benutzt  man  das  Präparat  im  Hochbau  als  schalldämpfendes  und  wärme- 
schützendes Mittel  in  Fussböden. 

Ispahan,  auch  Isfahan  (das  alte  Aspadana),  Hauptstadt  der  pers.  Prov. 
Irak-Adschemi :  bedeutende  Erzeugung  von  Filzteppichen. 

Ispahn  gilt  im  Mittelalter  als  berühmtes  Seidengewebe  von  Almeria. 

Issum^  Flecken  im  preuss.  Peg.-Bez.  Düsseldorf:   Seidenweberei. 

Italian  CUtwork  kommt  in  England  nach  Jakob  I.  (1603 — 25)  in  In- 
ventarien  als  Bezeichnung  für  italienischen  Durchbruch  vor,  womit  bewiesen  ist, 
dass  England  aus  Italien  Spitzen  bezog. 

Italien,  Land  und  Königreich  im  südl.  Europa :  die  wichtigsten  Industrie- 
zweige sind  Spinnerei  und  Weberei.  Unter  den  europäischen  Staaten,  welche 
die  Seidenraupenzucht  betreiben  und  Seidenkokons,  sowie  rohe  und  filierte 
(gesponnene)    Seide    erzeugen,    steht   I.    obenan.      Seit    dem  16.  Jahrh.    ist    die 

Abb.  123. 


Seidenzucht  allmählich  zu  einem  nationalen  Gewerbe  herangewachsen,  das  be- 
rufen ist,  eine  immer  grössere  Ausdehnung  und  in  den  wirtschaftlichen  A^er- 
hältnissen  Italiens  eine  bedeutende  Polle  zu  gewinnen.  Die  Anfänge  der  Seiden- 
zucht Italiens  fallen  in  das  9.  Jahrh.  zurück;  durch  Dandalo  sind  dann  1204 
griechische  Rassen  hinzugekommen.  (Ygl.  Silbermann,  Die  Seide,  Dresden  1897. 
Bd.  I,  S.  223.)  Im  15.  Jahrh.  werden  schon  vielfache  Passen  der  grünen,  gelben 
und  weissen  Kokons  gezogen ;  später  Avandte  man  sich  vorzugsweise  der  gelben 
Passe  zu,  welche  auch  im  Laufe  des  17.  und  18.  Jahrh.  (ausser  einigen  Gegenden 
in  Piemont  und  Ligurien)  ausschliesslich  kultiviert  worden  ist.    Am  bedeutendsten 


260 


Italien. 


ist  die  Seidenzuclit  in  der  Lombardei,  Piemont,  Yenetien,  den  Marken  und  in 
Toskana.  Die  Zuckt  der  Seidenwürmer  beschäftigt  571  222,  die  Seidenfabrikation 
172  356  Menschen,  darunter  7io  Frauen  und  Mädchen.  Die  Produktion  von 
Pohseide,  die  in  den  80er  Jahren  infolge  der  Seidenraupenkrankheit  bis  auf 
2\'2  Million  kg  jährlich  gesunken  war,  ist  1896—99  wieder  beträchtlich  gestiegen 
(3,723  Millionen  kg).  1899  zählte  man  1  824  604  Spindeln.  Die  Seidenspinnerei 
hat  ihren  Hauptsitz  in  der  Lombardei,  namentlich  in  der  Provinz  Como,  auch 
in  Piemont.  Die  Seidenweberei  ist  am  blühendsten  in  Como,  Grenua,  Caserta, 
Turin  und  Neapel;  sie  arbeitet  fast  nur  für  den  Export.  Im  ganzen  leidet  dieser 
wichtigste  Zweig  neuerdings  unter  japanischer  und  chinesischer  Konkurrenz. 
Das  Seidengewerbe  soll  bereits  im  8.  Jahrh.  in  Pom  geübt  worden  sein  durch 
die  zur  Zeit  des  Bildersturmes  in  ßyzanz  brotlos  gewordenen  griechischen 
Seidenweber.     Sie    gründeten   hier   hauptsächlich    der    Herstellung   von    kirch- 

Abb.  124. 


liehen  Paramenten  gewidmete  Kunstwebereien.  Aber  die  eigentliche  Einfüh- 
rung der  Seidenindustrie  von  Griechenland  nach  Italien  vollzieht  sich  erst  im 
Jahre  1146,  als  der  Normannenkönig  Poger  I.  von  einem  Kriegszuge  grie- 
chische Seidenweber  aus  Korinth,  Athen  und  Theben  mit  sich  führte  und  zu 
Palermo  ansiedelte.  Dazu  wird  bemerkt,  das s  dort  eine  mit  dem  königlichen 
Palast  verbundene  Fabrikationsanstalt,  vielleicht  auch  mit  Anknüpfung  an  den 
Tiraz  der  sarazenischen  Emire  von  Palermo,  den  die  Normannenkönige  beibe- 
halten hatten;  aber  die  byzantinische  Art  der  Weberei  behielt  die  Oberhand. 
Seit  dem  13.  Jahrh.  findet  sich  die  Seidenindustrie  in  ober-  und  mittelitalie- 
nischen Städten,  namentlich  in  Venedig  und  Genua,  in  Florenz  und  Lufcca, 
wobei  es  sich  aber  schwerlich  um  eine  direkte  TJebertragung  von  Palermo 
handelt,  sondern  um  eine  solche  aus  dem  Orient  selbst,  und  entstehen  dann 
jene  Muster,  welche  man  mit  der  Bezeichnung  „arabisch-italisch"  versieht,  um 
auszudrücken,  dass  dieselben  in  Italien,  aber  noch  nicht  frei  von  orientalischen 
Einflüssen  erfunden  wurden  (Abb.  123)  im  Gegensatz  zu  den  rein  italienischen, 


Izarins — Jaconets.  261 


welche  der  späteren  Zeit  angehören  (Abb.  124).  Venedig  war  neben  Amalfi 
schon  Jahrhunderte  vorher  der  Hauptstapeljolatz  für  die  Seidenwaren  des 
Ostens,  die  nach  dem  Abendlande  gingen.  Am  bedeutendsten  war  im  13. 
Jahrh.  die  Seidenindustrie  in  Lucca,  das  eine  berühmte  Messe  hatte,  und  dessen 
Kaufleute  mit  ihren  Seidenwaren  in  alle  Welt  gingen.  Parteikämpfe  zwischen 
Guelfen  und  Ghibellinen  veranlassten  zu  Anfang  des  14.  Jahrh.  eine  Menge 
Luccheser  Bürger  zur  Auswanderung,  darunter  besonders  viele,  die  dem  Seiden- 
gewerbe angehörten.  Die  meisten  gingen  nach  Venedig  und  nach  Florenz. 
An  beiden  Orten  bildeten  sie  eine  eigene  Kolonie  und  hoben  die  Seidenindustrie 
daselbst  im  Laufe  des  14. — 15.  Jahrh.  auf  ihren  Höhepunkt,  sodass  die  orien- 
talischen Waren  überflüssig  wurden:  Italien  versorgte  mit  seinen  glatten  und 
gemusterten  Zeugen,  seinen  Sammeten  und  Brokaten  fast  den  gesamten  abend- 
ländischen Markt.  Im  15.  und  16.  Jahrh.  entstanden  dann  nach  dem  Vor- 
bilde der  Manufakturen  in  Venedig,  Genua  u.  s.  w.  solche  in  Neapel,  Mailand 
und  Turin.  Zu  Mitte  des  15.  Jahrh.  tritt  Frankreich  als  Konkurrent  an  die 
Seite  Italiens  (s.  a.  die  einzelnen  Städte).  Für  die  Hanf-  und  Jute- 
industrie sind  etwa  60  000  Spindeln  und  750  mechanische  Webstühle 
tätig,  deren  jährliche  Produktion  einen  Wert  von  70 — 80  Mill.  Lires  erreicht. 
Sie  hatte  seit  1885  erhebliche  Fortschritte  gemacht;  ist  aber  in  den  letzten 
Jahren  hinter  den  Fortschritten  der  Baumwollindustrie  zurückgeblieben.  Wolle 
verarbeiteten  hauptsächlich  in  Piemont  und  in  den  Provinzen  Mailand,  Vicenza 
und  Caserta  (1894)  346  000  Spindeln,  10  300  Webstühle  (wovon  6  500  mecha- 
nische) und  42  000  Arbeiter.  Die  Baumwollindustrie,  deren  Hauptsitze 
die  Lombardei,  Ligurien  und  Salerno  sind,  beschäftigt  im  ganzen  (1897) 
1  900  000  Spindeln  (gegen  500  000  im  Jahre  1870) ;  auch  hier  nimmt  nur  die 
Einfuhr  von  Rohstoffen  zu,  während  einzelne  Fabrikationszweige  erhebliche 
Ausfuhrziffern  aufweisen.  (lieber  Spitzenindustrie  s.  d.  Artikel  Spitzen,  über 
weitere  Techniken  die  betreffenden  Artikel  und  diejenigen  der  Stilarten.) 

Abbildungen: 

123.  Darstellung  aus :  Flachornamente,  Verlag  Engelhorn,  Stuttgart,  Blatt  102 : 
SeidenbrokatstofP  aus  dem  Provinzialmuseum  in  Stralsund,  Grund  rot,  Muster  Gold: 
Reihenweis  abwechselnd  nach  rechts  und  links  gekehrte  Darstellungen  eines  Hundes 
am  stilisierten  Blütenbaum :  in  der  einen  Reihe  auf  Halbmond ,  in  der  andern  mit 
Spruchband.     Lucca,  arabisch-italisch  18. — 14.  Jahrh. 

124.  Darstellung  aus  demselben  Werk^  Blatt  133 :  Italienisches  Seidenstoffmuster 
aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhs.  nach  einer  bemalten  Figur  in  der  Benediktiner- Abtei 
Comburg  in  Württemberg. 

Izarins  sind  baumwollene,  ostindische  Gewebe,  welche  ehedem  die  dänisch- 
asiatische Kompagnie  lieferte. 


J. 

Jabots  (franz.),  die  Spitzenbesätze  der  Brustöffuung  des  Manneshemdes, 
die  aus  der  nicht  völlig  zugeknöpften  Weste  hervortreten  mussten.  Die  Mode 
kam  um  1650  auf;  nach  1730  war  das  J.  ein  Spitzenbehang,  der,  an  dem 
schmalen,  das  Halstuch  vertretenden  schwarzen  Bändchen  befestigt,  die  weite 
Oeffnung  der  Weste  ausfüllte.  In  der  modernen  Frauenmode  bezeichnet  man 
mit  J.   einen  mit  Spitzen  und  dergl.  besetzten  Brustlatz. 

Jackmaschine,  Spulenmaschine,  eine  veraltete  Konstruktion  der  Baum- 
wollvorspinnmaschine. 

Jaconets  sind  feine  Baumwollzeuge,  eine  xA.rt  leichter  Cambrik,  mit  festen 
runden  Fäden,  ein  Gewebe,  welches  zwischen  Hamau  oder  Cambrik  und  Musselin 


262 


Jacquardweberei — Japan. 


die  Mitte  hält,  deshalb  auch  häufig  unter  dem  Namen  Bastard  vorkommt.  Ur- 
sprünglich lieferten  es  nur  die  englischen  Manufakturen,  während  die  Fabrikation 
jetzt  allgemein  geworden  ist.  Man  hat  einfache,  glatte,  weisse  und  auch  farbig 
gestreifte  in  Weberei  und  Druckerei. 

Jacquardweberei,  Jacquardstuhl  u.  s.  w.,  s.  Weberei. 

Jägerleinen,  grünlicher  Stoff  aus  L.  für  Jagdanzüge. 

JagOStoffe,  moderne  Leinenstoffe. 

Jahnsdorf  in  Sachsen:   Strumpf-  und  Trikotwarenfabrikation. 

Jamaica,  westindische  Baumwollsorte. 

Jamavarteppiche,  persische  Bezeichnung  für  Teppiche  mit  Streifenmuster. 

Jamavas,  veralteter,  ostindischer,  leichter  Seidenstoff,  taffetartig  gewebt 
und  mit  broschierten  und  eingestickten  Mustern. 

Jamdami,  Jamdanis,  Jamedanis,  feine  broschierte  Musseline  aus  Bengalen, 
welche  mit  Blumen  in  Gold,  Silber  und  farbiger  Seide  gemustert  sind. 

Jamestown,  Stadt  im  Staate  Neu  York:  lebhafte  Industrie,  darunter 
Fabrikation  von  BaumwoU-,  Woll-  und  Kammgarnwaren. 

Jamkhana,  indischer  Baumwollteppich,  dessen  Muster  aus  parallelen  oder 
sich  kreuzenden  Streifen  besteht. 

Janina,  Stadt  in  der  Türkei:  besonders  berühmt  durch  die  daselbst  auf 
Leinwand  in  roter  Seide  im  Webstich  hergestellten  Stickereien  (Abb.  125), 
welche  dadurch  eigenartig  erscheinen,  dass  ihre  geometrischen  Muster  in  dichten 


Abb.  125. 


WMm^ 


mm,. 


Stichen  und  zwar  so  ausgeführt  sind,  dass  in  verschiedenen  Teilen  abwechselnd 
die  Fadenlage  umsetzt,  wodurch  die  Fläche  reizvoll  schattiert  ist. 

Abbildung: 
125.     Originalaufnahme   aus   dem   Königl.  Landesgewerbemuseum   in   Stuttgart: 
Stickerei  auf  Leinen  in  roter  Seide   im   Webstich  in   abwechselnder  horizontaler  und 
wagerechter  Fadenlage:    Eauten  aus  gezackten  Balken  enthalten  Sterne,     ßegleitborte 
und  Franse.     Janina  17. — 18.  Jahrh. 

Jannequin  oder  Gennequin  (franz.),  ein  grobes,  baumwollenes  Hand- 
gespinst in  Smyrna. 

Japan,  Liselreich  in  Ostasien:  Seidenzucht  und  die  Verarbeitung  der 
Rohseide  stehen  obenan.  Die  Einführung  der  Seidenzucht  in  Japan  wird  in 
die  zweite  Hälfte  (289)  des  dritten  Jahrh.  verlegt  und  koreanischen,  sowie 
chinesischen  Einwanderern  zugeschrieben;  ihre  Befestigung  und  Ausbreitung 
findet  gleichzeitig  mit  der  des  Buddhismus  statt.    Wie  der  Teebau,  so  hat  auch 


Japan. 


263 


die  Seidenzucht  in  Japan  während  der  letzten  30  Jahre  einen  neuen  Auf- 
schwung genommen.  In  Japan  ist  die  Seidenzucht  auf  Hondo  oder  Honshiu,  die 
grösste  der  Inseln  beschränkt.  Sie  bildet  hier  die  verbreitetste  und  wichtigste 
Hausindustrie,  die  in  den  meisten  Fällen  neben  anderen  landwirtschaftlichen  Be- 
schäftigungen herläuft,  in  der  Hegel  jedoch  Haupterwerbsquell  der  Bewohner  ist; 
nur  für  fassonierte  Stoffe  kommen  Jacquardmaschinen  bereits  stark  in  Anwendung. 
Die  technische  Unvollkommenheit  der  Werkzeuge,  wie  sie  namentlich  der  dort 
noch  gebräuchliche  Zampelstuhl  (vgl.  die  Abb.  126  auf  einem  Seidengewebe)  mit 
sich  bringt,  wird  jedoch  aufgewogen  durch  die  Hingabe,  mit  welcher  die  Weber 

Abb.  126. 


ihrem  Handwerk  obliegen  und  die  ihnen  ermöglicht,  die  Ausführung  der 
schwersten  und  kompliziertesten  Werke  der  Kunstweberei  zu  bewältigen.  Die 
erste  Stelle  in  der  japanischen  Seidenindustrie  nimmt  seit  vielen  Jahrhunderten 
Xioto  ein;  hier  werden  nach  „Bavier,  Japans  Seidenzucht,  Seidenhandel  und 
8eidenindustrie,  Zürich  1874"  von  etwa  18  000  Seidenwebern  auf  etwa  6  000 
Webstühlen  gegen  6  000  Ballen  von  je  50  kg  Rohseide  jährlich  verarbeitet.  Den 
Wert  der  daraus  gewonnenen  Gewebe  aller  Art  schätzt  man  auf  80  Mill.  Mark. 
Nächst  Kioto    hat  Kiriu,    eine  kleine  Stadt  in  der  Prov.  Joshiu,    bedeutendere 


264 


Japan. 


Seidenweberei.  Unter  den  Erzeugnissen  der  japanisclien  Seidenindustrie  haben 
folgende  ein  besonderes  Interesse,  weil  sie  von  den  europäischen  wesentlich  ab- 
weichen und  sich  durch  hervorragende  Schönheit  und  Güte  auszeichnen: 

Habutaye  oder  Kabe  habutai,  eigenartig  geripptes  Seidengewebe  von  weisser 
Farbe,  gehört  zu  den  prächtigsten  ungemusterten  Seidenstoffen,  welche  Japan  auf- 
weisen kann.  Es  ist  wellig  gerieft,  ein  Mittelding  zwischen  Krepp  und  Eips.  Kette 
und  Einschlag  sind  viel  dicker  als  bei  glatten  und  geköperten  Stoffen.  Die  Schuss- 
fäden sind  eigenartig  locker  gedreht.  Ein  dünnerer  Faden,  aus  zwei  Haspelfäden  be- 
stehend, umwindet  in  langgestreckter  Spirale  einen  dickeren,  der  aus  6  Gregefäden 
zusammengesetzt  ist.  Dies  bedingt  nicht  bloss  die  eigenartige  wellige  Rippung  des- 
Stoffes, sondern  auch  seine  grössere  Fülle  und  Geschmeidigkeit.  Nach  Dicke  und 
"Weichheit  erinnert  Habutai  an  Sammet,  von  dem  er  jedoch  sonst  durchaus  abweicht. 
Dieses  Gewebe  war  in  Japan  immer  für  Festkleider  des  Adels  sehr  beliebt;  aucK 
pflegte  der  Hof  oft  Geschenke  damit  zu  machen. 

Chirimen  oder  Krepp  ist  der  beHebteste,  rauhe,  glanzlose  Seidenstoff  der  Japaner^ 
den  sie  sowohl  einfach  als  in  verschiedener  AVeise  gemustert  darstellen.  "Weicht  auch, 
wie  das  Aussehen,  so  die  Anfertigung  der  verschiedenen  Sorten  ansehnlich  voneinander 
ab,  so  findet  sich  doch  bei  allen  ein  gemeinsamer  Zug.  Er  besteht  darin,  dass  man 
zur  Kette  wie  zum  Schuss  ziemlich  gleich  starke  Fäden  nimmt,  von  denen  aber  die 
Einschlagfäden  auf  der  Zwirnmaschine  noch  besonders  teils  rechts,  teils  links  gezwirnt 
wurden.  Beim  Einschlag  dieser  doppelt  gedrehten  Fäden  wechselt  man  mit  den  beiden 
Sorten  ab.  Ist  das  Stück  fertig,  so  kommt  es  in  ein  Bad,  erleidet  dabei  ein  starkes- 
Zusammenschrumpfen,  namentUch  in  der  Breite,  wird  darauf  in  Wasser  ausgesüsst  und 
vor   völligem  Trocknen   über  eine  hölzerne  Walze  gerollt  und  gestreckt,    dann  an  der 

Abb.  127. 


■'  ■  N 


7^ 


f~ 

i     /%■-''■'" '^"  ~  ' 

1  t^-     i 

m^^' ' 

^      /^^ 

^_Z . 

Sonne  vollends  getrocknet.  Solche  Kreppseide,  bei  der  die  Anwendung  einer  sogen. 
Kreppmaschine  unbekannt  ist,  kann  nur  im  Stück  gefärbt  werden.  Die  einfache 
Chirimenweberei  wird  viel  in  Takajama  betrieben. 

Mon-Chirimen  ist  ein  Bildkrepp,  der  mit  glänzenden  Fäden  aus  Yama-ma'i-Seide 
gewebt  wird,  welche  die  Eigenschaften  des  höchsten  Glanzes  hat.  Dieser  feinste  Kr^p- 
stoff  findet  dann  Anwendung  als  Grundstoff  für  Stickereien ,  welche  abgepasst  zu  den 
Fukusa's,  d.  s.  Geschenktücher,  dienen.     (Abb.  127.) 

Kanoko,  Kanoko-shibori  oder  Kanoko-sha-chirimen  (Kanoko:  a)  ein  junger 
Hirsch;  b)  gefleckt  wie  ein  solcher.  Shibori,  gebunden,  geknüjDft,  sha ,  Seiden- 
gewebe oder  Gaze  mit  einfacher  Kette ,  Chirimen ,  Krepp)  wird  ein  eigentümliches 
leichtes,    hügel-    und   wellenförmig    gekräuseltes  Seidenfabrikat    genannt^    das    von  den 


Japan. 


265 


japanischen  Frauen  als  Haarschmuck,,  aber  auch  zu  Halsbinden  verwendet  wird,  wobei 
man  es  in  die  Form  einer  Rolle  bringt,  die  man  an  beiden  Enden  mit  Quasten  ver- 
sieht. In  beiden  Fällen  bringt  Kanoko  die  beste  Wirkung  hervor.  Es  ist  fast  immer 
prächtig  rot  oder  violett  gefärbt,  mit  grösseren  oder  kleineren,  runden,  w^eissen  Flecken 
besät.  Man  fertigt  es  nur  in  Kioto  wie  folgt :  Zwei  Bahnen  einer  sehr  leichten  Xrepp- 
seide  werden  gesteift  und  aufeinandergeklebt.  Nach  dem  Trocknen  zeichnet  man  das 
Muster,  gewöhnlich  ein  Netz  gerader,  rechtwinklig  sich  schneidender  Linien,  darauf 
und  reibt  dann  den  Stoff  mit  den  Händen  gründlich  durch,  um  ihn  wieder  weich  und 
geschmeidig  zu  machen.  Hiernach  erfolgt  das  Unterbinden.  Man  bedient  sich  dazu 
eines  Stativs,  an  welchen  ein  zugespitzter  Messinghaken  befestigt  ist.  An  diesen  wird 
das  Gewebe  bei  jeder  Durchschnittsstelle  zweier  Linien  der  Zeichnung,  der  Reihe  nach 
angehakt  und  etwas  emporgezogen,  sodann  mit  einem  Hanffaden  in  mehreren  Win- 
dungen fest  unterbunden.  Ist  das  Unterbinden  beendet,  so  folgt  das  Baden,  Färben^ 
Trocknen  und  Strecken  des  stark  zusammengeschrumpften  Stoffes.  Hierbei  lösen  sich 
die  Bindfäden  auf  und  werden  entfernt.  Die  unterbundenen  Stellen  liefern  das  weisse 
Muster  auf  dem  türkisch  roten,  pfirsichblütfarbigen  oder  violetten  Grunde. 

Die  Obi  oder  Gürtel,  mit  welchen  japanische  Damen  ihre  langen  Kleider 
(Kimono)  um  die  Lenden  befestigen,  w^erden  auf  besonderen  Webstühlen  aus  bester 
Seide  verfertigt.  Es  sind  verschiedenartige,  glatte  und  gemusterte  Gewebe  von  16  bis 
24  cm  Breite  und  3  bis  47,  m  Länge,  mit  Rücksicht  auf  die  langen  Schleifen,  in 
welche  sie  auf  den  Rücken  gebunden  werden. 

Gewänder  aus  Brokat,  japanisch  Nishiki,  d.  h.  aus  schwerem  gemustertem,  mit 
Gold  und  Silber  durchwirktem  Seidengewebe,  den  reichsten  und  kostbarsten,  welche 
die  Textilindustrie  überhaupt  liefert,  gehörten  immer  zu  den  Zeremoniekleidern  der 
chinesischen  und  japanischen  Fürsten,  sowie  zur  Ausstattung  der  reicheren  Theater 
(vgl.  Abb.  128  u.  7  u.  9  auf  Tafel  VI)  und  buddhistischen  Tempel.     Man  unterscheidet 

Abb.  128. 


in  Kioto  Ito-nishiki,  Goldfadenbrokat  und  Aya-nishiki  d.  h.  Seidendamastbrokat  oder 
mit  Blumen  durchwirkten  Brokat.  Bei  den  japanischen  Brokaten  hat  namentlich  die  Ver- 
wendung des  Gold-  und  Silberpapiers  in  hohem  Grade  das  Interesse  der  europäischen 
Seidenfabrikanten  wachgerufen.  Dabei  wird  dieses  Papier  in  schmale  Streifen  zer- 
schnitten und  dient  dann  entweder  zum  LTmspinnen  von  Seidenfäden  oder  es  wird  für 
sich  zu  Fäden  gedreht  und  eingewoben.  Die  Gewebe  erhalten  dadurch  ganz  das  Aus- 
sehen, als  seien  sie  mit  echten  Gold-  und  Silberfäden  durchwirkt,  zeichnen  sich  aber 
daneben  durch  grössere  Geschmeidigkeit  und  Billigkeit  aus. 

Tsudzu-re-no-nishiki,  d.  h.  stückweise  Brokatarbeit,  wurde  zuerst  im  Jahre  1875 
in  Kioto   nach  einem  eigentümlichen  Verfahren  dargestellt.     Kette  und  Einschlag  be- 


266 


Japan. 


standen  aus  starken,  gezwirnten  Seidenfäden  und  Goldpapierfäden.  Dabei  fehlte  den 
"Webstühlen  die  Lade;  es  fand  deshalb  kein  eigentliches  Anschlagen  statt,  die  Quer- 
fäden wurden  vielmehr  mit  den  Fingern  eingelegt  und  mit  Hilfe  eines  Kammes  aus 
freier  Hand  beigeschoben,  wie  dies  in  alter  Zeit  allgemein  geschah.  Das  auf  Papier 
aufgezeichnete  Muster  lag  unter  der  Kette.  Die  gefärbten  Schussfäden  werden  danach 
gewählt,  gehen  nicht  durch  die  ganze  Bahn,  sondern  nur  soweit,  als  man  ihrer  für 
die  betreffende  Figur  bedarf;  während  daneben  liegende  Teile  mit  anderen  Farben 
später  oder  früher  ausgefüllt  werden.     Auf  diese  Weise  wurden  Tischdecken,  auch 

Fukusa,    d.   h.    Gewebe   zum   Einhüllen   und  Bedecken,   z.  ß.   von  Geschenken, 
feinen  Lackwaren   und   anderen  Gegenständen,    dargestellt.  —  In  der  Darstellung  von 


Fig.  129. 


Birödo  oder  Sammet  ist  man  über  das  einfache,  glatte  oder  gerippte  Fabrikat 
nicht  hinausgekommen.  Die  dazu  dienende  Vorrichtung  entspricht  unserem  fri^eren 
Handwebstuhl  für  Sammet.  Der  Flor  der  Polkette  umschlingt  parallel  laufende  Kupfer- 
stäbe als  Nadeln.  Ist  das  Gewebe  fertig,  so  werden  die  Noppen  oder  Maschen  mittels 
eines  Messers  aufgeschnitten,  das  zwischen  zwei  Führern  geht,  und  die  Nadeln  dann 
herausgezogen.  Sammetbildtafeln  werden  hergestellt,  indem  man  vor  dem  Heraus- 
nehmen der  Kupferdrähte  das  Muster  auf  dem  gefärbten  Grunde  aufmalt  und  je  nach 
beabsichtigter   Wirkung    Teile    der   naturalistischen  Darstellung   aufschneidet.     Ist  der 


Japan. 


267 


Grund  dann,  wie  dies  in  Abb.  129  der  Fall  ist,  mit  Goldpapier  durchwirkt,  so  ergibt 
sich  eine  prächtige  malerische  Wirkung. 

Nui-mono  oder  Nui-haku,  Stickerei,  vornehmlich  mit  Seide  auf 
Seiden-  oder  Wollstoffe,  schliesst  sich  der  Seidenweberei  an.  Es  ist  ein  hoch- 
entwickelter Zweig  des  japanischen  Kunstgewerbes,  bei  dem  sich  wiederum  die 
vorherrschenden  Züge  des  japanischen  Arbeiters,  die  Freude  und  Befriedigung 
an  dem  mit  grosser  Sorgfalt,  viel  Geschick  und  bewundernswertem  Geschmack 
hervorgerufenem  Produkte  ojffenbart.  Durch  eine  vortreffliche  Abwechselung 
und  Verbindung  von  Plattstickerei  mit  Federstich,  aufgenähten  Kordeln  u.  dgl., 
und  durch  eine  mustergültige  Auswahl  —  Zusammenstellung  und  Abtönung  der 
Farben  —  ruft  man  überraschende  Wirkuns^en  hervor  und  haucht  den  Blumen, 


Abb.  130. 


Vögeln,  Schmetterlingen  und  anderen  Gegenständen,  welche  man  nachbildet, 
mit  der  Nadel  gewissermassen  Leben  ein.  Die  Stickerei  wird  in  den  japani- 
schen Häusern  von  alten  Zeiten  her  geübt;  ist  aber  kein  Erwerbszweig  der 
weiblichen  Bevölkerung  geworden,  sondern  in  ihren  höchsten  Leistungen  schon 
seit  langem  Männerarbeit.  Oft  wird  in  geschickter  Weise  die  Stickerei  auf 
Seide  mit  dem  Bemalen  oder  Bedrucken  des  Gewebes  verbunden,  wie  sie  denn 
auch  bei  den  gemusterten  Seidenstoffen,  einschliesslich  der  Brokate,  als  ein 
weiteres  Verzierungsmittel  in  Relief  erscheint.  (Vgl.  J.  J.  Pein,  Japan  nach 
Peisen  und  Studien,  Leipzig  1886.)  Die  Exaktheit  in  der  japanischen  Platt- 
stichstickerei wird  dadurch  erzielt,  dass  man  statt  des  vorgezeichneten  Musters 
dünne  gestanzte  Papierschablonen  auflegt,  die  die  genaue  Einhaltung  aller 
Umrisslinien  und  auch  das  bis  zur  hohen  künstlerischen  Wirkung  sich  steigernde 
Absetzen  der  Fäden  innerhalb  breiterer  Flächen  ermöglicht,  wodurch  den  Einzel- 
formen eine  Art  Stilisierung  gegeben  ist.  Ein  ferneres  Hilfsmittel  der  Japaner 
beim    Sticken,    Färben   und   Bemalen   von  Stoffen   ist    die  Anwendung    der   in 


268 


Japanische  Kunstformen. 


Papier  geschnittenen    Schablonen,    deren   reizvolle    naturalistische  Muster    aus 
freier  Hand  eingeschnitten  sind.     (Abb.   130  u.   131.) 

Japanische  Kunstformen  haben  ihren  Ursprung,  wie  die  ganze  auf  hoher 
Stufe  stehende  Kunstindustrie  des  Landes,  in  China.  Japan  hat  viele  Jahr- 
hunderte seinen  Nachbar  als  mustergültiges  Vorbild  betrachtet,  bis  es  schliesslich 
durch  seinen  entwickelten  Natur-  und  Schönheitssinn  einen  selbständigen  For- 
menkreis sich  zu  eigen  gemacht  hat,  von  dem  vor  allem  das  streng  Konservative 
der  Chinesen  vollkommen  abgestreift  ist  und  sich  zu  einer  feineren  auf  liebe- 
vollen Naturstudien   beruhenden  Richtung  entwickelt  hat.     Man  muss  bei  der 

Abb.  131. 


Betrachtung  der  Kunstformen  in  China  und  Japan  von  vornherein  einen 
anderen  Massstab  als  bei  anderen  Völkern  anlegen,  weil  diese  einer  eigent- 
lichen Architektur  entbehren,  welche  sonst  der  Kleinkunst  vorangeht  und  dieser 
ihre  Grundformen  diktiert.  "Was  wir  in  China  und  Japan  an  alten  Architek- 
turen sehen,  sind  Tempelbauten  mit  den  schwersten  ungefügigen  Einzelheiten 
von  massigen  Tierfiguren,  die  als  Säulenträger  geschweifter  Dächer  dastehen: 
nirgends  eine  durchgehende  gerade  Linie,  die  dem  Auge  einen  gleichmässigen 
Ruhepunkt  gestattete.  Und  wie  die  Architektur,  so  zeigen  auch  viele  kunst- 
gewerbliche Erzeugnisse  für  sich,  dass  die  konstruktive  Kunst  in  Japan  viel 
weniger  entwickelt  ist,  als  die  dekorative.  In  der  lebensvollen,  getreuen  Nach- 
bildung gegebener  Naturgegenstände^  insbesondere  von  Pflanzen,  Vögeln,  In- 
sekten und  Meerestieren,  sowie  verschiedener  Vierfüssler,  in  der  Darstellung 
von  "Wolken,  Fels-  und  Wasserpartien  hat  der  Japaner  eine  grosse  Fertigl^eit. 
Scharf  und  bestimmt  dem  Muster  entsprechend  erscheint  die  Zeichnung  in 
Ausdruck  und  Bewegung  und  fesselt  dadurch,  wie  nicht  minder  durch  die 
Leichtigkeit  und  Zartheit  der  vollendeten  Ausführung  den  Beschauer  (Abb. 
132).  In  der  allgemeinen  Flächendekoration  treten  Arabesken  und  andere  Kurven- 
ornamente gegenüber  den  geradlinigen  Verzierungselementen  (vergl.  Tafel  VI) 


Japanisclie  Kunstformen. 


269 


entschieden  zurück.  Von  letzteren  spielen  namentlich  der  Mäander  und  das 
sogen.  Henkelkreuz  (Abb.  133)  eine  grosse  Rolle.  Wie  bei  uns,  so  wendet 
der  Japaner  den  Mäander  als  Borte  oder  abschliessende  Randverzierung  an; 
aber  auch  als  Füllung  einer  ganzen  Mäche  wird  er  gebraucht.  Viele  japanische 
Kunstformen  lassen  noch  immer  den  chinesischen  Ursprung  erkennen.  Päonie 
und  Chrysanthemum  (Abb.  134),  Iris  und  Lotosblume,  das  schlanke 
Bambusrohr  (Abb.  127)  und  krüppelhafte,  bizarre  Kiefern,  blattlose 
blühende  Zweige  der  Magnolie,  be- 


Abb.  182. 


blätterte  der  wilden  Kirschbäume 
(Abb.  135),  die  schlingende  Grlycine 
mit  ihren  hängenden  Blütentrauben, 
Vögel  und  Insekten  im  Fluge  und  in 
der  Ruhe :  diese  und  noch  viele  andere 
Naturformen  verwendet  der  Japaner 
gleich  dem  Chinesen  für  seine  Flächen- 
dekoration gern  an,  ihnen  schliessen 
sich  Glücks-  und  Fabeltiere,  der  Phö- 
nix, der  Drache ,  das  Einhorn ,  die 
Schildkröte  an.  Der  Drache  ist  be- 
kanntlich das  "Wappentier  Japans,  das 
auf  gestickten  Gewändern  hoher  Be- 
amten und  Prinzen  als  Hauptdekora- 
tiousmotiv  auftritt  (vergl.  Abb.  9  auf 
Tafel  VI).  Alle  diese  von  China  über- 
nommenen Formen  fand  der  Japaner 
in  der  herrlichen  Natur  seines  Landes 
wieder,  die  ihm  von  seinem  westlichen 
Nachbar  verzerrt  und  plump  vorgeführt 
wurden.  Viele  derselben,  namentlich 
aber  die  seinen  Bergen  fehlenden,  ver- 
pflanzte er  in  seine  Gärtchen  und 
Tempelhaine.  Was  er  hier  so  oft 
und  mit  so  viel  Wohlgefallen  beschaut 
und  bewundert,  die  mancherlei  Erzeug- 
nisse der  Natur  seines  Landes,  sind 
seine  Kunstformen.  Dieser  Natur  sich 
zu  erfreuen,  still  zu  ihren  Füssen 
sitzend  sie  in  ihrem  Leben  und  Treiben 
zu  belauschen  und  das  leichte  und  ge- 
fällige Bild  warm  und  treu,  wie  es 
empfunden  und  aufgenommen  wurde, 
mit  geübter,  sicherer  Hand  wieder- 
zugeben: dies  ist  das  Geheimnis,  das 
sich  allmählich  zur  Grundlage  der 
japanischen  Kunst  im  Gewerbe  ausbildete.  (Näheres  darüber  in  J.  J.  Rein, 
Japan  nach  Reisen  und  Studien,  Leipzig  1886,  Bd.  II,  S.  373  ff.,  woher  viele 
der  obigen  Notizen  entnommen  sind.) 


Abbildungen : 

126.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Seidenbrokat,  Grund  hellblauer  feiner  Rips,  Muster  ^elb,  weiss  und  mit  Goldpapier: 
Reihenweis  versetzte  Darstellung  eines  japanischen  Webstuhles ,  der  sich  in  Tätigkeit 
befindet.     Japan  etwa  1740. 

127.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Fu- 
kasa,  Tuch  zum  Einwickeln  von  Geschenken ,  Stickerei  in  farbiger  Seide  und  Malerei 
auf  rötlich  gefärbtem  Kreppstoff:  Darstellung  von  Sperlingen  im  ßambusfelde. 
Japan  1875. 

128.  Originalaufnahme    wie    126:     Seidenbrokat    von    einem    Theatergewande. 


270 


Japanische  Kunstformen. 


Grund  braun  mit  ausgesparten  Zackenlinien  in  Groldpapier,    Muster  in  flotter  farbiger 
Seide  broschiert:  Wechselnde  Kirschblüten  und  Blätter.     Japan  etwa  1680. 

129.     Darstellung   aus:    Heiden,    Musteratlas,  Leipzig  1896.     Blatt  61:  Bild- 
tafel, Sammetweberei  mit  Goldpapiergrund ,  gemalt  und  durch  Aufschneiden  einzelner 

Abb.  133. 


Noppen    schattiert:    Darstellung   von   Lotosblumen   und   einem  Paar   von  Reihern  am 
Wasser.     Japan  1880. 

130.  Darstellung   aus:    Heiden,   Musteratlas,    Leipzig  1896.     Blatt  58:     Ge- 
schnittene japanische  Schablonen  für  Zeugdruck:  Farrenkrautblattwerk, 

131.  Desgleichen:  Weiden  im  Regen. 

Abb.  134. 


132.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidengewebe,  Grund  hellblau,  Muster  bunt  ianziert :  Reihen  von  Stauden  aus  Nelken 
und  Gräserwerk ;  dazwischen  Schmetterlinge.     Japan  etwa  1780. 

133.  Originalaufnahme    wie  vorher:     Seidenbrokatgewebe,    Grund    dunkelgrün, 


Japanische  Teppiclie — Japanische  Webemuster.  271 

Muster  Goldpapier:  Zwischen  Rautenfeldern,  welche  in  schrägen  Reihen  abwechselnd 
mit  dem  Henkelkreuz  und  Rosetten  gemustert  sind,  stehen  reihenweis  versetzte  Kreise 
mit  je  einem  Hund  in  Wolken.     Japan  etwa  1780. 

134     Originalaufnahme  wie  vorher:     Seidenbrokat,    Grund  grün,   Muster  bunt: 

Abb.  135. 


Reihenweis  abwechselnd  versetzte  Päonien-  und  Chrysanthemumblüten  sind  durch  feine 
Ranken  mit  kleinen  Blüten  verbunden.     Japan  Anfang  19.  Jahrh. 

135.  Original  aufnähme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Fukusa, 
Tuch  zum  Einwickeln  von  Geschenken,  Stickerei  mit  Malerei  auf  gefärbter  Kreppseide: 
Darstellung  eines  blühenden  Kirschbaumzweiges,  der  einen  Birkenstamm  streift,  und 
Vögel.     Japan  1880. 

Japanische  Teppiche  werden  in  minderwertiger  Ausführung  aus  Baum- 
wolle geknüpft. 

Japanische  Wappen  erscheinen  zahlreich  in  gewebten  und  gedruckten 
Stoffen  als  Musterung.  (Vgl.  Abb.  12  auf  Tafel  YI.)  Sie  bestehen  aus  rund- 
lich gelegten  Blütenformen  und  Rosetten  und  gehören  in  dieser  Ausführung 
den  Familien  der  Daimios  an.     (Abb.   136  u.   137.) 

Abbildungen: 

136.  Darstellung  eines  japanischen  Daimiowappens  in  Form  eines  rundlich  ge- 
legten Blütenstrausses,  von  einem  Seidengewebe.     Japan  18 — 19.  Jahrh. 

137.  Desgleichen  aus  blattartig  gezacktem  Kreis   und  Wolkenmuster. 

Japanische  Webemuster  nach  historischer  Folge  zu  bestimmen, 
erfordert  mehr  als  irgend  eine  andere  Gruppe  älterer  Stoffe  ein  ganz  be- 
sonderes Studium.  Die  hier  gegebenen  Bezeichnungen  der  aus  der  reichen 
Sammlung  japanischer  Erzeugnisse  des  Königl.  Landesgewerbe-Museums  in 
Stuttgart  stammenden  Gewebe ,  welche  der  als  Arzt  des  japanischen  Kaisers 
in  Tokio  weilende  Prof.  Dr.  Erwin  Balz  an  Ort  und  Stelle  gesammelt  hat, 
sind  nach  dessen  Aufzeichnungen  wiedergegeben.  (Vgl.  die  Abbildungen  im 
Artikel  Japan  und  Tafel  VI.) 

Wenn    nun    auch    bekanntlich    die    Japaner    ihre    ganze    kunstindustrielle 


272 


Japanische  Webemuster, 


Tätigkeit  und  damit  die  Kunstformen  in  den  ältesten  Zeiten  von  China  über- 
nommen haben,  so  muss  doch  bei  der  Beurteilung  ihrer  Gewebemuster  der 
früheren  Epochen  des  Umstandes  gedacht  werden,  dass  ihnen  die  frühmittel- 
alterlichen StoflFe  persischen  Ursprunges  nicht  unbekannt  geblieben  sind.  Auf 
Grund  einer  Eeihe  —  etwa  um  1880  —  in  Japan  veröffentlichten  Bändchen 
mit  farbigen  Gewebemustern  gelang  es  den  eifrigen  Forschungen  des  Direktors 
am  Berliner  Kunstgewerbemuseum  Prof.  Dr.  Lessing  —  worauf  an  Ort  und 
Stelle  selbst  auch  andere  Gelehrte  geführt  wurden  —  nachzuweisen,  dass  sich 
in  altjapanischen  Tempeln  Originalstoffe    der   sassanidischen  und  frühbyzantini- 


Abb.  136. 


Abb.  137. 


sehen  Periode  befinden:  ähnlich,  wie  sie  in  vielen  rheinischen  Kirchen  auf- 
bewahrt werden,  wohin  dieselben  während  der  Kreuzzüge  als  Hüllen  der  Ge- 
beine von  Heiligen  in  grosser  Anzahl  gekommen  sind.  Solche  Muster  haben 
die  Japaner  in  ihrer  Anschauungsweise  gezeichnet  (vgl.  Abb.  138)  und  mit 
Zeitbestimmungen  veröffentlicht,  die  sich  mit  jenen  decken,  welche  für  den 
Ursprung  der  westasiatischen  Muster  des  frühen  Mittelalters  mit  Sicherheit 
nachzuweisen  sind.  Da  nun  viele  der  älteren  japanischen  Gewebe  bezüglich 
ihrer  allgemeinen  Einteilung  und  auch  sonst  sehr  viele  verwandte  Einzelheiten 
aufweisen,  so  bleibt  die  Frage  offen,  ob  damalige  Muster  auch  schon  von  China 
übernommen  wurden,  oder  ob  die  Zeichnungen  in  dieser  Gruppe  von  Stoffen 
auf  selbständigen  Eindrücken  jener  fremden  Gewebe  beruhen,  welche  sich  in 
den  Tempeln  befinden.  Dass  man  die  mit  Tierfiguren  gefüllten  Kreismuster, 
wie  sie  in  Abb.  138  enthalten  sind,  nicht  ohne  weiteres  nachbildete,  liegt  wohl 
in  dem  auch  von  den  Buddhisten  in  früheren  Zeiten  befolgten  Vorschriften, 
Menschen-  und  Tierfiguren  von  jeglicher  Darstellung  auszuschliessen ;  um  so 
mehr  scheint  man  sich  aber  in  den  rein  geometrisch  behandelten  Flächen  nach 
westasiatischen  Vorbildern  gerichtet  zu  haben.  Es  sind  augenscheinlich  hier- 
nach jene  Muster  entstanden,  welchen  der  strenge  romanische  Charakter  nicht 
abzusprechen  ist.  (Vgl.  Abb.  2,  4,  5,  6  auf  Taf.  VI.)  Die  spätere  Datierung 
derselben  durch  Prof.  Balz  kann  deshalb  doch  zu  Kecht  bestehen,  da  sich  be- 
kanntlich gewisse  Typen  von  Mustern  in  Japan  und  China  Jahrhunderte  lang 
und  noch  bis  in  unsere  Tage  hinein  erhalten  haben.  Auf  frühen  chinesischen 
Ursprung  ist  auch  das  unter  1  auf  Taf.  VI  abgebildete  „Shippo" -Muster,  so- 
wie das  daselbst  unter  3  wiedergegebene  „Shokko "-Muster  zurückzuführen. 
Diese  bestimmten  Bezeichnungen  für  gewisse  Arten  von  Mustern,  wie  sie  in 
Japan  üblich  sind,  ist  auch  eine  Bestätigung  für  ihre  dauernde  Erhaltung. 
Aelteren  Ursprungs  ist  natürlich  auch  das    oft  wiederkehrende  Drachenmuster, 


Japanische  Webemuster. 


273 


in  welchem  das  AYappentier  auf  rotem  oder  schwarzem  Atlasgrimde  in  Hund- 
l)ildern  oder  hochaufgerichtet  erscheint.  Prof.  Balz  setzt  es  in  die  Zeit  um 
1500.  Diese  und  die  beiden  vorher  bezeichneten  geometrischen  Muster  können 
übrigens  ebenso  gut  chinesisch  wie  japanisch  sein   und   auch    den  der  späteren 

Abb.  138. 


Zeit   angehörenden   Mustern    (vgl.  Abb.  139  u.   140)    haftet    noch    der    schwer- 
fällige Zug  des  Chinesischen  an,  worin  auch  westasiatische  Elemente,  besonders 


Abb.  139. 


Abb.  140. 


in  den  Palmettenformen,  nicht  zu  verkennen  sind.  Ferner  ist  noch  ganz  im 
Sinne  chinesischer  Art  und  "Weise  der  Mustergebung  das  feste  Einschliessen 
und  Gliedern  der  Formen  innerhalb  ihrer  einzelnen  Flächen,  das  sie  wie  die 
Zeichnungen   in   Email   cloisonne    erscheinen   lässt.     (Abb.    141.)     Ein   freierer 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  \Q 


274 


Japanisclae  Webemuster. 


Abb.  141. 


Abb.  142. 


ar 


'Siisr 


iMmw^ 


^ 


m 


fe*m 


Abb.  143. 


Geist  beherrscht  erst  die  rormensprache  der  japanischen  Stofiinuster  am  Ende 
des  17.  Jahrhunderts,  wenngleich  auch  die  Zeichnungen  früherer  Epochen 
nebenher  beibehalten  werden.   Besonders  fallen  dabei  jene  Gewebe  auf,  welche 


Japanische  Webemuster.  275 


für  Theatergewänder  gearbeitet  worden  sind,  deren  Herstellung  auch  technische 
Fortschritte  im  Färben  des  Grundstoffes  und  in  der  Art  der  Broschierung  er- 
kennen lassen,  die  nur  dem  Japaner  eigen  sind.  (Vgl.  Abb.  7  u.  9  auf 
Tafel  YI.)  Fast  europäisch  hingegen  erscheint  das  auf  derselben  Tafel  unter 
11  dargestellte  Muster,  dessen  Farbengebung  —  blau  auf  weiss  schattiert  — 
fast  den  Eindruck  eines  Eokokomusters  in  Meissener  Porzellan  hervorruft. 
Künstlerische  Verwertung  lässt  der  Chinese  und  Japaner  —  letzterer  direkt 
mit  der  Bezeichnung  „Buchstabenmuster"  —  auch  seinen  Schriftzeichen  zuteil 
werden,  die  hier  noch  einen  breiteren  Raum  als  bei  den  Arabern  einzunehmen 
berechtigt  sind,  weil  ihre  einzeln  abgeschlossenen  Züge  zugleich  Bedeutung 
für  Glück-  und  Segeussprüche  ausdrücken.  (Vgl.  Abb.  142.)  Im  19.  Jahr- 
hundert bringen  unter  älteren  beibehalteneu  Typen  von  japanischen  Stoff- 
mustern, wie  das  in  Abb.  143  mit  spitzovalen  Feldern  dargestellte ,  besonders 
die  für  die  Obi's  (d.  h.  Gürtel)  gewebten  Stoffe  neue  kleinere  Muster  aus 
Blättern  und  Blütenranken  (Abb.  10  u.  13  auf  Tafel  VI),  worin  auch  Abwechse- 
lung eintritt  durch  meisterhafte  Stilisierung  von  Vogelgestalten.  (Abb.  8  auf 
Tafel  VI.) 

Abbildungen: 

138.  Darstellung  aus  :  Ethnologisches  Notizblatt  des  Königl.  Museums  für  Völker- 
kunde in  Berlin.  Bd.  II,  Heft  1,  S.  11 :  Sassanidisches  Stoffmuster  des  6.  Jahrb.,  gezeichnet 
nach  einem  im  japanischen  Werke  „Die  Kokkwa"  abgebildeten  Originalstoff,  welcher 
sich  im  Horynji,  dem  ältesten  Tempel  Japans,  befindet.  Die  Darstellung  des  Musters 
gibt  nach  japanischer  Anschauung  in  grossen  Kreisen  Abkürzungen  des  heiligen  Baumes 
(Palmettenkrone  und  Keimblätter),  dem  ein  Paar  von  Löwen  zu  den  Seiten  sitzt. 
Zwischen  den  Kreisen  Steinböcke  und  Rosetten. 

139.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidengewebe,  Grund  blau  (lose  Bindung),  Muster  gelbbraun  mit  Goldpapierschattie- 
rungen: Reihenweis  geordnete  Ranken,  welchen  Palmettenblüten  entsteigen.  Japan 
um  1580. 

140.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Seidenbrokat,  Grund  zinnoberroter  Atlas, 
Muster  Goldpapier:  Wellig  aufsteigenden  Ranken  erwachsen  reihenweis  wechselnde 
Palmetten-  und  Rosettenblüten.     Japan  um  1750. 

141.  Originalaufnahme  wie  vorher :  Seidenbrokat,  Grund  Goldpapier,  Muster  mit 
Hellblau  und  Braun ;  Reihenweis  nach  rechts  und  links  geschwungene  Päonienblüten 
und  fliegende  Vögel.     China  (?)  um  1800. 

142.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Seidengewebe,  Grund  hellblauer  Taffet, 
Muster  (sogen.  Buchstabenmuster)  hell-  und  dunkelbraun:  Reihenweis  wechselnde  und 
versetzte  Schriftzüge.     Japan  (?)  um  1810. 

143.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Seidengewebe,  Grund  hellbraun,  Muster: 
Bänder  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  je  eine  dunkel-  oder  hellrote  Blume  in 
grüner  Umrahmung.     Japan  um  1810. 


Abbildungen  auf  der  Tafel  VI:    Webereien  aus  China  und  Japan: 

Originalaufnahmen  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 

1.  Seidenbrokat,  Grund  tiefblau,  sogen.  „Shippo -Muster"  in  Grün,  Gelb  und 
Blau,  mit  ümrisslinien  von  Goldpapier:  Vierpassfelder  sind  durch  geschweifte  Kreis- 
felder mit  Rosetten  verbunden,  welche  von  geraden  Bändern  und  Sechsecken  quadratisch 
eingefasst  werden;  dazwischen  Mäanderwerk.     Japan  um  1760. 

2.  Seidenbrokat,  Grund  blau,  Muster  weiss  und  mit  Goldpapier  durchwirkt: 
Kreise,  welche  durch  glatte  Knäufe  verbunden  sind,  enthalten  runde  Scheiben  mit  einem 
Paar  von  gegenständigen  Drachen ;  in  den  Zwickeln  zwischen  den  Kreisen  Rosetten. 
Japan  um  1750. 

3.  Seidenbrokat,  Grund  blau,  sogen.  „Shokko-Muster",  Muster  weiss,  in  Reihen 
bunt  und  mit  Goldpapier  durchwebt :  Reihenweis  versetzte  wechselnde  Rosetten  sind 
durch  schräge  Bänder  mit  Sternen  verbunden  und  stehen  in  sechseckigen  Feldern  mit 
dazwischen  liegenden  kleinen  Quadraten ;  eine  Reihe  der  Sechsecke  klein  gemustert  mit 
Rautenfeldern.     Japan  um  1800. 

4.  Seidenbrokat,  Grund  hellblauer  Atlas,  Muster  Goldpapier  und  braun:  Reihen- 
weis versetzte  rundliche  Sechspassfelder,  welche  je  drei  verschlungene  Kreise  auf  ge- 
fülltem Blütengrund  enthalten.     Japan  um  1800. 

5.  Seidenstoff,  Grund  hellblau,  gerippt,  Muster  gelb :  Bänder  aus  Schneckenlinien 


276  Japergonsi —Jenny. 


bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  reihenweise  abwechselnd  je  ein  Kreis  mit  rundlich 
gelegtem  Drachen  und  eine  doppelseitige  Blütenpalmette.     Japan  um  1750. 

6.  Seidenbrokat,  G-rund  tiefblau,  Muster  Goldpapier:  Kreise  aus  gemusterten 
Bändern  sind  durch  kleinere  runde  Felder  mit  Rosetten  verbunden  und  enthalten  je 
in  fester  Umrahmung  einen  rundlich  gelegten  Drachen ;  dazwischen  geometrisches  Füll- 
muster.    Japan  um  1730. 

7.  Seidenstoff  von  einem  Schauspielergewand,  Grund  hellblau  und  braunviolett 
gefärbt,  Muster  in  flottliegenden  Seidenfäden  broschiert:  auf  einem  Gehege  aus  geometrisch 
verschlungenem  Gitterwerk  zackige  Blätter  und  längliche  Blütenbüschel.    Japan  um  1750. 

8.  Seidenbrokat,  Grund  blau,  fein  gerippt,  Muster  Goldpapier:  Reihenweis  ver- 
setzte und  abwechselnd  nach  oben  und  unten  gekehrte  Reiher,  welche  als  Rautenfelder 
stilisiert  sind.     Japan  um  1780. 

9.  Seidenstoff,  Grund  blau,  Muster  gelb  :  Reihenweis  versetzte,  sechseckige  Felder 
mit  Blattsternen,  dazwischen  in  bunten  flott  liegenden  Seidenfäden  broschiert:  rundlich 
gelegter  Drache.     Japan  um  1750. 

10.  Seidenbrokat,  Grund  blauer  Atlas,  Muster  Goldpapier:  Weinblätter  und  feine 
Rebenranken.     Japan  um  1800. 

11.  Seidenbrokat,  Grrund  bläulich- weiss,  fein  gerippt,  Muster  blau  und  mit  Gold- 
papier durchwirkt:  Wellig  aufsteigende  feine  Ranken,  welchen  in  Reihen  geordnete 
phantastische  Blüten  entsteigen ;  dazwischen  regelmässig  abgesetzte  Felder  aus  Gitter- 
werk.    China  (?)  um  1800. 

12.  Seidenstoff,  Grund  tiefblauer  Atlas,  Muster  reihenweis  in  Bunt  abwechselnd: 
Versetzte  und  abwechselnde  rundliche  wappenähnliche  Blüten  an  Volutenranken  auf 
einem  Gehege  aus  schräg  aneinander  gereihten  länglichen  Rechtecken.  Japan  Mitte 
18.  Jahrh. 

13.  Seidenstoff,  Grund  schwarzer  Atlas,  Muster  gelblich,  rot  und  blau:  Feine 
Ranken  mit  regelmässig  verteiltem  Blatt-  und  Blütenwerk  sind  zu  Voluten  aufgerollt. 
Japan  um  1780. 

Japergonsi,  im  dänisch- ostindischen  Handel  feine,  glatte  Musseline  mit 
goldenen  Leisten;  es  ist  eine  Gattung  der  ostindischen  Terindams. 

Japons,  ostindische  seidene  Zeuge  zu  Kleidern,  welche  früher  die  dänisch- 
asiatische Gesellschaft  lieferte. 

Japrak  (Blattmuster),  Bezeichnung  für  Smyrnateppiche  in  roter,  grüner, 
blauer  und  orangefarbener  Wolle,  welche  in  England  viel  Abnehmer  finden. 

Jaquenolle,  ein  ostindischer  Musselin,  sowohl  glatt  als  gestreift. 

Jarretieres  (franz.),  Kniebänder  von  Zwirn. 

Jaroslawl,  Jaroslaw,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Gouvernements  in 
Russland:  Mittelpunkt  der  sogen.  Jaro slawischen  Manufaktur,  hat  eine  Baum- 
wollspinnerei (7  277  Arbeiter),  Produktion  8  Mill.  Rubel. 

Jaschmak,  der  Schleier  der  Türkinnen. 

Jaspierte  Gewebe  sind  geflammte  oder  flammierte  Stoffe  (s.  d.). 

Jastrow,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Marienwerder:  Wollspinnerei  und 
Tuchfabrikation. 

Jauer,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Liegnitz :  Fabrikation  von  Buckskin, 
Teppichen,  Handschuhen  u.  s.  w.  Auch  das  Jauersche  Leinen  geniesst  eines 
bedeutenden  Rufes. 

Java  s.  Batikfärberei. 

Jeannets,  Jennets,  sind  ursprünglich  dichte,  englische,  baumwollene 
Köperzeuge,  teils  weiss,  teils  gemustert  und  bunt  gedruckt.  Die  böhmischen 
Fabriken  führen  eine  gleiche  Ware  unter  dem  Namen  Orientais. 

Jeans,  den  Jeannets  ähnliche,  einfach  geköperte  Baumwollzeuge,  welche 
sich  von  den  Denims  dadurch  unterscheiden,  dass  der  Köper  auf  der  rechten 
Seite    ist,    weshalb    man    sie  häufig  im  Deutschen  auch  einfache  Denims  nennt. 

Jedwab  (polnisch)  s.   Gotaweppi. 

Jegorgewsk,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Rjasan:  Baumwollspiiinerei 
(Produktion  etwa  5  Mill.  Rubel),  Weberei  und  Färberei. 

Jellinge,  Ort  auf  Jütland:  fanden  sich  um  das  Jahr  950  in  den  Königs- 
gräbern u.  a.  kostbare,  meist  in  köperartiger  Bindung  hergestellte  Seidenstoffe 
mit  Gold-  und  Silberfäden. 

Jenny,  eine  im  Jahre  1767  in  England  von  James  Hargreaves  erfundene 


Jesuitenzeug— Jüterbog.  277 


und  nach  seiner  Tochter  benannte  Feinspinnmaschine  für  Baumwolle,  jetzt  durch 
die  verbesserte  Mulemaschine  (Seifaktor)  vollständig  verdrängt,  (s.  Baumwoll- 
spinnerei.) 

Jesuitenzeug,  ein  schwarzes,  rauhes,  leinwandartig  gewebtes  Wollenzeug 
aus  stark  gedrehtem  und  beim  AVeben  stark  geschlagenem  Garn ;  es  ist  etwas 
leichter  als  Alumnatzeug  und  wird  zur  Kleidung  der  Ordensgeistlichen,  vor- 
nehmlich der  Jesuiten  gebraucht.     Oesterreich  und  Frankreich  liefern  die  Ware. 

Jircaza  nannte  man  ganz  feine  baumwollene  Zeuge  zu  Frauenkleidern, 
welche  die  englischen  Manufakturen  ehedem  als  Nachahmung  eines  ostindischen 
Grewebes  dieses  Namens  lieferten.  Es  ist  feiner  Cambrik  mit  eingewirkten 
bunten  Blumen. 

Jöhstadt,  ehemals  Josephstadt  in  Sachsen,  dicht  an  der  böhm.  Grrenze: 
Königl.  Klöppelschule.  Spitzenklöppelei  und  Fabrikation  von  Weisswaren, 
Wäsche,  Posamenten  und  Strumpfwaren. 

JÖnkÖping,  Stadt  in  Schweden:  Damast-  und  Drillichwebereien ;  Dampf- 
färbereien. 

Jonzac,  Hauptort  im  gleichnamigen  iVrrond.  des  franz.  Depart.  Ch.  In- 
ferieure:  WoU-,  Leinwand-  und  Hanfindustrie. 

Joree,  Seidenraupe  (Bombyx  religiosa),  welche  in  Assam  auf  dem  heiligen 
Feigenbaume  lebt  und  einen  Kokon  von  sehr  feinem,  stark  glänzendem  Faden 
erzeugt. 

Jours  werden  in  der  Spitzennäherei  die  offenen  Stiche  zum  Füllen  der 
Blumen  genannt. 

Jüchen,  Flecken  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Düsseldorf:  Baumwollspinnerei, 
Weberei,  Färberei  und  Kieiderfabriken. 

Judenstich  kommt  als  Spitzenstich  in  altdeutschen  Musterbüchern  des 
16.  Jahrh.  vor. 

Jumel,  ägyptische  Baumwollsorte. 

Juncus  effusus,  die  Binse :  Ersatzmittel  für  Baumwolle. 

Jungbunzlau,  Stadt  in  Böhmen:  Wollspinnerei  und  Färberei;  Baum- 
wollwarenfabriken. 

Jungle,  eine  Gattung  ostindischer  Nessel. 

Juponstoff,  modernes  Baumwollgewebe  zu  Futterzwecken. 

Jute,  Dschut,  Juthanf,  Pahthanf,  Gunni  (franz.:  jute,  chamore  de  Gal- 
cutta;  ital. :  jute;  engl.:  jute,  gunny),  Gespinstfaser  aus  Calcuttahanf  (s.  d.). 
Sie  wurde  zuerst  in  Dundee  1832,  in  Deutschland  (Yechelde,  Braunschweig) 
1861  und  etwa  zehn  Jahre  später  in  Oesterreich  zur  Yerspinnung  gebracht. 
Das  System  der  Jutespinnerei  lehnt  sich  an  das  des  Flachses  resp.  des  Hanfes 
an  mit  dem  Prinzip  der  Trockenspinnerei.  Die  Jutefaser  kommt  in  einem 
Zustande  auf  den  europäischen  Markt,  welcher  sofort  deren  Yerspinnung  ge- 
stattet, also  gereinigt,  ohne  feste  Holzteile;  die  Entholzung  und  Böste  der 
Faser  erfolgt  schon  am  Gewinnungsplatze.  Die  hauptsächlichsten  Gewebe  daraus 
sind:  Baggins,  ein  ziemlich  loses,  grobes  Gewebe;  Tarpawlings,  ein 
festeres,  stärkeres,  grobes  Gewebe;  Twilled-Sackings,  ein  Zwillich-  oder 
Drillichgewebe  von  sehr  grosser  Festigkeit  und  Dauerhaftigkeit  zum  Yerpacken 
schwerer  Güter;  Hassians  ist  das  feinste  und  schönste  derartige  Gewebe, 
verwendet  zu  Säcken  für  Salz,  Zucker  u.  s.  w.  Die  Jutefaser  kann  auch  ge- 
färbt werden  und  findet  in  neuerer  Zeit  eine  sich  immer  mehr  ausbreitende 
Yerwendung  zur  Anfertigung  von  Möbel-  und  Yorhangstoffen.  Ein  Nachteil 
des  Jutegewebes  liegt  in  der  Feuergefährlichkeit,  indem  die  augenblickliche 
Berührung  mit  einem  brennenden  Körper  genügt,  um  ein  aus  Jute  gefertigtes 
Zeug  sofort  in  Flammen  zu  setzen.  Durch  ein  Imprägnieren  mit  einem  Flammen- 
schutzmittel ist  daher  diesem  Uebelstand  abzuhelfen. 

Jüterbog,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Potsdam:  Bedeutende  Spinnerei 
und  Tuchfabrikation,  Färberei;  ansehnliche  Flachsmärkte. 


278  Kabes— Kaipak. 


K. 

Kabes,  Provinz  in  Arabien,  von  der  im  11.  Jahrh.  das  blübende  Ge- 
deihen der  Seidenzucht  geschildert  wird,  und  selbst  Italien  soll  gleichzeitig 
dieselbe  durch  Vermittlung  von  K.  erhalten  haben.  Ebenso  wurde  von  den 
Arabern  aus  dieser  Provinz  die  Seide  nach  Sizilien  übertragen. 

Kabristan,  Ort  der  Teppicherzeugung  in  Schirwan  im  Kaukasus. 

Kaffiehs,  Kopfbedeckung  aus  Kleinasien. 

Kaftan  (türk.),  schlafrockähnliches  baumwollenes  oder  seidenes,  häufig 
mit  kostbarem  Pelzwerk  gefüttertes  Kleidungsstück  der  orientalischen  Völker. 

Kairuan,    Stadt  in  der  marokk.  Regentschaft  Tunis:    Teppicherzeugung. 

Kaiserslautern,  Stadt  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Pfalz :  Die  bedeutende  Industrie 
erstreckt  sich  auf  Kammgarnspinnerei  (Aktiengesellschaft  mit  61  000  Fein-  und 
14000  Zwirnspindeln  und  1500  Arbeitern);  Baumwollspinnerei  (Lampertsmühle 
mit  1650  Arbeitern).  Im  Jahre  1858  wurde  hier  eine  grosse  Seidenweberei 
gegründet,  welche  Atlasse  und  geblümte  Zeuge  anfertigte. 

Kakamusch,  im  Oesterreichischen  ein  veralteter,  aus  gewöhnlicher,  zwei- 
schüssiger  Wolle  gewebter  Plüsch. 

Kakeda,    eine    aus  Japan   in    den  Handel  kommende  Sorte  feiner  Seide. 

Kakemono,  japanische  Malerei  auf  Papier  oder  Grewebe,  die  zum  An- 
hängen und  Aufrollen  bestimmt,  also  für  Fenstervorhänge,  Türverschlüsse  usw. 
verwendbar  sind.  Die  Bezeichnung  bezieht  sich  nur  auf  das  Format,  das  be- 
deutend höher  als  breit  ist. 

Kalabrien  (Landschaft  am  Fusse  Italiens)  ist  schon  im  11.  Jahrh.  im 
Besitz  des  Seidenbaues,  welcher  dahin  durch  Morgenländer  eingeführt  worden  war. 

Kalander,  Glander,  eine  Appreturmaschine,  mittels  deren  Gewebe  grössere 
Dichte,  Glätte  und  Glanz  erhalten. 

Kalasiris  ist  ein  altägyptisches  Gewand. 

Kalemkar  ist  ein  persisches  bedrucktes  Kattunzeug. 

Kaliko  oder  Calicot  (benannt  nach  der  ostindischen  Hafenstadt  Calicut, 
woher  der  Stoff  zuerst  nach  Europa  gelangte),  die  feinen  engl.  Druckkattune 
oder  sog.  Druckperkaie,  welche  aus  glatten,  d.  h.  leinwandbindig  gewebten 
Baumwollstoffen  dichterer  Art  bestehen  und  zu  Büchereinbänden  benützt  werden. 

Kaiisch,  Stadt  in  E-ussland:  Tuch-,  Band-  und  Lederfabriken. 

Kalkirleinwand ,  Pauseleinwand,  besteht  aus  einem  sehr  dünnfädigen 
und  lockeren  Baumwollgewebe,  welches  mit  Stärkekleister,  dem  etwas  Gummi 
zugesetzt  ist,  imprägniert  und  dann  zwischen  glatten  V^alzen  gepresst  wird. 

Kalkutta,  durch  das  engl.  Calcutta  entstandener  unrichtiger  Name  der 
Hauptstadt  Kalkatta  des  Britisch-Ostindischen  Peichs.  Wichtige  Ausfuhrwaren 
sind :  Jute  bis  zu  '^j^  IVIill.  t  und  Jutesäcke,  rohe  Baumwolle.  In  der  Einfuhr 
stehen:  Baumwollwaren,  Garne,  "WoUwaren,  Kleider  usw.  in  erster  Peihe.  — 
Ein  bedeutender  Industriezweig  ist  die  Jutespinnerei. 

Kalmank,  Kalamank,  Calmang  (franz. :  calmande,  satin  turc),  der  alte 
Name  für  die  in  neuerer  Zeit  vorkommenden  Lastings  (s.  d.). 

Kalmuk,  Bezeichnung  von  locker  aus  Streichgarn  in  Köperbindung  ge- 
webten AVollstoffen,  welche  dicht  gewalkt,  stark  gerauht  sind  und  langhaarig 
aussehen.  Die  K.  werden  vorzugsweise  zu  Winterkleidern  verwendet  und  ge- 
hören in  eine  Kategorie  mit  den  sog.  Biberstoffen ;  geringere  K.-sorten  werden 
aus  starkem  Baumwollgarn  gewebt,  aber  genau  so  appretiert,  wie  die  wollenen. 
Bei  allen  K.-sorten  ist  die  Länge  und  Feinheit  der  Haare  an  den  Geweben 
für  die  Qualität  derselben  entscheidend. 

Kalmükenteppiche  werden  jene  gewirkten  Teppiche  genannt,  welche  von 
den  unter  russischer  Herrschaft  in  Ostturkestan  und  im  russischen  Zentrafasien 
wohnenden  Kalmüken  erzeugt  worden  sind. 

Kalotaszeg,  Landstrich  in  Siebenbürgen,  dessen  Bewohner  sich  durch 
malerische  Tracht  und  kunstvolle  Stickereiarbeiten  auszeichnen.  Hauptort  ist 
Bänffy-Hunyad. 

Kaipak,  die  im  Orient  und  von  den  Ungarn  getragene  Pelzmütze. 


Kambrik — Kammgarnspinnerei.  279 

Kambrik  s.  Cambrik. 

Kamelgarn,  Kämelgarn  (franz. :  laine  filee  de  Chevron  oder  fil  de  Turque, 
Caramanie ;  engl. :  Mobairgarn ;  ital. :  filo  d'Angora  oder  filo  di  Capra) ;  die 
gesponnenen  Haare  des  Kamels,  der  Angoraziege  und  anderer  asiatischer 
Ziegenarten,    welche    zu   verschiedenartigen  Textilzwecken  Verwendung  finden. 

Kamelhaar,  das  lange,  wollige  Haar  vom  Rücken,  Hals  und  Bauch  des 
gemeinen  (einhöckerigen)  und  des  zweihöckerigen  Kamels.  Es  ist  je  nach  dem 
Alter  des  Tieres  von  verschiedener  Feinheit,  von  gelbgrauer  bis  braungrauer 
Färbung  und  wird  nach  der  Feinheit  sortiert  und  versponnen.  Das  Gewebe 
aus  dem  feinen,  echten  K.-garn  liefert  den  echten  Kamlottstoff,  der  sich  durch 
grosse  Leichtigkeit  und  Weichheit  auszeichnet ;  grobes  K.-garn  wird  zu  groben 
Decken,  zu  Stricken  usw.  verarbeitet. 

Kamelhaarteppiche  werden  ausser  in  Heris  (s.  d.)  noch  von  verschiedenen 
AVanderstämmen  türkischer  Herkunft  verfertigt,  welche  sich  bis  in  die  Provinz 
Zendjan  und  Hamadan  südlich  von  Azerbeidschan  verbreiten;  sie  heissen,  nicht 
sehr  langhaarig,  in  gewöhnlichster  Art  Chersek. 

Kamelott,  Camelot  (franz.),  (lat.:  camoca,  camocatus;  [im  16.  Jahrh.] : 
engl. :  camlet  =  Stoff  aus  Wolle  und  Seide)  ist  der  Name  für  verschieden 
gewebte  Stoffe  aus  Kamel-  und  Angoraziegenhaar.  Der  eigentliche  K.  ist  ur- 
sprünglich Leinwandbindung  aus  Angoragarn,  dann  aber  auch  aus  gewöhnlichem 
Kammgarn  gewebt,  hat  in  der  Kette  gezwirnte,  im  Einschlag  einfache  Fäden. 
Unter  dem  Namen  Seiden-K.  kommt  ein  leichter  Gros  de  Naples  vor,  bei 
welchem  in  der  Kette  je  zwei  Fäden  von  verschiedener  Farbe  und  mit  schwacher 
Drehung  zusammengezwirnt  sind,  während  der  Einschuss  von  einer  dritten 
Farbe  ist.  Der  halbseidene  K.  unterscheidet  sich  hiervon  dadurch,  dass  der 
Einschuss  statt  aus  Seide,  aus  gezwirntem  Baumwollgarn  besteht. 

Kamenz,  Stadt  im  Königreich  Sachsen:  ein  bedeutender  Industriezweig 
ist  Tuchfabrikation ;  Dampffärberei. 

Kamisol  (franz.  vom  mittellat.  camisia,  Hemd),  ein  über  dem  Hemd  ge- 
tragenes Wams,  Unterjacke. 

Kamka,    im  Mittelalter    ein   persisches  oder  griechisches  Damastgewebe. 

Kamm,  in  der  Weberei  das  Kietblatt. 

Kammertuch,  Cambrick  oder  Cambric,  eine  niederländische  Leinwand, 
die  ursprünglich  aus  Camerich  (Cambrai  Cameracum)  in  den  Handel  kam; 
gegenwärtig  heisst  K.  ein  feiner  Hemdenkattun  und  auch  ein  starkes,  leinwand- 
artiges Gewebe  aus  Baumwolle,  das  unter  dem  Namen  Baumwolltaffet  zu  Eegen- 
schirmen  verwendet  wird. 

Kammgarn  ist  ein  Wollgarn,  bei  dessen  Herstellung  man  durch  Kämmen 
■die  kurzen  Haare  ausscheidet  und  durch  wiederholte  Streckprozesse  eine  ge- 
streckte Lage  der  Haare  und  eine  glatte  Oberfläche  des  Fadens  herbeiführt 
Tind  das  zu  glatten  Stoffen  (Merino,  Tibet,  Kamlott^  Wollmusselin,  Cheviot 
X18W.)  verwendet  wird.  Das  Streichgarn  dagegen  ist  aus  den  kurzen  und  feinen, 
dabei  stark  gekräuselten,  durch  Kratzen  oder  Streichen  unter  Vermeidung  des 
Streckens  und  Doublierens  vorbereiteten  Wollhaaren  gesponnen  und  wird  zu 
"tuchartigen  Stoffen  verwendet. 

Kammgarnspinnerei.  Zum  Zwecke  des  Yerspinnens  muss  die  Kamm- 
^volle  gleich  der  Streichwolle  zunächst  sortiert,  dann  z.  T.  durch  Klopfen  oder 
im  Wolfe  aufgelockert  und  gereinigt,  jedenfalls  aber  immer  der  Wäsche  mit 
Seife  oder  dergleichen  unterworfen  werden,  um  den  Schweiss  zu  entfernen. 
Das  Wolfen  kann  bei  guten,  reinen  Wollen,  namentlich  bei  den  besseren  Losen 
deutscher  E,ückenwäsche,  unterbleiben.  Gefärbt  pflegt  K.  nicht  zu  werden, 
ausgenommen  in  dem  Falle,  dass  man  meliertes  Garn  erzeugen  will,  wozu  die 
Wermengung  verschiedenfarbiger  Wollen  vor  und  bei  dem  Kämmen  stattfinden 
muss.  Hierbei  kann  man  entweder  die  lose  Wolle  oder  den  Kammzug  in 
Bobinenform  färben.  Im  übrigen  färbt  man  wieder  entweder  die  Garne  oder 
die  aus  denselben  verfertigten  Waren.  Das  Einfetten  vor  dem  Kämmen  ist 
namentlich  für  die  groben,  langen  Kammwollen  allgemein  gebräuchlich.  Die 
eingefettete  Wolle    spinnt    sich  nicht  ganz  so  leicht,    als  gefettete.     Es  ist  gut, 


280  Kammgarnstoff — Xanevasstickerei. 

wenn  die  "Wolle  in  einem  etwas  feuchten  Raum  aufbewahrt  wird,  wodurch  sie 
sich  besser  auf  den  Maschinen  bearbeiten  lässt;  die  Feuchtigkeit  macht  sie 
geschmeidiger  und  ersetzt  so  einigermassen  das  Fett. 

Kammgarnstoff,  ein  aus  Kammgarn  hergestelltes  Grewebe,  das  im  Gregen- 
satz  zu  den  tuchartigen  Stoffen  die  Fadenbindung  klar  zum  Ausdruck  bringt 
und  meist  aus  wertvollerem  Fasermaterial  erzeugt  wird. 

Kämmlinge  (franz. :  dechet,  engl. :  noils).  Bezeichnung  der  kurzen  Woll- 
fasern, welche  bei  der  Gewinnung  des  Kammgarns  übrig  bleiben  und  zu  Streich- 
garn Verwendung  finden. 

Kammwolle,  die  zu  Kammgarn  verwendete  Schafwolle;  weiterhin  jedes. 
Gespinstmaterial,  welches  zur  Herstellung  von  Kammgarn  geeignet  ist.  Be- 
dingung hierzu  ist,  dass  es  lang  und  schlicht,  d.  h.  möglichst  wenig  ge- 
kräuselt ist. 

Kammzug,  Handelsbezeichnung  für  gekämmte  Wolle,  welche  in  eigenen 
Kämmereien  hergestellt  wird  und  als  Halbfabrikat  in  Form  von  lockeren  Bän- 
dern mit  parallel  liegenden  Fäden  an  die  Kammgarnspinnereien  abgegeben  wird 
und  heute  einen  sehr  bedeutenden  Handelsartikel  bildet;  es  erzeugen  Frank- 
reich 60,  Belgien  2,  England  50,  Deutschland  25  Mill.  kg. 

Kanfu,  Ort  am  Ostgestade  des  chinesischen  Meeres,  in  welchem  die 
Araber  im  Mittelalter  einen  Handelsverkehr  mit  Seide  zustande  brachten,  der 
bedeutend  war.  Hier  wurde  795  ein  neuer  Stapelplatz  für  überseeischen 
Seidenverkehr  gegründet;  878  fällt  er  aber  der  Rachsucht  chinesischer  Rebellen, 
zum  Opfer. 

Kanevas  oder  Canevas  (franz.),  (engl. :  canvass,  lat. :  canevacium),  weit- 
maschiges, offenes  Gewebe  aus  Leinen,  Halbleinen  oder  auch  nur  aus  reiner 
Baumwolle;  erstere  dienen  zur  Anfertigung  von  Leibwäsche,  letztere,  welche 
gewöhnlich  sehr  stark  appretiert  und  geglänzt  sind,  als  Futterstoffe.  Locker 
(gitterartig)  gewebte  Stoffe  dieser  Art  dienen  zur  Anfertigung  von  Fliegen- 
gittern, ähnlich  gearbeitete,  aber  mit  dickeren  Fäden,  werden  unter  der  Be- 
zeichnung Stramin  als  Grundstoff  für  Wollstickerei  verwendet. 

Kanevasstickerei  ist  seit  dem  romanischen  Zeitalter  nachweisbar  für 
kirchliche  Ausstattungen ;  sie  wird  allgemeiner  im  16.  Jahrb.,  als  das  Kissen  und 
die  Möbelbezüge  aus  Leder  abgelöst  werden  durch  gewebte  und  gestickte  Stoffe ; 
auch  Decken  und  Vorhänge  entstehen  in  gleicher  Technik.  Die  am  meisten 
dafür  in  Anwendung  kommende  Stichart  ist  der  Kreuzstich,  dessen  Art 
und  Weise  am  ehesten  dafür  geboten  erscheint,  sobald  man  sich  darin  inner- 
halb der  stilgemässen  Flächenmusterung  bewegt,  da  der  offene,  quadratisch  ab- 
geteilte Grund  das  Abzählen  der  Fäden  für  das  dem  einzelnen  Stich  zustehende 
Viereck  ohne  Weiteres  ermöglicht.  Auch  der  halbe  Kreuzstich  —  sogenannter 
petit-point-Stich  —  findet  schon  im  13.  Jahrhundert  auf  feiner  geteiltem 
Grundstoffe  Aufnahme.  —  Die  Musterung  in  der  K.  bewegt  sich  zunächst  in 
geometrischen  Figuren ;  erst  im  Anfange  des  16.  Jahrhunderts,  als  noch  spät- 
gotische Formen  das  Gebiet  der  Kunststickerei  beherrschen,  werden  Tisch- 
decken in  freierer  Linienführung  gemustert :  Blütenranken,  Tiere  und  figürliche 
Darstellungen  in  strenger  Stilisierung  sind  in  farbiger  Wolle,  auch  mit  etwas 
Seide,  in  breiten  Flächen  auf  ausgefülltem  Grunde  ausgeführt,  wobei  der 
Flechtenstich  abwechselnd  auftritt.  (Abb.  144.)  Wie  die  Leinendecken  mit. 
ähnlichen  Mustern  zu  gleicher  Zeit  besonders  in  der  Schweiz  gebräuchlich 
waren ,  so  sind  auch  diese  Kanevasstickereien  gleicher  Herkunft.  Gute  vor- 
bildliche Straminarbeiten,  wie  man  die  K.  noch  zu  bezeichnen  pflegt,  werden 
zur  Zeit  der  Spätrenaissance  bis  zum  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  im  Süd- 
deutschen in  farbiger  Wolle,  auf  weissem  oder  rot  ausgefülltem  Grunde  her- 
gestellt, deren  Muster  im  Stile  der  Zeit  aus  Band-  und  gerolltem  Blattwerk 
bestehen.  (Abb.  145  u.  146.)  Einen  besonderen  Reiz  erhalten  derartige  Ar- 
beiten, wenn  diese  Musterung  zwischen  verschieden  gefüllten  Grundflächen  in 
Seide  und  mit  Anwendung  von  Goldfäden  ausgeführt  ist.  (Abb.  147.)  Im 
Bereiche  der  Technik  und  des  gegebenen  Materials  liegen  auch  noch  die  etwas- 
später vorkommenden  sogenannten  geflammten  Muster   aus    bunten,    ineinander 


Kanevasstickerei. 


281 


Abb.  144. 


Abb;  145. 


Abb.  146. 


282 


Kanevasstickerei. 


Abb  147, 


greifenden  Palmettenformen  (Abb.  148)  und  Streifen; 
bald  aber  geht  man  im  18.  Jahrb.  davon  aus,  die 
Kanevas  Stickerei  für  plastisch  hervortretende  Muster 
(Abb.  149)  anzuwenden,  was  sich  von  bunt  schattierten 
grossen  Blumen  und  Erüchten  bis  zu  landschaftlichen 
und  figürlichen  Darstellungen,  im  Stile  der  gewirkten 
Wandteppiche  steigert,  so  dass  Arbeiten  entstehen, 
welche    im    19.    Jahrh.    als   Handfertigkeiten    des    Un- 

Abb.  148. 


geschmackes  bezeichnet  werden  müssen,  die  auf  dem 
weiten  Gebiete  der  Flächenmusterung  innerhalb  häus- 
licher Kunstpflege  viel  Unheil  angerichtet  haben.  Seit 
dem  Ende  des  18.  Jahrhunderts  wurden  auch  Grlas- 
perlen  für  die  Kanevasstickerei  verwendet. 

Abb.  149. 


Abbildungen: 

144.  Darstellung  nach  einer  Photographie  im  Kunst- 
handel: Tischdecke,  Stickerei  auf  Segeltuch  (Kanevas)  in 
farbiger  Wolle  im  Kreuz-  und  Flechtenstich :  In  Mitte  Rund- 
bild  in  Umrahmung  von  stilisiertem  Rankenwerk  mit  iSpät- 
gotischen  Blüten ;  d«,zwischen  springende  Tiere.  Am  Rande 
Darstellung   der  zwölf  Monate.     Schweiz  16.  Jahrh. 

145.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landes- 
gewerbemuseum in  Stuttgart :  Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  Wolle  im  Kreuzstich 
in  Bunt  auf  weissgefülltem  Grunde:  Reihenweis  versetztes  Muster  aus  gerolltem 
Blattwerk,    das  ineinander  verbunden  ist.     Süddeutschland  um  1700. 


Kante— Kardieren.  283 


146.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  "Wolle  im 
Kreuzstich  in  Bunt  auf  weissgefülltem  Grunde :  Muster  aus  volutenartig  geschwungenen 
Bändern  mit  Blattwerk,  welche  dui'ch  Knäufe  verbunden  sind  und  herzförmige  Felder 
bilden.     Süddeutschland  um  1700. 

147.  Darstellung  aus :  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896.  Blatt  77  :  Aufsteigende 
Borte,  Stickerei  auf  Kanevas  in  violetter  Seide  und  Gold  im  Kreuz-  und  petit-point- 
Stich:  Pilasterartiger  Aufbau  aus  gerolltem  Blattwerk,  das  durch  Knäufe  verbunden 
und  in  den  Grundflächen  verschiedenartig  gemustert  ist.  Süddeutschland  Anfang 
18.  Jahrh. 

148.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  Wolle  im  Kreuzstich-  Ineinandergreifende  Blüten- 
palmetten ,  deren  innere  Flächen  flammig  schattiert  sind.  Süddeutschland  Anfang 
18.  Jahrh. 

149.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Stickerei  auf  Kanevas  in  farbiger  Wolle  im 
Kreuzstich:  Darstellung  einer  Borte  aus  hängenden  Quasten.  Süddeutschland  Anfang 
18.  Jahrh. 

Kante,  Rand,  Saum,  Besatz  eines  Kleidungsstückes,  im  Niederdeutschen 
namentlich  für  gehäkelte,  geklöppelte  u.  dergl.  Besätze  gebräuchlich  und  daher 
auf  Spitzen  im  allgemeinen  übertragen ;  auch  im  Holländischen  und  Ylämischen 
heisst  die  Spitze  Kant.    In  der  Weberei  auch  so  viel  wie  Leiste  =  Webekante. 

Kanter  s.  v.  w.  Spulengestell. 

Kantille   s.  Bouillon. 

Kanton  (Canton),  Hauptstadt  der  chinesischen  Südprovinz  Kwang-tung, 
ist  im  4.  Jahrh.  das  Ziel  persischer  Seefahrer  für  überseeischen  Seidenverkehr, 
der  bis  zum  Jahre  795  dauert.  K.  ist  heute  Hauptsitz  der  chinesischen  Seiden- 
w^eberei  und  -Stickerei,  Baumwollweberei,  -färberei  und  ihrer  Nebengewerbe. 

Kan-tschen,  Ort  im  Westen  Chinas,  der  im  Mittelalter  durch  Seiden- 
handel sehr  bedeutend  ist. 

Kapelle  s.  Capelle. 

Kappenleinwand,  eine  leicht  gewebte  dünne  flächsene  Leinwand,  in 
welche  die  Tuchhändler  ihre  Ware  einschlagen  (Wandkappen),  um  sie  vor 
Staub  zu  schützen. 

Kappnaht  s.  Uebernaht. 

Kapuze  (mittellat. :  caputium)^  eine  am  Mantel  oder  Schulterkragen  be- 
festigte Haube,  gab  dem  Orden  der  Kapuziner  den  Namen. 

Karadagh,  Distrikt  der  persischen  Provinz  Azerbeidschan,  deren  Haupt- 
stadt Täbris  (das  alte  Tauris)  ist :  Erzeugung  von  Knüpf-  und  Wirkteppichen 
gleichen  Namens.  Ihre  Wolle  ist  unrein,  vielfach  mit  Kamel-  und  Ziegen- 
haar, sowie  anderen  Fasern  vermischt.  In  den  Farben  ist  rosa  charakteristisch, 
die  Grrundfarbe  ist  die  des  Kamelhaares  (s.  Teppiche). 

Karamani,  eine  Art  Kilimteppich,  der  in  Karaman  (Stadt  in  der  Türkei) 
erzeugt  wdrd. 

Karankas  ist  ein  schwerer  und  weicher  Seidenstoff'  aus  Ostindien,  mit 
broschierten,  goldenen,  silbernen  und  bunten  Blumen  auf  Atlasgrund ;  derzeit 
wird  er  nur  in  der  Levante  und  Amerika  abgesetzt. 

Karbonisierverfahren  wird  angewandt,  um  mit  Hilfe  von  Säuren  wieder- 
gewonnene Fasern  des  Seidenshoddy,  sowie  der  Kunstwolle  zu  erhalten,  d.  h. 
auch  entkletten  von  den  pflanzlichen  Bestandteilen.  Es  wird  also  bei  Seiden- 
shoddy alles ,  was  nicht  Seide  ist,  deshydratiert,  d.  h.  in  Kohle  verwandelt 
und  dadurch  spröde  gemacht,  um  dann  leicht  zerrieben  und  entfernt  werden 
zu  können. 

Kardendistel,  Karden,  Weberdisteln,  sind  die  stachligen  Blütenköpfe 
eines  skabiosenartigen  Gewächses  (Dipsacus  fullonum),  welches  im  südlichen 
Europa  einheimisch  ist.  Karden  sind  von  der  Grösse  und  Gestalt  eines  Hühner- 
eies und  mit  harten,  in  gekrümmte  Borsten  übergehenden  Spreublättchen  besetzt 
und  kommen  getrocknet  im  Handel  vor.  Die  Tuchbereiter  gebrauchen  die 
Karden  zum  Bauhen  oder  Auflockern  des  gewalkten  Tuches. 

Kardieren,  von  Karde  (Kardendistel),  eine  dem  Wollkrempeln  ähnliche 
Einrichtung ;  sie  bewirkt  ein  w^eiteres  Auflockern  und  Parallellegen  der  Fasern. 


284  Kardinaltuch — Kaschmir. 


Kardinaltuch,  ein  für  die  höhere  katholische  Geistlichkeit  in  Aachen 
(s.  d.)  hergestelltes  rotes  Tuch. 

Kardusgarn  nennt  man  in  einigen    Gregenden    einen    starken   Hanfzwirn. 

Kareien,  kämm  wollenen  Zeugen  dadurch  eine  glatte  Oberfläche  geben, 
dass  man  die  Haare  absengt. 

Karkassendraht,  Haubendraht,  ein  mit  ungezwirnter  Seide  besponuener 
und  ganz  bedeckter  schwacher  Draht.  Durch  das  Bespinnen  mit  weisser  Seide 
eignet  er  sich  zum  G-ebrauch  für  weiblichen  Kopfputz ;  man  fertigt  daraus 
die  sogenannten  eigentlichen  Karkassen,  welche  als  Unterlage  der  Hauben  ge- 
braucht werden. 

Karrel  Op  Karrel,  Karreldoek,  Klaverdoek  Karltuch,  ist  die  zweite  Haupt- 
gattung der  holländischen  Segelleinwand. 

Karrierte  Stoffe  sind  verschiedenartige  G-ewebe  mit  gewürfelten  Mustern. 

Kars,  Stadt  in  Kaukasien:  Weberei  grober  wollener  Zeuge,  Herstellung 
von  Teppichen  und  Filzen. 

Karschi,  das  alte  Nachscheb,  Stadt  in  Zentralasien:  Fabrikation  von 
Wollwaren  und  Teppichen;  Handel  mit  Seidenstoffen. 

Karte,  an  der  Jacquardmaschine  ein  an  gewissen  Stellen  durchlöcherter 
Streifen  Pappe,  welcher  das  regelmässig  abwechselnde  Heben  der  Kettfäden 
bewirkt. 

Kartecken,  der,  im  Mittelalter  ein  tuchartiger  Stoff. 

Kas,  eine  wild  wachsende  Baumwollsorte  in  Nubien. 

Kasak  —  im  engeren  Sinne  Karabak  —  heissen  kaukasische  Knüpf- 
teppiche, —  sie  haben  im  Grunde  gewöhnlich  mehrere  grössere  Felder,  bei 
denen  sich  als  Muster  eine  Figur  wiederholt,  die  zwei  mit  dem  Bücken  an- 
einandergestellten  runden  Doppelhaken  am  meisten  ähnlich  sieht. 

Kaschan,  Stadt  in  der  pers.  Prov.  Irak-Adschemi:  Erzeugung  seidener 
Knüpfteppiche  mit  baumwollenem  Einschlag. 

Kaschgar,  Stadt  in  China :  Bedeutende  Fabrikation  von  Gold-  und  Silber- 
stoffen ;  Leinen,  Baumwolle,  Teppiche  und  Seidenzeuge. 

Kaschkai,  Provinz  in  Persien:  Erzeugung  von  Knüpfteppichen,  die  im 
Handel  Kirmanschah  oder  Schiraz ,  wohl  auch  Mekka  genannt  werden.  Sie 
kommen  in  verschiedenen  Qualitäten  und  Mustern  vor  und  sind  stets  ganz  in 
Wolle  gearbeitet.  Ausser  der  Charakteristik  des  einheitlichen  Webstoffes  und 
der  phantastischen  Zeichnung  ist  der  seidenartige  Glanz  bemerkenswert;  auch 
wird  ihre  echt  persische  Färbung  gerühmt.  Die  verschiedenen  Namen  dieser 
Art  von  Teppichen  sind,  wie  das  vielfach  der  Fall  ist,  dem  internationalen 
Handel  zuzuschreiben:  sie  kommen  von  den  Oertlichkeiten,  über  welche  sie 
in  das  Ausland  gehen,  sind  also  nur  Handelsbezeichnung.  Bei  den  Kaschkai- 
teppichen  ist  dies  um  so  erklärlicher,  als  das  Produktionsgebiet  ein  sehr  aus- 
gedehntes ist.  Hinsichtlich  der  Bezeichnungen  des  K.-Teppichs  ist  zu  er- 
wähnen, dass  die  Händler,  schon  nach  dem  Format  derselben,  diejenigen,  weiche 
länger  und  schmäler  sind,  als  Kirmanschah,  wenn  kürzer  und  breiter,  als  Schiraz 
bezeichnen.  Bis  zum  Jahre  1850  hat  man  in  Schiraz  tatsächlich  die  schönsten 
persischen  Teppiche  geknüpft ;  sie  wurden  schon  zur  Benaissancezeit  für  die 
Person  des  Herrschers  oder  als  Geschenke  für  Würdenträger  gefertigt.  Noch 
heute  gilt  in  Persien  der  K. -Teppich  als  eines  der  schönsten  Erzeugnisse 
dortiger  Teppichindustrie.  Als  typische  Musterung  der  K.-Teppiche  ist  zu- 
nächst das  Ascbkali-Muster  zu  nennen.  Es  besteht  aus  primitiv  aufgefassten 
Pflanzen-  und  Tierbildern  neben  geometrischen  Elementen  und  streng  stilisierten 
Ranken.  Die  Einzelbilder  sind  vor  allem  die  Cypresse  (Selw),  welche  zwischen 
Bauten  und  Zacken  steht;  Bilder  aus  dem  Tierreich,  welche  dazwischen  vor- 
kommen, ist  das  Kamel  (Schutur),  der  Vogel  (Murgh),  der  Hund  (Tazi)''und 
das  Pferd  (Esp.).  Das  Bortenmuster  des  Kaschkai-Teppichs  besteht  aus  Acht- 
ecken, welche  mit  Haken  gerändert  sind.  Ein  zweites  Muster  dieser  Gattung 
von  persischen  Knüpfteppichen  ist  das  sogen.  Palmwipfelmuster.  (\^gl.  Tafel 
Teppiche.) 

Kaschmir,  Staat  in  Ostindien  unter  Britischer  Oberhoheit :  Die  Industrie 


Kaschmiratlas — Kaukasische  Teppiche.  285 

ist  namentlich  berühmt  durch  die  Verfertigung  der  vorzüglichen  Kaschmir- 
shawls  (s.  d.).  Die  Teppicherzeugung  ist  heruntergekommen  durch  eingeführte 
europäische  Shawlmuster. 

Kaschmiratlas  ist  ein  geschmeidiges  und  glänzendes  Wollengewebe  als 
Kleiderstoff:  Kette  und  Schuss  aus  Kammwolle,  wovon  der  Schuss  feiner  und 
schwächer  gedreht  und  auf  der  Rechtseite  flott  liegt. 

Kaschmiret,  ein  tuchartiger  geköperter  Stoff,  der  in  der  Kette  aus  Florett- 
seide, im  Einschlag  aus  Streichwolle  besteht. 

Kaschmirmusselin,  Wollenmusselin  (franz. :  mousseline  de  laine),  ist  aus 
feinem  und  schwach  gedrehtem  Kettengarn,  wird  locker  gewebt  und  ist 
daher  weich. 

Kaschmirshawls  (franz.  cachemire,  engl,  cashmere),  werden  teils  aus  den 
Haaren  der  feinhaarigen  Kashmirziegen,  teils  aus  dem  Unterhaar  der  wilden 
Ziegen  Tibets  gewebt  und  farbig  gestickt ;  der  Hauptmarkt  dafür  ist  Amritsar 
(s.  d.),  von  wo  aus  auch  unechte  in  Mengen  in  den  Handel  kommen.  Die 
Kaschmirwolle  wird  auch  zu  indischen  Shawls  verarbeitet.  Kashmiratlas 
ist  Wollenatlas,  Kashmirmusseline  =  Mousseline  de  laine  oder  Wollen- 
musselin.    (S.  Shawls.) 

Kaschmirwolle  (persische  oder  tibetanische  Ziegenwolle),  ist  das  feine, 
wollige  Flaumenhaar  der  Ziegen  von  Kaschmir  und  Kaschmara ;  sie  kommt  in 
weisser,  grauer  und  bräunlicher  Farbe  in  den  Handel  und  ihr  Name  dient  auch 
als  Stoffbezeichnung. 

Kasemir,  Kasimir,  veraltete  Bezeichnung  für  feine  Schafwollgewebe  von 
tuchartiger  Beschaffenheit,  welche  geköpert  und  nicht  gerauht  sind,  so  dass 
der  Köper  sichtbar  bleibt.  Besteht  die  Kette  aus  Kammgarn  und  der  Ein- 
schlag aus  Streichgarn,  so  ist  das  Grewebe  einfacher  K. ;  die  Doppel-  oder  ge- 
strichenen K.  sind  ganz  aus  Streichwolle  gewebt  und  wie  Tuch  gewalkt.  Man 
variiert  gegenwärtig  die  K.  durch  Einmischen  von  Baumwolle  und  Leinen  und 
gibt  diesen  Geweben  sehr  verschiedene  Bezeichnungen:  z.  B.  Circassienne, 
Cassinet  usw.     Sie  dienen  hauptsächlich  zur  Anfertigung  von  Sommerkleidern. 

Kassel,  Hauptort  der  preuss.  Prov.  Hessen-Nassau,  Jutespinnerei  und 
-Weberei. 

Kassinet  s.  Cassinet. 

Kastor  s.  Castortuch. 

Kaswin  (Kazwi.n),  Stadt  in  Persien:  Brokat-,  Sammet-  und  Baumwoll- 
webereien. 

Katscher,  Stadt  im  preuss.  E,eg. -Bezirk  Oppeln :  WoU-,  Leinen-  und 
Plüschweberei. 

Kattun  (aus  dem  italienischen  cotone,  das  vom  arabischen  Koton,  d.  i. 
Baumwolle,  abstammt),  leinwandbindig,  aus  ungefärbtem  Baumwollgarn  gewebt, 
welcher  hauptsächlich  für  den  Druck  bestimmt  ist,  zum  geringeren  Teile  weiss, 
als  Shirting,  Nessel  und  Futterleinw^and  oder  auch  einfarbig  als  Futterkattun 
in  den  Handel  kommt.  Auch  andere  glatte,  etwas  steif  und  glänzend  appre- 
tierte Baumwollzeuge,  wie  Kittay,  Nanking,  Perkai,  nennt  man  bisweilen  K. 
K.  im  engeren  Sinne  heissen  in  Frankreich  Indienne,  im  englischen  Kaliko. 
Durch  ein  besonderes  Appreturverfahren,  das  Graufrieren,  erhält  man  die 
moirierten,  geköperten  und  klein  gemusterten  Futter-  und  Möbelkattune,  sowie 
die  mit  verschiedenen  Mustern  versehenen,  stark  appretierten  Buchbinderkattune. 
Feine  K.  mit  fünf-  oder  mehrfarbigen  Mustern  auf  weissem  oder  hellfarbigem 
Grrund  wurden  früher  Zitze  genannt.  Die  Kattunfabrikation  ist  einer  der 
wichtigsten  Industriezweige  in  England,  Deutschland,  Frankreich  und  der 
Schweiz. 

Katze,  in  der  Weberei  der  Fadenführer  am  Scherrahmen. 

Kaufbeuren,  Stadt  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Schwaben:  Baumwollspinnerei 
und  Weberei  (800  Arbeiter). 

Kaukasische  Teppiche  werden  allgemein  im  Handel  Daghestan  genannt 
(s.  d.),  trotzdem  auch  ausserhalb  dieser  Provinz  in  den  verschiedensten  Gregen- 
den des  Kaukasus  Teppiche  erzeugt  werden,  welche  alle  ihre  eigene  Benennung 


286  Kautschukgewebe — Kempten. 


haben.  Es  gibt  ganz  wollene  und  halbwollene  K.  Teppiche ;  sie  sind  meist 
niedrig  geknüpft  und  durch  lebhaftes  Farbenspiel  ausgezeichnet.  Bezüglich 
der  Musterung  bieten  die  K.  ein  sehr  mannigfaltiges  Bild,  besonders  gegen- 
über den  persischen;  trotzdem  ist  man  imstande,  bestimmte  ornamentale 
Gruppen  scharf  von  einander  zu  trennen.  In  der  Regel  kommen  geometrische 
oder  doch  geometrisch  stilisierte  Pflanzenmotive  vor,  die  dann  in  der  buntesten 
AYeise  abwechseln.  Die  E>aumteilung  geschieht  anstatt  durch  fortlaufende 
Ranken  häufig  durch  vielseitige  geometrische  Felder,  in  und  zwischen  denen 
die  kleinen  Füllmotive  zerstreut  sind.  Eine  einfachere  Art  der  Baumteilung 
zerlegt  die  Innenfläche  entweder  in  ein  Netz  von  Bauten  oder  in  schmale 
Längsstreifen,  in  denen  lose  nebeneinander  gereiht  die  Einzelmotive  in  reicher 
Abwechselung  angebracht  sind.  Eine  weitere  Eigentümlichkeit  der  kaukasischen 
Teppiche  ist  die  Neigung,  Menschen-  oder  Tierfiguren  anzubringen,  und  zwar 
nicht  die  historischen  Tiere  des  persischen  Teppichs  (Löwen,  Stiere  u.  dgl.) 
sondern  einfache  Haustiere,  wie  Pferde  und  Ziegen,  natürlich  in  strenger  geo- 
metrischer Stilisierung.  Nach  der  geographischen  Lage  am  nördlichen  und 
südlichen  Abhänge  der  Hauptkette  des  Kaukasus  werden  die  K.  Teppiche  in 
jene  von  Ciskaukasien  oder  Daghestan  und  in  jene  von  Transkaukasien  ein- 
geteilt, welche  in  die  grossen  Abteilungen  der  Karabagh  und  Shirwan  zer- 
fallen. Jede  dieser  Gattungen  zerfällt  wieder  in  mehrere  Unterabteilungen, 
die  nach  den  Erzeugungsorten  benannt ,  deren  Merkmale  aber  nicht  immer 
genau  festzustellen  sind.  Zu  den  Karabagh's  gehören  die  aus  Gendsche, 
Kasak  und  Lesghi,  zu  den  Shirwans  werden  gezählt  die  aus  Baku,  Mogan, 
Tschetschen,  Karbistan.  Zu  den  Daghestans  gehören:  jene  aus  Derbent  und 
Kuba.  Die  Sumakhteppiche  (s.  d.),  auch  zu  der  kaukasischen  Hauptgruppe 
gehörig,  sind  broschierte  Gewebe ;  es  sind  dahin  auch  die  Yerne's  zu  rechnen. 
Derselben  Gattung  gehören  an  die  aus  Schede  und  Sile.    (Vgl.  Tafel  Teppiche.) 

Kautschukgewebe,  s.  Elastiks. 

Kaysersberg,  Stadt  im  Elsass :  Baumwollspinnereien  und  -Weberei. 

Kebes  sind  wollene  Bettdecken  aus  Bumelien,  welche  teils  in  Plüsch  oder 
ungeplüscht  gewebt  werden, 

Kedis,  leinwandartige,  einfache  starke  Baumwollstoffe  aus  dem  Orient, 
welche  zu  Hemden,  Unterfutter  usw.  gebraucht  werden. 

Kegelstuhl,  durch  das  Jacquardgetriebe  verdrängter  "Webstuhl  zur  Her- 
stellung von  gemusterten  Stoffen,  bei  dem  die  Kettenfäden  durch  Ziehen  mit 
der  Hand  an  den  sogen.  Kegelschnüren  gehoben  werden. 

Kelchtuch,  Kelchdecke,  Kelchpalla,  ursprünglich  nur  der  eine,  beim 
Zusammenlegen  nach  innen  kommende  Zipfel  des  Corporale,  darum  filiola 
genannt;  später  aber  (etwa  von  1400  ab)  ein  selbständiges  Leinentuch,  auch 
Schweisstuch,  das  zur  Bedeckung  des  Kelches  und  der  Patene  dient,  welches 
anfangs  nur  am  Band  fingerbreit  rot  bestickt  sein  durfte.  Nach  1560  wurde 
gestattet,  das  K.  mit  Seide  in  Farbe  des  Messgewandes  zu  überziehen.  Kelch- 
tücher der  Benaissancezeit  haben  in  ihren  verschiedenartigen  Stickereien  auf 
Leinen  und  Seide  einen  grossen  Schatz  beachtenswerter  Muster  aufzuweisen, 
welche  der  neueren  Zeit  auch  für  profane  Zwecke  viel  Anregung  gegeben 
haben.  Yor  allem  ist  die  instruktive  Einteilung  des  Mittelfeldes  mit  Ecken, 
mittleren  Zwischenteilen  auf  verschiedenartig  herumgeführten  Borten  für  kleinere 
und  grössere  Tischdecken  des  gewöhnlichen  Gebrauches  jenen  älteren  Beispielen 
nachgeahmt.  Auch  die  verschiedenartigsten  Besatzborten  in  genähten  oder  ge- 
klöppelten Spitzen  sind  daher  übernommen. 

Kelt,  ein  in  Schottland  aus  schwarzer  Wolle  gewebter  Friesstoff. 

Kemeas,  ostindische  seidene  Taffete  mit  Blumen. 

Kempen  in  Bheinland,  preuss.  Stadt  im  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  I^abri- 
kation  von  Seiden-,  Sammet-,  Woll-  und  Baumwollzeugen  (3  Webereien). 

Kempten,  Stadt  im  bayr.  Beg.-Bez.  Schwaben.  In  K.  und  der  nächsten 
Umgebung  besteht  eine  lebhafte  Industrie,  besonders  mechan.  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei  (3  Aktiengesellschaften  mit  je  45 — 52  000  Spindeln  und  1000  bis 
1200  Webstühlen),  Zwirnerei,  Bunt-  und  Leinenweberei. 


Kenari— Kettenstich.  287 


Kenari  heissen  in  Persien,  die  zwei  schmalen  langen  Laufteppiche, 
welche  sich  im  dortigen  Wohnraum  an  den  Seitenwänden  bis  zum  Eingange 
hinziehen. 

Kendal-COttons,  grobe  Wollenstoffe  zu  Matrosenjacken  und  zur  Neger- 
kleidung, die  zu  Kendale  in  Westmoreland  gemacht  werden.  Der  Name  Cottons 
scheint  eine  Yerstümmelmig  von  Coating  zu  sein. 

Kennet,  grobes  englisches  Tuch,  das  in  Wales  gemacht  wird. 

Rentings,  eine  Gattung  dünn  und  durchsichtig  gewebter  schlesischer 
Flachsleinen,  welche  früher  in  Mengen  nach  England  gingen,  jetzt  aber  durch 
die  irische  Leinwand  verdrängt  worden  sind. 

Kentucky  Jeans,  ein  halbwollener  geköperter  Stoff,  den  Cassinets  ähnlich 
aber  gröber,  der  in  England  gewebt  wird. 

Keper,  Gewebe,  s.  Köper. 

Kerman  oder  Kirman,  im  Altertum  Karmania,  Stadt  in  Persien:  man 
verfertigt  Seidenstoffe,  namentlich  Atlas,  Shawls  aus  Schafwolle  und  besonders 
aus  Ziegenhaar,  AVolldecken  und  Teppiche. 

Kermis  sind  ostindische  Schnupftücher. 

Kerntuch,  eine  der  besseren  Sorten  märkischer  oder  brandenburgischer 
Tuche,  welches  aus  guter  Kernwolle  (Sommer-  und  Winterwolle  durcheinander) 
mit  rechts  gedrehten  Kett-  und  links    gedrehten   Einschlagfäden    gewebt  wird. 

Kersey  (engl.)  oder  Kirsey,  ein  tuchartiger  Stoff  aus  grober  Wolle  zu 
Mänteln.  Da  bei  demselben  der  Wärmeschutz  die  Hauptsache  ist,  wird  er  lose 
gewebt,  stark  gerauht,  aber  nur  wenig  oder  gar  nicht  geschert.  Statt  Wolle 
wird  neuerdings  auch  anderes  Material,  besonders  Kuhhaar  benutzt.  Der  Name 
stammt  von  dem  Ort  K.  in  der  Grafschaft  Kent. 

Kersymire,  im  engl.  Handel  gedruckte  Wollenstoffe. 

Kesmärk,  Stadt  in  Ungarn:  Kunstwebereischule;  ferner  Tuchweberei, 
Leinwandweberei  und  -handel,  sowie  Flachsbau. 

Kestenholz  (franz.:  Chätenois),  Dorf  in  TJnterelsass :  Fabrikation  von 
Baumwoll-,  Woll-  und  Seidenstoffen. 

Ketsches,  leichte  Wollfilze  in  der  Krim,  zur  Verpackung  der  Wolle  und 
als  Zeltbekleidung. 

Kette  ist  das  Fadensystem,  welches  auf  dem  Webstuhl  mit  dem  Schuss 
zu  einem  Gewebe  durch  Kreuzung  verbunden  wird. 

Kettenbaum,  hölzerner  am  Webstuhl,  der  den  x\.ufzug  oder  die  Kette  für 
das  herzustellende  Gewebe  enthält. 

Kettendruck  ist  eine  Abart  des  Zeugdruckes,  bei  welchem  die  passend 
verdickten  Farben  mittels  Maschinen  auf  die  Ketten  ein-  oder  mehrfarbig  auf- 
gedruckt werden.  Die  bedruckte  Kette  wird  mit  weissem,  farbigem  oder  auch 
bedrucktem  Garn  verwebt,  wodurch  solche  Effekte  erzielt  werden,  wie  sie  durch 
normale  Buntweberei  nicht  oder  nur  schwer  zu  erreichen  sind.  Das  Verfahren 
des  K.  ist  in  Seidenstoffen  zur  Mitte  des  18.  Jahrh.  nachweisbar;  eine  aus- 
giebige Verwendung  findet  es  in  der  Anfertigung  Brüsseler  Teppiche. 

Kettengaze  s.  Gaze. 

Kettengranit  wird  öfter  als  der  Schussgranit  angewendet  und  zu  Lang- 
streifen^  wobei  eine  bedeutende  Kettendichte  vorhanden  sein  muss,  da  der  Ein- 
schlag nicht  sichtbar  werden  darf.  Benützt  man  den  K.  als  Grundbindung,  so 
entsteht  ein  quer  geripptes  Gewebe. 

Kettenknötchenstich  besteht  aus  einzeln  gearbeiteten  Kettenstichen,  die 
eine  dem  gewundenen  Knötchenstich  ähnliche  Wirkung  hervorrufen;  er  dient 
gleich  diesem  zur  Füllung  kleiner  Flächen,     (s.  Stickerei.) 

Kettenrips  hat  neben  1,  2,  3  oder  4  einfachen  Fäden  einen  2-,  3-  oder 
4fachen  Faden,  welcher  durch  seine  Stärke  mehr  als  die  einfachen  Fäden 
heraustritt  und  eine  E,ippe  in  der  Warenlänge  herstellt.  Die  Schussfäden 
haben  einerlei  Stärke. 

Kettenstich  entsteht  in  der  Stickerei  durch  Fadenschlingen,  in  welche 
hinein  die  Nadel  zum  nächsten  Stich  wieder  an  die  Ausgangsstelle  zurück- 
geführt und  so  ein  Verketten  der  Schleifen  gebildet  wird  (s.  Stickerei). 


288  Kettwi^— Kiew. 


Kettwig,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Düsseldorf:  Woll-  und  Kammgarn- 
spinnerei, ansehnliche  Tuch-  und  Zanellafabrikation,  sowie  Färberei. 

Khabb-i-bulend,  persische  Bezeichnung  für  langhaarige  Knüpfteppiche, 
wozu  die  Erzeugnisse  aus  der  Gegend  von  Schiraz  (Kaschkai),  Hamadan, 
Zendjan,  Khorassan  und  die  zentralasiatischen  gehören. 

Khabb-i-kutah  heissen  in  Persien  kurzhaarige  Ejiüpfteppiche ;  hierzu 
gehören  diejenigen  aus:  Ferahan,  Serabend,  Kurdistan,  Grherus,  Khain  und 
Biredschend;  dann  die  turkmenischen  (Tekke  und  Yomud),  sowie  die  feinsten 
Khiva-  und  afghanischen  Teppiche.  Zu  den  bestgeschorenen  gehören  die 
Kurdistan-T.  (Senne  und  Gherus),  Kirman  und  Turkmenen. 

Khain,  Distrikt  in  der  persischen  Provinz  Khorassan:  Erzeugung  von 
Teppichen  mit  grellen,  unangenehm  wirkenden,  vielfach  unechten  Farben,  welche 
der  Dauerhaftigkeit  entbehren.  Hier  werden  auch  Filzteppiche  gemacht,  die 
zu  den  feinsten  und  teuersten  Sorten  gehören. 

Khaki  (pers.,  d.  h.  staub-  oder  erdfarbig),  der  Stoff  und  die  Farbe  (ursprüng- 
lich   nur    diese)    der    in   den  Tropenländern    benutzten   graugelben   Uniformen. 

Khali  (Khalitsche),  persische  Bezeichnung  für  einen  Teppich,  welcher 
2  m  lang  und  3  m  breit  ist.  Dazu  gehören  besonders  die  Bokhara  und 
turkmenischen  T.,  sowie  alle  über  die  genannten  Grössen  hinausreichenden  T. 
Eine  Grenze  ist  dabei  durch  die  einfache  Art  der  Technik  gezogen,  so  dass 
die  meisten  persischen  Teppiche  zwar  nach  Belieben  lang,  aber  nur  mit  grosser 
Schwierigkeit  sehr  breit  gemacht  werden  können. 

Kharput,  Stadt  in  der  Türkei:  Teppicherzeugung. 

Khersek,  persische  Bezeichnung  für  zottige  und  schwere  Teppiche. 

Khi-lin  (chinesisch),  phantastische  Tierfigur,  welche  den  Leib  vom  Hirsch, 
den  Schweif  vom  Ochsen  und  ein  Hörn  hat. 

Khiwa,  Khiva,  Khanat  in  Turkestan  (Zentralasien):  Erzeugung  von 
Knüpfteppichen,  welche  sich  im  Muster  an  die  Turkmenen  anlehnen ;  sie  werden 
auch  Afghanen  genannt. 

Khorassan  oder  Chorasan,  persische  Gebirgslandschaft  im  östlichen  Iran 
mit  der  Hauptstadt  Meschhed:  Ehemals  Erzeugung  sehr  guter  alter  Teppiche 
mit  Tierfiguren  und  ein  dem  Heratimuster  verwandtem  Grunddessin ;  auch  das 
Palmwipfelmuster  (s.  d.)  ist  darin  vertreten.  Die  alten  K.-Teppiche  sind  meist 
in  Blau  und  Hellrot  gehalten;  der  moderne  Geschmack  wendet  sich  entweder 
den  hergebrachten  geometrisch-vegetabilischen  oder  grossblumigen  Mustern  zu. 

Khotan,  Stadt  in  der  chinesischen  Provinz  Thianschau-nanlu  (Ostkurdistan) 
am  Khotanfluss,  wohin  im  4.  Jahrb.,  als  K.  noch  nicht  zu  China  gehörte,  durch 
eine  chinesische  Prinzessin  die  E,aupeneier  des  Maulbeerspinners  überführt 
w^orden  sind,  deren  Ausfuhr  aus  China  bei  Todesstrafe  verboten  war.  Dieses 
Ereignis  ist  für  die  Entwicklung  der  Seidenkultur  von  Bedeutung,  weil  sich 
von  K.  aus  die  Seidenzucht  allmählich  über  Zentralasien  und  von  hier  nach 
Europa  verbreitete.  Es  wird  angenommen,  dass  die  beiden  Perser,  angeblich 
Mönche  vom  Orden  des  heil.  Basileus,  für  Kaiser  Justinian  (s.  Byzanz)  im 
Jahre  552  die  E-aupeneier  aus  K.  brachten. 

KiangSU,  im  chines.  Depart.  Kiang-nin-fu  (Nankin) :  erzeugt  broschierte 
und  fassonierte  Seidengewebe  besonderer  Art. 

Kichorkay  ist  die  Bezeichnung  für  gewisse  ostindische  Baumwollzeuge, 
die  aus  Bengalen  in  den  Handel  gebracht  werden. 

Kidderminster,  Stadt  in  der  englischen  Grafschaft  Worcester :  Berühmte 
Teppichfabrikation.  Diese  Teppiche,  die  Kidderminsterkarpets  oder  kurz  K. 
genannt,  haben  ähnlich  dem  Doppelflanell,  zwei  Ketten,  die  beim  Kreuzen 
mit  dem  Schuss  ihre  Stelle  austauschen.  Die  Kreuzung  ist  Leinwandbindung, 
so  dass  die  Stellen,  die  auf  der  einen  Seite  des  Gewebes  die  Effekte,  Figuren 
u.  s.  w.  zum  Vorschein  kommen  lassen ,  auf  der  anderen  Seite  den  Grund 
bilden.    Doch  werden  jetzt  in  K.  hauptsächlich  Brüsseler  Teppiche  hergestellt. 

Kiew,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  russischen  Gouvernement :  soll  bereits 
im  6.  und  7.  Jahrh.  ein  Stapelplatz  für  orientalische  und  byzantinische  Gewebe 
gewesen  sein. 


Kilim— Kirchliche  Stoffmuster.  289 

Kilim  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  für  jene  "Wand-  oder  Fussdecken, 
deren  Herstellung  in  farbiger  Wolle  auf  hoch-  oder  auch  wagerechtstehender 
Kette  die  einfachste  Art  der  "Wirkerei  darstellt  und  deren  Technik  seit  den 
ältesten  Zeiten  bei  allen  Völkern  als  der  erste  Anfang  textiler  Kunstfertigkeit 
eingetroffen  wird.  Am  meisten  verbreitet  ist  der  K.  bei  den  Nomadenvölkern 
des  Orients,  da  er  ihnen  als  Zeltbehang  ein  steter  Begleiter  sein  muss;  doch 
kommt  er  als  einfaches  Dekorationsstück  auch  im  Südslawischen,  in  Serbien, 
Bulgarien,  Ruthenen  und  Rumänien  vor.  Wie  A.  Riegl,  „Altorientalische 
Teppiche'*,  Leipzig  1891,  mitteilt,  wird  uns  aus  dem  Altertum  von  Zeugen 
^us  der  Wolle  der  kilikischen  Ziegen  berichtet,  die  man  cilicia  (Kilikia)  nannte, 
und  es  wäre  nicht  unwahrscheinlich,  dass  hiernach  der  K.  benannt  ist.  Die 
Musterung  der  gröberen  Kilims,  welche  sich  in  Europa  für  Portieren  u.  dergl. 
grosser  Beliebtheit  erfreuen,  besteht  gewöhnlich  aus  bunten  Streifen,  welche 
zackig  abgesetzte  geometrische  Felder  enthalten,  deren  einzelne  Teile  durch 
schlitzartige  Oeffnungen  getrennt  sind,  weil  die  Farben  nicht  ineinander  gezogen, 
sondern  an  bestimmten  Kettfäden  hin  und  her  geführt  werden,  wodurch  eine 
doppelseitige  Arbeit  entsteht.  Die  stärksten  und  festesten  K.s  sind  die  der 
turkmenischen  Nomaden  und  die  baumwollenen  von  Yed ;  die  feinsten  kommen 
in  Schuschter  und  Kurdistan  vor.  Letztere  enthalten  alle  Arten  von  stilisierten 
Blumen-  und  anderen  Mustern,  welche  an  die  schönsten  antiken  Wirkereien 
erinnern,  die  aus  ägyptischen  Grräbern  kommen.  Kis-kilims  (Frauenarbeit 
oder  Mädchenteppich)  heissen  Teppiche  oben  beschriebener  Art,  welche  in 
•Syrien  von  den  jungen  Mädchen  für  ihre  Aussteuer  gewirkt  werden,  in  die  sie 
zur  Erinnerung  eigene  Haare  flechten. 

Kilimki  s.  v.  w.  Kilim  (s.  d.). 

Kilrnarnock,  Stadt  in  der  schottischen  G-rafschaft  Ayr :  Teppichweberei, 
Fabrikation  wollener  Shawls. 

Kitnka  (Kim-chä),  unter  diesem  Namen  kam  aus  China  lange  Zeit  hin- 
durch ein  damastartiges  Gewebe  in  den  Handel,  das  später  sowohl  in  persischen 
und  bagdadischen,  wie  alexandrinischen  und  griechischen  Manufakturen  mit 
vielem  Geschick  nachgeahmt  wurde  und  sich  im  Abendlande  grossen  Verbrauchs 
erfreute.  Als  Camocato  gelangte  K.  nach  West-,  als  Kamka  nach  Osteuropa, 
namentlich  Russland.  Seiner  Webart  nach  scheint  dieser  Stoff  am  ehesten  mit 
Atlas  verwandt  gewesen  zu  sein. 

Kinik,  türkische  Baumwollsorte. 

Kinishem,  Kinishemski,  sind  russische  gewöhnliche  Zwilliche ;  gemustert 
sind  sie  die  geringste  Sorte  der  russischen  Serviettenleinen. 

Kinkale,  ostindische  Seidenzeuge,  eine  Art  leichter,  mit  Goldfäden,  Lahn 
und  Seide  broschierter  Atlas  aus  Surate,  die  in  Asien  sehr  gesucht  sind. 

Kinkob  sind  indische  Gewebe  mit  reicher  Verwendung  von  Metallfäden. 

Kioto,  Stadt  in  Japan  auf  der  Insel  Honshiu  oder  Hondo :  die  erste 
Industriestadt  in  Japan,  besonders  durch  Seidenindustrie.     (Vgl.  Japan.) 

Kio-tonan,  eine  Art  chinesischer  damaszierter  Atlas. 

Kirchberg  in  Sachsen,  Stadt  im  sächsischen  Kreis  Zwickau :  Streichgarn- 
und  Kunstwollspinnerei,  Wollwäschereien,  Walkereien,  Fabrikation  von  Tuch 
und  Wollzeug. 

Kirchen,  Dorf  im  preuss.  Reg.-Bez.  Koblenz:  Baumwoll-  und  Kunstwoll- 
spinnerei. 

Kirchenfahne  s.  Fahne. 

Kirchenspitzen  werden  nach  ihrer  Verwendung  für  den  Altarbehang  oder 
für  die  Gewandung  des  katholischen  Geistlichen  (meistens  an  der  Alba)  benannt. 
Es  wurden  in  alter  Zeit  besonders  solche  in  Nadel-  und  Klöppelarbeit  ver- 
wandt, welche  durch  ihre  gröbere  Technik  weithin  sichtbare  Muster  enthielten. 

Kirchliche  Stoffmuster  sind  aus  älterer  Zeit  nur  vereinzelt  nachzuweisen. 
Erst  gegen  Ende  des  13,  Jahrh.  kommen  sarazenische  Gewebe  vor,  auf 
welchen  Darstellungen  vorhanden  sind,  deren  Inhalt  man  mit  den  Psalmen 
Davids,  welche  auch  vom  Islam  übernommen  wurden,  in  Uebereinstimmung  zu 
bringen  sucht.     Oft  wiederkehrend  ist  die  Musterung  in  Gold  und  roter  Seide 

Seiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  19 


290 


Kirchliche  Stoffmuster. 


oder  in  Grrün  auf  rotem  Grunde  mit  den  Buchstaben  Y  und  S  (als  Abkürzung- 
von  Jesus  Salvator),   die  in  E-eihen  abwechselnd  um  einen  Pfau  und  um  einen 

Abb.  150. 


Abb.  151, 


springenden  Panther  geschlungen  sind.  (Vgl.  die  Abb.  auf  Tafel  III.)  Etwas  später 
entstanden  sind  die  Stoffmuster   mit    dem    zur  Sonne    schreienden  Hirsch,    das 


Kirchliche  Stoffmuster. 


291 


sogen.  Schwalbenmuster  mit  den  im  Neste  liegenden  Jungen  (Abb.  150),  und 
viele  andere,  welchen  eine  Bedeutung  im  biblischen  Sinne  nicht  abgesprochen 
werden  kann.  Im  15.  Jahrh.  werden  in  Italien  die  Grewebemuster  mit  Dar- 
stellungen aus  der  christlichen  Legende  allgemeiner,  selbst  die  Personen  Christi 
(Abb.  151)  und  der  Jungfrau  Maria  (Abb.  152)  werden  bildlich  wiedergegeben. 
Hierher  gehören  auch  die  bekannten  Stoffe  gleicher  Zeit  mit  der  streifen- 
förmig angeordneten  Wiedergabe  der  Verkündigung,  sowie  das  in  einigen 
Sammlungen  vorhandene  leichte  Seidengewebe  mit  einem  Muster  aus  reihen- 
weis wechselnden  schwebenden  Engelsfiguren,  welche  Opfergeräte  oder  die 
Leidenswerkzeuge  Christi  tragen.  Noch  im  16.  Jahrh.  werden,  besonders  in 
Florenz,  die  Aufsatzborten   für  Kasein  und  Chormäntel   mit  Darstellungen  der 

Abb.  152. 


m^^^^iM 


äJ^ö  ^"^^CL  .Ä 


Himmelfahrt  Maria,  der  Grrablegung  Christi  u.  s.  w.  gewebt;  dann  aber  ver- 
lieren sich  kirchliche  Muster  in  der  Weberei  vollständig,  weil  die  Stickerei 
dafür  sorgt;  auch  nimmt  man  Stoffe  des  gewöhnlichen  Gebrauchs  und  zer- 
schneidet sie  für  Kirchen gewänder.  Im  18.  Jahrh.  ist  es  Sitte,  dass  die  Braut- 
kleider aus  reich  gemusterten  Seidenstoffen  der  Kirche  gestiftet  werden  und 
aus  diesen  fertigt  man  Chormäntel,  Kasein  und  dazu  gehörige  Ornatstücke. 
Am  Anfange  des  19.  Jahrh.  entstehen  am  Rhein  eigene  Werkstätten,  welche 
abgepasste  Muster  für  die  Zwecke  der  katholischen  Kirche  herstellen  und  aus 
solchen  Heb  erlief erungen  hat  sich  in  neuester  Zeit,  besonders  in  Krefeld  und 
Köln  eine  eigene  Industrie  für  Kirchenparamentik  entwickelt.  (S.  Kirchen- 
werkstätten.) 

Abbildungen: 

150.    Darstellung  aus  :  Katalog  der  Gewebesammlung  des  Germanischen  National- 
museuras  in  Nürnberg;   ebd.  1896:    Seidenbrokat,  Grund  rot,  Muster  Gold  und  etwas 


292 


KirchKche  Wirk-  und  Stickmuster. 


Weiss ,  reihenweis  geordnet :  Junge  Schwalben  im  Neste ,  denen  die  Alte  einen  auf 
einem  Zweig  sitzenden  Schmetterling  fangen  will;  dazwischen  Eichenzweige  und  Wolken 
in  Strahlen.     Italien  15.  Jahrh. 

151.  Darstellung  aus  gleichem  Werk:  Seidenbrokat,  Grrund  rot,  Muster  Grold 
mit  etwas  Grün:  Christus  und  die  Jungfrau  im  Garten.     Italien  15.  Jahrh. 

152.  Darstellung  wie  vorher :  Seidenbrokat,  Grund  rot  (verschossen),  Muster  Gold 
mit  Weiss,  Blau  und  Grün:  Darstellung  der  Madonna  mit  dem  Kinde,  als  Himmels- 
königin in  strahlender  Sonne  und  auf  dem  Monde  stehend,  in  hochovalem  Felde,  das 
aus  Aesten  mit  Granatapfelblüten  werk  gebildet  wird.     Italien  15.  Jahrh. 

Kirchliche  Wirk-  und  Stickmuster,  welche  nicht,  wie  diejenigen  der 
Weberei,  an  eine  mechanische  Massenherstellung  gebunden  sindj  nehmen  natur- 
gemäss  von  frühester  Zeit  an  das  Interesse  der  beteiligten  Kreise  in  Anspruch 
und  werden  nach  besonderen  Vorschriften  in  eigenen  Klosterwerkstätten  ge- 
arbeitet.     Im    Mittelalter    hat    für    dergleichen    die  Leinen  Stickerei  besonderen 

Abb.  153. 


Vorzug,  wobei  zunächst  der  baumwollene  Kanevasstoff  oder  das  lose  gewebte 
sogen.  Segeltuch  als  Grundstoff  gewählt  ist.  Stickereien  auf  Seide  und  Sammet, 
mit  Benützung  echter  Perlen,  goldenen  Plättchen  und  Flittern  kommen  für 
einzelne  Prachtstücke  in  Betracht  (s.  liturgische  Grewänder).  Im  gotischen 
Zeitalter  enthalten  gestickte  Kaselkreuze,  -Stäbe  und  andere  Aufsatzborten 
der  grossen  Chormäntel,  die  Mitra,  Stola  und  Manipel,  in  farbiger  Seide 
und  Goldfäden  einzelne    biblische    Figuren   und  Darstellungen   aus    dem  Leben 


Kirchliche  AVirk-  und  Stickmuster. 


293 


des  Heilandes  und  der  Maria.  Kirchengewänder  aus  gewebten  Sammet-  und 
Seidenstoffen  werden  mit  gewirkten  und  gestickten  Borten  aus  den  Kölner 
Werkstätten  besetzt.  —  Die  Zeit  der  Renaissance  macht  die  dekorative 
Technik  der  Aufnäharbeit  (s.  d.)  kirchlichen  Zwecken  dienstbar;  aus  Spanien 
und  Italien  sind  uns  die  herrlichsten  Antependien  und  Behänge  erhalten, 
womit  an  hohen  Festtagen  Altäre  und  Säulen  geschmückt  wurden.  Kasein, 
Levitenröcke  und  Chormäntel  enthalten  schwere  Sammetborten ,  breite  Auf- 
schläge und  rechteckig  abgepasste  Felder  (vgl.  Tafel  IX) ,  deren  Zweck  oft 
nur  durch  Symbole,  kleine  Kreuze  oder  Monogramme  gekennzeichnet  ist, 
weil  die  ganze  Anlage  dieser  aus  breiten  ruhigen  Flächen  bestehenden  Muster, 
vereint  durch  stimmungsvolle  Farben,  in  vornehmer  Pracht  die  ernste  Be- 
stimmung der  Gregenstände  ohne  weiteres  darstellt.  In  hoher  Blüte  steht  zur 
selben  Zeit  auch  die  Goldstickerei,  welche  zusammen  mit  der  in  farbiger  Seide 


Abb.  154. 


Abb.  155. 


ausgeführten  Plattstichstickerei  geeignete  Flächen  des  Altars  köstlich  belebt 
(vgl.  Abb.  153),  wobei  die  vornehme  Stilisierung  von  Blatt-  und  Blütenformen 
den  Eindruck  des  Granzen  erhöht.  Das  sklavische  Nachbilden  kirchlicher 
Motive  hört  auf,  die  Kunstformen  werden  lebendiger  und  freier :  veraltete  Ele- 
mente weichen  einer  vornehmen  Linienführung,  wovon  selbst  das  Kreuz  der 
Kasel,  früher  als  aufgesetztes  Kruzifix  behandelt,  nicht  unberührt  bleibt.  (Vgl. 
Abb.  154.)  Das  Figürliche  tritt  vollkommen  zurück  und  weicht  dem  Orna- 
ment der  Zeit.  Selbst  noch  im  18.  Jahrb.,  als  das  übrige  Flachmuster  schon 
nicht  mehr  strengen  Pegeln  der  Stilgesetze  folgt,  erscheinen  in  kirchlichen 
Stickereien  noch  künstlerisch  bedeutende  Arbeiten,  welche  den  "Werkstätten 
in  Süddeutschland  (Würzburg)  entstammen.  (Vgl-  x\bb.  155.)  Hier  bewahrt 
die  Handarbeit  noch  lange  Zeit  hindurch  erlernte  Kunstformen  älterer  Epochen, 
bis  allmählich,  wie  alle  übrigen  Grebiete  der  Kunstindustrie,  auch  die  kirch- 
liche Stickerei    dem  Ungeschmack   anheimfällt.     Für   katholischen   Kultus    hat 


294 


Kirchliche  "Wirk-  und  Stickmuster. 


mau  seit  den  50er  Jahren,  besonders  am  Rhein,  Sorge  getragen,  Gewänder 
und  Kirchenausstattung  besseren  Vorbildern  zuzuführen,  indem  man  alte  Stoffe 
nachwebte  und  für  die  Stickerei  von  neuem  "Werkstätten  errichtete,  die  gleich- 
falls nach  älteren  Beispielen  arbeiten.  Den  ersten  Anstoss  dazu  gab  der 
katholische  Geistliche  Dr.  Franz  Bock  durch  Schriften:  „Geschichte  der 
liturgischen  Gewänder",  „der  Musterzeichner  des  Mittelalters",  „die  kirchliche 
Stickkunst  ehemals  und  heute"  und  Herausgabe  von  Mustern,  dem  sich  Pfarrer 
Versteyl  anschloss.  Bestimmte  Regeln  über  den  stilistischen  Schmuck  der 
evangelischen  Kirche  schrieb  zuerst  im  Jahre  1867  der  Pfarrer  Lic.  Mor. 
M eurer  „Altar schmuck,  Paramentik  in  der  evangel.  Kirche"  nieder;  im 
Jahre  1889  folgte  diesem  Schriftchen  ein  weiteres  vom  evangelischen  Diakonus 
Wilhelm  Johnsen  in  Hannover.    Die  Schrift  von  Meurer  begleiten  Muster- 


blätter von  M.  E.  Beck  in  Herrnhut  und  diejenige  von  Johnsen  Vorlagen 
aus  der  "Werkstatt  St  off  regen  in  Hannover.  Das  Berliner  Kunstgewerbe- 
museum veranstaltete  im  Jahre  1891  eine  Ausstellung  kirchlicher  Stoffe  und 
Stickereien  beider  Konfessionen  (vgl.  darüber  ausführlichen  Bericht  mit  Ab- 
bildungen im  Kunstgewerbeblatt  N.  F.  III) ,  welche  die  Tätigkeit  der  neu  ge- 
gründeten Paramentenvereine  trefflich  veranschaulichte,  sie  zeigte  auch  für 
das  evangelische  Gotteshaus  den  Beginn  einer  neuen  Epoche  der  Muster- 
gebung  kirchlicher  Stickereien  nach  alten  Vorbildern.  (Vgl.  Abb.  156.)  Lite- 
ratur: Bennhold,  über  die  innere  Ausschmückung  evang.  Kirchen.  (Vortrag, 
Dessau  1894.)  Hoefling,  Sammlung  von  Initialen,  Ornamenten,  Paramenten 
u.  s.  w.  aus  dem  Mittelalter,  Bonn  1855.  Oslander,  Geschw.,  Ravensburg. 
Kunststikerei  und  Paramentenfabrik :  Illustrierter  Katalog.  Versteyl,  die 
kirchliche  Leinwandstickerei,  Düsseldorf  1878.  1880. 

Abbildungen: 

153.  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896,  Bl.  12.  Hälfte  eines 
Antependiums,  Stickerei  auf  weissem  Atlas  in  Gold  und  farbiger  Seide  im  Plattstich: 
Rosengehege,  durch  Knäufe  verbunden.  Italien  16.  Jahrh.  Original  im  Kgl.  Kunst- 
gewerbemuseum, Berlin. 

154.  Darstellung  wie  vorher.  Bl.  208.  Kaselkreuz,  Stickerei  in  Gold-  und 
farbigen  Seidenfäden  auf  rotem  Seidengrunde  in  Art  der  Aufnäharbeit:  Palmetten- 
formen aus  stüisierten  Blüten  und  Ranken. 

155.  Darstellung  wie  vorher,  ßl.  278.  Entwurf  für  zwei  Kaselhälft^  aus 
einer  im  Anfange  des  18.  Jahrh.  bestandenen  "Werkstatt  zu  Würzburg.  Die  Aus- 
führung ist  in  Gold  und  violett  schattierter  Seide  gedacht. 

156.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1891.  N.  F.  III,  S.  116. 
Antependium  im  romanischen  Stil,  in  farbiger  Wolle  gestickt :  Im  Halbkreis  an- 
geordnete Symbole  der  vier  Evangelisten  mit  dem  Agnus  Dei  und  dem  Zeichen  Christi 
als  Mitte;  ringsherum  Borten  aus  romanischem  Blattwerk  mit  Vögeln.    Original  nach 


Kirchenwerkstätten — Klosterleinwand.  295 

alten   Vorbildern   für  die    romanische   Stiftskirche   in   Königslutter   von   dem  Nieder- 
sächsischen  Paramenten verein  im  Kloster  St.  Marienberg  bei  Helmstädt  gestickt. 

Kirchenwerkstätten  waren  schon  im  Mittelalter  auch  für  textile  Kunst- 
fertigkeiten üblich  und  haben  noch  im  18.  Jahrh.  viel  zur  Hebung  der  Kunst- 
stickerei und  Spitzennäherei  u.  dergl.  beigetragen.  Man  hat  seit  neuerer  Zeit 
wieder  begonnen,  auch  solche  für  den  evangelischen  Kultus  einzurichten. 
(Vgl.  Kirchliche  Wirk-  und  Stickmuster.) 

Kirkagatsch,  Baumwollsorte  aus  Natolien. 

Kirman,  Namen  für  persische  Knüpfteppiche,  welche  dort  erzeugt  werden. 
Einst  war  K.  der  Mittelpunkt  des  Reichtums  und  Luxus,  wovon  schon  Marco 
Polo  zu  berichten  weiss ;  nur  seinen  Ruf  als  Zentralpunkt  für  Textilerzeugnisse 
aus  ausgezeichneter  Wolle  hat  es  noch  bewahrt.  Diese  Wolle  stammt  von 
einer  in  der  gebirgigen  Umgegend  lebenden  weissen  Ziegenart,  deren  Flaum- 
wolle,  als  die  zarteste,  für  die  Herstellung  von  Shawls  und  in  besonderen  Fällen 
auch  der  feinsten  Teppiche  verwendet  wird.  Die  moderne  Teppichindustrie 
ist  entsprechend  dem  vorhandenen  guten  Material  im  allgemeinen  nicht  auf 
der  Höhe  der  Vollkommenheit.  Die  Farben  sind  grell  und  unruhig.  Um 
dieses  etwas  zu  verdecken,  gefallen  sich  die  dortigen  Teppichweber  in  der 
Erfindung  von  Mustern ,  welche  dem  europäischen  Greschmack  entsprechen 
sollen,  die  aber  als  eine  Geschmacksverirrung  bezeichnet  werden  können.  Erst 
in  allerneuster  Zeit  macht  sich  ein  Fortschritt  in  der  Farbentechnik  be- 
merkbar. 

Kirmenschah  werden  Kaschkaiteppiche  genannt,  wenn  sie  länger  und 
schmäler  sind. 

Kissen  (lat. :  coussinus,  franz. :  coussin,  engl. :  cushion)  entstehen  im 
Mittelalter  zunächst  für  kirchliche  Zwecke,  zum  Auflegen  des  Missale,  von 
Seide  oder  feinem  Leder  mit  Fransen  und  Quasten,  auf  einer  Seite  weiss,  auf 
der  anderen  violett,  zum  Knien  (lat.:  lectus)  oder  zum  Sitzen  auf  den  Sitz- 
brettern der  Stühle,  insbesondere  der  Chorstühle,  sowie  als  Hücklehnen  auf 
Ruhebetten  u.  dergl.  Bemerkensv^^ert  erscheinen  an  den  Kissen  der  E/enaissance- 
zeit  die  Verbindung  des  oberen  und  unteren  Bezuges  durch  Ziernähte,  ge- 
klöppelte und  genähte  Spitzen  mit  eingefügten  Knöpfen  und  Quästchen  zur 
Vereinigung.     (S.  Ziemähte.) 

Kissmess  sind  ostindische  Kattune. 

Kitay:  1.  in  Böhmen  rohe  ungebleichte  feine  Kattune;  2.  chinesische 
Stoffe  von  Seide  und  Baumwolle,  bunt  gefärbt;  3.  chinesischer  E-olldamast. 

Kiteika,  Kitaika,  Kitaik,  russischer  Baumwollstoff,  der  als  Futter  für 
die  Kaftans  dient.  Die  K. -Fabrikation  besteht  in  Russland  einzig  und  allein 
in  Kasan,  wo  sie  viele  Menschen  beschäftigt.  Der  K.  wird  in  drei  Farben 
(blau,  rot,  grün)  auch  dort  für  China  gewebt. 

Klarwerk  s.  v.  w.  reseau  =  Spitzengrund. 

Klöppel  s.  Klöppeln. 

Klöppelbrief,  Klöppelkissen,  s.  Klöppeln. 

Klöppeln  ist  eine  Art  der  Herstellung  von  Spitzen  durch  den  „Klöppel", 
einem  hölzernen  Kegel  mit  einem  Knopf  an  dem  einen  und  einem  breiten  E,ande 
an  dem  anderen  Ende.  Er  dient  als  Spule  für  das  Garn.  Das  K.  beruht  nun 
auf  bestimmten  Handbewegungen,  „Schlägen",  durch  welche  nach  feststehenden 
Hegeln  die  auf  den  Klöppel  aufgewickelten  Fäden  verflochten  werden.  Die 
Arbeit  geschieht  auf  einem  Klöppelkissen,  das  die  verschiedensten  Formen  an- 
genommen hat,  nach  der  Aufwinde  oder  dem  Klöppelbrief ,  auf  welchem 
zur  Befestigimg  der  Fäden  und  zur  Bezeichnung  der  Kreuzungspunkte  Nadeln 
stecken  (s.  Spitzen). 

Klöppelschnüre  sind  nach  einem  Zürcher  Musterbuch  im  Jahre  1536  aus 
Venedig  nachw^eisbar. 

Klöppelspitzen  s.  Spitzen  bezw.  Klöppeln. 

Klosterleinwand,  Klostertuch,  ist  eine  Gattung  feiner  westfälischer  Leinen, 
die  früher  in  grosser  Menge    nach  Frankreich    gingen   und    zur   Kleidung    der 


296 


Kloster-Merino — Knötchensticli. 


Abb.  157. 


Nonnen  verwendet  wurden.  Jetzt  wird  sie  meist  als  Bielefelder  Leinwand  ver- 
kauft, obwohl  diese  leichter  und  lockerer  gewebt  ist.  Eine  Art  Mittelware  der 
K.  liefern  auch  Lauban  und  Friedersdorf. 

Kloster-Merino  ist  schwarzer  Tuchstoff  für   die   Kleidung  barmherziger 
Schwestern. 

Knaps  nennt  man  in  England  ein  grobes  blaues  Wollenzeug  für  Matrosen- 
jacken. 

Knaufbildungen  an  den  TJeberschneidungen  von 
Bändern  haben  sich  am  Anfang  des  16.  Jahrhunderts, 
als  das  Stoffmuster  die  spitzovale  Teilung  annahm,  zu 
einer  vielseitigen  Kunstform  entwickelt.  Am  meisten 
haben  die  Flechtbänder  (s.  d.)  (Abb.  157)  Motive  dazu 
hergegeben ;  aber  auch  andere  Formen ,  wie  der  Akan- 
thus  (vgl.  Abb.  158)  und  die  Krone  (Abb.  159)  sind 
in  Italien  und  Spanien  dafür  künstlerisch  verwertet 
worden. 

Abbildungen:. 

157 — 159.  Darstellung  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Leip- 
zig 1896,  Bl.  27 :  Knaufbildungen  aus  Flechtband-,  Akanthus- 
und  Kronenmotiv,  von  italienischen  und  spanischen  Greweben 
des  16.  Jahrhunderts. 


Abb.  158. 


Abb.  159. 


Kneipp'sches  Leinen,  sogen.  Gesundheitsleinen,  das  seinen  Namen  vom 
Pfarrer  Kneipp  hat,  der  es  für  Packungen  des  erkälteten  Körpers  einführte. 
Es  ist  ein  in  Taffetbindung  hergestelltes  Gewebe  aus  starken  Fäden ,  welche 
die  Feuchtigkeit  gut  aufnehmen  und  lange  erhalten. 

Knieband  (franz.:  j  arretiere;  engl.:  gart  er),  in  alter  Zeit  getragen  sowohl 
bei  kurzen,  wie  bei  langen  engen  Strumpfbeinkleidern.  Im  14.  Jahrhundert 
bei  den  Damen  oft  mit  Seide  gestickt,  auch  unter  der  Kniekehle  gekreuzt 
und  über  dem  Knie  festgebunden ;  im  15.  Jahrhundert  häufig  mit  Devisen 
versehen. 

Knopflochstich  (franz. :  point  de  boutonniere),  wird  zunächst  angew^ndt^ 
um  die  Einschnitte  für  das  Knopfloch  in  besonderer  Art  zu  umsäumen,  als- 
dann wendet  man  ihn  an  in  der  Technik  genähter  Peliefspitzen  (point  de  Venise, 
point  de  France  usw.). 

Knötchenstich  wird  verschieden  ausgeführt,  am  einfachsten  durch  zwei 
nebeneinander  und  über  die  gleichen  Stofffäden  gelegte  Steppstiche  (s.  Stickerei). 


Knotenverschlingungen — Konstantinopel.  297 

Knotenverschlingungen  s.  Flechtband  und  Knaufbildungeu. 

Knoterei  (Nopperei),  in  der  Tuchfabrikation  alle  diejenigen  Arbeiten, 
welche  zur  Entfernung  der  im  Gewebe  vorhandenen  Garnknoten  und  sonstigen 
Unreinlichkeiten  dienen. 

Knüpfen  persischer  Teppiche  s.  Teppiche. 

Knüpfen  von  Spitzen  s.  Macramee. 

Kochen  des  Tuches  (Heisswasser-Dekatur),  eine  in  der  Tuchfabrikation 
angewendete  Art  der  Dekatur,  bei  welcher  jedoch  nicht  ein  direktes  Kochen 
des  T.,  sondern  nur  eine  Behandlung  desselben  mit  Wasser  von  40 — 70^  R 
zur  Ausführung  kommt. 

Koische  Gewänder  s.  Coae  vestis. 

Kokosnussfaser,  Coir,  Coirhanf,  ist  der  rotbraune  Faserstoff,  welcher 
die  Schale  der  Nüsse  (C.  =:  Palme  =  Cocos  nucifera)  äusserlich  umhüllt;  er 
wird  gesponnen  und  zu  Teppichen,  Flechtwerk  u.  dgl.  verarbeitet. 

Kollodiumseide  s.  künstliche  Seide. 

Köln,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Reg. -Bez.  der  preuss.  ßheinprovinz : 
in  heutiger  Zeit  keine  nennenswerte  Textilindustrie.  Im  14.  Jahrhundert  eine 
Werkstatt:  „Fabrices  capparum  et  clipeorum  colonienses",  welche  Seidengewebe 
und  Stickereien  herstellte,  worin  man  cyprische  Goldfäden  anwandte.  Ferner 
bestand  eine  Seidenfärberei  und  Zeugdruckerei^  welche  unter  Aufsicht  der  Be- 
hörde arbeitete,  (s.  Zeugdruck.)  Berühmt  sind  die  Arbeiten  der  Borten- 
und  Bildwirker,  welchen  sich  Stickereien  für  Kirchengewänder  anschliessen. 
(s.  Stickerei  und  Wirkerei  im  IVüttel alter.)  Das  Städtische  Kunstgewerbe- 
museum, gegründet  1887  (Direktor  Dr.  Otto  von  Falke),  enthält  eine  Samm- 
lung von  Stoffen,  Stickereien  und  Spitzen  aller  Völker  und  Zeiten,  von  zu- 
sammen etwa.  4000  Stück.  In  den  Kirchen  St.  Ursula,  St.  Gereon  und  St. 
Cunibert  werden  frühmittelalterliche  sassanidische  und  byzantinische  Seiden- 
gewebe aufbewahrt.  Yon  Bedeutung  ist  ferner  die  Stoffsammlung  des  Dom- 
herrn Prof.  Dr.  A.  Schnütgen. 

Kölnische  Fäden,  veralteter  Name  für  Leinengarn  zu  Strümpfen  und 
Stoffen,  welches  aus  Morlaix  kam. 

Kölnische  Seidengewänder,  mittelalterliche  Messgewänder  rheinischer 
Herkunft,  pflegen  gröberen  Stoffes  zu  sein,  als  die  italienischen  und  zeichnen 
sich  durch  die  Anwendung  von  Blau  aus. 

Kölsch,  ein  blau  und  weiss  gestreiftes ,  auch  gedrucktes  Zeug  aus 
Schwaben. 

Kolter  ist  eine  Steppdecke. 

Kongressstoff,  baumwollenes  oder  wollenes,  im  Grunde  leinwandbindiges, 
weitmaschiges  Gewebe  aus  starkem  Garn,  das  besonders  als  Grundstoff  für 
Stickereien  benützt  wird  und  häufig  durch  durchbrochene,  mit  Hilfe  von  Dreher- 
bindungen erzeugte  Streifen  (ä  jour  =  Streifen)  verziert  ist. 

Königinhof  an  der  Elbe,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollwarenfabriken, 
Färbereien  und  Flachsgarnspinnerei;  eine  Webschule. 

Königsberg,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Königsberg,  Stadt  in  Preussen:  z.  Zt.  Friedrichs  des  Grossen  Weberei 
von  Seidenbändern. 

Konopeion,  griech.,  ein  dünnes  Zeug  zum  Abhalten  der  Mücken. 

Konstantinopel,  Hauptstadt  des  türk.  Reiches :  die  Grossindustrie  fehlt 
fast  völlig,  dagegen  ist  das  Kleingewerbe  hoch  entwickelt.  Zur  Ausfuhr 
kommen  Teppiche  aus  Kleinasien,  Persien,  Turkestan,  Mohair  (Angora), 
namentlich  nach  England,  Frankreich,  Oesterreich  und  Deutschland,  Lammfelle 
und  vor  allem  Schafwolle ;  ferner  Seide,  Kokons  und  Stickereien,  meist  ein- 
heimischen Ursprungs.  —  In  der  Zeitperiode  vom  7. — 11.  Jahrhundert  be- 
hauptete K.  bezüglich  des  Handels  die  weltberühmte  Rolle  des  Stapelplatzes 
für  Seidengewebe  und  war  der  Platz  für  den  bedeutendsten  Seidenmarkt,  im 
Austauschhandel  des  Abend-  und  Morgenlandes.  K.  betrieb  einzig  und  allein 
den  Welthandel  zur  Zeit,  als  die  eindringenden  Goten  und  Araber  überall 
den  Verkehr  unmöglich  machten.     Aber  man  bedurfte  trotzdem  noch  der  Ein- 


298  Konstanz— Koptische  Textilfande. 

fuhr  orientalischer  Produkte,  welche  vorzugsweise  benützt  wurden ,  um  die 
Paläste  auszuschmücken.  Uebrigens  ist  K.  auch  während  der  Kreuzzüge  Haupt- 
sitz der  Seidenindustrie  gewesen. 

Konstanz,  Stadt  am  Bodensee ;  Hauptzweige  der  Industrie  sind :  Leinen-, 
Baumwollweberei  und  -Druckerei,  fertige  Kleider,  Stickereien  usw. 

Köper,  in  der  Wirkerei  ein  Pressmuster,  das  aus  glatten  und  versetzt 
gegeneinander  liegenden  Einnadelfäden  zusammengesetzt  ist. 

Köperbindung  s.  Bindungen. 

Köpergewebe  (Keper,  Kieper),  sind  solche,  bei  welchen  mehrere  Kett- 
fäden abwechselnd  über  und  unter  dem  Schussfaden  liegen  und  ebenso  mehr 
als  zwei  verschiedene  Lagen  des  Schusses  miteinander  abwechseln  (s.  Bindungen). 
Eine  Eingentümlichkeit  und  ein  Kennzeichen  des  K.  besteht  darin,  dass  in  jedem 
nachfolgenden  Schuss  stets  der  nächstfolgende  Kettfaden  des  in  vorhergegangenen 
Schusses  gebundenen  Kettfadens  bindet.  Durch  diese  fortgesetzte  Bindung  der 
Fäden  werden  im  Gewebe  erhabene  und  schräge  Linien  hervorgebracht.  Man 
unterscheidet  einseitigen  (s.  Levantine)  und  zweiseitigen  (s.  Batavia  oder  Kasemir) 
Köper.  Die  Bindungslinien,  welche  jeder  K.  verursacht,  können  in  der  Bich- 
tung  von  links  nach  rechts  und  umgekehrt  angewendet  werden.  Unter  dem 
Köpergewebe  versteht  man  eine  Anzahl  der  verschiedensten  Stoffarten,  welche 
alle  auf  G-rund  der  Köperbindung  hergestellt  werden.  (Vgl.  Abb.  2,  5 — 8  auf 
Tafel  XV.) 

Köper-Nanking  oder  Nankinett  ist  dreibindiger  Köper  oder  fünfbindiger 
x\.tlas  von  verschiedenen  Farben,  oft  mit  melierter  Kette. 

Köprülü  oder  Yeles,  Stadt  in  der  Türkei:  Handel  und  Fabrikation  von 
Seiden  und  Wollgeweben. 

Koptische  Textilfunde  wurden  zuerst  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts 
auf  den  Totenfeldern  von  Sakkarah  und  Akhmim  in  Oberägypten  gemacht 
und  von  den  Museen  im  Louvre,  in  Turin  und  in  London  übernommen,  ohne 
dass  man  diesen  vereinzelten  Proben  besonderes  Interesse  entgegengebracht 
hätte.  Erst  seitdem  im  Jahre  1881  der  Wiener  Kaufmann  Theodor  Graf, 
angeregt  durch  den  berühmten  Orientalisten  Prof.  Karabacek,  die  Forschungen 
danach  systematisch  fortsetzte  und  es  diesem  gelang,  die  für  das  K.  K.  Oester- 
reichische  Museum  für  Kunst  und  Industrie  in  Wien  erworbene  grosse  Samm- 
lung derartiger  Textilien  zusammenzubringen,  welche  dann  Alois  Biegl  „die 
ägyptischen  Textilfunde  im  K.  K.  0  e  sterr  eichi  s  chen  Museum" 
(Wien  1889)  beschrieb,  hat  sich  die  Aufmerksamkeit  mehr  und  mehr  jenen 
Denkmälern  der  Textilkunst  zugewandt,  welche  ihre  Geschichte  des  frühen 
Mittelalters  in  neue  Bahnen  lenkte.  Die  Kopten  sind  die  christlichen  Nach- 
kommen der  alten  Aegypter;  der  Name  ist  eine  Verstümmelung  aus  Aegypti, 
die  Araber  nennen  sie  heute  Kopt.  Die  Bestattung  ihrer  Toten  erfolgte  in  voller 
Gewandung  des  Lebens.  Die  einbalsamierten  Körper  finden  sich  in  bemalten 
Holzsärgen  und  sind  bekleidet  mit  mehreren  (gewöhnlich  drei)  jackenartigen, 
kurz-  und  langärmeligen  Kitteln  (Abb.  160),  andere  Mumien  sind  mit  langen 
Böcken  bestattet.  Ebenso  wie  der  Hauptanzug  der  Toten  vollständig  erhalten 
ist,  finden  sich  auch  alle  Einzelheiten  der  Ausstattung  der  zu  jener  Zeit  üblichen 
Tracht :  genau  wie  sich  die  Sitte  der  alten  Aegypter  erhalten  hatte,  dem  Toten 
auch  andere  Dinge  mitzugeben,  welche  ihm  im  Leben  lieb  und  wert  waren.  — 
Die  Bohstoffe  dieser  Kostüme  bestehen  vorwiegend  aus  Leinen;  Wolle 
kommt  als  Grundstoff  und  in  der  Musterung  vor,  Baumwolle  findet  sich  in 
einigen  gedruckten  Mustern,  dagegen  ist  die  Seide,  wenn  auch  an  einigen  Ge- 
wändern nur  als  Besatzstreifen,  reichlich  vertreten.  Die  Technik  der  Gewebe 
in  den  Leinenstoffen  ist  einfache  Taffetbindung,  die  Wollenstoffe  enthalten  Bips- 
bindung und  scheinen  in  den  meisten  Fällen  auf  einer  Art  von  Wirkerei  zu 
beruhen;  seidene  Gewebe  sind  in  Taffet-  und  Atlasbindung  hergestellt. 

Die  Muster  der  Tuniken  —  die  wollenen  Kleider  sind  meistens  ein- 
farbig —  bestehen  zunächst  aus  in  farbiger  Wolle  eingewirkten  oder  aufgesetzten 
bortenartigen  sogen.  Spangen,  welche  von  den  Schultern  her  bis  etwa  zur 
Gurthöhe,  seltener  —  wie  in  Abb.  160  —  durchlaufen   und  in  spitzovale  oder 


Koptische  Textilfunde. 


299 


Abb.  160. 


Abb.  161. 


blattförmige  Felder  endigen:  eine  Yerzierungsart ,  welche  als  Vorläufer  der 
Stola  des  katholischen  Priesterornates  bezeichnet  werden  kann.  Die  gemusterte 
Halspasse  ist  durch  runde  Schulterstücke  abgeschlossen.  Solche  „Lati  clavi", 
wie  man  letztere  zu  bezeichnen  pflegt,  ursprünglich  Abzeichen  der  alten 
römischen  Senatoren  und  Ritter,  wiederholen  sich  in  runder  und  quadratischer 
Form  auf  dem  Vorderteil  der  Gewänder.    (Vgl.  Abb.  3,  44,   111.)   Die  Technik 


300 


Koptische  Textilfunde. 


Abb.  162. 


Abb.  163. 


Koptische  Textilfuiide. 


301 


der  Musterung  auf  dem  leinenen  GrundstoflP  ist  verschiedenartig.  Die  am 
meisten  vertretene  bezeichnet  man  gewöhnlich  als  eine  gobeliaartige  Wirkerei 
oder  Stopfarbeit,  wovon  die  eine  Art  so  hergestellt  ist,  dass  Grrund  und  ein 
verschiedenfarbiges  Muster  zugleich,  eine  zweite,  in  welcher  zuerst  der  purpur- 
farbene gewirkte  Wollengrund  und  später  das  Muster  durch  Einsticken  weissen 
Grarnes  entstand.  (Vgl.  Abb.  78.)  In  vielen  Fällen  ist  der  Leinengrund  für 
derartige  Musterungen  so  vorbereitet,  dass  die  Schussfäden,  an  den  Stellen, 
wo'  nur  Kettfäden  zur  Aufnahme  der  Wirkerei  notwendig  sind,  beiseite  ge- 
schoben wurden  oder  man  hat  den  Haum  für  die  Musterung  ausgespart,  d.  h. 

Abb.  164. 


der  Schuss  ist  mit  Unterbrechung  eingetragen.  Unter  den  Grrundstoffen  finden 
sich  auch  Grewebe  mit  losen  Maschen  oder  Noppen,  welche  unseren  modernen 
Frottierstoffen  nicht  unähnlich  sind;  dieselben  kommen  sowohl  in  Gewändern 
—  wohl  für  den  Winter  berechnet  —  als  auch  in  farbig  gestickten  Tüchern 
als  Zwischenteile  vor.  (Abb.  164.)  Die  Muster  jener  zumeist  angewandten 
Wirktechnik,  in  der  übrigens  auch  grosse  Behänge  mit  figürlichen  Darstellungen 
gearbeitet  w^urden,  beruhen  grösstenteils  auf  antiken  griechisch-römischen  Aus- 
läufern, seltener  verraten  sie  den  entfernten  Charakter  altägyptischer  Ueber- 
lieferung,  wie  das  in  Abb.  160  wiedergegebene  Gewand,  oder  klingen  an  streng 
orientalische    Motive    an.      Die    meisten    der    in    grosser   Zahl   vorkommenden 


302 


Koptische  Textilfunde. 


figürlichen  Muster  haben  Bezug  auf  heidnisch-mythologische  und  christlich- 
biblische Darstellungen,  welche  von  griechischen  oder  koptischen  Inschriften 
begleitet  sind.  Rein  ornamental  sind  gewöhnlich  jene  Muster  gehalten,  welche 
in  der  beschriebenen  Art  auf  violettem  Grunde  ausgeführt  sind.  —  Hier  er- 
scheinen die  verschiedenartigsten  Flecht-,  Blatt-  und  Blütenmuster,  welche  in 
ihrer  ungezwungenen  reizvollen  Stilisierung  gute  Zeichenvorlagen  abgeben. 
Bemerkenswert  unter  den  vorkommenden  Einzelheiten  in  den  koptischen  Muste- 
rungen ist  ferner  die  öftere  Wiederholung  des  Akanthusblattwerkes  (Abb.  3, 
Abb.  6  auf  Tafel  I),  das  der  antiken  Urne  entstammende  Vasenmotiv  (Abb.  44), 
das  Weinblatt  (Abb.  1  auf  Tafel  I)  und  zwischen  rein  ornamental  behandeltem 
vegetabilischem  Ornament  die  Darstellung  verschiedener  Tiergestalten  als  Sym- 
bole: wie  der  Löwe,  der  Leopard,  der  Hund,  der  Hase,  der  Hirsch,  die  Ente, 
der  Papagei  u.  a.  m.  Yon  Interesse  ist  die  Musterung  in  jener  Grruppe 
Wirkereien,  welche  fast  genaue  Kopien  frühorientalischer  und  byzantinischer 
Seidengewebe  darstellen.  Einer  fast  noch  an  sassanidischen  Ursprung  erinnern- 
den Zeichnung  begegnen  wir  in  dem  auf  Tafel  I,  Abb.  2  dargestellten  runden 
Felde,  das  in -Umrahmung  eines  Kreisbandes  zwei  Löwen  an  dem  Baum  zeigt. 
Deutlicher  noch  als  laufendes  Stoffmuster  zeigt  sich  die  in  Abb.  4  auf  Tafel  I 
dargestellte  Wirkerei,  worin  Kreisfelder  mit  Menschen-  und  Tierfiguren  und 
Zwischenrosetten    enthalten    sind,    welche    genau    den  Typus  von   Mustern    des 

YIII. — X.  Jahrhunderts  wiederzugeben 


Abb.  165. 


scheinen,  wie  denn  auch  die  Beiter- 
figur  und  das  Bosettenmuster  in  Abb.  3 
gleicher  Tafel  denselben  Ursprung 
ohne  weiteres  erkennen  lassen.  Letz- 
teres Stück  gewinnt  durch  die  Dar- 
stellung der  Beiterfigur  noch  beson- 
dere Bedeutung,  dass  dabei  an  eine 
solche  des  heil.  Georg  (s.  d.)  gedacht 
werden  kann,  wofür  die  auf  die  Schlange 
geführte  Lanze  .  und  der  über  dem 
Jüngling  schwebende  Engel  eine  Be- 
stätigung sein  könnten.  Solche  Beiter- 
figuren  haben  auch  als  Bortenmusterung 
in  Wirkerei  Anwendung  gefunden. 
(Ygi.  Abb.  161  u.  Abb.  7  auf  Tafel  L) 
Bein  ornamentale  laufende  Gewebe- 
muster in  Wirkerei  zeigen  die  Abb. 
163  und  Abb.  5  auf  Tafel  I.  In 
ersterem  ist  zu  beobachten  das  früh- 
zeitige Vorkommen  der  Flächenteilung  in  spitzovale  Felder,  mit  der  palmetten- 
artig  angeordneten  Füllung. 

Ausser  den  Wirktechniken  finden  sich  unter  den  koptischen  Textilien 
als  Musterung  der  Leinenstoffe  noch  einige  Arten  von  Durchzugarbeiten,  welche 
der  Stickerei  verwandt  sind.  Sie  wurden  direkt  in  den  farbigen  Leinengrund 
hineingearbeitet  und  zwar  so ,  dass  die  gemusterte  Fläche  aus  Beihen  farbiger 
Wollfäden  gebildet  ist,  wobei  die  als  Xoppen  einzeln  dastehenden  Maschen  den 
Eindruck  eines  ungeschnittenen  Teppichflors  hervorrufen  (vgl.  Abb.  111  u.  164), 
aber  auch  bei  dem  Gedanken  an  den  L^rsprung  der  Technik  die  Wirkung 
einer  antiken  Mosaikmusterung  dieser  am  nächsten  stellen,  wofür  dann  die 
Darstellung  des  gewappneten  Kriegers  in  Abb.  111  eine  Bestätigung  finden 
würde.  Nahe  verwandt  den  Durchzugarbeiten  ist  das  eigentliche  Gebiet/der 
Stickerei,  die  hier  in  einfacheren  Arten  erscheint.  Weitgehendere  Techniken, 
wie  die  der  sogen,  ä  jour- Stickerei,  Arten  von  Aufnäharbeit,  Leinenstickereien 
in  sogen.  Holbeintechnik  (Abb.  25  u.  117),  welche  auch  in  den  koptischen 
Grabfunden  vorkommen ,  gehören  der  arabischen  Periode  des  13. — 15.  Jahr- 
hunderts an,  man  kann  sie,  ebenso  wie  einige  Arten  der  hier  vertretenen 
W^irkereien,     nicht    mehr    als    ortsangehörige    Techniken    bezeichnen.      Andere 


Koptische  Textilfunde. 


30B 


Abb.  166. 


Abb.  167. 


Arten  koptischer  Handfertigkeiten  sind  aber  die  zu  den  Mützen  verfertigten 
Netzarbeiten  (Abb.  69.  165) ,  welche  in  phrjgischer  Form  getragen  wurden 
und  denen  verwandte  filetartige  Stickereien.  Vorgefundene  Werkzeuge  be- 
weisen,   dass    solche  Netzwerke    mit    einfachen   Holznadeln  hergestellt   wurden. 


304 


Koptische  Textilfunde. 


Schliesslich    gehören    auch  Fransen   und   kunstvoll   gearbeitete  Quasten  zu  den 
Funden,  welche  aus  koptischen  Grräbern  stammen. 

Das  Wichtigste  unter  den  koptischen  Textilien  bilden  die  Seiden- 
gewebe. Wie  sehr  die  Seide  zu  jener  Zeit  an  Ort  und  Stelle  geschätzt 
wurde ,  geht  daraus  hervor ,  dass  man  gewebte  Stoffe  aus  diesem  Material  in 
Streifen  zerschnitt  und  sie  an  Gewändern  hervorragender  Personen  zu  Be- 
sätzen verwendete.  Nicht  immer  ist  von  den  Seidenstoffen  mit  Sicherheit  an- 
zugeben, ob  man  es  mit  Erzeugnissen  eigener  Industrie  oder  mit  solchen  aus 
Persien  und  Byzanz  eingeführten  Waren  zu  tun  hat.  Dass  den  Kopten  die 
Technik  der  Erzeugung  von  Greweben  aus  der  Seide,  welche  ihnen  als  Boh- 
material  auch  von  dort  her  zugegangen  sein  wird,  nicht  unbekannt  war,  ist 
durch  Originale  mit  eigenartiger  Musterung  festgestellt ;  aber  von  einer  Massen- 
produktion konnte  keine  Bede  sein,  weil  die  Seide  zu  teuer  und  deshalb  auch 
nur  gewissen  höheren  Ständen  erlaubt  war.  Wir  sahen  daher  auch  in  den 
Wirkereien    und    einigen  Stickereien  Muster    der   Seidengewebe   in   geringerem 

Material    nachgebildet,    und     zu 


Abb.  168. 


gewebten  Stoffen  die  Seide  mit 
AVoUe  oder  Baumwolle  vermischt. 
Die  sparsame  Verwendung  von 
Seide  beweist  auch  das  Vor- 
handensein von  abgepasst  ge- 
webten Grewandaufsätzen,  die  für 
Leinengewänder  besonderer  Art 
benutzt  wurden.  Das  in  Abb.  166 
dargestellte  Bundfeld  aus  dem 
germanischen  Museum  in  Nürn- 
berg ist  z.  B.  an  anderen  Stellen 
als  Endigung  einer  Spange  er- 
halten. In  der  Musterung  des- 
selben fallen  die  indisch-persi- 
schen Palmwipfelblüten  an  dem 
baumartigen  Mittelstamm  auf, 
während  die  Bandborte  mit  dem 
Wellenband  und  den  kelchartigen 
Blüten  vollständig  auf  Byzanz 
hinweisen.  Merkwürdig  erscheint 
das  Vorkommen  von  Seiden- 
geweben hier  mit  den  typischen 
Darstellungen  der  sassanidischen 
und  byzantinischen  Beiterfiguren 
(Abb.  167),  bei  denen  die  ägyp- 
tische Herstellung  in  koptischer 
n    wird     man     es    bei 


Periode  noch  zweifelhaft  erscheinen  möchte 
einfacheren  Geweben  und  Mustern,  wie  die  in  Abb.  8  u.  9  auf  Tafel  I  dar- 
gestellten Stücke,  mit  koptischen  Arbeiten  zu  tun  haben:  in  letzterer  ist  die 
herzförmige  Blütenbildung  von  Interesse.  Dieselbe  kehrt  auch  auf  koptischen 
Wirkereien  (Abb.  160  und  Abb.  5  u.  7  auf  Tafel  I)  häufig  wieder  und  ent- 
stammt den  Bandeinfassungen  orientalischer  und  byzantinischer  Kreismuster. 
(Vgl.  Abb.  1  u.  3  auf  Tafel  IL)  Abweichend  in  der  Musterung  von  den  er- 
wähnten Typen  koptischer  Formen  ist  das  unter  Abb.  113  als  griechisch- 
römisches (?)  Original  dargestellte  Seidengewebe,  das  auch  diesen  Funden  ent- 
stammt,    (lieber  bedruckte  Stoffe  dieser  Funde  s.  unter  Zeugdruck.)         / 

Die  Sitte  des  Altertums,  Verstorbene  in  voller  Gewandung  zu  bestatten, 
scheint  sich  bei  den  Kopten  lange  erhalten  zu  haben,  so  dass  uns  aus  späteren 
Perioden,  als  der  arabische  Einfluss  sich  aller  Kunstformen  des  Orients  be- 
mächtigt hatte,  noch  überaus  wertvolle  Stoffe  erhalten  sind.  Der  in  Abb.  168 
dargestellte  Stoff  ist  für  ein  tunikartiges  koptisches  Gewand  zerschnitten  und 
gehört  als  arabisches  Fabrikat,  das  in  Alexandrien  hergestellt  sein  wird,    dem 


Koptische  Textilfunde. 


305 


11. — 12.  Jahrh.  an.  Der  gleichen  Periode  entstammen  die  in  Mengen  daher 
kommenden  seidenen  sogen.  Schlitzwirkereien  (s.  d.).  Späterer  Herkunft  sind 
auch  die  bunt  gestreiften  und  karierten  Seidenstoffe  (Abb.  169).  Merk- 
würdig erscheint  hier  das  Vorkommen  chinesischer  Gewebe  mit  Drachenmustern 

Abb.  169. 


in  farbiger  Seide  und  Goldpapier;  wie  weit  man  darin  und  noch  mit  anderen 
Textilien,  deren  Herkunft  den  dortigen  Funden  zugeschrieben  wird,  den  Angaben 
der  Händler  trauen  darf,  dazu  müssen  die  Ergebnisse  langjähriger  Forschungen 
abgewartet  werden.  (Literatur :  s.  unter  „"Weberei"  :  Geschichtliches.) 

Abbildungen: 

160.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Leinen- 
gewand mit  gewirkten  Mustern  in  farbiger  Wolle ;  durchgehende  Spangen-  und  Aermel- 
borten  aus  spitzovalen  Blütenformen,  welche  sich  auch  wiederholen  in  der  als  hängen- 
der Schmuck  dargestellten  Halsmusterung,  die  in  Form  und  Anordnung  an  ägyptischen 
Perlen-Behang  erinnert.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh. 

161.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin :  Bruchstück 
von  dem  Vorderteil  eines  gestreiften  Leinengewandes,  an  dem  die  Halsborte  und  schmale 
heruntergeführte  Spangen  in  Wirkerei  aus  farbiger  Wolle  erhalten  sind;  abwechselnde 
Darstellung  einer  E,eiterfigur  und  eines  Mannes  im  Kampf  mit  einem  Löwen ,  in  Art 
der  antiken  Muster  auf  byzantinischen  Seidengeweben.  Die  Spangen  enthalten  Rosetten 
und  längliche  Felder  mit  Quadraten.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh. 

162.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Rundes  Auf- 
satzstück eines  Gewandes,  Wirkerei  auf  Leinwand  in  purpurvioletter  Wolle  und  weissem 
Garn:  In  Mitte  kniender  Zirkuskämpfer  in  antiker  Tracht,  im  äusseren  breiten  Rande 
Darstellung  gebändigter  Löwen.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh. 

163.  Originalaufnahme  aus  dem  König].  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Quadratisches  Aufsatzstück  eines  Gewandes ,  Wirkerei  in  farbiger  Wolle :  Auf  rotem 
Grunde  abgesetztes  Stück  aus  einem  laufenden  Flächenmuster,  das  besteht  aus  weissen 
Bändern  mit  bunten  Ranken,  welche  durch  kleine  aufgesetzte  runde  Kreise  mit  Kreuzen 
verbunden    sind    und    spitzovale   Felder   büden,    darin   Blüten-   und   Fruchtformen    in 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  20 


306  Koptische  Textilfunde. 


palmettenartiger   Anordnung.     In   der  Randborte   in  Gelb    auf  Violett   kleine   Blüten- 
formen, welche  an  das  altägyptische  Henkelkreuz  erinnern.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh. 

164.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig :  Teil  eines 
Tuches ,  Stickerei  auf  Leinengrund  —  welcher  mit  Noppen  durchwirkt  ist  —  in  farbiger 
Wolle.  Quadratisches  Mittelfeld  mit  Tupfen,  in  Einrahmung  einer  Eck-  und  Abschluss- 
borte, letztere  mit  Zackenmusterung.     Fransenendigung.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh. 

165.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Teil  einer  phrygischen  Mütze,  Netzarbeit  in  gelblichem  Grarn ,  Musterung  aus  Streifen 
mit  Spitzbogenstellungen,  in  welchen  je  ein  Kreuz.     Koptisch  5. — 7.  Jahrh.  * 

166.  Darstellung  aus :  Katalog  der  Gewebesammlung  des  Germanischen  National- 
museums in  Nürnberg,  ebd.  1896.  S.  56 :  Rundes  Aufsatzstück  in  violetter  und  gelb- 
licher Seide  gewebt,  Muster  mit  Darstellung  eines  Baumes,  welchem  Blüten  in  Art  der 
indischen  oder  persischen  Palmwipfel  entsteigen.  Die  Randborte  enthält  wellige- 
Bänder  und  Palmetten.  Koptisch  5. — 7.  Jahrh.  Gleiche  Felder  sind  als  Endigung^ 
von  Spangen  ganzer  Gewandbesätze  erhalten  im  Kaiser  Friedrich-Museum  und  im 
Königl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 

167.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin :  Rundes 
Aufsatzstück  eines  Gewandes,  in  roter  und  gelblicher  Seide  gewebt  mit  symmetrischer 
Darstellung  zweier  gegeneinander  gekehrten  Reiter  in  antiker  Tracht  auf  geschirrten 
Rossen  und  mit  Pfeil  und  Bogen,  auf  einen  Löwen  schiessend.  Randborte  mit  spitz- 
ovalen Blutenformen^  welche  auch  in  den  vier  aufgesetzten  Halbkreisen  enthalten  sind.. 
Das  Muster  stammt  von  sassanidischen  Seidenstoffen  des  6.  Jahrhunderts  und  scheint 
dem  loseren  Gewebe  und  dem  dazu  verwendeten  Material  nach  eine  koptische  Nach- 
ahmung eines  solchen  Originales  zu  sein.  Die  abgeschlossenen  Ränder  der  äusseren 
Kante  weisen  auf  ein  abgepasst  gewebtes  Feld  hin,  wie  solche  auch  in  Wirkerei  als- 
Aufsatzstücke  von  Gewändern  dort  kopiert  wurden. 

168.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin :  Seiden- 
gewebe, das  zu  einem  koptischen  Gewände  zerschnitten  worden  ist,  Grund  rot  (ver- 
schossen), symmetrisches  Muster  blau  mit  weiss:  Gewürfelte  Bänder  mit  aufgesetzten 
runden  Scheiben,  welche  in  arabischen  Schriftzügen  den  Namenszug  eines  Sultans- 
tragen,  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  je  zwei  gegeneinander  gekehrte  steigende 
Löwen  in  Umrahmung  aneinander  gereihter  Kreise  mit  Halbmond  und  Spruch  in 
arabischer    Schrift.       Alexandrien  (?)    11. — 12.   Jahrh.      Aus    einem    koptischen    Grabe. 

169.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin:  Seiden- 
gewebe, Grund  rot,  Muster  aus  klein  gemusterten  bunten  Streifen.  Orient  13.  (?)  Jahrh . 
Aus  einem  koptischen  Grabe. 

Abbildungen  auf  Tafel  I:  Wirkereien  und  Webereien  des 
5.-7.  Jahrhunderts  aus  koptischen  Gräbern. 

(Originalaufnahmen    aus    dem   Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin.) 

1.  Borte,  Wirkerei  auf  Leinwand  in  farbiger  Wolle:  Darstellung  einer  wellig- 
gelegten Weinranke  mit  Blattwerk  und  Reben. 

2.  Rundes  Aufsatzstück  eines  Gewandes,  Wirkerei  auf  Leinen  in  farbiger  Wolle : 
Darstellung  eines  stilisierten  Baumes ,  unter  welchem  zueinander  gekehrt  ein  Paar 
von  Löwen.  Das  Kreisband  mit  welliger  Ranke.  Die  Muster  erinnern  an  sassanidisch& 
Vorläufer. 

3.  Länglich  rechteckiges  Aufsatzstück,  Wirkerei  in  roter  Wolle  und  weissem 
Garn:  Darstellung  zweier  Kreise,  in  einem  derselben  zwei  Reiter  in  antiker  Tracht,, 
welche  je  mit  einer  Lanze  nach  der  am  Boden  liegenden  Schlange  stechen  (heiliger 
Georg  ?) ,  darüber  schwebender  Engel ,  daneben  das  Kreuz ;  im  zweiten  Kreise 
Rosette.  Zwischen  den  Kreisen,  deren  Ränder  durch  wellige  Bänder  gefüllt  sind^ 
halbe  Zwickelrosetten  und  kleines  rundes  Feld  mit  Kreuz,  Dem  Ganzen  liegt  ein 
laufendes  Stoffmuster  orientalischen  oder  byzantinischen  Ursprungs  zugrunde. 

4.  Wirkerei  in  roter  Wolle  und  weissem  Garn  mit  Darstellung  eines  laufenden 
Stoffmusters  orientalischen  oder  byzantinischen  Ursprungs :  Reihenweis  geordnete 
Kreise  mit  Darstellung  eines  stilisierten  Baumes,  an  welchem  Menschen-  und  Tier- 
figuren abwechseln ;  dazwischen  kleine  und  grössere  Zwickelrosetten. 

5.  Rundes  Aufsatzstück  eines  Gewandes,  Wirkerei  auf  Leinen  in  farbiger  Wolle 
und  weissem  Garn:  Darstellung  eines  laufenden  Stoffmusters  mit  herzförmigen  und 
spitzovalen  gefüllten  Blütenformen  in  Rautenfeldern  aus  Kreuzen  und  spatenförmigen 
Blättern.     Rand  mit  Blattranke. 

6.  Borte  eines  Tuches,  Wirkerei  in  Violett  und  Weiss  auf  einem  Leinenstoff,, 
der  mit  Noppen  durchwirkt  ist:  Darstellung  von  springenden  Hirschen  in  Umrahmung 
einer  kreisförmig  gelegten  Akanthusranke. 


Korallen — Kratzau.  307 


7.  Borte,  Wirkerei  in  farbiger  Wolle:  Darstellung  von  Reiterfiguren  in  antiker 
Tracht,  mit  spitzer  Mütze  in  der  Rechten,  auf  geschirrten  Rossen.  Oberer  und  unterer 
Abschlussrand  mit  spitzovalen  Blütenformen. 

8.  Gewebe  aus  Seide  und  Wolle  in  Schwarz  und  Rotviolett:  Bänder  mit  antikem 
Flechtmuster  sind  durch  kleine  Kreise  mit  Palmetten  verbunden  und  bilden  Rauten- 
felder, in  deren  jedem  eine  pinienzapfenartige  (?)  Blüte  an  geradem  Schaft  mit  aus- 
wachsenden Blättern  und  Beeren ,  als  Abkürzung  des  im  frühen  Mittelalter  im  Orient 
und  in  Byzanz  gebräuchlichen  Baummotivs. 

9.  Seidenstoff,  festes  Gewebe,  Grund  roter  Atlas,  symmetrisches  Muster  weiss, 
in  Köperbindung :  Doppelranken  aus  Blattwerk ,  durch  kleine  Kreise  mit  Sternen  ver- 
bunden, bilden  Rautenfelder,  in  welchen  je  eine  herzförmige  Blütenform,  die  an 
byzantinischen  Ursprung  erinnert. 

Korallen  finden  in  den  wertvollen  mittelalterlichen  deutschen  Kirchen- 
stickereien oft  Verwendung  und  werden  in  Verbindung  mit  Perlen  aufgenäht. 
Auch  in  Japan  ist  die  K.  ein  beliebtes  Stickmaterial. 

Korandecken,  d.  s.  Tücher  zum  Einhüllen  des  türkischen  Grebetbuches, 
kommen  in  Mengen  auf  den  europäischen  Markt  und  werden  als  Kunst- 
stickereien sehr  geschätzt.  Sie  erinnern  an  die  sogen.  Hardanger  Arbeiten 
(s.  d.) ;  sind  aber  viel  feiner  in  der  Ausführung,  wozu  das  Material  namentlich 
beiträgt.  Die  Stickerei  in  geometrischer  Zeichnung,  aus  Sternen  und  ver- 
schieden durchbrochenen  Feldern  ist  in  weisser  Seide  im  Plattstich  auf  Leinen 
ausgeführt.  Der  rechteckigen  oder  ganz  quadratischen  Mitte  ist  oft  die  Ein- 
teilung der  Gebetnische  (s.  Gebetteppich)  mit  dem  spitzen  Bogenfelde  gegeben. 

Korathes,  Korotes,  grobe  und  starke  Kattune  aus  Surate  und  Pondichery. 

Kord  (engl. :  cord),  eine  Art  Sammet  (s.  d.). 

Korde  (franz.)  oder  Kordel,  Schnur,  Bindfaden ;  in  der  Musterweberei  die 
Zugschnur  am  Jacquardstuhl  (s.  Weberei). 

Kordonnierte  Seide,  Kordonnet,  ein  zu  gestrickten,  gehäkelten  Arbeiten 
usw.  verwendetes,  scharf  gedrehtes,  daher  rundes  und  glattes,  schnurähnliches 
Seidengezwirn,  das  in  der  Stärke  der  groben  Nähseide  oder  der  gewöhnlichen 
Strickseide  vorkommt,  beide  Arten  jedoch  in  der  Schönheit  des  Aussehens 
übertrifft. 

Korinth,  Stadt  in  der  griech.  Monarchie  Argolis  und  Korinth,  ist  im 
11.  Jahrhundert  als  byzantinische  Seidenmanufaktur  sehr  berühmt;  in  neuer 
Zeit  Erzeugung  von  Knüpfteppichen. 

Kortrijk,  franz. :  Courtrai,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  AFestflandern :  be- 
rühmt durch  die  Fabrikation  von  Leinwand,  Spitzen,  Zwirn,  Tafel-  und  Baum- 
wollzeugen.   In  der  Umgegend  wird  der  feinste  niederländische  Flachs  gezogen. 

Kostromä,  Stadt  in  Russland:  Spinnerei  und  Weberei ;  Handel  mit  Lein- 
wand und  Flachs. 

Kotzen,  s.  v.  w.  grobes  Deckenzeug  (s.  Decken).  Li  Franken  s.  v.  w. 
grober  zottiger  Bauernrock.  Das  böhmische  Kozig,  Pelzrock,  Koza,  Pelzwerk, 
das  sächsische  Kutte,  Kittel,  franz.  cotte,  engl,  coat,  hängen  damit  zusammen. 

Kötzer,  in  der  Spinnerei  das  birnenförmig  aufgewundene  Garn. 

Kou-jong,  feiner  geköperter  W^ollenstoff  aus  China,  der  weich  und 
seidenartig  im  Griff  ist,  aus  welchem  Tücher  von  etwa  2  m  Länge  getragen 
werden. 

Kraftstuhl  (Maschinenwebstuhl) ,  durch  AVasser-  und  Dampf  kraft  ge- 
triebener W^ebstuhl. 

Krain,  Herzogtum  und  Kronland  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie: 
Die  Leinenweberei  und  Anfertigung  grober  Spitzen  ist  weit  verbreitet.  Ferner 
werden  hergestellt:  Wollzeuge,  Flanelle,  grobe  Tücher  und  AVollwaren. 

Krämpeln  s.  Krempeln. 

Krappitz,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Oppeln:  Smyrna-  und  Perser- 
Teppichfabrik. 

Krasch,  russische  Bezeichnung  für  gewebte  Tafelzeuge. 

Kratzau,  Stadt  in  Böhmen :  Grosse  Tuch-  und  Schafwollfabriken,  Baum- 
wollspinnereien, Webereien,  Rotgarnfärbereien,  Makospinnerei. 


308  Krausbouillon — Krefeld. 


Krausbouillon,  soviel  w.  Kantillen  (s.  d.). 

Krawatte  (franz. :  cravate),  Halstuch,  Halsbinde  für  Herren,  angeblich  so 
genannt  nach  den  Kroaten,  die  unter  Ludwig  XIY  in  Frankreich  ein  Fremden- 
regiment  bildeten  und  eine  eigenartige,  in  Frankreich  dann  nachgeahmte  Hals- 
bedeckung trugen,     (s.  a.  Cravate.) 

Krefeld,  Stadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Düsseldorf:  Sitz  der  deutschen 
Seiden-  und  Sammetindustrie.  Es  bestanden  hier  1900:  26  Sammetfabriken, 
84  Seidenstofffabriken,  7  Betriebe,  die  sowohl  Seide  als  auch  Sammet  her- 
stellen, und  39  Färbereien.  In  der  Sammetindustrie  waren  846  Hand-  und 
2076  mechanische  Stühle  in  Betrieb.  In  der  Stoffweberei  waren  1900:  5834 
Hand-  und  7151  Kraftstühle,  in  Stoff-  und  Sammetband  483  Hand-  und  427 
Kraftstühle,  zusammen  16  817  Webstühle  im  Betrieb.  Der  Gresamtwert  der  ver- 
kauften eigenen  Fabrikate  betrug  82  232  939  M.,  wovon  auf  Sammet  24  943  044  M., 
auf  Seide  57  289  895  M.  entfallen.  Hergestellt  werden  in  K.  reinseidene  und 
gemischte  Stoffe,  bedruckte  Zeuge,  Fassonnets  auf  Jacquards,  glatte  und  ge- 
musterte Sammete  und  Plüsche,  alle  Gattungen  Bänder,  sowie  Möbel-  und 
Kirchenstoffe. 

Geschichtliches:  Im  15.  Jahrhundert  wird  die  Leinenweberei  als  ein 
landwirtschaftliches  Nebengewerbe  geübt,  deren  Produkte  meistens  nach  Haarlem 
gingen  und  dort  als  holländische  Ware  verkauft  wurden.  In  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  hatte  dieses  Gewerbe  einen  bedeutenden  Auf- 
schwung genommen  durch  die  Einwanderung  einiger  mennonitischer  Familien 
aus  den  Niederlanden.  Eine  derselben  —  die  Familie  von  der  Leyen  —  be- 
gründete die  Seidenindustrie.  1668  erwarb  Heinrich  v.  d.  L.  das  Krefelder 
Bürgerrecht,  er  betrieb  anfangs  ein  Kaufmannsgeschäft,  welches  mit  holländischen 
Manufaktur  war  en^  wie  Leinwand,  Seidenband  und  Tressen  handelte.  Mit  diesem 
Handel  verband  sich  bald  nach  holländischem  Vorbild  die  eigene  Fabrikation^, 
namentlich  von  Sammet-  und  Seidenband,  Tressen,  Borten  und  anderen  Posa- 
mentierartikeln, von  schwarzem  glattem  Stücksammet  und  von  Zwirn-  und  Näh- 
seide. Die  Seide  zu  den  Geweben  bezog  man  meist  in  gezwirntem  Zustande 
aus  Italien,  zur  Nähseide,  die  man  selbst  zwirnte,  besonders  asiatische  Seiden 
von  der  holländisch-indischen  Kompagnie.  Eine  eigene  Färberei  wurde  in  K. 
zuerst  1724  eingerichtet;  vorher  hatte  man  in  den  Kölner  Färbereien  oder  in 
Holland  oder  Frankfurt  färben  lassen.  Die  Leinenfabrikation  und  der  Zwischen- 
handel mit  fremden  Waren  traten  nun  mehr  und  mehr  zurück;  denn  schon  in 
den  Jahren  von  1720 — 1731  haben  sich  aus  den  verschiedenen  teilweise  mit- 
einander zusammenhängenden  Unternehmungen  der  einzelnen  Familienmitglieder 
drei  besondere  Geschäfte  herausgebildet:  Peter  v.  d.  L.^  vorzugsweise  Fabrik 
von  Nähseide  mit  grosser  Zwirnerei ;  Johann  v.  d.  L.  zusammen  mit  seinem 
Schwager  Peter  Jentges,  namentlich  für  Sammet  und  Sammetband;  Friedrich 
und  Heinrich  v.  d.  Leyen,  namentlich  für  seidene  Bänder  und  Tücher.  Die 
Färberei  in  Leyenthal  blieb  noch  längere  Zeit  gemeinschaftliches  Eigentum 
der  Brüder.  Die  Fabrikanten  wurden  angesehene  Leute;  als  König  Friedrich 
Wilhelm  I.  1738  auf  seiner  Heise  an  den  Niederrhein  Krefeld  besuchte,  war 
er  bei  ihnen  zu  Gaste.  Die  Stadt  hatte  sich  1740  in  der  Einwohnerzahl  seit 
25  Jahren  mehr  als  verdoppelt;  die  Fabrikation  beschränkte  sich  schon  nicht 
mehr  allein  auf  die  Stadt  und  ihr  Gebiet,  sondern  auch  in  der  Umgegend,  im 
Kölnischen,  in  Mors  und  in  Xanten  wurde  bereits  für  Krefeld  gearbeitet.  Der 
Betrieb  war  in  der  Hauptsache  ein  hausindustrieller;  nur  die  Zwirnerei, 
Färberei  und  Appretur  fanden  in  grösseren  geschlossenen  Bäumen  statt.  Der 
Verfall  der  Seidenindastrie  in  Holland  brachte  der  Krefelder  einen  grossen 
Vorteil.  Ganz  im  Gegensatz  zu  Preussen  beruhte  hier  die  Industrie, /ohne 
staatliche  Unterstützung,  auf  privaten  Unternehmungen  und  verfügte  über  aus- 
gedehnte Verbindungen  im  Auslande,  besonders  in  Holland  und  Polen.  Während 
der  Regierung  Friedrichs  des  Grossen  gewann  das  Geschäft  der  Brüder 
Friedrich  und  Heinrich  v.  d.  Leyen  eine  alle  anderen  weit  überragende  Be- 
deutung. Beide  Inhaber,  von  denen  der  eine  1778,  der  andere  1782  starb, 
sind    als    die    eigentlichen    Begründer    des   Weltrufes    der   Krefelder   Industrie 


Krempeln — Krepon.  309 


anzusehen.  Sie  verfertigten  nicht  nur  Seiclenzeuge,  sondern  bemächtigten  sich 
auch  der  seidenen  Halstücher  und  Schnupftücher  nach  Mailänder  und  ostindischer 
Art.  Daneben  wurde  auch  die  Anfertigung  seidener  Strümpfe  begonnen. 
Neben  den  verschiedenen  Unternehmungen  aus  dem  Familienverbande  der 
V.  d.  Leyen  gab  es  noch  seit  etwa  1750  zwei  andere  Firmen^  die  sich  zunächst 
nur  mit  der  Herstellung  von  Sammet  und  Sammetband  beschäftigten :  die  von 
Lingen  &  Comp.,  begründet  durch  den  früheren  Nadelmacher  Gerhard  Lingen 
in  Gemeinschaft  mit  einem  früheren  Buchhalter  Johannes  v.  d.  Leyen,  seit 
Ende  der  fünfziger  Jahre  des  18.  Jahrhunderts  in  den  Händen  der  Gebrüder 
von  Beckerath,  und  die  von  Preyers  &  Comp.,  begründet  durch  Paulus  Preyers. 
Des  öfteren  wurde  der  Versuch  gemacht,  das  Privileg  der  v.  d.  Leyen  zu 
durchbrechen,  aber  ohne  Erfolg;  sie  haben  hier  bis  zum  vorläufigen  Ende  der 
preussischen  Herrschaft  das  Monopol  behauptet.  (Vgl.  aus  Acta  Borussica : 
.,Die  preussische  Seidenindustrie  im  18.  Jahrhundert"  usw.  Berlin  1892, 
Bd.  III,  S.  81  £f.  und  262  ff.) 

Die  hier  bestehende  Preussische  höhere  Fachschule  für  Textil- 
industrie (Direktor  Lembke)  teilt  sich  in  die  höhere  Webe  schule  und 
in  die  Färberei-  und  Appreturschule,  mit  ersterer  ist  verbunden  eine 
Musterzeichenschule,  Nähschule  und  Stickschule.  Die  Webeschule  bildet 
Fabrikanten,  Fabrikdirektoren,  Musterzeichner,  Ein-  und  Verkäufer  vor ;  ebenso 
wird  die  Hand-  und  Maschinenstickerei,  Weiss-  und  Krawattennäherei  gelehrt. 
Beim  Unterricht  wird  vorwiegend  die  Seiden-,  Halbseiden-  und  Sammetindustrie 
(Konfektions-,  Schirm-,  Möbelstoffe,  Tücher,  Decken,  Bänder  und  sonstige  Be- 
satzartikel) berücksichtigt.  Der  Kursus  dauert  1^2  Jahr.  Das  Schulgeld 
(Vollschüler)  beträgt  für  Deutsche  200  Mk. ,  für  Ausländer  1000  Mk.  pro 
Jahr.  Die  Färberei-  und  Appreturschule  verfolgt  den  Zweck,  Studieren- 
den der  Chemie  eine  möglichst  vollständige  Ausbildung  zu  gewähren  und 
Chemiker,  Färber,  Bleicher,  Zeugdrucker  und  Appreteure  für  ihren  Beruf 
auszubilden.  Der  vollständige  Kursus  dauert  2  Jahre.  Das  Schulgeld  für 
ordentliche  Schüler  beträgt  die  gleiche  Summe  wie  in  der  Webeschule. 

Die  Königl.  Gewebesammlung  in  Krefeld  (Conservator  Paul 
Schulze)  ist  im  Gebäude  der  vorhergenannten  Fachschule  aufgestellt.  Sie 
enthält  etwa  8000  Nummern  von  Geweben,  Stickereien,  Spitzen,  Teppichen 
und  Posamenten  aller  Zeiten  und  Völker.  Moderne  Textilerzeugnisse  von 
besonderem  Wert  sind  daran  angeschlossen.  Ein  Teil  der  Sammlung  ist  in 
geschichtlicher  Folge  unter  Glas  und  Pahmen  aufgestellt  und  für  Interessenten 
zugänglich. 

Der  Verein  zur  Förderung  der  Textilindustrie  in  Krefeld 
(Vorsitzender:  Kaufmann  Arthur  Leysner,  Geschäftsführer:  Conservator 
Paul  Schulze)  hat  den  Zweck,  Fabrikanten  und  Musterzeichner  bezüglich 
der  Neuheiten  auf  dem  Gebiete  der  Textilindustrie  auf  dem  Laufenden  zu  er- 
halten. Es  liegen  hierzu  französische  Abonnements  von  allen  Neuheiten  auf, 
ferner  werden  jährlich  moderne  Anschaffungen  von  Originalstoffen  und  Vor- 
lagen gemacht,  welche  an  die  Mitglieder  (jährlicher  Beitrag  50  Mark)  ver- 
liehen werden. 

Krempeln,  Krämpeln  (Streichen,  Kratzen,  Kardieren,  Kardätschen)  der 
Wolle  stimmt  im  wesentlichen  mit  dem  K.  der  Baumwolle  überein  (s.  Baum- 
wollspinnerei), doch  spielt  das  K.  besonders  bei  der  Verarbeitung  der  Streich- 
wolle noch  eine  wichtigere  Solle  als  bei  der  Verarbeitung  der  Baumwolle, 
Heede,  .Täte  und  der  Kammwolle.  In  der  eigentlichen  Streichgarnspinnerei 
findet  ein  Strecken  und  Doppeln  gar  nicht  und  ein  besonderes  Vorspinnen 
nur  selten  statt  und  durch  das  Krempeln  allein  muss  die  nötige  Gleichförmig- 
keit des  der  Feinspinnmaschine  vorzulegenden  Garnes  erreicht  werden.  Man 
kratzt  deshalb  die  Wolle  mehreremal  hintereinander,  meist  auf  einem  Satz  von 
drei,  zuweilen  auch  von  zwei  oder  vier  Maschinen  (s.  Streichgarnspinnerei), 
meist  unter  Benutzung  des  Kreuzungsverfahrens  (s.  Kreuzung). 

Krempelwolf  s.  Wollspinnerei. 

Krepon  s.  Crepon. 


310  Krepp — Kreuzstich. 


Krepp  (franz. :  crepe,  vom  lat.  crispus  =  kraus),  Kreppflor,  ist  ein 
leichter,  durchsichtiger  und  gekreppter  Seidenstoff,  sowohl  weiss  und  schwarz 
als  buntfarbiger ,  wovon  der  schwarze  besonders  zu  Trauerkleidern  starke 
Verwendung  findet.  Er  wird  aus  der  feinsten  Seide  verfertigt :  zum  Einschlag 
nimmt  man  einen  dreifach  doublierten  und  stark  gedrehten  Faden,  der  nach 
dem  Zwirnen  nicht  stärker  als  der  einfache  Kettfaden  sein  darf  und  der  des- 
halb auf  der  grossen  Zwirnmühle  (Moulinage)  mit  eigens  dazu  eingerichteten 
Scheiben  so  gezwirnt  wird,  dass  die  eine  Hälfte  rechts,  die  andere  links  ge- 
dreht ist.  Bei  dem  Weben  werden  die  Eäden  der  Kette  und  des  Einschlags 
so  auseinander  gehalten,  dass  sie,  wie  bei  dem  Flor  oder  der  Graze^  netzförmige 
x^ugen  und  kleine  durchsichtige  Quadrate  bilden.  Es  gibt  mehrere  Arten 
doppelten  und  einfachen  K.'s,  die  sich  sowohl  im  Gewebe  selbst  und  in  der 
Qualität,  als  auch  in  der  Länge  und  Breite  unterscheiden.  Bezüglich  der  Breite 
hat  man  18  Sorten,  die  von  2  zu  2  steigen,  indem  sie  von  Nr.  2,  als  der 
schmälsten,  anfangen  und  bis  Nr.  36,  als  der  breitesten,  hinaufgehen.  Der 
Bologneser,  welcher  schwarz  Crespo,  weiss  Yelo  heisst,  wird  von  der  aller- 
feinsten  Seide  wie  gewöhnlicher  Flor  sehr  dünn  und  locker  gewebt,  aber  nicht 
durch  heisses  Wasser  gekreppt,  sondern  auf  eine  ganz  besondere  Art  zubereitet. 
Eine  besondere  Sorte  der  Kreppstoffe  sind  die  ganzseidenen  Etamine  mit  Krepp- 
gaze, welche  man  auch  Etamines  facon  de  Crepon  nennt.  (Ygl.  unter  Japan 
den  Artikel  „Chirimen".) 

Kreppbilder,  Bilder  die  auf  weisser  Seide  mit  feinen  seidenen,  aus  Krepp 
gezogenen  schwarzen  Fäden    gestickt   werden    und   Kupferstichen  ähnlich  sind. 

Kreszentin  oder  Chappe,  s.  Seide. 

Kreuz  (lat. :  crux,  franz. :  croix,  engl. :  cross),  als  Symbol  des  Opfertodes 
Christi  und  somit  des  Inbegriffs  des  Christentums  seit  dem  frühesten  Mittel- 
alter auf  kirchlichen  Stoffen  und  Stickereien  angewandt.  In  der  romanischen 
und  gotischen  Periode  kommt  das  K.  selten  allein  zur  Anwendung,  sondern 
im  Zusammenhange  mit  der  Darstellung  der  KreuzigungChristi,  besonders 
auf  Kasein  und  Antependien.  Erst  die  Renaissance  verziert  die  Bückseite  der 
Kasel  wieder  mit  dem  Kreuz  allein,  zu  welcher  Zeit  es  als  kirchliche  Kunst- 
form in  trefflicher  Ausführung  erscheint.  (Vgl.  kirchliche  Wirk-  und  Stick- 
muster und  Abb.   154.) 

Kreuzfach,  die  Kreuzung  der  Kettenfäden  beim  gazeartigen  Grewebe. 

Kreuz-  oder  gebrochener  Köper  (Serge  brise),  allgemein  bekannt  unter 
dem  Namen  vierbindiger  Atlas,  trotzdem  er  nicht  zu  letzteren,  sondern  unter 
die  Abarten  der  Köper  gehört.  Die  Eigentümlichkeit  der  Ware  besteht  darin, 
dass  ein  Teil  des  Rapportes  entgegengesetzte  Richtung  einnimmt,  so  dass,  wenn 
der  erste  Teil  von  links  nach  recbts  laufend,  der  zweite  Teil  von  rechts  nach  links 
laufend  seine  Bindestellen  hat.  Die  Kreuzköper  wendet  man  meistens  in  Mode- 
artikeln oder  halbwollenen  Kleiderstoffen,  Kammwollstoffen  (Shawls)  u.  dergl.  an. 

Kreuznaht  s.  Nähen. 

Kreuzsteppstich  kommt  in  der  Weissstickerei  auf  sehr  klaren  Geweben 
zur  Verwendung.  Er  bildet  auf  der  Kehrseite  eine  dichte  Kreuznaht  und 
gleichzeitig  eine  Art  Untergrund,  welcher  der  Figur  einen  matten  Ton  verleiht. 
In  der  Ausführung  hat  der  K.  Aehnlichkeit  mit  dem  Steppstich;  auch  findet 
er  in  Abwechselung  mit  der  Durchbrucharbeit  und  Spitzenstickerei  Verwendung. 

Kreuzstich,  in  der  Stickerei,  am  häufigsten  auf  Leinen,  aus  zwei  schrägen 
Stichen  bestehend,  welche  quer  übereinander  gelegt,  ein  Kreuz  bilden.  Grestattet 
der  Grundstoff  das  Zählen  der  Gewebefäden,  so  wird  der  Kreuzstich  direkt 
auf  demselben  ausgeführt;  bei  dichten  Stoffen  bedient  man  sich  einer  Unter- 
lage aus  Kanevas,  dessen  Fäden  nach  Vollendung  der  Stickerei  ausgezogen 
werden.  Man  kennt  einen  einfachen  oder  einseitigen  und  einen  doppelseitigen 
Kreuzstich,  und  in  letzterem  hat  die  moderne  Technik  nach  der  Herkunft  ge- 
eigneter Vorbilder  verschiedenartige  Sticharten  im  Kreuzstich  benannt,  die 
z.  T.  auch  Abarten  des  Flechten-,  Kästchen-  und  Zopfstiches  sind  (s.  Leinen- 
stickerei). Eine  ausgedehnte  Verwendung  findet  der  Kreuzstich  auch  in  der 
sog.  Kanevasstickerei  (s.  d.). 


Kreuztüllgewebe — Kulieren.  311 


Kreuztüllgewebe,  gazeartiger  Stoff  aus  feinen  Baumwoll-  und  Seiden- 
fäden, nach  der  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Correge,  TuUe,  benannt  (s.  Tüll). 

Kreuzung.  Beim  Uebertragen  der  Wolle  von  EJrempel  zu  Krempel  wird 
in  der  Streicligarnspinnerei  das  Erzeugnis  der  ersten  Krempel  (in  Pelz-  [oder 
Vlies-]  oder  Bandform)  der  nächsten  Krempel  entweder  so  vorgelegt,  dass  die 
Haare,  welche  sich  nahezu  gleichlaufend  zur  Längsrichtung  der  Watte  einge- 
lagert haben,  wieder  in  der  Längsrichtung  der  Maschine  verlaufen  oder  senk- 
recht dazu :  Uebertragung  ohne  und  mit  Kreuzung.  In  letzterem  Falle  erzielt 
man  ein  rauheres  Garn,  aber  innige  Mischung,  und  man  arbeitet  deshalb  für 
Farbe-  (Melangen)  und  Kunstwollmischungen  mit  Kreuzung,  für  Herstellung 
glatter  G-arne  (Halbkammgarn)  aber  ohne  Ej^euzung.  (Vgl.  Müller,  Handbuch 
der  Spinnerei,  Leipzig  1892.) 

Kreuzzuchtwolle  s.  Crossbredwolle. 

Krimmer  s.  Astrachan. 

Krimpen  s.  Dekatieren. 

Krimpkraft  (Krumpkraft,  Krümpkraft,  Krümmkraft,  Krumpfkraft)  nennt 
man  die  Eigenschaft  der  G-ewebe,  beim  Trocknen  .,einzugehen"  —  zu  schrumpfen. 
Es  ist  dies  keine  Kraft,  sondern  nur  eine  Eigenschaft,  die  besser  durch  .,Krumpf- 
fähigkeit"   auszudrücken  wäre. 

Kristiania,  Hauptstadt  von  Norwegen,  bewahrt  im  Industriemuseum  die 
älteste,  ziemlich  genau  datierbare  Bildwirkerei  mittelalterlich  europäischen 
Ursprungs,    welche    im  12.  Jahrh.    in  Korwegen    hergestellt  ist  (s.  Norwegen). 

Krone  (lat. :  corona,  franz. :  couronne,  engl. :  crown)  erscheint  als  Stoff- 
muster selten  in  heraldischer  Bedeutung,  sondern  scheint  sich  vom  x4.nfange 
des  16.  Jahrh.  ab  lediglich  als  künstlerische  Knaufbildung  einzuführen,  (siehe 
Knauf  bil  düngen.) 

Kronenleinwand,  Kronentücher  (Lienzos  de  tres  Coronas),  gewebte  Hanf- 
stoffe aus  Westfalen,  welche  mit  drei  Kronen  gestempelt  unter  dem  Namen 
Löwentlinnen  in  den  Handel  kommen. 

Krullhaar  oder  Krollhaar,  gekräuseltes  Bosshaar,  das  als  feineres  Polster- 
material für  Sitzmöbel  verwendet  wird. 

Krumau  (KJrummau),  Stadt  in  Böhmen:  Flachsspinnerei,  Fabrikation  von 
Tuch  und  Kaschmir. 

Krüseler,  auch  Hülle,  eine  Frauenhaube,  die  in  der  Mitte  des  15.  Jahrh. 
in  Mode  kam.  Sie  rahmte  das  Gesicht  durch  eine  Menge  eng  gefalteter  Striche 
von  weissem,  überaus  feinem  Leinen  ein;  auch  war  manchmal  der  untere  Band 
der  kapuzenartigen  Haube  mit  solchen  Strichen  versehen. 

Kuba,  Stadt  in  Bussland:  Seiden-  imd  Teppichwebereien.  (Hauptort  der 
Teppicherzeugung  in  Daghestan.) 

Kuchen,  Dorf  im  Oberamt  Geislingen  des  württ.  Donaukreises  :  Baum- 
wollspinnerei und  -Weberei. 

Kufische  Schrift,  die  von  der  Stadt  Kufa  (Provinz  Irak  Arabi),  wo  die 
meisten  Abschreiber  waren,  so  benannte  arabische  Schrift,  erscheint  im  Mittel- 
alter auf  Geweben  nicht  nur  als  Bezeichnung  des  Ortes  der  Herstellung  oder 
'des  Zweckes,  sondern  auch  lediglich  als  Ornament,  weil  die  Technik  der  Weberei 
durch  den  gewünschten  symmetrischen  Umschlag  die  Bedeutung  des  Schrift- 
zeichens aufhebt.  Schon  der  Araber  macht  auf  diese  Weise  im  13.  Jahrh. 
seine  Koransprüche  dem  Flachmuster  nutzbar  (s.  arabischer  Stil).  Diese 
Schriftborten  übernimmt  dann  Spanien  und  Italien  mit  der  Technik  und  den 
Mustern  der  Seidenweberei  vom  Orient,  so  dass  Nachklänge  in  den  europäischen 
Stoffen  des  14. — 15.  Jahrh.  mit  Spruchbändern  und  gotischen  Minuskeln  damit 
in  Zusammenhang  gebracht  werden  können.  In  der  Musterung  der  Knüpf- 
teppiche des  Orients  lassen  sich  ähnliche  Ueberlieferungen  kufischer  Schrift 
durch  die  Technik  verfolgen,  welche  im  16.  Jahrh.  zur  Ausbildung  eines  breiten 
arabischen  Bandmusters  führen. 

Kula,  Stadt  in  der  türkischen  Provinz  A'idin :  Erzeugung  von  Knüpf- 
teppichen, welche  im  Handel  als  Smyrna-T.  gelten. 

Kulieren  s.  Wirkmaschine. 


312  '  Kulierplüsch — Kunstwolle. 


KulierplÜSCh  s.  Wirkwaren. 

Kuniatstuch,  grobes  Wollentucli  aus  Siebenbürgen. 

Kunstleinen,  leinwandartige  Stoffe,  zu  deren  Herstellung  Leinenlumpen, 
abgenutztes  Tauwerk  usw.  zerfasert  werden  und  das  Produkt  nach  Art  der 
Baumwolle  gekrempelt  und  versponnen  wird. 

Künstliche  Seide  zu  erzeugen  bat  in  neuerer  Zeit  viele  Techniker  und 
Chemiker  beschäftigt.  Frühere  Versuche,  eine  Faser  herzustellen,  die  den 
Eigenschaften  der  Seide  ähnlich  war,  schlugen  fehl.  (Vgl.  Silbermann,  Die 
Seide  usw.  Dresden  1897.  Bd.  II.  S.  115  ff.)  Noch  im  Jahre  1879  erregte 
die  sog.  Similiseide  in  Lyon  grosses  Aufsehen,  entpuppte  sich  aber  als  Betrug. 
Ein  gutes  Ersatzmittel  für  die  echte  S.  ist  in  der  wilden  S.  gegeben;  auch 
wurde  versucht,  die  Ramie  (Chinagras)  ihres  Glanzes  halber  als  Surrogat  der 
S.  zu  verwenden,  ebenso  versuchte  man  aus  der  Bastfaser  des  Maulbeerbaumes 
ein  der  Seide  gleichkommendes  Rohmaterial  herzustellen.  Als  Grundstoff  für 
das  Surrogat  der  künstlichen  S.  wählte  man  die  durch  Behandlung  mit  Salpeter- 
schwefelsäure aus  der  Zellulose  (Baumwolle  oder  Holzstoff)  gewonnene  Nitro- 
zellulose, die  sog.  Schiessbaumwolle  oder  das  Pyroxylin  in  verschiedenen  Stufen 
der  Nitrierung.  Nach  Silbermann  kannte  man  1897  folgende  Arten  der  künst- 
lichen Seide:  ein  im  Jahre  1885  von  Graf  de  Chardonnet  erfundenes 
Verfahren,  das  seither  neue  Vervollkommnungen  erfahren  hat;  ein  im  März 
1889  als  Patent  angemeldetes  Verfahren  von  Du  Vivier;  das  im  November 
gleichen  Jahres  angemeldete  Verfahren  von  Dr.  Lehner  in  Augsburg  und 
endlich  die  neuesten  Verfahren  vonCadoreh  und  Langhans. —  Künstliche 
Seide  wird  auch  aus  gefärbten  oder  metallglänzenden  Kollodiumfäden  her- 
gestellt. 

Kunststickereifachschulen,  Anstalten  zur  Ausbildung  in  der  Weiss-  und 
Buntstickerei  für  das  weibliche  Geschlecht.  In  Preussen  liegt  die  Leitung  der- 
selben, welche  mit  den  Webe-  und  sonstigen  Schulen  für  Textilindustrie  ver- 
bunden sind,  in  Händen  der  Kgl.  Zentralstelle  (s.  Berlin,  S.  82);  ferner  besteht 
eine  Abteilung  an  der  Kunsthandarbeitsschule  des  Lettevereins  zu  Berlin  und  eine 
mit  der  Königl.  Zeichenakademie  zu  Hanau  verbundene  Fachschule  für  Kunst- 
stickerei mit  zweijährigem  Unterrichtsgang.  Sachsen  besitzt  zwei  vom  Staate 
beaufsichtigte  Privatinstitute  für  Kunststickerei,  die  Fachschule  des  Frauen- 
erwerbvereins  zu  Dresden  (seit  1877)  und  eine  Abteilung  an  der  höheren  Fach- 
und  weiblichen  Gewerbeschule,  sowie  Handarbeitslehrerinnenseminar  zu  Leipzig 
(seit  1875).  Besondere  Sorgfalt  hat  man  in  Oesterreich  diesem  Unterricht  zu- 
gewendet. Dort  besteht  die  Fachschule  für  Kunststickerei  zu  Wien  (1874), 
die  Kunststickerei  zu  Laibach  (1891)  und  die  mit  der  k.  k.  Staatsgewerbe- 
schule verbundene  Fachschule  für  Kunststickerei  zu  Triest. 

Kunstwolle,  Lumpenwolle  (franz. :  laine  artificielle,  engl. :  Shoddy,  Mungo), 
Ersatzstoff  für  Naturwolle,  der  durch  das  Zerfasern  wollener  Lumpen,  sowie 
von  Garnabfällen  aus  Spinnerei  und  Weberei  oder  auch  von  Tuchlumpen  ge- 
wonnen wird  (im  letzteren  Fall  Mungo  genannt).  Die  K.  wird  meist  mit  natür- 
licher Wolle  gemischt,  als  Einschlag  zu  wohlfeilen  Tuchen  von  feinem  Aus- 
sehen, aber  geringerer  Haltbarkeit  gearbeitet.  Die  Verarbeitung  der  Lumpen 
geschieht  in  der  Weise,  dass  man  dieselben  zuerst  wäscht,  dann  sortiert  und 
jene,  welche  neben  Wolle  auch  noch  Baumwolle  enthalten,  dem  sog.  Karboni- 
sieren unterwirft,  d.  h.  mit  Dämpfen  von  Salzsäuren  behandelt,  wodurch  die 
Baumwolle  zerstört  wird.  Die  sortierten  und  genügend  gereinigten  Lumpen 
werden  auf  dem  Wolf,  einer  mit  Stahlspitzen  besetzten  Trommel,  welche  in 
einem  ebenfalls  mit  Stahlspitzen  besetzten  Gehäuse  rasch  umläuft,  zerrissen. 
Die  sich  ergebenden  Fasern  werden  mit  Hilfe  von  Krempelmaschinen  gfleich 
gerichtet,  so  dass  man  eine  lockere  Watte  erhält,  die  dann  zu  Bändern  gestreckt 
wird,  welche  immer  länger  und  dünner  ausgezogen  werden,  bis  man  endlich 
spinnbare  Fäden  bekommt,  die  zu  Geweben  verarbeitet  werden.  Die  sog. 
Schneiderlumpen,  d.  h.  Abfälle  von  neuen  Tuchen,  sind  für  den  Zweig  der 
K.-Fabrikation  das  beste  Material  und  werden  die  aus  demselben  dargestellten 
Fabrikate    gewöhnlich   als  Mungo  bezeichnet.     Die  K.-Garne  werden  in  vielen 


Kurdistan — Lachorias.  313 


Fällen  mit  neuen  Wollfäden  zu  billigerer  Ware  versponnen.  Manche  Grewebe^ 
der  eigentliche  Shoddy,  bestehen  aber  nur  aus  K.  und  haben  daher  auch  nur 
eine  geringe  Festigkeit  und  Haltbarkeit.  Die  K. -Industrie  ist  zwar  ein  Ge- 
werbe, durch  welches  grosse  Mengen  von  Abfällen,  welche  sonst  wertlos  wären, 
wieder  in  brauchbare  Waren  übergeführt  werden,  und  man  hat  es  soweit  ge- 
bracht, solche  Waren  derart  herzurichten,  dass  sie  vom  Nichtkenner  für  feine 
Schafwollstoffe  gehalten  werden;  sie  wird  aber  leider  auch  vielfach  missbraucht, 
indem  ein  grosser  Teil  angeblich  neuer  Schafwollgewebe  eine  sehr  beträchtliche 
Beimengung  von  K,  enthält  und  hierdurch  bei  schönem  Aussehen  an  innerem 
Wert  verliert. 

Kurdistan,  umfasst  das  Gebiet  der  Kurden,  die  türkischen  Provinzen 
Diabekr,  Erzerum,  z.  T.  Bagdad,  sowie  die  persischen  Provinzen  Kurdistan 
oder  Ardilan  mit  der  Hauptstadt  Kirmanschah.  Die  Wanderstämme  der  Kurden 
erzeugen  die  besten  Teppiche,  welche  bei  der  grossen  Ausdehnung  des  Gebietes 
unter  verschiedenen  Bezeichnungen  in  den  Handel  kommen. 

Kurdistan-Kilims  sind  die  feinsten  glatten  Teppiche,  welche  Persien  jetzt 
produziert.  Dieselben  sind  nicht  geknüpft,  sondern  in  feiner  Schlitz  Wirkerei 
hergestellt;  sie  zeigen  entweder  ein  Heratimuster  und  Palmwipfel,  oft  haben 
sie  auch  im  Innern  ein  ovales  Medaillon  (s.  Kilim). 

Kurk  ist  die  teuerste  (Flaum-)  Wolle  in  persischen  Teppichen:  das  sind 
die  kleinen  feinen  unteren  Haare,  welche  eine  besondere  Ziegenart  (bei  Kirman) 
im  Frühjahr  verliert.  Mit  K.  gewebte  Teppiche  gehören  zu  den  grössten 
Seltenheiten  und  werden  nur  auf  Bestellung  hergestellt,  da  K.  viel  teurer  als 
Seide  zu  stehen  kommt.  Bei  den  Nomadenvölkern  werden  daraus  Teppiche 
für  die  Aussteuer  gemacht;  auch  sind  die  berühmten  Kirmaner  Shawls  daraus; 
gefertigt. 

Kurvenstil  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  im  Bereiche  der  Kunstformen 
des  französischen  Barockstils,  welche  von  Daniel  Marot  (1650 — 1712),  Jean 
Berain  (1638-1711),  Charles  Boulle  (1647— 173?!)  ausgebildet  wurden  und  sich 
aus  volutenartig  geschlungenen  Bandornamenten  zusammensetzen.  Für  das' 
Flachmuster  sind  namentlich  die  Entwürfe  von  Marot  von  Bedeutung  ge- 
worden und  als  Bandaufnäharbeit  verwendet.     (Vgl.  Abb.  35.) 

Kusir,  Nähseide  (s.  Seide). 

Kutil,  modernes  festes  Gewebe  aus  grober  Baumwolle. 

Kutte,  der  weite,  bis  auf  die  Füsse  herabreichende,  um  die  Hüften  durch 
einen  Strick  oder  Gürtel  zusammengehaltene  Hock  der  Mönche,  der  am  Nacken 
mit  einer  Kapuze  versehen  ist. 


L. 

Lace,  im  Englischen  „die  Spitze",  dessen  Abstammung  wohl  im  italie- 
nischen „laccio  oder  lacetto"  zu  suchen  ist:  dort  ist  es  die  Bezeichnung 
für  eine  Yerschlingung  aus  Fäden  oder  wie  es  in  alten  Musterbüchern  wörtlich 
übersetzt  wird  „geschlungenes  oder  verstricktes  Werk",  womit  also  die  innere 
Zeichnung  gemeint  war.  In  England  versteht  man  unter  L.  im  allgemeinen 
eine  geklöppelte  Spitze,  in  welchem  Sinne  die  Ableitung  des  Wortes  auch 
mit  der  Bedeutung  für  Litze,  Tresse,  Borte  usw.  im  Zusammenhange  stehen 
kann,  so  dass  man  von  einer  point  lace,  oder  von  einer  Spitze  mit  eingenähter 
geklöppelter  Litze  spricht,    (s.  Litzenspitze.) 

Lacerna,  ein  IJebergewand  der  ßömer,  leichter  als  die  Toga  (s.  d.),  wurde 
über  beide  Schultern  gelegt  und  vorn  mit  einem  Knopf  geschlossen. 

Lacet  (franz.),   Schnürband,  Schnürsenkel. 

Lachorias  sind  ostindische  Baumwollzeuge  von  Patna,  welche  im  ost- 
indischen Handel  vorkommen. 


314  Lacieren — Lambrequins. 


Lacieren  (franz.),   einschnüren,  zuschnüren,  mit  Band  durchflechten. 

Lacis  (franz.),   netzförmiges  G-ewebe,  Netzarbeit. 

Lacovries,  baumwollene  ostind.  Gewebe,  welche  die  Dänen  früher  brachten. 

Lade,  in  der  Weberei  der  den  Weberkamm  einschliessende  Rahmen  mit 
dem  L  a  d  e  n  b  a  u  m ,  dem  unteren  schweren  Querholze,  dem  Ladenstock  oder 
oberen  Querholze,  welches  auf  den  Balken  des  Webstuhlgestelies  ruht,  und  dem 
Ladendeckel,  ebenfalls  einem  Querholze,  welches  den  Weberkamm  festhält. 
Die  L.  dient  dazu,  um  den  Einschlagfaden,  der  quer  durch  die  Kette  gelegt 
wird,  anzuschlagen,  d.  h.  den  zuletzt  eingetragenen  Schussfaden  glatt  an  das 
Gewebe  zu  drücken.  Es  gibt  je  nach  der  Art  des  herzustellenden  Gewebes 
verschiedene  Arten  von  L. :  die  Handlade,  Schnelllade,  Broschierlade,  Wippchen- 
lade, Wechsellade,  Lanzierlade.  In  der  Flachsspinnerei  nennt  man  L.  den  un- 
beweglichen Teil  der  Handbreche. 

Ladik,  eine  Art  von  Smyrna-Kuüpfteppichen. 

Ladines,  ein  veralteter  geköperter  Wollenstoff,  der  buntgestreift  oder 
getupft  gewebt  wird  und  durch  die  Heissmange  (Glossing  maschine)  eine  glänzende 
Appretur  erhielt. 

Lady-Coating,  der  feinste,  leichteste  Fries,  eine  Art  Tuchgewebe. 

Laguary,  kolumbische  Baumwollsorte. 

Lahn  (franz.  la  lame,  engl,  finsel,  ital.  lame)  heisst  der  dünne,  geplättete 
Metalldraht,  der  entweder  über  Seide  gesponnen  oder  allein  zu  Spitzen,  Zeugen, 
Borten  und  dergl.  verarbeitet  wird.  Es  gibt  Goldlahn,  Silberlahn,  leonischen 
oder  unechten  Lahn.  Er  ist  auf  kleinen  BöUchen  von  einer  halben  oder  ganzen 
Unze  im  Gewicht.  Man  bezieht  ihn  von  Augsburg,  Berlin,  Wien,  Nürnberg 
und  Freiberg.  Lahnbänder  (Lahn  und  Seide  zusammengewebt)  werden  noch 
in  Annaberg  gefertigt  und  für  gewisse  Yolkstrachten  gebraucht.  Lahnzeuge 
für  Maskeraden-  und  Theateranzüge  webt  man  in  Chemnitz.  Die  Fabrikation 
von  Lahntressen  wird  in  Freiberg  betrieben,  sie  unterscheidet  sich  in 
Ga Ionen,  Gaze  und  Korallenarbeit.  Lahnarbeit  in  echter  Ware 
wird  in  vielen  Städten  Deutschlands,  namentlich  Nürnberg  und  Leipzig,  ge- 
macht; höchst  bedeutend  ist  die  Fabrikation  aber  in  Moskau  (Bussland). 

Lahnborten,  die  aus  Lahn  hergestellten  Gold-  und  Silberborten. 

Lahore  oder  Lahaur,  Hauptstadt  in  der  indobritischen  Gouverneurs chaft 
Pandschab :  Fabrikation  von  Baumwollstoffen,  Flanellen,  Seidenstoffen,  Gold- 
und  Silberlitzen.  In  früherer  Zeit  Fabrikation  von  Teppichen :  Ende  der  80er 
Jahre  sind  solche  aus  dem  16.  Jahrhundert  entdeckt,  welche  im  Jeyporemuseum 
untergebracht  wurden,    (s.  Indien.) 

Laibach,  Stadt  im  österreichischen  Kronlande  Krain:  Baumwollspinnerei, 
Tuchfabrikation.     Fachschule  für  Kunststickerei,  Spitzenindustrie. 

Lamas,  1.  flanellähnliche  Stoffe  aus  Streichwolle,  schlicht  gewebt,  doch 
zuweilen  auch  geköpert  und  gemustert;  sie  haben  eine  schwache  Haardecke, 
durch  welche  das  Gewebe  sichtbar  ist ,  sind  einfarbig  oder  bunt,  gestreift, 
kariert  oder  geflammt  und  dienen  als  Futter  für  AVinterkleider,  zu  Mänteln  usw. 
Mitunter  gibt  man  den  Namen  auch  besseren  Stoffen,  die  gewöhnlich  Napoli- 
taine  heissen.  2.  in  Italien  glatte,  reiche  und  halbreiche  Stoffe.  Der  Aufzug 
ist  von  Organsinseide,  der  Einschuss  von  Tramseide,  das  Gold  und  Siber  echt. 
Die  ganz  reichen  nennt  man  tutta  lama,  die  halbreichen  mezza  lama.  Sie 
w^erden  zu  Neapel,  Messina  und  Venedig  gewebt. 

Lambrecht,  Stadt  des  bayer.  Beg.-Bez.  Pfalz  :  Bedeutende  Tuchfabrikation, 
Watte  und  Wollfilz.     Seit  1900  höhere  Webschule. 

Lambrequins  sind  ausgezackte  Behänge  für  Bortenabschlüsse  über 
Fenstern,  Türen  und  dergl.,  sowie  an  Decken-  und  anderen  Behangsto^en. 
Ihre  Entstehung  wird  mit  der  Entwickelung  des  Zackenmusters  zusammen- 
hängen, das  wiederum  durch  die  genähte  und  geklöppelte  Spitze  eine  Aus- 
bildung erhielt.  Allmählich  sind  die  Bogenfelder  auch  als  Musterung  für  ge- 
webte und  gestickte  Stoffe  als  abgepasste  Streifen  allgemein  geworden ,  ohne 
dass  man  sie  ausschneidet.  (Vgl.  die  Abb.  38,  39,  41  u.  3  auf  Tafel  IX.) 
Eine    besondere  Art  von  lambrequinartigen  Feldern   in    glatten  Borten   ist  ge- 


Lametta — Lanciert. 


315 


Abb.  170. 


bildet  durch  das  IJmsclilagen  des  arabischen  Spitzbogens,  dessen  Motiv  auf 
persischen  und  indischen  Teppichen  und  Decken  oft  wiederkehrt.  (Vgl- 
Abb.   170.) 

Abbildung: 

170.    Darstellung  aus:    Heiden,  Musteratlas,   Leipzig  1896,  Blatt  17.     Borte  in 
farbigem  Zeugdruck  mit  gefüllten  Lambrequinfeldern.     Indien  19.  Jahrh. 


Lametta,  feine  Metallfäden,  die  durch  Ziehen  von  versilberten  Kupfer- 
stangen hergestellt  und  mit  denen  Stoffe  zu  Gewändern  durchwebt  werden. 

Laminieren,  soviel  wie  zwischen  Walzen  strecken,  z.  B.  die  für  den 
Spinnprozess  vorzubereitende  Baumwolle  auf  dem  Laminierstuhl  oder  der 
Streckmaschine. 

Lamm  Gottes,  s,  Agnus  Dei. 

Lampas,  ursprünglich  ostind.  gemalte  Seidenstoffe ,  welche  durch  die 
Holländer  nach  Europa  kamen,  und  jetzt  noch  zuweilen  über  Kopenhagen  in 
den  Handel  gebracht  werden.  Gegenwärtig  versteht  man  unter  dem  Namen 
Lampas  reich  gemusterte  Seidenstoffe  zu  Möbeln  und  Tapeten,  Kirchenornaten 
und  dergleichen. 

Lampendocht,  s.  Docht. 

Lamskin,  streichwollnes  Plüschgewebe,  Nachahmung  von  kurzem  Lammfell. 

Lanark,  Stadt  in  Südschottland :  Baumwollspinnerei  und  Strumpfwirkerei. 

Lanas  churras,  s.  Wolle. 

Lana  SUCida  nennt  man  auf  allen  italienischen  Handelsplätzen  jede  un- 
gewaschene und  unreine  Schafwolle,  besonders  aber  die  aus  der  Levante, 
Berberei,  Morea,  Dalmatien  usw.  kommenden  Sorten. 

Lancashire  oder  Lancaster,  engl.  Grafschaft:  bedeutendstes  textiles 
Industriegebiet  Englands  (s.  d.).  Schon  unter  Heinrich  VIII  (1509 — 47)  be- 
ginnt hier  die  Verarbeitung  der  Baumwolle,  welche  durch  protestantische 
Flüchtlinge  von  Italien  dahin  gebracht  wird. 

Lanciert,  (franz.)  lanziert,  heissen  gemusterte  Gewebe,  welche  ausser 
dem  Grundschuss  noch  einen  Figurenschuss  haben ,  dessen  Fäden  aber  nicht, 
wie  bei  den  broschierten  Stoffen,  nur  in  der  Breite  der  Figur,  sondern  in  der 
ganzen  Breite  des  Gewebes  hinlaufen  und  auf  der  unrechten  Seite  öfters  flott 
liegen. 


316  Laiicut — Lappets-Musseline. 


Lancut,  Stadt  in  Galizien:  rachwerkstätten  für  Weberei;  Tuchfabriken, 
Leinwandbleicherei;  Handel  mit  Flachs. 

Landeck  in  Westpreussen,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Marienwerder: 
Tuchweberei  und  Wollspinnerei. 

Landserge,  buntgefärbte  geköperte  Wollenstofife,  welche  ehedem  in  Hof 
und  in  Weiden  in  der  Oberpfalz  verfertigt  und  von  den  Landleuten  getragen 
wurden. 

Landtücher,  diese  Bezeichnung  gibt  man  sowohl  im  allgemeinen  den  aus 
inländischer  Wolle,  als  auch  besonders  den  in  den  Landstädten  verfertigten  wollenen 
Tüchern. 

Langenberg,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Düsseldorf:  Bedeutende  Seiden- 
und  Halbseidenstoff-  sowie  Seidenbandfabrikation;  Färbereien. 

Langenbielau,  Dorf  im  preuss.  Reg.-Bez.  Breslau:  Bedeutende  mechan. 
Webereien  für  Baumwoll-  und  Leinenwaren  (Firma  Christ.  Dierog  mit  3000 
Arbeitern),  grosse  Grarnfärbereien  und  -Bleichen. 

Langensalza,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Erfurt :  Kammgarnspinnerei, 
Baumwollweberei,  Nessel-,  Strickgarn-  und  Tuchfabrikation.  Um  1670  wurden 
hier  Halbseidenmanufakturen  gegründet;  die  Baschmacher  Formfeist  und 
Schreiber  kamen  im  Jahre  1668  von  ihren  Wanderungen  aus  der  Schweiz 
zurück  und  verwerteten  ihre  Kunst  in  L.  durch  Herstellung  von  geblümten 
Taffeten,  Atlassen  und  anderen  Seidenzeugen,  mit  baumwollenem  oder  leinenem 
Einschlag.  Schüler  und  Nachkommen  errichteten  im  18.  Jahrhundert  weitere 
Manufakturen  und  so  kam  das  Gewerbe  zu  immer  höherer  Blüte.  Im  Jahre 
1720  war  hier  die  Zahl  der  Seidenwirker  so  gross,  dass  sie  von  Kurfürst 
August  III  ein  Innungsstatut  erhielten.  Gottlieb  Gräser  führte  daselbst  auch 
die  Fabrikation  reinseidener  Gewebe  ein. 

Langenthai,  Marktflecken  des  Schweiz.  Kantons  Bern  :  Fabrikation  von 
Leinen-,  Woll-  und  Halbwollwaren. 

Langnau  im  Emmental,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Bern:  Gerbereien, 
Bleichen,  Tuchfabriken  und  Leinenindustrie. 

Languenane  oder  Bourriere,  eine  aus  dem  besten  und  reinsten  Flachs 
gewebte  französische  Leinwand,  die  ihrer  Güte  und  Dauer  wegen  sehr  gesucht 
wird.  Vorzüglich  schön  macht  man  sie  im  Departement  der  Nordküsten,  zu 
Dinan,  St.  Brieux  und  den  umliegenden  Dörfern. 

Languetten-  oder  Schlingenstich,  eine  in  der  Weissstickerei  übliche 
Stichart  (s.  Stickerei). 

Langwaren  nannte  man  früher  alle  die  Gewebe,  welche  im  Kleinhandel 
nach  der  Elle  gemessen  wurden. 

Lanilla  de  Colores  ist  eine  Handelsbezeichnung  an  der  Westküste  von 
Südamerika  für  eine  Gattung  mittelfeiner  englischer  Sergen  von  hartem 
Kammgarn. 

Lanipendium  (lat.),  Baum  in  den  Nonnenklöstern  für  die  Wollenspinne- 
reien und  die  wollenen  Gewänder  der  Nonnen. 

Lannoy,  eine  Gattung  Tripp  (s.  d.),  die  in  der  Gegend  bei  Byssel  ge- 
webt wird. 

Laon,  Stadt  im  franz.  Depart.  Aisne :  Fabrikation  von  Leinwand,  Strumpf- 
waren, Wolldecken,  Tuch. 

Lapisdruck,  in  der  Zeugdruckerei  eine  Methode  zur  Erzielung  von 
bunten  Mustern  auf  Küpengrund,  die  darin  besteht,  dass  man  auf  weisse  Baum- 
wolle eine  Beservage,  die  eine  Beize  (Tonerde  =  Eisenbeize)  enthält,  auf- 
druckt, dann  mit  Indigo  färbt  und  schliesslich  mit  einem  Beizenfarbstoff,  der 
dann  nur  an  den  bedruckten  Stellen  fixiert  wird;  die  Erzeugnisse  hassen 
Lapisartikel. 

Lappets-Musseline  nennt  man  auf  beiden  Seiten  rechts  broschierte  oder 
figurierte  Musseline,  meistenteils  mit  erhabenen  Streifen,  zwischen  welchen  die 
runden  durchbrochenen  Muster  sich  befinden ;  die  Kette  ist  Muletwist  und  der 
Einschlag  Weftgarn.  Sie  werden  auf  einem  eigenen  dazu  erfundenen  Stuhle 
gewebt,  den  man  Lappet-Stuhl  nennt. 


Lappingmaschine — Leggen.  317 


Lappingmaschine,  soviel  wie  Doubliermaschine. 

Las  pointas,  Bezeichnung  der  Spitzen  von  le  Puy  durch  die  spanischen 
Bewohner. 

LastingS  sind  ^ollatlasse,  d.  h.  nach  Atlasart  dichtgewebte  Zeuge  aus 
hartem  Kammgarn,  die  meist  nur  in  schwarz  und  andern  dunkeln  Farben  vor- 
kommen und  als  Möbelstoffe,  zu  Schuhen,  Halsbinden  und  Kleiderstoffen  dienen. 
Häufig  ist  der  Stoff  ein  gemischter,  mit  Kette  von  Baumwollzwirn,  und  heisst 
dann  zuweilen  Paramatta. 

Latisclavus  (lat.),  breiter  Purpurstreifen  an  den  Grewändern  des  frühen 
Mittelalters.     (Vgl.  Koptische  Textilfunde.) 

Lauban,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Liegnitz :  Leinen-  und  Baumwoll- 
weberei,  Grarnbleiche,  Kattundruckerei  und  Färberei. 

Lauenburg  in  Pommern:  Mechan.  "Webereien  und  Wollspinnerei. 

Laufen,  Stadt  im  Schweiz.  Kanton  Bern:  Leinwand-  und  Grarnweberei, 
Seidenindustrie. 

Laufenburg,  Stadt  des  bad.  Kreises  Waldshut:  Baumwollweberei,  Seiden- 
zwirnerei und  Seidenstoffweberei. 

Laufender  Hund,  s.  Wogenbaud. 

Lauffäden  der  Gimpenspitzeu  werden  aus  ganz  feiner  Seide  oder  anderen 
feinen  Fäden  gebildet;  sie  treten  gegenüber  den  starken  Schnüren  zurück: 
s.  Kissfäden. 

Laufmasche,  ein  in  Wirkware  bisweilen  als  Fehler  entstehendes,  bis- 
weilen aber  auch  zur  Musterbildung  absichtlich  hergestelltes  breites  Platinen- 
maschenstäbchen. 

Laval,  Stadt  des  franz.  Depart.  Mayenne :  Sehr  bedeutend  sind  Fabri- 
kation von  Leinwand,  Zwillich,  Kattun  und  andern  Baumwollwaren. 

Lavalsche  Leinen,  Toiles  de  Laval,  ist  der  allgemeine  Name  verschie- 
dener Sorten  franz.  Flachsleinwand,  welche  im  Depart.  der  Mayenne  und  im 
LTmkreis  von  mehreren  Meilen  verfertigt  werden  und  die  ihren  Namen  von  der 
Stadt  Laval,  wohin  sie  die  Weber  zum  Verkauf  bringen,  erhalten  haben,  weil 
sie  von  dort  aus  appretiert  und  sortiert  weiter  verschickt  werden. 

Lavoro   di  maglio  (ital.),  s.  v.  w.  Maschenarbeit. 

Lawn,  ist  die  englische  Benennung  der  schlesischen  Schleierleinwand. 
—  Die  Bezeichnung  L.  wird  gegenwärtig  in  England  und  Schottland  auch 
für  baumwollene  Stoffe  ähnlicher  Art  wie  die  leinenen  gebraucht,  (s.  a. 
Linon.) 

Lea  (engl.),  Grebinde  von  Grarn. 

Lebensbaum,  heiliger  Baum,  s.  Baum  als  Stoffmuster. 

Lecco,  Hauptort  der  ital.  Provinz  Como :  Seidenbau,  Seiden-  und  Baum- 
wollfabriken. 

Leck,  Dorf  des  preuss.  Peg.-Bez.  Schleswig:  Wollspinnerei,  Tuchfabrik 
mit  Färberei  und  Walkerei. 

Lectoure,  Stadt  des  franz.  Depart.  Grers :  Wollspinnerei,  Fabriken  für 
Wollzeuge  und  grobes  Tuch. 

Lederleinwand,  s.  Creas  und  Coram. 

Ledertuch,  ein  nach  Wachstuchart  mit  Leinölfirnis  unter  Zusatz  von 
Erdfarbe  überzogener  Baumwollstoff,  häufig  Barchent,  welchem  man  durch 
Pressen  zwischen  gravierten  Walzen  die  dem  Saffian  oder  andern  feinen  Leder- 
arten eigentümlichen  Narben  gibt.  Es  wird  zu  Tischdecken,  zum  Beziehen  von 
Stühlen,  Sofas  u.  dgl.  verwendet. 

Leeds,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Unter  den  Industriezweigen 
sind  Flachsspinnerei,  die  Anfertigung  von  Kleidungsstücken,  vor  allem  die  von 
Mützen  und  Damenkonfektion,  und  die  Grerberei  hervorzuheben.  Schon  im 
17.  Jahrh.  Sitz  der  Wollmanufaktur. 

Leek,  Stadt  in  der  englischen  Grafschaft  Stafford:  Seidenspinnerei; 
Fabrikation  von  Borten. 

Leggen,  die  in  einzelnen  Webereidistrikten  vorhandenen  amtlichen  An- 
stalten zur  Kontrolle  der  Leinenwaren  nach  Länge  und  Breite  der  Stücke  so- 


318 


Lehrte — Leinendamast. 


wie  nacli  Qualität;  sie  wurden  in  den  Provinzen  Westpreussen,  Hannover  und 
Hessen  1875  aufgehoben. 

Lehrte,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Lüneburg:  zwei  Wollgarnspinnereien. 

Leichentuch,  (lat.  pallium  emortuale;  franz.:  drap  mortuaire ;  palle 
funeraire;  engl:  funeral  pall);  zur  Bedeckung  eines  Leichnams  oder  Sarges 
dienendes  Tuch.  Schon  seit  dem  frühen  Mittelalter  gebräuchlich :  Viele 
derartigen  Tücher  kommen  als  Hülle  vollständig  bekleideter  Toten  in  koptischen 
Grräbern  des  5. — 7.  Jahrh.  vor.  Seidene  gewebte  Sargdecken  sind  auch  im 
Orient  üblich  und  mit  Koransprüchen  gemustert;  sie  kommen  aus  der  Türkei 
(Skutari)  in  rot  und  Aveissem  Atlasgewebe. 

Leichlingen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Rotfärberei,  Woll- 
spinnereien, median.  Webereien  und  Färbereien,  Hausindustrie  in  Plüsch- 
weberei. 

Leiden  oder  Leyden,  Stadt  in  der  niederländ.  Provinz  Südholland:  Be- 
trächtlichen Erwerbszweig  bildeten  im  18.  Jahrh.  die  Tuchfabriken.  Nach 
einer  Zeit  des  tiefsten  Verfalls  (besonders  seit  der  franz.  Herrschaft)  hat  L. 
sich  in  den  letzten  50  Jahren  wieder  erholt,  es  fabriziert  Tuche,  Kattun, 
Decken  und  treibt  Wollhandel. 

Lein,  (lat.:    linum    usitatissimus ;    franz.:    lin;    ital. :   lino ;    engl.:    linum). 
Die  L. -Pflanze  wird  seit  alter  Zeit  in  verschiedenen  Arten  gepflanzt  und  teils 
ihrer  G-espinstfasern ,    teils    ihrer    ölreichen  Samen 
wegen    gebaut.      Die     Gespinstfasern,    welche    als  ^]j\^    ^rj^ 

Halbpro  duckt  den  Namen  Plachs  (s.  d.)  führen, 
sind  von  Bedeutung  zur  Anfertigung  von  Leinen- 
garn,   aus    Avelchem    die   Leinwand    erzeugt    wird.  _.^.,«?^ 

\^    Jf'  n 

Abbildung: 

171.  Darstellung  aus :  Buch  der  Erfindungen, 
Leipzig  und  Berlin  1879.    Bd.  6:  Leinpflanze. 

Leinendamast,  (franz.:  linge  damassee;  engl.: 
linnen-damask) ;  wird  in  den  besten  Arten  aus 
feinsten  Leinengespinsten,  auch  mit  Seide,  in  ge- 
wöhnlicheren Sorten  mit  Vermischung  von  Baum- 
wolle gewebt.  Das  Gewebe  selbst  ist  wie  jeder 
andere  Damast  durchweg  ein  fünf-  bis  achtbindiger, 
in  den  feinsten  Sorten  zwölfbindiger  Köper  oder 
Atlas.  Leinendamast  zeigt  von  allen  D.  die  grösste 
Mannigfaltigkeit  mit  Bücksicht  auf  Muster,  Fein- 
heit und  Breite  ;  er  wird  gegenwärtig  fast  nur  noch 
abgepasst,  d.  h.  nach  bestimmtem  Mass  mit  Ein- 
fassung, Mittelstück  und  Ecken  gearbeitet  und  zu 
Tafeltüchern,  Servietten  und  Handtüchern  ver- 
wendet. Derselbe  ist  ganz  weiss,  indem  das  Muster 
auf  der  einen  Seite  glänzend  in  mattem  Grunde, 
auf  der  anderen  matt  in  glänzendem  Grunde  er- 
scheint, oder  weiss  und  gelblich  (naturfarbig),  in- 
dem die  Figur  auf  der  einen  Seite  hell  in  dunk- 
lerem Grunde,  auf  der  anderen  dunkel  in  hellerem 
Grunde  erscheint.  Der  älteste  Leinendamast  wird 
in  Nachahmung  des  italienischen  Seidendamastes 
im    16.    Jahrhundert    in    Deutschland    (Augsburg)  ^ 

erzeugt ,  die  Musterung  ist  anfangs  geometrisch :  schachbrettartig ,  mit  Sternen 
oder  aus  sogen,  versetzten  Steinmustern ,  die  auch  in  ältesten  sizilianischen 
Seidendamastgeweben  erscheinen.  (Vgl.  Abb.  55.)  Im  17.  Jahrhundert  wird 
Sachsen  in  der  Leinendamastweberei  berühmt,  ihre  Musterung  folgt  dem  Stile 
der  Zeit  (Abb.  172),  woselbst  das  geknickte  Band  vorherrschend  ist;  später 
aber  das  Blumenmuster  bevorzugt.    (Abb.  173.)    Böhmen  und  Schlesien  werden 


Leinendamast. 


319 


im  18.  Jahrh.  für  Leinendamastw-eberei  bedeutend;    aus  Schlesien  und  Sachsen 
kommen    in  vielen    Beispielen    die    sogen.   Friedensdecken    (Abb.    174),    welche 


Abb.  172. 


zur  Erinnerung  an  die  Friedenschlüsse  von  Breslau  (1742),  von  Dresden  (1745) 
und  von  Hubertsburg  (1763)  gewebt  worden  sind.  —  Vgl.  E.  Kumsch, 
Leinendamastmuster  des  17.  und  18.  Jahrh.    Dresden  1891. 

Abb.  173. 


Abbildungen: 

172.  Darstellung  aus  Kumsch,  Leinendamastmuster,  Bl.  VI:  Borte  eines  Leinen- 
damasttuches mit  Ornament  aus  Band-  und  Blattwerk.     Sachsen  Anf.  18.  Jahrh. 

173.  Darstellung  wie  vorher^  Blatt  VI:  Teil  einer  Leinendamastdecke,  rot  und 
weiss  mit  Rand  aus  Früchten  und  Blumen,  in  Mitte  Blumenkorb.  Sachsen  Mitte 
18.  Jahrh. 

174.  Darstellung  aus  der  Zeitschrift :  „Sammler-Daheim",  1902,  Nr.  20:  Leinen- 
damasttischdecke ,    zur  Erinnerung    an   den  Frieden  von  Hubertsburg    gewebt.     Rand 


320 


Leinengarn. 


Abb.  174. 


mit  Jagdscenen,  in  Mitte  Darstellung  der  Herrscher  mit  dem  Alliancewappen  und  dem 
Schloss  Hubertsburg.     Sachsen  1763. 

Leinengarn.  Der  aus  der  Faser  des  Machses  gesponnene  Faden  wird 
Flachsgarn,  häufiger  Leinengarn  genannt;  bei  den  daraus  gefertigten 
Geweben  hingegen  greift  die  Bezeichnung  Leinen  ausschliesslich  Platz. 
"Während  in  alter  Zeit  die  Anfertigung  des  L.  aus  Flachs  vornehmlich  Gegen- 
stand der  Hausindustrie  war  und  der  Flachs  durch  Handarbeit  zu  Garn  ver- 
sponnen wurde ,  ist  dieser  Industriezweig  gegenwärtig  ganz  in  den  Hinter- 
grund getreten  und  wird  L.  sowie  Gewebe  aus  demselben  jetzt  meistens  unter 
Anwendung  von  Maschinen  hergestellt.  Die  Handspinnerei  auf  dem  E,ade  wird 
in  den  Webereidistrikten  z.  Z.  noch  gewerbsmässig  von  den  armen  Familien 
betrieben  und  die  Garne  werden  entweder  durch  Aufkäufer  gesammelt  und 
den  AYebereien  übermittelt,  oder,  wie  namentlich  in  Böhmen,  an  bestimmten 
Plätzen  (Trautenau)  zu  Markte  gebracht.  Die  Yerspinnung  des  Flachses  auf 
Maschinen  nahm  schon  im  Anfange  des  19.  Jahrh.  in  England  ihren  Anfang, 
indessen  hat  man  erst  seit  etwa  50  Jahren  damit  befriedigende  Erfolge  erzielt, 
wozu  die  Engländer  in  der  Ausbildung  der  dazu  erforderlichen  Hilfsmittel 
am  meisten  beigetragen  haben.  Es  bestehen  zwischen  Maschinen-  und  Hand- 
gespinst wesentliche  Unterschiede,  indem  jede  der  beiden  Arten  ihre  be- 
sonderen Vorzüge  und  Mängel  hat,  welche  für  die  Verwendung  massgebend 
sind.  Nicht  durch  die  Preisverschiedenheit  hat  ersteres  das  letzte  verdrängt, 
sondern  durch  die  grössere  Gleichmässigkeit  des  Fadens.  Derselbe  ist  beim 
Maschinengarn  immer  gleichmässig  voll  und  gerundet,  das  Handgarn  dagegen 
häufig  stellenweise  dünner  oder  dicker,  kantig  und  nicht  frei  von  Knötchen. 
Dagegen  ist  es  weit  glatter  als  jenes,  was  durch  hervorstehende  feine  Härchen 
rauh  und  wollig  erscheint.  Hiernach  besonders  unterscheiden  sich  beide  Arten 
von  Garnen.     Das    fadengleiche  Maschinengarn  wird   überall    dort   angewendet, 


Leinengewebe.  321 


wo  auf  seine  Eigenschaft  etwas  ankommt,  oder  bei  Zwirn,  glatten  Bändern 
und  Leinen.  Die  Gewebe  daraus  entbehren  aber  des  eigentümlichen  Leinen- 
glanzes, sie  erscheinen  nach  der  Bleiche  rauh  und  reiben  sich  beim  Tragen 
noch  wolliger,  unterliegen  daher  auch  schneller  der  Abnützung.  Wenn  also 
der  Leinenglanz  (d.  i.  der  sogen.  Spiegel)  zur  G-eltung  kommen  soll,  ist  das 
Handgarn  nicht  zu  verdrängen.  Es  kann  sich  überhaupt  um  so  eher  gegen 
die  Maschine  behaupten,  je  besser  gesponnen  wird.  —  Die  Leinengarne  werden 
je  nach  ihrer  Bestimmung,  ob  sie  zum  Verweben  oder  zu  Zwirnen  dienen 
sollen,  schon  beim  Spinnen  verschieden  fest  gedreht.  Das  Kettgarn  erhält 
mehr  Drehung  als  das  mehr  lockere  Schussgarn ;  das  zu  Zwirn  bestimmte  wird 
ebenfalls  weniger  fest  gesponnen.  — Leinenzwirn  entsteht  durch  Zusammen- 
drehen von  2,  3  oder  4  einzelnen  Garnfäden  zu  einem  ganzen;  und  zwar  ge- 
schieht diese  Drehung  entgegengesetzt  derjenigen,  unter  welcher  das  Garn 
entstand.  Das  Zwirnen  erfolgt  auf  Zwirnrädern  oder  zusammengesetzten  Zwirn- 
maschinen, die  in  der  Konstruktion  Aehnlichkeit  mit  einer  Waterspinnmaschiue 
haben.  Berühmt  sind  die  belgischen  Zwirne ,  die  zu  den  vorzüglich  feinen 
Spitzen  dienen.  Von  solcher  Ware  wird  das  Kilo  bis  zu  1700  Mark  bezahlt. 
Englische  und  schottische  Zwirne  sind  besonders  fest  und  von  schönem  Aus- 
sehen. Auch  Frankreich  liefert  gute  Sorten,  u.  a.  den  Liller  Glanzzwirn.  In 
Böhmen,  Mähren,  Sachsen  werden  gleichfalls  gute  Zwirne  gefertigt.  —  (S.  a. 
Garn  und  Garnsorten.) 

Leinengewebe ,  Leinwand  oder  Linnen  (franz. :  toile ;  engl. :  linen)  sind 
aus  Flachs,  Hanf  oder  Heede  hergestellt;  ihre  Bindung  ist  typisch  für  die 
glatten  Gewebe.  Die  Kette  ist  in  zwei  gleiche  Abteilungen  geordnet,  welche 
die  Fäden  1,  3,  5  bezw.  2,  4,  6  enthalten  und  werden  diese  beim  Weben  ab- 
wechselnd nach  oben  und  unten  gezogen,  so  dass  nur  zwei  Tritte  am  Web- 
stuhl nötig  sind.  Nach  dem  verwendeten  Material  unterscheidet  man  Flachs- 
leinen (aus  reinem  gehechelten  Flachs),  Hanfleinen  (aus  reinem  Hanf  oder  mit 
hänfener  Kette  und  Einschlag  von  Flachsgarn),  Heede-  oder  Wergleinen,  halb- 
flächsene  oder  Halbheedeleinen,  Halblaken  (mit  Kette  von  Flachsgarn  und  Ein- 
schlag von  Heedegarn),  halbbaumwollene  L.  oder  Halbleinen  (mit  Kette  von 
Baumwollgarn  und  Einschlag  von  Flachsgarn  oder  umgekehrt).  Die  stärkste 
der  zahlreichen  Leinensorten  ist  das  Segeltuch,  das  in  besseren  Qualitäten 
aus  reinem  Hanfgarn,  in  geringeren  aus  unreinem,  Knoten  enthaltenem  Werg 
hergestellt  wird.  Dann  schliessen  sich  an  die  verschiedenen  Arten  der  Sack- 
und  Pack-L.  —  Zu  den  guten,  dicht  gearbeiteten  Sorten  der  L.  sind  zu 
rechnen:  Das  Hausleinen,  die  böhmischen  und  schlesischen  Creas.  Zu  den 
leichteren  Sorten  gehören  die  böhmischen  und  schlesischen  Schockleinen, 
die  sogen.  Futterleinen,  welche  stark  appretiert  und  entweder  ungebleicht 
oder  schwarzgrau  u.  s.  w.  gefärbt  und  marmoriert  sind;  im  ersteren  Falle 
heissen  sie  Franzleinen,  im  letzteren  Moorleinen;  das  Steifleinen,  sehr 
lose  gewebt  und  durch  starke  Appretur  steif  gemacht.  —  Ausser  dem  weissen 
Leinen  gibt  es  bunte  und  farbige  Sorten,  welche  entweder  aus  gefärbtem  Garn 
streifig  oder  kariert  gewebt  oder  in  Stücke  gefärbt ,  oder  wie  Kattun  ge- 
druckt sind.  Andere  Gewebe  aus  Leinengarn  sind  Damast,  Drell,  Batist, 
Linon  und  Gazen.  Ein  neuer  Artikel  in  der  Leinenbranche  ist  Leinenplüsch, 
der  sich  durch  Haltbarkeit  auszeichnet.  Um  das  Leinen  auf  seine  Echtheit 
zu  prüfen,  wird  ein  Streifen  des  Gewebes  an  einer  Ecke  ausgefasert,  einen 
Augenblick  in  eine  Lösung  von  Fuchsin  in  gewöhnlichen  Spiritus  getaucht, 
dann  so  lange  mit  Wasser  übergössen ,  bis  dasselbe  ungetärbt  abläuft.  Noch 
feucht  wird  die  Probe  1 — 2  Min.  in  eine  Salmiaklösung  getaucht;  sobald  die- 
selbe an  der  Luft  trocken  geworden  ist,  werden  etwaige  Baumwollfäden  weiss 
erscheinen,  während  die  Flachsfäden  die  Farbe  behalten  haben.  — 

Die  Herstellung  von  Leinengeweben  ist  uralt,  schon  im  alten 
Aegypten  und  anderen  Ländern  des  Morgenlandes  wurden  im  Altertum  Ge- 
wänder daraus  getragen,  deren  feinste  aus  dem  sogen.  Byssus  (s.  d.)  be- 
standen. Auch  die  alten  Griechen  und  Bömer  trugen  leinene  Kleider.  Wie 
die    aus    koptischen    Textilfunden    (s.    d.)    stammenden    Leinengewebe    zeigen, 

Heiden,   Handwörterbuch  der  Textilkunde.  21 


322  Leinenindustrie — Leinenstickerei. 

waren  solche  schon  im  frühen  Mittelalter  bunt  gewürfelt  und  kariert.  In 
späterer  Zeit  ist  die  Verwendung  der  Leinwand  zu  Kleiderstoffen  zurück- 
gegangen und  vielfach  durch  baumwollene  Stoffe  ersetzt. 

Die  Leinenindustrie  war  im  15.  und  16.  Jahrh.  nirgends  so  entwickelt 
als  in  Deutschland;  indessen  schädigte  der  dr eis sigj ährige  Krieg  und  die 
späteren  Kriege  dieselbe  aufs  schwerste.  Die  lange  Friedenszeit  von  1815  ab 
Hess  zwar  die  Leinenweberei  in  Westfalen,  Schlesien,  der  Lausitz,  in  Württem- 
berg neu  aufblühen ;  aber  die  inzwischen  erstarkte  ausländische  Konkurrenz 
machte  sich  doch  stärker  als  zuvor  geltend,  zumal  da  man  in  England,  Frank- 
reich und  Belgien  sowohl  in  der  Spinnerei ,  als  auch  in  der  Weberei  früher 
zum  Maschinenbetriebe  gelangte. 

An  der  Spitze  der  Leinenindustrie  steht  Grossbritannien,  vor  allem 
Irland.  Hauptsitze  der  Spinnerei  von  Leinengarnen  sind  Leeds ,  Breadford, 
Dundee,  Belfast,  Huddersfield ,  Manchester;  die  Weberei  hat  auch  in  Irland 
ihren  Hauptsitz.     Die  Bleichereien  gelten  als  mustergiltig. 

In  Frankreich  ist  das  Depart.  Nord  der  Hauptsitz  der  seit  1834  er- 
richteten mechanischen  Flachsspinnerei ;  doch  werden  die  Garne,  die  sich  zum 
Teil  durch  besondere  Feinheit  auszeichnen,  meist  in  Irland  verbraucht.  Die 
Dauphine  fertigt  vorwiegend  Hanfleinwand;  besseres  Flachsleinen  liefern  die 
nordöstlichen  Provinzen,  die  übrige  Weberei  meist  Mittelware  für  den  in- 
ländischen Bedarf. 

In  Deutschland  vermag  die  Spinnerei  den  einheimischen  Bedarf  nicht 
ganz  zu  decken,  doch  ist  dies  mit  jedem  Jahre  besser  geworden:  1893  betrug 
die  Ausfuhr  von  Leinengarnen  2,473,  von  Leinen-  und  Seilerwaren  30,021; 
1901 :  4,9  bez.  22,82  Mill.  Mark. 

Oesterreich  hat  in  Böhmen,  Oesterreich-Schlesien  und  Mähren  zahl- 
reiche Spinnereien,  in  denen  meist  gröbere  Nummern  gesponnen  werden.  Dort 
ist  auch  die  Weberei  konzentriert,  die  zum  grossen  Teil  noch  Hausindustrie 
ist.  Mehr  und  mehr  vollzieht  sich  auch  hier  der  Ueb ergang  zum  Fabrik- 
betrieb. 

Belgien  verfügt  mit  250000  Spindeln  über  eine  Flachsspinnerei,  die 
im  Verhältnis  zur  Bevölkerung  die  aller  anderen  Länder  übertrifft.  Auch  die 
billigeren  Artikel  der  Weberei  können  sich  auf  dem  Wollmarkte  neben  den 
englischen  und  deutschen  gut  behaupten. 

Die  Schweiz  ist  in  ihrer  Leinenindustrie  nicht  auf  der  Höhe  des 
16.  und  17.  Jahrh.  (St.  Gallen  und  Appenzell)  geblieben.  Nur  in  den  feinsten 
Geweben,  den  Batisten,  Taschentüchern  u.  drgl.  findet  noch  jetzt  eine  Aus- 
fuhr statt. 

Die  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  haben  der  L.  noch  keine 
besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet.  In  Italien,  Spanien,  unter  den 
slav.  Völkerschaften,  besonders  in  Bussland,  in  den  skandinavi- 
schen Ländern,  wie  in  den  Donaustaaten  werden  Leinengewebe,  teils 
in  Fabriken,  teils  auf  Handstühlen  hergestellt,  der  eigene  Bedarf  aber  nicht 
gedeckt. 

Leinenschlagspitze  oder  Formenschlagspitze  ist  eine  vervollkommnete 
geklöppelte  Flechtenspitze,  sie  stellt  durch  leinenartige  Bindung  breitere  Flächen 
her;  das  einfachere  Flechten  wird  dabei  fast  nur  für  die  Verbindungen  an- 
gewendet. 

Leinenstickerei  bezeichnet  im  weiteren  Sinne  jede  auf  einem  leinenen 
Grundstoff  gefertigte  Stickerei,  welche  seit  den  ältesten  Zeiten  zur  Musterung 
von  Kleidern  und  anderen  textilen  Gegenständen  gebräuchlich  ist.  Zunächst 
ersetzte  die  Leinwand  nur  andere  Unterlagen  und  es  wurden  die  Muster  pbenso 
wie  auf  Seide  und  Wolle  in  farbigem  Material  ausgeführt,  das  mit  Bücksicht 
auf  die  Waschbarkeit  kaum  einer  besonderen  Auswahl  bedurfte,  da  die  Farben 
der  älteren  Zeiten  sich  grosser  Haltbarkeit  erfreuten  (Abb.  96  und  97).  So 
finden  sich  noch  aus  dem  15.  Jahrh.  namentlich  viele  kirchliche  Leinenstickereien, 
Antependien,  Kelchtücher  u.  dgl.,  welche  in  bunter  Seide  im  Plattstich  mit 
Apostelfiguren,  gotischem  Rankenwerk   und   Blüten   bestickt    sind.     Aus  etwas 


Leinenstickerei. 


323 


späterer  Zeit  sind  ferner  Leinendecken  (schweizer  Arbeiten)  für  kirchliche 
Zwecke  erhalten,  deren  kostbarste  in  Seide  und  Gold  (Abb.  100),  die  meisten 
in  bräunlichem  und  weissem  Garn  im  Stielstich  gearbeitet  wurden.  Diese  Art 
der  Leinenstickerei  mit  Mustern  in  beliebiger,  freier  Linienführung  findet  in 
Sticharten  und  in  der  Yerzierungsweise  die  gleiche  Entwickelung  wie  die  übrige 
Kunststickerei.  Eine  besondere  Art  der  L.,  und  diese  wird  in  engerem  Sinne 
darunter  verstanden,  ist  jene,  welche  in  der  Mustergebung  den  quadratisch  teil- 
baren Grund  berücksichtigt  und  dementsprechend  auf  Sticharten  beschränkt  ist, 
welche  sich  dem  Netzfach  anpassen  lassen.  Die  am  meisten  dafür  in  An- 
wendung kommende  Technik  ist  die  des  Kreuzstiches ,  dem  sich  viele  andere 
Sticharten  und  Ziernähte  in  einfacher  und  doppelseitiger  Ausführung  anschliessen. 
Dieser  eigentlichen  Leinenstickerei,  bei  welcher  der  Grund  die  Ausführung  und 
Wirkung  des  Musters  wesentlich  beeinflusst,  gingen  in  älterer  Zeit  die  ver- 
wandten   Arbeiten     auf    offenen    Geweben,     den     sog.     Kanevas-Stramin-    oder 

Abb.  175. 


_.  ,i,-..^<'-r  ^^fy-^H  V^^^-^s  - '  •  v>  V'^^. 


Segeltuchstoffen  voraus,  welche  in  Material,  Technik  und  Musterung  ihren 
eigenen  Entwickelungsgang  genommen  haben;  bezüglich  der  Mustergebung  ent- 
halten schliesslich  etwas  Gleichartiges  noch  die  in  Weiss  und  Bunt  ausgeführten 
Eiletarbeiten.     (Vgl.  hierüber  die  betreffenden  Artikel  im  Einzelnen.) 

Die  Leinenstickerei  auf  abgezählten  Fäden  hat  im  16.  Jahrh. 
in  Italien  und  Deutschland  eine  w-eite  Verbreitung  gefunden,  wozu  besonders 
dafür  erschienene  Stickmusterbücher  (s.  d.)  beitrugen.  Für  unsere  Zeit  wurde 
das  Gebiet  der  „altdeutschen  Leinenstickerei"  neu  belebt  am  Ende  der  1870er 
Jahre  durch  die  Veröffentlichung  älterer  Muster,  wie  sie  sich  auf  Mustertüchern, 
Tisch-  und  Bettzeug  erhalten  haben ;  altitalienische  Leinenstickereimuster 
schlössen  sich  daran  an. 

Der  Ursprung  der  L.  ist  im  Orient  zu  suchen,  woselbst  sie  in  gleicher 
Art  wie  in  Italien  und  Deutschland  schon  früher  von  den  x^rabern  geübt  wurde : 
Beispiele  davon  im  Kreuzstich  (Abb.  175),  im  Webstich  (Abb.  176)  und  mit 
Durchb rucharbeit  in  farbiger  Seide  (Abb.  177),  wie  sie  im  16.  Jahrh.  in  Spanien 
erscheint,  fanden  sich  in  koptischen  Gräbern  der  späteren  arabischen  Periode. 
Auch  Mustertücher  für  Leinenstickerei  (Abb.  178)  entstammen  diesen  Funden; 
zahlreiqh    vertreten    sind    darin   die   Borten   im  sogen.  Holbeinstich,    Kästchen- 


324 


Leinenstickerei. 


Uebrigens  bedinoi  schon  der  Grebraucb  der 


oder  Strichstich  (Abb.  25  u.  117) 

vielen  Kopftücher,  Shawls  u.  dgl.  im  Orient  eine  bei  weitem  grössere  Aus- 
bildung der  Leinenstickerei,  wozu  auch  das  Tragen  von  leichteren  Leinen-  und 
Baumwollengewändern  Yeranlassung  gibt.    Die  grösste  Vielseitigkeit  ist  nanient- 


Abb.  176. 


lieh  in  den  überaus  zahlreich  vorkommenden  gestickten  Shawls  und  Festüchern 
wahrzunehmen,  welche  auch  auf  Baumwolle  gearbeitet  werden.  Diese  der 
neueren  Zeit  angehörigen  Stücke  enthalten  in  farbiger  Seide,  Groldfäden  und 
-lahn  die  reizvollsten  Blumen-  und  Flächenmuster  (Abb.  179),  welche  sich  genau 
dem  quadratischen  Fadensystem  des  Grrundstoffes  anpassen.    Einfarbige  Leinen- 

Abb.  177. 


Stickereien  in  roter  und  blauer  Seide  ausgeführt,  oft  so ,  dass  die  ausgesparte 
weisse  Leinwand  das  Muster  bildet,  kommen  aus  Fez  in  Marokko  (Abb.  180); 
dieselben  haben  den  Weg  über  die  griechischen  Inseln  genommen,  sind  dort 
und  in  Italien  nachgebildet  worden  und  gaben  zur  vielseitigen  Ausbildung- 
weitere  Anregung,  wobei  auch  die  Technik  des  einfachen  Kreuzstiches  abgelöst 
wurde  durch  den  AVebstich  (Abb.  181),  der  als  deckende  Flächenfüllung  in  der 
Türkei    (Janina;     vgl.   Abb.   125)    in    reichen   Mustern    vertreten   ist.      Italien 


Leinenstickerei. 


325 


Abb.  178. 


'-.-.^S^ 


Abb.  179. 


Abb.  180. 


h^  ¥^¥¥  ¥  ¥  ¥  ¥ 


^fU^ü^' 


'1^«^^°^^ 


:{:A\^  ^:A  ^mAM. 


326 


Leinenstickerei. 


bevorzugt    im    16.  Jahrb.    in    vornehm    stilisierten    geknickten    Rankenmustern 

(Abb.   182)  eine  Stichart,    welche  filetartig  durchbrochen  erscheint  (Abb.   183). 

Etwas  anders  gestaltet  sich    die    Leinenstickerei   in   Deutschland  und   in 

den  slawischen  Ländern.     Zunächst  wird   der  AYaschbarkeit    des  Materials    da- 

Abb.  181. 


Abb.  182. 


Abb.  1S3. 


durch  mehr  Kechnuug  getragen,  dass  statt  der  Seide  blaues  und  rotes  Grarn 
zur  Stickerei  Verwendung  findet.  Aber  auch  der  gegebenen  klaren  weissen 
Grundfläche  ist  dadurch  mehr  künstlerische  Wirkung  zugedacht,  dass  die  streng 
stilisierten  Muster  derartig  darauf  verteilt   sind,    um   die   Leinwand    dabei  mit 


Leinenstickerei. 


327 


zur  Geltung  kommen  zu  lassen.  '  Vor  allem  hat  man  darin  jegliche  Kurven- 
bildung vermieden,  die  doch  der  taffetartige  Grund  schwer  hergibt  (Abb.  184). 
Literatur:  Lessing,  Muster  altdeutscher  Leinenstickerei,  Bd.  1 — 3, 
Berlin  1878—90;  Lipperheide,  Muster  altitalien.  L.,  Bd.  1  u.  2,  ebd.  1881 
und  83;  Originalstickmuster  der  Renaissance,  herausgegeben  v.  k.  k.  Oesterr. 
Museum,  Wien  1874;  Hans  Sibmacher,  Stick- und  Spitzenmusterbuch  nach 
der  Ausgabe  vom  Jahre  1597,  herausgegeben  wie  vorher,  AYien  1866;  der- 
selbe, nach  der  Ausgabe  vom  Jahre  1604,  herausgegeben  von  Dr.  Georgens, 
Berl.  1874;  Cocheris,  Patrons  de  broderie  et  de  lingerie  (Paris  1872),  hat 
vier  der   ältesten   französischen   Bücher   veröffentlicht;    Drahan,    Stickmuster, 

Abb.  184. 


Wien  1873;  Lay  und  Pischbach,  Südslawische  Ornamente,  Budapest  1878 
und  1879;  Fischbach,  Vorlagen  für  Stickerei  und  Häkelei,  Göppingen;  Lay, 
Ornamente  südslawischer  nationaler  Haus-  und  Kunstindustrie,  Wien  1875 — 85 ; 
Teschendorff,   Kreuzstichmuster  für  Leinenstickerei,  Berlin  1879,  84  u.v.a. 


Abbildungen: 

175.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Borte  eines 
Leinentuches  mit  Stickerei  in  farbigem  Garn  in  Kreuzstich :  arabisches  Palmettenmuster. 
Aus  einem  Koptischen  Grabe  des  15.  Jahrhunderts. 

176.  Originalaufnabme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin:  Stickerei 
auf  Leinen  im  Webstich  in  rotem  Garn :  Darstellung  reihenweis  versetzter  Doppel- 
enten.    Aus  einem  Koptischen  Grabe  des  15.  Jahrhunderts.     Arabisch. 

177.  Originalaufnabme   wie   vorher:    Borte   eines  Leinentuches   mit  Stickerei   in 


328  Leinwand-  oder  Taffetbindung — Lennep. 

weisser   und    blauer   Seide;    dazwischen   Durchbruch:    geometrische   Felder.     Herkunft 
wie  vorher. 

178.  Originalaufnahme  wie  vorher :  Mustertuch  für  Leinenstickerei  in  blauem 
Garn  im  Webstich.     Herkunft  wie  vorher. 

179.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Endigung  eines  Turbantuches,  Stickerei  auf  loser  Baumwolle  in  farbiger  Seide  und 
Gold:  Streng  stilisiertes  Rosenmuster.     Türkei  19.  Jahrhundert. 

180.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Borte,  Stickerei  auf  Leinen  in  blauer  Seide 
im  Zopfstich ;  stilisiertes  Rankenmuster  mit  Palmetten,  welches  durch  den  ausgesparten 
Grund  gebildet  ist.     Marokko  18.  Jahrhundert. 

181.  Originalaufnahme  wie  vorher i  Borte  eines  Leinentuches  mit  Stickerei  in 
rotem  Gain  im  AYebstich :  Streng  stilisierte ,  zackig  geformte  Blattformen  und  FüU- 
werk  zwischen  Begleiträndern.  Schmale  Franse  in  roter  und  weisser  Seide.  Griechische 
luseln  17. — 18.  Jahrhundert. 

182.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Leinenborte,  in  roter  Seide  gestickt:  Eckig 
gelegte  Ranke  mit  Palmettenbäumchen.     Italien  16.  Jahrhundert. 

183.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Leinenborte,  in  roter  Seide  gestickt:  Eckig 
gelegte,  schräg  umbiegende  stilisierte  Blütenzweige.    Italien  16. — 17.  Jahrhundert. 

184.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Borte  aus 
Leinwand,  in  farbigem  Garn  gestickt:  Rautenfelder  und  Bäumchen  aus  Xelken.  Slawisch 
18.— 19.  Jahrhundert. 

Leinwand-  oder  Taffetbindung,  s.  Bindungen. 

Leinwandtapeten,  s.  Flocktapeten. 

Leipnik,  Stadt  in  Mähren :  Tuch-  und  Flanellweberei ;  Handel  mit  Flachs 
und  Leinwand. 

Leipzig,  Stadt  im  Königreicli  Sachsen:  Bedeutende  Textilindustrie  in 
Kammgarnspinnerei,  Baumwollspinnerei,  "Wollkämmerei;  mechanische  Jute-, 
Leinen-  und  Segeltuchweberei;  sächsische  Wollgarnfabrik  usw.  Aus  älterer 
Zeit  sind  nachweisbar  die  Zünfte  der  Tuchmacher  und  Färber;  aus  dem  Jahre 
1557  bewahrt  das  Kunstgewerbemuseum  in  L.  einen  Wandteppich,  der  daselbst 
gewirkt  ist.  (Abgebildet  im  Artikel  Wandteppiche.)  Im  Anfange  des  17.  Jahrhs. 
bestanden  5  Werkstätten  für  Spitzenklöppelei.  Am  Anfange  des  18.  Jahrhs. 
wurde  in  L.  von  Arel  und  Böttcher  die  erste  grosse  Seidenmanufaktur  errichtet. 
(S.  weiteres  unter  Sachsen.) 

Das  Kunstgewerbemuseum  (im  Grassi-Museum),  gegr.  1873  (Direk- 
tion: Dr.  Richard  Graul)  enthält  eine  umfangreiche  Stoffsammlung,  worin 
sich  mittelalterliche  (koptische)  Textilien,  Gew^ebe,  Stickereien  und  Spitzen  der 
anderen  Epochen  bis  zur  Neuzeit  in  besonderem  Ausstellungssaal  befinden. 

Leisnig,  Stadt  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  Wollspinnerei 
und  Tuchfabriken. 

Leith,  Hafenstadt  in  der  schott.  Grafschaft  Mid-Lothian:  Die  Industrie 
erstreckt  sich  auf  Herstellung  von  Segeltuch,  Tauwerk  usw.;  Waren  der  Ein- 
fuhr sind:  Wollgarn,  Flachs,  Leinengarn,  Wollwaren.  Zur  Ausfuhr  kommen 
Erzeugnisse  der  Baumwoll-  und  Leinenindustrie,  Wollgarn_,  Jutewaren  u.  a. 

Leitomischl,  Stadt  in  Böhmen:  Leinenweberei,  Tuch-  und  Schuhfabri- 
kation. 

Le  Mans,  Stadt  des  franz.  Depart.  Sarthe:  Die  Einwohner  fertigen 
Segeltuch,  Hanfleinwand,  ausserdem  Wachstuch,  Musselin,  Spitzen,  Strumpfe 
waren ;  ferner  bestehen  Leinwandbleichen. 

Lemineas  sind  dunkelblaue  Gewebe  von  Baumwolle  mit  weissen  Dessins, 
die  hier  und  da  in  Schwaben  und  in  der  Schweiz,  besonders  zu  Kaufbeuren 
verfertigt  werden. 

Lengefeld,  Stadt  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chemnitz :  Baumwoll-, 
Chenille-  und  Lamaweberei.  / 

Lengenfeld,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau :  Streich- 
garnspinnerei^  Färberei,  Weissstickerei,  Fabrikation  von  Tuch,  Weisswareji 
•und  Flanell. 

Lennep,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Kammgarn-  und  Streich- 
garnspinnereien, bedeutende  Tuch-,  Jacken-  und  Filzfabriken.  L.  ist  Sitz  der 
5.  Sektion  der  Rheinisch-Westfälischen  Textilberufsgenossenschaft. 


Lenzb  urg — Levantin. 


329 


Lenzburg,  Stadt  im  Schweiz.  Kanton  Aargau:  BaumwoU-  und  Seiden- 
industrie, Bleichen,  Färberei,  Appretur,  Litzenweberei. 

Leobschütz,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Oppeln:  Fabrikation  und  Haus- 
industrie in  AYollwaren. 

Leonidion,  Stadt  in  Griechenland:  Teppicherzeugung. 

Leonische  Blumen  sind  aus  Folie,  unechtem  Gold-  und  Silberblech 
(Lahn)  sog.  leonischem  Gold  gefertigt. 

Leonische  Waren  oder  lyonische  "Waren  auch  als  Bouillon  und  Cantillen 
bezeichnet,  Fabrikate  aus  versilberten  oder  vergoldeten  Kupferdrähten  und  sog. 
,,Platten",  d.  h.  bandartig  platt  gewalzten  Drähten.  Es  werden  Borten,  Draht- 
flittern,  Frise  oder  Krausgespinst  daraus  gefertigt.  Das  letztere  ist  eine  Art 
Borte,    die    dadurch    entsteht,    dass    man    einen  Seidenfaden    zuerst   mit    einem 

Abb.  185. 


L^ 


.¥ 


^^y^J^lbBte.. 


anderen  feineren  Seidenfaden  in  weit  auseinander  liegenden  Windungen,  dann 
aber  in  entgegengesetzter  Richtung  mit  Lahn  überspinnt.  Der  Name  L.-W. 
kommt  von  der  spanischen  Stadt  Leon  oder  von  der  franz.  Stadt  Lyon,  wo- 
selbst solche  Waren  in  grossen  Mengen  hergestellt  werden. 

Lesghier,  Kaukasisches  Yolk,  meist  in  Daghestan,  Mohammedaner,  den 
Bussen  ganz  unterworfen:  erzeugen  Teppiche,  die  unter  dem  Namen  Lesghi 
in  den  Handel  kommen.  Man  rechnet  dieselben  zu  der  kaukasischen  Sorte 
und  innerhalb  derselben  zur  Art  der  Karabaghs. 

Leutkirch,  Stadt  im  württemb.  Donaukreis :  Leinwand-  und  Strumpf- 
webereien. 

Leuze,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Hennegau:  Leinenweberei,  Strumpf- 
wirkerei, Kammgarnspinnerei. 

Levantin,  ein  glatt  geköperter  Seidenstoff,  eine  Art  seidener  Serge. 
Man    hat   auch   gestreiften,  bei   welchem    die   Verbindung    der   Fäden   in    dem 


330  Levantische  Tücher — Ligature. 


Köper  nur  zur  Hälfte  bearbeitet  wird.  Er  dient  vornehmlich  zu  Damenkleidern 
und  Mänteln,  zu  Unterfutter  in  Herrenkleidern  usw. 

Levantische  Tücher.  Unter  diesen  Namen  begreift  man  die  aus  den 
deutschen,  niederländischen  und  französischen  Tuchmanufakturen  nach  der 
Levante,  nach  Griechenland  und  nach  Aegypten  gehenden  verschiedenen  Tuch- 
sorten, als :  Serails,  Mahouts,  Saglies,  Cherins,  Draps  de  dames  usw. 

Levieren  (franz.),  in  der  Weberei  den  Kegelstuhl  vorrichten. 

Levroux,  Stadt  des  franz.  Depart.  Indre :  Wollspinnerei,  Tuchfabrikation, 
Handel   mit  Wolle. 

Lezajsk,   Stadt  in  Galizien:  Tuchweberei,  Wollfärberei. 

Liage  (franz.),  eine  eigene  Zeugkette,  welche  dazu  dient,  in  broschierten 
oder  lanzierten  Stoffen  die  Schussfäden  zu  binden. 

Libellenmuster,  im  Jahre  1900  für  die  Weltausstellung  in  Paris  ge- 
webt, das  im  Stile  der  Empirezeit  entworfen  ist. 

Abbildung: 

185.  Sammetbrokat ,  Grund  weiss,  Muster  tief  liegend  in  Blau  und  etwas 
Gold  auf  geschnittener  Fläche :  Perlschnüre  sind  durch  Posetten  verbunden  und  bilden 
breite,  spitzovale  Felder,  in  welchen  je  eine  Libelle  dargestellt.     Frankreich  1900. 

Liber  (franz.),  s.  Bast. 

Liberty,  eine  Art  Tussahseide  aus  Indien,  welche  in  Europa  bedruckt  wird. 

Librets  sind  grobe,  flächsene  Leinen,  welche  von  den  Landleuten  in  der 
Gegend  Damiate  in  Aegypten  verfertigt  und  nach  den  türkischen  Provinzen, 
nach  Marseille  und  Livorno  verschickt  werden ;  sie  sind  teils  halbweiss  gebleicht, 
teils  hellblau  gefärbt.  Ihren  Namen  haben  sie  von  den  Franken  erhalten,  da 
man  sie  viereckig  in  Buchform  zusammengeschlagen  zum  Yerkauf  bringt. 

Librillo  (span.),  s.  Bast. 

Libro  (ital.),  s.  Bast. 

Lichterveide,  Dorf  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Wollweberei  und 
Spitzenklöppelei. 

Lieben,  Dorf  in  Böhmen:  Mechan.  Webereien,  Spinnereien  und  Spitzen- 
weberei. 

Liebenau,  Stadt  in  Böhmen:  Leinen-  und  Baumwollwebereien,  Woll- 
weberei mit  Färberei  und  Druckerei. 

Liebenzeil,  Stadt  in  AVürttemberg :  Wollspinnerei,  Kettenfabrikation. 

Liek  oder  Leik,  das  Tauwerk,  womit  die  Kanten  der  Segel  besäumt 
werden,  um  sie  haltbarer  zu  machen.  Nach  den  Kanten,  an  denen  das  L.  sitzt, 
wird  es  Ober-,  Seiten-  oder  Unterliek  genannt. 

Lien^OS,  Lienzos,  im  spanischen  Handel  die  Leinen.  Der  Spanier  nennt 
z.  B.  Liengos  de  Breslao  verschiedene  Sorten  roher,  weisser,  glatter  und  ge- 
streifter, schlesischer  Leinwand,  die  von  Breslau  nach  Cadiz  gehen.  So  wird 
auch  in  Macao  das  chinesische  Grastuch  von  Mä  unter  dem  Namen  Lienzo 
verkauft.  Im  spanischen  Amerika  pflegt  man  auch  überhaupt  alle  Schnittwaren 
Lienzos  zu  nennen. 

Lier  (franz.  Lierre),  Stadt  der  belg.  Provinz  Antwerpen:  Seiden-  und 
Spitzenfabrikation. 

Liestal,  Stadt  des  Schweiz.  Kantons  Basel-Land:  Florettspinnerei,  Seiden- 
weberei,  AVollwarenfabrikation. 

Ligature,  Legature,  Legatine,  ein  dichter  und  fester  Stoff  aus  Wolle  und 
Leinen,  oder  aus  Floretseide  und  Leinen,  zuweilen  auch  aus  Baumwolle  und 
Seide,  mit  erhabenen  und  broschierten,  grossen  Blumen,  Mustern  und  Gittern, 
welcher  früher  häufig  zum  Ueberziehen  der  Möbel,  zu  Tapeten  und  Vorhängen 
gebraucht  wurde.  —  Ligature,  galons  ä  livree,  nennt  man  auch  eine  Art 
Borten  oder  Tressen,  auf  deren  rechte  Seite  nur  Gold  und  Silber  eingewebt 
ist,  die  aber  auf  der  unrechten  Seite  aus  Seide  bestehen,  sie  werden  auf  ver- 
schiedene Art,  glatt,  gemustert,  matt,  mit  Lahn,  ausgebogen  usw.  gemacht  und 
zu  Livreen,  Möbelbeschlägen  u.  dgl.  verwendet. 


Ligtdoek— Lilie. 


331 


Ligtdoek,  eine  leichte  und  schmale  Sorte  der  holländischen  Segellein- 
wand, welche  zu  Bramsegeln  und  andern  kleinen  Segeln  verbraucht  wird. 

Lilailas  nannte  man  in  Spanien  und  Portugal  eine  Sorte  weissgebleichter 
Haueleinwand,  welche  aus  Thüringen  und  Hessen,  über  Bremen  dorthin  ver- 
sandt wurde. 

Lilie  (lat. :  lilia,  flor-decilium;  franz.  und  engl.:  fleur  de  lis),  Pflanzen- 
gattung aus  der  Familie  der  Liliaceen,  mit  45  bekannten,  in  den  gemässigten 
Kegionen  der  nördlichen  Erdhälfte  verbreiteten  Arten  (Abb.  186  u.  187);  vom 
13.  Jahrh.  an  ornamental  verwendet,  wozu  wohl  ihre  i^utzbarmachung  als  Wappen 
beigetragen  hat,  als  welches  sie  zuerst  von  König  Ludwig  YII  von  Frankreich 
1137 — 1180  benutzt  worden  ist.  Unter  seinem  Nachfolger  Philipp  II  (1180 
— 1223)  begann  man  bereits,  die  Krönungsgewänder,  Kreuze  und  Kirchen- 
geräte mit  Lilien  zu  bestreuen,  dieselben  auch  im  Wappenschilde  in  willkür- 
licher Zahl  zu  führen,    bis    König  Karl  YI    1380—1422    die    Zahl    der   Lilien 


Abb.  186. 


Abb.  187. 


auf  drei  beschränkte.  Seit  dieser  Zeit  führte  das  französische  Wappen  drei 
blaue  Lilien  in  Grold.  In  der  Symbolik  ist  die  weisse  L.  das  Sinnbild  der 
Unschuld  und  Heinheit  der  Seele.  In  diesem  Sinne  trägt  auf  den  Darstellungen 
der  Verkündigung  (s.  d.)  der  Erzengel  Grabriel  gewöhnlich  einen  weissen  Lilien- 
stengel, oder  neben  der  Jungfrau  steht  ein  Gefäss  mit  weissen  Lilien.  Auf 
Geweben  und  Stickereien  erscheint  die  L.  weniger  in  Bedeutung  als  Wappen, 
wie  als  Ornament,  in  letzter  Beziehung  namentlich  im  gotischen  Zeitalter 
(Abb.  99),  welche  Weise  auch  die  Renaissance  übernimmt  (Abb.  190),  worin 
die  L.  schliesslich  zur  blütenförmigen  Palmette  geworden  ist  (Abb.  188).  Als 
halb  naturalistische  Kunstform  ist  die  L.  oft  in  den  älteren  Stickereien  ange- 
wendet, wobei  die  aufgelegten  breiteren  Blattflächen  im  gegebenen  Beispiel 
(Abb.  189)  durch  Malerei  gefüllt  sind. 

Abbildungen: 
186/187.  Darstellung  zweier  Lilien  aus:  Lobelius,  plantarum  sev  stirpium  icones. 
Antwerpen  1581. 


332 


Lilienkreuz, 


188.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Seidenstoff,  Grund  rotbrauner  Atlas,  Muster  gelb  geköpert:  Reihenweis  versetzte, 
lilienblütenartige  Palmetten  und  Flammen.     Italien  17.  Jahrhundert. 

Abb.  188. 


189.  Darstellung  aus :  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896,  Blatt  104 :  Ecke  einer 
Kammtasche,  Aufnäharbeit  aul  weissem  Atlas  in  farbiger ,  z.  T.  bemalter  Seide ,  mit 
Umrandung  von  Goldschnur:  Blütenzweig  mit  Lilien,  Randborte  aus  Ranke  mit  ver- 
schiedenartigen stilisierten  Blüten.  Original  aus  dem  sogen.  Pommerschen  Kunstschrank 
im  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin.     Augsburg  16.  Jahrhundert. 

Abb.  189. 


Lilienkreuz  stammt  als  Alcantaraorden  von  dem  1156  in  Spanien  ge- 
stifteten geistlichen  Ritterorden  zur  Pflege  der  Kranken  und  zum  Schutz  der 
Pilger;  findet  sich  daher  (seit  1411)  häufig  in  Stickerei  oder  Aufnäharbeit  dar- 
gestellt aut  geistlichen  Gew^andstücken.  (Vgl.  Abb.   12  auf  Tafel  IX.) 


Lilienmuster— Linon.  333 


Lilienmuster  in  geklöppelter  Spitze  kommt  als  „Clilgen"  im  Züricher 
Musterbuch  vor. 

Lille,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Nord,  flämisch  E,yssel :  Bedeutende 
Textilindustrie,  darunter  Baumwollspinnerei  und  -Weberei,  dagegen  ist  die 
frühere  blühende  Fabrikation  von  Spitzen,  Zwirn  und  Tüll  in  Abnahme ;  ausser- 
dem liefert  L.  Posamentierarbeiten  und  Strumpfwaren.  Die  alte  Spitze  von 
Lille  war  im  18.  Jahrhundert  als  eine  Klöppelarbeit  von  grosser  Feinheit  be- 
kannt; sie  gehörte  zu  den  sogen.  Beseauspitzen,  deren  Musterung  auch  mit 
der  Kadel  ausgeführt  wurde.  Daneben  fertigte  man  billigere  Ware,  wie  sie 
sonst  auch  Arras  herstellte.  1788  beschäftigte  L.  noch  18  000  Arbeitskräfte 
darin;  man  trug  nur  noch  mehr  Tüll  und  ganz  duftige  Spitzen. 

Lima,  peruanische  BaumwoUsorte. 

Limerick,  Stadt  in  der  irischen  Provinz  Munster :  Die  Industrie  erstreckt 
sich  vornehmlich  auf  Flachsspinnerei  und  Spitzenfabrikation.  Früher  waren 
die  Handschuhe  von  L.  (Limerick  gioves)  besonders  berühmt. 

Limoges,  man  hat  im  Leinenhandel  zwei  unter  sich  sehr  verschiedene 
Gewebe  dieses  Namens :  1.  Eine  Gattung  buntgestreifter  Bettleinwand,  welche 
halb  von  baumwollenem,  halb  von  flächsenem  Garne  in  den  Kantonen  Aargau 
und  Luzern  verfertigt  und  meistens  nach  Italien  verkauft  wird.  2.  Eine  grobe 
rohe  Pack-  oder  Sackleinwand  aus  starkem  Hanfgarn,  die  im  Departement  der 
obern  Yienne  gewebt  wird. 

Limoux,  Stadt  im  franz.  Depart.  Aude:  Tuchfabriken,  AYollspinnerei 
und  Färberei. 

Linden,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Hannover :  Mechan.  Weberei,  Teppich- 
knüpferei,  Baumwollspinnerei  und  -Weberei. 

Lindsay,  Linsay,  ein  veralteter,  englischer,  geköperter  Stoff,  dessen 
Kette  aus  Leinengarn,  der  Einschlag  aber  aus  Wollengarn  besteht  und  weicher 
in  den  Manufakturen  von  Wiltshire  verfertigt  wurde. 

Line,  auch  Long  Line,  engl,  der  lange  Flachs,  eine  Bezeichnung  im 
engl.  Leingarngeschäft  für  Garn  aus  Flachs,  im  Gegensatz  von  Tow:  Garn 
aus  Werg. 

Linets  sind  leinene  Gewebe,  die  vornehmlich  in  und  um  Abbeville  ver- 
fertigt werden. 

Linge  de  table  ist  in  Frankreich  die  allgemeine  Bezeichnung  der  ver- 
schiedenen im  Handel  unter  eigenen  Namen  vorkommenden  Servietten-,  Zwillich- 
und  Damastleinen,  wobei  man  Linge  plein,  glattes,  und  Linge  ouvre,  gemustertes 
Tischzeug  unterscheidet. 

Lingettes  nennt  man  in  England  1.  die  feinen  Sorten  der  Flanelle, 
welche  Salisbury  in  sehr  schöner  Ware  liefert;  2.  nennt  man  L.  eine  dünne 
und  schlechte  Sorte  von  Sergen,  die  auch  unter  den  Namen  Flavets  vor- 
kommen. 

Links-  und  Linksware,  auch  Strickware  genannt,  wird  auf  den  Kulier- 
stühlen  erhalten,  wenn  man  abwechselnd  eine  Beihe  nur  zu  rechts  ab- 
geschlagenen und  die  andere  nur  zu  links  abgeschlagenen  Maschen  ver- 
arbeitet. Beim  Stricken  wird  die  Ware  erzeugt,  wenn  man  abwechselnd 
eine  Beihe  glatt  und  eine  verwendet  strickt.  Die  AVare  zieht  sich 
im  umgespannten  Zustande  so  zusammen,  dass  nach  beiden  Seiten  die 
Bogen  der  Maschen  heraustreten,  während  die  geraden  Stücke  verdeckt  in  der 
Tiefe  liegen ;  sie  zeigt  auf  beiden  das  Ansehen  der  linken  Seite  der  glatten 
Kulierwaren  und  ist  namentlich  in  der  Höhenrichtung  sehr  elastisch. 

Linnen-Checks  heissen  in  England  und  Nordamerika  die  gewöhnlichen 
blau-  und  weissgestreiften  oder  blau-  und  weissgegitterten  Matrosenleinen, 
welche  ganz  aus  flächsenem  Garne  gewebt  sind,  zum  Unterschiede  von  den 
Mixted-Checks,  die  halb  aus  Baumwolle,  halb  aus  Leinen,  und  den  Cotton- 
Checks,    welche   ganz  aus  baumwollenem  Garn  gemacht  werden. 

Linon  (franz.  linon,  engl,  lawn),  Schleierleinwand,  ist  ein  feines,  weisses, 
leichtes  und  locker  gewebtes  Leinenzeug,  welches  die  Mitte  zwischen  Batist 
und  Schleier  hält  und  auch  mitunter  Batistlinon  genannt  wird.     Man  fabriziert 


334  Linostimus — Liturgische  Gewänder. 

es  gleich  den  Batisten  in  Frankreich,  Belgien,  Bielefeld,  Böhmen  und  Schlesien. 
Bei  der  bestehenden  Nachahmung  der  meisten  LeinenstofFe  in  Baumwolle  gibt 
es  natürlich  auch  baumwollnen  Linon  und  Batistlinon.  Solche  Stoffe  werden 
sowohl  glatt  als  gestreift,  gegittert,  geblümt  usw.  in  England,  der  Schweiz, 
Deutschland,  besonders  im  sächsischen  Yogtlande  gearbeitet. 

Linostimus,  linostima  oder  linistema  vestis  (lat.),  ein  im  Mittelalter  aus 
leinener  Kette  und  wollenem  Einschlag  gewebter  Stoff. 

Linthwaite,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Yorkshire :  Wollspinnerei  und 
Tuchfabrikation. 

Linz,  Hauptstadt  von  Oberösterreich:  Wollwarenfabriken,,  Handel  in 
Wollzeug,  Teppichen,  Baumwollwaren,  Tuch,  Leinen  und  Zwirn. 

Lisal,  s.  Sisal. 

Lisere,  ein  schwerer  seidener  Stoff,  der  früher  in  Lyon,  Tours  und  Paris 
gemacht  wurde,  auf  welchem  sich  zwischen  den  broschierten  Blumen  und 
Mustern  im  Grunde  grosse  damastartige  Muster  befinden,  die  durch  die  Jac- 
quardmaschine mit  den  Kettfäden  erzeugt  werden. 

Lisiere  ist  das  Sahlband. 

Lisieux,  Stadt  des  franz.  Depart.  Calvados :  bedeutende  Woll-,  Baumwoll- 
und  Leinenindustrie. 

Lisieux  nennt  man  in  Frankreich  mehrere  Gattungen  Leinen,  welche  im 
Departement  des  Calvados  in  der  Gegend  von  Lisieux  verfertigt,  auf  die  be- 
deutenden Wochenmärkte  dieses  Orts  zum  Verkauf  gebracht,  dort  gebleicht 
und  appretiert  und  über  Bouen  und  Caen  nach  Spanien  und  den  Kolonien 
weiter  verkauft  werden. 

Lisire  sind  offene,  im  besonderen  gazeartige  Kanten  an  Bändern,  Franzen, 
mit  eingewebten  oder  einbroschierten  Blumen;  im  allgemeinen  aber  jede  be- 
sonders hervorgehobene  Kante  an  allen  Langwaren  und  Tüchern. 

Lissabon,  Hauptstadt  des  Königreichs  Portugal:  Leinwand-,  Tuch-  und 
Baumwollfabriken,  Spinnereien  und  Webereien  für  Seidenwaren. 

Lisse  (franz.)  heisst  die  Kette  in  der  Weberei. 

Lisseuse  (franz.  „Glätterin"),  in  der  Kammgarnspinnerei  Name  für  die 
Wasch-  und  Plättmaschine,  welche  die  in  Bänder  verwandelte  Wolle  mit 
Seifenwasser  wäscht,  um  das  vor  dem  Kämmen  hineingebrachte  Oel  zu  ent- 
fernen, dann  spült  und  schliesslich  im  gestreckten  Zustande  trocknet,  so  dass 
den  Wollhaaren  auch  die  Kräuselung  genommen  wird.  Um  dem  Kammzug 
den  gelblichen  Stich  zu  nehmen,  wird  er  in  der  L.  wohl  nach  dem  Waschen 
auch  durch  sog.  Bleichfarben  leicht  gebläut. 

Listados,  Listaos,  eine  der  gangbarsten  Sorten  buntgewirkter  Leinen, 
welche  in  Frankreich,  in  den  Niederlanden  und  Deutschland,  besonders  in  der 
Oberlausitz  und  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf  verfertigt  werden.  Am  gang- 
barsten sind  blau  und  weiss,  oder  rot  und  weiss  gegitterte,  doch  werden  sie 
auch  lila  und  weiss  und  in  verschiedenen  andern  Farben  gewürfelt  hergestellt. 
Früher  verfertigte  man  sie  ganz  aus  flächsenem  Garn,  allein  seit  Jahren  werden 
sie  fast  allgemein  halb  aus  Baumwoll-,  halb  aus  Leinengarn  gemacht. 

Listones,  Bibetillos  im  spanisch-amerikanischen  Geschäft,  Bänder  von 
Seide  und  Sammet.  Guimhas  sind  Bänder  von  Leinen,  Baumwolle  oder 
Wolle;  Cintas,  Bänder  im  allgemeinen. 

Liturgische  Gewänder  (lat. :  vestes  sacerdotales ;  franz. :  vetements 
sacerdotaux ;  engl. :  sacerdotal  vestments) ,  die  von  den  Priestern  bei  Aus- 
übung ihres  Amtes  getragenen  Gewänder:  sie  begannen  im  YI.  Jahrh.  sich 
auszubilden  und  bestehen  ohne  wesentliche  Veränderung  bei  der  griechischen 
wie  der  römischen  Geistlichkeit  aus  folgenden  Teilen:  1.  Strümpfe  (tibiAlia, 
caligae) ;  2.  Schuhe  (sandalia,  socculi,  calceamenta) ;  3.  Schultertuch  (amictus, 
superhumerale) ;  4.  Alba  (alba,  camisia,  poderis,  tunica  talaris);  5.  Gürtel 
(baltheus,  zona,  cingulum) ;  6.  Stola  (orarium) ;  7.  Manipel  (phanon,  mappula) ; 
8.  zwei  Ueberziehhemden  (dalmatica  oder  tunica  major  und  tunicella,  subtile, 
subucula),  je  nach  dem  Bange;  9.  Messgewand  (paenula,  planeta,  casula); 
10.  Handschuhe;   IL  Bing;   12.  Kopfbedeckung  (mitra,  tiara,  phrygium,  Corona 


Litze— Litzenspitze. 


335 


sacerdotalis ,  cidaris  und  cuphia) ;  13.  Hirtenstab;  14.  ein  Band  (pallium,  p. 
archiepiscopale,  entsprechend  dem  omophorion) ;  15.  ein  Schulterkleid  (ami- 
culum  episcoporum,  nur  vom  XII. — XYI.  Jahrh.  im  Gebrauch);  16.  das  Rationale 
(pectorale,  rationale  episcoporum);  17.  Mantel  (pluviale,  kappa);  18.  Chorrock 
(rocchetum,  super-pelliceum) ;  19.  Barett.  (Hierzu  sind  die  betr.  einzelnen 
Artikel  zu  vergleichen  und  für  die  Anwendung  derselben  Abb.  190.) 

Abb.  190. 


Abbildung. 

190.  Darstellung  nach  einer  Photographie  aus  dem  Kunsthandel:  Madonnenbild 
von  Crivelli  (1412 — 1486).  Original  in  der  Gemäldegalerie  der  Kgl.  Museen.  (Vgl. 
Chormäntel  aus  g-ewebten  und  gestickten  Stoffen  der  Madonna,  des  Petri  und  der  beiden 
Päpste ;  die  zu  Füssen  Petri  stehende  Tiara,  die  Mitra  und  die  Hirtenstäbe,  sowie  die 
Alben,  Stolen  und  Manipeln  der  Päpste.) 


Litze,  (franz.:  lice,  lisse;  engl.:  lace) ;  Schnur,  Borte,  Tresse,  aus  Leinen, 
Baumwolle,  Wolle,  Silber-  oder  Groldfäden  gewirkt,  welche  als  Besatz  an 
Kleidern,  besonders  Militäruniformen,  getragen  wird. 

Litzen,  (vom  lat. :  licium,  Gewebfaden),  dünne  Schnur,  Tresse  u.  dgl. ; 
am  "Webstuhl  die  senkrecht  gespannten  Fäden  zur  Fachbildung,  durch  deren 
Schlingen  (Litzenhäuschen)  die  Kettenfäden  gezogen  sind,  um  gehoben  oder 
gesenkt    werden  zu  können ,    wenn  ein  Schussfaden  durchgebracht  werden  soll. 

Litzenspitze,  (allgemeine  Bezeichnung :  point  lace;)  eine  zuerst  in  Italien 
im  17.  Jahrh.  erzeugte  Spitze  aus  gewebtem  schmalem  Leinenband,  welches 
in    ein.en    Brides-Grund    eingenäht  wurde  (s.  Spitzen). 


336  Liverpool — Lomnitz. 


Liverpool,  Stadt  in  der  engl,  (xrafschaft  Lancashire.  Hervorragend  ist 
die  Stellung  L.s  im  Baumwollhandel.  1899  kamen  nach  dem  Vereinigten 
Königreich  "für  27,7  Mil).  Pfd.  St  rohe  Baumwolle;  davon  über  L.  für  22,6  Mill. 
Pfd.  St.  —  In  der  Ausfuhr  stehen  die  Fabrikate  der  Baumwoll- ,  AVoll-, 
Leinen-  und  Juteindustrien  obenan,  allein  die  von  BaurawoUstückwaren  er- 
reicht alljährlich  "Werte  von  über  30  (1899:  35,5)  Mill.  Pfd.  St. 

Livorno,  Hauptstadt  der  Provinz  L.  im  Königreich  Italien  und  nach 
Genua  der  bedeutendste  Handelsplatz  Italiens.  Bedeutende  Ausfuhr  von  Baum- 
wolle, Wolle,  roher  Seide  nach  der  Levante. 

Livree  (franz.),  (engl. :  liverj^),  so  nannte  man  schon  im  XII.  Jahrh.  die 
Kleidung,  welche  die  Lehensherren  ihren  Untergebenen  als  eine  Art  von  Gnaden- 
geschenk gaben ;  sie  war  besonders  für  feierliche  Gelegenheiten  bei  allen  diesen 
Personen  in  Stoff  und  Schnitt  gleich.  Ursprünglich  ist  L.  die  Bezeichnung 
der  Kappen-  oder  Pelzmäntel,  die  ehedem  in  Frankreich  der  König  an  den 
grossen  Jahresfesten  den  Bannerherren  und  Rittern  darreichte. 

Lizardes,  Lizales,  Lisards,  sind  flächsene  Leinen,  welche  die  Landleute 
in  der  Gegend  von  Kairo  und  Hosette  weben.  Ausser  diesem  kommt  auch 
ein  Baumwollstoff  aus  Persien  und  Ostindien  unter  dem  Namen  Lisardes  im 
Handel  vor. 

Llerena,  Stadt  der  span.  Provinz  Badajoz  :  Tuchfabriken  und  vorzüg- 
liche Schafzucht. 

Löbau,  Stadt  in  der  sächs.  Kreisbauptmannschaft  Bautzen :  Potgarn- 
färberei,  bedeutender  Handel  mit  Garnen,  Leinwand  und  Strumpfartikeln. 

Lobberich,  Dorf  im  preuss.  Peg.-Bez.  Düsseldorf:  Bedeutende  mechan. 
Webereien,  Appreturen  und  Färbereien;  Erzeugung  von  Seidenbändern. 

Loches,  Stadt  des  franz.  Depart.  Indre-et-Loire :  Wollspinnerei  und 
Tuchfabrikation . 

Lochreas  ist  eine  irländische  rohe  und  auch  weisse  Leinwand.  Sie  hat 
den  Namen  von  der  Stadt  Lochrea,  wo  sie  am  meisten  gemacht  wird. 

Locrenan,  eine  dichte  ungebleichte  Leinwand,  aus  grobem  hänfenen 
Garn  fest  und  gedrungen  gewebt.  Sie  hat  ihren  Namen  von  dem  Flecken  L., 
im  Depart.  Finisterre,  wo  sie  ursprünglich  verfertigt  wurde;  jetzt  wird  sie  in 
mehreren  andern  Orten  der  Umgegend  gemacht  und  zu  Schiffssegeln  ver- 
braucht. 

Loden,  in  vielen  deutschen  Tuchfabriken  das  rohe  Wolltuch  ohne  alle 
Zubereitung,  wie  es  vom  Stuhle  kommt.  In  Bayern  und  Württemberg  heisst 
L.  ein  gewöhnlicher  starker  Wollenstoff,  ein  ungewalktes  Tuch,  das  zwischen 
Boy  oder  Fries  und  zwischen  Tuch  steht  und  zu  Mänteln  und  Kleidern  dient. 
In  Augsburg  heisst  L.-Weberei  auch  das  Weben  der  Fussdecken. 

Lodeve,  Stadt  im  franz.  Depart.  Herault:  Tuchfabrikation  (Militärtuche), 
Wollkämmerei  und  Seidensj)innerei. 

Lodz,  Stadt  des  russ.-poln.  Gouvernements  Petrikau:  MitteljDunkt  der 
russ.-poln.  Baumwoll-  und  Wollindustrie;  400  Fabriken  mit  40000  x4rbeitern 
und  68,2  Mill.  Pubel  Produktion.  Von  letztern  bearbeiten  47  baumwollene 
Stoffe  (42,6  Mill.  Pubel  Produktion),  138  wollene  (21,5  Mill.),  51  halbwollene 
(5,6  Mill.),  9  seidene  und  halbseidene  (0,6  Mill.),  3  leinene  und  hänfene  (0,2 
Mill.  Rubel  Produktion) ;  dazu  37  Färbereien  und  Appreturanstalten  (3,6  Mill. 
Pubel  Produktion).  —  L.  war  noch  Anfang  des  19.  Jahrh.  unbedeutend; 
1835  wurde  das  erste  grössere  Etablissement,  eine  Baumwollspinnerei,  errichtet. 

Loire,  franz.  Departement,  die  alten  Grafschaften  Forez  und  Beaujolais 
und  Teile  von  Lyonnais  umfassend:  Hoch  entwickelt  ist  die  Seidenmanufaktur, 
Spinnerei,  Weberei,  Fabrikation  von  Leinen,  Batist,  seidenen  Bändern,  Posa- 
menten usw. 

Lokeren,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Ostflandern:  Berühmte  Kattun- 
und  Baumwollfabriken,  Handel  mit  Flachs,  Leinwand  und  Stoffen. 

Lomnitz,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Semil  in  Böhmen: 
k.  k.  AVebschule;  grosse  mechan.  Spinnerei,  mehrere  Fabriken  für  farbige 
Baumwollwaren  und  bedeutende  Leinenindustrie. 


London — Lothringisclie  Spitzen.  337 

London,  Hauptstadt  des  britischen  Reiches :  Textilindustrie  s.  England. 
Das  South  Kensington  Museum  enthält  die  zweitgrösste  StofFsammlung  meist 
der  Periode  vom  10. — 18.  Jahrh.  angehörender  Seidenstoffe,  sowie  grosse 
Sammlungen  von  Stickereien,  Spitzen  und  Teppichen,  über  deren  Inhalt  be- 
sondere illustrierte  Kataloge  herausgegeben  sind. 

Londoner  Tücher.  Darunter  verstand  man  früher  sehr  feine  märkische 
Tücher,  welche  dem  Bealtuch  fast  gleich  kamen  und  vornehmlich  in  dem  Lager- 
hause zu  Berlin  aus  der  Prima  Segoviana  verfertigt  wurden.  Es  war  eine 
Nachahmung  der  feinen  engl.  Tücher  von  Bradfort  in  AYiltshire,  die  über 
London  ausgeführt  wurden. 

Londres  und  Londrins  sind  leichte  gewebte  und  gewalkte  AYolltücher, 
welche  sehr  häufig  nach  der  Levante  gehen,  wo  sie  von  den  Türken  zu  Herbst- 
und Frühlingskleidern  getragen  werden,  die  aber  auch  in  andern  Farben  assor- 
tiert in  Italien,  Portugal  und  Amerika  Absatz  finden. 

Abb.  191. 


i 

^•t-^  -  _  -^ 

Long-Cloth,  s.  Domestics. 

Long-Ells,  eine  Grattung  geköperter,  blau,  grün,  rot  oder  schwarz  ge- 
färbter, häufig  auch  weiss  gewaschener  engl.  Flanelle,  welche  in  Exeter  und 
in  mehreren  Manufakturen  von  Devonshire,  Sommerset  und  Cornwall  verfertigt 
werden. 

Longeria,  (lat.)  langes  Leinentuch,  Tischtuch. 

Long  line,  s.  Leinengarn. 

Longuis,  eine  Art  gewürfelten  ostind.  Taffets. 

Lorbeer  war  bei  den  Griechen  dem  Apollo  geweiht.  Er  galt  als  Symbol 
der  Sühne ;  Sänger  und  singende  Helden  wurden  mit  ihm  geschmückt ;  in  ähn- 
lichem Sinne  gilt  er  bis  heute  als  Symbol  des  Buhmes.  Auch  als  Kunstform 
fand  der  L.  hier  eine  vielseitige  Anwendung,  besonders  im  Laubbandmotiv. 
Als  solches  übernimmt  ihn  der  Empirestil  (s.  d.)  neben  dem  Epheu  und  Akan- 
thus  im  Stoffmuster.     (Ygl.  Abb.  62  und  191.) 

Abbildung. 
191.  Darstellung  aus:  Cox,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  coUections  du 
musee    historique    de    chambre    de    commerce    de    Lyon.      Paris    1900.      PI.    CXVIII: 
Gewebte    Seidenstoffborte    mit    Darstellung    des    Lorbeer-    und    Akanthusbandmotivs. 
Frankreich  um  1810. 

Lörrach,  Stadt  im  Grossherzogtum  Baden :  Woll-  und  Baumwolldruckerei, 
Tuchfabrik,  Seidenband-,  Woll-  und  Baumwollweberei  und  -Spinnerei. 

Lössnitz,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau :  Fabrikation 
von  Hüten,  AYäsche,  Strumpf-,  Baumwoll-  und  Seidenwaren. 

Lothringische  Spitzen,  gewöhnliche  Spitzen  von  Zwirn,  die  um  St. 
Michel  verfertigt  werden. 

Heiden,    Handwörterbuch  der  Textilkunde.  22 


338 


Lotos — Löwe. 


Lotos,  indische  Wasserrose  mit  schildförmigeu  Blättern  und  weisslich 
rötlich  schattierten  Blüten,  war  den  Indiern,  Assyriern  und  Aegyptern  heilig. 
Blätter  und  Blüten  fanden  in  der  ornamentalen  Kunst  vielfach  Verwendung. 
In  neuerer  Zeit  hat  den  Lotos  als  Kunstform  die  moderne  Bichtung  Englands 
von  Japan  übernommen  (vgl.  Abb.  129),  woselbst  er  von  alters  her  auch  von 
symbolischer  Bedeutung  ist. 

Loudeac,  Stadt  des  franz.  Depart.  Cötes-du-Nord:  Bedeutende  Fabri- 
kation von  Bretagne-Linnen. 

Loudun,  Stadt  im  franz.  Depart.  Yienne  :  Fabriken  von  Spitzen  und 
Posamentierwaren. 

Loughborough,  in  der  engl.  Grrafschaft  Leicester:  Färberei,  Baumwoll- 
waren-, Strumpfwaren-  und  Spitzenfabrikation. 

Louisiana,  nordamerikanische  Baumwollsorte.  r- 

Louth,  in  der  engl.  Grrafschaft  Lincoln :  Teppichfabrikation. 
Louviers,  Stadt  des  franz.  Depart.  Eure :  Zahlreiche  Tuchfabriken  (billige 
Stoffe  und  Modeartikel),  Wollspinnerei,  Walkmühlen,  Bleichen ;  auch  baut  man 

Maschinen    zur    Tuchfabrikation 
Abb.  192.  und  treibt  lebhaften  Handel  mit 

feinen  Manufakturen.  Hier  wurde 
1681  die  erste  Tuchfabrik  und 
1789  die  erste  Baumwollspinnerei 
Frankreichs  errichtet. 

Lovver  Leinen  oderLover- 
leinen  sind  nachgemachte,  irlän- 
dische Leinen,  die  in  grosser 
Menge  nach  Amerika  ausgeführt 
werden. 

Löwe,  erscheint  als  Kunst- 
form im  Mittelalter  in  verschiede- 
ner Bedeutung.  Zunächst  als 
König  der  Tiere  und  Sinnbild 
der  Stärke,  daher  in  späterer 
Zeit  Symbol  Christi  als  des  Löwen 
vom  Stamm  Juda  (Offenb.  Joh. 
5,5u.  l.Mos.  49,9).  Bein  orna- 
mental, vielleicht  auch  im  Sinne 
der  ersten  Deutung,  spielt  der 
L.  im  Stoffmuster  der  sogen,  ro- 
manischen Periode  eine  grosse 
Bolle.  Er  kommt  in  orienta- 
lischen und  byzantinischen  Ge- 
weben des  10. — 12.  Jahrhs.  in 
verschiedener  Darstellung  vor. 
Eine  der  ältesten  ist  diejenige 
in  grosser  vollständiger  Erschei- 
nung mit  geringem  ornamen- 
talem Beiwerk.  In  vornehmer 
stilisierter  Zeichnung  ist  seine  schreitende  Figur  in  Beihen  übereinander  wieder- 
holt ;  der  Ursprung  seiner  ornamentalen  Verwendung  aus  dem  Altertum  (s. 
Abb.  27  im  Artikel  Assyrien)  ist  angedeutet  durch  einen  hinter  ihm  aufwachsen- 
den Baum:  eine  Wiedergabe,  an  welche  noch  in  Stoffmustern  des  13.  — 14.  Jahrhs. 
erinnert  wird  (Abb.  192).  Einen  anderen  Charakter  nimmt  das  Löwenm^ster 
an,  wenn  es  in  gedrungener  Form  symmetrisch  so  dargestellt  wird,  dass  sich 
die  Tiere  aufgerichtet  und  paarweis  einander  gegenüberstehen.  Wenn  man  auch 
geneigt  ist,  das  bekannteste  dieser  Muster  (Abb.  193)  für  eine  deutsche  Arbeit 
(Begensburg?)  zu  halten,  so  weisen  doch  allerlei  Einzelheiten  darauf  hin,  dass 
man  es  mit  der  genauen  Nachahmung  eines  frühmittelalterlichen  orientalischen 
oder  byzantinischen  Musters  zu  tun  hat.    Auffallend  ist  zunächst  die  chinesische 


Löwe. 


339 


Kopfbildimg  der  Löwen,  wie  auch  der  nuter  denselben  hockende  Drache  chine- 
sischen Ursprung  verrät.  Die  spitzovale  Blütenform,  wohl  den  letzten  Rest 
einer  Baumkrone  andeutend,  erinnert  an  Byzanz ,  während  die  blattförmigen 
Schwanzquasten  der  Löwen  und  die  kleinen  Yogelpaare  zwischen  denselben 
wiederum  auf  etwas  anderen  und  späteren  Ursprung  hinzuweisen  scheinen. 
Dass  die  Stellung  der  Löwen,  paarweis  mit  der  Vorderseite  zu  einander  ge- 
kehrt, eine  grosse  Verwandtschaft  mit  der  Bekrönung  des  Löwentores  von 
Mykene  zeigen,  darauf  wies  schon  Grottfried  Semper  (der  Stil  u.  s.  w.,  Frank- 
furt a.  M.  1878,  Bd.  I.  S.  155)  hin;  er  führt  dies  als  Belegstück  dafür  an, 
dass  die  Griechen  ihre  ornamentalen  Tiere  vom  Orient  übernommen  und  sie 
in  ihrem  Geiste  umgestaltet  und  idealisiert  haben.  Die  gleiche  Stellung  der 
steigenden  Löwen  wird  beibehalten,    wenn    dieselben    in  geschlossenen  quadra- 

Abb.  193. 


.tischen  (vgl.  Abb.  6  auf  Tafel  I)  oder  rautenförmigen  Feldern  (Abb.  194)  er- 
scheinen. In  letzterem  Stoff,  der  schon  dem  12.  Jahrh.  angehört,  ist  in  den 
mit  dem  Torusband  belegten  Balken  auch  wieder  der  antike  Einfluss  unver- 
kennbar. Andrerseits  ist  in  dem  vollständig  dargestellten  Baum  des  Tafel- 
bildes I,  6  die  lange  Erhaltung  des  frühorientalischen  Elements  gekennzeichnet, 
das  sich  mit  chinesischen  Anklängen  zwischen  den  drachenartig  umgestalteten 
Löwen  wiederholt  im  Tafelbilde  I,  7.  Das  sarazenische  oder  sogen,  arabisch- 
italische Stoffmuster  des  13.  Jahrhs.  stellt  neben  dem  Adler  auch  den  Löwen 
zwischen  reichen  Ranken-  und  Palmettenmustern  dar  (Abb.  192) ,  bis  er  im 
14.  Jahrh.  mit  dem  Ueberhandnehmen  der  pflanzlichen  Motive  gleich  den 
anderen  Tiergestalten  zurücktritt.  (Zu  den  frühmittelalterlichen  Löwenmustern 
vgl.  das  Prachtwerk :  „Die  Gewebesammlung  des  königl.  KunstgeAverbemuseums 
zu  Berlin",  P.  Wasmuth,  Berlin  1900  ff.) 

Ab  bildungen: 

192.  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  Ueber  G-evvebemuster  früherer  Jahr- 
hunderte. Leipzig  1893 ,  S.  29 :  Seidenbrokat^  Grund  blauer  Atlas,  Muster  in  Gold 
und  Damast  streifenförmig  angeordnet :  Bogenlinien  erwachsen  Blütenpalmetten  und 
feine  Ranken,  an  ersteren  ein  Löwe,  auf  den  Ranken  ein  Kakadu ;  dazwischen  Gold- 
borten, mit  arabischem  Ornament  und  gleichen  Schriftfeldern.    Orient  13.  Jahrhundert. 


340 


Löwenberg—  Luftspitzen. 


193.  Darstellung  aus :  Müntz,  La  Tapisserie,  Paris,  S.  65 :  Seidenbrokat,  Grund 
rot,  symmetrisches  Muster  Gold :  Paarweis  in  Keihen  geordnete  steigende  Löwen ;  da- 
zwischen kleine  Drachen,  spitzovale  Palmetten  und  Yo gelpaare.  Orient  oder  Byzanz(?) 
10. — 11.  Jahrhundert. 

194.  Darstellung  aus:  Justus  Brinckmann,  Das  Hamburgische  Museum  für 
Kunst  und  Gewerbe,  Leipzig  1894,  S.  21.  Seidenbrokat,  Gold,  blauschwarz,  weiss  und 
rot :  Rautenfelder  aus  gemusterten  Balken  enthalten  reihenweis  abwechselnd  je  ein  Paar 
steigender  Löwen  mit  Resten  eines  Baumes  und  Doppeladler.  In  den  Bändern  antiker 
Torus,  in  den  kleinen,  runden  Feldern  abwechselnd  kleine  Drachen  und  Vögel.  Byzanz  (?) 
12,  Jahrhundert. 

Abb.  194. 


Löwenberg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Liegnitz :  Leinen-  und  Baum- 
wollweberei, Kattun-  und  Leinwanddruckerei,  Bleicherei  und  Wollspinnerei. 

Lübbecke,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Minden :  Trikotweberei,  Strickerei 
und  Seilerei. 

Lüben,  Stadt  im  preuss.  Reg.  Bez.  Liegnitz:  Wollspinnerei  und  Tuch- 
fabrikation. 

Lucca,  Hauptstadt  der  Provinz  L.  im  Königreich  Italien :  Seiden,  Sammet, 
Baumwoll-  und  Tuchfabriken. 

Lucka,  Stadt  des  Herzogtums  Sachsen-Altenburg:  Handschuhmacherei, 
Teppich-  und  Portierenweberei. 

Luckenwalde,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Potsdam:  32  Tuchfabriken, 
darunter  eine  der  grössten  Preussens,  8  Hutfabriken,  Wollspinnereien.       ^ 

Ludhiana  (Ludihama),  Stadt  im  indobrit.  Gouvern.  Paudschab :  Be- 
deutende Industrie,  besonders  in  Kaschmirshawlsj  Baumwollzeugen,  Schärpen 
und  Turbans. 

Ludwigshafen  am  Rhein,  Stadt  im  bayer.  Reg.-Bez.  Pfalz:  Trikotweberei, 
Jutespinnerei  und  -Weberei. 

Luftspitzen,  s.  Aetzspitze. 


Lukas — Lyon.  341 


Lukas,  Evangelist,  erscheint  als  Kunstform  in  symbolischer  Darstellung 
eines  Ochsen. 

Lumpen,  s.  Hadern. 

Lumpenwolle,  s.  Kunstwolle. 

Luneville,  Stadt  im  franz.  Depart.  Meurthe-et-Moselle :  "Woll-  und 
Baumwollspinnerei,  Manufakturen  in  Leinwand,  Tüllstickerei. 

Luquoise  heissen  seidene  und  reiche  Stoffe,  welche  ursprünglich  zu  Lucca 
in  Italien  gewebt,  später  aber  auch  in  andern  Gregenden  Italiens  nachgemacht 
wurden. 

Lurgan,  Stadt  in  der  irischen  Grafschaft  Armagh:  Fabrikation  feiner 
Leinwand. 

Lüster  heisst  ein  leinwandartig  gewebter,  stark  glänzend  appretierter 
Stoff,  bei  dem  die  Kette  aus  Baumwolle,  der  Einschlag  von  hartem  Kammgarn 
besteht,  in  besseren  Sorten  von  Alpaka-  oder  Mohairgarn.  L.  hat  einen  feinen 
matten  Grlanz  und  ein  schillerndes,  changierendes  Aussehen,  weil  Kette  und 
Schuss  verschiedene  Farbennüancen  haben  und  zwar  so,  dass  die  erstere  stets 
dunkler  gefärbt  ist.  Sie  sind  teils  glatt,  teils  mit  eingewirkten  damastartigen 
Blumen  und  andern  kleinen  Mustern,  wie  auch  quadrilliert  und  chiniert;  am 
meisten  begünstigt  sind  die  einfachen,  schillernden  Stoffe  in  verschiedenen 
grünen,  grauen  und  braunen  Modefarben.  —  L.  oder  Lüstergarn  heisst  ein 
Garn,  das  aus  der  groben,  langen  und  schlichten,  stark  glänzenden  Wolle  des 
engl.  Landschafes  hergestellt  wird  (s.  a.  Brillantgarn). 

Lustrati,  in  Italien  die  Glanztaffete;    die  meisten  liefert  Florenz. 

Lüstrieren  (franz.),  Glanz  geben,  ein  Appreturverfahren  für  Garn. 

Lustrinos  de  Lino  nennen  die  Spanier  die  leicht  und  locker  gewebten 
schlesischen  Leinen,  welche  in  verschiedenen  bunten  Farben,  im  Stück  gefärbt 
und  geglättet  zu  Hutfutter  und  dgl.  dienen. 

Lüstrins  (franz.  lustrines)  sind  glänzende,  figurierte,  atlasartige  Stoffe, 
sowohl  aus  Seide  als  auch  von  Kammgarn.  Die  seidenen  L.  haben  auf  der 
rechten  Seite  Muster  oder  Blumen,  die  durch  die  Figurkette  gebildet  werden, 
auf  der  linken  Seite  aber  nur  einen  glatten  Grund.  Der  zweifache  Einschuss 
verbindet  sowohl  den  Grund  als  auch  das  Muster  in  den  Kettfäden,  die  über 
dem  Grunde  liegen,  und  bringt  dadurch  auf  der  linken  Seite  den  glatten  Grund 
hervor.  Sie  werden  in  Frankreich  und  Italien  gefertigt.  —  Zeuge  ähnlicher  Art 
und  unter  gleichen  Namen,  worunter  man  aber  grösstenteils  einen  glatten  Stoff 
versteht,  werden  in  den  deutschen  Seidenmanufakturen  ganz  vorzüglich  gewebt. 

Lüttich,  franz.  Liege,  fläm.  Luik,  Stadt  im  Königreich  Belgien:  Be- 
deutende "WoUzeugfabriken,  Flachsspinnerei  und  Weberei. 

Lüttringhausen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Bedeutende 
Tuchfabriken,  Bandwirkerei,   Streich-  und  Eisengarnspinnerei. 

Luzern,  franz.  Lucerne,  Kanton  der  Schweiz :  Die  Industrie  erstreckt 
sich  auf  Baumwollzwirnerei,  Florettseidenspinnerei,  Seidenzwirnerei,  -Winderei 
und  Weberei,  Halbleinen-  und  Wollwarenfabrikation. 

Lyma,  Baumwollsorte  aus  Peru,  schmutzig  weiss,  matt,  ziemlich  kräftig 
im  Faden. 

Lyon,  Stadt  des  franz.  Depart.  Bhone :  Die  Seidenindustrie  ist  die 
wichtigste  in  L.  und  die  Seidenstoffe  sind  weltberühmt.  Im  Anfang  des  19. 
Jahrhunderts  zählte  man  ungefähr  4000  Webstühle.  Aber  nach  Erfindung  des 
Jacquardstuhles  stieg  die  Zahl  schnell.  1894  arbeiteten  85  000  Webstühle  für 
die  Seidenfabrikanten,  darunter  16  000  in  L.^  die  andern  in  der  LTmgebung. 
Ausserdem  bestehen  auch  25  000  mechan.  Webstühle  in  230  Fabriken  in  dem 
Departement  Bhone  und  den  angrenzenden  Departements ,  welche,  wie  die 
Handwebstühle,  für  die  Seidenfabrikanten  von  L.  arbeiten.  Man  erzeugt  alle 
Arten  von  Seidenstoffen;  in  den  letzten  Jahren  sind  Schnürungen,  gemusterte 
und  einfarbige  Stoffe,  Surrah-,  Moire-,  Sammet-  und  Atlasstoffe,  chines.  Kreppe 
und  Musseline  besonders  wichtig  geworden.  Seidenweber  gibt  es  etwa  95  000 ; 
rechnet  man  die  Spuler,  Zettler  und  Arbeiter  in  Färbereien,  Appreturanstalten 
usw.  dazu,  so  beschäftigt  die  Seidenindustrie  in  und  um  L.  210  000  männliche  und 


342 


Mä — Mäander. 


weibliche  Arbeiter.  Fabriken  bestehen  310;  Ein-  und  Verkäufer  der  Seiden- 
waren werden  320,  Seidenhändler  etwa  70  gezählt.  Die  Fabrikate  gehen  vor- 
nehmlich nach  Nordamerika  (etwa  für  50,  vor  den  hohen  Eingangszöllen 
100  Mill.  Eres.),  nach  England,  China,  Japan  und  Indien.  Die  Exportziffern 
betragen  250  Mill.  Eres,  für  die  Seidenstoffe  und  120  bis  150  Mill.  Eres,  für 
verarbeitete  Stoffe,  wie  Modewarenstoffe,  Kleider-  oder  Regenschirmstoffe  usw. 
Man  zählt  über  75  Appreturanstalten,  89  Färbereien  mit  6000  Arbeitern. 
Die  Gold-  und  Silberwirkerei  beschäftigt  1000  Arbeiter  in  70  Fabriken,  27 
Fabriken  bestehen  für  Seiden-  und  WoUposamenterien.  —  Neben  dem  Seiden- 
handel ist  auch  der  Handel  mit  Baumwolle  und  Schafwolle  (5 — 6  Mill.  kg  jähr- 
lich), mit  Tüchern  und  Zeugen  bedeutend.  Im  Börsenpalais  eine  bedeutende 
Stoffsammlung :  C  o  x ,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'aprös  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon,  Par.  1900. 


Abb.  195. 


M. 

Mä,  Thou-mä,  Chinagras,  ist  ein  chinesischer  Spinnstoff,  der  aus  den  Stengeln 
einer  Pflanze,  welche  den  botanischen  Namen  Urtica  nivea  (schneeweisse  Nessel) 
führt,  verfertigt  wird. 

Mäander,    auch    ä   la  greque,    ist   die  Bezeichnung  für  ein  sehr  häufig  in 
Anwendung  gebrachtes  Band,  dessen  Muster  aus  einem  einfachen,  geradlinig  hin- 
und  herlaufenden  Streifen  oder  aus  mehreren  ineinander  verschlungenen  schmalen 
Bändern  zusammengesetzt  ist.     Die  Zwischenräume  der  oft  sehr  künstlichen  spi- 
ralischen   Windungen    oder    rechtwinkligen 
Banddurchschlingungen     sind    zuweilen    mit 
Quadraten  oder  Bechtecken,  sowie  mit  Blu- 
men,   Blattrosetten,    Sternen   u.  dergl.   aus- 
gefüllt. 

Das  Mäanderschema  ist  eines  der  älte- 
sten Motive  der  ornamentalen  Kunst;  es 
findet  sich  sowohl  in  den  Ueberresten  der 
uralten  ägyptischen,  indischen  und  chinesi- 
schen Erzeugnisse,  als  auch  in  den  Werken 
der  griechischen  und  römischen  Kunst.  „Sein 
Ursprung  aus  der  Weberei  leidet  kaum 
einen  Zweifel",  sagt  C.  Bötticher,  „und  es 
kann  deshalb  regelrecht  auch  nur  mittelst 
eines  Netzes  von  Quadraten  verzeichnet  wer- 
den ;  daher  das  rechtwinklig  organisierte  aus 
lauter  Quadraten,  Würfeln,  Platten  gebildete 
Wesen  desselben."  (Vgl.  Matthias,  die 
Formen  spräche  des  Kunstgewerbes,  Liegnitz 
1875.)  Der  Ursprung  dieser  Kunstform 
aus  dem  Geflecht  und  der  Weberei  erklärt 
ohne  Weiteres  das  gleichzeitige  Erscheinen 
derselben  bei  allen  Völkern,  sobald  sie 
beginnen  textile  Erzeugnisse  zu  schaffen. 
Man  kann  deshalb  dem  Mäander  keine  eigentliche  Heimat  zuschreiben.  Die 
vielseitigste  und  vornehmste  Ausbildung  erfuhr  der  M.  im  alten  Griechenland, 
wo  er  die  Grundlage  abgibt  für  die  verschiedenartigsten  Flechtbänder ;  indessen 
ist  an  chinesischen  Geweben  und  Stickereien  nachzuweisen,  dass  auch  hier  das 
Motiv  in  den  erdenklichsten  Variationen  als  Borte  (Abb.  52  u.  81)  oder  Flächen- 
muster (Abb.  195)  erscheint  und  andrerseits  erklären  die  Funde  aus  Peru 
(s.  d.)  zur  Genüge  (Abb.  196) ,  dass  eben  die  Bildung  des  Grundelementes 
ohne  Weiteres  durch  die    Technik  entsteht. 


Macaio — Madapolam. 


343 


Abbildungen: 

195.  Mäandergrundmuster  von  einem   chinesischen  zweifarbigen   Seidengewebe 
des  18.  Jahrhs. 

196.  Mäanderborte  von  der  Wirkerei  in  Leinen  mit  farbiger  Wolle ;  aus  einem 
Grabfunde  in  Peru  des  16.  Jahrhs. 

Abb.  196. 


Macaio,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Macclesfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Chester:  bedeutende  seit  1756 
betriebene  Seidenmanufaktur.  Es  bestehen  ausserdem  BaumwoU-,  Zwirn-  und 
Knopffabriken. 

Maco,  ägyptische  Baumwollsorte. 

Macrame  (vom  arabischen  mucharram  =  gegittert,  Gitterwerk),  eine  zu 
Spitzen  und  Fransen  verwendete  Technik  der  Knüpfarbeit,  dem  der  sogen,  point 
noue  verwandt  ist.  Letztere  erscheint  indessen  mehr  als  eigentliche  Besatz- 
spitze in  weissem  Garn,  während  die  Macrame-Arbeit    sich    zu   breiter  Franse 

197. 


in  farbigem  Garn  ausgebildet  hat  (Abb.  197).  Die  Technik  wird,  wie  der 
Name,  aus  dem  Orient  stammen,  die  Musterung  entbehrt  der  sonst  in  Spitzen- 
arbeiten geschätzten  Leichtigkeit.  In  neuerer  Zeit  ist  die  Macrame-Arbeit, 
besonders  durch  Handarbeitswerkstätten  in  Hamburg  und  München,  wieder 
sehr  in  Aufnahme  gekommen.     (S.  Spitzen.) 

Abbildung: 
197.     Darstellung    aus    Kunstgewerbeblatt,    Leipzig  N.  F.  IV.    S.  130:    Franse, 
Macramearbeit   in    farbiger    Seide,    Muster    aus   ßautenfeldern    mit   Knöpfenbildung. 
Italien  (?)  16.— 17.  Jahrh. 

Madapolam  (ostind.),  ursprünglich  ein  grobes,  geköpertes  Baumwollgewebe; 
jetzt  ein  dem  beschwerten  Shirting  ähnliches,  glattes  Baumwollgewebe  zu  Wäsche, 


344  Madeirastickereien — Mähren. 


bedruckt  auch  zu  Kleidern  u,  a.  In  Frankreich  zuweilen  Bezeichnung  für  die 
feinsten  Ivalikots;  im  allgemeinen  aber  weit  gebräuchlicher  für  grobe  geköperte 
Kattune. 

Madeirastickereien  sind  doppelte  Durchbrucharbeiten  in  kleinen  geome- 
trischen oder  stark  stilisierten  Pflanzenmustern.  Solche  ganz  durchbrochen  ge- 
arbeiteten Stickmuster  wurden  einst  als  englische  Stickereien  bezeichnet;  heute  ist 
diese  Benennung  dafür  so  ziemlich  in  Vergessenheit  geraten,  um  dem  von  der 
Insel  stammenden  Namen  Platz  zu  machen,  welche  sich  durch  grosse  Sauberkeit 
der  Ausführung  auszeichnen.  Sie  kommen  gewöhnlich  nur  als  Besatzspitzen  vor ; 
meist  sind  darin  nur  die  Schnittränder  umstickt,  seltener  noch  die  Flächen  mit 
Mustern  gefüllt.  Der  Stoff  ist  stets  bei  allen  Bindlöchern  ganz  unter  die  Stiche 
eingearbeitet,  sodass  sich  auch  auf  der  Kehrseite  niemals  ein  Fäserchen  loslösen 
kann.    Als  Stickgarn  kommt  gewöhnlich  solches  in  hellblauer  Farbe  zur  Anwendung. 

Madonna,  (franz.:  Madone;  engl.:  Madonna);  die  heil.  Jungfrau  als  Ge- 
genstand der  Verehrung  und  Anrufung,  und  als  solcher  bildlich  dargestellt:  (Vgl. 
kirchliche  Stoffmuster:  Abb.  152.) 

Madrapas,  eine  Art  grober  ostindischer  Musselin. 

Madras,  Hauptstadt  der  Präsidentschaft  des  Indobritischen  Beiches:  die 
Industrie  ist  nicht  bedeutend;  wichtig  ist  nur  Baumwollfabrikation  (Musseline, 
Tücher,  sogen.  Madrastaschentücher) ;  eingeführt  werden  engl.  Baumwollwaren 
(Shirtings,  Kattune)  und  Grarne. 

Madras,  ostindische  Baumwollsorte. 

Madrastücher,  buntgegitterte,  baumwollene  Tücher.  Sie  werden  wegen 
ihrer  echten,  glänzenden  Farben  und  ihrer  Feinheit  in  Asien  und  Afrika  sehr 
geschätzt  und  kamen  durch  den  Handel  auch  nach  Europa. 

Madrid,  Hauptstadt  des  Königreichs  Spanien:  Teppichknüpf  er  ei. 

Maff ersdorf,  Fabrikort  bei  Beichenberg  in  Böhmen :  Wollspinnerei,  Decken- 
und  Teppichfabriken. 

Magdeburg,  Stadt  der  preuss.  Provinz  Sachsen:  Fabrikation  von  "Woll- 
und  Baumwollwaren,  Handschuhe,  Band. 

Magnanerie  (franz.),  Seidenbau,  Maulbeerbaumpflanzung;  Magnanier, 
Seidenzüchter. 

Magnesia,  griechisch- türkische  Baumwollsorte. 

Magnettes,  mittelfeine  flächsene  Leinen,  welche  grösstenteils  aus  "Westfalen, 
Schlesien  und  Belgien  roh  nach  Holland  gehen,  dort  gebleicht  und  appretiert, 
und  unter  dem  obigen  Namen  für  wirkliche  holländische  Leinwand  wieder  ver- 
kauft werden. 

Magrabines,  Maugnerbines,  gewöhnliche  flächsene  Leinen,  welche  in  Ober- 
ägypten von  den  Landleuten  gewebt,  roh  oder  halbgebleicht  nach  Kairo  zu 
Markte  gebracht  werden. 

Mahomiennes  sind  baumwollene  Gewebe,  die  man  früher  in  Elberfeld 
verfertigte. 

Mahouds,  Mahous  auch  Mahons  genannt,  eine  der  gangbarsten  Sorten 
europäischer  Tücher  für  den  levantin  er  Handel^  welche  sich  durch  ihre  schöne 
Appretur,  Feinheit  und  Leichtigkeit  auszeichnen  und  in  der  ganzen  Türkei  zu 
Frühlings-  und  Herbstkleidern  in  grosser  Menge  verbraucht  werden.  Es  ist  eine 
Gattung  dicht  gewalkter  Halbtücher  von  ganz  feinem  Garn  aus  feiner  Wolle 
gesponnen. 

Mähren,  Markgrafschaft  und  Kronland  der  Oesterr. -Ungar.  Monarchie: 
Obenan  steht  die  Schafwollwarenindustrie,  deren  Mittelpunkt  besonders  Brunn 
ist,  das  mit  seinen  tuchartigen  Modestoffen  fast  den  ganzen  österr.  Markt  ver- 
sorgt und  einen  beträchtlichen  Handel  selbst  mit  dem  Orient  und  Amerika  toeibt. 
Von  grosser  Bedeutung  ist  ferner  die  Flachsspinnerei  und  Leinenweberei,  die 
ihre  Hauptsitze  in  den  Bezirken  Bömerstadt,  Schönberg,  Stemberg,  Mährisch- 
Trübau,  Zittau  u.  s.  w.  hat,  sowie,  ebenfalls  in  den  nördl.  Gegenden,  die  Ver- 
fertigung verschiedener  Baumwollwaren.  Es  bestanden  (1890)  in  M.  62  Streich- 
garnspinnereien mit  187840  Feinspindeln,  58  Streichgarnwebereien  mit  1337 
Hand-    und  1903    mechan.    Stühlen,    30  Kammgarnwebereien   mit    991  einfachen 


Mailand — Manchester.  345 


und  950  Jacquardstühlen,  3  Baumwollspinnereien  mit  98000  Spindeln,  16  Webe- 
reien mit  2000  mechan.  Stühlen,  153  Handwebereien  mit  10000  Stühlen,  5  Flachs- 
spinnereien  und  40  Leinenwebereien  mit  5700  Hand-  und  300  Jacquardstühlen. 

Mailand  (ital.:  Milano;  lat.:  Mediolanum),  Stadt  im  Königreich  Italien: 
Hauptzweig  der  Industrie  ist  Fabrikation  von  Seide  und  Seidenstoffen,  Garnen 
und  Geweben  in  Baumwolle,  Wolle  und  Leinen. 

Mailänder  Gold,  zu  Stickereien  verwendeter,  nur  auf  einer  Seite  vergol- 
deter platter  Silberdraht. 

Mailänder  Spitzen  sind  Nadelspitzen  (s.  d.). 

Maillon,  Binge  (Zeugringel)  am  Webstuhl. 

Maine-et-Loire,  Depart.  im  nordwestl.  Frankreich.  Die  Industrie  be- 
schäftigt sich  mit  Segeltuch-,  Leinwand- und  Wollzeugfabrikation ;  ebenso  werden 
Baumwollspinnerei  und  -Weberei  betrieben. 

Mainz,  Hauptstadt  der  hess.  Prov.  Bheinhessen:  Einer  der  wichtigsten 
Verkehrsplätze  am  Bhein  und  Stapelplatz  für  die  von  den  niederländ.  und  belg. 
Häfen  den  Bhein  heraufkommenden  Waren. 

Majebashi,  Hauptstadt  des  Japan.  Ken  Guma  (Provinz  Kotsuke),  ist  Mit- 
telpunkt der  bedeutendsten  Seidenzucht  und  liefert  die  beste  Japan.  Bohseide. 

Majo  (Jumel),  ägypt.  Baumwolle. 

Makats  sind  leichte  geköperte  Wollenstoffe,  einfarbig  in  allen  hellen  Farben, 
welche  in  der  Türkei  zu  Decken  gebraucht  werden.  Es  ist  eigentlich  eine  Art 
von  doppelt  geköperter  feiner  Serge,  welchen  die  Manufakturen  in  Languedoc 
über  Marseille  nach  der  Levante  liefern. 

Ma-Kien,  die  chinesische  Bezeichnung  für  gewöhnliche  europäische  Tuche; 
gesucht  sind  in  China  hauptsächlich  die  dunkelblauen  und  himmelblauen,  nächst- 
dem  die  roten,  braunen  und  schwarzen  Tuche. 

Malboroughs,  ein  bunter  geköperter  älterer  Wollenstoff,  dessen  Kettfäden  in 
der  Farbe  von  den  Einschlagfäden  verschieden  sind  und  welcher  durch  Kalandrieren 
eine  glänzende  Appretur  erhält;  die  feineren  Sorten  haben  zuweilen  auch  zur 
Kette  einen  mit  Seide  zusammengedrehten  Wollenfaden. 

Malerleinwand  ist  eine  besonders  fest  und  glatt  gearbeitete  grundierte 
Leinwand. 

Malines,  der  franz.  Name  für  die  Stadt  Mecheln  und  für  die  dort  ge- 
fertigten Spitzen  (s.  d.). 

Malines,  ein  fester,  melierter  Stoff  aus  Kammgarn,  dessen  Gewebe  lein- 
wandartig ist ;  dabei  ist  der  einfache  Einschlagfaden  von  anderer  Farbe,  als  der 
zwei-  oder  dreifach  gezwirnte  Kettfaden. 

Mallemolles,  Malmoles,  ist  eine  Gattung  feiner  ostindischer  Musseline  aus 
Bengalen,  welche  sich  vornehmlich  durch  ihre  Weichheit  auszeichnen.  Sie  werden 
in  Ostindien  häufig  mit  Gold-  oder  Silberlahn  bestickt.  Im  europäischen  Handel 
kommen  sie  jetzt  nur  noch  selten  vor. 

Maltuch,  s.  Malerleinwand. 

Mamers,  Stadt  im  franz.  Depart.  Sarthe:  Fabriken  für  Leinwand  und 
Baumwollzeug,  Flachsspinnerei. 

Mamoudies,  Mamodies ;  unter  diesem  Namen  hat  man  im  Handel  einige 
Gattungen  feiner  baumwollener  Gewebe,  welche  früher  sehr  gesucht  waren.  Die 
M.  aus  der  Levante  sind  eine  Art  fest  gewebter  Cambresine  (s.  d.),  jedoch 
feiner  im  Gespinst  und  roh  von  gelber  Farbe.  Eine  andere  Sorte  heissen  die 
Engländer  und  Franzosen  Chits  Mamoudies;  diese  sind  ebenfalls  roh,  man  nimmt 
sie  in  den  Kattunfabriken  zum  bunten  Druck.  Die  dänisch-ostindischen  M.  sind 
bunt  gedruckte  baumwollene  Stoffe  von  verschiedener  Qualität. 

Mancha  (lat.),  franz. :  manche  =  Aermel),  Umkleidung  für  den  Arm  beim 
Tragen  des  Kreuzes  im  Zuge  der  Prozession. 

Manchester,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  ist  Mittelpunkt  der 
engl.  Baumwollindustrie  und  als  Stapelplatz  ihrer  Erzeugnisse  in  unmittelbarer 
Handelsverbindung  mit  allen  Handelsplätzen  der  Erde.  Die  Baumwollbörse  von 
M.  beherrscht  den  Weltmarkt.  Es  bestehen  Baumwollspinnereien  und  -Webereien, 
Färbereien  und  Druckereien. 


346  Manchester — Manufaktur. 


Manchester  (franz.  manchester,  velours  color;  engl,  fartion),  sammetartige 
Zeuge  aus  Baumwollgarn,  welche  als  Nachahmungen  des  eigentlichen  seidenen 
Sammets  (s.  d.)  wie  dieser  glatt  und  als  Köper  gewebt  und  weiter  behandelt 
sind.  Sie  haben  ihren  Namen  von  der  englischen  Stadt  Manchester,  wo  sie 
zuerst  gemacht  wurden  und  wo  noch  jetzt,  in  Stadt  und  Umgegend,  der  Haupt- 
sitz der  Fabrikation  ist.  In  England  heissen  derartige  Stoffe  auch  Velvets,  Yel- 
verets  und  Velveteens,  Namen,  die  auch  bei  uns  gangbar  geworden  sind  und  die 
alte  Benennung  etwas  verdrängt  haben.  Sammetmanchester  heissen  die  schwersten 
und  feinsten  Stoffe,  welche  den  echten  Sammet  am  besten  nachahmen.  Die 
unechten  Sammete  werden  jetzt  in  Frankreich  und  Deutschland  ebenfalls  fabri- 
ziert, hier  namentlich  zu  Seifhennersdorf,  Deuben  und  Chemnitz  in  Sachsen,  in 
Berlin  und  Elberfeld,  zu  Kornthal  und  Ehingen  in  Württemberg,  auch  in  meh- 
reren Ortschaften  Böhmens. 

Mandrenaque  ist  ein  auf  den  Philippinen  angefertigter  Stoff,  dessen 
Kette  aus  Baumwollgarn,  der  Einschlag  aber  aus  Fäden  von  Palmblättern  ge- 
nommen ist. 

Manila,  Hauptstadt  der  Philippinen  in  Ostasien:  ein  Hauptzweig  der  In- 
dustrie ist  die  Verarbeitung  von  Manilahanf  (s.  d.)  zu  Geweben,  Spitzenstickereien 
und  auch  zu  Tauwerk.  Ausserdem  verfertigt  man  Nanking,  Flechtarbeiten  und 
Teppiche.     Bedeutende  Einfuhr  von  Baumwollgeweben,   Garnen  und  Wollwaren. 

Manila,  ostindische  Baumwollsorte. 

Manilahanf,  Bananenfaser,  Abaca  (franz.  chanope  de  manille;  engl,  siam- 
hemp),  ist  die  gelblichweisse  oder  bräunlichgelbe  Bastfaser  der  Blätter  von  dem 
Affenpisang  (Musa  textilis).  Die  weisseste,  aus  den  innersten  Blattscheiden  prä- 
parierte Sorte,  welche  rein  ausgehechelt  einen  seidenartigen  Glanz  zeigt,  wird  zu 
Glockenschnüren  und  allerlei  Flechtwerk  verarbeitet,  zuweilen  auch  als  Einschlag 
in  seidenen  und  baumwollenen  Möbeldamasten  verwendet.  Die  sehr  festen 
Fasern  sind  verholzt.  Geringere  Sorten  und  gröberes  Material  stammen  von 
anderen  Musa- Arten,  besonders  von  der  überall  in  den  Tropen  gebauten  gewöhn- 
lichen Banane  oder  Paradiesfeige. 

Manipel,  (lat.:  manipulus;  franz.:  manipule;  engl.:  maniple);  anfänglich 
(seit  Gregor  d.  Gr.)  ein  feines  leinenes  Tuch,  das  der  amtierende  Priester  zum 
Abtrocknen  des  Gesichtes  und  der  Hände,  sowie  zur  Säuberung  der  heil.  Gefässe 
gebrauchte;  seit  dem  9.  Jahrh.  hier  und  da  als  Zierrat  bald  rechts  bald  links 
über  dem  Arm  oder  in  der  Hand  getragen,  aber  nach  1115  als  Schweisstuch 
erwähnt,  wird  es  im  12.  Jahrh.  allmählich  zum  blossen  Schmuck,  und  in  dieser 
Eigenschaft  als  breites  Band,  in  Farbe,  Muster  und  Ausstattung  durch  Fransen, 
Glöckchen  u.  s.  w.  sich  der  Stola  anschliessend,  vom  Priester  über  dem  linken 
Unterarm  getragen.  Bis  zum  14.  Jahrh.  war  die  M.  ziemlich  lang,  nachher  all- 
mählich kürzer. 

Manisocks,  ein  glattes  Baumwollgewebe  besserer  Art,  gewöhnlich  aus 
Garnen  No.  32 — 50  hergestellt. 

Manissa,  das  alte  Magnesia,  Stadt  im  asiat.-türk.  Wilajet  Aidin :  Weberei 
baumwollener  JStoffe. 

Manresa,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Barcelona:  Grosse  Spinnereien  und 
Tuchfabriken. 

Mansfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Nottingham:  Grosse  Strumpf- 
wirkereien, BaumwoU waren  und  Spitzenfabriken. 

Mantelzeug,  in  Oesterreich  wurde  früher  ein  glatter  Stoff  aus  gezwirntem 
Wollgarn  unter  diesem  Namen  gefertigt. 

Mantilla  (Mantille) ,  in  Spanien  der  grosse  Frauenschleier ,  der  auf  dem 
Kopf  befestigt  wird  und  den  Oberkörper  umhüllt;  danach  Bezeichnung  für/  ein 
kleines,  leichtes  Frauenmäntelchen,  das  für  die  Sommertoilette  ungefähr  um  1730 
in  Frankreich  Mode  wurde. 

Manufaktur  (vom  lat.  manu  factum,  d.  i.  mit  der  Hand  gemacht),  be- 
zeichnet besonders  die  Werkstätten  der  Handarbeit,  im  allgemeinen  die  Yer- 
edlungsgewerbe ,  im  Gegensatz  zu  der  Bohproduktion  und  dem  Handel.  Unter 
Manufakturwaren  versteht   mau  jetzt   besonders  Erzeugnisse  der   Textilindustrie. 


Marabuseide — Marokko.  347 


Marabuseide,  aus  drei  bis  vier  nicht  entschältea  Rohseidenfäden  stark 
gezwirnte,  daher  sehr  steife  Seide  von  blendender  Weisse. 

Maragnon,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Maranham,  Baumwollsorte  aus  Brasilien,  weiss  ins  gelbliche,  glänzend  und 
kräftig  im  Faden. 

Marceline  und  Marcelinette,  einfache,  glatte ,  taftartig  gewebte  Seiden- 
stoffe, eine  Art  double  florence,  aber  schwerer,  fester  und  glänzender  als  dieser; 
in  allen  Farben,  vorzüglich  aber  in  schwarz  sehr  im  Gebrauch  zu  Frauenkleidern 
und  Mänteln,  Der  Name  stammt  wohl  von  der  französ.  Stadt  St.  Marcellin 
(Depart.  Isere). 

Marchais,  Marchey,  ostindische,  buntgegitterte  und  buntgestreifte  Baum- 
wollzeuge, eine  Sorte  Gingans,  bei  welcher  die  vielfarbigen,  abstechenden  Muster 
nicht  wie  bei  den  gewöhnlichen  leinwandartig  eingewebt,  sondern  aufgemalt  und 
eingefärbt  werden. 

Marguerite,  ein  halbseidener  Stoff  von  Wolle  und  Zwirn,  mit  etwas  Seide 
vermischt,  der  in  Hautelisse  gewebt,  früher  zu  Amiens  sehr  viel  verfertigt  wurde. 

Marienberg  in  Sachsen,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chem- 
nitz: Baumwollspinnerei,  Flachsbereitungsanstalt,  Spitzen-  und  Häkelindustrie. 

Markirch,  franz.  Saint  Marie -aux-Mines,  Stadt  im  Kreis  Bappoltsweiler 
des  Bezirks  Oberelsass:  Baumwollspinnerei  und  -Weberei,  Woll-  und  Seiden- 
weberei, Färberei,  Bleicherei  und  Appreturen.  Die  Baumwollgewebe,  welche  als 
Articles  de  Saint  Marie-aux-Mines  einen  Weltruf  erlangten ,  wurden  Mitte  des 
18.  Jahrh.  durch  Johann  Georg  ßeber  von  Mülhausen  eingeführt. 

Märkische  Tuche  waren  früher  alle  in  der  Provinz  Brandenburg  ver- 
fertigten Wollentücher,  von  welchen  es  viele  Sorten  gab,  worunter  solche  im 
Doppelschlag  besonders  berühmt  waren.  Gegenwärtig  versteht  man  darunter 
Tuche  aller  Art  aus  Luckenwalde,  Cottbus,  Crossen,  Züllichau,  Schwiebus, 
Sommerfeld  u.  s.  w. 

Marklissa,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Liegnitz:  Kammgarnspinnerei, 
Kattun-  und  Baum  Wollweberei. 

Markt-Redwitz,  Eedwitz,  Marktflecken  im  bayi-.  Reg.-Bez.  Oberfranken: 
Woll-,  Baumwoll-  und  Buntweberei. 

Marlotte,  ein  vorn  offenes  Kleid  mit  Stehkragen,  meist  kürzer  als  der 
Bock,  eine  Art  Schaube,  welche  die  Damen  zur  Zeit  Franz  I.  zuerst  trugen, 
die  aber  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrh.  allgemein  wurde  und  sich  all- 
mählich zam  blossen  Mäntelchen  verkürzte.  Rabelais  erwähnt  die  M.  und  Berne 
(M.  ohne  Aermel)  zuerst  im  „Gargantua". 

Marly,  verschiedene  Sorten  grossmaschiger  Gaze ,  grösstenteils  aus  Zwirn 
oder  Leinengarn  gewebt,  zum  Teil  auch  mit  Baumwolle,  Wolle  oder  Seide.  Es 
gibt  schwarzen,  weissen,  eng-  und  weitmaschigen,  groben,  mittein,  feinen,  mehr 
oder  weniger  steif  appretierten.  Nach  seinem  verschiedenen  Gebrauch  richten 
sich  seine  Nebenbenennungen,  als:  Fenstermarly  oder  Fenstergaze,  meist  grün 
oder  blau  gefärbt  und  steif  appretiert ;  Putzmarly  zu  Unterlagen  in  Damenhüten ; 
gestreifte  und  broschierte  M.;  Steifpetinett,  Marlyflor  und  Marlygaze.  Letztere 
beiden  sind  entweder  ganz  seidene  oder  bestehen  aus  Seide  und  Baumwolle,  sind 
fassoniert  und  gestreift,  meistens  schwarz  (vgl.  unter  Point  p.  de  Marly). 

Marocs,  Raz  de  Maroc,  ist  ein  sergeartiger,  etwas  langhaariger  Wollen- 
stoff, der  in  Rheims,  Rethel,  Chalons  u.  s.  w.  geköpert  und  ungeköpert  in  allen 
Farben  von  verschiedener  QuaUtät  verfertigt  wird.  Die  feinsten  aus  spanischer 
Wolle  bezeichnet  i^an  mit  Segovies. 

Marokkanische  Teppiche  werden  als  solche  schon  Knüpfarbeiten  aus  dem 
16.  Jahrh.  bezeichnet,  welche  geometrische  Muster  in  meistens  Grün  und  Rot 
enthalten.  Moderne  Teppiche  aus  Marokko  erfreuen  sich  ihrer  grellen  Farben 
und  lockeren  Technik  keiner  grossen  Beliebtheit  in  Europa  (s.  Teppiche). 

Marokko  oder  Maghreb  al-akssä  (d.  h.  der  äusserste  Westen),  Sultanat 
in  Nordafrika:  Der  Gewerbefleiss  ist  verschwindend  klein  und  befasst  sich  mit 
der  Verfertigung  von  roten  Mützen  (Fes),  Seidenweberei  und  Teppichfabrikation. 
Die  ältere  Industrie  in  Seidengeweben  und  Teppichen   ist  bedeutender  gewesen. 


348  Marsch — Matrosentuch. 


Die  Stoffmuster  waren  streifig  (vgl.  Abb.  7  u.  9  auf  Tafel  VII)  oder  bewegten 
sich  in  rein  geometrischer  Linienführung. 

Marsch  heisst  in  der  Weberei  die  Gesamtheit  aller  Schussfäden  in  der 
Höhe  des  Musters. 

Marseille,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Bouches-du-Hhone:  erzeugt 
werden  Baumwolle,  Seidenabfälle,  Wolle;  während  Tuche,  Merino  und  Baum- 
wollgewebe französischen  und  fremden  Ursprungs  ausgeführt  werden. 

Marseiller  Arbeit  ist  eigentlich  eine  erhabene  ausgenähte  Arbeit,  indem 
man  auf  dichtem,  weissem  Baumwollzeug,  feiner  Leinwand  oder  einem  andern 
festen  und  feinen  Gewebe,  welches  mit  Watte  ausgefüttert  wird,  durch  sogen. 
Steppstiche  verschiedene  Figuren  und  Blumenwerk  bildet.  Die  auf  diese  Art 
durchnähten  Bettdecken  hatten  früher  einen  starken  Absatz  nach  Spanien,  Italien, 
der  Levante  u.  s.  w.,  sind  aber  gegenwärtig  durch  die  wohlfeileren  Pikeedecken 
beinahe  ausser  Gebrauch  gekommen.  Wegen  der  Aehnlichkeit  dieser  genähten 
Arbeit  mit  dem  Pikee  gibt  man  diesem  Stoff  in  Frankreich  häufig  den  Namen 
Marseille. 

Mascades  nennt  man  im  spanisch- amerikanischen  Handel  seidene  Kopf- 
tücher; Mascades  de  mano,  Taschentücher. 

Mascarets,  ein  dem  Satin  ähnlicher,  aber  nicht  so  fester  und  starker  Stoff 
von  hartem  Xammgarn,  glänzend,  mit  eingewebten  atlasartigen  Mustern. 

Maschinennähen  wird  zuerst  um  die  Mitte  des  18.  Jahrh.  geübt.  Im 
Jahre  1755  nahm  der  Engländer  F.  Weisen thal  ein  Patent  auf  einen  Apparat, 
welcher  mit  einer  zweispitzigen  Nähnadel  versehen  war,  die  in  der  Mitte  durchlöchert, 
den  Stoff  durchstach,  ohne  gewendet  werden  zu  müssen.  Von  1755 — 1846  verfolgten 
Thomas  Saint,  J.  Duncan,  J.  A.  Dodge,  B.  Thimonnier  und  Walter  Hunt  mit  Aus- 
dauer das  Studium  zur  Vervollkommnung  der  Nähmaschine.  Sie  nahmen  verschiedene 
Patente  und  trugen  auch  viel  zur  Lösung  dieses  schwierigen  Problems  bei,  ohne 
aber  grosse  praktische  Resultate  zu  erzielen.  Erst  gegen  1850  wurde  nach  zahl- 
reichen Versuchen  durch  Thomas  Howe  und  J.  M.  Singer  die  neue  Maschine 
ein  brauchbares  Werkzeug,  und  seit  der  Zeit  haben  zahlreiche  Vervollkomm- 
nungen die  einfache  Maschine  abgeändert  und  daraus  ein  fast  vollkommenes 
Werkzeug  gemacht,  das  heute  fast  unentbehrlich  geworden  ist   (s.  Nähmaschine). 

Maschinenspinnerei,  die  erste  englische  wird  in  Deutschland  (Kromford) 
Bheinland  1784  errichtet,  von  wo  aus  sich  diese  Art  der  Spinnerei  im  Bheinland 
und  in  Sachsen  verbreitete. 

Maschinenspitzen,  auf  der  Klöppelmaschine,  dem  Wirkstuhl  oder  der 
Bobbinetmaschine  hergestellte  Spitzen  (s.  Spitzen). 

Maschinenstickerei,  s.  Stickerei. 

Maschinenstickerschulen,  Fachschulen  zur  Ausbildung  der  in  der  Ma- 
schinenstickerei beschäftigten  Arbeiter.  In  Vorarlberg,  wo  ungefähr  3000  Stick- 
maschinen und  fast  ebensoviel  Kettenstichmaschinen  in  Tätigkeit  sind,  besteht 
eine  solche  Schule  seit  1891  in  Dornbirn.  Sie  steht  unter  einem  Ausschuss  aus 
staatlichen,  kommunalen,  Handelskammer-  und  Industrievertretern.  Alle  zwei 
Jahre  findet  eine  Ausstellung  statt. 

Maskat,  Hauptstadt  des  Sultanats  Oman  an  der  Nordostküste  Ostarabiens : 
Bedeutender  Handel  mit  Baumwollwaren. 

Massachusetts,  einer  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika:  hervor- 
ragende Fabrikation  von  BaumwoU-,  Woll-  und  anderen  Textilwaren. 

Massiru,  ein  leichter,  einfacher  Seidenstoff,  eine  Art  Demi  florence,  wel- 
cher in  Ostindien,  vorzüglich  in  Surate,  viel  verfertigt  wird.  Die  Mongolen  und 
Mohammedaner  in  ganz  Asien  tragen  von  diesem  Zeuge  lange  Beinkleider. 

Matabies  ist  in  Ostindien  der  Beiname  aller  derjenigen  dichten  und  leicjaten 
Baumwollzeuge,  welche  mit  Mustern  oder  Zeichnungen  von  Gold  und  Silber 
gearbeitet  werden.  Diese  Dessins  sind  teils  mit  Gold-  und  Silberlahn  eingewebt 
oder  gestickt,  zum  Teil  auch  nur  leicht  aufgedruckt. 

Matrosenleinen,  s.  Bonten. 

Matrosentuch,  Singonne,  Agneline,  eine  Gattung  langhaariger,  zottiger 
Tücher,   gewöhnlich  schwarz  gefärbt,   welche  wie  grober  Plüsch,  allein  sehr  fest 


Matrosentücher — Melbourne.  349 

gewebt  und  so  dicht  gewalkt  werden,  dass  das  Wasser  nicht  durchdringen  kann. 
Es  ist  eine  Nachahmung  der  türkischen  Capots  von  Zagora,  hat  das  Ansehen 
eines  schwarzen  behaarten  Schaffells  und  dient  zur  "Winterkleidung  für  die  ärmeren 
Volksklassen,  sowie  auch  als  Satteldecken  bei  der  Kavallerie  als  Ersatz  der  ge- 
bräuchlichen Schaffelle.  Man  verfertigt  es  in  Böhmen,  Mähren  und  in  österr, 
Schlesien. 

Matrosentücher,  gewöhnliche,  blau  und  weiss ,  rot  und  weiss ,  auch  rot, 
blau  und  weiss  gegitterte  Hals-  oder  Taschentücher,  welche  in  der  Oberlausitz 
verfertigt  und  nach  Hamburg,  Bremen,  Amsterdam  für  den  spanischen  und 
amerikanischen  Handel  verkauft  werden.  Früher  waren  sie  ganz  aus  Leinengarn, 
jetzt  werden  sie  halb  von  Baumwolle  und  Leinen  oder  ganz  aus  Baumwollgarn 
verfertigt. 

Matte,  ein  Flechtwerk  oder  Gewebe  aus  Stroh,  Bast,  Binsen,  Rohr  u.  s.  w., 
das  zur  Verpackung  von  Waren,    zu  Teppichen,  Fussabstreichern  u.  s.  w.  dient. 

Maulbeerseide,  weisse  chinesische  Seide,  im  Gegensatz  zur  gelben,  welche 
aus  Westasien  kommt. 

Maureske,  s.  v.  w.  Arabeske  (s.  Arabischer  Stil). 

Maurisch  (franz.  moresque,  engl,  moorish) ,  die  Kunstweise  der  Araber, 
welche  die  westliche  Nordküste  Afrikas  und  vom  Anfange  des  8.  bis  Ende  des 
15.  Jahrh.  einen  grossen  Teil  Spaniens  beherrschten,  enthält  ursprünglich  arabische 
und  byzantinische  Elemente  (s.  Arabischer  Stil). 

Mawata,  s.  Flockseide. 

Mayenne,  Stadt  im  franz.  Depart.  Mayenne:  Baumwoll-  und  Wollspinnerei, 
Leinwand-,  Kaliko-  und  Taschentuchfabrikation,  Hemden-  und  Hosenfabrikation. 

Mayennes,  im  franz.  Handel  eine  weissgebleichte  Leinwand  von  feinem 
ausgesuchten  Hanfgarn,  welche  im  Depart.  der  Mayenne  an  mehreren  Orten  ver- 
fertigt wird.  Ausserdem  versteht  man  unter  diesem  Namen  mehrere  Sorten 
flächsener  Leinwand,  welche  in  der  Nähe  der  Stadt  Mayenne  gewebt,  wie  die 
lavalschen  Leinen  gebleicht,  appretiert  und  assortiert  werden  und  welche  dann 
als  lavalsche  Leinen  in  den  Handel  kommen. 

Mazamet,  Kantonsstadt  im  südfranz.  Depart.  Tarn:  Bedeutende  Woll- 
spinnerei, Fabrikation  von  Flanell. 

Mazankury  Muga  ist  eine  Assamsche  Seidenraupe  (Saturnia  assamensis), 
welche  auf  dem  Adakurrybaume  lebt  und  eine  fast  weisse  Seide  erzeugt. 

Mecheln,  franz.  Malines,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Antwerpen :  Wichtige 
Manufakturen  in  Spitzen ,  Hüten ,  Wollwaren ,  Teppichen ,  Flachs-  und  Hanf- 
spinnerei. 

Mechelner  Grund,  eine  Grundbindung  der  Beseauspitzen. 

Mechlinet,  ein  feines  Westenzeug  von  Leinen  und  Baumwolle,  das  früher 
in  Gloucestershire  verfertigt  wurde. 

Medaillon  (franz.  medaillon,  engl,  medallion),  s.  v.  w.  Bundbild. 

Medietas  (lat.)  (franz.  ferandine),  aus  Leinen  und  Seide  bestehender  Stoff. 

Mediotwist,  Garn,  s.  Twist. 

Meerane,  Stadt  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chemnitz:  ist  einer  der 
wichtigsten  deutschen  Plätze  für  die  Fabrikation  von  wollenen,  halbwollenen  und 
aus  Wolle,  Baumwolle  und  Seide  gemischten  Kleiderstoffen  (9  mechan.  Webereien 
und  Hausindustrie  in-  und  ausserhalb  der  Stadt),  ferner  eine  Kammgarnspinnerei. 
Webeschule. 

Mehun-Sur-Yevre,  Stadt  im  franz.  Depart.  Cher:  Wollenstoff-  und  Lein- 
wandfabriken. 

Meklenburghs,  ein  glänzend  appretierter  wollener  Stoff  in  England,  eine  Art 
von  geblümtem  Wolldamast,  bei  welchem  der  leinwandartige  Grund  aus  bunten 
Streifen  besteht,  zwischen  welchen  mehrfarbige  Blumen  einbroschiert  sind.  Die 
Kettfäden,  mit  welchen  die  Streifen  angelegt  werden,  sind  doppelt  und  dreifach 
gezwirnt,  wodurch  das  Gewebe  fest  und  steif  wird. 

Melangegarn,  s.  Moulineegarne. 

Melbourne,  Hauptstadt  und  Haupthandelsplatz  der  brit.  Kolonie  Victoria : 
die  grösste  Stadt  Australiens:  Textilwarenfabrikation. 


350  Melieren— Metzingeii. 


Melieren  (vom  franz.  meler  mischen),  das  Vermischen  verschiedenfarbiger 
"Wolle  vor  dem  Spinnen  zur  Herstellung  melierter  Gespinste  und  melierter  Tuche. 

Melsungen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Kassel:  Webereien  u.  Tuchfabriken. 

Membran,  heisst  das  Pergament,  welches  im  Mittelalter  dazu  benutzt 
wurde,  vergoldet  oder  versilbert,  um  einen  Leinen-  oder  Baumwollfaden  gesponnen, 
den  gezogenen  Metallfaden  zu  ersetzen. 

Memmingen,  Stadt  im  bayr.  B;eg.-Bez.  Schwaben:  Tuch-  und  Leinen- 
weberei, Flachs-  und  Wollspinnerei,  Fabrikation  von  Bindfaden  und  Jacquard- 
decken. 

Mende,  Hauptstadt  des  franz.  Dep.  Lozere :  Wollspinnerei,  Tuchfabrikation. 

Mengen,  Stadt  im  württemb.  Donaukreis:  Tuchfabrikation,  Weissstickerei 
und  Strickwaren. 

Menin,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Spinnerei  und  Weberei. 

Mensale  (lat.),  leinenes  Tischtuch,  Tafeltuch. 

Merida,  Stadt  der  Bepublik  Venezuela:  Teppichfabrikation,  Handel  mit 
Baumwollstoffen. 

Merino  (engl,  merino,  marrino),  heissen  leichte  geköperte  Zeuge  aus  Kamm- 
wolle mit  dreifädigem,  auch  vierfädigem,  auf  beiden  Seiten  rechtem  Köper.  M. 
kommen  in  allen  Farben  und  gemustert  vor  und  waren  eine  Zeitlang  beliebt  zu 
Frauenkleidern  und  TJmschlagetüchern.  Die  Stoffe,  durch  Sengen,  Scheren  und 
heisses  Pressen  mit  Glanz  appretiert,  kamen  ursprünglich  aus  England  und 
wurden  dann  auch  in  Deutschland  und  Frankreich  fabriziert.  Gegenwärtig  ist 
die  Ware  nicht  mehr  in  Kurs,  und  an  ihre  Stelle  sind  die  in  Deutschland  zuerst 
gefertigten  Thibets  getreten :  vollere  und  weichere  Stoffe  ohne  glänzende  Appretur. 
Eine  wohlfeilere  hierher  gehörige  Ware  ist  halbwollener  M.  mit  baumwollener 
Kette  und  Kammgarneinschlag,  dreifädig  geköpert;  sie  heisst  Paramatta. 

Merinogarn  ist  ein  Garn  aus  feiner,  kurzer  Wolle;  auch  halbwollene 
Strumpfwirker-  und  Strickgarne  werden  so  genannt. 

Merinowolle  ist  eine  sehr  feine,  stark  gekräuselte,  feste,  aber  weiche  und 
elastische  Wolle,  die  man  zu  besseren  Stoffen  (Tuchen)  verarbeitet,  sie  stammt 
von  den  Merinoschafen. 

Merkbänder,  Buchzeichen,  wurden  im  Mittelalter  zu  kostbaren  Buchein- 
bänden hergestellt,  und  bestanden  aus  einem,  der  Ausstattung  des  Einbandes 
entsprechend  reichen,  selbst  goldenen  und  mit  Edelsteinen  und  Perlen  besetzten 
Halter,  an  welchem  Seidenschnüre  zum  Einlegen  zwischen  die  Blätter  hingen. 
Später  traten  an  ihre  Stelle  die  am  Buchrücken  befestigten  Bänder. 

Merw,  Hauptort  der  Oase  im  S.O.  der  Turkmenischen  Wüste:  Herstellung 
von  Teppichen  und  Seidenstoffen. 

Meschede,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Arnsberg:  Wollspinnerei,  Fabri- 
kation von  Wollwaren  und  Kunstwolle. 

Meschhed  (d.  h.  Grabmal),  Hauptstadt  der  pers.  Provinz  Chorassan: 
liefert  ausgezeichnete  Teppiche,  Shawls  nach  Kaschmirmustern  (Meschhedi),  Filz, 
Seidenstoffe  und  gedruckte  Baumwollzeuge. 

Messgewand  (lat. :  paratura  missatica ;  franz. :  habit  de  choeur ;  s.  litur- 
gische Gewänder) ,  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  nennt  man  die  Casula  (s.  d.) 
Messgewand. 

Messina,  Stadt  im  nordöstl.  Teile  der  Insel  Sizilien:  die  Industrie  ist 
gering,  es  besteht  Seidenspinnerei;  eingeführt  werden  Woll-,  Baumwoll-  und 
Seidenwaren,  Decken,  Teppiche,  Kattun  und  baumwollene  Tücher. 

Messolan,  Masselan,  auch  Miselane  (aus  dem  italienischen  Mezzolana,  Halb- 
wolle), ist  ein  gewöhnlicher,  sehr  haltbarer  Stoff,  halb  aus  Leinengarn,  halb  aus 
Schafwolle  gewebt.  In  Sachsen,  Schlesien,  Böhmen  wurde  dieses  Zeug  ein/ach 
und  doppelt,  glatt,   geköpert,  gedruckt  und  meliert  angefertigt. 

Metaxa  (lat.),  Bezeichnung  für  Bohseide  im  römischen  Zeitalter. 

Metier  (franz.).  Web-  oder  Wirkstuhl,  Stickrahmen. 

Mettmann,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Seiden-  und  Baum- 
wollwarenindustrie. 

Metzingen,  Stadt  im  württemb.  Schwarzwaldkreise :  Wollspinnereien,  Tuch-, 


Mexiko— Mitra.  351 


Woll-  und  Strumpfwaren,  Woll-  und  Baumwollfärberei,  Baumwollzwirnerei  und 
Bandweberei. 

Mexiko,  Föderativrepublik :  der  wichtigste  Zweig  der  rasch  wachsenden 
Industrie  ist  die  Baumwollmanufaktur,  besonders  in  Guadalajara  und  Puebla, 
die  sich  auf  grobe  weisse  Kattune  (mantas),  die  landesüblichen  Shawls  (rebözos), 
Tischdecken  und  Bettdecken  erstreckt,  aber  dem  Bedarf  nicht  genügt,  sodass 
trotz  des  hohen  Zolls  Baumwollfabrikate  den  Haupteinfuhrartikel  bilden.  Die 
125  Fabriken  mit  14759  Webstühlen  und  491443  Spindeln  verbrauchten  (1899) 
26,5  Mill.  kg  Baumwolle  und  produzierten  10,2  Mill.  Stück  Tuch  und  1,9  Mill. 
kg  Garn.  1900/1  arbeiteten  in  153  Fabriken  26709  Arbeiter.  Geringer  ist  die 
Wollmanufaktur. 

Mezzetta  ist  eine  Sorte  sizilianischer  Seide. 

Miava,    Hauptort   im   ungar.  Komitat  Neutra:    Tuch-  und  Leinenweberei. 

Michelstadt,  Stadt  in  der  hess.  Provinz  Starkenburg:  Baumwoll-  und 
Tuchweberei. 

Mi-fil  ist  die  feinste,  aber  auch  die  klarste  und  dünnste  Sorte,  der  im 
franz.  Handel  unter  dem  Namen  Quintins  oder  Quintes  vorkommenden  fläch- 
senen  Leinen. 

Mi-florence  (Halbflorence,  Halbtaffet) ,  ein  leichter,  taffetartig  gewebter 
Seidenstoff,  welcher  sich  von  dem  dünnen  Taffet  durch  einen  vorzüglichen  Glanz 
unterscheidet  und  fast  ausschliesslich  zu  Unterfutter  verwendet  wird. 

Mignardise  (franz.,  d.  i.  Zierlichkeit),  zur  Verzierung  dienende  Litzen 
oder  Gimpen,  besonders  schmale  leinene  oder  baumwollene  Börtchen,  mit  seitlich 
hervorragender  Fadenschlinge  (Picots) ,  die  als  Grundlage  für  anzuhäkelnde 
Spitzen  zur  Herstellung  von  Wäschebesätzen  u.  dgl.  dienen. 

Mignonetten,  1)  eine  Gattung  zarter,  geklöppelter  weisser  Zwirnspitzen, 
nicht  über  5 — 8  cm  breit.  2)  Kattune  mit  kleinem  Muster.  3)  Baumwollene, 
gemustert  gewebte  oder  broschierte  feine  Halstücher,  eine  Nachahmung  der 
Linontücher. 

Migot,  im  Handel  von  Languedoc  die  Brack-  oder  Ausschusssorte  der 
span.  Wolle. 

Milanese  (ital. :  mailändisch),  ehemals  Benennung  der  Schnur,  mit  welcher 
die  Figuren  der  Beliefstickerei  eingefasst  wurden. 

Milanesstuhl,  eine  Wirkmaschine;  Milaneswaren,  die  damit  hergestellten 
Wirk  waren. 

Mille-Points,  ein  englischer  geköperter,  atlasartiger,  ganz  klein  gemusterter 
Wollenstoff,  eine  Art  glänzend  appretierter  Kalmank. 

Millräyes,  Tausendstreifige,  nennt  man  die  feinen,  ganz  kleingestreiften, 
ostind.  Musseline,  und  die  ihnen  nachgemachten,  schmalgestreiften,  weissen  und 
Junten  Baumwollzeuge. 

Mina-Cloths,  ein  dichter,  geköperter  Stoff  aus  Wolle  und  Baumwolle, 
ähnlich  dem  Doppel-Casimir,  der  aber  dicker  und  fester  ist.  Sehr  häufig  wurden 
auch  von  diesem  Gewebe  Hals-  und  Umschlagtücher  für  Frauen,  einfarbig  oder 
gedruckt  verwendet. 

Minas  geraes,  siidamerik.  Baumwollsorte. 

Minas  novas,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Minorka,  ein  geköperter,  halbseidener  Stoff  von  Seide  und  Flachsgarn. 

Mirecourt,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Arond.  im  franz.  Depart.  Yosges: 
Spitzenindustrie,  die  schon  im  16.  Jahrh.  nachweisbar.  Anfänglich  Klöppel-, 
später  Nadel  arbeiten  nach  italienischen  Vorbildern  mit  geometrischen  und  stilis. 
Blumenmustern. 

Mirfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York :  bedeutende  Wollspinnereien. 

Mistek,  Stadt  in  Mähren:  Woll-,  Baumwoll-  und  Leinenindustrie. 

Mitra  (lat. :  mitra;  franz.:  mitre;  engl.:  mitre) ,  Band,  Kopfbinde,  Mütze, 
wird  im  14.  Jahrh.  fast  allgemein  von  vornehmen  Leuten  getragen  und  später 
von  den  höheren  christlichen  Priestern  übernommen,  statt  der  vorher  üblichen 
Bundkappe  oder  Stirnbinde  (lat. :  Corona).  Die  Bischöfe  der  griechischen  Kirche 
trugen    dagegen   schon   in   frühester  Zeit   den  noch  jetzt   üblichen  kegelförmigen 


352  Mittelalterliche  Weberei— Mohn. 


Hut  in  Gestalt  der  Sidaris  des  jüdischen  Hohenpriesters,  eine  Form,  die  der 
päpstlichen  Tiara  (s.  d.)  zu  Grrunde  liegt.  Seit  dem  9.  Jahrh.  wurde  mit  Aus- 
nahme geringer  Schwankungen  jene  Gestalt  der  Mitra  gebräuchlich,  welche  aus 
2  cornua  (aufsteigenden  Spitzen)  besteht,  die  den  Vorder-  und  Hinterkopf  über- 
ragen und  durch  ein  Zwischenfutter  verbunden  sind.  Alle  Teile,  der  untere 
breite  Saum,  welcher  sich  aus  der  Stirnbinde  gebildet  hat,  die  nach  oben  stei- 
gende Borte  (titulus),  welche  die  cornua  vertikal  durchschneidet,  sowie  die  Enden 
der  Corona  (infulae)  werden  reich  in  Grold,  Perlen  und  Seide  gestickt.  (Vergl. 
Abbild.  190.) 

Mittelalterliche  Weberei,  s.  Weberei,  Geschichtliches. 

Mittelalterliche  Stickerei,  s.  Stickerei,  Geschichtliches. 

Mitteltuch  heisst  das  in  den  brandenburgischen  und  schlesischen  Manu- 
fakturen aus  guter  Mittelwolle  verfertigte  Tuch,  welches  nur  einen  Schlag  mit 
der  Lade  erhält,  aber  doch  dicht  und  fest  gewebt  und  gut  gewalkt  wird. 

Mittweida,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  Baumwoll- 
webereien und  -Spinnereien. 

Mixed-Checks,  im  engl.  Handel  die  in  England  und  Schottland  verfertigten 
gewöhnlichen  Matrosenleinen,  bei  welchen  die  weissen  Eäden  von  flächsenem 
Garne,  die  bunten  Fäden  aus  Baumwolle  bestehen;  sie  sind  meistens  blau  und 
weiss  gestreift  oder  gegittert. 

Möbelleinen  nennt  man  die  feineren  und  dichtgewebten  Listados ,  eine 
gangbare,  in  verschiedenen  Mustern  buntgewürfelte  Leinwand,  welche  teils  halb 
aus  Leinen  und  halb  aus  Baumwolle,  teils  ganz  aus  Baumwolle,  in  verschiedenen 
Gegenden  Deutschlands  und  in  den  Niederlanden  fest  und  gedrungen  gewebt  werden. 

Model  heisst  die  erhabene  Druckform  für  Zeugdruck. 

Modeldruck,  s.  Zeugdruck. 

Modeltuch,  s.  v.  w.  Mustertuch  für  Stickerei. 

Modesne,  in  Frankreich  ein  halbseidenes  dünnes  Zeug,  das  von  Florett- 
garn, Zwirn  oder  Baumwolle,  mit  Wolle  vermischt,  gewebt  wird. 

Modica,  sizilianische  Baumwollsorte. 

Modigliana,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Florenz:  Seidenspinnerei. 

Modugno,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Bari:  Baumwollmanufaktur. 

Mogdischu  (Mogduschu,  Makdischu,  Madischa,  ital.  Mogadiscio),  Ortschaft 
an  der  Küste  von  Italienisch- Somalland  in  Ostafrika:  Wichtiger  Handelsplatz  für 
die  Produkte  des  Somallandes.  Die  berühmten  Gewebe  wurden  früher  bis  nach 
Arabien  und  Persien  verkauft. 

Mogg  oder  Mock-QuiltingS,  ein  gemusterter  Baumwollstoff  in  Manchester 
und  Glasgow,  welcher  wie  Pikee  gewebt  wird,  allein  nicht  so  fest  und  dicht, 
wie  dieser  ist,  deshalb  auch  Halb-Pikee  genannt  wird. 

Mohair,  die  engl.  Bezeichnung  für  Angorawolle  (s.  d.).  Die  daraus  ge- 
webten Stoffe,  wie  auch  solche,  in  denen  die  Ziegenwolle  nur  einen  Bestandteil 
neben  andern  bildet,  führen  jetzt  ebenfalls  häufig  den  Namen  Mohairs,  obschon 
ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  diesen  und  den  Kamelotts  nicht  besteht, 
da  auch  diese  vielfach  als  Mischgewebe  auftreten.  Das  Mohairgarn  wird  jetzt 
häufig  als  Schussgarn  verwebt  und  durch  seine  Verbindung  mit  Kammgarn, 
Baumwolle,  Alpaka  und  Seide  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  von  Stoffen  erzeugt. 
Am  stärksten  wird  die  Fabrikation  derselben  in  England  (Bradford,  Manchester) 
betrieben,  in  Frankreich  besonders  in  Boubaix  und  Lille,  in  Deutschland  in 
Chemnitz  und  Umgegend,  Schlesien,  Berlin,  Gera,  Weida ,  in  Oesterreich  im 
Beichenberger  Bezirk.  —  Mohairspitzen  sind  schwarze  Wollspitzen.  Mohair- 
plüsche sind  Wollenplüsche. 

Mohn,  Pflanzengattung  der  Payaveraceen,  mit  zweiblättrigem,  hinfälligem 
Kelch,  vielblättriger  Blume,  zahlreichen  Staubgefässen  und  einer  Fruchtkapsel, 
in  neuer  Zeit  durch  die  englische  moderne  Richtung  für  Flachmuster,  nament- 
lich bedruckten  Baumwollstoffen  und  Velveteen's. 

Abbildung: 
198.     Darstellung  einer  Mohnstaude  aus :  Lobelius,  plantarum  sev  stirpium  icones. 
Antwerpen  1581. 


Mohr — Montaocnana. 


353 


Mohr,  Moir,  Moor,  moiriert  heissen  dichtgewebte  seidene  Zeuge  mit  damast- 
artigen Blumen,  die  einen  Atlasköper  haben,  auf  einem  Grunde  von  Gros-de-tour, 
doch  gibt  es  auch  halbseidene  Mohrs,  deren  Kette  von  Seide,  der  Einschlag  von 
Kamelhaar,  Wolle  oder  Baumwolle  ist,  und  ganz  wollene  (s.  Moreens).  Das  Gewebe 
hat  den    Namen   von    dem   Mohr,    d.  h.    der 

geflammten     und    gewässerten    Oberfläche    (s.  Abb.  198. 

gewässerte  Stoffe).  Die  eingewebten  Blumen 
sind  von  verschiedener  Grösse,  wie  bei  dem 
Damast;  es  bleibt  aber  viel  freier  Grund 
zwischen  und  neben  den  Mustern,  denn  nur 
dieser  nimmt  den  eigentlichen  Mohr  oder  die 
Wässerung  an,  nicht  aber  die  atlasartigen 
Blumen ,  die  wegen  des  Atlasköpers  weich 
sind. 

Mok-Satins  sind  starke,  steife,  glän- 
zende Wollenstoffe,  eine  Art  wollener  Damast, 
dessen  Einschlag,  wie  bei  dem  Satin,  wechsel- 
weise über  vier  Kettfäden  geht,  wodurch 
das  Gewebe  ein  atlasartiges  Ansehen  erhält; 
die  Muster  und  Blumen  sind  jedoch  dunkler 
und  nicht  so  bunt  wie  bei  dem  Satin. 

Moldgarn,  in  Westfalen  die  Benennung 
für  ein  ziemlich  grobes  Leinengespinst,  das 
als  Einschlag   für   Leinwand  verwendet  wird. 

Moleskin,  soviel  wie  Englisches  Leder. 
(s.  d.).  Beim  halbwollenen  M.  besteht  die 
Kette  aus  Baumwolle,  der  Einschlag  aus 
Streichgarn;  ferner  in  England  Bezeichnung 
für  feine  Westenstoffe,  die  auf  baumwollenem 
Grunde  Muster  aus  feinster  Wolle  haben,  in 
Oest erreich  ein  feiner,  dichter,  rauher,  ge- 
schorener und  gefärbter  Barchent. 

Molinos,  Baumwollsorte  aus  Mexiko, 
weiss,  ins  gelbe,  glänzend  im  Eaden. 

Moll,  Molton,  Multon  (franz.:  molleton),  ein  weiches,  langhaariges  Gewebe 
aus  guter  Mittel  wolle.  Es  wird  entweder  wie  das  Tuch  glatt,  leinwandartig  oder 
geköpert  gewebt,  auf  beiden  oder  nur  einer  Seite  gerauht  und  mit  einem  Schnitt 
geschoren.  In  der  Dichtheit  und  Walke  steht  der  Stoff  zwischen  Flanell  und 
Fries,  ist  lockerer  wie  dieser  und  dichter  wie  jener.  M.  ist  aus  feiner  kurzer 
Wolle  gefertigt.  Man  gebraucht  dieses  warmhaltende  und  leichte  Zeug  zu  Unter- 
kleidern; die  Farbe  ist  meist  weiss,  doch  wird  es  auch  gefärbt.  — 
In  neuerer  Zeit  sind  auch  baumwollene  M.  häufig  fabriziert ;  es  ist  dies  eine  Art 
dicker  baumwollener  Barchent,  der  auf  beiden  Seiten  stark  gerauht,  welcher 
dadurch  eine  weiche,  langhaarige  Oberfläche  erhält. 

Mollet,  im  franz.  Handel  eine  Sorte  ganz  schmaler  Fransen  von  Zwirn, 
Seide,  Gold  und  Silber. 

Mollicia  (lat.),  gestickter  Teppich,  mit  opus  plumarium  (s.  d.)  geschmückt. 

Molton,  s.  Moll. 

Mondovi,  ehemals  Montevico  oder  Monreale,  Hauptort  in  der  ital.  Provinz 
Cuneo:   Fabriken  in  Seide  und  Kattun. 

Monfalcone,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Gradisca:  Seiden - 
zucht,  Seiden-  und  Baumwollspinnerei. 

Monogramm  (griech.)  oder  Handzeichen  (lat.  signum). 

Monogrammstickerei,  s.  Weissstickerei. 

Mons,  vläm.  Bergen,  Hauptstadt  der  belg.  Provinz  Hennegau:  Woll-  und 
Baumwollspinnerei. 

Montagnana,  Hauptort  in  der  ital.  Provinz  Padua :  Seidenindustrie,  Woll- 
spinnerei. 

Heiden,    Handwörterbuch  der  Textilkunde.  23 


354  Montagnetücher — Moskau. 


Montagnetücher  sind  gewöhnliche  Sorten  franz.  Tücher,  die  aus  "Wolle  ge- 
webt werden;  sie  gingen  früher  meist  in  die  Provence  und  nach  Italien. 

Montauban,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Tarn-et-Garonne :  WoU-,  Baura- 
woll-  und  Seidenspinnereien,  zahlreiche  Fabriken  für  Beuteltuch,  Mitteltuche 
(Cadis  de  M.)  u.  s.  w. 

Montbeliard  nennt  man  in  Frankreich  eine  dicht  und  gedrungen  gewebte, 
blau  und  weiss  gestreifte  oder  blau  und  weiss  gegitterte  flächsene  Leinwand  zu 
Matratzen  und  Bettinleten;  sie  wurde  zuerst  in  der  Gegend  von  Montbeliard, 
Stadt  im  franz.  Depart.  Doubs,  verfertigt. 

Montcahiard,  Montcayer,  ein  feiner  halbseidener  berkanartiger  Stoff,  ge- 
wöhnlich in  schwarzer  Farbe,  dessen  Kette  von  gezwirnter  Seide  und  der  Ein- 
schlag von  doppelt  oder  dreifach  gezwirntem  Kammgarn,  und  welcher  sowohl 
glatt  leinwandartig,  als  auch  geköpert  gewebt  wird. 

Montelimar,  Stadt  im  franz.  Depart.  Drome :  Bedeutende  Fabrikation  von 
Seidenwaren.     Handel  mit  Kohseide. 

Montjoie,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Aachen:  Kunstwoll-,  Tuchfabriken, 
Streichgarn  Spinnereien  und  Seidenweberei. 

Montrose,  Parlamentsborougb  der  schott.  Grafschaft  Forfar:  Flachsspin- 
nerei, Maschinen  Weber  ei  und  grosse  Bleichen;  eine  Leinwandhalle. 

Montserrat,  westindische  Baumwollsorte. 

Moosgarn,  persisches  Garn,  ein  namentlich  zu  Wollenstickereien  ver- 
wendeter, zweifädiger  Wollenzwirn,  aus  verhältnismässig  grober  Wolle,  welcher 
ein   geperltes  Aeussere   zeigt   und   der  Stickerei    ein   moosiges  Ansehen  verleiht. 

Moquette,  Mocades,  früher  Bezeichnung  für  ausgezogene  Sammetteppiche 
(Brüsseler  Teppiche),  jetzt  für  buntgemusterten  Doppelplüsch,  welcher  dadurch 
entsteht,  dass  zwei  Stück  Plüsch  übereinander  liegend  gewebt  werden  (mittels 
zweier  Grundketten  und  mehrerer  Polketten),  wobei  die  Polkettenfäden  beim 
Arbeiten  wechselweise  von  den  unteren  in  das  obere  und  von  dem  oberen  ili  das 
untere  Gewebe  übergehen.  Durch  Zerschneiden  der  zwischen  den  beiden  Grund- 
geweben liegenden  Polkettenfäden  in  der  Mitte  erhält  man  beim  Abziehen  zwei 
mit  dem  Flor  gegeneinander  gerichtete  Plüschstücke.  Die  Grundkette  ist  ge 
wohnlich  von  Hanf-  oder  Leinengarn,  während  die  Polkette  entweder  von  Baum 
wolle  und  Wolle  oder  ganz  von  Wollgarn  gebildet  ist. 

Morano  Calabro,  das  antike  Muranum,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Cosenza 
Seiden-  und  Wollweberei. 

Moratalla,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Murcia :  Tuch-  und  Leinenweberei 

Moravian  heisst  das  englische  achtfädige  baumwollene  Stick-  und  Nähgarn 

Mordant,  s.  Beize. 

Morea,  griechisch-türk.  Baumwollsorte. 

Moreas,  ursprünglich  ein  atlasartiger  halbseidener  Stoff,  welcher,  wie  die 
Lüstrine ,  droguetartig  gewebt  wurde  und  gewöhnlich  bunt  gestreift  in  Frank- 
reich und  Deutschland  vorkam ;  später  wurde  er  ganz  aus  Baumwolle  gemacht 
und  das  glänzende  Aeussere  bei  demselben  durch  die  Mangel  hervorzubringen 
gesucht;  jetzt  kommt  er  wieder  mehr  in  Halbseide  unter  dem  Namen,  aber  ein- 
farbig vor.     Die  Kette  ist  Baumwolle. 

Moreen  ist  ein  Stoff  mit  Kette  und  Einschlag  aus  starkem  englischem 
Kammgarn,  bei  billigen  Sorten  mit  Einschlag  aus  Jute ;  die  kräftige  Moirierung 
wird  in  der  Presse  unter  starkem  Druck  erzeugt  (s.  gewässerte  Stoffe) ;  M.  dient 
zu  Unterröcken. 

Morella,  Hauptstadt  in  der  span.  Provinz  Castellon  in  Valencia:  Tuch- 
weberei und  Färberei. 

Morenos  oder  Lien^os  Morenos  nennt  man  in  Spanien  und  Südaqaerika 
mehrere  Sorten  französischer  ungebleichter  Leinwand,  meistens  von  billiger  Qua- 
lität, welche  in  Frankreich  unter  dem  Namen  Toiles  bises,  Toiles  brunes  be- 
kannt sind. 

Moresken  (franz.:  mauresques;  engl.;  moresques),  fast  gleichbedeutend  mit 
Arabesken  (s.  d.).     Vgl.  auch  den  Artikel  „Arabischer  Stil". 

Moskau,  Generalgouvernement  mit  gleichnamiger  Hauptstadt  im  russischen 


Moskowiter  Gespinste — Mozambique.  355 

Reich:  bedeutende  Textilindustrie,  38  Tuchfabriken,  29  Wollwebereien,  329  Baum- 
wollspinnereien und  -Webereien,  247  Seidenwebereien,  123  Färbereien  und  27 
Kattundruckereien,  s.  a.  Hussland. 

Moskowiter  Gespinste  sind  gewisse  Sorten  Grold-  und  Silbergespinste, 
welche  aus  Russland  nach  Asien  und  der  Türkei  gehen. 

Moskowitischer  Damast,  ein  durch  den  russisch-chinesischen  Handel  nach 
Europa  gekommener  Seidenstoff,  der  häufig  mit  Florett-  oder  anderer  geringerer 
Seide  gemischt  ist  und  auch  unter  dem  Namen  ßolldamast  vorkam. 

Mossley,  Municipalborough  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  Baumwoll- 
industrie, Färberei  und  Bleichen. 

MOSS  Side,  Fabrikstadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  bedeutende 
Baumwollspinnereien. 

Mosul  (Mossul),  Hauptstadt  des  asiat.-türk.  Wilajets  M. :  früher  blühende 
Fabrikstadt,  Stapelplatz  für  Orient.  Waren,  namentlich  waren  Baumwollwaren 
und  feine  Lederstoffe  berühmt.  So  hat  von  M.  der  Musselin  (s.  d.)  seinen  Namen. 
Einzelne  Färbereien  bestehen  noch  heute.  Mossulstickerei  wird  Stickerei 
auf  Baumwolle  in  farbigem  Garn  genannt,  welche  Blütenformen  in  bogiger  Linien- 
führung aus  losen  Stichen  zeigt,  die  dem  sogen.  Hexenstich  ähnlich  sehen. 

Motril,  spanische  Baumwollsorte,  weiss,  ins  rötliche  Gelbe,  glänzend,  kräftig 
im  Faden. 

Mouchoirs,  im  franz.  die  allgemeine  Benennung  der  im  Handel  vorkom- 
menden Hals-  und  Taschentücher  aus  Seide,  Baumwolle,  Leinen,  Wolle  und  Bast. 

Moulinage,  die  (franz.),  das  Zwirnen  der  Seide;  moulinierte  Seide  = 
filierte,  gezwirnte  Seide. 

Moulineegarne,  Moulinetgame,  besonders  zur  Herstellung  von  Damen- 
kleiderstofifen  verwendete  Zwirne,  welche  durch  Zusammenzwirnen  von  verschie- 
denfarbig gefärbten  Wollengarnen  entstanden  sind,  oder  bei  welchen  ein  Baum- 
wöil-  und  ein  Wollfaden  zusammengezwirnt  sind,  die  sich  durch  das  Ausfärben 
verschieden  färben.  Andere  ähnliche  Effekte  ergebende  Garne  sind  die  Melange-, 
Beige-,  Jaspee-,  Yigoureux-  und  Zibelinegarne.  Die  Melangegarne  entstehen 
durch  Zusammenmischen  von  gefärbter  und  ungefärbter,  bezw.  verschieden  ge- 
färbter Wolle,  die  gemeinschaftlich  versponnen  werden ;  die  Beigegarne,  wenn 
von  Natur  aus  verschieden  farbige  Wollen  gemischt  und  zusammen  versponnen 
werden;  bei  Yigoureuxgarnen  wird  der  Kammzug  verschiedenfarbig  bedruckt, 
dann  gedämpft,  gewaschen  und  versponnen.  Jaspeegarne  sind  Zwirne  aus  Nop- 
pengarnen (Effektgarnen),  und  bei  den  Zibeliuegarnen  sind  der  gefärbten  Wolle 
ungefärbte  lange  andere  Tierhaare  (beinahe  ausschliesslich  das  glänzende  Mohair- 
haar) beigemengt,  welche  nach  der  Appretur  der  Stoffe  längere  ungefärbte  Haar- 
enden bilden. 

Moulins,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  AUier:  Woll-  und  Baumwollspin- 
nerei, Seidenweberei. 

Mouscron,  Gemeinde  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Woll-  und  Baum- 
wollweberei. 

Mousquets  sind  feine  und  sehr  dichte,  wollene  Teppiche  mit  bunten,  sehr 
lebhaften  und  abstechenden  Zeichnungen;  sie  kommen  aus  Kleinasien  über  Smyrna 
und  Saloniki  in  verschiedener  Grösse  und  Feinheit  nach  Marseille,  Livorno  und 
Triest.  Demi-M.  Messen  diejenigen,  bei  welchen  die  Pole  oder  das  aufgeschnittene 
Haar  kürzer  ist  und  welche  mit  weniger  Festigkeit  gewebt  sind. 

Mousselin  de  laine,  s.  Wollmuslin. 

Moustiquaire,  leichte  und  durchsichtige  Zeuge,  eine  Gattung  dichter  Sei- 
dengaze, welche  in  China  und  Bengalen  glatt,  geblümt  und  gestreift  aus  der  so- 
genannten Moque-Seide  gewebt,  und  in  ganz  Asien  zu  Bettvorhängen  und  Som- 
merkleidern verbraucht  werden. 

Mozambique,  Flocconne,  Perle,  Sadowa,  sind  wollene  Doppelstoffe,  bei 
welchen  der  Oberstoff  flott  liegt  und  auf  der  Rauhmaschine  durchgerissen  wird, 
wodurch  ein  meist  aus  Vierecken  gebildetes  Muster  hervortritt.  Geringe  Waren 
dieser  Gattung  bestehen,  ähnlich  wie  Manchester,  nur  aus  Grund-  und  Polschuss 
(Effekt-    oder  Flocconneschuss),    bessere  Sorten  jedoch  aus  Grund-,   Futter-  und 


356  Mozartteppich — Münstereifel. 


Pol-  oder  Fiocconneschuss.  Der  lose  gedreht  und  flottliegeude  Polschuss  wird 
durch  das  Rauhen  zerrissen  und  die  verbleibenden  Schussstückchen  treten  durch 
die  weitern  Zurichtungsarbeiten  (Klopfen  u.  s.  w.)  nach  oben  und  bilden  auf- 
rechtstehende Flocken. 

Mozartteppich  (Royal- Axminster-Teppich) ,  Modenamen  für  einen  in 
neuester  Zeit  in  den  Handel  gekommenen  Teppich,  welcher  als  maschinelle  Nach- 
ahmung des  Smyrnateppichs  aufzufassen  ist.  Auf  einem  sogenannten  Röhrchen- 
stuhl (von  den  Amerikanern  Alexander  Smith  und  Skinner  erfunden)  sind  die 
einzuknüpfenden  farbigen  Fäden  auf  Rollen  gewickelt,  nebeneinander  aufgereiht 
und  werden  in  einer  dem  Rapport  in  der  Schussrichtung  entsprechenden  end- 
losen Kette  über  die  Einbindungsstellen  weggeschaltet;  durch  besondere  Greifer 
werden  sie  von  den  Spulen  abgezogen,  an  die  Kettenfäden  angeknüpft  und  schliess- 
lich durch  Zirkularmesser  abgeschnitten. 

Mühlhausen  in  Thüringen,  Stadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Erfurt:  Königl. 
Web-  und  Wirkschule,  Fabrikation  von  wollenen,  halbwollenen  und  baumwollenen 
Waren,  Kamm-,  Streich-  und  Strumpfgarn. 

Mühltroff,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  mechan. 
Kammgarn  web  er  ei,  Chenillevorarbeitenweberei,  Strickerei. 

Mule-Twist  (Mulegarn),  das  weiche,  besonders  als  Einschuss  dienende 
Baumwollgarn,  welches  auf  der  Mulemaschine  (Halb-  oder  Ganz -Seifaktor)  fein 
gesponnen  wird. 

Mülhausen ,  Stadt  im  Bezirk  Oberelsass :  Schulen  für  Spinnerei  und  We- 
berei. M.  ist  Mittelpunkt  eines  der  bedeutendsten  Bezirke  der  festländischen  Baum- 
wollindustrie. Die  Fabriken  liegen  teils  in  M.  meist  in  Dornach  und  zwischen 
beiden  Orten.  1746  führten  Sam.  Köchlin,  Job.  Jab.  Schmaltzer  und  Joh.  Heinr. 
Dollfus  die  Fabrikation  bedruckter  Baumwollgewebe  (sog.  Indiennes)  ein.  Jetzt 
bestehen  14  Baumwollspinnereien,  zahlreiche  Webereien,  Druckereien  mit  über 
80000  Arbeitern ;  ferner  Zwirnereien,  Woll-  und  Kammgarnspinnereien.  M.  ist 
Sitz  der  Textil-Berufsgenossenschaft  für  Elsass-Lothringen. 

Mülheim  am  Rhein,  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köln :  Fabrikation  von  Sammet, 
Seide,  Leinen  und  Segeltuch.     Webschule. 

Mülheim  a.  d.  Ruhr,  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Woll-  und  Baum- 
wollspinnerei, Kattunweberei. 

Mulinieren  (franz.),  s.  Moulinage  und  Moulineegarne. 

Mull,  ein  klarer,  feiner,  weisser  und  weicher  Musselin,  namentlich  zur 
Frauenkleidung  verwendet.  Ursprünglich  ein  aus  Ostindien  kommendes  Fabrikat, 
das  aber  gegenwärtig  in  Europa  überall  erzeugt  wird,  wo  feine  Baumwollwaren 
gefertigt  werden. 

Müllerbeuteltuch,  s.  Beuteltuch. 

Müllergaze,  Müllertuch,  s.  Beuteltuch. 

Mülsen,  Mülsen-St.  Jakob  ,  Mülsen-St.  Michael ,  Mülsen  -  St.  Niklas ,  drei 
Fabrikdörfer  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chemnitz :  Webschule ;  Hand- 
weberei in  Woll-  und  Baumwollwaren. 

Multan,  Hauptstadt  in  der  indobrit.  Lieutenant- Gouverneurschaft  Pand- 
schab:  Seiden-,  Teppich-,  Brokat-  und  Zitzmanufakturen. 

Mumienleinwand,  s.  v.  w.  ägyptische  Leinwand. 

Münchberg,  Stadt  im  bayr.  Reg.-Bez.  Oberfranken:  vier  mechan.  Bunt- 
webereien, mechan.  Zwirnerei,  bedeutende  Handweberei  und  Färberei.   Webeschule. 

München,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  Königreichs  Bayern :  Gold-Silber- 
stickereigeschäfte. Handel  mit  Möbelstoffen,  Portieren  und  Teppichen  (s.  a.  Bayern). 

Münchengrätz,  Stadt  in  Böhmen:  Fransen-,  Seidenzeug-  und  Teppich- 
fabrikation. / 

Münster,  Hauptstadt  der  preuss.  Provinz  Westfalen:  Fabrikation  von 
Leinwand  und  Baum  wollzeugen. 

Münster  im  Elsass:  grosse  Spinnereien  und  Webereien,  im  18.  Jahrb. 
gegründet. 

Münstereifel,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köln :  Streichgarnspinnerei,  Tuch-, 
Wollzeug-  und  Leinenweberei. 


Münsterleinen — Muster.  357 


Münsterleinen.  Nicht  alle  Sorten  der  aus  dem  preuss.  Reg.-Bez.  Münster 
kommenden  Leinen  versteht  man  unter  diesem  Namen,  sondern  nur  ein  grobes 
graues  Hanfleinen,  zu  Segel-  und  Packtuch,  aus  den  Gegenden  an  der  Ems 
hinab,  welches  meistens  nach  Bremen  und  Holland  geht. 

Muschelseide,  Lana  penna,  auch  Pinna  marina  (ital. :  Bisso,  Bissus,  lana- 
pesce  pelodi  nacchera,  pelo  d'astura)  sind  die  glänzenden,  seidenartigen  Fäden 
mehrerer  Gattungen  Seemuscheln,  wie  Kammmuschel,  Pecten,  Miesmuschel, 
Mytilus  u.  s.  w.,  die  mit  4 — 6  cm  langen  Haarbüscheln  (Byssus)  im  Meere  sich 
an  die  Felsen  ansetzen.  Die  nützlichste  Muschel  dieser  Gattungen  ist  die  sogen. 
Steckmuschel  oder  Schinkenmuschel  (Pinna  nobilis  L.)  auch  Seidenmuschel,  Hol- 
stenmuschel  und  Pistolenholster.  Die  Fäden  werden  nach  gehöriger  Reinigung 
verarbeitet.  Die  Anwendung  der  Steckmuschel  für  AVebereizwecke  war  schon 
im  Altertum  bekannt :  besonders  zur  Herstellung  von  Reitermänteln ;  die  feinsten 
Muschelseidengewebe  wurden  in  Indien  angefertigt  und  dann  nach  Griechenland 
gebracht;  die  Araber  nannten  die  Muschelseide  Meereswolle. 

Musseline  (franz.:  musseline;  engl.:  murlin),  ein  feiner,  locker  gewebter, 
halbdurchsichtiger  Baumwollstoff,  zu  welchem  man  Garn  nimmt,  dessen  Fäden 
beim  Spinnen  wenig  gedreht  werden,  wodurch  dessen  Oberfläche  fast  niemals 
ganz  glatt  ausfällt,  sondern  immer  mit  kleinen  rauhen  Faser chen,  wie  mit  einem 
zarten  Flaum  bedeckt  ist.  Die  einfachen  glatten  Musseline  werden  mit  einfacher 
Leinwandbindung  gewebt,  wobei  es  nach  den  verschiedenen  Graden  der  Feinheit 
auf  einen  sehr  gleichen,  fein  und  locker  gesponnenen  Faden,  auf  gute  Schlichterei 
und  Behandlung  der  Ketten  ankommt.  Man  verwendet  Garn  von  No.  70  bis 
No.  300.  M.  wurde  ursprünglich  in  Ostindien  und  im  Orient  gefertigt  und  von 
dort  eingeführt,  wird  aber  schon  seit  langer  Zeit  in  England,  Frankreich,  Deutsch- 
land und  der  Schweiz  ebenso  gut  und  durch  Fabrikbetrieb  bedeutend  billiger 
hergestellt.  Die  Ware  kommt  in  ausserordentlicher  Verschiedenheit,  einfach, 
glatt,  gestreift,  durchbrochen,  geblümt,  gestickt  und  gedruckt  in  den  Handel.  — 
Die  Musselin  web  er  ei  und  die  Ausfuhr  von  Geweben  nach  dem  Orient  wurde  in 
der  Schweiz  und  Deutschland  (im  Vogtland)  schon  lange  vor  Einführung  der 
Spinnmaschinen  auf  Grund  von  Handspinnerei  betrieben.  Mit  der  Ausbildung 
der  Maschinenspinnerei  ging  die  Garnerzeugung  vollständig  an  diese  über,  wäh- 
rend die  "Weberei  dem  Handstuhl  verblieb ,  weil  für  den  Maschinenstuhl  zu 
zart.  Sie  wird  meistens  in  Kellerräumen  betrieben,  da  die  Arbeit  in  trockener 
Luft  nicht  gut  gelingt.  Durch  Präparieren  des  Garnes  mit  Glyzerin  scheint 
man  sich  jetzt  übrigens  dieser  Notwendigkeit  überheben  zu  können.  —  Ver- 
schiedene Einzelsorten  der  Musselingewebe  werden  mit  besonderen  Namen  be- 
zeichnet, z.  B.  Vapeur,  ein  feinerer  und  lockerer  gewebter;  Zephyr,  der  alier- 
feinste  M.  aus  den  höchsten  Garnnummern.  An  der  Herstellung  dieser  Web- 
waren beteiligen  sich  alle  europäischen  Fabrikländer;  am  stärksten  ist  die  Pro- 
duktion und  Ausfuhr  Englands  mit  den  Hauptsitzen  Manchester  und  Glasgow. 
Die  engl.  Waren  sind  besonders  wohlfeil;  die  französischen  behaupten  immer 
einen  Vorzug  durch  Schönheit  und  Mannigfaltigkeit  ihrer  Dessins.  Die  Schweiz 
liefert  in  gewissen  Branchen  Vorzügliches  und  ihre  gestickten  Waren  sind  ebenso 
schön  als  wohlfeil.  In  Deutschland  hat  die  Musselinweberei  und  -Stickerei  ihren 
Sitz  von  lange  her  im  sächs.  Vogtlande.  In  verschiedenen  Städten  Württem- 
bergs, Bayerns  und  Oesterreichs  ist  die  M. -Fabrikation  ebenfalls  im  Gange.  ' 

Musselinets  sind  feine  baumwollene,  musselinartige  Gewebe  mit  einem 
glatten  Boden,  eine  Nachahmung  der  ostindischen  Doreas  (s.  d.),  aber  glatt  ge- 
streift, atlasstreifig  gemustert  und  bunt  gestreift.  Sie  kommen  unter  wechseln- 
den Modenamen  zu  allen  Zeiten  vor. 

Mustardevelin  oder  mustardvillars  (engl.),  grauer  Wollenstoff  des  15.  u. 
16.  Jahrh.  wahrscheinlich  so  benannt  von  Montiguliers  bei  Harfleur. 

Muster  (lat. :  patronus;  franz. :  dessin ;  engl. :  pattern)  ;  ornamentale  Zeich- 
nung, bes.  auf  einer  Fläche,  zu  deren  Füllung  verwendet  und  wiederkehrend. 
Man  unterscheidet  besonders  gerades,  wiederkehrendes  M.  mit  geradem  oder 
schrägem  Ansatz  (rapport),  von  gestürztem  oder  Spitzenmuster  (franz.  dessins  ä 
retour,  ä  regard) ;  ferner  einfach  wiederkehrendes,  von  mit  dem  Wechsel  wieder- 


358  Muster  ausnehmen — Nähen. 


kehrenden,  endlich  auf  Streifen  laufendes  (franz. :  dessin  courant)  vom  Reihungs- 
muster;  s.  a.  Ramage    und  Streumuster. 

Muster  ausnehmen,  aussetzen,  die  Zeichnung  für  die  Musterweberei  an- 
fertigen. 

Musterbrief,  die  auf  dem  Klöppelpolster  befestigte  und  mit  Nadeln  be- 
steckte Vorzeichnung  einer  Klöppelspitze. 

Musterweberei,  s.  Bildweberei. 

Mutterkiste  nannte  man  früher  beim  Leinwandhandel  eine  kleine  Kiste 
mit  einzelnen  Leinwandstücken,  als  Muster  oder  Proben.  Sie  gingen  mit  den 
grossen  Ballen,  damit  man  beim  Verkauf  nicht  nötig  hatte,  diese  zu  öffnen. 


N. 

Nacteur  (franz.),  in  der  Wollkämmerei  oft  gebrauchter  Ausdruck  für  den 
Vorstech-  und  Vorsteckkamm  der  Kammmaschine. 

Nadelfertigmachen,  in  der  Tuchfabrikation  die  Tätigkeit,  durch  welche 
das  Eingehen  des  Gewebes,  das  sogen.  Krimpen,  Krumpfen,  ein  Schmälerwerden 
nach  vollendeter  Appretur  oder  im  Kleidungsstücke  verhindert  wird  und  die 
meist  aus  einer  Behandlung  des  Gewebes  mit  Dampf  besteht. 

Nadelmalerei  heisst  die  durch  Plattstichstickerei  hergestellte  künstlerisch 
vollendetste  Bildstickerei,  weil  sie  dem  Gemälde  in  der  Wirkung  am  nächsten 
kommt.  Eine  besondere  Art  der  Bildstickerei  wird  als  N.  bezeichnet,  wenn 
über  ripsartiger  Fläche  aus  starken  Fäden  in  farbig  schattierter  Seide  und  feinem 
Gold  und  Silber  gestickt  ist,  so  dass  die  Fläche  wie  emailartig  lasiert  erscheint 
(s.  spätgotischer  Stil  S.  227).  Aehnliche  Wirkungen  werden  in  der  sogen. 
Gobelinstickerei  erzielt,  so  dass  man  die  feinsten  ihrer  Art  auch  mit  N.  be- 
zeichnet. 

Nadelmasche  nennt  man  jede  Masche  einer  Wirkware,  welche  auf  einer 
Nadel  des  Wirkstuhles  gehangen  hat. 

Nadelspitzen  heissen  im  Gegensatz  zu  geklöppelten  oder  auf  der  Maschine 
hergestellten  Spitzen  alle  diejenigen,  welche  mit  Hilfe  von  Unterlagen  aus  tra- 
cierten  Vorzeichnungen  auf  Papier  und  Stoff  genäht  werden  (s.  Spitzen). 

Nageum,  nugium  (lat.),    dünner  Kleiderstoff,   besonders    leichter  Schleier. 

Nagold,  Oberamtsstadt  im  württemb.  Schwarzwaldkreis :  Wollspinnerei  und 
Tuchf abrikation . 

Nagpur,  engl.  Nagpore,  Stadt  in  Vorderindien:  Man  fertigt  grobe  und 
feine  Baumwollzeuge,  Zitze,  Turbane,  Seiden-  und  Brokatstoffe,  Decken  und 
andere  Wollwaren,  Zeltleinwand. 

Nähen,  mit  Hilfe  von  Nadel  und  Faden  Stoffteile  oder  Flächen  zu  einem 
Ganzen  zu  verbinden  oder  verzieren,  wonach  man  die  Verbindungsnaht  oder 
kurzweg  Naht  und  die  Verschönerungsnaht  oder  Ziernaht  unterscheidet,  die  je 
nach  ihrer  Herstellungsweise  Hand-  oder  Maschinennähte  sind.  Das  Bezeichnende 
für  die  Handnäherei  besteht  darin,  dass  ein  Faden  mittels  Nadel  in  solcher 
Weise  in  die  Stoffteile  eingeschlungen  wird,  dass  sowohl  auf  der  Ober-  als  Unter- 
seite derselben  flott  liegende  Fadenlagen  (Stiche)  entstehen,  die  sich  linienartig 
aneinanderreihen  und  die  Naht  bilden.  Herstellung  und  Gestalt  geben  den 
Stichen  und  Nähten  den  Namen  und  bedingen  die  Festigkeit  der  letzteren.  Die 
verschieden  benannten  Nähte  beruhen  auf  vier  Sticharten:  d.  i.  der  Vorstich, 
der  Rück-  oder  Hinterstich,  der  Saumstich,  der  Ueberwindlings- 
oder  Ueberwendlingsstich.  —  Der  Vorstich,  oder  die  Reihnaht  ge- 
nannt, wird  zu  einfachen  Nähten,  zur  Vereinigung  leichter  Gewebe,  zu  gelegten 
Säumen  und  zum  Ziehen  gelegter  Falten  verwendet,    er   ist   der   erste  und  ein- 


Nähfaden — Nähmaschine.  359 


fachste  aller  Stiche  und  stellt  eine  lose  Naht  her.  Der  Rück-  oder  Hinter- 
stich, meistens  mit  der  Maschine  hergestellt,  wird  über  sechs  Fäden  heraus- 
geführt, dann  legt  man  den  Faden  von  links  nach  rechts,  führt  die  Nadel  zwei 
Fäden  hinter  dem  Ausgangspunkt  ein,  um  sie  sechs  Fäden  weiter  vor  demselben 
wieder  herauszuziehen.  Granz  eng  aneinandergereihte  Hinterstiche  ergeben  den 
Saum-  oder  Steppstich,  der  zu  Einfassungen  dient.  Er  gibt  die  festeste 
Naht  und  erfordert  eine  grosse  E/egelmässigkeit.  Um  die  Steppnaht  fadengerade 
zu  machen,  wird  ein  Faden  des  Grewebes  herausgezogen,  den  man  durch  Stepp- 
stiche ersetzt.  Für  "Wäschegegenstände,  wo  der  Saum  nicht  nur  als  E,and- 
befestigung ,  sondern  auch  als  Verzierung  dienen  soll ,  wird  derselbe  entweder 
mit  bunten  Garnen  überstickt  oder  auch  in  Durchbrucharbeit  ausgeführt  (s. 
Leinenstickerei  und  Ziernähte) .  Mit  überwendlichen  Stichen  kann  man  nur 
entweder  zwei  Webekanten  oder  zwei .  gesäumte  Schnittkanten  verbinden.  Man 
legt  beide  Kanten  aufeinander  und  sticht,  ein  bis  zwei  Fäden  tief,  durch  beide 
hindurch :  es  findet  diese  Art  des  N.  für  Wäschegegenstände  und  Kleiderkonfektion 
Anwendung.  Aus  Naht  und  Saum  zusammengesetzt  sind  die  französische 
und  die  Kappnaht.  Bei  beiden  werden  erst  zwei  Schnittkanten  durch  Stepp- 
stiche miteinander  verbunden,  dann  beide  Schnittkanten  nach  derselben  Seite 
umgebogen,  bei  der  französischen  Naht  eingebogen  und  mit  Steppstichen,  bei 
der  Kappnaht  fest  eingerollt  und  mit  Saumstichen  auf  den  einen  Stoffteil  genäht. 
Die  Flanell-  oder  Hexennaht  gebraucht  man  zum  Nähen  und  Flicken  von 
Flanell,  sowie  zum  Herunternähen  umgelegter  Teile  in  tuchähnlichen  Stoffen; 
die  holländische,  Gregenstich-  oder  Kreuznaht  findet  Anwendung  zum 
Flicken  in  Leinen-  und  grobem  Baumwollenzeug,  weil  sie  dem  Grewebe  ganz 
ähnlich  ist  und  nicht  eine  so  scharfe  Kante  bildet,  wie  die  überwendliche  Naht. 
Die  Seitenstichnaht  kommt  besonders  beim  Ausbessern  der  Wäsche  vor. 
Mit  Stiel-,  Fischgräten-,  Hexen-  und  Kettenstich  werden  besonders 
Yerschönerungs-  und  Ziernähte  ausgeführt.  Auch  durch  Aufnähen  von  Soutache 
bildet  man  letztere.  — 

In  der  Maschinennäherei  wird  der  Nähfaden  von  Spulen  entnommen. 
Die  zwangläufige  Führung  der  Nadel  erfordert  die  Anwendung  anderer  Stiche 
und  Nahtarten,  als  die  in  der  Handnäherei  üblichen.  Man  kann  mit  Hilfe  sogen. 
Einfaden-  und  Zweifadennähten  den  Ketten-  und  den  Steppstich  ausführen ; 
ersterer  wird  mehr  für  gewisse  Stickereien  und  Ziernähte,  letzterer,  der  doppel- 
seitig ist,  in  der  Kleiderkonfektion  und  Weissnäherei  verwendet  und  dient  auch 
in  letzter  Zeit  für  verschiedene  Arten  von  Flachstickerei  (s.  a.  Stickerei).  (Vgl. 
Hillardt,  Handarbeitskunde,  Teil  3,  Wien  1895;  Th.  de  Dillmont,  En- 
cyklopädie  der  weiblichen  Handarbeit.) 

Nähfaden,  häufig  gebrauchter  Ausdruck  für  alle  zum  Nähen  verwendeten 
Gespinste  und  Zwirne. 

Nähmaschine,  mechanische  Vorrichtung  zur  Herstellung  von  Nähten  in 
Textilstoffen ,  Leder  und  anderen  Materialien  (s.  Maschinennähen  und  Nähen). 
Nachdem  vorher  verschiedene  Systeme  der  N.  patentiert  worden  waren,  deren 
Anwendung  mehr  oder  weniger  auf  dem  Prinzip  der  Handnäherei  beruhten,  war 
es  die  von  Barthelemy  Thimonnier  im  Jahre  1829  erfundene,  welche  in 
grösserer  Anzahl  benutzt  wurde,  die  mittels  einer  Hakennadel  und  eines  fort- 
laufenden Fadens  den  einfachen  Kettenstich  herstellte.  Darauf  folgte  die 
im  Jahre  1836  von  Walter  Hund  in  New  York  erfundene  N.,  die  den  Doppel- 
steppstich ausführte,  der  jetzt  von  den  N.  fast  ausschliesslich  gemacht  wird, 
indem  er  eine  Nadel  mit  an  der  Spitze  befindlichem  Oehr  für  den  Oberfaden 
und  eine  dem  Weberschiffchen  ähnliche  Vorrichtung  für  den  TJnterfaden  an- 
wendete. Diese  Konstruktion,  welche  die  Grundlage  der  heutigen  Schiffchen- 
maschine bildet,  blieb  lange  Zeit  fast  unbekannt,  weil  der  Erfinder  aus  Mangel 
an  Selbstvertrauen  unterliess,  sie  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben.  Als  der  eigent- 
liche Schöpfer  der  N.  gilt  daher  gewöhnlich  Elias  Howe  aus  Spencer  (Massa- 
chusetts). Der  eifrigste  seiner  Konkurrenten  und  zugleich  derjenige,  der  sich 
das  grösste  Verdienst  um  die  Einführung  der  N.  erwarb,  war  J.  M.  Singer 
(gest.  1875).    Die  Zahl  der  Patente  auf  N.  beträgt  gegenwärtig  mehrere  Tausende. 


360  Naht— Nanking. 


Die  gebräuchlichsten  Systeme  sind  Singer,  "Wheeler  &  "Wilson,  Willcox  &  Gibbs, 
Grover  &  Baker.  Die  wichtigsten  der  mit  der  N.  hergestellten  Sticharten  sind 
der  Ein-  und  Zweifadenkettenstich,  sowie  der  Doppelsteppstich  (s.  Nähen).  Die 
Sicherheit  der  Stichbildung  wird  ausser  von  dem  genauen  Zusammenspiel  von 
Nadel,  Schiingenfänger  und  Stoffschieber  durch  geeignete  Anspannung  und  Lei- 
tung der  Fäden  bedingt.  Das  richtige  Mass  der  Fadenspannung  während 
der  Stichbildung  und  des  Fadenanzuges  am  Ende  derselben  ist  für  die  Festigkeit 
der  Naht  und  die  Verhinderung  des  Fadenbruchs  während  der  Arbeit  bestimmend. 
Die  Anspannung  der  Fäden  vermitteln  kleine  Schrauben  (Reibungsbremsen),  die 
sich  an  der  Seite  der  Maschine  befinden.  Den  Fadenzug  bewirkt  der  Faden- 
sprung, ein  Teil  der  Fadenleitung,  dem  eine,  dem  Bewegungsgesetz  der  Näh- 
werkzeuge entsprechende  springende  Bewegung  erteilt  wird,  so  dass  er  kurz  vor 
Beendigung  eines  Stiches  den  für  diesen  überflüssigen  Fadenteil  aufnimmt  und 
ihn  als  Reserve  für  die  nächste  Stichbildung  zurückhält  (s.  a.  Stickmaschine). 
Literatur:  Daul,  Die  Nähmaschine,  Hamburg  1865;  Herzberg,  Die  N., 
ihr  Bau  und  ihre  Bedeutung,  Berl.  1863;  Derselbe,  Die  N.-Industrie  in  Deutsch- 
land, Berl.  1862;  Lind,  Das  Buch  von  der  N.,  Berl.  1891;  Eichard,  Die 
N.,  Hannover  1876 ;    Wolter,  Die  N.,  ihr  Nutzen  und  ihre  Bedeutung,  Berl.  1865. 

Naht,  hat  die  Aufgabe,  zwei  Flächen  zu  einem  Ganzen  zu  verbinden; 
ursprünglich  auf  Stoffe  für  Gewänder  und  Decken  angewendet,  ist  sie  als  Symbol 
auch  auf  andere  Werke  der  Kunst  übergegangen,  woselbst  sie  von  grosser  stili- 
stischer Bedeutung  ist.  (Vgl.  hierüber  die  Kapitel  §  18 — 21  in  Semper,  Der 
Stil  U.S.W.  Frankfurt  a.M.  1878.) 

Nähwaren,  Näherei.  Darunter  versteht  man  im  allgemeinen  alle  mit  der 
Nähnadel  genähte  Arbeiten,  gewöhnlich  Kleidungsstücke,  insofern  sie  keine  zunft- 
mässigen  Schneiderarbeiten  sind. 

Naila,  Stadt  im  bayer.  Beg.-Bez.  Oberfranken :  Mechan.  Buntweberei  und 
Teppichweberei. 

Nainsook,  Nainsuch,  häufig  auch  Nansouques,  sind  feine  ostindische  Musse- 
line, welche  in  Bengalen  gewebt  und  früher  nach  Europa  gebracht  wurden.  Die 
holländischen,  welche  vorzugsweise  häufig  vorkamen,  waren  die  feinsten  und  unter- 
schied man  davon  zwei  Sorten.  Die  englisch-indischen  wurden  in  einfache,  glatte 
und  gestickte  eingeteilt,  auch  gab  es  Nansouquestücher ;  die  gestickten  sind  mit 
Gold,  Silber  und  Seide  sehr  fein  gearbeitet  und  werden  in  Indien  sehr  oft  in  zwei 
Hälften  geschnitten,  welche  man  in  Bengalen  Adasari  nennt.  Im  dänisch-ostind. 
Handel  kamen  glatte  weisse  Nainsuchs  Chaunpore  mit  goldenen  Leisten,  bor- 
dierte Nainsuchs  mit  Gold  oder  Silber  in  verschiedenen  Sorten  vor.  Für  den 
europäischen  Markt  werden  Musseline  dieser  Art  unter  dem  Namen  Linons  in 
eigenen  Fabriken  angefertigt. 

Nämets  sind  sehr  feine  persische  Teppiche. 

Nancy,  deutsch  Nanzig,  Hauptstadt  des  Depart.  Meurthe- et-Moselle :  Seit 
1871  hat  N.  in  Bezug  auf  Gewerbe  und  Handel  bedeutende  Fortschritte  gemacht. 
Es  gibt  38  Fabriken  von  weltberühmten  Stickereien  aller  Art,  10  Tuchfabriken; 
in  der  Umgegend  Fabriken  für  Wollzeuge,  Musselin,  Watte,  Strumpfwaren; 
ausserdem  Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Nanking  (franz.  nanquin),  Nankin^  in  echter  Ware  ein  chinesischer  Stoff,  der 
seinen  Namen  nach  einer  dortigen  Provinzialhauptstadt  hat,  die  aber  in  Wirklich- 
keit Kiangning  heisst.  Es  ist  ein  leinwandartig  gewebter,  fester  und  dichter  Stoff 
aus  stärkerem  Garne,  als  Kattun,  früher  sehr  beliebt  zu  Sommerkleidern  wegen 
der  Echtheit  seiner  gelbrötlichen  Farbe,  die  beim  Waschen  fast  noch  schöner 
wurde.  Dieses  Nankinggelb  ist  eine  Naturfarbe;  die  Stammpflanze,  Gossypium 
religiosum,  trägt  gelbe  Wolle.  Die  Chinesen  verstehen  auch  weisse  Baumwoll- 
zeuge ganz  wie  echt  zu  färben,  aber  die  Haltbarkeit  der  Farbe  ist  nichlf  die 
gleiche.  Die  Bezeichnung  ostindischer  N.  bezieht  sich  nur  auf  die  chinesische 
Ware  und  man  behauptet  sogar,  dass  alle  Versuche,  diesen  echten  Nankingbaumwoll- 
strauch auch  in  andern  Provinzen  zu  ziehen,  selbst  in  den  nächstgelegenen,  inso- 
fern misslungen  sein  sollen,  dass  er  bald  ausartete.  In  Europa  wurde  der  Stoff 
bald  nachgeahmt   und   fast   überall,   wo    Baumwolle    verarbeitet   wird,    gefertigt. 


Nanquinbaum  woU  e — Nap  olitaines. 


361 


Die  dazu  benützten  weissen,  mit  Eisenlösungen  gefärbten  Stoffe  trafen  aber  doch 
meistens  den  echten  Farbenton  nicht  so  genau,  dass  sie  nicht  leicht  zu  unter- 
scheiden gewesen  wären,  und  die  Farbe  ging  bei  jeder  Wäsche  mehr  aus.  Auch 
an  Haltbarkeit  des  Stoffes  blieben  die  echten  N.  unerreicht.  —  England  liefert 
diese  unter  dem  Namen  Nankeens  in  mancherlei  Abänderungen  mit  besonderen 
Nebenbenennungen.  Der  Hauptsitz  ihrer  Verfertigung  ist  Manchester  und  die 
umliegende  Gegend.  —  In  Deutschland  hatte  die  Fabrikation  in  Sachsen  und 
Böhmen,  namentlich  in  der  Oberlausitz  ihre  Hauptsitze.  Man  fertigte  bald  auch 
den  Stoff  in  andern  Farben,  grau,  grün,  blau,  bunt  gestreift,  geflammt  gewürfelt, 
meliert  usw.,  ferner  neben  glatten  auch  verschiedene  Köpernankings,  so  dass  die 
Benennung  N.  sich  über  eine  ganze  Klasse  starker  baumwollener  Sommerstoffe 
verbreitete.  Gegenwärtig  hat  der  Bezug  der  chinesischen  Ware  so  gut  wie  auf- 
gehört, und  auch  an  Stelle  der  europäischen  Fabrikate  sind  schönere  Stoffe  mit 
anderen  Namen  getreten, 

Nanquinbaumwolle,  s.  ostindische  Baumwollen. 

Nanquinett,  Nankinet,  sind  leichte  Baumwollenzeuge,  welche,  wie  der 
Nanking,  jedoch  aus  feinerem  Garn  und  nicht  so  dicht  gewebt  werden ;  gewöhn- 
lich nimmt  man  zur  Kette  Garn  von  Nr.  30  und  zum  Schuss  Nr.  60.  Oft  ver- 
kauft man  auch  unter  diesem  Namen  feine  buntgefärbte  Perkaie. 

Nantes,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Loire-Inferieure :  Fabriken  für 
Kattun,  Tuch-  und  andere  Wollstoffe. 

Napoleontaschentuch  bezeichnet  man  eine  besondere  Art  von  gedruckten 
Tüchern  aus  dem  Anfang  des  19.  Jahrhs. 

Napolitaines  (franz.  oder  ital.  Napolitano),  nach  der  Stadt  Neapel  benannte 
weiche,  feinwolhge  Stoffe  zu  Frauenkleidern,  Mänteln  und  Tüchern,  ursprünglich 


Abb.  199. 


Abb.  200. 


aus  Streichwollengarn,  jetzt  meistens  mit  Kette  von  Baumwollzwirn  und  Ein- 
schuss  von  Streichgarn.  Die  ganz  wollenen,  welche  eine  Art  feiner  Flanell  sind, 
heissen  auch  Lama  (s.  d.).     Man  hat  sie  in  bunten  Farben,  gestreift  und  karriert, 


362 


Narwa — Naturwolle. 


geflammt,  mit  eingewebten  Mustern,  häufig  bunt  gedruckt.  In  Deutschland 
werden  derartige  Stoffe  im  sächsischen  Erzgebirge,  in  Berlin  und. anderen  Orten, 
in  Oesterreich  namentlich  in  Böhmen  und  Mähren  fabriziert. 

Narwa,  auch  Narva,  Hafenstadt  im  Kreis  Jamburg  des  russ.  Gouvernem. 
Petersburg :  grosse  Tuchfabrik,  Flachsspinnerei  und  auf  der  Narowainsel  Krän- 
holm (zu  Esthland  gehörig)  die  Kränholmer  Manufaktur  (Baumwollspinnerei- 
Aktiengesellschaft  mit  402  086  Spindeln). 

Narzisse,  Pflanzengattung  aus  der  Familie  der  Amaryllidaceen  mit  gegen 
20  Arten,  vorzugsweise  im  mittleren  Europa  und  in  den  Mittelmeerländern  ein- 
heimisch. Es  sind  blühende  Zwiebelgewächse.  Am  bekanntesten  sind  die  in 
Süddeutschland  einheimischen  N.  mit  gelben  Blüten  (Abb.  199)  und  mit  weissen 
Blüten  (Abb.  200).  Als  Kunstform  erscheint  die  N.  auf  Geweben  und  Sticke- 
reien der  späteren  Renaissance  und  der  Barockzeit,  oft  zusammen  mit  der  Nelke 
(vgl.  Abb.  203)  und  mit  anderen  in  dieser  Zeit  als  Streumuster  verwendeten 
Blumen.     In  neuerer  Zeit  ist  sie  als  Druckmuster  und  dgl.  gebraucht. 

Abbildungen: 

199  u.  200.  Darstellungen  der  Narzisse  aus:  Lobehus,  plantarum  sev  stirpium 
icones,  Antwerpen  1581. 

Nate,  moderner,  mercerisierter  Baumwollenstoff. 

Natte  (franz.),  (lat. :  natta;  engl.:  mah),  Strohseil,  Matte;  daher:  nattes 
entrelacs,  engl. :  matwork,  Flechtwerk  als  Ornament;  moulure  nattee  (franz.)  mit 
Flechtwerk  verziert. 


Abb.  201. 


Abb.  202. 


Naturwolle  ist  ungefärbtes,  braunes  oder  graues  Wollgarn,  das  gewöhn- 
lich als  Strickgarn,  neuerdings  auch  vielfach  als  Material  für  Webwaren  (dem 
Licht  ausgesetzte  Vorhangstoffe  u.  s.  w )  verwendet  wird.  N.  ist  auch  Bezeich- 
nung für  neue,  noch  nicht  als  Gewebe  gebrauchte  Schafwolle  im  Gegensatz  zu 
Kunstwolle. 


Naumburg — Nelke . 


363 


Naumburg  an  der  Saale,  Stadt  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Merseburg:  Fabri- 
kation von  Wollwaren. 

Nay,  Stadt  im  franz.  Depart.  Basses-Pyrenees :  Spinnereien,  Barett-  (Kopf- 
bedeckung der  Pyrenäenbewohner),  Fes-,  Tuch-  und  Wollstofffabrikation. 

Neapel,  Provinz  mit  gleichnamiger  Hauptstadt  im  Königreich  Italien: 
Bedeutende  Seidenindustrie,  Woll-  und  Baumwollspinnerei  und  -weberei,  Posa- 
mentenindustrie,  Spitzen-,  Schleier-  und  Weisswarenfabrikation. 

Neapolitanische  Baumwolle,  s.  Baumwollsorten. 

Nebula  (lat.),  dünner  durchsichtiger  Kleiderstoff  und  das  daraus  be- 
stehende Kleid. 

Necanias,  Nicanias,  Necanees,  sind  blau  und  weiss  gestreifte,  ostindische 
Kattune.  Die  Engländer  unterscheiden  breite  Ware,  Necanees  broad,  und 
schmale  Ware,  Necanees  narrow;  die  europäischen  Gingans  haben  diese  Ware 
fast  ganz  verdrängt. 

Abb.  203. 


"  ««rr-^sässsarit,'^-'^ 


Abb.  204. 


mg^ 


1SK5, 


j«Sfefe.- ■  AJK^Ä^iB 


Needle-work  (engl.)  Nadelarbeit,  Stickerei. 

NeganepOS,  sind  ursprünglich  bunte,  baumwollene  Zeuge,  in  verschiedenen 
einfachen  Farben,  welche  zum  Handel  nach  Afrika  gebraucht  wurden.  Sie  sind 
später  in  E-ouen  nachgemacht  worden. 

Negrepelisses,  ein  langhaariger,  stark  gerauchter  Barchent  aus  einigen 
Gegenden  der  französischen  Landschaft  Quercy,  welcher  meistens  schwarz  gefärbt, 
zum  Teil  auch  weiss,  grün,  gelb,  blau  über  Bordeaux  in  den  Handel  kommt, 
jedoch  grösstenteils  nur  in  Frankreich  verbraucht  wird. 

Nelsse,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Oppeln  :  Spitzenfabrikation. 

Nelke,  Pflanzengattung  aus  der  Familie  der  Caryophyllaceen.  Es  sind 
schön  blühende  krautartige  Gewächse,  die  grösstf^nteiis  in  der  nördlichen  ge- 
mässigten Zone  vorkommen.  Die  bekannteste  Art  ist  die  Gartennelke  (Dianthus 
caryophyllus  L.  =  Abb.  201  u.  202),  die  im  südl.  Europa,  vorzugsweise  in  Dal- 
matien  zu  Hause  ist,  sich  aber  auch,  z.  T.  wohl  verwildert,  durch  Norditalien 
und  die   Schweiz,   j«    selbst  in  England   auf  Mauern    und   Felsen  findet.      Die 


364 


Nelson. 


Blumen  sind  fleischfarbig  rosa,  auch  vom  reinsten  Weiss  bis  zum  dunkelsten 
Purpur.  Ihre  Anwendung  als  Kunstform  lässt  sich  besonders  in  Italien  seit  dem 
17.  Jahrh.  auf  Geweben  verfolgen,  woselbst  sie  sowohl  in  halbnaturalistischer 
Auffassung  (Abb.  203),  als  auch  in  strenger  Stilisierung  palmettenförmig  (Abb.  204) 
neben  Tulpen  und  Kaiserkronen  im  sogen.  Streumuster  (s.  d.)  erscheint.  Auch 
in  späteren  orientalischen  Kunstwebereien  und  Stickereien  (s.  d.)  wird  die  N. 
gern  als  Musterung  gewählt ,  sie  kommt  darin  als  Strauss  neben  der  Hyacinthe 
und  Tulpe  vor:  bevorzugt  ist  sie  in  Persien;  aber  auch  Indien  nimmt  sie  als 
Motiv  für  die  Flächendekoration  auf  (Abb.  170).  In  Deutschland  und  den 
slawischen  Ländern  kommt  häufig  eine  nelkenartige  Blume  zur  Darstellung, 
welche  sich  aber  eher  der  Kornblume  zu  nähern  scheint,  mit  welcher  die  N., 
namentlich  in  der  Stilisierung,  viel  Verwandtes  zeigt  (Abb.  184).  In  bekannter 
naturalistischer  Auffassung  kommt  die  N.  in  Japan  auf  Geweben  und  Stickereien 
vor  (Abb.  205). 

Abb.  205. 


Abbildungen: 
201  u.  202.     DarstelluDgen  der  Gartennelke  aus:    Lobelius,   plantarum   sev  stir- 
pium  icones,  Antwerpen  1581. 

203.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Brokatstoff,  weiss  und  Silber:  Streumuster  aus  stihsierten  Nelkenzweigen.  ItaHen 
17.  Jahrh. 

204.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Halbseidenstoff,  ohne  Rücksicht  auf  das 
Muster  farbig  durchschossen  mit  Darstellung  von  nelkenartigen  Palmettenblütenzwdlgen 
in  symmetrischer  Anordnung.     Italien  17.  Jahrb. 

205.  Darstellung  aus :  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896.  Bl.  58.  Geschnittene 
Papierschablone  mit  Darstellung  blühender  Nelkenzweige.     Japan  19.  Jahrh. 

Nelson,  Municipalborough  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Bedeutende 
Baumwollspinnereien . 


Nema  sericum — NetzarbeiteD.  365 

Nema  sericum  (lat.),  wurde  im  alten  Rom  gezwirnte  Seide  genannt. 

Nemazi,  türkischer  Name  für  Gebetteppich  (s.  d.). 

Nemeds  heissen  in  Persien  Filzteppiche ;  dieselben  werden  aus  vermengten 
Wollen  gestampft,  und  zwar  so  lange,  bis  sie  das  haarige  Gefaser  verlieren. 
Das  Muster  wird  (meist  in  farbiger  "Wolle)  in  besonderer  Art  eingepresst. 

Nerechta,  Stadt  im  russ.  Gouvernem.  Kostroma:  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei,  Handel  mit  Flachs  und  Garn. 

Neri,  Haspelseidenabfälle,  s.  Bassinas. 

Nesselfaser  heisst  die  mit  Flachs  zubereitete  Bastfaser  der  grösseren 
Brennesselarten,  welche  vor  der  Einführung  der  Baumwolle  zur  Erzeugung  von 
Garnen,  Nesselgarn  und  Geweben  (Nesseltuch)  diente.  Das  Spinnen  von  Nessel- 
fasern ist  keineswegs  neu;  denn  höchst  wahrscheinlich  wurden  deren  bereits  im 
16.  Jahrhundert  gesponnen.  Ein  Schriftsteller,  der  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth 
lebte,  berichtete  schon,  dass  man  in  Ostindien  zu  Kalikut  und  Goa  aus  dem 
Baste  verschiedener  Nesseln  sehr  feine  Stoffe  verfertige.  Gewiss  ist,  dass  man 
später  in  Holland  und  Belgien  Nesselfäden  zum  "Weben  leinwandartiger  Gewebe 
anwendete.  Diese  scheinen  von  der  Urtica  utilis,  welche  in  Java  den  Namen 
Kamie  führt,  gewesen  zu  sein.  Die  utilis  gibt  perlmutterweisse  Fasern,  während 
die  Urtika  nivea  grünlichweisse  liefert.  Diese  sind  steif,  jene  sehr  weich  an- 
zufühlen. 

Nesseltuch  ist  meist  ein  ungebleichtes  leinwandbindiges  Gewebe  aus  dem 
zarten  feinen  Garn,  welches  man  aus  den  Stengeln  der  grossen  Brennessel  ge- 
winnt. Diese  Fabrikation  ist  aber  jetzt  durch  baumwollene  Stoffe  verdrängt. 
Häufig  versteht  man  heut  unter  N.  raittelfeine  und  gröbere,  ungebleichte  Baum- 
wollzeuge, welche  meist  zu  Leibwäsche  und  zu  TJnterfutter  in  Kleidern  benützt 
werden. 

Nestel,  Nestelschnur  (lat.:  nastula;  franz.:  aiguillete;  engl.:  aiglets),  eine 
zum  Zusammenschnüren  von  Kleidungsstücken  dienende  Schnur,  an  den  Enden 
mit  einer  metallenen  Spitze,  Nestelstift,  Schnürsenkel  (franz. :  f er  d'aiguil- 
lette;  engl.:  tag),  zum  Durchstecken  durch  Löcher. 

Nestelverzierung  (franz.:  lacet;  engl.:  strapwork),  Verzierung  in  Gestalt 
schmaler,  sich  kreuzender,  aber  nicht  geflochtener,    sondern    verknoteter  Bänder. 

Netz  (franz.:  canevas;  engl.:  canvass),  ein  aus  Maseben  bestehendes  Gestrick. 

Netzarbeiten  sind  im  weiteren  Sinne  alle  durch  Flechten  oder  Knoten 
entstandene  Maschenwerke ,  wozu  diejenigen  Fadengebilde  vom  einfachsten 
Fischernetz  bis  zum  feinsten  Grundnetz  der  Nadel-  oder  Klöppelspitzen  und 
auch  verwandte  Stickereien,  Häkeleien  und  Knüpfereien  zu  rechnen  wären ;  die 
moderne  Handarbeit  versteht  aber  darunter  die  durch  Netzschützen  hergestellten 
sogen.  Filets  (s.  d.),  deren  Musterung  durch  Auf-  oder  Abnehmen  der  Maschen 
entstehen,  welches  in  ein  und  derselben  Reihe  oder  auch  nur  bei  bestimmten 
Reihen   geschehen    kann:     je   nachdem    wird    der   Fadendurchbruch   verschieden 

Abb.  206. 


sein,  wodurch  sich  diese  Art  der  N.  besonders  von  der  eigeutlichen  Filetarbeit 
unterscheidet.  Noch  weiter  gehen  sie  davon  ab,  wenn  kreisförmige  Netze  mit 
langen  und  kurzen  Maschen  auf  diese  Weise  gebildet  werden,  welche  als  Vor- 
läufer der  sogen.  Solspitzen  (s.  d.)    gelten  können.      Zum   eigentlichen  Netzwerk 


366 


Netzschkau — Neudeutsche  Stickerei. 


Abb.  207. 


führte  die  uralte  Anwendung  des  Knotens.  Bei  den  Alten  war  der  spanische 
Hanf  zu  Netzen  der  beste.  Man  machte  Netze,  worin  Eber  gefangen  wurden, 
von  so  grosser  Feinheit,  dass  ein  einziger  Mann  so  viel  davon  auf  seinem  Rücken 
tragen  konnte,  als  hinreichte,  um  einen  ganzen  Wald  damit  zu  umstellen.  Das- 
selbe Geflecht    diente  in    dichteren   Maschen    auch   als  Brustharnisch,   wozu  der 

Faden,  obschon  an  sich  fein,  dennoch  aus 
3 — 400  Einzelfäden  zusammengezwirnt  war. 
Diese  Industrie  scheint  —  wie  Gottfried 
Semper  nach  Plinius  und  Herodot  berichtet 
—  besonders  in  Aegypten  geblüht  zu  haben, 
wovon  die  Ziernetze  aus  Glasperlenschnüren, 
welche  uns  noch  an  Mumien  erhalten  sind, 
^  ^^^      _  ^       _  Zeugnis  ablegen.    Dieser  Schmuck  war  auch 

S****^il'''^^'i^W^^^%^iiil^*J'*'^  ^^^  ^^^  Griechinnen,  sowie  bei  den  hetruski- 
Wlil^^'^\*Mh^*^K^tß9^^^^^^*^$Si  sehen  und  römischen  Damen  gebräuchlich.  In 
L^ii.ik\.«yJi!®^;.\«^A;.*-Vm^.»l         Ij,^[qj^  dient  das  Netz  als  reiches  Motiv  für 

Kopfbedeckungen  und  Halsbänder ,  wobei 
grosser  Geschmack  entwickelt  wird.  Des- 
gleichen für  Gewänder  und  Behänge  in  Ja- 
pan, woselbst  das  Motiv  des  Netzes  als 
köstliche  Flächen  Verzierung  Verwendung 
gefunden  hat  (Abb.  206).  Das  Mittelalter 
liebte  in  Deutschland  und  Spanien  das  zier- 
liche Netzwerk  als  Schmuck  des  Haupthaares 
und  leichteste  Körperhülle;  auch  aus  den 
koptischen  Textilfunden  (s.  d.)  sind  Kopf- 
netze und  Mützen  aus  ähnlichem  Geflecht 
erhalten  (Abb.  207).  (lieber  den  durch  Nähen  und  Klöppeln  hergestellten  Spitzen- 
netzgrund  vergl.  den  Artikel  Spitzen.)  In  neuerer  Zeit  werden  die  Netzarbeiten 
durch  alle  möglichen  Schlingstiche  in  sogen.  Spinnen-,  Würfel-  und  anderen 
-Mustern  belebt,  welche  Art  der  Handarbeit  dann  schliesslich  in  die  allgemeine 
Filetarbeit  (s.  d.)  übergeht. 

Abbildungen: 

206.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Sammetstoff  von  einem  Obi  (Gürtel),  blau,  Grund  ungeschnitten,  Muster  geschnitten : 
Darstellung  von  Netzwerk,  in  das  sich  Schwalben  gefangen  haben.      Japan  19.  Jahrh. 

207.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Teil  einer  Mütze,  Netzarbeit  in  gelblichem 
Garn.     Aus  einem  koptischen  Grabe  des  5. — 7.  Jahrhs. 

Netzschkau,    Stadt    in    der  Amtshauptmannschaft  Plauen:    Spinnerei  und 

bedeutende  Textilindustrie. 

Netzstrickmaschinen  (Filetmaschinen),  dieselben  stellen  das  Netzwerk 
mechanisch  mit  rhombischen  Maschen  her.  Der  geschlungene  Knoten  ist  dem 
durch  Hand  geschlungenen  Filetknoten  ganz  gleich ;  nur  erfolgt  die  Netzbildung 
durch  das  Zusammenwirken  zweier  Fadensysteme. 

Neubistritz,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  in  Böhmen: 
Webschule,  Tuch-  und  Baumwollindustrie. 

Neudeck,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Graslitz  in  Böhmen : 
Spitzen-  und  Handschuhfabrikation,  AVoll Spinnerei.  Die  hier  erzeugten  Spitzen 
enthalten  geometrische  oder  stilisierte  Blumenmuster  aus  starkem  Faden. 

Neudeutsche  Stickerei  bezeichnet  Prof.  Dr.  jur.  Frh.  v.  Weissenbach  in 
Leipzig  eine  von  ihm  kürzlich  erfundene  Technik,  welche  auf  abgezählten  I^den 
verschiedene  Sticharten  herstellt,  die  auf  Grund  der  Permutations-(Versetzungs-) 
lehre  entstehen.  Der  Ausgangspunkt  ist  eigentlich  der  Kreuzstich  und  die  der 
Leinenstickerei  angepassten  Arten  des  Flechten-,  Holbein-  und  Kästchenstiches, 
indessen  bietet  die  N.  St.  interessante  Abwechselungen,  welche  auch  eine  Erwei- 
terung des  bisher  beschränkten  quadratischen  Formengebietes  ermöglichen.  Die 
Bildung  der  Muster  geschieht  lediglich  aus  Schlingen  und   Knoten,  welche  dem 


Neuendorf — Newcastle-under-Lyme.  367 

Arbeitsfaden  charakteristisch  eigentümlich  sind  und  sich  tunlichst  den  verschie- 
denen Bindungen  des  Gewebes  anschliessen ,  so  dass  damit  eine  Uebertragung 
der  Bindungslehre  auf  die  Stickerei  ermöglicht  ist.  Eine  Reihe  von  Stoffen  sind 
auf  Anregung  des  Erfinders  entstanden,  welche  der  betreffenden  Arbeiterin  es 
wesentlich  erleichtern,  selbstschöpferisch  in  leichter,  rascher  Weise  völlig  neue 
Formen,  insbesondere  Sterne,  Rosetten,  Kränze  und  andere  Bortenmotive,  zu 
schaffen.  Vgl.  Theorie  und  Praxis  der  Neudeutschen  Stickerei  von  Prof.  Dr.  jur. 
Hamas  Frh.  v.  Weissenbach,  Verlag  der  „Deutschen  Modenzeitung",  Aug. 
Polich  in  Leipzig  (s.  Stickerei). 

Neuendorf  bei  Potsdam  im  Kreis  Teltow:  Baumwoll-,  Kammgarn-  und 
Seidenspinnerei ;  Hausweberei. 

Neuffen,  Stadt  im  württemb.  Schwarzwaldkreis:  Decken-  und  Gurten- 
weberei, mechan.  Strickerei. 

Neugersdorf  bei  Löbau,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen : 
Bedeutende  Fabrikation  von  Baumwoll-  und  HalbwoUwaaren,    Strumpfstrickerei. 

Neuhaus,  Stadt  in  Böhmen:  Tuch-  und  Wollwarenfabrikation,  Färbereien. 

Neuhückeswagen,  Landgemeinde  im  Kreis  Lennep  des  preuss.  Reg.-Bez. 
Düsseldorf:  Wollspinnereien,  Tuch-  und  Seidenwebereien,  Band  Wirkereien  und 
Filzfabrik. 

Neukirchen  im  Rheinland,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Plüsch- 
weberei (Hausindustrie). 

Neukirchen  bei  Ziegenhain,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Kassel:  Spitzen- 
klöppelei. 

Neumünster,  Stadtkreis  im  preuss.  Reg.-Bez.  Schleswig:  Tuch-,  Woll-  und 
Halbwollindustrie . 

Neunkirchen,  Marktflecken  und  Sitz  der  Bezirkshauptmannschaft  in  Nieder- 
österreich :  Zitz-  und  Kattundruckerei,  Spinnereien. 

Neuötting,  Stadt  im  bayer.  Reg.-Bez.  Oberbayern:  Wollspinnerei  und 
Tuchfabrikation. 

Neurode,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez,  Breslau:  Mechan.  Weberei  und 
Färberei,  Spinnerei  und  Handweberei,  Handel  mit  Decken,  Teppichen,  Tuch- 
schuhen und  Bändern.  Die  früher  sehr  bedeutende  Tuchfabrikation  ist  zurück- 
gegangen. 

Neuruppin,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Potsdam :  Wollspinnerei  und  Tuch- 
fabriken. 

Neusalza,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  Chemische 
Bleichen  und  bedeutender  Handel  mit  Leinengarn. 

Neuseeländischer  Flachs  (Blattfaser  für  Weberei),  eine  in  Neuseeland 
einheimische  Pflanze.  Das  Material  ist  dem  gewöhnlichen  Hanfe  ähnlich  und 
erzielt  haltbarere  Gewebe. 

Neuss,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Kunstwollfabriken,  mechan. 
Weberei  von  baumwollenen  und  halbwollenen  Zeugen. 

Neustadt  in  Oberschlesien:  Teppich-,  Leinen-  und  Damastweberei. 

Neustadt  an  der  Orla  im  Grossherzogtum  Sachsen- Weimar :  Fabrikation 
von  Tuch,  Flanell,  Instrumententuch. 

Neustadt  an  der  Mettau,  Stadt  in  Böhmen:   Weberei   und  Leinenhandel. 

Neustädtel  in  Sachsen,  Stadt  in  der  Kreishauptmannschaft  Zwickau: 
Spitzenklöppelei  und  Stickerei. 

Neustadtl,  Stadt   in  Mähren:   Leinen-,   Baumwollweberei  und   Flachsbau. 

Neutitschein,  Stadt  in  Mähren:  Fachschule  für  Weberei,  Wollindustrie, 
Hutfabriken. 

Neuwerk,  Dorf  im  Kreis  Gladbach  des  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf: 
Vereinigte  vormals  Pougssche  Spinnereien  und  Webereien,  Sealskinfabrik  (Broich- 
mühle),  Baumwollwaren-  und  Kunstwollfabrikation. 

New-Bedford,  Hauptort  des  County  Bristol  im  nordamerik.  Staat  Massa- 
chusetts: Bedeutende  Baumwollspinnereien. 

Newcastle-under-Lyme,  Municipalborough  in  der  engl.  Grafschaft  Stafford : 
Fabriken  für  seidene  und  baumwollene  Waren. 


368  New-Hampshire — Niederzwönitz. 

New-Hampshire,  einer  der  Neuenglandstaaten  der  Vereinigten  Staaten 
von  Amerika:  Wichtig  ist  die  Fabrikation  von  BaumwoU-,  WoU-  und  Strick- 
waren. 

Newkerry,  südamerik.  Baumwollsorte. 

New-Orleans,  nordamerikanische  Baumwollsorte ,  weiss,  minderglänzend, 
sehr  kräftig  im  Faden. 

Newton,  Stadt  im  County  Middlesex  in  Massachusetts :  BaumwoU-,  Kamm- 
garn- und   Seidenspinnereien. 

Newtown  and  Llanllwchaiarn,  Stadt  im  engl.  Fürstentum  Wales :  Mittel- 
punkt der  Flanellfabrikation  der  Grafschaft. 

Newtownards,  alte  Fabrikstadt  in  der  irischen  Grrafschaft  Down .  Flachs- 
spinnerei, Leinen-  und  Musselinweberei. 

Niederlande,  Nederland,  Königreich.  Berühmt  sind  die  Segeltuchfabriken 
und  die  Werkstätten  für  Tauwerk  in  Rotterdam,  Amsterdam,  Gouda.  Vorzüg- 
liche Leinenwaren  werden  in  Leiden  und  Brabant  fabriziert.  In  der  Tuch- 
fabrikation, mit  deren  Erzeugnissen  die  N.  einst  das  stärkste  Geschäft  in  Europa 
machten,  sind  dieselben  von  Belgien  längst  überflügelt;  doch  liefern  Leiden,  Delft, 
Utrecht,  Tilburg,  Maastricht  und  Boermond  immer  noch  ausgezeichnete  Waren. 
Auch  die  Baumwollmanufaktur  hat  sich  seit  1830  mehr  entwickelt,  namentlich 
in  Nord-  und  Südholland,  Brabant  und  besonders  in  Oberyssel. 

Das  Seidengewerbe  brachten  französische  Auswanderer  nach  den  N. 
und  erhoben  es  in  kurzer  Zeit  zu  hoher  Blüte,  Zwar  wurde  schon  früher  (1682) 
in  Amsterdam  eine  Weberei  mit  hausindustriellem  Betrieb  errichtet,  doch 
gelaug  es  erst  mit  Unterstützung  der  Befugie's^  in  Utrecht  eine  Fabrik  anzu- 
legen, welche  1816  einging.  In  Haarlem  wurden  grosse  Seiden-,  Halbseiden- 
Gazefabriken,  in  Utrecht  und  Staarden  Sammet Webereien  angelegt.  (Vgl. 
die  Auszüge  von  Silbermann,  Die  Seide  u.  s.  w.  Dresden  1897,  S.  113.)  „Die 
Holländer,"  sagt  Davenant  (1697),  „haben  eine  solche  Seidenmanufaktur  in  ihrem 
Lande,  dass  wir  von  dort  mehr  Seide  importieren,  als  wir  von  Indien  hierher- 
bringen; ....  der  grösste  Teil  der  Sammete  kommt  aus  Holland."  Auf  dem 
spanischen  Markt  vermochten  die  holländischen  Seidenstoffe  sogar  die  französischen 
Fabrikate  zu  verdrängen.  Die  Gewerbeverfassung  hat  durch  strenge  Gesetze 
auf  die  Güte  der  Fabrikate  hingearbeitet;  u.  a.  mussten  die  Seidenfärber  in 
Amsterdam  die  Versicherung  abgeben,  dass  sie  die  Seide  nicht  erschweren  würden. 
Die  Gewebe  wurden  amtlich  untersucht  und  mit  dem  Stadtsiegel  versehen,  welches 
bei  der  vorzugsweise  entwickelten  Hausindustrie  dem  Käufer  dieselbe  Garantie 
bot,  wie  ein  renommierter  Firmenstempel  in  heutiger  Zeit.  Aber  schon  im 
ersten  Viertel  des  18.  Jahrhs.  lassen  sich  sichere  Anzeichen  des  bevorstehenden 
Verfalls  der  Seidenmanufakturen  wahrnehmen.  Es  wurden  auch  Mittel  in  Vor- 
schlag gebracht,  um  die  untergehende  Seidenindustrie  zu  heben,  indessen  zu  spät, 
um  mit  der  von  Frankreich,  England  und  dem  Niederrhein  erwachsenen  Kon- 
kurrenz einen  aussichtsreichen  Kampf  aufnehmen  zu  können. 

Die  Spitzenindustrie  hat  im  17.  Jahrh.  in  den  Niederlanden  eine  be- 
deutende Stellung  eingenommen,  doch  scheint  man  zuerst  vorzugsweise  nach 
italienischen  Vorbildern  gearbeitet  zu  haben.  Auffallend  ist  in  dieser  Zeit  die 
dichte  Musterung  der  vornehmlich  erzeugten  Klöppelspitzen.  Im  18.  Jahrh. 
erhalten  die  niederl.  Städte  Brabant,  Haarlem  und  vor  allem  Mecheln  das 
Uebergewicht  in  der  Spitzenindustrie,  wozu  besonders  der  feine  Leinenfaden  bei- 
trägt, der  damals  in  keinem  andern  Lande  in  solcher  Güte  erzeugt  wurde. 

Niederoderwitz,  Dorf  in  der  Amtshauptmannschaft  Zittau:  Bedeutende 
Leinwandweb erei  und  -bleicherei. 

Niederösterreich,  meist  gebräuchlicher  Name  für  das  Erzherzogtum  Oester- 
reich  unter  der  Enns :  Baumwollspinnereien  und  -Webereien,  Jutefabriken,  Baum- 
wolldruckereien und  -färbereien,  Appreturanstalten  und  Bandfabriken,  Seiden- 
weberei, Kammgarnspinnerei,  Erzeugung  von  Teppichen,  Decken  und  Kotzen, 
Posamentierwaren,  Wäsche  und  Kleidern. 

Niederzwönitz,  Dorf  in  der  sächsisch.  Amtshauptmannschaft  Chemnitz: 
Buntweberei,  Strickereien,  Weberei  und  Spitzenfabrikation. 


Niemes— Nordische  Kunstwebereieu.  369 

Niemes,  Stadt  in  Böhmen:  Fabrikation  von  Leinen-,  Baumwoll-  und 
Tuchwaren. 

Nikerie,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Nillas,  chinesische  und  ostindische  Zeuge,  welche  aus  Baumbast  mit  Seide 
gemischt  gewebt  werden;  sie  kamen  durch  die  Franzosen  nach  Europa. 

Nilsaris,  Nilsarias ,  dichte  und  festgeschlagene  ostindische  Kattune  aus 
Surate,  mit  grossen  runden,  blauen  Flecken,  welche  in  Streifen,  Ranken  oder 
schachbrettartig  geordnet  sind. 

Nimes,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Gard:  Die  Textilindustrie  ist  zurück- 
gegangen, dagegen  werden  jetzt  Florett-,  Stick-  und  Nähseide,  Teppiche,  Tisch- 
decken, Möbelstoffe,  Shawls  und  Tartans,  Foulards  und  Schnüre  fabriziert.  Das 
Seidengewerbe  wird  1411  eingeführt;  unter  Ludwig  XII  erhielt  N.  1498  durch 
grosse  Fabriken  bedeutenden  Zuwachs. 

Nims,  Draps  de  Nims;  eine  Gattung  mittelfeiner  Halbtücher  aus  den 
franz.  Manufakturen  von  Carcassonne,  Lodeve,  Clermont  u.  s.  w.  Sie  werden 
aus  feiner  Boussillon-  und  LanguedocwoUe  gewebt,  sollen  vorschriftmässig  2200 
Kettfäden  haben  und  im  Stück  gut  gefärbt  sein. 

NingpO,  Stadt  in  China:  Erzeugung  von  Atlasstoffen  und  Krepps. 

Nismer  Shawls  sind  gewöhnliche,  halbwollene  Umschlagtücher  in  ver- 
schiedener Weise  fassoniert.  In  Deutschland  wird  das  Fabrikat  ebenfalls  vor- 
züglich schön  und  billig  hergestellt. 

Nivelles,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Brabant:  "Wollspinnereien,  Woll-  und 
Baumwollweberei,  Leinwandindustrie. 

Nobilta  ist  in  Italien,  besonders  im  Toskanischen,  eine  Art  breiter  Moor 
oder  glatter  Tabin,  von  Seide  mit  Baumwolle  vermischt. 

Noeud  COUlant  (franz.),  gleitender  Knoten  beim  Stricken  und  Häkeln. 

Nomadenteppiche  unterscheidet  man  innerhalb  der  persischen  Knüpf- 
teppiche besonders ;  die  Ornamentik  ist  eine  sehr  einfache ;  ältere  Beispiele  davon 
mit  zuverlässiger  Datierung  sind  kaum  nachweisbar.  Eine  besondere  Gruppe 
der  N.  erscheint  durch  die  wohlbekannten  Motive  der  Wirktechnik  charakterisiert, 
(vgl.  Alois  Biegl,  Altorientalische  Teppiche,  Leipzig  1881.  S.  53  u.  66&.). 

Nonpareille,  im  franz.  Warenhandel  unterscheidet  man  durch  die  Be- 
zeichnung im  allgemeinen  die  feinsten  oder  ausgesuchtesten  Sorten  mehrerer 
Artikel  von  den  mittleren  oder  geringeren,  z,  B.  die  ersten  Sorten  von  Seiden- 
band aus  den  Manufakturen  von  Lyon,  St.  Etienne  und  Chaumont.  Insbesondere 
versteht  man  darunter  einen  leinenen  kamelotartigen  Stoff  (s.  Camelatin). 

Noppen  heissen  die  kleinen  Maschen  des  Sammets  oder  sammetartigen 
Gewebes,  welche  aufgeschnitten  den  Flor  bilden.  Sie  bleiben  unaufgeschnitten 
bei  dem  sogenannten  ungerissenen  Sammet.  Auch  einzelne  auf  Geweben  liegende, 
mit  gewebten,  kleinen,  manchmal  geknoteten  Schlingen  werden  N.  genannt;  die- 
selben können  auch  in  Brokatstoffen  aus  Metallfäden  gebildet  sein. 

Nordhorn,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Osnabrück:  Baumwollspinnerei,  drei 
Baumwollwebereien. 

Nordische  Kunstwebereien,  unter  dieser  allgemeinen  Bezeichnung  kommen 
seit  dem  Beginn  der  70er  Jahre  des  19.  Jahrhs.  Wirkereien  und  Knüpfarbeiten 
aus  Schweden  und  Norwegen,  welche  in  Nachahmung  der  altnordischen  Weberei 
entstehen,  die  sich  in  jenen  Ländern  vom  frühesten  Mittelalter  bis  in  das 
19.  Jahrh.  als  Hausindustrie  erhalten  hatte,  aber  allmählich  durch  die  Maschinen- 
arbeit verdrängt  und  zuletzt  ganz  in  Vergessenheit  geraten  war.  Museen,  Ver- 
eine und  Fachschulen  sorgten  dafür,  dass  zur  Wiederbelebung  dieser  verloren 
gegangenen  Handfertigkeit  vor  allem  ältere  Arbeiten  beschafft  wurden,  nach 
welchen  man  die  Technik  in  entsprechenden  Mustern  lehren  konnte.  Dieselben 
bestehen  in  frühester  Zeit  lediglich  aus  geometrischen  Figuren  (Abb.  208),  welche 
in  Art  des  orientalischen  Kilim's  (s.  d.)  streifenförmig  geordnet  sind;  erst  um 
1500  wurde  die  Technik  durch  Einführung  der  vlämischen  Wirkerei,  welche  sich 
später  den  nördlichen  Gegenden  Deutschlands  mitteilte  (Abb.  209),  erweitert 
und  beweglicher  gemacht,  wobei  auch  moderne  Entwürfe  im  Stile  japanischer 
Muster  (Abb.  210)   entstanden.      Trotz   der   systematischen   Pflege    dieser    alten 

"Heiden,    Handwörterbuch  der  Textilktinde.  24 


370 


Nordische  Kunstwebereien. 


Abb.  208. 


Abb.  209. 


Nordische  Kunstwebereien. 


371 


Abb.  210. 


Webe-  und  Knüpftechnik  (Abb.  211),  worin  zunächst  der  „Handarbetets  Yänner" 
in  Stockholm,  ein  anderer  aus  Lund  in  Schweden  eifrig  tätig  war,  wollte  es 
nicht  gelingen,  den  dort  erzeugten  Arbeiten  ein  grösseres  Absatzgebiet  zu  er- 
schliessen  und  man  begann  deshalb  in  dem  nordschleswig'schen  Dorf  Scherebek 
unter  Leitung  des  Pastors  Jakobsen,  später  in  H a m b u r g  (F r  1.  B r i n c k- 
mann),  in  Berlin  (Fabrikant  P.  Lindhorst,  der  Lette-Verein,  da- 
selbst) u.  a.  0.  der  nordischen  Kunstweberei  erhöhte  Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 
Die  Technik  der  Wirkerei  ist  einfacher  Art,  besonders  zur  Herstellung  der  rein 
geometrischen  Muster  (s.  Kilim).  E-eicher  ist  die  vlämische  Wirkerei  ausgestattet, 
die  das  ganze  Gewebe  mit  bunten 
unregelmässigen  Mustern  bedeckt, 
die  dadurch  entstehen,  dass  man  auf 
baumwollener  Kette  lediglich  den 
Einzugsfaden  verwendet,  der  sich 
auf  kleinen,  schiffchenartigen  Spulen 
befindet  und  nun  nach  buntem 
Musterblatt,  das  auf  kleinkariertem 
Musterzeichenpapier  vorgezeichnet 
ist,  ausgeführt  wird.  Dabei  sind  so 
viele  Spulen  in  Arbeit,  wie  das  Bild 
Farben  enthält.  Bei  einer  dritten 
Technik  erscheinen  die  Figuren  in 
hochflorigem  Plüsch,  der  eingeknüpft 
ist  und  geschoren  wird  (Abb.  211). 
Ausser  Webereien  nach  nordischen 
Mustern  werden  auch  solche  nach 
romanischen,  gotischen  und  mau- 
rischen, sowie  in  modernen  Stilarten 
ausgeführt,  wobei  man  sich  allmäh- 
lich von  fremden  Elementen  unab- 
hängig machte  und  nach  Entwürfen 
arbeitete,  die  von  0.  Eckmann, 
W.  Leistikow,  van  de  Velde, 
HansThoma,Mohrbutteru.  a. 
hergestellt  wurden,  wobei  neben 
rein  geometrischen  auch  figürliche 
und  pflanzliche  Motive,  oft  zu  gros- 
sen zusammenhängenden  Darstel- 
lungen vereinigt,  geboten  wurden. 
Hierbei    ist    das   Hauptgewicht  auf 

klare ,    energische  Zeichnung   und    kräftig  wirkende   Farben    gelegt.     (Vgl.    die 
Artikel:    Kilim,  Bildwirkerei,  Wandteppiche.) 


Abbildungen: 

208.  Darstellung  aus :  Extrablätter  der  Illustrierten  Frauenzeitung,  Berlin,  Jahr- 
gang 1 900,  Heft  9 :  Nordische  Kunstweberei  in  Stopfarbeit  aus  farbiger  Wolle ;  Nach- 
ahmung eines  gewebten  sogen.  „Karamany".     Moderne  Arbeit. 

209.  Darstellung  aus:  Brinckmann,  Das  Hamburgische  Museum  für  Kunst 
und  Gewerbe ,  Leipzig  1894.  S.  97 :  Stuhlkissen,  Arbeit  eines  niederelbischen  Bild- 
wirkers der  ersten  Hälfte  des  17,  Jahrhs.  in  farbiger  Wolle :  auf  schwarzem  Grunde 
Darstellung  eines  Papagei's  auf  schwerem  Blumengehänge. 

210.  Original  aufnähme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Schlitzwirkerei  in  farbiger  Seide  auf  hellblauem  Grunde ,  Kirschblütenzweig  und  ein 
Paar  von  Schwalben.     Japan,  Anfang  19.  Jahrb. 

211.  Darstellung  wie  209:  Stuhlkissen  in  Knüpfarbeit  auf  dunkelblaugrünem 
Leinen,  die  Noppen  in  gelber,  weisser,  roter  und  dunkelblauer  Wolle,  mit  geometrischer 
Musterung.     Schleswig'sche  Hausindustrie  18.  Jahrh. 


372 


Nördlingen — Norwich. 


Abb.  211. 


Nördlingen,  Stadt  im  bayer.  E,eg.-Bez.  Schwaben:  Teppich-  und  Loden - 
tuchfabriken. 

Normandie,  in  der  Spitzenindustrie  repräsentiert  durch  Caen,  le  Havre, 
Bayeux  und  Dieppe:  hier  bildet  seit  dem  16.  Jahrhundert  die  Spitzenklöppelei 
die  alleinige  Beschäftigung  der  Fischerfrauen  und  Mädchen. 

Norrköpping,  Stadt  im  schwed.  Län  Oestergötland :  Bedeutende  Baum- 
wollspinnerei und  Fabriken  für  Wollwaren.  Ausgeführt  werden  seewärts  nament- 
lich "Woll-  und  Baumwollgewebe. 

North-Bierley,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  Bedeutende  Woll- 
spinnerei. 

Norwegen  (norweg.,  schwed.  und  dän.:  Norge),  Königreich  auf  der  West- 
seite der  Skandinavischen  Halbinsel:  Die  Industrie  im  engeren  Sinne  hat  nur 
eine  geringe  Entwickelung ;  das  Textilgewerbe  beschäftigte  1899  etwa  9000  Per- 
sonen. Seit  dem  Mittelalter  wird  als  Hausindustrie  geübt  die  einfache  Wirkerei 
in  farbiger  Wolle,  worin  Wandteppiche  mit  figurenreichen  Darstellungen  und 
Decken  mit  geometrischen  Mustern  erzeugt  werden.  Besondere  Aufmerksamkeit 
hat  hierauf  gerichtet  und  erhaltene  Beispiele  veröffentlicht  der  Direktor  des 
Kunstindustriemuseums  in  Christiania  H.  G-rosch:  vgl.  Altnorwegische  Teppich- 
muster, Berlin  1888,  und  Altnorwegische  Bildteppiche  im  Kunst- 
industriemuseum zu  Christiania,  Berlin  1901. 

Norwich,  Municipalborough  in  der  engl.  Grafschaft  Norfolk:  Sch^n  seit 
13B6  war  N.  wegen  seiner  wollenen  Zeuge,  die  nach  dem  19  km  entfernten 
Orte  Worsted  auch  Worstedstuffs  hiessen,  berühmt.  Hier  legten  4000  flamländ. 
Flüchtlinge  im  16.  Jahrhundert  den  Grund  zur  Industrie  von  Tuch,  wollenen 
Zeugen  und  Strümpfen  in  England.  Wichtig  sind  noch  die  Fabrikation  wollener 
und  seidener  Shawls  ,  ausserdem  Fransen,  Gaze  und  Krepp,  Mousselin-de-Laine, 
Damentuch  und  Damast. 


Nor  wich — Überkette.  373 


Norwich,  Hauptort  des  Cöunty  New  London  im  südöstl.  Teile  von  Connec- 
ticut: Vier  grosse  Baumwollwerke  und  Fabriken  von  Wollvvaren. 

Nottingham,  abgekürzt  Notts,  Hauptstadt  der  Grafschaft  N.  im  mittleren 
England:  Ist  Mittelpunkt  der  Bobbinet-  und  Spitzenmanufaktur,  insbesondere 
der  Seiden-  und  Baumwollstrumpfwirkerei. 

Nouveautes  ist  in  Frankreich  die  Bezeichnung  für  die  neuesten  Modeartikel. 

Novara,  Hauptstadt  der  Provinz  N.  im  Königreich  Italien:  Leinwand- 
weberei und  Handel  mit  Seide. 

Novi,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Alessandria:  Ssidenzucht  und  Seiden- 
spinnerei, bedeutender  Handel. 

Nowawes,  Dorf  im  Kreis  Teltow  des  preuss.  E,eg.-Bez.  Potsdam:  ehemals 
Königl.  Fachschule  für  Plüschweber ;  Plüsch-  und  Baumwollweberei.  —  N.  wurde 
1751   von  Friedrich  d.  Grr.  für  evang.  Böhmen  angelegt. 

Nowgorod,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  russischen  Gouvernements.  Der 
Seidenverkehr  über  N.  ist  von  Wichtigkeit.  Schon  zur  Zeit  von  Swätoslaw 
(981 — 1015)  und  Wladimir  (9.  Jahrh.)  kamen  skandinavische  Kaufleute  nach  N., 
um  sich  mit  Seidenzeugen  zu  versehen.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  bereits 
im  Jahre  1060  eine  Ansiedelung  deutscher  Kaufleute  in  N.  bestanden  hat,  die 
schon  eine  eigene  Kirche  besassen.  Die  Vermittlerrolle  russischer  Handelsstädte 
erreichte  während  der  genuesisch-venetianischen  Fehden  im  13.  Jahrhundert 
ihren  Höhepunkt. 

Noyales,  starke  und  dichte  Leinen,  welche  aus  reinem,  ausgelesenem  Hanfe, 
fest  und  gedrungen,  mit  besonders  starken  S  ihlleisten  zu  Noyale,  Janze,  Piree,  im 
Depart.  der  Ille  und  Vilaine  gewebt  und  zu  Schiffssegel n  verbraucht  werden. 
Ausser  diesem  Segelleinen  nennt  man  in  Frankreich  auch  noch  N.  ein  feines 
und  mittelfeines  Halbleinen,  welches  im  Depart.  der  Oise  zu  Noyon  nach  Art 
der  Lavallinnen  gebleicht  und  appretiert  wird. 

Numerotage  ist  die  Numerierung  der  Garne. 
.     Nuneaton,  Stadt  in  der    engl.  Grafschaft  Warwick :    Bandfabrikation  und 
Baumwollspinnerei. 

Nürnberg,  Stadt  im  bayer.  Reg.- Bez.  Mittelfranken:  Im  14.  Jahrhundert 
Seidenweberei;  1573  zog  N.  italienische  Seidenfärber  in  seine  Mauern.  Im  Jahre 
1718  gehören  die  Spitzenweber  N.'s  noch  zur  Zunft  der  Posamentierer. 

Das  Germanische  Nationalmuseum,  gegründet  1852,  enthält  eine 
umfangreiche  Stoffsammlung ,  über  welche  Kataloge  erschienen  sind :  I.  Teil : 
Katalog  der  Gewebesammlung,  verfasst  von  Dr.  Theodor  Hampe,  1896,  ent- 
haltend Gewebe  und  Wirkereien,  Zeugdrucke.  11.  Teil:  Stickereien,  Spitzen 
und  Posamentierarbeiten,  verfasst  von  Dr.  Hans  Stegmann,    1901. 

Nürtingen,  Stadt  im  württemb.  Schwarzwaldkreis:  Baumwollspinnerei, 
Strumpf-  und  Gurtenwebereien,  Tuchfabrik,  Seegrasspinnerei  und  mechanische 
Strickereien. 


o. 

Oberbaum,  der  Kettenbaum  am  senkrechten  Webstuhl. 

Oberehnheim ,  franz.  Obernai,  Stadt  im  Kreis  Erstein  des  Bezirks 
Unterelsass :  Baumwollindustrie,  Fabrikation  von  Decken  und  Teppichen. 

Oberfach  (Obergelese)  heisst  in  der  Weberei  die  Gesamtheit  der  Kett- 
fäden, welche  am  Webstuhl  durch  die  Schäfte  oder  die  Tritte  nach  oben  ge- 
zogen werden;  die  nach  unten  gezogenen  Fäden  heissen  Unterfach. 

Oberkette,  bei  sammetartigen  Geweben  die  zweite,  den  Flor  hervor- 
bringende Kette. 


374  Oberleutensdorf — Oelsnitz. 


Oberleutensdorf ,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollspinnerei  und  Weberei, 
Tuchfabrikation. 

Oberlitze,  am  Muster  web  stuhl  die  Schnur,  welche  die  Schleife  oder  das 
Auge  trägt,  durch  welche  ein  Kettenfaden  gezogen  ist. 

Oberlungwitz,  Landgemeinde  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chemnitz : 
Handschuh-,  Trikotagen-  und  Strumpfwarenfabriken. 

Oberoderwitz,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  be- 
deutende Leinwandweberei. 

Oberösterreich,  meist  gebräuchlicher  Name  für  das  Erzherzogtum  Oester- 
reich  ob  der  Enns :  bedeutende  Leinen-  und  Baumwollindustrie ,  zumeist  in 
Kleinmünchen  bei  Linz.  Es  bestehen  9  Baumwollspinnereien  mit  1467  Ar- 
beitern und  128000  Spindeln,  4  Baumwollwebereien,  1  Flachsspinnerei  (10700 
Spindeln),  3  Leinenwebereien,  1  Schafwollweberei.  Als  Rausindustrie  wird 
die  Leinenweberei  im  Mühlviertel  nördlich  von  der  Donau  betrieben. 

Oberstdorf,  Marktflecken  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Schwaben:  bedeutende 
Baumwollindustrie. 

Obi,  japanischer  Gürtel  (s.  Japan). 

Ocana,  Bezirksstadt  der  span.  Provinz  Toledo:  Leinen-,  Flanell-  und 
Seidenfabrikation. 

Occischiffchenarbeit,  s.  v.  w.  Frivolitäten  (s.  d.). 

Odaliske  (vom  türk.) ,  frühere  Handelsbezeichnung  feiner  orientalischer 
Wollenstoffe  für  Kleider  und  Turbane,  nach  den  Haremsbewohnerinnen. 

Odenkirchen,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Baumwoll-  und 
Kammgarnspinnereien,  Seiden-,  Baumwoll-  und  Halbwollwebereien,  Baumwoll- 
druckerei, Fabriken  für  Kunstwolle,  Lampendocht  und  Watte. 

Oederan,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chemnitz  :  Fabrikation 
von  Teppichen,  Decken,  Flanell  und  Tuch. 

Odrau,  Stadt  in  Oesterreich-Schlesien:  Fabrikation  von  Tuch,  Woll-, 
Baumwoll-,  Leinen-  und  Seidenwaren. 

Oedt,  Marktflecken  im  Kreis  Kempen  des  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf: 
Fabrikation  von  Sammet-  und  Seidenwaren,  Zwirn,  Leinenweberei,  Färberei 
und  Bleicherei. 

Offenbach,  Stadt  in  der  hess.  Provinz  Starkenburg :  Trikot-  und  Börsen- 
weberei, Grold-  und  Silberspinnerei. 

Offenburg  in  Baden,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Kreises :  Baumwoll- 
spinnerei und  -Weberei,  Leinwandweberei  und  Bleiche,  Färbereien,  Seiden- 
färberei. 

Oeffner,  s.  Biet. 

Oggersheim,  Stadt  des  bayr.  Beg.-Bez.  Pfalz :  grosse  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei. 

OhligS,  Stadt  im  preuss.  E.eg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabrikation  von  Seiden- 
waren. 

Olbersdorf,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  Bleicherei, 
Weberei,  Jutespinnerei  und  Säckefabrik,  mechan.  Spitzenklöppelei. 

Oldenburg,  ein  zum  Deutschen  Beiche  gehöriges  Grossherzogtum:  Er- 
wähnenswert sind:  die  Leinenindustrie  (als  Hausindustrie)  des  Ammerlandes, 
die  Strumpfstrickerei  im  Amte  CloppenlDurg. 

Oliva,  Stadt  der  span.  Provinz  Valencia:  Seidenraupenzucht  und  Leinen- 
weberei. 2.  Ort  beiDanzig:  im  Kloster  daselbst  werden  ältere  gewebte  und 
gestickte  Gewänder  aufbewahrt. 

Olona,  eine  in  neuerer  Zeit  auf  den  Hawai-Inseln  entdeckte  nesselartige 
Pflanze,    deren  gespinstartige  Fasern  für  Textilzwecke  verwendbar  erscheinen. 

Oloron-Sainte  Marie,  Stadt  im  südwestfranz.  Depart.  Basses-Pyrenees : 
AYollspinnerei  und  Herstellung  von  Decken,  Strümpfen  und  Strumpfwaren. 

Olot,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Gerona:  Baumwollspinnereien  und 
Fabrikation  von  Seiden-,  Woll-  und  Baumwollwaren. 

Oelsnitz  im  Vogtland,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau: 
Bedeutende   Fabrikation   von   Axminsterteppichen    (Firma  Koch   und   te  Kock 


Oelsnitz — Opus  pulvinarium.  375 


mit  über  1000  Arbeitern,  die  grösste  derartige  Fabrik  Deutschlands),  Kamm- 
garnstoffen, engl.  Grardinen  und  Kongressstoffen,  Drellstoff,  Tischdecken  und 
Tüchern;    Jutewebereien   und  Druckereien,  Färbereien   und  Appreturanstalten. 

Oelsnitz  im  Erzgebirge,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Chem- 
nitz: Weberei  und  Strumpfwarenfabrikation. 

Oeltuch,  ein  wasserdichtes  Leinen-  oder  Baumwollengewebe,  das  mit  Oel- 
firnis  oder  Harzlösungen  getränkt  ist  und  zu  Schutzkleidern  für  Seeleute,  sowie 
als  Verpackungsmaterial  verwendet  wird. 

Ombres  (ombrierte  Zeuge) ,  "Wollstoffe  mit  farbigen  Streifen ,  deren 
Ränder  verwaschen  erscheinen.  Die  farbigen  Streifen  sind  in  der  Mitte  am 
dunkelsten;  zwischen  je  zwei  derselben  liegt  ein  hellerer,  vom  Dunkeln  in  das 
Hellere  allmählich  übergehend.  Diese  Färberei  geschieht  auf  einer  Maschine, 
in  der  sich  mit  wollenem  Zeuge  überzogene  Scheiben  in  einem  Farbenkessel 
drehen.  lieber  diese  Scheiben  hin,  unter  stattfindendem  Druck,  passiert  das 
zu  ombrierende  Zeug  zu  wiederholten  Malen,  zieht  dadurch  die  Farbe  an,  so- 
weit es  von  den  in  gewissen  Entfernungen  aneinander  stehenden  Scheiben 
berührt  wird,  während  eben  diese  Farbe  seitwärts  in  die  Fasern  abnehmend 
ausfliesst  und  dadurch  die  Abstufung  hervorgebracht  wird.  Wolkige  oder 
marmorartige  0.  erhält  man  dadurch,  dass  man  das  Grarn  beim  Färben  bereits 
ombriert,  indem  man  dasselbe  an  verschiedenen  Stellen  mit  Fäden  oder  sonstwie 
umbindet,  sodass  hier  weniger  Farbe  dazwischen  gelangen  kann  als  an  den 
freiliegenden  Partien.  Doch  nur  bei  Wollwaren  ist  das  Verfahren  anwendbar; 
baumwollene  Zeuge  sind  gedruckt,  wenn  sie  ombriert  erscheinen. 

Oncegarn  ist  eine  Art  Baumwollgarn. 

Ondes  nennt  man  im  allgemeinen  in  Frankreich  die  gewässerten  Seiden-, 
Wollen-  und  gemischten  Zeuge;  insbesondere  aber  versteht  man  darunter  ein 
leichtes  Wollengewebe  von  Amiens. 

Onteniente,  Bezirksstadt  in  der  span.  Provinz  Valencia:  Tuch-  und 
Leinenweberei. 

Oost-Roosebeke,  Marktflecken  in  der  belg.  Provinz  Westflandern  :  Sjoitzen- 
fabrikation  und  Weberei. 

Opladen,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Düsseldorf:  Wollspinnerei,  Türkisch- 
rotfärbereien und  Seidenappreturanstalten. 

Oporto,  Hauptstadt  der  portug.  Provinz  Minho :  Fabriken  für  Baum- 
wolle und  Seide. 

Opus  acu  pictum  (lat.),  Nadelmalerei,  Stickerei. 

Opus  Alemannicum  (lat.),  vielfarbige  Stickerei. 

Opus  anglicanum  (lat.),  ein  Kunstwerk,  an  welchem  Weber  und  Grold- 
schmied  miteinander  gearbeitet  haben. 

Opus  anglicum  (lat.),  englische  Stickerei  im  Mittelalter,  welche  in  einer 
Art  Kettenstich  ausgeführt  wurde.  Sie  war  so  hergestellt,  dass  von  einem 
Punkte  aus  eine  Linie  spiralförmig  aufgewunden  war,  die  je  nach  der  Zeichnung 
die  Farbe  wechselte:  eine  Art  der  Darstellung,  welche  später  einige  Kupfer- 
stecher wieder  aufnahmen.  Oft  waren  diese  Arbeiten  in  sehr  kostbarem 
Material,  auch  unter  Verwendung  von  Edelsteinen  u.  s.  w.  ausgeführt,  weshalb 
die  Bezeichnung  o.  —  a.  für  sämtliche  prächtige  Stickereien  üblich  wurde ; 
besonders  scheinen  diejenigen  Arbeiten,  bei  welchen  grössere  Flächen  mit  Grold- 
oder  Silberblech  belegt  waren,  im  13.  Jahrhundert  so  bezeichnet  worden  zu  sein. 

Opus  araneum  (lat.),  durchbrochene  Weissstickerei. 

Opus  breudatum  (lat.),  Bortenstickerei. 

Opus  cypricum  (lat.),  kostbare  Stickarbeit. 

Opus  pectineum  (lat.),  eine  Art  broschierten  Grewebes,  bei  welchem  die 
Kette  über  einen  Kamm  (pecten)  lief. 

Opus  phrygicum,  racamatum  (lat.),  Buntstickerei. 

Opus  plumarium  (lat.),  Federstickerei,  Plattstich. 

Opus  polymitarium  (lat.),  bunte  Teppichweberei. 

Opus  polymitum  (lat.),  vielfädige  oder  mehrfarbige  Arbeit  in  Stickerei. 

Opus  pulvinarium  (lat.),  Stickarbeit  im  Kreuzstich. 


376 


Opus  textile — Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien. 


Opus  textile  (lat.),  Weberei. 
Opus  theotonicum  (lat.),  Nadelarbeit. 

Orange,  Stadt  im  südfranz.  Depart.  Yaucluse:  Seidenspinnerei,  Hand- 
schuhfabrikation, TToll-  und  Baumwollwebereien. 

Orange,  Toiles  d'Orange,  eine  veraltete  Art  feiner,  bunter,  echtfarbiger 
Kattune,  welche  im  Depart.  Yaucluse,  zu  Orange  und  im  Depart.  der  Aube, 
zu  Troyes  angefertigt  wurden, 

Orarium    (lat.,'  franz.    u.    engl.),    1.    Tuch    zum    Reinigen    des    Mundes, 
Taschentuch,  Schweisstuch,  Tellertuch.    2.  Bezeichnung  für  die  Stola  bis  zum 
9.  Jahrhundert.     3.  Schweisstuch    am  Abtstab.     4.  Langschleppendes   Gewand. 
Orditura  (lat.),  G-ewebe,  Weberei. 

Ordonnance  (franz.),  Bezeichnung  für  die  Verteilung  des  Blumenwerkes 
in  der  Spitze. 

Orfroi  (franz.),  (lat.:  orfra,  orfrea,  orfredum,  orfresium  =  aurifrigia), 
Goldgewebe. 

Organdis  (franz.:  organdie,  engl.:  book  muslin,  book);  lockere,  feine  und 
glatte  Baumwollgewebe,  weiss  oder  farbig,  etwas  dichter  gewebt  als  Musselin, 
aber  ebenso  fein  im  Faden,  nur  etwas  steifer  appretiert.  Der  Stoff  kam  früher 
aus  Ostindien,  wird  aber  schon  längst  in  allen  europäischen  Musselinwebereien 
gefertigt. 

Organsinseide  (Kettenseide,  frz. :  organsin ;  ital. :  organzino ;  engl. :  or- 
ganzine) ;  die  gezwirnte,  aus  den  besten  Kokons  gewonnene  Seide ,  die  in  den 
Geweben  die  Kette,  den  Aufzug  bildet.  Man  unterscheidet  zweifädige  (o.  ä 
deux  bouts)  und  dreifädige  (o.  ä  trois  bouts).  Jeder  Faden  besteht  aus  drei 
bis  acht  Kokonfäden. 

Organzin,  ein  heute  noch  üblicher  Name  für  Seide  (s.  Organsin) :  stammt 
vom  Seidenmarkt  TJrgendsch  in  China,  der  in  Europa  im  Mittelalter  als  0. 
bekannt  war. 

Orientales,  Satin,  ein  baumwollener  Croisee  oder  köperartig  gewebter 
Stoff  älterer  Zeit,  der  den  Jeans  entspricht  (  s.  d.). 

Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien,  unter  dieser  allgemeinen 
Bezeichnung  pflegen  in  Europa  alle  diejenigen  west-  und  vorderasiatischen 
Textilien  zu  erscheinen,  w^elche  dort   nach    dem    späteren   Mittelalter   bis  zum 

Anfange    des  19.  Jahrhs.  entstanden  sind, 
deren   bestimmte    Herkunft   wir    im   ein- 
Abb.  Li 2.  zelnen    aber   nicht   mit    Sicherheit   anzu- 

geben vermögen.  Ausgeschlossen  davon 
sind  die  Produkte  aus  China  und  Japan ; 
nur  diejenigen  der  Türkei  werden  noch 
dahin  gerechnet.  Bei  der  Herstellung 
dieser  Arbeiten  ist  Persien  zunächst 
reichlich  beteiligt ;  indessen  kommen  auch 
andere  Länder  dabei  in  Frage ,  vor  allem 
die  Türkei  mit  Konstantinopel,  der 
Hauptstadt  des  Islam,  wo  seit  alters  her 
Prachtstoffe  und  Stickereien  hergestellt 
wurden.  Ferner  ist  Brussa  zu  nennen, 
das  auch  seine  alte  Seidenzucht  und 
-Weberei  bewahrt  hat,  so  dass  selbst 
Lyon  noch  heut  Seide  daher  bezieht.  Auf 
gleicher  Höhe  ist  lange  Zeit  Skutari  mit 
seinen  prächtigen  Sammeten  geblieben, 
ebenso  waren  Städte  wie  Damaskus  und 
Aleppo  durch  ihre  älteren  Arbeiten  zu 
berühmt,  als  dass  sich  diese  Industrie 
so  schnell  dort  verloren  hätte,  wenn 
auch  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  die  ge- 
samte orientalische  Weberei  und  Stickerei 


Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien. 


377 


durch  die  Maschinen  und  durch  die    europäische    Anilinfärberei   ihren   Haupt- 
reiz eingebüsst  hat. 

Die  sichere  geographische  Bezeichnung  dieser  orientalischen  Textilien 
wird  erschwert  durch  den  ihnen  innewohnenden  gemeinsamen  Zug  der  Flächen- 
teilung und  ihre  Einzelheiten.    Vorherrschend  ist  zunächst  das  spitzovale  Feld, 


Abb.  213. 


das  als  Decke  in  einer  Spitzbogenfüllung  abgeschlossen  ist  und  als  laufendes 
Muster  sich  aus  gefüllten  Bändern  ins  Unendliche  fortsetzt:  ein  Typus  der 
Raumeinteilung,  der  dort  schon  im  frühen  Mittelalter  erscheint  (Abb.  163  u. 
168)  und  seit  dem  16.  Jahrh.  sowohl  in  Persien  (Abb.  212)  und  Indien 
(Abb.  213),  als  auch  in  der  Türkei  (Abb.  214)  allgemein  wird.  Daneben 
waren  im  Orient   von  jeher    Streifenmuster   in    allen   Richtungen    und    bunten 


378 


Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien. 


Abwechselungen  gebräuchlich,  welche  zuerst  glatt  oder  geometrisch  gemustert 
(Abb.  169),  später  mit  Blütenwerk  gefüllt  sind  (Abb.  215  u.  216).  Die  Fül- 
lung   der    spitzovalen   Felder    innerhalb    der   laufenden    Stoffmuster    gleicht   im 

16.    Jahrh.    denjenigen    der    Renais- 
Abb.  214.  sancegewebe  aus  Italien  und  Spanien, 

was  hinsichtlich  der  Palmettenformen 

auf  eine  TJeberführung  derselben  vom 
Orient  nach  Europa  schliessen  lässt, 
wobei  die  Wahrnehmung  interessant 
ist,  dass  der  Orientale  niemals  die 
Kunstformen  des  Abendlandes  ko- 
pierte, wozu  doch  in  jener  Zeit  vor 
allem  die  aus  der  Antike  übernom- 
mene Yase  gehörte.  Im  G-egenteil. 
Die  granatapfelartige  Blüte  macht 
im  Orient  alle  möglichen  Variationen 
selbständig  und  in  vornehmer  Ent- 
wickelung  durch  (vgl.  Abb.  4  auf 
Taf.  lY),  welcher  sich  der  Pinien- 
zapfen anschliesst  (Abb.  104)  und  zu 
dem  die  Tulpenblüte  ihre  graziöse 
Formenbildung  hergibt  (Abb.  106  u. 
217).  So  sehr  man  nun  geneigt  sein 
wird,  gerade  diese  oft  wiederkehren- 
den Palmetten  nach  Persien  zu  setzen, 
so  lehrt  doch  der  Vergleich  der  spitz- 
ovalen Kernbildung,  innerhalb  der 
letztgenannten  tulpenähnlichen  Blüte, 
mit  Flächenmustern  auf  Metallen  und 
Porzellanen  aus  Indien,  dass  der- 
gleichen Kunstformen  Allgemeingut 
des  Orients  waren  und  geblieben  sind. 
Auch  das  schlank  aufwachsende  Cy- 
pressenmuster  (Abb.  122),  dessen 
Heimat  wir  in  Indien  vermuten,  kehrt 
in  Kleinasien  und  in  anderen  Gregen- 
den des  Morgenlandes  wieder.  Frag- 
lich erscheint  auch  die  persische  Herkunft  jener  Stoffmuster,  welche  innerhalb 
der  spitzovalen  Felder  auf  blattzackiger  Fläche  zierliche  Blütenranken  enthalten, 
die  an  Fliesenbeläge  erinnern  und  in  der  Türkei  entstanden  sein  können  (Abb.  218). 

Ebenso  wie  in  Europa 
im  17.  Jahrh.  die  Stoffmuste- 
rung übergeht  zu  kleineren 
Dessins,  so  hat  auch  der  Orien- 
tale zu  derselben  Zeit  seine 
sogen.  Streumuster  (Abb.  216 
u.  219)  aus  ganz  leicht  ge- 
zeichneten Blütenzweigen,  de- 
ren zierliche  Bewegungen  auf 
liebevollenNaturbeobachtungen 
beruhen,  die  denselben  einen 
eigenen  Peiz  verleihen  und 
mit  zu  den  schönsten  Produk- 
ten gehören,  welche  die  Kunst- 
weberei überhaupt  zu  erzeugen 
vermag.  Hierzu  kommt  aller- 
dings die  Leichtigkeit  und 
Güte  der  Seide  und  die  meister- 


Abb.  215. 


m^^^m 


^? 


Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien. 


a79 


hafte  Schattierung  unter  Anwendung  feiner  Gold-  und  Silberfäden  im  Grrunde, 
zwischen  dessen  schmiegsamen  Falten  diese  lieblichen  Kinder  der  köstlichen 
Flora  des  Orients  sich  gleichsam  wie  leicht  aufgestreut  abheben.  Und  dabei 
ist  jede  plastische  Erscheinung  dieser  zu  Kunstformen  gestalteten  Blumen  ver- 
mieden. Der  Orientale  benützt  dieselben  als  Vorbilder,  er  entlehnt  den  Blättern 
derselben  die  zierliche  Zeichnung,  die  harmonische  Farbenzusammenstellung 
des  Rot  und  Grün,  Blau  und  Gelb ;  er  nimmt  aber  aus  der  ganzen  Erscheinung 
nur  soviel  heraus,  als  sich  in  der  Fläche  darstellen  lässt,  ohne  dass  der  Cha- 
rakter derselben  unterbrochen  wird.  Auf  dieser  einzig  dastehenden  Kunst- 
weise in  der  Stilisierung  seiner  Naturformen  beruht  denn  auch  die  Gleich- 
mässigkeit  der  Formensprache  in  allen  älteren  orientalischen  Erzeugnissen  der 
Kleinkunst.     Wie  der  Orientale    an  der  Pflanze  Zweig    auf  Zweig,    Blatt   auf 

Abb.  216. 


Blatt,  Blume  auf  Blume  sich  entwickeln  sieht,  so  ordnet  er  auch  den  Stamm 
und  die  Zweige  des  Ornaments,  das  sich  ohne  weiteres  der  Fläche  jeden  Belags, 
der  Form  jeden  Gerätes,  vor  allem  jeder  Technik  im  Bereiche  des  Flächen- 
musters anpassen  lässt. 

Die  Ornamente  der  Gewebe  des  18.  Jahrhs.  erscheinen  vom  europäischen 
Einfluss  nicht  mehr  ganz  unberührt,  sie  enthalten  Palmettenformen,  breitere 
Banken  und  Blumen,  die  nicht  frei  von  italienischen  und  französischen  Ele- 
menten sind  (vgl.  Abb.  8  auf  Taf.  YII),  wozu  der  verstärkte  Verkehr  mit 
Venedig,  Genua  und  Lyon  beitrugen,  so  dass  sich  Originalmuster  nur  noch 
in  den  gewöhnlichen  Stoffarten  erhalten  haben.  In  Indien  (s.  d.)  werden  Brokat- 
stoffe mit  kleineren  Mustern  nach  alten  Vorbildern  heut  noch  gewebt.  Sonst 
hat  sich  nur  an  wenigen  Stellen  im  Orient  eine  Art  bäuerlicher  Weberei  und 
Stickerei  erhalten,  selbst  die  entferntesten  Ortschaften  in  Aegypten,  Syrien  und 
Marokko  sind  europäisch  beeinflusst.  Viele  der  grossen  Handelsplätze  in  der 
Levante  erhalten  schon  seit  Jahrzehnten  die  für  ihren  Geschmack  gefertigten 
Seiden-  und  Brokatstoffe  aus  Elberfeld,  Krefeld  und  von  anderen  deutschen, 
französischen  oder  englischen  Manufakturen,    so  dass    wir  oft  moderne  Waren 


330 


Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien. 


aus  dem  Orient  erhalten,  welche  schon  vor  50  Jahren  bei  uns  angefertigt 
wurden.  Als  tunesische  AVebereien  der  neueren  Zeit  werden  bunt  und  in  Oofd 
gestreifte  Halbseidenstoffe  mit  geometrischen  Mustern  bezeichnet  (Abb.  7  u.  9 
auf  Taf.  VII),  welche  aber  ebensogut  auf  Bestellung  in  Europa  gemacht  sein 
konneu,  dasselbe  gilt  von  den  in  Weiss,  Gold  und  Blau  gewebten  Brokatstoffen, 
welche  mit  Sternen  und  Halbmonden  als  für  Aegypten  oder  die  Türkei  gelten 
können  (Abb.   1  u.  3  auf  Taf.  YII).  ^ 

Die  Musterung  der  Sticker eien  des  Orients  schliesst  sich  den  Ge- 
weben an;  auch  sie  werden  meistens  als  persische  Arbeiten   bezeichnet,    wäh- 

Abb.  217. 


rend  man  es  vielfach  mit  solchen  aus  der  Türkei,  aus  Indien,  Syrien,  Marokko, 
Nordafrika  u.  s.  w.  zu  tun  hat.  Sehr  häufig  finden  wir  in  einfachen  Leinen- 
stickereien  im  sogen.  Webstich  die  Muster  der  gewebten  Prachtstoffe  kopiert 
(Abb.  106),  wobei  es  sich  um  Arbeiten  aus  Gegenden  handelt,  deren  Bevölke- 
rung auf  geringer  geistiger  Ausbildung  stehen  geblieben  ist.  Hingegen  ent- 
wickelte sich  an  Stätten  höherer  Kultur  eine  selbständige,  reichere  und  freiere 
Darstellung  in  vielseitiger  Technik.  Unter  grösseren  Arbeiten  fallen  zunächst 
jene  aus  Persien  und  aus  der  Türkei  in  Mengen  zu  uns  kommenden  Pracht- 
vorhänge auf,  welche  auf  leichter  Seide  oder  dünnem  Kaschmir  in  ein  oder 
zwei  Farben  im  Tamburierstich  bestickt  sind  mit  einem  einzigen  grossen 
Baum,  der  unten  in   Wurzeln  endigt,    seine   Zweige    nach    beiden    Seiten   aus- 


Orientalische  Kunst  Webereien  und  Stickereien. 


381 


breitet  und  reichen  Blüteuschmück  enthält.  Da  der  ganze  orientalische  Hausrat 
und  sein  Schmuck  mehr  auf  Beweglichkeit  angelegt  ist,  als  der  europäische,  so 
ist  man  bemüht,  Decken  und  sonstige  textile  Ausstattung  leichter  und  falten- 
reich zu  gestalten,  weshalb  man  nicht,  wie  bei  uns,  an  Techniken  für  feste, 
brettsteife  Stücke  gebunden  ist.  Daher  ist  der  Plattstich  wenig,  die  Aufnäh- 
arbeit gar  nicht  gebräuchlich,  während  die  Groldstickerei  nur  vereinzelt  für 
der   Mo- 


Abb.  218. 


glatte  Prachtvorhänge 
scheeii  in  hohem  Pelief  und  sonst 
in  aufgenähten  Fäden,  dem  Lahn 
oder  der  Kantille,  Verwendung 
findet.  Schon  die  viel  leich- 
teren Grrundstoffe,  welche  man 
aus  Seide,  feinem  Leinen,  Batist 
oder  Baumwollengeweben  wählt, 
bedingen  eine  weniger  schwere 
Füllung  durch  die  Stickerei.  Ein 
Ersatz  für  die  Aufnäharbeit  be- 
züglich der  Wirkung  ist  dem 
Orientalen  gegeben  in  der  Tuch- 
mosaik, wobei  die  Verbindungen 
durch  den  sehr  reichlich  verwen- 
deten Tamburierstich  herge- 
stellt sind.  In  dieser  Tuch- 
mosaik fertigte  man  im  Orient 
ganze  Zelte:  es  sind  solche  ans 
dem  16.  Jahrh.  von  der  Be- 
lagerung Wiens  als  Beutestücke 
dort  zurückgeblieben.  Auch  Tep- 
piche und  vollständige  Wand- 
behänge werden  in  Stickerei  aus- 
geführt; ganz  besonders  aber  für 
Türbehänge ,  weil  sowohl  die 
Moschee,  als  auch  die  Wohn- 
räume im  Innern  einer  hölzernen 
Tür  entbehren,  hier  vertritt 
der  Türteppich  oder  gestickte 
Vorhang  den  Zimmerabschluss. 
Daher  können  wir  uns  die  aus 
dem  Orient  kommenden  geweb- 
ten und  gestickten   Decken    mit 

dem  portalartigen  Abschluss  erklären  (Abb.  26),  der  gleichsam  die  Architektur 
darstellt.  Eine  genauere  Betrachtung  solcher  Stücke  wird  aber  bald  lehren, 
wie  geistvoll  die  Nachahmung  wirklicher  Architektur  vermieden  ist  und  die- 
selbe in  Textilformen  übersetzt  ist.  TJeberhaupt  bieten  die  feinen  Stickereien 
des  Orients  eine  ebensolche  Fülle  reizvoller  Motive,  wie  die  Webereien,  wobei 
die  Tamburierarbeiten  gerade  in  dem  Masshalten  der  Farbengebung  die  edelsten 
Muster  zeigen  (Abb.  220). 

Eine  unabsehbare  Menge  orientalischer  Stickereien  ist  in  den  schmalen 
shawlartigen  Tüchern  nach  Europa  gekommen,  welche  an  Ort  und  Stelle  zu 
Handtüchern  als  Schmuck  des  Turbans  (Peschkir)  oder  des  Grürtels  (Schalwar) 
dienen.  Der  Grrundstoff  dieser  Tücher  besteht  aus  weissem  Baumwollen-  oder 
Leinengespinst:  vom  gröbsten  bis  zum  feinsten  Batistgewebe,  das  dann  oft  eine 
weiche  kreppartige  Struktur  zeigt.  Die  zu  Handtüchern  verschnittenen  Stoffe 
sind  in  Schuss  und  Kette  aus  verschieden  starkem  Material  gewebt,  wodurch 
eine  ungleichmässige,  rauhe  Oberfläche  entsteht,  wie  auch  wir  sie  von  unseren 
Frottiertüchern  her  kennen.  Peizvoll  und  geradezu  vorbildlich  ist  die  Stickerei 
an  diesen  Tüchern,  welche  in  breiten,  gieichmässig  gemusterten  Endborten  mit 
darunter  stehendem  Abschlussrand  Anwendung  gefunden  hat  (Abb.  179).    Das 


382 


Orientalische  Kunst  Webereien  und  Stickereien. 


Material  zur  Stickerei  besteht  aus  farbigen,  gedrehten,  feinen  Seidenfäden  und 
Gold,  weniger  in  Benützung  kommt  Silber.  In  der  Technik  verdient  neben 
der  mühevollen  oft  doppelseitigen  Arbeit  die  Aaelseitigkeit  innerhalb  eines 
Tuches  bemerkt  zu  werden.  Die  feineren  derartigen  Tücher  (Tschewre)  sind 
im  sogen.  Gobelinstich  ausgeführt,  welcher  über  den  Kett-  oder  Schussfäden 
des  Grundstoffes  so  gearbeitet  wird,  dass  die  Stickerei  den  Grund  auf  beiden 
Seiten  völlig  bedeckt  und  die  Flächen  in  den  farbigen  Schattierungen  den  Ein- 
druck einer  abgetönten  Malerei  hervorrufen;  diese  Stichart  ist  hierbei  dem 
Muster  so  angepasst,    dass    Blatt-    und    Blütenflächen    ihrer   organischen   Ent- 


Abb.  219. 


Abb.  220. 


^ -.-/5^'.\~^ 


ii* 


^W% 


*-;^^--, 


imtm^ 


.#-^ 


'^^'^'mmm 


Wickelung  entsprechend  gerippt  erscheinen.  Oefter  sind  die  Blumen  durch 
flaches  Modellieren  und  Schattieren  mit  Nadel  und  Faden  wie  in  einer  Lack- 
malerei dargestellt.  Der  Goldfaden  greift  hier  und  da,  wie  mit  dem  Pinsel 
hineingewischt,  als  Darstellung  der  Gliederung  durch  eine  Blattrippe  vermit- 
telnd in  die  Seidenfäden  ein ;  Kernstücke  der  Blüten  und  einige  Ausläufer  der 
Blätter  sind  wieder  in  breitem  Lahn  gestickt  —  und  so  bildet  das  Ganze  in 
seiner  künstlerischen  Vielseitigkeit  eine  Musterkarte  für  Stickerei,  die  mit 
einem  Namen  gar  nicht  zu  bezeichnen  ist. 

Vielseitig  ist  auch  die  Leinenstickerei  (s.  d.)  des  Orients,  die  vielfach 
zu  Kostümen  Anwendung  findet:  reich  gestickt  mit  gefüllten  Blüten  streifen 
und  Streumustern  sind  die  sogen,  persischen  Frauenbeinkleider,  die  in  gewebten 
Stoff'en  nachgebildet  werden  (Abb.  216).  Viel  Verwendung  zur  Stickerei  finden 
im  Orient  neben  Stanioleinlagen  auch  Muscheln  und  Perlen.  Vorbildlich  ist 
die  in  Abb.  213  wiedergegebene  Kastenauflage  aus  Indien,  welche  aus  braunem 
Sammet  besteht,  auf  welche  weisse  und  bunte  Perlen  aufgenäht  sind. 


Orientine — Orleans.  383 


Abbildungen: 

212.  Darstellung  aus :  Portefeuille  des  arts  decoratifs  tissus,  PI.  256 :  Seiden- 
brokat ,  Grund  roter  Atlas,  symm.  Muster  weiss ,  blau ,  gelb  und  Gold :  Bänder  mit 
Blattzacken  bilden  spitzovale  Felder ,  in  welchen  je  drei  Palmettenblüten  an  gemein- 
samer Endigung.     Persien  16.  Jahrh. 

213.  Darstellung  aus  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896,  Bl.  89:  Ober-  und 
Seitenteil  eines  Kästchens,  brauner  Sammet,  mit  farbiger  Perlenstickerei.  Spitzovales 
geschweiftes  Feld  mit  Blütenrosette  und  -Ranken,  Palmettenrändern  und  Vögeln.  Indien 
17. — 18.  Jahrhundert.     Original  im  Königl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 

214.  Darstellung  aus  C  o  x ,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon.  Paris  1900.  PI.  LXII.:  Kleiner 
Sammetteppich,  rot  und  gelb.  In  der  Mitte  spitzovales  Feld,  umgeben  von  einem  Rande 
aus  Tulpen  und  Nelken ;  obere  und  untere  Abschlussborte  mit  Lambrequinfeldern. 
Skutari  (?)  16.— 17.  Jahrh. 

215.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Teil  einer  Schärpe,  aus  farbiger  Seide  gewebt :  Querstreifen  mit  Ornament  und  Blüten- 
nelken, in  der  Längsborte  wiederholen  sich  die  letzteren.     Persien  17.  Jahrh. 

216.  Darstellung  aus  Kunstgewerbeblatt,  N.  F.  II,  S.  2:  Seidenbrokat,  Gold 
und  bunt:  in  breiten  und  schmalen  schrägen  Streifen  Streumuster  aus  Blütenzweigen. 
Persien  oder  Türkei  17. — 18.  Jahrh.    Original  im  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 

217.  Darstellung  wie  213,  Blatt  111 :  Stilisierte  Tulpenblüte  von  einem  orien- 
talischen Seidenstoff  des  16. — 17.  Jahrhs.  aus  dem  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 

218.  Originalaufnahme  wie  215  :  Seidenbrokat,  Grund  roter  Atlas,  symmetrisches 
Muster:  Bänder  in  Weiss  und  Gold  mit  Maureskenornament  bilden  spitzovale  Felder, 
in  welchen  auf  goldener  blattartig  abgeschlossener  Fläche  ein  spitzovales  Kernstück 
mit  stilisiertem  Strauss  aus  Tulpen  und  Nelken,  umgeben  von  reichem  Rankenwerk. 
Persien  oder  Türkei  16.  Jahrh. 

219.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin:  Seiden- 
stoff, Grund  hellgrün,  Muster  bunt  und  etwas  Gold:  Reihenweis  nach  rechts  und  links 
gewendete  Blütenstauden.     Türkei  17. — 18.  Jahrh. 

220.  Originalaufnahme  wie  219:  Teil  einer  Decke,  Tamburierarbeit  auf  rot- 
braunem Kaschmir  in  gelblichgrüner  Seide:  Zu  spitzovalen  Feldern  geordnete  Lihen- 
ranken.    Persien  17.  Jahrh. 

Abbildungen  auf  der  Tafel  VII  ( W ebereien  aus  Indien,  Persien  und 
der  Türkei).      Originalaufnahmen   aus   dem    Königl.   Landesgewerbe- 
museum in  Stuttgart: 

1.  Seidenbrokat,  weiss  blau,  in  Damast  und  Gold:  Zwischen  schrägen  festen 
Bändern  mit  Stern  und  Halbmond  Rosenranken  und  gleiche  Wappenzeichen.  Türkei? 
19.  Jahrh. 

2.  Seidenbrokat,  weiss  und  Gold  :  feine  aufsteigende  Blütenranken.    Indien  1867. 

3.  Seidenbrokat  wie  Nr.  1 :  gestreift  und  mit  welligen  Blumenranken. 

4.  Seidenbrokat,  rot,  Gold  und  bunt :  Streifen  mit  dichten  Blütenranken.  In- 
dien 1867. 

5.  Seidenbrokat,  rot,  Silber  nnd  Gold  mit  etwas  Dunkelgrün :  Reihenweis  ver- 
setzte Blütenstauden.     Indien  1867. 

6.  Seidenbrokat,  rot,  Gold  und  bunt :  Streifen  mit  Blütenranken.  Indien  18.  Jahrh. 

7.  Gestreifter  Seidenbrokat  mit  geometrischen  Mustern.     Tunis  19.  Jahrh. 

8.  Seidenstoff,  Grund  und  Muster  farbig:  durch  Bogenstellungen  verbundene 
Blütenpalmetten.     Persien?    19.  Jahrh. 

9.  Gestreifter  Seidenbrokat  wie  Nr.  7. 

10.  Seidenbrokat,  rot,  Gold,  etwas  Silber  und  Dunkelgrün:  dichte  Blütenranken. 
Indien  1867. 

11.  Seidenbrokat,  farbige  Streifen,  darauf  schräge  Goldstreifen  mit  dichten  Blüten- 
ranken und  Palmetten.     Indien  1867. 

12.  Seidenbrokat,  rot,  Gold  und  Silber:  dreiteilige  Bänder  mit  Sternen.  Indien  1867. 

Orientine,  ein  starker,  barchentartiger  Stoff,  welcher  früher  aus  Ost- 
indien kam,  später  aber  allgemein  in  Europa  verfertigt  wurde. 

Orinoco,  peruanische  Baumwollsorte. 

Orleans,  Hauptstadt  des  Depart.  Loiret :  Fabrikation  von  Strumpfwaren, 
Tuchen  und  Posamenten.  Im  16.  Jahrhundert  Anfertigung  von  Seidenwaren, 
durch  Mailänder  Weber  eingeführt. 


384  Orleans — Oesterreicil-Ungarn. 

Orleans,  halbwollene,  glattgewebte  Stoffe  mit  Baumwollgarnkette  und 
Schuss  aus  Kammgarn.  Die  0.  kommen  in  allen  Farben  gefärbt  oder  bedruckt, 
meliert,  moiriert,  auch  mit  Seidenstreifen  hergestellt  vor  und  gehören  zu  den 
wichtigsten  Geweben  zur  Anfertigung  von  Frauenkleidern.  Auch  moderne 
Gazestoffe  werden  0.  genannt. 

Orlinghausen ,  Dorf  im  Fürstentum  Lippe:  Plüsch-  uud  Leinenweberei 
(Hausindustrie),  Wäschefabrikation. 

Ormusinus  (lat.)  (franz. :  armoisin,  taffetas),  dünner,  leichter  Seidenstoff. 

Ornament  (lat.:  ornamentum;  franz.:  ornement;  engl.:  ornament),  Ver- 
zierung, Schmuck. 

Ornat  (vom  lateinischen),  Schmuck,  Amtstracht  des  Geistlichen  und  der 
Mitglieder  vom  Ritterorden  (s.  a.  liturgische  Gewänder). 

Ornis,  eine  Gattung  feiner  Musseline  von  Brampur,  mit  eingewebten 
goldenen  oder  silbernen  Streifen,  welche  im  Innern  Asiens  viel  gebraucht 
werden,  seltener  nach  Europa  kommen. 

Orraye  ist  ein  schwerer,  dichter  Seidenstoff  mit  erhabenen,  eingewirkten, 
goldenen  Blumen  und  Mustern  auf  Atlasgrund,  welcher  auf  beiden  Seiten  recht 
ist.     Man  verfertigjb  diesen  Stoff  hauptsächlich  in  Persien. 

Orsoyseide  s.  v.  w.  Organsin. 

Ortigues  sind  franz.  Packleinen  aus  Languedoc,  die  besonders  nach 
Marseille  und  andern  Häfen  in  der  Provence  gehen. 

Oschatz,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  Fabrikation 
von  Tuch-  und  Filzwaren,  gehäkelte  Wollwaren. 

Osimo,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Ancona:  Florettseidenfabrikation  und 
Handel. 

Osmanisches  Reich  s.  Türkei. 

Osnabrück,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  ßeg. -Bezirks  der  preuss. 
Provinz  Hannover:  Flachsspinnereien  und  Baumwollwebereien,  Handel  mit 
Tuch,  Manufaktur-  und  Weisswaren. 

Osnaburghs,  cotton,  sind  feste,  starke,  baumwollene  Zeuge  (amerik. 
Domestiks),  long  cloth  im  engl. -asiatischen,  im  spanisch-amerikanischen  Hände] 
elefautes  genannt.  Sie  sind  den  Osnabrücker  Leinen  so  ähnlich  als  möglich  in 
Griff,  Zurichtung  und  Aufmachung  nachgebildet. 

Osörkow,  Stadt  im  russ.-poln.  Gouvernement  Kaiisch:  Baumwoll-  und 
Wollspinnereien. 

Ossett,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Yorkshire :  Tuchfabriken  und 
Wollspinnerei. 

Ostada  (lat.),  ein  feiner  Wollenstoff. 

Ostade,  ein  veralteter,  geköperter,  fest  gewalkter  Wollenstoff,  eine  Art 
Kasemir,  der  auf  der  rechten  Seite  einigemal  gerauht,  nach  dem  Färben  im 
Pahmen  ausgespannt,  dann  mit  einem  Schnitt  geschoren  und  endlich  in  eine 
warme  Presse  gesetzt  wird. 

Osterode  am  Harz,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Hildesheim:  Woll-,  Leinen- 
und  Baumwollfabriken,  Garnspinnereien. 

Osteroder  Zeuge,  im  allgemeinen  versteht  man  darunter  verschiedene 
in  dieser  hannoverschen  Fabrikstadt  verfertigte  Wollenzeuge,  als  mehrere  Sorten 
weisser,  gestreifter  und  gedruckter  Flanelle,  Chalons,  Tamis,  Lüstrins  u.  s.  w., 
insbesondere  aber  die  einfarbigen  und  bunten,  ganzen  und  halben  Kamelotte, 
welche  dort  vorzüglich  angefertigt  wurden  und  daher  zu  ihrer  Zeit  starken 
Absatz  fanden. 

Oesterreich-Ungarn.  In  Oesterreich  beschäftigt  die  Textilindustrie 
2287  Fabriken  mit  3058  Maschinen  und  154194  Pferdestärken,  296481  Ar- 
beitern und  425  Mill.  Gulden  Produktionswert,  insbesondere  Baumwollweberei, 
sowohl  fabrikmässig  (194  Fabriken  mit  48  384  Arbeitern),  als  Handweberei 
(28  319  Arbeiter),  vorzugsweise  in  Böhmen^  Mähren,  Schlesien,  Niederösterreich 
und  Vorarlberg,  Baumwollspinnerei  (153  Fabriken  mit  32  815  Arbeitern),  ebenda 
Spinnerei  von  Streichgarn  (187  mit  6977)  und  Kammgarn  (10  mit  4621),  Weberei 
von  Streichgarn    (199  mit  20  654)    und  Kammgarn    (126  mit  34526),    Vorzugs- 


Ostheim— Paina.  385 


weise  in  Böhmen  (Heichenberg),  Mähren  (Brunn,  Iglau),  Schlesien,  in  Biala 
(Galizien)  und  Niederösterreich,  dann  Seidenweberei  (65  Fabriken  mit  11724 
Arbeitern,  in  Niederösterreich,  Böhmen  und  Mähren,  Flachsspinnerei  (42  Fabriken, 
315  000  Spindeln  und  17  195  Arbeitern)  in  Böhmen^  Mähren  und  Schlesien,  Leinen- 
weberei (75  Fabriken  mit  20828  Arb.)  ebenda,  Jutemanufaktur  (20  mit  5941) 
hauptsächlich  in  Niederösterreich,  Mähren  und  Böhmen,  Bandfabrikation  (37 
mit  3795),  Wirkwaren  (83  mit  8652)  ebenda,  dann  212  Appreturanstalten  mit 
8373  Arbeitern  (s.  Wien). 

Ostheim  vor  der  Rhön,  Stadt  im  Grrossherzogtum  Sachsen-Weimar- 
Eisenach:  Weberei,  Fabrikation  von  Plüsch. 

Ostritz,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  Fabrikation 
von  Jutegarnen  und  -geweben,  Schirm-  und  Kleiderstoffen,  Militärtuch. 

Oswestry,  Municipalborough  in  der  engl.  Grrafschaft  Salop :  Weberei 
von  Baumwollzeug,  Leinwand  und  Wollstoffen. 

Oudenaarde,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Ostflandern:  Leinen-  und  Baum- 
wollfabriken. 

Ourvilles  nennt  man  eine  gewisse  Sorte  Leinen,  die  zu  Ourville  in  der 
ehemaligen  Normandie  gewebt  werden. 

Ouvrages  moresques  werden  in  spanischen  und  französischen  Muster- 
büchern des  17.  Jahrhunderts  Spitzen  betitelt,  deren  Bezeichnung  sich  nur 
auf  das  Muster  bezieht. 

Ouvree,  Seide,  Rohseide. 

Oxford,  moderner,  hell  gestreifter  Baumwollstoff  für  Sporthemden. 


Pabanizy,  Stadt  im  russ.-poln.  Grouvernement  Petrikau :  Woll-  und  Baum- 
wollfabriken, Leinweberei. 

Pabellones  sind  spanische,  wollene  Decken. 

Packleinwand,  Packtuch,  ist  die  geringste  und  gröbste  aller  Leinwand- 
sorten; man  webt  sie  aus  dem  kurzen,  schlechten  Werg  oder  der  Heede  des 
Flachses  und  des  Hanfes,  in  Westindien  aus  geringer  Baumwolle,  in  Südamerika 
und  Brasilien  aus  Baumbast  und  kommt  unter  verschiedenen  Namen  in  den 
Handel.  Man  gebraucbt  sie  zum  Einpacken,  zur  äusseren  Bedeckung  der  Waren, 
Kisten,  Packen,  Körbe  u.  dgl.  Ein  gangbarer  Artikel  der  P.  war  früher  in 
Sachsen  und  auch  im  sonstigen  Handel  unter  Barras  bekannt. 

Packloden,  lockere  Werggarne  in  Schlesien. 

Padua,  Provinz  mit  gleichnamiger  Hauptstadt  im  Königreich  Italien: 
Seiden-,  Woll-  und  Baumwollweberei,  Hanf-  und  Leinengewebe.  Das  Seiden- 
gewerbe ist  im  14.  Jahrhundert  eingeführt. 

Paeaukas,  Pautkas,  eine  Sorte  geringer,  ostindischer  Kattune,  sowohl 
weiss  als  bunt. 

Paenula,  grosse,  weite  Kapuze  mit  langem  Schulterkragen,  von  den 
Römern  der  Kaiserzeit  getragen. 

Pagetstuhl,  eine  vom  Engländer  Paget  erfundene  flacbe,  mechanische, 
regulär  arbeitende  Kulirwirkmaschine  mit  wagrecht  liegenden  Nadeln. 

Pagne,  Panicos,  baumwollene  Schürzen,  welche  afrikanische  und  indische 
Völkerschaften  zur  Bedeckung  der  unteren  Teile  des  Körpers  tragen.  In  Ost- 
indien bestehen  sie  aus  feinen  Kattunen.  Eine  eigne  Sorte  dieser  P.  hat  hoch- 
rote Streifen  und  heisst  Panossares. 

Pahthanf,  soviel  wie  Jute  (s.  d.). 
.  Paina,  Panha,  ist  brasilianische  Baumwolle. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textükunde.  25 


380 


Paisley — Palermo. 


Paisley,  Stadt  iu  der  engl.  G-rafscliaft  Renfrew :  liefert  vor  allem  Zwirne, 
dann  Modewaren  in  Seiden-,  Halbseiden-  und  Baumwollz engen  ;  ferner  bestehen 
Twist-  und  Leinengazefabriken,  Bleicherei  und  Färberei. 

Paita,  peruanische  Baumwollsorte. 

Paka,  Neupaka,  Stadt  in  Böhmen :  mechan.  Weberei  und  Wollwarenfabrik. 

Abb.  221. 


A 


/ 


h 

^.f'-'' 


:#1 


lang, 


sehr 
Al- 


Abb.  222. 


Pako,  Wolle  von  der  Lamaart  Auchenia  pakos  Tschudi   (Alpaka) 
ausserordentlich   fein,    meist   einfarbig,    weiss    oder    schwarz    (s. 
pakawoUe). 

Palampores,  grosse,  bis  auf  die  Erde  hängende,  gesteppte  oder  ausgenähte 

Bettdecken,    welche    aus    dem  Orient   kommen. 
Palanche,  in  Frankreich  ein  grober  Stoff 
aus  Wolle    und  Leinen;    man  braucht  ihn  zum 
TJnterfutter. 

Palas  heissen  Teppiche  in  Zentralasien, 
welche  von  Turkmenen  gewebt  werden :  es  sind 
dies  ausserordentlich  widerstandsfähige  Ealims. 
Palermo ,  Hauptstadt  der  Insel  Sizilien 
in  gleichnamiger  Provinz:  im  Jahre  1146  über- 
führt König  Boger  I  hierher  die  besten  Seiden- 
weber aus  Theben  und  Korinth  und  richtet 
staatliche  Seidenmanufakturen  unter  dem  Namen 
„thirazza"  oder  „hotel  de  Tiraz"  ein. 
Dieselben  zerfielen  in  einzelne  Werkstätten, 
von  denen  sich  die  eine  mit  der  Herstellung 
der  einfachsten  Gewebe,  der  glatten  und  bunt- 
farbigen Taffete  (amita,  dimita,  trimita)  abgab; 
eine  andere  fertigte  Sammete  und  Atlasse;  die 
dritte  geblümte  Zeuge  von  grüner  Farbe, 
die  vierte  Brokate,  Goldstoffe  und  reiche/Bunt- 
gewebe.  Besonders  gewann  die  Sammetweberei 
hier  eine  grosse  Ausdehnung;  auch  die  Paler- 
mitaner  Borten,  in  Gold  und  farbiger  Seide  auf 
fester  Leinenkette  gewebt,  sind  berühmt;  von 
hier  aus  verpflanzt  sich  diese  Bortenwirkerei  nach 
Köln.     Thieräz  bedeutet  ursprünglich  eine  Borte 


Paliacattücher— Palmette. 


387 


mit  Schriftzeiclien,  gleichviel  in  welchem  Stoff  ausgeführt,  soclami  das  Schrift- 
ornament als  Kleiderbesatz,  Stickerei,  auch  —  mittelalt.  tiraz  —  einen  kost- 
baren Stoff.  AVichtige  Beläge  für  die  Fabrikation  in  Palermo  sind  uns  erhalten 
in  den  Fürstengräbern  daselbst  (Abb.  221  u.  222.).  Die  Muster  bewegen  sich 
vollständig  im  arabischen  Formenkreis :  Kufische  Schriftbänder  mit  Koran- 
sprüchen u.  s.  w.  In  den  laufenden  Stoffmustern  erscheint  die  orientalische 
Tierwelt  noch  weiter  aufgelöst,  Eheste  von  Bäumen  mit  geraden  Blütenschaften 
deuten  auf  alte  Uebertragungen  hin.  Von  Palermo  aus  wird  die  Kunstweberei 
des  Orients  weiterhin  nach  Europa  verpflanzt. 

Abb  ildung  en : 

221.  Darstellung  aus:  J  regali  selpolcri  del  duomo  di  Palermo,  Neapel  1784. 
Endiguug  eines  Aermels  mit  aufgesetzten  gewirkten  Goldborten,  welche  kufische 
Schriftzüge,  Ornamentbänder  und  Rosetten    enthalten.      Sicilien    (Palermo)    12.  Jahrh. 

222.  Darstellung  wie  vorher :  Seideugewebe,  Grund  rot,  symmetrisches  Muster 
gflb :  Zwischen  geradschaftigen  Blütenbäumen  wechseln  in  Reihen  Paare  von  Gazellen 
und  Adlern  ab.     Sicilien  (Palermo)  12.  Jahrh. 

Paliacat-,  Pulicattücher,  feine  baumwollene  Schnupftücher  aus  der  Levante. 

Palla,  bei  den  alten  Römern  das  gewöhnlich  wollene,  weisse,  später  bunt- 
farbige,  bei  Trauer  schwarze,  weite  Obergewand  der  Frauen,  das  beim  Aus- 
gehen über  die  Tunika  (s.  d.)  und  Stola  (s.  d.)  geworfen  wurde. 

Pallium  (lat.),  ein  etwa  handbreiter,  weisser,  wollener  Streifen,  den  die 
Erzbischöfe  über  die  Schultern  um  den  Hals  anlegen.  Vorn  und  hinten  hängt 
von  ihm  ein  gleicher,  ursprünglich  langer,  später  kürzerer  Streifen  aus  gleichem 
Material  herab.  Ursprünglich  war  das  P.  mit  schwarzen,  später  mit  dunkel- 
roten Kreuzen  besetzt. 

Palmat  (palmät  side),  im  Mittelalter,  besonders  in  Deutschland  gangbares 
Gewebe;  kommt  viel  in  Minnegedichten  vor  u.  a.  als  Bettzeug;  nach  den  Be- 
schreibungen scheint  es  ein  sehr  weicher  Stoff  gewesen  zu  sein. 

Palmette,  eine  aus  dem  Altertum  stammende  Kunstform,  welche  gebildet 
ist    aus    einer  meist  symmetrisch   gestalteten  Blüte,    deren  Kelch    fächerförmig 
gelegte  Blätter  entsteigen.    Die  älteste  solcher  Formen  ist  entstanden  aus  dem 
Lotos,    den  die  Aegypter  und  Assyrer  schon 
in  dieser  Weise  ornamental  verwendeten  (vgl. 
Abb.  29 — 31);    als    gleiche   Kunstform  wird 
dort  auch  schon  der  Pinienzapfen  gebraucht. 
Aus  der   Plastik,    worin    die    P.  als  Stelen- 
bekrönung  bei  den  Griechen  die  vielseitigsten 
Bildungen    erfährt,    geht    dieselbe    auf   alle 
Gebiete     der    Flächenmusterung    über     und 
macht    zu    allen   Zeiten    die    verschiedensten 
Stilwandelungen  mit,  weshalb  in  der  Textil- 
kunst  wohl  die  meisten  Abwechselungen  der 
P.   erscheinen. 

Die  ersten  Entwicklungen  beginnen  für 
die  P.  als  Bekrönung  des  Baumes,  der  im 
frühmittelalterlichen  Stoffmuster  vom  Alter- 
tum her  (s.  den  Artikel  Baum  als  Stoffmuster) 
übernommen  wird  und  sich  in  sarazenischen 
Geweben  bis  zum  13.  Jahrh.  (Abb.  223)  er- 
hält. Ein  strenger  orientalischer  Typus 
solcher  Baumpalmette  kommt  auch  im  per- 
sischen Knüpfteppich  vor  (Abb.  224);  sie  gleicht  fast  den  Formen  die  aus 
sassanidischen  Stoffen  bekannt  sind.  Die  Selbständigkeit  der  P.  entwickelt 
sich  im  Stoffmuster  aus  verschiedenartigen  Blütenformen,  wozu  die  chinesische 
und  die  persisch-arabische  Kunst  im  Mittelalter  Motive  hergibt  (Abb.  24.  48 — 50). 
Ein  neues  Element  erscheint  für  das  Wesen  der  P.  im  15.  Jahrh.  im  Granat- 
apfelmuster (s.  d.),  dessen  vielseitige  Umgestaltung  sowohl  im  Orient  (Abb.  106), 


ABb.  223. 


388 


Palmette. 


als  auch  in  Europa  zu  frisclien  Bildungen  reiner  Palmettenformen  der  Eenais- 
sauce  (s.  d.)  führt,  wozu  freilich  in  Italien  der  Geist  der  Antike  mithilft,  in 
strengen  Grenzen  zu  bleibeD,  die  auch  in  Spanien  noch  durch  arabischen  Ein- 
fluss  innegehalten  werden  (Abb.  105  u.  225).  Aber  schon  die  Spätrenaissance, 
in  der   das  Yasenmotiv    mit    den    daraus    entsteigenden    Tulpen-,    Nelken-    und 


Abb.  224. 


Abb.  225. 


Narzissenblüten  vorherrscht  (Abb.  37.  38),  gibt  in  letzteren  neue  Anregung 
zur  Bildung  von  P.  —  Italien  und  Spanien  hinterlässt  in  den  sogen.  Streu- 
mustern (s.  d.)  des  17.  Jahrhs.  kleine  Blütenpalmetten,  die  sich  zu  Anfang  des 
18.  Jahrhs.  noch  als  grössere  Zweige  erhalten  (Abb.  20  u.  226),  bis  fast  gleich- 
zeitig in  Frankreich  neue  grössere  Formen  der  P.  entstehen,  welche  dieselbe 
erst  selbständig  (Abb.  107),  dann  aber  in  Zusammensetzung  einzelner  Blüten 
und  Blätter  zur  Darstellung  bringen.  (Abb.  227.)  Mit  dem  französischen 
Klassizismus    erscheint   die   Palmette  wieder    im  Sinne    der  Antike  (Abb.  63). 


Abbildungen: 

228.  Darstellung  einer  Palmettenform  von  der  Bekrönung  des  auf  einem  sara- 
zenischen Seidenbrokatstoffes  erscheinenden  Baumes.     13. — 14.  Jahrh. 

224.  Darstellung  aus  Heiden,  Motive,  Leipzig  1890.  Bl.  291:  Palmettenform 
von  dem  auf  einem  altp«-rsischen  Knüpf teppich  erscheinenden  Blütenbaum.        ^ 

225.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Sarametstoff,  braun,  Grund  grippt,  Muster  geschnitten  und  ungeschnitten:  In  sechs- 
eckigen Feldern  aus  geraden  Bändern  wechseln  nach  oben  und  unten  gekehrt  Pal- 
raetten  ab.     Italien  oder  Spanien  Ende  16.  Jahrh. 

226.  Originalaufuahme  wie  vorher:  Seidenstoff,  Grund  blau,  Muster  bunt 
schattiert :  Zweige  aus  welli.s:  geschwungenen  feinen  Blattranken  mit  reihenweis  nach 
rechts  und  links  o-ewandten  Palmettenbliiten.     Italien  Anfanof  18.  Jahrh. 


Palmwipfel-Muster. 


389 


227.    Originalaufnahme  wie  voi-her :  Abb.  226. 

Seidenstoff,  Grund  weiss,  Muster  bunt: 
Zwischen  wellig  aufsteigenden  Blumen- 
ranken sind  in  spitzovalen  Feldern  Blumen 
und  Blätter  zu  Palmetten  geordnet.  Frank- 
reich Anfang  18.  Jahrb. 

Palmwipfel-Muster ,  persisch 
Miri  Bota,  auch  als  indische  Palmette 
bezeichnet,  ist  eine  im  Orient,  am 
meisten  in  Persien  und  Indien  vor- 
kommende Flächenfüllung,  die  gebildet 
ist  aus  spitzovaler  Cyprcssenblüte 
mit  nach  vorn  überhängendem  Wipfel. 
Sie  wird  wegen  ihrer  häufigen  Wieder- 
kehr auf  Tüchern  auch  Shawimuster 
(schalnumä)  genannt,  in  welchem  Falle 
ihre  Innenfläche  aus  vielen  kleinen 
Blüten  besteht.  Als  in  Seide  gewebtes 
Muster  ist  die  Form  schon  im  frühen 
Mittelalter  bekannt  (Abb.  166),  von 
wo  aus  es  sich  in  späterer  Zeit  oft 
wiederholt,    auch  als  Druckmuster  im 

Orient  (Abb.  228)  und  in  Europa  erscheint.  In  Persien  gibt  es  besondere 
Arten  von  Teppichen  (Chorassan,  Serabend)  welche  das  Palmwipfel-Muster 
als  Füllung  des  Innengrundes  tragen. 


Abb.  227. 


390 


Pamiers — Panriffes. 


Abbilldung: 

228.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Baumwollenstoff,  auf  rotem  Grunde  in  Bunt  gedruckt  mit  Darstellung  des  Palmwipfel- 
musters.    Orient  19.  Jahrb. 

Abb.  228. 


Pamiers,  Stadt  im  franz.  Depart.  Ariege :  T^^oll-  und  Baumwollspinnereien. 

Panamabindung,  Mattenbindung,  englische  Tuchbindung,  Abart  der  Lein- 
wandbindung, bei  welcher  Ketten-  und  Schussfäden  in  gleichgrosse  G-ruppen 
zusammengefasst  sind,  so  dass  im  Gewebe  kleine  Quadrate  („Würfel")  von  ab- 
wechselnden Ketten-  und  Schussfäden  entstehen. 

Panamaloden,  moderner  Kleiderstoff  aus  gemischter  Wolle,  daher  stärker 
wie  die  Panamas  (s.  d.),  aber  in  gleicher  Bindung. 

Panamas,  halbwollene  Stoffe,  die  mit  baumwollener  Kette  und  doppeltem 
w^ollenen  Schuss  gewebt  werden,  so  dass  die  Ware  ein  den  geflochtenen  Pa- 
namahüten ähnliches  Aussehen  erhält. 

Pangfil,  eine  Gattung  seidener  Zeuge  aus  China. 

Panha  oder  Paina  ist  eine  Baumwolle  in  Brasilien. 

Panicos,  Leinwand  aus  Portugal. 

Paniston,  Peniston,  eine  Sorte  englischer  Molton,  die  sich  durch  den 
feinen  Köper  und  ihre  Weichheit  auszeichnen. 

Panne,  sammetartiger  Stoff,  der  wie  Plüsch  gewebt  wird.  Die  Grund- 
kette ist  Organsinseide,  die  Pole,  welche  die  glänzende  sammetartige  Oberfläche 
bilden,  von  feiner  Wolle.  Der  Stoff  kommt  aus  Frankreich,  wird  aber  auch 
in  den  Niederlanden  (Utrecht  und  Toumay)  verfertigt. 

Panno-Canari-Comis,  veralteter,    leinwandartig  gewebter  Baumwollstoff. 

Panno-Combrido,  ostind.  Kattune,  welche  es  in  verschiedenen  Arten  für 
Druckstoffe  gibt. 

Panno  de  algodao  cruliso,  ungebleichte,  glatte  BaumwollgeweJ3e  aus 
Brasilien. 

Pannos  de  Ferros,  feine  Leinenstoffe,  besonders  Oberlausitzer  Dowlas, 
welcher  für  das  Ausland  gewebt  wird. 

Pannus,  pannum(lat.),  im  Mittelalter  Gewebe,  Gewand;  pannum  diarodhinum, 
dunkelroter  Kleiderstoff;  p.  tartaricus,  schweres  Seidengewebe  aus  dem  Orient. 

Panriges  sind  geblümte,  ostind.  Seidenzeuge. 


Eantalon — Paramatta. 


391 


Abb.  229  a. 


Pantalon,  die  lange  Hose,-  wurde  1794  in  Paris  erfunden  und  blieb  dann 
allgemein  in  Grebraucli. 

Panuelos  sind  in  Spanien  Tücher  aller  Art:  P.  de  olon  bodardos,  engl, 
embroidered  cambric  handkerchiefs  =  gestickte  Batisttaschentücher,  welche  nach 
Süd-  und  Nordamerika  gehen:  estampados  (printed  boraers)  mit  gedruckten 
Kanten,  Gannuelos  de  olansito  (engl.  Maculipatam  handkerchiefs)  sind  Taschen- 
tücher von  baumwollenem  Kamlot. 

Päonie,  Pfingst-  oder  Grichtrose,  zur  Familie  der  Ranunkulaceen  gehörige 
Pflanzengattung  mit  nur  wenigen  Arten.  Als  Zierpflanze  von  Bedeutung  ist 
die  aus  China  stammende.  Sie  bildet  meistens  grosse  Büsche  mit  etwas  bläulich- 
grünen Blättern  und  enthält  dicke,  runde,  kugelige  Blumen  vom  reinsten  AVeiss 
bis  zum  purpurvioletten  Rot.  Diese  kommt  in  China  und  Japan,  sowohl  als 
gewebtes,  wie  ausgemaltes  und  gesticktes  Stoffmuster  reichlich  in  Anwendung 
in  verschiedenartiger  Stilisierung,  sowie  in  naturalistischer  Auffassung,  letztere 
namentlich  in  Ausführung  des  Plattstiches. 

Papelines  (Popelins ,  engl,  poplin) ,  ein  ziemlich  leichter ,  halbseidener 
StofP,  welcher  taff'etartig  gewebt  wird,  dessen  Kette  aus  Seide,  der  Einschlag 
aber  aus  glänzendem  Kammgarn  oder  aus  Baumwolle  besteht.  Dem  P.  ist  ein 
gewisser  Glanz  eigen,  der,  wenn  er  den  Grespinsten  fehlt,  durch  die  Appretur 
ergänzt  wird.  Die  Stoffe  erscheinen  in  allen 
Farben,  glatt  oder  fassonniert.  Popeline  de 
laine,  besteht  halb  aus  englischem  oder  fran- 
zösischem ,    halb    aus  deutschem  Kammgarn. 

Papiermuster  als  Unterlage  oder  Yor- 
zeichnung  werden  gestanzt  und  in  China  und 
Japan  als  Hilfsmittel  in  der  Plattstich- 
stickerei verwendet,  das  die  gezeichnete  Vor- 
lage ersetzt  und  auf  den  zu  bestickenden 
Grund  aufgeklebt  wird.  Dies  hat  den  Vorteil 
einer  klaren  Zeichnung  mit  scharfen  Um- 
risslinien ;  natürlich  bleiben  die  P.  nur  auf  Ein- 
zelformen, wie  Vögel,  abgeschlossene  Blumen 
und  kleine  Rankenmuster  (Abb.  229  a  u.  b) 
beschränkt,  deren  letztere  namentlich  für 
Gewandkragen  und.  Aufschläge  Verwendung 
finden. 

Abbildungen: 

229  a.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  in'^Berlin :  Papier- 
muster als  Vorzeichnung  für  die  Plattstichstickerei  zu  einem  Gewandkragen :  Chry- 
santhemumblütenranke.    China  19.  .Jahrh. 

229b.      Darstellung    wie    vorher    mit  Abb.  229  b 

Ranke  aus  Sternblüten. 

Papierspitzen,  mit  Stahlpunzen  in 
Spitzenmusterung  ausgeschlagene  Papiere 
als  Hülle  für  Blumensträusse,  zum  Aus- 
legen von  Kartons  u.  dgl. 

Papierstramin,  ein  an  Stelle  des 
Stramin  oder  Kanevas  (s.  d.)  zum  Sticken 
bestimmtes  Kartonpapier,  das  mit  reihen- 
weise angeordneten  Löchern  oder  Vertiefungen  versehen  ist. 

Papierzeug,  der  Brei  aus  zermahlenen  Hadern  u.  s.  w.  und  Wasser, 
Papiermasse. 

Para,  südamerikanische  Baumwollsorte. 

Paraguay,  Republik  Südamerikas:  erzeugt  Spitzen  wie  Spanien. 

Parahyba,  südamerikanische  Baumwollsorte. 

Paramatta,  ein  dreibindiges  Köpergewebe  mit  baumwollener  Kette  und 
Einschlag  von  Kammgarn. 


392  Parament — Passfeld. 


Parament  (lat. :  p  ar  amen  tum ;  franz.:  parement;  engl.:  parament).  Para- 
mente  heissen  sämtliche  zu  einer  Kirche  gehörige  Prachtgewänder  der  Geist- 
lichen, Bekleidungen  der  Altäre,  Kanzeln  u.  s.  w.  Paramentik  ist  die  Lehre 
von  der  Gestaltung  dieser  Gegenstände.  Für  das  "Weisszeug  fordert  die  Kirche 
nur  Linnen  und  Hanf,  Baumwollenstoffe  sind  ausdrücklich  verboten,  Wolle 
tunlichst  zu  vermeiden,  Seide  mit  Vorzug  anzuwenden  (s.  Altarausstattung, 
liturgische  Gewänder,  kirchliche  Stoffe  und  Stickereien). 

Parangon,  ein  im  levantinischen  Handel  vorkommendes  Seidenzeug. 

Parat  Messen  früher  einfarbige,  schwarze  Zeuge  aus  Wolle  und  Seide, 
aus  welchen  man  in  Niedersachsen  Umschlagetücher  und  Begenmäntel  fertigte. 

Parchent,  s.  Barchent. 

Parchim,  Stadt  im  Grossherzogtum  Mecklenburg-Schwerin:  Tuchfabriken 
mit   Walkerei  und  Spinnerei. 

Paris,  Hauptstadt  Frankreichs:  ein  Hauptzweig  der  Industrie  ist  die 
Weberei  mit  60000  Spindeln  (1575  Betriebe),  Fabrikation  von  Kleidungs- 
und Toilettegegenständen  (34246  Betriebe).  Im  Jahre  1523  erhält  P.  von  Mai- 
länder Seidenwebern  Zuzug  (s.  Frankreich). 

Parisienne,  ein  kleingemustertes  Seidengewebe. 

Parketten  nennt  man  im  Oesterreichischen  die  gewöhnlichen  Fussteppiche. 

Parma,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  im  Königreich  Italien: 
Seiden-  und  Wollengewebe,  seidene  und  baumwollene  Spitzen.  Im  Juni  findet 
eine  Messe  für  Seidenhandel  statt. 

Part  (vom  lat.),  Teil,  in  der  Weberei  =  Patrone. 

Parterre,  Partor,  veralteter  Seidendamast,  den  man  als  „leichten  Stoff" 
bezeichnete. 

Parthenay,  Stadt  im  franz.  Depart.  Deux-Sevres :  Wollspinnerei  und 
Zeugweberei. 

Partinico,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Palermo  auf  Sizilien:  Seiden-  und 
Wollmanufakturen. 

Parura  (Plaga,  lat.),  die  durch  Stickerei  oder  reiche  Stoffaufsätze  ge- 
schaffene Ausschmückung  liturgischer  Gewänder,  namentlich  der  Alba. 

Parusnoe  Polotno,  russisches  Segeltuch,  einer  der  beträchtlichsten  Aus- 
fuhrartikel Hu  sslands,  aus  gutem 'Hanf  und  Fiachsheede ;  man  verbraucht  es  für 
die  rassische  Marine.  In  Nordamerika  geht  diese  Ware  unter  dem  Namen 
ßussia  Sail  Duk. 

Passament,  das  (ital.:  passamano;  franz.:  passement;  engl.:  passement; 
passemente  (franz.),  passemented  (engl.)  =  mit  Posamenten  besetzt).  Borten-, 
Tressenarbeit,  Goldstickerei  u.  s.  w.  Daraus  im  18.  Jahrh.  entstanden:  der 
Posamentier,  Bortenwirker.  Die  ältesten  Arbeiten  gehen  zusammen  mit  der 
Entwickelung  der  Fransen  aus  stehen  gebliebenen  Kettfäden^  woraus  sich  auch 
die  erste    Saumverzierung  mit  der  Spitz enknüpfung  (macrame)  bildete. 

Passements,  dieser  älteste  Terminus  für  Spitze,  den  wir  in  früheren  Ur- 
kunden und  Inventaren  antreffen,  bezeichnet  in  älterer  Zeit  vorzugsweise  das 
Produkt  einer  Fabrik  und  beweist  dadurch  den  frühen  Ursprung  desselben. 
Dieser  Ort  ist  Mirecourt  in  der  Landschaft  von  Lorraine. 

Passepoil  (franz.),  Paspel,  eingenähte  1 — 2  mm  breite  Streifen  anders- 
farbigen Tuchs  in  den  Nähten,  besonders  der  Uniformen. 

Passerformen,  bei  mehrfarbigem  Druck  die  verschiedenen  Model,  Formen 
oder  Steine,  die  je  eine  Farbe  aufdrücken,  namentlich  beim  Zeugdruck  ge- 
bräuchlicher Ausdruck,  der  darauf  zurückzuführen  ist,  dass  beim  Herrichten 
sehr  genau  darauf  geachtet  werden  muss,  dass  jede  Form  in  das  Muster  passt. 

Passfeld,  eine  im  romanischen  Stil  aus  der  Architektur  entstandene 
Kunstform,  welche  im  gotischen  Zeitalter  für  das  Flachmuster  eine  weitere 
Ausbildung  erfuhr.  Zur  Hand  lag  die  Form  der  spitzbogigen  Umrahmung 
des  Granatapfelmusters  (s.  d.)  und  es  steigern  sich  die  Teile  eines  solchen 
Feldes  vom  Dreipass  (Abb.  230  u.  231)  bis  auf  das  Sechsfache  in  dieser 
Periode,  wozu  namentlich  auch  die  fünfblättrige  gotische  Böse  (s.  d.)  Verwen- 
dung findet. 


Paterson — Päwlowskij  Possäd. 


393 


Abbildung-en: 
230  u.  231.     Darstellung  zweier  Dreipassfelder  von  italienischen  Seidengeweben 
des  15.  Jahrb.  aus:  Heiden,   Musteratlas,  Leipzig  1896.     Bl.  29. 


Abb.  231. 


Abb.  230. 


Paterson,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Neujersey:  bedeutende  Fabriken 
von  Seidenwaren,   Seidenfärberei  und  Flachsspinnerei. 

Patissoies  sind  chinesische,  teils  glatte,  teils  broschierte  seidene  Zeuge. 

Patnas,  verschiedene  ältere  Artikel  buntgedruckter,  halb-  und  ganz 
feiner  Kattune  oder  Kalikos  aus  Oesterreich. 

Patole,  leichter,  ostind.  Seidenstoff,  welcher  gedruckt,  gemalt  oder  gestickt 
wird  und  zu  Leibgürteln  von  den  Eingebornen  Verwendung  findet. 

Patron  d'Hollande,  holländische  Patronen,  Name  eines  damastartigen 
Zwillichs  von  verschiedener  Feinheit  zu  Tischtüchern  und  Servietten ,  welche 
früher  nur  in  Holland  gewebt,  jetzt  aber  auch  in  Sachsen  gefertigt  werden. 

Patrone,  in  der  Weberei  die  auf  kariertem  Papier  entworfene  Zeichnung 
eines  Musters. 

Patronieren,  vermittelst  der  Patrone  malen,  oder  ein  Muster  in  die  Carta 
riga  eintragen. 

Pattes  et  quennes  nennt  man  in  einigen  Provinzen  Frankreichs  die 
schlechteste  und  kürzeste  Sorte  unter  der  Schafwolle. 

Pau,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Basses-Pyrenees  sowie  der  ehemaligen 
Grrafschaft  Bearn :  die  Industrie  erstreckt  sich  auf  Leinwandweberei  (Mouchoirs 
de  Bearn),  Flachsspinnerei  und  Färberei. 

Pausa,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  Strumpf- 
wirkerei, Wollweberei  und  Kattun druckerei. 

Pausleinwand,  Bausleinwand,  Bausmusselin,  Bauskattun,  Zeichenkattun, 
Kalkierleinwand,  weisser  Baumwollbatist,  der  durch  Bestreichen  mit  aufgelöstem 
Alaun  und  mit  verschiedenen,  teils  harzigen,  teils  öligen  Substanzen,  sowie 
durch  nachfolgendes  Stärken  und  schliessliches  Glätten  mittels  erhitzter  Druck- 
walzen des  Grlanzkalanders  mit  einer  durchscheinenden  Appretur  versehen  ist 
und  sich  zum  Durchzeichnen  von  Zeichnungen  eignet. 

Pautkas,  eine  Art  ostindischer,  teils  weisser,  teils  gefärbter  Kattune 
verschiedener  Art. 

Pavie,  ein  gemusterter,  weisser  Zwillich  zuTischzeugeu,  ähnlich  dem  Patron 
d'Hollande. 

Pavillon-Etamine  sind  E. -zeuge  von  allerlei  Farbe,  welche  besonders  zu 
Schiffsflaggen  verbraucht  werden  und  auch  unter  dem  Namen  P. -leinen  vor- 
kommen. 

Päwlowskij  Possäd,  Flecken  im  russ.  Gouvernement  Moskau :  bedeutende 
Fabrikation  von  Seiden-,  Baumwoll-  und  Wollstoffen,  Färbereien. 


394  Pawoloki — Pelzzeug. 


Pawoloki,  im  Mittelalter  ein  Seidenstoff  aus  Kiew. 

Pawtucket ,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Khode-Island :  bedeutende 
Fabriken  von  Zwirn,  Garn,  Kattun,  ferner  Bleichereien,  Färbereien  und  Zeug- 
druckerei. 

Payta,  peruanische  Baumwollsorte,  schmutzig-weiss ,  matt  und  ziemlich 
kräftig  im  Faden. 

Pazac,  s.  Baza. 

Pearlin-Spitzen  sind  solche  aus  Schottland. 

Peau  de  Gant,  moderner  Kleiderstoff  aus  weissem  Seidendamast. 
Peau  de  Poule,    ein  veralteter,    einfarbiger  Seidenstoff  mit  punktierten 
Mustern  aus  Lyon  und  Tours. 

Peau  de  SOie,  moderner,  seidener  Kleiderstoff  in  fünfbindigem  Atlas. 
Pechtmals  heissen  mehrere  im  levantiner  Handel  vorkommende  Sorten 
Badetücher  oder  Servietten,  welche  meist  in  der  Türkei  verfertigt  werden.  Sie 
sind  aus  Leinen-  und  Baumwollgarn  gewebt,  in  der  Begel  kornblumenblau 
gefärbt  und  roh.  Eine  bessere  Sorte  mit  schmalen,  roten  Seidenstreifen  aus 
Saloniki  heisst  Kirckalems.  Aus  Kairo  kommt  eine  Sorte  P.  von  weissem 
Leinengarn  mit  seidenem  Rand  und  Streifen;  man  braucht  sie  zu  Bart-  und 
Waschtüchern.  Die  feinste  und  grösste  Sorte  heisst  Photas,  ist  ganz  Seide, 
rot  mit  kleinen,  farbigen  Strichen  und  einem  blauen  E,and,  und  dient  zur  Bade- 
zeremonie der  Bräute  bei  den  Griechen,  Armeniern  und  Juden. 

Peebles,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Grafschaft  im  südl.  Schottland: 
Fabrikation  von  Strümpfen  und  Wollzeugen,  Kattun  und  Leinwand. 

Peilau,  Dorf  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Breslau :  Fabrikation  von  Leinen-  und 
Baumwollwaren. 

Peitz,  Stadt  im  preuss,  Beg.-Bez.  Frankfurt:  acht  Tuchfabriken,  Kamm- 
garnspinnerei und  Kunstwollfabrik. 

Pekinstreifen,  bezeichnet  im  feinsten  Elsässer  Satin,  d.  i.  der  festeste 
Leinenstoff,  Streifen  in  Köperbindung. 

Peking,  Haupt-  und  Residenzstadt  des  chines.  Beichs:  erzeugte  seidene 
Teppiche. 

Pelache,  eine  Gattung  starker  und  gewöhnlicher  französischer  Plüsche, 
deren  Grundkette  von  gezwirntem  Leinengarn,  die  Polkette  von  Baumwolle  ist. 
Pelams,  Belangs,  Pelings,  glatte,  atlasartige  Seidenstoffe  aus  China. 
Pelikan,  Vogel,  welcher  der  Sage  nach  seine  Brust  mit  dem  Schnabel 
öffnet  und  seine  Jungen  mit  seinem  Blut  tränkt,  daher  häufig  Symbol  der 
Selbstaufopferung  und  des  Opfertodes  Christi.  Die  Darstellung  kommt  wieder- 
holt auf  italienischen  Geweben  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrh.  vor. 

Pelleton  heisst  im  levantiner  Handel  eine  Sorte  der  asiatischen  Ziegen- 
haare oder  die  sogenannte  Wickelwolle,  welche  man  meistens  in  der  Hut- 
macherei  gebraucht. 

Pelo,  geringe  Seide,  gewöhnlich  zu  Gold-  und  Silbergespinsten  benutzt 
(s.  Pelseide). 

Pelo  di  Diavolo,  ein  ganz  fester,  doppelt  geköperter  Baumwollstoff, 
satinartig  appretiert,  aus  Oesterreich,  der  in  Italien  zu  Sommerkleidern  für 
Männer  Verwendung  findet. 

Pelotage,  die  geringste  Sorte  der  aus  Peru  und  Buenos  Aires  kommenden 
Vigognewolle. 

Pelote,  ein  Beiname  der  rohen  und  unzugerichteten  Seide,  die  Messina 
liefert. 

Pelseide  (Pelo),  Bezeichnung  der  Bohseidenfäden,  welche,  aus  8,  10  oder 
mehr  Kokonfäden  gedreht,  als  Grundlage  zu  den  Gold-  und  Silbergespinsten 
benutzt  werden.  " 

Pelzpikee  ist  auf  einer  Seite  gerauhter  Pikee. 

Pelzzeug,  im  allgemeinen  mehrere  Sorten  dichter,  einfach  oder  geköpert 
gewebter  Wollenstoffe,  welche  zum  Ueberziehen  der  Pelze  gebraucht  werden; 
insbesondere  aber  die  aus  England  unter  dem  Namen  Fleecy  Hosiery  (s.  d.) 
kommenden  wollenen  Stoffe,    welche  auf  einem  Strumpfwirkerstuhl  so  gewirkt 


Penig — Persennige.  395 


werden,  dass  sie  auf  der  einen  Seite  glatt,  auf  der  andern  aber  durch  die  ein- 
gelegte und  fest  in  die  Masche  eingewirkte  offene  Wolle,  langhaarig  und  völlig- 
rauh,  wie  ein  Pelz  ausfallen. 

Penig,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  Wollwebereien 
und  Zeugdruckereien. 

Penistons,  Panistons  sind  engl.  Wollenstoffe,  eine  Gattung  ganz  starker, 
gewöhnlicher  Tücher  oder  ungeköperter  Molton  von  geringer  Wolle,  welche  in 
der  Nähe  von  Halifax  gewebt  werden. 

Peplos,  der  (griech.),  das  Zeugstück,  welches  die  griechischen  Frauen 
sich  als  Chiton  anlegten  und  mit  Spangen  befestigten. 

Pequins,  Pekings,  glatte  und  gestreifte  chinesische  Seidenstoffe,  die  unter 
gleichem  Namen  auch  in  Europa  gemacht  werden.  Früher  verstand  man  darunter 
auch  gemalte  oder  gedruckte  Leinentapeten. 

Perches  heissen  mehrere  Sorten  gewöhnlicher  Leinen  aus  der  gleich- 
namigen ehemaligen  Provinz  im  jetzigen  Departement  der  Orne,  welches  von 
den  Landleuten  in  der  Gegend  von  AlenQon  aus  starkem  Hanfgarn  gewebt  wird. 

Perfilum  (lat.),  gewebtes,  durchwirktes  Gewand. 

Periclysis  (lat.),  ringsum  laufender,  gestickter  Saum  eines  Kleides. 

Perie-Moeunemolam-Caatjes  sind  weisse,  ostindische  Druckkattune. 

Perkai,  Perkales,  Paracals  sind  ursprünglich  ostindische,  feine  leinwand- 
artig gewebte  Baumwollzeuge,  dichter  als  Musselin,  fast  ganz  wie  die  Cambriks, 
weshalb  sie  auch  häufig  so  genannt  werden.  Gegenwärtig  sind  nur  noch  euro- 
päische P.  am  Markte,  da  unsere  Baumwollwebereien  ihn  ebenso  gut  und 
billiger  liefern.  Es  kommen  aber  bei  diesen  dichten  Webstoffen  viele  ver- 
schiedene Feinheitsgrade  vor,  und  man  verwendet  dazu  Garn  Nr.  36 — 120. 
Die  aus  den  stärkeren  Garnen  Nr.  40 — 60  gewebten,  zum  Druck  bestimmten 
P.  sind  einerlei  mit  Kaliko  und  werden  Druckperkais  genannt.  Die  feinsten 
hierher  gehörigen  Stoffe  werden  auch  Batistmusselin  genannt.  Die  Stoffe  werden 
glatt  und  gestreift,  gefärbt  und  gedruckt  hergestellt. 

Perkalin  heisst  das  gepresste  baumwollene  Zeug  für  Buchbinder. 

Perkan,  s.  Berkan. 

Perlkantille  ist  solche  von  halbrundem,  gepresstem  Draht. 

Perlenstickerei  findet  in  Europa  seit  dem  Mittelalter  in  kirchlichen 
Textilien  Anwendung.  Die  Perle  wird  in  Begleitung  von  Goldstickerei  oder 
aufgelegten  Plättchen  dazwischen  aufgenäht;  nur  besonders  hervorragende 
Kirchengewandstücke  des  12.  u.  13.  Jahrhunderts  sind  damit  ausgestattet.  Die  am 
meisten  dem  Material  und  dementsprechend  der  Stilistik  angepasst  ist  die  P. 
des  Orients,  woselbst  jene  der  wilden  Völker  sogar  ungewöhnlich  schöne  Bei- 
spiele bezüglich  der  Schattierungen  aufzuweisen  haben.  Die  Anwendung  des 
vorhandenen  Meeresproduktes  ist  auch  in  den  kultivierteren  Teilen  Indiens 
(Abb.  213)  und  Persiens  sehr  gebräuchlich:  aus  verschiedenfarbigen  auf- 
genähten Perlen  werden  der  Stickerei  Begleitränder  gegeben,  die  sich  den 
dort    vorhandenen  schmiegsam  anfügen. 

Perlenstrickerei  wurde  in  Deutschland  seit  der  Mitte  des  18.  Jahrh.  für 
kleine  Täschchen  und  sonstige  Damengebrauchsartikel  angewendet.  Man  zog 
die  Perlen  nach  dem  in  Carreaus  aufgezeichneten  Muster  auf  den  Faden  auf 
und  sie  wurden  wie  die  übrigen  Fäden  mit  Hilfe  der  Nadeln  zu  einer  ge- 
musterten Fläche  verschlungen. 

Perlis,  veralteter,  geköperter  Wollenstoff. 

Perljava,  moderner  Stoff  aus  Baumwolle  für  Stickerei. 

Pernambuk,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Perpetuane,  Perputelle,  Perpetuel,  Sempiterne,  feiner,  geköperter  Wollen- 
stoff aus  Kammgarn,  eine  Art  feiner  und  dicht  gewebter  Serge,  welche  zuerst 
aus  England  kam  und  später  auch  in  Frankreich  gewebt  wurde.  Im  Elsass 
und  in  Sachsen  fertigte  man  P.  unter  dem  Namen  Imperiale. 

Perrotine  wird  nach  ihrem  Erfinder  Perrot  in  ßouen  eine  Zeugdruck- 
maschine genannt. 

Persennige    (Persening) ,    Bezeichnung   für    alle    wasserdicht   gemachten 


396 


Perses— Peru. 


Grewebe  aus  Leinen-,  Hanf-  oder  Jutegarn,  die  zu  Wagenplanen,  Kahndecken 
u.  s.  w.  verwendet  werden.    Früher  führte  diesen  Xamen  nur  geteertes  Segeltuch. 

Perses,  Persiennes  wurden  früher  in  Frankreich  die  mehrfarbig  ge- 
druckten und  ausgemalten  Baumwollenstoffe  genannt ,  welche  als  Nachahmung 
der  gemalten,  ostindischen  Chites  gemacht  wurden,  die  über  Persien  nach 
Europa  kamen.  Der  Name  ist  heut  noch  für  österreichische  feinere  Kattune 
dieser  Art  gebräuchlich. 

Persien,  der  westliche  Teil  des  iran.  Hochlandes  in  Westasien:  Baum- 
wolle gedeiht  bis  zu  2000  m  besonders  um  Ispahan,  Kerman,  Jezd,  sowie  im 
Norden.  Die  kaspischen  Provinzen  sind  Sitz  des  Seidenbaues ,  ferner  auch 
Chorassan.  Die  Yiehzucht  ist  die  Hauptbeschäftigung  des  nomadischen  Teils 
der  Bevölkerung,  sie  erstreckt  sich  auf  Schafe  und  Ziegen,  zur  Erzeugung  der 
feinsten  Wollen,  in  Kurdistan,  Kerman,  Chorassan,  Luristan  u.  s.  w.  An  Indu- 
strie besteht  Filz-  und  Flanellarbeit,  Shawl,  Teppich-  und  Seidenweberei.  Yon 
der  Begierung  und  den  Grrossen  des  Beichs  nicht  weiter  unterstützt,  bringt 
Gewerbe  und  Kunst  keinen  lohnenden  Erwerb  mehr,  da  die  Konkurrenz  mit 
den  eingeführten  europäischen  Waren  unmöglich  ist,  für  die  der  Perser  grosse 
Vorliebe  zeigt.  Daher  kommt  es ,  dass  die  ehemals  berühmten  Erzeugnisse 
der  Seiden-,  Sammet-  und  Teppichweberei  jetzt  in  geringer  Qualität  und  grosser 
Menge  ausgeführt  werden.  (Vgl.  den  Artikel  „Orientalische  Kunstwebereien 
und  -Stickereien".) 

Die  erste  Seide  hat  P.  von  den  Chinesen  erbalten,  unwahrscheinlich 
ist  die  Ueberführung  derselben  aus  Indien.  Die  Sassaniden  (250 — 650) 
bringen  das  neupersische  Beich  zur  Blüte,  zu  dieser  Zeit  in  der  Hauptstadt 
Ktesiphon,  welche  im  frühen  Mittelalter  für  Europa  eine  ähnliche  Bedeutung 
gewinnt  wie  Babylon  für  das  klassische  Altertum ,  reiche  Entwickelung  der 
Seidenindustrie,  aus  welcher  Periode  uns  durch  Beliquienhüllen  Gewebe  er- 
halten sind  (s.  Weberei,  Geschichtliches).  Seit  dem  9.  Jahrh.  tritt  persische 
Bohseide  in  solchem  Ueberfluss  auf  den  Seidenmärkten  auf,  dass  sie  der  chine- 
sischen Konkurrenz  macht.  P. ,  welches  bald  gänzlich  unter  dem  arabischen 
Einfluss  steht  (s.  arabischer  Stil) ,  produziert  die  weltberühmt  gewordenen 
Atlas-  und  Sammetgewebe  (s.  orientalische  Kunstwebereien). 

Persische  Baumwolle,  s.  Baumwollsorten. 

Persische  Stickereien,    s.  orientalische  Kunstwebereieu  und  Stickereien. 

Persische  Teppiche,  s.  Teppiche. 

Pertes  sind  französische  Leinen,  welche  nacli  gleichnamigem  Ort  benannt  sind. 

Peru,  nach  ihrem  Ursprung  benannte  Baumwollsorte. 

Abb.  232. 


Peru  (span.  El  Peru),  südamerik.  Bepublik.  Für  die  Textilkunst  sind  von 
Bedeutung  die  auf  dem  Totenfeld  von  Ancon  in  P.  gemachten  Funde,  worüber 
von  Beiss  und  Stübel  (Berlin  1887)  ein  Prachtwerk  mit  illustrierten  Abbil- 
dungen erschienen  ist.     Die  alten  Peruaner  pflegten  ihre  Toten   bekleidet  und 


Peruanische  Wolle— Petit  fin.  397 

in  zusammengekrümmter  Stellung,  in  Tierfelle  oder  Matten  gehüllt,  als  Ballen 
zu  bestatten.  Neben  den  Toten  findet  man  Waffen  und  Grerät,  bei  den  Frauen 
Spindel,  Webeutensilien  und  Arbeitskästchen.  Aus  diesen  Funden  wissen  wir, 
dass  die  Textilindustrie  bei  den  Peruanern  einen  ganz  hervorragenden  Platz  ein- 
nahm, zu  welcher  ihnen  in  der  feinen 
Wolle  des  Lama,  Alpaka  und  Yicuiia  j^-^^    233 

ein  ganz  vorzügliches  Material  zu  Ge-  

böte  stand ;  auch  Baumwolle  wurde  in 
reichem  Masse  verwendet.  Technik  und 
Musterung  dieser  dort  herstammenden 
Gewebereste  (Abb.  232  u.  233)  erinnern 
lebhaft  an  die  koptischen  Textilfunde 
(s.  d.),  wenngleich  alles  etwas  einfache- 
rer Art  ist,  als  in  jenen,  weil  sie  frei  — ^^— ^— ^^^^— — ^—— ^^— 
von  fremden  Einflüssen  und  vor  allem 

die  Muster  sich  lediglich  aus  der  Technik  heraus  entwickeln,  somit  auch  interes- 
sante Beispiele  geben  für  die  Entstehung  einfachster  linearer  Ornamentik,  sowohl 
in  Wirkerei,  in  gewebten  und  genetzten  spitzenähnlichen  Arbeiten;  auch  bemalte 
Stoffe  wurden  gefertigt.  (Vgl.  die  Artikel  Baumwollengewebe,  s.  S.  69,  und 
Zeugdruck.) 

Abbildungen : 
232 — 233.     Darstellungen    aus :    Fischbach,    Ornamente    des    Feuerkultus    im 
Werke  Ursprung  der  Buchstaben  Grutenbergs,  Mainz  1900.    Peruanische  Wirkereien  in 
Wolle  und  Baumwolle  mit  Mustern  aus  Hakenborten  und  stilisierten  Vogelkörpern. 

Peruanische  Wolle,  Peruvianische  Wolle  heisst  in  der  Begel  die  feine, 
seidenartige  Wolle  des  in  Chili  und  Peru  vorkommenden  Chili-Hueque  (Ca- 
melus  Arancanus  Mol.)  oder  des  peruanischen  Schafkamels.  Die  schöne  W^olle 
desselben,  von  welcher  die  weisse  am  besten  ist,  wird  teils  in  Südamerika  zu 
feinen  Stoffen  verarbeitet,  teils  nach  Europa  gebracht.  Häufig  heisst  auch  so 
die  Pacos-  und  die  Yigogna-  (Yicuiia)  Wolle,  obwohl  diese  von  der  P.  W.  sich 
bedeutend  unterscheidet. 

Perugia,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  im  Königreich  Italien: 
Fabriken  für  Seidenzeuge,  Sammet  und  Leinwand. 

Perugino  oder  Perugini,  veralteter,    mehrfarbiger  Wollenstoff  aus  Gera. 

Peruvienne,  auch  Droguet  lisere  oder  lustrine  genannt,  früher  ein  schwerer, 
bunt  gemusterter  Seidenstoff,  dessen  mehrfarbige  Blumen  durch  die  Liserie- 
arbeit  hervorgebracht  wurden. 

Pesaro,  das  alte,  umbrische  Pisaurum,  Hauptstadt  der  ital.  Provinz  Pe- 
saro-IJrbino :  Fabriken  für  Seiden-,  Hanf-  und  Wollgewebe. 

Pessots,  Paisseau,  ein  geköperter  Wollenstoff  aus  Frankreich,  eine  Art 
Serge,  welcher  früher  an  mehreren  Orten  des  Depart.  du  Gard  gemacht  wurde. 

Petenuche,  auch  sonst  Galette  de  cocon,  in  Frankreich  eine  Art  seidenen 
Wergs,  welche  noch  geringer  als  Florettseide  ist.  Doch  findet  sie  nach  gehöriger 
Reinigung  und  Färbung  ihre  nützliche  Verwendung  zu  geringen  Stoffen :  Bändern 
und  Livreetressen. 

Petermann,  s.  Beederwand. 

Petersburg,  Hauptstadt  des  russ.  Beichs  :  Sehr  wichtig  sind  die  Baum- 
wollfabriken (26  mit  32,4  Mill.  Rubel  Produktion),  ferner  16  AYollwarenfabriken. 
(s.  Bussland). 

Peterswaldau,  Dorf  im  preuss.  Reg. -Bez.  Breslau:  Baumwollspinnereien 
und  -Webereien,  Färbereien  und  Zeugdruckereien. 

Petins  sind  gemischte  Zeuge  aus  Kamelgarn  und  Wolle. 

Petit  bordure,  ein  französisches,  schmales  Wollenband. 

Petit  drap,  ein  Wollenstoff  in  Taffetbindung  aus  Frankreich;  unter  petit 
draperie    versteht    man    in  Frankreich    die    einfachen   und    geköperten    leichten 
Wollenstt)ffe,  als  die  Berkane,  Kamelotts,  Etamines,  Serge,  Merinos  u.  s.  w. 
.  Petit  fin,  eine  Sorte  des  flandrischen  Sayetteocarns. 


398  I'etit  grain— Phoras. 


Petit  grain,  ein  Seidenstoff  in  Art  des  Grosdetours. 

Petit  pied  nannte  man  früher  eine  geringe  Sorte  von  SjDitzen  aus  Va- 
lenciennes,  welche  als  Besätze  zu  Manschetten  verbraucht  und  auch  Tiers-basse- 
hauteur  genannt  wurde. 

Petit  Velours  in  Frankreich  dasselbe,  was  die  Engländer  Velveret,  einen 
leichten  Sammet,  nennen. 

Petit  point-Stich  ist  halber  Kreuzstich. 

Petit  toile,  eine  gute,  fest  und  dicht  gewebte  Leinwand,  weiss  und  blau 
oder  rot  und  weiss  gestreift,  auch  in  diesen  Farben  klein  gegittert.  Der  Stoff 
kommt  aus  Ronen. 

Pettinet  (Petinet) ,  leichte ,  durchsichtige  oder  gazeartig  gewirkte ,  mit 
vielen  regelmässigen,  netzartigen  Oeffnungen  versehene  Grewebe ,  welche  aus 
Seide,  feinem  Leinenzwirn  oder  Baumwolle  auf  besonderen  Stühlen  hergestellt 
werden;  früher  benutzte  man  dazu  nur  den  Kulierstuhl,  während  später  der 
eigentliche  Kettenpettinetstuhl  aufkam  und  jenen  grösstenteils  vertrat,  mit 
Ausnahme  bei  starker,  wollener  Ware.  Glatter  P.  als  Grund  zu  genähten 
Spitzen  und  Stickereien  kommt  nur  noch  in  Seide  vor,  indes  die  aus  Zwirn 
bestehende  AYare  jetzt  auf  der  Bobbinetmaschine  gearbeitet  wird.  Auf  dem 
Pettinetstuhl  arbeitet  man  in  den  verschiedensten  Mustern  spitzenähnliche 
Tücher,  Shawls,  Schleier  u.  dgl.  und  in  England  in  grosser  Menge  die  Ma- 
schinenspitzen. 

Pezenas,  Stadt  im  franz.  Depart.  Herault:  Seidenspinnerei  und  Fabri- 
kation von  Leinwand. 

Pezetta  da  tingere,  P.  di  Levante,  s.  Bezetten. 

Pfäffikon,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Zürich:  Baumwoll-  und  Seiden- 
industrie, Hosshaarspinnerei. 

Pfaidlerwaren  sind  genähte  weisse,  baumwollene  und  leinene  Waren,  wie 
Hemden ,  Kragen ,  Böcke ,  Leibchen  u.  s.  w. ;  der  Ausdruck  ist  im  Oester- 
reichischen  gebräuchlich. 

Pfauengewebe,  mittelalterliche  Bezeichnung  eines  orientalischen  Seiden- 
stoffes, wahrscheinlich  wegen  der  Yielfarbigkeit. 

Pfellel,  im  Mittelalter  so  benannter  Seidenstoff  von  rein  arabischer  Her- 
kunft, welcher  mit  dem  franz.  vielerwähnten  paile  identisch  ist.  Pf.,  der  im 
Grunde  so  viel  wie  Atlas  war,  hiess  auch  Salamander. 

Pfersee,  Dorf  im  bayr.  Beg.-Bez.  Schwaben:  Spinnerei,  Weberei,  Bunt- 
weberei, Färberei  und  Bleicherei,  Fabrikation  von  Putzwolle  und  Trikotwaren. 

Pflanzenseiden,  vegetabilische  Seiden,  die  in  der  Technologie  ver- 
wendeten glänzendweissen  Samenhaare,  ausser  der  Baumwolle.  Sie  entstammen 
zumeist  den  Asklepiadeen ,  hier  besonders  der  afrik.-ind.  Calotropis  gigantea 
B.  Br.  (Mudar).  Auch  die  zu  den  Apocynaceen  gehörige  Beaumontia  grandi- 
flora  Wall.  (Indien)  liefert  eine  Seide.  Meistens  besitzen  dieselben  aber  nicht 
die  zu  weiterer  Verwendung  genügende  Festigkeit  und  werden  daher  von  den 
glänzenden  Bastfasern  (Manilahanf,  Bamie  u.  a.)  an  Wert  übertroffen. 

Pfriemen  oder  Besenpfriemen  (Spartium  scoparium  L.),  zu  Besen  und 
Zeugen  verwendet.  Die  Bauern  in  den  Cevennen  (Frankreich)  weben  Leinen- 
tücher und  Hemden  daraus,  die  weniger  rauh  sind  als  solche  aus  Werg. 

Pfuclien,  in  einigen  Gegenden  Deutschlands  das  Abwerg,  Werg  oder  die 
Hemden  von  Flachs  oder  Hanf. 

Pfullingen,  Stadt  im  württemb.  Schwarzwaldkreise:  Baumwollspinnerei 
und  -Weberei,  Tuch-  und  Zwirnfabrikation. 

Pheide  oder  Pheit,  im  späteren  Mittelalter  ein  rohes  Wollentuch. 

Philadelphia,  die  bedeutendste  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Peijnsyl- 
vanien:  P.  ist  nach  NeAvyork  die  bedeutendste  Lidustriestadt  der  Vereinigten 
Staaten,  namentlich  in  Textil-  und  Manufaktur  waren. 

Phoenicium  (lat.),  scharlachrotes  Gewebe. 

Phoras,  eine  Art  baumwollener  Nesseltücher,  welche  ehedem  aus  Ost- 
indien kamen,  jetzt  aber  in  Frankreich  für  die  afrikanische  Küste  gewebt 
werden. 


Photas — Pinasses.  399 


Photas,  Phottes ,  gewöhnliche  Baumwollzeuge  aus  Indien.  Ph.  heissen 
auch  die  seidenen,  carmoisinroten  Badetücher  mit  blauem  Band  und  kleinen, 
bunten  Strichen,  welche  in  der  Türkei  die  Griechen,  Armenier  und  Juden  bei 
den  Badezeremonien  ihrer  Bräute  gebrauchen. 

Phrygien  in  Kleinasien,  war  zur  Bömerzeit  so  berühmt  wegen  seiner 
Leistungen  in  der  Kunstweberei  und  Stickerei,  dass  jemand,  der  das  Gewerbe 
der  Stickerei  betrieb,  Phryio,  Phrygier,  und  verzierte  Gewänder  phrygische 
genannt  wurden. 

Phrygienne,  ehemals  ein  seidener  Modestoff  mit  kleineu  Broschüren  auf 
Atlasgrund. 

Phrygische  Mütze,  Beutelmütze,  deren  Zipfel  nach  vorn  getragen  wird. 

Phrygische  Stoffe  wurden  im  Altertum  gestickte  Stoffe  genannt. 

Phrygium  heisst  die  hohe,  spitze  Mütze  aus  weisser  Seide  mit  einem 
Goldreifen,  welche   der  Papst  bis  ins  14.  Jahrh.  hinein  trug. 

Piara,  peruanische  B aumw oll s orte. 

Picot,  le,  das  Häkchen,  Zähnchen,  Knöpfchen,  namentlich  die  kleine 
Masche ,  welche  sich  bei  Nadelspitzen  reihenförmig  an  den  Bändern  findet. 
Picots  werden  auch  ganz  schmale,  gewebte  Zwirnkanten  genannt. 

Pieds  COUrts,  eine  geringere  Sorte  der  französischen  Moquettes  oder 
sammetartigen  Möbelzeuge,  Decken  oder  Teppiche  aus  Abbeville,  Lille  und 
Tournay. 

Pielles  Cabrados  und  negros  werden  im  spanisch-amerikanischen  Handel 
leichte  wollene  Hosenzeuge  (Sommerbuckskins)  genannt. 

Pikee  (franz.:  pique ;  engl.:  guilting,  marseille;  ital. :  trapuntino) ,  ein 
dichtes,  schweres  Baumwollgewebe,  welches  infolge  von  erhöhten  und  vertieften 
Stellen,  die  auf  der  Oberfläche  miteinander  abwechseln,  wie  gesteppt  (pique) 
erscheint.  Es  gehört  zu  den  Doppelgeweben,  d.  h.  es  werden  bei  seiner  Her- 
stellung zwei  übereinanderliegende  Ketten  verwendet,  von  denen  jede  besonderen 
Einschuss  erhält.  Die  Verbindung  beider  Ketten  geschieht  dadurch,  dass  zeit- 
weise einzelne  Eäden  der  einen  Kette  in  die  andere  verlegt  und  durch  die 
Einschussfäden  dieser  Kette  mit  gebunden  werden.  Das  obere  Gewebe  bildet 
die  rechte  Seite,  die  untere  Kette  bildet  den  Grund  der  unrechten  Seite,  wozu 
ein  stärkeres  Garn  genommen  wird,  sodass  man  zu  dieser  Garn  Nr.  16  nimmt, 
wenn  jene  aus  Garn  Nr.  32  besteht.  Die  P.  sind  entweder  ganz  weiss  oder 
einfarbig  und  mit  verschiedenen  Mustern  bedruckt,  oder  durch  verschieden- 
farbige Einschlag-  und  Kettfäden  gegittert,  gestreift  oder  broschiert.  Die  Ware 
w^urde  zuerst  in  England  hergestellt,  die  Fabrikation  ist  dann  auch  in  Frank- 
reich und  Deutschland  heimisch  geworden. 

Pikeestickerei  bezeichnet  eine  Art  der  Weissstickerei,  in  welcher  grösser 
angelegte  Figuren  mit  verschiedenen  Füllstichen  auf  grobem  Stoffgrunde,  deren 
Umrisslinien  aus  aufgenähten  Schnürchen  bestehen,  s.  Weissstickerei. 

Pillows  sind  gewöhnliche ,  englische  Bettbarchents  aus  Baumwolle  und 
Leinen.  Häufig  werden  sie  auch  ganz  aus  Baumwolle  gewebt  und  man  unter- 
scheidet: Shoren-P.,  deren  Oberfläche  geschoren  ist,  Beaverd-P.,  mit  einer  durch 
Karden  aufgerauhten  Oberfläche,  und  Printed-Beaverd ,  eine  Art  Manchester, 
ganz  von  Baumwolle,  mit  buntfarbigen  Mustern  bedruckt, 

Pilouw,  englischer,  gemischter,  geköperter  Stoff  aus  Schafwolle  und 
Leinengarn,  mehrfarbig  und  in  mannigfaltigen  Mustern,  wurde  früher  zu 
Herren-  und  Frauenkleidern  getragen. 

Pinara,  peruanische  Baumwollsorte. 

Pinasses  heissen  alle  die  braunen  und  dunkelgelben  ostindischen  Stoffe, 
welche  ohne  alle  Beimischung  ganz  von  Baumbast  gewebt  werden  und  die  nicht 
so  weich  und  glänzend  ausfallen,  als  andere  Gewebe  dieser  Art,  die  aus  Seide 
und  Bast  bestehen,  namentlich  die  ostindischen  Guingans,  Stillas  und  Cherque- 
molles.  Auch  ein  geköpertes,  in  der  Kette  aus  blauem,  im  Einschlag  aus 
weissem  Baumwollengarn  bestehendes  Gewebe  nennt  man  Pinas  oder  Pi- 
nassa,  dasselbe  kam  auch  ursprünglich  aus  Ostindien  und  wurde  später  in 
Europa  nachgeahmt. 


400 


Pinatuch — Plagulae. 


Pinatuch  (vom  span.  pina,  die  Ananas),  auf  der  Insel  Manila  gewebter, 
durchsichtiger  Muselin  aus  Ananasfasern. 

Pinchina,  Pinchinat  heissen  im  allgemeinen  verschiedene  Sorten  tuchartig 
gewebter  französischer  Droguets,  die  für  Italien,  Küsten  der  Berberei,  die 
Levante  und  Griechenland  gewebt  werden. 

PincopS,  die  von  der  Spinnmaschine  fertig  gelieferten  Kötzer  von  baum- 
wollenem Schussgarn,  welche  direkt  in  die  Schützen  des  mechanischen  Web- 
stuhls eingelegt  werden. 

Pinerolo,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Turin:  Fabrikation  von  Seiden-, 
Baumwoll-  und  Wollwaren. 

Pinienzapfen  (lat. :  piniolus;  franz.:  pomme  de  pin;  engl.:  pine  apple), 
eine    seit    dem    Altertum   vorkommende   Kunstform,    welche  neben    dem  Lotos 

schon    bei    den    Assyriern    erscheint 
Abb.  234.  (vgl.    Abb.  30.  31)    und    ebenso    wie 

der  Granatapfel  im  15.  Jahrhundert 
zwischen  dem  gotischen  Spitzbogen- 
feld im  Stoffmuster  in  Aufnahme 
kommt  (s.  die  Artikel  gotischer  Stil, 
Granatapfelmuster,  Abb.  104  u.  2 
auf  Tafel  lY). 

Abbild  ung: 
234.     Darstellung  aus:    Lobelius, 
plantarum  sev  stirpium  icones,  Antwerpen 
1581,  Palma  pinnus  sine  conifera. 

Pinna  (lat.),rranse,  Borte  eines 
Gewandes. 

Pinna  Marina  ist  der  ital. 
Name  der  Muschelseide.  In  den 
niederl.  Fabriken  wurde  früher  auch 
unter  diesem  Kamen  ein  feines,  oliven- 
farbiges, in  Gold  spielendes  Tuch 
angefertigt,  das  die  Farbe  der  Mu- 
schelseide nachahmen  sollte  und  zu 
Kleidungsstücken  verwendet  wurde. 
Pintados  sind  ostindische,  ge- 
malte Kattune. 

Pioscanski  kilims  heissen  die 
in  Pirot  (Bulgarisch-Serbien)  in  Wirktechnik  gearbeiteten  FusstepjDiche.  Pirot 
ist  das  Zentrum  der  Teppichindustrie  des  Balkans. 

Pita,  in  Amerika  die  Fasern  einer  Agaveart  (Agave  foetida  L.),  welche 
dort  ihrer  Feinheit  und  Geschmeidigkeit  wegen  den  anderen  A. -Arten  zu  den 
sogen.  Aloezeugen  vorgezogen  werden.  Schon  in  Amerika  nennt  man  letztere 
auch  pita ;  allein  in  Eurojoa,  namentlich  in  Frankreich,  nennt  man  den  Manila- 
hanf (s.  Abaca)  auch  pita,  franz.:  pite  oder  pitte. 
Pitehanf,  s.  Aloehanf  und  Pita. 

Pittsfield,  Stadt  des  nordamerik.  Staates  Massachusetts :  Fabriken  für 
Woll-,  Baumwoll-,  Seiden-  und  Strickwaren. 

Pizzi  d'Italia,  eine  Art  Zwirnspitzen,  welche  in  Oberitalien  geklöppelt 
werden. 

Placardieren  (vom  franz.),  einen  Zeugstoff  mit  verschiedenen  Beizen  so 
vorbereiten,  dass  er  in  der  Küpe  die  Farbe  nur  für  den  Grund  annimmt,  das 
Muster  aber  weiss  bleibt. 

Plagulae  sind  die  kleinen  Stücke  höchst  kostbaren,  gewebten  oder  ge- 
stickten Stoffes,  die  man  der  Dalmatica  zwischen  Borten  auf  Brust  oder  Bücken, 
der  Alba  vorn  und  hinten  über  dem  Fusssaum  und  auf  die  Aermelränder  auf- 
nähte.    Die  P.  der  Alba  bestehen  gewöhnlich  aus  dem  Stoffe  der  Kasel. 


Plaids— Plüsch.  401 


Plaids  oder  Plaidings  sind  gewürfelte  buntfarbige  Zeuge  von  hartem 
Kammgarn,  die  vorzüglich  in  Schottland  gewebt  werden.  Der  Artikel  dient 
zu  Umschlagetüchem,  Bettvorhängen,  Tapeten,  Schlafröcken  und  hauptsächlich 
aber  zur  schottischen  Nationaltracht,  wobei  der  Plaid  (oder  Tartan), 
eine  Art  Mantel,  charakteristisch  ist. 

Planeta  (lat.),  mittelalterliche  Bezeichnung  für  Kasel. 

Plasch,  feiner  Lahn  zu  Gespinsten,  Passamentarbeiten  u.  s.  w. 

Platilles,  Platillas,  eine  der  gesuchtesten  und  gangbarsten  Sorten  fran- 
zösischer flächsener  Leinwand,  welche  in  gleicher  Güte  auch  in  Schlesien  und 
Böhmen  und  auch  in  England  gemacht  wird. 

Platinen  (franz.),  die  Hebehaken  der  Jacquardmaschine ;  auch  hakenförmige 
Teile  am  Strumpfwirker  stuhl. 

Plattseide,  Stickseide,  welche  aus  nur  einem  Bohseidenfaden  besteht  und 
sehr  schwach  gezwirnt  ist. 

Plattstich,  die  Art  der  Stickerei,  auch  als  Flachstich  bezeichnet,  welche 
sich  in  keiner  Weise  an  die  Textur  des  gegebenen  Grundstoffes  bindet,  sondern 
lediglich  nach  der  Vorschrift  des  Musters  die  Fäden  neben-  oder  übereinander 
legt.  Wegen  der  ursprünglichen  Anwendung  der  Federn  für  die  Plattstich- 
stickerei hiess  sie  im  Altertum  opus  plumarium,  arabisch  rekhameh,  wovon 
das  italienische  ricami  (s.   Stickerei). 

Plan,  Stadt  im  Grossherzogtum  Mecklenburg- Schwerin:  Tuchfabrik  mit 
AVollspinnerei. 

Plauen  im  Vogtland  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau :  Mitte 
der  sechziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  trat  zu  der  Weberei  weisser  Baum- 
wollwaren (Mull,  Gardinen  u.  s.  w.),  der  sogen.  Plauenschen  Waren,  und  der 
Weissstickerei  als  Handstickerei  die  mechan.  Stickerei  (Heilmannsche  Stick- 
maschine) hinzu  und  P.  wurde  auch  Mittelpunkt  der  sächs.  Stickereiindustrie 
(Einsätze,  Kragen,  Taschentücher).  1881  wurde  die  Fabrikation  der  gestickten 
Tüllspitzen  (dentelles  de  Saxe,  dentelles  orientales)  und  darauf  der  Luftspitzen 
(Aetzstickerei)  mit  solchem  Erfolge  eingeführt,  dass  die  vogtländische  Spitzen- 
industrie sich  auch  hierin  rasch  den  Weltmarkt  eroberte  und  die  altberühmte 
S^Ditzenindustrie  in  England,  Frankreich  und  Belgien  ernstlich  bedrohte.  Die 
Zahl  der  in  P.  vorhandenen  Handstickmaschinen  stieg  (1872 — 92)  von  1300 
auf  4200,  sank  aber  wieder  durch  die  Einführung  der  Schiffchenstickmaschine 
mit  Ki-aftbetrieb  auf  (1900)  1500  Handmaschinen,  dafür  aber  waren  etwa  3500 
Schiffchenmaschinen  vorhanden.  In  P.  sind  50 — 60000  vielfach  hausindustriell 
beschäftigte  Arbeitskräfte  in  diesen  Zweigen  der  Textilindustrie  tätig.  Der 
Wert  der  hergestellten  Artikel  ist  zu  50 — 60  IMill.  M.  anzunehmen,  von  denen 
für  etwa  35 — 40  Mill.  M.  nach  dem  Auslande  gehen.  In  den  letzten  Jahren 
ist  ferner  die  Tamburierindustrie  (Bonnaz'  Tamburiermaschine  für  Gardinen, 
Spitzen  u.  s.  w.)  aufgenommen  worden,  ebenso  die  Bandnäherei  (Pointlace- 
Artikel).  Es  bestehen  ferner  eine  bedeutende  BaumwoU-,  Streichgarn-,  Vigogne- 
spinnerei, 16  Färbereien,  13  Bleich-  und  Appreturanstalten,  5  Zwirnereien. 

Pleures,  in  Frankreich  die  Wolle,  welche  von  verreckten  Schafen  ab- 
genommen worden  ist;  man  bezieht  von  derselben  viel  aus  Deutschland. 

Pliat,  s.  Blyant. 

Plisse  (franz.,  d.  i.  gefältelt),  eine  bei  der  Damenkleidung  beliebte  Gar- 
nierung, die  aus  regelmässig  gefalteten  Zeugstreifen  besteht. 

Plocdecken,  in  Frankreich  eine  Art  schlechter  Fussdecken,  die  von 
Kuhhaaren  gemacht  sind. 

Plochingen,  Dorf  im  württemb.  Keckarkreis  :  Baumwollspinnerei,  Hadern- 
sortieranstalt. 

Pluie,  in  Frankreich  eine  Gattung  Droguet,  in  dem  die  Kette  von  Seide 
oder  Kamelhaar,  der  Einschlag  z.  T.  von  Gold-  oder  Silberfäden  gemacht  ist. 
Der  Stoff  sieht  wie  brillantiert  aus. 

Plunkets-Azures,  englische,  blau  gefärbte  Tücher  aus  Essex,  Suffolk  u.  s.w. 

Plüsch  (franz.:  peluche;  engl.:  plush,  shag;  ital.:  peluzzo,  felpa;  span. : 
felpa),  ist  ein  sammetartiger  Stoff,  und  unterscheidet  sich  von  diesem  nur  durch 

Heiden,    Handwörterbuch  der  Textilkunde.  26 


402  Flüssen— Point. 


bedeutend  längere  Behaarung.  P.  wird  sowohl  ganz  in  Seide,  als  ganz  in 
Wolle,  in  Baumwolle  und  neuerdings  in  Leinen  hergestellt.  Die  Güte  dieser 
Gewebe  besteht  hauptsächlich  darin,  dass  sie  dicht  und  fest  geschlagen  sind 
und  die  ganz  egale,  nicht  gar  zu  lange  Pole  den  Grund  ganz  bedeckt.  Doppel- 
plüsch hat  Behaarung  auf  beiden  Seiten,  doch  auf  der  inneren  kürzer,  in  ver- 
schiedenen Farben. 

PlÜSSen,  in  der  Appretur  des  Tuches  soviel  wie  Fertignoppen,  hat  den 
Zweck,  alle  durch  Zufall  in  das  Gewebe  gekonunenen  fremdartigen  Körper 
(Stroh-  oder  Holzsplitterchen  u.  s.  w.),  vorstehende  Fadenenden,  die  durch  An- 
knüpfen gebrochener  Fäden  entstandenen  Knoten  u.  dgl.  zu  entfernen;  es  ge- 
schieht mit  dem  Nopp-  oder  Plüsseisen,  der  Noppzange  u.  s.  w. 

Pluviale  (lat. :  pluviale;  franz.:  pluvial;  engl.:  pluvial,  cope),  eigentlich 
Regenmantel  und  ursprünglich  auch  als  solcher  für  die  Geistlichkeit  bei  Pro- 
zessionen und  im  Winter  in  der  Kirche  gebraucht ;  erst  von  etwa  1250  an  als 
reichgeschmücktes  Festgewand  für  allgemeine  kirchliche  Zwecke  als  Chorgewand, 
Chormantel.  Anfangs  ist  das  Pluviale  mit  Aermeln  ausgestattet,  wogegen  Inno- 
cenz  III.  ein  Verbot  erlässt.  Die  in  der  Mitte  der  geraden  Seiten  des  halb- 
kreisförmig geschnittenen  Stoffes  zum  Ueberziehen  über  den  Kopf  aufgenähte 
Kapuze  (cappa)  wird  mit  der  Zeit  zu  einem  aufgesetzten  Schilde  (clipeus)  oder 
zu  einem  geschweiften  Kragen  umgewandelt.  (Yergl.  Abb.  5  auf  Tafel  IX.) 
Poches,  in  den  Städten  am  Schwarzen  Meere  schwarzseidene  Turbane, 
die  zu  Bagdad  und  Pru  gewebt  und  häufig  nach  Konstantinopel  gebracht  werden. 
Poil  (franz.),  Haar,  die  haarige  Oberfläche,  der  Flor  sammetartiger  Ge- 
webe. (Vgl.  Pol.)  A  trois  poils,  ä  quatre  poils  u.  s.  w.  =  dreidrähtig,  vier- 
drähtig  u.  s.  w. 

Poil  de  chevre  (franz.),  d.  i.  Ziegenwolle,  nennt  man  einen  Stoff  mit 
einem  Einschlag  aus  Kammwolle  und  Kette  aus  Baumwolle ;  öfter  werden  dem- 
selben auch  Wolle  und  Seide  eingewirkt.  P.  de  eh.  wird  auch  Angorawolle 
genannt. 

Point  (franz.),  Stich,  Nadelstich,  Naht;  gros  point,  weiter  Stich;  point 
de  boutonniere,  Knopflochstich;  point  de  chainette,  Kettenstich;  point  de 
Chine,  chinesische  ausgenähte  Tapete ;  point  croise,  Kreuzstich ;  point  noue, 
Schlingstich. 

Die  Bezeichnung  von  point  ist  im  Französischen  für  Spitze  allgemein; 
man  nennt  demnach  die  Arten  von  Spitzen: 

Point  ä  ecailles,   eine  vereinzelt  zur  Rokokozeit  noch  vorkommende  Steg- 
spitze. 
Point  ä  l'aiguille,  jede  Nadelspitze. 

Point  ä  la  reine,   scheint   eine  ELlöppelspitze  gewesen  zu   sein,  man  nimmt 

an,  dass  sie  in  den  Niederlanden  erzeugt  wurde  und  zwar  von  Arbeiterinnen, 

die  des  besseren  Verdienstes  wegen  aus  Alengon  dorthin  ausgewandert  waren. 

Point  ä  la  vierge,  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  der  Normandie  erzeugte 

Spitze  aus  einem  Netzgrunde  mit  ganz  einfachen  Rosetten. 
Point  clair,  eine  glänzende  Spitze  aus  Seide. 

Point  Colbert,  werden  franz.  Spitzen  genannt,  welche  in  der  Art  gearbeitet 
sind,  wie  man  in  Alencon,  Argentan,  Bayeux  u.  s.  w.  kurz  nach  1665,  d.  h. 
dem  Jahre,  in  welchem  auf  Betreiben  Colberts  die  Spitzenindustrie  daselbst 
aufgenommen  wurde,  arbeitete.  Man  bemühte  sich  darin,  Stücke  in  der  Art 
der  italienischen  Vorbilder,  besonders  der  venetianischen  Relief  spitze,  zu 
fertigen. 
Point  conte  heisst  eine  Netzspitze  in  Musterbüchern,  weü  die  Anzahl  der 
darin  vorkommenden  Felder  an  dem  Netze  der  Zeichnung  abgezählt  werden 
musste. 
Point  coupe,  Durchbruch,  auf  dessen  Grundlage  die  Anfertigung  der  Spitzen 

von  Venedig  und  Alengon  beruht. 
Point  d'AleuQon,   genähte  Spitzen  in  Nachahmung   der  venetianischen  Re- 
liefspitzen; in  Alengon  hat  man  aber  auch  schon  vorher  Spitzen  in  Art  der 
Filetarbeiten  gefertigt. 
Point  d'Angleterre;  über  die  Bedeutung  dieser  Spitze  gehen  die  Meinungen ' 
auseinander.     Viele  wollen  darin  eine  ganz  bestimmte  Art  erkennen,   andere 
erbhcken  ein  niederländisches  Erzeugnis,  welches  so  genannt  wurde,  weil  es 


Pointas— Polen.  403 


für  England  angefertigt.  ■  Es  wird  z.  T.  ein  Handelsnamen  für  geklöppelte 
niederländische  Spitzen  mit  Rankenmuster  sein.  Auch  eine  Rokokospitze 
„eine  Art  gemischter  Grund  und  Netzspitze"  bezeichnet  man  als  P.  d'A. 

Point  de  Bourgoigne,  Klöppelspitze,  schon  im  16.  Jahrhundert  berühmt, 
mit  feinem  Reseau,  auf  welchem  die  breiten  Ornamente  und  Blumenranken 
mit  durchlöcherten  Umrisslinien  und  mit  einer  Art  Füllung  aufliegen,  welcher 
diese  Teile  erscheinen  lässt,  als  wären  sie  aus  dem  allerzartesten  Batist 
appliziert. 

Point  de  France  heissen  alle  seit  1665  in  Frankreich  nach  italienischen 
Vorbildern  genähten  Spitzen.  Es  bildet  sich  im  selben  Jahre  eine  eigene 
Gesellschaft,  mit  einem  ausschliesslichen  Privilegium  für  10  Jahre,  zur  Er- 
zeugung der  P.  de  Fr.  Es  werden  1666  für  diese  Art  der  Spitze  folgende 
Erzeugungsorte  bestimmt:  Le  Quesnoy,  Arras,  Reims,  Sedan,  Chäteaux- 
Thierry,  Loudun,  AlenQon,  Aurillac.  1675  erlischt  das  Vorrecht  dieser  Ge- 
sellschaft und  der  Name  point  de  France  bleibt  besonders  den  Erzeugnissen 
von  Alengon  haften ;  dennoch  bezeichnet  man  aber  die  hier  gemachten  als 
points  d'Alencon. 

Point  de  Marly  bildet  den  Uebergang  von  der  Grundspitze  mit  Muster  zum 
reinen  Tüll.  Einen  dem  Tüll  verwandten  Stoff  liebten  die  Damen  des  17. 
Jahrhdts.  zur  Herstellung  der  hohen,  haubenartigen  Kopfbedeckung.  Es 
war  eine  Art  Kanevas,  ganz  durchsichtig  wie  Gaze,  worauf  erst  die  Blumen 
mit  der  Nadel  ausgeführt  wurden.  Diese  Spitzenart  wurde  in  Leinen  und 
Seide  gearbeitet,  sie  entstand  1760  und  1770,  wurde  zwei  Jahrzehnte  in 
Spanien,  England,  besonders  aber  in  Bayeux  ausgeführt. 

PointdeMilan  ist  eine  den  niederländischen  Grundspitzen  verwandte  Klöppel- 
arbeit aus  Mailand. 

Point  de  rose,  die  feinste  Art  der  point  de  Venise,  deren  Grund  mit  kleinen 
Sternen  in  Form  von  Rosen  gefüllt  ist. 

Point  de  ruccroc,  Glücksspitze,  wird  die  schwierigste  und  mühevollste 
Technik  einer  Brüsseler  Spitze  genannt. 

Point  d'Espagne,  eine  Art  Stickerei  mit  ausgeschnittener  Arbeit,  woran 
Gold-  und  Silberfäden  in  Form  von  Oesen  die  Ränder  umsäumen  und  die 
inneren  Leinenflächen  in  farbiger  Seide  gestickt  sind;  daneben  scheinen  sie 
auch  in  schwarzer  Seide  vorgekommen  zu  sein. 

Point  d'esprit  führt  der  point  de  Lille,  wenn  er  die  Erzeugnisse  von  Malines 
und  Alengon  nachahmt. 

Point  de  Venise  heisst  die  genähte  Relief  spitze  aus  Venedig. 

Point  lace,  die  in  Nachahmung  der  venetianischen  Relief  spitze  gearbeitete 
Litzenspitze,  auf  genähtem  und  später  auf  geklöppeltem  Grunde.  Das  Muster 
ist  aus  gewebtem  Bändchen  gebildet. 

Point  noue,  Bezeichnung  für  den  italienischen  punto  a  gropo,  d.  i.  eine 
geflochtene  Spitze,  die  auch  unter  dem  Namen  Macramee  erscheint. 

Point  plät,  aufgelegte  Tüllspitze. 

Point  royal  soll  eine  Nachahmung  des  niederländischen  Typus  sein  (point 
ä  la  reine),  der  um  1700  in  Alengon  erzeugt  wurde. 

Pointas  oder  Puntas  sind  flandrische  Spitzen. 

Point  long,  eine  Art  flandrischer  Tapeten. 

Points  (franz.),  Mehrzahl  von  point  (s.  d.)  Spitze. 

Point  sarrasin,  in  Frankreich  die  auf  türkische  Art  gewebten  Tapeten, 
welche  in  der  Savonnerie  zu  Chaillot  verfertigt  werden. 

Poisdamast  wurden  früher  ein-  und  zweifarbige  SeidendamaststofFe  mit 
Kantenstreifen  genannt,  welche  vom  Orient  kamen. 

Poken   (Boken),  eine  Vorarbeit  der  Flachsspinnerei. 

Pol  (vom  franz.  poil),  der  Sammetflor,  daher  Polfaden,  Polkette,  Pol- 
schuss  u.  s.  w.     Vgl.  Sammet  und  Polfäden. 

Polackenleinwand  nennt  man  in  den  böhmischen  Fabrikdörfern  längs 
der  schlesischen  Grenze  eine  gewöhnliche  starke  Leinwand,  welche  als  Segeltuch 
verbraucht  wird. 

Polamit,  Polemit,  Polomit,  s.  Kamlot. 

Polen,  früher  eigenes  Königreich,  bildet  seit  1874  das  russ.  (xeneral- 
gouvernement  Warschau  mit  den  10  Weichselgouvernements:  Textilindustrie 
(besonders  Woll-  und  Baumwollfabriken),  namentlich  in  Lodz  (s.  d.) ;  ausgeführt 
werden  Baumwolle,  Rohseide  und  Seidenstoffe.  —  Die  ältere  Kunstweberei  wurde 


404 


Polen. 


durch  Perser  und  Türken  eingeführt,  besonders  beeinflussten  diese  anfangs  die 
Muster.  Nach  Notizen  aus  Kotaczkowski ,  Wiado  mösci,  fabrykach  i  rekod- 
zielach  w  dawnej  Polsce,  Warschau  1881.  (Nachrichten  über  die  Fabriken 
und  Handwerke  im  alten  Polen)  gründete  ein  polnischer  Edelmann  (Fürst 
RadziM-ill)  am  Ende  des  17.  Jahrh.  eine  Seidenfabrik  in  Sluck,  welche  Gürtel 
und  Brokatstoffe  fertigte;  alsdann  geschieht  in  demselben  Buche  einer  in 
Krakau  errichteten  Seidenmanufaktur  Erwähnung:  im  Zusammenhange  hiermit 
werden  als  Leiter  dieser  "Werkstätten  Mazarski  (für  Sluck)  und  Maslowski 
(für  Krakau)  genannt.  Uebrigens  brachten  die  Händler  zur  Glitte  der  1880er 
Jahre  die  meisten  polnischen  Stoffe  aus  der  Gegend  von  Warschau,  so  dass 
auch  hier  eine  Fabrik  bestanden  haben  wird. 

Die  Schärpe  (Abb.  235  u.  236),  ein  Hauptstück  der  polnischen  National- 
tracht, entspricht  dem  persischen  Gürtel  (Abb.  215)  und  ist  gleich  diesem  in 

Abb.  235. 


m 


Querstreifen  und  Längsborten  gemustert,  die  Ab schlus senden  enthalten  Blumen- 
stauden oder  Sträusse  in  Yasen.  Der  persische  Gürtel  ist  im  Material  weicher 
als  jener,  man  merkt  den  polnischen  Fabrikaten  das  Schwerfällige  in  der  Hand- 
fertigkeit an,  infolgedessen  findet  ein  verschwenderisches  Umgehen  mit  Metall- 
fäden statt,  so  dass  manche  Stücke  brettsteif  in  glänzender  Silberfläche  er- 
scheinen. Auch  trägt  hierzu  bei  die  für  doppelseitige  Verwendung  bere(ftinete 
Ausführung;  man  hat  z.  B.  auf  einer  Seite  blaue,  auf  der  anderen  Silberstreifen; 
selbst  in  einer  Fläche  wechseln  rechts  und  links  die  Grundfarben  derselben, 
um  je  nach  Bedarf  in  Erscheinung  zu  treten.  Die  Musterung  an  und  für  sich 
ist  unbeholfen,  zum  Teil  in  linearer  Ausführung;  doch  stehen  diese  polnischen 
Schärpen    in    hohem  Werte.     Die  Fabrikationsstätte    ist    gewöhnlich   auf  dem 


Polen. 


405 


Stücke  vermerkt  (wie  hier  in  Abb.  235);  aucli  kommen  Bezeichnungen  des 
Verfertigers  vor.  Wie  übrigens  allmählich  die  Musterung  sich  befreit  von 
orientalischem  Einfluss,  das  zeigt  die  Füllung  der  Endigung  in  Abb.  236,  worin 
sich  gebuckelte  Yasen  mit  Blumensträussen  befinden.  Grieiches  lässt  sich  auch 
bei  anderen  Stoffen  wahrnehmen.  So  sind  z.  B.  streng  orientalische  Elemente 
in  den  spitzovalen  ausstrahlenden  Blütenformen  auf  dem  in  Abb.  237  dar- 
gestellten Brokat  nicht  zu  verkennen;  aber  die  unbeholfene  Anordnung  der- 
selben an  gewundenen  welligen  E-ankenstreifen  lassen  darauf  schliessen,  dass 
das  Muster  keiner  formensicheren  Hand  des  Orientalen  entsprungen  ist;  auch 
zeugen  dafür  die  fast  hebräisch  anklingenden  schriftartigen  Zeichen,  welchen 
einzelne  Blüten  auf  dem  sterngefüllten  Grunde  entsteigen.   Feineres  Empfinden 

Abb.  236. 


einer  —  wenn  auch  barocken  —  Formensprache    verrät  das  in  Abb.  238  dar- 
gestellte Stoffmuster,    dessen  Blüten  im  Geiste  einer  gewissen  Chinoiserie  fast 


einen  französischen  Anstrich  hab( 


dem    sich  noch    mehr   die    feinen  Ranken 


im  Stile  der  Regencezeit  anzuschliessen  scheinen;  indessen  sprechen  Farben 
—  weiss  ist  in  Polen  als  Grundfarbe  beliebt  —  und  vor  allem  das  Material 
dafür,  dass  man  es  mit  einem  Fabrikat  des  Ostens  zu  tun  hat.  Auf  dem  Wege 
zwischen  dem  Osten  und  Westen  Europas  liegt  scheinbar  auch  die  Anfertigung 
des  in  Abb.  239  wiedergegebenen  Tapetenstoffes,  welcher  bezüglich  des  darauf 
befindlichen  polnischen  Adlers  mit  sächsischem  Kurhut  und  der  Krone  ver- 
muten lässt,  dass  er  für  den  im  Jahre  1697  zum  König  von  Polen  erwählten 
Kurfürst  Friedrich  August  von  Sachsen  gewebt  wurde.  Wenn  auch  wiederum 
der  Goldfaden  und  seine  Behandlung  den  Meister  des  Orients  verraten,  so 
haben  doch  bei  der  Komposition  des  Musters  Europäer  die  Hand  geführt,  ver- 
mutlich französische  Weber ,  welche  schon  zur  Zeit  des  Grossen  Kurfürsten 
aus  Preussen  nach  Sachsen  übergesiedelt  waren. 

Abbildungen: 

235 — 239.     Darstellungen  aus  dem  Kunstgewerblatt  N.  F.  II.      Leipzig    (Verlag 
E.  A.  Seemann),  nach  Originalen  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin : 

•235.     Endigung  einer  polnischen  Schärpe,  in  roter,  blauer  Seide  und  Silber  ge- 


406 


Polenteppiche. 


wirkt :  ungemusterte  Querstreifen  sind  eingefasst  von  Borten  mit  ßlütenranken  in  eckiger 
Linienfüliruag ;  im  Felde  zwei  streng  stilisierte  Blütenstauden  in  persischem  Geschmack. 
Polen,  bezeichnet  Sluck,  Ende  17.  Jahrh. 

236.  Desgl.  zur  Hälfte  auf  Silber-  und  Groldgrund  gewirkt  und  in  Streifen  auf 
rot  und  grün  oder  blau  und  rot  mit  Eanken  gemustert;  im  Felde  zwei  Blumensträusse 
in  gebuckelten  Vasen.     Polen,  bezeichnet  F.  S.,    Anfang  18.  Jahrh. 

237.  Seidenbrokat,  derber  weisser  Ripsgrund,  Muster  in  Grün  und  Gold: 
zwischen  wellig  aufsteigenden  Blattranken,  welchen   strahlende  Blüten,    kleines    Blatt- 


Abb.  237. 


werk  und  Früchte  entsteigen,  wechseln  reihenweis  nach  rechts  und  links  gewendet 
einzelne  Blütenstauden  an  einer  Art  von  schriftartigem  Gehege  ab;  dazwischen  kleine 
Sterne.     Polen,  Anfang  18.  Jahrh. 

238.  Seidenbrokat ,  Grund  weisser  Rips ,  symmetrisches  Muster  in  Rot  und 
Gold:  Palmettenförmige  Blüten  wechseln  zwischen  feinen  geschwungenen  Blattranken 
reihenweis  ab.     Polen?  Anfang  18.  Jahrh. 

239.  Seidenbrokattapete,  Grund  rot,  Muster  in  Damast  und  Gold:  Zwischen 
wellig  aufsteigenden  Blütenranken  sind  goldene  Ranken  durch  Kronen  verbunden,  welche 
ein  Wappenschild  mit  polnischem  Adler  und  dem  sächsischen  Kurhut  einschliessen ; 
seitliche  Abschlussborten.     Polen?     Ende  des  17.  Jahrhs. 

Polenteppiche  werden  mit  Unrecht  geknüpfte  Perserteppiche  aus  Seide, 
Silber-  und  Groldfäden  genannt  (Abb.  240).  Nach  ,,Alois  Rieg] ,  Altprien- 
talische  Teppiche,  Leipzig  1891",  ist  die  falsche  Bezeichnung  dafür  vielleicht 
dadurch  entstanden,  dass  dem  Wiener  Hof  einstmals  von  Peter  dem  Grrossen 
von  Russland  ein  derartiges  Stück  zum  Greschenk  gemacht  worden  ist.  Die 
eigentlichen  in  Polen  (s.  d.)  in  der  Fabrik  von  Mazarski  in  Sluk  gearbeiteten 
Teppiche  sind  in  grober  Wolle  geknüpfte,  kleine  Stücke,  welche  in  hohen 
Noppen    auf   weissem  Grunde    ein    bescheidenes    farbiges  Bortenmuster  haben, 


Polföden — Polnische  Leinen. 


40^ 


das  in  seiner  eckigen  Zeichnung,"  ähnlich  den  Quer-  und  Längsborten  der  in 
Abb.  235  wiedergegebenen  Schärpe,  an  Kreuzstichmuster  erinnert:  also  unvoll- 
kommene x4.nfänge  der  Knüpfarbeit  darstellen.  Einer  der  mir  aus  dem  Königl. 
Kunstgewerbemuseum  in  Berlin  bekannten  Teppiche  dieser  Art  trägt  die  ein- 
geknüpfte Marke  M.  und  bestätigt  seine  Herkunft  aus  der  Mazarskischen 
Fabrik. 

Abb.  238. 


Ab  bildung: 

240.  Darstellung  aus  C  o  x ,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon.  Paris  1900.  PI.  LXI :  Knüpf- 
teppich in  farbiger  Seide,  Gold  und  Silberfäden:  Im  Felde  stilisierte  Blütenranken  in 
symmetrischer  Anordnung,  am  Rande  Ranke  mit  Palmettenblüten.     Persien  17.  Jahrb. 

Polfäden,  in  der  Gazeweberei  diejenigen  Kettenfäden,  welche  über  allen 
Scbussfäden  liegen;  in  der  Sammetweberei  die  Kettenfäden,  aus  denen  der 
Flor,  die  Haardecke,  gebildet  wird. 

Politz,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannscbaft  Braunau  in  Böhmen: 
Leinen-  und  Baumwollweberei. 

Polizeaux,  starke  gewöbnliche  Hanfleinwand  aus  Frankreich,  von  der  die 
besseren  Sorten  halb  gebleicht  nach  den  Kolonien  gehen. 

Polledavys,  Pouldavids,  französisches  Segeltuch  aus  Hanf  und  Heede- 
garn ;  welches  seinen  Namen  vom  Flecken  Bouldavid,  dem  Verfertigungsort,  hat. 

Polnische  Leinen  werden  diejenigen  genannt,  welche  in  den  Provinzen 
des  ehemaligen   Königreiches    und   in    Galizien  gewebt   werden.     Es   sind   ver- 


408 


Polpra — PoD  dichery . 


schiedene  Sorten  starker  Hausleinwand,  sowie  Sack-  und  Packleinen,  Zwillich 
und  Drell,  die  nach  Königsberg,  Danzig  und  Elbing  gehen. 

Polpra  (lat.),  Purpurgewand. 

Polymita,  bunt  gemusterte  Gewebe,  deren  Fabrikation  im  Mittelalter 
in  Alexandrien  geblüht  hat. 

Pomedelbindungen  verschiedener  Art  werden  zu  einzelnen  Streifen  in 
Kleiderzeugen  angewendet,  um  Ketten-Kanneles  zu  erzeugen. 

Pommeri  heissen  die  gemusterten,  seidenen,  ganz  zugeschnittenen,  aber 
nicht  zusammengenähten,  mit  bunter  Seide  gestickten  Schlafröcke,    zu  welchen 

Abb.  239. 


■^3y^^^^^p 

^^^ 

iwapiM 

IB^ 

^m^^^m 

J^^^ 

K 

^^ 

'^S 

m 

S 

1^^^ 

^P^flE 

^^y^^f^i 

^inI  mK'''!' '' 'i^B?n 

ra^» 

^^^^fei 

iS^iik  oEy^^^lm 

yj^ipi 

Ä^^^ 

^^^^^^^i 

^^ 

^^m 

^^^p( 

f     ^""^^uB 

^^ 

^^^ 

LäM^m 

H 

S 

^^^^ 

m 

^ 

die  Europäer  die  Muster  nach  China  gebracht  haben  und  welche  durch  die- 
selben nach  anderen  Gegenden  Asiens  weiter  verkauft  werden;  im  europäischen 
Handel  kommen  sie  nicht  vor. 

Pommersche  Leinen  werden  mehrere  Sorten  guter  mittlerer  Hausleinen 
genannt,  welche  längs  der  Küsten  der  Ostsee  in  Schwedisch-Pommern  und  auf 
der  Insel  Rügen  von  den  Landleuten  gewebt  und  nach  Bergen,  Stralsund, 
Stettin  n.  s.  w.  zum  Verkauf  gebracht  werden. 

Pompadour,  Bezeichnung  für  einen  zierlichen  Strickbeutel.  Pompadour- 
muster, moderne  Bezeichnung  für  Streifen  mit  kleinen  Blümchen  und  anti- 
kisierendem Beiwerk.  / 

Pompons  (franz.),  Zieraten  von  Passementeriearbeit,  namentlich  Bällchen 
aus  Seide  und  "Wolle  (s.  Posamentierarbeit). 

Poncho  (span.),  ein  in  Südamerika  gebräuchlicher  Mantel  indian.  Ur- 
sprungs, früher  nur  ein  Stück  Tuch  mit  einem  Schlitz  in  der  Mitte,  durch 
welchen  der  Kopf  gesteckt  wird. 

Pondichery,     Hauptstadt    des    gleichnamigen    franz.   Gouvernements    auf 


Pongeeseide — Populus  canadensis. 


409 


Vorderindien:  eine  Musterspinnerei,  Manufakturen  für  Tischleinwand  und  Baum- 
wollgewebe. 

Pongeeseide  liefert  der  Ailanthus-Spinner,  es  werden  besonders  viel 
Zeuge  daraus  aus  China  eingeführt. 

Pontivy  ist  eine  französische  Leinwand. 

Abb.  240. 


Ponto  in  arcato  (ital.),  kleine  unscheinbare  Bogensäumchen  an  genähten 
Spitzen  aus  Italien. 

Popeline,  s.  Papelines. 

Poperinghe,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  "Westilandern :  Baumwollspinnerei 
und  Leinwandbleicherei. 

.  Populus  canadensis,  die  kanadensische  Pappel:  Ersatzmitfel  für  Baumwolle. 


410  Populus  nigra — Posamentier waren. 

Populus  nigra,  die  schwarze  Pappel:  Ersatzmittel  für  Baumwolle. 

Populus  tremula,  die  Aespe:  Ersatzmittel  für  Baumwolle. 

Porte-epee,  das  (franz.),  eigentlich  Degengehenk,  jetzt  Degenquaste. 

Portiere,  s.  v.  w.  Türvorhang. 

Porto-Cabello,  kolumbische  Baumwollsorte. 

Porto-Cavallo,  kolumbische  Baumwollsorte. 

Portorico,  westindische  Baumwollsorte;  weiss,  ins  Gelbliche,  wenig- 
glänzend,  ziemlich  kräftig  im  Faden. 

Portugal,  Königreich  auf  der  Pyrenäischen  Halbinsel:  in  neuerer  Zeit 
grosse  Fortschritte  in  der  Textilindustrie.  Wichtig  ist  die  WoU-  und  Seiden- 
industrie (letztere  in  Lissabon  und  Oporto),  die  Leinenweberei,  Spitzenfabri- 
kation (Erzeugnisse,  welche  teils  den  spanischen  ähnlich,  teils  in  der  Art  der 
Malines  gefertigt  und  grösstenteils  nach  Südamerika  gehen)  in  Peniche,  Villa 
do  Conde,  Yianna  und  die  Anfertigung  von  Segeltuch. 

Porzellanspitzen,  durchbrochenes  Porzellan :  mit  Porzellanmasse  getränkte, 
gewebte  Spitzen,  welche  durch  den  Brand  verzehrt  werden,  so  dass  das  Spitzen- 
muster in  Porzellan  übrig  bleibt. 

Posament  (franz.:  passement),  Besetzung  mit  Schnüren,  Borten  und 
anderer 

Posamentierarbeit  (franz. :  passementerie ;  engl.  :  trimming). 

Posamentierwaren,  Passamenten  begreifen  die  Era,nzosen  unter  dem 
Namen  passementerie,  wovon  die  boutonnerie,  d.h.  Knöpfe  aller  Art, 
ein  Nebenzweig  ist.  Sie  umfassen  eine  grosse  Menge  verschiedener  Artikel, 
w^elche  teils  zu  Möbelbesätzen,  teils  zum  Besatz  von  Kleidungsstücken  aller 
iVrt  dienen.  Die  vorzüglichsten  sind  die  Tressen,  Fransen,  Schnüre,  Gorl  oder 
Gimpen  (Agrements),  Borten,  Bänder  und  Troddeln.  Das  Material  dazu  ist 
Zwirn,  Baumwolle,  Wolle,  Seide,  echtes  und  unechtes  Gold  und  Silber.  Die 
Herstellung  der  P.  geschieht   teils    durch  Hand-,    teils  durch  Maschinenarbeit. 

Der  Posamen  tierstuhl  oder  Bortenwirkers  tu  hl  enthält  die 
wesentlichen  Teile  des  gewöhnlichen  Webstuhles  meist  in  etwas  abgeänderter 
Form  und  ist  zur  Herstellung  von  Mustern  mit  entsprechenden  Vorrichtungen 
versehen,  oft  auch  mit  dem  Jacquardgetrieb  verbunden.  Aeusserlich  unter- 
scheidet sich  derselbe  durch  seine  geringe  Breite,  da  er  nur  zur  Herstellung 
schmaler  Arbeiten  bestimmt  ist.  Ein  Hilfsmittel  der  P.  ist  auch  die  Klöppel- 
arbeit. Der  Ursprung  der  Posamenten  sind  die  aus  stehengebliebenen  Ketten- 
oder Schussfäden  gebildeten  Fransen  (s.  d.),  der  später  die  gewirkte  Besatz- 
borte gegeben  wurde,  wodurch  teilweise  auch  eine  Vereinigung  von  Fransen- 
borte und  Quaste  hergestellt  wird,  wie  sie  schon  die  geschmückten  Figuren 
auf  assyrischen  Reliefs  aufweisen  (Abb.  28).  Die  freihängende  Quaste, 
welche  im  Mittelalter  an  kirchlichen  Gewändern  erscheint,  besteht  dort  zu- 
nächst aus  losen,  längeren  farbigen  Seidenfäden,  denen  zur  Beschwerung  und 
Vermeidung  von  Verwickelungen  eine  Kugel  aus  Bergkristall,  Bernstein  oder 
Metall  als  oberer  beweglicher  Körper  eingezogen  wurde :  die  erste  Entstehung 
des  später  gedrechselten,  übersponnenen  und  überklöppelten  Halters,  dem  der 
sogen.  Mantel  folgt.  Die  Quaste  erfährt  in  der  Benaissancezeit  als  Ecken 
der  Kissen,  für  den  Griff  des  Klingelzuges,  als  Schmuck  der  Möbel,  als  Zierat 
des  Gespannes  eine  reiche  Ausbildung.  Die  zierlichsten  Quasten  entstehen 
aus  weissem  Leinen  in  Italien;  sie  werden  mit  der  Zeit  grösser  und  schwerer 
aus  Seiden-  und  Goldfäden  hergestellt,  ohne  dass  dann  im  Charakter  wesent- 
liche Veränderungen  eintreten.  Vielseitiger  gestaltet  sich  die  Quaste  an  der 
gewebten,  geknüpften  oder  gewirkten  Borte  in  Form  der  Franse.  Im  Mittel- 
alter hängen  die  losen  Seidenfäden  lang  in  bunten  Farbengruppen  an  ^anz 
schmaler  Borte  herunter.  Das  16.  Jahrh.  entwickelt  an  der  breiteren  Borte 
schmale  Fransen  aus  langen  Noppen,  die  sich  lange,  auch  als  oberer  Abschluss 
erhalten  (Abb.  241);  bei  länger  herunterhängenden  Fädenbüscheln  kommt  die 
sog.  Knopffranse  mit  Zuhilfenahme  der  Knüpfarbeit  (s.  Macrame  und  Abb.  197) 
zur  Geltung;  sie  wird  im  17.  und  18.  Jahrh.  abgelöst  durch  Netzwerk,  das 
geknüpfte  Bällchen  und  Fransen  dazwischen  vereinigt  und  erweitert,  wodurch 


Potsdam. 


411 


ein  den  Spitzen  ähnliches  Maschenwerk  mit  Fransen  entsteht  (Abb.  241  u.  242), 
bis  sie  fast  in  Schnürborten  und  Grehänge  gesetzt  (Abb.  243)  ihren  Charakter 
als  hängende  Begleitborte  aufgegeben  hat.  Im  Orient  ist  die  P.  im  allgemeinen 
mit  der  Netzarbeit  (s.  d.)  verbunden,    als  selbständiges  Produkt  aber  nicht  so 


Abb.  241. 


vielseitig  als  in  Europa  ausgebildet.  Schnur-  und  Bandposamenten  werden  in 
China  und  Japan  als  Behang  der  Tabakstäschchen ,  auch  für  Vorhänge  des 
Hauses  und  der  Tempel  geknüpft  und  geflochten.  (Vgl-  Siegel,  Zur  Ge- 
schichte der  Posamentiergewerbes  [Annaberg  1892] ;  Dornbrach,  Das  Posa- 
mentierkunstgewerbe [Dresden  1894]). 

Abb.  242. 


Abbildungen: 

241 — 243.  Originalaufnahmen  von  Fransenborten  des  17.  und  18.  Jahrhs.  aus 
der  Sammlung  des  königl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin. 

Potsdam,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  preuss.  Reg.-Bez.,  erhält  unter 
Friedrich  Wilhelm  I.  (1713—40)  Privilegien  für  Maulbeeranpflanzungen  und 
Seidenindustrie,  welche  unter  Friedrich  dem  Grossen  erweitert  werden,   es  ar- 


412 


Pottendorf— Pressen. 


beiteu  1749  in  Xowawes  bei  P.  gegen  200  Stühle  für  Seiden-  und  Sammet- 
weberei,  deren  Zahl  sich  noch  bis  1780  ziemlich  erhält;  später  geht  die  In- 
dustrie für  Sammet  und  Seide  zurück  und  bleibt  beschränkt  auf  gewöhnliche 
Artikel. 

Pottendorf,  Marktflecken  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Mödling, 
in  Xiederösterreich :  Baumwollspinnerei  und  Zwirnerei  (die  erste  der  Monarchie, 
1804  gegründet). 

Abb.  243. 


sSf^^^* 


M'mSWi 


^^^^yw 


« 


Pottenkanten,  Pöttges-Kanten ,  geklöppelte  Spitzen  aus  Antwerpen 
von  1600  bis  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhdts.,  auch  dentelles  de  pot  ä  fleurs 
genannt,  weil  ein  Blumentopf  das  immer  wiederkehrende  den  Tulpenliebhabern 
symx^athische  Ornament  bildete;  in  A.  erschien  davon  ein  Musterbuch,  das  zu 
den  grössten  Seltenheiten  gehört. 

Pottuch,  eine  Art  russischer  Leinen,  die  über  Petersburg  in  den  Handel 
kommen. 

Poulangis,  ein  gewöhnlicher,  geköperter  Stoff  aus  Flachs-  oder  Hanfgarn 
und  Wolle,  welcher  in  Frankreich  auch  unter  den  Namen  Berluche,  Burn, 
Bellinges,  Tiretaine  u.  s.  w.  verfertigt  werden. 

Poult  de  SOie,  seidener  Pou  oder  Pout,  ein  schwerer,  grosdetourartiger 
Seidenstoff  mit  einem  erhabenen  kleinen  Korn,  welcher  zuerst  in  Holland, 
später  in  Krefeld,  Berlin  und  "Wien  gewebt  wurde.  Pou  de  la  reine  ist  ein 
ganz  schwerer  Seidenstoff. 

Poussin  wird  ein  Muster  der  Spitzen  von  Dieppe  genannt. 

Prag,  Hauptstadt  Böhmens :  Baumwollspinnereien  und  Druckereien.  Im 
Jahre  1767  wurde  hier  eine  Spitzenschule  gegründet,  welche  niederländische 
Ware  nachahmte,  ging  aber  bald  wieder  ein. 

Prato,   Stadt  in  der  ital.  Provinz  Florenz :  Woll-  und  Baumwollspinnerei. 

Precieuse,  moderner  seidener  Kleiderstoff  in  Taffetbindung,  gestreift. 

Preetz,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Schleswig:  Woll-  und  Baumwoll- 
weberei. 

Prerau,  Stadt  in  Mähren:  bedeutende  Tuchweberei,  Fabrikation  von 
Seilerwaren. 

Prescot,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Baumwollspinnerei 
und  Fabrikation  von  Segeltuch.  / 

Pressein,  die  Schnüre  an  Urkunden  zum  Anhängen  des  Siegels. 

Pressen  von  Zeugen  geschieht  in  älterer  Zeit  durch  heisse  Metallmodel, 
jetzt  durch  gravierte  kupferne  Walzen.  Das  P.  des  Sammets  wird  im  16.  Jahrh. 
in  Italien  und  Spanien  zuerst  bekannt  und  von  dort  nach  den  Niederlanden 
überführt.  Die  Muster,  auf  Holz  geschnitten,  werden  nach  gewebten  Stoffen 
kopiert,  als  Grundstoff  nimmt   man  nicht    selten    die   auf  weiter    geschnittener 


Pressnitz — Punto.  413 


Fläche  gerissenen  roten  Sammete  mit  Granatmuster  und  presst,  ohne  Rück- 
sicht auf  dasselbe  das  der  spcäteren   Zeit  darauf.    (Vgl.  Abb.   1   auf  Tafel  IV.) 

Pressnitz,  Stadt  in  Böhmen:  Spitzenklöppelei. 

Preston,  Municipalborough  in  der  Grafschaft  Lancashire :  ist  seit  dem 
Aufkommen  der  Baumwollindustrie  (1777)  Fabrik-  und  Handelsstadt.  Es  gibt 
hier  und  in  der  nächsten  Umgebung  über  200  Fabriken,  meist  Baumwollfabriken, 
dann  Leinwandindustrie,  ausserdem  eine  Tuchhalle. 

Preussen,  Königreich :  die  Hauptsitze  der  Baumwollspinnerei  und  -weberei 
finden  sich  im  Bheinland  und  Schlesien,  für  Wolle  bei  Aachen  und  in  der 
Niederlausitz,  für  Leinen  bei  Bielefeld  und  in  Schlesien,  für  Seide  in  Krefeld 
und  Elberfeld-Barmen.     lieber    die   Einführung   der   Seidenindustrie   s.  Berlin. 

Prexillas,  Pressilles,  spanischer  Name  einer  gewöhnlichen  Leinwand, 
welche  aus  der  ersten  Heede  des  Flachses  gewebt  wird. 

Printers  (engl.),  sind  Drucktücher,  d.  h.  baumwollener,  glatter,  ungebleich- 
ter Kattun,  worauf  später  gedruckt  wird. 

Prints  ist  der  im  überseeischen  Handel  gebräuchliche  englische  Ausdruck 
für  alle  feineren  gedruckten  glatten  Baumwollwaren,  die  sonst  auch  Zitse,  von 
dem  ostindischen  Chits  stammend,  genannt  wurden:  es  sind  heut  bedruckte 
KattunstofPe. 

Promenettes  sind  wollene  Bänder  aus  Frankreich. 

Prossnitz,  Stadt  in  Mähren:  bedeutende  Baumwoll-,  Woll-  und  Leinen- 
industrie. 

Prunel,  Prunelle  (franz.),  ein  fester,  atlasartiger  Kammgarnstoff,  ur- 
sprünglich aus  Abbeville,  Amiens  und  anderen  Orten  des  Departements  der 
Somme,  in  der  B-egel  schwarz,  zu  Frauenschuhen  und  Möbelbezügen.  (Ygl. 
Lasting,  der  dem  P.  ähnlich  ist.) 

Prünell,  Wollenstoff,  woraus  die  Chorröcke  der  Geistlichen  im  Mittel- 
alter gemacht  wurden. 

Prusciin,  älterer  gestreifter  Wollenstoff,  dessen  Grund  kamelottartig  ist. 

Prussian-Shawls,  englische  Bezeichnung  für  die  in  bunten  türkischen 
Mustern  auf  baumwollenem  Köper  gedruckte  Tücher  mit  Fransen. 

Prussienne,  älterer  bunt  gemusterter  Seidenstoff  mit  damastartigen 
Blumen  aus  Berlin,  Krefeld,  Wien  u.  s.  w.  In  Frankreich  kam  der  Stoff  in 
besserer  und  schwererer  Art  unter  dem  Namen  Peruvienne  in  Mode. 

Puglieser,  s.  neapolitaner  Baumwollsorten. 

Pulvinar,  das  (lat.),  ursprünglich  das  Götterpolster,  der  vor  den  Statuen 
und  Altären  der  Götter  bereitete,  mit  kostbaren  Teppichen  bedeckte  Sitz  der- 
selben, dann  Lagerstätte  oder  Sitz  der  Kaiser  und  Kaiserinnen;  im  Mittel- 
alter Polster. 

Pungees  sind  chinesische  Tücher  von  unappretiertem  Taffet. 

Punta  de  lana,  im  spanischen  Handel  ein  geringer  Wollenstoff. 

Puntas,  im  spanischen  Handel  die  Kanten  oder  Spitzen.  Die  Puntas 
Gantes,  welche  Gent  in  grossen  Mengen  nach  Spanien  schickt,  sind,  sowie  die 
Amberes,  Encaxes  de  hilo  de  Alemania,  oder  erzgebirgische  Spitzen  (diese  in 
älterer  Zeit)  ein  dort  beliebter  Artikel.  Puntas  coxas  nennt  der  Spanier 
die  gröberen  Sorten,  Puntas  de  Lieja,  die  aus  Lüttich.  Puntas  d e  M o s- 
quito  sind  holländische,  maschenartig  gewebte  Zwirnspitzen. 

Punto  (itarl.),  Stich,  Spitze;  hiernach,  wie  im  Französischen  (s.  point), 
die  Bezeichnungen  folgender  Arten: 

Punto,  in  alter  Zeit  im  Italienischen  nicht  Spitze,  sondern  ein  Fadenkreuz 
bei  gezählter  Fadenstickerei. 

Punto  a  fogliami,  eine  Art  der  venetianischen  Relief  spitze  mit  Ranken  und 
Blättern  in  weitem  Netze. 

Punto  agropo  ist  die  geflochtene  oder  geknotete  Spitze,  welche  der  Macrame- 
arbeit gleicht. 

Punto  areticella,  genähte  und  geklöppelte'  Sternspitze  des  16.  und  17. 
Jahrhdts. 

Punto  a  rilevio,  die  venetianische  Relief  spitze. 

Punto  a  Spina,  Name  für  Dorne  oder  Picots. 


414  Purl — Pyroxylin. 


Punto  a  vermicelli,  grobe  Art  der  venetianischen  Relief  spitze,  so  benannt 
nach  den  AVülsten  der  Ränder,  welche  mit  kleinen  AVürmchen  zu  verglei- 
chen sind. 

Punto  burato  ist  eine  grobe  Spitze  auf  Kanevasgrund. 

Punto  disfilato  ist  eine  Xetzspitze. 

Punto  di  Spagna  wird  in  Italien  eine  Spitze  bezeichnet,  welche  entweder 
in  Spanien  gemacht  und  nach  Italien  eingeführt  oder  umgekehrt. 

Punto  fiamengo  ist  eine  flämische  Spitze. 

Punto  in  arcato,  späterer  Xame  der  einfachen  Bogensäumchen. 

Punto  in  aria,  wörtlich  Luftspitze,  weil  die  Formen  auf  weitem  Grunde  frei 
liegen.  Die  Muster  bestehen  aus  pflanzlichen  oder  auch  figürlichen  Orna- 
menten. 

Punto  reale  ist  eine  wirkliche  Stickerei. 

Punto  tagliato,  eine  in  Doppeldurchbruch  hergestellte  Spitze,  d.  h.  die 
Fäden  werden  in  beiden  Richtungen  des  Gewebes  ausgezogen;  die  so  ent- 
standenen Muster  sind  meist  geometrischer  Art,  andere  weiter  ausgeführte 
nähern  sich  denen  des  point  coupe,  mit  dem  p.  t.  überhaupt  gleich  ist. 

Punto  tagliato  a  fogliami,  s.  v.  w.  punto  a  rilevio. 

Punto  tirato,  einfacher  Durchbruch,  d.  h.  die  Fäden  werden  nur  in  einer 
Richtung  des  Gewebes  ausgezogen. 

Purl  (engl.),  s.  Bouillon. 

Purle  oder  perlle  werden  in  England  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts 
schmalere  Zackenbesätze  in  Leinen,  auch  solche  mit  Grold  und  Silber  genannt. 

Purpurstoffe  und  daraus  gefertigte  Grewänder  behaupten  im  frühen 
Mittelalter  unter  allen  farbigen  G-eweben  die  hervorragendste  Rolle.  Der  Purpur 
ninmit  in  der  Geschichte  der  Seide  eine  besondere  Stelle  ein.  Als  Erfinder 
der  Purpurfärberei  gelten  die  alten  Phönizier,  welche  den  Farbstoff  aus  drei 
Schneckenarten  gewannen.  Den  P.  nahm  man  übrigens  nicht  nur  für  einen 
bestimmten  Farbenton  an,  sondern  es  waren  dreizehn  verschiedene  Schattie- 
rungen davon  bekannt ;  darunter  werden  ausser  dem  Violett  und  Rot  auch 
Grün  und  Gelb  genannt.  Yerschiedentlich,  z.  B.  nnter  Konstantin,  wurden  die 
teuersten  Arten  des  P.,  purpura  blatta,  oxyblatta,  hyacinthina  (Amethysty, 
Janting)  und  t3'rica  (doppelt  gefärbter),  den  TJntertanen  verboten.  In  Byzanz 
gelangte  die  Purpurfärberei  seit  dem  9.  Jahrhdt.  zur  neuen  weltberühmten 
Blüte.  Die  Körperschaft  der  Purpurfärber  (murile-guli)  genoss  weitgehende 
Privilegien,  ihre  Gewerbe  waren  indessen,  was  das  echte  Purpurverfahren  an- 
langt, verstaatlicht  und  das  Geheimnis  des  letzteren  streng  bewahrt.  Infolge 
der  strengen  Massnahmen  und  des  durch  das  Regal  beschränkten  Absatzes 
verliert  die  byzantinische  Purpurfärberei  nach  nnd  nach  an  Umfang  und  Be- 
deutung, um  schliesslich  im  12.  Jahrhdt.  gänzlich  zu  erlöschen. 

Put-Teppiche  sind  indische  Knüpfteppiche  aus  feiner,  weisser  Unterwolle. 

Puttou,  ein  grobes  tibetanisches,  unweit  Lhassa  gefertigtes  wollenes 
Tuch  für  China. 

Puy,  Le,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Haute-Loire:  berühmte  Fabriken 
für  Blonden  und  Spitzen,  Handel  mit  Spitzen  und  Seidenwaren.  P.  ist  be- 
züglich der  Spitzenanfertignng  schon  in  alter  Zeit  berühmt.  Man  vermutet, 
dass  solche  hier  schon  im  16.  Jahrhdt.  nach  italienischen  Vorbildern  gearbeitet 
wurden.  Sie  wurden  als  Blonden  aus  Seide,  sowohl  schwarz  als  weiss,  auch 
von  Wolle,  farbig  und  in  Gold 'oder  Silber  hergestellt,  endlich  ahmte  man  auch 
die  points  de  France  mit  dem  doppelten  Grunde  gern  nach.  Die  Bezeich- 
nungen der  Spitzen  von  P.,  welche  teils  geklöppelt,  teils  genäht  waren,  sind 
sonderbarer  Art,  wie  z.  B.  l'Ave  Maria,  les  Serpents,  l'Echelle,  le  Pater  u.  s.  w. 

In  Le  Puy  wird  nach  Xotizen  von  Semper  und  Silbermann  eine  wert- 
volle Sammlung  mittelalterlicher  Gewebe  in  Form  von  Schontüchern  aufbe^wabrt 
(Bibel  des  Theodulfus),  aus  dem  9. — 12.  Jahrhdt.,  welche  55  chinesische, 
arabische  und  griechische,  seidene  und  halbseidene  Gewebe  enthält. 

Pye,  Pylaken,  ein  grobes,  dicht  gewalktes  AVoUentuch,  welches  in  West- 
falen gewebt  und  in  Sachsen  und  Holland  von  den  Landleuten  getragen  wird. 

Pyroxylin  ist  Schiessbaumwolle. 


Quadriga — Quinte?.  415 


Q. 

Quadriga  (lat.),  vierspänniger  Triumphwagen  der  alten  Homer,  als  Stoff- 
muster dargestellt  auf  einem  im  Dom  zu  Aachen  sich  befindlichen  Seiden- 
gewebe aus  der  byzantinischen  Kunstepoche  des  5. — 8.  Jahrhs.  (Abgebildet 
auf  Tafel  II  in  Fig.  3.) 

Quadrillen-Atlas,  früher  ein  vielfarbig  gewürfelter  Seidenatlas. 

Quadrillen-Taffet,  ältere  Bezeichnung  für  die  heutigen  sogen,  schotti- 
schen Waren,    d.  s.  Seidenzeuge  mit  karierten  Mustern. 

Quadrilliert  heissen  gewebte  Stoffe  mit  quadratischem  Muster,  dessen 
quadratische  Felder  von  durchgehenden  Längs-  und  Querstreifen  gebildet 
werden,  sowohl  bei  gegitterten  als  bei  gewöhnlichen  Stoffen  (s.  schottische 
Muster). 

Quadruples  Silesias,  im  spanischen  Handel  eine  weissgebleichte  flächsene 
Leinwand  aus  Böhmen  und  Schlesien;  ungebleicht  heisst  sie  Brown-Qua- 
druples. 

Quarantains,  feine  franz.  Wollentücher,  deren  Kette  nach  alter  Regel 
aus  4000  oder  40 mal  100  Fäden  bestehen  muss,  wovon  sie  den  Namen  haben; 
sie  werden  auch  Quarantecentes  genannt. 

Quartos  nennt  der  Spanier  den  Ausschuss  der  feinen  Wolle,  die  ge- 
wöhnlich nur  halb  so  viel  als  Seguengas  gilt;  man  nennt  sie  auch  wohl 
Terceiras. 

Quast,  meist  Quaste  (lat.:  auriculus,  bolhetus,  floccus,  honpeta,  pendile, 
tasselus;  franz.:  boufette,  campane,  houppe;  engl.:  tassel,  dag),  ein  durch  Posa- 
mentierarbeit hergestelltes  Gehänge  aus  büschelförmig  zusammengebundenen 
Fäden  oder  zusammengerollten  Fransen  (s.  Posamentierwaren). 

Quatre  fils,  mehrere  Sorten  franz.  Segelleinen,  welche  wegen  ihrer 
Grüte  und  Haltbarkeit  sehr  geschätzt  und  auf  den  französischen  und  spanischen 
Kauffahrteischiffen  verbraucht  werden. 

Quedlinburg,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bezirk  Magdeburg:  Fabrikation 
von  Tuch.  In  der  Schlosskirche  Teile  eines  deutschen  Knüpfteppichs  aus  dem 
11.  Jahrh.     Vgl.  hierüber  den  Artikel  Teppich. 

Queen-Cords,  sind  veraltete,  gerippte,  schwere,  baumwollene  Zeuge,  eine 
Art  Manchester,  die  meistens  nur  zu  Beinkleidern  getragen  wurden;  man 
hatte  davon  im  englischen  Manufakturhandel  viele  Sorten. 

Quehle,  altdeutsche  Bezeichnung  für  Handtuch. 

QuezaltenangO,  Stadt  in  der  mittelamerik.  Republik  Guatemala:  Leinen-, 
Baumwoll-  und  Wollweberei. 

Quinet,  Quinette,  ein  kamelottartiger  Stoff,  teils  ganz  aus  Wolle,  teils 
von  Wolle  und  Ziegenhaaren,  der  zu  Frauenröcken,  Kamisolen  und  Futter  ver- 
wendet wird. 

Quintain  nannte  man  früher  in  Frankreich  einen  Leinwandgrund  im 
point  coupe. 

Quintes,  Quintins,  im  französischen  Handel  die  beste  Leinwand  aus  Bre- 
tagnes.  Qu  int  in  hiess  auch  im  Mittelalter  ein  feiner  netzartiger  Stoff  aus 
Leinenfasern,  er  wurde  als  Grundlage  für  Netzarbeiten  verwendet. 


416  Rabat — Ramie. 


R. 


Rabat,  Rebat,  Rbät  oder  Arbet,  Hafenstadt  an  der  Westküste  Marokkos : 
nächst  Fez  Hauptsitz  der  Industrie  des  Landes ;  es  werden  viel  Tej)piche, 
Mäntel  (Haiks),  Wollen-,  Baumwollen-  und  Seidenstoffe  gefertigt.  Die  hier 
erzeugten  Kjiüpfteppiche  (Zrbia)  haben  indessen  keinesfalls  die  Bedeutung  der- 
jenigen, welche  vom  14.  — 17.  Jahrh.  in  Marokko  hergestellt  wurden:  sie  ent- 
halten in  grellen  Farben  und  mittelmässigen  Wollen  geometrische  Muster, 
welche  in  der  Anordnung  den  Arbeiten  aus  Bochara  und  Turkmenen  ähnlich 
sind,  indessen  durch  ihre   Unruhe  sehr  verlieren. 

Rabatue  (toile) ,  eine  Gattung  Leinwand  aus  Lyon ,  welche  sehr  leicht 
und  dünn  gewebt  ist. 

Racconigi,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Cuneo:  Seidenkultur  und  Spinne- 
rei, Wollfabrikation. 

Raccort  nennt  man  das  Anschlussverhältnis  mehrerer  Rapporte. 

Rack,  in  der  Tüllweberei  die  StofPiänge ,  die  einer  bestimmten  Anzahl 
Schussbewegungen  entspricht.  Der  R.  zählt  bei  Tattings-Maschinen  240  Yor- 
und  Rückwärtsbewegungen  der  Schlitten,  bei  den  Maschinen  für  glatten  Tüll 
720,  bei  den  Twist-Lace-Maschinen  960  solcher  Spiele. 

Radcliffe ,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Baumwollweberei 
und  Kattundruckerei. 

Radevormwald,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  5  Woll-  und 
Baumwollspinnereien  und  Tuchfabriken. 

Rädlemodel  in  alten  Musterbüchern  s.  v.  w.  Radmuster,  womit  die  Reti- 
cellaspitze  (s.  d.)  gemeint  ist. 

Radzimir,  moderner  Stoff  aus  Seide  in  festem  Taffetgewebe. 

Raffaels  Tapeten  werden  die  Arrazis  oder  Wandteppiche  genannt,  welche 
Papst  Leo  X.  nach  Kartons  von  Raffael  in  Brüssel  für  die  Sixtinische  Kapelle 
in  Rom  anfertigen  Hess.  Die  Bordüren  dazu  komponierte  Giovanni  da  TJdine. 
Die  im  Vatikan  in  einer  eigenen  Galerie  aufgehängten  Teppiche  sind  22,  aber 
nur  11  nach  den  Entwürfen  R.s  (7  von  seinen  Kartons  kamen  nach  Schloss 
Hamptoncourt  bei  London  und  befinden  sich  jetzt  im  South  Kensington-Museum); 
die  Teppiche  wurden  1527  nach  der  Plünderung  Roms  durch  das  Heer  Karls 
von  Bourbon  und  1798  von  den  Franzosen  genommen,  1555  und  1808  aber 
wieder  zurückgekauft  (s.  Wandteppiche). 

Ragusa,  Hauptstadt  gleichnamiger  Bezirkshauptmannschaft  in  Dalmatien : 
war  im  Mittelalter  bis  zum  17.  Jahrh.  IVIittelpunkt  einer  bedeutenden  Industrie 
und  Handelsplatz.  Die  Spitzen  aus  R.  werden  schon  frühe  neben  veneziani- 
schen und  genuesischen  Arbeiten  genannt;  indessen  ist  eine  bestimmte  Art 
heute  nicht  mehr  festzustellen. 

Rahmen  (lat. :  coronix;  franz.:  cadre,  encadrement;  engl.:  frame),  zur 
Renaissance  und  Barockzeit  in  Nachahmung  der  plastischen  Arbeiten  vielfach 
in  Reliefstickereien  und  Aufnäharbeiten  (s.  d.)  vorkommend. 

Ramagemuster,  in  der  Weberei  Bezeichnung  für  kleine  Streumuster  aus 
verschiedenartigen  geometrischen  Figuren. 

Ramassierschnur,  Gavasinschnur,  Vorrichtung  am  Seidenwebstuhle. 

Ramen,  Coton  de  Rames,  gewöhnliche  oder  starke  Baumwollgarne,  die 
ihren  Kamen  von  der  Stadt  Ramiah  in  Palästina  haben  und  welche  früher 
nach  Marseille  in  den  Handel  kamen. 

Ramie,  auch  Rame,  s.  Chinagras.  In  China  wird  die  R.  noch  heute  auf 
eine  den  Europäern  resp.  Fremden  nicht  zugänglich  gemachte,  aber  manuelle 
Art  zu  feinen  Gespinsten  und  Geweben  verarbeitet.  In  Europa  bot  früher  die 
Verspinnung  grosse  Schwierigkeiten,  die  erst  allmählich  durch  Erfindung  von 
Maschinen  gehoben  sind.  (Vgl.  Michotte ,  Traite  scientifique  et  industriel  de 
industriel  de  la  ramin,  Paris  1891.) 


Rammeldamast — Ravenna.  417 


Rammeldamast  (franz. :  damasquette ;  engl. :  Yenetian-stuff).  Seidenstoff 
aus  dem  16.  Jahrh. 

Ränderstuhl,  Wirkstuhl,  welcher  ausser  der  gewöhnlichen  Nadelreihe  noch 
eine  zweite,  der  ersteren  entgegenstehende,  Nadelreihe  enthält  zur  Herstellung 
von  Ränderwaren. 

Rappoltsweiler,  Stadt  im  Bezirk  Oberelsass :  BaumM'ollwebereien  und 
Kattunfabriken. 

Rapport  (vom  franz.) ,  die  regelmässige  AYiederkehr  einer  Figur  oder 
Figurengruppe  in  einem  gewebten,  gestickten,  gedruckten  Muster ;  beim  Zeug- 
druck auch  das  richtige  Aufeinandertreffen  der  verschiedenen  nacheinander 
abgedruckten  Formen,  für  welches  die  Rapportstifte  dienen.  (Vgl.  Passer- 
formen.) 

Rasch  (franz.:  rass  oder  raz ;  ital. :  raso),  im  allgemeinen  mehrere  Sorten 
gewöhnlicher^  geköperter  Kammgarn-,  auch  Streichgarnzeuge,  welche  entweder 
glatt  gepresst  sind  und  keine  Haare  auf  der  Oberfläche  haben,  teils  aber  wollig  und 
ungeschoren  sind,  auch  keine  Walke  erhalten  und  je  nach  ihrer  Zurichtung  ver- 
schieden benannt  werden.  Früher  war  R.  sehr  gangbar  zu  eigentlichen  Kleidungs- 
stoffen, worin  er  jetzt  durch  andere  wollene  und  halbwollene  Stoffe,  wie  Merino, 
Neapolitaine,  Bombasin,  Kassinet  u.  s.  w.  ersetzt  wird.  Sogen.  Tuchrasch  oder 
Krämpelrasch  heisst  auch  Cadis  oder  Cadis  ras.  In  Frankreich  kennt  man 
auch  seidene  und  halbseidene  Rasche.  Florentiner  R.  ist  ein  ganz 
feiner  geköperter  Wollenstoff.  Velours  raz  heisst  an  vielen  Orten  der  unauf- 
geschnittene  Sammet.  Raso  ist  in  Italien  die  allgemeine  Bezeichnung  für 
den  seidenen  Atlas.  Razetto  ist  halbseidener  italienischer  Tapetenatlas. 
Rasetti  di  Cipro  die  leichten,  dünnen  A.  aus  Cypern,  Der  Name,  früher 
auch  arras,  arrasium  lautend,  ist  von  Arras  abzuleiten.  Zur  Zunftzeit  bildeten 
die  Raschmacher  eine  eigene  Grruppe  der  Wollenweber. 

Raschau,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  Spitzen- 
klöppelei und  Posamentenfabrikation. 

Rasenleinen,  feines  weisses  L.,  das  seinen  Namen  davon  hat,  weil  es 
auf  dem  Rasen  gebleicht  ist. 

Ratines  (Ratines,  Rateens),  sind  friesartige,  geköperte  Wollenzeuge, 
deren  Haar  nicht  nach  dem  Strich  gelegt,  sondern  auf  besonderen  Maschinen 
frisiert,  d.  h.  gekräuselt  oder  gekhötelt  worden  ist.  Ratines  drapees,  R. 
appretees  en  drap  heissen  die  franz.  wie  Tuchrasch,  aber  fester  gewalkten 
R.-Stoffe. 

Ratiniermaschine  oder  Frisiermühle,  mechan.  Vorrichtung  zum  Rati- 
nieren (franz.),  d.  h.  zum  Zusammenknoten  der  Härchen  bei  tuchartigen  Stoffen, 
welche  als  Ratine  bezeichnet  werden. 

Rationale  (lat.)  Pastorale,  ein  Prachtstück  bischöfl.  Messkleidung.  Ein 
Brust-  und  Rückenstück  von  kostbarem  gesticktem  Stoff  ist  durch  Schulter- 
stücke verbunden.     Das  R.  ist  nicht  mehr  in   Gebrauch. 

Ratti-Coatings  sind  gewöhnliche,  geköperte  Wollenzeuge. 

Ratzebuhr,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köslin:  Tuchfabrikation  und 
Wollspinnereien. 

Rauf  wolle  ist  Sterblings-  oder  GrerberAvolle,  d.  i.  Schafwolle  von 
toten  Tieren. 

Raumois  sind  gewöhnliche  ungebleichte  französische  Zwilliche  aus  der 
ersten  Heede  des  Flachses. 

Raupenseide,  geringe,  aus  dem  G-espinst  anderer  Raupen  als  des  Seiden- 
wurmes gewonnene  Seide. 

Rauschen,  den  Golddraht  für  Gewebezwecke  durch  die  Walzen  gehen 
lassen. 

Rauschtaffet,  moderner  Kleiderstoff  aus  Seide  und  Baumwolle  in  schrägen, 
abgesetzten  feinen  Köperstreifen  gemustert. 

Rautenstich,  ein  Stickstich,  welcher  kleine  Vierecke  bildet. 

Ravenna,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  im  Königreich  Italien: 
Seidenbau,  Seidenspinnerei  und  -weberei. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Testilkunde.  27 


418  Ravensberger  Leinen — Regensburg-. 

Ravensberger  Leinen  sind  mehrere  Gattungen  westfälischer  fester  L.,  die 
unter  den  Namen  bielefelder,  herforder,  holländische  und  waren- 
dorfer  L.  nach  allen  Ländern  versandt  werden. 

Ravensburg,  Stadt  im  württemb.  Donaukreis  :  Flachs-  und  Hanfspinne- 
reien, Baumwoll-  und  Leinenwebereien,  Färbereien  und  Bleichereien. 

Ravenstuch,  Ravendoek,  eine  starke,  dicht  gewebte,  ungebleichte  Lein- 
wand, welche  in  verschiedenen  Provinzen  Russlands  gemacht  und  über  Peters- 
burg in  den  Handel  gebracht  wird.  Sie  ist  leichter  und  feiner  als  gewöhn- 
liches Segeltuch  und  daher  nur  zu  Topp-,  Boots-  und  anderen  kleinen  Segeln 
brauchbar.  Der  Name  kommt  vom  Reö'en  oder  Zusammenbinden  des  Segels; 
die  breite  gewöhnliche  Sorte  heisst  in  Petersburg  Wlamek. 

Rayiert  (vom  franz.  raye,  gestreift)  sind  Garne,  die  streifenweise  in  ver- 
schiedenen Farben  gefärbt  sind ,  dementsprechend  gibt  es  seidene  Modestoffe 
mit  Rayestreifen. 

Raypour,  ostindische  Seide. 

Reading,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Berkshire:  Fabriken  von  Segel- 
tuch, Sackleinwand,  Sammet  imd  seidenen  Bändern. 

Reading,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Pennsylvanien :  Woll-  und  Baum- 
wollindustrie. 

Realtuch,  Royaltuch,  ältere  Bezeichnung  der  feinsten  Sorten  breiter 
märkischer  Tuche. 

Rechen,  Vorrichtung  am  Webstuhl,  welche  den  Schützen  hin  und  her  treibt. 

Recouvees  (tolles  crues),  eine  Art  roter  Creas  aus  Bretagne. 

Redekamm,  s.  Riet. 

Redo  (lat.),  dicker  Wollenstoff  für  die  Sattelunterdecke  der  Pferde. 

Redordiendi  (ital.) ,  seidene  Strähnen  zu  entzwimen ,  wie  es  nach  den 
Berichten  von  Plinius  die  Frauen  im  alten  Rom  an  chinesischen  Gewändern 
taten,  um  die  Fäden  neu  zu  verweben. 

Reels  sind  bunt  gestreifte  sächsiche  Zwilliche.  Gewöhnlich  ist  diese 
Ware  blau  und  rot  gestreift,  auf  einem  hellen  oder  dunklen  Grunde;  die 
blauen  und  roten  Streifen  sind  teils  von  Baumwolle,  teils  von  Seide,  das 
übrige  Leinen. 

Refe,  im  italienischen  Handel  der  Zwirn. 

Refin,  im  franz.  Wollhandel  die  allerfeinste  Sorte  Wolle  einer  besonderen 
Gattung,  z.  B.  R.  Segovie,  die  feinste  Segoviana  u.  s.  w. 

Refleuret,  im  franz.  Wollhandel  die  Sorte  Wolle,  welche  auf  die  sogen. 
Prime  folgt.  Doch  gilt  dies  nur  in  Ansehung  der  kastilischen  und  aragoni- 
schen W.     Bei  der  aus  Roussillon  versteht  man  die  feinste  Sorte. 

Reformees,  Toiles  reformees,  eine  Gattung  gesuchter  Segelleinen  aus 
Frankreich. 

Regatta,  moderner  Anzugstoff,  drellartig,  aus  Leinen  und  Baumwolle 
gewebt,  gewöhnlich  blau  und  weiss  gestreift. 

Regencestil ,  in  Frankreich  unter  der  Regentschaft  des  Herzogs  von 
Orleans  (1715 — 1723)  ein  Uebergangsstil ,  welcher  die  etwas  steifen  älteren 
Formen  lockert,  aber  noch  nicht  der  völligen  Willkür  des  Rokoko  verfällt. 
Von  grossem  Einfluss  auf  seine  Ausbildung  ist  die  Tätigkeit  des  Hofbaumeisters 
Gilles  Marie  Oppenort,  der  seine  Studien  in  Rom  machte.  Das  Stoffmuster 
wird  wenig  davon  berührt:  nur  vereinzelt  kommen  Gewebe  vor,  deren  Zeich- 
nung an  jene  zierlichen  Ornamente  erinnert,  wie  sie  in  vielen  Holzschnitzereien 
dieser  Zeit  auf  uns  gekommen  sind.     (Abb.  244.) 

Abbildung: 

244.  Darstellung  aus:  Cox,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon  PI.  LXX:  Seidenbrokat,  Grund 
weisser  Atlas,  Muster  Silber  und  etwas  Gold:  Zierliche  Ranken  sind  zu  Zickzack- 
bändern gelegt,  dazwischen  Palmetten.     Frankreich  Anfang  18.  Jahrh. 

Regensburg,  Hauptstadt  des  bayr.  Reg.-Bez.  Oberpfalz :  war  im  2.  Jahrh. 
n.  Chr.  Handelsplatz.     Unter  den  Agilolfingern  wurde  es  Hauptstadt  Bayerns. 


Reggio  neir  Emilia— Reichenberg.  419 


Nach  der  Entsetzung  dieser  Dy-nastie  (788)  erhielt  es  die  Benennung  einer 
Kgl.  Stadt.  739  wurde  das  Bistum  R.  durch  Bonifacius  gestiftet.  Vom  11. 
bis  15.  Jahrh.  war  R.  eine  der  blühendsten  und  volkreichsten  Städte  Süd- 
deiitschlands.  Die  Handelsstrassen  nach  R.  nehmen  von  Venedig  aus  unter 
Heinrich  II.  (1000)  und  dem  Schutzrecht  Papst  Urban  II.  (1095)  ausserordent- 
liche Belebtheit  an.  Seit  dem  10.  Jahrh.  fördern  die  Züge  Otto  des  G-rossen 
die  Beziehungen  mit  Italien,  wie  den  reichen  Zufluss  von  Seidengeweben  nach 
Deutschland.  Im  Jahre  1314  soll  R.  von  Lucca  aus  die  Seidenweberei  er- 
halten haben;  doch  wird  angenommen,  dass  in  R.  schon  im  10.  Jahrh.  Halb- 
seidengewebe nach  orientalischen  Mustern  hergestellt  wurden. 

Abb.  244. 


yj' 


h  ..V. 


'i/    \;^ 


Reggio  nell*  Emilia,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  im  König- 
reich Italien:  ansehnliche  Seiden-  und  Bandweberei  und  Handel  mit  solchen 
Erzeugnissen. 

Regnie,  Regny,  Reygnie,  sind  gute  und  dauerhafte  Leinen,  die  im 
gleichnamigen  Dorfe  im  franz.  Depart.  der  Rhone  aus  feinem  Hanf  gewebt 
werden. 

Regulator,  Vorrichtung  am  Webstuhl ;  er  besteht  aus  einem  Räderwerke, 
das  mit  dem  Brustbaum  in  Verbindung  steht  und  durch  welches  das  Auf- 
wickeln des  Zeuges  entsprechend  der  Geschwindigkeit  des  Webeprozesses  be- 
wirkt wird. 

Rehna,  Stadt  in  Mecklenburg-Schwerin:  2  Tuchfabriken. 
_  Reichenau,  Dorf  in  Sachsen  (Amtshauptmannschaft  Zittau) :   bedeutende 
Textilindustrie. 

Reichenau,  Stadt  in  Böhmen:  k.  k.  Webeschule;  Tuch-,  Baumwoll-  und 
Leinenfabriken,  Streichgarnspinnerei. 

Reichenbach,  im  Vogtland  (Amtshauptmannschaft  Plauen) :  Hauptzweige 
der  Industrie  sind  Fabrikation  wollener  und  baumwollener  Waren,  Bleicherei, 
Appretur,  Färberei,  Kammgarn-  und  Streichgarnspinnerei,  AVollkämmerei  und 
-Wäscherei  (zus.  etwa  150  Firmen). 

Reichenberg,  Stadt  in  Böhmen:  Hauptgegenstand  der  Industrie  der  Stadt 
und  ihrer  Umgebung  (die  Dörfer  Rochlitz,  Katharinenberg,  Proschwitz,  Maffers- 
dorf  u.  s.  w.)  ist  Fabrikation  von  Tuchen,  Schafwollwaren,  Teppichen  und 
Wollwaren.  Die  Tuchfabrikation  war  schon  zu  Anfang  des  15.  Jahrh.  ein- 
gebürgert; 1605  wurde  die  erste  Färberei  errichtet.  Die  Schafwollindustrie 
hob    sich    schnell,    seit  J.  G.  Berger  1798   die  erste  Fabrik  erbaute  und  1806 


420  Reichskleinodien — Reinigen. 


die  ersten  Maschinen  aufstellte,  hauptsächlich  aber  durch  die  Errichtung  der 
J.  Liebiegschen  Fabrik.  R.  liefert  jährlich  Tuch  im  Wert  von  mehreren  Mil- 
lionen Grulden.     Fachschule  für  Weberei,  1852  errichtet. 

Das  Nor dböhmische  Gewerbemuseum,  gegründet  1873,  Direktor: 
Dr.  Gustav  Pazurek,  besitzt  eine  umfangreiche  geordnete  Stoffsammlung. 

Reichskleinodien,  die  bei  der  Krönung  der  römisch-deutschen  Kaiser 
gebrauchten  Abzeichen  der  Kaiserwürde,  ursprünglich  in  der  Krönungsstadt 
Aachen,  später  teilweise  in  Nürnberg  verwahrt,  seit  1797  in  der  k.  k.  Schatz- 
kammer in  Wien,  worunter  sich  das  priesterliche  Krönungsomat  befindet,  dessen 
Gewänder  reich  gestickt  sind.  Die  einzelnen  Stücke  stammen  aus  verschiedenen 
Zeiten ,  die  gewebten  und  gestickten  Stoffe  sind  Arbeiten  von '  Sarazenen  auf 
Sizilien  (s.  Palermo  und  Stickerei).  Das  prächtigste  Stück  darunter  ist  der 
Krönungsmantel  von  halbrunder  Form,  der  auf  purpurroter  Seide  in  Gold  und 
Perlen  gestickt  ist  und  eine  symbolische  Darstellung  von  Tierfiguren  unter  dem 
heiligen  Baum  enthält;  derselbe  ist  1133  gearbeitet.  Vgl.  Bock,  die  Kleinodien 
des  heiligen  römischen  Reiches  deutscher  Nation,  Wien  1860. 

Reihenweis  versetzt  ist  ein  Stoffmuster,  wenn  seine  Figuren  so  abwech- 
seln, dass  unter  der  Mitte  von  Endigungen  derselben  sich  die  Achsen  der 
nächsten  Reihe  befinden. 

Reims,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Arrond.  im  franz.  Depart.  Marne: 
bedeutende  Textilindustrie  in  sogen.  Reimser  Artikeln:  Tuch,  Flanelle,  Meri- 
nos, Decken,  Strümpfe  und  andere  Wollwaren.  In  R.  und  Umgegend  richtete 
Colbert  die  Spitzenindustrie  mit  Hilfe  flamändischer  und  venezianischer  Ar- 
beiterinnen ein;  man  arbeitete  bis  etwa  1675  nach  italienischen  Vorbildern, 
die  point  de  France  genannt  wurden. 

Reinerz,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Breslau:  2  private  Webeschulen 
und  Handweberei. 

Reines  Fach  nennt  man  es  in  der  Weberei,  wenn  Ober-  und  Unterfach 
zwei  vollständige  Ebenen  bilden  und  keine  Fäden  des  oberen  in  das  Unterfach 
hineinhängen. 

Reinigen ,  konservieren  von  älteren  Textilien  hat  Museen  und  Sammler 
sehr  beschäftigt,  seitdem  die  Grabfunde  aus  Oberägypten  (s.  koptische  Textil- 
funde)  das  wertvollste  Material  für  die  Geschichte  der  Textilkunst  zutage 
fördern,  welches  ohne  vorherige  gründliche  Säuberung  nicht  zu  bearbeiten  ist. 
Nicht  nur  der  durch  Einbalsamierung  und  Zersetzung  des  Leichnams  entstandene 
süsslich-widerliche  Geruch  macht  den  Umgang  damit  unerträglich,  sondern  auch 
der  mit  Feuchtigkeiten  durchsetzte  Staub  lassen  die  den  Stoffen  erhaltenen 
Muster  gänzlich  unkenntlich  erscheinen.  Mehr  oder  weniger  haben  auch  die 
Stoffe  selbst  darunter  gelitten:  Leinen  und  Baumwolle  weniger,  Wolle  infolge 
seiner  Aufnahmefähigkeit  aller  feuchten  Elemente  am  meisten,  und  Seide  seiner 
Zartheit  wegen  nicht  minder.  Alle  diese  Textilien  reinigt  man  am  besten  ohne 
alle  Ausnahme  mit  kaltem  Wasser,  das  je  nach  dem  Zustande  der  Gegen- 
stände mit  Karbol,  Benzin,  Salmiak  oder  Lysol  in  geringem  Masse  ver- 
mischt werden  kann.  Die  Reinigung  der  Seidenstoffe  hat  natürlich  mit 
grösster  Vorsicht  und  im  einzelnen  zu  geschehen,  während  man  für  die 
gröberen  und  grösseren  Stücke  ein  gemeinsames  ordentliches  Wannenbad  be- 
reiten kann,  das  durch  Zu-  und  Abfluss  verbrauchten  und  reinen  Wassers 
regulierungsfähig  sein  muss.  Mit  dem  Abtrocknen  verbindet  man  am  besten 
das  Glätten  der  Stoffe  zwischen  grobem  Fliesspapier.  Aufhängen  und  Wasser- 
ablauf ist  dem  Zustande  der  Stücke  nicht  förderlich;  grössere  Tücher  oder 
Gewänder  können  vor  der  Behandlung  mit  Fliesspapier  durch  weiche  Frottier- 
stoffe abgetrocknet  werden.  Seidene  Zeuge  werden  am  zweckmässigsten  auf 
einer  stumpfen  Glasplatte  mit  dem  Betupfen  durch  einen  Schwamm  behandelt; 
erträgt  es  die  Faser,  so  ist  dienlich,  dem  Wasser  etwas  Seifen-  oder  Fettgehalt 
zuzuführen,  um  den  Stoff  für  das  Ziehen  nach  der  Achse  beweglicher  zu 
machen.  Zur  Ablösung  des  Schmutzes  muss  das  Gewebe  der  Bindung  nach 
mit  dem  weichsten  Schwamm  bestrichen  werden.  Die  Unterlage  der  Glasplatte 
wird    die  Abspülung    durch    klares  Wasser   wesentlich   erleichtern,    sie   ist  bei 


Reiterfiguren  im  Stoffmuster — Renaissance.  421 


Seidenstoffen  um  so  wichtiger,  als  dadurch  das  spätere  Ausschwitzen  des  Salz- 
gehalts vermieden  wird.  Allen  gereinigten  Stoffen  ist  ein  einmaliges  festes 
Anpressen  und  leichtes  Plätten  zwischen  Papier  und  Leinenstoffen  von  grossem 
Nutzen,  indessen  soll  das  Trocknen  derselben  nur  mit  leichter  Bedeckung  ge- 
schehen. Festere  Stoffe  bewahren  die  Museen  gewöhnhlich  aufgenäht  auf  Leinen 
in  leichten  Holzrahmen  auf,  ebenso  leichtere  Grewebe,  welchen  man  zum  Schutz 
der  rechten  Seite  Gelatinepapier  überlegt.  Sehr  brüchige  Seidenstoffe  bewahrt 
man  am  besten  zwischen  zwei  dünnen  Glasplatten.  Ygl.  auch:  Fr.  Rathgen, 
Die  Konservierung  von  Altertumsfunden,  Berlin  1898,  S.  13L  Die  Reinigung 
grösserer  Textilien,  wie  der  Wandteppiche  und  dergleichen  künstlerische 
Ausstattungen  des  Wohnraumes  steht  oft  im  Zusammenhange  mit  einer  Aus- 
besserung derselben,  die  am  besten  von  sachkundiger  Hand  geschieht.  Für 
Gobelins  und  Verwandtes  hat  in  neuer  Zeit  die  besten  Erfolge  aufzuweisen  die 
Berliner  Gobelinmanufaktur  von  Ziesch  &  Co.,  welcher  u.  a.  auch  die  Wieder- 
herstellung der  berühmten  Wandteppiche  (s.  d.)  aus  den  kgl.  preuss.  Schlössern 
in  vorzüglicher  W^eise  gelungen  ist.  A^gl.  W.  Ziesch  &  Co.,  Berlin  SO., 
Anleitung  zur  sachgemässen  Behandlung  alter  echter  Gobelins  und  Paul 
Hirschfeld,  lieber  die  Kunst  der  Gobelinweberei,  zur  Erinnerung  an  das 
25jährige  Bestehen  der  Berliner  Gobelinmanufaktur  W.  Ziesch  &  Co.,  Berlin 
1904.  —  lieber  das  Reinigen  und  x\.usbessern  von  Spitzen  vgl.  Tina  Frau- 
berger,  Handbuch  der  Spitzenkunde,  Leipzig  1894,  S.   199  ff. 

Reiterfiguren  im  Stoffmuster  erscheinen  im  frühen  Mittelalter,  besonders 
auf  Geweben  der  sassanidischen  Periode  des  6.  —  8.  Jahrb.;  gleichzeitig  auch 
anf  Wirkereien,  die  aus  koptischen  Funden  (s.  d.)  stammen.  Zunächst  sind 
es  Könige,  welche  dargestellt  werden,  deren  Bezeichnung  nach  bestimmten 
Perioden  möglich  ist  durch  den  Kopfschmuck  im  Vergleich  mit  sassanidischen 
Münzen.  Andere  R.  sind  durch  beigegebene  Attribute  auf  Darstellungen  von 
Märtyrern  zurückzuführen.  (Vgl.  den  Artikel  Georg  und  die  Abb.  1  auf  Taf.  II, 
3  und  7  auf  Taf.  I,  ferner  Abb.  167.) 

Reliefspitzen  (ital. :  punti  a  rilievo),  venezianische  Spitzen  mit  erhabenen 
oder  auch  völlig  frei  gearbeiteten  Blumen. 

Reliefstickerei,  s.  Stickerei. 

Reliquienhüllen,  d.  s.  Umwickelungen  von  Knochenresten  heilig  ge- 
sprochener Märtyrer ,  haben  für  die  Geschichte  der  Textilkunst  insofern  Be- 
deutung, als  uns  in  ihnen  gewöhnlich  die  Muster  jener  Zeit  der  Heiligsprechung 
enthalten  sind:  viele  der  frühmittelalterlichen  Beläge  für  Kunstweberei  ver- 
danken wir  ihrer  Erhaltung. 

Remise,  le  (franz.),  am  Webestuhle  die  Gesamtheit  der  Schäfte  ein- 
schliesslich der  Vorrichtung  zum  Aufhängen  derselben. 

Rempli,  le  (franz.),  das  Herstellen  der  Füllmuster  in  den  Hauptformen 
der  Nähspitzen. 

Renaissance  (franz.),  (ital. :  il  rinascimento ;  engl. :  renaissance ,  revival 
style) ,  die  Wiederaufnahme  oder  „Wiedergeburt"  der  antiken  Kunstformen. 
In  der  allgemeinen  Kunstgeschichte  als  die  „Kunst  der  neueren  Zeit"  be- 
zeichnet, beginnt  in  Italien  bereits  im  Anfange  des  15.  Jahrb.,  in  Deutschland 
erst  100  Jahre  später.  Mit  der  Wiederaufnahme  des  Quellenstudiums  der  ur- 
sprünglichen Werke  antiker  Kunst  kehrt  man  gleichzeitig  zur  Beobachtung 
der  Gebilde  in  lebender  Natur  zurück,  und  diese  Vereinigung  beider  Elemente 
führt  zu  einem  höchst  geistvollen  Ganzen,  dessen  Wesen  sich  in  knapp  be- 
messenen und  dem  Gegenstand  zierlich  angepassten  Formen  äussert.  Der 
eigentliche  Ursprung  dieser  Umbildung  der  Formensprache  in  der  Kunst  ist 
in  allgemeinen  äusseren  Zuständen  jener  Zeit  zu  suchen,  worauf  zunächst  die 
Kirche  von  bedeutendem  Einfluss  war.  Um  die  Wende  vom  12.  zum  13.  Jahrh. 
hatte  die  religiöse  Begeisterung  ihre  stärkste  Machtentfaltung  erreicht:  sie 
erfüllt  alle  Gemüter  und  bestimmt  alle  Handlungen  ,  sie  findet  in  den  Kreuz- 
zügen —  deren  letzter  in  das  Jahr  1270  fällt  —  ihren  deutlichsten  Ausdruck. 
Eine  Gegenströmung  macht  sich  zunächst  seitens  der  weltlichen  Herrscher 
geltend,    welcher    die   geistige  Auflehnung  Einzelner   folgt  als  Vorboten  jenes 


422 


Renaissance. 


Abb.  245. 


tiefereu  ernsteren  Umschwunges,  der  auf  eine  Erneuerung  des  religiösen  Lebens 
drang  und  schon  im  späten  Mittelalter  anfängt,  sich  auch  im  künstlerischen 
Leben  zu  äussern.  Der  Trieb  nach  Freiheit  und  Selbstbestimmung  findet  aber 
noch  weitere  Nahrung  durch  andere  grosse  Ereignisse,  wie  sie  in  der  Erfindung 
der  Buchdruckerkunst,  in  der  Entdeckung  Amerikas,  sowie  auch  in  der  Erobe- 
rung Konstantinopels  durch  die  Türken  die  Zeit  bewegten,  welche  einen  Strom 
griechischer  Bildung  nach  dem  Abendlande  führte,  der  dem  dort  lebhaft  er- 
wachten Sinn  für  die  Antike  reiche  Nahrung  zutrug. 

In  Italien,  wo  die  nordische  Grotik  geleistet  hatte,  was  sie  zu  leisten  ver- 
mochte, bedurfte  es  keiner  übergrossen  Begeisterung  für  die  Antike,  um  mit 
den  mittelalterlichen  Traditionen  zu  brechen,  denn  —  wie  Wilhelm  Lübke 
sagt  —  „so  tief  lag  der  Greist  der  antiken  Kunst  noch  immer  im  Genius  des 
Volkes,  so  eindringlich  predigten  die  Denkmäler,  selbst  in  arger  Verstümme- 
lung, ihre  unvergängliche  Schönheit." 

Die  erste  Periode  der  neu  erstandenen  Kunst,  die  italieni  s  che  Fr  üh- 
renaissance  (1420  — 1  500),  ist  in  der  Architektur  charakterisiert  durch  freie 
Aufnahme    antiker   Formen   und   Vermischen    mit   mittelalterlichen  Elementen: 

es  ist  die  Zeit  der  ungebundenen  Schaff'ens- 
lust,  die  sich  durch  Frische  und  Unmittel- 
barkeit auszeichnet. 

Die  italienische  Hochrenais- 
sance (1500  —  1550)  basiert  auf  einem 
gesichteten  Studium  der  Antike;  letztere 
wird  streng  nachgeahmt.  Das  Ornament 
bekommt  einen  grösseren  Massstab  und 
ein  besseres  Verhältnis  zum  Ganzen,  ver- 
liert aber  an  Frische  und  Zierlichkeit; 
es  strebt  mehr  nach  lebhaftem  Ausdruck 
und  malerischer  "Wirkung. 

Die  deutsche  Renaissance 
bildet  sich  in  dieser  Zeit  zugleich  mit 
der  französischen,  indem  um  das  Jahr 
1520  die  Formen  der  italienischen  Re- 
naissance einen  allgemeinen  und  schnellen 
Eingang  finden. 

Die  Spätrenaissance  (1550 
bis  1700)  geht  in  allen  Kulturländern 
ziemlich  gleichartig  weiter  in  dem  Be- 
streben, durch  Fülle  und  Pracht  starke 
Eindrücke  hervorzubringen,  und  entwickelt 
sich  im  17.  Jahrh.  zum  Barockstil  (s.  d.). 
Die  technische  Ueb  erlief  er  ung  des 
Mittelalters  bildet  die  Renaissance  in  allen 
Zweigen  des  Kunsthandwerks  zur  höch- 
sten Vollkommenheit  aus,  wobei  den  tex- 
tilen  Künsten  hinsichtlich  der  gänzlich 
neuen  Umgestaltung  der  Innenräume 
grosse  Aufgaben  zufielen.  Vor  allem  gibt  neben  dem  Holzgetäfel  in  be- 
scheidener Höhe  der  AVand  einen  Teil  des  Schmuckes  der  gewebte  Stofi". 
Genua,  Venedig  und  Florenz  stellen  Tapeten  aus  Sammet,  Seide,  Gold-  und 
Silberfäden  her,  welche  als  Füllung  zwischen  die  Pilaster  mit  kleinen  Säulchen 
eingelassen  werden;  ihre  Muster  sind  zu  diesem  Zwecke  eigens  ohne  seitlichen 
Ansatz  komponiert,  weil  ihre  Wirkung  nur  auf  eine  Bahnbreite  berechnet  ist 
(Abb.  245).  Ueber  dem  Getäfel  erheben  sich  in  grösseren  Prachträumen 
herrliche  Teppiche  in  Hautelisseweberei,  deren  Musterung  im  Sinne  altpompe- 
janischer  Wandmalereien  den  Blick  weit  aus  dem  begrenzten  Raum  hinaus- 
führen in  blumenbekränzte  Hallen  (Abb.  246).  Ebenso  dienten  Gobelins, 
Stickereien  und  gewebte  Stoffe  als  Vorhänge  vor  Türen  und  Fenstern,  in  welcher 


Renaissance. 


423 


Verwendung   sie   oft  nur  eine  Fortsetzung  der  Wandbekleidung  waren.     Auch 
sonst    wurde    mit   Teppichen    und    allerlei  Geweben    im    vornehmen  Hause    ein 


grosser  Luxus  getrieben.  Reich  gestickte  Decken  in  Stramin  und  Aufnäharbeit 
aus  Tuch,  Sammet  und  Seide  (Abb.  247)  hingen  von  einfacheren  Tischplatten 
bis  auf  den  Boden  hinab.     Die  Yerbinduno-  der  italienischen  Seestädte  mit  dem 


424 


Renaissance. 


Orient  kam  der  V^orliebe  für  orientalische  Knüpfteppiche  und  Textilien  anderer 
Art  zn  Hilfe.  Wenn  auch  die  oberitalienischen  Städte  kostbare  Artikel  in 
Sammet,  Seide  und  Brokat  lieferten,  welche  als  Handelsartikel  durch  alle 
Lande  gingen,  so  konnten  doch  dem  echt  künstlerischen  Geschmack,  wie  er 
dem  16.  Jahrh.  eigen  war,  die  dekorativen  Vorzüge  der  orientalischen  Original- 
stoffe nicht  entgehen.  Derselbe  Oeschmack  ging  auch  nach  dem  Norden  hinüber; 
wie  sehr  er  hier  blühte,  zeigen  uns  die  Bilder  Holbeins  und  holländischer 
Maler  dieser  Zeit.  Die  Sitzmöbel,  welche  im  Mittelalter  nur  mit  Decken  oder 
losen  Kissen  belegt  waren,  erhielten  eine  feste  Polsterung,  die  nächst  dem  Leder 
auch    aus    gewebten    und    gestickten    Ueberzügen   bestand.     Die  Kissen   kamen 

Abb.  247. 


dabei  aber  nicht  aus  der  Mode,  sondern  finden  auf  Bänken  und  Truhen  noch 
reichlich  Verwendung.  Gelegenheit  zur  textilen  Ausstattung  bot  das  Bett  der 
Renaissance,  das  im  vornehmen  Haus  als  ein  Kunstwerk  und  Schmuck  der 
Wohnung  betrachtet  wurde.  Es  behielt  seine  Gestaltung  als  Himmelbett  von 
früher  her;  nur  die  Ausbildung  war  freier  und  künstlerischer.  Ein  aus  Sammet 
und  Seide  bestehender  Baldachin,  der  auf  der  unteren  Seite  bestickt  war,  r^hte 
auf  vier  karyatidenartig  oder  als  Säulen  gestalteten  Pfosten;  schwere  Vorhänge 
schlössen  rings  die  vier  Seiten  ab  und  waren  mit  Eransen  oder  Gold-  und 
Silberspitzen  garniert.  Gestickte  Decken  lagen  über  den  Kissen,  seit  dem 
Ende  des  16.  Jahrh.  aber  auch  Spitzendecken  der  kostbarsten  Art  von  der 
ganzen  Länge  und  Breite  des  Bettes.  — 

Das  Webemuster    der  Frührenaissance    bleibt   von  antiken  Elementen 


Renaissance. 


425 


so  gut  wie  unberührt,  es  behält  vielmehr  das  Grranatapfelmuster  (s.  d.)  Greltung, 
das  sich  erst  am  Anfange  des  16.  Jahrh.  allmählich  zur  gebundenen  Palmetten- 
bildung schliesst  (Abb.  105),  dem  sich  vereinzelt,  wenn  die  spätgotische  Eose 
mit  Blattwerk  und  Strauss  aufwächst  (Abb.  102),  die  Vase  in  spitzovalen  Feldern 
einordnet  (Abb.  5,  Taf  V).  Die  spitzovalen  Felder  werden  zunächst  gebildet 
aus  breiteren  Flechtbändern,  welche  durch  Ejiäufe  verbunden  sind.  Dieser 
allgemeine  Typus  des  RenaissancestofFmusters  macht  bis  zum  Barockstil  viele 
AYandlTingen  durch,  worin  bald  die  Vase  mit  reich  entwickeltem  Strauss  aus 
orientalisierenden  Blumen  (Tul- 
pen, Nelken)  vorherrscht  und  die  Abb.  248. 
früher  festere  Bandeinschliessung 
sich  lockerer  aus  Blättern  und 
Ranken  gestaltet  (Abb.  248),  eine 
x^rt  der  Mustergebung,  die  gleich- 
zeitig in  Italien  und  Spanien  ver- 
treten ist.  Daneben  sind  Stoffe 
erhalten,  deren  Zeichnung  auf  freie- 
ren, rein  italienischen  Ursprung 
schliessen  lässt,  denn  ihre  Einzel- 
hei.ten;  die  Maske  (Abb.  249),  der 
Delphin  (Abb.  250),  der  Akanthus 
(Abb.  6  auf  Taf.  Y),  die  gebuckelte 
Yase,  dazwischen  Grreifen  und  ge- 
flügelte Yogelgestalten  (Abb.  245) 
verraten  das  antike  Element.  "Wie 
weit  bei  diesen  Stoffen  der  Re- 
naissance neben  Italien  andere 
europäische  Länder,  wie  Frank- 
reich, die  Niederlande  u.  s.  w.  an 
der  Fabrikation  beteiligt  sein  mö- 
gen, wird  kaum  mit  Sicherheit 
festzustellen  sein,  weil  Material, 
Technik  und  Musterung  zu  dieser 
Zeit  mehr  oder  weniger  auf  ita- 
lienische Einführung  zurückzufüh- 
ren sind..  Eine  Ausnahme  hiervon 
macht  Spanien,  das  seine  mauri- 
schen Elemente  lange  Zeit  hin- 
durch im  Stoffmuster  '  bewahrt. 
Auch  technisch  ist  eine  Grruppe 
von  Geweben  beson(^rs  gekenn- 
zeichnet. Dieselben  bestehen  ge- 
wöhnlich aus  festem  rotem  (seltener  grün)  Seidengrund,  der  mit  feinen  ge- 
zogenen Gold-  und  Silberfäden  durchwirkt  ist;  das  Muster  selbst  ist  weiss 
mit  Silber  und  gelb  mit  Gold  und  enthält  in  spitzovalen  Feldern  aus  ge- 
schuppten Bändern  (Abb.  251)  oder  spitzigen  Blättern  (Abb.  252),  spitzovale 
Palmettenblüten,  die  den  frühorientalischen  Ursprung  nicht  verleugnen  können. 
Ferner  sind  Yerbindungsranken  und  das  Füllwerk  im  Charakter  der  Arabesken, 
sowie  einzelne  gewürfelte  Flächen  innerhalb  der  klar  abgesetzten  Figuren 
bezeichnend  für  die  spanische  Herkunft.  In  gleicher  Technik  sind  aus  Spanien 
wieder  Muster  mit  der  Blumenvase  in  geschlossenem  spitzovalem  Felde  erhalten; 
immer  aber  wird  die  strengere  Formengebung  darin  sich  unterscheiden  vcfn  der 
weichen  Linienführung  des  italienischen  Zeichners. 

Eine  durchgreifende  Aenderung  im  Stoffmuster  vollzieht  sich  nach  der 
Mitte  des  16.  Jahrhts.,  wozu  die  Einführung  der  spanischen  Tracht  beiträgt. 
Während  man  früher  keinen  Unterschied  zwischen  dem  Muster  für  die  Tapete 
und  dem  des  Gewandes  machte  —  noch  Crivelli  malt  eine  Yenezianerin  im  eng 
anschliessenden  Kostüm,    das    aus    grossem  Granatapfelmuster   geschnitten   ist; 


426 


Renaissance. 


vgl.  Abb.  108  —  scheidet  man  jetzt  zwischen  Kleider-  und  Tapetenstoff.  An- 
fangs gestalten  sich  die  bisher  üblichen  Muster  aus  spitzovalen  Feldern  mit 
Yasen  (Abb.  253)  oder  Palmettenblüten  (Abb.  58  u.  225)  kleiner;  nur  dass  in 

Abb.  249. 


letzteren  öfter  die  Mittelfiguren  in  der  Richtung  wechseln,  in  stilistischer  Erkennt- 
nis, dass  das  Muster  des  Kostüms  nicht  an  ein  Oben  und  Unten  gebunden  ist. 
Gegen  Ende    des  16.  Jahrh.  hört    die  Teilung   in  den  Kleiderstoffmustern  auf, 

es    erscheinen  kleine  Palmetten  (Abb.  1, 


Abb.  250. 


yj-'   % 


®# 


^Ph.^ 


3,  11  auf  Taf.  V)  und  geometrische 
Figuren,,  die  reihenweis  versetzt  sind, 
und  im  17.  Jahrh.  beherrscht  das  Streu- 
muster aus  kleinen  Blütenzweigen  dieses 
Gebiet  (Abb.  254  u.  255)  der  textilen 
Fläche. 

Die  Technik  der  Sammet- 
Weberei  steht  in  der  Penaissancezeit 
auf  höchster  Stufe.  Sowohl  die  Tapeten- 
stoffe mit  ungeschnittenen  und  geschnit- 
tenen Flächen  auf  Atlas-  und  geripptem 
Seidengrund,  wie  auch  die  kleinmusteri- 
gen  Zeuge  bringen  in  vielseitiger  Ab- 
wechselung reizvolle  Muster  zur  Dar- 
stellung. Die  Verwendung  von  Gold- 
und  Silbergespinst  in  gezogenen  ^nd 
übersponnenen  Fäden  erhöht  die  Wir- 
kung, wobei  jedoch  nirgends  durch  über- 
mässige Vergeudung  des  glänzenden  Ma- 
terials die  Grenzen  der  Vornehmheit  im 
Charakter  des  Ganzen  überschritten  sind. 
Auch    die    stumpfen    Grundgewebe    der 


JRenaissance. 


427 


Abb.  251. 


Abb.  252. 


Abb.  253. 


Abb.  254. 


428  Renaissance. 


Trachtenstoffe  sind  durch  leichten  Durchschuss  aus  schmalem  Grold-  und  Silber- 
lahn wirksam  belebt.  In  Spanien  werden  Seidenstoffe  mit  kleinen  geometrischen 
Mustern  erzeugt,  die  inmitten  ungeschnittener  Noppen  lose  Fädenbüschel  aus 
Seide  hängen  lassen:  d.  i.  velours  ä  moustaches  (Schnurrbartsammet). 

Als  neues  Dekorationsmittel  kommt  die  Sammetpressung  auf,  durch 
welche  der  Musterung  in  scharfen  TJmrisslinien  noch  weniger  Grrenzen  gezogen 
sind,  als  in  der  Weberei  (Abb.  8  auf  Taf.  Y);  man  benutzt  hierzu  mit  Vor- 
liebe auch  die  Sammete  der  gotischen  Zeit,  auf  deren  weit  geschnittene  Fläche, 
ohne  Rücksicht  auf  die  darin  enthaltenen  grossen  Bogenlinien  der  Granatapfel- 
umrahmungen, das  Muster  des  neuen  Stils  gesetzt  wird.    (Abb.  1   auf  Taf.  lY.) 

Die  Damastweberei  in  Seide  stellt  prächtige  Tapetenstoffe  und 
Kleiderzeuge  aus  dem  besten  Material  her,  indessen  bleiben  die  darin  möglichen 
Effekte   erst  der  späteren  Zeit  vorbehalten.     Auch  das  Broschieren  in  Seiden- 


Abb.  255. 


und  Goldfäden  wird  in  dieser  Periode  nicht  übermässig  ausgenützt,  weil  grössere 
Muster  auf  Gesamtwirkung  in  breiteren  Linien  angelegt  sind  und  den  Kostüm- 
stoffen unnützes  Beschweren  ihrem  Gebrauch  hinderlich  wäre.  Den  weichen 
Atlas  Stoffen,  die  nur  durch  die  Güte  ihres  Materials  und  durch  die  Leuchtkraft 
ihrer  Earbe  im  eng  anschliessenden  Gewände  wirken  sollen,  gibt  man  eine 
künstlerische  Belebung  durch  das  Schlitzen,  welches  mittels  Eisen  oder 
scharfer  Messer  geschieht:  es  entstehen  längliche  oder  quadratische  Bisse,  die 
durchgehen  oder  die  obere  Fadenschicht  des  Gewebes  nur  lockern,  wodurch 
der  Stoff  in  ähnlicher  Weise  gemustert  wird,  wie  der  gewebte  velours  ä  mou- 
staches (Abb.  87). 

Gewebe  aus  Leinen,  Baumwolle  und  Wolle,  z.  T.  mit  S^ide 
gemischt,  erscheinen  zur  Benaissancezeit  in  gleicher  Musterung  wie  die  Stoffe 
aus  edlerem  Material,  und  man  wird  hierbei  am  ehesten  geneigt  sein,  viele  der- 
selben für  Erzeugnisse  ausserhalb  Italiens  und  Spaniens  zu  halten.  An  be- 
sonders grossmusterige  Stoffe  ist  dabei  nicht  zu  denken,  es  handelt  sich  um 
solide  Webwaren,  die  in  den  nördlichen  und  nordwestlichen  Ländern  Europas 
für  den  eigenen  Bedarf  hergestellt  und  dort  verwendet  wurden,  wo  die  Mittel 


Renaissance.  429 


versagten ,  in  dem  Masse  die  Häuslichkeit  und  eigene  Person  auszustatten, 
wie  es  in  Italien  und  Spanien  geschah.  (Vgl.  Abb.  9,  10,  12  auf  Taf.  Y.) 
Und  doch  hat  auch  diese  Gruppe  von  Stoffen  ihren  eigenen  Reiz,  die  selbst, 
wie  die  vorkommenden  Hohlgewebe  aus  Seide  und  Baumwolle  zeigen  (Abb.  116), 
technischer  Eigentümlichkeiten  nicht  entbehren.  Dazu  gehört  auch  jene  Art 
der  Gewebe,  deren  durchgehendes  Muster,  durch  wechselnde  Schussfarbe  an 
beliebigen  Stellen  in  Streifen  unterbrochen  wird  (Abb.  204). 

Einen  breiten  B,aum  nehmen  die  Stickereien  der  Renaissance 
ein.  Da  tritt  zunächst  die  vornehme  Pracht  der  Kirchenausstattung  in  den 
Vordergrund  (s.  kirchliche  Wirk-  und  Stickmuster),  wozu  die  Aufnäharbeit 
(s.  d.)  Muster  von  höchster  Schönheit  erstehen  lässt,  die  den  dekorativen  Sinn 
der  Zeit  so  recht  zum  Ausdruck  bringen.  (Vgl.  Taf.  IX.)  Stickereien  in 
aufgenähten  Goldfäden  und  im  Plattstich  auf  Sammet-,  Atlas-  und  Seidenstoffen 
schliessen  sich  diesen  gleichwertig  an,  wobei  in  Rücksicht  auf  die  ungebundene 
Freiheit  der  Handarbeit  im  Zusammenhange  mit  edlem  Material  und  Farben- 
sinn die  wunderbarsten  Werke  der  Kleinkunst  geschaffen  werden,  die  unüber- 
trefflich erscheinen,  deren  gefällige  Art  und  Weise  sich  überträgt  auf  das 
weite  Gebiet  der  Leinenstickerei  (s.  d.)  und  vor  allem  auf  die  zartesten  Schöp- 
fungen italienischer  Renaissance:  die  Spitzen  (s.  d.).  Die  Mustergebung 
in  den  Handarbeiten  der  Renaissance  ist  deshalb  eine  so  vielseitige  und  lehr- 
reiche, weil  hiermit  neue  Gebiete  der  verzierenden  Künste  erschlossen,  ältere 
erweitert  werden  und  beides  unter  vornehmer  Berücksichtigung  des  Zweckes 
geschieht,  dem  sie  dienen  sollen. 

Abbildungen: 

245.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Tapeten- 
stoff, Grund  gelbe  gerippte  Seide,  ehemals  mit  Goldlahn  durchwirkt,  symmetrisches 
Muster  aus  Akanthusranken,  welche  zu  Voluten  aufgerollt  sind;  dazwischen  gebuckelte 
Vasen,  Greifenköpfe  und  Vögel.     Italien  16.  Jahrb. 

246.  Darstellung  eines  in  Haute-lisge- Arbeit  gewirkten  Wandteppichs  nach  einer 
Photographie  aus  dem  Kunsthandel;  Original:  Brüssel  16.  Jahrb.,  im  Besitz  der  spa- 
nischen Krone.  .^ 

247.  Originalaufnahme  wie  245:  Viertel  einer  Tischdecke,  Aufnäharbeit  auf  rotem 
Tuch  in  gelbem  Sammet  und  weissen  Schnüren:  Bänder  mit  Ranken  aus  Akanthus- 
blattwerk  büden  einen  Mittelstern,  welcher  nach  den  vier  Ecken  in  volutenartig  ge- 
schwungenen Ranken  mit  Blüten  ausläuft.  Die  Aufnäharbeit  ist  durch  überstickte 
Flächen  unterbrochen.     Venedig  ^16.  Jährh. 

248.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Seidenstoff,  Grund  rot,  symmetrisches  Muster  gelb :  Verschlungene  Blätter,  durch  Knäufe 
verbunden,  bilden  spitzovale  Felder,  in  deren  jedem  eine  gebuckelte  Vase  mit  Blüten- 
strauss.     Spanien  16.  Jahrh. 

249.  Darstellung  aus:  Cox,  l'art  de  decorer  les  tissus  d'apres  les  collections  du 
musee  historique  de  chambre  de  commerce  de  Lyon,  Paris  1900,  PI.  XLIV:  Seiden- 
stoff, Grund  roter  Atlas,  symmetrisches  Muster  gelblich  und  mit  Gold  und  Silber  durch- 
wirkt: Bänder  und  geschwungene  Blätter,  durch  Masken  und  Knäufe  verbunden,  bilden 
Felder,  in  welchen  abwechselnd  eine  Blumenvase  und  ein  Palmettenstrauss ,  über  dem 
letzten  aufsteigende  geflügelte  Drachen.     Italien  16.  Jahrh. 

250.  Darstellung  wie  vorher,  PI.  XLV:  Seidenstoff,  Grund  weiss,  symmetrisches 
Muster  rot,  reihenweis  geordnet:  Paarweis  verbundene  Delphine  bilden  herzförmige 
Felder,  in  welchen  je  eine  Vase  mit  palmettenförmig  geordneten  Aehren:  dazwischen 
kleine  Blütenpalmetten     Italien  16.  Jahrh. 

251.  Originalaufnahme  wie  248:  Seidenbrokat,  Grund  rot,  symmetrisches 
Muster  weiss,  gelb  und  rot,  mit  gezogenen  Metallfäden  durchwirkt:  Schuppenbänder 
und  Knäufe  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  herzförmig  spitzovale  Palmetten  und 
Arabeskenranken.     Spanien  16.  Jahrh. 

252.  Originalaufnahme  wie  248 :  Seidenbrokat,  Grund  rot,  symmetrisches  Muster 
gelb  mit  Gold  durchwirkt:  Spitziges  Blattwerk  und  breite  Arabeskenbänder,  durch 
Fnäufe  verbunden,  bilden  Felder,  in  welchen  spitzovale  Palmetten.    Spanien  16.  Jahrh. 

253.  Originalaufnahme  wäe  248:  Sammetstoff,  Grund  w^eiss,  ehemals  leicht  mit 
Silberlahn  durchwirkt,  symmetrisches  Muster  grün,  geschnitten  und  ungeschnitten: 
Gewürfelte  Bänder,  durch  Knäufe  verbunden,  bilden  gedrungene  spitzovale  Felder,  in 
deren  jedem  eine  Vase  mit  Blüten.     Spanien  Ende  16.  Jahrh. 


430  Renaissance. 


254.  Originalaufnahme  wie  248:  Sammetstoff,  grün,  Grund  ungeschnitten,  darauf 
geschnitten  und  uDgeschnitten:  Streumuster  aus  reihenweis  versetzten  und  wechselnden 
ßliitenzweigen.     Italien  17.  Jahrh. 

255.  Originalaufnahme  wie  248:  Seidenstoff,  Grund  rot,  Cluster  gelb:  reihenweis 
wechselnd  nach  oben  und  unten  gekehrte  ßlütenzweige.     Spanien  17.  Jahrh. 

Abbildungen    auf    Tafel   V    (Webereien    der   Renaissance).      Original- 
aufnahmen aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 

1.  Sammetstoff,  violett,  Grund  ungeschnitten,  symmetrisches  Muster  geschnitten: 
Kelchförmige  Palmetten  in  spitzovalen  Feldern  aus  geschwungenen  Palmetten.  Italien 
oder  Spanien  Ende  16.  Jahrh. 

2.  Sammetstoff,  blau,  Grund  Atlas,  symmetrisches  Muster  geschnitten  und  un- 
aeschnitten:  Doppelbänder  mit  Flechtwerk,  durch  Knäufe  verbanden,  bilden  spitzovale 
Felder,  in  welchen  je  ein  palmettenartiger  Blütenstrauss.     Spanien  16.  Jahrh. 

3.  Sammetstoff,  Grund  weisser  Atlas,  wodurch  das  Muster  auf  höher  liegender 
Fläche  in  geschnittenem  rotem  Sammet  mit  ungeschnittenen  Umrisslinien  gebildet  wird : 
Kleine  Palmetten  an  geknickten  Bändern.     Italien  Ende  16.  Jahrh. 

4.  Sammetbrokat,  blau,  Grund  gerippt,  mit  Silberfäden  durchwirkt,  Muster  ge- 
schnitten und  un geschnitten:  Rundlich  gelegte  Schuppenbänder  bilden  Felder,  welche 
durch  stilisierte  ßlütenzweige  gefüllt  werden.     Frankreich  (?)  16,  Jahrh. 

5.  Seidenstoff,  Grund  grün,  symmetrisches  Muster  rötlich  weiss:  Flechtbänder 
bildep.  Felder,  in  welchen  abwechselnd  je  eine  gebuckelte  Vase  mit  stilisiertem  ßlüten- 
strauss.     Italien  oder  Spanien  16.  Jahrh. 

6.  Sammetstoff  braun,  Muster  gerippt,  symmetrisches  Muster  geschnitten  und 
ungeschnitten:  Zu  Voluten  geschwungene  Akanthusranken  endigen  in  Blüten.     Italien 

16.  Jahrh. 

7.  Seidendamast ,  hellblau ,  Muster  aus  reihenweis  nach  rechts  und  links  ge- 
schwungenen grossen  und  kleinen  ßlütenzweigen.     Italien  17.  Jahrh. 

8.  Sammetstoff,  grün,  Muster  gepresst:  Schräg  gelegte  Aeste  bilden  Rauten- 
felder, in  welchen  je  eine  Blütenpalmette.     Utrecht  (?)  17.  Jahrh. 

9.  Stoff  aus  Leinen  und  Baumwolle,  weiss  und  blau:  Zu  Voluten  aufgerollte 
Ranken  enthalten  stilisierte  Blüten.     Süddeutschland  17.  Jahrh. 

10.  Stoff  aus  ßaumw^olle  und  Wolle,  weiss,  rot  und  grün:  Wellig  aufsteigenden 
Ranken  entsteigen  in  Reih^  geordnete  Rosettenblüten.     Süddeutschland  17.  Jahrh. 

11.  Sammetstoff,  braun,  Grund  Atlas,  symmetrisches  Muster  geschnitten  und 
ungeschnitten:   ßlütenpalmetten   in    Rautenfeldern   aus   Zweigen   und  Sternen.     Italien 

17.  Jahrh. 

12.  Stoff  aus  Baumwolle  und  Wolle,  weiss,  grün  und  rot:  Reihen  weis  versetzte 
kleine  Blüten.     Süddeutschland  17.  Jahrh. 

Abbildungen  auf  Tafel  IX.    (Aufnäharbeiten  der  Renaissance.)    Original- 
aufnahmen   aus   der   Sammlung  der  Städtischen  Höheren  Webeschule   in 

•  Berlin: 

1.  Querlaufende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  gelbem  Atlas  in  farbigem,  vorwiegend 
violettem  Sammet  und  weisser  loser  Seide  als  Umrandung:  Von  einem  Ast  ausbiegendes 
Blattwerk  und  Ranken.  Gelbseidene  geknüpfte  Franse  als  unterer  Abschluss.  Italien 
16.  Jahrh. 

2.  Querlaufende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  weisser  Seide  in  bunter  Seide  und 
Goldschnur:    symmetrische  Ranke   aus  Kelchpalmette,   Blattwerk    und  Blüte.     Spanien 

16.  Jahrh.    '     ^  :       : 

3.  Geschweiftes  Feld  eines  Lambrequins,  Aufnäharbeit  auf  rotem  Tuch  in  weissem 
Seidenband:  Herzförmiges  Feld  aus  geschwungener  Ranke.     Deutschland  um  1700. 

4.  Rechteckiges  Feld,  Aufnäharbeit  auf  Seide  in.  farbigem  Sammet,  Gold  und 
Silber:    Breiter  Rand   aus   rundlich  gelegter  Ranke  mit  stilisiertem  Blattwerk.     Italien 

17.  Jahrh. 

5.  Kragen  eines  Kirchengewandes,  Aufnäharbeit  auf  rotem  Sammet  in  gelbem 
Seidenbrokat  mit  silberübersticktem  Leinenrips  und  Goldschnur:  Einer  MittelpaMette 
entsteigen   Blattranken.     Franse    und    Schnur   als  Abschlusskante.     Spanien  16.  Jahrh. 

6.  Rechteckiges  Feld  als  Aufsatzstück  eines  Levitenrockes,  Aufnäharbeit  auf 
gelbem  Atlas  in  rotem  Sammet  und  bunten  Atlasstoffen,  mit  Goldschnurumrandung: 
I  H  S  (Abkürzung  von  „jhesus")  im  Dornenkranz  und  von  Blattwerk  und  Arabesken 
umgeben.     Italien  oder  Spanien  16.  Jahrh. 

7.  Aufsteigende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  grünem  Sammet  in  gemustertem  Brokat- 


Renaissancestickerei — Reutlingen.  431 


Stoff,    Silber-   und  Groldschnüren :    Symmetrisch  verbundenes  Rankenwerk;    dazwischen 
Vasen  und  Vögel.     Italien  16.  Jahrh. 

8.  Aufsteigende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  weissem  Atlas  in  farbigem  Atlas  und 
braunen  und  gelben  Schnüren  als  Umrandung!  Zu  kelchartigen  Blattpalmetten  sym- 
metrisch verbundene  Ranken.     Italien  17.  Jahrh. 

9.  Querlaufende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  weissem  Seidendamast  in  hellbraunem 
Sammet,  mit  Umrandung  von  gelber  Schnur.  Umschlagendes  Rankenmuster  in  sym- 
metrischer Anordnung,  wobei  einmal  der  Sammet,  das  andere  Mal  der  weisse  Grund 
als  Negativ  des  ausgeschnittenen  aufliegenden  Stoffes.     Spanien  16.  Jahrh. 

10.  Querlaufende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  blauem  Atlas  in  gelbem  Goldbrokat- 
stoff, mit  Umrandung  von  Goldfäden:  Nach  oben  und  unten  gekehrte  Palmetten,  wo- 
bei einmal  der  Brokat,  das  andere  Mal  der  unterlegte  blaue  Atlas  als  Negativ  des 
ausgeschnittenen  aufliegenden  Stoffes  das  Muster  bildet.  Die  Abschlusskante  aus  flecht- 
werkartig  gestickten  Goldfäden.     Spanien  16.  Jahrh. 

IJ.  Querlaufende  Borte,  Aufnäharbeit  auf  schwarzer  Seide  in  weissem  Leinen 
und  Goldstickerei  in  Anlehnung  an  venezianische  Reliefspitzen:  Rankenwerk  und  Blüten, 
dazwischen  Vögel.     Italien  (Venedig?)  17.  Jahrb. 

12.  Rechteckiges  Feld  als  Aufsatzstück  eines  Levitenrockes,  Aufnäharbeit  auf 
rotem  Sammet  in  gelbem  Brokat  und  Goldschnur:  Cartoucherahmen  und  Arabesken- 
blattwerk, in  Mitte  eingesetztes  Lilienkreuz.     Spanien  16.  Jahrh. 

Renaissancestickerei,  moderne  Bezeichnung  für  eine  Art  der  Weiss- 
stickerei, deren  Muster,  aus  ausgeschnittenem  Leinen,  nach  allen  Seiten  mit 
Languettenstichen  begrenzt  und  wieder  untereinander  mit  glatten,  geschlungenen 
Stäbchen  verbunden  sind:  es  ist  eine  Nachahmung  von  Spitzenarbeit,  die  an 
Madeirastickerei  erinnert. 

Rendsburg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Schleswig:  Wollspinnereien  und 
Baumwollweberei. 

Renforce,  Teile  r.,  eine  starke  und  dichte  Leinwand  aus  Frankreich  für 
Segeltuch.  Elsasser  R. ,  auch  Madapolam  genannt ,  ist  dicht  gewebte  feine 
Leinwand. 

Rentoilieren  (vom  franz.),  auf  neue  Leinwand  bringen. 

Reppen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Frankfurt  a.  0.:  Wollspinnereien 
und  Tuchmacherei. 

Repsgewebe,  s.  Rips. 

Requets  (franz).,  sind  weisse  Leinen  zu  Betttüchern,  groben  Handtüchern 
u.  s.  w.  aus  Vitre. . 

Rescht,  Hauptstadt  der  persischen  Provinz  Grhilan :  umfangreiche  Seiden- 
weberei und  Stickerei,  Erzeugung  von  Tuchmosaiken. 

Reseau  (franz.),  Netzwerk,  Maschengrund;  der  Ausdruck  soll  sich  in 
den  Archiven  von  Alen§on  im  Jahre  1717  zum  erstenmal  befinden. 

Reservage  (Reservepapp),  bezweckt  im  Zeugdruck  auf  mechanischem  und 
chemischem  Wege  das  Eindringen  des  Farbstoffes  oder  des  Beizmittels  in 
das  ungefärbte  oder  gefärbte  Gewebe  an  denjenigen  Stellen  zu  verhindern, 
welche  von  ihm  bedeckt  sind. 

Rete  (lat.),  netzförmiges,  seidenes  Ornament. 

Rethel,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Arrond.  des  franz.  Depart.  Ar- 
dennes:  Kammgarnspinnerei,  Shawls-  und  Tuchfabriken,  welche  die  feinsten 
Merinotuche  liefern.     . 

Reticeila  (ital.)  ,  Stern-  oder  Netzspitze  von  reticello  =  Netzarbeit ,  als 
Verkleinerungswort  von  rete  =  Netz  (s.  Spitzen). 

Reticulum  (lat.),  Netz,  Netzarbeit,  Häkelwerk,  das  Haarnetz  der  alten 
Römerinnen.  Daher  franz.  reticule,  umgestaltet  in  redicule,  Arbeitsbeutel  der 
Frauen,  Strickbeutel. 

Reuss,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Tarragona:  80  Baumwollspinnereien, 
5000  Webstühle,  Seidenspinnerei  und  -weberei,  Leinen-  und  Bandfabriken. 

Reutlingen,  Haupt-  und  Oberamtsstadt  in  Württemberg  :  Textilindustrie 
in  allen  Zweigen;  es  bestehen  sehr  grosse  Baumwollenwebereien,  Trikotwebe- 
reien, Wolle-  und  Baumwollspinnereien,  Zwirnereien,  Webereien  für  wollenen 
Schuhstoff,  Plüsch  u.  dgl.,  Färbereien,  Fabrikation  von  Strickmaschinen,  Rund- 


432  Reveche— Riffel. 


stuhlwaren,    Tuch-    und  Metalltuch.     Fachschule  für    Spinnerei,    Weberei  und 
Wirkerei.     Frauenhandarbeitsschule. 

Reveche,  auch  Reverse,  ein  dem  Flanell  oder  Fries  ähnlicher,  starker, 
ungeköperter,  ganz  locker  gewebter  Wollenstoff,  lang  gerauht,  der  in  vielen 
Gegenden  Frankreichs  gewebt  und  für  ärmere  Klassen  zur  Kleidung  ver- 
braucht wird. 

Revennes,  eine  starke  zu  Segeltuch  gebräuchliche  schlesische  und  böh- 
mische Leinwand. 

Rheahanf  (Kanthura-  oder  Kalluihanf).  Die  Faser  der  in  Ostindien 
heimischen  Pflanze  Rhea  (Urtica)  tenacissima,  dem  Ramiehanf  ähnlich,  aber 
als  Gespinstfaser  weniger  wertvoll  als  dieser. 

Rheine,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bezirk  Münster:  6  Baumwoll-  und  1  Jute- 
spinnerei. 

Rheineck,  Rheinegg,  Stadt  im  Schweiz.  Kanton  St.  Gallen:  Baumwoll- 
industrie (Stickerei,  Zwirnerei)  und  Fabrikation  von  Seidenbeuteltuch. 

Rheinische  Wolle  nennt  man  eine  einschurige ,  gewöhnliche  langhaarige 
W.  aus  den  Rheingegenden,  die  für  französische,  englische  und  holländische 
Manufakturen  aufgekauft  und  zu  verschiedenen  Zeugen  verarbeitet  wird. 

Rheinisch  Garn,  aus  einschuriger  langer,  gekämmter  Wolle  gesponnenes 
Garn,  welches  früher  nur  am  Rhein  gemacht  wurde,  jetzt  aber  auch  aus  Thü- 
ringen und  Sachsen  kommt. 

Rheonin,  ein  aus  Auramin  dargestellter,  braungelber  künstlicher  Farb- 
stoff, welcher  im  Kattundruck  Verwendung  findet. 

Rheydt,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Seiden-  und  Sammet- 
fabriken,  Baumwollspinnereien  und  Webereien,  Färbereien. 

Riabauls,  smals,  grobe  weisse  Kattune,  welche  früher  die  Engländer  aus 
Ostindien  brachten. 

Ribben  ist  eine  Behandlung,  welcher  man  in  einigen  Gegenden  den  Flachs 
unterwirft,  entweder  nach  dem  Schwingen  oder  anstatt  desselben;  es  geschieht 
mit  dem  sogen.  Ribbemesser. 

Ribdelüre  war  früher  in  Frankreich  als  ein  ripsartiger  Stoff  bekannt. 

Ribe  (Ripen),  Hauptstadt  des  gleichnamigen  dänischen  Amts:  Dampf- 
baumwollweberei, Leinenweberei. 

Ribetillos  ist  die  Bezeichnung  an  der  Westküste  Amerikas  für  Seiden- 
und  Sammetbänder. 

Ricamere  (ital.),  und  recamar  (span.)  =  sticken. 

Richelieustickerei,  moderne  Bezeichnung  für  eine  Art  der  Weiss  Stickerei 
mit  Reliefumrandung,  deren  Ursprung  auf  eine  Nachahmung  der  venezianischen 
Reliefspitzen  zurückzuführen  ist  (s.  a.  Elfenbein-  und  Renaissancestickerei). 

Ricotti  (ital.),  s.  Bassinas. 

Rideau  (franz.),  Vorhang  für  Fenster,  Bett,  Bühne  u.  s.  w. 

Ride-Cords,  ein  fester,  dauerhafter  Wollenstoff  zu  Reitbeinkleidern  mit 
schmalen  Rippen  auf  Köpergrund,  der  zuerst  in  England,  heut  aber  überall 
gewebt  wird. 

Ried,  Stadt  in  Oesterreich:  Lein-  und  Tuchweberei, 

Riedlingen,  Oberamtsstadt  im  württemb.  Donaukreis:  Fabrikation  von 
Wollwaren  und  Eisengarn. 

Riesenburg,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Marienwerder :  Tuchweberei  und 
Färberei.     Webeschule. 

Riet,  Rietblatt,  Rietkamm,  Redekamm,  Scheidekamm,  Oeffner  oder  Teiler, 
am  Webestuhl  ein  Rahmen,  welcher  mit  feinen  Stäben  von  Rohr  (Riedgras, 
daher  der  Name)  oder  Metall  quer  überspannt  ist  und  dazu  dient,  die  djirch- 
gezogenen  Kettenfäden  in  der  Ebene  gleichmässig  auszubreiten  und  jeden  ein- 
geschossenen Schussfaden  an  den  vorhergehenden  hinzuschieben. 

Riffel,  ein  eiserner  Kamm,  durch  welchen  die  getrockneten  Lein-  oder 
Flachsstengel  gezogen  werden,  um  die  an  ihnen  sitzenden  Samenkapseln  zu 
entfernen,  die  Stengel  parallel  zu  legen  und  etwaiges  Unkraut  zu  beseitigen. 
Der  R.  wird  dazu  auf  einem  Block  befestigt. 


Riffy— Robozos.  433 


Riffy  oder  Risty,  eine  Gattung  levantinischer  Baumwolle,  die  man  aus 
Alexandrien  in  Aegypten  nach  Marseille  bringt. 

Riflart  oder  Rifflart  beisst  im  franz.  Handel  die  langhaarigste  Schafwolle. 

Rio  Janeiro,  südamerik.  Baumwollsorte. 

Riom,  Hauptstadt  des  Arrond.  K.  im  franz.  Depart.  Puy-de-D6me :  Woll- 
spinnerei, Fabrikation  von  Leinwand,  Plüsch,   Garn;  Flachsbau. 

Rips  (ßibs,  E,eps,  Rippen,  franz.  und  engl,  reps),  sind  dicht  gewebte, 
dauerhafte  Stoffe,  deren  gerippte  Oberfläche  durch  die  starken,  zwei-  und  drei- 
fädig  gezwirnten  Kettfäden  hervorgebracht  wird,  in  welche  ein  Einschlag 
von  viel  feinerem  gezwirnten  Garn  gewoben  und  fest  angeschlagen  wird.  Die 
Stoffe,  die  zuerst  in  England  gefertigt  und  früher  nur  in  Baumwolle  hergestellt 
wurden,  werden  jetzt  überall  fabriziert  und  namentlich  mit  Baumwoll-  oder 
Wollkette  und  wollenem  Einschlag  zu  Damenkleidern,  Möbelbezügen,  Türvor- 
hängen u.  s.  w.  verwendet.  Eine  ganz  feste  und  dichte  Sorte  heisst  Rips- 
Satin,  sie  ist  auf  der  einen  Seite  gerippt,  auf  der  andern  Seite  atlasartig. 
Auch  webt  man  die  Stoffe  in  Seide  und  werden  sie  dann  hauptsächlich  für 
Damenkleider  verwendet.  Die  Wollripse  kommen  mit  Querrippen  vor,  welche 
durch  abwechselndes  Einschiessen  eines  schwachen  und  eines  starken  Fadens 
erhalten  werden;  dieser  wird  Repsflanell  genannt. 

Ripsbindung  ist  eine  Abart  der  Leinwandbindung,  welche  dadurch  ent- 
steht, dass  in  Kette  oder  Schuss  neben  feinen  Fäden  starke  Fäden  abwech- 
seln, wodurch  entweder  im  Schuss  oder  in  der  Kette  Rippen  hergestellt  werden, 
so  dass  man  von  Kettenrips  oder  Schussrips  spricht.  Eine  dritte  Art 
ist  der  volle  Rips,  bei  welchem  starke  und  schwache  Fäden  in  Kette  und 
Schuss  zugleich  vertreten  sind. 

Rise,  Rizee-Leinen,  auch  Leinwand  von  Trapezunt,  eine  Flachsleinwand, 
welche  im  türkischen  Handel  Paschalik  Trabesun,  in  der  Stadt  Rise  oder  Irisch  in 
grosser  Menge  gefertigt  und  nach  allen  Gegenden  ausgeführt  wird.  Die  feinste 
Sorte  geht  nach  Konstantinopel,  nach  Aegypten  und  der  Nordküste  von  Afrika, 
wo  man  sie  zu  grossen  Schleiern  für  die  Frauen  beim  Ausgehen  gebraucht ; 
die  gewöhnliche  Sorte  wird  von  den  Arabern  zu  Hemden  verwendet. 

Rissfäden  oder  Hauptfäden  der  Gimpenspitze  werden  aus  gröberem 
Material  gebildet. 

Ritzer,  ungeschnittener  Sammet.  Ritz  er  na  d  ein,  die  zum  W^eben  der- 
selben gebrauchten  Sammetnadeln. 

Rive  de  Gier,  Stadt  im  Arrond.  St.  Etienne  des  franz.  Depart.  Loire: 
bedeutende  Seidenindustrie,  Kurzwaren. 

Rives-SUr-Fure ,  Stadt  im  franz.  Depart.  Isere,  Arrond.  St.  Marcellin: 
Fabrikation  von  Seidenzeug  (Foulards)  und  Flor;   Seidenhandel. 

Rivoli,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Turin:  W^olle,  Leinen-  und  Seidenzeug- 
weberei. 

Rizon,  ein  älterer  reicher  Stoff,  bei  welchem  die  Arabesken  von  Gold, 
die  Blumen  von  Silber  broschiert  waren,  der  in  Lyon  gemacht  wurde. 

Rizzato,  gerissener  Sammet  in  Italien. 

Roanne,  Hauptstadt  des  Arrond.  R.  im  franz.  Depart.  Loire :  bedeutende 
Baumwollspinnereien  und  -Webereien,  Strumpfwirkerei. 

Roannes,  in  Frankreich  verschiedene  Arten  gemischter  Gewebe  aus 
Leinen-  und  Baumwollengarn  aus  Roanne  im  Depart.  der  Loire  und  den  um- 
liegenden Ortschaften ;  sie  werden  zu  Betttüchern  gebraucht. 

Robe  (franz.),  früher  im  franz.  Handel  die  zu  einem  Kleide  abgemessenen 
Stücke  ganz  seidener  Zeuge,  welche  aus  Ostindien  nach  Europa  kamen;  all- 
mählich wurde  der  Ausdruck  üblich  für  alle  zu  einem  Frauenkleide  abgepassten 
Stücke.  Auch  für  lang  herabreichendes  Damenkleid  (namentlich  mit  Schleppe) ; 
ferner  Amtstracht  von  Magistratspersonen,  Rechtsgelehrten,  Geistlichen,  jetzt 
besonders  Hauptbestandteil  der  richterlichen  Amtstracht. 

Robozos  sind  in  Mexiko  lange  Tücher,  sogen.  Long  Shawls.  Ihr  Ver- 
brauch ist  ein  grosser,  so  dass  Millionen  Piaster  darin  jährlich  umgesetzt  wer- 
den, da  jede  Frau  und  jedes  Mädchen  ihren  Shawl  zugleich  als  Mantel,  Kopf- 
Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  28 


434  Rocaille — Rokoko. 


putz  und  zuweilen  sogar  als  Oberkleid  gebraucht:  in  ihren  Robozo  hüllt  sich 
die  Mexikanerin  für  ihr  Negligee,  seinen  malerischen  Faltenwurf  sieht  man 
überall. 

Rocaille  (franz.),  Grotten-Muschelwerk,  welche  Bezeichnung  mit  der  Bil- 
dung des  AVortes  Rokoko  (s.  d.)  im  Zusammenhange  steht. 

Roccetto  (ital.),  röchet  (franz.),   Chorhemd. 

Rochdale,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  ein  Hauptsitz  der 
engl.  Baumwollweberei,  Flanell-  und  A¥ollindustrie  (über  100  Fabriken),  sowie 
auch  Spinnereien. 

Rochelles  sind  gute  hänfene  Leinen,  welche  im  Depart.  der  Mayenne  und 
Loire,  zu  Angers,  Saumur,  besonders  aber  zu  Beaufort  gewebt,  nach  den  Kolo- 
nien ausgeführt  und  zu  Hemden  und  Betttüchern  verwendet  werden. 

Rochlitz,  Marktflecken  in  Böhmen:  AVebeschule ;  mechan.  und  Baumwoll- 
webereien (15  AYebereien  mit  Handbetrieb). 

Rock,  heiliger,  s.  heiliger  Bock. 

Rockville,  Ort  im  nordamerik.  Staate  Connecticut:  bedeutende  Textil- 
warenfabriken. 

Rodez,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Aveyron:  Fabrikation  von  Serge^ 
Trikot,  Tuch,  AVolldecken. 

Rodondos ,  spanisch  Liencos  rodondos ,  weisse  flandrische  Leinen  für 
Spanien,  die  ihren  Namen  von  der  walzenförmigen  Zusammenlegung  der  Stücke 
haben. 

Roemals,  Romais  oder  Roumals,  bunt  gegitterte  und  gestreifte  Baum- 
w^ollentücher,  welche  ehedem  aus  Ostindien  kamen,  jetzt  aber  in  England  und 
Deutschland  nachgemacht  werden.     Sie  dienen  zu  Kopftüchern. 

Rohleinen  ist  ungebleichte,  graue  feste  L. 

Rohseide,  s.  Seide. 

Rokoko  (franz.),  (abgeleitet  von  roc  =  Felsen;  oder  rocaille  =  Grotten- 
und  Muschelwerk),  der  im  18.  Jahrh.  unter  französischem  Einfluss  herrschende 
Kunststil,  w^elcher  die  breiten  kräftigen  Linien  des  Barockstils  (s.  d.)  bis  zur  steifen 
Eleganz  mit  Hinneigung  zu  antiken  Formen  mässigt.  Der  eigentliche  TJeber- 
gangsstil  tritt  nach  Ludwig  XIY.  unter  der  Regentschaft  des  Herzogs  von 
Orleans  (1715 — 1723)  ein  (s.  Regencestil) ;  erst  im  zweiten  Drittel  des  18.  Jahrh. 
—  in  Frankreich  unter  Louis  XY.  (1723—1774)  beginnt  jene  völlige,  mit 
allen  architektonischen  Formen  spielende  AYillkür,  welche  als  R.  bezeichnet  wird. 
Dieser  Stil  Louis  Quinze  herrscht  in  Frankreich  bis  um  1755,  in  Deutschland 
bis  gegen  1770.  Das  Kennzeichen  desselben  ist  die  Auflösung  aller  symmetrischen 
Formenbildungen  in  leichte,  geschweifte.  Linien  aus  flüssigen  vegetabilischen 
Elementen,  die  alle  struktiven  Forderungen  überwuchern,  gleichsam  als  ob  die 
Unregelmässigkeit  zum  Gesetz  erhoben  zu  sein  scheint.  Und  dennoch  herrscht 
innerhalb  einer  gewissen  Launenhaftigkeit  eine  anmutige  schöpferische  Kraft,, 
welche  in  der  scheinbaren  Unordnung  der  ungleichmässigen  Teile  das  rhyth- 
mische Gleichgewicht  wiederherstellt.  Als  der  eigentliche  Schöpfer  dieser  Stil- 
art wird  der  Ornamentstecher  Juste  Aurele  Meissonier  (1693 — 1750)  angesehen. 
wozu  indessen  auch  andre  Zeichner  und  Maler :  Francois  Cuvillies  (1698 — 1768), 
Antoine  Watteau  (1684—1721),  Francois  Boucher  (1703—1770),  Pillement 
(1727 — 1808)  u.  a.  beigetragen  haben.  Im  allgemeinen  ist  die  Bezeichnung 
Rokoko  nur  zutreff'end  anwendbar  auf  die  Schöpfungen  der  dekorativen  Künste, 
das  eigentliche  AYesen  dieser  Stilart  kommt  in  der  Bauweise  nicht  zum  Ausdruck. 

Im  Textilmuster  spielen  in  dieser  Zeit  neben  den  geschnörkelten  und 
muschelartigen  Einzelheiten  (Abb.  256)  die  naturalistisch  behandelten  Blumen 
in  reicher  Schattierung  eine  grosse  Rolle  (Abb.  257),  welche  man  dem  gemalten 
Dekor  des  Porzellans  nachzuahmen  sucht:  in  der  AYeberei  durch  die  auf 
höchster  Stufe  stehende  Technik  des  Broschierens  über  gefülltem  Damastgrund 
(Abb.  258),  in  der  Stickerei  durch  feinste  Ausführung  des  Plattstiches  (Abb.  259). 
Blütenzweige  gehen  über  zu  breiteren  Blumenstücken,  die  immer  noch  flach 
und  dekorativ  behandelt  sind;  Bänder,  Spitzen  (Abb.  260),  Nachahmungen  des 
Pelzbesatzes    (Abb.    261)    sind    in     wellig    aufsteigende    Ranken    eingeflochten. 


Rokoko. 


435 


zarte  abgedämpfte  Farbentöne  verbinden  das  Granze  und  erzeugen  jene  graziöse, 
kokette  Wirkung,    die    dem   üppigen  Charakter  jener  frivolen  Zeit  entspricht. 


Abb.  256. 


Abb.  257. 


Yor    der    Mitte    des  18.  Jahrh.    macht    sich    in    französischen  Stoftmustern    ein 
chinesischer  Einfluss    geltend,    der    auf   die    in  Massen    von    dort  nach  Europa 


436 


Rokoko. 


gelaugenden  Porzellane  zurückzuführen  ist  und  bisweilen  in  Darstellungen  von 
phantastischen  Architekturen  und  Genreszenen  ausartet.  Seit  etwa  1745  finden 
in  Frankreich  Kunst  und  Wissenschaft  eine  Förderin  in  der  Marquise  de 
Pompadour.  Als  Anhängerin  der  Antike  gewann  sie  grosses  Interesse  an  den 
zu  ihrer  Zeit  (1748)  beginnenden  Ausgrabungen  in  Pompeji,  denen  die  Fran- 
zosen überhaupt  mehr  Teilnahme  als  selbst  die  Italiener  entgegenbrachten.  Auf 
das  Betreiben  dieser  mächtigsten  Frau  am  französischen  Hofe  entsendet  man 
einige  Künstler,  damit  sie  an  Ort  und  Stelle  die  ersten  Zeugen  des  klassischen 
Altertums    studieren.     Und    mehr    und   mehr    werden  die  Formen  des  Pokoko 


Abb.  258. 


mit  griechisch-römischen  Elementen  durchsetzt,  die  später  den  Stil  Louis  Seize 
charakterisieren  (s.  Zopfstil)  und  zur  Zeit  der  Herrschaft  des  Empire  (s.  d.) 
in  einen  gekünstelten  Klassizismus  ausklingen,  worauf  in  der  Pestauration  noch 
einmal  das  alte  abgelebte  Pokoko  den  Geschmack  reizt.  Aber  es  kam/ nicht 
mehr  mit  dem  graziösen  Zauber  seiner  Jugend,  sondern  es  war  welk  und 
altersschwach  geworden;  man  verstand  die  Formen  nicht  mehr,  die  Beweglich- 
keit jener  Zeit  war  verloren  gegangen. 

Für  gewebte  Stoffe  mit  Mustern  im  Stile  Louis  Quinze  tritt  als 
Dekoration  der  vornehmen  Päume  die  Seide  in  den  Vordergrund,  wo  in 
Damasttapeten    grosser  Luxus    getrieben    wird.     Durch    die  aus  Ostindien  ein- 


Rokoko. 


437 


geführten  leichteren  Musseline  erhält  man  einen  billigeren  Ersatz  für  AYandbeklei- 
dungen  der  Boudoirs  und  intimeren  Salons,  dem  die  chinesischen  Papiertapeten 
folgten.     Schon  vorher  hatte  man  angefangen,  Stoffmuster  auf  Leinwand  auf7Ai- 


Abb.  259. 


drucken;  man  versuchte  dasselbe  Abb.  260. 

jetzt  mit  der  Baumwolle  imd  ^ 
indem  man  einen  künstlichen  ^  _. 
Glanz  hinzufügen  lernte,  er- 
hielt man  im  Zits  (s.  Chits) 
das  gewünschte  Surrogat  der 
Seide,  das  sich  jeder  Musterung, 
jeder  Färbung,  selbst  dem  zar- 
testen Blumenschmuck  gerecht 
erwies.  Für  luxuriösen  Wand- 
schmuck wurden  wahre  Kunst- 
werke in  Cxobelinwirkerei  nach 
Zeichnungen  berühmter  Maler 
geschaffen ,  die  in  kleineren 
abgepassten  Stücken  auch  für 
Möbelzüge  Verwendung  fanden. 
Der  orientalische  Fussboden- 
teppich  mit  seinen  kräftigen 
Farben  und  seiner  strengen 
Linienführung  passt  nicht  mehr 
in  Umgebung  des  tändelnden 
(jreschmackes  der  Zeit,  er  wird 
ersetzt  durch  den  sogen.  Sa- 
vonnerieteppich  (s.  d.)  ,  der  in 
Knüpftechnik  bunte  Blumen  und 
antikisierendes  Ornament  ent- 
hält, das  ihn  zum  Spiegelbilde 
des  gemalten  Plafonds  werden 
lässt. 

.  -  Der  Bedarf  an  Stoffen 
für  das  Trachtenwesen  hat  sich 
erweitert   durch  die  Aufnahme 

des  Eeifrockes  der  Frau  und  den  langen  Rock  des  Mannes  mit  seinen  grossen 
Aufschlägen,  Taschen  und  Patten.  Beide  erhalten  durch  Stickerei  reichen 
Schmuck,    wenngleich    für    das    weibliche  Kostüm   auch   grossgeblümte  gewebte 


438 


Rokoko. 


Abb.  261. 


Abb.  262. 


ßokokospitze — RoUand-Chaine.  439 

lielle  Seidenstoffe  verbraucht  werden.  Herrenrock,  Weste  und  Kniehose  be- 
stehen aus  klein  gemusterten  Sammetstoften  (Abb.  262).  Zum  Schmuck  des 
"Kostüms  gehört  als  Besatz  und  als  selbständiges  Stück  die  Spitze  (Abb.  263), 
deren  Form  und  Wesen    ohne  weiteres  dem  Charakter  der  Zeit  entsj)richt. 

Abb.  263. 


Abbildungen : 

256.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Seidenstoff,  Grund  braun,  Muster  gelblich:  Blattranken  und  wechselnde  verschobene 
Felder.     Frankreich  erste  Hälfte  des  18.  Jahrh. 

257.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin:  Seiden- 
gewebe, für  einen  Stuhlbezug  abgepasst,  Grund  hellblau,  darauf  in  weissem  Felde 
Blumenstrauss   in  Umrahmung    eines  Kranzes   aus   leichten  Kanken.     Mitte  18.  Jahrh. 

258.  Originalaufnahme  wie  256:  Seidenbrokat,  Grund  weiss  in  Damast  gemustert, 
Muster  in  Bunt  und  Gold  broschiert:  Federartig  geschwungenen  Blattranken  entsteigen 
reihen  weis  nach  rechts  und  links  geschwungene  Blumenzweige.  Frankreich  erste  Hälfte 
des  18.  Jahrh. 

259.  Darstellung  nach  einer  im  Kunsthandel  erschienenen  Photographie:  Ante- 
pendium,  Stickerei  auf  weisser  Seide  in  Gold  und  bunter  Seide:  In  Mitte  Darstellung 
der  Kreuzigung  Christi  in  Umgebung  eines  Rahmenwerkes  mit  umwundenen  Blumen- 
gehängen.    Würzburg  Mitte  18.  Jahrh. 

260.  Originalaufnahme  wie  256:  Seidenstoff,  Grund  weiss,  Muster  bunt:  Ueber 
Streifen  aus  gemusterten  Bändern  steig:en  feine  wellige  Blumenranken  auf.  Lyon  18.  Jahrh. 

261.  Originalaufnahme  wie  256:  Seidenstoff,  Grund  weiss,  Muster  farbig: 
Zwischen  Streifen  aus  durchbrochenen  Bändern  mit  welliger  pelzbesetzter  Auflage 
steigen  leichte  Blumenranken  auf.     Frankreich  18.  Jahrh. 

262.  Originalaufnahme  wie  256:  Sammetstoff,  geschnitten  und  ungeschnitten, 
rötlich  braun  und  weiss:  Felder  aus  raupenartigen  Bändern  enthalten  Blütenzweige. 
18.  Jahrh. 

263.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin:  Spitze, 
Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  mit  Rankenmuster  aus  Schnörkelwerk  und  Blumen. 
Valenciennes  18.  Jahrh. 

Rokokospitze.  Das  Zeitalter  des  R.  hat  der  Spitze  der  Farblosigkeit 
Avegen  eine  Bedeutung  verliehen ; , allerdings  nur  unter  der  Bedingung,  dass  sie 
sich  dem  neuen  Gedanken  unbedingt  unterwarf.  Sie  behält  länger  die  Sym- 
naetrie,  als  andere  Kleinkünste,  was  indessen  durch  die  Falte  aufgehoben  wird; 
später  findet  der  ^Naturalismus  ein  freies  Feld.  Besondere  Bedeutung  erlangen 
die  frei  gemusterten  Grundflächen,  die  sogen.  Reseauspitze  kommt  zur  un- 
bedingten Vorherrschaft.  Die  Nähspitze  tritt  immer  mehr  in  den  Hinter- 
grund; schon  1729  ist  von  einer  Spitze  die  Rede,  „ohne  geringste  Erhebimg 
in  der  Arbeit"    (Abb.  263). 

Rolette  oder  auch  Rollette,  eine  Art  grober  Batistleinen  aus  dem  Fland- 
rischen. 

Rolland-Chaine,  ein  älterer  feiner,  geköperter  Stoff,  ganz  aus  Wolle 
oder  auch  mit  Baumwolle  gemischt,  mit  vollen  und  kettenartigen  erhabenen 
Streifen;  er  wird  in  England  gefertigt. 


440  Rollatlas — Romanischer  Stil. 


Rollatlas,  s.  Atlas. 

RoUdamast  wurden  früher  ostindische  Seidendamaststoffe  genannt  und 
von  den  Holländern  und  Dänen  nach  Europa  gebracht. 

Rolle,  ein  dünnes  wollenes  Zeug  mit  einer  langhaarigen  Oberfläche,  eine- 
Art  Flanell,  welcher  geköpert  und  ungeköpert  in  Frankreich  gewebt  wird. 

Rolles,  Rolls,  Weissrollen,  im  englisch-amerikanischen  Handel  eine  mittel- 
feine, weissgebleichte  Leinwand,  eine  Art  der  Casserillos,  welche  in  Westfalen, 
Schlesien  und  in  der  Oberlausitz  gewebt  wird. 

Rollgrosdetour  nennt  man  einen  ostindischen  Seidenstoff,  der  nach  Art 
der  Grosdetour  mit  achtdrähtigen  Kettfäden  und  einfachem  Einschlag  gewebt  ist. 

Rollsaum  findet  Verwendung  anstatt  einfach  gezogener  Falten  bei  leichten 
Geweben.  Man  rollt  hierzu  die  Stoff  kante  wie  zu  einem  Schnürchen  auf  und 
hebt  dieses  Röllchen  gleich  auf  die  Nadel,  die  immer  beim  Daumen  in  den 
Stoff  und  beim  Zeigefinger  aus  demselben  geführt  wird.  Der  Faden  wird  erst 
nach  mehreren  Stichen  angezogen;  in  dem  mit  dex  linken  Hand  auf  die  Nadel 
gebrachten  Stoff  entstehen  von  selbst  die  Falten. 

Rom,  Hauptstadt  des  Königreichs  Italien :  Fabrikation  von  Seidenwareu^ 
Seidenstoffen  für  Möbel. 

Zur  Zeit  des  Bildersturmes  in  Byzanz  (8.  Jahrh.)  kamen  brotlos  ge- 
wordene griechische  Seidenweber  hierher  und  gründeten  Kunstwebereien  zur 
Herstellung  von  Kirchengewändern.  Der  Anfang  der  Seidenverarbeitung  auf 
römischem  Boden  kann  in  das  4.  Jahrh.  n.  Chr.  gesetzt  werden;  schon  in  dem 
Zeitraum  vom  2. — 4.  Jahrh.  sollen  die  Römer  durch  die  Provinz  Mesena  mit 
der  Hauptstadt  Schiraz,  am  Küstenlande  des  persischen  Golfs,  die  Seide  direkt 
von  China  bezogen  haben  (s.  auch  den  Artikel  Griechenland  und  Rom). 

Romals   sind  Corahs  aus  Indien. 

Romanischer  Stil  (franz.:  style  roman,  engl.:  romanesque  style),  die 
vom  Jahre  1000 — 1200  in  Europa  herrschende  Kunstweise,  welche  sich  bildet 
aus  altchristlichen  Formen  im  Zusammenhange  mit  byzantinischen  und  orien- 
talischen Elementen,  die  der  germanische  Geist  zu  einem  Ganzen  verbindet, 
in  dem  ein  Stil  zum  Ausdruck  gelangt  von  rastlos  reicher  Erfindung,  aber  ge- 
bunden durch  strenges  Festhalten  an  einfachen  klaren  Gesetzen.  Der  Charakter 
dieser  Epoche,  deren  Anfang,  das  10.  Jahrh.,  als  Ausgangspunkt  des  Mittel- 
alters betrachtet  wird  und  welche  etwa  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrh.  reicht,, 
ist  dem  aller  früheren  Entwickelungs stufen  entgegengesetzt.  Während  in  der 
antiken  Welt  die  einzelnen  Völker  sich  selbständig  neben-  und  nacheinander 
entfalteten,  jedes  seine  Sonder kultur,  bedingt  durch  geistige  Anlage  und  die 
äussere  Naturumgebung,  durch  den  Charakter  des  Landes,  die  Einflüsse  des 
Klimas,  für  sich  entwickelte,  treten  jetzt  alle  Nationen  in  ein  Verhältnis  ge- 
meinsamer, gleichartiger  Kulturtätigkeit.  Das  Christentum  gab  allen  dieselbe 
Richtung,  das  gleiche  Ziel,  die  nämliche  Grundlage,  aber  —  wie  Wilhelm 
Lübke  sagt  —  seine  Herrschaft  wollte  nicht  die  Eigentümlichkeit  der  Ein- 
zelnen in  Fesseln  schlagen,  sondern  dem  Individuum  innerhalb  der  allgemeinen 
Schranken  eine  freie  Betätigung  seines  Könnens  und  Wollens  gewähren.  Die 
Kirche  war  aber  in  dieser  Epoche  die  ausschliessliche  Trägerin  der  Bildung, 
und  mit  dem  Christentum  verbreitete  sich  Gesittung  und  geistiges  Leben  durch 
ihre  klösterlichen  Ansiedelungen  überallhin.  Diese  waren  in  einer  Zeit  wilder 
Gärung  und  roher  Kämpfe  ein  Asyl  für  jede  höhere  Kultur,  und  von  ihnen 
aus  drang  allmählich  jede  Kunst  und  Wissenschaft  in  weitere  Kreise. 

Das  alles  gilt  vor  allem  von  der  Architektur,  die  während  des  ganzen 
Mittelalters,  alle  höhere  Tätigkeit  beherrschend,  den  Reigen  anführt.  Und  trotz- 
dem die  Baukunst  vorherrschend  auftritt  und  alle  anderen  Künste  in  ihren 
Dienst  drängt,  so  pflegt  man  doch  im  Bereiche  der  Kleinkunst  von  einer  roma- 
nischen Periode  weniger  zu  si^rechen.  Am  schwierigsten  wird  es,  die  Werke 
der  textilen  Kunst  ohne  weiteres  in  diesen  Begriff  einzuordnen;  hier  ist  die 
Zeit  des  Mittelalters  (vgl.  Weberei  Geschichtliches)  noch  vielmehr  als  sonstwo 
abhängig  vom  Orient  und  von  Byzanz,  deren  Ornamentik  unter  dem  Einfluss 
des    Islam    steht    (s.    arabischer  Stil).      Zu    Beginn    der    romanischen    Kunst- 


Romanisierend — Ronneburg. 


441 


weise  ist  besonders  das  geometrische  Element  im  Stoffmuster  vorherrschend: 
Quadrate,  Rauten  oder  ovale  Felder  sind  mit  Palmetten,  Sternen  und  Rosetten 
gefüllt,  wobei  die  Anwendung  von  Tierfiguren  zurücktritt.  Es  erhalten  sich 
ähnliche  Muster  am  längsten  in  Spanien  (s.  d.),  wo  die  Kunst  des  Islam  mehr 
als  in  anderen  Ländern  zur  Entwickelung  gelangte  und  vom  8.  Jahrh.  an 
sieben  Jahrhunderte  das  Wesen  des  Flachmusters  beherrschte  (Abb.  264  und 
auf  Tafel  II  und  III).  Anders  sieht  es  auf  dem  Gebiete  der  Stickerei  (s.  d.) 
aus :  sie  befreit  sich  als  selbständige  Handarbeit  im  Dienste  der  Kirche  am  ehe- 
sten von  morgenländischen  Einflüssen  (s.  a.  Kirchliche  Wirk-  und  Stickmuster). 

Abb.  264. 


Abbildung: 

264.  Darstellung  aus  Paul  Schulze:  lieber  Gewebemuster  früherer  Jahrhun- 
derte, Leipzig  1893.  S.  27:  Seidenstoff,  Grund  rotviolett,  symmetrisches  Muster  gelb : 
Gefüllte  Bänder  bilden  spitzovale  Felder^  in  welchen  je  eine  achtteilige  Rosette  mit 
Palmettenendigungen.     Spanien  13.  Jahrh. 

Romanisierend  heisst  frühgotisch,  aber  noch  mit  Nachklängen  des  Ro- 
manischen. 

Römerstadt,  Stadt  in  Mähren:  Webeschule,  bedeutende  Leinweberei, 
Bleicherei,  Woll-  und  Seidenindustrie;  bedeutender  Flachsbau. 

Romorantin,  Hauptstadt  des  Arrond.  R.  im  franz.  Depart.  Loir-et-Cher : 
Fabrikation  von  Tuch  für  das  Militär. 

Romsey ,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Hampshire :  Sackleinwand-  und 
Sergefabrikation. 

Rondelette,  im  französischen  Handel  eine  schlechte  Florettseide,  die 
auch  den  Namen  Bourres,  Strasses  u.  s.  w.  führt;  ferner  eine  Gattung  Leinwand. 

Ronneburg,  Kreisstadt  im  Herzogtum  Sachsen- Altenburg :  Streichgarn- 
spinnerei, Wollkämmerei,  Färberei,  namentlich  aber  Woll-  und  Halbwollstoff- 
fabrikation ;  AYebeschule. 


442 


Konsdorf — Roselinnen. 


Ronsdorf,  Stadt  im  preiiss.  Eeg.-Bez.  Düsseldorf:  Seidenwarenfabrikation, 
insbesondere  von  Bändern. 

Roquetin,  eine  Art  Goldfäden,  die  im  Fürstentum  Dombes  gemacht  und 
häufig  in  den  Grold- ,  Silber-  und  Seidenfabriken  zu  Paris ,  Lyon  und  Tours 
verarbeitet  wird. 

Rose-cran,  eine  Gattung  gemusterter  Tischzeuge  aus  Frankreich. 

Rose  (ßosa),    die  tyj)ische  Gattung  der  Familie  der  Rosaceen  mit  zahl- 


Abb.  265. 


Abb.  266. 


reichen,  über  die  ganze  nördliche  Erdhälfte  verbreiteten  und  mehreren  in 
Deutschland  einheimischen  Arten.  Für  die  Ornamentik  ist  besonders  die  sog. 
Heckenrose  von  Bedeutung  (Abb.  265  u.  266),  deren  einfache  fünf  blätterige 
Blume  zur  künstlerischen  Darstellung  in  der  Fläche ,  besonders  im  gotischen 
Zeitalter,  Anregung  gab,  wozu  der  herrschende  Spitzbogenstil  beitrug,  der  im 
Granatapfelmuster  (s.  d).  zur  fünfblätterigen  Umrahmung  des  Kernstückes  und 
auch  als  Passfeld  ausgebildet  ist  (Abb.  103).  Auch  die  Renaissance  wendet 
sich  der  Pose  als  Kunstform  zu;  hier  gibt  das  Astwerk  Motive  zur  Bildung 
des  spitzovalen  Feldes  im  Webemuster  her  (Abb.  267)  und  die  italienische 
Stickerei  des  16.  Jahrb.  bringt  dasselbe  in  vollendetster  Form  zum  Ausdruck 
(Abb.  153).  Eine  vortreffliche  Stilisierung  weiss  der  Orientale  dem  Motiv  der 
Pose  zu  geben  (Abb.  179),  dieselbe  Auffassung  ist  auch  im  modernen  englischen 
Flachmuster  vorherrschend. 

Abb  ildungen: 

267  und  268.  Darstellungen  zweier  Heckenrosen  aus:  Lobelius,  plantarum  sev 
stirpium  icones,  Antwerpen  1581.  / 

229.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Sammetstoff,  Grund  goldgelber  Atlas,  symmetrisches  Muster  grüner  geschnittener 
Sammet:  Doppelt  gelegte  Aeste  sind  zu  spitzovalen  Feldern  verschlungen  und  ent- 
halten Rosenzweige.     Italien  um  1500. 

Roselinnen,  im  bremer  Leinwandhandel  die  gewöhnlichen  und  mittel- 
feinen L.  aus  dem  Osnabrückschen. 


Rosenberg — Rotellaarbeit. 


443 


Rosenberg,  1.  G-rossgemeinde  im  ungar.  Komitat  Liptau:  Baumwoll- 
spimierei  und  -weberei.  —  2.  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmamischaft 
Kaplitz  in  Bömen:  Tuch-  und  Flanellfabrikation  (Haadbetrieb) ,  AYollspinne- 
reien,  Flachshandel. 

Rosenspitze  (ital. :  punto  rosalino;  franz.:  pointe  de  rose),  Rankenspitze 
der  Barockzeit:  Nachahmung  des  point  de  Yenise  in  feinster  Ausführung. 

Rosenthal,  Dorf  im  Gerichtsbezirk  Reichenberg  in  Böhmen:  Yigogne- 
und  Schafwollspinnerei,  Tuchfabriken. 

Rosettas  hiessen  früher  feine  wollene  Zeuge  mit  einfachem  Köper  aus 
besserem  Material,  sie  wurden  von  den  Bombasins  und  den  Orleans  verdrängt. 

Abb.  267. 


Rosette,  eine  Kunstform,  die  einer  aufgeblühten  Rose  entspricht,  d.  h. 
aus  einem  um  einen  Kern  gruppierten  Kreis  von  Blättern  oder  mehreren 
solchen  besteht. 

Rosshaargewebe,  s.  Haartuch. 

Rosswein,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Leipzig:  Woll- 
spinnereien, Tuchfabriken  (eine  Innungsfabrik  mit  eigener  Spinnerei,  Walkerei 
und  Appretur),  Strumpfwirkereien,  Färbereien;  Fabriken  für  Filzwaren,  Haar- 
und  "Wolldecken,  Lama-  und  Militärtuche;  im  nahen  Bö  bringen  eine  be- 
deutende Wollwarenfabrik. 

Rostbeize,  s.  Beize. 

Rotellaarbeit  bezeichnet  eine  in  neuerer  Zeit  aufgekommene  weibliche 
Handfertigkeit,  bestehend  in  dem  Aufnähen  rund  zugeschnittener  kleiner  Stoff- 


444  Rothenburg — Rücklaken. 


teile,  die  zusammengefaltet  und  in  der  Mitte  tütenartig  auf  einen  festen  Kane- 
vasstoff gelegt  werden.  Eine  grosse  Farbenmannigfaltigkeit  gestattet  die  Her- 
stellung vieler  Muster,  die  zu  Teppichen,  Decken,  Kissen  u.  dgl.  Verwendung 
finden  können. 

Rothenburg  a.  d.  Tauber:  im  Jahre  1598  Seidenbau. 

Rotondos,  Rodondos,  in  Spanien  und  Amerika  mehrere  Sorten  nieder- 
ländischer und  deutscher  gebleichter  Flachsleinen  Liengos  rodondos. 

Rottenburg,  Oberamtsstadt  in  Württemberg :  Leinwandweberei,  Strickerei 
und  Färberei. 

Rouanes ,  Rouans ,  sind  weiss  gebleichte  Leinen  aus  Schlesien ,  Böhmen 
und  der  Oberlausitz  als  eine  Nachahmung  der  Teile  de  menage  aus  Ronen. 

Roubaix,  Fabrikstadt  im  Arrond.  Lille  des  franz.  Depart.  Nord:  Mittel- 
punkt eines  bedeutenden  Industriebezirks  mit  vier  Fünfteln  der  Textilfabrika- 
tion  Nordfrankreichs,  und  hat  selbst  350  Fabriken,  wovon  275  mit  Weberei 
beschäftigt  sind  (jährlich  werden  bis  17  000  t  Gewebe  durch  die  Bahn  ver- 
sandt), welche  die  verschiedenen  Roubaixartikel  (Seiden-,  Woll-,  Baumwoll- 
und  Leinenstoffe)  als  Tuche,  Shawls,  Kleider-  und  Möbelstoffe,  Teppiche, 
Tafelleinen  u.  a.  herstellen;  bedeutende  Woll-  (Kammgarn-)  und  Baumwoll- 
spinnerei, Fabrikation  von  Zwirn,  Kammblättern  u.  s.  w. ;  Webeschule. 

Ronen,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Seine-Inferieure :  bedeutende  Textil- 
industrie. Die  hier  erzeugten  Ro nenn eri es  sind  feine  Baumwollwaren  (auch 
Taschentücher) ,  die  aus  gefärbten  oder  doch  z.  T.  aus  gefärbten  Garnen  ge- 
webt sind ;  es  gibt  an  160  Baumwoll-  und  Leinenspinnereien ;  ausserdem  Tuch- 
und  Seidenfabriken. 

Rouens,  Toiles  de  Ronen,  Rouenneries,  ist  die  allgemeine  Benennung 
der  mannigfachen  Gewebe,  welche  in  gleichnamiger  Stadt  und  im  Umkreise 
von  10  Meilen  derselben  gefertigt  werden.  Es  gehören  dazu  zunächst  alle 
Arten  von  Leinenstoffen,  deren  jede  wiederum  unter  anderer  Bezeichnung  mit 
dem  Beinamen  R.  in  den  Handel  kommt;  auch  bedruckte  Baumwollengewebe 
werden  dazu  gerechnet. 

Rouge-Waren  werden  in  Oesterreich  die  türkischrot  gefärbten  und  ge- 
druckten Zeuge  genannt. 

Rouleaux  (vom  franz.  roufer,  rollen),  sind  Fenstervorhänge,  Rollvor- 
hänge, welche  nach  oben  aufgezogen  und  aufgerollt  werden  können,  im  Gegen- 
satz zu  den  Vitragen,  die  seitlich  zurückgezogen  werden  und  welche  die 
ersteren  nach  und  nach  verdrängen.  Ferner  bezeichnet  man  als  R.  Walzware, 
d.  h.  auf  Walzendruckmaschinen  gedruckte  Zeuge. 

Rouleaux  de  Beaujeu,  in  Frankreich  verschiedenartige  Gewebe,  welche 
im  Depart.  der  Rhone,  zu  Tarare,  Forez,  Beaujeu  und  anderen  nahegelegenen 
Orten  in  Mengen  gefertigt  werden,  namentlich  sind  es  ungebleichte  dichte 
Leinen. 

Roustet  oder  Rouzet,  französischer  starker,  grober  Wollenstoff  aus  ge- 
ringerem Material  oder  auch  aus  dem  Abfall  der  besseren  und  der  Scherwolle, 
zur  Kleidung  der  ärmeren  Yolksklassen  verwendet. 

ROUX-NOUX,  Name  von  Shawls  in  hellen  Farben  auf  roter  Kette,  welche 
1839  in   Wien  sehr  gangbar  waren. 

Roveredo,  Stadt  in  Tirol,  am  Leno :  Hauptsitz  der  Seidenindustrie  und 
des  Seidenhandels ,  hat  zahlreiche  Seidenhaspeleien  (Filanden) ,  Seidenzwirne- 
reien (Filatorien),  Der  Seidenhandel  entwickelte  sich  im  16.  Jahrh.  und  hatte 
seine  grösste  Blüte  im  18.  Jahrhundert. 

Royale ,  Handelsname  für  verschiedene  französische  Stoffe ,  sowohl  aus 
Seide,  als  auch  aus  Baumwolle.  / 

Roybons,  eine  Sorte  des  franz.  Kasemirs. 

Rubanets,    veraltete    englische  Westenstoffe    aus  Wolle   und  Kammgarn. 

Rübelizeug  ist  ein  grober,  grauer  Barchent,  der  in  der  Schweiz  ge- 
webt wird. 

Rücklaken  (lat. :  dorsale;  franz.:  dossier;  engl.:  dosel,  dorsel),  Rukke- 
laken  (flämisch),  Rückenteppich,  im  Mittelalter  ein  Tuch,  ein  Behang,  kleiner 


Rückstich — ßussland.  445 


Teppich,  welcher  als  Wandbedeckimg  über  der  Bank  oder  im  Chorgestühl 
dienten,  aber  nicht  fest  mit  der  Wand  verbunden,  sondern  „gerückt"  werden 
konnten. 

Rückstich,  s.  Nähen. 

Rüg  (engl.),  grober  Wollenstoff  aus  dem  Ende  des   16.  Jahrhunderts. 

Rumänien,  Königreich  an  der  unteren  Donau:  die  Industrie  ist  erst  im 
Werden:  es  bestehen  zwei  Tuchfabriken.  Vielfach  hat  sich  die  Hausindustrie 
verbreitet,  die  in  Gebirgsorten  zahlreiche  Webereien  und  Stickereien  erzeugt. 

Rumänische  Teppiche  sind  auf  gewöhnlichen  Handstühlen  gewebt; 
geknüpfte  oder  gefilzte  T.  werden  nicht  erzeugt.  Sie  sind  an  Ort  und  Stelle 
unter  dem  Namen  „Yelintze"  bekannt  und  gleichen  den  serbischen,  bulgari- 
schen Erzeugnissen,  jedoch  ohne  die  zarten  Muster  und  die  Farbenstellung. 
In  letzter  Zeit  verwendet  man  nur  Anilinfarben;  die  Musterung  besteht  aus 
geometrischen  Figuren  und  Streifen  in  Art  der  Kilims. 

Rumburg,  Ort  in  Oesterreich:  Webeschule. 

Rummelsburg,  1.  Kreisstadt  im  preuss.  Reg. -Bez.  Köslin:  Werkmeisterei 
für  Weberei;  Wollspinnereien  und  Tuchfabriken.  —  2.  Kolonie  bei  Berlin: 
Plüsche  und  Wollwarenfabriken,  Appretur  und  Färberei. 

Rundschnüre  (franz. :  les  cordons),  sind  von  Gold,  Silber,  Seide,  Kamel- 
haar, Wolle,  Zwirn  u.  dergl.  rund  und  stark  gedreht,  und  werden  besonders 
zu  Besätzen  für  Kleider  gebraucht. 

Rupfen,  moderner  kanevasartig  gefärbter  Baumwollenstoff. 

Russeis,  fester,  geköperter,  atlasartiger  Wollenstoff,  gewöhnlich  schwarz, 
zu  Westen  und  Beinkleidern  in  England,  auch  in  Sachsen  und  Böhmen  gewebt. 

Russia-Duck,  russisches  Segeltuch,  das  in  England  nachgemacht  ist; 
doch  wird  die  echte  Ware  wegen  ihrer  Geschmeidigkeit  und  Dauer  höher 
geschätzt. 

Russische  Leinen  aus  verschiedenen  Garnen,  welche  mit  der  Hand  auf 
Spindeln  gesponnen  werden,  bilden  eine  wichtige  Industrie  in  R.  Am  meisten 
wird  darin  in  den  Gouvernements  Archangel,  Kasan,  Kaluga,  Jaroslaw,  Tam- 
bow,  Tula,  Wladimir,  Moskau  u.  s.  w.  gearbeitet.  Die  gangbarsten  Sorten 
sind:  Flämisch  Leinen,  Parussnoe  Polotno  oder  Segeltuch,  Pavenstuch,  Cala- 
minken,  Kinisheim,  Bran ,  Chrätsch,  Deringa,  Krasch  oder  Serviettenleinen; 
ausserdem  liefert  der  russische  Handel:  weissgebleichte  Hausleinen,  die  aber 
wegen  der  sorglosen  Behandlung  den  deutschen  nicht  gleichkommen.  Der  rus- 
sische Landmann  schlichtet  nämlich  zumeist  die  rohen  Gewebe  in  Bottige  mit 
Asche  und  Kalk,  übergiesst  sie  mehrmals  mit  siedender  Lauge,  wickelt  diese 
Leinen  in  Pollen  und  steckt  sie  in  einen  warmen  Backofen ;  sobald  sie  erkaltet 
und  abgewickelt  sind,  werden  sie  horizontal  in  der  Luft  schwebend  wiederholt 
mit  Wasser  'begossen,  wonach  sie  dann  in  einigen  Tagen  ganz  weiss  erscheineu. 
Diese  Geschwindigkeit  des  Bleichverfahrens  schadet  aber  der  Haltbarkeit. 
Verschiedene  Benennungen  sind  für:  gefärbte  Leinen  ^=  Kraschenina,  Wams- 
tuch; gestreifte  L.  =  Pestrada,  gedruckte  =  Naboika;  Glanzleinen  =  Loscht- 
schenoije  ;  Steif leinwand  =  Woschtschanka.  Ausserdem  kommen  gemusterte 
Sorten  unter  den  Namen  Konowat,  Deburet  und  Tscheschnika  vor. 

Russischer  Stich,  schmale  durchbrochene  Querstreifen  in  Geweben,  welche 
durch  verschiedene  Arten  der  Fädenverkreuzung  hervorgebracht  werden  und 
besonders  als  A'^erzierung  baumwollener  Gardinen-  und  Kleiderstoffe,  wie  Mull, 
.Jaconnet  dienen. 

Russland,  Kaisertum-  und  Grossmacht.  In  P.  findet  sich  von  altersher 
eine  bedeutende  Hausindustrie,  die  von  der  bäuerlichen  Bevölkerung  neben  der 
Landwirtschaft  betrieben  wird,  doch  ist  stellenweise  (in  den  Gouvernements 
Nishnij  Nowgorod,  Wladimir,  Kaluga,  Tula  u.  s.  w.)  auch  schon  die  landwirt- 
schaftliche Tätigkeit  zurückgetreten  und  die  gewerbliche  fast  ausschliesslich 
geblieben.  Die  Zahl  der  in  der  Hausindustrie  beschäftigten  Personen  wird  auf 
8  Mill.,  der  Wert  ihrer  Produkte  auf  20  Mill.  geschätzt ,  welche  Zahlen  sich 
auf  die  Textilindustrie  im  Jahre  1891  etwa  wie  folgt  verteilten :  Wollwaren: 
1044  Fabriken  mit  95  313  Arbeitern  und  einer  Produktion  von  106  Mill.  Pubel; 


446  Russland. 


BaumwollAvaren:  912  Fabr.  mit  255310  Arb.  Prod.  =  346  Mill.  Rubel; 
Seidenwaren:  259  Fabr.  mit  18435  Arb.  Prod.  =  13  Mill.  Rubel;  Flachs- 
waren: 174  Fabr.  mit  46  313  Arb.  Prod.  =  41  Mill.  Rubel.  Im  Jahre  1897 
produzierten  4582  Fabriken  für  851218  000  Rubel  Faserstoffe. 

Die  Baumwollfabrikation  spielt  eine  wichtige  Rolle  und  wird  vom 
Staate  besonders  unterstützt;  ihr  Ursprung  reicht  bis  Anfang  des  18,  Jahrh, 
zurück.  Jetzt  werden  verarbeitet  gegen  20,25  Mill.  Pud  Baumwolle,  wovon 
gegen  2,11  Mill.  Pud  aus  Amerika,  Aegypten,  Ostindien  und  Persien  kommen, 
die  übrigen  18,14  Mill.  aus  Turkestan,  Kaukasien,  Chiwa,  Buchara  und  Kanada. 
Der  jährliche  Umsatz  der  Baumwollindustrie  erreicht  459  Mill.  Rubel.  Es 
gibt  245  Fabriken ,  darunter  91  Spinnereien  und  154  Webereien  mit  80  Mill. 
Spindeln  und  300  000  mechan.  Webstühlen,  wovon  die  Arbeitszeit  auf  300  Tage 
im  Jahre  und  10  Stunden  des  Tages  bestimmt  ist.  Die  Zahl  der  Arbeiter 
beträgt  gegen  225100,  darunter  111200  in  den  Spinnereien.  Die  Baumwollen- 
industrie ist  besonders  entwickelt  in  den  Grouvernements  Moskau,  Wladimir 
und  Petersburg.  Es  werden  hergestellt  gegen  13,4  Mill.  Pud  Garn.  Die  her- 
gestellten Gewebe  sind:  Mitkai,  Zitz,  Kattun  und  Barchent.  Der  heimische 
Bedarf  wird  fast  vollständig  durch  die  russische  Produktion  gedeckt,  wie  das 
Sinken  der  Einfuhr  von  Garn  zeigt:  in  den  70er  Jahren  =  422 130  Pud  zu 
15,61  Mill.  Rubel,  im  Jahre  1901  =  135  618  Pud  zu  4,72  Mill.  Rubel.  Die 
Einfuhr  von  Baumwollwaren  ist  sehr  massig,  während  die  Ausfuhr  fortwährend 
steigt,  besonders  nach  der  Türkei,  Persien  und  China;  1900:  4,91  und  1901: 
4  Mill.  Rubel. 

Zur  Wollfabrikation  legte  Peter  d.  Gr.  (1682—1725)  den  Grund, 
um  Tuch  für  das  Militär  herzustellen.  1830  gab  es  schon  390  Fabriken  mit 
67  000  Arbeitern  und  einer  Produktion  von  gegen  7  735  000  Arschinen  (=  0,7  m) 
Tuch;  1900:  1284  Fabriken  mit  98360  Arbeitern  und  einer  Produktion  von 
114,3  Mill.  Rubel  Wert.  Ausgeführt  werden  gewöhnliche  Wolle,  Merinowolle, 
Wollabfälle  und  Wollwaren:  1892  für  13  345  230,  1893. für  8  747960,  1894  für 
8935418,  1895  für  8865  390,  1900  für  7,43  und  1901  für  7,14  Mill.  Rubel. 

Auch  das  Seidengewerbe  wurde  —  wie  Silbermann,  Die  Seide, 
Dresden  1897,  Bd.  1  S.  113  berichtet  —  durch  das  Beispiel  Preussens  an- 
geregt, von  Peter  dem  Grossen  ausserordentlich  gefördert  und  von  Katharina, 
Paul  und  den  späteren  Regenten  fortgesetzt.  Man  legte  grosse  Maulbeer- 
plantagen an,  die  russischen  Bauern  zeigten  jedoch  für  die  da,zu  notwendige 
Tätigkeit  kein  Verständnis.  Auch  zur  Belebung  der  Seidenmanufaktur  zog 
Peter  d.  Gr.  französische  Kräfte  heran,  sodass  1714  eine  stattliche  Anzahl  von 
Sammet-  und  Brokatwebereien  in  Moskau,  Wladimir  und  Jaroslaw  im  Betrieb 
war,  1809  waren  194  mit  4996  Stühlen  tätig  und  erzeugten  7110  000  If.  Arschin 
(1  Arschin  =  0,71  m)  Seidenstoffe,  505  Stück  andere  kostbare  Gewebe, 
400  000  If.  Arschin  Seidenbänder,  6400  Stück  Tüllgewebe  und  12  000  Paar 
Handschuhe.  1812  ist  die  Anzahl  der  Webereien  infolge  der  Kriegswirren 
auf  105  herabgesunken,  um  jedoch  1818  wieder  auf  210  zu  steigen.  1823  fand 
der  Jacquardstuhl  Eingang.  In  der  Zeitperiode  1826 — 29  erzeugte  man  jähr- 
lich etwa  5  Millionen  If.  Arschin  Stoffe  und  115  000  Stück  Goldbrokate,  1845 
belief  sich  der  Produktionswert  auf  6,  1850  auf  6^/2  Mill.  Rubel.  In  neuer 
Zeit  bestehen  in  Moskau,  St.  Petersburg,  Riga,  Bialy stock,  Warschau  und 
Lodz,  meist  unter  französischer  Leitung  bedeutende  Stoff-,  Tüll-,  Spitzen-  und 
Bandfabriken.  Moskau  allein  besitzt  15  000  Stühle  und  erzeugt  neben  anderem 
auch  reiche  Brokate  und  golddurchwirkte  Gewebe. 

Wie  alt  die  Erzeugung  von  Seidengeweben  in  Russland  sein  mag,  dar- 
über ist  man  nicht  unterrichtet.  Hingegen  gibt  Silbermann  nach  verschiedenen 
Quellen  Nachrichten  über  den  Seidenverkehr  in  Russland  während  des  Mittel- 
alters an  (vgl.  Die  Seide,  Bd.  T,  S.  61  ff.),  wonach  im  4. — 6.  Jahrh.  in  Kiew 
und  Nowgorod  Märkte  mit  Seidenwaren  aus  Byzanz  und  dem  weiteren  Orient 
stattgefunden  haben.  „Die  Vermittlerrolle  russischer  Handelsstädte  zwischen 
dem  extremen  Orient  und  AVesteuropa  —  schreibt  Silbermann  — -  erreicht 
während  der  genuesisch- venezianischen  Fehden  im  13.  Jahrh.  ihren  Höhepunkt; 


Russland. 


447 


während   jedoch   die  Bedeutung. der  südlichen  Städte  mit  der  endgültigen  Be- 
festigung   der   venezianischen  Herrschaft   und    der   Invasion    der  Mongolen    zu 

Abb.  268. 


Ende  war,  bleibt  Nowgorod  unter  dem  Schutze  der  mächtigen  Hansa  in  seiner 
kommerziellen  Wichtigkeit  fortbestehen." 

Abb.  269. 


lieber  die  Musterung  älterer  russischer  Grewebe  ist  man  wegen  der  Vn- 
kenntnis  der  Originale  natürlich  wenig  unterrichtet,    die  hier  in  Abb.  268  bis 


448 


Russland. 


271  wiedergegebenen  Stoffe  werden  über  die  Zeit  um  1700  nicht  hinausgehen, 
doch  kann  hinsichtlich  ihrer  Herkunft  kaum  ein  Zweifel  bestehen.  Yon  der 
allgemeinen  Ornamentik  Russlands  ist  bekannt,  dass  im  Laufe  des  10.  Jahrh. 
mit  dem  Christentum  byzantinische  Kunstformen  Eingang  finden,  die  aber  all- 
mählich eine  innige  Verbindung  mit  dem  Orientalismus  in  seinen  ausschweifend- 
sten Launen  erkennen  lassen.  Die  bald  verwilderten  Formen  vermischen  sich 
im  Laufe  der  Zeit  mit  denen  des  abendländischen  Mittelalters  und  später  mit 
den  Einzelheiten  der  italienischen  Renaissance,  wozu  seit  dem  Anfang  des 
18.  Jahrh.  französischer  Einfluss  kommt.  Man  würde  also  dementsprechend 
in  dem  unter  Abb.  268  dargestellten  Brokat  eine  sehr  späte  Hinterlassenschaft 
des  Byzantinismus  erkennen  können,  die  Eeldereinteilung  in  dem  unter  Abb.  269 
abo"ebildeten    Stoff   erinnert    an  Kassettenmus-ter    der    Renaissance,    in    welchen 


Abb.  271. 


Abb.  270 


noch  weinblattartige  spät  gotisierende  Blattrosetten  sich  befinden.  Einzelheiten 
von  Weinreben,  Blattwerk  und  Trauben  umrahmen  auch  die  halbitalienische, 
halbfranzösische  Barockblütenpalmette  des  in  Abb.  270  wiedergegebenen  Musters 
und  von  allen  aus  jüngster  Zeit  —  vielleicht  um  1820  —  verrät  der  mit 
Chenille  durchwirkte  Brokat  (Abb.  271)  den  französischen  Einfluss.  Auffallend 
bei  drei  dieser  dargestellten  Gewebe  —  auch  von  anderen  mir  bekannten 
russischen  Stoffen  ist  es  mir  erinnerlich  —  erscheint  die  weisse  Grrundfarbe  und 
die  reiche  Verwendung  eines  (Kupfer)vergoldeten  Metallfadens,  im  übrigen  sind 
keine  besonderen  äusseren  Kennzeichen  wahrzunehmen.  (lieber  russische 
Spitzen,  s.  Spitzen.) 

Abbildungen: 

268.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidenbrokat j  Grund  weiss,  geometrisch  in  Damast  gemustert,  dazwischen  in  Rauten 
Kreuzbilduncren  in  Gold.     Russland  18.  Jahrh. 


Ruten — Sachsen.  449 


269.  Originalaufnahme  wie  vorher:  Diagonalen,  durch  Quadrate  verbunden, 
bilden  Rauten,  in  welchen  je  eine  Blattrosette.     Russland  17. — 18.  Jahrb. 

270.  Originalaufnahme  wie  269.  Grund  blau  ,  Muster  gelblich  grün  schattiert : 
"Weinblätter  und  Trauben  an  geknickten  Ranken  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen 
eine  Blütenpalmette.     Russland  um  1700. 

271.  Originalaufnahme  wie  269.  Seidenbrokat,  Grund  weisser  Atlas,  Muster 
Gold  mit  bunter  Chenille:  Kelchartige  Palmetten  aus  antikisierendem  Blattwerk  mit 
Strauss  aus  Sternblumen  und  Gehängen  aus  solchen.     Russland  Anfang  19.  Jahrh. 

Ruten,  die  Messingstäbchen,  um  welche  die  den  Flor  des  Sammet- 
gewebes  bildenden  Noppen  geschlungen  werden,  mit  einer  Längsrinne  zur  Er- 
leichterung des  Aufschneidens  des  Flors  oder  einem  scharfen  Haken  an  einer 
Seite,  welcher  beim  Herausziehen  der  Rute  die  Noppen  zerschneidet. 

Rya  nennt  man  in  Schweden  eine  Technik  des  Knüpfens,  wobei  jeder 
Wollbüschel  nur  einfach  um  den  Kettfaden  herumgelegt  (nicht  geknotet)  wird, 
also  eigentlich  gar  nicht  Knüpfarbeit  genannt  werden  kann.  Die  Hinterseite 
wird  gewöhnlich  geleimt. 

Ryen  heissen  die  in  Norwegen  plüschartig  hergestellten  Teppiche  oder 
Kissenbezüge. 

Ryssler  Leinen,  Toiles  de  Lille,  werden  alle  Sorten  gemusterter  Tisch- 
zeuge genannt,  welche  in  Lille  gefertigt  sind;  besonders  auch  eine  Gattung 
bunt  gegitterter  Flachsleinwand,  welche  dort  in  feinster  Güte  hergestellt  wird. 


Saaij,  s.  Anacoste. 

Saalburg,  Stadt  im  Fürstentum  Reuss  j.  L. :  "Woll-  und  Baumwollweberei. 

Saaralben  (Saaralbe),  Stadt  in  Elsass-Lothringen:   Seidenfärberei. 

Saargemünd, ,  Stadt  in  Elsass-Lothringen:  Fabrikation  von  Seiden-  und 
Plüschwaren. 

Saarunion,  Stadt  im  Bezirk  IJnterelsass :  Fabrikation  von  Seilerwaren 
(die  grösste  Seilfabrik  der  Reichslande),  seidenen  Haarnetzen  und  Handschuhen. 

Sabanum  (lat.),  langfaserig  gewebtes  Tuch  aus  Leinen,  Byssus  oder 
Baumwolle,  als  Badetuch,  Leichentuch,  sowie  auch  in  alter  Zeit  gebraucht,  um 
das  Haupt  des  Täuflings  abzutrocknen. 

Sacadizos,  der  ganz  geringe  Ausschuss  der  spanischen  Wolle. 

Sachette,  in  Italien  eine  feine  weissgebleichte  und  geglättete  Leinwand 
aus  Deutschland  und  Oesterreich.  * 

Sachsen,  ein  zum  Deutschen  Reiche  gehöriges  Königreich :  den  wichtigsten 
Industriezweig  bildet  die  Textilindustrie  mit  85  428  Betrieben  und  266  683  be- 
schäftigten Personen.     Zu  den  ältesten  Gewerben  gehört  die 

Leinenweberei,  sie  wird  besonders  in  den  an  Schlesien  und  Böhmen 
grenzenden  Teilen  der  Lausitz  betrieben.  Trotz  des  Rückganges  gegen  das 
letzte  Jahrzehnt  des  18.  Jahrh.  sind  die  vortrefflichen  Fabrikate  der  1666  in 
Grossschönau  eingeführten  Damastweberei  noch  sehr  geschätzt.  Hauptsitz 
der  Zwillichmanufaktur  ist  Waltersdorf  bei  Zittau;  leinenes  Band 
wird  hauptsächlich  in  Grossröhrsdorf  und  Pulsnitz  gefertigt.  Unter  „Säch- 
sische Leinen"  werden  im  Handel  alle  möglichen  Arten  von  Creas,  Dowlas, 
Damastleinen,  Serviettenleinen,  Buchleinen  u.  v.  a.  Artikel  verstanden,  die  hier 
gefertigt  sind. 

Die  grösste  Wollkämmerei  besitzt  Leipzig,  die  grössten  Kamm- 
garnspinnereien  Leipzig,    Chemnitz,    Harthau  bei  Chemnitz,    Schedewitz, 

■   Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  29 


450  Sachsen  — Saddleworth. 


Liebschwitz,  Wilkau  und  Arnsdorf  bei  Penig,  die  gros sten  Streichgarn-  und 
Vigognespinnereien  Crimmitschau,  Werdau  und  Reichenbach,  die  grössten 
Baumwollspinnereien  Leipzig,  Chemnitz,  Fürth,  Scharfenstein,  Zschopau, 
Hohenfichte,  Witschdorf,  Mohsdorf  und  Oberlautersdorf.  Hauptsitze  der 
Tuchfabrikation  sind  Grossenhain,  Bischofswerda,  Kamenz,  Kirchberg  mit 
Umgebung  und  Leisnig.  In  Bosswein,  wo  bereits  1376  eine  Tuchmacher- 
innung begründet  wurde,  ging  die  Tuchmacherei  seit  der  Mitte  des  19.  Jahrh. 
zurück  und  hat  vor  mehreren  Jahren  ganz  aufgehört.  In  Crimmitschau  mit 
Umgebung  und  Werdau  werden  vorzugsweise  Buckskins,  halbwollene  und 
leichte  tuchartige  Stoffe,  in  Oederau,  Hainichen,  Beichenbach  und  Mylau 
Flanelle  gefertigt.  Glauchau  und  Meerane  liefern  Kleider-  und  Möbel- 
stoffe, Zittau  und  Beichenau  Orleans.  Hauptsitze  der  Baumwollen-  und 
Halbbaumwollweberei  sind  das  Vogtland,  die  Chemnitzer  Gegend  und 
ein  Teil  der  Lausitz.  Die  Seidenweberei  wird  in  Frankenberg,  Elster- 
berg, Hohenstein-Ernstthal  und  Callnberg  betrieben ;  man  hatte  im  Jahre  1864 
Versuche  angestellt,  die  Seidenzucht  in  grösserem  Massstabe  einzuführen,  allein 
die  Hoffnung  wurde  bald  aufgegeben.  Seidenspinnereien  gibt  es  in 
Grossenhain,  Bodewisch  und  Cunnersdorf  bei  Kirchberg.  Bad  Elster  fertigt 
Seidensammet.  Erwähnenswert  sind  noch  die  bedeutende  Jutespinnerei 
und  Weberei  in  Meissen  und  die  Nesselweberei  in  Zittau. 

Für  die  Fabrikation  von  Strumpfwaren  (Strickerei  und  Wirkerei) 
sind  die  Hauptsitze  Chemnitz,  Hohenstein,  Limbach,  Lössnitz  und  Burgstädt 
mit  Umgebung.  Die  Spitzenklöppelei  im  oberen  Erzgebirge  (Annaberg, 
Schneeberg,  Eibenstock)  beschäftigt  immer  noch  eine  Anzahl  weiblicher  Hände, 
hat  aber  unter  der  Konkurrenz  der  mechan.  Stickerei  schwer  zu  leiden.  Doch 
ist  durch  eine  Anzahl  Klöppelschulen  im  oberen  Erzgebirge  die  Kunstfertigkeit 
der  Klöpplerinnen  sehr  gefördert  worden.  Die  Stickerei  und  Spitzen- 
fabrikation (Nadelarbeiten)  hat  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen, 
der  Hauptplatz  dafür  ist  Plauen,  ferner  Eibenstock,  Schneeberg,  Auerbach  und 
Falkenstein.  Die  Posamentenfabrikation  blüht  im  Obererzgebirge  und 
im  Vogtland.  Für  die  Veredelung  der  Gespinste  und  Gewebe,  Spitzen 
und  Stickereien,  Strumpf-  und  Strickwaren  bestehen  bedeutende  Anlagen,  in 
welchen  namentlich  auch  das  Ausland  Fabrikate  veredeln  lässt.  Die  Haupt- 
plätze dafür  sind  Plauen,  Chemnitz  und  Beichenbach.  Die  Wäsche- 
fabrikation ist  vertreten  in  der  Gegend  von  Plauen  und  Schneeberg; 
Büschen  fabriziert  Leipzig,  Korsetts  Oelsnitz  i.  V.  In  Freiberg  und 
Umgegend  blüht  die  Fabrikation  leonischer  Waren. 

Sachsen,  Provinz  des  preuss.  Staates:  die  Textilindustrie  ist  vertreten 
durch  Wollspinnereien  in  Mühlhausen  und  Langensalza,  Baumwoll- 
spinnereien in  Magdeburg  und  bei  Halle,  Wollwebereien  in  Magde- 
burg, Burg,  Barby,  Langensalza  und  Zeitz,  Leinenweberei  in  und  bei 
Nordhausen  und  in  Worbis  (Eichsfeld),  Baumwollweberei  ebenda  und  in 
Mühlhausen,  Wirkerei  und  Strickerei,  Häkelei  und  Stickerei, 
Färbereien  und  Veredelungsanstalten  für  Garn  und  Gewebe  mit  im 
ganzen  etwa  23  000  Gewerbtätigen. 

Säckingen,  Stadt  im  bad.  Kreis  Waldshut:  bedeutende  Seidenband-  und 
Seidenstofffabrikation,  Baumwollwebereien,  Kattundruckereien,  Seiden-  und 
Baumwollfärbereien. 

SackingS,  Baumwollverpackung,  s.  v.  w.  Baggings  (s.  d.). 

Sackleinwand,  grobe,  aber  feste  und  dichte  Gewebe  zu  Säcken  für  Ge- 
treide, Mehl  u.  s.  w.  In  Sachsen  fertigt  man  sie  teils  aus  starkem  flächsenen 
Game,  teils  aus  Flachs-  und  Hanfhede.  Aus  Westfalen,  Hannover,  Br^un- 
schweig  kommen  die  besseren  Sorten  der  Hemdelinnen  und  die  gewöhnlichen 
Löwentlinnen,  welche  viel  nach  den  Nordseehäfen  verschickt  werden.  In  den 
Niederlanden,  Frankreich  und  Bussland  bildet  S.  einen  grossen  Handelsartikel. 
Vielfach  wird  jetzt  S.  aus  Jute  verfertigt. 

Saddlewortll,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  bedeutende  Baum- 
wollweberei und  Fabrikation  feiner  Tücher. 


Saffrou-Waldau — Saint  Nicolas.  451 

Saffrou-Waldau,  Stadt  in'  der  engl.  Grafschaft  Essex :  Leinwandweberei 
und  Garnspinnerei. 

Saga,  auch  sagum,  saia,  sagia,  saium  (lat.),  (franz. :  saye,  serge,  sayette) ; 
halb  geschorener  Wollenstoff,  Flanell,  feines  Wollengewebe  (saia  drappata), 
Wollsammet,  Plüsch,  Sieneser  Sammet;  (franz.:  saiere)  Seidensammet;  Saignetus 
(franz.:  sayette,  saignette)  blutroter  Stoff,  Scharlachstoff  (s.  a.  Saye). 

Sagan,  Hauptstadt  des  Fürstentums  Sagan :  ein  Hauptzweig  der  Indu- 
strie ist  die  Tuchfabrikation;  ferner  bestehen  Wollspinnerei,  Fabrikation  von 
wolleneu  Phantasie-  und  Strumpfwaren  ;  in  der  Umgebung  Flachsspinnerei. 

Sagathis  ist  ein  geköpert  gewebter,  sergeartiger  Wollenstoff,  der  früher 
viel  in  allen  Farben  für  Sommerkleider  getragen  wurde,  jetzt  aber  durch  die 
Orleans  und  die  Circassias  verdrängt  ist;  nur  in  China  findet  er  noch  Absatz. 

Sagettengarne,  s.  v.  w.  Halbkammgarne  (s.  d.). 

Said,  syrische  Baumwollsorte. 

Saida  (das  alte  Sidon),  Stadt  in  Syrien,  Hafen  von  Damaskus :  bedeutender 
Seidenhandel. 

Saint  Afrique,  Stadt  im  Arrond.  A.  des  franz.  Depart.  Aveyron :  Fabri- 
kation von  AVoUstoffen  und  Decken ;  BaumwoU-  und  Wollspinnerei. 

Saint  Antonin,  Stadt  im  franz.  Depart.  Tarn-et-Garonne:  Wollspinnerei 
und  Sergeweberei. 

Saint  Brieuc,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Cotes-du-Nord :  Woll-  und 
Leinenspinnereien,  Fabrikation  von  Leinwand  und  grobem  Halbwollzeug 
(tir  etaine). 

Saint  Calais,  Stadt  im  franz.  Depart.  Sarthe :  Fabrikation  von  Tuch, 
Serge  und  gestreiften  Baumwollzeugen. 

Saint  Chamond,  Stadt  im  franz.  Depart.  Loire:  Fabrikation  von  Bändern, 
Spitzen,  Posamenten  und  Kautschuckgeweben;  Handel  mit  Seide. 

Saint  Die,  Stadt  im  franz.  Depart.  Vosges  in  Lothringen:  Fabrikation 
von  Musselin ,  Tüll,  Kirchenschmuck,  Leinwand,  Teppichen  und  Strumpfwaren ; 
Färberei,  Bleicherei. 

Saint  Etienne,  Stadt  im  franz.  Depart.  Loire :  Fabrikation  von  Bändern 
(vier  Fünftel  aller  in  Frankreich  gefertigten)  und  viele  mannigfaltige  Seiden- 
waren. 

Saint  Gaudens,  Stadt  im  franz.  Depart.  Haute-Garonne :  Fabrikation 
von  Leinenband ,  Wollspinnerei  und  -Weberei ;  Handel  mit  AVolle ,  Häuten 
und  Tuch. 

Saint  Georges  sind  rohe  flächsene  Leinen  von  mittlerer  Feinheit,  welche 
im  Depart.  der  niedern  Seine  verfertigt  und  von  den  Webern  auf  den  AVochen- 
märkten  des  Fleckens  St.  George  zum  Verkauf  gebracht  werden.  Meistens 
werden  sie  von  den  Kaufleuten  aus  Pouen  und  Lisieux  aufgekauft,  welche  sie 
bleichen  und  appretieren  lassen,  und  dann  unter  dem  Namen  Blancards  nach 
Spanien  und  Amerika  verschicken. 

Saint  James,  eine  Art  französischer  Leinen,  die  den  Bretagnes  ziemlich 
gleicht  und  besonders  nach  Spanien  ausgeführt  wird. 

Saint  Jean,  grobe  Leinwand,  die  in  Beaujolais  gewebt  wird.  Sie  ist 
aus  Hanf  und  wird  roh  verhandelt. 

Saint  Junien,  Stadt  im  franz.  Depart.  Haute- Yienne :  Fabrikation  von 
Hüten,   Wolldecken  und  Leinwand. 

Saint  Lucie,  eine  der  vorzüglichsten  Sorten  franz.  Seide,  die  zweimal 
über  die  Mühle  geht  und  zu  den  schönsten  Stoffen  verwendet  wird. 

Saint  Maixent,  Stadt  im  franz.  Depart.  Deux-Sevres  in  Poitou:  Woll- 
spinnerei, Fabrikation  von  Serge,  Trikots  und  Handel  mit  Leinwand. 

Saint  Marcellin,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Arrond.  des  franz.  Depart. 
Isere:  Musteranstalt  für  Seidenzucht. 

Saint  Maur,  franz.  sergeartiges  geköpertes  Zeug  aus  Seide,  Florettseide 
oder  mit  feiner  Wolle  gemischt. 

Saint  Nicolas,  eine  Art  wollener  Sergen,  die  zu  Troyes  und  Suippes  ge- 
webt werden.    Man  braucht  sie  besonders  zu  Montierungsstücken  für  die  Trupi3en. 


452  Saint  Omer — Sammet, 


Saint  Omer,  Stadt  im  franz.  Depart.  Pas-de-Calais :  rabrikation  von 
Tuch,    Stickereien,  Wolldecken  und  Posamenten;  femer  eine  Strumpfwirkerei. 

Saint  Quentin,  Stadt  im  franz.  Depart.  Aisne:  bedeutende  Industrie  in 
Woll-  und  Baumwollspinnerei,  grosse  Tüllfabriken,  Stickereien  und  Weberei 
von  Tafelleinen,  Leinen  und  Baumwollwaren,  Posamentenfabriken. 

Saint  Rambert  sind  rohe  franz.  Leinen,  die  über  Lyon  und  Marseille 
nach  Spanien  und  Portugal  ausgeführt  werden. 

Saint  Remy,  eine  Sorte  Seide,  welche  um  Arles  erbaut,  gesponnen  und 
gezwirnt  wird  und  in  verschiedenen  Sorten  zu  Beaucaire  in  den  Handel  kommt. 

Salamine  ist  ein  älterer,  einfarbiger,  in  allen  Farben  gefertigter  Seiden- 
stoff, der  zu  den  Armüren  gehört,  und  bei  welchen  die  mehrfachen  Kettfäden 
von  Gros  noir  oder  trame  double  von  kohlschwarzer  Seide  sich  mit  zweifachem 
Einschuss  von  bunter  Seide  abwechselnd  dergestalt  verbinden,  dass  auf  der 
rechten  Seite  ganz  kleine  Pünktchen  in  schiefer  Linie  hervorragen  und  die 
Oberfläche  ein  schillerndes  Aussehen  erhält. 

Salampores,  Salempuris,  Salempours,  Serampores  sind  ostind.  Kattune, 
welche  sich  durch  sorgfältige  Arbeit  und  Biegsamkeit  auszeichnen  und  welche 
aus  mehreren  Gregenden  der  Küste  Coromandel  und  aus  Bengalen  nach  Europa 
kommen.     Den  Namen   haben    sie    von    der  Stadt  Salamporis    auf  Coromandel. 

Salampori,  ein  veralteter  Modestoff,  von  ganz  feiner  Wolle,  glatt  und 
geköpert,  mit  einbroschierten  bunten  Mustern;  die  ganz  feinen  waren  von 
angoraischem  Ziegenhaar  und  die  Muster  von  Seide,  wodurch  der  Stoff  sehr 
schöne  und  glänzende  Falten  bildete. 

Salendang,  buntgewebter  Baumwollstoff  für  den  ostindischen  Markt. 

Salerno,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  in  Hallen:  grossartige, 
von  Schweizern  angelegte  Fabriken,  Baumwollspinnerei,  -weberei,  -druckerei; 
grosse  Seidenweberei. 

Salford,  Vorstadt  von  Manchester:  Tuch-,  Seide-,  BaumwoU-  und  Leinen- 
fabrikation; Bleichen  und  Färbereien. 

Salisbury,  Hauptstadt  der  engl.  Grrafschaft  Wiltshire :  Wollspinnerei  und 
Spitzenfabrikation. 

Salisbury-White  ist  ein  leichter  Wollenstoff  mit  gerauhter  und  ge- 
schorener Oberfläche,    eine  Art  weisser  dichter  Flanell  oder  weisses  Halbtuch. 

Salleiste,  auch  Leiste,  Salband,  Salende  genannt,  die  Webkante,  die 
längs  der  Oewebe  zu  beiden  Seiten  hinlaufende  schmale  Einfassung,  die  von 
stärkeren  oder  andersfarbigen  Kettenfäden  und  den  mit  ihnen  verschränkten 
Schussfäden  gebildet  ist. 

Salona,  Baumwollsorte  aus  Rumelien. 

Salonica,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Saloniki,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Salubratapete,  wasch-  und  desinfizierbare  Wandbekleidung,  bestehend 
aus  Baumwollgewebe,  das  mit  einer  0 elf arb schiebt  überzogen  ist. 

Saluzzo,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Cuneo :   Seidenspinnerei  und  -Weberei. 

Salzwedel,  Stadt  im  preuss,  Peg.-Bez.  Magdeburg:  Fabrikation  von 
Tuch,  Woll-  und  Baum  wollwaren,  Leinwand  und  Damast. 

Samenwolle  der  Bäume  Munguba  und  Simauna  oder  Samauba,  werden 
als  Ersatzmittel  der  Baumwolle  verwendet. 

Sämling,  slovakischer  Hanf  aus  Ungarn  von  der  zweiten  Einsammlung; 
der  der  ersten  Sammlung  heisst  Bösling. 

Sammet  (lat. :  sametum,  samit,  samis  examitum ;  franz. :  velours ;  engl. : 
velvet;  ital.:  velluto ;  span.  terciopelo);  ein  Oewebe,  das  wie  Velpel  oder 
Plüsch  aus  zwei  Ketten  besteht,  von  denen  die  erste  die  Grrund-  ^nd 
IJnterkette,  die  zweite  die  Flor-,  Poil-,  Pol-,  oder  Sammetkette 
genannt  wird.  Durch  die  Grundkette  mit  dem  Einschlage  entstehen  die  ge- 
wöhnlichen AVebarten :  Taffet,  Köper  oder  Atlas,  wonach  der  Sammet  zunächst 
technisch  unterschieden  wird.  Die  darüber  auf  besonderem  Baum  sich  be- 
findliche Polkette^,  deren  Fäden  durch  die  Schaftlitzen  und  das  Riet  ganz 
gieichmässig    zwischen    die  Grundfäden  verteilt  sind,    wird  durch  einen  beson- 


Sammet.  453 


deren  Tritt  aufgehoben  und  in  das  so  gebildete  Fach  legt  man  eine  Nadel  oder 
Rute.  Ist  hiernach  die  Polkette  niedergezogen,  d.  h.  wieder  unter  die  G-rund- 
kette  gebracht,  so  haben  sich  sämtliche  Polfäden  in  Schleifen  um  die  Ruten 
gelegt,  wodurch  die  Noppen  entstehen.  Hat  man  die  Polkette  durch  mehrere 
Schussfäden  wieder  mit  der  Grrundkette  gebunden,  so  legt  man  eine  neue  Rute 
ein  und  so  entstehen  je  nach  der  Zahl  der  eingelegten  Ruten  die  einzelnen 
Reihen  der  Noppen.  Die  Entfernung  der  Ruten  aus  dem  Gewebe  geschieht 
entweder  dadurch,  dass  sie  herausgeschnitten  oder  herausgezogen  werden,  wo- 
nach man  den  Sammet  als  geschnittenen  (Velours  coupe)  und  ge- 
zogenen oder  ungeschnittenen  (Velours  frises)  bezeichnet.  Die 
Ruten  unterscheiden  sich  in  Sammet-  und  in  Setzruten;  letztere  sind  im  Ver- 
hältnis zu  ersteren  dünner  und  höher  und  werden  gewöhnlich  bei  sehr  hohem 
Plor  (Moleskin),  bei  fassoniertem  Sammet  und  bei  leichten  Sammetbändern  mit 
Schlingfaden  angewandt.  Das  Aufschneiden  der  Noppen  geschieht  mit  dem 
Dreget,  einem  zugespitzten,  hakenförmigen  Messer,  das  in  der  Vertiefung 
der  Rute  entlang  gezogen  wird.    (Vgl.  hierzu  Fig.  11 — 18  auf  Tafel  X^T^.) 

In  Ansehung  der  einfachen  und  künstlichen  Art  des  Grewebes  unter- 
scheidet man  glatten  einfachen,  fassonierten  einfachen  mit  Tritt- 
mascbine  oder  Schäften,  gemusterten  S.  mit  Jacquardmaschine,  doppelten 
und  reichen  S.  Der  einfache  glatte  S.,  von  welchem  der  gerissene  oder 
geschorene  am  gangbarsten  ist,  wird  in  sehr  verschiedener  Güte  angefertigt 
und  hiernach  in  Kiep  er  und  Bastard  (früher  Baster)  unterschieden: 
Plüsch,  mit  den  nämlichen  Handgriffen  gewebt,  mit  langhaariger  Oberfläche, 
ist  hiervon  die  geringste  Art.  Zum  Kiepersammet,  den  man  auch  italienischen 
oder  genueser  S.  nennt,  nimmt  man  bessere  Seide  und  mehr  Fäden  als  zum 
Bastard:  man  spricht  hiernach  von  so  und  so  viel  fädigem  oder  drähtigem  S. 
Der  fassonierte  oder  gemusterte  S.  wird  auf  dem  Stuhl  des  glatten  S.  her- 
gestellt; aber  es  gehören  dazu  nach  der  Verschiedenheit  der  Muster  und 
Farben  zwei  und  mehrere  Polbäume  mit  ebenso  viel  Polketten.  Zuweilen  hat 
man  auch  Gröld-  und  Silberfäden  eingewebt  und  reiche  Muster  erzeugt :  es  ist 
das  Velours  or  frisees.  Ein  reiches  gemustertes  Sammetgewebe,  bei  dem 
die  Polfäden  durch  den  Harnisch  regiert  werden  müssen,  und  das  wegen  der  ver- 
schiedenen Einarbeitung  viele  Polbäume  nötig  macht,  wird  hergestellt,  indem 
die  Polbäume  durch  Rollen  oder  Klötzchen  ersetzt  werden.  Der  Doppel- 
sammet (Velours  ä  double  face)  hat  auf  beiden  Seiten  eine  Pole  oder 
haarige  Oberfläche;  gewöhnlich  ist  dabei  die  eine  Seite  anders  in  der  Farbe. 
Pelzsammet  (Panne)  hat  ein  höheres  Haar  als  der  gewöhnliche  und  ist 
mehr  eine  Art  Velpel,  man  hat  ihn  glatt,  gemustert,  gedruckt  und  gepresst. 
Gemalter  S.  (mit  Wasserfarben)  wurde  im  18,  Jahrh.  in  England  erzeugt, 
der  sich  auch  nach  Frankreich  und  Deutschland  verpflanzte,  ebenso  ge- 
druckter S.  zu  Tapeten,  Kleidern,  Möbeln  und  "Westen:  eine  besondere 
Art  von  Bildern  wurde  am  Ende  des  18.  Jahrh.  in  Sammetkettendruck 
hergestellt.  Gepresster  S.  hat  Muster,  welche  mit  heissem  Eisen  ein- 
gedrückt Averden,  wobei  man  dasselbe  Verfahren  anwendet  wie  bei  dem  ge- 
druckten Plüsch,  es  kommt  diese  Art  oft  unter  dem  Namen  TJtrechter  S. 
in  den  Handel. 

Der  S.  wurde  ursprünglich  nur  aus  Seide  gewebt,  jetzt  besteht  bei  dem 
eigentlichen  echten  S.  zumeist  nur  der  Flor  aus  Seide,  der  Grund  aus  Baum- 
wolle ;  selbst  die  teuersten  Sorten  besitzen  einen  solchen  aus  geringwertiger 
Seide.  Die  Nachahmungen  des  S.  in  Wolle  und  Baumwolle  gehören  der 
neueren  Zeit  und  die  in  Leinen  der  neuesten  Zeit  an.  Der  im  Handel  unter 
dem  Namen  Manchester  (franz. :  manchester  velours  coton ;  engl. :  fustian, 
velvet,  velveteen,  cord)  auftretende  Baumwollsammet  besteht  aus  der  Kette, 
dem  Grund  und  Polschuss.  Grundschicht  und  Kette  bildet  einen  glatten, 
leinwandartigen  oder  geköperten  Grund.  Der  Polschuss  legt  sich  zwischen 
den  Grundschuss  und  läuft  so  über  die  Kette,  dass  mindestens  ^/4  desselben 
auf  der  rechten  Gewebeseite  in  parallelen  Streifen  flott  liegen.  Diese  Streifen 
bilden   mit    dem  Grunde   flache  Schläuche   und   werden   nach    dem  Weben  mit 


454  Sammetbänder. 


einem  feinen  Messerchen  aufgeschnitten.  Die  so  entstandenen  Faserenden 
bürstet  man  auf  der  Maschine  auf,  wodurch  der  den  Grrund  deckende  Flor 
entsteht.  Hierauf  folgt  noch  Färben,  Scheren  und  Sengen,  letztere  Arbeiten, 
um  einen  gleichmässigen  Flor  zu  erzielen.  Die  Höhe  des  Poles  ist  bei  Man- 
chester eine  sehr  beschränkte.  Langer  Flor  kann  nur  durch  weiten  Stand  der 
einzelnen  Büschel  erzielt  werden,  was  zu  einer  geringeren  Deckung  des  Grrundes 
führt.  Wie  bei  dem  echten  S.  unterscheidet  man  auch  bei  M.  geschnittenen 
und  ungeschnittenen;  ferner  gestreiften,  welcher  entweder  dadurch  entsteht, 
dass  man  die  Pole  nur  streifenweise  aufschneidet,  oder  dadurch,  dass  schon  bei 
dem  Weben  zwischen  den  Polstreifen  breitere  Grundstreifen  stehen  bleiben. 
Zu  den  letzteren  Geweben  gehören  der  Kord  (franz.:  velours  ä  c6tes,  cordelet; 
engl. :  cord). 

Das  Alter  des  Sammets  ist  nach  erhaltenen  Stoffen  nicht  mit  Be- 
stimmtheit nachzuweisen,  man  stützt  sich  dabei  auf  die  Beschreibung  in  älteren 
Schriften  und  kommt  zunächst  auf  die  verschiedensten  Benennungen  und  Um- 
schreibungen des  Gewebes.  Gottfried  Semper  (Der  Stil  u.  s.  w.,  Bd.  I,  §  44) 
möchte  die  Etymologie  des  Wortes  velours,  welches  im  13.  Jahrh.  aufkam, 
nicht  von  velum  und  ursus  herleiten,  sondern  mit  dem  englischen  velvet 
und  dem  deutschen  Felbel  in  Zusammenhang  bringen,  und  dabei  an  Weif,  an 
das  glatte  Fell  des  jungen  Hundes  oder  Löwen  denken.  Henri  Silbermann 
(Die  Seide  u.  s.  w.)  teilt  nach  Prof.  Karabacek  (Heber  einige  Benennungen 
mittelalterlicher  Gewebe,  Wien  1882)  und  nach  Fr.  Michel  (Becherches  sur  le 
commerce  etc.  des  etofPes  de  soie  etc.  en  France  pendant  le  moyen  äge.  Paris 
1852)  für^Sammet  einige  arabische  Bezeichnungen  mit  —  als  catifah,  scia- 
mito  u.  s.  w.  —  und  berichtet,  dass  ausser  dem  echt  arabischen  Sammet  von 
Beyrut,  Damaskus  und  Alexandrien  auch  andere  unter  der  Bezeichnung  „Samis 
de  Bomanie"  im  Handel  vorkamen.  Als  Abart  des  Sammets  wird  Timit  ge- 
nannt und  des  öfteren  erwähnt,  dass  die  grüne  Farbe  des  S.  sich  im  Mittel- 
alter besonderer  Beliebtheit  zu  erfreuen  hatte.  Die  ältesten,  dem  Plüsch  ähn- 
lichen Stoffe,  waren  nach  Semper  solche  aus  Atlas  von  vielfädigem  Einschlag, 
dessen  Fäden  zur  Hälfte  oder  zum  Teil  zerschnitten  wurden,  damit  sie  als 
lose  Enden  ein  weiches  langhaariges  Ylies  bildeten.  Dergleichen  Stoffe  in  Wolle 
sind  bereits  den  alten  Bömern  bekannt  gewesen  und  werden  als  Spezialität 
der  damaligen  gallischen  Wollenindustrie  von  Plinius  und  anderen  alten  Autoren 
oft  erwähnt.  Der  Textur  des  Sammets  verwandt  sind  auch  die  aus  koptischen 
Gräbern  gekommenen  Leinengewebe  mit  hängenden  Noppen,  ferner  die  daher 
stammenden  Durchzug-  und  Knüpfarbeiten  in  farbiger  Wolle.  Dem  Sammet 
noch  näher  stehend  ist  im  Kaiser  Friedrich-Museum  zu  Berlin  ein  violetter 
ungemusterter  langhaariger  Seidenstoff  aus  koptischen  Grabfunden,  12. — 13. 
Jahrh.  (?),  vielleicht  auch  älter  (?),  welcher  bezüglich  des  Alters  dem  aus  dem 
Pergament-Codex  des  Theodulf  (9. — 12.  Jahrh.)  zu  Le  Puy  in  Frankreich  gleich- 
käme; letzterer  wird  als  das  älteste  erhaltene  Beispiel  von  S.  genannt.  Der 
Orient,  der  alte  Sitz  aller  Seidenkultur,  war  auch  der  Sitz  der  Sammetmanu- 
faktur  und  alle  Dichter  und  Chronisten  lassen  ihn  unter  orientalischen  Fabri- 
kationsnamen von  dort  kommen.  Auch  unter  den  Geschenken  des  Harun-al- 
Baschid  an  Karl  den  Grossen  sollen  sich  schon  Sammetstoffe  befunden  haben. 
Eigentümlich  bleibt  die  Erscheinung,  dass  unter  den  der  heutigen  Zeit  ver- 
hältnismässig zahlreich  erhaltenen  frühmittelalterlichen  und  mittelalterlichen 
Seidenstoffen  die  Gewebe  in  Sammet  sich  aus  diesen  Epochen  nur  nach  zwei 
bis  drei  Stücken  zählen  lassen  und  sie  führt  zu  der  Frage,  ob  diese  paar  der 
ältesten  Beispiele  von  Sammet  nicht  dicke  gerauhte  Atlasstofife  sein  können.  (?) 
Die  eigentliche  Aufnahme  des  Sammets  fällt  erst  in  die  Zeit  des  14.  bis^lö. 
Jahrh.,  woher  sich  sowohl  aus  dem  Orient,  als  auch  aus  Italien  und  Spanien 
die  schönsten  Stücke  in  Mengen  erhalten  haben.     (Sammettapeten  s.  Tapeten). 

Sammetbänder  sind  in  ihrer  Herstellung  dem  Stücksammet  als  Web- 
ware gleich  und  werden  auf  dazu  eingerichteten  Bandstühlen  wie  dieser  her- 
gestellt. Man  unterscheidet  S.  in  „mit"  und  „ohne"  feste  Kanten,  von  denen 
die    ersteren   einer  besonderen  Lade  bedürfen.     Das  Weben  der  S.  ohne  feste 


Sammetbrokat— Sankt  Wendel.  455 


Kanten  ist  einfacher,  indem  sie  als  Stücksammet  dargestellt  und  durch  Schling- 
fäden getrennt  werden. 

Sammetbrokat,  s.  Brokat  und  Broschieren. 

Sammetspitzen  Averden  solche  aus  Chenille  genannt. 

Sammetstuhl,  der  mit  einem  zweiten  Kettenbaum  für  die  Polkette  ver- 
sehene Webstuhl. 

Sammettapeten,  s.  Tapeten. 

Sana,  Stadt  in  der  Türkei  im  gleichnamigen  Wilajet:  die  Industrie 
liefert  grobe  Mäntel,  dicke  Baumwollzeuge  und  kostbare  Silberstoffe. 

Sandalina,  gewöhnlicher,  glatter  WoUenstoff^  der  in  Oberitalien  gewebt 
und  über  Livorno  nach  Spanien  ausgeführt  wird. 

Sandais  sind  gestreifte  Taffete,  oder  auch  mit  Sandelholz  rot  gefärbte 
seidene  Gewebe,  die  von  Konstantinopel  nach  den  Handelsplätzen  in  der 
Levante  gebracht  werden. 

Sandbach,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Chester:  Seidenspinnerei  und 
Wollweberei. 

Sandow,  Dorf  im  preuss.  B;6g.-Bez.  Frankfurt:  Wollspinnerei,  Teppich- 
und  Tuchfabrikation. 

Sandschak-Scherif  (türk.  „die  edle  Fahne"),  die  Fahne  des  Pro- 
pheten, die  heiligste  Reliquie  der  Türken,  die  der  Sage  nach  aus  den  ersten 
Kriegen  des  Propheten  stammt,  später  in  den  Besitz  der  Omaj jaden,  Abassiden 
und  Fätimiden  und  bei  der  Eroberung  Aegyptens  in  den  des  Sultans  Selim  I 
überging.  Der  S.  wird  in  der  kaiserlichen  Schatzkammer  zu  Konstantinopel 
aufbewahrt,  aus  der  er  nie  herauskommt.  Diejenige  Fahne,  welche  gelegentlich 
in  Gebrauch  genommen  wird,  ist  eine  ebenfalls  sehr  alte  Nachbildung  von 
grünem  Seidenzeug  mit  goldenen  Fransen,  die,  ohne  Aufschrift  und  Zeichen, 
nur  an  der  Spitze  der  Stange  das  einzige  Wort  'alem  (Fahne)  trägt.  Bei 
grossen  Kriegen  sowie  bei  schweren  inneren  Unruhen  wird  der  S.  auf  der 
Sophienmoschee  oder  dem  Serail  aufgepflanzt,  worauf  dann  jeder  waffenfähige 
Mann  sich  dem  Sultan  zur  Verfügung  stellen  muss.  Nur  wenn  der  Sultan 
persönlich  mit  ins  Feld  zieht,  oder  wenn  bei  dem  Islam  und  dem  Osmanen- 
reich  drohender  äusserster  Gefahr  die  Entzündung  fanatischer  Kampflust  not- 
wendig erscheint,  wird  der  S.  ins  Lager  gebracht  und  vom  Mufti  oder  vom 
Sultan  persönlich  enthüllt. 

Sandwolle,  die  Wolle  von  Schafen  aus  sandigen  Gegenden,  von  der  in- 
folge grosser  Sandbeimengungen  bei  der  Fabrikwäsche  oft  40 — 50%  vom  Ge- 
wicht verloren  geht. 

Sangales,  Sangalettas,  Zangalettas,  sind  leichte,  dünn  gewebte  flächsene 
Leinen,  welche  weissgebleicht  und  roh,  besonders  aber  in  verschiedenen  bunten 
Farben  gefärbt  aus  Böhmen,  Schlesien,  Sachsen  und  St.  Gallen  nach  Spanien, 
Italien,  Westindien  und  Amerika  gehen. 

Sangles,  im  franz.  Handel  die  aus  Hanf  geflochtenen  Gürtel,  Tragbänder 
und  Sattelriemen,  welche  vornehmlich  in  Paris,  Chalons,  Carbonne  usw.  grau, 
weiss,  gestreift,  in  verschiedenen  Breiten  von  den  Seilern  verfertigt  werden. 

Sankt  Blasien,  Flecken  im  bad.  Kreis  Waldshut :  Baumwollspinnerei  im 
ehemaligen  Klostergebäude. 

Sankt  Gallen,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Schweiz.  Kanton:  Sitz  der 
Yorarlb  ergischen  Stickerei-  und  Weiss  war  enindustrie  mit  Stickereibörse. 

Sankt  Martha,  columbische  Baumwollsorte. 

Sankt  Martin,  westindische  Baumwollsorte. 

Sankt  Michel,  Hauptstadt  im  südöstl.  Teil  Finnlands :  Herstellung  grober 
Woll-  und  Leinenwaren. 

Sankt  Tonis,  Flecken  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Düsseldorf:  Seiden-  und 
S  ammetweb  er  ei. 

Sankt  Vincent,  westindische  Baumwollsorte. 

Sankt  Wendel,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Trier:  Wollspinnereien  und 
Tuchfabrik. 


456  Sannas — Satinade. 


Sannas  oder  Sanas^  leinwandartige,  weisse  und  blaugefärbte  baumwollene 
Gewebe,  welche  früher  in  Mengen  aus  Ostindien  nach  Europa  kamen  und  in 
den  Kattundruckereien  verarbeitet  wurden. 

Sans  Nuance,  ein  reicher  Seidenstoff  mit  eingewirkten  goldenen  Blnmen 
auf  Grosdetours-,  auf  Atlas-,  auf  Lisere,  auf  Fondd'or-  oder  anderem  Grunde, 
welchen  die  Manufakturen  von  Lyon    zu    Staatskleidern   und  Westen  lieferten. 

Santiago  de  CompOStela,  Stadt  in  der  span.  Prov.  Corußa:  Fabrikation 
und  Handel  mit  Leinwand,   Seide  und  Garn. 

Saracenicum,  im  Mittelalter  ein  Seidenstoff,  welcher  von  Sarazenen 
(Arabern)  in  Spanien  und  Sizilien  hergestellt  wurde;  es  ist  hieraus  der  Name 
Saracenet,  Sarsenet  entstanden. 

Sarepta,  deutsche  von  Herrnhntern  gegründete  Kolonie  im  russ.  Gou- 
vernement Ssaratow:  Weberei  in  Seide,  Wolle  und  Leinen. 

Sargues,  eine  Art  Serge,  halb  aus  Leinen  und  halb  aus  kardätschter 
Wolle,  die  in  Oberlanguedoc  gewebt  wird. 

Sarong,  Bezeichnung  für  in  Ostindien  gangbare  bunte  Webewaren.  Auch 
die  auf  Java  in  Batik  (s.  d.)  hergestellten  Zeuge  für  Frauenröcke  werden  S. 
genannt. 

Sarpinka,  russischer  Baumwollstoff  aus  Sarepta. 

Sarsche  (vom  franz.  Serge),  leichtes  wollenes,  halbseidenes  Zeug.  Kron- 
sarsche, von  feiner  Wolle,  geköpert;  Doppelsarsche,  auf  beiden  Seiten 
gleich;  Tuchs arsche,  derber,  wollen,  nicht  geköpert. 

Sarsenet  (engl.),  eigentlich  ein  seidener  (s.  Saracenicum),  jetzt  aber  ein 
baumwollener,  leinwandartig  dicht  gewebter,  glatter  Stoff,  im  Stück  gefärbt 
und  stark  appretiert.  Einfarbig  versteht  man  darunter  im  allgemeinen  die 
farbigen  Futterkattune,  welche  öfter  durch  AValzen  so  gepresst  sind,  dass  sie 
ein  geköpertes  oder  klein  gemustertes  Gewebe  nachahmen.  Im  spani-cjchen 
Handel  heissen  S.  Zangalete. 

Sasch  (arab.),  Nesseltuch,  ^  Turbanstoff. 

Sassanidische  Seidengewebe  des  5.—  8.  Jahrhunderts  sind  als  Eeliquien- 
hüllen  (s.  d.)  in  Barchen  erhalten  geblieben.  Sie  zeigen  in  kräftiger  Struktur 
Muster  aus  Kreisen  oder  quadratischen  Feldern,  auch  in  Streifen  geordnet  mit 
dem  heiligen  Baum,  neben  demselben  Paare  von  Tieren :  Greifen,  Löwen, 
Steinböcke,  Gazellen,  ferner  Darstellung  von  Fürsten  auf  der  Jagd  in  antiker 
und  reicher  persischer  Kleidung.  Die  Webereien  dieser  Periode  sind  von 
höchster  Seltenheit  und  zugleich  von  grösster  Wichtigkeit  als  Schlüssel  für 
die  TJebertragung  der  Formen  aus  dem  Orient  nach  dem  mittelalterlichen  Europa. 
(Vgl.  Abbildungen  1,  2  auf  Tafel  II.) 

Satin  (franz.),  (lat.:  cetinus) ;  Atlas  oder  Pasch.  Die  Araber  nannten 
im  Mittelalter  den  Atlasstoff  nach  dem  chinesischen  Handelsplatze  Tseu-thung 
(jetzt  T'swan-tscheu-fu  am  Kaiserkanal,  Provinz  Kiang-fu)  Zeitunijj,  mit  dem 
Artikel  Aszeitunijj,  woraus  in  Europa  Acetuni,  Aceituni,  Setuni,  Satin  usw. 
geworden  ist.  S.  ist  ein  seidenes  Gewebe  mit  glänzender  Oberfläche ;  indessen 
kommt  S.  auch  für  die  verschiedenartigsten  Zeuge  aus  Wolle  oder  Baumwolle 
in  Anwendung,  welche  durch  die  Art  ihrer  Herstellung  und  Appretur  Glanz 
zeigen:  wie  Englischleder,  Jeanet,  Oriental  usw.  Eine  Abart  des  S.  sind  die 
sogen.  Satinets,  gewöhnlich  leichter  gewebte,  meist  halbseidene  Atlasse. 
Die  Baumwollsatins  heissen  in  England  Sateens;  Wollsatins  werden  Satins 
de  laine  genannt.  Satin  d'Amerique,  gemischte  Gewebe,  in  denen  die 
Faser  der  Agave  Americana  mit  eingewoben  wird.  Satin  Delhi  heisst  ein 
vorzugsweise  in  Garn  aus  Kammgarn  gefertigter  feiner  Wollenstoff;  aber  auch 
ein  sächsischer  Halbwollenstoff  führt  diesen  Namen.  Satin  striped  ^ind 
Alpakazeuge,  welche  in  der  Baumwollkette  breitere  Seidenstreifen  und  Alpaka 
als  Einschuss  erhalten.  Satin  trame  coton,  ein  Atlasgewebe  aus  Seide  und 
Baumwolle. 

Satinade  (franz.),  leichter  und  dünner  Stoff  mit  Seidenkette  und  Wollen- 
oder Leinenschuss  und  gewöhnlich  Atlasstreifen  auf  Taffetgrund;  auch  ein 
leichter  gestreifter  Atlas. 


Satine — Scarf.  457 


Satine  (franz.),  eine  Abart  des  Satin,  atlasartiges  mehrfarbiges  Seiden- 
zeug, vornehmlich  in  Krefeld  gewebt. 

Satinet  ist  Englischleder. 

Satingarn  hiess  früher  das  harte  Kammgarn. 

Satinieren,  glänzend  machen,  von  Satin,  der  Atlasstoff. 

Satin  uni  et  ä  dents  heissen  die  seidenen  Atlasbänder,  welche  ins- 
besondere aus  Basel  kommen. 

Satterpori,  bunt  karierte  baumwollene  Schnupftücher,  welche  ehedem 
im  dänischen  Handel  vorkamen. 

Saulganshi,  ostindische  Kattune  ven  Trankebar. 

Saum  (lat. :  parura,  paratura ;  franz. :  bord) ,  der  durch  Nähen  eines 
schmalen  umbrochenen  Streifens  gefertigte,  oft  mit  Stickerei  oder  anderem 
Schmuck  verzierte  Hand  eines  Grewebes. 

Saumstich  wird  die  den  Saum  herstellende  Naht  genannt. 

Sauvagagi,  ältere  ostindische  Kattune,  die  auch  als  Sauvaguzeen,  Soua- 
guzen,  Savogessen  nach  Europa  kamen;  man  unterschied  darin  S.  brown  = 
ungebleichte;  dougtys  =  dichte  und  starke;  white  =  weisse  oder  gebleichte; 
S.  balazees  ^  gebleichte,  feine  u.  s.  w. 

Sauwabund,  Sewaudbund,  die  dritte  Sorte  ostindischer  Seide. 

Savannah,  Hauptort  im  nordamerik.  Staate  Georgia :  Baumwollfabrik,  der 
Haupthandel  ist  Baumwolle. 

Saved  list-cloth  oder  Bocking  ist  ein  grobes  Tuch,  welches  die  Eng- 
länder für  den  ostindischen  Markt  führen  und  die  Eingeborenen  tragen.  Man 
sieht  sehr  darauf,  dass  die  Leiste  des  Tuches,  wie  die  Engländer  es  nennen, 
saved  ist,  d.  h,  weiss,  ohne  Farbe,  so  dass  also  das  Tuch  in  der  Wolle  ge- 
färbt sein  muss. 

Savonnerie,  die  (franz.:  Tapis  veloutes  haute  lisse),  so  werden  die  in 
einem  Hospice  de  la  S.  im  Dorfe  Chaillot,  nächst  Paris,  nach  orientalischer 
Art  geknüpften  Teppiche  genannt.  Die  Muster  entsprechen  der  Stilart  des 
frühen  antikisierenden  Bokoko  (s.  d.):  es  sind  schwere  Akanthusranken,  bunte 
Blumengehänge  und  Palmetten  in  Bronzefarben,  auf  schwarzem  Grunde  dar- 
gestellt.    Seit  1825  ist  die  S.  mit  der  Manufacture  des  Gobelins  vereint. 

Sawn,  ostindisches  Baumwollgewebe. 

Saxonnienne,  veralteter,  klein  gemusterter,  einfarbiger,  zu  den  Armüren 
gehöriger  Seidenstoff,  bei  welchem  die  einfachen  bunten  Fäden  der  Kette  so 
durchschossen  wurden,  dass  Muster  und  Bibben  erhaben  erschienen. 

Saybusch  in  Galizien:   Tuchfabriken. 

Saye  (auch  Soye,  Soy),  1.  ein  festes,  wasserdichtes,  ganz  feines  Zeug, 
das  in  der  ital.  Prov.  Venedig  verfertigt  und  nach  der  Levante  verschickt  wird. 
2.  ein  Zeug  von  hartem  Kammgarn  (vgl.  Chalon). 

Sayegarn  (Sayetgarn,  Eil  de  Sayette),  ein  aus  feiner  Kammwolle  ge- 
sponnenes Garn,  welches  mehrdrähtig,  zuweilen  auch  mit  Seide  gemischt,  in 
den  Handel  kommt;  man  unterscheidet  hartes  und  weiches  S.  und  verfertigt 
es  nach  der  Stärke  in  verschiedenen  Nummern  bis  zu  einem  hohen  Grade 
von  Feinheit.  Das  harte  dient  zu  verschiedenen  Geweben,  während  man  das 
weiche  zu  Posamentierarbeiten,  Strümpfen  (Sayetstrümpfe),  Stickereien  u.  s.  w. 
gebraucht. 

Sayette  nennt  man  in  Frankreich  allgemein  alle  aus  langer  Kammwolle 
verfertigten  Zeuge,  insbesondere  die  verschiedenen  geköperten  und  einfachen 
Wollenzeuge,  als  Sergen,  Berkane,  Kamelotts,  Pasche  und  Etamine,  wie  sie  in 
Amiens  gefertigt  werden.  Sodann  werden  S.  die  englischen,  holländischen  und 
flandrischen  Patinen  oder  Paveschen  genannt,  sowie  auch  die  leichten,  halb- 
seidenen und  seidenen  Sergen. 

Scafati,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Salerno:  Baumwollkultur,  Woll-  und 
Baumwollindustrie. 

Scapulierzeug,  schwarzer  oder  weisser  Kamelott  zur  Kleidung  für  Kloster- 
geistliche in  katholischen  Ländern  (s.  a.  Skapulier). 

Scarf  (engl.)  in  England  wollene  schmale  Schärpe. 


458 


Schablone — Schal. 


Schablone  (vom  mitteluiederl.  cbampeliven),  (franz.:  champion:  Kämpe, 
Vorbild,  auch  carton ;  engl.:  stencil),  Modell,  Muster,  starkes,  geöltes  Papier 
oder  Blecb,  aus  welchem  Muster  ausgeschnitten  sind,  um  sie  auf  die  Fläcbe 
zu   bringen,    auch  Patrone    genannt.    In  Japan    (s.  d)  ist   die  Anwendung  der 

Schablone    in    der   Textilindustrie 
Abb    272  ^®^^  ausgebildet,    wozu  in  erster 

Heibe  das  dortige  Verfahren  des 
Zeugdruckes  (s.  d.)  und  gewisser 
Arten  von  Zeugfärberei  Gelegen- 
heit bieten.  Perner  spielt  die  Vor- 
zeichnung des  Musters  für  Stickerei 
in  Verbindung  mit  Malerei  auf 
Grund  der  Schablone  in  Japan 
eine  grosse  ßolle:  die  Fertigkeit 
in  der  künstlerischen  Darstellung 
solcher  Muster  steht  daher  dort  auf 
höchster  Stufe.    (Vgl.  Abb.  272.) 

Abbildung: 

272.  Darstellung  aus:  Heiden, 
Musteratlas,  Leipzig^  1895,  Bl.  58: 
Schablone  mit  Fächerpalmenbaum- 
muster.     Japan  19.  Jahrb. 

Schablonenstechmaschine 

oder  Stüpfelmaschine,  eine  maschi- 
nelle Einrichtung  zur  Herstellung 
solcher  Papierschablonen  zum  Vor- 
zeichnen von  Stickmustern  u.  dgl., 
bei  denen  die  Muster linien  durch 
dicht  aneinander  gereihte  Nadel- 
stiche dargestellt  sind,  so  dass  die 
Musterung  nach  dem  Auflegen  der 
Schablone  auf  das  Arbeitsstück 
durch  Aufreiben  eines  farbigen 
Harzpulvers  auf  dieses  übertragen 
imd  durch  Erhitzen  befestigt  werden  kann.  Auch  für  Vorzeichnungen  von 
Spitzenmustern  (Nadelarbeiten)    finden   Seh.  Verwendung. 

Schabracke  (türk.),  die  aus  Tuch,  Fell  oder  dergl.  gefertigte,  meist  ver- 
zierte Sattelüberlegedecke,  die  zum  Schutz  des  Sattels  dient.  Auch  werden 
Decken,  die  mehr  als  blosse  Paradestücke  unter  den  Sattel  gelegt  werden, 
S.  genannt. 

Schabrunke,  die  über  die  Pistolenhalter  oder  Packtaschen  des  Kavallerie- 
gepäcks gelegte  Decke. 

Schachwitz  nennt  man  bei  denen  im  Handel  nach  dem  Auslande  unter 
dem  Namen  Breslauer  Ballen  vorkommenden  Geweben,  diejenige  Sorte,  welche 
aus  weissgebleichtem  gemustertem  Zwillich  oder  Drell  zu  Servietten,  Hand- 
tüchern und  Bettüberzügen  besteht.  Auch  kommt  unter  Seh.  eine  rot-  und 
weissgestreifte  oder  ebenso  gegitterte  Leinwand  zu  Tischdecken  vor,  die  man 
„steingemustert''   nennt. 

Schaff  hausen,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Schweiz.  Kantons :  Fabri- 
kation von  Verbandstoffen  und  Bindfaden,  Trikotweberei,  Kammgarn-  und 
Wollspinnerei. 

Schafwolle  s.  Wolle. 

Schag,   ein  dichtes  laughaariges  Tuch,  welches  von  den  Einwohnern  der 
Orkneys-    und  Schottlandinseln   aus  der  groben  Wolle  der  dortigen  Schafe  ge- 
fertigt und  vorzugsweise  nach  Schottland  verkauft  wird. 
Schal,  Umschlagetuch,  s.  Shawl. 


Schalkau — Scherwolle.  459 


Schalkau,  Stadt  im  sachs.-meining.  Kreis  Sonneberg:  Wollspinnerei, 
Zeug-  und  Bandweberei,  Strumpfwirkerei. 

Schaly,  leinwandartig  gewebter,  feiner  wollener  Kleiderstoff. 

Schang-hai,  bedeutendste  Handels-  und  Hafenstadt  Chinas:  ausgedehnte 
Baumwoll-  und  Seidenindustrie. 

Schappe  s.  Chappe. 

Scharmbeck,  Flecken  im  preuss.  B-eg.-Bez.  Stade:  Wollspinnerei,  Tuch- 
fabrikation. 

Schärpe  (lat. :  escerpa;  franz.:  echarpe;  engl.:  scarf,  sash) ;  als  Tracht 
einiger  Völker  eine  breite,  gewebte  oder  gestickte  Binde  aus  seidenen,  halb- 
seidenen und  wollenen  Stoffen;  als  Dienstzeichen  der  Offiziere  ein  Band  aus 
Wolle  oder  Seide  in  den  Landesfarben,  mit  Silber-  und  Goldfäden  durchwirkt 
und  meist  mit  Quasten  verziert  (s.  a.  Shawls). 

Scharpie  s.  Charpie. 

Scharzen,  eine  Art  wollener  Decken. 

Schässburg,  Stadt  in  Siebenbürgen:  WoU-,  Leinen-  und  Baumwollweberei. 

Schaube,  Oberrock  im  16.  Jahrh.,  mit  Pelz  gefüttert  oder  verbrämt,  vorn  mit 
senkrechter  Oeffnung  und  mit  breit  ausgelegtem  Pelzkragen.  In  der  E^eformations- 
zeit  ist  die  S.  das  charakteristische  Kleidungsstück  des  Mannes,  aus  Brokat, 
Sammet  und  Atlas,  für  den  niederen  Stand  auch  aus  einfachen  Stoffen  gefertigt. 

Schecke,  gleichbedeutend  mit  Jacke,  auch  ein  enger  Rock  mit  kurzen 
Schössen;  sie  erscheint  in  der  Mitte  des   14.  Jahrhunderts. 

Scheckel,  im  Oesterreichischen  die  Bettleinwand. 

Schecken  nennt  man  in  den  Weberdörfern  der  Oberlausitz  und  in  den 
böhmischen  Grrenzorten  die  gewöhnlichen  blau-  und  weissgestreiften  oder  ebenso 
gegitterten  Leinen,  welche  im  Handel  nach  dem  Auslande  unter  dem  Namen 
Buchleinen  vorkommen. 

Schedewitz,  Dorf  in  Sachsen,  bei  Zwickau :  Kammgarnspinnerei  und 
Weberei  halbwollener  Futter-  und  Kleiderstoffe  mit  Färberei. 

Scheibenberg,  Stadt  in  Sachsen,  bei  Annaberg:  Fabrikation  von  Spitzen 
und  Posamenten. 

Schelklingen,  Stadt  im  württ.  Oberamt  Blaubeuren:  in  der  1806  auf- 
gehobenen Benediktinerabtei  ist  Baumwollweberei. 

Schellentracht,  eine  im  16.  Jahrh.  aufgekommene  Mode,  die  Kleider, 
namentlich  die  Mäntel,  mit  Schellen  zu  behängen. 

Schemacha,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Baku  in  Transkleinasien:  die 
früher  bedeutende  Seidenweberei  ist  infolge  der  Erdbeben  1859  und  1872 
zurückgegangen :  auch  1902  wurde  S.  durch  ein  Erdbeben  verwüstet. 

Schendi ,  eine  der  Hauptstädte  des  altägyptischen  Reiches :  Kattun- 
w^eberei,  Färberei. 

Schenectady,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  Neuyork:  Fabrikation  von 
Strick-  und  Posamentierwaren. 

Scherbaum,  Vorrichtung  am  Webstuhl. 

Scherbrief,  die  Vorschrift,  wie  beim  Scheren  (s.  d.)  der  Kette  für  einen 
bestimmten  Stoff  vorzugehen  ist. 

Scheren  der  Kette,  das  Abmessen  und  Ordnen  der  für  eine  Zeugkette 
erforderlichen  Fäden. 

Scherflocken  =  Scherwolle. 

Scherkanter,  Scherlatte  =  Scherbank. 

Schermaschine,  in  der  Tuchfabrikation  eine  Appreturmaschine,  in  der 
Weberei  soviel  wie  Kettenschermaschine;  auch  eine  Maschine  der  Filzhut- 
fabrikation. 

Scherrahmen,  Schweifrahmen,  Zettelrahmen,  eine  Art  Haspel,  auf  w^elchen 
der  Weber  die  zur  Kette  gehörige  Zahl  Fäden  von  den  Spulen  der  Scherbank 
aufwindet. 

Scherung,  die  Kette  eines  Gewebes. 

Scherwolle,  die  beim  Tuchscheren  abfallenden  Härchen,  zum  Velutieren 
von  Tapeten,  Wollmosaik. 


460  Schetterleinwand — Schirgiswalde. 

Schetterleinwand  oder  Schotterleinwand  (lat.:  ristatela;  franz.:  bougran; 
engl.:  buckram) ;  grobe,  der  Graze  ähnlich  gewebte,  dabei  ziemlich  steife 
Leinwand. 

Schettertaffet,  Zindeltaffet,  ein  sehr  leichter    und    durchsichtiger  Taffet. 

Schiavina,  dichtes  starkes  AYollentuch,  lang  geschoren,  welches  an 
mehreren  Orten  in  Dalmatien  und  Slavonien  aus  schwarzer  und  brauner  Land- 
wolle verfertigt  und  zu  Kapuzen  oder  kurzen  Matrosenmänteln  verbraucht  wird. 

Schichtweberei  ist  eine  moderne  Bezeichnung  für  die  gobelinartige 
AVirkarbeit,  in  welcher  heut  die  nach  Art  der  orientalischen  Kilims  (s.  d.) 
erzeugten  Decken,  Teppiche  u.  s.  w.  hergestellt  werden.  Der  Ausdruck  hat 
seinen  Ursprung  nach  den  sich  durch  die  Technik  ergebenden  geraden  Schlitzen, 
deren  äussere  Wirkung  dem  „Schichtensystem"  der  Bauweise  entspricht,  wonach 
zwei  sich  parallel  begrenzende  Flächen  „Schichtenflächen"  genannt  werden. 
(Vgl.  auch  Schlitz  Wirker  ei.) 

Schiemannsgras,  seemännischer  Ausdruck  für  die  aus  altem  Tauwerk 
aufgelösten  Garnfäden,  die,  nach  Bedürfnis  geteert  und  zusammengedreht,  zum 
Verbinden  und  Umwickeln  der  Taue  dienen. 

Schiertuch,  in  "Westfalen  ein  leichtes   Segeltuch. 

Schiessbaumwolle,  Schiesswolle  oder  Pyroxylin,  (franz.:  coton  explosible 
ou  coton  fulminant),  eine  durch  Umwandlung  gewöhnlicher  Baumwolle  mittels 
Einwirkung  rauchender  Salpetersäure  und  konzentrierter  Schwefelsäure  sich 
bildende  Trinitrocellulose,  die   in  der  Sprengtechnik    eine    grosse   Rolle  spielt. 

Schiessspule,  in  der  Weberei  =  Schütze. 

Schiesswolle  s.  Schiessbaumwolle. 

Schiff,  als  symbolische  Darstellung  Christi  oder  der  christlichen  Kirche 
überhaupt,  erscheint  im  Webemuster  des  14.  Jahrhdts.  nicht  selten;  es  wird 
als  kleiner  Nachen  (Abb.  45),  häufig  auch  als  Segelschiff  dargestellt,  welches 
der  Aufnahme  bedrängter  Wesen  dient. 

Schiff,  in  der  Weberei  :=  Schütze. 

Schildkröte,  in  China  und  Japan  dargestellt  als  Symbol  des  Glückes 
und  langen  Lebens,  auf  Geweben  und  Stickereien  vorkommend,  namentlich  in 
Japan  auf  dem  „Fukusa",  d.  i.  ein  Geschenktuch  (s.  d.). 

Schilfleinen,  braun  und  grün  gesprenkelter  kräftiger  Modestoif. 

Schillertaffet,  deutsche  Bezeichnung  für  changeant  taffetas.  Schillernde 
Zeuge  sind  im  allgemeinen  diejenigen,  welche,  je  nachdem  das  Licht  darauf 
fällt,  in  einer  oder  zwei  Farben  schillern,  was  dadurch  entsteht,  dass  die  Kette 
des  Stoffes  eine  andere  Farbe  hat,  als  der  Schuss.  Erfordernis  zur  beabsichtigten 
Wirkung  ist  es^  dass  die  Fäden  viel  Glanz  haben.  In  neuerer  Zeit  stellt  man 
auch  schillernde  Stoffe  dar,  bei  denen  das  Schillern  durch  die  eigentümliche 
Beschaffenheit  der  Teerfarbstoffe,  mit  denen  sie  gefärbt  sind,  hervorgebracht  wird 
(s.  a.  Changeant  und  Lüster). 

Schillingsfürst,  Marktflecken  im  bayr.  E.eg.-Bez.  Mittelfranken:  Seiden- 
bandweberei. 

Schiltach,  Stadt  im  badischen  Kreis  Offenburg:  Tuch-  und  Lodenstoff- 
fabrikation. 

Schiniert  =  chiniert. 

Schinkel,  Dorf  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Osnabrück:  Baumwollweberei. 

Schio,  Haupt  ort  in  der  ital.  Provinz  Vicenza:  bedeutende  Tuchfabriken, 
Streichgarnspinnerei  und  Färberei. 

Schiptücher,  gewöhnliche  Tücher,  welche  in  Schlesien  und  Polen  aus 
grober  Wolle  gewebt,  im  Stück  gefärbt  und  von  den  Landleuten  getragen  werden. 

SchiräS,  Schiraz,  ehemals  blühende  Stadt  der  pers.  Provinz  Farsi^tan: 
Industrie  in  Baumwolle,  Wolle  und  Seide,  Teppichfabrikation.  S.  ward  nach 
der  Vertreibung  der  Sassaniden  Hoflager  der  Chalifen  in  der  IMitte  des  7.  Jahrb., 
erreichte  seine  höchste  Blüte  unter  dem  Mongolenkaiser  Hulagu  im  13.  Jahrh. 
bis  auf  Timur,  der  es   1387  und  1392  eroberte. 

Schirgiswalde,  Stadt  in  Sachsen,  bei  Bautzen :  mechan.  und  Handweberei 
in  Leinen  und  Barchent;  Strumpfwirkerei. 


Schivelbein — Schleier.  461 


Schivelbein,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köslin:  Damast-,  Tuch-  und 
E,aschweberei ;  Fabrikation  von  AVolhvaren. 

Schlackenwerth,  Stadt  in  Böhmen:  Spitzenfabrik. 

Schlackenwolle,  ein  aus  Hochofenschlacke  erzeugtes  Kunstprodukt,  das 
zwischen  Drahtplatten  gepresst  als  "Wandbekleidung  für  provisorische  Bauten 
Verwendung  findet. 

Schlag,  in  der  Weberei  die  Lade  des  Webestuhles,  auch  die  Bewegung 
des  Blattes  gegen  eingeschossene  Fäden,  um  ihnen  die  rechte  Lage  zu  geben, 
in  der  Spitzenklöppelei  entstehen  durch  Fadenkreuzungen  „Schläge"  ver- 
schiedener Art,  je  nachdem  die  Klöppelpaare  bewegt  oder  gedreht  werden, 
sodass  es  Halbschläge  und  Ganzschläge  gibt  (s.  Spitzen). 

Schlaggarne,  Wand,  die  auf  dem  Yogelherd  verwendeten  Netze,  die  zwei 
Flügel  bilden  und  durch  eine  Bückleine  rasch  zusammenschlagen,  dass  sie  ihrer 
ganzen  Länge  nach  deckend  wirken. 

Schlagholz,  das  messer-  oder  kammförmige  hölzerne  Werkzeug,  welches 
bei  manchen  Arten  der  Handweberei,  z.  B.  der  Teppichweberei  der  Asiaten, 
zum  Anschlagen  des  Schlussfadens  gebraucht  wird. 

Schlagmaschine,  Schlag-  und  Wickelmaschine,  Maschinen  der  Baum- 
wollenspinnerei und  der  Wergspinnerei;  auch  eine  Maschine  zum  Zusammen- 
drehen (Schlagen)  der  Litzen  von  Hanfseilen. 

Schlagwolf,  Vorrichtung  zur  Wollspinnerei. 

Schlan,  Stadt  in  Böhmen:  grosse  Baumwollspinnerei. 

Schlangen-  oder  Zickzackköper  entsteht,  wenn  der  Weber  nicht  immer 
die  Tritte  der  Beihe  nach,  d.  h.  geradedurch,  tritt,  sondern  abwechselnd  vor- 
wärts und  rückwärts  (im  Spitz)  arbeitet.  Da  beim  Rückwärts  arbeiten  der 
Köpergrat  ebenfalls  rückwärts  laufen  wird,  so  entstehen  im  Muster  Zickzack- 
oder Schlangenlinien,  die  in  der  Bichtung  der  Kette  verlaufen. 

Schlangenlahn  ist  Kantille,  welche  etwas  ausgedehnt  und  geglättet  wurde, 
so  dass  sie  wellige  Biegungen  behält. 

Schlauchkops  wird  beim  Spulen  der  Grarnkörper  genannt,  Avenn  das 
Garn  ohne  eine  Unterlage  auf  die  blanke  Spindel  der  Spulmaschine  aufgespult 
worden  ist. 

Schlauchweberei  stellt  Hohlgewebe  her,  im  modernen  Sinne  auf  dem 
Bundwirkstuhl  entstandene  Schläuche  (s.  Wirkwaren),  in  welcher  Art  nach 
Notizen  von  Braulik,  Altägyptische  Gewebe,  Stuttgart  1900,  die  alten 
Aegypter  schon  nahtlose  Kleider  fertigten. 

Schlawe,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Köslin :  Leinwandweberei,  Woll- 
spinnerei, Färberei,  Leinwandmarkt. 

Schleier,  Schlier,  Schier,  Klar,  Nonnenschier,  (lat. :  faciale,  velum, 
galumna,  jugale,  pallium  umbrale;  franz.:  claire,  linon,  batist  ä  libret,  voile; 
engl. :  lawn,  veil  muffler ;  span. :  estopillas),  leinwandartig  und  auf  Battistart 
locker  gewebter,  daher  halbdurchsichtiger  Baumwollen-  oder  Leinenstoff,  schon 
bei  den  alten  Völkern  (s.  Byssus)  von  den  Frauen  getragen,  teils  um  das  Ge- 
sicht zu  verhüllen,  teils  als  Kopfputz.  In  der  Karolingerzeit  wurde  ein  runder 
Seh.  von  etwa  IY2  ^^  Durchmesser  aus  weisser,  oft  gestickter  Leinwand  ge- 
tragen; später  (im  12.  Jahrh.)  war  er  kleiner,  oft  aus  feinem  Seidengewebe, 
und  wurde  unter  den  Stirnreif  gelegt;  im  13.  und  14.  Jahrh,  wurde  er  be- 
deutend länger  und  dünner  besonders  von  der  Jugend  benützt.  Im  Abend- 
lande gehört  der  Seh.  zur  Tracht  der  Nonnen  und  zum  Schmuck  der  Bräute. 
Die  heutigen  Orientalinnen  legen  ihn  ausser  dem  Hause  in  Gestalt  zweier 
Binden  um  Stirn  und  unteren  Teil  des  Gesichtes,  so  dass  nur  die  Augen 
freibleiben. 

Technisch  unterscheidet  man  dichte  oder  dicke,  klare  oder  dünne  Seh. 
Die  dichte  Art  unterscheidet  sich  von  der  Batistleinwand  darin,  dass  der 
Faden  weicher,  ihr  Einschlag  etwas  feiner  als  die  Kette,  und  das  Gewebe 
demnach  dünner  ist,  und  dass  sie  nach  der  Bleiche  gestärkt  und  geplättet  wird; 
die  klare  Art  unterscheidet  sich  durch  ihre  zarten  Fäden  im  Einschlag  wie 
im  Aufzug,  welche  um  ein  merkliches  voneinander  entfernt  sind. 


462  Schleieretamin — Schlitz  Wirkerei. 

Schleieretamin  (franz. :  etamine  ä  voile),  leinwandartig  gewebter  Wollen- 
stoff aus  Kammgarn,  der  ähnlich  dem  Wollmusselin  ist;  meist  weiss  oder 
schwarz,  der  besonders  in  Frankreich  gefertigt  und  zu  Priesterkleidern,  Hals- 
binden, Halstüchern,  Trauerkleidern,  sowie  zu  TJnterfuttern  gebraucht  wird 
und  für  Italien  und  Spanien  ein  sehr  gangbarer  Handelsartikel  ist. 

Schleierleinwand  s.  Linon. 

Schleiertuch,  ein  wenig  oder  gar  nicht  gestärkter,  sehr  locker  gewebter, 
feiner  leinwandartiger  Baumwollstoff,  ähnlich  dem  Linon  (s.  d.). 

Schleim  nennt  man  klare  und  dünne  Schleier  aus  feinem  Flachsgarn, 
welche  glatt,  weiss  gestreift  oder  weiss  gewürfelt  verfertigt,  und  unter  dem 
Namen  Kavensburger  Leinen  in  den  Handel  kommen. 

Schleitheim,  Stadt  im  Fürstentum  Reuss  j.  L. :  WoU-  und  Baumwoll- 
weberei, Strumpfwirkerei. 

Schlema  (Ober-S.)  in  Sachsen,  bei  Zwickau:  Maschinenstickerei,  Shoddy- 
spinnerei,  Färberei,  Bleicherei,  Appreturanstalt. 

Schlesien,  ein  ehemals  zur  Krone  Böhmens  gehöriges  Herzogtum: 

I.  Preussisch-Schlesien:  bedeutende  Textilindustrie ,  wovon  die 
Flachsspinnerei  und  Leinenweberei  die  grossartigste  im  ganzen  Staate 
ist ;  sie  hat  ihre  Sitze  in  den  Kreisen  Lauban,  Hirschberg,  Löwenberg,  Landes- 
hut, Waidenburg,  Glatz,  Habelschwerdt,  ferner  in  Leobschütz,  Neisse  und  Neu- 
stadt in  Oberschlesien.  Die  Baumwollspinnerei  und  -web  er  ei  ist  ver- 
breitet auf  dem  platten  Lande  der  Kreise  E-eichenbach,  Neurode,  Glatz, 
Schweidnitz  und  einigen  anderen.  Tuchfabrikat  ion  und  Wollspinnerei 
findet  sich  ausschliesslich  in  Görlitz,  Sagan,  Grünberg,  Breslau,  Frankenstein 
und  Liegnitz ;  Stickerei  und  Spitzenklöppelei  in  den  Kreisen  Hirsch- 
berg, Liegnitz,  Fraustadt,  Breslau,  Leobschütz,  Batibor  u.  a.  Die  Veredelung 
von  Garnen  und  Geweben  zählt  umfangreiche  Betriebe. 

IL  Oesterreichi seh-  Schlesien:  Das  wichtigste  Erzeugnis  der 
Textilindustrie  sind  die  Tuche  und  Wollwaren  von  Bielitz,  Troppau, 
Jägerndorf  und  Teschen  usw.  In  der  Zahl  der  Dampfwebstühle  für  Streich- 
garn überragt  das  Land  sogar  Böhmen.  Nächstdem  sind  zu  nennen  die  D  amast-, 
Leinen-  und  Zwillichwaren  von  Freiwaldau,  Zuckmantel,  Würbenthai, 
Engelsberg,  Freudenthal,  Wigstahl  u.  a.  Baumwollwaren  besonders  in  Friedek 
und  Umgebung. 

Schlesische  Leinwand,  die  in  der  Prov.  Schlesien  meist  auf  Handstühlen 
gefertigten  Leinengewebe,  welche  trotz  der  Ueberhandnahme  des  Verbrauchs 
baumwollener  Ware  anstatt  der  leinenen  und  der  Fortschritte  in  der  Maschinen- 
flachsspinnerei und  -Weberei  im  Leinenhandel  noch  einen  bedeutenden  Bang 
einnehmen. 

Schleswig-Holstein,  Provinz  im  preuss.  Staate:  Wollweberei  in  Kiel, 
Leinenweberei  in  den  Kreisen  Tondern,  Hadersleben  u.  a. 

Schlettau,  Stadt  im  sächsischen  Erzgebirge:  Posamentenfabrikation  und 
Spitzenhandel. 

Schlichtbürsten,  zwei  Bürsten  zum  Auftragen  der  Schlichte  auf  beide 
Seiten  der  Kette  des  Gewebes. 

Schlichten,  das  Tränken  der  Kettenfäden  mit  Mehl-  oder  Stärkekleister, 
damit  sie  glatt  und  steif  werden  und  beim  Weben  nicht  reissen. 

Schlichtmaschine,  Dressingmaschine,  besorgt  in  der  Weberei  das  Schlichten 
und  zugleich  das  Aufbäumen  der  Kette. 

Schlingfäden  erteilen  den  Sammetb ändern,  welche  ohne  feste  Kanten 
gewebt  werden,  die  Bänder. 

Schlitzwirkerei  kann  man  ihrer  äusseren  Erscheinung  nach  die  älifeste 
der  eigentlichen  Weberei  voraufgegangene  Technik  im  Bereiche  der  Textil- 
kunst  bezeichnen,  welche  auf  hoch-  oder  wagerecht  gespannter  Kette  durch 
Hin-  und  Herverflechten  bestimmter  Fadengruppen  derselben  eine  sich  in 
Schlitzen  absetzende  Musterung  herstellt.  Die  älteste,  gröbste  und  einfachste 
Art  derselben  ist  uns  erhalten  im  orientalischen  Kilim  (s.  d.).  Die  feinsten 
Schlitzwirkereien  in  Seide    und   Goldfäden    haben    die    koptischen    Textilfunde 


Schlipse. 


463 


gebracht,    welche   nach    den    darauf  be-  Abb.  273. 

findlichen  arabischen  Inschriften  dem 
12. — 15.  Jahrh.  angehören,  aber  wohl 
auch  heute  noch  im  Orient  gemacht 
werden.  Hier  sind  schmale  und  breitere 
Borten  als  Endigung  von  feinen  Leineu- 
tüchern  in  dieser  Art  eingewirkt,  deren 
Farben  und  Musterung  lebhaft  an  alt- 
ägyptischen Einfluss  erinnern  (Abb.  273). 
Der  Entwicklungsgang  dieser  Technik 
führt  durch  viele  Vorstufen  schliesslich 
zur  sogenannten  Gobelinarbeit  (s.  Wand- 
teppiche) ;  ältere  orientalische  Arbeiten 
in  Wolle  sind  erhalten  u.  a.  in  dem  aus 
St.  Grereon  in  Köln  stammenden  Wand- 
behang des  XI.  Jahrh dts.  mit  Kreisen, 
in  welchen  die  Darstellung  von  Fabel- 
tieren in  Umrahmung  romanischer  Orna- 
mentborten (vgl.  Abbildungen  in  Müntz, 
La  Tapisserie  u.  a.  a.  0.  —  Original- 
stücke in  den  Museen  zu  Berlin  und 
Lyon  — )  an  frühmittelalterliche  Stoff- 
muster erinnern.  Eines  der  prächtigsten 
Beispiele  dieser  Wirkereien  in  Seide  ist 
die  aus  Bamberg  stammende  Arbeit  (ab- 
gebildet in  C ahi  e r  &  Martin,  Melange s 
d'archeologie  Bd.  II,  S.  251)  mit  ßeiter- 
figuren  in  Kreismustern  auf  kleingemu- 
stertem Grrunde  aus  herzförmigen  Blät- 
tern, die  für  frühbyzantinische  Kunst- 
formen bezeichnend  sind.  Welcher  me- 
chanischen Hilfsmittel  man  sich  bei  der 
Herstellung  dieser  feinsten  textilen Kunst- 
fertigkeit damals  bediente,  in  der  auch 
heute  noch  in  China  und  Japan  Uner- 
reichbares geleistet  wird  (Abb.  210  u.  274), 
ist  schwer  zu  sagen.  (Tgl.  Weberei.) 

Abbil  düngen: 

273.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser 

Friedrich-Museum  in  Berlin:  Teil  der  Endiguüg  eines  feinen  LeineLtuches,  bestehend 
aus  zwei  breiten  und  einer  schmalen  Borte  in  farbiger  Sei  den  Wirkerei.  Arabisch 
13.  Jahrh.     Aus  einem  Koptischen  Grabe. 

274.  Originalaufnahme  nach  einer  sich  im  Kunsthandel  befindlichen  Decke  (äusserer 
Abschluss    eines  Be- 
hanges)   in    farbiger  Abb.  274. 

Seidenwirkerei :  flie- 
o-ende  Reiher  in 
Wolken.  China  18. 
bis  19.  Jahrh. 

Schlipse,  Kra- 
watten oder  Hals- 
binden wurden  frü- 
her vorzugsweise 
aus  Frankreich  be- 
zogen ;  seit  lan- 
gem aber  werden 
sie  in  allen  be- 
deutenden  Städten 


464  Schluckenau — Schonen. 


Deutschlands  gefertigt  und  für  diesen  Artikel  in  neuerer  Zeit  eigens  Seiden- 
stoife  mit  abgepassten  Mustern  gewebt.  (Vgl.  Tafel  YIII,  Abb.  6,  8,   10.) 

Schluckenau,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutende  Leinen-,  Schafwoll-,  Baum- 
wollwaren-, Sammetfabrikation  und  Baumwollspinnerei. 

Schmallenberg,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Arnsberg:  Wollspinnereien, 
-Wirkereien  und  -Färbereien. 

Schmiedeberg  im  Eiesengebirge :  Seiden-,  Plüsch-,  Chenille-  und  Leinen- 
weberei, Wollspinnerei,  Leinen-  und  Kattundruckerei,  Bleicherei  und  Appretur, 
sowie  Fabrikation  von  Teppichen  und  Nadelspitzen. 

Schneeberg,  Stadt  in  Sachsen,  bei  Zwickau:  die  früher  hier  blühende 
Stickerei  und  Spitzenklöppelei  ist  durch  die  Einführung  der  Maschinen  zurück- 
gedrängt ;  weitverbreitet  ist  die  Maschinenstickerei,  die  Weissstickerei,  die  An- 
fertigung von  Blonden  und  Konfektionen,  von  Korsetten  und  Tüll.  Spitzen- 
klöppelmeisterschule  zur  Ausbildung  von  Klöppelschullehrerinnen,  Klöppel-  und 
Stickerfachschule. 

Schneiderzeugleinen,  derber  ungebleichter  Leinenstoff  zu  Futterzwecken. 

Schneller,  in  der  Spinnerei  s.  v.  w.  Strähn ;  am  Webstuhl  s.  v.  w.  Treiber 
oder  Vogel  (engl,  picker). 

Schnellschütze  am  Webstuhl  s.  Schütze. 

Schnellzeug  heisst  die  Schnurenverbindung,  mittels  welcher  die  aus  Holz 
gefertigten  Treiber  den  Schützen  (Schnellschützen)  in  Bewegung  setzen. 

Schnupftücher  s.  Taschentücher. 

Schnürbrett  s.  Chorbrett. 

Schnürchen,  Schnürl,  Musterung  eines  Grewebes  durch  einzelne  dickere 
Kettenfäden  in  regelmässigen  Abständen,  daher  Schnürchenperkai  und 
S  chnür  chenmus  selin. 

Schnüre  (franz.:  cordeaux;  engl.:  cords),  aus  mehr  oder  weniger  zahl- 
reichen gedrehten  Fäden  bestehende  Grezwirne  oder  Geflechte ;  auch  eine  be- 
stimmte Anzahl  an  eine  S.  gereihter  Dinge,  z.  B.  Perlen.  Erstere  werden 
eingeteilt  in  Bund-  und  Plattschnüre  oder  Litzen  und  wellige  S.  und  aus 
Leinengarn,  Baumwolle,  Wolle  und  Seide,  teils  von  Posamentierern,  teils  in 
besonderen  Fabriken,  wie  in  Barmen,  Elberfeld,  Badeberg,  Pulsnitz,  Annaberg, 
Schneeberg  u.  s.  w.  gefertigt  und  bilden  einen  wichtigen  Handelsartikel ;  Gold- 
nnd  Silberschnüre  liefern  die  Grold-  und  Silberspinnereien. 

Schnurenmaschinen  mit  im  Klreise  laufenden  Spulen  oder  Klöppeln 
werden  zur  Verfertigung  aller  Arten  von  Schnüren  benutzt. 

Schnurrad,  in  der  Posamentiererei  ein  fahrbares  Holzgestell,  das  oben 
an  einem  Kreisbogen  eine  Anzahl  von  Haken  trägt,  mittels  welchen  durch 
Drehung  aus  einzelnen  Fäden  die  Schnüre  hergestellt  werden. 

Schnurschlag,  abschnüren,  das  Schnellen  einer  gefärbten  angespannten 
Schnur  zur  Vorzeichnung  gerader  Linien. 

Schnürstrümpfe  werden  aus  starker  Leinwand  oder  Leder  gefertigt  und 
finden  in  der  Chirurgie  Anwendung. 

Schnürung,  das  Verbinden  der  Schäfte  mit  den  Tritten  des  Webestuhles. 

Schocke,  Schockleinwand  hiess  man  in  Böhmen  und  Schlesien  im  all- 
gemeinen jede  Leinwand,  welche  nach  dem  Stück,  das  60  Ellen  in  der  Länge 
hielt,  verkauft  wurde. 

Schoddy  s.  Shodd}-. 

Schönau,  Stadt  im  badischen  Kreis  Lörrach:  Baumwollspinnereien  und 
-Webereien. 

Schönau,  Dorf  in  Böhmen:  Fabrikation  von  Posamentier-  und  Band- 
waren, Wäsche,  Borten,   G-urten.  / 

Schönberg,  Stadt  in  Mähren:  bedeutende  Leinenindustrie,  Seiden-  und 
Baumwollwarenfabrikation;  eine  Webeschule. 

Schöneck,  Stadt  in  Sachsen:  Clardinenweberei,  Weissstickerei,  Korsett- 
fabrikation. 

Schonen,  schwedische  Landschaft:  bedeutende  Wollspinnerei  und 
-Weberei. 


Schönen — Schuschter.  465 


Schönen,  einen  gewebten  StofiP  nach  dem  Färben  noch  mit  einer  Säure, 
einem  Salz  oder  Alkali  behandeln,  um  die  Nuance  der  Farbe  zu  verändern. 

Schönheide,  Marktflecken  in  Sachsen :  Hand-  und  Maschinenstickerei,  Fabri- 
kation von  Weiss-  und  Konfektionswaren,  Wollweberei  mit  Druckerei  und  Färberei. 

Schönlanke,  Stadt  im  preuss.  Heg.-Bez.  Bromberg :  Streichgarnspinnerei, 
Tuchweberei. 

Schönlinde,  Stadt  in  Böhmen:  "Woll-  und  Baumwollwebereien,  Strumpf- 
und Zwirnfabriken,  Bleichereien  und  Färbereien;  Fachschale  für  Wirkerei. 

Schopfheim,  Hauptstadt  im  bad.  Kreis  Lörrach :  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei,  Bleicherei  und  Färbereien. 

Schop-Romals,  eine  Sorte  baumwollener,  buntgewirkter  ostindischer 
Schnupftücher. 

Schotte-Buttadar,  feine  musselinartige  ostindische  Grewebe  mit  goldenen 
Leistenbändern. 

Schottisches  Garn,  bunt  geflammtes  Garn. 

Schottisches  Leinen  ist  Gingan. 

Schottische  Spitzen  s.  Hamiltonspitzen. 

Schottische  Teppiche  (engl. :  scotch  carpets),  Fussteppiche,  gewöhnlich 
mit  aufgeschnittener,  sammetartiger  Oberfläche,  welche  aus  drei  Geweben  be- 
stehen, die  nach  Art  der  Kidderminsterteppiche  die  Plätze  wechseln,  so  dass 
die  Zeichnung  auf  beiden  Seiten  gleich  ist,  aber  in  verschiedenen  Farben.  Die 
Ware  wird  auch  in  Frankreich  und  Deutschland  erzeugt. 

Schottische  Zeuge,  Gewebe  mit  bunten  und  lebhaften  Farben  in  Streifen, 
vorzüglich  aber  in  gewürfelten  (schottisch  karierten)  und  gegitterten. 
Mustern.  Sie  gehören  bei  den  Schottländern  zur  Nationaltracht  und  es  unter- 
scheiden sich  die  Angehörigen  der  verschiedenen  Stämme  (Clans)  durch  her- 
gebrachte feststehende  Farbenzusammenstellungen. 

Schottland,  früher  selbständiges  Königreich,  seit  1707  die  nördl.  Hälfte 
des  vereinigten  Königreiches  Grossbritannien:  Baumwollfabrikation  in 
Lanarck  und  Benfrew;  Seiden-  und  Baum  wollwaren  in  Glasgow  und 
Paisley,  sowie  die  Kattundruckerei,  namentlich  der  Shawls.  Einen  Stapel- 
artikel bilden  Leinwand  und  andere  Fabrikate  aus  Flachs.  Diese  Industrie 
ist  über  das  ganze  Land  verbreitet,  zum  Teil  als  Nebenbeschäftigung.  Fabrik- 
massig  betrieben  wird  sie  vornehmlich  in  Dundee,  nächstdem  in  Forfar,  Dum- 
fries,  Perth,  Aberdeen  und  Inverary.  Seit  der  Mitbewerbung  Irlands  und  dem 
vermehrten  Verbrauch  wollener  Stoff'e  beschränkt  sich  jedoch  S.  vorzugsweise 
auf  gröbere  Gewebe,  zu  denen  Bussland  den  Hanf,  die  Niederlande  und 
Deutschland  den  Flachs  liefern.  In  der  Erzeugung  von  Plaids,  Tartans  und 
Tweeds  steht  S.  unübertroff'en  da.  Hauptsitz  der  Industrie  sind  die  Distrikte 
von  Dundee,  Glasgow  und  Arbroath. 

Schrägfachmaschine,  solche  Schaft-  und  Jacquardmaschinen,  bei  welchen 
die  hinteren  Platinen  mehr  gehoben  bezw.  gesenkt  werden,  so  dass  man  ein 
reines  Schrägfach  erhält. 

Schriftbänder,  Spruchbänder  im  Webeornament  s.  kufische  Schrift. 

Schubstuhl,  Webstuhl,  auf  welchem  eine  grössere  Anzahl  Bänder  gleich- 
zeitig nebeneinander  gewebt  werden  können. 

Schuja,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Wladimir:  Baumwollspinnerei, 
Färberei,  Druckerei. 

Schultertuch,  Schultervelum,  liturgisches  Gewand,  s.  v.  w.  Amictus, 
s.  a.  Velum. 

Schuppenmuster,  von  der  Hautbildung  des  Fisches  stammende  Kunst- 
form, welche  auch  in  der  Textilkunst  vielfach  Verwendung  gefunden  hat. 

Schürze  (lat. :  fauda,  tablerium ;  franz.:  tablier;  engl. :  apron),  als  blosses 
Schutzmittel  bei  der  Arbeit  schon  im  frühen  Mittelalter,  als  Kleidungsstück 
von  Frauen  und  Jungfrauen  seit  Mitte  des  16.  Jahrhunderts,  oft  nur  als  Zierde 
getragen. 

Schuschter  (Schuster),  Stadt  in  der  pers.  Prov.  Chusistan:  bedeutende 
Baumwoll-,  Woll-  und  Seidenindustrie ;  Teppicherzeugung. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilknnde.  30 


466  Schuss — Schweidnitz. 


Schuss,  in  der  Weberei  die  in  der  Breite  laufenden  Fäden,  auch  die 
Bewegung,  welche  diese  Fäden  durch  die  Fäden  der  Kette  hinführt:  daher 
Schussfaden,    Schussgarn,    Schussspule. 

Schusslizere,  Seidenzeug  mit  stark  flottliegenden  Schussfäden. 

Schüttorf,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Osnabrück:  Baumwollspinnerei, 
5  Webereien  in  Leinen  und  Nessel,  5  Färbereien. 

Schütze,  der,  AYeberschiff,  Schussspule,  schiffförmiges,  in  der  Grösse 
zwischen  5  und  20  cm  haltendes  Werkzeug  aus  Holz,  Bein  oder  Elfenbein, 
welches  die  Garnspule  aufnimmt  und  den  durch  ein  Loch  an  der  Seite  ab- 
laufenden Schussfaden  durch  die  Kette  hinführt.  Früher  wurde  der  Seh.  mit 
der  Hand  geschleudert,  jetzt  durch  eine  eigene  Vorrichtung  (s.  Schnellzeug) 
geschnellt:    daher  Schnelllade,  Schnellschütze. 

Schwabach,  Stadt  im  bayr.  Beg.-Bez.  Mittelfranken:  Goldspinnerei; 
Fabrikation  von  sogen.  Schwabacher  Nadeln:  Nähnadeln  mit  grossen  Oehren 
zur  Goldstickerei,  ferner  von  Nähnadeln  feinster  Sorte. 

Schwaben,  Begierungsbezirk  des  Königreichs  Bayern:  die  Industrie 
erstreckt  sich  auf  Baumwollspinnerei ,  Woll-  und  Leinenweberei  und  Kattun- 
druckerei. 

Schwäbische  Leinwand  heissen  die  aus  dem  Königreich  Württemberg 
und  dem  bayr.  Oberdonaukreise  in  den  Handel  gebrachten  Leinengewebe,  welche 
meist  nach  der  Schweiz,  Italien  und  Frankreich  verschickt  werden.  So  wird 
in  Augsburg  eine  Hemdenleinwand  (Tele  di  Cotone)  gefertigt,  welche  zur  Hälfte 
aus  flächsenem,  zur  andern  Hälfte  aus  Baumwollengarn  gewebt,  sehr  schön 
gebleicht  und  wie  die  holländische  Leinwand  zugerichtet  wird.  Kempten  und 
Kaufbeuren  liefern  gewöhnliche  und  mittelfeine  flächsene  Hemdenleinwand, 
weisse  imd  buntgefärbte  Futterleinwand,  leinene  Schnupftücher  u.  s.  w.  Nörd- 
lingen  bringt  ausser  Bettdrillichen  eine  Menge  halb  aus  Baumwolle,  halb  aus 
Leinen  gefertigte  Stoffe,  ferner  rohen  Zwillich  und  Sackleinwand  zu  Markte. 
Auch  die  Ulmer  Ware  wird  viel  begehrt.  Die  dortigen  Leinwandhändler  haben 
den  grössten  Teil  des  Handels  mit  schwäbischer  Leinwand  an  sich  gebracht 
und  besorgen  den  Versand  ins  Ausland. 

Schwabmünchen,  Marktflecken  im  bayr.  Beg.-Bez.  Schwaben:  mechan. 
Weberei,  Strumpf-  und  Baumwollwarenfabrikation. 

Schwanenboy,  ein  weicher  flanellartiger  Baumwollenstoff,  der  trotz  seiner 
Leichtigkeit  dick  und  warm  ist  und  daher  häufig  zu  Unterröcken,  Bettdecken, 
Nachtkleidern  usw.  verwendet  wird.  Es  gibt  einfachen  S.,  der  eine  auf- 
gekratzte, langhaarige  Oberfläche  hat,  und  doppelten,  der  auf  beiden  Seiten 
aufgekratzt  und  gewöhnlich  weiss  ist,  jedoch  auch  farbig  und  bunt  gestreift 
mit  eingewirkter  oder  gedruckter  Kante  vorkommt. 

Schwanenordengewand,  ein  Mantel  der  Bitter  des  Schwanenordens, 
welcher  1440  vom  Kurfürsten  Friedrich  11  von  Brandenburg  gestiftet  ward. 
Derselbe  wird  aufbewahrt  im  Dom  zu  Brandenburg;  er  besteht  aus  einem 
Sammetbrokatstoff,  der  in  Gold  (mit  or  frisee)  und  Bot  mit  prächtigem,  schräg 
aufwachsendem  Granatapfelmuster  (ähnlich  der  Abb,  6  auf  Tafel  IV)  bedeckt. 
Der  Stoff  ist  italienisches   oder  burgundisches  Fabrikat. 

Schwarzburg-Rudolstadt,  ein  zum  Deutschen  Beiche  gehöriges  Fürsten- 
tum: Spinnereien,  Fabrikation  von  Mull-  und  Tuchwaren. 

Schwarzenbach,  1)  an  der  Saale,  Stadt  im  bayr.  Beg.-Bez.  Oberfranken : 
zwei  Baumwolhvebereien,  Türkischrot-  und  andere  Färbereien;  2)  am  AVald, 
Flecken  das. :  Baumwollweberei,  Weiss-,  Filetguipüre-  und  Spitzenstickerei. 

Schwarzwurzeln  zur  Aufzucht  der  Seidenraupen  werden  in  nördlichen 
Gegenden  verwendet,  wo  der  Maulbeerbaum  nicht  gedeiht.  Vgl.  Dr.  ^do 
Damm  er,  Ueber  die  Aufzucht  der  Baupe  des  Seidenspinners  mit  den  Blättern 
der  Schwarzwurzeln.     Frankfurt  a.  0.   1897. 

Schweden,  Königreich:  188  Garnspinnereien;  die  Textilindustrie  als 
häuslicher  Erwerb  von  hoher  Bedeutung. 

Schweidnitz,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  bedeutende  Streich- 
garnspinnereien, Tuch-,  Woll-  und  Leinwandwebereien  und  -Färbereien. 


Schweif — Schweiz.  467 


Schweif,  in  der  AVeberei  =  Kette;  daher  schweifen,  anschweifen,  die 
Kette  scheren. 

Schweifen,  in  der  Bleicherei  die  Zeuge  im  Wasser  spülen.  In  der 
Spinnerei  die  Yereinignng  der  Fäden  von  einer  Anzahl  im  Schweifgestell 
aufgesteckten  Kettengarnspulen  und  Aufwickeln  auf  einen  grossen  senkrechten 
oder  wagerechten  Haspel,  Schweifrahmen,  Scherrahmen  zur  Bildung  der  Kette. 
In  der  Schnürefabrikation  und  Seilerei  wiederholtes  Führen,  Anschirren 
oder  Aufziehen  eines  Fadens  von  einem  Haken  zu  einem  andern  Haken  und 
zurück,  bis  die  zu  einem  Strange  bezw.  einer  Litze  erforderlichen  Fäden  auf- 
gewickelt sind. 

Schweisstuch  (lat.:  sudariolum;  franz.:  suaire;  engl.:  sudary),  1)  Kopf- 
tuch, von  Herrschern  unter  die  Krone  aufs  Haupt  gelegt;  aus  den  herab- 
hängenden Zipfeln  entstanden  die  Infulen.  Ein  solches  gehört  zu  dem  Krönungs- 
ornat der  deutschen  Kaiser;  2)  ein  zur  Zeit  Grregor  I  getragenes  leinenes 
Tuch,  woraus  später  der  Manipel  hervorging,  es  dient  zum  Anfassen  des  Kelches, 
des  Bischofstabes  usw.  (s.  Veronikatuch).  Bei  den  Juden  das  Tuch  zur  Um- 
hüllung des  Kopfes  eines  Leichnams  oder  auch  des  ganzen  Leichnams.  3)  Als 
Taschentuch  (Faciletlein)  seit  dem  16.  Jahrh.  eingeführt. 

Schweiz,  die  Anfänge  der  Textilindustrie  —  Woll-  und  Leinenindustrie 
—  lassen  sich  bis  ins  13.  Jahrh.  zurückverfolgen ;  auch  die  Züricher  Seiden- 
manufaktur ist  so  alt.  Im  16.  Jahrh.  begann  die  Seidenindustrie  allgemeiner 
zu  werden,  ebenso  die  Sammet-,  Seidenweberei  und  Passementerie ;  im  17.  Jahrh. 
folgte  die  Musselinmanufaktur,  Stoffdruckerei,  Bleicherei,  Strumpfweberei 
und  Spitzenklöppelei.  Das  18.  Jahrh.  brachte  die  Baumwollspinnerei  und 
Stickerei.  Die  Spitzenklöppelei  ist  inzwischen  fast  ganz  eingegangen,  wesent- 
lich zurückgegangen  ist  die  Leinenmanufaktur,  vorübergehend  auch  die  Woll- 
fabrikation. 

In  1099  Betrieben  für  Baumwolle  waren  1901:  49  023  Arbeiter  be- 
schäftigt; für  Seide  235  Betriebe  mit  33  506  Arbeitern;  für  Wolle  65  Be- 
triebe mit  4166  Arbeitern;  für  Leinen  13  Betriebe  mit  956  Arbeitern;  für 
andere  Textilwaren  322  Betriebe  mit  9542  Arbeitern.  Die  Stickerei- 
industrie beschäftigt  in  130  Fabriken  etwa  16000  Stickmaschinen,  2600 
Schifflimaschinen  mit  6000  Arbeitern.  Ausserdem  arbeitet  der  österr.  Vorarl- 
berg lediglich  für  den  Platz  St.  Grallen. 

Die  Pohseidenerzeugung  und  Seidenspinnerei  ist  in  Tessin 
bedeutend,  während  Seidenstoffe  besonders  in  Zürich,  Bern,  Basel,  Schaff- 
hausen, Aargau,  Grlarus,  Thurgau,  Grraubünden  und  für  Zürichs  Rechnung 
in  Zug,  Schwyz  und  Hnterwalden  erzeugt  werden ;  Seidenbänder  besonders 
in  Basel,  dann  im  bernischen  Jura  und  in  Solothurn.  Ungenügend  für  den 
Bedarf  ist  die  Wollwarenindustrie,  welche  in  Zürich,  Bern,  Glarus,  Schaffhausen 
und  Solothurn  durch  Fabriken  vertreten  ist ;  sehr  bedeutend  aber  die  Industrie 
in  Baumwolle,  in  der  die  Schweiz  unter  den  Staaten  Europas  den  vierten 
Pang  einnimmt.  Die  erste  Stelle  behauptet  Zürich,  dann  Aargau,  Glarus  und 
St.  Gallen.  iSlur  vier  Kantone  betreiben  diese  Spinnerei  nicht.  Der  Export 
geht  nach  Deutschland,  Oesterreich,  Frankreich  und  Italien.  Die  Baumwoll- 
weberei, in  allen  Kantonen  betrieben,  ist  am  bedeutendsten  in  Zürich,  Aargau, 
Glarus,  St.  G-allen,  Appenzell,  Zug  und  Thurgau;  Fabrikate  sind  glatte  und 
fassonierte  Gewebe,  Buntweberei  und  Pikeeweberei  für  Tischdecken,  Bett- 
überwürfe u.  dgl.,  billige  Pock-  und  Hosenstoffe  für  die  Levante,  Indien  und 
Afrika;  berühmte  Musseline  kommen  aus  Appenzell  (Herisau),  St.  Gallen 
und  Zürich  für  Amerika  und  England.  Nachahmungen  von  indischen 
Geweben  mit  Seide  und  Metallfäden  werden  in  St.  Gallen  (Toggenburg  und 
Nieder-Uzwyl)  für  Nord-  und  Südamerika,  Afrika,  Türkei  und  Asien  gefertigt; 
Leinenweberei  treibt  man  im  Emmenthal  in  Bern  (Burgdorf  und  Langenthai), 
genügt  jedoch  dem  Bedarf  keineswegs.  In  der  Färberei  wird  Grosses  ge- 
leistet, die  schweizer  roten  Garne,  Adrianopeler  und  krapp violetten  Tücher 
werden  nirgends  in  Güte  und  Farbe  übertroffen,  und  die  bedruckten  Foulards 
sind  weit  berühmt.     Hauptsitze  für  Stoffdruckerei  sind  Glarus,  Zürich,  Aargau, 


468  Schweizer  Leinen — Sedjazek. 

Appenzell,  Bern  und  Neuenburg.  Die  Spitzenklöppelei  wird  nur  in 
Waadt  und  Neuenburg  in  grösserer  Ausdehnung  betrieben. 

Schweizer  Leinen  bildeten  früher  für  Italien,  für  Südfrankreich  und  die 
Levante  einen  wichtigen  Handelsartikel,  der  infolge  der  zunehmenden  Baum- 
wollweberei von  seiner  Bedeutung  verloren  hat.  In  geringer  Menge  kommen 
aus  der  Schweiz  nach  den  genannten  Ländern  noch  verschiedene  Grattungen 
flächsener  und  hänfener  Gewebe,  die  in  einigen  Kantonen  der  Schweiz  teils  aus 
dort  selbst  erzeugtem  Flachs  oder  Hanf  verfertigt,  oder  aus  Maschinengarn 
gewebt  werden,  teils  roh  aus  Schlesien,  Böhmen  und  Schwaben  bezogen,  dort 
gebleicht  oder  bunt  gefärbt  und  appretiert  und  als  Schweizer  Fabrikat  ver- 
kauft werden. 

Schwelm,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Arnsberg :  Leinenwarenfabrikation, 
Damast,  Band  und  Litzen. 

Schwenningen,  Fabrikdorf  in  Württemberg :  Fabrikation  von  Posamentier- 
waren und  Florettseide. 

Schwiebus,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  bedeutende  Tuch- 
fabrikation. 

Schwillieren,  das  Verfahren,  Nähzwirn,  Seidenfäden  u.  dgl.  dadurch  zu 
glätten  und  ihnen  Grianz  zu  erteilen,  dass  man  die  über  ein  Windehakenpaar 
gehängten  Grarnsträhne  zusammenwindet  und  hierauf  die  einzelnen  Fäden 
durch  wiederholtes  Auf-  und  Zusammendrehen  der  Strähne  aneinanderreiht. 
Die  zur  Ausübung  dieses  Verfahrens  dienenden  Maschinen,  die  oft  eine  grössere 
Anzahl  Windehakenpaare  enthalten,  heissen  Schwilliermaschinen. 

Schwyz,  Kanton  der  Schweiz :  die  wichtigsten  Industriezweige  sind  Baum- 
woll-  und  Seidenspinnerei  und  -weberei. 

Sciali  heisst  das  schwere  Gewebe  des  Kamelottstoffes  im  Gegensatz  zu 
dem  leichten,  welches  den  Namen  Soff  führt. 

Scigliano,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Cosenza:  Seidenspinnerei  und  -Weberei; 
Wolldeckenfabrikation. 

Scoffino,  italienische  Bezeichnung  für  Lüstrin. 

Score  heisst  in  England  ein  Wollgewicht  von  20  Pfd. 

Scotsch  carpets  (engl.),  schottische  Teppiche  (s.  d.). 

Scutari  s.  Skutari. 

Sea  Island,  1)  nordamerik.  Baumwollsorte  (lange  Georgia),  weiss,  mit 
Stich  ins  Gelbliche,  seidenglänzend,  sehr  kräftig  im  Faden ;  2)  ägyptische  Baum- 
wollsorte: maco. 

Sealskin,  unter  diesem  Namen  (seal  =  Pobbe,  Seehund ;  skin  =  Fell) 
kommen  zwei  verschiedene  Stoffe  vor :  der  eine  wird  nach  Art  der  Putenplüsche 
aus  Mohairgarn  gewebt,  während  der  andere  aus  Kuhhaar-  und  Kälberhaar- 
garnen hergestellt  wird.  In  letzterem  Fall  wird  der  Flor  wie  bei  den  Streich- 
garngeweben durch  Pauhen  und  Klopfen  bezw.  durch  Aufbürsten  erzeugt. 

Sebnitz,  Stadt  in  Sachsen,  bei  Pirna:  mechan.  Webereien:  Leinenweberei, 
deren  Erzeugnisse  sich  unter  Sebnitzer  Leinen  eines  bedeutenden  Pufes 
erfreuen,  man  webt  dort  alle  Arten  feinster  nnd  gewöhnlicher  Stoffe. 

Sechsteilig  werden  Teppiche  genannt^  deren  Muster  sechs  Farben  haben. 

Secreton,  mittelfeiner,  ostindischer  weisser  Kattun  aus  französischen 
Kolonien. 

Sedan,  Hauptstadt  des  gleichnam.  Arrond.  im  franz.  Depart.  Ardennes: 
bedeutende  Fabrikation  berühmter  feiner  Tuche,  sowie  Strumpfwirkerei  und 
Wollspinnerei.  Die  Spitzenerzeugung  in  S.  im  18.  Jahrb.  beschränkte 
sich  auf  Nadelarbeiten  im  Stil  derjenigen  von  Argentan;  seit  der  Revolution 
lag  der  Erwerbszweig  darnieder.  / 

Sedansche  Tücher  aus  gleichnamiger  Stadt  werden  in  verschiedenen 
Sorten  von  feiner  spanischer  Wolle,  auf  holländische  Art  gearbeitet  und 
appretiert ;  man  hat  draps  fin  in  premiere  et  seconde  qualite.  Auf  diese  folgen 
die  entresins  aus  weniger  feiner  Wolle.  Ausser  diesen  Sorten  liefert  S.  auch 
viele  Londres  und  Demi-Londres  für  den  Levantiner  Handel. 

Sedjazek,  im  levantiner  Handel  eine  Gattung  kleiner  wollener  Teppiche, 


Seebaumwolle — Seide.  469 


auf  denen  die  Türken  ihre  Gebete  verrichten;  auch  Nemazi  genannt  (siehe 
Grebetteppiche). 

Seebaumwolle,  s.  Adenos. 

Seelandy  Provinz  im  Königreich  der  Niederlande :  Kalikofabriken. 

Seerbands,  ostindische  Musseline  von  verschiedenen  Sorten. 

Seerhandconat,  ostindische  Musseline  in  verschiedener  Feinheit. 

Seewolle  oder  Gallipoli,   Baumwollsorten   von  den  Inseln  des  Archipels. 

Segelkaliko,  grober,  starker  Kattun,  der  in  Ostindien  für  Segeltuch  ge- 
braucht wird. 

Segeltuch,  Segelleinwand,  Duck  (franz. :  toile  ä  volle  Bonnettes  ;  engl. : 
sail  cloth);  eine  grobe,  fest  gewebte  Leinwand,  welche  zu  Segeln  verbraucht 
wird.  Das  niederländische  S.  wird  wegen  seiner  Dauerhaftigkeit  am  meisten 
geschätzt,  das  beste  und  schwerste  davon  ist  der  sogen,  holländische 
Kanevas,  auf  dieses  folgt  Karltuch.  Leichtere  Arten  von  S.  werden  zu 
Stickereien  (s.  Kanevas-  und  Leinenstickerei)  verwendet. 

Segovia,  Hauptstadt  der  span.  Provinz  S. :  Wollwäschereien,  welche  die 
berühmte  Segoviawolle  liefern,  und  bedeutende  Tuchfabrikation,  die  zur 
Maurenzeit  60  000  Arbeiter  beschäftigt  haben  soll. 

Segoviatuch,  drap  Segovie,  ein  feines  Wolltuch^  das  in  den  niederländ. 
Fabriken  zu  Eupen,  Montjoie,  Stolberg  u.  a.  0.  gemacht  wird;  es  ist  eine  Art 
doppeltes  Halbtuch  und  dient  zu  Damenmänteln  und  Sommerröcken. 

Segovienne,  Segovia-Etamine,  feiner  Stoff  aus  spanischer  "Wolle,  welchen 
die  englischen  Manufakturen  in  verschiedenen  Sorten  liefern. 

Seide  (lat. :  serica;  griech.:  ßöfußv^',  franz.:  soie;  engl.:  silk;  ital. :  seta; 
span.:  seda ;  holländisch:  zijde;  dänisch:  silke;  ungarisch:  selyem;  polnisch: 
jedwab;  böhmisch:  hedväbi;  schwedisch:  silke;  russisch:  szeolk),  besteht  aus 
sehr  feinen  Fäden,  welche  die  sogen.  Seidenraupe  spinnt,  die  nach  mehreren 
Verwandlungen  zu  einem  Schmetterling  (Phalaena  Bombyx  mori)  wird,  der  zu 
den  spinnenden  Nachtfaltern  gehört.  Obgleich  es  noch  viele  andere  Seiden- 
spinner gibt,  versteht  man  unter  S.  üblicherweise  nur  das  Produkt  der  gewöhnlichen 
Maulbeerraupe  :  Bombyx  mori.  (Abb.  275.)  Er  ist  mit  ausgebreiteten  Flügeln 
etwa  4  cm  breit  und  höchstens  2,06  lang,  seine  Flügel  sind  schmutzig-  oder 
gelblichweiss,  mit  drei  blassbraunen  Streifen  und  einem  mondförmigen,  oft  kaum 
sichtbaren  Fleck;  seine  kurze  Lebensdauer  ist  ausschliesslich  dem  Geschäft  der 
Fortpflanzung  gewidmet.  Das  Männchen  stirbt  bald  nach  der  Begattung;  das 
Weibchen  legt  einige  Tage  nacheinander  300 — 500  Eier  und  stirbt  dann  eben- 
falls. Die  Eier  entwickeln  sich  bei  einer  Wärme  von  10^  Celsius,  wozu  in 
warmen  Ländern  die  Sonnenwärme  hinreicht,  in  kühlen  Gegenden  aber  künst- 
liche Abwartung  zu  Hilfe  genommen  werden  muss.  In  Asien,  dem  eigentlichen 
Vaterlande  dieses  Insektes,  bleiben  die  Eier  den  Winter  über  an  den  Bäumen 
sitzen  und  die  kleinen  Paupen  entschlüpfen  im  Frühling  ihrer  Hülle,  sobald 
die  Sonnenwärme  den  Knospen  des  Maulbeerbaumes  die  Blätter  entlockt,  in 
Europa  hebt  man  sie  in  bestimmter  Temperatur  den  Winter  über  auf  und  lässt 
sie  nicht  eher  auskommen,  als  bis  Nahrung  für  sie  da  ist.  Die  in  Europa 
allgemein  benutzte  Bombyx  mori,  deren  Nahrung  die  Blätter  des  weissen  Maul- 
beerbaumes sind,  ist  ausserordentlich  gefrässig  und  dabei  sehr  empfindlich  gegen 
Kälte,  Nässe  und  Wind.  Zu  ihrem  Gedeihen  gehört  warme,  trockene,  heitere 
Luft  und  Puhe,  trotzdem  erkranken  und  sterben  viele.  Die  kleinen  Paupen 
sehen  anfangs  schwarz  aus,  häuten  sich  aber  viermal  während  ihres  6 — 7  Wochen 
langen  Lebens  und  verändern  bei  jeder  Häutung  die  Farbe:  nach  der  letzten 
erscheint  die  Paupe  weisslich  oder  braun  mit  dunklerem  Kopfe,  woraus  man 
schliessen  kann,  dass  die  Zeit  der  Verwandlung  nahe  ist;  sie  hört  jetzt  auf 
zu  fressen,  wie  vor  der  Häutung,  wird  unruhig,  läuft  schnell  umher  und  sucht 
einen  bequemen  Platz,  um  sich  einzuspinnen.  Sie  klebt  nun  zwei  Tropfen  des 
klebrigen  Saftes  (Fibroin),  der  ihr  aus  zwei  Oeffnungen  neben  dem  Maule 
hervorquillt,  an  den  Gegenstand  an,  wo  sie  sich  einspinnen  will,  bewegt  den 
Kopf  hin  und  her  und  haspelt  dabei  einen  dünnen,  klebrigen,  an  der  Luft 
rasch  erhärtenden  Faden  hervor,  den  sie  mit  den  Vorderfüssen  um  sich  wickelt. 


470 


Seide. 


Abb.  275. 


Den  ersten  Tag  spinnt  sie  nur  ein  unordentliches,  weitläufiges,  unzusammen- 
hängendes  Gewebe,  das  dem  eigentlichen  Grehäuse  als  Befestigung  dient,  über 
welches  sie  ein  Zickzack  mit  strafferen  Fäden  spinnt,  bis  nach  7 — 8  Tagen  ein 
ovaler  Schlauch  (C  o  c  o  n)  von  der  Grösse  eines  Taubeneies  fertig  ist,  der  sie 
unsichtbar  macht  und  aus  dem  sie  nach  2 — 3  Wochen  als  Schmetterling  durch- 
bricht. Der  Cocon  besteht  aus  einem  einzigen  Faden  von  durchschnittlich 
400 — 500  m  Länge.  Das  äussere,  lockere  Gespinst,  die  Flockseide  —  franz. 
bourre,    engl,    floss-silk    —    besteht    aus  viel  dünneren  und  darum  schon 

viel  weniger  wertvollen  Fäden.  Der 
Querschnitt  einer  Coconwand  zeigt, 
wenn  vergrössert,  5 — 10  Seidenschich- 
ten ,  die  fest  oder  locker  zusammen- 
hängen. 7 — 9  Tage  nach  dem  Ein- 
spinnen der  Raupen  werden  die  Cocons 
von  ihren  Trägern  genommen  und  von 
der  sie  umgebenden  Flockseide  ge- 
trennt. Man  wählt  die  besten  zur 
Zucht  aus  und  tötet  die  Puppen  der 
anderen,  indem  man  sie  der  Sonne 
aussetzt,  aber  auch  durch  "Wasser- 
dampf und  geheizte  Luft,  trocknet  sie 
hierauf  und  bewahrt  sie  zum  Ab- 
haspeln auf  oder  verkauft  sie  an  fabrik- 
mässig  eingerichtete  grössere  Haspel- 
anstalten oder  Filandas.  Die  sogen. 
Doppelcocons,  franz.  douppions, 
ital.  doppioni,  sind  weder  zum  Ab- 
haspeln noch  zur  Zucht  geeignet.  Sie 
entstehen  dadurch,  dass  zwei  oder  drei 
Haupen  denselben  Winkel  aufsuchen 
und  ihre  Fäden  beim  Einspinnen 
kreuzen  und  verstricken.  Um  dieses 
zu  verhüten ,  bedient  man  sich  be- 
sonderer Vorrichtungen :  dem  „appareil 
cellulaire  isolateur".  Auch  die  spitzen 
Cocons  (pointus),  sowie  die  sehr  grossen 
lockeren  (cocalons)  sind  schwer  abzuhaspeln.  Geringwertig  sind  auch  die 
chaquettes  und  calcines,  d.  h.  solche  Cocons,  in  denen  das  Insekt  starb, 
bevor  es  den  Faden  vollendete.  Alle  die  fehlerhaften  Cocons,  wozu  noch  die 
durchlöcherten  C.  perces,  ferner  die  C.  piques,  C.  tarmate,  C.  rugginose,  welche 
in  allen  möglichen  Gattungen,  Rassen  und  Namen  auf  den  Markt  gebracht 
werden,  bilden  ein  geschätztes  Material  der  Florettspinnerei  (s.  Florett- 
industrie.) 

Das  Abhaspeln  der  Cocons  geschieht  erst,  nachdem  man  sie  in 
heisses  Wasser  getan  hat,  um  die  harzigen  Teile  auflösen  zu  lassen,  durch 
welche  die  Fäden  miteinander  vereinigt  sind.  Nach  dem  Kochen  erfolgt  das 
Schlagen  der  Cocons,  welches  die  Entfernung  des  äusseren  Flaumes  und  der 
Flockseide  bezweckt,  die  den  Cocon  umgeben,  welches  auch  in  einem  Wasser- 
bade geschieht.  In  vielen  Betrieben  wird  dem  Schlagen  der  Cocons  mit  den 
Händen  vor  dem  maschinellen  Verfahren  der  Vorzug  gegeben.  Das  Seiden- 
haspeln geschieht  mittels  einer  mechanischen  Vorrichtung  und  hängt  die  Güte 
der  Seide  zum  Teil  mit  von  der  Sorgfalt  des  Abhaspeins  ab;  denn  nun  erst 
kommt  das  Zwirnen  oder  Filieren  der  aufgehaspelten  E, oh-  oderGreze- 
seide,  franz.:  soie  ecrue,  ital.:  seta  grezza.  Soll  die  Seide  gefärbt  werden, 
so  wird  sie  locker  gezwirnt ;  soll  sie  zum  Einschlag  beim  Weben  dienen  und 
wird  der  Faden  aus  zwei  oder  mehr  rohen,  locker  gedrehten  Seidenfäden  ge- 
macht, so  heisst  sie  Trama-,  Tram-  oder  Einschlagseide;  dagegen  ent- 
steht die  Ketten-    oder    Orsfansinseide,    wenn  man  vier  und  mehr  Fäden 


Seide.  471 

zu  einem  zusammenzwirnt,  nachdem  man  zwei  und  zwei  je  zu  einem  Faden 
zusammengedreht  hat.  Die  Einrichtung  der  Filier-  und  Zwirnmaschinen 
war  lange  Zeit  ein  Geheimnis  der  Piemontesen  und  ein  Engländer,  John  Lombe, 
setzte  sein  Leben  aufs  Spiel,  um  sich  in  Piemont  eine  genaue  Kenntnis  der- 
selben zu  verschaffen.  Bei  seiner  Rückkehr  legte  er  in  Derby  eine  Seiden- 
mühle an,  von  wo  sich  dieser  Industriezweig  weiter  ausbreitete  und  sich  nach 
Frankreich,  Deutschland  und  der  Schweiz  verpflanzte,  wo  früher  alles  mühsam 
durch  Händearbeit  gesponnen  wurde. 

Das  Mulinieren  (moulinage)  der  Pohseide  bezweckt  die  Vereinigung 
mehrerer  Grrezefäden  unter  gleichzeitiger  Verbindung  derselben  vermittelst  der 
Drehung  und  Zwirnung.  Nach  dem  Putzen  der  Pohseide  folgt  das  Dub- 
lieren, Es  besteht  in  der  Vereinigung  mehrerer  einfacher  nur  gereinigter 
Fäden  anf  einer  einzigen  Bobine.  Die  fertig  gezwirnte  rohe  Seide  wird,  um 
sie  in  den  Handelsverkehr  bringen  zu  können,  aus  der  Bobinenform  in  die 
übliche  Strangform  übergeführt.  In  England  hat  ein  Strang  von  48  Zoll  engl, 
einen  Umfang  von  1,219  m  mit  2496  Fäden,  oder  einer  von  44  Zoll  ==  1,118  m 
mit  818  Fäden.  In  Frankreich  hat  der  Strang  1  m  Umfang,  1  Strang  =  4  Gre- 
binde  zu  3000  Fäden,  also  12  000  m.  Zur  Anfertigung  solcher  Stränge  be- 
dient man  sich  einer  Win  de  maschin  e.  Die  gezwirnte  Seide  kommt  in  die 
Färberei,  wo  sie  zunächst  durch  Kochen  in  einem  Seifenbade  von  dem 
gummösen  Stoffe,  der  bastartig  den  Faden  umgibt,  befreit  wird.  Diese  Operation 
ist  nötig  einmal,  weil  ohne  sie  die  Färbung  nicht  so  gut  gelingt,  andrerseits 
aber  anch  deshalb,  weil  erst  durch  sie  das  Material  die  volle  Elastizität  er- 
langt, von  w^elcher  die  Dauerhaftigkeit  der  Grewebe  abhängt.  (Vgl.  Knecht, 
Pawson  &  Löwenthal,  Handbuch  der  Färberei,  Berlin  1895 ;  Steinbeckj 
Bleichen  und  Färben  der  Seide  und  Halbseide,  Berlin  1895.  Silber  mann, 
die  Seide  u.  s.  w.  Bd.  II,  S.  280.)  In  den  Seidenfärbereien  werden  die  ein- 
zelnen Strähne,  nachdem  sie  gefärbt,  gewaschen  und  aufgewunden  sind,  bis 
zu  einem  gewissen  G-rade  gestreckt,  wodurch  sich  die  getrennten  Fasern 
wiederum  fester  an  den  Faden  anschliessen,  so  dass  dieser  ein  Ganzes  bildet. 
Durch  das  Strecken  gewinnt  die  Seide  nicht  nur  an  Glanz,  sondern  auch  an 
Dauerhaftigkeit.  Unter  dem  Konditionieren  der  Seide  versteht  man  die 
Feuchtigkeitsbestimmung  derselben,  d.  h.  man  ermittelt  ihren  Wassergehalt 
gegenüber  dem  wirklichen  Handelswert.  Aus  den  der  Trocken anstalt  über- 
gebenen  Seidenballen  werden  einzelne  Probestränge  gezogen,  deren  genaues 
Gewicht  man  durch  doppelte  Wägung  findet,  welche  kontrolliert  und  auch 
doppelt  notiert  wird.  Die  hierauf  stattfindende  Trocknung  dieser  Probebündel 
erfolgt  bei  einer  Temperatur  von  105  —  108^  Celsius,  bei  welcher  die  Seide 
während  einiger  Stunden  in  dem  durch  Dampf  geheizten  Trocknungsapparate 
verbleibt  und  wobei  deren  abnehmendes  Gewicht  durch  die  unmittelbar  darüber 
befindliche  Wage  mehrmals  genau  bestimmt  und  registriert  wird.  Nach  dem 
so  gefundenen  Gewicht  wird  das  des  ganzen  Ballens  berechnet.  Ausser  dem 
Konditionieren  wird  die  Seide  noch  einer  Prüfung  unterworfen,  das  ist  die 
Bestimmung  der  Faserfeinheit,    welche   man  als  Titrieren  (s.  d.)  bezeichnet. 

Geschichtliches:  Die  Seidenindustrie  wird  im  frühen  Altertum 
in  China,  dem  Heimatlande  derselben,  zuerst  getrieben;  von  dort  hat  sich 
dieselbe  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  christlichen  Zeitrechnung  über  Indien 
und  Persien  bis  nach  Vorderasien  verbreitet,  trotzdem  jedes  Land  sie  als  einen 
kostbaren  Besitz  für  sich  zu  bewahren  suchte.  Als  im  6.  Jahrh.  in  Byzanz 
(s.  d.)  unter  Justinian  der  Seidenbau  eingeführt  wurde,  bestand  dort  schon 
eine  Industrie,  welche  den  Pohstoff  von  den  persischen  Händlern  bezog:  die 
Industrie  selbst  hatte  ihren  Schwerpunkt  in  den  kaiserlichen  Gynäceen  (s.  d.), 
in  welchen  für  Rechnung  des  Staates  und  zumeist  für  die  Bedürfnisse  des 
Hofes  gearbeitet  wurde;  die  Privatindustrie  war  daneben  nur  in  beschränktem 
Masse  vertreten.  Der  Import  vom  Orient  war  noch  immer  sehr  bedeutend; 
der  Export  nach  dem  Abendlande,  besonders  der  von  kostbaren  Stoffen,  zeit- 
weise beschränkt.  Erst  im  12.  Jahrh.  ist  die  Fabrikation  in  Griechenland 
bedeutend   geworden,    neben   Byzanz    wurden  Korinth,  Athen  und  Theben  die 


472  Seide. 

Hauptstätten  derselben.  Früher  als  in  Griechenland  blühte  die  S.  in  Syrien, 
das  im  8.  Jahrh.  an  die  Araber  verloren  ging.  Diese  eigneten  sich  das  Ge- 
werbe an  und  verbreiteten  es  über  die  Nordküste  von  Afrika  bis  nach  Spanien 
und  Sizilien.  Jeder  Emir  hatte  bei  seinem  Palaste  einen  „Tiraz",  in  dem  für 
seinen  Bedarf  seidene  und  goldgestickte  Zeuge  gewebt  wurden:  die  Stadt 
Almeria  zählte  zu  Evrisis  Zeiten  (Mitte  12.  Jahrhdts.)  800  Stühle.  Von 
Griechenland  aus  erfolgte  die  Einführung  der  S.  nach  Italien,  indem  König 
E-oger  I.  1146  von  einem  Kriegszuge  griechische  Seidenweber  nach  Palermo 
brachte.     (Vgl.  Palermo  und  Italien.) 

In  Frankreich  war  schon  infolge  der  Kreuzzüge  die  S.,  im  13.  und 
14.  Jahrh.  in  Uebung  gewesen,  namentlich  in  Paris  und  im  Süden,  auch  durch 
die  ITebersiedlung  des  päpstlichen  Hofes  nach  Avignon  (s.  d.);  aber  erst  unter 
Lud^\dg  XI.  (1461 — 83)  gewinnt  das  Gewerbe  dauernden  Bestand,  wozu  die 
Berufung  von  Seidenarbeitern  aus  italienischen  Städten  besonders  beitrug. 
Im  Jahre  1466  wird  die  Manufaktur  in  Lyon,  und  1470  jene  in  Tours  ge- 
gründet. Letztere  kam  eher  in  Blüte  als  Lyon,  dessen  grosse  Messen  anfangs 
mehr  dem  Handel  mit  italienischen  Waren  dienten.  Es  hatte  in  der  Mitte  des 
16.  Jahrhdts.  schon  eine  beträchtliche  Anzahl  Stühle  im  Gange,  an  denen  neben 
den  Italienern  viele  einheimische  Arbeiter  tätig  waren,  und  fertigte  Brokate 
und  SeidenstojßPe,  die  sich  wohl  mit  den  Produkten  von  Florenz  vergleichen 
konnten.  Franz  I.  (1515 — 47),  der  durch  italienische  Einflüsse  der  Industrie 
die  künstlerische  Bichtung  zu  geben  verstand,  wurde  der  zweite  Begründer 
der  Manufaktur  von  Lyon,  teils  durch  das  Privilegium,  das  er  1536  zwei 
Genueser  Unternehmern  erteilte,  teils  durch  den  grossen  Vorzug  des  Stapel- 
rechts auf  alle  in  das  Königreich  eingeführte  Bohseide,  welches  er  der  Stadt 
1540  gewährte.  Heinrich  IV.  (1589 — 1610)  führte  den  Seidenbau  als  einen 
allgemeinen  Zweig  der  Landeskultur  auch  in  den  nördlichen  Provinzen  ein 
und  förderte  die  Manufakturen,  namentlich  in  Paris.  Unter  seiner  Begierung 
fand  ein  Plan  von  Barthelmy  Laffemas  zur  Förderung  von  Handel  und  Gewerbe 
Annahme,  in  welchem  auch  die  S.  eine  hervorragende  Stelle  einnahm  und 
welcher  später  von  Colbert  erweitert  und  von  Pontchartrain  und  Chamillart 
im  Jahre  1700  umgebildet  wurde.  Colbert  erhob  die  S.  in  Frankreich  auf  den 
Gipfel  ihrer  Blüte;  ihre  Erzeugnisse  übertrafen  an  Geschmack  und  Solidität 
die  der  Italiener,  die  sie  nicht  nur  von  dem  inländischen  Markt  vollständig 
ausgeschlossen,  sondern  auch  auf  den  fremden  Märkten  erfolgreich  bekämpften. 
Lyon  gewann  jetzt  vor  der  alten  Nebenbuhlerin  Tours  und  vor  den  übrigen 
Fabrikationsstädten,  unter  denen  namentlich  Paris,  Avignon  und  Nimes  zu 
nennen  sind,  einen  bedeutenden  Vorsprung.  Trotz  seines  hochentwickelten 
Seidenbaues  muss  Frankreich  im  18.  Jahrh.  doch  fast  zwei  Drittel  seines 
Bedarfs  an  Bohseide   von  auswärts  beziehen,  besonders  aus  Italien. 

In  Spanien  knüpft  die  S.  unmittelbar  an  diejenige  der  Mauren  an, 
welche  im  Laufe  der  mittelalterlichen  Jahrhunderte  zu  hoher  Blüte  gelangt  war. 
Ihre  Gesetze  und  Verordnungen  Hessen  die  katholischen  Könige  nach  der 
Eroberung  von  Granada  (1492)  bestehen;  im  übrigen  suchten  sie  das  Gewerbe 
auf  alle  Weise  zu  fördern.  In  Kastilien  wurden  Seidenmanufakturen  zu  Toledo 
begründet;  neue  Manufakturen  entstanden  auch  in  der  grossen  Hafenstadt 
Sevilla,  deren  Betriebsstärke  1650  auf  3000  Stühle  angegeben,  während  das 
alte  Granada  1540  etwa  1000  beschäftigte.  Während  der  Begierung  Ferdinands 
und  Isabellas  (1479 — 1504)  wird  schon  viel  zum  Schutze  der  bedeutenden 
Seidenzucht  des  Landes  getan  und  die  Einfuhr  fremder  Fabrikate  und  fremden 
Materials  verboten.  Karl  V.  (1519 — 56)  schaffte  das  Einfuhrverbot  für  fremde 
Fabrikate  ab,  während  die  Ausfuhr  des  Bohmaterials  erlaubt  blieb ;  die  Italiener, 
namentlich  Genuesen,  kauften  massenhaft  spanische  Seide  auf  und  führten  ihre 
Fabrikate  auf  den  spanischen  Markt.  Seit  dieser  Zeit  ist  die  spanische  S. 
in  raschem  Verfall  begriffen;  erst  im  18.  Jahrh.  kam  sie  wieder  zu  grösserer 
Bedeutung,  so  dass  Valencia  am  Ende  desselben  als  Nebenbuhlerin  von  Lyon  gilt. 

Auch  die  Niederlande  sind  im  Besitze  einer  alten  S.  gewesen,  welche 
ihren    Ursprung     auf    die    mittelalterlichen    Handelsbeziehungen    zurückführt. 


Seide.  473 


Brügge  war  schon  im  13.  Jahrh.  eine  Station  der  Lucchesischen  Kaufleute; 
im  15.  Jahrh.,  vielleicht  auch  schon  früher,  besteht  dort  in  dem  Gewerk  der 
cultensteckers  eine  eigenartige  Seidenindustrie.  Das  Gewerk  verfertigte  alle 
Sorten  von  Wämsern,  "Westen,  Schleuder ärmeln  und  dergleichen  Luxus- 
gewändern, fütterte  die  Kleider  mit  Seide  und  machte  —  wovon  es  den  Namen 
führt  —  die  prächtigen  seidenen  Bettdecken,  die  man  im  Mittelalter  Culten 
nannte.  Seidenweber  und  Seidenbereiter  (Zwirner  und  Winder)  bildeten  samt 
den  Gold-  und  Seidenstickern  und  den  B orten wirkern  eine  Unterabteilung  des 
Gewerks,  das  mit  dem  der  eigentlichen  Kleidermacher  wegen  der  Befugnis 
zur  Verarbeitung  von  Sammet  und  Seide  in  beständigem  Streit  lebte,  bis  der 
Magistrat  1552  auch  den  Kleidermachern  diese  Befugnis  verlieh.  Auch  in  Gent 
haben  im  14.  und  15.  Jahrh.  die  Weber  seidene  Waren  neben  den  wollenen 
gefertigt;  die  Hauptstätte  der  S.  aber  war  Antwerpen,  das  schon  im  13.  Jahrh. 
in  lebhaften  Handelsbeziehungen  mit  den  Yenetianern  stand  und  im  14.  Jahrh. 
als  grosser  Stapelplatz  für  Seidenwaren  bekannt  war.  Noch  1550  verbot  eine 
Kleiderordnung  Karls  Y.  den  Bürgern  das  Tragen  seidener  Gewänder;  aber 
schon  seit  dem  16.  Jahrh.,  wo  die  Verlegung  der  Handelswege  aus  dem  Orient 
vom  Mittelmeer  an  die  atlantischen  Küsten  einen  allgemeinen  Aufschwung  der 
wirtschaftlichen  Tätigkeit  hervorbrachte,  bestand  dort  eine  bedeutende  Industrie 
von  selbständigem  Charakter,  die  Satin,  Sammet,  Cassa-  und  Trippsammet  (mit 
Wolle  oder  Leinen  vermischt),  Burate  (aus  Seide  und  Wolle),  leichte  Taffete, 
Damaste  und  Brokate  fertigte.  Im  18.  Jahrh.  erreichte  die  S.  ihren  Höhepunkt, 
seit  dem  Ende  desselben  ist  sie  gänzlich  in  Verfall  geraten. 

Die  weitere  Ausbreitung  der  S.  steht  im  Zusammenhang  mit  der  im 
16.  Jahrh.  beginnenden  und  bis  ins  18.  Jahrh.  hinein  sich  fortsetzenden  Gegen- 
reformation, die  1685  in  der  Aufhebung  des  Edikts  von  Nantes  gipfelte. 
Aus  Italien,  aus  den  spanischen  Niederlanden,  aus  Frankreich  wandern  nament- 
lich in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  und  am  Ende  des  17.  Jahrhdts.  Ströme  von 
Flüchtlingen,  um  ihren  Glauben  zu  bewahren,  in  die  benachbarten  Länder  aus : 
nach  der  Schweiz  und  nach  Deutschland,  nach  Holland  und  England,  nach 
Dänemark  und  Schweden,  selbst  nach  Amerika.  Sie  sind  unter  anderem  auch 
die  Träger  und  Verbreiter  der  Seidenindustrie  gewesen.  Aber,  wie  in  dem 
Werke :  „Die  Preussische  Seidenindustrie  im  18.  Jahrh.  u.  s.  w.,  Darstellung 
von  0.  Hintze,  Berlin  1892,  Bd.  III",  dem  diese  (nach  unten  angegebenen 
Quellen  ausgearbeiteten)  Notizen  entnommen  sind,  ausgesprochen  wird,  ist  die 
landläufige  Vorstellung,  als  ob  Holland  und  England,  Deutschland  und  die 
nordischen  Beiche  erst  durch  die  französischen  Befugies  den  Anstoss  zur  Ein- 
führung der  S.  erhalten  hätten,  nicht  haltbar;  „es  handelt  sich  in  den  meisten 
Fällen  nur  um  eine  Stärkung  der  Industrie,  um  die  Einführung  neuer  Artikel, 
eines  besseren  Geschmackes,  einer  vollkommeneren  Technik;  die  Franzosen 
haben  in  dieser  Beziehung  für  Europa  gewirkt  wie  die  Lucchesen  für  Italien. 
Andererseits  ist  die  Schädigung  der  französischen  Manufakturen  wohl  kaum 
eine  so  starke  gewesen,  wie  gewöhnlich  angenommen  wird." 

Nach  Hamburg  (s.  d.)  kam  die  S.  über  Antwerpen,  es  waren  Dänemark, 
Schweden  und  Bussland,  dazu  ein  grosser  Teil  von  Deutschland  ihre  Abnehmer. 

In  England  beruht  die  Einführung  der  S.  in  der  Hauptsache  auf  der 
bewussten  Initiative  der  Regierung  nach  dem  Muster  Frankreichs.  Es  bestand 
schon  Mitte  des  15.  Jahrhdts.  in  London  ein  Zweig  des  Seidengewerbes ; 
aber  es  handelte  sich  dabei  nur  um  Bänder,  Borten,  Gürtel,  Haarnetze  und 
dergleichen  seidene  Posamentierarbeit,  nicht  um  die  eigentliche  Stoffweberei; 
aber  noch  das  16.  Jahrh.  hindurch  herrschte  das  Bestreben,  durch  Luxusedikte 
den  gewöhnlichen  Leuten  den  Gebrauch  von  seidenen  Kleidungsstücken  zu 
verwehren ;  erst  im  Anfange  des  17.  Jahrhdts.  reizten  die  Erfolge  Heinrich  IV. 
von  Frankreich  zur  Nachahmung.  Eine  epochemachende  Bedeutung  für  die 
englische  Industrie  hatte  die  Ansiedlung  der  französischen  Befugies.  Sie  führten 
die  schweren  kostbaren  Modestoffe,  die  schwarzen  lüstrierten  Taffete  und  andere 
Gattungen  von  Zeugen  ein,  die  man  bisher  in  England  nicht  gefertigt  hatte, 
und  -verliehen  der  Industrie  erst  den  universalen  Charakter  und  die  Möglichkeit, 


474  Seide. 

deu  Bedarf  des  Landes  an  Waren  zu  decken.  Den  Rohstoff  bezog  man  aus 
Italien,  aus  China  (durch  die  ostindische  Compagnie)  und  aus  Persien.  Es 
handelte  sich  dabei  zum  grossen  Teil  um  wirkliche  Rohseide  (Grrege),  die  erst 
im  Lande  selbst  gezwirnt  wurde.  Den  eigenen  Seidenbau,  der  durch  Jakob  I. 
seit  1608  eingeführt  worden  war,  scheint  England  im  18.  Jahrh.  ganz  auf- 
gegeben zu  haben ;  doch  suchte  man  ihn  in  den  Kolonien  Karolina  und  Greorgia 
heimisch  zu  machen. 

In  Schweden  bemühte  sich  die  Regierung  seit  dem  westfälischen 
Frieden  (1648)  Seidenmanufakturen  nach  französischem  Muster  anzulegen:  die 
erste  ward  1649  in  Stockholm  gegründet,  andere  folgten. 

Auch  in  Dänemark  wurden  auf  Anregung  der  Regierung  Seidenfabriken 
nach  französischem  Muster  in  der  Hauptstadt  begründet;  1735  wurde  ein 
KommerzienkoUegium  als  besondere  Behörde  zur  Beförderung  der  Manufakturen 
geschaffen. 

In  Russland  bestand  ein  alter  Seidenhandel  von  Persien  her.  Now- 
gorod mit  seinen  Messen  und  seinem  Stapelrecht  war  der  Mittelpunkt  für  den 
Betrieb  der  orientalischen  Stoffe.  Auch  bestand  schon  im  17.  Jahrh.  eine 
Seidenindustrie,  die  aber  im  wesentlichen  nur  Posamentierweberei  war;  erst 
Peter  der  Grosse  führte  die  grosse  S.  nach  dem  Vorbilde  der  westeuropäischen 
Staaten  ein. 

In  der  Schweiz  wurden  schon  im  13.  und  14.  Jahrh.  florartige  Seiden- 
gewebe aus  harter,  ungekochter  Seide,  namentlich  zu  Schleiern  und  Kopftüchern, 
und  vorzugsweise  für  den  Export  nach  dem  Norden  und  Osten  verfertigt;  im 
15.  Jahrh.  ist  diese  Industrie  wieder  untergegangen ;  ihre  Neubegründung  knüpft 
sich  an  die  Einwanderung  der  „Locarner"  um  1550,  protestantischer  Elücht- 
linge  aus  allen  Teilen  Italiens.  'Während  des  17.  Jahrhdts.  kam  es  zu  einem 
lebhaften  Aufschwung  der  Industrie;  man  fertigte  besonders  Sammet  und  flor- 
artige Grewebe  und  betrieb  auch  die  Tramezwirnerei  und  Florettspinnerei. 
Die  eigentliche  Stofffabrikation,  die  noch  in  den  Anfängen  war,  wurde  dann 
durch  die  französischen  Refugianten  in  der  Zeit  von  1681 — 1717  eingeführt 
und  hob  sich  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhdts.  zu  hoher  Blüte.  Auch  nach 
Basel  brachten  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhdts.  protestantische  Flücht- 
linge aus  Italien,  den  Niederlanden  und  Frankreich  die  S.  Hier  handelte  es 
sich  vorzugsweise  um  Sammet-  und  Bandweberei;  namentlich  in  der  letzteren 
gewann  Basel  durch  Einführung  der  Maschinenstühle  seit  dem  letzten  Drittel 
des   17.  Jahrhdts.  eine  hervorragende  Bedeutung. 

Deutschland  begann  die  S.  mehr  und  mehr  einzuführen,  nachdem 
Ulmer  Kaufleute  die  am  Comersee  erlernte  Sammetweberei  um  das  Jahr  1515 
in  ihre  Yaterstadt  übertrugen.  In  Augsburg  (s.  d.)  machte  man  um  1541 
Versuche  mit  Goldzieherei  und  Brokatweberei.  Nüraberger  Handelsherren 
legten  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhdts.  Seidenzüchtereien  und  Filaturen 
in  Italien,  namentlich  in  Verona  und  Roveredo,  an  und  Hessen  in  ihrer  Heimat- 
stadt selbst  Atlas  und  andere  Zeuge  weben.  Um  dieselbe  Zeit  soll  sich  nach 
älteren  Angaben  der  Kurfürst  (Joachim  IL  ?)  dem  Beispiele  des  Kurfürsten 
von  Sachsen  folgend,  durch  einen  Locarner  Flüchtling  eine  Sammetweberei  haben 
anlegen  lassen.  Der  dreissigj ährige  Krieg  brachte  die  Entwicklung  der  S. 
in  Deutschland  sehr  zurück.  In  Augsburg,  Frankfurt,  Köln  bestanden  auch 
in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhdts.  noch  Seidenmanufakturen;  doch  handelte 
es  sich  nur  um  Zwirnerei,  Färberei,  Bandweberei  und  Herstellung  leichter 
halbseidener  Stoffe,  und  der  Umfang  des  Grewerbes  war  nicht  bedeutend;  nur 
in  Hamburg  war  ein  Aufschwung  erfolgt.  Von  grossem  Einfluss  für  die 
spätere  Entwicklung  der  S.  ist  die  Tätigkeit  des  bekannten  Johann  JoacKim 
Becher,  der  nicht  nur  durch  seine  Schriften,  sondern  mehr  noch  durch  eine 
rührige  Agitation  bei  Fürsten  und  grossen  Herren  die  wirtschaftlichen  Fort- 
schritte, die  er  namentlich  in  Holland  kennen  gelernt  hatte,  in  Deutschland 
auf  die  Bahn  zu  bringen  suchte.  In  seinen  Plänen  spielt  auch  die  Einführung 
der  Seidenmanufaktur  eine  grosse  Rolle.  Auf  seine  Veranlassung  wurden  1664 
Versuche  in  Mannheim   und   Heidelberg   gemacht,    die    sich    aber   zerschlugen; 


Seidenabfälle — Seidenband.  475 


doch  waren  von  Erfolg  begleitet  die  Maulbeerpflanzungen  bei  Würzburg  und 
später  in  München  und  Wien.  In  Oesterreich  übernahm  Becher  1666  die 
Leitung  solchen  Werkes  selbst,  doch  fehlte  es  sowohl  hier  wie  da  immer  noch 
an  der  richtigen  Unterstützung  seitens  der  Regierungen.  Besser  gelang  nachher 
die  Begründung  der  S.  in  Sachsen,  wo  sie  in  den  70er  Jahren  des  17.  Jahrhdts. 
der  Kommerzienrat  Daniel  Crafft  betrieb.  Auch  Langensalza  wird  um  diese 
Zeit  genannt,  woselbst  von  Schweizer  Webern  eine  Manufaktur  von  Stoffen 
aus  Seide  und  Baumwolle  in  Betrieb  war;  seit  1700  wurde  der  grosse  Mess- 
platz Leipzig  Hauptsitz  der  sächsischen  Sammet-  und  Seidenindustrie.  An 
diesen  allgemeinen  Bestrebungen  zum  Wohle  der  Volkswirtschaft  nimmt  auch 
der  Grosse  Kurfürst  von  Brandenburg  teil.     (Vgl.  Berlin  u.  Krefeld.) 

Literatur: 

a)  Werke,  woraus  die  geschichtlichen  Notizen  entnommen  sind: 
Paris  et,  Histoire  de  la  soie  (Paris  1862,  2  Bde.);  ders. :  Les  industrie  de  la  soie 
(Lyon  1890);  Francique-Michel,  Recherches  sur  le  commerce,  la  fabrication  et 
l'usage  des  etoffes  de  soie,  d'or  et  d'argent  et  autres  tissus  precieux  en  occident, 
principalement  en  France  pendant  le  moyen-äge  (Paris  1852,  2  Bde.);  Heyd,  G-eschichte 
des  Levantehandels,  Bd.  II,  683  ff. ;  Clement  van  Cauwenberghs,  L'industrie  de 
la  soie  a  Anvers  depuis  1532  jusqu'a  nos  jours  (Bulletin  de  la  societe  royale  de 
geographie  dAnvers  depuis  1887,  p.  105 — 146)-,  Bertholon,  Du  commerce  et  des 
mauufactures  distinctives  de  la  ville  de  Lyon,  Montpellier  1787;  Bürkli-Meyer, 
Geschichte  der  Zürcherischen  Seidenindustrie,  Zürich  1884;  Caesar  Moreau,  Rise 
and  progress  of  the  silketrade  in  England,  London  1826;  Anderson,  Origin  of 
commerce  etc.,  London  1801,  4  Bde.;  Bartolomeo  Cechetti,  Dell'  introduzione 
deir  arte  della  seta  in  Venezia  (Venezia  1866) ;  lieber  Florenz :  Pagnini,  Della  decima 
.  .  .  della  moneta  e  della  mercatura  de'  Fiorentini  fino  al  secolo  XVI.  Lisbona  e  Luca 
17Ö5— 66,  II.  106—124  u.  240  ff.  und  Pöhlmann,  Die  Wirtschaftspolitik  der  Floren- 
tiner Renaissance;  von  Justi,  Von  Manufakturen  und  Fabriken  (Kopenhagen  1757, 
S.  107).  Für  Russland:  von  Ordega,  Gewerbepolitik  Russlands  (Tübingen  1885); 
Storch,  Historisch-statistisches  Gemälde  des  russischen  Reiches  am  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts, 4  Bde.  (Riga  1797,  Bd.  III,  238  ff.);  Geering,  Handel  und  Industrie  der 
Stadt  Basel  (ebd.  ]886). 

b)  Allgemeine  Werke:  Acta  Borussica,  Denkmäler  der  preuss.  Staats- 
verwaltung im  18,  Jahrh.  u.  s.  w. :  Seidenindustrie  und  ihre  Begründung  durch  Fried- 
rich d.  Gr.,  3  Bde.,  Berlin  1892;  Arles-Dufour,  Exposition  universelle  de  18ö2. 
Coüsiderations  generales  sur  les  soies,  les  soieries  et  les  rubans;  Bavier,  Japans 
Seidenzucht,  Seidenhandel  und  Seidenindustrie,  Zürich  1874;  Bolle,  Der  Seidenbau 
in  Japan,  Wien  1898;  Bozzi,  Notes  sur  l'industrie  serigene,  Bagnols  1861;  Broglio 
dAjano,  Die  venetianische  Seidenindustrie  und  ihre  Organisation  bis  zum  Ausgang 
des  Mittelalters,  Stuttgart  1893;  Bujatti,  Geschichte  der  Seidenindustrie  Oesterreichs, 
Wien  1893;  Udo  Dammer,  lieber  die  Aufzucht  der  Raupe  des  Seidenspinners 
(Bombyx  Mori  L.)  mit  den  Blättern  der  Schwarzwurzel,  Frankfurt  a.  0.  1897;  Dolder, 
Die  Fabrikation  von  Seidenstoffen  im  Kanton  Zürich,  ebd.  1851;  Dumas,  Rapport 
sur  l'amehoration  des  races  de  vers  ä  soie,  Paris  1857;  Dunder,  Anleitung  zur  Seiden- 
zucht. 3  Bde.,  Wien  1854;  Duseigneur-Kleber,  le  cocon  de  soie,  Paris  1875; 
Rondot,  l'enseignement  necessaire  ä  l'industrie  de  la  soie,  Lyon  1877;  derselbe, 
L'art  de  la  soie,  2  Bde.,  Paris  1885 — 87;  Silbermann,  Die  Seide,  ihre  Geschichte, 
Gewinnung  und  Verarbeitung,  2  Bde.,  Dresden  1897;  Yoshida,  Eutwicklung  des 
Seidenhandels  und  der  Seidenindustrie  vom  Altertum  bis  zum  Ausgang  des  Mittel- 
alters, Heidelberg  1895;  lieber  künstliche  Seide:  Cadoret,  deutsch  von  Heil, 
Krefeld;  Süvern,  Berlin  1900. 

Abbildung: 
275.  Darstellung  der  Verwandlung  der  Seidenraupe   bis    zum  Schmetterling  aus 
dem  „Buch  der  Erfindungen",  Leipzig  und  Berlin  1879,  Bd.  H,  S.  310. 

Seidenabfälle,  die  Seidenfäden,  welche  beim  Einsammeln  des  Kokons 
hängen  bleiben,  oder  die  von  Kokons  iierrühren,  welche  bereits  durchbohrt 
oder  sonst  beschädigt  sind,  endlich  der  innerste  Teil  des  Kokons;  sie  werden 
Galetseide  genannt  und  zu  Florettseide,  Chappe  u.  s.  w.  verwendet. 

Seidenband  wird  entweder  auf  den  gewöhnlichen  Posamentierstühlen, 
auf  der  Jacquardmaschine  oder  auf  dem  sogen.  Mühlenstuhl  oder  der  Band- 
mühle verfertigt  und  kommt  in  ausserordentlicher  Verschiedenheit  vor;  wenn- 


476  Seidenberg — Seidenwaren. 


gleich  man  zunäclist  nach  glatten  und  gemusterten  und  diese  Sortennach 
Güte  und  Breite  unterscheidet  (s.  Band). 

Seidenberg  in  der  Oberlausitz ,  Stadt  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Liegnitz : 
Seidenweberei,  Fabrikation  von  Tuch  und  Schirmstoffen. 

Seidenbiber  werden  im  Handel  fälschlich  die  zugerichteten  Seehundsfelle 
genannt,  denen  die  langen  Haare  ausgezogen  sind,  so  dass  sie  einen  graubraunen 
weichen,  gekräuselten  Pelz  bilden. 

Seidengarne  aus  Florettseidengespinsten  (franz.:  soie  filee;  engl.:  silk 
yarn)  kommen  unter  verschiedenen  Benennungen  in  den  Handel  als:  Crescentin 
(Kreszentine),  Chappe  (chape,  Schappe),  Galettam,  Gallet,  Fiorettino,  Sambatella, 
Fantaisie  u.  s.  w.  und  zwar  je  nach  dem  Zeuge,  aus  dem  sie  erzeugt  worden 
sind,  in  verschiedenen  Güten  und  Sorten.  Die  besseren  Sorten  der  Gespinste 
werden  als  Einschlag  bei  verschiedenen  Seidenstoffen,  als  Kette  bei  mancherlei 
Halbseidenzeugen,  zu  Hutvelpel,  groben  Bändern  und  Schnüren  und  als  Stick- 
seide, zum  Stricken  und  zur  Strumpfwirker  ei  gebraucht;  aber  selbst  die  schönsten 
erreichen  an  Feinheit,  Glätte,  Glanz  und  Festigkeit  nicht  die  gute,  gehaspelte 
und  filierte  Seide.  Für  die  Erzeugung  gewisser  Waren  ist  Florettseide,  in 
geringeren  mit  Baumwolle  oder  Wolle  versponnen. 

Seidengaze,  Seidenstramin,  lockeres  leinwandartiges  Gewebe  aus  stark 
gedrehten  Bautnwollfäden,  welche  mit  wenig  gedrehten  Seidenfäden  um- 
wickelt sind. 

Seidenindustrie,  s.  Seide. 

Seidenkamelott,  leinwandartiges  Seidengewebe,  dessen  Kettenfäden  aus 
zwei  Seidenfäden  verschiedener  Farbe  gezwirnt  sind,  während  die  Schussfäden 
eine  dritte  Farbe  haben. 

Seidenleinen,  gazeartiges  Gewebe  aus  feinen  Leinenfäden  mit  Streifen 
aus  Seide. 

Seidenmuschel,  s.  Muschelseide. 

Seidenpflanze,  syrische,  Beidelsär,  Asclepias  syriaca  Lin. ,  eine  aus 
Amerika  nach  Europa  verpflanzte  Zierpflanze,  welche  von  der  sogen.  Seiden- 
wolle verschieden,  in  den  kälteren,  nördlichen  Gegenden  sehr  gut  fortkommt 
und  deren  Samenwolle  vermischt  mit  anderer  Baumwolle  zu  verschiedenen 
Stoffen  verarbeitet  werden  kann. 

Seidenshoddy  wird  hergestellt  aus  seidenen  Lumpen.  Aus  ihnen  wird 
in  der  Art  wie  es  die  Shoddyfabriken  an  wollenen  Lumpen  üben  (s.  Kunst- 
wolle), schönes  und  dauerhaftes  Garn  hergestellt.  Die  erste  Seidenshoddy- 
spinnerei  wurde  bei  Chemnitz  eröffnet. 

Seidentapeten,  s.  Tapeten. 

Seidenteppiche  werden  im  Orient  seit  alter  Zeit  geknüpft.  Erhalten  sind 
die  schönsten  aus  der  persischen  Dynastie  der  Safiden  (1502  —  1736)  (s.  Teppiche); 
die  in  neuer  Zeit  aus  Ispahan,  Kaschan  und  Suitanabad  kommenden  (Abb.  329^ 
S.  576)  sind  künstlerisch  nicht  von  Bedeutung. 

Seidenwaren,  bei  denen  die  S.  ganz  oder  nur  zum  Teil  das  Material 
bilden,  sind  ein  umfangreiches  Gebiet  der  Textil-  und  Textilkunstindustrie ;  die 
Menge  dieser  Waren  ist  nicht  allein  ungemein  gross,  sondern  auch  so  wechselnd, 
einzelne  Artikel  so  kurz  von  Dauer  und  die  ihnen  beigelegten  Namen  so  will- 
kürlich, dass  ihre  Aufstellung  kaum  nützlich  erscheint,  zumal  die  meisten  unter 
besonderen  Artikeln  aufgeführt  sind.  Nach  der  Art  ihrer  Herstellung  unter- 
scheiden sich  die  Seidengewebe  wie  andere  in  glatte,  geköperte,  gemusterte, 
Gaze  und  Sammete.  Unter  den  glatten  und  leinwandartig  gewebten  Stoffen 
sind  die  gewöhnlichsten  die  T  äffet e,  leichtere  und  schwerere  Zeuge  aus 
entschälter  S.  mit  Organsinkette  und  Einschlag  von  Tramseide.  Ganz  leichte 
Gewebe  bilden  den  Futt  ertaffet:  Avignon,  Florence,  Halbtaffet  —  Demi  — 
Florence,  etwas  schwerere  den  Kleidertaffet.  Bei  diesen  ist  die  Kette  ein-, 
der  Einschuss  ein-  bis  dreifädig.  Doppeltaffet  (Marcelline)  hat  durchaus 
zweifädige  Kette  und  zwei-  bis  dreifädigen  Schuss.  Die  dichtesten  taffet- 
artigen  Zeuge  heissen  Gros  mit  vielen  Beinamen:  de  Naples,  de  Tours, 
d'Orleans    u.  s.  w.,    sie    haben    zweifädige  Kette    und    zwei-    bis    sechsfädigen 


Seidenweberei — Selims.  477 


Schuss,  sind  daher  zum  Teil  sehr  stark  im  Faden  mid  zeigen  deshalb  eine  Art 
von  regelmässiger  Körnung  auf  der  Oberseite  oder  erscheinen  gerippt,  wenn 
dicke  mit  dünnen  Fäden  wechseln.  Zu  den  geköperten  Stoffen  gehören  die 
verschiedenen  Sergen  (Croise,  Levantin,  Drap  de  Soie,  Bombasin  u.  s.  w.), 
der  Atlas  oder  Satin.  Gemusterte  Zeuge  kommen  in  der  grössten 
Mannigfaltigkeit  und  unter  den  verschiedensten  Namen  vor  und  es  gehören 
dahin  alle  gewürfelten,  gestreiften,  geblümten  Gewebe.  Zu  den  Seiden- 
sammetstoffen  gehört  der  echte,  geschnittene  und  ungeschnittene  S., 
sowie  Plüsch  und  Yelpel.  Gazeartige  Gewebe  kommen  als  Gaze,  Flor, 
Marly,  Krepp,  Stramin,  Barege,  Beutelgaze  vor.  Die  gemischten 
Stoffe  zeigen  grosse  Yerschiedenheit  in  der  Zusammenstellung  des  Materials, 
der  Farben  und  Muster  und  es  geht  darin  die  Seide  in  Verbindung  mit  AVolle, 
Alpaka,  Mohair,  Baumwolle  und  Leinen  ein,  entweder  als  Kette  oder  als  Schuss. 
Bei  den  Mischgeweben  hat  besonders  auch  das  Garn  aus  Abfallseide  Verwendung. 
Seidenspinnerei  s.  Spinnerei. 

Seidenweberei  s.  Weberei. 

Seidenwirkerschnur,  eine  aus  mehreren  Schnüren  zusammengesetzte  und 
demnach  als  8-,  12-,  24-  u.  s.  w.  schnürig  benannte  Seilerware  zum  Gebrauche 
für  Seidenwirker. 

Seidenwolle,  die  Samenwolle  des  von  der  Baumwollenstaude  sehr  ver- 
schiedenen Seidenwollenbaums,  von  welchem  es  mehrere  Arten  gibt,  die  in 
Ostindien  und  in  Amerika  wild  wachsen.  Die  Frucht  besteht  aus  einer  Samen- 
kapsel, die  einem  Gänseei  ähnlich  ist.  Die  darin  enthaltene  seidenartig 
glänzende  "Wolle  wird  mit  vieler  Mühe  und  Sorgfalt  gesponnen  und  mit  Baum- 
wolle untermengt  verarbeitet. 

Seidenzeuge,  s.  Seidenwaren. 

Seihtuchleinen,  locker  gewebter  weisse  L.,  welche  zum  Durchgiessen 
von  Flüssigkeiten   gebraucht  wird,   um  sie  von  unreinem  Beiwerk  zu  säubern. 

Seile,  Stricke,  Taue,  Tauwerk  (franz.:  cordes;  engl.:  rips  cordage), 
werden  bekanntlich  von  den  Seilern  oder,  wie  man  sie  in  den  deutschen 
Städten  nennt,  von  den  Reepsschlägern  verfertigt,  in  neuerer  Zeit  aber  auch 
sehr  viel  auf  Maschinen  mehrfacher  Konstruktion,  diese  heissen  Patenttaue, 
die  am  meisten  in  England  aus  russischem  Material  hergestellt  werden. 
Stricke  und  Taue,  besonders  die  Ankertaue,  werden  aus  gutem  Hanf,  oft 
mehrere  hundert  Meter  lang,  armdick  und  stärker  gedreht  und  mit  Teer  ge- 
tränkt. Am  meisten  geschätzt  werden  die  Sorten  aus  gutem,  festem,  livländi- 
schen  oder  kurischen  Hanf.  Auch  die  alten,  abgenützten  Seilerwaren  bilden 
noch  einen  Handelsartikel,  indem  man  sie  auseinanderzupft  und  das  Werg  zum 
Kalfatern  der  Schiffe  braucht.  Unter  den  verschiedenen  Sorten  in  der  Seilerei 
hergestellten  Waren  ist  der  Bindfaden  am  dünnsten,  meist  aus  dem  Zusammen- 
drehen zweier  Fäden  gebildet;  das  Sackband  hat  stärkeren  Draht,  noch 
stärkeren  haben  die  Schnuren.  Die  Korden  bestehen  aus  zwei  oder  drei 
Fäden  mit  sehr  starkem  Draht;  die  Stricke  nehmen  nach  beiden  Enden  zu 
ab  und  bilden  die  geringste  Sorte;  die  Stränge  sind  aus  besserem  Material, 
da  sie  beim  Fuhrwesen  verwendet  werden,  wobei  sie  haltbarer  sein  müssen; 
die  Leinen  teilen  sich  in  Pack-,  Wasch-  und  Fangleinen  und  sind  in  den 
stärkeren  Sorten  aus  vier,  in  den  schwächeren  aus  drei  Litzen  gedreht. 

Seizains  sind  französische  mittelfeine,  im  Stück  gefärbte  Wollentücher, 
die  in  den  Fabriken  des  Depart.  des  Ardeche,  der  Aude,  des  Gard,  der  oberen 
Garonne  z.  T.  mit  spanischer  Wolle  vermischt,  für  den  Handel  nach  der 
Türkei,  Aegypten  und  Persien  verfertigt  werden. 

Seifaktor,  Selbstspinner,  eine  Mulmaschine,  bei  welcher  das  Ein-  und 
Ausfahren  des  Wagens  und  die  Aufwickelung  des  Gespinstes  selbsttätig  durch 
einen  besonderen  Mechanismus  erfolgt  und  welche  beim  regelmässigen  Gange 
menschlicher  Beihilfe  nicht  bedarf.  Der  S.  wurde  1825  zuerst  von  Poberts 
in  Manchester  erfunden  und  in  neuer  Zeit  haben  viele  Verbesserungen  des- 
selben stattgefunden. 

Selims  heissen  Demikottons  (s.  d.). 


478  Selimskaja — Serge  chevron. 


Selimskaja,  verschiedenfarbiger  Baumwollstoff  aus  der  Bucharei. 

Semees  (franz.),  die  über  den  Grund  der  Alen§onspitze  verstreuten 
Blümchen  und  Blätter,  Streublumen. 

Semil,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollspinnerei  und  -weberei. 

Semiramis,    älterer,    geschmeidiger,  glänzender  und  leichter  Seidenstoff. 

Sempiterne  (span.),  Name  einer  feinen,  wollenen  Serge,  welche  aus 
Frankreich  und  England  nach  Spanien  kommt. 

Sempiternelle,  die  gröbere  Art  von  Sempiterne. 

Semur-en-Auxois ,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  x4.rrond.  des  franz. 
Depart.  Cote  d'Or:  "Wollspinnerei  und  Tuchfabrikation. 

Senble,  älterer,  leichter,  damastartig  gemusterter  Stoff  von  feinem  Kamm- 
garn aus  den  französischen  Manufakturen. 

Sendel,  Zendal,  Sindel,  Zindel,  (franz.  cendal),  ein  im  Mittelalter  viel 
gebrauchter  Seidenstoff  (s.  Cendal),  aus  welchem  man  im  13.  Jahrh.  die  sogen. 
Sendelbinde  um  den  Helm,  dann  besonders  im  15.  Jahrh.  um  irgend  eine 
Kopfbedeckung  trug,  die  auch  Schapel  genannt  wurde. 

Sennheim,  Stadt  im  Kreis  Thann  des  Bezirks  Oberelsass:  Kammgarn- 
und  Baumwollspinnerei  und  -weberei,  Stoffdruckerei  und  Färberei. 

Senoues,  Stadt  im  Arrond.  St.  Die  des  franz.  Depart.  Yosges;  Baum- 
w^ollspinnerei  und  -weberei  in  einer  Benediktinerabtei. 

Sensburg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Gumbinnen:  Flachsbau  und 
Leinenweberei. 

Sera,    in    der  alten  Geographie  die  Hauptstadt  des  Seidenlandes  Serica. 

Serabend,  Teppichfabrikationsort  in  Persien,  wo  eine  Gattung  nach  Art 
des  modernen  Ferahanteppichs  geknüpft  wird,  die  aber  steifer  und  spröder  im 
Gefühl  ist  und  zu  den  dichtgewebte'sten  des  Landes  gehört.  Kette  und  Einschlag 
sind  aus  Baumwollgarn  oder  -zwirn,  der  Flor  aus  Schafwolle.  Das  Muster  ist 
ziemlich  gleichbleibend  und  besteht  aus  Palmwipfeln  (s.  d.),  Bordüre  aus  Streifen. 

Serafins,  alte  englische  Wollenzeuge,  auf  weissem  Grunde  mit  bunten 
Blumen  so  gedruckt,  dass  die  Muster  erhaben  erscheinen. 

Serails,  Serailtücher,  aus  feinem  Garn,  nur  locker  gewebte  und  ganz 
leicht  gewalkte  Tücher  aus  feiner  zweischüriger  Wolle  mit  hellblau  und  weissen 
Salleisten,  gewöhnlich  im  Stück  gefärbt.  Sie  kommen  aus  Frankreich  und 
gehen  in  Mengen  nach  der  Türkei  und  Aegypten. 

Serajewo,  Hauptstadt  von  Bosnien:  Teppichweberei. 

Serapes,  wollene  Decken  aus  Mexiko,  welche  im  engl.  Handel  unter  dem 
Namen  Blankets  allgemein  bekannt  sind.  Sie  dienen  in  M.  zur  Bekleidung 
eines  grossen  Teiles  der  männlichen  Bevölkerung  und  werden  an  Ort  und 
Stelle  von  einem  Indianerstanim  gefertigt. 

Serasses  oder  Sarasses,  weisse  Baumwollenzeuge  aus  Bengalen  oder  von 
der  Küste  Coromandel. 

Serbattes,  Serbettes ,  feine  ostindische  Musseline  mit  goldenen  Leisten- 
bändern :  sie  kamen  früher  durch  die  Holländer  aus  Dacca  nach  Europa ;  unter 
dem  Namen  Serbars  oder  Schurbars  lieferte  später  die  Musselinweberei  zu 
Schwanenstadt  in  Oberösterreich  eine  der  ostindischen  nachgemachte  Sorte 
halbdichter  Musseline  von  verschiedener  Feinheit. 

Serbien,  Königreich  der  Balkanhalbinsel :  Tuchfabriken  in  Belgrad,  Uzie 
und  Paracin.  Die  Hausindustrie  ist  am  bedeutendsten  in  der  Herstellung 
eigenartig  bunter,  dauerhafter  Teppiche ;  berühmt  sind  die  Teppiche  von  Pirot. 

Serge,  Sersche  oder  Sarsche  (franz.),  (engl.:  serge) ;  Benennung  von  mehreren 
Arten  seidener,  halbseidener,  wollener  und  gemischter  Gewebe,  die  mit  drei 
oder  vier  Schäften  geköpert  oder  mit  fünf  oder  siebenbündigem  Atlas  u.  s./W. 
gewebt  sind  und  hauptsächlich  als  Futterstoffe  Verwendung  finden;  doch  gibt 
es  auch  wollene  S.  aus  festem  Kammgarn,  die  durch  Bauhen  und  Scheren 
ganz  halbtuchmässig  appretiert  sind.  Die  bekannteste  aus  sehr  glattem  guten 
Kammgarn  ist  die  S.  de  Berry. 

Serge  chevron  wird  mit  Schlangenköper  der  Kette  und  auf  Spitzmuster 
gewebt. 


Serge  Diamant e — Shaub.  479 


Serge  Diatnante  entsteht  aus  Spitzreihen  und  Treten  zugleich. 

Sergette,  schmale  wollene  Serge  aus  verschiedenen  französischen  Manu- 
fakturen, gewöhnlich  weiss  oder  grau;  auch  nennt  man  S.  einen  tuchartigen 
Droguet. 

Sericin  wird  der  Seidenleim  oder  Bast  der  Seidenkokonfaser  genannt, 
der  sich  vom  tierischen  Leim  durch  seine  Unlöslichkeit  in  heissem  Wasser 
unterscheidet. 

Sericum  (lat.) :  die  Seide. 

Serikien  wird  um  das  Jahr  46  v.  Chr.  China  bei  den  Griechen  genannt, 
das  Volk  aber  Serer,  weil  die  Seide  dort  herkam. 

Serikojs  (hebräisch),  erinnert  an  die  chinesische  Bezeichnung  der  Seide 
und  war  einer  ägyptischen  Webekaste  beigelegt,  scheint  (nach  Silbermann,  Die 
Seide,  Dresden  1897,  Bd.  I.)  mehr  die  Operationen  des  Kämmens  oder 
Hecheins  zu  bedeuten,  oder,  wie  Andere  haben  wollen,  eher  auf  bunte  Lein- 
wand, und  überhaupt  auf  sehr  feines  Leinen,  als  auf  die  Seidenfaser  zurück- 
zuführen zu  sein. 

Serimeter,  der  Seidenmesser,  welcher  dazu  dient,  die  Festigkeit  (Zug- 
festigkeit) oder  das  Grewicht  des  Seidenfadens  festzustellen. 

Serinda,  nach  dem  alexandrinischen  Greographen  Ptolemaeus  (um  125 
n.  Chr.)  die  Hauptstadt  des  Seidenlandes. 

Serino,   Stadt  in  der  ital.  Prov.  Avellino :  Seidenbau  und  Seidenweberei. 

Serpillieres,  grobe,  aus  hänfenem  Werg  locker  gewebte  Packleinen  aus 
Frankreich. 

Sersche,  s.  Serge. 

Sertaro,  südamerikanische  Baumwollsorte. 

Servianen,  s.  Fes. 

Serviette  (lat. :  servieta ;  franz. :  serviette ;  ital. :  salvietta ;  engl. :  doily, 
table-napkin) ;  Tellertuch,  kam  schon  unter  den  späteren  römischen  Kaisern 
auf,  wurde  im  Mittelalter  nur  von  Vornehmen,  z.  B.  schon  von  Karl  dem 
Grrossen,  benützt,  für  Bürger  aber  wohl  erst  gegen  das  Ende  des  16.  Jahrh. 
allgemein  gebräuchlich.  Die  Trincierbücher  des  17.  Jahrh.,  in  denen  die  S. 
auch  als  Fatscheinlein  bezeichnet  wird,  enthalten  Anweisungen,  der  S.  durch 
kunstreiches  Zusammenfalten  die  Gestalt  von  Fächern,  Schiffen  u.  s.  w.  zu 
geben,  um  Tafeln  damit  zu  schmücken.  Das  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin 
bewahrt  ein  Tischtuch  aus  dem  Anfang  des  17.  Jahrhdts.,  an  dem  die  Servietten 
(für  12  Personen)  angewebt  sind,  d.  h.  sie  hängen,  jede  für  sich,  an  den  Seiten 
getrennt  vom  Tuch  als  Borte  herunter. 

Serwing,  dicke,  aus  alten  Kabelgarnen  geflochtene  glatte  Taue  zur  Be- 
kleidung der  Ankertaue  u.  dgl. 

Seta  della  marca,  eine  in  Rom  so  benannte  mittelmässige  Seidenart. 

Seta  Ghella  hiess  bei  den  Florentinern  die  Seide  im  14.  Jahrh.,  welche 
sie  von  den  Ufern  des  Kaspischen  Meeres  bezogen.  Der  Name  stammt  von 
der  persischen  Provinz  Ghilan. 

Setangula,  ägyptische  Baumwollsorte. 

Sevilla,  Hauptstadt  in  gleichnamiger  spanischer  Provinz :  Schon  im 
Mittelalter  bedeutende  Seidenindustrie;  noch  aus  dem  17.  Jahrh.  wird  berichtet, 
dass  in  S.  Tausende  von  Menschen  mit  Seidenweberei  beschäftigt  wurden,  die 
heute  sehr  zurückgegangen  ist.      (Vgl.  Spanien.) 

Sevilla,  spanische  Baumwollsorte. 

Seydavi,  eine  Gattung  levantinischer  Seide,  welche  von  Seyd,  dem  alten 
Sidon,  nach  Marseille  zu  Markte  gebracht  wird. 

Sgersh,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Petrikau :  Baumwollspinnereien 
und  Wollfabriken. 

Shag,  s.  Plüsch. 

Shallons,  s.  v.  w.  Chalon. 

Shantung  Pongee,  moderner  seidener  Kleiderstoff. 

Shaub,  eine  Art  ostindischer  halbseidener  Bastas. 


480  Shawl— Siam. 


Shawl  (engl.),  franz. :  chale,  vom  indischen  und  persischen  schäl,  welches 
einen  Umhang,  Mantel,  ärmellosen  Rock  aus  feiner  Ziegemvolle  bedeutet,  und 
nach  Angabe  des  Arabers  Ibn  Batuta  von  dem  Namen  einer  indischen  Stadt 
—  Schälitat  —  hergeleitet  sein  soll.  Grosses,  viereckiges  Tuch  (Longshawl),  aus 
der  Yliesswolle  der  tibetanischen  Hausziege  gewebt  und  im  Orient  gürtelartig  um 
den  Leib  gewunden,  in  Europa  als  Umhängetuch  getragen,  ist  ostindischer  Her- 
kunft. In  Kaschmir  soll  die  Industrie  im  16.  u.  17.  Jahrh.  40000  Shawl  web  stuhle 
mit  etwa  120000  Arbeitern  beschäftigt  haben;  gegenwärtig  ist  die  Industrie 
infolge  der  politischen  Verhältnisse  und  der  Konkurrenz  der  Maschinenarbeit 
sehr  gesunken.  Die  tibetanische  Wolle  wird  in  Kaschmir  erst  mit  Reiswasser 
gebleicht  und  dann  gefärbt;  G.  W.  Leitner  teilt  in  seinem  Account  of  shal- 
weawing  (Labore  1882)  58  Farbenschattierungen  mit.  Die  Zeichnung  entwirft 
der  Obershawlarbeiter  (Dushawlawaller)  in  Umrissen,  der  Shawlmeister  über- 
setzt dieselbe  in  eine  schriftliche  Anweisung,  in  welcher  jedes  Zeichen  eine 
Farbennüance  oder  eine  Zahl  bedeutet;  mit  diesem  Blatte  in  der  Hand  nimmt 
er  neben  dem  Weber  Platz  und  liest  ihm  die  Zeichen  der  Reihe  nach  vor, 
wonach  dieser  arbeitet  ohne  zu  wissen,  welches  Muster  er  webt.  Anstatt  eines 
AYeberschiffs  bedient  man  sich  hölzerner  Nadeln.  Es  werden  immer  zwei 
Shawls  nach  einem  Muster  gewebt,  die  man  nach  Beendigung  der  Arbeit  durch 
Zerschneiden  der  (doppeltlangen)  Fransen  trennt.  Für  den  Spiegel  ist  das 
sogen.  Palmwipfelmuster  (s.  d.)  besonders  beliebt,  die  Borte  setzt  sich  aus 
geometrischen  und  kleinen  Pflanzenmotiven  zusammen. 

Der  L^rsitz  der  Shawlweberei  ist  das  grosse  Hochtal  Kaschmir  im 
Himalajagebirge.  Niemals  bringen  die  "Weber  ihre  Stoffe  anderwärts  in  gleicher 
Farbenschönheit  zustande  wie  in  »der  Heimat;  man  erklärt  dies  auch  aus  der 
grossen  Reinheit  von  Luft  und  Wasser  in  Kaschmir.  Nachgeahmt  werden  die 
Kaschmirshawls  in  Aroritsar  (s.  d.) 

Die  eurojoäische  Nachahmung  der  Sh.  sind  mit  Hilfe  besonderer  Ein- 
schlagfäden nach  Art  der  broschierten  und  lanzierten  Stoffe  nur  aus  Kamm- 
garn oder  aus  Wolle  mit  baumwollener  Kette  und  Einschlag  von  Kammgarn. 
Die  Hauptorte  der  europäischen  Shawlfabrikation  sind  Paris,  Lyon,  Nancy, 
Nimes,  Norwich,  Edinburgh,  Wien,  Zürich,  Basel,  Berlin. 

Shawlmuster  werden  besonders  die  aus  Palmwipfeln  gebildeten  Palmetteu 
(sogen,  indische  P.)  genannt,  deren  Bildung  auf  umgebogene  Cypressenblätter 
zurückzuführen  ist. 

Shepton-Mallet,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Somerset:  Industrie  in 
Sammet,  Tuch,  Strümpfen  und  Flor. 

Sherborne,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Dorset :  Leinwand-  und  Seiden- 
industrie. 

Sherbwoke,  Stadt  in  kanad.  Provinz  Quebec:  Woll- und  Baumwollindustrie. 

Shipley,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  York:  bedeutende  Wollindustrie. 

Shirting,  Sheeting  (engl.),  weisses  Baumwollengewebe,  ganz  oder  halb 
gebleicht,  von  sehr  verschiedener  Feinheit,  ursj^rüngiich  zu  Hemden  bestimmt. 
Beide  Artikel  kommen  in  England  auch  als  Long-cloth,  in  Amerika  als 
Domestik  vor. 

Shoddy,  shoddy-wool  (engl.),  (franz.:  chiffons  de  laine) ;  Ausdruck  für 
die  wieder  brauchbare  Wolle,  die  man  mittels  kramp elartiger  Maschinen  aus 
bereits  getragenen  Wollzeugen,  sogen.  woUene  Hemden,  Abfälle  oder  Lumpen, 
reisst  und  die  unter  Yermischung  von  etwas  guter  Wolle  oder  auch  ohne  solche, 
wenn  man  zum  Zerreissen  Lumpen  aus  Kammgarn  und  locker  gewirkte  Y'are, 
z.  B.  Tibets,  Flanelle.  Strumpfzeug  u.  s.  w.  verwendet,  zum  Wiederverspinnen 
dient.  In  England,  Frankreich  und  Deutschland  werden  aus  Shoddygarn  An^ugs- 
stoffe  hergestellt,  die  ihrem  Aussehen  nach  den  feinsten  Wollstoffen  gleichen, 
indessen  hinter  diesen  an  Haltbarkeit  weit  zurückstehen  (s.  a.  Kunstwolle). 

Shrewsbury,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Shropshirn:  Flachsspinnerei, 
Seidenbandweberei,  Leinwandfabriken.  Bedeutend  ist  der  Handel  mit  walisi- 
schen Wollenzeugen. 

Siam,  ostindische  Baumwollsorte. 


Siamoise — Siklät.  481 


Siamoise  (franz.),  Modename  bunter  französischer  Seiden-,  Halbseiden-, 
Wollen-  und  LeinenstoflPe.  Früher  wurde  eine  Art  der  S.  in  Frankreich  als 
Basin  pour  meubles,  cotonade,  verkauft.  Bostous  heissen  die  festen 
und  dichten,  aus  gezwirntem  Garn  gefertigten  Zeuge  dieser  Art. 

Siamskönigstoff,  Seidenstoff  mit  eingewirkten  farbigen,  goldenen  und 
silbernen  Blumen. 

Siapalens,  Sjappolens,  feine  bunt  gemalte  Baumwolienzeuge,  die  aus  der 
Xievante  kommen. 

Siara,  südamerikanische  Baumwollsorte. 

Sibirienne  ist  ein  starkes  Köpertuch. 

Sibirischer  Lein,  Linum  sibiricum,  von  dem  gewöhnlichen  Lein  ab- 
weichendes Gewächs,  das  in  den  südlichen  und  östlichen  Steppen  Busslands 
teils  wild  wächst,  teils  angebaut  wird.  Die  Stengel  wachsen  und  reifen  un- 
gleich, daher  erfordert  die  Einsammlung  mehr  Mühe;  auch  braucht  das  Auf- 
lösen der  Bastrinde  im  Wasser  mehr  Zeit,  doch  wird  ein  starkes,  haltbares 
Gespinst  daraus  erzeugt. 

Sibisienne,  s.  Düffel. 

Sibmachermuster  werden  Stickmuster  genannt,  welche  auf  Leinen  im 
Kreuzstich  nach  dem  von  S.  herausgegebenen  und  wieder  von  neuem  veröffent- 
lichten Musterbüchern  gearbeitet  sind.     S.  lebte  bis  1611  in  Nürnberg. 

Sicilianische  Baumwolle,  s.  Baumwollsorten. 

Sicilien,  die  grösste  Insel  des  Mittelmeeres,  gelangte  durch  die  Sarazenen 
in  den  Besitz  des  Seidengewerbes,  welche  878  dieselbe  vollständig  beherrschten. 
Als  im  12.  Jahrh.  S.  durch  die  Normannen  erobert  wird,  finden  diese  eine 
wohl  eingerichtete  maurische  Seidenmanufaktur,  welche  vom  König  Boger  sehr 
gefördert  wurde,  so  dass  dadurch  selbst  der  byzantinische  Handel  in  eine 
Krisis  gerät  und  einen  Krieg  zwischen  den  Normannen  und  den  mit  den 
neidischen  Venetianern  verbundenen  Griechen  zur  Folge  hat.  Boger  geht  aus 
demselben  siegreich  hervor  und  nimmt  (1146)  die  besten  Seidenweber  aus 
Theben  und  Korinth  nach  Balermo  (s.  d.).  Heut  ist  die  Seidenweberei  sehr 
zurückgegangen  und  nur  bei  Messina  von  Belang. 

Sicilienne,  modernes  Seidengewebe. 

Sicyonienne,  älteres  Haargewebe,  das  zu  Schuhstoffen  Verwendung  fand. 

Sidschillat  (arab.  von  dem  lat.  sigillatus),  bunter  mit  kleinen  Figuren 
gemusterter  bedruckter  Leinenstoff. 

Siebenbürgen,  ungar.  Grossfürstenium :  Textilhausiudustrie. 

Siebleinwand,  s.  Beuteltuch. 

Siebmacherstuhl,  Siebstuhl,  ein  Webstuhl,  auf  welchem  gewebte  Sieb- 
böden hergestellt  werden. 

Siebtuch,  s.  Beuteltuch. 

Siena,  Hauptstadt  der  gleichnam.  ital.  Provinz:  Seidenwebereien,  Fabri- 
kation von  Wollstoffen,  Leinen  und  Hanfgeweben.  Die  Seidenindustrie  wurde 
1438  durch  Nello  di  Francesco  eingeführt  und  gelangte  bald  zu  einer  derartigen 
Blüte,  dass  S.  mit  Florenz  in  Konkurrenz  treten  konnte.  S.  ist  im  16.  Jahrh. 
auch  ein  Hauptort  für  Spitzen  gewesen,  wovon  ein  Musterbuch  „Blumen  der 
Nadelarbeit,  von  Matteo  Florini,  1593"  Zeugnis  gibt.  Die  Sj)itze  selbst  ist 
ein  aus  genähten  Bändern  hergestelltes  Produkt,  das  vornehme  Muster  in 
Bosetten  und  Blütenformen  darstellt. 

Siget,  in  Westfalen  das  Mollengarn  (Leinen),  welches  so  fein  als  möglich 
gesponnen,  auch  gut  gezwirnt  ist  und  zu  Schnürriemen  und  Band  verarbeitet  wird. 

Siglaton,  s.  Siklät. 

Signach,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Tiflis :  Seidenzucht. 

Signaculum,   s.  v.  w.  Merkbänder  (s.  d.). 

Signoria,  in  Italien  ein  glattes  schwarzes  Seidenzeug. 

Sigtermann,  früher  im  holländ. -ostindischen  Handel  feine,  glatte  Musse- 
line mit  goldenen  Leistenbändern. 

Siklät,  siglät,  siglaton,  sigilot,  cyclät,  cisclato,  syclatowne,  chekelatoun 
u.   s.  w.,    in    allen    Schriften    des    mittelalterlichen  Orients    und  Occidents    sehr 

Heiden,   Handwörterbnch  der  Textilkunde.  31 


482  Silassen — Siriusseide. 


verbreitet,  nach  Prof.  Karabaceks  Erklärung  sämtlicli  aus  dem  mittellateiniscben 
cyclatus  (Stoff,  aus  welchem  die  cyclas  genannten,  unten  rund  geschnittenen 
Frauenkleider  gemacht  wurden)  entstandene  Bezeichnung  von  Seidenstoffen, 
welche  bereits  im  9.  Jahrh.  in  Tebris,  Bagdad  und  anderen  orientalischen 
Städten,  im  11.  Jahrh.  auch  in  Almeria  in  Spanien  gemacht  wurden:  ur- 
sprünglich nur  einfarbige,  in  vertieften  Umrisslinien  gemusterte,  dann  mehr- 
farbige, endlich  auch  im  12.  Jahrh.  broschierte  Stoffe.  Die  früheste  Art  des 
S.  scheint  eine  Art  Vorläufer  des  Damastes  gewesen  zu  sein,  was  auf  seinen 
Ursprung  aus  China  hinweist.  Er  war  durch  grosse  Festigkeit  und  Dauer- 
haftigkeit ausgezeichnet;  häufig  bestand  die  Kette  aus  ungebleichtem  Leinen, 
der  Einschlag  aus  Seide.  Siklatun  ist  nach  Einigen  kein  mustergewebtes, 
sondern  ein  nach  dem  Zeugdruckverfahren  hergestelltes  Grewebe. 

Silassen  Messen  früher  buntgedruckte  Schnupftücher  aus  Paliacat. 

Silberfäden,  cyprische,  s.  Brokat. 

Silbergespinst,  Seidenfäden  mit  ganz  dünnem  Silberdraht  umwickelt. 

Silberspitzen,  s.  Spitzen. 

Silberstoff,  Seidengewebe  mit  geplättetem  Silberdraht  oder  mit  Silber- 
gespinst broschiert  (s.  Brokat). 

Sile,  Stadt  im  türk.-kleinasiat.  Sandschak  Amasia  der  Provinz  Siwas : 
Erzeugung  einer  Art  Sumakhteppiche,  d.  h.  gewirkte  oder  broschierte  kau- 
kasische Gewebe.  Es  gibt  darin  nur  ein  Muster,  das  aus  einem  geradlinigen  S 
besteht,  dessen  breite  weisse  Bänder  mit  S-förmigen  Motiven  gefüllt  sind, 
während  die  zwischen  den  Bändern  freigebliebenen  rechteckigen  Felder  breit 
zugespitzte  Hakenfiguren  enthalten. 

Silesias,  allgemeiner  spanisclier  und  portugiesischer  Name  einiger  Sorten 
schlesischer  Leinwand. 

Silesies,  leichte  französische  Tuchstoffe. 

Silk  (engl.)  Seide. 

Silk-Cotton  nennen  die  Engländer  die  Samenwolle  des  in  Ostindien  und 
Amerika  wachsenden  Wollbaumes ;  s.  Seidenwolle. 

Silkeen,  eine  Grattung  schmal  gerippter  Manchester  von  seidenartigem 
Ansehen,  auf  farbigem  Grund  bunt  gedruckt,  aus  den  englischen  Manufakturen. 

Silk-Nankeens,  halbseidener  englischer  Nankin,  in  verschiedenen  Mustern 
mit  atlasartigen  Seidenstreifen  auf  einem  Baumwollgrund. 

Silouette,  gemischter,  leinwandartig  gewebter  Stoff  mit  Baumwollkette 
und  Leineneinschlag  von  verschiedener  Farbe,  so  dass  das  Gewebe  ein  schillerndes 
Aussehen  erhält.     Die  Ware  kommt  aus  Frankreich. 

Silver-Cords,  englischer,  schmal  gerippter  Manchester. 

Silveret,  veralteter,  geköperter  Halbseidenstoff. 

Similiseide,  erregte  im  Jahre  1879  als  künstliches  Surrogat  aus  Lyon 
grosses  Aufsehen.  Ein  Baumwoll-  oder  Flachsfaden  ging  in  einen  geheimnis- 
vollen Apparat  hinein  und  sollte  auf  der  andern  Seite  in  Form  eines  pracht- 
vollen Seidenfadens  heraustreten.  Dies  Verfahren  stellte  sich  aber  als  ein 
Betrug  dar  (s.  künstliche  Seide). 

Sinaseide  ist  chinesische  S. 

Sindelfingen,  Stadt  in  Württemberg:  Seiden-,  Teppich-  und  Leinen- 
weberei ;  Baumwollindustrie. 

Sindones,  durchsichtige,  aus  Leinen  gewebte  Stoffe  des  Mittelalters. 

Sinesische  Kangam,  eine  Sorte  grober  und  feiner  Nankin  von  blauer 
Farbe,  in  China  gefertigt. 

Sirica,  siricella  (lat.),  zunächst  syrischer,  dann  auch  anderer  seidener 
Stoff  (s.  Sirische  Gewebej.  ^ 

Sirische  Gewebe,  sirica,  panni  di  sirico,  hochrote  Seidenstoffe,  im  Orient 
und  später  in  Spanien  und  Italien  gemacht,  welche  ihren  Namen  von  siricum, 
Mennige,  Gelbrot,  führten,  also  nicht  von  dem  Lande  Syrien.     Vgl.  Siklät. 

Siriusseide,  Glanzstoff,  Pauliseide,  eine  Art  der  Kunstseide,  die  durch 
Auflösung  von  Cellulose  in  Kupferoxydammoniak  und  Füllung  mit  verdünnter 
Essigsäure  gewonnen  wird.     S.  zeigt  hohen  Glanz  und  grosse  Weichheit  (daher 


Sirsakas — Skutari. 


483 


ihre  Verwendung  als  Ersatz  für  Menschenhaar),  aber  nur  geringe  Festigkeit, 
besonders  in  feuchtem  Zustande. 

Sirsakas,  Sersukers,  Cirsacas,  Cirsacca,  ursprünglich  ostindische  atlasartige 
Zeuge,  bei  welchen  auf  einem  Köpergrunde  von  Baumwolle  bunte  Streifen  und 
Würfel  von  Seide  oder  von  Florettseide  mit  gedecktem  Köper  gewebt  sind.  Auch 
einem  reichen,  zusammengesetzten  Gewebe  von  Atlas,  Tissu  d'or  und  Fond  d'or 
gab  man  in  Frankreich  den  Namen  Sirsacca. 

Sisal  (Grashanf)  ist  Aloehanf  (s.  d.),  kommt  aber  von  einer  besonderen 
Art  von  Agave  aus  Yukatan  (Agave  Sisal),  so  genannt,  weil  sie  zuerst  bei  der 
gleichnamigen  Stadt  in  Yukatan  zur  Gewinnung  des  Faserstoffes  benutzt  wurde. 
Das  Gewächs  kommt  übrigens  in  allen  Gegenden  des  tropischen  Amerika  vor. 

Sisteron,  Stadt  im  gleichnam.  Arrond.  des  franz.  Depart.  Basses-Alpes : 
Baumwoll-  und  Seidenspinnerei. 

Sistresay,  bunt  gestreifter  Halbseidenstoff,  der  auf  Damastart  mit 
doppelter  Kette,  die  eine  von  Seide,  die  andere  von  Baumwolle,  und  mit  einem 
Einschlag  von  Florettseide  gewebt  wird.  In  der  Türkei,  wo  S.  sehr  gangbar 
ist,  unterscheidet  man  zwei  Sorten:  die  bessere  aus  Ostindien  und  Damaskus, 
die  geringere  aus  Aleppo,  Konstantinopel  und  Brussa. 

Sittaras,  baumwollene  rohe  Kattune  von  Patna. 

Siwas,  Hauptstadt  des  gleichnam.  türk.  Wilajets :  Baumwollweberei  und 
Färberei,  Teppicherzeugung. 

Sjadra,  gewöhnliche,  ostindische  rohe  Kattune. 

Sjewsk,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Orel :  Hanfspinnerei  und  Weberei. 

Skandinavien,  Halbinsel  im  Norden  Europas:  durch  Vermittlung  der 
Friesen  gelangt  man  hier  im  8.  Jahrh.  in  den  Besitz  der  Seide.  Die  Ueber- 
reste     des     Skandinavier  -  Königs 

Olaf  II  (gegen  1030  f )  wurden  in  ^^b.  276. 

purpurseidene  Gewänder   gehüllt. 

Skapulier  (lat. :  scapularium 
=  Schulterkleid),  ein  als  Ueber- 
wurf  zur  Schonung  des  Haupt- 
gewandes dienender  Teil  der 
Mönchskleidung. 

Skernewizy,  Stadt  im  russ.- 
poln.  Gouvernement  Warschau : 
zwei  Tuchfabriken. 

Skipton,  Stadt  in  der  engl. 
Grafschaft  York:  Woll-  und 
Baumwollindustrie . 

Skotschau,  Stadt  in  Oesterr.- 
Schlesien :  Streichgarnspinnerei, 
Tuchfabrikation. 

Skutari,  Hauptort  des  gleich- 
namigen türkischen  Wilajets: 
Seiden-,  Baumwoll-,  Woll-  und 
Sammetwebereien.  Heber  ältere 
Webereien  aus  S.  ist  man  nicht 
völlig  unterrichtet;  doch  lassen 
Sammet  Stoffe  mit  leichtem  Atlas - 
grund      auf     Baumwollkette     der 

neueren  Zeit  (Abb.  276)  im  Vergleich  mit  früheren  derartigen  orientalischen 
Geweben  darauf  schliessen,  dass  hier  die  Kunstweberei  schon  im  16.  Jahrh. 
in  hoher  Blüte  stand.     (Vgl.  Orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien.) 

Abbildung: 

276.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Sammetstoff,  Grund  weisser  Atlas  auf  Baumwollkette,  symmetrisches  Muster  roter 
geschnittener  Sammet:  Spitzovale  Felder  aus  Blättern,  darin  Rosetten.  Skutari  An- 
fang- 19.  Jahrh. 


484  Skutsch— Solisooty. 


Skutsch,   Stadt  iu  Böhmeu:  ausgedehnte  Wäschestickerei. 

Slawische  Hausindustrie,  s.  Volkskunst. 

Slivno,  Stadt  iu  Bulgarien:  Tuchfabriken. 

Slonim,  Stadt  im  russ.  Grouvernement  Grodno :  9  Tuchfabriken. 

Sluck,  Stadt  im  russ.-poln.  Gouvernement  Warschau:  Ende  des  17.  Jahrh. 
AVeberei  für  seidene  Schärpen;  s.  Polen. 

Smalkens,  dünne  Leinen-,  Florett-_,  auch  Seidenstoffe  mit  Gold  und  Silber 
durchwebt,  die  früher  besonders  zu  Amsterdam    und  Haarlem  gewebt  wurden. 

Smerio  s.  v.  w.  Festonstich    in  der  Spitzennäherei. 

Smichow,  Gemeinde  in  Böhmen :  zwei  Kattunfabriken. 

Smyrna,  uralte  griech.  See-  und  Handelsstadt  im  türk.  Wilajet  A'idin, 
an  der  Westküste  Kleinasiens :  Fabrikation  von  Seiden-  und  Halbseidenstoffen ; 
Spitzen.     Teppiche  s.  Smyrnateppiche. 

Smyrnaspitzen  werden  nicht  nur  diejenigen  Erzeugnisse  aus  S.  selbst, 
sondern  auch  solche,  welche  sich  an  den  Trachten  der  Frauen  von  Brussa, 
Manissa  u.  s.  w.  befinden,  genannt  (s.  Spitzen). 

Smyrnateppiche  oder  „türkische  Teppiche"  sind  Knüpfarbeiten,  sie 
stammen  zum  allergeringsten  Teile  aus  Smyrna  selbst,  sondern  grösstenteils 
aus  dem  Innern  Yorder-Kleinasiens,  von  woher  sie  aus  entlegenen  Städten 
und  Dörfern  nach  der  Küste  gebracht  werden.  Als  Hauptsitze  der  Erzeugung 
der  beliebtesten  Sorten  von  S. -Teppichen  werden  heute  genannt:  TJschak, 
Giordes,  Kula,  Demirdschik,  Sparta,  Ladik,  Bergamos  und 
Melas.  Während  die  drei  letztgenannten  Orte  schon  seit  alten  Zeiten  der 
Teppichfabrikation  obliegen,  haben  sich  Demirdschik  und  Sparta  erst  in  neuer 
Zeit  diesem  Industriezweige  hingegeben:  von  namhafter  Bedeutung  aber  sind 
die  Erzeugnisse  von  Uschak,  Giordes  und  Kula,  weil  sie  verschiedene  Er- 
scheinungsformen repräsentieren:  Uschak  arbeitet  türkische  Dessins,  in  Giordes 
werden  persische  Muster  nachgeahmt  und  Kula  liefert  sogenannte  Khorassan- 
Imitation.     (Vgl.  Teppiche.) 

Snowdoners,  veraltete  farbige  Baumwollenstoffe  aus  Berliner  Manu- 
fakturen. 

Sochs,  eine  Gattung  levantischer  Baumwolle,  welche  besonders  nach 
Marseille  geht. 

Socorro,  Stadt  in  dem  zur  südamerik.  Föderativrepublik  Kolumbien 
gehörigen  Staat  Santander  :  Baumwollplantagen,  Baumwollspinnerei  und -Weberei. 

Soesjes,  Susjes,  Süsses,  leichte  ostindische  Baumwollstoffe,  eine  Art  Flor, 
verschiedenfarbig  und  weiss  gestreift,  in  verschiedener  Feinheit  als  Kopfbinden 
für  Judenfrauen.  Unter  gleichem  Namen  versteht  man  auch  die  blau  und  weiss 
gestreiften  seidenen  chinesischen  Krepptücher. 

Sof,  eine  Art  feiner  leichter,  teils  changierender,  teils  mit  broschierten 
Mustern  versehener  Kamelott,  welcher  in  Kleinasien  verfertigt  und  von  den 
Franzosen  unter  dem  Namen  „Chalys"  nachgeahmt  wird. 

Söflingen,  Dorf  im  württ.  Oberamt  Ulm :  Weberei,  Erzeugung  von  Kunst- 
baumwolle, Baumwollweberei. 

Sohland,  Dorf  in  Sachsen^  bei  Bautzen,  nahe  der  böhm.  Grenze :  Leinen- 
und  Baumwollweberei,  Webwarenfabrik. 

Soie,  s.  Seide. 

Sole  de  France  s.  Vivierseide. 

Soie  plate,  grobe  Stickseide,  welche  zur  Verfertigung  seidener  persischer 
Teppiche  verwendet  wird. 

Soie  vegetale,  franz.  Bezeichnung  der  Agavefaser. 

Soje,  ein  glattes  Wollenzeug.  ^ 

Soldin,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  die  in  früherer  Zeit 
blühende  Tuch-,  Wollzeug-  und  Strumpffabrikation  ist  gegenwärtig  unbedeutend. 

Solesmes,  Stadt  im  Arrond.  Cambrai  des  franz.  Depart.  Nord :  Weberei 
von  Batist,  Linon  (Schleierleinwand),  Taschentüchern  und  Baumwollwaren. 

Solisooty,  musselinartiges  Baumwollgewebe  aus  Bengalen,  dessen  Kette 
und  Einschlagfäden  nicht  fest  und  rund  gedreht,   sondern  locker  und  glatt  sind. 


Sologesses — Sourbassis.  485 


daher  das  Gewebe,  wenn  auch  dichter  als  Musselin,  so  doch    weich    und  dünn 
ausfällt. 

Sologesses,  feine  ostindische  Musseline. 

Solspitze  oder  Sonnenspitze,  Bezeichnung  für  eine  filetartig  gearbeitete 
Nadelspitze  mit  Mustern  aus  runden  Scheiben,  die  im  17.  Jahrh.  zuerst  in 
Spanien  und  später  in  Brasilien,  Venezuela  usw.  gemacht  wurden  (s.  Spitzen.) 

Soltau,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Lüneburg:  Filz- und  Teppichfabriken, 
Handel  und  Wolle. 

Somain,  Stadt  im  Arrond.  Douai  des  franz.  Depart.  Nord  :  Wollkämmerei 
und  -Spinnerei,  Handel  mit  Tuch  und  Leinwand. 

Sommerfeld,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  bedeutende  Tuch- 
fabriken, deren  Artikel  auf  den  Frankfurter  und  Leipziger  Messen  sehr  gesucht 
sind;  Färberei  und  Appreturen.     Werkmeisterschule  für  Weber. 

Sommerhausen,  Marktflecken  im  bayr.  Beg.-Bez.  IJnterfranken :  Seiden- 
bandfabrikation, Schlauchwebereien. 

Sommerieres,  französischer,  geköperter  und  leicht  gewalkter  Wollen- 
stoff, der  sich, von  der  Serge  dadurch  unterscheidet,  dass  er  auf  beiden  Seiten 
lang  gerauht  und  auf  der  rechten  Seite  mit  einem  Schnitt  geschoren^  so  dass 
er  zu  den  franz.  Molton  gerechnet  wird.  Die  Bezeichnung  stammt  vom  gleich- 
namigen franz.  Fabrikationsort. 

Sommerspitzen  heissen  Klöppelarbeiten  aus  Mecheln,  so  genannt  wegen 
ihrer  vorwiegenden  Verwendung  für  Toiletten  dieser  Jahreszeit. 

Sommertressen,  durchbrochene  Borten,  deren  Anschweif  ganz  aus  Seide 
besteht,  die  aber  zum  Einschlag  sowohl  Seide,  als  auch  einen  starken  Gold- 
und  Silberlahn  erhalten,  den  man  groben  Riegel  nennt  und  womit  die  Blumen- 
muster gebildet  werden;  broschierte  Sommertressen  nennt  man  sie, 
wenn  einzelne  Teile  der  Blumen  oder  die  Mitte  derselben  aus  Bouillon  oder 
Cantille  gemacht  sind,  in  welchem  Falle  man  sie  mit  3  Schützen  webt.  In 
der  Werkstatt  des  Bortenwirkers  sind  S.  mit  Gallonen  gleichbedeutend. 

Sommerwolle  heisst  die  im  Herbst  oder  zum  zweitenmal  abgeschorene 
Wolle. 

Sonnenburg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  Fabrikation  von 
Plüschwaren  und  Teppichen;  Seidenweberei. 

Soots  Romals,  bunt  gegitterte  und  gestreifte  ostindische  Baumwolltücher. 

Sopra  Calici,  italienische  seidene  Tücher  aus  Organsinseide  mit  Florett- 
eins chuss. 

Sorau,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Frankfurt:  Bedeutende  Tuch-  und 
Leinenfabrikation.  Königliche  Webeschule  mit  dazu  gehöriger  Muster- 
sammlung. 

Soria,  die  Wolle  aus  der  span.  Provinz  Soria,  welche  durch  das  Waschen 
im  kalten  Wasser  eine  Härte  erhält,  die  sie  von  Natur  nicht  hat,  weshalb  sie 
zu  den  geringeren  Sorten  mitgerechnet  wird. 

Sorkroten,  ein  ostindischer  Kattun. 

Sorrento,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Neapel:  Seidenzucht  und -fabrikation. 

Sorting-Cloths  sind  englische  Tücher,  Sorting-Pack-Cloths  solche 
gewöhnlicher  Art. 

Sorting-Pennistone,  gewöhnliches  Tuch  aus  geringer  und  Ausschuss- 
wolle aus  Halifax. 

Sosie,   s.  V.  w.  Soejes  (s.  d.). 

Sotteville  les  Ronen,  Stadt  im  franz.  Depart.  Seine  Inferieure,  Arrond. 
Ronen:    Maschinenspinnerei  und  -Weberei  in  Baumwolle  und  Leinen. 

Sou-cha,  chinesisches  Beuteltuch,  Seidengaze;  auch  ein  blau  gestreifter 
seidener  Crepon  aus  China. 

Soumak,  s.  Sumakh. 

Souple,  weichgemachte  Seide,  welche  eine  Faser  darstellt,  deren  Bast 
nur  teilweise  entfernt  wurde,  weshalb  sie  auch  den  Namen  „halbgekochte" 
Seide  (mi-cuit,  mezzo-cotto)  führt. 

.     Sourbassis,  eine  feine  Sorte  weisser  oder  gelblicher  persischer  Seide. 


486 


Soutaclie — Spanien. 


Soutache ,  schmales ,  seidenes ,  wollenes  oder  baumwollenes  gewebtes 
Börtchen,  das  als  verzierender  Besatz  auf  Nähten  gebraucht  wird,  auch  mit 
Gold  durchwirkte  Plattschnur  oder  Litze,  die  zum  Sticken  verwendet  wird. 

Soutane  (franz.),  ein  langer,  mit  engen  Aermeln  versehener  Leibrock  der 
katholischen  Greistlichen ,  der  als  Untergewand  unter  der  liturgischen  Amts- 
tracht getragen  wird. 

Southampton,  Hauptstadt  in  gleichnamiger  engl.  Grrafschaft:  Seiden- 
industrie, Teppichweberei. 

Sowerby,  S.  Town  und  S.  Bridge,  zwei  zusammenhängende  Städte  in 
der  engl.  Grafschaft  York :  Baumwoll-  und  Worstedspinnerei,  Fäi^berei,  Fabri- 
kation von  "Wachstuch. 

Soygarn  ist  Sayetgarn,    s.  Kammgarn. 

Spachtelstickerei,  mit  der  Hand  oder  mechanisch  hergestellte  sogen. 
Spinnenmuster  zwischen  dem  Gitterwerk  von  Gardinen  und  Spitzen. 

Spaichingen,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Baumwoll-,  Florettseiden- 
und  Seidenspinnerei;  Fabrikation  von  Halbseidenwaren. 

Spaliere  Messen  früher  Gewebe  von  verschiedenem  Material,  welche 
statt  der  Tapeten  zum  Ausschlagen  von  Wohnräumen  gebraucht  wurden ;  mau 
fertigi;e  sie  aus  Wolle,  Leinen  und  Seide. 

.  Spanien,  Königreich :  Textilindustrie  in  den  Provinzen  Katalonien, 
Valencia,  Murcia,  Galizien  und  Asturien,  vornehmlich  Baumwolle,  Leinen  und 
Anfertigung  von  Geweben  daraus.  Woll-  und  Seidenindustrie  in  Sevilla;  auch 
die  baskischen  Provinzen  haben  von  jeher  regen  Betrieb  im  Textilgewerbe. 

In  ältesten  Zeiten  werden  besonders  erwähnt  die  Leinenstoffe  von  Soetabis 
(Jativa),  ferner  Wollenstoffe,  die  in  'dem  heutigen  Katalonien  und  Kordvalencia, 
hauptsächlich  in  Tarraco,  gewebt  wurden.     In  letzterer  Stadt  stellte  man  auch 

Abb.  277. 


fertige  Gewänder  her,  die  in  grossen  Massen  nach  Italien  exportiert  wurden. 
In  Galizien  wurden  die  lacernae,  Soldatenmäntel,  gemacht,  die  ebenfalls  über 
das  ganze  Reich  Verbreitung  fanden. 

In  der  Blütezeit  des  Kalifats  (9.  Jahrh.)  beschäftigte  die  Textilindustrie 


Spanien. 


487 


Millionen  von  Menschen.  Die  maurischen  Schleiergewebe,  die  Seiden-,  Brokat- 
und  Damaststoffe  Andalusiens  waren  überall  auf  das  höchste  geschätzt  und 
VRirden  im  10.  und  11.  Jahrh.  in  grossen  Massen  exportiert.  In  Cordova  allein 
sollen  sich  unter  Hakem  11.  (961 — 76)  130  000  Menschen  von  Seidenweberei 
ernährt  haben,  in  Sevilla  waren  16  000  Seidenwebstühle  in  Tätigkeit.  Einer  der 
Hauptorte  für  Seidenfabrikation  war  Almeria.  In  den  Alcaicerias,  den  Seideustoff- 
lagern  der  grossen  Handelsplätze,  waren  Stoffmassen  im  Werte  von  vielen  Millionen 
Dinaren  aufgehäuft.  Die  Wollenweberei  wurde  übrigens  von  den  Eingeborenen, 
die  Leinen-  und  Baumwollweberei  von  den  Sj^rern  und  Aegyptern  betrieben. 
Die  Eroberung  Granadas  (1492)  trug  Kastilien  die  reiche  Seidenindustrie 
dieses  letzten  muhammedanischen  Staates  ein  und   Isabel   war    darauf  bedacht, 

Abb.  278. 


sie  ebenfalls  auf  ihrer  bisherigen  Höhe  zu  erhalten ;  die  Seidenfabrikation  blieb 
daher  zunächst  auch  denselben  Gresetzen  unterworfen,  welche  die  maurischen 
Könige  für  sie  geschaffen  hatten.  Auch  die  Tuchindustrie  hatte  sich  imter 
Isabel  rasch  entwickelt  und  beide  Gewerbtätigkeiten  fanden  grosse  Verbreitung, 
deren  Haupterzeugungsstätten  ausser  Granada,  Sevilla,  Barcelona  und  Valencia 
noch  Toledo,  Segovia,  Avila,  Valladolid,  Burgos,  Medina  des  Campo  und  Cuenca 
wurden.  In  Sevilla  waren  Zehntausende  von  Arbeitern  mit  der  Herstellung 
von  Seidenstoffen  und  Wolltüchern  beschäftigt;  in  Toledo  wurden  von  mehr 
als  560  Mützenmachern  Millionen  der  unter  dem  jSTamen  „Fes"  bekannten  Kopf- 
bedeckungen angefertigt,  die  über  Cadiz  nach  Nordafrika  ausgeführt  wurden. 
Toledo  war  neben  Sevilla  auch  der  hauptsächlichste  Fabrikationsort  für  Seiden- 
stoffe, und  etwa  40  000  Menschen  waren  zeitweise  in  diesem  Zweige  beschäftigi:. 


488 


Spanien, 


Abb.  279. 


Unter  Karl  Y.  (1519 — 1556)  befand  sich  Spanien  auf  dem  Gipfel  seiner 
politischen  Macht  und  besass  eine  ungemein  leistungsfähige  Industrie ;  indessen 
führte  das  Eegierungssystem  seines  Sohnes,  Philipp  II.  (1556  — 1598)  einen  Yer- 
fall  der  materiellen  Kultur  herbei,  der  sich  so  schnell  vollzog,  dass  nach  Philipps 
Tod  schon  grosse  Zweige  der  gewerblichen  Tätigkeit  ihre  Lebenskraft  fast 
eingebüsst  hatten.  Zum  Zwecke  der  Förderung  der  Leinenindustrie  war  der 
riachsbau,  namentlich  im  Norden  Spaniens ,  mit  so  gutem  Erfolge  eingeführt 
worden,  dass  bereits  1535  der  Import  ausländischer  Leinwand  verboten  werden 
konnte.  Aber  auch  dieser  Industriezweig  vermochte  sich  auf  die  Dauer,  unter 
der  wachsenden  Ausbeutung  der  gesamten  nationalen  Industrie  seitens  der  in. 
ewiger  Finanznot  befindlichen  Regierungen  und  infolge  der  teuren  Löhne  wie 
der  hohen  Produktionskosten  der  spanischen  Manufakturen,  der  Konkurrenz  des 

Auslandes  gegenüber  nicht 
zu  halten.  Hatte  die  spa- 
nische Industrie  um  die 
Mitte  des  16.  Jahrhdts.  nicht 
nur  die  Iberische  Halbinsel 
und  die  grossen  Kolonien 
ganz  ausschliesslich  mit  ihren 
Erzeugnissen  versehen,  son- 
dern auch  im  Auslande  star- 
ken Absatz  gefunden,  so 
war  das  Land  im  17.  Jahrh. 
mehr  und  mehr  auf  die 
fremden  Waren  angewiesen 
worden ;  ganze  Industrie- 
zweige waren  eingegangen, 
die  noch  vorhandenen  be- 
schäftigten höchstens  ein 
Zehntel  der  Kräfte,  die  ein 
Jahrh.  früher  in  ihrem  Be- 
trieb tätig  gewesen  waren. 
Mehr  als  drei  Viertel  der 
G-esamtbevölkerungSpaniens 
kleidete  sich  unter  Karl  II. 
(1665—1700)  in  fremdlän- 
dische Stoffe,  die  einheimi- 
schen Fabriken  lieferten  nur 
noch  Stoffe  geringster  Qua- 
lität. Wo  sich  um  diese  Zeit 
noch  Reste  von  Industrie- 
tätigkeit erhalten  hatten,  da 
waren  es  fast  nur  Ausländer, 
die  sie  betrieben ;  eine  rühm- 
liche Ausnahme  machten  ausschliesslich  die  Katalanen,  die  auch  in  den 
Zeiten  des  tiefsten  Verfalls  der  Industrie  immer  eine  gewisse  Pflege  zuteil 
werden  liessen.  — 

Die  Musterung  der  ältesten  spanischen  Seidenstoffe  beruht  natürlich  voll- 
ständig auf  Eingebungen  des  Islam  (s.  arabischer  Stil),  worin  geometrische 
Figuren  mit  stilisierten  Blättern  und  Blütenansätzen,  dazwischen  arabische 
Inschriften,  die  Elemente  bilden,  aus  deren  Verbindungen  die  „Märchen  der 
Linie",  die  Arabesken,  geschaffen  wurden  (Abb.  79,  80,  264,  277 — 78).  Auch 
in  späterer  Zeit  bleibt  eine  solche  Flächenteilung  vorherrschend  (Abb.  23) ; 
selbst  zur  Zeit  der  Renaissance,  als  im  Bereiche  der  spanischen  Textilkunst 
der  italienische  Einfluss  unverkennbar  ist,  herrscht  die  orientalische  Formenwelt 
vor,  die  über  Venedig  von  neuem  Nahrung  erhalten  hatte  und  Muster  daher 
mit  denen  Spaniens  verwandt  erscheinen  lässt  (Abb.  279).  Bezeichnend  für 
spanische  Brokatstoffe  des  16.  Jahrhs.  ist  ferner  das  Vorkommen  von  gezogenen 


Spanien — Spanische  Spitzen. 


489 


Gold-  und  Silberfäden  in  denselben,  deren  erste  Erscheinung'  hier  mit  der  Ent- 
wicklung der  Filigranarbeit  im  Zusammenhange  steht  (vgl.  Spanien  im  Artikel 
Eenaissance  S.  425,  dazu  Abb.  251 — 52). 

Granz  frei  von  orientalisierenden  Elementen  mit  einem  Streumuster -im 
Stile  italienischer  Spätrenaissance  ist  der  unter  Abb.  280  dargestellte  Silber- 
brokat, der  den  spanischen  Doppeladler  und  die  Wappenzeichen  der  unter  ihm 
vereinigten  Reiche  Leon  und  Kastilien,  zwischen  Namenszügen  (Karl  Y.  [?] 
und  Philipp  n.  [?])  enthält.   Ueber 

die    Gewebemuster    Spaniens    aus  Abb.  280. 

dem  18.  Jahrh.  ist  man  zweifel- 
haft. Es  wird  versucht,  eine 
Gruppe  von  Seidenstoffen  als  solche 
zusammenzustellen,  welche  grosse 
phantastische,  schräg  aufsteigende 
und  ge^vundene  frucht-  und  blatt- 
artige Gebilde  enthalten,  die  von 
feinen  Ranken  mit  orientalisieren- 
den Blüten  verbunden  sind;  eine 
verwandte  Gruppe  solcher  Stoffe 
hat  reiche  Broschierungen  in  Gold 
und  Silber :  es  gehen  die  Meinun- 
gen darüber  auseinander,  ob  beide 
Arten  als  spanische  Erzeugnisse, 
oder  ob  eine  von  ihnen  vene- 
tianischen  Ursprunges  sein  möchte 
(vgl.  Venedig). 

Heber  spanische  Teppich- 
muster älterer  Zeit  ist  man  durch 
einige  geknüpfte  Originale  des 
16.  Jahrhdts.  (s.  Teppiche)  unter- 
richtet: sie  schliessen  sich  im  we- 
sentlichen den  orientalischen  Vor- 
bildern an;  ebenso  wie  die  heute 
in  Madrid  bestehende  Manufaktur 

gute  alte  persische  Knüpfteppiche  nachahmt  (Abb.  281).  Ueber  Spitzen  und 
Stickerei  s.  die  betreffenden  Artikel. 


i^ 


a=^-%  ^-i 


T  _^  \n;^' 


Abbildungen: 

277.  Originalaufnahme  aus  dem  königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidenstoff,  leichtes  Gewebe,  Grund  blau,  Muster  weiss,  aus  geometrischen  Sternfeldern. 
Spanisch-maurisch  13. — 14.  Jahrh. 

278.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin :  Seiden- 
damast blau,  symm.  Muster:  Blattrosetten  sind  durch  Ranken  mit  spitzigen  Blättern 
verbunden.     Spanisch-maurisch  13.  Jahrh. 

279.  Originalaufnahme  aus  der  königl.  Gewebesammlung  in  Krefeld :  Seiden- 
stoff, Grund  roter  Atlas,  symm.  Muster:  gelb,  grün  und  weiss.  Uebereinander  auf- 
wachsende grosse  orientalisierende  gefüllte  Blüten  und  Blattwerke  entsteigen  einem 
brunnenartigen  Becken ;  dazwischen  kleine  Tiere  und  Zweige.     Spanien  16.  Jahrh. 

280.  Originalaufnahme  wie  277 :  Silberbrokatstoff,  weiss  und  bunt :  Streumuster 
aus  Zweigen  mit  Blüten  und  Früchten;  dazwischen  Namenszüge  (Karl  V.  [?]  und 
Phüipp  II.  ['?]),  der  spanische  Doppeladler  und  die  Wappeczeichen  von  Leon  und 
Kastihen.     Spanien  Ende  16.  Jahrh. 

281.  Darstellung  nach  einer  Photographie  aus  dem  Kunsthandel :  Knüpfteppich 
aus  der  Fabrik  in  Madrid  nach  einem  persischen  Original  des  16. — 17.  Jahrhs. 


Spanische  Kette  ist  gekräuselter  Lahn  von  geglätteter  Kantille. 
Spanischer  Weber,  veralteter  Name  der  Tuchmacher,  welche  feine  Tuche 
machten. 

Spanische  Spitzen,  s.  Spitzen. 


490  Spanish  stripes — Spinnen. 


Spanish  stripes,  ein  im  Orient  vielfach  verwendetes  leichtes  dünnes 
Tuch  aus  Zephyrwolle  in  vorzugsweise  hellen  Farben ;  es  wird  in  Deutschland, 
besonders  in  Sachsen,  lediglich  für  den  levantinischen  Handel  erzeugt. 

Spannkreuz,  Fadenkreuz,  im  Kettenwirkstuhl  ein  ^Rahmen  mit  Leitungs- 
rolle für  die  Kettenfäden. 

Spannrahmen,  in  der  Appretur  Rahmen,  auf  welchen  die  gerauhten 
Stücke  vor  dem  Scheren  zum  Trocknen  aufgespannt  werden. 

Spannstab  oder  Sperrrute,  besteht  aus  zwei  Latten,  die  an  den  äussern 
Enden  mit  Stiften  besetzt  sind,  welche  beim  Weben  in  die  Kanten  des  Stoffes 
gesetzt  werden,  um  eine  etwaige  Verminderung  der  Breite  desselben  zu  ver- 
hindern. 

Sparseide,  ein  feiner  flächsener  Zwirn,  der  in  Barmen,  Elberfeld  u.  s.  w. 
verfertigt  und  statt  der  Seide  an  nicht  in  die  Augen  fallenden  Stellen  ge- 
braucht wird. 

Sparterie,  s.  Holzgewebe. 

Spätrenaissance,  s.  Renaissance. 

Speculation,  veraltete  Bezeichnung  für  einen  glatten  ungeköperten  Stoff 
aus  Baumwollen-  oder  Leinenkette  mit  seidenem  Schuss,  welcher  durch  Appre- 
tur ein  Aussehen  wie  Moiree  erhielt. 

Speicher,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Appenzell- Ausserrhoden :  Stickerei 
und  Baumwollindustrie. 

Spelden,  im  holländ.  Handel  die  Nadeln;  sowie  Speldewerk  oder 
Speldevers:  die  Spitzen  und  Zwirnbänder. 

Spenal,  Spinal,  veraltete  Bezeichnung  für  schweizer  oder  österreichische 
Baumwollenstoffe  zu  Frauenkleidern. 

Speyer,  Stadt  im  bayr.  Beg.-Bez.  Pfalz:  bedeutende  Baumwollspinnerei. 

Spidernet,  Tricot  de  Berlin,  hiess  ehemals  ein  weisses,  durchsichtiges, 
gemustertes  Gewebe,  welches  auf  dem  gewöhnlichen  Strumpfstuhl  durch  TJeber- 
legen  der  Maschen  von  einer  Nadel  auf  die  andere  aus  einfachem  feinem  Baum- 
wollengarn erzeugt  wurde.     Der  Bobbinnet  verdrängte  das  Fabrikat. 

Spiegeldamast  wird  auch  Droguet  genannt  (s.  d.). 

Spiegeltaffet  nennt  man  T.  wenn  er  kleine  glänzende  Muster  in  Atlas- 
bindung hat. 

Spindel  (franz. :  fuseau ;  engl. :  spindle) ;  langer  dünner  ein-  oder  zwei- 
seitig zugespitzter  kreiselartiger  Körper,  über  der  kürzeren  Spitze  von  einer 
metallenen  Scheibe  (Wirbel  oder  Spinnwirte  1)  umfasst,  von  altersher  — 
schon  bei  den  alten  Aegyptern  —  zum  Spinnen  gebraucht,  bis  das  Spinnrad 
erfunden  wurde.  Das  Wort  ist  übertragen  auf  die  zu  gleichem  Zweck  am 
Spinnrade  und  an  den  Spinnmaschinen  angebrachte  Walze,  dann  auf  Achsen, 
Wellen  und  ähnliches.  Auch  der  Klöppel  zur  Anfertigung  von  Spitzen  wird 
Spindel   genannt:    daher    im   Französischen   point    au  fuseau  =  Klöppelspitze. 

Spindelguipürearbeiten,  s.  Teneriffaarbeiten. 

spinnen,  Fasern  zu  einem  Faden  zusammendrehen;  davon  übertragen 
auf  das  Abhaspeln  der  Seidenkokons.  Das  Sp.  mittels  der  Handspindel  ist 
uralt;  es  wurde  zunächst  durch  das  im  Jahre  1530  von  Johann  Jürgen  in 
Wolfenbüttel  erfundene  Spinnrad  auf  eine,  wenn  auch  sehr  unvollkommene, 
höhere  Stufe  gebracht.  Nur  langsam  fand  diese  noch  in  der  Jetztzeit  benutzte 
mechanische  Vorrichtung  Verbreitung,  denn  es  gibt  gewisse  Arten  von  Batist 
und  Spitzengarnen,  zu  deren  Herstellung  die  Spinnmaschine  nicht  hinreicht. 
Man  hat  daher  auch  die  Verbesserung  der  Spinnräder  nicht  vernachlässigt; 
insbesondere  hat  der  Franzose  Lebec  in  Nantes  1832  das  Spinnrad  so  herzu- 
richten verstanden,  dass  dasselbe  zur  Erzeugung  der  feinsten  Garne  zu  ver- 
wenden ist.  Ein  gewaltiger  Umschwung  vollzog  sich  durch  die  Einführung 
der  Spinnmaschinen  für  Wasser-  und  Dampfbetrieb,  deren  Entwicklung  zu 
Anfang  des  18.  Jahrhs.  begann.  Indem  man  auf  die  Verarbeitung  grosser 
Mengen  eines  Faserstoffes  ausging,  wies  man  die  Vorarbeiten  der  mechan.  und 
ehem.  Reinigung  besonderen  Maschinen  zu,  bewirkte  die  erste  Umordnung  der 
Fasern  zu  einem  endlosen  Flor  auf  der   Krempel    und    gelangte    von  diesem 


Spinnen. 


491 


Abb.  281. 


492  Spinnen. 


bandförmigen  Fasergebilde  zu  der  fadenförmigen  Vorstufe  des  Feingespinstes 
(V  o  r  g  a  r  n)  durch  schrittweises  Strecken  (wie  es  in  der  Baumwoll-,  Kamm- 
garn-, Chappe-,  Seiden-,  Jute-  und  Wergspinnerei  üblich  ist)  oder  durch 
Längsteilung  (wie  in  der  Streichgarnspinnerei) ,  worauf  die  auf  eine  Vielzahl 
von  Fäden  berechneten  Feinspinnmaschinen  durch  die  Arbeitsvorgänge  des 
Streckens  und  Drehens  die  erforderliche  Feinheit  und  Festigkeit  begründeten, 
unter  geeigneter  Aufstapelung  des  fertigen  Fadens  auf  Spindeln  bezw.  Spulen. 
Die  Maschinenspinnerei  verfügt  zur  Zeit  über  zwei  Hauptarten  von  Feinspinn- 
maschinen: den  Seifaktor  und  die  Drosselmaschine.  Beim  Seifaktor, 
der  aus  der  Cromptonschen  Mulef  einspinnma  s  chine  hervorging,  wechseln 
(wie  bei  der  Handspindel)  das  eigentliche  Spinnen  und  (Strecken  und  Drehen) 
und  das  Aufwinden  miteinander  ab ,  indem  die  zur  Aufnahme  des  Gespinstes 
bestimmten  Spindeln  auf  einen  Wagen  so  angeordnet  sind,  dass  sie  bei  dessen 
Entfernung  von  dem  Streckwerk  (Wagenausfahrt)  die  Zusammendrehung  (Ver- 
dichtung, Festigung)  des  verdünnten  Vorgespinstes  und  bei  dessen  Ajinäherung 
an  das  Streckwerk  (Wageneinfahrt)  die  geordnete  Aufwindung  des  Feingespinstes 
bewirken.  Erst  nachdem  es  Celans',  alle  erforderlichen  Bewecfungen  der  zu- 
s ammenwirkenden  Organe  automatisch  von  der  Maschine  selbst  bewirken  zu 
lassen,  rechtfertigte  sich  die  üblich  gewordene  Bezeichnung  „Seifaktor",  die  aus 
dem  englischen  selfacting-mule  entstand.  Den  Abschluss  des  hier  angedeuteten 
Gedankens  erreichte  1872  0.  Wolf  in  Vöslau  durch  Gestaltung  einer  Vorrich- 
tung, die  den  Stillstand  der  Maschine  bewirkt ,  sobald  die  Spindeln  eine  vor- 
geschriebene Fadenlänge  aufgenommen, haben.  Bei  der  Drosselmaschine 
(Drosselstuhl),  deren  erste  Gestaltung  R.  Arkwight  1775  zuzuschreiben 
ist,  erfolgt  wie  bei  dem  Handspinnrad  das  Spinnen  und  Aufwinden  gleichzeitig, 
womit  neben  Baumersparnis  und  grösserer  Lieferung  sogleich  die  Möglichkeit 
des  vollständig  automatischen  Betriebes  mittels  elementarer  Betriebskraft  (z.  B. 
Wasser,  daher  auch  Wat  er  mas  chine)  gegeben  ist;  die  Aufwindung  der 
fertigen  Fäden  erfolgt  hier  nicht  unmittelbar  auf  Spindeln ,  sondern  mittels 
rotierender  Flügel  auf  Spulen,  die  durch  die  auflaufenden  Fäden  nachgezogen, 
durch  Beibung  auf  ihren  Stützflächen  in  gewissem  Masse  zurückgehalten  werden, 
also  unter  Beanspruchung  der  Festigkeit  des  Fadeugebildes;  deshalb  ist  die 
Herstellung  der  feinsten  und  schwächsten  Garne  auf  dieser  Maschine  aus- 
geschlossen, die  vielmehr  dem  Seifaktor  verblieben  ist.  Am  meisten  ist  in 
dieser  Beziehung  eine  als  Bingmaschine  bekannte  Umgestaltung  der  Drossel- 
maschine dem  Seifaktor  nahe  gerückt  worden,  bei  welcher  nicht  die  Spule, 
sondern  ein  beliebig  leicht  zu  machender  Fadenleiter  (Läufer)  auf  einer  ring- 
förmigen Bahn  durch  den  auflaufenden  Faden  nachzuziehen  ist. 

Die  Feinheit  der  Gespinste  wird  allgemein  durch  eine  Vergleichung^ 
zwischen  Länge  und  Gewicht  eines  gewissen  Fadenstückes  festgestellt,  indem 
man  z.  B.  (bei  der  internationalen  Numerierung)  angibt ,  wieviel  Meter  des 
Fadens  auf  1  g  gehen;  hat  also  ein  gewisses  Fadenstück  L  Meter  Länge  und 

G  Gewicht,   so  ist  die    metrische  Feinheitsnummer  X  =  -^^.    —     Auf    die 

G 

Prüfung  der  Feinheit  folgt  in  allen  Fällen,  wo  die  Verwendung  der  Garne 
anderwärts  geschieht,  noch  die  geeignete  Verpackung  derselben,  sei  es  in  Form 
der  Cops,  wie  sie  der  Seifaktor  liefert,  oder  in  Form  geweifter  Strähne,  die 
zu  Docken  und  Paketen  von  abgerundetem  Gewicht  zusammengelegt  und  durch 
scharfes  Pressen  auf  den  kleinstmögiichen  Baum  gebracht  werden  (s.  Garne 
und  Garnsorten). 

Je  nach  dem  Spinnmaterial  unterscheidet  man  als  wichtigste  Arten  der 
Spinnerei  die  Flachs-,  Hanf-,  Jute-,  Seiden-,  Baumwoll-  und  Wollspinnerei. 
Die  Flachsspinnerei  (s.  a.  Flachs)  ist  eines  der  ältesten  Gewerbe:  schon  die 
alten  Aegypter  haben  uns  in  den  Gräbern  die  einfachsten  Spinngeräte  hinter- 
lassen. 1865  wurden  in  Pfahlbauten  der  Schweiz  40  Spindeln  neben  Bruch- 
stücken leinener  Gewebe  aufgefunden,  deren  Alter  auf  wenigstens  3000  Jahre 
geschätzt  werden  muss.  1787  wurden  in  Darlington  in  England  die  ersten 
Spinnversuche     auf     Maschinen     angestellt.      Der    eigentliche    Begründer    der 


Spinnen.  493 


mechanisclien  Flachsspinnerei  ist  Philippe  de  Girard,  welcher  1810  in  Frank- 
reich das  erste  Patent  auf  Flachsspinnereimaschinen  nahm.  1829  wurde  die 
erste  mechanische  F.  in  Leeds  durch  Dampfkraft  in  Betrieb  gesetzt.  Für  1902 
ist  die  Anzahl  der  Spindeln  in  Tausenden:  für  Grrossbritannien  mit  1600, 
Frankreich  550,  Oesterreich-Ungarn  350,  Deutschland  360,  Belgien  250,  E-uss- 
land  240,  Italien  80,  Schweiz  12,  Holland  10,  Schweden  10,  ganz  Europa  3600, 
Nordamerika  120,  Ostindien  160,  die  ganze  Erde  4000  anzunehmen.  Deutsch- 
land liefert  vorzugsweise  die  Flachsgarnnummern  8  bis  60  und  die  Werggarn- 
nummern bis  30.  Zur  Fasergewinnung  im  grossen  dient  hauptsächlich  die 
Bastfaser  der  Spezies  Linum  usitatissimum  L.  oder  des  gemeinen  Leins  (s.  Lein, 
Leinenindustrie  und  Flachs).  Die  in  sogen.  Kapellen  getrockneten  Lein- 
pflanzen werden  durch  Hiffeln  oder  Reffeln  von  den  Samenkörnern  befreit: 
die  Samenkapseln  und  Blätter  streift  man  von  den  Stengeln  ab.  Es  folgt  das 
Rösten,  Rotten  oder  Weichen,  um  den  Bast  und  die  Fasern  zu  trennen 
und  zu  lösen.  Die  Flachsdarren  dienen  zum  Trocknen  des  gerösteten 
Flachses.  Das  Botten  geschieht  mittels  des  Botthammers  oder  Bleuels, 
mit  welchem  der  Flachs  gleichsam  gedroschen  wird;  in  einigen  Gegenden  wendet 
man  dafür  das  Boken  an  als  Hilfsarbeit  des  Brechens.  Der  einfachste  zum 
Brechen  verwendete,  von  Hand  bewegte  Apparat  ist  die  Handbreche  oder 
Brake;  man  nimmt  hierzu  auch  Brechmaschinen  in  Gebrauch,  bei  welchen 
der  Flachs  durch  ein  paar  geriffelte  Walzen  geht.  Um  noch  vorhandene  Holz- 
teilchen zu  entfernen,  bedient  man  sich  der  Schwingmaschinen.  Durch  den 
nun  folgenden  Hechelprozess  geschieht  die  Zerteilung  und  Zerlegung  des 
Flachses  unter  gleichzeitiger  Absonderung  der  kürzeren  Fasern.  Zur  Bildung 
eines  gleichmässigen  Bandes  des  gehechelten  Flachses  und  zu  dessen  allmäh- 
licher Ueberführung  durch  Yorgespinst  zum  Feingarn,  welches  in  der  Arbeit 
des  Streckens  und  Anlegens  besteht,  dient  die  Anlegemaschine.  Von  da 
aus  kommt  das  Band  zum  Strecken  und  Duplieren  auf  die  Flachsstreck- 
und  Dupliermaschine  oder  den  Durchzug.  Das  letzte  Duplieren  und 
Strecken,  sowie  die  Bildung  des  Yorgarns  erfolgt  auf  der  Spindelbank, 
Yorspinnmaschine  oder  Flyer.  Das  Feinspinnen  erfolgt  meist  auf  der 
sogen.  Watermaschine:  man  verspinnt  das  Yorgarn  unter  Anwendung  von 
heissem  Wasser  (Nassspinnerei).  Die  Trockenspinnmaschine  enthält  in 
den  Einzieh-  und  Streckwalzen  noch  besondere  Yorrichtungen  zur  Bildung 
des  Fadens.  In  der  Nassspinnerei  für  Flachs  und  AYerg  hat  in  neuester  Zeit 
die  Ringspindel  der  Baumwollspinnerei  Eingang  gefunden.  Die  Nach-  und 
Yollendungsarbeiten  sind  die  gleichen  wie  bei  der  Wergspinnerei. 

Die  Werg-  oder  Heedesj)  inner  ei  umfasst  die  Yerarbeitung  der  beim 
Hecheln  des  Flachses  ausgekämmten  kürzeren,  verworrenen  und  vielfach  ver- 
schlungen durcheinander  liegenden  Fasern;  das  erzeugte  Garn  wird  Werg  oder 
Heedegarn  genannt.  Zur  Reinigung  der  Heeden  dienen  Oeffner  oder  Schlag- 
oder Wickelmaschinen;  Karden  oder  Krempeln  gleichen  den  Baum- 
wollkrempeln. Die  Wergstrecke  und  Yorspinnmaschine  sind  von  ent- 
sprechender Konstruktion  als  diejenigen  zur  Flachsbearbeitung,  ebenso  die 
Wergfeinspinnmaschinen.  Das  Haspeln  der  Flachs-  und  Werggarne 
findet  auf  der  Garnhasp  el  oder  Weife  statt.  Zur  Yollendungsarbeit  gehört 
das  Trocknen  der  nass  gesponnenen  und  gehaspelten  Garne,  wozu  sie  sofort 
in  Trockenkammern  kommen.  Um  Garn  direkt  in  die  zum  Weben  erforder- 
liche Form  zu  bringen ,  wird  dasselbe  oft  schon  in  den  Spinnereien  mittels 
sogen.  Schussspulmaschinen  gespult.  —  (Ygl.  Pfuhl,  Weitere  Fortschritte 
in  der  Flachsgewinnung,  Riga  1895 ;  Kuhnert,  Der  Flachs,  seine  Kultur  und 
Yerarbeitung,  Berlin  1897.) 

Die  Hanfspinnerei  stimmt  im  wesentlichen  mit  der  Flachsspinnerei 
überein,  nur  dass  die  Maschinen,  der  stärkeren  Hanffaser  entsprechend,  kräftiger 
gebaut  sind. 

Die  Jutespinnerei  findet  nach  zwei  Methoden  statt.  Das  eine,  nur 
in  England  gebräuchliche  Verfahren  zerschneidet  oder  zerreisst  die  Fasern  und 
sie  werden    darauf  wie   Flachs   verarbeitet:    das   so    erzeugte    Garn   heisst    ge- 


494  Spinnen. 


bedieltes  oder  Jute-Hechelgarn  (engl,  jute-line-yarn).  Bei  der  zweiten, 
in  Deutschland  und  Oesterreich  ausschliesslich  üblichen  Methode  werden  die 
zerrissenen  Fasern  auf  Krempeln  verarbeitet  und  ähnlich  wie  Flachs  gesponnen ; 
dies  liefert  das  kardierte  Garn  oder  Jute-Werggarn  (engl.:  jute-tow-yarn) 
genannte  Gespinst. 

Unter  Seidenspinnerei  ist  nur  die  Verarbeitung  der  Florettseide 
(s.  Florettindustrie)  zu  verstehen,  da  bei  der  Behandlung  der  gehaspelten  Seide 
(s.  d.)  ein  wirklicher  Spinnprozess  nicht  stattfindet.  Denn  der  Hohseidenfaden 
besteht  aus  einer  Anzahl  nebeneinander  liegender  Fäden,  während  die  unter 
dem  Namen  Florett-  oder  Galetteseide  zusammengefassten  Materialien  als  Ge- 
spinste im  eigentlichen  Sinne  zu  bezeichnen  sind,  da  jeder  Faden  aus  vielen  ein- 
zelnen kurzen  Fasern  durch  Zusammendrehen  derselben  gebildet  wird.  In  den 
Florettspinnereien  wird  zunächst  der  Klebstoff  aufgelöst,  worauf  man  die 
durch  Auswaschen  und  Stampfen  bearbeitete  Masse  trocknet  und  die  Fasern 
sortiert.  Die  nachfolgenden  Operationen  sind,  je  nachdem  dasselbe  eine  fein- 
faserige, mehr  oder  weniger  dichte  Masse  oder  ziemlich  lange,  nur  lose  zu- 
sammenhängende Fäden  darstellt ,  entweder  der  Kammgarn-  und  der  Werg- 
spinnerei oder  der  Baumwollspinnerei  entnommen,  indem  als  Vorarbeit  des 
Spinnens  in  dem  einen  Fall  ein  Kämmen  oder  Hecheln,  im  andern  ein 
Krempeln  stattfindet.  Obwohl  die  schönsten  Florettgarne  an  Feinheit,  Glätte 
und  Glanz  niemals  den  besseren  Sorten  der  gehaspelten  und  filierten  Seide 
gleichkommen,  finden  dieselben  ihrer  Wohlfeilheit  wegen  ausgedehnte  Verwen- 
dung (s.  Seidengarne).  Das  Spinnen  der  Florettseide  geschieht  teils  auf  Spinn- 
rädern, teils  auf  Maschinen.  Im  erstem  Falle  bedient  man  sich  des  früher 
auch  für  die  Wollspinnerei  gebräuchlichen  Handrades,  wenn  die  Fasern  kurz 
sind,  während  die  langen  Fasern  auf  dem  Trittrade  versponnen  werden.  Ebenso 
sind  bei  der  Maschinenspinnerei  für  kurzes  und  für  langes  Material  verschie- 
dene Methoden  in  Anwendung.  Das  erstere  wird  ganz  wie  Baumwolle  be- 
handelt, indem  man  die  von  der  Krempelmaschine  gelieferten  Bänder  auf  der 
Streckmaschine  zusammenlegt  (dupliert)  und  auszieht,  dann  auf  eine  Vorspinn- 
maschine bringt  und  das  erhaltene  Vorgespinst  auf  einer  Mulemaschine  dem 
Feinspinnprozess  unterwirft.  Dagegen  sind  für  lange  Florettseide  die  in  der 
Kammgarn-  und  Flachsspinnerei  üblichen  Maschinensysteme  im  Gebrauch.  Die 
beim  Kämmen  der  Florettseide  sich  ergebenden  Seidenabfälle  (Bourrette, 
Stumba)  bilden  das  Material  einer  weiteren  Industrie,  der  Bourrette- 
spinnerei  (s.  d.),  die  im  wesentlichen  nach  dem  Verfahren  der  Kammgarn- 
spinnerei arbeitet.  Die  Abgänge  werden  nicht  versponnen,  sondern  als  Watte, 
die  geringsten  als  Polster-  oder  Packmaterial  oder  als  schlechte  Wärmeleiter 
zur  Umhüllung  von  Dampfleitungen  u.  s.  w.  verwendet.  Aehnlich  der  Kunst- 
wolle (s.  d.)  wird  auch  die  durch  Zerfasern  seidener  Lumpen  gewonnene  Seide 
(Seidenshoddy)  zu  geringwertigen  Stoffen  verwendet.  — 

Die  Wollspinnerei,  die  Vorbereitung  der  sogen.  Streichwolle  und  das 
Verspinnen  derselben  war  bis  gegen  Ende  des  18.  Jahrhdts.  reine  Handarbeit. 
In  England  hat  die  Entwickelung  der  Streichgarnspinnerei  ungefähr  gleichen 
Gang  mit  der  Baumwollspinnerei  (s.  d.)  genommen,  bis  man  allmählich  die  in 
der  letzteren  Industrie  benutzten  Maschinen  passend  umänderte,  um  sie  der 
Natur  des  animalischen  Faserstoffes  auf  das  vorteilhafteste  anzupassen.  Be- 
züglich der  Kammwollspinnerei  ging  die  Einführung  von  Maschinen  an 
Stelle  der  Handarbeit  wegen  der  sich  in  den  Weg  stellenden  Schwierigkeiten 
nur  langsam  vor  sich  und  es  wurde  noch  bis  in  das  Jahr  1850  viel  mit  der 
Hand  gesponnen.  Auch  zur  Herstellung  der  Flachsspinnmaschinen  gaben  die 
Baumwollspinnmaschinen  die  Grundlage  ab,  auf  welcher  nach  den  gewonnenen 
Erfahrungen  allmählich  Zweckentsprechenderes  geschaffen  wurde.  Ebenso  üben 
auf  das  uralte  Geschäft  des  Seilers  die  im  Gebiete  der  Spinnerei  errungenen 
Vorteile  der  Maschinenarbeit  ihren  Einfluss  aus  und  bemühte  man  sich  mit 
Erfolg,  das  Sjoinnen  der  Taugarne  auf  Maschinen  zu  bewerkstelligen.  (S.  a. 
Baumwollspinnerei  und  Kammgarnspinnerei  in  bes.  Artikeln.) 

Literatur:  Brügge  mann.  Die  Spinnerei,  ihre  Kohstoffe,  Entwickelung 


Spinnenköpfe — Spitzen.  495 


und  heutige  Bedeutung,  Leipzig  1899;  ders.,  Theorie  und  Praxis  der  rationellen 
Sp.,  Stuttgart  1897/8;  Hennig,  Die  Streichgarn-  und  Kunstwollsp.  in  ihrer 
gegenwärtigen  Gestalt,  Berlin  1894;  Hentschel,  Prakt.  Lehrbuch  der  Kamm- 
garnsp.,  Stuttgart  1900;  Johannsen,  Studien  über  den  Wickelkörper  des 
Seifaktors,  Leipzig  1895;  Müller,  Handbuch  der  Sp.,  Leipzig  1892;  Beiser, 
Lehrbuch  der  Spinnerei,  Weberei  und  Appretur,  ebd.  1901;  Zipser,  Tech- 
nologie der  Sp.,  Wien  1902. 

Spinnenköpfe  (ital. :  grimelli)  werden  Abfälle  der  Florettseide  genannt, 
wenn  beim  Spinnen  derselben  Bisse  entstehen,  die  man  auskämmt  und  grobe, 
sogen.  Knüpfseide  daraus  spinnt. 

Spinnenseide,  aus  Spinnenfäden  bestehender  Ersatz  für  Seide.  Nach 
Silbermann  (Die  Seide,  Dresden  1897,  Bd.  I,  S.  333  ff.)  verwertet  man  die 
faserigen  Produkte  der  Spinnen  zu  Textilzwecken  seit  den  ersten  Jahren  des 
18.  Jahrh.  Während  man  jedoch  früher  die  Kokons  der  ausgeschlüpften  jungen 
Spinnen  sammelte,  zerzupfte  und  verspann,  haspelt  man  in  neuerer  Zeit  nach 
einem  vom  Missionar  Pater  Gambone  erdachten  Verfahren  die  Fäden  von  den 
lebendigen  Spinnen  ab,  indem  man  diese  auf  einem  Bahmen  in  kleine  Schlitze 
einklemmt,  mit  den  Fingern  die  Fäden  abzieht  und  deren  12  bis  24  zu  einem 
Gregefaden  vereinigt.  Es  werden  hierzu  namentlich  die  Spinnen  Madagaskars 
(Nephila  madagascarensis),  an  Ort  und  Stelle  Halabe  genannt,  verwendet.  Trotz 
der  ausserordentlichen  Feinheit  besitzt  die  Spinnenseide  grössere  Festigkeit 
als  die  Maulbeerseide. 

Spinnereischulen,  Anstalten,  die  Spinner  in  ihrem  Fache  ausbilden  sollen. 
Früher  bezog  sich  das  nur  auf  das  Handspinnen,  jetzt  ausschliesslich  auf  das 
Maschinen  spinnen.  Die  1850  gegründeten  3  Spinnschulen  in  der  sächs.  Lausitz, 
sowie  5  Spinnschulen  in  Hessen,  welche  Schulkinder  im  Flachs-  und  Werg- 
spinnen unterrichteten,  sind  wieder  eingegangen.  Andererseits  hat  man  in  den 
bereits  1755  in  Oesterreich  gegründeten  Spinnschulen,  die  aber  schon  Anfang 
des  19.  Jahrhs.  unter  dem  Einfluss  des  Maschinenspinnens  wieder  aufgegeben 
worden  sind,  wohl  die  ältesten  Fachschulen  überhaupt  oder  die  Anfänge  zu 
unserem  jetzigen  Fachschulwesen  zu  erblicken.  Spinnereischulen  für  Maschinen- 
spinnerei gibt  es  in  Mülhausen  (Elsass)  seit  1861  und  in  Beutlingen  (Württem- 
berg), beide  in  der  Hauptsache  für  Baumwollspinnerei  bestimmt  und  als  Ge- 
sellschaftsunternehmungen mit  Staats-  und  Gemeindeunterstützung  verwaltet 
und  mit  Webschulen  verbunden.  Beide  haben  einjährigen  Lehrgang  und  ver- 
langen eine  Vorbildung,  welche  ungefähr  dem  Einj ährig-Frei willigenzeugnis 
entspricht,  sowie  ein  Alter  von  16  oder  17  Jahren.  Die  Arbeitsschulen  sind 
mit  sämtlichen  zur  Baumwollspinnerei  verwendeten  Arbeitsmaschinen  ausgestattet. 
In  beiden  Schulen  wird  der  Unterricht  über  die  gesamte  Spinnereitechnologie 
ergänzt  durch  Unterricht  in  technischer  Mechanik  und  allgemeine  Maschinen- 
kunde. Zu  den  Sp.  ist  auch  die  Abteilung  für  Spinnerei  an  den  höheren  Fach- 
schulen für  Textilindustrie  (s.  Webeschulen)  zu  rechnen. 

Spinnewebenmuster  werden  die  in  den  durch  Klöppel-  und  Nadelarbeit 
hergestellten  Kreise    und  Sterne    der  Solspitzen   und  Belicellaspitzen    genannt. 

Spinnmaschinen,  s.  Spinnerei. 

Spinnmühle,  s.  Filatorium. 

Spinnpläne,    Erläuterung    des    üblichen  Ganges    der  Florettverarbeitung. 

Spinnrad  (franz.:  rouet  ä  filet,  filoir;  engl.:  spinning-wheel) ;  wurde 
1530  vom  Bildschnitzer  Johann  Jürgen  in  Wolfenbüttel  erfunden.  Vorher  spann 
man  mit  der  Spindel.  Jürgen  setzte  an  deren  Stelle  die  Flügelspindel  oder 
Drossel  (franz. :  broche),  auf  welcher  die  Spule  (franz. :  bobine ;  engl. :  pirne) 
locker  sitzt  und  den  von  der  Drossel  geführten  Faden  aufnimmt. 

Spinnwirtel,  s.  Spindel. 

Spitzen  (franz.:  dentelles,  points ;  engl.:  laces ;  span.:  enoajes;  ital.:  punti); 
Kanten,  Zacken,  Besätze,  als  Endigung,  Abschluss  oder  Einsatz  und  Verbindung 
von  Stoffen,  auch  selbständige  grössere  Arbeiten,  deren  durchscheinend  ge- 
musterte Flächen  darauf  angelegt  sind,  einen  gegebenen  Untergrund  wirkungs- 
voll   zu    beleben.       Sie    M^erden    gefertigt    aus    Fäden    der  Leinen-,  Baumwoll-, 


496  Spitzen. 


AVoll-,  Seiden-,  Gold-  und  Silbergespinste  und  entstehen  durch  Knüpfen, 
Stricken,  Häkeln,  Filieren,  Sticken,  Nähen,  Klöppeln  und  Weben.  Der  Leinen- 
faden ist  darin  in  älterer  Zeit  bevorzugt,  seine  Faser  ist  lang  und  zäh,  deshalb 
widerstandsfähiger  gegen  Kälte,  Hitze,  Feuchtigkeit  und  Trockenheit  als  andere 
Fadenarten.  Der  Gebrauch  von  Spitzen  ist  im  Anfang  gekennzeichnet  durch 
die  technische  und  stilistische  Entwickelung.  Die  Besatzspitze  ist  zurückzuführen 
auf  eine  Verbindung  von  Endigungen  der  Ketten-  oder  Schussfäden  eines  zur 
Bedeckung  dienenden  Stoffes,  worin  sie  den  Anfängen  der  Franse  gleichkommt; 
die  Füllspitze  ist  entstanden  einesteils  aus  dem  Durchbruch  in  Leinen,  anderer- 
seits aus  dem  Netz.  —  Nach  den  am  meisten  vorkommenden  Gattungen  von 
Sp.  unterscheidet  man  im  allgemeinen  Nadel-,  Klöppel-  und  Maschinen- 
spitzen. 

In  dem  technischen  Ent wickelungsgange  der  Nadelspitze 
erscheint  der  einfache  Durchbruch:  punto  tirato  (wenn  die  Fäden  in 
einer  Richtung  des  Gewebes  ausgezogen  sind),  und  der  doppelte  Durchbruch : 
punto  tagliato  (Abb.  282)  (wenn  die  Fäden  in  beiden  Bichtungen  des  Gewebes 
ausgezogen  sind),  als  erste  und  älteste  Art,  von  denen  sich  Beispiele  schon  an 


Abb.  282. 


l 


^:ti 


Leinentüchern  der  koptischen  Textilfunde  (s.  d.)  finden.  Das  Vorkommen 
von  Fransen  und  Netzen  (Abb.  69,  165,  207)  daselbst  weist  darauf  hin,  dass 
die  aus  Flechten  gebildete  Art  von  Spitzen  zu  derselben  Zeit  ihre  Vorläufer 
hat.  Beide  Arten  der  Durch  bruchspitze  —  auch  point  coupe  genannt  — 
haben  im  16.  Jahrh.  vielseitige  Ausbildung  erfahren:  es  entstehen  als  fort- 
laufende Bänder  und  Füllungen  aus  ausgezogenen  quadratischen  Feldern  in 
Leinendecken  geometrische  und  auch  streng  stilisierte  Muster  aus  Tier-  und 
Fflanzenformen,  die  häufig  von  Stickerei  in  weissem  Garn  begleitet  sind  (Tafel  X, 
Abb.  1).  Als  weitere  Entwickelung  in  ausgeschnittenen  Bändern  und  Feldern 
solcher  Decken,  deren  Füllung  dann  wieder  durch  Benähen  der  gespannten 
Netzfäden  im  Knopflochstich  (point  de  boutonniere)  in  Sternmustern  geschieht, 
ist  der  punto  di  reticella  (Netz-  oder  Sternspitze)  entstanden  (Tafel  X, 
Abb.  4).  Mit  der  Steigerung  des  Bedarfs  an  Spitzen  macht  man  sich  von 
der  Leinwand  insofern  unabhängig,  als  man  das  quadratische  Vorwerk  für  die 
Beticellaspitze  auf  Pergament  herrichtet,  womit  der  Musterung  der  genähten 
Spitze  die  volle  Freiheit  für  die  weitere  Entwickelung  gegeben  wurde.  Sie 
ist  nun  nicht  mehr  an  eine  geometrische  Linienführung  gebunden,  es  entstehen 
rundliche  Formen,  deren  Verbindung  durch  sogenannte  Stege  (brides)  herge- 
stellt wird,  und  man  nennt  das  Erzeugnis:  punto  in  aria,  d.  i.  Luftspitze 
(Abb.  283,  284  u.  Tafel  X,  Abb.  9).  Diese  technische  Erweiterung  führt 
allmählich  immer  mehr  zur  Aufnahme  geschwungener  Linien  und  die  Nadel- 
spitze erreicht  in  dem  punto  a  relievo  (Abb.  285),  der  BeliefsjDitze  Venedigs, 
einen    künstlerischen   Höhepunkt.      Ihre    Herstellungsweise    ist    eine    unendlich 


Spitzen. 


497 


müLievolle  infolge  der  ganz  frei  verlaufenden,  an  gar  kein  festes  Grundgefüge 
gebundenen  Ranken  mit  den  reizvollsten  arabeskenähnlichen  Blättern-  und 
Blütenformen  aus  Tausenden   von   winzigen  in  ä  jour  gearbeiteten  Füllstichen 


Abb.  283. 


Abb.  284. 


Abb.  285. 


in  den  Innenflächen ,  deren  Ränder  sich  kräftig  in  mehreren  Abstufungen  er- 
heben, die  nach  aussen  hin  durch  zierliche  strahlende  Ansätze  (picots)  gemildert 
werden.     Die  Eeliefspitze,  welche  die  Italiener  je  nach  der  äusseren  Gestaltung 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  32 


498 


Spitzen. 


auch  punto  a  fogliami  (mit  Laubwerk)  und  punto  a  vermicelli  (Würmchen- 
spitze)  nennen,  ist  auch  am  Ende  des  16.  Jahrhs.  und  Anfang  des  17.  Jahrhs. 
in  Spanien  erzeugt  worden,  jedoch  ohne  die  erhabenen  Ränder  und  in  fast 
noch  ungebundenerer ,  freierer ,  edler  Zeichnung ,  die  besonders  in  Zacken  mit 
stilisierten  Blütenformen  zu  reicher  Entfaltung  gebracht  wird  (Abb.  38).  — 

Am  Ende  des  17.  Jahrhs.  gewinnt  für  die  genähte  Spitze  neben  Italien 
und  Spanien  auch  Frankreich  an  Bedeutung.      Im   Jahre  1666   berief    Colbert 

Abb.  286. 


Abb.  287. 


venetianische  Spitzennäherinneu  nach  Alengon,  der  Hauptstadt  des  franz. 
Depart.  Orne,  woselbst  schon  früher  den  Spitzen  verwandte  Arbeiten  gemacht 
^vurden:  eine  wertvolle  Arbeit  über  diesen  Ort  ist  vorhanden  in  dem  Buche 
von  Mme.  Despierres:  „Histoire  du  point  d'Alen^on".  Die  ersten  nach 
italienischen  Vorbildern  in  Frankreich  genähten  Spitzen  gehen  sämtlich  unter 
dem  Namen  point  de  France  in  den  Handel;  erst  als  sich  die  vom  Staate 
privilegierte  Gesellschaft  im  Jahre  1675  auflöst,  die  in  vielen  Städten  des 
Reichs  arbeiten  liess,  wird  der  point  d'Alengon  wieder  selbständig.  In  dem 
Buche  der  Mme.  Despierres  sind  über  die  Technik  der  älteren  genähten  Alencon- 


Spitzen.  499 


spitzen  die  ersten  näheren  Aufschlüsse  gegeben.  Hiernach  hat  eine  der- 
artige Nadelspitze  bis  zu  ihrer  Fertigstellung  12  Vorgänge  durchzumachen, 
deren  Folge,  die  hier  mit  einigen  Erläuterungen,  welche  Frau  Tina  Frauberger 
in  ihrem  „Handbuch  der  SiDitzenkunde",  Leipzig  1894,  dazu  gibt,  auch  für 
verwandte  Arten  solcher  Spitzen  der  heutigen  Zeit  von  Interesse  ist: 

1)  Le  dessin,  das  Muster,  das  sich  in  der  Alen^onspitze  im  Anfange  an  das 
der  Relief  spitze  Venedigs  anlehnt,  später  aber  natürlich  dem  französischen  Geschmack 
der  Zeit  folgt,  wird  auf  das  Papier  —  früher  auf  Pergament  —  aufgezeichnet. 

2)  Le  picage,  das  Vorstechen:  das  bis  zum  Rapport  vorgezeichnete  Muster 
wird  mit  der  Pikiernadel  auf  einer  weichen  Unterlage  in  regelmässigen  Abständen 
durchstochen. 

3)  La  trace,  das  Vornähen:  stellt  das  Gerüste  für  die  einzunähenden  Formen 
oder  FülluDgen  her,  nachdem  ein  Teil  des  durchstochenen  Papiers  auf  Leinwandstreifen 
genäht  ist. 

4)  Le  fond  oder  l'entoilage,  das  Einnähen  der  Schlingstiche:  der 
Schling-  oder  Knopflochstich,  durch  welchen  das  Ausnähen  der  Hauptformen  des 
Spitzenmusters  geschieht,  ähnelt  in  seinem  Aussehen  der  Leinwand.  Kleine  Lücken 
in  solchem  dichten  Grunde  nennt  der  Franzose  „portes"  oder  „jours"  und  ein  Muster, 
das  in  kleinen  Rautenfeldern  abgesttzt  ist  „quadrilles". 

5)  Le  rempli,  die  Füllmuster:  sie  vermehren  die  Unterabteilungen  der  Arbeit, 
deren  Zahl  je  nach  dem  Reichtum  der  Motive  des  Spitzen musters  wechselt.  Bei  den 
Reliefspitzen  kommen  weniger  derselben  in  Anwendung  als  in  den  Grundspitzen ;  erstere 
müssen,  den  kräftigen  Formen  entsprechend,  ziemlich  fest  und  dicht  gearbeitet  werden, 
während  die  Gestaltung  der  anderen  Grundmotive  fein  und  luftig  geschieht.  Einzelne, 
viel  angewendete  Füllmuster  haben  eigene  Namen,  die  nicht  nur  in  Frankreich  und 
Belgien,  sondern  zum  Teil  auch  heut  noch,  wo  Nadelspitzen  gemacht  werden,  in  Ge- 
brauch sind:  gaze  serree  oder  ordinaire,  gaze  claire,  gaze  quadrillee,  point dArgentan, 
point  mignon,  point  ä  trou  u.  s.  w. 

6)  Les  brides,  der  Steggrund  des  Musters  besteht  aus  sechseckigen  Feldern, 
zu  welchen  sich  die  locker  angeordneten  Schlingstiche  gebildet  haben,  die  hierbei  zu 
einer  grossen  Masche  auseinandergezogen  sind.  Er  wird  heut  auf  die  verschiedenste 
Art  ausgeführt,  die  zum  Teil  nicht  völlig  der  Herstellungsweise  des  Steggrundes  an 
den  Spitzen  des  18.  Jahrhs.,  bei  denen  er  sehr  viel  und  auch  als  Ziermuster  angewendet 
wurde,  entspricht.  Es  gibt  drei  Arten  des  Steggrundes :  a)  brides  ä  picots :  Stege  mit 
Zähnchen,  b)  brides  bouclees :  geschlungene  Stege,  c)  brides  tortillees :  gezwirnte  Stege. 

7)  Le  reseau,  der  Maschengrund,  von  welchem  es  drei  Arten  gibt:  a)  ge- 
wöhnlicher =  reseau.  ordinaire,  hergestellt  mittels  eines  doppelt  gedrehten  Schling- 
stiches, b)  kleiner  =;  petit  reseau,  aus  gleichem  Stich  in  hin  und  her  gehenden  Reihen 
gearbeitet,  c)  getupfter  =  reseau  mouche ,  eine  Spielart  des  vorigen ,  die  zusammen 
häufig  auch  als  Füllmuster  verwendet  werden. 

8)  Les  modes,  die  Zierstiche,  welche  erst  mit  dem  Aufkommen  des  Maschen- 
grundes erscheinen,  werden  zwischen  Gerüstfäden  ausgeführt,  welche  den  Halt  der 
einzunähenden  Muster  bilden,  sie  lassen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Ausführung 
zu,  ihre  Grundlage  bildete  ursprünglich  der  einfache  und  der  gezähnte  Steggrund. 

9)  La  brode,  die  Stickerei  dient  dazu,  dem  Muster  Halt  und  festen  Umriss 
zu  geben,  der  es  wirkungsvoller ,  klarer  und  mit  schönen  Formen  hervortreten  lässt, 
Sie  besteht  darin,  durch  Annähen  von  Fäden  an  den  Umrisslinien  die  letzteren  z.  T. 
reliefartig  zu  verstärken  und  dabei  beschädigte  Formen  auszugleichen. 

10)  L'enlevage,  das  Herabnehmen  der  Spitze  von  dem  Papier  wird  be- 
werkstelligt, indem  die  Fäden,  welche  zum  Aufnähen  der  Tracierfäden  dienten,  zwischen 
den  zwei  Leinwandstreifen  zerschnitten  werden. 

11)  L'eboutage,  das  Ausbessern  der  Spitze  bevor  sie  mit  den  anderen  einzeln 
gearbeiteten  Stücken  zusammengesetzt  wird. 

12)  L'assemblage,  das  Zusammensetzen  einzelner  Teile. 

Der  Point  d'Argentän  weist  in  technischer  Beziehung  mit  der  Spitze 
aus  Alengon  keinen  Unterschied  auf  (Taf.  XI,  Abh.  7).  Auch  die  Brüsse- 
ler Nadelspitzen  sind  den  französischen  derselben  Zeit  darin  nahe  ver- 
wandt (Abb.  287);  ebenso  wie  diejenigen,  welche  früher  in  Burano  erzeugt 
wurden.  Ueber  die  Entwickelung  der  Nadelspitze  in  den  Niederlanden 
ist  man  nicht  genügend  unterrichtet,  obwohl  dort  den  Klöppelspitzen  ent- 
sprechend auch  mit  der  Nadel  gefertigte  Arbeiten  entstanden  sein  werden. 
Die  moderne  belgische  Spitzenfabrikation  verfügt,  wie  in  dem  Buche 


500 


Spitzen. 


von  Tina  Frauberger  weiter  ausgeführt    wird,    über  die  ganze  Stufenleiter  der 
Nadelspitzenarten : 

„Das  Bild,  das  die  Industrie  jedoch  auf  den  ersten  Blicken  bietet,  ist  keineswegs  er- 
freulich. Erst  beim  Eindringen  in  die  Werkstätten  grosser  Fabrikanten,  bei  Durchsicht  der 
auf  Bestellung  oder  für  Ausstellungen  gearbeiteten  Spitzen  erhält  man  eine  Vorstellung 
von  dem  regen,  vorwärts  drängenden  Geist,  dem  Kunstverständnis,  der  technischen 
Leistungsfähigkeit  der  heutigen  belgischen  Spitzenfabrikation,  welche  mit  der  fran- 
zösischen Hand  in  Hand  geht.  Tatsache  ist,  dass  französische  Häuser  ihre  Spitzen  z.  T. 
in  Belgien  herstellen  lassen ,  Belgien  selbst  die  besten  Muster  von  Paris  erhält.  Hier 
wie  dort  kann  das  Beste,  Vollkommenste  erzeugt  werden,  wenn  ein  tüchtiger  mit 
künstlerischem   Verständnis  begabter  Leiter  die  Arbeit  überwacht." 

Zu  den  Spitzen  in  verschie- 
Abb.  288,  den  er    Herstellungsart    kann    mau 

rechnen  die  sogen.  Band-  oder 
Litzenspitze,  welche  auch  wohl 
in  Nachahmung  venetianischer  Ar- 
beiten in  Italien  (?)  entstanden, 
aber  insofern  von  Wichtigkeit  ist, 
als  sie  der  Vorläufer  einer  grossen 
Gattung  von  geklöppelten  Spitzen 
zu  sein  scheint,  indem  das  plan- 
los auf  genähtem  Steggrund  sich 
windende  Rankenmuster  aus  ge- 
webter Einlage  später  in  Leinen- 
schlag geklöppelt  wurde  (Tafel  XIL 
Abb.  1). 

Eine  netzartige  Nadelarbeit 
ist  die  sogen.  Solspitze,  welche 
aus  Spanien  stammt  (Tafel  X, 
Abb.  3)  und  deren  Industrie  sich 
in  neuer  Zeit  in  den  Südamerika - 
nischen  Ländern  sehr  verbreitet 
hat  (xAbb.  288),  auch  bei  uns  zu 
einer  neuen  Technik  (s.  Teneriffa- 
arbeiten) mit  verwandter  Muster  uug 
führte. 
Zu  den  im  Orient  überhaupt  wenig  erzeugten  Spitzen  in  Nadelarbeit 
gehört  die  sogen.  „Smyrna'--  oder  „Armenische  Spitze'-,  welche  aus 
bunter  und  auch  ganz  aus  weisser  Seide  hergestellt  werden,  sie  kommen  als 
Besätze,  Kostümauflagen  u.  dergl.  vor,  ihre  Musterung  besteht  aus  Hanken 
mit  frei  herausstehenden  Blüten,  welche  die  Zacken  bilden  (Abb.  289). 

Die  Technik  der  Klöppelspitzen  (franz.:  faits  au  fuseau ;  ital. : 
dentelli  a  piombini ;  engl. :  pillow  laces)  beruht  auf  einer  Drehung  und 
Kreuzung  von  Fäden,  durch  welche  nach  Massgabe  eines  auf  dem  Klöppel- 
kissen befindlichen  Klöppelbriefes  mittels  der  das  Material  enthaltenden 
Klöppel  nach  den  durch  vorgesteckte  Nadeln  geleiteten  Schlägen  Grund 
und  Muster  zugleich  entstehen.  Diese  wie  offene  und  dichte  Gewebeflächen 
erscheinenden  Fadengebilde  haben  ihre  technische  Entwickelung  in  der  Her- 
stellung von  Grundmustern,  welche  nach  bestimmten  Arten  der  Verschlingung 
sich  äusserlich  unterscheiden,  ihnen  voran  geht  der  einfachste  Flechten- 
schlag, der  durch  2  Klöppelpaare  Börtchen  herstellt,  die  gleichlautend  be- 
zeichnet werden;  breitere  in  dieser  Art  geklöppelte  Spitzen,    heissen  Flecht- 


spitze: 


folgen    als  Grundmuster:    1.    einfacher    Löcherschlag    mit 


4  Klöppelpaaren,  2.  Löcherschlag  mit  dopj^elt  gedrehten  Fäden 
mit  6  Klöppelpaaren,  3.  Netzschlag  mit  4  Klöppelpaaren,  4.  Leinenschlag 
mit  4  Klöppelpaaren,  5.  Tüllgrund  mit  6  Klöppelpaaren,  6.  Brüsseler 
Grund  mit  6  Klöppelpaaren,  7.  Fond  ä  la  vierge  mit  8  Klöppelpaaren, 
8.  Eternellegrund  mit  8  Klöppelpaaren,  9.  Ro  sengrund  mit  10  Klöppel- 
paaren,  10.  Z  i  e  rg  r  u  n  d  aus  Löcherschlag  mit  Flechtenschlägen  mit  10  Klöppel- 


Spitzen. 


501 


paaren,  11.  Yalenciennes  -  Grund,  aus  Flechten  mit  2  Klöppelpaaren,  im 
ganzen  mit  10  Klöppelpaaren. 

Die  Einteilung  der  Klöppelspitzen  nach  Herkunft  und  Zeit  ist  noch 
schwieriger,  als  bei  den  Nadelspitzen;  der  Versuch,  es  auf  Grund  der  ange- 
führten technischen  Verfahren  zu  ermöglichen,  dem  auch  das  Handbuch  der 
Spitzenkunde  von  Tina  Frauberger  folgt,  scheint  noch  am  ehesten  zum  Ziele 
zu  führen.  Es  lassen  sich  demnach  unterscheiden :  Flechtspitz  en,  Formen- 
schlagspitzen, Leinen schlag spitzen,  Leinenschlagspitzen  mit 
Netzgrund,  Ziernetzspitzen,  denen  sich  solche  anschliessen ,  welche 
durch  Vereinigung  von  Klöppel-  und  Nadelarbeit  hergestellt  wurden. 

Die  Fl  echt  spitze  darf  ihrer  einfachen  Technik  entsprechend  als  die 
älteste  gelten;  sie  ist  seit  dem  Ende  des  15.  Jahrh.  nicht  nur  in  Italien, 
sondern  auch    in  Spanien,    den  Niederlanden    und  Deutschland  hergestellt    und 

Abb.  289. 


besteht  gewöhnlich  aus  Zacken,  die  sich  am  ehesten  als  Besatz  eiscnen 
(Abb.  290). 

Die  FormenschlagsjDitze  zeigt  Muster  in  breiteren  Einzelheiten 
als  die  Flechtspitze  (xAbb.  291),  ihre  bandartigen  Flächen  bilden  Kreise  und 
Rosettenfelder  in  Quadraten  und  halbrunden  Zacken,  die  im  ganzen  an  den 
italienischen  Typus  der  Reticeilaspitze  erinnern.  Die  Zwischenteile  sind  ge- 
wöhnlich durch  ein  ovales  Blättchen,  das  man  Haberkorn,  Gerstenkorn, 
auch  wohl  mouches  nennt,  gefüllt.  Diese  Art  der  Formenschlagspitze  soll 
im  17.  Jahrh.  hauptsächlich  in  Genua  gemacht  worden  sein ,  woselbst  auch 
dergleichen  Arbeiten    in   Metallfäden   hergestellt   wurden  (Tafel  XII,  Abb.  6). 

Die  Leinenschlag  spitze  tritt  mit  der  Aufnahme  geschwungener 
Formen  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund  (Abb.  292,  293).  Als  Heimat 
dieser  Gattung  von  Klöppelspitzen  wird  Flandern,  Brabant  und  Schleswig  an- 
genommen, woselbst  sie  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.  erscheinen;  im 
Erzgebirge,  in  Hussland  (Abb.  294)  und  in  sonstigen  slawischen  Ländern  haben 
sie  sich  in  einfacheren  Mustern  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten.  Man  be- 
zeichnet solche  Spitzen  auch  noch  als  Leinenrissspitzen,    Spitzen  mit 


502 


Spitzen. 


unterbrochenem  Riss  oder  mit  geteiltem  Riss  und  nach  der  Art  des 
Musters  und  eigentümlicher  technischer  Varianten  als  Klo  ste  r  arbeit,  sowie 
nach    der  Yerwendungsart    als  Kirche  n  spitz  en.     In  bunter   Seide  kommen 

übrigens     dergleichen     Muster 


Abb.  290. 


auch  in  mährischen  Aermel- 
besätzen,  in  Verbindung  mit 
Stickereien  auf  Leinen  vor.  Als 
Abart  gehört  zu  dieser  Gruppe 
auch  die  Gruipür  e-,  Grimpen- 
oder  Posamen  tierspitze, 
deren  Aussehen  infolge  des 
Materials  und  der  dadurch  be- 
dingten technischen  Eigentüm- 
lichkeit ein  von  den  Leinen- 
spitzen grundverschiedenes  ist, 
trotzdem  hat  das  Wort  Guipür« 
(s.  d.)  auch  für  solche  Auf- 
nahme gefunden  (Tafel  XH, 
Abb.  6). 

Die      Leinenschlag- 
spitzen    mit     Netzgrund 
sind   in   technischer  Beziehung 
der  vorigen  Gruppe  verwandt; 
nur  dass  die  Verbindungen  aus 
einem    regelmässig    gestalteten 
Netz  g€bildet  werden  (Tafel  XI 
u.  Abb.  292).    Die   Musterung 
innerhalb  desselben  scheint  sich  ganz  den  Nadelspitzen  Italiens  anzupassen.    Zu 
Voluten  aufgerollte  wellig  gelegte  Ranken  endigen  in  Zweige  und  Blüten,  die 
teilweis  schon    mit  einem  Ziernetz  durchbrochen  sind.    Der  Ausgangspunkt  für 
diese    Art    der   Klöppelspitzen 


Abb.  291. 


scheint  die  ReliefspitzeVenedigs 
gewesen  zu  sein,  der  das  Ranken- 
muster aus  gewebter  Litze  mit 
genähtem  Grunde  folgte.  Diese 
Spitzen  sollen,  wie  die  der 
vorigen  Gruppe,  meist  in  Flan- 
dern und  Brabant  hergestellt 
worden  sein;  von  einigen  wird 
auch  Mailand  (?)  als  Herstel- 
lungsort  einer  gleichen  Art  ge- 
nannt. 

Die  Gruppe  der  Zier- 
netzspitzen steht  bezüglich 
der  technischen  Vollkommenheit 
in  der  Kunst  des  Klöppeins 
auf  gleicher  Höhe  wie  in  ihrer 
Weise  die  gleichzeitigen  Nadel- 
arbeiten des  18.  Jahrh. ,  mit 
denen  auch  die  Muster  zu  wett- 
eifern scheinen.  Mit  der  vorigen 
Art  von  Klöppelspitzen  haben 
nur  noch  die  ziemlich  allgemein 
bezeichneten  Valencienne  s- 
Spitzen  die  meiste  Ver- 
wandtschaft (Tafel  XII  u.  Abb.  295),  unterscheiden  sich  aber,  wie  auch  die  noch 
folgenden  Arten ,  durch  den  überaus  feinen  Faden ,  mit  dem  sie  hergestellt 
sind,     und     die     etwas     lockere    Bildung     des    Leinenschlages,     aus    dem    das 


Spitzen. 


503 


Muster  besteht  (Abb.  295).  Unter  der  grossen  Gruppe  von  Yalenciennes- 
Spitzen  erscheinen  besonders  feine  Klöppelarbeiten,  die  man  für  Erzeugnisse 
aus  Bin  che  hält  und  zwar  in  Nachahmung  der  point  d'Angleterre  (?);  auch 
Spitzen  aus  Ypern  sollen  von  ähnlichem  Charakter  sein.  Die  in  Ma- 
lines und  Umgegend  erzeugten  Spitzen  (Abb.  296)  gehören  zu  den  wenigen 
Arten  von  Klöppelarbeiten,  welche  am  ehesten  richtig  erkannt  werden  wegen 
des  stärkeren  Arbeitsfadens,  der  das  im  Leinenschlag  hergestellte  Muster  um- 

Abb.  292. 


gibt  (Tafel  XI,  Abb.  296).  Eine  verwandte  technische  Eigenart  wohnt  auch 
den  sogen.  Brüsseler  Spitzen  inne  (s.  Abb.  287),  das  in  einer  einzigen 
Bändchenauflage  der  E,änder  einzelner  Teile  des  Musters  besteht  und  durch  das 
Zurückführen  des  Fadens  gebildet  wird. 

In    die  Gruppe    der  Spitzen    mit   vereinigter   Klöppel-    und  Nadelarbeit 
gehören  zunächst  die  Aufnähspitzen,    deren  Eormen    geklöppelt    und  ent- 

Abb.  293. 


weder  auf  einen  echten  Klöppelgrund  oder  auf  Tüll  aufgenäht  werden.  Man 
ordnet  auch  den  viel  umstrittenen  point  d'Angleterre  hier  hinein,  um 
dessen  Erzeugung  sich  auch  Frankreich  und  die  Niederlande  streiten.  Zu  den 
kombinierten  Spitzen  werden  ferner  die  seidenen  Spitzen,  sogen.  Blonden 
(Abb.  297),  dann  die  in  mehreren  Orten  Frankreichs  (Bayeux,  Le  Puy 
u.  s.  w.)  erzeugten  Chantilly- Spitzen  und  endlich  die  als  Torchon- 
spitzen  vorkommenden  Arten,  deren  geometrische  Muster  aus  den  einfachsten 
Verflechtungen  gebildet  werden. 


504 


Spitzen. 


Unter  den  drei  Arten  von  Maschinenspitzen  sind  die  auf  Grund 
der  im  Jahre  1809  von  Heathcoat  erfundenen  Bobbinnetmaschine  (s.  d.)  ent- 
standenen Erzeugnisse  die  ältesten.     Der    erste  Vorschlag    zur  Einführung  der 


Abb.  294. 


Jacquardmaschine  in  Bobbiunetweberei  ging  einem  französischen  Patent  zufolge 
im  Jahre  1824  von  Colas  et  Delompues  in  Lyon  aus ;  doch  erst  zu  Anfang 
der  1840  er  Jahre  gelang  es  Samuel  Draper  in  Nottingham,  die  praktische  An- 

Abb.  295. 


Wendung  der  Jacquardmaschine  in  der  Tüllspitzenfabrikation  mit  Erfolg  zu  er- 
zielen. Den  Hauptanteil  in  der  Maschinenspitzenfabrikation  nehmen  England 
und  Frankreich;  neben  diesen  kommen  Oesterreich  und  in  neuester  Zeit,  be- 
züglich der  Anfertigung  von  Tüllgardinen,  das  Königreich  Sachsen  in  Betracht. 


Spitzen. 


505 


Abb.  296. 


Den  Hauptsitz  der  englischen  Fabrikation  bildet  Nottingham  und  Umgebung; 
in  Frankreich  ist  es  vorzugsweise  Calais  und  Saint-Pierre  les  Calais  ,  welche 
ausgezeichnete  Tüllspitzenfabrikate  liefern. 

Die  Tüllspitzen  sind  zusammengesetzte,  teils  leinwandbindige ,  teils 
gazebindige,  gobelinartige  Gewebe,  bestehen  also  aus  zwei  Fadensystemen,  der 
Kette  und  dem  Schuss.  Die  Kettenfäden  laufen  geradlinig  oder  im  Zickzack 
der  Spitze  entlang  und  bilden  in  letzterem  Falle  das  Gerippe  für  die  zu  er- 
zeugenden Grundmaschen.  Die  Schussfäden  erstrecken  sich  stets  nur  über  den 
von  1 — 3  Kettenfäden  begrenzten  ßaum. 

Geklöppelte  Maschinenspitzen  sind  vornehmlich  solche  Arten, 
die  wie  die  Torchonspitze,  sich  durch  ein- 
fache Bindungsweise  des  Grundes  aus- 
zeichnen, und  einfach  gemusterte  schmale 
Valenciennes.  In  den  Jahren  1872  bis 
1873  versuchte  der  Franzose  Halbere 
grössere  Mannigfaltigkeit  in  die  Erzeug- 
nisse der  Klöppelmaschine  zu  bringen,  in- 
dem er  jedem  einzelnen  Klöppel  die  Tätig- 
keit und  den  Weg  durch  eine  Jacquard- 
maschine vorschrieb ,  so  dass  sämtliche 
Klöppel  einer  Maschine  ebenso  unab- 
hängig voneinander  bewegt  werden  können, 
wie  dies  von  der  Klöpplerin  bei  der  Füh- 
rung der  Handklöppel  geschieht.  Mangel- 
hafte Ausführung  der  Maschine  verhinderte 
jedoch  die  praktische  Verwertung. 

Die  Luft-  oder  Aetzspitzen 
werden  auf  Plattstichstickmaschinen  er- 
zeugt; man  fertigt  hierauf  die  Muster 
durch  Stickerei  auf  Zeug  oder  Papier  an 
und  entfernt  durch  xAusätzen  die  zwischen 
den  Figuren  stehen  gebliebenen  Teile. 
Nach  dem  älteren  Verfahren  sind  das 
Grundgewebe  und  die  Stickfäden  von  ver- 
schiedenem Material  (z.  B.  Baumwolle  und 
Wolle),  so  dass  ihre  Zerstörung  ver- 
schiedene chemisch  wechselnde  Mittel  er- 
fordert; in  neuerer  Zeit  werden  zu  dem 
Grundgewebe  und  den  Stickfäden  gleiche 
Materialien  verwendet  und  das  erstere  vor 
dem  Besticken  durch  Behandeln  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  oder  Salzsäure  so 
vorbereitet,  dass  es  nach  dem  Besticken 
beim  Erhitzen  zerstört  wird  oder  es  wer- 
den die  Stickfäden  mit  Salmiakgeist  oder 
alkalischer  Lauge  durchtränkt  und  das 
Grundgewebe  nach  dem  Besticken  durch 
ein  Säurebad  entfernt  (s.  Stickerei  S.  525). 

lieber  den  geschichtlichen  Entwickelungsgang  der  Spitze 
ist  man  trotz  einer  Reihe  guter  literarischer  Arbeiten  (Mrs.  B.  Palliser, 
History  of  lace,  London  1902;  ältere  Auflage  von  1875  in  franz.  Ueber- 
setzung:  Histoire  de  la  dentelle,  1890;  J.  Seguin,  La  de nt eile,  Paris 
1875;  Mme.  Despierres,  Histoire  du  point  d'Alengon,  Paris  1886; 
Tina  Frauberger,  Handbuch  der  Spitzenkunde,  Leipzig  1894;  Dr. 
M.  Dreger,  Entwickelungsgeschichte  der  Spitze,  Wien  1901)  nicht 
völlig  unterrichtet,  da  die  Bearbeitung  des  Materials  hinsichtlich  der  Gleichartigkeit 
und  TJebertragung,  ferner  durch  missverstandene  Ausdrücke  der  Technik,  Muste- 
rung usw.  eine  der  schwierigsten  ist,  welche  sich  den  Forschungen  hierdurch  eröffnet. 


506 


Spitzen. 


Spitzen  im  engeren  Sinne  erscheinen  erst  mit  dem  16.  Jahrh. ;  die 
Nadelspitze  als  pnnto  tagliato ,  die  Klöppelspitze  gleichzeitig  in  Form  einer 
Flechtenspitze.  Beide  Arten  können  ihren  Ursprung  in  Italien  haben:  die 
Nadelarbeit  jedenfalls;  für  die  Klöppelspitze  kommen  auch  die  Niederlande  in 
Frage.  Bestimmtere  Daten  über  die  Industrie  in  den  einzelnen  Ländern  und 
Orten  hat  man  versucht  zu  ermitteln  aus  Bildern,  aus  Musterbüchern  und  aus 
erhaltenen  Urkunden  in  Inventar en  u.  dgl. 

Italien  nimmt  zunächst  ein  besonderes  Interesse  in  Anspruch,  woselbst 
Venedig  als  die  gerühmteste  Erzeugungsstätte  genannt  wird.  Dr.  Dreger 
führt  u.  a.  das  für  die  Entwickelung  der  Spitze  überhaupt  höchst  wertvolle 
„New  Modelbuch"  an,  das  zwischen  1561  und  62  bei  Christoff  Froschower  in 
Zürich  erschienen  ist  und  „allerlei  Art  Klöppelschnüre,  wie  sie  derzeit  in  Ober- 
Deutschland  gang  und  gäbe  sind"  .  .  .  „die  jetzt  von  25  Jahren  in  unseren 
Landen  aufgekommen  und  gebräuchlich  sind",  enthalten.  „Sie  wurden  nämlich 
im  Jahre  1536  zum  erstenmal  durch  Kaufleute  aus  Venedig  und  aus  Italien 
gebracht."  Dieses  Buch  macht  uns  auch  mit  den  in  jener  Zeit  gebräuchlichen 
Benennungen  von  Spitzen  bekannt,  die  nach  italienischen  NaSelarbeiten  in 
Deutschland  geklöppelt  wurden.  So  z,  B.  eine  Borte  mit  Andreaskreuz  (sechs- 
eckige Felder  mit  gekreuzten  Balken  in  Ikiuten),  ganz  in  Art  des  geometrischen 

Abb.  297. 


Doppeldurchbruchs,  ferner  ähnliche  mit  eckigem  S  mid  0,  auch  „Bädlemodle" 
mit  ovalen  Bosetten  aus  grösseren  und  kleineren  Löchern  u.  a.  m.  Bei  jedem 
dieser  Muster  ist  die  Zahl  der  Klöppel  angegeben,  mit  welchen  die  Arbeit 
herzustellen  ist.  Ausser  den  Durchbrucharbeiten  und  berühmten  Beliefspitzen 
müssen  in  Venedig  auch  Groldspitzen  erzeugt  sein;  denn  es  wird  erwähnt,  dass 
im  Jahre  1574  sich  Heinrich  III  bei  einem  Besuche  daselbst  über  dergleichen 
Arbeiten  ausspricht.  Auch  in  Mailand  und  Genua  werden  Metallspitzen 
erzeugt,  doch  sind  die  Klöppelarbeiten  in  Leinen  verbreiteter.  Vor  dem 
17.  Jahrh.  wird  Genuesische  Spitze  wenig  erwähnt,  seit  1639  ist  sie  all- 
gemein in  Gebrauch  unter  dem  Namen  point  de  Genes  und  bildet  einen  be- 
deutenden Handelsartikel.  1764  heisst  es  bei  Palliser:  „In  Genua  werden  viele 
Spitzen  erzeugt,  die  jedoch  im  Vergleich  zu  flandrischer  Arbeit  minderwertiger 
Art  sind.  Die  Industrie  geht,  wie  die  venetianische,  durch  die  vielen  Edikte 
und  Einfuhrverbote  des  Auslandes  schliesslich  zugrunde.  Spitze  wird  dort 
„pizzo"  genannt,  es  werden  nur  Elöppelspitzen  a  piombini  oder  a  mazetta  ge- 
macht. Die  Spitzenerzeugung  ist  der  Küste  entlang  von  Albisola  bis  Santa 
Margherita  bekannt.  Spitzen  von  Albisola,  schwarz  oder  weissfarbig, 
bildeten  einst  einen  ansehnlichen  Ausfuhrgegenstand  nach  Cadiz,  Madrid  und 
Sevilla.  In  den  Kirchen  der  Stadt  werden  Spitzen  aufbewahrt,  die  um  1600 
dort  angefertigt  worden  sind;  auch  Spitzen  aus  Aloefasern  werden  dort  er- 
zeugt. Burano  erzeugt  etwa  Ende  des  18.  oder  Anfang  des  19.  Jahrhdts. 
Spitzen :   über  ihre  Nadelarbeit  nach    flandrischer   Art    scheint   man    sich  nicht 


Spitzen.  507 

klar  zu  sein,  eine  Nachahmung  des  point  d'Alen^^on  enthält  auf  dichtem  Grunde 
Streumuster,  die  wie  gestickt  erscheinen. 

Spanien  erscheint  in  Italien  als  „punto  di  Spagna'-  schon  zurzeit  der 
Renaissance,  seine  Erzeugnisse  sind  aber  wohl,  mit  Ausnahme  der  sogen.  Sol- 
spitze, auf  italienische  Nachahmungen  zurückzuführen ;  dieselben  gelangen  erst 
später  zu  grösserer  Bedeutung.  Eine  Vereinigung  von  geschnittener  Spitze  in 
Leinen,  mit  Stickerei  in  farbiger  Seide  und  mit  Umrandung  von  Goldösen  ist 
nur  in  wenigen  Beispielen  aus  Spanien  erhalten  (Abb.  298),  hingegen  war  die 
Filetarbeit  in  Weiss  und  solche  mit  bunter  Stickerei  im  17.  Jahrh.  sehr 
ausgebildet.  Nach  Angaben  von  Palliser  fasst  man  unter  „point  d'Espagne" 
allgemein  Gold-  oder  Silberspitzen  und  jene  in  Farben  gestickte  Spitzen  zu- 
sammen, die  während  der  Begierung  Louis  XIV  viel  in  Frankreich  getragen 
wurden.  In  spanischen  Dokumenten  aus  Toledo  und  Sevilla  aus  dem  15. 
und  16.  Jahrh.  und  aus  Granada  im  16.  und  17.  Jahrh.  wird  nichts  von 
Spitzen  erwähnt.  Erst  bei  der  Auflösung  spanischer  Klöster  im  Jahre  1830 
lernt  man  dort  angefertigte  Nadelspitzenarbeiten  kennen.  Ferner  führt  Tina 
Frauberger  aus  Palisser  an:  „Im  17.  Jahrhundert  sollen  in  Spanien  viele 
Frauen  mit  der  Erzeugung  von  Gold-,  Silber-  und  Leinenspitzen  beschäftigt 
gewesen    sein,    die,    was    Schönheit    der   Arbeit   betrifft,    Aehnlichkeit  mit  der 

Abb.  298. 


Spitze  aus  Flandern  gehabt  habe.  Dagegen  heisst  es  1634,  Spanien  beziehe 
viele  Spitzen  aus  Isle  de  France,  während  die  Franzosen  flandrische  Spitzen 
vorziehen.  Von  Antwerpen  wurden  Spitzen  über  Cadiz  nach  Spanien  gebracht 
unter  dem  Namen:  puntos  de  mosquito  e  de  transillas.  Gegen  die  Mitte  des 
18.  Jahrhdts.  scheint  die  Spitzenindustrie  in  Verfall  geraten  zu  sein.  Gold- 
und  Silberspitzen  werden  in  Barcelona,  Talavera  de  la  Beyna,  Valencia  und 
Sevilla  gemacht.  In  Catalonien,  besonders  in  Barcelona,  werden  seidene  Spitzen, 
Blonden,  erzeugt." 

Portugal  erzeugt  Nadelarbeiten,  jedoch  nicht  als  Industrie.  1726 
wird  Portugues  point  erwähnt.  Nach  1755  gründet  der  Marquis  de  Pombal 
eine  Spitzenmanufaktur  in  Lissabon.  In  Madeira,  Brasilien,  Venezuela,  Chile, 
Paraguay  werden  schmale  Klöppelspitzen  und  solche  in  Nachahmung  der  alten 
spanischen  Solspitzen  angefertigt. 

In  Frankreich  steht  als  Spitzenerzeugungsstätte  Alengon  obenan, 
woselbst  nach  der  Mitte  des  17.  Jahrhdts.  eine  Manufaktur  errichtet  wird, 
die  nach  Vorbildern  aus  Venedig  arbeitet.  Eine  Nadelspitze  velin  wird  im 
Zusammenhange  mit  point  de  coupe  zum  erstenmal  1639,  dieser  zuletzt  1662 
genannt  (Abb.  299  und  Tafel  XI,  Abb.  4).  lieber  die  hier  gegründete  Gesell- 
schaft s.  S.  403  unter  point  de  France;  über  Technik,  Muster  usw.  S.  4980".  lieber 
andere  französische  Spitzenmanufakturen  berichtet  Seguin:  In  Arge nt au 
wdrd  1665  von  der  Königl.  Manufaktur  ein  Bureau  errichtet,  das  bis  1675  be- 
stand. Dann  hört  man  nichts  mehr  davon  bis  zum  Jahre  1708,  von  welcher 
Zeit  an  wieder  Spitzen  fabriziert  werden  und  zwar  meist  Spitzen  mit  reseau 
de  brides,  1810  war  die  Fabrikation  hier  zu  Ende.  Die  Spitzenmanufaktur 
in    Lille    beginnt    mit    den    ersten    Jahren    des    17.    Jahrhdts.;    man    machte 


508 


Spitzen. 


Klöppelspitzen  fa^on  Malines  oder  facon  Valenciennes.  Die  heute  unter  diesem 
Namen  bekannte  Spitze  hat  Aehnlichkeit  mit  der  Malines,  unterscheidet  sich 
jedoch  im  reseau,  der  viel  feiner  ist.  Ar  ras  arbeitete  wie  Lille;  im  vorigen 
Jahrh.  schätzte  man  die  Spitzenarbeiterzahl  von  Lille  und  Arras  auf 
30000,  heute  sind  es  nur  noch  wenige  Hundert.  Le  Puy  wird  unter  den 
französischen  Städten  als  diejenige  betrachtet,  die  zuerst  Spitzen  erzeugte;  man 
machte  Klöppelspitzen:  Blonden,  seidene  Spitzen,  solche  von  Leinen  in  allen 
Farben,  wollene  Spitzen  und  guipures  modernes.  Anfänglich  ahmte  man  die 
.,guipures  gothiques,  italiennes"  nach,  die  einzigen  im  16.  Jahrh.  bekannten 
Spitzen;  später  unterwirft  man  sie  der  Mode,  ändert  die,  Muster  und 
nimmt  als  Vorbild  die  Malines-  und  alten  Valenciennesspitzen.  Aurillac 
war  ein  wichtiger  Mittelpunkt  der  Spitzenerzeugung,  die  sich  von  dort  in 
Murat  bis  Limousin  ausbreitete.  Man  weiss  nichts  über  den  Anfang  dieser 
Industrie,  die  sich  gegen  die  Mitte  des  17.  Jahrhdts.  entwickelt,  wo  die 
Erzeugnisse  dieser  Stadt  gesucht  sind.  Ende  des  17.  Jahrhdts.  sollen  auch 
hier  Metallspitzen  gefertigt  sein.  Unter  point  d' Aurillac  sind  stets  Klöppel- 
arbeiten zu  verstehen.  Die  Industrie  ist  vor  1789  zu  Ende.  In  Tülle 
wurden  gewöhnliche  Spitzen  gemacht.  Man  verfertigte  auch  Streifen  einfachen, 
geklöppelten  Netzwerkes,    das    man  den  Spitzen  anzusetzen  pflegte,  um  sie  zu 

Abb.  299. 


verbreitern.  Als  man  die  Spitzen  gefältelt  zu  tragen  begann  und  sie  in  Eeihen 
übereinandersetzte,  wurden  solche  Streifen  sehr  wichtig.  Im  besonderen  be- 
schäftigte sich  Tülle  mit  der  Herstellung  solcher  ungemusterter  Netzstreifen. 
Mirecourt  gilt  als  eine  der  ältesten  Spitzenfabriken  Frankreichs;  man  machte 
dort  Klöppelspitzen.  Im  17.  Jahrh.  befand  sich  in  Dijon  eine  Spitzen- 
manufaktur, wo  man  Klöppelarbeiten  fertigte;  sie  war  gegründet,  um  Findel- 
kindern Beschäftigung  zu  geben.  Gegen  die  Mitte  des  18.  Jahrhdts.  wird 
ihrer  nicht  mehr  erwähnt.  In  Auxerre  gründete  Colbert  eine  Manufaktur 
des  points  de  France,  deren  Betrieb  aber  bald  eingestellt  wurde.  Sedan  er- 
zeugte Nadelspitzen  unter  gleichem  Namen,  die  sich  in  der  Musterung  denen 
von  Argentan  anschliessen.  Die  Manufaktur  von  Lyon  ist  gegen  die  Mitte 
des  17.  Jahrhdts.  für  Grold-  und  Silberspitzen  die  bemerkenswerteste  von 
Frankreich.  Saint  Etiennes  Spitzen  gleichen  den  Yalenciennesarten ;  Saint 
Bonnet  le  Chäteau  ist  jetzt  Mittelpunkt  dieser  Fabrikation.  Bourg  Argental 
scheint  ehemals  eine  Fabrik  für  Blonden  gehabt  zu  haben;  um  1778  war  die 
Fabrik  schon  20  Jahre  alt;  auch  in  Sassen ages  in  der  Dauphine  wurden 
Blonden  angefertigt,  ebenso  in  Pont  de  Beauvoisin,  wo  die  Manufaktur 
bei  Ausbruch  der  Eevolution  1789  aufhörte.  Chantilly  wird  weder  im 
17.  noch    im    18.    Jahrh.    erwähnt,    während    sich    die    nächste    Umgebung  von 


Spitzen.  509 

Paris  mehr  und  mehr  der  Spitzenarbeit  begab ,  späterhin  der  Mittelpunkt 
für  die  Spitzenindustrie  der  Isle  de  France.  Man  fertigte  Klöppelspitzen 
an,  besonders  seidene.  Die  weissen  Leinenspitzen  von  Isle  de  France  waren 
zuerst  point  coupe  und  passements  aux  fuseaux  ou  guipures  gothiques.  Dann 
kamen  die  blumigen  Muster  unter  Louis  XIV ;  welche  points  de  France,  gleich- 
viel ob  Nadel-  oder  Klöppelarbeit,  genannt  werden,  dann  die  points  de  Malines 
und  d'Angleterre.  Die  Spitzenarbeit  von  Dieppe  erscheint  zuerst  Ende  des 
17.  Jahrhdts.  In  Caen  und  Bayeux  haben  sich  die  jüngeren  Industrien 
sehr  entwickelt;  Caen  wird  zum  erstenmal  1705  genannt,  es  werden  zuerst 
dort  Leinen-,  dann  schwarze  Seidenspitzen  und  Blonden  gemacht.  Bayeux's 
Spitzenmanufaktur,  die  heute  hohes  Ansehen  geniesst,  entstand  1709.  Man 
fertigte  weisse  und  schwarzseidene  Spitzen  an.  Seit  einigen  Jahren  hat 
M.  A.  Lefebure  dort  die  Nadelspitzenarbeit  eingeführt  und  entwickelt. 

Die  Niederlande  nehmen  im  Bereiche  der  Spitzenindustrie,  besonders 
der  Klöppelarbeiten,  eine  hervorragende  Stelle  ein,  so  dass  man  sogar  annimmt, 
die  Technik  der  letzteren  wäre  hier,  unabhängig  von  Italien,  aus  den  Arbeiten 
der  Posamentierer  heraus  entstanden.  Jedenfalls  geben  niederländische  Bilder 
aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhdts.  Beweise  dafür,  dass  hier  durchbrochene 
Leinenarbeit  nicht  unbekannt  war,  wenngleich  Spitzenmuster  auf  einen  Zu- 
sammenhang mit  Italien  hinweisen.  Peiche  Ausbildung  erfahren  die  Zacken- 
besätze der  Kragen,  deren  geometrische  Klöppelmuster  auf  Peticellavorlagen 
zurückgehen.  Neben  den  rein  geometrischen  Durchbruch-  und  Zackenarbeiten, 
die,  nach  den  Bildern  zu  schliessen,  bis  in  die  Mitte  des  17.  Jahrhdts. 
vorherrschen,  gewahren  wir  auch  die  Blumen-,  Panken-,  Schnörkel-  und  Yasen- 
motive,  die  wir  bereits  in  den  italienischen  Musterbüchern  fanden;  nur  ist  der 
Eindruck,  da  die  Arbeiten  meist  in  Klöppeltechnik  ausgeführt  sind  und  auf 
die  Peinheit  der  Form  weit  weniger  Wert  gelegt  ist,  ein  einigermassen  anderer. 
Vgl.  Dr.  M.  Dreger,  Entwickelungsgeschichte  der  Spitze,  Wien  1901,  S.  63. 
der  sich  darüber  noch  weiter  ausspricht: 

„Wenn  Holland  selbst  vielleicht  auch  weniger  Spitzen  erzeugte,  obgleich  es 
wenigstens  um  1660 — 1670  sogar  nach  England  und  Italien  ausführen  konnte,  so 
richteten  sich  jedenfalls  viele  Orte  der  Niederlande  nach  diesem  Absatzgebiete  und 
waren  ihm  ja  auch  geistig  in  mancher  Beziehung  nahe  verwandt.  Durch  ihre  Dicht- 
heit scheint  die  ganze  Spitze  viel  glatter,  ruhiger;  die  kräftige  Form  geht  allerdings 
verloren,  das  Ganze  erscheint  mehr  als  einheitlicher,  duftiger  Stoff.  So  wie  die 
holländische  Malerei  gegenüber  der  italienischen  Linearverkürzung  mehr  die  Luft- 
perspektive betont,  so  sind  auch  hier  mehr  Tonwerte  als  scharfe  Formen  gegeben. 
Das  ist  nicht  mehr  die  klare  Renaissance  des  Südens;  es  liegt  im  Ganzen  ein  gewisser 
Dämmerschein,  wie  er  die  Natur  des  Nordens  und  die  Seelen  des  Nordländers  immei' 
durchzieht.  Es  ist  darum  auch  nicht  zu  verwundern,  dass  diese  Art  der  Spitze  von 
Holland  bis  Schleswig  hin  gepflegt  wurde  und,  wie  wir  aus  englischen  Bildnissen  er- 
sehen, auch  in  England  besonders  beliebt  war.  Es  kann  aber  auch  nicht  befremden, 
dass  die  nordische  Spitze  mit  ihrer  sozusagen  gemilderten  Renaissancerichtung  in  den 
Ländern,  die  der  Barocke  erst  zustrebten,  gleichfalls  Absatz  fand  und  später  auch  auf 
das  halb  barocke,  halb  klassizistische  Frankreich  wieder  Einfluss  erlangte.  Jedenfalls 
nimmt  die  niederländische  Spitze,  wie  wir  aus  dem  Kampfe  der  Nachbarstaaten  gegen 
ihre  Einfuhr  deutlich  erkennen,  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhdts.  einen 
ganz  besonderen  Rang  ein ;  für  die  südlichen  Niederlande,  insbesondere  für  Antwerpen, 
Brügge,  Gent,  Ypern  und  Lüttich  —  Brüssel  tritt  erst  später  mehr  in  den  Vorder- 
grund —  bildet  die  Klöppelarbeit  bereits  eine  Hauptquelle  des  Reichtums." 

Als  Erzeugnis  aus  Antwerpen  werden  die  sogen.  Pottenkanten 
(Tafel  XI,  x4.bb.  12,  13)  bezeichnet,  die  bis  zum  18.  Jahrh.  in  Klöppelarbeit 
hergestellt  wurden.  Das  darin  vorherrschende  Vasenmotiv  erscheint  als  Nadel- 
arbeit schon  früher  und  ist  auch  in  anderer  Form  in  einer  aus  Italien 
stammenden  Klöppelspitze  des   17.  Jahrh.  vorhanden  (Abb.  300). 

England  ist  in  der  Spitzenerzeugung  zunächst  auch  vom  Auslande  ab- 
hängig: schon  im  Jahre  1463  verbietet  Eduard  IV.  die  Einfuhr  von  Spitzen- 
arten, womit  aber  mehr  Borten,  Besätze  und  Schnüre  in  Art  von  Posamentier- 
arbeiten gemeint  sind;  auch  bei  einem  1556  beschriebenen  Hemd,  welches  der 
Königin  Mary  als  Neujahrsgeschenk  überreicht  wird,  heisst  es  „mit  weisser  floren- 


510 


Spitzen. 


tinisclier  Arbeit",  woraus  nicht  ersichtlich,  ob  dies  Spitze  war;  aber  sicher 
weisen  auch  hier  die  Bilder  auf  italienische  Arbeiten  hin.  Ferner  werden 
Verbote  erlassen  gegen  die  Einfuhr  flanderischer  Spitzen,  die  später  aufge- 
hoben sind.  (Vgl.  die  von  Tina  Frauberger  gesammelten  Auszüge  aus  dem 
Werke  der  Palliser.)  Unter  der  Königin  Anna  (1702 — 1714)  erscheinen  die 
Mechelner  und  Brüsseler  Spitzen  in  den  Eechnungen  des  Hofes.  1711  wird 
die  Einführung  von  Grold-  und  Silberspitze  verboten.  Unter  Georg  IL  (1727 
bis  1760)  sind  Brüsseler  Spitzen  sehr  beliebt.  Anlässlich  der  Hochzeit  des 
Prinzen  von  Wales  (1736)  trägt  der  Hof  gleichwohl  Spitzen  englischer  Her- 
kunft ;  nur  der  Herzog  von  Marlborough  erscheint  in  point  d'Espagne.  Georg  III. 
(1760 — 1820)  ordnet  1764  an,  dass  bei  der  Hochzeit  seiner  Schwester  mit  dem 
Herzog  von  Braunschweig  alle  Stoffe  und  Spitzen,  die  getragen  werden,  eng- 
lischer Herkunft  sein  sollen.  Man  achtet  des  Befehls  wenig.  Drei  Tage  vor 
der  Hochzeit  wird  bei  der  Modistin  des  Hofes  Nachforschung  gehalten  und 
beinahe  alle  Spitzen,  Silber-  und  Goldstoffe  werden  beschlagnahmt.  In  Frank- 
reich werden  um  1788  englische  Spitzen  getragen,  während  man  in  England 
immer  noch  flanderisches  Fabrikat  bevorzugt.  Im  16.  und  17.  Jahrh.  scheinen 
sich  Klöppelspitzenmanufakturen  in  verschiedenen  englischen  Grafschaften  be- 
funden zu  haben ;    doch    hat    es  nur  Devonshire   zu  einem  B.uf  von  Dauer  ge- 

Abb.  300. 


bracht,  unter  ihnen  sind  die  von  Honiton  am  bekanntesten.  Im  Jahre  1623  werden 
die  Klöppelspitzenarbeiten  aus  Buckinghamshire  erwähnt ;  auch  in  Bedfordshire 
wurden  Spitzen  erzeugt,  in  beiden  Orten  wurde  nach  Vorbildern  von  Lille  und 
Arras  gearbeitet,  so  dass  jene  Erzeugnisse  oft  mit  der  Bezeichnung  Englisch 
Lille  vorkommen.  Gegen  Ende  des  18.  Jahrb.,  seit  dem  Ausbruch  des  Krieges 
mit  der  französischen  Bepublik  und  dem  ihm  folgenden  Zollkriege  nahm  die 
Spitzenmanufaktur  in  England  neuen  Aufschwung.  Man  deckte  den  Bedarf 
an  Spitzen  durch  heimatliche  Fabrikate.  Mit  bestem  Erfolge  wurden  fran- 
zösische Spitzen  nachgeahmt,  die  mit  Hausse  Valenciennes  oder  French  ground 
bezeichnet  werden.  Seit  1815  beginnt  sich  die  englische  Spitzenarbeit  wieder 
lebhafter  zu  entwickeln,  1862  (Weltausstellung)  ist  schon  ein  grosser  Fort- 
schrittbemerkbar. Ueber  den  Point  d'Angleterre  äussert  sich  Dr.  Dreger 
in  seinem  Spitzenwerke  (S.  97)  folgendermassen : 

„Was  der  p.  dA.,  der  auch  sonst  häufig  vorkommt,  eigentlich  ist,  darüber  geben 
die  Meinungen  der  Forscher  allerdings  sehr  auseinander.  Viele  wollen,  mit  Seguin, 
in  ihm  eine  ganz  bestimmte  Art  erkennen ;  andere  wie  Frau  Palliser  nehmen  an,  dass 
der  Point  dAngleterre  überhaupt  ein  niederländisches  Erzeugnis  ist,  dass  nur  deshalb 
so  genannt  wurde,  weil  es  insbesondere  für  England  angefertigt  wurde;  im  Kauder- 
welsch der  Geschäftswelt  bezeichnet  man  wieder  einige  bestimmte  Arten  mit  diesem 
Namen,  doch  ohne  anzuerkennenden  Grund.     Ich  glaube,    dass    die  Hauptursache  der 


Spitzen.  511 

Meinungsverschiedenheit  wieder  darin  beruht,  dass  man  urkundliche  Erwähnungen  aus 
den  allerverschiedensten  Zeiten  durcheinanderbringt  und  nicht  bedenkt,  dass  in  manchen 
Erwähnungen  der  Ausdruck  „d'Angleterre"  tatsächlich  den  Erzeugungsort,  in  anderen 
einen  Typus  bezeichnen  soll.  Bei  dem  engen  Zusammenhange,  den  wir  bisher  immer 
zwischen  den  Niederlanden  und  England  sahen,  bin  ich  übrigens  überzeugt,  dass  man 
die  Spitzenarten  der  beiden  Länder  überhaupt  nicht  klar  auseinanderhalten  kann, 
"  u.  s.  w. 

In  Schottland  heisst  die  Spitze  pearlin;  1621  wird  angeordnet, 
dass  nur  pearlin,  welche  in  Schottland  erzeugt  wurde,  getragen  w^erden  darf. 
Um  die  Mitte  des  18.  Jahrb.  bringt  die  Herzogin  von  Hamilton  Spitzen- 
arbeiterinnen vom  Kontinent  nach  Schottland,  um  mit  deren  Hilfe  diese  Arbeit 
einzuführen.  1754  und  1778  heisst  es,  dass  die  Unternehmung  der  Herzogin 
Fortschritte  macht;  nach  dem  wird  der  Spitzenarbeit  in  Schottland  nicht  mehr 
erwähnt. 

In  Irland  bildet  sich  am  Anfange  des  18.  Jahrh.  die  Dublin  Society, 
w^elche  patriotische  Unternehmungen  fördert;  seit  1773  wdrd  derselben  nicht 
mehr  gedacht.  Im  Jahre  1846,  avo  Irland  von  der  Hungersnot  heimgesucht 
wurde,  sucht  man  den  Armen  durch  Einführung  der  Spitzenarbeit  Verdienst 
zu  verschaffen.  Lady  de  Vere  ist  die  erste,  die  Unterricht  in  der  Schule  in 
Curragh  erteilen  lässt.  Die  Arbeit  ist  unter  Irish  oder  Curragh  point  bekannt. 
Vorbild  war  Brüsseler  Applikationsspitze.  Bekannt  ist  Irish  lacet.  Der 
Grund  ist  crochet  (Häkelarbeit),  in  \velchen  das  Muster  eingesetzt  ist,  das  mit 
Spitzenstichen  gefüllt  ist. 

Ueber  die  Einführung  der  Spitzen  in  Deutschland  gibt  das  auf  S.  506 

Abb.  301. 


erwähnte  Züricher  Modelbuch  die  beste  Auskunft.  Von  italienischen  Mustern 
hat  zunächst  die  Reticellaspitze  die  weiteste  Ausbildung  und  L^mgestaltung 
erfahren;  auch  die  italienische  Rankenspitze  erfährt  in  Deutschland  eine  w^enig 
künstlerische  Verwertung,  welche  derjenigen  in  den  slawischen  Ländern  gleich- 
kommt. Auf  eine  nicht  unbedeutende  Spitzenerzeugung  in  den  Hheinlanden 
weist  ein  3Iusterbuch  mit  Originalproben  hin,  welches  im  Königl.  Kunstgewerbe- 
museum zu  Berlin  aufbewahrt  wird.  Dasselbe  stammt  aus  Köln  und  enthält 
Filetarbeiten  und  Klöppelspitzen  des  17.  Jahrb.,  von  denen  einige  den  italie- 
nischen Ursprung  verraten  (vgl.  Abb.  290,  291),  andere  aber  (Abb.  301,  302) 
wohl  als  selbständige  Erzeugnisse  gelten  können,  worauf  namentlich  das 
Wolkenband  in  Abb.  302  hindeutet,  das  auch  in  früheren  rheinländischen 
Wirkereien  erscheint.  Die  Spitze  des  sächsischen  Erzgebirges 
(Abb.  303,  304),  durch  Barbara  Uttmann,  geb.  v.  Elterlein  (geb.  1514, 
gest.  1575)  eingeführt  —  vgl.  hierüber  das  Werk  von  Emil  Finck,  Barbara 
Uttmann,  die  Begründerin  der  Spitzenindustrie  im  Erzgebirge.  Annaberg  1886, 
Rudolph  &  Dieterici  —  hat  unzweifelhaft  ihre  Entstehung  in  der  Borten- 
wirkerei und  Schnurwerken  der  Posamentierer,  was  mir  bestätigt  wird  durch 
einige  Blätter  aus  einem  Musterbuch  mit  Originalarbeiten,  welche  das  Museum 
in  Breslau  besitzt.  Auf  Grimd  solcher  Arbeiten  hat  Barbara  Uttmann  unter 
der  Mithilfe  protestantischer  Brabanterinnen  die  Klöppelarbeit  dort  eingeführt. 


512 


Spitzen. 


welche    sich  bald  in    der  Umgegend  verbreitete,    worüber  eine  im  Jahre   1827 
von  Heinrich  Eepmann  erschienene  Schrift  berichtet: 

„Anfangs  hatte  das  Spitzenklöppeln  bloss  zu  Annaberg  seinen  Sitz  und  war 
noch  kein  Gegenstand  der  sächsischen  Gesetzgebung  geworden.  Bald  verbreitete  es 
sich  aber  auch  in  die  benachbarten  Städte  und  überhaupt  in  die  Aemter  Wolkenstein, 
Grünhayn,  Schwarzenberg,  Wiesenburg  und  Lauterstein  und  in  das  Voigtland  und  in- 
sonderheit auch  auf  die  Dörfer.  Da  man  anfangs  das  Spitzenklöppeln  für  eine  städtische 
Nahrung  ansah,  so  mussten  diejenigen,  welche  es  auf  dem  Lande  betrieben,  schon  vor 
dem  Jahre  1609  gleich  anderen  Handwerkern  auf  den  Dörfern  Schutz-  und  KlÖppel- 
geld  entrichten.   So  wie  sich  nun  das  Spitzenklöppeln  immer  mehr  ausbreitete,  ebenso 

Abb.  302. 


entstanden  auch  von  Seiten  der  Spitzenherren  Klagen  über  den  Betrug  ihrer  Klöppel- 
leute. Sie  beklagten  sich  vorzüglich  darüber,  dass  die  Klöppelmägde  von  verschiedenen 
Spitzenherren  Zwirn    und  Geld   zugleich   aufnähmen    und  nachgehends  die  daraus  und 

die  dabei  gefertigten  Spitzen  anderwärts  verkaufen " 

1713  kommen  neue  Klagen  der  Klöppelherren,  1717  wird  von  den  Spitzen- 
verlegern in  Schneeberg  über  den  Betrug  der  Klöppelleute  Beschwerde  ge- 
führt, welche  sich  in  den  folgenden  Jahren  wiederholen.  1818  wird  die  Königl. 
Klöppelschule  zu  Ehrenfriedersdorf  errichtet.  Nach  Mrs.  Palliser  wurden  in 
Hamburg  Spitzen  erzeugt,  die  Hamburg-Point  heissen  und  wahrscheinlich 
eine  Sorte  vom  drawn  work  war,  wie  der  „Dresden  point".    In  Berlin  siedeln 

Abb.  303. 


Abb.  304. 


sich  infolge  eines  Ediktes  des  Grossen  Kurfürsten  (29.  Oktober  1685)  zugunsten 
flüchtiger  Arbeiter  französische  Protestanten  an,  welche  die  Spitzenarbeit  ein- 
führen. Nach  Verlauf  mehrerer  Jahre  besitzt  Berlin  allein  au  450  Spitzen- 
werkstätten und  man  liefert  Spitzen  nach  Polen  und  Pussland.  Als  Berliner 
Arbeit  ist  durch  den  preussischen  Adler  gekennzeichnet  die  unter  Abb.  305 
dargestellte  Klöppelspitze  (Tafel  XI,  Abb.  16).  Auch  in  Hannover,  Leip- 
zig, Ansbach  und  Elberfeld  sollen  Spitzenmanufakturen  bestanden  haben. 
In  Halle  wurde  sog.  „Hungarium"  lace,  Point  de  Hongrie  gemacht,  eine 
Bezeichnung,  die  für  Stickerei  um  1632  in  Anwendung  war.  1604  erscheint 
das  Musterbuch  für  Durchbrucharbeit  bezw.  Spitzen  von  Sibmacher  in  Nürn- 


Spitzen. 


513 


berg.  Nach  Süddeuts chl and  setzt  Mr.  Palliser  Klöppelarbeiten  in  der  Art, 
wie  sie  unter  Abb.  306  wiedergegeben  ist.  Auch  gröbere  Klöppelarbeiten 
wurden  in  Süddeutschland  und  Tirol  erzeugt.  (Tafel  XII,  Abb.  4,  5.)  Dass  in 
Tondern  (Schleswig)  Spitzen  angefertigt  wurden,  bestätigt  der  dänische  König 
Christian  TV.  in  seinen  Aufzeichnungen  über  die  Reisen  in  seinem  (damaligen) 
Lande  zwischen  1619 — 1625.  Nach  Dr.  Dreger  sollen  im  Jahre  1712  Brabanter 
Frauen  zur  Hebung  der  Spitzenerzeugung  nach  Tondern  berufen  sein;  man 
stellte    eine    der    niederländischen    nahestehende  Art   her.     Später   wurden   im 


Abb.  305. 


ganzen  Norden,  besonders  in  Dänemark,  auf  Batist  gestickte  und  ausgenähte 
Nachahmungen  von  Hokoko spitzen  sehr  beliebt  und  erhielten  sich  bis  in  unser 
Jahrhundert.     (Ygl.  Abb.  43.) 

Oesterreich  ist  besonders  mit  böhmischen  Erzeugnissen  seit  dem  An- 
fange des  19.  Jahrh.  an  der  Spitzenfabrikation  beteiligt;  in  neuerer  Zeit  macht 
sich  durch  dife  in  "Wien  gegründeten  staatlichen  Spitzenschulen  ein 
wohltuender   Einfluss    hinsichtlich    des    Geschmackes    in   Nadel-   und   Klöppel- 

Abb.  306. 


arbeiten   bemerkbar,    welcher   davon  ausgeht,    die  Mustergebung    derselben   in 
neue  freiere  Bahnen  zu  lenken.     (Abb.  307  und  Tafel  YIII,  Abb.  3.) 

Im  Orient  ist  die  Spitzenerzeugung  nie  zu  einer  besonderen  Entfaltung 
gekommen.  Ziernähte  und  breitere  Säume  werden  in  flechtwerkartigen  Spitzen- 
ßtichen  ausgeführt,  eine  besondere  Ausbildung  haben  derartige  Arbeiten  in  der 
schon  erwähnten  sogen.  Smyrna-  oder  armenischen  Spitze  (Abb.  289)  erfahren; 
Goldspitzen  und  Tressen  von  einiger  künstlerischer  Bedeutung  werden  auch 
in  der  Türkei  gefertigt.  (Abb.  308,  309.)  Spitzenartige  Durchbrucharbeiten 
werden  in  den  Korandeckchen  (s.  d.)  hergestellt. 


Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde. 


33 


514 


Spitzen. 


Literatur:  Dietrich,  Die  SiDitzenindustrie  in  Belgien  und  Frankreich  zu 
Ende  des  19.  Jahrh. ,  Leipzig  1900;  Dreger,  Entwickelungsgeschichte  der  Spitze  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  die  Spitzensammlung  des  K.  K.  österr.  Museums  für  Kunst 
und  Industrie,  Wien  1901-,  Fischer,  technologische  Studien  im  sächs.  Erzgebirge, 
Leipzig  1878;  Tina  Frauberger,  Handbuch  der  Spitzenkunde  (Seemanns  Kunst- 
handbücher), Leii)zig  1894;  G-orbunoff,  lieber  russische  Spitzenindustrie,  Wien  1886; 

Abb.  307. 


Abb.  308. 


Abb.  309. 


Jamnig  und  Richter,  Die  Technik  der  geklöppelten  Spitze,  AVienl886;  II g,  Ge- 
schichte und  Terminologie  alter  Spitzen,  Wien  1876;  Kraft,  Studien  über  mechanische 
Bobbinet-  und  Spitzenherstellung,  Berlin  1892;  Lipperheide,  Das  Spitzenklöppeln, 
Berlin,  1898;  Palliser,  A  history  of  lace,  London  1902;  Rasmussen,  Klöppel- 
buch, Anleitung  zum  Selbstunterricht,  Kopenhagen  1884;  Schneider,  Die  Spitzen- 
fabrikation im  sächs.  Erzgebirge,  Schneeberg  1860;  Seguin,  La  dentelle,  Paris  1875; 
Voshage,  Das  Spitzenklöppeln,  Leipzig  1894. 


Spitzen.  515 


Abbildungen: 

282.  Mexikanische  moderne  Diirchbrucharbeit  aus:  Sammler-Daheim  1900^  S.  1160. 

283.  Genähte  spanische  Spitze,  17.  Jahrh.,  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig 
1896,  Bl.  23. 

284.  Desgleichen. 

285.  Genähte  venetianische  Spitze  (Haubendeckel),  17.  Jahrh.,  wie  vorher,  Bl.  144. 

286.  Genähte  Spitze,  wie  Nr.  283. 

287.  Geklöppelte  Spitze,  Brüssel  Anlang  18.  Jahrh.  Original:  Königl.  Kunst- 
gewerbemuseum Berlin. 

288.  Mexikanische  Solspitze,  19.  Jahrh.  Original :  Königl.  Landesgewerbemuseum 
in  Stuttgart. 

289.  Teil  eines  Kragens,  Xadelarbeit  in  farbiger  Seide;  sogen.  Smyrna-  oder 
armenische  Spitze  des  19.  Jahrh.      Original:  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig. 

290.  Geklöppelte  Flechtspitze  aus  einem  Kölner  Musterbuch,  Italien  (?)  17.  Jahrh. 
Original  im  Königl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin;  dargestellt  im  Kunstgewerbeblatt, 
Leipzig  1888,  S.  215. 

291.  Geklöppelte  Formenschlagspitze,  wie  vorher. 

292.  Geklöppelte  Leinenschlagspitze,  niederländisch  17.  Jahrh.  Original  im 
Königl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin;  dargestellt  im  Handbuch  der  Spitzenkunde 
von  Tina  Trauberger,  Leipzig  1894. 

293.  Geklöppelte  Leinenschlagspitze,  Flandern  Anfang  18.  Jahrh.  Original  im 
Kunstgewerbemuseum  zu  Leipzig. 

294.  Endigung  eines  russischen  Handtuches  mit  geklöppelten  Spitzen  Anfang 
19.  Jahrh.     Original  und  Darstellung  wie  Nr.  292. 

295.  Geklöppelte  Valenciennesspitze,  18.  Jahrh.  Original  und  Darstellung  wie  vorher. 

296.  Teil  einer  Barbe,  geklöppelte  Malinesspitze,  18.  Jahrh.  Original  und  Dar- 
stellung wie  vorher. 

297.  Geklöppelte  Seidenblonde,  Chantilly  Anfang  19.  Jahrh.     Original  wie  289. 

298.  Geschnittene  und  farbig  gestickte  Leinenspitze,  Spanien  17.  Jahrh.  Original 
wie  Nr.  292. 

299.  Genähte  Alengonspitze ,   um  1800.     Original  und  Darstellung  wie  Nr.  292. 

300.  Geklöppelte   niederländische  (?)  Spitze,    17.  Jahrh.     Original   wie  Nr.  292. 

301.  Geklöppelte  Spitze,  wie  Abb.  290. 

302.  Desgleichen. 

303.  Geklöppelte  sächsische  Blonde,  19.  Jahrh. 

304.  Desgleichen, 

305.  Geklöppelte  Spitze,  Berlin  Ende  17.  Jahrh.     Original  wie  Nr.  292. 

306.  Geklöppelte  süddeutsche  (?)  Spitze,  18.  Jahrh.     Original  wie  Nr.  289. 

307.  Türkische  Goldtresse,  19.  Jahrh.  Original  im  Königl.  Landesgewerbe- 
museum Stuttgart. 

308.  Desgleichen. 

309.  Geklöppelte  Spitze  (Muster  gesetzlich  geschützt),  ausgeführt  im  K.  K. 
Zentral-Spitzenkurs  in  Wien,  1900.     Dargestellt  in  „Dekorative  Kunst,  IV,  I." 

Abbildungen  auf  der  Tafel  X.     Nadelspitzen  des  16.  und  17.  Jahrh. 

1.  Borte  aus  Leinwand,  in  Durchbrucharbeit  und  Stickerei  aus  weissem  Garn 
gemustert :  Geteilte  Rautenfelder  aus  kleinen  Quadraten  und  Spitzensternen ;  dazwischen 
gestickte  stilisierte  Wappenlilienblüten.  Italien  Ende  16.  Jahrh.  Original  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Leipzig  u.  a.  a.  0. 

2.  Darstellung  aus :  Dr.  M.  Dreger,  Entwickelungsgeschichte  der  Spitze  u.  s.  w., 
Wien  1901,  Bl.  22:  Durchbruchspitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Garn:  geometrische 
Felder    mit    entsprechender    Füllung   aus  Sternen  und  Rosetten.     Italien  (?)  um  1600. 

3.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze  (sog.  Solspitze)  in  weissem  Leinen, 
filetartige  Nadelarbeit,  Muster :  In  quadratischen  Feldern  abwechselnde  rundliche  Stern- 
füUungen.     Spanien  16. — 17.  Jahrh. 

4.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Teil  eines  Mustertuches  für  Durchbrucharbeit 
und  Spitzennäherei:  Borten  in  Doppeldurchbruch  und  sog.  Reticeilamuster.  Italien 
Ende  16.  Jahrh. 

5.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin:  Borte, 
Nadelarbeit  in  weissem  Leinen,  auf  den  breiten  genähten  Flächen  ist  zwischen  Durch- 
bruch gestickt;  die  Begleitborte  mit  ausgeschnittenen  Feldern.    Spanien  Ende  16.  Jahrh. 

6.  Darstellung  wie  Abb.  2:  Teil  der  Randborte  eines  Leinentuches,  Nadelarbeit 
(sog.  punto  in  aria),  Muster  in  quadratischer  Teilung  mit  Sternen  auf  den  Kreuzungs- 
punkten, dazwischen  gedrungene  Volutenbänder.     Italien  Ende  16.  Jahrh. 

7.  Originalaufnahme  wie  Abb.  5:  Einsatzspitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen 


516  Spitzen. 


(sog.  punto  in  aria),  Muster  auf  geraden  und  schrägen  Netzfäden  aus  glatten  und  auf- 
gerollten kleinen  Bändern  mit  Zacken;  schmale  Begleitränder.     Italien  um  1600. 

8.  Originalaufnahme  wie  Abb.  l:  Geschnittene  Zackenspitze  mit  Nadelarbeit  in 
weissem  Leinen  (sog.  point  coupe),  Muster  aus  breiter  Ranke  mit  stilisierten  Blüten; 
Zacken  aus  aufgerollten  Bändern.     Spanien  oder  Italien  Ende  16.  Jahrh. 

9.  Darstellung  wie  Abb.  2,  Bl.  24:  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen. 
Muster  aus  wellig  gelegter  Ranke  mit  wechselnden  Blüten,  deren  einzelne  die  Zacken 
bilden.     Spanien  17.  Jahrh. 

Abbildungen  auf  der  Tafel  XI:  Nadel-  und  Klöppelspitzen 

des  18.  Jahrh. 

1.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Spitze, 
Nadel-  und  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  auf  regelmässigem  Netzgrund:  In  sym- 
metrischer Anordnung  wachsen  rechts  und  li4ks  zu  den  Seiten  eines  vasenartigen  Ge- 
fässes  Zweige  und  Blumen  aus,  deren  innere  Flächen  Füllstiche  in  wechselnder  Muste- 
rung enthalten.     Französisch?  um  1750. 

2.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1:  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen,  in 
breiten  Flächen  auf  Netzgrund,  mit  verschiedenartigen  Füllstichen  innerhalb  der  Einzel- 
formen des  Musters  aus  Zweigen  mit  stilisierten  Blüten,  welche  als  Zackenbildungen 
frei  auslaufen.     Französisch  18.  Jahrh. 

3.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart:  Spitze, 
Nadelarbeit  in  weissem  Leinen:  Muster  in  breiten  Flächen  aus  Blattwerk  und  Blüten. 
Frankreich  18.  Jahrb. 

4.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen  mit 
rundlich  gelegten  Ranken  aus  Blattwerk  und  Blüten  auf  wechselndem  Grunde  aus  ver- 
schiedenartigen Füllstichen.     Französisch,  erste  Hälfte  18,  Jahrh. 

5.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen  mit 
einem  Muster  aus  phantastischem  Blatt-  und  Muschel  werk  mit  verschieden  gemusterten 
Flächen  iu  wechselnden  Füllstichen  auf  genähtem  Wabengrund.  Französisch.  Erste 
Hälfte  18.  Jahrh. 

6.  Darstellung  aus  Dr.  M.  Dreger:  Entwickelungsgeschichte  der  Spitze,  Wien 
1901,  Bl.  80,  81  a :  Spitze ,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen  auf  regelmässigem  Netz- 
grund: wellig  verschlungenen  Bändern  entsteigen  feine  Ranken  und  Blütenzweige. 
Frankreich,  Stil  Louis  XVI. 

7.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen  auf 
regelmässigem  Netzgrund,  Muster  aus  Ranken  mit  phantastischen  Blüten,  welche  füll- 
hornartigen Bildungen  entsteigen;  innerhalb  der  Flächen  Musterung  aus  wechselnden 
Füllstichen.     Französisch.     Erste  Hälfte  18.  Jahrh. 

8.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  (Teil 
einer  Barbe),  Muster  aus  geschweiften  Feldern,  welche  durch  ein  welliges  Band  gebildet 
werden,  darin  abwechselnde  Blumenzweige. 

9.  Darstellung  wie  Abb.  3  Bl.  79  b :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen 
im  Leinenschlag  auf  Netzgrund  (Teil  einer  Barbe):  In  Feldern  aus  welligem  Bande 
mit  Rosetten  und  Blattwerk  wechseln  Blütenzweige  ab.     Valenciennes  um  1750. 

10.  Darstellung  wie  Abb.  6  Bl.  77:  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen 
im  Leinenschlag:  Teil  einer  Barbe,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen:  Dem  aus  Ranken 
und  Feldern  bestehenden  Rande  entsteigen  Blütenzweige.  Niederländisch,  gegen  Mitte 
des  18.  Jahrh. 

11.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen 
(Teil  einer  Barbe),  Muster  im  Leinenschlag  mit  Faden  um  den  Kontur:  Zwischen 
Rändern  aus  bogigen  gemusterten  Zackenfeldern,  Blatt-  und  Blütenwerk  wechseln 
übereinander  ab:  Amor  mit  Schwänen,  Blumenvase  und  Füllhorn  mit  Vogel.  Brüssel 
oder  Malines  18.  Jahrh. 

12.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig:  Spitze,  Klöppel- 
arbeit in  weissem  Leinen  im  Leinenschlag  auf  Netzgrund:  Symmetrisches  Muster  aus 
volutenartig  geschwungenen  Ranken,  welche  einer  kelchartigen  Blütenpalmette  ent- 
steigen.    Niederländisch  18.  Jahrh. 

13.  Originalaufnahme  wie  Abb.  12:  Spitze  (sog.  Pottenkant),  Klöppelarbeit  in 
weissem  Leinen  im  Leinenschlag  auf  Netzgrund:  Symmetrisches  Muster  aus  Blumen- 
ranken, welche  einem  vasenartigen  Gefäss  entsteigen.     Niederländisch  18.  Jahrh. 

14.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  im 
Leinenschlag  auf  verschieden  gemustertem  Netzgrunde,  Muster  aus  wellig  gelegten 
Blättern,   welche   von   einem  Bande  durchschlungen  werden.     Valenciennes  18.  Jahrh. 

15.  Original  aufnähme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  im 
Leinenschlag    mit  Faden    um    den  Kontur   auf  wechselndem    Netzgrund:    Muster    aus 


Spitzenmaschine — Spremberg.  517 

wellig    geschwungenen    und    gezackten    Blattfeidern ;    dazwischen    kleine  Blütenzweige. 
Malines  18.  Jahrh. 

16.  Originalaufnahme  wie  Abb.  1 :  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen  im 
Leinenschlag  mit  Faden  um  den  Kontur  auf  regelmässigem  Netzgrund,  Muster:  Unter 
einem  bogigen  Rande  aus  Blatt-  und  Blütenwerk  sind  Amoretten  mit  Pfeil  und  Bogen 
zwischen  fliegenden  Vögeln  dargestellt.     Deutschland  18.  Jahrh. 

17.  Darstellung  wie  Abb.  3.  Bl.  77:  Grewundene  Blätter  und  Blüten  mit  ver- 
schieden gefülltem  Grrunde.     Niederländisch,  gegen  Mitte  des  18.  Jahrh. 

Abbildungen    auf  der   Tafel  XII:    Nadel-    und  Klöppelspitzen 
des  18.  und  19.  Jahrh. 

1.  Originalaufnahme  aus  dem  kgl.  Kunstgewerbemuseum  in  Berlin :  Spitze  aus 
gewebter  Litze  auf  einem  Grunde  aus  Nadelarbeit,  Muster  aus  wellig  gelegter  Bänke 
mit  Blütenansätzen  an  den  volutenartig  geschwungenen  Endigungen.    Italien  17.  Jahrh. 

2.  Originalaufnahme  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  in  Leipzig :  Spitze  aus  ge- 
webter Litze  auf  geklöppeltem  Grunde,  Muster  aus  wellig  gelegter  Ranke  mit  stili- 
sierten Blütenformen,  deren  innere  Flächen  in  Nadelarbeit  durch  wechselnde  Füllstiche 
belebt  sind.     Italien  17.  Jahrh. 

3.  Darstellung  aus  Dr.  M.  Dreger,  Blatt  60:  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem 
Leinen  auf  regelmässigem  Netzgrund:  zu  Voluten  aufgerollte  Ranken  und  Tiere. 
Oberitalienisch  oder  niederländisch  17, — 18.  Jahrh. 

4.  Originalaufnahme  wie  Abb,  2 :  Geklöppelter  Spitzenbesatz  an  gewebter  Leinen- 
borte.    Süddeutschland  17.  Jahrh. 

5.  Originalaufnahme  wie  Abb.  2:  Geklöppelte  Spitze  in  weissen  groben  Leinen- 
fäden.    Süddeutschland  17.  Jahrh. 

6.  Darstellung  wie  Abb.  2:  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen :  rundHche 
Zacken  mit  Rosettenfeldern,  die  durch  Bogenlinien  verbunden  sind;  offener  Grund 
aus  dem  sogen.  Gerstenkornmuster.     Cluny  19.  Jahrh. 

7.  Darstellung  wie  Abb.  2:  Spitze,  Nadelarbeit  in  weissem  Leinen:  fächer- 
förmige Zacken  an  Bogenlinien;  darüber  Blütenwerk.     Brüssel,  modern. 

8.  Darstellung  wie  Abb.  2:  Spitze,  Klöppelarbeit  in  weissem  Leinen:  Muster 
aus  Blattwerk  und  Trauben.     Brügge  (?)  modern. 

9.  Darstellung  wie  Abb.  2:  Spitze,  Nadel-  und  Klöppelarbeit:  Zacken  aus 
rundlichen  Bändern  mit  Kelchblüten  und  Rosetten.     Brüssel,  modern. 

(Anmerkung:  Die  auf  den  Tafeln  X — XII  abgebildeten  Spitzen  aus  der 
Sammlung  des  Kunstgewerbemuseums  in  Leipzig  sind  entnommen  den  „Ornamentalen 
und  kunstgewerblichen  Sammelmappen"  Serie  IV  und  V,  Leipzig  1893.) 

Spitzenmaschine  oder  Klöppelmaschine,  eine  zur  Spitzenfabrikation  und 
zu  Posamentierarbeiten  benützte  Vorrichtung,  mittels  deren  die  Yerfl.echtung 
der  auf  stehenden  Spulen  (Klöppel)  aufgewundenen  Fäden  dadurch  erzielt  wird, 
dass,  während  diese  Fäden  an  der  Bildungsstelle  des  Greflechtes  strahlenförmig 
zusammenlaufen,  die  Klöppel  in  Kurvenschlitzen  einer  Stützplatte  derartig 
mechanisch  verschoben  werden,  dass  die  zur  Bildung  des  Geflechtes  erforder- 
liche Kreuzung  und  Verschlingung  der  Fäden  entsteht.  Je  nach  den  darauf 
herzustellenden  Waren  enthält  die  S.  verschiedene  Vorrichtungen,  die  als 
Gang-,  Haupt-,  Zwischen-  und  Nebenteller  bezeichnet  werden.  Bei 
den  zur  Anfertigung  geflochtener  Schnuren,  Litzen  oder  Borten,  sowie  zum 
Umflechten  von  Stäben  (Peitschenstielen),  Fäden  und  Knöpfen  verwendeten 
Flechtmaschinen  ist  der  Gang  unmittelbar  ein  Abbild  des  Fadenlaufs  in 
dem  fertigen  Geflecht.  Besondere  Einrichtungen  der  Maschinen,  die  eine 
Aenderung  der  Kurvengestalt  und  damit  auch  des  Klöppellaufs  sowie  die  zeit- 
weilige Ausschaltung  gewisser  Klöppel  gestatten,  ermöglichen  sowohl  die  Her- 
stellung gemusterter  Geflechte,  als  auch  einen  Wechsel  von  Flechtung  und 
Zwirnung  der  Fäden,    wie    derselbe    den  Handklöppelwerken    eigentümlich  ist. 

Spitzenmusterbücher,  s.  Stickmusterbücher. 

Spitzenstich,  s.  unter  Nadelarbeiten  der  Spitzen. 

Spitzmuster,  s.  Weberei. 

SpOglie  di  Serpe,  früher  in  Mode  gewesenes  buntes  italienisches 
Seidenzeug. 

Spolier,  veraltetes,  gestreiftes,  aus  Leinengarn  und  Seide  gemischtes 
Gewebe  zu  Tapeten. 

Spremberg,  Kreisstadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Frankfurt:  Hauptindustrie- 


518  Spreyen — Stehende  Schnürung. 

zweig  ist  die  Tuchfabrikation  (40  Fabrik-  und  14  Lohnwebereigeschäfte  mit 
etwa  4000  Arbeitern  und  einer  Jahresproduktion  von  170  000  Stück  Tuch  im 
"Werte  von  20  ]\lill.  Mark).     Königl.  Webeschule. 

Spreyen,  Spreyten,  baumwollene,  bunt  bedruckte  und  ausgemalte  Bettdecken, 
welche    früher  über  Holland  von   der  Küste  Coromandel   nach  Europa    kamen. 

Springe,  Stadt  in  Hannover :  Flachsspinnerei,  Fabrikation  von  Wollgarn, 
Teppichen  und  Watte. 

Springfield,  Stadt  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika. 
1.  Hauptstadt  von  Illinois:  Woll-  und  Teppichfabrikation;  2.  Hauptstadt  des 
County  Hamyden  in  Massachusetts:  Fabrikation  von  Woll- , ,  Baumwoll-  und 
Strickwaren. 

Sprottau,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Liegnitz :  Fabrikation  von  Strumpf- 
waren und  Chemisetts. 

Spruchband,  (lat. :  legendarium ,  rotulum ;  franz. :  banderole,  pancarte, 
rouleau;  engl.:  label,  srol,  banderole;)  Band  mit  umgerollten  Enden  zur  Auf- 
nahme einer  Inschrift.  Die  A'^erwendung  der  Schrift  als  Ornament  stammt  aus 
dem  Orient  (s.  kufische  Schrift)  und  hat  sich  von  dortigen  Greweben,  besonders 
im  gotischen  Zeitalter,  auch  auf  deutsche  gewirkte  und  gestickte  Wandbehänge 
und  Decken  übertragen  (vgl.  Abb.   100). 

Sprung,  die  geteilte  Kette  am  Webstuhl;  s.  Fach. 

Spulen,  auch  Leere  oder  Ledge  genannt,  in  der  Spinnerei  ein  rohr- 
förmiger  Körper  zur  Aufwickelung  von  Gespinsten. 

Spulmaschine,  eine  zum  Aufwickeln  von  Fäden  auf  Spulen  dienende 
Maschine,  und  Spulrad. 

Square-net  oder  rhombischer  Grrund  heisst  eine  Art  von  Tüllspitzen- 
grund, der  durch  die  Maschine  hergestellt  wird. 

Ss'-tschuen,    Stadt   in  China:    erzeugt  Sammetstoffe   von  grossem  W^ert. 

Stäbchen  oder  Stäbchenleiter  als  Randbesatz  in  Weissstickerei  ist  eine 
Vorstufe  der  genähten  Spitze,  welche  durch  Schlingstiche  auf  vorgezogener 
Kandbogenlinie  entstehen. 

Stadthagen,  Stadt  im  Fürstentum  Schaumburg-Lippe:  mechan.  Leinen- 
und  Damastweberei. 

Stadtoldendorf,  Stadt  im  Herzogtum  Braunschweig:  mechan.  Weberei 
für  Leinenwaren  nebst  Appreturanstalt. 

Staerleinwand,  s.  Steif leinwand. 

Stäfa,  Gemeinde  im  Schweiz.  Kanton  Zürich:  Seidenweberei  und  -Zwirnerei. 

Stalybridge,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Chester:  blühende  Fabrikation 
von  Baumwoll  zeugen. 

Stambul,  ältere  Bezeichnung  für  einen  Anzugsstoff  aus  Wolle  und 
Baumwolle. 

Stambul-Chaly,  ein  in  Garn  gefertigter  Musselin,  dessen  Muster  grössere 
und  kleinere  Blumen  bilden,  dient  zu  Damenkleidern  und  wird  viel  in  den 
Donaufürstentümern  und  der  Türkei  verbraucht. 

Stamin,  (lat.:  staminea;  franz.:  etamine;  engl.:  tammy)  auch  Etamin, 
Tamis,  starker  leinener  Stoff. 

Stangenleinwand  heisst  besonders  im  Oesterreichischen  ein  locker  ge- 
webter weisser  Zwillich  mit  doppelt  überschlagenen  Fäden,  der  zu  Servietten 
und  Handtüchern  Verwendung  findet. 

Staniol,  Stanniol,  ist  eine  Zinnfolie,  die  in  bäuerlichen  Stickereien^  ge- 
wöhnlich rot  oder  grün  gefärbt,  zum  Aufnähen  gebraucht  wird. 

Starkenbach,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutende  Leinen-  und  Baumwoll- 
fabrikation, Kattundruckerei;  Leinwandhandel.     K.  K.  Webeschule. 

Stauten,  Stadt  im  bad.  Kreis  Freiburg:  Tuchfabrikation. 

Stauracis  (lat.),  Stickerei  mit  Kreuzen;  stauracin,  mit  solchen  Kreuzen 
in  regelmässiger  Wiederkehr  bestickt,  meist  als  Streumuster. 

Stechseide,  gezwirnte  Seide. 

Stegelstich,  durchbrochener  Querstich  in  Geweben. 

Stehende  Schnürung    ist   eine  Verbindung    der  Schäfte  mit  den  Tritten 


Steif  lein  wand — Stickerei.  519 


des  Webstuhls,  welche  bewirkt,  dass  beim  Treten  nur  ein  Oberfach,  kein 
TJnterfach  gebildet  wird. 

Steifleinwand,  Staerleinwand,  Staarleinwand,  Steifschetter,  ein  lockeres, 
ganz  durchsichtiges  Gewebe  von  Flachs-  oder  Hanfgarn,  bei  welchem  die  Fäden 
der  Kette  und  des  Einschlages  etwas  von  einander  entfernt  sind,  und  das,  mit 
Leim  oder  Grummi  überzogen,  mehr  oder  weniger  gesteift  wird.  Es  dient  zu 
Unterfutter  der  Kragen,  Aermel,  Knopflöcher,  zum  Ausstaffieren  der  Mützen 
u.  s.  w,  und  kommt  in  verschiedener  Feinheit,  teils  roh,  teils  ungebleicht, 
schwarz  oder  braun  gefärbt  vor. 

Steiglade,  eine  Webstuhllade  mit  zwei  Schützenkästen  übereinander. 

Steinarbeit  oder  Schach witz,  Würfelmuster  oder  auch  Steinmuster  in 
Leinenzeugen,  bestehend  aus  rechteckigen  Feldern,  welche  durch  den  regel- 
mässigen Wechsel  von  Ketten-  und  Schussköper  gebildet  werden. 

Steinflachs,  s.  v.  w.  Asbest. 

Steinhänger  Leinen,  eine  dichte,  feine  und  weissgebleichte  Hausleinwand 
aus    gleichnamigem  Kirchspiel  bei  Bielefeld,    wegen  ihrer  Grüte  sehr  geschätzt. 

Steinkerkers,  gestreifte  und  gegitterte  Halstücher  von  Musselin  aus 
Bengalen,    welche    früher   in  Europa   mit  Gold  und  Silber  ausgestickt  wurden. 

Stendal,  Stadt  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Magdeburg:  Tuchfabriken. 

Steppmaschine,  Steppstichmaschine,   s.  Nähmaschine. 

Steppnaht,  Steppsaum,  Steppstich,  entsteht  durch  eng  aneinander  ge- 
reihte Hinterstiche:  s.  Nähen. 

SterblingSWOlle,  wenig  haltbare,  morsche  und  matte  Wolle  von  kranken 
und  gefallenen  Schafen. 

Sternberg,  Stadt  in  Mähren:  Webereifachschule;  zwei  mechan.  Webereien, 
Baumwollenindustrie,  Leinen-,  Seiden-,  Baumwollwaren-  und  Segeltuchfabrikatian. 
Die  hier  und  in  der  Umgegend  erzeugten  Leinen-  und  Baumwollenzeuge  sind 
unter  dem  Namen  Sternberger waren  bekannt. 

Stettin,  Hauptstadt  der  preuss.  Prov.  Pommern:  zur  Zeit  Friedrich 
des  Grossen  Seidenbandweberei,  heute  keine  Textilindustrie. 

Stich,  die  Art  der  Führung  und  Lage  der  Fäden  beim  Nähen  und 
Sticken;  s.  Nähen  und  Stickerei. 

Stickerei  (lat.:  opus  acu  pictum,  phrygicum,  racamatum,  Alemannicum, 
acupictura,  ricamum;  franz.:  broderie,  oeuvre  ä  l'aiguille;  engl.:  embroidery, 
needle-work);  das  Erzeugnis  eines  Arbeitsverfahrens,  welches  aus  einem  An- 
einanderreihen von  Fäden  besteht,  die  man  mit  Hilfe  eines  spitzen  Instrumentes 
auf  eine  natürliche  oder  künstlich  geschaffene  geschmeidige  und  weiche  Fläche 
in  geraden  Linien  oder  mannigfach  gestalteten  Schleifen  heftet.  Die  Elemente 
der  auf  diese  Weise  entstandenen  Linien-  oder  Flächenmuster  heissen  Stiche, 
w^elche  Gottfried  Semper  stilistisch  mit  den  Einheiten  vergleicht,  womit  die 
Mosaiken  zusammengesetzt  sind,  wenn  man  die  Stickerei  als  eine  Art  der 
Mosaik  in  Fäden  bezeichnet,  wodurch  im  künstlerischen  Sinne  ihr  allgemeiner 
Charakter  und  ihr  Verhältnis  zur  Malerei  und  Skulptur  festgestellt  ist. 

Die  Einteilung  der  Stickereien  kann  erfolgen  nach  Art  des 
Grundstoffes  und  dem  zu  diesem  verwendeten  Material:  Seiden-,  Woll-, 
Leinen-,  Gold-  und  Silber  Stickereien,  Mull-,  Stramin-,  Tüllstickereien  u.  s.  w., 
nach  Farbe  des  Grundstoffes:  Weiss-  und  Buntstickerei,  nach  der 
Stich art:  Kreuzstich-,  Plattstich-,  Kettenstich-,  Strichstichstickerei  u.  s.w., 
nach  der  Mustererzielung:  Flach-,  Belief-,  Applikations stickerei  u.  s.  w., 
nach  der  technischen  Ausführung:  Hand-  und  Maschinenstickerei. 

Die  einfachste  Art  der  Stickerei  ist  diejenige  im  Kreuzstich,  der 
durch  Ausfüllen  von  kleinen  Quadraten ,  welche  in  Kette  und  Schuss  des 
Grundgewebes  vorgezeichnet  erscheinen,  Muster  entstehen  lässt,  die  von  Ursprung 
an  auf  geometrische  Figuren  angewiesen  sind,  aber  auch  sonst  aus  keinen 
anderen  Elementen  als  quadratischen  hervorgehen  können.  Nächst  dem  Baum- 
wollen- oder  Leinenstoff  (s.  Leinenstickerei)  ist  das  offene  Gewebe  des  Kanevas 
(s.  Kanevasstickerei)  der  geeigneteste  Grund  dafür;  Stoffe  aus  feineren  dicht- 
gewebten Fäden  werden  im  Kreuzstich  mit  Hilfe  von  Kanevasauflage  bestickt. 


520  Stickerei. 


die  man  wieder  auszieht.  Der  halbe  Kreuzstich  oder  petit-point 
wird  auf  ganz  fein  geteiltem  Grunde  gearbeitet. 

Zu  den  Stickereien  auf  abgezählten  Fäden  gehören  viele  Arten 
von  Stichen,  welche  zum  Teil  erst  in  neuer  Zeit  auf  Grund  von  älteren 
europäischen  und  orientalischen  Vorbildern  entstanden  und  willkürlich  be- 
nannt worden  sind;  als  die  gebräuchlichsten  kann  man  bezeichnen: 

Zopf-  oder  Flechtenstich,  welcher  aus  dem  Kreuzstich  entsteht, 
wenn  sich  die  Stickfäden  nicht  ganz  im  Quadrat,  sondern  über  einen  oder  zwei 
Grundfäden  weiter  kreuzen  und  so  die  Darstellung  einer  Flechte  oder  eines 
Zopfes  hervorrufen.  Strich-,  Linien-  oder  Ho  Ib  eins  tich  (s.  d.),  welcher 
in  eckigen  TJmrisslinien  Stern-  und  Hankenmuster  in  ein-  und  doppelseitiger 
Ausführung  selbständig  oder  Einzelheiten  als  Erweiterung  im  Kreuzstichmuster 
darstellt.  Werden  durch  ihn  Muster  aus  umrandeten  kleinen  Quadraten 
gebildet,  so  erscheint  er  als  Kästchenstich.  In  geraden  und  dicht  neben- 
einander überstochenen  Fäden  aus  quadratisch  abgesetzten  Flächen  gebildete 
Muster  sind  im  Flach-  oder  Gobelinstich  gestickt,  der  sich  auf  dicht 
gewebtem  Leinengrund  und  in  breiteren  Flächen  als  Webstich  kennzeichnet, 
weil  er  das  Aussehen  eines  Gewebes,  wie  es  durch  den  Durchschuss  des 
Einschlags  durch  die  Kette  entsteht,  nachzuahmen  weiss. 

In  der  Kanevas-  oder  Straminstickerei  führt  die  Encyklopädie 
der  weiblichen  Handarbeiten  von  Therese  de  Dillmont  (Dornach  im 
Elsass)  nahezu  an  50  Stichweisen  auf,  welche  durch  die  verschiedensten  Ver- 
setzungen der  immer  wieder  wechselnden  Fadenlagen  entstehen;  davon  sind 
Hauptarten : 

Blattstich,  Ausführung  in  getrennten  Reihen  über  2  Doppelfäden  nach  der  Breite 
und  nach  der  Höhe.  Der  Faden  geht  unter  den  mittleren  Fäden  wagerecht  durch, 
greift  nach  rechts  aufwärts  schräg  über  zwei  Doppelfäden.  Darstellung:  Gerade 
Reihen  in  der  Mitte  zusammengeschlossener  Schrägstiche,   in  Gestalt  von  Blattrippen. 

Byzantinischer  Stich  zum  Ausfüllen  grosser  Flächen,  dessen  erste  Reihe  aus  sechs 
Schrägstichen  nach  der  Höhe  und  Breite  über  zwei  Doppelfäden,  die  zweite  in  gleich 
vielen  Stichen  über  einen  Doppelfaden  besteht.  Darstellung:  Ineinandergeschobene 
schräge  Reihen  gleich  breiter  Zackenlinien  in  stufenförmigen  Absätzen. 

Flammen-  oder  Wasserstich,  in  verschiedenen  zackig  abgesetzten  geometrischen 
Grundmustern  im  Flachstich  ausgeführt,  bei  denen  die  einzelnen  Figuren  mit  einer 
Farbe,  aber  in  vielen  Schattierungen  regelmässig  abgetönt  erscheinen. 

Florentiner  Stich,  wird  abwechselnd  über  einen  und  über  zwei  Doppelfäden  des 
Stramins  in  schräger  Richtung  ausgeführt.  Darstellung:  Schräge  Reihen  aus  inein- 
ander geschobenen  kurzen  und  längeren  schrägen  Stichen,  in  ähnlicher  Wirkung  eines 
Köpergewebes. 

Grätenstich,  in  der  Wirkung  dem  Stengelstich  gleich:  ein  über  drei  senkrechte 
und  drei  wagerechte  Fäden  nach  abwärts  geführter  Arbeitsfaden  wird  mit  einem  Rück- 
stich über  die  letzte  Straminkreuzung  festgehalten.  Diese  Rückstiche  laufen  abwechselnd 
je  nach  der  Lage  der  langen  Stiche  nach  rechts  oder  links.  Darstellung:  Auf-  und 
abwärts  schräglaufende  Stiche,  deren  Teilung  durch  kleine  Mittelstiche  die  Wirkung 
grätenförmig  erscheinen  lässt. 

Griechischer  Stich,  wie  der  gewöhnliche  Kreuzstich  über  vier  Fäden  nach  der 
Höhe  und  ebensoviel  nach  der  Breite  beginnend,  der  darauf  folgende  Deckstich  wird 
gleich  über  acht  Fäden  nach  der  Breite  geführt;  in  der  Erscheinung  einem  unregel- 
mässigen Zopfstich  ähnlich. 

Jacquardstich,  zur  Ausfüllung  grösserer  Flächen ;  die  erste  Stichreihe  besteht  aus 
sechs  Schrägstichen  nach  der  Höhe  und  Breite  über  je  zwei  Doppelfäden,  die  zweite 
in  gleich  vielen  Stichen  über  einen  Doppelfaden.  Darstellung:  Ineinander  ge- 
schobene schräge  Reihen  abwechselnd  schmale  und  breite  Zackenlinien  in  stufenförmigen 
Absätzen. 

Kaschmirstich,  in  T»]'achahmung  des  gleichnamigen  Gewebes,  entsteht  durch  einen 
Schrägstich  über  ein  Straminkreuz  und  zwei  Schrägstiche  über  zwei  Fäden  nach  der 
Höhe  und  Breite. 

Kettenstich,  in  Nachbildung  von  orientalischen  Arbeiten:  Füllung  von  dicht  an- 
einander stehenden  von  oben  nach  unten  laufenden  Schlingstichen,  welche  in  verschie- 
denen Farben  die  Fläche  diagonal  streifen. 

Mailänder  Stich,  in  der  ersten  Reihe  läuft  der  Hinterstich  in  nach  abwärts  aus- 
geführter Reihe  abwechselnd  über    eine    und  vier   schräge  Straminkreuzungen,    in  der 


Stickerei.  521 


zweiten  nach  aufwärts  zu  arbeitenden  Reihe  über  drei  und  zwei,  in  der  dritten,  wieder 
nach  abwärts  führenden  Reihe  abermals  über  drei  und  zwei,  in  der  vierten,  wieder 
nach  aufwärts  gerichteten  Reihe  wieder  über  eine  und  vier  Straminkreuzungen.  Die 
folgenden  langen  Stiche  sind  unter  die  letzten  kurzen,  die  kurzen  auf  die  Mitte  des 
nächsten  langen  Stiches  zu  stellen. 

Maltastich,  mit  dem  Quästchenstich  (s.  d.)  verwandt;  wird  auch  auf  grobem  ge- 
teilten Leinenstoff  ausgeführt  und  greift  je  nach  der  Stärke  des  Materials  über  vier 
bis  sechs  Webefäden.  Ein  wagerechter  Querstich  hält  gewisse  Fadenbüschel  zusammen, 
die  über  einen  Stab  eingezogen  werden. 

Maurischer  Stich  als  Würfelmuster,  das  sich  stufenartig  aufbaut  und  aus  schrägen 
Stichen  über  ein,  zwei,  drei,  zwei  und  einen  Doppelfaden  gebildet. 

Mosail<Stich,  dessen  erste  Reihe  aus  einem  kurzen  und  einem  längeren  Schräg- 
stich, die  zweite  zurückgehende  Reihe  aus  kurzen  Stichen  gebildet,  deren  letztere  die 
erste  ergänzen.  Darstellung:  Schräge  köperbindige  Reihen  aus  abwechselnd  langen 
und  kurzen  Stichen. 

Muschelstich  aus  einem  Faden,  der  auf-  und  abwärts  über  sechs  Doppelfäden 
nach  der  Höhe  und  unter  einem  nach  der  Breite  geführt  wird.  Wenn  der  vierte 
Faden  gespannt  ist,  wird  die  Nadel  zwischen  dem  dritten  und  vierten  wagerechten  und 
rechts  vom  dritten  überlegten  Längsfaden  herausgeführt.  Die  vier  gespannten  Fäden 
sind  nun  mit  einem  Hinterstiche  über  einen  Doppelfaden  des  Kanevas  zu  binden.  In 
diese  Hinterstiche  wird  dann  ein  Faden  in  abstechender  Farbe  zweimal  eingezogen 
und  so  kleine  runde  Muscheln  gebildet.  Wagerechte  Steppstiche  über  zwei  Doppel- 
fäden verdecken  den  Grrund  zwischen  den  langen  Stichreihen.  Darstellung:  Auf 
Reihen  von  Stichbündeln  sind  ovale  Felder  aneinander  geschlossen. 

Orientstich :  schräg  gestellte  Stiche  über  einen,  zwei,  drei  und  vier  Doppelfäden 
bilden  Dreiecke.  Der  erste  Stich  des  zweiten  Dreieckes  kommt  unter  und  in  die  Mitte 
des  vorhergehenden.  Gobelinstiche  füllen  die  durch  die  Dreiecke  leer  gelassenen  Stellen 
an  den  Rändern  aus. 

Osmanischer  oder  Trikotstich,  der  Technik  in  orientalischen  Sumakhteppichen 
nachgebildet :  man  arbeitet  eine  Reihe  schräger  Stiche  über  vier  senkrechte  und  wage- 
rechten Stofffäden  und  rückt  hierbei  bei  jedem  Stiche  um  zwei  senkrechte  Stofffäden 
weiter.  Die  zweite  Reihe  wird  in  entgegengesetzter  Richtung  gestickt  und  vollendet 
den  Stich.  Darstellung:  Eng  aneinander  geschlossene  wagerechte  Reihen  von 
Flechten. 

Pariser  Stich,  stellt  ein  Grrundmuster  aus  geraden,  einfachen,  abwechselnd  langen 
und  kurzen  Fäden  dar,  die  über  drei  und  einen  Faden  des  Grrundgewebes  gestickt  sind. 

Perlstich,  wird  aus  der  ersten  Reihe  des  Kreuzstiches  gebildet,  gleicht  also  einem 
groben  sog.  petit-point. 

Plüschstich  zur  Nachahmung  orientalischer  Knüpftechnik,  besteht  aus  Schlingen, 
welche  durch  einen  Kreuzstich  festgehalten  werden.  Man  arbeitet  diese  Schlingen  am 
besten  über  einen  schmalen  Holzstab  oder  über  ein  breites  Fischbein,  wodurch  das 
Gleichhalten  sämtlicher  Schlingen  bedeutend  erleichtert  wird.  Sobald  die  den  Noppen 
eines  Plüschgewebes  ähnlichen  Schlingen  aufgeschnitten  werden,  erhält  man  eine  samt- 
artige Fläche. 

QuästChenstich  zur  Nachahmung  von  Knüpfteppichen  mit  kurz  geschorenem 
Vliess,  der  mit  dem  einfachen  Maltastich  (s.  d.)  verwandt  ist.  Jeder  Stich  verlangt 
in  der  Breite  zwei  Stofffäden  und  je  zwei  Stofffäden  bleiben  zwischen  den  einzelnen 
Reihen  frei.  Die  dicht  gestickte  Fläche  macht  in  geschorenem  Zustande  den  Eindruck 
eines  geknüpften  Teppichs. 

Reissstich  entsteht,  indem  zuerst  der  ganze  auszufüllende  Grund  mit  grossen 
Kreuzstichen  über  vier  Fäden  nach  der  Höhe  und  Breite  überarbeitet  wird,  dann 
werden  diese  mit  vier  Stichen  übernäht,  welche  über  die  ersten  Fäden  nach  rechts  und 
Hnks  über  je  zwei  Straminfäden  gemacht  werden  und  sich  im  Kreuzungsraum  des 
Stramins  begegnen.     Sie  bilden  über  den  ersten  Kreuzstichen  wieder  ein  Kreuz. 

Renaissancestich,  besonders  geeignet  für  grösser  angelegte  quadratische  Muster. 
Man  arbeitet  einen  wagerechten  Stich  über  zwei  Doppelfäden  und  überfängt  diesen 
mit  einem  senkrechten,  über  einen  Doppelfaden  reichenden  Stich  an  seinem  Ausgangs- 
punkte und  mit  einem  zweiten  gleichen  Stiche  in  seiner  halben  Länge.  Anschliessend 
an  den  wagerechten  Stich  führt  man  dicht  darunter  einen  zweiten  wagerechten  Stich 
über  zwei  Doppelfäden  aus  und  überfängt  ihn  abermals  mit  zwei  kurzen  senkrechten 
Stichen.     Darstellung:  Je  vier  gerade  Stiche  über  zwei  Fäden  bilden  ein  Quadrat. 

Ripsstich  in  Nachahmung  des  gleichnamigen  Gewebes,  über  zwei  senkrechte  und 
einen  wagerechten  Faden  in  senkrechten  Reihen  ausgeführt. 

Rokokostich,  in  schrägen  Reihen  gearbeitet,  indem  der  Faden  über  vier  einfache 
oder   zwei  Doppelfäden   gelegt   ist,    die  Nadel   nach   links   gewendet   und  unter  einem 


522  Stickerei. 


Doppelfaden  durchgeführt  wird.  Darstellung:  Reihenweis  durch  wagerecht  liegende 
Stiche  gebundene  Schleifen. 

Schottischer  Stich  für  Würfelmuster,  besteht  aus  schrägen  Stichen  über  ein, 
zwei,  drei,  zwei  und  einen  Doppelfaden,  die  nur  durch  halbe  .Kreuzstichreihen  vonein- 
ander getrennt  sind.  Darstellung:  Je  vier  quadratische  Felder  aus  schrägen  Stichen 
sind  einzeln  von  Perlstichen  eingerahmt,  so  dass  ein  kariertes  Muster  entsteht. 

Smyrna-Knüpfstich  zur  Nachahmung  langhaariger  orientalischer  Knüpfteppiche 
wird,  gleich  dem  doppelten  Maltastich  (s.  d.),  aus  vier  Stichen  bestehend,  auf  grob- 
fädigem  Leinenstoff  nach  gezählten  Fäden  in  wagerechter  Reihe  gearbeitet.  Jeder, 
als  kleines  Quästchen  erscheinende  Knüpfstich  reicht  über  vier  Stofffäden,  und  vier 
Fäden  werden  stets  in  der  Höhe  zwischen  den  Reihen  freigelassen.  Nach  der  reihen- 
weisen Vollendung  wird  jede  Stichreihe  sogleich  geschoren. 

Smyrna-Kreuzstich  entsteht,  wenn  ein  einfacher  Kreuzstich  über  vier  Fäden  nach 
der  Breite  und  vier  Fäden  nach  der  Höhe  ausgeführt  werden.  Darüber  arbeitet  man 
einen  zweiten  gerade  stehenden  Stich,  ebenfalls  über  vier  Fäden  nach  der  Höhe  und 
vier  Fäden  nach  der  Breite.  Ueber  sechs  bis  acht  Fäden  lässt  sich  der  gleiche  Stich 
ausführen. 

Stengelstich  wird  schräg  über  zwei  Doppelfäden  nach  der  Höhe  und  Breite  und 
unter  einem  Doppelfaden  ausgeführt,  der  wieder  in  die  Reihe  des  Ausganges  der  Stiche 
zurückgeführt  ist;  zwischen  den  langen  Stichen  liegen  Steppstiche.  In  der  Wirkung 
ähnlich  dem  Grätenstich. 

Sternchenstich,  dessen  einzelne  Figuren  aus  acht  Stichen  bestehen,  die  einem 
gemeinsamen  Mittelpunkte  zustreben.  Man  beginnt  mit  einem  schrägen  Stiche  über 
zwei  Fädenkreuzungen  von  rechts  nach  links  abwärts,  wobei  man  den  Faden  in  die 
als  Mittelpunkt  dienende  Webelücke  führt,  sticht  unter  zwei  Fäden  senkrecht  nach 
aufwärts,  arbeitet  auf  der  Rechtseite  zum  Mittelpunkt  zurückkehrend,  einen  ebenfalls 
gleichseitigen,  nach  links  aufwärts  weisenden  Stich  über  zwei  Fadenkreuzungen,  worauf 
man  mit  einem  wagerechten  Stich  nach  links  die  sich  so  bildende  Sternchenfigur 
fortsetzt. 

Ungarischer  Stich  wird  —  als  Füllmuster  einfarbig  —  in  unterbrochenen  Reihen 
so  gearbeitet,  dass  immer  eine  Reihe  in  die  andere  zurückgreift,  diese  ergänzt  und 
dadurch  den  Grundstoff  vollkommen  bedeckt.  Man  arbeitet  einen  senkrechten  Stich 
über  zwei  Fäden,  daneben  einen  senkrechten  Stich  über  vier  Fäden,  der  den  ersten 
nach  oben  und  unten  um  je  einen  Faden  überragt  und  wieder  einen  kurzen  senkrechten 
Stich  über  zwei  Stofffäden  in  gleicher  Höhe  mit  dem  ersten  kurzen  Stiche. 

Ein  Hauptelement  im  Bereiche  der  Stickerei  ist  der  Plattstich, 
welcher,  indem  er  seine  Fäden  über  die  Fläche  hinlegt,  nicht  wie  der  Kreuz- 
stich mosaikartig  zusammengesetzt,  sondern  seine  Muster  durch  eine  Reihung 
von  einzelnen  Stichen  entstehen  lässt,  welches  so  geschieht,  dass  die  Enden 
derselben  zusammentreffen  und  sich  die  Fäden,  wie  in  einer  gewebten  Atlas- 
fläche, ganz  oder  zum  Teil  ihrer  Länge  nach  berühren.  Auf  diese  Weise  ist 
die  Möglichkeit  der  Darstellung  jeder  Figur  gegeben:  mag  die  vorgeschriebene 
Zeichnung  in  geraden  oder  geschwungenen  Linien  begrenzt  sein.  Durch 
dichtes  Nebeneinanderlegen  und  durch  das  Doppeln  der  Fäden,  ferner  durch 
Unterlagen,  die  von  Fäden  übersponnen  werden,  erlangt  man  mehr  oder  weniger 
relief artig  hervortretende  Muster,  welche  die  Stickerei  in  das  schon  erwähnte 
verwandte  Verhältnis  zur  Malerei  und  Skulptur  bringen.  „Der  Plattstich  ist 
darum  auch  —  wie  Jacob  von  Falke  sagt  —  in  jenen  Zeiten,  wo  die  Stickerei 
eine  Kunst  war,  die  am  meisten  geübte  Technik  gewesen."  (S.  Geschichtliches.) 

Dem  Plattstich  zur  Seite  steht  der  Stielstich  für  die  Ausführung 
dünnerer  Verbindungslinien;  man  arbeitet  ihn  steil  und  schräg,  ersteren  durch 
Ueberstechen  eines  vorgezogenen  Fadens  von  links  nach  rechts,  letzteren  ohne 
Vorziehen,  so  dass  die  Nadel  von  rechts  nach  links  über  ein  bis  zwei  wage- 
rechten und  vier  bis  sechs  senkrechte  Fäden  geführt  und  der  lezte  Stich  bis 
zur  Hälfte  des  vorletzten  zurückgreift. 

Für  Weiss-  und  Buntstickerei  kommen  nach  den  Ausführungen 
von  Therese  de  Dillmont  noch  folgende  Sticharten  in  Betracht: 

Languetten-  oder  Schlingenstich,  von  links  nach  rechts  über  einem 
vorgezogenen  Faden  gearbeitet. 

Schnurstich,  von  links  nach  rechts  über  eine  in  Vorstichen  angegebene 
Linie  gearbeitet,  und  um  demselben  ein  reliefartiges  Aussehen  zu  verleihen,  wird  noch 


Stickerei.  523 


ein  starker,  runder  Faden  beim  Arbeiten  eingelegt.  Die  Xadel  wird  unter  dem  vor- 
gezogenen Faden  herausgeführt,  und  man  arbeitet,  nach  aufwärts  stehend,  dicht  anein- 
ander gereihte ,  senkrechte  Stiche.  Der  Stich  findet  hauptsächlich  in  der  Buchstaben- 
stickerei Anwendung.  . 

Steppstich,  besteht  aus  ziemlich  kleinen,  dicht  aneinander  gereihten  gewöhn- 
lichen Steppstichen  (s.  Nähen),  die  von  rechts  nach  links  ausgeführt  werden.  Man 
verwendet  diese  Stichart  vorzugsweise  zum  Füllen  von  Buchstaben,  Blättern  und 
Blumen. 

Sandstich  nennt  man  verstreut  angebrachte  Steppstiche. 

Kreuzsteppstich,  nur  bei*  sehr  klaren  Greweben  anwendbar;  er  bildet  auf 
der  Kehrseite  eine  dichte  Kreuznaht  und  gleichzeitig  eine  Art  Untergrund ,  welcher 
der  Figur  einen  matten  Ton  verleiht.  Zur  Ausführung  dieses  Stiches  führt  man  die 
Nadel  wie  zum  gewöhnlichen  Steppstich  in  den  Stoff  ein,  hierauf  unter  dem  Stoff  in 
schräger  Richtung  nach  der  entgegengesetzten  gleichlaufenden  Linie  der  Musterung 
und  dort  heraus.  Nachdem  wird  die  Nadel  wieder  wie  zum  gewöhnlichen  Steppstich 
in  den  Stoff  ein-  und  in  schräger  Richtung  ebenfalls  unter  dem  Stoff  nach  der  ersten 
Linie  und  an  der  für  den  nächsten  Stich  geeigneten  Stelle  herausgeführt.  Es  findet 
diese  Stichart  auch  Anwendung  für  die  Spitzenstickerei. 

Einfacher  Knötchenstich  entsteht  durch  2  nebeneinander  und  über  die 
gleichen  Stofffäden  ausgeführte  Steppstiche. 

Kettenknötchenstich  besteht  aus  einzeln  gearbeiteten  Kettenstichen ,  die 
eine  dem  gewundenen  Knötchenstich  ähnliche  Wirkung  hervorrufen;  er  dient  gleich 
diesem  zur  Füllung  kleiner  Flächen. 

Wickelstich,  zur  Ausführung  von  Mustern  in  Weissstickerei,  die  erhaben 
sind  und  schnell  ausgeführt  werden  sollen.  Man  windet  den  Faden  um  die  Spitze  der 
durch  den  Stoff  geführten  Nadel  so  viele  Male,  als  es  die  Länge  des  Stiches  erfordert, 
hält  dann  die  Faden  Windungen  mit  dem  Daumen  fest,  zieht  die  Nadel  und  den  rest- 
lichen Teil  des  Fadens  durch  den  gewickelten  Faden,  sticht  hierauf  die  Nadel  an  der 
Stelle,  wo  sie  zuerst  durch  den  Stoff  geführt  wurde,  wieder  hinein  und  zieht  sie  an 
der  für  den  nächsten  Stich  bezeichneten  Stelle  heraus. 

Bilderstich,  in  Nachahmung  mittelalterlicher  Stickereien  (s.  Geschichtliches), 
wird  mit  ziemlich  dickem  Material  über  ausgespannten  Fäden  ausgeführt ,  die  mit 
Ueberfangstichen  festgehalten  werden. 

Altdeutscher  Knüpfstich,  meist  auf  Leinen  gearbeitet  und  nach  aus- 
wärts ausgeführt,  indem  die  Nadel  wagerecht  unter  dem  Stoff  den  Faden  fest  anzieht 
und  denselben  von  links  nach  rechts  legend  unter  dem  ersten  Stich  durchgezogen  und 
der  Knoten  zugeschürzt  wird. 

Romanischer  Stich;  man  führt  die  Nadel  je  nach  dem  zur  Verwendung 
kommenden  Material  zwei  bis  drei  Fäden  links  von  der  Zeichnung  heraus  und  rechts 
hinter  ebenso  vielen  Stofffäden  ein,  unter  diesen  etwas  schräge  durch  und  ein  wenig 
nur  von  der  beizubehaltenden  Linie  heraus.  Nach  Anziehung  des  Arbeitsfadens  führt 
man  einen  Stich  über  denselben  aus,  indem  man  die  Nadel  wieder  gerade  neben  der 
gezeichneten  Linie  ein-  und  weiter  nach  links  zum  nächsten  Stich  gehen  lässt. 

Mossulstich,  nach  orientalischen  Vorbildern  geübte  Stichart^  welche  mit  dem 
doppelseitigen  Steppstich  verwandt  ist.  Die  Blattformen  sind  dazu  vorher  mit  kurzen 
Stielstichen  oder  feinen  Schnürchen  einzufassen. 

Arabische  Technik  oder  orientalische  Stickstiche,  für  grössere  Arabesken 
und  Füllstichformen,  welche  man  ausführt,  indem  gezogene  Längsfäden  durch  üeberleg- 
stiche   festgehalten   und  dadurch  Flechtenmuster  verschiedener  Art  dargestellt  werden. 

Tamburierarbeit  tritt  an  Stelle  des  genähten  Kettenstiches  bei  grösseren 
Stickereien,  wo  letzterer  mit  Hilfe  einer  besonderen  Häkelnadel,  der  Tamburiernadel. 
durch  Bildung  von  Maschen  entsteht. 

Eine  besondere  Stelle  unter  den  Handarbeiten  nimmt  die  Groldstickerei 
ein.     Man  unterscheidet  darin: 

Die  Anlegetechnik,  welche  besteht  in  einfachem  Aufnähen  der  Metallfäden 
oder  Schnüre,  welche  entweder  unsichtbar  oder  sichtbar  mit  Ueberfangstichen  in  gleicher 
oder  abstechender  Farbe  festgehalten  werden. 

Die  Kordeltechnik,  in  der  Ausführung  der  vorigen  verwandt,  doch  werden 
sämtliche  Formen  über  gespannte  Schnureinlagen  —  Kordeln  —  angelegt.  Bei  beiden 
Arten  werden  die  Fäden  nur  auf  der  Arbeitsseite  geführt. 

Das  Stechen,  wenn  die  Muster  mit  geraden  oder  schrägen  Plattstichen  be- 
deckt werden:  die  einzige  Technik,  bei  welcher  der  Goldfaden  auch  auf  die  Kehrseite 
geführt  wird. 

Das  Sprengen,  wobei  der  Goldfaden  über  die  zu  stickenden  Formen,  welche 
eine  dichte  steife  Unterlage  erfordern,  hin-  und  zurückgeführt  und  nach  jedem  Legen 


524 


Stickerei. 


mit   ein   oder  zwei  Stichen  festgehalten  wird.     Bei  dieser  Technik  kommt  die  Spindel 
in  Anwendung,  auf  welcher  der  Metallfaden  aufgewunden  ist. 

Phantasiestickereien  mit  Kantille  und  Flitter  werden  hier  jene 
Arbeiten  genannt,  bei  denen  die  Muster  durch  verschiedenartiges  Aufnähen  von  Kan- 
tillen,  Flitter,  Folien,  bunten  Steinen  u.  s.  w.  gebildet  werden. 

lieber  Aufnäharbeiten  siehe  den  besonderen  Artikel. 

Als  Hauptsticharten  für  die  Maschinenstickerei  kommen  in  Betracht 
der  Plattstich  und  der  zur  Nachahmung    desselben   abgesonderte  Doppel- 
steppstich,   der   Kreuzstich,  der 
Abb.  310.  Ketten-       oder      Tamburierstich 

und  der  aus  diesem  hervorgegangene 
Fes  ton-  oder  Languettenstich. 
Der  Plattstich  wird  auf  Maschinen  er- 
zeugt, welche  mit  kurzen,  der  Ketten- 
undDoppelsteppich  auf  Maschinen,  welche 
mit  sogen,  endlosen  Fäden  arbeiten,  wie 
die  gewöhnliche  Nähmaschine.  In  fast 
allen  Fällen  ist  dabei  der  zu  bestickende 
Stoff  in  einen  Hahmen  ausgespannt, 
welcher  nach  Massgabe  des  Musters  be- 
wegt wird,  während  die  Nähmaschinen 
an  ihrer  Stelle  bleiben.  Der  umgekehrte 
Fall,  bei  welchem  der  Stoff  festliegen 
bleibt  und  die  Maschinen  bewegt  werden, 
kommt  seltener  vor.  Die  Bildung  des 
Kettenstiches  erfolgt  entweder  durch  eine 
Hakennadel  in  Verbindung  mit  einem 
Schiingenleger  oder  durch  eine  Oehrnadel 
in  Verbindung  mit  einem  schwingenden 
Haken  (Schnepper)  oder  durch  eine  Oehr- 
nadel in  Verbindung  mit  einem  sich 
drehenden  Greifer.  Die  Bildung  des 
Doppelsteppstiches  erfolgt  durch  die 
Verschlingung  zweier  Fäden.  Der  Ober- 
faden wird  mittels  der  Nadel  durch 
den  Stoff  nach  unten  hindurchgeführt 
und  durch  die  hierbei  gebildete  Schlinge 
wird  der  Unterfaden  in  seiner  ganzen 
noch  freien  Länge  hindurchgezogen,  zu 
welchem  Zwecke  er  auf  einer  Bolle 
aufgehaspelt  ist.  Wird  hierauf  der 
Unterfaden  wieder  nach  oben  gezogen, 
so  ist  er  durch  den  unteren  Faden 
verbunden.  Die  von  der  Nadel  auf  die 
gewöhnliche  Art  gebildete  Schlinge  ist 
nicht  weit  genug;  sie  muss  erweitert 
werden,  um  den  gesamten  Unterfaden 
hindurchzulassen.  Dies  geschieht  ent 
weder  durch  ein  Gehäuse,  das  sogen. 
Schiffchen,  welches  die  walzenförmige 
Spule  in  sich  selbst  vollständig  aufnimmt 
und  mitsamt  der  Spule  durch  die  Schlinge, 
dieselbe  erweiternd  hindurchgeht,  oder 
es  geschieht  durch  einen  besonderen 
Greifer,  welcher  die  Schlinge  des  Ober- 
fadens erfasst  und  über  die  feststehende  Scheibenspule  des  Unterfadens  hinüber- 
zieht, ohne  selbst  durch  die  Schlinge  durchzugehen.  Eine  besondere  Art,  den 
Doppelsteppstich  zu  bilden,  besteht  darin,  dass  ein  sich  im  Kreise  bewegendes 


Stickerei.  525 


Schiffchen  nach  Art  der  Greifer  die  Schlinge  erweitert,  sie  über  die  im  Innern 
des  Schiffchens  befindliche  Spule  hinüberzieht  und  selbst  durch  die  Faden- 
schlinge hindurchgeht.  Solchen  Schiingenfängern  kommen  Eigenschaften  zu, 
welche  teils  dem  Schiffchen,  teils  dem  Grreifer  eigen  sind.    (S.  a.  Stickmaschinen.) 

Bei  den  in  neuester  Zeit  auf  der  Schiffchenmaschine  hergestellten  Aetz- 
oder  Luft  spitzen  werden  die  baumwollenen  oder  leinenen  Muster  entweder 
auf  Wolle  (Crepe  lisse)  (Abb.  310)  oder  bei  feineren  Mustern  auf  Seide  ge- 
stickt, während  die  seidenen  Muster  dann  auf  baumwollenem  Gewebe  gestickt 
werden.  Die  Spitzen  sind,  damit  kein  Verspannen  u.  s.  w.  eintritt,  auf 
Porzellanzylinder  gewickelt.  Wo  Pflanzenfasern,  tierische  Stoffe,  Metalle  u.  s.  w. 
gemischt  auftreten,  wird  Guttapercha  als  Stickgrund  genommen,  welches  dann 
durch  ein  geeignetes  Lösungsmittel  (Schwefelkohlenstoff,  Benzin  u.  drgl.)  auf- 
gelöst wird.  Das  Aussehen  der  Spitze  wird  mit  von  der  Wahl  des  Stiches 
abhängig  sein.  Im  allgemeinen  verfährt  man  auf  der  Plattstichstickmaschine 
in  der  Weise,  dass  man  auf  den  Grundstoff  zunächst  ein  Halt  und  Zusammen- 
hang gebendes  Gerippe  hervorruft  und  dann  zwischen  dieselben  Spachtelstiche 
legt  und  zu  den  gewünschten  Ziergebilden  verschlingt.  Die  Steppstichstick- 
maschine wird  besonders  angewendet,  wenn  es  sich  um  die  Herstellung  netz- 
artiger Luftspitzen  handelt.  Man  verfährt  hierbei  im  allgemeinen  in  der  Weise, 
dass  man  auf  den  Grundstoff  sich  kreuzende  Steppstiche  stickt  und  diese  wieder 
an  den  Knotenpunkten,  wo  sich  die  einzelnen  Fäden  überdecken,  so  um  stickt, 
dass  gewisse  Arten  von  Yerknotungen  entstehen,  welche  die  Steppstiche  nach 
dem  Zerstören  des  Grundstoffes  in  ihrer  gegenseitigen  Lage  halten.  — 

Geschichtliches:  Von  den  textilen  Schwesterkünsten,  der  AVeberei 
und  Stickerei,  wird  die  Stickerei  als  die  ältere  bezeichnet,  weil  ihre  ersten 
Erzeugnisse  der  Flechterei  am  nächsten  liegen,  aus  welcher  beide  hervorgingen. 
Gottfried  Semper  bezeichnet  den  Plattstich  als  den  älteren,  da  er  den  meisten 
wilden  Völkern  schon  geläufig  ist,  die  ihn  benützen,  um  teils  mit  den  Barten, 
teils  mit  den  gespaltenen  Spulen  der  Yogelfedern  oder  anderen  natürlichen 
buntfarbigen  Fäden  auf  Tierhäuten  und  Baumrinden  allerhand  bunte,  meistens 
geschmackvolle  Muster  auszuführen.  „Wahrscheinlich  wegen  der  ursprünglichen 
Anwendung  der  Federn  für  die  Plattstichstickerei  heisst  sie  bei  den  Lateinern 
opus  plumarium,  arabisch  rekameh,  wovon  das  italienische  ricamo."  Jacob 
von  Falke  deutet  in  seinem  Vortrage  „Geschichtlicher  Gang  der  Stickerei",  in 
der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst,  Bd.  III,  S.  63,  darauf  hin,  dass  man  bei 
diesem  Federstich,  welcher  die  Fäden  von  einer  Mittellinie  schräg  nach  rechts 
und  links  legte,  ungefähr  wie  sich  der  Bart  an  den  Federkiel  ansetzt,  ebenso 
gut  an  einen  Vergleich  des  bunten,  schillernden  Eindrucks  der  Stickerei  mit 
den  Vogelfedern  denken  kann.  Das  Alter  des  Kreuzstichs  führt  man  auf  die 
Darstellungen  ägyptischer  Wandmalereien  zurück,  die  nicht  nur  Nachahmungen 
gewirkter  Teppiche  (Abb.  16,  S.  12),  sondern  auch  ausgeführte  Stickereien 
dieser  Art  mit  allen  stilistischen  Eigentümlichkeiten  aufweisen. 

Dass  die  Stickerei  neben  der  Wirkerei  auch  bei  den  alten  Assyrern  in 
hoher  Blüte  stand,  beweisen  die  ausgegrabenen  Alabasterplatten  ihrer  Tempel 
(s.  Assyrien  und  Babylon),  und  auch  die  Beschreibung  über  die  Ausstattung 
der  Stiftshütte  (s.  dieselben  im  2.  Buch  Mose  u.  a.  a.  0.)  deuten  darauf  hin, 
dass  Wirkerei  und  Stickerei  schon  im  Altertum  zu  hoher  Kunst  entfaltet 
waren,  zumal  die  Weberei  in  ihrem  Entwicklungstadium  noch  nicht  im  stände 
sein  konnte,  diesen  Zwecken  in  solcher  Weise  vollkommen  zu  genügen.  Homer 
führt  in  verschiedenen  Stellen  der  Iliade  auf  die  Kunstfertigkeiten  der  Nadel 
hin;  auch  Virgil  und  Ovid  erwähnen  in  ihren  Werken  reicher  Stickereien; 
Plinius  schreibt  die  Kunst  des  Stickens  den  Phrygiern  zu,  woselbst  König 
Attalus  der  erste  gewesen  sein  soll,  der  stickte :  man  bezeichnete  daher 
während  der  Glanzperiode  des  alten  Boms  die  Nadelwirkerei  als  phrygische 
Arbeit  —  opus  phrygium  und  die  Sticker  phrygiones.  Diese  Phrygier  waren 
als  Ausländer  nach  römischer  Auffassung  barbari,  und  aus  solcher  Bezeichnung 
hat  dann  mittelalterliches  Latein  barbaricarii  oder  auch  brambaricarii  gemacht, 
eine   Korruption,    die    in    dem    deutschen    Verbrämen    sich    erhalten    zu    haben 


526  Stickerei 


scheint.  (Vgl.  die  Stickkunst  im  Mittelalter  von  Richard  Freiherr  v.  Mansberg, 
Illustrierte  deutsche  Monatshefte  LXV.  388.  Januar  1889). 

lieber  die  Arten  der  Stickereien  des  Altertums  lassen  sich  nach  den 
literarischen  Quellen  nur  Vermutungen  aufstellen;  sehr  wahrscheinlich  ist  es, 
dass  es  sich  dabei  mehr  um  gewirkte  Arbeiten  handelt,  bei  denen  die  Stickerei 
höchstens  als  Ergänzung  auftritt.  Von  bedeutenderen  Kunstwerken  der  Stickerei 
konnte  doch  überhaupt  erst  die  Rede  sein,  als  das  geeignetste  Material,  die 
Seiden-  und  Goldfäden,  in  grösserem  Umfange  dazu  bereit  standen.  Die  in 
den  koptischen  Grräbem  (s.  koptische  Textilfunde)  gefundenen  Grewandreste 
beweisen,  wie  in  spätrömischer  Zeit  die  Stickerei  auf  Leinen  und  Baumwolle 
in  den  dafür  gebräuchlichen  Techniken  geübt  wurde  (s.  Leinenstickerei),  wobei 
eine  Art  Durchzugarbeit  in  farbigen  Wollfäden  auf  gewebtem  Grundstoff  einen 
TT  ebergang  von  der  Wirkerei  auf  die  Stickerei  am  besten  darstellt  (Abb.  111, 
S.  237),  gleichzeitig  auch  vom  stilistischen  Standpunkt  aus  die  Nachahmung 
der  antiken  Mosaikarbeiten  durch  Xadel  und  Faden  deutlich  erkennen  lässt. 
In  dieser  Durchzugarbeit,  welche  als  Vorläufer  des  späteren  Webstiches  an- 
zusehen ist,  sind  übrigens  nicht  nur  Gewandteile,  sondern  auch  Wandbehänge 
mit  antikisierenden  figürlichen  Darstellungen  erhalten  (s.  Teppich). 

Weitere  Belagstücke  für  die  Stickereien  vor  dem  ersten  Jahrtausend  sind 
kaum  nachzuweisen.  Auch  aus  Byzanz  (s.  d.),  dem  letzten  Hort  antiker  Kultur, 
wissen  wir  darüber  nichts  Bestimmtes.  Es  ist  anzunehmen,  dass  dort,  als  dem 
Hauptsitz  der  Seidenweberei,  auch  Stickereien  angefertigt  wurden;  die  Gynäceen 
(s.  d.)  Justinians  werden  sicher  auch  gestickte  seidene  Kleider  angefertigt 
haben,  indessen  konnten  sich  Beispiele  aus  dieser  Zeit  schwer  erhalten.  (Vgl. 
hierüber  das  kürzlich  erschienene  Werk :  Dr.  M.  Dreger,  Künstlerische  Ent- 
wickelung  der  Weberei  und  Stickerei  u.  s.  w.  AVien  1904.)  Eines  der  ältesten 
Werke  mittelalterlicher  Kunststickerei  ist  der  Krönungsmantel  des  hl.  Stephan 
von  Ungarn  und  seiner  Gemahlin  Gisela,   im   Kronschatz    zu    Ofen   befindlich. 

Diese  kostbare  Arbeit  ist  inschriftlich  als  Stiftung  des  genannten  Fürsten- 
paares bezeichnet  und  vom  Jahr  1031  datiert.  Das  halbrunde  Gewand  besteht  aus 
dunkelviolettem  Purj)urseidenstoff  und  ist  bedeckt  mit  Bildstickerei  mit  Gold- 
fäden, wie  sie  für  die  Technik  des  ganzen  Mittelalters  bezeichnend  ist.  In  der 
Mitte  die  Darstellung  Christi,  die  Füsse  auf  bezwungene  Ungetüme  setzend, 
von  ihm  ausgehend  nach  rechts  und  links  in  mehreren  Beihen  die  Apostel, 
die  Propheten,  viele  Heilige,  die  Geschenkgeber  selber  und  vielerlei  Figuren; 
dazwischen  geflügelte  Engel,  symbolisches  Getier  und  ornamentales  Laubwerk. 
Dem  ungarischen  Krönungsmantel  zur  Seite  steht  der  kaiserliche  Mantel 
Heinrich  II  im  Domschatz  zu  Bamberg,  doch  ist  dessen  Herkunft  zweifelhaft,  wie 
es  auch  mit  einigen  anderen  Gewändern  in  Bamberg  und  München  der  Fall  ist, 
welche  gleichfalls  auf  den  Kaiser  Heinrich  und  seine  Gemahlin  Kunigunde  zurück- 
geführt werden.  Die  Technik  der  Bamberger  Stickereien  ist  die  gleiche  wie  die 
vom  ungarischen  Krönungsmantel.  Als  Arbeit  der  Königin  Mathilde,  Gemahlin 
Wilhelms  I  von  England,  gilt  der  um  das  Jahr  1100  entstandene  sogen.  Bayeux- 
teppich  (s.  d.).  Nach  den  Werkstätten  von  Palermo  (s.  d.)  führen  die  Kunststicke- 
reien, welche  zu  den  Beichskleinodien  (s.  d.)  gehören  und  im  12.  Jahrh.  angefertigt 
wurden,  sie  bezeichnen  den  Höhepunkt  künstlerischer  und  technischer  Voll- 
endung in  der  Stickerei  romanischer  Periode,  welche  vornehmlich  in  der  An- 
wendung von  Goldfäden,  getriebenen  Silberplättchen,  echten  Perlen  und  anderen 
Edelsteinen  als  Prachtstücke  für  den  Gebrauch  in  Kirchen,  für  Fürsten  und 
Vornehme  in  Klosterwerkstätten,  Burgen  und  Schlössern  hergestellt  wurden. 
Eine  strenge  Scheidung  der  Herkunft  solcher  hervorragenden  Beispiele  der 
Kunststickereien  des  früheren  JMittelalters  ist  nicht  möglich,  da  ausser  den 
Hauptstätten  in  Byzanz  und  Sizilien,  auch  Italien,  besonders  Norditalien,  Deutsch- 
land, England  und  Frankreich  seit  dem  12.  Jahrb.  in  Konkurrenz  treten. 

Im  13.  Jahrh.  kommen  für  weniger  kostbare  Stücke  die  Stickereien  auf 
Leinewand  und  geteiltem  Stramingrund  in  Gebrauch,  es  erscheinen  dabei  auch 
Bildstickereien  in  Tamburierarbeit,  die  den  Grund  völlig  bedecken  und  den 
Eindruck    einer    Mosaik    oder    Glasmalerei    hervorrufen.       Altarbekleidungen, 


Stickerei. 


527 


Kircheugewänder  und  Decken  anderer  Art  enthalten  in  bunter  Seide  auf  ab- 
gezählten Fäden  reiche  Darstellungen  mit  geometrischen  Musterungen ;  auch  die 
Weissstickereien  im  Webstich   für  Schleier  und  Yelen  gehören  dieser  Zeit  an. 

Die  bedeutenderen  Gewänder  der  romanischen  Periode  sind  abgebildet  bei 
Dr.  Franz  Bock,  Die  Reichskleinodien  des  heil,  römischen  Reiches  deutscher 
Nation,  AVien  1860,  wozu  man  vergleiche  von  demselben  Verfasser :  „Geschichte 
der  liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters,  3  Bde.,  Bonn  1856 — 71".  Inter- 
essante Studien  darüber  veröffentlicht  Dr.  Moriz  D  reger  in  dem  Werke: 
„Künstlerische  Entwickelung  der  Weberei  und  Stickerei,  Wien  1904".  Die 
Zusammenstellnng  dieser  Stücke  mit  gleichzeitigen  Mosaiken,  Miniaturen  und 
anderen  Werken  der  Kleinkunst  enthält  für  die  Datierung  solcher  Denkmäler 
die  sichersten  Hinweise. 

Im  13.  und  14.  Jahrh.  stellt  sich  die  Kunsstickerei  die  Aufgabe,  mit 
der  Malerei  zu  wetteifern,  man  kommt  auf  eine  Technik  der  Bildstickerei,  die 
eine  freiere  Behandlung  des  Figürlichen  ermöglicht,  wobei  eine  besondere  Art 
der  Goldfadenverwendung  (brode  ä  or  battu)  Aufnahme  findet,  deren  Ursprung 
aus  Arras  hergeleitet  wird.  Eine  goldige  Unterlage,  welche  aus  dicht  neben- 
einander liegenden  und  mit  zarter  Seide  auf  Leinwand  gehefteten  Fäden,  wird 
mittels  Ueberfangstiche  so  fein  schattiert,  dass  die  Wirkung  mit  dem  Ausdruck 


Abb.  311. 


Abb.  312. 


„Nadelmalerei"  treffend  bezeichnet  ist.  Diese  Technik  hat  sich  durch  das 
ganze  15.  Jahrh.  erhalten  und  wurde  nach  Entwürfen  berühmter  Maler  aus- 
geführt. Ein  Maler  aus  der  Schule  Giottos  schreibt  in  seinem  Buche  über 
die  Kunst:  „dass  es  eine  Gattung  Meister  gäbe  —  ricamatori,  Sticker  — 
welche  sich  von  den  Malern  auf  die  Gewebe,  die  sie  in  Bahmen  gespannt 
haben,  die  Entwürfe  zeichnen  Hessen,  um  sie  dann  in  Seide  und  Gold  höchst 
kunstreich  auszuführen."  Diese  Art  der  Kunststickerei  kam  auch  in  Deutschland 
und  den  Niederlanden  zu  glänzender  Entfaltung,  sie  stand  im  14.  Jahrh.  in 
engster  Beziehung  mit  den  Malerschulen  zu  Köln  und  Prag,  im  15.  Jahrh.  mit 
der  niederländisch-burgundischen  Schule,  aus  welcher  Zeit  die  prächtigsten 
Schöpfungen  dieser  Art  stammen:  wie  das  Antependium  aus  Pirna,  jetzt  im 
Museum  des  Kgl.  sächsischen  Altertumsvereins,  und  vor  allem  die  in  der 
K.  K.  Schatzkammer  zu  Wien  aufbewahrten  sogen.  Burgundischen  Gewänder 
(s.  d.).  Ein  Hauptsitz  solcher  Stickereiwerkstätten  war  das  gewerbreiche  Köln, 
woselbst  sich  im  14.  Jahrh.  eine  eigentliche  Zunft  der  Kunst-  und  Wappen- 
sticker  gebildet  hatte,  welche  sowohl  für  die  Kirche,  wie  für  den  übrigen 
Bedarf  arbeitete.  (Vgl.  Joh.  Jac.  Merlo,  Nachrichten  von  dem  Leben  und 
dem  Wirken  Kölnischer  Künstler,  Köln  1852.)  Diese  Innung  nahm  so  sehr 
die  Stickerei  als  ihr  Hecht  in  Anspruch,  dass  sie  es  den  Nonnenklöstern  be- 
stritt, diese  selbst  mit  Gewalt  an  der  Arbeit  hindern  wollte.     Merlo  berichtet 


528  Stickerei. 


auch  die  Namen  verschiedener  Stickerinnen,  die  das  Greschäft  gewerblich  mit 
besonderen  Spezialitäten  betrieben  haben,  wie  aus  den  Beisätzen  „factrix 
mitrarum,  factrix  stolarum,  factrix  casularum"  ersichtlich  ist.  Bei  diesen 
Kölner  Arbeiten,  die  in  kaufmännischem  Export  durch  alle  Länder  verbreitet 
wurden,  gingen  Weberei  und  Stickerei  Hand  in  Hand ,  die  Weberei  arbeitete 
vor  und  die  Stickerei  führte  einzelne  Teile  vollkommener  aus.  Der  Bedarf 
war  mannigfach.  Einen  Hauptgegenstand  bildeten  die  "Wappen,  daher  auch 
die  Zunft  ihren  Namen  führte,  einen  anderen  die  goldgewirkten  mit  Figuren 
und  reizvollem  Kankenornament  (Abb.  311  und  312)  verzierten  Borten,  aus 
welchen  Kreuze  und  Stäbe  der  Kasein  gebildet  wurden. 

Der  AVetteifer  der  Stickerei  mit  der  Malerei  und  Plastik  führte  bisweilen 
zu  einer  Entartung;  es  wurde  das  Mass  dessen  überschritten,  was  mit  Nadel 
und  Faden  stilgemäss  erreichbar  ist  und  es  mochte  dies  wohl  erkannt  worden 
sein,  indem  man  das  Streben  nach  derartigen  malerischen  EfPekten  gänzlich 
der  Gobelin  Wirker  ei  überüess  und  die  Beliefstickerei  nur  für  solche  Stücke 
verwendete,  deren  Bestimmung  es  w^ar,  in  ebenen  Flächen  zu  erscheinen. 

Das  Zurückdrängen  kirchlicher  Elemente  durch  die  Formensprache  der 
Benaissance  (s.  d.)  lenkte  auch  die  Kunststickerei  in  andere  Bahnen.  Ihre 
Aufgaben  wurden  vor  allem  erweitert  durch  die  Umgestaltung  der  Innen- 
räume fürstlicher  und  bürgerlicher  Häuser.  Neue  moderne  Bedürfnisse,  ge- 
boten durch  Veredlung  der  Sitten  und  Grebräuche,  forderten  der  Zeit  ent- 
sprechende Befriedigung  und  ein  weites  Feld  öffnete  sich  gerade  hier,  prak- 
tischen Sinn  mit  künstlerischem  Empfinden  zu  vereinigen.  Was  allein  hat  uns 
diese  Zeit  an  Leinenstickereien  (s.  d.)  gebracht,  wozu  der  erweiterte  Gebrauch 
von  Tischzeug  und  anderer  waschbaren  Austattungsstücke  Anregung  gab ! 
Als  ganz  neue  Technik  erscheint  die  Aufnäharbeit  (s.  d.) ;  das  Aufnähen  von 
Goldfäden  auf  Seide,  Sammet  und  Leinwand  ist  in  bescheidene  Grenzen 
zurückgekehrt,  nicht,  wie  in  alter  Zeit,  um  mit  schweren  Brokatwebereien  in 
Konkurrenz  zu  treten  und  durch  die  Fülle  des  Gegebenen  zu  prunken,  sondern 
weite  eintönige  Flächen  w^erden  vornehm  belebt  und  passen  sich  in  Zeichnung 
und  Ausführung  abwechselnd  dem  Ganzen  an.  Auch  das  Kostüm  bedarf  bis- 
weilen der  Hilfe  einer  in  Kunststickerei  geübten  Hand,  obgleich  schon  der 
gewebte  Stoff  und  Spitzenschmuck  das  Gewand  vornehmer  Leute  kennzeichnen. 
Das  Bestreben  nach  malerischer  Wirkung  scheint  übrigens  noch  einmal  seine 
Befriedigung  gefordert  zu  haben  in  der  Anwendung  reich  gemusterter  Seiden- 
stoffe zur  Aufnäharbeit  und  wo  dies  nicht  reichte,  in  der  Bemalung  einfarbiger 
Gewebeauflagen,  was  allerdings  nur  inmitten  der  Stickerei  als  Schattierung 
einzelner  Flächen  geschah.  Malerisch  erscheinen  auch  die  der  Spätrenaissance 
angehörigen  grossen  Decken  in  petit-point  auf  leichtem  Kanevas,  welche  grosse 
Bankenmuster  mit  buntem  Blütenschmuck  enthalten,  sowie  ihn  die  Plattstich- 
stickerei in  naturalistisch  werdender  Auffassung  erstehen  lässt.  Anregung  zur 
Nachahmung  in  der  Stickerei  (s.  Elfenbeinstickerei)  geben  die  genähten 
venetianischen  Spitzen,  deren  Muster  in  ausgeschnittener  Leinwand  und  mit 
Spitzenstichen  belebt  einen  lachsfarbigen  Atlasgrund  füllen.  Im  übrigen  ist 
die  Musterkarte  für  europäische  Kunststickerei  der  Renaissance  und  folgenden 
Periode  keine  allzu  ergiebige,  sie  kann  sich  bei  weitem  nicht  messen  mit  der 
Fülle  von  technischen  Abwechselungen,  wie  sie  die  orientalischen  Stickereien 
(s.  d.)  von  alters  her  bewahrt  haben.  Geläufige  Sticharten  gehen  mit  den 
Bändern  und  Alphabeten  der  Sticktücher  (s.  d.)  aus  Italien  und  Spanien  nach 
Deutschland  und  den  übrigen  europäischen  Ländern,  für  Verbreitung  guter 
Zeichnungen  wurde  auch  durch  Stickmusterbücher  (s.  d.)  reichlich  gesorgt. 

Die  Perioden  des  Barock-,  Bokoko-,  Zopf-  und  Empirestils  (s.  d.  ein- 
zelnen Artikel)  bringen  der  Stickerei  in  technischer  Beziehung  keine  wesent- 
lichen Neuerungen.  Bemerkenswert  erscheint  die  Erweiterung  der  Aufnäharbeit 
mittels  gewebter  Bänder  (Abb.  35),  wozu  der  französische  Ornamentstecher 
Marot  (1650 — 1712)  Entwürfe  für  grosse  Decken  im  sogen.  Kurvenstil  herstellt. 
Unabhängig  hiervon  kam  im  18.  Jahrh.  für  kleinere  Arbeiten  die  Bändchen- 
stickerei (s.  d.)  auf.     Für  die  Ausstattung  der   entwickelten  Polstermöbel  tritt 


Stickerei. 


529 


die  Kanevasstickerei  (s.  d.)  in  den  Vordergrund.  Eine  besondere  Tätigkeit 
wird  in  der  Kostümstickerei  entfaltet:  zunächst  für  Einsätze  u.  dgi.  (Abb.  313) 
der  Erauentracht ;  nocb  ausgedehnter  aber  um  die  Mitte  des  18.  Jahrh.  für 
den  reich  gestickten  Gralarock  und  seinen  Zubehör  des  vornehmen  Mannes. 
Grosser  Luxus  für  Wäscheausstattung  (Tauf  kleidchen  u.  s.  w.  in  Piquestickerei) 
wird  in  der  Weissstickerei  getrieben,  vforin  auch  die  eine  Zeitlang  alles  be- 
herrschende Spitze  (Abb.  43,  S.  60)  in  Nachahmung  der  Stickerei  erscheint. 
Aus    kirchlichen    Werkstätten    dieser    Zeit    sind     die    Würzburger    Arbeiten 


Abb.  813. 


Abb.  314. 


(Abb.  155,  S.  293)  erwähnenswert.  Am  Ende  des  18.  Jakrh.  erscheinen  in 
vornehmen  Häusern  und  Schlössern  die  gestickten  Tapeten  nicht  selten  (Abb.  314), 
wozu  die  aus  China  kommenden  Wandbekleidungen  Anregung  gaben,  die  auch 
der  europäischen  Plattstichstickerei  in  farbig  schattierter  Seide  zu  neuem  Auf- 
schwünge verhalfen ;  daneben  erhielten  sich  bis  in  die  Empirezeit  hinein  Borten 
in  Aufnäharbeit  für  Zimmerausstattung.     (Abb.  G4,   S.   175.) 

Im  Anfange  des  19.  Jahrh.  setzt  die  Haupttätigkeit  der  Stickerei  mit 
den  Arbeiten  auf  Kanevas-  und  Grazegrundstoffen  ein.  Am  meisten  geschätzt 
wird  zuerst  der  holländische  Leinenkanevas,  den  auch  wohl  die  dort  gemalten, 
sehr  beliebten  Blumenmuster  dazu  begleiteten.    Als  Haupterzeugungsstätte  jener 

Heiden,   Handwörterbuch  der  Textilkunde.  34 


530  Stickerei. 


Zeit  wird  Berlin  genannt,  woselbst  ein  Fräulein  Henriette  Jügel  die  Mode 
des  Kreuzsticlis  auf  Kanevas  und  Gaze  von  neuem  eingeführt  haben  soll.  Ein 
grosses  Absatzgebiet  der  Verleger  bildeten  die  Berliner  Stickmuster- 
vorlagen, welche  nach  gemalten  Originalen  auf  Zinkplatten  geätzt  wurden, 
so  dass  jeder  Farbeton  sein  eigenes  Zeichen  im  Quadrat  erhielt,  besondere 
Koloristen  setzten  dann  die  Farben  mit  der  Hand  ein.  Die  fabrikmässige 
Anfertigung  von  Stickmustern  zu  jener  Stickerei  in  Stramin  mit  Wolle  und 
Seide  förderte  hauptsächlich  die  Gattin  des  Kunsthändlers  Wittich  in  Berlin 
vom  Jahre  1809  an.  Um  das  Jahr  1850  beschäftigten  in  Berlin  gegen  20 
Stickmusterverleger  800 — 1000  Koloristen,  welche  jährlich  gegen  100  000  ver- 
schiedene Einzelmuster  in  Unmengen  von  Auflagen  in  die  Welt  gehen 
Hessen.     Es  wird  berichtet,    dass    einzelne  Handlungen  für  ,,30—40  000  Taler" 


Abb.  315. 


Stickmuster  fortwährend  auf  Lager  hatten.  Zu  dieser  Massenerzeugung  sind 
noch  zu  rechnen  die  auf  Kanevasgrund  „angefangenen  Stickmuster", 
welche  die  Frauen  im  eigenen  Hause  für  ihren  Bedarf  vollendeten,  um  ein 
Bild  zu  gewinnen,  welche  Fülle  von  Erzeugnissen  des  Geschmackes  oder  Un- 
geschmackes  über  sechs  Jahrzehnte  hindurch  den  Weltmarkt  überflutete.  In 
stilistische  Bahnen  wurde  die  Kreuz stichstickerei  eigentlich  erst  wieder  zurück- 
geführt durch  die  am  Ende  der  1870er  Jahre  erschienenen  altdeutschen  Muster 
für  Leinenstickerei  (s.  d.).  Die  in  dieser  Zeit  in  allen  europäischen  Ländern 
herrschende  kunstgewerbliche  Bewegung  hat  auch  anderen  Gebieten  der  Kunst- 
stickerei auf  Grund  älterer  Vorbilder  neue  Wege  gewiesen  und  wenn  darin, 
hier  wie  überall,  die  Maschine  der  Handarbeit  ein  unliebsamer  Gehilfe  ward, 
so  blieb  dieser  dennoch  ein  grosses  Feld  zur  Betätigung  selbständigen  Schaffens 
als  eigene  Kunst  im  Hause.  —  Die  neueste  Zeit  gibt  keiner  Technik  einen 
besonderen  Vorzug,  es  sei  denn,  dass  dieser  oder  jener  Fabrikant  einen  Spezial- 
artikel  in  bestimmter  Ausführung  als  Modesache  erscheinen  lässt.  Im  all- 
gemeinen passt  man  den  wechselnden  Formenkreis  aus  zierlichen  naturalistischen, 
wilden  oder  gebändigten,  geschwungenen  und  linearen  Elementen  (Tafel  VIII) 


Stickerei. 


531 


einer  zwanglosen  Stickweise  an;  in  grösseren  Arbeiten  für  dekorative  Zwecke 
wechseln  Aufnäharbeit  mit  einer  Musterkarte  von  Sticharten  ab,  die  Malerei 
tritt  helfend  zur  Seite.  Für  kleinere  Gebrauchs-  oder  Zierstücke  ist  der 
Grundstoff  mit  abzählbaren  Fäden  noch  immer  bevorzugt,  erst  vor  kurzem  ist 
in  der  „neudeutschen  Stickerei"  (s.  d.)  eine  Abwechselung  von  Sticharten 
dafür  erschienen.  (Abb.  315.)  Für  die  Musterung  in  freierer  Linienführung 
wird  immer  der  Plattstich  in  Verbindung  mit  dem  Stiel  stich  die  gegebene 
Technik  bleiben.     (Abb.  316  a  u.  b.) 

Abb.  316  a. 


Abb. 
316b. 


Al:)bildungen: 

310.  Darstellung  aus  der  Leipziger  Illustrierten  Monatsschrift  für  Textilindustrie, 
Jahrgang  1890:  Maschinenstickerei  von  Adolf  Xaef  &  Cie.  in  St.  G-allen. 

311  und  312.  Darstellungen  aus:  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896,  Bl.  132: 
Stilisierte  Rosenranke  mit  Blüten  und  Bäumchen,  von  gewirkten  Kölner  Borten  des 
Ib.  Jahrb. 

313.  Darstellung  aus:  Heiden,  Motive,  Leipzig  1892,  Bl.  211:  Einsatz  von 
einem  Frauenkleide,  Stickerei  auf  gelbem  Rips  in  schwarzer  Seide  im  Plattstich,  Italien 
Anf.  18.  Jahrh,     Original  im  Kgl.  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 

314.  Darstellung  wie  Abb.  311,  Bl.  117:  Tapete,  Stickerei  auf  weissem  Atlas 
in  farbiger  Seide  im  Plattstich :  Ranken,  in  Palmetten,  Akanthus  und  Blüten  endigend, 
mit  Gehängen  aus  Perlschnüren,  bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  Kelch  mit  Blumen- 
strauss,  zu  den  Seiten  Adler.     Berlin  um  1780.     Original  wie  Abb.  313. 

315.  Darstellung  aus:  Neudeutscbe  Stickerei  von  Prof.  Dr.  jur.  Hanns  Frhr. 
V.  Weissenbach,  Verlag  der  Deutschen  Modenzeitung,  Leipzig  1904,  S.  31 :  Borte  mit 


532  Stickerei. 


Sternen   an   Bogenlinien,    auf  geteiltem   Grrundstoff  in   umgedrehtem  Kettenstich    aus- 
geführt. 

316.  Darstellung  wie  Abb.  311:  a)  abgepasste  Stickerei  für  ein  Kissen,  auf 
dunkelgrünem  Atlas  in  hellgrüner  und  weisser  Seide  im  Platt-  und  Stilstich :  Stilisierter 
Myrtenzweig,  b)  Borte,  auf  grünem  Tuch,  in  grüner,  gelber  und  weisser  Wolle  im 
losen  Platt-  und  Stilstich:  Löwenzahnstauden.  Arbeiten  aus  der  Royal  shool  of  art 
needle  work,  London  1885.     Originale  wie  Abb.  313. 

Literatur:     a)  Greschichte  und  Technik: 

Alford,  M.,  Needlework  as  art,  London  1886;  Alvin,  L.,  Les  anciens  patrons 
de  broderies,  de  dentelle  et  de  guipure,  Brüssel  1863 ;  Bach,  Emilie,  Die  weibliche 
Handarbeit,  Vortrag,  Reichenberg  1880;  Baumberger,  G.,  Greschichte  des  Zentral- 
verbandes der  Stickereiindustrie  der  Ost-Schweiz  und  des  Vorarlbergs,  St.  Gallen  1891 ; 
Bock,  Dr.  F.,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters,  3  Bde.,  Bonn 
1856 — 71;  Braun,  Jos.,  Winke  für  die  Anfertigung  und  Verzierung  der  Paramente. 
Freiburg  i.|B.  1904;  Day  und  Mary  Buckle,  Art  in  needlework,  London  1900; 
Dillmont,  Therese  de,  Encyklopädie  der  weiblichen  Handarbeiten,  Dornach  (Elsass) ; 
D r e g e r ,  M.,  Entwickelung  der  Weberei  und  Stickerei  u.  s.  w.,  Wien  1904 ;  Drei- 
dax, Therese,  Der  gute  Geschmack  in  weiblichen  Handarbeiten  u.  s.  w.,  Gera  1897; 
Falke,  J.  von,  Geschichtlicher  Gang  der  Stickerei,  1869;  Fischer,  H.,  Technolo- 
gische Studien  im  sächs.  Erzgebirge,  Leipzig  1878 ;  Georgens,  Die  Schulen  der  weibl. 
Handarbeiten,  Leipzig  1884,  12  Hefte;  Gremiich,  G.,  Kurzer  Abriss  des  Maschinen- 
stickens,  St.  Gallen  1893;  Hohenheim,  Klara  v.,  Praktische  Anweisung  zu  Tapisserie- 
arbeiten, Berlin  1900;  Lefebure,  Les  broderies  et  dentelles,  Paris  1887;  Lipper- 
heide,  Frieda,  Dekorative  Kunststickerei,  Berlin  1888 — 96;  Marshall,  Frances 
and  Hugh,  Old  English  embroidery:  is  technique  and  symbolism.,  1894;  Martin, 
F.  R.,  Stickereien  aus  dem  Orient,  Stockholm  1899;  Moser,  R.  &  Sohn,  Anleitung 
zur  Monogrammstickerei  u.  s.  w.,  Leipzig  1889;  Motivenalbum  für  moderne  Hand- 
arbeiten der  „Wiener  Mode",  Wien  1901;  Ob  ermay  er- W  allner ,  Die  Technik  der 
Kunststickerei,  Wien  1896;  Paulson  Twonsend,  W.  G.,  Embroidery  or  the  craft 
of  the  needle,  with  preface  by  Walter  Grane,  London  and  New  York,  1899;  Saint- 
George,  A.  v..  Die  Kunst  der  Goldstickerei,  Wien ;  Schinnerer,  Luise,  Lehrgänge 
für  Weissstickerei  und  Knüpfarbeit,  Stuttgart  1893;  Taurel,  Ed.  C,  Die  Aesthetik 
der  Frauenhandarbeiten,  deutsche  Bearbeitung  von  K.  Maiss,  1891;  Tikkanen,  J.  J., 
Finnische  Textil Ornamentik,  Leipzig  1901. 

b)  Vorlagenwerke : 

Bach,  Emilie,  Muster  stilvoller  Handarbeiten,  Wien  1879 — 81;  dieselbe, 
Neue  Muster  im  alten  Stil,  Wien  1887;  Bender,  Elise,  Moderne  Kunststickereien, 
1890 — 93;  Braunmühl,  C.  v..  Das  Kunstgewerbe  in  Frauenhand,  München  1884; 
Clasen-Schmid,  Mathilde,  Musterbuch  für  Frauenarbeiten,  Leipzig  1881 ;  Dill- 
mont, Th.  de,  Album  de  broderies  au  point  de  croix,  Dornach  1885;  dieselbe, 
Alphabete  und  Monogramme,  1889;  dieselbe.  Koptische  Stickereien;  dieselbe, 
Die  Stickerei  auf  Netzkanevas ;  dieselbe,  Vorlagen  für  die  Plattstichstickerei;  die- 
selbe, Die  Soutage  und  deren  Verwendung,  1891 ;  D  r  e  g  e  r ,  Wiener  Kunststickereien, 
Wien  1900 — 02;  Farcy,  L.  de,  La  broderie  de  11  siecle  jusqu'a  nos  jours,  Paris 
1892;  Fröhlich,  W.,  Neue  Borden  u.  s.  w.,  Berlin  1888;  derselbe,  Neue  farbige 
Kreuzstichmuster,  Berlin  1888;  Gnant,  Monogrammalbum  u.  s.  w,,  Stuttgart  1889; 
Hirth,  G.,  Album  für  Frauenarbeit,  1880;  Hochfelden,  B.  u.  H.Wahl,  Muster 
im  Sezessions-  und  Jugendstil  für  Kreuz-  und  Holbeinstich,  Leii)zig  1900;  Hofmann, 
R.,  Muster  für  Gardinenfabrikation  in  Hand-  und  Maschinenstickerei,  Plauen  1883; 
Kabilka,  P.  u.  J.,  Kreuzstichmuster  im  neuen  Stil,  Wien  1900;  Kick,  W.,  Preis- 
gekrönte Stickereiarbeiten  der  württ.  Handarbeitsschulen,  Stuttgart  1892;  Koch,  A., 
Moderne  Stickereien,  Darmstadt  1900;  K  um  seh,  E.,  Spitzen  und  Weissstickerei, 
Leipzig  1889 ;  Lay  &Fischbach,  Südslawische  Ornamente,  Esseg  und  Hanau  1880 ; 
Lessing,  J.,  Muster  altdeutscher  Leinenstickerei,  Berlin  1878 — 92;  Lipperheide, 
Frieda,  Musterblätter  für  künstlerische  Handarbeiten,  Berlin  1889 — 95;  dieselbe, 
Muster  altitalienischer  Leinenstickerei,  Berlin  1881 — 93;  Mantel,  Mechanische  Sticke- 
reien, St.  Gallen  1897;  Müller,  C.  H.,  Almanach,  Stickereimustervorlagen  für  Schul- 
und  Hausgebrauch,  Berlin  1875;  Originalstickmuster  der  Renaissance,  k.  k. 
österr.  Museum  in  Wien,  1874;  Prignot,  E.,  La  broderie  moderne,  Liege,  Paris 
1884;  Rassmussen,  S.,  Oollection  Nora,  Altnordische  Stickereien  auf  wollenem 
Javagewebe,  Kongreskanevas  oder  Segeltuch,  Kopenhagen  1897;  Redtenbacher, 
M.,  Farbige  Stickereivorlagen,  Karlsruhe  1891;  derselbe,  Vorlagen  für  Stickerei 
in  Leinen,    Seide   und  Gold,   Karlsruhe  1895;    Reitz,   A.    u.  E.,   Farbige  Flachstich- 


Stickereifachschulen — Stick-  und  Spitzenmusterbücher.  533 

muster,  Hamburg  1891 ;  Schaffers,  A.,  Mustervorlagen  für  farbige  Kreuzstichstickerei, 
Leipzig  1887;  Schmidt,  C,  Vorlagen  für  Litzennäherei,  Stuttgart;  Steffahny, 
Stickereimuster,  Leipzig  1892;  Stuhlmann,  A.,  Stickmuster  für  Schule  und  Haus, 
Stuttgart  1890—93;  Teschendorff,  Toni,  Kreuzstichmuster  für  Leinenstickerei, 
Berlin  1879,  84;  Versteyl,  H.  A.,  Die  kirchliche  Leinwandstickerei,  Düsseldorf 
1878 — 80;  Volksstickereien,  russische,  aus  der  Sammlung  von  W.  A.  SoUergub. 

Stickereifachschulen,  s.  Kunststickereifachschulen. 

Stickertressen,  Borten  mit  Kette  von  Seide  und  Schuss  aus  Metall- 
gespinst. 

Stickmaschine,  Einrichtung  zur  mechanischen  Herstellung  von  Stickerei. 
Es  werden  je  nach  der  mit  denselben  hauptsächlich  erzeugten  Sticharten  be- 
sonders zwei  Arten  von  St.  unterschieden:  die  Plattstichstick-  und  die 
Kettenstichstick-  oder  Tambourierm aschine.  Bei  den  Plattstich- 
stickmaschinen wird  die  Leistungsfähigkeit  durch  die  grosse  Zahl  der  gleich- 
zeitig nach  demselben  Muster  hergestellten  Einzelstickereien,  bei  den  Tam- 
bouriermaschinen  durch  die  hohe  Arbeitsgeschwindigkeit  bedingt.  Die  erste 
brauchbare  Plattstichstickmaschine  erfand  Josua  Heilmann  in  Mülhausen  im 
Elsass  1828.  Sie  beruht  auf  der  unmittelbarsten  Nachahmung  der  Handarbeit ; 
doch  findet  nicht  das  Fortsetzen  der  Nadeln  von  Stichpunkt  zu  Stichpunkt 
statt,  sondern  die  entsprechende  Einstellung  des  Stoffes  in  die  fest  bleibende 
Laufbahn  der  Nadeln.  Der  Stoff  ist  hierbei  auf  einem  senkrecht  stehenden 
Rahmen  aufgespannt,  der  in  seiner  Ebene  allseitig  verschiebbar  ist.  Die  dem 
zu  stickenden  Muster  entsprechende  Verschiebung  des  Rahmens  erfolgt  mittels 
eines  Panthographen  oder  Storchschnabels  in  der  Weise,  dass  ein  Stift  an  dem 
längeren  Arm  desselben  auf  eine  Schablone,  die  das  meist  sechsfach  vergrösserte 
Muster  darstellt,  und  zwar  auf  die  Endpunkte  des  jedem  Stickfaden  ent- 
sprechenden Schraffier  Strichs  aufgesetzt  wird,  während  der  kürzere  Arm  die 
auf  das  wirkliche  Mass  des  Stickfadens  reduzierte  Bewegung  auf  den  Pahmen 
überträgt. 

Bei  den  Schiffchenstickmas  chinen  befindet  sich  die  Nadel  auf 
der  Vorderseite,  der  Unterfadenführer  auf  der  Rückseite  des  Stoffes,  welcher, 
wie  bei  Heilmann,  in  einem  senkrecht  stehenden,  durch  einen  Storchschnabel 
bewegbaren,  bezw.  einstellbaren  Rahmen  ausgespannt  ist.  Die  Kettenstich- 
stickmaschine wendet  für  die  Stichbildung  sowohl  die  Oehrnadel  wie  die 
Hakennadel  an.  Bei  der  mit  Kettenstich  arbeitenden  Bonnaz-  oder  Tam- 
bouriermaschine  erfolgt  die  Steuerung  der  Transportvorrichtung  und  der 
stichbildenden  Werkzeuge  durch  eine  von  der  Hand  der  Arbeiterin  bewegte 
Kurbel,  weshalb  dieselbe  auch  vielfach  Kurbelstickmaschine  genannt 
wird.  Zur  Herstellung  von  sogen,  glatten  und  hohlen  Waren  auf  einer 
Maschine  hat  man  kombinierte  Maschinen,  die  je  nach  dem  Gebrauch 
vereinigte  Apparate  enthalten.  (Vgl.  Erni,  Leitfaden  für  Maschinenstickerei, 
Dornbirn  1901;  Fischer,  H. ,  Die  Stickmaschine,  im  „Civilingenieur", 
Bd.  23 — 25;  Jäk,  J.,  Die  rationelle  Behandlung  der  Stickmaschine  und  ihrer 
Apparate  im  Betriebe,  Leipzig  1886;  Müller,  Neuerungen  an  St.  im  Dingler- 
schen  „Polytechn.  Journal",  Bd.  254.  265.) 

Stick-  und  Spitzenmusterbücher  erscheinen  zuerst  in  der  ersten  Hälfte 
des  16.  Jahrh.  in  Deutschland;  sie  enthalten  in  älterer  Zeit  vornehmlich 
italienische  Arbeiten  und  bilden  für  den  geschichtlichen  und  technischen  Ent- 
wickelungsgang  vieler  Nadelarbeiten  ein  wichtiges  Studienmaterial.  (Vgl-  über 
Modelbücher  und  ihren  kunstgeschichtlichen  Wert:  „Lichtwark,  Der 
Ornamentstich  der  deutschen  Frührenaissance,  1888.  Derselbe,  Das  Model- 
buch des  Peter  Quentel,  Leipzig  1885.)  Eines  der  ältesten  aller  bekannten 
Stickmusterbücher  erschien  in  Zwickau  im  Jahre  1525  unter  folgendem  Titel : 
Eyn  Model  Buchleyn  Darauss  leychtlich  das  gewurck  dises  nach  angetzeygten 
Formen  erlernet  werden  mag.  Gedruck  yn  der  Fürstlichen  Stadt  Zwickaw 
durch  Jörg  Gastel  1525.  (Vgl.  E.  Kumsch,  „Das  älteste  aller  bekannten 
Modelbücher"  in  der  Zeitschrift  „Kunst  und  Handwerk",  Jahrgang  1903.) 
Dem   Alter    nach    folgt    das    nur   in    dem    einen  Exemplar    des    k.  k.  Oesterr. 


534 


Stickperlen — Stickseide. 


Museums  in  AVien  bekannten  sogen.  Züricher  Musterbuches  von  Christoff 
Froschower  vom  Jahre  1561 — 62,  das  für  die  Bestimmung  von  Spitzen  eines 
der  wichtigsten  ist.  (Ygh  im  Artikel  Spitzen,  S.  506.)  Es  folgen  hiernach 
eine  lange  Reihe  solcher  Bücher,  die  in  Deutschland,  Italien  und  Frankreich  u.  s.w. 
erschienen  und  zum  Teil  in  neuerer  Zeit  auf  Veranlassung  von  Museen  u.  a. 
neu  aufgelegt  sind.     Als  die  wichtigsten  sind  zu  nennen: 

Beckers,  Matthes,  Frankfurt  a.  M.,  1601;  Bei  in,  Antoine,  Lyon  1537  und 
1555;  Bindoni,  Giovanni  Antonio,  „II  monte",  Venedig  1559;  Bock,  Joh.  G-ottfr., 
Augsburg  1762;  Brettschneider,  Andr. ,  Neues  Modelbuch,  Leipzig  1619,  mit 
einem  Vorwort  von  P.  Jessen,  neu  erschienen  Berlin  1892;  Calepino,  Francesco, 
Venedig  1563;  Ciotti,  Venedig,  1591,  Xeuausgabe  Berlin  1891 ;  C  o  cheris  ,  Hyppo- 
lite,  Patrons  de  broderie  et  de  lingerie  du  XVI.  siecle,  enthaltend:  Nourry,  Claude, 
dict  lePrince,  1530 — 33;  Saincte  Lucie,  Pierre  de,  1537;  Belin,  Antoine; 
Crivellari,  Gasparo,  Padua;  Crophius,  Mart.  Gottfr.,  Augsburg  um  1750;  D  a- 
nielli,    Barthol.,    Bologna   um    1610;    Egenolff,    Christ.,    Frankfurt   a.   M.    1533; 

Foillet,   Jacques,    1598,   Neuausgabe: 


Abb.  317. 


Berlin  1891;  Franco,  Giac,  Venedig 
1596,  Neuausg:abe:  1876;  Fürst,  Bo- 
sina,  Helena,  Nürnberg  1666;  Gargano, 
Lucchino ,  "Pretiosa  gemma",  Venedig 
1600;  Glen,  Jan  de,  nach  Vorbildern 
von  Vinciolo,  Lüttich  1597;  Hoffmann, 
W.,  Frankfurt-  a.  M.  1604,  Neuausgabe: 
Berlin  1891 ;  derselbe,  Frankfurt  a.  M. 
1607,  Neuausgabe:  k.  k.  österr.  Museum 
Wien  1876;  Lathomus,  Sigismund, 
Frankfurt  a.  M.  1607;  Mignerak, 
Paris  1605;  Netto,  Joh.  Friedr.,  Wasch-, 
Bleich-,  Platt-  und  Nähbuch  u.  s.w.,  Leip- 
zig 1799;  desgl.  der  Jüngere:  ,,Neue 
Originaldessins  für  die  neu  erfundene 
Stickerei  über  Stricknadeln"  u.  s.  w., 
Dresden  1809 ;  Ostaus,  Giov.,  „La  vera 
perfettione",  Venedig  1567;  Pagan, 
Matthias,  Venedig  1558,  Neuausgabe: 
1884;  Paganino,  Aless.,  Venedig  1527, 
Neuausgabe  :  1 878 — 80  ;Parasole,  Isa- 
bella Catanea,  „Studio  delle  virtuose 
dame",  Rom  1597;  „Pretiosa  gemma", 
Rom  1600;  „Teatro  delle  nobili  et  vir- 
tuose donne";  Rom  1616;  Parasole, 
Ehsab.,  Catanea,  Rom  1616,  Neuausgabe : 
Berlin  1891;  Le  Pompe,  Venedig  1569, 
Neuausg'abe :  k.  k.  österr.  Museum  Wien 
1879;  Quentel,  Pet.,  Köln  1527—29, 
Neuausgabe :  Leipziger  Kunstgewerbe- 
museum 1878  (?);  Romana,  Lucrezia, 
Venedig  1625,  Neuausgabe:  1876;  Sandt;  Joh.  Friedr.  v.,  Leipzig  um  1729; 
Schartzemberger,  Augsburg  1534;  Sera,  Domenico  da,  Venedig  1546,  Neu- 
auso^abe:  1879;  Serena,  Venedig  1564;  Sibmacher,  Job.,  Nürnberg  1604;  der- 
selbe, 1601,  Neuausgabe  von  Dr.  Georsrens,  Berlin  1874;  derselbe,  1597,  Neu- 
ausgabe: k.  k.  österr.  Museum  Wien  1866;  Tagliente,  Giov.  Ant.,  Venedig  1531, 
Neuausgabe :  1879 ;  Unverzagt,  J.  G.,  Augsburg^  1703 ;  Vavassore,  Giov.  Andrea, 
Venedig  1531;  Vecellio,  Cesare,  Venedig,  1600,  Neuausgabe:  1876;  derselbe, 
„Corona  delle  nobili  et  virtuose  donne",  Venedig  1592  und  1601,  Neuausgabe:  BerHn 
1891;  Vinciolo,  Federico  de,  Paris  1587;  Zoppino,  Nicolo,  Venedig  1530,  Neu- 
ausgabe: 1878. 

Stickperlen  sind  farbige  Glasperlen,  abgerundet  oder  aus  ganz  kurzen, 
feinen  Röhrchen. 

Stickrahmen,  ein  unveränderlicher  oder  stellbarer,  auf  Füssen  ruhender 
Holzrahmen,  auf  welchen  der  zu  bestickende  Stoff  gespannt  wird. 

Stickseide,   s.   Seide  und  Seidengarne. 


Sticktüclaer — Stil.  535 


Sticktücher  waren  in  alter  Zeit  statt  der  Musterbücher  als  „Model- 
tüclier",  auch  für  Spitzennäherei,  gebräuchlich.  Die  meisten  stammen,  sowie 
jene,  aus  dem  16.  Jahrb.,  sie  erhielten  sich  als  Familienerbstücke  und  trugen 
wesentlich  zur  Weiterführung  der  Muster  bei.  Tücher  gleicher  Art  fanden 
auch  im  Orient  Verwendung,  es  haben  sich  dergleichen  in  koptischen  G-räbern 
gefunden,  welche  aus  dem  15.  Jahrh.  stammen.     (Abb.  317.) 

Abbildung: 

317.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Berlin :  Teil  eines 
Musterbuches  für  Leinenstickerei  im  "Webstich.     Orient  15. — 16.  Jahrh. 

Stiegen  heissen  in  Hamburg  die  gewöhnlichen  Halbflachsleinen  aus  Flachs 
und  Heedegarn. 

Stielstich,  a)  der  schräge,  wird  ohne  Vorziehen  in  der  Weise  aus- 
geführt, dass  man  die  Nadel  von  rechts  nach  links  schräg  unter  einen  bis  zwei 
wagrechte  und  vier  bis  sechs  senkrechte  Fäden  führt,  so  zwar,  dass  der  letzte 
Stich  bis  zur  Hälfte  des  vorletzten  zurückgreift;  b)  der  steile,  wird  auf 
vorgezogenem  Faden  von  links  nach  rechts  ausgeführt  und  zwar  oberhalb  des 
vorgezogenen  Fadens  hinein-  und  unterhalb  desselben  herausgeführt.  Bei  feinen 
Zeichnungen  wird  nur  so  viel  vom  Stoff  gefasst,  als  der  Einlagfaden  deckt 
(s.  Stickerei). 

Stil  (lat:  stilus;  franz.  und  engl.:  style),  das  in  einem  Werke  der  Kunst 
oder  des  Kunstgewerbes  hervortretende  bestimmte  künstlerische  Formensystem, 
dem  die  textilen  Arbeiten  in  engerem  Sinne  eigentlich  nur  in  der  Musterung 
unterworfen  sind.  Diese  ist  aber  nicht  allein  zu  verstehen  in  der  nach  Land 
und  Zeit  sich  unterscheidenden  Kunstweise,  sondern  wie  der  Stoff  seinem 
Gebrauche  nach  und  im  Verhältnis  der  Technik  zur  Musterung  einen  Gegenstand 
künstlerisch  belebt,  unterliegt  auch  gewissen  Stilgesetzen,  die  in  der  Lage  oder 
E-ichtung  der  zu  bekleidenden  Fläche  gegeben  sind.  (Vgl.  Matthias,  die 
Formensprache  des  Kunstgewerbes,  Liegnitz  1875.)  Eine  wagerechte  Fläche  wird 
den  Forderungen  des  Schönheitssinnes  genügen,  wenn  sie  eine  Einteilung  nach 
Grund,  Spiegel  oder  Plan  hat,  dessen  Mitte  betont  ist  und  dessen  E,and  ein  den 
Verhältnissen  des  Ganzen  angemessener  Saum  umgibt.  Von  grossem  Einfluss  auf 
die  Art  der  schmückenden  Elemente  wird  es  sein ,  ob  eine  wagerechte  Fläche 
tiefer  oder  höher  als  das  Auge  des  Beschauers  liegt.  Es  müssen  also  alle  plasti- 
schen Gestaltungen  für  die  Fussbodenfläche  ungeeignete  Motive  sein,  da  körper- 
lich dargestellte  Kunstformen  nur  für  die  Zimmerdecke  zweckentsprechend  und 
als  stilgerecht  zu  bezeichnen  sind.  Ebensowenig  dürfen  figürliche  Darstellungen 
dazu  angewandt  werden,  die  Fussbodenfläche  zu  schmücken.  Um  die  Darstellungs- 
weise der  Pflanzenformen  stilgerecht  in  der  Fussbodenfläche  erscheinen  zu  lassen, 
d.  h.  dieselbe  unter  allen  Umständen  als  eine  von  Erhebungen  und  Vertie- 
fungen gänzlich  freie  Fläche  zu  charakterisieren,  werden  die  Naturformen 
stilisiert,  d.  h.  flächenartig  in  Umrissen  angedeutet:  man  zeichnet  die  pflanz- 
lichen Motive  so,  wie  sie  in  der  Natur  gesehen  werden,  nämlich  in  der  Ansicht 
von  oben,  so  dass  man  in  das  Innere  der  geöffneten  Blume  sieht.  (Vgl.  orien- 
talische Stoffe  und  Stickereien.)  Die  schmückenden  Formen  der  senkrechten 
Flächen  textiler  Gegenstände  müssen  in  ihrer  Entwickelung  von  unten  nach 
oben  gerichtet  sein;  die  Falten  der  schlichten  Flächen  eines  Vorhanges  sind 
nach  dem  Gesetze  der  Massensymmetrie  geordnet  und  laufen  in  senkrechter 
Richtung  abwärts.  In  Beziehung  auf  den  Saum  der  hängenden  Fläche  gilt 
die  Regel,  dass  der  unteren  Umsäumung  derselben  der  grössere  Formenreich- 
tum zuerteilt  werden  muss  im  Gegensatz  zu  einer  senkrecht  stehenden  Wand, 
bei  welcher  auf  den  Schmuck  des  oberen  Saumes  besonderes  Gewicht  zu  legen 
ist.  Eine  abwärts  gerichtete  Flächenmusterung  ist  nur  am  Platze,  wenn  sich 
dieselbe  aus  der  Anordnung  der  deckenden,  verhüllenden  oder  raumabschliessen- 
den  Flächen  von  selbst  ergibt,  d.  h.  wenn  ein  Teil  derselben  über  die  be- 
kleideten Glieder  hinausragt,  durch  eigenes  Gewicht  nach  unten  fällt  und  einen 
Ueberhang  bildet,  wobei  natürlich  die  sonst  senkrecht  aufgerichteten  Ausläufer 


536  Stil. 

der  Schmuckforinen  ebenfalls  hinabfallen  und  so,  von  vorne  gesehen,  den  Ein- 
druck machen ,  als  wenn  diese  nachträglich  angenommene  Richtung  von  oben 
nach  unten  eine  absichtlich  herbeigeführte  sei.  Es  gilt  dies  von  überhängenden 
Tischdecken  und  anderen  Möbelbekleidungen,  vom  Spitzenschmuck  an  den 
Gewändern  der  Damen,  welcher  vom  Hals  und  Nacken  abwärts  fällt,  und  von 
vielen  anderen  Verwendungen  der  Erzeugnisse  textiler  Kunst,  bei  denen  man 
sich  wohl  zu  hüten  hat,  den  TJeberhang  oder  TJeberfall  in  seinem  Wesen  mit 
dem  eigentlichen  Vorhange  zu  verwechseln. 

Ein  weites  Gebiet  in  der  Stilkunde  ist  die  Behandlung  der  Naturformen 
in  der  Ornamentik  und  die  Gestaltung  derselben  in  den  verschiedenen  Zeiten 
und  Ländern,  woran  zunächst  die  vegetabilischen  Schöpfungen  einen  Haupt- 
anteil haben.  Alle  uns  aus  hervorragenden  Kunstepochen  überkommenen 
textilen  "Werke  legen  Zeugnis  davon  ab ,  dass  man  die  aus  der  Pflanzenwelt 
in  diese  Kunst  aufgenommenen  Typen  einer  Verwandlung  unterworfen  hat,  bevor 
sie  als  Schmuckform  in  Erscheinung  traten.  Die  Art  der  in  Betracht  kom- 
menden Blätter  und  Blüten  war  durch  die  dem  betreffenden  Lande  eigentüm- 
lichen Gewächse,  teils  durch  gewisse  religiöse  Gebräuche,  teils  durch  strenge 
Forderungen  der  Symbolik  bedingt.  Der  Grad  der  Stilisierung  und  die  Art 
und  Weise  der  Umgestaltung  solcher  Pflanzen  ist  je  nach  dem  Charakter  der 
werktätigen  Nation  und  je  nach  ihrer  Kulturfähigkeit,  sowie  auch  nach  den  zu 
Gebote  stehenden  Materialien  ein  sehr  verschiedener.  Aber  auch  in  einem  und 
demselben  Kunststile  werden  in  der  Begel  verschiedene  Grade  der  Stilisierung 
pflanzlicher  Motive  wahrgenommen,  und  zwar  tritt  die  eigentümliche  Erschei- 
nung ein,  dass  die  frühesten  der  technischen  Produkte  eines  Volkes  oder  einer 
ganzen  Periode  meistens  ganz  streng  stilisiert,  die  späteren  dagegen  freistilisiert 
und  die  letzten  mehr  oder  weniger  naturalistisch  dargestellt  sind. 

Im  Stile  der  alten  Aegypter  (S.  12)  erscheinen  als  Pflanzenornament 
die  Lotosblüte  (Abb.  17),  der  Papyrus  und  die  Palme.  Die  Lotosblüte  bildet 
den  Urtypus  für  alle  Palmettenformen  (S.  387).  Die  gleichen  pflanzlichen 
Motive  finden  sich  in  den  erhaltenen  Kunstwerken  Assyriens  und  Baby- 
lons (S.  34),  erweitert  ist  der  Eormenkreis  durch  den  Pinienzapfen  und 
Granatapfel  und  in  voller  Gestaltung  erscheint  der  Baum  des  Lebens  (Abb.  31). 
Diese  Kunstformen  Aegyptens  und  Assyriens  übernehmen  die  Griechen 
(S.  236),  wandeln  sie  aber  ganz  in  ihrem  Geiste  noch  einmal  um.  Es  werden 
ihre  Ornamente  streng  nach  den  Naturgesetzen  für  die  Pflanzenbildung  ge- 
staltet und  man  gelangt  dadurch  zu  den  Typen  jener  Formensprache,  die  heute 
noch  im  Bereiche  aller  Künste  verstanden  wird.  Zu  den  bereits  gebräuch- 
lichen Pflanzenformen  kommen  noch  hinzu :  der  Akanthus  (S.  3),  der  Lorbeer- 
zweig (S.  337),  die  Weinrebe  mit  Blatt  und  Traube  (s.  d.),  der  Efeu  (S.  177). 
Für  alle  diese  Einzelformen  schaffen  die  Griechen  jene  Kankenbildung,  deren 
Vorbild  man  früher  irrtümlich  am  Akanthus  suchte,  die  aber  lediglich  als  eine 
selbständige  Formenbildung  bezeichnet  werden  muss.  Die  Kunst  der  Pömer, 
welche  ursprünglich  die  ornamentalen  Motive  der  griechischen  Kunst  aufnahm, 
schuf  in  ihrer  letzten  Zeit  wieder  mehr  nach  den  Vorbildern,  welche  die  Natur 
ihr  bot,  ihre  Ornamente  erscheinen  daher  in  freier,  fast  halbnaturalistischer 
Auffassung.  Nach  dem  Auftreten  des  Christentums  übernahm  und  verwertete 
die  byzantinische  Kunst  (Tafel  I  u.  LT)  die  Formenelemente  des  grie- 
chischen und  römischen  Stils.  Für  die  textile  Kunst  ordnen  sich  hier  ein  die 
uns  aus  koptischen  Gräbern  überkommenen  Gewandreste  mit  den  spätantiken 
Ornamenten  (S.  298).  Alle  bisher  vorgekommenen  vegetabilischen  Formen 
wiederholen  sich  in  zum  Teil  feiner  und  zierlicher  Ausführung  und  frischester 
Farbengebung :  der  Akanthus  (Tafel  I,  6),  die  Weinranke  mit  Blattwerk  und 
Beben  (Tafel  I,  1),  der  Granatapfel  (Tafel  I,  8),  die  Palme  (S.  303)  und  vor 
allem  der  Baum  des  Lebens  (S.  59)  in  vollständig  christlicher  Symbolik:  wie 
er  der  Aschenurne  entsteigt  in  Umgebung  der  zu  neuem  Leben  erwachten 
Geister  (Abb.  44,  S.  61).  Der  romanische  Stil  (S.  440),  welcher  sich 
zunächst  an  die  starre  byzantinische  Weise  anschloss,  näherte  sich  später  mehr 
und  mehr  den  Typen  der  natürlichen  Gebilde.    Seine  Ornamentik  zeichnet  sich 


Stil.  537 

aus  durch  ihren  bedeutenden  .  Formenreichtum,  durch  die  eigenartige  Umge- 
staltung und  Durchbildung  der  überkommenen  oder  neu  aufgenommenen  vege- 
tabilischen Elemente  (Tafel  II  u.  III),  deren  Verbindungslinien  in  Schwung 
und  Kühnheit  den  Einfluss  des  Islam  verraten.  Die  arabisch-maurische 
Kunstweise  (S.  27)  stand  in  ihren  Anfängen  zu  der  römischen  und  byzan- 
tinischen Kunst  in  inniger  Beziehung.  Sie  nahm  die  Typen  dieser  Stile  auf, 
entwickelte  sie  in  ihrer  Weise  und  fügte  neue,  der  Natur  entlehnte,  aber  streng 
stilisierte  Elemente  zu  den  alten  vorgefundenen  hinzu.  Ihre  Hauptstärke  zeigt 
die  arabische  Kunst  in  der  nach  ihr  benannten  Arabeske,  deren  Entwickelung 
eine  Umgestaltung  und  weitere  Durchbildung  der  Flächendekoration  zur  Folge 
hat.  Dieses  Ornament  besteht  aus  einer  fein  berechneten  Zusammenstellung, 
Verschlingung  und  Durchflechtung  vegetabilischer  und  geometrischer  Gebilde, 
welche  die  ganze  Fläche  nach  festen,  richtigen  Kunstgesetzen  überziehen  und 
deshalb,  ungeachtet  ihres  ausserordentlichen  Formenreichtums,  eine  vollständige 
Klarheit  aller  Teile,  die  Harmonie  aller  Farben  und  Formen  zeigen.  Zu  diesen 
Motiven  tritt  die  Anwendung  der  Schrift  als  Ornament  (S.  29  u.  311  und 
Tafel  III).  Der  gotische  Stil  (S.  224)  Hess  die  herkömmlichen  Motive 
der  vorangegangenen  Kunstweisen  zum  grössten  Teile  unberücksichtigt  und 
näherte  sich  nach  richtigen  Grundsätzen  wieder  den  Vorbildern,  welche  die 
Natur  ihm  bot.  Man  suchte  für  den  ornamentalen  Schmuck  der  gewerblichen 
Schöpfungen  die  Motive  meistens  in  der  nächsten  Umgebung  und  bediente  sich 
namentlich  der  Blätter  der  Eiche,  der  Distel  (S.  225) ,  des  Efeus ,  der  Bebe 
(S.  225),  der  Rose  (S.  225  u.  442),  des  Klees,  des  Hopfens,  der  Platane,  der 
verschiedenen  Ahornarten,  sowie  einiger  Blumen,  insbesondere  der  B;Osen  — 
die  Rosettenbildung  war  stets  ein  hervorragendes  Motiv  —  der  Lilien  (S.  226 
u.  331)  und  mancher  Früchte,  worunter  namentlich  der  Granatapfel  (S.  229 
u.  Tafel  IV)  die  weitgehendste  Bedeutung  erlangt  hat.  Schon  während  der 
gotischen  Kunstweise  kehrte  man  in  Italien  zu  dem  Studium  und  zu  der  An- 
wendung der  griechischen  und  besonders  der  römischen  Kunstformen  zurück, 
um  eine  Wiedergeburt  der  antiken  Kunst  zu  erlangen.  Die  Renaissance 
(S.  421)  erreichte  zwar  nicht  die  hohe  organische  Durchbildung,  d.  h.  den  aus 
dem  innersten  Wesen  eines  Werkes  hervorgehenden  Ausdruck  in  ihren  orna- 
mentalen Formen,  zu  welcher  sich  z.  B.  die  erste  Zeit  der  Gotik  empor- 
geschwungen hatte;,  allein  sie  steht  durch  die  lebensvolle  Darstellung  ihrer 
schmückenden  Mittel,  durch  den  grossen  Reichtum,  die  hohe  Schönheit  und 
die  harmonische  Durchbildung  ihrer  dekorativen  Formen  unter  allen  Kunst- 
weisen auf  der  höchsten  Stufe.  Die  ornamentalen  Motive  der  sogen.  Früh- 
renaissance waren  meistens  den  Dekorationen  der  römischen  Kunstwerke  ent- 
nommen und  bestanden  grösstenteils  aus  vegetabilischen  Elementen.  Aber  auch 
eine  feine  Beobachtung  der  natürlichen  Gebilde  und  eine  direkte  Aufnahme 
von  Vorbildern  aus  dem  Pflanzenreiche  lässt  sich  vielfach  nachweisen.  Diese 
der  organischen  Natur  entliehenen  Motive  tragen  alle  die  Merkmale  einer  stil- 
gerechten Behandlungsweise  an  sich.  Sie  sind  von  allen  Kleinigkeiten  und 
Zufälligkeiten,  mit  denen  sie  in  der  Pflanzenwelt  vorgefunden  werden,  frei- 
gemacht, nach  den  Gesetzen  der  Symmetrie  und  der  Proportionalität  auf  den 
gegebenen  Flächen  angeordnet  und  mit  den  ausgesuchtesten  technischen  Hilfs- 
mitteln zur  Darstellung  gebracht.  In  der  Hochrenaissance  zeigen  die  vege- 
tabilischen Elemente  eine  noch  blühendere  Gestalt  und  üppige  Anordnung, 
Das  Hauptmotiv  des  antiken  Ornamentes,  das  Akanthusblatt  fand  wieder  all- 
gemeine Verwendung.  Die  Spätrenaissance  verwendete  orientalische  Blätter- 
und  Blütenformen:  die  Tulpe  (s.  d.),  die  Nelke  (S.  363),  die  Hyacinthe 
(S.  253),  die  Narzisse  (S.  362)  —  sie  alle  entsteigen  als  palmettenförmig  an- 
geordneter Strauss  der  antikisierenden  urnenförmigen  Vase  und  werden  frei 
im  Streumuster  (s.  d)  des  17.  Jahrh.  Der  Barockstil  (S.  51)  lässt  in 
Italien  das  antike  Element  in  breiter  malerischer  Auffassung  ausklingen,  in 
Frankreich  dagegen  beginnt  man  schon  unter  Ludwig  XIII.  die  klassischen 
Originale  von  neuem  in  Italien  zu  studieren  und  im  Stile  Louis  XIV.  ist  man 
bereits  auf  die  antike  Formenwelt  zurückgekommen.    Der  Akanthus  mit  seinen 


538  Stil. 

vollen  Ranken  und  dem  breiten  Laubwerk  wird  das  Lieblingsmotiv;  aber  es 
bleibt  zumeist  den  grösseren  Flächen  der  Innendekoration  vorbehalten,  für 
Stoffmuster  geben  exotische  Pflanzen  die  Formen  her,  welche  als  grosse  Pal- 
mettensträusse  in  Erscheinung  treten  (S.  22  u.  232).  Im  Zeitalter  des  Ro- 
koko, dem  Stile  Louis  XY.  (S.  434),  ist  man  bemüht,  diese  Palmetten  in 
lockere  Blumensträusse  aufzulösen,  sie  erscheinen  in  Reihen  abwechselnd  nach 
rechts  und  links  gekehrt  und  durch  Bänder  und  zarte  Spitzenornamente  ver- 
bunden; bald  macht  sich  aber  auch  hier  in  Einzelheiten  der  antike  Einfluss 
geltend,  welcher  im  Stil  Louis  XYI.  (s.  Zopfstil)  mehr  und  mehr  hervor- 
tritt, bis  der  Empirestil  (S.  173)  vollends  im  Akanthus,  im  Lorbeer  und 
in  allen  sonstigen  Elementen  die  römische  Kaiserzeit  nachzuahnien  sich  be- 
strebt. In  Deutschland  versucht  Karl  Friedrich  Schinkel  den  Klassizismus  in 
die  alten  Bahnen  zurückzuführen,  allein  nur  kurze  Zeit  vermag  er  sich  zu  be- 
haupten, um  einem  vollständigen  Naturalismus  in  der  Wiedergabe  pflanzischer 
Formen  die  Oberhand  zu  lassen.  In  den  1870  er  Jahren  ist  es  wieder  die 
italienische  Renaissance,  unter  welcher  ein  neuer  Stil  im  Sinne  antiken  G-eistes 
sein  Bauner  erhebt.  Doch  das  sklavische  Kopieren  alter  Vorbilder  hatte  bald 
seine  Reize  verloren  und  man  begann  von  neuem  die  Naturformen  zu  studieren, 
um  dem  Flachmuster  aus  der  heimischen  Pflanzenwelt  frische  Kunstformen  zu- 
zuführen :  ein  Beginnen,  in  dem  wir  heute  noch  stehen  und  dessen  Schöpfungen 
an  phantastischen  Rankengebilden  mit  dem  „Jugendstil"  oder  als  „Sezession" 
(Tafel  YIII)  in  Erscheinung  treten,  während  das  übrige  Kunstgewerbe,  be- 
sonders die  Möbelformen,  sich  der  sogen.  Biedermaierzeit  zuwenden, 
d.  i.  die  Zeit  in  Deutschland  um  die  I^Iitte  des  19.  Jahrh.,  zu  der  die  Menschen, 
von  idyllischer  Selbstzufriedenheit  beseelt,  auch  an  bescheidenen  Freuden  ihr 
volles  Grenüge  fanden. 

Aelter  als  die  Anwendung  von  Kunstformen  aus  der  Pflanzenwelt  sind 
aber  jene  Ornamente,  welche  sich  aus  der  Linie  selbst  entwickelt  haben:  Zick- 
zack, Dreieck,  Raute  und  Quadrat  aus  der  geraden,  die  Wellenlinie,  das  Oval, 
die  Spirale,  der  Kreis  aus  der  gekrümmten.  Die  Verwendung  solcher  Gebilde 
in  der  Zusammensetzung  über  die  Fläche  hinweg  bezeichnet  man  als  den 
geometrischen  Stil.  Da  nun  den  Anfängen  der  Textilkunst,  der  Flechterei, 
Wirkerei  und  Weberei,  die  geradlinigen  Kunstformen  technisch  am  nächsten 
liegen,  so  folgert  man  hieraus,  dass  dieser  Teil  der  Ornamentik  sich  überhaupt 
aus  den  Halm-,  Grräser-  und  Fadenverflechtungen  entwickelt  habe.  Auch  die 
TJebertragung  dieses  geometrischen  Stils  als  Verzierung  für  die  keramischen 
Körper  schien  gegeben  in  den  geflochtenen  Körben,  die  als  Formen  für  Ton- 
gefässe  dienten  und  deren  Struktur  nach  dem  Brande  des  Tons  auf  der  Aussen- 
seite  des  Grefässes  Flechtenmuster  hinterlassen  musste. 

Gregenüber  dieser  allgemein  verbreiteten  Theorie  Gottfried  Sempers 
—  Der  Stil  in  den  technischen  und  tektonischen  Künsten,  Bd.  I:  „Die  Textile 
Kunst";  2.  Aufl.  München  1878  —  vertritt  Alois  Riegl  —  Stilfragen.  Grund- 
legungen zu  einer  Geschichte  der  Ornamentik,  Berlin  1893  —  einen  anderen 
Standpunkt,  indem  er  das  plastische  Kunstschaffen  dem  in  der  Fläche  bildenden 
voranstellt  und  so  dem  Entwickelungsgange  des  Ornaments  einen  anderen  Aus- 
gangspunkt gibt.  Die  Semperschen  Lehren  von  der  Stilistik  der  textilen 
Künste  werden  davon  nicht  berührt. 

Die  weitgehendste  Ausbildung  hat  der  geometrische  Stil  in  der  arabischen 
Kunst  gefunden:  beide  Elemente,  das  geometrische  wie  das  pflanzliche,  sind 
in  unerschöpflich  wechselnder  Weise  in  der  Arabeske  vereinigt. 

Die  Tiersymbolik  des  Altertums  und  Mittelalters  hat  auch  in  der  Textil- 
kunst zu  figuralen  Darstellungen  geführt,  die  besonders  den  orientalischen 
G-eweben  und  älteren  Teppichen  eigen  sind.  Vom  stilistischen  Standpunkt  aus 
sind  dergleichen  Musterungen,  besonders  auf  Fussbodenflächen,  natürlich  zu 
verurteilen;  aber  die  Meisterschaft  des  Orientalen  in  der  Stilisierung  hilft  uns 
ohne  weiteres  über  diese  Bedenken  hinweg.  Der  Koran  verbietet  dem  Islam 
ja  ohnedies  die  getreue  Nachbildung  aller  beseelten  Gestalten  und  so  führt  uns 
die    ausgebildete   Phantasie    des    muhammedanischen   Künstlers    Menschen-   und 


Stil.  539 

Tiergebilde  in  der  Fläche  vor,  die  ihre  natürliche  Form  vollkommen  ausschliesst, 
welche  in  sicher  geführten  Umrissen,  gleich  der  Pflanze,  zum  Ornament  ge- 
worden sind  (Tafel  II  u.  III).  Diese  bis  in  das  14.  Jahrh.  hinein  sich  geltend 
machenden  figürlichen  Stoffmuster  haben  in  ihrer  Zeit  auch  religiös-symbolische 
Bedeutung  gewonnen  ^  die  dem  Araber  durch  den  ihm  bekannten  Psalter  ver- 
ständlich war.  Andererseits  haben  die  Abendländer,  als  sie  die  ihnen  über- 
kommenen sarazenischen  Stoffe  kopierten,  sich  diese  orientalischen  Tierfiguren 
nach  ihrem  Sinne  zu  eigen  gemacht,  so  dass  man  verschiedenen  Erklärungen  für 
die  gleichen  Darstellungen  begegnet.  Der  schreitende  oder  ruhig  stehende 
Löwe  (S.  339)  bezeichnet  nach  Karabacek  „Die  persische  Nadelmalerei  Susand- 
schird,  Leipzig  1881",  S.  137  ff.,  in  der  muhammedanischen  Symbolik  gleich 
dem  Adler  den  Herrscher,  sultän,  melik,  oder  die  Herrschaft,  mulk.  Den 
unwiderleglichen  textilen  Beweis  bringt  der  Wiener  Grelehrte  in  einer  arabischen 
Groldborte  des  12.  Jahrh.,  auf  der  abwechselnd  die  Figuren  eines  stehenden 
Löwen  und  Adlers  sich  aneinanderreihen.  Eine  gleiche  Symbolik  spricht  sich 
auf  dem  S.  338  dargestellten  Stoffmuster  aus.  Es  erscheint  auf  demselben  der 
schreitende  Löwe  mit  einem  sitzenden  Wiedehopf  (fälschlich  als  Kakadu  bezeichnet) 
in  wechselnder  Folge.  Letzterer  gilt  für  einen  Weisen  und  die  Symbolik  in 
dieser  Zusammenstellung  wird  nach  Karabacek  durch  die  unter  jedem  Löwen- 
bilde auf  einem  Bande  laufende  Unterschrift  als  „der  Sultan,  der  Weise" 
erklärt.  Ein  anderes  sarazenisches  Muster  in  italienischer  Nachbildung  des 
14.  Jahrhdts.  zeigt  den  Löwen,  wie  er  einem  Adler  zuvorkommend,  dessen 
Vogelbeute  beim  Halse  erhascht,  während  der  Adler,  zornig  die  Flügel  schlagend, 
das  Nachsehen  hat.  Die  Symbolik  geht  hier  auf  einen  hochgestellten  sehr 
tapferen  Mann,  Fürsten  oder  Feldherrn,  zu  dessen  Eigenschaften  die  Kühnheit 
des  Löwen  gehört.  Der  Symbolik  des  Todes  wird  die  Darstellung  eines  Adlers 
zugeschrieben,  wenn  er  aus  stilisierten  Wolken  und  Sonnenstrahlen  hervorbricht 
und  darunter  ein  vor  Begierde  nach  seinem  Opfer  lechzender  Löwe  wie  zum 
Angriff  schreitet.  Nach  christlicher  Legende  werden  die  Darstellungen  des 
Löwen  auf  den  königlichen  Löwen  vom  Stamme  Juda  bezogen,  der  den  Heiland 
repräsentiert.  Ein  von  China  in  den  muhammedanischen  Tierkreis  übertragenes 
Symbol  ist  das  Khi-lin:  ein  Wesen,  das  vom  Hirsche  den  Leib,  vom  Ochsen 
den  Schweif  und  ein  Hörn  hat.  Die  europäische  Formensprache  hat  damals 
das  Einhorn  (S.  168)  geschaffen.  Vom  frühen  Mittelalter  an  bis  zur  spät- 
italienischen Epoche  des  14.  Jahrhdts.  enthalten  die  Seidengewebe  Darstellungen 
von  Jagdhunden  und  Jagdleoparden.  Diese  hängen  nach  Karabacek  mit  der 
Vorliebe  der  Muhammedaner  für  das  Weidwerk  zusammen.  Das  Jagen  mit 
dressierten  Hunden  und  Leoparden  haben  die  Araber  von  den  Sassaniden: 
(vgl.  die  Darstellungen  Tafel  II,  1  u.  Tafel  III).  Die  textile  Bedeutung  dieser 
zur  Jagd  abgerichteten  Tiere  ist  eine  wechselnde.  Grewöhnlich  ist  es  „das 
Treiben  des  Wildes",  arabisch  „thardwachsch",  welcher  Ausdruck  als  Name 
auf  eine  derartig  gemusterte  Gattung  von  Grewänden  überging.  Dann  wieder 
erscheinen  Hasen,  Grazellen  oder  Pehe  vom  Jagdhunde  oder  Leoparden  angefallen. 
Diese  Darstellungen  in  einem  Grehege  deuten  die  Kirchensymboliker  „als  den 
Garten  der  Kirche,  wo  der  von  inneren  und  äusseren  Feinden  bedrängte  Christ, 
durch  das  aufgescheuchte  Peh  versinnbildlicht,  Schutz  sucht  und  findet". 

Das  Vorkommen  von  Tierdarstellungen  in  symmetrischer  Wiederholung, 
wie  es  schon  auf  den  assyrischen  Alabasterplatten  der  Fall  ist,  und  später  in 
Griechenland  auf  Vasenbildern  sich  oft  wiederholt,  führte  bei  den  Vertretern 
der  Semperschen  Textilornamentik  zu  den  Bezeichnungen  „Teppichstil"  und 
„Waj)penstil" ,  dem  Alois  Piegl  in  seinem  schon  angeführten  Werk  ein 
besonderes  Kapitel  widmet.  Der  Wappenstil  erschien  bestätigt  durch  den 
symmetrischen  Musterumschlag  des  Adlers,  wodurch  er  sich  zum  Doppeladler 
(S.  8)  gestaltete. 

Abbildungen: 
Tafel  II:   Webereien  des  frühen  Mittelalters: 

1.  Zeichnung  nach  einer  Darstellung  aus :  Friedrich  Pischbach,  Die  wichtigsten 
Webeornamente    bis   zum  19.  Jahrhundert,    Wiesbaden  1902,    Tafel  6:    Seidengewebe^ 


540  Stil. 

Grund  blaugrün,  symm.  Muster:  In  Reihen  geordnete  Kreise,  von  Bändern  aus  herz- 
förmigen Blüten  gebildet,  enthalten  unter  einem  Baum  zwei  sich  gegenüber  gestellte 
Reiter  in  antiker  Tracht,  welche  mit  Pfeil  und  Bogen  auf  Tiere  schiessen,  die  vom 
Jagdleoparden  gepackt  sind;  zwischen  den  Kreisen  Zwickelrosetten.  Original  an  einem 
Altar  im  Dom  zu  Mailand.     Sassanidisch  6.  Jahrh. 

2.  Zeichnung  wie  Abb.  1,  Tafel  12:  Seidengewebe,  Grund  grün,  verschossen,  symm. 
Muster:  Kreise  aus  Bändern  mit  Blättern  und  Blüten,  durch  achteckige  Rosettenfelder 
verbunden,  enthalten  je  einen  geflügelten  Greif  mit  Pfauenschweif;  in  den  Zwickeln 
Rosetten.     Original  im  South  Kensington-Museum,  London  (?).    Sassanidisch  6.  Jahrh. 

3.  Zeichnung  nach  einer  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  lieber  Gewebemuster 
früherer  Jahrhunderte,  Leipzig  1893,  S.  18:  Seidengewebe,  Grund  purpurblau,  symm. 
Muster  gelblich:  Grosse  Kreise  aus  Bändern  mit  herzförmigen  Blüten  sind  durch 
kleine  Vielecke  verbunden  und  enthalten  die  Darstellung  einer  antiken  Quadriga  mit 
Rosselenkern  und  Diskoswerfern,  davor  Opferaltar;  dazwischen  Steinbänke.  Original 
im  Domschatz  zu  Aachen.     Byzanz  8.  Jahrh. 

4.  Zeichnung  wie  Abb.  1,  Tafel  17:  Seidengewebe,  Grund  rot,  symm.  Muster 
bunt:  Grosse  Kreise  aus  Bändern  mit  antikisierendem  Ornament  enthalten  je  einen 
aufgeschirrten  Elefanten,  dem  hinter  seinem  Rücken  ein  Baum  aufwächst;  zwischen 
den  Kreisen  Rosetten.  Original  im  Domschatz  zu  Aachen  mit  einer  griechischen  In- 
schrift, wodurch  der  Herstellungsort  des  Gewebes,  trotz  seines  streng  orientalischen 
Inhaltes,  nach  Byzanz  (5 — 8.  Jahrh.)    datiert  ist. 

5.  Zeichnung  wie  Abb.  1,  Tafel  3:  Seidengewebe,  Grund  rötlichbrauner  Purpur, 
symm.  Muster  violett:  In  Reihen  versetzte  Adler;  dazwischen  Rosetten.  Original  im 
Dom  zu  Brixen.     Orient  oder  Byzanz  8. — 10.  Jahrh. 

6.  Zeichnung  nach  einer  Darstellung  aus:  Julius  Lessing,  Gewebesammlung 
des  Königl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin,  1901:  SeidengewelDe  auf  Leinenkette, 
Grund  grün,  symm.  Muster  mit  umwickeltem  Membran:  Qudratische  Felder  aus  Bändern 
mit  antikisierendem  Ornament ,  welche  durch  kleine  Kreise  verbunden  sind ,  enthalten 
je  ein  Paar  gegenständig  gekehrter  Löwen,  welche  auf  einen  Drachen  treten;  dazwischen 
ein  Baum.     Regensburg  (?),  nach  orientalischen  Vorbildern  10. — 11.  Jahrh. 

7.  Zeichnung  wie  Abb.  1:  Seidengewebe  (ergänztes  Bruchstück),  Grund  grün, 
symm.  Muster  gelblichbraun:  Kreise  aus  einem  Band  mit  Pfauen,  kleinen  Adlern  und 
Palmetten  enthalten  je  ein  Paar  sitzender  geflügelter  Löwen,  dazwischen  Baum  mit 
chinesischem  Laubwerk.  Original:  Königl.  Kunstgewerbemuseum  Berlin.  Orient  unter 
chinesischem  Einfluss  10. — 11.  Jahrh. 

8.  Zeichnung  wie  Abb.  1,  Tafel  6:  Seidengewebe,  Grund  purpurrot,  symm. 
Muster  gelblichbraun:  Quadratische  Felder  aus  Balken  mit  Rautenteilung  enthalten  je 
ein  Paar  von  zu  einander  gekehrten  Enten.  Original  im  Domschatz  zu  Aachen.  Byzanz 
6.-8.  Jahrh. 

9.  Zeichnung  wie  Abb.  1,  Tafel  5:  Seidengewebe,  Grund  rot,  symm.  Muster 
weiss:  Rautenfelder  aus  Bändern  mit  Spaten  und  Kreuzen,  welche  durch  vierteilige 
Sterne  verbunden  sind ,  enthalten  je  einen  Kreis  mit  zackigem  Stern.  Original  aus 
einem  koptischen  Grabe  des  5. — 7.  Jahrh. 

10.  Zeichnung  nach  einem  Original  aus  dem  Kaiser  Friedrich-Museum  in  Ber- 
lin:  Seidengewebe,  Grund  rot,  symm.  Muster  grün:  Wellige  Bänder  mit  Zickzacklinien 
bilden  spitzovale  Felder,  in  welchen  reihenweis  abwechselnd  je  ein  Paar  von  Greifen 
und  Adlern  zwischen  Palmetten.     Sizilien  10. — 11.  Jahrh. 


Tafel  III:   Webereien  des  späteren  Mittelalters: 

1.  Darstellung  aus:  Jahrbücher  der  Königl.  Preuss.  Kunstsammlungen,  Berlin 
1880,  S.  6  :  Leinenstofi  mit  aufgedrucktem  Goldmuster  nach  einem  Seidenbrokatgewebe : 
Ranken  mit  reihenweis  geordneten  spitzovalen  Blütenfeldern  mit  federartigem  Rande, 
dazwischen  ein  Kranich  im  Kampf  mit  einem  Löwen.  Original  im  Berliner  Gewerbe- 
museum. Das  Muster  ist  orientalischen  Ursprungs,  im  14.  Jahrh.  in  Italien  nach- 
gewebt und  in  Deutschland  gedruckt. 

2.  Darstellung  aus*  Dupont-Auberville,  L'ornement  des  tissus,  Paris  1877: 
Seidenbrokatgewebe,  Grund  rot,  Muster  grün  mit  etwas  Weiss  und  Blau  und  Gold: 
In  Streifen  geordnete  Jagdtiere  und  Schwäne  zwischen  Blütenzweigen  und  Rosetten. 
Arabisch-italienisch  14.  Jahrh. 

8.  Darstellung  aus:  Paul  Schulze,  U eher  Gewebemuster  früherer  Jahrhunderte, 
Leipzig  1898,  S.  81 :  Seidenbrokatgewebe,  Grund  blau,  symm.  Muster  Gold,  reihenweis 
versetzt:  Adler  und  Jagdtiere  zwischen  Baumkronen,  geraden  und  schräg  liegenden 
Schrifttafeln.     Arabisch-italienisch  14.  Jahrh. 


Stilisieren — Stippelarbeit.  541 


4.  Darstellung  aus:  GewerbeÜalle ,  Jahrof.  1876,  Bl.  12:  Seidengewebe,  Grund 
rot,  symm.  Muster  grün,  mit  etwas  Weiss  und  Blau;  Reihenweis  versetzte  Blattkronen, 
welche  in  Ranken  mit  Blüten  endigen  und  spitzovale  Felder  bilden,  in  deren  jedem 
eine  Löwenmaske;  dazwischen  kufische  Schrift  in  Blattornament.  Arabisch-italienisch 
14.  Jahrh. 

5.  Darstellung  aus:  Katalog  der  Gewebesammlung  des  Germanischen  National- 
museums, I.  Teil,  Nürnberg  1896,  S.  84:  Seidenbrokatgewebe,  Grund  grün,  Muster 
Gold :  In  drei  Reihen  übereinander  abwechselnd  ein  Adler,  Löwe  und  Hund  mit  Krone, 
je  an  einer  Blütenranke,   dazwischen  kleine  Vögel.     Orient  13.  Jahrh. 

6.  Darstellung  wie  Abb.  3,  S.  30:  Seidenbrokatgewebe,  Grund  blau,  Muster  Gold 
mit  etwas  Bunt,  reihenweis  versetzt:  Taube  mit  aufgerolltem  Spruchband  mit  Krone: 
dazwischen  Strahlenrosetten.     Arabisch-italisch  14.  Jahrh. 

7.  Darstellung  wie  Abb,  5,  S.  86 :  Seidenbrokatgewebe,  Grund  rot,  Muster  Gold, 
reihen  weis  versetzt:  Einem  Füllhorn  entsteigender  Löwe,  der  von  einem  geflügelten 
Drachen  angegriffen  wird,  welcher  auf  einem  Spruchbande  steht,  dazwischen  ein  fliegender 
Drache.     Arabisch-italisch  unter  chinesischem  Einfluss  14,  Jahrh. 

8.  Darstellung  wie  Abb.  5 ,  S.  89 :  Seidenbrokatgewebe ,  Grund  schwarzgrün, 
symm.  Muster  Silber,  reihemveis  versetzt:  Paare  von  pelikanartigen  Vögeln  stehen  auf 
dem  Teile  einer  Palmette  mit  Spruchband,  die  in  feinen  Ranken  mit  Blattwerk  herz- 
förmig nach  oben  geschwungen  sind;  dazwischen  kleine  Tiere,     Orient  13.  Jahrh. 

9.  Darstellung  wie  Abb.  5,  S.  94:  Seidenbrokatgewebe,  Grund  rot, '  symm.  Muster 
Gold,  reihenweis  versetzt:  Baumkronen  sind  mit  hängenden  Granatäpfeln  durch  Ast- 
werk verflochten,  auf  welchem  Panther  an  strahlender  Sonne  ruhen,  zu  der  ein  Adler 
fliegt.     Italien  14. — 15.  Jahrh. 

10.  Darstellung  wie  Abb.  5,  S.  96:  Seidenbrokatgewebe,  Grund  rot,  Muster 
Gold,  reihenweis  wechselnd:  Pelikan  mit  eingeschlungenem  Y  und  springender  Hund 
mit  eingeschlungenem  S  in  Abkürzung  von  Yesus  Salvator.     Arabisch-italisch  14.  Jahrh. 

11.  Darstellung  wie  Abb.  5,  Tafel  VI:  Seidengewebe,  Grund  rot,  symm.  Muster 
grün,  reihenweis  abwechselnd;  Palmenbäume,  an  welchen  Jungfrauen  abwechselnd 
Löwen  und  Hunde  an  der  Kette  halten;  dazwischen  Blütenranken  und  Palmetten. 
Orient  13.  Jahrh. 

12.  Darstellung  wie  Abb.  3,  S.  33:  Seidengewebe,  Grund  rot,  symm.  Muster 
grün:  Dichtes  Zweigwerk  und  kleine  Tiere,     Italien  15.  Jahrh. 

Tafel  VIII:   Europäische  Textilmuster  der  Neuzeit: 

1.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1903,  Heft  7:  Entwurf  zu  einer 
Aufnäharbeit  von  C.  Schlotke  in  Barmen. 

2.  Darstellung  aus :  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1902,  Heft  9:  Stickerei  im  Platt- 
und  Stilstich  nach  Entwurf  von  Prof.  0.  Gussmann,  ausgeführt  von  Frl.  A.  Angermann 
in  Dresden. 

3.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1902  ^  Heft  11:  Fächer  mit  ge- 
klöppelter Spitze,  Entwurf  und  Ausführung  aus  dem  K.  K.  österr.  Spitzenkurs  in  Wien. 

4.  Darstellung  wie  Abb.  3 ;  Gesticktes  Kissen,  Entwurf  und  Ausführung  aus  der 
K.  K.  österr,  Kunstgewerbeschule  in  Wien. 

5.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1903,  Heft  1:  Gedrucktes  Stoff- 
muster nach  Entwurf  von  Erich  Kleinhempel  ausgeführt  von  Franz  Geisberg,  Chemnitz, 

6.  Darstellung  aus:  Deutsche  Kunst  und  Dekoration,  Darmstadt,  Juni  1900,  S.  424; 
Krawattenstoffmuster  nach  Entwurf  von  Adolf  Simon  in  Krefeld  ausgeführt  von  Audiger 
&  Meyer  daselbst. 

7.  Darstellung  wie  Abb.  4:  Seidenstoffmuster  nach  Entwurf  von  Fräulein  Elise 
Unger  in  Berlin. 

8.  Darstellung  wie  Abb.  6,  S.  419:  Krawattenstoffmuster  nach  Entwurf  von  Karl 
Meyer  ausgeführt  von  E.  Vogelsang  in  Krefeld. 

9.  Darstellung  wie  Abb.  6,  S.  423:  Möbelstoffmuster  nach  Entwurf  von  H.  E. 
Berlepsch-Valendas  in  München  ausgeführt  von  Wellmann  &  Mink,  Krefeld. 

10.  Darstellung  wie  Abb.  6,  S.  419:  Krawattenstoffmuster. 

Stilisieren  heist  Naturformen  für  künstlerische  Darstellung  nicht  in 
voller  Naturtreue,  mit  allen  Zufälligkeiten  der  G-estaltung  und  Färbung,  sondern 
auf  ihre  G-rundformen  zurückgeführt,  benutzen. 

Stippelarbeit,  Stippelformen,  Druckformen,  insbesondere  für  Zeugdruck, 
in  deren  Oberfläche  Messingstifte,  Stippelmodel,  eingeschlagen  sind,  welche 
entweder  das  Muster  gänzlich  oder  doch  einen  Teil  desselben  bilden. 


542  Stirliüg — StoffprüfuDgen. 


Stirling,  Hauptstadt  gleichnamiger  Grrafschaft  in  Schottland:  Baumwoll- 
und  AVollwarenfabrikation ;  besonders  Teppiche. 

Stockach,  Stadt  im  bad.  Kreis  Konstanz:  Zwirnerei-  und  Trikot  web  er  ei. 

Stockinet,  veralteter  geköperter  Baumwollenstoff. 

Stockport,  bedeutender  Fabrikort  in  der  engl.  Grrafschaft  Chester:  Baum- 
wollspinnerei und  Baumwollzeugfabriken;  Garn-,  Musselin  und  Seidenmanu- 
fakturen. 

Stoff  (franz.:  etoffe;  engl.:  stuff)  nannte  man  früher  die  schweren  Seiden- 
zeuge, welche  mit  Taffet-  oder  Atlasgrund  teils  gemustert,  teils  broschiert, 
teils  auch  mit  Grold-  und  Silberfäden  durchwirkt  waren.  Gegenwärtig  begreift 
man  unter  St.  alle  gewebten  oder  gewirkten  Zeuge  und  spricht  von  leichten, 
schweren,  feinen,  groben,  weichen  Kleider-,  Sommer-  oder  Winter-,  Möbel-, 
Tapeten-,  Gardinen-  und  dergleichen  Stoffen. 

Stoff etta,  in  Italien  seidener  Sammetstoff  mit  broschierten  Blumen- 
mustern im  Taffetgrund. 

Stoffprüfungen  sind  für  ältere  Textilien  hinsichtlich  ihrer  Herkunft  oft 
von  besonderer  Wichtigkeit,  für  moderne  Erzeugnisse  sind  sie  dem  gewissen- 
haften Kaufmann,  namentlich  zur  Beurteilung  der  gemischten  Gewebe,  unent- 
behrlich; sie  finden  durch  das  Mikroskop  oder  durch  chemische  Beagen- 
tien  statt. 

Die  Leinen faser  (Abb.  90)  charakterisiert  sich  durch  ihre  walzen- 
förmige, niemals  platte  oder  stark  um  sich  selbst  gedrehte  Gestalt,  ferner  durch 
ihre  schmale,   oft  nur  als  eine  Längslinie  erscheinende' Innenhöhle. 

Als  Hauptkennzeichen  der  Baumwolle  (Abb.  89)  dient  deren  zu- 
sammengesunkene, glatte,  bandförmige  Beschaffenheit ;  die  lange  Zelle  ist  in 
der  Begel  pfropfenzieherartig  um  sich  selbst  gewunden.  Während  die  Leinen- 
faser eine  sehr  enge ,  häufig  nur  als  Längslinie  sichtbare  Innenhöhle  besitzt, 
zeigt  die  Baumwollfaser,  mehr  oder  weniger  deutlich,  eine  breite  Innenhöhle; 
auch  die  schief  gestreifte  oder  gegitterte  Beschaffenheit  der  Zellwand  ist  für 
die  Baumwolle  charakteristisch,  ausserdem  ist  sie  viel  biegsamer  und  deshalb 
mehr  gekräuselt   als  die  Leinenfaser. 

Die  Bastfaser  der  gemeinen  Nessel  (s.  Nesseltuch)  gleicht  unter  dem 
Mikroskop  der  Baumwollzelle ;  doch  ist  sie  durch  abwechselnde  Erweiterungen 
und  Verengerungen  von  ihr  zu  unterscheiden. 

Die  Bastfaser  des  Hanfes  (Abb.  91)  ist  lang  und  walzenförmig,  aber 
ungleich  starrer  als  die  Bastfaser  des  Leins.  Die  Innenhöhle  der  Zelle  ist  in 
der  Begel  ziemlich  weit,  die  Wand  ist  stark  verdickt,  die  Yerdickungsschichten 
treten  meistens  als  Längsstreifen  der  Wand  deutlich  hervor,  auch  zeigen  sich 
hier  und  da  etwas  schiefgestellte  Querlinien  und  die  Porenkanäle. 

Die  Bastzellen  des  neuseeländischen  Flachses  sind  sehr  lang, 
glänzend,  weiss,  seltener  gelblich  gefärbt.  Gleich  der  Leinenfaser  ist  sie  walzen- 
förmig und  wie  diese  stark  verdickt;  ihre  Innenfläche  erscheint  in  der  Begel 
als  einfache  Längslinie,  es  fehlt  jede  Streifung  irgend  einer  Art. 

Das  Chinagras,  welches  das  sogen.  Grasleinen  (gras-cloth)  liefert,  ist 
durch  den  Glanz  seiner  Fäden  und  seine  Stärke  ausgezeichnet.  Die  Faser  ist 
sehr  lang,  starr  und  bandförmig  wie  die  Baumwolle,  aber  nicht  wie  diese,  der 
sie  an  Breite  gleichkommt,  um  sich  selbst  gewunden. 

Die  Wolle  (Abb.  88)  ist  ein  röhrenförmiges,  aus  zahlreichen,  ver- 
schieden gebauten  Zellen  zusammengesetztes  Gebilde,  welches  aus  der  sogen. 
Haarwurzel,  die  in  der  Haut  des  Tieres  eingebettet  liegt,  hervorwächst.  Unter 
dem  Mikroskop  erscheint  die  W.  als  eine  walzenförmige  Bohre,  welche  mit 
dachziegelförmig  sich  deckenden  Schuppen  bekleidet  ist.  Die  Haarröhre  selbst 
wird  von  zahlreichen  faserartigen,  dicht  aneinander  liegenden  Längszellen  ge- 
bildet, welche  ein  zentrales  Mark,  aus  kleineren,  meistens  undeutlichen  Zellen 
bestehend,  umgeben. 

Der  Seidenfaden  (s.  Seide)  ist  glatt,  walzenförmig,  strukturlos,  ohne 
eigentliches  Ende  und  ohne  Innenhöhle;  die  Breite  des  Fadens  ist  nach  der 
Seidenart  verschieden;  in  der  Hegel  ist  die  Breite  des  Fadens  überall  dieselbe. 


Stoffprüfungen.  543 


Die  Oberfläche  ist  glänzend,  nur  in  seltenen  Fällen  erblickt  man  kleine  Un- 
ebenheiten oder  Eindrücke. 

Die  P  r  ü  f XT  n  g  der  Leinwand  besorgt  der  erfahrene  Händler  zunächst 
durch  das  Auge  und  das  Gefühl;  aber  nicht  jede  Ware  ist  von  gleicher  Glätte 
und  gleichem  Glanz.  Schon  die  Leinwand  aus  Handgespinst  ist  glänzender, 
als  das  aus  Maschinengarn  gefertigte  Gewebe.  Auch  eine  aus  gebleichtem 
Garn  gewonnene  Leinwand  ist  nicht  so  glatt,  als  das  im  Stück  gebleichte  Leinen. 
Das  Mikroskop  oder  die  Weberlupe  zeigt  die  Ursachen  der  grösseren  oder 
geringeren  Glätte  des  Fadens :  das  feine  Handgespinst  ist  weniger  gedreht  als 
der  Faden  des  Maschinengarns ,  die  Oberfläche  des  Fadens  aus  ersterem  ist, 
wie  es  scheint,  mehr  angegriff'en,  die  Fasern  sind  rauher,  der  Faden  erscheint 
deshalb  nicht  so  glänzend.  Eine  mit  Baumwolle  untermischte  Leinwand  hat 
selten  ein  so  glattes,  glänzendes  Ansehen  als  die  reine,  feine  Leinwand.  Der 
Baumwollfaden  erscheint  unter  der  Lupe  rauher  und  weniger  abgerundet,  das 
gemischte  Gewebe  ist  deshalb  häufiger  scheinbar  feiner  als  die  reine  Leinwand. 
Üebrigens  verändert  die  Art  der  Appretur  das  Ansehen  der  Gewebe:  eine 
stark  mit  Kleister  appretierte  Leinwand  ist  natürlich  glänzender  und  steifer 
als  ein  schwach  appretiertes  Leinengewebe.  Je  gleichmässiger  der  Leinenfaden 
unter  der  Lupe  erscheint  und  je  glatter,  länger  und  gleichmässiger  die  Bast- 
zellen der  einzelnen  Fäden  sind,  um  so  vorzüglicher  ist  die  aus  diesen  Fäden 
gewebte  Leinwand  (Abb.  93).  So  selten  nun  ein  gemischter  Faden  aus  Baum- 
wolle und  Leinen  vorkommt,  so  häufig  enthält  die  Leinwand,  neben  aus  der 
Leinenfaser  bestehenden  Fäden,  solche  aus  Baumwolle :  dahin  gehört  z.  B.  die 
sogen.  Halbleinwand. 

Die  wichtigeren  Prüfungsmethoden  zur  Erkennung  der  Baumwolle 
in  Leinengeweben,  denen  eine  Entfernung  jeglicher  Appretur  durch  Auswaschen 
vorangehen  muss,  sind  folgende : 

Die  Oelprobe  für  ungefärbte  Gewebe.  Man  taucht  ein  Stückchen  der 
zu  prüfenden  Leinwand  in  Baumöl  oder  Büböl,  welches  vom  Gewebe  alsbald 
aufgesogen  sein  wird.  Durch  gelindes  Pressen  zwischen  Löschpapier  entfernt 
man  das  überflüssige  Oel.  War  das  Gewebe  gemischt,  so  erscheint  dasselbe 
gestreift:  der  Leinenfaden  wird  durchsichtig,  der  Baumwollfaden  bleibt  un- 
durchsichtig. 

Die  Yerbrennungsprobe.  Ein  Leinfaden,  in  senkrechter  Stellung 
angebrannt,  erscheint  nach  dem  Erlöschen  der  Flamme  am  angebrannten  Ende 
in  glatter,  zusammenhängender  Form  verkohlt,  während  ein  Baumwollfaden, 
ebenso  behandelt,  sich  pinselförmig  auseinanderspreizt.  Auch  mit  gefärbter 
Ware  gelingt  der  Versuch,  wenn  das  Gewebe  frei  von  Chromgelb  ist. 

Die  Kaliprobe.  Aus  Leinfasern  bestehende  Gewebe  sollen  in  einer 
kochenden  konzentrierten  Kalilauge  innerhalb  zwei  Minuten  tiefgelb  gefärbt 
erscheinen,  während  aus  Baumwolle  bestehende  Gewebe  eine  nur  schwach- 
gelbe Färbung  annehmen;  gemischte  Gewebe  sollen  nach  dieser  Methode  ge- 
streift erscheinen. 

Die  Schwefelsäureprobe.  Nachdem  man  eine  Probe  des  Stoffes 
ein  bis  zwei  Minuten  in  gewöhnliches  englisches  Vitriolöl  getan  hat,  legt  man 
sie  zur  Entfernung  der  Säure  in  Wasser,  welches  die  aus  der  Baumwolle  er- 
zeugte gummiartige  Masse  auflöst.  Zur  schnelleren  Beförderung  der  Säure 
tut  man  den  Stoß"  noch  in  Salmiakgeist  und  wäscht  ihn  nochmals  aus.  Nach 
Abpressen  der  Feuchtigkeit  mittels  Löschpapiers  ist  das  Resultat  festzustellen. 
War  Baumwolle  vorhanden,  so  fehlen  dieselben  in  dem  Gewebe. 

Die  Farbeprobe  mit  rotfärbenden ,  weingeistigen  Tinkturen.  Beine 
Leinengewebe  färben  sich  beim  Eintauchen  in  einer  Viertelstunde  gleichförmig 
orangerot,  reine  Baumwollgewebe  gleichförmig  gelb;  ist  das  Gewebe  gemischt, 
so  erscheinen  die  Leinenfäden  gelbrot,  die  Baumwolle  gelb,  das  Ganze  gestreift. 
Leinenfaser  in  Salpetersäure  getaucht,  färbt  sich  nicht. 

Beine  Baum  wollengewebe  wird  man  nicht  mit  reinen  Leinengeweben 
verwechseln  können.  Mit  Jod  oder  Schwefelsäure  behandelt,  quillt  die  Faser 
auf,    sie  verkürzt  sich  dabei,   färbt    sich  schön  blau    und  windet  sich  hin  und 


544  Stoffsammlungen. 


her  und  es  erscheinen  dunkelblaue  Ringe  oder  Spiralen,  ähnlich  wie  bei  der 
Leinenfaser.  Englische  Schwefelsäure  löst  die  Baumwollfaser  etwas  schneller 
als  die  Leinenfaser;  Jodlösung  für  sich  färbt  sie  gelber  als  die  L. 

Die  äusseren  Schichten  der  Nesselfaser  quellen  unter  Jod  und 
Schwefelsäure  als  breite,  die  inneren  Schichten  dagegen  als  sehr  dicht  ge- 
wundene zarte  Spiralbänder  auf.  In  englischer  Schwefelsäure  wird  die  N. 
nicht  so  schnell  aufgelöst  als  die  Baumwolle. 

Die  Hanffaser  wird  durch  Jod  und  Schwefelsäure  blau  gefärbt,  die 
Säure  wirkt  nicht  so  schnell  als  auf  die  Baumwolle  oder  Leinenfaser,  auch 
winden  sich  die  aufquellenden  Schichten  selten  spiralförmig.  Gregen  Aetzkali 
und  gegen  Salpetersäure  u.  s,  w.  verhält  sich  die  Hanffaser  ähnlich  wie  die 
Leinenfaser;  doch  färbt  sie  sich,  wahrscheinlich  wegen  ihres  grösseren  Gehaltes 
an  Holzstoff,  in  kochender  Kalilauge  ungleich  gelber. 

Neuseeländischer  Flachs  wird  von  Jod  und  Schwefelsäure  in  der 
Kegel  erst  blau  gefärbt  und  quillt  dann  ähnlich  wie  die  Leinenfaser  auf. 

Das  Chinagras  wird  von  Schwefelsäure  viel  langsamer  als  die  Baum- 
wolle und  Leinenfaser  angegriffen;  kochende  Aetzkalilösung  färbt  dieselbe 
hellbraun,  Jod  und  Schwefelsäure  blau,  sie  quillt  dabei  langsamer  als 
Leinen  auf. 

Die  "Wolle  verbreitet  beim  Verbrennen  den  Greruch  einer  verbrannten 
Feder;  Zucker  und  Schwefelsäure  färben  sie  rosenrot,  letztere  zerlegt  das 
Haar  in  seine  einzelnen  Teile,  greift  sie  aber  nur  sehr  langsam  an.  Kalte 
Aetzkalilösung  wirkt  auch  nur  langsam  auf  das  Haar,  kochende  dagegen  löst 
es  rasch  und  vollständig  auf.  Jod  und  Schwefelsäure  färben  das  Wollenhaar 
niemals  blau. 

Der  Seiden  faden  wird  von  der  englischen  Schwefelsäure  sehr  schnell 
gelöst  und  in  eine  klebrige,  schleimige,  fadenziehende,  sich  mit  Wasser  schwer 
vermischende,  halbflüssige  Masse  verwandelt ;  während  das  Wollenhaar  derselben 
Schwefelsäure  lange  widersteht.  Das  Aufquellen  der  Seide  in  der  Schwefel- 
säure erfolgt  von  aussen  nach  innen,  die  innerste  Partie  erhält  sich  bisweilen 
für  einige  Minuten  als  festes  walzenförmiges  Stäbchen,  während  die  äusseren 
Teile,  ohne  deutliche  Schichtung  zu  zeigen,  bereits  aufgequollen  sind.  Zucker- 
und Schwefelsäure  färben  den  sich  rasch  auflösenden  Seidenfaden  schneller  als 
die  Wolle  rosenrot;  Jod  und  Schwefelsäure  bewirken,  wie  bei  der  Wolle, 
keine  blaue  Färbung.  Von  kochender  Aetzkalilösung  wird  die  Seide  rasch 
und  vollständig  aufgelöst.   Verbrennende  Seide  riecht  wie  eine  verbrannte  Feder. 

Bei  Vermischung  von  Wolle  und  Baumwolle  prüft  man,  indem 
die  zerzupften  Fäden  des  farblosen  Gewebes  mit  Jodlösung  angefeuchtet 
werden  und  man  einen  Tropfen  Schwefelsäure  damit  in  Verbindung  bringt,  wo- 
durch im  Falle  des  Vorhandenseins  von  Baumwolle  eine  schöne  blaue  Fär- 
bung hervortritt,  während  die  vorhandene  Wolle  kaum  bemerkbar  ange- 
griffen wird. 

Als  chemische  Probe  auf  Wolle  und  Seide  genügt  die  Anwendung 
englischer  Schwefelsäure.  Taucht  man  ein  reines  Seidenzeug  dahinein,  so  löst 
sich  dasselbe  in  wenigen  Sekunden  zu  einer  weichen,  klebrigen,  in  Wasser, 
wie  es  scheint,  schwer  löslichen  Masse  auf.  Waren  Seide  und  Wolle  durch- 
einander gewebt,  so  verschwindet  die  Seide,  während  letztere  ziemlich  unver- 
ändert zurückbleibt;  ist  auch  Baumwolle  dabei,  so  verschwindet  auch  diese, 
aber  ungleich  später  als  die  Seide.  Ist  ein  seidenes  Gewebe  mit  Baum- 
wolle vermischt,  so  bleibt  die  letztere,  wenn  man  dasselbe  mit  Aetzkali- 
lösung kocht,  unvörändert  zurück;  die  Seide  sowohl  als  die  Wolle,  wenn  solche 
vorhanden  ist,  sind  durch  das  Aetzkali  vollständig  verschwunden, 

Stoffsammlungen  entstanden  um  die  Mitte  des  19.  Jahrhs.,  zunächst  im 
Interesse  der  kirchlichen  Ornate,  welchen  mittelalterliche  Vorbilder  zugrunde 
gelegt  werden  sollten.  Der  Kanonikus  Dr.  Franz  Bock  aus  Aachen  war  einer 
der  ersten,  welcher  die  Aufmerksamkeit  auf  die  in  alten  Kirchen  befindlichen 
Textilien  (s.  textile  Kirchenschätze)  lenkte  und  auch  ihre  Muster  modernen 
Zwecken  dienstbar  machte.      Mit  der  Gründung  von  Kunstgewerbemuseen  zur 


Stoffsammlungen.  545 


Förderung  des  allgemeinen  Geschmackes  musste  auch  der  Pflege  textiler  Künste 
besonders  gedacht  werden*  denn  wohl  nirgends  waren  die  bescheidensten 
Grenzen  des  Schönheitssinnes  so  verletzend  überschritten,  als  gerade  auf  diesem 
Gebiete  der  Kunstindustrie,  dessen  notwendige  Erzeugnisse  in  der  persönlichen 
Bekleidung  und  häuslichen  Umgebung  am  meisten  verbreitet  sind.  Das  Be- 
dürfnis der  Benutzung  älterer  Vorbilder  hat  im  Laufe  der  Zeit  dahin  geführt, 
dass  bei  der  Anlage  von  Fachschulen  der  Textilindustrie  auch  direkt  daran 
angeschlossene  Stoffsammlungen  für  technische  und  künstlerische  Studien  ein- 
richtet wurden,  und  nicht  allein  aus  Liebhaberei  nennen  Textilfabrikanten  einen 
kleinen  Originalmusterschatz  ihr  eigen.  So  haben  die  letzten  fünf  Jahrzehnte 
ein  erstaunliches  Material  an  Geweben,  Stickereien,  Spitzen  und  Teppichen 
aller  Zeiten  und  Völker  aus  Gräbern,  Kirchen  und  Schlössern  zutage  gefördert 
und  einen  gewaltigen  Umschwung  in  Geschmack  und  Technik  aller  textilen 
Künste  herbeigeführt.  Aber  nicht  minder  sind  diese  Stoffsammlungen  ein  un- 
entbehrliches Hilfsmittel  geworden  zur  Darstellung  wichtiger  Gebiete  innerhalb 
der  Geschichte  der  Menschheit.  Von  öffentlichen  Stoffsammlungen  besonderen 
Inhalts  (s.  Ausführliches  bei  den  einzelnen  Städten)  sind  bekannt: 

Aachen:  Städtisches  Suermondt-Museum,  Führer  von  Dr.  Kisa,  1902.  — 
Amsterdam:  Niederländisches  Museum,  vgl:  Kalf,  Catalogus  van  de  textile 
Kunst  weefsels,  gobelins,  tapyten,  borduurwerk  in  het  Nederlandsch  Museum  voor 
Geschiedenis  en  Kunst  te  Amsterdam,  1903.  —  Barmen:  Preussische  höhere 
Fachschule  für  Textilindustrie:  alte  und  neue  Gewebe,  Stickereien,  Spitzen  und 
Posamenten.  —  Berlin:  Königl. Kunstgewerbemuseum,  Führer  von  Julius  Lessing, 
1890;  vgl.  auch:  Gewebesammlung  des  Königl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin, 
Herausgegeben  von  Julius  Lessing,  Abbildungswerk  von  400  Tafeln.  Vorbilder- 
hefte (Nr.  13)  aus  dem  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin,  Herausgegeben  von 
Jul.  Lessing,  Berlin  1891:  Orientalische  Teppiche.  —  Königl.  Museum  für 
Völkerkunde,  vgl.  den  allgemeinen  Führer.  —  Kaiser  Friedrich-Museum: 
Wirkereien,  Gewebe  und  Stickereien  der  altchristlichen  Zeit.  —  Abteilung 
für  ägyptische  Altertümer  der  Königl.  Museen:  altägyptische  und  koptische 
Stoffe.  —  Städtische  höhere  Webeschule :  alte  und  neue  Gewebe ;  Stoffsammlung 
Grunow:  vornehmlich  Stickereien,  Katalog  von  Max  Heiden,  1901.  —  Samm- 
lung des  Museums  für  Deutsche  Volkstrachten  und  Erzeugnisse  des  Haus- 
gewerbes, vgl.  allgemeinen  Führer,  1895.  —  Bern:  Historisches  Museum; 
vgl.  auch:  Der  Paramentenschatz  im  historischen  Museum  zu  Bern,  1895.  — 
Bologna:  Städtisches  Museum,  allgemeiner  Führer.  —  Braunschweig: 
Herzogliches  Museum:  mittelalterliche  Messgewänder;  vgl.  H.  Biegl,  die 
SammJuDg  mittelalterlicher  Gegenstände,  1879  u.  1884.  —  Breslau:  Museum 
schlesischer  Altertümer:  Gewebe,  Stickereien,  Spitzen  u.  s.  w.  aller  Zeiten  und 
Völker.  —  Brunn:  Mährisches  Gewerbemuseum:  Textilien,  vornehmlich  der 
mährischen  Hausindustrie.  —  Brüssel:  Museum  am  Porte  de  Hai:  Lyoner 
Gewebe  des  17.  u.  18  Jahrh.  —  Sammlung  Errera,  vgl.  Collections  d'anciennes 
etoffes,  1901.  —  Budapest:  Kunstgewerbemuseum:  Weberei  und  Stickerei 
südslawischer  Hausindustrie.  —  Chemnitz:  Gewerbemuseum  des  Handwerker- 
vereins. —  Städtische  Vorbildersammlung:  Aeltere  und  neuere  Gewebe,  Tapeten, 
Stickereien  und  Teppiche.  — Darmstadt:  Textilsammlung  der  Grossherzog- 
lichen Zentralstelle  für  Gewerbe.  —  Dortmund:  Städtisches  Museum.  — 
Dresden:  Kgl.  Kunstgewerbemuseum;  vgl.  die  Veröffentlichungen  aus  dieser 
Sammlung  von  E.  Kumsch:  1.  Stoffmuster  des  16. — 18.  Jahrh.,  Leipzig  1888 
bis  1895;  2.  Spitzen  und  Weissstickereien  des  16. — 18.  Jahrh.,  Leipzig  1889; 
3.  Leinendamastmuster  des  17.  u.  18.  Jahrh.,  Leipzig  1891 ;  4.  Muster  orienta- 
lischer Gewebe  und  Druckstoffe,  Leipzig  1893.  —  Dortmund:  Städtisches 
Museum.  —  Dublin:  Gewerbemuseum.  —  Düsseldorf:  Kunstgewerbe- 
museum; vgl.:  Wegweiser  durch  die  Textilsammlung  des  Herrn  Dr.  F.  Bock, 
1884;  Bock,  Katalog  frühchristlicher  Textilfunde,  1886;  Orientalische  Stoffe 
und  frühitalienische  Stoffe  für  den  Orient,  1890.  —  Edinburgh:  Gewerbe- 
museum. —  Florenz:  Textilmuseum;  vgl.  Catalogue  of  textile  fabrics  at  the 
gallery  of  tapestries  in  Florence,  1891.  —  Fr  ankfurt  a.  M. :    Sammlung   der 

Heiden,   Handwörterbuch  der  Textilkunde.  35 


546  Stoffsammlungen. 


Kimstgewerbeschule:  Stoffe,  Stickerei  und  Spitzen.  —  St.  Gallen:  Kunst- 
gewerbeschule. —  Genf:  Kunst-  und  Gewerbemuseum.  —  Hamburg:  Museum 
für  Kunst  und  Gewerbe ;  vgl.  Justus  Brinckmann,  Das  Hamburgische  Museum 
für  Kunst  und  Gewerbe,  Leipzig  1894,  S.  17 — 97.  —  Hannover:  Kunst- 
gewerbemuseum: Stoffe,  Stickereien  und  Spitzen,  grösstenteils  von  Dr.  Bock 
zusammengebracht.  —  Hirschberg  i.  Schi.  Gewerbeverein:  Erzeugnisse  der 
heimischen  Leinenindustrie  und  Spitzen.  —  Jena:  Städtisches  Museum: 
Stickereien  und  Kostüme.  —  Kaiserslautern:  Pfälzisches  Gewerbemuseum.  — 
Karlsruhe:  Grossherzogl.  Sammlung  für  Altertums- und  Völkerkunde:  Samm- 
lung Badischer  Trachten  im  Kunstgewerbemuseum :  Stoffe,  Stickereien,  Spitzen 
und  Posamenten.  —  Kiel:  Thaulow-Museum,  Kunstgewerbemuseum  der  Prov. 
Schleswig-Holstein:  Renaissancestickereien,  Bauernwebereien.  —  Köln:  Städti- 
sches Kunstgewerbemuseum :  Stoffe,  Stickereien,  Spitzen  u.  s.  w.  aller  Zeiten 
und  Völker.  —  Erzbischöfliches  Museum:  Mittelalterliche  Gewebe  und 
Stickereien.  —  Sammlung  des  Domherrn  Prof.  Dr.  Schnütgen:  Kirchliche 
Gewänder,  mittelalterliche  Gewebe,  Stickereien  u.  s.  w.  —  Krefeld:  Königl. 
Gewebe  Sammlung;  vgl.  lieber  Gewebemuster  früherer  Jahrhunderte,  von  Paul 
Schulze,  Krefeld,  Leipzig  1893.  —  Kristiania:  Kunstindustriemuseum;  vgl. 
den  allgemeinen  Führer  und  die  Veröffentlichungen  vonH.  Grosch,  Altnorwegische 
Teppichmuster,  Berlin  1888;  Altnorwegische  Bildteppiche  im  Kunstindustrie- 
museum zu  Kristiania,  Berlin  1901.  —  Landsberg  i.  Bayern:  Geschicht- 
liches Museum:  Webeindustrie  und  Trachten.  —  Leipzig:  Städtisches  Kunst- 
gewerbemuseum;  vgl.  Künstlerische  Nadelarbeit  und"  Handweberei,  Führer 
durch  eine  Ausstellung,  1902;  Ornamentale  und  Kunstgewerbliche  Sammel- 
mappen, Serie  IV  u.  V,  Leipzig  1893:  Spitzen  des  16. — 19.  Jahrh.  aus  der 
Sammlung  des  Kunstgewerbemuseums  in  Leipzig.  —  Lindau:  Städtisches 
Museum:  Stickereien,  Kostüme  und  Hauben  aus  heimischen  Familien.  — 
London:  South  Kensington  Museum ;  vgl.  Rock,  Textile  fabrics ;  a  descriptive 
catalogue  of  the  collection  of  church  —  vestments,  dresses,  silk  stuffs,  needle- 
works  and  tapestries,  forming  that  section  of  the  S.  K.  M.  London  1870;  Cole, 
A  descreptive  catalogue  of  the  collection  of  tapestry  and  embroidery  in  the 
S.  K.  M.  London  1888;  Porte  folio  of  industrial  arts  u.  s.  w.,  London;  Art  hand- 
books:  Textil  fabrics,  illustrated,  1876.  —  Lyon:  Textilsammlung  im  Börsen- 
palais ;  vgl.  Armbruster,  Specimens  de  soieries  et  tissus  faisant  partie  des 
collections  du  mussee  (Lyonais)  d'art  et  l'industrie;  Cox,  l'art  de  decorer  les 
tissus  d'apres  les  collections  du  musee  historique  de  chambre  de  commerce  de 
Lyon.  Paris  1900.  —  Magdeburg:  Städtisches  Kunstgewerbemuseum.  — 
Manchester:  Städtisches  Museum.  —  Mailand:  Museum  Poldi  Pezzoli: 
Spätitalienische  Gewebe.  —  Mülhausen  i.  Elsass:  Museum  für  industrielles 
Zeichnen:  Stoffe,  Musterproben  aller  Perioden  der  Müblhauser  Industrie  seit 
ihrer  Begründung  1746,  in  Foliobänden  nach  Jahrgängen  geordnet.  —  München: 
Bayrisches  Nationalmuseum:  Fachsammlung  von  Textilarbeiten  und  Volks- 
trachten in  der  Abteilung  für  allgemeine  Kulturgeschichte.  —  Münster: 
Bischöfliches  Museum  für  christliche  Kunst:  Beiche  Sammlung  von  alten 
Kirchengewändern,  Erzeugnisse  der  frühen  Textilarbeiten  und  Stickereien.  — 
Nottingham:  Museum  von  Castle:  Spitzensammlung.  —  Nürnberg: 
Germanisches  Museum;  vgl.  Hampe,  Katalog  der  Gewebe,  Wirkereien  und 
Zeugdrucke,  1896;  Stegmann,  Katalog  der  Stickereien,  Spitzen  und  Posa- 
mentierarbeiten, 1901;  Bayrisches  Kunstgewerbemuseum:  Mittelalterliche  und 
Benaissancegewebe.  —  Paris:  Musee  pour  l'art  et  industrie;  Musee  du  Louvre; 
Textilsammlung  im  Hotel  Cluny.  —  Petersburg:  Nationalmuseum;  Museum 
für  Volksindustrie.  —  Prag:  Sammlung  des  Kunstgewerbemuseums.  — 
Beichenberg  i.  Böhmen:  Nordböhmisches  Gewerbemuseum:  reiche  Samm- 
lung aller  Textilien.  —  Bom:  Museum  für  Kunst  und  Industrie.  —  Sig- 
maringen: Fürstl.  Hohenzollernsches  Museum;  vgl.  Verzeichnis  der  Textil- 
arbeiten, 1874.  —  Stuttgart:  Königl.  Landesgewerbemuseum:  Führer  durch 
die  Stoffsammlung  von  Max  Heiden  (in  Arbeit).  —  Trier:  Bischöfliches 
Museum.  —  Turin:  Kunstgev^rerbemuseum:  mittelalterliche  Stoffe.  —  Wien: 


Stola— Stradellas.  547 


K.  K.  Oesterreich.  Museum  für  Kunst  und  Industrie;  vgl.  die  mit  besonderer 
Hücksicht  auf  die  Sammlungen  dieses  Museums  herausgegebenen  Werke  von 
Dr.  M.  Dreger:  Entwickelungsgescbichte  der  Spitzen,  Wien  1901  und  Künst- 
lerische Eutwickelung  der  Weberei  und  Stickerei,  Wien  1904.  —  Zürich: 
Sammlung  der  Webeschule:  Spätes  Mittelalter,  Renaissance,  Epoche  Louis 
XIV.  u.  XV.  — 

Stola  (lat.:  stola;  franz.:  etole;  engl.:  stole);  bei  den  Byzantinern  ein 
langwallendes  Erauengewand  mit  langen  Aermeln,  meist  aus  Seide,  auch  von 
den  Kaisern  (in  weisser  Seide)  getragen,  ebenso  von  Beamten  und  Priestern. 
St.  in  der  katholischen  Kirche  ein  (aus  dem  Schweiss-  und  Mundtuche,  orarium) 
entstandener  Zeugstreif,  welchen  der  Priester  um  den  Hals  legt  und  mit  beiden 
Enden  vorn  bis  zum  Knie  hängen  lässt,  je  nach  der  AVürde  frei,  oder  auf  der 
Brust  oder  an  der  rechten  Hüfte  verschlungen.  St.  heisst  auch  ein  Achsel- 
band, vom  italienischen  Adel  bis  zum  17.  Jahrh.  je  nach  dem  Rang,  über  der 
rechten  oder  linken  Schulter,  vorn  oder  hinten  herabhängend  getragen.  Ein 
der  St.  ähnliches  Grewandstück  tragen  auch  die  älteren  französischen  und  eng- 
lischen Könige,  ähnlich  bei  der  englischen  reformierten  Greistlichkeit ;  ebenso 
legten  sich  die  Dogen  Venedigs  im  16.  Jahrh.  über  die  reich  gestickten  Seiden- 
oder Sammetgewänder  Streifen  prächtiger  Stoffe,    die  man  Stolen  nannte. 

Stollberg  in  Sachsen  bei  Chemnitz:  mechan.  Weberei  und  Zwirnerei, 
Damastweberei,  Fabrikation  von  Strumpfwaren,  Strumpfmaschinen,  Strumpf- 
stuhlnadeln und  Watte. 

Stonehaven,  Hauptstadt  der  schott.  Grrafschaft  Kincardine:  Leinweberei. 

Stopfen,  eine  Nadelarbeit  zur  Ausbesserung  von  G-eweben  oder  Stricke- 
reien, mittels  welcher  die  fehlenden  oder  zerrissenen  Fäden  durch  neue  ersetzt 
werden.  Je  nach  Art  des  Grewebes  kann  man  die  Schussfäden  desselben  zum 
St.  verwenden,  sonst  wählt  man  am  besten  ausgefaserte  Fäden  eines  neuen, 
dem  alten  entsprechenden  Stoffes.  Es  gibt  vier  Stopfarten:  die  Leinwand- 
stopfe, Atlas-  oder  Köperstopfe,  Damaststopfe  und  die  ver- 
lorene oder  unsichtbare  Stopfe.  Alle  Stopfarten  sind  nach  eingezogenen 
Längen  oder  Kettenfäden  auf  der  linken  Seite  des  auszubessernden  Gewebes 
auszuführen.  Das  St.  selbst  erfolgt  möglichst  nach  der  Textur  des  Gewebes, 
man  hat  hierfür  besondere  Stiche.  Beim  Strumpfstopfen  wird  unterschieden: 
die  gewöhnliche  Gitterstopfe  mit  rechtwinklig  sich  kreuzenden  Fäden 
und  die  weit  mühsamere  Maschen-  oder  Strickstopfe,  durch  welche  die 
Textur  des  gestrickten  Strumpfes  nachgeahmt  wird.  In  neuerer  Zeit  hat  man 
versucht,  für  das  Strumpfstopfen  Maschinen  (Stopfmaschinen)  zu  konstruieren, 
doch  sind  dieselben  bis  jetzt  ohne  praktische  Bedeutung.  In  der  Tuchfabri- 
kation heisst  St.  speziell  das  Zunähen  der  beim  Scheren  des  Tuchs  entstandenen 
kleinen  Löcher,  das  durch  besondere  Arbeiterinnen  geschieht. 

Stoppgarn,  Plattgarn,  fil  plat  oder  fil  au  grelot,  eine  Sorte  französischer 
und  holländischer  weissgebleichter  Garne,  wird  in  Nummern  14 — 20  assortiert 
und  zum  Steppen  und  Sticken  der  Linons,  Cambrics  und  Batiste  verkauft. 

Store  (franz.),  (ital.:  stora);  Rollvorhang ,  insbesondere  die  reicher  ge- 
musterten Gardinen  in  voller  Fensterbreite;  die  Bezeichnung  ist  auch  über- 
tragen auf  die  chinesischen  und  japanischen  Papiervorhänge. 

StÖSSel,  die  horizontal  liegenden  Nadeln  der  Jacquardmaschine. 

Stösselleinwand,  Tele  Carolina,  eine  mittelfeine,  weiss  gebleichte  Lein- 
wand, welche  früher  in  Italien  sehr  begehrt  war:  sie  kam  aus  Schlesien. 

Stossnaht  nennt  man  die  durch  besondere  Stichart  verbundenen  Webe- 
kanten von  Leinenstoffen,  sie  findet  namentlich  da  Anwendung,  wo  die  Breite 
des  Gewebes  unzulänglich  ist. 

Stout,  modern^  Stoffart;  s.  v.  w.  Nessel. 

Strabane,  Stadt  in  der  irischen  Grafschaft  Tyrone:  bedeutende  Leinen- 
weberei. 

Stradella,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Pavia:  Seidenraupenzucht,  Seiden- 
weberei, Tuchmanufaktur. 

Stradellas    nennt    man    die    aus    den    franz.    Manufakturen    kommenden 


548  Straelen — Streichgarnspinnerei. 


wollenen  Shawls  mit  Damastmuster.  Die  schönsten  kommen  aus  Paris  und 
Lyon,  leichtere  und  wohlfeilere  aus  Nismes,  ßeims  und  Roubaix. 

Straelen,  Flecken  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Düsseldorf:  Sammet-  und  Seiden- 
weberei. 

Stragulum  (lat.),  Decke,  Teppich;  stragalatus  pannus,  buntgestreifter 
Stoff;  stragula  vestis,  aus  solchem  gefertigtes  G-ewand;  stragulum  funebre, 
Leichentuch;  stragula  heisst  auch  das  Yespertuch,  welches  zum  Schutz  über 
den  Altartüchern  liegt. 

Strähn,  Strehn  (franz.:  echeveau;  engl.:  hank),  ein  Grarnmass :  1)  Im Königr. 
Sachsen  zu  2  Zaspel  ä  20  Gebind  ä  20  Faden  ä  3  Ellen  (2  m)  für  ^j^  baum- 
woll.  Garn  oder  ä  4  EUen  (2%  m)  =  2400  Ellen  =  1359,312  m  resp. 
3200  Ellen  =  1812,416  m.  2)  In  England  ist  1  St.  baumw.  Garn  =  840  Yards 
=  768  m,  1  St.  Maschinengarn  =  3000  Yards  =  2742  m,  20  St.  =  1  Bündle 
oder  Bündel.  3)  In  Frankreich  hat  der  St.  10  echevettes  oder  Gebinde 
a   1000  m  Länge,  d.  h.   70  Fäden  ä  14^/7  m  Länge. 

Straits,  im  englischen  Tuchhandel  die  geringen  und  schmalen  Tücher  aus 
der  Grafschaft  Cornwall. 

Strakonitz,  Stadt  in  Böhmen:  Wollspinnerei,  bedeutende  Fabrikation 
der  türkischen  Feskappen  (seit  1805). 

Stralau,  Dorf  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Potsdam:  Jutespinnerei  und  -Weberei; 
Fabrikation  von  Teppichen. 

Stramin  (lat.:  estramen;  franz.:  canevas,  auch  etamine  =  Siebtuch, 
Beuteltuch,  Haartuch;  engl.:  canvass;  holländ. :  stamijnj;  sehr  weitläufiges  und 
so  aus  kleinen  offenen  Quadraten  bestehendes  Gewebe  von  stark  gezwirntem 
Garn,  als  Grundstoff  für  Stickerei,  besonders  Kreuzstich  (s.  d.),  s.  v.  w.  baum- 
wollener oder  seidener  Kanevas  (s.  d.).  Schuhstramin  oder  Schuhkord  heisst 
ein  namentlich  zu  Pantoffeln  verwendeter  Stoff,  der  teils  aus  grobem  Kamm- 
garngespinst, teils  aus  Baumwolle  besteht  und  auf  einfarbigem  Grunde  kleine 
bunte  Muster  zeigt. 

Strasses  heisst  die  gewöhnliche  Florettseide,  welche  zu  Westenzeugen 
und  anderen  Geweben  verwendet  wird. 

Straussberg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Potsdam:  Fabrikation  von 
groben  Tuchen,  Federplüsch,  Kammgarnstoffen,  Flanell  und  Teppichen. 

Strazza  (vom  ital.  straccia),  die  Abfälle  beim  Mulinieren  der  Bohseide 
und  bei  der  Bearbeitung  der  Florettseide. 

Strazzen,  s.  v.  w.  Lumpen,  Hadern. 

Strecken,  in  der  Spinnerei  die  Fasern  recken  und  parallel  legen. 

Strehlen,  Kreisstadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  bedeutende  Weberei 
als  Hausindustrie. 

Streichbaum,  am  Webstuhl  eine  unbeAvegliche  vierkantige  Latte,  über 
welche  das  gewebte  Zeug  von  dem  Brustbaum  auf  den  Zeugbaum  geht;  oder 
an  kurzen  Webstühlen  ein  unbeweglicher  senkrechter  Baum  unter  oder  über 
dem  Kettenbaum,  von  dem  kommend  die  Kette  sich  um  den  Streichbaum  fast 
rechtwinkelig  nach  dem  Brustbaum  wendet. 

Streichgarn,   s.  Wollengarne. 

Streichgarnspinnerei.  Die  Herstellung  des  Streichgarnes,  d.  h.  des 
Gespinstes  aus  Streichwolle,  erfordert  einige  Yorbereitungsarbeiten,  welche 
wesentlich  in  dem  Waschen  der  Wolle,  dem  Färben,  der  Ausscheidung  etwa 
anhängender  Kletten,  dem  Auflockern  durch  den  sogen.  Wolf  und  dem  Ein- 
fetten bestehen;  die  unmittelbare  Yorbereitung  zum  Spinnen  wird  aber  durch 
das  Krempeln  oder  Streichen  gleich  dergestalt  bewirkt,  dass  die  letzte  Krempel 
auch  das  Yorgarn  bildet,  woran  sich  unmittelbar  das  Feinspinnen  reiht.  Die 
St.  hat  in  neuerer  Zeit  für  fast  alle  Faserstoffe  Anwendung  gefunden,  so  für 
alle  Schafwollsorten,  für  Baumwolle,  Tierhaare  verschiedenster  Art,  für  Abfälle 
der  Kammgarn-,  Baumwoll-,  Hanf-,  Flachs-  und  Seidenspinnerei,  für  durch  Auf- 
lösen von  Lumpen  und  Fäden  wiedergewonnener  Kunstwolle,  für  Asbest  u.  s.  w. 
Der  Unterschied  des  Streichgarnspinnverfahrens  gegenüber  den  unter  sich 
ziemlich  gleichartigen  Spinnverfahren  (s.  Spinnen)  der  Kammgarn-  und  Baum- 


Streichköper — Strickerei.  549 


Wollspinnerei  besteht  darin,  dass  die  besonderen  Maschinengattungen  für 
Strecken  und  Doppeln  und  für  Yorspinnen  in  Wegfall  kommen.  (Vgl.  Otto 
Luegers  Lexikon  der  gesamten  Technik  u.  s.  w.  Bd.  7,  S.  561  und  die  dazu 
angegebene  vielseitige  Literatur.) 

Streichköper  nennt  man  häufig  den  Cassinet,  dessen  Schuss  aus  Yigogne- 
garn  besteht ,  wodurch  dieser  ein  feineres ,  glatteres  Aussehen  und  einen 
weicheren  Grrifif  erhält. 

Streichriegel,  Vorrichtung  am  Webstuhl  zwischen  dem  Brust-  und 
Warenbaum,  über  welchen  die  fertige  Ware  geht. 

Streichserge,  Strichserge,  ein  geköperter,  tuchartiger  Wollenstoff,  eine 
der  Hauptarten  aller  S.-stoffe,  deren  Kette  aus  Kammgarn,  der  Schuss  aus 
Streichgarn  besteht.  Er  wird  nach  dem  Färben  am  Rahmen  mit  der  Bürste 
stark  gestrichen. 

Streichwolle,  s.  Wolle. 

Strepsikeroswolle,  Schafwolle  von  der  Insel  Gandia,  länger  aber  gröber- 
als  die  unserige. 

Streublumen ,  kleine  Blumen  und  Blätter,  welche  regelmässig  oder  un- 
regelmässig über  eine  Fläche  ausgestreut  sind,  sie  sind  als  Stoffmuster  der 
Spätrenaissance  in  Italien  beliebt  (s.  a.  Semees  und  Streumuster). 

Streumuster  (franz.:  dessin  de  jeter;  engl.:  aspersed  pattern),  ein 
solches  Muster,  welches  auf  freiem  Grund  einzelne  Figuren,  namentlich  Blumen, 
Sterne  oder  dergl.  in  Abständen  —  ohne  Zusammenhang  untereinander  — 
enthält.  St.  aus  Blumensträussen  (Eichenzweigweik  und  Nelken)  werden  im 
17.  Jahrh.  für  die  sogen,  spanische  Tracht  gebräuchlich  (s.  E,enaissance  und 
Abbildungen  auf  Tafel  V) ;  Muster  im  gleichen  Sinne,  dazwischen  mit  kleinen 
Tieren,  erscheinen  in  Italien  schon  einmal  am  Anfange  des  15.  Jahrhdts. 
(vgl.  Abb.  12  auf  Tafel  LEI). 

Strichstich,  s.  Holbeinstich. 

Strickerei  (franz.:  tricotage,  estame;  engl.:  knitting;  ital. :  far  lavori 
a  magli,  far  calze ;  span. :  hazer  media) ;  Nadelarbeit,  bestehend  in  dem  Flechten 
oder  in  der  künstlichen  Verschlingung  eines  einzigen  Fadens  in  Maschen  ohne 
Knoten,  wodurch  die  Arbeit  das  Ansehen  eines  gewebten  Stoffes  erhält,  dessen 
Faden  sich  aber  wieder  aufziehen  oder  auffädeln  und  von  Neuem  bearbeiten 
lässt,  der  sich  auch,  ohne  zu  zerreissen,  ausdehnt  und  sich  wieder  zusammen- 
zieht. Das  Stricken  wurde  um  1550  erfunden;  es  wird  berichtet,  dass  Hein- 
rich VIII.  von  England  um  1547  ein  Paar  „Tricots"  aus  Spanien  bekommen 
habe;  in  Frankreich  erschien  Heinrich  IL  zuerst  1559  in  Tricots;  William 
ßider  war  1564  der  erste  Stricker  in  England.  1589  hatte  William  Lee  in 
Cambridge  den  Strumpfstrickstuhl  (s.  Wirkerei)  erfunden,  musste  aber  vor 
den  Handstrickern  nach  Frankreich  fliehen,  wo  er  sich  zu  Houen  niederliess 
und  dort  mehrere  Jahre  mit  Glück  arbeitete,  starb  aber  zu  Paris  in  einer  sehr 
dürftigen  Lage.  Zwei  seiner  Leute  blieben  in  Frankreich,  die  übrigen  kehrten 
nach  England  zurück,  um  den  ersten  Grund  zur  Strumpfwirkerei  zu  legen, 
welche  lange  Zeit  dort  allein  heimisch  war.  Im  Jahre  1614  Hess  der  veue- 
tianische  Gesandte  heimlich  den  ersten  Stuhl  nebst  Arbeitern  nach  Venedig 
schaffen  und  1664  wurde  die  erste  Strumpfmanufaktur  auf  einem  Schlosse  im 
Gehölze  von  Boulogne,  nahe  bei  Paris  errichtet.  Nach  Deutschland  wurde 
(zuerst  in  Sachsen)  der  Strumpfwirkstuhl  durch  David  Esche  von  Limbach  zu 
Anfang  des  18.  Jahrh.  eingeführt.  Die  Strickerei  besteht  aus  Schlingen,  auch 
Maschen  genannt,  die  mittels  Fadens  und  zweier  Nadeln  gebildet  werden. 
Zur  Ausführung  kreis-  oder  zylinderförmiger  Gegenstände  nimmt  man  4  oder 
5  Nadeln.  Mit  einer  auf  linker  Handnadel  durch  Knüpfen  dargestellten  Masche 
wird  durch  die  in  Jer  rechten  Hand  befindlichen  Nadel  eine  neue  Masche  ge- 
bildet und  von  einer  zur  andern  Nadel  abgehoben.  Man  nennt  „Maschen 
anlegen"  oder  „anschlagen"  das  Bilden  der  Grundmaschen,  auf  welchen  die 
Arbeit  dann  ausgeführt  wird.  Der  Faden  wird  in  Deutscialand  hierbei  über 
die  linke  Hand  gelegt  und  zwischen  dem  fünften  und  vierten  Finger,  von  aussen 
nach  der  inneren  Hand,    zwischen    dem   vierten   und   dritten  Finger,    aus  und 


550  Strickgarn — Strümpfe. 


zweimal  um  den  kleinen  Finger  laufen  gelassen.  In  Frankreich,  England  und 
Italien  läuft  der  Faden  einfach  über  die  linke  Hand.  Es  gibt  vier  Arten, 
die  Maschen  anzuschlagen:  der  Kreuzanschlag  auf  viererlei  Weise,  das  Auf- 
stricken, das  Aufschleifen  auf  zweierlei  Weise  und  den  Oehrenanschlag.  Durch 
viele  Fadenverschlingungen  entstehen  auch  verschiedene  Maschen :  d.  h.  glatte 
oder  rechte  Maschen,  wonach  man  von  Glattstricken  und  E,echtsstricken 
spricht,  verkehrte  oder  linke  Maschen,  womit  Krausstrickerei  oder  Links- 
strickerei ausgeführt  wird.  Das  Abwechseln  beider  Verfahren  heisst 
Verdrehen.  Durch  Hohlmaschen  werden  Löcher  in  festgestrickten 
Flächen  beim  Musterstricken  gebildet,  sie  entstehen,  indem  dqr  Faden  über 
die  Nadel  gelegt  und  die  so  entstandene  Schlinge  bei  der  nächsten  E-eihe  als 
Masche  abgestrickt  wird.  In  Verbindung  mit  anderen  Maschen  werden  auch 
Knötchen  oder  Knöpfchen maschen  gebildet,  die  wie  Schnürmuster  auf- 
liegen. Kettenmaschen  werden  am  E,ande  solcher  Arbeiten  angeblendet, 
die  man  streifenweise  ausführt:  sie  bilden  eine  Kette,  welche  den  Kanten  der 
Strickerei  mehr  Festigkeit  und  Gleichheit  gibt;  auch  werden  sie  zum  Zwecke 
des  leichteren  Auffassens  der  Endmaschen  gemacht.  Eine  Masche  von  der 
linken  Nadel  auf  die  rechte  gleiten  lassen,  ohne  sie  abzustricken,  heisst  ab- 
heben; je  nach  dem  Zusammenfassen  der  Maschen  spricht  man  von  glatt, 
verkehrt,  glatt  verkehrt  oder  verkehrt  v e r d r e h t  abnehmen.  Unter 
Zunehmen  für  Erweiterung  eines  Strumpfes  versteht  man  das  Fassen  nur 
einer  Masche  und  das  Anknüpfen  mehrerer  daran;  ebenso  gehören  das  Auf- 
nehmen oder  Maschen  fallen  lassen  zur  Strickweise  für  Strümpfe. 
Das  Ausbessern  einer  Strickerei  geschieht  durch  Stopfen  (s.  d.) ;  ist  ein 
Teil  der  Strickerei  durch  neue  zu  ersetzen,  so  werden  die  Maschen  des  neuen 
Stückes  mit  jenen  des  alten  mit  der  Nähnadel  und  dem  Faden  der  Strickerei 
verbunden :  man  bezeichnet  dies  Verfahren  als  das  Anmaschen.  Zum  Stricken 
grosser,  sich  nicht  schliessender  Stücke  sind  auch  50  cm  lange  Nadeln  im 
Gebrauch,  welche  an  einem  Ende  in  einen  Knopf  auslaufen,  um  das  Hinab- 
gleiten der  Maschen  zu  verhindern.  Bei  Benützung  von  Bahmen  werden  durch 
solches  Handstricken  selbst  grosse,  breite  und  lange  Decken  angefertigt;  die 
Strumpfstricker  bedienten  sich  auch  eines  Strumpfbrettes.  Im  Anfang  des 
19.  Jahrhdts.  waren  gestrickte  Spitzen  sehr  modern.  Vgl.  Dillmont, 
Encyklopädie  der  weibl.  Handarbeiten,  S.  229 — 286 ;  August  Demmin, 
Die  Wirk-  und  Webekunst,  Wiesbaden,  S.  143 — 148 ;  Georgens,  Das  Stricken, 
Leipzig  1882 — 85 ;  Obermayer-Wallner,  Die  Technik  der  Kunststrickerei, 
Wien  1896. 

Strickgarn ,  Strickzwirn ,  nennt  man  die  zum  Stricken  verwendeten, 
mehrfädig  zusammengedrehten,  wollenen  und  baumwollenen  Garne,  welche  zu- 
meist mehrere  sächsische  Fabriken  zu  Chemnitz,  Burgstädt,  Penig  u.  s.  w. 
in  vorzüglicher  Güte  liefern. 

Strickkord  ist  ein  wollener  Bockstoff. 

Strickmaschine,  s.  Wirkmaschine. 

Strickstopfe,  s.  Stopfen. 

Strohdünntuch,  seidenes  Gazegewebe,  in  das  einfache  Muster  von  feinen 
Strohstreifen  einbroschiert  sind. 

Stroma  (griech.),  Polster,  Teppich,  Lager;  daher  Stromatik  = 
Teppichwebkunst. 

Stromberg  in  Westfalen,  Flecken  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster:  Leinen- 
und  Baumwollweberei,  Bandfabrikation. 

Strond,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Gloucester :  bedeutende  Fabrikation 
von  Tuch,  Kasemir  und  Garn;  Wollspinnerei,  Scharlachfärberei  und  Walk- 
mühlen. 

Strümpfe  (franz.:  bas;  bonneterie  =  Strumpfwaren;  engl.:  stockings, 
hose;  span. :  medias);  bereits  im  Altertum  bekannte  Fussbekleidung,  welche 
im  Mittelalter  bei  den  Bömern  bis  über  die  Schenkel  reicht;  im  13.  Jahrh. 
wurden  sie  zu  Hosen  vereinigt,  im  16.  Jahrh.  aber  Avieder  am  Knie  von  den- 
selben   getrennt.     Für    die    Frauentracht  sind  die  St.  gleichzeitig  gebräuchlich. 


Strumpfwaren — Sukkerdon.  551 


Anfangs  genäht,  seit  dem  7.  Jahrh.  auch  schon  gewebt,  später  gestrickt  (s. 
Strickerei).  Seidene  St.  kommen  im  16.  Jahrh.  auf;  Königin  Elisabeth  von 
England  widmete  der  Strumpfwirkerei  grosse  Aufmerksamkeit. 

Strumpfwaren,  s.  Wirkwaren. 

Strusi  (ital.),  (franz.:  frisons),  Seidenabfälle,  welche  beim  Haspeln  ge- 
wonnen werden;  man  unterscheidet:  st.  ä  feu  und  st.  ä  vapeur  (bessere 
Gattung),  je  nachdem  die  Haspelbecken  mit  direktem  Feuer  oder  mit  Dampf 
geheizt  werden. 

Strussa,  Watte,  welche  beim  Zerreisen  der  Doppelkokons  gewonnen  und 
zur  Florettindustrie  verwertet  wird. 

Stückkette,  bei  gazeartigen  Greweben  die  Gesamtheit  der  Kettenfäden, 
welche  immer  im  Oberfach  bleiben. 

Stuhl,  s.  Webstuhl. 

Stuhlmatt,  früher  ein  für  Stuhlüberzüge  gefertigtes  Leinengewebe  mit 
Würfeln  von  farbiger  Baumwolle. 

Stuhlmühle,  ein  durch  mechanische  Kraft  getriebener  Webstuhl,  wie  die 
Bandmühle. 

Stuhlweissenburg,  Stadt  in  Ungarn:  die  Einwohner  fertigen  Tuch, 
Flanell  und  Kattun. 

Stumba,  s.  Seide. 

Stumpen  ist  Seidenwerg  (ital.:  pettenuzzi  stumba),  der  beim  Kämmen 
der  verschiedenen  Florettseiden  in  den  Werkzeugen  zurückgeblieben. 

Stuttgart,  Haupt-  und  B,esidenzstadt  des  Königreichs  Württemberg: 
Trikotweberei.  Als  Abteilung  der  Königl.  Württ.  Zentralstelle  für  Gewerbe 
und  Handel  das  Landesgewerbemuseum,  gegründet  1849,  darin  eine 
neuerdings  umgeordnete  grosse  Stoffsammlung,  enthaltend:  koptische  Gräber- 
funde, Gewebe,  Stickereien,  Spitzen,  Zeugdrucke  u.  s.  w.  aller  Zeiten  und 
Völker.  Auch  auf  die  Neuzeit  ist  der  Inhalt  der  Sammlung  ausgedehnt.  Li 
Sammelbänden  werden  285  000  Musterproben  der  seit  1849  in  Paris  u.  s.  w. 
erzeugten  Gewebe  aufbewahrt.  Von  chinesischen  und  japanischen  Geweben 
und  Stickereien  besitzt  das  Museum  die  grösste  Sammlung  in  einem  Vermächtnis 
und  Ankäufen  durch  Prof.  Bältz.  Ein  Führer  durch  die  Stoffsammlung  ist 
in  Vorbereitung. 

Styl,  s.  Stil. 

Stybolines,  aus  Wollen-  und  Leinengarn  bereitete  Filztuche,  werden 
zumeist  in  Frankreich  gefertigt  und  statt  der  Leder  als  Krempelbeläge  benutzt. 

Subserica  (Stamoserica),  frühmittelalterliche  Stoffe,  welche  seidene  Kette 
und  leinenen  und  baumwollenen  Einschlag  enthalten.  Der  Gebrauch  derselben 
war  nach  der  Aussage  von  Amurianus  Marcelinus  ihres  bedeutend  billigen 
Preises  wegen  ein  sehr  ausgedehnter. 

Subucula  (lat.),  die  untere  der  beiden  Tuniken  (tunica  intima),  auch  die 
Tuniceila  der  liturgischen  Gewänder. 

Süchteln,  Stadt  im  preuss.  B.eg.-Bez.  Düsseldorf:  Sammet Weberei,  zwei 
Sammet-  und  Sammetbandfabriken,  je  zwei  Seidenfärbereien,  Zeugdruckereien 
und  Appreturanstalten. 

Sudanstoffe,  die  aus  Zentralafrika  kommenden  mit  Indigo  gefärbten 
Baumwollstoffe,  die  sorgfältig  bearbeitet  werden  und  ein  stark  begehrter  Artikel 
sind;  sie  kommen  auf  die  Märkte  von  Marokko. 

Südslawische  Stickereien,  s.  Volkskunst. 

Sujewö-Orjechowo,  zwei  einander  gegenüberliegende  Fabrikdörfer,  das 
eine  im  russ.  Gouvernement  Moskau,  das  andere  im  Gouv.  Wladimir:  sie 
bilden  den  Mittelpunkt  des  sogen.  Sujewschen  Fabrikbezirks,  wo  sich  zahlreiche 
Fabriken  befinden,  darunter  die  Nikolsche  Baumwollmanufaktur  mit  9  Mill. 
Bubel  Umsatz  und  18  000  Arbeitern,  ferner  die  Ponceauf ärberei  der  Bogorod- 
sko-Gluchowschen  Manufaktur  mit  5.  Mill.  Eubel  Produktion  und  10  400  Ar- 
beitern, 4  Seidenwebereien  u.  a.  Daneben  hat  sich  bedeutende  Hausweberei 
entwickelt:  in  Sujewö  allein  werden  400  Betriebe  mit  4200  Webstühlen  gezählt. 

Sukkerdon  sind  ostindische  Musseline. 


552  Sultanabad — Suzeni. 


Sultanabad,  Stadt  in  der  pers.  Provinz  Irak  Adschmi:  Schaf-  und 
Ziegenzucht,  Teppichfabrikation;  besonders  werden  geknüpfte  Seidenteppiche 
mit  baumwollenem  Einschlag  hergestellt. 

Sulz,  auch  Ober-Sulz,  Stadt  im  Bezirk  Oberelsass:  Baumwoll-  und  Seiden- 
spinnerei ;  Seidenbandweberei. 

Sulzmatt,  Dorf  im  Bezirk  Oberelsass :  Baumwollspinnerei  und  -Weberei ; 
Seidenspinnerei. 

Sumakhteppiche  jeder  Art  sind  broschierte  Grewebe,  bei  welchen  die 
Schussenden  entweder  kurz  am  Gewebe  auf  der  Bückseite  abgeschnitten  sind 
oder  lose  auf  letzteren  hängen.  Es  gibt  zwei  Arten  von  S,,  die  in  Daghestan 
gearbeitet  werden:  die  feinere  Sorte  in  Derbent,  die  gröbere  in  dem  Orte 
Küre.  Der  Grund  der  S. ,  wozu  die  Yerne-  und  Sileteppiche  gehören, 
ist  am  häufigsten  ziegelrot,  seltener  dunkelblau,  das  Muster  gewöhnlich  geo- 
metrisch (s.  Teppiche). 

Sunnhanf  (Sunn,  ostind.  Hanf,  engl.;  sunn  hemp,  janapan)  ist  eine  der 
Jute  ähnliche  Spinnfaser,  welche  von  der  ostindischen,  zu  den  Hülsenfrüchtlern 
gehörigen  Pflanze,  Crotalaria  juncea  (binsenähnliche  Klapperhülse),  gewonnen, 
auch  auf  Java  und  Borneo  kultiviert  wird.  Die  Faser  ist  blassgelblich  und 
zeigt  einen  lebhaften,  doch  etwas  schwächeren  Glanz  als  Jute,  ist  etwa  500  mm 
lang,  besitzt  geringere  Festigkeit  als  Hanf,  aber  grössere  als  Jute. 

Superfin  broad  Cloths,  ein  breites,  feines,  starkes  Tuch,  wird  in  den 
englischen  und  französischen  Fabriken  für  den  Export  .nach  China  gefertigt. 

Surahs  sind  einfache  Taffete  aus  Indien,  die  in  Europa  durch  Färben 
und  Bedrucken  veredelt  werden. 

Surate,  Baumwollsorte  aus  Ostindien,  weiss  ins  Graugelbe,  matt,  ziemlich 
kräftig  im  Faden. 

Suraf  sehe  Atlasse,  s.  v.  w.  Cotonis  (s.  d.). 

Suraf  sehe  Taffete,  s.  v.  w.  Aladjas  (s.  d.). 

Sureot  (franz.),  auch  Sorcos,  Sorquaine,  Sobrecot,  ein  Ueberkleid  des 
Mittelalters  für  beide  Geschlechter. 

Surepaehs  oder  Surbands  sind  ostindische  Musseline. 

Sürfilieren  (Zweimalspinnen),  wird  in  der  Streichgarnspinnerei  angewendet, 
um  aus  grobem  Yorgarn  höhere  Nummern  zu  spinnen,  falls  für  einmaliges 
Spinnen  der  Verzug  zu  hoch  wird.  Dabei  wird  so  verfahren,  dass  das  Garn 
auf  der  ersten  Maschine  Bechtsdraht  erhält,  wenn  es  auf  der  zweiten  links 
gesponnen  wird,  und  umgekehrt. 

Surinam,  Baumwollsorte  aus  Guyana,  weiss  ins  Gelbliche,  glänzend, 
ziemlich  kräftig  im  Faden. 

Surtout  (franz.),  Ueberrock,  Ueberzieher. 

SÜS,  persische  Seidenmanufaktur,  welche  im  Mittelalter  durch  Atlas  und 
Sammet  berühmt  war. 

Süsa  in  Tunis  lieferte  im  Mittelalter  sehr  zarte  und  kostbare  Seiden- 
zeuge. 

Susandsehird,  ein  zu  Anfang  der  80er  Jahre  des  19.  Jahrh.  vom  Kauf- 
mann Graf  in  Wien  erworbener  seidener  Knüpfteppich,  der  dadurch  berühmt 
ward,  dass  ihn  Prof.  Karabacek  für  mittelalterlich  hielt.  Die  Wiener  Aus- 
stellung von  Teppichen  im  Jahre  1891  brachte  indessen  mehrere  solcher  Stücke 
jüngeren  Datums,  wodurch  jene  Datierung  erschüttert  wurde.  (Vgl.  Dr.  Joseph 
Karabacek,  Die  persische  Nadelmalerei  Susandsehird,  Leipzig  1881 ;  Biegl, 
Altorientalische  Teppiche,  Leipzig  1891,  S.  84  ff.) 

Susees,  leinwandartige,  leichte  Seidenzeuge  aus  Bengalen. 

Susjes,  s.  Soesjes. 

Su-tsehou,  Su-tschau,  Hauptstadt  der  chines.  Prov.  Kiang-su:  die  Be- 
wohner zeichnen  sich  von  alters  her  durch  ihren  Gewerbefleiss,  Erzeugung  und 
Färben  von  Seiden-  und  anderen  Zeugen  aus. 

Sutton-in-Ashfield,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Nottingham:  Baum- 
wollindustrie und  Spitzenklöppelei. 

Suzeni  (pers.:    Nadelwerk),   Stickerei,    bei  welcher  die  Fäden  von  Gold, 


Svila— Ta-jong.  553 


Seide  u.  s.  w.  nicht  selbst  durch  den  Stoff  durchgezogen,  sondern,  ähnlich  wie 
Litzen,  mit  feinen  Stichen  aufgenäht  werden. 

Svila  =  Seide  (von  svivat  =  winden,  abgeleitet),  ein  alter,  im  Mittel- 
alter weit  verbreiteter,  noch  jetzt  im  Serbischen  üblicher  und  durchaus  un- 
verfälschter Ausdruck. 

Swandowns  sind  gemusterte  englische  Westenzeuge.  Köper-S.,  eine  be- 
sondere Art  Barchent  mit  vierfädigem  beidrechtem  Köper. 

Swanskin  (engl.),  eine  Art  Flanell. 

Symmetrisch  ist  ein  Stoffmuster,  dessen  beide  Hälften  übereinstimmen, 
wenn  man  es  durch  eine  Senkrechte  im  Augenpunkt  geteilt  denkt. 

Syndonus  war  im  Mittelalter  die  vorzüglichste  Grattung  des  Cendals 
(s.  d.),  wahrscheinlich  indischer  Herkunft,  wogegen  dieser  Ausdruck  nach 
Anderen  nicht  ein  bestimmtes  Textil,  sondern  ohne  Unterschied  mantelartige 
Kleidungsstücke  bezeichnete. 

Syräf,  im  7.  und  8.  Jahrh.  eine  vielbesuchte  Stätte  für  Seidenverkehr 
an  der  Westküste  Indiens. 


Tabis,  Tabin,  Tabinet  heissen  moirierte  Zeuge;  später  verstand  man 
darunter  zwei  verschiedene  Arten  von  Geweben:  1)  einen  glatten,  dünnen  ge- 
wässerten Taffet  zu  Futter,  Vorhängen  u.  dgl.  2)  halbseidene,  gewässerte 
Kamelotts  oder  englische  Tabins. 

Tabor,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollwarenfabrikation ,  Tuchmanufaktur 
und  Kunststickerei;   Streichgarnspinnerei. 

Tabourets,  Taborets,  veralteter  buntgemusterter,  glänzender  Wollen- 
stoff zu  Möbelbezügen;  auch  in  manchen  Gegenden  heut  zu  Röcken  für  Bauern- 
frauen verwendet. 

TäbriS  (Tebris,  Täbriz  oder  Tauris),  Hauptstadt  der  pers.  Provinz 
Azerbeidschan:  bedeutende  Baumwollweberei,  Seidenwirkerei,  Färberei  und 
Druckerei.     T.  war  während  der  Kreuzzüge  Hauptsitz  der  Seidenindustrie. 

Tafeldruck,  Zeugdruck  mit  hölzernen  Formen  und  mit  bereits  fertigen 
(also  nicht  erst  durch  einen  chemischen  Prozess  hervorgerufenen)  Farben. 

Tafelseide,  Organsinseide  aus  vier  bis  fünf  Fäden. 

Tafetan  heisst  im  Spanischen  der  Taffet. 

Taffet,  Tafft  (im  17.  Jahrh.  Daffat,  im  18.  Taffent;  franz.:  taffetas,  vom 
ital.  taffetä,  das  wieder  aus  dem  pers.  tafteh  entstanden;  engl.:  taffeta;  lat. : 
taffata);  glatter  auf  Leinwandart  gewebter  Seidenstoff,  zu  welchem  nur  die 
feineren  Gattungen  der  Seide  verwendet  werden,  und  welcher  bald  leichter, 
bald  schwerer  oder  dichter,  je  nachdem  er  mehr  oder  weniger  feinere  oder 
stärkere  Kettenfäden  enthält,  in  grosser  Verschiedenheit  in  den  Handel  kommt. 
Die  schweren  T.  mit  zweifädiger  Kette  und  zwei-  bis  zehnfädigem  Einschlag 
heissen  Gros;  Marcellin  oder  Doppelt  äffet  steht  im  Aussehen  und  in 
der  Schwere  zwischen  Gros  und  eigentlichem  Taffet.  Futter  taffet,  Florence 
und  Milflorence  oder  auch  Halbflorence,  letzterer  mit  seidener  Kette  und 
baumwollenem  Einschlag,  sind  leichtere  Taffetarten.  Ein  leichter,  aus  Florett- 
seide hergestellter  T.  heisst  Faille. 

Taffetgrund  heisst  der  leinwandartige  Grund  bei  geblümten  Seidengeweben. 

Taffetspiegel,  glänzende  Streifen  mit  Kette  von  Organ sinseide  in  Gaze- 
geweben. 

Taillure  (franz.),  Stickerei  auf  Besätzen;  Applikation. 

Ta-jong  ist  Tuch  für  China. 


554  Takata-Tanta. 


Takata,  Stadt  auf  der  Japan.  Insel  Nipon  (Hondo):  bedeutende  Baum- 
wollweberei. 

Talanche,  grober  und  gewöhnlicher  Stoff  aus  hänfenem  oder  flächsenem 
Garn  und  gewöhnlicher  Schafwolle,  glatt  oder  farbig  gestreift,  in  Frankreich 
zur  Kleidung  für  die  ärmeren  Volksklassen. 

Talar,  (lat.  talaris),  eine  lange  Tunika  der  spät-röm.  Zeit;  dann  das 
Privatkleid  der  kath.  und  das  Amtskleid  der  prot.  Geistlichkeit. 

Talavera  de  la  Reina  (lat.  Talabriga),  Bezirksstadt  in  der  span.  Provinz 
Toledo  in  Neukastilien :  früher  berühmt  wegen  seiner  heute  fast  verschwundenen 
Seidenweberei;  jetzt  Herstellung  von  Tuch,  Hüten  u.  s.  w. 

Taled,  Taledot  heisst  man  die  weissen  Tücher  aus  feiner  gekämmter 
Wolle,  mit  einer  blauen  Kante,  welche  die  Juden  beim  Gebet  über  den  Kopf 
schlagen;  die  gesuchtesten  waren  früher  die,  welche  in  Tunis  verfertigt  und 
über  Livorno  nach  Europa  gebracht  wurden. 

Ta-li-tan  oder  Hai-mian,  chinesische  baumwollene  Teppiche  mit  aus- 
genähtem E,and,  welche  den  Chinesen  als  Bettdecken  dienen  und  in  der  Provinz 
Kouang-tong  gewebt  werden. 

Tama-ito  (aus  dem  Japanischen),  Bezeichnung  für  ein  polsterähnliches 
aus  durchbrochenen  Doppelkokons  hergestelltes  Material  für  die  Florettindustrie. 

Tamarix  Germanica,  die  deutsche  Tamariske:  Ersatzmittel  für  Baumwolle. 

Tambourierarbeiten  werden  mit  der  Tambouriernadel,  einem  Häkchen, 
feiner  Häkelnadel  (franz.:  crochet,  engl.:  hook)  gestickt.  Das  T.  ist  eine  Art 
des  Kettenstichs,  der  durch  ineinandergreifende  Schlingen  gebildet  wird;  man 
stellt  ihn  auch  durch  Maschinen  her.  Eine  ausgedehnte  künstlerische  Ver- 
wertung findet  die  T.  im  Orient  (s.  orientalische  Stoffe  und  Stickereien),  wo- 
selbst grosse  Decken  in  einfarbiger  Seide  mit  breit  angelegten  Flächenmustern 
gefüllt  werden  (Abb.  220).  In  Deutschland  und  England  war  die  T.  schon 
im  Mittelalter  für  grosse  kirchliche  Stickereien  auf  Leinwand  gebräuchlich: 
s.  opus  anglicum. 

Tamettes,  ostindische  baumwollene  Schnupftücher. 

Tamis,  Tammys,  (franz.:  Damy),  Wollenstoff  in  Leinwandbindung,  der 
sich  von  Etamin  nur  durch  die  Appretur  unterscheidet;  er  führt  den  Namen, 
weil  er  früher  zu  Siebböden  diente. 

Tamise  (Temsche),  Marktflecken  in  der  belg.  Prov.  Ostflandern:  Flachs- 
und Baumwollspinnerei,  Kattundruckerei,  Leinwandbleichen,  Fabrikation  von 
Segeltuch. 

TammagUSta,  Hauptsitz  der  Seidenindustrie  während  der  Kreuzzüge. 

Tämmerfors  (Ann. :  Tampere),  Stadt  im  Ann.  Län  Tawastehus :  zahlreiche 
Fabriken,  darunter  BaumwoU-  und  Leinenspinnerei  und  -Weberei,  Tuchfabriken. 
T.  ist  die  bedeutendste  Fabrikstadt  Finnlands. 

Tamworth,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Stafford:  Tuchweberei  und 
Baumwollspinnerei. 

Tananariva,  Hauptstadt  der  Insel  Madagaskar:  Fabrikation  gesuchter 
Teppiche  von  Seide  und  Baumwolle  und  wasserdichter  Zeuge. 

Tandems  Messen  früher  schlesische  und  böhmische  weissgebleichte  Leinen 
von  mittlerer  Feinheit. 

Tandschur  (engl.:  Tanjore),  Hauptstadt  der  indobrit.  Präsidentschaft 
Madras:  Seiden-,  Musselin-  und  Kattunweberei. 

Tang,  ostindischer  Musselin  aus  Bengalen. 

Tanjebs,  Tansjebs,  Tangebs,  ostindische  Sorten  gewöhnlicher,  mittelfeiner 
und  feiner  Musseline,  glatt,  gestickt  und  mit  goldenen  Leistenbändern. 

Tann  an  der  Phon,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Kassel:  Fabrikation  von 
Leinen-,  Woll-,  Baumwoll-  und  Plüschwaren. 

Tannhausen,  Dorf  im  preuss.  Peg.-Bez.  Breslau:  grosse  Baumwollwaren- 
fabrik.  Bleichen. 

Tannwald,  Stadt  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Gablonz  in 
Böhmen :  Baumwollspinnerei  und  -Weberei. 

Tanta,  Hauptstadt  der    Prov.  Garbie  in  Unterägypten:    der  Umsatz  um 


Tapalos — Tarlatan.  555 


fasst  u.  a.  Seidentüclaer,  Stickereien  und  Mützen,  welche  von  den  WallMirern 
als  Erinnerung  gekauft  werden ,  während  die  Manchestergüter ,  welche  früher 
die  wichtigste  Rolle  hier  spielten,  fast  ganz  unberücksichtigt  bleiben. 

Tapalos  sind  im  mexikanischen  Handel  englische  und  französische  Shawls 
in  bunten  Farben. 

Tapestry  (engl.),  gewirkte  Tapete,  eine  Art  Teppich  (s.  d.). 

Tapete  (griech.:  tapes,  tapeta;  lat. :  tapes,  tapetia,  tapecius,  tapicium, 
tapesium;  pers.:  tanbese,  tabeste;  arab.:  thanfise;  ital. :  tappeto;  franz.:  tapis; 
engl.:  tapet),  Decke  zum  Ueberbreiten,  Behang  oder  Bekleidung  der  Wände, 
bestand  schon  im  Altertum  aus  gewebten  oder  gewirkten  Stoffen:  die  Stein- 
platten der  assyrischen  Tempel  (s.  Assyrien  und  Babylon)  geben  Beweis  dafür, 
wie  solche  Wandbekleidungen  in  den  Steinstil  umgesetzt  wurden.  Griechen 
und  Römer  übernahmen  die  Sitte  von  den  Asiaten,  in  Byzanz  und  im  Abend- 
lande erhielt  sie  sich,  durch  den  Handelsverkehr  mit  den  Arabern  immer  neu 
aufgefrischt  für  Kirchen  und  Paläste.  (Vgh  Bildwirkerei,  Wandteppiche, 
Rukkelaken,  Tapisserie.)  Neben  den  aus  Wolle  oder  Seide  oder  beiden,  auch 
mit  Grold  und  Silber  gewirkten  oder  gestickten  Tapeten  erhielten  sich  die  auf 
Leinwand  oder  Seide  gemalten,  für  welche  der  Greschmack  wieder  allgemeiner 
wurde,  als  man  in  Europa  dergleichen  chinesische  Arbeiten  kennen  lernte. 
(Ygl.  die  Seiden-  und  Sammetgewebe  in  den  einzelnen  Artikeln  über  die 
Stilarten.) 

Tapiau,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Königsberg:  in  der  Besserungsanstalt 
werden  Decken,  grobes  Tuch  (Want),  Baumwollzeuge  (Nessel),  Strohmatten  und 
Fischernetze  angefertigt. 

Tapis,  franz.  (lat.:  tapes;  engl.:  tapet),  Teppich,  bes.  Wandteppich  (s.  d.), 
tapis  ä  personnages,  Teppich  mit  eingewirkten  menschlichen  Figuren;  tapis 
sarrasinois,  lat.:  tapisseria  Sarracenorum,  Sarazenenteppich,  mit  orientalischen 
Mustern;  tapis  velu,  rauher  sammetartiger  Teppich,  Fussteppich. 

Tapis  werden  an  einigen  Orten  gewisse  Sorten  bunter  orientalischer 
Tücher  genannt. 

Tapis  fa^on  d'Ecosse,  s.  schottische  Teppiche. 

Tapis  veloutes  haute  lisse,  s.  Savonnerieteppiche. 

Tapisserie  (franz.),  Teppichwirkerei,  Teppichstickerei,  besonders  die 
Kunst  des  Wirkens  von  Teppichen  und  Tapeten  mittels  Handarbeit, 
dann  auch  übertragen  auf  die  Herstellung  solcher  auf  dem  mechanischen 
Webstuhl  (s.  Teppich  und  hierin  Wandteppiche). 

Tapisseriestickerei  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  für  Arbeiten  auf 
Kanevas  in  den  darin  üblichen  Sticharten. 

Tappart,  Tappert  (vom  mittelalt.  tabardum),  im  15.  Jahrh.  ein  Mantel 
aus  grobem  Wollenstoff. 

Tappissendis,  ostindische  Kattune,  gemalt  und  auf  beiden  Seiten  ge- 
druckt, zum  Beschlagen  der  Wände,  zu  Bettdecken,  Hals-  und  Taschentüchern. 

Tapsel  oder  Tapsels  sind  gewöhnliche,  blau  und  bunt  gestreifte  Kattune 
für  den  Negerhandel. 

Taquis  oder  Toiles  ä  taquis  sind  baumwollene  Stoffe  von  Aleppo. 

Taranto  (Tarent),  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Lecce:  Woll-,  Leinen-  und 
Baumwollweberei,  Fabrikation  von  Strumpfwaren  und  Handschuhen. 

Tarantola,  ein  zu  Taranto  im  Königreich  Neapel  gewebtes  blaues  Tuch. 

Tarare,  Stadt  im  franz.  Depart.  Rhone:  ist  Mittelpunkt  eines  wichtigen 
Industriebezirks  mit  über  60  000  Arbeitern  und  berühmt  durch  seine  glatten 
und  gestickten  Musseline  und  Seidenplüsche  für  Hüte ;   Seidenfabrikation. 

Tarares,  in  Frankreich  verschiedene  Arten  guter  Leinwand,  auch  mit 
Baumwolle  gemischt,  besonders  zu  Fenstervorhängen,  aus  der  Stadt  Tarare. 

Tarlatan  (franz.:  tarlatane),  der  leichteste  baumwollene  Kleiderstoff, 
welcher  gazeartig  erscheint,  aber  Leinwand  besitzt.  Er  ist  weiss  oder  ein- 
farbig, liegt  einfach  oder  doppelt  breit  und  dient  meist  zu  Ballkleidern,  doch 
auch  als  Material  zu  Ausputz.  Die  Stoffe  sind  sehr  wohlfeil,  vertragen  aber 
nicht  das  Waschen. 


556  Tarliscetti— Taus. 


Tarliscetti,  auch  Stramazetti,  italienischer  Name  für  die  in  Oberschlesien 
gewebte  bunt  gestreifte  Leinwand. 

Tarnatane,  ursprünglich  ostindische,  sehr  klare  und  dünne  Baumwoll- 
musseline, die  später  in  Europa  nachgemacht  und  unter  dem  Xamen  Tarlatans 
oder  Tirletans  in  den  Handel  kommen. 

Tarne  et  Garonne,  Depart.  in  Südfrankreich:  Seidenspinnereien  und 
-Webereien ;  Leinenweberei. 

Tarnobrzeg,  Marktflecken  in  Galizien:  Leinenweberei. 

Tarnow,  Stadt  in  Österreich.  Galizien:  Damast-  und  Leinenweberei. 

Tarragona,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  span.  Provinz :  Seidenweberei 
und  Garnspinnerei;  Herstellung  von  Blonden  und  Spitzen. 

Tarrasa,  Bezirksstadt  der  span.  Provinz  Barcelona  in  Catalonien:  Tuch-, 
Baumwoll-  und  Wollzeugweberei. 

Tartan,  Tartan-Plaid,  bunt  gewürfelter  Wollenstoff,  auch  mit  baum- 
wollenem oder  seidenem  Einschlag,  der  in  Schottland  gewebt  wird.  Eine  Nach- 
ahmung dieses  Stoffes  sind  die  wollenen  und  baumwollenen  gross  gegitterten 
Merinos  (s.  d.). 

Tartaricus  pannus  (lat.),  (engl.:  tartarium),  im  Mittelalter  schwerer 
Seidenstoff  aus  dem  Orient  (nach  anderen  aus  Tortona  in  Oberitalien);  er  war  in 
Gold  gestreift  und  wurde  in  Italien  und  England  für  kirchliche  Zwecke  verwendet. 

Tartenete  oder  Trina  ist  der  älteste  italienische  Name,  welcher  in  Ur- 
kunden für  Spitzenarten  erscheint;  er  bezeichnet  eigentlich  dort  weniger  die 
Sache  als  den  Zweck,  auf  ähnliche  Weise  wie  man  im  Französischen  den  Namen 
passement  findet. 

Taschentuch,  Schnupftuch,  Sacktuch,  Facilletlein  (franz.:  mouchoir; 
engl. :  pocket  handkerchief ) ;  der  Gebrauch  desselben  kam,  vermutlich  aus 
Italien,  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrh.  auf  und  gab  sehr  bald  zu  grossem 
Luxus  an  Stickereien  Anlass.  Der  Stoff  war  Kammertuch  oder  feiue  Lein- 
wand, gewöhnlich  weiss,  doch  auch  farbig,  mit  Besatz  aus  kostbaren  Spitzen; 
auch  hohle,  durchbrochene  Nähte  fassten  das  T.  ein  und  an  den  Ecken  hingen 
kleine  Quasten;  in  heutiger  Zeit  in  grosser  Mannigfaltigkeit  hergestellt  aus 
Leinen,  Baumwolle  und  Seide,  weiss,  einfarbig,  bunt  gedruckt  und  gemustert. 
Die  weissen  leinenen  und  batistenen  T.  werden  viel  in  Frankreich  (Cambray, 
Valenciennes  u.  s.  w.),  Böhmen,  Westfalen,  Schlesien  und  der  Oberlausitz, 
weisse  baumwollene  aber  im  sächsischen  Yoigtlande,  im  sächs.  Erzgebirge  u.  s.  w. 
gefertigt,  welche  beiden  Gattungen  man  häufig  mit  Stickereien  versieht.  Bunt- 
gedruckte leinene  mit  rotem  Grunde  und  schwarzen  und  weissen  Mustern, 
teils  ganz  von  Leinengarn,  teils  mit  Baumwolle  gemischt,  teils  ganz  von  Baum- 
wolle kommen  meist  aus  Sachsen  und  Böhmen,  während  andere  gedruckte  in 
allen  Kattunfabriken  zu  billigen  Preisen  zu  haben  sind.  Buntgedruckte  seidene 
T.  kommen  aus  Ostindien,  die  in  Elberfeld,  Barmen,  Wien  u.  s.  w.  nach- 
geahmt werden. 

Taugarn,  das  zu  den  schwersten  Seilerarbeiten  benutzte  grobe  Hanf- 
gespinst. 

Taunton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Somerset:  Fabrikation  von  Tuch 
und  Seidenzeugen. 

Taunton,  einer  der  beiden  Hauptorte  des  County  Bristol  im  nordamerik. 
Staate  Massachusetts:  eine  Anzahl  Fabriken  für  Baumwollwaren,  namentlich 
Garne. 

Tauntons  heissen  in  England  die  mittelfeinen  und  gewöhnlichen  Wollen- 
tücher, welche  in  der  Stadt  Taunton  und  Umgebung  gewebt  werden. 

Taurinotuch,  ein  aus  Binder-  und  anderen  Tierhaaren,  mit  Wolle  ver- 
mischt, gewebter  tuchartiger  Stofi",  welcher  in  Amerika  zu  Fussteppichen  und 
auch  zu  Kleidungsstücken  für  Matrosen,  sowie  für  ärmere  Yolksklassen  ver- 
braucht wird. 

Tauröste,  ein  Bö  st  verfahren  bei  der  Flachs-  und  Hanfbereitung. 

Taus,  Stadt  in  Böhmen :  Leinen-  und  Baumwollweberei,  Fabrikation  von 
Bändern,  Zwirn  und  Wirkwaren. 


Tauwerk—  Templin.  557 


Tauwerk,  Taue,  im  Seewesen  alle  Seile,  sie  mögen  stark  oder  schwach, 
von  Hanf,  Manilagras  oder  Draht  gefertigt  sein. 

Taxilit  mazedonische  Banmwollsorte. 

Tazi  heisst  persisch  der  Himd,  welcher  im  Aschkalimuster  des  Knüpf- 
teppichs eine  Rolle  spielt. 

Tbik  (koptisch:  Sperberstadt;  arab.:  Dabik),  Städtchen  in  Aegypten, 
rm  13. . Jahrh.  aber  zum  Dorf  herabgesunken;  einst  berühmt  wegen  seiner  Gre- 
webe  und  Stickereien. 

Tcheuse,  Tscheuze  oder  Tscheutse,  ein  chinesischer  Taffet  von  dichtem 
Gewebe,  weich  und  geschmeidig,  so  dass  er  ohne  Falten  bleibt,  auch  wenn 
man  ihn  noch  so  oft  zusammenlegt  und  mit  den  Händen  reibt  oder  drückt; 
er  lässt  sich  wie  die  Leinwand  waschen  und  wird  deshalb  in  Asien  za  langen 
Beinkleidern,  Unterkleidern  und  Hemden  verbraucht. 

Tearing  gOOds  nennt  man  in  England  die  für  den  Export  nach  Afrika 
bestimmten  flächsenen  und  baumwollenen  Zeuge. 

Tebris,  Stadt  in  Persien,  s.  Täbris. 

Tecong  ist  ein  Negerzeug  von  grobem  Flachsgarn,  das  früher  im  spani- 
schen Mittelamerika  vorkam. 

Teiken  heissen  in  Westfalen  alle  Arten  von  Drillich  oder  Zwillich. 

Teil,  bei  gemusterten  Stoffen  das  Muster  in  seiner  einmaligen  vollen 
Ausdehnung,  Rapport. 

Teiler,  s.  Eiet. 

Teke-Teppiche,  s.  Turkmenen 

Tek-Iplik,  feinster  Smyrnateppich  aus  IJschak. 

Tekko,  eine  seit  1800  eingeführte  Stofftapete,  besteht  aus  einem  mit 
Oelfarbe  überzogenen  und  bedruckten  Baumwollstoff,  dem  durch  Graufrierung 
Seiden-  oder  Damasteffekte  verliehen  werden. 

Tela  (lat.),  Gewebe;  T.  cellulosa,  Bindegewebe;  T.  cornea,  Horngewebe; 
T.  depurata,  gereinigter  Mull. 

Tela  Carolina,  s.  Stösselleinwand. 

Tela  de  lana  (span.),  s.  Circassias. 

Tela  tinta  nennen  die  Italiener  die  leichten  dünnen  Futterleinen,  bunt 
in  verschiedenen  Farben  im  Stück  gefärbt,  welche  aus  Schlesien,  Böhmen  und 
aus  der  Schweiz  kommen. 

Tele  cavalline,  s.  Cavailhos. 

Tele  COrame  (Corame,  Lederleinwand),  in  Böhmen  und  in  der  Lausitz 
(besonders  in  Georgswalde,  Warnsdorf,  ßumburg,  Bautzen,  Zittau,  Löbau, 
Herrnhut)  aus  weissgebleichtem  flächsenen  Garn  fest  und  gedrungen  gewebte 
Leinwand,  welche  dadurch,  dass  zur  Werfte  stärkeres  Garn  genommen  wird, 
sich  von  der  Creas  unterscheidet. 

Tele  d'ArgOvi,  in  Italien  bunt  gedruckte  Leinen  aus  dem  Kanton  Aar- 
gau in  der  Schweiz. 

Tele  di  Colone,  s.  Schwäbische  Leinwand. 

Tele  greggie,  in  Italien  leichte  Leinenstoffe  aus  der  Oberlausitz  und  Böhmen. 

Tele  rigate,  in  Italien  bunte  Leinen  aus  Schlesien  und  Böhmen. 

Telfs,  Dorf  in  der  österr.  Bezirkshauptmannschaft  Innsbruck  in  Tirol: 
grosse  Baumwollspinnerei. 

Telgte,  Stadt  im  preuss.  E.eg.-Bez.  Münster:  Baumwoll-,  Leinen-  und 
Wollweberei. 

Telläro  ist  die  auf  Kreta  übliche  Bezeichnung  des  Hand  web  estuhls  für 
Teppiche. 

Telon,  in  Frankreich  eine  Art  Droguet. 

Teltsch,  Stadt  in  Mähren :  Wollwaren-,  Tuch-  und  Hutfabrikation,  Baum- 
wollweberei und  Färberei. 

Temesvär,  Hauptstadt  des  ungar.  Komitats  Temes :  Fabrikation  von 
Tuch  und  Seidenstoffen. 

Templin,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Potsdam:  Tuch-,  Leinwand-  und 
Baumwollweberei. 


558  Teneriffa- Arbeit — Teppich. 


Teneriffa-Arbeit  Lezeichnet  Frau  von  Reuthe-Fink,  Jena,  die  von 
ihr  erfundene  Technik,  welche  mit  Hilfe  der  Ornamentenspindel  Solspitzen- 
Imitationen  herstellt.  Das  hölzerne  Werkzeug,  wonach  man  auch  von  Spindel- 
guipüre arbeiten  spricht,  ist  ein  auf  Fuss  runder,  drehbarer  Apparat  und 
dient  an  Stelle  des  bisher  gebräuchlichen  Kissens  oder  der  Wachstuchunterlage 
als  Grundform  für  die  über  Nadeln  hin  und  her  zu  leitenden  Fäden  und 
Bänder.  Durch  das  beliebige  Einstecken  der  Nadeln,  die  man  in  den  ver- 
schiedenen Lochkreisen  versetzen  kann,  ist  es  möglich,  auf  einer  Spindel 
Sterne  und  Blütenformen  verschiedener  Grösse  herzustellen.  Die  reichliche 
Auswahl  von  Löchern  ermöglicht  auch  die  Anwendung  des  feinsten  Faden- 
materials und  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Muster.  Je  nach  Art  des  Musters 
wird  die  Nadel  wie  beim  Filetstopfen  durch  Wickelfäden  geleitet  oder  als 
abschürzender  oder  verzierender  Faden  benutzt.  Die  Verwendung  ganz  un- 
gleichen Materials  für  einen  Apparat,  die  Möglichkeit,  die  Nadeln  nach  Bedarf 
zu  versetzen  und  dadurch  Vielseitigkeit  der  Muster  zu  erzielen,  sind  besondere 
Vorzüge.  Durch  eine  einfache  Drehung  des  Apparates  kann  man  das  fertig- 
gearbeitete Ornament  von  den  Spindeln  streifen.  Die  Ornamente  können  je 
nach  dem  verwendeten  Material,  Seide,  Leinen  und  Perlgarn,  Schnur,  Pelzbise, 
Tresse,  Bast,  Wolle,  Chenille,  Goldfäden,  Band  u.  s.  w.  zur  Verzierung  mannig- 
faltiger Handarbeiten  benutzt  werden.  Die  Muster  entsprechen  vollkommen 
denjenigen  der  im  16.  Jahrh.  in  Spanien  hergestellten  Solspitzen.  (Vgl.  Abb.  3 
auf  Tafel  X.) 

Tenessee,  nordamerikanische  Baumwollsorte,  weiss,  ins  Graublaue,  matt, 
ziemlich  kräftig  im  Faden. 

Tennis,  moderner  leichter  Anzugs stoff  aus  Wolle,  geköpert  und  mit 
schmalen  farbigen  Streifen. 

Tepis,  geringe,  ostindische ^  baumwollene,  mit  Florettseide  vermischte 
bunt  gestreifte  Zeuge. 

Teplitz,  Stadt  in  Böhmen:  Baumwollweberei,  -Färberei  und  -Druckerei, 
Fabriken  für  Posamentierwaren,  Strumpfwaren,  Web-  und  Wirkwaren. 

Teppich  (franz.:  tapis;  ital.:  tappeto;  lat.:  tapete);  stammt  vom  griech. 
täpes:  Sammelnamen  für  T.;.  der  Engländer  hat  für  drei  Hauptgattungen  von 
T.  bestimmte  Bezeichnungen  geschaffen:  carpet  =  Fussteppich,  hanging  = 
Wandteppich,  rüg  =  Möbelteppich;  ferner  tapestry  für  Wirkerei  (Gobelin- 
technik), das  dem  franz.  tapisserie  entspricht. 

Je  nach  dem  Gebrauch  unterscheiden  sich  die  Teppiche  zur  Bedeckung 
der  wagerechten  Fläche  im  Gegensatz  zu  solchen  für  die  Wand  nicht  nur  sti- 
listisch (s.  Stil),  sondern  auch  mehr  oder  minder  technisch  voneinander.  Nach 
allgemeinen  Begriffen  entspricht  der  Fussbodenteppich  seiner  Verwendung, 
"wenn  er  durch  besondere  Dicke,  neben  dem  Zweck  des  Schmuckes,  auch  noch 
den  des  wärmenden  Schutzes  erfüllt,  während  der  Wandteppich,  lediglich  nur 
das  künstlerische  Bedürfnis  befriedigend,  auch  aus  leichterem  Material  bestehen 
kann.  Im  Orient,  dem  Ursprungslande  beider  Arten,  machen  Klima  und  Be- 
hausung derartige  Unterschiede  nicht  zur  Bedingung,  wir  finden  daher  auch 
dort  den  schweren  Teppich  an  der  Wand  oder  als  Türvorhang  oder  auch  um- 
gekehrt, die  leichtere  Decke  für  den  Fussboden  verwendet. 

Wandteppiche  oder  sogen.  Gobelins,  im  Orient  Kilims,  be- 
zeichnet man  als  gewirkte  Teppiche ;  sie  entstehen  auf  wagerecht  oder  senk- 
recht ausgespannter  Kette,  wonach  der  Webstuhl  Basselisse  oder  Haute- 
lisse  genannt  wird.  Das  Einziehen  der  Schussfäden,  durch  welche  das 
Muster  gebildet  wird,  geschieht  mittels  kleiner  Spulen  aus  freier  Hand,  das 
Anschlagen  mittels  eines  Kammes.  Der  Karton  oder  eine  ausgemalte  sogen. 
Patrone  befindet  sich  unter  der  Kette,  so  dass  sie  dem  Arbeiter  beständig  vor 
Augen  ist ,  um  Auswahl  und  Anordnung  der  Farben  einrichten  zu  können. 
Die  rechte  Seite  ist  bei  der  Arbeit  unten  resp.  hinten,  wenn  ein  senkrechter 
Stuhl  benutzt  wird.  Der  das  Muster  bildende  Einschlag  erstreckt  sich  auf 
einmal  nur  über  eine  kleine  Anzahl  von  Kettenfäden,  welche  mit  dem  Finger 
genommen  werden,  um  die  Schussspule  darunter  durchstecken  zu  können.    Das 


Teppich.  559 


Inein anderarbeiten  der  auf  diese  "Weise  gebildeten  Gewebestücke  —  bei  gröberen 
Arbeiten  bleiben  die  entstandenen  Schlitze  offen  (vgl.  Tafel  XYI,  Abb.  33) 
—  erfolgt  durch  Einschlingen  eines  besonderen  Nähfadens  oder  das  Muster 
ist  überhaupt,  wie  eine  Nadelmalerei,  durch  Fäden  ineinander  so  fein  schattiert, 
dass  innerhalb  desselben  keine  Randleisten  entstanden. 

Fussbodenteppiche  werden  als  sogen.  Florteppiche  mit  der 
Hand  geknüpft  oder  in  Art  der  Sammetstoffe  gewebt. 

Knüpfteppiche  —  Smyrna-,  türkische  oder  Savonnerie-Teppiche  — 
werden  auf  einem  Stuhle  mit  aufrecht  gespannter  Kette  ohne  Hilfe  einer  künst- 
lichen mechanischen  Einrichtung  angefertigt  (S.  256),  indem  die  einzelnen  Woll- 
fäden (im  Sinne  der  Weberei  als  Florschussfäden  oder  Noppen  bezeichnet)  einzeln 
durch  je  zwei  Kettfäden  geknüpft  werden,  so  dass  die  beiden  Fadenenden  als 
Büschel  auf  der  rechten  Seite  herausstehen  (Tafel  XVI,  Abb.  28),  also  den 
Schnittflächen  von  Noppen  gleich  sind.  Diese  Knüpfmethode  oder  Knotenart 
kommt  bei  den  meisten  orientalischen  Knüpfteppichen  vor,  sie  wird  auch  bei 
allen  europäischen  Erzeugnissen  verwendet.  Seltener  erscheint  der  Knoten 
nur  um  einen  Kettenfaden  geschlungen,  wie  ihn  Abb.  27  auf  Tafel  XVI  zeigt, 
hingegen  sind  die  Verschlingungen  der  Fäden  je  nach  Herkunft  des  orienta- 
lischen Erzeugnisses  oft  verschieden:  vgl.  Abb.  29 — ^31  auf  Tafel  XVI  zu  den 
später  aufgeführten  einzelnen  Arten.  Die  Bildung  der  Noppen,  welche  den 
Flor  erzeugen,  geschieht  durch  ein  Stäbchen,  das  man  quer  über  die  Kette 
legt  und  den  Faden  um  dasselbe  herumschlingt.  Nachdem  eine  Beihe  von 
Knoten  oder  Noppen  über  die  ganze  Breite  des  Teppichs  gebildet  ist,  werden 
zwei  bis  vier  Schussfäden,  je  nach  der  Dicke  des  Knotens  und  Schussmaterials 
eingetragen,  welche  die  Kette  leinwandartig  verbinden.  Die  Zahl  der  Noppen, 
welche  eine  Knüpferin  täglich  nach  der  gebräuchlichsten  orientalischen  Art 
knüpfen  kann ,  beträgt  etwa  7000.  Auf  zehn  D  cm  kommen  in  grobem  Ma- 
terial 144,   in  mittlerer  Feinheit  225  und  in  feinster  Ausführung  376  Knoten. 

Mechanisch  hergestellte,  also  gewebte  Florteppiche,  unterscheiden  sich 
in  Schussflorteppiche  und  in  Ketten florteppiche^  je  nachdem  das 
eine  oder  andere  die  Noppen  erzeugt.  Als  einfachstes  Gewebe,  bei  welchem 
der  Flor  vom  Schussfaden  gebildet  wird  und  welches  als  Teppich  Verwendung 
finden  könnte,  ist  der  Manchester-  oder  der  unechte  oder  Baumwollsammet  zu 
nennen,  sobald  er  farbig  bedruckt  wird.  Doch  der  aus  der  Ebene  eines  Ge- 
webes herausstehende  Flor  als  Schuss  wird  fast  ausnahnaslos  dadurch  gebildet, 
dass  ein  besonderer  Schussfaden  eingetragen  wird,  hierher  gehören  die  gewebten 
Chenilleteppiche  und  Axminsterteppiche:  s.  beide  Arten  in  beson- 
deren Artikeln  und  die  Abbildungen  auf  Tafel  XVI.  Zu  den  Kettenflor- 
teppichen  zählen:  1.  Brüsseler  Teppiche  (franz.:  moquette,  m.  bouclee, 
m.  epinglee;  engl.:  Brüssel  carpets),  d.  s.  alle  farbig  gemusterten  Kettflor- 
teppiche, bei  denen  die  Polfäden  nicht  bedruckt  (also  nur  gefärbt)  und  die 
Noppen  nicht  aufgeschnitten  sind;  2.  Tournay-Velourteppiche  (franz.: 
tapis  de  Tournay,  moquette  veloutee ;  engl. :  Wilton-carpets),  d.  s.  alle  farbig 
gemusterten  Kettflorteppiche,  bei  denen  die  Polfäden  nicht  bedruckt  (also  nur 
gefärbt)  und  die  Noppen  aufgeschnitten  sind;  3.  Tapestry  ist  jeder  farbig 
gemusterte  Kettflorteppich,  bei  dem  bedruckte  Pohäden  verwendet  und  die 
Noppen  nicht  aufgeschnitten  sind;  4.  Tapestry-Velourteppiche  sind 
alle  farbig  gemusterten  Kettflorteppiche,  bei  denen  bedruckte  Polfäden  ver- 
wendet und  die  Noppen  aufgeschnitten  sind. 

Der  Typus  der  Kettenflorteppiche  ist  in  der  Bindungsart  der  echte 
Sammet  (s.  d,  und  den  Artikel  Weberei).  Für  den  Fall,  dass  Dicke  und 
Farbenmuster  des  Teppichs  mit  Hilfe  eines  besonderen  nach  Länge  und  Arbeits- 
richtung verlaufenden  Kettenfadensystems  (Polkette)  erzielt  werden,  verfügt 
die  Technik  über  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit  von  Möglichkeiten  der  Her- 
stellung, welche  zu  den  genannten  vier  Hauptarten  geführt  hat. 

Eine  orientalische  Art  von  T.  sind  die  Filzteppiche,  welche  in  der 
Weise  hergestellt  werden,  dass  ein  der  beabsichtigten  Dicke  des  Teppichs  ent- 
sprechend tiefer  Bahmen  gebildet    oder    im  Fussboden    ein  solcher  Baum  aus- 


560 


Teppich. 


gehoben  wird ,  in  welchen  vermengte  Wollen  gebracht  und  so  lange  mit 
Schlägeln  geklopft  werden,  bis  sie  das  haarige  Gefaser  verlieren  und  als  formen- 
lose Masse  sich  dem  Rechteck  des  Rahmens  anpassen,  hiernach  wird  ein  Muster 
aus  farbigen  Fäden  in  die  Oberfläche  eingepresst. 

Gestickte  Teppiche  erscheinen  sowohl  als  Wand-  wie  als  Fuss- 
teppiche  in  verschiedenster  Technik  (s.  Stickerei).  In  Europa  werden  solche 
schon  seit  älterer  Zeit  auf  Kanevas  in  farbiger  Wolle  im  einfachen  oder 
doppelten  Kreuzstich  hergestellt  und  wirken  in  den  quadratisch  abgesetzten 
Umrisslinien  wie  die  orientalischen  Knüpfteppiche.  In  Nachahmung  der 
letzteren  entstehen  in  neuerer  Zeit  auch  im  Malta-,  Quästchen-  und  Smyrna- 
knüpfstich  auf  Stramin  gearbeitete  Fussbodendecken  und  Kissen. 

Das  Material  ist  bei  allen  Arten  von  Teppichen  heut  ausschliesslich 
Wolle,    d.  h.  die  Musterung,    während    das  Grundgewebe    aus  Baumwolle   oder 


sonstigen  Stoffen  bestehen  kann.  Im  Orient  unterscheidet  man  als  Knüpf- 
arbeit Schafwoll-,  Ziegenhaar-,  Kamelhaar-  und  Filzteppiche.  Seidenteppiche 
mit  Gold-  und  Silberfäden  wurden  in  alter  Zeit  als  besondere  Prachtstücke 
hergestellt,  die  heut  in  Seide  geknüpften  orientalischen  Teppiche  haben  wenig 
künstlerischen  Wert.  Auch  europäische  Wandteppiche  enthalten  neben  der 
Wolle  Seiden-  und  Metallfäden. 

Die  geschichtliche  Darstellung  führt  uns  für  beide  Haupt- 
gruppen von  Teppichen  wieder  nach  dem  Orient,  dem  Ursprungslande  aller 
textilen  Künste.  Hinsichtlich  des  gewirkten  Wandteppichs  war  man, 
infolge  seiner  weitgehenden  technischen  und  künstlerischen  Ausbildung  in 
Europa,  lange  im  Zweifel  darüber,  ob  derselbe  nicht  von  Anfang  an  eine 
selbständige  Entwickelung  von  hier  aus  genommen  habe,  da  ja  doch  die  Tech- 
nik der  Wirkerei  allenthalben  als  Vorläufer  einer  regulären  Weberei  aus  der 
Flechterei  hervorgegangen  ist,  also  auch  die  weitere  Gestaltung  derselben  im 
Abendlande  ohne  weiteres  erfolgt  sein  kann.  Diese  Folgerungen  erscheinen 
jetzt    hinfällig    durch    die    Grabfunde    in    Oberägypten,    welche    figurenreiche 


Teppich. 


561 


Wandbehänge  in  Wirkerei,  Stickerei  und  Zengdrack  zu  Tage  gefördert  haben, 
•die  der  spätantiken  Zeit  angehören  (s.  die  einzelnen  Artikel).  Von  ihnen  ist 
einzunehmen,  dass  sie  die  Brücke  bilden  für  die  später  sich  entwickelnde 
europäische  Bildwirkerei.  Aber  schon  vorher  war  ein  Beweisstück  gegeben 
für  die  Anfänge  abendländischer  Wirkerei  nach  orientalischen  Mustern  in  dem 
in  einzelnen  Teilen  zu  Lyon,  Nürnberg  und  Berlin  aufbewahrten  Wandteppich 
-aus  farbiger  Wolle  mit  Tieren    und  Kreisen   aus    antikisierenden  Bandstreifen, 


Abb.  319. 


aufgesetzten  runden  Feldern  und  romanischen  Ornamentzwickeln,  in  welchen  sich, 
wie  in  derbreiten  Abschlussborte  mit  Arabeskenranken,  Löwenmasken  wiederholen 
(Abb.  318) :  Darstellungen,  welche  deutlich  den  auch  in  sarazenischen  seidenen 
Schlitzwirkereien  (s-  d.)  sich  wiederholenden  Grundtypus  eines  orientalisch-byzan- 
tinischen Webemusters  erkennen  lassen,  das  mit  nordisch-abendländischen 
Elementen  durchsetzt  ist.  Diese  Arbeit  wird  dem  10. — 11.  Jahrh.  zugewiesen. 
Aus  dem  12.  und  13.  Jahrh.  sind  weitere  europäische  Wandteppiche  erhalten 
in  einer  Wirkerei  aus  Norwegen  (veröffentlicht:  „Altnorwegische  Teppichmuster 
im  Kunstindustriemuseum    zu  Christiania  von  H.  Grosch,  Berlin  1889")  und  in 

H  e  i  d  e  n ,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  36 


562  Teppich. 


einem  in  Streifen  erhaltenen  Knüpfteppich,  welcher  in  der  Schlosskirche  zu 
Quedlinburg  aufbewahrt  wird:  vgl.  Wandteppiche  und  Decken  des  Mittelalters 
in  Deutschland,  herausgegeben  von  Julius  Lessing,  Berlin  1899,  Heft  1.  In 
einem  zweiten  Heft  dieser  Yeröffentlichung  wird  ein  gewirkter  Wandteppich 
aus  dem  Dome  zu  Halberstadt  dargestellt,  welcher  in  Deutschland  am  Ende 
des  12.  Jahrh.  gemacht  ist.  Diesen  wichtigen  Stücken  der  romanischen  Periode 
mit  figuralen  Darstellungen  schliessen  sich  verschiedene  europäische  Wand- 
behänge und  Decken  in  gestickter  Arbeit  an:  der  Teppich  von  Bayeux  u.  v.  a.  Aus 
Frankreich  ist  vom  Jahre  1277  eine  Notiz  über  tapis  sarrasinois  erhalten,  aus 
welcher  nicht  recht  ersichtlich,  ob  man  es  mit  orientalischen  .Originalen  zu 
tun  hat  oder  ob  von  Wirkereien  die  Rede  ist,  welche  dort  nach  sarazenischen 
Vorbildern  gearbeitet  wurden  (vielleicht  wie  das  in  Abb.  318,  S.  560  dargestellte 
Stück?),  womit  der  Anfang  der  im  16.  Jahrh.  glänzend  entwickelten  franzö- 
sischen Tapisserie-Manufakturen  bestimmt  wäre.  Im  14.  Jahrhundert  hat  sich 
die  Kunst  der  Wirkerei  für  Wandteppiche  in  Flandern  entwickelt  (Abb.  SO 
S.  169),  von  der  Stadt  Ar  ras,  dem  ältesten  Hauptsitz  derselben  heissen  diese 
Arbeiten  in  Italien  bis  heute  Arrazzi;  daneben  werden  die  Manufakturen  von 
Brügge,  Gent,  Ypern,  Löwen  u.  a.  genannt.  Die  Sitte,  die  Wände  in  Kirchen 
und  Palästen  mit  Rukkelaken  (d.  h.  bewegliche  Tapeten)  zu  bekleiden,  auf 
welchen  mythologische,  biblische  (Abb.  319),  historische  oder  ßomanszenen  mit 
reichen  Bordüren,  oft  Kopien  nach  Miniaturen  oder  Gemälden  der  berühmten 
Maler  der  Zeit,  dargestellt  waren,  verbreitete  sich  über  ganz  Europa.  Als 
Arras  von  den  Franzosen  im  Jahre  1479  zerstört  worden  war,  wurde  Brüssel 
der  Hauptsitz  dieser  Industrie,  doch  blieb  derselben  der  gewohnte  Name.  In 
Brüssel  erreichte  sie  ihren  Höhepunkt,  woselbst  die  Arrazzi  für  Papst  Leo  X» 
nach  Kartons  von  Baffael  hergestellt  wurden.  Als  Kennzeichen  der  Fabrikations- 
stätten hat  man  am  Rande  Marken  eingewirkt:  Anfangsbuchstaben  der  Stadt, 
Wappenzeichen  u.  dgl.  (s.  Teppichmarken).  Die  Herzöge  von  Mantua,  Florenz 
u.  s.  w.  Hessen  grosse  Bildteppiche  in  Brüssel  herstellen;  Karls  V.  Siege  und 
Eroberungen  wurden  auf  dieselbe  Weise  verherrlicht.  Zahlreiche  solcher  Teppich- 
folgen mit  biblischen  oder  antiken  Historien  in  reichen  Umrahmungen  von 
Grotesken  oder  üppigen  Frucht-  und  Blumengehängen  (Abb.  246,  S.  423)  be- 
finden sich  u.  a.  an  den  Höfen  von  Wien,  Madrid,  viele  im  Privatbesitz.  Die 
Blütezeit  der  Tapisserie-Manufakturen  von  Frankreich  datiert  von  der 
Begierungszeit  Franz  I.  (1515 — 47)  her,  welcher  1535  (nach  anderen  1516) 
mit  flanderischen  Arbeitern  in  Fontainebleau  eine  Fabrik  gründete.  Dieselbe 
wurde  anfangs  von  Philibert  Babou,  später  von  dem  Architekten  Sebastian 
Serlio  geleitet,  und  arbeitete  vielfach  nach  Zeichnungen  der  Maler  der  Schule 
von  Fontainebleau.  Auch  die  Nachfolger  Franz  I.  begünstigten  diese  Industrie 
und  es  wurden  gegründet  von  Heinrich  II.  (1547 — 59)  La  Trinite,  Bue  de 
Denis,  von  Karl  IX.  (1560 — 74)  eine  Manufaktur  in  Tours;  dann  jene  im 
Faubourg  St.  Antoine  (1597,  nach  dem  Louvre  und  den  Tuillerien  im  Jahre 
1603  übertragen)  und  im  Palais  les  Tournelles  (1607  nach  dem  Faubourg 
St.  Morceau  übertragen),  eine  Schöpfung  Heinrich  lY.  (1589 — 1600)  und 
La  Savonnerie  (1627  und  1825  nach  den  Gobelins  übertragen)  von  Ludwig  XIII. 
(1616 — 43)  errichtet,  dessen  Sohn  Ludwig  XIV.  diese  Manufaktur  dauernd 
begründete,  und  zwar  der  Beihe  nach  in  den  Gobelins  (1662) ,  zu  Beauvais 
(1664)  und  zu  Aubusson  (1665).  Den  flanderischen  Arbeitern  wurden  1630  die 
Gebäude  der  Färber  Gobelin  (s.  d.)  überwiesen  und  seit  jener  Zeit  führen  die 
französischen  Wandteppiche  oder  Tapisseries  den  Namen  Gobelins,  welcher 
dann  fälschlich  für  alle  in  Schlitz  Wirkerei  und  verwandter  Technik  hergestellten 
Textilien  üblich  geworden  ist.  In  Aubusson  hatte  sich  infolge  der  Einwanderung 
protestantischer  Arbeiter  aus  den  Niederlanden  die  reformierte  Kirche  ziemlich 
ausgebreitet  und  es  wanderten  von  hier  aus  nach  der  Aufhebung  des  Edikts 
von  Nantes  (1685)  Scharen  von  Angehörigen  derselben  aus  und  verpflanzten 
die  Teppichwirkerei  nach  England  und  Deutschland.  Die  Bedeutung  Aubussons 
verlor  sich  nunmehr  und  an  seine  Stelle  wurde  von  Ludwig  XIV.  die  Fabrik 
von  Beauvais  begünstigt  und  ging  förmlich  in   die  Staatsregie   über.     Hervor- 


Teppich. 


563 


ragende  Künstler  wie  Jul.  Hardouin  Mansard,  Fran(:ois  Boucher,  Souflet  n.  a. 
wurden  im  Laufe  der  Zeit  mit  der  obersten  Leitung  dieses  Instituts  betraut. 
Unter  Ludwig  XV.  (17L5 — 74)  erholte  sich  auch  Aubusson  wieder;  in  jener 
Zeit  kopierte  man  vorwiegend  Gemälde  von  Poussin,  Lebrun,  Watteau,  Boucher, 
Cochin  u.  a.,  aber  auch  rein  ornamentale  Entwürfe  im  Stile  der  Zeit  wurden 
berücksichtigt.  Mehr  als  durch  die  revolutionären  Ereignisse  und  die  Kriege 
des  18.  u.  19.  Jahrh.  wurde  die  französische  Bildwirkerei  durch  den  Wechsel 
der  Mode  beeinträchtigt,  welche  sich  den  gemalten  Tapeten  zuwandte  und  die 
Tapisserie  auf  Möbelbezüge  beschränkte.  Während  der  Revolution  war  die 
Manufakture  des  Grobelins  in  ihrem  Bestehen  bedroht.  Marat,  einer  der  Häupter 
der    französischen    Bewegung ,     verlangte    die    Auflösung     dieser    Staatsfabrik, 

Abb.  820. 


indessen  begnügte  man  sich,  Tapisserien  mit  bourbonischen  Lilien,  mit  Zeichen 
des  Königtums  und  seiner  Verherrlichung  im  Jahre  1793  zu  verbrennen  und 
im  folgenden  Jahre  aus  den  vorhandenen  321  Vorlagen  für  Gobelins  121  als 
„antirepublikanisch,  fanatisch  oder  unmoralisch"  auszuscheiden,  darunter  auch 
Entwürfe  aus  dem  griechischen  Sagenkreise.  Napoleon  L  erklärte  1804  die 
Fabrik  wieder  zum  Kroneigentum  und  gab  ihr  umfangreiche  Aufträge  zur 
Verherrlichung  seiner  Regierung,  welche  bei  seinem  Sturz  erst  zum  Teil  aus- 
geführt waren.  Nicht  wenige  davon  sollen  1814  und  1815  zerstört  worden 
sein,  wie  1848  solche  mit  Ansichten  königlicher  Schlösser  u.  s.  w.;  doch  haben 
seit  dem  ersten  ICaiserreich  alle  Regierungen  der  Fabrik  ihre  Fürsorge 
zugewendet.  — 

In  den  übrigen  Ländern  steht  die  Kunst  der  Teppichwirkerei  natürlich 
in  der  technischen  Ausführung  zuerst  unter  dem  Einfluss  Flanderns  und  der 
Niederlande  und  später  unter  der  Führung  Frankreichs.  So  im  15.  u.  16.  Jahrh. 
die  Fabriken  in  Rom,  Florenz,  Madrid  u.a.m.   Auch  in  Deutschland  wurde  die 


564 


Teppich. 


Bildwirkerei  schon  im  15.  Jahrh.  geübt  und  aus  der  Blütezeit  des  16.  Jahrh. 
sind  allenthalben  noch  Stücke  erhalten:  so  der  im  Leipziger  Kunstgewerbe- 
museum befindliche  daselbst  1551  gearbeitete  Teppich  mit  dem  Urteil  Salomonis 
(Abb.  320),  der  sogen.  Croy-Teppich  (s.  d.)  von  1566  aus  Stettin,  aus  dem  Ende  des 

Abb.  321. 


16.  Jahrh.  die  Hamburger  Arbeiten  im  dortigen  Kunstgewerbemuseum  (vgl.  Abb. 
209,  S.  370)  u.  V.  a.  Zu  Anfang  des  17.  Jahrh.  zog  Maximilian  1.  flandrische  Bild- 
wirker nach  München  und  unter  dem  Grossen  Kurfürsten  und  unter  Friedrich  I. 
wirkten  französische  und  flandrische  Teppichwirker  für  die  preussischen  Schlösser. 
Ueber  die  Herstellung  von  "Wandteppichen  in  Berlin  berichtet  Dr.  Paul 
Seidel  im  Jahrbuch  der  Königl.  Preuss.  Kunstsammlungen  des  Jahres  1891. 
In  der  dort  enthaltenen  Kolonieliste  von  1699  der  aus  Frankreich  vertriebenen 
und  vom  Grossen  Kurfürsten  aufgenommenen   französischen  Protestanten  wird 


Teppich. 


565 


in  der  Reihe  von  15  Tapisseristeii ,  deren  7  allein  aus  Aubusson  stammten, 
auch  Pierre  Mer  ci er  genannt,  welcher  Berliner  Arbeiten  mit  seinem  Namen 
zeichnete.  Der  Grosse  Kurfürst  ernannte  ihn  durch  Bestallung  vom  7.  No- 
vember 1686  zum  „Tapeten  Würker".  Welche  Aufgaben  seiner  harrten,  da- 
von legen  u.  a.  Zeugnis  ab  die  heut  noch  im  Schlosse  Monbijou  erhaltenen 
6  Wandteppiche  aus  einer  Folge,  die  nach  dem  Plane  des  Grossen  Kurfürsten 
die    bedeutendsten    kriegerischen  Leistungen    seiner   Regierungszeit    in    dieser 


Abb.  322. 


Weise  zu  verewigen  bestimmt  waren.  Mercier  verlässt  Berlin  1714  als  „In- 
spectenr  des  Tapisseries"  in  Dresden,  wo  König  August  IL  ein  Atelier  für 
Tapetenwirkerei  eic^erichtet  hatte,  das  aber  1756  aufgegeben  wurde.  Unter 
der  Regierung  König  Friedrich  Wilhelm  I.  gelangte  die  Manufaktur  von  Charles 
Yigne  noch  zu  einiger  Bedeutung,  indessen  vermag  man  der  französischen 
Konkurrenz  nicht  stand  zu  halten.  Eine  Yorstellung  von  dem  grossen  Be- 
darfe  des  Berliner  Hofes  an  Wandteppichen  gibt  der  Seideische  interessante 
Bericht  in  einer  Inhaltsübersicht    der  Inventare    von  1691  und   1G99.     Daraus 


666  Teppich. 


geht  hervor,  dass  sich  in  den  Schlössern  von  Potsdam  damals  106  vollständige 
Garnituren  und  47  einzelne  Tapisserien  befanden.  Da  bei  den  Garnituren  im 
Inventar  immer  die  Stückzahl  angegeben  ist,  ergibt  sich,  dass  im  Jahre  1699 
sich  in  den  Stadtschlössern  von  Berlin  und  Umgegend  über  800  AVandteppiche 
befanden. 

„Von  diesem  ungeheuren  Schatz,"  heisst  es  weiter,  „hat  sich  leider  nicht  der 
25.  Teil  in  den  Schlössern  erhalten,  davon  abgesehen,  was  noch  im  18.  Jahrh.  zum 
Bestände  hinzugekommen,  aber  auch  fast  vollständig  wieder  verschwunden  ist.  Man 
könnte  auf  den  Gedanken  kommen ,  dass  geringe  Haltbarkeit  der  Teppiche  dieses 
Verschwinden  verursacht  hat ;  aber  das  ist  nicht  der  Grund,  denn  gute  Wandteppiche, 
wenn  sie  nicht  zu  schlecht  behandelt  werden,  sind  ausserordentlich  dauerhaft.  Dieser 
Wandschmuck  ist  vielmehr  der  Mode  zum  Opfer  gefallen,  da  er  mit  seinen  kräftigen 
Farben  und  energischen  FormengebuDgen  dem  Geschmack  vom  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  nicht  mehr  zusagte.  In  den  Jahren  1789  und  1793  sind  auf  dem  Hofe 
des  Berliner  Schlosses  in  öffentlicher  Auktion  allein  110  Stück  Wandteppiche  verschleu- 
dert worden,  von  denen  der  teuerste  mit  36  Talern  und  der  billigste  mit  16  Groschen 
bezahlt  wurde.  Was  in  dieser  Zeit  nicht  für  die  Schlösser  verloren  gegangen  ist,  dem 
hat  die  Schinkelsche  Kunstperiode  den  Best  gegeben ,  um  uns  dafür  kalte  weisse 
Stuckwände  zu  lassen." 


Heute  werden  natürlich  solche  hier  noch  vorhandenen  Denkmäler  der 
Kunst-  und  Kulturgeschichte  sorgsam  gepflegt;  die  Berliner  Gobelinmanufaktur 
von  Wilhelm  Ziesch  &  Co.  ist  mit  der  Konservierung  derselben  beauftragt : 
die  Stücke  werden  gereinigt ,  sachgemäss  ausgebessert  und  die  ausgefallenen 
oder  durch  Brand  beschädigten  Teile  neu  eingearbeitet.  Der  genannten  Hof- 
kunstweberei von  Ziesch  ist  es  überhaupt  nach  grossen  Opfern  und  Anstrengungen 
gelungen,  in  ihren  neuen  Schöpfungen  den  französischen  Wandteppichen  tech- 
nisch und  künstlerisch  gleichzukommen  (s.  Abb.  321). 

Abseits  von  der  in  den  Niederlanden  und  in  Frankreich  sich  zu  hoher 
Kunst  entwickelnden  Bildwirkerei  hatte  seither  in  Erzeugnissen  bäuerlicher 
Hausindustrie  sich  an  einzelnen  Stellen  die  Technik  der  sogenannten  Schicht- 
weberei (s.  d.)  erhalten,  welche  der  Herstellungsw^eise  jener  Gobelins  voran- 
gegangen war.  Diese  erfuhr  in  neuer  Zeit  als  nordische  Kunstweberei  (s.  d.) 
eine  weitere  Ausbildung,  indem  man  die  bisher  darin  geübte  geometrische 
Mustergebung  erweiterte  und  der  Technik  freiere  Kunstformen  diktierte,  welche 
sie  neben  der  Verwendung  zu  Kissen,  Schutzdecken  und  leichten  Möbelteppichen 
auch  an  dekorativen  Wandbehängen  teilnehmen  Hess.    Namhafte  Künstler  stellten 


Teppich. 


567 


Entwürfe  dazu  her,  die  teils  in  Anlehnung  an  ältere  Motive,  gotisches  Distel- 
Mattwerk  (Abb.  322) ,  reizvolle  Blütenstauden  in  Art  der  Yerdürenmuster 
(Abb.  323)  enthalten  oder  den  figuralen  Stil  der  Neuzeit  (Abb.  324)  zur  Gel- 
tung kommen  lassen.  Die  dafür  eingerichteten  Werkstätten  in  Scherebek, 
Lund  in  Schweden,  in  Berlin  und  Hamburg  mussten  aber  ihre  Tätigkeit  auf- 
geben, weil  der  Bedarf  für  dergleichen  zum  Kostenaufwand  in  keinem  Verhält- 
nis steht. 

Was  wir  in  geschichtlicher  Folge  über  die  Wirkerei  und  den  Wandteppich 
durch  Schriften  und  erhaltene  TJeberreste  darzustellen  vermochten^  ist  bei  der 
Knüpftechnik  nnd  dem  Fussteppich  nicht  ohne  weiteres  möglich.    Dass 

Abb.  324. 


in  Europa  Ansätze  des  letzteren  vor  dem  16.  Jahrh.  nicht  zu  finden  sind,  er- 
scheint in  der  späten  Ueb erlief erung  vom  Orient  her  begreiflich,  weniger  auf- 
geklärt dagegen  ist  das  Fehlen  frühmittelalterlicher  Fus steppiche  aus  der 
Heimat  selbst.  Wenn  auch  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  die  Völker  des  Alter- 
tums im  Grebrauch  sowohl,  als  auch  in  den  Beschreibungen  von  Textilien  schon 
keinen  strengen  Unterschied  machten  zwischen  Teppichen  und  anderen  Greweben, 
geschweige  denn  in  den  Arten  von  Belagdecken ,  so  bleibt  die  Erscheinung 
doch  merkwürdig  genug,  dass  unter  so  vielen  uns  durch  Grrabfunde  über- 
kommenen W^irkereien  und  Stickereien  nicht  ein  einziges  Stück  vorhanden  ist, 
welches  dem  Fussteppich  entspricht.  Auch  die  Knotenbildung  der  orientalischen 
Knüpfung  ist  nirgend  wahrzunehmen.  Eine  plüschartige  Wirkung,  deren  reihen- 
und  stichweise  abgesetzte  Musterung  scheinbar    den  Mosaiken  nachgeahmt  ist. 


568  Teppich. 


wird  nur  erzielt  in  vorhandenen  Durchzugarbeiten  auf  leinenen  Grundgeweben 
(vgl.  Abb.  164,  S.  301  u.  111,  S.  237).  Die  in  Abb.  164  dargestellte  Decke 
mit  quadratischen  Feldern  und  geometrischer  Borteneinfassung  stammt  von 
einer  jener  Umhüllungen,  welche  den  in  voller  Gewandung  bestatteten  Leich- 
nam als  äusseres  Tuch  umgab.  Ein  solches  ist  gewöhnlich  nur  in  den  vier 
Ecken  derartig  gemustert,  kann  also  unmöglich  als  Fussbodenbelag  gedient 
haben.  Es  erscheint  gewagt,  das  Aufkommen  der  Knüpftechnik  des  orienta- 
lischen Fussteppichs  erst  in  eine  Zeit  rücken  zu  wollen,  die  der  ersten  Er- 
scheinung der  mechanisch  gebildeten  Sammetfläche  nicht  fern  liegt  und  doch 
müssen  Belagstücke  älterer  Zeit  noch  erwartet  werden.  Denn,  die  in  dem 
schon  erwähnten  Quedlinburger  Teppich  vorhandene  Knüpftechnik,  über  einen 
und  zwei  Fäden,  bleibt  bis  jetzt  als  einziges  und  ältestes  Beispiel  ihrer  Art 
bestehen ;  sie  hat  aber  sicher  ältere  Vorläufer  gehabt. 

Die  Datierung  der  altorientalischen  Knüpftepiche,  auch  nur 
nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung,  ist  sehr  schwer:  fast  die  einzige  Handhabe 
bot  bisher  ihr  Vorkommen  auf  europäischen  Bildern,  worauf  Julius  Lessing^ 
in  seinem  Werke  „Altorientalische  Teppichmuster  nach  Bildern  und  Originalen'^ 
im  Jahre  1877  zuerst  hinwies.  Er  konnte  nach  ihrer  genauen  Darstellung 
niederländischer,  venezianischer  und  deutscher  Meister  (vgl.  den  Artikel  Holbein- 
teppich mit  Abbildung  S.  251)  mit  ziemlicher  Sicherheit  Teppiche  des  15.. 
16.  und  17.  Jahrhs.  vorführen.  Demselben  Verfasser  folgt  Alois  Biegl  in  dem 
geschichtlichen  Gange  seines  Buches  „Altorientalische  Teppiche,  Leipzig  1891 '^ 
und  auch  Wilhelm  Bode  in  seinem  Aufsatze  „Altorientalische  Tierteppiche"  in 
dem  Werke  „Teppich-Erzeugang  im  Orient,  Wien  1895",  sowie  in  seiner 
Monographie  „Vorderasiatische  Knüpfteppiche,  Leipzig  1900" ,  greift  bei  den 
Datierungen  auf  Bilder  zurück;  bringt  aber  ausserdem  Originale  von  orien- 
talischen Knüpfteppichen  des  14.  und  13.  Jahrhs.  bei.  Auf  Grund  morgen- 
ländischer Quellen  glaubte  Prof.  Karabacek  einen  im  Jahre  1880  aufgefundenen 
orientalischen  Florteppich  in  Seide  auf  einem  Gewirke  aus  Metallgeflecht  als 
eine  persische  Nadelmalerei  „Susandschird"  (s.  d.)  aus  dem  14.  Jahrh.  be- 
zeichnen zu  sollen ;  indessen  erschien  diese  Datierung  zweifelhaft,  als  später  ein 
zM^eites  Stück  ganz  gleicher  Art  und  Ausführung  gefunden  wurde,  dessen  Ent- 
stehungszeit in  die  Jahre  1865 — 1877  gesetzt  werden  musste.  Ein  Irrtum  in  der 
Datierung  durch  eine  orientalische  Inschrift  scheint  auch  vorzuliegen  in  dem 
von  Alois  E,iegl  veröffentlichten  Gebetteppich:  „Ein  orientalischer  Teppich 
vom  Jahre  1202  n.  Chr.",  Berlin  1895.     (Vgl.  Abb.  86,  S.  214.) 

Nach  allem,  was  bisher  über  dieses  Gebiet  morgenländischer  Kunst  er- 
forscht worden  ist,  scheinen  sich  die  Muster  der  älteren  orientalischen  Knüpf- 
teppiche in  ähnlicher  Weise  der  Zeit  nach  zu  gestalten,  wie  in  den  übrigen 
Werken  textiler  Erzeugnisse;  nur  dass  ihre  Folge  etwas  später  einsetzt,  als 
in  den  Geweben  und  Stickereien.  Im  Mittelalter  erscheint  das  Motiv  de& 
Lebensbaumes,  an  dem  Palmettenblüten  übereinander  aufwachsen  (vgl.  Abb.  224. 
S.  388) ;  darauf  folgen  Teppichmuster  mit  Tieren  in  achteckigen  Feldern, 
welche  zwischen  sich  noch  die  Abkürzung  des  Baumes  haben:  beides  in  Ver- 
wandtschaft mit  den  sarazenischen  Stoffmustern  des  8. — 12.  Jahrhdts.  (Vgl. 
die  Webemuster  Abb.  8  und  10  auf  Tafel  II).  Den  Baumteppich  setzt  Geheim- 
rat Bode  in  das  13.  Jahrb.,  mehrere  Stücke,  mit  Paaren  von  Tieren,  nach 
Bildern  in  das  14.  Jahrh.  und  ein  Original,  das  in  der  Drachenfigur  chinesischen 
Einfluss  erkennen  lässt,  in  dieselbe  Periode.  Von  solchen  altorientalischen 
Tierteppichen  führt  er  auch  vom  Bilde  Giottos  im  St.  Peter  in  !Rom  ein  Bei- 
spiel mit  Adlern  an,  dem  sich  romanische  Webemuster  zur  Seite  stellen  lassen, 
(Vgl.  Abb.  9  und  10  und  Tafel  II,  Abb.  5.)  Aus  dem  15.  Jahrh.  ist  zunächst 
eine  ganze  Eeihe  von  Teppichen  mit  grosser  geometrischer  Musterung  erhalten, 
welche  den  Anforderungen  der  Technik,  als  auch  der  Bestimmung  des  Knüpf- 
teppichs zum  Fussbodenbelag  am  natürlichsten  entspricht :  dem  Stilgesetz  nach- 
kommend ,  das  im  griechisch-römischen  Mosaik  allgemein  vorherrscht  und  den 
Ursprung  solcher  Ornamentik  bis  in  das  Altertum  zurück  bestimmen  lässt,  zu 
welchem  Beweise  Geheimrat  Lessing  die  in  Alabaster  umgesetzten  Fussboden- 


Teppich. 


569 


teppiche  aus  Niniveh  (Abb.'  30,  S.  35)  herauziebt.  Die  Datierung  der  mit  den 
verschiedenartigsten  Sternfüllungen  gemusterten  kleinasiatischen  Teppiche  hat 
geschehen  können  nach  dem  im  Jahre  1526  von  Holbein  gemalten  Bilde  (Abb. 
118,  S.  251),  welchem  ein  Intarsiabild  mit  fast  gleichem  Teppich  aus  S.  Maria 
in  Organo  zu  Verona  des  Jahres   1499  gegenübergestellt    werden    kann.      Eine 

Abb.  325. 


zweite  Gruppe  derselben  Zeit  enthält  ähnliche  geometrische  Elemente,  die 
durch  Bandyerschlingungen  vereinigt  sind,  woraus  sich  dann  ein  Muster  aus 
streng  stilisierten,  geknickten  Eankenverästelungen  gebildet  hat:  Typen,  welche 
sich  in  arg  verstümmeltem  Zustande  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  der  Smyrna- 
fabrikation  erhalten  haben.  (Vgl.  den  Eand  in  Fig.  13  und  Abb.  10  auf 
Tafel  Xin.)      In    der   folgenden   Zeit    des    16.  und  17.  Jahrh.  erscheinen   alt- 


570  Teppich. 


orientalische  Teppiche,  welche  sowohl  im  Material,  als  auch  in  der  Feinheit 
der  i^usführung,  das  Schönste  darstellen,  was  orientalische  Textilkunst  zu 
leisten  vermochte,  wenngleich  in  der  Musterung  alle  Stilgrenzen  der  Knüpf- 
technik weit  überschritten  sind.  Aeusserlich  zeichnen  sie  sich  aus  durch  ein 
kurz  geschorenes,  dichtes,  sammetartiges  Yliess  von  feinstem  Korn;  als  Material 
erscheint  neben  der  Wolle  oder  auch  nur  allein  Seide,  häufig  Gold  und  Silber 
verwendet,  wodurch  allein  schon  diese  Gruppe  als  die  reichste,  vielfach  nur 
für  Luxuszwecke  bestimmte,  sich  kennzeichnet.  Diese  Teppiche  werden  als 
persische  Erzeugnisse  bestimmt,  im  Hinblick  auf  die  Musterung  wird  eine 
dahin  gehörende  Art  als  Jagd-  oder  Tierteppich  genannt.  Der  weite  innere 
Plan  enthält,  vielfach  auf  rotem  Grunde,  durch  ein  rundes  oder  spitzovales 
Feld  die  Betonung  der  Mitte  und  in  den  vier  Ecken  je  einen  Zwickel:  eine 
Teilung,  wie  sie  den  meisten  abgeschlossenen  ebenen  Flächen  in  orientalischen 
Kunstwerken  eigen  ist,  in  welcher  sich  die  Füllungen  aus  zierlich  durch- 
gebildeten Einzelheiten  auf  wechselndem  Grunde  sternförmig  einordnet.  Die 
Musterung  besteht  aus  feinen  stilisierten  Ranken  mit  lotosartigen  Palmetten- 
blüten, deren  Formensprache  chinesisch  anklingt,  Avie  denn  überhaupt  dem 
ganzen  Dekor  der  ostasiatische  Einfluss  innewohnt,  den  das  stilisierte  Wolken- 
ornament dazwischen  vollends  bekräftigt.  Inmitten  dieser  dicht  gefüllten 
Ebene,  die  einer  bunten  Wiese  gleicht,  ist  eine  Jagd  dargestellt.  Die  Jäger 
erscheinen  hoch  zu  E,oss  zwischen  Löwen,  Tigern,  Panthern,  Steinböcken  u.  a.  m., 
in  anderen  Prachtteppichen  überwiegen  wieder  die  Darstellungen  reizvoller 
Paradiesvögel,  Wiedehopfe,  Kraniche  u.  dgl. ;  die  E^andborten  enthalten  ge- 
schweifte Felder  mit  arabischer  Schrift  und  Blütenrosetten,  in  einem  anderen 
wechseln  zierliche  geflügelte  Engelsgestalten  zwischen  Arabesken  ab,  und  so 
gestaltet  sich  ein  Kunstwerk  immer  schöner  als  das  andere,  unvergleichlich  in 
seiner  Art.  Das  Ganze  erinnert  den  Eingeweihten  in  etwas  an  die  gemalten 
Flächenfüllungen  der  Fliesenwände  oder  an  die  geschnittenen  Lederdecken  der 
farbig  bemalten  und  vergoldeten  Koraneinbände ;  aber  hier  scheinen  alle  Ge- 
stalten lebendig  geworden  zu  sein  im  Glänze  schillernder  Seide,  goldener  und 
silberner  Gespinste,  deren  köstliche  Gesamtwirkung  uns  gleichsam  die  Pracht 
einer  orientalischen  Märchenwelt  vergegenwärtigen  möchte,  Yiele  wunderbare 
Stücke  dieser  Art  vereinigte  im  Jahre  1891  die  Teppichausstellung  des  K.  K. 
Oesterreichischen  Handelsmuseums  in  Wien,  von  denen  die  schönsten  in  dem 
von  dieser  Stelle  aus  veröfi'entlichten  Prachtwerke  „Orientalische  Teppiche, 
Wien  1894"  farbig  dargestellt  sind.  (Vgl.  auch  das  Vorbilderheft  Nr.  13  des 
Kgl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin :  Julius  Lessing,  Orientalische  Teppiche.) 
In  der  Zeit  fast  gleich  und  jenen  im  Charakter  verwandt  sind  verschiedene 
Teppiche  erhalten,  wie  die  Abb.  325  ein  Beispiel  darstellt.  Es  herrschen 
darin  vor  die  Palmettenblüten  an  feinen  Banken  und  mit  Wolkenmustern 
durchsetzt,  einzelne  Vögel  beleben  die  Zwischenräume  und  die  Innenfläche  ist 
seltener  geteilt  (Abb.  326),  sondern  durchgehend  gemustert.  Für  die  Zeit  der 
Entstehung  dieser  Arten  von  Prachtteppichen  gibt  Geheimrat  Bode  die  Dynastie 
der  Saflden  (1502 — 1736)  an,  welche  die  persische  Kunst  zu  hoher  Blüte  führte, 
nachdem  sie  sich  durch  eine  Beihe  schwerer  Kämpfe  befestigt  hatte.  Diese 
Datierung  sollen  auch  die  Inschriften  auf  einigen  dieser  Stücke  bekunden ;  ihre 
Bestätigung  findet  sie  aber  auch  in  dem  Vorkommen  chinesischer  Motive  im 
Dekor.  „Diese  —  so  äussert  sich  der  Gelehrte  weiter  darüber  —  erklärt  sich 
nicht  etwa  aus  dem  Mangel  an  schöpferischer  Begabung  für  die  Kunstsprache  oder 
aus  der  Entlehnung  und  Verarbeitung  fremder  Motive,  die  ja  für  die  Perser  wie 
für  die  sarazenische  Kunst  überhaupt  bezeichnend  sind:  es  ist  vielmehr  gerade 
charakteristisch  für  die  Zeit  der  Safiden,  welche  —  voran  Schah  Abbas  der 
Grosse  —  für  die  blühende  chinesische  Kunst  ihrer  Zeit  eine  besondere  Vorliebe 
hatten."  Dieser  Gruppe  von  Seidenteppichen  mit  Silber-  und  Goldfäden  ordnen 
sich  technisch  die  sogen.  Polenteppiche  (s.  d.)  an,  deren  Muster  in  der  ganzen 
Linienführung  strenger  gehalten  ist;  aber  in  allem  durchaus  persischen  Ursprung 
verrät.  Die  Teilung  des  Mittelfeldes  in  älteren  orientalischen  Teppichen  durch 
grosse  spitzovale  Felder  oder  Sterne  ist  auch  noch  einer  vorderasiatischen  Art 


Teppich. 


571 


von  grösserem  Umfange  eigen,  die  sich  darin  etwas  der  geometrischen  Grruppe 
des  15.  Jahrhdts.  anschliesst,  sonst  aber  in  übrigen  Teilen  zwischen  diesen 
Hauptfiguren  aus  arabeskenartigen  Einzelheiten  eine  Füllung  aus  Palmetten- 
blütenranken  enthält,  die  bis  in  das  17.  Jahrh.  hinein  vorkommen.  Dieselben 
erscheinen  auch  in  einem  gleichzeitigen  Teppich  (Abb.  327),  dessen  Grund- 
teilung aus  umschlagenden  ausgesparten  arabischen  Kelchformen  besteht.  Dieses 
Stück  enthält  überhaupt  eine  Reihe  von  Motiven,  welche  aus  anderen  Gruppen 
zusammengetragen  erscheinen:  so  die  alte  Grundform  der  arabischen  Palmette 
(x\.bb.  224,  S.  388),  die  durch  Bänder  vereinigten  strengen  Blütenformen,  das 
chinesische  Wolkenornament  u.  v.  a.  Für  geometrische  Teppichmuster,  die 
sich  bis  heutigen  Tages  fortsetzen,  ist  als  Urtypus  hinzudeuten  auf  das  spanisch- 
maurische Element  des  späten  Mittelalters  (Abb.  23,  S.  28),  das  nicht  allein 
die  mannigfachen  Sternbildungen  aus  Bändern  enthält,  sondern  auch  in  den 
schmalen  Begleitborten  auf  die  zum  reinen  Ornament  gewordene  kufische 
Schrift  hinweist,  welche  noch  im  Schirwanteppich  des  vorigen  Jahrhunderts 
erscheinen  (Abb.  13,  Tafel  XIII). 


Abb.  326. 


Gleichwie  die  Wiener  Ausstellung  von  1891  für  die  Geschichte  der  älteren 
orientalischen  Teppiche  von  grösster  Wichtigkeit  war,  so  hat  sie  auch  wert- 
volle Beiträge  geliefert  für  die  näheren  Ortsbestimmungen  der  modernen  Er- 
zeugnisse, die  enthalten  sind  in  dem  der  damaligen  Ausstellung  beigegebenen 
Katalog.  Man  kann  hiernach  das  Charakteristische  besonderer  Arten  allgemein 
zusammenfassen : 

Die  Einteilung  aller  orientalischen  Teppiche  erfolgt  zunächst  nach  dem 
Webstoffe:  s.  Material  S.  560.  Nach  der  Verfertigung  unterscheidet 
man  kurzhaarige  (persisch  Khabb-i-kutah)  und  langhaarige  (Khabb-i- 
bulend)  Teppiche ;  wenn  zottig  und  schwer,  werden  sie  Khersek  genannt.  Zu 
den  ersteren  gehören  die  Eerahan-,  Serabend-,  Kurdistan-,  Gerus-,  Khain- 
und  Biredschend-,  dann  die  turkmenischen  (Tekke  und  Yomud)  sowie  die 
feinsten  Khiva-  und  afghanischen  Teppiche;  langgeschoren  sind  die  Erzeug- 
nisse aus  der  Gegend  von  Schiraz  (Kaschkai),  Hamadan,  Zendjan,  Khorassan 
und  die  zentralasiatischen.  Zu  den  bestgeschorenen  gehören  die  Kurdi- 
staner   (Senne   und    Gerus) ,    Kirmaner    und    turkmenischen    Teppiche.      Sehr 


Di 


Teppich. 


ungleich,  stufenförmig  geschoren  sind  die  Ferahanteppiche.  Nach  dem  Gre^vebe 
teilen  sich  die  T.  in  glatte  und  plüschartige:  die  ersteren  Kilims  genannt. 
Die  stärksten  und   festesten    sind    die    der    turkmenischen    Nomaden    und    die 

Abb.  327. 


baumwollenen  von  Yezd ;  die  feinsten  kommen  in  Schuschter  und  Kurdistan 
vor.  Die  plüschartigen  T.  werden  nach  verschiedenen  Knüpfsystemen  her- 
gestellt:   vgl.    Tafel   XVI,    Abb.  27—31    und    Beschreibungen    8.  559.      Nach 


Teppich.  573 


Umfang  und  Format  teilen  sich  die  T.  in  Khali  (Kalitsche),  Sedschade  und 
Dschanemaz  (Gebetteppiche).  Khalis  sind  Teppiche  von  2  m  Länge  und 
3  m  Breite.  Eine  Grrenze  ist  dabei  durch  die  Art  der  Herstellung  gezogen, 
so  dass  die  meisten  Stücke  zwar  nach  Belieben  lang,  aber  nur  mit  grosser 
Schwierigkeit  sehr  breit  gemacht  werden  können,  so  dass  solche  zu  den  ge- 
suchten Seltenheiten  gehören.  Die  Masse  der  orientalischen  T.  sind  den 
dortigen  Wohnräumen  angepasst.  lieber  das  obere,  dem  Eingange  entgegen- 
gesetzte Ende  derselben  ist  ein  die  ganze  Breite  des  Raumes  einnehmender, 
meist  filzartiger  Teppich  (Serendaz)  gelegt,  von  dem  aus  sich  den  Seiten- 
wänden entlang  schmale  lange  Laufteppiche  (Kenari)  hinziehen.  Der  grössere 
jNIittelteppich  kommt,  wie  in  einem  Bilderrahmen  ruhend,  so  viel  mehr  zur 
Geltung,  und  bleibt  auch  dadurch  besser  erhalten.  Die  Nomadenteppiche, 
ursprünglich  für  das  Zeltinnere  bestimmt,  sind  sehr  selten  lang  und  propor- 
tionierter als  die  alten,  von  den  sesshaften  Einwohnern  erzeugten  Teppiche. 
Eine  kleinere  Gattung  Khali  heisst  Khalitsche.  Seitdem  gewisse  Gattungen 
orientalischer  Teppiche  sich  in  Europa  eingebürgert  haben,  wird  bei  der  An- 
fertigung solcher  Stücke  bezüglich  der  hier  gebräuchlichen  Grössen  Bücksicht 
genommen.  Teppiche  in  den  Massen  von  1:2m  lang  heissen  Sedschade, 
grössere  dieser  Gattung  Tscharpai  (vierfüssig).  Dschanemaz  heissen  die  Gebet- 
teppiche (s.  d.).  Auch  nach  Farben  und  Muster  werden  natürlich  die  orien- 
talischen T.  unterschieden,  wobei  in  älteren  Stücken  die  Symbolik  eine  hervor- 
ragende Kolle  spielt. 

Die  Bezeichnungen  der  orientalischen  Knüpfteppiche  erfolgt  nun  meistens 
nach  dem  Herstellungsorte.  Da  aber  dieser  nicht  immer  mit  Sicherheit  anzu- 
geben ist,  so  erscheinen  im  Handel  dafür  auch  die  Namen  der  Häfen,  von 
wo  aus  sie  nach  Europa  gelangten.  Das  bringt  natürlich  eine  grosse  Ver- 
wirrung in  die  Unterscheidung  der  vielen  Arten,  welche  erweitert  wird  durch 
mündliche  falsche  Heb  ertragungen. 

Persien  erzeugt  in  der  im  nordwestlichen  Teile  des  Reiches  gelegenen 
Provinz  Azerbeidschan,  deren  Hauptstadt  Täbris  (das  alte  Tauris)  ist. 
Knüpf-  und  Wirkteppiche,  meist  jedoch  in  geringerer  Sorte.  Aus  dem  Distrikte 
von  Karadagh  kommen  T.,  in  welchen  das  Bosa  vorherrscht,  die  Grundfarbe 
entspricht  derjenigen  des  Kamelhaares.  Wolle  unrein,  Dichte  verschieden. 
Knüpfung:  85—120  Knoten  auf  10  qcm  nach  Abb.  30,  Taf.  XYI.  Sie  unter- 
scheiden sich  schwer  von  den  in  der  kaukasischen  Provinz  Karabagh  geknüpften 
Arten.  Ferner  kommen  aus  Heris,  Ortschaft  nahe  der  Provinz  Gilan, 
Kamelhaarteppiche  auf  Bestellung  europäischer  Häuser,  ähnlich  dem  gröberen 
Ferahan,  im  Handel  fälschlich  His  genannt.  Aus  den  Provinzen  Zendjan 
und  Hamadan,  südlich  von  Azerbeidschan;  Material:  grobe  Wolle  oder 
Kamelhaar,  in  gewöhnlicher  Form  heissen  sie  Khersek.  In  dem  Distrikte  von 
Hamadan  erzeugen  die  Karagözlu-Nomaden  derartige  Teppiche:  vgl.  ik-bb.  1. 
Taf.  XIII.  —  Ferahan  (s.d.),  persische  Provinz,  erzeugte  früher  die  besten 
Sorten  der  Knüpfteppiche.  Die  Haupter zeugungs statte  derselben  ist  die  Stadt 
Suitanabad,  halben  Wegs  zwischen  Hamadan  und  Ispahan,  jetzt  fabrikmässiger 
Betrieb  für  europäische  Handelshäuser ;  aber  heut  noch  Handarbeit  von  Frauen 
auf  aufrechtstehendem  Webstuhl.  Die  Grössen,  abgesehen  von  besonderer 
Bestellung:  4 — 6  m  Länge,  2 — 3,70  m  Breite,  bei  den  älteren  Stücken  über- 
trifft die  Länge  die  Breite  um  das  3 — ^4fache  ihres  Masses.  Material  des  Ge- 
webes: Baumwolle  in  Kette  und  Einschlag,  der  Knüpfung:  Wolle  eigener 
Zucht;  mit  der  Flaumwolle  werden  die  ganz  feinen  kleinen  Teppiche  von 
grosser  Weichheit  erzeugt;  Knüpfung:  Abb.  29  Taf.  XVI,  bei  einigen  auch 
nach  Abb.  30.  Der  verbreitetste  Typus  des  Ferahanteppichs  ist  durch  das 
Heratimuster  (s.  d.)  (Abb.  1  Taf.  XIV)  gekennzeichnet,  das  aus  der  Stadt 
gleichen  Namens  (Herat)  stammt,  diesem  schliesst  sich  die  Heratiborte  aus 
Palmetten  an.  Die  Hauptstapelplätze  für  Ferahanteppiche  sind  Täbris  und 
Teheran,  von  wo  aus  dieselben  über  Trapezunt  in  den  Handel  kommen,  nach 
welcher  Hafenstadt  sie  auch  häufig  genannt  werden.  Serabend,  eine  Teppich- 
gattung nach  Art  des  modernen  Ferahan,    nur   viel   steifer   und    spröder,    ge- 


574 


Teppich. 


hört  zu  den  dichtgewebtesten  des  Landes.  Knüpfung  auf  10  qcm  1000  bis 
1500  Knoten  nach  Schema  29  und  30,  Tafel  XYI.  Haupteigentümlichkeit  im 
Dessin  ist  das  Palmwipfelmuster:  vgl.  Abb.  8,  Tafel  XIII.  Kurdistan,  mit 
diesem  Gesamtnamen  wird  die  längs  der  türkischen  Grenze  vom  Umrisse 
bis  hinab  gegen  Kirmanschah  sich  hinziehende^  von  zahlreichen  Wanderstämmen 
von  Kurden  durchzogene  Hochgebirgslandschaft,  welche  von  jeher  zu  den  vor- 
züglichsten teppicherzeugenden  Gegenden  Irans  zählte,  bezeichnet.  Es  haben 
sich  dort  mehrere  Zentralstellen  der  Industrie  selbständig  entwickelt,  die 
auch  in  der  Eigenart  der  Erzeugung  von  Kennern  unterschieden  werden :  d.  s. 
Senne  als  Hauptart  des  Distriktes  von  Ardilan  und  Ger,us.  Ersterer 
ist  ein  im  Gewebe  sehr  feiner  Teppich,  er  gilt  als  der  zierlichste  der  mo- 
dernen Knüpfarbeiten;  er  wird  wegen  seiner  geringen  Grösse  und  Dicke 
in  Europa  mehr  als  Zierteppich  für  Diwan  und  Tisch  benutzt.  Die  Dichte 
seines    Flors    ist    so    eng,     dass    beim   Umbiegen    die    Fäden    der   Kette    nicht 

Abb.  328. 


sichtbar  werden.  Eine  Untersuchung  der  Textur  hat  als  Grösstzahl  der 
Ejiüpfungen  auf  100  qcm  die  Summe  von  7200  Knoten  ergeben.  Diese 
Noppenzahl  geht  bei  den  gröbsten  Stücken  auf  3000  lierab.  Die  Knüpfungs- 
art  ist  nach  Abb.  29,  Tafel  XYI.  Hier  ist  wieder  das  Heratimuster  typisch, 
dem  sich  eine  einfache  Borte  anschliesst ;  auch  das  Palmwipfelmuster  ist  darin 
oft  vertreten.  Die  von  dem  nur  wenige  Tausend  Familien  zählenden  Kurden- 
stamme der  Gerus  herrührenden  Teppiche  sind  in  Ausführung  dem  Senne- 
teppich ähnlich,  nur  noch  etwas  rauher  als  dieser.  Kurdistan-Kilims 
werden  die  feinsten  glatten  Teppiche  genannt,  welche  Persien  erzeugt.  Sie 
sind  gobelinartig  gewirkt,  von  grösster  Feinheit  und  enthalten  auch  das  Herati- 
muster, welches  häufig  in  der  Mitte  von  einem  Pautenfeld  unterbrochen  wird. 
Kaschkai  heissen  im  europäischen  Handel  Kirmanschah  oder  Schiraz, 
wohl  auch  hier  und  dort  unter  dem  Namen  Mekka  bekannt.  Es  ist  ein  in 
den  verschiedensten  Sorten  und  mehreren  Mustern  vorkommender  Knüpf- 
teppich, welcher  von  den  über  den  südwestlichen  Teil  Persiens  ausgebreiteten 


Teppich.  575 


Nomadenstämmen  der  Kaschkai  ganz  in  Wolle  gearbeitet  wird  und  dessen 
Charakteristik  ausser  dem  einheitlichen  WebstofF  noch  in  dem  seidenartigen 
Luster  zu  suchen  ist.  Die  verschiedenartige  Benennung  desselben  beruht  auf 
Handelsnamen  (s.  den  bes.  Artikel  Kaschkai).  Dieser  Teppich  gilt  in  Persien 
heut  noch  als  der  schönste  neben  dem  Senne  aus  Kurdistan.  Die  Oberfläche 
desselben  ist  in  der  Regel  nicht  kurz  geschoren,  die  Knüpfung  keine  beson- 
ders dichte,  sie  schwankt  zwischen  1000  und  1500  auf  100  qcm  bei  einer 
Technik  nach  Abb.  29  und  30  auf  Tafel  XYI.  Die  Musterung  besteht  aus 
kleinem  Streuwerk  und  Rosetten  (Aschkali  genannt),  in  einer  anderen  Art 
erscheinen  die  Palmwipfel  mit  der  E,andborte  aus  einem  Wellenband,  das  mit 
kelchförmigen  Blüten  durchsetzt  ist:  vgl.  Abb.  328  und  Abb.  3  und  7  auf 
Tafel  XIII,  Abb.  7  auf  Tafel  XIY.  Kirman  (s.  d.)  ist  eine  aus  gleichnamiger 
im  Südosten  Persiens  gelegenen  Stadt  stammende  Teppichart  von  geringer 
Feinheit,  dessen  beliebteste  Musterung  im  kaschmir  oder  kirmaner  Shawlmuster 
besteht.  Khorassan  (s.  d.)  soll  früher  die  besten  Erzeugnisse  Persiens 
geliefert  haben,  was  durch  heutige  Arbeiten  kaum  noch  bestätigt  wird.  Dahin 
gehören  die  in  dem  Distrikte  von  Kha'in  erzeugten  Teppiche  mit  grellen, 
vielfach  unechten  Farben,  welche  auch  der  Dauerhaftigkeit  entbehrten.  Die 
Khorassanteppiche  sind  mit  wenigen  Ausnahmen  in  Wolle  auf  baumwollener 
Kette  geknüpft,  der  Einschlag  ist  gleichfalls  Baumwolle.  Auch  die  Erzeug- 
nisse der  Stadt  Biredschend  gehören  zu  dieser  Gattung. 

Persische  Filzteppiche  (Nemeds)  werden  in  der  Gegend  von  Yezd 
in  dem  Dorfe  Taft  gefertigt,  auch  diejenigen  von  Ispahan  sind  berühmt, 
gleiche  Fabrikate  kommen  aus  Kha'in  und  Biredschend.  Sie  erreichen  oft 
eine  Dicke  von  4  cm.  Eine  Sorte,  welche  besonders  leicht  und  durch  An- 
wendung des  Ziegenhaares    sehr    schmiegsam  ist,    wird  in  Hamadan  verfertigt. 

Persische  Seidenteppiche  kamen  früher  aus  den  berühmten  Staats- 
teppichwebereien und  wurden  in  der  Hegel  aus  dem  Produkte  der  Seidenraupe 
erzeugt,  deren  Kultur  im  Mittelalter  und  bis  in  die  jüngste  Zeit  nicht  nur 
über  das  chinesische  Turkestan,  die  Ländergebiete  des  Oxus  und  Jaxartes  und 
die  Oase  von  Merw,  sondern  auch  in  Khorassan,  Mazenderan  und  Ghilan  all- 
gemein verbreitet  war,  von  wo  aus  sie  ihren  Weg  nach  dem  Kaukasus  fand. 
In  neuer  Zeit  werden  Seidenteppiche  nur  in  der  Stadt  Kaschan  und  in 
Suitanabad  erzeugt.  In  letzterem  Orte  ist  diese  Industrie  auf  europäische 
Anregung  entstanden.  Im  wesentlichen  ist  die  Textur  der  einen  und  der 
anderen  Gattung  dieselbe :  Seidenkette,  Baumwolleinschlag  und  Seidenflor ;  nur 
sind  die  Sultanabader  Teppiche  spröder  und  steifer,  was  hauptsächlich  von  der 
grösseren  Stärke  des  zur  Verwendung  kommenden  Seiden-  und  Baumwollgarns 
herrührt:  2  Einschüsse  zu  je  16  und  8  Faden  gegen  fünffach  bei  dem  Kaschaner. 
Bei  beiden  Arten  wird  grobe  Stickseide  (soie  plate)  verwendet.  Die  Zahl  der 
Knüpfungen  beträgt  bei  Kaschan  etwas  über  4000,  bei  Suitanabad  3600 — 4000 
auf  100  qcm.  Die  Knüpfung  ist  nach  Abb.  29  auf  Tafel  XYI.  Die  Musterung 
ist  dem  europäischen  Geschmack  angepasst.  (Ygl.  Abb.  329.)  Im  vorliegenden 
Teppich  hat  man  den  Teil  einer  Galerie  mit  Chinoiserien  zu  einer  Art  von 
Gebetteppichfüllung  umgestaltet.     Die  Farben  sind  sehr  brillierend. 

Zu  den  zentralasiatischen  Teppichen  gehören  die  Turkmenen, 
die  Khiva,  die  Belutschistan  und  Bokhara. 

Turkmenen  werden  in  Zentralasien  Dschujnabe  genannt  und  im  Handel 
irrtümlich  Bokhara  (s.  d.),  mit  welchen  sie  nur  die  eigentümliche  rotbraune 
Farbe  gemein  haben,  die  dem  Indischrot  am  nächsten  kommt;  sie  gehören  zu 
den  dauerhaftesten,  dichtesten  und  bestgeschorenen  Teppichen  Zentralasiens. 
Das  Gelb,  das  den  Bokharas  so  eigentümlich  ist,  kommt  in  den  turkmenischen 
nur  selten  vor.  Neuerdings  kommt  auch  ein  Zinnoberrot  darin  zur  Ver- 
wendung, das  auf  den  Verfall  des  Farbensinnes  hindeutet.  Auf  allen  Turk- 
menen begegnen  wir  im  wesentlichen  einer  und  derselben  Art  der  Paum- 
einteilung:  zwei  Motive  von  geometrischer  Grundform  wechseln  in  versetzten 
Peihen  miteinander  ab,  das  eine  kreuzförmig  aus  vier  Balken,  an  deren  jedem 
ein  Doppelhaken  ansetzt,  das  zweite  von  achteckiger  Form  mit  Stern,    der  in 


576 


Teppich. 


der  Regel  durch  vier  ins  liegende  Kreuz  gestellte  Motive  gefüllt  ist.  Charak- 
teristisch für  den  Yomudteppich  sind  die  Achtecke  mit  äusserem  Rahmen, 
der  in  vier  Teile  zerlegt  ist.  An  den  Teketeppichen  (Abb.  5,  Tafel  XI Y) 
erfahren  die  Achtecke  durch  mehrfache  Aus-  und  Einsprünge  ihrer  TJmriss- 
linien  eine  weitere  Entwickelung,  oft  bis  zu  einem  Zweiunddreissigeck.  Eine 
etwas  abweichende  Art  der  Raumteilung  findet  sich  an  solchen  Knüpfteppichen 
befolgt,  die  ganz  bestimmten  Sonderzwecken  zu  dienen  haben :  d.s.  die  Grebet- 

Abb.  329. 


Vü 


teppiche  der  Yomud  (Abb.  330),  deren  Nischen  durch  ein  klar  gezeichnetes 
Netzmuster  ausgefüllt  sind.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  dieser  turk- 
menischen Teppiche  liegt  noch  darin,  dass  ihre  Borten  nicht  an  allen  Seiten 
gleich  behandelt  sind.  Oft  wechselt  das  Muster  nicht  nur  an  Lang-  und 
Schmalseite,  sondern  auch  an  den  beiden  Schmalseiten  untereinander.  Grewirkte 
Vorstösse  kommen  häufig  vor;  in  anderen  Fällen  treten  geknüpfte  Fransen  an 
ihre  Stelle.     Die  Wolle  dieser  Teppiche    ist    oft   sehr  fein  und  hat  namentlich 


Teppich. 


577 


nach  längerem  Gebrauche  ein  sammetartiges  Lustre.  Hier  und  da  werden  auch 
Seidenfäden  eingewebt.  Bei  einem  ganz  neuen  Teppich  wurde  beobachtet, 
dass  die  weissen  Musterfelder  in  Baumwolle  gewebt  waren.  Der  turkmenische 
T.  gehört  zu  dem  kurzhaarigen  Typus.  Neben  dem  Florteppich  wird  von  den 
Turkmenen  auch  ein  sumakh artiger,  sehr  derber,  aber  ausserordentlich  wider- 
standsfähiger Kilim  gewebt,  welcher  an  Ort  und  Stelle  Palas  heisst.  iVn  die 
turkmenischen  Teppiche  lehnen  sich  im  Muster  die   im   Handel   bald   Khiva, 

Abb.  330. 


I    i 


(f^-  .    -.IS' 


h:^\i 


bald  Afghanen  genannten  Teppiche  an,  welche  gewöhnlich  mit  gröberer  oder 
langhaariger  Wolle  gewebt  sind;  doch  kommen  auch  sehr  feine  und  dichte 
Arbeiten  vor,  die  sorgfältig  geschoren  und  in  ihrer  ziegelroten  Gresamtfärbung 
durch  prächtigen  Grianz  sowie  Geschmeidigkeit  ausgezeichnet  sind.  Selten  sind 
die  Teppiche  aus  Belutsch istan  (s.  d.).  Auch  über  Bokhara  siehe  den 
besonderen  Artikel.  Nach  den  von  dort  kommenden  Berichten  ist  anzunehmen, 
dass  die  heut  im  Handel  als  M  o  s  u  1  bezeichneten  Knüpfteppiche  (vgl.  Abb. 
4  und  5  auf  Tafel  XIII)  aus  Bokhara  stammen;  es  würde  sich  in  den  hier 
abgebildeten  Stücken  um  neuere  Erzeugnisse  handeln.      lieber    kaukasische 


Teppiche    vgl.    den    besonderen    Artikel. 

Heiden,    Handwörterbuch  der  Textilkunde. 


Dazu    gehören    die    Karabagh 
37 


578 


Teppich. 


und  G-endsche;  eine  Abart  hiervon  sind  die  Kasaks  (vgl.  Abb.  6  anf 
Tafel  XIY)  und  die  Lesghi.  Eine  besondere  Gattung  der  kaukasischen 
Teppiche  sind  die  aus  dem  im  Osten  zwischen  den  unteren  Lauf  des  Kur  und 
die  Halbinsel  von  Apscheron  eingekeilten  Landstriche  Schirwan  (vgl.  die 
Abb.  9 — 13  auf  Tafel  XIII),  die  sich  wiederum  unterscheiden  nach  den  Er- 
zeugnissen der  Ortschaften  Baku,  Mogan  und  den  Arten  Tschet sehen 
und  Kabristan.  Die  Teppiche  der  Landschaft  Daghestan  (s.  d.)  werden 
unterschieden  nach  solchen  aus  Derbent    (ganz    aus  Wolle,    Knüpfungsart  29 

Abb.  331. 


auf  Tafel  XYI)  und  den  feineren  dieser  Art  aus  Kuba.  Die  Sumakh- 
teppiche  jeder  Art  sind  broschierte  G-ewebe  (vgl.  Abb.  8  auf  Tafel  XIV), 
bei  welchen  die  Schussenden  entweder  kurz  am  Grewebe,  auf  der  Rückseite 
abgeschnitten  sind,  wie  bei  den  Yerne  und  Sile,  oder  lose  auf  letzteren 
hängen,  wie  bei  den  eigentlichen  Sumakhs.  (Vgl.  Bindungstafel  XVI, 
Abb.    31.) 

Anatolische    Teppiche,    auch  Smyrna-  oder  türkische  Teppiche  im 
Handel  genannt,  vertreten  eine    uralte    Industrie    der    Knüpftechnik    in    Klein- 


Teppich. 


579 


asien.  Als  Hauptsitze  der  Erzeugung  beliebter  Sorten  werden  heute  genannt: 
Uschak,  Giordes  (Abb.  6  auf  Tafel  XIII),  Kula  (Abb.  331),  Demird- 
schik,  Sparta,  Ladik  (Abb.  332),  Pergamos  (Abb.  2  auf  Tafel  XIII) 
und  Melas  (s.  den  Artikel  Smyrnateppiche).  Die  Industrie  trägt  überall  die 
Merkmale  häuslicher  Tätigkeit,  die  Teppicharbeit  wird  wie  ein  Geheimnis  ge- 
hütet, um  der  im  Lande  einzig  blühen- 
den Industrie  keine  fremdländische  Abb.  332. 
Konkurrenz  zu  schaffen.  Der  grösste 
Teil  der  zu  verarbeitenden  Wolle 
stammt  von  den  eigenen  Schafen  und 
wird  im  Hause  gesponnen,  sie  ist  von 
fettiger  Sorte,  doch  glaubt  man,  dass 
sie  nicht  immer  gewaschen  wird,  da 
gewisse  Farben,  wie  blau  und  gelb,  in 
der  ungewaschenen  "Wolle  schöner  er- 
scheinen. Das  Färben  derselben  be- 
sorgen die  Männer  während  der  Regen- 
zeit überall  im  Hause,  doch  gibt  es  in 
Kula  und  Uschak  auch  eigentliche 
Färber.  Es  wird  hier  die  im  Lande 
gebaute  Krappwurzel  viel  zum  E.ot- 
färben  verwendet,  weniger  Cochenille. 
Indigo  gibt  die  blaue,  die  Kreuzbeere 
die  grüne  und  gelbe,  der  Gallapfel 
die  schwarze  und  Yalonea  die  weisse 
und  braune  Farbe ;  zur  Hervorbringung 
hellerer  und  dunklerer  Farbentöne 
dienen  verschiedene  Holzgattungen,  und 
von  chemischen  Produkten  werden  nur 
solche  verwendet,  die,  wie  Vitriol, 
Alaun,  Zinn,  zur  Färberei  durchaus 
notwendig  sind.  Der  Billigkeit  halber 
und  auch  um  der  Mode,  welche  zur 
Zeit  des  Sultans  Abdul  Asis  (1830 
bis  1876)  an  gelben  Farben  Gefallen 
fand,  ein  Zugeständnis  zu  machen,  be- 
diente man  sich  einige  Zeit  lang  der 
Anilinfarben;  doch  da  man  merkte, 
dass  darunter  die  Güte  und  Dauer- 
haftigkeit der  Teppiche  litt ,  kehrte 
man  wieder  zum  alten  Gebrauche  der 
vegetabilischen  Farbstoffe  zurück.    Die 

Webstühle  sind  die  ältesten  ihrer  Gattung.  In  Uschak  ist  die  Teppicherzeugung 
am  ausgedehntesten  und  vollendetsten.  Von  2000  Webstühlen  sind  (nach  dem 
Berichte  Boutiers  aus  dem  Jahre  1885)  600  in  Tätigkeit,  und  versehen  4000 
iVrbeiter  und  Arbeiterinnen  das  Knüpfen  und  Weben  der  Teppiche  und  das 
Waschen  und  Färben  der  Wolle.  Die  Muster  der  heute  hier  erzeugten 
Teppiche  sind  türkisch  und  werden  alten  Teppichstücken,  die  entweder  in  der 
Familie  vererbt  oder  von  einer  anderen  Familie  entlehnt  sind,  nachgebildet. 
In  Giordes  werden  hauptsächlich  persische  Muster  nachgeahmt.  Kula  liefert 
sogenannte  Khorassanimitationen.  Auf  Bestellung  w^ird  aber  überall  Alles  ge- 
arbeitet und  kein  Ort  beschränkt  sich  heut  auf  bestimmte  Erzeugnisse. 

In  Hinsicht  auf  die  Güte  lassen  sich  die  Smyrnateppiche  in  dicke, 
mittlere  und  dünne  teilen.  Die  dicken  sind  die  geschätztesten,  und  die  besten 
davon  stammen  aus  Uschak.  Die  schlechteste  Sorte,  die  ebenfalls  hier  erzeugt 
wird,  heisst  Barhana,  und  wird  für  die  Echtheit  ihrer  Farben  nicht  garantiert. 
Die  mittleren  Sorten  stammen  aus  Kula,  Giordes  und  Demirdschik.  Der 
Unterschied  zwischen  diesen  und  denen  von  Uschak  besteht    auch    noch  darin, 


580  Teppich. 


dass  iu  Kula  Hanf,  in  Giordes  und  Demirdschik  Baumwolle  zur  Kette  ver- 
wendet wird,  während  Uschak  Wolle  nimmt.  Die  feinste  Qualität  aus  Uschak 
führt  den  Namen  Tek-Iplik.  Muster  und  Textur  sind  hierbei  ausser- 
ordentlich fein. 

Sj^rische  Teppiche  sind  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrh.  bekannt. 
Ihre  Erzeugung  ist  übertragen  von  einer  Anzahl  Familien  aus  Brussa  nach 
Dörfern  in  den  Distrikten  Hakkar,  Hossu,  Safita  und  Hazzur  im  Mutessariflik 
Tripolis  in  Syrien.  Das  bedeutendste  dieser  Dörfer  —  etwa  ein  Dutzend  — 
ist  Haidamur,  etwa  30  Meilen  östlich  von  Tripoli;  es  scheint  alle  anderen 
in  Bezug  auf  Güte,  Dauerhaftigkeit  und  Zeichnung  der  Teppiche  zu  übertreffen. 
Eine  Gattung  guter  Teppiche  wird  auch  im  Dorfe  Eiki  oder  F'akeh  erzeugt. 
Die  Hauptfarben  solcher  syrischen  Teppiche  sind  rot  und  schwarz,  öfter 
karminrot  und  schwarz,  mit  schwarzen  oder  dunkelbraunen  Figuren  an  den 
beiden  Enden.  In  einem  etwa  10  Meilen  von  Haidamur  entfernten  Dorfe  sind 
die  Hauptfarben  der  Teppiche  rot  und  grün  mit  weissen  Borten  und  das 
Muster  zeigt  weisse  Kreise  mit  roten  und  grünen  Mittelpunkten. 

Vom  Orient  her  hatte  sich  die  Teppichindustrie  auch  nach  Bosnien 
und  der  Herzegowina  verpflanzt;  aber  sie  war  sehr  in  Verfall  geraten  und 
wurde  von  der  österreichisch-ungarischen  Regierung  in  neuer  Zeit  wieder 
gepflegt,  so  dass  man  nach  gegebenen  j^Iustern  gute  Ware  zu  arbeiten  im 
stände  ist. 

Bulgarische  Teppiche  kamen  früher  aus  der  Stadt  Pirot,  die 
heute  zu  Serbien  gehört.  Hier  wurden  gewöhnliche  Sorten  kleinen  Formats 
zu  sehr  billigen  Preisen  erzeugt,  unter  dem  Namen  Pirocanski-Kilim. 
Auch   Ciporovica  wird  als  Teppicherzeugungsstätte  genannt. 

Rumänische  Teppiche  sind  unter  der  Bezeichnung  Velin tze  be- 
kannt, sie  gleichen  den  serbischen,  bulgarischen  und  similaren  Torontaler  Er- 
zeugnissen, indessen  ohne  die  feineren  Muster    und  Farbenzusammenstellungen. 

Serbien  nimmt  unter  den  Teppich  erzeugenden  Ländern  der  Levante 
keinen  unbedeutenden  Platz  ein,  den  es  durch  das  frühere  bulgarische  Pirot 
erobert  hat.  Zurzeit  der  Türkenherrschaft,  als  die  Teppiche  nicht  nur  beim 
reichen  Landadel,  sondern  bis  nach  Konstantinopel  lohnenden  Absatz  fanden, 
beschäftigte  sich  fast  die  ganze  weibliche  Bevölkerung  der  etwa  10  000  Seelen 
zählenden  Stadt  Pirot  mit  der  Herstellung  von  Teppichen,  doch  nachdem  der 
wohlhabende  Adel,  überhaupt  alle  Mohammedaner  das  Land  verlassen  haben, 
finden  nur  etwa  1000  Personen  noch  ihre  Beschäftigung.  Die  Teppichweberei 
ist  immer  Hausindustrie  gewesen,  umgeben  von  einem  Sagenkreise  mit  Märchen 
und  Volksliedern,  welche  sich  von  Mutter  auf  Tochter  übererbte.  Man  hält 
daher  fest  an  wenigen  hergebrachten  Ornamenten,  die  jeder  Weberin  beim 
Namen  bekannt  sind  und  ohne  jede  Vorlage  unter  ihren  Fingern  entstehen. 
Erst  in  neuester  Zeit  hat  man  sich  gegen  gute  Bezahlung  herbeigelassen,  auch 
nach  angegebenen  Mustern  in  Zeichnung  und  Farbe  zu  arbeiten.  Die  älteren 
Stücke  haben  einen  schwarzen,  die  der  neueren  Zeit  einen  roten  Grund,  alle 
Muster  schliessen  sich  der  geometrischen  Formengebung  an. 

lieber  indische  Teppiche  siehe  den  Artikel  Indien.  Vgl.  auch  den 
Aufsatz  „Indische  Teppiche"  von  Vincent  J.  Robinson  in  dem  Werk:  „Teppich- 
erzeugung im  Orient",  herausgegeben  vom  K.  K.  Oesterr.  Handelsmuseum  in 
Wien,  1895. 

Die  Erzeugung  von  Teppichen  im  nördlichen  und  westlichen  China  ist 
eine  verbreitete  Hausindustrie.  Man  erzeugt  gewirkte,  geknüpfte  und  Filz- 
teppiche :  alle  drei  Gattungen  werden  mehr  zur  Bedeckung  der  Betten  und  als 
Reise-  und  Satteldecken,  weniger  aber  als  Bodenbelag  verwendet.  In  Peking 
werden  für  die  kaiserlichen  Paläste  einzelne  Teppiche  von  besonderer  Schön- 
heit in  Seide  und  mit  Goldfäden  durchwirkt  hergestellt,  wiewohl  die  grösste 
Zahl  der  im  Besitze  des  Hofes  befindlichen  Teppiche  dieser  Art  zentral- 
asiatischen Ursprungs  sein  soll.  Die  Kette  der  gewöhnlichen  Teppiche  ist 
meist  Baumwolle,  der  Einschlag  und  die  Knüpfung  Schaf-  oder  Kamelwolle. 
Die  meisten  chinesischen  Teppiche  zeigen    eine    ganz    feste,    organische  Raum- 


Teppich.  581 


gliederung.  Die  Mitte  wird  betont  durch  eine  Blütenrosette,  die  Ecken  durch 
Mäanderwerk,  das  auch  in  den  Abschlussrändern  eine  Rolle  spielt ;  dazwischen 
Streumuster  in  regelmässigen  Abständen  aus  stilisiertem  Blütenwerk,  Rosetten, 
auch  Fledermäusen,  Schmetterlingen  u.  a.  m.  angebracht.  Der  Farbenreichtum 
ist  mit  den  übrigen  orientalischen  Teppichen  nicht  zu  vergleichen.  Der  Grrund 
ist  gewöhnlich  weiss,  namentlich  in  kleineren  Stücken,  in  grösseren,  ist  Rot 
und  viel  Gelb  als  kaiserliche  Farbe  vertreten.  Typische  Beispiele  für  gute 
Erzeugnisse  kommen  aus  S  a  m  a  r  k  a  n  d  in  Chinesisch-Turkestan.  (Vgl.  Abb.  4 
auf  Tafel  XIV.) 

Japanische  Teppiche  sind  in  älteren  Zeiten  völlig  unbekannt.  In 
den  Wohnräumen  der  höheren  Stände  vertreten  dort  die  Felle  der  auf  der 
Jagd  erlegten  Tiere  ihre  Stelle.  Erst  vor  etwa  zwei  bis  drei  Jahrhunderten 
begann  man  in  Japan  selbst  Teppiche  zu  erzeugen,  welche  Nabeshima  ge- 
nannt wurden ;  diese  Fabrikation  geriet  aber  gänzlich  in  Verfall.  Seit  der 
Eröffnung  des  Landes  und  der  Zunahme  des  Verkehrs  hat  sich  der  Gebrauch 
von  Teppichen  verbreitet  und  man  ahmt  seit  der  Mitte  des  19.  Jahrh.  chinesische 
und  europäische  Teppichmuster  nach.  In  Kishiu  und  den  angrenzenden  Pro- 
vinzen, wo  früher  eine  Art  Flanell,  Mompa  genannt,  erzeugt  wurde,  fertigte 
man  Teppiche  aus  Baumwolle,  Hanf  und  Seide  an,  die  in  Tokio  usw.  einen 
starken  Absatz  fanden.  Baumwollteppiche  werden  jetzt  in  Sakai  bei  Osaka 
in  der  Provinz  Idzumi  hergestellt.  Die  Teppicherzeugung  wird  als  Haus- 
industrie betrieben  und  beschäftigen  die  Kaufleute,  welche  sich  mit  dem  Handel 
des  Artikels  befassen,  die  Arbeiter.  Hanfteppiche  werden  in  Fusimi  bei  Kioto 
in  der  Provinz  Yamasiro,  in  Mikage,  zwischen  Osaka  und  Kobe,  und  in  Koma- 
gasaki  bei  Hiogo  erzeugt. 

Aus  Marokko  sollen  Teppiche  des  14. — 17.  Jahrh.  stammen,  welche 
grosse  Sternmuster  in  Art  der  vorderasiatischen  Knüpfarbeiten  enthalten,  die 
zum  grössten  Teil  in  Rot  und  Grün  gehalten  sind.  Andere  setzen  diese  Art 
von  Knüpfteppichen  nach  Damaskus  (?).  Als  einstige  Hauptsitze  der  Teppich- 
weberei in  Marokko  werden  Fez  und  Marokko  bezeichnet,  heute  hat  sich  die 
Industrie  in  Rabat  und  El  Baida  (Casa  blanca)  aufgetan.  In  Rabat  werden 
die  Knüpfteppiche  (Zebia),  in  Casa  blanca  die  gewirkten  Teppiche  (Hambel) 
erzeugt.  Eine  Spezialität  der  marokkanischen  Teppiche  sind  die  Tuarek- 
teppiche,  welche  die  Frauen  arbeiten;  sie  kommen  seltener  in  den  Handel, 
sondern  werden  dem  Eigentümer  bei  seinem  Tode  als  Leichentuch  ins  Grab 
mitgegeben. 

Die  älteren  in  Europa  erzeugten  Fussteppiche  in  Knüpf- 
arbeit stammen  aus  Spanien,  wohin  die  Industrie  im  16.  Jahrh.  von  den 
Sarazenen  verpflanzt  worden  ist.  Die  Muster  lehnen  sich  an  orientalische 
Typen  gleicher  Zeit  an,  doch  kommen  auch  andere  vor,  die  darin  im  Sinne 
der  Gewebe  Tapetenstoffen  gleichen. 

Die  moderne  Nachahmung  orientalischer  Knüpfteppiche- 
in  Europa  begann  in  Deutschland  in  der  Mitte  des  19.  Jahrhdts.  Nachi 
Berichten  von  Julius  Lessing  (Altorientalische  Teppiche,  Berlin  1877)  wurden 
im  Jahre  1853  von  der  preussischen  Regierung  zwei  Techniker  aus  Kottbus; 
und  Schönberg  in  Schlesien  nach  Giordes,  Kula  und  Uschak  in  Kleinasien 
gesandt,  um  die  Smyrnatechnik  zu  studieren  und  man  fing  dann  an,  genau 
nach  der  orientalischen  Art  mit  Hilfe  von  Haute-lisse-Webstühlen  zu  arbeiten : 
zuerst  in  der  Gevers  &  Schmidt  sehen  Teppichfabrik  in  Schmiedeberg  in 
Schlesien,  derselben  folgten  Schütz  &  Juel  in  Würzen  bei  Leij)zig,  die  heute 
als  „Vereinigte  Smyrna-Te23pichfabriken"  bekannt  sind.  In  Oesterreich 
traten  zuerst  Philipp  Haas  &  Söhne  aus  Wien,  J.  Ginzkey  in  Maffersdorf  bei 
Reichenberg,  Jos.  Dierzer  in  Kleinmünchen,  Gebr.  Schaumann  in  Stockerau 
mit  Erzeugnissen  dieser  Art  auf.  Belgien  fertigte  Smyrnateppiche  bei 
Stevens  Michel  &  Co.  in  Brüssel,  aus  Holland  kamen  dergleichen  aus  der 
Kgl.  Teppichfabrik  in  Deventer  und  von  Jan  Henkensfeldt  in  Delft.  Die 
neuere  Zeit  hat  in  allen  grösseren  Textilindustriezentralen  Europas  Werk- 
stätten   für   Teppichknüpferei    entstehen    lassen.       lieber    das    Kopieren    nach 


582  Teppich. 


orientalischen  Vorbildern  ist  man  längst  hinaus,  man  folgt  auch  hierin  dem 
Geschmacke  der  Neuzeit;  doch  der  gute  alte  Teppich  des  Morgenlandes  ist  zu 
widerstandsfähig,  als  dass  er  schon  gänzlich  vergessen  worden  wäre. 

Literatur  (ausser  den  im  Text  angeführten  AVerken) : 

a)  Wandteppiche  und  ältere  verwandt  e  T  echnik:  Bock,  F.,  Kunst- 
geschichtliche Beiträge  über  die  vielfarbigen  Gobelin  Wirkereien  und  Purpurstickereien 
der  spätrömischen  und  frühbyzantinischen  Kunstepoche,  Hannover  1886;  Böttiger, 
J.,  Svenska  statens  samling  af  säfda  tapeter  historic  och  beskrifvande  förteckning, 
Stockholm  1895—98;  Boucher,  Fr.,  Fac-Simile  d'apres,  1882;  Boyer  deSte. 
Suzanne,  Les  tapisseries  Frangaises,  1879;  Castel,  A.,  Les  tapisseries,  Paris  1876; 
Champeaux,  A.  de,  Tapestry,  South  Kensington  Museum,  Art  handbook,  London 
1878;  Deyroll,  L.,  Notice  sur  l'art  de  la  tapisserie  dans  ses  rapports  avec  la  pein- 
ture  et  sur  les  moyens  d'execution  dont  peut  disposer  l'artiste  tapissier  dans  les  manu- 
factures  des  Gobelins  et  de  Beauvais,  Paris  1878;  Dillmont,  Th.  de.  Koptische 
Stickereien,  Muster  altchristlicher  Kunst  in  Aegypten,  Dornach  1887;  Duhamel  du 
Monceau,  Die  Kunst,  türkische  Tapeten  zu  weben,  welche  unter  dem  Namen  der 
Tapeten  von  Savonnerie  bekannt  sind,  Leipzig  und  Königsberg  1768;  Dupont,  P., 
La  stromatourgie.  Documents  relatifs  ä  la  fabrication  des  tapis  de  Turquie  en  France 
au  17.  siecle;  1882;  Egyptian  art,  Teil  5  der  Portefolios  of  South  Kensington  Mu- 
seum in  London;  Farcy,  L.  de,  Histoire  et  description  des  tapisseries  de  la  cathe- 
drale  d' Angers,  1890;  Fenaille,  M.,  Etat  general  des  tapisseries  de  la  manufacture 
des  gobelins  depuis  son  origine  jusqu'a  nos  jours  (1600 — 1900),  Paris  1903;  Forrer, 
Die  Gräber-  und  Textilfunde  von  Achmim-Panopolis,  1891;  Gentili,  P.,  Arazzi 
antichi  e  moderni,  Roma  1897;  Gerspach,  E.,  La  manufacture  nationale  des  gobe- 
lins, Paris  1892;  Derselbe,  Les  tapisseries  coptes,  Paris  1890;  Graft,  J.,  van  der, 
De  Tapijtfabrieken  der  16.  en  17.  eeuw,  Middelburg  1869;  Guichard,  E.  et  A. 
Darcel,  Les  tapisseries  decoratives  du  Garde-meuble ,  Paris  1877;  Hankiewicz, 
C,  V.,  Die  Kilimweberei  und  die  Kilimwebeschule  des  A¥.  R.  v.  Fedorowiez  in  Okuo, 
Wien  1894;  Hauser  y  Menet,  Tapices  de  la  corona  d'Espana,  Madrid  1903;  Jubi- 
nal,  Achille,  Les  anciennes  tapisseries  historiees,  ou  collection  des  monuments  les  plus 
remarquables  de  ce  genre  du  moyen  äge  ä  partir  du  11.  siecle  au  16.  s.  incl.  gravures 
d'apres  les  dessins  de  Victor  Sansonetti,  Paris  1838;  Kawashima,  J,,  Art  fabrics 
exhibited  at  worlds  Columbia  exposition  at,  Chicago  1893;  Les  sing,  J.,  Die  Wand- 
teppiche aus  dem  Leben  des  Erzvaters  Jakob,  Vorbilderhefte  (25)  Berlin  1900;  Der- 
selbe, Der  Croy-Teppich  im  Besitz  der  Kgl.  Universität  Greifswald,  Berlin  1902; 
Mann  er s,  Victoria,  Descreptive  notes  on  the  tapestry  in  Haddonhall,  London  1899; 
Maple,  Conceming  carpets  and  art  decoration  of  floors,  Bradford  1886;  Mayer, 
Joh.  Ulrich,  Königliche  Französische  Tapezereyen  u.  s.  w.,  Augsburg  1690;  Müntz, 
E.,  La  tapisserie,  Paris  1888;  Derselbe,  Tapisseries,  broderies  et  dentelles,  Paris 
1890;  Derselbe,  Les  tapisseries  de  Raphael  au  vatican,  Paris  1897;  ßecuil  de 
313  peintures  et  tapisseries  de  la  manufacture  nationale  de  Beauvais  (sous  l'admini- 
stration  de)  M.  Badin  etc.,  Paris  1904;  Begensburg,  Gobelins  aus  dem  14.  Jahrh. 
im  Bathaus,  1875;  Riegl,  A.,  Die  ägyptischen  Textilfunde  im  K.  K.  Oesterr.  Museum, 
Wien  1889;  Seelig,  Frau,  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Kunst-  und  Haus- 
weberei nach  den  Erfahrungen  der  Kieler  Kunstgewerbeschule,  Kiel  1904;  Seil,  E., 
Les  tapisseries  de  Touruai,  1892;  Stammler,  J.,  Die  Burgunder  Tapeten  im  hi- 
storischen Museum  zu  Bern,  1865;  Tapisseries  anciennes  et  modeles  de  ta- 
pisseries en  16. — 18.  siecle,  Paris  1891;  Tarabulini,  D.,  L'arte  degli  arrazzi  e  la 
nuova  galleria  dei  gobelins  al  Vaticano,  Roma  1884;  Turgan,  Les  grandes  usines 
de  France,  1 — 3  gobelins,  Paris  1860;  Villaamit,  G.,  Cruzada  —  Los  tapices  de 
Goya,  Madrid  1870;  Wauters,  A.,  Les  tapisseries  bruxelloises,  Essai  historiqne  sur 
les  tapisseries  et  les  tapisseries  de  haute  et  de  basse-lisse  de  Bruxelles ,  Br.  1878; 
Ziesch,  W.  &  Co.;  Anleitung  zur  sachgemässen  Behandlung  alter  echter  Gobelins 
und  Ueber  die  Kunst  der  Gobelinweberei  u.  s.  w.,  Berlin  1904. 

b)  Orientalische  Knüpfteppiche  u.  s.  w. :  Coxon,  H.,  Oriental  car- 
pets, how  they  are  made  and  conveyed  to  Europe,  London  1884;  Eckmann,  0., 
Moderne  Knüpfteppiche  nach  eigenen  Entwürfen,  ausgeführt  durch  die  Vereinigten 
Smyrna-Teppichfabriken  Schmiedei)erg,  Cottbus,  Hannover,  Linden,  Berlin  1901;  Fröh- 
lich, W.,  Orientalische  Teppiche,  Berlin  1890;  Holt,  Rosa,  Belle,  Rugs,  Oriental 
and  Occidental  antique  and  modern,  Chicago  1901;  Jäck,  Eug.,  Der  Einfluss  der 
Orientalen  auf  unsere  Teppichfabrikation;  Janitsch,  J.,  Der  orientalische  Teppich 
als  Vorbild,  1891;  Lipperheide,  F.  &  Clara  M  arg  g  raff,  Die  Smyrnaarbeit,  Berlin 


Teppich.  583 


1886;  Mumford,  J.,  Oriental  rugs,  London  1901;  Orientaux,  Ornements, 
tapis,  toiles  peintes  etc.,  1892;  Riegl,  A.,  Aeltere  orientalische  Teppiche  aus  dem 
Besitze  des  Allerhöchsten  (Oesterreichischen)  Kaiserhauses,  Wien  1895;  Robinson, 
V.  J.,  Eastern  carpets,  London  1882,  1893;  Stebbing,  E.,  The  holy  carpet  of  the 
mosque  at  Ardebil,  London  1893;  Teppiche  des  Orients  und  der  unreelle  Handel 
damit,  Stuttgart  1900;  Turkey  carpets  and  their  manufacture ,  London  1884; 
AVierzbicki,  L.  v.,  Decken,  Teppiche  u.  s.  w.,  Ser.  III,  lY,  X  von  „Ornamente  der 
Hausindustrie  Ruthener  Bauern",  Lemberg  1883 — 89. 

Abbildungen: 

318.  Darstellung  aus:  Müntz,  La  Tapisserie,  Paris  1888,  S.  93:  Teil  eines 
Wandteppichs,  Wirkerei  in  farbiger  Wolle,  weiss  und  bunt:  Muster  aus  verbundenen 
Kreisen  mit  antikem  Elechtband,  darin  phantastische  Tiergestalten  in  symbolischer  Be- 
deutung ;  Randborten  aus  romanisierendem  Arabeskenwerk  mit  Löwenköpfen.  Fran- 
zösische oder  nordische  Arbeit  unter  dem  Einfluss  eines  gewebten  orientalischen  Seiden- 
stoffes, 10.— 12.  Jahrh. 

319.  Darstellung  nach  einer  Photographie  aus  dem  Kunsthandel :  W^andteppich, 
Wirkerei  in  farbiger  WoUe  mit  Darstellung  der  Verkündigung  Maria.  Flandern, 
15.  Jahrh. 

320.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1892.  S.  49.  Wandteppich, 
Wirkerei  in  farbiger  Wolle  mit  Darstellung  des  Urteils  Salomonis.  Leipziger  Arbeit 
des  Webers  Seger  Bombeck,  16.  Jahrh. 

321.  Originalaufnahme  nach  der  Kopie  eines  im  Kgl.  Schlosse  zu  Berlin  vor- 
handenen Wandteppichs  mit  Zeichnung  von  Boucher:  Mädchen  mit  Korb.  Original 
Frankreich  Ende  18.  Jahrh.,  Kopie  von  der  Berliner  Gobelinmanufaktur  W.  Ziesch 
&  Co.,  1903. 

322.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  Juli  1898:  S.  184.  Wandteppich 
„Flora"  gezeichnet  und  gewirkt  von  William  Morris ;  die  Figur  von  Edward  Burne 
Jones.  Aus  dem  Werke  „Aymer  Vallance,  William  Morris,  London,  George  Bell 
and  Sons". 

323.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  September  1902,  X.  F.  XIII.  H.  12: 
Wandteppich  mit  Muster  aus  stilisierten  Blumenstauden  in  Art  der  gotischen  Yerdüren, 
in  Nordischer  Bildwirkerei  gearbeitet  von  Ida  und  Carlotta  Brinckmann  für  das  Ham- 
burger Museum  für  Kunst  und  Industrie. 

324.  Darstellung  nach  einer  Photographie :  Wandteppich,  Entwurf  von  Walter 
Leisticow,  gewebt  im  Lettehaus  für  die  Nordische  Kunstweberei,  Inhaber  P.  Lind- 
horst, Berlin. 

325.  Darstellung  aus  Porte  folio  of  art,  South  Kensington  Museum,  London : 
Knüpfteppich  in  farbiger  Wolle  und  Seide,  Grund  rot,  Muster  bunt :  stilisierte  Blüten- 
ranken, chinesische  Wolken  und  Vögel.     Persien  17.  Jahrh. 

326.  Darstellung  nach  einer  Photcgraphie  aus  dem  Kunsthandel:  Knüpfteppich 
in  farbiger  Seide,  Grund  rot,  Muster  bunt:  Ranken  und  Blüten  in  Palmettenform. 
Persien  16. — 17.  Jahrh. 

327.  Darstellung  aus:  Julius  Lessing^  Orientalische  Teppiche,  Vorbilderheft  13, 
Berlin  1893:  Knüpfteppich  in  farbiger  Wolle,  rot,  blau  und  bunt:  Ausgesparte  arabische 
Palmetten  greifen  als  umschlagendes  Muster  ineinander  und  enthalten  wechselnde  sti- 
lisierte Blütenranken:  am  Rande  Bänder  und  stilisierte  Wolken.  Persien  16.  bis 
17.  Jahrh. 

328.  Originalaufnahme  aus  den  Beständen  des  Hauses  Rudolph  Hertzog  in  Ber- 
lin: Hälfte  einer  persischen  Satteltasche,  Knüpfarbeit  in  farbiger  Wolle:  im  Felde 
Sterne  in  Rauten,  Rand  mit  Wellenband.     Kaschkai  19.  Jahrh. 

329.  Originalaufnahme  wie  Abb.  328:  Geknüpfter  Seidenteppich  mit  Darstellung 
einer  Gebetnische  aus  zusammengestellten  chinesischen  Formen.  Persien  (Ispahan) 
19.  Jahrh. 

330.  Originalaufnahme  wie  Abb.  328 :  Gebetteppich ,  Knüpfarbeit  in  farbiger 
Wolle,  vorwiegend  rot,  weiss  und  mit  Blau:  Kreuz,  verschieden  gemusterte  Zacken- 
ränder mit  Mäanderansätzen  u.  s.  w.     Turkmenische  Arbeit  der  Yomuden,  19.  Jahrh. 

331.  Originakufnahme  wie  Abb.  328:  Knüpfteppich  in  farbiger  Wolle :  In  Mitte 
spitzes  Feld  auf  gelblich-braunem  Grunde,  Randborten  bunt,  gestreift  mit  Streublumen. 
Kula  in  Anatolien  Ende  18.  Jahrh. 

332.  Original  aufnähme  wie  Abb.  328 :  Schmaler  Gebetteppich,  Knüpfarbeit  in 
farbiger  Wolle :  Die  Nische  kupferrot^  Füllmuster  bunt,  vorwiegend  auf  HeUblau, 
Ränder  aus  schrägen  gefüllten  Bändern.     Ladik  in  Anatolien  Ende  18.  Jahrh. 


584  Teppich — Teppichgrund. 


Abbildungen    auf  der  Tafel  XIII :    Orientalische    Knüpf  t  eppi  che    des 

18.  und  19.  Jahr h.  (Originalaufnahmen  aus  den  Beständen  des  Hauses 

Rudolph  Hertzog  in  Berlin): 

1.  Muster:  Rauten  in  länglich  spitzen  gezackten  Feldern  mit  Grrundfüllung  in. 
Weiss  und  Grelblichbraun,  die  Zwickel  und  in  den  Rändern  bunte  Rosettenfüliung 
u.  dgi.  auf  vorherrschend  naturfarbenem  Kamelhaargrund,  Hamadan  im  Teppichbezirk 
Azerbeidschan. 

2.  Rotbraunes  spitzes  Feld  mit  aneinander  gereihten  Blütenrosetten  und  länglich 
gezogenen  tulpenähnlichen  Formen;  die  Zwickel  auf  blauem  Grrunde.  Pergamos  (das 
alte  Bergama),  Provinz  Mysien  in  Anatolien. 

3.  Grezackte  Rauten  mit  symmetrischer  Füllung  aus  geraden  Bändern  in  Um- 
rahmung von  zackig  abgesetztem  Grrunde  mit  buntem  Fdllwerk  auf  tiefblau-schwarzem 
Grrunde;  in  den  Zwickeln  gestreift.     Schiraz  im  Teppichbezirk  Kaschkai,  Persien. 

4.  Rötlichgelber  Grund  mit  reihenweis  versetzten  i^elkenblüten ;  Borte  auf 
weissem  Grunde.     Mosul  (?)  in  der  Provinz  Bagdad,  nächst  der  Landschaft  Kurdistan. 

5.  In  gleicher  Färbung  und  derselben  Herkunft  wie  Abb,  4. 

6.  Gebetteppich  mit  blaurotem  Giebelfeld.     Giordes  in  Anatolien. 

7.  Dunkelblauer  Grund  mit  buntem  Muster  aus  Palmwipfeln,  Schiraz  im  Teppich- 
bezirk Kaschkai,  Persien. 

8.  Dunkelblauer  Grund  mit  kleinem  Palmwipfelmuster,  Ränder  im  rötlichen  Ton 
mit  buntem  Füllwerk.     Serabend  im  Teppichbezirk  Ferahan,  Persien. 

9.  Blauer  Grund  mit  weissem  Eckfeld,  bunte  Rosettenblüten.  Tschetschen  (?) 
im  Teppichbezirk  Schirwan,  Kaukasus. 

10.  Blaugrüner  Grund,  bunte  Füllung  und  Ränder.  Baku  (?)  im  Teppichbezirk 
Schirwan,  Kaukasus, 

11.  Blauer  leuchtender  Grund  mit  sechseckigen  Feldern  und  stilisierten  Blüten. 
Weisser  Mittelrand  mit  geflochtenen  stilisierten  Blättern ;  Begleitborten  mit  Nelken- 
blüten.     Schirwan  im  Kaukasus. 

12.  Hellblau  und  bunt,  Vielecke,  dem  Aschkalimuster  ähnlich,  mit  geometri- 
schem Füllwerk  und  Hakenrauten.     Mogan  (?)  im  Teppichbezirk  Schirwan,  Kaukasus. 

13.  Tiefes  Schwarzblau  mit  zackigen  Rautenfeldern ;  Rand  mit  Bandornament 
aus  Motiven  der  kufischen  Schrift.     Kabristan  im  Teppichbezirk  Schirwan,  Kaukasus. 

Abbildungen    auf    der    Tafel    XIV:    Orientalische    Teppiche    des   18. 

und  19.  Jahrh.    (Originalaufnahmen    aus    den  Beständen    des  Hauses 

Rudolph  Hertzog  in  Berlin): 

1.  Blauer  Grund  mit  Heratimuster  in  Bunt,  Ecke  auf  weissem  Grunde,  Rand- 
borte grün.  Eigentlicher  Ferahan.  der  über  Trapezunt  in  den  Handel  kommt  und  da- 
her oft  fälschlich  so  genannt  wird. 

2.  Ineinandergreifende  Rautenfelder  und  Zackenlinie  in  Bunt  auf  verschieden- 
farbigem Grunde.     Pergamos  (das  alte  Bergama),  Provinz  Mysien  in  Anatolien. 

3.  Verschiedenfarbige  Sechsecke  mit  Füllung  aus  geometrischen  Figuren  und 
Darstellung  der  Webekämme.     Kasak  im  Teppichbezirk  Karabagh,  Kaukasus. 

4.  Roter  Grund,  im  Muster  ist  das  Gelb  vorherrschend.  Samarkand  in  Chine- 
sisch-Turkestan, 

5.  Braunroter  Grund,  weiss,  blau  und  gelb:  Geometrische  Teilung  und  Muste- 
rung.    Turkmenischer  (Teke-)  Teppich,  Zentralasien;  im  Handel  Bokhara, 

6.  Rötlicher  Kupfergrund  mit  dem  sogenannten  Spinnenmuster.  Kasak  im 
Teppichbezirk  Karabagh,  Kaukasus. 

7.  Blauer  Grund  mit  buntem  Muster;  Randborte  mit  gewundenem  Band.  Schiraz 
im  Teppichbezirk  Kaschkai,  Persien. 

8.  Verschiedene  Vielecke  auf  rotem  Grunde ;  im  Rande  Zackenband  und  Wpgen- 
band  (sogen,  laufender  Hund).     Sumakh,  Kaukasus. 

9.  Weisser  Grund,  buntgestickte  Palmetten  in  Reihen ;  darunter  Mäanderbänder. 
Im  Handel  Zell. 

10 — 12.  Drei  Kilimwirkereien  in  Weiss  und  Bunt,  Kaukasus. 

Teppichbaum,  die  hölzerne  Walze  am  Teppichwebstuhl  zum  Aufwickeln 
des  fertigen  Stückes. 

Teppichgrund,  zu  Ende  des  XIV.  Jahrh.  begannen  die  Maler  vielfach 
den  Grund  der  Tafelbilder  mit  orientalischen  Teppichmustern  zu  versehen  oder 
durch  Teppiche  direkt  zu  ersetzen.  Auch  schwere  Sammetbrokattapeten,  be- 
sonders  jene    in  Rot   und  Gold    aus  Burgund  und  Italien,    waren  zur  Vorlage 


'Teppichmarken — Textile  Kirchenschätze,  585 

als  Hintergrund  beliebt,  so  class  die  Bilder,  noch  bis  zur  Spätrenaissance, 
häufig  ein  gutes  Studienmaterial  für  gleichzeitige  Teppich-  und  sonstige  Flach- 
muster abgeben  (s.  Holbeinteppich  und  Teppich). 

Teppichmarken  enthalten  die  Wandteppiche  (s.  unter  Teppich)  bedeu- 
tender Fabriken,  wonach  ihre  Bestimmung  erfolgt.  So  tragen  diejenigen  aus 
Amiens  ein  A  oder  auch  eine  französische  Wappenlilie,  aus  Antwerpen 
gleichfalls  A,  aus  Beauvais  ein  rotes  Herz,  einen  weissen  Stab  oder  zwei  B; 
in  späterer  Zeit  wurde  der  Name  des  Yerfertigers  eingewirkt.  Brüssel 
trägt  die  Anfangsbuchstaben  B  in  verschiedensten  Anordnungen,  häufig  mit 
Wappenschild  dazwischen.  Florenz  F  oder  Lilie.  Paris  P  und  Wappen- 
lilie.    Tournai  zeigt  einen  Turm  mit  Mauerkrone. 

Terciopelo  liso,  glatter,  seidener  Yelpel  im  mexikanischen  Handel. 
Terindans,  Terindains,  Terrindaines  sind  feine  ostindische  Musseline. 
Terlices,  Tarlices,  Terlizzi,  Terliggi  sind  feine,  bunt  gestreifte  Drilliche, 
welche  in  den  Niederlanden,  in  Frankreich  und  in  Deutschland  früher  für  den 
italienischen  und  spanischen  Handel  gewebt  wurden. 
Termalam  ist  ein  russischer  SchlafrockstoiF. 

Ternauxshawls,    französische,    aus   Kaschmirwolle    gewebte  Shawls,    die 
ihren  Namen    nach  dem  Fabrikanten  Guillaume  Louis  Ternaux,    geb.   1763  zu 
Sedan,  gest.  1833,  haben,  welcher  die  Zucht  tibetanischer  und  anderer  Ziegen 
ZTi  Grünsten  der  Shawlfabrikation  in  Frankreich  einführte. 
Terra  mova,  sizilianische  Baumwollsorte. 

Teschen,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien:  eine  Flachsbereitungsanstalt 
und  Spinnerei. 

Tesser-Garen,  im  alten  holländischen  Handel  die  Webgarne. 
Tetelettes  (franz.),  Bassinas. 

Teufen,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Appenzell- Ausserrhoden:  Musselin- 
fabrikation und  Stickerei. 

Tewkesbury,  Stadt  in  der  engl.  Grrafschaft  Grloucester:  Baumwollweberei 
und  Strumpfwirkerei. 

Texendi  (lat.)  nannten  die  Bömerinnen  es,  wenn  sie  die  entworrenen 
Seidenfäden  aus  fertigen  chinesischen  GTew ändern  von  neuem  verwebten. 

Textil-Berufsgenossenschaften :  1.  Norddeutsche  für  die  preuss. 
Provinzen  Hessen-Nassau,  Hannover,  Schleswig-Holstein,  Sachsen,  Pommern, 
Brandenburg,  Ost-  und  Westpreussen,  Posen;  für  die  beiden  Mecklenburg, 
Sachsen-Weimar,  Oldenburg  ohne  Birkenfeld,  Braunschweig,  Sachsen-Meiningen, 
Sachsen-Altenburg,  Sachsen-Coburg-Grotha,  Anhalt,  die  beiden  Schwarzburg, 
Waldeck  und  Pyrmont ;,  die  beiden  Peuss,  Schaumburg-Lippe,  Lippe,  Bremen 
und  Hamburg.  Sitz  ist  Berlin  ohne  Sektionsbildung.  2.  Süddeutsche  für 
Bayern,  Württemberg,  Baden,  Hessen  und  die  Hohenzollernschen  Lande.  Sitz 
ist  Augsburg,  Sitz  der  4  Sektionen:  Augsburg,  Hof,  Stuttgart,  Freiburg  i.  Br. 
3.  Schlesische  für  die  Provinz  Schlesien.  Sitz  ist  Breslau,  ohne  Sektions- 
bildung.  4.  Textilberuf  sgenoss  enschaft  für  Eis  as  s-L  othringen: 
Sitz  ist  Mühlhausen  im  Elsass;  ohne  Sektionsbildung.  5.  Bheinisch- 
Westfälische  für  die  Provinzen  Pheinland  und  Westfalen,  sowie  für  das 
Fürstentum  Birkenfeld.  Sitz  ist  M.-Grladbach ;  Sitz  der  7  Sektionen:  Düssel- 
dorf, M.-Gladbach,  Elberfeld,  Barmen,  Lennep,  Aachen,  Münster  in  Westfalen. 
6.  Sächsische  für  das  Königreich  Sachsen.  Sitz  ist  Leipzig;  ohne  Sektions- 
bildung. 

Textile  Kirchenschätze  haben  sich  seit  dem  frühen  Mittelalter  an- 
gesammelt, zunächst  aus  orientalischen  Stoffen  und  Stickereien,  welche  während 
der  Kreuzzüge  aus  dem  Morgenlande  als  Peliquien  mitgebracht  wurden,  dann 
aber  dadurch,  dass  die  allmählich  ausser  Gebrauch  gesetzten  liturgischen  Ge- 
wänder aufbewahrt  wurden.  Auch  Stücke  der  weltlichen  Tracht  sind  der 
Kirche  überwiesen  worden,  und  man  verwendete  dieselben  zur  Anfertigung 
von  Caseln  u.  dgl.  Die  Stoffe  der  späteren  Zeit  sind  zumeist  vom  Kunst- 
handel in  Musterabschnitten  für  die  Stoffsammlungen  der  Museen  zerlegt; 
ältere  und  kostbare  Textilien,  namentlich  solche,  welchen  eine  gewisse  religiöse 


586  Textile  Kirchenschätze. 


Bedeutung  anhängt,  bilden  noch  immer  ein  wertvolles  Studienmaterial  an  ihrer 
Stelle  und  sind  zum  Teil  gelegentlich  kunstgewerblicher  Ausstellungen  ver- 
öffentlicht worden.  An  solchen  sind  zu  nennen :  (vgl.  auch  die  einzelnen  Städte 
für  die  Literatur.) 

Aachen,  Domschatz:  grössere  Anzahl  mittelalterlicher  Webereien  und 
Stickereien  vom  8. — 15.  Jahrh.  —  Andechs,  Bayern:  Schatz  der  ehemaligen 
Kloster-,  nunmehrigen  Wohlfahrtskirche:  bemerkenswert  das  sogen.  Brautkleid 
der  hl.  Elisabeth,  ein  Seidengewebe  des  11. — 12.  Jahrh.  und  andere  Gewebe; 
vgl.  P.  Emmeran  Heindl,  der  heil.  Berg  A.  in  seiner  Geschichte,  seinen  Merk- 
würdigkeiten und  Heiligtümern,  München  1895.  —  Aschaffenburg,  Schloss- 
kapelle: Mittelalterliche  Gewänder.  —  Augsburg,  Dom:  mittelalterliche  Ge- 
wänder aus  frühorientalischen  Seidenstoffen.  —  Bamberg,  Domschatz: 
Prachtgew^änder  aus  der  Zeit  Kaiser  Heinrich  II  und  seiner  Gemahlin  Kuni- 
gunde.  Dieselben  sind  grösstenteils  beschrieben  und  abgebildet  in  dem  Pracht- 
werke „Die  Kleinodien  des  heiligen  römischen  Reiches  deutscher  Nation"  von 
Dr.  Franz  Bock,  Wien  1864.  —  Ehemalige  Abtei  und  Stiftskirche  Michels- 
berg zu  Bamberg:  Gewänder  und  Stickereien  des  Mittelalters.  —  Benedict- 
b euren  im  bayr.  Beg.-Bez.  Oberbayern:  Purpurstoff  des  12.  Jahrh.  mit  der 
Darstellung  Samson  den  Löwen  erwürgend,  in  mehreren  Sammlungen  und  Ab- 
bildungen vorhanden.  —  Brandenburg  a.  d.  Havel,  Dom:  Beichhaltige 
Sammlung  mittelalterlicher  Gewänder  (14.  — 15.  Jahrh.),  darunter  das  Gewand 
des  Schwanenordens  (s.d.).  —  Brauweiler,  ehemal.  Abteikirche :  Frühmittel- 
alterliche Stoffe  und  Gewänder,  darunter  die  Casel  des  hl.  Bernhard.  — 
Breslau,  Maria  Magdalena-Kirche :  Aeltere  Paramente  und  Stickereien,  z.  T. 
im  Museum  schles.  Altertümer.  —  Brixen  in  Tirol:  Beiche  Sammlung  ge- 
wirkter und  gestickter  geistlicher  Ornate,  darunter  das  sogen.  Adlergewand: 
vgl.  die  Abb.  5  auf  Tafel  IL  —  C  am  min  in  Pommern,  Domschatz:  Pracht- 
gewänder; vgl.  E,.  Spuhrmann,  der  Camminer  Dom  in  Pommern.  —  Cornely- 
münster  bei  Aachen:  Gestickte  Messgewänder  und  Ornate  des  15. — 17.  Jahrh., 
darunter  eines  in  Genueser  Sammet,  zweihöhig  gewebt.  —  Dan  zig,  Samm- 
lung der  Oberpfarrkirche  zu  St.  Marien:  Sammlung  von  Paramenten;  vgl. 
A.  Hinz,  Die  Schatzkammer  der  Marienkirche  zu  Danzig,  das.  1870.  — 
Düsseldorf,  Schatz  der  Andreaskirche:  Prachtgewänder  von  schweren 
Seiden-  und  Sammetbrokatstoffen  mit  Silberstickereien;  vgl.  P.  Giemen,  Die 
Kunstdenkmäler  der  Bheinprovinz  III,  1,  S.  29.  —  Schatz  der  Lambertus- 
kirche:  Paramente;  vgl.  Giemen,  III,  1,  S.  45.  —  Essen,  Schatzkammer  der 
Münsterkirche:  Paramente;  vgl.  Giemen,  LT,  3,  S.  42.  —  Fritzlar,  Schatz 
der  St.  Petrikirche :  Paramente  u.  s.  w.,  darunter  bedeutende  romanische  und 
gotische  Stücke ;  vgl.  Beissel,  Stadt  und  Stift  F.  in :  Stimmen  aus  Maria  Laach 
1895,  S.  378.  —  Fulda,  Domschatz:  Mittelalterliche  Gewebe  und  Mess- 
gewänder, Antependium.  —  Füssen  bei  Hohenschwangau :  Gewand  aus  altem 
orientalischen  Seidenstoff.  —  Halberstadt,  Gither  der  ehemal.  Domkirche: 
Beiche  Sammlung  mittelalterlicher  Gewänder.  Yon  besonderem  Interesse  jene 
Textilien,  welche  Bischof  Konrad  von  Halberstadt  als  Beute  aus  dem  durch 
die  Lateiner  eroberten  Byzanz  1208  mit  nach  H.  brachte  und  sie  seiner  Kathe- 
drale zum  Geschenk  machte ;  vgl.  E.  Hermes,  Der  Dom  zu  Halberstadt  u.  s.  w. 
Festschrift,  1896;  J.  Lessing,  Wandteppiche  und  Decken  des  Mittelalters  III, 
Berlin  1903.  —  Hasselt  in  Belgien,  Kirche  zu:  Sammlung  flandrischer  und 
brabanter  Spitzen  des  17.  und  18.  Jahrh. ;  liturgische  Gewänder  des  16. — 18. 
Jahrh.  —  Helmstedt,  Klosterkirche  Marienberg :  Gestickte  Vorhänge,  Wand- 
teppiche, Leinenstickereien ;  vgl.  P.  D.  Meier,  Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
des  Grh.  Braunschweig  I,  S.  43.  —  Hildesheim,  Dom:  Reich  gestickte  und 
gewebte  Paramente.  —  Köln,  Domschatz;  vgl.  Bock,  Das  heil.  Köln  u.  s.  w. 
Leipzig  1858—61.  —  St.  Gereon:  frühmittelalterliche  Gewänder  und  Stoffe. 
—  Limburg  a.  L.,  Domschatz:  Kostbare  Messgewänder,  Mitra  aus  der 
Benaissancezeit  aus  der  Kurtrierschen  Hofkapelle  stammend.  —  Maaseyk  in 
Holland,  Sakristei  der  ehemaligen  Stiftskirche :  Frühmittelalterliche  Gewebe  aus 
Beliquienschreinen.  —  Maestricht,  St.  Servatiuskirche :  Reichhaltige  Samm- 


Textilkunst— Thielt.  587 


luug  frühmittelalterlicher  Gewebe.  —  Mainz,  Dom:  Mehrere  Ornate  vom 
16. — 18.  Jahrb.,  Bildwirkereien,  flämische  Grobelins  des  16.  — 17.  Jahrb.  — 
Pfarrkirche  St.  Stephan:  Casel  des  Erzbischofs  Williges  von  Mainz.  Zahl- 
reiche Stickereien  des  Mittelalters,  Byssusgewebe  u.  s.  w.  —  Metz,  Dom: 
Mantel,  angeblich  von  Kaiser  Karl  dem  Grrossen,  bestickt  mit  grossen  Adlern. 

—  München,  Frauenkirche:  Aeltere  Paramente;  vgl.  Gr.  v.  Bezold  und 
B.  E,iehl,  Die  Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Bayern  I,  S.  1002.  — 
St.  Cajetan:  Liturgische  Gewänder;  vgl.  Bezold  I,  S.  962.  —  Münster;  vgl. 
über  die  in  den  verschiedenen  Kirchen  der  Diözöse  M.  aufbewahrten  Textilien 
den  Katalog  der  „Ausstellung  westfälischer  Altertümer  und  Kunsterzeugnisse, 
Juni  1879".  —  Prag,  Dom  von  St.  Veit:  Grosse  Anzahl  von  Prachtgewändern 
des  Mittelalters.  —  Quedlinburg,  Schlosskirche:  5  Streifen  eines  europäischen 
Knüpfteppichs  des  12.  Jahrb.;  mehrere  mittelalterliche  Stoffe  u.  s.  w. ;  vgl. 
J.  Lessing,  Mittelalterliche  Wandteppiche  und  Decken  I,  Berlin  1901.  — 
E-egensburg,  Domschatz:    Grössere  Anzahl  älterer  Ornate  und  Stickereien. 

—  Schotten- Abteikirche  Emmeram :  Casel  und  2  Dalmatiken  mit  Besätzen  aus 
alexandrinischen  Stoffen  des  13.  Jahrh.  —  Siegburg,  Sakristei  der  Pfarr- 
kirche: Byzantinische  Gewebe  in  Peliquienschreinen,  darunter  dasjenige  mit 
grossen  schreitenden  Löwen.  —  Speyer,  bischöfliches  Domkapitel:  Mittel- 
alterliche Gewänder.  —  Stralsund,  Kirche  der  Calandsbrüder:  Zahlreiche 
Gewänder  und  Stickereien  des  Mittelalters.  —  Tongern  in  Belgien:  Reiche 
Sammlung  frühmittelalterlicher  Webereien  und  Stickereien,  desgl.  eine  grosse 
Zahl  von  Prachtgewändern  des  Spätmittelalters  und  der  Penaisancezeit.  — 
Trier,  s.  den  Artikel  „Heiliger  Rock".  —  Xanten,  Domschatz:  Paramente 
aus  dem  11. — 12.  Jahrb.,  gotische  Wandteppiche.  —  Yburg,  Diözöse  Osna- 
brück: Casel  des  Bischofs  Benno  von  Osnabrück. 

Mit  den  Aufnahmen  solcher  textilen  Kirchenschätze  für  das  Kgl.  Kupfer- 
stichkabinett der  Kgl.  Museen  in  Berlin,  wurde  in  den  1850  er  Jahren  der 
Grundstock  zu  der  im  dortigen  Kunstgewerbemuseum  befindlichen  Stoffsammlung 
gelegt.  Unter  der  Leitung  von  Geheimrat  Lessing  ist  derartigen  Zeichnungen 
die  grösste  Aufmerksamkeit  zugewandt  worden  zur  Benützung  für  das  Werk : 
Gewebesammlung  des  Kgl.  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin  1900  ff.  Eine 
Sammlung  photographischer  Aufnahmen  der  in  Kirchen  befindlichen  Stoffen 
und  Stickereien  veranlasste  in  den  1880er  Jahren  der  Konservator  Paul 
Schulze  in  Krefeld  durch  den  Hofphotographen  Anselm  Schmitz  in  Köln. 
Vgl.  auch  Bock,  Dr.  F.,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder,  3  Bde,  Bonn 
1856 — 1871,  ebenso  den  Katalog  der  Ausstellung  kirchlicher  Gewänder  und 
Stickereien  in  Krefeld  1887."  — 

Textilkunst  vom  lateinischen  textilis,  das  etwas  bezeichnet,  was  durch 
Yerschlingung  oder  Verknüpfung  von  Fäden  entstanden  ist.  Dementsprechend 
rechnet  man  zur  T.  das  Flechtwerk,  das  Gespinst,  das  Gewebe, 
Wirkarbeit,  Stickerei,  Netzwerk,  Spitzen,  Knüpf  arb  eit  u,  dgl., 
aber  auch  die  Musterung  der  Textilstoffe  durch  Weben,  Sticken,  Färben 
und  Drucken  u.  s.  w. 

Textilpflanzen,  Gespinstfasern  (s.  d.)  liefernde  Pflanzen. 

Textur  (vom  lat.),  Gewebe,  dem  Gewebe  ähnliches  Gefüge. 

Thalheim  im  Erzgebirge,  Dorf  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft 
Chemnitz:  Flachs-,  Streichgarnspinnerei,  Strumpfwirkerei  (19  Fabriken),  Mantel- 
fabriken. 

Thann,  Stadt  im  Bezirk  Oberelsass:  Baumwollspinnerei,  Bleichereien 
und  Färbereien. 

Theben  wird  im  11.  Jahrh.  als  byzantinische  Seidenmanufaktur  genannt. 

Thepois  (Thebois),  ostindische  Kattune. 

Thibandes,  s.  Bettdecken. 

Thibet,  s.  Tibet. 

Thielt,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  früher  bedeutende 
Tuchindustrie  von  der  noch  die  Tuchhalle  Zeugnis  ablegt.  Jetzt  wird  Spitzen- 
klöppelei und  Leinenweberei  getrieben. 


588  Thiene — Tischdecken. 


Thiene,  auch  Tiene,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Yicenza  in  Yenetien: 
Wollzeug-  und  Tuchweberei. 

Thiengen,  Stadt  im  bad.  Kreis  Waldshut:  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei. 

Thikset  heissen  die  aus  den  englischen  Manufakturen  stammenden  ge- 
streiften   oder    gerippten  Manchesterstoffe    mit    aufgedruckten  bunten  Mustern. 

Thiräz  (arab.),  Staatsfabrik  von  Webereien;  eine  solche  bestand  z.  B.  in 
Tuster.  Am  bekanntesten  ist  das  sogen.  Hotel  de  Thiräz,  die  von  Boger  II. 
in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahrh.  eingerichtete,  mit  dem  Palast  verbundene 
Weberei  in  Palermo  (s.  d.). 

Thomär,  Stadt  im  portug.  Distrikt  Santarem  in  Estremadura:  Baum- 
wollspinnerei und  Seidenweberei. 

Thurgau,  Kanton  der  Schweiz :  die  Industrie  erstreckt  sich  auf  Stickerei 
(1901:  3471  Arbeiter,  Weissweberei  (786),  Buntweberei  (763),  Seidenweberei 
(585),  Baumwollspinnerei  (209),  Strickerei  (458). 

Thyatira,  nördlichste  Stadt  in  Lydien :  im  Altertum  durch  seine  Purpur- 
webereien berühmt. 

Tiara,  ursprünglich  s.  v.  w.  Mitra  (s.  d.),  die  hohe  päpstliche  Kopf- 
bedeckung, zuerst  weiss  ohne  Kronenrand^  dann  gestreift  mit  einem  Stirnreif 
und  titulus  und  geradlinig  kegelförmig.  Bonifacius  YIII.  (1294 — 1303)  gab 
dem  Stirnreif  die  Gestalt  einer  Krone  und  setzte  darüber  noch  einen  zweiten 
goldenen  Kronreifen;  seit  Papst  Paul  II.  (gest.  1471)  besteht  die  T.  aus  pur- 
purnen, blauen  und  grünen  Streifen  mit  dreifachem  Beif  darum  (vgl.  Abb.  190). 

Tibet  (Thibet),  feine,  geköperte  ganzwollene  Zeuge,  die  sich  nur  durch 
grössere  Weichheit  und  den  Mangel  glänzender  Appretur  vom  Merino  (s.  d.) 
unterscheiden.  England  und  in  Deutschland  besonders  Crimmitschau  und  Grera 
produzieren  T. 

Tiere  im  Stoffmuster,  siehe  Fabeltiere  und  deren  einzelne  Artikel, 
sowie  Stil. 

Tiffany  (engl.),  dünner  halbdurchsichtiger  Seidenstoff. 

Tiflis-Portieren  werden  die  im  gleichnamigen  russ.  Gouvernement  ge- 
wirkten kilimartigen  Türvorhänge  genannt. 

Tigrine,  älterer  Stoff  aus  Seide  und  feiner  Kammwolle,  geköpert  und 
chiniert. 

Tilburg,  Fabrikstadt  in  der  niederländ.  Provinz  Nordbrabant:  sehr  be- 
deutende Tuch-  und  Wollzeugfabriken. 

Tinevelly,  ostindische  Baumwollsorte. 

Tino  (Tinos,  Tenos),  eine  der  Kykladeninseln  im  griech.  Archipel: 
Seidenweberei,  Fabrikation  von  seidenen  Borten,  Bändern,  Strümpfen. 

Tireh,  Tire,  im  Altertum  Tyrrha  in  Lydien,  Stadt  im  türk.  Wilajet 
Aidin  in  Kleinasien:  Teppichfabrikation,  Baum  Wollweberei  und  Handel. 

Tiretains,  französische  und  englische  Stoffe  aus  Wolle  oder  mit  Kette 
von  Leinen  oder  Hanfgarn. 

Tirlemont,  Stadt  in  der  belg.  Prov.  Brabant:  Wollspinnerei,  Fabrik, 
von  Flanell,   Baumwollzeug  und  wollenen  Strümpfen. 

Tirol,  eine  zum  cisleithanischen  Teile  der  Oesterreichisch-Ungarischen 
Monarchie  gehörige  gefürstete  Grafschaft:  am  bedeutendsten  ist  entwickelt  in 
Nordtirol  die  Baumwollspinnerei  mit  7  Fabriken,  1 118  Arbeitern  und  109  636 
Feinspindeln,  die  Streichgarnspinnerei  (8  Fabriken,  6  710  Feinspindeln),  die 
Streichgarnweberei  (8  Fabriken,  120  mechan.  Stühle),  die  Baumwollweberei 
(8  Fabriken,  1  767  mechan.  Stühle)  und  in  Südtirol  die  Erzeugung  von  Boh- 
seide  (33  Fabriken  lieferten  1890:  71605  kg),  die  Seidenspinnerei  (12  Fabriken, 
die  mit  22  662  Spindeln  20000  kg  Seide  spannen)  und  die  Seidenwebereien  (5). 
Die  Spinnerei  und  Weberei  von  Flachs  und  Schafwolle  ist  Hausindustrie. 

Tischdecken,  allgemeine  Bezeichnung  für  Gewebe  zu  bekannten  Zwecken 
in  den  verschiedensten  Stoffen.  Man  hat  leinene  und  halbseidene  Damast-T., 
dann  baumwollene,  halbwollene,  wollene  in  allen  Farben  und  Mustern;  ferner 
buntgedruckte    Circassia-    und   Kaschmirdecken,     gedruckte    Wachstuchdecken 


Tischnowitz— Toilettes.  589 


u.  dgl.  m.     Fabrikationsorte    sind    Chemnitz,    Gera,    Grlauchau,    Grossschönau, 
Leipzig,  Penig,  Reichenbach  u.  s.  w. 

Tischnowitz,  Stadt  in  Mähren:  Tuch-  und  Wollzeugfabriken,  Türkisch- 
rotfärbereien und  Baumwollwebereien. 

Tissu  (franz.),  (engl.:  tissue)  Grewebe;  cloth  of  tissue  wurde  besonders 
für  gold-  oder  silberdurchwirktes  seidenes  Gewand  gebraucht.  T.  or  oder  t. 
argent  war  früher  auch  nur  für  einen  geblümten  und  mit  Gold-  oder  Silber- 
fäden broschierten  Seidendamast  gebräuchlich. 

Tissu-Kaschmir,  ein  dreibindig  geköpertes  Tuch  aus  feinem  Kammgarn, 
in  Tücherform  oder  in  ganzen  Stücken,  für  Deutschland  einfarbig  mit  grell- 
farbiger Kante,  für  den  Orient  buntfarbig  und  mit  Blumenmustern,  wird 
namentlich  in  Gera  in  Menge  gefertigt. 

Titre  ist  die  Stärke  der  Seidenfäden,  welche  man  zu  einem  Gregefaden 
vereinigt. 

Titrieren,  titrage,  Seide  sortieren,  entweder  nach  der  Feinheit  des  Fadens 
oder  nach  dem  Verhältnis  des  Gewichts  zur  Länge. 

Tiverton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Devon:  Wollzeugweberei  und 
eine  grosse  Spitzenfabrik. 

Tlemsen,    Stadt   in    der    alger.    Provinz    Oran:    Teppich-,    Decken-    und 
Wollzeugmanufakturen  und  bedeutender  Handel. 
Tocouy,  Leinengewebe  aus  Buenos-Ayres. 

Tocuyos  werden  in  Valpareso  die  ungebleichten  Domestiks  genannt. 
Todmordon,   Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancaster  :  Baumwoll-,  Seiden- 
und  Worstedfabriken. 

Todtnau,  Stadt  im  bad.  Kreis  Lörrach:  Baumwollspinnerei  und  -Weberei. 
Toile  (franz.),  Blümchen  in  Spitzen. 

Toilerie,  in  Frankreich  allerlei  Weisszeug  von  Baumwolle,  zuweilen  mit 
Seide  vermischt. 

Toiles  ist  im  Französischen  der  allgemeine  Name  eines  jeden  leinwand- 
artigen Zeuges,  im  engeren  Sinne  versteht  man  darunter  nur  die  flächsenen 
und  hänfenen  ungemischten  Gewebe  vom  feinsten  Linon  bis  zum  stärksten 
Packtuch  und  man  bezeichnet  die  Sorten  durch  Beinamen,  welche  sich  teils 
auf  den  Stoff  beziehen,  woraus  sie  gemacht  sind,  oder  auf  den  Fabrikationsort, 
teils  auf  ihre  Appretur  und  äussere  Gestaltung  oder  auf  ihren  Gebrauch: 
Toiles  ä  chapeaux  ^  (janzleinwand. 
Toiles  ä  sas,  ä  bluteau  =  Beuteltach. 

Toiles  ä  tamls,  bläulich  gefärbte,  stark  gestreifte  Schetterleinen;  auch 
ein  lockeres  durchsichtiges  Gewebe  zum  Nähen  der  Tapeten  und  zu  Modeltüchern 
in  Art  von  Kanevas. 

Teiles  ä  veste,  Kleiderfutterstoffe^  Staubrockstoffe. 
Toiles  ä  voiles  =  Segelleinen. 
Toiles  beau  blanc  sind  Lavaische  Leinen. 
Teiles  blanches  non  battues  wie  vorher. 
Toiles  bleues  en  reserve  ist  feines,  bläulich  gefärbtes  Leinen. 
Toiles  de  chasses,  damastartige  Tischzeuge. 

Teiles  de  coffre,  Kofferleinwand,  Kuffertuch,  eine  gute  mittelfeine  franz. 
Hausleinwand. 

Teiles  de  Coton,  mit  Baumwolle  gemischte,  bunt  gefärbte  und  gedruckte 
Steife  in  Art  der  Indiennes. 

Tolles  de  Halles  assorties  =  ßrins. 
Toiles  de  laines,  Stoff  aus  Streichgarn. 
Toiles  de  Lille  =  Rysseler  Leinen. 
Toiles  d'emballage  =  Packleinen. 
Toiles  d'embourrure  =  Futterleinen. 

Toiles  de  mulquinerie  heissen  die  feinsten  Leinenbatiste,  Claires,  Cambrays, 
Linons  u.  a. 

Toiles  d'ortie  =  Nesseltuch, 

Teiles  ecrues  heissen  alle  Rohleinen,  welche  gebleicht  sind. 

Toilettes  heissen  in  einigen  französischen  Gegenden  die  rohen  Linons, 
Claires  und  Batiste,  wenn  sie  noch  ungebleicht  und  ohne  Appretur  sind. 


590  Toilinet— Tours. 


Toilinet,  Toilinets  oder  Eubanets  sind  gewebte  Westenzeuge. 

Tokät,  Tokäd,  Stadt  im  türk.-kleinasiat.  Wilajet  Siwas:  einst  blühende 
Manufakturen  in  Teppichen,  Seiden-,  WoU-  und  Baumwollstoffen. 

Tokio  (Yedo,  Yeddo),  Haupt-  und  Residenzstadt  Japans:  Strumpf- 
warenfabriken, baumwollene  Unterhosen  und  Unterjacken,  für  welche  schweizer, 
und  amerikanische  Wirkmaschinen  in  Tätigkeit  sind,  ferner  gestrickte  Hand- 
schuhe, Filz,  Türkische  Handtücher. 

Tomäschow,  Fabrikstadt  im  rass.-poln.  Grouvernement  Petrikau:  zahl- 
reiche Wollstoff-,  besonders  Tuchfabriken  mit  etwa  6  Mill.  Eubel  Produktion. 

Tondern  in  Schleswig,  nach  hier  wurden  1712  brabanter  Frauen  zur 
Hebung  der  Spitzenindustrie  berufen;  man  stellte  eine  Sp.  in  niederländischer 
Art  her. 

Tonkin,  Stadt  in  China:  spielt  im  3.  Jahrh.  eine  Eolle  als  Ziel  der 
persischen  Seefahrer,  welche  Seide  holen. 

Topische  Färberei,  s.  Zeugdruck. 

Toque,  Tocque,  ostindische,  musselinartige  Baumwollgewebe. 

Toraglie  heissen  in  Italien  die  Tischtücher. 

Toro,  Bezirksstadt  der  span.  Provinz  Zamora  in  Leon:  Tuch-  und 
Wollzeugweberei. 

Torres  Novas,  Stadt  im  portug.  Distrikt  Sentarem  in  Estremadura: 
Leinen  und  Baumwollweberei. 

Tortins  sind  gewöhnliche  französische  wollene  Tapetenzeuge. 

Tortola,  westindische  Baumwollsorte. 

Tottori,  Stadt  auf  der  Japan.  Insel  Nipon  (Hondo):  Baumwol!-  und 
Seidenindustrie. 

Tou,  ein  feines  Tuch  aus  Tibet,  das  nach  China  verkauft  wird. 

Toul,  Arrond. -Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Yonne,  Arrond.  Auxerre: 
Fabrikation  von  Leinwand,  Baumwollzeugen,  Wirkwaren,  Stickereien,  Hüten 
und  Mützen. 

Toulon,  Stadt  im  franz.  Depart.  Yar  in  der  Provence:  Fabrikation  von 
Stickereien,  Baumwollgarn  und  Segeltuch. 

Toulouse,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Haute  Caronne :  Fabriken  für 
Baumw^ollgarn,  Seiden-,  Wollen-,  Leinen-  und  Baumwollwaren,  Posamenten 
und  Strümpfen. 

Tour  (franz.),  Umlauf,  in  der  Weberei  Marsch;  die  Gesamtheit  der 
Schussfäden  in  der  Länge  oder  Höhe  des  Musters  eines  gewebten  Stoffes. 

Tourangestes,  gewöhnliche  franz.  Sergen  aus  Landwolle. 

Tourcoing,  Fabrikstadt  im  franz.  Depart.  Nord  in  Flandern:  Woll-, 
Baumwoll-  und  Leinenspinnerei,  Fabrikation  von  Tafelleinen,  Teppichen  und 
Baumwollbändern . 

Tourka,  Kendyie,  russische  Jute,  Spinnfaser  aus  der  abgeschälten  Binde 
der  Schösslinge  von  Apocynum  venetum  L.  (Südeuropa,  Kleinasien,  Sibirien, 
nördl.  Ostindien,  Mandschurei,  Japan).  T.  wird  von  den  Turkomanen  zur 
Herstellung  von  Bindfaden  und  Tauen,  auch  zur  Anfertigung  von  Sackleinwand 
benutzt.  Die  Faser  ist  von  brauner,  gelber  bis  weisser  Farbe  und  weich  im 
Griff,  ähnlich  wie  Wolle. 

Tournay,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Hennegau:  die  Industrie  erstreckt 
sich  auf  Herstellung  wollener  Stoffe,  Strumpfwaren,  sehr  geschätzter  Teppiche, 
Leinwand  und  Band. 

TournesoUäppchen,  s.  Bezetten. 

Tournon,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Ardeche  :  Seidenspinnerei, 
Foulardsdruckerei,  Seidenzucht. 

Tours,  Stadt  im  franz.  Depart.  Indre-et-Loire:  Fabrikation  von  Tuch, 
Teppichen,  Seidenwaren,  Wolle,  Posamenten  und  Leder.  Im  Jahre  1340  soll 
T.  die  ersten  Seiden- Webestühle  besessen  haben;  im  Jahre  1470  zog  Ludwig XI. 
italienische  Seidenweber  an  sich  und  errichtete  in  seinem  Schlosse  Plessis-les- 
Tours  eine  bedeutende  Seidenmanufaktur.  Aus  T.  kommen  die  berühmten 
Gros-de-Tours-  und  Gros-de-Naplas-Seidenstoffe  in  den  Handel. 


Tow — Tricotbindung.  591 


Tow,  die  englische  Bezeichnung  für  A¥erg  oder  Heede.  Die  in  allen 
deutschen  Handelsnotizen  vorkommenden  Towgarne  sind  solche  aus  Flachswerg. 
Tow-linen  ist  Leinwand  aus  Heedegarn,  Hedeleinen. 

Toy  (engl,),  ein  meistens  blau  und  schwarz  gewürfelter  Wollenstoff. 

Trace,  la,  tracieren,  das  Vornähen  des  Musters  für  Nadelspitzen. 

Tracticium  aurum  (lat.),  gezogene  Goldfäden. 

Trama  (ital.),  Trame  (franz.),  Tramseide,  Seide  von  mittlerer  Güte  und 
Stärke,   als  Schuss  verwebt;  vgl.  Organsinseide. 

Trames  (lat.),  gestickter  ornamentaler  Streifen. 

Tramoserica  (Dramio  serica),  frühmittelalterliche  Stoffe,  in  denen  Leinen- 
kette mit  seidenem  Einschlag  verwoben  war. 

Trapezunt  in  Kleinasien,  nach  Smyrna  der  wichtigste  Handelsplatz  der 
asiat,  Türkei;  schon  im  8.  bis  10.  Jahrh.  hat  T.  Bedeutung  für  Seidenmärkte, 
wonach  sich  die  chinesischen  Kaufleute  richten  müssen.  Die  Hauptartikel 
nach  und  aus  Persien  bestehen  in  Baumwoll-  und  Schaf wollmanufakturen, 
Seidengeweben,  Teppichen  und  Shawls,  Seidenkokons. 

Trautenau,  Stadt  in  Böhmen:  Garn-  und  Machsspinnereien,  Leinen- 
webereien^  eine  Garnbörse.  T,  ist  Mittelpunkt  der  Leinenspinnerei  im  böhm. 
Riesengebirge. 

Travers  (quergestreift)  sind  die  im  Schuss  gestreiften  verschiedenfarbigen 
Modestoffe. 

Treillis  (franz.),  Gegitter,  Drill,  Treillis  d'Allemagne,  Name  eines  im 
16.  Jahrh.  am  franz.  Hofe  getragenen  Putzes;   scheint  Spitzen  bedeutet  zu  haben. 

Treillis  wird  gewöhnlicher  Drillich  zu  groben  Mehlsäcken  und  grobem 
Soldatenzeug  genannt. 

Trentaines  heissen  in  französischen  Manufakturen  die  roben,  mittelfeinen 
IVollentücher,  deren  Kette  mit  3000  Fäden  angelegt  wird. 

Treppen    in    gewebten  Stoffen    sind  Streifen  von  ungleicher  Dichtigkeit. 

Tres  de  COres  heissen  in  Portugal  die  bunt  gestreiften  und  geflammten 
Zwilliche. 

Tresquille,  eine  Art  ungewaschener  Wolle,  die  nach  Marseille  geht. 

Tresse  (vom  franz.),  Borden  mit  seidener  Kette  und  Schuss  von  mit 
echtem  oder  unechtem  Gold-  oder  Silberdraht  übersponnenen  Seidenfäden,  oder 
auch  von  Lahn,  Gold-  oder  Silberdraht. 

Tressenseide  ist  eine  Art  Flockseide. 

Treuen,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  Handweberei 
von  seidenen  und  halbseidenen,  baumwollenen,  halbwollenen  und  wollenen 
Stoff'en,  besonders  von  Tüchern;  Streichgarn-  und  Yigognespinnereien,  Färbe- 
reien, Flanellfabrikation,  Bleicherei;  mechan.  Webereien;  grosse  Fabrik  für 
baumwollene  Treibriemen  und  Seilerwaren,  Appretur;  Karbonisierungsanstalt 
von  Wolle;  Weissstickerei. 

Treue  Wolle  ist  W.,  deren  Haare  in  ihrer  ganzen  Länge  gleichen  Durch- 
messer haben. 

Treviglio,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Bergamo  (Lombardei):  Tuchweberei 
und  Seidenspinnerei. 

Treviso,  Hauptstadt  gleichnamiger  ital.  Provinz:  Seidenraupenzucht  und 
-Spinnerei;  Fabrikation  von  Tuch  und  Seidenzeug. 

Tricala,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Tricot  (franz.),  Trikot,  gestrickter  oder  gewirkter  elastischer  Stoff  aus 
Wolle,  Seide,  Baumwolle  für  anliegende  Kleidungsstücke.  Das  Wort,  sowie 
tricoter,  stricken  u.  s.  w.  scheint  neueren  Ursprungs  und  aus  dem  deutschen 
Stricken  gebildet  zu  sein.  In  Frankreich  führt  man  es  auf  den  Ort  Tricot 
im  Depart.  Oise  zurück,  wo  aber  nur  Sergefabrikation  im  17.  Jahrh.  nach- 
zuweisen ist,  oder  auf  trique,  hölzerner  Stab. 

Tricotage  (franz.),  die  gewirkten  und  gestrickten  Strumpfwaren. 

Tricotbindung  entsteht  durch  Ober-  und  Futterschuss  vierbindiger  Köper 
bei  2  und  2  Schuss  Wechselung.  Um  sehr  feine  Hippen  zu  erzielen,  schiesst 
man  nach  2  Oberschuss   1  Futterschuss  ab. 


592  Tricot  de  laine — Tscharschaf. 


Tricot  de  laine  neünt  man  im  franz.  Handel  eine  Art  gewöhnlicher 
wollener  Tücher  für  Matrosen,  Soldaten  u.  s.  w. 

Tricotine,  einfarbiger,  klein  gemusterter  Seidenstoff  mit  dunstschwarzem 
Einschlag. 

Tricots,  Tricotes  nennt  man  die  auf  dem  Strumpfwirkerstuhl  gewebten 
Zeuge  aus  Wolle,  Baumwolle  oder  Seide. 

Trieges  sind  bunt  gestreifte  Drilliche  aus  der  Schweiz. 

Trient,  Stadt  in  Tirol:  Seidenzeug-  und  Tuchfabrikation. 

Trift,  das  Schwungrad  am  Spinnrad. 

Trikala,  Stadt  in  Griechenland:  Woll-  und  Baumwollindustrie. 

Tringles  (engl.:  Leisten,  Federn),  Hilfs Vorrichtung,  um  beim  Weben 
aufgeschweifter  Muster  auf  dem  Jacquardstuhl  einzelne  Eäden  der  Figurenkette 
zu  heben;  sie  besteht  aus  hölzernen  Linnolen,  welche  parallel  zu  den  Schuss- 
fäden in  die   Schleifen  der  Litzen  gesteckt  sind. 

Trinidad,  westindische  Baumwollsorte. 

Trinkhalls  (engl.)  sind  reiche  mit  Metallfäden  durchwirkte  und  gestickte 
Seidenstoffe,  die  in  Benares,  Ahmedabad  und  Delhi  in  Indien  erzeugt  werden. 

Triomphante  (franz.),  früher  ein  schwerer  Seidenstoff  mit  Grros-de-Tours- 
Grrund  und  damastartigen  Blumen. 

Trip,  Tripp,  Tripsammet,  ein  sammetartiger  Stoff,  der  fast  wie  Plüsch 
gewebt  wird. 

Tripes  de  alfombra,  spanisch-mexikanische  Teppiche. 

Triplieren  nennen  die  Weber  bei  leichten  wollenen  Zeugen  die  Ketten- 
fäden nicht  in  2,  sondern  in  4  Schäfte  einlegen,  damit  sich  die  Fäden  nicht 
aneinander  reiben  und  nicht  so  leicht  zerreisen. 

Tripolis  oder  Tripolitza,  Stadt  in  Grriechenland:  Teppicherzeugung. 

Trittmaschine,  Vorrichtung  am  Webstuhl,  welche  dem  Weber  ermög- 
licht, mit  einem  und  demselben  Tritt  der  Beihe  nach  die  verschiedenen  Fach- 
bildungen der  Kette  hervorzurufen. 

Trittweberei,  die  Musterweberei  mittels  Schäften  und  Tritten. 

Troddeln,  s.  Quasten  und  Posamenten. 

Trogen,  Flecken  im  Schweiz.  Kanton  Appenzell- Ausserrhoden:  Baum- 
wollindustrie und  Stickerei. 

Trois-quarts-fournis,  franz.  Creasleinen. 

Trolly,  englische  Klöppelspitzen. 

Trommelköper,  moderner,  dicht  gewebter  Baumwollstoff. 

Trommelstuhl,  ein  Musterwebstuhl  mit  einef  Walze  (Trommel),  auf 
welcher  nach  Massgabe  der  Platinen  Klötzchen  (Prisen)  angebracht  sind,  welche 
bei  der  Umdrehung  der  Trommel  die  Platinen  umlegen. 

Tropea,  Stadt  in  der  ital.  Prov.  Catanzaro :  Leinwand-,  Damast-,  Atlas- 
weberei; Fabrikation  von  Baumwolldecken. 

Troppau,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien:  Wollstofffabrikation,  Jute- 
spinnerei und  Tuchweberei. 

Trowbridge,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Wiltshire:  Fabriken  für 
Kasemir,  Tuch  und  andere  Wollzeuge. 

Troyes,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Aube:  wichtig  ist  die  Strumpf- 
wirkerei (Handschuhe,  Trikots,  auch  aus  Florettseide),  Baumwoll-  und  Woll- 
spinnerei. 

Trübau,  Mährisch-Trübau,  Stadt  in  Mähren:  Fabriken  für  Seidenwaren, 
mech.  Baumwollweberei,  Schön-  und  Schwarzfärberei. 

Trüffettes,  feine,  weissgebleichte,  flächsene  Leinen  aus  Beauvais. 

Tschaider,  weisser,  gewöhnlicher,  starker  Baumwollenstoff,  den  die 
Bucharenweiber  weben. 

Tscharhadd  heissen  in  Persien  ganz  quadratische,  kleine  Teppichflecke. 

Tscharschaf,  der  Mantel  den  die  islamit.  Frauen  ausserhalb  des  Hauses 
als  TJeberwurf  tragen,  ähnlich  dem  Feradsche  (s,  d.),  von  dem  der  T.  sich  da- 
durch unterscheidet,  dass  er  um.  die  Taille  enger  anschliesst.  Den  Haupt- 
unterschied   zwischen  T.    und  Feradsche    bildet  jedoch  der  Schleier,    der  beim 


Tschekmen— Tuch.  593 


T.  das  Gesicht  nur  leicht  verhüllt  und  sich  vom  Schleier  der  Europäerin  kaum 
unterscheidet.  Der  T.  ist  daher  eine  wesentliche  Neuerung  der  türk.  Frauen- 
kleidung. 

Tschekmen  sind  moltonartige  Wollenstoffe  aus  Circassien  und  Kuban; 
die  daraus  gefertigten  Beinkleider  heissen  Chalwars. 

Tschembert,  lange  Musselintücher  aus  Konstantinopel. 

Tschesma,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Tschimberts,  weisse  und  bunte  Musseline  aus  Konstantinopel. 

Tschina  amsuta  (China's  Seide),  Ausdruck  der  in  Sakuntala  (ein  indi- 
sches Gedicht?)  vorkommt,  welcher  in  Indien  lediglich  der  chines.  Seide  bei- 
gelegt wurde  zum  Unterschied  von  dem  weniger  bestechenden  einheimischen 
Produkt. 

Tschusan,  buntfarbig  gemusterter  Stoff  aus  Baumwolle  und  Kammgarn. 

Tuanse,  atlasartiger  chinesicher  Stoff. 

Tuarekteppiche,  eine  in  Europa  fast  ungekannte  Art  aus  Marokko. 
Tuariks,  Tuareg  (?)  sind  die  Bewohner  der  mittleren  Sahara,  zum  Berberstamm 
gehörig. 

Tuch  (franz.:  drap;  engl.:  cloth,  woolen  cloth;  ital. :  panno  lano), 
ein  dichtes,  wolliges,  gewalktes  oder  gefilztes  Gewebe  von  Streichgarn,  welches 
in  den  meisten  europäischen  Ländern,  sowie  in  Nordamerika  und  in  einigen 
Gegenden  Asiens  teils  von  einzelnen  Webern  gefertigt  und  grösstenteils  zu 
Anzugsstoffen  verbraucht  wird.  Durch  fortwährende  Vervollkommnung  der  bei 
der  Herstellung  des  T.  erforderlichen  Vorrichtungen  und  Maschinen  ist  dieselbe 
erleichtert,  verbessert  und  wohlfeiler  geworden.  Das  Spinnen  der  Wolle, 
das  Weben,  Walken,  E-auhen,  Bürsten,  Scheren,  Dekatieren  und  Pressen  wird 
durch  Maschinen  bewerkstelligt.  Nicht  allein  die  Feinheit  der  zweckmässig 
sortierten  Wolle  und  die  Gleichheit  des  daraus  gesponnenen  Garns  bestimmen 
die  Güte  des  Tuches,  sondern  auch  das  mehr  oder  minder  dichte  Gewebe,  das 
mit  ein,  zwei  und  drei  Schlägen  der  Lade  gearbeitet  wird,  sowie  die  Farbe  und 
endlich  die  Aj)pretur.  Die  Anzahl  der  Kettfäden  gilt  als  Massstab  der  Feinheit. 
Das  Garn  zu  den  Tuchen  war  vor  dem  Aufkommen  der  Spinnmaschinen  natürlich 
Handgespinst,  jetzt  dient  dazu  die  Sorte  von  Maschinengespinst,  welche  Streich- 
garn genannt  wird  (s.  Wollgarn).  Die  Anfertigung  des  gewöhnlichen  Tuches 
kommt  ganz  mit  der  Leinenweberei  überein  und  geschieht  mit  zwei  Tritten  oder 
Schäften,  welche  die  in  zwei  Hälften  geteilte  Kette  von  jedem  Einschuss  ab- 
wechselnd kreuzen.  In  neuerer  Zeit  wird  auch  viel  Köpertuch  gemacht,  das  unter 
dem  Namen  Croise  in  den  Handel  kommt.  Es  ist  dies  der  gewöhnlichere  Stoff 
zu  leichteren  Mannsröcken  und  zeigt,  ausser  etwa  durch  einen  geschmeidigeren 
Angriff,  keinen  äusseren  Unterschied  von  anderem  T.,  da  bei  beiden  die  Fäden- 
bindung durch  die  nachfolgende  Bearbeitung  unsichtbar  gemacht  ist  und  erst 
durch  Abtragen  als  Fadenscheinigkeit  wieder  zum  Vorschein  kommt.  Das 
gute  Tuch  besteht  ganz  aus  Wolle ;  Ware  mit  Baumwollkette  und  Wolleinschuss 
ist  Halb  tu  eh.  Beim  Aufbäumen  der  Kette  verwendet  man  zu  beiden  Seiten 
eine  Anzahl  grober  Fäden,  um  die  Salleiste  oder  den  Anschrot  zu  erhalten, 
welcher  bei  Bestimmung  der  Breite  des  Stoffes  nicht  mitgerechnet  wird. 
Letztere  berechnet  man  nach  Hunderten  von  Ketteniäden:  schmale  Tuche  ent- 
halten 14 — 22,  breite  bis  zu  48  Hunderten.  Für  den  Handel  dient  die  Breiten- 
angabe nach  Vierteln,  d.  h.  Viertelellen.  Es  muss  aber  die  Länge  und  Breite 
des  Stückes,  die  es  im  fertigen  Zustande  haben  soll,  auf  dem  Webstuhl  be- 
trächtlich überschritten  werden,  da  das  Gewebe  durch  das  Walken  bedeutend 
eingeht.  Die  Kettfäden  sind  vor  dem  Aufziehen  mit  warmem  Leimwasser  ge- 
tränkt und  wieder  getrocknet,  sind  also  glatt,  hart  und  steif;  die  Einschuss- 
fäden dagegen  werden  im  feinsten  Zustande  verarbeitet.  Wenn  das  Tuch- 
gewebe vom  Webstuhl  kommt,  sieht  es  wie  ein  rohes  grobes  Leinengewebe 
aus  und  wird  Loden  genannt.  Das  filzige  Wesen,  welches  die  Fäden  ver- 
deckt, wird  ihm  erst  durch  das  Walken  und  Pauhen  gegeben.  Zunächst  wird 
der  Loden  genoppt,  d.  h.  mit  kleinen  Stahlzangen  oder  auf  einer  Maschine 
werden  Knötchen,  Fadenenden  u.  dgl.  sowie  Spänchen  und  Strohteile  entfernt. 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  38 


594  Tuchartige  Stoffe — Tuchscherer. 

Der  Loden  hat  entweder  schon  die  für  das  Tuch  bestimmte  Farbe,  indem 
bereits  die  Wolle  für  das  Grarn  gefärbt  wurde,  oder  er  empfängt  sie  nach  dem 
Weben  oder  auch  erst  nach  dem  Walken.  Hiernach  gibt  es  in  der  Wolle,  im 
Loden  und  im  Stück  gefärbtes  Tuch  und  das  letztere  ist  daran  kenntlich^ 
dass  es  an  einem  Durchschnitt  im  Innern  die  Farbe  in  hellerem  Ton  zeigt  als 
auf  der  Aussenseite,  weil  durch  das  Walken  das  Eindringen  der  Farbenbrühen 
erschwert  worden  ist.  Die  wollgefärbten  Loden  kommen  vom  Webstuhl  direkt 
in  die  Walke^  die  noch  weissen  dagegen  in  die  Farbe,  der  aber  erst  eine 
gründliche  Wäsche  in  der  Waschmaschine  vorhergeht  (s.  Walken).  Das  ge- 
walkte und  gewaschene  Tuch  wird  zum  Trocknen  auf  einen  Rahmen  gespannt 
und  dabei  gerade  gezogen  und  gereckt.  Hierbei  dienen  die  Webekanten  als 
Anhängepunkte  und  Handhaben:  es  ist  dies  ihre  hauptsächliche  Bestimmung. 
Zur  Verschönerung  der  durch  das  Walken  entstandenen  Filzdecke  des  Tuches 
wird  dasselbe  gerauht  und  dann  geschoren.  Alle  Bearbeitungen  des  Tuches 
erfolgen  nur  auf  der  einen  Seite,  indessen  die  spätere  Links seite  so  bleibt, 
wie  sie  aus  der  Walke  kommt.  Oefter  wird  das  T.  gewöhnlich  noch  deka- 
tiert, um  ihm  einen  weniger  grellen,  aber  dauerhaften  Glanz  zu  erteilen. 
Man  wickelt  dasselbe  zu  diesem  Zweck  auf  einen  kupfernen,  an  den  Enden 
offenen,  im  Mantel  mit  vielen  feinen  Löchern  versehenen  Zylinder,  bringt 
diesen  in  einen  geschlossenen  Raum  und  lässt  heisse  Wasserdämpfe  eintreten, 
welche  das  T.  durchdringen.  Es  erhält  dadurch  Grlanz  und  verhindert  das 
Einlaufen.  Zuletzt  wird  das  T.  gepresst,  wodurch  es  noch  an  Glanz  und 
gutem  Aussehen  gewinnt.  Die  Abteilungen,  in  denen  das  T.  dann  in  den 
Handel  kommt,  heissen  Stücke,  welche  eine  Länge  von  etwa  30  m  haben. 
Bei  den  feinen  Tuchen  sind  die  Stücke  in  Kappen  von  Ganzleinwand  ein- 
gebunden, während  gewöhnliche  T.  nur  zusammengeschnürt  werden.  Das  Ende 
des  Tuchstückes,  welches  die  Aussenseite  bildet,  heisst  das  Mantelende, 
und  das  durch  einen  Saalbandstreifen  abgegrenzte  halbe  oder  dreiviertel  ist  der 
Spiegel;  auf  ihm  werden  die  Signaturen  angebracht,  wenn  sie  nicht  auf  einer 
angehangenen  Marke  mitgegeben  sind  (s.  Tuchsorten  und  den  Artikel  Wolle). 
Anfänglich  war  T.  ein  dicker  und  rauher  Stoff,  allmählich  wurde  das  Gewebe 
verfeinert  und  derjenigen  Beschaffenheit  zugeführt,  in  der  wir  es  heute  kennen. 
Deutsches  T.  war  schon  im  10.  Jahrh.  berühmt,  und  von  hier  aus  verpflanzte 
sich  das  Gewerbe  nach  Flandern  und  den  Niederlanden,  wo  es  vorzüglich  auf- 
blühte, nach  der  Schweiz  und  Italien.  Von  den  Niederländern  erhielten  die 
Engländer  anfangs  ihren  Tuchbedarf  gegen  Wolle,  bis  sie  selbst  zu  fabrizieren 
anfingen.  Durch  das  ganze  Mittelalter  waren  T.  ein  Hauptmarktartikel  auf 
den  deutschen  Märkten  (s.  Aachen). 

Tuchartige  Stoffe  heissen  diejenigen  Gewebe  von  Streichgarn,  welche 
nach  Art  der  Tuche  gewalkt,  gerauht,  geschoren  und  appretiert  werden,  wie 
z.  B.  E,atine,  Kirsey,  Biber,  Sergen,  Droguets  und  Rasche. 

Tuchbaum,  die  hölzerne  Walze  am  Tuchwebstuhl  zum  Aufwickeln  des 
fertigen  Gewebes. 

Tuchmosaik,  eine  in  Persien,  Indien  und  in  der  Türkei  zu  besonders 
künstlerischer  Entfaltung  gelangende  Stickerei,  deren  Muster  aus  kleinen  Teilen 
ausgeschnittener  Tuchstücke  zusammengesetzt  ist.  Durch  Tambourierstiche  in 
farbiger  Seide  werden  Ziernähte  auf  den  aneinanderstossenden  Stoffrändern 
gebildet,  wodurch  die  in  der  Art  gemusterten  Decken  und  Behangstoffe  der 
dekorativen  Wirkung  einer  Mosaikarbeit  gleich  kommen.  Besonders  gerühmt 
werden  die  älteren  Tuchmosaiken  aus  Rescht  in  der  persischen  Prov.  Ghilan 
(s.  a.  orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien). 

Tuchrasch,  ein  aus  Streichgarn  gewebter  und  tuchartig  weiter  behandelter 
und  zugerichteter  Rasch. 

Tuchschere,  eine  der  gewöhnlichen  Schafschere  ähnliche,  nur  viel  grössere 
Schere,  die  vor  der  allgemeinen  Einführung  der  Schermaschine  zum  Scheren 
des  Tuches  gebraucht  wurde. 

Tuchscherer,  auch  Appreteur  genannt,  derjenige,  der  die  Zurichtung  von 
Tuchen  und  tuchartigen  Stoffen  einschliesslich  des  Fressens  und  Dekatierens  besorgt. 


Tuchsorten.  595 


Tuchsorten  oder  tuchartige  Gewebe  gibt  es  sehr  viele  und  die  oft  eigen- 
tümlichen Benennungen  durch  Rohstoff,  Bindungsgesetze,  durch  die  damit  vor- 
genommenen Prozesse,  sowie  durch  Aehnlichkeit  mit  anderen  Produkten,  durch 
das  Land,  in  dem,  oder  das  Volk,  von  dem  sie  hergestellt  wurden,  begründet, 
oft  auch  ganz  willkürlich  gewählt.  Die  wichtigsten  sind:  (s.  Näheres  bei  den 
betreffenden  Artikeln.)    (Vgl.  auch  Otto  Luegers  Lexikon,  Bd.  7). 

Alpaca,  Angora,  Kaschmir:  Gewebe  mit  laughaariger ,  velourartiger 
Oberfläche. 

Beaver,  stark  gewalktes  und  gerauhtes  Gewebe. 

B  o  i ,  Boy,  aus  Baumwollkette  und  WoUschuss  hergestellte  Futterstoffe. 

B  u  c  k  s  k  i  n ,  meist  gemustertes  zu  Beinkleidern  verwendetes  Gewebe. 

Cachemirette,  aus  gezwirntem  Garn  in  Köperbindung  mit  zarter  Haardecke. 

C a  s  s  i  n  e  t ,  dreibindig  geköpertes  Halbwollgewebe. 

Cheviot,  gemustertes  Halbwollgewebe  mit  Köperbindung. 

Circassienne,  ein  dem  Kaschmir  ähnliches  Gewebe,  aber  wenig  gewalkt. 

Coating,  Fries,  Flaus,  langhaariges  Gewebe,  stark  gewalkt. 

Coutil  gehört  den  Buckskinge weben  an. 

C  r  o  i  s  e ,  in  Köperbindung  hergestelltes  Gewebe,  meist  zu  Böcken  verwendet. 

Decken  (wollene  und  halbwollene)  werden  in  ausserordentlich  mannigfacher 
"Weise,  fein  und  grob,  ungefärbt,  einfarbig  und  gemustert  hergestellt. 

Döskin,  auch  Winterbuckskin,  ein  dem  sogen.  Satin  ähnliches  Gewebe. 

Doppeltuch,  Doppelcassinet,  Doppelflanell,  schwerere,  dichte 
Gewebe  aus  zwei  übereinander  liegenden  Ketten  oder  aus  einer  Kette  in  Atlas- 
bindung. 

Double  oder  Eskimo,  ein  in  Köperbindung  hergestelltes,  namentlich  zu 
Ueberziehern  verwendetes  Gewebe. 

Drap  auch  Köpertuch,  mit  feinem  Schuss  und  gröberer  Kette  ausserordent- 
lich dicht  hergestelltes  Köpergewebe. 

Düffel,  ein  fünfbindiges,  mattglänzendes  Köpergewebe. 

Edredon  oder  Ei  der  dun,  geköpertes,  sehr  weiches  Gewebe. 

Flanell,  leichtes,  sehr  weiches  in  Köperbindung  hergestelltes  Gewebe,  an 
einer  Seite  haarige  Fläche. 

Floconne,  dickes ,  weiches ,  zu  Winterröcken  und  Mänteln  verwendetes 
Doppelgewebe. 

H  a  1 1  i  n  a ,  grobes  kotzenartiges  Gewebe. 

Homespunes,  meist  braun  gefärbtes,  in  der  schottischen  Hausindustrie  ge- 
fertigtes, ziemlich  rohes  Gewebe. 

Imitierte  Kammgarnstoffe  aus  Streichgarn  werden  aus  leicht  verfilzter, 
gewaschener  und  gut  gerauhter  Ware  hergestellt,  die  ganz  glatt  geschoren  und  um- 
ständlich dekatiert  ist. 

Kalmuck,  langhaarig  hergestelltes  ungeschorenes  Gewebe. 

K  a  s  t  o  r ,  Halbwollgewebe ,  das  viele  Prozeduren  des  Rauhens ,  Scherens, 
Fressens,  Dämpfens  u.  s.  w.  durchzumachen  hat. 

Kirsey,  dickes,  grobes,  ungemustertes  Gewebe,  meist  zu  Soldatenmänteln 
verwendet. 

Lady-Coating,  eine  Art  Fries,  feines,  leichtes  Damentuch,  das  in  einer 
Sorte  auch  Kastorin  genannt  wird, 

Lama,  ein  mit  Leinwand-  oder  Köperbindung,  flanellähnliches  Gewebe,  an 
einer  Seite  gerauht. 

Linsey-Wollsey,  ein  in  England  besonders  für  Damenkleider  verwendetes, 
in  Leinwandbindung  sehr  dicht  gewebtes  Halb wollge webe. 

Matelasse,  ein  dem  Pikee  ähnliches  Wollgewebe. 

Melton  oder  Molton,  ein  oft  aus  gezwirntem  Garn  hergestelltes  Gewebe 
mit  sogen,  gemischter  Dekatur,  d.  h.  wechselnder  Wasser-  und  Dampfdekatur. 

TMozambique ,  schweres  doppel-,  auch  dreifaches,  meist  mit  Quadratmuster 
hergestelltes  Gewebe. 

Paupeline,  zu  den  Buckskins  gehörig. 

Perle,  ein  dem  Mozambique  verwandtes,  schweres  Gewebe. 

Presidents.  zum  Teil  ganz  aus  Kunstwolle  gefertigtes  Gewebe,  das  genoppt  ist. 

Ratine,  dickes,  weiches,  zu  Winterröcken  verwendetes  Gewebe,  dessen 
Härchen,  ähnhch  wie  beim  Perle,  zu  Knötchen  und  Knöpfchen  zusammengedreht 
werden. 

Ratine-velour,  Qualität  und  Bindung  wie  vorher ;  nur  dass  die  Oberfläche 
mit  langem,  sammetartigem  Haar  besetzt  ist. 


596  Tuckeries— Tulpe. 


Sadowa,  ein  dem  Perle  und  Mozambique  ähnliches  Gewebe. 

Satins,  mit  Atlasbindung  gewebte,  sonst  aber  dem  Melton,  Beaver  ver- 
wandte Gewebe. 

Sealskin,  weiches,  zartes,  geschmeidiges  Gewebe  aus  Mohairgarnen  oder  aus 
Kälber-  oder  Kuhhaaren. 

Toile  nattee,  Treillis,  den  Buckskins  verwandte  Gewebe. 

Tricots,  häufig  in  Kreuzköperbindung,  manchmal  schwere,  oft  auch  leichtere, 
gemusterte  Gewebe,  ähnlich  dem  Buckskin  appretiert. 

Tuchrasch,  grobes,  schwach  gewalktes  Köpergewebe. 

Union-Cloth,  ein  dem  Presidents  verwandtes  und  gleich  appretiertes 
Gewebe. 

Velour,  dem  Coating  ähnliches  ~\Voll-  oder  Halbwollgewebe,  dessen  Härchen 
nicht  verstrichen,  sondern  frei  aufrecht  wie  beim  Sammet  stehen  gelassen  werden,  zu 
Mänteln  und  Winterröcken  verwendet. 

Welline,  ein  dem  Ratine  vollkommen  ähnliches  Gewebe;  nur  dass  die  Här- 
chen zu  wellenartigen  Gebilden  zusammengearbeitet  sind ,  sodass  das  Gewebe  ein 
baumrindenartiges  Aussehen  zeigt.  Je  nachdem  diese  Wellen  zur  Kette  oder  zum 
Schuss  verlaufen,  werden  sie  W.  ä  longue,  travers,  diagonale^  genannt.  Diese  Gewebe 
werden  mit  Vorliebe  zu  Winterröcken  verwendet. 

Wellington,  dichtgewebter  Stoff  zu  wasserdichten  Regenmänteln  verwendet 
und  zu  diesem  Behuf e  mit  Alaunlösungen  imprägniert. 


Tuckeries,  ostindische  Baumwollzeuge. 

Tudorsiil,  der  seit  dem  Regierungsantritt  der  Könige  aus  dem  Hause 
Tudor  (1485 — 1603)  in  Aufnaiime  gekommene  Stil  der  Englischen  Kunst,  die 
Zeit  der  engl.   Spätgotik. 

Tuf  (franz.) ,  grobes  Zeug  aus  starker  Hanfwergkette  und  Einschuss 
von  Kuh-  und  Hundehaaren.  Es  wird  zu  geringen  Fussdecken  u.  dgl. 
gebraucht. 

Tufts,  gemusterte  und  bunt  gedruckte  Manchester  aus  englischen  Manu- 
fakturen; sie  werden  jetzt  ersetzt  durch  die  Velvets  und  Velveteens. 

Tülle,  Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Correze:  bedeutende  Fabrikation 
von  Spitzen  (Plisses  de  T.),  Woll-  und  Baumwollzeugen. 

Tüll  (franz.:  tull),  durchsichtiges,  lockeres,  mit  netzartigen,  regelmässigen 
Oeffnungen  versehenes  Grewebe  aus  Seide  oder  feinem  Baumwollengarn,  das 
auf  dem  Petinet-,  oder  Bobbinnetstuhl  gewebt  wird  und  dadurch  bezüglich  seiner 
Maschenverbindung  eine  Verschiedenheit  in  der  Art  erhält.  Die  W'are,  welche 
auf  dem  Petinetstuhl  gefertigt  wird,  nennt  man  maille  de  france  und  eine 
Sorte  derselben  mit  sehr  fester  dichter  Verbindung  maille  fix.  Der  auf 
dem  Bobbinnetstuhl  gewebte  T.  heisst  maille  anglaise  oder  tulle  anglais, 
weil  jener  Stuhl  in  England  erfunden  wurde.  Der  Xame  Tüll  ist  entstanden 
von  der  Stadt  Tulle  im  Depart.  Correze  in  Frankreich,  wo  man  den  Stoff  zu- 
erst wirkte  (s.  Bobbinnet  und  Petinet). 

Tüllmaschine,  besondere  Art  von  Deckmaschineu  am  Wirkstuhl. 

Tulpe  (Tulipa  Gesneriana),  in  Kleinasien  und  Südrussland  heimische,  im 
16.  Jahrh.  nach  Europa  gebrachte  Blume  (Abb.  333  a — c),  wird  in  vielen 
Varietäten  bes.  in  Holland  kultiviert.  Als  Kunstform  im  Stoffmuster  des 
Orients  ist  die  T.  vor  dem  16.  Jahrh.  kaum  erkennbar^  wozu  wohl  beiträgt 
die  ähnliche  ornamentale  Gestaltung  der  Lotosblüte  (Abb.  30,  S.  35)  und 
anderer  im  Orient  erscheinenden  vegetabilischen  G-ebilde.  Persien  und  Indien 
(s.  orientalische  Kunstwebereien  und  Stickereien)  enthalten  in  Stoffen  und 
Stickereien  die  T.  vortrefflich  stilisiert  (vgl.  Abb.  214,  217,  218,  S.  378,  380, 
381),  in  derselben  Auffassung  geht  sie  über  in  spanische  Gewebe  des  16.  Jahrh. 
(Abb.  279,  S.  488)  und  ward  zur  Zeit  der  Spätrenaissance  allgemein  in  Sträussen, 
welche  mit  Nelken,  Xarzissen  u.  s.  v,\  den  Vasen  (s.  d.)  entsteigen,  die  selbst 
zu  Spitzenzacken  ausgebildet  sind  (Abb.  38,  S.  53). 

Abbildung: 

333a— c.  Drei  Darstellungen  von  Tulpa  Gesneriana  L.  aus:  Lobelius,  plantarum 
seu  stirpium  icones,  Antwerpen  1581. 


Tunica — Türkische  Spitzen. 


597 


Tunica  (lat.),  das  enge  ärmellose  Unterkleid  der  Römer,  im  Mittelalter 
mit  langen  oder  kurzen  xlermeln,  jetzt  ein  Bestand  des  geistlichen  Ornats.  Auf 
der  Tunica  der  römischen  Amtspersonen  war  der  Clavus  angebracht,  ein  senk- 
rechter Streif  vom  Halse  abwärts,  und  zwar  ein  breiter,  latus  clavus,  oder 
zwei  schmale,  angustus  clavus,  später,  wie  neue  Funde  (s.  Koptische  Textil- 
funde)  wahrscheinlich  machen,  ein  oder  mehrere  gewebte  oder  gewirkte  runde 
oder  viereckige  Felder. 

Tunis,  Regentschaft  in  Marokko:  Teppicherzeugung,  deren  Erzeugnisse 
auf  ziemlich  niedriger  Stufe  stehen. 

Turban  (vom  türk.  tulbend),  die  nationale  Kopfbedeckung  der  Türken 
und  anderer  Mohammedaner,  aus  einem  um  den  Fes  wulstig  gewundenen 
Muslin-  oder  Seidenstreif,  von  den  Nachkommen  Mohammeds  in  grüner  Farbe 
getras:en. 


Turin,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  ital.  Provinz:  Fabriken  für  Seiden- 
waren, in  welchen  teure  Kleiderstoffe,  Paramenten,  Möbelstoffe  und  Wirkereien 
erzeugt  werden. 

Türkei.  Osmanisches  Reich  in  Südeuropa,  Westasien  und  ^Nordafrika. 
Bedeutende  Seidenspinnereien  und  Teppichwebereien.  Weltberühmt  sind  die 
Teppiche  von  Uschak  u.  s.  w.  (s.  Teppiche),  die  meist  über  Smyrna  als  sogen, 
Smyrnateppiche  ausgeführt  werden;  ferner  Seidenstoffe  und  andere  Webwaren 
aus  Brussa  und  Biredschik.  Am  Ansehnlichsten  ist  die  Industrie  in  Kon- 
stantinopel, welches  Kleider,  Stickereien,  Posamenten  und  Teppiche  liefert. 
Gewerbefleissig  ist  auch  das  Gebiet  von  Adrianopel  mit  Fabrikation  von 
Schafwollwaren,  Decken,  Säcken,  Strümpfen  und  Geweben  aus  Ziegenhaaren 
(besonders  in  Philippopel).  Das  Wilajet  Saloniki  fertigt  besonders  Manu- 
fakturwaren aus  Seide  und  Baumwolle,  Leinwand  und  Seidengarn,  während 
.Janina  (mit  den  industriellen  Hauptplätzen  in  Janina,  Yolo,  Tirnowa,  Larissa, 
Arta)  vorzugsweise  leichte  Seidenstoffe  und  Kattune  aus  englischem  Baumwoll- 
garn, Haiinatuch,  Gewebe  und  Espartogras,  Garne,  Flanelle,  Abbastuch,  weisse 
Kappen,  Säcke  und  Decken  aus  Ziegenhaaren  fertigt.  Monastir  ist  hervor- 
ragend in  Seidenweberei,  Teppich-  und  Leinwandfabriken,  welche  Artikel  auch 
das  Wilajet  Sofia  erzeugt,  ausserdem  Schnüre,  Strümpfe  und  Shawls.  Un- 
bedeutend ist  die  heutige  Lidustrie  in  Skutari  und  auf  den  Inseln,  dagegen 
erzeugt  Kreta  besonders  Seidenstoffe. 

Türkische  Flanelle,  s.  Golgos. 

Türkische  Kappen,  s.  Fes. 

Türkische  Naht,  s.  Wirkerei. 

Türkische  Spitzen,  s.  Spitzen. 


598  Türkisch-Rotgarn— Twist. 


Türkisch  Rotgarn,  ein  Baumwollengarn  von  überaus  haltbarer  und  vor- 
züglich schöner  roter  Farbe,  das  früher  nur  aus  der  Levante  nach  Europa  kam, 
Avo  dessen  Zubereitung  lauge  Zeit  unbekannt  blieb,  bis  man  das  Gi-eheimnis 
durch  Ansiedelung  griechischer  Färber  in  Triest,  Wien,  Marseille  näher  kennen 
lernte,  von  da  es  bald  weiter  in  Frankreich,  England  und  in  Deutschland  (am 
stärksten  in  Elberfeld  und  Umgegend)  sich  so  ausbreitete,  dass  jetzt  fast  in 
allen  Ländern,  wo  die  Baumwollweberei  heimisch  ist,  auch  Färbereien  ange- 
legt sind,  w^elche  die  rote  Farbe  in  gleicher  Güte  und  bei  dem  wohlfeilen 
Maschinengespinst  auch  weit  billiger  liefern,  wodurch  die  Einfuhr  aus  der 
Türkei  ganz  aufgehört  hat.  —  In  der  Levante  befanden  sich  die  beträchtlichsten 
Grarnfärbereien  in  Grriechenland  und  Thessalien  und  zwar  zu  Boba,  Kaphanii, 
Turnovo,  Larissa,  Saloniki,  Pharsala,  Arta,  Janina  und  in  allen  Dörfern, 
welche  am  Fusse  des  Ossa  und  Pelion  liegen. 

Turkmenische  Teppiche,  erzeugt  von  den  Turkmanen  (Turkomanen, 
Turkmenen  oder  Truchmenen),  einem  türk.-tartar.  Volk  auf  der  Ostseite  des 
Kasp.  Meeres ,  z.  T.  den  Russen  unterworfen ,  werden  in  Zentralasien 
Dschujnabe  genannt  und  heissen  im  Handel  irrtümlich  Bokhara,  mit  welchen 
sie  nur  die  rotbraune  Farbe  gemein  haben.  Sie  gehören  zu  den  dauerhaftesten, 
dichtesten  und  bestgeschorenen  Teppichen  Zentralasiens  (s.   Teppich). 

Turkomanische  Seide  kommt  seit  dem  7.  Jahrh.  in  allgemeinen  Gebrauch. 
Der  Volksstamm  Hakas  steht  als  eine  Rohseide  erzeugende  Nation  im  9.  Jahrh. 
mit  den  Arabern  in  regem  Verkehr.  Die  zwischen  Khorassan  und  China 
ihren  Wohnsitz  einnehmenden,  kulturell  vorgeschrittenen  Stämme  der  ITiguren 
(Hei-hu)  betrieben  sowohl  die  Seidenzucht  wie  die  Seidenweberei,  besonders 
Fabrikation  kostbarer  Brokate.  Sie  stand  in  ihrem  Lande  auf  hoher  Stufe 
der  Vollkommenheit,  als  es  im  10.  Jahrh.  durch  den  Gesandten  Chinas  be- 
reist wurde. 

Turnhout,  Stadt  Inder  belg.  Provinz  Antwerpen:  bedeutende  Fabrikation 
von  Zwillich,  Leinwand  und  Tuchen. 

Turquoise,  älterer,  französischer,  halbseidener,  auf  Atlasart  gewebter 
Stoff,  bei  welchem  der  Grund  aus  Baumwolle,  die  Streifen  aus  Seide  be- 
stehen. 

Turschiz,  Ort  in  der  pers.  Prov.  Khorassan:  Teppicherzeugung. 

Tussahseide  liefert  der  indische  Eichenspinner  in  Assam  und  Bengalen; 
auch  gibt  es  chinesische  wilde  T.  Die  T. -Weberei  hat  in  Baipore,  Godavery 
und  Sanibalporo  in  Indien  ihre  industriellen  Sitze.  Die  T.  lässt  sich  bleichen 
und  färben  und  findet  vielfach  Verwendung  zur  Herstellung  gefärbter  Seiden- 
plüsche ;  ihr  Preis  ist  zwei-  bis  dreimal  so  niedrig  als  der  gewöhnlichen 
Seide. 

Tussores  sind  Corahs  aus  Indien;  es  werden  darunter  Gewebe  aus 
gelblicher  Bohseide  in  TaiFetbindung  verstanden,  welche  man  zu  Kleiderstoffen 
verwendet. 

Tuster,  Schuster,  Stadt  in  Persien  (Chusistan),  im  Mittelalter  berühmter 
Fabrikationsort  für  Atlas  und  Sammet.  Während  das  pers.  Süs  zugleich  mit 
seiner  politischen  Bedeutung  auch  die  seidengewerbliche  Tätigkeit  verlor,  be- 
hauptete T.  seinen  Buhm  auch  dann  noch,  als  bereits  der  grösste  Teil  seiner 
Atlasarbeiter  nach  Bagdad  verzogen  war.  Die  Bedeutung  T.  dauert  fort  bis 
in  die  Mitte  des  14.  Jahrh.  Im  10.  Jahrh.  legten  Arbeiter  aus  T.  in  Bagdad 
eine  Seidenkolonie  an. 

Twele,  besonders  grob  gewebtes  Handtuch. 

Twilled  Domestiks  ist  der  Gattungsname  in  Nordamerika  für  alle 
stärkeren  baumwollenen  geköperten  Stoffe  amerikanischer  Erzeugung. 

Twine  ist  ein  dem  Burnus  oder  Paletot  ähnlicher  Heberwurf  ohne  Taille 
mit  Aermeln,  für  Männer-  wie  für  Frauentracht;  für  den  Sommer  von  leich- 
terem Stoff. 

Twist,  der  auch  im  deutschen  Handel  gebräuchliche  engl.  Name  für 
baumwollenes  Maschinengarn,  d.  h.  auf  Maschinen  gesponnenes  Garn  (von 
to    twist,    d.    i.    drehen,    spinnen).     Je    nachdem    die   Feinspinnmaschinen    dem 


Tyrium— Uni.  599 


System  der  Water-  oder  dem  der  Mulemaschinen  angehören,  unterscheidet  man 
Water-  und  Muletwist,  jenes  derber,  dieses  loser  gedreht;  eine  zwischen  beiden 
stehende,  auf  Mulemaschinen  erzeugte  Gattung  heisst  Mediotwist. 

Tyrium    (lat.),    Purpurstoff  von    der  Stadt  Tyrus,    welche    während    der 
Kreuzzüge  Hauptsitz  der  Seidenindustrie  ist. 


u. 

lieber  Kreuz  gearbeitet  =  Köper. 

Ueberriegeln,  eine  starke  Schnur  mit  einer  schwächeren  in  weitläufigen 
Schraubenlinien  umwinden. 

Ueberschuss,  ein  Fehler  an  Geweben,  wenn  der  Schussfaden  öfter,  als 
er  sollte,  über  dieselben  Kettenfäden  geht  (vgl.  Unterschuss). 

Ueberspinnen  =  überriegeln. 

Uddevalla,  alte  schwedische  Stadt  im  Län  Göteborg  und  Bohus:  grosse 
Baumwollspinnerei  und  Weberei. 

Udine,  Hauptstadt  in  gleichnamiger  ital.  Prov.  der  Landschaft  Yenetien : 
bedeutende  Seidenindustrie  und  Handel  mit  Flachs  und  Hanf. 

U-lang,  auch  U-ling,  chinesische  Bezeichnung  für  Lastings. 

Ulanka^  der  im  Schnitt  der  polnischen  Nationaltracht  nachgebildete  Uni- 
formsrock der  Ulanen.  An  Nähten  und  Säumen  ist  die  U.  mit  Passepoils  (s.  d.) 
in  der  Kragenfarbe  besetzt;  die  Brustklappe  ist  rabattenartig  geschnitten  und 
mit  zwei  Knopfreihen  besetzt;  bei  Paraden  wird  an  dieselbe  eine  der  Farbe 
des  Kragens  entsprechende  Rabatte  angeknöpft;  ein  Zubehör  der  U.  ist  die 
Leibbinde  von  Tuch  mit  Besatz  in  der  Kragenfarbe.  Auf  den  Schultern  be- 
finden sich  Passanten  für  die  Epauletten. 

Ullersdorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  eine  grosse  Flachsspinnerei. 

Ulm,  Hauptstadt  des  württembergischen  Donaukreises:  bedeutende  Leinen- 
industrie; grosser  Tuchmarkt.     U.  hat  im  14.  Jahrh.  Seidenweberei. 

Ulmer  Leinwand  heissen  alle  im  Württembergischen  gewebten  Leinwand- 
sorten,  da  U.  im  Besitze  des  Haupthandels  dieser  Fabrikate  ist. 

Ulverston,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire:  Wollspinnerei, 
Baumwollweberei. 

Uelzen,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Lüneburg:  Tuch-  und  Wollwaren- 
fabriken: Handel  mit  Wolle  und  Flachs. 

Umgekehrter  Köper,  Gewebe,  in  welchem  teils  die  Kette,  teils  der 
Schuss  flott  liegt. 

Umlauf,  im  16.  Jahrh.  gestickter  Behang  an  Schenktischen. 

Umspinnen  =  überriegeln. 

Unentschälte  Seide  hat  noch  ihren  natürlichen  gummiartigen  Ueberzug. 

Ungarn,  Königreich:  Spinnen  und  Weben  ist  in  einigen  nördlichen 
Komitaten  verbreitet,  Leinenweberei  am  meisten  in  der  Zips;  gedruckte  Lein- 
wand liefert  die  Umgegend  von  Eperies ;  im  ganzen  Lande,  namentlich  aber  in 
Nordungarn,  werden  wollenes  Grobtuch,  Feintuch,  grobe  Decken,  Teppiche, 
Haiinatücher  (Bauernmäntel) ,  grobe  Zwirnspitzen ,  Seiler-  und  Siebmacher- 
waren hergestellt.     Die  Seidenindustrie  hat  sich  sehr  entwickelt. 

Ungarische  Tapeten  sind  Ledertapeten. 

Ungekochte  Seide  =  unentschälte  Seide. 

Ungerissen  oder  ungeschnitten  ist  Sammet  (s.  d.),  dessen  Noppen 
nicht  aufgeschnitten  sind. 

Uni  (franz.),  einfarbig,  ungemustert;  Ueniton,  der  einfarbige,  die  ge- 
musterte Tapete  einer  Wandfläche  ganz  oder  teilweise  umrandende  Farbenton. 


600  Union  carpets — Vaihingen. 


Union  carpets  (eng!.),  Doppelteppiche,  deren  beide  Gewebe  auf  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  zusammenhängen,  da  in  gewissen  Zwischenräumen  Binde- 
schüsse durch  beide  Ketten  geschossen  sind. 

Unreines  Fach  heisst  in  der  Weberei  ein  Fach  (s.  d.),  wenn  die  ge- 
hobenen Kettenfäden  nicht  sämtlich  genau  in  einer  Ebene  liegen. 

Unterbaum,  -Zeugbaum,  die  hölzerne  Walze  am  Webstuhl,  welche  zum 
Aufwickeln  des  fertigen  Gewebes  dient. 

Unterfach,  TJntergelese,  in  der  Weberei  das  Fach,  welches  durch  Herab- 
ziehen eines  Teiles  der  Kettenfäden  gebildet  wird. 

Unterkette,  die  das  Grundgewebe  bildende  Kette  sammetartiger  Gewebe. 

Unterschuss,  1.  Fehler  bei  Geweben,  wenn  ein  Schussfaden  öfter  als  er 
sollte  unter  denselben  Kettenfäden  hingeht  (vgl.  Ueberschuss).  2.  wird  an- 
gewandt, um  einen  Stoff  dichter  zu  machen.  Derselbe  kann  aus  bedeutend 
geringerer  Qualität  bestehen;  die  Hauptsache  bei  seiner  Anwendung  ist  die 
Bindung:  es  werden  halbwollene  Double,  E,atine  und  ähnliche  Stoffe  damit 
hergestellt. 

Untertuch,  das  Stück  Zeug,  welches  der  Weber  an  der  eingezogenen 
Kette  befestigt,  um  sie  über  den  Brustbaum  zum  Zeugbaum  zu  führen. 

Untreue  Wolle  ist  W.,  deren  Haare  nicht  in  ihrer  ganzen  Länge  gleiche 
Dicke  haben. 

Unverbrennliche  Leinewand,  leinwandartiges  Asbestgewebe  (s.  Asbest). 

Upland,  nordamerikanische  Baumwollsorte. 

Urach,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Baumwoll-  und  Flachsspinnerei, 
Baumwollweberei,  Bleicherei,  Färberei;  Leinwandfabrikation. 

Urbeis,  Dorf  in  Oberelsass:  Baumwoll-  und  Seidenweberei. 

Urmia,  Stadt  in  der  pers.  Prov.  Azerbeidschan :  Erzeugung  von  Baum- 
wollgeweben und  Seiden  wirkwaren. 

Uschak,  Stadt  im  türk.  kleinasiat.  Sandschak  Kutahia:  seit  Alters  her 
berühmter  Erzeugungsort  für  sogen.  Smyrnateppiche  (s.   den  Artikel  Teppich). 

Uschur,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Uso-Sabugia,  Baumwollsorte  aus  Natolien. 

Uster,  Marktflecken  im  Schweiz.  Kanton  Zürich:  Baumwollspinnereien 
und  -Webereien,  Färbereien. 

Utrecht,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Provinz  im  Königreich  der 
Niederlande:  bedeutende  Woll-  und  Tuchindustrie.  Im  17.  Jahrh.  gelingt  es, 
mit  Unterstützung  der  Hefugies  eine  Seidenfabrik  anzulegen,  es  werden  darin 
500  Arbeiter  beschäftigt;   1816  geht  dieselbe  ein. 

Utrechter  Sammet  (franz. :  velours  d'Utrecht),  eine  ursprünglich  in  den 
franz.  Manufakturen  zu  Amiens  und  Abbeville  nach  holländischer  Weise, 
gegenwärtig  auch  in  deutschen  Fabriken  nachgeahmte  langhaarige  Art  Plüsch, 
welche  besonders  zu  Möbelbezügen  verwendet  wird. 

Uxur,  mazedonische  Baumwollsorte. 

Uzel,  eine  in  gleichnamigem  Ort  im  franz.  Depart.  der  Nordküsten  ge- 
fertigte gute  Leinwand. 


Vaals,  Dorf  in  der  niederl.  Provinz  Limburg :   Tuchfabrikation. 

Vacha,  Stadt  in  Sachsen-Weimar-Eisenach :  Wollkämmerei  und  -Spinnerei. 

Vaels,  Gemeinde  in  der  niederl.  Provinz  Limburg:  Tuch-  und  Woll- 
weberei; Näh-  und  Stricknadelfabrik. 

Vaihingen  auf  den  Fildern,  Dorf  im  württembergischen  Neckarkreis : 
Trikotweberei. 


Vaisoa — Vasen  im  Stoffmuster.  601 

Vaison,  Stadt  im  franz.  Departement  Yaucluse,  Arrond.  Orange :  Seiden- 
spinnerei, Baumwollweberei. 

Vajus  (lat.),  goldenes  Gewebe,  goldgestickte  Decke. 

Valdobbiadene,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Treviso  (Venetien) :  bedeutende 
Seidenzucht  und  -Spinnerei. 

Valence,  Hauptstadt  des  franz.  Departements  Drome :  Fabrikation  von 
Seidenwaren,  Leinen-  und  AYollzeugen,  mit  Kattundruckerei. 

Valencia,  ehemaliges  Königreich  in  Spanien:  Hanf-  und  Flachsbau. 
Seidenweberei. 

Valencia,  kolumbische  Baumwollsorte. 

Valencias,  verschiedene  dauerhafte  bunte  Winterwestenzeuge,  deren  Kette 
aus  Baumwollzwirn  und  Einschlag  aus  feiner  Kammwolle,  mit  oder  ohne  Seide 
durchwebt,  gefertigt  werden,  kommen  meist  aus  englischen  und  französischen 
Manufakturen,  seltener  aus  sächsischen  und  böhmischen. 

Valenciennes,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  Arrond.  im  französischen 
Departement  Nord:  bedeutende  Fabrikation  von  Batist,  Linon  und  Gaze. 

Valenza,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Alessandria:  Tuchfabrikation. 

Valladolid,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  span.  Provinz :  Wollweberei. 
Fabrikation  von  Tuch,  Seidenzeug  und  Band. 

Valladolid,  Stadt  im  mexikanischen  Staate  Yucatan:  bedeutende  Baum- 
wollindustrie. 

Valleraugne,  Stadt  im  Arrond.  Yigan  im  franz.  Depart.  Gard:  Seiden- 
manufakturen, Strumpfwirkerei  und  Seidenraupenzucht. 

Valls,  Stadt  in  der  span.  Provinz-  Tarragona :  Baumwoll-  und  W^oll- 
spinnereien,  Leinenweberei. 

Vanes  heissen  in  Frankreich  die  wattierten  Bettdecken  von  Pikee  oder 
Kattun,  welche  besonders  in  Marseille  verfertigt  und  unter  dem  Namen  Courte- 
pointe  nach  Italien,  Spanien,  Amerika  und  der  Levante  gehen. 

Vannes,  Hauptstadt  im  gleichnamigen  Arrond.  des  franz.  Departements 
Morbihan:    Baumwollzeug-  und  Leinwandfabrikation,    Fabrikation  von  Spitzen. 

Vans,  Les,  Stadt  im  franz.  Departement  Ardeche.  Arrond.  Largentiere: 
Fabrikation  von  Seide  und  Leinwand,  sowie  bedeutender  Handel  mit  Waren 
daraus. 

Vapeur  (franz.),  dem  Musselin  (s.   d.)  ähnliches  Gewebe. 

Varel,  Stadt  in  Oldenburg:  Baumwollspinnereien  und  -Webereien. 

Varese,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Como :  Seidenspinnerei  und  -weberei^ 
Seidenraupenzucht;  Fabrikation  von  Baumwollwaren. 

Varinas,  kolumbische  Baumwollsorte,  weiss  ins  Gelbe,  minderglänzend, 
ziemlich  kräftig  im  Faden. 

Vasen  im  Stoffmuster  erscheinen  nach  einem  bis  jetzt  bekannten  Bei- 
spiel (Abb.  44,  S.  61)  in  Nachahmung  der  griechischen  Aschenurne  als  Flach- 
ornament zuerst  in  koptischen  Gewandresten,  und  zwar  vermutlich  in  gleicher 
Bedeutung;  denn  im  gegebenen  Beispiel  entsteigt  einer  solchen  der  Baum  des 
Lebens  als  Umgebung  auferstandener  Geister.  Dass  eine  ornamentale  Yer- 
wendung  der  Yase  hier  in  anderem  Sinne  gemeint  sein  könnte,  ist  unwahr- 
scheinlich angesichts  der  in  Abb.  163,  S.  300  dargestellten  koptischen  Wirkerei, 
auf  welcher  ein  palmettenartig  angeordneter  Strauss  dargestellt  ist  an  der  aus 
Aegypten  stammenden  Yolutenendigung  der  Lotosblüte.  Ueberhaupt  ist  sonst 
im  Mittelalter  an  Stoffmustern  des  Orients  und  aus  Byzanz  die  Entwickelung' 
von  vegetabilischen  Kunstformen  immer  nur  an  Gebilden  wahrzunehmen,  welche 
den  gerollten  Keimblättern  ähnlich  sehen:  so  an  den  zwischen  Tiergestalten 
aufwachsenden  Bäumen  oder  an  einzelnen  Palmetten  (Abb.  4,  6,  7,  10  auf 
Tafel  II),  welche  Stilisierung  sich  übrigens  im  Orient  erhält  bis  ins  16.  Jahrh. 
hinein  (Abb.  218,  S.  381),  bis  dann  die  Blütenbüschel  als  gewundener  Zweig 
oder  als  Staude  die  Fläche  beleben  (Abb.  219,  S.  382).  Die  Yase  erscheint 
somit  aus  den  orientalischen  Stoffmustern  ausgeschlossen;  finden  wir  ähnliche 
Formen,  so  sind  diese  auf  Ampeln  oder  Bäuchergefässe  zurückzuführen,  sonst 
liegt  ein  orientalisches  Muster  vor,  das  in  Yenedig    oder    Spanien  europäisiert 


602 


Vasen  im  Stoffmuster, 


wurde  (Abb.  26,  S.  30),  wie  denn  auch  hier  der  orientalische  Ziehbrunnen  zum 
urnenförmigen  Gefäss  geworden  ist  (Abb.  279,  S.  488).  Etwas  anders  ist  es 
in  China  und  Japan,  wo  die  Räucherbecken  und  Vasen  aus  Bronze  und  Por- 
zeüan  ein  weites  Gebiet  künstlerischen  Schaffens  darstellen,  dessen  Erzeugnisse 

Abb.  336. 


Abb.  334. 


derartig  begeistern,  dass  man  ihre  wechselnden  Formen  in  schwere  Gold- 
stickerei übersetzt  als  Musterung  breiter  Prachtvorhänge  aus  hellblauem  oder 
rotem  Atlas,  sie  in  Massen  über  weite  Flächen  verstreut  oder  auch  vereinzelt 

den     Elefanten     als     Träger      eines 
Abb.  335.  Blumenkübels     darstellt      (Abb.    53, 

S.  127).  Und  dennoch  wird  man  im 
chinesischen  oder  japanischen  AVebe- 
muster,  das  sich  im  Stücke  unzählige 
Male  wiederholt,  die  Vase  gar  nicht 
oder  selten  finden.  — 

Das  europäische  Stoffmuster 
der  Renaissance  (s.  d.)  gibt  in  der 
AViederbelebung  verschiedener  antiker 
Elemente  frühzeitig  die  A^ase  zu  er- 
kennen, sie  wird  unmittelbar  nach 
dem  Granat apfelmuster  ein  wesent- 
liches Bindeglied  in  der  Flächen- 
teilung, natürlich  lediglich  als  Kunst- 
form aus  der  Plastik  heraus,  wo  sie 
dem  Pilasterstreifen  im  organischen 
Aufbau  so  vieler  pflanzlicher  Gebilde 
unentbehrlich  geworden  ist.  Auch 
hier  helfen  Keramik  und  Metall  neue 
Körper  schaffen,  die  in  geistvoller 
AVeise  dem  Flachmuster  angepasst 
sind  (Abb.  334).  Sobald  die  gotische 
Bogeulinie  das  Stoffmuster  verlassen 
hat  und  sich  aus  dem  Kernstück  des 
Granatapfels  allmählich  der  Blüten- 
strauss  im  spitzovalen  Felde  ent- 
wickelte, kommt  die  Vase  zur  Geltung: 
anfangs  noch  als  Träger  gotischer  Posen  oder  der  in  natürlicher  Gestaltung  wieder- 
kehrender Granatäpfel  (Abb.  5  auf  Tafel  V  und  Abb.  102,  S.  229),  später.entsteigen 
ihr  leichte  Schnittblumen  aus  Nelken,    Tulpen  und  Narzissen.    Die  gedrungene, 


j'T'-yMt^  WMä^j  i^K/KMB/B^b^'^^^^W^^I^^ 

*  *^lll%  ♦^ 

Vasen  im  Stoffmuster. 


603 


lieukellose,  gebuckelte  Urne  nimmt  dann  im 
italienischen  und  spanischen  Stoffmuster  der 
Renaissance  als  Yase  auf  hohem  Fuss  mit 
erhöhtem  Hals,  reichen  Henkelansätzen  und 
Verzierungen  (Abb.  248,  S.  425)  eine  fast 
selbständige  Stellung  innerhalb  des  freier  ge- 
wordenen Feldes  ein  und  behauptet  diese  noch 
als  Streumuster  des  17.  Jahrh.  (Abb.  335). 
In  der  Zeit  der  Spitzenentwickelung  teilt  sie 
sich  selbst  der  Leinwand  als  Nadel-  und 
Klöppelarbeit  mit  (Abb.  336  und  Abb.  38, 
S.  53)  und  noch  das  barocke  Tapetenmuster 
Italiens  bietet  Vasenmotive  in  reicher  Ab- 
wechselung (Abb.  337  und  Abb.  37,  S.  52). 
Das  französische  Stoffmuster  bedarf  für  seine 
neue  G-estaltung  aus  gross  entwickelten  Ananas- 
palmetten (Abb.  107,  S.  232  und  19,  S.  21) 
der  Vasen  nicht  mehr,  sie  kommen  auch  im 
18.  Jahrb.  nicht  wieder  in  Aufnahme,  höch- 
stens dass  man  sich  vereinzelt  aus  dem  Füll- 
horn einen  ähnlichen  Blumenhalter  entwickelt 
hat  (Abb.  314,  S.  529)  und  dass  die  Empire- 
zeit auch  hierin  das  antike  Element  von  neuem 
auffrischt  (Abb.  64,  S.  175).  Bescheiden 
treten  vasenartige  Gefässformen  im  textilen 
Ornament  noch  auf  in  den  sogen.  Pottenkanten 
Hollands  (Abb.  12  und  13  auf  Tafel  XI), 
auch  der  bäuerlichen  Kunst  dienen  Darstel- 
lungen von  Topfformen  als  Ausgangspunkt 
stilisierter  Blütensträusse  (Abb.  338) ;  in- 
dessen hat  die  eigentliche  Vase  mit  der 
italienischen  Spätrenaissance  ihre  ornamen- 
tale Bedeutung  für  das  Stoffmuster  ver- 
loren. 


Abb.  337. 


Abb.  838. 


Abbildungen: 

334.  Darstellungen  aus  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896.  Blatt  140 :  Vase  als 
Kunstform  von  einem  italienischen  Seidengewebe  des  16.  Jahrhts.,  aus  der  Sammlung 
des  Königl.  Kunstgewerbemuseums  in  Berlin. 

335.  Originalaufnahme    aus    dem  Königl.  Landesgewerbemuseum   in   Stuttgart: 


604 


Vegetabilische  Seiden —  Veloursteppiche. 


Seidenstoff,    Grund  rotbraun,    symmetrisches  Muster  bunt :    In  Reihen  versetzte  Vasen 
mit  Blütensträussen ;    dazwischen    kleine    Blüten    und    Eidechsen.      Italien,  17.  Jahrh. 

336.  Darstellung  wie  Abb.  1,  Blatt  23:  Zacken  einer  Spitze,  Nadelarbeit  in 
weissem  Leinen,  mit  Darstellung  einer  Vase  zwischen  Blattranken  mit  Blüten.  Italien 
oder  Spanien,  17.  Jahrh. 

337.  Darstellung  wie  Abb.  335.  Seidenstoffborte,  Grund  grün,  Muster  gelb : 
Uebereinander  gestellte  Vasen  mit  Blütenpalmetten.     Italien,  17.  Jahrh. 

338.  Darstellung  aus:  Kunstgewerbeblatt,  März  1900,  Seite  115:  Gewebter 
Brustlatz  in  geschnittenem  Sammet:  Blütenstrauss  und  Vögel  an  zweihenk eligem 
Topf.     Vierlanden,  19.  Jahrh. 

Vegetabilische  Seiden,   s.  Pflanzenseiden. 

Veilchen    (viola),    Pflanzengattung    aus    der   Familie    der    Violaceen   mit 
gegen    100    fast    über    die    ganze    Erde    verbreiteten   Arten    (Abb.    339).      Als 
Kunstform   in  symbolischer  Bedeutung   im  Orient    sehr   häufig  verwendet,    be- 
sonders im  Mittelalter  (Abb.  4,  Tafel  III)  in 
Abb.  339.  strenger    Stilisiernng,    aber    blauer    Farben- 

gebung.  Der  persische  Dichter  spricht  von 
ihr:  „Bekümmert  und  niedergebeugt  vom 
Schmerze  der  Trennung,  beklagt  es  seufzend 
das  Greschick  und  fordert,  indem  es  vom 
Gram  gebeugt,  im  blauen  Gewände  der  Trauer 
erscheint,  zur  Betrachtung  auf.  (Blau  ist  bei 
den  Persern  die  Farbe  der  Trauer.)  Seinem 
qualvollen  Zustande  gegenüber  ist  derjenige 
beneidenswert,  der  das  Leben  des  Glücklichen 
gelebt  und  als  Märtyrer  gestorben  ist"  u.  s.  w. 
(Vgl.  Karabacek,  Susandschird,  S.  158  fi".) 

Abbildung: 
339.     Darstellung    einer   Viola    canina  L. 
aus  Lobelius  a.  a.  0.     Antwerpen  1581. 

Velar ium,  s.  Velum. 
Velez  Rubio,  Bezirksstadt  der  span. 
Provinz  Almeria:  Tuch-  und  Leinenweberei. 
Velin  heissen  nach  1675  die  in  Alengon 
nach  italienischen  Mustern  gearbeiteten 
Nadelspitzen,  ein  Name,  der  von  dem  Per- 
gamentuntergrunde entlehnt  ist,  auf  dem 
man  schon  die  Venezianer  Spitze  zu  arbeiten 
pflegte. 

Vellutini,  italienische  Bezeichnung  der 
leichten  Sammetstoffe. 
Velours  ä  deux  poils  (franz.),  zweidrähtiger  Sammet,  ä  trois  p.  =  drei- 
drähtiger  Sammet  usw. 

Velours  ä  moustaches  (franz.),  Schnurrbartsammet,  welcher  am  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  namentlich  in  Spanien  für  Kleiderstoffe  hergestellt  wurde; 
der  Name  entstammt  den  innerhalb  der  Figuren  über  den  Noppen  hoch  heraus- 
hängenden Seidenbüscheln. 

Velours  cisele  oder  COUpe  =  gerissener  Sammet. 
Velours  de  gueux  (franz.),  s.  Bettlersammet. 
Velours  du  nord,  moderner  Sammet. 
Velours  figure  (franz.),  gemusterter  Sammet. 
Velours  plein  (franz.),  glatter  Sammet. 
Velours  ras  (franz.),  ungeschnittener  Sammet. 
Velours  rayes  (franz.),  lang  gestreifter  Sammet. 
Velours  russe  (franz.),  russischer  Sammet. 
Velourstapete,  s.  Tapeten  und  Sammetstoffe. 
Veloursteppiche,  s.  Teppiche. 


Velour  travers — Venedig-.  605 


Velour  travers  nennt  man  1.  ein  quergestreiftes,  halbwollenes  Zeug  zu 
Damenkleidern ;  2.  einen  Seidenstoff  zu  AVesten  aus  Elberfeld ;  3.  einen  Rock- 
stoff, der  aus  den  Tuchfabriken  zu  Krimitzschau  und  Brunn  kommt;  4.  ein 
aus  Kammgarn  gefertigtes  Kleiderzeug  aus  Grlauchau. 

Veloute,  ein  halbseidener  Westenstoff,  der  kariert  oder  einfarbig  aus 
den  Fabriken  zu  Elberfeld  kommt. 

Veloutine,  leichter  moderner  Sammetstoff. 

Velpel,  Felbel,  s.  Sammet. 

Velum,  das  (lat.),  Schleier,  Nonnenschleier  (Weihel),  Tuch,  Decke; 
Altarvelum  ist  ein  viereckiges  gemustertes  Seidentuch,  welches  über  einen 
E,ahmen  gespannt  während  des  Grottesdienstes  vor  die  auf  dem  Altar  stehende 
Hostie  gestellt  wird;  Kelchvelum,  Kelchtuch,  in  der  Mitte  mit  einem  Kreuz 
bezeichnet,  wird  über  den  Kelch  gedeckt;  Schultervelum,  Schultertuch, 
der  lange  Stoffstreifen,  welcher  um  den  Hals  des  segnenden  Priesters  gelegt 
wird  und  mit  dessen  Enden  derselbe  die  Monstranz  hält, 

Velutiert  (vom  franz.  velours),  sammetartig  gemacht. 

Velverets  sind  sammetartige  Zeuge  aus  Baumwollgarn,  welche  als  Nach- 
ahmungen des  eigentlichen  seidenen  Sammets  mit  denselben  Handgriffen  wie 
dieser  gewebt  und  weiter  behandelt  sind.  Sie  haben  Bippen  und  zuweilen 
farbige,  aufgedruckte  Muster,  kommen  viel  aus  Manchester  in  England,  werden 
aber  auch  in  sächsischen  und  preussischen  Fabriken  hergestellt.  Die  Velvets 
und  Velveteens  sind  auch  buntgedruckte  man  ehester  artige  Zeuge,  von  denen 
das  erstere  die  bessere  Qualität  anzeigt,  liegen  aber  schmäler  als  die  V.,  be- 
sitzen Köpergrund  und  ihr  Einschlag  geht  nur  über  einen  Kettenfaden,  nicht 
über  zwei,  wie  bei  den  V. 

Velvet  (engl.),  s.  V.  w.  Sammet  (s.  d.). 

Velveteen,  s.  v.  w.  unechter  Sammet  (s.  Yelverets). 

Venedig  (Yenezia),  Provinz  mit  gleichnamiger  Hauptstadt  im  König- 
reich Italien :  Baumwollspinnerei  und  -weberei,  Woll-  und  Seidenwaren,  Spitzen 
und  Stickereien.  Für  die  ältere  Seidenindustrie  Haliens  ist  Venedig  neben 
Grenua  einer  der  bedeutendsten  Hauptorte.  Zunächst  ist  es  der  Handel,  durch 
welchen  die  Aufmerksamkeit  auf  orientalische  Erzeugnisse  des  Seidengewerbes 
gelenkt  wird.  Schon  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  sollen  venetianische  Kauf- 
leute Seidenstoffe  aus  dem  Orient  nach  Pavia  befördert  haben.  In  den  ersten 
Jahrhunderten  des  Mittelalters  machte  hauptsächlich  die  Kirche  von  Seiden- 
gewändern Grebrauch  und  die  Venetianer  versorgten  den  römischen  Markt  mit 
arabischen  und  griechischen  Waren.  Vom  11. — 13.  Jahrh.  lässt  sich  durch 
Urkunden  verfolgen,  dass  venetianische  Seidenfabriken  in  Konstantinopel  und 
Tyrus  bestanden  haben;  deren  Erzeugnisse  nach  Italien  gelangten.  Hierdurch 
ward  allmählich  die  Grundlage  geschaffen  zur  Nachahmung  der  Seidenzeuge 
des  Orients,  zumal  das  Sinken  der  arabischen  Kultur  im  13.  Jahrh.  das 
Wachsen  der  italienischen  Städte  begünstigte.  Die  älteste  Ueb  erlief  er  ung  über 
die  Seidenindustrie  in  Venedig  stammt  aus  dem  11.  Jahrh.  Das  Gewerbe  wird 
als  Hausindustrie  betrieben;  ein  Statut  der  Seidenweberzunft  ist  aus  dem 
Jahre  1265  erhalten.  Die  Seidenweber  werden  darin  als  Samitarii  bezeichnet: 
der  Samit,  sogen.  Examitum  oder  Sciamitum  war  das  wertvollste  und.  ver- 
breitetste  Seidenzeug  dieser  Zeit.  Auch  technische  Bestimmungen  sind  in 
diesem  Statut  enthalten.  Für  jede  Art  der  Seidengewebe  war  die  Breite,  die 
Zahl  der  Fäden  im  ganzen  und  Zahl  derselben  pro  Zahn  des  Weberkammes 
vorgeschrieben,  somit  die  Dichtigkeit  des  Stoffes  bestimmt ;  auch  war  die  Länge 
jedes  Stückes  angegeben.  Es  war  verboten,  Baumwolle  in  Seidengewebe  hin- 
ein zu  verweben,  das  Sahlband  musste  in  bestimmter  Weise  und  Farbe  ge- 
fertigt werden;  endlich  musste  in  den  Geweben  dieselbe  Qualität  Seide  und 
Gold  anfangs,  in  der  Mitte  und  am  Ende  gebraucht  werden.  (Vgl.  Bomolo 
Graf  Broglio  d'Ajano,  Die  venetianische  Seidenindustrie  und  ihre  Organisation 
bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters,  Stuttgart  1893.)  Eine  neue  Phase  der 
Entwickelung  trat  in  Venedig  mit  Einwanderung  von  Kaufleuten  und  Seiden- 
arbeitern aus  Lucca  ein,    wodurch    erst  die  Industrie  ganz   zur  Entfaltung  ge- 


(306  Venetianerstickerei — Verlegen. 


langte ;  zugleich  trat  das  kaufmännische  Element  mehr  in  den  Vordergrund. 
Es  wurde  bestimmt,  dass  kein  Weber  Kaufmann  sein  durfte,  aber  auch  kein 
Kaufmann  die  AVeberei  treiben  konnte.  lieber  die  Musterung  dieser  ältesten 
Gewebe  Venedigs  ist  kaum  etwas  Bestimmtes  zu  ermitteln.  Wir  haben  uns 
die  Stoffe,  für  welche  anfangs  die  Kirche  der  alleinige  Abnehmer  war,  im 
Mittelalter  zunächst  vorzustellen  mit  Darstellungen  von  stilisierten  vegetabi- 
lischen Elementen  und  Tiergestalten  (vgl.  Tafel  III  und  die  Beschreibungen 
im  Artikel  Italien)  und  später  dem  allgemeinen  Geschmack  der  Zeit  folgend, 
wobei  immer  der  orientalische  Einfluss  mehr  als  sonst  in  Stoffen  aus  Italien 
vorherrschend  bleibt. 

Ebenso  wie  für  Gewebe  gilt  Venedig  auch  für  die  Spitzenindustrie  im 
Anfange  ihrer  Entstehung  als  die  erste  tonangebende  Stadt  Italiens,  von  wo 
aus  dieselbe  ihre  weitere  Laufbahn  vermöge  der  venetianischen  Handels- 
verbindungen genommen  hat.  (Vgl.  Spitzen  und  Stickerei,  auch  den  Artikel 
Benaissance.) 

Venetianerstickerei  ist  eine  moderne  Bezeichnung  für  jene  Weissstickereien, 
welche  nach  Vorlagen  von  Beliefspitzen  aus  Venedig  gefertigt  werden,  sich  im 
Muster  und  der  Technik  vollständig  denen  anschliessen. 

Venetienne,  ein  aus  der  feinsten  italienischen  Seide  gewebtes,  grosdetour- 
artiges,  glattes  oder  gemustertes  Seidenzeug,  welches  in  italienischen  und 
französischen  Manufakturen  gefertigt  und  besonders  nach  der  Levante  ver- 
schickt wird.  Auch  nennt  man  V.  einige  leicht  gewalkte  und  gerauhte  Wollen- 
stoffe aus  Streichgarn. 

Venezuela,  Bundesrepublik  im  Norden  Südamerikas :  Herstellung  von 
Stickereien  und  Spitzen,  Fabrikation  grober  Baumwollenstoffe  für  die  ländliche 
Bevölkerung. 

Venise  (Grande- V.  oder  Grande-Bose),  feine  Flachsleinen,  damastartig 
mit  eingewirkten  Blumen,  mit  und  ohne  Borten  zu  Tafeltüchern  und  Servietten, 
in  den  niederländischen  Manufakturen  zu  Gent,  Brügge,  Cortryk  usw.,  sowie 
im  franz.  Departement  Calvados  in  der  Gegend  von  Caen  verfertigt.  Petit-V. 
(Bosette,  B.  perlee)  heissen  die  an  denselben  Orten  gefertigten  gleich  feinen 
Leinen,  mit  kleineren  Mustern,  häufig  ohne  Blumen,  nur  gewürfelt. 

Verbandzeug,  Bandagenstoffe,  s.  Charpie. 

Verbindungsnähte,  s.  Ziernähte. 

Verbindungsstege,  s.  brides  und  Spitzen. 

Vercelli,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Novara :  ausgedehnter  Hanf-,  Elachs- 
und  Seidenbau,  Seidenspinnerei  und  Handel. 

Verdun  sur  Meuse,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Departement  Maas : 
Leinwand-,  Spitzenfabrikation;  Stickereien,  Wäsche  und  Posamenten. 

Verdüren  werden  die  mit  stilisiertem  Blütenwerke  gemusterten  Wand- 
teppiche in  Wirkarbeit  genannt,  die  in  der  gotischen  Periode  erscheinen.  Die 
Bezeichnung  stammt  von  dem  französischen  Tapis  de  verdure,  d.  i.  Basen- 
teppich (vgl.  Abb.  323,  S.  566.) 

Verfilzen  ist  eine  Eigenschaft  der  Wollhaare,  die  sich  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Druckes,  der  Wärme  und  Feuchtigkeit  vermöge  ihrer  rauhen  Ober- 
fläche unlösbar  miteinander  verwirren,  worauf  die  Herstellung  von  Filzen  und 
Tuchen  beruht.     Vgl.  Walken,  s.  a.  Filzteppiche. 

Verla,  türk.  Karaferin,  Stadt  im  türk.  Wilajet  Saloniki:  Textilindustrie 
(Badetücher). 

Verkündigung  Maria  durch  den  Engel  Gabriel  (franz.:  annonciation ; 
engl. :  annunciation ;  lat. :  annunciatio),  auch  englischer  Gruss,  sehr  häufig  seit 
der  frühgotischen  Zeit  Gegenstand  bildlicher  Darstellung  in  der  Kunst, 
namentlich  in  Bildern,  von  wo  aus  dieselbe  auch  auf  die  Wirkerei  in  Wand- 
teppichen überging.  (Vgl.  Abb.  319,  S.  561);  auch  die  Stoffmusterung  für 
kirchliche  Gebrauchsstücke  (s.  kirchliche  Stoffe  und  Stickereien)  hatte  zur 
gleichen  Zeit  dieses  Motiv  aufgenommen. 

Verlegen,  die  Kettenfaden  für  gestreifte  Zeuge  in  gehöriger  Ordnung 
auf  den  Webstuhl  bringen. 


Verneteppich— Vierlande.  607 


Verneteppich,  s.  Sumakhteppiche. 

Verneuii,  Stadt  im  franz.  Departemeut  Eure  des  x^rrond.  Evreux :  Woll- 
spinnerei, Leinen-,  Baumwoll- und  Wollzeugweberei;  Fabrikation  von  Bändern. 

Vernoux,  Stadt  im  franz.  Departement  Ardeche :  Seidenspinnerei,  Tuch- 
und  Seidenfabrikation  und  bedeutender  Tuchhandel. 

Verona,  Hauptstadt  gleichnamiger  ital.  Provinz :  Seidenspinnereien  und 
bedeutende  -farbereien;    das  Seidengewerbe  ist  im  14.  Jahrhundert  eingeführt. 

Veronicatuch,  Schweisstuch  der  heil.  Yeronica,  der  Legende  zufolge  das 
Tuch,  mit  welchem  die  Heilige  dem  kreuztragenden  Christus  das  Gresicht 
trocknete,  wobei  sein  Abbild  auf  dem  Tuche  zurückblieb :  vera  icon,  das  wahre 
Bild.  Ein  solches  Tuch  mit  dem  blutüberlaufenen  Antlitz  Christi  mit  der 
Dornenkrone  wird  in  den  Darstellungen  entweder  von  der  Heiligen  selbst  oder 
von  Engeln  gehalten. 

Versailles,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Departement  Seine  et  Oise : 
Baumwollspinnerei,  Fabrikation  von  Kaschmirshawls. 

Versecz,  Stadt  in  Ungarn :  Seidenraupenzucht. 

Verseidigungsverfahren  gehen  davon  aus,  die  vegetabilische  Faser  mit  einer 
die  Seidensubstanz  in  gelöstem  Zustande  enthaltenden  Flüssigkeit  zu  behandeln 
und  nachträglich  den  Fibroinniederschlag  auf  der  Faser  selbst  hervorzubringen. 

Versmold,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Minden:  Leinenweberei,  Segel- 
tuchfabrik. 

Verviers,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Lüttich:  bedeutende  Tuchfabriken, 
Walkmühlen  und  Färbereien,  Woll-  und  Baumwollspinnereien,  Bandfabrikation. 

Vervins,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Departement  Aisne :  Leinen-, 
Baumwoll-  und  Schafwollweberei,  Wollspinnfabrik  und  Leinwandhandel. 

Vezelise,  Stadt  im  franz.  Departement  Meurthe  et  Moselle:  Tuch-  und 
Seidenweberei,  Fabrikation  von  Stickereien. 

Vicenza,  Stadt  in  gleichnamiger  ital.  Provinz :  bedeutende  Seidenspinnerei, 
Fabrikation  von  Seidenzeugen. 

VicunnawoUe,  s.  Yigognewolle. 

Vienne,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Isere:  bedeutende  Tuch- 
fabrikation (besonders  von  wohlfeilen  Zeugen  zu  Beinkleidern  und  Paletots), 
Fabriken  für  Baumwollwaren  und  Leinwand,  Seidenweberei. 

Vierbindig  heisst  ein  Köpergewebe,  wenn  jeder  Schussfaden  über  je 
drei  Kettenfäden  flott  liegt  und  erst  vom  vierten  gebunden  wird. 

Vierdraht,  ein  älterer,  dem  Berkan  ähnlicher  dichter  Wollenstoö'. 

Vierlande,  Teil  des  hamburgischen  Staates,  wo  sich  noch  heutigen  Tages 
die  volkstümlichen  Arbeiten  behaupten,  welche  von  bäuerischen  Stickerinnen  für 
die  eigene  Tracht  oder  den  Schmuck  des  Hauses  angefertigt  werden.  Der 
Zusammenhang  mit  den  allgemeinen  Wandlungen  des  Stiles  ist  darin  unver- 
kennbar, doch  haben  sie  eigenartige ,  durch  Jahrhunderte  üb  erlief  er  ungs  weise 
festgehaltene  Kunstformen  des  nationalen  Geschmackes  bewahrt.  Neben  ge- 
stickten Handtüchern  und  leinenen  Bettzeugen  sind  es  auch  eigentümliche 
Spitzenarbeiten  in  weissen  Leinenfäden,  guipüreartig^  auf  schrägem  Filet  her- 
gestellt (Abb.  340),  welche  erhalten  sind.  Ein  besonderes  Schmuckstück  der 
Tracht  bilden  die  gewebten  (Abb.  338)  und  gestickten  Brustlatze  (Abb.  341) 
mit  abgepasstem  Muster.  Letztere  bestehen  aus  strengen  Palmettenformen, 
Blumenranken  und  kleinem  Getier.  Die  Technik  der  Stickereien  ist  ausge- 
dehnt auf  Arbeiten  aus  reliefartig  behandelten  Auflagen  von  Seidenfäden, 
Goldlahn  und  Füttern.  E-eich  verziert  sind  die  gestickten  seidenen  Nacken- 
tücher. Für  Rücklaken  und  sonstige  Behangstoffe  fertigte  man  ausser  den 
gobelinartig  gewirkten  Arbeiten  (Abb.  209,  S.  370)  Gewebe  aus  Leinen  und 
Wolle  an,  in  welchen  sich  historische  und  biblische  Darstellungen  mit  eigen- 
artigen ornamentalen  Pflanzen  und  Tiergestalten  vereinigen ;  auch  eine  beson- 
dere Technik  der  Knüpfarbeit  (Abb.  211,  S.  372)  hat  sich  erhalten.  Eine 
reichhaltige  Sammlung  solcher  Erzeugnisse  nordischen  Hausfleisses  bewahrt 
das  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und  Industrie:  vergl.  den  von  Justus 
Brinckmann  in  Leipzig  1894  erschienenen  Führer  S.  49  ff. 


608 


Viersen — Vigognewolle. 


Abbildungen: 

340.  Darstellung  aus :  Kunstgewerbeblatt,  Leipzig  1900 :  Zwischensatz  zu  einem 
Kopfkissen,  Filetdurchzugarbeit  in  weissem  Leinen  auf  schrägem  Grunde,  Muster  aus 
Blütenranken  und  Vögeln.     Vierlande,  18. — 19.  Jahrh. 

341.  Darstellung  wie  vorher:  Brustlatz,  Stickerei  und  Bortenwirkerei  in  Seide, 
Goldlahn  und  Füttern  auf  Sammet :  palmettenartige  Blütenformen  und  Banken.  Vier- 
lande, 18.— 19.  Jahrh. 

Viersen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabriken  für  Seiden- 
und  Sammetwaren,  sowie  Well-,  Baumwoll-  und  Leinenweberei,  Zwirnerei  und 
Bandfabriken,  Bleichereien  und  Färbereien  und  lebhafter  Handel ;  in  der  Um- 
gegend Flachsbau.  lieber  Sammetbandweberei  in  Y.  finden  sich  aus  dem  Jahre 
1786  Nachrichten;  als  1812  das  Sammetband  aus  der  Mode  kommt,  zerstreuen 
sich  die  dahin  aus  Frankreich  eingewanderten  Arbeiter. 


Abb.  340. 


^4:-*'\Tr-  -'^^'riifii 


m 


Vierzon,  Stadt  im  franz.  Depart.  Cher  des  Arrond.  Bourges:  Fabrikation 
von  Leinen-,  Woll-  und  Seidenwaren. 

Vigan,  Stadt  im  franz.  Depart.  Gard:  Seidenbau,  Seiden- und  Baumwoll- 
spinnerei,  Strumpfwirkerei. 

Vigans,  eine  grobe  Tuchsorte,  zu  gewöhnlichen  Unterkleidern,  Regenmänteln 
u.  dgl.,  die  in  Languedoc  verfertigt  und  nach  der  Levante  ausgeführt  wird. 

Vigevano,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Pavia:  Fabriken  für  Seidenzeuge, 
Baumwollgespinste;  Handel  mit  Seidenraupeneiern. 

Vigognewolle,  Vicognewolle,  feine  seidenartige  W.  des  in  Südamerika 
auf  den  Cordilleras  heerdenweise  lebenden  Schafkamels  oder  Vicogna,  Vicuüa, 
Yicunha.  Im  Handel  werden  die  Sorten  von  Peru,  Chili  und  Buenos-Ayres 
unterschieden,  wovon  die  letztern  weniger  als  die  ersten  geschätzt  werden. 
Von  jeden  dieser  Sorten  hat  man  feine  und  gewöhnliche  Qualitäten.  Pelotage, 
d.  h.  Wickel-  oder  Flockwolle,  die  geringsten,  sich  schwer  zum  Verspinnen 
eignenden  Haare.     Eine  Mittelgattung  ist  die  Bastardwolle,    Carmeline,  vicufia 


Vig-ognia — Vimoutiers. 


609 


bastarda,  welche  häufig  mit  der  besseren  Y.  vermischt  wird.  Das  sogen. 
Yigognegarn  führt  nur  einen  geborgten  Namen,  denn  es  besteht  lediglich 
aus  feiner  Schafwolle  mit  ^5  Baumwolle. 

VigOgnia  nennt  man  im  englischen  Handel  ein  Strumpfgarn,  das  aus 
feiner  Schafwolle  und  der  Wolle  von  verschiedenen  Wolle  tragenden  Pflanzen 
gesponnen  wird. 

Vigoureux,  moderner  geköperter  feiner  Wollenstofi". 

Vigoureuxgarne,  s.  Moulineegarne. 

Villafranca  di  Verona,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Verona:  bedeutende 
Seidenzucht. 

Villarobledo,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Albacete;  Leinen-  und  Woll- 
webereien. 


Abb.  341. 


_  Villedieu,  Stadt  im  franz.  Depart.  Manche  des  Arrond.  Avranches: 
Fabrikation  von  Leinwand  und  Spitzen. 

Villefranche,  Stadt  im  franz.  Depart.  Ehone :  Fabrikation  von  Baumwoll- 
geweben, Kattun,  Leinen-  und  Tischzeugen,  hat  Bleichereien. 

Villers-Bretonneux,  Stadt  im  franz.  Depart.  Somme,  Arrond.  Amiens: 
sehr  bedeutende  Wo  11-  und  Baumwollspinnerei,  Fabrikation  von  Flanell-,  Woll- 
und  Baumwollstrumpfwaren. 

Vilvorde,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Brabant :  Baumwollweberei,  Spitzen- 
klöppelei;  Verfertigung  von  Eosshaarzeugen  und  Posamentierwaren. 

Vimoutiers,  Stadt  im  franz.  Depart.  Orne,  Arrond.  Argentan:  mechan. 
Flachsspinnerei,  bedeutende  Leinwandmanufaktur,  Spitzenklöppelei,  Fabrikation 
von  Posamentenwaren  und  Bosshaarzeugen. 

Vimoutiers ,  grobe,  locker  gewebte  franz.  Hanfleinen,  die  zuweilen  auch 
Kameras    genannt    werden,    roh    in     der    natürlichen    Hanffarbe     oder    safran- 

H  ei  den,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  ßg 


610  Vintilizzi  —Volkskunst. 


gelb  gefärbt,  werden  in  der  Stadt  Y.,  zu  Dromfort  und  in  der  Umgegend 
(Depart.  Orne)  verfertigt. 

Vintilizzi,  in  Italien  eine  Art  seidener  Zeuge,  die  auch  den  Namen  classi 
di  seta  führen;  sie  haben  einen  leinwandartigen  rauhen  Grund. 

Vire,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Calvados:  Baumwoll-  und 
AVollspinnerei,  Wollkrämpelei,  Färberei;  bedeutende  Fabrikation  von  Tuch. 

Virginia,  Staat  der  nordamerikanischen  Union:  Baumwollbau  und  Baum- 
woll- und  Wollstofffabriken. 

Virginia,  nordamerikanische  Baumwollsorte. 

Virginia,  älterer  auf  Atlasart  gearbeiteter  Seidenstoff  mit  breitem  Köper, 
sowohl  einfarbig,  als  in  zwei  abstechenden  Farben. 

Viterbo,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  E,om:  Tuchfabriken. 

Vitragen,  s.  Rouleaux. 

Vitre,  Arrond.-Hauptstadt  des  franz.  Depart.  Ille  et  Yilaine:  Fabrikation 
von  Leinwand,  AVollzeugen,  Flanell,  Segeltuch,  Zwirn-  und  Strumpfwaaren. 
Unter  Franz  I  werden  Florentiner  Seidenwebereien  angelegt,  denen  man  1476 
ausgedehnte  Privilegien  bewilligt. 

Vitrees  heissen  in  Frankreich  die  in  und  um  Vitre  gefertigten  Sorten 
Leinwand  als  1.  meist  gebleichte  flächsene  Hausleinen,  2.  Vitrees  brin 
sur  brin,  feste  und  gedrungene,  aus  bestem  Hanf  gewebte  Leinen,  welche  zu 
Servietten  und  Handtüchern  dienen,  3.  Toiles  renforcees,  dichte  breite 
Hanfleinen  zu  Segeltüchern.  Die  V.  gehen  meist  über  E-ennes  und  St.  Uterlo 
nach  den  überseeischen  Kolonien. 

Vitry,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Depart.  Marne:  Fabrikation  von 
Baumwollstoffen  und  Wirkwaren. 

Vitrys  heissen  die  in  und  um  Vitry  gefertigten  ungebleichten  Leinen. 

Vittoria,  Stadt  in  Sizilien:  bedeutender  Seidenbau. 

Vivierseide,  genannt  Soie  de  France,  wird  in  Nanterre  bei  Paris  gemacht. 

Vizille,  Industriestadt  im  franz.  Depart.  Isere:  Baumwollspinnerei  und 
Zeugdruckerei. 

Vlies  nennt  man  die  Wolle,  wie  sie  auf  den  einzelnen  Fellen  im  natür- 
lichen Zusammenhang  ist  und  beim  Scheren  stets  erhalten  wird. 

Vodena,  Stadt  im  türk.  Wilajet  Saloniki:  Woll-  und  Baumwollweberei. 

Vogel,  in  der  Weberei    der  Treiber    zum  Bewegen    des  Schnell  schützen. 

Vogelfedern,  werden  im  13.  Jahrhundert  in  China  als  Schmuck  in 
Seidenstoffe  gewebt. 

Vogtland  (Vogelland),  Landschaft  im  Königreich  Sachsen:  zeichnet  sich 
vorzüglich  aus  durch  seine  Industrie  in  Woll-  und  Baumwollwaren,  Zwirnereien, 
Musselinfabriken  und  Stickereien.  Der  Hauptort  und  Hauptsitz  derselben  ist  Plauen. 

Vohwinkel,  Dorf  im  preuss.  Peg.-ßez.  Düsseldorf:  mechanische  Webe- 
reien und  Färberei. 

Voile  nennt  man  in  Frankreich  verschiedene,  aus  Bengalen  in  den  Handel 
gebrachte  baumwollene  Gewebe,  sowie  dünne  und  durchsichtige,  den  ostindischen 
Geweben  nachgeahmte  wollene  Zeuge:  beide  Arten  werden  zu  Schleiern  verwendet. 

Voiron,  Stadt  im  franz.  Depart.  Isere^  Arrond.  Grenoble:  Webereien 
von  Hanfleinwand,  sogen.  Toiles  de  Voiron  (auch  in  der  Umgegend),  Lein- 
wand, Bleichen,  Seidenwebereien,  Färbereien  und  Handel  mit  den  Industrie- 
produkten, namentlich  Leinwand. 

Voirons,  die  in  und  um  Voiron  gefertigten  verschiedenen  feinen  Hanfleinen. 

Volant  (franz.),  fliegend;  breiter,  lose  aufgesetzter  Besatz  an  Damen- 
kleidern, welche  zur  Pokokozeit,  als  der  Pock  in  Mode  kam,  in  Posamenterie, 
bunter  oder  weisser  Spitze  angewendet  wurden. 

Volkskunst  bezeichnet  eine  der  ersten  Stufen  auf  dem  Wege  künst- 
lerischer Entwickelung  im  Bereiche  jener  Handfertigkeiten,  zu  welchen  der 
Hausfleiss  aus  eigenem  Bedürfnis  heraus  Anregung  gibt.  Ob  eine  solche  zur 
Befriedigung  des  Schmückens  oder  der  notwendigen  Bekleidung  des  eigenen 
Körpers  und  seiner  Behausung  vorliegt,  immer  werden  textile  Erzeugnisse 
dabei  in  den  Vordergrund  treten.   Das  ursprüngliche  Wesen  einer  Volkskunst 


Vollgarn — Wachstuch.  QU 


ist  im  Laufe  der  Jahrhunderte  so  gut  wie  ganz  verloren  gegangen ,  da  die 
fortschreitende  Kultur  andere  Lebensgewohuheiten ,  Yerkehrsverhältnisse  und 
Arbeitsteilung  bedingt,  womit  die  ITeberlieferung  von  Traditionen  verwischt, 
der  Sinn  des  Greschmackes  einem  steten  Wechsel  unterworfen  ist.  Inmitten 
der  modernen  kunstgewerblichen  Bewegung  der  letzten  Jahrzehnte  haben  die 
in  den  Museen  erhaltenen  älteren  Werke  des  Hausfleisses  nordischer  und  süd- 
slavischer  Völker  oft  genug  Anstoss  gegeben  zu  neuen  Ansätzen  einer  volks- 
tümlichen Kunstweise,  indessen  führten  solche  Versuche  nur  teilweis  zum 
Ziele.  Erst  wenn  diese  wichtige  Frage,  welche  sie  namentlich  vom  Stand- 
punkte der  Volkswirtschaft  aus  geworden  ist,  noch  mehr  mit  dem  Wesen  des 
Schulunterrichts  und  den  Fortbildungsschulen  im  Allgemeinen  verbunden  sein 
wird,  kann  man  vielleicht  auf  bessere  Erfolge  rechnen. 

Vollgarn  nennt  man  das  bessere  und  feinste  Leinengarn,  besonders  das 
in  Westfalen  verfertigte. 

Volos,  Volo,  Hauptstadt  des  griech.  Nomos  Magnesia,  Haupthafenplatz 
für  Thessalien:  Teppicherzeugung. 

Voltri,  Stadt  in  der  ital.  Provinz  Grenua:  Baumwollspinnerei,  Tuchfabrikation. 

Vorarlberg,  der  westliche  Teil  von  Tirol,  früher  selbständiges  Kronland, 
mit  der  Hauptstadt  Bregenz:  die  ziemlich  rege  Industrie  beschäftigt  sich 
namentlich  mit  Baumwollspinnerei  (17  Spinnereien  mit  179  000  Spindeln  und 
1872  Arbeitern)  und  AVeberei  (22  Betriebe  mit  3168  Webstühlen  und  2294 
Arbeitern),  Flachsspinnerei,  Färberei,  Druckerei,  Bleichereien  und  Appreturen 
mit  1092  Arbeitern,  Musselinweberei,  Weissstickerei,  Botfärberei,  Spitzen- 
klöppelei, deren  Produkte  nach  der  Schweiz  ausgeführt  werden. 

Vorderbaum,  in  der  Weberei  der  Brustbaum. 

Vordergeschirr,  die  Schäfte  am  Jacquardwebstuhl,  durch  welche  die 
Bindungen  für  das  Grundgewebe  gebildet  werden. 

Vorst,  Marktflecken  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabrikation  von 
Seidenzeug  und  Sammetband. 

Vorstoss  (an  Uniformen  u.  dgl.),  soviel  wie  Passepoil  (s.  d.). 

Vorstechmaschine  dient  zum  Herstellen  der  durchlöcherten  Karten  für 
die  Jacquardmaschine. 

Vorstich,  s.  Nähen. 

Vourine,  im  französischen  und  levantiner  Handel  die  feinste  Gattung 
der  persischen  Legisseide. 

Vreden,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster:  Plüsch-,  Nessel-  und  Bunt- 
weberei. 

Vukovar,  Stadt  in    Ungarn:  Seidenzucht  und  Seidenzwirnfabriken. 


w. 

Wachsbarchent,  s.  Wachstuch. 

Wachsleinwand,  s.  Wachstuch. 

Wachstaffet  (Gesundheitstaffet,  Taffetas  ciree),  Taffet  oder  Leinwand 
mit  einem  aus  Leinöl,  Bleiglätte,  Terpentin,  Kolophonium,  Mennigen  und  einem 
Farbstoff  zusammengesetzten  Firnis  auf  beiden  Seiten  überzogen,  ist  gewöhn- 
lich grün,  braun  oder  schwarz.  Er  wird  zum  Umwickeln  rheumatischer  Glieder 
gebraucht,  sowie  zu  Schweissblättern  in  Frauenkleidern,  Hutüberzügen  usw. 
und  kommt  besonders  aus  Paris  und  Lyon,  sowie  auch  aus  einigen  grösseren 
Städten  Deutschlands. 

Wachstuch  ist  ein  verhältnismässig  neuer  Artikel  mit  einem  nicht  mehr 
passenden  alten  Namen.     Das  alte  W.  oder  die  W.rLeinwand  hatte  in  der  Tat 


t5l2  "Wad,  Wadmal— Waldheim. 


wächserne  Ueberzüge,  die  aber  schon  längst  passenderem  Material  gewichen 
sind.  Die  heutigen  Stoffe,  welche  in  besonderen  Fabriken,  je  nach  den  ver- 
schiedenen Bestimmungen,  in  grosser  Mannigfaltigkeit  hergestellt  werden,  sind 
leichtere  oder  schwerere  Baumwoll-  oder  Leinengewebe,  z.  T.  auch  solche  aus 
Werg  oder  Jutegarn,  die  mit  einer  biegsamen  farbigen  Firnisschicht  überzogen, 
oft  auch  lackiert  sind.  Die  Stoffe  werden  in  Rahmen  eingespannt  und  zunächst 
mit  einer  Leim-  oder  Kleisterschicht  grundiert,  um  die  Poren  des  Gewebes 
zu  schliessen.  In  den  meisten  Fällen  wird  auch  die  Unterseite  grundiert  und 
erhält  eine  schwache  Firnisdecke,  ausgenommen  die  geringe,  nur  zu  Packtuch 
u.  dgl.  dienende  Ware,  sowie  den  zu  den  Möbeldecken  bestimmten  Wachs- 
barchent, dessen  weiche  Unterseite  unverändert  bleibt.  Die  auf  den  Unter- 
grund getragene  erste  Schicht  von  Firnisfarbe  wird  nach  dem  völligen  Aus- 
trocknen mit  Bimsstein  eben  geschliffen  und  ebenso  wird  mit  jeder  folgenden 
verfahren.  Wie  viel  Schichten  aufgetragen  sind,  hängt  von  der  Art  und  Stärke 
der  Ware  ab.  Den  Beschluss  macht  ein  Glanzfirnis  oder  eine  Lackierung; 
gedruckte  Sachen  werden  erst  nach  dem  Drucken  geglänzt.  Die  einfarbigen 
Waren  sind  meist  schwarz  oder  sonst  dunkelfarbig  und  die  feinen  Sorten 
nehmen  sich  wie  lackiertes  Leder  aus  und  dienen  auch  häufig  an  dessen  Stelle 
da,  wo  nicht  die  volle  Festigkeit  des  Leders  erforderlich  ist.  Das  meiste 
wird  gedruckt  oder  sonst  farbig  figuriert  und  dient  dann  zu  Fussboden-  und 
Wandtapeten,  Möbeldecken,  zum  Ausschlagen  von  Wagen  und  ähnlichen 
Zwecken.  Das  Drucken  geschieht  auf  Tafeln  mittels  Druckblöcken  in  Art 
des  Tapetendrucks.  Daneben  dient  zur  Ausstattung  das  Maserieren^  eine 
Nachahmung  von  Nutzhölzern.  Es  dienen  dazu  besonders  hölzerne  Walzen 
mit  erhaben  geschnittener  Musterung.  Ein  Hauptsitz  der  Fabrikation  von  W. 
ist  Leipzig ;  ausserdem  gibt  es  Fabriken  in  Offenbach,  Frankfurt  a.  M.,  Berlin, 
Wien,  Chemnitz,  Breslau,  Hannover,  Altona.  In  Frankreich  bestehen  in  Paris 
und  E-ouen  bedeutende  Fabriken,  die  ihren  Absatz  meist  in  Spanien  und  den 
Kolonien  haben. 

Wad,  Wadmal  (engl,  wadmoll) ,  dicker ,  aber  weicher  Wollenstoff  des 
16.  Jahrhunderts;  feiner  als  Loden,  schon  im  10.  Jahrhundert  bekannt. 

Wädenswyl,  Gemeinde  im  Schweiz.  Kanton  Zürich :  Seidenweberei, 
Fabrikation  von  Tuch  und  Baumwollwaren. 

Wading,  s.  Bassinas. 

Wadmal,  s.  Wad. 

Waffelstoff,  Stoff  mit  waffelähnlichen,  erhaben  scheinenden  Mustern,  in 
Wolle,  Halbwolle  und  Baumwolle  für  Anzugsstoffe  und  Damenmänteln  (aus 
Glauchau),  sowie  in  Seide  und  Halbseide. 

Wagstadt,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien :  Fabrikation  von  Tuch 
Umhängetüchern  und  Bändern. 

Waiblingen,  Oberamtsstadt  in  Württemberg:  Seidenweberei,  Tuch- 
macherei  und  Tapisserie. 

Waidhofen,  an  der  Thaya,  Stadt  in  Osterreich:  bedeutende  Band-  und 
Wollzeugweberei,   Färberei. 

Wakefield,  Stadt  iu  der  engl.  Grafschaft  York:  Garnfabrikation,  Tuch- 
und   Strumpfwarenmanufaktur. 

Wald,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  Zürich :  Seiden-  und  Baumwollindustrie, 
Stickerei. 

Waidenburg,  1)  in  Schlesien:  Flachs-,  Leinwand-  und  Bleichschau, 
Flachsspinnerei,  Leinwand-  und  Garnmärkte.  —  2)  in  Sachsen:  bedeutende 
Strumpfwirkerei,  Fabrikation  von  wollenen,  baumwollenen  und  leinenen  Stoffen 
und  Posamenten.  —  3)  Stadt  im  Schweiz.  Kanton  Basel-Landschaft:  Seiden- 
bandweberei und  Seidenabgangkrempelei. 

Waldhaar,  eine  Art  Segge  oder  Bietgras,  das  in  Süddeutschland,  be- 
sonders in  Baden  und  am  Oberrhein  wächst  und  zu  Polstermaterial,  Matten 
und  geflochtenen  Fussteppichen  Verwendung  findet. 

Waldheim,  Stadt  in  Sachsen:  Fabrikation  von  Baumwollwaren,  Lein- 
wand, Barchent^  Flanell  und  Tuch,  Strumpfwaren  und  Trikotagen. 


"VValdkirch — Walzenglättpresse.  ßl3 

Waldkirch,  Stadt  im  bad.  Kreis  Freiburg  :  Baumwoll-  und  Seidenspinnerei, 
Leinwand-,  Baumwoll-  und  Seidenweberei ;   Fabrikation  von  Seidenband. 

Waldmünchen,  Stadt  im  bayer.  ßeg.-Bez.  Oberpfalz :  Spinnerei  und 
Tuchfabrikation. 

Waldshut,  Stadt  im  Grossherzogtum  Baden:  Baumwollspinnerei  und 
-Weberei,  Seidenzwirnereien  und  -Webereien,  Färbereien  und  Bleichereien. 

.Waldwolle,  ein  aus  den  Nadeln  der  Kiefer  (Pinus  sylvesti-is),  seltener 
der  Fichte,  bereiteter  Faserstoff,  der  als  Ersatz  für  Kuh-,  Kälber-  und  Boss- 
haare zum  Polstern  von  Möbeln  usw.  verwendet  wird  und  sich  deshalb  sehr 
dazu  eignet  wegen  des  Nadelholzgeruches.  Man  hat  auch  versucht  die  W.  zu 
verspinnen  und  daraus  sehr  gute,  feste  Fäden  erhalten.  Mit  Wolle  oder  Baum- 
wolle vermischt,  verfertigt  man  daraus  eine  Art  Gesundheitsflanell.  Die  W. 
wurde  zuerst  1840  durch  J.  Weiss  in  Ziegenhals  (Oberschlesien)  dargestellt; 
einen  kräftigen  Aufschwung  hat  diese  Industrie  namentlich  durch  die  Fabrikate 
von  L.  und  E.  Lairitz  in  Bemda  (Thüringen)  genommen. 

Wales,  ein  mit  dem  Königreich  England  vereinigtes  Fürstentum:  AVoll- 
garn-,  Flanell-  und  andere  Wollstofffabrikation. 

Walkblaue  Tuche  sind  solche,  welche  nach  dem  Waschen  blau  gefärbt 
und  dann  erst  völlig  gewalkt  werden.  Sie  färben  besser  durch,  als  die  nach 
der  Walke  gefärbten,  und  kosten  doch  nicht  so  viel  Farbe,  als  die  woll- 
blauen Tuche. 

Walken  nennt  man  in  der  Tuchfabrikation  die  Bearbeitung  des  Woll- 
gewebes, um  eine  Verfilzung  der  Wollhärchen  auf  beiden  Oberflächen  zu 
bewirken,  was  durch  Schlagen,  Quetschen,  Schieben  bezw.  Walzen  des 
durchnässten ,  in  Seifenwasser  eingeweichten  Gewebes  erreicht  wird.  Das 
Walken  wird  in  Maschinen  verschiedener  Konstruktion  ausgeführt;  in  den 
sogen.  Hammerwalken  (Walk-,  Dick-,  Filzmühlen,  Lochwalken)  bearbeiten 
niederfallende  schwere  hölzerne  Hämmer  das  Gewebe.  In  einer  verbesserten 
Konstruktion,  der  Patentwalke  (Druck-  und  Kurbelwalke),  wirken  leichtere, 
auf-  und  niedergeschobene  Hämmer  durch  Stoss  und  Druck.  In  den  Walz- 
walken, die  weniger  Seife  und  Arbeitszeit  erfordern  und  eine  schöne  Filzdecke 
hervorbringen,  wird  das  Gewebe  mittels  Walzen  bearbeitet. 

Walkrasch  (Cadis  ras),  geköperte  Wollenzeuge,  welche  tuchartig  ge- 
walkt, geschoren  und  warm  appretiert  sind  und  meist  im  allgemeinen  Cadis  (s.  d.) 
heissen. 

Walkringen,  Hauptsitz  der  Leinenindustrie  des  Schweiz.  Kantons  Bern. 

Wallis,  Baumwollstoff,  s.  v.  w.  Dimity  (s.  d.). 

Waltersdorf,  Fabrikdorf  bei  Grossschönau  in  Sachsen :  Fabrikation  von 
Damasttischzeugen,  Baumwoll-  und  Halbwollenstoffen,   Garnbleicherei  usw. 

Walzendruck,  ein  in  der  Kattundruckerei  von  Christian  Philipp  Ober- 
kampf 1780  erfundenes  Druckverfahren  mittels  Walzen druckmaschinen  oder 
Walzenpressen,  welches  später  auch  in  der  Typographie  und  im  Tapetendruck 
Anwendung  fand.  Nach  anderen  Angaben  soll  der  W.  in  Schottland  erfunden 
und  zuerst  mit  Erfolg  um  das  Jahr  1785  in  der  Druckerei  von  Livesey,  Har- 
greaves.  Hall  &  Komp.  zu  Mosney  bei  Preston  in  Anwendung  gebracht  worden 
sein;  jedenfalls  aber  ist  dieses  Verfahren  zuerst  in  England  zur  Ausführung 
gelangt.  Die  Ersparnis  gegenüber  dem  Handdruckverfahren  ist  so  gross,  dass 
eine  einzige  W.-Maschine,  bei  der  zwei  Arbeiter  und  ein  Knabe  zum  Nach- 
füllen der  Farbe  angestellt  sind,  dieselbe  Arbeit  verrichtet,  die  200  Männer 
und  ebenso  viel  Knaben  durch  gewöhnlichen  Handdruck  zustande  bringen.  Ein 
Stück  von  etwa  20  m  kann  mit  der  Maschine  in  einer  Minute  gedruckt  werden, 
indem  eine  jede  der  drei  oder  vier  Walzen  einen  Teil  des  Musters  auf  das 
bei  beständiger  Drehung  der  Bäder  forteilende  Zeug  aufdruckt. 

Walzenglättpresse,  eine  Art  Walzwerk,  d.  h.  eine  mit  zwei  oder  drei 
in  einem  Gestell  gegeneinander  gelagerten  horizontalen  Walzen  versehene 
Maschine,  mittels  deren  Gewebe  glatt  gepresst  werden.  In  der  Gewebe- 
zurichtung oder  Appretur  führt  die  W.  die  Bezeichnung  Kalander  oder 
Walzenmange;  derartige  Maschinen  mit  drei  hölzernen  Walzen  waren  schon 


614  Walzentempel — Wasserdiclite  Gewebe. 

gegen  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  gebräuchlich,  welche  im  Laufe  der  Zeit 
mannigfaltige  Verbesserungen  erfahren  haben. 

Walzentempel,  eine  Vorrichtung  an  Webstühlen,  welche  mittels  einer 
rauhen  AValze  den  Stoff  während  des  Webens  in  die  Breite  zieht. 

Walzenwalke,  eine  bei  der  Zurichtung  wollener  Gewebe  benutzte  Ma- 
schine, welche  die  älteren  Hammerwalken  verdrängte. 

Wand,  ein  gewöhnlicher  dicker,  tuchartiger  StoflP,  meist  aus  weisser  und 
schwarzer  Wolle  gemischt,  daher  grau  meliert,  welcher  von  den  Landleuten 
in  Ostpreussen  zum  eigenen  Gebrauch  viel  gewebt  wird. 

Wandkappen,  s.  Kappenleinwand. 

Wangen,  Oberamtsstadt  im  württembergischen  Donaukreis :  Baumwoll- 
spinnerei. 

Wanten,  die  seitlichen  Haltetaue  der  Schiffsmasten  und  ihrer  Verlänge- 
rungen, der  Stengen.  Sie  sind  mit  dünnen  Tauen,  Webeleinen,  ausgewebt;  so 
dass  sie  Strickleitern  bilden. 

Warendorf,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Münster:  bedeutende  Leinwand- 
und  Damastweberei,  Bleicherei  und  Leggeanstalt,  Fabrikation  von  Woll-  und 
Baumwollwaren.  Im  Kreise  W.  wird  viel  guter  Flachs  und  Hanf  gebaut  für 
beträchtliche  Weberei,  welche  Warendorfer  Leinen  liefert,  eine  der  besten 
und  feinsten  Sorten  Flachsleinen,  die  aus  dem  besten  Garne  gewebt  und  ge- 
bleicht werden,  den  Bielefelder  Leinen  gleich  an  Güte  sind  und  meist  auch 
unter  letzterem  Namen  in  den  Handel  kommen.  Ferner  bestehen  drei  Tuch- 
fabriken, Druckereien  und  Blaufärbereien. 

Warmbrunn,  Marktflecken  im  preuss.  Beg.-Bez.  Liegnitz :  bedeutende 
Leinweberei. 

Warneton,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  Westflandern:  Leinweberei, 
Fabrikation  von  Spitzen. 

Warnsdorf,  Stadt  in  Böhmen:  bedeutende  Fabrikation  für  Baumwoll- 
waren (besonders  Hosen-  und  Bockstoffen),  Tischzeug  und  gemischte  Waren 
aus  Leinen,  Baumwolle  und  Wolle,  Stoffdruckerei  und  Färbereien,  Fabrikation 
von  Köper,  Atlas,  Sammet  und  Bips ,  sowie  lebhafter  Handel ;  Garn-  und 
Warenbörse. 

Warp  (engl.  =  Kette),  in  der  Spinnerei  Bezeichnung  für  Kettenfäden, 
Kettengarn ;  Warpspinnerei,  eine  Spinnerei  für  Kettengarn. 

WarpCOpS  nennt  man  in  der  englischen  Maschinenspinnerei  die  Kötzer 
mit  Garn,  das  nicht  abgewickelt,  sondern  wie  es  auf  den  Spindeln  gewunden 
war,  abgezogen  ist.  In  das  von  der  Spindel  herrührende  Loch  wird  gewöhn- 
lich eine  Papierhülse  gesteckt  und  von  dieser  das  Garn  beim  Verweben  ab- 
gewickelt. 

Warrington,  bedeutende  Fabrikstadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancaster: 
Fabrikation  von  Baumwollgarn,  Segeltuch  und  Leinwand. 

Warschau,  Stadt  im  gleichnamigen  Gouvernement  in  Bussisch-Polen : 
Leinweberei,  Herstellung  von  WoUengam  und  Wollenwaren  (jüdische  Talasse 
und  Bauerntuch). 

Waschen,  s.  Beinigen. 

Washers  (Wash-whithes),  eine  Sorte  englischer  gewöhnlicher  Wollentuche, 
welche  besonders  in  York  und  Lancastershire  gefertigt  wird. 

Wasselnheim,  Stadt  in  Elsas s-Lothringen:  Baumwoll-  und  Wollspinnerei, 
Fabrikation  von  Kaliko,  Baumwoll-  und  Strumpfwaren. 

Wasserdichte  Gewebe  werden  durch  Imprägnieren  oder  Ueberziehen 
mit  bestimmten  Stoffen  hergestellt.  Es  dienen  hierzu  Paraffin,  Wachs,  Leinöl- 
firnis usw.,  am  häufigsten  aber  Kautschuk.  Man  wendet  auch  eine  Maschine 
dafür  an,  welche  einen  Kautschukteig  völlig  gleichmässig  den  Geweben  auf- 
trägt. Da  diese  dann  auch  zugleich  luftdicht  sind,  wodurch  sie  für  Kleidungs- 
stücke ungesund,  stellt  man  auch  leinene  wie  wollene  Gewebe  wasserdicht, 
aber  nicht  ganz  luftdicht  her,  indem  man  sie  mit  gewissen  Lösungen  tränkt 
oder  überzieht,  wobei  schwefelsaure  Tonerde,  Seife,  Soda,  Alaun,  Kupfervitriol, 
Bleizucker,  Leim,   Wasserglas,  Hausenblase  u.  dgl.  Anwendung  finden. 


Wässern — Weberei.  615 


Wässern,  einem  Gewebe  Wasserzeichnung  geben. 

Watergarn,  ein  auf  der  Watermascbine  hergestelltes  Feingespinst,  das 
in  Baumwolle  zur  Kette  genommen  wird. 

Waterproof  (engl.  =  wasserdicht),  ein  starkes,  sehr  fest  geköpertes 
wollenes  Zeug,  das  ehedem  aus  England  kam,  jetzt  aber  in  mehreren  Fabriken 
Deutschlands  auch  viel  gefertigt  wird  und  zu  Männerröcken  dient. 

Waterspinnmaschine,  Watermaschine. 

Watertown,  Stadt  in  New  York:  Fabrikation  von  BaumwoU-  und 
Wollwaren. 

Watertwist,  Watergarn,  s.  d. 

Watte  (franz. :  ouate ;  engl. :  wad,  wadding),  FutterstofiP,  grösstenteils  aus 
aufgelockerter  und  geschlagener  Baumwolle  von  besonderen  Geschäftsleuten 
gefertigt  und  zwar  auf  der  Wattmaschine,  wie  sie  auch  in  der  Baumwoll- 
spinnerei als  Yorarbeiterin  gebraucht  wird,  welche  die  Y^are  gleich  in  der  be- 
kannten Tafelform  abliefert.  Der  Wattenmacher  bestreicht  sein  Produkt  zur 
Förderung  des  Zusammenhalts  noch  auf  beiden  Seiten  mit  einer  dünnen  Leim- 
oder Gummilösung.  Für  sanitäre  Zwecke  wird  auch  wollene  Watte  gefertigt, 
welche  etwas  mehr  Filzung  hat   und    auf    den  Oberflächen  nicht  gummiert  ist. 

Wattierleinen  =  Schneiderzeugleinen. 

Wattignies,  Flecken  im  franz.  Departement  Nord,  Arrond.  Lille :  Weberei, 
Baumwollspinnerei  und  Posamentenfabrik. 

Wattseide,  spelaja,  blaze,  Handelsnamen  für  Seidenabfälle,  welche  sich 
bei  der  Baupenzucht  ergeben  und  zur  Florettindustrie  benutzt  werden;  ihre 
Einführung  geschieht  vornehmlich  aus  China. 

Wattwyl,  Dorf  im  Schweiz.  Kanton  St.  Gallen:  Musselin-  und  Leinen- 
weberei, Stickerei  und  Webschule;  lebhafter  Handel. 

Webe,  früher  beim  Leinwandhandel  in  Hamburg  eine  Länge  von  72 
Hamburger  Ellen  =  41,27  m. 

Webeleinen,  s.  Y^anten. 

Weberblatt,  s.  Eietblatt. 

Weberei  (franz.:  tissage;  engl.:  weaving) :  Herstellung  flächenartig  aus- 
gedehnter Erzeugnisse:  Gewebe  (tissu-web),  Zeuge,  Stoff'e  (etoff'es-clothes),  welche 
durch  rechtwinkelig  sich  kreuzende  Fadengruppen  gebildet  werden,  deren  eine 
Kette,  Aufzug,  Zettel  (chaine-warp)  durch  die  ganze  Länge  des  Gewebes, 
die  andere  Fadengruppe  Schuss,  Eintrag,  Einschlag  (trame-weft,  woof)  in 
der  Querrichtung  läuft.  Durch  die  Umkehr  des  Schusses  werden  an  den 
äussersten  linken  und  rechten  Kettenfäden  Bänder  gebildet,  die  man  Kante, 
Leiste,  als  das  Sahlband  oder  die  Sahlleiste  (lisiere-list)  bezeichnet. 
Die  mannigfachen  Yerkreuzungen  von  Ketten-  und  Schussfäden,  die  Bin- 
dungen (s.d.)  entstehen,  indem  ein  Teil  der  ersteren  über,  ein  anderer  unter 
die  Schussfäden  geführt  wird,  wobei  die  verschiedenen  Kettfäden  bei  den  auf- 
einander folgenden  Schüssen  abwechseln.  Das  Weben  geschieht  von  altersher 
mittels  mechanischer  Yorrichtungen :  der  Webstühle  (metiers-lormes) ,  die  als 
Handwebstühle  (zum  Betrieb  durch  Hand  und  Fuss)  höchst  einfach ,  als 
mechanische  Webstühle    (für  Kraftbetrieb)    sehr  verschieden    eingerichtet   sind. 

Der  Handwebstuhl  besteht  aus  einem  Gestell  von  vier  senkrechten 
Balken,  die  durch  Querhölzer  verbunden  sind.  Yorn  und  hinten  befindet  sich 
je  eine  drehbare  Walze:  der  Kettbaum  zur  Aufnahme  der  Kettenfäden  und 
der  Y^arenbaum,  auf  welchen  das  fertige  Stück  Zeug  aufgewickelt  wird. 
Die  Breite  der  Bäume  entspricht  derjenigen  der  Ware  und  ist  demgemäss 
eine  sehr  verschiedene.  Zur  Yermittelung  der  Fadenkreuzungen  (Bindungen) 
müssen  Kette  und  Schuss  abwechselnd  gehoben  und  gesenkt  werden.  Hierzu 
ist  die  Bildung  des  Faches  (pas-lease)  mittels  der  Schäfte  oder  Flügel 
(lames-leawes)  notwendig.  Jeder  dersellDen  besteht  aus  einem  Holzstab,  zwi- 
schen welchen  die  Litzen  (s.  d.)  oder  Helfen  (lisses-hedles)  mit  den  Augen 
(maillons)  ausgespannt  sind.  Wird  der  Schaft  gehoben  oder  nach  unten  ge- 
senkt, so  müssen  alle  durch  seine  Litzenaugen  gezogenen  Kettläden  gehoben 
bezw.    gesenkt    werden.     Diese  Bewegung   der    Schäfte    nach    oben   und   unten 


616  Weberei. 


wird  durch  die  unter  dem  Sitze  des  AVebers  drehbar  gelagerten  hölzernen 
Hebel,  Tritte  oder  Schemel  bewirkt,  welche  an  ihrem  oberen  freien  Ende  durch 
Schnüre  mit  den  unteren  Schaftstäben  verbunden  sind.  Je  nach  der  Bindung 
ist  diese  Schnürung  verschieden.  Zur  Einführung  des  Schusses  dient  der 
"Webschütze  oder  der  Schützen  (s.d.),  welcher  den  Schussfaden  durch 
das  Fach  führt.  Der  eingetragene  Schuss  muss  dann  fest  an  die  vordere 
Spitze  des  Webfaches  angeschlagen  werden,  wozu  das  Rietblatt,  Riet  (s.d.) 
(peigne-reed)  oder  der  Web  er  kämm  dient,  welcher  in  einem  auf  dem  oberen 
Balken  des  Stuhlgestelles  pendelnden  Rahmen,  die  Lade  (chasse-lathe)  ein- 
gesetzt ist.  Um  das  bei  einfachen  Webereien  notwendige  Werfen  und  Auf- 
fangen der  Schützen  mit  der  Hand  zu  vermeiden,  wurde  das  S  chn  e  1 1  z  e  u  g  (s.  d.) 
angebracht.  Das  regelmässige  Aufwickeln  der  fertigen  Zeuge  auf  den  Waren- 
baum vermittelt  der  Regulator  (s.d.).  Der  Spannstab,  in  den  ver- 
schiedensten Formen  gearbeitet  (s.  d.),  dient  zur  Innehaltung  der  gleichen 
Breite  des  Gewebes. 

Die  mechanische  Weberei  (tissage  mecanique-pawersloom-weaving) 
fertigt  dieselben  Stoffe  wie  die  Handweberei,  nur  bedient  sie  sich  zu  ihrer 
Herstellung  mehr  oder  weniger  selbsttätiger  Maschinen.  Im  engeren  Sinne 
bezeichnet  man  damit  das  Weben  mit  Hilfe  von  selbsttätig  arbeitenden 
Webstühlen,  mechanischen  Webstühlen  oder  Kraftstühlen  (metier  ä  tisser 
mecanique-powerloom). 

Ein  Zwischenglied  zwischen  Hand-  und  mechanischem  Webstuhl  ist  der 
sogen,  halbmechanische  Webstuhl  oder  mechanische  Hahdwebstuhl  von  Laeser- 
son  und  Wilke ,  der  durch  einen  Handhebel  am  Fusstritt  vom  Arbeiter  be- 
wegt wird.  Die  Fachbildung,  Ladenbewegung,  Schuss  und  Anschlag  erfolgen 
mechanisch.  Trotz  des  Vorteils,  diesen  Stuhl  im  Hausbetrieb  benützen  zu 
können  und  trotz  der  schnelleren  Arbeit  führte  sich  der  Stuhl  nicht  ein,  weil 
die  physische  Kraft  des  Arbeiters  nicht  ausreicht,  den  Stuhl  den  ganzen  Tag 
zu  bewegen. 

Der  mechanische  Webstuhl  besteht  aus  denselben  Hauptteilen,  wie 
der  Handwebstuhl;  nur  ist  alles  von  Eisen,  der  grösseren  Kräfte  wegen,  die 
hier  zur  Anwendung  kommen.  Die  Lade  ist  unten  am  Gestell  drehbar  an- 
geordnet (Stehlade),  wodurch  der  Aufbau  des  Stuhles  niedriger  wurde.  Wie 
am  Handwebstuhle  sind  vorhanden:  die  Schäfte  mit  den  Tritten,  die  Lade 
mit  Riet,  Schützenkästen,  Treibern  und  Schützen,  sowie  der  Regulator,  der 
beim  mechanischen  Betrieb  unbedingt  erforderlich  ist,  um  das  bei  jedem  Schuss 
gefertigte  Stück  Ware  sofort  aufzuwickeln,  weil  die  Lade  durch  Mechanismus 
getrieben,  immer  genau  dieselbe  Schwingung  machen  muss.  Der  Antrieb  des 
mechanischen  Webstuhls  geschieht  durch  eine  in  der  Mitte  des  Stuhlgestells 
drehbar  gelagerte  Welle  (Hauptwelle),  die  an  ihrem  ausserhalb  des  Stuhles 
liegenden  Ende  eine  feste  und  eine  lose  Scheibe  trägt.  Soll  der  Stuhl  in  Be- 
trieb gesetzt  werden,  so  leitet  der  Weber  den  Transmissionsriemen,  der  wäh- 
rend des  Stuhlstillstandes  auf  der  Losscheibe  läuft,  mittels  einer  Riemengabel 
auf  die  Festscheibe  und  die  Bewegung  beginnt.  Unter  der  Hauptwelle,  durch 
Zahnräder  mit  ihr  verbunden  ist  eine  zweite  Welle  angebracht,  auf  die  soviele 
Exzenterscheiben  aufgesetzt  werden,  als  Tritte  für  die  Bewegung  der  Schäfte 
vorhanden  sind.  Bei  jeder  Umdrehung  der  Welle  drücken  die  Exzenter  (s.  d.) 
genau  wie  die  Fiisse  des  Webers  die  Tritte  nach  unten,  wodurch  die  in  ähn- 
licher Weise  befestigten  und  geschnürten  Schäfte  gehoben  bezw.  gesenkt  werden. 
Durch  Spiralfedern  werden  die  Tritte  gegen  die  Exzenterscheiben  angelegt. 

Für  die  Schützenbewegung  (den  Schützenschlag)  sind  auf  derselben  Welle, 
links  und  rechts,  Schlagexzenter  (kreisrunde  Scheiben  mit  nasenartigem  An- 
satz) angebracht.  Eine  gegen  diesen  Schlagexzenter  laufende  konische  Rolle 
wird  von  dem  Ansatz  weggestossen  und  diese  Bewegung  wird  durch  Hebel 
auf  den  Treiber  im  Schützenkasten  übertragen,  wodurch  der  Schützen  aus  dem 
Kasten  getrieben  wird. 

Die  beschriebene  Bauart  der  mechanischen  Stühle  ist  die  englisch e, 
die  am  meisten  Anwendung  findet  und  vorbildlich  geblieben  ist.     Bei  breiteren 


Weberei.  617 


Stühlen,  für  schwere  Waren  sind  verschiedene  Abänderungen  gemacht  worden. 
So  wird  z.  B.  beim  Federschlagstuhl  der  Schlag  nicht  durch  Schlagexzenter, 
sondern  durch  eine  starke  Feder  ausgeführt,  die  während  des  Stuhllaufes  auf- 
gezogen und  zum  Schlag  plötzlich  losgelassen  wird.  Diese  plötzliche  Be- 
wegung des  Zusammenziehens,  die  immer  ganz  gleichmässig  erfolgt,  wirkt 
durch  Hebel  auf  den  Treiber  des  Schützen.  Da  aber  bei  diesem  Federschlag 
die  Schnelligkeit  des  Ganges  beschränkt  ist ,  wird  der  Exzenterschlag  vor- 
gezogen. 

Bei  der  Herstellung  farbiger  Querstreifen  in  Geweben,  oder  bei  Ver- 
wendung verschiedenen  Schussmaterials  für  Ober-  und  Unterware ,  sowie  bei 
farbig  gemusterten  Stoffen,  müssen  mehrere  Schützen  abwechselnd  arbeiten. 
Dies  erfordert  die  Anbringung  von  mehreren  Schützenkästen  an  einer  oder 
besser  noch  an  beiden  Seiten  des  Webstuhls.  Diese  Schützenkästen  werden 
entweder  übereinander  oder  wie  in  einem  Revolver  im  Kreise  angeordnet.  Im 
ersteren  Falle  erfolgt  der  AYechsel  der  Kästen  durch  Verschiebung  in  verti- 
kaler Richtung,  im  zweiten  Falle  durch  Drehung  des  Revolvers.  Eine  frühere 
Anordnung  der  Kästen  an  Handwebstühlen  nebeneinander  mit  vertikaler  Ver- 
schiebung (Schiebelade)  ist  bei  mechanischen  W^ebstühlen  nicht  angewandt 
worden. 

Für  schmale  Stühle  und  leichte,  einfache  AVare  hat  man  neuerdings  eine 
Art  des  Schützenwechsels  konstruiert,  die  es  ermöglicht,  dass  die  abgelaufene 
Spule  automatisch  aus  dem  Schützen  entfernt  und  durch  eine  frische  Spule 
aus  einem  mit  gefüllten  Spulen  neben  dem  Webstuhl  angeordneten  Behälter 
ersetzt  wird,  ohne  Zutun  des  W^ebers  und  Stillstand  des  Webstuhls.  In 
Deutschland  haben  diese  Versuche  aber  zu  keinem  nennenswerten  Erfolge  ge- 
führt, während  in  Amerika  vielfach  damit  gearbeitet  wird,  besonders  für  ein- 
fachere Ware  in  billigerer  Qualität. 

Die  Schützen  (navettes-shuttles)  haben  für  mechanische  Webstühle  stets 
eine  gerade  Form,  sind  entweder  aus  Holz  mit  Eisenspitzen,  oder  ganz  aus 
Eisen  oder  Stahl  hergestellt.  Als  Schleif  schützen  gleiten  sie  mit  ihrer  unteren 
Fläche  über  die  Kettfäden,  während  sie  als  Rollschützen  mit  Rollen  versehen 
sind,  mit  denen  sie  über  die  Bahn  rollen,  z.  B.  bei  schweren  Wollwaren.  Die 
einzulegende  Spule  ist  entweder  auf  der  Schützenspindel  oder  Seele  festsitzend 
durch  eine  Feder  gehalten  (Schleifspule) ,  dann  muss  der  Faden  in  axialer 
Richtung  von  der  Spitze  der  Spule  ablaufen ;  oder  die  Spule  ist  drehbar  auf- 
gesetzt (Rollspule),  sodass  der  Faden  rechtwinklig  zur  Achse  abläuft ;  oder  die 
Garnspule  ist  in  dem  mit  einem  federnden  Deckel  versehenen  Schützen  fest 
eingedrückt  und  ohne  Hülse  (Schlauchspule) ,  dann  läuft  der  Faden  aus  dem 
Innern  der  Spule  ab.  Als  Breithalter  kommen  bei  mechanischen  Webstühlen 
selten  die  Spannstäbe  zur  Anwendung,  man  verwendet  vielmehr  sogen,  selbst- 
tätige Tempel ,  die  beim  Abziehen  der  W^are  sich  drehen  und  das  Gewebe 
stets  in  gleicher  Weise  und  an  derselben  Stelle  spannen.  Sie  werden  her- 
gestellt als  Walzen  mit  Riffeln  oder  Spitzen  (Walzenbreithalter)  oder  als 
Walzen  mit  exzentrisch  eingesetzten  Rädchen  mit  Spitzen  (Rädchenbreithalter) 
oder  als  Scheiben  mit  Spitzen  (Scheiben-  oder  Sonnenbreithalter). 

Die  Bauart  der  mechanischen  Stühle  richtet  sich  nach  den  zu 
erzeugenden  Waren.  Die  mannigfaltigen  Konstruktionen  werden  wie  folgt 
unterschieden,  erstens  nach  den  zu  fertigenden  Waren,  in: 

1.  Schmale  oder  englische  Webstühle  für  leichte  Baumwoll-,  Halb- 
woll-  und  Wollwaren;  für  schwerere  schmale  Gewebe  derselben  Materialien,  sowie  für 
Leinen  und  Jute,  sowie  für  einfache  Läufer,  Teppiche  schwerer  gebaut. 

2.  Breite  Webstühle,  Tuch-  oder  Buckskinstühle ,  für  Tuch,  Wollstoffe^ 
schwere  Baumwoll-  und  Leinenstoffe,  gemusterte  Teppich-  und  Möbelstoffe. 

3.  Teppichwebstühle  für  geschnittene  und  gezogene  Teppiche  (Brüssel-, 
Velours-Tapestry)  und  ähnliche  schwere  Gewebe. 

4.  Seidenwebstühle  für  glatte  und  gemusterte  Seidenzeuge. 

5.  Doppelsamtstühle,  zur  Herstellung  billiger  Sammete,  in  zwei  überein- 
anderliegenden durch  die  Polfäden  verbundenen,  nach  dem  Schneiden  selbständigen 
Geweben. 


ßl8  Weberei. 


6.  Bandstühle  oder  Bandmülilen  zur  Herstellung  von  Bändern. 

7.  Rundwebstühle,  Webstühle  ohne  Schützen. 

Nach  der  Konstruktion  in: 

A.  Kurbelstühle  (engl.:  crank-looms)  mit  Bewegung  der  Lade  durch  eine  Kurbel. 

B.  Scheibenstühle  (engl.:  wiper-looms)  mit  Bewegung  der  Lade  durch 
unrunde  Scheiben  oder  lN"utzylinder  (nur  für  schwere  Waren). 

Nach  der  Anordnung  der  Lade: 

1.  Mit  Stehlade  mit  Schwingung  um  eine  unter  der  Kette  gelagerte  Achse, 
wodurch  die  Lagerung  sicherer  und  der  Stuhl  stabiler  wird. 

2.  Mit  Hängelade  mit  über  der  Kette  gelagerter  Schwingungsachse  (fast 
wie  bei  Bandstühlen)  angebracht,  bedingt  höhere  Bauart  des  Stuhles. 

Nach    der  Art   des  Schützenschlags   unterscheidet  man: 

1.  Unterschläger,  mit  im  unteren  Teile  des  Webstuhls  befindlicher  Schützen- 
schlagvorrichtung. 

2.  Mittelschläger,  mit  unten  befindlichem  Schlagexzenter  und  oben  befind- 
lichem Schlagarm  und  Peitsche. 

3.  Oberschläger,    bei  Hängeladen   und  Stühlen  mit  sehr  langsamem  Gang. 

Nach  den  Einrichtungen  für  die  Musterbildung  werden  die  Webstühle 
unterschieden  in: 

1.  Trittstühle  oder  Exzenterstühle.  Die  Fachbildung  erfolgt  durch 
Tritte  und  Exzenter ;  für  leinwandartige  und  andere  glatte  Stoffe. 

2.  Schaftmaschinenstühle,  für  einfache  gemusterte  Waren.  Die  Fach- 
bildung erfolgt  durch  die  Schaftmaschine, 

3.  Jacquardkraftstühle,  für  Musterware  mit  grösseren  Dessins ;  die  Fach- 
bildung erfolgt  durch  die  Jacqardmaschine. 

Diese  drei  Arten  können  mit  Wechsellade  versehen  sein,  um  nachein- 
ander verschiedenfarbige  Fäden  einschiessen  zu  können;  sie  heissen  dann 
Wechselstühle. 

Die  Kette  sowohl  als  auch  der  Schuss  verlangen  vor  dem  Verweben 
verschiedene  Yorbereitungsarbeiten:  für  beide  das  Spulen,  für  die 
Kette  ausserdem  das  Scheren,  Aufbäumen,  Leimen  oder  Schlichten, 
Einziehen  der  Kettfäden  in  die  Litzen  der  Schäfte  und  in  das  Kiet.  Bei 
der  Handweberei  hat  die  Vorarbeiten  der  Weber  selbst  mit  einfachem  Appa- 
rate zu  besorgen,  in  der  mechanischen  Weberei  werden  dieselben,  mit  Aus- 
nahme des  Einziehens,  durch  besondere  Maschinen  ausgeführt. 

Das  Spulen  (bobinage-spooling) ,  geschieht  in  kleineren  Betrieben  auf 
dem  bekannten  Spulrad;  regelmässiger  und  schneller  geschieht  die  Arbeit  auf 
der  Spulmaschine,  welche  eine  Anzahl  Spulen  gleichzeitig  bewickelt,  und  deren 
Einrichtung  in  Nebenumständen  mannigfach  abgeändert  werden  kann.  Die 
Einrichtungen  sind  a^usserdem  verschieden,  je  nachdem  sogen.  Laufspulen 
oder  Schleif  spulen  gebildet  werden  sollen.  Oft  werden  auch  die  Kötzer 
der  Seifaktoren  (s.  den  ^Artikel  Spinnerei),  direkt  als  Schleifspulen  verwendet, 
ebenso  wie  man  neuerdings  Kreuzrollen  auf  den  Spinnmaschinen  herstellt,  die 
als  solche  gleich  beim  Scheren  der  Kette  gebraucht  werden  können.  Das 
Scheren  oder  Schweifen  der  Kette  (curdir-warping).  Kettaufschlagen  oder 
-Zetteln  hat  den  Zweck,  die  Fäden  von  den  Spulen  zu  sammeln  und  in  gleicher 
Länge  unter  gleicher  Spannung  nebeneinander  auf  den  Kett-  oder  Scherbaum 
zu  bringen;  es  erfolgt  mittels  Schweif-  oder  Scherrahmens  und  des 
Spulengestells  (s.  die  einzelnen  Artikel).  In  der  mechanischen  Weberei 
geschieht  das  Kettenscheren  auf  Schermaschinen,  Kettschermaschi- 
nen, Zettelmaschinen  (curdissoir-warping  frame).  Man  unterscheidet  bei 
den  Schermaschinen  das  englische  und  das  sächsische  (Schönherrsche)  System. 
Bei  ersterem  wdrd  ein  Teil  der  zur  Webkette  gehörigen  Fäden  auf  die  volle 
Kettbaumbreite  geschert,  bei  letzterem  immer  nur  auf  einen  Teil  der  Baum- 
breite, aber  in  der  richtigen  Webekettendichte.  In  neuerer  Zeit  ist  eine  zwi- 
schen den  beiden  Maschinensystemen  stehende  Abart  sehr  in  Aufnahme  gekommen : 
die  Teil-  oder  Sektionsschermaschine  (Konusscher  und  Bäummaschine). 


Weberei.  619 


Um  ein  Zerreissen  der  leichter  gedrehten  Garne  aus  Flachs,  Baumwolle 
und  Wolle  zu  verhindern,  werden  die  Kettfäden  entweder  im  Webstuhl  oder 
vor  dem  Aufbäumen  durch  Bestreichen  mit  Klebstoffen  gestärkt  und  glatt 
gestrichen:  es  ist  dies  das  Schlichten,  Stärken  oder  Leimen  (parer, 
encoller-dressing).  Im  Webstuhl  geschieht  es,  indem  der  Weber  das  jeweilig 
zwischen  Kettbaum  und  Geschirr  befindliche  Stück  der  Kette  mittels  Bürsten 
mit  der  Schlichttnasse  (Leim  oder  Kleister,  Mehl-,  Dextrin-,  Moosschlichte) 
bestreicht.  Da  hierbei  die  Gieichmässigkeit  fast  ausgeschlossen  ist,  so  ge- 
schieht das  Schlichten  meist  vor  dem  Bäumen  mittels  Schlichtmaschinen.  Man 
unterscheidet  darin  die  schottische  Schlichtmaschine,  die  Zy linde r-Sizing- 
maschine,  die  Lufttr  ocken-Siz  ingma  s  chine  und  die  Strangschlicht- 
maschine. Während  bei  der  letzteren  Art  die  Kette  in  Strangform  ge- 
schlichtet wird  (ball  warping  and  sizing),  geschieht  dies  bei  den  ersten  drei 
Arten  von  den  Scherbäumen  in  voller  Breite  (beam  warping  and  sizing). 

Das  Aufbäumen  (pliage-beaming)  besteht  im  Aufwinden  der  gescherten 
Kettfäden  auf  den  Kettbaum  derartig,  dass  die  Breite  der  nebeneinander  liegen- 
den Fäden  etwas  grösser  ist,  als  diejenige  der  zu  webenden  Ware,  und  alle 
Fäden  gleichmässige  Entfernung  von  einander  haben,  welche  mittels  Scheide- 
kammes geschieht,  der  aus  zwei  Leisten  von  der  Länge  des  Kettbaumes  be- 
steht, zwischen  die  in  gleichen  Entfernungen  Metallstäbchen  eingesetzt  sind. 
In  der  mechanischen  Weberei  besorgen  die  Schlichtmaschinen  das  Trocknen 
und  Aufbäumen  in  einem  Durchgänge  der  Fäden;  indessen  müssen  für  die 
Ketten  in  Knäulform  besondere  Bäummaschinen  (machine  ä  enrouler- 
beaming  machine)  angewendet  werden. 

Ist  die  Kette  aufgebäumt,  so  wird  der  Kettbaum  in  den  Webstuhl  ein- 
gelegt und  es  beginnt  das  Einziehen  der  Kettfäden  (passage-drawing) 
durch  die  Litzenaugen  der  Schäfte,  indem  dieselben  der  ßeihe  nach  in  Haken 
der  Einziehnadel  gelegt  werden.  Die  Verteilung  der  Fäden  auf  die  einzelnen 
Kämme  richtet  sich  nach  der  Art  der  Bindung  des  anzufertigenden  Stoffes. 
Nachdem  erfolgt  in  derselben  Weise  mittels  des  Einziehmessers  das  Ein- 
ziehen der  Kettfäden  in  das  Rietblatt ,  wobei  je  nach  der  Dichte  der  Kette 
zwei  oder  mehrere  Fäden  durch  eine  Lücke  gezogen  werden.  Die  durch- 
gezogenen Kettfäden  werden  zunächst  zusammengeknotet,  um  ein  Zurück- 
bleiben zu  verhindern.  Durch  die  entstehenden  Schlingen  wird  ein  Stab  ge- 
steckt, der  durch  Schnüren  direkt  mit  dem  Warenbaum  oder  über  den  Brust- 
baum hinweg  mit  demselben  verhunden  ist.  Ist  auf  dem  Webstuhl  vorher 
dieselbe  Ware  gearbeitet  worden,  so  fällt  das  Einziehen  in  Schäfte  und  E,iet- 
blatt  weg  und  wird  durch  einfaches  Andrehen  ersetzt.  Hierzu  bleiben  von 
der  früheren  Kette  die  durch  Schäfte  und  Blatt  laufenden  Enden  erhalten  und 
es  werden  die  Fäden  der  neuen  Kette  angedreht,  wobei  kein  richtiger  Knoten, 
sondern  nur  eine  Umschlingung  gebildet  wird,  die  fest  genug  ist,  um  durch 
Ziehen  an  der  alten  Kette  ein  Durchziehen  der  neuen  durch  Schäfte  und 
Hiet  zu  ermöglichen. 

Vorarbeiten  des  Schusses.  Das  Spulen  (devidage-spooling)  be- 
zweckt, soweit  dies  nicht  schon  auf  der  Spinnmaschine  geschehen  ist  (wie 
z.  B.  bei  Baumwollgarn  als  Schusskötzer  (pincops)  ,  das  Schussgarn  in  eine 
für  das  Weben  brauchbare  Form  zu  bringen.  BaumwoU-,  feines  Leinen-  und 
Streichgarn  werden  auf  Holz-  oder  Blechspulen  mit  konischem  Ansatz  ge- 
bracht ;  weiches  Kammgarn  wird  auf  konische  (canette) ,  hartes  Kammgarn 
(Weft)  und  Seide  auf  zylindrische  Papierhülsen  (tube)  gewickelt.  Starke  Garne 
werden  in  Schlauchspulen  (Kötzer)  ohne  Spule  oder  Hülse  gebracht.  Die 
Schussspulmaschinen  (devidoir-pim  winder)  unterscheiden  sich  in  solche  mit 
Reibungsrollen-  und  solche  mit  Trichtersystem.  Die  Herstellung  der  Schlauch- 
spulen geschieht  auf  Kötzerspulmaschinen  (cop  winder).  Um  den  Schuss  beim 
Weben  weicher  und  nachgiebiger  zu  machen  und  dadurch  ein  dichteres  Zu- 
sammenschlagen zu  bewerkstelligen,  erfolgt  ein  Anfeuchten  der  Schussspulen 
(trempe-wetting),  entweder  durch  Einlegen  in  Wasser  oder  besser  im  An- 
feuchtapparat,   einem    eisernen   Kasten    mit    abhebbarem  Deckel,    der  die 


620  Weberei. 


Spulen  aufnimmt.  Durch  Einpressen  von  Wasser  mittels  einer  Pumpe,  oder 
durch  das  Aussaugen  der  Luft  und  das  dadurch  bedingte  Nachdringen  des 
Wassers  werden  die  Spulen  vollständig  von  Wasser  durchdrungen.  Hierauf 
wird  das  überschüssige  Wasser  aus  den  Spulen  durch  eine  Centrifuge  entfernt. 

Die  Musterung  der  Gewebe  geschieht  innerhalb  des  Webestuhles 
durch  Kontermarsch,  durch  die  Schaftmaschine  oder  durch  die  Jac- 
quardmaschine. 

In  der  Vorrichtung  zur  Fachbildung  am  Handwebstuhl  ist  der 
Kontermarsch  der  am  meisten  gebräuchlichste.  Jeder  Schaft  hängt  andern 
einen  Ende  eines  oben  im  Stuhlgestell  augebrachten  zweiarmigen  Hebels,  von 
dessen  anderem  Ende  eine  Schnur  nach  unten  führt,  die  am  Ende  eines  langen 
unten  quer  im  Stuhl  über  den  Tritten  angebrachten  einarmigen  Hebels,  der 
„langen  Marsche"  befestigt  ist.  Unter  dem  Schaft,  ebenfalls  über  den 
Tritten  querliegend,  ist  ein  kurzer  einarmiger  Hebel  „die  kurze  Marsche" 
angebracht  und  mit  der  unteren  Querleiste  des  Schaftes  verbunden.  Wird  an 
der  kurzen  Marsche  gezogen,  so  muss  der  Schaft  gesenkt  werden,  durch  Zug 
an  der  langen  Marsche  wieder  gehoben.  Es  muss  daher  jeder  Tritt  mit  den 
langen  Marschen  derjenigen  Schäfte  geschnürt  werden,  deren  Kettfäden  bei 
dem  betreffenden  Schuss  gehoben,  und  mit  den  kurzen  Marschen  der  Schäfte, 
deren  Kettfäden  bei  demselben  Schuss  gesenkt  werden  sollen.  Jeder  Schaft 
muss  demnach  mit  sämtlichen  Tritten  teils  durch  die  kurzen,  teils  durch  die 
langen  Marsche  verbunden  sein,  in  welcher  Weise  wird  durch  die  jeweilige 
Schnürung  nach  dem  Musterbilde  bestimmt  (s.  Bindungen).  Es  ist  ersichtlich, 
dass  die  Zahl  der  Tritte  und  Schäfte  nur  eine  beschränkte  sein  kann,  und 
dass  nur  kleinere  Bindungsrapporte  damit  erzielt  werden  können.  Zur  Her- 
stellung grösserer  Bindungsrapporte,  bei  denen  viele  Schäfte  und  Tritte  ge- 
braucht werden,  kommt 

die  Schaftmaschine  in  Anwendung,  bei  welcher  die  Tritte  weg- 
fallen. Sie  steht  auf  Querpfosten  über  den  Schäften.  Letztere  sind  an  die 
Platinen  angehängt,  welche  aus  starkem  Draht  oder  Holz  bestehen.  Durch 
einen  horizontalen  Hebel  (Messer  genannt),  vermitteln  die  Platinen  das  Hoch- 
gehen der  Schäfte  (Hubplatinen).  Die  Senkplatinen  ziehen  den  Schaft 
nach  unten.  Zu  jedem  Schaft  gehören  zwei  Platinen,  die  links  und  rechts 
neben  dem  Messer  stehend,  die  Haken  diesen  zukehren  und  mit  Nadelkasten 
und  Nadelbrett  verbunden  sind.  Je  nachdem  nun  die  durch  Eedern  nach 
vorn  gerückten  Nadeln  in  das  Loch  eines  vorgelegten  Kartenblattes  (s.  S.  621) 
treffen  oder  nicht,  erfolgen  die  Hebungen  oder  Senkungen  der  Schäfte.  Diese 
Maschine  wird  vom  Weber  in  Tätigkeit  gesetzt,  indem  er  einen  unten,  hinten 
am  Stuhl  drehbar  gelagerten,  kräftigen  einarmigen  Hebel  niedertritt.  Dadurch 
wird  durch  Schnur-  und  Hebelverbindung  das  Messer  mit  den  Platinen  ge- 
hoben, ein  Zylinder,  der  auf  allen  Seiten  mit  Löchern  versehen  ist,  von  dem 
Nadelbrett  entfernt  und  gewendet.  Beim  Hochlassen  des  Tritthebels  senkt 
sich  das  Messer  (die  Maschine  fällt  ein),  der  Zylinder  wdrd  mit  der  nächsten 
Karte  gegen  das  Nadelbrett  gepresst  und  somit  die  Platinenstellung  für  den 
nächsten  Schuss  vorbereitet.  Während  man  bei  der  Musterbildung  durch  die 
Schaftmaschine  noch  dadurch  beschränkt  ist,  dass  die  auf  einen  Schaft  ge- 
zogenen Kettfäden  immer  gleichzeitig  gehoben  w^erden,  ermöglicht 

die  Jacquardmaschine  die  Herstellung  eines  Musters,  welches  über 
zahlreiche  Kett-  und  Schussfäden  gehen,  sogar  ohne  Wiederholung  des  Bap- 
ports  die  ganze  Breite  der  Ware  einnehmen  kann.  Sie  wurde  im  Jahre  1805 
von  Charles  Marie  Jacquard  in  Lyon  erfunden  und  verdrängte  alle  früheren 
zur  Herstellung  zusammengesetzten  Muster  gebrauchter  Apparate,  als  den 
Kegelstuhl,  Zampelstuhl,  Trommelstuhl,  die  Leinwandmaschine  u.  v.  a.  (vgl. 
Kar  mar  seh,  Handbuch  der  mechanischen  Technologie,  Leipzig  1876;  F.  Kohl, 
Greschichte  der  Jacquardmaschine,  Berlin  1873). 

Durch  die  Jacquardmaschine  wird  ermöglicht,  dass  innerhalb  des  Bap- 
portes  jeder  einzelne  Kettfaden  unabhängig  von  dem  anderen  gehoben  werden 
kann.    Er  hat  seine  besondere  Litze  und  den  Heber,  die  Harnischschnur. 


Weberei.  621 


Der  letztere  ist  diircli  eine  zweite  Schnur,  Korde  oder  Platinenschnur 
an  den  Hebeliaken,  Platine,  geknüpft.  Jede  Platine,  hier  nur  Hubplatine,  ist 
mit  einer  horizontalen,  federnden  Nadel  derartig  verbunden,  dass  ein  Zurück- 
drücken der  Nadel  ein  Schiefstellen  der  Platine  bewirkt,  wie  bei  der  Schaft- 
maschine. Pur  jede  Eeihe  der  Platinen  ist  ein  Messer  vorhanden,  die  alle  in 
einem  Rahmen  befestigt  sind  und  mit  diesem  gehoben  werden  können.  Die 
Ein-  und  Ausrückung  der  Platinen  aus  dem  Bereich  der  Messer  geschieht 
durch  die  Nadeln,  das  Prisma  oder  Zylinder  und  die  darüberlaufenden 
Karten.  Es  erfolgt  also  ein  Hub  des  betr.  Kettfadens,  wenn  die  zugehörige 
Platine  in  ihrer  Puhestellung  senkrecht  verbleibt ,  d.  h.  wenn  die  Nadel  in 
den  Zylinder  eintreten  kann,  wenn  also  in  die  Pappkarte  für  die  Nadel  ein 
Loch  geschlagen  ist.  Ist  kein  Loch  geschlagen,  so  wird  die  Nadel  und  mit 
ihr  die  Platine  zurückgedrückt  aus  dem  Bereich  des  Messers,  kann  somit  nicht 
an  ihrem  oberen  Haken  vom  aufwärtsgehenden  Messer  erfasst  werden  und 
bleibt  auf  dem  Piatinenboden  stehen,  der  Kettfaden  wird  nicht  gehoben.  Eine 
Senkung  der  Fäden  erfolgt  nur  bei  beweglichem  Platinenboden,  besonders  bei 
der  mechanischen  AVeberei.  Die  Anzahl  der  Platinen  ist  bei  den  Jacquard- 
maschinen sehr  verschieden.  Man  hat  solche  mit  100,  200,  400,  600,  800  und 
1200  Platinen  bei  sog.  Grobstichmaschinen.  Bei  Feinstichmaschinen 
steigt  die  Zahl  der  Platinen  bis  2640. 

Die  Harnischschnüre  werden  auseinandergeführt  und  geordnet ,  durch 
das  sog.  Harnisch-  oder  Chorbrett,  Gallierbrett,  entweder  ein  mit  entsprechender 
Bohrung  versehenes  Holzbrett,  oder  ein  Kahmen,  in  dem  durchlöcherte  Por- 
zellanplatten eingesetzt  sind ,  oder  ein  aus  sich  kreuzenden  Metallstäben  ge- 
bildetes Gitter.  Durch  die  Löcher  dieses  Brettes  werden  die  Harnischschnüre 
nach  der  E/eihenfolge  der  Platinen  gezogen ,  eingalliert.  Die  einmalige  Ein- 
ziehung der  Schnüre  sämtlicher  Platinen  nennt  man  Kurs  oder  Chemin; 
bei  den  für  mehrere  Rapporte  eingezogenen  Schnüren  spricht  man  von  mehr- 
teiliger, gleichlaufender  Schnürung,  oder  von  einer  „Gallierung  gerade- 
durch".  Ist  das  Muster  symmetrisch,  ohne  sich  zu  ■  wiederholen,  so  erhält  jede 
Korde  zwei  Harnischschnüre  und  es  werden  diese  so  eingalliert,  dass  die 
Schnüre  der  ersten  Platine  ganz  aussen  links  und  rechts  im  Chorbrett  ein- 
gezogen werden  und  die  beiden  Schnüre  der  letzten  Platine  in  der  Mitte  des 
Brettes  dicht  nebeneinander  stehen.  Es  ist  dies  die  einteilige  zusammen- 
laufende Schnürung  oder  „Gallierung  einfach  auf  Spitz".  Wiederholt 
sich  ein  symmetrisches  Muster  mehrmals  im  Webstuhl,  so  muss  jede  Korde  so- 
viel Schnüre  erhalten,  als  halbe  Rapporte  vorhanden  sind  und  die  Gallierung 
erfolgt  je  einer  Schnur  von  der  ersten  bis  zur  letzten  Platine,  dann  rück- 
wärts je  eine  von  der  letzten  bis  zur  ersten;  dann  wieder  vorwärts  u.  s.  f. 
Man  nennt  diese  Gallierung,  die  mehrteilige  zusammenlaufende  Schnü- 
rung, oder  Gallierung  mehrfach  auf  Spitz.  Unterhalb  des  Chorbretts 
werden  an  die  Harnischschnüren  die  Litzen  angeknüpft,  die  an  ihrem  unteren 
Ende  durch  ein  Gewicht  zum  Strammhalten  der  Schnüre,  das  Harnischeisen, 
beschwert  sind.  Sämtliche  Harnischschnüre  zusammen  mit  dem  Chorbrett  und 
der  Eingallierung  nennt  man  den  Harnisch,  und  man  unterscheidet  je  nach 
der  Stellung,  wo  sich  die  erste  Platine  in  der  Maschine,  sowie  die  erste  Har- 
nischschnur im  Chorbrett  befindet,  erstens  einen  Chemnitzer  Harnisch,  zweitens 
einen  Berliner  und  drittens   einen  englischen  oder  offenen  Harnisch, 

Der  Ausführung  eines  Musters  auf  dem  Webstuhle  geht  die  Verfertigung 
einer  auf  Papier  gemalten  Zeichnung  desselben  voraus.  Diese  Patrone,  aus 
welcher  dann  der  Weber  die  jeweilige  besondere  Anordnung  des  Stuhles  ab- 
leitet, muss  über  den  Lauf  oder  die  Lage  eines  jeden  Ketten-  und  Eintrag- 
fadens Aufschluss  geben  und  eine  genaue  vergrösserte  Abbildung  des  gewebten 
Stoffes  darstellen.  Hierzu  bedient  man  sich  verschiedener  Linienpapiere, 
die  auch  nach  dem  Italienischen  Carta-rigata-Papiere  genannt  werden;  sie 
sind  in  eine  bestimmte  Anzahl  von  Quadraten  oder  Rechtecken  von  den  ver- 
schiedensten Verhältnissen  der  Breite  zur  Höhe  eingeteilt :  genau ,  wie  sich 
eben  die  Verhältnisse  der  Dicke  der  Kettenfäden  zur  Stärke    der  Schussfäden 


622  Weberei. 


herausstellen.  Denn  man  muss  sich  vorstellen,  dass  der  Zwischenraum  von 
einer  Linie  zur  anderen  die  jeweilige  Dicke  des  Kettenfadens  bei  den  vertikal 
laufenden  oder  die  Dicke  des  Schuss-  oder  Eintragfadens  bei  den  horizontal 
laufenden  Linien  darstellt.  Die  für  die  Patrone  notwendige  Yergrösserung 
der  zuerst  gemalten  Skizze  des  Musters  geschieht  mittels  Netzes;  das  älteste 
mechanische  Verfahren  geschah  durch  den  Storchschnabel,  dann  bediente  man 
sich  optischer  Apparate  und  in  neuerer  Zeit  hat  sich  die  Photographie  dieses 
Kunstzweiges  bemächtigt,  welches  Verfahren  aber  noch  nicht  viel  über  Ver- 
suchsanfänge hinausgekommen  ist.  Die  Werkzeichnung  oder  Patrone  ist  also 
der  Plan,  auf  welchem  die  Verflechtung  der  Ketten-  und  Schussfäden  fest- 
gestellt wird  und  die  Jacquardkarten  sind  das  Endresultat  aller  vorangegangenen 
Arbeiten. 

Die  Herstellung  der  Karten  erfolgt  durch  Kartenschlagmaschinen, 
deren  vollständigste  jene  ist,  bei  welcher  auf  einen  Schlag  sämtliche  Löcher 
einer  Karte  hergestellt  werden.  Dem  Kartenschlagen  geht  das  Levieren, 
Einlesen  (lisage-reading)  voraus.  Man  bedient  sich  hierzu  eines  Levier- 
rahmens,  aufweichen  so  viel  senkrechte  Schnüre  eingespannt  sind,  als  die 
Jacquardmaschine,  für  die  leviert  wri'd,  Platinen  besitzt.  Jede  Schnur  ent- 
spricht einem  bestimmten  Kettenfaden  des  Musters.  Der  Levierer  nimmt  nun 
nach  der  Patrone,  mit  der  ersten  Querreihe  beginnend,  alle  Schnüre  vor,  deren 
Kettfäden  in  der  Patrone  als  Hochgang  gezeichnet  sind.  Die  Kartenschlag- 
maschine, im  Bau  der  Jacquardmaschine  sehr  ähnlich,  enthält  so  viele  Aus- 
schlagstempel wie  die  Jacquardmaschine  Platinen  und  der  Zylinder  Löcher 
hat.  Gregen  diese  Stempel  wirkt  eine  gelochte  Platte  (Matrize),  auf  welche 
die  zu  lochende  Karte  gelegt  wird.  Jeder  Stempel  stützt  sich  gegen  ein  be- 
sonderes Blech  (Platte) ,  die  durch  eine  Schnur  gehoben  werden  kann.  Im 
Ruhezustand  steht  dem  Stempel  ein  Ausschnitt  in  der  Platte  gegenüber,  sodass 
der  Stempel  federnd  zurückweichen  kann.  W^ird  die  Platte  aber  gehoben ,  so 
wird  der  Stempel  festgehalten  und  beim  Anschlag  der  Matrize  durch  die  davor 
liegende  Karte  gedrückt.  Die  von  den  Platten  nach  oben  gehenden  Schnüre 
sind  mit  den  Schnüren  des  Levierrahmens  verbunden,  sodass  die  entsprechenden 
Platten  im  Schlagwerk  gehoben  werden,  wenn  im  Levierrahmen  die  einge- 
schobenen Querschnüre  angezogen  werden.  Durch  einen  Tritt  auf  einen  Hebel 
erfolgt  der  Anschlag  der  Matrize  und  das  Durchlochen  der  Karte.  Es  gibt 
auch  Schlagwerke,  bei  denen  nicht  die  ganze  Karte  auf  einmal,  sondern  die 
einzelnen  Peihen  einzeln  geschlagen  werden,  wobei  die  Stempel  entweder  durch 
Schnüre  (Strippenmaschine)  oder  durch  eine  Klaviatur  (Ciavismaschine)  betätigt 
werden.  Auf  besonderen  Maschinen,  den  Jacquardkartenkopiermaschinen,  lassen 
sich  die  Pappkarten  kopieren  bezw.  vervielfältigen. 

In  der  mechanischen  Weberei  sind  für  die  Vorrichtungen 
zur  Fachbildung  noch  von  Wichtigkeit: 

Das  Geschirr  (Schäfte  oder  Flügel)  sind  entweder  (paarweise)  über 
Bollen  aufgehängt  oder  frei  an  Hebelarmen.  Die  Bewegung  erfolgt,  wie  beim 
Handstuhl,  durch  Tritte,  auf  die  hier  Exzenter  wirken  (umwundene  Scheiben, 
die  je  nach  der  Art  der  Bindung  verschiedene  Form  haben). 

Bei  der  Anordnung  der  Tritte  unterscheidet  man  Innentritte  (innerhalb 
des  Stuhlgestells)  und  Aussentritte  (ausserhalb)  (Bradford-System,  Bradford- 
loom) ;  bei  schweren  Waren  und  für  eine  grössere  Zahl  von  Schäften  und  Tritten 
wendet  man  die  Bundscheiben  (tappetwheels  von  Woodcroft)  an.  Bei  mehr 
als  12 — 16  Schäften  verwendet  man  die  Schaft-  oder  Trittmaschinen  (ratiöre- 
dobby)  oder  bei  noch  weitergehenden  Musterungen  die  Jacquardmaschine 
(machine  jacquarde  —  Jacquard  engine).  Diese  Maschinen  können  eingeteilt 
werden  1.  in  reine  Aufzugmaschinen  (nur  für  oberes  Fach)  oder  Auf-  und 
Niederzugmaschinen  (für  volles  Fach) ;  2.  in  Einhub-  und  Doppelhiibmaschinen, 
je  nachdem  ein  oder  zwei  Messer  angewendet  werden.  Bei  den  ersteren  macht 
das  Messer  per  Schuss  einen  vollen  Hin-  und  Hergang,  bei  den  letzteren  aber 
einen  Hin-  oder  Hergang  und  kommt  abwechselnd  das  eine  oder  andere  Messer 
zur  Wirkung.     Die  letzteren  haben  für  jeden  Schuss  zwei  Platinen  (für  jedes 


Weberei.  623 


Messer  eine)  oder,  wie  nur  bei  den  Schaftmaschinen,  statt  dessen  eine  Doppel- 
platine (mit  2  Haken).  Die  ersteren  werden  bei  langsam  gehenden  Webstühlen 
(breiten  Musterstühlen ,  Buckskinstühlen) ,  letztere  bei  schnellgehenden  Web- 
stühlen (engl.  System)  angewendet  und  finden  jetzt  bei  solchen  ausschliessliche 
Verwendung. 

Die  Schaftmaschinen  werden  noch  eingeteilt  in  Ofi'enfach-  und  Geschlossen- 
fach-Maschinen, je  nachdem  durch  die  Maschine  diejenigen  Schäfte,  die  beim 
nächsten  Schuss  in  derselben  Stellung  sein  sollen  wie  beim  vorhergehenden,  in 
dieser  während  des  Ladenanschlags  verbleiben  oder  nicht,  also  während  der 
Ladenbewegung  das  Fach  offen  oder  geschlossen  ist.  Verschiedene  Kon- 
struktionen der  seitlich  am  Stuhl  angeordneten  Schaftmaschinen  für  mechanische 
Webstühle  (Einhubmaschinen)  sind:  Die  Schönherrsche  Schaftmaschine,  die 
Crampton- Schaft-  oder  -Trittmaschine,  die  Schaftmaschine  von  Gülcher  in 
Biala,  ferner  die  oben  in  der  Mitte  des  Stuhls  angeordnete  Schaftmaschine 
von  Hutchinson  &  Hollingworth  in  Dobcross  (Dobcross  dobby),  die  Hattersley- 
Einhubmaschine. 

Doppelhubmaschinen  sind  die  Hodgsonmaschine  mit  Zylinderwendung  für 
jeden  Schuss,  die  Hattersleymaschine  mit  Zylinderwendung  für  je  2  Schuss, 
die  Tannwalder-Maschine,  Maschine  von  Livesey  (Blackburn  dobby),  bei  denen 
2  Zylinder  abwechselnd  zur  Wirkung  kommen,  die  eine  für  die  geraden,  die 
andere  für  die  ungeraden  Schüsse. 

Wesentlich  verschieden  von  diesen  mit  Messern  arbeitenden  Schaft- 
maschinen sind  die  von  Knowles  in  Worcester,  Mass.  N.  A.  und  die  von  G. 
Hagdson  in  Bradfort,  bei  denen  statt  der  Messer  entweder  ausschliesslich 
Zahnräder  oder  Zahnräder  und  Zugstangen  verwendet  sind. 

Die  Schaftmaschinen  können  die  Musterung  bewirken  mit  Hilfe  von 
Karten  (Papp-  oder  Metallkarten  mit  Löchern,  Holz-  oder  Metallkarten  mit 
Stiften  oder  Daumen,  Kartenketten  mit  !Rollen  aus  Gusseisen  oder  Hartgummi). 
oder  mit  Hilfe  von  Trommeln  (Stift-,  Daumen-  oder  Löchertrommeln). 

Die  Jacquardmaschinen  sind  als  Einhubmaschinen  (für  Halbfach)  ganz  in 
gleicher  Weise  gebaut  wie  für  die  Handstühle,  nur  ist  der  Hebel  zur  Hebung 
des  Messerkastens  seitlich  angeordnet  und  erhält  den  Antrieb  von  der  Haupt- 
welle durch  eine  Kurbel  oder  einen  Exzenter.  Die  Maschinen  für  Möbelstoffe, 
Teppiche  sind  meist  Auf-  und  Xiederzugmaschinen,  mit  abwärts  gehender  Be- 
wegung des  Platinenbodens.  Um  das  Auswechseln  der  Karten  bei  Mustern 
mit  Spiegel  und  Bordüre  bei  Decken  etc.  zu  vermeiden,  sind  zuweilen  2  Zy- 
linder, der  eine  oberhalb,  der  andere  unterhalb  des  Nadelbretts  gelagert,  an- 
gebracht, jeder  mit  besonderen  Karten.  Während  der  ^Arbeit  mit  dem  einen 
Zylinder  ist  der  andere  ausgeschaltet.     (Aug.  Fröbel,  Chemnitz.) 

Bei  den  Jaquardmaschinen  für  Velour-  und  Brüsselteppiche  ist  stets  die 
Einrichtung  getroffen,  dass  sich  das  Gallierbrett  um  einen  halben  Hub  mithebt, 
wodurch  alle  von  der  Maschine  nicht  gehobenen  Polfäden  halb  so  hoch  gehoben 
werden.  Dadurch  wird  ein  Doppelfach  gebildet,  welches  gestattet,  dass  der 
Schütze  für  das  Grundgewebe  durchlaufen  kann,  gleichzeitig  aber  auch  die 
Nadel  zur  Herstellung  der  Samm  et  schlinge  durchgeschoben  werden  kann.  Die 
Harnischschnüre  sind  über  dem  Gallierbrett  mit  Knoten  versehen. 

Die  Doppelhub-Jacquardmaschinen  sind  stets  ganz  aus  Eisen  mit  je 
2  Platinen  für  jede  Litzenpartie.  Die  Platinenschnüre  der  beiden  zusammen- 
gehörigen Platinen  sind  mit  den  Hebern  der  betr.  Litzenpartie  verbunden. 
Beide  Platinen  sind  an  gemeinsamer  Nadel  angeordnet.  Jed«  Platinengruppe 
hat  ihre  besonderen  Messer,  diese  abwechselnd  für  jeden  Schuss  eine  Auf-  oder 
Herabbeweguug,  sodass,  je  nach  dem  Muster,  die  Platine  der  einen  oder  der 
anderen  Gruppe  für  die  betreffenden  Litzen  von  dem  heraufgehenden  Messer 
erfasst  und  gehoben  wird. 

Für  gewisse  Gewebe,  bei  denen  eine  Bindekette  glatt  durchbindet,  oder 
bei  Damast,  werden  auch  Jacquard-  und  Schaftmaschinen  gleichzeitig,  letztere 
dann  für  das  Vordergeschirr  verwendet.  Zur  Vermeidung  des  dabei  ent- 
stehenden Kreuzfaches  und  der  dadurch  bedingten  starken  Beanspruchung  der 


624  Weberei. 


Kettfäden  werden  auch  besonders  eingerichtete,  aber  sehr  komplizierte  Jacquard- 
maschinen angewendet.    (Patent  Günther,  Sachs.  Webstuhlfabrik  v.  Schönherr.) 

Die  Yerkreuzungen  der  Ketten-  und  Schussfäden  nennt  man  Bindungen, 
welche  unterschieden  werden  nach  dem  jeweiligen  Kapp  ort,  d.  i. :  die  regel- 
mässige Wiederkehr  einer  Kett-  und  Schussfadengruppe,  welche  nach  be- 
stimmten Regeln  unter  einander  verkreuzt  sind.  Der  kleinste  ßiüdungsrapport 
umfasst  zwei  Kett-  und  zwei  Schussfäden,  derartig,  dass  der  erste  Kettenfaden 
über  den  ersten  Schuss  und  unter  den  zweiten  Schuss  geht,  während  der  zweite 
Kettfaden  unter  den  ersten  und  über  den  zweiten  Schuss  zu  liegen  kommt. 
Sie  bildet  die  erste  Gruppe  der  Grundbindungen  (s.  den  Artikel  Bindungen 
und  Tafel  XV).  Die  auf  d^r  Patrone  (s.  S.  621)  dargestellten  senkrechten 
Quadratreihen  werden  als  Kettfäden,  die  wagerechten  als  die  Schussfäden  be- 
trachtet und  man  bezeichnet  den  Hochgang  des  Kettenfadens  über  den  Schuss  durch 
einen  farbigen  Punkt.  Die  Leinwandbindung,  d.i.  der  einfachste  Bindangs- 
rapport,  muss  sich  also  bei  regelmässiger  Wiederholung  als  schachbrettartiges 
Peld  kennzeichnen  (Abb.  1,  Taf.  XY).  Zur  Herstellung  dieser  Fadenkreuzung 
bedarf  es  im  Webstuhl  nur  zweier  Schäfte,  von  denen  der  erste,  der  von  den 
vom  Kettenbaum  ablaufenden  Fäden  zuerst  erreicht  wird,  die  sämtlich  ungerade 
numerierten  Fäden  in  seinen  Litzen  führt,  während  der  zweite  die  geraden 
Kettenfäden  enthält.  Da  diese  Bindung  nur  zwei  verschiedene  Schussfäden 
enthält,  so  bedarf  man  zur  Bewegung  der  Schäfte  auch  nur  zweier  Tritte,  und 
zwar  ist  die  Verbindung  der  Schäfte  mit  den  Tritten  durch  Bindfäden  (die 
Schnürung)  derartig  zu  wählen,  dass  der  1,  Tritt  den  1.  Schaft  beim  ersten 
(untersten)  Schusse  tief  zieht,  den  2.  dagegen  hebt;  beim  2.  Schusse,  für  den 
der  2.  Tritt  getreten  wird,  muss  der  2.  Schaft  gehoben,  der  1.  dagegen  gesenkt 
werden.  Die  Anzahl  der  Schäfte  richtet  sich  somit  nach  der  Anzahl  der  ver- 
schieden hebenden  Kettfäden,  die  der  Tritte  nach  der  der  verschieden  bindenden 
Schussfäden.  Dem  Weber  wird  für  die  Einrichtung  des  Stuhles  der  Einzug 
der  Kettfäden  über  der  Patrone  vorgezeichnet,  indem  man  einige  querliegende 
Quadratreihen  als  Schäfte  betrachtet  und  auf  den  ersten  Schaft  diejenigen  Fäden 
markiert,  die  dorthin  gezogen  werden  sollen,  auf  den  zweiten  und  folgenden 
die  jeweilig  dahin  zu  ziehenden.  Für  die  Anzahl  der  Tritte  und  die  anzu- 
gebende Reihenfolge,  in  der  diese  Tritte  zu  treten  sind  (Trittweise) ,  benutzt 
man  einige  senkrechte  Quadratreihen  neben  der  Patrone ,  und  markiert  hier 
für  den  jeweilig  vorliegenden  Schuss  den  zu  tretenden  Tritt  ebenfalls  durch 
farbigen  Punkt.  An  den  KJreuzungsstellen  der  Schaftreihen,  mit  denen  der 
Tritte,  wird  für  den  Weber  die  Schnürung  gezeichnet,  indem  man  die  Ver- 
bindung für  die  Hochgänge  ebenfalls  durch  Farbe  markiert.  Ist  die  Kette 
sehr  dicht  eingestellt,  sodass  auf  jeden  Schaft  auf  1  cm  mehr  als  10  Litzen 
kommen,  dann  vermehrt  man  die  Schäfte,  so  dass  an  Stelle  jedes  einzelnen 
Schaftes  zwei  oder  drei  treten,  die  dann  natürlich  gleiche  Hebungen  haben 
müssen.  Eine  Vermehrung  der  Tritte  ist  nur  notwendig  bei  mehreren  ver- 
schiedenen Schüssen. 

Die  Köperbindung  (s.  Taf.  XV,  Abb.  2)  (serge-regular  tweel)  ist  die 
zweite  Grundbindung.  Es  sind  mindestens  3  Schäfte  und  3  Tritte  notwendig. 
Man  benennt  die  Köper  einesteils  nach  der  Fadenzahl  des  Bindungsrapportes, 
indem  man  von  3,  4,  5,  7,  8  oder  12  bdg.  Köper  spricht,  andernteils  aber 
auch,  je  nachdem  in  der  Hauptsache  der  Schuss  oder  die  Kette,  oder  beides 
gleichmässig  an  der  Oberseite  der  Ware  liegt,  indem  man  von  Schussköper, 
Kettköper  oder  gleichseitigem  (beidrechtem)  Köper  spricht.  Der  Köper 
charakterisiert  sich  in  Bindung  als  auch  im  Gewebe  durch  schräg  über  das 
Gewebe  laufende  Grate  (Diagonal). 

Die  Köperbindung  entsteht,  indem  der  Hochgang  des  1.  Kettfadens  über 
den  ersten  Schuss,  der  des  2.  Kettfadens  über  den  2.  Schuss,  der  des  3.  über 
den  3.  Schuss  erfolgt  u.  s.  w.  je  nach  Grösse  des  Bindungsrapports.  Während 
sowohl  bei  den  Kett-  als  auch  bei  den  Schussköpern  nur  ein  Kettfaden  bei 
jedem  Schusse    hoch   oder   tief  liegt,    ist   beim  gleichseitigen  Köper  gleichviel 


AVeberei.  625 


Kette  und  Schuss  oben,  z.  B.  beim  Sbindigen  4  Kettfäden  oben  und  4  unten. 
Die  Verschiebung  der  Bindung  erfolgt  in  jedem  weiteren  Schusse  um  je  einen 
Paden  nach  links  oder  nach  rechts,  je  nachdem  dies  die  gewünschte  Grat- 
richtung verlangt. 

Bei  der  Atlasbindung  (satin — broken  tweel)  als  dritte  der  Grund- 
bindungen (Abb.  3,  Taf.  XY),  sind  die  Bindungspunkte  regelmässig  über  den 
Bindungsrapport  verstreut ,  ohne  aneinander  zu  stossen.  Der  kleinste  Atlas 
ist  der  öbindige;  5  Kett-  und  5  Schussfäden  mit  5  Hochgängen  im  Bindungs- 
rapport. Je  nach  der  am  meisten  obenliegenden  Fadensorte  unterscheidet  man 
auch  hier  Kett-  und  Schussatlas.  Man  geht  bei  den  Atlasbindungen  nicht 
über  die  löbindige  hinaus  und  konstruiert  sie ,  indem  man  die  Bindungszahl, 
z.  B.  8,  in  zwei  Teile  teilt,  die  aber  nicht  gleich  sein  dürfen  (4 :  4),  und  nicht 
ineinander  aufgehen  dürfen  (2 : 6) ;  drittens  nicht  durch  eine  dritte  Zahl 
teilbar  sein  dürfen  (z.  B.  beim  15bdg.  9:6);  beim  Sbindigen  also  in  3  und  5. 
Diese  Zahlen  nennt  man  die  Fortschreitungszahlen.  Man  arbeitet  z,  B. 
mit  3,  indem  man  von  dem  zuerst  in  die  Patrone  gesetzten  Hochgang  auf  die 
Kreuzung  des  nächsten  Kett-  und  Schussfadens  rückt  und  zählt  von  hier  aus- 
gehend auf  dem  Kettfaden  nach  unten  3  Punkte  ab  und  markiert  den  ge- 
fundenen farbig.  Hat  man  beim  8bdg.  Köper  beim  1.  Schuss  den  1.  Kettfaden 
gehoben,  so  hebt  also  der  2.  Kettfaden  beim  4.  Schuss,  der  3.  beim  7.  Schuss, 
der  4.  würde  beim  10.  Schuss  zu  heben  haben  und  zwar  ist  dies  der  2.  Schuss 
des  nächsten  Papportes.  Es  gehört  somit  auch  ein  Hochgang  auf  den  2.  Schuss 
des  1.  Papportes  und  wird  dann  von  diesem  mit  3  wie  oben  weitergezählt. 
Es  verteilen  sich  die  Bindungspunkte  im  ganzen  Papport  nach  der  Peihe  der 
Kettfäden  wie  folgt  auf  die  Schüsse:   1.  4.  7.  2.  5.  8.  3.  6.  Schuss. 

Der  einzige  unregelmässige  Atlas  ist  der  6bdg.,  dessen  Bindungszahl  nur 
in  gleiche  oder  ineinander  aufgehende  Zahlen  zu  teilen  ist.  Man  setzt  die 
Bindungspunkte  entweder  auf  den  1.  3.  5.  2.  4.  6.  Schuss  oder  besser,  da 
hierbei  beim  Ansetzen  der  weiteren  Papporte  der  1.  and  6.  köperartig  an 
einander  stossen,  auf  den  1.  3.  5.  2.  6.  4.  Schuss,  wobei  dieser  IJebelstand 
vermieden  wird. 

Abgeleitete  Bindungen.  Die  einfachen  Ableitungen  erhält  man  durch 
Veränderungen  des  Einzugs  (Passierung),  der  Trittweise,  oder  auch  der 
Schnürung.  Bei  den  Einzügen  unterscheidet  man:  Gerade  durch,  wenn  der 
1.  Kettfaden  auf  den  1.  Schaft,  der  2.  Faden  auf  den  2.  Schaft  u.  s.  f.  bis  der 
letzte  auf  den  letzten  Schaft  passiert  (eingezogen  wird);  springend,  wenn 
die  Kettfäden  der  Peihe  nach  passiert  werden:  z.  B.  1.  3.  2.  4.  Schaft,  oder 
1.  3.  5.  2.  4.  6.  Schaft;  im  Doppelspitz,  d.h.  gerade  durch  bis  zum  letzten 
Schaft  und  von  diesem  rückwärts  wieder  bis  zum  ersten.  Auf  den  letzten 
und  ersten  Schaft  stehen  dann  2  gleich  bindende  Fäden  nebeneinander.  Um 
dies  zu  vermeiden  und  eine  scharfe  Spitze  zu  bekommen,  passiert  man  auf 
Spitz  1.  2.  3,  4.  5.  6.  7.  6.  5.  4.  u.  s.  f.,  so  dass  der  erste  und  letzte  Schaft 
nur  halb  soviel  Fäden  erhalten  als  die  übrigen;  satzweise,  indem  man  z.  B. 
die  ersten  4  Schäfte  3-  oder  4mal  gerade  durch  passiert,  dann  die  Schäfte 
5 — 8  ebenfalls  mehrmals  gerade  durch.  Weiter  gibt  es  noch  eine  Anzahl 
Passierungen,  die  von  der  Spitzpassierung  abgeleitet  sind:  gebrochen  Spitz, 
verlängert  Spitz  u.  s.w.,  weiter  ineinander  geschobene  Passierungen,  satz- 
weise Passierungen,  mustermässige  u.  s.  w.  Aehnliche  Veränderungen,  wie  in 
der  Passierung,  kann  man  auch  in  der  Trittweise  machen,  indem  man  die  Tritt- 
weise gerade  durch  umwandelt  in  Trittweise  auf  Spitz,  oder  satzweise,  oder 
kombinierte  Trittweisen  anwendet. 

Ableitungen  der  Taffetbindung  erreicht  man  zunächst,  indem  man  2 
oder  mehrere  Kettfäden  neben  einander  auf  denselben  Schaft  passiert,  also 
gleich  binden  lässt.     Man  erhält  dann  mehrfädige  Leinwand,  Längsrips. 

Mehrschüssige  Leinwand,  Schussrips,  Gros  de  tours  erhält  man 
bei  einfädiger  Passierung  durch  Verdoppelung  der  Schüsse  in  ein  und 
dasselbe    Fach.       Um    ein  Zurückgleiten    des    schon    eingeschossenen  Schusses 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  40 


626  Weberei. 


beim  zweiten  und  den  folgenden  in  dasselbe  Fach  gelegten  Schüssen  zu  ver- 
meiden, ist  die  Anordnung  einer  anders  bindenden  Leiste  erforderlich,  e& 
genügt  schon  unter  Umständen  je  ein  Faden  an  jeder  Seite.  Weitere  Um- 
bildungen der  E-ipsbindungen  sind  die  Flecht-  und  Yersatzripse.  (Taf.  XY, 
Abb.  4.)  Eine  dritte  Ableitung  der  Taffetbindung  ist  die  Panamabindung, 
eine  mehrfädige  und  mehrschüssige  Leinwand,  bei  der  ebenfalls  wegen  des- 
Zusammenfallens  mehrerer  Schüsse  in  ein  Fach  besondere  Leisten  erforder- 
lich sind. 

Ableitungen  der  Köperbindung  erhält  man  zunächst  im  Köper  mit 
verstärktem  Grrat,  indem  man  im  Rapport  mehrere  Kettfäden'  neben  einander 
hoch  oder  tief  binden  lässt;  hierher  gehören  eigentlich  auch  die  gleichseitigen 
Köper.  Taf.  XY,  Abb.  5.  Yerteilt  man  bei  grösseren  Rapporten  die  Hoch- 
gänge, dass  wechselweise  einzelne  und  mehrere  Kettfäden  nebeneinander  hoch 
oder  tief  binden,  so  erhält  man  die  grosse  Gruppe  der  Mehrgratköper,  zu- 
sammengesetzte Köper  (Taf.  XY,  Abb.  6),  im  allgemeinen  Diagonale 
genannt.  Diese  können  wieder  einseitig  oder  gleichseitige  sein,  je  nachdem 
mehr  Kette  oder  Schuss  oder  von  beiden  gleichviel  an  der  Oberseite  liegt. 
Zu  diesen  treten  die  Zier-  oder  Phantasieköper,  bei  denen  der  Köpergrat 
zwar  beibehalten  ist,  deren  weitere  Ausschmückung  aber  in  freier  Weise  ge- 
schieht. Köper  mit  steilem  oder  flachem  Lauf  erreicht  man  entweder  durch 
Yerdoppelung  der  Schüsse  oder  der  Kettfäden  oder  durch  veränderte  Tritt- 
weisen bezw.  Passierungen.  Bei  allen  diesen  Ableitungen  bleibt  die  Grat- 
richtung von  links  oben  nach  rechts  unten,  oder  von  rechts  oben  nach  links 
unten  in  der  ganzen  Gewebebreite  erhalten.  Aendert  man  aber  die  Passierung 
eines  4bdg.  Köpers  um  in  eine  gebrochene,  also  1.  2.  4.  3.  Schaft,  oder  bei 
einem  6bdg.  Köper  in  1.  2.  3.  6.  5.  4.  Schaft,  so  erhält  man  GelDrochene 
Köper  (serge  brise).  (Taf.  XY,  Abb.  7.)  Wählt  man  für  Köper  eine  Passierung 
auf  Spitz,  so  erhält  man  Schlangen-  oder  Zickzackköper  in  der  Quer- 
richtung (Taf.  XY,  Abb.  8),  bei  einer  Trittweise  auf  Spitz  dagegen  einen  solchen 
in  der  Längsrichtung.  Werden  bei  einer  Passierung  gerade  durch  einzelne 
Kettfäden  verdoppelt  und  verdreifacht,  so  entsteht  Wellenköper  (serge  onde). 

Wendet  man  bei  einem  auf  Spitz  passierten  Köper  eine  Trittweise  auf 
Spitz  an,  so  erhält  man  Augenköper  (serge  diamante),  womit  sich  schon  sehr 
grosse  Figuren  erzielen  lassen,  die  namentlich  in  der  Musterung  der  Leinen- 
gewebe vielfach  Yerwendung  finden.  Beim  Kristallköper  werden  die  Köper- 
grate sowohl  in  der  Kett-  als  auch  Schussrichtung  unterbrochen,  und  dann  in 
der  entgegengesetzten  Richtung  und  gleichzeitig  im  entgegengesetzten  Bindungs- 
effekt fortgesetzt,  so  dass  also  gegen  den  Kettgrad  ein  Schussgrad  stösst  und 
umgekehrt,  wodurch  scharf  abgesetzte  Steinchen  entstehen.  Endlich  gibt  es 
Flecht köper,  bei  denen  die  Grade  verschiedener  Richtungen  durch  einander 
geflochten  erscheinen. 

Ableitungen  der  Atlasbindung  sind:  Mehrfädiger  Atlas  (Taf.  XY, 
Abb.  9),  bei  dem  mehrere  Ketttäden  nebeneinander  gleichzeitig  hochgehen, 
d.  h.  es  sind  in  der  Patrone  neben  jeden  Atlaspujikt  ein  oder  mehrere  Punkte 
hinzugefügt;  Mehrschüssiger  Atlas,  bei  dem  jeder  Faden  über  mehrere 
Schüsse  hintereinander  hochgeht,  d.  h.  es  sind  jedem  Atlaspunkt  mehrere 
Punkte  darüber  oder  darunter  hinzugefügt;  Panamaatlas  (Abb.  10),  eine 
Yereinigung  der  Methoden  von  1  und  2;  Atlasköper  (Satinette)  erzielt  durch 
köperartiges  Ansetzen  von  Punkten  an  jedem  Atlaspunkt;  Phantasieatlas, 
Ziergrundbindungen,  Armures,  Atlasbindungen,  bei  denen  die  Beifügung 
in  noch  freierer  Weise  erfolgt,  oder  bei  denen  der  Atlas  nur  zur  Stellung 
einzelner  Figuren  oder  Schaffung  gewisser  Ruhepunkte  Yerwendung  findet. 
Andere  Ableitungen  entstehen  durch  Aufeinanderlegen  mehrerer  Bindungen 
(sog.  Crepe,  Sable),  oder  durch  freies  Aufzeichnen  mehr  oder  weniger  regel- 
mässiger Figuren  (Taf.  XY,  Abb.  11  u.  12),  oder  durch  Umordnen  von  Fäden, 
sowohl  in  der  Kett-  als  auch  Schussrichtung  u.  s.  w. 

Doppelgewebe  und  Hohlgewebe.  Ist  mittels  einfacher  Kette  und 
einfachem  Schuss  unter  Anwendung  der  vorgenannten  Bindungen  und   starkem 


Weberei.  627 


Material  eine  gewünschte  Dicke  des  Gewebes  nicht  zu  erreichen,  so  muss  man 
zu  einer  weiteren  Verstärkung  greifen.  Diese  kann  bewirkt  werden:  1.  durch 
Einfügung  eines  zweiten  Schusses  (TJnterschuss)  oder  2.  einer  zweiten  Kette 
(Unterkette)  oder  3.  sowohl  eines  Unterschusses  als  gleichzeitig  auch  einer 
Unterkette. 

Gi-ewebe  mit  Ober-  und  Unterschuss  (Taf.  XY,  Abb.  13  u.  14),  meist 
als  Kleiderstoffe  Verwendung  findend,  können  auf  Stühlen  mit  einfacher  Kette 
ohne  weiteres  gearbeitet  werden,  nur  muss  durch  Hinzunahme  neuer  Tritte  für 
die  Unterschüsse ,  sowie  durch  Aenderung  der  Schnürung  die  Bildung  eines 
Ober-  und  eines  Unterfaches  ermöglicht  werden,  die  mit  einander  nach  jedem 
oder  je  2  Schüssen  jeder  Sorte  abzuwechseln  haben.  Man  muss  für  die  Ober- 
und  Unterbindung  Bindungen  wählen,  deren  Rapporte  gleichzeitig  oder  ineinander 
aufgehen,  also  wie  in  Abb.  13  z.  B.  einen  4bdg.  Schussköper  oben  und  einen 
4bdg.  Kettköper  unten.  Das  Gewebe  zeigt  dann  auf  der  E.ückseite  bei 
gleichem  Schussmaterial  das  gleiche  Aussehen.  Dies  ist  aber  weder  notwendig, 
noch  immer  erwünscht.  Man  wählt  für  Kleiderstoffe  sehr  gern  für  die  Ober- 
ware eine  feinere  Bindung,  für  die  Unterware  eine  gröbere;  schiesst  wohl  auch 
zwei  feine  Oberschuss  und  einen  dicken  Unterschuss  u.  s.  w.  Vor  allem  ist 
zu  beachten ,  dass  die  Oberschüsse  gut  auf  die  dazu  gehörigen  Unterschüsse 
aufrutschen  können ;  es  kann  also  niemals  ein  Faden,  der  unter  den  Unterschuss 
ging,  über  den  dazu  gehörigen  Oberschuss  gehen. 

Bei  Geweben  mit  Ober-  und  Unterkette  (Taf.  XV,  Abb.  15  u.  16)  ist 
eine  Vermehrung  der  Schäfte  zur  Aufnahme  der  Unterkette  notwendig,  während 
die  Trittzahl  dieselbe  bleiben  kann.  Auch  hier  müssen  die  Bindungszahlen 
ineinander  aufgehen.  Man  wählt  für  die  Oberkette  meist  Kettbindungen,  für 
die  Unterkette  Schussbindung,  damit  auf  der  Rückseite  auch  die  Kette  sichtbar 
wird.  Hierbei  ist  ebenfalls  zu  beachten,  dass  ein  Verkreuzen  der  zu  einander 
gehörigen  Fäden  der  Ober-  und  Unterkette  nicht  eintritt.  Die  Unterseite  kann 
leichter  gemacht  werden,  indem  man  für  je  2  Oberkettfäden  nur  einen  Unter- 
kettfaden einstellt. 

Erreicht  man  mittels  Unterkette  oder  Unterschuss  die  gewünschte  Stärke 
nicht,  oder  verlangt  die  Musterung  reichere  Effekte  (s.  später),  so  wendet  man 
Hohlgewebe  an,  d.  h.  man  schafft  durch  eine  Unterkette  und  einen  Unterschuss 
ein  zweites  Gewebe,  das  fast  stets  mit  dem  Obergewebe  fest  verbunden  wird. 
Diese  Verbindung  geschieht  entweder  dadurch,  dass  ein  Faden  der  Unterkette 
über  einen  Oberschuss  geht  (Anbindung)  oder,  dass  ein  Faden  der  Oberkette 
unter  einen  Unterschuss  geht  (Abbindung),  oder  beides  gleichzeitig,  oder  man 
wendet  eine  weitere  Kette  (Bindekette)  an. 

Als  zusammengesetzte  und  besondere  Bindungen  sind  folgende 
Arten  von  Geweben  zu  bezeichnen:  (Vgl.  hierzu  die  Tafel  XVI.) 

Schlauchgewebe,  offene  Hohlgewebe,  nur  an  den  Leisten  verbunden, 
Verwendung  bei  Spritzenschläuchen,  Hohldocht,  Säcken  ohne  Naht,  bei  Rund- 
tuch.  Fischbeinband,  hohlen  Leisten  an  Bändern,  Gurten,  Borten  u.  dergl. 
(Abb.  1.) 

Gemusterte  Hohlgewebe,  Schlauchware,  bei  der  die  Oberware 
mustermässig  auch  als  Unterware  arbeitet  und  umgekehrt.  An  den  "Wechsel- 
stellen der  Ware  entstehen  feste  Verbindungen.  Verwendung  bei  Gartentisch- 
decken, Vorhang-  und  Portiörenstoffen.     (Abb.  2.) 

Verbundene  Hohlgewebe.  Um  die  in  Hohlgeweben  mehrfach  über 
einander  liegenden  Gewebe  fest  zu  verbinden,  wird  eine  besondere  Bindekette 
angewendet.  Verwendung  meist  bei  Walkwaren,  Kleiderstoffen,  doch  auch  bei 
Möbelstoffen  etc.     (Abb.  3  und  4.) 

Piquebindungen,  gesteppte  Bindungen.  Durch  einen  stark  gespannten 
Unterkettfaden  werden  mustermässig  2  Schussfäden  der  meist  in  Taffet  ge- 
bundenen Oberware  tief  geholt,  wodurch  das  Gewebe  einen  gesteppten  Effekt 
erhält,  der  durch  einen  dicken  Unterschuss  noch  gehoben  werden  kann.  Soll 
die  Steppung  noch  kräftiger  erscheinen,  z.  B.  bei  Piquebettdecken,  so  wird 
noch    ein    dicker    Futterschuss    zwischen    Ober-    und    Unterware    gelegt.      Zu 


628  Weberei. 


ireicherer  Musterung  werden  aucli  noch  farbige  Musterketten  hinzugenommen. 
(Abb.  5  und  6.) 

Schusssammetbindungen  ,  f ür  Velvet  (Baumwollsammet ,  unechter 
Sammet)  Manchester.  Das  Gewebe  besteht  aus  einem  festen  Grundgewebe  mit 
Taffet-,  Köper-  oder  Kreuzköper-,  seltener  Atlasbindung.  Auf  diesem  Grund- 
gewebe liegen  die  Sammet-  oder  Yelvetschüsse  „atlasartig"  eingebunden.  Kachdem 
die  Ware  vom  Stuhl  genommen  und  auf  der  B.ückseite  gummiert  worden  ist, 
werden  die  durch  die  Yelvetschüsse  gebildeten  ßöhrchen  oder  Schläuche  mittels 
langer,  fast  nadelartiger  Messer  an  den  in  der  Schnittzeichnung  durch  Pfeil 
bezeichneten  Stellen  der  Kettrichtung  nach  aufgeschnitten,  wodurch  sich  die 
sammetartige  Oberfläche  entwickelt  (geschnittener  Manchester);  bleiben  die 
Schläuche  auch  für  den  Gebrauch  des  Stoffes  bestehen:  (ungeschnittener  Man- 
chester.) 

Diese  Yelvets  oder  Manchester  werden  teils  im  Stück  gefärbt  und  wie 
Sammet  verwendet,  teils  werden  sie  in  glattem  oder  geschnittenem  Zustande 
bedruckt  und  als  Yorhang-  und  Möbelstoffe  gebraucht.     (Abb.  7.) 

Eine  Abart  der  Yelvets  sind  die  Cords,  Twils.  Sie  haben  eine  streifige 
Beschaffenheit,  indem  die  Einbindungen  der  Yelvetschüsse  immer  auf  die 
gleichen  Kettfäden  fallen  und  in  weiteren  Zwischenräumen  neben  einander 
angeordnet  sind.  Werden  dann  die  Schüsse  an  den  durch  Pfeil  bezeichneten 
Stellen  aufgeschnitten,  so  geben  die  aufgeschnittenen  Eäden  mehr  oder  weniger 
dicke  Rippen  auf  dem  Gewebe  (siehe  Schnitt,  Abb.  8).  Yerwendung  zu 
kräftigen  Kleiderstoffen,  Jagd-  und  Kutscheranzügen. 

Chenille,  eine  Abart  von  Schusssammet,  die  aber  nur  als  Yorarbeit 
hergestellt  wird.  Man  ordnet  die  Kettfäden  zu  je  4  oder  6  in  1  Pietlücke  an 
und  lässt  dann  eine  grössere  Anzahl  ßietlücken  frei,  so  dass  die  Schussfäden 
hier  flott  liegen.  Die  Bindung  ist  Taffet.  Das  fertige  Gewebe  wird  an  den 
mit  Pfeil  bezeichneten  Stellen  in  schmale  Streifen  zerschnitten  und  diese  dann 
auf  einem  Drehrad  gedreht,  so  dass  eine  Paupe  gebildet  wird,  oder  auf  einem 
Brennapparat  so  gebrannt,  dass  die  erst  seitwärts  stehenden  Schussfäden  nach 
oben  gerichtet  werden.  Diese  Streifen  finden  dann  als  Schussmaterial  Yer- 
wendung bei  Tüchern,  Shawls,  Posamenten,  Damenkleiderstoffen,  Westenstoffen, 
Portieren,  Tischdecken;  die  gebrannte  Art  besonders  bei  Teppichen  (Ax- 
minster),  wobei  die  Yorarbeit  durch  mustermässiges  Einschiessen  bunter  Schuss- 
fäden besonders  sorgfältig  gewebt  werden  muss,  um  nach  der  Yerarbeitung  als 
Schussmaterial  das  gewünschte  Muster  zu  ergeben.  (Abb.  9.)  Die  Einbindung 
der  Chenille  bei  Axminster  siehe  Abb.  24.  Es  gibt  auch  eine  Chenillebindung, 
bei  der,  um  ein  Abgleiten  der  Eäden  zu  vermeiden  und  um  dem  Streifen 
grössere  Festigkeit  zu  geben,   Schlingerfaden  angeordnet  sind.     (Abb.   10.) 

Kettsammetbindungen,  Echter  Sammet.  Der  eigentliche  Sammet 
besteht  aus  einem  Grundgewebe,  auf  welchem,  von  einer  zweiten  Kette  gebildet, 
aufrecht  stehende  Eädenbüschel  angeordnet  sind,  die  als  Flor,  Elour  oder  Yelour 
die  ganze  Oberfläche  bedecken.  Die  Grundkette  arbeitet  mit  dem  Schuss  Taffet, 
doppelschüssigen  Taffet,  Köper,  auch  wohl  Atlas,  und  ist  sehr  straff  gespannt. 
Die  Anordnung  der  Grund-  und  Pol-(Sammet-)Fäden  kann  sehr  verschieden,  je 
nach  Qualität  des  herzustellenden  Sammets,  sein.  Das  Weben  des  Sammets 
geht  folgendermassen  vor  sich :  Es  werden  zunächst  zwei  oder  mehrere  Grund- 
schüsse verwebt,  wodurch  sowohl  die  Grundfäden  als  auch  die  Polfäden  fest 
eingebunden  werden.  Beim  nächsten  Tritt  gehen  nur  die  Polfäden  hoch  und 
man  legt  nun  eine  dünne  Metallrute  ein  (wie  einen  Schuss),  worauf  weitere  Grund- 
schüsse erfolgen,  welche  die  Grund-  und  Polfäden  wieder  gemeinsam  einbinden. 
Die  Polfäden  bilden  somit  über  die  aufrecht  stehenden  Puten  Schleifen,  die 
entweder  bestehen  bleiben  können ,  „ungeschnittener  Sammet" ,  „gezogener 
Sammet",  oder  aufgeschnitten  werden:  „geschnittener  Sammet";  bei  sehr  hohen 
Ruten:  „Plüsch".  Die  Ruten  für  geschnittenen  Sammet  (Schneideruten),  Setz- 
oder Stellruten  sind  unten  schmal  und  haben  an  ihrer  oberen  breiten  Seite 
eine  Rinne,  in  der  das  Schneidemesser  geführt  wird.  Die  Ruten  für  gezogenen 
Sammet  haben  meist  kreisrunden  oder  elyptischen  Ausschnitt  (Eriseruten). 


Weberei.  629 


Je  nach  Art  der  Einbindung  der  Polkette  in  das  Grundgewebe  unter- 
scheidet man  die  Bindungen:  „Pol  auf"  für  gewöhnlichen  Sammet  und  „Pol 
durch"  für  bessere,  feinere  Sammete.  Bei  „Pol  auf"  geht  der  Polfaden,  ehe 
er  über  die  Rute  geht,  schon  über  einen  oder  mehrere  Grundschüsse  hoch. 
Bei  „Pol  durch"  geht  der  Polfaden  unter  dem  letzten  Grundschuss  vor  der 
Rute  tief,  kommt  dann  nur  bei  der  Hute  hoch  und  geht  bei  dem  folgenden 
Grundschuss  wieder  tief.  (Abb.  11 — 13  u.  Schnitte  Abb.  14 — 17.)  Auf  me- 
chanischen Webstühlen  werden  Sammete  als  Doppelsammete ,  meist  aber  nur 
in  billigen  Qualitäten  hergestellt.  Die  Ware  ist  eigentlich  ein  verbundenes 
Hohlgewebe,  wobei  an  Stelle  der  Bindekette  die  Polfäden  treten,  die  durch  ein 
zwischen  den  beiden  Waren  laufendes  Messer  zerschnitten  werden  und  den 
Flor  für  die  beiden  dadurch  entstehenden  Stoffe  geben.     (Abb.   18.) 

Bindungen  für  Frottierhandtücher,  eine  Art  Sammet  ohne  Ruten.  Die 
Einstellung  dieser  Stoffe  in  der  Kette  ist  meist:  1  Grund-,  1  Polfaden, 
ersterer  mit  fester,  letzterer  mit  elastischer  Spannung.  Grundbindung  meist 
taffetähnliche  Bindungen.  Nachdem  in  einer  bestimmten  Entfernung  vom 
fertigen  Gewebe  3 — 6  Schuss  mit  kurzen  Ladenanschlägen  eingetragen  sind, 
erfolgt  ein  langer  Ladenanschlag  (in  den  Schnitten  durch  Pfeil  bezeichnet),  der 
das  fertig  gestellte  Gewebestückchen  an  das  früher  gewebte  heranschiebt.  Die 
Schüsse  gleiten  auf  der  straffgespannten  Grundkette  fort,  nehmen  aber  die  ein- 
gebundene, locker  gespannte  Polkette  mit  und  bilden  sich  aus  letzterer  die 
Schleifen.     (Abb.  19  u.  20.) 

Dreher-,  Ajour-  oder  Gazebindungen.  (Echte  Gaze  mit  Drehung.) 
Besonders  eingerichtete  Litzen  (Dreherlitzen)  ermöglichen  es,  einen  Schlingerfaden 
während  der  Fachbildung  um  einen  Grundfaden  mit  halber  oder  auch  ganzer 
Drehung  herumzuschlingen,  so  dass  der  Schlingerfaden  wechselweise  links  oder 
rechts  vom  Grundfaden  zu  liegen  kommt.  Erfolgt  die  Schlingung  nach  mehreren 
Schüssen  wie  bei  Abb.  22  u.  23,  wobei  auch  grössere  Zwischenräume  zwischen 
den  einzelnen  Kettfädengruppen  gehalten  werden,  so  werden  die  Schüsse  dichter 
zusammengezogen,  wodurch  grössere  Oeffnungen  im  Gewebe  entstehen.  Ver- 
wendung zu  Kleiderstoffen ,  in  Verbindung  mit  anderen  Bindungen  auch  zu 
Vorhangstoffen,   Shawls  etc.     (Abb.  21—23.). 

Teppichbindungen.  Ausser  mittels  einfacher  Bindungen  (Läufer- 
stoffe), oder  als  Doppel-  oder  Hohlgewebe  (Germania-,  bezw.  Kidderminster- 
teppiche),   werden  Teppiche    als  florige  Gewebe  hergestellt,    indem  man 

1.  auf  ein  festes  Grundgewebe  durch  eine  besondere  Bindekette  farbige 
Chenillestreifen  als  Schussfäden  aufwebt,  in  denen  das  Muster  enthalten  ist. 
(Axminsterteppiche,  Chenilleteppiche.     Abb.  24.) 

2.  Durch  Herstellung  wie  Sammet  und  Plüsch,  indem  man  farbige  oder 
vorgedruckte  Polfäden  über  Puten  hochgehen  lässt  und  entweder  Zug-  oder 
Schnittware  bildet.  (Brüssel-,  Brüssel- Velour-,  Tapestry-Teppiche.)  Die  Pol- 
fäden liegen  bis  zu  5  über  einander ,  von  denen  einer  in  der  gewünschten 
Farbe  über  die  Puten  gehoben  wird.     (Abb.  25  u.  26.) 

3.  Durch  Einknüpfen  von  farbigen  Fadenstückchen  in  eine  Kette,  sO' 
dass  die  Fadenenden  nach  oben  stehen  und  den  Flor  des  Teppichs  bilden. 
(Geknüpfte,  Knüpf-  oder  Smyrnateppiche.)     (Abb.  27 — 31.) 

Bindungen  für  Schicht-,  Schlitz-  und  Gobelingewebe  (vergl. 
Nordische  Kunstwebereien),  siehe  den  Text  bei  den  Abbildungen  32 — 35. 

Abbildungen  auf  der  Tafel  XVI: 
Darstellungen   von  Gewebebindungen  (II)  und  Knüpftechnik. 

1.  Schlauchgewebe;  Ober-  und  Untergewebe  Taffetbindung. 

2.  Gemustertes  Hohlgewebe ;  Ober-  und  Unterware  Taffetbindung. 

3.  Verbundenes  2faches  Hohlgewebe;  Oberware  4bdg.  Kettköper  (vollschwarz 
gezeichnet),  Unterware  4bdg.  Schussköper  (als  Kreuz  gezeichnet);  die  Bindekette  im 
Schnitt  und  Patrone  „punktiert"  gezeichnet. 

4.  Verbundenes  Sfaches  Hohlgewebe;  alle  3  Waren  haben  Taffetbindung.  Eine 
Bindekette  (runde  Punkte  in  der  Patrone)  verbindet  diese  3  Waren  zu  einer  geschlosse- 
nen Masse;  Verwendung  zu  gewebten  Treibriemen. 


ö30  Weberei. 


5.  Piquebindung  für  Halbpique  (ohne  Unterschuss).  Die  Hochgänge  der  Unter- 
kette sind  vollschwarz  gezeichnet. 

6.  Piquebindung  für  volle  Ware.  Obergewebe  Taffet,  Untergewebe  und  Stepp- 
eifekt  Zickzackköper. 

7.  Velvet,  Grundgewebe  Tafifet  (durch  Kreuz  bezeichnet).  Velvetschüsse  „atlas- 
artig".    Schussfolge:  1  Grund-,  3  Yelvetschuss. 

8.  Cordsbindung.  Grundgewebe  4bdg.  gleichseitiger  Köper;  Velvetschüsse 
cannelebdg.     Schussfolge:   1  Grund-,  2  Velvetschuss. 

^9.  Chenillebindung.     4  Fd.  Kette  binden  mit  den  Schusstäden  Taffet,  zwischen 
den  Kettfädengruppen  liegen  die  Schüsse  frei. 

10.  Chenillebindung  mit  Dreherfaden.  (Vgl.  Abb.  21,  Gazebindung.)  Der  Schnitt 
zeigt  die  nach  oben  „gebrannten"  Schussfäden. 

11,  12  u.  13.  Kettsamtbindungen.  In  den  Patronen  bedeuten  die  schrägschraf- 
fierten Rechtecke  links  die  E-utenfolge;  die  Punkte  sind  Hochgänge  der  Grundkette; 
die  Kreuze  Hochgänge  der  Polkette  über  Grundschüsse,  die  schwarzen  Quadrate  sind 
Hochgänge  der  Polkette  (Schleifen,  Noppen,  Schnittstellen)  über  die  Ruten.  Ein- 
stellung: 2  Grund-,  1  Polfaden. 

11.  Sammet-  oder  Plüschbindung  „Pol  auf".  8  Grundschuss,  1  Rute,  hierzu 
Schnitt  Abb.  14. 

12.  Sammet-  oder  Plüschbindung  „Pol  durch".  3  Grundschuss,  1  Rute,  hierzu 
Schnitt  Abb.  15. 

13.  Plüschbindung.  Grundgewebe  4bdg.  gleichseitiger  Köper;  2  Grundschuss, 
1  Rute;  die  Hochgänge  der  Polfäden  über  die  Ruten  sind  taffetartig  versetzt. 

14  u.  15.  Schnitte  zu  den  Bindungen  Abb.  11  u.  12. 

Bei  den  Schnitten  Abb.  16, 17  u.  18  sind  die  Grundketten  nicht  mit  eingezeichnet. 

16.  Schnitt  durch  ein  Plüschgewebe  mit  sehr  hohen  Ruten. 

17.  Schnitt  durch  ein  Plüschgewebe  „Pol  auf"  und  taffetartiger  Versetzung  der 
Polhochgänge  über  die  Ruten. 

18.  Schnitt  durch  ein  Doppelsamtgewebe. 

19.  Bindung  für  Frottierhandtücher  mit  Noppen  auf  nur  einer  Seite  der  Ware. 
In  den  Patronen  bedeuten  die  „Punkte"  Hochgänge  der  Grundfäden,  die  „schwarzen 
Quadrate"  Hochgänge  der  Polfäden,  In  den  Schnitten  sind  die  (>rundfäden  nicht 
mitgezeichnet. 

20.  Bindung  für  Frottierhandtücher  mit  Noppen  auf  beiden  Seiten  der  Ware, 
für  gemusterte  Waren  verwendbar,  da  je  nach  Bedürfnis  die  andersfarbigen  Polnoppen 
nach  oben  oder  unten  kommen  können. 

21.  Dreher-  oder  Gazebindung  mit  gleichmässiger  Fädenverteilung. 

22.  Dreherbindung  mit  gruppenweiser  Stellung  und  symmetrischer  Drehung  der 
Kettfäden. 

23.  Dreherbindung  mit  gruppenweiser  Stellung  der  Kettfäden.  Je  drei  Kett- 
fäden schlingen  sich  um  drei  andere ;  die  zwischen  je  zwei  Drehungen  liegenden  drei 
Schuss  binden  mit  den  sechs  Fäden  jeder  Gruppe  Taffet. 

24.  Schnitt  durch  einen  Axminster-,  (Chenille-)Teppich.  Der  schwarze  Faden 
ist  eine  dicke  feste  Stopferkette,  als  Unterlage;  die  gezogene  Kettfadenlinie  ist  eine 
Grundkette,  die  die  Schüsse  (runde  Punkte)  fest  mit  der  Stopferkette  verbindet,  die 
Büschel  sind  Chenille Vorarbeit  (s.  Abb.  9  u.  10),  die  durch  eine  Bindekette  (gestrichelt) 
auf  das  Grundgewebe  befestigt  werden. 

25.  Schnitt  durch  einen  Brüsselteppich  (mit  gezogenen  Noppen).  Eine  Grund- 
kette (in  der  oberen  Hälfte  der  Zeichnung  dünn  gezeichnet)  bindet  taffetartig  mit 
den  Grundschüssen,  zwischen  die  eine  dicke  festgeleimte  Stopferkette  (dicker  Strich) 
mit  eingebunden  wird,  dazu  kommen  3 — 5  Polfäden  verschiedenfarbig  (bei  Brüssel) 
oder  1  Polfaden  vorgedrückt  (bei  Tapestry)  für  die  Polbindung  (nur  zwei  gezeichnet). 
Diese  Polfäden  werden  bei  Tapestry  alle  auf  einen  Baum  gebäumt,  müssen  aber  bei 
Brüssel-  und  Brüssel- Velour  des  verschiedenen  Verbrauchs  wegen ,  jeder  für  sich  auf 
eine  Rolle  gewickelt  sein. 

26.  Brüssel -Velour  (mit  aufgeschnittenen  Noppen).  Die  Grundbindung  muss 
hierbei  3  schüssig  werden,  damit  die  aufgeschnittenen  Fadenflocken  nicht  so  leicht 
herausgerissen  werden  können.  Sonst  wie  Abb.  24.  Die  Ruten  sind  hierbei  am  Ende 
mit  einem  Messer  versehen,  die  beim  mechanischen  Herausziehen  alle  darüber  liegen- 
den Schleifen  aufschneiden. 

27 — 31.   Verschiedene  Knotenarten  aus  orientalischen  Knüpf teppichen. 

In  Abb.  27  wird  der  Knoten  nur  um  je  einen  Kettfaden  geschlungen,  kommt 
sehr  selten  vor.  Abb.  28  zeigt  den  in  den  meisten  orientalischen  Knüpfteppichen  an- 
gewandten Knoten,  der  auch  nur  bei  allen  europäischen  Knüpfteppichfabrikanten  im 
Gebrauch   ist.  Abb.  8  findet   sich  in  Teppichen  aus  Suitanabad.     Abb.  9,  das  Gegen- 


Weberei.  631 


stück  zum  vorigen,  bei  chinesischen  Teppichen  und  auch  bei  persischen  aus  Ferahan, 
Serabend,  Kaschkai,  Kirman,  Bokhara  u.  a.  Abb.  10  bei  indischen  Teppichen  und 
persischen  aus  Bokhara,  Belutschistan,  Kam  und  Khorassan. 

Nach  jeder  geknüpften  Reihe  Knoten  folgen  2 — 4  Schuss,  je  nach  Dicke  des 
Knoten  und  Schussmaterials.     Das  Grundgewebe  ist  fast  stets  taffetartig  gebunden. 

32.  Schichtweberei ,  nordische  Weberei.  Nach  je  2,  4,  6  oder  8  Grundschuss 
{=  1  Schicht),  werden  mit  der  Hand  die  farbigen  Musterfäden  eingeflochten,  der- 
artig, dass  die  einzelnen  farbigen  Fäden  nur  soweit  eingelegt  werden,  wie  die  be- 
treffende Figur  geht  (wie  bei  Broschierungen).  Aus  der  unteren  Hälfte  der  Zeichnung, 
die  die  Rückseite  darstellt,  ist  zu  ersehen,  dass  fast  gar  kein  farbiges  Material  auf  der 
Rückseite  unbenutzt  liegt. 

33.  Gobelinbindung  (Schlitzweberei).  Die  buntfarbigen  Schussfäden  werden 
taffetartig,  mustergemäss  in  die  Kettfäden  eingeflochten ;  die  einzelne  Farbe  liegt  nur 
soweit,  als  sie  in  der  Figur  gebraucht  wird.  Sind  der  Zeichnung  nach  in  der  Kett- 
richtung längere  oder  kürzere  gerade  Linien,  so  entstehen  im  Gewebe  Schlitze,  die 
keine  "Verbindung  haben  (durch  Pfeile  bezeichnet).  Diese  müssen  mittels  besonderer 
Fäden  zugenäht  werden. 

Verwendung  vor  allen  bei  den  französischen,  deutschen  und  englischen  Gobe- 
lins (Bildteppichen),  aber  auch  bei  Kilims  und  anderen  orientalischen  Stoffen. 

34.  Bindung,  wie  sie  in  Norwegen  und  Schweden  bei  gobelinartigen  Geweben 
angewandt  wird.  Die  aneinander  stossenden  farbigen  Schussfäden  werden  ineinander 
eingehängt,  sodass  keine  Schlitze  entstehen,  sondern  auch  an  langen  Linien  in  der 
Kettrichtung  stets  Verbindung  vorhanden  ist  und  ein  Vernähen  überflüssig  wird. 

35.  Bindung  der  Schwedischen  „Flossa"-Webereien.  Eine  Vereinigung  von 
Schichtweberei  und  Knüpfarbeit,  indem  mustermässig  Knoten,  ähnlich  den  persischen 
in  Abb.  28  nur  gestürzt,  in  die  Kette  eingeknüpft  werden,  während  der  Grund  von 
glatter  Taffetware  gebildet  wird,  die  aus  Schichten  von  2 — 6  Scbuss,  je  nach  Stärke 
des  Materials,  bestehen. 

Die  geschichtliche  Darstellung  der  Technik  in  der  Weberei 
lässt  sich  an  Originalproben  nur  zum  geringsten  Teile  entwickeln;  wohl  aber 
geben  uns  einige  Abbildungen  von  Webstühlen  über  die  älteste  Art  der  me- 
chanischen Anfertigung  von  Zeugen  eine  Darstellung.  So  ist  uns  der  alt- 
ägyptische Stuhl  erhalten  (Abb.  12,  S.  10),  an  dem  die  Weber  in  hockender 
Stellung  arbeiteten,  und  auch  ein  griechischer  Webstuhl  mit  hochstehender 
Kette  ist  durch  die  Darstellung  auf  einer  Vasenmalerei  auf  uns  gekommen. 
(Abb.  110,  S.  236.)  Im  übrigen  lässt  sich  vermuten,  dass  die  gemusterten 
Stoffe  der  ältesten  Zeiten  in  Wirkerei  hergestellt  wurden,  so  wie  uns  noch 
viele  Originalproben  in  den  Koptischen  Textilfunden  (s.  d.)  erhalten  sind.  Im 
IMittelalter  erreichte  die  Weberei  einen  hohen  (jrrad  der  Vollkommenheit;  erst 
in  späteren  Jahrhunderten  bildete  sich  dieselbe ,  bis  dahin  nur  Hausindustrie, 
allmählich  zum  Fabrikbetrieb  aus.  Die  Weber  arbeiteten  nicht  mehr  auf  eigene 
Rechnung,  sondern  erhielten  (rarn  und  Muster,  zuweilen  auch  den  Stuhl,  von 
einem  Unternehmer,  an  welchen  sie  die  fertige  Ware  gegen  Stücklohn  ab- 
lieferten. Bis  zum  Anfang  des  19.  Jahrh.  war  die  Herstellung  von  aus- 
gedehnteren Webemustern  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden,  da  bei  einer 
zu  grossen  Anzahl  der  anzuwendenden  Schäfte  und  Tritte  dieselben  leicht  in 
Unordnung  gerieten.  Man  ersetzte  daher  die  Schäfte  durch  einfache  Schnüre, 
an  welche  die  Litzen  derart  angebunden  wurden,  dass  alle  gemeinschaftlich  zu 
hebenden  Kettfäden  durch  das  Emporziehen  einer  Schnur  ihre  Bewegung  er- 
hielten. Diese  Einrichtung  war  indes  unvollkommen,  solange  man  das  Auf- 
ziehen der  Schnüre  (Lätzen)  in  der  nötigen  Reihenfolge  durch  eine  besondere 
Person,  den  Latzenzieher  oder  Ziehjungen  (vgl.  den  japanischen  Webestuhl  in 
Abb.  126,  S.  263) ,  mit  der  Hand  verrichten  lassen  musste.  Ausserordentlich 
wichtig  für  die  Leistungsfähigkeit  der  Webstühle  in  der  Musterweberei  war 
daher  die  Erfindung  Jacquards,  durch  dessen  um  1805  praktisch  ausgeführten, 
sinnreichen  Mechanismus  diese  Arbeit  von  demselben  Mann  besorgt  wird,  der 
schon  die  Fachbildung  und  das  Eintragen  des  Schussfadens  bewirkt.  Die 
wesentlichste  Umgestaltung  erfuhr  jedoch  die  gesamte  Weberei  durch  die  Ein- 
führung der  mechanischen  Webstühle,  bei  welchen  die  einzelnen  Teile  derart 
verbunden    sind,    dass    die  bewegende  Kraft  an  einer  Stelle  eingeleitet  werden 


632  AYebergias — Webeschulen. 


kann.  Im  Prinzip  verwandte  Maschinen  (jedoch  nur  für  Handbetrieb)  waren, 
zum  Weben  von  Bändern  schon  zu  Ende  des  16.  Jahrh.  im  Gebrauch.  Der 
erste  Entwurf  eines  wirklichen  Maschinenwebstuhls  aus  dem  Jahre  1678  von 
De  Game  in  London  kam  nicht  zur  Ausführung,  und  auch  die  1747  von  Bau- 
canson  erfundene  Webmaschine  hatte  keinen  Erfolg.  Vierzig  Jahre  später 
konstruierte  Cartwright  eine  derartige  Maschine,  die  sich  aber  auch  nicht  all- 
gemein einführte.  Nachdem  Horrocks  in  Stockport  seinen  1803  patentierten. 
Maschinenstuhl  bis  1813  mechanisch  verbessert  hatte,  gelang  es  ihm,  demselben 
in  der  Baumwollindustrie  einige  Bedeutung  zu  verschaffen,  doch  erst  von  1822 
an  gelangte  durch  Boberts  der  mechan.  Webstuhl  zu  allgemeiner  Einführung. 
Die  Geschichte  der  Weberei  nach  Material  und  Mustergebung  ist 
in  den  einzelnen  Artikeln  Leinen,  Baumwolle,  Seide  und  Wolle  behandelt  und 
in  entsprechender  Folge  bei  den  Stilperioden  in  den  Artikeln  Stil,  Bomanischer-, 
Gotischer-,  Benaissancestil  u.  s.  w.  ersichtlich ;  auch  unter  den  Angaben  über 
Technik  und  Musterung  der  Textilien  in  einzelnen  Ländern  ist  die  betreffende 
TJebersicht  gegeben. 

Literatur:  Earlow,  A.,  The  history  and  principles  of  weaving  by  hand  and 
by  power,  London  1879 ;  Bona,  iDie  drei  Grundbindungsarten  in  der  Weberei  u.  s.  w., 
Grünberg  1876;  Braulik  (s.  unter  Aegypten):  Denk,  R..  Die  Bindungslehre  für  Ge- 
webe, Altona  1883—86:  Donat,  F.,  Bindungslexikon  für  Schaftweberei,  Wien  1897; 
Ders. ,  Method.  d.  Bindungslehre,  Dekomposition  u;  s.  w.,  Wien  1892;  Ders.,  Tech- 
nologie der  Jacquardweberei,  Wien  1902;  Fei  dg  es,  Anleitung  zur  Kenntnis  der 
Seidenstoffe,  Krefeld  1868;  Finsterbusch,  R.,  Die  mechanische  Weberei  und  die 
Fabrikation  der  Kunst-  und  Figurendreher,  Altona  1890;  Fox,  The  mechanics  of 
waeving,  London  und  Xewyork  1900 ;  Gloor,  F.,  Praktische  Anleitung  zur  Erlernung 
der  Seidenbandweberei,  Basel;  Grand,  P. ,  Notice  sur  la  fabrication  des  etoffes  de 
soie  pour  meubles  ä  Lyon^  1867;  Grüner,  A.,  Mechanische  Webereipraxis,  sowie 
Garnnummerierungen  u.  s.  w.,  Wien  1898;  Jahnel,  K.,  Die  Webfehler,  deren  Ent- 
stehung und  Ursachen,  Altona  1890;  Kinzer  &  Fiedler,  Technologie  der  Hand- 
weberei, Wien  1893;  Knorr,  Elemente  der  Weberei,  Chemnitz  1872;  Kohl,  F.,  Ge- 
schichte der  Jacquardmaschine,  Berlin  1873;  Lamoitier,  Traite  theorique  et  prati- 
que  de  tissage,  Paris  1900:  Lembcke,  E.  R.,  Die  Vorbereitungsmaschinen  in  der 
mechanischen  Weberei,  Leipzig  1877;  Ders.,  Mechanische  Webstühle,  Braunschweig, 
1886—96;  Mey,  0.,  Kraftbedarf  mechanischer  Webstühle,  Dresden  1892;  Müller,  F., 
Handbuch  der  Weberei  und  Zurichtungsarbeiten,  Leipzig  189Ö;  Xübling,  E.,  Ulms 
Baumwollweberei  im  Mittelalter,  Leipzig  1890;  Oberholz  er,  Wegweiser  für  die  Ein- 
richtung und  Behandlung  des  mechanischen  Webstuhls,  Lörrach  1900;  0  eisner.  Die 
deutsche  Webschule,  Altona  1899  ff.;  Pfuhl,  Die  Jute  und  ihre  Verarbeitung,  Berlin 
1891;  Posselt,  Recent  improvements  in  textile  machinery,  London  1898;  Reh,  F., 
Lehrbuch  der  mechan.  Weberei,  Wien  1889;  Ders.,  Der  meehan.  Seidenwebstuhl, 
Weimar  1891;  Reiser  &  Spennrath,  Handbuch  der  Weberei,  München  1885 
bis  1900;  Reiser,  Ueber  Fehler  in  Wollenwaren  und  die  Verhütung,  Aachen  1894; 
Schams,  J.,  Grundzüge  der  Theorie  der  Schaftweberei,  Dresden;  Ders.,  Handbuch 
der  gesamten  Weberei,  Weimar  1892:  Sc  hm  oll  er,  G.,  Die  Entwickelung  und  die 
Krisis  der  deutschen  Weberei  im  19.  Jahrh.,  Berlin  1873;  Ders.,  Die  Strassburger 
Tucher-  und  Weberzunft,  Strassburg  1879;  Sconfietti,  Der  Schützenführer  für 
mechan.  Webstühle,  Chemnitz;  Simon,  Etudes  analytiques  des  j)rincipaux  tissus^ 
Paris  1897;  Vinzenz,  J.,  Lehrbuch  der  Bindungslehre  und  Dekomposition  für  Tuch- 
und  Buckskinwebereij  Dresden  1895;  Wenzel,  Die  Bindungslehre  für  Gazegewebe, 
Glauchau. 

Weberglas,  soviel  wie  Fadenzähler  (s.   d.). 

Web  er  kämm  =  Rietblatt. 

Weberkarde,  Weberdistel,  s.  Kardendistel. 

Weberknoten,  eine  eigentümliche  Verschliugung  von  zwei  Fadenenden, 
deren  sich  der  Weber  zum  Anknüpfen  abgerissener  Fäden  bedient. 

Weberschiff  =  Schiff. 

Webeschulen,  Lehranstalten  für  theoretische  und  praktische  Ausbildung 
der  Webereibeflissenen.  Dieselben  haben  sich  aus  den  Spinnereischulen  ent- 
wickelt, deren  erste  1755  in  Oesterreich  gegründet  wurde,  indessen  am  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts  unter  dem  Einfluss  der  Maschinenspinnerei  aufgegeben, 
werden  mussten.     (S.  Spinnereischulen).     Auch  eine  im  Jahre  1770  zu  Hohen- 


Webkante— Wechsellade.  633 


elbe  in  Böhmen  gegründete  Lehrwerkstätte  für  AVeberei  ging  bald  wieder  ein. 
Die  erste  lebensiähige  Webeschule  ward  1830  zu  Reichenbach  im  Vogtland 
errichtet,  ihr  folgten  bedeutendere  in  Elberfeld  (1844)  und  Mühlheim  a.  E.h. 
(1852)  in  Preussen,  Münchberg  in  Bayern  (1855),  Beutlingen  in  Württemberg 
(1855)  und  Chemnitz  in  Sachsen  (1857).  Man  unterscheidet  zwischen  höheren 
W,,  welche  meist  ein-  oder  zweijährige  Kurse  haben,  vollen  Tagesunterricht 
erteilen  und  Fabrikleiter  und  Beamte  für  grössere  Webereibetriebe  heranbilden 
und  den  einfachen  W.,  welche  vielfach  nur  bei  einjährigem  Kursus  durch 
Abend-  und  Sonntagunterricht  Arbeitern  oder  Werkführern  Gelegenheit  zur 
Fortbildung  in  ihren  Fächern  geben. 

Nach  einem  vom  Geheimen  Oberregierungsrat  und  Vortragenden  E,at  im 
kgl.  preuss.  Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe  0.  Simon  herausgegebenen 
TJ eberblick  „lieber  das  gewerbliche  Fortbildung s- und  Fachschul- 
wesen in  Deutschland"  Berlin  1903,  sind  zur  Zeit  die  wichtigsten  Textil- 
fachschulen : 

1.  In  Preussen:  zu  Aachen:  (höhere  Fachschule  für  die  Wollen- 
industrie, Abteilungen  für  Spinnerei,  Weberei,  Färberei,  Appretur,  Stopferei, 
Dessinateure),  Barmen:  (höhere  F.  für  Weberei,  Klöppelei,  Spitzenfabrikation, 
Stickerei,  Besatzkonfektion,  Musterzeichnen,  Färberei),  Berlin:  (höhere  F.  für 
Weberei,  Färberei,  Wirkerei,  Posamentiererei,  Stickerei,  Musterzeichnen,  Wäsche-, 
Kleider- und  Mäntelkonfektion),  Kottbus:  (höhere  F.  für  die  Wollenindustrie, 
Abteilungen  für  Weberei,  Färberei,  Appretur,  Stopferei,  Dessinateure),  Kre- 
feld: (höhere  F.  für  die  Seiden-  und  Sammetindustrie,  Abteilungen  für  Spin- 
nerei, Weberei,  Färberei,  Appretur,  Stickerei,  Musterzeichnen),  München- 
Gladbach:  (höhere  F.  für  die  Baumwollenindustrie,  Abteilungen  für  Spinnerei, 
Weberei,  Färberei,  Appretur),  Sorau:  (höhere  F.  für  die  Leinenindustrie,  Ab- 
teilungen für  Flachskultur,  Spinnerei,  Seilerei,  Weberei,  Färberei,  Appretur, 
Musterzeichnen,  Handarbeiten,  Wäsche-  und  Kleiderkonfektion),  Forst:  (F. 
für  die  Wollenindustrie,  Abteilungen  für  Weberei,  Färberei,  Stopferei,  Dessi- 
nateure), Sommerfeld  und  Spremberg:  (F.  für  die  Wollenindustrie,  Ab- 
teilungen für  Weberei),  Mühlhausen  in  Th.:  (F.  für  die  Wollen-  und  Halb- 
wollenindustrie, Abteilungen  für  Weberei  und  Wirkerei),  Bonsdorf:  (F.  für 
Bandwirkereien),  Langenbielau:  (F.  für  die  Leinen-  und  Baumwollenindu- 
strie,  Abteilungen  für  Weberei,  Färberei,  Stickerei  und  Wäschekonfektion), 
Bramsche:  (F.  für  die  Leinenindustrie,  Abteilung  für  Weberei),  Eupen: 
(F.  für  Wollenindustrie,  Abteilung  für  Weberei).  Ausserdem  gibt  es  7  Fach- 
schulen für  Handstickerei  in  Schlesien. 

2.  In  Sachsen:  27  Fachschulen  für  Weberei,  Wirkerei  und  Posamen- 
tiererei ,  davon  aber  nur  5  Webe-  und  1  Wirkschule  mit  Tagesunterricht 
(Chemnitz,  Grossschönau,  Seifhennersdorf,  Werdau,  Zittau,  Limbach).  Ausser- 
dem 28  Klöppelschulen  und  1  Stickschule. 

3.  In  Bayern:  Webeschulen  zu  Münchberg,  Lambrecht,  Passau;  Stick- 
schule zu  Enchenreuth;  Klöppelschule  zu  Stadlern. 

4.  In  Württemberg:  Fachschule  für  Spinnerei,  Weberei  und  Wirkerei 
zu  Beutlingen,  Webeschulen  zu  Heidenheim,  Laichingen,  Sindelfingen;  Strick- 
schule zu  Wolfschlugen. 

5.  In  Hessen-Darmstadt:  Webeschule  zu  Lauterbach. 

6.  In  den  Fürstentümern  E,  e  u  s  s :  Webeschulen  zu  Greiz  und  Gera. 

7.  In  Elsass-Lothringen:  „Spinn-  und  Webeschule  zu  Mül- 
hausen". 

Die  Schweiz  besitzt  eine  Seidenwebeschule  zu  Wattwyl.  Zu  den 
ersten  und  auch  bedeutendsten  österreichischen  Webeschulen  zu  Beichen- 
berg  in  Böhmen  (gegründet  1852),  Brunn  (1860),  Wien  und  Bielitz  sind 
nach  1870  mehr  als  20  andere  derartige  Fachschulen  hinzugekommen. 

Webkante,  soviel  wie  Salleiste  (s.  d.). 

Webstich,  s.  Stickerei. 

Wechsellade,  eine  Webstuhllade,  in  welcher  abwechselnd  mit  mehreren 
Schützen  gewebt  werden  kann. 


634 


Weckelsdorf — Weinlaub. 


Abb.  342. 


Weckelsdorf,  Marktflecken  in  Böhmen:  Leinen-  und  Baumwollweberei, 
Leinwand-  und  Garnbleiche. 

Weende,  Dorf  im  preuss.  Reg.-Bez,  Hildesheim:  Wollspinnerei  und 
-Weberei. 

Wef el  (engl. :  weft  =  Webel) ,  Wefelspulen,  Spulen  zum  Aufwickeln 
der  Scbussfäden. 

Weft,  in  der  Weberei  baumwollenes  Schussgarn. 

Wegberg,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Aachen:  mechanische  Leinenweberei 
und  Flachsbau. 

Wegscheid,  Marktflecken  im  bayr.  Reg.-Bez.  Xiederbayern :  Leinen- 
industriegenossenschaft; Leinen-  und  Damastweberei,  Seiden-  und  Madras- 
tücherfabrikation. 

Wehen,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Wiesbaden;  Wollspinnerei  und  Woll- 
ware nfabrik. 

Wehr  in  Baden,  Dorf  im  bad.  Kreis  Lörrach :  Buntweberei,  Zeugdruckerei 
und  Färberei,  Wollplüschfabrikation. 

Wehrsdorf,  Fabrikdorf  in  Sachsen :  bedeutende  Leinenweberei,  Jacquard- 
weberei, Bleicherei  usw. 

Weida,  Stadt  in  Sachsen- Weimar-Eisenach :  Woll-  und  Baumwollwaren- 
fabrikation,  Teppichwebereien. 

Weiden,   Stadt  im  bayr.  E,eg.-Bez.  Oberpfalz :  Fabrikation  von  Rasch. 
Weife,  ein  Haspel  zum  Aufwinden,  daher  das  W.eifen  des  Grarns. 
Weihel,  ein  Stück  Zeug,  das  die  Nonnen  über  den  Kopf  legen,  und  das 
den  obern  Teil  des  G-esichts  fast  ganz  bedeckt. 

Weil  in  Baden,  Dorf  im  bad.  Kreis  Lörrach:  Seiden-  und  Baumwoll- 
färberei und  -appretur. 

Weilburg,  Kreisstadt  im  preussischen 
B,eg.-Bez.  Wiesbaden:  Wollspinnerei  und 
Färberei. 

Weilderstadt,  Stadt  in  Württemberg: 
Wollzeugweberei,  Kunstbleiche,  Färberei; 
Fabrikation  von  Teppichen  und  Decken. 

Weiler  im  Allgäu,  Marktflecken  im 
bayr.  Heg.-Bez.  Schwaben:  Segeltuch-  und 
Leinenweberei. 

Weiler  bei  Thann,  Dorf  im  Bezirk 
Oberelsass :  Baumwollspinnereien  und  We- 
bereien. 

Weimar,  Hauptstadt  des  Grossher- 
zogtums  Sachsen- Weimar-Eisenach :  Kamm- 
wollspinnerei, Fabrikation  von  Tuch  und 
Leinwand. 

Weinfelden,  Marktflecken  im  Schweiz. 
Kanton  Thurgau:  mechanische  Weberei 
und  Stickerei. 

Weingarten  in  Württemberg,  Stadt 
im  württ.  Donaukreis:  Leinen  und  Strumpf- 
weberei, Flachs-  und  Hanfspinnerei. 

Weinheim,  Stadt  im  bad.  Kreis  Mann- 
heim: Leinenweberei,  Seidenzwirnerei  und 
-färberei. 

Weinlaub,  Weinornament  (frnz. :  vigne, 

pampre;  engl.:  pampre),    gebildet  aus  dem 

edlen     Weinstock     oder    der     edlen    Kebe 

(vitis    vinifera ,    Abb.    342),     welcher    der 

Alten    Welt    angehört.       Schon    im    Altertum     sehr     beliebt     als     Ornament 

(Abb.  27,  S.  34),    in    frühchristlicher    Zeit    in    Andeutung    der    evangelischen 

Gleichnisse   vom  Weinstock    und    der    Bebe.      In    demselben    Sinn   wird    auch 


Weinlaub — Weipert. 


635 


Christus  häufig  als  Weinstock  dargestellt.  Die  frühchristliche  Zeit  bringt  das 
Motiv  in  koptischen  Wirkereien  häufig  zur  Darstellung  als  Kauke  (Abb.  1  auf 
Taf.  I),  sowie  in  selbständiger  Erscheinung  oder  als  Endigung  der  spitzovalen 
Grewandauf Sätze  (Abb.  78,  S.  196).  Das  eigentliche  Mittelalter  lässt  Wein- 
stock und  Rebe  im  Stoffmuster  seltener  hervortreten;  erst  die  Gotik  nimmt 
dieselben  wieder  auf  in  den  Kreis  ihrer  vegetabilischen  Kunstformen,  so  dass 
am  Ende  des  14.  Jahrb.,  für  kirchliche  Zwecke  angefertigt,  eine  ganze  Reihe 
von  Geweben  mit  dem  Weinblattmuster  erscheinen,  die  in  Italien  ihren  Ur- 
sprung haben  (Abb.  343).  Gleichzeitig  kommen  in  kirchlichen  Leinenstickereien 
Motive  derselben  Art  vor  (Abb.  96.  S.  225),  die  wohl  immer  in  Anlehnung  an 
die  ursprüngliche  christliche  Symbolik  Anwendung   gefunden   haben.     Die  fol- 

Abb.  343. 


genden  Stilperioden  nehmen  daran  keinen  Anteil  und  das  Vorkommen  von 
Weinranken  und  Trauben  in  der  Empirezeit  (Abb.  64,  S.  175)  ist  auf  die 
Nachahmung  derselben  aus  der  Antike  zurüchzuführen,  wo  diese  Kunstformen 
im  Sinne  bachantischer  Deutung  aufzufassen  sind. 

Abb  il  düngen: 

342.  Darstellung   von   vitis   vinifera  aus:    Lobelius  a.  a.  0.,    Antwerpen  1581. 

343.  Darstellung  aus:  Gewerbehalle,  Stuttgart  1882:  Seidengewebe,  Grund  rot, 
Muster  grün:  Feine  Ranken  bilden  reihenweis  versetzte  herzförmige  Felder,  in  welchen 
je  ein  Weinblatt;  dazwischen  Trauben,  Blattranken  und  Vögel.  Italien  14. — 15.  Jahrh. 

Weipert,  Stadt  in  Böhmen:  Fabrikation  von  Spitzen,  Posamentier-, 
Wirk-,  Seiden-  und  Halbwollwaren.  W.  ist  Stapelplatz  der  Posamentenindustrie 
(Hausindustrie)  Oesterreichs. 


636  Weissenburg — Werg. 


Weissenburg,  Stadt  im  bayr.  Eeg.-Bez.  Mittelfranken:  Fabrikation  von 
Gold-  und  Silberdraht,  Borten,  Tressen  und  Tuch. 

Weissenburg,  Stadt  im  Bezirk  Unterelsass:  Strumpfwarenfabrikation, 
Färberei. 

Weissfärben,  den  von  allen  Verunreinigungen  befreiten  und  gebleichten 
Stoffen  einen  schwachen  Farbenton  zu  geben;  so  färbt  man  Seide  mit  Orseille 
pariserweiss  und  mit  Blauholzkomposition  periweiss,  Tuche  mit  Schlämmkreide 
weiss ,  während  Wolle  durch  Bleichen  und  Bläuen  eine  schöne  weisse 
Farbe  erhält. 

Weisskirchen,  Stadt  in  Mähren:  Hanfspinnerei,  Fabrikation  von  Tuch, 
Seidenzeug,  Flanell  und  Strumpfwaren. 

Weissstickerei,  weites  Gebiet  weiblicher  Handarbeit,  das  als  Wäsche- 
ausstattung weiss  in  weiss  in  Erscheinung  tritt  und  daher  so  bezeichnet  wird. 
Technisch  und  künstlerisch  hat  sich  die  W.  aus  den  Vorläufern  der  Spitzen- 
industrie auch  für  andere  Zwecke  erweitert ;  in  welchem  Falle  ihre  Erzeugnisse 
aber  denjenigen  der  Leinenstickerei  eingeordnet  werden.  Als  die  ältesten  W. 
sind  wohl  die  in  weissem  Garn  gestickten  Schleier  aus  Byssus  (s.  d.)  zu  be- 
zeichnen, deren  farbloses  Muster  auf  eine  transparente  Wirkung  angelegt  war. 
Diesem  Zwecke  genügte  die  W.  auch  auf  kirchlichen  Vorhangdecken  (Corpo- 
rale  und  Velum)  der  romanischen  Periode.  Als  aufgelegte  Muster  in  dicken 
Spitzenstichen  erscheint  die  W.  bis  in  das  15.  Jahrh.  hinein.  Die  Renaissance 
lässt  sie  mit  der  Entwickelung  der  Spitze  Hand  in  Hand  gehen  (vgl.  Taf.  X). 
Im  18.  Jahrh.  beginnt  die  gestickte  Spitze  ihre  Entwickelung,  die  Vorliebe 
für  dergleichen  erweitert  sich  bis  zu  den  breitesten  Besätzen  an  Frauenröcken; 
auch  Nackentücher  (Abb.  43,  S.  60)  mit  den  reizvollsten  Phantasieblumen  auf 
Batist  werden  modern.  Die  Ausstattung  des  Täuflings  wurde  ganz  und  gar 
in  Weissstickerei  (sogen.  Pikeearbeit)  ausgeführt,  deren  letzte  Peste  heut  noch 
bewahrt  geblieben  sind.  Die  neuere  Zeit  hat  in  der  Madeira-,  Venetianer-, 
Pichelieu-  und  noch  anderen  Arten  der  W.  neue  Verzierungsarten  zugeführt. 
(Vgl.  den  Artikel  unter  Stickerei.) 

Weisswaren  ist  der  Sammelname  für  alle  ungelärbten  baumwollenen 
Gewebe,  wie  Musselin,  Gaze,  Schirting,  Drell  usw.,  sowie  die  gemusterten, 
broschierten  usw.  Gardinen-  und  anderen  Stoffe  und  endlich  für  alle  Weiss- 
stickereien, -nähereien  usw.  Die  Hauptsitze  der  Weiss  Warenfabrikation  sind 
England,  Schottland,  Frankreich,  die  Schweiz,  Württemberg,  das  sächsische 
Vogtland  und  andere  Gegenden  von  Deutschland.  Die  Weissstickereien 
kommen  besonders  in  grosser  Menge  aus  dem  sächsischen  Vogtland,  wo  wieder 
Plauen  den  ersten  Pang  einnimmt. 

Wellbaum,  am  Posamentierstuhl  die  Holzwalze,  auf  welche  das  Fertige 
aufgewickelt  wird. 

W^ellingborough,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Northampton:  Seiden- 
spinnerei, bedeutende  Spitzenfabrikation. 

Wells,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Somerset:  Strumpfwirkerei,  Fabri- 
kation von  Spitzen  und  Wollwaren. 

Wenew,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Tula :  Seidenzeug-  und  Segeltuch- 
fabrikation. 

Werdau,  Stadt  in  der  sächs.  Amtshauptmannschaft  Zwi^jkau:  Vigogne- 
und  Kammwollspinnerei,  Streich-  und  Kamm  garnweb  er  ei,  Tuch-  und  Buckskin- 
fabrikation,  Appreturen  für  Wollwaren,  Färberei.    Webeschule. 

Werden,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Düsseldorf:  Streichgarnspinnerei, 
Tuchfabriken,.  Seiden-,  Leinen-  und  Wollweberei,  Färberei  und  Zeugdruckerei. 

Werft,  s.  V.  w.  Kette  eines  Gewebes. 

Werg,  Werch,  Werrig,  Heede  (franz.:  l'etoupe;  engl.:  tow),  sind  die 
wirren  Fasern  von  Hanf  oder  Flachs,  welche  in  den  Hecheln  zurückbleiben 
und  noch  ein  nutzbares  Nebenprodukt  abgeben,  das  zu  Garn  versponnen  wird, 
wobei  es  aber  gleich  der  Baumwolle  erst  gekratzt  oder  kardiert  werden  muss. 
Dieses  Garn  verwebt  man  zu  groben  Leinen  wie  Sack-  und  Packleinwand, 
auch   mischt   man    es    häufig    zu    reinem    Flachs-  und  Hanfgarn  wie  geringem 


Werk-Wien.  637 


Wollgarn,  und  in  England  spinnt  man  auf  besonders  konstruierten  Maschinen 
aus  demselben  das  sogen.  Towgarn.  Die  schlechteste  Sorte  AV.  wird  zum 
Kalfatern  von  Schiffen  benutzt,  eine  etwas  bessere  findet  in  der  Seilerei 
Verwendung. 

Werk,  in  der  Weberei  s.  v.  w.  Geschirr. 

Werkseide  =  Wattseide. 

Wermelskirchen,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Düsseldorf:  Fabrikation 
von  BaumwoU-  und  Seidenband,  Seiden-,  Halbseiden-  und  Halbwollstoffen, 
Plüsch,  Lasting  und  Leibwäsche;  Plüschfärberei. 

Wernigerode,  Stadt  im  preuss.  B.eg.-Bez.  Magdeburg:  Wollzeug-  und 
Leinenweberei,  Fabriken  für  Baumwollwaren. 

Werther,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Minden :  Flachsbau  sowie  lebhafter 
Handel  mit  Flachs  und  Leinen. 

Weserleinen  nennt  man  die  verschiedenen  Sorten  Flachsleinen,  Halb- 
flachsleinen und  Hedeleinen,  welche  an  den  verschiedenen  Ortschaften  des 
AYesergebietes  in  Hannover,  Braunschweig,  W^estfalen  gefertigt  und  über  Ham- 
burg, Bremen,  Amsterdam  viel  ausgeführt  werden,  besonders  nach  Amerika 
und  W^estindien. 

Wesserling,  Fabrikort  in  Elsass-Lothringen :  Gresellschaft  für  Baumwoll- 
spinnerei im  Tal  St.  Amarin,  Kattunfabrik. 

Western,  ostindische  Baumwollsorte. 

Westernhemd  (vom  lat.  vestis ;  althochdeutsch  Wester),  das  weisse  Kleid, 
womit  in  der  alten  Kirche  der  Täufling  bekleidet  wurde ;  in  der  protestantischen 
Kirche  ein  weisses  Tuch,  das  während  des  Taufgebets  und  Segens  über  den 
Täufling  ausgebreitet  wird. 

Westfalen,  Provinz  im  preuss.  Staate.  Obenan  stehen  die  Bearbeitung 
des  Flachses  zu  Grarn  und  Leinenzeugen  und  die  sonstige  Textilindustrie.  Der 
eigentliche  Sitz  der  letzteren  ist  schon  seit  dem  14.  Jahrh.  zwischen  der  Lippe 
und  Weser.  Im  Ravensbergischen,  in  und  um  Bielefeld  (s.  d.),  welches  schon 
damals  der  Handelssitz  für  Garn  und  Leinwand  war,  wird  die  berühmte  feine 
Leinwand  gefertigt.  Auch  die  Wollweberei,  Strumpf-  und  Bandfabrikation, 
Tuch-  und  Baumwollbranche  ist  bedeutend. 

Westfälische  Leinwand  nennt  man  im  Handel  die  in  Westfalen  und 
der  Eheinprovinz  in  Städten  und  Dörfern  aus  selbst  erbautem  Hanf  und  Flachs 
gewebten  Leinen,  welche  als  Bielefelder,  Tecklenburger,  Steinhäger,  Bavens- 
berger,  W^arendorfer,  Osnabrücker,  Essener,  Münstersche,  Lippesche,  Pader- 
borner, Phadener,  Weserlinnen,  Aarlinnen  bekannt  sind.  Sie  werden  in  ver- 
schiedenen Sorten  gefertigt  und  haben  wegen  ihrer  inneren  Beschaffenheit, 
Güte  und  Preiswürdigkeit  fast  auf  allen  europäischen  Märkten  einen 
guten   Puf. 

West-Houghton,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Lancashire :  Seidenfabrik, 
Druckerei  und  Baumwollspinnerei. 

Wetteren,  Stadt  in  der  belgischen  Provinz  Ostflandern:  Fabriken  für 
Leinen-  und  Wollzeuge  und  Spitzen.  Musterwerkstätten  für  Jacquardweberei 
imd  Handel  mit  Flachs  und  Leinwand. 

Wevel,  in  der  mittelalterlichen  Webersprache  der  Einschlag  oder  Schuss. 

Wheeling,  Hauptstadt  des  nordamerik.  Staates  Westvirginien :  Fabriken 
für  Seiden-  und  Baumwollwaren. 

Whitney,  Marktstädtchen  in  der  engl.  Grafschaft  Oxford:  Wollweberei, 
besonders  von  guten  Wolldecken,  Fabrikation  von  Filz  und  Handschuhen. 

Wickelstich,  s.  Nähen. 

Wickelwolle,  s.  Angorawolle. 

Wickrath,  Flecken  im  preuss.  Peg.-Bez.  Düsseldorf:  Baumwollspinnerei 
und  Fabrikation  von  Leinen-  und  Baumwollwaren. 

Wien,  Hauptstadt  des  österreichischen  Kaiserreichs :  die  Erzeugung  von 
Seidenwaren,  besonders  Modestoffen  (82  Betriebe,  1041  Arbeiter),  Bänder 
(32  77Q)^  türkische  Kappen,  Betten  und  Wäsche,  Schirmen,  Kleidern  (bedeutende 
Ausfuhr  nach  dem  Orient,  6172  Betriebe,  24991  Arbeiter). 


638 


Wi  ener-Neustadt  — Winzenlieim . 


Aus  dem  17.  Jahrhundert  wird  über  Seidenmanufakturen  berichtet, 
welche  der  Nationalökonom  Becher  ins  Leben  rief;  deren  Bestehen  aber  nur 
von  kurzer  Dauer  war.  Auf  dem  Tabor  in  W.,  der  1676  angelegt  wurde, 
bestanden  zwei  Bandmühlen,  von  denen  mit  der  Belagerung  (1683)  jede  Spur 
verloren  ging.  —  Zur  Förderung  der  Spitzenindustrie  berief  Kaiser  Franz  um 
die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  Brüsseler  Arbeiterinnen. 

Das  K.  K.  österr.  Museum  fürKunst  und  Industrie  (Direktor: 
Prof.  Dr.  V.  Scala),  gegründet  1864,  enthält  eine  reiche  Stoffsammlung,  deren 
Inhalt  durch  die  Yeröffentlichungen  von  Dr.  Moriz  Dreger  (s.  u.  Stoffsamm- 
lungen) bekannt  gegeben  wird. 

Wiener-Neustadt,  Stadt  im  Erzherzogtum  Oesterreich:  Fabriken  für 
Sammet-  und  Seidenwaren. 

Wilkau,  Industriedorf  in  Sachsen :  grosse  Sammetgarn-  und  Streichgarn- 
spinnerei, Buntstickerei. 

Willich,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Seidenweberei,  Yelvet- 
schneiderei. 

Wilmslow,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Chester:  Seiden-  und  Baum- 
woUwarenfabriken. 

Wilton,  Stadt  in  der  engl.  Grrafschaft  Wiltshire :  einst  Hauptsitz  der 
Teppichfabrikation. 

Wiltonteppiche  sind  Axminsterteppiche  (s.  d.). 

Wilz,  Stadt  im  Grossherzogtum  Luxemburg:  Wollspinnerei  und  Tuch- 
fabrikation. 

Wimborne  Minster,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Dorset:  Wollzeug- 
und  Strumpfweberei. 

Winde,  Pflanzengattung  aus  der  nach 
Abb.  344.  ilir  benannten  Familie  der    Convolvulaceen 

mit  gegen  150  über  die  ganze  Erde  ver- 
breiteten Arten.  Die  Blumenkrone  ist  trich- 
terförmig (Abb.  344) ,  die  Blüte  erscheint 
in  weisser,  rötlich  oder  bläulich  schattierten 
Farben  an  einem  sich  schlingenden  Stengel 
mit  spiessförmigen  Blättern.  Blumen  und 
das  mit  ihnen  verbundene  Geranke  haben 
für  die  Plattstichstickerei  und  für  die 
Kunstweberei  in  Broschierarbeit  am  Ende 
des  18.  Jahrh.  vielfach  als  Kunstform 
Verwendung  gefunden.  Sie  kommen  häufig 
als  Bortenbesätze  auf  französischen  oder 
spanischen  Kostümteilen  vor,  woselbst  sie 
sich  den  antikisierenden  gewundenen  Schnü- 
ren und  Gehängen  anpassen.     (Abb.  345.) 

Abb  ildungen: 

844.  Darstellung  einer  Winde  aus  Lobe- 
lius,  plantarum  a.  a.  0.  .  .  . 

345.  Darstellung  aus:  Heiden,  Muster- 
atlas, Leipzig  1896,  Blatt  107:  Teil  der  ge- 
stickten Borte  eines  Frauenrockes  im  Stile 
Louis  XVI.  Spanien  oder  Frankreich,  Ende 
18.  Jahrh. 

Winterthur,  Stadt  im  Schweiz.  Kan- 
ton Zürich:  zu  den  wichtigsten  Industrie- 
zweigen gehören  die  Baumwollindustrie 
(Spinnerei,  Zwirnerei,  Weberei,  Bleicherei,  Färberei),  Seidenweberei  und 
Stickerei.     Bedeutender  Handelsplatz. 

Winzenheim,  Hauptort  des  Kantons  W.  im  Bez.  Oberelsass:  Baumwoll- 
spinnereien und  Webereien. 


AVipperfürth  — AYirkwaren. 


639 


Wipperfürth,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Köln:  vier  Wollspinnereien, 
drei  Tuchfabriken,  je  eine  Fabrik  für  Kunstwolle  und  Holzwolle. 

Wippchenlade  ist  eine  Broschierlade. 

Wirkerei,  s.  Bildwirkerei,  Kilim,   Wandteppiche. 

Wirkschulen,  s.  Webeschulen. 

Wirksworth,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Derby :  Baumwollmanufaktur, 
Fabrikation  von  Gingans. 

Wirkwaren,  Gewirke,  Strumpfwaren  (engl. :  knitted  web,  stocking  hose ; 
franz.:  tricotage,  bas,  bonneterie;  span. :  medias) ,  eigene  Arten  von  Zeugen, 
welche  nicht  aus  einem  durch  gekreuzte  Fäden  gebildeten  Gewebe,  sondern 
aus  ineinandergreifenden  Maschen  bestehen,  wozu  ein  einziger  Faden  den  Stoff 
geliefert  hat,  und  welche  demnach  auch  durch  blosses  Ziehen  an  diesem  Faden 
wieder  ganz  aufgetan  werden  können;  nach  Art  der  Maschenbildung  unter- 
scheidet man  Kuli  er  waren  (fast  genau  so,  wie  beim  Stricken  mit  der  Hand) 
und  Kett en waren.  Wirkwaren  sind  demnach  Maschengewebe  (tissu  ä  maile- 
loqse  fabrics),  die  durch  E,eihen  gleicher,  nebenander  liegender  Fadenschleifen 
gebildet  und  untereinander  verschlungen  sind.  Derartige  Stoffbildungen  oder 
Maschengewebe  werden  auch  hergestellt  durch  Stricken  und  Häkeln.     Aus  dem 


Abb.  345. 


Stricken  (s.  d.)  ging  die  Maschinenwirkerei  hervor,  indem  Lee  1589  in  Eng- 
land hierzu  eine  sinnreiche  Maschine,  den  gewöhnlichen  Strumpfwirkerstuhl 
erfand,  welcher  dasselbe  Maschenwerk  wie  die  Hand  liefert,  aber  auf  andere 
Weise,  ohne  irgendwie  die  Handgriffe  des  Strickens  nachzuahmen.  Auf  den 
gewöhnlichen  Strumpfstühlen  können  nur  breite  Flächen  gewirkt  werden,  die 
dann,  wenn  sie  runde  schlauchartige  Stücke  geben  sollen,  zusammengenäht 
werden  müssen.  Man  hat  jetzt  aber  auch  Strumpfmaschinen  (von  F.  A.  Eisen- 
stuck in  Chemnitz  erfunden),  welche  selbsttätig  hohle  Stücke,  wie  Strümpfe, 
Hosen,  Socken,  Mützen  u.  dgl.  ganz  fertig  und  richtig  geformt  abliefern 
(reguläre  Ware).  Auch  die  Breitwirkstühle  sind  in  Sachsen  sehr  vervoll- 
kommnet worden.  Ausserdem  sind  zu  dem  Maschinenapparat  noch  hinzu- 
gekommen die  Rund  stuhle,  welche  hauptsächlich  der  Massenherstellung 
wohlfeiler  Baumwollstrümpfe  dienen  und  zumeist  von  Stuttgarter  Fabriken  in 
Mengen  hergestellt  werden.  Dieselben  erzeugen  nur  gleichweite  Schläuche, 
welchen  durch  Zerschneiden,  Ausschneiden,  Zusammennähen  und  endlich  feuchtes 
Ausarbeiten  über  hölzernen  Formen  eine  dauerlose  Strumpfform  gegeben  wird 
(geschnittene  Ware).  Die  französischen  E-undstühle  sind  vorzüglicher  und 
leistungsfähiger  als  die  englischen.  Die  Maschinenbauerei  hat  auch  für  Strick- 
maschinen zum  Hausgebrauch  gesorgt,  der  früheren  Goffeschen  ist  jetzt  die 
Lambsche  gefolgt,  deren  Leistungen  sehr  gelobt  werden.  —  Gute  W.  müssen 
elastisch  sein,  sich  dem  Körper  eng  anschmiegen  und  dabei  so  dicht  sein,  dass 
sie  eine  vollkommene  Decke  bilden;  sie  heissen  in  diesem  Falle  nicht  ge- 
schlossene,   sondern  gezwungene    oder   hungerige;    ist    der   Faden  zu 


ß40  AVirkwaren. 


stark  und  die  ^'are  infolgedessen  zu  dick  und  dicht,  volle  oder  völlige. 
Hinsichtlich  des  Materials ,  wie  der  Arten  und  Sorten  von  W.  besteht  eine 
grosse  Mannigfaltigkeit ;  man  verarbeitet  Wolle,  Baumwolle,  Leinen  und  Seide, 
letztere  beiden  Stoffe  namentlich  zu  Strümpfen  und  Handschuhen;  auch  ver- 
wendet man  in  neuerer  Zeit  viel  Shoddygarne. 

Die  wesentlichen  Teile  des  Kulie  r  s  tuhle  s ,  welche  sich  gegenseitig 
ergänzen  und  die  TTirkerei  nach  verschiedenen  Methoden  bewerkstelligen,  sind: 
die  Nadel,  die  Platine  und  die  Presse.  Die  Verrichtungen  zur  Bildung 
einer  neuen  Maschenreihe  bestehen  in  dem  Ans  chlagen,  Orlet-Schlagen  oder 
dem  Einschliessen.  Ferner  kommen  hinzu:  das  Kulier en,  das  Verteilen 
oder  Partagieren,  das  Vorbringen  der  Schleifen,  Ausstreichen  des 
Platinenwerks,  Pressen  der  Nadeln,  Auftragen  der  Ware,  Ab- 
schlagen der  Ware.  Vom  Handwirkstuhl  werden  unterschieden:  Böss- 
chen-,  Walzen-  und  Handkulier stuhl  ohne  Schwingen.  Eeguläre 
Kulierwaren  erhalten  ihre  Gestalt  als  Grebrauchsgegenstand  während  des 
Wirkens;  als  geschnittene  Waren  werden  sie  aus  grossen  Stoffstücken 
herausgeschnitten,  entweder  mit  der  Hand,  oder  mittels  Schneidstempel  heraus- 
geschlagen oder  durch  Schneidformen  zwischen  Pressen.  Nach  Art  der  Maschen- 
form unterscheidet  man :  Grlatte  und  gemu  st  e  r  te  Ware.  Grlatte  Kulier- 
ware mit  der  einfachsten  Maschenform  wird  bisweilen  mit  einer  Futterdecke 
versehen.  (Eingekämmte  AVare  oder  Pelz.)  Auch  können  Farbmuster  in 
mannigfaltiger  Weise  erzeugt  werden  (Bingelware,  langgemusterte,  Jacquard- 
ware, unterlegte  Farbmuster),  pattierte  Ware  und  überdruckte  und  auf- 
genähte Verzierungen  durch  Sticken,  Brodieren  oder  Bordieren  (broder  — 
embroider). 

Gremusterte  Kuli  er  waren  mit  Erhöhungen,  Fadenanhäufungen  oder 
Oeffnungen  in  der  Ware  bedürfen  zu  ihrer  Herstellung  besonderer  Maschinen, 
der  Maschinenstühle,  und  heissen  daher  auch  Maschinenwaren.  Die  Bänder- 
oder Fangmaschiue  mit  2  Nadelreihen  liefert:  1.  sog.  Bechts-  und  Bechtsware, 
die  man  beim  Handstricken  erhält,  wenn  eine  Masche  glatt ,  die  nächste  ver- 
kehrt gestrickt  wird,  auch  Bänderware.  2.  Fangware,  bei  der  einzelne  Doppel- 
maschen gebildet  werden,  3.  Links-  und  Linksware,  Strickware,  4.  Fangplüsch. 
Mittels  der  Pressmaschine,  Blechmaschine  werden  Pressmuster  erzeugt ,  unter 
Anwendung  verschiedener  farbiger  Fäden  Farbpressmuster.  Die  Stech-  oder 
Petinetmaschine  liefert  durchbrochene  Waren,  ebenso  in  weitgehender 
AVeise  die  Deckmaschine,  Haken-,  Kanten-,  Bajonett-,  Ananas-  oder  Tüll- 
maschine. Durch  Decken,  oder  Aufdecken,  L'eberhängen  einzelner  Maschen  auf 
andere  Nadeln  mittels  der  Nadeln  einer  Deckmaschine  werden  dichtere  Stellen 
und  lockere  Stellen  mit  Oeffnungen  abwechselnd  erzeugt,  sodass  freie  Muster 
entstehen  oder  regelmässig  wiederkehrende  (Ananas). 

Die  Kettenwaren  werden  ebenfalls  eingeteilt  in  glatte  und  gemusterte. 
Zu  den  glatten  Kettenwaren  gehören:  L  Dichte  Waren,  mit  nur  einer  Maschine 
gearbeitet  (halber,  einfacher  Trikot,  einlegiger  Atlas,  Kettentuch  und  englisch 
Leder),  2.  Dichte  Kettenwaren  mit  zwei  oder  mehreren  Maschinen  gearbeitet 
(einfacher  Trikot,  Atlas  [Atlastrikot],  wollener  Sammet,  Plüsch,  Pelz,  Sammet 
[seidener  Sammet],  Trikot  mit  Futter,  Tuch  mit  Futter) ;  3.  Plattierte  Ketten- 
waren; 4.  durchbrochene  Kettenwaren,  Filetwaren;  5.  Schusskettenwaren.  Wirk- 
muster in  Kettenwaren  sind  zumeist  Pressmuster. 

Mechanische  W  irkerei.  G-egenüber  den  Handwirkstühlen,  bei  denen 
eine  Beihe  von  Arbeiten  durch  den  Arbeiter  vorgenommen  werden  müssen, 
werden  die  einzelnen  Arbeiten  an  den  mechanischen  Stühlen  durch  Zusammen- 
wirken der  einzelnen  Maschinenteile  ohne  Mithilfe  des  Arbeiters  durchgeführt. 
Die  mechanischen  Kulierstühle  werden  als  Bundkulierstühle  gebaut.  Man  unter- 
scheidet nach  der  Nadelstellung  französische  und  englische.  Der  Antrieb  er- 
folgt ausser  durch  Elementarkraft  häufiof  auch  durch  die  Hand  des  Arbeiters. 
Besonderer  AVert  ist  auf  selbsttätige  Abstellung  bei  Eintritt  von  Fadenbrüchen, 
Einlauf  zu  starker  Fäden  oder  A^erbiegen  von  Nadeln  gelegt.  Durch  Abände- 
rung und  besondere  Zutaten  an  den  Stühlen,  wird  die  Herstellung  der  übrigen 


Wirkwaren.  64 1 


"Wirkwaren  auch  auf  Rundstühlen  ermöglicht.  Es  werden  gebaut :  Französische 
Hundstühle  für  Plüschware  und  für  Futterwaren;  für  Wirkmuster:  die  Rund- 
Känder-  oder  ßund-Fangstühle  (genau  nach  dem  Vorbilde  des  Handränderstuhls 
entstanden) ;  Stühle  für  Links-  und  Linksware  (auch  Eundstrickstühle  oder 
Rundleiern  genannt);  E-undstühle  zum  Wirken  von  Pressmustern.  Englische 
ßundkulierstühle  werden  gebaut,  teils  mit  feststehenden,  teils  beweglichen  Nadeln 
für  glatte  Waren;  ferner  Eundwirkstühle  zur  Herstellung  von  Wirkmustern, 
Hechts-  und  Pechts-  und  Fangwaren,  durch  kleine  Aenderung  auch  für  Fang- 
Perlware  ;  für  Links-  und  Linksware  und  für  Pressmuster.  Flache  mechanische 
Kulierstühle  gelangten  erst  zu  häufigerer  Einführung,  nachdem  sie  mit  selbst- 
tätiger Windevorrichtung  und  zur  Herstellung  regulärer  W^aren  eingerichtet 
wurden.  Sie  sind  auch  zur  Herstellung  von  Wirkmustern  als  Pänder-  und 
Fangstühle,  sowie  für  Links-  und  Linksw^are.  Dagegen  sind  Pressmuster  an 
flachen  mechanischen  Stühlen  nicht  so  leicht  herzustellen  als  an  E,undstühlen. 
Yon  Deckmaschinenmustern  wird  nur  das  Ananasmuster  mechanisch  her- 
gestellt.   (Vgl.  Willkomm,  Technologie  der  Wirkerei.) 

Mechanische  Kettenstühle  zur  Herstellung  fast  ausschliesslich  grosser 
Stoff'stücke  sind  fast  nur  als  flache  Stühle  in  Verwendung. 

Flache  mechanische  Kettenstühle  für  glatte  Waren  ähneln  in  ihrer  An- 
ordnung ganz  den  Handstühlen,  werden  aber  auch  mit  Jacquardgetriebe  (Me- 
chanismus wie  in  der  Weberei)  gebaut. 

Von  den  flachen  mechanischen  Kettenstühlen  zur  Herstellung  von  Wirk- 
mustern,  Pänder-  und  Fangmustern  hat  der  Fangkettenstuhl  (Pasche  1-  oder 
Polkamaschine)  weitgehende  Verwendung  gefunden. 

Strickmaschinen  sind  Wirkmaschinen,  bei  denen  die  Maschenbildung 
und  die  Vollendung  der  Produkte  nach  Art  des  Handstrickens  geschieht. 

Die  Pundstrickmaschinen  ermöglichen  die  Herstellung  der  Strumpflänge, 
des  Fusses  und  der  Ferse  auf  maschinellem  Wege.  (Rundstrickmaschine  von 
Mac  Narr}'-.)  Eine  Verbesserung  der  amerikanischen  Tuttlemaschine  ist  die 
Pundstrickmaschine  von  Biernatzki,  beides  Abänderungen  der  Bickfordmaschine 
und  zwar  kann  mit  diesen  Verbesserungen  auch  Pechts-  und  Pechtsware  ge- 
arbeitet werden.  Am  besten  entspricht  die  Strickmaschine  von  S.  W.  Lamb 
dem  Bedürfnisse,  Strümpfe  mit  Ferse  und  Spitze  herzustellen,  eine  flache 
Strickmaschine,  l3ei  der  die  Nadeln  durch  Schlossdreiecke  oder  Heber  bewegt 
v^erden.  Mit  ihr  lassen  sich  Wirkwaren  mannigfachster  Art  herstellen,  ausser 
P,ingelware  auch  Pänderware,  Zwei-  und  Zweiränderware  oder  Patentränder, 
sowie  Fangware  und  Pressmuster. 

Zur  Herstellung  von  Links-  und  Linksware  werden  von  M.  Ulbricht  und 
Strickmaschinenfabrik  in  Kappel  Maschinen  mit  Doppelhakennadeln  hergestellt. 

Nur  in  seltenen  Fällen  sind  die  als  reguläre  Ware  benannten  Gregen- 
stände  einteilig,  sondern  sie  werden  meist  aus  mehreren  Teilen  zusammen- 
gefügt, die  auf  der  Wirkmaschine  so  geformt  sind,  dass  sie  ohne  Zerschneiden 
mit  ihren  Kanten  an  einander  genäht  werden  können.  Die  zu  verwendenden 
Nähte  müssen  hierbei,  ebenso  wie  bei  den  geschnittenen  Waren,  ebenso  elastisch 
sein  wie  die  Ware  selbst.  Derartige  Nähte  sind:  die  Halbenglische  Naht  oder 
gewöhnliche  Schlingennaht;  die  Polnische  Naht;  die  Türkische  Naht;  die 
Deutsche  Naht  und  die  Englische  Naht. 

Ein  fabrikmässiger  Betrieb  der  Wirkerei  für  den  Export  findet  nament- 
lich in  England,  einigen  Gegenden  Deutschlands  und  in  Frankreich  statt;  in 
England,  als  dem  ältesten  Sitze  der  Industrie,  ist  dieselbe  sehr  umfangreich 
und  ausgebildet.  Frankreich  zeichnet  sich  nur  durch  den  speziellen  Artikel 
seidener  Strümpfe,  sowie  Theatertrikots  aus  Seide  und  Baumwolle  aus,  worin 
es  unerreicht  dasteht.  In  Deutschland  wird  hauptsächlich  die  Herstellung  von 
W.  betrieben  in  Sachsen  (Gegend  von  Chemnitz) ;  es  werden  dort  vorzugs- 
weise baumw^ollene  Strumpfwaren,  sowie  wollene,  baumwollene,  leinene  und 
seidene  Handschuhe  gefertigt.  Aus  Burgstädt  kommen  besonders  feine  sei- 
dene, wollene  und  baumwollene  Jacken,  in  welchen  Artikeln  auch  Stuttgart 
Hervorragendes  leistet,    ebenso  Stollberg  und  Oelsnitz.     Für  Wollenartikel  ist 

Heiden,  Handwörterbuch  der  Textilkunde.  41 


642  AVischau— Wollbärte. 


Apolda  in  Thüringen  die  bekannte  Hauptstadt,  ausserdem  ist  Zeulenroda  zu 
nennen,   ferner  Nürnberg,  Erlangen,  Calw  und  Reutlingen. 

Wischau,  Stadt  in  Mähren:  Schaf-  und  Baum  Wollindustrie. 

Witney,  ein  englischer  schmaler  Calmucs. 

Witney-blankets  sind  englische  wollene  Bettdecken. 

Wittenberg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Merseburg :  Fabrikation  von 
Strumpfwaren,  Leinenwaren  und  Segeltuch ;  die  ehemals  bedeutende  Tuchfabrik 
ist   eingegangen. 

Wittenberge,  Stadt  im  preuss.  B,eg.-Bez.  Potsdam:  Woll-,  Tuch-  und 
Shoddyfabrikation. 

Wittgensdorf,  Dorf  in  der  sächs.  Amtshauptmannschaft  Chemnitz : 
Baumwollspinnerei,  Fabriken  für  Strumpfwaren  und  Handschuhe,  je  zwei  grosse 
Bleichereien  und  Färbereien. 

Wittstock,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Potsdam:  drei  Tuchfabriken, 
Spinnereien  und  Färbereien. 

Wladimir,  G-ouvernement  in  Bussland:  bedeutende  Baumwollmanufak- 
turen, Färbereien,  Tuch-  und  Leinwandfabriken. 

Wlamek,  s.  Ravenstuch. 

Wogenband,  Wasserwogenband,  Wellenband,  laufende  Welle,  laufender 
Hund  (vgl.  Abb.  346  a),  einer  der  griechischen  Omamentränder ,  wie  der 
Zinnigenabschluss  (b) ,  das  Torusband  (c)  und  die  Perlschnur  (d).  Die  Ent- 
stehung der  als  freie,  an  einander  gereihte  Krönung  erscheinenden  laufenden 
Welle  ist  wohl  eine  rein  geometrische  oder  eine  TJebersetzung  der  einfachen 
Mäanderlinie  ins  Bunde.  Nahe  liegt  auch  die  Bildung  derselben  in  der 
Flechterei  und  Wirkerei,  woselbst  das  Ornament  als  Abschlussborte  in  den 
einfachsten  Arbeiten  (Abb.  232,  S.  396)  aus  der  Technik  heraus  entwickelt 
erscheint.  In  gleicher  Entstehung  kommt  das  W.  vor  auf  gewirkten  orienta- 
lischen Teppichen,  ganz  besonders  enthält  eine  Art  von  Sumakhdecken  das 
Motiv.     (Vgl.  auch  die  Bandborte  in  Abb.   111,  S.  237.) 

Abbildung: 

346.  Darstellung  aus:  Katalog  der  Grewebesaramlung  des  Germanischen  National- 
museums in  Nürnberg,  Teü  I,  Nr.  213:  Bruchstück  einer  Wirkerei  mit  Bändern  ab- 
wechselnd bunt  gemustert;  frühmittelalterlich. 

Woiloks,  in  Bussland  aus  Filz  und  Binderhaaren  verfertigte  Decken, 
welche  zum  Belegen  des  Fussbodens  in  Zimmern  dienen.  Sie  werden  in  ver- 
schiedener G-rösse  besonders  um  Kaluga  und  in  Sibirien  gefertigt  und  zumeist 
über  Archangel  verschifft. 

Wolf,  Yorbereitungsmaschine  der  Spinnerei,  kommt  als  Klopfwolf  und 
Beisswolf  oder  Oefifner  in  der  Baumwollspinnerei  vor.  In  der  Wollspinnerei 
wird  auch  ein  Krempelwolf  und  ein  Klettenwolf  angewendet. 

Wolkenmuster  (lat. :  nubiatum;  franz.:  nebule,  nuees;  engl.:  nebuly), 
als  Kunstform  auf  orientalischen  Greweben,  Stickereien  und  Teppichen  des  16. 
und  17.  Jahrh.  sind  keine  seltenen  Erscheinungen.  Man  setzt  den  Ursprung 
derselben  nach  China,  wo  das  Motiv  schon  frühzeitig  im  Flachmuster  Ver- 
wendung findet  und  sich  auf  die  persische  Kunst  überträgt.  Hier  erfährt  die 
Form  im  Teppich  oft  eine  besondere  Gestaltung  (Abb.  325,  S.  569),  die  im 
Webemuster  (Abb.  347)  sich  einfacher  darbietet.  Auch  die  sog.  buddhistischen 
Kugeln,  welche  in  Gruppen  zu  dreien  das  Wolkenmuster  häufig  begleiten,  sind 
von  China  her  übernommen. 

Abbildung: 

347.  Originalaufnahme  aus  dem  Kgl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart: 
Seidengewebe,  abweehselnd  in  weissen  und  bunten  Streifen  gemustert:  die  ersteren 
mit  den  buddhistischen  Kugeln,  die  anderen  mit  dem  Wolkenornament.  Persien  oder 
Türkei  17.  Jahrh. 

Wollbärte  oder  Barttuch  ist  ein  tuchartiges,  gewalktes  Zeug  mit  sehr 
langen    glänzenden,    gewalkten    Wollfasern   (Angorawolle)    auf    der  Oberfläche. 


Wolldecken — Wolle. 


643 


Abb.   347, 


Es  wird  beim  Gebrauch  in  etwa  handbreite  Streifen    zerschnitten    und  an  das 
Schauende  der  Tuche  genäht  zur  Verzierung. 

Wolldecken  werden  aus  Wollengarn  und  zuweilen  auch  mit  baum- 
wollener Kette  in  allen  möglichen  Farben,  Mustern  und  Formen  zu  den  ver- 
schiedensten Zwecken  fabrikmässig  angefertigt. 

Wolle  (franz.:    laine;    engl.:  wool;  ,, 

ital.:  lana),  die  eigenartige  Haardecke  des 
Schafes ,  ist  schon  vom  Altertum  her 
(s.  Geschichtliches)  ein  wichtiger  Artikel  a. 
als  Bekleidungsstoff  gewesen  und  mit  der 
Zeit  ein  Weltartikel  von  grösster  Bedeu- 
tung geworden.  Anfangs  verarbeitete  man 
die  W.,  wie  sie  die  gewöhnlichen  Schafe 
gaben,  doch  bestanden  schon  Sortenunter-  b. 
schiede  je  nach  den  verschiedenen  Län- 
dern, wovon  namentlich  die  englische  W. 
als  die  beste  und  längste  galt,  und  es 
wurden  grosse  Mengen  davon  für  die  nie-  ^' 
derländischen  Tuchmachereien  ausgeführt, 
bis  1660  die  Ausfuhr  streng  verboten 
wurde,  eine  Massregel,  die  sich  bis  1825 
erhalten  hat.  Vor  etwa  anderthalb  hun- 
dert Jahren  begann  eine  neue  Periode  in 
der  Wolleproduktion  durch  Einführung 
der  edlen  spanischen  Schafe,  zunächst 
nach  dem  Kurfürstentum  Sachsen,  wes- 
halb die  hier  gezüchtete  feine  W.  den 
Namen  Elektoralwolle  erhielt.  Die 
edlen  spanischen  oder  eigentlich  mauri- 
schen, aus  Afrika  stammenden  Schafe 
bilden  zwei  Rassen,  die  eigentlichen  M  e- 
rinos,  die  Träger  der  Elektoralwolle, 
und  die  Negrettis.  Die  ersten  sind 
Stallvieh  und  haben  die  feinste  W. ,  in- 
dessen die  andere  mit  dichterem,  kräf- 
tigem und  nicht  ganz  hochfeinem  Yliess 
aus  jenen  entstanden  sind  durch  ein  Wan- 
derleben ,  indem  sie  im  Sommer  in  den 
Gebirgen  von  Altkastilien  und  Aragonien, 
im  Winter  in  den  Ebenen  von  Estrema- 
clura  und  der  Mancha  geweidet  wurden. 
Die  W.  der  Schafe  aus  der  Provinz  Bur- 
gos  heisst  Burgales  as  und  ist  meist 
rosa,  selten  weiss;  die  Cuencaswolle 
ist  geringerer  Qualität.  Die  W.  der  Ne- 
grittaschafe  nennt  man  in  Spanien  In- 
fantadowolle  und  die  aus  Leon  Leo- 
nesas.  Nach  dem  Vorgänge  Sachsens 
haben  dann  auch  die  übrigen  Länder, 
Oesterreich_,  Ungarn,  England,  Frankreich, 
spanische  Schafe  aus  Spanien  oderDeutsch- 
land  eingeführt  und  ihre  Herden  durch  spanisches  Blut  veredelt,  teils  durch  Me- 
rinos, teils  durch  Negrettis.  Alle  wirklichen  Schäfereien  halten  jetzt  mehr  oder 
weniger  veredeltes  Vieh  und  man  sucht  durch  Kreuzungen  möglichst  drei  Ziele 
zugleich  zu  erreichen:  AVollfeinheit,  Wollmenge  und  Körperschwere.  Da  die 
Veredelung  immer  vom  männlichen  Tiere  ausgeht,  so  sind  edle  Zuchtwidder 
sehr  teuere  Gegenstände.  In  England  wird  hauptsächlich  auf  grossen  Schafen 
die  lange,  kräftige  und  glänzende  Wolle  gezüchtet,   wie   sie  zu  Kammgarn  er- 


b. 


644  Wolle. 


forderlich  ist.  Die  Verpflanzung  der  spanischen  Edelschafe  ist  nirgend  besser 
gelungen  als  in  Sachsen  und  einigen  anderen  Gegenden  Deutschlands,  jedoch 
nicht  in  allen.  Hier  ist  die  Merinowolle  nicht  nur  ebenso  gut,  sondern  meist 
besser,  weicher  und  zarter  als  in  ihrem  Yaterlande,  so  dass  man  also  in  Deutsch- 
land tatsächlich  die  feinste  W.  antrifft  und  die  Engländer,  welche  alle  hoch- 
feine W.  kaufen  müssen  und  sie  früher  von  Spanien  nahmen,  jetzt  nur  das 
Wenigste  dort,  sondern  die  Hauptmenge  in  Deutschland  kaufen. 

Greschichtliches.  Die  Verarbeitung  der  Wolle  zu  Kleidungsstücken 
ist  wohl  in  allen  Ländern  der  gemässigten  Zone  der  Verbreitung  des  Schafes 
auf  dem  Fusse  gefolgt;  überall  in  Vorder-  und  Mittelasien,  in  Aegypten,  in 
Mittel-  und  Südeuropa  finden  wir  Wollenweberei  als  uraltes  Hausgewerbe. 
Ebenso  alt  war  gewiss  auch  das  heute  noch  bei  den  Kalmücken  tind  Kirgisen 
gebräuchliche  Verfahren,  die  Wolle  mittels  der  Einwirkung  heissen  Wassers 
oder  eines  Leimes  zu  filzen.  Die  frühesten  Nachrichten  über  die  Wolle  als 
einen  der  Hauptartikel  der  Industrie  und  des  Handels  weisen  auf  Babylon  und 
Niniveh,  woselbst  die  wichtigen  Ausstattungen  der  W^ohnräume  daraus  be- 
standen. Dass  auch  bei  den  Aegyptern  die  Wollenmanufaktur  und  die  Teppich- 
wirkerei in  grossem  Umfange  seit  den  ältesten  Zeiten  betrieben  ward ,  davon 
geben  uns  die  Nachrichten  aus  der  Bibel  Kenntnis.  Babylonische  Mäntel  sollen 
in  Syrien  schon  im  2.  Jahrhundert  getragen  worden  sein.  Von  da  hat  sich 
die  Wollenweberei  als  ausgebildeter  Industriezweig  wahrscheinlich  nach  Phöni- 
zien  und  Kleinasien  verbreitet.  Den  Grriechen  war  die  Wolle  in  der  höchsten 
Kulturperiode  der  beliebteste  Kleidungsstoff;  der  volle  Faltenwurf  derselben 
trat  an  die  Stelle  der  gekniffenen  und  welligen  Leinenzeuge.  Besonderen  Ruf 
in  der  Herstellung  von  Wollenstoffen  erlangten  die  Städte  Milet,  Samos,  Korinth, 
Karthago,  Tarent,  auch  die  spanischen  Städte  Cartagena,  Tarragona  u.  s.  w. 
Ueberhaupt  muss  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Altertums  die  Schafzucht 
in  Spanien  auf  einer  sehr  hohen  Stufe  gestanden  haben ,  denn  der  römische 
Geograph  Strabo  berichtet,  dass  ein  ausgezeichneter  Zuchtwidder  mit  1  Talent, 
d.  s.  etwa  4700  Mark,  bezahlt  worden  sei.  Besonders  gesucht  war  die  natur- 
schwarze Wolle  Spaniens.  Nach  den  Berichten  von  „Dr.  K.  Weinhold,  Nor- 
disches Leben,  Berlin  1856",  war  bei  den  Sachsen  und  Skandinaviern  das 
Wadmal,  ein  grobes  hausgemachtes  Wollenzeug,  das  gewöhnlichste  Tauschmittel 
und  diente  statt  des  Geldes.  Man  unterschied  verschiedene  Sorten,  gewöhnliche 
und  feinere,  darunter  auch  gestreifte  Stoffe.  Sehr  stark  und  dick  war  der 
Loden,  dem  ähnlich,  wovon  Plinius  sagt,  dass  es  dem  Eisen  und  selbst  dem 
Feuer  Widerstand  geleistet  hätte.  Noch  derber  war  das  Flockenzeug  oder  der 
Filz.  Die  Strickwolle  wurde  in  den  baltischen  und  Nordseeländern  seit  frühesten 
Zeiten  zum  Stricken  der  meistens  blauen  grossen  Strümpfe  oder  Hosen,  der 
gemeinsamen  Tracht  für  Frauen  und  Männer,  benützt.  In  Friesland  musste 
zu  den  Zeiten  Karls  des  Grossen  die  Wollenweberei  zu  grösserer  Vollendung 
gediehen  sein,  da  friesische  Mäntel  von  ihm  als  Geschenke  in  das  Ausland  ge- 
sandt wurden.  Seit  dem  10.  Jahrh.  wurden  die  deutschen  Wollenmanufakturen 
berühmt  und  lieferten  die  Modestoffe.  Von  Deutschland  aus  zog  sich  die  feinere 
Wollenweberei  mehr  nach  Flandern  und  wurde  durch  den  Schutz,  den  ihrBalduinlll 
(gest.  1162)  zu  teil  werden  liess,  besonders  gepflegt.  Er  berief  deutsche  Weber 
und  Spinner  in  seine  Staaten  zur  Bereitung  der  feinsten  Tuche  und  vorzüg- 
lich der  fast  ebenso  hoch  wie  die  Purpurseide  geschätzten  Scharlachtücher.  Von 
Flandern  und  Belgien  verpflanzte  sich  dann  die  feine  Tuchfabrikation  zunächst 
nach  Florenz,  dann  auch  nach  den  übrigen  Städten  Italiens,  Mailand,  Genua  und 
Neapel.  In  Florenz  blühte  die  Wollenweberei  bereits  im  Anfange  des  14.  Jahrh. 
Nach  Giov.  Villani  waren  200  Gewölbe  für  Wollenverkauf  schon  damals  in 
Florenz,  wurden  70 — 80000  Stücke  Tuch  des  Jahres  gefertigt,  während 
zwanzig  Appreturanstalten  jährlich  für  30000  Goldgulden  ausländisches  Tuch 
verfeinerten.  Während  der  bürgerlichen  und  darauffolgenden  religiösen  Un- 
ruhen in  Flandern  und  Brabant  wanderten  viele  der  geschicktesten  Wollen- 
weber nach  fremden  Staaten,  die  meisten  nach  England,  ein  Teil  nach  Deutsch- 
land.    Ihnen  verdankt  England  den  Flor  seiner  Wollenindustrie.     In  der  Mitte 


Wollendruck  —Wollengarne.  645 


des  16.  Jahrb.,  zur  Zeit  Eduard  III,  flüchteten  über  100  000  Wollenweber  aus 
Flandern,  meistens  nach  England.  Frankreichs  Tuchmanufakturen  brachte  vor- 
züglich Colbert  in  Aufnahme.  In  der  Schweiz  bestanden  gleichfalls  sehr  alte 
Fabriken,  die  besonders  zu  Zürich  blühten.  Die  altberühmten  deutschen  Wollen- 
manufakturen —  so  schreibt  auch  Gottfried  Semper  im  §  41  seines  Werkes : 
„Der  Stil"  —  wetteifern  mit  mehr  oder  weniger  Vorteil  mit  den  englischen  und  fran- 
zösischen. Gewisse  Fabrikate,  z.  B.  das  für  Stickereien,  Posamentierarbeiten 
und  Strickgewebe  so  notwendig  lange  Kammgarn,  wird  nirgends  so  schön  bereitet 
und  gefärbt  wie  in  Norddeutschland.  Die  langhaarigen  angoraartigen  Schafe  der 
Nordseeküste  und  der  Haide  liefern  dazu  den  fast    einzig  geeigneten  Kohstoff. 

Wollendruck,  d.  h.  das  Bedrucken  von  Wollenstoffen  mit  Mustern,  ist 
erst  gegen  das  Ende  des  17,  Jahrhunderts  aufgekommen.  Man  legte  den  Stoff 
zwischen  zwei  genau  aufeinander  passende  Formen,  in  welche  dasselbe  Muster 
ganz  durchbrochen  eingeschnitten  war,  goss  auf  die  obere  Form  eine  heisse 
Farbenbrühe,  welche  an  den  durchbrochenen  Stellen  den  mit  Weinstein  und 
Alaun  präparierten  Stoff  durchdrang  und  unten  wieder  abfloss  (s.  Golgas- 
druck).  Bei  dem,  früher  besonders  in  Mülhausen  im  Elsass  angewandten, 
Berill  druck  (s.  d.)  bediente  man  sich  heisser  Messingformen  und  Farben, 
welche  mit  Beizen  und  Stärke  oder  Gummi  verdickt  waren;  da  diese  Yer- 
dickungsmittel  nicht  wieder  entfernt  wurden,  lagen  die  Farben  erhaben  auf: 
erhabener  Druck.  Im  Jahre  1810  fing  man  in  Sachsen  an,  die  auf- 
gedruckten Farben  durch  Dämpfe  zu  fixieren,  mittels  heisser  Walzen  usw., 
später  durch  Wasserdampf.  Diese  Methode  ist  dann  im  Laufe  der  Zeit  viel- 
fältig ausgebildet  und  verbessert  worden.     S.  Zeugdruck. 

Wollengarne  werden  auf  zwei  Arten  aus  verschiedenen  Wollsorten  her- 
gestellt, wonach  man  Streichgarn  (engl.:  woolen ;  franz.:  laine  cardee)  und 
Kammgarn,  auch  Saye-,  Sayet-  oder  Soyegarn  genannt  (engl.:  worsted; 
franz. :  laine  peignee)  unterscheidet.  Als  Streichwolle  dient  kurze,  stark  ge- 
kräuselte Wolle,  als  Kammwolle  möglichst  lange,  nicht  oder  nur  wenig  ge- 
kräuselt. Hiernach  und  infolge  der  verschiedenen  Behandlung  erscheint  das 
Streichgarn  im  Faden  weich  und  rauh,  wollig  und  dient  zu  tuchartigen  ge- 
walkten Stoffen,  während  das  Kammgarn  glatt ,  dichter  an  Körper  ist  und  zu 
glatten  Zeugen,  Tibets  u.  a.  gebraucht  wird.  Für  Streichgarn  wird  die  ge- 
reinigte, auf  Maschinen  gelockerte  und  mit  Oel  gefettete  Wolle,  weiss  oder  für 
wollfarbige  Tuche  schon  gefärbt,  durch  Krempelmaschinen  zunächst  in  rollen- 
artige Tafeln  verwandelt  und  schreitet  dann  weiter  in  ähnlicher  Weise  wie 
beim  Verspinnen  von  Baumwolle  (s.  Baumwollengarn)  zu  Lunte,  Vorgespinst 
und  Feingespinst  vor. 

Zum  Belaufe  der  Kammgarnspinnerei  wird  dazu  die  geeignete  lange  Wolle 
eingeölt  und  gekämmt,  d.  h.  durch  Beihen  von  heissen  Stahlnadeln  gezogen^ 
wodurch  die  kurzen  Fasern  (Kämmlinge)  herausgehechelt  und  die  langen  in 
parallele  Lage  zu  einander  gebracht  werden,  während  die  Hitze  die  Neigung 
zum  Kräuseln  aufhebt.  Die  gekrümmte  lange  Wolle,  der  Zug,  bildet  klafter-^ 
lange,  lockere  Bänder,  welche  der  Spinnmaschine  übergeben  werden.  Neben 
der  Handkämmerei  hat  man  verschiedene  Kämmmaschinen,  doch  ist  die  erstere 
nicht  ganz  entbehrlich.  Die  Weite  und  das  Numerieren  des  Garns  stimmt 
meistens  mit  den  beim  Baumwollgarn  üblichen  überein.  Je  nach  der  Be- 
stimmung der  Garne  im  Webstuhl  unterscheidet  man  auch  bei  der  Wolle 
Kettengarn  und  Schussgarn;  das  erstere  erhält  beim  Spinnen  stärkere 
Drehung  als  das  andere,  und  für  Tuche  und  andere  der  Walke  unterliegende 
Stoffe  haben  beide  auch  entgegengesetzte  Drehungen,  das  eine  rechts,  das 
andere  links.  Frankreich,  nimmt  in  Bezug  auf  die  Qualität  und  die  hohe 
Feinheit  seiner  Streichgarne  den  ersten  Bang  ein,  namentlich  sind  die  W.  von 
Beims,  Elboeuf  und  Sedan  bisher  als  die  feinsten  anerkannt.  Oesterreich  gleicht 
sich  in  den  mittleren  und  niederen  Sorten  mit  Frankreich  und  besitzt  in 
Brunn  die  grösste  Streichgarnspinnerei  Europas.  Belgien  liefert  ebenfalls  gute, 
mittlere  und  gewöhnliche  Sorte.  Alle  diese  Länder  versorgen  England  und 
Deutschland  mit  Streichgarn. 


646  AVoUenstoffe— Württemberg. 

Woilenstoffe,  s.  Wolle  und  Wollenwaren. 

Wollenwaren  (Wollenzeuge)  nennt  man  alle  aus  Schafwolle,  allein  oder 
mit  anderen  Faserstoffen  gemischt,  hergestellten  Gewebe,  vornehmlich  versteht 
man  aber  unter  Wollzeugen  Stoffe,  welche  aus  Kammgarn  allein  oder  mit 
Streichgarn,  Seide,  Baumwolle  usw.  gemischt  angefertigt  werden,  wie  z.  B. 
Kasemir,  Fries,  Kamlot,  Lasting,  Moltons,  Merino  usw.,  die  alle  unter  den  be- 
treffenden Artikeln  behandelt  sind. 

Wollfarbig  heisst  ein  Stoff,  wenn  die  dazu  verwandte  Wolle  bereits 
gefärbt  war. 

Wollindustrie,  s.  Wolle. 

Wollkämme  bestehen  aus  einem  mit  zwei  Hornplatten  belegten  und  mit 
einem  Stiele  versehenen  Brettchen  mit  zwei  E-eihen  langen  Stahlnadeln  (Zähne), 
durch  welche  die  zur  Verfertigung  von  Kammgarn  dienende  Wolle  gezogen 
wird,  nachdem  die  Zähne  vorher  erhitzt  sind,  wodurch  der  Wolle  die  Kräuse- 
lung und  das  Bestreben,  sich  zu  verfilzen,  entzogen  wird.  Im  Handel  unter- 
scheidet man  die  W.  nach  der  Anzahl  und  dem  weiteren  Stand  der  Zähne  in 
24er,  26er,  28er  und  30er  und  verkauft  sie  entweder  paarweis  oder  nach  dem 
Dutzend.  Uebrigens  sind  die  W.  immer  mehr  durch  Maschinen  verdrängt 
worden,  zumal  die  Wollkämmerei  auch  eine  der  Gresundheit  schädliche  Tätig- 
keit ist. 

Wollmolton,  s.  Barchent. 

Wollmosaik,  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  für  Teppiche, 
Tapeten  u.  dgl.  gebräuchlich,  entstand  durch  Aufstäuben  verschiedenfarbiger 
Scherwolle  auf  einem  mit  flüssigem  Kautschuk  getränkten  Stoff. 

Wollmusselin  (franz. :  mousseline  de  laine),  ein  leichter,  locker  gewebter 
leinwandartiger  Sommerstoff  aus  feinem  Kammgarn  zu  Damenkleidern,  meist 
buntbedruckt  mit  weissem  oder  farbigem  Grund^  wird  in  Deutschland,  England 
und  Frankreich  in  Menge  gefertigt.  Eine  wohlfeilere  Sorte  mit  baumwollener 
Kette  heisst  Milaine.     (Vgl.  auch  Etamine  und  Flor.) 

Wollspinnerei,  s.  Spinnerei. 

Wolltapeten,  s.  Tapeten. 

Wongshy  (chinesische  G-elbschoten)  heissen  die  Samengefässe  einer  zu 
den  Gentianeen  gehörenden,  auf  Batavia  wachsenden  Pflanze,  welche  zum  Gelb- 
färben von  Seiden-  und  Wollenzeugen  dienen  und  deshalb  nach  Europa  ge- 
bracht werden. 

Worksop,  Stadt  in  der  engl.  Grafschaft  Nottingham:  Woll-  und  Strumpf- 
warenfabriken. 

Worstead  (engl.),  wollener  Stoff,  so  benannt  von  der  Stadt  Worstead 
(Norfolk). 

Worsted  ist  hartes  Kammgarn. 

Woylach  (russ.  =  Filz),  eine  wollene  Decke,  die,  mehrfach  zusammen- 
gelegt, als  Sattelunterlage  dient. 

Wrapper  (engl.),  langer  wollener  Shawl. 

Wünschelburg,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau :  Leinen-,  Tuch-  und 
Wollweberei,  Strumpfwirkerei. 

WÜrbenthal,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien:  bedeutende  Spinnerei, 
Zwirnerei  und  Weberei,  Garn-  und  Zwirnbleichen,  Fabrikation  von  Tischdecken 
und  Kaffeetüchern. 

Württemberg,  Königreich  in  Süddeutschland:  die  Textilindustrie  ist  sehr 
ausgedehnt,  besonders  die  Baumwollfabrikation;  Spinnereien  bestehen  in 
Metzingen,  Esslingen,  Kuchen,  Betzingen,  Unterhausen,  Wangen,  Heidenheim, 
Brühl,  Urach,  Nürtingen,  Bempflingen,  Unterboihingen,  Cannstatt,  Calw.  Die 
Spinnerei  hat  bedeutend  gelitten,  da  grosse  Mengen  von  englischen  Gespinsten, 
auch  von  amerikanischen,  auf  den  Markt  kommen.  Die  B  aum  woll  web  er  ei  er- 
zeugt namentlich  Bunt-  und  Jacquardwebereien,  aber  auch  glatte,  rohe  Ge- 
webe, gestreifte  farbige  Hemdenstoffe.  Eine  grosse  Verbandstofffabrik  in 
Heidenheim.  Die  früher  sehr  starke  Handweberei  geht  mehr  und  mehr  zurück. 
Die  S  ch  af Wollindustrie  ist  zum  grossen  Teil  auf  den  Import  schlesischer, 


Würzburg — Xylolin.  (547 


ungarischer  und  englischer  Wolle  angewiesen;  es  werden  Kammgarne  zu 
Bietigheim,  Esslingen  und  Salach  gesponnen,  hier  ist  die  Konkurrenz  der 
französischen  Kammgarnspinnerei  fühlbar.  Kunstwolle  wird  in  Cannstatt  her- 
gestellt; Tuch  und  Buckskin  namentlich  in  Esslingen,  Heidenheim, 
Göppingen,  Reutlingen,  Backnang,  Calw  und  Nagold;  wollene  Teppiche 
und  Flanelle  in  Heidenheim,  Balgheim,  Aalen,  Ereudenstadt;  Wollfilz  in 
Oingen  a.  Br.  Leinengarne  werden  noch  viel  mit  der  Hand  besonders 
auf  der  Alb  und  den  Eildern  gesponnen,  noch  mehr  aber  auf  diese  Weise  ge- 
woben. In  Laichingen  und  Umgegend,  Blaubeuren  und  Stuttgart  wird  bessere 
und  Handelsleinwand,  in  Böblingen,  Göppingen  und  Stuttgart  Leinwanddrill, 
in  Stuttgart  und  Blaubeuren  Tischzeug  hergestellt.  Der  Hauptsitz  der  Leinen- 
industrie ist  Urach,  besonders  für  Spinnerei.  Seidenzwirnerei  ist  in 
Bönnigheim  und  Jsny,  Seidenweberei  in  Böblingen,  Waiblingen,  Sindel- 
fingen, Gmünd  u.  a.  Wollindustrie  in  Stuttgart,  Heidenheim,  Calw,  Beut- 
lingen,  Nagold,  Metzingen,  Esslingen,  Göppingen  usw.  Wollfilzfabrikation 
in  Giengen.  Wollene  und  baumwollene  Strumpfwaren  in  Ehingen, 
Tuttlingen,  Oberndorf,  Calw,  Beutlingen  u.  a.  Leinene  Gimpen  und 
Einsätze,  geklöppelte  Spitzen  u.  dgl.  werden  in  grosser  Menge  zu 
Nürtingen,  Beutlingen  u.  a.  0.  gefertigt.  Die  Weisswarenindustrie 
(Stickerei  in  Ravensburg)  hat  besonders  durch  die  Einfuhr  englischer  Artikel 
zu  leiden. 

Würzburg,  Hauptstadt  des  bayr.  Beg.-Bez.  Unterfranken:  Im  18.  Jahrh. 
betrieb  Kurfürst  Johann  Philipp  von  Mainz  hier  die  Seidenzucht  mit  Erfolg. 
Eine  bedeutende  kirchliche  Stickereiwerkstatt  wurde  im  Anfange  des  18.  Jahrh. 
unterhalten,  wovon  noch  Originale  (vgl.  Abb.  155,  S.  293)  vorhanden.  Im 
Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin  Sammlung  von  Entwürfen  aus  derselben. 

Würzen,  Stadt  in  Sachsen:  Weberei,  Bleicherei,  Teppiche  und  Eilz- 
fabrikation. 

Wüstegiersdorf,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  Wollspinnerei  und 
-Weberei,  Leinwandfabrikation  und  Leinwandhandel. 

Wüstewaltersdorf,  Dorf  im  preuss.  Beg.-Bez.  Breslau:  Leinwand-  und 
Baumwollweberei,  Färberei,  Bleicherei  und  Appreturanstalten. 

Wyschnij  Wolotschök,  Stadt  im  russ.  Gouvernement  Twer:  zwei  Baum- 
wollspinnereien und  eine  Weberei. 


Xalisko,  einer  der  Pacificstaaten  der  Republik  Mexiko  :  Baumwollindustrie. 

Xamitum,  aus  Hexamitum  entstandene  mittellateinische  Bezeichnung 
sechsdrähtigen  Seidenstoffs,  später  des  Sammets,  welches  Wort  aus  dem  obigen 
hervorgegangen  ist. 

Xanten,  Stadt  im  preuss.  Beg.-Bez.  Düsseldorf:  Sammetfabrikation, 
Baumwoll-  und  Leinenweberei. 

Xeres  de  los  Cavalleros,  Stadt  in  der  span.  Provinz  Badajoz:  Leinen- 
industrie. 

Xyloidin  ist  der  schon  früher  von  Braconnot  durch  Einwirkung  von 
Salpetersäure  auf  Stärkemehl,  Holz,  Baumwolle  erzeugte  Stoff;  aus  dem  später 
die   Schönbeinsche  Schiessbaumwolle  und  das  Kollodium  entstand. 

Xylolin,  billiger  leinwandartiger,  von  Claviez  &  Co.  in  Leipzig-Plagwitz 
und  Adorf  in  den  Handel  gebrachter  Webstoff,  dessen  Kette  aus  Baumwolle 
und  dessen  Einschuss  aus  zylindrisch  zusammengedrehten  Streifen  von  dünnem 
Holzstoffpapier  besteht,  und  der  zu  Arbeitskleidern,  Tischdecken,  Handtüchern, 
Unterkleidern  usw.  verwendet  wird. 


648  Yamamayseide — Zagori. 


Y. 

Yamamayseide  (jap.),  richtiger  Yama-mayu,  bedeutet  Berg  (Yama)  oder 
wildes  Kokon  (mayu),  Produkt  des  Eichenspinners. 

Yan-tioh,  eine  Sorte  Manelle,  die  als  Spanish  stripes  (s,  d.)  in  Asien 
auf  den  Weltmarkt  gebracht  werden. 

Yapendjis,  Filzmäntel  mit  Velpel  aus  Kaukasien,  welche  nach  Russland 
und  der  Moldau  verkauft  werden. 

Yarkand,  Stadt  im  chinesischen  Ostturkestan,  am  Flusse  Y. :  Teppich- 
erzeugung. 

Yard,  das  englische,  seit  1889  auch  in  Indien  gesetzlich  vorgeschriebene, 
sowie  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  geltende  Ellenmass  von 
3  engl.  Fuss  =  0,9144  m. 

Yarmouth,   s.   Great-Yarmouth. 

Yeux  de  perdrix,  in  Frankreich  ein  halbwollenes,  halbseidenes  Zeug, 
das  die  Hautelisseweber  verfertigen.  Man  macht  auch  in  Zittau  gemusterte 
Tischzeuge,  die  so  benannt  werden. 

Yezd,  Stadt  in  Persien:  Erzeugung  von  Filzteppichen,  welche  zu  den 
feinsten  und  teuersten  Sorten  gehören.  In  allen  Berichten  wird  als  Eigen- 
tümlichkeit darauf  hingewiesen,  dass  es  in  Y.  im  17.  Jahrhundert  Seidenweber 
gab,  welche  es  verstanden,  in  ihre  Gewebe  Figuren  einzuwirken  „und  selbst 
Schrift,  so  trefflich  wie  die  beste  Handschrift". 

Yomudteppiche  sind  solche  aus  Turkmenen,  der  Grundton  ist  eisenviolett :, 
neuerdings  kommt  auch  ein  Zinnoberrot  zur  Verwendung,  das  auf  beginnenden 
Verfall  des  Farbensinnes  deutet.  Der  Name  stammt  von  Yomnuden,  einem 
türkischen  Stamme  der  um   das  alte  Merv    gelagerten  Nomaden.     S.  Teppich. 

Yonkers,  Stadt  im  nordamerik.  Staate  New  York :  Woll-  und  BaumwoU- 
warenfabrikation,  Teppiche,  Seidenwaren  und  Hüte. 

Ypern,  Stadt  in  der  belg.  Provinz  "Westflandern:  Spitzenfabrikation, 
auch  "Woll-  und  Leinenstoffe ;  war  einst  Sitz  der  ausgebreitetsten  Tuchfabri- 
kation. 

Yssengeaux,  Arrond.-Hauptstadt  im  franz.  Departement  Haute  Loire: 
Fabrikation  von  Spitzen,  Bändern,  Blonden;    Seidenzwirnerei. 

Yu-cha-usa  heissen  in  China  die  aus  Frankreich  und  Deutschland  ein- 
geführten Kamelots. 

Yu-Iing  nennt  man  in  China  den  Lasting.  Yu-mau  den  holländischen 
und  Yu-sho  den  englischen  Kamlot. 

Yvetot,  Hauptstadt  des  gleichnamigen  franz.  Arrond.,  Departement  Seine 
Inferieure :  Fabrikation  von  Baumwollstoffen  (grobes  Garn,  gewöhnliche  Zeuge^ 
wohlfeile  bedruckte  Kattune),  Leinwand,   Sammet  und  Strumpfwaren. 


Zabbara,  Zappares,  Zapara,  Zappora,  nennt  man  in  den  Mittelmeer- 
ländern die  Fasern  der  Agave,  welche  als  Schuss  zu  verschiedenen  Geweben 
(Pferdedecken,  Fischernetzen,  Tressen,  Spitzen,  Halstüchern  usw.)  verarbeitet 
werden,  während  zur  Kette  Seide  dient. 

Zackelwolle,  die  Wolle  des  ungarischen  Zackelschafes. 

Zagori,  Hauptstadt  eines  kleinen  unabhängigen  Gebietes  im  türkischen 
Vilajet  Janina,  deren  Einwohner  besonders  Wollweberei  und  Seidenzucht  treiben. 


Zahl— Zeitz.  649 


Zahl,  ein  Garnmass,  welches  auch  Zaspel  oder  Haspel  genannt  wird  = 
1/2  oder  Va  Strähn  =  10  oder  20  Gebind  zu  9,  10,  18,  20  oder  zu  40  Faden 
zu  3  bis  4  Ellen  (2 — 2^/3  m)  Länge  den  Faden. 

Zähne,  am  Webstuhl  die  Stäbe  des  Rietblattes. 

Zamora,  Hauptstadt  gleichnamiger  span.  Provinz :  Weberei  und  Färberei 
von  Wollenwaren. 

-Zampel,  Zampelzug,  eine  Vorrichtung  am  Zampelstuhl,  einem  ver- 
alteten Webstuhl  für  grossmusterige  Stoffe.  Sie  besteht  aus  einer  Menge,  an 
der  Seite  des  Stuhls  vertikal  befestigter  Zampelschnüre  oder  Zampel- 
karden,  welche  nach  der  Patrone  des  Musters  in  verschiedene  Lätzen, 
starke,  teils  vor  den  Z ampelschnüren  hinlaufende  Schnüre,  gelesen  sind.  Durch 
einen  Zug  an  einer  Latze  werden  die  vor  ihr  liegenden  Zampelschnüre  ge- 
spannt und  dadurch  wieder  die  Kettenfäden  gehoben.  Solche  Zampelstühle 
sind  sowohl  in  Indien  als  auch  in  Japan  noch  im  Gebrauch  (s.  Abb.  126,  S.  263). 

Zampelwebstuhl  =  Zampel. 

Zampten  sind  Zampellatzen  (s.  Zampel). 

Zanella,  ein  atlasbindiges  Gewebe  mit  baumwollener  Kette  und  kamm- 
wollenem Schuss. 

Zangalet,  s.  Sarsenets. 

Zangalettes,  s.   Sangales. 

Zante,  Zankynthos,  Hauptstadt  gleichnamiger  jonischer  Insel:  bedeutende 
Baumwollspinnerei,  Fabrikation  von  Haarteppichen,  Seidenzeugen  und  Leinwand. 

Zapara,  s.  Zabbara. 

Zapparazeuge,  s.  Zabbara. 

Zappares,  Zappora,  s.  Zabbara. 

Zara,  Hauptstadt  des  österr.  Königreiches  Dalmatien :  WoU-  und  Seiden- 
w  arenfabrikation. 

Zarasasheissen  im  spanischen  Handel  die  gedruckten  Kattune  oder  Kalikos. 

Zaspel,  älteres  Garnmass,  s.  Zahl. 

Zatteltracht ,  auch  Zaddeltracht,  eine  im  13.  Jahrh.  aufgekommene 
Tracht,  bei  der  die  Ränder  der  männlichen  Kleidung  in  lange  Zacken  oder 
Streifen  (Zatteln)  zerschnitten  oder  mit  Zatteln  besetzt  waren. 

Zeesinge  nennen  die  Seeleute  die  dünnen  Taue  aus  ungeteertem  Hanf, 
welche  zum  E-effen  der  Segel  dienen. 

Zeger  nannte  man  früher  die  aus  dem  Ziegenhaar  von  der  griechischen 
Insel  Zia  gefertigten,  mit  Seewasser  gewalkten  und  wasserdichten  Zeuge. 

Zehnbindig,  Köper,  in  welchem  ein  Schussfaden  über  neun  Kettenfäden 
flott  liegt  und  erst  den  zehnten  bindet. 

Zehner  (Dizaine),  die  stärkere  Linie,  welche  je  zehn  kleine  Quadrate 
der   Carta  rigata  (s.  d.)  begrenzt. 

Zeichenkattun,  soviel  wie  Pausleinwand  (s.   d.). 

Zeidler,  Dorf  i.  Böhm.:  Wirk-  u.  Posamentierwaren,  namentlich  Zwirnknöpfe. 

Zeitschriften  für  Textilindustrie:  Leipziger  Monatsschrift  für 
Textilindustrie,  Leipzig,  dazu  Wochenberichte;  Zeitschrift  für  die  ge- 
samte Textilindustrie,  Leipzig  -  Gohlis ;  Deutsche  Tuchhalle,  Forst 
(Lausitz);  Deutsche  Teppich-  und  Möbelstoff-Zeitung,  Darmstadt; 
Das  deutsche  Wollengewerbe,  Grünberg  (Schlesien);  Der  deutsche 
Leinenindustrielle,  Bielefeld;  Die  Seide,  Krefeld;  Die  Textilzeitung, 
Berlin;  Die  deutsche  Wirkerzeitung,  Apolda-Berlin-Chemnitz ;  Zeit- 
schrift für  Posamentenindustrie,  Dresden-A.;  Der  Konfektionär, 
Berlin;  Färber-Zeitung,  Berlin;  Leipziger  Färber-Zeitung;  Zeit- 
schrift für  Farben-  und  Textil-Chemie,  Karlsruhe  in  Baden;  Zeit- 
schrift für  Musterzeichner,  Adorf  i.  Y.;  Deutsche  Kunst  und  Deko- 
ration, Darmstadt. 

Zeitz,  Stadt  im  preuss.  Peg.-Bez.  Merseburg:  Wollspinnerei,  Zeugdruck, 
Färberei;  Wäsche-,  Flanell-,  Wachstuch-,  Wollen- und  Halbwollwaren-,  Pikee-, 
Damast-,  Bettdecken-,  Vicognegarn-,  Fries-,  Handschuh-,  Baumwollwaren-  und 
Kattunfabriken. 


650  ^^le  —  Zeugdruck. 


Zele,  Flecken  in  der  belg.  Provinz  Ostflandern:  Weberei,  Fabrikation 
von  Sack-,  Segelleinwand  und  Bettdecken;  Flachs-  und  Hanfbau. 

Zell  im  Wiesental,  Stadt  in  Baden:  Baumwoll-,  Seiden- und  Kammgarn- 
spinnerei, Buntweberei  und  Fabriken  für  Kunstwolle,  Baumwollwaren. 

Zeltleinwand,  soviel  wie  Segeltuch. 

Zempel,  s.  Zampel. 

Zendeltaffet,  leichtes  leinwandartiges  Grewebe  aus  gekochter  Seide. 

Zenia,  ein  starkes  gestreiftes,  aus  Rindshaaren  und  grober  Wolle  ge- 
webtes Zeug,  dient  in  Italien  zum  Ausschlagen  der  Gondeln. 

Zenica,  Stadt  im  bosn.  Kreis  Travnik:   Teppichfabrikatioji. 

Zephyrgarne,  ZephyrwoUe  heissen  die  vielfädigen,  locker  gezwirnten, 
weichen  Kammgarne,  welche,  in  allen  gangbaren  Farben  gefärbt,  zur  Woll- 
stickerei (Tapisserie)  häufige  Verwendung  finden.  Die  sächsischen  Kammgarn- 
spinnereien liefern  grösstenteils  das  Grarn,  das  hauptsächlich  in  Berlin,  Ham- 
burg und  Altona  gefärbt  wird. 

ZephyrwoUe,  s.  Zyphyrgarne. 

Zerbase,  persische  gold-  und  silb  er  durchwirkte  Zeuge;  eine  Art  Orraye, 
ist  auf  beiden  Seiten  rechtsseitig. 

Zerbst,  Stadt  im  Herzogtum  Anhalt:  Streichgarnspinnerei,  Fabrikation 
von  Tuch,  Plüsch  und  Seidenwaren. 

Zetani  (satin),  ursprünglich  aus  China  importiertes  Atlasgewebe,  wird 
im  Mittelalter  in  arabischen  und  griechischen  Webereien  zum  wichtigen  Er- 
zeugnis. Seine  Natur  geht  aus  der  italienischen  Bezeichnung  „Zetani  raso'' 
hervor,  was  ein  „glattes"  Gewebe  andeutet  und  dem  arabischen  „atlas"  gleich- 
bedeutend ist. 

Zetel,  Gemeinde  im  Amte  Varel  des  Grossherzogtum  Oldenburg:  Leinen- 
und  Baumwollweberei. 

Zethau,  Dorf  in  Sachsen  bei  Dresden :  bedeutender  Flachsbau,  Weberei. 

Zettel  (vom  lat.  schedula),  in  der  Weberei  s.  v.  w.  Kette,  auch  Part 
oder  Patrone. 

Zettelbaum,  der  Kettenbaum  am  Bandwebstuhl. 

Zettelende,  die  beiden  Längsenden  eines  gewebten  Stückes,  im  Gegen- 
satz zum  Sahlband. 

Zetteln,  die  Kette  scheren. 

Zettelrahmen   =   Scherrahmen. 

Zettelrolle,  Zettelspule,  am  Bandwebstuhl  eine  oder  mehrere  Spulen  zum 
Aufwickeln  sehr  schmaler  Ketten  (anstatt  auf  einen  Kettbaum). 

Zeug,  gewebter  Stofi";  am  Webstuhl  die  Schäfte  nebst  Zubehör. 

Zeugbaum   =  Unterbaum  am  Webstuhl. 

Zeugdruck,  ein  Verfahren,  um  auf  Zeugen  durch  teilweise  Färbung 
Muster  hervorzubringen,  dem  die  Färberei  voraufging,  jedoch  auch  schon  uralt 
ist  (s.  Geschichtliches).  Anfangs  druckte  man  nur  auf  Leinwand;  die  mit  der 
VerlDreitung  der  Baumwollstofi"e  aufgekommene  Kattundruckerei  ist  derjenige 
Zweig,  welcher  am  meisten  zu  Erfindungen  und  Verbesserungen  auf  diesem 
Gebiete  Anlass  gegeben  hat,  indem  die  Baumwolle  sich  vorzüglich  zur  An- 
nahme der  Farben  eignet.  WoU-  und  Seidendruck  haben  sich  erst  später  aus- 
gebildet. Um  einen  Baumwollenstoff  zur  Aufnahme  eines  vollkommenen  Druckes 
vorzubereiten,  wird  er  zuerst  gebleicht  (dies  geschieht  bei  dem  Auftragen  von 
Türkischrot  jedoch  nicht)  und  dann  wird  die  Oberfläche  durch  Absengen  von 
allen  feinen  Fäserchen  befreit,  um  nachher  auf  dem  Kalander  geglättet  zu 
werden.  Hierauf  werden  die  für  den  Walzendruck  bestimmten  Zeuge  in  einer 
Anzahl  Stücke  zusammengeheftet  und  auf  eine  Walze  aufgewunden,  was  mittels 
eines  besonderen  Apparates  geschieht,  welcher  alle  Falten  verhindert.  Es  gibt 
fünf  Methoden  des  Druckes  für  Muster  und  Figuren.  Die  erste  wird  mit  der 
Hand  mittels  viereckiger  hölzerner  Blöcke  oder  Druckformen  (Model),  auf 
deren  Oberfläche  die  Muster  durch  eingesetzte  Messingstreifen  und  -stifte  ge- 
bildet sind,  ausgeführt.  Bei  der  zweiten  Methode  erfolgt  er  durch  grössere 
Holzformen,  welche  über  die  ganze  Zeugbreite  reichen  und  durch  eine  Maschine 


Zeugdruck.  651 


in  Tätigkeit  gesetzt  werden,  die  nach  ihrem  Erfinder  Perrot  den  Namen 
Per  rotine  führt.  Die  dritte  Methode,  welche  jedoch  veraltet  ist,  bewirkt 
den  Druck  durch  gravierte  Kupferplatten.  Die  vierte  besteht  in  einem  System 
kupferner  gravierter  Zylinder  oder  Walzen,  die  in  einer  sehr  zierlichen  aber 
auch  sehr  komplizierten  Maschine  angebracht  sind,  mittels  deren  2,  3,  4  und 
selbst  5  Farben  schnell  nacheinander  durch  blosse  Drehung  der  durch  Elementar- 
kraft bewegten  Maschine  aufgedruckt  werden  können.  Ein  solcher  automatischer 
Drucker  verrichtet  das  Greschäft  mit  solcher  Greschwindigkeit,  dass  von  einigen 
Mustern  ein  Stück  in  einer  Minute  bedruckt  werden  kann.  Die  fünfte  Methode 
besteht  in  dem  Bedrucken  der  Gewebe  mit  Hautereliefwalzendruckmaschine, 
welche  von  Oberkampf  1780  erfunden  worden  ist  und  in  welcher  die  E.elief- 
walzen  mit  den  erhaben  in  Holz  geschnittenen  oder  mit  aus  Metallkomposition 
durch  Gruss  hergestellten  Mustern  besetzt  sind.  Die  Druckmaschinen  sind  in 
der  Neuzeit  sehr  verbessert  worden  und  auch  die  Reliefwalzendruckmaschine 
für  den  gleichzeitigen  Druck  mit  mehreren  Farben  eingerichtet.  Ausserdem 
sind  in  chemischer  Beziehung  vielerlei  verbesserte  Yerfahrungs weisen  iind 
Farbezubereitungen  erfunden  worden;  so  anstatt  des  1750  in  der  Schweiz  er- 
fundenen Kuhkotbades  die  Anwendung  eines  künstlichen  Gremisches  aus  phosphor- 
saurem Natron  und  phosphorsaurem  Kalk;  ferner  die  Anwendung  des  Blut- 
albumins ,  anstatt  des  teuerem  Eiweiss ;  ferner  der  Grebrauch  verschiedener 
Verdickungsmittel  (wie  Salep,  Tragant,  Sirup,  geröstete  Stärke)  und  die  Be- 
festigung der  Beizen  auf  dem  Stoff  durch  Ammoniakgas;  der  1811  erfundene 
Lapisdruck  stellt  mittels  Ausfärbens  in  der  Blauküpe  und  im  Krappkessel 
mehrere  Farben  zugleich  her :  die  Dampffarben  auf  Baumwolle  und  Seide,  das 
Griessen  der  Muster  mittels  Farbebrühe  und  das  Aetzen  weisser  Muster  mittels 
Chlorkalks  usw.  Die  oben  erwähnte  Zeugdruckmaschine  von  Perrot  hat  Ver- 
breitung in  Frankreich,  in  der  Schweiz,  in  Belgien  und  Deutschland  gefunden. 
In  dieser  Maschine  sind  drei  hölzerne  Druckmodel  von  0,75 — 1  m  Länge  und 
5 — 12  cm  Breite  angebracht,  die  mit  Birnbaumholz  belegt  und  mit  erhaben 
geschnittenen  oder  gegossenen  Metallmustern  belegt  sind.  Diese  Model  sind 
zueinander  rechtwinkelig  gestellt  und  können  eine  nach  der  andern  so  in  Be- 
wegung gesetzt  werden,  dass  sie  gegen  die  vordere,  obere  oder  hintere  Seite 
eines  vierseitigen  Prismas  treffen,  welches  mit  Tuch  überzogen  ist  und  sich 
um  eine  Achse  zwischen  den  3  Formen  dreht.  Der  Kattun  wird  durch  einen 
Zylinder,  auf  den  er  sich  aufwindet,  über  das  Prisma  hinweggezogen  und 
während  dessen  durch  das  Spiel  der  Formen  bedruckt.  Um  den  sanften 
elastischen  Druck  der  menschlichen  Hand  nachzuahmen,  sind  Federn  vorhanden, 
welche  die  Form  gegen  das  Prisma  drücken.  Jede  Form  wird  nach  voll- 
brachtem Drucke  mit  einem  ausgespannten  und  mittels  einer  mechanischen 
Bürste  mit  Farbe  bestrichenem  Tuche  in  Berührung  gebracht,  um  zu  einem 
abermaligen  Abdrucke  bereit  zu  sein.  Mittels  der  Perrotine  lassen  sich  mehrere 
Muster  herstellen,  welche  die  Walzendruckmaschine  ohne  Beihilfe  der  Relief- 
walzen nicht  zu  drucken  vermag.  Die  Walzendruckmaschine  besteht  aus  einer 
gravierten  Kupferwalze,  welche,  sich  drehend,  gegen  eine  andere  mit  Tuch 
überzogene  Walze  drückt  und  gehörig  mit  Farbe  versehen  wird,  so  dass  sie 
dem  zwischen  beiden  Walzen  durchlaufenden  Stoff  einen  gefärbten  Druck  mit- 
teilen kann.  Das  Muster  wird  entweder  auf  einen  massiven  oder  auf  einen 
hohlen  Zylinder  von  Kupfer,  Messing  oder  Kanonenmetall  graviert,  welch 
letzterer  auf  eine  starke  eiserne  Welle  aufgetrieben  wird,  die  als  Achse  dient. 
Die  Erfindung  des  Amerikaners  Jakob  Perkins,  Grravierung  mittels  stählerner 
Prägewalzen  von  einer  Oberfläche  auf  die  andere  zu  übertragen,  gab  ein  Mittel 
ab,  die  Kattundruckwalzen  auf  weniger  kostspielige  Weise  herzustellen.  Perkins 
Erfindung  wurde  zu  dem  Zwecke  von  Locket  in  Manchester  1808  benützt. 
Es  wird  zuerst  das  Muster  auf  eine  kleine  78  cm  im  Quadrat  haltende  Fläche 
gezeichnet,  so  dass  die  Grrösse  dieser  Fläche  in  einer  bestimmten  Anzahl  von 
Wiederholungen  genau  der  Fläche  des  Zylinders  gleich  ist,  hierauf  wird  das 
Muster  auf  eine  Walze  aus  weichem  Stahl  übertragen  und  eingraviert  und 
dann  diese  Walze  gehärtet.     Die  so  hergestellte    Matrize    kommt    nun   in  eine 


652  Zeugdruck. 


besonders  konstruierte  Presse,  worin  sie  rotierend  gegen  eine  andere  weiche 
Stahlwalze  gedrückt  wird,  so  dass  sich  auf  letzterer  das  vertiefte  Muster  er- 
haben darstellt.  Auf  diese  Weise  wird  die  Herstellung  der  Walzen  viel  billiger, 
, als  beim  Gravieren  mit  der  Hand.  Für  gewisse  Muster  werden  die  Kupfer- 
walzen auf  einer  Art  Guillochiernlaschine  mittels  einer  Diamantspitze  graviert. 
Eine  besondere  Art  des  Walzendruckes  besteht  in  der  Anwendung  hölzerner 
Walzen,  worauf  die  Zeichnung  erhaben  ausgeschnitten  ist.  Neuerdings  werden 
solche  Reliefwalzen  auch  dadurch  hergestellt,  dass  man  glatte  Holzwalzen  mit 
einem  aus  leichtflüssigem  Metall  gegossenen  Mantel  bekleidet,  worauf  das  Muster 
durch  den  Guss  in  eine  Form  hergestellt  ist.  Enthält  einQ  und  dieselbe 
Maschine  Walzen  mit  vertieftem  Muster  und  ßeliefwalzen  zugleich,  so  heisst 
sie  eine  vereinigte  Druckmaschine. 

Eine  besondere  Kenntnis  erfordert  es ,  die  Bereitung  und  Zusammen- 
setzung der  im  Zeugdruck  zur  Verwendung  gelangenden  Farben  dem  jeweiligen 
Verfahren  anzupassen.  Sie  hat  sich  zunächst  nach  den  farbigen  Wirkungen 
zu  richten,  welche  erzielt  werden  sollen,  nach  den  Farbstoffen  und  Farbbildern 
oder  Beizen,  welche  zu  fixieren  sind,  und  nach  der  Natur  des  Gewebes,  welches 
dem  Druck  unterliegt.  Es  lassen  sieh  (nach  Luegers  Lexikon  der  gesamten 
Technik,  Bd.  7,  S.  986)  im  allgemeinen  dafür  sieben  Arten  kennzeichnen: 

1.  Die  Fixierung  erfolgt  im  Baumwolldruck  durch  Dämpfen,  wenn  die 
Druckfarbe  im  wesentlichen  aus  einer  anorganischen  Körperfarbe  oder  einem 
Farblack  und  aus  Albuminlösung  besteht. 

2.  Enthält  die  Druckfarbe  als  wesentlichen  Bestandteil  einen  organischen 
Farbstoff  und  ist  er  ein  substantiver  und  wasserlöslich,  so  sind  neben  der  Ver- 
dickung nur  Substanzen  wie  Essigsäure  und  Glyzerin  vorhanden,  welche  seine 
Löslichkeit  und  seine  Vereinigung  mit  der  Faser  befördern.  Nach  dem  Auf- 
druck führt  ein  Dämpfprozess  die  Fixierung  mit  dem  Gewebe  herbei.  (An- 
wendung im  Woll-  und  Seidedruck).  Ist  der  Farbstoff  unlöslich  und  besitzt 
er  keine  Verwandtschaft  der  Mitteilsamkeit  zur  Faser,  wie  Indulin  oder  In- 
digo ,  so  ist  die  Druckfarbe  mit  einem  Lösungsmittel  (Acetin)  oder  das  zu 
bedruckende  Gewebe  mit  einem  Reduktionsmittel  (Traubenzucker)  zu  versehen, 
welches  während  eines  Dämpfprozesses  seine  lösende  Wirkung  auf  ihn  ausübt 
und  in    die    Faser   einzudringen    ermöglicht.     (Anwendung  im  Baumwolldruck.) 

3.  Enthält  die  Druckfarbe  neben  der  Verdickung  eine  farbbildende  orga- 
nische Substanz,  so  ruft  diese  im  Moment  des  Aufdruckens  die  Farbe  hervor 
(Diazoverbindung  auf  mit  Naphtol  grundiertem  Baumwollgewebe)  oder  sie  liefert 
erst  durch  Oxydation  die  Farbe,  weshalb  das  Oxydationsmittel  der  Druckfarbe 
beigefügt   ist  (Anilinschwarz    aus  Anilinsalz.     Anwendung  im  Baumwolldruck). 

4.  Enthält  die  Druckfarbe  Beize,  so  führt  nach  deren  Fixierung  und 
nach  Entfernung  der  Verdickung  die  Ausführung  im  Bade  eines  Beizenfarb- 
stoffes zur  Bildung  farbiger  Muster  an  den  von  der  Druckfarbe  vorher  be- 
deckten Stellen.  (Kombination  von  Druckerei  und  Färberei,  Herstellung  ge- 
musterter Färbeware  im  Kattundruck). 

5.  Enthält  die  Druckfarbe  eine  Mischung  von  Beize  und  Farbstoff,  so 
erfolgt  die  Fixierung  beim  Verhängen  an  der  Luft  oder  beim  Dämpfen,  wobei 
entweder  die  Bildung  des  unlöslichen  Farblackes  stattfindet,  oder,  wenn  ein 
solcher  bereits  vorhanden  ist,  dieser  in  Lösung  geht  und  von  der  Faser  auf- 
genommen wird,  um  nach  Verflüchtigung  des  Lösu.ngsmittels  unlöslich  in  der 
Faser  zu  bleiben  (Genre  vapeur  et  application,  Anwendung  im  Baumwolldruck.) 

6.  Enthält  die  Druckfarbe  teils  mechanisch  wirkende,  (Harze,  Fette,  Ton, 
Bleisulfat),  teils  chemisch  wirkende  Substanzen  (Zuckeroxyd,  Bhodankalium, 
Calciumacetat,  Kupfersulfat  und  -nitrat,  Bleinitrat,  Zinnsalz,  Kaliumsulfid),  so 
verhindern  diese  das  Eindringen  des  Farbstoffes  oder  des  Beizmittels  in  das 
ungefärbte  oder  gefärbte  Gewebe  an  denjenigen  Stellen,  welche  von  ihnen  be- 
deckt sind.  (Reserve,  Schutzgang.  Anwendung  des  Beservagedruckes  im 
Baumwoll-  und  Seidedruck.) 

7.  Enthält  die  Druckfarbe  Substanzen,  welche  dazu  dienen,  einem  bereits 
gefärbten  oder  gebeizten  Gewebe  den  Farbstoff  oder  die  Beize  auf  chemischem 


Zeugdruck.  653 


AVege  durch  ITeberführung  in  lösliche  Form  stellenweise  zu  nehmen,  wegzu- 
ätzen, so  benützt  man  gegenüber  Beizen,  die  meist  Metalloxyde  sind,  Alkali- 
salze schwacher,  die  Faser  nicht  angreifender  Säuren,  wie  Zitronens.,  Opals., 
Weins. ,  gegenüber  Farbstoffen  oxydierende  Agentien ,  wie  Kaliumbichromat 
(mit  Schwefelsäure),  rotes  Blutlaugensalz  (mit  Natronlauge)  oder  reduzierende 
Substanzen,  wie  Zinnsalz,  Zinnoxydulnatron,  Zinkstaub  (Aetze,  Enlevage,  An- 
wendung in  Baumwoll-,  Woll-  und  Seidedruck), 

Beim  Baumwollendruck  unterscheidet  man  in  der  Anwendung  von 
Beizenfarbstoffen,  Tanninfarbstoffen,  Küpenfarbstoffen,  Entwickelungsfarben  und 
Albuminfarben;  ferner  im  G-ebrauch  von  Reservagedruck,  welcher  be- 
zweckt, die  Aufnahme  bezw.  die  Entwickelung  einer  Farbe,  die  durch  Klotzen 
oder  Färben  auf  den  Stoff  gebracht  wird,  durch  vorherigen  Aufdruck  gewisser 
Substanzen  an  den  bedruckten  Stellen  zu  verhindern ;  in  der  Anwendung  des 
Aetzdrucks,  welcher  gestattet,  mit  dem  vorhandenen  Walzenmaterial  die 
Zahl  der  Artikel  bedeutend  zu  vermehren ,  indem  mit  derselben  Walze  ,  die 
ein  buntes  Muster  in  weissem  Grunde  drucken  würde,  umgekehrt  ein  weisses 
Muster  in  farbigem  G-runde  durch  Zerstörung  resp.  Lösung  der  Farbe  oder 
Beize  hervorgerufen  wird.  Die  Herstellung  gemusterter  Färbe- 
artikel, einer  stets  Weiss  im  Muster  enthaltenden  Ware,  welcher  zum  Teil 
auch  die  durch  B,eservieren  und  Aetzen  fabrizierten  Artikel  zuzurechnen  sind, 
besteht  in  einer  Kombination  von  Druckerei  und  Färberei,  insofern  eine  oder 
mehrere  Beizen  auf  das  Gewebe  aufgedruckt  und  nach  deren  Fixieren  die 
Farbe  durch  Ausfärben  mit  Beizenfarbstoffen  entwickelt  wird. 

Der  Wolldruck  oder  das  örtliche  Färben  wollener  Zeuge  geht  im 
allgemeinen  einfacher  vor  sich  als  der  Druck  der  Baumwolle ,  da  die  Befesti- 
gung der  Farbstoffe,  als  welche  hauptsächlich  Säurefarbstoffe  dienen,  infolge 
grösserer  Verwandtschaft  dieser  zu  der  Wollfaser  leichter  zu  bewerkstelligen 
ist.  Sie  erfolgt  durch  blosse  Anwendung  von  Wasserdampf,  wozu  das  Gewebe 
vorher  sorgfältig  gereinigt,  unter  Umständen  auch  gebleicht  sein  muss.  Auch 
das  Chloren  der  Wolle  vor  dem  Bedrucken  derselben  ist  von  Vorteil.  Die 
Aufnahmefähigkeit  der  Wolle  für  Farbstoffe  wird  ferner  dadurch  erhöht,  dass 
man  sie  mit  Zinn  präpariert:  sie  stannatiert.  Auch  Aetzeffekte  lassen  sich 
im  Wolldruck  erzielen. 

Der  Seidendruck  arbeitet  mit  denselben  Hilfsmitteln  wie  der  Woll- 
druck; er  gestaltet  sich  insofern  noch  einfacher,  als  ein  Prägnieren  des  zu 
bedruckenden  Materials  sich  erübrigt. 

Zur  Geschichte  des  Zeugdruckes  haben  die  im  letzten  Jahr- 
zehnt immer  mehr  erforschten  Koptischen  Textilfunde  (s.  d.) ,  die  wichtigsten 
Beiträge  geliefert;  erst  durch  sie  ist  es  möglich  geworden,  für  gedruckte 
Stoffe  des  frühen  Mittelalters  sichere  Originalstücke  beizubringen  und  von  hier 
aus  nach  dem  Altertum  hinauf  Bückschlüsse  über  dieselben  zu  ziehen,  wovon 
uns  vorher  griechische  und  römische  Geschichtsschreiber  umständlich  berich- 
teten, ohne  dass  wir  uns  eine  rechte  Vorstellung  davon  machen  konnten. 
Plinius  erzählt  mit  deutlichen  Worten ,  dass  die  Aegypter  die  Kunst  verstan- 
den, durch  verschiedene  Beizen,  die  man  auf  die  gewebten  Stoffe  auftrug,  so 
dass  sie  unsichtbare  Muster  bildeten,  diese  Stoffe  so  zu  präparieren,  dass  sie 
bunt  und  mehrfarbig  gemustert  aus  dem  Färbekessel,  in  den  man  sie  nur  einen 
Augenblick  eintauchte,  herausgehoben  wurden.  Solche  Stücke  liegen  uns  nun 
vor  in  den  Funden  aus  Oberägypten.  Es  sind  Wandbehangstoffe  aus  Lein- 
wand, die  auf  rotem  oder  blauem  Grunde  ausgesparte  grosse  figurale  Muster 
zeigen.  Einer  derselben  ist  fast  vollständig  erhalten  in  der  Sammlung  des 
Kunstgewerbemuseums  in  Berlin  (s.  Kgl.  Pr.  Kunstsammlungen  1900),  auf  welchem 
dargestellt  ist  die  Geschichte  Daniels  in  der  Löwengrube.  Die  Technik  dieser 
dem  eigentlichen  Zeugdruck  voraufgegangenen  Musterfärberei  stimmt  überein 
mit  dem  heute  noch  in  Indien  gebräuchlichen  Batik  (s.  d.),  dessen  Verfahren 
durch  Wachsabdeckung  in  Japan  (Abb.  348)  mittels  Schablonen  (s.  d.)  künst- 
lerisch erweitert  worden  ist,  in  neuester  Zeit  auch  in  Holland  und  Frankreich 
durch  Anwendung  chemischer  Hilfsmittel  noch  mehr  der  Neuzeit  entsprechend 


654  Zeugdruck. 


entwickelt  ist.  Der  "Wachsmalerei  mit  Blau-  oder  Rotfärbung  kam  man  in  früher 
Zeit  für  kleinere  Muster  bald  in  Anwendung  von  Formen  zu  Hilfe,  die  aus 
Holz  oder  Ton  bestanden  und  die  wir  uns  zunächst  im  Sinne  unserer  grösseren 
oder  kleineren  Stempel  vorzustellen  haben.  Welche  allgemeine  Ausdehnung 
diese  Technik  in  den  ersten  Jahrhunderten  v.  Chr.  schon  genommen  hatte, 
weist  Dr.  E,.  Forrer  (Die  Kunst  des  Zeugdruckes  vom  Mittelalter  bis  zur 
Empirezeit,  Strassburg  i.  E.  1898)  nach  durch  ein  in  einem  Grabe  zu  Achmim 
gefundenes  Kinderkleidchen,  dessen  Musterung  aus  einem  gewellten  Eautennetz 
mit  eingelegten  Sternen  besteht.  Und  zwar  ist  erwiesen,  dass  dieses  Grewand 
nicht  im  fertigen  Zustande  bedruckt,  sondern  aus  einem  im  Stück  behandelten 
StofP  geschnitten  wurde.  Hergestellt  ist  die  Musterung  mit  Hilfe  von  drei 
verschiedenen  Stempeln.  Einen  sassanidischen  Zeugdruck  des  6.  Jahrh.  bildet 
Geh.-E,.  Lessing  im  Jahrbuch  der  Königl.  Preuss.  Kunstsammlungen,  Jahrgang 
1880  ab,  der  im  Muster  den  Raub  des  Granymed  (auffliegender  Adler  mit  einem 
Knaben  in  seinen  Fängen)  darstellt.  Der  feine  BaumwoUenstofF  ist  in  Schwarz, 
Gold  und  E,ot  mit  Model  bedruckt.  Eine  Reihe  weiterer  Zeugdrucke  des 
frühen  Mittelalters  veröffentlicht  Dr.  Forrer  auch  in  dem  Werke:  Die  Zeug- 
drucke der  byzantinischen,  romanischen,  gotischen  und  späteren  Kunstepochen, 
Strassburg  1894.  Derselbe  Forscher  macht  uns  in  dem  zuerst  genannten  Buche 
näher  bekannt  mit  dem  von  Cennino  Cennini  um  1400  dargestellten  Verfahren 
zur  Herstellung  von  Zeugdrucken  in  Italien  mittels  Holzmodel;  er  bringt 
ferner  „Eine  Nürnberger  mittelalterliche  Anweisung  zur  Anfertigung  von  Zeug- 
drucken" —  alle  diese  wichtigen  literarischen  Quellen  begleitet  Forrer  mit 
persönlich  gesammelten  wertvollen  Originalen. 


Abb.  348. 


Abbildung: 

348.  Originalaufnahme  aus  dem  Königl.  Landesgewerbemuseum  in  Stuttgart : 
Gedruckter  Baumwollenstoff,  Grund  hellblau,  Muster  in  Weiss  ausgespart:  Felder  mit 
Schrift.     Japan  18.  Jahrh. 

Die  Formengebung  der  gedruckten  Stoffe  weicht  übrigens  kaum  von  der- 
jenigen der  Gewebe  ab ;  man  kann  sogar  nachweisen,  dass  sich  Muster  gewebter 
Originalstoffe  aus  dem  13.  Jahrh.  als  genaue  Nachahmungen  im  Zeugdruck 
wiederholen.  (Vgl.  Abb.  1  auf  Tafel  III).  Und  so  haben  auch  die  Koptischen 
Funde  andere  Druckstoffe  des  13.  Jahrh.  gebracht  (Abb.  349),  die  sich  ohne 
Weiteres  der  arabisch-sizilianischen  allgemeinen  Formensprache  in  der  Muste- 
rung   anschliessen.     Frühzeitig    tritt    auch   der   Zeugdruck    als  Hilfsmittel  für 


Zeugdruck. 


655 


die  Stickerei  auf,  wofür  Julius  Lessing  im  genannten  Artikel  des  Jahrbuchs 
den  unter  Abb.  350  wiedergegebenen  Stoff  beibringt,  in  welchem  die  kleinen 
Rosetten  um  die  sechseckigen  Felder  herum  teilweis  gestickt  sind.  Im  17.  Jahrh. 
erschienen  auch  Modelvordrucke  auf  Leinen  für  Spitzen.  — 


Abb.  349. 


Abbildung: 

349.  Originalaufnahme  aus  dem  Kaiser  Friederich-Museum  in  Berlin:  Leinen- 
stoff, in  Braunschwarz  gedruckt  mit  einem  Adler  und  Pfauen  zwischen  einer  Borte 
aus  arabischem  Ornament.  Orient  oder  Sizilien  (?)  12. — 13.  Jahrh.  (Aus  einem 
koptischen  Grrabe). 

Deutschland  nimmt  im  Mittelalter  in  der  Herstellung  von  Zeugdrucken 
die  erste  Stelle  ein  und  zwar  kommt  nach  Dr.  Forrer  dafür  in  frühromanischer 
Periode  die  Gegend  am  Niederrhein _,  um  Köln  und  Siegburg  herum,  in  Be- 
tracht, woher  die  meisten  Beweisstücke  gekommen  sind.  Die  Muster  zeigen 
einfach  gezeichnete  Tiergestalten,  Vögel,  Greifen,  Hasen,  Hunde  u.  s.  w.,  in 
Kreisen  oder  spitzovalen  Feldern ,  die  reihenweis  geordnet  sind ,  andere  mit 
Bankenmotiven  durchsetzt.  Das  Grundmaterial  besteht  aus  Baumwolle  oder 
farbiger  leichter  Seide,  welche  sie  mehr  oder  weniger  als  Futterstoffe  charak- 
terisieren, der  Druck  ist  in  Schwarz,  Braun,  Grün,  Silber  und  Gold  aus- 
geführt. Vom  Unterrhein  führt  Forrer  den  Zeugdruck  rheinabwärts  bis  Mainz, 
dann  östlich  durch  Bayern  (Nördlingen,  Ulm  und  Nürnberg,  später  Begens- 
burg,  Augsburg  u.  s.  w.)  nach  Oesterreich ,  südlich  über  Strassburg  nach  der 
Schweiz.  Eine  westliche  Linie  führte  von  Köln  aus  nach  Holland  und  von 
dort  nach  Flandern  und  Frankreich.  Gegen  Mitte  und  Ende  des  14.  Jahrh. 
erscheinen  die  Bild-Zeugdrucke:  die  Vorläufer  der  auf  Papier  und  Pergament 
abgedruckten  Holztafeldruckbilder.  Hierher  gehört  der  von  A.  Essenwein  im 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  1872,  abgebildete  Stickereivordruck 
mit  Darstellung  des  Todes  der  Maria,  woran  sich  viele  erhaltene  Beispiele 
schliessen  mit  Bildern  aus  dem  Leben  Jesu,  der  Verkündigung  Maria  n.  s.  w. 


656 


Zeugdruck. 


Im  15.  Jahrh.  wird  das  gewebte  Grranatapfelmuster  (s.  d.)  im  Zeugdruck 
wiederholt,  die  Renaissance  verwendet  die  Kleider-  oder  Tapetenmusterung 
seltener  für  das  billigere  Surrogat,  erst  im  17.  Jahrh.  werden  die  Drucke 
wieder  häufiger,  namentlich  in  der  zweiten  Hälfte  desselben  sieht  man  den 
Zeugdruck  nicht  allein  in  Deutschland,  sondern  auch  in  Holland,  Frankreich, 
Oesterreich  u.  s.  w.  an  Ausdehnung  gewinnen. 

Abb.  350. 


Abbildung: 

350.  Darstellung  aus  :  Jahrbuch  der  Königl.  Preuss.  Kunstsammlungen,  Berlin 
1880 :  Druck  in  Gold  und  Schwarz  auf  Baumwolle :  In  Reihen  versetzte  Sechsecke 
aus  einem  Flechtband,  darin  je  ein  Adler;  dazwischen  kleine  Blütensterne,  welche 
teilweise  bestickt  sind.     Original  im  K.  G.-M.  zu  Berlin.     11. — 12.  Jahrh. 

Am  Ausgange  des  15.  Jahrh.  wurde  der  Zeugdruck  zumeist  von  den 
Buchdruckern  gehandhabt,  womit  in  Uebereinstimmung  steht,  dass  statt  der 
früher  üblichen  Anwendung  verschiedener  Farben  eine  Zeit  lang  alle  Druck- 
stoffe in  Schwarz  erscheinen.  Erst  als  im  17.  Jahrh.  diesem  Zweige  der 
Textilkunst  wieder  mehr  Beachtung  geschenkt  wurde,  benutzte  man  neben  der 
schwarzen  Aufdruckfarbe  auch  rot,  violett,  blau,  weiss  und  grün  und  es  wur- 
den, wie  Dr.  Forrer  schreibt,  diese  Farben  mit  Oel  angerieben.  Neben  dieser 
Abart  von  Oelfarb endruck  übte  man  als  weitere  Ueberlieferung  aus  der  goti- 
schen Periode  den  Sammet-  oder  "Wolldruck,  wozu  man  ein  grobes  Flachs- 
gewebe mit  Kleister  oder  Leim  bedruckte  und  darauf  farbigen  geschabten 
Wollstaub  streute.  So  erschienen  solche  Arbeiten  als  Nachahmungen  von 
Sammettapeten  und  gleichen  Altarbehängen.  Eine  Konkurrenz  ward  gegen 
Ende  des  17.  Jahrh.  den  deutschen  sogen.  Oeldrucken  in  den  Fabrikaten  aus 
England  und  Holland,    welchen  ein    besseres  Yerfahren  der  Farbenverbindung 


Zeugfdruck. 


657 


mit  dem  Gewebe  zu  Grunde  lag.  Eine  neue  Art  „mit  Wasserfarben  nach 
Schweizer  Art"  zu  drucken ,  hing  auch  mit  einer  neuen  Herstellungs- 
weise zusammen  „die  gedruckte  Ware  nach  dem  Drucke  zu  färben."  Diese 
englisch-holländische  Manier  kam  um  1690  in  Benützung  und  begann  sich 
schnell  zu  entwickeln  (s.  im  Artikel  Augsburg).  Das  Verfahren  glich  jener 
schon  von  Plinius  erwähnten  Technik  der  Wachsfärberei.  Der  Stoff  wurde 
unter  Anwendung  von  Holzformen  mit  Wachs-  oder  Kleistermasse  bedruckt,  man 
färbte  ihn  hierauf  in  Indigobottichen  und  wusch  dann  die  Aufdruckmasse  aus. 
Ein  solcher  Dekor  mit  dem  Streumuster  der  Zeit  stimmte  fast  genau  überein 
mit  den  gleichzeitig  gebräuchlichen,  blau  bemalten  Geschirren  aus  chinesischem 
Porzellan  und  Delfter  Fayence  und  so  wurde  jene  Zeugmusterung  auch  als 
„Porzellandruck"  bezeichnet.  Interessante  Einzelheiten  teilt  Dr.  E,.  Forrer 
aus  älteren  Schriften  in  seinem  1898  erschienenen  Werke  mit.  Neben  den 
Blumenmustern  verstieg  man  sich  auch  wieder  zu  figuralen  Darstellungen  aus 
der  biblischen  Geschichte,  Darstellungen  von  Städten  und  dergleichen,  ähnlich, 
wie  sie  in  das  Damasttischzeug  übergegangen  sind,  welches  in  jener  Zeit 
in  Süddeutschland  und  Oesterreichisch- Schlesien  gewebt  wurde.  (Abb.  174, 
S.  320).     Auf  der  Höhe  der  Fabrikation 

im  Zeugdruck    standen  in  jener  Zeit  die  Fig.  351. 

Erzeugnisse    von  Neuhofer    in  Augsburg 
(s.  im  Artikel   Augsburg  S.  42). 

Abbildung: 
351.     Kattundruck  aus  einem  Berliner 
Musterbuch  von  1830—1840. 

Hamburg  erhielt  seine  erste  Zeug- 
druckerei im  Jahre  1737.  In  Sachsen 
gründete  G.  Oehme  die  erste  Druckerei 
zu  Zschopau,  dann  folgte  1741  Preussen, 
woselbst  unter  Friedrich  dem  Grossen 
ein  Schweizer  Kattundrucker  Dup lau- 
tier eine  Druckerei  in  Berlin  errichtete. 
Ausläufer  derselben  haben  sich  mit  be- 
scheidenen Produkten  noch  bis  in  die 
30er  Jahre  des  19.  Jahrhdts.  erhalten. 
(Abb.  351).  Auch  in  Breslau  wurde 
unter  dem  Protektorate  Friedrich  des 
Grossen  eine  Kattunfabrik  eingerichtet,  welcher  allenthalben  ähnliche  Anlagen 
folgten.  Alle  solchen  Gründungen  überragten  aber  die  Augsburger  Manu- 
fakturen bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhdts.  Um  die  Mitte  des  18.  Jahrhdts. 
beginnen  die  Fabriken  im  Oberelsass  sich  zu  entfalten,  woselbst  Mülhausen 
ein  bedeutender  Mittelpunkt  wird.  Der  Buhm  elsässischer  Druckindustrie 
und  der  Weltruf  ihrer  Fabrikate  beginnt  mit  der  Einrichtung  einer  Fabrik 
von  Haussmann  in  Logelbach  bei  Kolmar,  deren  Begründer  Chemiker  in  der 
Augsburger  Fabrik  von  Schule  gewesen  war.  Mülhausen,  ehedem  eine  freie, 
zum  Schweizer  Bunde  gehörige  Stadt,  wurde  1798  dazu  gedrängt,  sich  unter 
französische  Staatsleitung  zu  stellen,  wozu  die  gefürchtete  Konkurrenz  ihrer 
Fabrikate  den  Anlass  gegeben  hatte.  Nun  stieg  die  dortige  Kattunindustrie 
zur  höchsten  Vollendung,  derart,  dass  sie  bald  die  vorher  so  grossartige 
deutsche  Fabrikation  gänzlich  hintenanstellte  und  im  Weltmarkt  neben  der 
englischen  Industrie  die  erste  Stelle  einnahm.  Von  da  ab  macht  diese  Industrie 
durch  Erfindung  des  Walzendrucks  (s.  d.)  und  anderer  maschineller  und 
chemischer  Hilfsmittel  gewaltige  Fortschritte,  woran  auch  die  elsässischen 
Fabrikanten  sehr  verdienstlich  beteiligt  sind,  so  dass  ihre  Erzeugnisse  sich 
stets  auf  der  Höhe  der  Zeit  erhalten  haben. 

In  England  soll  erst  im  Jahre    1690    eine    Zeugdruckerei   zu   Bichmond 
von    einem    aus    Frankreich    vertriebenen    Hugenotten    angelegt    worden    sein. 
Die  englischen  Seiden-  und  Wollweber    widersetzten    sich   nicht   nur    der   An- 
Heiden, Handwörterbuch  der  Textilkunde.  42 


658  Zeugdruck. 


fertigung  gedruckter  StofiPe  im  eigenen  Lande,  sondern  aucli  deren  Einführung 
aus  Indien  in  der  heftigsten  Weise,  jedoch  wurden  selbst  trotz  des  Yerbotes 
der  E-egierung  solche  von  der  englischen  und  holländisch-ostindischen  Kom- 
pagnie durch  Schmuggelhandel  eingeführt,  bis  noch  strengere  Gesetze  er- 
lassen wurden,  welche  das  Tragen  solcher  Stoffe  durchaus  verboten;  auch  in 
Frankreich  wurden  ähnliche  Gesetze  erlassen.  Um  das  Jahr  1735  wurde  zwar 
in  England  das  letztere  Gesetz  aufgehoben  und  die  Herstellung  sogen,  englischer 
Kattune  erlaubt,  jedoch  mit  der  Einschränkung,  dass  die  Kette  aus  Leinen- 
garn und  nur  der  Einschuss  aus  Baumwolle  bestehe  und  dass  eine  hohe  Ab- 
gabe entrichtet  werde,  so  dass  das  Emporblühen  dieser  Industrie  unmöglich 
wurde,  und  es  wird  vom  Jahre  1750  berichtet,  dass  nur  50  000  Stück  ge- 
mischter Stoffe  gedruckt  worden  sind.  Erst  um  das  Jahr  1766  fasste  die 
Fahrikation  in  Lancashire  festeren  Euss,  woselbst  sie  später  einen  ausser- 
ordentlichen Aufschwung  nahm.  Im  Jahre  1774  wurde  die  oben  erwähnte 
Beschränkung  aufgehoben,  die  Abgaben  vermindert  und  1831  dieselben  ganz 
abgesetzt. 

In  Frankreich  hob  man  diese  Beschränkungen  schon  früher  auf,  jedoch 
gegen  den  lebhaften  Einspruch  der  "Weber  in  Lyon  und  Bouen,  und  blühte 
daselbst  diese  Industrie  kräftig  auf,  obschon  sich  die  französischen  Kattun- 
drucker den  englischen  gegenüber  insofern  im  Nachteil  befanden,  als  sie  die 
Baumwollengewebe  teuerer  bezahlen  mussten.  Nach  Otto  v.  Schorn,  Die 
Textilkunst,  Leipzig  1885,  beginnt  hier  die  Entwickelung  des  Zeugdrucks  zu 
einer  eigentlichen  Industrie  gegen  Ende  des  17.  Jahrhdts.,  nachdem  unter 
Ludwig  XIY  eine  siamesische  Gesandtschaft  mit  farbigen  Blumenmustern  be- 
druckte Kattune  nach  Frankreich  gebracht  hatte.  Diese  fanden  Nachahmung 
und  kamen  unter  der  Bezeichnung  „Indiennes"  in  den  Handel.  (Siehe  auch 
die  Artikel  Bandanadruck,  Batik,  Berilldruck,  Golgasdruck,  Lapisdruck,  Walzen- 
druck, Wollendruck;  auch  unter  Japan). 

Literatur:  Ben  ade  &  Storck,  Der  Zeugdruck,  Artikel  in  Karmarsch  und 
Heerens  Technischem  Wörterbuch,  Prag  1890;  Breyga,  Handbuch  des  gesamten 
Baumwollzeugdrueks,  Leipzig  1881;  Crookes,  A  practica!  handbook  of  dyeing  and 
calico-printing,  London  1874;  Depierre,  Traite  de  la  teinture  et  de  l'impression  des 
matieres  colorantes  artificielles,  Paris  1892 ;  Dingler,  Xeues  Journal  für  die  Indienne- 
oder  Baumwolldruckerei,  der  Leinen-,  Seiden-  und  Wollzeugdruckerei  u.  s.  w.,  Augs- 
burg 1815 — 1818;  Duerr,  Bleaching  and  Calico-Printing,  London  1896;  Forrer, 
Die  Zeugdrucke  der  byzantinischen ,  romanischen ,  gotischen  und  späteren  Kunst- 
epochen, Strassburg  1894;  Derselbe,  Les  imprimeurs  de  tissus  dans  leurs  relations 
histor.  et  artist.  avec  les  corporations,  Strassburg  1898;  Derselbe,  Die  Kunst  des 
Zeugdrucks  vom  Mittelalter  bis  zum  Empirestil,  Strassburg  1898:  Georgiewics,  von, 
Lehrbuch  der  chemischen  Technologie  der  Gespinn stfasern,  Leipzig  und  Wien  1898 ; 
Grothe,  Färberei  und  Zeugdruck,  Leipzig  1885 ;  Joclet,  Woll-  und  Seidendruckerei, 
Wien  1879;  Kielmayer^  Die  Entwickelung  der  Färberei,  Druckerei  und  Bleicherei, 
Augsburg  1879;  Kurrer,  von,  Geschichte  der  Zeugdruckerei,  Nürnberg  1840;  Der- 
selbe, Die  Druck-  und  Färbekunst,  Wien  1848 — 50;  Derselbe,  Das  Neueste  in  dem 
Gebiet  der  Färberei  und  des  Kattundrucks,  Berlin  1861;  Laub  er,  Handbuch  des 
Zeugdrucks,  Wien  und  Moskau  1887 — 98;  Lehne,  Tabellarische  Uebersicht  über  die 
künstlichen  organischen  Farbstoffe  und  ihre  Anwendung  in  Färberei  und  Zeugdruck, 
Berlin  1893,  Ergänzungsband  1898 — 99;  Meyer,  Das  Färben  und  Bedrucken  der 
Gewebe,  Hamburg  1891;  Möhlau,  Organische  Farbstoffe,  welche  in  der  Textil- 
industrie Verwendung  finden,  Dresden  1890;  Noelting  und  Lehne,  Anilinschwarz 
und  seine  Anwendung  in  Färberei  und  Zeugdruck,  Berlin  1892;  Persoz,  Traite 
theorique  et  pratique  de  l'impression  des  tissus,  Paris  1846;  Rouffaer  und  Juynboll, 
Die  indische  Batikkunst  und  ihre  Geschichte,  Haarlem  1899;  Sansone,  Der  Zeug- 
druck, Berlin  1890;  Schützenberger,  Traite  des  matieres  colorantes  comprenant 
leurs  applicatious  a  la  teinture  et  ä  l'impression,  Paris  1867;  Derselbe,  Die  Farb- 
stoffe mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Anwendung  in  der  Färberei  und  Drucke- 
rei,  Berlin  1873;  Seemann,  Japanische  Färbeschablonen,  Leipzig  1899;  Soxhlet, 
Anilinfärberei  und  Druckerei  auf  ßaumw ollwaren,  AVien  1890;  Zipser^  Geräte  und 
Maschinen  der  Wäscherei,  Bleicherei,  Färberei  und  Druckerei,  Wien  1894. 


Zeulenroda  —  Znaim. 


659 


Zeulenroda,  Stadt  im  Fürstentum  Reuss  a.  L. :  Fabrikation  von  wollenen 
und  baumwollenen  Strumpfwaren  und  Zeugen,  Färbereien  und  Leinwandliandel. 

Zibelinegarne,  s.  Moulineegarne. 

Ziegenhain,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Kassel :  Strumpfwarenfabrikation 
und  Teppichknüpferei. 

Ziegenhals,  Stadt  im  preuss.  Eeg.-Bez.  Oppeln:  Schafwollspinnerei, 
Leinen-  und  Damcstweberei ,  Bleicherei  und  Fabriken  für  vStrumpf-  und 
Wollwaren, 

Ziegenwolle,  die  Haardecke  verschiedener  Ziegenarten,  dient  zur  Her= 
Stellung  von  Schals,  Teppichen  u.  dgl. 

Zielenzig,  Stadt  im  preuss.  E,eg.-Bez.  Frankfurt  a.  0.:  Streichgarn- 
spinnerei, "Wollspinnerei,  Tuchfabrikation. 

Zierstiche,  s.  Nähen. 

Ziesar,  Stadt  im  preuss.  Reg.-Bez.  Magdeburg:  Tuch-,  Leinen-  und 
Strumpfweberei. 

Ziesel,  die  Schnüre  zum  Ziehen  der  Lätzen  am  Zampelstuhl. 

Zindeltaffet,  ein  sehr  leichter  Taffet. 

Zinna,  Ortschaft  im  preuss.  E.eg.-Bez.  Potsdam:  bedeutende  Leiuwand- 
weberei,  Plüsch-  und  Wollzeugfabrikation. 

Zinnigenabschluss,  Zinnigen,  Mauerzinnen  nannte  man  im  16.  Jahrh.  in 
Deutschland  die  Spitzen,  also  dem  italienischen  merli  entsprechend.  Grottfried 
Semper  weist  bei  dem  Zin- 
nigenmuster  als  Umrand- 
ung textiler  Stoffe  auf  dessen 
Ursprung  aus  der  Baukunst 
hin,  woselbst  schon  in  Aegyp- 
ten  und  Assyrien  als  Sims- 
bekrönungen  Zinnen  im  sog. 
Dreischlitz  erscheinen,  die  in 
erweiterter  Form  auch  als 
Borte  antiker  Mosaikfass- 
böden wahrzunehmen  sind. 
Abb.  352  stellt  eine  kilimartig 
gewirkte  Decke  aus  Kaukasien 
dar,  in  welcher  ein  solcher 
Abschluss  zur  breiten  linearen 
Kunstform  geworden  ist,  die 
aus  der  Schichtweberei  her- 
aus sich  weiter  entwickelt  hat 
und  in  den  orientalischen  Ki- 
lims  auch  als  wechselnder  Quer- 
streifen   charakteristisch    ist. 


Abb.  352. 


Abb  il  düng: 

352.  Originalaufnahme  einer  gewirkten  Decke  aus  blauer  und  weisser  Wolle 
mit  Randborteu  aus  Zinnigen- Ab  Schlüssen.     Kaukasisch  19.  Jahrh, 

Zintenhof ,  in  der  Umgegend  von  Bernau  in  Livland  liegendes  Bittergut 
mit  einer  grossen  Tuchfabrik,  welche  jährlich  10  000  Stück  Tuche  und  Trikot- 
fabrikate von  über  1  Million  Bubel  fertigt. 

Zittau,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Bautzen:  Baumwoll- 
spinnerei, Kleiderstoffweberei  (darunter  die  Aktiengesellschaft  Mechanische 
Weberei  mit  750  Arbeitern).  Handel  mit  Grarnen,  Leinenwaren  und  Baum- 
wollstoffen. 

Zitz,  Zitse,  ein  feiner,  bunter  Kattun;  der  Name  kommt  vom  englischen 
chits,  chints,  chintz,  einem  aus  dem  Indischen  stammenden  Wort,  das  soviel 
wie  chinesisch  heisst. 

Znaim,  Stadt  in  Mähren:  Tuchfabrikation  und  Baumwollweberei. 


660 


Zofingen — Zopfstil. 


Zofingen,  Stadt  im  Schweiz.  Kanton  Aargau:  Seidenbänder-,  Wirk-, 
Halbwoll-  und  Baumwollwarenfabrikation,  Färberei  und  Garnspinnerei;  Lein- 
wand- und  Wachstuchfabriken. 

ZÖlkiew,  Stadt  in  Gralizien:  Tuch-  und  Wollzeugweberei. 

Zopfstil  bezeichnet  in  Deutschland  die  Kunstweise  der  Zeit  nach  Friedrich 
dem  Grrossen,    welche   aus    dem  in   Frankreich   herrschenden    Stil  Louis  XYI. 

Abb.  353. 


entstanden  ist.  Letzterer  beginnt  seine  Entwickelung  schon  um  die  Mitte  des 
18.  Jahrhdts.,  indem  die  antikisierende  Richtung  eine  zierliche  Verbindung 
mit  den  Hesten  des  Rokoko  (s.  d.)  eingeht.  Und  wie  in  den  übrigen  Stilarten 
die  französische  Kunstweise  im  Kreise  der  Architektur  keine  Rolle  spielt, 
sondern  mehr  in  der  Dekoration  der  Innenräume  auf  dem  Gebiete  der  Kunst- 
industrie viel  ausschliesslicher  zur  Geltung  kommt,  so  auch  hier.  Inmitten 
weisser  glatter  Flächen  zwischen  den  immer  knapper  werdenden,  geradlinig 
sich    gestaltenden    plastischen    Umrahmungen    aus    vergoldetem    Stuck,    dessen 


Zopfstiel. 


661 


Dekoration  auch  die  Möbel  annehmen  (Abb.  353),  machen 
sich  die  Erzeugnisse  der  textilen  Künste  geltend,  um 
möglichst  zarte  Farbentöne  zur  massigen  Belebung  des 
Glänzen  hineinzutragen.  Gewebe  und  Stickereien,  erstere 
in  Tapetenstoffen  (Abb.  354),  passen  sich  in  ihren  Zeich- 
nungen den  modellierten  Einzelheiten  aus  ovalen  Medail- 
lons ,  Lernen ,  Perlengehängen  u.  dgl.  an ,  die  Muster 
wiederholen  sich  im  pilasterartigen  Aufbau,  genau  so,  wie 
die  italienische  Renaissance  die  Antike  kopierte,  nur 
dass  hier  jeder  Linie  etwas  eigen  ist,  was  den  vorneh- 
meren Zug  der  organischen  Entwickelung  von  dort  her 
nicht  hinübergenommen  hat.  Dieselbe  Leichtigkeit  in 
der  Auffassung  überträgt  sich  auch  stilistisch  auf  die 
Technik.  Die  Tambourierarbeit  muss  genügen  _,  um  mit 
Zuhilfenahme  einiger  Malerei  einen  Lambrequinstreifen 
mit  Querstange  und  umwickelter  Draperie  plastisch  dar- 
zustellen (Abb.  345,  S.  639  u.  Abb.  355).  Tnd  dennoch  hilft 
das  Graziöse,  mit  welchem  solcher  stilistische  Leichtsinn 
verübt  ist,  über  jedes  Bedenken  hinweg:  die  geschickte 
Vereinigung  des  Materials  im  Zusammenhange  mit  Ele- 
ganz und  Vornehmheit  der  Farbengebung  bergen  ihre 
umvillkürlichen  Reize.  Aber  der  künstlerische  Zauber 
einer  taufrischen  Blütenlese  antiker  Formensprache  aus 
Klein-Trianon  war  gar  bald  verweht  in  der  kalten  nüch  • 
ternen  Ausdrucksweise  eines  steifen  Empire's  (s.  d.). 

Abbildungen: 

358.  Darstellung  aus  :  Heiden,  Musteratlas,  Leipzig  1896  : 
ßl.  13L  Lehnstuhl,  Holz  geschnitzt  und  vergoldet,  gepolsterte 
Rücklehne  und  Kissen  mit  gesticktem  L'eberzug.  Original 
(aus  dem  Zimmer  der  Königin  Maria  Antoinette)  im  Königl. 
Kunstgewerbe-Museum  zu  Berlin,  Frankreich  um  1790. 

354.  Darstellung  aus :  L'art  decorer  etc.  par  ]\L.'.  Cox, 
Lyon  1900  Bl.  CXI.:  Seidenstofftapete,  G-rund  rot,  Muster  weiss: 
Pilaster artiger  Aufbau ,  von  Blumenfeldern  und  Vasen  zwischen 
Gehängen  in  geraden  Doppellinien.     Frankreich  um  1790. 

Abb.  355. 


Abb.  354. 


602  Zoppot — Zweirechtiger  Köper. 

355.  Darstellung  wie  353:  Behangstreifen,  Stickerei  auf  weissem  Atlas  in  far- 
biger Seide  im  Tambouriersticli  mit  gemalten  Zwischenteilen:  Bogenfelder  aus  drapier- 
ten Bändern  und  gewundenen  Blatt-  und  Blütenranken.     Frankreich  um  1790. 

Zoppot,  Dorf  im  preuss.  ßeg.-Bez.  Danzig:  Fabrikation  von  Shoddy- 
z engen. 

Zottelsammet,  WollenstofF  mit  langen,  herabhängenden  Noppen,  von  den 
Völkern  des  Nordens  in  Nachahmung  des  Tierpelzes  gearbeitet,  wahrscheinlich 
identisch  mit  einem  solchen  Stofife,  welcher  in  einem  koptischen  Grabe  ge- 
funden ist.     (Vgl.  Sammet,  S.  454). 

Zrbia  heissen  in  Marokko  die  Knüpfteppiche. 

Zschopau,  Stadt  in  der  sächs.  Kreishauptmannschaft  Zwickau:  Streich- 
garnspinnerei, Appreturanstalt,  Baumwollspinnerei,  Bleicherei,  Zwirnerei,  Fär- 
berei, Kattundruckerei,  Strumpfwirkerei,  Fabriken  für  Buckskin,  Kassinet, 
Flanell,  Baumwoll-  und  Leinenwaren. 

ZÜchen,  Züchenleinwand,  weiss  und  bunt  gestreifte,  zwillichartig  bezw. 
rautenweise  aus  flächsenem  Garn  gewebte  Zeuge,  welche  als  Bettzeug  verwendet 
und  an  vielen  Orten  Deutschlands  teils  für  den  heimischen  Bedarf,  teils  für 
den  Export    nach  Italien,    Spanien,    Portugal   und   Amerika    gefertigt  werden. 

Zuckmantel,  Stadt  in  Oesterreichisch-Schlesien:  Baumwoll-,  Leinen-, 
Damast-  und  Seidenindustrie. 

Zug,  in  der  Musterweberei  Vorrichtung  zur  Fachbildung  durch  Ziehen 
anstatt  durch  Treten. 

Zugnadeln,  Zugruten  werden  die  zur  Anfertigung  des  gezogenen  Sam- 
mets  erforderlichen  Ruten  genannt. 

Zugstuhl   =  Kegel-  oder  Zampelstuhl. 

Zürich,  Stadt  im  gleichnamigen  Schweiz.  Kanton :  bedeutende  Baumwoll- 
und  Seidenspinnerei  und  -Weberei,  Druckerei,  Färberei. 

Zurichten,   bei  Geweben  appretieren. 

Zurkamwolle,  die  lange,  zottige  und  harte  Wolle  einer  wallachischen 
Schafrasse. 

Zurückweben,  fehlerhafte  Stellen  eines  Gewebes  wieder  auflösen. 

Zurzach,  Marktflecken  im  Schweiz.  Kanton  Aargau:  Stickerei,  Leinwand- 
und  Wäschefabrikation. 

Zusammengesetzte  Bindungen  werden  bei  fassonierten  Stoffen 
angewendet,  während  einfache  und  gemischte  Bindungen,  wenn  sie  als  selb- 
ständische  Warenverbindung  vorkommen,  glatte  Stoffe  erzeugen,  (s.  Taf.  XVI). 

Zuschneidemaschinen,  Maschinen  zum  gleichzeitigen  Zuschneiden  mehrerer 
Lagen  Tuch  usw. 

Zütphen,  Stadt  in  der  niederl.  Provinz  Gelderland:  Fabrikation  von 
Leinwand,  Tuch,  Baumwollwaren. 

Zu  Wefel  gedreht  heisst  links  gedrehtes,  zu  Werft  gedreht  rechts 
gedrehtes   Garn. 

Zwehle,  Twehle  (althochdeutsch:  dwahilla  von  dwahom,  waschen,  daher 
Tuch  zum  Abtrocknen),  schmales  Leinentuch,  Handtuch,  Tischtuch  u.   dgl. 

Zweibrücken,  Stadt  imbayer.  Heg.-Bez.  Oberpfalz  :  mechanische  Zwirnerei, 
Stickerei ;  Fabriken  für  Seidenplüsch,  Herrenkleider,  Strickwolle,  Tuch  und  Flanell. 

Zweichorig,  Stoffe,  welche  so  gewebt  sind,  dass  die  Schäfte  in  zwei 
Partien  oder  Chore  geordnet  sind. 

Zweifädig,  aus  zwei  Fäden  zusammengezwirnt,  von  Leinenzwirn,  Organsin- 
oder Tramseide;  zweifädigen  Grund  hat  ein  Sammetgewebe,  wenn  immer 
zwei  Kettenfäden  des  Grundgewebes  neben  einem  Faden  der  Sammetkette  liegen. 

Zweihändig  heissen  Tapeten,  welche  mit  zwei  Druckformen  bedruckt, 
also  zweimal  durch  die  Hände  gegangen  sind. 

Zweimännig  werden  Handwebestühle  genannt,  auf  welchen  breite  Stoffe 
von  zwei  Arbeitern  gewebt  werden,  die  abwechselnd  den  Schützen  werfen 
oder  auffangen. 

Zweirechtiger  Köper  zeigt  auf  beiden  Seiten  gleich  viel  von  Kette 
und  Schuss. 


Zwettl— Zwillich. 


663 


Zwettl,    Stadt  in  Niederösterreicli :    Leinwand-,    Baumwoll-,    Tuch-    und 
Bandweberei ;  Färberei. 

Zwickau,  Hauptstadt  der  gleichnamigen  kgl.  sächs.  Kreishauptmannschaft: 
Fabriken  für  Säcke  und  Tuch;  Vigognespinnereien,   Strumpfwirkereien. 

Zwickau,  Stadt  in  Böhmen :  Baumw^ollwarenfabrikation,  Bleicherei,  Bunt- 
färberei und  Türkischrotfärberei. 

Zwiebelmuster,  für  Damastweberei  und  Leinenstickerei   in  Nachahmung 
sächsischen  Porzellandekors  als  Tischzeug  modern  geworden.     (Abb.  35G). 

Abbildung: 

356.    Darstellung    (aus 
Modenwelt)    des    sogen. 


gezeichnet 
Kreuz-  und 

Zwilch , 


der 

Zwiebelmusters  , 
für  Stickerei  im 
Strichstich. 

Zwillich 

Drell,  Drill,  Drillich,  Tril- 
lich  (franz.:  treilis,  coutil; 
engl. :  treilis,  ticking),  ist 
eine  Gattung  von  Geweben, 
welche ,  obwohl  sie  nicht 
durchgängig  einerlei  bedeu- 
ten ,  doch  die  genannten 
Namen  führen  und  welche 
das  gemein  haben,  dass  sie 
geköperte,  und  zwar  teils 
glatte ,  teils  gemusterte 
StofPe  sind,  in  den  meisten 
Fällen  mit  einfacher,  z.  T. 
auch  reicherer  Musterung 
und  geradlinigen  Figuren, 
doch  auch,  da  man  jetzt  zur 
Zwillichweberei  selbt   den 

Jacquardstuhl  benützt, 

mit  freieren  Zeichnun- 
gen, den  eigentlichen 
Damast  nachahmend 
und  diesen  sogar  z.  T. 
verdrängend.  Der  Un- 
terschied von  Zwillich 
und  Drillich  besteht 
darin,  dass  der  erstere 
nur  einen  glatten,  fort- 
laufend vier  schäftigen  Köper  ohne  Musterung  hat,  der  letztere  dagegen  ge- 
mustert und  mit  so  viel  Schäften  gewebt  ist,  als  die  Grösse  der  Muster  er- 
fordert. Ursprünglich  webte  man  alle  hierher  gehörenden  Artikel  aus  Leinen 
und  stärkere  zuweilen  aus  Hanfgarn,  während  man  jetzt  neben  solchen  auch 
viel  halbleinenen  mit  baumwollener  Kette  oder  solchem  Einschlag,  sowie  ganz- 
baumwollene und  solche  hat,  bei  denen  mehr  oder  weniger  Baumwolle  in  den 
Leinenstoff  eingeschmuggelt  ist.  Die  Stoffe  sind  entweder  roh  belassen  oder 
weiss  gebleicht,  einige  durch  Hinzunahme  farbigen  Garns  gestreift,  quadrilliert, 
meliert  usw.  Die  Gewebe  dienen  in  ihren  verschiedenen  Sorten  zu  mancherlei 
Zwecken :  als  Bettzwillich,  entweder  ganz  Leinen  mit  gestreiften  Mustern,  oder 
rot-,  blaustreifig  mit  baumwollenem  Schuss.  Die  Qualität  ist  verschieden;  die 
besten  Bettzwilliche  kommen  aus  der  Gegend  von  Zittau,  Bautzen  und  Löbau, 
dann  aus  Rumburg,  Warnsdorf  und  überhaupt  aus  den  böhmischen  Gegenden 
an  der  sächsischen  Grenze,  ferner  aus  dem  Eisenachschen,  Gothaischen  usw. 
und  werden  meist  auf  den  Messen  in  Leipzig,  Frankfurt  und  Wien  verkauft 
oder  gehen  über  Hamburg  und  Bremen  nach  Amerika  und  Spanien.  —  Nach- 


6ß4  Zwirn — Zwittau. 


ahmungen  der  leinenen  Z.  in  ganz  Baumwolle  heissen  Bettdrell,  Matratzen- 
zwillicli,  Coutils  und  bestehen  nur  aus  fortlaufendem  vier  schäftigem  Köper, 
z.  T.  farbig  gestreift  und  kariert  und  nur  in  gewöhnlichen  Sorten  vorkommend 
und  zu  geringer  Tischwäsche,  Matratzen,  Bouleaux  und  Strohsäcken  verwend- 
bar. Sebnitz  in  Sachsen  ist  der  Hauptsitz  dieser  Industrie.  Dann  hat  man 
Tischzeug-  und  Handtuchdrell  mit  grösseren  und  kleineren  rechtwinkeligen 
Mustern  (Baummuster,  Kreuzdukatenmuster,  Steinmuster,  gebrochener  Stab  usw.) 
oder  das  Tischzeug  in  damastähnlichen  Figuren  auf  dem  Jacquard  stuhle  gewebt. 
Die  Oberlausitz,  namentlich  Waltersdorf,  Steinigtwolmsdorf,  Sohland,  liefert 
eine  schöne  Ware  dieser  Art,  dann  auch  in  Böhmen,  Schluckeuau,  Bumburg, 
Warnsdorf,  Trautenau  und  dann  besonders  Sternberg,  Zwittau,  Janowitz,  Olmütz, 
sowie  Brunn,  in  Preussen  ist  Düsseldorf,  Elberfeld,  Mettmann,  die  Halber- 
städter Gegend,  dann  Marburg,  Fulda  usw.  hervorragend  in  der  Zwillich- 
fabrikation. Wichtig  ist  schliesslich  noch  die  Fabrikation  von  Hosendrell,  von 
Leinen  und  Baumwolle  gemischt,  gestreift,  gemustert,  geflammt  und  meliert, 
namentlich  in  Zittau. 

Zwirn  heisst  im  allgemeinen  jeder  Faden,  der  durch  Zusammendrehen 
(Zwirnen)  zweier  oder  mehrerer  Fäden  entstanden  ist.  Je  nach  der  Zahl  der 
verwandten  Fäden  heissen  die  Z.  2-,  3-,  6-,  8-drähtig  usw.  Höhere  Ziffern 
verbundener  Fäden  (von  10  oder  12  ab)  gehen  über  den  Begriff  von  Z.  hinaus 
und  bilden  Kordeln.  Zweifädiger  Z.  heisst  Eisengarn  und  ist  mit  Stärke 
appretiert.  Je  nach  dem  Material  gibt  es  Leinen-,  Wollen-,  Baumwollen-, 
Seiden-  und  Hanfzwirn.  Häufig  nennt  man  die  gezwirnten  Artikel  dennoch 
Garn,  so  namentlich  die  wollenen  und  baumwollenen  Strickgarne,  die  alle  ge- 
zwirnt sind.  Die  Garne  zu  den  Z.  sind  in  neuerer  Zeit  hauptsächlich 
Maschinengarne  mit  Ausnahme  der  feinsten  Gespinste  aus  Flachs  zu  den  hoch- 
feinen Spitzen.  In  Böhmen,  wo  sehr  viel  Z.  von  jeher  geliefert  werden,  hat 
das  englische  Maschinengarn  auch  schon  grossenteils  das  Handgarn  verdrängt. 
Das  Z.  selbst  geschieht  auf  Maschinen  (Zwirnmühlen) ,  die  entweder  Hand- 
maschinen sind  von  16 — 32  Spindeln  oder  grosse  komplizierte  Werke  von 
100  —  200  Spindeln,  die  von  Wasser  oder  Dampf  betrieben  werden.  Die  Z. 
kommen  roh  oder  meist  gebleicht  in  verschiedenen  Farben  und  auch  meliert 
in  den  Handel  und  die  verschiedenen  Stärkegrade  sind  durch  Nummern  be- 
stimmt. Das  Material  zum  Nähzwirn,  der  immer  stärker  gedreht  ist,  als  andere 
Sorten,  ist  Leinen,  Hanf  oder  Baumwolle,  die  letztere  hauptsächlich  durch  die 
Engländer  eingeführt.  Es  werden  in  Deutschland  vieler  Orten,  namentlich  auch 
in  Sachsen,  gute  Zwirne  geliefert;  indessen  besteht  doch  noch  eine  ansehnliche 
Einfuhr  von  rohen,  gebleichten  und  farbigen  Leinenzwirnen  aus  England,  wo 
vorzügliche  Qualitäten  von  Leith,  Paisley,  Aberdeen,  Dundee  und  Dublin  her- 
gestellt werden.  Z.  werden  ausser  zum  Nähen,  Stricken,  Sticken  und  Zeichnen 
auch  gebraucht  zur  Herstellung  von  Wirkwaren^  namentlich  Handschuhen  und 
Strümpfen,  zu  Häkelarbeiten,  als  Kette  zu  gewissen  Webereiwaren,  zu  Lampen- 
dochten, die  feinsten  zu  Spitzen.  Der  leinene  Litzenzwirn  ist  eine  besondere 
zu  den  Litzen  der  Webegeschirre  bestimmte  AYare.  Im  sächsischen  Yogtlande, 
der  Pflegstätte  der  Weisswaren  und  des  Spitzenklöppelns,  werden  die  hierzu 
nötigen  Baumwollzwirne  und  überhaupt  alle  Zwirnsorten  von  mehreren  grösseren 
und  kleineren  x^nstalten  gefertigt,  und  es  bilden  darunter  die  Z.  zur  Maschinen- 
stickerei einen  starken  Anteil.  Böhmen  liefert  besonders  im  Leitmeritzer 
Kreise  jeden  Z.,  ebenso  Laubegast  und  Lockwitz  bei  Dresden;  ferner  West- 
falen, Hannover,  Hessen,   Gotha  usw. 

Zwirnen,  mehrere  Fäden  zu  einem  zusammendrehen. 

Zwischensatz,  Einsatz  (franz.  entre-deux),  ungezackte  Spitzen  zum  Ein- 
setzen zwischen  zwei  Zeugstücke. 

Zwittau,  Stadt  in  Oesterreich:  Schafwollspinnerei,  Fabrikation  von 
Leinen-  und  Barchentwaren,  Tuch,  Jutewebstoffen ;  Färberei  und  Flachshandel. 


Tafel  L 


Wirkereien  und  Webereien  aus  koptischen  Gräbern. 


PfelöMSiS^I 


.-^^mM 


Ä 


%i 


OriginalaufnaJiinen  aus  dem  Kaiser  Friedrich  Museuui  in  Berlin. 


Webereien  des  frühen  Mittelalters. 


Tafol  IL 


Nach  vorhandenen  Abbildungen  und  Originalen  gezeichnet  von  Ernst  Flemming,  Berlin. 


Tafel  IIL 


Webereien  des  späteren  Mittelalters. 


Darstellungen  nach  vorhandenen  Abbildungen. 


Webereien  der  Gotik  und  Frührenaissance. 


Tafel  IV. 


ii2 

1^ 

jüMlf 

^& 

W: 

;1 

s 

M 

M 

1 

s? 

s 

w 

H 

i 

Q 

R^fs 

m 

B 

1 

Pj»iw|'*^ 

^ 

^M 

^^ 

1^ 

Origuialauftialiinen  aas  dem  Königl.  Landes-Gctrei-beutuseuin  in  Stidtgart. 


Webereien  der  Renaissance. 


Tafel   V. 


Or ig i)ialai.(f nahmen  aus  dem  Königl.  Landes-Geicerhemuseum  in  Stuttgart. 


Tafel   VI. 


Webereien  aus  China  und  Japan. 


ws.^^^m'^M. 


Originalaufnahnien  aus  de))i  Königl.  Landes-Gewerbeinuseuvi'  iu  Stuttgart. 


Tafel  VIL 


Webereien  aus  Indien,  Persien  und  der  Türkei. 


:W     ■ 

- 

ik"  : 

^IcJ 

mIj*- 

k!'"~'" 

f' 

\ 

7^**«**"«| 


Originalaufnalimoi  aus  dem.  Kört /gl.  Laiidcs-Gewerboiniseu/n  in  Stuttgart. 


Tafel    VIIJ. 


Europäische  Textilmuster  der  Neuzeit. 


iCr-'<f 


m  \^-%  -A 


Dar  Stellung  eil  nach  vorhandenen  Abbildungen. 


Aufnäharbeiten  der  Renaissance. 


Tafel  IX. 


Originalaufnahmen  aus  der  Sammlung  der  Städtischen  Höheren    Weheschule  in  Berlin, 
gezeichnet  von  Ernst  Flemming ,  Berlin. 


Tafel  X. 


Genähte  Spitzen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts. 


TW^ 


*'.:%  ■••'»! 


K^\ 


(iS«^'^ 


^S5yKfi*Jft:5f;'^ 


;.  2»n::r>  ^-.'j 

'•  k'.'j 

^ ,  ^-ri'r»'. 

v>r 

■■•:^'C'.'  ^^j^ 

'    '-»V 

'.'-^f** 

*«.* 

'-vi 

r. ,  ^^  ,11  ,', 

,   '.', 

*r  "^»^ 

:r^ 

^cr^,j'^t: 

--, 

,  l    *. 

Hl?^^ 

V 

3  :,,r 

> 

*' 
"%"* 

»^■"J"^ 
^.^ 

■i 

iS 

ii 

1 

Darstellungen  nach  vorhandenen  Ahhihlungen. 


Tafel  XI. 


Genähte  und  geklöppelte  Spitzen  des  18.  Jahrhunderts. 


T^?^T 

-r---^-  ^^^ 

i-^ 

'/'-^ 

->  ^^ .  ^ 

d^ 

•rm 


^ 


ÜA^ii^MMl^ 


p.l        I    I  liiiP^WlPHIWPipip^ 


1^^ 


TolSHS^^^^^^S^^^^^^^BlIll^nHHHHHHPI^^BIR^S 


ü    liM 


i 

i 

"tü^ 

^^  ^-X^-^Nv 


Darstellungen  nach   Originalen  und  vorhandenen  Abbildungen. 


Tafel  XIL 


Spitzen  des  18.  und  19.  Jahrhunderts. 


f'iv*;»  «,•>',•  •.•/.*  ^^y,'*  ''/''*  *'»»!•?*»/*•!!.! *d 

'  ♦$'*«  *5;Ji*  itfccf  *,''f •  •if'^  -*Ä*!*  *Ä>'  f->^3 


5 

._2. 

=I#5^^^ 

1^' 

■?, 

^';^\/ 

,.    ;    »^ 

•i»^ 

■j-  V 

.f-^:«iÄÄ\iifii/.. 

.<i 

Uv\#» 

....■•ii?ii.: 

^ 

»»     '«'   V. 

•;♦  •;-  •;•  '. 

,'  %'  .1 

V.  '.'  *«*.  V. 

Darstellungen  nach  vorliandenen  Abbildungen. 


Tafel  XIIL 


Orientalische  Knüpfteppiche  des  18.  und  19.  Jahrhunderts. 


Originalaiif nahmen  aus  den  Beständen  des  Hauses  Budolpli  Hertzoci  in  Berlin. 


Tafd  XIV 


Orientalische  Teppiche  des  19.  Jahrhunderts. 


On'ginalaufnahmen  aus  den  Beständen  des  Hauses  Budolph  Hertzog  in  Berlin. 


Tafel  XV. 


Darstellungen  von  Bindungen  in  der  Weberei. 


^  1  K  wvvwwww  /VI  1 ) 

=ii=si^  rt^  fytr%jf  li^feir 


i>       K'j-a 


•XsXiXiX?X£<?<sX?>Ö>©®©3e£0^ 


iiKfy^^mS'!' 


K^^^waLjWXffStn^ 

?t^?^@Ü:S|^2'ii 

?:•:? 

"Ä-"' 

^^ 

'^^ 

■ 

A-r^ 

I"." 

'S:!"! 

i^ 

"SSc'a'En 

'■'■' 

■  ^■« 

r-^Stv 

!.:■: 

XH 

3a&ai^?f^^äö©ö?^'s^^ 


Wi=^ 

^ 

Xigg 

ffl^^ 

^t^ 

v^I^^ 

t^^ 

FHUj-p" 

J»^  J^ 

— 1?^ 

Mjsg 

iy^ 

J^^^tH^ 

5^^ 

1  n  ^  [  1+ 

^  1  1   J^ 

tj^ttV 

1  iH^  '  ! 

ürilKii 

jt^ni^ 

f^^cfS: 

^^=3^ 

1  n  tf  ^  mI 

'  ji  ;  n^  j 

-l-p  ^  1  1 

H 

^ 

>r  ,  1  ^^ 

r[W.  J  i  1 

^S 

1^7 

%i^ÄÄ^% 


V  W  --0  V  ".  •._ 


E 

^^1 

i 

p 

M 

i 

^@ 

mrrk 

bi 

^-  ^J '0 

IfR 

ii^ 

S3 

3i 

3 

ii 

Ül 

g 

}\ 

Ipi 

m^ 

IS 

s 

nj 

Sl 

iS 

^ 

^ 

s 

*«>-. 

Ii 

k. 

'« 

".s: 

iM^ 

ii 

J> 

JS 

-?-^ 

f-"-"« 

% 

^ 

S 

s-A 

'irin 

™" 

-1 

„: 

■•1 

':i■^ 

.:• 

j- 

ri  ■ 

j- 

J" 

J" 

iJ 

M" 

tr 

M" 

L' 

M- 

rf 

ji 

J^^^ 

p 

il 

•ijH^ 

h-fc^wam'MEaaiig 


^ 

g 

g 

^ 

@ 

Wt 

m 

^ 

HL^kI 

fe^ 

T^»"v^^»\».  »  ,»/'» jgvi'>i/''v»  -»-t/'T^gW» 


N 

»3 

1 

Öl 

Bt 

H 

\ 

K  t 

■t 

3^ 

F 

l 

S 

l 

l 

S 

Orkjinalauf nahmen  nach  Zeichnungen  von  Ernst  Flonming,  Berlin. 


Tafel  XVL 
Darstellungen  von  Gewebebindungen  (II)  und  Knüpftechnik. 


'A 

ig 

^4ä 

^ 

%% 

sp 

-'-. 

i 

§1 

^^s 

i^^crß 

;-r-:^ 

'- 

% 

j 

^ 

i 

P 

r:&r:;0 

^^ 

;^ 

ii^ 

^    ll 

sf"  ' 

Q^ 

[r/f 

^ü^^ 

10 

i 

1 

rl 

:p=^ 

3 

r^ 

r 1 

^ 

ij 

fe=^ 

SL 


WJit^L^mi^ 


_N. 

ffej 

E '  T^^i 

i 

^i^-- 

^ä 

M 

S 

v^E^ 

u 

J 

?^ 

1 

|23] 

H 

g 

E 

i 

bt: 

r::^:rr 

P 

^ 

i^ 

^ 

g 

i3i 

^v 

4ffi 

1? 

^^«3 

^P 

W 

W^ 

1 

t^^ 

2=rr^g 

^x 

g 

3 

E 

sJB 

^ 

a 

R 

^^S 

^fc 

|S| 

P 

M 

M 

^as^^ 

^^S 

1 

^^^ 

^j-lTf^ 

■ 

Mitgeteilt  von  Ernst  Flemming,  Berlin.